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Full text of "Berliner Klinische Wochenschrift 1914 51 Teil 2 Ab 1253"

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□ Igltlzedb 



BERLINER 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berdcksichtigaiig der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 
nach amtlichen Mitteilungen. 


Redigiert 


Prof. Dr. C. Posner, und Prof. Dr. Hans Hohn, 

Geh. Med.-Rat, Berlin. Berlin. 


EINUNDFÜNFZIGSTER JAHRGANG. 
II. HALBJAHR. 


BERLIN 1914. 

Verlag von August Hirschwald. 

NW. Unter den Linden 68. 


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Di« Berliner Klinische Wochenschrift, erscheint Jeden 
MonUX ln Nummern von c*. 5—6 Bogen gr. 4. 
Prele vierteljährlich 6 Msrk. Bestellungen nehmen 
Alle Buchhandlungen und PosUnstalten so. 


BERLINER 


Alle tfl neendnngen Är die Bednktlw« und Ärpedltlo» 
wolle man portofrei an die Verlagebuchhandlnng 
Aoguct Hirachwald ln Berlin KW., Unter den Linden 
Kr. 68, adreasieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

fitl. Mei-Rat Prof. Dr. C. Poscer und Prof. Dr. Hans Kok August Hirschwald, V erlagsbuchhandluag in Berlin. 

Montag, den 6. Juli 1914. M 27 . EinundfünMgster Jahrgang. 


i N H 

Origiitlifti: Joseph: Die Pyelographie und ihre chirurgische Bedeutung. 
(Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik Berlin.) (Illustr.) 
S. 1253. 

Casper: Indikationen und Grenzen der Pyelographie. (Illustr.) 
S. 1259. 

Edelberg: Röntgenstrahlen und Schwangerschaft. S. 1262. 

Stern: Erfahrungen mit dem neuen Schlaf- und Beruhigungsmittel 
Dial-Ciba. (Aus der Kgl. psychiatrischen und Nervenklinik zu 
Kiel.) S. 1262. 

Rous: Histologische Variationen eines Hühnersarkoms mittels 
filtrierbaren Agens erzeugt. (Aus den Laboratorien des Rockefeller 
Institute for Medical Research, New York.) S. 1265. 

Lange: Beitrag zur Zeller’schen Pastenbehandlung. (Aus der chir¬ 
urgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses zu Barmen.) 
S. 1266. 

Friderioia: Eine klinische Methode zur Bestimmung der Kohlen¬ 
säurespannung in der Lungenluft. (Aus dem Institut für all¬ 
gemeine Pathologie der Universität Kopenhagen.) (Illustr.) S. 1268. 
Rheindorf: Hysteroneurasthenie oder chronische Appendicitis? 
(Aus der pathologisch-anatomischen Abteilung des St. Hedwigs- 
Krankenhauses zu Berlin.) (Schluss.) (Illustr.) S. 1271. 
Blekerkesprech Bügen : London: Physiologische und pathologische 
Chymologie. S. 1276. (Ref. Dünner.) — Rosenfeld: Die Physio¬ 
logie des Grosshirns. S. 1276. Isserlin: Psychologische Einleitung. 
S. 1276. (Ref. Meyer.) — Ebbinghaus: Abriss der Psychologie. 
S. 1276. (Ref. Seiffer.) — Blumenthal und Gran: SammluDg 
monographischer Darstellungen über Diphtherie. S. 1276. (Ref. 
Abrikossoff.) — Schwenk: Grundlagen und derzeitiger Stand der 
Chemotherapie. S. 1277. (Ref. Morgenroth.) — Reitz: Apparate 


Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik Berlin 
(Geh.-Rat Bier). 

Hie Pyelographie und ihre chirurgische Be¬ 
deutung. 

Von 

Professor Dr. Engen Joseph. 

(Vortrag, gehalten am 18. Mai 1914 in der Berliner medizin. Gesellschaft. 1 ) 

Seit einigen Jahren ist eine neue Untersuchungsmethode von 
Völker und Lichtenberg für die chirurgischen Erkrankungen 
der Niere nnd des Harnleiters eingeführt worden: die Pyelo¬ 
graphie. Die Methode besteht darin, durch den Ureterkatheter 
das Nierenbecken mit Collargollösung, welche für Röntgenstrahlen 
undurchsichtig ist, zu füllen nnd die auf diese Weise ausgefüllte 
und schattengebende Niere röntgenographisch darzustellen. Die 
Methode blieb lange Zeit ziemlich unbekannt, wenigstens in 
Deutschland. Es mögen im wesentlichen zunächst theoretische 
Bedenken über die Gefahren, welche ihr anhaften könnten, ge¬ 
wesen sein, die ihrer Verbreitung im Wege standen. Nachdem 
über ausländische Autoren über eine grosse Anzahl von Pyelo¬ 
graphien, ohne dabei erheblichen Schaden za erleben, berichteten, 
at sich auch in Deatschland das Verfahren mehr eingebürgert 
uud ist theoretisch durch Tierversuche auf seine Gefährlichkeit 
er Ungefäh rlichkeit geprüft worden. Wossidlow nnd Rehn 

v. Ü Siehe folgenden Originalartikel und Diskussion in B.kl.W., 1914, 
Wr ’ 20 > S. 946 und Nr. 22, S. 1052. 


ALT. 

und Arbeitsmethoden der Bakteriologie. S. 1277. Rosenthal: 
Tierische Immunität. S. 1277. Kolle und v. Wassermann: Hand¬ 
buch der pathogenen Mikroorganismen. S. 1277. (Ref. Möllers.) 
Literatür-Anszüge: Physiologie. S. 1277. — Pharmakologie. S. 1277. — 
Therapie. S. 1278. — Allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie. S. 1278. — Diagnostik. S. 1279. — Parasiten künde und 
Serologie. S. 1279. — Innere Medizin. S. 1280. — Kinderheilkunde. 
S. 1281. — Chirurgie. S. 1281. — Röntgenologie. S. 1282. — 
Haut- und Geschlechtskrankheiten S. 1283. — Geburtshilfe und 
Gynäkologie. S. 1283. — Augenheilkunde. S. 1284. — Hals-, Nasen- 
und Ohrenkrankheiten. S. 1284. — Hygiene und Sanitatswesen. 
S. 1284. — Tropenhygiene. S. 1284. — Technik. S. 1284. 
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische 
Gesellschaft. Mühsam: Milzsohuss durch freie Netztransplantation 
geheilt. S. 1285. Diskussion über die Vorträge der Herren Gold¬ 
scheider und Steinitz: Ueber atypische Gicht. S. 1285. — 
Berliner physiologische Gesellschaft. S. 1285. — Berliner 
Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1286. — Berliner otologisohe Gesellschaft S. 1288. — 
Vereinigung zur Pflege der vergleichenden Pathologie. 
S. 1290. — Berliner Gesellschaft für Chirurgie. S. 1294. — 
Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinal¬ 
statistik zu Berlin. S. 1295. — Medizinische Sektion der 
schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur zu 
Breslau. S. 1285. — Nürnberger medizinische Gesell¬ 
schaft und Poliklinik. S. 1298. 

Henius: Vom 40. Deutschen Aerztetage in Münohen. S. 1298. 
Tagesgesohichtliche Notizen. S. 1300. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1300. 


haben Tierversuche in dieser Richtung hin aDgestellt. Ich werde 
auf diese Versuche noch zurückkommen, wenn ich über die Ge¬ 
fahren, welche anscheinend der Pyelographie als theoretischer 
Methode entgegenstehen, sprechen werde. 

Seit dem Sommer des Jahres 1913 habe ich die Pyelographie 
in geeigneten Fällen in der Königl. chirurgischen Universitäts¬ 
klinik angewandt und etwa 90mal ausgeführt 1 ). Ich möchte Ihnen 
zunächst meine Bilder demonstrieren und erläutern, welche Auf¬ 
schlüsse wir durch die Methode bekommen haben, in welchen 
Fällen sie uns ganz besonders wertvoll, in welchen Fällen sie 
ans weniger wertvoll ist. 

Ich zeige zunächst eine Reihe von Bildern des normalen 
Nierenbeckens, um eine Anschauung davon zu geben, mit welcher 
Präcision wir die Formation dieser Organe auf die Röntgenplatte 
zu bringen imstande sind, und um das normale Nierenbecken in 
seiner Konfiguration und variablen Gestaltung vorzuführen, damit 
es später mit dem pathologisch veränderten Nierenbecken ver¬ 
glichen werden kann. 

Das normale Nierenbecken wird (Abbildung 1) etwa in seiner 
Mitte von der 12. Rippe schräg von innen oben nach aussen unten 
geschnitten. Der Ureterabgang liegt ziemlich genau in der Mitte, 
und zwar so, dass der Ureter parallel zur Längsachse des Körpere 
vom Nierenbecken abgeht, sich also bo zum Nierenbecken stellt, 
dass der medial gebildete Winkel etwa 135 Grad, der lateralwärte 
gebildete 46 Grad beträgt. Von dem Nierenbecken ans erstrecken 
sich die Kelche mit ihren Verzweigungen bis in die Höhe der 


1) Zurzeit der Korrektur über 100 mal. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1264 


Nr. 27. 


Abbildung 1. 

Normales Nierenbecken und Varianten. 



Abbildung 2. 

Wandernieren in verschiedener Form. 




a, b, c Normal. 



vorletzten und ausnahmsweise sogar der drittletzten Rippe. Die 
Konfiguration der Kelche ist innerhalb der normalen Grenzen sehr 
vielgestaltig. Bisweilen sind die Kelche so wenig ausgebildet, 
dass das Nierenbecken die Gestalt einer feinen Mondsichel an¬ 
nimmt, bisweilen sind die Kelche ausserordentlich zahlreich und 
zum Teil kurios formiert, weithin verästelt. Immer aber sind sie 
scharf und kantig begrenzt, niemals verschwommen. Natürlich 
finden sich auch zahlreiche Varietäten, welche vom Normaltypus 
abweichen, so können i. B. die Kelche sehr gross und napfförmig 
sein, während das Becken ganz klein ist und zurücktritt; oder das 
Becken kann in zwei oder drei durch eine Teilfurche voneinander ge¬ 
trennte tütenförmige Abschnitte zerfallen, von denen jeder einzelne 
wieder seine Kelche trägt; oder die Varietät kann sich zu einer 
richtigen Abnormität auswachsen und ein vollkommen doppeltes 
Nierenbecken und doppelte Kelche erzeugen. Auch die Weite des 
Beckens schwankt bei der normalen Niere nicht unbeträchtlich. 
Man begegnet schmalen, engen Nierenbecken mit geringer Fassungs¬ 
kraft. Alle diese Erscheinungen liegen noch innerhalb des Normalen 
und sind keine Veranlassung zur Auslösung pathologischer Zustände. 

Diese innerhalb gewisser Grenzen noch normalen Schwan¬ 
kungen in der Form, Lage, Fassungskraft des Nierenbeckens und 
dem Abgang des Harnleiters können in jeder Beziehung ins Patho¬ 
logische Umschlägen und sehr charakteristische Bilder für die 
Erkrankung der Niere darbieten. 

So verändert sich die Lage des Nierenbeckens, sobald das 
Organ in das Wandern (Abbildung 2) gerät und ist deutlich als Ver¬ 
schiebung auf der Röntgenplatte nachzuweisen, indem das Nieren¬ 
becken wenig oder beträchtlich sich von der letzten Rippe ent¬ 
fernt. In ausgesprochenen Fällen findet sich das Nierenbecken 
in geringer Entfernung von der Darmbeinschaufel. In beginnenden 



Fällen schneidet die letzte Rippe das Becken nicht mehr in seiner 
Mitte, sondern der oberste Ausläufer des Beckens erreicht gerade 
noch den Knochen. Die Senkung der Niere bringt zumeist auch 
eine Deformation des Nierenbeckens mit sieb, welche an und für 
sich noch nicht unbedingt notwendig sich vollziehen muss. So 
können tiefstehende Nieren, welche gewandert, aber z. B. von dem 
Operateur fixiert sind, und in ihrer tiefen Lage nunmehr un¬ 
beweglich verharren, ein normales aber tiefstehendes Nierenbecken 
aufweisen. Wenn die Niere aber nach abwärts dringt und sich 
ausser der Lage Veränderung eine Abknickung des Beckens eine 
Drehung und Torsion des Harnleiters einstellt, dann führt der 
behinderte Abfluss des Urins zu mehr oder weniger hochgradigen 
Stauungszuständen and Erweiterungen des Nierenbeckens. Man 


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6. Joli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1255 


sieht alsdann das Nierenbecken nicht nur räumlich über das 
normale Maass hinaas erweitert, sondern auch in einer für den 
Urinabfluss ungünstigen Lage im Verhältnis zum Harnleiter, 
welcher nicht mehr in die Mitte des Nierenbeckens, sondern in 
seine oberste Ecke ein mündet, welcher nicht mehr die beschrie¬ 
bene schiefe Winkelstellung zur Längsachse des Nierenbeckens 
einnimmt, sondern rechtwinklig mit dieser Achse zusammenstösst. 
Wenn diese Schwierigkeiten für die Harnentleerung aus dem 
Nierenbecken, welche mit so grosser Prägnanz auf die Platte 
kommen, nicht gehoben werden, so kann dieser Folgezustand 
allmählich zur Hjdronephr.se führen. Hier bei der Lage¬ 
veränderung der Niere gibt uns die Pyelographie wertvolle 
and eindeutige Aufschlüsse, welche wir mit keiner anderen 
Methode erreichen können; denn meistens kommen derartige 
Patienten zar Untersuchung in einer Zeit, wo die Niere nicht 
um ihren Stiel gedreht oder wesentlich in ihrem Abfluss be¬ 
hindert ist, in der anfallsfreien Zeit, und sind der Untersuchung 
während des Anfalls sehr selten zugänglich. In der anfallsfreien 
Zeit findet man hier stets normale Funktionen der Niere, da eine 
Entartung des Nierenparenchyms, wie sie später durch den Druck 
der Harnstauung erfolgt, noch nicht eingetreten, und lediglich eine 
Erweiterung des abführenden Harnweges vorhanden ist. Erst wenn 
die Niere häufiger durch Anfälle parenchymatös geschwächt und 
schon eigentlich hydronepbrotisch entartet ist, erst dann gesellt 
sich die Funktionsstörung hinzu, entsprechend dem durch Druck 
und Stauung veränderten Nierenparenchym. Für die Therapie 
ist es aber gerade in diesen Fällen notwendig, das Frühstadium 
zu erkennen, in dem die Funktion der Niere noch wenig gelitten 
hat, nnd in dem man noch nicht gezwungen ist, das hydro- 
nephrotisch erkrankte Organ zu exstirpieren. So bringt die 
Pyelographie dem Chirurgen der Wanderniere gegenüber wert¬ 
volle präzise Indikationen und Aufklärung in ein Kapitel, welches 
vorher ziemlich dunkel war, zumal bekanntlich die Hysterie und 
die allgemeine Enteroptose erschwerend nnd verdunkelnd in die 
Erkenntnis dieser Zustände hineinragen und es nicht leicht 
machen, wirklich reelle Gründe, d. h. gute pathologische Vor¬ 
stellungen und somit sichere Indikationen für die Operationen 
der Wanderniere zu gewinnen. Wo wir die Niere aber in dieser Weise 
bedroht und im Vorstadium der Hydronephrose finden, werden wir 
uns zum Nutzen der Patienten zur Fixation entschlossen, welche 
sie zwar vielfach nicht in ihre Normallage zurückbringt, aber 
die Stieldrehung und den ungünstigen Urinabfluss beseitigt und 
dem ableitenden Harn weg die normale Passage wiedergibt. 

Hat man die Patienten mit Wanderniere operiert und eine 
Fixation der Niere vorgenommen, so erlebt man es gar nicht 
selten, dass sie mit erneuten Klagen zum Chirurgen kommen unter 
der Angabe, die Operation habe ihnen keinen Nutzen gebracht, 
die alten Beschwerden beständen unverändert fort. Es ist wiederum 
schwer zu entscheiden, ob diese Klagen eine Berechtigung oder 
ein rein hysterisches Fundament haben. Mittels der Pyelographie 
sind wir jedenfalls in der Lage, uns eine sichere Vorstellung zu 
verschaffen, ob die Operation den gewünschten Effekt herbei* 
geführt hat, ob es uns gelungen ist, die tiefstehende Niere mög¬ 
lichst ihrer Normallage zu nähern, die Stieldrehung and den un¬ 
günstigen Abgang des Ureters auszugleichen. Dass dies in manchen 
Fällen bei offenbar schlechter technischer Ausführung nicht ge¬ 
lingt, kann Ihnen beifolgende Abbildung 3 zeigen. Allerdings ist 
m «teilen nicht notwendig und auch unmöglich, die Niere 

Abbildung 3. 


a ^“läenuere vor der Operation, b Wanderniere naob der Operation. 
Keine Besserung der schlechten Lage, 


selbst nur annähernd in ihre alte Lage wegen der Schrumpfung 
des Nierenstiels zurückzubringen, und man muss sich begnügen, 
die Niere an der Stelle zu fixieren, wo sie nun einmal sich be¬ 
findet. Auch bringt diese Fixation an pathologischer Stelle, 
welche aber die Drehung und Zerrung au den Organen verhindert, 
oft denselben Nutzen wie eine Festheftnog der Niere an normaler 
Stelle. Unter Umständen aber weist uns das Pyelogramm deut¬ 
lich darauf hin, dass eine blosse Fixation der Niere nicht aus¬ 
reichen würde. Infolge ihrer herabgesunkenen Lage sieht man 
den Harnleiter geschlängelt, mehrfach Schleifen und Knickungen 
(Abbildung 2 b und f) bildend. Unter solchen Umständen, welche 
wir lediglich in dieser Schärfe, wie an dem beigefügten Bild zu 
erkennen ist, durch die Pyelographie erfahren können, wäre die 
blosse Fixation an der Stelle, wo wir die Niere bei der Operation 
vorfioden, ein Eingriff, welcher wenig oder gar keinen Erfolg ver¬ 
spricht. Hier gebietet uns das Pyelogramm, die Niere bei der 
Operation in die Höhe zu schieben und sie dort fixiert zu halten. 

Bei der Wanderniere bleibt die scharfe Konfigurationspitze 
der Kelche, mögen sie sich auch noch so dilatiert haben, voll¬ 
kommen erhalten. Dieser scharfe Umriss verwischt sich, sobald 
Infektionen sich im Nierenbecken längere Zeit aufbalten und 
durch Eiterung oder Geschwürsbilduog die Kelchstruktur ver¬ 
ändern. Die Pyelitis und Pyelonephritis namentlich colibacillärer 
Natur führt zur Erweiterung und gleichzeitig zur Ulceration der 
Kelche nach längerem Bestand des Leidens. Auch die Tuber¬ 
kulose bringt neben ausgesprochener Gavernenbildung, welche 
durch Ulceration der Papillenspitze entsteht, eine Abrundung und 
Verbreiterung der Kelche mit sich. Während aber bei dem rein 
eitrigen Zustand gewöhnlich durch die Retention des Eiters auch 
ein falscher Ureterabgang und Deformation des Nierenbeckens 
ähnlich wie bei Wanderniere entsteht, ist diese Behinderung des 
Abflusses bei Tuberkulose gewöhnlich nicht der Fall; im Gegen¬ 
teil, im allgemeinen führt der mit Schrumpfung einhergehende 
Prozess, dessen nierenwärts gerichtete Tendenz man bei der Cysto- 
skopie in Gestalt des trichterförmig zurückgezogenen Ureterlumens 
findet, zu einer für den Abfluss des tuberkulösen Materials günstigen 
Ureterstellung, in welcher die geschwürigeo Produkte bequem 
nach abwärts gleiten und, wie allgemein bekannt, zu einer nach¬ 
haltigen Tuberkulose der Blase führen. 

Sobald auf dem bei der Wanderniere beschriebenen Wege 
oder auch angeboren durch Ureterknickung der Abfluss des Harns 
aus der Niere chronisch behindert ist oder schliesslich völlig ver¬ 
baut wird, kommt es zu den stärksten Deformationen im Nieren¬ 
becken, zur Hydronephrose, welche sich auf die Kelche überträgt 
und sie sackartig umbildet. Mit dieser Veränderung stimmt die 
bedeutende Herabsetzung oder der Ausfall au Funktion überein, 
welchen man bei der funktionellen Prüfung des Organs findet, 
und beide machen den Chirurgen von Anfang an entschlossen* 
das entartete, nicht mehr zu korrigierende irreparable Organ,* 
welches leicht der Infektion zugänglich und damit eine ständige 
Gefahr für den Körper ist, zu exstirpiereo. Dieser hydronepbrotische 
Zustand kann natürlich auch sekundärer Natur sein, als Folge¬ 
zustand einer Stein Verstopfung, eines herumwachsenden Tumors 
oder einer Ureterligatur auftreten und so persistieren, dass er in 
seiner ausgesprochenen starken Höhlenbildung selbst nach Be¬ 
seitigung des ursächlichen Moments nicht mehr rückbildungsfäbig 
ist, zumal da schliesslich immer die Infektion hinzukommt und 
durch Stauung des eitrigen Materials einen guten Abfluss und die 
Ausheilung verhindert. 

Ich zeige Ihnen hier das Röntgenbild (Abbildung 4) einer 
Niere, aus deren zugehörigem Harnleiter ein Jahr vor der Auf¬ 
nahme dieses Bildes ein Harnleiterstein entfernt wurde. Man 
hoffte durch die Extraktion die Niere zur Ausheilung zu bringen 
nachdem einmal der Abfluss gut wieder hergestellt war, und den 
etwaigen Rest von Infektion in der Niere durch eine Kur in 
Wildungen zu heilen. Der Versuch schlug fehl, weil, wie offenbar 
ersichtlich ist, die Behinderung im Ureter zu einer enormen 
Hydronephrose mit sackartiger Erweiterung der Kelche geführt 
hat, in welcher die Infektion zu festen Boden gefasst hatte. Es 
blieb nur die Exstirpation des Organes übrig. 

Ausschliesslich mit Hilfe der Pyelographie können wir jene 
seltenen Leiden von angeborener Ureterverengerung aufdecken 
(Abbildung 5). Sie sind häufig so hochgradig, dass sie den ein- 
gefuhrten Ureterkatheter nicht passieren Hessen, bilden aber 
für das Collargol kem Hindernis. Sie verursachen eine Er¬ 
weiterung des Nierenbeckens und auch Koliken, welche sehr 
heftig sein können und durchaus dem bekannten Bilde der Stein¬ 
koliken gleichen, Ich habe zwei Fälle von Stenose des Ureters 

1 * 




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1256 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Abbildung 4. 



Abbildung 5. 



a b c 

a Ureterstriktur, b dieselbe nach operativer retrograder Sondierung, 
o Ureterstriktur. 


beobachtet. Den einen gerade zurzeit des Unfalls, wo ich durch den 
eingeführfen Ureterkatheter 150 ccm Urin entleeren konnte, 
welcher unter so grossem Druck stand, dass die Flüssigkeits¬ 
menge statt wie gewöhnlich aus dem Katheter langsam abzu¬ 
tropfen, im starken Strahl berausspritzte. Ich dachte natürlich 
zunächst, dass ein Stein im Nierenbecken die Ursache der Ob* 
struktion der mangelhaften Entleerung aus dem Nierenbecken und 
der Koliken sein müsste, welchen ich mit dem Ureterkatheter 
beiseite geschoben, das Nierenbecken entleert und damit die 
Kolik beendigt hätte. Das Röntgenbild zeigte aber keinen Stein. 
Die Pyelographie ergab beifolgendes Bild. Die Frau ist bisher 
noch nicht operiert worden, weil sich durch häufige Ureter- 
soodierung ihre Beschwerden bedeutend gebessert haben. Wahr¬ 
scheinlich hat das Nierenbecken durch regelmässige Entleerung 
an Kapazität verloren und infolge der veränderten Formation, 
welche wir ebenfalls pyelographisch nachweisen konnten, einen 
günstigeren Abfluss erhalten, wodurch sich die Koliken vermindert 
haben. In einem anderen Falle, wo die Stenose des Ureters 
offenbar in der gleichen Höhe des Harnleiters, d. h. einige Centi- 
meter unterhalb des Nierenbeckens sass, machten wir die Autopsie 
in vivo durch die Operation, weil mit konservativen Maassnabmen 
keine Besserung zu erzielen war. Die Operation ergab eine Ver¬ 
engerung des Ureters genau an der Stelle, wo sie das Röntgeno¬ 
gramm anzeigt. Die Niere sah noch nicht sonderlich geschädigt 
aus und bot auch bei der Spaltung um so weniger einen An¬ 
halt, sie zu entfernen, da von der Nierenwunde aus sich ein 
Drain den Harnleiter entlang bis in die Blase führen Hess, ein 
Manöver, welches vor der Operation auf dem umgekehrten Wege 
uns mit Hilfe des Uretberkatheters nicht gelungen war. Das Drain 
wurde einige Zeit liegen gelassen und dann herausgenommen. Es 
gelang uns nach der Operation leicht, mit dem Uretherkatheter 
von der Blase aus in das Nierenbecken einzudringen, es auszu¬ 
waschen und mit dünner OarbollÖsung auszuspülen. Solange 
dies regelmässig geschah, waren die Beschwerden der Patientin 
verschwunden oder zeigten sich nur selten in gelegentlichen 
leichten Koliken. Auch die Funktion der Niere, welche vor der 


Operation, also vor der Zeit, wo eine Behandlung mit dem 
Ureterkatbeter möglich war, völlig zn wünschen übrig 
Ress, indem die Niere nichts von dem ausgeschiedenen Farbstoff 
sezeroierte, besserte sich erheblich, in Gestalt einer, wenn 
auch nicht normalen, so doch immerhin deutlichen Farbstoff- 
Produktion. Dementsprechend änderte sich auch das Pyelogramm, 
welches hier neben demjenigen, welches wir vor der Operation 
erhielten, abgebildet ist. Trotzdem war der Erfolg kein dauernder. 
Nach Aussetzen der Nierenbeckenspülungen stellten sich die Koliken 
wieder ein, nnd das Allgemein befind en verschlechterte sich, so 
dass die Exstirpation der Niere aasgeführt wurde and der 
Patientin Heilung brachte. Ich glaube, dass wir in so seltenen Zu¬ 
ständen, wie der angeborenen Ureterstenose niemals so klar sehen 
werden, wie mit Hilfe der Pyelographie und dementsprechend 
unsere Maassregeln ergreifen können. Eine ebenso gute Orientierung 
erreichen wir durch das Pyelogramm in den Fällen, wo eine hart¬ 
näckige Pyelitis oder Pyelonephritis die Niere ergriffen hat, ihre 
Funktion zum Verschwinden brachte, die konservative Be¬ 
handlung erfolglos blieb und die Frage entsteht, ist der Zu¬ 
stand der Niere schon so schwer, dass wir uns zu einem opera¬ 
tiven Eingriff, d. h. zu einer Entfernung der Niere entschlossen 
müssen? Hier kommt uns das Pyelogramm in der Weise zu 
Hilfe, dass es uns die dauernde, trotz aller therapeutischen Maass¬ 
nahmen, wie der Uretersondierung, bestehende Behinderung im Ab¬ 
fluss des eitrigen Sekrets aus dem Nierenbecken (Abbildung 8, a—d), 
die Erweiterung des Nierenbeckens, die Aushöhlung der Kelche zeigt 
und damit, wie Israel hingewiesen hat, die Wirkung des Ureteren- 
katheterismus illusorisch machend, Veranlassung gibt, anf 
chirurgischem Wege die Infektion anzugehen. Es gibt keine 
Methode, mit der man diese Stauungszustände des Urins oder des 
Eiters und dieVeränderung, weiche sie der Niere geschlagen haben, so 
gut erkennen könnte wie mit der Pyelographie, die uns so strikte 
Indikationen zur chirurgischen Behandlung an die Hand gibt. 
Denn die Funktionsprüfung besagt uns in diesen Fällen nichts; 
zeigt sie uns einen Funktionsausfall, so ist damit noch nicht die 
Indikation zur Einleitung einer chirurgischen Therapie gegeben, 
da das Organ sich funktionell wieder heben und nur von einer 
collateralen toxischen Wirkung der Pyelonephritis befallen und 
ausser Funktion gesetzt sein kann. Andererseits dürfen wir aber 
im Interesse des Patienten und der anderen Niere, welche die 
toxischen Produkte aaszuscheiden hat, nicht zu lange warten, 
und jedenfalls nicht mehr mit einer Radikalbehandlang zögern, 
sobald stärkere eitrige Höhlenbildungen im Nierenparenchym auf- 
getreten sind. 

Von geringerer Bedeutung ist die Pyelographie bei den aus¬ 
gesprochenen Pyonephrosen, welche man auch ohne Pyelographie 
klinisch, cystoskopisch und funktioneil leicht erkennen kann. Das 
Pyelogramm gibt uns in diesem Fall nur eine Vorstellung über 
die Grösse der vereiterten Niere, ihre Lage und das etwaige 
Risiko ihrer Exstirpation, ohne jedoch eigentlich entscheidend zu 
wirken. 

Ebenso ist bei der Nieren tuberkulöse die Pyelographie nicht 
von ausschlaggebender Bedeutung, da wir in der Lage sind, diese 
Erkrankungen auf anderem Wege leicht zu diagnostizieren. Eines 
aber habe ich auch bei der Tuberkulose durch die Pyelographie 
gelernt, dass nämlich schon in beginnenden Fällen, wo die 
Funktionsprüfung keine wesentliche Herabsetzung zeigt, bereits 
eine starke Ulceration der Papillen, sogar Cavernenbildong zu 
sehen ist. Diese Tatsache wird besonders denjenigen, welche die 
beginnende Nieren tuberkulöse noch mit Tuberkulin behandeln, 
schwer auf die Seele fallen. (Abbildung 6.) 

Von der Veränderung des Nierenbeckens, der napfförmigen 
Erweiterung der Kelche und dem ganz besonders charakteristi¬ 
schen Ureterabgang vom Nierenbecken bei Tuberkulose habe ich 
bereits gesprochen. 

Wertvoller als bei Tuberkulose war uns die Pyelographie bei 
Nierensteinen (Abbildung 8), da sie uns vor der Operation den 
Sitz der Steine im Nierenparenchym einerseits oder im Nieren¬ 
becken andererseits verdeutlicht und somit einen Hinweis auf den 
Plan und die Gefahren der Operation gab. Ganz abgesehen 
davon, dass es für den Operateur viel angenehmer ist, wenn er 
mit einem strikten Operationsplan seine Eingriffe ausführen kann 
und sich nicht erst durch Suchen und Freilegen über die 
Situation orientieren und dementsprechend seine Handlungen ein- 
richten muss, bringt uns die Pyelographie in die Lage, die Ge¬ 
fährlichkeit der Operation sicher abzuschätzen. Bekanntlich ist 
die Pyelotomie, die Eröffnung des dünnen häutigen Nierenbeckens 
an geeigneter Stelle, ein harmloser Eingriff, ohne oder mit 


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8. Juli 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1267 


Abbildung 6. 
Taberkulose Nieren. 




Dilatation des Beckens infolge Steinbildung, d grosser Beckenstein. 



gaoi geringer Mortalität, während die Nephrotomie, die Durch- 
trennang des Nierenparenchyms, trotz aller Vorsicht selbst bei 
den besten Operateuren wegen der Nachblutungen eine beträcht¬ 
liche Mortalität nach sich zieht. Ob die eine oder andere, die 
Pyelotomie oder Nephrotomie, gemacht werden muss, wissen wir 
mit Hilfe der Pyelographie (Abbildung 7, a—f) gewöhnlich vor 
der Operation, und schrecken manchmal davor zurück, kleine 
Steine, welche ihrem Träger wenig Beschwerden machen, durch 


Abbildung 7. 
Nierensteine. 






den grossen Eingriff der Nephrotomie zu suchen und zu entfernen 
während wir anderereits uns leicht entschliessen, grosse Steine 
die in kürzerer oder längerer Zeit zo einer Infektion der Niere 
fuhren wurden, durch Pyelotomie zu extrahieren. 

Endlich setit uns die Methode in Stand, auch einen Teil der¬ 
jenigen Steine röntgenograpbisch darzustellen, welche ihrer 
Struktur nach an und für sich allen Röntgenstrahlen durch lässig sind 
Wir haben einen interessanten Fall beobachtet, welcher die Be 
p y«l?g r *P‘> i « Ermittelung von Concrementen ver- 
anschaulicht. Eine Frau litt an einseitigen Nierenscbmeraen, 
welche sich gelegentlich zu echter Kolik verschärften. Eine 
Röntgenaufnahme in der Klinik von Herrn Geheimrat Gold! 
scheider zeigte keine Steine, desgleichen eine Aufnahme in 
unserer Klinik, obwohl die Frau abgemagert und schlank war. 


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1368 


BERLINER KLffltSCttB WOCHENSCHRIFT. 


Abbildung 8. 





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a und b Pyelonephritis. 




c und d Pyonephrose. 

Da der Ureterenkatheterismus auf der verdächtigen Seite Eiter¬ 
körperchen, Bakterien und Eiweiss lieferte, nahmen wir an, dass 
eine Pyelitis vorliegt und durch gelegentliche Sekretstauung die 
Anfälle auslöst. Wir behandelten deshalb die Patientin mit Nieren¬ 
beckenspülungen von 3 proz. Collargol. Die Beschwerden verloren 
sich nicht und gaben uns Anlass, eine Pyelographie zu machen. 
Auf dem Bilde (Abbildung 7f) zeigten sich deutlich in dem inten¬ 
siven Collargolschatten lichte Stellen, Aufhellungen, die nur von 
weniger scbattengebenden Steinchen herruhren konnten. Das ein¬ 
fache Röntgenogramm zeigte jetzt gleichfalls einen auf Concrcment- 
bildung verdächtigen Schatten, und die Pyelotomie lieferte mehrere 
weiche, auf Fingerdruck zerbrechliche Steinmassen zutage, welche 
sich mit Collargollösung durchtränkt batten und durch diese 
Imbibition für Röntgeustrahlen undurchlässig und deshalb sicht¬ 
bar geworden waren. Die chemische Analyse der Steine (Prof. 
Loeb) ergab eine Zusammensetzung von Phosphor, Kalk und 
Collargol. 

Bei einer anderen Patientin mit einseitigem Nierenschmerz, 
bei der sich die Steine wegen ungeheurer Adipositas nicht nach- 
weisen Hessen, zeigte das Pyelogramm eine starke Erweiterung 
des Nierenbeckens und der Nierenkelcbe, welche trotz des 
negativen Röntgenbefundes die Gegenwart von Konkrementen wahr¬ 
scheinlich machten. Die von mir ausgefübrte Nephrektomie be¬ 
festigte diesen Verdacht. In der Niere fand sich eine Anzahl 
grösserer und kleinerer Steine. 

Ich hätte noch zu berichten, abgesehen von einem seltenen 
Fall von Ureterdivertikel (Abbildung 7 b), den nns die Pyelographie 
verdeutlicht hat, nnd abgesehen von einem Ecbinococcosack (Ab¬ 
bildung 9a), welcher offenbar mit der Niere einen Zusammenhang 
haben muss, wie es die Pyelographie zeigt, über die wichtige Frage 
der Nierentnmoren, speziell der Hypernephrome. Leider batte ich 
bisher wenig Gelegenheit, innerhalb dieser Kategorie von Er¬ 
krankungen Erfahrungen zu sammeln, was ich um so mehr be- 
daure, als einerseits gerade diese Erkrankungen besonders schwer 
zu diagnostizieren sind, weil sie vom oberen Nierenpol ausgehen, 
häufig die Niere grösstenteils intakt lassen und sich in die Zwerch- 
.felikuppe hinein entwickeln. Weder eine Funktionsstörung noch 


Kr. 27. 


Abbildung 9. 



a Echinococcus mit Einbruch in das Nierenbecken. 

auf Nierentumor. 


Verdacht 


eine Hämaturie braucht die Gegenwart des Tumors zu verraten, 
wenn er nicht den für die Diagnose günstigen Weg des Vorwärts¬ 
dringens im Nierenparenchym und des Einbruchs in das Nieren¬ 
becken nimmt, welcher aber seltener ist; anderseits bat 
Braasch an grossem Material gerade bei diesen Fällen eine 
wichtige Unterstützung durch die Pyelographie erhalten. 
Ich habe zwei in diese Richtung schlagende Fälle beob¬ 
achtet, die aber bisher leider nicht durch Autopsie in vivo kon¬ 
trolliert werden konnten. Bei dem einen namentlich ist wegen 
einer im Laufe der Beobachtung aufgetretenen Varicocele der 
dringende Verdacht auf die Existenz eines Nierentumors gegeben. 
Die Funktion der Niere ist nicht wesentlich verändert, Hämaturie 
besteht ebenfalls nicht. Das Pyelogramm (Abbildung 4b) ergibt 
ein tüten förmiges, seitlich eingedrücktes Nierenbecken mit völligem 
Verstreichen der Kelche, vermutlich infolge des Druckes, der auf 
das Nierenparenchym von oben her durch die Geschwulst aus¬ 
geübt wird. Ausserdem sieht mau io einer ziemlichen Entfernung 
vom Nierenbecken mitten in dem Nierenparenchym einen schein¬ 
baren Hohlraum, der sich mit Collargol gefüllt hat und offenbar 
nicht so abgeschlossen und isoliert vom Nierenbecken liegen 
muss, da er sich sonst nicht hätte anfüllen können. Der feine 
Verbindungsgang ist aber nicht aufzufinden, und so imponiert uds 
dieser Hoblraum als isolierte Cyste. 

Ich glaube Ihnen gezeigt zu haben, dass die Pyelographie 
uns wertvolle Aufschlüsse gibt, die wir mit keiner anderen Me¬ 
thode erreichen können: besonders für das bisher recht dunkle 
Gebiet der Wanderniere und des erweiterten Nierenbeckens, das 
Vorstadium zur Hydronephrose, ferner für die Pyelonephritis, die 
Stein- und Missbildungen d$r Niere und des Harnleiters, an¬ 
scheinend auch für die Tumoren. Bei den übrigen Erkrankungen 
trägt sie wohl zur Vervollständigung des klinischen Bildes bei, 
gibt uns aber keine nenen wesentlichen Aufschlüsse. Wenn Sie 
seheu, dass wir die Methode so häufig angewandt haben, so kann 
ich Ihnen zum Schluss versichern, dass wir das deshalb taten, 
weil bei richtiger Technik die Methode sicher ungefährlich ist, 
nicht gefährlicher als eine Spülung des Nierenbeckens mit 
Argentumlösung oder verdünnter Collargollösung, wie sie seit 
Dezennien geübt wird. 

Selbstverständlich müssten wir auf die wertvollen Resultate der 
Pyelographie als Untersuchungsmetbode versiebten, wenn sie mit 
ernstlichen Gefahren für den zu untersuchenden Patienten ver¬ 
bunden wäre. Das ist aber nach meiner Erfahruifg and den viel 
umfangreicheren Erfahrungen, welche an anderen Kliniken, z. B. 
der Mayo’schen Klinik in Amerika, wo über 1000 Fälle pyelo- 
graphiert wurden, nicht der Fall. Ohne anf die technischen 
Einzelheiten der Ausführungen näher einzugehen 1 ), möchte ich nur 
auf einen Punkt besonders binweisen, nämlich den, dass stets 
dünne Ureterkatheter zu verwenden sind, d. b. Nr. 6 oder dünne 
Nr. 6, für den Anfänger am besten Nr. 5, damit nicht, wie es bei 
Anwendung dicker Katheter leicht geschehen kann, ein Ventil- 


1) Eine Beschreibung der Technik erfolgt demnächst im Centralblatt 
für Chirurgie. 


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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1259 


Verschluss des Nierenbeckens dn tritt, indem der Katheter den 
Harnleiter völlig aasfüllt and nan das Collargol, wenn es das 
Nierenbecken angefüllt hat, in die Harnkanäle bi neingepresst, in 
die Nierensubstanz hineingedrückt und schliesslich durch Zer- 
reissung von Gefässen infolge der angewandten Pression in den 
Kreislauf gebracht wird. Wenn man bei Anwendung dicker 
Katheter rücksichtslos das Collargol aaf diesem Wege in die Niere 
hineinspritzt, so müssen natürlich schwere Schädigungen des 
Organs, Infarkte, Ruptur des Nierenbeckens und allgemeine Ver¬ 
giftung des ganzen Körpers entstehen, die, wie in einem Falle 
publiziert wurde, unter toxischen Erscheinungen zum Tode führen. 
Für den Ungeübten ist deshalb Vorsicht dringend zu empfehlen. 
Andererseits aber wegen einer nur bei schlechter technischer Aus¬ 
führung bestehenden Gefahr anf die Methode zu verzichten, hiesse 
gleichviel wie überhaupt unsere besten Untersuchungsmethoden 
aus dem Bereich der medizinischen Diagnostik bannen. Kann 
nicht der Katheter und die Magensonde z. B. gefährlich werden, 
ond in ungeübter und unvorsichtiger Hand den Tod herbeiführen? 
Sollte man deshalb auf die Magensonde und den Katheter ver¬ 
zichten? Als Tatsache bleibt bestehen, dass die richtig ausge 
führte Pyelographie harmlos ist; sobald man durch einen dünnen 
Ureterenkatheter das Collargol in das Nierenbecken geleitet und 
es angefüllt hat, läuft die überschüssige Silberlösung neben dem 
dünnen Katheter aus dem Nierenbecken in die Blase zurück. 
Ueberhaupt glaube ich, dass wir das Nierenbecken mit der 
Collargollösung gar nicht anfüllen, sondern nnr überrieseln und 
einen Collargolbelag der Schleimhaut erzeugen, dass mit anderen 
Worten der grösste Teil der Silberlösung sofort wieder retrograd 
io die Blase zurückgeht. Ich glaube dies auf Grund folgender 
Beobachtung: 

Eine Frao, bei welcher wir klinisch und pyelographisch die 
Diagnose einer Wanderniere gemacht hatten, wurde 10 Tage nach 
der Pyelographie, als sie sich zur Operation aufnebmen Hess, 
nochmals röntgenograpbisch untersucht. Hierbei zeigte sich ein 
deutlicher Schatten in der Niere, den wir für einen Steinschatten 
anaprachen, obwohl weder bei der einfachen Röntgenaufnahme 
vor der Pyelographie noch im pyelographischen Bilde sich irgend¬ 
eine Andeutung von einem Concremente fand. Die bewegliche 
Niere wurde freigelegt und gespalten, aber ein Stein wurde nicht 
gefunden. Nach Schliessung der Nieren wunde wurde das Organ 
festgebeftet. Nach Heilung wurde bei der Patientin eine noch¬ 
malige Röntgenaufnahme vorgenommen, welche aber nichts mehr 
von dem scheinbaren Concrementscbatten zeigte. Dieser Schatten, 
den wir vor der Operation auf der erwähnten Aufnahme sahen, 
hatte genau die Form von Korallensteinen, welche einen 
Ausgoss der Nierenkelche bilden. Er wurde auf zwei Platten 
vor der Operation in gleicher Form und in gleicher Lage 
festgestellt and war, wie gesagt, bei der erneuten Aufnahme nach 
der Operation nicht mehr zu erblicken. Zweifellos handelte es 
ßich damals, obwohl 10 Tage nach der Pyelographie vergangen 
waren, noch um einen Rest von Collargolbelag in den Kelchen, 
welcher in der Wanderniere, deren Becken abgeknickt war, in 
deren Kelchen leicht Stagnation nnd Retention eintreten konnte, 
zorückgehalten wurde. Auf Grund dieser Beobachtung bin ich zu 
der Ueberzeugung gelangt, dass wir wahrscheinlich überhaupt 
nur einen vorübergehenden Collargolbelag, aber nicht eine Collargol- 
füllung des Nierenbeckens zur Herstellung eines Röntgenbildes 
brauchen und auch erzeugen, analog den Wismutbildern der 
Magendarmorgane, bei denen auch nur ein Belag von Wismut 
notwendig ist. Im ganzen betrachtet ist die Pyelographie bei 
vernünftiger Ausführung nichts anderes, als eine Collargolspülung 
des Nierenbeckens, wie sie gegen Pyelitis und andere infektiöse 
Prozesse sehr häufig schon seit langer Zeit mit Nutzen geübt 
wird. Die Unannehmlichkeiten, welche sich bei der Pyelo¬ 
graphie einstellen können, sind deshalb nicht grösser, als sie bei 
dem Ureferenkatheterismus oder der NierenbeckenspüluDg ohne 
Verwendung von Collargol sich ebenfalls einstellen können. 
Jeder, welcher häufig den Ureterenkatheterismus angewandt hat, 
weise, dass er gelegentlich zu Koliken führt. Man soll deshalb 
von der Pyelographie in allen den Fällen Abstand nehmen, wo 
bereits der Ureterenkatheterismus durch seinen traumatischen Reiz 
pj^^^hchkeiten und Schmerzen hervorruft, die, durch die 
"üllang d 08 Nierenbeckens mit Collargol noch verschärft, sich 
10 einer richtigen Kolik potenzieren können. 

Ich habe unter nunmehr über 100 Pyelographien, welche ich 
Jjwgeführt habe, 3 mal eine Kolik erlebt, 2 mal so leicht, dass die 
«lenten, nachdem sie sich eine Stunde laug auf dem Sofa aus- 
S«abt hatten, wieder nach Hause gingen. Das dritte Mal hielt die 


Kolik einige Standen an. Aber genau dieselben unangenehmen 
Zufälle kann man unter einer grossen Zahl von Ureterenkatheteri- 
sierten erleben; sie köonen uns nicht bindern, eine wertvolle 
Methode mit so grosser diagnostischer Bedeutung aufzugeben, 
ebensowenig wie die ernsteren Unfälle, welche sich in der Hand 
des Ungeübten, Unerfahrenen und dabei sorglosen Praktikers ein¬ 
stellen können. 


Indikationen und Grenzen der Pyelographie. 

Von 

Prof. Dr. L. C&sper. 

(Erweiterte Diskussionsbemerkuogeo, gemacht in der Berliner medizini¬ 
schen Gesellschaft am 13. Mai 1914.) 

Die Pyelographie, eine Methode, die von Völcker and 
Lichtenberg im Jahre 1905 angegeben worden ist, besteht be¬ 
kanntlich darin, dass man das Nierenbecken durch einen zuvor 
eingeführten Ureterkatheter mit einer 5—lOproz. CollargollÖsung 
füllt und nun eine Röntgenaufnahme macht. Da das Collargol 
für Röntgenstrahlen nicht durchgängig ist, so bekommt man eine 
Zeichnung des Nierenbeckens und der Ureteren auf die Platte. 
Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass man sich auf diese Weise 
gewisse Veränderungen an Nierenbecken und Ureteren direkt zu 
Gesicht bringen kann. 

Die Methode fand bei uns nicht recht Eingang, bis lobende 
Berichte ans Frankreich, England und besonders aus Amerika 
kamen, wo die Gebrüder Mayo über 1500 Pyelographien aus¬ 
geführt haben sollen. In nachdrücklicher Weise wurde nun letzt¬ 
hin das Verfahren von E. Joseph 1 ) empfohlen, welchem Um¬ 
stand diese Zeilen ihre Entstehung verdanken. 

Bildet das „nil nocere u noch immer den obersten Grundsatz 
in der Medizin, so fragt man Bich vor allem: wie steht es mit der 
Ungefährlichkeit der Methode? Solche wird von den ver¬ 
schiedenen Autoren behauptet, während eine Reihe anderer 
Forscher schwere Schädigungen beschrieben haben, die sie nach 
Anwendung des Verfahrens sahen. So sind mehrere Todesfälle, 
die im Anschluss an die Pyelographie auftraten, berichtet worden. 
Von Joseph und anderen wird das auf eine mangelhafte Technik 
zurückgeführt. Man sah die Ursache der Schädigung vor allem 
darin, dass das Collargol unter zu hohem Druck in das Nieren¬ 
becken gebracht wurde. 

Für einen Teil der Fälle ist das zweifellos richtig. Die 
Technik bei der Pyelographie muss eine äusserst feine und sub¬ 
tile sein. Ich gehe in der Beziehung noch über Joseph hinaus. 
Man darf nach meiner Meinung zu der Füllung überhaupt keine 
Spritze benutzen, sondern, ähnlich wie bei der Magenspülung, 
nur einen kleinen Trichter, in welchen das Collargol eingelassen 
wird, und den man etwa 30—60 cm über dem Körper hält. Nun 
lässt man so viel einfliessen, wie gutwillig geschieht, und hört so¬ 
fort auf, sobald der Kranke im Rücken das Gefühl von Spannung 
empfindet. Man darf nur dünne Ureterkatbeter benutzen, damit 
der Katheter nicht das Lumen des Harnleiters ausfüllt und der 
Ueberschuss des Collargols neben dem Katheter in die Blase Zu¬ 
rückläufen kann. Eine Beckenhocblagerung des Patienten bei 
der Füllung ist nur selten nötig. Die Anwendung der Kom¬ 
pressionsblende bei der Röntgenaufnahme ist entweder ganz zu 
vermeiden, oder aber die Blende muss vor der Collargolfüllung 
angesetzt werden. 

Nun sind trotz peinlichster Anwendung aller dieser Vorsichts¬ 
maassregeln schwere Schädigungen nach der Pyelographie dennoch 
nicht ausgeblieben. Ein ganz einwandfreier Fall ist jüngst in 
den Folia urologica ans der Hocfaenegg’schen Klinik beschrieben 
worden, P. Rosenstein berichtet von einem Todesfall bei gleicher 
Sachlage, W. Israel sah Uebelbefinden nnd Fieber, und ich selbst 
habe kürzlich bei einer alten Dame, bei der die Pyelographie 
uuter den denkbar grössten Kautelen vorgenommen wurde, ein 
schweres Krankheitsbild — Schmerzen, Uebelkeit, Erbrechen, 
Cyanose, Fieber bis 39,5° — entstehen sehen. Nimmt man noch 
dazu die objektiven Schädigungen, Infarkte und Nekrosen der 
Nierenkanälchen, Glomeruli und deren Umgebung, die ein Teil 
der genannten Forscher an den herausgenommenen Nieren der 
Patienten sah und die Max Roth bei adäquaten Experimenten an 
Tieren beobachtete, so kann man das Verfahren nicht fürderhin 


1) Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 
6. Mai 1914. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


ein ungefährliches nennen. Man muss vielmehr sagen, dass 
es ein nicht unbedenkliches und jedenfalls das ein¬ 
greifendste aller bis jetzt geübten diagnostischen 
Hilfsmittel ist 

Das ist kein Grund, die Pyelographie gänzlich abzulehnen 
oder zu verwerfen, aber es ist ein Grund, sich die Frage vorzu¬ 
legen: welches sind die Vorteile, die uns aus der Anwendung 
des Verfahrens erwachsen, in welchem Verhältnis steht der Ge¬ 
winn zu dem aufgewendeten Risiko, und gibt es nicht mildere 
Methoden und Mittel, um diejenige Klärung in der Diagnose 
herbeituführen, welche uns die Pyelographie gewährt? 

Was vorerst die Wanderniere betrifft, für deren Diagnostik 
man die Pyelographie verwertet wissen will, so muss ich das 
a limine ablehnen. In der Lehre von der Wanderniere mag 
noch manches dunkel sein, die Entstehung, die zweckmässägste 
Therapie, klar ist aber die Diagnose: eine Wanderniere fühlt man, 
und wenn man eine Niere nicht fühlt, so ist es keine Wander¬ 
niere. Das ist ja eben das Wesen der wandernden Niere, dass 
man sie im Leibe, wo sie sonst nicht ist, auffindet. 

Anders steht es mit denjenigen Dingen, die gelegentlich bei 
einer Wanderniere Vorkommen: Schlängelung des Ureters, 
Abknickung, Stenose, spitzwinklige Einmündung des¬ 
selben in das Nierenbecken. Diese Dinge kaDn man allerdings 
mit nichts besser zur Erscheinung bringen, als mit der Pyelo¬ 
graphie. Aber es ist zu bemerken, dass das durchaus nicht immer 
Begleitzustände der Wanderniere sind, dass sie ohne Wanderniere 
und die Wanderniere ohne diese Vorkommen. Es ist ferner zu 
bemerken, dass eine Feststellung dieser Verhältnisse durchaus 
nicht immer für das Wohlergehen des Kranken notwendig ist. 
Es ist wohl richtig, dass sich aus diesen Abnormitäten bisweilen 
Schädigungen der Niere entwickeln, Druckatrophien, Hydro- 
nephrosen, allein deren Entwicklung kann viele Jahre und Jahr¬ 
zehnte dauern. Nun wird man es doch nicht billig finden, die 
Prophylaxe so weit zu treiben, dass man mittels einer nicht un¬ 
gefährlichen Methode Umstände aufzudecken sucht, die zumTeil ohne 
Bedeutung für den Träger sind, und deren Folgen zum Teil erst in die 
Erscheinung treten in einer Zeit, die ich als diesseits des Jenseits 
bezeichnen möchte. Die Pyelographie darf deshalb bei der 
Wanderniere nur dann angewendet werden, wenn die 
begleitenden subjektiven oder objektiven Umstände 
eine weitere Aufhellung der Verhältnisse, die auf andere 
Weise nicht zu erlangen ist, notwendig machen. 

Was die Nierentuberkulose betrifft, so hat sich mit Recht 
die Mehrzahl aller Forscher gegen die Anwendung der Pyelo¬ 
graphie bei dieser ausgesprochen. Hier ist die Pyelographie nicht 
nur nutzlos, sondern in hohem Grade schädlich. Was bei der 
Tuberkulose wichtig zu wissen ist, lehren uns die anderen dia¬ 
gnostischen Verfahren viel besser als die Pyelographie. 

Bei der Diagnostik der Nierensteine wird zweierlei für die 
Pyelographie in Anspruch genommen. Erstens soll man durch 
dieselbe unterscheiden können, ob es sich um einen Nieren¬ 
oder Nierenbeckenstein handelt. Das ist richtig, das kann 
man, aber man kann das in vielen Fällen schon aus dem ein¬ 
fachen Köntgenbild, und in anderen Fällen ist diese Kenntnis 
unnötig. Denn zweierlei ist möglich: entweder ein Nierenstein 
wird operiert, oder er wird es nicht. Im letzteren Falle ist es 
für den Arzt und den Krauken gleichgültig, wo der Stein sich 
befindet, ob im Becken oder im Parenchym. Wird aber der Fall 
operiert, so wird sich der Operateur während der Operation 
durch den Augenschein oder das Gefühl von der Sachlage über¬ 
zeugen und dementsprechend seinen Operationsplan einricbten. 

Wichtiger ist der zweite Vorteil, den die Pyelographen für 
die Methode geltend machen. Es ist bekannt, dass eine Reibe 
von Steinen (Uratsteine) bei der Röntgenograpbie nicht 
auf die Platte kommen. Nun wird behauptet, dass, wenn man 
das Becken mit Collargol gefüllt hatte, einige Tage darauf der 
Stein, der sich mit Collargol imbibiert hat, sichtbar wird. Das 
wäre allerdings ein sehr erfreulicher Fortschritt, leider aber kann 
ich diese Angaben nicht bestätigen. Ich befinde mich im 
Einverständnis mit Herrn W. Israel, dem es wie mir nicht ge¬ 
lang, Steine, die man vorher nicht sab, nach der Coilargolinjek- 
tion erkennbar zu machen. 

Kommen wir zu den NiereDtumoren, so hat Herr Joseph 
mit Recht ausgeführt, dass es zuweilen sehr schwierig sein könne, 
Nierentumoren, besonders Hypernephrome, in früher Zeit zu 
diagnostizieren, zu einer Zeit, ehe sie bluten und ehe sie pal- 
pabel sind. Er hat mit Recht hervorgehoben, dass auch die 
funktionelle Nierenprüfung, die sonst so Hervorragendes leistet, 


hier zuweilen im Stich lässt, wenn nämlich das Hypernepbrom 
keine oder unwesentliche Funktionsstörungen gesetzt hat. Das 
ist aber leider häufig der Fall, denn der Tumor ist eben kein 
eigentlicher Nierentumor, er sitzt der Niere auf und lässt 
daher das Nierenparenchym lange Zeit ungestört und seine 
Funktionskraft unvermindert. 

Nun haben die Amerikaner, besonders die Mayos, be¬ 
obachtet, dass diese Nierentumoren das Nierenbecken und die 
Kelche erweitern und ausziehen. Diese Ausziebung werde durch 
die Collargolfüllung und Röntgenaufnahme sichtbar gemacht und 
könnte so zur leichteren Diagnose der Hypernephrome beitragen. 
Leider kann ich diese Angaben nicht bestätigen. Ich habe aus 
meiner Sammlung die letzten sieben Hypernephrome, die ich 
operiert habe, herausgesucht und daraufhin untersucht. Einmal 
fand ich ein erweitertes Nierenbecken und einmal ausgezogene 
Kelche, in den anderen fünf Fällen sah man davon nichts. Ich 
muss also zu meinem grossen Leidwesen sageD, dass ich fürchte, 
dass durch die Pyelographie die Frühdiagnose der Hyper¬ 
nephrome nicht wesentlich gefördert wird. Doch scheint 
es mir angebracht, in dieser Hinsicht noch weitere Untersuchungen 
vorzunehmen. 

Gehen wir nun zu den Dystopien der Niere über, so zeigt 
uns die Pyelographie schöne und instruktive Bilder: Form des 
Nierenbeckens und Lage der Nieren, Doppelbildungen der 
Ureteren usw. werden uns gleichsam auf die Tafel geschrieben. 
Nur ist hinzuzufügen, dass wir ein anderes, weniger eingreifendes 
Verfahren besitzen, durch das uns die Nierendystopie ebenso 
deutlich vor Augen geführt wird, ein Verfahren, das von 
Schmid t - Chicago und dem leider zu früh verstorbenen 
Loewenhardt angegeben worden ist, und um dessen Aus¬ 
arbeitung sich unser Gynäkologe Müllerheim verdient gemacht 
hat. Es besteht darin, dass man einen Wismutkatheter in den 
Ureter und bis zum Nierenbecken hinführt und dann eine 
Röntgenaufnahme macht. Dann sieht man, wie der Katheter statt 
in das gewöhnliche Nierenlager zu der abnormen Stelle binführt, 
wo die Niere liegt. Die beiden beigefügten Abbildungen werden 
das veranschaulichen. 

Der erste Fall betrifft eine Patientin, die ich vor 8 Jahren 
operiert habe. Auf der Abbildung 1 sieht man den linken 
Ureterkatheter (L) zu dem gewöhnlichen Nierenlager hinziehen, 
während der rechte Ureterkatheter (R) schon im Becken eine BieguDg 
nach der Medianlinie macht und hier endet. Es bandelt sich um 
eine Beckenniere. 

Die Abbildung 2, von dem Röntgenforscher Kretsch mar an- 
gefertgt, betrifft einen Fall, den ich zusammen mit Herrn Litthauer 
untersuchte, der auch den Fall operiert hat. Man sieht hier den 
Ureterkatbeter im Beckenanteil eine Ellipse beschreiben, dann in 
einer kleinen Schleife weiter nach oben ziehen und wiederum 
sich zu einer Ellipse formen, in deren Mitte sich ein tiefer 
Schatten (Stein) befindet. Es handelt sich demnach um einen 
Stein in einer Beckenniere, schwierig erkennbare Verhältnisse, 
die durch das genannte Verfahren sehr gut zum Ausdruck ge¬ 
kommen sind. 

Ich glaube demnach, dass wir in der Mehrzahl der Fälle mit 
dieser Methode auskommen und dafür die Pyelographie werden 
entbehren können. 

Weiterhin wird für die Pyelographie in Anspruch genommen, 


Abbildung 1. 





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0. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Abbildung 2. 



dass es mit ihr gelingen soll, Unterleibstumoren, von denen 
es fraglich ist, welchem Organ — ob der Niere oder einem Bauch¬ 
organ — sie angehören, zu differenzieren. Das Problem besteht; 
es gibt Uoterleibstumoren, von denen es sehr schwierig sein kann 
zu sagen, von welchem Organ sie ausgehen. Speziell können 
Nierentumoren mit Lebertumoren, Schnürlappen der Leber, Gallen¬ 
blasengeschwülsten usw. verwechselt werden. 

Wenn man nun das Nierenbecken mit Collargol füllt, so 
wird das Röntgenbild bisweilen die Situation klären. Es wird 
uns zeigen, dass die Niere gegebenenfalls wo anders liegt als der 
fragliche Tumor. 

Aber auch hier möchte ich darauf hinweisen, dass öfter 
andere, weniger eingreifende Verfahren uns zum Ziele führen. 
Ich erinnere an die Methode, die ich im Jahre 1901 auf der Natur¬ 
forscherversammlung in Hamburg beschrieben habe, die in fol¬ 
gendem gipfelt: Gesunde Nieren funktionieren annähernd gleich, 

die üblichen Funktionswerte (U, der Gefrierpunkt, Zucker nach 
Phloridzininjektion) ergeben dann annähernd gleiche Werte. Ge¬ 
hört demnach der fragliche Tumor einem intraperitoneal gelegenen 
Beckenorgan an, und sind die Nieren gesund, so stimmen die 
Funktionswerte überein. Ist der fragliche Tumor ein Nierentumor, 
*o sind die Funktionswerte der betreffenden Nierenseite gegen¬ 
über der andern vermindert. 

Leider lässt die Methode dann im Stich, wenn bei gewissen 
Nierentumoren, so besonders bei den Hypernepbromen, wie schon 
ausgeführt, die Funktion der angegriffenen Niere nicht merklich 
gestört ist. 

Dann rekurrieren wir auf ein anderes Verfahren, die Auf¬ 
blähung des Darmes, ein in der allgemeinen Chirurgie seit 
altersher bekanntes und gern verwendetes diagnostisches Hilfs¬ 
mittel. Wir blasen das Colon tüchtig auf. Handelt es sich um 
mnen Nierentumor, so liegt der Darm stets über dem Tumor, 
«ir erhalten Darmschall; Ausnahmen sind ausserordentlich selten, 
können aber bei sehr grossen Tumoren Vorkommen. Handelt es 
sich um einen intraperitonealen Tumor, so liegt dieser der Bauch¬ 
end an; die Perkussion gibt demnach gedämpften Schall über 
demselben. 

Demnach sollte man bei zweifelhaften, schwer zu 
identifizierenden Unterleibstumoren vorerst die letztere 
a 8 die leichteste Methode, dann die funktionelle Unter¬ 
jochung der Nieren vornehmen. Erst wenn diese beiden 
otersuchnngen nicht genügend Aufklärung gebracht 
a eD » erst dann wäre die Anwendung der Pyelographie 

gerechtfertigt. 

Rückhaltlos muss man dagegen die Bedeutung der Pyelo¬ 
graphie für die Diagnose der Hufeisen- oder Kuchennieren 
D j e [ . nen * Hier gibt es keine Methode, die mit dieser erfolg- 
lc in Konkurrenz treten könnte. Weder die Palpation noch 


die in letzter Zeit öfter in den Vordergrund gedrängte, auf embryo- 
logische Verhältnisse sich stützende Konstatierung der veränderten 
Achsenrichtung der Niere geben stets die erwünschte Sicherheit 
der Diagnose. Die Pyelographie bringt einwandfreie Bilder, sie 
zeigt uns die Grösse des Beckens oder der Becken, ihre Lage, 
ihre gegenseitigen Beziehungen und Abgrenzungen. Wo also be¬ 
gründeter Verdacht auf diese Abnormität besteht, soll die Pyelo¬ 
graphie angewendet werden. 

Nur möchte ich darauf hinweisen, dass es sich um verhältnis¬ 
mässig seltene Vorkommnisse handelt. Nach der letzten Statistik 
von Jefremoff aus dem Pathologischen Institut der Universität 
Charkow kamen auf 91 220 Sektionen 125, d. b. 0,13 pCt. Fälle 
von Hufeisennieren. Die Anwendung des Verfahrens wird also 
zur Konstatierung dieser Abnormität verhältnismässig selten in 
Aktion treten. 

Schliesslich möchte ich auf eine Reihe von Fällen eingehen, 
in welchen die Pyelographie mir das wertvollste und wichtigste 
Anwendungsgebiet zu haben scheint. 

Unsere Nierendiagoostik ist dank der Erfindung des Ureter¬ 
katheterismus und der funktionellen Untersuchungsmethoden auf 
einem hohen Grad angelangt. Man darf wohl sagen, die Mehr¬ 
zahl der Fälle liegt in diagnostischer Beziehung demjenigen klar, 
der die bekannten diagnostischen Hilfsmittel beherrscht und ge¬ 
schult genug ist, die aus ihnen zulässigen Folgerungen zu ziehen. 
Immerhin aber bleiben noch öfter als erwünscht Fälle übrig, in 
denen alle unsere diagnostischen Methoden erschöpft worden sind, 
ohne dass es möglich ist, eine exakte Diagnose zu machen. 

Das betrifft besonders einige dunkle Fälle von ungewöhn¬ 
licher Nephritis, Perinephritis, Steinen, die nicht auf die 
Röntgenplatte kommen, Hydronephrosen und Blutungen. So 
war es mir wiederholt unmöglich, die Differentialdiagnose zwischen 
einem Stein und jenen Formen von Nephritis zu stellen, in denen 
Albumen zeitweise ganz fehlt, periodische Blutungen auftreten, 
und in denen das hervorstechende Symptom ein Nierenschmerz 
ist, der sich durch Anstrengung und Bewegung steigert. Dieser 
Syraptomenkomplex gleicht also völlig dem bei Steinen üblichen. 
Ich erinnere mich speziell eines Falles, in welchem ein Nieren¬ 
schmerz, mit roten Zellen und Cylindern versehener Harn aus 
einer Niere mich zu der Diagnose Nephritis veranlassten, während 
de facto eine beginnende Hydronephrose vorlag. 

Hier lässt auch die funktionelle Prüfung im Stich, denn eine 
beginnende Hydronephrose braucht nur eine geringe Verminderung 
der funktionellen Kraft der betreffenden Niere zu zeigen, aus der 
eiu diagnostischer Schluss nicht möglich ist. Ebensogut wie um 
eine Hydronephrose könnte es sich um eine abgelaufene, mit 
Parencbymverlust geendete Nephritis oder um eine mit Substanz¬ 
verlust verbundene Perinephritis handeln. 

Hilft nun auch die Pyelographie nicht in allen diesen 
Fällen so wird sie wenig zur Differentialdiagnose zwischen 
einem nicht auf die Platte kommenden Stein und Nephritis bei¬ 
tragen können —, so legt sie doch die Verhältnisse der be¬ 
ginnenden Hydronephrose klar, einer Krankheit, die die gleicheu 
Symptome wie ein Stein oder eine Nephritis machen kann. Indem 
sie uns die mit Collargol gefüllten ausgezogenen Nierenkelche 
und das erweiterte Becken zeigt, führt sie uns diese abnormen 
Verhältnisse in solcher Deutlichkeit vor Augen, dass ein Irrtum 
unmöglich ist. 

Fasst man demnach das Gesagte zusammen, wägt man Vor¬ 
teile und Nachteile, welche die Pyelographie bringt, ab, so müssen 
wir sagen: Die Methode besteht zu Recht, sie hat und 
behält ihren Wert. 


Aber sie soll, da sie nicht ungefährlich ist, nur an¬ 
gewendet werden bei strenger Indikation, mit anderen 
Worten, nur dann, wenn die übrigen, milderen Unter¬ 
suchungsmethoden zu keinem ausreichenden Resultat 
geführt haben. Dieses sicher berechtigte Verlangen legt ihr 
diejenigen Grenzen auf, welche ich auf Grund meiner Erfahrungen 
und Erwägungen im vorstehenden geglaubt habe ziehen zu müssen. 
Deshalb wollen wir bei ihrer Anwendung nicht den Kollegen aus 
dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten folgen, sondern wir 0 
wollen uns an die schönen Worte unseres berühmtesten Kollegen 
halten: 

„Wohltätig ist des Feuers Macht, 

Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht.“ 


3 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 27. 


1262 


Röntgenstrahlen und Schwangerschaft. 

Von 

H. Edelberg-München. 

Die Radiosensibilität der weiblichen Keimdrüse wurde zuerst 
von Halberstädter 1 ) experimentell erwiesen. Bei Bestrahlung 
von Eierstöcken von Kaninchen trat nach mehrmaliger Röntgeni* 
sation eine Zerstörung der Graaf’schen Follikel ein, nach einigen 
weiteren Bestrahlungen gingen auch die Primordialfollikel und 
die Ureier zugrunde. Saretzky 2 ), der sehr umfangreiche Unter¬ 
suchungen anstellte und im wesentlichen das bestätigte, was 
Halberstädter gefunden hatte, hebt hervor, dass bei kurz¬ 
dauernder Bestrahlung die Eierstocksatropbie nur eine vorüber¬ 
gehende sein kann. Nach Reifferscheid 3 4 ) beruht diese „tempo¬ 
räre Sterilisation“ auf folgendem: bei ungenügender Bestrahlung 
gehen die reifen Follikel zugrunde, die von ihnen abhängigen 
Menstruationen fallen aus, die unreifen Follikel dagegen können 
sich unter Umständen wieder von der Schädigung erholen, sie 
reifen und in der Folge treten neuerdings Blutungen auf. Auf 
Grund dieser Ueberlegungen, wurde von verschiedenen Seiten die 
Ansicht ausgesprochen, ob die jungen Follikel trotz ihrer Reifungs¬ 
fähigkeit nicht vielleicht doch durch die Röntgenstrahlen so ge¬ 
schädigt sind, dass sie bei eintretender Befruchtung eine nicht 
völlig gesunde Frucht zu liefern vermögen. Im Tierexperiment 
beobachtete M. Fraenkel*) in der Tat eine Schädigung der 
Keimzellen, die sich darin offenbarte, dass die nicht bestrahlten 
Nachkommen des Versuchtieres, sofern sie überhaupt lebend zur 
Welt kamen, auffallend schlecht entwickelt waren. Am Menschen 
liegen ähnliche Beobachtungen noch nicht vor. Doch haben 
Sellheim u. a. die Vermutung ausgesprochen, dass ein ähnliches 
Ereignis beim Menschen möglich sei. Es werden deshalb die 
Nachkommen solcher mit Röntgenstrahlen behandelter Frauen 
wohl unser grösstes Interesse beanspruchen dürfen. Bis jetzt 
sind meines Wissens keine derartigen Beobachtungen veröffentlicht 
worden. Ich halte es deshalb für richtig, folgenden, in der An¬ 
stalt des Herrn Hofrat Dr. Th ei 1h aber, beobachteten Fall zu 
publizieren. 

Frau G., 38 Jahre alt, hat 4 Geburten durchgemacht. Das erste 
Kind gebar sie vor 17, das letzte vor 6 Jahren. Sie klagt über Schmerzen 
in der linken Seite des Unterleibes. Die Periode trat immer regelmässig, 
alle 4 Wochen ein, dauerte 5 Tage lang und war von starken Blutungen 
begleitet. 

Bei der Untersuchung fand sich ein nahezu faustgrosser, runder, 
harter Tumor, der dicht am rechten Uterushorn aufsitzt. Es wird die 
Diagnose auf Uterus myomatosus gestellt und der Patientin das Röntgen¬ 
verfahren vorgeschlagen. Im April, Mai und Juni 1913 wurde sie 
röntgenisiert. Bei möglichster Zentrierung auf die Orarien wurde, unter 
Verwendung von 10 cm weitem Kompressionstubus, 6 Einfallspforten 
(abdominal und sacral), 10 Wehnelt harter Röhre, 3 mm Aluminiumfilter 
und 18 cm Fokus-Hautdistanz, in mehreren Serien 125 Minuten bestrahlt. 
Das Resultat war 146 X Kienböck. 

Die Menses wurden zunächst nicht schwächer. Patientin ging ins 
Gebirge. Am 1. September kommt sie wieder und gibt an, dass die 
letzte Periode vor 3 Monaten war, dazwischen habe sie nur ab und zu 
geringe Blutungen gehabt. Bei der Untersuchung fand sich das Corpus 
uteri beträchtlich vergrössert. Das Myom hatte sich verkleinert und war 
etwa kleinapfelgross. Die Diagnose wurde auf Schwangerschaft gestellt. 
Am 9. September bekam sie eine starke Blutung, die aber nur 1 Stunde 
dauerte; sonst treten keine Störungen mehr in der Schwangerschaft auf. 
Am 12. März 1914 gebar sie einen kräftigen 3450 g schweren, 51 cm 
langen Knaben. Die Entbindung verlief normal und dauerte 1 Stunde. 
Patientin stillt das Kind. Ich untersuchte den Knaben aufs eingehendste, 
konnte aber nichts Pathologisches finden. In der 7. Woche wog er 
4680 g. Das Kind zeigt alle Zeichen der Reife und ist im besten Er¬ 
nährungszustand. Die CoDception hat wahrscheinlich Mitte Juni statt¬ 
gefunden. Die letzte Röntgenisation war am 3. Juli 1913. Im Beginn 
der Schwangerschaft wurden der Patientin noch 35 X Kienböck appliziert. 

Wenn es auch bei Kaninchen and Meerschweinchen mittels 
Röntgenstrahlen verhältnismässig leicht gelingt, eine Unterbrechung 
der Schwangerschaft herbeizuführeo, so trifft das für die Frau, 
wie es unser Fall lehrt, längst nicht in gleichem Maasse zu. 


1) B.kl.W., 1905, Nr. 3. 

2) Zbl. f. Gyn., 1909, S. 951. 

3) Verhandl. d. 14. Gynäkologenkongresses, S. 593. 

4) Die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie. Berlin 1911. 


Aus der Königl. psychiatrischen und Nervenklinik zu 
Kiel (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Siemerling). 

Erfahrungen mit dem neuen Schlaf- und Be¬ 
ruhigungsmittel Dial-Ciba. 

Von 

Privatdozent Dr. Felix Stern, Assistenzarzt. 

Der klinischen Erprobung eines neuen Schlafmittels wird man 
eine gewisse Berechtigung nicht versagen können. TroU der 
grossen Menge von Medikamenten, welche die chemische Industrie 
in den letzten Jahren auf den Markt gebracht hat, schrumpft die 
Zahl der wirklich zweckmässigen und empfehlenswerten Mittel 
erheblich zusammen, wenn man prompte Wirkung, Fehlen nicht 
unbedenklicher Nebenwirkungen oder unangenehmer Begleiterschei¬ 
nungen und einen nicht zu abundanten Preis von einem brauch¬ 
baren Schlafmittel verlangt. Gerade die letztere Eigenschaft mancher 
moderner Schlafmittel wirkt um so unerquicklicher, als man mit 
vielen älteren Mitteln auf unverhältnismässig billigerem Wege die 
gleiche Schlafwirkung erzielen und man sich des Eindrucks nicht 
erwehren kann, als ob der Wert und Herstellungspreis solcher 
neuer Mittel nicht im Verhältnis zum Verkaufspreis steht. Dass 
man bei häufigerem Gebrauch von Schlafmitteln oft mit den Medi¬ 
kamenten wechseln muss, um Gewöhnungswirkungen zu vermeiden, 
ist zu bekannt, als dass es näher ausgeführt werden müsste. Not¬ 
wendig ist es aber auch, ehe man an die Prüfung eines neuen 
Mittels herantritt, sich darüber klar zu sein, in welchem Maasse 
man in der Behandlung nervöser und psychotischer Zustände der 
sedativ und hypnotisch wirkenden Mittel überhaupt bedarf. Wir 
stehen auf dem Standpunkt, dass auch trotz der weitgehenden und 
wertvollen Anwendung bydropathischer Maassnahmen zur Beruhi¬ 
gung erregter Kranker die medikamentöse Therapie durchaus be¬ 
rechtigt ist. Irgendeine nennenswerte körperliche Schädigung wird 
man bei eioigermaassen vorsichtiger Anwendung der Medikamente 
selbst nach längerem Gebrauch stets vermeiden können; anderer¬ 
seits dürfte es ausser Zweifel sein, dass bei motorisch heftig und 
langdauernd erregten Kranken durch die Erzielung motorischer 
Ruhe gefährlichen Erschöpfungszuständen vorgebeugt werden kann. 
In der Bekämpfung der Angstzustände, die oft weniger als anders¬ 
artige Erregungen durch hydropatbische Maassnabmen, insbesondere 
Dauerbäder, beeinflusst werden, wird man erst recht seine Zuflucht 
zu beruhigenden Medikamenten nehmen müssen, um wenigstens 
vorübergehend eine Linderung der Angst, die doch gerade bei 
psychisch Kranken eine äusserst quälende Stärke erreichen kann, 
zu erzielen. Aber auch bei sonstigen Erregungen wird man die 
Anwendung beruhigender Arzneien bzw. die Kombination von 
Arzneien und Dauerbädern empfehlen können, ganz abgesehen 
davon, dass in manchen Fällen fieberhafter oder sonstiger körper¬ 
licher Erkrankungen die Badebehandlung kontraindiziert, die Be¬ 
ruhigung aber im Interesse des Kranken selbst wie der Mitpatienten 
notwendig ist. 

In dem Bestreben, die Zahl der üblichem Schlafmittel durch 
ein brauchbares Präparat zu vermehren und eventuell auch einen 
Ersatz für die am häufigsten gegebenen Sedativmittel, die Opium- 
nnd Brompräparate zu finden, sind mit dem von der Gesellschaft 
für chemische Industrie in Basel neu herausgegebenen Präparat 
Dial in der hiesigen Klinik seit Ende Januar Versuche angestellt 
worden. Auf die chemische Struktur des dem Veronal nahe¬ 
stehenden Mittels und die Ergebnisse der pharmakologischen Ver¬ 
suche, die vom Laboratorium der Gesellschaft ausgefübrt wurden, 
um die Wirksamkeit und Ungiftigkeit des Mittels zu erweisen, 
braucht hier nicht mehr eingegangen zu werden. Das Mittel, 
das vou mir auf der Frauenabteilung der Klinik gegeben wurde, 
ist bisher bei 96 Patienten angewandt worden; in den meisten 
Fällen wurde es als Schlafmittel verwandt, daneben wurde in 
20 Fällen eine Dauermedikation bei Angstzuständen und Erregungen 
der verschiedensten Genese versucht. Ais Hypnoticum wurde das 
Mittel in den meisten Fällen öfters, in manchen 20- bis über 
30 mal gegeben, nur manchmal war allein eine einmalige Medi¬ 
kation erforderlich. Hier handelte es sich zumeist um leichtere 
Depressionszustände oder Psychoneurosen, die eine nur seltene 
und gelegentliche Anwendung von Schlafmitteln erforderten. Ina 
übrigen besteht das Gros der Fälle aus Erregungen, die zum Teil 
bei der Art des in der Klinik befindlichen Materials einen ausser¬ 
ordentlich starken Grad erreichten. Es ist deshalb erklärlich, 
dass die Dosierung des Mittels in den meisten Fällen eine 
ziemlich hohe sein musste und oftmals die jetzt von der 
Fabrik als höchste Einzeldosis angegebene Menge von drei 


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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1268 


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Tabletten (= 0,3) überschritten wurde. Es sei hier alsbald er¬ 
wähnt, dass bei ausgesprochenen psychomotorischen Erregungen die 
Dosis von 0,2, die Zuelcbaur 1 ) bei allerdings leichteren Er¬ 
regungen im Rahmen des circulären Irreseins als wirksam fand, 
gewöhnlich nicht ausreichte, vielmehr Einzelgaben von 0,3 und 
0,4 g gegeben wurden. Bei leichten Erregungen, bei einfachen 
Depressionszuständen und Psychoneurosen kamen wir mit 0,15 bis 
0,2 g aus. 

In der Zusammenfassung der mit dem Mittel erzielten Er¬ 
gebnisse soll eine Trennung nach der hypnotischen Wirkung der 
Eiuzelgaben and der sedativen Wirkung des als Dauermedikation 
ordinierten Mittels versucht werden. Eine statistische Uebersicht 
nach den Krankheitsformen, bei denen das Medikament gegeben 
warde, erscheint oicht notwendig, da wir ja eine etwaige Ver¬ 
schiedenheit in der Wirksamkeit eines solchen Mittels, ausser auf 
individuelle Differenzen und Differenzen der Intensität des psychoti¬ 
schen Zustandes, im wesentlichen auf die Verschiedenheit der 
Symptome, nicht der zugraude liegenden Krankheit, beziehen 
müssen. (n praktischer Beziehung ist es hier gleichgültig, ob es 
sich etwa um eine manische Erregung bei einem manisch- 
depressiven Irresein oder um einen manischen Zustand, der auf 
dem Boden der Paralyse, der senilen Demenz usw. erwachsen ist, 
bandelt; wichtig ist es dagegen, zu wissen, ob die Ansprechbar- 
keit auf das Mittel etwa auf manische oder auf Angstzustände 
□sw. verschieden ist. Allerdings macht eine solche Trennung 
nach den Zustandsbildern Schwierigkeiten, um so mehr, als 
bei denselben Kranken verschiedene Zustandsbilder zu getrennten 
Zeiten beobachtet werden können, aber auch gleichzeitig eine 
Mischung der Symptome, die eine reine Rubrizierung unmöglich 
macht, eintreten kann. Was die Erregungszustände anbelangt, so 
wurde die Wirksamkeit des Mittels getrennt betrachtet, je nach¬ 
dem es sich um manische Zustände, die sich durch Betätigungs¬ 
drang, erhöhte Ansprechbarkeit auf äussere Reize, gehobene 
Stimmung bzw. Neigung zu Zornesausbrüchen, um die mehr 
triebhaften Erregungen, wie wir sie namentlich bei katatoneu 
und hebephrenen Kranken beobachten, um halluzinatorische 
Doruhezustände, delirante Erregungen mit stärkerer Verworren¬ 
heit und um Angstzustände, die häufig auch mit starker 
motorischer Unruhe verknüpft waren, handelte; hieran schliessen 
sich die Beobachtungen, die bei den Agrypnien einfacher De¬ 
pressionszustände, sogenannter nervöser Schlaflosigkeit bei ver¬ 
schiedenartigen Psychoneurosen und bei Schlaflosigkeit infolge 
von Schmerzen bei Tumor cerebri, tabischen Krisen usw. gemacht 
wurden. Es darf nun bald betont werden, dass man id der Be¬ 
urteilung von dem Wert irgendeines Schlaf- und Beruhigungs- 
mittels nicht vorsichtig genug sein kann. Das suggestive Moment, 
das Froeblich*) mit Recht hervorhebt, fällt allerdings in der 
Mehrzahl der unseren Versuchen zugrunde liegenden Beobachtungen, 
m denen es sich ja gewöhnlich um schwere Psychosen handelte, 
ziemlich fort. In anderen Fällen, in denen die Suggestivwirkung 

sich nicht auszuschDessen war, konnte die Wirksamkeit des 
em Kranken unbekannten Medikaments durch Darreichung in 
blaten und zeitweilige Einschiebung indifferenter Mittel geprüft 
werden. Wohl aber lässt es sich oft nicht mit Sicherheit fest- 
* len, obdie Erzielung guten Schlafs bei erregten Kranken mit 
o Wendigkeit gerade auf das gereichte Mittel zurückzuführen 
«eio wird. Der lebhafte Wechsel des Zustandes ist namentlich 
i den Trieberregungen der Ratatoniker oft ein frappanter, und 
in beobachtet auch bei andersartigen Erregungen nicht selten, 
äse derselbe Kranke, dem in der einen Nacht hohe Dosen von 
No Ü te * D - ein, ß e Stunden Schlaf verschafften, in der nächsten 
ohne jedes Mittel ebensogut oder noch besser schläft, ob- 
7«f ii? _ re S aD E am Abend noch ebensogross war. Dass auch 
• i 9 ® ln °Ö8se, wie sie im klinischen Betrieb nicht zu umgehen 
, -. * - . w * e ~ le fällige Anwesenheit besonders lärmender Kranker, 
£ ‘ che Erregungen einzelner Kranker, Nachtaufnahmen erregter 
Kr. rf r . usw * ^ en der übrigen Kranken in einer vom 

: heitezustand selbst unabhängigen Weise beeinflussen köooen, 

nmh eD ■ 8 klar. Ans diesem Grunde stösst die in der Er- 
nna eines neuen Mittels au sich notwendige und auch bei 
ikriiA ° rc bßeführte Vergleichung des Medikaments mit anderen 
mini ,*“ rten Präparaten durch dauernden Wechsel der Schlaf- 
erhebliche Schwierigkeiten in der Beurteilung. Durch 
d«r 1 -? n ^ e ^ er8UC bsreihen wird man sich gegen Irrtümer in 

Beurteilung zu schützen suchen; bei manchen Kranken mit 


S ,9U * Nr. 19. 

i) Ther. d. Gegenw., April 1914. 


periodischen und in der Stärke ziemlich konformen Erregungen 
war die Beeinflussbarkeit durch Schlafmittel auch schon seit 
längerer Zeit bekannt. Für nicht unwichtig halte ich es auch, 
dass die meisten Beobachtungen sich auf Kranke beziehen, die 
auf Wachabteilungen lagen, so dass eine dauernde Kontrolle des 
Schlafs möglich war und diese Kontrolle durch ständige Scblaf- 
listen unterstützt werden konnte. 

Um die Wirksamkeit des Präparats als Schlafmittel zu 
kennzeichnen, sei zunächst eine kurze Tabelle angeführt, die ohne 
Vergleich mit anderen Mitteln nur darüber Aufschluss gibt, in 
welchem Umfange durch das Dial überhaupt Schlaf erzielbar war. 



Zahl der Fälle j 

Meist gute Wirkung 
(seltene Versager) 
Zahl der Fälle: 

Ziemlich gute 
Wirkung 

Wirkung sehr wech¬ 
selnd (häufigeres 
Versagen des Mittels) 

Wirkung gering oder 
nicht besonders gut 

Fast stetes Ver¬ 
sagen des Mittels 

a) Halluzinatorische Unruhe¬ 
zustände (bei Paranoia, De¬ 
mentia paranoides, Hebe- 
phrenie usw.). 

20 

; i 

| 

13 1 

5 


1 

i 1 

2 


b) Triebhafte Erregungen . . 

15 

i 7 j 

5 

1 

2 ! 

_ 

c) Delirante Zustände (Infek¬ 
tionspsychosen, Epilepsie, 
Paralyse). 

7 

3i) 1 


1 

i 

3 

d) Manische Zustände . . . 

12 

1 42) 

2 , 

3») 

2 ' 


e) Angstzustände. 

13 

1 + 1 4 ) i 
1 8 

: 

3 

2 


f) AgTypnie bei Depressions¬ 
zuständen (ohne stärkere 
Angsteffekte). 

12 

’ , 

9 

! 

l 

3 

1 

1 


g) Nervöse Schlaflosigkeit . . 

7 

! 4 , 

_ | 

1 

i 4 ) 

_ 

h) Agrypnie bei Schmerzen 
nicht Geisteskranker . . . 

6 

! 4 

! — 


' 2 

_ 


Zu dieser Tabelle ist folgendes hinzuzufügen; Eine besonders 
günstige Wirkung schien bei solchen Unruhezuständen, die durch 
halluzinatorische Reizzustände bedingt waren, zu resultieren. Es 
handelte sich da zum Teil um erregte Katatoniker, deren Erregung 
auch einen triebhaften Charakter hatte, die aber durch das kli¬ 
nische Hervortreten zahlreicher Halluzinationen besonders aus¬ 
gezeichnet waren; hier war selbst dann, wenn die Erregung eine 
heftige war, durch eine Dosis von 0,4 Dial öfters ein 6 bis 
9ständiger Schlaf zu erzielen, und es gehörte zu den Seltenheiten, 
dass dann noch in der Nacht eine Injektion mit der hier üblichen 
Morphium-Duboisinkombination nötig wurde. Dagegen waren bei 
einigermaassen deutlicher Ausprägung der motorischen Unruhe 
Gaben von 0,2 g völlig wirkungslos; auch wenn am Tage bei 
starker Erregung gelegentlich eine solche Dosis gegeben wurde 
war mitunter überhaupt keine Abschwächung der Unruhe zu kon¬ 
statieren. Es scheint, als wenn die Wirksamkeit des Präparates 
wie man das auch bei anderen Schlafmitteln beobachten kann 
nicht eine rein der steigenden Dosis parallel zunehmende ist* 
dass man nach einmaliger Erzielung völliger Beruhigung durch 
höhere Dosen auch eine länger anhaltende Wirkung erreicht als 
man das nach der Wirkungslosigkeit kleinerer Dosen erwarten 
würde. Auch bei denjenigen triebhaften Unruhezuständen, bei 
denen die Halluzinationen weniger in Erscheinung traten, war die 
Wirkung oft eine recht gute, wenn auch hier die Fälle, in denen 
das Mittel öfters versagte, häufiger waren. Allerdings handelt es 
sich hier zum Teil um Kranke, die überhaupt ausserordentlich 
refraktär allen Schlafmitteln gegenüber waren. So findet sich 
unter den Kranken eine Paralytica mit mässiger triebhafter Un¬ 
ruhe, die zwar gelegentlich nach 0,4 Dial 8—9 Stunden schlief 
zu anderen Zeiten aber auch 3 Tage und Nächte hindurch wach blieb 
obwohl sie an einem Abend 0,4 Dial, am nächsten «/ 4 g Veronai 
erhalten hatte. Die gleiche Verschiedenheit in der Ansprechbar¬ 
keit gegen Hypnotica zeigte sich bei der Kranken, die übrigen« 
niemals irgendwelche Begleiterscheinungen, wie Taumeln usw 
zeigte, auch 1,0 Veronai gegenüber. Die eigentümlichen Stoff- 
wecbselVeränderungen, welche wir hypothetisch voraussetzen 


1) Nur bei leichteren Fällen. 

2) Auch bei starken Erregungen meist Trirksam, häufige Dosen in 

allen vier Fallen. ^ lu 

8) Gute Wirkung bei leiohteren, schloehte bei stärkeren Erregungen 
4) Nur einmalige Dosis. ^ * 

3* 


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1264 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


müssen, um uns die zeitweilige völlige Unwirksamkeit so boch- 
doslerter Bernhigongsmittel trotz geringer Ausprägung der moto¬ 
rischen Unruhe verständlich zu machen, mögen uns zwar noch 
wenig bekannt sein, aber man wird jedenfalls solche Fälle aus 
der Beurteilung über den Wert oder Unwert eines Medikamentes 
streichen müssen. Es sei noch bemerkt, dass ausser der erwähnten 
paralytischen Kranken noch eine in lebhafter triebhafter Erregung 
befindliche senile Kranke besonders wenig durch Dial beeinflusst 
wurde. Bei leichteren triebhaften Unruhezuständen war eine Menge 
von 0,2 g öfters ausreichend. 

Am wenigsten zugänglich der Wirkung von Schlafmitteln 
gegenüber pflegen die deliranten. Zustände zu sein. Diese Beob¬ 
achtung bestätigt sich auch für das Dial insofern, als in drei 
Fällen, zweimal bei infektiöser Amentia, einmal in einem deli¬ 
ranten Zustand einer paralytischen Kranken, Dosen von 0,3 bis 
0,4 g, die ohne alle unangenehmen Begleiterscheinungen vertragen 
wurden, völlig versagten, unter anderem bemerkenswerter weise in 
einem Falle, in dem die motorische Unruhe nicht sehr lebhaft, 
aber die Bewusstsseinstrübung eine erhebliche war. In leichteren 
Fällen epileptischer Delirien war die Wirkung von 0,2 bis 0,3 g 
eine prompte, bei einem 12jährigen paralytischen Kinde mit 
zeitweiligen nächtlichen Delirien genügte eine Dosis von 0,1 g. 

Dass bei den manischen Zuständen, die Öfters einen tob¬ 
süchtigen Grad annahmen, die hypnotische Wirkung des Dials 
eine wechselnde war, bedarf keiner Erläuterung. Die geringste 
Wirkung zeigte fsicb bei einer Kranken mit seniler Manie uüd 
einer imbecillen Patientin, die auf die Verlegung in die Klinik 
mit den heftigsten Zornesansbrüchen reagierte; andere Hypnotica, 
wie 1,0 Veronal, hatten hier eine vielleicht noch geringere Wir¬ 
kung. Im übrigen war es aber auch gelegentlich bei sehr heftigen 
Erregungen möglich, durch 0,4 Dial einen mehrstündigen, bis¬ 
weilen sogar die ganze Nacht anhaltenden Schlaf zu erreichen, 
wobei das am Tage gegebene lOstündige Dauerbad gewiss mit¬ 
begünstigend aaf die Erzielung des Schlafes gewirkt -haben mag. 
Es Hess sich in einzelnen Fällen mit langen, zum Teil monate¬ 
langen Versuchsreihen, wie übrigens auch bei einigen Kranken 
mit halluzinatorischen und Trieberregungen, nach Abzug der 
möglichen Fehlerquellen mit hinreichender Sicherheit feststellen, 
dass die Wirkung von 0,4 Dial etwa der von 1,0 Veronal ent¬ 
sprach, bisweilen dieselbe auch überstieg, und öfters günstigere 
Wirkung als 2,0 Trional und 2,0 g Isopal, in einzelnen Fällen 
auch 10,0 g Paraldebyd entfaltete. Allerdings sind die individu¬ 
ellen Verschiedenheiten nicht unerhebliche, und es fanden sich 
auch einzelne Kranke, bei denen in allerdings kürzeren Versuchs¬ 
reihen z. B. 0,75 g Veronal besseren Schlaf als 0,3 g Dial be¬ 
wirkte. 

Bei Angstzuständen, bei denen im übrigen die gelegent¬ 
liche Anwendung des Dials auch oft gute Erfolge zeitigte, zeigte 
sich eine geringe Wirkung bisweilen dann, wenn starke motorische 
Uruhe mit der ADgst verbunden war. Bei einer motorisch zwar 
eher gehemmten, aber unter äusserst quälender Angst stehenden 
melancholischen Kranken mit schwerer Agrypnie war zwar auch 
durch häufigere Dosen von 0,4 g meist nur für einige Stunden 
Schlaf erzielbar, immerhin war die Wirkung von 1,0 Veronal 
und 10,0 Paraldebyd eher noch geringer. In einzelnen Fällen 
war auch bei motorischer Erregung die Wirkung eine über¬ 
raschend gute. Bei Depressionszuständen mit geringerem Hervor¬ 
treten von Angst wird man im allgemeinen mit einer Dosis von 
0,2 auszukommen suchen, in einzelnen Fällen war hierbei aller¬ 
dings die Wirkung eine mässige. Ueber den Wert des Mittels 
bei Schlaflosigkeit auf nervöser Basis, bei Neurasthenie, Hysterie, 
im Rekonvaleszenzstadium von Psychosen, möchte ich hier 
keine weiteren Bemerkungen machen, da meine Beobachtungen 
zu wenig zahlreich sind; dagegen möchte ich kurz auf die günstige 
Wirkung hinweisen, die in einzelnen Fällen bei heftigen krisen¬ 
artigen Schmerzen infolge organischer Nervenkrankheiten erreicht 
wurde; durch Gaben von 0,2 bis 0,3 g war bei einer Kranken 
mit gastrischer Krise und einer änderet! mit heftigen Kopfschmerz- 
paroxysmen infolge einer wahrscheinlich luetischen Gehirnerkran¬ 
kung guter Schlaf, nach welchem die Kranken sich bedeutend 
wohler fühlten, zu erzielen. Man wird natürlich nicht immer ein 
so gutes Resultat erwarten können, doch wird es sich empfehlen, 
gelegentlich bei Schmerzanfällen zunächst zu solchen oder ähn¬ 
lichen Medikamenten zu greifen, ehe man zum Morphium seine 
Zuflucht nimmt. 

In der Bewertung des Präparates bei dauernder Darreichung 
wird man sich natürlich noch viel reservierter verhalten müssen 
als in der Beurteilung der scblafarzielenden Wirkung von Einzel¬ 


gaben. Fehlt uns doch fast jedes Kriterium der Entscheidung 
darüber, ob der Ablauf eines manischen oder Angstzustandee 
gerade durch ein gegebenes Medikament eine Verkürzung er¬ 
fahren hat oder die Besserung auch sonst in gleicher Zeit ein¬ 
getreten wäre. Fälle, in denen ein periodischer Zustandswechsel 
mit zeitlich ungefähr gleichen Interwallen besteht, gehören jeden¬ 
falls zu den Seltenheiten. Nach den wenigen Erfahrungen, die ich 
darüber besitze, z. B. bei einer chronisch manischen Kranken mit 
periodischer Steigerung der Erregung, scheint eine wesentliche 
Reduktion in der Dauer der Erregungsphasen dnrch ständige 
Diaidarreicbung (2 mal 0,1) nicht erzielbar zu sein; weitere 
Untersuchungen hierüber sind angebracht. Dagegen ist der rein 
sedative Einfluss des Präparates bei manischen wie bei Trieb- 
erregungen und halluzinatorischen Unruhezuständen zum Teil un¬ 
verkennbar, namentlich dann, wenn auf das Absetzen des Mittel» 
nach eingetretener Beruhigung prompt mit erneuter Erregung 
reagiert wurde und erneute Dialzufubr wieder Beruhigung brachte, 
wie dies bei einer katatonen, einer halluzinatorisch-paranoischen 
und einer erregt-apbatiscben Kranken der Fall war. Natürlich 
wird die unmittelbar beruhigende Wirkung bei starken Erregungen 
bisweilen eine sehr geringe sein, immerhin kann zu einem Ver¬ 
such mit 2—3 mal täglich 0,1 Dial namentlich dann geraten 
werden, wenn ein Ersatz für schlecht vertragene Brompräparate 
erwünscht ist. Meist wird man dann anch einen im ganzen 
milderen Verlauf der Erregung als ohne Sedativmittel erwarten 
können. Dass daneben Dauerbäder nsw. ihre Anwendung finden 
können, versteht sich von selbst. Gewöhnungserscheinungen sind 
in einzelnen Fällen dadurch wahrscheinlich gemacht, dass trotz 
Weitergabe des Dials eine erneute Verstärkung der Erregung 
eintrat; zeitweiliger Ersatz des Präparats durch Bromsalze wird 
hier zu empfehlen sein. Bei den halluzinatorischen Unruhe¬ 
zuständen wurde durch die Dauermedikation iwar eine gewisse 
Beruhigung erzielt, auf die Stärke der Halluzinationen aber ein 
Einfluss nicht ausgeübt. 

Hinsichtlich der Wirkung bei Angst kann nicht über den 
gleich günstigen Erfolg, wie von Juliusburger 1 ), berichtet 
werden. Bisher ist hier, wie bei Depressionszuständen 
überhaupt, in 13 Fällen eine Dauermedikation versucht worden. 
Meist wurden Dosen von 2 mal 0,1, in einzelnen Fällen auch 
2 mal 0,05 morgens und mittags gegeben, abends wurde ge¬ 
wöhnlich ein Schlafmittel angewandt. War auch, wie schon er¬ 
wähnt, bei solchen Kranken durch etwas höhere Dosen oft ein 
ganz guter Schlaf zu erzielen, so pflegte doch durch die dauernde 
Darreichung ein wirksamer Einfluss auf die Angst selbst nicht 
manifest zu sein. Es war bisweilen selbst dann, wenn dnrch 
eine höhere Dialgabe ein fester langdauernder Schlaf erzielt war, 
zu konstatieren, dass am nächsten Morgen sofort nach dem Er¬ 
wachen auch bei Fehlen aller posthypnotischer Erscheinnngen die 
Angst in unverminderter oder erhöhter Stärke wieder einsetzte. 
Auch bei Kranken, die mehrere Tage das Präparat erhalten 
hatten, zeigte sich nur selten eine Verringerung der Angst oder 
motorische Beruhigung. Nun handelte es sich allerdings meist 
um Patienten, die sich im Zustande schwerer Depression oder 
so lebhafter Angst befanden, dass auch der Einfluss des sonst 
anerkannt günstig wirkenden Pantopons kaum erkennbar war. 
Hiernach würde man von einer Dauerbehandlung mit Dial noch 
nicht abznraten brauchen. Unangenehmer ist es aber, dass gerade 
bei den Kranken mit Depressionszuständen die Gefahr der 
Cumulationswirkung eine besonders grosse zu sein scheint, anch 
wenn, wie das ja selbstverständlich ist, auf Regelung der Ver¬ 
dauung genügend geachtet wird. In nicht weniger als fünf 
Fällen traten schon nach 2—6 tägigem Gebrauch (daneben meist 
geringe Dosen von Schlafmitteln) so starke unangenehme Begleit¬ 
erscheinungen, Uebelkeit, Schwindelgefühl, Taumeln beim Gehen, 
Appetitlosigkeit, Erbrechen ein, dass mit dem Medikament 
schleunigst ausgesetzt werden musste. Es handelte sich um 
Patienten, die die gleichzeitige Kombination von Pantopon mit 
leichten Schlafmitteln gewöhnlich sehr gut vertrugen. 

Im übrigen müssen die Folgeerscheinungen nach Dialgebraueb 
als recht geringfügig bezeichnet werden. Posthypnotische Er¬ 
scheinungen nach Einzelgaben wurden nnr bei einzelnen meist 
depressiven Kranken auch dann, wenn man ihnen genügend Ge* 
iegenheit gelassen hatte, sich auszuschlafen, beobachtet. Man 
wird bei diesen wie bei den nervösen Zuständen die Verträglich¬ 
keit des Mittels besonders vorsichtig prüfen müssen; anderseit» 
ist die Empfindlichkeit auch gegenüber hohen Dosen und lang' 


1) B.kl.W., 1914, Nr. 14. 


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fl. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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dauerndem Dialgebrauch namentlich bei manischen und trieb¬ 
hafter! Erregungszuständen oft eine überraschend geringe. Selbst 
wenn am Tage 0,2 und abends 0,4 g gegeben wurden, fanden 
sieb auch bei schwächlicheren Patient innen am nächsten Morgen 
nicht die geringsten posthypnotischen Symptome. Auch bei Dauer¬ 
medikation wurde das Mittel von den erregten Kranken meist 
vorzüglich vertragen. Unter den manischen Kranken fand sich 
nur eine, die in der letzten Zeit eine gewisse Idiosynkrasie zeigte 
and schon nach 2 mal 0,1 g Dial am Tage und 0,3 g abends am 
nächsten Tage Somnolenz und etwas Taumeln aufwies. Höhere 
Einzeldosen als 0,4 möchte ich auch bei stärkeren Erregungen 
nicht empfehlen; ich bin bisher nur einmal bei einer erregten 
Kranken, die 0,4 g gut vertragen hatte, auf 0,5 gestiegen, doch 
traten am nächsten Tage Nachwirkungen, Taumeln und Erbrechen, 
ein. Als Tagesdosis wird man bei manischen und Trieberregungen 
oft, natürlich nur unter dauernder ärztlicher Kontrolle, unbedenk¬ 
lich bis auf 0,6 g steigen können, bei depressiven Zuständen halte 
ich es nicht für ratsam, eine Tagesdosis von 0,4 zu übersteigen. 
Irgendwelche bedenklichen Folgeerscheinungen wurden nie 
beobachtet, insbesondere kein übler Einfluss auf das Gefässsystem 
und die Nieren; der Urin war stets frei von pathologischen Be¬ 
standteilen auch dann, wenn das Mittel wochenlang gegeben worden 
war. Exantheme habeich bisher ebensowenig wie Juliasburger 
beobachtet. Eio Vorteil, den das Präparat mit einigen andern, 
wie dem Veronal, Trional nsw. teilt, ist die Reizlosigkeit den 
Schleimhäuten gegenüber. Erbrechen stellte sich kürzere Zeit 
nach Einnahme des Mittels nur einmal ein, und es blieb hier 
durchaus fraglich, ob gerade das Medikament dies verursacht 
hatte, zomal die gleiche Kranke das Dial sonst stets gut vertrug. 
Dyspeptisch* Erscheinungen pflegt das Präparat im allgemeinen 
jedenfalls nicht zu machen. Bemerkt sei noch, dass die Schlaf¬ 
tiefe nach Zufuhr höherer Dosen selbst bei vorher erregten Kranken 
mitunter eine so erhebliche war, dass auch die Prüfung der 
Pupillenreaktion mit der elektrischen Lampe kein Erwecken her¬ 
vorrief. Ueber den Ersatz des Broms in der Epilepsiebehand- 
long durch Dial möchte ich ein Urteil zurzeit noch nicht ab- 
geben. Untersuchungen darüber, die auch Juliusburger aus¬ 
geführt bat, Bind hier ebenfalls im Gange; die Versuchsreihen 
sind bisher noch zu klein, als dass sich über den symptomatischen 
Weit des Dials etwas sagen Hesse. Bei einem schweren, wahr¬ 
scheinlich epileptischen, deliranten Verwirrtheitszustände wurde 
Dial (3 mal täglich 0,1) längere Zeit hindurch ohne eklatanten 
unmittelbaren Erfolg gegeben; immerhin hatte Brom bei einem 
ähnlich starken deliranten Zustand einige Jahre vorher ebenso 
geringen Erfolg gehabt. 

Fasse ich meine Beobachtungen zusammen, so komme ich 
zu dem Resultat, dass wir in dem Dial ein Präparat besitzen, 
welches zwar keineswegs neuartige, durch andere gute Schlaf- 
und Beruhigungsmittel nicht ebenfalls erzielbare, Wirkungen ent¬ 
faltet, aber ein brauchbares und bei hinreichender Kontrolle 
ungefährliches Medikament ist, das in der Therapie der 
Psychosen namentlich als Schlafmittel bei Erregungszuständen mit 
Vorteil angewandt werden kann und hier die Zahl der brauch¬ 
baren Arzneien in willkommener Weise bereichert. Auch als 
Sedativmittel kann es versucht werden; es wird hier gelegentlich 
Brompräparate zu ersetzen imstande sein. 

Meinem hochverehrten Chef, Herrn Geheimrat Professor 
Dr. Siemerling, möchte ich am Schluss für die Ueberlassung 
des Krankenmaterials meinen verbindlichsten Dank aussprechen. j 


Aus den Laboratorien des Rockefeller Institute for 
Medical Research, New York. 

Histologische Variationen eines Hühnersarkoms 
mittels filtrierbarem Agens erzeugt. 

Von 


Dr. med. Peyfoa Rous. 

Wir haben zurzeit in unserem Laboratorium drei Arten von 
Hühuersarkom von verschiedenen Typen, nämlich ein einfaches 
Spindeltellensarkom, ein zweites Spindelzellensarkom mit zahl- 
rwchen fissuralen Blutgefässen and ein Osteochondrosarkom. Jeder 
Tjpus lies« sich durch sterile Berkefeldfiltrate von Tumorbrei er- 
*wgeo. 

Das ersterwähnte Sarkom zeigt manchmal ausgeprägte histo- 
J ogische Verschiedenheiten, welche früher schon beschrieben und 


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abgebildet worden sind 1 ), deren Bedeutung aber für den allge¬ 
meinen Charakter der Geschwulst noch nicht berührt worden ist. 
Da zurzeit mehrere deutsche Forscher sich mit dem Studium 
dieses Sarkoms beschäftigen, fühle ich mich veranlasst, meiner¬ 
seits eine kurze Schilderung davon zu geben. 

Durch wiederholte Inoculationen von aktivem Tumorgewebe 
auf Hühner haben wir nun die 57. Tumorgeneration erreicht. 
Ferner haben wir viele durch Injektion von Berkefeldfiltraten mit 
ausgetrocknetem und glycerinisiertem Tumorbrei erzeugte Ge¬ 
schwülste untersucht. Die Geschwülste zeigen im allgemeinen 
die Eigenschaften echter Spindelzellensarkome. Die Zellen sind 
von der verschiedenartigsten Form, je nach der Bösartigkeit des 
Tumors und dem Drucke der Umgebung. Die Zellen der schnell 
wachsenden Geschwülste sind haferförmig oder fast rund; die¬ 
jenigen am Rande der Geschwulst zeigten eine weniger gut aus¬ 
gebildete Spindelform als die nach der Mitte gelegenen Zellen, 
was wahrscheinlich auf mehr aktive WuchemngsVorgänge am 
Räude hindeutet. In weiebgewebigen Organen, z. B. Lungen und 
Eierstöcken, sind die Tumorzellen runder als in dem festeren Ge¬ 
webe des Magens and der Nieren. 

Ausser besagten Variationen and anderen, die ich später er¬ 
wähnen werde, findet man bei verschiedenen Hübnern auch die 
histologische Reaktion, welche mit der Widerstandskraft des 
Trägers natürlich verknüpft ist. Diese Reaktion charakterisiert 
sich durch eine Ansammlung von kleinen Rundzellen (Lympho- 
cyten) und Bindegewebswucberungen, welche in ausgeprägten 
Fällen den Tumor in Läppchen zerteilen. Die Reaktion ist mehr 
ausgeprägt, aber sonst derjenigen ähnlich, die man oft bei Säuge¬ 
tieren findet, was naturgemäss dem grösseren Einflüsse der kleinen 
Rundzellen in den normalen und pathologischen Vorgängen bei 
Hübnern zuzuschreiben ist. 

Eine eigenartige Form des Sarkoms charakterisiert sieb durch 
Riesenzellen, welche nicht in Herden Vorkommen, sondern im 
Sarkomgewebe disseminiert sind. Diese Riesenzellen sind nicht 
denen ähnlich, die man in dem Reaktionsgewebe der Tuberkulose 
oder in der Nähe von Fremdkörpern findet; im Querschnitte 
zeigen sie sich eiförmig mit einem oder ein paar stumpfen Fort¬ 
sätzen und mit einem grossen excentrischen Kerne. Nicht selten 
ist mehr als ein einzelner Kern vorhanden. Ihr Ursprung aus 
den Spindelzellen, mittels Vergrösserung und degenerativer Ver¬ 
änderungen, ist erkennbar. Wenn diese Riesenzellen sich in dem 
primären Tumor vorfinden, sind sie anch gewöhnlich in den 
Metastasen anzutreffen. Solche Tumoren sind typische Riesen¬ 
zellensarkome. 

Es ist schwieriger, die Bedeutung gewisser kleiner Herde 
von neuem Gewebe klarzulegeo, welche zuweilen in den Lungen, 
der Leber and Milz von gewissen Hübnern Vorkommen, welche 
wachsende und weitmetastasierende Tumoren aufgewiesen haben. 
Oberflächlich angesehen sind diese Herde den Spindelzellenmeta¬ 
stasen in besagten Organen nicht ähnlich, ln der Leber bestehen 
sie ans unregelmässig abgerundeten oder würfelförmigen Gewebs- 
elementen, die in säulenartiger Form innerhalb der hepatischen 
Zwischenräume rangiert sind, und welche auffallend den Zellen 
der Gallengänge ähnlich sind, ln der Milz hingegen bestehen die 
Gewebselemente aus dicken, sturapfspindelförmigen Zellen von 
klarem Zellplasma mit eioem bläschenartigen Kern. Teilungs¬ 
vorgänge kommen häufig vor, und die Zellen haben eine aggressive 
Neigung gegen die umgrenzenden Gewebe, arrodieren Öfters die 
Blutgefässe und veranlassen grosse Blutungen. In den Lungen 
sind die Herde mehr komplex infolge des Vorhandenseins von 
desquamierten und degenerierten Epithelzellen. Die Herde be¬ 
stehen hier aus kugelförmigen nnd wuchernden Zellen, die an 
Endothel erinnern; manche Zellen nehmen die Form kleiner 
degenerierter Riesenzellen an. 

Die genaue Beschaffenheit dieser besonderen Herde ist nicht 
ganz und gar erkannt; doch sind dieselben in der Leber nnd Milz 
offenbar von neoplastischem Charakter, and sie sind alle so ver¬ 
schieden von dem gewöhnlichen Sarkom, dass man geneigt ist, 
an die Möglichkeit einer Lokalisation des tnmorerzengendeo Agens 
in Zellen von verschiedenen Entwicklnngsarten zu glauben 2 ). Dies 
ist um so mehr wahrscheinlich, weil die Herde nur bei sehr 
empfindlichen Hühnern vorhanden sind, und weil das Agens der 
Geschwülste zuweilen in dem centrifugierten Plasma von an diesen 
Tumoren sterbenden Hühnern naebgewiesen ist. Bis jetzt aber 
sind alle Versuche, eine solche Lokalisation des filtrierbaren 


1) Rous and Murphy, Jouru. exper. med., 1914, Bd. 17, S. 219. 

2) Rous and Murphy, loc. cit. 

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SßfcLtNER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 21 . 


Agens künstlich herzasteilen, fehl geschlagen. Andererseits sind 
alle morphologischen Grade zwischen den Zellen der Herde und 
den Spindelzellen des typischen Tumors vorhanden. Die Herde 
haben nie mehr als 1—2 mm im Durchmesser. Wenn mail sorg¬ 
fältig untersucht, sieht man auch gewöhnlich die spindelzelligen 
Struktaren selbst mit den kleinsten Herden verbanden. 

Aus den nachfolgenden Grüuden scheint es, dass diese be¬ 
sonderen Eigenschaften nicht den Status des Sarkoms als eines 
wahren Neoplasmas beeinträchtigen: 

1. Die Herde Hessen sich nur konstatieren, nachdem die Bös¬ 
artigkeit des Tumors und die Virulenz des Agens durch wieder¬ 
holte Ueberpflanzungen erhöht worden waren. 

2. Sie sind unbeständige Vorkommnisse der Krankheit und 
zeigen sich nur bei sehr empfindlichen Hühnern unter speziellen 
Umständen; auch dann sind sie nur untergeordnete Erscheinungen 
in dem allgemeinen neoplastischen Vorgang. 

3. Was die Morphologie anbetrifft, so sind alle Stadien 
zwischen den besonderen und den typischen Tumorherden vor¬ 
handen. 

4. Die anderen Typen von Hühnertamoren, welche in diesem 
Laboratorium gezüchtet worden sind, Osteochondrosarkom und 
Sarkom mit fissuralen Blutgefässen, zeigen, obgleich ebeofalls wie 
das spindelzellige Sarkom durch ein filtrierbares Agens erzeugt, 
keinen Pleomorphismus und keine Erscheinungen der oben¬ 
erwähnten Art. 

Neuerdings haben Uhlenhuth und Bürger 1 ) vor dem 
„Naturwissenschaftlichen medizinischen Verein 11 za Strassburg 
konstatiert, dass die mikroskopischen Bilder ihres Sarkoms „in 
vielen Fällen vollkommene Uebereiostimmung mit dem von Rous 
als Spindelzellensarkom beschriebenen und abgebildeten zeigten. 
In anderen Fällen war die Aehnlichkeit mit den Bildern infektiöser 
Granulome, besonders in den Metastasen, deutlich. 11 Die gegen¬ 
wärtige Abhandlung ist gewissermaassen als eine Antwort auf 
obigen Bericht zu betrachten. Die speziellen Beobachtungen von 
Uhlenhuth und Bürger sind ohne Zweifel dieselben, welche 
hier diskutiert worden sind. Unserer Ansicht nach handelt es 
sich um unbedeutende Eigenarten des sarkomatösen Prozesses, 
welcher deshalb besonderes Interesse besitzt, weil er das Produkt 
eines filtrierbaren Agens ist. 

Es ist wohl bekannt, dass die Tumoren sieb, je nach den 
Tierarten, verschieden verhalten. Die Mischtumoren der Mamma 
des Hundes, die Adeno carcinomata haemorrhagica bei Mäusen und 
unser Spindelzellensarkom bei Hühnern zeigen verschiedene Eigen¬ 
heiten, je nach der Rasse des Trägers. 


Aus der chirurgischen Abteilung des städtischen 
Krankenhauses zu Barmen. 

Beitrag zur Zeller’schen Pastenbehandlung. 

Von 

Dr. Lange. 

Bei der Behandlung des Krebses durch innerlich und äusser- 
lich angewandte medikamentöse Mittel macht Zeller theoretisch 
einen grundsätzlichen Unterschied zwischen geschlossenen und in 
Zerfall begriffenen Geschwülsten 2 ). Während bei diesen das All¬ 
gemeinbefinden wenig gestört ist, tritt bei jenen mit dem Zerfall 
eine Art Ptomainbildung auf, die den Marasmus herbeifübrt und 
das Ende beschleunigt. Das Silicium soll die Fähigkeit besitzen, 
lebendige Krebszellen zu zerstören und zur Resorption zu bringen, 
ohne Allgemeinscbädigungen hervorzurufen. Also wird man ver¬ 
mögen, geschlossene, nur aus lebenden Krebszellen bestehende 
Geschwülste durch Kieselsäure allein zur Heilnng zu bringen. 
Komplizierter ist der Weg bei den schon teilweise der Nekrose 
anheimgefallenen Krebstumoren. Hier kommt cs zunächst darauf 
an, dnreh Zerstörung der Hauptgeschwulst den Zerfall und damit 
die Ptomainbildung zu verhindern. Die übrigen nur aus lebenden 
Zellen bestehenden Krebssprossen sollen wie bei den geschlossenen 
Tumoren wieder durch die Kieselsäure abgetötet werden. 
Zeller machte nun die Erfahrung, dass durch die alleinige 
Verabreichung von Kieselsäure bei den geschlossenen Krebsen 
die Heilung allzusehr verzögert wurde. Nur in Zeiträumen von 
mehreren Wochen bis zu Jahren gelang es ihm, Tumoren, deren 


1) Uhlenhuth und Bürger, M.m.W., 1914, Nr. 18, S. 785. 

2) Zeller, M.m.W., 1912, Nr. 84 und 35. 


Krebsnatur allerdings nnr klinisch festgestellt war, znm 
Schwinden zu bringen. Es drängte sich ihm daher die Not¬ 
wendigkeit auf, praktisch den Unterschied gegen die offenen 
Carcinome fallen zu lassen und nach einem Mittel zu suchen, 
das imstande sei, genau wie bei den zerfallenden Tumoren, die 
Hauptgeschwulst zu zerstören. Nur die Abtötung der in das 
Gewebe getriebenen nicht erreichbaren Sprossen überliess er der 
Kieselsäute. Auf ihre Wirkung soll hier nicht näher ein- 
gpgaDgen werden. Wir gaben sie immer nach Zeller’s Vor¬ 
schrift, Erfolge konnten wir aus äusseren Gründen nicht fest- 
steilen. 

Praktisch verwertbare Vorteile hatten also die theoretischen 
Erwägungen nicht gezeitigt. Denn Zerstörung der makroskopisch 
sichtbaren Geschwulst war die Richtschnur unseres Handelns 
schon bisher gewesen, gleichgültig, ob der Krebs ein offener 
oder geschlossener war. In der bekannt gegebenen Arsenik¬ 
quecksilberpaste glaubt Zeller das Mittel gefunden zu haben, 
das unter Vermeidung des Messers diesen Zweck erreicht. 

Interessant ist an Zeller’s weiterer Ausführung die Angabe, 
dass die Paste normales Gewebe irgendwelcher Art nur sehr 
langsam angreift. Man könne sich daher ihrer als diagnosti¬ 
schen Hilfsmittels bedienen, ob in der Umgebung der mit Paste 
behandelten Krebspartien noch Sprossen übrig seieo. Da ihre 
Anwendung bei der Behandlung von Krebsgeschwülsten der 
äusseren Hautbedeckung dem praktischen Arzte zur Nachahmung 
empfohlen wird, war es unsere Aufgabe, ihrer Wirkung auch im 
mikroskopischen Bild nachzugehen und zu prüfen, ob ihr eine 
elektive Wirkung zuzuschreiben ist,' ferner ob ihre Anwendung 
eine Vereinfachung unserer therapeutischen Maassnabmen be¬ 
deutet. 

Zar Entscheidung dieser Frage wurde das Augenmerk auf 
folgende Punkte gerichtet: Ergibt sich eine schmerzfreiere Be¬ 
handlung als etwa bei der Exzision unter Lokalanästhesie? Wird 
gegenüber der operativen Entfernung die Behandlungsdauer ver¬ 
kürzt? Wie gestaltet sich das kosmetische Resultat? 

Um diese letzte Frage zuuächat zu prüfen, wurde auf einen 
kreisrunden, 0,6 cm messenden Hautbezirk meines Ober¬ 
armes ein kugliges Stück Nacasilicum aufgetragen, die um¬ 
gebende Haut durch Heftpflaster geschützt, ln den ersten Tagen 
verschob sich bei der Arbeit der Deckverband, so dass er einige 
Male erneuert werden musste. Am dritten Tage trat ein ge¬ 
ringes Jacken auf, daiu am vierten Tage eine circumscripte 
Rötung. Nach fünf Tagen hob sich das Epithel entsprechend 
den Hautpapiilen in kleinen Bläschen ab. Jedes einzelne war 
etwa stecknadelkopfgross. In der Umgebung bildete sich ein 
lebhaft dunkelrot gefärbter, 0,3 cm breiter Ring, ausgezeichnet 
durch stärkere Succulenz des Gewebes. Von jetzt an bestand 
stärkeres Hautjucken. Nachdem die Haut des schützenden 
Epithels entkleidet war, ging die Wirkung peripherwärts und 
in die Tiefe schneller vor sieb. Insgesamt dauerte das Auflegen 
acht Tage. Schmerzen, die das Allgemeinbefinden gestört hätten, 
bestanden nicht. 

Es bildete sich eine scharfrandige, mit gelblich schwam¬ 
migem, später braunem Gewebe ausgefülite Wunde von 0,6 cm 
Tiefe und 1,2 cm Breite. Allmählich trocknete das Gewebe zu 
einem festen braunen, iederartigen Schorf ein. Er stiess sich 
nur sehr langsam ab. Nach drei Wochen war der Wundgrand 
gereinigt. Die VernarbuDg dauerte wieder drei Wochen. Heute 
besteht eine kreisrunde, intensiv blaurote, zart epitheiisierte 
Narbe von 1 cm Durchmesser. Sie juckt wenig, fühlt sieb derb 
an. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese flache, glatte Narbe 
gegen ein vorher bestandenes Cancroid oder ein etwa auf 
lupösem Gewebe sekundär entstandenes Cardnom immerhin be¬ 
friedigen kann. Aber welch ein anderes Resultat können wir 
mit Hilfe einer ovalen Excision erreichen. In längstens zehn 
Tagen präsentiert sich uns eine zarte, linienförmige, wenig auf¬ 
fallende Narbe. 

Ueber die anatomische Wirkung des Arsens, sei es in 
mechanisch verteiltem oder gelöstem Zustand, finden sich lite¬ 
rarisch nur wenig eingehende Angaben. 

Falk fand, dass nach einiger Zeit in den befallenen Teilen 
unter lebhaften stechenden und brennenden Schmerzen entzünd¬ 
liche Schwellangen entstehen unter gleichzeitiger Eruption von 
„ekzematösen und pustulösen Exanthemen". Eine ungleich 
schnellere und energischere Wirkungsweise äussert die arsenige 
Säure auf der epidermisfreien Haut und auf Gescbwürsfiäeben. 
Hier tritt sehr bald, mitunter schon nach einigen Stunden eine 
I nekrotisierende Entzündung auf. Sie greift ziemlich tief und 



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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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schafft einen glatten, snr Granalationsbildang geneigten Ge- 
schwürsgrund, oder wie meist einen Brandschorf, unter dem die 
Vernarbung in drei Wochen vor sich geht. 

Böhm und Unterberger beobachteten bei Vergiftungen per 
os oder durch intravenöse Injektionen bei Händen die Magen¬ 
schleimhaut blutrot tingiert und geschwellt. Die Serosa erwies 
sich ecchymo8iert, ihre Gefässe waren prall gefüllt. 

Zum Studium dieser mikroskopischen Veränderungen wurde 
die Paste auf üppig wuchernde Granulationen einer nach Carcinom- 
operation Testierenden Hautwunde in der von Zeller angegebenen 
Weise aufgetragen. An vier aufeinanderfolgenden Tagen wurden 
rechteckige Stücke an der Grenze der gesunden Haut exzidiert. 

An dem zarten Gewebe mussten die allgemeinen Veränderungen am 
augenfälligsten in die Erscheinung treten. Nach 24 Stunden zeigte die 
behandelte Partie eine starke Schwellung und ödematöse Durchtränkung 
nebst sobmutziggelber Verfärbung. Nach 3 Tagen war sie auf den drei¬ 
fachen Umfang angesohwollen. Die Paste zerfloss unter der einsetzenden 
Eisudation, daher war makroskopisch ihre Einwirkung weniger scharf 
abgegrenzt. 

Im mikroskopischen Präparat hat man an dem noch unbehandelten 
Präparat das bekannte Bild der per secundam intentionem beilenden 
Wunde. Am Rand schiebt sich das Oberflächenepithel über das Granu¬ 
lationsgewebe hinüber. Unter ihm Hegt noch ein gefässreiches in der 
Vernarbung begriffenes Bindegewebe. Gegen die Wunde zu grenzt dieses 
ein schmaler Saum zarter Gapillaren ab. Jenseits dieser Grenze liegt 
in der Tiefe dickes Fibrin, vermischt mit einzelnen Leukooyten, darüber 
ein feiner fibrinöser Belag mit zahlreichen weissen und roten Blut¬ 
körperchen durchsetzt. 

Die Reaktion beginnt an den Capillaren mit einer enormen Hyper¬ 
ämie, die zu Blutungen in das Gewebe führt. Es folgt 12 Stunden 
später eine starke Leukocytenansammlung, so dass sich durch das 
Präparat ein ganz undurchsichtiger Wall aus weissen Blutkörperchen 
hindurchzieht. Während peripberwärts neue Bezirke von diesen Ver¬ 
änderungen betroffen werden, beginnt in nächster Nahe der Paste 
Nekrose. Nur hier und da sind die Gapillaren und zeitigen Elemente 
noch an ihren Konturen zu erkennen. Lückenlos lässt sich nach weisen, 
wie diese Gewebsveränderungen: „Oedem und Hyperämie, Hämorrhagie, 
Leukocytenansammlung und Nekrose“ in ihrer Aufeinanderfolge von der 
Dauer der Pasteneinwirkung abhängig sind. Ohne Berücksichtigung 
dieser Einwirkungsdauer sieht man wieder, wie, rein lokal betrachtet, 
mit der Entfernung vom AnwenduDgsort die centrale Aetzwirkung 
peripberwärts in immer schwächer werdende Reizwirkung ausklingt. 
Von dem Rande zum Gentrum kann man also wieder die erwähnte 
Reihenfolge der Veränderungen vom beginnenden Oedem bis zur Testie¬ 
renden Nekrose vom Präparat ablesen. Der Ablauf der Erscheinungen 
war an dem zarten Gewebe in günstiger Weise sehr zusammengedräogfc, 
die Wirkung auch subjektiv sehr intensiv. Denn der Patient klagte 
über heftige Schmerzen und verlangte nach 2 Tagen nach Morphium. 
Nach 4 Tagen wurde das Mittel daher ausgesetzt. 

Um die Wirkungsweise auch an anderen Gewebsarten zu er¬ 
proben, wurde die Paste auf die Haut eines Kaninchens über¬ 
tragen. 

Die Ohren wurden mit Galciumsnpersulfit enthaart und die Paste 
in der beschriebenen Weise aufgetragen und fixiert. Durchschnittlich in 
2 Tagen trat eine zunehmende Injektionsrötung der ganzen Ohrgefässe 
auf. Die Obren fühlten sich heiss an, die Umgebung der behandelten 
Stellen war in Fünfpfennigstückgrösse infiltriert und schmerzhaft. Gegen 
das normale Gewebe grenzte sie ein 0,3 cm breiter, dunkelblauroter 
Ring ab. Nach 3—4 Tagen löste sich die Haut in Bläschen und rief 
einen Tag später auf der anderen Seite dieselben Veränderungen hervor. 
Die Demarkationszone wnrde allmählich breiter und tiefer. Das um¬ 
grenzte Stuck nahm eine schmutziggelbe, schwammige Veränderung an. 
Länger wurden die Versuohe nicht ausgedehnt, denn das Allgemein¬ 
befinden der Tiere litt erheblich. In den ersten Tagen waren sie sehr 
unruhig und versuchten, das Heftpflaster abzustreifen. Später sassen 
sie apathisch in einer Ecke, ohne zu fressen. Das eine starb nach 
5 Tagen an Pyelonephritis, während die beiden anderen nach 5 bzw. 
10 Tagen getötet wurden. An den mikroskopischen Bildern können wjr 
dieselben oben beschriebenen Beobachtungen machen. Nur laufen die 
Veränderungen viel langsamer ab. Am Ort der Pasteneinwirkung 
treten sie am frühesten und auffälligsten ein. Excentrisch schreiten sie 
nach der Peripherie weiter. Das Bindegewebe, die Gefässe und das 
Epithel werden gleichmässig befallen. Keines erweist sich resistenter, 
ebensowenig die elastischen Fasern. Auch der Knorpel bietet keine 
starke Schranke, wie wir schon makroskopisch sahen. Am längsten be¬ 
halten die Zellen des Perichondriums das Vermögen der Färbbarkeit. 

Nachdem es abgetötet ist, spielen sich die gleichen Veränderungen 
*p der Unterfläche der Ohren ab. Natürlich folgen sie später, da ja 
sine Gewebsschicbt dazwischen Hegt. An den Stellen, an denen das 
Epithel vor Auflegen der Paste abgeschabt war, trat ihre Einwirkung 
tun 2 Tage früher ein. So lange dauerte es, bis das Epithel in Bläschen¬ 
form abgehoben wurde und das Corium frei lag. 

Carciuomgewebe fand die Paste in drei Fällen An¬ 
wendung. Zweimal bei weit aasgebreiteten inoperablen branchio- 


genen Carcinomen and einmal bei einem recidivierenden Mamma- 
carcioom einer ausserhalb operierten Fraa. 

Makroskopisch traten die gleichen Veränderungen auf, wie sie Zeller 
schildert und wir sie eben beschrieben haben. Die beiden ersten Tumoren 
in toto abzutöten und sie als nekrotischen Klumpen herausheben zu 
wollen, versagten wir uns. Und mit Recht, denn es stellte sich später 
heraus, dass sie bis zur Trachea vorgeschritten waren, ja, in dem einen 
Fall wurden die Stimmbänder zerstört, wegen stärkster LuftbehinderuDg 
musste zuletzt noch eine Tracheotomie ausgeführt werden. Wir be¬ 
schränkten uns nur darauf, an umschriebenen Stellen die Paste ein¬ 
wirken zu lassen. 

Von Zeller's Beobachtung, dass das normale Gewebe nur langsam 
angegriffen wird, konnten wir uns nicht überzeugen. Dies wird an dem 
verschiedenen Material Hegen. Ein grosser Prozentsatz von Zeller’s 
Fällen stellt sich zusammen aus Gancroiden und nach Kasemann’s 
Mitteilung aus Lupuscarcinomen. Diese Geschwülste sind des deckenden 
Epithels entkleidet. Wir sahen, dass die Pastenwirkung energischer 
wird, wenn einmal das schützende Epithel überwunden ist. Ferner 
nimmt ihre Wirkung, wie wir an den mikroskopischen Bildern sahen, 
mit der Entfernung ab. Trägt man nun die Paste genau auf solch 
careinomatöses Geschwür auf, so wirkt sie hier energischer, die Demar¬ 
kation gegen das Epithel tritt schärfer und schneller ein. Das normale 
Gewebe erscheint dann widerstandsfähiger, ohne dass es sich hierbei 
aber um eine elektive Wirkung handelt. Bis sich die nekrotischen 
Fetzen entfernen Hessen, dauerte es Wochen. Alle drei Patienten 
klagten nach jedesmaliger Anwendung der Paste über sehr starke 
Schmerzen, so dass wir ihnen sofort etwas mehr Morphium gaben und 
bei den ersten beiden das Mittel nur unregelmässig aDwenden konnten 
und uns auf gelegentliche Exzisionen beschränkten 1 ). Diese waren dann 
ganz schmerzlos möglich. Von dem Mammacarcinom steht uns dagegen 
eine lückenlose Serie zur Verfügung. Auch wir machten die Beobachtung, 
dass die Nähe grosser Nerven und Gefässe eine Gefahr bedeutet. Ge¬ 
warnt durch die Vorversuche, waren wir bei den branchiogenen Tumoren 
sehr vorsichtig. Trotzdem erlebten wir eine ziemlich erhebliche Blutung 
aus der Garotis externa, die noch stärker gewesen wäre, wäre das Gefäss 
centralwärts nicht schon von Tumormassen komprimiert worden. 

Kafermann erzählt von einem älteren Kliniker, der einen Ver¬ 
blutungstod im Samariterhaus nach der ätzenden Wirkung der Paste er¬ 
lebte. Er selbst sah im Samariterhaus ein handtellergrosses, tiefliegendes 
Carcinom des seitlichen Halses, dessen Grund nur wenige Millimeter von 
den grossen Gefässen entfernt war und dessen Anätzung durch die 
wahllos fressende Paste in beträchtliche Nahe gerückt war. Zweifel 
sah in zwei Fällen gewaltige Höhlen entstehen. Eine Patientin bekam 
eine Blasenscheidenfistel. Allerdings, fügt er zu, bestand hier von vorn¬ 
herein eine grosse Höhle der Vorderwand der Cervix uteri. 

Im mikroskopischen Bild handelt es sich bei dem Mammakrebs um 
einen Scirrhus. Das Stroma ist in sehr hohem Grade entwickelt. Die 
kleinen Krebszellnester sind reichlich in das derbe Bindegewebe einge¬ 
bettet. Die branchiogenen Carcinome erweisen sich als sehr zellreiche 
Plattenepithelcarcinome. Bei allen wurde die Paste in den durch die 
Probeexzision gesetzten Defekt hineingestrioben. Als erste Reaktion tritt 
uns die bekannte Blutfülle der Gapillaren, das Oedem des umliegenden 
Gewebes und die enorme interstitielle Blutung entgegen. Zunächst sind 
die Veränderungen wieder auf den benachbarten Bezirk beschränkt. All¬ 
mählich erst werden die entfernten Partien ergriffen. Im Centrum 
beginnt im unmittelbaren Ansohluss an die Leukocytenansammlung 
Schwund der Zollgrenzen und Kernzerfall. Zum Schluss ist in der Mitte 
alles Gewebe tot, während am Rand nur die Reizwirkungen auf das Ge¬ 
webe zu beobachten sind. Jenseits dieser Grenze zeigt das Carcinom 
volle Lebensfähigkeit, wie aus Teilungsfiguren hervorgeht. Besonders 
wurde auch das Augenmerk auf das Verhalten- der verschiedenen Ge¬ 
websarten gerichtet. Alle, Epithel, Bindegewebe, Carcinom, werden in 
gleicher Weise ergriffen. Nirgends besteht ein Anhaltspunkt dafür, dass 
das Carcinom ge webe weniger resistent ist als seine Umgebung. 

Zur Entscheidung dieser Frage ist das vorliegende Objekt gerade 
sehr geeignet. Denn überall liegen die kleinen Krebsneater, rings ein- 
gesoblossen von anderem Gewebe. Wahllos, nur abhängig von der Länge 
der Anwendung und Entfernung von der Paste, gehen die Gewebs¬ 
veränderungen vor sich. Ja, in einem Präparat, herrührend von einem 
branchiogenen Carcinom, sieht man inmitten ganz nekrotischen Gewebes 
Reste von Krebsnestern mit nur geringen Degenerationszeichen. Von 
einer elektiven Wirkung kann danach nicht die Rede sein. 

Nur vereinzelt findet man gelegentliche Aeusserungen, meist in 
medizinischen Gesellschaften, über persönliche Erfahrungen mit AsHg- 
Paste. 

So fand Vorn er bei einem von drei Fällen wie wir eine so grosse 
Schmerzhaftigkeit bei der Pastenanwendung, dass sie nur tage- und 
stundenweise vertragen wurde. Bei derselben Patientin stiessen sich im 
Laufe von Wochen nekrotische Fetzen ab. Nach sechsmonatiger Dauer 
hatte sioh das Gesohwür in einer Richtung durch Ueberhäutung ver¬ 
kleinert, war aber in der anderen Richtung doppelt so gross wie vorher. 
Liegt auch jetzt eine Heilungstendenz in der Mitte des ursprünglichen 
Herdes vor, so kann von einem Stillstand des Prozesses in der Umgebung 
nicht gesprochen werden. Denn während im Gentrum die Nekrose auf¬ 
trat, zeigten sich am Rand neue Knoten. Iq einem derselben sah man 


1) Die Patienten standen schon unter Morphiumeinwirkung. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


die Krebszellen im Unterhautzellgewebe in dichtgedrängten Strängen 
weiter wuchern. Von einer Neigung der Krebselemente zur Nekrose oder 
einer besonderen Wucherung des Bindegewebes als Heilungsvorgang war 
nichts zu sehen. 

Derselbe Autor konnte nach dreimonatiger Dauer bei einem zweiten 
Fall von Mammacarcinom ein apfelsinengrosses nekrotisches Stück ohne 
Blutung und Sohmerz mit der Schere ausschälen. Ein Unterschied 
zwischen Nekrotisierung des Tumors und des umgebenden Gewebes war 
nicht wahrnehmbar. Nach 4 Monaten konnte von einem Erfolg nioht 
gesprochen werden, ln dem exzidierten Stück erwiesen sich alle Bestand- 
teile nekrotisch. Bezirksweise fanden sich Körper, die abgestorbeuen 
Krebselementen entsprachen. Nach sechswöchiger Behandlung konnte er 
ein anderes Mal die Hauptmasse des nekrotischen Tumors ohne Schmerzen 
und Blutung entfernen. Mikroskopisch fanden sich unter der nekro¬ 
tischen Epidermis in dem nekrotischen Unterhautzellgewebe massenhaft 
Nester von Krebszellen, mit mehr oder weniger schweren Degenerations- 
erscheinungen. 

Das Ergebnis dieser Untersuchungen gipfelt darin, dass, wie 
auch wir fanden, die Krebszellen nicht elektiv zerstört werden, 
dass carcinomatöses and gesundes Gewebe abstirbt, soweit die 
Pastenwirkung reicht. Ferner sei zu fürchten, dass bei rascher 
wachsenden Krebsen die Wirkung der Paste die Ausläufer im 
Grund und am Rand nicht mehr erreicht und dort die Carci- 
nomelemente in üppiger Weise weiter wachsen. Schmerzloser 
kann man die Pastenbehandlung nach unserer und Vörner’s Er¬ 
fahrung keineswegs nennen. Unsere altbewährten anästhesierenden 
Methoden müssen uns viel kostbarer bleiben. Unüberwindbarer 
Widerstand gegen operativen Eingriff und der trostlose Zustand 
bei inoperablen Tumoren brachte Zeller zumeist auf den Ge¬ 
danken der Pastenanwendung, während er alle anderen dem 
Chirurgen überwies. Sollte Zeller’s Standpunkt im Laufe der 
Zeit vielleicht nicht zu nachgiebig geworden sein? Würde nicht 
doch vielleicht unter „dem ganzen Lazarett von Krebskranken, 
Lupösen, Lupuscarcinomen u , die sich auf der Landstrasse nach 
Kafermann’s Schilderung zu Zeller’s Sprechstunde bewegen, 
doch ein hoher Prozentsatz ernstem Zureden zugänglich sein! 
Ihnen könnte man die starken Schmerzen, die die wiederholte 
Anwendung der Paste offenbar in vielen Fällen verursacht, er¬ 
sparen. Sollte in dieser Hinsicht die Aetzbebandlung statt eines 
Fortschrittes nicht vielmehr einen Rückschritt bedeuten in jene 
Zeit ihrer erstmaligen Anwendung, wo blutige Eingriffe vom Arzt 
und Patienten lieber umgangen worden, weil ihnen die segens¬ 
reichen Narkotica für allgemeine und lokale Betäubung noch nicht 
zur Verfügung standen. Damals galt es, die Schmerzen auf einen 
grösseren Zeitabschnitt zu verteilen und sie für den einzelnen 
Augenblick einigermaassen erträglich zu machen. Durch eine 
Operation konzentrieren wir Bie auf einen kleinen Zeitpunkt und 
machen den Patienten während dieser Zeit schmerzfrei. Ein 
nachgiebiger Standpunkt entbehrt also der inneren Berechtigung 
und liegt nicht im Interesse des Patienten, vor allem nicht dem 
eines messerschenen Kranken. 

Und wie steht es mit der Abkürzung der Behandlung? Gegen¬ 
über der Anwendung der Kieselsäure, die bis zu Jahren ausgedehnt 
werden müsste, bedeutet sie sicher eine Verkürzung. Wir er¬ 
reichten an der normalen Haut bei dem nur oberflächlichen Defekt 
eine endgültige Heilung in Wochen. Eine Exzision hätte bis zu 
ihrer Vernarbung etwa’ so viel Tage in Anspruch genommen. Und 
wie ganz anders nnd vorteilhafter gestaltet sich dann das kosme¬ 
tische Resultat! Nach Gmonatiger Anwendung erzielte Vörner 1 ) 
gerade einen 1—2 cm breiten Epithelstreifen. Die beiden anderen 
Male erreichte er die vollständige Demarkation je nach der Grösse 
des Tumors nach 6 Wochen und 3 Monaten. Die Nachteile liegen 
ja auch hierbei klar zutage. Erst müssen wir die Zeit ab warten, 
bis das Gewebe zerstört und abgestossen ist, gegenüber der 
momentan vorgenommenen Exstirpation. Dann erst kommt das 
Stadium der Regeneration und Epithelisierung. Aber wie sind 
wir auch jetzt noch im Nachteil. Bei der Exstirpation liegt es 
in der Hand des Operateurs, den Schnitt in jeder als zweckmässig 
erkannten Richtung zu führen und mit dem geringsten Verlust an 
Hautbedeckung auszukommen. Immer kann Rücksicht auf die 
künftige Wundheilung genommen nnd sie so einfach wie möglich 
gestaltet werden. Bei der Pastenaowendung begeben wir uns all 
dieser Vorteile. Uns sind die Hände gebunden. Nur zwei Mög¬ 
lichkeiten gibt e$, entweder das Mittel aosznsetzen oder es wahl¬ 
los alles Gewebe in seinem Bereich zerstören zu lassen. Dann 
aber muss der lange Prozess der Vernarbung abgewartefc werden. 
Und wie leicht wirken Narben durch spätere Schrumpfung be- 


1) Verhandlung der medizinischen Gesellschaft zu Leipzig. M.m.W., 
1913, Nr, 20- 


sonders im Gesicht entstellend. Buchbinder berichtet in der 
medizinischen Gesellschaft zu Leipzig über seine Eindrücke bei 
einem Besuch bei Zeller. Unter Anerkennung beachtenswerter 
Erfolge bei einigen für inoperabel erklärten Brustdrüsencarcinomen 
kommt er zu dem Schluss, dass uns die Pflicht bleibt, alle bös¬ 
artigen Neubildungen, die operativ anzugreifen sind, auch operativ 
zu entfernen. Nur die, bei denen eine radikale Operation nicht 
mehr möglich ist, sollen nach der Zeller’schen Methode behandelt 
werden. Dieses Zugeständnis bat psychische Gründe für sieb. 
Der Patient, der nur das Wachstum oder den weiterschreitenden 
Zerfall des Tumors sah, bemerkt, wie das Gewebe jetzt nekrotisch 
wird und sich entfernen lässt. Er gewinnt wieder Hoffnung, die 
man ihm ruhig erhalten soll. Man wird freilich bei erheblichen 
Schmerzen auf dieses Mittel verzichten müssen und muss sich 
weiter vor Augen halten, dass auch Vergiftungserscheinungen 
auftreten können. Die Kranken zeigen einen gewissen Grad von 
Somnolenz, leicht tritt dazu auch eine akute Herzschwäche. 

Zu weit geht uns daher auch Lewin’s 1 ) Vorschlag, die Paste 
bei äusserlich ulcerierten Tumoren, namentlich Oancroiden, oder 
bei Utemscarcinom als Tampon anzuwenden. Für erstere beide 
Erscheinungsformen des Carcinoms führen unsere bisherigen 
Methoden schneller und schmerzloser zum Ziel und haben ein 
befriedigendes Resultat. Direkt warnen möchten wir aber vor 
Anwendung beim Uteruscarcinom. Die Nähe des Peritoneums, 
der Blase, der Ureteren und der Aa. uterinae bedeuten hier 
schwere Gefahren. Zweifel erlebte eine Blasen-Scheiden¬ 
fistel. In der Fulguration, der Behandlung mit Aceton oder Chlor¬ 
zink stehen uns andere Mittel zur Verfügung, die wohl auch 
einmal Gefahren zeitigen können, bei deren Applikation einem 
aber doch immer die notwendige Uebersicht bleibt. Natürlich ist 
es ganz und gar ausgeschlossen, jemals bei einem operablen Fall 
von Uteruscarcinom die Paste zu verwenden. Nach wie vor bleibt 
radikale operative Entfernung der einzige Weg. Mit der Pasten¬ 
behandlung die Zeit zu versäumen oder die Operation abzulehnen 
oder zu verhindern, nennt Zweifel eine Sunde. Wenn Hammer¬ 
schlag 2 ) bei einer Hündin durch zweimalige äussere Pastenbehand¬ 
lung ein inoperables Mammacarcinom operabel werden sah, indem 
es sich grösstenteils spontan eliminierte, und nun einen Versuch bei 
inoperablem Uteruscarcinom empfiehlt, so vermögen wir ihm in dieser 
Deduktion nicht zu folgen. Dadurch, dass die Hauptgeschwulst ab¬ 
getötet wird, wird der Fall noch nicht operabel. Bei Umwandlung 
eines inoperablen Carcinoms in ein operables muss man doch entweder 
direkte Zerstörung aller Krebszellen erwarten oder eine Beein¬ 
flussung des Zellcharakters. Von alledem tritt bei der Pasten¬ 
anwendung nichts auf. Nirgendwo besteht eine elektive Wirkung. 

Wir kommen deshalb zu dem Schluss, dass nach wie vor bei 
allen Arten von Geschwülsten, gutartigen, relativ bösartigen and 
malignen, einzig und allein die Operation in Frage kommt. Weder 
bedeutet die schon einmal in Vergessenheit geratene Paste eine 
Verkürzung noch ein schmerzloseres Heilverfahren. Sie hat aus¬ 
gedehntere Narbenbildungen im Gefolge, die sich durch Operationen 
ebenfalls erheblich geringer gestalten lassen. In der Nähe von 
grossen Nerven, Gefässen, namentlich auch bei Uteruscarcinom, 
ist ihre Anwendung direkt gefährlich. 


Aus dem Institut für allgemeine Pathologie der Uni¬ 
versität Kopenhagen. 

Eine klinische Methode zur Bestimmung der 
Kohlensäurespannung in der Lungenluft. 

Von 

Privatdozent L. S. Fridericia. 

Von mehreren Seiten ist in den letzten Jahren vorgescblagen 
worden, die Bestimmung der KohlensänrespaDnung in der Lungen- 
luft als klinische Untersuchungsmethode bei pathologischen Zu¬ 
ständen, die von einer Säureanbäufung im Blute, einer Acidosis, 
begleitet sind, zu verwenden. Es hat sich nämlich gezeigt, dass 
die KohlensänrespannuDg in der Alveolarluft der Lungen und im 
arteriellen Blute abnimmt, wenn die Menge anderer Säuren im 
Blute zunimmt. 


1) Lewin, Wie behandeln wir inoperable Geschwülste? Ther. d. 
Gegenw., 1913, H. 2. 

' i 2) DiskussionsbemerkuDgen von H ammerschlag und Meyer in aer 

Gesellschaft lür Geburtshilfe und Gynäkologie zu Berlin, 25. Oktober 191S. 


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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1269 


Io der Klinik kann die Bestimmung der Koblensäurespannung 
in der Lungenluft vor allem Bedeutung erlangen als Methode, um 
den Grad jener Acidosis zu messen, die schwerere Fälle von 
Diabetes mellitas begleitet. Seit einigen Jahren weiss man, dass 
die Koblensäurespannung der Lungenluft immer abnorm gering 
ist bei diabetischer Acidosis, und dass sie besonders stark bei 
drohendem Coma fällt (Beddard, Pembrey und Spriggs, 
Porges, Leimdörfer und Marcovici, Herrn. Straub). Vor 
kurzem ist es mir gelungen, endgültig zu beweisen, dass Kohlen 
g&urespannungsbestimmungen ein Maass geben für den Grad von 
Acidosis bei Diabetikern, ganz wie Bestimmungen von der Am¬ 
moniakausscheidung im Urin des Patienten 1 ). Ist die Ammoniak¬ 
ausscheidung abnorm gross, so ist die Kohleosäurespannung in 
der Lungenluft immer abnorm niedrig; sinkt die Ammoniakaus- 
scbeidung, so steigt die Kohlensäurespannung usw. Die beiden 
Methoden geben unter sich übereinstimmende Aufklärungen, aber 
die Bestimmung der Kohlensäurespannung hat mehrere praktische 
Vorteile, so z. B. macht sie eine augenblickliche Untersuchung des 
Zastandes des Patienten möglich, ohne dass es erst notwendig ist, 
den Urin durch 24 Stunden zu sammeln. 

Es kann natürlich nur davon die Rede sein, die Bestimmungen 
der Koblensäurespannung der Lungenluft als klinische Methode 
tu verwenden, wenn diese Untersuchung in einfacher und ge¬ 
schwinder Weise ausgeführt werden kann. Bisher sind solche 
Untersuchungen ein verhältnismässig kompliziertes Verfahren ge¬ 
wesen, welches mehrere Apparate erforderte, unter anderem einen 
Luftanalyseapparat. Es ist mir gelungen, eine Methode auszuar beiten, 
durch welche die Kohlensäurespannung in der Alveolarluft der 
Lungen in wenigen Minuten bestimmt werden kann, ohne andere 
Apparate als ein grosses Cylinderglas, einen Kautschukballon und 
eioen eingeteilten Glasbehälter von besonderer Form. Bevor ich 
mein Verfahren beschreibe, will ich die Methoden nennen, die 
bisher angewandt worden sind. 

J. S. H&ldaae und J. G. Priestley waren die ersten, die eine 
Methode zur direkten Bestimmung der Koblensäurespannung der Lungen¬ 
luft angaben 2 ). Diese Hessen das Versucbsindividuum, während es normal 
respirierte, plötzlich so tief wie möglich ausatmen durch einen 1,5 m 
laugen Kautschukschlaucb, versehen mit einem Glasmundstück; darauf 
wurde das Muodstück abgeschlossen. Die zuletzt eispirierte Luft, die 
sich im Schlauche nächst dem Mundstück vorfand, musste aus den 
Lungenalveolen stammen. Von dieser Luft wurde durch ein Seitenrohr 
dicht hinter dem Mundstück eine Probe genommen und die Kohlensäure- 
Spannung in dieser Luftprobe wurde später in einem Haldane’schen Luft¬ 
analyseapparat bestimmt. 

Die Untersuchung bestand also aus zwei verschiedenen Abschnitten, 
erst wurde eine Probe der LuDgenluft bergestellt, und darauf wurde die 
Luftprobe analysiert; zu jedem Teil der Untersuchung gehörte ein be¬ 
sonderer Apparat. Verschiedene Untersucher haben dieselbe Methode 
wie Haldane gebraucht; ich selbst habe diese Methode bei einigen 
früheren Arbeiten benutzt. Andere haben jedoch bald den einen, bald 
den anderen Absohnvtt der Untersuchung modifiziert, ohne dass die 
Methode dadurch besser oder einfacher geworden ist. 

Der erste Abschnitt der Untersuchung wurde von Lindhard 8 ) modi¬ 
fiziert Er liess das Versuchsiodividuum normal durch eine Maske mit 
In- und Exspirationsventilen atmen und sammelte eine kleine Probe der 
Luft, die zuletzt bei jeder normalen Exspiration ausströmt. PI es ob 4 ) 
verschaffte sich Lungenluft, indem er den Patienten mehrmals in einen 
Gummiballon ein- und ausatmen Hess. Hierdurch bekommt er jedoch 
gar keine normale Alveolarluft denn durch Respiration in einen so 
kleinen, abgeschlossenen Luftraum wird die Luft des Raumes nach und 
nach viel kohlensäurereicher und sauerstoffarmer, als die normale Lungen* 
luft; durch die Baldane’sche Methode untersucht man Luft, deren Kohlen- 
säurespannung der des arteriellen Blutes entspricht; Plesch meint, 
dass seine Methode Werte gibt, die der Kohlensäurespannung des venösen 
Blutes entsprechen. 

Zum zweiten Abschnitt der Untersuchung, der Analyse der Lungen- 
laftprobe, sind die verschiedenen Modelle der Luftanalyseapparate ange¬ 
wandt worden. Yandell Henderson und Rüssel®) haben angegeben, 
wie es vermieden werden könne, einen Analyseapparat zu verwenden, 
dadurch, dass man die Kohlensäure einer abgemessenen Probe von Lungen¬ 
luft von d/iq Barytwasser absorbieren lasst und nachher das Barytwasser 
titriert. Endlich haben Martin Habn und Rudolf Heim 8 ) beschrieben, 
wie mau die Kohlensäureanalyse mit Hilfe eines Interferometers vor¬ 
nehmen kann. 

1) Zsohr. f. klin. Med., 1914, Bd. 80, S. 1. (In diesem Artikel 
fiodeu sich LiteratnrangabeD über den Gegenstand.) 

2) The Journ. of pbysiol., 1905, Vol. 32, p. 225. 

3) The Journ. of physiol., 1911, VM. 42, p. 348. 

4) Z-ichr. f. exp. Path. n. Tber., 1909, Bd. 6, S. 880. 

5) cit. e. R. Tigerstedt, Physiologisehe Hebungen. Leipzig 1913, 

b. 200. 

6) B.kl.W., 1918, Nr. 5, und Zschr. f. klin. M., 1913, Bd. 78, S. 501. 


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Wie gesagt, keine von diesen Modifikationen ist besser oder 
einfacher, als Haldane's ursprüngliche Methode. Bei allen Ver¬ 
fahren sind zwei Apparate nötig, einer, um die Lungenluft zu 
sammeln, der andere, um sie zu analysieren. Und zur Analyse 
haben alle Untergeber Apparate gebraucht, die recht kompliziert 
sind und sich nur zum Gebrauche in Laboratorien eignen. Bei 
der Bestimmung der Koblensäurespannung der Lungenluft gibt es 
vorläufig 1 ) keinen Grund, die Haldane’scbe Methode zu verlassen. 
Wenn solche Bestimmungen in der Klinik Einlass finden sollen, 
muss die Aufgabe also dahin gehen, die Haldane’sche Methode zu 
vereinfachen. Mein Ziel ist daher gewesen, einen einzigen Apparat 
zu konstruieren, der zugleich dazu dienen konnte, die Lungen¬ 
luft aufzusammeln und deren Kohlensäuregebalt schnell und hin¬ 
reichend genau zu analysieren. 

Ohne auf die theoretischen Erwägungen, die mich zar Kon¬ 
struktion des Apparates geführt haben, einzugehen, will ich sofort 
zur Beschreibung des Apparates schreiten. (Abbildung 1.) 

Der Apparat besteht aus einem Glasbebälter, desseo Form in Ab¬ 
bildung 1 wiedergegeben ist. Aa dem Apparat befinden sich zwei ge¬ 
schliffene Glashähne: C und G. C ist ein gewöhnlicher Hahn mit ein¬ 
facher Bohrung, G hat doppelte Bohrung, wie die folgenden Abbildungen 
veranschaulichen. Der Raum zwischen den Hähnen G und C ist 100 ccm 
(in diesem Raummaass ist die Bohrung in G, nicht aber die Bohrung in 
C mit eingeschlossen) und das Rohr E—F ist in ganze und zehntel 
Kubikcentimeter eingeteilt. Diese Einteilung gibt also Prozentteile des 
ganzen Rauminhaltes zwischen C und G an. (Die Einteilung geht von 
G aus.) 

Ausser diesem Analyseapparat (I) ist zur Ausführung der Bestim¬ 
mung erforderlich: (II) ein grosses Cylinderglas, etwa 40 X 20 cm, (II l) 
ein Gummiballon, an einem 40 cm langen Glasrohr, (IV) ein dickwandiger 
Gummiballon, der bei K auf den Analyseapparat gesetzt werden kann, 
(V) eine gewöhnliche Porzellanschale von 15 cm Durchmesser, und (VI) 
zwei Reagentieu, nämlich eine gesättigte Borsäurelösung und eine 20proz. 
Auflösung von Kaliumhydroxyd. Quecksilber wird nicht verwendet. 


Abbildung 2. 



Abbildung J. 



Im folgendem werde ich beschreiben, wie eine Bestimmung 
der Kohlensäurespannung der Lungenluft vor sieb geht, und gleich¬ 
zeitig erwähnen, was während der einzelnen Abschnitte der Be¬ 
stimmung geschieht. 

Bevor die Bestimmung beginnt, sind einige Vorbereitungen notwendig. 
Das Cylioderglas II muss mit Wasser von gleicher Temperatur wie die 
des Zimmers, in welchem die Untersuchung vor sich geht, gefüllt werden; 
am einfachsten ist es natürlich, das Glas von einem Mal zum andern 
gefüllt stehen zu lassen. Die Temperatur des Wassers ira Cylinderglas 
wird sich, praktisch genommen, in den Minuten, in welchen die Analyse 
vor sich gebt, nicht verändern, wenn Wasser und Zimmer den gleichen 
Wärmegrad bei Beginn der Untersuchung gehabt haben. Dies ist ein 
sehr wichtiger Punkt, denn Veränderungen in der Temperatur des 
Wassers verursachen Fehler im Analyseresultat (der Fehler wird ungefähr 
0,4 pCt. Kohlensäure für 1° Temperaturveränderung). 

’ Bevor die Untersuchung beginnt, muss die Porzellanschale V mit 
20proz. Kaliumhydroxydlösung gefüllt werden. Ausserdem wird der 

1) Ueber einige wichtige Einschränkungen in der Brauchbarkeit der 
Haldaoe’scben Methode siehe Aug. Krogh, Skandinav. Arch. f. Physiol., 
1913, Bd. 80, S. 388. 

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UNIVERSUM OF IOWA 







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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Analyseapparat I zweimal mit gesättigter Borsäurelösung, die einen sehr 
geringen Absorptionskoetfizienten für Kohlensäure hat, ausgespült, und 
man lasst die Flüssigkeit wieder ausfliessen, indem.mau darauf bedacht 
ist, dass an keiner Stelle im Apparate SpülmeDgen Zurückbleiben (der 
Apparat braucht jedoch nicht zu trocknen, die Spülflüssigkeit soll nur 
abgetropft sein). 

Nun kann die eigentlieha Untersuchung beginnen. 

Die Person, deren Lungenluft untersucht werden soll, muss ganz 
ruhig sitzen oder liegen und natürlich atmen. Der Analyseapparat wird 
mit der HabnstelluDg wie Abbildung 1 bereit gehalten. Am Schlüsse 
eiDer normalen Exspiration 1 ) nimmt das Yersuchsindividuum plötzlich 
das Mundstück A des Analyseapparates in den Mund und exspiriert weiter 
durch den Apparat so tief und schnell als möglich, ohne zuerst weder 
Luft einzuatmen, noch den Atem anzubalten. Bei einer derartigen tiefen 
Exspiration werden die meisten Menschen etwa 1,5 Liter Luft ausatmen, 
wovon auf alle Fälle mehr als ein Liter aus den LuDgeDalveolen stammt. 
Da der gesamte Rauminhalt des Analyseapparates nur 1 BO ccm ist, wird 
er unter der forcierten Exspiration sehr gründlich ausgespült werden und 
bei Beendigung der Exspiration reine Alveolarluft enthalten. (Dies wird 
bei später angeführten Kon troll versuchen bewiesen werden.) Sofort Dach 
dieser forcierten Exspiration wird nun der Hahn C geschlossen O /4 Um¬ 
drehung gedreht), bevor noch die Versuchsperson den Mund von A ent¬ 
fernt hat. Dieser Hahn C bleibt geschlossen während der ganzen fol¬ 
genden Analyse. Der Hahn G hingegen verbleibt vorläufig in derselben 
Stellung wie in Abbildung l. 

Der Analyseapparat enthält jetzt die LungeDluft des Versuchs¬ 
individuums, und diese füllt den ganzen Apparat von A bis K. 

Der Analyseapparat wird sodann in das mit Wasser gefüllte Cylinder- 
glas II gestellt; mit Hilfe des umgebogenen Rohres H J K kommt der 
Apparat an den Rand des Cylinderglases zu bäDgen. Das Wasser muss 
über den Hahn G reichen, kann aber nicht über die MünduDg K reichen. 
Das Wasser im Cylinderglas wird mehrere Male durch LufWurchblasen 
(dazu wird der Ballon und das Rohr III verwendet) durcheinanderge¬ 
mischt. Man lässt den Analyseapparat 5 Minuten im Wasser des Oy- 
linderglases stehen. Im Verlaufe dieser Zeit wird die Lungenluft im 
Analyseapparate abgekühlt sein und die Temperatur des Wasserbades 
angenommen haben. Bei dieser Abkühlung zieht sich die Luft im 
Apparate zusammen; im Raume C D E F G zwischen den beiden Hahnen 
wird deshalb etwas Luft aus dem Rohr G H J K eingesaugt werden, aber 
da dieses Rohr ja auch Lungenluft enthält, wird die Luftzusammen- 
setzuDg in C D E F G dadurch nicht verändert werden (später angeführte 
Kontrotlversuche zeigen, dass dieses richtig ist). Bei K wird natürlich 
etwas Luft aus dem Zimmer in das Rohr J K eingesaugt werden; aber 
dies spielt keine Rolle, da nur die Luft zwischen den Hähnen C und 
G zu der nachfolgenden Analyse verwendet wird. 

Nach 5 Minuten wird der Analyseapparat aus dem Cylinderglas 
herausgenommen, indem man den Apparat bei den Stücken AB hält 
(um die Luft nicht mit der Hand zu erwärmen), und der Hahn G wird 
schnell l j 4 Umdrehung gedreht, zu der Stellung, die Abbildung 2 zeigt. 

Der Raum C D E F G ist jetzt ganz abgeschlossen, während das 
Rohr G H J K in Verbindung mit der Umgebung steht, sowohl durch 
K als durch die Bohrung im Hahne G. Der dickwandige Kautschuk¬ 
ballon wird bei K auf den Analyseapparat aufgesetzt und zusammen¬ 
gepresst. Die Mündung des Hahnes G wird in die mit 20 proz. Kali¬ 
lauge gefüllte Schale V (Abbildung 2) hineingetaucht, und mit Hilfe des 
Kautschukbai Ions wird die Kalilauge in das RohrGHJ aufgesaugt bis 
dicht zu J; der Hahn G wird hierauf Vs Umdrehung gedreht, so dass er 
sowohl gegen F als gegen H schliesst. Während der Analyseapparat 
schräg gehalten wird, mit H tiefer als F, wird der Gumraiballon IV von 
K abgenommen, und darauf wird der Hahn G in dieselbe Stellung wie 
in Abbildung 1 gestellt (der Hahn C wird nicht berührt), so dass eine 
Kommunikation zwischen HG und GF hergestellt wird. Ein wenig von 
der Kalilauge im Rohre G H J wird durch G in das Rohrstück G F E 
hineinfliessen, da sie unter dem Druck der Flüssigkeitssäule in H J steht. 
Dabei dürfen keine Luftblasen aus EFG durch GHJ binausschlüpfen; 
geschieht dies, so muss die Bestimmung neu gemacht werden. — Jetzt 
wird der Hahn G wieder in dieselbe Stellung, wie Abbildung 2 zeigt, 
gedreht; dadurch läuft die Kalilauge im Rohrstück GHJ aus, während 
etwas Kalilauge im Rohrstück G F E abgesperrt ist, das heisst im Raume 
zwischen den Hähnen C und G. Dieser Raum ist nun ganz abgeschlossen. 
— Der Analyseapparat wird einige Male umgeweDdet und geschüttelt; 
dadurch lauft die Kalilauge, welche im Rohrstück G F E steht, längs der 
WaDd des Behälters D E hinauf zum Hahne C und absorbiert rasch die 
ganze Kohlensäure der LuDgenluft, die zwischen den Hähnen C und G 
eingeschlossen ist. 

Der Analyseapparat wird nun wieder in das mit Wasser gefüllte 
Cylinderglas II gesetzt. Da der Hahn G noch immer in derselben Stellung 
wie in Abbildung 2 steht, wird das Wasser des Cylinderglases im 
Rohre GHJ hinaufsteigen. Während der Analyseapparat auf diese Weise 
im Wasser des Cylinderglases hinuntergetaucbt wird, wird der Hahn G 
in die Stellung wie Abbildung 3 umgedrebt. 

Dadurch steigt das Wasser auch ein Stück im Rohre G F E. Während 
der Hahn G noch immer steht, wie in Abbildung 3, wird der Analyse« 


1 ) Hai da ne nahm zwei Bestimmungen für jede Person vor, eine 
nach der Inspiration und eine* nach der Exspiration. Für den klinisoben 
Gebrauch ist es genügend, eine Bestimmung zu machen, die am sichersten 
nach der Exspiration vorgenommen wird. 


apparat im Wasser des Cylinderglases bis über den Hahn C hinunter 
getaucht, wie bei Beginn der Analyse, und durch Luftdurcbbl&sen wird 
das Wasser vermengt. Nach Verlauf von 5 Minuten kann das Resultat 
der Analyse abgelesen werden. Die Luft im Raume C D E F ist ja die 
ursprüngliche Lungenluft, aus welcher die Kohlensäure entfernt ist. Wird 
diese unter gleiche Temperatur und Druck wie bei Beginn der Analyse 
gebracht, so wird ihre Verminderung an Rauminhalt aDgebeD, wieviel 
Kohlensäure sie enthalten hat. Sie wird auf gleiche Temperatur wie zu 
Anfang der Analyse gebracht, indem sie im Wasser des Cylinderglases 
steht. Der Druck unter welchem die Lungenluft bei Beginn der Anatyse 
stand, ist der Barometerdruck im Zimmer, in welchem die Untersuchung 
vor sich geht; in den wenigen Minuten während welcher die Analyse 
dauert, wird der Barometerdruck, praktisch genommen, sich nie so viel 
verändert haben, dass dies von Bedeutung sein kann. Bei Beendigung 
der Analyse muss atso der Inhalt des Analyseapparates wieder unter den 
gleichen Druck wie die Ziramerluft gebracht werden. Dies geschieht, 
indem man den Apparat langsam in dem Wasser des Cylinderglases 
(Bahn G steht wie in Abbildung 3) emporhebt, indem man am Rohre A B 
hält, um die Luft des Apparates nicht mit der Hand zu erwärmen. Ist 
der Apparat so hoch gehoben, dass die Flüssigkeitsobei flache H im 
Rohre E F im selben Niveau wie die Flüssigkeitsoberfläche des Cylinder¬ 
glases steht, so wird ira Raume D E F der gleiche Luftdruck herrschen 
wie im Zimmer. Jetst wird der Hahn G in dieselbe Stellung wie in 
Abbildung 2 gedreht (Va Umdrehung), und der Analyseapparat wird aus 
dem Cylinderglas berausgebobeD. Bei Beschreibung des Apparates wurde 
erwähnt, dass das Robrstück E F in Prozente des ganzen Rauminhaltes 
zwischen den Hähnen C und G eingeteitt ist. Wird nun die Stellung 
der Flüssigkeitsobcrfläehe in EF abgelcsen, so wird die Ablesung des¬ 
halb direkt aDgeben, wieviel Prozent Kohlensäure die untersuchte, 
feucbtigkeitsgesättigte LuDgenluft enthält bei dem gegebenen Barometer- 
druck. 

Abbildung 3. 



Hiermit ist die Bestimmung des Koblensäuregehaltes der 
Lungenluft beendet. Es ist jedoch nicht praktisch, den Koblen- 
säuregehalt der Lungenluft prozentuell anzugebeo, sondern richtiger, 
den gefundenen Wert umzurecbnen, so dass die Kohlensäure- 
Spannung (der Partialdruck der Kohlensäure) in Millimetern an¬ 
gegeben wird, denn dadurch wird das Resultat unabhängig von 
der Höhe des Barometerstandes. Anstatt die Anrechnung aus¬ 
zuführen, kann man ihre Resultate auf einer Tabelle 1 ) ablesen, 
wenn man den Barometerstand kennt (abgelesen auf irgendeinem 
Barometer bei Ausführung der Analyse). 

Die genaue Beschreibung einer Bestimmung der Kohlensäure- 
Spannung der Lungenluft erfordert viele Worte. Die Bestimmung 
selbst erfordert nur wenige Minuten und bedarf keiner experimen¬ 
tellen Geschicklichkeit. Sie ist weder schwieriger, noch leichter 
als z. B. eine Urinstoffbestimmung nach Esbach. 

Die Brauchbarkeit und Genauigkeit des Apparates habe ich 
in zwei Reiben Kontrollversuchen erprobt. Die erste Reihe worde 
auf folgende Weise ausgefübrt: Ein Spirometer wurde mit einem 
Gemisch von atmosphärischer Luft und Kohlensäure gefüllt; von 
der Spirometerluft wurde eine Probe über Quecksilber genommen 
und in Petterson Bohr’s Luftanalyseapparat analysiert; (0,03 pCt 
Genauigkeit). Hierauf wurde der Kohlensäuregebalt der Spiro¬ 
meterluft mehrmals mit dem oben beschriebenen Apparat be- 

1) Eine solche Tabelle folgt mit dem Analyseapparat, der bergestellt 
wird in Paul Altmann’s Fabrik für Laboratoriumsbedarf, Berlin NW. 6 , 
Luisenstr. 47. 


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6. Juli 1914. 


B ERLINER KLINISC HE WOCHENSCHRIFT. 


1271 


stimmt; es wurden jedesmal etwa 2 Liter Spirometerluft durch 
den Apparat geblasen, bevor der Hahn C geschlossen wurde. 
Von diesen Kontrollversuchen wurden 8 ausgeführt, deren ße- 
sultate sich in Tabelle 1 vorfinden. 



Tabelle 1. 


Spirometer- 

Analyse in 

Analyse im oben 

mischung 

Petterson-Bobr’s Apparat 

beschriebenen Apparat 

Nr, 1 

3,62 pCt. Kohlensäure 

3,68 pCt. Kohlensäure 

3,70 „ 

Nr. 2 

3,88 „ 

3,06 „ 

3.90 „ 

Nr. 8 

4,40 „ 

4.40 „ 

4,42 „ 

4.45 „ 

4.40 „ 

4.41 „ 

Nr. 4 

5,79 „ 

5.91 „ 

5,89 „ 

Nr. 5 

6,03 „ * • 

6.08 „ 

6,02 „ 

Nr. 6 

6,16 „ 

| 

6,20 „ 

6,22 „ 

Nr. 7 

6,59 „ 

6,60 „ 

6,64 „ „ 

Nr. 8 

8,12 * 

8,15 „ 

8,18 * 


Der Unterschied zwischen den Analysen von derselben Luft¬ 
mischung mit den zwei Methoden vorgenommen, erreicht nur in 
einem Fall einen Wert von 0,1 pCt. Kohlensäure. In allen andern 
Kontrollversuchen ist die gegenseitige Abweichung geringer. Diese 
Uebereinstimmung ist vollauf hinreichend. 

Die zweite Reihe von Kontrollversuchen ist ausgeführt durch 
Bestimmung der Kohlensäurespannung der Lungenluft bei den¬ 
selben Personen teils nach Haldane’s ursprünglicher Methode 
(Luftanalyse in Petterson-Bohr’s Apparat), teils nach der hier be¬ 
schriebenen Methode. Mit jeder Methode wurden zwei Bestim¬ 
mungen an jedem der vier Versuchsindividuen gemacht. 




Tabelle 

2. 





J Kohlensäurespannung in der LuDgeuluft 

Versuchs- 

Barometer 

nach Haldane’s 

i nach 

der oben 

indiriduum 

Methode 

| beschriebenen Methode | 


mm 

pCt. 

mm 

pCt. 

mm 

F. D. 

756 

6,13 

44.2 

6,09 

44,0 

H. J. 


5,97 

43,2 

6,20 

44,8 

763 

5,32 

38,8 

5,20 

37,9 

P. J. 


5,37 

39,1 

5,41 

39,5 

764 

6,08 

44,4 

6,09 

44,5 

L. F. 


5.S8 

43,0 

5,80 

42,4 

768 

6,22 

45,7 

6,20 

45,6 



5,96 

43,8 

6,10 

44,9 


Aus Tabelle 2 geht hervor, dass die beiden Methoden gleich¬ 
wertig sind. Die erste Reihe von Kontrollversuchen zeigt, dass 
man in dem hier beschriebenen Analyseapparat den Kohlensäure¬ 
gebalt einer Luftprobe bestimmen kann mit einer Genauigkeit von 
etwas mehr als 0,1 pCt. Der Apparat kann deshalb zu jeder 
Kohlensäureanalyse verwendet* werden, die keine grössere Genauig¬ 
keit erfordert, vorausgesetzt, dass der Koblensäuregebalt in der 
zu untersuchenden Luft zwischen 2,5 und 8,5 pCt. liegt. Der 
Analyseapparat ist also sehr wohl verwendbar zu Kohlensäure¬ 
bestimmungen der Lungenluft nach anderen Methoden als Hal- 
dane s (z. Bsp. nach Plescb). 

Die zweite Reihe der Kontrollversuche zeigt, dass der Ap¬ 
parat zu Kohlensäurebestimmungen der Lungeuluft nach Haldane 
fionlet °^ en kescbriebenen Weise verwendet, befriedigend funk- 

Von einer klinischen Methode muss mau verlangen, dass sie 
rasch und genau ist und leicht ausführbar, und nur einen ein- 
* e,c ^ t transportablen Apparat erfordert. Die beschriebene 
jj 6 . ode er fäHt diese Forderungen und wird es hoffentlich mög- 
j? m . ac f hen ' ,^j e Bestimmung der Kohlensäurespannung in der 
•v. kÜuiseh anzuwenden, besonders um den Grad der 
osis bei Diabetikern zu diagnostizieren. 


Aus fier pathologisch - anatomischen Abteilung des 
St. Hedwigs-Krankenhauses zu Berlin. 

Hysteroneurasthenie oder chronische Appen- 
dicitis ? 

Zugleich ein Beitrag zur A ppendicitisfrage und ihrer 
Beziehung zur Oxyuris. 

Von 

Dr. A. Rheindorf, Prosektor. 

(Schluss.) 

Betreffs der sogenannten „normalen“ exstirpierten Wurmfort¬ 
sätze wird vielleicht auch eine Aenderung der Ansichten eintreten, 
wenn man sich, wie ich dies schon in meinem zweiten Aufsatze 
ausspracb, die von mir gegebenen Abbildungen vergegenwärtigt 
und grössere Abschnitte untersucht; es wird dann auch der Prozent¬ 
satz der sogenannten „normalen“ exstirpierten Processus erheblich 
sinken. 

Zur Erläuterung dieses möchte ich noch einige Abbildungen 
geben, die, wie ich meine, sehr instruktiv sind, und als Ergänzung 
der von mir bis jetzt schon gegebenen Abbildungen dienen sollen. 
Vielleicht tragen sie auch dazu bei, dass diesem Thema eine etwas 
intensivere Aufmerksamkeit gewidmet wird, was ich bis jetzt, so 
z. B. besonders in gynäkologischen Zeitschriften, völlig vermisse. 
Einzelne Hinweise auf dieses Thema finden sich wohl, so neben 
dem obenerwähnten Aufsatze z. B. das Referat über Wilson’» 1 ) 
Aufsatz; aber nirgends findet sich auch nur ein Andeutung darüber, 
dass die ganze Grundlage dieser Frage gegen früher völlig ver¬ 
ändert ist, und dass nach Kenntnisnahme des häufigen Vor¬ 
kommens der Oxyuren auch im Wurmfortsatz Erwachsener eigen¬ 
tümliche, dort zu findende Veränderungen, die man bisher, der 
Autorität Aschoff’s folgend, als Kunstprodukte aufzufassen ge¬ 
wohnt war, auf die Tätigkeit dieser Würmer zurückzuführen sind. 
Die folgenden Abbildungen ergänzen auch meine früheren insofern, 
als ich Oxyuren in der abgebildeten Situation, d. h in den Quer¬ 
furchen des Processus mit Gewebszerstörungen daselbst bis jetzt 
noch nicht gebracht habe. Dies ist insofern wichtig, als auch 
hier mit Vorliebe die sogenannten Primärinfekte Aschoff’s 
lokalisiert sind. 


Abbildung 1. 



Pfocessus-Läogsschnitt, 35 fache Vergr. L = Lumen des Processus. 
U = Uebergang vom Lumen (L) iD eme Querfurche (f) des Processus! 
Hier fehlt grösstenteils das Epithel. Die Querfurche setzt sich über ihre 
natürlichen Grenzen hinaus mit einem sich gabelnden Spalt in das Lymph¬ 
knötchen bei a fort, o = Oxyurisquerschnitt. s = Schleimhaut. 

So gibt die Abbildung 1 einen Längsschnitt wieder, auf dem 
hauptsächlich eine Querfurche (f) zu sehen ist. Diese ist grössten¬ 
teils ihres Epithels beraubt, und sie setzt sich über ihre normalen 


1) Wilson, Brit. med. Journ., April 1912. Ref. Zbl. f. Gyn 1912 
Nr. 36. ’ 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Grenzen hinaus fort und endigt mit einem sich gabelnden Spalt 
in einem Lymphknötchen bei a. 

Von irgendwelchen entzündlichen Infiltrationen oder prolifera¬ 
tiven Wucherungen ist hier nichts vorhanden. Man sieht nur 
unmotiviert durch Spalten getrenntes lymphatisches Gewebe, an 
dem gelegentlich eine ganz geringe Karyolyse vorhanden ist. 
Ueber di* Genese dieses bis jetzt als Kunstprodukt gedeuteten und 
vor Veröffentlichung meiner Abbildungen auch sonst unerklär¬ 
lichen Befundes wird man nach Durchsicht der von mir hier aus¬ 
geführten Serienschnitte etwas auders denken. Die Serienschnitte 
zeigen nämlich in derselben Bucht Querschnitte einer kleinen 
Oxyuris an derselben Stelle, an der in Abbildung 1 der unmoti¬ 
vierte Defekt gelegen ist. 


Abbildung 2. 



Längsschnitt, 35 facbe Vergr. Einige Schnitte weiter io der Serie, aus 
der Abbild. 1 stammt. L = Lumen des Processus, f = dieselbe Quer- 
furcbe wie in Abbild. 1. An derselben Stelle, wo sich in Abbitd. I in 
dem Lymphknötchen (a) der sich gabelnde Spalt befand, befindet sich 
io eioem etwas grösseren Defekt eio Oxyurisquerschnitt (a). o = dieselbe 
Oxyuris wie io Abbild. 1. Im recbteD Querscboitt nur der Darmkanal 
getroffeo. Die Cuticula ausgefallen. 

So gebe ich in Abbildung 2 einen Schnitt wieder, der un¬ 
gefähr l / z mm weiter aus derselben Serie wie Abbildung 1 stammt, 
und bei dem in einem etwas breiteren Spalte an derselben Stelle 
bei a der Durchschnitt einer Oxyuris sichtbar ist. In Verfolgung 
der übrigen Serienschnitte steht nun teils die Oxyuris in unmittel¬ 
barem Zusammenhang mit der Querfurche tiefer oder oberfläch¬ 
licher im lymphatischen Gewebe, und teilweise hat sich das 
lymphatische Gewebe wieder ganz geschlossen, oder es deutet nur 
noch eine geringe Spaltbildung im lymphatischen Gewebe auf den 
Zusammenhang zwischen Oxyuris und Querfurche hin. Diese Ver¬ 
hältnisse illustriert z. B. Abbildung 3, auf der bei s u. s x noch die 
Andeutung eines Spaltes vorhanden ist, der von der Querfurche f 
nach der Oxyuris bei a hinzieht. Bei stärkerer Vergrösserung 
zeigt dann die Abbildung 4 neben dem direkten Zusammenhang 
der Querfurche (f) mit dem oxyurenhaltigen Spalte bei a auch 
sehr schön die von mir schon früher 1 ) besprochene Fremdkörper¬ 
wirkung des Parasiten auf das umgebende lymphatische Gewebe. 
Dieses ist nämlich in der Nachbarschaft der Oxyuris von 
glatter Oberfläche, während dasselbe in dem oberen Spalte von 
ganz unregelmässiger, wie zerfetzter Oberfläche ist. Hier ist die 
Druckwirkung der Oxyuris auf das lymphatische Gewebe nicht 
zustande gekommen. Neben meinen früheren Abbildungen be¬ 
weisen die hier beigegebenen auch wieder schlagend die Lnhalt- 
barkeit der Aschoff’schen Behauptung, dass es sich bei Oxyuren- 
defekten stets um glattwandige Spaltbildungen handle. Glatt- 
wandig sind die Spallbildungen nur da, wo die Oxyuris allseitig 


1) Rheindorf, Ueber die durch die Oxyuris verraiculari9 bervor- 
gerufeoen pathologisch-anatomischen Veränderungen in der Wand des 
Wurmfortsatzes nebst Betrachtungen über die Genese und das Vor¬ 
kommen der Appendicitis. Frankf. Zschr. f. Path., 1913, Bd. 14, H. 2. 


Abbildung 3. 



Längsschnitt, 30 fache Vergr. Aus derselben Serie wie Abbild. 1 u. 2. 
L = Processuslumen. U = Uebergang des Lumens auf dem Längsschnitt 
in die Querlurche (f). a = Dieselbe Oxyuris wie in Abbild. 1 u. 2, tiefer 
im lymphatischen Gewebe, s = Spalt und s t = Andeutung eines Spaltes, 
der von der Querfurche (f) bis in die Nähe der Oxyuris (a) führt, o = Quer¬ 
schnitte einer anderen Oxyuris in einem Lymphknötchen. 


Abbildung 4. 



Längsschnitt, 200 fache Vergr. Ein Schnitt weiter in der Serie, aus der 
Abbild. 2 stammt, a = Dieselbe Oxyuris wie in Abbild. 2. a t = Spiess- 
förmig abgelöste Cuticula. Das lymphatische Gewebe im Bereich der 
Oxyuris (beis.) scharf begrenzt. Im Spalte bei f — es ist dieselbe Quer¬ 
furche wie in Abbild. 1 u. 2 — fehlt das Epithel; die Oberfläche sieht 
wie zerfetzt aus. (Processus lebenswarm fixiert.) 

vom lymphatischen Gewebe umschlossen, dieses mechanisch kom¬ 
primiert hat. 

Nun befinden sich in den Schnitten desselben Blockes, der 
in 2 cm langer Ausdehnung längs geschnitten wurde, noch andere 
ähnliche Defekte, aber ohne Oxyuren in ihnen, die man aber in¬ 
folge der abgebildeten Befunde auch auf die Oxyuren zurückzu¬ 
führen berechtigt ist. Hätte ich von diesem Blocke Querschnitte 
gemacht, so würden mir, wenn ich zufällig von der anderen Seite 
des Blocks zu schneiden angefangen hätte (die abgebildeten Oxyuren 
liegen gerade an dem einen Ende dieses Blocks), erst nach ungefähr 
1000 Schnitten die abgebildeten Oxyuren im Schnitt aufgefallen 
sein, und erst sie würden mir wegen des gleichen Aussehens der 
Defekte um die Oxyuren ein Verständnis gegeben haben für die 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


12 W 


anderen in den vorhergehenden Schnitten vorhandenen unerklär¬ 
lichen Defekte. Da nnn die Oxyuren meist nur einzeln oder nnr 
za weaigen im Processus vorhanden za sein pflegen, so ist es ge¬ 
kommen, dass man sie nicht auffand und alle Defekte einfach 
fär zweifellos vorkommende Operationskunstprodnkte erklärte, da 
man keine andere Erklärung fand. 

In diesem Falle handelte es sich am eine 17 jährige Patientin, 
die seit 2 Jahren anfallsweise bohrende Schmerzen in der Blind¬ 
darmgegend hatte, welche in den letzten Wochen 1—2 Tage lang 
ununterbrochen andauerten. Afterjucken hatte Patientin nie gehabt. 
Abgesehen von der durch die Abbildungen wiedergegebenen Oxyuris 
(bei a) fand sich in unmittelbarer Nähe noch eine zweite tief unten in 
einem Lymphknötchen (bei o), und auf den Serien* und Stufen¬ 
schnitten liess sich hier eine Kommunikation mit dem Lumen des 
Processus nicht mehr nachweisen. Ein in den Schnitten an¬ 
deutungsweise vorhandener und vom Lumen zu der Oxynris hin¬ 
führender Spalt musste als wahrscheinliche Eintrittspforte, die 
sich fast restlos geschlossen hatte, angesprochen werden. 

Ein derartiger Befund lässt beispielsweise für gewisse Fälle einen 
therapeutischen Effekt durch Wurmmittel ziemlich aussichtslos erscheinen. 
Für das Gros der Fälle liegen die Verhältnisse jedoch anders und sind 
erst, wie ich das vor einem Jahre forderte 1 ), an den Fällen, wie die 
Praxis sie bietet, zu prüfen. In dieser Beziehung liegt eine von meinen 
Untersuchungen wohl unabhängige Mitteilung vor, wie ich einem Referate 
im Zbl. f. Gyn. entnehme, von dem oben oitierten Wilson (1. o.), der 
der Ansicht ist, dass die Appendix viel häufiger wie angenommen die 
Brutstätte der Oxynris vermicularis ist und viele Anfälle von Appendicitis 
durch sie hervorgerufen werden. Jahrelang versuchte Abtreibung der 
Oxyuris wurden dann erst, wie Wilson mitteilt, durch die Appendek¬ 
tomie erreicht. Ob es sich, wie hier geschildert, nur um Ausnahmefälle 
handelt oder nicht, ist natürlich nur durch zahlreiche gleichartige 
und sorgfältig untersuchte Fälle klarzustellen. 

Bei dieser 17 jährigen Patientin waren nun im Lumen noch 
20 Oxyuren, die übrigens aus den Schnittflächen beim Zarechtschneiden 
der Blöcke herausfielen und der Diagnostik wohl entgangen wären, wenn 
nicht besonders darauf geachtet worden wäre; ein Punkt, der bei dem 
häufigen Vorhandensein nur einer Oxyuris im Processus bei dem jetzt 
noch immer negativen Befund vieler Untersucber eine grosse Rolle spielt. 
Bei der makroskopischen Betrachtung entgehen einzelne Männchen und 
nicht eierhaltige Weibchen ebenfalls leicht der Diagnostik; stellenweise 
habe ich dieselben vor der Härtung, besonders wenn sie im Schleim ein¬ 
gebettet sind, erst nach viertelstündigem Suchen gefunden. Zweckmässig 
wäre es vielleicht, wenn endlich einmal die Angabe aus den verschie¬ 
densten Lehrbüchern verschwände, dass die Oxyuren allgemein als weiss 
bezeichnet werden. Weiss sind einzig und allein die strotzend mit 
Eiern gefüllten weiblichen Tiere, und zwar durch totale Reflexion der 
Lichtstrahlen; die nicht mit Eier gefüllten Weibchen und die Männchen 
sind glasig, durchscheinend und besonders im Schleim nur äusserst 
schwer zu sehen. Es sind dies allerdings nur Kleinigkeiten, aber wie 
so oft ergeben sich bei Ausserachtlassen derselben oft die schwer¬ 
wiegendsten Trugschlüsse. Bei dieser Patientin sind nun nach der Ope¬ 
ration wieder Schmerzen aufgetreten, die hauptsächlich als Kreuz¬ 
schmerzen angegeben werden, während die in der Processusgegend vor¬ 
handenen verschwunden sind; und es bleibt erst zu prüfen, ob diese viel¬ 
leicht noch mit Oxyuren Zusammenhängen. Leider ist die Untersuchung 
hier etwas erschwert, weil die Patientin ausserhalb ihren Wohnsitz hat 
und nur brieflich zu erreichen ist. 

Sonst verfüge ich über einen Fall bei einem 32 jährigen 
Lehrer, bei dem eine Masseninfektion von Oxyuren im Processus 
jorlag, und von dem die Abbildungen 2—6 in meinem Aufsatze 
in der Frankf. Zscbr. f. Path. stammen, der einige Wochen nach 
der Operation wieder ähnliche Schmerzen in der Blinddarm¬ 
gegend bekam, und bei dem nach einer erfolgreichen Wurmkur 
die Beschwerden und Schmerzen wieder verschwanden. Hier ist 
also an die Möglichkeit zu denken, dass auch noch Oxyuren im 
Typhlon vorhanden waren und dort Kontraktionen oder Ver¬ 
änderungen hervorgerufen haben, wie sie jüngst von Garin 2 ) be¬ 
schrieben wurden. 

Wenn ich diesen Fall auch keineswegs verallgemeinern will 
für alle nach einer Appendektomie auftretenden Schmerzen, so ist 
ss aber doch klar, dass er für viele möglicherweise eine Rolle 
8 Pielt; denn an dieses Moment ist ja bis jetzt noch gar nicht 
gedacht worden, wie denn überhaupt die Scbmerzanfäile in der 

, U Rheindorf, Ueber das Vorkommen der Oxyuris vermicularis im 

iqiiixt eiatir P ierteQ Wurmfortsätze des Erwachsenen. Med. Kl., I 
A *1S. Nr. 16. 

_*. ^ f”in, Rechercbes sur la fixation, le mode de nutrition et le 
e pathogen® de l’oxyure vermioulaire. Le progres medical, No. 2, 
tilirM 7,61 P- Auch erschienen in: Garin, Recherches 

8nr la fixation «t le mode de nutrition de quelques 

nematodes. Lyon-Paris 1918, p. 63—74. 


Appendixgegend, bei denen dann die Appendektomie meist eine 
sogenannte „normale“ Appendix zutage förderte, vor meinen Unter¬ 
suchungen absolut unerklärlich waren. 

Die Frage nun, wie die Schmerzen durch die Würmer ausgelöst 
werden, möchte ich noch offen lassen. Ich habe früher auch für die an¬ 
fallsweise so überaus heftig auftretenden Schmerzen an eine Reizwirkung 
des Peritoneums gedacht, möchte diese Möglichkeit auch für gewisse 
Fälle noch ins Auge fassen, aber ich glaube jetzt an der Hand von 
82 teils sehr genau untersuchten Fällen sagen zu können, dass dies 
sicher nicht die Regel ist. Einerseits möchte ich meinen, dass es mög¬ 
licherweise durch die Würmer hervorgerufene schmerzhafte spastische 
Kontraktionen der Muskulatur sind, andererseits möglicherweise direkte 
Reizungen von Nervenendigungen, welche die Schmerzen verursachen. 
In dem oben abgebildeten Falle lagen nämlich die Oxyuren in unmittel¬ 
barer Nähe einiger grösserer Nervenquerschnitte. Da ich meine Prä¬ 
parate noch nicht systematisch auf die Beziehungen der Oxyuren zu den 
Endausbreitungen der Nerven geprüft habe, möchte ich diese Frage nooh 
offen lassen. Dass Kontraktionen des Processus auch eine Rolle spielen, 
möchte ich daraus schliessen, dass ich auch ohne Eindringen der Würmer 
in die Wand oder ohne nennenswerte durch sie verursachte Defekte 
Schmerzen in der Anamnese fand, und andererseits die Beziehungen 
spastischer Darmkontraktionen zu Würmern ganz bekannt sind. 

In einer jüngst erschienenen Arbeit hat sich Grünbaum 1 ) dahin 
ausgesprochen, dass die Schmerzen infolge von Zerrungen am Mesen* 
teriolum zustande kämen, die ihrerseits durch Kontraktionen der Wurm¬ 
fortsatzmuskulatur entstünden. Dies scheint mir aus dem Grunde sehr 
unwahrscheinlich, weil man in Fällen, in denen der Processus durch 
Verwachsungen fest fixiert ist und gar nicht in der Lage ist, bei Kon¬ 
traktionen das Mesenteriolum zu zerren, dieselben Schmerzen angegeben 
werden. 

Was die Art der Schmerzen anbetrifft, so werden sie als ziehend, 
bohrend, schneidend, stechend, kribbelnd und als Druckgefühl angegeben. 
Meistens nehmen sie bei Bewegungen zu und können anfallsweise so 
stark werden, dass die Patienten sich zu Bett legen müssen; in diesem 
Falle werden sie häufig von Allgemeinsymptomen, Uebelkeit, Er¬ 
brechen usw. begleitet. Oft treten die Schmerzen sogar nachts im 
Schlafe auf, so dass die Patienten wach werden. Bei einigen Patienten 
können die Schmerzen auch kaum nennenswerte sein; ja, sie werden oft 
gelegentlioh erst durch einen tödlich verlaufenden Appendicitisfall in 
ihrer Umgebung auf derartige, früher nicht beachtete Schmerzen auf¬ 
merksam gemacht. Einmal batte ich auch Gelegenheit, einen oxyuren- 
haltigen Processus zu untersuchen, bei deren Trägerin gar keine 
Schmerzen vorhanden waren, die sich aber auf Anraten ihres Arztes, 
weil sie während eines Landaufenthaltes eine abscedierende, operativ 
behandelte Appendicitis durchgemacht hatte, beschwerdefrei der Intervall¬ 
operation unterzog. Hier bestanden nur Druckschmerzen am Mc. B.-Punkt. 
Aus gewissen Anzeichen vermute ich, dass häufig, besonders bei Kindern, 
erst nach einiger Zeit, die sich möglicherweise auf Jahre erstrecken kann, 
durch die Oxyuren Schmerzen und Defekte im Processus ausgelöst werden 
können, während sie gelegentlich symptomenlos dort Vorkommen können. 

Gelegentlich werden die Schmerzen auch als krampfartige in der 
linken Seite und in der Gegend des Nabels angegeben. Die Patienten 
geben an, sie haben das Gefühl, „als wenn sich immer etwas zusammen¬ 
zöge“. 

Möglicherweise gehören auch einige der jüngst von Köttner 2 ) 
anlässlich der Moro’schen Publikation 3 ) über Nabelkoliken mit- 
geteilten Fälle in diese Kategorie. Denn über diese Nabelkoliken, 
die mir übrigens aus eigener Beobachtung an oxyurenkranken 
Kindern bekannt sind, referierte ich schon vor zwei Jahren an¬ 
lässlich der Wiedergabe der Schiller’schen Fälle. Wenn 
Küttner die Oxyuren in seinen Fällen nicht erwähnt, so liegt 


1) Auf die übrigen Ausführungen Grünbanm’s (Tuaug.-Diss. Heidel¬ 
berg 1913: Ueber die chirurgisch-pathologische Bedeutung einiger Darm¬ 
parasiten) einzugehen, ist auch deshalb überflüssig, weil er nur über 
einen Fall von Oxyurenappendicitis verfügt (Temperatur übrigens 39,7) 
aber mit keinem Worte auf den erhobenen mikroskopischen Befund 
seines Falles eingeht und sich begnügt, an der Hand „mitgeteilter 
Krankengeschichten mit Wahrscheinlichkeit zu schliessen, dass die 
Oxyuren nicht imstande sind, an einer gesunden Darmwand den appendi- 
oitischen Primärinfekt (Asohoff) zu erzeugen“. Gr. gibt richtig an, 
ich hätte die Möglichkeit, die Oxyuren seien imstande, direkt einen 
Primärinfekt im Sinne Aschoffs zu erzeugen, abgelehnt; er geht aber 
auf meinen in seinem Literaturverzeichnis erwähnten zweiten Aufsatz 
nicht ein, der an der Hand vieler Tausender untersuchter Schnitte eine 
indirekte Beziehung der Oxyuren zum Aschoff’schen Primärinfekt er¬ 
örtert. Im übrigen gilt für diese Dissertation dasselbe, was Loeb in 
der M.m.W. des öfteren gegeisselt hat. In dem Literaturverzeichnis 
fehlt bei den aufgeführten Dissertationen die Angabe der Universität- 
mein erster Aufsatz in dieser Frage ist. einem, Aqdqren Autor zu¬ 
geschrieben usw. 


2) Küttner, Ueber die 


sogenannten“ reiiÄivWei&en . 


3) Moro, Ueber recidivierende Nabelkoliken bei alteren Klh.Pirr« 
M.m.W., 1913, Nr. 51 und B-kl.W., 1914, Nr. 8. ' V ,. ‘ 


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1274 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


das wohl daran, dass er sie entweder für harmlos hält, oder 
daran, dass die vereinzelten Exemplare auch jetzt noch immer 
übersehen werden wie all die Jahre vorher. 

Ich sagte B.kl.W., 1912, Nr. 10, S. 452: „Bei der Schwester des 
Patienten (10jährig), die ebenfalls Oxyuren hatte, traten heftige kolik¬ 
artige Schmerzen in der Nabelgegend auf“. Hierhin gehört auch ein von 
Hall 1 ) mitgeteilter Fall: „Ein 9jähriges Mädchen verfiel in einen 
Schwächezustand, übergab sich und hatte starke Unterleibsschmerzen 
hauptsächlich um den Nabel herum lokalisiert. Puls 124. Tempe¬ 
ratur normal. Gefühllosigkeit wurde in der rechten Seite in der Nahe 
der vorderen oberen Spina beobachtet. Laparotomie wurde nach 5 Tagen 
au 9 gelührt, die Appendix war rot, geschwollen, brandig und an einer 
Stelle perforiert. Er enthielt zwei Oxyuris und Staphylococcus.“ 

Selbstverständlich will ich nun nicht die Moro’scben Fälle 
einfach alle auf Oxyuren zurückführen, aber wir haben aus 
mehreren Gründen alle Veranlassung, derartige Fälle kritisch 
daraufhin zu untersuchen. Moro hat ja auch selbst zuerst an 
Würmer gedacht, er sagt S. 2828 (M.m.W., 1913): „Weit davon 
entfernt, mich über die Frage nach einer eventuellen Beteiligung 
von Würmern an gewissen, schwer deutbaren Intestinalerkrankungen 
von vornherein hinwegzusetzen, untersuchte ich besonders anfangs 
wiederholt auf Parasiteneier — aber niemals mit besonderem Er¬ 
folg.“ Sehe ich davon ab, dass man aus Moro’s Angabe „be¬ 
sonderer Erfolg“ auf einen gewissen geringen Erfolg in einzelnen 
Fällen schliessen könnte, so wissen wir ja auch neuerdings durch 
die oben mitgeteilten Angaben Trumpp’s, wie häufig der Eier¬ 
nachweis, speziell der Oxyuren, versagt, und dass ein negativer 
Befund noch längst nicht berechtigt, Würmer mit Sicherheit aus- 
zuschliessen. Ich kann auf Grund meiner Erfahrungen an der 
Leiche auf das Bestimmteste versichern, dass häufig einzig und 
allein vereinzelte Oxyuren im Wurmfortsatz vorhanden sind, und 
ich habe deshalb keine Veranlassung, dies nicht auch für viele 
Fälle für den Lebenden anzunehmen, wenn ich im exstirpierten 
Processus ebenfalls vereinzelte Oxyuren finde und jetzt bei noch 
so intensivem Suchen im Stuhle nach einer Wurmkur keine mehr 
finden kann. Dass für viele Fälle bei den zuletzt erwähnten ein 
Eiernachweis im Stuhl vor der Operation absolut unmöglich ge¬ 
wesen wäre — da der Befund vereinzelter Männchen oder dieser 
in Verbindung mit nicht eierhaltigen Weibchen im Processus sehr 
häufig ist —, bedarf wohl keiner Erörterung. 

Ist also der negative Eierbefund bei den Moro’schen Fällen 
kein Gegenbeweis gegen Oxyuren, so ist es das Verschwinden der 
Nabelkoliken nach Belladonna auch keineswegs. Denn dieses ist 
ja gerade ein Specificum gegen durch spastische Darmkrämpfe 
verursachte Schmerzen, und dass solche durch Würmer hei vor¬ 
gerufen werden können und der Grund der Nabelkoliken sein 
können, ist ja nicht so weitliegend. Diese Schmerzen sind aber 
auch gar nicht immer so streng auf den Nabel lokalisiert, wie 
das aus Moro’s Entgegnung an Küttner 2 ) bervorgeht. Moro 
sagt dort bei Fall 2: „Die Schmerzen sind um den Nabel herum 
und auch besonders links.“ Ausserdem recidivieren diese Schmerzen 
im Falle 2 bei Moro immer wieder, und im Berichte der Mutter 
vom Januar 1914 klagte der Junge noch dreimal über Leib¬ 
schmerzen an der fraglichen Stelle. 

Bei dem ersten Falle Moro’s sind es die meist erhöhten 
Temperaturen, die gelegentlich unerklärlichen Fiebersteigerungen 
bis 40° in Verbindung mit den Leibschmerzen, die stutzig machen. 
Wegen dieser unerklärlichen Fieberattacken verfüge ich über eine 
interessante Beobachtung. Es handelte sich um zwei Knaben der¬ 
selben Familie, die oft Leibschmerzen und auch häufig un¬ 
erklärliche Teroperatursteigerungen hatten. Diese beiden Knaben 
wurden wegen chronischer Appendicitis operiert und in beiden 
Processus fanden sich Oxyuren, und zwar in dem einen fanden sich 
einfache Oxyurendefekte ohne Entzündung und bei dem anderen 
solche mit Entzündung. Während der erste ohne Fieber gewesen 
war, hatte der letzte nach Aussage der Mutter in der Nacht vor 
der Operation einen Fieberanfall bekommen. Es sind dies die 
Fälle 12 und 13 meiner zweiten Publikation, die ich auf S. 133 
kurz besprach. 

Nach der Operation haben sich Schmerzen und unerklärliche 
Fieberattacken in gleicher Weise verloren. Wenn nun bei Moro 
die Koliken in den anderen Fällen sistieren, so will ich natürlich 
keineswegs bestreiten, dass hier auch andere Umstände in Betracht 
kommen können, aber im Auge müssen wir doch auch behalten, 
dass diq. aioberjhxfc^ Wut wer hervorgerufenen Koliken in ihrem 

" f)*"Hall, Höhere tierische Parasiten. Zbl. f. Bakt., 35, Referate, 

. .s. i&h.: 

Ä.kl.W".;‘4Sfl4, Nr. 8, S. 338. 


Auftreten auch zeitlich sehr wechselnde sind, und dass man durch 
eine „Suggestivtherapie“, die mit einiger Strenge durcbgefübrt 
wird und mit Belladounagaben kombiniert ist, auch erhebliche 
Schmerzen beim Kinde unterdrücken kann, nicht in dem Sinne, 
dass die Schmerzen immer verschwinden, sondern dass das Kind 
sie verschweigt. Wenn im Falle 4 von Moro die Schmerzen ver¬ 
schwunden sind, so muss es doch noch auffallen, dass der Junge 
im Schlafe „Stereotypien nach der Art der sogenannten „Salaam- 
krämpfe“ hat. Auch in den oben erwähnten Fällen (12 und 13) 
meiner Beobachtung waren von der Mutter krampfartige Zustände 
im Schlafe beobachtet worden, die nach Verschwinden der Würmer 
weggegangen sind. Allem Anschein nach lösen stellenweise auch 
die geringen Einzelinfektionen viel schwerere Symptome aus, als 
allgemein bekannt ist, und dass wir uns, wie Trumpp (1. c.) ein¬ 
gangs sagt: „in der Oxyurenfrage noch auf ganz unsicherem 
Boden befinden“. Wegen des in dem ersten Aufsatze Moro’s er¬ 
wähnten, vollständig normal exstirpierten Wurmfortsatzes, an dem 
„auch der Histologe nicht das geringste auszusetzen hatte“, ver¬ 
weise ich auf meinen anfangs citierten zweiten Aufsatz und die 
durch ihn veränderte tatsächliche Grundlage. 

Von derartigen, mit starken, über 14 Tage sich hinziehenden 
Koliken, die hauptsächlich in der Nabelgegend waren, und wo 
keine Temperatursteigerung auftrat und sich die Schmerzen 
erst einen Tag vor der Operation in der Blinddarmgegend lokali¬ 
sierten, gebe ich eine Abbildung 5, die die schweren ausgedehnten 
Schleimhautzerstörungen durch die Oxyuren veranschaulichen 
soll, Befunde, die schwer zu deuten sind, wenn man aus irgend¬ 
einem Grunde, möglicherweise technischer Natur, die Oxyuren im 
Schnitt nicht findet. In diesem Falle waren auch so wie bei dem 
Fall 2 von Moro zuerst Schmerzen in der linken Seite aufgetreten. 
Der Processus enthielt 6 Oxyuren und stammte von einem 
21 jährigen Manne. Vom Kinde steht mir gerade ein derartig 
instruktives Präparat mit den besprochenen klinischen Symptomen 
nicht zur Verfügung. Aber es ist, glaube ich, ganz gut, diese 
Frage von einem etwas weiteren Standpunkte zu erörtern. 

Die Schleimhaut (Abbildung 5) ist grösstenteils zerstört, aber nicht 
akut entzündet; auch fehlen vollständig Granulationen an der Oberfläche. 
Die Buchten zeigen Defekte, die z. B. unten und oben im Gesichtsfelde 


Abbildung 5. 



Querschnitt, 35 fache Vergr. L = Processuslumen, b = Buchten des 
Processus, die Defekte zeigen, an denen das Epithel fehlt. Die Ober¬ 
fläche hier zerfetzt, o = Oxyurisquerschnitt in der linken Bucht (b). 
Hier ist das lymphatische Gewebe entsprechend der Oxyuris scharf be¬ 
grenzt. Der Spalt s bei der Härtung entstanden. Die beiden Pfeile bei d 
zeigen auf die spornartige Cuticula und deren feinen Abdruck im lym¬ 
phatischen Gewebe, e = Hochcylindrisches Epithel, ei = flaches Epithel 
(Regeneration). 

in Lymphknötchen endigen uud ganz unregelmässige Oberflächen zeigen; 
nur bei o links, wo der Durchschnitt der kleinen Oxyuris (0) dem 
lymphatischen Gewebe anliegt, ist dieses in der Nachbarschaft des Para¬ 
siten scharf begrenzt (Fremdkörperwirkung). Ja, an der gegenüber¬ 
liegenden Seite der Oxyuris, an der die Cuticula als kleiner sporn¬ 
artiger Vorsprung sichtbar ist, befindet sich ein naturgetreues Negativ 


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6. Joli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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dieser Cuticula im lymphatischen Gewebe. An einigen Stellen, an denen 
das Epithel erhalten ist, zeigt sich hier auch schön die von mir früher 
besprochene Regeneration (bei e,), die beweist, dass die Defekte schon vor 
der Operation bestanden haben, was ja auoh noch aus der deutlichen 
Fremdkörperwirkung der Oxyuris auf die des Epithels beraubte Musosa 
hervorgeht 

Ich besitze auch Präparate, die ganz ähnliche Verhältnisse 
wie die abgebildeten zeigen, von denen ich mit absoluter Sicher- 
heit behaupten kann, dass die betreffenden Processus bei der Ope¬ 
ration weder mit einem Instrument, noch mit den Fingern ange- 
fasst worden sind. Dass operative Veränderungen sehr ähnlich 
aussehen können, und dass ich in vielen Fällen die Entscheidung 
darüber offen lassen würde, sei nebenbei erwähnt. Das ist aber 
auch gar nicht wunderbar, da beides mechanische Verletzungen 
sind, nur in dem einen Falle hervorgerufen durch einen Parasiten, 
der keine proliferativen Gewebswucherungen hervorruft. Tritt 
nun in diesen Oxyurendefekten mal eine sekundäre Infektion ein, 
so hat man die typischen Primärinfekte Asch off’s. Wenn ich 
es auch noch offen lasse, ob diese grösstenteils auf diese Weise 
Zustandekommen, so wird man andererseits doch mit Recht fragen, 
wie will man dies ansschliessen? 

Von der Wiedergabe derartiger Abbildungen, die dies zu be¬ 
weisen imstande sind, möchte ich an dieser Stelle abseben. In 
der Beziehung verweise ich auf meine früheren Abbildungen und 
Ausführungen. Tritt in derartigen Defekten eine intensive In¬ 
fektion ein and ist alles mit Eiterkörperchen angefüllt, so ist es 
klar, dass es stellenweise schwer ist, den Ausgangspunkt der 
Eiterung von den Defekten aus za beweisen. Infolgedessen ist 
es äusserst wichtig, die meines Erachtens als Vorstufen der Eite¬ 
rung zu betrachtenden Veränderungen zu demonstrieren, deren 
Untersuchung uns durch die im fieberfreien Anfall exstirpierten 
Processus ermöglicht wird. Dass selbst bei den über Jahre sich 
binziehenden fieberlos verlaufenden Attacken diese auch von einem 
mit Fieber verlaufenden Anfalle abgelöst werden, hat mir erst 
kürzlich ein Fall bewiesen. Er betraf einen Mann, der in den 
letzten 6 Jahren 20 fieberfreie Anfälle durcbgemacht hatte, 
hatte, während bei dem 21. Anfälle die Temperatur auf 39° stieg. 

Denn davon, dass hauptsächlich an den Stellen, an welchen 
die Primärinfekte anfzutreten pflegen, im nicht akut entzündeten 
Wurmfortsätze kleinere und grössere Epitheldefekte Vorkommen, 
und dass diese durch Oxyuren hervorgerufen werden, hat man 
zur Zeit, wo die Aschoff’schen Untersuchungen gemacht wurden, 
gar nichts gewusst. Sie sind entweder als Kunstprodukte, die 
beim Operieren oder beim Anfschneiden entstanden sind, gedeutet 
worden und schliesslich, wenn diese beiden Argumente versagten, 
als sofort nach der Operation entstandene „cadaveröse Verände¬ 
rungen 11 , wenn sich feststellen Jiess, dass vielleicht einige Minuten 
zwischen Operation und Fixierung verstrichen waren. Dies geht 
unter anderem auch aus dem Aufsätze WätzoldV) hervor. 

Was nnn die bei einigen Patienten, die mit chronischen 
Schmerzen in der Blinddarmgegend behaftet sind, vorhandene, 
sicher auch teils bestehende Nervosität anbetrifft, so kann diese 
doch sehr gut die Folge der Oxyureninfektion sein. Ewald 1 2 ) 
war wobl der erste, der in Deutschland auf derartige Fälle auf¬ 
merksam machte, und zwar im Jahre 1899 unter der Bezeichnung 
„Appendicitis larvata“, und dieser Autor sagt in seinem ersten 
Schlusssätze, Seite 86: „dass es sich in den meisten meiner Fälle 
um Kranke handelt, die in keiner Weise nervös oder hysterisch 
waren, vielmehr die Nervosität, wo sie überhaupt auftrat, als 
Folge, aber nicht als Ursache der Krankheit anznsehen war“. 

Denn diese von Ewald znerst mitgeteilten Fälle sind eben¬ 
falls sehr auf Oxyuren verdächtig. Es fand sich nämlich bei 
dem ersten Falle im exstirpierten Processus eine angemein ver¬ 
dickte Schleimhaut und ausserdem „zwei seichte Geschwüre“ der 
Schleimhaut. Diese primären Geschwüre, die von Aschoff in 
«einer Monographie aufs bestimmteste als Ausgang einer Appendi- 
citis in Abrede gestellt werden, sind nach meinen Untersuchungen 
uait Sicherheit auf Oxyuren zurückzuführen. 

Dass Geschwüre des Darmtractus längst nicht immer zu einer In¬ 
fektion zu führen brauchen, ist uns aus der täglichen Sektionserfahrung 
ja etwas ganz Geläufiges. Sehen wir doch Monate und Jahre tuber¬ 
kulöse Geschwüre auch z. B, im Processus, ohne dass hier Infektionen 
eiutreten. Warum hier bei jahrelang bestehender Ulceration plötzlich 
«ine Infektion haftet, wissen wir noch nicht. Aber dass viele dieser 


1) Wätzold, Ziegler’s Beitr., Bd. 42. 

2) Ewald, Ueber Appendicitis larvata. Arch. f. Chir., 1900, Bd. 60, 

S. 80. Vorgetragen auf dem Kongress für Chirurgie zu Berlin am 

7-April 1899. 6 


Phthisiker doch mal erkranken und schliesslich auch einer von hier aus¬ 
gehenden Infektion mit Beteiligung des Peritoneums erliegen, ist mir 
eine auf Grund langjähriger Sektionserfahrung mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung dieses Punktes geläufige Erfahrung, wie ich das auch 
schon früher ausspracb. Es weisen die Beobachtungen doch immer mehr 
darauf hin, dass, abgesehen Yon einer verschiedenen Virulenz der 
Bakterien, die Hauptursache des Haftens der Infektion in der Beschaffen¬ 
heit des menschlichen Körpers liegt. Es ist deshalb auch ganz un¬ 
berechtigt, daraus, dass die von mir als Oxyuren defekte angesprochenen 
Veränderungen häufig keine Eiterung zeigen, ihnen deshalb keine Be¬ 
deutung für eine eventuelle Infektion zuzuspreohen. Von der Vor¬ 
stellung, dass zur Infektion nur eine Wunde und ausserdem Bakterien 
gehörten, sind wir ja längst abgekommen, und die täglich zu machende 
Sektionserfahrung bestätigt das immer wieder von neuem. Weil nun 
jetzt bei teilweise geringen klinischen Symptomen meist aus prophy¬ 
laktischen Gründen, um hierdurch schwereren Infektionen vorzubeugen, 
die Operation gemacht wird, deshalb sieht man jetzt so häufig die nicht 
entzündeten Vorstadien des appendicitischen Anfalls. 

So einfach wie Aschoff 1 ) sich die Sache vorstellt, liegen 
die Verhältnisse nicht. Er meint, die Infektion käme deshalb 
nicht zustande, weil „die Oberfläche der Parasiten förmlich ab¬ 
gestreift wird, so dass ein erheblicher Transport von Inhalts¬ 
massen des Wurmfortsatzes in die Tiefe überhaupt nicht oder nur 
ausnahmsweise zustande kommt“. 

Aber hierauf möchte ich hier nicht näher eingehen, zumal 
die in Betracht kommenden Verhältnisse noch sehr wenig ge¬ 
klärt sind. 

Mit kurzen Worten bin ich hier deshalb darauf eingegangen, 
weil für den Fernerstehenden diese aus so autoritativem Munde 
kommenden Aeusserungen Aschoff’s leicht falsche Vorstellungen 
aufkommen lassen könnten, die der Einbürgerung der von mir 
vertretenen und für die Praxis so enorm wichtigen Sache Ab¬ 
bruch tun könnte, und mir in Privatgesprächen ähnliche Einwände 
gemacht werden, die der täglichen Sektionserfahrung wie auch 
der des täglichen Lebens schnurstracks widersprechen. Was nun 
die überwiegende Beteiligung des weiblichen Geschlechts anbe¬ 
trifft in den Fällen, wo hauptsächlich wegen chronischer Be¬ 
schwerden operiert wird, und wo in sehr hohem Prozentsätze 
Oxyuren gefunden werden — so bei Höpfl auf 42 männliche 
72 weibliche; bei Hueck auf 18 männliche 60 weibliche, und 
bei mir auf 12 männliche 27 weibliche —, so liegt das vielleicht 
daran, dass die Frau viel eher einem operativen Eingriff zugäng¬ 
lich ist wie der Mann, und dieser sich erst dazu entschliesst, 
wenn er schwerer erkrankt ist. Geht diese Erkrankung dann 
mit hohem Fieber einher, so ist dieses möglicherweise schuld 
daran, dass man beim Manne in nicht so hohem Prozentsätze 
Würmer findet, da man ja weiss, dass dieselben bei hoch fieber¬ 
haften Infektionskrankheiten den Körper zu verlassen pflegen; 
denn dass in einem akut entzündeten Wurmfortsatz bei einer 
Körpertemperatur von 38° bis 39° die lokale Temperatur im Wurm¬ 
fortsatz leicht auf 40 bis 41 kommen kann, ist sehr wohl mög¬ 
lich. Auch spielt beim Manne möglicherweise das Rauchen eineRolle. 

Der Untersuchung wert wäre auch die Frage, ob sich auch 
anderwärts, so wie in meinem Material, eine überwiegende Er¬ 
krankung der Knaben gegenüber den Mädchen zeigte; so verfüge 
ich bis jetzt über 27 oxyurenhaltige Processus von Knaben gegen 
nur 13 von Mädchen; dabei war die Verbältniszahl der operierten 
ungefähr wie 1,6 : 1. Sollte sich das auch anderorts zeigen — für 
Amerika liegen nach der Tabelle von Cecil und Bnlkley die 
Verhältnisse umgekehrt —, so müsste man weiter daran denken 
und daranf achten, ob das männliche Geschlecht in späteren 
Jahren vielleicht häufiger an Appendicitis erkrankt, die im An- 
schlnss an Narbenbildungen, Verwachsungen uud Abknickungen, 
Kotsteinbildungen im Processus entstehen, die, wie ich das kürz¬ 
lich aussprach, möglicherweise die Folge einer in der Jugend 
überstandenen Oxyureninfektion seien. Wenn letzteres ja auch 
noch keineswegs bewiesen ist, so sind die von mir vorgebrachten 
Argumente doch immerhin dazu angetan, auch in dieser Beziehung 
einer kritischen Betrachtung unterzogen zu werden. Denn das 
kann gar keiner Diskussion unterliegen, dass die ganze Appendi- 
citisfrage jetzt in ein neues Stadium getreten ist. Nachdem wir 
wissen, dass wohl die meisten der bis jetzt unerklärlichen 
Schmerzen in der Prozessusgegend bei scheinbar normalem Wurm¬ 
fortsatz auf die Tätigkeit der Oxyuren zurückzuführen sind 3 * ), und 

1 ) Med7 Kl., 1913, Nr. 7, S. 250. 

2) Möglich ist auch, dass starke Kotkonkretionen im Wurmfortsatz 
ähnliche Symptome auslosen; dass sie die Hauptursache sind, ist aus¬ 
geschlossen, da sie nur in einem geringen Prozentsatz vorhanden sind. 
Auch gelang es mir häufiger nach längerem Suchen auf der Oberfläche 
solcher Konkretionen ein einzelnes Oxyurenmännchen aufzufinden. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


dass sich bei wahllos untersuchten exstirpierten Wurmfortsätzen 
der Erwachsenen in 20—30 pCt., und bei Kindern in 50 pCt. 
Oxyuren finden lassen. Im akut entzündeten sind sie möglicher¬ 
weise aus oben erörterten Gründen seltener anzutreffen; so fand 
Aschoff’s Schüler Hueck sie hier in 12 pCt. der Fälle. Wenn sich 
bei künftigen Untersuchungen die Forscher an diese für unsere Ver¬ 
hältnisse unumstösslichenTatsachen halten werden und bei negativen 
Befunden sich immer vor Augen halten werden, dass diese auf unzu¬ 
reichendem Suchen beruhen, wie dies 25 Jahre lang vorher der 
Fall waF, so bin ich überzeugt, dass wir in der Appendicitisfrage, 
soweit die Aetiologie in Betracht kommt, ganz erhebliche Fort¬ 
schritte machen werden, die bis jetzt eigentlich, trotz einer 
lawinenartig angeschwollenen Literatur über dieses Thema, nur 
sehr wenige, die Aetiologie klärende Angaben aufweist. 


toller und anatomischer Untersuchungen, die Aphasie- und Apraxieregion, 
einige wichtige centrale Phänomene u. a. finden. Auf die im Rahmen 
eines Handbuches der Psychiatrie naheliegende Frage, ob und wieweit 
höhere psyohische Funktionen anatomisch zu lokalisieren sind, ist eine 
irgendwie siohere Antwort naoh dem Gesamtresultat der bisherigen 
Forschungen zurzeit ausgeschlossen. 


I88erlin: Psychologische Einleitung. (Handbuch der Psychiatrie. 
Herausgegeben von Aschaffenburg. Allgemeiner Teil. 2. Ab¬ 
teilung.) Leipzig und Wien 1918, Deuticke. 82 S, 

Die sehr lesenswerten Ausführungen geben uns ein ausgezeichnet 
klares Bild über die „Tatsachen und Zusammenhänge“, welche wir der 
Psychologie, insbesondere der experimentellen Psychologie, verdanken, 
und setzen so fast ohne weiteres ihre grosse Bedeutung für die Psyoho- 
pathologie in das rechte Licht. E. Meyer - Königsberg i. Pr. 


Nach Abschluss dieser Arbeit erfahre ich, dass bei dem 
obenerwähnten 32 jährigen Lehrer */ 4 Jahr nach der Operation 
von neuem Schmerzen aufgetreten sind. Sie waren wenig heftig 
und stechender Natur, und traten teils in der Typhlongegend, 
teils oberhalb der Blase auf. Gleichzeitig zeigte sich Appetit¬ 
losigkeit und bis Februar 1914 betrug die Gewichtsabnahme fast 
5 kg. Aufgetretenes Afterjucken führte den Patienten auf die 
richtige Vermutung, dass hier wieder Oxyurenbeschwerden Vor¬ 
lagen, die nach einer Wurmkur verschwanden. Möglicherweise 
liegt hier eine neue Infektion vor, da Patient Zeichenlehrer in 
einer Knabenschule ist und ihm hier bei dem häufigen An¬ 
fassen der Bleistifte der Knaben die beste Gelegenheit geboten 
ist, sich immer wieder von neuem zu infizieren. 

Ausserdem möchte ich noch darauf hinweiseu, dass jüngst 
Bäärnhielm 1 ) in Schweden Appendicitisoperationen vom 1. Mai 
1905 bis 31. Dezember 1912 zusammengestellt hat. Es sind 
875 Fälle, in denen er 77 mal, d. i. 9 pCt., Oxyuren fand. Unter 
letzteren sind 45 pCt. der Fälle, die mit Fieber, zum Teil sehr 
hochgradigem, verlaufen sind. Es ist dies ein ziemlich hoher 
Prozentsatz, wenn man bedenkt, dass sich diese Befunde aus einer 
beliebigen, grossen Anzahl von Appendicitisfällen zusammenstellen 
lassen, die zu einer Zeit operiert worden sind, wo dieses Thema 
noch nicht so akut war, und wo das Suchen nach Oxynren wohl 
noch nicht mit der von mir geforderten Sorgfalt ausgeführt 
wurde. Auf Einzelheiten dieses Aufsatzes möchte ich hier nicht 
eingehen. 

Sagredo 2 ) fand jetzt in Genf unter 100 exstirpierten Wurm¬ 
fortsätzen in 41 Parasiten oder deren Eier, und zwar meist 
Oxyuren. Dieser Befund widerlegt also die von Hueck (I. c.) 
citierte Behauptung Unterberger’s, „dass in Genf die Blind¬ 
darmentzündung mindestens ebenso häufig gewesen sei wie in 
Königsberg, obwohl man in Genf auffallend selten Parasiten im 
Darm bei den Sektionen fand“. 


Bücherbesprechungen. 

E. S. London -St.Petersburg: Physiologische und pathologische 
Chymologie. Nebst einigen Versuchen über Chymotherapie. 
Leipzig 1913, Akademische Verlagsanstalt m. b. H. Preis brosch. 
10 M., geh. 12 M. 

London hat in diesem mit zahlreichen Abbildungen versehenen 
Buch das Tatsachenmaterial eines Gebietes zusammengetragen, auf dem er 
selbst vielfach erfolgreich tätig war. Er behandelt ausführlich die Operations¬ 
technik an Hand von Zeichnungen und schildert dann eingehend die 
Resultate der einzelnen Versuche und bespricht die sich daraus er¬ 
gebenden Konsequenzen. Er hat, wie er in der Einleitung ausführt, nur 
die Arbeit in den Bereich seiner Erörterungen einbezogen, die direkt 
in das Gebiet der Chymologie gehören. Damit ist eine einheitliche 
Darstellung und Uebersicht gegeben, die besonders von denen an¬ 
genehm empfunden wird, die sich mehr mit den Ergebnissen der 
Forschung bekannt machen wollen. Dünner. 


Rosenfeld: Die Physiologie des Grosshirns. (Handbuch der Psychia¬ 
trie. Herausgegeben von Aschaffenburg.. Allgemeiner Teil. 
2. Abteilung.) Leipzig und Wien 1913, Deuticke. 106 S. 

R. gibt eine Uebersicht über die wichtigsten Tatsachen der normalen 
und pathologischen Physiologie des Grosshirns, wobei besondere Berück¬ 
sichtigung die Lokalisation in der Grosshirnrinde auf Grund experimen- 


1) Bäärnhielm, Oxyuris vermicularis och appendicit. 
Nov. 1913. (Sohwediseh.) 

2) Ref, B.kl.W., 19H, Nr. 22, S. 1046. 


Hygiea, 


Hermann Ebbinghaus: Abriss der Psychologie. Mit 18 Figuren. 
Fünfte Auflage, durobgeseheo von Prof. Dr. Ernst Dürr in Bern. 
Verlag von Veit & Comp, in Leipzig, 1914. 208 Seiten. Preis 
geb. 4,— M. 

Wie die vorigen Auflagen, ist auch die soeben erschienene un¬ 
veränderte 5. Auflage des Ebbinghau stachen Abrisses der Psychologie 
noch von dem inzwischen leider auch verstorbenen Ernst Dürr-Bern 
durobgeseheo. Die rasche Aufeinanderfolge der Auflagern beweist die zu¬ 
nehmende allgemeine Wertschätzung des ausgezeichneten kleinen Werkes, 
das zur Einführung in die Psychologie wegen seiner didaktischen Vor¬ 
züge wie kaum ein anderes geeignet ist. Es ist in seinen früheren Auf¬ 
lagen hier bereits gewürdigt worden. Unverändert tritt uns aus der Neu¬ 
auflage die tiefe wissenschaftliche Ueberzeugungskraft und das künst¬ 
lerische Gestaltungsvermögen von Hermann Ebbinghaus entgegen, 
dessen allzufrüher Tod an dem bleibenden Wert seines Werkes nichts 
zu ändern vermochte. W. Seiffer. 


Sammlung monographischer Darstellungen über Diphtherie unter 
Redaktion von F. M. Blnmenthal und M. M. Gran. I. Lieferung. 
Moskau 1914. 

Eine Reihe von schweren Diphtherieepidemien, die in Russland in 
den letzten Jahren zur Beobachtung kamen und deren ausgesprochene 
Bösartigkeit — eine Bösartigkeit, dank welcher bei einigen sogar der 
Glaube an die Serotherapie der Diphtherie in Schwankung kam —, haben 
in bedeutendem Maasse das Interesse zu dieser Krankheit gehoben. Im 
Zusammenhang damit erschien es auch unumgänglich notwendig, eine 
ganze Reihe von Fragen aus dem Gebiet der Pathogenese, Epidemiologie 
und Serotherapie der Diphtherie von neuem durchzusehen und zu be¬ 
leuchten. Diesen Anforderungen gerecht zu werden ist auch der Zweck 
„der Sammlung von Monographien über Diphtherie“. 

Im bevorstehenden Werk sollen im weitesten Umfange die genannten 
Gebiete abgehandelt werden; die Herausgabe zerfällt in drei Abteilungen: 
I. Bakteriologie und Pathologie der Diphtherie, II. Epidemiologie der 
Diphtherie, III. Klinik der Diphtherie, wobei jede Abteilung eine Reihe 
von Monographien erhalten wird, die in einzelnen Lieferungen erscheinen 
werden. 

Gegenwärtig ist die erste Lieferung erschienen, die zur ersten Ab¬ 
teilung gehört und drei Monographien enthält. 

1. Prof. M. N. Nikiforoff gibt in seiner Abhandlung „Pathologisch¬ 
anatomische Veränderungen bei Diphtherie“ kurze historische Tatsachen 
über die Entwicklung der Lehre über die Pathogenese der Diphtherie 
und beschreibt ausführlich die pathologische Anatomie und Histologie 
der lokalen Veränderungen bei der diphtherischen Affektion des Rachens, 
Pharynx, der Luftwege, sowie auch derjenigen Veränderungen, die bei 
der Diphtherie in verschiedenen Organen beobachtet werden. Die grosse 
Erudition des Verfassers sowohl im Sinne der Literaturkenntnisse, sowie 
auch seiner eigenen reichen Erfahrung machen seine Monographie zu 
einem aussergewöbnlicb inhaltsreichen und interessanten Werk. Der 
Text wird mit 21 ausgezeichneten Mikrophotographien illustriert. 

2. Priv.-Doz. S. S. Abramow bespricht die „Pathogenese der Diph¬ 
therie“, indem er besondere Aufmerksamkeit den Ursachen des Todes 
bei der diphtherischen Intoxikation schenkt; Verf. kommt zu dem Schluss, 
dass das Diphtherietoxin ein spezifisches Gift des chromaffinem Systems 
der Nebennieren darstellt, und dass der akute Tod bei der Diphtherie 
durch die Insuffizienz dieses Systems (Mangel an Adrenalin) erklärt 
werden muss. Der Arbeit sind ebenfulls 24 Mikrophotographien beigelegt. 

3. Priv.-Doz. W. J. Moltscbaneff versucht in seiner Abhandlung 

„die Rolle der Nebennieren bei der Diphtherie“ aufzuklären. Auf Grund 
der Literaturangabon und seiner eigenen Untersuchungen hebt der Verf. 
die grosse Bedeutung der Funktion der Nebennieren bei Infektions¬ 
krankheiten überhaupt und besonders bei der Diphtherie hervor; die 
funktionelle Insuffizienz der Nebennieren ist die Hauptursache des so¬ 
genannten „Herztodes“ bei der Diphtherie. Aus diesem Grunde erscheint 
die therapeutische Anwendung des Adrenalins als ein souveränes Mittel 
und verdient die weiteste Verbreitung. Die Arbeit enthält 12 Mikro¬ 
photographien, die die Nebennierenveränderungen bei der Diphtherie 
illustrieren. , 

Wenn man auch zugibt, dass die Monographien von Abramow una 
Moltschanoff etwas einseitig abgehandelt sind, so gewinnt man doch 






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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1277 



von diesem neu erscheinenden Sammelwerk einen sehr guten Eindruck. 
Wir hoffen, dass in den nächstfolgenden Lieferungen die obengenannten 
Fragen eine allseitige Bearbeitung finden und die von den Herausgebern 
gesetzten Ziele in vollem Maasse erreicht werden. 

A. I. Abrikossoff-Moskau. 


Erwin Schwenks Grundlagen and derzeitiger Stand der Chemo¬ 
therapie. Stuttgart 1913. 80 S. Preis 2,40 M. 

Das kleine Buch ist ein umgearbeiteter und erweiterter Abdruck 
aus dem Weich areit’schea Jahresbericht für Immunitätsforschung. Dass 
die Darstellung weder gründlich noch erschöpfend sein kann, ist ange¬ 
sichts des geringen Umfanges von 63 Druckseiten Text begreiflich. Das 
Buch, dessen rein kompilatorischer Charakter allenthalben sichtbar bleibt, 
bietet vielleicht dem Fachmann vereinzelte Anregungen, eine brauchbare 
Einführung in die Chemotherapie bildet es nicht. Morgenroth. 


Adolf Reitz-Stuttgart: Apparate und Arbeitsmethoden der Bakterio¬ 
logie. Bd. I. Allgemeine Vorschriften, Einrichtung der Arbeits¬ 
räume, Kulturverfahren, Färbeverfahren, Bestimmungstabellen. 
Stuttgart 1914, Geschäftsstelle des Mikrokosmos: Franckh’sche 
Verlagshandlung. Preis 2,25 M. 

Das vorliegende Heft bildet das 6. Heft des von der Redaktion des 
Mikrokosmos berausgegebenen Handbuches der mikroskopischen Technik. 
Sein Inhalt ist in der Ueberschrift schon kurz angegeben. Der Text, 
der durch 77 Abbildungen erläutert wird, ist klar verständlich ge¬ 
schrieben und gibt eine gute Uebersicht über die heute in der bakterio¬ 
logischen Technik gebräuchlichen Apparate und Arbeitsmethoden. 

Werner Rasentkal-GöttiDgen: Tierische Immunität. Mit einer Ab¬ 
bildung im Text. Braunschweig 1914, Friedr. Vieweg u. Sohn. 
Preis 3,50 M. 

Als 53. Band der „Wissenschaft, Einzeldarstellungen aus der Natur¬ 
wissenschaft und der Technik“ herausgegeben soll das vorliegende Buch 
einerseits Nichtfachleuten, andererseits aber auch Studierenden der 
Medizin und solchen Aerzten, die sich noch nicht eingehender mit diesem 
Forschungsgebiet vertraut gemacht haben, eine Einführung in die ge¬ 
samte Immunitätswissensohaft und einen Ueberblick über deren gegen¬ 
wärtigen Stand bieten. Dieser gewiss nicht leichten Aufgabe wird Verf. 
in glücklicher Weise gerecht, indem er in kurzen Abschnitten und vom 
Einfachen zum Schwierigen fortschreitend die gesicherten Beobachtungen 
von den Hypothesen, die zum Verständnis unentbehrlich sind, unter¬ 
scheiden lehrt und von den Beobachtungen das Grundlegende und 
theoretisch Wichtige ausgewählt hat. So kann das Buch jedem, der sich 
in das schwierige Gebiet der Immunitätsforschung einarbeiten will, zum 
eingehenden Studium nur warm empfohlen werden. 

W. Kollo-Bern und A. v. Wassermann-Berlin: Handbuch der patho¬ 
genen Mikroorganismen. 2. vermehrte Auflage. Jena 1913, 
Verlag von Gustav Fischer. Lieferung 55—65. 

Mit den vorliegenden Lieferungen ist die 2. Auflage des bekannten 
Handbuches zum Abschluss gekommen und dadurch die wissenschaft¬ 
liche Literatur um ein Standartwerk bereichert, das den gegenwärtigen 
Stand der bakteriologischen Wissenschaft in grosser Ausführlichkeit aus 
der Feder von Fachautoritäten zur Darstellung bringt. 

Im III. Band besprechen Uhlenbuth und Steffenbagen die bio¬ 
logische Eiweissdifferenzierung mittels der Präcipitation mit besonderer 
Berücksichtigung der Technik, Paul Ehrlich und Gon der die Chemo¬ 
therapie uDd E. Gotschlich die allgemeine Prophylaxe der Infektions¬ 
krankheiten und den bakteriologischen Teil der Desinfektionslehre, 
während Emil Bürgi die chemische Desinfektionslehre behandelt. 
Weiter enthält dieser Band die Aufsätze von G. Sobernheim über 
Milzbrand, K. H. Kutscher über Abdominaltyphus und W. Fornet 
über Immunität bei Typhus. Den Abschluss bilden die Arbeiten von 
Otto Lentz „Dysenterie“, Uhlenhuth und E. Hübener „Infektiöse 
Darmbakterien der Paratyphus- und Gärtnergruppe einschliesslich Im¬ 
munität“ und 0. Heller und F. Krumbein „Die Immunisierung 
grösserer Tiere und die Serumgewinnung“. 

Der VII. Band schliesst mit einem Aufsatz des Entdeckers der 
Wassermann’schen Reaktion zusammen mit C. Lange über die Sero¬ 
diagnostik der Syphilis, während Carl Bruck die Immunität bei Syphilis 
behandelt. 

Im VIII. Band behandelte M. Otto das Gelbfieber, Bruno Hey- 
mann das Trachom, E. Tomarkin und H. Carriöre die Variola und 
Vaccine, während Josef Koch die Lyssa und 0. Hellerund M. Rother- 
??Wutechutzimpfung und Wutimmuniiät bearbeitet haben. Den 
- Schluss dieses Bandes und des ganzen Handbuches bilden die Auf- 
satxe von Ed. Dujardin-Beaumetz über die Peripneumonie der 
inder, G. Sobernheim über Rinderpest und R. Doerr über das 
appatacifieber (Phlebotomusfieber). 

Auch die genannten Aufsätze, die durch zahlreiche Tafeln erläutert 
werden, erfüllen in vollem Maasse die hochgespannten Erwartungen, die 
an an die 2. vermehrte Auflage dieses Lehrbuches zu stellen berechtigt 
8 .. •kjlt der Kollo-Wassermann ohne Zweifel eines der besten Nach- 
niagewerke dar, welches die medizinische Literatur über das wichtige 


Gebiet der pathogenen Mikroorganismen besitzt, und es kann sein 
Studium jedem aufs wärmste empfohlen werden, der sich über ein be¬ 
stimmtes Gebiet der bakteriologischen Wissenschaft näher informieren 
will. Möllers-Strassburg. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

D. He 11 in - Warschau: Eine noeh angekannte Eigenschaft des 
Blutserums von Neugeborenen and Schwangeren. (M.m.W., 1914, 
Nr. 24.) Das bei 56—58° Va Stunde inaktivierte Venenblut einer 
Graviden, ebenso das intra partum gewonnene Nabelscbnurblut gibt ein 
opalescierendes, trübes Serum. Männerserum besitzt diese Eigenschaft 
nicht. Die Sera von Neugeborenen bzw. Gebärenden geben sogar ohne 
Inaktivierung mit physiologischer Kochsalzlösung eine deutliche Trübung 
im Gegensatz zum Männerserum. Bringt man einen wässerigen Placenta- 
auszug mit Placentaserum in physiologische NaCl-Lösung zusammen, so 
entsteht ein Niederschlag bzw. eine starke Trübung (nicht bei Männer¬ 
serum). Plaoentaauszug allein gibt mit NaCl-Lösung keine Trübung. 

Dünner. 

H. Herrnel - Freiburg: Beobachtungen über v&sokonstringierende 
nid -dilatierende Substanzen. (Versuche an isolierten Organen.) 
(D. Arch f. kl. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) Blut, das schon mehr¬ 
fach ein Gefässsystem passierte (Blut A), beeinflusst den Tonus der Ge- 
fässe anders als frisches Blut (Blut F). Bei Durchblutung einer ruhen¬ 
den Extremität wirkt Blut A vasodilatierend, BlutF vasokonstringierend. 
Am isolierten schlagenden Herzen beobachtet man ein entgegengesetztes 
Verhalten. Dieses differente Verhalten steht weder mit dem Adrenalin 
noch mit dem Sauerstoffgehalt des Blutes in Zusammenhang. Der iso¬ 
lierte tätige Herzmuskel bildet wahrscheinlich Substanzen, die den Ge- 
fässtonus der Kranzarterien steigern und die Herztätigkeit schädigen. 
Zufuhr frischen Blutes wirkt vasodilatierend. Es besteht die Möglich¬ 
keit, dass Stoffwechselprodukte verschiedener Organe an der Regulation 
des arteriellen Blutdrucks beteiligt sind. W. Zinn. 

R. Bayeux und P. Chevallier: Vergleichende Untersuchungen 
über die Konzentration des arteriellen und des venösen Blutes in 
Paris, Cbamonix und auf dem Mont Blanc. (Compt. rend. de l’acad. 
des Sciences, 1914, Nr. 21.) Der refraktometrische Index des Blut¬ 
serums ist auf dem Mont Blanc höher als in der Ebene oder in Cha- 
monix; das Serum des venösen Blutes besitzt einen höheren refrakto- 
raetrischen Index als das des arteriellen Blutes. Diese Differenz ist noch 
stärker auf dem Mont Blanc als bei niedrigeren Höhen, bei dem Ueber- 
gang zu grösseren Höhen findet also eine Konzentration des Blutserums 
statt, die zum grössten Teil den Albuminen zuzuschreiben ist. 

A. Moutier: Die Abhängigkeit der peripheren arteriellen Hypo¬ 
tension von der visceralen arteriellen Hypertension. (Compt. rend. 
de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 20.) Die Vasodilatation der peri¬ 
pheren Gefässe, gemessen an der Radialis, ist fast immer die Folge einer 
Vasokonstriktion der visceralen. Verf. hat dies experimentell bestätigen 
können. B. Valentin. 


Pharmakologie. 

K. Ullraann: Experimentelles zur Arsenwirknng anf die Organe. 
Vorläufige Mitteilung. (W.kl.W., 1914, Nr. 24.) Als Demonstrations¬ 
vortrag gehalten in der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in 
Wien am 22. Mai 1914. Referat siehe den Sitzungsbericht. 

0. Baum und G. Herrenheiser - Kladno: Chemotherapeutische 
Versuche mit Salvarsan. (W.kl.W., 1914, Nr. 24.) Eine keimfeindliche 
Einwirkung des Salvarsans auf Schweinerotlaufbacillen konnten die Verff. 
weder im Tierkörper noch im Reagenzglase nachweisen. Wenn von 
anderen Autoren positive Erfolge erzielt worden sind, so betreffen diese 
offenbar nur virulente oder sehr wenig infektiöse Stämme. 

P. Hirsch. 

W. Kopaczewski: Untersuchungen über die Zusammensetzung der 
Meerzwiebel (Scilla maritima): Das toxische Prinzip. (Compt. rend. 
de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 21.) Es lassen sich 3 Substanzen 
isolieren: eine bittere und äusserst toxische, eine zweite, nur wenig 
toxische und diuretisch wirkende, und als dritte ein Polysaccharid. Die 
toxische, die den Namen Scillitin hat, ist ein Glukosid, dessen physi¬ 
kalische und chemische Eigenschaften untersucht werden. 

B. Valentin. 

A. Goodall - Edinburg: Ueber den Einfluss der Magen- and Pan¬ 
kreasfermente auf die Wirksamkeit der Tinctnra digitalis. (Lanc., 
13. Juni 1914, Nr. 4737.) Tinctura digitalis wurde der Einwirkung von 
Pepsin und Trypsin bei Körpertemperatur unterworfen und dann physio¬ 
logisch auf ihre Wirksamkeit geprüft. Pepsin hatte so gut wie gar 
keinen Einfluss auf die Tinktur, Trypsin nur geringen. 

Weydemann. 

J. Ungar - Budapest: Ein Fall von Lnminalvergiftnng. (W.kl.W. 
1914, Nr. 24.) Der Fall betrifft eine 23jährige Patientin, die 2,4 g 
Lumina! eingenommen hatte. Es erfolgte Bewusstlosigkeit, oberflächliche 
Atmung, beschleunigte Pulsfrequenz, später Erbreohen, enge Pupillen, 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF fOWA 


1278 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Fehles der Reflexe, Darm- und Blasenlähmung. Am auffallendsten war 
eine völlige Amaurose, die sich erst am 3. Tage zeigte und 3 Tage lang 
währte, üebergang in Heilung. p. Hirsch. 


Therapie. 

'L Ce mach: Noviform, ein brauchbares Jodoformersatzmittel. 
(W.m.W., 1914, Nr. 17.) DasNoviform besitzt einen bedeutenden thera¬ 
peutischen Wert, ohne die Nachteile anderer Ersatzpräparate zu haben. 
Es ist als Jodoformersatz sehr zu empfehlen. Eisner. 

W. Zahn-Berlin: Gelonida somnifera, ein neues Schlafmittel* 
(D.m.W., 1914, Nr. 25.) Tabletten von folgender Zusammensetzung: 

Codein. phosphor. 0,01 

Natr. diaethylbarb. 

Ervasincalcium » 0,25. Wolfsobn. 

B. Lindenfeld: Klinische Erfahrungen mit Adigan, einem neuen 
Digit&lispräpar&t. (W.m.W., 1914, Nr. 17.) Störende Magendarm¬ 
erscheinungen wurden bei Adiganverwendung nicht beobachtet. Stets 
war die Wirkung auf das Herz deutlich. Es gelang, bei Hydrops infolge 
Herzinsuffizienz mit Adigan in Verbindung mit Theobrominum purum 
fast unmittelbar eine Harnflut zu erzeugen, manchmal auch dort, wo 
Digitalisinfus vorher versagt hatte. Eisner. 

A. Peiper-Berlin: Erfahrungen mit Digifolin. (D.m.W., 1914, 
Nr. 25.) Gut dosierbare Digitaliswirkung. Wird gut vertragen und hat 
unter 50 Fällen nur 1 mal Magendarmerscheinungen hervorgerufen. 

F. F. Friedmann: Erläuterungen zu den Indikationen für das 
Friedmann’sehe Mittel. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Nach der ersten intra¬ 
muskulären Injektion soll mindestens 4—5 Monate gewartet werden, 
nach der ersten Simultaninjektion mindestens 1 Jahr. Darin liegt neuer¬ 
dings der „Kernpunkt der ganzen Behandlung“. Wolfsohn. 

K. Taege-Freiburg i. B.: Eine Methode der schnellsten Darstellung 

absolut steriler Kochsalzlösungen für Injektionszwecke, speziell für 
Salvarsaninjektionen. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) Zu gewöhnlichem Leitungs- 
wasser wird Chlorwasserstoffsäure gegeben und dann mit Natriumhydroxyd 
neutralisiert (HCl + NaOH = NaCl -j- H a O). Die HCl tötet alle Bakterien. 
Die Mengen HCl, die zur Herstellung der physiologischen Kochsalzlösung 
nötig sind, lassen sich leicht berechnen. Damit erübrigt sich jeder 
Apparat zur Herstellung steriler NaCl-Lösung. Voraussetzung ist, dass 
das Wasser kein Eisen, Calcium, Magnesium und Mangan enthält. In 
diesem Falle kocht T. erst 5 1 Wasser mit Natronlauge 5 Minuten lang 
and lasst 20 Stunden stehen. Filtrieren. Das Filtrat dann wie gewöhn¬ 
lich weiter behandeln. Dünner. 

P. Horton-Smith-Hartley: Neosalv&mn hei aktiver Lungen¬ 
tuberkulose. (Lanc., 6. Juni 1914, Nr. 4736.) Der Verf. hat 16 Fälle 
von Lungentuberkulose mit Neosalvarsan behandelt, und er teilt einige 
Krankengeschichten mit. Die beigefügten Temperaturkurven zeigen einen 
merkbaren Einfluss des Mittels auf das Fieber; auch eine Besserung des 
allgemeinen Zustandes war zu bemerken: Husten und Auswurf wurden 
geringer, nicht aber der physikalische Befund. In einigen Fällen trat 
die Besserung schon nach 2—3 Tagen ein, in anderen waren zwei oder 
drei Einspritzungen erforderlich. In einem Falle blieb jede Wirkung aus, 
und es ist nicht immer auf einen auffallenden Erfolg zu rechnen. Jeden¬ 
falls ist die Wirkung des Neosalvarsans nicht spezifisch. 

Weydemann. 

P. Rohmer - Marburg: Adrenalin - Pitnitrinbehandlnng. (M.m.W., 
1914, Nr. 24.) Auf Grund der experimentellen Versuche von Kepinow 
versnobte Verf. die kombinierte Adrenalin - Pituitrinbehandlung bei 
schweren Kreislaufstörungen der Kinder (Typhus, Pneumonie uswj. Bei 
jüngeren Kindern gab er 0,25 1 prom. Pituitrin und 0,5 1 prom. Adrenalin; 
ältere Kinder vertrugen die doppelte Dosis. Er hatte zum Teil sehr 
eklatante Erfolge, zum Teil sind freilich seine Fälle nicht ganz rein, 
als gleichzeitig noch andere Medikamente (Coffein) gegeben wurde. Wie 
oft die Injektionen wiederholt werden sollen, muss von Fall zu Fall 
entschieden werden. 

L. Buberl-Wien: Zur Salvarsanbehandlnng des Milzbrand- 
karbnnkel*. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) Gute Erfolge mit 0,6 Salvarsan. 

Dünner. 

S. Tuszewski - Berlin: Zur Technik der endolnmbalen Salvarsan- 
therapie. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Durch Lurobalpuuktion werden 20 com 
Liquor in einen angefügten Cylinder abgelassen; dazu wird 1—3 mg 
Salvarsan (1 ccm Flüssigkeit) gefügt. Die Lösung fiiesst dann in den 
Durakaoal zurück. Reizerscbeinungen wurden bei acht Tabikern und vier 
Paralytikern nicht beobachtet. Die Erfolge waren bei den Tabeskranken 
massig, bei Paralytikern gleich null. Wolfsohn. 

R. Kümmel-Erlangen: Zur Behandlung des Uiens corneae serpens. 
(M.m.W., 1914, Nr. 24.) Ebenso wie viele andere Autoren hat K. mit 
dem Morgenroth’scben Optocbin (Aethylhydrocuprein) ausgezeichnete 
Resultate erzielt. Dünner. 

R. Denman - Mauritius: Elektrargol bei Pocken und Pest. (Brit. 
med. journ., 6. Juni 1914, Nr. 2788.) Elektrargol einspritzungen (intra¬ 
venös dreimal alle 24 Stunden 50 ccm) waren bei gänzlicher Unschäd¬ 
lichkeit von so ausgesprochenem Heilwert bei Pocken und Pest, dass 
der Verf. sie aufs dringendste empfiehlt. Wichtig ist es, die Behand¬ 
lung so früh wie irgend möglich zu beginnen. Bei Pestpneumonie ver¬ 
sagte allerdings die Wirkung völlig. 


S. T. Champtaloup - Otago: Die prophylaktische Anwendung 
sensibilisierter Vaccine bei pnerperaier Sepsis. (Brit. med. journ. 
6 . Juni 1914, Nr. 2788.) Der Verf. glaubt unter gewissen Verhältnissen 
zur prophylaktischen Verwendung sensibilisierter Vaccine raten zu sollen, 
nämlich bei epidemieartig gehäuftem Auftreten von Puerperalfieber in 
Anstalten oder in der Praxis eines Geburtshelfers. Wenn auch natür¬ 
lich eine autogene Vaccine vorzuziehen ist, so sind doch polyvalente 
Vaccine so wirksam, dass sie zu diesem Zwecke benutzt und vorrätig 
gehalten werden können. Weydemann. 

H. Freund - Strassburg: Iatraporitonoalo Verwendung von Radiin. 

(D.m.W., 1914, Nr. 25.) In einem Falle von prävertebraler Carcinom- 
metastase hat F. die Laparotomie ausgeführt, in die Bursa omentalis 
einen Mikulicztampon eingelegt und in diesen hinein zwei Radiumkapseln 
von 50 bzw. 30 mg Radium mit Messingkapsel von 0,3 mm. Das Radium 
blieb einmal 17 Stunden, den zweiten Tag 23 Stunden und am dritten 
22 Stunden liegen. Schwere Symptome wurden zwar nicht beobachtet, 
wohl aber reichliches Erbrechen, das „doch mehr als den bekannten Kater 
zu besagen hatte“. F. hält es für geboten, die Radiumdosen nicht zu 
verstärken, die Milligrammstunden nicht zu verlängern, vielmehr täglich 
mehrstündige Pausen durch zeitwei9es Herausnehmen der Radiumbebälter 
einzuschieben. Ueber den Erfolg der intraperitonealen Therapie kann 
im vorliegenden Falle noch nichts gesagt werden. 

O. Bondy-Breslau: Zur Frage der lokalen und allgemeinen Be¬ 
handlung septischer Erkrankungen. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Die in 
der Arbeit von Rosenstein mitgeteilten Erfolge mit Argatoxyl können 
B. in keiner Weise überzeugen. Er hält das Mittel für durchaus nicht 
gleichgültig. B. wendet sich scharf gegen Rosenstein’s aktive Therapie 
bei Aborten mit gleichzeitigem Bestehen einer Parametritis. 

P. M üb lens- Hamburg: Behandlung bedrohlicher Znstinde hei 
Tropenkrankheiten. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Fortbildungsvortrag. 

Wolfsohn. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

R. Thoma- Heidelberg: Die Gestalt der GefiUsliehtung bei der 
diffusen und knotigen Arteriosklerose. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) 
Polemik gegen Klotz. Hinweis auf die zahlreichen früheren Arbeiten 
des Verf. über Arteriosklerose und Wiederholung von deren Ergebnissen. 

J. G. Mönckeberg-Düsseldorf: Mediaverkalknng nnd Athero¬ 
sklerose. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Verf. hebt die Verschiedenheit 
zwischen der Atherosklerose, die sich auf die Gefässintima beschränkt, 
und der Mediaverkalkung hervor. Nur der Umstand, dass beide Ver¬ 
änderungen kombiniert Vorkommen, kann eine Erklärung dafür sein, 
dass viele Autoren, z. B. A. Fab er, beide in Zusammenhang miteinander 
bringen. 

C. Nagoya-Bonn: Ueber die Frage der infektiösen Thrombose. 
(Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) Es gelang Verf., durch Infektion der Ge- 
fässumgebung (unter Schonung der Wand) mit frischen pyogenen Bak¬ 
terien eine Thrombose des Gefässes hervorzurufen, ohne dass andere ur¬ 
sächliche Momente verantwortlich gemacht werden könnten. Die ent¬ 
standenen Thromben sind meist Blutplättchenthromben, auf denen sich 
dann die Gerinnung fortsetzt. Da fast nie Mikroorganismen im Lumen 
aufgefunden werden konnten, so schreibt Verf. ihnen, nur eine indirekte 
Wirkung auf die Thrombenbildung zu dadurch, dass sie die Gefässwand 
schädigen. Diese Schädigung ist die Hauptbedingnng für die Entstehung 
des Thrombus, die Stromverlangsamung kommt nur als sekundäre Be¬ 
dingung hinzu. 

P. P. Awrorow und A. D. Timofejewski-Tomsk: Kultiviernngs- 
versnche von lenkämisehem Blnte. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) Nach¬ 
dem der Versuch, normales Blut nach dem Carrei’schen Verfahren zu 
kultivieren, gescheitert war, benutzten Verff. dazu das an Leukocyten 
reichere Blut eines Leukämikers. Sie konnten hierbei die karyokinetische 
Vermehrung des einkernigen weissen Blutkörperchens beobachten und 
ziehen aus dieser Tatsache den Schluss, dass die Bildung leukämischer 
Myelome in verschiedenen Organen auf der Verschleppung junger Leuko¬ 
cyten beruht, die an den betreffenden Stellen liegen bleiben und sich 
nun in der in der Kultur beobachteten Weise vermehren. Auch sind 
die zelligen Elemente des Blutes, wie Myeloblasten und Lympbocyten, 
fähig, sich weiter zu verwandeln, sie nehmen dann Formen an, die Verff. 
als Ausläuferzellen, Riesenzellen usw. bezeichnen. Diese Umwandlungen 
setzen die Verff. in Parallele mit denen, die die Blutelemente bei 
Heilung, Regeneration und Entzündung erleiden. 

C. v. Otto-Warschau: Ueber anatomische Verändemgen i* 
Herzen bei akuter und chronischer Alkoholvergiftung. (Virch. Arch., 
Bd. 216, H. 2.) Vergiftungsversuche an Hunden ergaben, dass einmalige 
kleine Alkoholgaben keine Veränderungen am Herzmuskel hervorrufen. 
Grössere Dosen schädigen zunächst die Ganglienzellen, in denen die 
Nissl’schen Körperchen schwinden und Vacuolen auftreten, dann die 
Muskelfasern, die der Quellung und Nekrose verfallen. Bei chronischer 
Alkoholvergiftung nehmen diese Veränderungen noch zu, die Nekrosen 
werden durch bindegewebige Narben ersetzt. Eä tritt ferner Thrombose 
der kleinen Gefässe ein, die zur Organisation der Thromben imd zu 
hochgradiger Verengerung der Gefässe führt Die Schädigung der 
nervösen Apparate des Herzens hat Pulsarhythmie zur Folge. Hyper* 


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UNIVERSUM OF IOWA 



6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1279 


tropbie des Honaos wurde nicht beobachtet. Die Ergebnisse dieser 
Untersuchungen sind nur mit Vorsicht auf den Menschen zu übertragen. 

A. W. Pinner. 

J. C. G. Ledingham - London: Die experimentelle Erzeugung von 
Purpura bei Tieren. (Lano,, 13. Juni 1914, Nr. 4737.) Durch Ein¬ 
bringung eines Antiblutplättchenserums gelang es, bei Tieren einen Zu¬ 
stand hervorzubringen, der der Purpura ähnelte und auch andere Züge 
der hämorrhagischen Diathese aufwies. Besonders die Wirkung der sub- 
cutanen Injektion des Serums ist auffallend: Ausser den Blutungen in 
den Organen fand sich, dass das Herzblut blass und körnig war infolge 
von völliger Agglutinierung der roten Blutkörperchen, und die Tiere 
zeigten doppelseitigen Katarakt. Wenn andere Autoren mit Antiblut¬ 
plättchenserum andere Resultate erhalten haben, so liegt das höchst¬ 
wahrscheinlich daran, dass ihre Sera nicht stark genug waren, um 
toxische Wirkungen hervorzubringen. Weydemann. 

D. B. Roncali - Padua: Die Bedeutung der pathogenen Blasto- 
■ycetei für die Aetiologie des Carcinoma. (Yirch. Arch., Bd. 216, 
H. 1 u. 2.) Verf. beginnt seine Arbeit mit den Worten: „Dass der 
Krebs sicher parasitären Ursprung haben muss, ist eine Wahrheit, zu 
deren Erkenntnis die Klinik schon seit langer Zeit gekommen ist." Eine 
der krebserregenden Parasitenarten sind nach Verf. die Blastomyceten, 
die er aus Carcinomen züchten konnte, und mit denen er bei Hunden 
durch Impfung Krebs erzeugte. Die Wirkung geht von den Toxinen 
der Erreger aus, die die Zellen am Locus minoris resistentiae angreifen 
(Narbeu, versprengte Keime) und sie zur schrankenlosen Wucherung 
veranlassen. Je nach dem Typus der in ihrer physiologischen Resistenz 
geschwächten Zellen entsteht Krebs, Sarkom oder eine andere bösartige 
Geschwulstart. Der Krebs ist also als eine „Entzündung sui generis“ 
zu betrachten; von den gutartigen Geschwülsten ist er scharf zu trennen, 
dagegen besteht „mit den infektiösen Granulomen eine innige Verwandt¬ 
schaft“. 


R. Zimmermann - Erlangen: Ueber einen eigenartigen Tumor der 
Iigiin&lgegend. (Plasmoeytom mit hochgradiger Riesenzellenbildung 
im Anschluss an massenhafte Ablagerung von hyaliner und amyloider 
Substanz.) (Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) A. W. Pinner. 

M. Landau -Freiburg: Zur Morphologie der Sekretion nnd Re¬ 
sorption in den Nieren. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) 
Untersuchung der Verfettung in den Nieren bei einer akuten gelben 
Leberatrophie. Es zeigte sioh ein differentes färberisches Verhalten der 
beiden Barnkanälchensysteme, indem die Epithelien des sezernierenden 
Teils vorwiegend Neutralfette, die Zellen der resorbierenden Abschnitte 
neben anderen Lipoiden namentlich auch Fettsäuren enthielten. In 
diesem eigentümlichen Verhalten tritt die verschiedene funktionelle Be¬ 
deutung der beiden Tubulussysteme in klare Erscheinung. Nach weiteren 
Untersuchungen muss die Möglichkeit ins Auge gefasst werden, dass 
neben der degenerativen Nierenverfettung die Fettspeichernng, nament¬ 
lich in den sogenannten Hauptstücken, der morphologische Ausdruck 
einer bei gewissen Zuständen auftretenden Fettausscheidung durch die 
Nieren ist W. Zinn. 

W. Müller - Hamburg-Eppendorf: Ein Beitrag zur Pathologie der 
Duidaraphlegmonei. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Kasuistik. 

A. W. Pinner. 


Jf- Niklas - Halle a. S.: Nachweis einer Oxydase im melanotisehen 
Diekdarm. (M.m.W,, 1914, Nr. 24.) Verf. konnte für die Dickdarm¬ 
melanose die Mitwirkung eines Fermentes nachweisen, indem er ein 
kleines, mögliohst helles Stückchen aus dem Darm der sterilen Autolyse 
jo physiologischer Kochsalzlösung bei 58° überliess. Nach 3 Stunden 
trat eine tiefe Dunkelbraunfärbung der Schleimhaut ein. Verf. ver¬ 
suchte nun, näheren Aufschluss über die Natur des Ferments zu er¬ 
halten, indem er Darm in physiologischer Kochsalzlösung, der aromatische 
Md aliphatisohe Aminosäuren oder Nebennierenpräparate zugesetzt 
taren, der Autolyse überliess. Zum Teil bildete sioh dabei Dunkel- 
wbnng. Damit dürfte wohl der Nachweis einer Tyrosinase für die 
telanose erwiesen sein. Dünner. 


W. Steinmeier-Hamburg: Statistische Erhebungen über das Vor¬ 
kommen von Meningitis tnberealosa bei anderweitiger Organ tuberkulöse 
am Sektionsmaterial des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf 

sJ«v Jahr . 6D l 911 » ! 912 uad 191S - < Virch * Arch -’ B d * 216 * H. 8 -) 

Alter ab ^ ®^ ud ßkeit der tuberkulösen Meningitis nimmt mit dem 

» k Bossle-Jena: Das Verhalten der menschlichen Hypophyse nach 
autrstiei. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) Die systematische Unter- 
grossen Zahl von Hypophysen totalexstirpierter Frauen 
JfArt Verf. zu dem Schluss, dass die Kastration beim Menschen eine 
ergrosserung des Vorderlappens der Hypophyse bewirkt. Ausserdem 
«lehnet sich die Hypophyse des Kastraten durch besonderen Reichtum 
w Eosinophilen und Armut an basophilen Zellen aus. Jedoch sind 
histologischen Veränderungen nicht vollkommen spezifisch und 
ommen auch nioht konstant vor, ebenso wie das Gewicht der Drüse 
7erme ^ r ^ Verf. ist der Ansicht, dass diese Hypophysen- 
wanderungen ebenso von individuellen Stoffwechselverhältnissen ab- 
anpg sind wie die Entstehung der Fettsucht und die Veränderungen 
w Geschlechtstriebes nach der Kastration. 


ftAtijj ’ Hamburg - Eppendorf: Anatomische Untersuchungen an 
JWIMrtae* toi Phthisikern. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Um die 
®MQnusohe Grundlage des von v. Brandenstein festgestellten häufigen 


Vorkommens von Basedowsymptomen bei Tuberkulösen zu ermitteln, hat 
Verf. in 50 Fällen von Lungentuberkulose die Sohilddrüse untersucht. 
In 2 Fällen fand er miliare Tuberkel, in der Mehrzahl der übrigen eine 
dem Alter nicht entsprechende Vermehrung des interstitiellen Binde¬ 
gewebes. Die für Basedowsche Krankheit charakteristischen Verände¬ 
rungen, wie Epithelproliferationen, papilläre Wucherung ins Lumen usw. 
und lymphatische Herde im Drüsengewebe, konnten nie nachgewiesen 
werden. Diese anatomischen Veränderungen, ebenso wie die klinischen 
Erscheinungen lassen sich nach Verf. durch die Theorie Costa’s erklären, 
dass in leichten Fallen von Lungentuberkulose durch die Toxine eine 
Struma entsteht. Bei Heilung der Tuberkulose schwindet diese wieder, 
bei Verschlimmerung des Leidens kommt es zur Sklerose der Schilddrüse 
durch die immer grössere Toxinwirkung. A. W. Pinner. 

0. Loeb und B. Zöppritz - Göttingen: Die Beeinflussung der Fort- 
pflauzungsfähigkeit durch Jod. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Jodsalze und 
Jodidion abspaltende Jodfettsäurederivate üben regelmässig eine selektive 
Wirkung auf den Genitalapparat aus. Sowohl männliche als auch weib¬ 
liche Tiere werden bei erhaltener Libido und Facultas coeundi steril. 
(Versuche an Mäusen.) Die sterilisierende Wirkung ist nur eine vor¬ 
übergebende und lässt sich durch Sistieren der Joddarreichung aufheben. 
Die sterilisierenden Dosen liegen unterhalb der toxisch wirkenden; Be¬ 
finden und Ernährungszustand der Tiere werden dabei nicht beeinflusst. 
Bei graviden Tieren tritt regelmässig Abort ein (nach 4—8 Tagen.) 
Vielleicht ist die Schilddrüse an diesen Wirkungen beteiligt. 

Wolfsohn. 


Diagnostik« 

L. Humphry - Cambridge: Die Diastaseprobe des Uriai und die 
Loewi’sche Reaktion bei Pankreaserkrankungea. (Brit. med. journ., 
6 . Juni 1914, Nr. 2788.) In zwei mitgeteilten Fällen wiesen der hohe 
Diastasegehalt des Urins und der positive Ausfall der Loewi’sohen Re¬ 
aktion auf eine Pankreaserkrankung hin. Bei der Schwierigkeit der Dia¬ 
gnose von Pankreasstörungen sollten diese beiden leicht anzustellenden 
Proben auf ihren Wert geprüft werden. Weydemann. 


Parasitenkunde und Serologie« 

W. Yorke und B. Blacklook: Die Identität des Trypanosoma 
rhodinOBse mit dem gleichaussehenden Trypanosom des Wildes. (Brit. 
med. journ., 6. Juni 1914, Nr. 2788.) Die Verff. verteidigen den deutschen 
Forschern, wie Kleine, Eckard, Tante und Fischer, gegenüber 
ihre Ansicht, dass diese Trypanosomen identisch sind. 

Weydemann. 

C. Levaditi und A. Marie: Das Treponema der progressives 
Paralyse. (Compt. rend. de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 22.) Von 
einem seit 15 Jahren syphilitischen Mann, der an progressiver Paralyse 
gestorben war, wurde ein Virus P. G. gewonnen und mit ihm Inkubations-, 
Virulenz- und Immunitätsversuche angestellt. Es zeigte sich nach 
diesen Untersuchungen, dass zwischen dem Virus der allgemeinen Para¬ 
lyse und dem der Haut- und Schleimhautsypbilis eine deutliche bio¬ 
logische Differenz besteht; sie halten das Treponema der Paralyse für 
eine neurotrope Varietät der Spirochaete pallida. Ihre Gegenwart in 
gewissen Ansteckungsquellen erklärt das Auftreten der Paralyse bei 
jenen Syphilitikern, die sich an diesen Quellen infiziert haben. 

B. Valentin. 

J. G. Seiffert-München: Zur Nachprüfung der Reiuzüebtung des 
Pockenerregers. (D.m.W., 1914, Nr, 25.) Fornet’s Angaben betr. die 
Reinzüchtung des Pockenerregers konnten von Seiffert nicht bestätigt 
werden. Weder mikroskopisch, noch kulturell, noch durch Tierversuche 
lässt sich sicher nachweisen, dass es sich bei den Fomet’schen Kulturen 
um eine Fortzüchtung des Vaccineerregers handelt. Wolfsohn. 

A. Tri Hat und M. Fonastier: Die Wirkung der Abkühlnng auf 
die kleinsten Tröpfchen von Bakterien. (Compt. rend. de Paead. des 
Sciences, 1914, Nr. 20.) Die durch plötzliche Herabsetzung des Luft¬ 
drucks bewirkte Abkühlung der Atmosphäre reisst die in feinsten 
Tröpfchen und Haufen verteilten Bakterien znm grössten Teil mit sich 
zu Boden, aber gewisse Arten können doch längere Zeit dieser Wirkung 
der Kondensation widerstehen. Es scheint hierbei eine gewisse Aus¬ 
wahl stattzufinden. Vielleicht kann man, gestützt auf diese Wirkung 
die Kälte bei der Luftreinigung von Räumen anwenden. 

B. Valentin. 

T. Fellmer-Bonn a. Rh.: Differenzierung verschiedener Pilzeiweisse 
mit Hilfe von ImmnnitlUsreaktionen nnd Tierversncben. (Zschr. f. 
Immun. Forsch., Bd. 22, Nr. 1.) Eiweissstoffe und Pilze können im 
Tierkörper Präcipitine und komplementbindende Stoffe erzeugen, die in 
den meisten Fällen spezifisch auf das zur Immunisierung verwendete 
Pilzeiweiss reagieren. Durch Pilzeiweiss lassen sich Tiere anaphylaktisch 
machen. Der Reaktionskörper ist mit dem Serum auf andere Tiere 
übertragbar und löst passive Anaphylaxie aus. Der anaphylaktische 
Reaktionskörper kann als spezifisch bezeichnet werden. 

B. v. Feny vess'y und J. Freund-Budapest: Ueber den Mechanismus 
der Anaphylaxie. (Zschr. f. Immun. Forsch., Bd. 22, H. I.) Die Autoren 
halten die Anaphylaxie nicht für einen humoralen Vorgang. Die ex¬ 
perimentellen Stützen für diesen wichtigen Satz werden genau angeführt. 
Besonders interessiert, dass die Anwesenheit des anaphylaktischen Anti- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


körpers im Blute nicht genügt, um das Tier anaphylaktisch zu machen, 
sie ist sogar nicht erforderlich, um den Shock auszulösen. Die Ueber- 
empfindlicbkeit wird auch nicht beeinflusst durch Entbluten und Ersatz 
des Blutes aus einem normalen Tier. Nach Ansicht der Verff. liegt das 
Wesen der Anaphylaxie in Prozessen, die sich erst nach Uebertritt des 
Antikörpers in die Gewebe unter dessen Einfluss abspielen. 

E. Levy und H. Dold-Strassburg: Weitere Versuche über Immun- 
siernug mit desanaphylatoxiartem Bakterienmaterial. (Zscbr. f. Immun. 
Forsch., Bd. 22, H. 1.) Die Bakterienleiber werden ausserhalb des 
Organismus durch Immunserum und Komplement mehrmals abgebaut, 
so lange bis sie vollkommen desanaphytatoxiert sind. Wie die Tier¬ 
versuche zeigen, gelingt es mit diesem Material, zu immunisieren (Typhus¬ 
versuche) und Antikörper zu erzeugen. Fieber und Entzündungs¬ 
erscheinungen bleiben dabei dem Organismus erspart. Man kann auch 
zur Schutzimpfung grössere Mengen ungestraft injizieren. 

U. Arisawa-Osaka: Zur Frage der sympathischen nnspeziflschen 
Umstimmung (Dold und Rados). (Zschr. f. Immun. Forsch.,Bd. 22, H. 1.) 
Die Angabe von Dold und Rados, wonach Kaninchen, bei welchen das 
eine Auge durch Injektion von Krotonöl in einen Zustand schwerer 
Entzündung versetzt worden war, das andere Auge sich häufig sensi¬ 
bilisiert erweisen sollte gegenüber einem Reiz, der sonst reaktionslos 
vertragen wird, konnte nicht bestätigt werden. Wolfsohn. 

W. Fletcher - Kuale Lumpur: Die Wassermann’sche Reaktion bei 
Malaria. (Lancet, 13. Juni 1914, Nr. 4737.) Malariaparasiten ver¬ 
ursachen keinen positiven Ausfall der Wassermann’schen Reaktion, wenn 
diese nach Browning, Cruickschank und Mackenzie ausgeführt wird. 
Einige positive Resultate sind wohl durch die Verwendung von frischem 
Serum verursacht worden, das verschiedene Autoren gebraucht haben, 
aber die Hauptursache der Verwirrung liegt darin, dass eine Reibe vod 
Modifikationen unter dem Namen der Wasserraann’schen Reaktion geht, 
ohne dass die Autoren die besondere Art der von ihnen gebrauchten 
Verfahren beschreiben. Weydemann. 

K. Hara - Hamburg: Zar Serodiagnostik der malignen Geschwülste. 
(D.m.W., 1914, Nr. 25.) An 34 Carcinomseris und einer Anzahl von 
Kontrollen wurde die Meiostagmin- und die Komplementbindungsreaktion 
naobgeprüft. Beide sind durchaus brauchbar, aber nicht streng spezifisch. 
Bei der Meiostagminreaktion werden die Resultate besser, wenn man zur 
Verdünnung an Stelle von Kochsalzlösung isotonische Zuckerlösung nimmt 
(24 bzw. 27 positive Fälle; mit Komplementbindung 29). 

Wolfsohn. 

H. E feiffer - Graz: Ausscheidung eines peptolytischen Ferments 
im Harn bei verschiedenen Formen der Eiweisszerfallstoxikosen (Ver¬ 
brühung und Hämolysinwirkung). (M.ro.W., 1914, Nr. 24.) 2. Mitteilung. 
Unter verschiedenen auf das akute Zugrundegehen von Körperzellen ab¬ 
zielenden Bedingungen überschwemmen ganz akut peptolytische Fermente, 
die höchstwahrscheinlich von den zugrundegegangenen Körperzellen 
stammen, den Blutstrom. Einer der Wege, auf welchem sich der Orga¬ 
nismus ihrer entledigt, ist die Ausscheidung durch den Harn; damit ist 
die schon früher von P. ausgesprochene Ansicht gestützt, dass es sich 
bei diesem Phänomen nicht um eine agnole Erscheinung handelt, sondern 
um einen intravitalen Vorgang. Das Auftreten eines peptolytischen 
Ferments im Harn scheint nach den bisherigen Versuchen ein Indikator 
für Zerfallsvorgänge an den Zellen des lebenden Kaninchens zu sein. 

W. Sagel-Arnsdorf: Nachweis spezifischer peptolytischer Fermente 
im Harn. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) (Vorläufige Mitteilung.) An Stelle 
von Serum verwandte S. zur Anstellung der Abderhalden’schen Reaktion 
Urin, den er auf den 30. bis 40. Teil seines Volumens bei 40—45° ein¬ 
engte; die verbleibende trübe Flüssigkeit stellte er auf Eis und filtrierte 
sie. Dann Weiterverarbeitung. Die Versuche ergaben bisher befriedigende 
Resultate. 

W. Schmitt-Stuttgart: Störungen der inneren Sekretion bei 
Chlorose. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) Die Vermutung, dass Chlorose ein 
Symptom einer konstitutionellen Erkrankung sei, gab Anlass zur Unter¬ 
suchung mit der Abderhalden’schen Reaktion, bei der sich ergab, dass 
bei fast allen Fällen von Chlorose eine Dysfunktion von Uterus und 
Ovarien nachweisbar war, die zur Mobilisierung entsprechender Abwehr¬ 
fermente im Blute geführt hatte. Dünner. 

P. Kirschbaum und R. Köhler-Wien: Die Differenzierung von 
Bakterien mittels des Abderhalden’schen Dialysierverfahrens. (W.kl.W., 
1914, Nr. 24.) Die Verff. wenden sich gegen eine Arbeit Voelkel’s 
(M.m.W., 1914, Nr. 7.) Nach ihren Versuchen ist es nicht möglich, das 
Abderbalden’sche Verfahren als Mittel zur Differenzierung vod Bakterien 
bzw. zur Diagnose bakterieller Erkrankungen zu verwenden. 

P. Hirsch. 

S. Kjaergaard - Kopenhagen: Ueber Abderhalden’s Graviditäts¬ 
reaktion, ihre Methodik und Spezifität, Untersuchungen von gesunden 
Frauen post- und prämenstruell. (Zschr. f. Immun. Forsch., Bd. 22, Nr. 1.) 
Durch Modifikation der Versuchsanordnung lässt sich nachweisen, dass 
jedes Serum proteolytische Fermente gegen Placentagewebe besitzt. Der 
Unterschied zwischen Graviden und Nichtgraviden ist quantitativer 
Natur; es ist deswegen auf die quantitativen Verhältnisse (Serummenge, 
PlacentameDge, Reaktionszeit) grosses Gewicht zu legen. Bei einer 
Reihe von Leiden (Carcinom, Salpingitis, Metrorrhagie u. a.) kann die 
proteolytische Fähigkeit derart erhöht sein, dass die betreffenden Sera 
mit Placenta stärker reagieren als manche Gravidensera. Demnach 
spricht negativer Ausfall der Reaktion sehr gegen Gravidität, positiver 


nicht unbedingt dafür. Im prämenstruellen Stadium niohtgravider 
Frauen ist der Fermentgehalt entschieden gesteigert. Dieser Faktor ist 
in praxi besonders zu berücksichtigen. Wolfsohn. 


Innere Medizin. 

J. Löwy: Ueber refraktouetrisehe Bestimmungen tob Blutseren 
und Transsudaten. (D. Arcb. f. klin. M, 1914, Bd. 115, H. 3 und 4.) 
Die refraktometrischen Eiweissbestimmungen des Blutserums sind ge¬ 
eignet, Veränderungen des Blutserums unter dem Einfluss verschiedener 
Diäten und vielleicht auch verschiedener Medikamente zu erkennen. 

W. Zinn. 

C. Coombs - Bristol: Aeidosis beim Ende von Erkrankungen des 
Myocards. (Brit. med. journ., 6. Juni 1914, Nr. 2788.) Mitteilung zweier 
Fälle von Mvocarderkrankungen, wo gegen das Ende klinische Zeichen 
der Säurevergiftung auftraten (Acetongeruch des Atems, Lufthunger, 
Durst und Gehirnerscheinungen). Im Urin fehlten aber Aceton und 
/0-Hydroxysäuren fast ganz, so dass die Acidose Dicht von der Art war, 
wie sie bei Diabetes und andern wohlbekannten Erkrankungen beob¬ 
achtet wird. Weder Alkalien noch Sauerstoffeinatmungen hatten irgend¬ 
welchen Einfluss auf den Verlauf dieser Vergiftungen. 

Weydemann. 

A. Jarisch-Graz: Zur pathologischen Antonie des Pulsis ir- 
regnlaris perpetuus. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) 
Genaue anatomische Untersuchung klinisch sehr sorgfältig beobachteter 
Fälle. Es wurde keine für den Pulsus irregularis perpetuus charakte¬ 
ristische Veränderung gefunden. Gemeinsam sind den Herzen lediglich 
Zeichen, welche auf eine Erschwerung der Funktion der Vorhöfe, speziell 
des rechten scbliessen lassen. Ein gewisser Zusammenhang besteht 
zwischen anatomischer Erkrankung des Ueberleitungsbündels und dem 
Auftreten der langsamen Form des Pulsus irregularis perpetuus. Die 
Fälle mit geringer Pulsfrequenz zeigen mehr oder minder schwere Ver¬ 
änderungen im A.-V.-Bündel. Eine einheitliche theoretische Erklärung 
des Pulsus irregularis perpetuus ist nicht zu geben, als wesentliche Ur¬ 
sache kommt eine successive Erschöpfung des Sinusknotens und nach 
seiner Erschöpfung eine störende Reizbildung an anderer Stelle in Betracht 

Edens und v. Förster: Zur Diagnose der Herxbeutelverwaeh- 
sungeii. (D. Aroh. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 und 4.) Ein all¬ 
gemein gültiges Zeichen für die Erkennung von Herzbeutelverwachsungen 
gibt es nicht. Die Ursache ist, dass verschiedene Lokalisation der Ver¬ 
wachsungen zu verschiedenen Erscheinungen führen muss. Auch eine 
ausgedehnte Obliteratio pericardii braucht keinen sicheren Röntgenbefund, 
keinen negativen Herzstoss, keine Veränderung des Jugularispulses, des 
Oesophagocardiogramms, höchstwahrscheinlich auch keinen Pulsus para- 
doxus zu geben. Als neue, auf Herzbeutel Verwachsungen verdächtige, 
aber nicht obligate Zeichen sind zu nennen: Auffallende Kleinheit des 
Jugularispulse, so dass eine Kurve nur schwierig oder gar nicht erhalteo 
wird; auffallende Kleinheit des Oesophagocardiogramms, so dass eine 
deutliche Kurve nur mit Doppelballon erhalten wird; Fehlen des Vor- 
hofspulsus im Oesophagus, auch bei Anwendung des Doppelballons; auf¬ 
fallende Kleinheit der os-Zacke im Oesophaguscardiogramm, rascher und 
starker Abfall nach der os-Zacke, vielleicht auch abnormer Anstieg der 
D-Erhebung. 

Emden: Ueber das Chlorom und seine Beziehungen zur Myoblasten- 
leukämie, mit klinischem Beitrag von John Rothschild. (D. Arch. f. 
klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) Bei dem 5 jährigen Knaben führte 
ein Chlorom unter dem klinischen Bilde fortschreitender Lähmungen und 
dem Biutbilde einer Myeloblastenleukämie binnen 12 Wochen zum Tode. 
Das anatomische Bild entsprach dem eines diffus infiltrierenden malignen 
Tumors, ohne dass ein primärer Herd mit Sicherheit nachgewiesen werden 
konnte. Die genauere Untersuchung mit Granulamethoden, insbesondere 
die Oxydasereaktion, erbrachten den Nachweis, dass die Tumoren fast aus¬ 
schliesslich aus Myeloblasten bestanden. Das Chlorom muss deshalb als 
Myeloblastentumor bezeichnet werden. Der sichere Nachweis, dass ein 
lymphatisches Chlorom vorkommt, ist noch nicht erbracht. 

W. Zinn. 

C. Märtel li-Neapel: Ueber die Leukunämie. (Virch. Arch.,Bd.216, 
H. 2.) Klinische Analyse eines Falles. Die Leukanämie ist ein Sym- 
ptomenkomplex, der bei Menschen mit schwachem hämatopoetischem 
System als Folge von chronischen Infektionen und Intoxikationen auf- 
tritt. Sie besteht in lympboider und myeloider Umwandlung der hämato- 
poetischen Organe mit Eindringen unreifer Erythrocytenformen ins Blot. 
Sie stellt als Schluss eines chronischen Prozesses den Zustand irre¬ 
parabler Zerstörung der blutbildenden Organe dar. A. W. Pinner. 

M. Brasch - Nürnberg: Blntbefnnde nach intravenösen Arthige** 
Injektionen. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) Nach intravenösen Arthigon- 
tsjektionen bei Gonorrhoikern kommt es nach dem Schüttelfrost zuerst 
zu relativer Leukopenie, dann zur Leukocytose. Nach dem Schüttelfrost 
ist eine allmählich, im Durchschnitt nach 4t l [% Stunden, die Höhe er¬ 
reichende, mächtige Zunahme der polymorphkernigen, neutrophilen 
Leukocyten zu konstatieren. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Lympbo- 
cyten. Die übrigen Zellformen der weissen Blutkörperchen verschwinden 
fast ganz aus dem Bilde. Nach 24 Stunden sind meist die normalen 
Verhältnisse wieder hergestellt. Dünner. 

E. R. Long und H. G. Wells: Ueber die Parinennyme dar p*e*- 
monischen Lange. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 1 u. 2.) Die 


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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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pneumonische Lunge des Menscheo scheint keine Xanfcho-Oxydase zu 
enthalten, dieses £nzym geht also sowohl den Leukocyten als auch dem 
Luogengevebe ab. Die pneumonische Lunge kann ihre Nucleinsäure ab¬ 
bauen und sie vollständig zu Xanthin und Hypoxanthin desemidieren, 
aber sie kann diese Purine in vitro auch unter günstigen Versuchs- 
bedingungen nicht zu Harnsäure oxydieren. Zinn. 

F. Moritz-Cöln a. Rh.: Zur Methodik des küastliehen Pneumo- 
tksrix. (M.m.W., 1914, Nr. 24) Angabe eines neuen Apparats, der 
auf bestimmte physiologische Ueberlegungen hin konstruiert wurde, zur 
Anlegung eines Pneumothorax mittels der Stichmethode. 

Dünner. 

R. A. Kooher: Ueber den Harnsänrogelialt des Blutes als Krank- 
heituynpton. (D. Arch. f. kliu. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) Er¬ 
höhte Harnaäurewerte im Blute finden sich bei drei Krankheitsgruppen: 
1. bei schweren Nierenschädigungen verbunden mit Hypertonie, bei denen 
ausser anderen Harnbestandteilen auch die Harnsäure retiniert wird. 
Naturgemäss Hessen sich also bei Urämie stets die höchsten Harnsäure¬ 
werte im Blute nachweisen. 2. Bei Gichtkranken, wo eine eigentlich 
krankheitsspezifische Vermehrung vorliegt. 3. Bei allen Zuständen, die 
mit einem vermehrten Zellzerfall einbergehen, wie z. B. bei Leukämie, 
Pneumonie, Carcinomerkrankungen und Fieberfällen, wo die erhöhte 
Urikämie dieselbe Bedeutung besitzt, wie die nach exogener Nuclein- 
jufuhr. In manchen Fällen wird die Harnsäureuntersuchung des Blutes 
eine Unterscheidung zwischen einfacher Nephritis und gichtischer Nieren- 
insutäsienz, sowie zwischen chronischen ürethriden und gichtischen Ge- 
lenkerkrankungen ermöglichen. 

K. Hävers, Experimentelle Untersuchungen über Physiologie und 
Pathologie des Cholegterinstoffwechsels mit besonderer Berücksichtigung 
der Schwangerschaft. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) 
Eine Anreicherung der Galle mit Cholesterin erfolgt auf starke Nahrungs- 
xufubr, Eiweissdiät und. Fettkost. Bei beschränkter Nahrungsaufnahme, 
im Fieberzustand und in der Gravidität tritt eine Cholesterinverarmung 
der Galle ein. Nach beendigter Gravidität wird kurz nach dem Wurf 
die Galle rapid mit Cholesterin überschüttet. Die Hauptrolle spielt 
hierbei das freie Cholesterin. Der Einfluss der Diät auf den Cholesterin¬ 
gehalt der Galle ist offensichtlich. W. Zinn. 

B. Neugebauer-Kassa: Sekundäre Syphilis und Mageoverände- 
riogen. (W.kl.W., 1914, Nr. 24.) Es kann schon im sekundären Stadium 
der Lues zu Veränderungen der Magensekretion kommen, die bis zur 
Acbylie führen können. Die Veränderungen sind bedingt durch Stö¬ 
rungen des Vagustonus und durch direkte Magenwanderkrankung (Gastritis 
luetiea). Die Diagnose Gastritis luetica wird gestützt durch Subacidität 
‘ :™ylie)j deutlichen Schleimgehalt, positive Seroreaktion, alimen- 
tare Galaktosurie und sonstige Zeichen von Lues anderer Organe, ln 
zweifelhalten Fällen ist neben den anderen Heilmethoden eine anti- 
iuetwche Kur einzuleiten. p. Hirsch. 

v. Monakow: Beitrag zur Kenntnis der Nephropathien. Fälle mit 
Kochsalzretention (hypochlorurische Nephropathien). (D. Arch. f. klin. M., 
h m k ® uul * Palle von hydropischer resp. hypochloruri- 
wner Nephropathie, bei denen, mit Ausnahme eines Falles, niemals Blut¬ 
est ff 5 .™ 0 ®* und urämische Erscheinungen beobachtet wurden. Die 
otickstoffehmination war gut. Auf NaCl-Zulage nahm die Urinmenge ab, 
T ?. or P er K ew,cbt ™d der Eiweissgehalt des Urins zu: Zurückhaltung 
«»W, AusscheidungsstöruDg. Therapeutische Nutzanwendung: NaCl- 
e D [ Da ° ruD K- Retention grösserer NaCl-Mengen lübrt im allgemeinen 
. e entiou von Wasser und zum Anstieg des Körpergewichts; zu 
c,- sichtbaren Oedemen kommt es aber nur, wenn gleichzeitig eine 
peripheren Gelasse besteht; i&t diese nicht vorhanden, so 
an oie Stelle der intercellulären NaCl-Retention eine intracelluläre 
J° D Vi • v.^ eme können schwinden, das Körpergewicht sinkt, und- 
auf /i m ? leibt L d “ NaCl im Körper (Historetention). In bezug 

T * w .. Ausscheidung der körperfremden Stoffe, Jod und Milchzucker, 
pinAr« en i Sleb „ < ^ 1 ®„^^ e verschieden. Die Wirkung des Theocins ist 
raairiArt 6 \z ^ ® b Fdropischer Nephropathie, ob sie auf Tbeoein 
stoff m ? • r haben mit der gleichen Gesetzmässigkeit auf Harn- 
mit Ai 1 r» vermehruDg der Urinmenge reagiert, wie sie auf NaCl 
JL:L ner . Äbaah ® e reagierten. In einem Falle hatte der Harnstoff- 
AllMmA ,e k D Ä j° ek,a * ant günstige Wirkung auf die Urinmenge und das 
rab T ln p-ii D i! t * ass .^* Harnstoff später aus therapeutischen Gründen 
emnfiAMf • ! . b y^ r °pi s cher Nephropathie, wo alle Diuretica versagen, 
gebracht werdend^ erSucb ’ durch Harnstoff die Diurese in Gang 

PnkLPhu C ^ ard «’ üeber Prüfun 8 der Nierentätigkeit durch 
Q.ki 1 Bemerkungen zu der Arbeit von Hediuger und 
es ai7 er * (D< Arch - 1 klin * Bd. 115, H. 3 u. 4.) B. sieht 

TasciiiSr! 116 !? 168611 a .?\ < * ass vasculäre Hyposthenurie ein Symptom 
Uscalar r p leren8C häüigUDg sei, und dass cbronisohe Nephritiden mit 
Neohrifi? “^P^henurie, insbesondere die Scbrumpfnieren als vasculäre 
Inder 6ü Dacb Resultat der Funktionsprüfuog anzusprechen sind. 

yaacu ' aren Hyposthenurie sieht B. einen durch leicht 
eia 7 a 1 m, cbac VgUDg hervorgerufenen Reizzustand der Nierengefässe, also 
pichen leichterer Tubuluserkrankung. W. Zinn. 

Ts ® bist °witsch-St. Petersburg: Nephritis haemorrhagica 
bäinorrhf’’ k^’ 1 ?'^*’ ^14, Nr. 25.) Periodische Erscheinungen von 
TemnAr^ 18 ^ . r . Nephritis, wobei jeder Anfall mit raschem Steigen der 
r eiQ herging und mit Abfall der Temperatur abklang. Malaria 


war auszuschliessen; Zusammenhang mit Lues nicht unwahrscheinlich. 
Verf. nimmt, ebenso wie für paroxysmale Hämoglobinurie, einen patho¬ 
logischen Zustand der roten Blutkörperchen an. Wolfsohn. 

G. Jochmann-Berliu: Ueber die Diagnose der Poeken. (Virch. 
Arch., Bd. 216, H. 3.) Besprechung der klinischen Diagnose und Diffe¬ 
rentialdiagnose der Variola. Die Verwertung der klinischen Symptome 
wird unterstützt durch den Nachweis der Guarneri’scben Körperchen in 
den Zellen einer durch Impfung an der Cornea des Kaninchens ent¬ 
standenen Pustel. A. W. Pinn er. 


Kinderheilkunde« 

E. Sluka und B. Sperk-Wien: Ueber die Erfolge der Eiweiss- 
iiilchernähruog im Hause und im Spital. (W.kl.W., 1914, Nr. 24.) Eioe 
ambulatorische Behandlung der Ernährungsstörungen des Säuglings ist 
sehr aussichtsreich, wenn eine diätetische Behandlung auf Grund der 
Eiweissmilchdiät durchgeführt wird. Durch diese Diätform wird, wenn 
sie im grossen ausgefübrt wird, eine Vereinfachung und Verbilligung des 
Betriebes herbeigefübrt. Die Yerff. plädieren für Errichtung eines städti¬ 
schen Kinderasyls in Wien, dem eine Ambulanz angegliedert werden soll. 

P. Hirsch. 

H. L. Kowitz - Magdeburg: Infektiöse Erkrankungen der Harn¬ 
organe im Säuglingsalter (sogenannte Pyelocystitis). (M.m.W., 1914, 
Nr. 24.) (Vortrag, gehalten in der Sitzung der Medizinischen Gesell¬ 
schaft zu Magdeburg am 12. März 1914.) ZusammeDstelluDg eigener 
Beobachtungen. Verf. vertritt gleich Czerny die Anschauung, dass es 
sich bei der Pyelocystitis um eine hämatogene, descendiereode Er¬ 
krankung baudein kann. Aus den Obduktionsbefunden zu schliessen, 
ist die Erkrankung im Juli—September am häufigsten; das spricht eben¬ 
falls für die descendierende, hämatogene Natur, indem in den heissen 
Jahreszeiten akute Ernährungsstörungen, von denen eine Weiterinfektion 
erfolgen kann, am häufigsten sind. Dünner. 


für 


Chirurgie. 

J. Fraser und H. H. Robarts - Edinburgh. Angeborenes Fehlen 
aeg Radius und ein entsprechender Zustand am Bein. (Lanc., 6. Juni 
1914, Nr. 4736.) Beschreibung je eines Falles von fehlendem Radius 
und fehlender Tibia. Nach Robart’s Theorie kommt der Radiusdefekt, 
wie er in zwei Fällen bei der Geburt beobachten konnte, dadurch zu¬ 
stande, dass intrauterin die Hand fast in der Achselhöhle fixiert war, der 
Oberarm dicht am Körper lag und der Ellenbogen gekreuzt war. Die 
Hand wich stark radialwärts ab. Dadurch musste die Entwicklung des 
Radius gestört werden. Auch das Fehlen der Tibia wird auf intra¬ 
uterinen Druck zurückgeführt. In beiden angeführten Fällen wurden 
die fehlenden Knochen durch Implantation der Fibula ersetzt. 

Weydeman n. 

Hagemann-Marburg: Eine zweckmässige Modifikation des Heft- 
pttasterverbaiides bei Hasensehartenoperationen. (Zbl. f. Chir., 1914 , 
N. r -21.) Verf. legt einen bartbindemörmigen Leukoplaststreifen nicht 
direkt über die Naht, sondern so an, dass, bei zusammengedrückten 
Wangen, der dünnere Teil des Streifens über die Mundöffnung selbst 
zieht. Auf diese Weise erfolgt dauernde Entspannung der Nahtlinie. 
Friedrich-Königsberg: Dreigeteilte Extremitätentransportsehiene 
J e \ K " e **- (Zb i*. f - Chir., 1914, Nr. 24.) Verf. beschreibt eine 
praktische Schiene, die von der Firma Medizinisches Warenhaus in 
Königsberg geliefert wird. Sehrt. 

G Axhausen-Beriin: Die Entstehung der freien Geleikkörner 
2 " r Artkriti8 deformans. (Arcb. f. klin. Chir., 
Bd. 104, H. 3, Nr. 20.) Den als Arthritis deforraans bezeichneten Allge- 
memveränderungen geht eine Gelenkkörperbildung parallel; die letztere 
stellt die Lokalreaktion, die erstere die Allgemeinreaktion eines Gelenks 
auf eine primäre stattgehabte Knorpelscbädigung dar. Die operative 
Behandlueg darf sich nicht mit der blossen Entfernung des freien Gelenk- 
korpers begnügen, sondern muss durch freie Arthrotomie alle geschädigten 
Knorpelpartien total entfernen. Auch die nicht traumatische Arthritis 
deformans juvenilis unbekannter Aetiologie gibt die Aetiologie zur Arthro¬ 
tomie und Gelenkrevision. 

A. Troell - Stockholm: Ueber Geleokkapsolchondrome. (Arch f 
klin. Chir Bd. 104, H. 3, Nr. 21.) Bei der operativen Behandlung der 
Gelenkcboudrome darf man sich Dicht auf die Kapselexzision beschränken 
sondern soll zweckmässig eine totale Gelenkresektion vornehmen da 
sonst binnen kurzem ein lokales Recidiv auftritt. ’ 

W. Keppler und F. Erkes - Berlin: Ueber den Wert der Tiber 
knlinherdreaktioi für die Diagnose unklarer Hfifrgelenknerkraakinren 

(Arch. I. klin. Chir., Bd. 104, H. 8, Nr. 27.) Ve.ff. empfeben “£££ 
tialdiagnostisches Hilfsmittel die Tuberkulioherdreaktion. Beim Fehlen 
klinisch nachweisbarer Lungen- und Herzerkrankungen, sowie bei afehrilftn 
Temperaturen (unter 37,5°), die durch 2 stündliche, 2 Tage lang voree- 
nommene Messungen festuestellt wurden, wird eine Pirquet’sche Cutan- 
impfung vorgenommen. Bei negativem oder schwach positivem Pirquet 
wird daun Vio Koch’sches Alttuberkulin subcutan injiziert bei stark 
positivem Pirquet wird mit 2/10 oder »/,o mg begonnen. Bei’reaktions¬ 
losem Verlauf werden dann an jedem zweitnächsten Tag 3 und 5 m* 
bzw. 1, 3 und 5 mg gegeben. Die tuberkulösen Hüften zeigten gewöhn- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


lieb schon nach 1 mg eine Herdreaktion, die sich durch Schmerzen und 
durch starke Einschränkung der Beweglichkeit kennzeiebnete. 

Baetzner. 

P. Bade: Die Sonnenbehandlnng der Knochen- nnd Geleoktnber- 
kalose und ihre Anwenduogsmöglicbkeit in den Krüppelbeimen. (Zscbr. 
f. Krüppelfürs., 1914, Bd. 7, H. 2, S. 71 — 76.) Die Erfolge Rollier’s 
bestätigen die zuerst in Frankreich verfochtene Lehre, dass auch die 
Knochentuberkulose eine Allgemeininfektion sei, welche neben der 
totalen Beeinflussung unbedingt Allgcmeinbehandlung erfordert. Die 
wirksamste Allgemeinbehandlung ist in den Sonnen- und Freiluftkuren 
gegeben. Letztere müssen in den Krüppelheimen, wo 15—20pCt. der 
Insassen Knochentuberkulose sind, ebenfalls zur Anwendung kommen. 
Zu diesem Zwecke müssen die Krüppelbeime mit Glasveranden ausge¬ 
stattet werden, die mit den Krankenräumen in unmittelbarer Verbindung 
stehen. Selbst in der Grossstadt ist die Sonne nach Möglichkeit auszu¬ 
nutzen. Künne. 

Dreyer-Breslau: Neues Symptom bei der Patellarfraktnr, zu¬ 
gleich ein Beitrag zu ihrer Behandlung. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 22.) 
In einem Falle von Patellarfraktur stellte Verf. die interessante Tat¬ 
sache fest, dass der Patient das im Knie gestreckte Bein bei wirkender 
Extension erheben konnte, bei fehlender Extension nicht. Diese Tatsache 
erklärt er so, dass bei Extension der Reservestreckapparat in Aktion 
treten kann, ohne dass durch die Streckung die Bruchstücke auseinander 
gezogen werden. Bei Fällen, in denen unter Extension das gestreckte 
Bein gehoben werden kann, kann man unter Umständen von einer Ope¬ 
ration absehen, da man schliessen kann, dass der Reservestreckapparat 
noch intakt ist. 

Borchard - Posen: Osteoplastische KnocbenlappoubilduDg aus den 
DornfortsäUen der Wirbelsäule. (Zbl. f. Chir., H'14, Nr. 22.) Nach 
Laminektomie bildet Verf. aus der Seitenfläche zweier Dornfortsätze der 
wirbelbogenlosen Stelle einen Lappen, dessen Basis nach oben liegt und 
der sich über die laminektomierte Stelle hinüberschlagen lässt. 

v. Hacker-Graz: Direkte Nerveneinpflanzang in den Muskel und 

muskuläre Neurotisation bei einem Falle von Cucullarislähmung. (Zbl. 
f. Chir., 1914, Nr. 21.) Verf. hat schon vor 7 Jahren eine Cucullaris- 
läbmung dadurch geheilt, dass er das Accessoriusstück vor seiner 
Läsionsstelle (früher bei einer Drüsenoperation war es zur Verletzung 
gekommen) direkt in den Cucullaris einpflanzte; das peripher von der 
Läsionssteile gelegene Accessoriusstück implantierte er in einen nahe- 
gelegenen Plexusnerven, ausserdem verband er ein Stück des Levator 
scapulae mit dem angefrischten Cucullaris. Voller Heilerfolg. 

Sehrt. 

W. Keppler-Berlin: Beitrag zur Entstehung der Aktinomykoae. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 3, Nr. 28.) Ein Fall von Aktinomykose 
des linken Oberarms, die hämatogen entstanden war, ohne dass ein 
anderer primärer Herd im Körper nachweisbar war. Seit 4 Jahren ge¬ 
heilt durch Exartikulation des Lumens und des ganzen Schultergürtels. 

Baetzner. 

G. Zesas: VariceubUduug bei Infektionskrankheiten. (Zbl. f. 
Chir., 1914, Nr. 23.) Bakterientoxine bewirken Veränderungen der 
Venenwand, die zur Ektasie führen. 

Ferrarini - Pisa: Ueber die Möglichkeit, der Parotis durch inter- 
glandnläre Anastomose der Parotis- und Submaxillardrüse einen collate¬ 
ralen Exkretionsweg zu schaffen. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 24.) Unter¬ 
bindet man den Ductus Stenonianus und anastomosiert dann beide Drüsen, 
so gelingt es, Gelatine durch den Ductus Stenonianus in die Submaxillaris 
zu injizieren. Die Gelatine fliesst dann durch den Ductus Warthonianus ab. 

Borscöky - Budapest: Divertikelbildong am Magen durch pep 
tisekes Geschwür. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 23.) Verf. beschreibt zwei 
Fälle, wo es am Grunde eines Magenulcus zur Vorstülpung der Serosa 
gekommen war, Pulsionsdivertikel. Sebrt. 

K. Schwarz - Agram: Beiträge zur Kasuistik und chirurgischen 
Therapie des peptiseben Jejnnalgeschwürs. (Arch. f. klin Chir., Bd.104, 
H. 3, Nr. 22.) Das Risiko eines peptiseben J^junalgeschwürs ist nach 
einer Gastroenterostomia retrocolica posterior ohne Schlinge weit geringer 
als nach allen anderen Methoden der Gastroenterostomie. Bei den pepti¬ 
schen Jejunalgescbwüren wird der chirurgische Eingriff — Entfernung 
der die Gastroenterostomie zusammensetzenden Magen- und Jejunum¬ 
segmente, Nabt des Jejunums, Nabt des Magens, Anlegung einer neuen 
hioteren Gastroenterostomie — zweckmässig durch innere Behandlung 
ergänzt, durch Alkohol verbot, antaoide Diät und Alkaliendarreichung. 

Baetzner. 

H. Harttung - Breslau: Wirbelmetastasen nach Hypernephrom. 
(D.m.W., 1914, Nr. 25.) Die ersten Erscheinungen zeigen sich in dem 
beschriebenen Fall von seiten der Metastasen: durch klinische Unter¬ 
suchungen konnte als primärer Herd ein Nierentumor festgestellt werden. 
Die palliative Laminektomie brachte keinen Erfolg. Wolfsohn. 

E. Rüge-Frankfurt a. 0.: Operative Behandlung verzweifelter 
ObfttipatioBtffälle, nebst Mitteilung einer neuen einfachen Methode. (Arch. 
f. klin. Chir., Bd. 104, H. 3. Nr. 26) Verf. hat in 2 Fällen von hoch¬ 
gradiger Obstipation eine End-zu-Seit-Ileosigmoidostoraie angelegt und 
oberhalb der Einpflanzung des zuführenden lleumendes einen F&scien- 
streifen um die Flexur herumgelegt, so fest, dass die Schleimhaut im 
Innern des Darms fest aufein an derlag, und zwar mit gutem Erfolge. 

Baetzner. 


A. E. Barker - London: Ahnte Pankreatitis. (Lanc., 6. Juni 1914, 
Nr. 4736.) Eine klinische Studie, die sich auf sieben ausführlich mit- 
getcilte Krankengeschichten gründet. Von den Fällen sind fünf er¬ 
folgreich operiert worden. Weydemann. 

A. Hahn-Berlin: Drei Fälle von Paranephritis darch Nierenstein 
perforation. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 3, Nr. 24.) 

H. FonsIer-Lichterfelde: Ein Beitrag zur Kasuistik der MHzcystei. 
(Arch. /. klin. Chir., Bd. 104, H. 3, Nr. 25.) Ein Fall von nicht para¬ 
sitärer, seröser Solitärcyste der Milz, die mittels Splenektomie gebeilt 
wurde. Baetzner. 

M. Cohn-Berlin: Coeeennperforation bei tiefsitfendent Diek- 
dar®versehlass. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Die Coecumperforation kommt 
zustande durch Dchuungsgescbwüre infolge Gasautbläbuog. Sie weist 
auf ein Hindernis der tieferen Dickdarmteile hin. Die Symptome sind 
die einer diffusen Peritonitis. Die Perforation soll nach Reinigung der 
Bauchhöhle nicht überuäht werden, sondern sie ist eiDzunähen und als 
Coeoostomic zu benutzen. Wolfsohn. 


Röntgenologie. 

Schönfeld-Wien: Meine AnfnabBeteehnik Bit de« Hocbspaiaingg- 
gleiehrichter. (Fortschr. d. Röntgeustr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Schilde¬ 
rung der Methode, welche zeigt, dass die Röhren, wenn sie rationell be¬ 
trieben werden, keineswegs früher verbraucht werden als beim Ioduktor- 
betrieb. Der Hochspannungsgleicbricbter stellt in seiner heutigen Form 
Dicht nur das einfachste und regulier fähigste Instrumentarium dar, son¬ 
dern man kann mit ihm auch mit spielender Leichtigkeit ganz immeDse 
sekundäre Strommengeo entnehmen, so dass es auf diesem Gebiete das 
leistungsfähigste Instrumentarium darstellt, das technisch von anderen 
nicht mehr überholt werden kann. 

Christen-Bern: Zur Theorie und Technik der Hirtenessiig. 
(Fortschr. d. Röutgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Die früher vom Verf. 
angegebenen Vergleichswerte bei der Härtemessung stimmten Dicht mit 
den Angaben anderer Forscher überein. Durch Versuche konnte Verf. 
tatsächlich feststellen, dass andere Vergleichswerte zu Recht bestehen 
und die seinigen merklich abweicben. Angabe der Kontrollversucbe und 
eines Instrumentes, das der photographischen Bestimmung der Halbwert¬ 
schicht dieut. Aus den Versuchen mit diesem Modelle gebt hervor, dass 
alle Härtegrade, welche Anspruch auf Zuverlässigkeit erheben wollen, 
nach Halbwertschichten teilbar sein müssen. 

Kienböck: Wien: Ein Sehnt« für die PalladiuBröbrebei. (Fortschr. 
d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H, 2.) Zum Schutze gebraucht Verf. Schutx- 
hülsen uod Scbutzkörbe Dach eigener Angabe. Zwei Modelle. Abbil 
düngen. Diese Schutzvorrichtungen bleiben an dem Ansatzrohr dauernd 
befestigt, speziell vor der Vornahme der Vacuumregulierung, so dass 
man nicht mehr ängstlich das Ansatzrohr vor dem leisesten Stoss zu 
bewahren braucht. Jede Rohre mit Oamoregulierung sollte, wie es bereits 
stellenweise geschieht, diese neue Schutzvorrichtung tragen. 

Weiler-Berlin: Knoehenherde in Röotgenbilde mit besonderer 
Berücksichtigung der Tuberkulose. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, 
Bd. 2*2, H. 2.) Bei Defekten im Innern der Knochen ergab die röntgeno¬ 
logische Untersuchung nur ein sehr mangelhaftes Resultat. An den Dia- 
phvsen der langen Röhrenknochen kann man die ganze Spongiosa ent¬ 
fernen, ohne dass auf dem Röntgenbild Ausfallserscheinungen aultreten. 
Sofern die den Platten zunäcbstliegenden Teile der Corticalis oder bei 
den spongiösen Knochen diejenigen der Spongiosa irgendwie verändert 
werden, können wir dies sofort auf dem Röntgenbild deutlich wabr- 
nehmen. Am distalen Teil der Femur kann maD erst „walnussgrosse“, 
ain Os cuboidetira erst „haselnussgrosse“ Höhlen erkennen, kleinere nicht. 
Bei tuberkulösen Erkrankungen im Inneren der Knochen erkennen wir 
demnach nicht die Herde, sondern die sekundären Veränderungen bei der 
Corticalis. Dadurch, dass diese sekundären Veränderungen bei den ver¬ 
schiedenen Erkrankungen verschieden sind, ist eine Differeotialdiaguose 
möglich. Bei einem keine Erscheinungen bietenden Röntgenbilde lasst 
sich eine tuberkulöse Erkrankung nicht mit Bestimmtheit aussebliessen, 
da sekundäre Veränderungen nicht unbedingt eintreten müssen. Kleinste 
Herde können nur zum Ausdruck kommen, wenn sich zu Atropbie- 
vorgängen Kalkablagerungen biozugesellen. 

Nieber: Röntgenologische Studien über einige Epiphyseioekeikern« 
des Becken- nnd Schaltergürtels. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, 
Bd. 22, H, 2.) Wiedergabe von Krankengeschichten mit Epiphysen- 
nebenkernen, und zwar 5 mit der Epipbysis marginalis an der Crista 
iliaca, 5 mit der Epiphyse am oberen äusseren Pfannendacb des 
Beckens und 4 mit der Epiphyse am Akromion (Abbildungen). Es 
folgt eine Tabelle über Alter, Geschlecht und Krankheit der Patienten, 
aus der eine Reibe wichtiger Schlüsse gezogen werden. Bei Nachunter¬ 
suchung einzelner Patienten in späteren Zeiten konnte Verknöcherung 
festgestellt werden. Für Röotgenologen, Chirurgen und Orthopäden ist 
die Kenntnis der erwähnten Epipbysennebenkerne wichtig, da sie in 
Gutachten von Unfallverletzten zu Irrtümern Anlass geben können; un¬ 
bedingt muss der Epiphysennebenkern am Akromion gekannt sein. Ge¬ 
naueres darüber. 

Dieterich - Mannheim: Röntgentherapie der Lympkdrüsentnker- 
knlose. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H 2.) Material aus 
3 Jahren. Innerhalb dieser Zeit hat sich die Technik reichlich ver¬ 
ändert, die Erfolge haben damit Schritt gehalten. Schilderung der Fort- 


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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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sobritta in der Technik und der Erfolge der Behandlung. Sohwelluog 
* uod in manchen Fällen folgende Vereiterung ist als Eiusohmelzuog tuber¬ 
kulösen Gewebes aufzufassen, das Zurückbleiben kleiner Knötchen als 
Bindegewebsersatz der Drüsen. Rascher Fistelsobluss durch Vernichtung 
des tuberkulösen Granulatioosgewebes und Ausfüllung des Defekts durch 
Bindegewebs Wucherung; immer ist das aber nicht der Fall. Das sub¬ 
jektive Befinden hebt sieb vielfach erst eine Zeitlang nach Beendigung 
der Röntgenbehandlung. An anderen Stellen können neue Drüsentumoren 
zum Vorschein kommen. In 76 Fällen 44 mal Heilung, 22 mal Besse¬ 
rung (8 noch in Behandlung), 2 mal kein Erfolg. Nie Verschlimmerung, 
ln 40 Fallen Nachuntersuchung bis nach 2 Jahren mit durchweg günstigem 
Erfolg. 

Kayser-Berlin: Röntgenologischer Beitrag zur Klinik der Langen- 
lyphilis. (Fortscbr. d. Röutgenstr., 1914, Bd. 22, Q. 2.) Eia seltener 
Fall hereditärer, gummöser Lungensyphilis, in dem das Auftreten in dem 
relativ späten Alter von 12 Jahren ungewöhnlich und es zum ersten 
Male gelungen ist, den Rückgang gummös-syphilitischer Lungenverände- 
rungen im Rootgenbilde zur Auschauung zu bringen. 

Glaessner und Kreuzfuchs-Wien: Ueber den Pylorospasmns 
und das Salzsäurepbäuomen. (Fortscbr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, 
H. 2.) Verff. entwerfen auf Grund ihres Materials ein Bild von der 
Kompliziertheit der Pylorusreflexe, um dann zu zeigen, wie schwierig es 
ist, unter pathologischen Verhältnissen die Ursache der abnormen Funk¬ 
tion des Pylorus festzustellen, sie tun dar, dass es nicht ohne weiteres 
angeht, aus der Verzögerung der Magenentleerung bei intaktem Pylorus 
uod selbst bei Hyperacidität den Schluss auf Pylorospasmus zu ziehen. 
Schilderung der aus dem Salzsäureversuch erkannten Tatsachen. 

David-Halte a. S.: Dilatationen des Duodenums im Röntgenbild 
bei direkter Füllung. (Fortscbr. d. Röutgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) An 
mehreren Fällen, die geschildert werden, wurde festgestellt, dass durch 
direkte Füliuog des Duodenums geringere Veränderungen leichter zur 
Ansicht zu bringen sind als mit den bislang üblichen Methoden. Immer 
handelte es sich um geringe organische Verengerungen des Lumens, die 
aber zu ernsten Krankheitsbildern Veranlassung gaben und sehr grosse 
Beschwerden verursachten. Das Charakteristische zur Diagnosenstellung 
ist hierbei weniger die Verengerung als die sekundäre Erweiterung, die 
bei voller Duodenumfüllung deutlich zur Ansicht kommt. Bei Bulbus- 
erveiterungen findet man im Soheitel desselben stets eine grosss Luft¬ 
blase, eine Beobachtung, die man zwar auob bei normalem Duodenum, 
aber nicht mit gleicher Konstanz macht. 

Loh fei dt-Hamburg: Zwei Fälle von Insuffizienz der Valvnla 
Baihiii bei Perityphlitis chron. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, 
B. 2.) Die beiden Beobachtungen zeigen, dass die Insuffizienz der 
Valvula Bauhioi kein eindeutig zu verwertendes Sympton von Darm- 
erkraokuog, sondern nur geeignet ist, in Verbindung mit auftretender 
Schmerzhaftigkeit beim Füllen des Coecums mit Kontrasteinlauf die 
klinische Diagnose B Perityphlitis ohron.“ zu stützen. 

Groedel - Frankfurt a. Main-Nauheim: Die Invaginatio ileocoecalis 
im Röntgenbild. (Fortscbr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Sie ist 
nor selten vor dem Röntgenschirm zu beobachten. Soweit Verf. aber 
aas seinen vereinzelten Untersuchungen (Angabe derselben) schliessen 
darf, verursacht sie sehr verschiedenartige Röntgenersoheinungen, unter 
denen die der Darmstenose noch die wichtigsten sind. 

Witte-Hannover: Ein Fall von besonders deutlichem Gallenstein- 
iftebweis dnreh ßöntgenfiebt. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22» 
H. 2.) Das bei der stehenden Patientin, dorso-ventral, bei Atemstill¬ 
stand aufgenommene Bild liess die Darstellung auch geringerer Schatten 
in abdomine um so leichter zu, weil die Patientin mager war und eine 
abdominelle Ptose ohne Lebersenkung hatte. Der intensivere Charakter 
der Steinschatten deutet auf einen grossen, gleicbmässig in den Steinen 
verteilten Gehalt an Kalksalzen hin. Aus der Steiogesamtform kann 
man vielleicht auf eine völlige Austapezierung der Gallenblase mit Steinen 
schliessen und damit aus der Annahme des Fehlens grösserer Gallen- 
meogen dasjenige weitere Moment gewinnen, welches sohliesslich ein un¬ 
getrübtes Bild ermöglichte. 

Meitner: Ueber die physikalischen nnd chemischen Eigenschaften 
wr radioaktiven Substanzen. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, 
fl. 2.) Mitteilungen über die Strahlungsfäbigkeit der radioaktiven Körper, 
über a-, ß- und y Strahlen. Die eigentliche charakteristische Eigenschaft 
der radioaktiven Substanzen besteht in der spontanen Umwandlung der 
Atome. Strablenemission und Atomumwandlung radioaktiver Körper be¬ 
dingen sich gegenseitig. Genauere Erörterungen darüber. Zurzeit sind 
etwa 30 radioaktive Substanzen bekannt, die sich alle vom Uran oder 
vom Thorium berleiten. Schilderung der Umwandlungsreihe des Uran- 
r*diums. Mitteilungen über Radium, die Radiumemanation, den aktiven 
Niederschlag des Radiums und die Aktiniumreibe. 

Winkler-Jena: Vnivacareinoai nnd Sfrahlontherapie. (Fortschr. 
d. Böotgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Die Erfahrungen, welche mit der 
Strahlenbehandlung des Vulvakrebses gemacht sind, lassen erkennen, 
dass im ganzen die Therapie der Röntgenstrahlen, harter wie weicher, 
fur den Vulvakrebs nicht die geeignete ist. Es sind enorme Mengen 
notwendig, um bei ausgedehnteren Tumoren einen sichtbaren Effekt zu 
Briefen. Der Mesothoriumeinfluss ist dagegen weit intensiver, die Ein¬ 
wirkung auf die Krebszellen viel energischer. Mit ihm kommt man viel 
rascher m einem Erfolg als mit den Röntgenstrab len. Vielleicht ist die 
üerapie der Mesothorium bestrahl ung der operativen vorzuziehen. Ein 


Urteil über eventuelle Dauerheilungen lässt sich erst abgeben, wenn 3 
bis 5 Jahre nach der Behandlung verstrichen siad. 

Arzt und Sohramek - Wien: Zur iotratumoralen Radiiunbestrah- 
lang maligner Geschwülste. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, 
H. 2.) Mitteilungen von Fällen, aus denea hervorgebt, dass durch die 
Radiumbestrahluog namhafte Erfolge zu erzielen sind bei malignen, in¬ 
operablen Tumoren (Krebs), bei ausgesprochener Kachexie der Kranken. 
Der Beginn der Bestrahlung ist an den Randpartien unbedingt erforder¬ 
lich, und zwar oft im makroskopisch anscheinend gesunden Gewebe. 
Schilderung der Technik der intraturaoralen Randbestrahlung nach Ein¬ 
führen von Dominiciröhrohen in die Geschwulst, wodurch die Möglichkeit 
gegeben ist, sicher in die Tiefe zu wirken. Leider ist dies mit allen 
Fällen nicht durchführbar, z. B. nicht bei Oberkiefercarcinom, das gegen 
die Orbita vordriogt. Durch Inzisionen wird ein Weg für die Bestrah¬ 
lung offen. Komplikationen sind das multiple Auftreten der Metastasen, 
eine Möglichkeit der Infektion, eine Störung des nervösen Apparates, 
Lokalieaktion auf das gesunde Gewebe, Temperatursteigerungen. Zum 
schnellen Abfluss der zerfallenen Geschwulstelemente werden Drainage 
und häufige Spülungen angewandt. Eine entscheidende Rolle spielen 
Dosierung, Bestrahlungsdauer, Intervalle, die angewendeten Filter. Genaue 
Angaben darüber. 

Sorautin-Wien: Harnrührendivertikel im Röntgenbild. (Fortschr- 
d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Der erste beschriebene Fall, der 
röntgenologisch naebgeprüft wurde. Durch die Röntgenmethode konnte 
mit Hilfe der Collargoifüllung ein Divertikel mit einer Fistelöffnung 
naebgewiesen werden. Sohnütgen. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

J. Benario - Frankfurt a. M.: Kritische Bemerkungen zu der Ment- 
berger’schen Zusammenstellung der Salvarsan- nnd Neosalvarsan- 
todesfälle. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) B. behauptet, „dass kaum ein 
einziger unter den 41 Todesfällen der Mentberger’schen Statistik dem 
Salvarsan zur Last gelegt werden kann, und dass es nicht angängig ist, 
sie weiterhin mit Berufung auf die Zusammenstellung Mentberger’s 
zu zitieren. Wolfsohn. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

N. Cukor: Das bakterienfeindliche Verhalten des Seheidensehleins 
und dessen Bedeutung in der Verhütung des Woehenbettfiebers. 
(W.m.W., 1914, H. 17.) Der Scheidenschleim hat die Fähigkeit, inner¬ 
halb 2—3 Tagen die giftigsten Keime zu zerstören, die Scheide zu 
reinigen und dadurch die Frau vor Erkrankungen zu schützen. Dieses 
bakterienfeindlicbe Verhalten hängt von dem Milcfasäuregebalt ab. Die 
Säurereaktion der Scheide fehlt bei Frauen im Alter des Geschlechts¬ 
lebens oft, bei kranken Frauen regelmässig; in der Schwangerschaft ist 
sie ausnahmslos zu finden. Frauen mit krankhaften Ausflüssen müssen 
noch in der Schwaogersobaft richtig behandelt werden. Milchsäure¬ 
spülungen, die den Säuregehalt der Scheiden ersetzen, sind zu empfehlen. 

Eisner. 

M. Henkel-Jena: Ein Beitrag zur Lehre vom Puerperalfieber und 
zur Behandlung des fieberhaften Abortes. (Vircb. Arcb., Bd. 216, 
H. 3.) Für die Stellung der Prognose eines infizierten Abortes genügt 
nicht der bakteriologische Befund, da puerperale Sepsis ausser durch 
hämolytische Streptokokken auch durch zahlreiche andere Mikroorganismen 
verursacht werden kann. Es müssen für die Prognose und besonders 
für die Behandlung anatomische und klinische Gesichtspunkte maass¬ 
gebend sein. Vor allem darf man nicht durch heftige mechanische Ein¬ 
griffe die Verbreitung der Bakterien fördern und die Schutzmaassregeln 
des Körpers stören. Daher ist das Curettieren und jede Art der intra¬ 
uterinen Spülung ganz zu vermeiden. Nur wenn man bei fortwährendem 
Fieber die Anwesenheit grösserer infizierter Abortreste im Uterus ver¬ 
muten darf, ist eine vorsichtige manuelle Entfernung der Reste geboten, 
l die man bei geschlossenem Muttermund durch vorhergehende vordere 
Kolpohysterotomie ermöglicht. Mit diesen Methoden erzielte Verf, in 
seiner Klinik hei meist verschleppten Aborten gute Resultate. 

A. W. Pinn er. 

Potocki und San vage-Paris: Geb Kran tterkrampf nnd Retention 
des Kopfes nach Embryotomie (Anna!, de gyn. et d’ubst., Mai 1914.) 
Wegen verschleppter Querlage Embryotomie und Extraktion des Körpers. 
Der Kopf blieb zurück; trotz Narkose und Cranioplasie war es nicht 
möglich, den Kopf zu extrahieren, weil der Uterusmuskel ihn dauernd 
fest umschloss. Hysterektomie per laparotomiam, weil Fieber und Puls- 
versohlechterung auftrat. Heilung. Präparat in gefrorenem Zustand ge¬ 
schnitten. 

P. Leccne und R. Taitz-Paris: Haenatoeele retronterina durch 
Ruptur einer Corpns loten« Cyste. (Annal. de gyn. et d’obst., Mai 1914.) 
Bei einer früher links mit Entfernung der Adnexe operierten Frau traten 
Schmerzen wie bei Tubarabort ein, die sich wieder beruhigten. An¬ 
nahme einer Appendicitis, da auch Fieber bestand; Erguss im Douglas. 
Die Laparotomie ergab die Hämatocele, als deren Ursache eine Corpus 
luteum Cyste anzuseben war. 14 Fälle aus der Literatur. 

F. Jacobi. 


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1284 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Augenheilkunde. 

A. v. Szily. Die Patbo)n*ie des Tränensacks und des Dactis 
nasolacrimalis im Röntgeobild. (Klio. Hbi. f. Augblk., Juni 1914.) 
Die Methode einer Röntgendiagnostik der Erkrankungen der Träoen- 
ableitungswege gibt ein gutes, den natürlichen Verhältnissen nabe- 
kommendes Bild vor allem von der Konfiguration der TräDenabflusswege 
und ihren Beziehungen zu den angrenzenden Knochenteilen. 2. Wert¬ 
voll erscheint die Anwendung der Methode überall dort, wo es sich um 
pathologische Forraverändeiungen, Erweiterungen und Stenosen der 
Tränenwege handelt. 

E. Klausner: Die Pallidinreaktion in der Augenheilkunde. 

(Klin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914) Die Pallidinreaktion lässt sich als 
diagnostisches Hilfsmittel bei luesverdächtigen Augenkrankheiten mit 
Erfolg verwenden. Sie bildet wegen ihrer Spezifität eine brauchbare 
Ergänzung der Wassermann’schen Reaktion, der sie bei Keratitis 
parencbymatosa an Zahl positiver Ausschläge bedeutend überlegen zu 
sein scheint. Durch das ausschliessliche Vorkommen der Pallidin- 
reaktion bei Lues gummosa und Lues hereditaria tarda bedeutet der 
positive Ausfall der Cutanreaktion eine Einschränkung der Diagnose im 
Sinne dieser beiden Stadien der Syphilis, der negative Ausfall der 
Cutanreaktion eine Einschränkung der Diagnose im Sinne dieser beiden 
Stadien der Syphilis, der negative Ausfall der Pallidinreaktion schliesst 
die Diagnose floride Lues und Lues hereditaria tarda mit Sicherheit aus. 

K. Böhm: Ueber kongenitale vordere nnd hintere Synechien 
der Iris nnd Bydrophthalmns. (Klin. Mbl. /. Aughlk., Juni 1914.) 
Mikroskopischer Befund in drei Fällen. 

A. Loewenstein: Aktinomykose der Hornhaut. (Klin. Mbl. f- 
Aughlk., 1914.) Die drei beschriebenen Fälle stammen aus dem Brüxer 
Braunkohlenrevier. In allen drei Fällen ist dem Auftreten des Geschwürs 
eine Verletzung vorausgegangen, die in allen drei Fällen durch ein ab- 
spriDgeDdes Kohlestückchen hervorgerufen wurde. Die friedliche Therapie, 
die 3—10 Wochen angewendet wurde, war in allen drei Fällen un¬ 
wirksam, erst die Kauterisation setzte dem Fortschreiten der Affektion 
ein Ziel. 

A. Schäfler: Beitrag zur Kenntnis der Papillome der Cornea. 
(Elin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) In dem beschriebenen Falle handelt 
es sich um ein Papillom der Bindehaut resp. des Limbus, das sich nicht 
nur über die Augapfelbindehaut, sondern auch flächeoförmig fast über 
die gesamte Cornea verbreitet hatte, ohne das Parenchym in Mitleiden¬ 
schaft zu ziehen. 

zur Nedden: Pupillendifferenz infolge einseitiger centraler 
Hornhautnarben. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) Die Ursache der 
einseitigen Pupillenerweiterung in den beschriebenen Fällen sieht Verf. 
in dem Bestreben des sehschwachen Auges, sich wieder an dem gemein¬ 
samen Sebakt zu beteiligen. Denn die Aufhebung des binocuiären 
stereoskopischen Seheos ist das Wesentlichste bei dieser Art von Seh¬ 
störung. Es liegt also gewissermaassen eine zweckmässige Anpassung 
der Pupillen weite an die Giösse der Hornhautnarbe vor, an der sich die 
Pupille des anderen Auges nicht beteiligt. In praktischer Hinsicht hat 
die beschriebene einseitige, spät auftretende PupillenerweiteruDg die Be¬ 
deutung, dass bei den central gelegenen Hornhautnarben, die von Un¬ 
fällen herrühren und mit einer hohen Rente entschädigt werden müssen, 
auch noch in den Fällen eine spontane Besserung nicht für aus¬ 
geschlossen erklärt werden darf, in denen eine optische Iridektomie, die 
zur Hebung der Sehschärfe erforderlich erscheint, von dem Patienten 
verweigert wird. 

Andogsky: Cataracta dermatogenes. Ein Beitrag zur Aetiolcgie 
der Linsentrübung. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) Die angeführten 
Beobachtungen von vier seltenen, aber vollkommen gleichartigen Fällen, 
sowie der Vergleich derselben mit den in der Literatur beschriebenen 
Fällen, lassen den Verf. zur Ueberzeugung kommen, dass ein Zusammen¬ 
hang zwischen der Ausbildung von Linsentrübungen und Hautaffektionen 
zweifellos möglich ist. Diese Trübungen sind so eigenartig, dass sie mit 
vollem Recht als eine ätiologisch ganz besondere Gruppe und zwar als 
„Cataracta dermatogenes“ abgegrenzt werden dürfen. 

L. Pol eff: Ueber das Auftreten von Antitoxinen in der vorderen 
Angenkammer. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) Die angestellteu 
Versuche haben gezeigt, dass das Diphtherieantitoxin in der Vorder¬ 
kammer der untersuchten aktiv immunisierten Pferde in einer Menge von 
1:250—900 im Vergleich zu dessen Gehalt im Serum auftritt. Die 
AntitoxinmeDge in der Vorderkammer ist bei den verschiedenen Pferden 
nicht gleich und dem Antitoxintiter des Serums nicht proportional. Die 
Menge des Diphtherieantitoxins im zweiten Kammerwasser (24 Stunden 
nach der Punktion der Vorderkammer) war bei einem Versuch 2 mal, 
beim anderen 6 mal und beim dritten S mal grösser als dieselbe im 
ersten Kammerwasser des nicht gereizten Auges derselben Tiere. 

C. Beier: Ueber anatomische Veränderungen nnd Rückbildungen 
der Papillenexcavation im Vcrlanfe des Glaukoms. (Klin. Mbl. f. 
Aughlk., Juni 1914.) Eine einmal ausgebildete glaukomalöse Excavation 
des Sebnervenkopfes im anatomischen SiDne braucht nicht immer das 
Endstadium der Veränderungen an der Papille zu sein. Im allgemeinen 
kann man drei verschiedene Typen unterscheiden. Der erste umfasst 
Augen, in welchen bereits seit längerer Zeit Amaurose besteht. Die 
zweite Gnippe umfasst jene Fälle, in welchen der grössere Teil der 
Nervenfasern noch von der Atrophie verschont geblieben ist. Die dritte 


Gruppe ist dadurch charakterisiert, dass eine operativ erzielte Normali¬ 
sierung des AugeninDendruckes das auf der Lamina cribrosa kom¬ 
primierte Papillengewebe manchmal sogar unter ödematösen Erschei¬ 
nungen zur Wiederentfaltung und Auflockerung bringt, und dass vor 
allem die RückwärtsverlageruDg der Lamina cribrösa sich mehr oder 
weniger verringert. 

Fleischer: Die juvenile Periphlebitis retinae mit ihren Folge¬ 
erscheinungen — eine echte Gcfisslnberknlose der Netzhaut. (Klio, 
Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) Die anatomische Untersuchung des ver¬ 
öffentlichten Falles hat bewiesen, dass die Netzbaut tatsächlich gar nicht 
so selten tuberkulös alfiziert wird, in einer Form, die bei den eigen¬ 
artigen anatomischen Gefassverhältnissen der Retina klinische Bilder 
erzeugt, die zunächst eine tuberkulöse Erkrankung nicht vermuten 
liessen, deren tuberkulöse Natur durch die klinischen Untersuchungen 
von Arenfeld und Stock erst erschlossen worden ist, 

F. Mendel. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

J. Fein: Die Parafflneinspritanngen bei Sattelnasei nnd Osten. 

(W.m.W., 1914, H. 18.) Im ersten Teil der Arbeit bespricht Verf. ein¬ 
gehend die Technik der Paraffioinjektionen bei Sattelnasen, ihre 
Komplikationen und Gefahren (Embolien). Die kosmetischen Resultate 
sind ganz ausgezeichnete. Zur Behandlung der Ozaena werden im 
Gegensatz zur subcutanen Einspritzung bei Sattelnasen submucöse In¬ 
jektionen angewendet. Die Technik ist im wesentlichen die gleiche. 
Schwierigkeiten macht die zarte, leicht zerreisslicbe Schleimhaut. Auch 
hier besteht die Gefahr der Embolie, sie ist aber nicht sehr gross. Eine 
Heilung des ursächlichen Prozesses ist nicht möglich, wohl aber wird 
die Sekretion und der Fötor durch Paraffioeinspritzungen in hervor¬ 
ragendem Maasse günstig beeinflusst, wie durch kein anderes Mittel. 
Nicht alle Fälle sind geeignet. Eisner. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

A.^chanz: Zur Berufswahl rückenkranker Kinder. (Zschr. f. 
Krüppelfürs., 1914, Bd. 7, H. 2, S. 76.) Verf. bezeichnet bekanntlich 
10 pCt. seiner bei Adolescenten vorkommenden Rückgratverkrümmungen 
als Lehrlingsskoliosen, die auf Ueberlastung einer von Natur schwachen 
Wirbelsäule zurückzuführen seien. Bei Rüokenschwächlingen ist daher 
auf die Berufswahl grösste Sorgfalt zu verwenden. Es eignen sich nicht 
Landwirtschaft, Hausarbeit, die Tätigkeit als Verkäuferin, Kellner, 
Schlosser, Laufbursche, gut dagegen sind im allgemeinen die Berufe mit 
Beschäftigung im Büro. Die Forderung des Verf., gegen die aus alten 
Vorurteilen heraus selbst von Krüppelpraktikern viel gesündigt wird, 
verdient volle Zustimmung. Künne - Steglitz. 


Tropenhygiene. 

L. Rogers - Calcutta: Zwei Fälle von Sprue behandelt mit M«nd- 
streptokokkenyaccine and Emetinhydrochlorid. (Lanc., 6. Juni 1914, 
Nr. 4736.) Da die Behandlung dieser Stomatitis sehr wenig erfolgreich 
ist, so hat der Verf. neben EmetineinspritzuDgen die Anwendungen einer 
aus den Mundgeschwüren gezüchteten Streptokokkenvaccine versucht 
Der Erfolg war sehr befriedigend. Rogers hält die Emetinbehandlung 
für nützlich, aber keineswegs für spezifisch, wie bei der Dysenterie. Die 
Vaccine brachte erst die Erkrankung zur wirklichen HeiluDg, und es 
entsteht die Frage, ob die Streptokokken, die in den Muodgesohwüren 
fast in Reinkultur Vorkommen, nicht vielleicht die Erreger der Er¬ 
krankung sind. Wey de mann. 


Technik. 

Thüleni us-Soden: Eine nncerbrechlielie injektionskankle. (D.m.W., 
1914, Nr. 25.) Konische Erweiterung am Kanülenansatz. Wolfsohn. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 24. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Schriftführer: Herr Rotter. 

Vorsitzender: Ich habe mitzuteilen, dass aus dem Nachlasse 
unseres verstorbenen Ehrenmitgliedes Herrn Körte ein Bild von Rudolf 
Virehow aus der Zeit, als er hier von Berlin vertrieben wurde und 
nach Würzburg ging, der Gesellschaft geschenkt worden i9t. Ich bähe 
es dort aufbängen lassen. Kaum einer von uns wird Virehow so 
kennen, wie er da im Bilde zu sehen ist. 

Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, erlaube ich mir, noch einen 
Gast, Herrn Dr. Adolf Razlag aus Swatau in China, zu begrüssen. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Vor der Tagesordnung. 

Hr. Richard Mlhsaii: 

Miluehiiu direk freie Netitrangplaatation geheilt. (Mit Kranken- 
Vorstellung.) 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 
Tagesordnung. 

Diskussion über die Vortrage der Herren Goldscheider und Steinitz: 
Heber atypische flicht. 

(Die Diskussion erscheint im Zusammenhang mit den Vorträgen in 
Nr. 29 dieser Wochensohrift.) 


Berliner physiologische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 12. Juni 1914. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Zuntz (als Vorsitzender): Seit unserer letzten Sitzung tagte 
m hier der Deutsche Physiologenkongress, dessen Mitglieder wir ja zu 
einem Bierabend im Ausstellungspark eingeladen hatten. Die Mehrzahl 
von Ihnen weiss, dass dieser Abend sehr befriedigend verlaufen ist, und 
ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich von vielen aus¬ 
wärtigen Gästen den Ausdruck ihres Behagens an der Veranstaltung 
a j empfangen habe. Die Kosten haben den von Ihnen zur Verfügung ge¬ 
stellten Betrag nicht ganz erreicht. 

Die freudige Erinnerung an die Tagung der Deutschen physiolo- 
i gischen Gesellschaft wird leider getrübt durch zwei traurige Verluste, 
r die die physiologische Wissenschaft und unsere Gesellschaft erlitten hat. 

Fast gleichzeitig sind unmittelbar naoh dem Kongress zwei ausgezeichnete 
Hr Vertreter unserer Wissenschaft aus dem Leben geschieden. Nach längerem 
r Leiden, und nachdem er sich schon seit mehr als Jahresfrist von der 
Leitung des Instituts zurückgezogen hatte, starb Ludimar Hermann 
in Königsberg im Alter von 75 Jahren. Hugo Kronecker nahm noch 
mit regster Lebendigkeit an dem hiesigen Kongress teil. Er demon- 
n strierte auf demselben seine Entdeckung eigentümlicher, bei längerer 
künstlicher Atmung sich manifestierender Verbindungswege von den Luft¬ 
räumen der Lunge zur Bauchhöhle. Auf der Rückreise vom Kongress 
ist er ganz akut einem Schlaganfalle erlegen. 

!.’/ Beide berühmte Facbgenossen standen zu unserer Gesellschaft in 

intimen Beziehungen. Hermann gehörte zu den Gründern des Physio¬ 
logischen Vereins, der Vorgängerin unserer Gesellschaft. Zusammen mit 
Cohnheim, Hüter, Kühne, Liebreich und einer Reihe anderer, 
später zu Ansehen gelangter Forscher entfaltete er in diesem Verein 
eine rege Tätigkeit, bis er das Ordinariat in Zürich antrat. Wenn er 
r auch seitdem keine direkten Beziehungen zu unserer Gesellschaft pflegte, 
sind doch seine Leistangen auf den verschiedensten Gebieten der Phy¬ 
siologie derart bedeutungsvoll, dass es kaum nötig ist, sie zu erwähnen. 
Hier in Berlin wird man ja in erster Linie an seine Studien über die 
elektrischen Vorgänge im Nerven und Muskel denken, die ihn in so 
ff heftige Kämpfe verwickelten. Wenn auch seine ursprüngliche Deutung 
der Erscheinungen nicht haltbar gewesen, so müssen wir ihn doch als 
Bahnbrecher der Erkenntnis bezeichnen, dass die grosse Bedeutung der 
elektrischen Erscheinungen an den lebenden Gebilden in ihrer intimen 
Verknüpfung mit dem chemischen Zustande derselben und seinen Aende- 
ningen zu suohen ist. Wie diese Arbeiten fortzeugend gewirkt haben, 
das trat ja noch im letzten Jahre in einer anregenden Sitzung unserer 
Gesellschaft bei dem Vortrag über die elektropbysiologischen Studien von 
Jacques Loeb durch seinen Schüler Beutner zutage. Als besonders 
bahnbrechend muss noch jene kurze Mitteilung Hermann’s genannt 
werden, in der er die Gesamtheit der VerdauungsVorgänge als hydrolytische 
Prozesse charakterisierte. Wir dürfen ihn wohl auch als einen der Pfad¬ 
finder im Bereiche unserer Anschauungen über die synthetischen Fähig¬ 
keiten des Tierkörpers betrachten. Er zeigte zuerst die Möglichkeit des 
Aufbaues von Eiweiss, wenn auch nicht aus seinen letzten Bauelementen, 

» doch aus Leim unter Beigabe von Tyrosin. 

Herman n's Studien über die Gase der Muskeln und über die mit 
den Arbeitsleistungen einhergehenden ohemischen Prozesse haben zu- 
laomen mit den fast gleichzeitigen Arbeiten Pflüger’s jahrzehntelang 
unsere Anschauungen über diese wichtigen Vorgänge beherrscht. Her- 
nann führte den einwandfreien Nachweis, dass im Muskel Material vor¬ 
handen sei, welches ohne gleichzeitige Zufuhr von Sauerstoff unter Bil- 
dnng von Kohlensäure als Energiequelle dienen kann. 

Krouecker’s Beziehungen zu unserer Gesellschaft waren innigere. 

‘W lange er an dem damals neu begründeten physiologischen Institut 
Böserer Universität Abteilungsvorsteher war, fehlte er wohl kaum in 
«nw Sitzung unserer Gesellschaft, und es vergingen wenige Sitzungen, 
f»<r Den DIC * lt er selbst oder einer seiner Schüler etwas mitzuteilen 
t \r^ ac ^ 6m er ^ aDn ,m ^ a ^ ire 1885 dem nac ^ ® ern 

blieb er unser korrespondierendes Mitglied, nicht nur dem Namen 
aeö, sondern auch, indem er wiederholt Mitteilungen hier zur Verlesung 
Hess, wiederholt auch unseren Sitzungen beiwohnte. 

Äronecker machte als Assistent am Ludwig'schen Institut zu 
^ aDase ^ dieses Instituts mit. Jene Zeit, in der aus allen i 
J teien Jüoger <jer Physiologie der Schule des Altmeisters Ludwig i 
. Alle iu der sicheren Ueberzeugung, hier wertvolle Arbeiten ^ 

,u bringen, viele mit dem Erfolge, dass die Arbeitsrichtung i 


ihres ganzen Lebens daroh die dort empfangenen Eindrücke vorgezeiohnet 
wurde. Au dem regen geistigen Leben jener Tage hat Kroneoker 
gebend und empfangend intensiv Anteil genommen. In welchem 
Maasse, erkennt man wohl am besten daraus, dass nach seiner Ueber- 
siedelung hierher eine grosse Anzahl Schüler ihm folgte, und dass auch 
dauernd, so lange er hier tätig war, eine grosse Schar nicht nur von 
eigentlichen Fach Physiologen, sondern mehr noch von angehenden Klinikern 
: seine Schulung suchten. In Bern gelang es ihm dann, ein grosses, allen 

Anforderungen der Neuzeit gereoht werdendes physiologisches Institut zu 
i begründen, dessen Leistungsfähigkeit nicht nur durch zahllose Einzel¬ 
arbeiten bis in die jüngste Zeit dokumentiert wurde, das auch beispiels¬ 
weise bei Gelegenheit des 2. Internationalen Physiologen-Kongresses den 
Fachgenossen der ganzen Welt ausgiebigste Demonstrationen und Expe¬ 
rimente ermöglichte. 

Damit komme ich zu einer besonders sympathischen Seite von 
Kronecker's Wesen, zu seiner ungemein grossen Gastlichkeit in mate¬ 
riellem und geistigem Sinne. Kronecker war unermüdlich, seine Me¬ 
thoden jedem Interessenten zu zeigen. Von den Ergebnissen seiner Ar- 
) beit würde man nur einen sehr unvollkommenen Begriff erhalten, wenn 

! man nur die unter seinem Namen veröffentlichten Abhandlungen in Be- 

I tracht zöge. Ein grosser Teil seiner Arbeiten ist in den Publikationen 
seiner zahllosen Schüler niedergelegt. Nur kurz sei daran erinnert, dass die 
‘ Funktionen des animalen Systems von ihm am meisten bearbeitet worden 
sind. Noch nach seinem Tode erschien in der neuesten Nummer des 
' Centralblattes für Physiologie eine kleine, scharf pointierte Notiz über 
die Erregungs- und Hemmungswirkungen an Muskeln im allgemeinen 
und am Herzen im besonderen. Ich selbst habe die vornehme Gesinnung 
Kronecker’s schätzen gelernt, als ioh auf einem jahrelang von ihm mit 
Vorliebe gepflegten Forschungsgebiete, dem der Wirkung der Luftver¬ 
dünnung und der Höhe auf den Menschen zu von den seinigen scharf 
abweichenden Anschauungen gelangte. Die sachlichen Differenzen haben 
unsere persönlichen Beziehungen keinen Moment getrübt, im Gegenteil, 
er hat durch die Gastlichkeit seines Instituts unsere Arbeiten am 
Brienzer Rothorn in ganz wesentlicher Weise gefördert. 

Unsere Gesellschaft wird das Andenken an die Verstorbenen dauernd 
in Ehren halten. 

Tagesordnung. 

Hr. Rothnanii: 

lieber die Grenzen der ExtremitStenregion der Grosebirnrinde. 

Nachdem H. Munk die Grenzen der Extremitätenregion der Gross¬ 
hirnrinde auf der Grundlage von Exstirpationsversuchen genau bestimmt 
hatte, ergaben die neuen anatomischen Untersuchungen der Cytoarchi- 
tektonik und der Myelogenese hier vielfach neue Gesichtspunkte, so dass 
in der Abgrenzung jetzt eine gewisse Unsicherheit besteht. Beim Hnnde 
nimmt die Zona gigantopyraraidalis, vor allem in der Vorderbeinregion, 
fast die ganze Extremitätenregion ein, so dass die Analogisienmg der 
Fissura cruciata mit dem Sulcus centralis beim Affen und Menschen nicht 
möglich ist. Bei Ausschaltung des hinter der Munk’schen Extremitäten¬ 
region gelegenen Gyrus suprasylviacus anterior konnte Vortr. beim Hunde 
eine ausgesprochene Lagestörung des gekreuzten Vorderbeins, das nach 
allen Seiten verstellbar ist, nachweisen; zugleich bestand positiver Ver¬ 
senkungsversuch des betreffenden Vorderbeins in Beugestellnng. Die 
Pfote war nicht umzulegen, der Berührungsreflex war erhalten, die Be¬ 
rührungsempfindung und die lokalisierte Schmerzempfindung kaum ge¬ 
stört. Der gleiche Befund einer Störung der Lageempfindung liess sich 
am gekreuzten Hinterbein nach Exstirpation des vorderen Abschnitts 
des Gyrus marginalis hinter der Munk’schen Extremitätenregion kon¬ 
statieren. Die Extremitätenregion des Hundes reicht demnach mit ihrem 
hinteren, der Tiefensensibilität dienenden Abschnitt bis an die vordere 
Grenze der Sehspbäre (Area striata) heran. 

Beim Affen begrenzte H. Munk die Armregion nach hinten mit der 
Interparietalfurche und bezeiebnete den Gyrus angularis, in dem er 
Gyrus supramarginalis und angularis zusammenfasste, als Augenregion; 
doch bat er selbst zuletzt auf Grund der Ergebnisse der Cytoarchi- 
tektonik diese Anschauung aufgegeben. Vortr. exstirpierte bei Rhesus¬ 
affen zunächst den Gyrus supramarginalis vollkommen isoliert bis an den 
unversehrten vorderen bzw. hinteren Wall der. benachbarten Windungen. 
Während weder bei einseitiger noch bei doppelseitiger derartiger Ex- 
[ stirpation die geringste Störung des Sehens oder der Augenbewegungen 
zu konstatieren war, zeigten die Affen eine leichte Ungeschicklichkeit 
der Hände und Finger bei feinem Greifen, verbunden mit einer Herab¬ 
setzung der Berührungsempfindung und einer leichten Lagestörung, Er¬ 
scheinungen, die sich rasch zurückbildeten. Dagegen führte isolierte 
Ausschaltung des Gyrus angularis bis an die vordere Grenze des Hinter¬ 
hauptlappens, vor allem bei doppelseitiger Exstirpation, zu einer vor¬ 
übergehenden Herabsetzung des Sehvermögens ohne Störung der Augen- 
bewegungen und ohne Störung der Extremitäteninnervation. Die hintere 
Grenze der Extremitätenregion, die H. Munk für die Beinregion bereits 
bis- an die Affenspalte heranführte, ist für die Armregion über die Inter- 
parietalfurcbe hinaus am oberen Abschnitt des Sulcus temporalis superior 
festzusetzen. 

Die Ausschaltung der hinteren Centralwindung allein im Bereich 
der Armregion führt beim Affen zu einer Schwache und Ataxie des ge¬ 
kreuzten Arms mit Herabsetzung der Berührungsempfindung; doch kann 
der Arm vom ersten Tage an zum isolierten Greifen benutzt werden, 
vor allem bei Festbinden des anderen Arms. Weit schwerere Störungen 
am gekreuzten Arm treten aber auf, wenn Gyrus centralis posterior und 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Gyrus supramarginalis zusammen exstirpiert ▼erden. Die Schwäche und 
der mangelnde Bewegungsantrieb des Arms sind weit grösser, die Sensi¬ 
bilitätsstörung stärker ausgeprägt. Vor allem aber treten jetat starke 
Störungen in den Richtungsempfindungen des Arms auf, so dass der 
Affe trotz normalen Sehens mit dem geschädigten Arm stets an den 
Nahrungsstückohen vorbeigreift, und zwar beim Greifen in der Horizon¬ 
talen nach innen, seltener naoh aussen, beim Greifen nach oben zu hoch, 
beim Greifen nach unten zu tief. Er ist daher nicht imstande, mit 
diesem Arm die Nahrung zu ergreifen. Diese Störungen bilden sich 
langsam zurück, sind aber noch nach Monaten deutlich nachweisbar. 

Was nun das Verhältnis der hinteren zur vorderen Centralwindung 
betrifft, so batte Vortr. am 19. VII. 1912 in dieser Gesellschaft hinsicht¬ 
lich der elektrischen Erregbarkeit der Centralwindungen durch positive 
Reizeffekte von der hinteren Centralwindung 2 , / 2 —3 Monate nach Total¬ 
exstirpation der vorderen den Beweis geliefert, dass der hinteren Central¬ 
windung eine zwar schwache, aber deutliche selbständige motorische 
Funktion zukommt, und dass beim Affen an dem sensumotoriscben 
Charakter beider Central Windungen festzuhalten ist. Indem Vortr. die 
hiergegen von Lewandowsky und Simons erhobenen Einwendungen, 
vor allem auch ihrer Form wegen, zurückweist, demonstriert er an 
mikroskopischen Sagittalschnitten eines derart operierten Affengehirns 
nochmals die totale, bis auf den Grund der Centralfurche ausgeführte 
Exstirpation der vorderen Centralwindung. Nicht nur der Nachweis 
elektrisch-motorischer Reizeffekte, sondern auch das Erhaltensein iso¬ 
lierter Bewegungen von Arm und Hand bei totalem Verlust der vorderen 
Centralwindung beweisen den sensumotorischen Charakter der hinteren 
Centralwinduog. Es gelang aber auch, bei Exstirpation des Gyrus 
supratnarginalis von dem freigelegten hinteren Wall der hinteren Central¬ 
windung, und zwar auch am Grunde der Interparietalfurche isolierte 
elektrische Reizeffekte der Finger und der Hand des gekreuzten Arms 
zu erzielen. 

Nach vorn greift die Extremitätenregion über die gigantopyramidale 
Zone hinaus aut die agranuläre Zone über, ohne dass sich bisher funk¬ 
tioneile Differenzen dieser beiden Zonen nachweisen lassen. 

Vortr. demonstriert zum Schluss die Karte der Rindenfelder beim 
Hund und Affen, wie sie sich nach den neuen Ergebnissen an der sensu¬ 
motorischen Region, der Seh- und Hörsphäre darstellt, im Vergleich zu 
den alten Munk’schen Schemata. (Autoreferat) 


Berliner Gesellschaft für Psychiatrie and Nervenkrankheiten. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 11. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Bonhoeffer. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

Hr. A. Stern: 

Ueber eine Schussverletznng des Thalamus opticus nebst Bemerkungen 
über Tractushemianopsie. 

Der 25jährige Kranke (aus der Poliklinik Oppenheim-Cassirer) 
brachte sich in suicidaler Absicht zwei Schädelschüsse bei, deren einer 
fehl ging, der andere oberhalb des rechten Mundwinkels eindrang, die 
rechte Schädelseite durchschlug und im Hinterhaupt rechts neben der 
Mittellinie im Schädeldach stecken blieb. Auf seinem Wege kam es zu 
einer Hirnläsion, die als Dauersymptome schliesslich folgende Gruppe von 
Ausfallserscheinungen zurückliess: Pyramidensymptome der linken 
Körperseite leichter Art (Kontrakturen im linken Arm und Bein, spastische 
Reflexe), fast totale Hemianästhesia sin. für die oberflächliche und 
Tiefensensibilität mit linksseitiger Hemiataxie, Choreoathetose in 
linker Hand und Fuss, leichte Störungen der Sympathicusinner- 
yation links (Temperaturdifferenz und Hyperidrosis der linken Hand, 
absolute, linksseitige homonyme Hemianopsie (mit Aussparung 
beider Maculae), Reste einer rechtsseitigen Oculomotoriuslähmung, 
Internusparese). Ausser letzterer Läsion (offenbar an der Hirnbasis) 
deuten die übrigen Erscheinungen auf eine ziemlich circumscripte Ver¬ 
letzung im Umkreis des rechten Thalamus opticus. Dabei fehlten 
auffallenderweise die mimische Facialisparese der kontralateralen 
(1.) Seite, die vielleicht durch die habituelle Hyperinnervatiou des linken 
Facialis verdeckt war (ferner Störungen der Harnentleerung, Lachzwang). 
Die Hemianopsie zeigte die Kriterien der Tractushemianopsie: hemiano- 
pische Pupillenstarre, Sehnervenatrophie beiderseits, ferner 
trägere Pupillenreaktion und grössere Pupillenweite auf Seite 
der Hemianopsie, letztere beiden von Behr als charakteristisch be¬ 
schriebenen Symptome, die (aus bestimmten Gründen des Verlaufs der 
pupilloreflektorischen Bahnen) die Hemianopsie als eine Läsion der pri¬ 
mären optischen Bahn von der sekundären differenzieren lassen. Die 
Läsion kann also im vorliegenden Fall nur sitzen innerhalb der primären 
optischen Bahn, Traotus opticus bis zum Thalamus bzw. Corpus genicu- 
latum ext., nicht aber darüber hinaus. 

Diskussion. 

Hr. Feiichenfeld: Das von Herrn Stern gezeigte Symptom der 
pupillomotorisohen Reflexstumpfheit auf der dem Herd gegenüberliegenden 
Seite scheint in der Tat ein wichtiges Charakteristicum aller Tractus- 
hemianopsien zu sein. Dem grösseren Ausfall sehfähiger Netzhaut in 
der nasalen Hälfte (temporalem Gesichtsfeld) entspricht ein ebensoviel 
grösserer Ausfall pupillomotorisch erregbarer Netzhaut; und so 
erklärt es sich, dass dasjenige Auge, welches die pasple Net?hautbälfte 


verloren hat, träger reagiert als dasjenige, welche die temporale Hälfte 
verloren hat. Hier zeigt sich die ausserordentlich streng durchgeführte 
Parallelität, welche zwischen Sebfunktion und der pupillomotorischen 
Funktion der Netzhaut besteht. Dies wird noch deutlicher an jener Be¬ 
sonderheit, die das Symptom aufweist, dass es nur im Dunkeln sich 
bemerkbar macht. Im dunkeiadaptierten Auge wächst die Heiligkeits- 
empflndlichkeit der Netzhaut um das Vieltauseudfacbe; ebenso wächst 
auch die pupillomotorische Erregbarkeit; aber nicht nur quantitativ 
bestätigt die Dunkeladaptation diese Uebereiostimmung zwischen beiden 
Funktionen der Netzhaut; auch qualitativ. Die Helligkeitsempfindlich¬ 
keit erleidet im dunkeladaptierten Auge eine Verschiebung; die Peri¬ 
pherie wirkt empfindlicher als die Macula, es entsteht ein physiologisches 
centrales Scotom. Wir werden nun überrascht durch die Feststellung, 
dass dieselbe Verschiebung auch die Reflexempfindlichkeit erfahrt, 
dass die Peripherie im Dunkelauge reflektorisch erregbarer wird als 
die Macula, während doeh im Hellauge die Macula so sehr überwiegt, 
dass man lange sie für den alleinigen Ausgangspunkt des Re¬ 
flexes gehalten hat. 

Hier setzt die Erklärung ein für unser Symptom. Die Macula sind 
„ausgespart“. Im Hellauge überwiegen sie so sehr, dass jene Differenz 
zwischen beiden homonymen Netzhauthälften sich pupillomotorisch kaum 
bemerkbar macht. Erst im Dunkelauge treten die Maculae pupillo- 
motoriscb zurück und lassen jene pupillomotorische Differenz zwischen 
nasaler und temporaler Netzhauthälfte manifest werden. 

Haben wir hier also ein charakteristisches und auch ohne Instru¬ 
mentarium feststellbares Symptom der Tractushemianopsie, so hat Herr 
Stern mit Recht dem Willbrand’schem Prismenversuch keine Bedeutung 
beigemessen. Dieser beruht auf der Auffassung, dass die vielfach trieb¬ 
artig erfolgenden Bewegungen der quergestreiften äusseren Augenmuskeln 
auf eine Stufe zu setzen seien mit dem echten angeborenen Reflex der 
Pupille und auf ebenso eingeschliffenen, präformierten Bahnen verlaufen, 
eine Auffassung, gegen die ich mich in dieser Gesellschaft gelegentlich 
einer Diskussion über den Sympathicus bereits ausgesprochen habe. 

Hr. Schlesinger bespricht den Behr’schen Symptomenkomplex. 
Die Erweiterung und trägere Reaktion der Pupille der dem Hirnherde 
gegenüberliegenden Seite hat er durch Untersuchung mit seinem Peri- 
pupilfometer bei 7 Fällen von Traotushemianopsie nachweisen können. 
Die Erscheinungen beruhen darauf, dass der temporale Ausfall reflex¬ 
tüchtiger Elemente der Retina auf der dem Herde oontralateralen Seite 
grösser ist, als der des Dasaleu Teils der anderen Seite, Die von Bebt 
gleichfalls beschriebene Erweiterung der dem Herde gegenüberliegenden 
Lidspalte bat er bei keinem seiner Fälle featstellen können. 


Hr. Kaligeher: 

Demonstratio« eines Präparates. (Aaearysma dissecans der Atria 
mit Paraplegie). 

Das Präparat stammt von einem 63 jährigen Schlosser, welcher an 
ausgedehnter Arteriosklerose, an chronischem Magenkatarrh (Potator) und 
an chronischer Nephritis gelitten batte, auch Lues hatte er wahrschein¬ 
lich durchgemacht. 

Derselbe erkrankte kurz vor Ostern 1911 an einer mit leichtem 
Fieber verbundenen Bronchitis, befand sich aber sonst ziemlich wohl, 
als Vortr. ihn am Charfreitag vormittag besuchte. 

In der Nacht vom Charfreitag zum Sonnabend bemerkte Patient, 
dass er die Beine nicht bewegen konnte. Einige Stunden vorher war er 
mit einem furohtbaren Schrei aus dem Bett gesprungen, hatte sieb dann 
aber wieder beruhigt. Hitze und Schweiss hatten alsdann abgewechselt; 
enormer Durst war vorhanden, das Wasser nioht kalt genug. 

Als Vortr. ihn am Sonnabend früh um i f i S Uhr untersuchte, 
fand er eine vollständige Paraplegie beider Beine; Füsse und 
Zehen konnten auch nicht spurweise bewegt werden. Es handelte sich 
um eine schlaffe Lähmung. Was die Sensibilität betrifft, so fehlten Be- 
rühruDgs- und Schmerzempfindung (Kneifen von Hautfalten) in den 
Beinen und in der ganzen unteren Körperhälfte bis in die Gegend des 
linken und rechten Hypocbondriums vollständig. Von da ab bis zur 
Mamilla waren die Angaben unsicher. 

Von Reflexen konnte nur eine Plantarflexion der rechten grossen 
Zehe hervorgerufen werden. Puls gegen 100; Atmung etwas beschleunigt. 
Gesiebtsausdruck sehr äogstlicb. Circulation war in den Beinen vor¬ 
handen; keine Schmerzen daselbst. 

In der oberen Körperhälfte waren keinerlei Störungen der Motihtzt 
und Sensibilität zu bemerken. _ 

Urin konnte nioht gelassen werden; es fehlte das Gefühl für die 
Blasenfüllung; es war seit dem Nachmittag des vorigen Tages kein Wasser 
gelassen worden. . 

Patient, welcher sogleich naoh dem Krankenhaus Friedrichaham 
überführt wurde, starb daselbst noch am selben Vormittag, nachdem er 
bereits somnolent aufgenommen worden war. 

Bei der von Herrn Prof. Piok am Ostermontag vorgenommenen 
Sektion fand sich als wesentlichster Befund ein ausgedehntes Aneu¬ 
rysma dissecans der Aorta thoT&cica. 

Die Dissektion hat sich in der Weise vollzogen, dass die Bmtung 
das Arterienrohr ganz umgreift im Bereiche des 4., 5., 6., 7. und 8. raar 
der Intercostalarterien; vom 9. bis zum 10. Intercostalarterienpaare t el 
schliesslich) umgreift die Blutung nur die linke Circumferenz der A° r ■ 
Beide 4. Intercostalarterien sind auf ihrer intraparietalen ^trec 
zerstört, d. b. man gelangt beim Sondieren von der Munuu 8 
an 4er Aorteninpeufläohe 4irekt in 4W BlvtbÖbU des ah 


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Original frorri 

UMIVERSITY OF IOWA 




6 . M ml 


smttm mmcM wochmscörot . 


128 ? 


cnlt Bi-, rjsmas; dasselbe ist der Fall bei Sondierung des 5., 6., 7. und 8. Paares 

Brtiflük der Iotercostalarterien. Beim 9. und 10. Paare sind die rechten Inter- 

HBütrii&i costalarterien intakt; die linken nieder auf der intraparietalen Strecke 

m jöerB- zerstört. 

Dielt r : Unterhalb des Abgangs der grossen Gefasse (Carotis, Subclavia) be- 

ginnt in der Aorta eine schwere Sklerose und Atheromatose, die sich bis 
«isoiiik «egen das Gebiet der 8. Iotercostalarterien hinzieht (erhabene Plaques 
uiütüi:.’ und Ulcerationen). 

cheo bei!» In der Höbe des 5. und 6. Intercostalarterienpaares findet sich ein 

enpiDcic 1 cm langer Riss, der unmittelbar in das Aneurysmas hineinführt, und 

igiterii von dem aus sich das Blut zwischen die Schichten der Aorta bei der 

■sioiofc; Bildung des Aneurysmas hineingewühlt hat. 

'eststfeiei Infolgeder geschilderten Unterbrechung des Verlaufs so vieler 

ktiterik Intercostalarterien ist es in diesem Falle zu einer Blutabsper- 
rer wird l rung im Dorsalteil des Bückenmarks gekommen, und damit finden 

r üfemr die erwähnten Erscheinungen der Querschnittsunterbrechung des Rücken- 

ct desL marks (Paraplegie usw.) ihre Erklärung. 

Es dient dieser Fall zur klinischen Erhärtung der anatomischen 
Macular- Untersuchungen von Eadyi und Adamkiewicz, welche nachgewiesen 
se haben, dass die Art vertebralis für das Rückenmark keine besondere 

irisch h»; Bedeutung besitzt, keine grössere, als die übrigen Gefasse, die sich längs 

kider Spinalnerven zum Rückenmark begeben, d. h. die A. cervicales pro- 
oz nki fondae, die A. intercostales, lumbales und saorales. 

Die Untersuchung des Rückenmarks (speziell des Dorsalteils) nach 
hce kr. NissJ hat keine sicheren Veränderungen der Ganglienzellen ergeben, 

so fohl veil die Zeit von der Blutabsperrung bis zum Tode eine zu 

. Beirr- kurze war. 

fädln-;' Vortr. geht zum Schluss noch auf die Fälle der menschlichen Patho- 

gessuir: logie ein, die eine gewisse Aehnlichkeit mit dem vorgetragenen Falle 

Ma • besitzen (Paraplegien nach Aorten Verschluss u. a.) und bespricht die 

i rffjj;-; Lähmongen und Bückenmarksveränderungen, die experimentell bei Ka- 

jelejs;.: nioehen und Hunden durch Verschluss der Bauchaorta (Stenson’scher 

j Mt Vsrsuoh, Versuche von Ehrlioh und Brieger u. a.) hervorgerufen werden 

fc* Tonnen. 

las.- Diskussion. I 

;'iaec ?;■ Br. M. Roth mann: Mit den Fragen der arteriellen Blutversorgung 

<0 fcW Buokenmarks, die Vortr. bei der Demonstration seines hochinter- 

essanten Präparats besprochen hat, hat sioh R. vor einer Reihe von 
rif rv Jahren vielfach experimentell beschäftigt. Ehrlich und Brieger haben 1 

ja beim fianinchen zuerst den anatomischen Nachweis der völligen 
r ,., ; Nekrose der grauen Substanz des Lendenmarks als Grundlage der Läh- ^ 

rnungen nach temporärer Abklemmung der Bauchaorta erbracht. Bei I ^ 
den höheren Säugetieren (Hunden und Affen) genügt nun eine einstündige I ^ 
Abklemmung der Bauchaorta, selbst wenn sie unmittelbar unter der * 

Iffkr- mesenterica sup. angelegt ist, nicht, um dauernde Lähmungen der ! 8 
Hinterbeine und eine Nekrose der grauen Substanz zu bewirken. Der ^ 
,; r , durch die von der A. vertebralis stammende A. spina lis ant. an der ^ 
Vorderfläche des Rückenmarks berabkommende Blutstrom vermag die I u 
:j.: Absperrung der A. lumbales zu kompensieren. Erst wenn R. in einer I ^ 

Voroperation im unteren Brustmark die A. spinalis ant. mit den Vorder- I 
strängen zusammen durebtrennte, konnte er durch die Abklemmung der | 
r T . ^orta abdominalis die Nekrose der grauen Sustanz des Lendenmarks ^ 

erzielen. Beim Menschen ist das System der vorderen Spinalarterien 
V: wei * stärker entwickelt als bei den höheren Tieren, und es erscheint °. ( 

,■ «jw unwahrscheinlich, dass eine Absperrung der Iotercostalarterien, I ei 

selbst wenn sie io dem Präparat des Vortr. durch das Aneurysma dissecans j® 
to( (ständig bewirkt sein sollte, eine dauernde Lähmung der Beine durch ™ 
Äuckenmarksnekrose auslösen konnte. Es wäre ja nun denkbar, dass 
das Einströmen des Blutes in das Aneurysma auch die Carotiden und 
«Mut die A. spinalis anterior blutleer und zur Kompensation unfähig na 

gemacht hat. Es ist aber auffällig, dass die Untersuchung des Rücken- 
oarks 10 Stunden nach Eintritt der Lähmungen keine Veränderung der v 
Ganglienzellen nach Nissl ergeben hat. Hieraus kann man wohl schliessen, 111 
wm bei längerer Lebensdauer sich wieder eine aktive Beweglichkeit der * ü 
ßeine eingestellt haben würde. Die Blutversorgung des menschlichen | . 

fwekenoarbs unterscheidet sioh demnach nioht wesentlich von den bei n “ 
den höheren Tieren gemachten Erfahrungen. 

Er. Oppenheim macht darauf aufmerksam, das9 der Fall des Vor- 
«y«nden ein Novum darstelle. Aus der Literatur sei ihm kein gleicher e j 
Maoni Er frag t, wie sioh Vortr. das Zustandekommen der Abreissung “j 
der Intercostalarterien vorstellt. ” ic 

.. ^ r - Halischer (Schlusswort) konnte in der Literatur keinen ähn~ yol 
icnen Fall finden. Die Abreissung der Intercostalarterien wird durch 
ie arteriosklerotischen Prozesse in deren Wandungen erleichtert. Der mei 

®aebtig anströmende Blutstrom brachte in Gemeinschaft mit den arterio- int< 

«(erotischen Ge/asswand Veränderungen die Zerreissung der Intercostal- der 

irtenefl auwege. beo 

. & Schwarz: « ,ei 

Er |euisse ult den Abderhalden’sclien BIitooteroach n m ethoden ai 

^•r psychiatrische« Klinik der Ktfnigl. Chantd. Ers< 

An der Hlinik sind etwa 160 Blutsera und 22 Liquoren untersucht Am 

^ 88 nach der Dialysiermetbode und zum kleinen Teil nach der opti- hab< 

uk Die Ergebnisse sprechen nicht für die Spezifität der krai 

baufermente. Ein Organabbau, der für bestimmte Gruppen von Er- Unh 

ungen charakteristisch wäre, konnte nicht festgestellt werden; die 
Guorflussigkeiten zeigten niemals einen Abbau. Auf Grund seiner Er- 
J logt Vortr. den Ergebnissen der Untersuchungen von Plaut, 


I Friedmaon, Michaelis und Lange eine erhebliche Bedeutung bei; 
in ihrer jetzigen Form sind nach den Ergebnissen an der psychiatrischen 
Klinik die Abderbalden’schen Methoden nicht geeignet, die Diagnostik 
oder das ätiologische Verständnis der Psychosen zu fördern. (Autoreferat.) 

Diskussion. Hr. Bonhoeffer: Der Zeitpunkt für die klinische 
Anwendung der Abderhalden’schen Methoden ist verfrüht. Es ist vor¬ 
eilig, auf Grund der Befunde mittels der Dialysiermetbode, wie man 
dies schon will, forensische Diagnosen zu stellen oder operative Maass- 
nabmen an der Schilddrüse vorzunehmen. Die Klinik soll vorerst noch 
abwarten. 

Hr. Kramer.* Paralysis agitaas-ähnliehe Erkrankung. 

Es handelt sich um einen 58jährigen Kranken, der früher immer 
gesund gewesen sein soll. Lues wird negiert. Der Beginn des Leidens 
liegt nahezu 10 Jahre zurück, seit 5 Jahren ist er arbeitsunfähig. Es 
bat sich allmählich eine Langsamkeit und Schwerfälligkeit aller Körper¬ 
bewegungen eingestellt. Die Sprache ist leiser und langsamer geworden. 
Schnell aufeinanderfolgende Bewegungen, wie Nägeleinschlagen, kann er 
nur schlecht ausfübren. Wenn er sioh aus gebückter Stellung aufrichtet, 
taumelt er oft nach hinten. Die Beschwerden haben allmählioh zuge- 
oommen. 

Objektiv fällt die steife, etwas nach vorn übergebeugte Haltung, der 
itarre maskenartige Gesichtsausdruck, die Langsamkeit und Schwerfällig¬ 
keit aller Körperbewegungen auf. Ferner besteht Seltenheit des Lid- 
ichlages mit Tränen der Augen, Verharren in passiv gegebenen Stellungen 
md Adiadochokinesis; ausserdem Retropulsion und öfters auch Latero- 
lulsion. Diese Symptome entsprechen einer Paralysis agitans, doch 
inden sich weder Zittern, noch Steifigkeit der Muskeln, nur bei passiven 
lopfbewegungen besteht ein massiger Widerstand. Die Pupillen reagieren 
uf Licht mangelhaft, die Wassermann’sehe Reaktion im Blut ist positiv. 
>ie Augenbewegungen sind nach allen Richtungen behindert, es tritt 
abei leichter feinschlägiger Nystagmus auf. 

Bei langsamen Augenbewegungen kommt der Kranke meist noch 
iwas weiter als bei schnellen. Ebenso sind die reflektorischen Augen- 
swegungen bei Kopfdrehungen ausgiebiger als die willkürlichen, bleiben 
dooh auch noch hinter der Norm zurück. Doppelbilder finden sich 
cht. Drehnystagmus tritt in annähernd normaler Weise auf. Die 
nstigen Hirnnerven, Reflexe, Sensibilität, elektrische Erregbarkeit, sind 
»rrnal, ebenso zeigt das psychische Verhalten keine Anomalien. 

Diagnostisch kommt entweder eine atypische Paralysis agitans in 
itracht oder eine Herderkrankung auf arteriosklerotischer bzw. luetischer 
isis, die mit der Paralysis agitans die Lokalisation gemeinsam hat. 
merkenswert ist in jedem Falle das Fehlen der Steifigkeit trotz jahre- 
)gen Bestehens der Krankheit. Der Fall zeigt, dass die Bewegungs- 
»ruDg der Paralysis agitans ein selbständiges Symptom und nicht von 
r Muskelsteifigkeit abhängig ist. Bei den AugenmuskelstöruDgen han- 
it es sioh wahrscheinlich nicht um eine eigentliche Lähmung, sondern 
i eine den sonstigen Bewegungsstörungen analoge Erschwerung der 
genbewegung. 

Diskussion. 

Hr. Maas: Herr Kramer erwähnte, dass der von ihm demonstrierte 
fcient alle Augenbewegungen mit pathologischer Langsamkeit ausführe. 

Ich habe die gleiche Erscheinung bei einem Patienten gesehen, über 
i icb im vorigen Jahre berichtet habe 1 ). Es handelte sich hier um 
Leiden, das wahrscheinlich als Friedreich’sohe Krankheit aufzu- 
en ist. Das gleiche Symptom ist aueh von Westphal bei einem 
le von Pseudosklerose beobachtet worden 2 ). 

In meinem Falle war nun bei calorischer Reizung des Vestibularis 
folgende eigentümliche Verhalten gefunden worden: Einige Sekunden, 
bdem die Ausspülung mit 1 bis 2 Liter Wasser von etwa 20° bei 
ide gehaltenem Kopf ausgefübrt ist, kann Patientin, wenn das reohte 
ausgespült wurde, die Augen nicht über die Mittellinie hinaus nach 
rs bewegen, während die Augenbewegnngen nach rechts hin wie 
>r mit pathologischer Langsamkeit erfolgen. 

Wird das linke Ohr mit Wasser von 20° ausgespült, so kann Pat. 
t über die Mittellinie hinaus nach rechts die Augen bewegen, 
rend sie nach links hin die Augen wie zuvor mit pathologischer 
jsamkeit bewegen kann. 

Wurden die Ohren mit Wasser von 42° ausgespült, so tritt vorüber¬ 
gehend Störung der Augenbewegungen nach der Seite der Ausspülung 
ein. Diese Bewegungsstörung nach Ausspülung mit warem Wasser ist 
nicht so hochgradig wie nach der mit kaltem, ist aber ebenfalls mit 
voller Sicherheit festgestelit worden. 

Diese Störung der Augenbewegungen durch Vestibularisreizung ist 
meines Wissens zuvor nicht beobachtet worden, and es würde wohl von 
Interesse sein, ob bei dem von Herrn Kramer demonstrierten Patienten 
der Augenbewegnngen mit der gleichen Langsamkeit wie der von mir 
beobachtete Patient ansführt, durch calorische Vestibularisreizung die 
gleiche Störung in Erscheinung tritt. (Autoreferat.) 

Hr. Rothmaun: Die Differenz in dem Auftreten der spastischen 
Erscheinungen, die hier nur den Nacken, in anderen Fällen nur die 
Arme oder die Beine, oft noch mit Bevorzugung einer Seite, betroffen 
haben, dürfte, wenn es sich bei diesen Paralysis agitaua-ahn liehen Er¬ 
krankungen um Linsenkernaffektionen handelt, bei der anatomischen 
Untersuchung Anhaltspunkte für eine Lokalisation im Linsenkerngebiet 

1) Nenrol. Zbl., 1918, Nr. 10. 

2) Oppenheim, Lehrbuch, 6. Auf!., S. 446. 


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UNiVERSITY OF IOWA 


1288 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nt. 27. 




geben. Denn nach dem ganzen Aufbau unseres Centralnervensystems 
werden wir auch hier eine bestimmte Lokalisation für die einzelnen 
Körperabschnitte erwarten müssen. Es wird daher wichtig sein, bei den 
Sektionen einschlägiger Fälle gerade auf diese Verhältnisse zu achten. 

Hr. Kramer: Auf calorischen Nystagmus ist nicht geprüft worden. 

Die Prüfung auf Drehnystagmus ergab normales Verhalten. 

Hr. L. Borchardt: 

Wahrscheinliche Affektion des oberen Halsmarkes. 

Es handelt sich um einen 57jährigen Tisohler, dessen anamnestische 
Angaben nur sehr ungenau sind. Er ist allem Anschein nach im Herbst 
vorigen Jahres mit neuralgieartigen Schmerzanfällen in der Gegend der 
rechtsseitigen Occipitalnerven erkrankt, ohne dass jedoch weitere Hirn¬ 
erscheinungen, wie Schwindel, Erbrechen oder dergleichen, aufgetreten 
sind. Einige Zeit später Schwäche der Arme und Beine, wohl auch 
Parästhesien, doch ist nicht sioher festzustellen, in welcher Reihenfolge 
die Extremitäten erkrankt sind. Seit einigen Wochen ist der Kranke 
unfähig zu gehen. 

Bei der ersten Untersuchung am 24. April fand sich an den Hirn- 
nerven, speziell am Augenhintergrund, nichts, dagegen eine Atrophie 
der rechtsseitigen Schultermuskeln (insbesondere des Deltoides, Supra- 
und Infraspiuatus), eine ausgedehnte Lähmung des rechten, eine geringere 
des linken Armes, in beiden Armen und beiden Beinen eine leichte 
lokomotorische Ataxie, aber keine Parese an den Beinen. Die Sehnen¬ 
reflexe an den Armen und Beinen lebhaft, Babinski beiderseits angedeutet. 
Ueber die Sensibilität war ein Urteil nicht möglich, weil der Patient 
unausgesetzt von Schmerzen geplagt wurde und nicht aufpassen konnte. 
Beim Gehen taumelte Patient gelegentlich etwas, doch war eine aus¬ 
gesprochen cerebellare Gehstörung nicht mit Sicherheit festzustellen. 
Andere Störungen seitens der Hirnnerven sind nie beobachtet worden. 
Die Erscheinungen nahmen allmählich zu, es bildete sich eine links¬ 
seitige Neuritis optica aus, die auch von spezialistischer Seite bestätigt 
wurde. Elektrisch fand sich weder in den atrophischen noch in den 
anderen gelähmten Muskeln eine Veränderung. Die Augenhintergrund¬ 
affektion bildete sich später wieder zurück, so dass jetzt die Neuritis 
optica nicht mehr festzustellen ist. Dagegen trat eine zunehmende 
cerebellare Gehstörung und eine Pyramidenlähmung im rechten Bein 
auf. Babinski war bald links, bald rechts vorhanden, manchmal beider¬ 
seits nicht sicher auszulösen. Die Sensibilität war am reohten Arm und 
im Gebiete des Occipitalis major und minor der rechten Seite für alle 
Qualitäten beeinträchtigt, doch konuten diese Störungen nicht bei jeder 
Untersuchung konstant nachgewiesen werden, wie überhaupt die Beur¬ 
teilung der Sensibilität aus dem obenerwähnten Grunde immer erschwert 
war. An der Wirbelsäule, auch am Röntgenbilde, war nichts Krank¬ 
haftes festzustellen, keine Spur von Nackensteifigkeit, die Funktion der 
Hals- und Naokenmuskeln war gut. Die inneren Organe sind gesund, 
der Urin frei. Die Wassermann’sche Reaktion ira Blut negativ, die 
Lumbalpunktion wurde vermieden, weil der Krankheitsherd anscheinend 
in der hinteren Schädelgrube zu Circulationsstörungen geführt hatte. 

Es handelt sich demnach wohl um eine Erkrankung am oberen Hals¬ 
mark von im ganzen ziemlich rasch progredientem Verlauf, allerdings 
mit einigen Schwankungen, die auch zu cerebralen Störungen geführt 
hatten, sei es durch direktes Uebergreifen oder durch Circulationsstörungen 
oberhalb des Herdes. Eine luetische Erkrankung ist nicht wahrschein¬ 
lich, auch eine Wirbelsäulenaffektion ist kaum anzunehmen. Es dürfte 
sich wohl um einen intravertebralen, aber extramedullär gelegenen Tumor 
handeln, vielleicht um eine diffuse Tumorbildung oder um multiple 
Tumoren. 




r L 


Berliner otologlsche Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 27. März 1914. 

Vorsitzender: Herr Schwabach. 

Schriftführer: Herr Beyer. 

Der Vorsitzende begrüsst als Gäste Herrn Direktor Schorsch von 
der Städtischen und Herrn Direktor Wende von der Königlichen Taub¬ 
stummenanstalt sowie die Herren und Damen, Lehrer und Lehrerinnen 
der beiden Taubstummenanstalten. 

Es liegt eine Einladung des internationalen Kongresses für Gewerbe¬ 
krankheiten vor zu seiner Tagung am 21. bis 26. April in Wien. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Davidsohn: 

Fall von blaner Cyste in einer Radikaioperationshöhle. 

14 jähriger Patient mit alter Radikaioperationshöhle, in der sich vor 
kurzer Zeit an der inneren Wand der Operationshöhle ein quer ver¬ 
laufender blauer Wulst fand, der auf den ersten Blick aussah wie der 
Sinus; wenn man aber näher zusieht, bemerkt man, dass es sich um 
eine blaue Cyste bandelt. Solche Cysten, deren Entstehungsursache 
unbekannt ist, enthalten eine blutig fingierte Flüssigkeit, die die blaue 
Farbe hervorruft. Ueber diese Art von Cysten ist schon mehrfach 
auch in der Otologischen Gesellschaft berichtet worden. 

HHr. Brühl und Direktor Schorsch (a. G.): 

Fürsorge der Stadt Berlin für schwerhörige and ertanhte Sehnlkinder. 

Hr. Brühl: In Berlin ist die vollständige Trennung der tauben 
und nur hochgradig schwerhörigen Kinder durchgeführt worden; während 


die ersteren in den Taubstummenschulen eingeschult werden, kommen 
letztere in die von Hartmann gegründeten Schwerhörigenschulen. Einer 
Untersuobungskommission (Prof. Brühl und Direktor Schorsch) werden 
alle von den Schulen als schwerhörig gemeldeten Kinder vorgefübrt 
1913 und 1914 wurden insgesamt 1304 Kinder gemeldet. 168 mal fanden 
sich CerumiDalpfröpfe, 404 mal akute Mittelohrkatarrhe, 386 mal chro¬ 
nische Mittelohreiterungen. Als Momente für die Umschulung von schwer¬ 
hörigen Kindern aus der Voll- in die Schwerhörigenschule gelten: 

1. Zurückbleiben der Kinder in der Vollschule, 2. Unteilbar¬ 
keit der Schwerhörigkeit, 3. Hochgradigkeit der Hörstörung 
(Höreu der gewöhnlichen Sprache mit beiden Ohren weniger als 2,5 und 
der Flüstersprache weniger als 0,5 m). Von 1304 schwerhörig gemeldeten 
Kindern wurden 238 als geeignet für die Schwerhörigenschule gefunden. 

(Einzelheiten sind aus der im Juli in der Zeitschrift lür Schul¬ 
gesundheitspflege erscheinenden Publikation zu ersehen.) 

Hr. Schorsch: 1. Ueber die Ermittelung der schwerhörigen 
Schulkinder. 1912 kamen unter 224187 Berliner Sohulkindern 3416 
wegen Ohrenkrankheiten in Ueberwachnug. Unter Mitwirkung der Lehrer 
und Leiter der Gemeindeschuleu wurden 1913 510, 1914 735 schwer¬ 
hörige Kinder gemeldet. Bei der Anmeldung waren berüoksiohtigt die 
bisherigen Schulverhältnisse des Kindes, das Urteil des Klassenlehrers 
über die geistige Beanlagung und die Leistungen im Unterricht, be- I 7 :7; ' 
sonders auch, ob nach der Wahrnehmung des Lehms die Teilnahme am | • 

Unterricht infolge von Schwerhörigkeit erschwert, unvollkommen oder | 
ganz unmöglich ist; ferner Untersuchungsbefund und das Gutachten der ’ :: * 
Kommission. Für die Untersuchung kamen ferner diejenigen Kinder in •' 
Frage, die als taubstumm gemeldet, bei der kreisärztlichen Untersuchung I ” 
aber als für den ScbwerhörigeDunterricht geeignet erkannt wurden. End- 
lieh wurden diejenigen Schulrekruten vorgeführt, die bei der ersten • - : 
schulärztlichen Untersuchung als stark schwerhörig ermittelt worden 
waren. 

2. Die unterrichtliohe Fürsorge Berlins für die gehör¬ 
leidenden Schulkinder. Es kamen zunächst Maassnabmen für die 
Schulgesundheitspflege duroh die Schuldeputation in Betracht. 
Mitteilung des Ohrbefundes der in der Normalscbule verbleibenden 
Kinder, Hinweis für die Eltern wegen obren ärztlicher Behandlung und 
Aufklärung der Oeffentlichkeit durch das städtische Naohrichten&mt 
Bevor auf die schulunterrichtlichen Veranstaltungen eingegangen wurde, > . 
besprach der Vortr. eingehend die Abgrenzung der Bezirke für die ; 
Taubstummheit uud Schwerhörigkeit, die Sprachnatur beider Gebrechen, 
Schulpflicht und SchulunterhaltuDg und die Unterrichtsfächer. Die von , 
Berlin getroffenen Schuleiurichtungen sind: 

a) Für Taubstumme. 1. Die Kindergärten (Aufnahme vom vierten 
Jahre ab; Aufgabe: Bei eben Ertaubten Erhaltung der Sprache, bei 
Kindern mit Hörresten deren Ausnutzung und Schärfung, hei total 
Tauben: Entwicklung der natürlichen Stimme). 

2. Die Taubstummenschule (mit achtstuftgem Aufbau und Trennung 
nach der geistigen Befähigung). 

3. Die Fortbildungsschule für taubstumme Jünglinge und Mädohen 
mit dreistufigem Aufbau (Lehrfächer: Berufs- und Lebenskunde, Lektüre, 
Schriftverkehr, Rechnen, Raumlehre, gewerbliches Zeichnen; für die 
Mädchen noch: Handarbeit, Kochen und Plätten). 

b) Für Schwerhörige bestehen zurzeit im Norden, Osten und 
Süden drei besondere sechsklassige Schulen; die vierte Schwerhörigen¬ 
schule im Nordwesten ist im Aufbau begriffen. Insgesamt hat Berlin 
zurzeit 27 Klassen mit rund 300 Schülern (= 2 /iBpCt. der Gesamtheit). 

Eine Fortbildungskiaase für Schwerhörige ist beantragt. 

Für die hochgradig und unheilbar schwerhörigen Kinder, die in der 
Normalschule gut fortkommen und deshalb dort bleiben, sollen besondere 
Absehkurse eingerichtet werden. In einer vom Direktor der städtischen 
Taubstummenschule gehaltenen pädagogischen Sprechstunde ist den 
Eltern und Angehörigen der tauben, schwerhörigen und spraohgestörten 
Kinder Gelegenheit geboten, sich über die Erziehung ihrer Kinder und 
die unterrichtlichen Veranstaltungen für sie Rat zu holen. 

Diskussion. 

Hr. Max Senator: Herr Brühl und ebenfalls Herr Schorsch 
haben die geläufige Tatsache erwähnt, dass viele Kinder mit massiger 
Schwerhörigkeit, wenn sie imstande sind, das Gesicht des Lehrers zu 
sehen, besser hören. Ich möchte daran erinnern, dass auch bei diesen 
Kindern mit massiger Schwerhörigkeit auf Refraktionsanomalien des 
Auges untersucht werden muss, namentlich dann, wenn die nach dem 
Grade der Schwerhörigkeit zu erwartende Hörverbesserung ausbleibt, ob¬ 
wohl das Kind von seinem Platze aus den Lehrer erblicken kann^ So¬ 
viel ich weiss, hat Herr Brühl diese Refraktionsanomalien nur für die 
Kinder erwähnt, welche als hochgradig schwerhörig in Ablesekursen 
Unterkommen finden. 

Hr. Herz fei d: loh möchte fragen, ob in allen Fallen von fehlender 
Vestibularerregbarkeit absolute Taubheit bestand. Bei der grösseren 
Vulnerabilität des Cochlearis wird dies ja meist zutreffen. Ich muss 
mich aber sehr irren, wenn ich bei meinen Taubstummenuntersuchungen 
- - - - - die 


vor einigen Jahren nicht doch verschiedene Fälle gesehen habe, 
trotz absoluter Unerregbarkeit des Vestibularis noch Hörvermögen zeig« ’ 
wenigstens bei der Prüfung mit der kontinuierlichen Tonreihe. 

Dann möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck 8 e ^ e P> a v 
Kollege Brühl einmal eodlich aufgehört hat, zur Entscheidung, ob T* 
stummenanstalt oder Schwerhörigenschule, die Obren einzeln mR 
tinuierlicher Tonreihe usw. und Flüstersprache zu prüfen. So wiss 


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UNIVERSUM OF IOWA 




6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1289 


schaftlich das ist, so hat es praktisch -wenig Wert. Es handelt sioh um 
die rein praktische Frage, was kann der Betreffende hören oder nicht, 
und zwar mit beiden Ohren. Allerdings möchte ich bei dieser Prüfung 
noch einen Schritt weiter geben als Kollege Brühl. Ich würde die 
Hörprüfungen mit zugewandtem Gesicht -vornehmen, da das Absehen die 
Perception doch sehr erleichtert und der Lehrer doch schliesslich beim 
Unterricht auch sein Gesicht den Schülern zuwendet. 

Hr. Beyer: Die Fürsorge für Schwerhörige betrifft, wie ich sehe, 
nur Berliner Kinder. Wir kommen aber sehr häufig in die Verlegenheit, 
in der Klinik auch Kinder von Leuten, die ausserhalb, in Vororten 
wohnen, zu behandeln. Da können wir nicht Rat erteilen, weil wir 
nicht informiert sind, ob anderwo für schwerhörige Kinder Ab lese unter¬ 
richt erteilt wird. Nimmt denn die Stadt Berlin auch Kinder, die ausser¬ 
halb wohnen, in ihre Schwerhörigenschulen soweit auf, dass die Kinder 
weiter ausgebildet werden können? (Zuruf: Ausnahmsweise!) Es wäre 
vielleicht wertvoll, wenn gerade für diese Leute von ausserhalb Rat¬ 
schlage in Gestalt von gedruckten Formularen verteilt werden könnten, 
damit sie Bescheid wissen, wohin sie sich im gegebenen Falle zu wenden 
haben. 

Hr. Müller als ärztliches Mitglied der städtischen Schuldeputation 
bemerkt, dass die Kinder der Eltern, die nicht in Berlin ansässig sind, 
in der Regel nicht in Berlin aufgenommen werden können. Es kommen 
jedoch ausnahmsweise Fälle von Aufnahmen vor; diese bedürfen aber 
einer besonderen Genehmigung der städtischen Schuldeputation. 

In bezug auf die schwachsinnigen hörstummen Kinder ist in der 
letzten Sitzung der städtischen Schuldeputation die Bestimmung getroffen 
worden, dass sie in einer besonderen Klasse einer Gemeindescbule in der 
Blumenstrasse gesammelt werden sollen. 

Hr. Direktor Wende: Es bestehen einige Irrtümer, insbesondere 
durch einige Ausführungen des Herrn Prof. Hartmann veranlasst, der 
sich um die Beschulung der Schwerhörigen überhaupt, besonders aber 
in seinem letzten Buche über die Schwerhörigkeit so besonders verdient 
gemacht hat. 

Zunächst möchte ich feststellen, dass die Königliche Anstalt noch 
existiert. Herr Hartmann gab uns damals den wohlgemeinten Rat, 
sie aufzulösen. Der preussische Staat denkt nicht daran, kann es auch 
nicht, weil sie gleichzeitig Lehrerbildungsanstalt ist und eine Uebungsschule 
gebraucht wird. Die neue Anstalt wird in Neukölln gebaut und soll 
allen modernen Anforderungen entsprechen mit Garten, Spiel- und Sport¬ 
plätzen, wo die Kinder nicht nur unterrichtet, sondern auch erzieherisch 
beschäftigt werden. 

Herr Prof. Harm ann bat dann auch gesagt, die Königliche Anstalt 
scheidet nicht nach bestimmten Rücksichten. Auch das ist nicht der 
Pall. Die Königliche Anstalt muss ja schon, weil sie Lehrerbildungs¬ 
anstalt ist, die Ergebnisse der Wissenschaft in die Praxis umzusetzen 
rochen, muss alles prüfen und das Beste behalten. 

Die Frage der Scheidung der Kinder nach bestimmten Rücksichten 
wt an der Königlichen Taubstummenanstalt auch gar keine Etats-, son¬ 
dern nur eine Lokalfrage. Wir haben in den Kursisten 20—24 Hilfs¬ 
lehrer, da können wir scheiden, so viel wir wollen. 

Prinzipiell scheidet man ja die Kinder in solche, die noch hören, 
und solche, die nicht hören. Ich bin sehr dankbar, dass Prof. Brühl 
und Kollege Schorsch uns gezeigt haben, wie wir praktisch differen¬ 
zieren. Kinder, die die Flüsterstimme hören, sind zu uns überhaupt 
nicht gekommen. Wenn die Kinder die Sprache erlernt haben, auch 
wenn sie verstümmelt ist, so gehören sie in die Schwerhörigenschule, 
wenn aber die Kinder mit Gehönesten die Sprache nicht erlernt haben, 
wenn sie sich der Gebärdensprache bedienen, so gehören sie in die Taub- 
stummenschule. Wenn der Weg für die impressive Bahn der Sprache 
. bleibt, mit Hilfe des Absehens zwar, so gehören sie in die 
Schwerhörigenschule, und wenn der Unterriohsweg das Auge bleibt, ge¬ 
hören sie in die Taubstummenschule. 

Herr Dr. Haenlein vollzieht seit 4—5 Jahren die Prüfung der Ge- 
horreste mit der kontinuierlichen Tonreihe. Aber diese Untersuchung 
hat mehr theoretischen als praktischen Wert. Im vorigen Jahre wurde 
J? , 1D ®i ner Konferenz des Reichsgesundheitsamts gegen die ausdrückliche 
Meinung des Herrn Prof. Wann er-München ausgesprochen, dass die 
Prüfung mit Sicherheit erst im Anfang des dritten Schuljahres erfolgen 
wun, also erst dann, wenn ein zuverlässiger Kontakt zwischen dem 
Prüfenden und dem Kinde bergestellt ist. Wir benutzen aber die Gehör- 
*™ker, insonderheit beim Artikulationsunterricht, und da ge¬ 
nügt uns tatsächlich die Prüfung mit der Sprache, nicht mit der Flüster¬ 
sprache, sondern mit der Konservationssprache. Auf die Kinder, die 
_ »°kale aussprechen können, wenn sie sie durch das Ohr percipieren, 
Müssen wir natürlich Rücksicht nehmen, und sie in besonderen Klassen 
szmmeln. 

Und nun noch eins. Die Kinder, die später ertaubt sind, bedürfen 
Meiner Ansicht nach der Fürsorge und Absonderung von den anderen 
J. . ^ m ehr als die mit geringen Hörresten begabten. Die Kinder, 

« lm 6*» 7. Schuljahr ertaubt sind, als sie die Sprache schon völlig 
frischten, sitzen oft zusammen mit solohen Kindern, die mühsam die 
Mten Elemente der Sprache lernen. Das ist falsch. Denn sie können, | 

sie rasch absehen lernen, gesondert tatsächlich ein höheres Ziel 
^ a ^ en e ^ eQ e i° e Klasse solcher Kinder entlassen. Aach 

p^ 1D( * er haben bei uns in der Zukunft eine besondere Fürsorge. 

Es wurde von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Schwerhörigen 
s^prochen, da interessiert es vielleicht, dass wir für die Taubstummen 


im letzten Jahre eine gut durcbgearbeitete Statistik anfgestellt haben 
über alle im nacbschulpflichtigen Alter stehenden Taubstummen der 
Provinz Brandenburg und der Stadt Berlin. Es ist erfreulich, dass unter 
1240 Taubstummen in der Provinz Brandenburg nur 78 unterstützungs¬ 
bedürftig sind. Das ist eine Zahl, die beinahe geringer ist, als die der 
Hörenden, die unterstützungsbedürftig sind. Unter diesen sind zehn, 
die noch an anderen schweren Gebrechen, wie Blindheit leiden. 

Die Statistik in Berlin hat versagt. Nur 1096 sind durch die 
Polizeibehörde gezählt worden, es müssen aber mindestens 3000 sein. 
Es scheinen nur die gezählt zu sein, die einen festen Wohnsitz haben. 

Ferner ist es interessant, dass in der Provinz Brandenburg ganz 
wenige Taubstumme im Alter von 20—40 Jahren sind. Wenn der 
Mensch erwerben und gemessen kann, geht er nach Berlin; denen, die 
arbeiten wollen, müssen wir Arbeit verschaffen. Das soll jetzt geschehen 
im Anschluss an die Wanderarbeitsstätten der Provinz Brandenburg, 
und wenn Herr Prof. Brühl für die Schwerhörigen Reklame macht, so 
gestatten Sie mir wohl die Bitte, auch den Fürsorgeverein für Taub¬ 
stumme für die Provinz Brandenburg hilfreich fördern zu helfen. 

Hr. Halle: Die Fürsorge für die Schwerhörigen kann nicht früh 
genug beginnen. Gelegentlich meiner Untersuchungen über die 
Ozaenafrage habe ich in den Schulen so unendlich viel ohrenkranke 
Kinder gesehen, die nicht behandelt worden sind, dass man doch, glaube 
ich, die Schuldeputation recht nachdrücklich darauf aufmerksam machen 
soll. Je früher solche Kinder in sachgemässe Behandlung gebracht 
werden, desto weniger werden sie in den Zustand kommen, den 
Prof. Brühl soeben dargestellt hat, der zu dauernder schwerer Störung 
führt und zu langjähriger Fürsorge zwingt. 

Hr. Haenlein: Ich möchte meine Freude darüber aussprechen, 
dass Herr Prof. Brühl der Prüfung mit der Sprache bei der Untersuchung 
taubstummer resp. schwerhöriger Kinder grösseren Wert beilegt wie der 
Prüfung mit der Tonreihe, die nur wissenschaftlichen Wert, aber keinen 
für die Schule hat. Darin stehe ich auch im Gegensatz zu den von 
Schröder geäusserten Ansichten. Wenn bei einer Sitzung im Reichs¬ 
gesundheitsamt, wo die statistischen Fragebogen für das Tzubstummen- 
wesen zur Diskussion standen, die Prüfung mit der Tonreihe bei Taub¬ 
stummen für ebenso wichtig wie die Radikaloperation von einem Herrn 
nach mir gewordener Mitteilung bezeichnet wurde, so muss dem entgegen 
getreten werden. 

In der medizinischen Klinik hatte Voss einen begeisterten Artikel 
über die Königl. Taubstummenanstalt in München veröffentlicht. Der 
Artikel hatte zur Folge, dass hei vielen die Meinung aufkam, München 
leiste mehr wie andere Städte im Taubstummen wesen. Dass in München 
keine Schwerhörigenschulen sind, dass infolgedessen dort viele Kinder in 
der Taubstummenanstalt sind, die z. B. in Berlin in den Schwerhörigen¬ 
schulen unterrichtet werden, wird in weiteren Kreisen nicht berück¬ 
sichtigt. Ich habe mit Herrn Schulrat Wende dienstlich mich in der 
Münchener Taubstummenanstalt informiert, und kenne als Hausarzt 
unsere königl. Anstalt in Berlin. Das Schülermaterial der beiden An¬ 
stalten weist wegen des Fehlens der Schwerhörigen in der Berliner 
Anstalt so grosse Unterschiede in den beiden Städten auf, dass man 
kaum Vergleiche stellen kann. 

Hr. Brühl: Ich möchte auf die Anfrage des Herrn Senator ant¬ 
worten, dass es ausserordentlich wichtig ist, dass die Kinder, die am 
Absehunterrichte teilnehmen sollen, auch normal sehen können, und dass 
durch Beachtung von Reflektionsanomalien bei leicht schwerhörigen 
Kindern die spontane Absehfähigkeit sicher gesteigert werden kann. 

Herrn Herzfeld erwidere ich, dass es selbstredend auch Totaltaube 
gibt, die noch einen erregbaren Vestibularapparat haben. Wir können 
jedenfalls mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bei einem Kinde, das wir 
noch nicht genau auf seine Hörreste hin untersuchen können, auf voll¬ 
kommene Taubheit schliessen, wenn das Kind vestibulär unerregbar ist. 

Wir prüfen das Vermögen, mit beiden Ohren zu hören, mit ab- 
gewendetem Gesicht, weil es sich auch in der Schule nicht immer 
ermöglichen lässt, dass der Lehrer den Kindern das Gesicht zuwendet. 

Ich freue mich, dass ich mich mit Herrn Haenlein über die kon¬ 
tinuierliche Tonreihe in Uebereinstimmung befinde. Wenn man die 
Bezold’schen Arbeiten über Taubstummheit liest, fällt einem auf, dass 
Bezold die von ihm geprüften Kinder wahrscheinlich immer zuerst mit 
der kontinuierlichen Tonreihe und dann erst mit der Sprache geprüft 
hat. Das Rationellste ist es doch, bei Kindern, die erst Sprache hören, 
auoh zuerst mit der Sprache zu prüfen. Ich habe kein Kind finden 
können, bei dem ich keine Reaktion auf die Sprache, wohl aber auf 
Töne bekommen hätte. Ich halte es für richtig, dass wir die Töne z. B. 
zur Kontrolle benutzen, ob das Kind Sprachlaute, Mie es wiederholt* 
auch gehört bat. 

Man wird von Tauben und Schwerhörigen oft getäuscht; und auch 
Totaltaube sprechen Vokale nach, die sie gar nicht gehört haben 
oder behaupten, dass sie in einen Stimmgabelton hören, wenn die 
Stimmgabel nur scheinbar angeschlagen wurde. Die Prüfung der kon¬ 
tinuierlichen Tonreihe ist für uns Otologen unentbehrlich. Wir brauchen 
sie zur Diagnosenstellung. Es hat auch bei praktisch Tauben Interesse, 
zu wisseü, ob im Unterricht verwendbare Hörreste noch vorhanden sind! 

leb freue mich, zu hören, dass in Berlin eine volle Uebereinstim¬ 
mung zwischen Otologen und Taubstummenlehrern vorhanden ist, und 
gerade die Ausführungen des Herrn Direktor Wende haben uns darüber 
belehrt, dass auch die Anschauungen der Königl. Taubstummenanstalt 
identisch sind mit denen der städtischen. So ist zu erwarten, dass auch 


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1290 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


bei den neueren Bestrebungen etwas Einheitliches und Erspriessliches 
für das Schwerhörigen- und Taubstummenwesen Berlins herauskommen 
wird. 

Hr. Direktor Schorsch: Was die auswärtigen Taubstummen an¬ 
betrifft, so hat die städtische Behörde beschlossen, dass sie solche 
Kinder mit einem Schulgeld von 200 M. aufnimmt. Es ist nun die 
Frage, was mit den schwerhörigen Kindern geschieht, die in der Dorf¬ 
schule oder in kleinen Städten sitzen. Diese Frage ist sehr schwierig, 
sie wird bei der Tagung der Taubstumtpenlehrer in Breslau 1915 be¬ 
handelt werden. Wenn wir für Gross-Berlin eine einheitliche Schul¬ 
behörde etwa in dem Bezirk des Zweckverbandes hätten, wäre die Frage 
für uns leicht zu lösen. Es brauchten sich ja nur die Vororte zu¬ 
sammenzutun oder sich mit Berlin und Charlottenburg in Verbindung 
zu setzen. München wird wahrscheinlich seine Hörklassen auch in eine 
Schwerhörigensobule umwandeln. 


Vereinigung zur Pflege der vergleichenden Pathologie. 1 2 * ) 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 27. Februar 1913. 

Vorsitzender: Herr P. Schiemenz. 

Schriftführer: Herr Max Koch. 

1. Hr, P. Schienen!: 

Die Krankheitsemheinnngen bei den Fischen in allgeneinen. 

(Der Vortrag erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

2. Hr. Willer: 

Die Bandwnrm8enehe der Fische (Lignlosis und ihre Wirkung anf die 
inneren Organe der Fische). 

(Der Vortrag erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

3. Hr. Wnndseh: 

Die Ueberträger der Bandwnrnsenche der Fische, 5 ) 

Es ist festgesteltt, dass die Ligulosis in den letzten Jahren starke 
Fortschritte in den brandenburgischen Binnengewässern gemacht hat. 
Im Müggelsee sind etwa 80 pCt. aller Cypriniden erkrankt, und die 
Seuche greift neuerdings auch auf die Bestände an Leuciscus rutilus 
über. Die Hauptschuld au dieser starken Ausbreitung trifft nicht so 
sehr, wie man bisher angenommen, die Podicepsarten (Haubentaucher), 
sondern vorwiegend die auf dem Zug unsere Gewässer passierenden Säger 
(Mergus merganser, M. serrator, M. albellus) und Möven (Larus canus, 
L. ridibundus), die einen ausserordentlich starken Besatz mit geschlechts¬ 
reifer Ligula aufweisen. Als Gegenmaassregel ist den Fischern Fern¬ 
haltung der betreffenden Vögel, soweit erreichbar, auf die Dauer von 
zwei Jahren, und besonders sorgfältige Beseitigung aller an Ligulosis 
erkrankter Fische (auch der „unterraaassigen“) zu empfehlen, soweit 
solche beim Fang in ihre Hände geraten. Wilde und zahme Gänse und 
Enten sowie Wasserhühner und Eisvögel kommen normalerweise als 
Ueberträger nicht in Betracht, Storch und Reiher dürfen ihrer relativen 
Seltenheit wegen praktisch vernachlässigt werden. 

Diskussion. Hr. Heller fragt nach der Schädlichkeit dieser 
Parasiten für den Menschen, die von dem Vortr. verneint wird. 

4. Hr. Törlitz: 

Die Rolle der Protozoen bei den Fischkrankheiten. (Demonstration 
von Lichtbildern.) 

5. Hr. Seydel: 

Ueber die Pockenkrankheit der Karpfen. (Demonstration von Licht¬ 
bildern.) 

Hr. Schiemenz (Schlusswort): Gegen den übermässigen Schutz der 
Wasservögel muss energisch protestiert werden. Gegenüber der volks¬ 
wirtschaftlich wichtigen und notwendigen Ausbeutung der Fischschätze 
unserer Seen muss der Schutz dieser „Naturdenkmäler“ in den Hinter¬ 
grund treten. _ 

Sitzung vom 28. April 1913. 

Vorsitzender: Herr Max Koch. 

Schriftführer: Herr H-eller. 

1. Hr. Falk: Demonstration von Schizosoma reflexnm. 

Vortr. demonstriert Präparate von Schizosoma reflexum aus dem 
hiesigen pathologischen Museum. Es handelt sich um eine Missbildung, 
welche sich bei Kälbern findet und dadurch charakterisiert ist, dass 
durch eine Aendbrung der Wachstumsrichtung der Rumpfplatten diese 
sich nioht vorn (ventral), sondern auf der Rückenfläche der Frucht ver¬ 
einigen. Hierdurch kommt es zu einer Umstülpung des ganzen Skeletts 
in dem Sinne, dass die Schädelbasis nach oben, das Schädeldach nach 
unten gerichtet ist, dass die Wirbelkörper gleichfalls nach oben, die 
Wirbelbogen nach unten sehen, die Rippen sind infolgedessen, während 
die Extremitäten normale Lage haben, über dem Rücken der Frucht 
vereinigt. Bei der niehtskelettierten Frucht liegen die Brust- und 
Bauchorgane aussen, die Haut im Körperinnern. Die Missbildung stellt 
einen höchsten Grad von Brust- und Bauchspalte dar mit divergierender 


1) Bei der Redaktion eingegangen am 10. V. 1914. 

2) Vgl. die ausführliche Publikation in den Mitteilungen des 

Fischereivereins für die Provinz Brandenburg, Bd. 4, S. 178—183. 


Wachsumsrichtung der Rumpfplatten. Es ist diese Missbildung deshalb 
interessant, weil sie uns eine Erklärung gibt für die formale Genese der 
Bauchspalten. Auch bei diesen finden sieb bisweilen Störungen, welche 
auf eine Aenderung der Wachstumsrichtung der Ursegmente binweisen. 
So demonstriert Falk einen Fall von Bauchspalte bei Sirenenbildung 
aus der Sammlung der hiesigen Königl. Frauenklinik, bei der das Becken 
nicht ventral, sondern dorsal von der Wirbelsäule liegt. Derartige Miss¬ 
bildungen beweisen, dass Aenderungen in der Wachstumsrichtung neben 
Störungen im Breitenwachstum der Ursegmente die Ursache der Bauch- 
spalten sein können. Aber neben dieser Störung der Wacbstumsricbtnng 
des Achsenskeletts in dorso-ventraler Richtung findet sich bei Schizo¬ 
soma reflexum eine Aenderung der Frucbtachse in cranial-caudalcr 
Richtung insofern, dass durch eine hochgradige Lordose der Wirbelsäule 
Kopf und Becken sich berühren. Auch derartige Störungen der Wachs- 
tumsrichtung des Achsenskeletts finden sich bei menschlichen Miss¬ 
bildungen von angeborener Skoliose. Falk demonstriert derartige Prä¬ 
parate, die durch eine primäre Abbiegung der Fruchtacbse zu erklären 
sind. Ihre Entstehung führt in die erste Zeit der Entwicklung, in der 
die häutige Wirbelsäule noch nicht zur vollen Entwicklung gekommen 
ist, zurück, wie sich aus charakteristischen Störungen in der Segmentie¬ 
rung und Ossifikation nachweisen lässt. 

2. Hr. Kantorowicz: 

Demonstrationen aas der tierärztliche» Praxis. 

Hasenscharte (Bulldogge), rachitische Hunde, Nähnadel in der Zange 
eines Teckels, Blasenstein bei einer MopshündiD, durch Ascariden ver¬ 
ursachte Darmeinstülpung bei einem Schäferhund, Fingernagel im Con- 
junctivalsack eines Hundes, Prolaps bei der Katze, Aehre in der Nieren- 
gegend, Lipom vom Darm eines Pferdes, Nähnadel bei einem Teckel, 
Stiefelabsatz und Nadel im Hundedarm usw. 

3. Hr. Max Koch: 

Epithelwuchernnge» darch Gastrophilaslarven in Mag» des Pferdes. 

Demonstration eines Pierdemagens mit etwa 400 Larven von zwei 
verschiedenen Gastropbilusarten. Im Speiseröbrenabscbnitt des Mageos 
sind eine Anzahl Larven fast völlig vom Plattenepithel umwuchert, so 
dass nur noch kleine Abschnitte von ihnen in kraterartigen Vertiefungen 
zu erkennen sind. Dabei finden sich zapfenlörmige Epithelwucherungeo, 
die aber kaum als atypische zu bezeichnen sind. Im Drüsenmagen 
finden sich in der Umgebung der Anheftungsstelle der Larven Wuche- 
nmgsprozesse der Magendrüsen. Die von Petit und Germain 1 ) be¬ 
schriebenen mikroskopisch kleinen adenomatösen Gebilde wurden in 
diesem Falle vermisst. Ob sich auf der Basis der durch die Gastro- 
philu9larven gesetzten Veränderungen gelegentlich maligne Neubildungen 
entwickeln können, ist nioht eruiert, erscheint aber bei der Seltenheit 
derartiger Geschwülste am Magen des Pferdes fraglioh. 

4. Hr. Max Koch: 

Ueber die Spiropterea als Parasite» and Gesehwalsterreger. 

Im Hinblick auf die bekannten, höchst interessanten Feststellungen 
Fibiger’s gibt Vortr. eine kurze Zusammenstellung über das, was wir 
bisher über diejenige Nematodengattung wissen, zu denen Fibiger die 
von ihm im Ratteamagen gefundenen Würmer rechnet, sowie über das, 
was über den Parasitismus der Vertreter dieser Gattung bisher bekannt 
geworden ist. Es ist dies die von Rudolphi zuerst aufgestellte Gattung 
Spiroptera. Viele ihrer Vertreter wurden früher zur Gattung Fil&ria 
gestellt, von der sie sich aber durch das geringere Längenmaass und die 
grössere Dicke des Körpers, die Lage der sogenannten Seitenwülste bei 
beiden Geschlechtern und die der Gesohlechtsöffnung beim Weibchen 
(weiter hinten als bei Filaria) wesentlich unterscheiden. Die Männchen 
der Spiropteren besitzen wie die verwandten Gattungen Ascaris, Oxyuris 
und Trichocephalus ein eingerolltes Hinterende, ausserdem eine Bursa 
copulatrix und zwei ungleiche Spicula. Die Unterscheidung der ver¬ 
schiedenen Spezies des Genus Spiroptera geschieht hauptsächlich aof 
Grund der Zahl und Anordnung der analen Papillen. Die Fortpflanzung 
der Spiropteren vollzieht sich durch Eier, die schon zur Zeit der Ablage 
einen Embryo in Wurmgestalt aufweisen. Diese Eier müssen zu ihrer 
Weiterentwicklung in den Körper einer Crustacee oder eines Insektes 
gelangen, wo die Embryonen ausschlüpfen und sich nach Durchwanderung 
der Darmwand und weiterem Wachstum in den Muskelfasern, im Fett¬ 
körper oder dgl. nach Art der Trichinenembryonen enoystieren. Bisher 
ist der sonach unter einem Wechsel des Wirtes verlaufende Parasitismus 
folgender Arten geklärt: 

a) Spiroptera rhytipleurites Deslongehamps — erwachsene 
Form im Magen der Ratte —, Larve im Fettkörper der Küchenschabe 
(Galeb 1878). 

b) Spiroptera obtusa Rud. — erwachsene Form im Magen ver¬ 

schiedener Mäuse- und Rattenarten (Mus domesticus, sylvaticus, decu- 
manus usw.) —, Larve im Mehlkäfer (Tenebrio molitor) und dessen Larv 
(Mehlwurm) (Leuckart und Marchi). . - . 

c) Spiroptera sanguinolenta Rud. — erwachsene Form,in 

Speiseröhre und im Magen des Hundes —, Larve in Blatta onen 
(Grassi 1888). . - 

d) Spiropteraturdi — erwachsene Form im Magen verschied 
Drosselarten —, Larve im Regenwurm (Lumbricu9 terrestris). 

e) Spiroptera un ein ata — erwachsene Form im Wawerfi® 
(Enten, Gänsen usw.) —, Larven in Daphnia pulex (Wasse 
(Hamann 1905). 

1) Bull. soc. biol., 1907, p. 405. 


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6. Juli 1914« 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1291 


Ausserdem gibt es noch zahlreiche andere Arten aus Säugetieren, 
Vögeln, Reptilien und Amphibien, von denen die Larven ebenso wie die 
Wirtstiere, in denen diese ihre Weiterentwicklung durchmachen, bisher 
nodi unbekannt sind. 

Von den meisten Spiropterenarten werden, da sie frei im Lumen 
des Intestinaltraktus leben, keinerlei Gewebsveränderungen hervorgerufen. 
Dagegen sind solche bekannt von denjenigen Arten, die sich in die 
Wandungen der Speiseröhre und des Magens der Wirtstiere einzubohren 
pflegen. Nach unserer bisherigen Kenntnis sind das vor allem Spiro- 
ptera sanguinolent» und Spiroptera megastoma. Erster« erzeugt an der 
Speiseröhre und im Magen des Hundes flache derbe Geschwülste, letztere 
im Magen des Pferdes bis faustgrosse Tumoren. Histologisch erinnern 
diese geschwulstartigen Bildungen ausserordentlich an die durch Fiiaria 
oder Onchocerca volvulus Leuck. hervorgerufenen Knoten, d. h. man findet 
in mannigfach gestalteten Hohlräumen, die von derben Bindegewebslagen 
umschlossen sind, zahlreiche Durchschnitte von Würmern in allen mög¬ 
lichen Richtungen. Nur dass natürlich bei den Spiropterenknoten die 
freien Embryonen im Gewebe fehlen. In der diese Spiropterenknoten 
überziehenden Schleimhaut der Speiseröhre oder des Magens des Hundes 
bzw. Pferdes sind immer eine Anzahl kleiner geschwüriger Oeffnungen 
vorhanden, aus denen die Spiropteren zeitweise berausragen, um ihre 
Eier abzusetzen, die auf diese Weise mit dem Kot der Träger nach 
aussen gelangen, um alsdann von Schaben oder anderen Insekten (der 
Wirt der Larve von Sp. megastoma des Pferdes ist noch unbekannt!) 
auigenommen zu werden. 

Wucherungen des Plattenepithels der Speiseröhre oder der Drüsen 
der Magenschleimhaut hat Yortr. bei Spiroptera sanguinolenta und Sp. 
megastoma bisher nicht konstatieren können. (Demonstration von Prä¬ 
paraten und Lichtbildern.) 

Insofern unterscheiden sich die bisher bekannten Spiropteren also 
dnrehaus von den von Fibiger gefundenen Nematoden, die fast aus¬ 
schliesslich im Epithel schmarotzen und dadurch mehr an gewisse in der 
Speiseröhre des Schafes und anderer Haustiere schmarotzende Rundwürmer 
der Gattung Gongylonema erinnern. 

Zorn Schlüsse gibt Vortr. ein kurzes Referat über die Experimente 
Fibiger’s und erörtert endlich noch die daraus zu ziehenden Folge¬ 
rungen. Letztere dürfen nach Meinung de9 Vortr. selbstverständlich 
nicht dahingezogen werden, das9 nun eine möglichst eifrige Suche nach 
ähnlichen Würmern in menschlichen Geschwülsten betrieben wird, son¬ 
dern rielmehr in der Richtung, durch weitere Versuche festzustellen, ob 
von den Würmern produzierte chemische Stoffe die Gesohwulstentwicklung 
erzeugen oder ob etwa die Uebertragung eines invisiblen Virus durch 
die Würmer vermittelt wird. 

Diskussion. 

Hr. Saul: Nach den lehrreichen Erörterungen des Herrn Vorsitzenden 
möchte ich mir bezüglich der Versuohe von Fibiger einige Bemerkungen 
gestatten. Die ätiologischen Beziehungen der Helminthen zu Binde- 
substanz- und Epithelialgeschwülsten sind seit langer Zeit bekannt. Ich 
darf nur an die Fibrome erinnern, die durch die Fiiaria Bancrofti hervor- 
gerufen werden, und an die gutartigen und bösartigen Epitheliome der 
Harnblase, deren Erreger der Bilharziawurm ist. Fibiger hat gezeigt, 
dass als Erreger der bei Ratten endemisch auftretenden, gutartigen und 
bösartigen Epitheliome des Magen-Darmkanals Filarien in Betracht 
kommen. Nach den Resultaten von Galeb, die Fibiger bestätigt hat, 
fungieren Schaben als Zwischenwirte derselben. Fibiger gebührt das 
Verdienst, als erster diese Rattentumoren mikroskopisch untersucht zu 
buben. Den Nachweis, dass Insekten oder Helminthen bzw. deren Eier 
durch toxische Stoffwechselprodukte geschwulsterregend wirken können, 
verdanken wir dem Pflanzenpathologen Beyerinck. 

Hr. Max Koch: Durch die historischen Reminiscenzen, die Herr 
Saul eben vorgebracht hat, wird das Verdienst Fibiger’s m. E. nicht 
i® geringsten geschmälert. Eine echte maligne Geschwulst durch experi- 
wentell eingebraohte Würmer bei Tieren zu erzeugen, ist keinem der 
genannten forscher gelungen, und gerade das dürfte doch der springende 
Punkt sein. 


Sitzung vom 27. Mai 1913. 
Vorsitzender: Herr Heck. 

Schriftführer: Herr Heller. 


n J- Hr ’ 

ogisehe and verwaadte Ertebeiaaagea hei fossilen Tieren. 

(Der Vortrag ist in Nr. 86, 1918, dieser Wochenschrift abgedruckt.) 


Diskussion. Hr. Heck gibt an, dass ihm tortuose Molaren von 
siefanten ans der Tiergärtnerpraxis der neueren Zeit nicht bekannt ge¬ 
worden sind. 

Ausserdem spricht noch znr Diskussion Hr. C. Ben da. 


Ä ^iHr. Joliao Heller: 

■wttipisehe Demonstration der Haat des Mamma t, aegyptisch er 
m «ad perataiseher Mamiei. 

(Der Vortrag ist in Nr. 16, 1914, dieser Wochenschrift abgedruckt.) 
Diskussion. HHr. Hilsheimer, Heck, Heller, Koch, Benda. 

1 Davidsohn: Bei dem „Steinkind von Tegel“ (Msehr. f. Geburtsh., 
41 u auc ^ keine Kerne mehr färben, obwohl der Fötus nur 

we im Leib der Mutter gelegen hatte. Dagegen gelang die 
«oung des Bindegewebes und der Muskelfasern noch sehr gut 


Bei der Untersuchung der Nilpferdhaut bin ich über die Zartheit 
der Haut der sogenannten Dickhäuter überrascht gewesen, die Oberhaut 
war nicht dicker als beim Menschen. Allerdings fanden sich auch hier 
dicke Bindegewebsbalken in der Cutis. 


Sitzung vom 26. Juni 1913. 

Vorsitzender: Herr Carl Benda. 

Schriftführer: Herr Heller. 

1. Hr. Mähsani: Demonstration eines schweren Falles von Aktino- 
mykose der Langen and Plenren. 

2. Hr. Klett: Demonstration von makroskopischen und mikroskopi¬ 
schen Präparaten von Aktioomykose. 

Diskussion. HHr. Heller, Sohneidemühl, Pick, Benda 
Mühsam. 

Hr. Max Koch demonstriert zwei Schädel von verschiedenen 
Känguruharten mit aktinomykotischen Knochenveränderungen an den 
Unterkiefern. 

3. Hr. Carl Lewin: Ueber Myom des Meerschweinchens. 

Diskussion. Hr. E. Christeller zeigt ein makroskopisches Prä¬ 
parat von einem sehr grossen Myom des Meerschweinchens. 

4. Hr. Schmey: 

Ist der sogenannte Schiiddräsenkrehs der Forellenflscbe ein echtes 
Carcinom? 

In meiner Arbeit über „Neubildungen bei Fischen“, die vor nicht 
langer Zeit in der Frankfurter Zeitschrift für Pathologie erschienen ist, 
briDge ich, wie ich hoffe, wohl eine vollständige Zusammenstellung der 
bei Fischen bis dahin beobachteten echten Neubildungen. Aus dieser 
Zusammenstellung, die 59 verschiedene Einzelbeobachtungen umfasst, 
können Sie erkennen, dass wohl fast alle gewöhnlichen Neubildungen, 
begonnen beim einfachen Fibrom bis hinauf zum Carcinom, zur Kenntnis 
der Autoren gelangt sind. Wenn ich nun heute besonders einiges über 
den Krebs bei Fischen demonstrieren möchte, so ist dabei auf eine Mit¬ 
teilung Bonnet’s aus dem Jahre .1883 zurückzugreifen. Bon net be¬ 
richtet nämlich in jenem Jahre in der Bayerischen Fisebereizeitung über 
eine Krankheit, von der die Seeforellen in der Fischzuchtanstalt in 
Torbole am Gardasee befallen wurden, und die in wenigen Monateu 
3000 Opfer forderte. Er beobachtete Geschwülste am Boden der Mund¬ 
höhle und an den Kiemenblättern, die rasch wuchsen und zum Tode der 
Tiere führten. In der Mundhöhle zu beiden Seiten der Zunge am ersten 
und zweiten Kiemenbogen fand er erbsengrosse, breiige, weiche, blaurote, 
glatte Geschwülste und ähnliche, etwas kleinere konfluierende Knoten 
central an den Kiemenbögen. Ueber die Natur dieser Geschwülste gibt 
Bonn et keine sicheren Feststellungen, er hebt aber hervor, dass er in 
den Knoten einen epithelialen, Öfters röhrigen Bau aogetroflfen habe. 
Dann folgen eine grössere Anzahl von Beobachtungen aus Amerika, wo 
in einzelnen Forellenzüchtereien eine Geschwulstbildung epidemieartig 
aufgetreten war. Die Beobachter berichten übereinstimmend, dass bei 
den verschiedenen Forellenarten meist in der Mittellinie der Ventral¬ 
wand des Pharynx eine Geschwulstbildung einsetzt, die auf die Kiemen¬ 
bögen und Kiemenblättchen übergeht und die alle Charakteristika eines 
Carcinoms aufweist. Dazu kommen aus den Jahren 1901/1902 Feststellungen 
von M arianne Plehn, die an fünf kranken Forellen und Bachsaiblingen 
erhoben wurden. Die sogenannten „Kropffisohe“ stammen aus dem 
Starnbergersee. Schon der Name „Kropffische“, den die Fischer diesen 
so erkrankten Tieren beilegten, Hess erkennen, dass die Geschwülste, 
genau wie dies von Bonnet und den anderen Autoren beschrieben wird, 
etwa in der Gegend des Pharynx sassen; Plehn hebt ausdrücklich 
hervor, dass die Tumoren im Bau vollkommen mit dem menschlichen 
Carcinom übereinstimmen. Sie zeigten gleich diesen die Neigung, in¬ 
filtrierend in die Nachbarschaft vorzudringen, die Muskeln, selbst die 
Knochen za zerstören, die Kiemenarterien einzuengen und anzufressen. 
Ungeklärt blieb nur noch die Frage, woher nehmen diese Tumoren ihren 
Ausgangspunkt, und auf welchen Momenten beruht das endemische Auf¬ 
treten dieser Geschwülste bei den Forellen. 

Was nun die erste Frage nach dem Ausgangspunkt dieser Ge¬ 
schwülste betrifft, so hat L. Pick diesen Punkt geklärt, durch Unter¬ 
suchungen geführt an einem Material, das ihm im Jahre 1905 aus einer 
amerikanischen Züchterei direkt 2 Ugeiührt worden war, und das ihm er¬ 
möglichte, an 10 Exemplaren die Frage nach der Natur und der Ur¬ 
sprungsstelle dieser Tumoren nachzugehen. Der Ursprung aller dieser 
Tumoren ist die Schilddrüse. Ich gehe hier auf die einzelnen Daten 
des Beweises, der allerseits anerkannt ist, nicht weiter ein. Ich ver¬ 
danke es der Freundlichkeit von Herrn Prof. L. Pick nicht nur, dass 
ich Ihnen einige dieser Fischexemplare zeigen kann, sondern auch, dass 
es mir möglich ist, eine Reihe wohlgelungener Diapositive hier vorzu¬ 
führen. 

Die beiden ersten Diapositive 9ind Photographien der Plehn’scben 
Abbildungen, die ziemlich primitiv gehalten sind. Es sitzt in jedem 
Falle ein Tumor aussen am Mundboden, und im zweiten Falle ist er 
nach innen durcbgebrochen. Die dritte und vierte Projektion sind Auf¬ 
nahmen von Pick’schen Originalpräparaten. Fisch 3 zeigt einen Tumor 
aussen, Fisch 4 einen Tumor am Mundhöhlenboden nach Spaltung des 
Kopfes von oben gesehen. Die folgenden vier Diapositive sind nach 
Präparaten von Pick hergestellt. Der erste Tumor davon sitzt oral- 
wärts von der Commissur der Kiemendeckel, der zweite zwischen den 


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1292 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Kiemenblättern, der dritte stellt eine Kombination von den beiden dar 
und der vierte gibt endlich Fisch und Tumor im Mediansohnitt. 

Von den mikroskopischen Diapositiven sind die beiden ersten wieder 
nach Präparaten von Plehn gemacht. Das erste veranschaulicht einen 
Schilddrüsentumor, der sich um ein Blutgefäss herum ins Fettgewebe 
schiebt, der zweite Schnitt ist wohl etwas dick, zeigt aber carcinomatöse 
dicke Epithelmassen von alveolärer Struktur. Alle folgenden Präparate 
sind Aufnahmen nach dem Material von Pick, und es war möglich, an 
seinem Material, zumal unter Ergänzung durch einige Tumoren von neu¬ 
seeländischen Forellen morphologisch eine vollkommene Serie rein 
homöotoper Schilddrüsenwucherungen bis zum ersten, dem menschlichen 
vollkommen identischen Carcinom darzustellen. 

Der 3. Schnitt zeigt einen Kolloidkropf wie beim Mensohen. 

Schnitt 4 die adenomatöse Form der Struma thyreoidea; die Alveolen 
liegen dicht gedrängt, das Stroma ist fast ganz geschwunden. 

Schnitt 5 zeigt eine ganz besonders starke Epithelwucherung, so 
dass die Grenzen schon ganz verschwimmen. 

Schnitt 6 veranschaulicht die vollkommene Destruktion und Zer- 
fressung eines Muskels. 

Schnitt 7 zeigt bei mehrdrüsigem Typus eine vollkommene Zer¬ 
störung von Knochen. 

Schnitt 8 und 9 geben eine vollständige Identität mit dem mensch¬ 
lichen Carcinom, so dass jeder Unterschied gleich null ist. Davon zeigt 
9 einen ausgesprochenen Scirrhuscharakter. 

Im ganzen also, m. H., epitheliale, destruierende Schilddrüsen¬ 
tumoren von wechselnden histologischen Formen, jedenfalls teils von 
Typus des Adenocarcinoms oder von reinem carcinomatösen Bau. 

In den Publikationen von zwei Amerikanern, Marine und Lenhart, 
macht sioh nun in den letzten Jahren eine andere Auffassung geltend. 
Die Autoren sagen, dass es sich bei diesen Schilddrüsentumoren der 
Forellen nicht um ein Carcinom, sondern in allen Fällen um eine ein¬ 
fache hyperplastische Schilddrüse handelt. Die Verfasser sind 
zu dieser Auffassung auf einem Wege gelangt, der uns in Deutschland 
für die Erforschung der Frage nicht offen stand, nämlich auf dem bio¬ 
logischen. Sie unternahmen ihr Untersuchungsmaterial — gesundes 
und krankes — in allen Alters- und Entwicklungsstadien der Tumoren 
den Teichen ein- und derselben Züchterei. Sie erhoben dabei den Be¬ 
fund, dass eine gleichmässige „destruierende Schilddrüsenhyper¬ 
plasie“ bei allen von ihnen untersuchten Tieren bestand und dass 
ferner für die Entstehung dieser Schilddrüsenhyperplasie von ausschlag¬ 
gebender Bedeutung sei: 1. Die Ueberfütteruog der Fische, 2. die 
Uebervölkerung der Teiche mit Fischen und 3. damit im Zusammenhang 
stehend eine zu grosse Verunreinigung des Wassers. Weiter endlich 
stellten Marine und Lenhart fest — und das ist das Interessante —, 
dass diese Schilddrüsenhyperplasien regressiver Metamorphosen fähig 
seien, und zwar bildeten sie sich vollkommen zurück, wenn man I. die 
Futtermenge verringerte, 2. wenn man die Zahl der Fische in einem 
Teich herabsetzte, 3. wenn man die Fische in klares, besonders in 
fliessendes Wasser brachte und endlich 4. wenn man dem Wasser Jod 
zusetzte. 

Ihr Schluss ist der, dass die anatomische Struktur danach für 
die Diagnose des Carciooms bei diesen Tieren nicht ausreiche, und dass 
der Prozess wesentlich vom biologischen Standpunkt zu be¬ 
urteilen sei. 

Man wird hier bei dieser ganzen Frage, wie dies seinerzeit von 
Pick in rein morphologischem Sinne geschah, unwillkürlich zu dem Ver¬ 
gleich mit dem Mäusecarcinom gedrängt. Bei dem Mäusecarcinom wie 
bei dem Schilddrüsencarcinom sind die rein histologischen Bilder mit 
denen des menschlichen Carcinoms ohne Zweifel identisch; bei den 
Mäusecarcinomen besteht zwar oft eine deutliche Inkapsulierung, aber 
dooh andererseits zweifellos Metastasenbildung — bei Forellenfischen ist 
im Gegensatz zu anderen Kaltblütern eine Metastasenbildung noch nioht 
beobachtet worden —, aber dafür die energische Destruktionstendenz. 
Und doch sind die einen wie die anderen durch bestimmte Mittel zur 
Rückbildung zu bringen. 

Meines Erachtens sind aber gerade die genannten Charaktere 

— Destruktion und Metastasenbildung — in Verbindung mit dem be¬ 
kannten Bau der Tumoren bestimmend für die Diagnose des Carcinoms. 
Daran äadert die Möglichkeit einer Regression unter bestimmten Ver¬ 
hältnissen nichts, und wir müssen nach wie vor diese Neubildungen 

— unbeschadet der biologischen Besonderheiten — als Carcinom deuten. 

Diskussion. 

Hr. L. Pick: Die Auffassung der amerikanischen Autoren sämt¬ 
licher Schilddrüsentumoren bei den Salmoniden als „einfache Hyper¬ 
plasien“ geht viel zu weit. Sicherlich ist ein Teil, namentlich der 
kleineren, einfacher Kropf, auf den sich, wie P. schon früher hervor¬ 
gehoben hat, dann das Carcinom aufpfropft. In den Veröffentlichungen 
der amerikanischen Untersucher fehlen gerade diejenigen Bilder, die das 
Ueberraschende unter diesen Funden ausmachen: die mit dem Carcinom 
des Menschen und der Säugetiere identischen. Eine Deutung solcher 
Befunde als Produkte einer Atrophie und Cirrhose der Schilddrüse bzw. 
des Kropfes ist vollkommen unzulässig, da in P’s Fällen Tumoren von 
derartigem Bau sicherlich progrediente sohnellwachsende Geschwülste 
darstellen. 

Auch wenn, was noch keineswegs erwiesen ist, gemäss der Be¬ 
hauptung von Marine und Lenhart, alle diese Tumoren rück- 
bildungsfähig werden, so wäre dies lediglich ein biologischer Unter¬ 
schied gegenüber dem menschlichen Carcinom, etwa so, wie diesen auch 


die histologisch, typisch krebsig gebauten Mäuseoaroinome zeigen. So¬ 
lange überhaupt die Neubildungen nioht ätiologisch und nicht biologisch 
definiert und eingeteilt werden, soodern rein histologisch, müssen 
epitheliale destruierende Geschwülste von dem bekannten alveolären Bau 
als Carcinome bezeichnet werden, und in diesem Sinne ist an der 
Existenz eines Schilddrüseokrebses der Salmoniden kein Zweifel. 

Weiter sprachen zur Diskuszion: HHr. Weichei und Benda. 

5. Hr. C. Benin: 

Demonstration vom Limi£rekiliern verschiedener Blitparasitea. 

Diskussion; Hr. Knutb. 

Hr. L. Pick demonstriert Lumiereaufnahmen von Spirillen des 
Rüokfallfiebers beim Menschen, der Hühnerspirillose; Trypanosoms 
Gambiense und Lewisii; Babesia canis; Halteridium der ägyptisoben 
Haustaube und Malaria tertiana und tropica. 

6. Hr. Friti Meyer: 

Ueker die Histologie der experimentellen Diphtkerieintoxikation des 

Kaninchens. 

(Der Vortrag erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 


Sitzung vom 30. Oktober 1913. 

Vorsitzender: Herr Eber lein. 

Schriftführer: Herr Heller. 

1. Hr. Heinroth: 

Beohaehtugen über das Seeleilebei der EnteivÖgel. (Mit Lichtbildern.) 

(Bereits in den Verhandlungen des 10. internationalen Zoologen¬ 
kongresses zu Berlin 1910 erschienen.) 

2. Hr. Pfnnrst: 

Ueber neurotische nid psychotische Znstinde hei Affen. (Mit Vor¬ 
stellung kranker Tiere.) 

(Der Vortrag erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Schillings: Schreckerscheinungen, die sich wohl leicht zu 
Reflexen ausbilden, treten schon bei frisch gefangenen, namentlich jungen 
Affen (z. B. Pavianen) sehr leicht und schnell auf. Die Erektion bei 
einem männlichen Papio bei Anblick der weiblichen Hinterseite ist jeden¬ 
falls merkwürdig und vielleicht auf dieselbe Weise zustande gekommen, 
wie Potenz bei anderen Säugern, die oft an ganz bestimmte (oft merk¬ 
würdige) Bedingungen geknüpft ist. So soll in Frankreich ein Eselhengst 
nur dann Pferdestuten decken, wenn der Wärter eine weisse Schürte 
trägt (weil die Bäuerin, die ihn aufzog, eine weisse Schürze getragen 
hatte). 

Es wird ein Film in Berlin gezeigt, wo ein Cercopithecos seine Pfote 
in einen Kürbis (als Falle) steckt und — die Handmuskulatur nach Er¬ 
greifung einer Lockspeise innen zusammenziehend (eine Faust bildend) — 
nicht wieder imstande ist, sie zu öffnen und so gefangen wird. Kann 
das auf Wahrheit beruhen, so ist diese Meerkatze allerdings nicht im¬ 
stande, sich zu befreien, weil sie nicht auf die „Idee“ kommt, die Hand 
zu öffnen. Jedenfalls stebt aber die Intelligenz hochstehender Affen weit 
über der aller anderen Tiere. 

Hr. Rothmann: Ich hatte den Eindruck, als ob die krankhaften 
Bewegungen der hier gezeigten Affen ganz verschiedenartig waren. 
Während es sich bei zweien um wirklich krampfartige Zuckungen handelte, 
schien mir bei dem ersten das Greifen nach seinem Bein auf eine gewisse 
Sensibilitätsstömng, vielleicht ataktischer Art zurückführbar. 

Hr. Klingner: Ich habe den Nachahmungstrieb oft beobachtet, und 
zwar bei den Hagenbeck’schen Affen im Zirkus Busch. Ein Affe sab, 
dass der Dompteur sich puderte, er nahm sofort die Puderquaste und 
puderte sich in derselben Weise, wie der Dompteur. Der Affe zog die 
Remontoirubr auf. Beide Affen gingen auf meine Frau wütend los, als sie 
mit einem Pelz in das Zimmer trat, ebenso stürzten sie auf alle Leute 
los, die in den unteren Reihen des Zirkus mit Pelzsaohen sassen. 

Ausserdem beteiligten sich an der Diskussion die Herren Benda, 
v. Lucanus, Klingner, Wille. 

Die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder (Heller, Max Koch, 
Knuth) wurden durch Zuruf wiedergewählt. 


Sitzung vom 27. November 1913. 

Vorsitzender: Herr Robert Meyer. 

Schriftführer: Herr Heller. 

Hr. E. üppel (a. G.): Demonstration von Röntgenbildem eines Falles 
von Osteomalacie mit multiplen, timorartigen KnoehenzehweUnngen. 

Vortr. demonstriert einen Fall von Ostitis fibrosa deformans mit 
grossen Knocbeotumoren am Becken und beiden Femora. Es handelt 
sich um eine 39 Jahre alte Frau, die vor 12 Jahren wegen Epulis eine 
Resektion des rechten Unterkiefers durchmachte. Ihr Knochenleiden 
wurde akut während einer Gravidität im Jahre 1903. Es traten damals 
zunehmende Schmerzen namentlich in den Knochen des Beckens und 
beider Oberschenkel auf, unter heftigen Schmerzattacken kam es zu 
mehreren spontanen Frakturen der langen Röhrenknochen und zu der 
bis kindskopfgrossen Geschwulstbildung an beiden Femora und der 
rechten Darmbeinschaufel. Das Becken zeigt osteomalaoischen Typus, 
die Wirbelsäule eine hochgradige Skoliose, der Thorax ist hühnerbrust- 
artig vorgebogen. Die Tumoren werden naoh ihrer Struktur im Röntgen- 


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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1293 


bilde bei dem überaus chronischen Verlauf der Erkrankung’für gutartige 
Cystenbildungen gehalten, entsprechend der cystenbildenden Ostitis fibrosa 
deformans oder der metaplastischen Malade Recklinghausen’s. 

Diskussion. 

Hr. Robert Meyer bespricht die anatomischen Befunde bei Ostitis 
fibrosa, weiche einmal in einem der Osteomalacie ähnlichen Knochen- 
schwuode bestehen durch vermehrte lakunäre Resorption, Bildung per¬ 
forierender Kanäle und einfache Kalklösung (Halisterese). Die Meinungs- 
Tersohiedenheiten über die Beteiligung dieser 3 Arten von Knochen- 
scbvund beruhen ebenso wie bei Osteomalacie auf individuellen Ver¬ 
schiedenheiten der Fälle. Des weiteren ist typisch die Neubildung 
grösstenteils malerischen Knochens durch Osteomyelitis fibrosa, welche 
unter Verlust der Markzellen faseriges Bindegewebe liefert. Daraus ent¬ 
wickelt sich in verschiedener Menge osteoides Gewebe; die stärkere fibröse 
Wucherung erzeugt die tumorartigen Anschwellungen, in welchen teils 
regressive Prozesse (Erweichung), teils progressive („Riesenzellsarkom- 
bildung“) Vorkommen. 

Nach Schmorl’s Ansicht ist zwischen diesen Fällen und den Fällen 
von „Osteomalacie mit Riesenzellsarkomen“ kein Unterschied. 

Die von Herrn Sippel in den Röntgenbildern der Knochen gezeigten 
helleren Stellen sind nicht ohne weiteres als erweicht oder cystisch auf- 
xu/asseo; sie entsprechen den malacischen und fibrösen Knochenpartien. 

Die Stellen mit Riesenzellwucherungen sind makroskopisch bräunlich, 
und es ist anzunehmen, dass in der Tat schon vor 12 Jahren ein solcher 
Prozess im Unterkiefer bestand; v. Bergmann wäre es wohl nicht ent¬ 
gangen, wenn ein anderer Befund Vorgelegen hätte. 

Im übrigen entspricht der klinische Befund, insbesondere die ganz 
erhebliche Verschlimmerung des Leidens in der ersten Gravidität dem 
Bilde der Osteomalacie. Wir sind also weder anatomisch noch klinisch 
berechtigt, eine scharfe Trennung zwischen Osteomalacie und Ostitis 
fibrosa zu befürworten. 

Hr. Oskar Rosenthal: Ich möchte an den Herrn Vortragenden 
die Frage richten, ob der Urin dieses Falles auf Albumosen untersucht 
ist; difierentialdiagnostisch käme nach meiner Meinung nämlich noch 
multiples Myelom in Frage. 

Hr. 0. Meyer - Stettin berichtet über einen Fall von Ostitis fibrosa 
bei einer 48jährigen Frau, die im Anschluss an eine Geburt erkrankt 
wir. Der Prozess war hier am intensivsten an den Extremitäten knochen, 
deu langen Röhrenknochen sowohl wie der kurzen Knochen entwickelt, 
während Becken und Wirbelkörper (Schädel konnte nicht untersucht 
werden) relativ wenig beteiligt waren. Im Femur fanden sich beiderseits 
grosse Cysten. Die Corticalis der langen Röhrenknochen war diffus ver¬ 
dickt und ebenso wie die kurzen Knochen von braunen Herden durch- 
zetzt. Sämtliche Knoohen waren weich und leicht schneidbar. Stärkere 
Deformitäten oder Tumorentwickelung war nicht zu beobachten. Die 
histologische Untersuchung ergab, dass es sich um eine typische Ostitis 
fibrosa handelt. Io den rarefizierten Knochenbalken ist überall aus¬ 
gesprochene lakunäre Resorption durch Osteoklasten zu beobachten, die 
Knochenkörperchen sind überall gut entwickelt, breite kalk lese Säume 
fehlen, dagegen sind schmale osteoide Säume mit Osteoblasteubelag viel¬ 
fach vorhanden. An Stelle der resorbierten Kooohensubstanz findet sich 
besonders in den kurzen Knochen überall ein mehr oder weniger zell- 
reiches Bindegewebe. Auffallend ist die grosse Menge der Riesenzellen 
besonders in den braunen Stellen, an denen von Kooohensubstanz viel¬ 
fach überhaupt nichts mehr nacbzuweisen ist. 

Dar Fall ist besonders bemerkenswert, weil sich die Erkrankung 
hier bei einer Frau im Anschluss an eine Geburt entwickelt hat, was 
sonst nur von der Osteomalacie beschrieben ist. M. ist mit Schmorl 
wr Ansicht, dass eine scharfe Trennung von Osteomalacie und Ostitis 
fibrosa, wie v. Recklinghausen und die Kaufmann’sche Schule ver¬ 
langt, nicht dnrohzufuhren ist. 

•. ?. r ‘ ®°k er t Meyer bezweifelt, ob Myelome bei ähnlichem Krank- 
heitsbilde Vorkommen, welohes im vorliegenden Falle doch sicher osteo- 
oalacische Prozesse zur Voraussetzung habe. 

.. 2a bedauern, dass uns hier niemand mit Erfahrungen über 

nie Schnüflelkrankheit belehrt hat, welche bisher teils der Rachitis, teils 
j yrieomalacie zugerechnet wurde, uod nach neueren Untersuchungen 
legiera (bei Schmorl) ebenfalls eine der Ostitis fibrosa nahestehende 
Erkrankung ist; nur ist nicht so reichlich kalkloses Gewebe vorhanden. 
Aewologisch hat man Erkrankungen (Hyperplasie, Tumorbildung) eines 
Epithelkörperchens in Betracht gezogen, doch ist dieser sowohl bei Osteo- 
Sk ? e k®* Ostitis fibrosa und bei der Scbniiffelkrankheit gelegent- 
m e, hobene Befund zu inkonstant, um ätiologisch bereite verwertbar 


. 2. Irl. E. Weishanpft spricht a) über cystische Erweiterungen des 
tJJ #TI . ni M Meerschweinchen. Das im Hilus ovarii gelegene Rete 
eoenzo wie die intraovariellen Markschläuche, von älteren Autoren vom 
^ülechtsteil der Urniere hergeleitet, werden neuerdings wohl all- 
gtoaiu als Derivate des Keimepithels betrachtet. Beide finden sich 
unt 0< l er W6D *K er entwickelt resp. rückgebildet bei allen daraufhin 
wsuchten Haussäugetieren; beim Meerschweinchen sind sie stets in 
Nächtlicher Ausdehnung vorhanden und unterliegen, wie an Licht- 
J erD gezeigt wird, vielfach pathologischen Veränderungen. Das in der 
r J® *!“ Geflecht von netzförmig verzweigten, unregelmässigen epithe- 
dri , gen darstellende Rete und die in die Ovarialsubstanz vor- 
ogeuaen Markschläucbe weisen Dilatationen und cystische Verände¬ 


rungen auf, in die grosse Teile des Organs, einmal das gesamte Ovarium 
bis auf unbedeutende Reste, aufgegangen sind, wobei in diesem letzten 
Falle eine Vergrösserung des Eierstocks auf das Doppelte des normalen 
Volumens stattgefunden bat. An einem fibrös umgewandelten Ovarium 
werden von der Wand des Rete ausgehende bindegewebige, mit Epithel 
bekleidete Papillen demonstriert, die in die Lumina der Stränge binein- 
ragen; im Zusammenhang damit ist das Ovarium von epithelbesetzten 
Schläuchen und Cysten durchsetzt 

Diskussion. 

Hr. Robert Meyer demonstriert zur Vergleichung das Rete ovarii 
beim Menschen und die sich daran schliessenden Derivate der „Mark- 
sträuge“, deren Blastem beim Menschen im fötalen Leben unentwickelt 
bleibt, aber später meist kleine Cysten liefert, zuweilen auch adeno¬ 
matöse Wucherung. Diese „Markstränge“ sind homolog den Tubuli recti 
des Hodens und möglicherweise können sich gelegentlich auch darüber 
hinaus den Tubuli recti homologe Kanälchen im Ovarium bilden. Ein 
solcher glandulärer Hermaphroditismus liegt vermutlich gewissen Adenomen 
des Ovariums zugrunde, von denen ein Fall von Pick und ein zweiter 
von Schickeid beschrieben wurde als „Adenoma tubuläre ovarii testi- 
culare“. M. hat in 4 Fällen (Demonstration) solohe Adenome gefunden, 
von denen drei histologisch in Adeoocarcinome übergingen, Metastasen 
machten und zum Tode führten, das Schicksal des vierten ist unbekannt. 
Das Rete ovarii wird bei älteren Frauen stärker entwickelt gefunden; 
die sekundären Geschlechtscharaktere werden im Alter verändert. 

Frl. E. Weishanpt demonstriert b) experimentelle Deciduabildnng. 
In der Brunstzeit nach dem Wurf war bei einem Meerschweinchen das 
eine Uterushorn nach dem Vorgänge vonLeoLoeb mehrmals horizontal 
durchschnitten, das eine Segment longitudinal gespalten, die Schleim¬ 
haut möglichst evertiert worden. An den Einschnitten hatten sich nach 
9 Tagen erbsengrosse Knötchen gebildet. Das diese aufbauende Gewebe 
besteht aus Deciduazellen mit epithelioidem Kern und Protoplasmamantel, 
unregelmässig geformten Bluträumen, zahlreichen Capillaren und einigen 
Drüsengängen. An der Grenze zwischen Uterus und neugebildetem Ge¬ 
webe finden sich vereinzelte mehrkernige Riesenzellen, in den decidualen 
Zellen reichlich Glykogen, rnfiltrationszellen in den verschiedenen Knötchen 
in verschiedener aber nirgends beträchtlicher Menge. Weitere Versuche 
ergaben, dass nach vorhergehender oder gleichzeitiger Exstirpation der 
Ovarien die decidualen Bildungen nicht auftraten, woraus zu folgern ist, 
dass nicht nur die innersekretorischen Ovarialstoffe, die Hormone, zu 
ihrem Aufbau nötig sind, sondern weiter, dass diese Stoffe sehr rasch 
aus dem Körperhaushalt verschwinden. 

Leo Loeb hat Decidua bei Meerschweinchen als Folge verschiedener 
Versuchsanordnungen, auch durch Einlegen von Glasröhrchen, Platin¬ 
drähten usw. entstehen sehen und diese Bildungen als Placentome be¬ 
zeichnet, ein Name, der von der Vortr. abgelehnt wird, da er bereits in 
der normalen Anatomie bei Wiederkäuern für Karunkel der Uterus¬ 
schleimhaut festgelegt ist, in welche Chorionzotten hiaeinwachsen, und 
da überdies diese decidualen Bildungen nicht als Tumoren aufgefasst 
werden können. 

Diskussion. 

Hr. Robert Meyer hat kürzlich eine Arbeit über „ektopische“ 
Deciduabildung, d. h. Decidua au ungewöhnlichen Stellen veröffentlicht, 
in welcher er den Nachweis zu führen versuchte, dass hierbei das deoidual 
sich umwandelnde Gewebe vorher verändert, war durch vorauf gegangene 
oder noch bestehende chronische Entzündung. Er hatte beim Citieren 
einer Arbeit von Acosta (bei Askanazy) irrtümlich angegeben, dass 
dieser eine Spannung der Gewebe als Ursache der Deoiduabildung an¬ 
gegeben habe; die Spannung sollte nur mittelbar Ursache sein, sie sollte 
infolge der Gewebsschwellung am Dorsum uteri und am Ovarium auf- 
treten und stellenweise Dehiszenz des Gewebes an der Oberfläche zur 
Folge haben. 

Durch diese der in Loeb’s Experiment gleichkommende Entspannung 
sollte das Gewebe zur Deciduabildung geeignet werden. M. hat nun 
aDgefangen, beim Meerschweinchen durch Einritzung der Serosa uteri 
des graviden und brünstigen Tieres die von Acosta vorausgesetzte Ur¬ 
sache nachzuahmen, ohne jedoch Deciduabildung zu erzielen. Die Ver¬ 
suche werden fortgesetzt und zugleioh versucht, chronische Peritonitis 
hervorzurufen. Bisherige Versuche, auch die von Loeb, hatten keinen 
Erfolg. Beim Menschen sprechen zahlreiche Einzelheiten zugunsten der 
Annahme einer entzündlichen Ursache bei der Entstehung der ektopi¬ 
schen Decidua. F 

Hr. Aschheim fragt an, ob auch bei Kaninchen Versuche gemacht 
sind. Er hat versucht, durch Injektion von Hartparaffin in ein Uterus¬ 
hora beim Kaninchen Deciduabildung hervorzurufen, jedoch ohne Erfolg 
Das Paraffin lag bei der Sektion der Tiere unverändert der ebenfalls 
unveränderten Schleimhaut auf. 

3. Hr. Robert Meyer: 

Zar Vergleichung der embryonalen Hewebgeinseblüsse nid Gewebs 
Anomalien bei Tier nnd Mensch. 

Während beim Menschen, insbesondere durch die Untersuchungen 
von M., zahlreiche embryonale Gewebsanomalien bekannt geworden sind 
fehlen solche Befunde bei Tierlöten noch sehr zu einer ausgiebigen Ver¬ 
gleichung. Um solche Arbeit anzuregen, demonstriert M. eine Auswahl 
seiner Befunde in Lumiere-Mikrophotogrammen. 

Er unterscheidet: a) normale und abnorme Persistenz; letztere 
liegt vor, wenn Gewebe oder Organteile des embryonalen Lebens welche 


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I2j)4 BERLINER KLINISCHE W OCHENSCHRIFT . __ ^ Nr. 27. 


normalerweise zugrunde gehen, teilweise oder ganz itn postfötalen Leben 
bestehen bleiben; es fehlt ihnen die notwendige funktionelle Verwendung. 
Solche Gewebe persistieren bei Entwicklungsvorgängen, welche stammes¬ 
geschichtliche Betriebsänderungen (Centralisation usw.) zur Ursache 
haben. Persistenz von Kommunikationen, Ausführgängen, rudimentär 
angelegten Organen. 

b) Heteroplasie: Ortsungehörige Entwicklung von Gewebsarten, 
die meist einen Atavismus bedeuten, einen Rückschlag in der Richtung 
der Stammesgesohichte. „Die prospektive Potenz der Gewebe ist viel¬ 
seitiger als die prospektive Bedeutung.“ Von zwei Differenzierungs¬ 
möglichkeiten wird eine nur verwirklicht. Die ortsungewöhnliche Ver¬ 
wirklichung nennt man Heteroplasie. Eine Umkehr nach dem Einschlagen 
der ortsgewöhnlichen Gewebsentwicklung gibt es nicht, ebensowenig eine 
solche ortsungewöhnlicher; nur durch Verdrängung, Atrophie kann nach¬ 
träglich eine Veränderung eintreten. Am bekanntesten sind die Magen¬ 
schleimhautinseln im Oesophagus und das accessorische Pankreas. Die 
auslösenden Momente siud neben bestimmten Wuchsstoffen auch statische 
Bedingungen (Divertikelbildung usw.). 

Pathologische Auslösung ist auch denkbar z. B. bei Knorpelbildung 
in Cystennieren, doch ist die Stellung solcher Anomalien noch nicht der 
Beurteilung zugängig. Zum Unterschied von dieser „Heteroplasie“ ge¬ 
nannter Anomalien der Differenzierungsriohtung werden Ab¬ 
weichungen des Differenzierungsgrades bezeichnet als: 

c) Anomalien der Gewebsreifung oder graduelle Differenzierungs¬ 
anomalien: a) Unterdifferenzierung, Unreife, also eine Hemmung 
der GewebsreifuDg; ß) Ueberdifferenzierung, Ueberreife (Prosoplasie). 
Jedes Gewebe erreicht einen bestimmten Differenz!erungsgrad, welcher 
für den bestimmten Platz typisch ist; die Abweichungen des orts- 
gewobnten Reifegrades sind 1. die Unreife, welche später noch ausge¬ 
glichen werden kann; sie betrifft einige drüsige Organe, deren periphere 
Zone die jüngste ist (Ovarien, Testes, Nieren), und 2. die Ueberreife, 
z. B. Hornepithel statt Plattenepithel. Die Ueberreife kann physio¬ 
logisch sein, wenn Wuchsstoffe aus dem mütterlichen Blute dem fötalen 
Organismus zugeführt werden, die er selbst nicht produziert und auch 
in derKiodheit noch entbehrt. Unter dem Einflüsse solcher „protektiver“ 
Stoffe (wahrscheinlich vom mütterlichen Ovarium, Haibau) entsteht 
z. B. Schleimepithel im uterinen Cervikalkanal, welches im kindlichen 
Uterus atrophiert und von eindringendem Piattenepithel der Portio unter¬ 
miniert und abgestossen wird. 

d) Abnorme Abschnürung. Unter diesem allgemeinen Begriffe 
werden eiue Reihe verschiedenartigster Gewebsanomalien zusammenge¬ 
fasst: aktive, passive Abschnürung, illegale Zell Verbindung, abnorme Zu¬ 
sammensetzung oder Quantitätsanomalien und Abschnürung im engeren 
Sinne. 

Wegen vorgerückter Zeit wird dieser Teil des Vortrages vertagt. 


Berliner Gesellschaft für Chirurgie. 

Sitzung vom 22. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Körte. 

Schriftführer: Herr Hildebrand. 

1. Hr. P. Rosess lein: 

Behandlung der fortschreitenden Thrombophlebitis im Femoralis- 
gebiet. 

Vortr. gibt zunächst einen historischen Ueberblick und geht von 
den beiden entgegengesetzten Anschauungen aus: während Trendelen¬ 
burg es kühn wagte, die Thrombose der Arteria pulmonalis operativ 
anzugreifen, wurde immer wieder von anderer Seite eindringlich davor 
gewarnt, an entzündlich verschlossene Gefässe heranzugehen, bis 
W. Müller - Rostock seit 1902 wieder begann, varicöse Entzündungen 
der unteren Extremität operativ zu behandeln, ln der Ohrenheil¬ 
kunde wirkte Zaufahl 1884 bahnbrechend, indem er bei Sinusthrom¬ 
bose die Unterbindung und die Ausräumung des Thrombus mit Erfolg 
ausführte, so dass Viereck 1901 von 60 bis 70 pCt Heilungen der 
sonst tödlichen Erkrankung berichten konnte, ln der Gynäkologie 
gingen Trendelenburg, Freund und Bumm voran durch Unter¬ 
bindung der Vena hypogastrica jenseits der Thrombose. Gluck unter¬ 
band 1896 bei septischer Thrombophlebitis die Vena saphena magna, 
Brunner 1907 eine Mesenterialvene bei Thrombose, Wilms 1909 bei 
eitriger Appendicitis und Thrombophlebitis, später Braun - Zwickau die 
Vena ilio-colica. Das grösste Kontingent der Thrombosen stellt die 
Vena femoralis, die Müller-Rostock, wenn die Entzündung der 
Sapbeüa auf die Femoralis übergegangen, anfangs innerhalb der Ent¬ 
zündung, seit 1909 höher obeD, im Gesunden, mit Erfolg unterband. 
Ihm folgten Küster, A. Becker, Schwarz, Hosemann - Rostock. 
Da tödliche Embolien aus der Vena saphena beobachtet worden sind, so 
unterband man sie, aber auch, bei primärer Verstopfung, die Vena femo¬ 
ralis. 

Vortr. berichtet nun über 4 Fälle, von denen der erste, nicht ope¬ 
rierte, &q Embolie zugrunde ging und so zur Warnung diente und zum 
Ansporn, in anderen Fällen rechtzeitig zu unterbinden. Es handelte 
sich um einen 27jährigen Mann mit septischer Phlegmone und Absoess 
des ganzen Unterschenkels, tiefer, bis auf den Knochen gehender Phleg¬ 
mone, thrombophlebitischem Abscess der Leistenbeuge. Nach tiefen In¬ 
zisionen erfolgte zunächst scheinbare Heilung, 14 Tage jedoch nach dem 
Aufsteben Collaps mit blutigem Erbrechen und blutigem Stuhl, schliess¬ 


lich Tod durch Thrombose der Vena cava inferior. Die drei anderen, 
geheilten Fälle waren: 1. ein 54jähriger Patient mit Krampfadern, 
fieberhafter Schwellung des Beins, Thrombose der reohten Vena iliaoa 
externa bis 15 cm oberhalb des Ligament. Pouparti. Ligatur, Exstir¬ 
pation der thrombosierten Vene; 2. septische Mastitis 4 Woeben post 
partum, Thrombose der Vena femoralis, hohe Temperatur. Operation: 
Freilegen der Vene bis zur Teilungsstelle der Vena iliaca communis, 
Exstirpation des ganzen thrombosierten Teils der rechten Iliaca interna. 
Heilung; 3. Phlegmasia alba dolens, rechtes Bein Ödematös geschwollen. 
Nach einer Woche schwillt auch das linke Bein an. Freilegen und 
Exstirpation des thrombosierten Abschnittes wie im vorigen Falle. 
Heilung. 

Ueber die Technik ist noch zu sagen, dass zunächst durch vor¬ 
sichtiges Tasten festgestellt wird, wie hoch die Thrombose hinaufgeht; 
alsdann wird oberhalb eine Klemme angelegt, die später durch eine 
Ligatur ersetzt wird. Man könnte nun des weiteren wählen, ob man 
nur unterbindet, oder, wie Latz ko vorscblagt, den Thrombus inzidiert 
oder das thrombosierte Stück total exzidiert. 

Vortr. rät jedoch dringend, so hoch als nötig, auf jeden Fall 
also im Gesunden zu unterbinden und das thrombosierte 
Stück zu exstirpieren. 

Auf eine zu befürchtende Gangrän braucht man nicht Rücksicht zu 
nehmen, da auch ein Thiombus das Gefäss so gut wie ganz verschliesst 
Jedenfalls ist zuzugeben, dass bei zu früher Unterbindung sich noch 
kein Collateralkreislauf ausgebildet hat. Jedoch steht es fest, dass die 
Gefahr einer Embolie, die Thrombose in einer zweiten Vena saphena 
(Fall von Anschütz - Kiel) und die Thrombose, ausgehend von der 
Ligaturstelle selbst am sichersten durch eine Unterbindung im Gesunden 
vermieden werden. 

Diskussion. 

Hr. Körte berichtet über einen Fall von Thrombose im Puer¬ 
perium, in dem er den thrombosierten Venenstrang exstirpierte. Die 
Patientin, der es zunächst recht gut ging, starb dann aber infolge 
Weiterscbreitens des entzündlichen Prozesses. 

Hr. E. Unger hatte in seiner Klinik öfter Gelegenheit, Unter¬ 
bindungen bei Thrombosen zu sehen, die von Gynäkologen ausgeführt 
wurden; es handelte sich um die Vena saphena, hypogastrica, iliaca 
communis, cava inferior, ln einem Falle, in dem die Vena cava (bei 
Thrombose der Vena iliaca communis dextra) unterbunden wurde, ergab 
die Sektion, dass die Thrombose in einen Seitenast der Vena iliaca 
communis sinistra übergegangen war. 

Hr. Rosenstein hält es für wabrscheinlicb, dass bei Exstir¬ 
pation des ganzen thrombosierten Abschnittes dieser unglückliche Ver¬ 
lauf hätte vermieden werden können. 

2. Hr. Sonnenbarg: 

Vom 4. internationalen Kongress für Chirurgie and dem Kongress 
der American snrgical associatioa New-York, April 1914. 

Vortr., der als Delegierter für Deutschland dem 4. Kongress der 
internationalen Gesellschaft für Chirurgie in New-York beiwohnte, be¬ 
richtet über den unter dem Vorsitz von Depage tagenden Kongress, 
über seinen Verlauf, Teilnahme usf. Ueber die Organisation, die Vor¬ 
träge des einige Tage früher stattgefundeuen amerikanischen Kongresses 
macht Vortr. gleichfalls Mitteilungen. Er bespricht die Entwicklung der 
Chirurgie in Amerika, die Bedingungen, unter denen die amerikanischen 
Kollegen arbeiten, die Art des Krankenmaterials, die Einrichtung der 
Kliniken, Krankenhäuser, die reich ausgestatteten Institute und Labora¬ 
torien, wie er dieselben auf der Rundfahrt durch Nordamerika kennen 
lernte. 

Der nächste, 5. Kongress der internationalen Gesellschaft für Chir¬ 
urgie wird in Paris 1917 unter Leitung des Amerikaners Keeu statt- 
fioden. Die Tagesordnung umfasst: Herz- und Gefässchirurgie, Radium- 
und Röntgenbehandlung der Tumoren, Blutuntersuchungen und biologische 
Reaktionen, Frakturen des Unterschenkels und des Fussgelenkes. 

Diskussion. Hr. Frankel bat gleichfalls die chirurgischen Ein¬ 
richtungen der Amerikaner kennen gelernt, auch die Brüder Mayo 
besucht. Er betont, dass trotz des etwas theatralisch scheinenden 
Aeusseren (Verteilen gedruckter Programme) bei ihnen durchaus wissen¬ 
schaftliche Strenge und Sachlichkeit vorwalten. Auch sei der oft be¬ 
hauptete chirurgische Massenbetrieb eine Fabel, da nicht 2, sondern 
6 Chirurgen dort arbeiteten, die täglich zusammen etwa 20 Operationen 
ausführten. 

3. Hr. Nenmann: Cystinsteine und Cystinarie. 

Er berichtet über 2 Fälle von Cystinsteinen, deren Vorkommen 
äusserst selten, nach grösseren Statistiken nur 4,5—4,6 pM. ist. 

Fall 1. 24jähriges Mädchen, das zuvor keine Beschwerden, keine 

Zeichen einer Harnkrankheit batte, erkrankte November 1913 mit Schmerzen 
in der rechten Bauchseite. Fühlbarer, faustgrosser Tumor im rechten 
Hypocbondrium. Im Urin sechseckige Kristalle (Cystin) und Brief kuvert¬ 
form. Auf dem Röntgenbild war ein Stein nicht zu sehen, weil leider 
eine Patientenverwechslung stattfand. Mit Collargolfüllung wurde er 
sichtbar. Am 27. Januar Pyotomie, Cystinstein (bernsteinfarbenes Aus¬ 
sehen!) im Nierenbecken. Eitrige Entzündung der Niere, Spaltung, 
Drainage. Da trotz guter Wundheilung die Klagen der Patientin bestehen 
blieben, mussten sie auf Cystinurie bezogen werden. Die Cystinmenge 
betrug 0,15—0,16 pro die. Bei vegetarischer Kost schwanden die Kristalle, 
die Beschwerden jedoch nicht, die aber bei gemischer Kost »ich aucn 
nicht vermehrten, Als nach K1 emperer und J acoby Natron bicarbonicuro 


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fl. Juli 1914. 


BftftLlftfefe KllftlSCBB frOCflftftSCfltllgt. 


in grossen Dosen gegeben wurde, wurden die Cystinkristalle geringer, 
daneben traten aber reichlich Phosphate auf. 

Fall 2. 3jähriger Knabe, dessen Vater an Phthise litt, und der 
dreimal Lungenentzündung durchmachte, was vielleicht ätiologisch in 
Betraoht kommt. Im Urin war Blut, das Röntgenbild zeigte einen Stein 
in der Blase, der durch Sectio alta entfernt wurde. In der Familie des 
Knaben war übrigens keine Cystinurie festzustellen. (Demonstration 
der Steine.) 

Diskussion. 

Hr. P. Rosenstein hat vor 8 Jahren eine Patientin operiert, deren 
Niere nur einen sohlaffen Sack, ausgefüllt von 45 Cystinsteinen, darstellte. 
Die Patientin lebt heute noch, zweimal hat Vortr. die Schwangerschaft 
unterbrochen, das dritte Mal wurde ein Kind ausgetragen. 

Hr. Körte demonstriert einen Cystinstein (Ausguss des Nieren¬ 
beckens) von einem Patienten, bei dem Wilms früher einen Blasenstein 
entfernt hatte. Holler. 


Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene nnd Medizinalstatistik 
zu Berlin. 

Sitzung vom 23. April 1914. 

Vorsitzender: Herr Gottstein. 

Schriftführer: Herr Crzellitzer. 

Tagesordnung. 

Hr. Mayet: Die Sicherung der Volksvermehrang. 

Die Sicherung der Volksvermehrung ist nicht gleichbedeutend mit 
der Geburtenzahl. Sie kann auch bei gleichbleibender oder wenig zurück¬ 
gebender Geburtenzahl durch vermehrte Erhaltung der Geborenen herbei- 
geführt werden. Vortr. will eine gewisse Schätzung über die Grösse des 
Effektes der verschiedenen Maassnahmen aDstellen, wenn diese, die im 
Kleinen schon erprobt, im grossen Maassstabe durcbgeführt werden. Sie 
lassen sich in 6 Gruppen zusammenfassen. Die erste bezieht sich auf 
das Wochenbett, die zweite auf Erhaltung und Aufbringung der unehe¬ 
lichen Kinder, die dritte auf die Entwicklung der Jugend überhaupt, die 
vierte auf die Vermehrung der Ehen, die fünfte auf die Bokämpfung der 
Kein-Kind-, Eio-Kind- und Zwei-Kinderehen, die sechste auf die Er¬ 
leichterung der Aufbringung und Aufziehung überhaupt und namentlich 
jener der kinderreichen Eben. 

Die Maassnahmen, welche sich auf das Wochenbett beziehen, um¬ 
fassen die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, Mutterschaftsversiche- 
rnng und Reform des Hebammenwesens. Durch die Bekämpfung der 
Säuglingssterblichkeit Hessen sich leicht noch 150 000 Todesfälle er¬ 
sparen. Die Mutterschaftsversicherung würde bei einer Kasse von 
100000 Mitgliedern bei 36 Geburten pro 1000 der Bevölkerung ungefähr 
1082400 Mark kosten, d. h. 1,55 Mebrbeitrag. Die Hebammenreform, 
venn sie eine genügende Ausbildung und ein hinreichendes Mindestein¬ 
kommen bringen soll, erfordert jährlich 40 Millionen Mark aus öffent¬ 
lichen Geldern. Um die Bruststillung zu fordern, müssen Stillstuben, 
Öffentliche und in Fabriken, eingerichtet werden. 

Die Maassoahmen zum Schutz und zur sicheren Aufbringung und 
Erziehung der unehelichen Kinder sind nur in einigen Grossstädten in 
genügender Weise ausgebaut. StaatsanstalteD, wie in Ungarn, Frank¬ 
reich und England, fehlen. In Eogland besteht ausserdem eine staatlich 
unterstützte Ueberführung der „Staatskinder“ nach Kanada, wo vertrauens¬ 
würdige Farmerfamilien sie aufnehmen. 

„ Vortr. wünscht Heime für alleinstehende Mütter mit Kind unter 
ärztlicher Aufsicht und Leitung einer in der Säuglingspflege bewanderten 
Schwester für 10—25 Frauen, womöglich in Verbindung mit einer Still¬ 
stube zu errichten. Durch diese Heime, die sich leicht selbst erbalten 
köDDen, würde dem Zieh- und Hältekinderwesen und gleichzeitig dem 
Schlafgäogerwesen Abbruch getan. Es Hesse sich durch die bessere 
Fürsorge bei den Unehelichen eine weitere Ersparnis von 8500 Todes¬ 
fälle im Jahr erzielen. 

Die wichtigste Maassregel für die Ertüchtigung der Jugend überhaupt 
Jst die Einführung und obligatorische Durchführung der Familienversiche- 
Jiug durch die Krankenkassen, daneben die grössere Unterstützung der 
Krippe, Schulspeisung, Walderholungsstätten, Ferienkolonien, der Ge- 
K! 1 , 6 ?* ^ er Erholung im Freien usw. durch die Kommunen. Von den 
«Millionen Kindern Hessen sioh 3 Millionen der schwächlichen und 
touken Kinder zu gesunden und kräftigen Menschen machen. 

Zur Vermehrung der Ehen dient die Aufhebung des Zölibats der 
«enrerinnen und Beamtinnen. Der Zuwachs an Kindern würde 3 vom 
“ändert betragen. Die unentgeltliche Behandlung der Geschleehts- 
raniheiten würde die Zahl der Kein-, Ein- und Zweikindeben ver- 
niDdern, desgleichen die Prämiierung der dritten, vierten und noch 
*°Mr gebürtigen Kinder. 

Zur Erleichterung der Aufbringung und Aufziebung der Kinder im 
K®« einen dient die Bekämpfung des Wobnungselends, durch den Bau 
K Wohnungen, Reform des Hypothekenwesens, die innere 

omsation durch Besiedelung der Moore und Oedländereien, deren Er- 
säLitü! J^DOOO Tonnen Roggen, über 900 000 Tonnen Hafer, 
^rechnet ^ nnen Kart °ff e,n und 686 000 Tonnen Lebendgewicht Fleisch 

kä,^ e Göldbeaohaffung ist folgendes zu sagen: Für die Be- 
Wfii k ^ er Säuglingssterblichkeit durch Mutterschaft»- und Familien- 
«Merung bringen die Krankenkassen die Mittel auf. Die Wohnungs- 


1296 


Teform und die innere Kolonisation lässt sich auf dem Wege des Kredits 
durchführen. Die Summe für die Hebammenreform, die unentgeltliche 
Behandlung der Geschlechtskrankheiten, überhaupt für alle verschiedenen 
Maassnahmen zur Ertüchtigung will Vortr. duroh die Jugendfondssteuer 
in Form einer Einkommensteuer aufbringen, die von 112 000 Zeasiten 
mit einem Einkommen über 3000 in verschiedenen Abstufungen, je nach 
der Zahl der Kinder usw. entrichtet werden soll. Den Ertrag schätzt er 
auf jährlich 128 Millionen. J. Lilienthal. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater- 
ländische Kultur zu Breslau« 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 6. März 1914. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Hr. Minkowski demonstriert: 1. einen Fall von Akromegalie mit 
Neurofibromatose. 

Der Fall ist bereits 1912 von Wolfsohn und Marcuse in der 
Berliner klin. Wochenschrift, 1912, Nr. 49, beschrieben, wobei ein aus 
der Haut exzidierter Geschwulstkuoten als Neurofibrom festgestellt wurde. 
Seitdem hat die Einschränkung des Gesichtsfeldes nooh weiter zugenommen, 
ebenso die im Röntgenbilde nachweisbare Erweiterung der Selia turcioa. 
Es besteht jedoch keine typische, bitemporale Hemianopsie. Das akro- 
megalische Wachstum macht sehr langsame Fortschritte. Es handelt 
! sich höchstwahrscheinlich um die Lokalisation eines Neurofibroms iu der 
I Nähe der Hypopbysis. 

2. Ein Fall von Riesenwuchs mit akromegalischem Typus. 

Auch dieser Fall ist bereits 1900 von C. S. Freund in der AUgem. 
Zschr. f. Psych., Bd. 60, S. 234, veröffentlicht. Bis zu seinem 23. Lebens¬ 
jahre erreichte der Mann eine Körperlänge von 205 cm, dann ist er nicht 
mehr gewachsen. Im Gegensatz zu dem zuerst vorgestellten Patienten, 
der, abgesehen von sonstigen Störungen, die wahrscheinlich durch mul¬ 
tiple Geschwulstbildungen im Centralnervensystem bedingt sind, über 
zunehmende Körperscbwäche klagt, zeichnet sich der zweite durch ausser- 
gewöhnliche Körperkräfte aus. Er ist von Beruf Ringkämpfer. Auch 
bestehen bei ihm keine Sehstörungen. Doch ist er jetzt an Tuberkulose 
erkrankt. 

Hr. Uhtboff stellt 2 Fälle von Hypophysistumoren vor, welche be¬ 
merkenswerte Einzelheiten bieten. Der erste Patient, 21 Jahre alt, ist 
schon seit 15 Jahren in Beobachtung. Er gehört in die Gruppe der 
Dystrophia adiposo-genitalis und Vortr. hat schon gelegentlich der 
Vorstellung dieses Falles in der medizinischen Sektion 1901 auf den 
. Zusammenhang dieser dystrophischen Störungen mit Hypophysistumoren 
hingewiesen. Ueberdies ist bemerkenswert, dass Patient, der jetzt 
250 Pfund wiegt, seit 14 Jahren den kleinen Rest seines Sehvermögens 
im Sinne einer temporalen Hemianopsie unverändert behalten hot bei 
Amaurose des 2. Auges. Atrophische Verfärbung der Pupillen. Eine 
Operation würde hier seinerzeit nicht angebracht gewesen sein. 

Der zweite Fall betrifft einen 17jährigen Patienten, der seit dem 
10. Lebensjahre vollständig im Wachstum stehengeblieben ist bei weit 
vorgeschrittener Sebstörung im Sinne einer temporalen Hemianopsie auf 
dem einen Auge und Amaurose (seit Jahren) auf dem zweiten mit 
atrophischer Verfärbung der Papillen. Der Habitus des 17 jährigen ist 
auch jetzt derjenige eines 10 jährigen Knaben. Fehlen der Behaarung 
an den Pubes und in den Achselhöhlen, sowie der Schweisssekretion der 
Haut usw. 

Vortr. weist auf die relative Seltenheit dieser Fälle von reinem 
Zwergwuchs bei Hypopbysisaffektionen hin und zeigt auch die Bilder 
eines früheren Falles. Der Röntgenbefund ist sehr markant, die Sella 
turcica sehr erweitert und deutlich von einem Tumor (wohl verkalkt) 
ausgefüllt. Auch hier wird die Frage der Operation lediglich davon ab- 
hängen, ob die genaue Beobachtung einen weiteren Verfall des Sehrestes 
ergibt. Im letzteren Falle muss zur Operation geraten werden. Beim 
Stationärbleiben der Sehstörung möchte Vortr. nicht zur Operation raten 
da eine Besserung des Sehens wohl nicht zu erwarten steht und au den 
dystrophischen Störungen nichts geändert werden würde. 

Diskussion. 

Hr. Minkowski macht auf die Verkümmerung der Genitalien und 
das Fehlen der Behaarung bei dem ersten Falle aufmerksam. Es bandelt 
sich um einen sehr charakteristischen Fall von hypophysärer Dys¬ 
trophia adiposo-genitalis. Da man diese aut einen Unterfunk' 
tionszustand der Hypophysis bezieht, so sollte man a priori von einer 
Operation in solchen Fällen kaum eine besondere Wirkung erwarten 
doch sind von Schloffer, v. Eiseisberg u. a. erfolgreiche Operationen 
mitgeteilt. Man hat angenommen, das9 es sich bei diesen um eine 
Entlastung der Hypophysis von einem ihre Funktion störenden Drucke 
gehandelt hat. Die Indikation zur Operation kann in solchen Fällen 
nur durch die Hirndruckerscheinungen gegeben sein. Vortr. beobachtete 
vor kurzem einen Knaben, bei dem im Laufe von 2 Monaten die Er¬ 
scheinungen eines rasoh wachsenden Hirntumors (Stauungspapille, Ein¬ 
schränkung des Gesichtsfeldes, Lumbaldruok von 600 mm) neben einer 
ganz akut entstandenen Fettsucht aufgetreten waren. Eine vorgeschlagone 
Operation, die hier durch das rasche Wachsen der Geschwulst indiziert 
war, wurde leider verweigert. 

Es gilt übrigens nooh als unentschieden, ob die dystrophischen 


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1296 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


Störungen als eine direkte Folge der Funktionsstörung der Hypophysis 
anxuseben seien, oder ob sie nur indirekt durch die von der Hypopbysis 
ausgehende Entwicklungshemmung der Reimdrüsen bedingt sind. 

Wenn übrigens Herr Uhthoff der erste gewesen ist, der auf das 
Vorkommen der Dystrophie bei Erkrankungen der Hypopbysis aufmerksam 
gemacht hat, so könnte Vortr. für sich die Priorität für die Annahme 
eines Zusammenhanges der Akromegalie mit Funktionsstörungen der 
Hypophyse in Anspruch nehmen. Er hat bereits 1887 in der Berliner 
klin. Wochenschrift, Nr. 21, auf diese Möglichkeit hingewiesen, während 
Marie, der 1886 zuflrst das Krankheitsbild der Akromegalie beschrieben 
hat, erst mehrere Jahre später ihre Beziehungen zur Hypopbysis be¬ 
gründet hat. In Anbetracht der grossen Verdienste, die zweifellos Marie 
auf diesem Gebiete zukommen, hat aber Vortr. darauf verzichtet, die 
Priorität für seine Annahme geltend zu machen. 

Hr. Alzheimer hält den 2. Fall des Herrn Minkowski für Hypo¬ 
physenerkrankung. 

Hr. Serog: Der von Herrn Minkowski demonstrierte Patient mit 
Neurofibromatose der Haut und Hypophysiserscheinungen ist vor einigen 
Wochen untersucht worden. Es waren damals ausser den auf die Hypo¬ 
physe weisenden noch eine Reihe anderer cerebraler Symptome vorhanden, 
vor allem solche, die für eineo Tumor des Kleinhirnbrückenwinkels 
sprechen: Ausgesprochene cerebellare Ataxie mit Neigung nach links zu 
fallen, ferner (von otologischer Seite konstatiert) linksseitige labyrinthäre 
Unerregbarkeit und nervöse Schwerhörigkeit auf der linken, in geringerem 
Grade auch auf der rechten Seite. 

Naoh den damaligen Befunden habe ich es für wahrscheinlich ge¬ 
halten, dass es sich um Neurofibrome an der Hypophyse und am Klein¬ 
hirnbrückenwinkel, möglicherweise aber auch noch an anderen Stellen 
des Gehirns handelt. Dafür würde auch sprechen, dass gerade Neuro¬ 
fibrome am Kleinhirubrückenwinkel häufig siud, uDd dass man überhaupt 
bei der allgemeinen Neurofibromatose der Haut, wie sie in diesem Falle 
vorliegt, auch im Gehirn öfters multiple Neurofibrome beobachtet. 

Hr. C. S. Freund: In dem von Herrn Minkowski vorgestellten 
Riesen erkenne ich den Mann, den ich im Dezember 1900 in der 
79. Sitzung des Vereins ostdeutscher Irrenärzte in dem Demonstrations- 
vortrage „Ein Fall von Riesenwuchs und ein Fall von Akromegalie“ 
(Autoreferat in der Zsohr. f. Psych., Bd. 60, S. 284 ff.) vorgestellt habe. 

Seitdem habe ich den Mann nicht gesehen. Ich habe den Eindruck, 
dass in der Zwischenzeit die Unterkiefer noch länger geworden sind. 
Ausserdem fallen mir Osteopbytenbildungen an den Stirnknochen auf. 
Ich schliesse mich deshalb der Ansicht des Herrn Alzheimer an, 
dass in diesem Falle eine Affektion der Hypophyse vorliegt, wenn auch 
andersartig wie bei der typischen Akromegalie. 

Schon vor 13 Jahren zählte ich ihn unter die Kategorie der Stern- 
berg’sohen pathologischen Riesen. Er hatte vereinzelte akromegalische 
Stigmata und zwar einen abnorm langen, absteigenden Uoterkieferast 
(13‘/2 o®). eine 16 cm lange und auffallend breite Nase, starke Ver¬ 
dickungen an einzelnen Rippen, eine sehr grosse Spannweite 223,5 cm 
bei 198 cm Körperlänge. Die Hände selbst waren (auch auf der Röatgen- 
photographie) normal gestaltet. Der ganze Körper machte einen wohl¬ 
proportionierten Eindruck (222 Pfd. Gewicht). Der Befund von Seiten 
des Nervensystems war absolut negativ. An den Augen normale Gesichts¬ 
felder, normaler Spiegelbefund. 

Hr. Tietze: Trepanationei. 

M. H.! Wir haben vor 8 Tagen den schönen, auf zahlreiche 
Erfahrungen gegründeten Vortrag von Herrn Alzheimer gehört. 
Wenn ich es nun heute wage, zu derselben Frage einige Demon¬ 
strationen zu machen, so geschieht dies nicht ohne ein gewisses Gefühl 
der Beklemmung, denn gegenüber diesen subtilen Untersuchungen, über 
die uns berichtet wurde, habe ich doch sehr die Empfindung, dass wir 
Chirurgen zuweilen mit ziemlich groben Fingern in das feine Räderwerk 
der Natur eingreifen. Eins jedenfalls haben wir aus dem Vortrage von 
Herrn Alzheimer gelernt, nämlioh dass von vornherein ein grosser Teil 
der Fälle von Epilepsie sich einem chirurgischen Eingriff entzieht, das 
sind alle jene degenerativen Formen mit schweren histologischen Ver¬ 
änderungen an der Hirnrinde, mögen sie erworben oder angeboren sein. 
Und trotz des ausführlichen Vortrages muss ich, ähnlich wie es Herr 
Küttner vor 8 Tagen getan, den Herrn Redner noch um eine Er¬ 
gänzung bitten, indem ich an ihn die Frage richte, wie er sich das 
Wesen der epileptischen Entladung vorstellt. Denn wenn unsere Ope¬ 
rationen bei Epilepsie überhaupt einen Sinn haben sollen, so müssen 
wir Chirurgen eine Vorstellung von der Auslösung des Prozesses haben, 
um uns überlegen zu können, wie wir dieselbe eventuell verhindern. 
Nun spielt in den Anschauungen der Chirurgen eine grosse Rolle die 
Vorstellung, dass ein vielleicht vorübergehend vermehrter Hirndruck den 
epileptischen Insult zur Erscheinung bringe, sei es durch direkte 
Schädigung der Centren, sei es auf dem Umwege einer Hirnanämie. 
Für beide Vorstellungen gibt es physiologische Analogien. Der Ver¬ 
blutungstod eines Tieres erfolgt unter Krämpfen und auch beim Menschen 
können wir gelegentlich Aehnliches beobachten. Auf der anderen Seite 
wird als Paradigma der durch eine Blutung der MeniDgea oder z. B. 
auf einer Depressionsfraktur erzeugte Gehirndruck aogezogen: zunehmende 
Unbesinnliohkeit, motorische Reizersobeinungen, Krämpfe, Bewusstlosig¬ 
keit. Kein Wunder, dass diese Beobachtungen auch das Handeln der 
Chirurgen beeinflussten, sie führten nicht nur zur Trepanation bei 
Jaokson’sGfcer, sondern auch zu dem Vorschläge der Entlastungstrepanation 


auch bei genuiner Epilepsie. Demgegenüber stehen aber die guten Er¬ 
folge, die bei Jackson’scber Epilepsie mit der Exstirpation des primär 
krampfenden Centrums erzielt sein sollen. Sie können mit einer all¬ 
gemeinen Drucksteigerung nicht erklärt werden. Also es gibt eine 
Menge Fragen, über welche wir gern ein kompetentes Urteil hören 
möchten. Das ist auch der Sinn meiner heutigen Demonstrationen, die 
ich sehr kurz fassen, und aus denen ich nur die Momente hervorheben 
will, welche auf das eben Gesagte Bezug haben. 

Es handelt sich in beiden Fällen um Trepanationen, welche wegen 
cortioaler Epilepsie vorgenommen worden sind. Der erste Patient, ein 
junger Mann von 17 Jahren, wurde von Herrn Brade, meinem 
Assistenten, unter der Diagnose traumatische corticale Epilepsie vor 
4 Wochen operiert. Die Erkrankung soll sich an einen Unfall (Fall von 
einem Wagen) vor 2 JahreD angeschlossen haben und trat in der Form 
einer typischen Jackson’schen Epilepsie auf, die mit Zuckungen im 
linken Arm und Facialis begann und zu allgemeinen Krämpfen führte. 
Trepaniert wurde über der rechten Centralregion, zweizeitig. Die Centren 
wurden durch elektrische Reizung bestimmt, doch wurde niohts exstir- 
piert. Auf der Hirnrinde lag eine dünne blutigfibrinöse Ausschwitzung. 
Bei der zweiten Operation war der Verband ziemlich fest angelegt 
worden, Patient hatte darauf in der Nacht gehäufte sehr schwere An¬ 
fälle, die verschwanden, als der Verband gelüftet worden war. Es war 
ein Teil des Knochendeckels entfernt worden, so dass der Druck des 
Verbaodes sich durch den ziemlich losen Knochen auf das Gehirn fort¬ 
setzen konnte. Patient hat seitdem keine Anfälle mehr gehabt, doch 
war er auch früher bis 9 Wochen anfallsfrei. 

Im zweiten Falle, einer Frau von 52 Jahren, handelt es sich um 
einen Status epilepticus bei Hirnlues. Patientin wurde von Herrn 
Förster zur Operation überwiesen. Auf Grund ausgedehnter Sensi- 
bilitätsstörungeo am linken Arm und einer eigentümlichen und charakte¬ 
ristischen Bewegungsstörung (Inkoordination) nahm Herr Förster eine 
Erkrankung der rechten Parietalregion an. Die Trepanation ergab hier 
denselben anatomischen Befund wie bei Fall l. Entfernung der Knochen¬ 
decken. Interessant ist, dass hier die Druckentlastung während der 
8 Wochen, die seit der Operation verflossen sind, zu einer ganz erheb¬ 
lichen Besserung geführt hat. Die Krämpfe haben so gut wie aufgehört, 
das Allgemeinbefinden, die Intelligenz haben sich gehoben, die Koordi- 
nationsstörungen am Arm sind ebenfalls erheblich gebessert 
Diskussion. 

Hr. Alzheimer macht darauf aufmerksam, dass der Status epi¬ 
lepticus ein Stadium der allgemeinen Hirnschwellung hat Operative 
Behandlung empfiehlt sich für lokalisierte Prozesse. 

Hr. Förster gibt anatomische Notizen zu den besprochenen Fällen. 

Hr. Coenen gibt der Meinung Ausdruck, dass sich die Fälle von 
traumatischer Epilepsie besonders eignen für eine operative Behandlung, 
wo die Krämpfe durch oallose Narben der Dura und Hirnrinde bedingt 
sind. Hier kann man durch die Exzision der Narben und freie Fascien- 
verpflanzung normale Verhältnisse und wahrscheinlich dauernde Heilung 
schaffen. Er erinnert an den von ihm vorgestellten griechischen Korporal, 
der nach einem Schädelschuss eine Rindenepilepsie bekam, die durch 
die freie Fascienüberpftanzung geheilt wurde und bisher nach dem 
letzten Briefe nicht rückfällig geworden ist (Siehe B.kl.W., 1913, Nr. 34 
und 50; 1914, Nr. 2.) 

Hr. H. Simon: a) Seh fidel Operationen. 

M. H.! Ich möchte Ihnen ebenfalls zunächst über zwei Schädel¬ 
operationen berichten. Bei dem ersten handelt es sich um die Deckung 
eines Schädeldefektes durch ein Knochen st üok aus der 
Scapula, ein Verfahren, das Röpke in Barmen 1912 angegeben bat 
Aus der Vorgeschichte erwähne ich ganz kurz, dass der Patient, ein 
18 jähriger Lehrer, im JuDi v. J. beim Turnen verunglückte und sich 
einen Schädelbruch zuzog. Er wurde in das Hospital transportiert und 
dort von mir nach mehrtägiger Beobachtung wegen langsam zunehmender 
HirndruckerscheinuDgen am 26. VI. 1913 trepaniert. 

Wir haben dabei eine sogennante Palliativtrepanation vorgenommen, 
also uns mit der Entfernung eines Teiles der knöchernen Sobädelwand 
begnügt. Die Operation hatte denn auch augenblicklichen Erfolg, die 
Stauungserscheinungen gingen zurück, auch die Stauungspapille ver¬ 
schwand. Bei der Entlassung aus der stationären Behandlung bestand 
bei dem Patienten als Folge der Operation ein handtellergrosser Defekt 
des knöchernen Schädels und ein massiger Hirnprolaps. Ausserdem 
waren eigenartige Anfälle aufgetreten, die im ganzen zwar einen etwas 
funktionellen Eindruck machten, deren Zusammenhang mit dem offenen 
Zustand des Schädels indes nicht ganz auszuschHessen waren. Alle 
diese Momente bestimmten uns, den noch jugendlichen Patienten nicht 
Zeit seines Lebens in diesem Zustand zu lassen, sondern den operativen 
Verschluss des Defektes in Aussicht zu nehmen. 

Ich habe dann am 24. XI. v. J. die oben schon erwähnte Operation 
nach Röpke ausgeführt, veranlasst durch eine Demonstration von Herrn 
Küttner in der chirurgischen Gesellschaft vom Sommer v. J. 

Zur Technik bemerke ich kurz folgendes: Ich habe an der Hinter¬ 
seite der Schulter einen Längsschnitt gemacht, die Fascie gespalten, den 
M. infraspinatus quer, also in seiner Faserrichtung, durchtrennt und so 
Zugang zur Scapula gewonnen. Dann wurde mit Erhaltung der Ränder 
des Knochens ein ovales Stück aus diesem herausgemeisselt, wobei das 
Periost der Hinterseite in Zusammenhang mit dem Knochen blieb, während 
das vordere Periost abgeschoben wurde. Hierauf wurde am Schädel der 
Defekt Umschnitten, die knöchernen Ränder angefrisoht und das Knocben- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1297 


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6. Joü 1914. 


stäok eingesetzt, das Periost natürlich nach aussen. Der Knochen heilte 
denn auch reaktionslos ein. 

Ein Blick auf die Soapula genügt, um Ihnen die Vorteile dieses 
Operationsverfahrens klar zu machen. Dieselben liegen einmal darin, 
dass die Soapula eine natürliche Flächenkrümmung besitzt, die die Ein¬ 
setzung in die Kontinuität des ebenfalls gewölbten Schädeldaches sehr 
erleichtert. Ausserdem kann es von Vorteil sein, dass die Scapula an 
beiden Seiten mit Periost bekleidet ist. In meinem Falle habe ich aller¬ 
dings, wie erwähnt, nur das Periost der Aussenseite mitgenommen, aus¬ 
gehend von der Erwägung, dass ja auch der Schädel nur an der Aussen¬ 
seite Periost besitzt, während das innere Periost ja gewissermaassen von 
der Dura mater gebildet wird. Diese war aber vorhanden und brauchte 
nicht ersetzt zu werden. Sie erkennen weiterhin, dass es leicht gelingt, 
aus dem Centram der Scapula ein 7 cm langes, 5 cm breites Knochen¬ 
stuck zu gewinnen. Ein grösseres Stück kann nicht gut entnommen 
werden, da die Ränder des Knochens unter allen Umständen erhalten 
werden müssen und ausserdem der M. infraspinatus nicht über eine 
gewisse Weite hinaus auseinandergezerrt werden kann. 

Das entnommene Knochenstück hat auch in diesem Falle nicht voll¬ 
kommen genügt, um den Defekt zu decken. Es ist uns dies aber nicht 
unangenehm gewesen, da wir bei dem vorhandenen Hirnprolaps nicht 
gewagt hätten, den Defekt sofort exakt zu schliessen. Ich habe viel¬ 
mehr das Koochenstück an die Dura fixiert und es der zu erwartenden 
Knochenneubildung überlassen, den vollständigen Verschluss herbeizu- 
fuhren. Ein unmittelbar nach der Operation angeferttgtes Röntgenbild 
sowie ein jetzt hergestelltes erläutern Ihnen die Situation (Demonstration). 

An dem Patienten können Sie feststellen, dass der Knochen noch 
etwas federt und die Pulsation des Gehirns mitmacht. Von ihm selbst 
ist za sagen, dass er sich sehr gebessert fühlt; die Anfälle sind fast ganz 
weggeblieben, er fühlt sioh kräftig genug, seine Tätigkeit wieder aufzu- 
nehmen (Demonstration). 

Bemerken möchte ich noch, dass Bewegungsstörungen des Armes 
fehlten, and zwar eigentlich vom ersten Tage ab. Sobald der primäre 
Wundschmerz vergangen war, bat der Patient seinen Arm so ausgiebig 
bewegt, dass es mir fast zuviel war, da ich um die Wunde besorgt sein 
musste. Ein derartig gutes funktionelles Resultat kann aber nur er¬ 
wartet werden, wenn die Muskeln des Schulterblattes nach Möglichkeit 
geschont werden. Hierzu gehört in erster Linie die Erhaltung der Ränder 
der Scapula, die ja die Ansatzpunkte der Muskeln bilden. Eine Tabelle 
mag Ihnen die speziellen anatomischen Verhältnisse noch einmal vor 
Augen führen. Sie sehen, dass es leicht gelingt, auf den M. infraspinatus 
zu kommen. Die benachbarten Muskeln, Deltoideus, Trapezius, Teres 
major werden ohne Verletzung zur Seite gezogen, höchstens etwas ein¬ 
gekerbt. Den Infraspinatus habe ich, wie gesagt, quer, also in seiner 
Paserrichtung gespalten. Ich bin dadurch von der Angabe Röpke’s 
etwas abgewichen, der den Ansatz des Muskels an dem medialen Rand 
der Scapula scharf durohtrennt und den Muskel zurückscblägt. Ich 
glaube, dass bei dem Vorgehen, das ich gewählt habe, der Muskel noch 
mehr geschont wird, da er sich nach der Entnahme des Knochens ein¬ 
fach wieder Zusammenlegen kann. Grössere Muskeln und Nerven kommen 
bei dem Verfahren nicht in Gefahr, verletzt zu werden. Ich glaube auf 
Grund dieses Falles, das Röpke’sche Verfahren für ähnliche Fälle emp¬ 
fehlen zu können. 

Der zweite Patient hat seinerzeit eine interessante Verletzung er¬ 
litten. Er wurde uns am 27. Dezember in das Hospital gebracht mit 
der Mitteilung, dass ihn ein Pferd mit dem Hufe gegen die linke Kopf¬ 
seite geschlagen habe. Es fand sich denn auch dort eine grosse, stark 
beschmutzte Wunde. Bei der Revision ergab sich, dass ein Teil der 
Schädelkonvexität fehlte, also vermutlich nach innen gedrückt war, es 
lag also eine sog. Depressionsfraktur vor. Dieser Zustand bildete 
eine Indikation zu sofortigem operativen Eingreifen, die noch verstärkt 
vurde dadurch, dass sich an der Hand der anderen Seite bereits Läh- 
ouugzerscheinungen einsfcellten, die als Herdsymptome aufzufassen waren. 
Auffallend war nur, dass am Grunde der Wunde, da. wo man also das 
deprimierte Knochenstück erwarten musste, ein eigenartiger schwarzer 
Gegenstand lag, über dessen Natur man im Unklaren blieb. 

Die Operation verlief verhältnismässig einfach; ich habe die Wunde 
gehörig erweitert, die Ränder des Defektes etwas abgetragen, um Ein¬ 
blick in die Tiefe zu gewinnen. Dabei zeigte sich denn, dass der merk¬ 
würdige Gegenstand ein Stück Filz war, unter dem erst der zersplitterte 
nochen lag. Nach einiger Ueberlegung kamen wir darauf, dass der 
P" von dem Hut stammen müsse, den der Patient bei dem Unfall trug. 

Patient hat uns dies auch später bestätigt (Demonstration). Das 
, ck, an dem Hute fehlt, bildet den Mittelpunkt dieser interessanten 
^ammlung, die wir dem Schädelinnern des Kranken entnommen haben. 

10 ® e “ en > dass der Knochen in eine Reihe grösserer und kleinerer Frag¬ 
mente zerlegt war, so dass seine Erhaltung unmöglich war. Wir haben 
busch J 0c ^ 6Dte ^ e en tfernt, ebenso noch andere Fremdkörper, Haar- 


• ^ habe die Dura nicht geöffnet; eine zwingende Indikation dazu 

bri !i VOr ’ un< * w * r hatten auch keine grosse Neiguüg dazu, da wir 
der stark beschmutzten Wunde mit einer Infektion rechnen mussten, 
lehrt a ^ 6r f^cklicberweise 0 ft; g e ht, so ist auch hier die Infektion aus- 
® , 5r eD » u ?d die Wunde vorbildlich per priman intentionem geheilt, 
der ah ™ en * hat jetzt natürlich ebenfalls einen Defekt am Schädel, 
«Der wesentlich kleiner ist wie bei dem ersten Patienten. Wenn 


schloss iif Fr^ er< ^ 0n machen sollte , käme ebenfalls der operative Ver- 


b) Magentuberfcnlose. 

Der Patient, den ich Ihnen dann vorstellen wollte, kam zu uns mit 
Erscheinungen, die auf eine nicht komplette Pylorusstenose hin wiesen. 
Aus der Untersuchung ist zu bemerken, dass im Mageninhalt die freie 
Salzsäure fehlte, dass Milchsäure vorhanden war; die Gesamtacidität war 
gering, betrug 20. Die übrigen inneren Organe, insbesondere die Lungen, 
waren nicht krankhaft verändert. Das Allgemeinbefinden war ein massig 
gutes, das Aussehen leicht kachektisch. 

Wir haben in der Annahme eines beginnenden Magencarcinoms am 
13. November v. J. die Operation vorgenommen. Dabei fand sich am 
Pylorus eine Verhärtung, von der man nicht ganz sicher wusste, ob es 
sich um den normalen, vielleicht etwas hypertrophischen Pylorus, um 
eine Narbe oder um einen beginnenden scirrhösen Tumor handelte. Wir 
haben schliesslich einen Tumor angenommen, weil die Verhärtung nicht 
gleichmässig circular war, sondern an einer Stelle der Hinterwand etwas 
stärker prominierte. Ich habe sodann die Magenresektion typisch naoh 
Bill rot h II vorgenommen. 

Auffallend war uns, dass die Abderhalden’sche Tumorreaktion 
negativ ausfiel, was erst durch die mikroskopische Untersuchung eine 
glänzende Bestätigung fand. Es zeigte sich nämlich, dass nicht ein be¬ 
ginnendes Carcinom, sondern eine Tuberkulose des Pylorus vorlag. 

Die Tuberkulose des Magens ist eine ziemlich seltene Erkrankung. 
Ich erwähne nur kurz, dass sie sich fast ausschliesslich am Pylorus 
lokalisiert und dass sie ebenso wie die Tuberkulose anderer Organe in 
verschiedenen Formen auftritt. Wir kennen eine miliare Form, nament¬ 
lich im Gefolge allgemeiner Tuberkulose, ausserdem eine ulcerose, da¬ 
neben eine hypertrophische und fibröse Form. Bei unserem Falle waren 
typische Tuberkel von miliarem Bau in den untersten Schichten der 
Submucosa nachzuweisen. (Demonstration.) 

Die Prognose der Magen tuberkulöse ist infaust, besonders deshalb, 
weil es sich meist um eine sekundäre Erkrankung handelt. Auch in 
unserem Falle konnte nach der Operation ein positiver Lungenbefund 
nachgewiesen werden. Vor der Operation ist das nicht gelungen. Ver¬ 
mutlich hat die lange Operation in Narkose doch exacerbierend gewirkt. 
Der Patient bat die Operation gut überstanden, wir haben ihn nach 
Möglichkeit zu kräftigen versucht, ihn in Sanatorien gebracht; infolge¬ 
dessen ist sein Befinden ein leidliches, er hat auch etwas an Gewicht 
zugenommen. Wir hoffen also, dass die Operation doch dauernden 
Nutzen für ihn gehabt hat. 

Ich möchte noch erwähnen, dass wir schon vor einigen Jahren im 
Hospital einen Fall operiert haben, der wohl auf Magentuberkulose be¬ 
ruhte; allerdings konnte diese in dem resezierten Pylorus mikroskopisch 
nicht nachgewiesen werden, dagegen wies eine gleichzeitig exstirpierte 
Drüse aus der Nachbarschaft so deutliche tuberkulöse Veränderungen 
auf, dass auch die Stenose des Pylorus mit Wahrscheinlichkeit auf ein 
altes tuberkulöses Ulcus bezogen werden konnte. 

c) Einige Demonstrationen aus dem Gebiet der Strahlentherapie. 

1. Oberlippencancroid, durch Mesothorium geheilt. 2. Endo¬ 
thel iom der Haut am Fusse, durch Bestrahlung mit Mesothorium und 
Applikation der Zeller’schen Paste sehr günstig beeinflusst. 3. Papillom 
am Ohr, durch Mesothorium geheilt. 4. Narbenkeloid am Halse, 
durch Mesothorium nahezu beseitigt. 

Zu diesen Fällen Demonstrationen der Patienten, Photographien, 
Moulagen, mikroskopische Präparate aus den verschiedenen Stadien der 
Heilung. 

Hr. Lorenz: M. H.! Wie Sie alle wissen, hat sich, wie in den 
anderen Provinzen, so auch bei uns ein Komitee gebildet zur Erforschung 
des Kropfes. 

Von mehreren Herren wird nach den verschiedensten Richtungen 
hin gearbeitet, um die Unklarheit, die bis jetzt noch immer über diesem 
Gebiete schwebt, etwas zu klären. 

Etwas wirklich positiv Neues ist bis jetzt, soweit mir bekannt ist, 
noch nicht herausgekommen. 

So bin denn auch ich nicht in der Lage, Neues mitzuteilen. leb 
habe aber geglaubt, dass es die Herren vielleicht interessieren würde, 
etwas über die Kropfverbreitung in unserer Provinz zu erfahren. 

Ich habe mir daher die Aushebungsliste sämtlicher Bezirkskommandos 
unserer Provinz besorgt und mir aus denselben die Verhältniszahl be¬ 
rechnet, in welcher diejenigen Leute standen, die wegen Kropfs nicht 
eingestellt werden konnten, za den ganz Gesunden. 

Die Resultate, zu denen ich gelangt bin, habe ich auf einer Land¬ 
karte durch verschiedene Farben zum Ausdruck gebracht. Ich möchte 
mir erlauben, Ihnen dieselbe unter Hinweis auf die wichtigsten Punkte 
derselben kurz zu demonstrieren. (Demonstration.) 

Sie sehen die Provinz Schlesien. Blau auf meiner Karte bedeutet 
ganz wenig Kröpfe, 0—2,5 pM. Rot ohne Kreuz bedeutet ziemlich viele 
Kräpfe, 2,6—5 pM. Rot mit schwarzem Kreuz bedeutet sehr viele Kröpfe, 
über 5pM. 

Bei Betrachtung der Karte im ganzen fällt sofort auf eine lange 
blaue, d. h. also kropfarme Linie, welche sich von unten nach oben 
durch unsere ganze Provinz hindurebzieht. Diese Linie entspricht dem 
Verlauf der Oder. Sämtliche Bezirkskommandos, welche am Oderbett 
oder direkt daneben liegen, nämlich Ratibor, Cosel, Oppeln, Brieg 
Breslau, Wohlau, Glogau, Neustadt, weisen nur ganz wenig Kröpfe auf 

Sehr viele Kröpfe finden sich auf der linken Seite der Oder be¬ 
sonders in den gebirgigen Teilen von Nieder- und Mittelsohlesien. ’ 

Im einzelnen betrachtet, sehr viele Kröpfe in Görlitz und Muskau 


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1298 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 27. 


also dem Stromgebiet der Görlitzer Neisse; desgleichen sehr viele Kröpfe 
in Hirschberg und Sprottau, d. h. im Stromgebiet des Bober. Ebenso 
sehr viele Kröpfe in Jauer und Liegnitz, d. h. im Stromgebiet der Katz- 
bach. Neben diesen beiden zuletzt erwähnten Städten liegen die beiden 
Städte Schweidnitz und Striegau. Beide weisen nur sehr wenig Kröpfe 
auf. Dieses ist deshalb besonders interessant, weil diese beiden letzt¬ 
erwähnten Städte zu einem anderen Flussgebiet gehören, nämlich zu 
dem der Weistritz. 

Viele Kröpfe finden sich dann noch in den Gebirgsstädten Walden¬ 
burg und Glatz. 

Eine starke Kropfmsel findet sich dann noch im Süden von Schlesien, 
in den Industriebezirken Beuthen, Gleiwitz und Rybnik. Ebenso weist 
auch Oels viele Kröpfe auf. 

M. H.! Ich weiss sehr wohl, dass die Resultate, zu denen ich ge¬ 
langt bin, nicht so ohne weiteres einen absoluten Wert für sich be¬ 
anspruchen können; es handelt sich bei meiner Statistikaufstellung nur 
um Männer, sodann um ein bestimmtes Lebensalter usw. Da ich aber 
in der Lage bin, Ihnen statistisch absolut festgestellte Zahlen bringen 
zu können, habe ich geglaubt, dass meine Demonstration vielleicht doch 
einiges Interesse finden würde. 

Zum Schluss darf ich wohl noch bemerken, dass Herr Simon von 
der Königlichen chirurgischen Klinik, welcher in ganz ähnlicher Weise 
wie ich durch Umfrage bei den Herren Aerzten der Provinz versucht hat, 
sich eine kleine Uebersicht über die Kropfdichtigkeit unserer Provinz zu 
verschaffen, zu ganz ähnlichen Resultaten gelangt ist wie ich. 


Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik. 

Sitzung vom 26. März 1914. 

Hr. J. Kraws berichtet über einen Fall von Granolationsgeschwvlst 
auf der Conjunctiva tarsi des rechten Oberlides. Die Erkrankung betraf 
ein lßjähriges Fräulein, das bei Eintritt in die Behandlung angab, sie 
habe vor etwa 8 "Wochen auf dem rechten Auge ein Hagelkorn be¬ 
kommen, das aber trotz warmer Umschläge nicht zurückging, im Gegen¬ 
teil in den letzten 2 Wochen sich so verschlimmerte, dass das ganze 
Oberlid sich verdickte und entzündete und sich eine Geschwulst auf der 
Bulbusseite des Lides entwickelte, die letzteres vom Bulbus abdrängte. 
In den letzten Tagen habe die Geschwulst einige Male geblutet. Der 
erhobene Befund war: Rechtes Oberlid stark gerötet und verdickt, un¬ 
gefähr entsprechend der Mitte ist das Oberlid durch eine annähernd 
halbhaselnussgrosse Geschwulst vom Bulbus abgedrängt derart, dass 
nach aussen und innen von derselben zwischen Bulbus und Lid ein 
Hohlraum entsteht. Nach Eversion des Lides zeigt sich eine Geschwulst 
von roter Farbe, der zwischen Lid und Bulbus auch ohne Eversion 
sichtbar gewesene Teil ist von unregelmässiger Oberfläche, von mehr 
rötlich-gelbem Farbenton und sieht ulceriert aus. Die Geschwulst sitzt 
mit ziemlich breiter Basis der Tarsalbindehaut auf und hat nur nach 
hinten innen oben einen von glatter Schleimhaut überzogenen condylom¬ 
artigen Fortsatz. Es besteht schleimig-eitrige Conjunctivitis. Prä- 
auriculardrüse etwas vergrössert. Therapie: Abtragung der Geschwulst, 
Kautherisation der Wunde. Pathologisch-anatomische Untersuchung im 
Universitätsinstitut zu Erlangen: „Es handelt sich sicher nicht um eine 
Geschwulst im eigentlichen Sinne. Der Tumor besteht aus Granulations¬ 
zellen (sehr viele herdförmig angeordnete Lymphocyten) mit reichlich 
Gefässsprossung und einzelnen Riesenzellen. Zur Bildung typischer 
Tuberkel kommt es nirgends, weswegen auch die Diagnose Tuberkulose 
histologisch nicht gestellt werden darf. Möglicherweise hat die Tumor- 
bildung doch etwas mit einem Carcinom zu tun.“ Vortr. schliesst sich 
dieser Ansicht an und glaubt, dass die von seiten der Patientin einige 
Wochen geübte Behandlung des Auges zu der excessiven Granulations¬ 
entwicklung Veranlassung gab. Zunächst hatte Verdacht auf eine 
maligne Wucherung bestanden, der jedoch bei der Operation schwand, 
als sieb bei der Abtragung das Gewebe als Granulationsgewebe erwies. 

Hr. Reicher-Mergentbeim (a. G.): Ueber die Entstehung der Gallen¬ 
steine. 


Vom 40. Deutschen Aerztetage in München. 

Von 

Geh. Sanitätsrat Dr. HenittS- Berlin. 

Wer folgt nicht gern einer Einladung nach München? Immer wieder 
übt die herrlich gelegene, von buntem Leben und Treiben erfüllte, von 
frischer Bergluft durchwehte, an Kunstschätzen überreiche und den köst¬ 
lichen Gerstensaft in bekömmlichster Form darreichende Hauptstadt des 
Bayerlandes einen unwiderstehlichen Reiz auf jeden Deutschen aus. Und 
so hatten sich auch vom 25. bis zum 27. Juni die Abgesandten der ärzt¬ 
lichen Vereine in grosser Anzahl dort versammelt, und ihnen hatten sich 
anmutige Frauen und frisch iös Leben schauende Mädchen mit Freuden 
angeschlossen, und das ergab zuweilen bei den allgemeinen festlichen 
Veranstaltungen, deren fast zu viele geboten wurden, ein solches Beengt¬ 
sein und Gedränge, dass trotz der in Versorgung grosser Menschenmassen 
geübten Leitung manch einer und manch eine nicht zu ihrem Rechte 
gekommen sind. Trotzdem wird bei allen Teilnehmern das besondere 
Gepräge, das gerade diesen Aerztetag auszeicbnete, in gutem Gedenken 
bleiben. Sie werden sich erinnern, dass ein Mitglied des königlichen 


Hauses, der Prinz Ludwig Ferdinand, der seine ärztlichen Kenntnisse 
zum Besten des Allgemeinwohles in ausgedehntem Maasse verwertet, an 1 
der Versammlung gern teilnahm und wiederholt versicherte, dass ersieh ' 

eios fühle mit seinen ärztlichen Kollegen und für ihre wirtschaftlichen i 

Kämpfe volles Verständnis habe. Immer wird unvergessen sein der I 

schöne Empfangsabend im Hofbräuhaus, wo ein aus 60 in weisse Ope* 
ratioosraäntel gehüllten Aerzten bestehendes Orchester, dem sonst der 1 
Prinz Ludwig Ferdinand auch an gehört, den Beweis lieferte, dass 
Mediziner imstande sind, auch musikalische Instrumente in geradezu 
vollendeter Weise zu handhaben. — Dem regelmässigen Besucher der 1 
Aerztetage fällt es auf, dass sich die Physiognomie der Versammlung 
mehr und mehr ändert. Man vermisst manchen erprobten Kämpen, und 
bemerkt nicht mit Unlust, dass die älteren Teilnehmer nicht mehr so i 

lebhaft als früher in die Verhandlungen eingreifen und bereitwillig den 
neu auftauchenden, jüngeren, zum Teil recht redebegabten Kollegen einen 
Platz an der Sonne einräumen. Das Interesse an sozialen und wirt¬ 
schaftlichen Fragen, früher bei verhältnismässig wenigen Personen sich 
zeigend, ist jetzt ein so allgemeines geworden, das Verständnis dafür so 
erweitert, dass man für die Zukunft des ärztlichen Standes troti der 
Ueberfüllung und trotz der offensichtlichen gegenwärtigen Notlage nichts 
zu fürchten braucht. 

Zum Deutschen Aerztevereinsbunde gehören jetzt 441 Vereine, die 
zusammet) 27 164 Mitglieder umfassen. Von diesen waren 841 Vereine 
mit 25 862 Mitgliedern durch 398 Abgeordnete vertreten. In seiner Er¬ 
öffnungsrede gedachte der Vorsitzende Dippe-Leipzig in besonders 
warmen und verdienten Worten der schmerzlichen Verluste, welche im 
abgelaufenen Jahre den Bund sehr hart betroffen haben: Wentsoher- 
Thorn, Pf alz-Düsseldorf, Mermann-Mannheim, Löwenstein-Elber- 
feld sind Namen, welche in der ärztlichen Standesbewegung unvergessen 
sein werden; ihr Hinscheiden ist um so empfindlicher, als sie alle vier 
im besten Mannesalter dabingerafft wurden. 

Aus dem Kassenbericht geht hervor, dass der Bund ein Vermögen 
von fast 200000 M. besitzt; der Voranschlag für 1915 schliesst an Ein¬ 
nahmen und Ausgaben mit ca. 230000 M. ab. 

Den wichtigsten Punkt der Tagesordnung bildete der Bericht über 
die Lage nach dem Berliner Abkommen. Durch den Friedens¬ 
schluss mit den Kassenverbänden sind nicht nur nicht alle Blütenträume 
der Aerzte gereift, im Gegenteil nahm man die festgelegten Bedingungen 
anfänglich mit dem Gefühl einer grossen Enttäuschung auf und warsehr 
gespannt, die Gründe zu vernehmen, welche zu dem Berliner Abkommen 
geführt haben. Mit rauschendem Beifall wurde der Berichterstatter 
II artmann - Leipzig empfangen und ihm so der Beweis geliefert, dass 
die Aerzteschaft seine ausgezeichnete Vorsorge, sein rastloses Vorwärts- 
dräugen, seine schier unermüdliche Arbeitskraft voll zu würdigen weiss. 

Es gelang ihm, durch eine klare Darstellung nachzuweisen, dass es un¬ 
verantwortlich geweseu wäre, die Vereinbarung nicht anzunehmen, und 
dass trotz ihrer die Aerzte niemals auf die Forderungen verzichten werden, 
welche sie seit vielen Jahren aufgestellt und festgehalten haben. In den 
zehn kommenden Friedensjahren müsse es gelingen, durch friedliches 
Einvernehmen mit den Kassen die noch unerfüllten Wünsche zur Er¬ 
füllung zu bringen. Wir müssen darauf bestehen, dass die Vertrags¬ 
bedingungen durch paritätische Kommissionen festgelegt, und dass ferner 
nicht Eiuzel-, sondern Kollektivverträge geschlossen werden. Leider sei 
die allgemeine Anerkennung der freien Arztwahl nicht erreicht; wo sie 
bestanden hat, soll sie grundsätzlich erhalten werden, und wo sie nicht 
besteht, soll wenigstens den Kranken die Wahl unter den angestellten 
Aerzten freistehen. Die Kassenverbände sträuben sich sogar bei neu zu 
gründenden Kassen gegen die Einführung der freien Arztwahl. Durch¬ 
gesetzt sei, dass für eine bestimmte Mindestzahl von Mitgliedern immer 
ein Arzt angestellt werden soll. — Nicht erreicht ist ferner die ange¬ 
messene Abgeltung der ärztlichen Leistungen. Jetzt wollen die Kassen 
nicht mehr eine untere Grenze des Honorars festsetzen, wohl aber eine 
ungenügende Höchstgrenze, wodurch die Verhältnisse verschlechtert 
werden würden. — Eine nicht zu unterschätzende Errungenschaft sei es 
gewesen, dass die obersten Staatsbehörden an den Verhandlungen teil¬ 
genommen und sich überzeugt hätten, dass die Forderungen der Aerzte 
nicht unberechtigt seien. Freilich habe man ein energischeres Eintreten 
der Behörden für die Durchführung des Abkommens erwartet, welches 
jetzt in manchen Punkten ganz merkwürdig ausgelegt werde. Trotzdem 
bereits ein halbes Jahr seit den Dezemberverhandlungen vergangen sei, 
herrsche noch ein vollständiges Chaos. Seitens der Kassen wird nament¬ 
lich der Beitrag von 5 Pfennigen pro Mitglied zur Abfindung der Not¬ 
helfer abgelehnt und den Aerzten womöglich zugemutet, dass sie auch diesen 
noch tragen sollen neben dem Beitrag, den sie ihrerseits zu zahlen über¬ 
nommen haben. Es sei keiu Wunder, dass die Aerzte zum Teil nicht wissen, wie 
sie sich zu verhalten haben, da die Versicherungs- und Oberversiohe- 
rungsämter eine noch grössere Unwissenheit an den Tag legen. Es sei 
offensichtlich, dass es stellenweise an dem guten Wille fehle, und dass 
nebensächliche Eigeninteressen eine grosse Rolle spielen. Zu den grössten 
Unzuträglichkeiten gehöre es unter andern, dass ein Versicherungsamt 
nur die Nothelfer in das Aerzteregister eintrage, ein anderes nur diejenigen 
Aerzte, welche von den Kassen gewünscht werden. — Es sei zunächst vor 
allem notwendig, alle Verträge unter Dach zu bringen, danach habe die 
Tätigkeit der ärztlichen Organisationen zu beginnen. Die Kassen be¬ 
ehrten den Leipziger Verband noch immer mit ihrem Hass, obgleich 
gerade sie es wünsohen müssten, dass möglichst alle Aerzte ihm bei* 
treten, da er als vertragscbliesseoder Teil um so mehr in ausgleiohendem 
Sinne wirken kann, je stärker er ist. — Zu den Kassen gehören jetzt 


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6. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


mehr als 90 pCt aller Erwerbstätigen. — Von 7500 direkt befragten 
Kassen, ob sie den Beitrag von 5 Pfg. bewilligen wollen, haben nur 925 
geantwortet, von denen 750 zugestimmt, 175 aber abgesagt haben. — 
Leider wird auch von ärztlicher Seite schwer gegen das Berliner Abkommen 
gesündigt. Manche Vereine weigern sich, die verschiedenen Ausschüsse 
eininrichten, andere lehnen ab, Einzelverträge abzuschliessen, als ob 
das ein Verstoss gegen das Abkommen der Organisation mit den Kassen 
wäre. — Viele ärztliche Vereine haben Verträge abgeschlossen, ohne sie 
vorher dem Leipziger Verbände vorgelegt zu haben; jetzt, da sie vor 
Unterbietungen sicher sind, graut ihnen vor den selbstgeschaffenen Be¬ 
dingungen, und nun bitten sie um die Hilfe des Verbandes. Sehr zu 
bedauern sei es, dass einige ärztliche Vereine auch den Nothelferbeitrag 
von 10 Pfg. nicht zahlen wollen. Dieses Opfer als das letzte muss un¬ 
bedingt und ohne Widerrede von allen Aerzten gebracht werden.Am 
allertraurigsten sind die Verhältnisse in Elbing; dort kommt es zu 
keiner Ordnung, weil die preussische Regierung trotz aller Besprechungen 
ihre Schuldigkeit nicht tut. Das Oberversicherungsamt in Danzig ent¬ 
spricht nicht den Anforderungen und wird darin vom Handelsministerium 
unterstützt. Die Sohichau-Werft habe in den oberen Kreisen einen 
mächtigen Einfluss. Unter lebhaftem Beifall betont der Vortragende, 
dass wir auch für Elbing geordnete Verhältnisse verlangen, empfiehlt den 
dortigen Kollegen, mutig auszuharren, zumal die deutsche Aerzteschaft 
sie nicht im Stiche lassen werde. — Der Redner schliesst mit der Mah¬ 
nung, man solle überall versuchen, das Abkommen 10 Jahre lang fried¬ 
lich durch zuführen; gelinge das, so nütze man den Patienten, den Aerzten 
und nicht zum wenigsten dem teuren Vaterlande. 

An den Vortrag knüpft sich eine sehr lebhafte Debatte, in welcher 
die guten und unangenehmen Seiten des Abkommens in deutliche Be¬ 
leuchtung gerückt werden, und in der wiederholt betont wird, dass das 
feste Zusammenhalten in der Organisation des Leipziger Verbandes jetzt 
noch wichtiger sei als vordem, da nur unter seiner Leitung die einzelnen 
Vereine lernen könnten, das Instrument richtig zu gebrauchen, das 
ihnen unter der Bezeichnung „Berliner Abkommen“ übergeben worden 
wäre. Im übrigen solle man über das Verhalten der Regierung nicht 
za sehr aufgebracht sein; jetzt schon hätte das Reichsversicherungsamt 
entschieden, dass nichtapprobierte Personen von der Behandlung aus¬ 
geschlossen wären, und dass Abschlüsse zwischen den Kassen und ärzt¬ 
lichen Vereinigungen im ganzen gültig seien. Wenn sich erst die ver¬ 
schiedenen behördlichen Instanzen mehr in das schwierige Gebiet der 
BVO. eingearbeitet haben würden, sei eine richtigere Handhabung im 
Sinne der ärztlichen Auffassung zu erwarten. — Schliesslich gelangte 
folgende vom Geschäftsausschuss vorgeschlagene und von Hartmann 
vertretene Entschliessung zur einstimmigen Annahme: 

„Die Anerkennung der von der deutschen Aerzteschaft seit langen 
Jahren immer wieder einmütig erhobenen Forderungen liegt nicht bloss 
im Interesse der Unabhängigkeit und einer sachgemässen Berufsausübung 
der Kassenärzte, sie dient ebensosehr dem Wohle der Versicherten und 
dem Gedeihen der Krankenkassen. Wenn auch das Berliner Abkommen 
vom 23. Dezember 1913 wesentliche dieser Forderungen noeh unerfüllt 
lässt, so ist es doch geeignet, den für alle Beteiligten nötigen Frieden 
herbeizuführen. Deshalb macht es der in München versammelte 
40. Deutsche Aerztetag den Bundesvereinen, den kassenärztlichen Lokal¬ 
organisationen und den Sektionen und Ortsgruppen seiner wirtschaft¬ 
lichen Abteilung, des Leipziger Verbandes, zur Pflicht, überall für die 
Anerkennung und die Durchführung des Abkommens tatkräftig ein¬ 
xutreten. Er erklärt es aber ausserdem für unerlässlich, dass auch die 
Bcgieruugs- und Versicherungsbehörden und die Krankenkassenverbände 
weit mehr als bisher im Geiste des Friedens wirken, und dass vor allem 
me Krankenkassen selbst die sich vielfach im Reiche hinauszögernden 
Vertragsabschlüsse fördern, dabei den, durch die Zeitverhältnisse und : 

eie von der ReichsversioheruDgsordnung herbeigeführte Verminderung i 
der Privatpraxis, begründeten Honoraransprüchen der Kassenärzte gerecht 
werden, und den für die Beseitigung der ärztlichen Nothelfer erforder- < 

liehen 5 Pfg.-Beitrag nicht länger verweigern. Dabei verhehlt sich der < 

Aerztetag nicht, dass das Vertrauen der Aerzte in das Berliner Ab- 1 

«mmen so lange kein grosses sein wird und kein grosses sein kann, 1 

ois nicht alle Vorbedingungen für sein Zustandekommen restlos erfüllt 1 

®ad. Er spricht daher die bestimmte Erwartung aus, dass nun endlich < 

ou unerträglichen Zuständen bei den Krankenkassen in Elbing ein 1 

ade gemacht wird, und richtet an die im Berliner Abkommen be¬ 
engten Krankenkassenverbände die eindringliche Mahnung, dafür zu i 

y?’ dass die Elbinger Betriebs- und Ortekrankenkassen schleunigst l 

« i n “öden des Berliner Abkommens treten und die zugezogenen i 

jWelfer entlassen. Schliesslich verlangt er von der preussischen < 

gfrung, dass sie, io Erfüllung eines beim Abschluss des Abkommens t 

Terh’a ^ e ^ e . nen Versprechens, die beiderseitigen Kassen- und Aerzte- i 

Y«r<ri? e ^ se * n ® r Durchführung unterstützt, die in Betracht kommenden 
&>iin C& ^ ruD o. 8 ^ e ^® r ^ en weist, ohne Ansehen der Person auch für s 

g un Sinne des Berliner Abkommens tätig zu sein.“ £ 

Antra!! 1 t? sc ^ US8 daran wurde ferner ein von München eingebrachter c 

w R | ro8ser Mehrheit angenommen, wonach durch eine Petition i 

töonrl ö . esra ^ UQ d Reichstag der Wunsch ausgesprochen wird, dass 8 

Win mH* ,^* eresse der Kassen die Mitglieder derselben gehalten i 
Behanrfi eD> Ertrankungsfällen einen gewissen Zuschuss für ärztliche 
Wörtwk®* UD< * Medikamente zu leisten, ein Vorgehen, das sich in 
Dam sc ^ ( ? n se *t einiger Zeit bewährt habe. < 

diexiihH» T m Verhandlung über den wichtigsten Gegenstand der l 
gen Tagesordnung geschlossen. Es folgte der Bericht der a 


i Kurpfuschereikommission, in dem ausgeführt wird, dass eine wirk- 

> same Bekämpfung dieses mehr und mehr um sich fressenden Uebels 
nicht durchführbar sei, wenn dazu nicht grössere Geldmittel zur Ver- 

i fügung gestellt würden. Mit allen gegen 8 Stimmen wurde der Antrag 

> angenommen, dass zu diesem Zwecke der Bundesbeitrag um eine Mark 
i pro Kopf und Jahr erhöht wird. Der Geschäftsausschuss wird in Be¬ 
ratung darüber treten, wieviel von den so gewonnenen etwa 27 000 Mark 
der Arzneimittelkommission des Kongresses für innere Medizin überwiesen 
werden soll. 

Bei der satzungsgemässen Neuwahl des Geschäftsausschusses 
erlangten folgende Mitglieder die Mehrheit: Hartmann-Leipzig, Win¬ 
kelmann-Barmen, Dippe-Leipzig, Pfeiffer-Weimar, Mugdan-Berlin, 
Vogel-Heppenheim, Franz-Schleiz, Sardemann-Marburg, Dörffler- 
Weissenburg, Rehm-München, Wemer-Quittainen, Munter-Berlin. 

Der nächste Punkt der Tagesordnung betraf die in letzter Zeit 
wiederholt besprochene und in verschiedenem Sinne beantwortete Frage, 
in wieweit ärztliche Tätigkeit für sogenannte gemeinnützige 
Unternehmungen unentgeltlich geleistet werden dürfe. Einem vor¬ 
züglich ausgearbeiteten und wirksam vorgetrageneD Referate von Lenn- 
hoff-Berlin folgte eine sehr lebhafte Auseinandersetzung, wobei namentlich 
die Aerzte des Roten Kreuzes für die Fortführung ihrer Tätigkeit mit 
Wärme eiotraten. Schliesslich gelangten folgende Vorschläge des Ge¬ 
schäfteausschusses gegen 9 Stimmen, also fast einstimmig, zur Annahme: 

1. Die unentgeltliche charitative ärztliche Tätigkeit bleibt eine 
Ehrenpflicht der deutschen Aerzteschaft, sie bedarf aber des Schutzes 
vor missbräuchlicher Ausnützung. 

2. Dass eine Unternehmung als „gemeinnützig“ bezeichnet wird, 
bedingt an sich nicht Unentgeltlichkeit der ärztlichen Tätigkeit. 

3. Allgemeine Vorbedingung für diese ist, dass der Zweck der 
Unternehmung nicht in den Bereich behördlicher Leistungen fällt, und 
dass die Unternehmungen ihre Leistungen ohne oder gegen nur geringes 
Entgelt gewähren. 

4. Im Einzelfalle ist die Unentgeltlichkeit von der Besonderheit der 
Unternehmung und der Besonderheit der ärztlichen Tätigkeit abhängig 
zu machen. 

5. Unentgeltlichkeit begründende Besonderheit darf nach Prüfung 
angenommen werden bei der Ausbildung der Genossenschaften freiwilliger 
Krankenpfleger im Kriege, Sanitätskolonnen und Helferinnen vom 
Roten Kreuz. 

6. Wo immer Aerzte unentgeltlich eine Ausbildungstätigkeit aus¬ 
üben, ist eine schriftliche Verpflichtung von den auftraggebenden Stellen 
und von den auszubildenden Personen einzuholeo, dass diese keinerlei 
ärztliche Tätigkeit, insbesondere nicht im Sinne des § 370 RVO. ausüben 
dürfen oder werden. 

7. In jedem Falle ist die Frage, ob ärztliche Tätigkeit für ein ge¬ 
meinnütziges Unternehmen unentgeltlich geleistet werden soll, der ört¬ 
lichen Organisation der Aerzte vorzulegen. Gegen deren Entscheidung 
kann eine von dem Geschäftsausschuss des deutschen Aerztevereinsbundes 
einzurichtende Instanz angerufen werden. 

Mit dieser wichtigen Besprechung waren die Verhandlungen des 
ersten Tages beendet, der zweite begann mit einer, sagen wir einmal: 
Etikettenfrage. Es handelte sich um die Einrichtung besonderer 
Ehrengerichte für die Sanitätsoffiziere des Beurlaubten¬ 
standes; aus der Versammlung wurden noch Wünsche verlautbart für 
die Abänderung des Wahlmodus für die Sanitätsoffiziere der Reserve, so 
dass schliesslich folgender Antrag die Mehrheit erhielt: 

„Der 40. deutsche Aerztetag wolle seinen Geschäftsausschuss beauf¬ 
tragen, durch das zuständige Kriegsministerium an Allerhöchster Stelle 
vorstellig zu werden, dass die Wahlen zum Sanitätskorps des Beurlaubten¬ 
standes in Zukunft nicht mehr allein durch die aktiven Sanitätsoffiziere, 
sondern auch durch die Sanitätsoffiziere des Beurlaubtenstandes vollzogen 
werden, und dass die Verordnungen über die Ehrengerichte der Sanitäts¬ 
offiziere (für das preussische Heer d. Ver. v. 9. IV. 1001 und deren Neu¬ 
druck v. 15. VII. 1910 und die entsprechenden Verordnungen für Bayern, 
Sachsen und Württemberg) dahin abgeändert werden, dass für die Sani¬ 
tätsoffiziere des Beurlaubtenstandes bei den einzelnen Bezirkskommandos 
besondere Ehrengerichte gebildet werden, wie solche für die Offizierskorps 
des Beurlaubtenstaodes und die Sanitätsoffiziere der Landwehrinspektion 
Berlin bereits bestehen.“ 

Für die Notwendigkeit eines solchen Spezialehrengerichte wurde u. a. 
angeführt, dass in Düsseldorf ein Generaloberarzt, der soeben zur Dis¬ 
position gestellt war, sich als Nothelfer bei den Kassen gemeldet hat, 
nachdem er vorher als Vorsitzender des Ehrengerichte tätig war, welches 
einen anderen Nothelfer freigesprochen hatte. Nach einer Beschwerde 
der Düsseldorfer Aerzte ist allerdings dieses Muster eines höheren Militär¬ 
arztes ohne Uniform entlassen worden. 

Die Hebammenfrage hat schon seit langer Zeit die Aerzte be¬ 
schäftigt. Immer wieder wurde darauf hingewieseu, dass die soziale 
Stellung dieser notwendigen Helferinnen eine recht traurige sei, und 
dass an eine Hebung des Standes nicht gedacht werden könne,'wenn 
nicht, die Einkommensverhältnisse aufgebessert würden, welche jetzt be¬ 
sonders bei den Landhebammen geradezu als kläglich bezeichnet werden 
müssen. Es hat sich ein Verein zur Förderuug des Hebammenweseus 
gebildet, dem nicht nur Aerzte und Hebammen selbst angehören, ferner 
haben die Regierungen ihr Augenmerk auf die erforderliche Aenderung 
der Gesetzgebung gerichtet, so dass ein Reichsgesetz für das Hebammen¬ 
wesen in sicherer Aussicht steht. Da aber die Gesetzesmühlen, wenn ea 
sich nicht um Steuer- oder Heeresfragen handelt, entsetzlich langsam 


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1300 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


mahlen, ist es erforderlich, dass zur Beschleunigung des Vorgehens immer 
▼jeder auf diesen wunden Punkt hygienischer Versorgung hingewiesen 
wird. Nach einem ausführlichen Vortrage von Riss mann-Osnabrück 
und einer sich anschliessenden Besprechung nahm die Versammlung die 
folgenden Leitsätze an: 

1. Es ist für Deutschland auch heute noch zweckmässig, an der 
bisherigen Ausdehnung der Berufstätigkeit der Hebammenschwestern fest¬ 
zuhalten und nicht etwa Geburtshelferinnen auszubilden. 

2. Unser nächstes Streben muss dabin geben, baldigst für die Heb¬ 
ammenschwestern in jeder Beziehung das zu erreichen, was Kranken¬ 
oder Säuglingsschwestern heutzutage schon gewährt wird (Vorbildung, 
Ausbildung, Einkommen, Ruhegehalt, Entschädigung für zeitweise Ausser- 
dienststeltung usw.). 

3. Die Hebammenschulen stehen am besten unter staatlicher Ver¬ 
waltung und bedürfen eines in jeder Beziehung reichlichen Materials. 
So muss mit der Hebammenschule eine Poliklinik für Personen, die der 
behördlichen Armenpflege unterstehen, (Mütter- und Säuglingsberatungs¬ 
stelle) und eine geburtshilfliche Poliklinik verbunden sein und ibr ein 
Mütterheim angegliedert sein. Auf die Heraobilduug eines tüchtigen 
Hebammenlehrerstandes muss viel mehr Gewicht als bisher gelegt werden. 

4. Wir bedürfen dringend eines deutschen Reichsgesetzes für Heb¬ 
ammen wie einer Mutterschaftsversicheruug in Deutschland. 

5. Es ist dringend wünschenswert, dass die Aerzte, welche Geburts¬ 
hilfe treiben, das Hebammenlehrbuch kennen und zu jeder Geburt eine 
Hebammenschwester zuzieben. 

6. Es muss für die Praxis — in ähnlicher Weise wie in Baden oder 
Mecklenburg — ein engerer Zusammenhang zwischen Ilebammenlehrer 
und praktischen Aerzten einerseits und den Hebammenschwestern 
andererseits geschaffen werden. Die Kreis- (Amts-) Aerzte können allein 
die Kontrolle der Hebammen in der Praxis nicht ausführen. 

Ausserdem soll der Geschäftsausschuss darüber in Beratung treten, 
ob der Aerztevereinsbund ein Mitglied bestimmen soll zur Teilnahme an 
den Verhandlungen des Vereins zur Förderung des Hebammenwesens. 

Nach vielstündigen anstrengenden Verhandlungen eilte mau zura 
Schlüsse. Der Antrag auf Errichtung einer Auskunftsstelle für 
Aerzte in Geld- und Bankangelegenheiten wurde als wenig aus¬ 
sichtsreich zurückgezogen. Dagegen soll eine Aenderung der maasslos ver¬ 
worrenen und unzureichenden Gebührenordnungen von den Aerzten selbst 
in die Wege geleitet werden, da von den Regierungen leider nicht zu 
erwarten ist, dass sie eine Vereinheitlichung der 18 in Deutschland be¬ 
stehenden ärztlichen Taxen, die sämtlich schlecht und daher verbesserungs¬ 
bedürftig sind, herbeiführen werden. In diesem Sinne wurde folgender 
Antrag zum Beschluss erhoben: 

Der Aerztetag wolle beschliessen, dass durch den Geschäftsausschuss 
bzw. durch den Vorstand des L. V. eine Taxkommissiou zu errichten 
ist, die die vorhandenen ärztlichen Gebührenordnungen zu überwachen, 
auf zeitgemässem Stande zu erhalten bzw. durch eine gemeinsame Taxe 
zu ersetzen hat. Die Kommission soll aus drei Aerzten bestehen, die 
das Recht der Zuwahl haben; jedes Jahr bat die Kommission dem Aerzte¬ 
tag über ihre Tätigkeit Bericht zu erstatten. 

Mit einem Gefühl grosser Befriedigung gingen die Delegierten aus¬ 
einander. Ein Teil besuchte noch unter vorausgesehener Führung Bad 
Reichenhall, ein anderer Bad Tölz, andere machten Ausflüge in die 
sohöne bayrische Gebirgsgegend. In allen Gesprächen aber gab sich eine 
gewisse Genugtuung darüber kund, dass nun endlich, nachdem die 
Kassenfragen ihr Uebergewicht bei den Verhandlungen verloren haben, 
die Vertretung der deutschen Aerzte sich wieder Fragen zuwenden könne, 
die für das Allgemeinwohl von grösster Bedeutung sind. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In der Sitzung der Berliner medizin. Gesellschaft 
am 1. Juli hielt Herr Felix Hirschfeld den angekündigten Vortrag: 
Ueber den Nutzen und die Nachteile der Unterernährung (Karelkur) bei 
Herzkranken (Diskussion: die Herren Mosler, Hirschfeld) und Herr 
Rautenberg seinen Vortrag: Ueber die Röntgenphotographie der Leber 
und Milz. (Mit Demonstrationen.) 

— Die Vereinigung mitteldeutscher Psychiater und Neuro¬ 
logen hält am 25. Oktober d. J. in Dresden ihre nächste Versammlung 
ab. Anmeldungen an Geheimrat Ganser-Dresden. 

— Der ärztliche Direktor der Charite, Herr Obergeneralarzt Prof. 
Dr. Scheibe, wird am 1. August aus dieser Stellung ausscheiden und 
als Inspekteur der 3. Sanitätsinspektion nach Cassel übersiedeln. In 
seine 10 jährige Amtstätigkeit fällt ein grosser Teil der Riesenarbeit, die 
durch den Umbau der Charite geleistet wird; dass diese Arbeit in so 
mustergültiger Weise durchgefübrt werden konnte, ist nicht zum 
wenigsten sein Verdienst, und sein Name wird mit der Geschichte des 
altehrwürdigen Krankenhauses allezeit verknüpft bleiben; ebenso wird 
man seiner als des Leiters der Charite-Gesellschaft, des Herausgebers 
der Charitö-Annalen stets freundlich gedenken. Zu seinem Nachfolger 
ist Generalarzt Dr. Schmidt, zurzeit Generalarzt des III. Armeekorps, 
ernannt. 

— Der Chefarzt des deutschen Krankenhauses in London, Dr.K.Fürth, 
ist im 45. Lebensjahre gestorben. 


Nr. 27. 


— Der um die hygienische Aufklärung und Bekämpfung der Kur¬ 
pfuscherei wohlverdiente Primararzt Kantor in Warnsdorf (Böhmen), 
Herausgeber des „Gesundheitslehrers*, ist zum Medizinalrat ernannt 
worden. 

— Die sächsische zweite Kammer hat eine Petition um Errichtung 
eines Lehrstuhles für sogenannte Naturheilkunde an der Uni¬ 
versität der Regierung zur Kenntnisnahme einstimmig überwiesen. Wenn 
bei den Auserwäblten des Volkes derartiges möglich ist, kann man sich 
nicht mehr wundern, dass Sachsen den Ruhm geniesst, das klassische 
Land der Kurpfuscherei zu sein. 

— Für das Preisausschreiben der „Robert Koch-Stiftung 
zur Bekämpfung der Tuberkulose“ lautet das Thema: „Die Be¬ 
deutung der verschiedenartigen Strahlen (Sonnen-, Röntgen-, Radium-, 
Mesothorium-) für die Diagnose und Behandlung der Tuberkulose.“ Die 
Arbeiten, die in deutscher Sprache abgefasst und mit der Maschine ge¬ 
schrieben sein müssen, sind bis zum l. Juli 1915 bei dem Schrift¬ 
führer der Stiftung, Herrn Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Schwalbe-Berlin- 
Cbarlottenburg, Schlüterstr. 53, in der üblichen Form abzuliefern. 

Hoch sch ulnachrichten. 

Göttingen. Geheimrat Arthur v. Hippel, Direktor der Augen¬ 
klinik, tritt am 1. Oktober in den Ruhestand. — Halle. Der frühere 
Leiter der medizinischen Poliklinik, Prof. Nebelthau, ist im Alter von 
50 Jahren in Bremen gestorben. — Marburg. Geheimrat Tuczek, 
Ordinarius für Psychiatrie, tritt mit Ende des Semestere vom Lehramt 
zurück. — Strassburg. Habilitiert: Dr. Achelis (innere Medizin) und 
Dr. Parnass (Physiologie). — Wien. Habilitiert: Dr. Fiebiger (Para¬ 
sitologie). — Zürich. Habilitiert: Dr. Brun (Chirurgie). 


Amtliche Mitteilungen. 

Ponaonallen. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: San.-Rat Dr. Hen¬ 
nin gsen in Kiel, dirigierender Arzt des städtischen Krankenhauses 
Westend Prof. Dr. Umber in Charlottenburg. 

Königl. Kronen-Orden 2. Kl: Marine-Generalarzt &. D. Dr. F. 
Grotrian in Kiel. 

Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: San.-Rat Dr. S. Hinrichs in 
Burg i. D. 

Königl. Kronen-Orden 4. Kl.: Arzt Dr. G. Schiewe in Bruns- 

büttelkoog. 

Ernennung: ausserordentl. Professor an der Universität Strassburg 
Dr. E. Meyer zum ordentl. Professor. 

Zu besetzen: die Stelle des Kreisassistenzarztes und Assistenten bei 
dem Medizinaluntersuchungsamt in Hannover. Jabresremuneration2500M. 
Bakteriologische Vorbildung erforderlich. Die Stelle kann auch einem 
noch nicht kreis'ärztlich geprüften Arzte vorläufig kommissarisch über¬ 
tragen werden, wenn er den Bedingungen für die Zulassung zur kreis¬ 
ärztlichen Prüfung geuügt und sich zur alsbaldigen Ablegung der 
Prüfung verpflichtet. 

Niederlassungen: Dr. K. Meskein Danzig, Dr.H.Berger und Aerztin 
L. Dieckmann in Cöln, E. Jansen in Aachen. 

Verzogen: W.Last von Berlin nach Berlin-Rosenthal, Dr. R. Pipen¬ 
berg und Dr. G. Pipenberg von Rankau nach Freiburg i.Schl., Dr.H. 
Kallas von Göttingen nach Obernigk, Dr. E. Matthäus von Ober- 
nigk nach Erlangeu, Dr. L. K. 0. Langer von Wüstegiersdorf und Dr. 
P. Georgi von Cöthen nach Friedland, Kreis Waldenburg, Dr. F. 
Lux von Hamburg nach Görbersdorf, E. Grüner von Breslau nach 
Lublinitz, Dr. F. v. Tippeiskirch von Danzig nach Pless, Dr. F. 
Schrantzer von Beuthen nach Knurow, Dr. M. Schneider von Nürn¬ 
berg nach Rybnik, Dr. W. Baetgen von Rybnik nach Zabrze, Dr. 
B. Koppe von Dommitzsch und Dr. K. Multhaupt von Breslau 
nach Halle a. S., Dr. E. AUetsee von Halle a. S. naoh München, 
B. Scharlach von Orteisburg nach Merseburg, Dr. W. Woltbaus 
von Bad Kösen nach Frankenhausen (Kyffh.), G. Eichhorn von 
Leipzip nach Weissenfels, Dr. J. Bitterling von Altona nach Ham¬ 
burg, Dr. K. lfromberg von Reisen nach Altona, Dr. F. K- W. 
Schow von Lunden nach Heide, Dr. H. J. Müller von KÖstntz 
i. Th. nach Lunden, Dr. H. Nitsche von Cöln, Dr. G. Müller von 
Hamburg, Dr. G. Kramer von Leipzig und Dr. L. Seifert von 
Paderborn nach Kiel, Dr. A. Kook von Berlin nach Hannover, Dr. 
F. Meyer von Cuxhaven nach Borgholzhausen, Dr. J. Jaspers von 
Münster i. W. nach Gütersloh, Dr. M. Graff von Daun nach Herfora, 
Dr. L. Thiele von Aachen nach Ennigloh, Kr. Herford, Dr. H. Lan¬ 
dau von Cöln nach Neuenahr, Dr. P. N. A. Lauxen von Ottweuer 
nach Daun, G. Hundhammer von Limburg nach Trier, Dr. b. 
Hannemann von Jena und Dr. G. Werner von Wittenberg nac 
Stettin, Dr. J. H. Ossing von Münster nach Erfurt, Dr. K. 
Sch warzen au er von Bleicherode nach Breitenworbis, Dr. M. Grau- 
han von Bonn nach Kiel, Dr. H. Schmidt von Warburg nach Ham¬ 
burg, Dr. K. Wendenburg von Osnabrück nach Bochum. 
Gestorben: Dr. G. Haag in Bensberg, Geh. San.-Rat Dr. K. Bureu 
i n Hoffnungsthal (Bez. Cöln). _ ' 

F&r die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreutber8tr*sw4S. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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n(fl 0 « r lln 6 r Klinfach» Wocha/tfchrirt erscheint jeden 
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Preis Tferteljihrlieh 6 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postaastalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen tfÖr die ftedaitlon und ExpedTtfon 
volle man portofroi an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschv ald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Posner und Prof. Dr. Dans Kok August Ilirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 

Montag, den 13. Juli 1914 M2S. Emundfüufzigster Jahrgang. 


ALT. 


I N H 

Origlialiei: Goldscheider: Ueber atypische Gicht und verwandte 
StoffwechselstoruDgen. S. 1801. 

Steioiti: Blutuntersuchungen bei atypischer Gicht. (Aus dem 
poliklin. Universitätsinstitut für innere Medizin in Berlin.) S. 1306. 
Hart: Tbymns und Rachitis. S. 1308. 

Matti: Die Beziehungen der Thymus zum Morbus Basedowii. S. 1310. 
Blumenthal: Zur Frage der Verschärfung der Wassermann’schen 
Reaktion. (Aus der Universitätspoliklinik für Hautkrankheiten.) 
S. 1316. 

Schroeder: Einige technische Neuerungen in der Dialysiermethode 
und die Anwendung derselben in der Psychiatrie. (Aus der Pro- 
viMial-Heil- und Pflegeanstalt Kortau bei Allenstein.) S. 1819. 
Freystadtl: Röntgenbild der Keilbeinhöhle vom Epipharynx aus. 
(Aus der Kgl. ungarischen Universitätsklinik für Nasen- und Kehl¬ 
kopfkrankheiten in Budapest.) (Illustr.) S. 1322. 

Heinemann: Ein bemerkenswerter Fall von extragenitaler Syphilis¬ 
infektion. S. 1323. 

Blcherbesprechiiigea : Rubner, v. Gruber und Ficker: Handbuch 
der Hygiene. S. 1824. (Ref. Günther.) — Gärtner: Leitfaden der 
Hygiene. S. 1324. (Ref. Hahn.) — von Hoffmann: Die Rassen¬ 
hygiene in denVereinigten Staaten von Nordamerika. S. 1324. (Ref. 
Posner.) — Lehmann: Die Bedeutung der Chromate für die Ge¬ 
sundheit der Arbeiter. S. 1324. (Ref. Holtzmann.) — v. Tobold, 
Schmidt und Devin: Uebersicht über die Neuerungen in der Feld¬ 
sanitätsausrüstung. S. 1325. Krückmann und v. Kern: Ueber 
Schiessbrillen. S. 1325. (Ref. Schnütgen.) — Glaessner: Jahrbuch 
für orthopädische Chirurgie. S. 1325. (Ref. Künne.) — Schrauth: 
Die medikamentösen Seifen, S. 1325. Schulz: Die Behandlung der 
Diphtherie mit Cyanquecksilber. S. 1325. (Ref. Jacoby.) 

hitor»t*r*Ans*üge: Physiologie. S. 1325. — Pharmakologie. S. 1326. — 
Therapie. S. 1826. — Allgemeine Pathologie und pathologische 


Ueber atypische Gicht und verwandte Stoff¬ 
wechselstörungen. 

Von 

Geh, Med.-Rat Prof. Dr. Goldscheider. 

(Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 
17. Juni 1914.) 

M. H.! Der atypischen Gicht sind diejenigen Fälle ein- 
wordnen, bei welchen man Gichtablagerungen auffindet, ohne 
. lu eigentlichen Gichtattacken kommt. Es gibt ausserdem, 
wie ich später noch näher ausführen werde, sicherlich noch an- 
alwfreie Gichtiker, bei welchen, sei es dauernd, sei es während 
woe8 gewissen Stadiums, überhaupt keine Ablagerungen zu finden 
Md. Aber bei diesen Fällen ist die Beurteilung schon nicht 
®ehr ganz objektiv. 

Die Frage der irregulären Gicht ist von den verschiedenen 
woren nicht gleichmässig beantwortet worden. 

.? a ”°^l )e *ei c hnete als regulär die akut oder chronisch auf tretende 
Km ^ i . der Gewebe in den Gelenken oder um die Ge- 

^ c L y* Regulär die Fälle, bei welchen schwere Funktionsstörungen 
bmAn v’ UD 8 en ^ er Gewebe, welche nicht mit den Gelenken in Ver- 
Mdaog stehen, auftreten. 

der Gi\ C ^ ¥ -° r k dass die Anfälle keine notwendige Erscheinung 

dtn k rii 8m ^’ un d oeunt irregulär alle die Symptome, welche ausser 
Heike ° a en V0T ^ om, ? leQ * Er führt eine sehr bunte und weit gezogene 
wiftwI° Q irrregulären Symptomen auf und lässt, ohne hin- 

,w A ® präzise diagnostische Merkmale anzugeben, dem erfahrenen Blick 
einefl weiten Spielraum. Es ist nach Duckworth nicht ein¬ 


Anatomie. S. 1827. — Diagnostik. S. 1327. — Parasitenkunde und 
Serologie. S. 1327. — Innere Medizin. S. 1328. — Psychiatrie und 
Nervenkrankheiten. S. 1329. — Kinderheilkunde. S. 1329. — 
Chirurgie. S. 1330. — Urologie. S. 1330. — Haut- und Geschlechts¬ 
krankheiten S. 1331. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1331. — 
Augenheilkunde. S. 1331. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 
S. 1332. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische 
Gesellschaft. Hirschfeld: Ueber den Nutzen und die Nachteile 
der Unterernährung (Karelkur) bei Herzkranken. S. 1332. Rauten- 
berg: Ueber die Röntgenphotographie der Leber und Milz. S. 1332. — 
Laryngologisohe Gesellschaft zu Berlin. S. 1332. — 
Röntgen-Vereinigung zu Berlin. S. 1336. — Medizinische 
Sektion der schlesischen Gesellschaft für vaterländische 
Kultur zu Breslau. S. 1337. — Aerztlicher Verein zu Ham¬ 
burg. S. 1337. — Medizinische Gesellschaft zu Kiel. S. 1338. 
— Verein für wissenschaftliche Heilkunde zu Königs¬ 
berg i. Pr. S. 1839. — Gynäkologische Gesellschaft zu 
Dresden. S. 1340. — Naturwissenschaftlich-medizinische 
Gesellschaft zu Jena. S. 1340. — Medizinische Gesellschaft 
zu Göttingen. S. 1341. — Naturhistorisch-medizinischer 
Verein zu Heidelberg. S. 1341. — Nürnberger medizinische 
Gesellschaft und Poliklinik. S. 1342. — Aerztlicher Ver¬ 
ein zu München. S. 1342. — Physikalisch-medizinische 
Gesellschaft zu Würzburg. S. 1343. — K. k. Gesellschaft 
der Aerzte zu Wien. S. 1343. — Gesellschaft für innere 
Medizin und Kinderheilkunde zu Wien. S. 1343. 

Landsberger: Zur Bekämpfung der Tuberkulose. S. 1344. 

Voll mann: Stimmungsbilder und Lehren vom 40. Aerztetag. S. 1345. 

Dietrich: Martin Kirchner. S. 1346. 

Tagesgeschichtl. Notizen. S.1347. — Amtl. Mitteilungen. S.1348. 


mal nötig, dass ein Gichtiker überhaupt jemals Gelenkaffektionen be¬ 
kommt. Bemerkenswert ist sein Hinweis darauf, dass diese irregulären 
Symptome auch bei der regulären Gicht Vorkommen und dass manche 
Personen erst, nachdem sie viele Jahre lang irreguläre Gicht gehabt 
haben, typische Gichtanfälle bekommen. Ebstein verwirft die Garrod- 
sche Einteilung und rechnet zu regulärer Gicht auch die Fälle mit Tophi 
ohne Anfälle, behandelt diese aber ganz beiläufig. „Es kommen gichti¬ 
sche Tophi vor, ohne dass Gichtparoxysmen jemals vorhanden gewesen 
zu sein brauchen. In der Mehrzahl der Fälle indes werden, wenn Tophi 
vorhanden sind, auch Gichtanfälle nicht vermisst.“ Minkowski hält an 
der Einteilung in reguläre und irreguläre Gicht fest, zieht aber keine feste 
Grenzlinie. „Die irreguläre Gicht zeichnet sioh aus durch das geringere 
Heivortreten des periodischen Charakters der Krankheit, die allmähliche 
Entwickelung von bleibenden Gelenkveränderungen und Difformitäten 
sowie das Auftreten von Funktionsstörungen und krankhaften Verände¬ 
rungen in verschiedenen inneren Organen.“ Er meint, dass die irreguläre 
Gicht am häufigsten aus der regulären hervorgeht, seltener von vorn¬ 
herein vorhanden ist. Minkowski versteht unter irregulärer Gicht so¬ 
wohl das Zurücktreten der Anfälle wie die Generalisation der Gicht und 
die Entwickelung der gichtischen Kaohexie. Seine atypische Gicht ist 
etwas anderes als die von Duckwortb. 

Brugsoh bezeichnet als irreguläre Gicht die chronische Arthritis 
bei welcher sich Harnsäureablagerungen finden, ohne akute Anfälle. * 

Schon im Jahre 1884 lenkte Vir oho w die Aufmerksamkeit „auf die 
grosse Häufigkeit von solchen Gichtfällen, bei denen die gewöhnlichen 
Zufälle, namentlich die Paroxysmen, also das, was uns gerade den Ver¬ 
lauf der Gicht so eigentümlich und charakteristisch erscheinen lässt gar 
nicht eintreten.“ ’ s 

His hat neuestens darauf hingewiesen, dass die Gioht öfter als bei 
uns gemeiniglich angenommen werde, atypisch, d. h. ohne akute Gelenk- 
symptome, in der Form chronisoher Arthritiden mit symmetrischer An- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


Ordnung, Schwellung der Kapsel usw. verlaufe; auch könne sie die Ge¬ 
lenke überhaupt verschonen, sich als Neuralgie, Myalgie, chronische Ne¬ 
phritis usw. äussern. 

Die Gichtanf&lle sind ohne Zweifel dasjenige klinische Sym¬ 
ptom, welches der Krankheit den Stempel aufdrückt. Die mit 
Paroxysmen verbundenen Fälle müssen als die typischen, die 
ohne solche verlaufenden Fälle als atypische bezeichet werden. 
Das sind die beiden Grundtypen, denen alle weiteren klinischen 
Differenzierungen unterzuordnen sind. 

Die Diagnose der atypischen Gicht wird gestellt, durch den 
Nachweis uratischer Ablagerungen. Letztere kommen sehr 
viel häufiger vor, als bisher bekannt ist und ich glaube nicht zu 
weit zu gehen, wenn ich behaupte, dass sie in zahlreichen Fällen 
der ärztlichen Beobachtung entgehen. Auch den Autoren, welche 
sich ganz besonders mit der Gicht beschäftigt haben, ist, wie ich 
aas ihren Werken entnehmen muss, die Häufigkeit des Vorkommens 
uratischer Ablagerungen unbekannt geblieben. 

Tatsächlich sind die Fälle von atypischer Gicht ausserordent¬ 
lich häufig. Ich habe in einer früheren Arbeit über atypische 
Gicht 1 ) aus meiner Beobachtung 80 Fälle zusammengestellt und 
kann jetzt über weitere 271 Fälle aus den Jahren 1912 und 1913 
berichten. Die uratischen Tophi fanden sich unter letzteren 
Fällen in folgender Häufigkeit und Verteilung: 


61 Fälle 
103 * 

15 * 

32 „ 

2 „ 

8 * 

4 * 

10 „ 

4 * 


Atypische Gicht mit Tophi; (271 Fälle). 
Verteilung der Tophi. 
Olecranontophi allein . . . 

Präpatellare Tophi allein 
Os sacrum-Topbi allein . . 

Oleeranon- und Präpatellare 
Olecranon und Os sacrum . 

Präpatellare und Ohr . . . 

Präpatellare und Os sacrum 
Olecranon und Ohr. . . . 

Olecranon, Präpatellare und Ohr 
Olecranontophi und Finger- bzw. Daumen 
gelenkschwellung bzw. -Versteifung 
Olecranon-, Präpatellare Tophi u. Finger- 

gelenkschwellungen. 

Präpatellare Tophi und Fingergelenk 

Schwellungen. 

Knie, neben der Patella . . 

Extensoren-Bursa am Knie . 

Fussgelenk. 

Ueber der Scapula .... 

Condylus ext. des Humerus. 

Dornfortsatz eines Halswirbels 

Darmbeinkamin. 

Olecranon- und Acromiontophus 
Olecranon- und Daumentophus. 

Olecranon- und Kniegelenktophus 
Olecranon- und Malleolentophus 
Präpatellare und KniegeleDktophi 
Os sacrum- und Nackentophi . 

Präpatellare und Trochantertophi 
Präpatellare und Fussgelenktophi 


Fall 


Fälle 

Fall 


271 Fälle. 


Es wurden beobachtet im ganzen: 

159 mal präpatellare Tophi 
122 „ Olecranontophi 
22 „ Os sacrum-Topbi 
22 „ Ohrtophi 


Bei weitem am häufigsten kommen somit die Ablagerungen 
im präpatellaren Schleimbeutel und im Schleimbentel des Ole- 
cranon vor, an ersterer Stelle noch öfter als an letzterer. Die 
Olecranontophi sind zwar auch früher bekannt gewesen, aber man 
hat nur diejenigen beachtet, welche von auffallender Grösse und 
ohne weiteres sichtbar waren; die Mehrzahl derselben ist aber 
klein und kann nur durch Palpation festgestellt werden. Auf die 
präpatellaren Tophi ist, soweit ich die Literatur durchgesehen 
habe, vor meiner Mittelung überhaupt nicht geachtet worden. 

Ebstein gibt an, dass er unter 194 Gichtfällen fünfmal 
Olecranontophi gefunden habe. Der Vergleich mit meinen Zahlen 
ergibt ohne weiteres die Richtigkeit meiner Behauptung, dass 
diese Tophi meist übersehen worden sind. 

Die präpatellaren Tophi habe ich in meiner früheren Publi¬ 
kation im Vergleich zu den Olecranontophi als etwas weniger häufig 
angegeben. Jetzt finde ich sie öfter, weil ich eben selbst gelernt 
habe, immer mehr auf diese Gebilde zu achten. 

Sowohl die Olecranon- wie die präpatellaren Tophi finden 

1) Zscbr. f. pbjrsik. u. diät. Ther., 1912, Bd. 16. 


sich zum Teil einseitig, zum Teil doppelseitig und dann gewöhnlich 
auf einer Seite stärker entwickelt als auf der anderen. 

Es bandelt sich um kleine, höckerige, barte, häufig zu 
Konglomeraten vereinigte Gebilde von Reiskorn- bis Linaen- 
bis Kaffeebohnengrösse, verschieblich und meist schmerzlos; 
manche jedoch sind bei Druck leicht oder mässig schmerzhaft, 
besonders am Knie und Kreuzbein, und gelegentlich können sie 
den Sitz lebhafter und ausstrahlender Schmerzen bilden. Zuweilen 
sind sie so klein, dass ihre Auffindung nur bei sorgfältiger Ab¬ 
tastung gelingt. Durch den Nachweis der Verschieblichkeit schützt 
man sieb vor Verwechselungen mit knöchernen Unebenheiten. Zu¬ 
weilen, namentlich bei den präpatellaren Tophi, kann man ein sehr 
leichtes Knirschen fühlen. 

Dass diese Schleimbeutelknötchen mit uratischen Ablagerungen 
in Beziehung stehen, ist sehr wahrscheinlich. Sie finden sich 
häufig bei der echten Gicht. Mehrfach konnte ich beobachten, 
wie sie sich im Laufe der Zeit verkleinerten, bis sie dann eine 
bleibende Verdickung hinter Hessen. Sie finden sich fast stets 
unter Umständen, welche eine gichtische Erkrankung auch sonst 
wahrscheinlich machen (Plethora, Hypertonie des Blutdrucks, 
artbritische Schmerzen usw.). Man kann Harnsäure in den Ver¬ 
dickungen finden, aber auch vermissen. Jedoch beweist letzteres 
nichts gegen die uratische Natur derselbeo, da die Harnsäure 
schliesslich zur Resorption gelangt. 

Es scheint immerhin, dass in einzelnen Fällen auch ohne 
Gicht durch Traumen bewegliche Schleimbeutelknoten hervor¬ 
gebracht werden können; so gaben einige Patienten mit präpatel¬ 
laren Knoten an, dass sie eine Verletzung des Knies erlitten hätten; 
es ist jedoch bezeichnend, dass ich bei zwei derartigen Fällen 
auch am anderen Knie präpatellare Knötchen fand. Vereinzelt 
wurde auf Befragen angegeben, dass viel gekniet worden sei. Bei 
weitem in den meisten Fällen waren aber auffällige traumatische 
Einflüsse nicht erkennbar. Ich habe solche Fälle, wo eine Ver¬ 
letzung stattgefunden hatte, nicht mit aufgenommen. Dass übrigens 
auch bei vorhandener Gicht gewisse traumatische Einflüsse für 
die Erzeugung der uratischen Ablagerungen in den Schleimbeutelo 
und an anderen Stellen von Bedeutung sind, darf als sicher 
bezeichnet werden. 

Eine gewisse Vorsicht in der Deutung der Schleimbeutel¬ 
knötchen ist jedenfalls nötig. Man muss feststellen, ob auffällige 
Verletzungen der betreffenden Stelle stattgefunden haben. Ferner 
ist darauf zu achten, ob sich die Knötchen weich und glatt oder 
hart, böckrig und knirschend anfühlen. Ein weiteres Studium 
dieser Ablagerungen und ihres Werdeganges ist wünschenswert 

Rindfleisch 1 ) hat die Veränderungen, welche in einem 
Olecranontophus vor sich gehen, beschrieben und gezeigt, wie die 
Harnsäure durch Fresszellen aufgeDommen wird und allmählich 
verschwindet, ln demselben Sinne sprechen die Untersuchungen 
von His und Freud weil er. Bezüglich der besonderen Dis¬ 
position der Schleimbeutel fÜrGichtablagerungen sagtRindfleisch: 
„Schleimbeutel haben einen wenig wechselnden, fast stagnierenden 
Inhalt. Mithin dürften sie die gichtische Säuerang der Körper¬ 
säfte länger festbalten und sich dadurch für die Anhäufung und 
Kristallisation der neu hinzukommenden Harnsäure besonders 
eignen. Auch die für lokale Wärmeeutziehuug besonders exponierte 
Lage mag der kristallinischen Ausscheidung Vorschub leisten.“ 

Hierzu kommt noch, dass diese Teile in besonders hohem 
Maasse mechanischen Insulten ansgesetzt sind. 

Als ein weiteres Symptom gichtischer Ablagerungen ist das 
Gelenkknirschen zu bezeichnen, welches sich besonders häufig 
an den Kniegelenken findet. Dass dasselbe bisher eine so geringe 
Beachtung gefunden hat, hängt einerseits damit zusammen, dass 
es sehr oft übersehen wird, andererseits damit, dass es sehr ver¬ 
schiedenartig gedeutet zu werden pflegt Eine eingehende Würdi¬ 
gung hat diesem Symptom bisher eigentlich nur Magnus-Levy 
geschenkt, welcher es als feines Reiben beschreibt und sehr 
passend als „Gichtknirschen“ bezeichnet. Er stellt es dem 
gröberen Reiben, Knacken und Knarren, welches man bei Arthritis 
deformans und chronischem Gelenkrheumatismus finden kann, 
treffend gegenüber wie das Knisterrasseln dem blasigen Rasseln. 

Bei der Untersuchung auf dieses Symptom lässt man den Patienten 
in sitzender Stellung ausgiebige Beugungen und Streckungen des Beins 
im Kniegelenk vornehmen, während man die Hand tastend auf die vordere 
Fläche des Knies auflegt. Zuweilen wird das Reiben erst merklich, 
wenn der Patient das Bein in vollständige Streckstellung bringt (das 
Knie durohdrückt). Ist das Knirschen stark, so wird es hörbar und ist 
dann auch dem Patienten bekannt, welcher es auch nicht selten beim 

1) Virch. Arcb., Bd. 171. 


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13. Juli 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1303 


Auflegen der Hände bemerkt bat. Sohmerzen finden sich an den knir¬ 
schenden Gelenken sehr häufig gar nicht, und erst auf Befragen weisa 
der Patient sich zu erinnern, dass er zuweilen Schmerzen an dem 
betreffenden Gelenk gehabt habe. Nicht selten werden Schmerzen 
völlig vermisst; in anderen Fällen ist das Gelenk Sitz dauernder oder 
häufig wiederkehrender Schmerzen nnd in vereinzelten Fällen haben sich 
echte Gichtattacken in den knirschenden Gelenken abgespielt. Das 
Knirschen kommt einseitig wie doppelseitig, und dann gewöhnlich in dem 
einen Knie stärker als im anderen vor. 

Seltener findet sich das Knirschen in anderen Gelenken, so 
im Schultergelenk, am Grosszehengelenk, am Metacarpophalangeal« 
gelenk des Daumens, an einem Fingerlnterphalangealgelenk. 
Einmal fand ich es an dem Gelenk zwischen Metacarpalknochen 
des Daumens nnd Os multangulum majus. Magnus-Levy fand 
es am Ellbogengelenk. 

Sehr häufig ist das Knistern und Knirschen der Halswirbel- 
gelenke, meist nnr subjektiv vom Patienten angegeben, selten 
objektiv dnrch Auskultation oder noch schwieriger durch Palpa¬ 
tion nachzuweisen. Brodie hat es zuerst als gichtisches Symptom 
erkannt und Duckworth bestätigt dies. 

Dass diese Art des feinen Sandknirschens der Gelenke gich¬ 
tischer Natur ist, wird dadurch wahrscheinlich, dass man es 
häufig bei typischer Gicht nnd bei Fällen, welche sich durch das 
'Vorhandensein von Tophi als atypische Gicht offenbaren, findet. 
Es ist wahrscheinlich durch uratische Ablagerungen an den Gelenk- 
kuorpeln bedingt. 

Es sind deshalb auch Fälle, welche keine Tophi, sondern 
lediglich das Knirschen zeigen, in hohem Grade der Gicht ver¬ 
dächtig. Ich habe dieselben als Fälle von atypischer Gicht 
ohne Tophi zusammengestellt. Ein grosser Teil derselben zeigt 
tatsächlich Symptome, wie sie der Gicht eigen sind. In meiner 
früheren Publikation habe ich über 168 solcher Fälle berichtet 
und seitdem wieder 112 Fälle zusammengestellt. Auch jetzt kann 
ich bestätigen, was ich damals sagte, dass die Fälle, bei welchen 
nur Gelenkknirschen gefunden wird, sich in ihrem Bilde von den¬ 
jenigen mit Tophi nicht unterscheiden. 

Bemerkenswert ist, dass früher den 168 Fällen von Gelenk- 
knirschen ohne Tophi 80 atypische Gichtfälle mit Tophi gegen- 
über8tauden, während ich bei meiner neueren Zusammenstellung 
auf 112 Fälle mit Gelenkknirschen ohne Tophi 271 Fälle von 
atypischer Gicht mit Tophi finde. Dies erklärt sich daraus, dass 
ich im Laufe der Zeit immer mehr gelernt habe, die Tophi her- 
auszufiuden. Unter den früheren Fällen von Gelenkknirschen ist 
sicherlich eine ganze Anzahl, bei welchen die Tophi lediglich 
öberseben worden sind. Auch ist es einige Male vorgekommen, 
dass ich bei solchen Patienten, als ich sie später wiedersah, ausser 
dem Gelenkknirschen noch Tophi konstatieren konnte. Dies ist 
ein weiteres Beweismoment dafür, dass das Gelenkknirschen ein 
gichtisches Symptom ist. 

Umber bestreitet, dass das Gelenkknirschen etwas mit Gicht 
zu tun habe, indem er auf das in Hamburg und Umgegend häufige 
Knieknirschen verweist, welches er auf Witterungseinflusse zurück¬ 
führt und für rheumatisch hält. Ich kann nicht finden, dass seine 
Grande überzeugend sind. Ich fand das Gelenkknirschen vor¬ 
wiegend unter Bedingungen, welche mehr auf Stoffwechselanoma- 
lien als auf Rheumatismas hinwiesen. So bei Frauen, besonders 
bei fetten, sich wenig bewegenden. Gegen Rheumatismus spricht 
anch, dass die knirschenden Gelenke oft ganz schmerzfrei sind. 
Endlich hat Steinitz den u-Gebalt des Blutes bei solchen 
Fällen erhöht gefunden. 

Zunächst muss die erstaunliche Häufigkeit der atypischen 
Gicht auffallen. Selbst wenn ich von den Fällen mit blossem 
Gelenkknirschen absehe, sind es 271 Fälle von Tophi ohne Gicht- 
wfolle, die ich in relativ kurzer Zeit beobachten konnte. 

Krankheitbild der atypischen Gicht mit Tophi. 

Anch bei der atypischen Gicht mit Tophusbildung überwiegt 
wie bei der typischen Gicht das männliche Geschlecht; auf 
Hl Männer kamen 100 Frauen. Jedoch ist das Verhältnis der 
Geschlechter immerhin ein anderes; denn bei der typischen Gicht 
fand ich unter 67 Fällen 65 Männer und 12 Frauen. Aehnliche 
Unterschiede habe ich bei meiner früheren Zusammenstellung fest- 
gestellt. 

Im Kraokheitsbilde der atypischen Gicht fallen gewisse Sym¬ 
ptome als häufig wiederkohrend auf, nämlich Fettleibigkeit, 
Uberschwellung, und zwar teils als Begleiterscheinung der 
Fettleibigkeit, teils aber auch ohne das Bestehen einer solchen; 
D ervÖ8e Symptome, cardiovasculäre, d. b. Blutdruck¬ 


erhöhung, Arteriosklerose, muskuläre Herzerkrankung, und end¬ 
lich renale: Albuminurie, Cylindrurie, Nephritis, Schrumpfniere. 

Nur eine Minderheit von Fällen entbehrt aller solcher Sym¬ 
ptome, zeigt also lediglich Krankheitszeichen, welche als proto¬ 
pathische Gichtsymptome bezeichnet werden können, nämlich 
Gelenk- oder Muskelschmerzen. Unter meinen 271 Fällen 
waren nur 25 solcher einfachen unkomplizierten Fälle. 

Gelenk- oder Muskelschmerzen waren im übrigen bei fast 
allen Fällen nachzuweiseD, zum Teil in heftiger, meist aber in 
nnr mässiger oder geringer Ausprägung; zuweilen so sehr zurück- 
tretend, dass erst beim Befragen die Patienten sich entsannen, 
„rheumatische 4 * Schmerzen hier und da zu haben oder gehabt zu 
haben. Häufig wurde über Steifigkeit in einzelnen Muskelgruppen, 
im Rücken, Kreuz, besonders des Morgens, oder über schmerzhafte 
Ermüdung beim Gehen geklagt. Fast immer wurden die Be¬ 
schwerden als „rheumatisch“ oder „nervös“ angesehen. Beein- 
j flussung durch Erkältung, Witterungswechsel, Anstrengung wurde 
häufig angegeben. 

Es kommt aber auch vor, dass arthritische Schmerzen bei 
atypischer Gicht fehlen; ob dauernd, ist fraglich. Jedenfalls 
wurde von einigen Patienten angegeben, dass sie noch nie der¬ 
artige Beschwerden gefühlt hätten. 

Die genannten Symptome zeigten sich in folgender Häufigkeit: 

Fettleibigkeit.bei 37,4 pCt. der Fälle 

Leberschwellung ohne Fettleibigkeit „ 14,7 „ „ „ 

Nervöse Symptome .. 41,7 „ „ „ 

Cardiovasculäre Symptome (ein¬ 
schliesslich renale). 44,8 „ » „ 

Renale Symptome. 13,8 „ „ „ 

Häufig finden sich Kombinationen dieser Symptome. Man 
kann somit folgende Typen des Krankheitsbildes feststellen: 

1. Nervöse Symptome allein. 

2. Fettleibigkeit allein. 

3. Fettleibigkeit mit nervösen Symptomen. 

4. Fettleibigkeit mit cardio vasculären Symptomen. 

5. Fettleibigkeit mit anderweitigen Symptomgruppierungen, 
wie nervös-cardio-vasculären usw. 

6. Cardiovasculäre Symptome allein. 

7. Cardiovasculär renale Symptome. 

8. Cardiovasculär-nervöse Symptome. 

9. Renale Symptome allein. 

10. Leberschwellung allein. 

11. Leberschwellung mit nervösen oder mit cardio vascnlären 
t oder mit cardio-vasculär-nervösen oder renalen Symptomen. 

12. Unkomplizierte Gicht. 

Das Krankheitsbild der atypischen Gicht ist, wie die Zu¬ 
sammenstellung erkennen lässt, in manchen Fällen einfach, in 
anderen symptomreicher und bunter und kann sich zu einem 
schweren komplizierten, die verschiedensten Organe betreffenden 
Leiden ausgestalten. 

Die einfachste Form der Erkrankung wird durch jene Fälle 
dargestellt, bei welchen die Patienten über chronische oder zu¬ 
weilen auftretende Gelenk- oder Muskelschmerzen klagen, 
ohne dass sich — abgesehen von den Tophi — objektive Ver¬ 
änderungen an den Gelenken zeigen; allenfalls ist das besprochene 
Knirschen zu finden, welches aber auch fehlen kann. Die inneren 
Organe verhalten sich normal. Die Schmerzen sind vom Wetter, 
von Kälteeinwirkung, Diät, Darmfunktioo, auch von nervösen Er¬ 
regungen abhängig und mit einem Gefühl der Steifigkeit, beson¬ 
ders des Morgens, verbunden. Fast stets wird die Erkrankung 
als Rheumatismus aufgefasst, und nur durch das Auffinden der 
oft unscheinbaren Tophi kann man den gichtischen Charakter des 
Leidens erkennen. 

Eine leichte Steigerung des Krankheitsbildes stellen die Fälle 
dar, bei welchen ausser den Arthralgien und Myalgien auch 
Neuralgien vorhanden sind, welche dann oft die hauptsäch¬ 
liche Klage bilden. 

Ischias fand ich ziemlich häufig, nämlich 19 mal, d. h. in 
7 pCt. der Fälle, während sie bei echter Gicht viel seltener vor¬ 
kommt (1 mal unter 67 Fällen). Bei atypischer Gicht ohne Tophi 
(Knirschen) 6 Fälle = 5,3 pCt. 

Auch Armneuralgien und — seltener — Intercostalneuralgien 
kommen vor. 

Weiter finden sich Gelenk- und Knochenauftreibungen, Ge¬ 
lenksteifigkeiten; besonders häufig an den Fingern. 

Sehr häufig sind die Erscheinungen der Plethora abdominalis 
(Leberschwellung usw.) vorhanden, ohne oder mit allgemeiner 
Fettleibigkeit. 

1 * 


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1804 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


Die reicher ausgestalteten Krankheitsbilder lassen verschiedene 
Typen erkennen, je nachdem die nervösen, die cardio-vasculären, 
die Nierensymptome, endlich die Fettleibigkeit mehr hervortreten. 
Diese Typen können wieder, in verschiedener Weise kombiniert, 
bei einem und demselben Falle vorhanden sein. 

Die nervösen Erscheinungen sind sehr mannigfaltig und bilden 
eine Stufenleiter von eineinen nervösen Symptomen, wieParästhesien, 
Hyperästhesien, Pruritus, Neuralgien, x. B. Ischias, Angioneurosen 
bis »um Gesamtbilde der Neurasthenie, bei welcher zu¬ 
weilen eine bemerkenswerte Neigung zur Depression und zu 
Gemütsbewegungen hervortritt. Mehrfach wurde hauptsächlich 
über Schlaflosigkeit geklagt. Die nervösen Fälle werden in 
der Praxis häufig verkannt, weil die Tophi übersehen werden. 

Die Alterationen des Herzens und Gefässsystems sind 
häufig, und man kann sich bei der Häufigkeit der atypischen 
Gicht dem Eindruck nicht entziehen, dass ein grosser Teil der vor¬ 
kommenden Hypertonien und Arteriosklerosen mit Gicht zu¬ 
sammenhängt. 

Bei dem cardio-vasculären Typus kann zugleich Fettleibigkeit 
vorhanden sein, und auch Kombination beider Typen mit dem 
nervösen kommt zur Beobachtung. 

Was die Fettleibigkeit betrifft, so suchten die betreffenden 
Patienten zum Teil nur wegen dieser die ärztliche Hilfe auf, wo¬ 
bei das Vorhandensein von Uratablagerungen als zufälliger Neben- 
befnnd erhoben wurde; zum Teil bestanden Gelenkschmerzen, 
Neuralgien und anderweitige nervöse Beschwerden oder Symptome 
von Arteriosklerose. Aber auch bei der erstgenannten Kategorie 
von Fettleibigen wurden auf näheres Befragen doch oft Beschwerden 
„rheumatischer“ Art zugegeben. 

Sehr häufig treffen wir bei der atypischen Gicht gastrische 
Symptome an, besonders Sodbrennen, dann Darmkoliken, Flatulenz, 
Dyspepsie, nervöse Durchfälle, auch Cholecystitis und Chole- j 
lithiasis. Einige Male konnte Superacidität nachgewiesen werden. | 
Bei meiner früheren Zusammenstellung konnte ich einen Fall von i 
Enteritis membranacea erwähnen. Asthma bronchiale habe ich 
früher einmal, später nicht wieder bei atypischer Gicht beobachtet. 

Bei 5 Fällen fand sich eine Struma. 

Deber Glykosurie und Nierensteine werde ich unten noch ein¬ 
gehender berichten. In einzelnen Fällen wurden, ohne dass sonstige 
Nierensymptome bestanden, mikroskopisch viele Harnsäurekristalle 
im Urin gefunden. 

Die renalen Symptome bestanden in der Hauptsache in chro 
nischer interstitieller Nephritis (ohne Hydrops) und ausgebildeter 
Schrumpfniere, zum Teil von arteriosklerotischem Typus. 

Bei einigen Fällen war eine auffallend geringe Neigung zum 
Schwitzen vorhanden. Die Patienten gaben spontan an, dass sie 
fast nie schwitzten. Eine Patientin, welche selbst im Lichtbade 
kaum feucht wurde, „lernte“ schliesslich infolge intensiver 
Schwefelscblammbäder schwitzen, ohne dass die nunmehr er¬ 
worbene Fähigkeit, besser zu schwitzen, einen merklichen Ein¬ 
fluss auf den Verlauf des Leidens auszuüben schien. Immerhin 
fühlte sie sich durch Schweiss von ihren Beschwerden zeitweise 
erleichtert. 

Kasuistische Beispiele von atypischer Gicht mit Tophi. ! 

Herr R., 50 Jahre alt. Schmerzen und Versteifungen mehrerer Ge¬ 
lenke, besonders des rechten Schultergelenks. Angeblich sehr saurer 
Schweiss. Schwefelbadkuren ohne Erfolg. Urin normal, Gefässsystem 
normal. Beiderseits Olecranontophus. Beiderseits präpatellare Tophi. 

' Herr v. Th., 47 Jahre alt. Hat stets viel gegessen und getrunken.. 
Leidet viel an „rheumatischen“ Schmerzen. Bronchitis. Leberschwellung. 
Urin normal. T. 140. Beiderseits OlecraDontophus. Links prä¬ 
patellare Tophi und Schulterknirschen. 

Herr K., 46 Jahre alt. Wirbelsteifigkeit, Schulterschmerz beider¬ 
seits, linkes Knie geschwollen und schmerzhaft. Beiderseits präpatellare 
Tophi. 

HerrN., 36 Jahre alt. Rückenscbmerzen und Schmerzen in mehreren 
Gelenken. Steifigkeit der Wirbelsäule. Ist bisher von allen Aerzten und 
einem Universitätsprofessor für „rheumatisch“ erklärt worden. Rechts 
Olecranontophus. Beiderseits präpatellare Tophi. 

Herr W., 37 Jahre alt. Lumbago, früher Ischias. Steifigkeit des 
Rückens. Leichte neurastheniscbe Symptome. Dermographie. Am rechten 
Darmbeinkamm ein Topbus. 

Frau Z., 56 Jahre alt. Schmerzen und Steifigkeit in der Lenden¬ 
wirbelsäule und im Kreuz. Hat früher schon öfter ähnliche Schmerzen 
gehabt. Vor zwei Jahren „Rheumatismus“ in den Gelenken. Beiderseits 
präpatellare Tophi. 

Herr B., 42 Jahre alt. Schmerzhafte Wirbelsteifigkeit. Am Kreuz¬ 
bein mehrere Tophi. 

Frau X., 35 Jahre alt. Schmerzen im Rücken, Kreuz und in den 
Beinen. Es waren verschiedene Diagnosen gestellt worden, zuletzt Osteo- 


malacie. Röntgendurchleuchtung zeigte an den Wirbeln nichts Abnormes. 
Am Kreuzbein mehrere Tophi. 

Frau N., 41 Jahre alt. Schmerzen in beiden Oberschenkeln und 
Oberarmen. Vater und Bruder Diabetiker, ein anderer Bruder starker 
Gichtiker. Sie selbst stets frei von Saocharum. Gefässsystem normal. 
T. 130. Beiderseits Olecranontophus. Links präpatellarer Tophus. Beider¬ 
seits Knieknirschen. 

Herr R., 32 Jahre alt. Neurasthenie. Depressionszustände. Ner¬ 
vöse Darmbeschwerden. Superacidität. Mageninhalt enthält Schleim. 
Darm objektiv normal. Rechts Olecranontophus. Links zwei prä¬ 
patellare Tophi. 

Herr v. R., 36 Jahre alt. Mager, schlank, anämisch. Sehr viel 
Rückenscbmerzen. Leicht erschöpfbar; oft unmotiviert deprimierte Stim¬ 
mung. Tophi am Kreuzbein. Am Nacken ein Tophus. Links Schulter- 
knirschen. 

Frau Sch., 59 Jahre alt. Ischias dextra. Schwellung der Finger- 
gelenke. Links Olecranontophos. Rechts Knieknirschen. 

Frau H., 52 Jahre alt. Neurasthenie. Schmerzhaftigkeit beider 
Handgelenke. Urin normal. T. 140. Herz normal. Hat mehrfach ao 
Phlebitis der Unterschenkel, woselbst sich Varicen finden, gelitten. LinkB 
Olecranontophus. Beiderseits präpatellare Tophi. Beiderseits starkes 
Knieknirschen. 

Frau W., 40 Jahre alt. Aus giohtiseber Familie. Leidet sehr viel 
an Schmerzen in allen Gliedern und Kreuzschmerzen. Auch Schwäche» 
gefühle und abnorme Ermüdung der Glieder. Ischias dextra. Migräne. 
Stimmungswechsel. Urin normal. Gefässsystem gut. T. 180. Rechts 
Olecranontophus. Links präpatellare Tophi. Wurde von einer Autorität 
für nichtgichtisch erklärt 

Frau L., 43 Jahre alt. Fettleibigkeit. Aus gichtischer Familie. Ein 
Bruder leidet an echter Gicht. Neurasthenie. Migräne. Urin normal. 
T. 120. Olecranontophus links, Knieknirscben links, Halsknirschen. 

Frau W., 41 Jahre alt. Fettleibigkeit. Neuralgien in verschiedenen 
Körpergebieten. Fussscbmerzen. Nepbrolithiasis. Cor adiposum. T. 125. 
Oxalurie. Rechts präpatellare Tophi und Knieknirschen. 

Frau D., 52 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit. Schlaflosigkeit, ner¬ 
vöse Herzanfälle, Neurasthenie. Viel Schmerzen in beiden Knien. Ge- 
fasssystem normal. Verdickung mehrerer Fingergelenke. Episcleritis. 
Beiderseits Olecranontophus, welcher linkerseits schmerzhaft ist. Beider¬ 
seits Knieknirschen. 

Frau K., 53 Jahre alt. Fettleibigkeit. Viel Schmerzen im Rücken, 
in den Extremitäten. Parästhesien. T. 145. Urin normal. Links Ole¬ 
cranontophus, präpatellare Tophi und Knieknirschen. 

Herr B., 47 Jahre alt. Fettleibigkeit. Depression und Angst¬ 
zustände. Nervöse Unruhe. Pruritus, Akroparästhesien. Kreuzschmerzen. 
Schmerzen in der Herzgegend. Leberanschwellung. Gefässsystem normal. 
T. 130. Urin normal. Keine Lues. Wassermann negativ. Beiderseits 
präpatellare Tophi. 

Herr H., 40 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit. Seit Jahren „rheu¬ 
matische“ Schmerzen in den Armen und im linken Bein. Oppressions- 
gefühl beim Gehen. T. 220. Herztöne hart, verstärkt. Urin normal. 
Präpatellare Tophi links. 

Herr K., 43 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit (106,5 kg). Familiäre 
Anlage zur Fettsucht. Hat stets viel Fleisch gegessen und stark ge¬ 
raucht. Vielfach Schmerzen in den Füssen. Schlaflosigkeit. Neurasthenie. 
Hypertrophie des linken Ventrikels, systolisches Geräusch an der Herz¬ 
spitze. T. 168. Arteriosklerose. Urin normal. Leberansohwellung. 
Olecranontophus rechts. 

FrauH., 42 Jahre alt. Fettleibigkeit. Seit 4 Jahren Menopause. Hat stets 
viel und gut gegessen, sowohl viel Fleisch als auch viel Mehlspeisen. Fami¬ 
liäre Anlage zur Gicht. Beiderseits Knieschmerzen. Nervensystem sehr 
erregbar, Neurasthenie. T. 185. Urin normal. Olecranontophus rechts. 
Knieknirschen beiderseits. 

Herr P., 60 Jahre alt. Hat viel an „Rheumatismus“ gelitten. 
Früher starker Esser gewesen, auch Potus. Emphysem. Leber massig 
geschwollen. T. 200. Arteriosklerose. Leichte Hypeitrophia cordis sin., 
1. Ton an der Spitze unrein. Urin normal. Olecranontophus beiderseits. 
Präpatellare Tophi beiderseits, Koieknirschen beiderseits. 

Frau v. 0., 54 Jahre alt. Neurasthenie. T. 165. Im Urin ge¬ 
wöhnlich einige hyaline Cylinder, gelegentlich auch eine Spur von Eiweiss. 
Tophus an der rechten Scapula, Knieknirschen links, Schulterknirschen, 
üalsknirschen. 

Frau H., 48 Jahre alt. Hat früher viel Fleisch und Alkohol zu sich 
genommen. Oft Gliederschmerzen. HypeTtrophia cordis, systolisches Ge¬ 
räusch an der Aorta und Herzspitze; 2. Ton klappend. T. 200. Urin 
meist eiweissfrei, zuweilen Spuren von Eiweiss. Präpatellare Topbi 
beiderseits. Starkes Knieknirschen beiderseits. Nackenknirschen. 

Herr Sch., 56 Jahre alt. Leidet seit Jahren an Gelenkschmerzen. 
Herz dilatiert und hypertrophisch, systolisches Geräusch an der Herz¬ 
spitze, 2. Ton kÜDgend. T. 230. Zeitweise Albumen. Präpatellare 
Tophi links. 

Herr N., 47 Jahre alt. Leidet seit Jahren an Gelenkscbmerzen und 
nervösen Beschwerden. Neurasthenie. War starker Fleischesser, Leber- 
schwellung. 1. Ton an der Aorta unrein. T. 150. Spuren von Ei¬ 
weiss, einzelne hyaline Cylinder. Oxalurie. Präpatellare Tophi rechts. 

Eine fieberhafte polyarthritische Form zeigt uns der 
folgende Fall: 

Herr P., 60 Jahre alt. Leidet an wiederkehrenden fieberhaften 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1805 


18. Joli 1914. 


multiplen Gelenkaffektionen der oberen und unteren Extremitäten. Fett¬ 
leibigkeit. Urin normal. 1. Herzton an der Spitze gespalten, 2. Aortenton 
klingend. Blutdruck nicht gemessen, aber dem Gefühle nach stark erhöht. 
Leber geschwollen. Rechterseits grosser Oleoranontopbus. Schwellung und 
Steifigkeit des Metacarpophalangealgelenks des rechten Daumens. 

Man kann mit Recht das Bedenken erheben, ob denn das 
Zusammenvorkommen der genannten krankhaften Veränderungen, 
wie Obesitas, Hypertonie und Arteriosklerose, nervösen Sym¬ 
ptome usw. mit Tophi in der Tat den Schluss zulässt, dass eine 
innere Beziehung zwischen diesen Dingen besteht. In dieser Hin¬ 
sicht ist es nun von Wichtigkeit, dass bei der echten paroxys¬ 
malen Gicht ganz ähnliche, fast übereinstimmende Symptome 
und Syndrome zu finden sind. Ich habe in meiner früheren 
Arbeit 63 ecbte Gicbtfälle nach diesem Gesichtspunkt zusammen¬ 
gestellt, an welche ich jetzt weitere 67 Fälle anschliesse. 

Die echte Gicht zeigt zunächst einen bemerkenswerten 
Unterschied gegenüber der atypischen, welcher ihre Eigenart sofort 
erkennen lässt, nämlich das Verhältnis der Geschlechter. Von 
den 67 Gichtfällen betreffen 55 das männliche und nur 12 das 
weibliche Geschlecht. 

Im übrigen zeigt die ecbte Gicht gleichfalls die abdominal- 
pletborischen, die fettleibigen, die cardiovasculären, die renalen 
und die nervöseD Typen. Es sind nur gewisse numerische Unter¬ 
schiede gegenüber der atypischen Gicht vorhanden. So findet 
sich Fettleibigkeit bei 25,3 pCt. der echten Gichtiker (gegenüber 
37,4 pCt. bei der atypischen Gicht); unkomplizierte Fettleibigkeit 
sogar nur bei 10,4 pCt. (gegenüber 22,8 pCt. bei der atypischen 
Gicht). Dagegen ist die echte Gicht bezüglich der cardio¬ 
vasculären Fälle der atypischen überlegen (59,7 pCt. gegenüber 
44,8 pCt. bei der atypischen). Renale Symptome finden sich in 
annähernd gleicher Häufigkeit. Ebenso Leberschwellung ohne 
gleichzeitige Obesitas (17,9 pCt. zn 14,8 pCt.). Merkwürdiger¬ 
weise sind aber nervöse Symptome bei der echten Gicht seltener; 
nämlich bei 14,9 pCt. der Fälle gegenüber 41,7 pCt. bei der 
atypischen Gicht. Es scheint endlich, dass die Stärke der Ge¬ 
lenkveränderungen bei der echten Gicht grösser ist als bei der 
atypischen. 

Es ist sicherlich nicht ohne Interesse, dass ich hei meinen 
früheren Zusammenstellungen dieselben Differenzen feststellen 
konnte: bei der echten Gicht mehr cardiovascnläre, aber weniger 
nervöse Symptome. 

Unkomplizierte Fälle fanden sich bei der atypischen Gicht 
9,2 pCt., bei der echten Gicht 14,9 pCt. 

Das Verständnis für diese Unterschiede wird ermöglicht durch 
die Erwägung, dass der Gichtiker, welcher echte Anfälle erlitten 
hat, auf sein Leiden aufmerksam geworden und in der Mehrzahl 
bestrebt ist, eine zweckmässige Lebensführung zu befolgen, während 
bei dem atypischen Gichtiker, welchem die Natur seines Leidens 
meist nicht bekannt ist, dies nicht zutrifft. 

Ein Zweifler könnte non immerhin noch argumentieren: alle 
diese Typen kommen auch sonst noch vor; es gibt Fettleibige, 
Arteriosklerotiker, Nervöse usw., und es wird daher auch solche 
bei der Gicht geben nnd natürlich dann ebensowohl bei der 
typischen wie bei der atypischen. Hiergegen lässt sich nnn 
roebreres einwenden. Einmal, dass doch schon der immer wieder¬ 
kehrende Unterschied in dem Verhältnis der cardiovasculären 
und nervösen Symptome beweist, dass dieselben in einer be¬ 
sonderen Beziehung zn den verschiedenen Gichtformen stehen 
müssen. Dann aber die Häufigkeit dieser Symptome bei der 
Gicht. Man beachte die kolossale Frequenz der Veränderungen 
«es Gefässsystems: 59,7 pCt. bei der echten, 44,8 pCt. bei der 
atypischen Gicht; der Fettleibigkeit (37,4 pCt. bei der atypischen 
Gicht), der nervösen Symptome (41,7 pCt. bei der atypischen 
Gicht) usw. 

Ich kehre nun noch einmal zu den Fällen zurück, welche 
»eine greifbaren Tophi, wohl aber Gelenk-, besonders Knie¬ 
knirschen aufweiaen. Sind wir berechtigt, dieselben gleichfalls 
*Qr Gicht zu rechnen? Es ist in dieser Beziehung zunächst zu 
etopen, dass das in Rede stehende Knirschen, wie ich oben 
Kreits gesagt habe, auch bei echter Gicht und ebenso bei der 
atypischen, durch Tophi sichergestellten Gicht sehr häufig vor- 
o.ntmt. Aber ist es vielleicht überhaupt häufig? Nun; ich habe 
m mehreren Jahren fast alle meine Patienten regelmässig darauf 
nntersucht und es eben nur bei der typischen und atypischen 
icnt und bei denjenigen Fällen gefunden, welche jetzt be- 
piochen werden sollen. Es sind 112 Fälle (meine frühere Zu- 
®meD8tellung betraf 168 Fälle). Bemerkenswerterweise über- 
tsgen hier bedeutend die Frauen: 38 Männer, 79 Frauen! 


Wir finden nnn hier wieder die gleichen Symptome und 
Typen wie bei der echten und atypischen Gicht. Ja, auch 
numerisch ist zwischen der atypischen Gicht mit Tophusbildung 
und den Fällen mit blossem Gelenkknirschen bezüglich dieser 
Symptome kaum ein Unterschied. Dort 37,4 pCt. Fettleibige, hier 
88,3 pCt. Dort 14,8 pCt. Leberschwel lang (ohne Obesitas), hier 
16 pCt. Dort 41,7 pOt. nervöse Symptome, hier 41,9 pCt. Nur 
bezüglich der cardiovascnlären Komplikationen ist die Gruppe 
mit blossem Knirschen der Gruppe mit Tophusbildung sogar 
überlegen! 60,7 pCt. gegenüber 44,8 pCt.! 

Diese Feststellungen weichen von denjenigen in meiner 
früheren Arbeit insofern ab, als ich dort eine gewisse Stufenfolge 
in der Ausprägung des Krankheitsbildes zn finden geglaubt hatte 
in dem SiDne, dass die Fälle mit blossem Knirschen leichtere 
und weniger komplizierte zu sein schienen. Namentlich traten 
die cardiovasculären Symptome zurück. Dies kann icht_ jetzt 
nicht mehr finden. 

Für die Zugehörigkeit der Fälle von Knirschen zur Gicht 
spricht ferner ein Umstand, welchen ich schon in meiner früheren 
Arbeit erwähnt habe, dass einige Fälle von Knieknirschen bzw. 
Schulterknirschen, als ich sie im Verlaufe der Jahre wieder sab, 
nuomehr Tophi am Olecranon oder in der Bursa praepatellaris 
zeigten. Ich kann diese Beobachtung aufs neue bestätigen. 

Dazu kommt, dass ich Fälle mit Knirschen ohne Tophi im 
Laufe der Zeit immer weniger gesehen habe. Offenbar habe ich 
früher doch noch manche Tophi übersehen, die ich bei ge¬ 
steigerter Uebung jetzt finde. Auch dies spricht für die Zuge¬ 
hörigkeit der Fälle zur Gicht. 

Es ist auch beachtenswert, dass bei echter Gicht Gelenk¬ 
knirschen nicht bloss überhaupt häufig (28 pCt. der Fälle), 
sondern auch nicht selten als einziges Symptom von Urat- 
ablagerung vorkommt (bei 10,3 pCt. der Fälle). 

Man könnte daran denken, dass das Gelenkknirschen einem 
früheren, das Auftreten der Tophi einem späteren Krankheits- 
aladium entspreche. Dies ist aber nicht der Fall. Freilich 
konnte ich vereinzelt beobachten, dass bei Fällen von Knie¬ 
knirschen später anch Tophi gefunden wurden, aber es spricht 
nichts dafür, dass dies der Ausdruck einer regelmässigen Ent¬ 
wicklung ist. Das Durchschnittsalter der Fälle mit blossem 
Knirchen gleicht demjenigen der Fälle von Tophusbildung. Die 
Beziehung des Gelenkknirschens zn den Tophi wird in inter¬ 
essanter Weise illustriert, wenn man das Verhältnis der Ge¬ 
schlechter beachtet. Unter meinen 112 Fällen von Gelenk- 
knirseben ohne Tophusbildung befinden sich 79 Frauen und 
38 Männer, während die 271 Fälle von Tophi sich auf 100 Frauen 
und 171 Männer verteilen. Auch bei den 271 Topbusfällen kommt 
neben der Tophusbildung häufig Gelenkknirschen vor. Und auch 
unter diesen Fällen überwiegt das weibliche Geschlecht. Wenn 
wir beide Kategorien, die Fälle mit Tophusbildung und die Fälle 
mit Knirschen ohne Tophi zusammenzählen, so befinden sich 
unter den 388 Fällen 204 Männer und 179 Frauen, also nur ein 
geringer Unterschied der Geschlechter: Von den 204 Männern 
zeigen 171 = 83,8 pCt. Tophi und 76 = 37,5 pCt. Knirschen, 
von den 179 Frauen zeigen 100 = 55,8 pCt. Tophi und 128 
= 71,5 pCt. Knirschen. Die Gesamtsumme der Fälle von Tophos- 
bildung und Knirschen ist somit bei beiden Geschlechtern un¬ 
gefähr gleich, aber bei den Männern überwiegen die Tophi, bei 
den Frauen überwiegt das Knirschen. 

Das Ueberwiegen des Knirschens bei den Kranen geht auch 
aus folgender Gruppierung hervor: Tophusbildung und gleich¬ 
zeitiges Gelenkknirschen fand sich bei Männern in 25,1 pCt. der 
Fälle, bei Frauen in 49pCt. der Fälle, also rund doppelt so 
oft vor. 

Bei der echten paroxysmalen Gicht kam das Gelenkknirschen 
(teils für sieb, teils in Verbindung mit Tophi) bei 21,8 pCt. der 
Männer und bei 58,3 pCt. der Frauen vor. Noch viel auffälliger 
tritt die Differenz hervor, wenn man zusammenstellt, wie oft bei 
der echten Gicht das Gelenkknirschen für sich, d. h. ohne Tophus¬ 
bildung anftrat, nämlich bei 5,4 pCt. der Männer, aber bei 33,3 pCt. 
der Frauen! ? 

Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass die gichtischen 
Frauen viel mehr als die gichtischen Männer znm Gelenk knirschen 
neigen. 

Diese Differenz ist weder dnreh eine Verschiedenheit des 
Alters der Patienten noch durch eine solche des Krankbeitsbildes 
bedingt. Das durchschnittliche Lebensal ter der weiblichen nnd 
männlichen Patienten ist nahezu das gleiche. Es beträgt ungefähr 

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1306 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


50 Jabre, sowohl bei den Fällen mit Topbi wie bei denjenigen 
mit Knirschen ohne Tophi. 

Die Krankbeitsbilder sind beim Vorhandensein .von Tophi 
keine anderen als beim Vorhandensein des blossen Gelenkknirschens; 
speziell sind die cardiovasculären Symptome ebenso zahlreich. Aach 
bei der echten Gicht unterscheiden sich die Fälle, welche ledig¬ 
lich Knirschen zeigen, nicht von denjenigen mit Tophi. 

Dass die Männer mehr znr Tophusbildnng neigen als die 
Frauen, hängt offenbar mit denselben Bedingungen zusammen, 
welche es bewirken, dass auch an der paroxysmalen Gicht die 
Männer stärker beteiligt sind als die Frauen. 

Das Vorwiegen des Gelenkknirschens beim weiblichen Ge¬ 
schlecht beruht vielleicht zum Teil darauf, dass die Frauen sieb 
im ganzen weniger bewegen als die Männer. Es ist ganz auf¬ 
fallend, wie häufig man das Knieknirschen bei fetten, be¬ 
wegungsunlustigen Frauen antrifft. 

Auch unter den Männern sind es vorwiegend fette und sich 
wenig bewegende Personen, welche das Knieknirschen zeigen. 
Immerhin nicht ausschliesslich; es kann auch bei Leuten, die 
viel Bewegung haben, vorhanden sein. So findet sich bei echter 
Gicht das Knieknirschen vielfach bei Männern, die nicht fett sind 
und nicht an Bewegungsmangel leiden. 

Die Ursache des Knirschens kann also nicht allein in Be¬ 
wegungsmangel begründet sein. 

Rechnet man die Fälle, welche lediglich Gelenkknirschen 
zeigen, ebenso zur typischen Gicht wie die mit Tophi, so be¬ 
teiligt die atypische Gicht beide Geschlechter in ungefähr gleicher 
Weise. 

Beispiele von atypischer Gicht mit Knirschen allein. 

Frau A., 49 Jahre alt. Anfallsweise auftretende Schmerzen in den 
Knien und Schultern. Keine typischen Gichtanfälle. T. 150. Herztöne 
etwas verstärkt. Urin normal. Knieknirschen, Schulterknirschen. 

Herr B., 33 Jahre alt. Beiderseits Knieschmerzen, besonders links. 
Nephrolithiasis. Rechtsseitige Nierensteinoperation (Uratsteine). Urin 
normal. Beiderseits starkes Knieknirsch eD, rechts stärker als links. 

Herr v. R., 24 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit. Beiderseits starkes 
Knieknirschen. Klagt über „rheumatische“ Schmerzen. 

Herr S., 54 Jahre alt. Klagt über Schmerzen in den oberen und 
unteren Gliedmaassen. Leidet seit Jahren an Superacidität, Leber¬ 
anschwellung. Urin normal. Beiderseits Knieknirschen, rechts Schulter- 
knirschen. 

Herr Th., 57 Jahre alt. Nierengriessausscheidungen. Mehrfach Ab¬ 
gang kleiner Uratsteinchen. Vor 5 Jahren Herpes zoster intercostalis. 
Leidet an Depression»- und Angstzuständen. Leberanschwellung. Im 
Urin Spuren von Eiweiss. Knieknirschen, beiderseits Nackenknirschen. 

Frau J., 45 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit. Rücken- und Knie¬ 
schmerzen. Im Urin Eiweiss bis 0,5 pCt., hyaline Cylinder. T. 140. 
Beiderseits Knieknirschen. 

Frau Sch., 64 Jahre alt. Fettleibigkeit. Neuralgien. Urin normal. 
T. 130. Starkes Knieknirschen beiderseits. 

Frau W., 58 Jahre alt. Fettleibigkeit. Extremitätenschmerzen. 
Urin normal. T. 180, zweiter Ton klappend. Links Knieknirschen. 

Herr K., 52 Jahre alt. Starker Fleiscbesser; früher auch Potus und 
Nikotinabusus. Extremitätenschmerzen. Systolisches Geräusch an der 
Aorta und Herzspitze. T. 155. Urin normal. Links Knieknirschen. 

Herr R., 50 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit (115 kg). Depressions¬ 
zustände. Leberanschwellung. Flatulenz und Meteorismus. Urin normal. 
T. 190. 1. Interphalangealgelenk am rechten Daumen verdickt, steif, 
schmerzhaft. Starkes Knieknirschen beiderseits. 

Herr T., 57 Jabre alt. Rechtsseitige Ischias. Viel Knieschmerzen 
beiderseits. Urin normal. T. 190. Herztöne verstärkt, zweiter Aortenton 
klingend, erster unrein. Starkes Knieknirschen beiderseits. 

Frau B., 40 Jahre alt. Leidet viel an Neuralgien. T. 200. 
Systolisches Geräusch an der Aorta. Urin normal. Starkes Knieknirschen 
beiderseits, Halsknirschen. Ist wegen „Nervosität“ viel mit Arsenik be¬ 
handelt worden. 

Frau S., 48 Jahre alt. Seit 3—4 Jahren Klimax. Fettleibigkeit, 
schon vor der Menopause vorhanden gewesen. Urin normal. T. 200. 
Zweiter Aortenton klingend, systolisches Geräusch an der Aorta. Leidet 
viel an Gelenk- und Wirbelschmerzen. Knieknirschen rechterseits. 

Frau R., 43 Jahre alt. Leidet an Migräne und neurasthenischen 
Beschwerden; ferner seit Jahren an „rheumatischen“ Schmerzen in den 
Armen und Füssen; besonders wird über Schmerzen im linken Knie ge¬ 
klagt. Steifigkeit und Spannung im Nacken. Angina pectoris nervosa. 
Am Herzen objektiv niehts. T. 128. Urin normal. Starkes Knieknirschen 
beiderseits. 

Herr P., 43 Jahre alt. Ist starker Esser, besonders Fleischesser. 
Parästhesien. Angiospasmen an den Fingern und Füssen mit Akro- 
parästhesien. Leberanscbwellung. Urin normal. T. 130. Knieknirschen 
linkerseits. 

Frl. W., 26 Jahre alt. Als Kind Gelenkrheumatismus. Im Laufe 
der Jahre hat sich eine Versteifung des rechten Ellbogens und der 
Finger der rechten Hand entwickelt. Sohmerzhaftigkeit der Hüft- und 


Kniegelenke, beide Grosszehengelenkd geschwollen und schmerzhaft. 
Aorteninsuffizienz. Beiderseitiges Knieknirschen. Die Röntgenunter¬ 
suchung ergibt an beiden Händen Gicht. 

Aus meiner früheren Aibeit setze ich folgenden Fall hierher: 

Bei einem 35 jährigen Herrn M., den ich zuerst im März 1908 sah, 
bestand seit geraumer Zeit schwere Neurasthenie, welche ihn dienst¬ 
unfähig machte, vorzugsweise in der Form der Neurasthenia vasomotoria. 
Ferner hatte er eine Enteritis mucosa durcbgemacht. Ich vermutete 
eine harnsaure Diathese, ohne sie beweisen zu können. Nach 6 Wochen 
sah ich ihn mit einer Omarthritis wieder, und im nächsten Jahre bot 
er Knieknirschen, Schulterknirschen und Verdickungen einiger Finger- 
gelenke dar. Bei purinarmer Kost usw. trat ein wesentlicher Rückgang 
der Beschwerden ein, so dass Pat. seit dieser Zeit ungestört seinen 
Beruf ausübt. 

Die folgenden Beispiele, welche sich leicht vermehren lassen, 
zeigen, dass das Knirschen auch unter Umständen auftritt, wo es 
unzweifelhaft als Symptom der gichtischen Diathese aafgefasst 
werden muss. Es bandelt sich durchweg um Personen in normalem 
Ernährungszustände. 

Frau Ch., 36 Jahre alt. Aus gichtischer Familie stammend. 
Leidet viel an Gliederschmerzen. Urin enthält Saccharum in sehr geringen 
Mengen und Spuren von Eiweiss. Herztöne klappend. T. 140. Leber¬ 
anschwellung. Beiderseits Knieknirschen. 

Frau W., 48 Jahre alt. Echte Gicht, Podagraanfälle, Anämie. 
Urin normal. Innere Organe normal. Rechts ein präpatellarer Tophus. 
Links Knieknirschen. 

Herr P., 54 Jahre alt. Echte Gicht; Anfälle seit 15 Jahren. T. 165. 
Herz normal. Urin normal. Links ein präpatellarer Tophus, rechts 
Oiecranontophus. Beiderseits Knieknirschen. 

Herr R., 50 Jahre alt. Echte Gicht Herz ein wenig nach liüks 
dilatiert, linker Ton unrein, verlängert. T. 140. Urin normal. Beider¬ 
seits Knieknirschen. 

Frau M., 50 Jahre alt. Echte Gicht. Pyrosis, Erster Aortenton 
sehr unrein. T. 150. Präpatellarer Tophus beiderseits. Uratablagerungen 
an Händen und Füssen. Beiderseits Knieknirschen. 

(Schluss folgt.) 


Aus dem poliklinischen Universitätsinstitut für innere 
Medizin in Berlin (Geh.-Rat Goldscheider). 

Blutuntersuchungen bei atypischer Gicht. 

Von 

Dr. Ernst Steinitz. 

(Nach einem Vortrag in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 
17. Juni 1914.) 

M. H.l Dadurch, dass der Zeitpunkt meines Vortrags sich 
etwas verschoben hat, ist ein Teil dessen, was ich in dieser Ge¬ 
sellschaft vortragen wollte, bereits dnreh den Druck veröffentlicht. 
Ich werde das nach Möglichkeit fortlassen, kann aber, um all¬ 
gemein verständlich zu sein, nicht ganz vermeiden, einiges davon 
zu wiederholen. Ich bitte ferner um Entschuldigung, wenn unter 
dem Titel Blutuntersuchungen bei atypischer Gicht ein erheb¬ 
licher Teil meiner Ausführungen sich auf unsere Untersucbungs- 
ergebnisse bei Normalen und bei echter Gicht bezieht. Sie werden 
sehen, dass aus diesen Resultaten sieb dann am besten die Deu¬ 
tung der Befunde bei der atypischen Gicht ergibt. 

M. H.! Bei dem Versuch, für die wissenschaftliche Er¬ 
kenntnis wie für die praktische Diagnose der atypischen Gicht 
neue Anhaltspunkte aus der chemischen Untersuchung des Blutes 
auf Harnsäure zu gewinnen, begegneten wir — der Beginn dieser 
Arbeiten liegt 2 1 J 2 Jahre zurück — erheblichen Schwierigkeiten. 
Es fehlte an einer guten Methodik und damit sowohl an der 
Möglichkeit, verwertbare Resultate bei unseren Fällen zu erhalten, 
als auch an der Grundlage für die Deutung der zu erhaltenden 
Ergebnisse, nämlich an einer zuverlässigen Kenntnis des Blut- 
barnsäuregehaltes bei Normalen und bei der echten Gicht. Aus 
diesem Grunde ist von der Zeit, über die sich unsere Arbeit jetzt 
erstreckt, ein guter Teil ohne irgendwelche verwendbaren Resul¬ 
tate vergangen. Nach Untersuchungen von Ehr mann nnd Wolff, 
die sich allerdings nur auf einige wenige Fälle erstreckten, aber 
sehr mühevoll und exakt durchgeführt worden, schien es BOgar, 
als ob man aus dem Blutharnsäurebefund überhaupt für die Er* 
kennung der Gicht — der echten oder der atypischen — nichts 
entnehmen könnte, zum mindesten bewiesen sie, dass eine nur 
qualitative Harnsäurebestimmung sicher unzureichend ist. 

Wir haben jetzt ein Verfahren, das eine gate quantitative 
Bestimmung ermöglicht. Die Schwierigkeit, die in der Gering- 


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13. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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fggigkeit der im Blut auffindbaren Harnsäuremengen liegt, ist be¬ 
seitigt durch die ausgezeichnete Ausarbeitung der Phosphor- 
Wolframsäurebestimmung der Harnsäure durch die Amerikaner 
Folin und Denis. Die Reduktion der Phosphor-Wolframsäure 
ist ein so feines Reagens auf Harnsäure, dass sie noch mit Vtoo mg 
ein positives Resultat, d. h. eine Blaufärbung ergibt. Die quanti¬ 
tative Verwertung dieser Probe ist nach Folin und Denis an 
gewisse Kautelen gebunden, gibt aber dann, eben infolge der 
Stärke der Farbreaktion Ergebnisse, die für die kleinen Mengen¬ 
verhältnisse und für eine kolorimetrische Bestimmung als sehr 
gute zu bexeichnen sind. Die zweite schwierige Aufgabe, nämlich 
das Blut vollständig xu enteiweissen, ohne die Harnsäure mit 
niederzureissen, glauben wir selbst noch um einen Schritt ge¬ 
fördert xu haben durch Verwendung der Adsorptionswirkung von 
Talcum 1 ). 

M. H.! Spätere, weiter verbesserte Methoden mögen noch 
andere Zahlen ergeben — ich halte das sogar für wahrscheinlich 
—, die heutige Methode gibt uns aber bereits gut vergleichbare 
Werte an die Hand. Ein grosser Vorteil gegenüber den früheren 
ist neben wesentlicher Vereinfachung die Benötigung geringer 
Blntmengen; wir verwenden 10 ccm. 

M. H.! Unsere Untersuchungsresultate beim Normalen und 
bei Fällen echter Gicht möchte ich Ihnen kurz in einigen Zahlen 
hier anschreiben, und zwar in Milligramm Harnsäure auf 100 g 
Blut bei purinfreier Rost. Dies sind die im allgemeinen gültigen 
Grenzwerte: 

1,5 — 3,6 — 7. 

Seit dem Abschluss der bereits veröffentlichten Untersuchungen 
sind unsere Erfahrungen noch erheblich zahlreicher geworden. 
Wir haben noch kleine Fehlerquellen aufgedeckt und die Resultate 
verbessert. Mit der Zunahme unserer Erfahrungen haben sich 
auch einige neue Schlussfolgerungen ergeben. — 3,5 bedeutet hier 
die Grenze zwischen Normalen und Gicbtikem. Es wird jedem 
naturwissenschaftlich Denkenden von vornherein klar sein, dass 
diese Grenze nicht eine absolut scharfe für alle Fälle sein kann. 
Wenn wir zwischen den normalen und den Gichtwerten keine 
klaffende Lücke finden in der Weise, dass der niedrigste Gicht¬ 
wert bereits wesentlich höher als der höchste Normalwert ist, 
dann müssen auch Ueberschreitungen des Grenzwertes möglich 
sein. Demgemäss besagt also dieser Grenzwert nur, dass bei 
der überwiegenden Mehrzahl aller normalen Fälle der 
Blutharnsäuregehalt unterhalb dieser Grenze, bei der 
überwiegenden Mehrzahl aller Gicbtfälle oberhalb 
dieser Grenze Hegt. Tatsächlich kommen Ueberschreitungen 
der Grenze nach beiden Richtungen in einer ganzen Anzahl vor. 
Wir müssen daher eine gewisse Breite, von 3 bis zu 4mg als 
neatrales Gebiet annebmen. Wie erklärt sich nun diese 
„neutrale Zone“? also z. B., dass bei gleichem Blutharnsäure¬ 
gehalt der eine Kranke gichtfrei sein kann, der andere an echter 
Gicht leidet? Wir verstehen das, wenn wir die Harnsäure nicht 
als allein ausschlaggebend für die Gicht ansehen, sondern nur 
als einen der wirksamen Faktoren. Es sprechen ja sicher noch 
viele andere Momente, individuelle Disposition der Gewebe und 
dergleichen mit, so dass bei verschiedenen Individuen ein ver¬ 
schieden hohes Ansteigen des Harnsäuregehaltes des Blutes bzw. 
der Gewebe nötig ist, um Gicht hervorzurufen. Zu berücksichtigen 
ist auch, dass bei vielen Fällen durch vorausgegangene Behand- 
long, wie Diät und Brunnenkuren, eine Verminderung der Blut- 
barosäure erreicht sein kann. — Dass die Gicht wirklich etwas 
mit der Harnsäure zu tun bat, gebt aus den Befunden bei der 
grossen Mehrzahl und aus der erheblichen Differenz der 
Durchschnittswerte der Normalen und der Gichtiker 
(2,7 zu 4,3) hervor. Und in der „neutralen Zone“ liegen übrigens 
our leichte Fälle oder solche, die bereits sehr lange anfallfrei 
sind. Schwere Gichtfälle haben immer hohe Werte. Es trifft 
*ogar im allgemeinen die Regel zu: je schwerer der Gicht- 
full, desto höher der Blutharnsäurewert. Natürlich ist es 
schwer, eine genaue Stufenfolge der Gichtfälle nach ihrer Schwere 
aufiQ8tellen, um zu sehen, ob sie der Reibe der Harnsäurewerte 
entspricht. Ich weise aber auf diese Uebereinstimmung zwischen 
klinischem und chemischem Befund besonders bin, weil das mir 
fär die Beurteilung der Befunde bei der atypischen Gicht wichtig 
erscheint. 

H.! Auf der Grundlage dieser Feststei langen und Er¬ 
lösungen können wir erst an die Frage des Blutharnsäuregehaltes 
hei der atypischen Gicht herantreten. Anf der Basis der früheren 

1) Methodik s. Zschr. f. pbysiol. Cbem M 1914, Bd. 90, H. 1 u. 2. 


Anschauungen, wonach das normale Blut bei purinfreier Kost 
harnsäurefrei sein sollte, war die Fragestellung sehr einfach: 
Enthält das Blut des atypischen Gichtiker Harnsäure oder nicht? 
Eventuell: Enthält es ebensoviel oder etwas weniger als beim 
Gichtiker? — Jetzt können wir nur nach der Quantität der Blut¬ 
harnsäure fragen und dürfen keine so einfache Antwort erwarten 
wie vorher. 

Den- klarsten Unterschied zwischen den Normalen und den 
echten Gichtfällen ergaben die Gesamtdnrcbschnittswerte, 2,7 zu 
4,3 mg. Der Durchschnittswert der atypischen Form 
liegt mit 3,9 zwischen diesen beiden, näher dem Gicht¬ 
wert. Aebnlich verhält es sich mit der Breite, in der sich die 
Harnsäurewerte bewegen. Ich schreibe sie hier neben die vorhin 
angezeichneten (2,5—6 einschliesslich der „neutralen Zone“). 
Auch bei der atypischen Gicht befindet sich weitaus 
die Mehrzahl aller Fälle oberhalb des vorhin fixierten 
Grenzwertes von 3,5 mg; auch zum Teil die Fälle, die nur 
Gelenkknirschen, keine Tophi aufweisen. 

M. H.! Wir sind verschiedenen Möglichkeiten naebgegangen, 
die zu Täuschungen Anlass geben konnten: Da das Lebensalter 
unserer atypischen Gichtfälle durchschnittlich ein erheblich höheres 
war, als das der zum Vergleich untersuchten normalen Personen, 
haben wir uns vergewissert, ob der erheblich höhere durchschnitt¬ 
liche Harnsäuregehalt nicht etwa durch das höhere Alter bedingt 
ist. Wenn wir unsere sämtlichen Untersuchungsresultate nach 
dem Alter der Patienten ordnen, so finden wir allerdings ein An¬ 
steigen der Blutbarnsänrewerte von Jahrzehnt za Jahrzehnt. 
Dieses Ansteigen ist aber nur durch den zunehmenden Prozent¬ 
satz der Gichtiker bedingt. Stellt man nur die Befunde bei 
Normalen zusammen, so fehlt das Anwachsen der Harnsäure werte 
mit zunehmendem Alter. — Wir haben ferner vorhin gehört, dass 
ein grosser Teil der atypischen Gichtfälle mit Adipositas oder 
mit cardiovasculären Störungen einhergeht. Das gilt auch für 
viele der von uns Untersuchten. Wir haben deshalb auch an die 
Möglichkeit gedacht, dass die bei diesen festgestellten hohen 
Harnsäurewerte nicht zur atypischen Gicht mit Tophusbildnng 
oder Gelenkknirschen, sondern vielleicht zar Adipositas oder den 
cardiovasculären Störungen in wesentlicher Beziehung stehen 
könnten. Darauf gerichtete Beobachtungen haben jedoch bis¬ 
her ergeben, dass Fettleibige ohne Zeichen atypischer 
Gicht stets einen Harnsäuregebalt unterhalb des Grenz¬ 
wertes aufweisen, meist sogar erheblich unterhalb desselben. 
Von den Fällen mit Myocarditis und Blutdruckerböbnng 
hatten allerdings auch einige ohne Tophi oder Gelenk¬ 
knirschen erhöhten Harnsäuregehalt. Doch war das so 
wenig regelmässig, dass man diese Gruppe der cardiovasculäreu 
Erkrankungen, bei der die Harnsäure vermehrt ist und jedenfalls 
ätiologische Bedeutung hat, abtrennen und, wenn man will, zwang¬ 
los als atypische Gicht ohne Concrementbildung (larvierte Gicht, 
Goldscheider) auffassen kann. 

Wenig Aufklärung bringen uns anf den ersten Blick die 
Untersuchungsergebnisse bei dem Teil der atypischen Gichtfälle 
mit relativ niedrigem Harnsäurebefond von 3,5 bzw. 4 mg bis 
herunter zu 2,5 mg, weil solche Werte auch bei Normalen Vor¬ 
kommen. Diese Ergebnisse lassen sich freilich sehr wohl mit 
der Annahme vereinbaren, dass auch diese Fälle den gichtischen 
Erkrankungen zuzuzählen sind — denn wenn leichte Fälle echter 
Gicht Werte bis ins Gebiet der Normalen, bis bernnter zu 3 mg 
aufweisen, so kffnnen sehr wohl atypische, also abgeschwächte 
Gichtfälle mit ihren Werten noch weiter, bis zu 2,5 mg, berunter- 
reichen. Einen positiveren Aufschluss über die Zugehörigkeit 
dieser Fälle zur Gicht erhalten wir aber, wenn wir hier wie bei 
der echten Gicht eine Zunahme des durchschnittlichen Harnsäure¬ 
gebaltes mit der Schwere der Fälle konstatieren können. Um 
subjektive Beurteilung möglichst auszuschliessen, habe ich eine 
ganz mechanische Gruppierung vorgenommen nach der Zahl der 
Lokalisationen von Urataussckeidungen, also der Stellen mit 
tophösen Auflagerungen und der Gelenke mit ausgesprochenem 
Knirschen. Solche Lokalisationen fanden sich in unseren Fällen 
in der Zahl von 1—6. Teilen wir diese in zwei Gruppen mit 
1—3 und 4—6 Lokalisationen, so weist die erste Gruppe einen 
Durchschnittswert von 3,8, die zweite von 4,7 mg*) Harnsäure 
auf; teilen wir in drei Groppen, so sind die Durchschnittszahlen 
3,6: 4,1: 5,3. Wenn wir aus allen diesen Fällen noch die heraus- 


1) Bei dieser Zusammenstellung ist ein Fall, der wegen Ulcus 
ventriculi lange Zeit von flüssiger Kost gelebt hatte, sowie drei Fälle 
wegen fehlender Notizen über die Zahl der Tophi fortgelassen. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


heben, welche nnr Gelenkknirschen, keine Tophi anfweisen, so 
erhalten wir einen noch niedrigeren Durchschnittswert, näm¬ 
lich 3,4. Dieser Wert liegt aber noch erheblich höher als der 
normale Durchschnittswert von 2,7. In sechs Gruppen dürfen 
wir nicht einteilen, weil sonst die Zahl der Fälle zu klein wird, 
nm einen Durchschnitt zu nehmen; und für jeden einzelnen Fall 
dürfen wir nach dem, was wir über individuelle Verschieden¬ 
heiten gesagt haben, eine Einordnung in die Stufenfolge nicht 
verlangen. 

M. H.I Der hohe durchschnittliche Blutharnsäure- 
gehalt der atypischen Gichtfälle insgesamt, die hohen 
Werte bei ihrer grossen Mehrzahl und das zuletzt de¬ 
monstrierte Ansteigen der Üarnsäurewerte mit der 
Schwere der Fälle zeigen uns eine weitgehende Analogie 
mit den Verhältnissen bei der echten Gicht. Bei beiden 
Formen spielt die Harnsäure sichtlich eine Rolle, bei der atypi¬ 
schen ist nur alles, die ganze Breite der Harnsäurewerte und der 
Durchschnittswert, etwas nach unten zu verschoben. Die Blut¬ 
untersuchungen stehen also vollkommen im Einklänge 
mit der klinischen Auffassung der atypischen Gicht 
als einer abgeschwächten Gicht. 

Wir haben unsere Schlussfolgerungen für die wissenschaft¬ 
liche Beurteilung in erster Linie auf Grund von Durchscbnitts- 
resultaten gezogen. Es erhebt sich nun die Frage, was diese im 
einzelnen doch etwas wechselvollen Ergebnisse uns für die prak¬ 
tische Diagnose leisten. Nun, m. H., wir dürfen da von der Blut- 
untersuchung nicht zu viel verlangen, nämlich nicht in jedem 
Falle eine ganz bestimmte Antwort — wir erhalten ja selbst 
beim Widal. Wassermann usw. nicht immer eine ganz bestimmte 
Auskunft. Was wir erfahren können, erkennen Sie aus den an¬ 
geschriebenen Grenzwerten und den „neutralen Zonen“ für die 
echte und die atypische Gicht. 

1,5 — 3,5 - 7 

2,5 3 4 

neutrale Zone (für typische Gicht) 

neutrale Zone (für atypische Gicht). 
Harnsäurewerte unterhalb der neutralen Zone sprechen 
mit ziemlicher Sicherheit gegen Gicht, Werte inner¬ 
halb der neutralen Zone sprechen mit um so grösserer 
Wahrscheinlichkeit für Gicht, je mehr sie sich der 
oberen Grenze nähern, Werte oberhalb der neutralen 
Zone sind fast beweisend für Gicht. Hier sind nur geringe 
Ausnahmen, wie fieberhafte Erkrankungen, zu berücksichtigen. 
Natürlich werden wir noch weitere Erfahrungen sammeln und 
dadurch in der Beurteilung sicherer werden. 

Die quantitative Bestimmung der Blutharnsäure, die wir jetzt 
relativ leicht und mit einer geringen Blutmenge ausführen können, 
erfüllt also auch praktisch diagnostische Forderungen für die 
Diagnose der echten wie der atypischen Gicht. 


Thymus und Rachitis. 

Von 

C. Bart. 

In den letzten Jahren sind einige beachtenswerte Versuche 
gemacht worden, das Rachitispromblem zu lösen. Besonders be¬ 
deutsam erscheint die auf Tierexperimente sich stützende An¬ 
schauung, nach der die rachitischen Störungen des Knochen¬ 
wachstums bedingt sein sollen durch den Ausfall der Thymus¬ 
funktion. Schon früher haben sich vereinzelte Stimmen erhoben, 
welche die „fötale Rachitis“ nicht nur zum angeborenen Schild¬ 
drüsen-, sondern auch Tbymusmangel in Beziehung brachten, seit¬ 
dem' aber der Begriff der fötalen Rachitis endgültig seine Be¬ 
rechtigung verloren bat, haben auch jene Ansichten keine Be¬ 
deutung mehr. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass 
die beiden, früher in jenem Begriff aufgehenden, heute aber scharf 
abgegrenzten Knochenaffektionen, die Chondrodystrophie foetalis 
(Kaufmann) und Osteogenesis imperfecta congenita (Vrolik), 
in keiner Beziehung zu der Beschaffenheit der Thymus stehen. 
Dagegen muss die Meinung, die Rachitis als rein postnatale Affek¬ 
tion sei eine thymoprive Erscheinung, auf den ersten Blick viel 
Bestechendes haben. Darf man doch mit Recht die Thymus als 
ein vollwertiges Organ gerade der Epoche bezeichnen, in der die 
Rachitis zum Ausbrach kommt, und wissen wir doch, dass die 
Thymus nicht selten zu dieser Zeit unter dem Einfluss allgemeiner 


Schädigungen des Organismus einer so schweren pathologischen 
Involution anheimfällt, dass die Aufrechterhaltung der notwendigen 
Funktion ernstlich in Frage gestellt erscheint. Zudem liegt es 
nahe, auf die Bedeutung hinzuwe>sen, die für das Knochen- 
wacbstum der Wegfall der bistogenetisch der Thymus nabe ver¬ 
wandten Schilddrüse bat. 

Seitdem wir wissen, dass die Thymus ein nicht nur epi¬ 
thelial angelegtes, sondern im Grunde dauernd epitheliales Organ 
mit innerer Sekretion ist, müssen wir entsprechend ihrer Ent¬ 
wicklung ihre Haupttätigkeit in die ersten Lebensjahre des Kindes 
verlegen. Etwas Genaues wissen wir aber über die Funktion des 
Organes noch immer nicht, wir kenoen noch nicht das spezifische 
Thymussekret, dessen Wirkung wir bisher allein unter patho¬ 
logischen Verhältnissen, beim Hyper- und Dysthymismus, zu er¬ 
kennen glauben. (Jnd noch unter einem zweiten Mangel hat die 
experimentelle Forschung zu leiden. Es ist noch keine einzige 
einwandfreie Beobachtung eines Fehlens der Thymus bei einem 
mehrere Wochen oder noch älteren Kinde bekannt, die uns auf 
Bedeutung des Organs für die Entwicklung und das Wachstum 
des Körpers und besonders des Skelettes hättft hinweisen können. 
Trotzdem hat man aus den Folgen der Tbymektomie bei Tieren 
auf die thymoprive Natur der menschlichen Rachitis schliessen 
zu können geglaubt. 

Nachdem Basch als erster in einwandfreien Versuchen hat 
zeigen können, dass thymektomierte Tiere im Wachstum Zurück¬ 
bleiben und besonders an den Epipbysengrenzen der langen 
Röhrenknochen Veränderungen aufweisen, die eine Störung der 
Ossifikation deutlicherkennen lassen, hat namentlich Klose diese 
Versuche in grossem Umfange aufgenommen. Bei Hunden und 
neuerdings bei Schweinen, Ziegen, Ratten und Hühnern konnte er 
durch eine in den ersten Lebenswochen ausgeführte Tbymektomie 
eine Erkrankung des Skelettes erzeugen, die bis ins einzelne mit 
der menschlichen Rachitis übereinstimmen soll. Die Erscheinungen 
traten durchweg zwei bis drei Monate nach der Entfernung der 
Thymus auf und bestanden in Gehunfähigkeit, Verkrümmung der 
Extremitätenknochen, im Auftreten eines Rosenkranzes an der 
Knorpelknochengrenze der Rippen und von Spontanfrakturen. 
Mikroskopisch ist an den erkrankten Knochen am charakteri¬ 
stischsten die Störung und Unordnung des endocbondralen Ossifika¬ 
tionsprozesses. 

Während nun aber Basch wie Matti, dem wir gleichfalls 
eine ausgezeichnete Monographie über die Folgen der Tbymektomie 
verdanken, sich mit grösster Zurückhaltung zur Frage der mensch¬ 
lichen Rachitis äussern, hat Klose aus seinen Untersuchungen 
die weitestgehenden Schlüsse gezogen und keinen Zweifel daran 
gelassen, dass nach seiner Ansicht die Rachitis bedingt ist dnrch 
den Ausfall oder eine schwere Schädigung der Thymusfunktion. 

Es sei hier nicht geprüft, ob ihn zu dieser Annahme die Ergeb¬ 
nisse seiner Tierversuche unbedingt berechtigen, dagegen die Frage 
aufgeworfen, ob etwa uns die Erfahrungen der menschlichen 
Pathologie einen Anhalt für die Richtigkeit jener Anschauung 
geben. An sich spricht es nicht gegen sie, dass bisher die Thy¬ 
mus in den Erörterungen über Aetiologie und Wesen der Rachitis 
keine Rolle gespielt hat, denn kaum ein Organ ist von Klinikern 
wie Pathologen mehr vernachlässigt worden als gerade die Thy¬ 
mus, die auch heute noch wenig Beachtung im allgemeinen findet 
Ohne Zweifel aber müssen die Erfahrungen der menschlichen 
Pathologie ausschlaggebend für unser Urteil sein, und jeder Schluss 
aus Tierexperimenten muss unrichtig sein, der mit ihnen in un¬ 
lösbarem Widerspruche steht. 

Nun habe ich im Laufe meiner seit Jahren betriebenen Thymos- 
studien auf etwaige Beziehungen zwischen Thymus und rachitischer 
Knochenerkrankung ganz besonders geachtet und an meinem 
mehrere Hundert Kinderleicben umfassenden Materiale folgendes 
festgestellt: In nicht seltenen Fällen von Rachitis findet sich eine 
Thymusatropbie, die aber niemals zu einem völligen Schwände 
des Parenchyms führt. Es liegt nicht der geringste Grund vor, 
in solchen Fällen auch nur vereinzelt eine primär mangelhafte 
Entwicklung des Organes anzunehmen, vielmehr handelt es sich 
nach dem histologischen Befunde stets um eine pathologische In¬ 
volution. YSie kann uns nicht aüffallen, wenn wir berücksichtigen, 
dass alle hier in Betracht kommenden obduzierten Kinder an 
anderweitigen Krankheiten gelitten batten und zugrundegegaDgen^Njp 
waren, chronischen Bronchitiden, Darmkatarrhen, mannigfachen 
Hautaffektionen, die ins Gebiet der exsudativen DiathesOyOder 
septischer Zustände-gefrören, gelegentlich auch Tuberkulose/ Ans 
meinen eigenen Untersuchungen wissen wir ja, dass die Thymus 
in überaus feiner Weise mit Parenchymschwnnd auf jede Schä* 


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UMIVERSITY OF IOWA 



18. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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digong des Organismus, insbesondere aaf infektiös-toxische Ein- 
flösse reagiert. 

Umgekehrt begegnet man recht oft einer normal grossen, ja 
selbst übergrossen Thymus bei rachitischen Kindern, wie ich sie 
nie bei jenen pastösen Individuen vermisst habe, die ohne sonstiges 
oder doch nur nach ganz kurzem Kranksein eines plötzlichen oder 
schnellen Todes verstorben waren. Man kann behaupten, dass bei 
reiner Rachitis sich die Thymns eher vergrössert als verkleinert 
findet, vergrössert deshalb, weil die Rachitis als solche den Orga¬ 
nismus nicht zu beeinträchtigen braucht und weil sie oft die Teil- 
erscheinung der bekanntlich viel mit Rachitis vergesellschafteten 
oder sie erst begünstigenden lymphatischen Konstitution ist. Sogar 
bei sogenanntem Thymustod, wo die abnorm grösst Thymus das 
Bild der Markbyperplasie bot und zum mindesten eine Hyper- 
fnnktion anzonebmeo war, habe ich rachitische Knocbenverände- 
rangen gefunden. Alle diese Beobachtangen lehren, dass die bei 
der ersten Gruppe rachitischer Kinder feststellbare Thymus¬ 
atrophie die unverkennbare Folge irgendeiner anderen Erkrankung 
ist, die vielfach erst eintritt bei bestehender Rachitis. 

Dieser Art sind die Erfahrungen, die sieb leicht am Obduk¬ 
tionstisch sammeln lassen and die wohl alle pathologischen Ana¬ 
tomen gemacht haben, wie noch kürzlich Ribbert zum Ausdruck 
gebracht hat. Sie entsprechen den Aensserungen der Kinderärzte, 
von denen ich nur zwei anföhren will. Hochsinger hat an der 
Hand eines reichen Materiales das häufige Zusammentreffen von 
Rachitis nnd grosser Thymus betont und Krautwig bat mit be¬ 
sonderem Nachdrucke darauf hinge wiesen, dass bei nnkomplizierter 
Rachitis, d. h. bei rachitischen Kindern, deren Körpergewicht 
nichts infolge längerer Darm- nnd Bronchialkatarrhe herabgesetzt 
ist, ^ie Gewichtswerte der Thymus der oberen Grenze des phy¬ 
siologischen Wertes entsprechen oder selbst über sie hinausgehen'.' 

Die Schwere des rachitischen Prozesses entspricht keineswegs 
dem Grade der Thymusatrophie, im Gegenteil, gerade bei den 
schwersten Formen des Leidens kann man oft nnd fast mit einiger 
Regelmässigkeit eine gnt entwickelte, histologisch durchaus normale 
Thymus feststellen. Es entspricht das der Erfahrung Schmor 1 ’s, 
unseres derzeitigen besten Rachitiskenners, dass die rachitische 
Kuocbeoerkrankung als solche bei schlecht genährten nnd schwäch¬ 
lichen Kindern fast immer weniger hochgradig ist als bei gut 
genährten und kräftigen. 

Eine weitere beachtenswerte Feststellung ist folgende. In 
allen den Fällen, wo es sich um abzehrende and über Monate, 
ja selbst Jahre sich hinziebende Leiden handelt and wir mit un¬ 
bedingter Gewissheit mit hohen Graden der Tbymusatropbie von 
gleichfalls langem Bestehen rechnen müssen, lässt sich keine 
Spar einer rachitischen Knochenerkrankung nachweisen. Niemand 
aber wird behaupten wollen, dass die Atrophie der Thymns bei 
derartigen Leiden, wie i. B. chronischer Drüsen- und Koochen- 
taberkalose, eine besondere Beurteilung verlange, vielmehr kann 
man nar zu dem einen Schluss kommen, dass der Schwund des 
Thyamspareochyms nichts mit der Entstehung der Rachitis zu 
tan haben kann. 

So scheint mir das Ergebnis meiner systematischen Unter¬ 
suchungen ein durchaus eindeutiges zu sein, nnd ich glaube, dass 
ich zur Aufstellung des folgenden Satzes berechtigt war. „Die 
Erfahrungen der Pathologie erlauben nicht nur nicht, sondern 
verbieten sogar, die Thymus in Beziehung zur rachitischen Er¬ 
krankung der Knochen in dem Sinne zu bringen, dass der ersteren 
Fehlen oder Schwund die Ursache der Knochenaffektion sei.“ 

Da es keinem Zweifel unterliegen kann, dass es verschiedenen 
Experimentatoren geglückt ist, durch Thymusexstirpation eine 
rachitisähnliche Knocheoerkrankung der Versuchstiere zu erzeugen, 
»o kann nur die Schlussfolgerung Klose’s anrichtig sein. Weil 
dieses künstlich hervorgerufene Knochenleiden anatomisch der 
•pontanen Rachitis der Rinder ähnelt bzw. mit ihr übereinstimmt, 
braucht noch lange nicht die Aetiologie die gleiche zu sein. 
Verschiedene Entstehßngsbedingungen können zu im wesentlichen 
übereinstimmenden Folgen führen. Klose’s Schlüsse müssen 
•chon deshalb anrichtig oder jedenfalls viel zu weitgehende sein, 
weil seine Versuche einer überaus wichtigen Voraussetzung nicht 
entsprechen, nämlich Verhältnisse schaffen, die man bisher noch 
niemals einwandfrei bei einem lebensfähigen, knochenkranken 
Jmde beobachtet hat. Wir werden also sehen müssen, ob sich 
nem Ausfall des Tierexperiments keine andere Deutung geben lässt. 

Vorher sei noch auf einige andere Punkte hingewiesen. In 

Pathogenese der Rachitis spielen nicht allein individuelle 
(ijisposition), sondern anch zeitliche, örtliche Verhältnisse, Ein- 
üne des Milieus und Lebensgebr&uche eine bedeutsame Rolle. 


1,309 

Die seit vielen Jahreo von v. Hansemann besonders vertretene 
Anschauung, dass die Rachitis im wesentlichen eine Domestikations¬ 
krankheit sei, hat anch in dem grossen posthumen Werke 
v. Recklinghausen^ Anerkennung gefunden. Gerade dieser 
grosse Kenner der Knochenkrankheiten, dem die Arbeiten Klose’s 
nicht nur bekannt waren, sondern der die Knocheoschnitte der 
thymektomierten Hunde seihst beurteilte und als im Sinne der 
Rachitis verändert anerkannte, schrieb dennoch: „Bisher ist also 
aus dem Ergebnis der Organexstirpationen ein bündiger Beweis, 
dass eine Malacie der Knochen von einer Störung der Tätigkeit 
eines bestimmten Organs herrühre oder gar, dass der mensch¬ 
lichen Rachitis und Malacie ein derartiges spezifisches ursächliches 
Moment zugrunde liege, nicht za entnehmen.“ Es sprechen aber 
anch die obenerwähnten Einflüsse gegen eine solche Annahme. 
Während man noch daran denken könnte, dass die individuelle 
Disposition abhängig vom Zustande oder vom Fehlen der Thymus 
sei, was aber durch anatomische Feststellungen hinreichend sicher 
widerlegt ist, können beispielsweise zeitliche and örtliche Differenzen 
im Auftreten und io der Häufigkeit der Rachitis in keinerlei Be¬ 
ziehung znr Thymus gebracht werden. Ich branche nur auf die 
Verhältnisse in Japan hinzu weisen, dessen man oft als eines 
rachitisfreien Landes gedacht bat. Heute wissen wir, dass auch 
dort Kinder rachitisch werden können, aber nur in der kleinen 
Provinz Tojama, die vom Meer nnd hohen Gebirgen umgrenzt ist, 
und in der hauptsächlich eine arme Bauernschaft bei schlechter 
Ernährung, aber sonst nicht unter ungünstigen Gesundheits¬ 
verhältnissen lebt. Soll nur hier Thymusscbwnnd Vorkommen 
nnd zur Rachitis führen, während z. B. in Tokio dieses Leiden 
unbekannt ist, obwohl die Morbidität der Kinder und damit wohl 
auch die Tbymusatrophie keine geringe ist? Natürlich könnte 
man eine solche Betrachtung anch für europäische Verhältnisse 
anwendeo, welche die bestehenden Örtlichen Differenzen nur 
weniger deutlich zeigen. Und ebenso steht es mit anderen in 
Betracht kommenden Einflüssen, insbesondere wird niemand den 
Versuch machen wollen, die unter den Begriff der Domestikation 
fallenden in irgendwelche innige Beziehung zur Thymus zu bringen. 
Denn der Parenchymwert der.Tbymas entspricht dem allgemeinen 
Ernährungszustände, der durch den Einfluss der Domestikation 
nicht nur nicht geschädigt zu werden pflegt, sondern sogar oft 
gehoben wird (Mästung). 

Welche Deutung wollen wir nnn der nach Tbymektomie anf- 
tretenden Knochenerkrankung geben? 

Meine Antwort auf diese Fiage geht von der Ueberzengung 
aus, dass die menschliche Rachitis keine engbegrenzte, spezifische 
Aetiologie hat. Darauf scheinen gar zu viele Erfahrungen nnd 
Feststellungen hinzu weisen, unter denen folgende nicht die un¬ 
wichtigste ist. Wer sich viel zpit Knochenerkrankungen be¬ 
schäftigt, gewinnt den Eindruck, dass bei Rachitis und Osteo- 
malacie sich eine Reihe von Prozessen abspielt, deren jedem 
einzelnen wir auch ausserhalb dieser Leiden begegnen, and die 
so sehr dann das histologische Bild beherrschen können, dass 
wir glauben, es mit Erkrankungsformen des Skeletts zu tun za 
haben, die eine scharfe Klassifikation erfordern. In Wahrheit 
aber dürfte es sich, wie sehr auch eine solche nach rein histo¬ 
logischen Kriterien wünschenswert und angebracht sein mag, um 
lauter Infektionen handeln, die sich nm die Rachitis und Osteo- 
malacie gruppieren, Einzelmerkmale dieser Leiden aufweisen und 
alle zusammen eine im Grunde einheitliche Aetiologie haben. 
Von der möglichen bunten Kombination der bedingenden Faktoren 
hängt der wesentliche Charakter der histologischen Veränderungen 
ah. Bekanntlich werden von namhaften Forschern (Pommer, 
Schmorl, Orth, Looser n. a.), denen ich mich anschliesse* 
Rachitis und Osteomalacie vollkommen identifiziert and die 
zwischen diesen beiden Leiden bestehenden Differenzen daraus 
erklärt, dass das eine ein noch wachsendes, das andere ein aus¬ 
gewachsenes Skelett betrifft, mit der Annahme aber, die histo¬ 
logische Identität muss die einer verschiedenen Aetiologie grund¬ 
sätzlich unverträglich sein. Gewiss brauchen die krankmachenden 
Faktoren nicht absolut dieselben zn sein, wohl aber müssen sie 
im Prinzip and in ihrer Summe die gleiche Schädigang des 
Organismus bedingen, die zur Skeletterkrankung führt. 

Was nun die Rachitis der Tiere anbelangt, so sehen wir 
folgendes. Unsere Haustiere können spontan an ihr erkranken* 
in den zoologischen Gärten ist das Leiden besonders bei den 
Affen nicht selten, bei den mannigfachsten Tierversuchen sind 
Knochenerkrankungen rein zufällig entstanden, oft aber hat man 
solche auch bewusst erzeugt, denen man die Bezeichnung Rachitis 
oder Osteomalacie glaubte geben zu dürfen. 

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UNIVERSUM OF IOWA 




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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 28 


So bat, am nur die wichtigsten Versuche zu nennen, 
Morpurgo durch Verimpfung eines aus osteomalacischen Ratten 
gezüchteten Dipiococcus eine Malacie erzeugen können, Dibbelt 
neuerdings durch kalkarme Nahrung die Tiere „rachitisch“ 
machen können, so haben wir eben gehört, welche überaus an 
menschliche Rachitis erinnernden Knochen Veränderungen Koch 
durch chronische Infektion besonders mit Streptokokken hervor¬ 
grafen hat, so sind endlich nun die Versuche Basch’s, Matti’s 
und Klose’s mit Thymektomie zu nennen. In Wahrheit wäre 
noch einer Anzahl beachtenswerter Tierversuche zu gedenken, die 
ich nur deshalb aus dem Spiele lassen will, um die Frage nicht 
zu komplizieren. Denn die erzeugten Knochenverändernngen 
zeigen zwar dieses oder jenes Merkmal der racbitisch-malacischen 
Erkrankung, wie übermässige Osteoidbildung, vermehrte, lacunäre 
Resorption, Störungen der endochondralen Ossifikation, sind aber 
immerhin im ganzen recht wesentlich verschieden von der 
menschlichen Rachitis. Auch die oben angeführten Versuche 
haben nicht nur zu unter sich verschiedenen Resultaten geführt, 
sondern die Knochenerkrankung zeigt auch diese oder jene Ab¬ 
weichung von der menschlichen Rachitis. Immerhin stehen wir 
vor der Tatsache, dass eine vielfach bis zu anscheinender CJeber- 
einstimmung führende Aehnlichkeit mit dieser Affektion erzeugt 
worden ist. 

Genau so wie in der Humanpathologie finden wir in der ex¬ 
perimentellen Tierpathologie, wenn wir alle die vielen ein- 
schlägigen Versuche prüfen, um die am meisten racbitisähnlichen 
Fälle andere sich gruppieren, in denen das histologische Bild 
durch ein beherrschendes Material charakterisiert wird, uns bei¬ 
spielsweise als eine Porose imponiert wie bei den Fisteltieren 
Pawlow’s; genau so empfängt der unbefangene Beurteiler den 
Eindruck, als handle es sich nicht um grundverschiedene, sondern 
verwandte Prozesse, denen eine im wesentlichen einheitliche Aetio- 
logie zukommt. 

Wenn es auf so mannigfache Weise, wie ich an einigen Bei¬ 
spielen gezeigt habe, gelingt, bei Tieren eine rachitisähnliche 
Knochenerkrankung hervorzurufen, so kann unmöglich der je¬ 
weilige Eingriff die alleinige, spezifische Ursache sein. Alle, 
welcher Art sie auch seien, müssen den Organismus im Grunde 
so einheitlich beeinflussen, dass seine Reaktion sich im wesent¬ 
lichen gleich äussert. Suchen wir aber nach dem einheitlichen 
ätiologischen Grundmoment, so kann nur die Schwächung des 
Organismus, die Störung seines Stoffwechsels in Frage kommen, 
die alle sonstigen Einflüsse wie solche der Domestikation oder 
anderer Art zu erhöhter Geltung kommen lassen. Infektionen 
und Nährscbäden können nun eher auch sekundär eine Rolle 
spielen und zu einer Vergiftung des Organismus etwa im Sinne 
Kassowitz’s und Ribbert’s führen. 

Je mehr ich mich mit den Knochenkrankheiten namentlich 
des Kindesalters beschäftigt habe, um so mehr bin ich zu der 
Ueberzeugung gekommen, dass die uns hier interessierende Gruppe 
bedingt wird durch eine mit Schwächung des Organismus ver¬ 
bundene Stoffwechselstörung, deren Effekt, soweit er histologisch 
zum Ausdruck kommt, mit abhängt von anderen, verschieden zu- 
sammenwirkenden Faktoren, wie beispielsweise und nicht zuletzt 
von der individuellen Disposition. Der Gesamtchemismus aber 
des Organismus, Wachstum und Entwicklung des Körpers werden 
in weitgehendem Maasse von dem endokrinen System beeinflusst. 
Erkrankt eines seiner Teilorgane, ändert sich oder fällt gar eine 
Organfunktion ganz aus, so ist damit eine Gleichgewichtsstörung 
im ganzen System, eine Störung im Ablauf der ineinander 
greifenden Lebensprozesse verbunden, die als Stoffwechselstörung 
zu bezeichnen ist. Je früher die Thymus exstirpiert wird, um so 
schwerer muss zumal bei der Plötzlichkeit des Organwegfalles 
jene Störung sein. Auf sie, nicht auf die spezifische Wirkung 
der Thymektomie führe ich die im Tierexperiment sich zeigenden 
Folgeerscheinungen zurück, die natürlich je nach dem entfernten 
Organ einen bestimmten Charakter zeigen werden, aber nicht in 
dem Sinne typisch sind, dass auf die gleiche Aetiologie des histo¬ 
logisch ähnlichen menschlichen Knocbenleidens geschlossen 
werden muss. Es liesse sich höchstens sagen, dass auch durch die 
Thymusexstirpation bei Tieren ein der menschlichen Rachitis ähn¬ 
liches Knochenleiden erzeugt werden kann, wie es die Folge anderer 
Stoffwechselstörungen und Schädigungen des Organismus sein kann. 

Zur Beleuchtung der Frage will ich noch kurz einer be¬ 
merkenswerten Feststellung gedenken. Im vergangenen Jahre 
hat Adler in meinem Institut Exstirpationen endokriner Organe 
an Froschlarven vorgenommen mit dem Erfolg, dass jedesmal 
auch an anderen Drüsen Veränderungen auftraten, so hochinter¬ 


essante an der Schilddrüse nach Thymusexstirpation. Ich will 
aber von ihnen, die Adler in Roux' Archiv ausführlich 
schildern wird, absehen, ebenso wie von der Feststellung, dass 
die thymektomierten Kaulquappen weder im Wachstum noch in 
der Metamorphose gehemmt wurden, obwohl doch die Operation 
zu einer so frühen Zeit vorgenommen worden war, wie es nie¬ 
mals bei Warmblütern möglich sein wird. Es kommt mir auf 
etwas anderes an. Genau die gleichen Schilddrüsen Veränderungen 
wie nach Thymektomie konnten nämlich hervorgerufen werden 
durch gewisse Aenderungen des Milieus, also rein äussere Ein¬ 
flüsse be dingten diese lbe Veränderung an endokrinen Organen 
und die tfiitmaassIiclD damit zusammenhängende Umstimmung des 
innersekrelÖMSÜben Chemismus wie die Ausschaltung eines endo¬ 
krinen Organs. Ein Schluss folgender Art liegt nahe: Aeussere 
Einflüsse wie solche des Milieus, der Ernährung vermögen Organ¬ 
veränderungen und mit ihnen zusammenhängende Krankheits¬ 
erscheinungen zu bedingen, die auch eine spontane Störung im 
endokrinen System auslöst. 

Eine solche spontane Störung aber, wie sie dem Status nach 
der Thymusexstirpation beim Tiere entsprechen wurde, kommt 
beim Menschen nach den Erfahrungen der Pathologie nicht vor 
und kann daher auch bei der Entstehung der Rachitis keine 
Rolle spielen. Somit kann auch durch das Tierexperiment un¬ 
möglich der Beweis erbracht worden sein, dass die menschliche 
Rachitis eine spezifisch thymoprive Krankheit sei. Wohl aber 
kommt jenen äusseren Einflüssen eine grosse Bedeutung zu, die 
in ihrer Mannigfaltigkeit und bei der grossen Möglichkeit von 
Kombinationen zu einer Schwächung und Stoffwechselstörung des 
Organismus führen und in der Erkrankung des Knochensystems 
sich zum Ausdruck bringen. 


Die Beziehungen der Thymus zum Morbus 
Basedowii. 

Referat. 

Vo» 

Dr. Hermau Haiti -Bern. 

Im Jahre 1858 machte Markhain in der Londoner patho¬ 
logischen Gesellschaft Mitteilung über eine Herzerkrankung mit 
Vergrös8erung von Schilddrüse und Thymus und abnormem Her¬ 
vortreten der Augen. Etwa 20 Jahre später erhob Möbius an 
der Leiche einer 54 jährigen Basedowkranken den Befund einer 
apfelgrossen Thymus, und da er im Laufe der Jahre noch mehr¬ 
mals analoges Verhalten feststellte, dachte er zweifellos an eine 
indirekte ätiologische Bedeutung der vergrösserten Thymus für 
diese Basedowfälle, wenn er in seiner bekannten Monographie aus 
dem Jahre 1890 schreibt: „Sollte die Grösse der Thymus bei 
Basedow kranken mehr sein, als ein zufälliger Befund, so würde 
damit dargetan, dass angeborene Bedingungen vorhanden sind, 
wenn auch die Basedowsche Krankheit erst relativ spät im Leben 
zu beginnen scheint.“ In der Folge schenkte man der Kombi¬ 
nation von Thymushyperplasie und Morbus Basedowii — denn 
um eine solche handelt es sich zweifellos auch in der Beobachtung 
MarkharaS — steigende Aufmerksamkeit, wovon die zahlreichen 
kasuistischen Arbeiten (Mosler, Hale-White, Johnston, Mat- 
thiegsen, Mackenzie, Hirscblaff, Schulz, Rainbach, 
Hämig, Dinkler u. a.) sprechendes Zeugnis ablegen. Besonderes 
praktisches Interesse gewann die Thymus-Basedowfrage seit der 
bekannten Erfahrung Owen’s, der einem Basedowkranken Schild¬ 
drüsensubstanz verfüttern wollte, während der Schlächter irrtüm¬ 
licherweise Thymus lieferte; trotz dieser Verwechslung war der 
therapeutische Effekt angeblich ein auffallend günstiger. Ueber 
ähnliche gute Erfahrungen mit Tbymusfütterung bei Morbos 
Basedowii berichten Cunningham, Mikulicz, Mackenzie, 
McKie, Todd u. a., während Taty, Guörin, Dinkler, Rein¬ 
bach, Maude, Edes und Ewing Misserfolge, teilweise sogar 
Verschlimmerung des Grundleidens nach Tbymusfütterung Bähen. 
Bei mehreren dieser Fälle deckte die spätere Autopsie das Vor¬ 
handensein einer vergrösserten Thymus auf; Thorbecke and 
Capelle vermuteten deshalb, dass die Verschlimmerung eines 
Basedowfalles aufThymusfütterung sich möglicherweise diagnostisch 
zum Nachweise einer etwaigen Thymuspersistenz verwerten lasse. 
Eine einheitliche Idee Hess sich aus diesen Beobachtungen zunächst 
nicht entwickeln. Lag es auf der einen Seite nahe, der ver¬ 
grösserten Thymus eine Beziehung zur Basedow’schen Krankheit 
zn vindisieren, sei sie nun direkt ätiologischer oder indirekt kor* 


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UNIVERSITY OF IOWA- - 


13. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


131 i 


relativer Art — and zwar kam hier in erster Linie dys Relation 
sor veränderten Schilddrüse in Betracht —, so musste es auf der 
anderen Seite paradox erscheinen, bei Basedow fällen, zumal solchen 
mit Tbymushyperplasie, noch Thymnssubstanz zu verfüttern. Immer¬ 
hin sei hier auf die üeberlegungen von Mikulicz verwiesen, die 
rein theoretisch die Annahme gestatten, dass Thymusverfütterung 
„durch Entlastung“ zu Reduktion einer vergrösserten Thymus 
führt, ähnlich wie durch Schilddrüsenfütterung bei parenchyma¬ 
tösen Kröpfen gelegentlich eine Verkleinerung der Strumen erzielt 
wird. Izn übrigen bezweckte Mikulicz mit seiner Tbymusmedi- 
kation in erster Linie Entlastung und Reduktion der veränderten 
Schilddrüse, die er als ein der Thymus sehr nahestehendes Organ 
betrachtete. 

Mit der steigenden Bedeutung, welche die Basedowfrage 
namentlich in den letzten 15 Jahren für die klinische und ex¬ 
perimentelle Forschung gewann, bemächtigten sich Theorie und 
Hypothese in breitestem Umfange des Basedow-Thymusproblems. 
Auf die Serie der bereits angeführten, mehr kasuistischen Arbeiten 
folgt bald eine Reihe von Publikationen, die sich eingehend mit 
der Theorie der vorliegenden Frage befassen and die versuchen, 
das rasch anschwellende klinische Material unter Berücksichtigung 
der modernen experimentellen Forschung nach einheitlichen Ge¬ 
sichtspunkten zu verarbeiten. Es ist nicht möglich, alle diese 
kasuistisch-theoretischen Arbeiten eingehend zu besprechen; ich 
verweise in dieser Beziehung auf meine Arbeit „Ueber die Kom¬ 
bination von Morbus Basedowii mit Tbymushyperplasie“ in der 
Festschrift für Th. Kocher 1 ). Hier können wir die neueren Publi¬ 
kationen nur soweit berücksichtigen, als sie zur Basedow-Thymus- 
frage neues und wichtiges Material bringen, and soweit sie geeignet 
sind, die Rolle der Thymus in der Pathologie und der Pathogenese 
der Basedowschen Krankheit abklären zu helfen. 

Zunächst haben wir uns mit den rein statistischen Feststel¬ 
lungen zu befassen. Schon im Jahre 1905 stellte Thorbecke 
in einer viel zitierten Dissertation 35 Fälle von Basedow mit 
Tbymuspersistenz zusammen und machte darauf aufmerksam, dass 
die Mortalität nach Strumektomie bei Basedowfällen mit ver¬ 
besserter Thymus eine sehr hohe sei. 3 Jahre später erweiterte 
Capelle diese Statistik, und zwar fand er unter 60 einwand¬ 
freien Fällen von Morbus Basedowii in 79 pCt. eine autoptisch 
festgestellte Tbymushyperplasie. Die weitere Sichtung dieses 
Materials zeigte nun, dass nnter den an interkurrenten Krank¬ 
heiten verstorbenen Basedowpatienten sich 44 pCt. Thymusträger 
befanden, unter den klinisch und pathologisch-anatomisch rein an 
Basedow Verstorbenen 82 pCt., unter den während einer Struma- 
operation oder im unmittelbaren Anschluss daran Verstorbenen 
sogar 95 pCt. Diese Zahlen Capelle’s stimmen gut überein mit 
den Feststellungen anderer Autoren. So hatte Bonnet bereits 
im Jahre 1899 28 Fälle von Morbus Basedowii mit Tbymus- 
persisteui zusammengestellt, dazu 6 Fälle plötzlichen Todes, wo¬ 
von 4 mit vergrösserter Thymus. McCardie fand unter 35 plötz¬ 
lichen Todesfällen bei Basedow 18 mit Tbymushyperplasie; Ewing 
berichtet über 5 Fälle von plötzlichem Tod bei Basedow, die alle 
Tbytnusvergrösserung aufwiesen. Ich habe in meiner vorerwähnten 
Arbeit 10 weitere zur Autopsie gelangte Basedowfälle beschrieben, 
wovon 7 eine mit Rücksicht auf das Alter des betreffenden Indi¬ 
viduums deutlich, zum Teil hochgradig byperplastische Thymus 
aufwiesen. Unter Berücksichtigung der seit Capelle’s Mitteilang 
in der Literatur niedergelegten Beobachtungen konnte die Statistik 
auf 133 Fälle erweitert werden, hiervon zeigten 98 = 74 pCt. 
eine byperplastische Thymus. Eine Unterscheidung zwischen Fällen, 
die an interkurrenten Affektionen und solchen, die rein an Basedow 
atarben, konnten wir nach den zu unserer Verfügung stehenden 
Angaben nicht durchführen. Wir mussten deshalb die erste und 
zweite Kategorie Capelle’s zusammenfassen und fanden unter 50 
an interkurrenten Affektionen, sowie an der Magnitndo morbi ge¬ 
storbenen Patienten 30 = 60 pCt. Thymusträger; von 68 Patienten, 
die im Verlaufe einer Strumektomie oder im unmittelbaren An¬ 
schluss daran ad exitum gelangten, hatten 52 = 76,5 pCt. eine 
vergrösserte Thymus. Die Zahlen, welche Capelle fand, werden 
also etwas herabgesetzt. Dagegen zeigt auch unsere Zusammen¬ 
stellung, dass bei der Mehrzahl der zur Autopsie gelangten Fälle 
T0Q Basedowerkrankung eine hyperplastische Thymus festgestellt 
wurde, und dass die im Anschluss an eine Operation gestorbenen 
Ba3edowpatienten in einem noch höheren Prozentsatz eine ver¬ 
größerte Thymusdrüse aufweisen. Für eine erhebliche Frequenz 

i) D. Zschr. f. Chir., Bd. 116. Siehe auch dort Literatur bis zum 
Jahre 1912. 


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der sogenannten Basedowthymus sprechen auch die röntgenologi¬ 
schen Untersuchungen Schulze’s, der bei 20 Basedowpatienten 
der Bier’&chen Klinik 18 mal einen vergrösserten Thymusschatten 
fand. Selbstredend kann unsere Zusammenstellung keinen An- 
8prnch auf Vollständigkeit erbeben, um so weniger, als sie nicht 
bis in die allerletzte Zeit fortgesetzt wurde; doch unterliegt es 
keinem Zweifel, dass sie rein zahlenmässig ein annähernd richtiges 
Bild von der Frequenz der Thymushyperplasie bei Basedowscher 
Krankheit gibt. 

Es liegt nach den Ergebnissen dieser rein statistischen Er¬ 
hebungen nabe, in der Thymusvergrösserung eine Veränderung zu 
vermuten, welche den Verlauf der entsprechenden Basedowfälle 
ungünstig beeinflusste, weil nach Capelle der Prozentsatz der 
Thymusträger bei den an der Magnitudo morbi Verstorbenen 
grösser ist als bei den Patienten, die an intercurrenten Krank¬ 
heiten starben, und namentlich weil bei den postoperativen Todes¬ 
fällen so häufig eine vergrösserte Thymus gefunden wurde. Diesen 
Feststellungen gegenüber erhob Melchior 1 ) den Einwand, dass 
möglicherweise der Prozentsatz der Tbymushyperplasie bei den 
günstig verlaufenden Basedowfällen nicht geringer sei, und in 
seinem Referat über Beziehungen der Thymus zur Basedow’schen 
Krankheit stellte er 15 Basedowfälle zusammen, bei denen der 
Tod aus rein accidentellen Ursachen erfolgt war, und worunter 
18 = 86,7 pCt. eine vergrösserte Thymus zeigten. Melchior 
glaubt deshalb, dass „eine grosse Thymus beim Basedow im 
Stadium der floriden Erkrankung wahrscheinlich nahezu regel¬ 
mässig vorhanden sei, zum mindesten aber ein Status lymphaticus 
oder wenigstens eine regionär beschränkte lymphatische Hyper¬ 
plasie“. Ich habe in einem Referat über Physiologie und Patho¬ 
logie der Thymusdrüse 2 ) gegen diese Einwände MeIchior’s be¬ 
reits Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass auch nach 
unserer Statistik der Prozentsatz der im Anschluss an eine 
Operation verstorbenen Basedowkraoken mit Thymusbyperplasie 
wesentlich höher ist als der Prozentsatz der Thymusträger unter 
den accidentell oder rein an Basedow Verstorbenen. Ferner will 
uns scheinen, dass man gegen die Art und Weise, wie Melchior 
sein Material interpretiert, berechtige Einwände erheben kann. 
Zunächst glauben wir, dass die Fälle Nr. 2 und 5 zum post¬ 
operativen Basedowtod gehören, vielleicht auch Nr. 8. Die Beob¬ 
achtung 13 muss abgelebnt werden, weil eine Laryngotomie keinen 
Beweis dafür bildet, dass wirklich Erstickung vorlag, namentlich 
wenn die übrigen anatomischen Merkmale der Erstickung im 
Sektionsbefund fehlen. Fall 15 scheidet aus, weil eioe Autopsie 
fehlt; der angeführte Befund intra Operationen) kann jedenfalls 
nicht als einwandfreier Nachweis einer Thymushyperplasie 
acceptiert werden. Somit reduziert sich das Material Melchior’s 
auf 10 Fälle, die sich nach den eigenen Worten des Autors 
dadurch charakterisieren, dass die Patienten durch Ursachen 
accidenteller Art meist katastrophal aus dem Leben herausgerissen 
wurden. So starben, um nur einige Beispiele anzufübren, die 
Patienten Nr. 4 und 12 an einer Appendicitis trotz Operation; 
Nr. 6 und 9 an einer Nachblutung aus einer Arteria thyr. sup.; 
Nr. 7 und 8 erlagen einer postoperativen Tetanie. Es ist nun 
für die Mehrzahl dieser Fälle durchaus nicht von der Hand zu 
weisen, dass der vorhandenen hyperplastischen Thymus eine un¬ 
günstige Einwirkung auf den Verlauf zukaro, mit anderen Worten, 
dass der katastrophale Eintritt des Todes durch die Thymus¬ 
hyperplasie mitbedingt war. Ich glaube deshalb, dass derartige 
Fälle nicht geeignet sind, einer grossen Thymus eine selbständige, 
schädigende Wirkung innerhalb des Basedowkomplexes abznsprechen. 
Sie bestätigen vielmehr die rein statistische Deduktion, dass 
Basedowpatienten mit Thymushyperplasie in höherem Maasse ge¬ 
fährdet sind. • 

Melchior übt ferner Kritik an der ersten Gruppe Capelle’s, 
welche die an iDtercurrenten selbständigen Krankheiten Ver¬ 
storbenen umfasst, und glaubt alle Fälle ausscbalten zu sollen, 
bei denen das Sektionsprotokoll die Thymus nicht erwähnte oder 
wenigstens das Fehlen derselben nicht konkret in Abrede stellte. 
Wenn man auch zugeben muss, dass im einen oder anderen dieser 
älteren Fälle möglicherweise dem Verhalten der Thymus nicht 
spezielle Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so darf man doch 
annebmen, dass eine einigermaassen beträchtliche Thymushyper¬ 
plasie von dem betreffenden Obduzenten beobachtet und auch im 
Protokoll erwähnt worden wäre. Wir halten deshalb die Korrektur, 

1) Melchior, Die Beziehungen der Thymus zur Basedow’schen 
Krankheit. Zbl. f. d. ges. Chir., März 1912, S. 166. 

2) Erg. a. inn. M., 1913, Bd. 10. 

3 * 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


welche Melchior am Capelle’scben Material aobringt, nicht 
als gerechtfertigt und glauben, dass die betreffenden Zahlen 
Capelle’s zutreffend sind. Es ist jedenfalls inkonsequent, wenn 
Melchior einerseits obduzierte Fälle der Capelle’achen Statistik 
beanstandet, während er in seiner eigenen Zusammenstellung einen 
nicht obduzierten Fall verwenden zu dürfen glaubt. Unserer An¬ 
sicht nach ist die statistische Feststellung, dass die im Anschluss 
an eine Operation verstorbenen Basedowkranken häufiger Tbymus- 
byperplasie zeigen als die an intercurrenten Affektionen oder an 
der Magnitudo morbi Verstorbenen, bis heute nicht widerlegt. 
Man kann noch weiter gehen und darauf hin weisen, dass auch 
die durch Ursachen accidenteller Art katastrophal ans dem Leben 
berausgerissenen Basedowkranken in einem auffällig hohen Prozent¬ 
satz eine hyperplastische Thymus zeigen. Somit besitzen wir 
rein statistisch die notwendige Grundlage für die Auffassung, 
dass der Thymus bei der Basedowschen Krankheit und 
namentlich bei den tödlich endenden Fällen offenbar 
eine deletäre Rolle zukommt, womit allerdings über das 
Wesen dieser TbymuswirknDg noch nichts ausgesagt ist. Man 
muss selbstverständlich zugeben, dass auch unter den gebeilten 
Basedow fällen, seien sie rein intern, chirurgisch oder kombiniert 
behandelt, zweifellos eine grosse Zahl mit Tbymusvergrösserung 
sich finden. Dies beweisen namentlich neuere chirurgische Mit¬ 
teilungen über kombinierte Operationen an der Schilddrüse und 
an der Thymus, über Thymektomie bei Basedowscher Krankheit 
(Garre, Sanerbruch, v. Haberer u. a.) oder Mitteilungen von 
Chirurgen, welche, wie v. Eiseisberg, ganz besonders günstige 
Resultate mit halbseitiger Reduktion des Kropfes bei Basedow 
mit Status thymicus erzielten. Mit einer gewissen Reserve können 
hier auch die günstig verlaufenen Fälle verwendet werden, bei 
denen röntgenologisch eine Vergrösserung der Thymus nach¬ 
gewiesen wurde (Schulze). Es besteht also kein Zweifel, dass 
anatomisch sichergestellter Status thymicus durchaus vereinbar 
ist mit dem guten Ueberstehen einer Strumektomie oder auch 
einer grösseren abdominellen Operation, wie z. B. in dem von 
Melchior citierten Delius’scben Fall; die hierher gehörenden 
Fälle sind zahlreich. Diese Feststellungen sprechen jedoch in 
keiner Weise gegen unsere oben vertretene Auffassung einer 
deletären Tbymuswirkung, wenn wir bedenken, dass erstens 
graduell sehr verschiedene Hyperplasien Vorlagen und ferner, 
dass der Befund einer vergrösserten Thymus nichts Genaueres aus¬ 
sagt über das Quantitative und Qualitative der allerdings noch 
nicht streng bewiesenen, aber durchaus wahrscheinlichen Thymus¬ 
sekretion. Wir wissen ja aus unseren chirurgischen Erfahrungen 
beim Basedow, dass die Fälle mit grosser Struma nicht die bös¬ 
artigsten sind. Ebensowenig kann das Fehlen einer Thymus- 
hyperplasie bei bösartigen Basedowfällen Anlass geben, die 
Möglichkeit einer ungünstigen Thymuswirkung bei Morbus Basedowii 
ganz allgemein abzulebnen, weil die Thymus im Endstadium der 
Krankheit accidenteller Involution verfallen sein kanD, eine Auf¬ 
fassung, welcher auch Melchior im Anschluss an die Darlegung 
der beiden Fälle v. Bialy’s bei tritt. Nach Capelle und unserer 
eigenen Statistik darf mao jedenfalls behaupten, dass auffällige 
Thymusbyperplasie bei den prognostisch ungünstigen Basedow¬ 
fällen häufiger vorkommt als bei den an intercurrenten Krank¬ 
heiten Verstorbenen, und wie wir glauben, auch häufiger als bei 
den geheilten Basedowfällen, obscbon naturgemäss durchaus ein¬ 
wandfreie Beweise für die letztere Auffassung aus leicht ersicht¬ 
lichen Gründen heute nicht erbracht werden können. Vielleicht 
wird eine konsequente röntgenologische Untersuchung aller 
Basedowpatienten mit der Zeit diese Lücke ausfüllen. Die nächste 
Frage ist nun die, ob, wie Oberndorfer und Schridde meinen, 
in jedem Falle von Basedow eine Thvmuspersisteoz bzw. Status 
lympbaticus besteht, wobei wir anzunehmen hätten, dass in den 
negativen Fällen eine pathologische Involution des früher hyper¬ 
plastischen Organs stattfand. Ferner ist zu entscheiden, wie es 
sich mit der Frequenz des Status lympbaticus bei Morbus Basedowii 
verhält, und welche Bedeutung dem letzteren eventuell zukommt. 

Die Frage der Frequenz der Thymushyperplasie und des 
Status lymphaticus bei Basedowscher Krankheit lässt sich in 
durchaus einwandfreier Weise heute noch nicht beantworten, weil 
eine genügende Zahl systematischer Beobachtungen mit genauester 
Berücksichtigung des ganzen lymphatischen Apparates noch nicht 
vorliegt. Es werden noch mehrere Jahre vergehen, bevor wir 
über absolut maassgebende Erhebungen verfügen. Doch kann 
man schon beute sagen, dass die Ansicht von Mackenzie 
und Bradford, wonach eine grosse Thymus einen konstanten 
Befund beim Basedow darstellt, noch nicht bewiesen ist. Melchior 


and Oberndorfer geben ihrer Anschauung eine etwas erweiterte 
Fassung, indem sie sagen, dass bei jedem floriden Basedow eine 
Thymuspersistenz bzw. Status lympbaticus oder wenigstens eine 
regionär beschränkte lymphatische Hyperplasie bestehe. Auch 
diesen Autoren kann man nicht beistimmen, weil ihr Material zu 
klein ist, und weil ihre Feststellungen mit den Statistiken 
Capelle’* und des Referenten im Widerspruch stehen. Aach 
Eppinger vertritt in seiner neuesten Bearbeitung der Basedow¬ 
schen Krankheiten den Standpunkt, dass Thymuspersistenz und 
Basedow nicht unbedingt zusammengehören. Ueber die gegen¬ 
seitigen Beziehungen vonThymushyperplasie und Status lympbaticus, 
ganz abgesehen von ihrem Vorkommen bei Morbus Basedowii, 
sind die Ansichten der in dieser Materie in erster Linie maass¬ 
gebenden Pathologen noch geteilt. Ich habe die bezüglichen An¬ 
gaben aus der Literatur in meinem Referat über Physiologie nnd 
Pathologie der Thymusdrüse zusammeDgestellt und gezeigt, dass, 
soweit die vorliegende Literatur entscheidend ist, sowohl reine 
Thymusbyperplasie als reiner Status lymphaticus Vorkommen, 
während allerdings die Kombination von Thymusvergrösserung 
mit partiellem Status lympbaticus in der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle und jedenfalls häufiger beobachtet wird als Thymus- 
hyperplasie mit generalisiertem Status lymphaticus oder reine 
Thymusbyperplasie. 

Klose 1 ) vertritt in seiner Chirurgie der Thymusdrüse den 
Standpunkt, dass Thymusbyperplasie und Status lymphaticus 
immer, wenn auch in wechselnder In- nnd Extensität kombiniert 
sind. In dem Basedowmaterial, das ich seinerzeit publizierte, 
fand sich überwiegend eine Kombination zwischen Tbymusver- 
grösseruog und Status lymphaticus; daneben jedoch auch reine 
Thymusbyperplasie und reiner Status lymphaticus. Für das iso¬ 
lierte Vorkommen von Thymusbyperplasie ohne Veränderung des 
lymphatischen Systems sprechen mit aller Bestimmtheit zwei von 
Capelle und Bayer in jüngster Zeit publizierte schwere Basedow¬ 
fälle mit hochgradiger Thymusbyperplasie, bei denen autoptisch 
nicht die geringsten Anhaltspunkte für Lymphatismus gefunden 
werden konnte. Bezüglich des morphologischen Verhaltens der 
lymphatischen Apparate beim Status lymphaticus der Basedowiker 
verweise ich auf die pathologisch-anatomische Literatur. Dagegen 
scheint es mir angezeigt, kurz auf die Frage der Thymushyper¬ 
plasie einzugeben. 

Schridde unterscheidet bekanntlich die persistente Thymus, 
die keinen von der Norm abweichenden Bau zeigt, von der eigent¬ 
lichen Thymushyperplasie, die entweder eine Vergrösserung der 
Rinde und des Marks aufweißt (seltene Form) oder als Mark- 
byperplasie in Erscheinung tritt, welche beinahe regelmässig mit 
Hypoplasie der Rinde verbunden ist. Bei Morbus Basedowii mit 
Thymusvergrösserung finden wir nach Schridde meist Mark- 
byperplasie, gelegentlich jedoch auch „Persistenz 14 . Es scheint 
uns, dass man den Begriff der Thymuspersistenz gestützt auf die 
Ausführungen Hammar’s am besten fallen lässt, weil ja die 
Thymus normalerweise bis in die sechziger Jahre Zeichen ihrer 
Funktionsfähjgkeit aufweist, und io den Fällen, wo das Thymus- 
gewicbt die für das betreffende Alter feststehende Norm über¬ 
steigt, von Thymushyperplasie zu sprechen. Im Sinne Hammar’s 
ist die Basedowtbymus ein byperplastisches Organ, welches das 
Normalgewicht der Drüse oft um das 2—4 fache übertrifft. Rein 
theoretisch besteht übrigens die Möglichkeit, dass auch eine mit 
Bezug auf das Alter des Patienten normal grosse Thymus anormal 
funktionieren kann. Thorbecke, Gierke und Rössle beob¬ 
achteten Basedowthymen, deren Bau demjenigen der kindlichen 
Drüse entsprach. Nach Pappenheimer sind bei der Basedow- 
tbymus Rinde- und Markgrenzen nicht deutlich sichtbar. Bezüg¬ 
lich des Verhaltens der Hassal’schen Körperchen treffen wir so 
widersprechende Angaben — Verminderung (Schridde), Ver¬ 
mehrung (Wiesel), normales quantitatives Verhalten (Capelle 
und Bayer), hyaline Degeneration und Verkalkung (Klose), 
normale Schichtung (Capelle und Bayer) —, dass man diese 
Frage heute noch nicht diskutieren kann. Bezüglich des Ver¬ 
haltens der eosinophilen Zellen verweise ich auf die Arbeiten 
von Schridde 3 ) nnd auf die weiter unten wiedergegebenen Aus¬ 
führungen von Capelle und Bayer. 

Nach Klose hat Rehn schon im Jahre 1899 den Vorschlag ge¬ 
macht, die Basedowtbymus chirurgisch anzugreifen, nachdem Mikulicz 
bereits 4 Jahre früher auf die Kombination von grosser Thymus uud 
schwerem Basedow hingewiesen hatte. Im Juni 1910 führte Garre die 
erste Thymektomie bei einer 22 jährigen Patientin mit typischem Morbus 

1) Klose, Chirurgie der Thymusdrüse. 1912. 

2) M.m.W., 1911. 


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18. Juli 1914. 


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Basedowii aus, und zwar entfernte er in Aethernarkose ein 15 g schwere 
Thymus, die histologisch Markhyperplasie und Wucherung des lympha¬ 
tischen Gewebes sowie auffallend hohen Gehalt des Interstitiums an 
eosinophilen Leukocyfcen zeigte. Naoh der Mitteilung von Capelle und 
Bayer trat die Krankheit in unmittelbarem Anschluss an die Operation 
in ein ungleich milderes Stadium; die Besserung äusserte sich durch ein 
Zurückgehen der cardialen Symptome, die Pulsfrequenz sank von 140 
auf durchschnittlich 90, der Blutdruck stieg an und das Blutbild kehrte 
sofort zur Norm zurück. Am 4. Tage nach der Operation zeigte der 
Blutbefund jedoch wieder Verhältnisse wie vor der Operation; nach 
6 Wochen fand sich wieder ein vollständig normales Blutbild. Dazu 
kam in kurzer Zeit eine Gewichtszunahme von 10 Pfund. 5 Monate 
nach der Thymektomie wurde bei der Patientin aus relativer Indikation 
eine Schilddrüsenhälfte entfernt, weil Herzklopfen, Schlaflosigkeit und 
Zittern wieder etwas zugenommen hatten, ohne jedoch die Intensität zu 
erreichen wie vor der Thymusexstirpation. Der Operationseffekt erhob 
sich Dach Capelle und Bayer nicht über den nach der Thymektomie 
konstatierten, und auffälligerweise schlug das Blutbild jetzt wieder ins 
Pathologische um. In einem weiteren Falle machte Garrö Hemi- 
strumektomie und Thymektomie in einer Sitzung, doch geht er in seinem 
Referat auf dem Chirurgenkongress 1911 nicht näher auf die bei der 
Patientin erzielten Resultate ein. Die zweite primäre Tbymusexstirpation 
bei Basedowscher Krankheit führte Sauerbruch im März 1911 aus; 
über diesen Fall liegt eine ausführliche Publikation von Schumacher 
und Roth 1 ) vor. Es handelte sich offenbar um einen sehr schweren 
Basedow mit ausgeprägten Augensymptomen, Pulsfrequenz von 140, 
Dilatatio cordis und hochgradiger Myasthenie. Da trotz zehnwöchiger 
Spitalbebandlung und nach einseitiger Unterbindung der Vasa thyr. sup. 
keine Besserung eintrat, die Myasthenie vielmehr derart zunahm, dass 
Patientin kaum noch aufrecht stehen konnte, wurde mit Rücksicht auf 
den klinischen Nachweis einer vergrosserten Thymus im März 1911 stück¬ 
weise eine 45 g schwere Thymus von fötalem Bau entfernt. Schon nach 
14 Tagen setzte eine allmähliche Besserung ein, indem namentlich die 
Myasthenie zurückging. Nach einem Jahr war die Besserung ganz erheb¬ 
lich, die mittlere Pulsfrequenz betrug 80—88, Patientin konnte 1 bis 
U/s Stunden gehen und zeigte ein blühendes Aussehen. Die Blutunter- 
sochung hatte vor dor Operation eine hochgradige Lymphocytose er¬ 
geben; nach dem Eingriff zunächst Hyperleukocytose, nach 10 Tagen 
Befund wieder wie vorher. Naoh 8 Monaten war das Blutbild durchaus 
normal. Auch hei dieser Patientin wurde später (von anderer Seite) 
eine Strumektomie aasgeführt, weil während eines Aufenthalts in einer 
Kropfgegend die Struma rasch gewachsen war und der Exophthalmus 
zugenommen hatte. Der Effekt dieser zweiten Operation konnte zur Zeit 
der Publikation des Falles noch nicht beurteilt werden. 

Klose berichtet in seiner Chirurgie der Thymusdrüse über fünf 
Resektionen der hyperplastischen Thymus bei Basedow, ohne nähere An¬ 
gaben als den Vermerk, dass stets eine auffallende Besserung des A1I- 
gemeiozustandes und eine Rückkehr des Blutbildes zur Norm eintrat. 
Leider vernehmen wir nicht, ob es sich um primäre Thymusresektionen 
oder um kombinierte Operationen handelte, doch dürfen wir wohl an¬ 
nehmen, dass die Fälle gestatteten, die Wirkung der Thymusresektion 
zu beurteilen. Zwei Thymektomien, die Geb eie bei gleichzeitiger Strum¬ 
ektomie ausführte, lassen keinen Rückschluss auf den Einfluss der Thymus¬ 
reduktion zu. Auf dem letztjährigen Chirurgenkongress teilte v. Hab erer 2 ) 
mit, dass er im ganzen 5 mal bei Basedow die Thymus exstirpierte 8 ). Da 
es sieh um gleichzeitige Operationen an der Schilddrüse handelte, hält 
er diese Fälle nicht für einwandfrei genug, um sichere Rückschlüsse über 
die Wirkung der Thymusexstirpation zu ziehen. Dagegen berichtet er 
ausführlich über einen Fall, der für die Frage der Basedowthymus 
wichtig scheint. Es handelte sich um einen 30jährigen Herrn, der im 
Jahre 1909 nach fieberhafter Krankheit einen akuten Basedow bekam, 
mit schweren Herzsymptomen einsetzend. Wegen stetiger Verschlimme- 
nmg nach 2 Jahren halbseitige Strumektomie, worauf der Exophthalmus 
dieser Seite zurückging. Da sich aber die Herzsymptome nicht besserten, 
suchte Patient einen berühmten Kropfoperateur auf, der ihm auf 
der anderen Seite beide Schilddrüsenarterien unterband. Statt 
Besserung zunehmende Verschlimmerung aller Symptome, sowohl der 
nervösen, wie namentlich der Herzerscheinungen. In ganz desolatem 
Zustande kam Patient Ende 1912 zu v. Hab erer. Er hatte Anfälle 
Ton Erstickung mit Bewusstseinstrübungen; die Anfälle endeten stets 
mit Expektoration von viel schaumigem Sputum. Herzspitzenstoss in 
der Axillarlinie, Stauungsleber und Stauungsmilz, Radialpuls ganz ir¬ 
regulär und kaum fühlbar, Frequenz in Ruhe 140—160. Ein Internist 
diagnostizierte Ermüdungsherz mit infauster Prognose. Auf Drängen der 
^^drigen und des Patienten machte v. Haberer in Lokalanästhesie 
die Thymektomie, welche nur einen ganz kleinen Thymuskörper ergab. 


1) Schumacher und Roth, Thymektomie bei einem Fall von 
J™ 8 Basedowii mit Myasthenie. Mitt. Grenzgeb., 1912, Bd. 25, 

n Haberer, Thymektomie bei Basedow. Verhandlungen der 
Datschen Gesellschaft für Chirurgie, 1913, I, S. 205. 
nh» ■ üem diesjährigen Chirurgenkongress berichtete v. Haberer 
T* erweiter ten Erfahrungen mit der Thymektomie (16 Fälle); 
lichtLt ° nn ^ eD 8e * De Abführungen bei der Korrektur nicht mehr berüok- 
TAfJjl verd0D - D°°k bedingen sie keine Revision der in diesem Referat 
.^getragenen Auffassungen. 


Histologisch bandelte es sich um eine in Involution begriffene Thymus 
mit auffallend vielen Hassal’schen Körperchen. Nicht sofort, aber 
relativ bald stellte sich der Erfolg ein, indem die Herzerweiterung voll¬ 
kommen verschwand, die Pulsfrequenz auf 84 zurückging, Tremor und 
Unruhegefühl verschwanden. Die Stauungserscheinungen gingen voll¬ 
ständig zurück und Patient unternahm anstandslos eine grosse Gebirgs- 
tour im 4. Monat nach der Operation. 

Die neueste hierher gehörende Mitteilung stammt von Capelle und 
und Bayer. Die Autoren berichten über 2 weitere in der Garrö’schen 
Klinik ausgeführte primäre Thymektomien. Die erste betraf eine Basedow¬ 
patientin, die eine halbe Stunde nach der Operation an plötzlichem 
Herztod starb. Der zweite betrifft eine 27 jährige Patientin mit den 
charakteristischen Symptomen eines schweren Basedow, bei der neben 
Herzklopfen, Gewichtsverlust, Haarausfall und typischem Blutbild profuse 
Schweisse und Diarrhöen dominierten. Die Protrusio bulbi war relativ 
gering, die Schilddrüse auffallend wenig verändert; dagegen fand sich 
eine Thymusdämpfung und ein entsprechender Röntgenschatten.. Ex¬ 
stirpation einer 15 g schweren Thymus mit starker Mark- und geringer 
Rindenhyperplasie, sowie ausgesprochen hohem Gehalt an Eosinophilen. 
Schon kurz nach der Operation stellte sich ein sichtbarer Erfolg ein. 
Das subjektive Befinden wurde besser, Kopfschmerzen, Durchfall, Schweisse 
und Herzklopfen verschwanden; die Pulsfrequenz ging von 120—180 auf 
95 zurück; das Gewicht nahm in 9 Wochen um 25 Pfund zu, der Ex¬ 
ophthalmus wurde ebenfalls geringer, und nach 5 Monaten war ein an 
Heilung grenzender Dauerzustand erreicht. Die Menses traten wieder 
auf, die Gesamtstickstoffausfuhr wurde um mehr als die Hälfte herab¬ 
gesetzt. Die Lymphocytose ging deutlich zurück, jedoch im Verlauf von 
8 Monaten nicht bis zur Norm. Wir haben diese klinischen Beob¬ 
achtungen eingehender referiert, weil sie naturgemäss eine hohe Bedeu¬ 
tung für die Beurteilung der Thymushyperplasie bei Basedow’soher 
Krankheit haben. 

Sehen wir zunächst, wie die Operateure ihre eigenen Fälle 
interpretieren. Garrö will nicht soweit gehen wie Hart und 
gleich von einem thymogenen Basedow sprechen, glaubt aber, 
dass eine Gruppe von Basedowfällen existiert, die sich durch ihre 
Komplikation mit Thymus persistent hyperplastica als schwere 
Krankheitsform auszeichnen. Er ist deshalb der Ansicht, dass in 
Zukunft bei allen Fragen, die den Morbus Basedowii betreffen, 
die Tbymushyperplasie als wichtiger mitbestimmender Faktor ein¬ 
zuschalten und im Auge zu behalten sei. 

Klose ist der Ansicht, dass die Höhe der Basedowlympho- 
cytose „insofern auf eine vorherrschende Dysthymisation und 
damit auf eine primäre chirurgische Inangriffnahme der Thymus 
hinweist, wenn sie sich bei relativ geringer Schilddrüsenvergrösse- 
rung und mit schweren Herzerscheinungen entwickelt. Hierzu 
kommt noch der Nachweis der Vagotonie durch starke Pilocarpin¬ 
oder aasbleibende Adrenalinreaktion“. Wir müssen auf die Frage 
der eventuellen Beziehungen zwischen Thymus und sogenannten 
vagotonischen Basedowformen noch separat eingeben, ersehen je¬ 
doch aus diesem Zitat, dass Klose der hyperplastischen Thymus¬ 
drüse bei gewissen Basedowformen eine ganz bestimmte Rolle zu¬ 
weist, weshalb er auch rät, sich in jedem schweren Falle von 
Basedowscher Krankheit vor der Strumektomie durch Palpation 
von dem Zustande der Thymusdrüse zu überzeugen, und diese 
eventuell zuerst zu resezieren, v. Haberer ist in den Schluss¬ 
folgerungen aus seinen Fällen sehr zurückhaltend; doch muss man 
bei seinem eingehend referierten Fall seiner Ansicht nach zu dem 
Schlüsse gelangen, dass die Thymektomie ausgezeichnet gewirkt hat. 

Die Ansichten über die Rolle der Basedowtbymus, welche 
Capelle und Bayer 1 ) in ihrer letzten Mitteilung auf Grund des 
Garrö’schen Materials vertreten, bedingen eine etwas eingehendere 
Berücksichtigung dieser Arbeit. 

In ihrer Publikation über den ersten von Garri operierten Fall 
waren Capelle und Bayer zu der Anschauung gelangt, dass die 
Basedowthymus deletär wirke, dass sie die Schilddrüsenstoffe nicht 
kompensiere, sondern potenziere, und dass die thymogene Autointoxikation 
bis zum Thymustod anschwellen könne, der selbstverständlich ein Herz¬ 
tod und vom Thymustod der Kinder zu trennen sei. In Anlehnung an 
die Auffassung von Eppinger und Hess, die bekanntlich sympathioo- 
tonische und vagotonische Basedowformen unterscheidet, nahmen Capelle 
und Bayer damals an, dass der Thymus genau gleioh wie der Schild¬ 
drüse eine doppelte Wirkung zukomme, bestehend in der Tonisierung 
sowohl des sympathischen wie des vagischen Systems. In ihrer neuesten 
Arbeit kommen die Autoren zunächst zu dem Schlüsse, dass in der 
Basedowthymus kein Organ mit einfach gesteigerter Tätigkeit vorliege, 
sondern eine Drüse, die in ihrer Funktion die physiologischen Bahnen 
verlassen hat, weil die Entfernung einer normalen Thymus nach Klose- 
Embden den Stoffwechsel nicht beeinflusst, während im letzten von 


1) Capelle und Bayer, Thymus und Schilddrüse in ihren wechsel¬ 
seitigen Beziehungen zum Morbus Basedowii. Beitr. z. klin. Chir 1913 
Bd. 86, S. 509. ’’ 

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UMIVERSITY OF IOWA 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


Garre operierten Fall die Basedowthymus offenbar den Stoffwechsel 
steigerte. Was die Bedeutung der Thymus für das Basedow’sohe Blut¬ 
bild anbelangt, lehnen Capelle und Bayer den Standpunkt Klose’s 
ab, der bekanntlich in der Thymus das Organ sieht, welches die base- 
dowische Blut Verschiebung veranlasst, vielmehr glauben sie, dass man 
den Thymussekreten wohl ein bestimmtes Vorherrschen über die Blut- 
miscbung, aber kein ausschliessliches Beherrschen des basedowiscben 
Blutbildes zuerkennen könne. Capelle und Bayer untersuchten nun 
ferner die Patienten der Garrä'schen Klinik nach den von Eppinger 
und Hess aufgestellten Gesichtspunkten über vagische und sympathische 
Basedowsymptome und fanden zunächst die von anderer Seite festgestellte 
Tatsache bestätigt, dass vagische und sympathische Symptomgruppen im 
einzelnen Falle so gut wie nie für sich existieren, sondern dass klinisch 
stets gemischte Bilder vorliegen, dass mit anderen Worten beide Nerven¬ 
systeme tonisiert sind. Die kritische Beurteilung des Materials sowohl 
hinsichtlich des Zustandes vor der Operation, als mit Bezug auf die 
postoperativen Veränderungen nach reiner Schilddrüsen- oder reiner 
Thymusreduktion eventuell unter Zuhilfenahme eines Belastungsversuchea 
mit Adrenalin zeigte, dass reine Schilddrüsen- und reine Thymus¬ 
reduktion jede für sich eine Milderung der sympathischen und vagischen 
Symptome zur Folge batte. Capelle und Bayer nehmen deshalb an, 
dass im Organismus die Sekrete der Schilddrüse und der Thymus sich 
in ihrer Wirkung, die in einer Tonisierung des Vagus und des Sympa- 
thicus zum Ausdruck kommt, stets summieren. In weiteren Ausführungen 
wird auf Untersuchungen A. Kooher’s verwiesen, der an seinem Material 
nackgewiesen zu haben glaubt, dass auch das histologische Bild der 
Basedowstrumen eine Differenzierung der vagotonischen und sympnthico- 
tonischen Formen gestatte; bei überwiegender Cy linderzell Wucherung sollen 
im klinischen Bild die Zeichen des Sympathicotonus, bei überwiegender 
polymorpher Zellwucherung mit Desquamation mehr die Symptome des 
Vagotoous in den Vordergrund treten. Capelle und Bayer glauben 
diese Untersuchungsresultate Kocher’s bestätigen zu können und ver¬ 
suchen, diese Verhältnisse auf die Thymus zu übertragen. Gestützt auf 
die mikroskopischen Untersuchungen an 10 Basedowthymen berichten sie, 
dass bei denjenigen Thymen, durch deren Entfernung die Basedow¬ 
symptome in beiden Systemen beeinflusst wurden, sich durchwegs viel 
Eosinophile fanden, die namentlich in den subcorticalen Zonen entlang 
den Gelassen und Bindegewebssepten lagerten, auch herdweise im Mark. 
Die epitbeloiden Zellen fanden sich durchwegs reichlich in Strängen, die 
Hassalkörper vergrössert und mehr oder weniger degeneriert. Weiterhin 
ergab die Gegenüberstellung der histologischen Befunde und der klini¬ 
schen Symptome, dass in den ausgesprochen vagischen BasedowfäDen 
die Thymus besonders reichliche Eosinophile enthielt; bei denjenigen 
Fällen, wo die vagische Komponente im Symptomenkomplex geringer 
belastet war, Hessen sich weniger Eosinophile nachweisen, die epithe- 
loiden Zellen waren im Vordergründe, die Hassalkörper noch relativ gut 
erhalten, d. h. die einzelnen Zellen in ihrer Schichtung noch gut er¬ 
kennbar. In einem Falle von klinisch ausgesprochen sympathischem 
Basedow fand sich eine Thymusstruktur, die dem juvenilen Typ ent¬ 
sprach; normal grosse, nicht vermehrte Hassalkörper, die lymphocytären 
Elemente in Rinde und Mark derart vorherrschend, dass epitheloide 
Zellen gar nicht zum Ausdruck kamen, während eosinophile überhaupt 
so gut wie fehlten. Im allgemeinen fand sich ein gewisser Gegensatz 
zwischen der Menge der eosinophilen Leukocyten und der epitbeloiden 
Zellen angedeutet. Unter epitbeloiden Zellen verstehen Capelle und 
Bayer wohl allgemeine Markelemente. Das Vorherrschen der Eosino¬ 
philen wird als Ausdruck eines vagotonisierenden, das Ueberwiegen der 
Epitheloiden als Ausdruck einer sympathicotonisierenden Thymusfunktion 
betrachtet. 

Znsammenfassend gelangen Capelle und Bayer zu der 
FolgerQDg, dass die Basedowsche Krankheit sich in der Mehrzahl 
der Fälle mit Wahrscheinlichkeit aus der Tätigkeit zweier Drüsen 
zusammensetzt, von denen jede sympathische und vagische Be¬ 
zirke in annähernd gleich massiger oder auch ungleichmässiger 
Verteilung und Intensität enthält, doch so, dass in der Regel die 
Schilddrüse mehr sympathische, die Thymus mehr vagische 
Färbung hat; denn mit der Annahme eines einzigen basedow¬ 
spezifischen Organs stimmt die Beobachtung nicht überein, dass 
durch eine operative Schilddrüsenreduktion, die in den übrigen 
Symptomen vollen Erfolg hat, das basedowische Blutbild nicht 
beeinflusst wird oder sogar eine Verschlechterung erleidet. Auch 
mit der Kocher’schen Ansicht, dass klinische und hämatologiache 
Ausheilung bei Morbus Basedowii prinzipiell parallel gehen, 
harmoniert die Beobachtung nicht, ebensowenig wie die Fest¬ 
stellung, dass ein nach Tbymusexstirpation normal gewordenes 
Blutbild in direktem Anschluss an eine Schilddrüsenreduktion 
wieder pathologisch wird. (Erster Fall von GarrA) Ein ge¬ 
radezu zwingendes Argument für die Annahme eines weiteren 
Organs, das gelegentlich eine starke und selbständige Bedeutung 
in der Genese des Basedow annehmen kann, liegt nach Capelle 
und Bayer in der vorstehend wiedergegebenen Beobachtung 
Sauerbruch’s. Die Autoren möchten eine intensiv wirkende 
Thymus für die 20 pCt. Nichterfolge verantwortlich machen, 
welche die Statistik der Küttner’schen Klinik selbst nach mehr¬ 


maligen und ausgedehnten Strumareduktionen aufweist. Die 
Intensität und Selbständigkeit, mit der eine basedowaktive Thymus 
in das Krankheitsbild eingreift, schwankt offenbar von Fall zu 
Fall in grosser Breite. Zwischen den beiden Extremen einer 
primär schwachen und von der Scbilddrüsenintcnsität dirigierten 
Thymus einerseits und einer intensiv, d. h. überwiegend wirkenden 
Thymus andererseits, liegt die grosse Zahl der Möglichkeiten, in 
denen beide Organe in ihrer Intensität und gegenseitigen Beein- 
flussbarkeit mehr oder minder ausbalanciert sind, bei denen somit 
die Reduktion eines Organs eine mehr oder weniger vollständige 
Heilung zur Folge bat. Der Vollständigkeit halber müssen wir 
noch erwähnen, dass nach der Anschauung von Capelle und 
Bayer die Basedowschilddrüse und Basedowthymus in funktio¬ 
neller Korrelation stehen, derart, dass die zunehmende Tätigkeit 
des einen Organs die Funktion des anderen in excitierendem Sinne be¬ 
einflusst. Wir werden an anderer Stelle sehen, wie weit diese An¬ 
schauungen der beiden Autoren über korrelative Beziehungen der 
Thymus und Schilddrüse bei der Basedowschen Krankheit be¬ 
gründet sind. Soweit die Arbeit von Capelle und Bayer. 

Die im Vorstehenden referierten, heute schon ziemlich zahl¬ 
reichen chirurgischen Beobachtungen zeigen zur Evidenz, dass es 
gelangen ist, durch operative Reduktion der vergrösserten Thymus¬ 
drüse schwere Basedowfälle in ausserordentlich günstiger Weise 
zu beeinflussen. So schloss sich der geschilderte Erfolg un¬ 
mittelbar an die beiden primären Tbymektomien Garrö’s an; in 
den Beobachtungen von Sauerbruch und Haber er hatten die 
Operationen an der Schilddrüse keine Besserung, resp. in 
Haberer’s Fall eine eklatante Verschlimmerung des ganzen 
Bildes zur Folge, während sekundäre Thymektomie eine ganz 
zweifellose und weitgehende Besserung brachte. Auch in den 
Fällen Klose’s, deren eingehende Publikation allerdings noch 
aussteht, war die Resektion der hyperplastiscben Thymus stets 
von einer auffallenden Besserung des Allgemeinzustandes nnd 
einer Rückkehr des Blutbildes zur Norm gefolgt. Wenn die Zahl 
der einschlägigen Beobachtungen naturgemäss auch noch relativ 
klein ist, so sprechen doch alle eindeutig in dem Sinne, dass es 
gelingt, durch partielle Entfernung der Thymusdrüse bei Basedow¬ 
scher Krankheit einen völligen Umschwung anzubahnen, der in 
einigen Fällen zu einer weitgehenden Besserung, in anderen zu 
einem an Heilang grenzenden Zustand führte. Die ans den 
statistischen Feststellungen hergeleitete Ansicht, dass der hyper- 
plastischen Thymus bei Morbus Basedowii eine aktive Wirkung 
ähnlich der Schilddrüse zukomme, erfährt somit durch die Er¬ 
fahrungen, welche von chirurgischer Seite mit primärer oder 
sekundärer Thymektomie bei Basedowscher Krankheit gemacht 
wurden, eine unzweifelhafte Stütze. 

Es erhebt sich nun die Frage, wie weit unsere Kenntnisse 
von der physiologischen Funktion der Thymus und die Ergebnisse 
der experimentellen Forschung, soweit sie sich mit der Wirkung 
injizierter Thymusextrakte, Thymusverfütterung und Thymus¬ 
implantation befasst, der vorgetragenen Auffassung entgegen- 
kommen. Nach dem heutigen Stande der Lehre von der inneren 
Sekretion ist die Zugehörigkeit der Thymusdrüse zu den Organen 
mit innerer Sekretion unbedingte Voraussetzung für die Annahme 
einer „basedowaktiven“ Thymus. Dass nun der Thymus eine 
innere Sekretion tatsächlich auch zukommt, kann nach den Unter¬ 
suchungen von Basch, Klose und Vogt, Soli, Lucien und 
Parisot, Cozzolino, Matti u. a. keinem Zweifel mehr unter¬ 
liegen. Ich verweise auf die zusammenfassende Darstellung der 
Tbymu8physiologie in meinem bereits erwähnten Referat, in dem 
unseres Erachtens die notwendigen Unterlagen für die Auffassung 
zusammengestellt sind, dass der Einteilung der Thymus unter die 
Organe mit innerer Sekretion nach üblichen Kriterien keine 
Hindernisse mehr im Wege stehen. Eine wesentliche Stütze für 
die Anschauung, dass der Morbus Basedowii auf einer Hyper- 
funktion der Schilddrüse beruhe, suchte man bekanntlich aus den 
Resultaten experimenteller Hyperthyreoidisierung herzuleiten. Wir 
können an dieser Stelle auf diese noch nicht allseitig abgeklärte 
Frage nicht näher eintreten. Sehen wir jedoch, wie es sieb mit 
der theoretisch zu postulierenden experimentellen Hyper- oder 
Dysthymisierung verhält. In erster Linie kommen hier die Ex¬ 
perimente Svehla’s in Betracht, der eine blutdrucksenkende und 
pulsbeschleunigende Wirkung der Thymusextrakte feststellte. Die 
Spezifität dieser durch eine Reihe Nachuntersncher bestätigten 
Wirkung steht allerdings nach Vincent und Sheene in Frage, 
ferner behauptete Popper, dass die von Svebla u. a. be- 
obachtete Blutdrucksenkung und namentlich der unter allgemeinen 
Erstickungskrämpfen eintretende Herzstillstand der Versuchstiere 


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13, Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1815 


nach Injektion hoher Dosen Tbymusextrakt auf der allgemeinen 
Eigenschaft der Gewebsextrakte beruhe, intravasculäre Gerinnungen 
hervorzurufen, die za ausgedehnten Circulationsstörungen fuhren. 
Nach den Versuchen von Lederer und Schwarz, die trotz Zu¬ 
satz von Blutegelextrakt zum Thymusauszug Blutdrucksenkung 
konstatierten, kann der Einwand Pop per’s jedoch als widerlegt 
gelten. Hammar und Qoensel glauben, dass die tödliche 
Wirkung der Thymusextrakte an deren intravenöse Einverleibung 
gebnnden sei. Für den schädigenden Einfluss chronischer In¬ 
jektion von Thymusextrakt sprechen die Beobachtungen von 
Gharrin und Ostrowski, die bei Hunden, denen während 
vieler Monate täglich 3—4 g Tbymusextrakt subcutan eingespritzt 
worden, Knochendeformitäten auftreten sahen. Ranzi und 
Tandler sahen nach protrahierter Injektion von Thymusextrakt 
deutliche Wachstumshemmnng. 

Thyinusverfütterung hatte in Versuchen von Charin Rippen- 
erweichnngen zur Folge. Klose und Vogt beobachteten bei ihren 
Versuchstieren nach Thymusverfütterung Durchfälle und anfalls¬ 
weise Herzschwäche. Auch die Implantation homologer Thymus¬ 
substanz bei Hunden gleichen Wurfes in die Bauchdecken, das 
Netz und die Milz war nach Nord mann nnd Hart von erheb¬ 
lichen Störungen des Allgemeinbefindens gefolgt; die Tiere frassen 
nicht, magerten ab, worden träge und bekamen ein struppiges 
Fell. Nord mann besieht diese Erscheinungen auf Resorption 
des Implantates und fasst sie somit als Intoxikationserscbeinungen 
anf. Klose und Vogt sind der Ansicht, dass Tbymusimplan- 
tation von allen Arten der Thymuseinverleibung am wenigsten 
toxisch wirkt, offenbar weil die Resorption ganz allmählich er¬ 
folgt. Es ist zu beachten, dass diese Hyperthymisierungsfragen 
noch nicht definitiv abgeklärt sind, indem sowohl die Unter- 
8uchung8re8ultate Svehla’s bestritten werden (Oliver und 
Schäfer, Moorhead, Wolfram, Popielski), als auch die ge¬ 
schilderten Folgen der Thymusverfütterung und Thymusimplantation 
nicht allgemeine Bestätigung fanden. Immerhin ist die von 
Svebla nachgewiesene blutdrucksenkende bei Anwendung grösserer 
Dosen hochtoxische Wirkung der Thymusextrakte nicht einwand¬ 
frei widerlegt, nnd man erhält auch den bestimmten Eindruck, 
dass Thymusverfütterung, wie Resorption eingepflanzter homologer 
Thymus, Intoxikationserscheioungen zur Folge haben. Ich sehe 
nicht ein, wieso durch den Nachweis, dass die Wirkung der 
Thymusextrakte keine spezifische, d. h. nicht nur der Thymus 
zukommende sei, die Lehre von der Hyperthymisation ihrer 
wichtigsten Stütze beraubt sein soll (Biedl). Mag auch 
die Spezifität der drucksenkenden Wirkung in Frage 
stehen, so ist die toxische Wirkung grosser Dosen wenig¬ 
stens bei intravenöser Injektion ziemlich unbestritten. Man 
darf deshalb wohl an eine schädigende Wirkung der 
Hyperthymisation mit Rücksicht auf die Ergebnisse der lojek- 
tions-, Verfütterungs- und Implantationsversuche denken. Be¬ 
sondere Bedeutung für die uns interessierende Frage haben nun 
Experimente, die mit offenbar pathologischer Thymussubstanz an¬ 
gestellt wurden. Hart beobachtete vor Jahren einen Fall plötz¬ 
lichen Herztodes bei einem 29jährigen Manne, der während 
längerer Zeit an Herzbeschwerden, namentlich Herzklopfen und 
Aengstigungen gelitten hatte. Bei der Autopsie fand man eine 
grosse Thymus mit Hämorrhagien. Die Injektion dieser steril 
verbliebenen Thymus erzeugte bei Meerschweinchen Vergiftungs¬ 
erscheinungen: Parese der hinteren Extremitäten, beschleunigte 
Herxaktion, Tod in wenigen Augenblicken unter Erregungserschei- 
DQngen. Unter Anlehnung ao die Lehre Svehla’s vertritt Hart 
deshalb die Ansicht, dass eine pathologisch vergrösserte Thymus 
Stoffe abgibt, die exquisit auf Herz und Gefässe wirken und da¬ 
neben den Stoffwechsel in pathologischer Weise beeinflussen. Es 
liegt deshalb nach Hart nahe, ein sogenanntes Thymusherz an- 
zonehmen, welches vielfach sogar dem Kropfherz identisch sein 
könnte. Mit ganz besonderem Interesse ist die vorläufige Mit¬ 
teilung Bircher’s aufgenommen worden, dass intraperitoneale 
Implantation lebensfrischer hyperplastischer Menschenthymus bei 
Hooden von einem Symptomenkomplex gefolgt war, der un¬ 
bestreitbare Anlehnung an das Krankheitsbild der Basedow’schen 
Krankheit zeigt: Die Versuchstiere wurden aufgeregt, bekamen 
Protrusio bnlbi, Tachykardie, Tremor, und nach einiger Zeit sogar 
eine Vergrösserung der Schilddrüse. Der Exophthalmus der Ver- 
snehshunde ist in den Abbildungen, welche der kurzen Mitteilung 
beigegeben sind, deutlich sichtbar; doch können die Mitteilungen 
'o der vorliegenden Form nicht maassgebende Verwertung finden, 
*eil nähere Angaben, namentlich auch über das histologische 
»erhalten der Schilddrüse, noch fehlen. Dass Gebele mit sub¬ 


kutaner Implantation von Basedowtbymus bei Hunden negative 
Resultate hatte, spricht nicht unbedingt gegen die Richtigkeit der 
Bircher’schen Beobachtungen, weil Gebele nur kleine, hasel- 
bis walnussgrosse Thymusstücke in die Baachwaud implantierte, 
während Bircher bis bandtellergrosse Stücke intraperitoneal ein¬ 
pflanzte. Es fehlt somit die nötige Vergleichsbasis. Wir möchten 
selbstverständlich die Versuche von Hart und Bircher nicht in 
dem Sinne verwerten, dass wir auf Grund dieser Resultate die 
Annahme eines rein tbymogenen Basedow als gerechtfertigt er¬ 
achten; doch bieten die Ergebnisse der Hart-Bircher’schen 
Experimente einen wertvollen Anhaltspunkt für die Anschauung, 
dass hyperplastische Thymus schädigend, toxisch wirken kann, 
und dass sie namentlich auch die Circutation beeinflusst. Die 
Hyperthymisierungsversuche mit normaler Drüse bedürfen der 
systematischen, sorgfältigen Nachprüfung, weil die differenten 
Versuchsbedingungen eine maassgebende Vergleichung der vor¬ 
läufig sich teilweise widersprechenden Resultate gar nicht ge¬ 
statten. Die Versuche von Hart und Bircher lassen dem kri¬ 
tischen Einwand Raum, dass die zu den Experimenten benutzte 
Thymus möglicherweise nur deswegen toxisch wirkte, weil sie 
eben nicht artgleich war 1 ). Es ist deshalb zweifellos geboten, 
die vorliegenden experimentell gewonnenen Daten mit grosser 
Vorsicht und Reserve zu verwerten; doch kann man jeden¬ 
falls, ohne den Boden angemessener Kritik zu ver¬ 
lassen, behaupten, dass die Anschanung von einer 
Hyper- oder Dysthymisation hei Patienten mit hyper¬ 
plastischer Thymus nicht mehr der experimentellen 
Stütze entbehrt. 

Unter diesen Umständen dürfen wir wohl an die Möglichkeit 
eines thymotoxischen Tbymusherzens denken, wie Hart vorschlägt, 
in Analogie zum toxischen Kropfherzen. Wir haben die Berichte 
über Tbymusfütterung beim Menschen absichtlich nicht in den 
Bereich dieser Betrachtungen gezogen, weil man aus dem vor¬ 
liegenden Material positive Schlussfolgerungen nicht ziehen kann. 
Den durch Thymusfütterung günstig beeinflussten Basedowfällen 
von Owen, Cunningbam, Miculicz und Mackenzie stehen 
die Beobachtnngen anderer Autoren gegenüber (Mattiessen, 
Mackenzie, Dinkler, Reinbach und Eving), welche ganz 
negative Resultate oder sogar Verschlimmerung des Krankheits- 
bildes feststellten. Wenn auch im allgemeinen die schlimmen 
Erfahrungen mit Thymusfütterung bei Basedow überwiegen, was 
im Sinne unserer vorstehenden Ausführungen sprechen würde, so 
geht eine Verwertung dieses Materials nicht an, weil wir nicht 
durchwegs darüber orientiert sind, wie sich die Thymus hei den 
verschiedenen Patienten verhielt. In diesem Zusammenhang sei 
jedoch anf den Vorschlag Capelle’s verwiesen, die Thymus¬ 
fütterung diagnostisch zum Nachweis einer byperplastischen Thy¬ 
mus zu verwerten, gestützt auf die Beobachtung, dass in vielen 
Fällen, die sich auf Verabreichung von Thymus verschlimmerten, 
durch die Autopsie eine hyperplastische Thymus nachgewiesen 
wurde. Wenn wir uns nach diesen Ausführungen auf den Boden 
der Anschauungen von Svehla nnd Hart stellen nnd mit diesen 
Autoren eine schädigende toxische Wirkung der hyperplastischen 
Thymus annehmen, so reichen unsere gegenwärtigen Kenntnisse 
wohl noch nicht aus, die Frage zu entscheiden, ob nun einfache 
Hyperfunktion oder eine Dysfunktion des vergrösserten Organs 
vorliegt, hat doch diese theoretische Streitfrage auch im Rahmen 
der Schilddrüsentheorie bisher noch keine definitive Erledigung 
gefunden. Im Grunde genommen ist jedoch das praktische Inter¬ 
esse dieser Frage kein sehr grosses, denn für den Kliniker ist 
auch die Hyperfunktion, welche zu Störungen führt, eine Dys¬ 
funktion. Theoretisch liegt allerdings dem Chirurgen die An¬ 
nahme einer Hyperfunktion besser, weil er durch operative Re¬ 
duktion des Organs die pathologische Funktion eventuell voll¬ 
ständig korrigieren kann, während bei Annahme einer eigentlichen 
Dysfunktion auch das reduzierte Organ noch ein anormales Sekret 
liefert. Da jedoch die Haltlosigkeit der extremen und exklusiven 
Schilddrüsentheorie der Basedow’schen Kraukbeit immer klarer 
zutage tritt, hat es keinen Sinn, aus opportunistischen Erwägungen 
an der Theorie der reinen Hyperfunktion festzuhalten, um so 
weniger, als ja auch die operative Reduktion eines im alten Sinne 
dysfunktionierenden Organs postoperative Besserungen in einwand- 


1) Dieser Einwand trifft auch für eine Reihe sogenannter Hyper- 
thymisierungaversuche mit normaler Thymus zu; ferner ist zu bedenken, 
dass die nach Iojektion von Organextrakten oder Pressäften beobachteten 
Erscheinungen nicht ohne weiteres als spezifische Wirkungen des inneren 
Sekretes betrachtet werden dürfen. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


freier Weise erklärt. Wenn wir hier von einer Dystbymisierong 
sprechen, so möchteo wir damit die Frage, ob die hyperplastische 
Thymus ein normales oder ein anormales Sekret liefert, in keiner 
Weise präjudizieren. Die Hauptsache bleibt, dass die Funktion 
als solche eben physiologische Bahnen verlassen hat. Immerhin 
sei auf folgende Verhältnisse hingewiesen, die Capelle und 
Bayer in ihrer neuesten Arbeit besonders hervorbeben: Embden 
konnte an den von Klose thymektomierten Tieren keine Differenz 
im Stickstoffumsatz gegenüber den Kontrollieren finden. Dagegen 
wiesen Capelle und Bayer nach, dass die Thymusexstirpation 
bei ihrer Basedowpatientin die Gesamtstickstoffausfuhr auf mehr 
als die Hälfte herabsetzte. „Die Tatsache, dass eine physio¬ 
logisch vorhandene Thymns, wie sie in den Organen gesunder 
junger Hunde gegeben ist, den Gesamtstickstoffwechsel nicht be¬ 
rührt, während die in basedowischem Zustand vorhandene Thymus 
den Eiweisszerfall weit über die Norm steigert, ohne dass die 
Quantität des Organs diejenige infantiler Perioden dabei über¬ 
schreitet, spricht nun — nach Capelle und Bayer — dafür, 
dass in der Basedowthymus kein Organ mit einfach gesteigerter 
Tätigkeit vorliegt, sondern eine Drüse, die in ihrer Funktion die 
physiologischen Bahnen verlassen hat.“ Die Voraussetzung dieser 
Schlussfolgerung trifft insofern nicht für alle Fälle zu, als 
zweifellos in einer Grosszahl von Basedowfällen mit hyper- 
plastischer Thymus das vergrösserte Organ ein Volumen aufweist, 
weiches weit über die maximale Grösse des kindlichen Organs — 
auch in relativer Berechnung — hinausreicht. Für eine Reibe 
von Fällen dürfte allerdings die vorstehende Ueberlegung von 
Capelle und Bayer zutreffen. 

Steht einmal die Tatsache fest, dass die hyperplastische 
Thymus eine ganz bestimmte Rolle in der Pathogenese und Patho¬ 
logie des Morbus Basedowii spielt, so müssen wir bei der unbe¬ 
strittenen Bedeutung der Schilddrüse für die Genese dieser Krank¬ 
heit nach eventuellen Korrelationen zwischen Thymus und 
Thyreoidea und nach der relativen ätiologischen Bedeutung beider 
Organe fragen. Ich habe in meinem Referat über die Physiologie 
und Pathologie der Thymusdrüse die hauptsächlichsten Daten 
zusammengestellt, die als Unterlage für die Beurteilung der so¬ 
genannten Korrelationen zwischen Schilddrüse und Thymus dienen 
können, ganz abgesehen von ihrer Rolle bei der Basedowschen 
Krankheit. In erster Linie ist daran zu erinnern, dass schon die 
Kombination von einfacher Struma mit Tbymusbyperplasie relativ 
oft festgestellt wird. So fanden wir unter 22 Fällen von Schild- 
drüsenvergrösserung und eigentlicher Struma bei Neugeborenen, 
die im Jahre 1910 im pathologischen Institut Bern beobachtet 
wurden, 19 mal Tbymusvergrösserung. Unter 12 Fällen von Mors 
thymica Neugeborener, die Hedinger beschreibt, findet sich 
7 mal ausdrücklich Scbilddrüsenvergrösserung erwähnt. Ueber 
analoge Befunde bei Erwachsenen berichten Gluck, Wiens, 
Rössle, Nettei, Hart, Virchow u. a. Ferner ist bekannt, 
dass bei den kongenitalen Schilddrüsendefekten auch die Thymus 
mangelhaft entwickelt ist oder fehlt. Schon diese Feststellungen 
weisen auf bestimmte Beziehungen zwischen Schilddrüse und 
Thymus hin. Biedl, Cad£ac, Guinard, Gley finden nach 
Schilddrüsenexstirpation die Thymus vergrössert; Blumreich 
und Jacoby, Jeandelize, Lucien und Parisot sowie Mac 
Lennan konstatierten das Gegenteil. Was die Reaktion der 
Schilddrüse auf Thymusexstirpation betrifft, so stellte Mac Lennan 
Verkleinerung fest. B£clard, Klose und Vogt sowie Referant 
fanden Hypertrophie der Schilddrüse nach Entfernung der Thymus. 
Soweit man überhaupt aus derartigen Organreaktionen auf be¬ 
stimmte Korrelationen im Sinne der Hemmung oder Förderung 
zwischen exstirpierten und zurückgelassenen Organen sch Hessen 
kann, fehlen somit übereinstimmende experimentelle Beweise. 
Immerhin glauben wir mit Klose und Vogt, dass nach totaler 
Entfernung der Thymus mit der Zeit stets eine Vergrösserung der 
Schilddrüse eintritt, abgesehen yon dem terminalen Stadium der 
Kachexie. Die nach Thymusexstirpation in der Schilddrüse fest¬ 
stellbaren histologischen Veränderungen stimmen in allen wesent¬ 
lichen Punkten mit den Bildern überein, die Halstead und ] 
des Ligneris als charakteristisch für die Schilddrüsenhyper¬ 
trophie beschreiben, so dass man die Gewicbtsvermehrung des 
Organs wohl als Hypertrophie betrachten darf, eine Ansicht, der 
in seiner neuesten Publikation auch Klose 1 ) beitritt. Wie wir 
schon an anderer Stelle ausfübrteo, erklärt sich die Reaktion der 
Thyreoidea auf Tbymusexstirpation zwanglos durch die Annahme, 


1) Klose, Beiträge zur Pathologie und Klinik der Thymusdrüse. 
Jb. f. Kindhlk,, 1913, Bd. 78, der dritten Folge 28. Bd., S. 653. 


dass Schilddrüse und Thymus nahestehende Organe sind, so dass 
wir in der Schilddrüsen Veränderung einfach eine vikarierende 
Hyperplasie zu sehen hätten. 

(Schluss folgt.) 


Aus der Universitätspoliklinik für Hautkrankheiten 
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Lesser). 

Zur Frage der Verschärfung der Wasser- 
mann'schen Reaktion. 1 ) 

Von 

Dr. Franz Blaveathal, 

Assistenten der Poliklinik. 

Die Jahre, die seit der Einführung der Wassermann’schen 
Reaktion in die Praxis verflossen sind, haben unsere Anschauungen 
über die praktische Bedeutung derselben zum grössten Teile ge¬ 
klärt. Während der positive Ausfall der Reaktion seine unbe¬ 
strittene grosse praktische Bedeutung für Diagnose, Prognose und 
Therapie der Syphilis bat, können wir die negative Reaktion 
nicht eindeutig verwerten. Dies liegt einerseits an der Unsicher¬ 
heit eines jeden negativen Resultats überhaupt, andererseits 
scheinen bei der Wassermann’schen Reaktion in dieser Richtung 
noch besondere Umstände mitzusprecben. So kann, wenn auch 
nur selten, die Reaktion bei Bestehen von manifest syphilitischen 
Erscheinungen negativ ausfallen, ferner ist im Latenzstadinm 
häufig eine negative Reaktion von einem Recidiv gefolgt, oder 
die negative Reaktion schlägt nach kurzer Zeit in eine positive 
nm. Man kann sich hier des Eindrucks nicht erwehren, dass es 
sich nicht immer um ein Fehlen der bei der Sypbilisinfektion er¬ 
zeugten Stoffe, sagen wir kurz der „Reagine“ handelt, sondern 
dass häufig diese Stoffe durch einen Mangel der Technik dem 
Nachweise entgehen oder sonst verdeckt sind. Io dieser Auf¬ 
fassung wird mau noch dadurch bestärkt, dass eine Reihe von 
Seren, in verschiedenen Instituten untersucht, verschiedene Re¬ 
sultate ergeben, ja, dass in demselben Institute bei ein nnd dem¬ 
selben Serum die Resultate schwanken können. Wenn es sich, 
richtige Versuchstecbnik vorausgesetzt, auch nur um eine pro¬ 
zentual ganz geringe Anzahl von Seren handelt, meist von stark 
behandelten Latentsypbilitikem oder von Syphilitikern mit Er¬ 
scheinungen von seiten des Centraloervensystems stammend, bei 
denen das Ergebnis der Untersucbnng variiert, so lassen doch alle 
diese Dinge den Wunsch verständlich erscheinen, die Wasser- 
mann’scbe Reaktion weiter zu verfeinern. 

Zum Verständnis der Verfeinerungsbestrebungen ist es nötig, 
sieb vor Augen zu halten, dass die Reaktion zwischen Extrakt, 
syphilitischem Serum und Komplement keine absolut feste ist, 
dass es vielmehr manchmal gelingt, diese Bindung so weit auf- 
zuheben, dass es doch noch zu eiuer Lösung der Blutkörperchen 
kommt. Dies tritt ein, wenn das hämolytische System sehr stark 
ist, und kann seine Ursache darin haben, dass bei stark sensi¬ 
bilisierten Blutkörperchen durch starke Steigerung der Avidität 
schon fixiertes Komplement aus seiner Bindung wieder beraus- 
gerissen wird oder aber, dass eine geringe Menge noch frei¬ 
bleibenden Komplements genügt, um zusammen mit einem starken 
Amboceptor die Blutkörperchen aufzulösen. Es ist daher leicht 
verständlich, dass sich die Bestrebungen, die Reaktion zu ver¬ 
feinern, grösstenteils nach zwei Richtungen bin bewegen: einmal 
suchte man die hemmende Komponente, Extrakt und zu unter¬ 
suchendes Serum, zu verstärken, dann wieder das hämolytische 
System abzuschwächen. Die Hauptschwierigkeit hierbei liegt nnn 
darin, dass keines der bei der Wassermann'schen Reaktion ver¬ 
wendeten Agentien absolut konstant ist, dass wir aber, wenn wir 
die Stärke eines derselben bestimmen wollen, die übrigen als 
konstant voraussetzen müssen. 

Wenden wir uns zuerst dem hämolytischen System zu. Die Blut¬ 
körperchen, die im allgemeinen als konstant angesehen werden, »eigen 
recht erhebliche Differenzen in ihren Eigenschaften. Ganz abgesehen von 
geringen Differenzen in der Stärke der Aufschwemmung, die sich nicht 
vermeiden lassen, ist ihre Fragilität bei verschiedenen Tieren eine sehr 
wechselnde. Verwendet man aber denselben Hammel zu wiederholten 
Malen, so steigt die Fragilität durch die häufigen Blutentnahmen sehr 
stark, ja, sie kann so stark werden, dass es überhaupt nicht mehr mög- 


1) Nach einem am 5. März 1914 in der Gesellschaft der Charite- 
Aerzte gehaltenen Vortrag. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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13. Juli 1914. 


lieh ist, die Blutkörperchen eines derartigen Tieres zu verwenden. Wenn 
wir also, wie es allgemein geschieht, die Blutkörperchen in stets kon¬ 
stanter Menge verwenden, so müssen wir das Hämolysin und das Kom¬ 
plement immer von neuem auf die Blutkörperchen einstellen. Bei dieser 
Titration muss man nun entweder das hämolytische Serum oder das 
Komplement als konstant annehmen. Auf die Frage, was zweckmässiger 
ist, werden wir später zu sprechen kommen. Diese Titration stellt nun 
etwa keine Verfeinerung der Reaktion dar. Sie gehört mit zur Original¬ 
methode, und ich erwähne sie hier nur ausführlicher, weil dies zum Ver¬ 
ständnis der neueren Verfeinerungsbestrebungen notwendig ist 

Man fand nämlich in der Praxis, dass trotz genauer Feststellung 
der Starke des hämolytischen Systems, z. B. durch Titration des hämo¬ 
lytischen Amboceptors und Verwendung eines bestimmten Multiplums 
desselben, die Durchlösung im Versuche verschieden stark ausfiel. Der 
Grund hierfür schien darin zu liegen, dass ungefähr dOpCt. aller 
Menschenseren Amboceptoren für Hammel blutkörpereben enthalten. Bei 
Untersuchungen, die ich gemeinsam mit Hercz 1 ) an einer Reihe von 
Menschenseren ausgeführt habe, schwankt der Titer für Normalambo* 
ceptoren zwischen 0 und VW J. Bauer 2 ), Sachs und Altmann 
haben zuerst auf die Möglichkeit hingewiesen, dass eine Addition der 
Normalamboceptoren zu den Immunamboceptoren Störungen im Versuch 
hervorrufen kann. 

Man hat verschiedene Wege eingeschlagen, um die störende Wirkung 
derNormalamboceptoren zu vermeiden. Noguchi 8 ) suchte dadurch stets 
unter gleichen Bedingungen zu arbeiten, dass er Blutkörperchen ver¬ 
wendet, für die im Menschenserum keine Amboceptoren enthalten sind. 
Für diesen Zweck wählte er Menschenblutkörperchen. Die Haupt- 
sehwierigkeit des Arbeitens mit der Noguchi’schen Methode liegt darin, 
dass es nicht leioht ist, ein hochwertiges Kaninchen-Immunserum für 
Menscheublutkörperchen zu erhalten. Höhere Titer wie 1:50, 1:100 
sind kaum zu erzielen, während wir bei Hammelblutkörperchen stets in 
der Lage sind, mit Seren vom Titer 1:1000 bis 1:5000 zu arbeiten. 
Ferner agglutinieren Antimensehen-Kaninchenseren in den verwendeten 
Dosen meist sehr stark, was auch beträchtliche Unbequemlichkeiten mit 
sich bringt Für die Praxis hat sich daher diese Methode uns nicht 
bewährt. Auch die Ersetzung des Hammel-Kaninchensystems durch 
andere Systeme bietet keine Vorteile und kann nach Untersuchungen 
von Bruck sogar zu Fehlresultaten Veranlassung geben. Man wird 
daher gut tun, weiter mit Hammel- resp. Ziegenblutkörperchen zu ar¬ 
beiten. 

Ein anderer Weg ist von Jacobaeus 4 ) eingeschlagen worden. Er 
digeriert die inaktivierten Seren vor dem Gebrauch eine Stunde mit 
H&mmelblutkörperchen. Die Blutkörperchen haben dann alle Ambo¬ 
ceptoren adsorbiert und werden durch Centrifugieren entfernt. Wie ich 
gemeinsam mit Hercz 8 ) naohweisen konnte, ist eine wesentliche Ver¬ 
stärkung der Reaktion nur selten vorhanden, auch kann das Digerieren 
mit Blutkörperchen zu einer deutlichen Abschwächung des Serums führen. 
Ueber ähnliche Befunde berichtet Alexander 6 ). Dies kann seine Ur¬ 
sache darin haben, dass bei der Absorption von Normalamboceptoren 
noch andere Stoffe mit absorbiert werden, die bei dem Zustandekommen 
der Wassermann’schen Reaktion eine Rolle spielen. Ganz gleichgültig 
ist das Digerieren der Seren mit Hammelblutkörperchen überhaupt nicht. 
Maas man doch dabei mit der Entstehung antagonistischer Stoffe rechnen. 
Meist werden dieselben, falls wir mit einem grossen Amboceptoriiber- 
schus8 arbeiten, zwar keine Rolle spielen. Immerhin scheint es mir 
notwendig, bei Verwendung dieser Methode in grösserem Maassstabe diese 
TäuscbuogsmÖgLichkeit in Betracht zu ziehen. 

Die schon oben erwähnte Tatsache, dass dasselbe Serum an 
verschiedenen Tagen auch im selben Institute wechselnde Resul¬ 
tate geben kann, wies darauf hin, dass hierbei das Komplement 
eine grosse Rolle spielt, da dasselbe für jeden Versuch frisch ge¬ 
wonnen wird. Die verschiedenen Komplementseren variieren nun 
nach zwei Richtungen untereinander, erstens in bezug auf ihren 
Komplementgebalt, und zweitens in bezug auf die Deviabilität. 
Auf die Deviabilität werde ich später noch za sprechen kommen. 
An dieser Stelle interessiert uns hauptsächlich der wechselnde Ge¬ 
halt an Komplement. 

8* ist nun von verschiedenen Seiten, so z. B. von So rin ani 7 )» von 
Kromayer und Trinchese 8 ) die Forderung aufgestellt worden, das 
Komplement an jedem Tage zu titrieren, und je nach der Stärke des 
Komplementserums die verwendete Menge zu variieren. Ich glaube, dass 
dieses Verfahren nicht zweckmässig ist. An und für sich ist es ja gleich- 
fdUig, ob wir das Komplemeut mit dem Amboceptor oder den Ambo- 
eeptor mit dem Komplement auswerten, da wir einen Mangel an Kom¬ 
plement duroh Verminderung des Amboceptors und umgekehrt aus- 
gleichen können. Doch glaube ich auf Grund von Untersuchungen 9 ) 


1) 

*) 

S) 

4) 

5) 

6) 

7 ) 

8) 
9) 


Denn. Zschr., 1912, Bd. 19, S. 769. 

D.m.W., 1908, S. 698. 

Zsohr. f. Immnn.Forseh., Bd. 9, H. 6. 

Zschr. I Immnn.Forseh., 1911, Bd. 8, S. G15. 

1. o. 

Denn. Zschr., 1914, Bd. 21, S. 218. 

Zschr. f. Immun .Forsch., Bd. 11, H. 2. 

*ed. Elin., 1912, Nr. 10 und 41 und B.kl.W., 1912, Nr. 41. 
kehr. f. Immun.Forsch., Bd. 16, S. 347. 


über die hämolytische und antikomplementäre Wirkung der Extrakte und 
und ihre Hemmung duroh Serum, dass es eventuell zu Fehlresultaten 
führen kann, wenn man mit der Menge des Komplementserums unter 
0,1 heruntergeht, namentlich wenn man gleichzeitig beim quantitativen 
Versuch auch noch die Menge des zu untersuchenden Serums herabsetzt. 
Eine Vermehrung der Komplementmenge ist gleichfalls nicht statthaft, 
denn gemeinsam mit Frau Dr. Wissotzki fand ich, dass Meerschweinchen- 
seren in Mengen von 0,15 eine positive Wassermann’sche Reaktion geben 
können. Auch Ritz und Sachs 1 ), und neuerdings Alexander 2 ) äussern 
ähnliche Bedenken gegen ein Arbeiten mit wechselnden Komplement¬ 
mengen. Im übrigen sind die Differenzen im Komplementgehalt der 
Meerschweinohenseren nicht gross, wenn man bei der Auswahl der Tiere 
folgende Vorsichtsmaassregeln beachtet, gleichgrosse, früher nicht zu 
anderen Versuchen benutzte, nicht schwangere Tiere, die längere Zeit 
das gleiche Futter erhalten haben. Ferner muss das Serum stets um 
dieselbe Zeit nach der Fütterung entnommen werden. Für die Praxis 
dürfte es sich auf jeden Fall empfehlen, an der Titration des hämoly¬ 
tischen Amboceptors bei konstanter Komplementmenge 8 ) festzuhalten, wie 
dies auch von Müller, Lange u. a. gefordert wird. 

Wir kommen nun zu den Versuchen, die hemmende Kom¬ 
ponente, d. h. das Antigen und das za untersuchende Serum in 
ihrer Wirkung aufeinander zu verstärken. 

Ich möchte hier voraussohicken, dass es durch eine ganze Reihe 
von Maassnahmen gelingt, eine erhebliche Verstärkung der Reaktion 
herbeizuiühren, ja, sie soweit zu verstärken, dass die überwiegende Mehr¬ 
zahl auch aller latentsyphilitisoher Fälle positiv reagiert. Nur muss 
man dabei mit in Kauf nehmen, dass eine Reihe nicht syphilitischer 
Seren gleichfalls positiv reagiert. Die Eigenschaft des Blutserums zu¬ 
sammen mit Organ ex trakten Komplement zu binden, ist nämlich durchaus 
nicht auf syphilitische Seren beschränkt. Ich möchte nur daran erinnern, 
dass manche Tierseren bei Verwendung der bei der W&ssermann’schen 
Reaktion üblichen Mengenverhältnisse eine positive Reaktion geben können. 
Ferner finden wir beim Menschen bei pathologischen Zuständen, nach 
meinen Erfahrungen besonders häufig bei Tuberkulose, Tumoren, Herpes 
zoster, Ulcus molle und Erkrankungen, die mit multiplen Drüsen- 
scbwellungen einhergeben, seltener bei ganz normalen Menschen Seren,* 
die diese Eigenschaft haben. Allerdings sind die Stärkegrade der Reaktion 
bei Verwendung der bei der Originalmethode üblichen Mengen so gering, 
dass wir sie von der spezifischen Reaktion gut unterscheiden können. 
Immerhin haben sie uns gezwungen, geringere StärkegTade der Reaktion, 
wie wir sie mit +, +, -f-(-j-) und selbst mit H—H bezeichnen, nicht 
für spezifisch lür Syphilis zu halten. 

Alle diejenigen Methoden, die eine Verstärkung der Reaktion 
über die spezifische Grenze hinaus darstellen, sind für diagnosti¬ 
sche Zwecke entschieden zu verwerfen. Hierüber dürfte wohl 
kein Zweifel bestehen. 

Kromayer und Trinchese 4 ) sind nun dafür eingetreten, diese 
Reaktionen bei Menschen, die sicher einmal syphilitisch infiziert waren, 
zu verwenden. Sie argumentieren, dass ein selbst unter den für das 
Zustandekommen der Reaktion günstigsten Bedingungen negatives Resutat 
grössere Beweiskraft besitzt, wie ein unter den gevöhnlichen Bedingungen 
erzieltes. Gegen eine derartige Verwertung der verschärften Reaktionen 
ist an sich nichts einzuwenden, vorausgesetzt, dass man sich vor Augen 
hält, dass auch nach so erzielten negativen Reaktionen Recidive und 
Umschlag in positive Reaktion folgen kann. Relativ am einfachsten ge¬ 
lingt es, eine Verstärkung der Reaktion herbeizuführen, wenn man Ex¬ 
trakte verwendet, die in entsprechender Dosis mit fast allen Seren von 
syphilitisch infizierten Menschen reagieren, also wohl jede Spur vor¬ 
handener Reagine n&chweisen. Derartige Extrakte sind gar nicht selten, 
und sie reagieren auch häufig bei den oben erwähnten Erkrankungen 
positiv. Eine Reihe von Fehlresultaten in diagnostischer Beziehung sind 
darauf zurückzuführen, dass ein derartiger überdosierter oder zu starker 
Extrakt eine Zeitlang unerkannt benutzt wurde 5 ). Aehnlioh wie diese 
Extrakte, die hin und wieder, namentlich mit gewissen Komplementseren 
unspezifische Resultate ergeben, wirken auch die CholestearinheTzextrakte. 
Sachs 6 ) hat zuerst auf die ausserordentliche Verstärkung hingewiesen, 
die die antikomplementäre Wirkung von Herzextrakten erfährt, wenn 
man ihnen Cholestearin in bestimmten Mengen zufügt. Diese Extrakte 
finden violfach Verwendung in der Praxis, und es wird ihnen besondere 
Schärfe nachgerühmt; demgegenüber hat Alexander 7 ) neuerdings auf 
die Unspezifizität der Cholestearinextrakte*) hingewiesen, und auch ich^ 
habe die gleichen Erfahrungen gemacht. Ob die Unspezifizität eine all¬ 
gemeine Eigenschaft der cholestearinisierten Extrakte ist oder nur einzelnen 


1) D.m.W., 1912, Nr. 43. 

2) 1. c. 

3) Es wird stets Serum von mehreren Meerschweinchen gemischt. 

4) 1. c. 

5) Die Anschauung, dass nur alte Extrakte dies Verhalten zeigen, 
kann ich nioht bestätigen, im Gegenteil habe ich häufig gesehen, dass 
Extrakte, die längere Zeit gestanden haben, exakter arbeiten als vorher, 
meist werden die Extrakte mit der Zeit nicht starker, sondern schwächer. 

6) B.kl.W., 1911, Nr. 46. 

7) 1. c. 

8) Auch der Demouliöre’sohe Extrakt, der einen Cholestearinzusatz 
enthält, wirkt nach Lerrede und Rubinstein nnspezifisch. 

5 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28 . 


von ihnen zukommt, will ich natürlich nicht entscheiden; vielleicht 
wechselt bei jedem Extrakte die Menge Cholestearin, die zugesetzt werden 
kann, ohne seine Spezifizität zu beeinflussen. Auf jeden Fall scheint 
mir Vorsicht bei Verwendung von Cholestearinextrakten in der Praxis 
geboten. 

Eine weitere Möglichkeit, die Reaktion zu verstärken, liegt 
in dem zu untersuchenden Serum selbst. 

Eine erhebliche Verstärkung tritt ein, wenn man aktives Serum an 
Stelle des inaktivierten verwendet. Doch verliert die Reaktion hierbei, 
wie Sachs und Altmann 1 ) zuerst nacbgewiesen haben, ihre Spezifizitat, 
und auch mit der Stern’schen Modifikation, die die beste der auf diesem 
Prinzip beruhenden Methoden darstellt, habe ich Fehlresultate bekommen. 

Einer grösseren praktischen Anwendung erfreut sich die 
Wecbselmann’sche Methode der Bariumsuifatausfällung. 

Wechselmann 2 ) ging von der Vorstellung aus, die zuerst von 
Margarethe Stern ausgesprochen wurde, dass beim Inaktivieren der 
Seren teilweise Komplementoide entstehen, die durch das Extraktreagin¬ 
gemisch verankert werden können. Das nun hinzugefügte Komplement 
bleibt für die Hämolyse disponibel, da es von den durch die Komple¬ 
mentoide verstopften Amboceptoren nicht fixiert werden kann. Es ist 
dies natürlich eine rein hypothetische Vorstellung, die den Amboceptor- 
cbarakter der Syphilisreagine zur Voraussetzung hat. 

Die Komplementoide suchte Wechsel mann mit Bariumsulfat zu 
entfernen. Wie ich gemeinsam mit Hercz 3 ) und ferner Stern 4 ) nach- 
weisen konnte, beeinflusst die Ausfüllung mit BaS0 4 den Komplement¬ 
gebalt der Seren gar nicht oder nur in sehr geringem Grade, so dass 
die nach Behandlung mit BaS0 4 auftretende Verstärkung der Reaktion 
sicher nicht als Folge der AusfälluDg der Komplementoide aufgefasst 
werden kann. Immerhin ruft das BaS0 4 häufig eine Veränderung der 
Reaktion hervor, und zwar einmal nach der positiven, das andere Mai 
nach der negativen Seite hin. Danach scheinen mir bei der Auställung 
mit BaS0 4 einmal hemmende Stoffe absorbiert zu werden, das andere 
Mal die Reagine selbst. 

Wenn man die Umständlichkeit der Metbode and die Un¬ 
sicherheit des Effektes io Betracht zieht, so wird man ihr nicht 
allzu grosse praktische Bedeutung zubilligen können. Ein grosser 
Vorteil derselben ist, dass sie die Spezifizität der Wassermami’scben 
Reaktion nicht zu verändern scheint. Wenigstens habe ich bei 
sehr zahlreichen Untersuchungen keine unspezifischen Resultate 
erhalteu. 

Gemeinsam mit Hercz 8 ) habe ich nun versucht, das BaSO* 
durch andere Stoffe zu ersetzen, und es lag nahe, Stoffe zu ver¬ 
wenden, mit denen es tatsächlich gelingt, die Komplemente aus 
dem Serum zu entfernen; wir wählten zu diesem Zwecke das 
Kaolin und fanden entsprechend den Versuchen von Friedberger 
und Salecker*), dass das Kaolin die Komplemente quantitativ 
aus dem Serum entfernt. 

Mit Kaolin behandelte Seren wirken nun erbeblich stärker positiv 
als unbehandelte Seren, zu gleicher Zeit verliert aber die Reaktion ihre 
Spezifizität. Das hat natürlich nichts mit der Komplementoidverstopfnng 
zu tun. Viel eher ist es wahrscheinlich, dass das Kaolin im Serum 
Veränderungen bedingt, die in Analogie zu setzen sind mit Befunden 
von Wassermann und Keysser 7 ) einerseits und Plaut 8 ) andererseits. 
Wassermann und Keysser fanden nämlich, dass amboceptorhaitige 
Seren, mit Kaolin geschüttelt, anapbylatoxinäbnlicbe Eigenschaften an¬ 
nehmen können; und nach Plaut können mit Kaolin behandelte Seren 
die Abderhalden’sche Reaktion geben. 

Schliesslich hat mau versucht, durch Erhöhung der Serum¬ 
menge die Reaktion zu verstärken. 

Kromayer und Trinohese*) und Ledermann 10 ) sind besonders 
hierfür eingetreten, während Boas 11 ) eindringlichst davor warnt. Ich 
habe sohon vor längerer Zeit eine Reihe derartiger Versuche ausgeführt, 
und zwar in der Absicht, die Frage zu entscheiden, ob die Komplement¬ 
fixation bei der Wassermann’schen Reaktion einfach auf einer Summation 
beruhen könnte. Diese Versuche ergaben, dass bei der Verwendung 
grösserer Serummengen häufig die Serumkontrolle allein eine deutliche 
Hemmung zeigt, fernem dass die Stärke der Reaktion durchaus nicht 
immer proportional der verwendeten Serummenge verlief. 

Bei den jetzt vou neuem aufgenommeneu Versuchen habe 
ich gerade solche FällJe ausgewählt, bei denen schon an und für 
sich eine schwach positive oder zweifelhafte Reaktion bestand, 

1) L c. 

2) Zsohr. f. Immun. Forsch., 1909, Bd. 3, S. 525. 

3) 1. c. 

4) Zschr. f. ImmuD. Forsch., 1912, Bd. 13, S. 688. 

5) 1. c. 

6) Zschr. f. Immun. Forsch., 1911, Bd. 11, S. 574. 

7) Folia sorol., Bd. 7, S. 243 u. 593. 

8) M.m.W., 1914, S. 288. 

10) Verb. d. Berl. dermatol. Gesellsch., 1912/13, S. 25. 

11) Die Wassermann’sche Reaktion. Berlin 1914. 


oder wo bei der Untersuchung mit mehreren Extrakten die Reaktion 
wechselnd ausfiel. Gerade bei diesen Fällen musste ein, wenn 
auch nur geringer Ausschlag eine deutliche Verstärkung der 
Resultate ergeben. Die Resultate, die ich bei den Untersuchungen 
gefunden habe, sind folgende: Von 135 untersuchten Seren 1 ) blieb 
die Reaktion in 47 Fällen gleich; 44 mal war sie bei höheren 
Serummengen stärker als bei 0,1, 24 mal war sie bei 0,1 am 
stärksten, und 18 mal war sie bei Serummengen am stärksten, 
die unterhalb 0,1 liegen. 

Hieraus gebt hervor, dass in der Mehrzahl der Fälle die 
Reaktion durch Vermehrung der Serummenge nicht verstärkt wird. 

Im allgemeinen stellt 0,1 die Optimalmenge für die Reaktion dar. 
Einmal liegt das Optimum etwas tiefer, einmal etwas höher als bei 0,1. 
Bei allen zweifelhaften Reaktionen ist es daher empfehlenswert, die 
Serummenge zu variieren, und in unserem Laboratorium werden der¬ 
artige Seren in Mengen von 0,025 bis 0,5 angesetzt. Als sicher positiv 
sind aber nur Seren zu bezeichnen, die mit der üblichen Menge (0,1) 
ein stark positives Resultat ergeben. Namentlich ist Vorsicht geboten 
bei Verwendung höherer Dosen, wie dies aus den Untersuchungen von 
Boas 2 ) besonders hervorgeht. 

Unsere Erfahrungen zeigen, dass es sehr leicht gelingt, auf 
alle mögliche Art eine zum Teil nicht unerhebliche Verstärkung 
der Reaktion herbeizufuhren. Diese Verstärkung bedeutet aber 
durchaus keine Verschärfung oder Verfeinerung der Syphilis¬ 
reaktion. Im Gegenteil, die Reaktion verliert dabei einen 
grossen Teil ihrer Spezifizität Die Verhältnisse liegen eben so, 
dass die Wassermann’scbe Reaktion nur bei Verwendung be¬ 
stimmter Mengenverhältnisse und in einer bestimmten Stärke 
spezifisch für Syphilis ist. Die Eigenschaft, mit Organextrakten 
Komplement zu binden, kommt an sich auch einer Reibe anderer 
Seren zu. Wird nun die Reaktion über die gewohnten Grenzen 
hinaus verstärkt, so werden unspezifiscbe Hemmungen in ihrer 
Stärke voo der spezifischen Komplementbindung nicbt mehr zu 
unterscheiden sein. Ob es im einzelnen Falle ratsam ist, eine 
Verstärkung auf Kosten der Spezifizität durchzuführen, kann nur 
der behandelnde Arzt von Fall zu Fall entscheiden. Jedoch 
möchte ich noch einmal an dieser Stelle bervorheben, dass ein 
negativer Ausfall auch der verstärkten Reaktion durchaus nicht 
mit Sicherheit auf Heilung schliessen lässt. 

Wir haben also gesehen, dass eine einseitige Verstärkung 
einer einzelnen Komponente, z. B. des Serams oder des Antigens, 
leicht zu unspezifischen Resultaten führen kann. Eine andere 
Frage ist es, ob nicht durch die Abstimmung der einzelnen 

Reagentien aufeinander die Reaktion weiter verschärft werden 
kann, ohne dass es zu einer Verstärkung der unspezifiscben 

Hemmung kommt. Um diese Frage zu erörtern, muss man die 
Vorgänge bei der Wassermann’scben Reaktion etwas genauer 
analysieren. Wir haben bei derselben mehrere nebeneinander 

verlaufende Reaktionen vor uns, die sich teilweise unterstützen 
und teilweise hemmen. Ein grosser Teil unserer Extrakte wirkt 
einesteils an und für sich hämolytisch. Diese Hämolyse wird 

durch Serumzusatz gehemmt. Der Extrakt wirkt andererseits 
antikomplementär, hindert also die Komplementhämolyse. Auch 
diese zweite Eigenschaft wird durch Normalserum gehemmt. Der 
Vorgang wird dadurch noch komplizierter, dass jeder Extrakt 
verschieden stark aotikompliroentär auf die Komplementseren 
wirkt, so dass es Vorkommen kaoD, dass ein Extrakt, der an 
einem Tage eine sehr starke antikomplementäre Wirkung zeigt, 
am nächsten Tage keine solche Wirkung aufweist. Bestimmen 
wir nun die antikomplementäre Wirkung des Extraktes für jedes 
Komplementserum — das kommt auf eine Titration des hämo¬ 
lytischen Systems in Gegenwart von Organextrakt heraus —, so 
sind wir trotzdem nicht vor unerwarteten Zufällen beim Versuch 
selbst geschützt, da ja normales Menscbenserum die antikomple¬ 
mentäre Wirkung des Extraktes wesentlich verringert bzw. ganz 
aufbebt. 

Wir können uns daher nicht der Ansicht verschliessen, dass 
alle Titrationen bzw. Vorversuche, die vor Beginn der Wasser- 
mann’schen Reaktion ausgeführt werden, uns nur ganz allgemein 
über die verwendeten Reagentien orientieren, auch wohl einmal 
ein völlig unbrauchbares Reagenz ausscbeiden lassen, aber für 
den Verlauf des Hauptversucbs keine bindende Bedeutung haben. 
Viel wichtiger zur Vermeidung von FehIresultaten ist es, darauf 


1) Die Versuche wurden stets mit halben Mengen angesetat, so dass 
0,1 der in der Originalmethode üblichen Menge von 0,2 Serum ent¬ 
spricht, Im allgemeinen wurden Mengen von 0,05 bis 0,5 Serum au¬ 
gesetzt. 

2) 1. c. 


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18. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


in achten, dass stets grosse Reihen von Seren auf einmal unter¬ 
sucht werden. Alsdann wird man bei einiger Erfahrung leicht 
erkennen, ob an einem Tage zu schwach gearbeitet worden ist. 
Hierin wird man noch unterstützt, wenn man die Resultate nicht 
nur einmal abliest, sondern zn wiederholten Malen. Haben dann 
zahlreiche Seren nachgelöst, so ist dies ein Zeichen für ein zu 
schwaches Arbeiten an dem betreffenden Tage; auch soll die 
erste Ablesung nicht zu spät vorgenommen werden. Bei Ver¬ 
wendung antikomplementär wirkender Extrakte ist es empfehlens¬ 
wert, die erste Ablesung zu machen, sobald die Serumkontrollen 
gelöst sind. 

Eins der wichtigsten Mittel zur Erzielung guter Resultate ist 
weiter nach meiner Erfahrung die Untersuchung mit mehreren 
Extrakten, wie sie zuerst von Seligmann und Pinkuss ge¬ 
fordert wurde. Jedoch scheint mir diese Forderung von manchen 
Autoren nicht ganz richtig verstanden worden zu sein. Es wird 
häufig Wert darauf gelegt, mit möglichst verschiedenartigen Ex¬ 
trakten, z. B. syphilitischen Leberextrakten, Herzextrakten usw., 
zu arbeiten. Meiner Ansicht nach liegt hierzu kein Grund vor, 
da ja ein prinzipieller Unterschied in der Wirkungsweise der 
Extrakte nicht besteht. Wir verwenden stets die stärksten Ex¬ 
trakte, die uns zur Verfügung stehen, wobei es gleichgültig ist, 
welche Herkunft dieselben haben. Alle diejenigen Seren, die 
nach der ersten Ablesung noch durchlösen oder mit verschiedenen 
Extrakten differente Resultate zeigen, werden am nächsten Tage 
mit frischem Komplement noch einmal angesetzt. 

Zum Schluss möchte ich noch einige Bemerkungen über die 
quantitative Reaktion anschiiessen. Auf Einzelheiten kann ich 
hier nicht eingehen; nur möchte ich erwähnen, dass ihre Be¬ 
deutung eine nur beschränkte ist. Steht man auf dem Standpunkt, 
dass jede positive Reaktion aktives Wuchern von Spirochäten be¬ 
deutet, so ist es für die endliche Prognose völlig gleichgültig, 
ob die Reaktion etwas schwächer oder stärker ausfällt. Auch das 
Ziel einer jeden Therapie muss es sein, die Reaktion völlig 
negativ zu machen. Für die ersten Jahre nach der Infektion 
spielt die quantitative Auswertung meiner Ansicht nach daher 
kaum eine Rolle, da wir bei derartigen Patienten jede Reaktion 
als Grund für eine energische Behandlung ansehen müssen, und 
es ja, man kann sagen, in allen diesen Fällen gelingt, die Re¬ 
aktion in eine völlig negative umzuwandeln. Es wird also, gleich¬ 
gültig, wie stark die Reaktion am Anfang gewesen ist, so lange 
behandelt werden müssen, bis die Reaktion völlig negativ ge¬ 
worden ist. Bei der Spätsyphilis liegen die Verhältnisse anders. 
Hier gelingt es nicht in allen Fällen mit Hilfe der Behandlung die 
Reaktion negativ zu machen. Für die Spätsyphilis kommt daher 
der quantitativen Auswertung der Reaktion insofern eine Bedeutung 
zu, als sie gestattet, diejenigen Fälle zu sondern, in denen eine 
Beeinflussung der Stärke der Reaktion durch die Therapie mög¬ 
lich ist, von denjenigen, bei denen auch durch die energischsten 
und verschiedenartigsten therapeutischen Maassnahmen eine Ab¬ 
nahme der Reagine nicht eintritt. In denjenigen Fällen, bei 
denen eine deutliche Abnahme der Reaktion durch die Behandlung 
eintritt, wird man die Hoffnung nicht aufgeben, durch weitere 
Kuren die Reaktion völlig negativ zu machen, während man bei j 
den anderen wohl weitere Kuren mit Recht als aussichtslos auf¬ 
geben kann. Ob man diese letzte Kategorie als prognostisch un¬ 
günstiger ansehen muss, scheint mir allerdings fraglich. Sehr 
wohl könnte die geringe Beeinflussbarkeit durch die Therapie 
darauf hindeuten, dass sich ein bleibender Zustand im Blutserum 
herausgebildet hat, der auch nach Ausheilung der Erkrankung 
fortbesteht. Demnach dürfte die quantitative Auswertung der 
Reaktion beschränkt werden können auf Fälle von Spätsyphilis. 

Wenn ich meine Ausführungen nochmals zusammenfassen 
darf, go möchte ich sagen, dass wir zurzeit keine Methode be- 
siwen, um die Serumdiagnostik der Syphilis zu verschärfen. Wohl 
uv e * ne von Methoden, durch die wir eine nicht un¬ 

erhebliche Verstärkung der Reaktion hervorbringen können. Alle 
lese Methoden aber machen gleichzeitig die Wassermann’sche 
eaiction zu einer unspezifiseben. Wir glauben, dass man im 
SnS*?#* 1 ? 00 tnn die Reaktion so einzuriebten, dass die 

nahm Sn QDter a ^ en ^ mstän den gewahrt bleibt und nur in Aus- 
Gwn i!- IU besonderen Verstärkungen über diese spezifische 
ebenen hina . a ® S re ^ en darf. Die Wassermann’sche Reaktion hat 
dass fti ,a8 anderen Immunitätsreaktionen gemeinsam, 

«J 1 « in bestimmten Grenzen und bei bestimmter Versuchs¬ 
anordnung spezifisch ist. 


Aus der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Kortau bei 
Allenstein (Direktor: Geheimrat Dr. Stoltenhoff). 

Einige technische Neuerungen in der Dialysier- 
methode und die Anwendung derselben in der 
Psychiatrie. 

Von 

Dr. Schroeder, Anstaltsarzt in Kortau. 

Bevor wir auf die Ergebnisse unserer Untersuchungen 
psychiatrischer Fälle näher eingehen, möchten wir über einiges, 
was in der Technik des Verfahrens sich auffällig bemerkbar 
machte, nähere Mitteilungen geben. Die Methode selbst wurde 
bei Fauser in Stuttgart erlernt und zu Anfang genau nach den 
Abderhalden’schen Vorschriften aosgeführt. 

Bei den dann vorgenommenen praktischen Versuchen zeigte 
es sich zunächst, dass die von Abderhalden angegebene 
Prüfungsmetbode mit 1 proz, Peptonlösung auf Pepton, mit der 
Biuretreaktion auf Eiweiss doch nicht fein genug ist, um vor 
späteren Irrtümern bei der Prüfung von Krankheitsfällen zu 
schützen. Diese Probe mit der verhältnismässig starken 1 proz. 
Peptonlösung, wobei das Dialysat beim Kochen mit Ninhydrin 
tiefblau wird, bestanden die Hülsen — es waren deren 25 — 
sämtlich. Ebenso fiel die Biuretreaktion bei der Prüfung auf 
Undurchlässigkeit für Eiweiss durchweg negativ ans. Da bei der 
Prüfung mit Blutserum, bei den zur Untersuchung aufgestellten 
Fällen, sich von vornherein wesentliche Unterschiede zeigten, so 
wurde eine genauere Prüfung zunächst von einem Dutzend Hülsen 
mit 1,5 ccm Blutserum allein eines und desselben Patienten vor¬ 
genommen, und zwar mit Ninhydrin, wie bei der Aufstellung von 
Organen mit Serom zusammen. Es zeigte sich dabei, dass von 
diesen 12 Hülsen 7 ein absolut negatives Dialysat lieferten, 
während dasjenige von 5 deutlich positiv war. Die mit den 
übrigen Hölsen vorgenommenen Untersuchungen ergaben ähnliche 
Resultate in dem Sinne, dass etwa die Hälfte der Proben nega¬ 
tiv, die andere Hälfte schwach, jedoch deutlich positiv ansfiel. 
Die zu stark durchlässigen Hülsen wurden dann für weitere Ver¬ 
suche ausgescbaltet. Daraus geht hervor, dass das aus einer 
lproz. Peptonlösung gewonnene Dialysat infolge seiner recht 
starken Blaufärbung feine Unterschiede, wie sie später dann beim 
praktischen Versuch auftreten, nicht erkennen lässt. Es wurden 
deshalb mit procentualiter mehr und mehr verdünnten Pepton¬ 
lösungen Versuche angestellt. Diese ergaben, dass das Dialysat 
aus einer VsP™ 2 Peptonlösung für die Prüfung der Hülsen am 
zweck massigsten ist. Dabei treten auch feinere Unterschiede in 
der Durchlässigkeit der Hülsen recht deutlich hervor; der rötlich 
violette Farbenton hat fast genau die gleiche Stärke, als wenn 
ein „Serum allein 11 infolge seines Gehalts an dialysierbaren 
Stoffen bei der Prüfung mit Ninhydrin schwach positiv ausfällt. 
Prüft man die Hülsen mit einer derartigen 1 f 5 proz. Peptonlösung 
etwa alle 8 oder 14 Tage, so kann man durch sorgfältige Aus¬ 
wahl der zu wenig oder zu stark durchlässig gewordenen 
Schläuche — wir fanden unter 20 deren meist nur 1 oder 2 — 
den „Hülsenfehler“ auf ein Minimum reduzieren. Die Binret- 
reaktion haben auch wir gänzlich entbehren können. 

Bei der Zubereitung des zu untersuchenden Blutserums 
machten wir besonders zu Anfang die Erfabrnng, dass die Probe 
mit dem „Serum allein“ verhältnismässig recht häufig „schwach 
positiv“ ausfiel, obwohl dasselbe in einer guten elektrischen 
Centrifnge s / 4 — 1 Stunde lang verblieben war. Bei der mikro¬ 
skopischen Untersuchung des so behandelten Serums stellte es 
sich heraus, dass dasselbe trotz des einstündigen Verbleibens in 
der Centrifuge noch eine ansehnliche Zahl von Erythrocyten ent¬ 
hielt. Der Grund für diese uns zunächst unerklärlich scheinende 
Tatsache wurde darin gefunden, dass die Spitzgläschen mit Serum 
zn voll gefüllt waren. In dem dem Mittelpunkt der Centrifnge 
zugekehrten Teil des Gläschens reicht die Centrifugalkraft augen¬ 
scheinlich nicht aus, um die Blutkörperchen alle am Grunde des 
Glases zu sammeln. Es wurden darum die Gläschen nur etwa 
bis zur Hälfte mit Serum gefüllt, und man konnte dann schon 
nach halbstündigem Centrifngieren mikroskopisch keine Blut¬ 
körperchen mehr finden. Die Resultate bei der Prüfung des 
„Serum allein“ besserten sich infolgedessen bedeutend so dass 
schwach positive Reaktionen von „Serum allein“ recht selten ee- 
worden sind. In diesen Fallen kann man nur annehmen, dlss 
das Serum an sieb eine gewisse Menge dialysierbarer Stoffe ent¬ 
halt, was bekanntlich hin und wieder vorkommt. Inaktiviertes Serum 


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Original from 

UNiVERSITY OF IOWA 



1320 


BERLINER KLINISCHE WOC HE NSCHRIFT. 


Nr. 28. 


bat immer eine ganz negative Probe ergeben. Die Menge des bei 
den Proben verwendeten Serums betrog stets 1,5 ccm; Versuche 
mit nur 1 ccm, wie sie von anderer Seite verschiedentlich an¬ 
gegeben und empfohlen wurden, ergaben auch mit sonst sicher 
positiv reagierenden Substraten völlig negative Resultate. 

Die Organe wurden zunächst genau nach der von Abder¬ 
halden 1 ) angegebenen und bei Fauser praktisch eingesehenen 
Methode zubereitet. Es wurde zum Spülen ein Blechsieb ver¬ 
wendet, dessen Löcher etwa 3—4 mm Durchmesser hatten. Es 
zeigte Bich jedoch bald, dass diese Art der Organzubereitung 
mancherlei Nachteile und Unzuträglichkeiten an sich hatte. Um 
das Wegschwimmen der Organe durch die Oeffnungen hindurch 
zu verhüten, mussten die Stückchen verhältnismässig gross, etwa 
von der Grösse einer halben Erbse und darüber belassen werden. 
Es kam infolgedessen in der vorgeschriebenen Zeit von 2 l / 2 bis 
3 Stunden eine vollständige und namentlich gleichmässige Ent¬ 
blutung im Sinne Abderbalden’s nicht zustande. Ferner zeigte 
sich meist nach etwa halbstündigem Spülen der höchst lästige 
Uebelstand, dass ein grosse; Teil der Organstückchen die Abfluss¬ 
öffnungen des Siebes verstopfte, und der andere Teil, die noch 
frei umherschwimmenden Stückchen, durch Ueberlaufen aus dem 
Sieb herausgescbwemmt wurden und verloren gingen. Ohne eine 
dauernde Ueberwachung, die namentlich beim Zubereiten mehrerer 
Organe zugleich schwer durchführbar und störend ist, kann man 
bei dieser Zubereitungsart nicht auskommen. Wurde ein feines 
Drahtsieb verwendet, so war der Erfolg noch geringer, da der 
darauffallende Wasserstrahl, ohne viel Widerstand zu finden, glatt 
hindurchging und ein kräftiges und gleichmässiges Durchspülen 
der Organstöckchen überhaupt ausblieb. Meist klumpten sich die 
Organe an einer Stelle zusammen, und das Wasser floss, ohne 
eine besondere Wirkung auszuüben, um dieselben herum. Um 
diesen Uebelständen abzuhelfen, wurde nach unserer Angabe eine 
Kombination des feinmaschigen Drahtsiebes mit einem darunter 
befindlichen Locbsieb angefertigt. An seinem oberen Rande ist 
es durch einen Deckel aus Drahtgaze geschlossen, um bei 
etwaigem Ueberfliessen des Wassers das Wegschwimmen der 
Organe zu verhindern. Der ganze Apparat wurde zum Anscbrauben 
an die Wasserleitung eingerichtet und bat sich uns in mehr- 
monatlichem Gebrauch durchaus gut bewährt. Wir möchten 
noch bemerken, dass derselbe namentlich für Organe, die zu 
psychiatrischen Untersuchungen nötig sind, z. B. Testikel, Schild¬ 
drüse usw. Verwendung gefunden hat. Auch Placenta lässt sich, 
jedoch nur in kleinerem Volumen, darin zubereiten. Nicht zu 
unterschätzen ist der Vorteil, dass das beschriebene geschlossene 
Organsieb keiner Ueberwachung bedarf. Auch können darin sehr 
gut nach erfolgter Reinigung des Apparats die gebrauchten Dia- 
lysierhülsen gespült werden, ohne dass das Zimmer durch Umher- 
spritzen des Wassers zum Teil überschwemmt wird, wie wir es 
bei Benutzung des offenen Siebes ständig erlebten 2 ). 

Da beim Zerschneiden der Organe eine absolute Gleicb- 
mässigkeit — abgesehen von dem Zeitverlust bei dem Zerstückeln 
mehrerer Organe zugleich — sich nicht erzielen lässt, so wird 
von uns seit einigen Monaten eine Fleischzerkleinerungsmascbine 
kleinsten Modells mit sehr gutem Erfolg angewendet. Die darin 
zu verarbeitenden Organe haben wir zunächst in Stücke von 
1 ccm Grösse und darüber geschnitten. Diese werden am besten 
mit einem Holzstäbchen in die Maschine eingeführt, worauf man 
nach kaum 1 Minute durchaus gleicbmässig zubereitete Stück¬ 
chen von i * f l Erbsengrösse erhält. Die Zeit der ganzen Prozedur 
der Organzubereitung konnte durch Anwendung der beiden be¬ 
schriebenen Apparate mindestens auf die Hälfte der früher dazu 
nötigen Zeit reduziert werden 8 ). 

Wenn auch durch diese Zubereitungsmethode eine möglichst 
gleichmässige Entblutung der Organe vollkommener erreicht wurde 
als bei dem früheren Verfahren, so ist doch eine gäozliche Ent¬ 
fernung der Blutkörperchen aus dem Gewebe, wovon wir uns 
durch mikroskopische Untersuchung desselben überzeugt haben, 
sehr oft nicht möglich. Für das blosse Auge erschien z. B. das 
zubereitete Organ, aus vielen einzelnen kleinen Gewebssückcben 
bestehend, vollkommen gleichmässig weiss. Wurde nun eine An¬ 
zahl der einzelnen kleinen Organstückchen auf ihren ßlutgehalt 
mikroskopisch untersucht in der Weise, dass man die Stückchen 


1) Abderhalden, Schutzfermente des tierischen Organismus. 

2) Nach unserer Angabe hergestellt und geliefert von der Firma 
J. Mondry, AlleDstein. 

3) Dieses Mascbinchen wurde unter der Bezeichnung „Masticator“ 

von derselben oben erwähnten Firma geliefert. 


mit einer anatomischen Pinzette fasste und den Presssaft auf eine 
Blutkörperchenzählkammer brachte, so konnte man in etwa 10 pCt 
der Stückchen noch reichlich Erythrocyten finden. Dasselbe liess 
sich bei dem gekochten Gewebe an feingesebnittenen Organsfückchen 
unter dem Mikroskop nach weisen. Wir fanden eine Anzahl Bilder 
von ganz gleichmässig weissem oder weissgrauem Aassehen, wäh¬ 
rend dann wieder Stückchen vorkamen, die deutlich braune bis 
rötlichbraune Stellen aufwiesen, zweifellos von den iodenOrg&n- 
stückchen enthaltenen Blutkörperchen, welche dorch die zugesetzte 
Essigsäure aufgelöst wurden, herrübrend. Es scheint demnach, 
dass der Abd erhalden’schen Methode, die Blutfreiheit der Organe 
durch Zusetzen von Eisessig während des Kochens zn erreichen, 
ein besonderer Erfolg nicht zukommt. Wohl werden die im Ge¬ 
webe noch vorhandenen Erythrocyten beim Kochen durch die ver¬ 
dünnte Eisessiglösung zerstört. Doch es bleibt, infolge der Coago- 
lation des Eiweisses, beim Hineinwerfeo des Gewebes in das 
siedende Wasser, das zerstörte Blutei weiss samt dem noch vor¬ 
handenen Hämoglobin in den Stückchen zurück und lässt sich 
auch durch ein noch so lange fortgesetztes Kochen und Schütteln 
nicht entfernen, ln diesem Umstand haben unseres Erachtens 
auch die vielen Feblschläge und Unregelmässigkeiten im Ausfall 
der Abderhalden’schen Reaktion ihre Ursache. Es können zum 
z. B. eine ganze Reihe von Proben, bei deren Aufstellung kein 
bluthaltiges Stückchen dabei war, richtig ausfallen, während wieder 
eine ganz paradoxe Reaktion dann zustande kommt, wenn in dem 
zur Anstellung verwendeten Substrat zufällig ein oder mehrere 
bluthaltige Stückchen vorhanden gewesen sind. Von diesen Er¬ 
wägungen ausgehend, haben wir, um eine möglichst gleichmässige 
und vollkommene Entblutung zu erreichen, die nach Abder¬ 
halden verdünnte Eisessiglösung nicht dem Kochwasser zugesetzt, 
sondern das Organ nach zwei- bis dreistündiger Spülung in dem 
oben beschriebenen geschlossenen Sieb aus demselben heraus- 
genommen und 10 Minuten lang mit der verdünnten Lösung in 
einem weithalsigen Glasgefäss ausgeschüttelt. Nach dem Schütteln 
wurden die Gewebsstückchen nochmals in das Sieb gebracht und 
eine halbe Stunde lang gespült, um dann ohne weiteren Essig¬ 
säurezusatz gekocht zu werden. Wir haben begründete Annahme, 
zu glauben, dass die in den Organen noch enthalten gewesenen 
Blutkörperchen, nachdem sie durch die Eisessiglösung zerstört 
worden sind, bei der darauf nochmals angewendeten Spülung aus 
dem Organ herausgeschweromt werden. Davon, dass die von 
Abderhalden angegebene Verdünnung von 1 Tropfen Eisessig 
auf 200 ccm Wasser genügt, um die Blutkörperchen zu zerstören, 
haben wir uns durch Untersuchung von frisch entnommenem Blute 
überzeugt, indem wir für die Thoma-Zeiss’sche Zählkammer eine 
200 fache Blutverdünnung damit herstellten. Es waren darin nur 
noch Leukocyten sichtbar. 

Die auf diese Weise behandelten Organe ergaben gegenüber 
solchen, welche nach der früheren Art hergestellt waren, ent¬ 
schieden bessere Resultate in dem Sinne, dass weniger falsch 
positive Reaktionen auftraten. Mit einer nach der Anfangs¬ 
methode zubereiteten Placenta, z. B. hatten auch wir zunächst 
Fehisebläge, während eine solche in der Zerkleinerungsmaschine 
verarbeitete und auf oben angegebene Art gespülte Placenta ein 
durchaus richtiges Resultat ergab. Dementsprechend war auch 
der Ausfall bei anderen Organen, z. B. Schilddrüse und Testikel 
derart, dass zweifellos falsch positive Reaktionen in richtige ver¬ 
wandelt werden konnten. 

Während es auf diese Weise nach einiger Uebung verhältnis¬ 
mässig bald gelang, die meisten der für psychiatrische Frage¬ 
stellungen nötigen Organe richtig herzustellen, stiess die Zuberei¬ 
tung des Ovariums auf Schwierigkeiten, wie wir sie zunächst 
nicht vermutet hatten. Es gelang an sich schon selten, Ovarium 
von jüngeren Leuten zu erhalten, und es musste vorwiegend mit 
solchem von alten Personen gearbeitet werden. Nach der Angabe 
Fauser’s sind auch mit solchen Organen stets richtige und ein¬ 
wandfreie Resultate erzielt worden. Trotz monatelang fortgesetzten 
Versuchen ist es nicht gelungen, diese Ergebnisse zu erreichen. 
Den Grund dafür glauben wir darin zu erblicken, dass, namentlich 
bei der Zubereitung dieses Organes von Leuten in vorgerücktem 
Lebensalter nur ein Bruchteil der drÜBigen Substanz übrig bleibt, 
und man in der Hauptsache Bindegewebe zurückbebält. Schon 
der Blick auf den Durchschnitt eines solchen Ovariums zeigt, 
dass die äussere bindegewebige Hülle, die Tunica albuginea, in 
ihrer Dicke von etwa 2 mm nahezu die Hälfte des Organs ein¬ 
nimmt. Aber auch in der drüsigen Substanz selbst findet sich 
recht viel Bindegewebe. So die Hüllen der Follikel und die zahl¬ 
reichen Gefässwände. Wir erhielten mit solchen Organen stets 


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13. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1821 


fälschlich positive Reaktionen, so z. B. auch mit Serum von männ¬ 
lichen Patienten. Bemerken möchten wir, dass auf die Her¬ 
stellung die denkbar grösste Sorgfalt verwendet wurde. Das 
Organ sah nach dem Spülen schneeweiss aus, die einzelnen 
Stückchen wurden durchaus gleichmässig hergericbtet und auf 
etwaigen Blutgehalt unter dem Mikroskop betrachtet. Es wurden 
nur solche Organstückchen zum Versuch verwendet, die auch nicht 
die Spur eines bräunlichen Farbentones erkennen Hessen, sodass 
eio Fehler infolge Blutgebaltes nicht in Frage kommen konnte. 
Es worde ausserdem die bindegewebige Hülle, ebenso wie beim 
Testikel, ganz entfernt, nnd nach sorgfältiger Zubereitung die 
drüsige Substanz allein zur Reaktion anfgestellt. Doch auch da¬ 
mit erhielten wir nur Fehlresultate. Zum Vergleiche wurde die 
Tunica albuginea ebenfalls zerkleinert und als Kontrollprobe mit 
einer Anzahl Sera aufgestellt; sie reagierte genau so paradox positiv 
wie die Drüsensubstauz allein. Das scheint an sich schon zu beweisen, 
das auch von der Drüsensubstanz in der Hauptsache nur Bindegewebe 
übrig bleibt und bei der Reaktion zur Geltung kommt. Ferner 
wurden von den fertig* hergesteilteo Stücken Gefrierschnitte an- 
efertigt nnd mit Eisenhämatoxylin- und van Giesonlösnng, die 
ekanotlich Bindegewebe leuchtend rot färbt und so ein vorzüg¬ 
liches Diagnosticum für dasselbe darstellt, gefärbt. Es zeigte sich 
dud in der Tat, dass der bei weitem grösste Teil der übrig ge¬ 
bliebenen Substanz, schätzungsweise etwa 90 pCt., Bindegewebe, 
nnd nur ein verschwindend kleiner Teil der Drüsensubstanz noch 
vorhanden war. Aehnliche Misserfolge bei der Zubereitung des 
Ovarinms haben auch Oeller und Stephan in Nr. 51 der 
D.m.W., 1913 bekannt gegeben. Die von diesen Antoren vor¬ 
geschlagene AQsschüttelnDg von Gefrierschnitten des Ovarinms 
mit isotonischer Kochsalzlösung, die zu dem Zwecke vorgenommen 
worde, das Gewebe mit Umgehung des Spülprozesses zu schonen, 
wurde ebenfalls versucht, ohne indessen znm Ziel zu führen. Un¬ 
aufgeklärt ist es uns geblieben, warum alle bisher untersuchten 
Fälle, männlich sowie weiblich, mit Bindegewebe positiv rea¬ 
gierten. Eine Mitteilung darüber wie über eine sichere Methode 
der fehlerfreien Zubereitung des Ovariums wäre im allgemeinen 
Interesse sehr erwünscht. 

Von den an Patienten ausgeführten etwa 60 Untersncbungen 
mögen hier nur die angeführt werden, die, namentlich bei mehr¬ 
fach vorgenommener Prüfung, besondere Eigentümlichkeiten auf- 
weisen. Die klinisch sicheren Paralysen, meist vorgeschrittene 
Fälle, — bei denen vorher Wassermann’sche Reaktion im Blute 
Qod Liquor, Globulinreaktion nach Nonne-Apelt und Lympho¬ 
zytose mit Sicherheit positiv festgestellt worden war —, zeigten bei 
ihrer Prüfung mit Hirnrinde ein recht verschiedenes Verhalten. So 
reagierte Fall 1 bei der ersten Untersuchung mit Hirn negativ, 
bei der darauf, einen Monat später, erfolgten Nachuntersuchung 
positiv. Bei einem zweiten Fall war die erste Reaktion stark 
positiv. Nach 8 Tagen wies derselbe Fall die Reaktion in genau 
der gleichen Stärke auf. Eine 8 Wochen später vorgenommene 
dritte Untersuchung mit Hirnrinde fiel ganz negativ aus. Dieses 
eigentümliche Verhalten der Reaktion scheint bei fortschreitenden 
Prozessen verhältnismässig häufig vorzukommen. Wir möchten 
uns der Annahme von Fauser 1 ) anschliessen, dass entweder im 
Endstadium von Krankheitsprozessen der Körper nicht mehr im- 
etaode ist, Abwehrfermente zu produzieren oder, dass mit der 
Zeit eine Gewöhnung, „Immunisierung 14 des Blutes gegen die in 
dasselbe eingedrungenen falsch oder unvollständig abgebauten 
Eiweissstoffe eintritt. Von zwei weiteren Fällen von sicherer, 
aach schon recht weit vorgeschrittener Paralyse reagierte der 
eine zunächst negativ, nach zehn Wochen schwach positiv, der 
zweite zeigte sogleich positive Reaktion. 

Auch bei zwei untersuchten Fällen von Nephritis schien sich 
as gleiche zu wiederholen. Der eine Fall, eine hämorrhagische 
Nierenentzündung von mittlerem Eiweissgebalt im Harn — zu- 
H »f l 4 ' na . Esbach, später gebessert —, zeigt eine recht 

entliehe Reaktion auf Niere, während ein zweiter Fall von 
senwerer parenchymatöser Nephritis — über 12 pM. im Esbach, 
ei . ? er Sektion grosse weisse Niere — sich gänzlich negativ 
veröielt. Auf diesen letzten Fall scheint die oben angeführte 
ypotbese von der Gewöhnung bzw. Immunisierung des Blutes 

ie plasmafremden Stoffe ebenfalls zuzutreffen. Wir möchten 
JCT?' < * ass * ör Untersuchung dieser beiden Fälle das- 

® T 8tra t wurde, so dass ein Fehler infolge un- 

8 gender Zubereitung des Organs ausgeschlossen erscheint. 

U Fauser, Die Serologie in der Psychiatrie. M.m.W., 1914, Nr. 3. 


In demselben Sinne verschieden reagierte auch ein sicherer 
Fall von Dementia praecox. Bei der ersten Untersuchung fiel die 
Reaktion mit Gehirn stark Testikel schwach Schilddrüse 
schwach -f- aus; die zweite, vier Wochen später vorgenommene 
Prüfung, wobei dasselbe Gehirnsubstrat benutzt wurde, zeigte 
gänzlich negativen Ausfall der Reaktion sowohl mit Hirnrinde als 
auch den anderen Organen. Wäre dieser Fall z. B. nur einmal — 
am Datum der zweiten Untersuchung — geprüft worden, so wäre 
man zu einem ganz falschen Resultat gekommen. Es kann daher 
die mehrmalige Untersuchung namentlich zweifelhafter Fälle und 
möglichst mit demselben Substrat nur dringend empfohlen werden. 
Es zeigen diese Ergebnisse im ganzen, dass man sich vor über¬ 
eilten Schlüssen bei Anwendung des Dialysierverfahrens durchaus 
zu hüten hat. 

Immerhin bat aus das Verfahren bis jetzt in einigen Fällen 
in bezug auf die Differentialdiagnose wertvolle Dienste geleistet. 
Ein Fall, der klinisch zunächst paralyseverdächtig erschien, zeigte 
bei der Prüfung mit dem Dialysierverfabren mit Hirn negativen, 
mit Testikel und Schilddrüse stark positiven Ausschlag. Die 
etwa gleichzeitig vorgenommene Untersuchung mit der Wasser- 
mann’scben Reaktion fiel im Blut und Liquor negativ aus, ebenso 
Nonne negativ, keine Lymphocytose. Demnach ist dieser Fall 
mit Sicherheit keine Paralyse, sondern eine Dementia praecox, 
wofür auch der weitere klinische Verlauf bis jetzt spricht. 

Von Interesse ist auch ein anderer Fall, bei dem vor etwa 
15 Jahren eine luetische Infektion stattgefnnden hat, der aber 
daraufhin seinerzeit einer energischen Behandlung unterzogen 
worden war. Da sich nach kurzer Frist eine psychische Er¬ 
krankung einstellte, war derselbe lange Zeit als auf Hirniues 
verdächtig angesehen worden. In seinem weiteren Verlauf zeigte 
dieser Fall dauernd dasselbe Bild einer gewöhnlichen Demenz; 
die jetzt vorgenommene Untersuchung des Blutes mit der Wasser- 
mann’schen Reaktion fiel negativ aus. Die Abderhalden’sche Re¬ 
aktion war für Testikel und Schilddrüse stark positiv, für Hirn¬ 
rinde positiv, so dass sich die Wage bedeutend zugunsten der 
Diagnose „Dementia praecox“ neigte. 

Zwei Fälle von reiner Melancholie waren negativ mit Hirn, 
Testikel und Schilddrüse. Es waren ferner ganz negativ ein Fall 
von Imbecillitas sowie ein solcher von periodischem Alkoholismus, 
bei dem psychische Defekte auch klinisch nicht nachweisbar sind. 
Einige wenige Fälle von Gravidität, die uns zur Verfügung 
standen, zeigten eiue nach Abderhalden durchaus richtige 
positive Reaktion. Die als Kontrollen mit Placenta aufgestellten 
Sera von Männern oder nicht graviden Frauen waren immer 
negativ. 

Bei 25 untersuchten Fällen von als klinisch sicher an¬ 
genommener „Dementia praecox“ fanden wir positiv mit Testikel 11, 
Schilddrüse 24, Gehirn 14. Von den mit Testikel positiven 
11 Reaktionen sind 8 mehr oder weniger frische Fälle, wodurch 
die Theorie Fauser's, dass bei Dementia praecox die Keimdrüse 
das zuerst erkrankte, dysfunktionierende Organ ist, bestätigt zu 
werden scheint. Bei der grösseren Mehrzahl der frischen sowie 
vorgeschrittenen Fälle fand sich eine positive Reaktion anf Schild¬ 
drüse, während unter 14 positiven Reaktionen auf Hirn nur 
4 frischeren Fällen zukommen, und die Testierenden 10 von meist 
weit vorgeschrittenen, schon jahrelang sich in der Anstalt be¬ 
findenden Kranken stammen. 

Epileptiker wurden bisher nur zwei untersucht, davon einer 
anmittelbar nach einem Status epilepticus. In beiden Fällen war 
das Resultat sowohl mit Hirnrinde als auch den anderen, nur 
als Kontrollen aufgestellten Organen negativ. 

Manisch depressive Fälle nnd solche mit chronischer Manie 
wurden im ganzen 10 geprüft. Davon reagierten 4, die uns seit 
Jahren als ausgesprochen manisch Depressive bekannt sind, mit 
den drei in Betracht kommenden Organen absolut negativ, während 
4 andere Fälle derselben Art, bei denen die Erkrankung auch 
schon jahrelang besteht und zu einer mehr oder weniger vorge¬ 
schrittenen Demenz geführt hat, auf Hirn allein positive Re¬ 
aktionen zeigten. Zwei andere Fälle indessen, uns ebenfalls seit 
Jahren als chronische Manie bzw. manisch depressiv bekannt, 
waren mit Hirn and Schilddrüse negativ, dagegen mit Testikel 
positiv, zeigten also ein unseren Erwartungen nicht entsprechendes 
Verhalten, sondern würden nach dem positiven Ausfall der Re¬ 
aktion mit der Keimdrüse -eher der Dementia praecox-Grnppe zu¬ 
zurechnen sein. Eine mehrfache Nachuntersuchung dieser Fälle 
mit unklarem Ergebnis ist in Aussicht genommen. 

Erwähnt sei noch ein Fall von Paranoia, der mit sämtlichen 
vorher erwähnten Organen negativ reagierte, ebenso wie ein 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


solcher mit degenerativem Irresein, bei dem wir zu demselben 
Resultat gelangten. 

Zusammenfassung. 

1. Die Prüfung der Dialysierhülsen mit 4 /b pro*. Seidenpepton¬ 
lösung wurde mit Erfolg angewendet. Der „Hülsenfehler M kann 
dadurch auf ein Minimum beschränkt werden. 

2. Die Zubereitung der Organe lässt sich durch ein in be¬ 
sonderer Art konstruiertes Sieb sowie durch eine Organzerkleine¬ 
rungsmaschine gleichmässiger und schneller erreichen. 

3. Die Methode, die Organstückchen nach erfolgter Spülung 
vor dem Kochen mit der nach Abderhalden verdünnten Eis¬ 
essiglösung auszuschütteln, ergab gute und richtige Resultate. 

4. Die Ergebnisse der Untersuchungen stimmen in der Haupt¬ 
sache mit denen von Pauser und anderen Autoren bekannt- 
gegebenen überein. Doch sind die Schwankungen im Ausfall der 
Reaktionen noch so beträchtlich, dass eine ganz sichere Beant¬ 
wortung psychiatrischer Fragestellung bisher nicht erreicht werden 
konnte. Immerhin bildet die Methode zur Vervollkommnung und 
Stützung der klinischen Diagnose auch jetzt schon ein recht 
brauchbares Hilfsmittel. 


Aus der Kgl. ungarischen Universitätsklinik für Nasen- 
und Kehlkopfkrankheiten in Budapest (Direktor: Prof. 
A. Onodi). 

Röntgenbild der Keilbeinhöhle vom Epi¬ 
pharynx aus. 1 ) 

Von 

Dr. B61a Freystadtl. 

Die Diagnostik der Erkrankung der Keilbeinhöhle bietet oft 
grosse Schwierigkeiten. Und doch ist gerade die frühzeitige Er¬ 
kenntnis der Erkrankung dieser Nebenhöhle von grosser Be¬ 
deutung mit Rücksicht auf die anatomischen Verhältnisse, welche 
zwischen dieser Nebenhöhle und den Hirnnerven bestehen. Es 
wird von seiten des Neurologen, des Ophthalmologen oft die 
Frage aufgeworfen, ob die vorliegende Erkrankung des Sehnerven 
oder eines Augenmuskelnerven — dessen anderweitige Aetiologie 
nicht aufzuklären ist —, nicht infolge einer Keilbeinhöhlen¬ 
erkrankung entstanden ist. Von den Erkrankungen der Nasen¬ 
nebenhöhlen ist sowohl klinisch, wie auch röntgenologisch die 
Erkrankung der Keilbeinhöble am schwierigsten zu diagnostizieren. 
Manche Erkrankungen der Keilbeinhöhle verlaufen latent und 
können auch nach längerer Beobachtung nicht mit Sicherheit er¬ 
kannt werden. Auch in anderen Fällen können wir oft erst nach 
längerer Beobachtung oder erst nach vorgenommener Operation 
(nach Abtragen des hinteren Teils der mittleren Muschel und der 
hinteren Siebbeinzellen) znr aufgeworfenen Frage eine bestimmte 
Stellung nehmen. Zu einer längeren Beobachtung haben wir je¬ 
doch infolge der Gefahr, welche ein abwartendes Verhalten in 
sich birgt, oft keine Zeit. Aber nicht nur die klinische, auch 
die röntgenologische Diagnostik der Keilbeinhöblenerkrankung ist 
von besonderer Schwierigkeit. Im allgemeinen lassen sieb die 
Keilbeinhöhlen mittels der transversalen Aufnahme am besten 
zur Darstellung bringen. Zur Diagnosenstellung können wir je¬ 
doch diese Aufnahmen nicht verwerten, da die beiden Keilbein¬ 
böhlen ineinander projiziert werden und eine Differenz bezüglich 
Helligkeit oder Verscbleiertheit der beiden Höhlen nicht zn 
machen ist. Bei der sagittalen Aufnahme sehen wir die Um¬ 
risse der Keilbeinböhlen nur ausnahmsweise, ausserdem werden 
die lateralen Teile der Spbenoidalhöhle von den Siebbeinzellen 
gedeckt, ln der Medianebene auf beiden Seiten des Nasenseptums 
ist wohl ein schmaler Streifen vorhanden, wohin die Siebbein¬ 
zellen nicht reichen, und wo wir die beiden Keilbeinhöbleo mit¬ 
einander vergleichen können. Auf diesen Vergleich wird von 
seiten mehrerer Autoren besonderes Gewicht gelegt. leb glaube 
jedoch, dass auch dieser Vergleich oft zum Irrtum führt. Die 
Beurteilung wäre nämlich nur unter der Voraussetzung möglich 
bzw. richtig, wenn das Septum der Keilbeinböhle und das Nasen¬ 
septum in ein und derselben Ebene liegen. Dies ist jedoch häufig 
nicht der Fall. Das Septnm der Keilbeinhöhle kann in bezog 


1) Nach einer Demonstration, gehalten in der laryngo-rhinologischen 
Sektion der Kgl. Aerztegesellschaft in Budapest am 25. November 1913. 


auf das Nasenseptum stark nach rechts oder links verlagert sein. 
Im letzteren Falle, kommt auf beiden Seiten des Nasenseptums 
dieselbe Keilbeinhöhle zur Projektion, wir finden daher keine 
Helligkeitsdifferenz, auch im Falle einer Erkrankung der einen 
Keilbeinhöble nicht. Bei der schrägen Aufnahme nach Rhese 
ist stets eine Doppelaufoahme notwendig. Die Aufnahme der 
beiden Seiten erfolgt zweizeitig, zwei Platten müssen miteinander 
verglichen werden, and dies ist für die Beurteilung und für die 
exakte Diagnosestellung von grossem Nachteil. Mittels der verti¬ 
kalen Aufnahme hat Pfeiffer einige gut gelungene Bilder ge¬ 
zeigt. Wir sehen da die beiden Keilbeinhöhlen nebeneinander 
und können eine etwaige Schattendifferenz beurteilen. Ein Nach¬ 
teil auch dieser wie jeder anderen Methode ist jedoch, dass die 
Platte weit von dem aufzunehmenden Objekt zu liegen kommt 
und so die Konturen weniger scharf und genau bervortreten. Im 
allgemeinen können wir mit Kuttner sagen, dass die dia¬ 
gnostische Zuverlässigkeit der Keilbeinböhlenaufnahmen immer 
noch eine recht beschränkte ist. Die Bestrebungen nach einer 
besseren Anfnahmemethode sind allenfalls berechtigt. 

loh habe behufs Röntgenaufnahme der Keilbeinhöhle und zur Dia¬ 
gnosestellung einer eventuellen Keilbeinhöblenerkrankung den Röntgen¬ 
film in den Nasenrachenraum bis zur Rachen Wölbung eingeführt. Die 
Röntgenstrahlen schicke ich vom Schädeldache vor dem Vertex durch 
den Schädel. Der zu diesem Zwecke konstruierte Fiimbalter kann mit 
grosser Leichtigkeit, ohne Anwendung eines Gaumenhakens (da das 
Instrument bei der Einführung selbst als Gaumenbaken dient) und ohne 
dass der vorher cocainisierte Patient Schmerz oder Unannehmlichkeiten 
empfindet, eingefübrt werden. Abbildung 1 a zeigt den Filmhalter in Vs 
natürlicher Grosse, lb die Platte, in welche der in schwarzes Papier 


Abbildung 1. 



a 


eingewickelte Film eingeschoben wird, in natürlicher Grösse. Die 
Platten habe ich in verschiedenen Grössen anfertigen lassen. Ab¬ 
bildung 2 stellt das Röntgenbild eines Patienten vor, bei welchem der 
Filmhalter in den Nasenrachenraum eingefübrt Ist. Es ist gut, weon 
die Platte sich nach vorne und abwärts neigt. Eine Sonde ist von der 
Nase aus bis zur Rachenwölbung eingeführt. Manche Patienten vertragen 
den in den Nasenrachenraum eingeführten Filmhalter viele Minuten, 
ohne stärkere Bewegungen mit dem Kopfe oder Schlucbbewegungen zu 
machen. Es wäre jedoch allenfalls von Vorteil, die Expositionsdauer 
nach Möglichkeit abzukürzen, da der Kopf längere Zeit doch nicht voll¬ 
kommen ruhig gehalten werden kann, was zum guten Gelingen des 
Bildes unumgänglich notwendig ist. Wir mussten allerdings laDge ex¬ 
ponieren, da wir bis jetzt nur ein sehr bescheidenes Instrumentarium 
zur Verfügung hatten. Bei Aufnahmen mit dem Sinegranscbirm betrug 
die Expositionsdauer 60—70 Sekunden, ohne VerstarkuDgsschirra etwa 
160 Sekunden. Wären unsere Aufnahmen mit einem auf der Höbe der 
Zeit stehenden Röntgeninstrumentarium — wo schon io 5—10 Sekunden 
gute Sohädelaufnabmen zu erzielen sind — gemacht, so wären die Auf¬ 
nahmen sicherlioh noch besser gelungen, ln nächster Zeit wird der 


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13. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1323 


Abbildung 2. 



Klinik jedoch ein vollkommeneres Instrumentarium zur Verfügung stehen. 
Ich mache die Aufnahme in sitzender Stellung des Patienten, der den 
Kopf etwas nach hinten beugt. Die Blendenvorrichtung wird senkrecht 
aufgesetzt, der Hauptstrahl geht etwas vor dem Vertex durch den 
Schädel. An den auf diese Weise gewonnenen Bildern sind der Rand 
der Choane, ein Teil des Nasenseptums, das Septum der Keilbeinhöhle 
und rechts und links davon die Keilbeinhöhlen sichtbar. Der Umstand, 
dass wir auch den Choanenrand und das Nasenseptum zu Gesicht be¬ 
kommen, trägt wesentlich dazu bei, dass wir uns am Bilde leicht 
orientieren können. Der Choanenrand zeigt den nach vorn (frontalwärts) 
liegenden Teil, das Nasenseptum die Mittellinie an. Auf Abbildung 3 


Abbildung 3. 



ist die nach unten konkav verlaufende Querlinie der Choanenrand, von 
der Mitte dieser Querlinie nach unten zieht das Nasenseptum, nach oben 
• em ^? e * n diäter Fortsetzung des Nasenseptums, jedoch davon leicht 
J? ^J' D kel gebrochen, das Septum der Keilbeinhöhle. Am Negativ sind 
die Konturen schärfer wahrnehmbar als auf den Kopien. 

Mittels dieser Aufnahme ist allerdings nur ein Teil der Keil¬ 
beinhöhlen auf den Film zu bringen. Bezüglich Lage und Grössen¬ 
verhältnisse der Keilbeinköhlen bekommen wir daher keinen Auf¬ 
schluss. Der Vorteil dieser Aufnabmemetbode vor den anderen 
•st jedoch der, dass der Film in die möglichst grösste Nähe 
des Sinus sphenoidalis gebracht werden kann, so dass die Bilder 


schärfer werden, die Keilbeinhöhlen nebeneinander und — 
normale anatomische Verhältnisse vorausgesetzt — von den Sieb- 
beinxellen nicht überdeckt — also isoliert — zu sehen sind. 
Wenn rechts und links vom Septum der Keilbeinhöhle eine 
Differenz der Schatten zu sehen ist, so kann man daraus auf 
eine eventuelle Erkrankung des einen oder des anderen Sinus 
sphenoidalis Schlüsse ziehen. Pathologische Fälle kann ich der¬ 
zeit aus Mangel an entsprechendem Material und wegen Unzu¬ 
länglichkeit des mir zur Verfügung gestandenen Röntgeninstru¬ 
mentariums leider noch nicht demonstrieren, hoffe jedoch, dass 
in Bälde ich und andere, die diese Methode nachprüfen wollen, 
auch solche bringen können. Bei dieser Gelegenheit wollte ich 
nur zeigen, dass die Keilbeinböhlen auf den in den Epipharynx 
eingeführten F'ilm zu bringen sind. Ich glaube, dass in manchen 
Fällen diese Aufoahmemethode vom Epipharynx ans bezüglich 
Diagnosenstellung der Keilbeinböhlenerkrankungen mehr leisten 
wird als die bisher üblichen. 


Ein bemerkenswerter Fall von extragenitaler 
Syphilisinfektion. 

Von 

Dr. 0. Heinemann- Berlin, 

Spezialarzt für Halsleiden. 

Am 19. Februar d. J. erschien bei mir Fräulein L., Verkäuferin in 
einem hiesigen bekannten Warenhause und mir von Person seit Jahren 
bekannt; Alter etwa 30 Jahre. Sie stammt aus solider Familie, der 
Vater ist ein kleiner Beamter. Sie hat stets einen für Berliner An¬ 
schauungen soliden Lebenswandel geführt und hat zu Hause wenig Freiheit. 
Sie äussert sich sehr offen über intime Angelegenheiten und gibt ohne 
weiteres zu, hin und wieder geschlechtlichen Verkehr gehabt zu haben, 
nach ihrer Behauptung in Erwartung der Heirat, die sich aber zerschlagen 
habe. So komme es, dass sie seit Sommer 1912 keinen intimen oder 
nicht intimen Verkehr mit einem Manne mehr gehabt und niemanden 
ausser ihren nächsten Verwandten geküsst habe. Sie ahnt die Bedeutung 
ihrer jetzigen Erkrankung, weiss sich aber dieselbe nicht zu erklären 
und ist darüber aufgebracht, weil sie sich keiner Schuld bewusst sei. 
Gesetzt, dies sei der Fall gewesen, so müsse sie eben die Sache mit in 
den Kauf nehmen. Sie habe seit 3 Wochen wunde Stellen an den Lippen. 

Bei der Untersuchung zeigen sich zwei charakteristische Primäraffekte 
an Ober- und Unterlippe. Sie liegen seitwärts von der Mittellinie, nach 
der linken Seite zu, der untere etwas weiter seitwärts als der obere. 
Sie sind sehr hart anzufühlen und mit schwarzem Schorf bedeckt. Nach 
Entfernung desselben kommen flache Geschwüre zum Vorschein, welche 
Serum sezernieren. Die Drüsen am Kieferwinkel links sind stark ge¬ 
schwollen und indolent. Ein Exanthem besteht nicht. In zwei diagnosti¬ 
schen Instituten, darunter das städtische Untersuchungsamt, wurde auf 
Spirochäten und nach Wassermann untersucht, beide Male mit positivem 
Resultat, so dass ein Zweifel an der Syphilisdiagnose nicht statthaft ist. 

Mich interessierte der Modus der Infektion. Ein doppelter Primär¬ 
affekt ist ja nicht die Regel, kommt aber doch hin und wieder vor. 
Nach meiner Erfahrung kamen 3 Infektionsmöglichkeiten vorzugsweise in 
Betracht, welche aber hier sämtlich nicht wahrscheinlich waren. Coitus 
per orem wurde energisch bestritten. Dies beweist ja an sich nichts, 
doch ist nach meiner Kenntnis der Familienverhältnisse und ihres ganzen 
Verhaltens diese Perversität nicht wahrscheinlich. Kuss und Benutzung 
fremder Trinkgefässe wurden ebenfalls bestritten. Auch wäre ja im 
ersteren Falle ein medianerSitz des Primäraffektes wahrscheinlicher gewesen. 

Nach einigem Hin und Her fragte ich sie, ob sie beim Ausschreiben 
der Verkaufszettel den Bleistift öfter in den Mund nehme. Sie erwiderte, 
das tue sie immer, und zwar mit der linken Hand. Sie erinnerte sich, 
vor ihrer Erkrankung mehrere Male sich einen Bleistift von ihrer Kollegin 
geborgt zu haben. Diese sei wegen unsoliden Lebenswandels bald darauf 
entlassen worden. Ausserdem habe auf derselben Abteilung eine andere 
Verkäuferin dieselbe Affektion an den Lippen. Ich Hess sie nun ein 
rundes Holz von Bleistiftdicke in den Mund nehmen, wie sie es zu tun 
pflegte. Es zeigte sich, dass dasselbe von den beiden Primäraffekten 
ringförmig umschlossen wurde. Es wurde eine spezifische Behandlung 
eingeleitet, die noch im Gänge ist. 

Der Fall illustriert die Unsitte, fremde Bleistifte in den Mund zu 
nehmen, und verdient daher in weiteren Kreisen bekannt zu werden. 
Man wird auch gut tun, den eigenen Bleistift nicht gewohnheitsmässig 
in den Mund zu stecken, denn dann wird man es mit einem fremden 
mechanisch ebenso machen, wenn man sich einen solchen leihen muss. 

Mir ist ein ähnlicher Fall nicht bekannt. Doch das beweist nichts. 
In dem Finger’schen Handbuch der Geschlechtskrankheiten umfasst das 
Literaturverzeichnis über extragenitale Infektion 11 Seiten. Diese Lite¬ 
ratur habe ich wegen dieses einen Falles natürlich nicht durchgelesen, 
doch war aus den Titeln der einzelnen Arbeiten ein ähnlicher Fall nicht 
zu erkennen. Sollte er doch vorgekommen sein, so kann trotzdem die 
Veröffentlichung dieses erneuten warnenden Beispiels nicht schaden. 


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UNIVERSUM OF IOWA 












1324 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


Bücherbesprechungen. 

Handbuch der Hygiene. Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrten 
herau8gegeben von M. Kubier, M. v. Gräber und M. Ficker. 

3. Bd., 2. Abt., VII und 536 S., 8°, mit 73 Abbildungen und 
25 farbigen Tafeln; 3. Abt., 392 S., 8°, mit 192 Abbildungen und 
32 farbigen Tafeln. Leipzig 1913, Verlag von S. Hirzel. Preis 
je 24 M., geb. 27 M. 

Die 1. Abteilung des 3. Bandes des Handbuches der Hy¬ 
giene, welcher den Infektionskrankheiten gowidraet ist, wurde 
kürzlich (B.kl.W., 1914, Nr. 13, S. 606) hier besprochen. 

Die 2. Abteilung bringt zunächst folgende Abhandlungen, 
M. Neisser und H. A. Gins, Pathogene Kokken (S. 3—56); 
C.Fraenken, E.Friedberger, E.Gotschlich und E. Ungermann: 
Pathogene Bacillen (S. 57—296); E. Gotschlich, Pathogene 
Vibrionen (S. 297—392); C. Fraenken, Pathogene Spirochäten 
(S. 393—414). Jede dieser Abhandlungen setzt sich aus einer Reihe 
von Einzeldarstellungen zusammen, die die wichtigsten bezüglichen 
Infektionskrankheiten betreffen; besonders ausführlich sind z. B. Tuber¬ 
kulose, Diphtherie, Unterleibstyphus von C. Fraenken, Pest und 
asiatische Cholera von Gotschlich behandelt, usw. Den genannten 
bakteriellen Infektionserregern schliessen sich an: Pathogene Faden¬ 
pilze, Schimmelpilze und Blastomyceten von P- Th. Müller 
(S. 415—451), ferner C. Fraenken und E. Gotsohlich, Infektions¬ 
krankheiten zweifelhafter Aetiologie (S. 453—510); der letztere 
Aufsatz umfasst Pocken, Masern, Scharlach, Keuchhusten, Trachom, 
Hundswut, spinale Kinderlähmung, Gelbfieber und Flecktyphus. 

Die 3. Abteilung beschäftigt sich mit den pathogenen tierischen 
Parasiten. Sie besteht aus folgenden Arbeiten: Th. v. Wasielewski, 
Allgemeine Parasitenkunde (S. 3—14); Th. v. Wasielewski, 
Die schmarotzenden Protozoen (S. 15—239); Th. v. Wasielewski 
und G. Wülker, Die schmarotzenden Würmer (S. 240—341); 
W. v. Schuckmann, Die schmarotzenden Gliederfüssler (S. 342 
bis 370). 

Der reiche Inhalt des Werkes kann hier wiederum nur angedeutet 
werden; die zahlreichen guten Abbildungen tragen nicht wenig zum 
Verständnis des Dargebotenen bei; das jeder Abteilung angebängte, 
sorgfältig bearbeitete Sachregister erleichtert die Benutzung. 

Carl Günther - Berlin. 


A. Gärtier: Leitfaden der Hygiene. Sechste Auflage. Berlin 1914, 
S. Karger. Preis 8,60 M. 

Die weite Verbreitung, welche Gärtner’s Leitfaden gefunden bat, 
hat ihre Berechtigung in der übersichtlichen Darstellung und dem klaren, 
gedrungenen Stil. Es ist der erfahrene Lehrer und Fachmann, der aus 
jeder Seite zu uns spricht. Freilich ist nicht zu übersehen, dass die 
Darstellung — wohl mit Rücksicht auf die nichtmedizinischen Leser — 
häufig etwas an das Populäre streift und in manchen Punkten die präzise 
wissenschaftlich Begründung etwas vermissen lässt. Es ist ferner bei 
einem so knapp gehaltenen Leitfaden nur natürlich, dass hie und da 
Einzelheiten vermisst werden, die dem einen oder anderen als wesentlich 
erscheinen mögen. Eine etwas ausführlichere Darstellung wäre zu wünschen 
für die Anaphylaxie und vor allem für die Pockenimpfung. Wenn auf 
ein paar Seiten mehr das Notwendige über die Pockenimpfung gesagt 
wird, so erspart man dem Studenten die Anschaffung eines eigenen 
Impflehrbuches. Als ausserordentlich gelungen müssen die Kapitel 
„Wasser“ und „Abfallstoffe“ bezeichnet werden, als sehr erfreulich die 
Besprechung der Versicherungs-Gesetzgebung auf Grund des neuen Ge¬ 
setzes, die in klarer knapper Darstellung alles unbedingt Notwendige 
gibt. Die Abbildungen sind duroh das Entgegenkommen des Verlages 
nicht unwesentlich vermehrt worden. M. Hahn - Freiburg. 


Ge» von Hoffmin: Die Rusenhygiene in den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika. München 1913, J. F. Lehmann. XII und 
238 S. Preis 4 M. 

Während bei uns die rassenbygienisehen Fragen zwar mit grossem 
Interesse verfolgt, aber doch vorläufig mehr expektativ behandelt werden, 
hat man in Amerika schon seit geraumer Zeit versucht, aus den theo¬ 
retischen Erwägungen praktische Folgerungen zu ziehen. Und zwar be¬ 
herrscht die „Eugenik“ dort nicht nur den Vorstellungskreis beider 
Geschlechter (keineswegs erst, wie jüngst behauptet wurde, seitBrieux’ 
Tendenzstück für Aufklärung gesorgt hat), sondern es bat sich bereits 
die Gesetzgebung zu bestimmten Maassnahmen entschlossen — Experi¬ 
mente, die dort um so leichter angestellt werden können, als jeder der 
kleinen Staaten auf eigene Faust vorgeht und sich auch gar nicht geniert, 
getroffene Bestimmungen, wenn sie sich nicht zu bewähren scheinen, 
schon nach ein paar MoDaten wieder aufzuheben. Solches ist insbe¬ 
sondere in der Frage der Eheverbote vorgekommen — 13 Staaten kennen 
keine Einschränkung in den Ehegesetzen, andere beschränken sich auf die 
auch in Europa geltenden Gebräuche, wonach etwa Geisteskrankheiten 
Hindernisse bilden; in einigen anderen, voran in Washington, sind aber 
auch Personen, deren Fortpflanzung im rassenbygienisehen Sinne un¬ 
erwünscht ist, z. B. Alkoholiker, LungeDSchwindsücbtige in vorge¬ 
schrittenen Stadien, von der Ehe ausgeschlossen, namentlich aber ist die 


Vorlegung von Gesundheitszeugnissen in Washington, Dakota und 
Oregon gefordert; in erstgenanntem Staat ist dies Gesetz aber nur vom 
17. März bis 13. August 1909 in Kraft gewesen, dann aber durch die eid¬ 
lichen Aussagen der Heiratsbewerber ersetzt worden. Wir haben jedenfalls 
allen Grund, dieser Bewegung aufmerksam zu folgen — namentlich so¬ 
weit die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Frage kommt, treffen 
wir hier auf eine auch bei uns oft erhobene Forderung, die sicherlich 
über kurz oder lang irgendwie Erfüllung finden muss. 

Nicht minder interessant sind die Bestrebungen, die die Fort¬ 
pflanzung der Minderwertigen zu hindern bezwecken. Von der 
Kastration im eigentlichen Sinne ist man dabei abgekommen, hat sich 
vielmehr auf die Durchschneidung der Vasa deferentia besebräok- 
und dieses Verfahren in verschiedenen Staaten namentlich bei SittHch- 
keitsVerbrechern durebgeführt; Indiana, Connecticut, Kalifornien, Newada, 
Jova, New Jersey, New York, Kansas, Michigan, Nord-Dakota, Oregon 
kennen es bereits als gesetzliche Einrichtung bei „Minderwertigen“, 
Degenerierten, Geisteskranken, Gewohnheitsverbrechern, teils als Strafe, 
teils auch als Heilmittel zum Wohl des Operierten. Auch hier besteht 
die Möglichkeit, dass dieses Vorgehen in Europa Nachahmung findet, wie 
denn aus der Schweiz bereits über solche Versuche berichtet wird. 

Es ist jedenfalls sehr erwünscht, dass dem deutschen Leser Gelegen¬ 
heit gegeben ist, sich über alle diese Vorschläge und Erfahrungen zu 
orientieren, über die man sonst nur aus verstreuten Zeitungsberichten 
Unsicheres hörte. G6za von Hoffmann hat in seinen sorgfältigen, 
an Ort und Stelle gemachten Studien das gesamte Material übersicht¬ 
lich und objektiv zusammen gestellt. Im Urteil darüber, was auf unsere 
Verhältnisse passt und etwa übernommen werden sollte, wahrt er vor¬ 
sichtige Zurückhaltung, wie sie einer so schwierigen Materie gegenüber 
am Platze ist; mit seinen Darlegungen aber, namentlich aber mit dem 
nicht weniger als 927 Nummern umfassenden Literaturverzeichnis hat er 
allen, die auf diesem Gebiet Belehrung suchen, einen sehr wesentlichen 
Dienst geleistet. Posner. 


K. B. Lehnaii: Die Bedeitiig der Cbronate für die Gesvidheit 
der Arbeiter. Schriften, herausgegeben vom Institut für Gewerbe¬ 
hygiene. Berlin 1914. Preis 4 M. 

Das vorliegende Werk ist gedacht als Ergänzung der Arbeit von 
R. Fischer (die Darstellung und Verwendung von Chromverbio- 
dungen usw., Berlin 1911) und beschränkt sich im wesentlichen auf die 
experimentell-toxikologische Seite, während die Fischer’sche Arbeit be¬ 
sonders die technisch-hygienische und statistische Seite berücksichtigt. 
Das fleissige Werk Fisch er’s und die exakte hier besprochene Arbeit 
geben zusammen eine erschöpfende Darstellung der Hygiene der Chromat¬ 
industrie beim heutigen Stand der Technik. 

Die Arbeit zerfällt in drei Hauptteile, eine historisch-kritische Dar¬ 
stellung unseres bisherigen Wissens, eigene Beobachtungen und Versuche 
an Tieren und eigene Fabrikstudien, die zusammenfassend hier be¬ 
sprochen werden sollen. 

Die Alkalichromate wirken im Gewerbebetrieb in Form von Staub, von 
Lösungen und als Tröpfchen, die aus kochenden Laugen durch den 
Dampf emporgerissen werden und nach Verdunsten des Lösungswassers 
als Kristalle herunterfallen. Nur die unverletzte, genügend verhornte 
Haut schützt gegeu stärkere Konzentrationen Hautekzeme von Gesicht 
und Händen sind bei dazu disponierten Personen häufig. Chromat¬ 
geschwüre, nach Fischer 8,8 Fälle auf 100 Arbeiter, sind im Rückgang 
begriffen, sie kommen namentlich bei neueingestellten sorglosen Ar¬ 
beitern vor. 

Durchlöcherung der Nasensoheidewand lasst sich bei längerer Be¬ 
schäftigung in Chromatfabriken kaum vermeiden. 71,4 pCt. der im 
Jahre 1909 beschäftigten Personen hatten Perforationen. Von der an¬ 
geblichen Schutzwirkung des Schnupfens konnte sich Verf. nicht über¬ 
zeugen. Dass sich die Perforation stets am gleichen Ort $er knorpeligen 
Nasenscheidewand findet, erklärt Verf. so, dass diese Stelle am stärksten 
von den Chromatteilchen getroffen wird und infolge ihrer Bedeckung mit 
Cylinderepithel für die Erkrankung besonders disponiert ist. Auch dass 
die Perforation sich stets an der Stelle der das rudimentäre Jakobson- 
sche Organ andeutenden Schleimhauteinstülpung ausbildet, ist von Be¬ 
deutung. Die übrigen Teile der Nase sind nicht wesentlich empfindlicher 
gegen Chromate als die Schleimhaut des Mundes und des Rachens und 
erkranken daher auch nicht, wenn die Ablagerung des Chromatstaubes 
an der typischen Stelle nach der Perforation unmöglich wird. Dem 
bohrenden Finger kommt bei Entstehung der Geschwüre keine allgemeine 
Bedeutung zu. Nasenperforationen lassen sich auch bei Katzen leicht 
erzeugen. Die Perforation ist ohne ernsthaften bleibenden Nachteil für 
die allgemeine Gesundheit. Kleine Geschwüre im Mund und Rachen, 
sowie leichte KoDjunktivitiden kommen bei Chromatarbeitern öfters vor. 
Ob die Atmungs- und Verdauungsorgane häufiger erkranken, ist sehr 
fraglich, die Statistik ergibt für die Mehrzahl der Betriebe gar nichts 
Auffallendes. Nierenerkrankungen sind nicht spezifisch, Allgeraein- 
erkrankungen, Cbromkachexie, jedenfalls nur ausserst selten. 

Mengen von etwa 30 mg Bichromat in Fällen von Cbromatzufuhr 
zu therapeutischen Zwecken (Syphilis) führte zu Magendarmkrankheiten 
und Erbrechen. Solche Mengen könnten auch in Fabriken durch Leicht¬ 
sinn der Arbeiter (Essen bei der Arbeit) gelegentlich aufgenommen 
werden und Verdauungsstörungen erzeugen, aber keine chronische 
Chromatvergiftung. Akute Fälle schwerer Vergiftungen durch Einnahme 
von Chromaten haben keine Beziehungen zur Gewerbehygiene. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





13. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1326 


Bei den an Hunden, Katzen und Kaninchen durch Verfütterung von 
Chromaten vorgenommenen Versuchen des Verf. hatten sich Symptome 
ron Nierenerkrankungen während des Lebens niemals gezeigt; die Ver- 
gucbsdauer belief sich auf l f 2 bis 2 Jahre. Auch die Sektionsresultate 
ergaben meist ein normales Bild, nur bei zwei Katzen zeigten sich 
schwere Nierenveränderungen. Mit chromatbeladenen Dämpfen lassen 
sich auf Nase uDd Bronchien kaum Erscheinungen hervorrufen, hingegen 
konnte Verf. bei Katzen in einer Atmungsluft, die Chromatteilchen in 
feinster Verteilung enthielt, Bronchitiden und typische Perforationen 
erzielen. 

Bei den eigenen Fabrikstudien hat Verf. nicht über 1,5 mg Chromat¬ 
staub in 1000 Litern Luft gefunden. Der meiste Staub entstand im 
Packraum durch unvorsichtiges unventiliertes Einfüllen staubender 
Chromatmassen. Bei dieser Arbeit sollen die Arbeiter feuchte Schwämme 
vor dem Hund und Wattenasenpfröpfen tragen, wodurch der Staub ab- 
gef&ogen wird. Von 64 untersuchten Arbeitern hatte nur einer kein 
Nasengeschwür, und der atmete nicht durch die Nase. Bei 47 Arbeitern 
bestand Perforation des Septums, die meist in den ersten 6 Monaten 
der Beschäftigung entstanden war. Das Allgemeinbefinden der Arbeiter 
war gut, ihr Aussehen unterschied sich vorteilhaft von dem der Anilin¬ 
arbeiter. Auf Cbromwirkung zu beziehende Nierenerkrankungen wurden 
nicht gefunden, auch über Bronchitiden war bis auf einen Fall von 
Chromasthma nichts Auffallendes zu berichten. Von den 64 Arbeitern 
hatten 7 frische Hautgeschwüre, abgeheilte Geschwüre fanden sich bei 
fast allen, diese Erkrankungen waren jedoch meist Bagatellen. 

Verf. äussert sich ferner über die Gründe der grossen Differenz in 
der Zahl der Erkrankungen in Fischer’s Statistiken aus den ver¬ 
schiedenen Cbromatfabriken. Neben äusseren in der Listenführung be¬ 
gründeten Momenten kommt auch der Fabrikationsweise grosser Einfluss 
zu. Ueberall da, wo das Chromat bei der Gewinnung nicht völlig ge¬ 
trocknet wird, sondern stets einen geringen Wassergehalt bewahrt, ist 
der Staubgehalt und damit die ErkrankuDgsziffer gering. Als besonders 
gefährlich spricht Verf. das Trocknen des Natriumbichromates und das 
Manipulieren mit dem getrockneten Material an. 

In Chromgerbereien kommen Chromatgeschwüre nennenswerter 
Grösse sehr selten vor, kleinere Geschwüre häufig. Nephritiden und 
Allgemeinerkrankungen treten nicht auf. 

Verf. schliesst, dass die Chromatfabrikation ein verhältnismässig 
harmloser Betrieb sei und dass duroh sorgfältige Beachtung der Bundes¬ 
ratsvorschriften und gewissenhafte Anwendung aller gewerbebygienischen 
Schatzmaassregeln die Chromatstörungen sich noch wesentlich vermindern 
lassen. Ho 1 tzmann - Karlsruhe. 


v. Tekold, Schaidt und Devin- Berlin: Uebersicht über die Nene- 
migei in der Feldsanltfitsansrüstang. Veröffentlichungen aus 
dem Gebiete des Militarsanitätswesens, herausgegeben von der 
Medizinalabteilung des Kgl. preussischen Kriegsministeriums. H. 57. 
Mit Tab. Berlin 1914, August Hirschwald. Preis 3,— M. 

Das Tascbenbesteck der Sanitätsoffiziere, die anderen Bestecke und 
Sanitätsbehältnisse, sowie die sonstige Ausstattung der Sanitätsformationen 
des Feldheeres sind den heutigen ärztlichen und pharmazeutischen Forde¬ 
rungen, auch dem Deutschen Arzneibuche 1910, sowie neuzeitiger Kranken¬ 
pflege angepasst worden. Die Ausrüstung der Sanitätsabteilung, des 
Güterdepots der Sammelstationen wurde geregelt Die Aenderung des 
Feldsanitätsdepots ist im Gange. Mit diesen Maassnabmen steht in Ver¬ 
bindung der Neudruck des Ausrüstungsteiles der Anlagen zur Kriegs- 
sanitätsordnung, der Vorschriften „Behandlung der Sanitätsausrüstung“, 
,Verladung des Etapponsanitätsdepots“, des „Verzeichnisses der für die 
medizinisch-chirurgische Sanitätsausrüstung des Heeres zahlbaren Höchst¬ 
preise“, der bisherigen Beilage 26 der Friedenssanitätsordnung, sowie 
vieler Inhaltsübersichten und Einzelpackordnungen. Es folgen genaue 
Angaben über die Abänderungen, das Fortgefallene, Verringerungen, Ver¬ 
mehrungen und Neuerungen. Daran schliesst sich eine Uebersicht über 
Anwendung der Arzneimittel, über die Prüfungsmittel, Angaben über 
kriegsvorrat beim Hauptsanitätsdepot und über Sanitätsausrüstung der 
Trappen in gebirgiger Gegend. 

Kraeknun und ?. Kern: Ueber Sehlessbrillen. Berichte, erstattet 
am 26. Juli 1913 in der Sitzung des Wissenschaftlichen Senats 
bei der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bil¬ 
dungswesen. Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militär- 
saaitätawesens, herausgegeben von der Medizinalabteilung des Kgl. 
preussrichen Kriegsministeriums. Heft 58. Berlin 1914, August 
^ Hirschwald. Preis 0,80 M. 

festgestellt werden, 1. ob ein einheitliches Muster für 
. einzuführen sei; 2. welche Vorschläge für das Gestell be- 

ugüch Form, Stoff, Bau usw. zu machen wären; 3. welche Form den 
odft^v. u U ? e ^ en ware ; 4. ob bikonkave oder bikonvexe Gläser genügen 
sicht ° b ^ enis * te . n °der Punktalgläser vorzuscbreiben sind; 5. welche Ge- 
wär *^ u ^ e ^ei ^ er Verordnung von Schiessbrillen besonders zu beachten 
AdT dauerndes Tragen der Schiessbrillen zu empfehlen ist. 

stre UD d V e l Q f ac beo periskopischen Gläser, auch ohne die 
sclJr? 6 ? 6 “ ef *' Q 8^ng der punktuellen Vollkorrektur, genügen den prakti- 
Grad t fe< *. en den Heeresdienst, vorausgesetzt, dass sie die höheren 

Glas« ‘l i“?kelförmigen Durchbiegung besitzen. Die Einführung solcher 
r dringend zu empfehlen. Ad 2. und 5.: Die am besten aus 


. Es sollte 
Schiessbrillen 


sog. Hartnickel hergestellte Brille muss mit dem oberen und unteren 
Augenhöhlenrande abschneiden, um ein möglichst grosses Gesichtsfeld 
zu gewährleisten (Durchmesser von etwa 4 cm). Eine einheitliche Grösse 
der Gläser und ihrer Fassung festzusetzen, ist nicht möglich, weil alles 
der Augenböblenform des Trägers aozupassen ist. Für die Zwecke der 
Armee genügen aber drei verschiedene Grössen. Wichtig für Brillen¬ 
verordnung ist der Abstand des augennahen Glasscheitels vom Horn¬ 
hautscheitel (etwa 12—13 mm). Die zweckmässigste Stegform ist ein 
Steg von der Form eines W, wodurch durch Biegung jede gewünschte 
Winkelstellung erreicht werden kann. Als Brillenfeder ist die damaszierte 
Reitfeder zu empfehlen. Schliesslich ist noch der Pupillenabstand zu 
berücksichtigen. Ad 8.: Grosse runde Gläser. Ad 6: Diese Frage ist 
zu bejahen, weil sich die Sehschärfe beim dauernden Tragen der Brille 
meist bessert; wird das Glas nur beim Schiessdienst getragen, muss sich 
der Mann jedesmal erst von neuem an dasselbe gewöhnen. Beim Aus¬ 
scheiden kann die Brille ihm belassen werden. Hat er sich an dieselbe 
gewöhnt, wird er sie im Erwerbsleben mit Nutzen verwerten; das liegt 
dann auch im allgemeinen volksbygienischen Interesse. 

Schnütgen. 

Jahrbuch für orthopädische Chirurgie. Bearbeitet von Dr. Pani 
Glaessner. Vierter Band: 1912. Berlin 1913, Verlag von Julius 
Springer. 109 S. Preis 6 M. 

Der erstaunlich reiche Inhalt des vierten Bandes des Jahrbuches für 
orthopädische Chirurgie beweist wiederum den grossen Eifer, mit dem 
auch im Jahre 1912 an der Ausgestaltung und Fortentwicklung des 
jungen Sonderfaohes gearbeitet worden ist. Wie früher ist der Band in 
einen allgemeinen und einen speziellen Teil gegliedert. Während im 
ersteren Teile die ein breiteres Interesse beanspruchenden Fortschritte 
sowie neu aufgekommene Gesichtspunkte hervorgehoben werden, ist der 
zweite Abschnitt dem Zuwachs an Arbeiten spezielleren Inhalts gewidmet. 
Unter den vielen, sehr verschiedenartigen Steinchen, die zusammen¬ 
getragen wurden, befindet sich, wie Verf. einleitend bemerkt, erfreulicher¬ 
weise auch mancher Edelstein. 

Eine besonders reichliche Bearbeitung von seiten der verschiedensten 
Autoren haben diesmal die Gebiete der Rachitis, der Poliomyelitis, der 
Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose sowie der verschiedenen 
Arthritisformen gefunden. Interesse verdient die Zusammenstellung über 
die vorwiegend sehr günstigen Erfahrungen mit der Sonnenbehandlung 
der chirurgischen Tuberkulose. Das Abbott’sche Skoliosenbehandlungs¬ 
verfahren, das inzwischen an zahlreichen deutschen Kliniken nachgeprüft 
worden ist, ohne dass man über seinen Wert sich schon hätte Klarheit 
schaffen können, wird ebenfalls zum ersten Male hier erwähnt. Ein 
Verzeichnis von 28 Seiten gibt zum Schluss eine Uebersicht über die 
literarische Ernte des Jahres. 

Die Darstellung erfreut wiederum durch ihre Klarheit und ihre Ob¬ 
jektivität, die hei aller Knappheit der Besprechung den Grundgedanken 
des einzelnen Autors gerecht wird. Wo eine Wertung ausgesprochen 
wird, sind dieser allgemein in Geltung befindliche Anschauungen zu¬ 
grunde gelegt. 

Was den Benutzungswert des verdienstvollen Jahrbuches beträcht¬ 
lich erhöhen würde, wäre ein etwas pünktlicheres Erscheinen. 

Bruno Künne-Steglitz. 

Walter Schrauth: Die medikamentösen Seifen. Ein Handbuch für 
Chemiker, Seifenfabrikanten, Apotheker und Aerzte. Berlin 1914, 
Julius Springer. 170 S. 6 M. 

Die medikamentösen Seifen haben schon jetzt therapeutische Be¬ 
deutung, die ohne Zweifel noch grösser sein würde, wenn neue An¬ 
wendungsgebiete auf Grund genauer, wissenschaftlicher Kenntnis der be¬ 
treffenden Materien aufgesucht würden. Es ist daher sehr dankenswert, 
dass Verf. die vorliegenden Tatsachen sorgfältig und klar zusammen¬ 
gestellt und kritisch verarbeitet hat. In einem besonderen Abschnitte 
berichtet C. Siebert über die therapeutische Anwendung der Seifen. 

Hugo Schulz: Die Behandlung der Diphtherie mit Cyanquecksilber. 

Eine Studie zur Organtherapie. Berlin 1914, Julius Springer. 
80 S. 2,40 M. 

Verf. empfiehlt Cyanquecksilber zur Behandlung der Diphtherie. 
Das Präparat soll früher bei geeigneter Dosierung Nützliches geleistet 
haben. Auf Grund seiner theoretischen Anschauungen erwartet Verf. 
Wirkungen, weil er im Tierversuch sich von der Reizwirkung des Cyan- 
queoksilbers und seiner Komponenten auf die Rachensohleimhaut über¬ 
zeugt hat. M. Jacoby-Berlin, 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

0. Frank-München: Die Prinzipien der Sehallregistrierang. 
(Zschr. f. Biol., Bd. 64, H. 3.) Eine richtige Registrierung ist nur dann 
zu erwarten, wenn die Schwingungen des Registrierinstrumentes über 
derjenigen irgendeiner Teilschwingung des Kurvenzugs liegen, die wesent¬ 
lich in Betracht kommt. Sonst ist eine Korrektur der Kurven notwendig. 
Erhöht man die SchwingungszahL eines Instrumentes, um dieser Forde- 


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UNIVERSUM OF IOWA 


1326 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


rung au genügen, so wird die Empfindlichkeit herabgesetzt. Man wird 
aber die Sehwingungszabl nach Möglichkeit auf Kosten der Empfindlich¬ 
keit erhöhen. Die Dämpfung soll unteraperiodiseb, ja sie kann sogar 
— 0 gehalten werden. Eine überaperiodische Dämpfung bringt keinen 
Vorteil für die Ausführung der Korrekturen: sie ist bis jetzt bei keinem 
mechanischen Registrierinstrument angewendet worden, auch nicht beim 
Phonographen und dem Mikrophon. Sie ist auch nicht beim Trommel¬ 
fell verwirklicht. 

P. Hoffmann-Würzburg: Lieber die Begegnung xweier Erregungen 
io der Nervenfaser. (Zsohr. f. Biol., Bd. 64, H. 3.) Zwei maximale, in 
der Nervenfaser sich begegnende Erregungen erlöschen. Untermaximale 
Erregungen laufen übereinander hinweg. Da die Aktionsströme bei gleich- 
massiger titanischer Reizung vollkommen regelmässig sind, ist das graue 
Band, welches durch den Schatten der schwingenden Saite auf dem Pro- 
jektionsschirra entworfen wird, ganz charakteristisch. Wenn man nuu 
die Elektroden so anlegt, dass sie beide auf einer Seite der Stelle der 
Begegnung liegen, so lässt die Beobachtung der Form des Bandes er¬ 
kennen, dass bei Einführung des zweiten Reizes keine Veränderung in 
der Stromform ein tritt, wenn der erste Reiz maximal war. Es tritt aber 
stets eine Veränderung ein, wenn er untermarimal ist. Eine Addition 
der Negativitaten findet bei maximalen Erregungswellen an der Stelle 
der Begegnung nicht statt. Kretschmer. 

J. Boeke: Die Regeneration serscheinungen bei der VerheiluDg von 
motorischen und receptorischei Nervenfasern. 11. Mitteilung. (Pflüg. 
Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Früher bat Verf. über Verbeilungen des 
centralen Hypoglossusstumpfes mit dem peripherischen des Lingualis bei 
Igeln berichtet. Nunmehr hat er umgekehrt den centralen des Lingualis 
mit dem peripherischen des Hypoglossus zur Verheilung gebracht und 
das Ergebnis in lückenlosen Schnittserien am Nerven und der vorderen 
Zungenhältte untersucht. Es wachsen die centralen Lingualisfasern in 
das für sie von Natur nicht bestimmte Gebiet des Hypoglossus hinein. 
Es sind also sensible Fasern imstande, in beiden Richtungen (central- 
und peripherwärts) mit motorischen au verwachsen. 

E. B. Meigs: Ob die Fibrillen der quergestreiften Muskeln ihr 
Volumen bei der Kontraktion verändern? (Hürthle’s Ergebnisse und 
ihre Auslegung.) (Pflüg. Arcb., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Verf. wendet sich 
kritisch gegen die Schlüsse, die Hürthle aus seinen Messungen der 
ruhenden und kontrahierten lebenden Muskeln des Wasserkäfers an 
kinematographischen Aufnahmen gezogen. Verf. hält eine genaue Messung 
nicht für möglich. 

K. Hürth le: Erwiderung auf die vorliegende Ansicht von Meig’s. 
(Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Verf. hält die Berechnungen von 
Meigs nicht für zutreffend. 

0. Warburg*. Ueber die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung 
gegenüber indifferenten Nnrcoticn (nebst einer Bemerkung über die 
sauerstoffatmenden Leberzellengranula). (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) 
Versuche an Meerschweinchenlebern, die zerrieben, mit Kaliumchlorid¬ 
lösung versetzt und centrifugiert wurden. Das Ceutrifugat war frei von 
Zellresten usw., enthielt aber Granula. Deren Sauerstoffverbrauch 
wurde durch Zusatz verschiedener Urethane beschränkt, und zwar bei 
Konzentrationen der Urethane, wie sie quantitativ gleich gegenüber 
intakten Zellen wirken („Strukturwirkungsstärken“) der Urethane). 
Gegenüber dem wässrigen Extrakt der Lebern wirkten die Urethane 
weniger atmungshemmend. 

Yas. Kuno: Einige Beobachtungen über den Blutdruck des 
Frosches. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Der mittlere Blutdruck 
beträgt bei Esculenten, gemessen in der Art. pulmo-cutanea, 30 mm Hg 
bei 51 Herzschlägen pro Minute (Temperatur 17—19°), die pulsatorische 
Druckschwaokung 9,4 mm. Bewegungen des Tieres und Reizung sensibler 
Nerven machen Blutdrucksteigerung. Einige Male wurden rhythmische 
Schwankungen des Blutdruckes (S. Mayer’sche Wellen?) beobachtet. 
Rüokenmarkzerstörung bringt ihn zum Sinken, Adrenalin steigert ihn 
weniger als beim Säugetier. 

H. Münzer: Kolorimetrische Kreatinin- and Indikanbestimmungen 
am Harn der Haustiere nach Autenrieth uud Königsberger. (Pflüg. Arch., 
Bd. 158, H. 1 u. 2.) Die kolorimetrischen Bestimmungen des Verf. am 
Harn ergaben folgende Mittelwerte pro Liter Harn. Kreatinin: 
P/erd 1,94, Schwein 1,49, Schaf 1,44, Rind 1,12, Ziege 0,38. Indikan: 
Pferd 0,04, Schaf 0,037, Esel 0,024, Rind 0,02, Schwein 0,01, Ziege 0,005. 
Das spezifische Gewicht ging den Kreatininwerten parallel. Da bei den 
genannten Pflanzenfressern das Kreatinin nicht aus dem Nahrungs- 
eiweiss stammt, müsste es endogenen Ursprungs sein, wofür auch der 
mangelnde Zusammenhang zwischen der ausgeschiedenen Kreatininmenge 
und Harnstickstoffmenge spricht. Die Kreatinin men ge zeigt artspezifische 
(neben individuellen) Verschiedenheiten. Auch die Mengen des Indikans 
sind artspezifisch different. Auch an zahlreichen pathologischen 
Harnen hat Verf. Bestimmungen ausgeführt. 

U. Schenk: Anpassung an die Farbe der Umgebung bei Lebias 
calaritana. Vorläufige Mitteilung. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) 
Gegenüber Hess und Fuchs, die die Anpassung der Farbe von Fischen 
an die Farbe des Untergrundes uicht für bewiesen halten, hebt Verf. 
hervor, dass diese Fähigkeit einem im Mittelmeer lebenden Cyprinodonten, 
Lebias calaritaDa, zukommt. Diese Fische reagieren auf gelbem, rotem, 
orangefarbenem Grund durch Expansion der gelben Pigmentzellen ihrer 
Haut. In Kontrollversuchen auf gleich hellem, aber grauem Grunde 
fand sich diese Reaktion nicht; auf verschieden hellem grauem Grunde 


ändert sich nur die Ausdehnung der schwarzen Chromatophoren der 
Haut. Ebenso wie Lebias verhält sich Cottus gobio. — Ob darum 
diese Fische einen Farbensinn haben, ist noch unsicher. 

0. Loewi und W. Gettwert: Ueber die Folgen der Nebenniere!- 
exstirpation. I. Mitteilung. Untersuchungen am Kaltblüter. (Pflüg. 
Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Nebennierenexstirpation führt beim Frosche 
zum Tode unter diastolischem Herzstillstand. Dieser Herzstillstand wird 
durch Atropinbeträufelung aufgehoben, ebenso auch der Herzstillstand 
Debennierenloser Frösche, der durch elektrische Reize der Tiere bewirkt 
wird. Das Atropin wirkt hier auch anregend auf die isolierten Herzen. 
Das Blut nebennierenloser Frösche ist giftig; es bewirkt bei direkter 
Applikation auf das Herz normaler Frösche Verlangsamung, die durch 
Atropin behoben wird. A. Loewy. 

L. Fraenkel - Breslau: Wirkung von Extrakten eadokriner Prüfe» 
anf die Kopfgefässe. (Zschr. f. exper. Patb. u. Ther., 1914, Bd. 16, 

H. 2.) Prüfung mit der von Hürtle angegebenen Methode zum Studium 
der Innervation der Hirngefässe, welche Hormone eine besondere Affinität 
zum Kopfteil des Sympathicus am Kaninchen haben. Auf die Kopf¬ 
arterien wirken nicht, gering oder divergent: der ganze Eierstock, 
Pankreas, Thymus, Thyreoidea, Epithelkörperchen. Regelmässige Er¬ 
weiterungen der Kopfgefässe: Luteoglandol, Epiglandol (Zirbeldrüse). 
Verengerung: Adrenalin und Hypopbysisextrakte, besonders aus dem 
Mittellappen. Es haben also die endokrinen Drüsen des Kopfes beim 
Kaninchen eine besondere Beziehung zu den Kopfgefässen. 

Wirtb. 

0. v. Fürth: Ueber MilehsSureaugseheidung 1h Harae und ihre 
Beziehungen zum Kohlehydratstoffwechsel. (W.k.W., 1914, Nr. 25.) 
Vortrag, gehalten in der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien am 

I. Mai 1914. Referat siehe den Sitzungsbericht. P. Hirsch. 


Pharmakologie. 

W. L. Sy mes - London: Ueber die Wirksamkeit nid Haltbarkeit 
der Digitalistiaktar. (Brit. med. jouro., 20. Juni 1914, Nr. 2790.) 
Schwache Tinkturen behalten ihre Wirksamkeit besser als starke; in 
einigen beginnt die Abnahme schon nach einem Monat. Die Stärke der 
Tinkturen ist sehr verschieden, dooh sind nur wenige unter der Norm. 
Es wird bestätigt, dass eins der wirksamsten wasserlöslichen Glukoside 
sehr unbeständig ist; die alkoholische Lösung der weniger wirksamen ist 
beständiger. Es würde vielleicht praktischer sein, die Tinktur mit 
einem frischen Infus zusammen zu geben als die Tinktur allein in allzu 
grosser Dosis. Weydemann. 

G. Bry-Breslau: Ueber die respiratioiserregeade Wirkug 
Phenyläthylaminderivaten. (Zschr. f. exper. Path. u. Ther., 1914, 
Bd. 16, H. 2.) Von Phenyläthylaminderivaten erregen, Hunden und 
Katzen intravenös gegeben, besonders stark das Atmungscentrum: I. p- 
Oxyphenyläthyl-benzylamin, II. p-Oxyphenylätbyl-3 methoxy-4 oxyben- 
zylamin, III. Aminoinethylhydrinden. Die Stoffe wirken auch am atropioi- 
sierten Tier und bei Respirationslähmung durch Stoffe der Morphingruppe. 
Sonst tödliche Ghloralhydratdosen werden nach Injektion von II oder III 
überstanden. Auch Hordenin beschleunigt die Atmung, Adrenalin^ da¬ 
gegen nicht. II und III wirken uteruskontrahierend, und zwar stärker 
als Oxyphenyläthylamin (Uteramin-Burman). Wirtb. 

M. H. Fraser - London: Bemerkungen zu zwei Fällen von Veroill- 
vergiftung. (Lancet, 20. Juni 1914, Nr. 4738.) Ein tödlicher und ein 
geheilter Fall. Beide zeigten starke Nierenstörungen, die im geheilten 
Falle völlig vorübergingen. In dem tödlichen war das Epithel der ge¬ 
wundenen Kanälchen deutlich degeneriert, d. h. KernfärbuDg fehlte völlig, 
die Zellen waren von der Unterlage gelöst, das Lumen der Kanälchen 
war mit körnigem Ditritus gefüllt, aber es war keine Blutüberfüllung 
vorhanden, keine interstitiellen Veränderungen uod die Glomeruli 
schienen normal. Weydemann. 


Therapie. 

W. Hühier - München: Das neue Abführmittel Istizil. (Ther. d. 
Gegenw., Juni 1914.) Empfehlung als Abführmittel mit prompter 
Wirkung ohne Nebensymptome. Es wirkt auf den Dickdarm ohne Be¬ 
lästigung des anderen Verdauungstractus. Dosis 2 Tabletten ä 0,3 g, 
1V 2 Std. nach dem Abendessen. Wirkung erfolgt im allgemeinen nach 
10 Std. R. Fabian. 

F. Fischer - Düsseldorf: Ueber Pellidol nnd Azodolen bei der 
Behandlung der Ulcera ernris. (Derm. Zbl., Mai 1914.) Pellidol wirkt 
am schnellsten bei den oberflächlichen Ulcerationen und am besten bei 
den empfindlichen und schmerzhaften Geschwüren. Azodolen gebrauche 
man nur bei nicht schmerzenden Geschwüren, falls Desinfektion nötig 
ist, oder als Adstringens. 

Eschweiler - Düsseldorf: Pemphigus vulgaris; Heilung durch 
Neosalvarsaninjektionen. (Derm. Zbl., Juni 1914.) Nach vier Neo- 
salvarsaniDjektionen von 0,3—0,75 trat vollständige Heilung ein. 

J. Mey er - Berlin: Beitrag zur Behandlung juckender DemttosW« 
(Derm. Zbl., Juni 1914.) Verf. empfiehlt die wiederholte intravenöse 
Injektion der Ringer’schen Lösung: Natr. chlorat. 8,0, Calc. chlorat. 
0,1, Kal. chlorat. 0,075, Natr. bicarbon. 0,1, Aquae dest. ad 100,0 oder 


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UMIVERSITY OF IOWA 




18. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1327 


deren Modifikation: Natr. ohiorat 7,5, Kal. ohiorat. 0,1, Calc. ohiorat. 0,2, 
Aquae dost, ad 1000,0. Immerwahr. 

E. Vogt-Dresden: Erfahrungen mit Coagnlen (Kocher-Fonio). 

1914, Nr. 26.) Bei gynäkologischen Operationen hat sich das 
Coagnlen dem Verf. sehr bewährt. Besonders plastische Operationen 
in der Vagina, bei denen parenchymatöse Blutungen sonst sehr stören, 
können ohne eine einzige Ligatur oder Umstechung ausgefübrt werden. 
Die 10 proz. frisch bereitete Lösung wird einige Minuten aufgekocht und 
dann mit Rekordspritze direkt auf die blutende Stelle gespritzt Schäd¬ 
liche Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Wolfsohn. 

Herzberg-Berlin: Ueber die Behandlung einiger vaginaler 

Affektionen mit Pittylenbolus. (Ther. d. Gegenw., Juni 1914.) Das 
Präparat wird als lOproz. Pittylenbolus von den Lingner-Werken in 
Dresden in den Handel gebracht. Besonders günstige Erfahrungen beim 
Fluor albus. R. Fabian. 

p. Wiehmann -Hamburg: Die Bewertung der Röntgen strahlen in 
der Therapie des tiefgreifenden Hantferehses. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) 
Auf Grund seines klinischen Materials kommt Verf. zu dem Resultat, 
dass den Röntgenstrahlen in der lokalen Therapie des Krebses allein 
keine souveräne Bedeutung zuerkannt werden kann. Abgesehen von 
operativen Eingriffen werden neben den Röntgenstrab len andere Strahlungs¬ 
faktoren, besonders die radioaktiven, unentbehrlich sein. Schliesslich 
spricht auch weder die Kostenfrage noch die Einfachheit der Technik 
zugunsten der Röntgentherapie. 

Reineke- Leipzig: Zur Frage der Einwirkung der Röntgen- ind 
Radiimstrahlen auf innere Organe, insbesondere auf die Milz. 

(D.m.W., 1914, Nr. 26.) Im Tierexperiment reagiert das Follikelgewebe 
der Milz auf Strahlenbehandlung fast stets. Die Kerne der Lympho- 
cyten zerfallen und verschwinden durch Phagocytose. Dieser Vorgang 
ist nach längstens 24 Stunden abgeschlossen. Nach Ablauf dieser Zeit 
ist der charakteristische Kernzerfall nicht mehr sichtbar. Das lympha¬ 
tische Gewebe regeneriert sich sehr schnell. Die Regeneration ist nach 
etwa 4 Wochen bereits vollendet. Beim Menschen liegen die Verhält* 
oisfle vermutlich ähnlich. Aus negativen Sektionsbefunden kann man 
demnach nicht ohne weiteres schliessen, dass keine Reaktion der Gewebe 
8tattgefuuden hat. Wolfsohn. 


W. Sobernheim: Die Behandlung der Kehlkopftnberkulose nach 
Pfaniemtill ud nach Friedmann. (Tber. d. Gegenw., Juni 1914.) 
Aus den angeführten Krankengeschichten ist zu ersehen, dass nur die 
Lupusbehandlung mit H 2 0 2 und JK ein gutes Resultat zeitigte. Mit der 
Inhalationstherapie (Ozon -f- KJ) konnte bei einzelnen Fällen von Kehl¬ 
kopftuberkulose eine leiohte Besserung erzielt worden, von der es aber 
keineswegs feststand, dass sie auf diese Behandlungsmethode zurückzu¬ 
führen sei. Ueber die Wirkung des Friedmann’schen Mittels bei Kehl¬ 
kopftuberkulose will Verf. bei der geringen Anzahl der Fälle kein ab¬ 
schliessendes Urteil abgeben. Bei den angewandten Fällen hat das 
Mittel völlig versagt. 

R. Mühsam und E. Hay ward - Berlin: Erfahrungen mit dem 
FriedBann’schea Taberknlosemittel bei chirurgischer Tuberkulose. 
(Tber. d. Gegenw., Jun» 1914.) 15 Fälle. Der einzige Fall, welcher 
lediglich durch das Friedmann’sche Mittel wesentlich gebessert 
wurde, betraf eine tuberkulöse Peritonitis beim Kinde. Nach Ansicht 
der Verff. ist aber gerade bei dieser Art der Erkrankung ein genaues 
Urteil über die tatsächliche Besserung des pathologisch-anatomischen 
Zustandes nicht zu geben. In den übrigen Fällen erlitt weder der ört¬ 
liche Befund noch der Allgemeinzustand eine wesentliche Aenderung. 
Die Injektionen sind nicht ungefährlich, das Mittel selbst nicht ein¬ 
wandfrei (Streptokokkennachweiss). Die meisten Patienten litten recht 
erheblich unter den Folgen der Injektion und kamen in ihrem All¬ 
gemeinbefinden zurück. Gelegentlich wurden Hämaturie, Durchfälle, 
Hautaasschläge beobachtet. Verff. lehnen das Friedmann’sche Mittel bei 
der Behandlung chirurgischer Tuberkulosen als ungegeignet und 
wirkungslos ab. R. Fabian. 


F. Rosenfeld - Stuttgart: Erfahrungen über F. F. Friedmann’s 
mH* nd Schutzmittel. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Bericht über 
«Lungentuberkulosen. Keine wesentlichen Erfolge. Meist trat Abscess- 
Hdnng an der Injektionsstelle auf. Eindeutige Besserungen wurden bei 
wei Fallen von Drüsentuberkulose erzielt. 


®oMoim - Hamburg: Zur Behandlung der Tuberkulose mit 
n,™ r °t«;TrtMke , badll«i nach Piorkowski. (D.m.W., 1914, 
n« u’i , . ^er *0 Fälle, die seit 2 Monaten behandelt werden, 
ah* t • ,st ^ l ^ eren t» wacht Infiltrate und Fieberreaktion, hinterlässt 
r 1161111011 dauernden Schaden. Erfolge wurden zum Teil gesehen. 
r Wolfsohn. 

iIm fl ! n * maDn ' Duisburg: Weitere Erfahrungen über die Behandlung 
bfinVHt Salvarsai. (Ther. d. Gegenw., Juni 1914.) Verf. 

«U j- u . ¥eiter 6 47 mit Salvarsan behandelte schwere Scharlach- 
fcuriaem P mU k & r09ser Prostration, hohem Fieber, frequentem Puls, 
sind zw ■ n * m un d einer schweren Angina einhergingen. Von diesen 
KranVh e, f r 0r * )en ' * m K anaen ist eine günstige Beeinflussung der 
Kemeinhiß •, estzust ?M® n - > Der Fieberverlauf wird abgekürzt, das All¬ 
zurück tv zei ^ ei “ e Besserung, die nekrotisierende Angina geht 
Stunden i- 10 . is b etra gt 0,15 Neosalvarsan intravenös, Dach zwölf 
3 Taven k ^? sis eventue,i 0,3. Mehr als 0,8 Neosalvarsan in 

wirkniwr*« u i rr 61 ** allgemeinen nicht verwendet. Ueble Neben- 
geD hat Vert niemals beobacht* R. Fabian. 


Assmy-Chunking: Zur Frage der Enetinbehandlang der Lamblien* 
rnbr. (M.ra.W., 1914, Nr. 25.) Die von M. Mayer in Nr. 5 der 
Münchener med. Wochenschrift berichtete Heilung von Lamblienrubr 
durch Emetio kann man nicht ohne weiteres als spezifisch ansehen; 
A. sah einen Fall ohne Therapie genesen. Dünner. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

Glaser - Augsburg: Ueber die Nervenverzweignngen innerhalb der 
GefHsswand. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 50, H. 5 u. 6.) Empfehlung 
von Rongalitweiss zur Färbung. Nachweis von Nerven bis in die Intima 
und an den Gapillaren, während Ganglienzellen sich nur in den ober¬ 
flächlichen Schichten der Adventitia von Organarterien finden. Gute Ab¬ 
bildungen. K. Krön er. 

E. Frankel-Hamburg: Bemerkungen über die chronische ankylo¬ 
sierende Wirbelsäulen venteifug. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) Demon¬ 
stration in der Sitzung der biologischen Abteilung de9 ärztlichen Vereins 
zu Hamburg am 19. Mai 1914; cf. B.kl.W., 1914, Nr. 25. 

Dünner. 

E. C. van Leersum und J. R. F. Rassers - Leiden: Beitrag zur 
Kenntnis des experimentellen Adrenalinatberoms. (Zschr. f. exper. 
Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Wenn man bei Kaninchen Ad¬ 
renalin intravenös in einer Verdünnung 1:200000 mit einer Ge¬ 
schwindigkeit von 2 ccm pro Minute 45 Minuten lang einströmen lässt, 
so werden selbst mehrfache Injektionen gut vertragen und der Blut¬ 
druck nimmt nur wenig zu. Unter dieser Versuchsbedingung kommt es 
zu keiner pathologisch-anatomischen Gefäss- oder Herzveränderung. Die 
von Josue nach stärkerer Adrenalinzufuhr, besonders an der Aorta ge¬ 
fundenen Gefässwandveränderungen sind daher mechanische Folgen der 
starken Zunahme des Aortendrucks infolge der Kontraktion der peri¬ 
pheren Gefässe. Das spontane Atherom bei Tier und Mensch kann hier¬ 
durch nicht erklärt werden. 

Stüber-Freiburg i. B.: Experimentelles Ulcus ventrienli. (Zu¬ 
gleich eine neue Theorie seiner Genese.) (Zschr. f. eiper. Path. u. Ther., 
1914, Bd. 16, H. 2.) Es gelingt, an Hnnden durch operative Pylorus- 
insuffizienz und bei alkalisch-fleischfreier Ernährung typische Magen- 
ulcera zu erzeugen. Diese treten nicht auf bei gleichzeitiger reiner 
Fleischkost, ferner nicht bei alkalisch-fleischfreier Diät und totaler Ab¬ 
bindung des Pankreas vom Duodenum; wohl aber an nicht operierten 
Tieren nach Trypsinfütterung. Es handelt sich also um Ulcera tryptica. 
Die erste Wirkung des Trypsins auf die Magenschleimhaut sind Reizung 
und Hämorrhagien. Für die Pathologie mancher menschlicher Ulcera 
wird eine neurogone Pylorusinsulfizienz mit Pankreassaftrückschluss als 
wahrscheinliche Ursache angenommen. Wirth. 


Diagnostik. 

F. Jessen-Davos: Zur Lokalisation von Lnngeneavernen und 
Langenabscessen. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) Die Lokalisation ist mit Hilfe 
des Fürstenau’scben Apparats möglich, bei dem zwei Aufnahmen auf 
einer Platte mit einer seitlichen Röhrenverschiebung von 6,5 cm gemacht 
werden. Abbildungen. Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie. 


R. Möllers - Strassburg i. E.: Der Typus der Tnberkelbacillen bei 
der Tuberkulose der Langen and Bronehialdräsen. (D.m.W., 1914, 
Nr. 26.) In 7 Fällen von Lungentuberkulose und in einem Fall von 
Bronchialdrüsentuberkulose konnte Verf. den Typus bumanus züchten. 
Aus der ganzen Literatur wurden 974 Fälle von Lungen- bzw. Bronchial¬ 
drüsentuberkulose gesammelt, von denen 967 humane Bacillen hatten, 
nur 5 bovine und 2 beide Typen. Diese interessante Statistik zeigt die 
Richtigkeit der Koch’scben Auffassung, dass die Perlsucbt des Rindes 
für die Erkrankung des Menschen an Lungentuberkulose nur von unter* 
geordneter Bedeutung ist. Wolfsobn. 

F. Schenk - Prag: Ueber den Nachweis von Abwehrfermenten 
(Abderhalden) in antibakteriellen Immnnseren. (W.kl.W., 1914, 
Nr. 25.) Es ist dem Verf. nicht gelungen, im Serum von Kaninchen! 
welche mit Bakterien vorbehandelt wurdeD, eine Fermentreaktion im 
Sinne Abderhalden’s zu erzielen. Ob dies jedoch bei anderen Tieren 
bzw. beim Menschen nicht doch gelingt, kann auf Grund der Versuche 
nicht gesagt werden. p. Hirsch. 


J. M. Albary - Paris: Ein Taberknloseimpfstoff. (M.m.W., 1914, 
Nr. 25.) A. hatte früher gefunden, dass eine Mischung Tuberkulin mit 
normalem Mensohenserum eine geringere Reaktion bei tuberkulösen Meer¬ 
schweinchen entfaltet, als Tuberkulin allein. Eine Mischung von Tuber¬ 
kulin mit Tuberkuloseserum schien nach weiteren Versuchen eine 
immunisierende Eigenschaft zu haben. Das veranlasste zu thera¬ 
peutischen Versuchen an Menschen, die A. für vielversprechend ansieht 


Dünner. 

H. Beumer: Das Dialysierverfahren Abderhalden’s bei Raebitin 
n« Tctaii«. (Zschr. /. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 2.) Untersuchungen 
des Serums von Kindern mit Rachitis oder mit Rachitis und Tetanie er 
gaben negative Reaktion mit Epithelkörperchen, Hypophyse Hoden 
Schilddrüse und Nebennieren von Oohsen, Kälbern und Pferden* Thymus 


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UNIVERSUM OF IOWA 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


(vom Kalb) wurde mehrmals abgebaut (unspezifische Reaktion). Nur in 
einem Falle von Tetanie, in dem Karpopedalspasmen bestanden, wurden 
Epithelkörper schwach abgebaut. Orgler. 

P. Hüssy-Basel: Eine Vereinfachung der Sehwangerschaftsdiagnose 
nach Abderhalden. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 25.) Die Resultate der 
Methode Abderhalden’» hält Verf. für so zuverlässig, dass dieselben 
Gemeingut werden sollten. Die grösste Schwierigkeit ist die Darstellung 
einer einwandfreien Placenta. Die Höchster Farbwerke haben sich be¬ 
müht, ein trockenes und einwandfreies Placentareiweiss zu schaffen. Es 
ist ein gelbliches Pulver, das in kleinen Röhren aufbewahrt wird. Es 
wurde in eine Hülse nur Serum, in eine Serum und gewöhnliche Pla¬ 
centa, in die dritte Serum und 0,5 Placentareiweiss siccum Höchst ge¬ 
bracht. Die Resultate waren sehr günstig und die Farbenreaktion viel 
deutlicher als mit der alten Placenta. Wahrscheinlich kann man auch 
mit geringeren Mengen auskommen, und die von den Farbwerken ge¬ 
lieferten Röhrchen zu 0,25 g benutzen. Die Technik wird noch genauer 
beschrieben, und über 22 gelungene Versuche berichtet. Wesentlich ist 
die ungeheuere Zeitersparnis. Siefart. 

A. Schawlow - Riga: Beiträge zur serologischen Frühdiagnose des 
Carcinoms vermittelst des Abderbalden’schen Dialysierverfahrens. 
(M.m.W., 1914, Nr. 25.) S. hält das Abderhalden’sche Verfahren für 
zuverlässig; er hatte unter 40 Magencarcinomen 3 Fehldiagnosen, von 
im ganzen 64 Carcinom- und Sarkomfällen nur 4 Fehldiagnosen. 

Dünner. 


Innere Medizin. 

E. Neisser - Stettin: lieber fortlaufende Krankenbeobachtang. 
(Ther. d. Gegenw., Juni 1914.) Vortrag, gehalten in der Vereinigung 
ärztlicher Krankenhausdirektoren am 15. März 1914 zu Hamburg. 

R. Fabian. 

W. Frehn-Davos: Zur Technik der Anlegung des künstlichen 
Pneumothorax. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) Eine Methode, die die Ent¬ 
stehung der Luftembolie verhindern soll. Sie besteht dariD, scharf 
durch die Haut, halbscharf durch die Muskulatur und Fascia thoracis 
profunda bis in die Intercostalmuskulatur und stumpf durch die Pleura 
vorzudringen. Abbildung eines Instruments. Dünner. 

0. Frank und N. v. Jagic-Wien: Zur Pnenmothoraxtberapie der 
Lungentuberkulose. (W.kl.W., 1914, Nr. 25.) Nach einer am 4. öster¬ 
reichischen Tuberkulosetag in Wien im Mai 1914 gehaltenen Demon¬ 
stration. Die Verff. haben experimentelle Studien an Hunden angestellt, 
auf Grund derer sie die Indikationsstellung zur Vornahme der Pneumo¬ 
thoraxtherapie erweitern möchten. Sie sind der Ansicht, dass diese 
Therapie auch bei leichteren, einseitigen Prozessen in Erwägung zu ziehen 
ist, ohne dass man befürchten müsse, die gesunden Partien des Unter¬ 
lappens so weit zu schädigen, dass für später eine ungünstige Beein¬ 
flussung zu erwarten wäre. P. Hirsch. 

Magnus-Levy - Berlin: Ueber ungewöhnliche Verkalkung der 
Arterien. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Vortrag, gehalten im Verein für 
innere Medizin in Berlin am 16. März 1914. Wolfsohn. 

K. Brandenburg und A. Laqueur -Berlin: Ueber die Aenderungen 
des Elektrocardtogramms von Herzkranken durch Kohles Säurebäder. 

(Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Beobachtungen mit 
dem Elektrocardiographen von Siemens & Halske unmittelbar vor bis 
10 Minuten nach einem koblensauren Bade unter gleichzeitiger Bestim¬ 
mung von Blutdruck, Leitungswiderstand der Haut und Zwerchfellstand. 
Bei Herzkranken ohne besondere nervöse Störungen wird gefunden: Blut¬ 
drucksteigerung, häufig Tiefertreten der unteren LungeDgrenzen, erheb¬ 
liche Zunahme des Leitungswiderstandes der Haut, Erniedrigung der 
Vorkammerzacke und ersten Kammerzacke, Erhöhung der Kammerend¬ 
schwankung. Die Voltzahlen der Vorkammern blieben unverändert, die 
der loitialzacke waren ein wenig, die der Finalscbwankung bedeutend 
erhöbt. Bei rein nervösen Herzbeschwerden wurde gefunden: Meist Er¬ 
höhung der Hautwiderstände, zuweilen Tiefertreten des Zwerchfells, am 
Elektrocardiogramm als nur mittelbare Beeinflussung bei Widerstands¬ 
zunahme eine gleichmässige Erniedrigung aller Zacken und meist kaum 
veränderte Voltwerte. 

0. Roth-Zürich: Untersuchungen über die Entstehung der nervösen 
Extrasystolen. (Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Bei 
einem Herzgesunden werden durch Kombination von Aschner’schem Bulbus¬ 
reflex uDd einer AdrenaliniDjektion ventrikuläre Extrasystolen erzeugt. 
Hierfür kommt nicht die Erhöhung der peripheren Gefässwiderstände, 
sondern Reizung des Accelerans durch Adrenalin in Frage, wobei die 
durch Vagusreizung ausgelöste Pulsverlangsamung die Vorbedingung ist. 

Wirtb. 

H. Strauss: Zur Frage der Diätform in den Krankenhäusern. 
(Zschr. f. phys.-diät. Ther., Juni 1914.) Die Fortschritte in der Diät¬ 
behandlung in den letzten Jahrzehnten mussten auch in den Kranken¬ 
häusern Reformen auf dem Gebiete der Verpflegung herbeifübren. Verf. 
bespricht die Einrichtung der Centralküchen und der Diätküchen, welch 
letztere nicht immer unbedingt erforderlich sind, und gibt eine Ueber- 
sicht über die Reform des Verpflegungsplanes des jüdischen Krankenhauses 
in Berlin, die sich nunmehr bereits 3 Jahre bewährt. Prinzipiell wiohtig 
sind vor alten Diügen ein mit Verständnis durchgeführter Wochenzettel, 
die Veränderung der „zweiten Form“ und eine radikale Umgestaltung 


der dritten Form. Eine ausführliche Schilderung gibt die näheren Einzel¬ 
heiten unter Hinzufügung eines Wochenspeisezettels und eines Tages¬ 
diätzettels. E. Tobias. 

S. W. Konatansoff und E. 0. Manoiloff - St. Petersburg: Ueber 
die Einwirkung der Verdauungsfermente auf das sogenannte Fischgift. 
(W.kl.W., 1914, Nr. 25.) Das Fischgift wird unter der Einwirkung des 
Pepsins und des Trypsins zersetzt, dagegen erweist sich das Erepsin als 
ganz unwirksam. Die Verff. schliessen hieraus, dass das Fiscbgift zu den 
Ei weisskörpern mit sehr kompliziertem Molekularbau gehört. 

P. Hirsch. 

F. Reaoh-Wien: Zur Kenntnis der chronischen Morphinwirking. 
(Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Der Verdauungs- 
traktus eines unter chronischer Morphiumwirkung stehenden Hundes wird 
nach Darreichung eines Kontrastmittels am Röntgenschirm beobachtet. 
Anfangs Verzögerung der Magendarmbewegung und verstärkte Salivation. 
Beide bilden sich später bis nicht ganz zur Norm zurück. Als Abstineoz- 
erscheinung trat eine Verstärkung der Salivation auf. 

K. Dresel und A. Peiper- Berlin: Zur Frage des experimentelles 
Diabetes. Beeinflussung der Zuckermobilisation dnreh Adrenalin und 
PaDkre&sextrakt in der künstlich durchbluteten Leber. (Zschr. f. exp. 
Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Bei Durchblutung der überlebenden 
Hundeleber steigert Adrenalinzusatz den Blutzuckergehalt. Vorheriger 
Zusatz von Pankreasextrakt nach de Meyer hemmt diese Steigerung. 
Die gewählte Methodik der Durchblutung arbeitete mit Unterbrechungen. 

E. Münzer-Prag: Ein Fall von Morbus AddiBonii mit besonderer 
Berücksichtigung der hämodynamischen Verhältnisse nebst Bemerkungen 
zur Lehre von der Aeidose. (Zschr. f. exper. Path. u. Ther., 1914, 
Bd. 16, H. 2.) Mitteilung eines Falles von Morbus Addisonii, beruhend 
auf Nebennierenschwund, ohne Tuberkulose, mit Status lymphaticus. 
Das Schlagvolumen des Herzens war stark vergrössert, die C0 2 -Spannung 
des venösen Blutes stark herabgesetzt, eine Aeidose nicht vorhanden. 

A. J. Ignatowoski und Ch. Monossohn-Warschau: Unter¬ 
suchungen über die Galleuabsoudarungen beim Menschen unter einigen 
Nahrung«- und Arzneimittel!. (Zschr. f. exper. Path. u. Ther., 1914, 
Bd. 16, H. 2.) Em Kranker mit äusserer Gallenfistel, gänzlichem Ver¬ 
schluss des Ductus choledochus, teilweisem Verschluss des Ductus 
Wirsungianus infolge Carcinoma ampullae Vateri et pancreatis bot, da 
die Galle direkt aus der Leber stammte, Gelegenheit zur Beobachtung 
der gallebildenden Funktion der Leber. Die Menge der sezernierten 
Galle schwankt. Das erste Maximum nach dem Mittagessen (Verdauungs¬ 
galle) ist Folge der Sekretinwirkung. Das zweite Maximum nach 5 bis 
6 Stunden (chemische Galle) ist die Leberreaktion auf den Reiz der 
schon verdauten Nahrung. Nach Fleischpulver ohne extraktive Sub¬ 
stanzen tritt das Verdauungsmaximum früher, stärker und mit höherem 
spezifischen Gewicht ein, als nach Zufuhr von Roborat oder Plasmon. 
Fleiscbpulver bindet mehr HCl und PepsiD, daher grösserer Sekretin¬ 
reiz. Nach Plasmon tritt das zweite Maximum früher und stärker auf, 
entsprechend der schnelleren Resorption im Darmkanal. Milch und 
Pflanzeneiweiss sind daher Schonungsdiät für die Leberzelle, Na. sal. 
und Ovagol steigerten die Gallen- und auch Bilirubinmenge, sie reizen 
die Leberzelle. 01. Oliv, steigerte nur die Gallenmenge, nicht das Bili¬ 
rubin. Natürlicher Karlsbader Sprudel verminderte beides, er beruhigt 
gereizte Leberzellen. 

0. Schwarz-Wien: Untersuchungen über die uuekemkretorische 
Funktion der Niere. (Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) 
Prüfung, inwieweit die bisher bekannten Gesetze der Nierenfunktion 
auch für die Zuckerausscheidung Geltung haben. Nach intravenöser In¬ 
jektion von Milchzucker oder dauernder Infusion von Traubenzucker ist- 
für beide Zuckerarten „das Verhältnis der in gleichen Zeiten ausgesebie- 
denen Mengen zu dem noch im Körper verbliebenen Rest konstant*. 
Der Harnzucker steht in keinem Verhältnis zur Blutzuckerkonzentration. 
„Die Vorstellung, dass die Niere als Ueberlaufventil funktioniere, ist für 
die Glykosurie noch immer das angemessenste.“ Da intravenös Mg®* 
führter Zucker (exogenen oder endogenen Ursprungs) zum Teil in die 
Gewebe Übertritt, deren Kapazität für Zucker verschieden ist, wird nicht 
der Zuckerüberschuss im Blut, sondern der im ganzen Organismus als 
bestimmend für die Grösse der Glykosurie angesehen. „Die Schwan¬ 
kungen des Blutzuckers sind nur ein Zeichen zur Veränderung der 
Zuckerkapazität des Organismus, ihr Maass ist die Glykosurie.“ Genügende 
Blutzuckermengen führen zu einer Glomerulusdiurese. Traubenzucker 
ist diuretischer als Milchzucker. Zwischen ausgeschiedenem Zucker und 
Wasser besteht ein annähernd konstantes Verhältnis. Wirtb. 

G. Wulf-Zittau: Hemiplegie bei Abdominaltyphus mit Ausgang in 
Genesung. (M.m.W., 1914, Nr. 25; cf. C. Klieneberger, Aentlicher 
Bezirksverein zu Zittau am 5. Februar 1914, B.kl.W., 1914, Nr. 14.) 

Dünner. 

E. Violin: Bemerkungen zur Debatte über Bergoniä’s Verfahre®- 
(W.m.W., 1914, Nr. 18.) Ia fünf Jahren ist nicht ein einziger Fall von 
Schädigung durch das Bergoniesieren berichtet worden. Das Verfahren 
stellt eine wertvolle Bereicherung der physikalischen Heilmethoden dar, 
das mit allen anderen Methoden das Gemeinsame hat, dass man es 
individualisierend und sachgemäss anwenden muss, um Erfolge zu er¬ 
zielen. Eis n er. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




13. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1329 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Hellpaoh: Die elektrische! Heilwerte. Kritische Bemerkungen 
su Robert Sommer’s „Elektrochemischer Therapie“. (Neurol. Zbl., 
1914» Nr. 11.) Verf. setzt sich polemisch mit Sommer’s elektrochemischer 
Therapie auseinander. 

St. Rose nt al: Zur Methodik der Sehädelkapautätebestimmnng 
mit Hinsioht auf einen Fall von Hirnsohwellung bei Katatonie. (Neurol. 
Zbl., 1314, Nr, 12.) Das Auftreten der Hirnschwellung ist noch nicht 
Yöllig aufgeklärt. R. beschreibt Literatur und Methodik. 

Glaser: Zur klinischen Brauchbarkeit der Lange’sehen Goldsol- 
rcaktion ia der Psychiatrie. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 11 u. 12.) Verf. 
teilt seine Untersuchungsergebnisse mit der Goldsolreaktion bei Paralyse, 
Tabes und Lues cerebri mit; das tabellarisch dargestellte Resultat führt 
su dem Ergebnis, dass die Reaktion, so interessant sie theoretisch ist, 
in der bis jetzt bekannten Form kaum praktische Bedeutung hat. 

E. Tobias. 

M. Rothmann-Berlin: Die Restitntionsvorgänge bei den cere¬ 
bral«! Lftbmingen in ihrer Beziehung zur Phylogenese und ihre thera- 
peutische Beeinflussung. (D. Zschr. f. Nervhlkd., Bd. 50, H. 5 u. 6.) Die 
phylogenetisch alten subcorticalen motorischen Centren haben bei den 
höheren Säugetieren infolge der stärkeren Entwicklung der Grosshim- 
centren und der Pyramidenhahn eine Rückbildung erfahren. Beim Men¬ 
schen können die Extremitätenmuskeln normaliter nur von der Grosahirn- 
rinde aus willkürlich erregt werden. Bei einer cerebralen Lähmung ver¬ 
geht daher eine relativ lange Zeit, bis, infolge langsamer Steigerung der 
Erregbarkeit der subcorticalen Ganglien durch sensible centripetale Im¬ 
pulse, von diesen willkürliche Bewegungen ausgehen. Die heim Menschen 
eigenartige Restitution hängt mit den besonderen Verhältnissen des auf¬ 
rechten Ganges zusammen (am Bein zuerst die Strecker, am Arm die 
Beuger). Die spastischen Kontrakturen gehören nicht notwendig zum 
Bilde der Pyramidenerkrankung. Von den Foci der Rinde gehen die 
Bevegungssynergien aus. Es ist auch nach Ausschaltung der gesamten 
centrifugalen Extremitätenbahn der Grosshirnrinde eine Restitution aktiver 
Bewegungen möglich, infolge Eintretens suboorticaler Centren, allerdings 
erat spät und nur unvollkommen. Alsdann können auch Rindenimpulse 
der gleichseitigen Hemisphäre einwirken. Die Therapie hat diese Im¬ 
pulse auszubilden und zu beschleunigen duroh Uebungsbehandlung und 
der Ausbildung von Kontrakturen entgegen zu wirken. (Lagerung, passive 
Bewegungen, Einübung von Bewegungssynergien, Schüttelbewegungen, 
eventuell Foerster’sehe bzw. Stoffel’sche Operation.) 

Rosenblatt-Cassel: Zur Pathologie der Encephalitis acuta. (D. Zschr. 
f. Nerrhlk., Bd. 50, H. 5. u. 6.) Eingehende Beschreibung mehrerer Fälle 
von Encephalitis acuta, die zum Teil erst durch eingehende mikroskopi¬ 
sche Untersuchung als solche festzustellen waren. Genaue Analyse der 
Infektionswege, die nicht selten eine starke Schädigung des Nerven¬ 
gewebes bei relativem lutaktbleiben der Gefasswände bedingen (z. B. bei 
der sog. Hirnpurpura Schmidt ’s). 

Neue-Greifswald: Biologische Reaktionen bei syphilogenen Er- 
kraikngen des Centralnervensystems. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 50, 
H.5 u. 6.) Die Auswertungsmethode nach Hauptmann gibt bei pro¬ 
gressiver Paralyse in 100 pCt. positives Resultat, bei Tabes und Lues 
cerebro-spinalis in der grossen Mehrzahl der Fälle. Bei nichtluetischen 
organischen Cerebrospinalerkrankungen gibt der Liquor keine Hemmung 
der Hämolyse, auch nicht bei früherer Lues und positiver Wassermann¬ 
scher Reaktion im Blutserum. Eine erst mit grösseren Liquormengen 
positive Wassermann’sche Reaktion spricht mehr für Lues cerebri. Der 
Weil-Kafka’schen Reaktion kommt eine gewisse differential-diagnostische 
Bedeutung zu für die Frage: Lues cerebri oder Paralyse? Die Abder- 
hajden’sche Reaktion scheint bei Lues cerebri nur mit Gebirnsubstrat, 
bei Paralyse auch mit anderen Organen positiv auszufallen. Ueber die 
Luetinreaktion sind weitere Untersuchungen erforderlich, ebenso über die 
Goldsolreaktion. K. Krön er. 

A. Stern: Ueber eine Schussverletsung des Thalamns opticus 
nebst Bemerkungen über Tractushemianopsie. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 11.) 
Als Folge einer Sohussverletzung der rechten Schädelseite bestehen 
Pyramidensymptome der linken Körperseite, totale Hemianaesthesia sin. 
nnd Hemiataxie, Hemiathetosis sin., Hemianopsia sin., Störungen der 
Sympathicusinnervation usw. Es handelt sich um eine Schussverletzung 
im umkreis des rechten Thalamus optious. E. Tobias. 

J* H. Clarke und J. 0. Symes - Bristol: Eine kleine Epidemie 
JJl CerekrospiDalmeaingitis. (Brit. med. journ., 13. Juni 1914, Nr. 2789.) 
wfl Behandlung bestand in häufigen Lumbalpunktionen und Injektion 
von Antimeningokokkenserum. In 4 Fällen wurde neben den Meningo- 
Mkken n °ch eine Leptothrixart gefunden, die nach ihrem Verhalten bei 
wr Kultur beschrieben wird, und die sich von anderen bisher bei der 
Meningitis cerebrospinalis epidemica gefundenen Leptothrixarten unter- 

Werdemann. 

St. flaschen - Wien: Ein Beitrag zur Aetiologie der mnltiplea 
'«•MW. (Zschr. f. ezpsr. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) 18 Fälle 
L,. n,m J^Pl er Sklerose (nacheinander zugegangen) hatten gleichzeitig eine 
liehet weisbare tuberkulöse Spitzenaffektion. Es wird an die Mög- 
v„i- Zusammenhanges zwischen multipler Sklerose und tuber- 

Infektion gedacht. Wirth. 

K Leipzig und Handmann - Doebeln: Ein Beitrag zur 

“DtBis der sog. Psendosklerose mit gleichzeitiger Veränderung der 


Hornhaut und der Leber. (D. Zsohr. f. Nervhlk., Bd. 50, H. 5 u. 6.) 
Im Gegensatz zur echten multiplen Sklerose fehlen: OpticuBatrophie, 
Steigerung der Sehnenreflexe, Babinski, Nystagmus, Ataxie. Das Zittern 
beruht auf einer Störung der normalen Antagonistentätigkeit (ungleich¬ 
zeitige Innervation), die Rigidität ist eine Antagonistensteifigkeit. Der 
motorische Symptomenkomplex beruht offenbar auf einer Läsion der 
motorischen Centralganglien. K. K’roner. 

Antoni: Adrenalin nnd Pupille. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 11.) 
Adrenalin hat bei Einträufelung ia den Conjunctivalsack im allgemeinen 
keine pupillenerweiternde Wirkung. Verf. berichtet über die Ausnahmen 
von dieser Regel, die er in drei Gruppen teilt, und teilt eigene Re¬ 
sultate mit. E. Tobias. 

W. L. Braddou und E. A. Co Oper: Der Einfluss des gesamten 
Verbrennnngswertes einer Nahrung auf die zur Verhinderung von Beri- 
ßeri erforderliche Vitaminmenge. (Brit. med. journ., 20. Juni 1914, 
Nr. 2790.) Vorläufige Mitteilung. Bei Verdoppelung der Kohlehydratmenge 
der Nahrung wurde der Ausbruch der Polyneuritis um das Zwei- bis 
Vierfache beschleunigt. Die Menge der antineuritischen Substanz, die 
der Körper braucht, wächst mit der Menge der aufgenommenen Kohle¬ 
hydrate. Die antineuritische Substanz wird während des Kohlehydrat¬ 
stoffwechsels in irgend einer Weise verbraucht. Zur Erhaltung der Ge¬ 
sundheit muss daher die Einnahme der aktiven Substanz im Verhältnis 
stehen zu der eingenommenen Kohlehydratmenge, sonst tritt Beri-Beri auf. 

Wey demann. 


Kinderheilkunde. 

Tobler-Breslau: Die Behandlung des ahnten Infektionszustandes 
im Kindesalter. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Klinischer Vortrag. 

Wolfsohn. 

J. v. Friedjung: Kritische Beiträge zur Lehre von der Masern- 
erkranknng. (W.m.W., 1914, Nr. 18.) Die allgemein angenommene Lehre 
von der fast ausnahmslosen Disposition der Menschen für die Masern¬ 
erkrankung ist dahin zu ergänzen, dass sich einzelne Individuen dauernd 
als masernfest erweisen, andere als temporär immun. Nicht selten dürfte 
eine temporäre Immunität vorgetäuscht werden, wenn das Masemvirus 
zur Infektion quantitativ nicht ausreichte. Die von Pan um sicher¬ 
gestellte Inkubation der Masern von 13—14 Tagen wrird nicht allzu 
selten überschritten und kann bis zu 21 Tagen betragen. Die Ursache 
hierfür ist wohl eine familäro herabgesetzte Empfänglichkeit für das 
Maserngift. Wiederholte Masernerkrankungen and Recidive kommen, 
wenn überhaupt, ausserordentlich selten vor. Eisuer. 

Z. v. Bokay: Ueber eine besondere Form der Alveolardiphtherie 
bei Säuglingen. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 3.) Zwei Fälle 
von primärer Alveolardiphtherie, die mit starkem hämorrhagisohen 
Oedem, das stellenweise cystenähnlichen Umfang annahm, begann. 

Orgler. 

Th. Gött - München: Psychotherapie in der Kinderheilkunde. 
(M.m.W., 1914, Nr. 25.) Nach einem am 27. Mai 1914 in der Münchener 
Gesellschaft für Kinderheilkunde gehaltenen Vortrag. Dünner. 

H. Vogt-Magdeburg: Zur Behandlung der Langen tuberkulöse im 
Kindesalter. (Ther. d. Gegenw., Juni 1914.) Naoh einem Vortrag in 
der mediz. Gesellschaft zu Magdeburg. Verf. behandelt ausführlich die 
Regelung der Ernährung, die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax 
und die Tuberkulinbehandlung. R. Fabian. 

M. Strassberg-Wien: Zur Behandlung der Vulvovaginitis gonor¬ 
rhoica infantum. (W.kl.W., 1914, Nr. 25.) Die Vaccinetherapie ist am 
Anfang der Erkrankung, so lange der Prozess oberflächlich sitzt, un¬ 
zweckmässig. Im späteren Verlaufe kann sie, allein oder in Verbindung 
mit geeigneter Lokaltherapie, Heilwirkung erzielen. Die von Bruck 
angegebene Gaviblentherapie ist für die lokale Behandlung der Krankheit 
sehr geeignet. P. Hirsch. 

H. Koch und W. Schiller: Ueber die Reaktionsfähigkeit tuber¬ 
kulöser Hantstellen auf Tuberkulin. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, 
H. 2.) Zum Referate nicht geeignet. 

Th. Franz und A. v. Reuss: Beiträge zur Kenntnis des Harns 
der ersten Lebenstage. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 3.) Der 
erste von Neugeborenen gelassene Urin enthält ungefähr in der Hälfte 
der Fälle einen durch Essigsäure fällbaren Körper. In den späteren 
Harnportionen konnte in etwa 77 pCt. der Fälle der durch Essigsäure 
fällbare Körper naebgewiesen werden, und in 98,5 pCt. gelang der Nach¬ 
weis auf eiweissfällende Substanz, am 8. Tage konnte kein Eiweiss mehr 
nachgewiesen werden und nur in 37,5 pCt. war noch die eiweissfällende 
Substanz nachweisbar. Verf. sehen in dieser Eiweissausscheidung einen 
physiologischen Vorgang und machen die intra partum auftretenden 
CirculationsstÖrungen dafür verantwortlich. Die Nylander’sche Probe 
war negativ, nur bei 2 Zangengeburten fanden sich am ersten Lebens¬ 
tage im Urin geringe Mengen eines reduzierenden Körpers (Nylander 4-, 
Phenylhydrazinprobe —). Indikanreaktion und Nitratreaktion mit Di- 
phenyldiamin war im Harn der ersten Lebenstage, namentlich zur Zeit 
der Uebergaugsstühle, sehr häufig positiv. Orgler. 

F. Lesser und R. Klages - Berlin: Ueber ein eigenartiges Ver¬ 
halten syphilitischer Neugeborener gegenüber der Wassermann’sehen 
Reaktion. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) In. der Hälfte der Fälle reagiert 
das Nabelvenenblut luetischer Föten mit Aetber-Organextrakt positiv 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1830 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


mit alkoholischen Extrakten fötaler Organe hingegen negativ. Derartige 
Befunde sind stets als positiv anzusehen. Der Unterschied der Re¬ 
aktionen wird wahrscheinlich durch die verschiedenen alkohol- bzw. 
ätherlösliehen Lipoide erklärt. Prinzipiell sollte jedes Serum mit alko¬ 
holischen und ätherischen Extrakten geprüft werden. Findet man dabei 
nur einen positiven Ausfall, so ist dieser maassgebend. 

Wolfsohn. 

J. A. Schab ad: Der Stoffwechsel bei der angeborenen Knochen¬ 
brüchigkeit (Osteogenesis imperfecta). (Zschr. f. Kindblk., 1914, Bd. 11, 
H. 3.) Nach ausführlicher Besprechung der vorliegenden Literatur wird 
ein eigener Fall eines 10jährigen Mädchens beschrieben, an der inner¬ 
halb von 2Vz Jahren 12 Stoffwechselversuche vorgenommen wurden, die 
Kalkretention war niedriger als normal; eine Besserung der Kalkretention 
wurde durch Phosphorlebertran und das Hypophysochrom erzielt; doch 
traten während der Anwendung des letzteren Präparates eine neue 
Fraktur und Durchfälle auf, so dass Verf. von seiner Anwendung abrät. 
Schilddrüsenpräparate batten keinen Einfluss, Arsen (Sol. Fowleri) in 
einem Versuch einen sehr günstigen, in zwei späteren einen geringen 
Einfluss auf die Kalkretention. Phosphorlebertran -f- Calc. acet. zeigten 
keine Besserung der Kalkretention gegenüber Phosphorlebertran allein. 

_ Orgler. 


Chirurgie. 

H. Meyer: Ein Fall von Totalloxation der Halswirbelsäale. 
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Mitteilung eines einschlägigen Falles und 
der in der Literatur beschriebenen Fälle. Besprechung des Mechanismus 
der Entstehung. Die Therapie leistet bei ganz vorsichtiger, langsamer 
Suspension mit Gegenzug in Scopolamin-Morphium-Aethernarkose Vor¬ 
zügliches. 

W. Meyer: Der Siegeszug der Beckenhochlagerung. (D. Zschr. f. 
Chir., Bd. 129.) Mitteilung, dass die Beckenhochlagerung sich in Amerika 
schneller einbürgerte als bei uns in Deutschland. An der Hand von 
Trendelenburg’s und von eigenen Arbeiten würdigt Verf. die Vor¬ 
teile der Lagerung. Zu unterlassen ist diese bei schweren Gefäss- und 
Herzveränderungen sowie bei Dickleibigen. 

E. Grunert*. Zur Beckenhochlagerung. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) 
Uebersicht der in der Literatur niedergelegten Vorteile und Nachteile 
der Beckenhochlagerung. Diese soll im allgemeinen nicht langer als 
10 Minuten dauern, besonders bei alten und schwachen Personen. 
Weiterhin soll sie beim Schluss der Bauchdecken aufgegeben werden, 
und fette Personen soll man nie in dieser Lage operieren. 

v.Gaza: Ueber ein solitäres Stammnearom des Plexus brachialis 
und über die Symptomatologie der Wurzeldurchflechtungs- und End- 
lähmungen des Plexus. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Die solitären 
Stammneurome sind Bindegewebsgeschwülste, die bisweilen maligne ent¬ 
arten und zur Kachexie führen können (Sarkom). Die multiplen 
Neurofibrome sind kongenitale Entartungen des Eüdo-, Peri- oder Epi- 
neuriums. Je nach ihrem Sitz können sie an den betreffenden Nerven 
radikuläre oder Wurzellähmuog des Plexus, Durcbflechtungs- oder totale 
Lähmungen des Nerven hervorrufen. 

Becker: Ueber den osteoplastischen Verschliss retroaurienlärer 
Oeffanngen nach Antramoperationen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) 
Die bisher üblichen Methoden leisten nicht Genügendes. Verf. hat des¬ 
halb nach völligem Aufhören der Eiterung das Narbengewebe rings von 
der Höhle abgelöst und dasselbe dann durch einige Nähte verschlossen. 
Danach hat er einen Periost-Knochenlappen aus der Umgebung gebildet, 
diesen über den Defekt geschlagen und dann die Haut vernäht. Erfolge gut. 

A. Barth: Meine Erfahrungen über Kehlkopfkrebs. (D. Zschr. f. 
Chir., Bd. 129.) In der Operation, bestehend in Laryngofissur mit Ex¬ 
stirpation der Geschwulst oder in Entfernung des ganzen Kehlkopfes, 
ist das Ideal der Behandlung zu sehen. Pflicht der Aerzte ist es, früh¬ 
zeitig au Carcinom zu denken, eventuell die Kranken dem Spezial¬ 
kollegen zu überweisen. 

Hackenbruch: Oertliche Sch merz Verhütung bei Bauchoperationen. 

(D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Besprechung der bei den verschiedenen 
Bauchoperationen in Betracht kommenden UmspritzuDgsmethoden nebst 
Illustrationen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber der Narkose ist in 
der Verminderung der Schwere und Anzahl der Lungenaffektionen so¬ 
wie in der Verminderung der Emboliegefahren zu sehen. 

W. Meyer*. Zur Chirurgie des Wnrmforfsatzes. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 129.) Einen nach oben und hinten geschlagenen, gegen die Unter¬ 
lage fest adhärenten Appendix erreicht man nach Verf. spielend leicht, 
wenn man von der Spina ant. sup. aus parallel dem Darmbeinkamm 
einen entsprechend langen Schnitt macht, der scharf alle Gewebe durch- 
trennt. Verf. illustriert diese Operationsmethode durch einschlägige 
Kran kengeschichten. 

A. Läwen: Ueber Appendieitis flbroplastiea. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 129.) Chronische Reize und Infektionen (Kotsteine, nicht*aseptische 
Ligaturen) können am Magendarmkanal zur Ausbildung entzündlicher 
Tumoren führen, die differentialdiagnostisch von Tuberkulose oder Car¬ 
cinom kaum unterschieden werden können. Verf. beobachtete einen 
hierhergebörigen Fall, der als appendicitischer Tumor sich erwies, und 
der mit Resektion des untersten Ileums und Coecums behandelt wurde. 

E. A. Lüken: Ueber 47 an der Leipziger Klinik von 1895 bis 1911 
beobachtete und 'behandelte Fälle von snheutaner Nierenrnptar. 


(D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Ueber die Behandlung der Nierenrupturen 
herrscht noch keine Einigkeit. Trendelenburg hat diese, wenn sie 
ohne Verletzung abdomineller Organe einhergingen, so konservativ wie 
möglich behandelt und ist nur dann zum operativen Verfahren über- 
gegaDgen, wenn Blutungen allerschwerster Art mit stärker und bedrohlich 
werdender Anämie eintraten. Unter 85 so behandelten Fällen ist kein 
Exitus zu verzeichnen. 

Dünkelob: Zur Heilung der angeborenen Harnblasen- tid Han- 

rtfhrenspalte. (D. Zschr. f. Cbir., Bd. 129.) Verf. beschreibt die nach 
Trendelenburg operierten Fälle. Es werden dabei die Synchondrosen 
der Kreuzdarmbeinfugen durchtrennt, wodurch eine Mobilisation der 
Beckenbälften und dadurch eine Annäherung der Schambeine erzielt 
wird, ln einer zweiten Sitzung wurde eine Anfrischung und Naht der 
Spaltränder, in einer dritten der eventuelle Schluss von Fisteln vor- 
geoommen. Die Resultate waren gut. J. Becker. 

H. Lorenz: Zur operativen Behandlung der Lebercirrhose. 
(W.m.W., 1914, Nr. 19.) Das Prinzip ist, bei Lebercirrhosen einen 
Collateralkreislauf zwischen Pfortader- und Körpervenensystem zu schaffen. 
Talma schlug hierzu die Omentopexie vor. Lanz hat eiD Verfahren 
angegeben, den Hoden mit Samenstrang in die Bauchhöhle zu verlagern, 
da der Plexus pampiniformis viel bessere „venöse Möglichkeiten“ hat. 
Verf. berichtet über zwei mit gutem Erfolg so operierte Fälle und 
empfiehlt die Methode zur weiteren Nachprüfung. Eisner. 

J. Vigyäzö - Budapest: Ein Falt von Sehass Verletzung der Cfalleu- 
blase, einhergebend mit Bradycardie. (D.rn.W., 1914, Nr. 26.) Das 
Projektil drang durch die Bauchwand und den Leberrand in die Gallen¬ 
blase und durchschoss letztere. Heilung durch Laparotomie. Auf¬ 
fallende Bradycardie (Druckpuls) vor der Operation, wahrscheinlich 
toxische Wirkung der Gallensäuren. Wolfsobn. 

Drees mann: Die chirurgische Therapie der akutoi Pankreatitis. 
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Man soll Obacht geben, ob ein Gallenstein¬ 
leiden vorliegt; ist dies der Fall, so soll man sofort operieren. Es sind 
die Gal len wege genau zu revidieren. Das Pankreas ist ausgiebig frei¬ 
zulegen durch gehörige Durchtrennung des Lig. gastro-colicum. Die 
Bursa drainiert man am besten mit zwei dicken Glasdrains, die mindestens 
14 Tage liegen bleiben sollen. Die Entfernung der Drainage richtet 
sich nach dem Befinden des -Kranken. 

Heineke: Die chronische Thyreoiditis. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) 
Das von Riedel zuerst beschriebene Krankheitsbild der „eisenharten 
Strumitis“ konnte Verf. in zwei Fällen beobachten. In beiden Fällen 
handelte es sich um beiderseitige brettharte Anschwellungen der 
Thyreoidea, die zu Atmungsbeschwerden usw. führten. Veif. führte zu¬ 
nächst zur Sicherung der Diagnose je eine Probeeizision aus, um 
Carcinom auszuschliessen. Als unter medikamentöser Therapie (Salvaraan, 
Jod) die Erscheinungen nicht zurückgingen, schritt er zur Operation. 
Vielleicht ist in Zukunft noch etwas von der Röntgenbehandlung zu er¬ 
warten. J. Becker. 

R. Vogel-Wien: Beiträge zur Pathogenese des Ileus. (W.kl.W., 
1914, Nr. 25.) Kasuistik einiger seltener Fälle von Darmversohluss, 
welche in den letzten Jahren an der II. chirurgischen Abteilung der 
k. k. Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien zur Beobachtung kamen. 

P. Hirsch. 

G. Mertens: Pyloroplicatio et Pylorotorsio. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 129.) Die durch Illustrationen deutlich gemachten obigen beiden 
Methoden müssen im Original nacbgelesen werden. Verf. redet dem 
Pylorusverschluss neben der Gastroenterostomie bei Magen- und Duo- 
denalulcus das Wort. Zu einer Prüfung der Funktion der Gastroentero¬ 
stomie gehört die Röntgendurchleuchtung. In dem Gros seiner Fälle 
war der Pylorusverschluss ein vollständiger, so dass die Methode nur 
zu empfehlen ist. J. Becker. 


Urologie. 

C. E. Iredell und R. Thompson-London: Drei durch Diathenns 
behandelte Fälle bösartiger Geschwülste des Blasengrundes. (Lancet, 
20. Juni 1914, Nr. 4738.) Die Geschwülste wurden suprasymphysär so 
gut wie möglich entfernt und der Rest durch Diathermie folgendermaassen 
behandelt: Eine kleine indifferente Elektrode wurde auf dem Gesäss be¬ 
wegt (eine grosse, stillstehende hatte in einem Falle oberflächliche Ver¬ 
brennungen gemacht). Die andere Elektrode mit kugelförmigem Metall¬ 
knopf wurde durch die Blasen wunde eingeführt und so lange auf dem 
Ges’chwürsgrunde gelassen, als die Hitze für einen miteingeführten Finger 
erträglich blieb. So wurde der ganze Geschwulstgrund behandelt, was 
bei jedem Male etwa 5 Minuten dauerte. Die Operation wurde alle 
3 Tage wiederholt, im Ganzen etwa einen Monat. Nie Nachteile des 
Verfahrens sind: die schwere Schützbarkeit der Temperatur in der Blase 
und die Unmöglichkeit, zu bestimmen, ob Geschwulstgrund oder normale 
Blasenwand behandelt wird. Der Verf. will versuchen, diesen Uebel- 
ständen abzuhelfen. Weydemann. 

H. G. Klotz-New-York: Herpes nrethrae als Ursache nichtgssor- 
rhoischer Urethritis ohne Bakterienbefund. (Derm. Wschr., 1914, 
Bd. 58, Nr. 23.) Zur Behandlung derartiger, nicht so sehr seltener Fälle 
eignen sich nichtätzende Mittel, besonders Airol- und Dermatolaufschwem* 
mungen. Immerwahr, 


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UNIVERSUM OF IOWA 




13. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1331 


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Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

H. 7. Hertlein-Hamburg: Ein Fall von Akrodermatitis chronica 
atrophicans Herxheimer. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Wolfsohn. 

W. Auermann-Chorostköw (Galizien): Zwei Fälle von Hyponenro- 
deraft (Creeping disease). (Derm. Wsohr., 1914, Bd. 58, Nr. 24.) Es 
muss auffallen, dass bei der Häufigkeit der die Krankheit verursachenden 
Parasiten die in Rede stehende Hautaffektion doch so sehr selten beob¬ 
achtet wird. 

J. D. Kayser-Haag: Ueber Aetiologie, Prophylaxe und Therapie 
der Lepra (Denn. Wschr., 1914, Bd. 58, Nr. 22 und 23.) Die An¬ 
steckung der Lepra geht aus von einem Leprakranken, aber die Gefahr 
ist genug, nicht grösser als bei Tuberkulose, besonders da, wo Reinlich¬ 
keit und gute hygienische Verhältnisse bestehen. Die Prophylaxe be¬ 
steht in Errichtung von Lepraheimen und Internierung der Leprösen in 
diesen. Das Nastin ist kein spezifisches Mittel gegen die Lepra. 

W. Schönfeld-Würzburg: Neuere Methoden der Lnpusbehandlnng. 
(Derm. Wschr., 1914, Bd. 58, Nr. 2J.) Sowohl den Kupferpräparaten, 
als dem Goldcyan und Salvarsan kommt eine gewisse Einwirkung auf 
tuberkulöse Prozesse zu. Die örtliche Wirkung der Kupferpräparate ist 
eine Aetzwirkung, ähnlich der der Pyrogallussäure. Beim Goldcyan und 
Salvarsan scheint die Wirkung in der Hauptsache darin zu bestehen, 
dass beide Präparate das tuberkulöse Gewebe für das Tuberkulin besser 
angreifbar machen. Jedenfalls sind die Ergebnisse der Behandlung mit 
diesen Methoden keine besseren, als sie mit den bisherigen Methoden 
erzielt wurden. Immerwahr. 

Dreuw: Die Behandlung der Syphilis mit Hg -f As -f Ca. 
(W.m.W., 1914, Nr. 19.) Verf. ist Gegner des Salvarsans bei Syphilis 
und postsyphilitischen Erkrankungen. Er hält es sogar unter Umständen 
für schädlich. Chronische Infektionskrankheiten bedürfen auch chronischer 
Behandlung. Er mahnt zur Rückkehr von der akuten Zufuhr grosser 
Dosen von As und Hg. * Verf. beschreibt eine kombinierte Behandlungs¬ 
methode mit As und Hg und Ca bei primärer und sekundärer Lues. Die 
Erfolge waren recht zufriedenstellende. Die Methode ist bequem und un¬ 
gefährlich und für die ambulante Behandlung in der Sprechstunde daher 
sehr zu empfehlen. Eisner. 

A. Schmitt-Würzburg: Die Salvarsantodesfölle und ihre Ursachen 
mit Berücksichtigung der Salvarsanschäden. (M.m.W., 1914, Nr. 24 u. 25.) 
Auseinandersetzung mit der Ment berge r’schen Statistik. Sch. weist M. 
zahlreiche Unrichtigkeiten und falsche Deutung des Krankheitsbildes nach. 

Dünner. 

M. Luvan-Toulouse: Ueber die Meningitis syphilitica nach Auf¬ 
treten des Schankers and vor Auftreten der Roseola. (Ann. de derm. 
et de syph., Mai 1914.) Iu 2 / a der Fälle zeigt sich diese Meningitis; 
manchmal durch leichte Eingenommenheit des Kopfes, meist aber ist 
dieselbe nur durch die Untersuchung des Lumbalpunktates festzustellen. 
Salvarsaninjektionen bewirken zuweilen auch eine Verschlimmerung der 
Meningitis, d. h. eine Herxheimer’sche Reaktion, um die Meningitis nachher 
vollständig zu beseitigen. Immer wahr. 

W. Wechselmann und E. Dinkelacker-Berlin: Beziehungen der 
aUgcHeinen nervösen Symptome im Frühstadinm der Syphilis zu den 
Befunden des Lumbalpnnktats. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) Die Unter¬ 
suchungen dienen zur Bekräftigung der Wechselmann’schen Ansicht, 
dass die Neurorecidive luetischer Natur sind und nicht durch das Sal- 
varsan bzw. Neosalvarsan hervorgerufen werden. Die Verff. haben nun 
zahlreiche Luetiker im Frühstadium lumbalpunktiert und fanden sowohl 
hei solchen, die nervöse Symptome darboten, als auch bei solchen ohne 
nervöse Beschwerden znm grössten Teil Veränderungen, die für Lues 
charakteristisch sind (Nonne, Lange’sche Goldreaktion und Zellen). 
Zwischen diesen Symptomen bis zum echten Neurorecidiv ist nur ein 
gradueller Unterschied. Dünner. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

A. Foges: Die Anwendung der Hypophysensnbstanzen in der Ge- 
■vukilfe. (W.m.W., 1914, Nr. 19.) Die Hypophysenpräparate sind 
»ei richtiger Beobachtung aller Bedingungen, besonders in der Aus- 
treibungsperiode ein unentbehrliches Mittel bei sekundärer Wehen- 
Mbwäcbe geworden und bedeuten in der Nachgeburtsperiode und beim 
Kaiser schnitt, kombiniert mit den verschiedenen Mutterkornpräparaten, 
cm ausgezeichnetes Mittel zur Bekämpfung der atonischen Blutungen. 
« besonders starken Blutungen führt das Pituitrin zu einer läDger- 
wuernden Erhöhung des Blutdrucks. Eisner. 


N. Rachmanow - Moskau: 30 Fälle von klassischer Sectio 
Ek ?kJ ZbL 1 G 7 n ” 1914 > Nr. 25.) Auf 25 000 Geburten in den 
• f en 1907—1912 kamen 30 Fälle von Sectio caesarea. Die Resultate 
fall ^mtisch belegt. Sie sind günstig, da auf 30 Fälle nur 2 Todes- 
unbLf ai iJ! n von Sepsis. Diese Fälle waren aber vorher mehrfach 

* or(ieii > au °h war zum Teil das Fruchtwasser schon ab- 
6en. Verfasser kommt zu dem Schluss, dass die klassische Sectio 
fikatift« 4 T ^ urcb ^ re Einfachhheit ideale Operation ist, die alle Modi¬ 
werden 011 n-* er Iässt » dass sie nur in reinen Fällen ausgeführt 
inner« t?°* ln ,? enen das Fruchtwasser noch nicht abgegangen ist. Eine 
SoerialarJ* U ? buD ® ao ^ nur e i nma l ausgeführt werden, und nur dem 
»tun 7.^1 ÖJ^ttet sein. Verf. schliesst stets die Resektion der Tuben 
™ Vdck Sterilisierung an. S i e far t. 


Wa n n er - Düsseldorf: Akute Appendieitis und Gravidität. (M.m.W., 
1914, Nr. 25.) Dünner. 

K. Czerwenka: Kombination von Mamma- and Uternscareinom. 
(W.m.W., 1914, Nr. 18.) Ein Beitrag zur Klinik des multiplen, primären 
Carcinoms. Eisner. 

S. Saltykow-St. Gallen: Vollständige Entfernung eines Uterns- 
eareinoms mit der blossen Hand (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Intra 
partum löste sich von der Portio ein Tumor los, der mikroskopisch ein 
Plattenepithelcarcinom darstellt. Die Patientin ist seitdem, seit zwei 
Jabren, gesund geblieben, ohne dass operiert wurde. Probeexzisionen 
waren zweimal ohne Verdacht. Wolfsohn. 


Augenheilkunde. 

Denig-New York: Pfropfung von Lippen-, Mundschleimhaut und 
Epidermislappen bei Erkrankungen der Hornhaut und Verätzungen 

des Auges. (Bericht über 71 Propfungen). (Zschr. f. Aughlk., Juni 1914.) 
Verf. pfropft Schleimhaut- und Epidermislappen ringförmig an den 
Hornhautrand bei den verschiedensten Erkrankungen der Hornhaut auf 
und erzielt damit bemerkenswerte Resultate. So gelang es ihm, bei 
dichtestem Pannus tracbomatosus Aufhellung zu erzielen, ebenso Ver¬ 
besserungen der Sehschärfe bei Verätzungen des Auges durch Kalk, 
Ammoniak und den Inhalt von Golfbällen. Auch die Erfolge bei Herpes 
corneae, schlecht heilenden Geschwüren, bei alter abgelaufener parenchy¬ 
matöser Entzündung sind derart ermutigende, dass eine öftere Anwen¬ 
dung des Verfahrens jedenfalls in Erwägung zu ziehen ist. 

G. Erlanger. 

L. Müller: Ueber die Behandlung des Ulcns corneae serpens. 
(W.m.W., 1914, Nr. 19.) Verf. empfiehlt das Peruöl zur Behandlung 
des Ulcus corneae serpens. Er hat seit 4 Jahren dies Mittel mit gutem 
Erfolg angewendet. 16 Fälle von 18 sind ohne Synechien ausgeheilt. 
Es blieb genügend Hornhaut frei, um eine optische Iridektomie anzu¬ 
legen, so dass das Gesamtresultat ein gutes war. Auch bei traumatischen 
septischen Geschwüren und bei Keratitis dendritica sowie bei ekzema¬ 
tösen Hornhautgeschwüren wurde Peruöl mit gutem Resultat verwendet. 
Eine sorgfältige Gooainisierung (eventuell mit Atropin) muss dem 
Touchieren mit dem Peruöl vorausgehen. Einige Tierversuche stimmen 
mit den klinischen Resultaten überein. Eisner. 

Gebb - Greifswald: Experimentelle Untersuchungen über die Be¬ 
ziehungen zwischen EinschlnssblenorrhÖe and Trachom. (Zschr. f. 
Aughlk., Juni 1914.) Conjunctivalepithel mit Einschlusskörperchen der 
Neugeborenenblenorrhöe auf die Conjunctiva von Erwachsenen über¬ 
tragen, erzeugt eine infektiöse Erkrankung am Auge. Klinisch ist diese 
Erkrankung identisch mit der Einschlussblennorrhoe. Trachom oder 
trachomähnliche Erkrankungen, auch nicht mehrere Jahre nach der In¬ 
fektion lässt sich aus dieser Uebertragung nicht auslösen. Eine ätiologische 
Identität zwischen Einschlussblenorrhöe und Trachom besteht daher 
sicher nicht. Das Virus wird nicht beeinflusst durch Zimmertemperatur 
und niedrige Temperatur, dagegen höhere Temperatur (eine halbe Stunde 
bei 56° erhitzt). Das Virus geht durch feinste Berkefeldfilter. 

G. Erlanger. 

Kümmel: Ueber eine atrophierende Conjunctivitis mit Symble- 
pharonbildnng. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) Verf. beob¬ 
achtete in einem Jahre 7 Fälle. 


S. Sugamuna und M. Hojo: Histologische Untersuchungen über 
Keratitis punctata snperficialis leprosa, nebst Bemerkungen über Horn¬ 
hautentzündung. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) Der veröffent¬ 
lichte Fall ist eine durch die Leprabacilien bedingte spezifische ober¬ 
flächliche und punktförmige Hornhautentzündung — Keratitis punctata 
superficialis leprosa. Der Fall ist eine durch die spezifische Infektion 
bedingte chronische Entzündung in dem avasculären Gewebe. Der 
wesentlichste Vorgang ist die aktive Beteiligung der fixen Hornhaut¬ 
zellen an den Entzündungsprozessen, während der Gefässapparat dabei 
eine ganz untergeordnete oder fast gar keine Rolle spielt. Die Beob¬ 
achtung lehrt nur, dass entgegen der herrschenden Lehre vom Wesen 
der Entzündung eine Entzünduog ohne Alteration und ohne die von ihr 
abhängige Leukocytenauswanderung entstehen kann. 

A. V. Poppen: Hornhautanaphylaxie. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, 
H. 2 u. 3.) Die Hornhaut vermag ebenso wie die anderen Gewebe des 
Organismus Eiweiss parenteral zu verarbeiten und besitzt darum eben¬ 
falls fermentative Eigenschaften. Die erste Injektion in die Hornhaut 
mit einem artfremden Serum verleiht ihr ebenso wie auch dem gesamten 
Organismus eine Ueberempfindlichkeit Die Auslösung des lokalen ana¬ 
phylaktischen Prozesses auf der Hornhaut besteht in einer ödematösen 
parenchymatösen Keratitis, die nicht länger als 2—8 Wochen dauert 
Am stärksten sind die Symptome des anaphylaktischen Shocks aus¬ 
gesprochen, wenn die Reinjektion intravenös nach intracornealer Vor* 
behandlung in einem Zwischenraum von 5 Wochen gemacht wird Wenn 
das Tier intravenös vorbehandelt war, so reagiert es nach einer intra¬ 
venösen Reinjektion mit einem Horthautprozess, da an dieser Stelle die 
meisten Antikörper konzentriert sind. Von den untersuchten Sons er 
wiesen sich als besonders toxisch Aalserum, und am wenigsten cnf«» 
Schweine-, Tauben- und Hammelserum. wenigsten gütig 

Ko eil n er: Epitheliale Neubildung aut Limbas nach 
Recidiven durch Mesothorium beseitigt“ (Arch. f. Aughlk., Bd.77jip2 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1832 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


u. 3.) In dem veröffentlichten Falle irar während der Bestrahlung selbst 
kein nennenswerter Heilerfolg sichtbar, sondern die überraschende 
Wirkung zeigte sich erst nach der Entlassung der Patientin. Der Er¬ 
folg war um so wertvoller, weil die chirurgische Behandlung trotz aller 
Gründlichkeit bereits sechsmal erfolglos geblieben war, so dass sie jetzt 
bei der ausgedehnten zirkulären Ausbreitung der Neubildung kaum mehr 
eine Dauerheilung mit Erhaltung der Funktionen gewährleistet hätte. 
Das restlose Verschwinden bzw. Ausbleiben der Geschwulst nach 
8 Monaten lässt hoffen, dass jetzt ein Recidiv endgültig ausbleiben wird, 
da bereits schon nach der ersten operativen Enfemung nach 6 Wochen 
sich die Geschwulst wieder eingestellt hatte. F. Mendel. 

Kölln er-Würzburg: Ein lehrreicher Fall konsequenter Simulation 
angeborener Farbenschwäebe. (Zschr. f. Aughlk., Juni 1914.) Aus¬ 
führliche Darlegung der Entlarvung eines Simulanten, der besonders 
grün mit grau anspracb, eine Vorstellung, die er sich wohl auf Grund 
eines Studiums in einem leicht zugänglichen Buch verschafft hatte. Die 
Simulation war am deutlichsten festzustellen mit Hering’s Apparat, 
Nagel-Köllner’scher Lampe, Anomaloskop, Adler’scber Schriftprobe 
und Florkontrastprobe. 

Terlinck - Brüssel: Ueber Iridoreeidive. (Zschr. f. Aughlk., 
Juni 1914.) Beschreibung eines Falles, der nacheinander eine Neuritis 
optica, Iritis, Haemorrhagia intraocularis und eine Papillitis auf demselben 
Auge bekam. Die Iritis war nach intravenöser Einspritzung von 60 ccm 
Salvarsan (3 Tage später) aufgetreten, ebenso die intraoculare Blutung. 
Ein anderer Fall bekam eiDe Iritis nach der dritten Einspritzung von 
Enesol. Der Vergleich mit den Neurorecidiven liegt nahe. Doch ist die 
Inkubationsfrist der Iridoreeidive eine wesentlich kürzere. Die Ursache 
der Iridoreoidive liegt ebenso wie die der Neurorecidive im Verhalten 
der bespülenden Flüssigkeit, des Kammerwassers bzw. des Liquors. Ira 
Normalzustände besteht eine Schranke, welche das Eindringen von de¬ 
fensiven Substanzen verhindert, ein Hindernis, das im Falle therapeu¬ 
tischen Eingreifens oder von Entzündung fällt. G. Erlanger. 

L. Müller-Wien: Dirch Operation geheilte Fälle von Netxbavt- 
abfcebnng. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Vortrag, gehalten in der ophthalmo- 
logischen Gesellohaft in Berlin am 17. Juli 1913. Wolfsohn. 

El sehnig: Die operative Behandlung der Netzhantablösang. 

(Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) In allen Fällen, in denen inner¬ 
halb von ungefähr 6 Wochen die friedliche Behandlung der Netzhaut¬ 
ablösung nicht zum Ziele führt, hat die operative Platz zu greifen. Eine 
Ausnahme bilden nur die Fälle, in denen schon kurze Zeit nach dem 
Eintritt der Netzhautablösung ausgesprochene iritische Erscheinungen 
bestehen, nicht aber solche, in welchen nach abgelaufener Iritis die 
Netzbautablösung eingetreten ist. Als operative Maassnahmen kommen 
in Betracht in erster Linie die Panktion der Ablösung mit Glaskörper¬ 
injektion und die Müller’sche Skleralresektion. Nach operativen Ein¬ 
griffen eintretende Iritiden und Linsentrübungen sind in der Regel 
nicht dor Operation, sondern dem Grundleiden zur Last zu legen. 

Baumgärtner: Ueber die regressiven Veränderungen der Arteria 
eentrtl.fi retinae bei Arteriosklerose. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 
u. 3.) Veröffentlichung von 17 Fällen. 

W. Gilbert: Ueber Sklerosen, Thrombosen und Aneurysmen der 
Centralgefässe (mit besonderer Berücksichtigung der Gefässwand- 
entartuog). (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) Bericht mikroskopi¬ 
scher Befunde. F. Mendel. 

Seligmann: Die Angst vor dem Blick. (Zschr. f. Aughlk., 
Juni 1914.) Eine interessante Arbeit, die die Wichtigkeit der Volks¬ 
vorstellungen von dem Einfluss des bösen Blicks hervorbebt. Eine An¬ 
zahl von Amuletten gegen den bösen Blick wird beschrieben. 

G. Erlanger. 

Ch. Oguchi - Tokio: Zur Kenntnis des Farbensinnes und seiner 
Störungen. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) Zum Referat nicht 
geeignet. E. Mendel. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 1. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Landau. 

Schriftführer: Herr F. Krause. 

Vorsitzender Hr. Landau: M. H.l Ich eröffne die Sitzung und 
bitte den Schriftführer, das Protokoll zu verlesen. 

In der Sitzung der Aufnahmekommisoion am 14. und 20. Juni 
wurden aufgenommen die Herren: Dr. L. Ascher, Stabsarzt Dr. Her¬ 
mann Gotting, Dr. Alfred Gorski, Dr. Carl Herschel, Geh. 
Med.-Rat Prof. Dr. 0. Hertwig, Dr. Jungmann, Dr. Hermann 
Keller, Oberstabsarzt a. D. Dr. Lattorf, Dr. Georg Oelsner, 
Dr. Spangenthal, Dr. St. Tuszewski, Dr. Ferdinand Weidert, 
Dr. Haus Woita. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Felix Himhfeld: 

lieber den Nutz« and die Nachteile der Unterenlkraig (Karelktr) 
bei Herikranken. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Mosler: Es ist ja Herrn Hirschfeld’s grosses Verdienst, die 
Karel’sche Milchkur in die Medizin wieder eingeführt zu haben. Herr 
Geheirarat Goldscheider und ich haben dieses Thema im Jahre 1910 
weiter bearbeitet und sind zu ungefähr denselben Erfolgen gekommen, 
die Herr Hirscbfeld beschrieben hat. Besonderes Gewicht legen wir 
darauf, dass die Karelkur nicht schematisch angewandt wird, sondern 
individuell modifiziert wird. Im Gegensatz zu Herrn Hirschfeld ziehe 
ich bei schwerer Herzinsuffizienz eine strenge Karelkur seiner milderen 
vor. Allerdings geben wir jetzt gern auch bei der strengen Kur täg¬ 
lich zwei weichgekochte Eier dazu, damit eine Schädigung des Herz¬ 
muskels durch Eiweissmangel nicht auftreten kann. Trotz dieser Eier¬ 
zulage sehen wir dieselben guten Erfolge wie früher. 

Die subjektive Besserung mancher Arteriosklerotiker durch die 
Karelkur, von der Herr Hirschfeld sprach, führe ioh auf eine Herab¬ 
setzung des übermässig hohen Blutdrucks zurück, die bei solchen arterio¬ 
sklerotischen Hypertonikern bei dieser Kur eintritt, wie ich seinerzeit 
schon beschrieben batte. Im Gegensatz zu diesen Patienten bemerken 
wir aber regelmässig ein Ansteigen des Blutdrucks bei denjenigen, wo 
die Karelkur wegen Herzinsuffizienz verordnet wird. 

Vorsitzender: Wünscht sonst jemand das Wort? — Es ist nicht 
der Fall. Dann bitte ich Herrn Hirsohfeld um das Schlusswort. 

Hr. Felix Hirschfeld: Ich stimme mit dem Herrn Vorredner 
übereiD, dass für die schweren Fälle von Kompensationsstorungen die 
Karel’sche Milchkur geeignet ist und halte Zulagen von Eiern oder Zwie¬ 
back, wie sie auch von Kutner vorgesohlagen wurden, für eine geeignete 
Milderung. 

Was die Anwendung der Karelkur bei den leichteren Krankheits¬ 
formen, bei Piethorikern angeht, so möchte ioh hierbei der Anwendung 
der von mir vorgeschlagenen milderen Entziehungskur doch den Vorzug 
geben, weil der Kranke an einigen Tagen der Woche Fleisch, Eier, 
Gemüse, Bouillon und Kaffee erhält, nur etwa 2 kg verliert und auch 
der Blutdruck, bei der grossen Mehrzahl wenigstens, zu sinken pflegt 
Zuerst, in der ersten Woche, ändert sich der Blutdruck meist zwar 
nicht; oft fällt sogar eine geringere Erhöhung auf. Nach mehreren, 
etwa 4—6 Wochen jedoch kann man in den meisten Fällen ein Sinken 
des Blutdrucks bei diesen Personen beobachten. Wofern also nicht ein 
bestimmtes Organ leiden die Milchkur notwendig erscheinen lässt, wäre 
ich unter diesen Verhältnissen für eine mildere Entziehungskur, da 
alsdann, namentlich bei nicht ganz intaktem Gefasssystem, sicherer die 
Gefahren der brüsken Form der Unterernährung vermieden werden. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

C. Yorhe-Liverpool*. Eme Methode zur Anästbesiervig des Kehl¬ 
kopfs. (Brit. med. journ., 13. Juni 1914, Nr. 2789.) Die bisher ange¬ 
gebenen Methoden, die Kehlkopfnerven zu anästhesieren, sind un¬ 
befriedigend. Alle suchen den N. laryngeus internus da zu erreichen, 
wo er auf der Membr. thyreo-byoidea liegt, gerade ehe er diese durch¬ 
bohrt. Der Verf. richtet den Lauf der Nadel entlang dem Nerven von 
seinem Durchtritt durch die Membr. thyreo-hyoidea bis zu einem Punkte, 
der etwa l l U cm unter dein oberen Rande des Schildknorpels liegt. So 
kommen etwa 2»/ 2 cm des Nerven oder mehr an leicht zugänglicher 
Stelle unter Cocainwirkung. Um die Nadel in die Ebene des Nerven zu 
bringen wird sie so eingeführt, dass sie das grosse Zungenbeinhorn 
streift, V/, cm hinter dem kleinen Horn. Die Spitze wird nun leicht 
gesenkt so dass sie an den unteren Rand des grossen Hornes streift. 
Von hier aus wird sie dem Nerven entlang nach vorn und unten bewegt. 

Weydemann. 


2. Hr. Ravten borg: 

Ueber die Röatgeiphotographie der Leber ud Milx. (Mit Demon¬ 
strationen.) 

(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift.) 

Vorsitzender: Wünscht jemand das Wort zu diesem Vortrage?— 
Das ist nicht der Fall. — Herr Heinsius lässt sich entschuldigen, er 
ist plötzlich erkrankt. Da also heute nichts weiter vorliegt, schliesse 
ich die Sitzung. 


Laryngologische Gesellschaft m Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 15. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Killian. 

Schriftführer: Herr Gutzmann. 


Als Gast anwesend: Herr Dr. Barraud aus Lausanne. 

Vor Eintritt in die Tagesordnung gedenkt der Vorsitzende o 
einigen Monaten verstorbenen langjährigen Mitglieds Heinrich «ra 
und teilt mit, dass er am Grabe gesprochen und im Namen aer 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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18, Jnli 1914. 


sobaft einen Kranz niedergelegt habe. Er fahrt dann fort: Sie wissen 
alle, was Orabower unserer Gesellschaft in den 25 Jahren ihres Be¬ 
stehens bedeutet hat, nicht allein als Mitglied der Aufnahmekoramission 
und als Schriftführer, sondern dadurch, dass er regelmässiger Besucher 
unserer Sitzungen war, sich sehr eifrig an den Diskussionen beteiligte und 
uns eine ganze Reihe sehr wertvoller wissenschaftlicher Vorträge hielt. 
Wir haben ihn als Vertreter echter, ernster Wissenschaft sehr hoch ge¬ 
schätzt, sein Tod hat eine grose Lücke in unsere Reihen gerissen. Wir 
werden ihm ein warmes Andenken bewahren. Ich bitte Sie, sich zum 
Zeichen dessen von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) 

Die Witwe des Verstorbenen hat der Laryngologischen Gesellschaft 
einige Schenkungen gemacht. Sie hat die Schnittserien geschenkt, die 
sioh auf Grabower’s wissenschaftliche Arbeiten und speziell auf den 
Nuoleus ambiguus beziehen. Die Serien sind in der laryngologischen 
Klinik aufgehoben. Wenn jemand Interesse dafür hat und sie gelegent¬ 
lich durchsehen will, so ist das selbstverständlich jederzeit möglich. 

Ausserdem hat uns Frau Grabower in den letzten Tagen einen 
grossen Teil der medizinischen Bücher ihres Gemahls angeboten. Ich 
bitte unsern Schriftführer, ihr namens der Gesellschaft noch besonders 
dafür zu danken. 

Der 24. Band der Verhandlungen der Gesellschaft ist erschienen. 
Eingegangen ist die Einladung des Vereins deutscher Laryngo- 
logen zu ihrer Tagung in Kiel. 

Die Vorbereitungen für den internationalen Kongress in Hamburg 
sind im Gange. Der Vorsitzende gibt der Hoffnung Ausdruck, dass 
sich die Mitglieder der Gesellschaft durch recht gediegene Vorträge an den 
Arbeiten des Kongresses beteiligen werden. 

Der Schriftführer teilt mit, dass er — entsprechend dem ihm in der 
Festsitzung gewordenen Aufträge — an Frau Grabower und Frau 
Rosenberg geschrieben habe, und dass darauf von ihnen, ebenso von 
den Töchtern FränkePs Dankschreiben eingegangen seien. 

Ferner sind Dankschreiben eiDgegangen von allen in der letzten 
Sitzung ernannten korrespondierenden und Ehrenmitgliedern. 

Die österreichische Gesellschaft für experimentelle Pho¬ 
netik hat die Tatsache ihrer Begründung mitgeteilt und die Berliner 
laryngologische Gesellschaft eingeladen, von Zeit zu Zeit an ihren Sitzungen 
teilzu nehmen. 

Ans Anlass des Jubiläums der Gesellschaft sind noch nachträglich 
folgende Geschenke der Bibliothek überwiesen worden: von Prof. Ino 
Kuba seine Rhinologie in drei Bänden in japanischer Sprache; von 
Herrn von Navratil sein Buch: „Entstehung und Entwicklung der 
Laryogologie“; von Herrn P. Heymann eine nahezu vollständige Samm¬ 
lung aller Türck'Czermak’schen Separatabdrücke; endlich von Frau 
Grabower die Büchersammlung ihres Mannes. 

Der Vorsitzende dankt den Stiftern, insbesondere Herrn Hey mann, 
io Namen der Gesellschaft herzlich für die Zuwendungen. 

Als viertes Mitglied der Aufnahmekommission wird auf Vor¬ 
schlag des Vorstandes Herr Barth durch Zuruf gewählt und nimmt die 
Wahl an. 

Vor der Tagesordnung. 

1. Hr. flatnain: 

Kiffer Bericht über den ersten internationalen Kongress für experi¬ 
mentelle Phonetik an Hamburg. 

_M. H.! Der erste internationale Kongress für experimentelle Phonetik 
ist über Erwarten glänzend gelungen. Es waren ungefähr 300 Besucher 
anwesend — für eine so neue Wissenschaft eine sehr starke Zahl. Eine 
Reihe von Staaten, die meisten europäischen, haben sich vertreten lassen; 
die einzelnen Regierungen der deutschen Bundesstaaten, Universitäten 
und Vereine hatten Delegierte entsandt. Der Vorstand hatte mich als 
Vertreter unseres Vereins delegiert, da keine Zeit mehr war, die Wahl 
j® Plenum vorzunehmen; ich bin auch gleichzeitig als Vertreter des 
Vereins deutscher Laryngologen dort gewesen. 

Der Kongress fand statt unter dem Vorsitz von Meinhof, Grade- 
nigo und mir. Bei den Gegenständen, die dort verhandelt wurden, war 
c« naturgemäss, dass eine grosse Anzahl von Laryngo-Rhinologen und 
Otologen dort vertreten waren. Von uns waren anwesend: Musehold, 
Katzenstein, Flatau u.a. Ferner erschienen Sokolowsky,Winokler- 
hremen, Zarniko, Wilberg, Barth-Leipzig, Stern, Jens, Grade- 
ßl 8°> Zwaardemaker aus Utrecht und viele andere. Von hervor¬ 
ragenden Phonetikern erwähne ich besonders Vietor-Marburg, unseren 
ältesten Eiperimentalphonetiker. Ferner nenne ich E. A. Mey er-Stock- 
üolm, Ejckmann-Amsterdam u. a. 

Das Wesen dieses neuen Gebiets brachte es mit sieb, dass auch 
aus allen Nachbargebieten, die zu der experimentellen Phonetik in mehr 
^ weniger enger Beziehung stehen, Vertreter erschienen waren, so 
auffallend viele Psychologen: Stumpf - Berlin, Jaentsch- 
Marburg, Marbe - Würzburg, 0. Pfungst-Berlin, Alfred Guttmann- 
wim und eine grosse Reihe von anderen Gelehrten. 

, sehen, dass das neue Gebiet der experimentellen Phonetik, das 
s selbständige Wissenschaft zuerst auf dem internationalen Laryngo- 
inologenkongress in Berlin 1911 auftrat — ich verweise darauf, dass 
aaenigo dies mehrfach betont hat — eine grosse Reihe von anderen 
issenschaften berührt und weite Beziehungen hat: die Linguistik, die 
iJ!!! 1161 !® ^ e( ^ z ' D * die Physiologie, die Tanbstummenbildung, die Oto- 
vttgörhinologie und vieles andere mehr. 

66 ° ngTesa .^ at * n ® Tagen so intensiv gearbeitet, dass wir etwa 
ich unt * Demonstrationen erledigt haben. Erwähnen möchte 
Wh» dass besonders der Besuch des Hamburger phonetischen Labo¬ 


ratoriums einen tiefen Eindruck binterlassen hat, das von der Stadt 
Hamburg mit einem Kostenaufwande von 165 000 M. eingerichtet worden 
ist und einen bedeutenden jährlichen Etat zu seiner Verfügung bat. Wir 
sind in Berlin leider nicht so glücklich daran und durften daher zwar 
nicht ganz neidlos, aber dooh bewundernd uns dessen freuen, was die 
Stadt Hamburg geschaffen hat. 

In Hamburg wurde sodann auch die Gründung der Deutschen 
Gesellschaft für experimentelle Phonetik vorgenommen. Hierfür 
taten sich diejenigen Herren zusammen, die aus Deutschland zu dem 
Kongress gekommen waren. Naturgemäss ist es, dass auch hier nicht 
nur Laryngo-Rhinologen und Otologen beitraten, sondern Physiologen, 
Linguisten, selbst Theologen, die sich mit kolonialwissenschaftlichen 
Fragen linguistischer Art beschäftigen, und viele andere. 

Das ist das Wesentlichste, was ioh über den Kongress zu sagen habe. 

Vorsitzender: Ich habe sehr bedauert, dass der Kongress gerade 
in meine Ferienzeit fiel und ich nicht persönlich teilnebmen konnte. Im 
übrigen möchte ich die Herren animieren, sich an dieser ganzen Bewegung 
zu beteiligen, mit der wir immer in innigem Zusammenhänge bleiben 
müssen. 

2. Hr. Blnmenthal: 

Karze Mitteilang zar Therapie der Larynxtaberkalose. 

Das traurigste Kapitel aus dem Gebiet der Larynxtuberkulose ist 
die Dysphagie. Sie ist am stärksten bei der ringförmigen Affektion des 
LaryoxeiDgangs. Oedematöse Schwellung des Eingangs heisst diffuse 
Tuberkelaussaat an demselben. Die lokale Therapie kommt hier nicht 
mehr viel in Frage. Symptomatisch versuchte man die Dysphagie zu 
beseitigen durch AlkoholiDjektion in den Nervus laryngeus superior, resp. 
durch Resektion des Nerven. In der Berl. klin. Wochenschr., 1911, 
Nr. 36, machte ioh zuerst auf die schweren Sensibilitätsstörungen auf¬ 
merksam, die nach diesen Maassnahmen entstehen. Sie sind unausbleib¬ 
lich sowohl bei gut gelungener Alkoholinjektion wie nach Resektion. Es 
ist mir daher unbegreiflich, dass von verschiedenen Seiten immer wieder 
begeistert von der Anästhesie gesprochen und die Beeinträchtigung des 
Schluckaktes mit Stillschweigen übergangen wird. Ich überlegte mir, 
ob man nicht den Sensibilitätsausfall umgehen könnte. Ganz konnte er 
nicht vermieden werden. Aber er musste viel geringer sein, wenn man 
duroh modifizierte Einspritzungen nicht eine regionäre, sondern eine lokale 
Anästhesie anstrebte durch Alkoholeinspritzungen direkt in die erkrankten 
Gewebspartien, statt in den Nerven. Diese Injektion ist mit Hilfe der 
K i 11 i an ’seben Schwebelaryngoskopie ziemlich einfach. Kanülen von 14 cm 
Länge an Rekordspritzen befestigt, bringen den Alkohol bequem an die 
gewünschten Stellen. So erhielt ioh eine lokale Anästhesie. Immerhin 
waren die Sensibilitätsatöruogen noch recht beträchtlich, und die Er¬ 
nährung absolut nicht befriedigend. Man darf sich nicht dnreh die 
grosse Autosuggestibilität der Tuberkulösen täuschen lassen. Sie stellen 
auch häufig ihre Beschwerden viel geringer dar, als es der Wirklichkeit 
entspricht. Wenn man einmal ihrem Essen zusieht, bekommt man das 
richtige Urteil. Diese Anästhesierungsversuche sind also wenig be¬ 
friedigend. Es kommt noch etwas anderes hinzu. Selbst wenn die 
Anästhesie ein gutes Schlucken ermöglichen würde, bliebe das Schlucken 
selbst immer noch eine erhebliche Anstrengung für den schwer erkrankten 
Kehlkopf. Man bat öfter davon gesprochen, das kranke Organ hinsicht¬ 
lich seiner Tätigkeit bei der Atmung durch die Tracheotomie zu ent¬ 
lasten. Die Atmung bedeutet für ihn vermutlich eine viel geringere 
aktive Tätigkeit als die heftigen Kontraktionen des Eingangsrings beim 
Sohluckakte, Hinsichtlich der letzteren wird er in keiner Weise durch 
die Tracheotomie entlastet Das kann er nur durch künstliche Ernäh¬ 
rung. Eine Magenfistel schien mir ungeeignet wegen der vielen Er¬ 
schütterungen der Baucbwand durch den gleichzeitig bestehenden Husten. 
Rectaleroährung ist auf die Dauer ungenügend. Eine Fistel im oberen 
Speisekanal schien mir das beste zu sein. Herr Kollege Selb erg vom 
Auguste Viktoria-Krankenhaus in Weissensee und ich haben nach meinem 
Vorschlag in einem einschlägigen Falle eine Oesopbagostomie angelegt. 
Als Hautsohnitte hielt ich einen Parallelscbnitt am Rande des linken 
Husculus sternocleidomastoideus und von diesem aus Türfiügelschnitte 
nach beiden Seiten für praktisch. Nach Resektion der linken Schild¬ 
drüsenhälfte kamen wir leicht an den Oesophagus. Derselbe wurde unter¬ 
halb des RiDgknorpels eröffnet, die Ränder mit den beiden Hautfiügel- 
lappen vernäht, die Wunde nach chirurgischen Prinzipien versorgt. Die 
Resektion eines Teils des Musculus sternocleidomastoideus erwies sich 
zwecks Mobilisation des linken Hautiappens als notwendig. Der Patient 
wird durch seine Oesopbagostomie seit 6 Wochen ausreichend mit allen 
Nährstoffen versorgt. Seine schwere diffuse Lungen- und Kehlkopfphthise 
ist nicht dadurch geheilt. Aber die wichtigste Frage, die der Ernährung, 
ist damit in einer brauchbaren Form gelöst. Die Operation wurde iu 
Lokalanästhesie gemacht. Das Stoma könnte später nach Gluok’sohen 
Prinzipien geschlossen werden. Die Operation wird kompliziert durch 
die Scbilddrüsenresektion. Der obere Ernährungsschlauch ist leichter 
ohne solche HUfsoper&tion, nur mit Unterbindung der oberen Schild- 
drüsengefässe, dicht über dem Killian’sohen Oesophagusmund, hinter dem 
Schildknorpel zu eröffnen. Diese Operation, eine Hypopharyngostomia 
lateralis habe ich leicht an der Leiche gemacht und will sie im nächsten 
einschlägigen Falle am Lebenden machen. Ein Zurückfliessen der Speisen 
wird hierbei nicht nur durch die Cardia, sondern auch durch den Oeso- 
pbagusmund verhindert. Dies Stoma bietet gleichzeitig direkten Zugang 
zu gewissen Partien des Kehlkopfs, ohne ihn selbst zu eröffnen. Ich 
denke dabei an Heissluft- und Lichtbehandlung. Im Vergleich zu der 


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1834 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 28. 


Laryngostomie nach Gluck bei Tuberkulose sind die genannten Ope¬ 
rationen kleinere Eingriffe und gefährden weniger die Lungen. Vor allem 
tragen sie der vitalsten Indikation der Ernährung in geeigneter und nicht 
zu schwieriger Weise Rechnung. Weitere Erfahrungen sind selbstver¬ 
ständlich notwendig. 


Diskussion. 

Hr. Finder: Ich möchte Herrn Kollegen Blumenthal den Rat 
geben, seine Versuche, die er an Leichen gemacht hat, nicht, wie es 
seine Absicht ist, am Lebenden auszufübren. Mir scheint diese Maass- 
nähme, die er da vorhat, um ein freilich sehr lästiges und sehr quälendes 
Symptom der Larynxtuberkulose zu bekämpfen, doch etwas sehr heroisch 
zu sein, um mich milde auszudrücken. Wenn wir bedenken, dass die 
Dysphagie bei Larynxtuberkulose meist in sehr vorgeschrittenen Fällen 
eintritt, in sehr vielen Fällen sub finem vitae bei bereits stark kachekti- 
schen Individuen, so muss ich sagen, dass ein solcher Eingriff, die An¬ 
legung einer Fistel im Oesophagus mit Resektion der Schilddrüse, eine 
Maassnahtne ist, der wir solche Patienten, ohne unser Gewissen zu be¬ 
unruhigen, nicht unterwerfen dürfen. Wir brauchen dies um so weniger, 
als wir mit den Mitteln, die uns bisher zur Verfügung gestanden haben, 
durchaus imstande sind, die Dysphagie der Tuberkulösen zu bekämpfen. 
Ich muss sagen, dass es mir bei den sehr vielen Alkoholinjektionen, die 
ich zum Zweck der Anästhesierung in den Nervus laryDgeus superior 
gemacht habe, noeh nicht ein Mal passiert ist, dass nachher irgendwelche 
Schädigungen bei dem Patienten eingetreten sind. Ich habe wohl ge¬ 
sehen, dass unmittelbar nach der Injektion, aber ganz vorübergehend, 
etwas Neigung zum Verschlucken beim Trinken von Flüssigkeiten auf¬ 
trat, aber das gab sich sehr bald. Wir sind in sehr vielen Fällen im¬ 
stande, durch diese Anästhesierung des Nervus iaryngeus superior den 
Patienten über diese furchtbare Zeit der Dysphagie hinwegzuhelfen und 
ihnen ein erträgliches Lebensende zu verschaffen. Ich glaube nicht, dass 
die von Herrn Blumenthal vorgeschlagene Maassnahme, die sich doch 
nur gegen ein Symptom richtet und durch die die Larynxtuberkulose 
als solche nicht beeinflusst wird, geeignet ist, den Patienten Vorteile zu 
bringen, die im Verhältnisse zur Schwere des Eingriffs stehen. Die Re¬ 
sektion des Nervus Iaryngeus superior habe ich selbst noch keine Ge¬ 
legenheit gehabt auszuführen; ich habe neulich aber Gelegenheit gehabt, 
einen Kollegen aus der Moure’schen Klinik zu sprechen, in der diese 
Resektion häufig gemacht wird, und dieser hat mir gesagt, dass es ein 
verhältnismässig geringfügiger Eingriff ist. Er hat mir weiter auf meine 
diesbezügliche Frage gesagt, dass Schluckstörungen nach dieser Resektion 
des Nervus Iaryngeus superior nicht eintreten oder, wenn sie eintreten, 
nur ganz vorübergehend sind. Mir ist nicht bekannt, ob diese Operation 
bisher in Deutschland ausgefiibrt worden ist, wenigstens ist darüber 
meines Wissens bisher nichts publiziert worden. (Herr Killian: Avellis 
bat es publiziert!) Jedenfalls scheint es mir nach dem, was bisher über 
diese Operation bekannt geworden ist, dass sie in sehr schweren Fällen 
von Dysphagie bei Larynxtuberkulose, wo wir mit der Infiltrationsanästbesie 
nicht mehr auskommen, eventuell einmal probiert zu werden verdient. 


Hr. Killian: Ich wollte nur bemerken, dass ich es für viel prak¬ 
tischer halten würde, eine Gastrostomie zu machen. Ich glaube, dass 
es weniger unangenehm ist, eine Wunde in der Magengegend zu haben 
als am Halse. Ich glaube auch, dass der Eingriff geringer ist und man 
dem Patienten dabei nicht so viel zumutet. Ich habe im Laufe der Zeit 
in desolaten Fällen meinen Kranken Öfter die Gastrostomie vorgeschlagen. 


Hr. Blumenthal (Schlusswort): Wenn ich Herrn Geheimrat 
Killian zuerst erwidern darf, so habe ich auch zunächst an die Gastro¬ 
stomie gedacht. Ich fürchtete aber doch, dass den Patienten, die meist 
sehr stark an Husten leiden, bei ihren vielen Hustenstössen und Er¬ 
schütterungen der Bauchwand die Magenfistel recht unbequem wird. 
Hinzu kommt, dass eine Magenfistel niemals einen so weiten Zugang für 
die Speisen gibt wie eine Oesopbagostomie. Ein weiter Zugang ist aber 
im Interesse einer dauernden ausgiebigen Ernährung notwendig. 

Was die Ausführungen des Herrn Prof. Finder anlangt, so hat er 
über die Resektion des Nervus Iaryngeus superior offenbar kein richtiges 
Urteil, weil er sie nicht gemacht hat. Ich habe sie in ein paar 
Fällen gemacht und gerade in der Arbeit, die ich erwähnt hatte, dar¬ 
über berichtet. Ich muss nochmals ausdrücklich auf die schweren Sensi¬ 
bilitätsstörungen hinweisen, die zunächst nach der Resektion des Nervus 
Iaryngeus superior eintreten. Das ist selbstverständlich, denn der 
Nervus Iaryngeus superior ist der sensible Nerv des Larynx und der 
noch tiefer liegenden Partien sowie eines Teils des Hypopbarynx. Wenn 
dort die Sensibilität ausfätlt — und das geschieht vollkommen nach beider¬ 
seitiger Resektion —, so müssen die Kranken schwere SensibilitätsstöruDgeD 
bekommen. Ich habe solche gesehen. Wie schnell sie vorübergehen, 
lässt sich nicht allgemein sagen. Ich könnte mir vorstellcD, dass 
manche Patienten über diese schweren Sensibilitätsstörungen niemals 
hinwegkommen können. 

Was die Alkoholinjektion anlangt, so wirkt sie im Prinzip dasselbe. 
Wenn man keine Sensibilitätsstörungeu nach Alkoholuijektion des Nervus 
Iaryngeus superior hat, so behaupte ich, dass die Alkoholinjektion ver¬ 
unglückt ist. Wenn sie den Nerven getroffen hat, so gibt es eine 
Schädigung des Nerven, und es muss eine schwere Sensibilitätsstörung 
eiutreten. Da wir bisher kein wirklich energisches Mittel haben, die 
Dysphagie der Kranken so zu lindern, dass wir sie auskömmlich er¬ 
nähren können, so möchte ich Ihnen den genannten Eingriff vorschlagen. 
Der Eingriff, über den Herr Prof. Finder wiederum selbst kein Urteil 
hat, weil er ihn noch nicht gemacht hat, ist nicht so schwer, wie er es 


sich vorstellt; er ist natürlich dann schwieriger, wenn man die Oeso¬ 
pbagostomie macht und wenn man einen Teil der Schilddrüse resezieren 
muss. Das lallt bei der Hypopharyngostomie fort, der Hypopharynx ist 
ziemlich bequem unter der Hautdecke hinter dem Schildknorpel zu er¬ 
reichen, und es sind keine schwierigen Hilfsoperationen erforderlich. 

3. Hr. P. Schoeti: 

Ausgedehnte Gesehwttrsbildiug in deu Halsergaie«. 

M. H.! Jeder erfahrene Laryngologe weiss, welche Schwierigkeiten 
unter Umständen die Differentialdiagnose grosser Pharynxulcerationen 
bereiten kann. Zwar sind wir mit der Zeit auch in dieser Beziehung 
weiter gekommen, besonders durch die Wassermann’scbe Reaktion, aber 
eine Anzahl unklarer Fälle bleibt doch immer noch übrig, und einen 
solchen möchte ich Ihnen hier zeigen, geleitet durch die Erwägung, dass 
man gerade von schwer zu beurteilenden Krankheitsbildern gar nioht 
genug sehen kann. 

Dieses 18 jährige Fräulein, welches Sie nachher näher untersuchen 
können, gibt anamnestisch folgendes an: Vater vor einigen Jahren durch 
Alkohol zugrunde gegangen. Mutter gesund, bis auf einen Unterleibs¬ 
tumor, anscheinend Myom. Zwei Geschwister an Kinderkrankheiten früh 
gestorben, eine andere Schwester im Alter von 18 Jahren an Schwind¬ 
sucht. Patientin selbst will als Kind nur Masern gehabt und davon 
Hornhauttrübungen auf beiden Augen zurückbebalten haben. Einige 
Monate nach ihrer Einsegnung, vor 3 — 4 Jahren also, begann das Hals¬ 
leiden, an dem sie heute noch laboriert. Sie wurde damals von ihrem 
Kassenarzt sofort der Charite überwiesen und dort (NB. ohne jemals ge¬ 
schlechtlichen Verkehr gehabt zu haben) auf die Abteilung für Ge¬ 
schlechtskranke aufgenommen. Man instituierte eine antisyphilitisohe 
Kur, gab Jodkali und machte intramuskuläre Injektionen, vermutlich Hg. 
Aber bald scheinen auch damals schon diagnostische Zweifel aufgetaucht 
zu sein. Nach der 15. Injektion war der Zustand des Mädchens in so 
besorgniserregender Weise verschlechtert, dass man die Kur abbrach 
und Patientin auf die Hautstation verlegt. Dort sollen nun Impfungen 
des Geschwürssekrets auf Meerschweinchen vorgenommen sein, übei 
deren Resultat Patientin leider nichts auszusagen weiss. Sonst wurde 
sie nur im Halse lokal mit Pinselungen behandelt, nach 2 Wochen als 
gebessert entlassen und dem Röntgeninstitut der Charite zugewiesen. 
Das letztere hat sie angeblich s /* Jahr lang besucht und ist jede Woche 
zweimal örtlich bestrahlt worden, ohne nennenswerte Besserung. Eine 
später von einem Professor der Dermatologie eingeleitete Schraietkur 
musste wegen auftretender Fiebererscheinungen nach wenigen lDUDktionen 
abgebrochen werden. Die Kranke arbeitete zwischendurch immer wieder 
einige Zeit in der Fabrik und kam erst vor kurzem zu uns mit einer 
Ulcerationslläcbe, die, von der Mitte des harten Gaumens beginnend, 
über das ganze Velum und die Tonsillen nach oben bis in den Nasen¬ 
rachenraum, nach unten bis auf die Stimmbänder in continuo binab- 
reichte. Der ganze Mesopharynx, der ganze Kehlkopfeingang ein grosses, 
flaches, von ausgeschweiften Rändern umzogenes, mit kolossalen gelben 
Eitermassen belegtes Geschwür. Epiglottis geschwürig quer ampatiert, 
ulcerierte Stenosis nasopharyngealis. Am Halse aussen nur ein paar 
weiche, massig vergrösserte Drüsen, an den Lungen nichts. Kein 
Husten. Keine Tuberkelbacillen im Sputum, keine Tuberkel¬ 
bacillen im Abstrichpräparat. Wassermann’sche Reaktion, 
Stern’sehe Reaktion negativ. Ernährungszustand, wie Sie gesehen 
haben, ganz leidlich; jedenfalls keine Spur von Kachexie! 

Was ist das nun? Lues acquisita oder hereditaria, Tuberkulose, 
Lupus oder eine Mischinfektion? Moritz Schmidt sagt in seinem be¬ 
kannten Buche: „Ein Geschwür, dass die ganze Breite der Pars oralis 
einnimmt und von den Choanen bis zum Kehlkopf reicht, betrachte man 
zunächst immer als luetisch, wenn auch die Anamnese negativ ist, und 
der Hals noch so blass aussieht.“ Edmund Meyer hat in der neuen 
Bearbeitung vorsichtigerweise hinzugefügt: „aber Ausnahmen kommen 
vor“! (Heiterkeit.) Ich selbst muss sagen, dass ich von diesen Aus¬ 
nahmen schon eine ganze Anzahl gesehen habe und auch in vor¬ 
liegendem Falle mehr der Annahme eines tuberkulösen Prozesses *u- 
neige. Ob Sie denselben Dun chronische, lokale Tuberkulose oder Lnpus 
nennen wollen, soll mir gleichgültig sein. Den strikten Beweis für die 
Richtigkeit dieser Auffassung kann ich freilich zurzeit nicht liefern. 

Wenn Sie mich aber fragen: weshalb 9ind denn nun nicht gleich 
noch andere Hilfsmittel zur ätiologischen Untersuchung mit herangezogen 
worden: Exzisionen grösserer Gewebsstücke zur Mikroskopie, probatorisebe 
TuberkuliniDjektionen usw.? so möchte ioh darauf erwidern: einmal, weil 
ich mir den interessanten Fall gern erhalten wollte uüd die Erfahrung 
gemacht habe, dass man durch zu grosse anfängliche Aktivität, be¬ 
sonders wenn sie schmerzhaft ist, derartige ambulante Kranke leiobt 
verscheucht, zweitens, weil ich weiss, dass auch diese Mittel manchmal 
nicht zum Ziele führen, und drittens, weil eine Behandlungsmethode zur 
Verfügung stand, die nach beiden fraglichen Seiten hin wirksam sein 
konnte. Neben Roborantien haben wir der Patientin Jodkali gereicht 
ä la Pfannenstili in massiger Gabe, und nebenher tüchtig mit Wasser¬ 
stoffsuperoxyd gurgeln lassen, ausserdem aber täglich in ziemlich grosser 
Menge das nach derselben Richtung hin wirkende Ulsanin auf die Ge- 
schwürsfiäcbe aufgeblasen und, damit das Modernste nicht fehle, der 
Patientin geraten, jede halbe Stunde zu benutzen, um sich mit dem 
Handspiegel Sonnenstrahlen in ihren Pharynx zu werfen. Der Erfolg is 
bisher ein recht guter gewesen. Das anfangs geradezu miserable Aus¬ 
sehen der Geschwüre besserte sich, sie wurden kleiner, die abunaan 
Sekretion geringer, die Schluckschmerzen schwanden bis auf ein 


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13. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1835 


mum. Vorläufig also haben wir keine Veranlassung, an dieser milden 
Therapie etwas zu ändern. Sollte aber, was 'ja durchaus nioht aus¬ 
geschlossen scheint einmal eine Stockung im Heilungsvorgang oder gar 
eine Verschlechterung eintreten, so werden wir natürlich nicht zögern, 
auch andere therapeutische Mittel in Anwendung zu ziehen, sei es nun 
Salvarsan oder Tuberkulin oder Radium oder Mesothorium, je nachdem 
das selbstredend fortzuführende Studium des Falles uns die Richtung 
weisen wird. 

Diskussion. 

Hr. Davidsohn: M. H.! Ich habe vor einer Reihe von Jahren in 
dieser Gesellschaft einen Fall vorgestellt, der fast das photographische 
Abbild dieses Falles darstellte. Die Affektion habe ich damals als 
Lnpus aufgefasst. Die Herren, die den Patienten sahen, schlossen sich 
dieser Meinung auch an. Er wurde mit Röntgeastrahlen mit sehr 
günstigem Erfolge behandelt: die Ulcera amVelum und Gaumen heilten 
vollkommen ab. Dagegen wurde der Larynx gar nicht beeinflusst. Der 
Patient war eine Zeitlang vollkommen aphonisch. Dann blieb er etwa 
s / 4 —1 «fahr aus der Behandlung weg, und als er wiederkam, hatte sich 
das Bild geradezu merkwürdig verändert: der Patient sprach mit voll¬ 
kommen lauter Stimme, ohne dass er in der Zeit irgendwie behandelt 
worden war; die Geschwüre auf dem Larynx waren vollkommen aus¬ 
geheilt, allerdings unter Zugrundegehen der Epiglottis; sie fehlte, und 
an ihrer Stelle war eine Narbe. Jedenfalls war der Fall, der damals als 
Lupus behandelt wurde, dem Bilde nach genau^gleich dem heute ge¬ 
zeigten. 

Hr. Killian: M. H.! Ich habe in Freiburg jahrelang in der Poli¬ 
klinik einen Fall behandelt, der ausserordentlich viel Aebnlichkeit mit 
diesem hatte. Es wurde damals auch alles gemacht, was überhaupt an 
Therapie in Betracht kam, und nichts hat geholfen. Wir waren uns nie 
recht klar darüber: ist es Lupus, ist es Tuberkulose, ist es Syphilis. 
Wir haben auch nach der Exzision keinen Aufschluss bekommen. Der 
Fall ging noch in andere Kliniken, wo man ebenfalls alles mögliche ver¬ 
suchte. Diese Patientin habe ich neulich zufällig in der Poliklinik von 
Kahler vollständig geheilt wiedergesehen, und das hat mich natürlich 
ausserordentlich interessiert. Die Heilung ist, ich müsste mich sehr 
täuschen, durch Salvarsaninjektionen herbeigeführt worden. Bei der Ge¬ 
legenheit möchte ich erwähnen, dass wir schon lange in meiner Klinik 
eine lnpöse Form der Spätsyphilis unterscheiden. 

Hr. Schoetz (Schlusswort): Nach dem guten Anfang hoffe ich 
stark, dass wir Ihnen die Patienten später auch als geheilt werden vor¬ 
stellen können. Was die Röntgenstrahlen betrift, so habe ich schon ge¬ 
sagt, dass sie ^f^Jahr lang angewendet wurden, ohne Erfolg. Darauf 
werden wir also wohl nioht mehr zurückkommen dürfen. Der „Lupus 
syphiliticus 1 * ist natürlich keine nene Sache, sondern eine Bezeichnung, 
über die sich schon vor langer Zeit Virchow, Hebra und andere aus¬ 
gesprochen haben. Die Möglichkeit, dass Syphilis in unserem Falle mit¬ 
spielen kann, will ich bis auf weiteres gar nicht bestreiten. Ich sage 
nur, eine reine Halssypbilis sieht ganz anders aus. Und ebenso sieht 
der typische Lupus anders aus. Bei ihm haben Sie immer Knötchen, 
mehr Narben, weniger Sekret, und vor allem kaum jemals die starken 
Schlook9ohmerzen, die hier anfänglich bestanden und nun durch die Be¬ 
handlung verschwunden sind. 

Das Ulsan in, welches manche der Herren noch nicht zu kennen 
scheinen, ist ein Hydrojodoborat, welches bei Berührung mit Feuchtig¬ 
keit, also anoh auf Geschwürsflächen, Jod und Oxygen in statu nascendi 
abspaltet. Es ist von Dr. Mandl-Kosch in Budapest zuerst angegeben 
und gerade für die ulceröse Schleimhauttuberlose empfohlen worden, eine 
Empfehlung, die von vielen anderen guten Autoren bestätigt wurde, ich 
selbst habe bei ein paar Kehlkopftuberkulosen, die ich vorher behandelte, 
nicht eben besonderes davon gesehen. Das mag aber an der anfangs 
etwas zaghaften Anwendung gelegen haben. In der Ambulanz muss 
man mit neuen Mitteln vorsichtiger sein als in der Klinik. Hier in 
unserem Falle haben wir zunächst den Pharynx in Angriff genommen 
nnd, nachdem wir uns überzeugt, dass bei Vorausschickung eines leichten 
Anästheticums (1 pCt. Novocain mit Suprarenin) weder Schmerz noch 
Oedem, noch sonstige Unannehmlichkeiten auftraten, täglich reichliche 
Mengen des Palvers auch in den Larynx eingeblasen mit dem ge¬ 
schilderten guten Erfolg. 

L Hr. KUlian-. Zur Technik der Septnmoperatien. 

M. E! Bei der Septumoperatiou bekommt man manchmal, nament¬ 
lich bei älteren Individuen, eine ziemlich starke Blutung, wenn man das 
vordere Ende des Vomer entfernt, eine Blutung, die einen im weiteren 
,? et i er ? n aufhält, die aber gewöhnlich durch Aufpressen eines Tampons 
allmählich zum Stehen kommt. Es blutet aus einer Knochenvene, welche 
jtorch den Canalis nasopalatinus hindurchzieht. Um dieser Blutung zu 
wgsguen, möchte ich Ihnen ein bestimmtes Vorfahren empfehlen. Man 
anasuiesiert mit 25 proz. alkoholischer Cocainlösung den vorderen Gaumen 
jjjd injiziert die Novocain-Adrenalinlösung direkt in den Canalis incisivus. 
J“ der Nadel gelangen Sie sehr leicht in den Kanal hinein. Sie werden 
aaach kaum noch durch die manchmal recht fatale Blutung gestört 
waen. Ich habe dieses Verfahren seit einem ganzen Jahre mit bestem 
Erfolg geübt. 6 I 

Diskussion. 

. Feyser: M. H.! Die Anästhesierung duroh den Canalis inoi- 
J^* 8®wbieht auch bei Leitungsanästhesie der sogenannten vier Punkte, 
Jahr 014,1 Kieferhöhlenoperationen an wendet. Ich wende sie seit 

w m, habe auch schon kurz darüber in der Diskussion auf dem 


Laryngologentag gesprochen. Die sogenannte Freyensteinspritze ist für 
diesen Zweck sehr geeignet. Wenn man mit ihren feinen biegsamen 
Kanülen arbeitet, findet man, auch wenn es einmal schwieriger ist, 
immer den Kanal und kommt tief genug hinein. Ausserdem gibt die 
Spritze einen sehr guten Druck. Sie wird, soviel ich weiss, von der 
Kgl. zahnärztlichen Klinik für diese Dinge mit Erfolg angewandt. Andere 
Spritzen arbeiten lange nicht so gut. Für diejenigen, die nunmehr ver¬ 
suchen werden, auch bei Septumoperationen den Kanal aufzusuchen, 
möchte ich deshalb das Instrument empfehlen. 

Tagesordnung. 

Hr. Blamenthal: 

Anatomische Beiträge znr endonasalen Hypophysisoperation. 

Die Operation der Hypophysentumoren wird von den meisten Ope¬ 
rateuren nach Freilegung der Keilbeinhöhlen ausgeführt, weil die Hypo¬ 
physe normalerweise in nächster Nachbarschaft derselben liegt. Diesen 
Weg gehen alle nasalen Operacionsmethoden. Verschieden sind sie nur 
im Anfang der Operation. Der eine klappt die ganze Nase auf, wie 
Schlosser, Chiari geht nach Resektion des Stirnfortsatzes durch das 
Siebbein, Denker gelangt zur Keilbeinhöhle durch die Kieferhöhle, 
Hirsch macht sich die Keilbeinhöhle mit Hilfe der submucösen Septum¬ 
operation frei. Nach diesen Voroperationen beginnt der wichtigste Teil, 
die Aufdeckung des Hypophysentumors selbst. Es fehlen nun genauere 
Angaben, wo man im speziellen Falle die Hypophyse aufzusuchen hat. 
Ich machte es mir daher zur Aufgabe, an Röntgenbildern nachzuweisen, 
erstens, dass die Hypophyse an ganz verschiedenen Steilen zur Keil¬ 
beinhöhle in Beziehung treten, eventuell ganz weit abseits von ihr ge¬ 
lagert sein kann, zweitens aus diesem Grunde darauf hinzuweisen, dass 
die operative Freilegung der Hypophyse nicht schematisch an einer be¬ 
stimmten Stelle gemacht werden darf, sondern an der im speziellen Falle 
durch die speziellen anatomischen Verhältnisse gegebenen Stelle, und 
schliesslich ein Hilfsmittel anzugeben, wodurch besser als bisher im 
Röntgenogramm die genaue Lage des Hypophysentumors zur Keilbein- 
höhle, also auch der genauere operative Angriffspunkt von den Wänden 
der Keilbeinhöhle aus bestimmt wird. 

An einer Reihe von Schädeln, die Herr Geheimrat Waldeyer mir 
freundlichst zur Verfügung stellte, wurde im Röntgenkabinett des Auguste 
Viktoria-Krankenhauses in Weissensee mit gütiger Erlaubnis des Herrn 
Kollegen Selb erg die wechselnde Beziehung des Hypophysenlagers zu 
den Keilbeinhöhlen röotgenographisch nachgewiesen. Das Hypophysen- 
lager wurde zum Zwecke deutlicherer Darstellung mit Stanniol ausge¬ 
füllt, Im Leben ist das nicht nötig, weil der Türkensattel ohnehin klar 
auf Röntgenbildern hervortritt. Um die Keilbeinhöhlen deutlich zu 
markieren, wurde in jede Höhle eine Sonde bis zur hinteren Wand vor¬ 
geschoben, in dieser Stellung fixiert und nun die Aufnahme gemacht. 
So war auf dem Röntgenogramm genau markiert, welcher Bezirk der 
Keilbeinhöhle entsprach, eine Verwechslung mit hinteren Siebbeinzellen 
ausgeschlossen, obere und hintere Keilbeinhöhlen wand genau bestimmt. 
Mit diesem Hilfsmittel, das nach der üblichen Voroperation, nämlich der 
Freilegung der Keilbeinhöhlen, bequem beim Lebenden benutzt werden 
kann, ist die genaue Lage des Türkensattels vom Röntgenogramm leicht 
abzulesen. Auf Lichtbildern {Demonstration) sieht man, wie die Hypo¬ 
physe zu den verschiedenen Wänden der Keilbeinhöhlen in nahe oder 
gar keine Beziehungen tritt. Diese Art der Röntgenaufnahme mit 
fixierter Sonde bewährte sioh auch sehr in einem verwandten Falle, den 
der Augenarzt Dr. Kann wegen Neuritis retrobulbaris freundlichst zur 
Nasenuntersuchung überwies. Durch schwere luetische Knochennekrosen 
war fast das ganze Innere der Nasenhöhlen zerstört. Am Rachendach 
fanden sich die gleichen Prozesse. Es war schwer festzustellen, welche 
Teile der Keilbeinhöhlen noch vorhanden waren. Die fixierte Sonde auf 
dem Röntgenbild liess die nekrotischen Bezirke als obere Wand der 
Keilbeinhöhle erkennen. Eine Höhle als solche bestand überhaupt nicht 
mehr. Das war ein wichtiger Anhaltspunkt bei der operativen Ent¬ 
fernung der nekrotischen Stellen; nach derselben kehrte das Sehvermögen 
bald schrittweise wieder. 

Diskussion. 

Hr. A. Meyer: Am Leichensobädel kann man sich über die Be¬ 
ziehungen der Keilbeinhöhle zur Hypophysis genau so gut wie an 
Röntgenaufnahmen unterrichten, wenn man sich einfach Querschnitte 
durch Schädel ansieht. Dabei siebt maß, dass die Beziehungen sehr 
variabel sind und dass es bisweilen sehr schwer sein muss, die Hypo¬ 
physis von der Keilbeinhöhle aus zu erreichen. Am Lebenden wird 
wohl auch bisher schon kein Operateur eine Hypophyse in Angriff ge¬ 
nommen haben, ohne sich vorher über ihre Lage durch Röntgenbilder 
vergewissert zu haben. loh habe an Leichen, und zwar am uneröffneten 
Schädel, in sieben Fällen die Hypophyse von der Nase aus nach Hirach’s 
Methode eröffnet. Dabei habe ich Glück gehabt: in allen Fällen 
markierte sich die Sella deutlich am Dach der Keilbeinhöhle und war 
leicht erreichbar. Unverständlich erscheint es mir, warum Herr Blumen- 
thal die Hypophyse dann für besonders schwer angreifbar hält, wenn 
sie weit vom im Dach der Keilbeinhöhle liegt. Im Gegenteil, in diesem 
Falle ist sie am leichtesten zugängig. Wenn man zwischen den Septum¬ 
blättern eingeht und das Septum der Keilbeinhöhle entfernt hat, so 
markiert sioh die Sella, und man kann sie leicht eröffnen, wenn sie im 
Bereiohe des Daches liegt. In anderen Fällen wird es natürlich ent¬ 
sprechend schwerer, um so mehr, je mehr sie aus dem Bereich der 
Höhle nach hinten verlagert ist. Bei der Operation in vivo ist man da¬ 
durch im Vorteil, dass die Sella in den meisten Fällen duroh den Tumor 


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1336 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


io die Keilbeinböhle hinein vorgewölbt wird. Da, wo das nicht der Fall 
ist, wo also der Tumor mehr intraoranial entwickelt ist, hat nach allen 
Erfahrungen auch die Operation verhältnismässig geringe Chancen. 

Hr. Halle: Ich möchte Herrn Kollegen Meyer darin zustimmen, 
dass man bei vermuteten Hypophysentumoren vor allen Dingen ein 
Röntgenbild im seitlichen Durchschnitt maohen muss. Bei Hypophysen* 
tumoren zeigt sich auf dem Bild die Sella meist erheblich verbreitert. 
Die Tumoren haben ja auch Zeit, den Knochen zu kurieren, und so ist 
das Bild gewöhnlich anders als auf den von Herrn Blumenthal ge¬ 
zeigten. Man muss sogar difforentialdiagnostisch auf die Röntgenplatte 
den Hauptwert legen. So habe ich vor wenigen Wochen einen Fall des 
Herrn Kollegen Peritz gesehen, wo ioh auf Grund des allerdings sehr 
schlechten Röntgenbildes einen intrasellaren Hypophysistumor abgelehnt 
habe, trotzdem die neurologische Untersuchung sehr dafür sprach. Als 
der Chirurg operierte — vom Munde her — und das junge Mädchen 
zugrunde ging, zeigte sioh, dass die Hypophyse durchaus gesund war. 
Ein anderer Fall, den ich mit dem Kollegen Peritz zusammen vor 
l */2 Jahren operiert habe, batte ein ausserordentlich gutes Röntgenbild. 
Hier fand sich intra operationem eine Cyste. Der Erfolg war sehr gut, 
das Augenlicht hat sich wieder hergestellt. Ich glaube also, dass man 
das Röntgen verfahren durchaus nicht entbehren kann. Auch eine 
soheinbar ganz sichere Diagnose, die neurologisch oder ophthalmologisch 
bestätigt ist, kann nur durch recht gute Röntgenaufnahme gesichert 
werden, und dabei zeigt sich bei den Tumoren in der Tat meist eine 
Verbreiterung der Sella. Iotracraniale Tumoren bieten ja eine ganz 
ungünstige Diagnose. Dass man aber auf dem von Blumentbal be- 
schrittenen Wege zu sichereren Schlüssen kommt, erscheint mir 
zweifelhaft. 

Hr. West: loh habe nur wenig Erfahrungen in der Behandlung von 
Hypophysengeschwülsten. Aber in den letzten zwei Jahren habe ich 
Gelegenheit gehabt, in der Klinik von Herrn Geheimrat Silex 5 Fälle 
zu operieren. Ich habe dabei gar keine Schwierigkeiten gehabt, fest- 
zusteilen, wo man den Schädel aufmachen sollte. Ich weiss nicht, wie 
man in diesen pathologischen Zuständen eine derartige Operation ohne 
eine Röntgenplatte machen soll. Auf der Platte allein kann man sehen, 
wo man zu meissein hat. Bei zweien dieser Patienten trat eine Blutung 
ein, die die Operation aufhielt; aber nachdem man ein paarmal getupft 
und ein paar Minuten gewartet hatte, konnte man sehen, wo zu meissein 
war. Die schwierigen Fälle sind die, wo die Sella turcica so weit vor¬ 
gedrungen ist, dass die beiden Platten, die von der Schädelbasis und 
der vorderen Keilbeinhöhle, so nahe aneinander liegen, dass eine Keil¬ 
beinstanze nicht dazwischen eiDgeführt werden kann. Iq diesen Fällen 
muss man die vordere Keilbeinhöhle mit dem Meissel wegnehmen. Das 
ist umständlicher und schwieriger, als wenn man mit der Keilbeinstanze 
vorgeben kann. In zwei Fällen lagen die beiden Knochen so dicht an¬ 
einander, dass man nicht dazwischen kam. Soll die Sonde, von der 
Herr Blumenthal sprach, bei der Operation oder vor der Operation 
eingeführt werden? (Herr Blumenthal: Vorher!) Dann sehe ich nicht 
ein, wie uns das hier helfen kann. Bei der Operation ist die Sonde 
sowieso nicht da, da muss man also ohne sie arbeiten. 

Hr. Kuttner*. Ich glaube, m. H., dass wohl heute niemand mehr 
an eine Hypophysenoperation herangehen wird, ohne sich vorher durch 
eine Röntgenaufnahme über die Diagnose und den besten Weg für die 
Operation zu informieren. Auch dass es eine ganze Reihe von Fällen 
gibt, wo Keilbeinhöhle und Sella turoica so unglücklich zueinander 
liegen, dass man von vornherein auf den Weg durch die Keilbeinhöhle 
verzichten muss, ist ja hinlänglich bekannt, ebenso dass, wenn man auf 
diesen Weg verzichten muss, meistens auch die anderen Wege recht 
wenig Chancen bieten. Die Einführung der Sonde vor der Röntgen¬ 
aufnahme mag in einzelnen Fällen etwas für sich haben. Aber dann 
muss man auch die Keilbeinböhle vorher schon so weit eröffnen, dass 
man über die Lage des Sondenknopfes ganz genau orientiert ist. Sonst 
könnte gerade die Sonde diagnostische Irrtümer veranlassen. 

Was die Diagnose des Hypophysentumors selbst betrifft, so glaube 
ich, dass das, was Herr Kollege Halle gesagt hat, nicht ganz stimmt. 
Wohl sieht man bei sehr vielen alten Hypophysentumoren eine Ver¬ 
breiterung der Sella turcica, man sieht eine Verdünnung der vorderen, 
manchmal auch der hinteren Türkensattellebne, aber es gibt doch eine 
ganze Anzahl von Hypopbysentumoren — und das sind gerade die ver¬ 
hängnisvollsten —, die sich nur nach oben entwickeln, so dass sie auf 
dem Röntgenbilde gar keine Veränderungen bervorrufen und die Sella 
turcica ganz normal erscheint. Bei diesen Fällen leistet das Radio¬ 
gramm nichts, ihre operative Behandlung ist aussichtslos. 

Hr. Schmidt-Haokenberg: Ein sehr wichtiges Symptom ist heute 
nicht zur Sprache gekommen. Nicht bloss die Vergrösserung der Sella 
turcica deutet auf einen Hypophysentumor — weil auch eine Anzahl 
Tumoren nach oben wachsen —, sondern es gibt ein Symptom,, das 
nicht im Stiche lässt, nämlich dass die Processus clinoidei posteriores, 
die im normalen Schädel ein wenig nach vorn geneigt sind, im Röntgen¬ 
bilde bei Uypophysentumor senkrecht nach oben oder sogar nach hinten 
stehen. Man kann also weniger aus der Vergrösserung der Sella turcica 
als aus dieser Richtungsänderung auf Hypopbysentumor schliessen. In 
den drei Fällen, die ich zu röntgen hatte, hat dieses Symptom auf den 
richtigen Weg geleitet. Einer von den Fällen hatte keine erhebliche 
Aussattelung der Sella turcica. 

Hr Weingaertner: loh möchte die Ausfuhrungen über den Wert 
der Röntgenaufnahme, denen ioh durchaus beipfliohte, noch dahin er¬ 


weitern, dass meiner Ansicht nach das stereoskopische Röntgen verfahren, 
das neuerdings so ausgearbeitet ist, dass man es bei Lebenden mit 
gutem Erfolg aozuwenden vermag, den einwandfreiesten Aufschluss über 
die Beziehungen zwischen Sella turoica und Keilbeinböhle geben kann. 
Vor der Bewertung der Bilder, die mit der eingeführten Sonde gemacht 
worden sind, möchte ich insofern warnen, als eine ausserordentlich exakte 
Technik dazu gehört, um die Lagebeziehungen zwischen eingefübrter 
Sonde und Umgebung genau zu studieren. Es ist eine bekannte Tat* 
sache, dass z. B. angeblich in die Stirnhöhle eingeführte Sonden auf 
dem Röntgenbilde in dieser erscheinen, obwohl sie in Wirklichkeit gar 
nicht in die Stirnhöhle eiDgeführt sind. Aehnlich könnte das auch bei 
der Keilbeinhöhle passieren. Ausserdem kann, wenn wirklich io beiden 
KeiibeiDböhlen je eine Sonde liegt, durch eine nur geringe schräge Pro¬ 
jektion des centralen Strahles die eine Sonde, und zwar die plattenferne 
Sonde, entschieden weiter nach hinten oder auch nach vorn projiziert 
werden, so dass die Lage der einen Sonde mindestens zu Täuschungen 
Veranlassung geben kann. 

Hr. Blumentbal (Schlusswort): M. H! In den Fällen, in denen 
die Hypophyse die obere oder hintere Wand der Keilbeinhöhte stark 
vorgebaucht hat, braucht man für die Operation kein Röotgenbild. Der 
Sitz des Tumors wird intra operationem klar. Aber das sind doch nicht 
alle Fälle. Es kommen, wie aus der Literatur hervorgeht und auch 
einige Herren hier bemerkt haben, ab und zu Fälle vor, in denen die 
Hypophyse nicht solche Vorbauschungen macht, und gerade für diese 
ist es ausserordentlich wichtig, genau zu wissen, wo man bei der 
Operation die Hypophyse aufzusuchen hat. Ein falscher Weg mit der 
Sonde, wie Herr Weingaertner meint, kann niemals dann beschritten 
werdeD, wenn man sich vorher die Keilbeinböhle zugänglich gemacht 
hat. Eine Reihe von Operateuren operiert zweizeitig, d. h. sie legen in 
der ersten Operation die Keilbeinhöhle breit frei, resezieren die vordere 
Wand und das Septum zwischen beiden Höhlen. Da ist doch der Keil- 
beinhöhlenraum so gioss, dass die Sonde unmöglich auf einen falschen 
Weg geraten kann. 

Der Wert der Röntgenbilder ist von keiner Seite beanstandet 
worden. Ich glaube nun, dass uns dieselben mit Sonde genaueren Auf¬ 
schluss geben als ohne Sonde, wie sie bisher angefertigt wurden. Sie 
haben aD meinen Bildern gesebeD, dass die Hypophyse an verschiedenen 
Stellen der Keilbeinhöhle anliegen kann. Wo sie liegt, lässt sich genau 
nur dann feststelJen, wenn man eine Sonde als Wegweiser hat. Ohne 
Sonde kann es passieren, dass man vielleicht einen Raum für die Keil¬ 
beinhöhle hält, der in Wirklichkeit eine Siebbeinzelte ist. Solche dia¬ 
gnostischen Irrtümer werden wohl bei röntgenographischen Aufnahmen 
nie vermieden werden können. 

Zum Schlüsse möchte ich nur noch Herrn Meyer erwidern, der 
meinte, es sei doch reoht leicht, die Hypophyse aufzuklappen, wenn sie 
hier dem vorderen Teil der oberen Keilbeinhöhlenwand anliegt. (Demon¬ 
stration.) Die Operation ist desto schwieriger, je steiler wir mit dem 
Instrument nach oben geben müssen, und sie ist desto leichter, je mehr 
wir horizontal arbeiten können. Stellen Sie sioh vor: die Hypophysis 
liegt hier vor, dann müssen wir mit dem Instrument sehr steil nach 
oben gehen. Im anderen Falle könnten wir den horizontalen Weg bc- 
schreiten, und dann ist die Operation leichter. 


Röntgen-Vereinigung zu Berlin. 

Sitzung vom 22. Mai 1914. 

1. Hr. Beeker Charlottenburg (a. G.) demonstrierte an einer Reibe 
von Bildern, wie man bei Kindern häufig das Uebergreifea der Tiber- 
kilose von den erkrankten Bronchialdrüsen auf die Lungen sehen kann, 
und zwar zu einer Zeit, wo der klinische Befund ganz oder so gut wie 
ganz negativ ist. Er wies darauf hin, dass man in einer Anzahl von 
Fällen hauptsächlich auf den Röntgenbefund hin eine Heilstättenkur 
eingeleitet hätte, und dass man in diesen Fällen, weil sie eben Anfangs- 
fälle gewesen seien, vorzügliche Resultate erzielt hätte. Er zeigte, dass 
man an den Bildern oft deutlich eine Veränderung der Schatten vor der 
Heilstättenbehandlung und längere Zeit nachher sehen könnte, dass 
nämlich an den späteren Bildern die Schatten gewissermaassen ge¬ 
schrumpft und viel schärfer abgesetzt wären, als an den früheren, mm 
dass erstere wahrscheinlich eine Vernarbung anzeigten. Da zwischen der 
Aufnahme der beiden Bilder in jedem Fall ein längerer Zwischenraum — 
bis zu 4 Jahren — läge, könnte man wohl von einer bleibenden Ver¬ 
änderung und Heilung sprechen. Die Röntgenuntersuchungen müssten 
besonders bei Kindern im schulpflichtigen Alter in viel grösserem Um¬ 
fange vorgenommen werden, als es bisher ganz allgemein geschähe. 

2. Hr. Frik-Berlin: * 

Diagnose der Lnngenkrankheiten in Röntgenbild. (Projektionsvortrag.) 

An der Hand von 66 Diapositiven wurde erst die Deutung d 
normalen Lungenzeichnung und einige Fehlerquellen bei der Diagnosen- 
steltuDg (Subclaviaschatten, Brustwarzenschatten usw.) besprochen un 
dann der Reihe nach die verschiedenen Lungenkrankheiten dure - 
gegangen: Verschiedene Formen der Tuberkulose, Pleuritis, darun 
Serienaufnahmen vom Verlauf einer interlobären Pleuritis, verschiede 
Formen von Pneumo-, Pyo- und Seropneumothorai, Bronchi ektas> 
Lungenabsoess (Serienaufnahmen), chronische Pneumonie mit Sooniovs 
der erkrankten Lunge, Tumoren verschiedener Art und ihre ro ge 
zustande. 





13. Jolil914^ 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1337 


Sitzung vom 11. Juni 1914. 

Hr. Pohl- Berlin (a. G ): (Jeher die Natir der Räntgenstrablen. 

Vortr. erläutert an Hand von Experimenten die prinzipielle Identität 
der Röntgen- oder y-Strahlen mit dem sichtbaren Licht, behandelt die 
Inter/erenzversuche als Grundlage der spektralen Aussonderung einzelner 
Wellenlängen, die für die Praxis deswegen wichtig ist, weil die chemisch¬ 
physiologischen Wirkungen der Röntgen wellen genau wie die der Licht¬ 
vollen ausserordenlich mit der Wellenlänge variieren. 

Immelmann. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft ftlr vater¬ 
ländische Cnltnr an Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 18. März 1914. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Röhmann. 

Hr. Loresz: Plexuslähmungen nach Oberarmlnxationen. 

M. H.! Ich darf mir erlauben, Ihnen in folgendem ganz kurz drei 
Kranke vorzustellen, bei denen sich im Anschluss an eine Luxation im 
Schultergelenk eine Lähmung entwickelte. 

Fall 1. Vor 4 1 /* Jahren fiel Patient von einer Lowry und renkte 
sich den Arm aus. Es handelte sioh um eine Luxatio subcoracoidea. 
Repdniert von Herrn Brade. Ueblicher Desaultverband. Es entwickelte 
sich eine Lähmung des Armes; Seitliche HebuDg im Schultergelenk 
fast 0. 

Patient konnte den Unterarm, die Hand, die Finger in den Grund¬ 
gelenken nioht strecken, bei gestrecktem Arm nicht supinieren. 

Es handelte sioh also um eine Lähmung bzw. eine Parese der 
Ko. axillaris und radialis. 

Es wurde versucht, drei Monate lang durch elektrische und medico- 
mechanische Behandlung eine Besserung zu erzielen, aber ohne Erfolg. 

Operation: Der Plexus brachialis wurde freipräpariert; es zeigte sioh 
auf etwa 3 cm weit der N. axillaris und der N. radialis in ein chronisch 
entzündliches, weich-narbiges Gewebe eingebettet. Beide Nerven werden 
freipräpariert und aus dem Narbengewebe gelöst. 

Heilung erfolgte dann ohne Besonderheiten. Patient wurde dann 
noch mehrere Monate elektrisch und medico-mechanisch behandelt. 

Heute, 4 Jahre nach der Operation, m. H., sehen Sie den Patienten 
hier. (Demonstration.) 

Bis auf eine leichte Einschränkung des Supinationsvermögens und 
der Handstreckung in den Grundgeleoken hat sich das Leiden eigentlich 
ganz gebessert Der Patient ist in der Lage, sich seinen Lebensunter¬ 
halt selbst zu verdienen; er war allerdings gezwungen, sich etwas leichtere 
Arbeit zu verschaffen. 

Fall 2. Patient fiel vor l 1 /* Jahren auf die linke Hand und renkte 
sich die Schulter aus. Es handelte sich um eine Luxatio subcoracoidea. 
Dieselbe wurde reponiert. Desault’scber Verband. 

Wenige Tage nach der Operation entwickelte sich eine Lähmung. 

Befund: Hebung im Schultergelenk sehr stark eingeschränkt. 

Ünterarm-Handstreckung, Supination, Streckung der Finger in den 
Grundgelenken, Streckung und Abduktion des Daumens 0. 

Streckung in den Endgliedern der Finger fast 0. Spreizen der 
Finger 0. j 

, Fis handelte sich also um eine Lähmung bzw. Parese der Nn. axil- i 
lana, radialis und ulnaris. 

Da keine Besserung eintrat, etwa S Monate nach dem ÜDglücksfall 
Operation. Der Plexus brachialis wurde freipräpariert; es zeigte sioh 
derselbe in ausgedehntesten Verwachsungen eingebettet. Es war äusserst 
mühselig, sich einen Ueberbliok über die einzelnen Nervenstämme zu 
Terscbaffen und sich ein einigermaassen anatomisches Präparat heraus- 
wpraparieren. (Demonstration.) 

80 k 0Q a k°» m * H., wie sioh auch bei diesem Patienten der Zu- 

bedeutend gebessert hat, allerdings noch nicht so vollständig wie 
m dem ersten Falle. Besonders schwach ist die Streckung der Finger 
2 den Interphalangealgelenken, Spreizen der Finger ist unmöglich, die 
*m. mterossei sind auffallend atrophisch und sind nicht faradi9ch zu 
wuen. r 

In ähnlicher Weise ist auch die Streckung und Abduktion des 
Daumens noch recht gering. 

„ Ä v • daraus, dass sich in diesem Falle besonders der N. ulnaris 
noch nicht ordentlich erholt hat. 

kff a ^ 0r ers * e * n *^ a ^ r se ^ der Operation vergangen ist, steht zu 
0D ’ dass sich das Leiden auch noch weiterhin bessern wird. 

»eiidf ^* 8 dritten ähnlichen Fall zeige ich Ihnen einen Patienten, 
R#nn«v 81C k yor e * ¥a * Wochen den Arm ausrenkte. Es wurden einige 
brMht. 1008 ™ 1 ? 110 * 10 gemacht. Patient wurde dann in unsere Klinik ge- 
, Q reponiere 41,8 ^ er 0 * ne ^^^gkeiten, in Aethernarkose den Kopf 

f 8 handelte sich ebenfalls um eine typische Luxatio subcoracoidea. 

m Tage nach der Operation entwickelte sich eine Lähmung. 

Grund- ° 0 k u Rergelenk 0. Streckung der Finger sowohl in den 
“od Abd*!^' 10 f^ eD * nt6r Phalangealgelenken 0. DaumenstreckuDg 


Es haodelte sieh also um Bewegungsbeschränkungen im Gebiet der 
Nn. axillaris, radialis und ulnaris. 

Jetzt, nach 4 Wochen, zeige ich Ihnen den Patienten wieder, nach¬ 
dem derselbe elektrisch und medico-mechanisch behandelt worden ist. 
(Demonstration.) 

Sie sehen, m. H, auch hier hat sich der Zustand ganz wesentlich 
gebessert. Patient batte noch leichte Bewegungsbeschränkungen im 
Schultergelenk und in den Interphalangealgelenken der Finger, also im 
Axillarisr und Radialisgebiet. 

Die beiden ersten vorgestellten Fälle beweisen ganz deutlich, dass 
mitunter diese hartnäckigen Lähmungen in sehr günstigem Sinne duroh 
einen operativen Eingriff beeinflusst werden können; das Entscheidende 
ist aber die schon eingangs aufgestellte Frage, wann operiert werden 
soll. Auf Grund des dritten Falles müssen wir den Bardenheuer- 
schen Standpunkt ablehnen. Wir würden uns in der Regel nicht vor 
Ablauf von 2 Monaten zur Operation entschlossen. Dazu veranlasst 
uns folgende Ueberlegung: Wir haben früher bei einigen Fällen von so¬ 
genannter Scblauchlähmuog des Oberarmes gesehen, dass selbst in hart¬ 
näckigen Fällen ungefähr mit 6—7 Wochen die Beweglichkeit anfängt, 
wiederzukehren. Wenn das auch bloss rein empirisch festgestellt ist, 
so halten wir vorläufig an der Tatsache fest, dass Bich etwa in dieser 
Zeit eine Nervenquetschung an den grossen Nervensträngen des Ober¬ 
armes wieder ausgLeichen kann. Dauert die Lähmung noch länger, so 
muss man wohl annehmen, dass eine Rekonstruktion durch Druck und 
Narbenschrumpfung im benachbarten Gewebe aufgehoben wird, und dann 
halten wir uns zur Operation, d. h. zur Neurolyse für berechtigt, die ja 
in den beiden vorgestellten Fällen auch ein ganz gutes Resultat er¬ 
geben hat. 

Hr. Aron: 

Untersuchungen über die Beeinflussung des Wachstums durch die Er¬ 
nährung. 

(Ist in Nr. 21 dieser Wochenschrift erschienen.) 

Diskussion: Hr. Röhmann. 


Sitzung vom 20. März 1914. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Rosenfeld. 

Hr. Kfittner: 

Wie vermeiden wir Irrtfimer bei der Diagnose der Appendicitis? 

Der Schwerpunkt der Frage liegt bei der durch die Frühoperation 
nötig gewordenen Frühdiagnose der Appendicitis, welche die Ent¬ 
scheidung innerhalb der ersten 24 Stunden erheischt. Die Fehlerquellen 
der Appendicitisdiagnose sind einmal bei Erkrankungen zu suohen, die 
mit nachweisbaren, die Appendix jedoch nicht betreffenden Veränderungen 
in der Bauchhöhle einhergehen oder aber bei Affektionen, die entweder über¬ 
haupt nicht im Abdomen lokalisiert sind oder doch wenigstens nicht zu 
anatomischen Veränderungen von Bauchorganen führen. Zweifellos ist 
es weit häufiger die, erste Kategorie von Fällen, welche differential- 
diagnostische Schwierigkeiten bereitet, sowohl hinsichtlich der Beurtei¬ 
lung akuter Anfälle wie der Deutung chronischer Beschwerden. Täuschungen 
können hier ausgehen von Affektionen des Magendarmtractus, der Gallen¬ 
wege und des Pankreas, des uropoetischen Systems, der weiblichen Geni¬ 
talien, deren Differentialdiagnose gegenüber der Appendicitis eingehend 
besprochen wird. Nach kurzer Erörterung der in unmittelbarer Nach¬ 
barschaft der Bauchhöhle lokalisierten Erkrankungen, die gelegentlich 
eine Appendicitis vortäuschen können (Hernien, Erkrankungen des Beckens, 
des Psoas, der Bauchdecken usw.) erörtert Vortr. die Affektionen, welche 
ein der Wurmfortsatzentzündung ähnliches Krankheitsbild hervorrufen, 
ohne dass überhaupt pathologische Veränderungen in der Bauchhöhle 
oder ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nachzuweisen sind. Von den 
Affektionen, die chronische, pseudoappendicitische Beschwerden verur¬ 
sachen, sind die neuiasthenischen und hysterischen Affektionen, die eigent¬ 
lichen Darmneurosen, die Neuralgien und Myalgien, die Bleikolik zu 
nennen. Unter den Erkrankungen, die ohne pathologischen Befund in 
der Bauchhöhle eine akute Appendicitis vortäuschen können, bespricht 
Vortr. die hysterische Pseudoperitonitis, die akute Pseudoappendicitis 
bei Basedow, Pneumonie und anderen Infektionskrankheiten, namentlich 
der Angina, dem Erythema exsudativum multiforme, dem akuten Gelenk¬ 
rheumatismus, der akuten recidivierenden Polymyositis und der Henoch- 
schen Purpura der Kinder. 

Die Diskussion wird vertagt. 

Darauf Herr Direktor Salomon: Demonstration der ultramikroskopi¬ 
schen kinematographischen Films (aufgenommen von Dr. Commaudon) 
betreffend Blutumlauf, Bewegung der Leukooyten, der Spirochäten (Firma 
Pathö Freres). 


Aerztlicher Verein nn Hamburg. 

Sitzung vom 9. Juni 1914. 

1. Hr. Liittge demonstriert die anatomischen Veränderungen bei 
einem Knaben, dessen Nervensystem er auf Veranlassung von Herrn Dr. 
Oberg im Kinderhospital auch klinisch antersucht hat. Das Kind, wegen 
einer Tuberkulose aufgenommeo, bot damals folgenden Befund an den 
Augen: Beim Blick geradeaus nichts Besonderes, beim Blick nach links 
erreichten die Bulbi die End9tellungen. Ebenso war der Blick nach 


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Gck igle 


Original from 

UNIVERSUM OF IOWA 



1338 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


oben, riaoh links oben, nach links unten unbehindert. Die Prüfung auf 
Doppelbilder war bei dem Alter des Knaben (l Jahr 8 MoDate) nicht 
ausführbar. Beim BJick nach rechts erreichten die Bulbi die Mittel¬ 
stellung und blieben hier stehen. Oft wandte das Kind dann den Kopf 
nach rechts, um den Fehler auszugleicheo. Es gelang, Konvergenz- 
bewegungen hervorzurufen und so den Nachweis zu liefern, dass der M. 
rectus internus des linken Auges nur bei einer seiner Funktionen (bei 
der associierten Rechtsdrehung) versagte. Es wurde in wiederholten 
Sitzungen versucht, die Unterscheidung zwischen nucleärer und supra- 
nucleärer Blicklähmung durehzuführeD, und dabei zeigte sich, dass durch 
keine der von Bielschowsky angegebenen Methoden eine unwillkürliche 
Drehung der Bulbi über die Mittelstellung hinaus nach rechts erzielt 
werden konnte. Es bandelte sich demnach um den seltenen Befund einer 
associierten seitlichen Blicklähmung von nuoleärem Cha¬ 
rakter. Eine gleichzeitige Abweichung des Kopfes war nicht vorhanden. 
Der rechte Facialis blieb ein wenig in seiner Innervation hinter dem 
linken zurück, war aber nicht eigentlich paretisch. — Eine Anamnese 
konnte nicht erhoben werden. — Diagnose: Kleiner Herd im rechts¬ 
seitigen Abducenskern oder in dessen unmittelbarer Umgebung; wahr¬ 
scheinlich Tuberkel. Exitus durch Diphtherie. Das Gehirn wurde vom 
Vortragenden im Pathologischen Institut des Krankenhauses St. Georg 
bearbeitet. Makroskopisch: Solitärtuberkel, oberflächlich in der Rinde 
des linken Hinterhauptlappens, fern von der Sehbahn, gelegen. Mikro¬ 
skopisch: Im Pons uüd Mittelhirn eine Anzahl kleiner gliöser Narben, 
die Reste einer weit zurückliegenden Poliencepbalitis (Serienschnitte). 
Ein Herd (6:2 mm), der in der Höhe des Trigeminus ventrolateral dem 
hinteren Längsbüodel vorgelagert ist, sendet einen scbweifartigen Fort¬ 
satz durch die Schlinge des Facialis hindurch und zerstört so mit grösster 
Präzision den rechten Abducenskern. Es finden sich drei weitere kleine 
Herde (im linken Trochleariskern und in den grosszelligen Oculomotorius- 
kernen), die für die seitliche Blicklähmung nicht in Betracht kommeo. 

2. Hr. Deutschländer zeigt eine Patientin, bei der er vor 2 1 /* Jahren 
wegen gonorrhoischer Kniegelenksankylose eine Gelenkplastik vor- 
genommen hat. Er hat dabei im Gegensatz zu den sonst üblichen Ver¬ 
fahren alle Gelenkteile radikal zu entfernen, alles lebensfähige Ge¬ 
webe, insbesondere auch den Seitenbandapparat geschont. Demonstra¬ 
tion des guten Erfolges. 

3. Hr. Weygandt: 

Klinische und experimentelle Erfahrungen hei Salvarsaninjektionen 
in das Centralnervensystem. 

Das Gennerich’sche Verfahren wurde bei 25 Paralytikern in vor¬ 
geschrittenem Stadium angewandt, nachdem vorher eingehende Tier¬ 
versuche die Gefahrlosigkeit massiger Mengen von Neosalvarsan in ge¬ 
ringer Konzentration dargetan hatten. Die meisten Fälle wurden zwei- 
bis dreimal injiziert. Erbrechen und Krämpfe wurden bei 3 Kranken 
beobachtet; einmal vorübergehend Nackensteifigkeit, nur einmal wurde 
bereits bestehende Inkontinenz etwas deutlicher. Anfälle wurden einmal 
zwischen der 1. und 2. Injektion, zweimal nach der 2. Injektion beob¬ 
achtet. Geringe Temperatursteigerung wurde mehrfach beobachtet, meist 
am Tage nach der Injektion. Gelegentlich waren die erste oder die 
beiden ersten Injektionen fieberfrei, erst nach einer späteren Zeit trat 
Fieber ein. Meist ging die Temperatur nicht über 38 bis 38,5° hinaus, 
dreimal wurden 39° überschritten, einmal wurden 40,5° erreicht, 
letzteres am 19. Tage nach einer dritten Injektion, in sonst fieberfreier 
Zeit. Bei einem wurde am 36. Tage wieder eine fieberhafte Temperatur 
beobachtet. Ein Kranker zeigte am 5. Tage Status, am 6. erfolgte 
Exitus an Bronchopneumonie und Myodegeneratio cordis. Gelegentlich 
war bei späteren Injektionen die Punktion selbst schwieriger als vorher. 

Besserungen kamen, trotzdem die Fälle an sich sehr vorgerückt 
waren, 15mal zu Beobachtung; sie betrafen die Sprachstörung, Facialis- 
parese. Romberg. Manche erholten sich von der Hemmung, andere von 
der Erregung. Mehrere konnten wieder aufsteheD, einer giDg im Garten 
spazieren, ein anderer wurde gebessert entlassen. Zweimal wurde Ge¬ 
wichtszunahme von 4 bis 6 Pfund beobachtet. Ein anderer Fall konnte 
seine frühere Verwaltungstätigkeit wieder aufnehmeD. 

Gerade angesichts der Bedenken, die die Fälle von Cbarlton in 
Los Aogelos erwecken mussten, ist zu betonen, dass die bet uns an¬ 
gewandte Methode keine besondere Gefahr wegen der Mischung des Neo- 
salvarsans in vitro und auch nicht wegen der LösuDg in Chlornatrium 
ergab. 

Hr. Kafka berichtet über die Veränderungen der Reaktionen 
in Blut und Liquor nach den intralumbalen Neosalvarsaninjektionen. 
In einer grösseren Reihe von Fällen wurde eine Abnahme oder ein Ver¬ 
schwinden, sei es der Wassermann’scheu Reaktion im Blut oder im 
Liquor, sei es des Zell-, sei es des Gesamteiweissgehaltes im Liquor 
beobachtet, eine gleichsinnige Besserung aller Reaktionen, jedoch nur 
in 2 Fällen. In 2 Fällen kam eine deutliche Herxheimer’sohe Re¬ 
aktion in Gestalt eines Aufflackerns einer syphilitischen Meningitis zur 
Beobachtung. Die Luetinreaktion wird im Gegensatz zu den Fällen 
von frischer Syphilis — wie übrigens auch bei intravenöser Salvarsan- 
injektion — nicht verändert, d. h. nicht verstärkt. 

Hr. Jakob berichtet über die Beobachtungen bei experimenteller 
Salvarsanapplikation am Affen. Es wurde bald intralumbal, bald intra- 
dural am Gehirn injiziert, und zwar kam eine Lösung von 0,1/100 und 
eine von 0,3/100 zur Anwendung. Niedrige Dosen der verdünnten 
Lösungen machten nie Erscheinungen, weder klinische noch pathologische. 
Bei Anwendung der konzentrierten Lösung blieben einige Affen gesund, 


andere bekamen schwere Paresen, einer starb im Status epilepticus, und 
zwar wurden niedrige Dosen in einigen Fällen schlechter vertragen, als 
in anderen hohe. Histologische Veränderungen fanden sich in diesen 
Fällen fast immer, sie bestanden in einer Proliferation der Bindegewebs¬ 
zellen in der Dura und im Epineurium, Wucherung des Endothels der 
Gelasse mit starker Verengerung des Lumens, Wucherung der Schwann- 
schen Zellen in der Peripherie der Nervenbündel. In einem Falle mit 
schweren Lähmungen fanden sich im Vorderbom akute Ganglienzell- 
Veränderungen, in der Peripherie des Lumbalmarks Markscheidenverände- 
ruDgen und Abbauzellen. Der Fall mit Exitus im epileptischen Anfall 
war durch besonders schwere Gefässveränderungen — Eodothelwucherung, 
Sprossbildungen — in einzelnen Gehirnabscbnitten, massenhafte Körnohen- 
zellen an der Injektionsstelle — aber auch entfernt davon — aus¬ 
gezeichnet. Es kommt für die Wirkung sowohl auf die Dosis wie auf 
die Konzentration an. Die Veränderungen fanden sich bei intralumbaler 
Injektion auch im Gehirn und umgekehrt 

4. Diskussion zum Vortrag des Herrn Lieaaa: lieber Jngeid- 
irreseia. 

Hr. Weygandt betont, dass die Schwierigkeiten in der Beurteilung 
der Dementia praecox immer noch sehr gross sind, namentlich wenn mau 
die Paranoiafrage damit verknüpft Wichtig ist die Frage des Zurück- 
reichens in das frühe Jugendalter. 

Hr. Trömner: Die überwiegende Rolle in der Aetiologie spielt die 
Heredität Der Frage der Heilbarkeit steht Vortr. sehr skeptisch 
gegenüber. 

Hr. Nonne: Die Psychiater bekommen meist die schweren Fälle zu 
sehen. Der Neurologe sieht eine Reihe von Fällen, bei denen auch bei 
längerer Beobachtung von Heilung gesprochen werden kann. Aetio- 
logisch spielt eine grosse Rolle die Syphilis in der Ascendenz. Da¬ 
bei bieten die Kranken selbst keine Stigmata der Erkrankung und nega¬ 
tive Wassermann’sche und Luetinreaktion. Diese Fälle geben meist eine 
schlechte Prognose. 

Hr. Saenger sieht ebenfalls nicht selten Fälle, die zur Heilung 
kommen. Er zieht den Namen „Schizophrenie* dem der Dementia 
praecoi vor. 

Hr. Hess steht einer Heilung sehr skeptisch gegenüber und be¬ 
zweifelt die Diagnose in solchen Fällen.- 

Auch Herr Lienau betont in seinem Schlusswort, dass in der¬ 
artig leichten Fällen die Unterscheidung der Dementia praecox von 
Neurasthenie und Hysterie unmöglich sein kann. 

5. Hr. Simntoads: 

lieber Tuberkulose des ■änalieben Genitalsystems. 

Während man früher allgemein den Nebenhoden für den Ausgangs¬ 
punkt der männlichen Genitaltuberkulose hielt, ist beute Benda der 
Ansicht, dass es eine primäre Nebenhodentuberkulose überhaupt nicht 
gibt. Diese Ansicht geht nach S.’s Erfahrungen zu weit, denn er fand 
unter 40 Fällen, bei denen nur ein einziges Organ betroffen war, 20mal 
die Prostata, 10mal die Saraenblasen und 10mal die Nebenhoden be¬ 
fallen. Die Ausbreitung von dem primär ergriffenen Organ aus erfolgt 
zunächst (nach Baumgarten) mit dem Sekretstrom, kann aber auch 
bei Sekretstauungen gegen den Strom erfolgen. Die häufige Kombination 
mit Tuberkulose des unpolitischen Systems kann kein Zufall sein, da 
dieselbe bei Weibern viel seltener ist. Dabei kann sowohl das eine 
als das andere System das primär ergriffene sein. Daneben kommt sicher 
auch eine polycentrische Entstehung vor. Eine Entscheidung durch den 
histologischen Befund ist unmöglich, da es bei der hämatogenen Aus¬ 
scheidungstuberkulose zuerst zu einer Ausscheidung von Bacillen in das 
Kanallumen kommt und erst von hieraus die Wand a/fiziert wird, wo¬ 
durch es zu ganz den gleichen Bildern kommt, wie wenn der Prozess 
auf dem Wege des Kanals sich fortpflanzt. Solche Ausscheidungstuber¬ 
kulose kommt in der Prostata und den Samenblasen, nicht aber im 
Hoden vor. Hier geht die Erkrankung vielmehr von den Lympbbahnen 
aus, oder es kommt zur Bildung grosser Käseherde. Die Hodentuber¬ 
kulose ist durch eine erhebliche Tendenz zur Heilung ausgezeichnet. 
An der Urethra findet man in Fällen von Prostatatuberkulose wenigstens 
mikroskopisch fast immer Tuberkel. Praktische Schlüsse: Bei doppel¬ 
seitiger Nebenhodentuberkulose darf wenigstens ein Hoden zurückgelassen 
werden. Dagegen sind die Samenblasen möglichst prinzipiell mitzuent¬ 
fernen, da hier im Gegensatz zur Ansicht Anschütz’s die Heilungs¬ 
tendenz nur sehr gering ist, und weil gerade bei Samenblasentuberkulose 
Meningitis tuberculosa unverhältnismässig häufig ist. Sehr bemerkenswert 
ist, dass von 20 Fällen von Kastration, die späterhin zur Sektion kamen, 
alle ein Fortschreiten des Prozesses auf die Prostata, 17 auf die Samen- 
blase zeigten. Das spricht für ein radikales Yorgehen. 

Fr. Wohlwill. 


Medizinische Gesellschaft zu Kiel. 

Sitzung vom 11. Juni 1914. 

Hr. Beraeand stellt einen Fall sicherer sympathischer Ophtbalnie 
vor, die vier Monate nach einer Exenteration zum Ausbruch ge- 
gekommen war. 

Im Anschluss an einen Fall, wo die Diagnose der sympathischen 
Ophthalmie wegen der Aehnlichkeit des klinischen Bildes mit Tuberku¬ 
lose Schwierigkeiten bot, bespriobt er kurz die Diagnosenstellung und 
demonstriert Irisbilder von sympathischer Ophthalmie und Tuberkulose. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




13. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1339 


Hr. Behr: Zur Frühdiagnose der tabischen Sehnemnatrophie. 

Die Dunkeladaptation des Auges wird nach der von Kries’schen 
Theorie als eine isolierte Funktion des Stäbchenapparates der Netzhaut 
uad insbesondere des in seinen Endgliedern enthaltenen Sehpurpurs an- 
gesprochen. Durch physiologische Untersuchungen konnte Vortr. es 
bereits vor längerer Zeit wahrscheinlich machen, dass die Produktion 
und Regeneration des Sehpurpurs nach Art einer Drüsentätigkeit unter 
dem regulierenden Einfluss eines höheren io den primären optischen 
Ganglien gelegenen Centrums erfolgt. In der basalen optischen Bahn 
verlaufen also neben den centripetalen visuellen (Zapfen- und Stäbchen¬ 
fasern) und pupillomotoriscben auch centrifugale sekretorische Bahnen. 
Diese verschiedenen Fasersysteme besitzen nun eine verschiedene Wider¬ 
standsfähigkeit gegen Schädlichkeiten, die auf den Opticusstamm bzw. 
auf die basale optische Leitungsbahn einwirken, je nach der Art der¬ 
selben. Die der Dunkeladaptation dienenden Fasern werden viel leichter 
durch entzündlicb degenerative Prozesse in ihrer Leitung beeinträchtigt 
als die beiden anderen, umgekehrt zeigen die letzteren eine geringere 
Widerstandsfähigkeit gegen rein mechanische Schädigungen als die 
Stäbchenfasern. So kann die Sehschärfe im atrophischen Stadium einer 
Stanungspapille oder bei einer traumatisch bedingten descendierenden 
Atrophie hochgradig herabgesetzt sein, und auch im Gesichtsfeld können 
grössere Defekte bestehen, ohne dass die Dunkeladaptation eine stärkere 
Sohädigung aufweist, ja diese kann sogar völlig normal sein. Das um¬ 
gekehrte Verhalten, dass die Dunkeladaptation elektiv geschädigt ist, 
findet sich im Frühstadium der tabischen Sehnervenatrophie. Und zwar 
handelt es sich hier um einen durchaus typischen und regelmässigen 
Befand, der bereits zu einer Zeit zu erheben ist, in welcher Gesichtsfeld 
und centrale Sehschärfe keine Spur einer Störung darbieten und nur eine 
leichte atrophische Verfärbung der Sehnervenpapille auf das beginnende 
Leiden bin weist. An drei Fällen konnte Vortr. nun auch eine derartige 
in ihrer Art wohl charakterisierte Adaptationstörung bereits vor der Aus¬ 
bildung einer ophthalmoskopisch erkennbaren atrophischen Papillen- 
verfärbuog als allererstes Zeichen eines im Sehnerven sich entwickelnden 
degenerativen Prozesses beobachten. In allen drei Fällen bildete sioh 
im Verlauf von einigen Monaten bis zu zwei Jahren langsam eine deut¬ 
liche Atrophie an der Papille aus, wodurch der Zusammenhang zwischen 
der Adaptationsstörung und dem spezifisch tabischen Prozess im Nerven¬ 
stamm bewiesen wurde. Bei einem der drei Patienten hat sich in- 
iwischen auf dem einen Auge auch eine unregelmässig konzentrische 
Gesichtsfeldeinengung und eine leichte Herabsetzung der centralen Seh¬ 
schärfe heraasgebildet 

Diese Beobachtungen lehren, dass die Störung der Dunkeladaptation 
nicht aar eia konstantes Symptom der tabischen Sehnervenatrophie ist, 
vielmehr stellt diese das erste überhaupt und leicht nachweisbare Sym¬ 
ptom dieses Leidens dar, das den übrigen objektiven und subjektiven 
Symptomen unter Umständen um Jahre vorausgehen kann. 

Hr. Heile berichtet unter Vorstellung von 6 Patienten über die 
liagiostiseke Bedtoog einseitiger Neuritis optici bsw. Opticus- 
itrophie. 

Von 46 im Laufe von 7 Jahren unter etwa 50000 Augenkranken 
beobachteten Fällen erklärten sich mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit 
durch 


Multiple Sklerose . . . . 15 = 35pCt. 

Aetiologisch dunkel blieben 12 = 25 „ 

Uues.6 = 12 „ 

„Rheuma“.4 = 8 „ 

Tuberkulose. 4 = 8 „ 

Nebenböhlenerkrankungen 
und orbitale Prozesse. . 3 = 6 „ 

Trauma? .2 = 4 „ 

Aach wenn man alle ätiologisch dunklen Fälle tur multiplen Skle¬ 
rose bmiurecbnet, würden sich doch erst 60 pCt. für diese ergeben, was 
gegenüber den Fleiccher’schen Zahlen erheblich zurückbleibt. Gewiss 
ut es berechtigt, möglichst lange Beobachtungszeiten zu verlangen, sah 
doch Fleischer noch 14 Jahre nach dem Auftreten der ocularen Sym¬ 
ptome die multiple Sklerose manifest werden. Auch Vortr. sah einen 
•I!’ d' 6 multiple Sklerose 10 Jahre nach einer (doppel¬ 

seitigen) Neuritis optici intraocularis herausstellte. Je länger man die 
wienten mit Neuritis optici retrobulbaris oder intraocularis (besonders 
an«' kr * m behält, je sicherer die anderen genannten Ursachen 
MnschLessen sind, je sorgfältiger man neurologisch untersucht, um so 
Hnh W - S * 1 -^ e ^ r0 * en tzahl der multiplen Sklerose, bis zu welcher 

tnn . noc h diskutabel, vermutlich jedenfalls über 50. Auch 

p e ° doppelseitigen Sehnervenentzündungen erklärt sich ein gewisser 
t 0 ! 1 Sklerose, doch stehen hier wesentlich andere 

a b° 1 |°8 i8cl1 im Vordergründe: in erster Linie Intoxikationen 
i'Ws Diabetes*^ UQ< * ^°hol), Heredität (Leber- und Behr’sohe Formen), 

Diskussion: HHr. Lubarsoh, Heine, Lüthje. 

?'• Heseheler: Tetaaiekatarakt. 

Piich*» !!*!?“ an Untersuchungen von Triebenstein und 
dt» Vrtrhn a . tr# 50 Fälle von seniler und präseniler Katarakt auf 
«n t>ösiti*a ^ e S sem , ^knter Tetanie untersucht, aber nur bei einem Fall 
„ Ergebnis gehabt. (Demonstration des Patienten.) 

*®finn Pawi!? ®i Qen Fall von Ophthalmoplegie vor. Es bestand 
Ooulomotorius, Abducens, Trigeminus 1, der Sym- 
^r des Dilatator und Parese des Trochlearis. S. *= 


sichelförmiger Ausfall des Gesichtsfeldes unten, Miosis, Pupillenstarre 
für Licht und Konvergenz. Reaktion auf Atropin, Eserin H-, auf 
Cocain —. 

Die mit Adrenalin erweiterte Pupille reagierte schwach auf Konver¬ 
genz. Leichter Schatten im Röntgenbild im Bereich der oberen Be¬ 
grenzung der Fissura orbitalis superior. Wassermann 0. Nebenhöhlen- 
und Lumbalpunktion ohne Besonderheiten. Im Fundus geringe venöse 
Stase. 

Die Lähmung der Augenmuskeln ging zurüok, die Lidreaktion kehrte 
teilweise wieder. Vortr. ist der Ansicht, dass bei dem Zusammentreffen 
von Miosis mit Liebt- und Konvergenzstarre bei Sympathicuslähmung die 
Miosis in diesem Falle durch einen reflektorischen, vom Trigeminus aus- 
gelosten Reflex — Krampf des Sphincter — bedingt wäre, ausgelöst 
durch dieselbe Schädigung, die centrifugal den ersten Trigeminusast 
lähmte. Der Sphincterkrampf hat nach Ansioht des Vortr. die Licht- 
und Konvergenzreaktion kaschiert. Gleichzeitig mit der Wiederkehr der 
Empfindung im ersten Trigeminusaste kehrte auch die Konvergenz- und 
Lichtreaktion spurenweise zurüok. E. Richter. 


Verein für wissenschaftliche Heilkunde eu Königsberg i. Pr« 

Sitzung vom 18. Mai 1914. 

1. Hr. Boit demonstriert 2 operativ gewonnene sehr grosse Hydro- 
nephrosen. Beiden Fällen lag kongenitale Ureterstenose zugrunde. Be¬ 
merkenswert war in beiden Fällen das Auftreten von Nierenblutungen, 
die als spontan entstandene Dehnungsblutangen aus den Hydronephrosen- 
wandungen gedeutet wurden. 

2. Hr. Jastram demonstriert a) einen operativ gewonnenen, hämor¬ 
rhagisch infarcierten kryptorchen Hoden, der infolge Stieldrehung peri¬ 
toneale Reizerscheinungen gemacht hatte, b) das Präparat eines 
Aneurysmas der Carotis externa. Dieses hatte als solider Tumor vor 
der Operation imponiert. Bei der Operation tödliche Blutung. Von 
Aneurysmen der Carotis interna sind 17 Fälle, des Car. externa ausser 
diesem nur noch 1 Fall bekannt. 

Diskussion zu 1. und 2.: Hr. Friedrich. 

3. Hr. Kaiserling demonstriert zwei Aneurysmen, und zwar a) 
Aneurysma perforans aortae in die Trachea und b) Aneurysma der 
Bauchaorta, welches mit dem Duodenum kommunizierte. 

Diskussion: HHr. Friedrich und Hilbert. 

4. Hr. Henke*. Eine neue, in der allgemeinen Praxis leicht ausführ¬ 
bare Methode der Totalexstirpation chronisch erkrankter Gnnmen- 
mandeln. Mit den bisherigen Methoden gelingt es, wie Heinemann 
in einer eben erschienenen Arbeit betont, nicht in jedem Falle, ohne 
Schwierigkeiten und ohne Gefahr die Operation der Tonsillenexstirpation 
auszuführen. Das gilt ganz besonders von den kleinen, flachen, ver¬ 
senkten, mit der Unterlage fest verwachsenen Mandeln. Tonsillen, Gaumen¬ 
bögen und umliegendes Gewebe sind in diesen Fällen häufig ausser¬ 
ordentlich schwer voneinander abzugrenzen. Durch die zum Zwecke der 
Anästhesie vorgenorameoe Injektion in die Gaumenbögen, welche von 
fast allen Autoren empfohlen wird, wird die Unterscheidung der Ton¬ 
sillen von der Umgebung noch schwieriger. Vortr. vermeidet daher 
peinlichst eine Infiltration der Gaumenbögen und nimmt die Anästhesie 
in folgender Weise vor: 

Pat. pinselt sich selbst mit einer 10 proz. Cocain-Adrenalinlösung 
Zungengrund, Gaumenbögen, Tonsille und Rachenwand. Diese Selbst¬ 
anästhesierung ist dem Pat. viel angenehmer als diejenige durch den 
Arzt Alsdann erfolgt die Infiltrationsanästhesie. 20—25 ccm folgender 
Lösung werden injiziert: Va proz. Novocain 100 + Suprarenin 1,5 ccm. 
Die Lösung wird lediglich hinter die Mandel injiziert und besonders 
hinter den oberen Pol, und zwar mit einer gebogenen Kanüle vom Re- 
cessus supratonsillaris aus. Dadurch wird die Tonsille mit ihrer Kapsel 
aus ihrem Bett nach dem Lumen des Rachens, also nach innen heraus¬ 
gehoben. Zu gleicher Zeit aber wird sie von den lateral bleibenden 
Gefässen abgehoben. Die Gaumenbögen grenzen sioh naoh dieser Injek¬ 
tion sehr scharf ab, selbst ganz versenkte Mandeln können dadurch gut 
zum Vorschein gebracht werden. 

Lässt man nun den Pat. mit einem Spatel die Zunge tief herab¬ 
drücken, so markiert sich der vordere Gaumenbogen besonders in seinen 
unteren Abschnitten wie eine Leiste. Zu der nachfolgenden Operation 
hat Vortr. ein besonderes Instrument konstruiert (Pfau und Lieber¬ 
knecht, Berlin). Die Tonsille darf nicht vorgezogen werden, sondern 
die rechteckig abgebogene Endfläche des Instrumentes wird zwischen 
vorderem Gaumenbogen und der Tonsille von unten aus eingeführt und 
mit einer einzigen Bewegung nach oben die vordere Hälfte der Tonsille 
samt Kapsel ausgeschält. Mit der anderen Endfläche des Instruments 
•inem Löffel vergleichbar, wird nun die Tonsille von oben nach unten 
herausgeschalt und zugleich vom hinteren Gaumenbogen abgetrennt 
Nur noch unten hängt dann die Tonsille mit dem Gewebe zusammen' 

und es kann entweder mit der Schlinge oder mit der Schere die An¬ 

heftungsstelle durchtrennt werden Die Operation lässt sich fast ohne 
jeden Blutverlust und ohne jede Schwierigkeit in dieser Weise ausführen 

Mastiso^bestrichen' J0<1,>,0rm anSg6pal " rt "‘ d d “" ™<*Uch S 

WeJ^eneÄn 4 ? ^ in d « beschriebenen 

Diskussion: HHr. Linok, Streit, Frindrieb, Henke. 


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UNIVERSUM OF IOWA 







1340 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


5. Hr. Brüte Ueber des Wert der Geschichte der Medizi». 

Daa Studium der Geschichte der Medizin wird seit langem so ver¬ 
nachlässigt, dass fast die Frage aufgeworfen werden könnte, ob sie über¬ 
haupt Wert und Zweck hat. Aus der Entwicklungsgeschichte wissen 
wir, dass wir oft ein Organ nur dann richtig beurteilen können, wenn 
wir seine Entstehung kennen. Aber auch unsere Erkenntnis ist eine 
gewordene. Die Gegenwart hat die vergangenen Entwicklungsstadien zu 
ihrer notwendigen Voraussetzung. Wir sind uns dessen nur nicht be¬ 
wusst, wie sehr wir in unserer Sprache, in unserem Denken von ferner 
Vergangenheit beherrscht werden. So sprechen wir z. B. ganz im Sinne 
der alten Humoralpathologie von den vier Temperamenten, Dyskrasie, 
Idiosynkrasie, ohne an die „Krasis“, die Mischung der 4 alten Kardioal- 
säfte, Blut, Schleim, Galle und schwarze Galle zu denken. Das Interesse 
für die Geschichte der Medizin schwindet immer mehr, aber auch die 
früher zahlreich vorhandenen Lehrer der Geschichte der Medizin sind 
fast verschwunden. Liegt dieser auffälligen Erscheinung nicht eine tiefere 
Ursache zugrunde? Der frühere Charakter der Universitäten war eine 
gewisse Universalität, die Wahrung des Zusammenhanges aller Wissen¬ 
schaft. Die Medizin wurde manchmal nur von zweien, ja von einem 
Lehrer vorgetragen. Da war es leicht, eine Geschichte der Medizin zu 
schreiben. Jetzt zerfallt unsere Wissenschaft in eine grosse Menge von 
Spezialdisziplinen, dass ein einzelner nicht mehr alles kritisch über¬ 
schauen kann. Daher kann eigentlich jeder nur über sein eigenes Spezial¬ 
fach dessen Geschichte behandeln. Die Vorschrift, dass im Examen die 
Geschichte berücksichtigt werden soll, hat wenig Zweck, wenn nicht 
schon dafür gesorgt wird, dass das schon während des Unterrichtes ge¬ 
schieht. Ein Uebelstand für den Unterricht ist noch, dass sich der 
jüngere Student für die Geschichte eines Gegenstandes nicht interessiert, 
weil er ihn noch nicht kennt und der ältere Mediziner den Examens¬ 
sorgen etwa zu nahe steht. Deswegen schickt Vortr. ia seinen Vor¬ 
lesungen zuerst den augenblicklichen Stand einer Frage voraus, um ihre 
Geschichte nachher daran zu schliessen. Zu diesem Zweck werden be¬ 
sonders markante Themata ausgewählt. Wie Verf. vorgeht, zeigt eine 
kurze Skizze einer seiner Vorlesungen als Beispiel: Ueber die Behandlung 
der Mammatumoren. Einzelheiten dieses überaus interessanten Themas 
lassen sich hier nicht geben. Das Arbeiten an genau demselben Problem 
durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch, der bestimmende Ein¬ 
fluss unserer theoretischen Anschauungen auf das praktische Handela 
tritt hier überall zutage, und trotz aller dieser gewaltigen Anstrengungen 
müssen wir trotz der Höhe unserer modernen Forschung bescheiden ein¬ 
gestehen, dass z. B. das uralte Krebsproblem auch beute noch nicht 
gelöst ist. 

Diskussion: HHr. Kaiserling, Kisskalt, Michaelis und 
Friedrich. 

6. Hr. Pappe: Die Operationspfllcht des Verletzten. 

Drei Reiohsgerichtsentscheidungen im Verlauf der letzten 20 Jahre 
kennzeichnen die Wandlung, welche die juristischen Anschauungen über 
die Frage: Gibt es eine Operationspflicht des Verletzten? durchgemacht 
haben. Die Reichsgerichtsentscheidung vom 80. V. 1894 legt das freie Selbst- 
bestimmuogsreoht über den eigenen Körper hinsichtlich ärztlicher Be¬ 
handlung fest. Ein Urteil vom 20. XL 1911 stellt fest, dass ein Ver¬ 
letzter seinen Sobadenanspruch verliert, wenn er sich weigert, sich einer 
ungefährlichen Operation zu unterziehen, und die Entscheidung vom 
30. V. 1913, dass ein Beschädigter seinen Rechtsanspruch verliert, wenn 
er es unterlässt, ein beschädigtes Glied, das mehr schadet als nützt, 
sich absetzen zu lassen. Die für die gesamte soziale und private, ebenso 
auch für die Gefängnis-Unfallversicherung hoch bedeutsamen Folgen dieser 
Reohtsauffassung werden besprochen. Die Bedingungen für einen solchen 
Eingriff sind: Völlige Gefahrlosigkeit und Schmerzlosigkeit, also gute 
Lokalanästhesie, sichere Erwartung der Besserung der Erwerbsfähigkeit 
und Bestreitung der Kosten seitens des Haftpflichtigen. Misslingt der 
Eingriff, so trägt der Haftpflichtige auoh die neueotstandenen Folgen. 

Diskussion: Hr. Friedrioh. Nippe-Königsberg. 


Gynäkologische Gesellschaft zu Dresden. 

Sitzung vom 14. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Kehrer. 

Schriftführer: Herr Richter. 

Hr. Krall: Demonstration eines Vaginalthermophors, dessen Tem¬ 
peratur man an einem von der Patientin in der Hand'zu haltenden 
Kontrollapparat, der mit einem Thermometer ausgerüstet ist, bequem 
kontrollieren kann. 

Diskussion: HHr. v. Holst und E. Kehrer. 

Hr. Krill: Demonstrationen: 1. vier exstirpierte Tubargravidi- 
täten; 2. supravaginal amputierter Uterus myomatosns mit Gravidität; 
3. Uterns, der nach der Operation eines Emmet-Risses wegen starker 
Blutung aus dem schwammigen Gewebe des Operationsgebietes exstirpiert 
worden war. 

Diskussion: HHr. Weisswange und Krull. 

Hr. Weisswange: Demonstration eioer durch Frühgeburt gewonnenen 
Frteht, die im Anfang des achten Schwangerscbaftsmonats bei be¬ 
stehendem Hydramnion abgestorben war und bei der Geburt sehr starke 
Einschnürungen an der Nabelschnur infolge von Torsion aufwies. 
Lues und Nephritis waren bei der Mutter nicht vorhanden. Der Vor¬ 
tragende glaubt, dass das Absterben der Frucht duroh die Torsion der 
Nabelschnur bedingt gewesen ist 


Diskussion. 

Hr. Albert nimmt an, dass die Torsion der Nabelschnur erst nach 
dem Fruchttod eingetreten sei. Da Hydramnion bestand, so lag von 
Anfaag an eine pathologische Schwangerschaft vor, die für das Absterben 
der Frucht verantwortlich zu machen ist. 

Hr. Richter glaubt, dass zur Ausbildung so starker Torsion der 
Nabelschnur aktive Bewegungen des Kindes notig seien. 

Hr. Kehrer nimmt ebenfalls an, dass die Torsion vor dem Ab¬ 
sterben der Frucht eingetreten sei; er erinnert daran, dass solche 
Einschnürungen der Nabelschnur auch durch amnotische Stränge bedingt 
sein können. 

Hr. Weisswange: Bericht über einen rechtsseitigen Adnextiwsr 
hei Gravidität im dritten Mennt, der sich bei der Operation als mehr¬ 
fach perforierter Appendix, der zwischen Iteumschlingen eingebettet lag, 
entpuppte. Heilung nach Resektion des Coecums und der den Appendix 
umgebenden Ueumscblingen und Vereinigung der Darmstümpfe. 

Hr. Vogt: Demonstrationen: 1. Pyometra auf dem Boden eines 
Cervixcarcinoms; 2. Hydrometra, vergesellschaftet mit Cystocaroinom des 
Ovariums. 

Diskussion: Hr. Ehrlich. 

Hr. Tittel: Demonstrationen: 1. Absprengingswlssbildasg der Nase, 
rüsselförmiger Anhang am rechten inneren Augenwinkel, der als miss¬ 
gebildete rechte Nasenhälfte gedeutet werden muss; 2. Choidrodystrs- 
phia congenita; 3. angeborener, sehr starker Hydrocephalns. 

Diskussion: Hr Prüsmann. 

Hr. Strohbach: Demonstration eines Blinddarmes, in dem ein Kot¬ 
stein und vier Baodwurmglieder gefunden wurden. 

Diskussion: Hr. Steudemann. 

Hr. Reinhardt: Diabetes nad Schwangerschaft 

Demonstration einer 45jährigen Zwöiftgebärenden in der 20.Schwanger- 
sobaftswoche, die seit */< Jahren an Diabetes leidet. Schwerer Fall von 
Diabetes, nach dreitägiger kohlebydratfreier Diät Entzuckerung nicht er¬ 
reichbar. Auftreten von Aceton und jff Oxybuttersäure; toxische Nephrose, 
schwere Alteratioo des Allgemeinbefindens. Kein Anhaltspunkt für 
Pankreasdiabetes; tägliche Ausschwemmung von 70—80 g = 4—7 pCt 
Sacharum. Künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft. Postoperatir 
starke Acidose, die nach 6 Tagen durch entsprechende Diät zurüokgeht 
Wocbenbettsverlauf fieberfrei. Durch die Schwangerschaftsunterbrechung 
war keine Beeinflussung der Zuckerausscheidung zu erreichen, das sub¬ 
jektive Befinden besserte sich jedoch erheblich. 

Diskussion: Hr. Kehrer glaubt, dass die Prognose bei Diabetes 
in der Schwangerschaft ganz allgemein viel zu trübe gestellt wird. 

Hr. Kehrer: Spontanruptur des Uterns nach vorbergegangenem 
Kaiserschnitt, nach welchem im Wochenbett eine Endometritis purulenta 
und doppelseitige Mastitis bestanden batte. Geheilt duroh supravaginale 
Amputation des Uterus. 

Aussprache zam Gesetzentwurf znr Bekämpfung der Gebirtea- 

tbnnbme: Die Gesellschaft scbliesst sich den in dem Berliner Gutachten 
gemachten Vorschlägen an. Klaus Hoffmann-Dresden. 


Naturwissenschaftlich-medizinische Gesellschaft zu Jena. 

(Sektion für Heilkunde.) 

Sitzung vom 28. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Binswanger. 

Schriftführer: Herr Berger. 

1. Hr. Ponndorf (als Gast): Cutanimpfnng bei Tuberkaitse. 

Angeregt durch die vielen Misserfolge mit der gewöhnlichen Glycerin- 
Pookenlymphe in den Tropen hat Vortr. eine Trockenlymphe hergestellt, 
die auch in den Tropen ihre Wirkung nicht verliert. Durch genügend 
langes Zerreiben dieser Trookenlymphe in einer Kugelmühle erhält man 
ein Vaccinetoxin, das bei cut&ner Verimpfung spezifische Reaktionen 
gibt. Beim Kaninebenohr entsteht nach 6—8 Wochen Rötung und 
Schwellung, nach l f 4 Jahr eine Papel mit Areola, noch später oft ein 
Bläschen auf der Papel. Bei Wiederimpfung treten alle Reaktionen 
noch stärker und schneller auf, was Vortr. auf eine Beseitigung der 
Immunität der Haut zurückfübrt. Vortr. erblickt in dieser Erscheinung 
bei der Wiederimpfung eine Entgiftung des Körpers. Diese Erfahrungen 
veranlassten den Vortr. auch zu Versuchen bei Tuberkulose. Auch hier 
erhielt er bei tuberkulösen Kaninchen bei cutaner VerimpfuDg von Tuber¬ 
kulin eine typische Papel mit Areola. Während bei frischer Tuber¬ 
kulose sich nur schwache Resultate zeigten, erhielt er bei fortgeschritteneren 
Formen, sobald die Bacillen in die Blutbabn und die inneren Organe 
eingedrungen waren, ganz ausserordentliche Reaktionen. Bei Versuchen 
am Menschen zeigte sich z. B. bei einer Frau mit hochgradigem, lange 
Jahre vergeblich behandeltem Lupus faoiei sowohl eine sehr starke Papel 
mit breiter Areola an der Impfstelle, wie auoh eine stark entzündliche 
Reaktion an den lupösen Partien mit Einschmelzung der Knötchen und 
grosser Heitungstendenz der Geschwüre. Das vom Vortr. hergestellte 
Präparat ruft stärkere Reaktionen hervor, wie daa Alttuberkulin-Höchst 
Das Koch’sche Alttuberkulin ruft zwar starke Lokalreaktion, aber kein 
Zurückgehen des Lupus hervor. Ein Fall von Lupus ist vom Vortr. 
durch wiederholte Impfungen vollkommen geheilt. Besonders gute Er* 
folge erzielte Vortr. bei Hornhautphlyktaenen; ferner völlige Heilungen 
von Spitzen tuberkulösen. Bei fortgeschritteneren Stadien Hessen sich er¬ 
hebliche Besserungen konstatieren. Bei bisher badllenfreien Patienten 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 



13. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1341 


treten bisweilen nach den Impfungen reichlich Bacillen auf, was sich 
wohl nur durch Lokalwirkung erklären lasse. Fieber und Blutungen 
sind keine Kontra)ndikationen. Ferner bestehen gute Erfolge bei all¬ 
gemeinem Ekzem, Psoriasis, Mittelohrkatarrhen, Bauch feil tuberkulösen. 

Die Technik muss sorgfältig ausgeführt werden. Abreiben der 
Impfstelle (Oberarm) mit Benzin oder Alkohol. Etwa 30 Impfschnitte, 
1—2 mm nebeneinander auf einem fünfmarkstückgrossen Gebiet, so aus- 
gefflhrt, dass eben Neigung zur Blutung auftTitt. Sorgfältiges Einreiben 
Ton etwa 2 Tropfen Tuberkulin. Trocknen lassen! Kein Verband! 
(Demonstration.) Vortr. fordert dringend zu Versuchen mit seiner Me¬ 
thode auf. 

Diskussion: HHr. Stintzing, Stock, Lommel und Ponndorf. 

2. Hr. Stintziig: Zar Behandlung des Pneumothorax. 

Der geschlossene Pneumothorax bei Lungentuberkulose kann 
unter bestimmten Voraussetzungen spontan ausheilen. Bisweilen können 
häufige Punktionen zur Heilung führen. Komprimiert gewesene Lungen- 
partien können sich noch nach Vs —*U Jahren wieder ausdehnen. Der 
offene und Ventilpneumothorax haben eine sehr schlechte Prognose. 
Punktionen stellen meist nur ein palliatives Mittel dar. Dem Vortr, hat 
sich jedoch ein Verfahren bewährt, das sich an die Bülau’sche Heber- 
drain&ge anlehnt, wobei der Druck so reguliert wird, dass bei der In¬ 
spiration der Pleuraraum die Luft nicht durch das Loch in der Lunge, 
sondern durch die Oeffnung von aussen ansaugt. Vortr. hat verschiedent¬ 
lich gute Erfolge erzielen können und empfiehlt es Wh gelegentlicher 
Nachprüfung. (Demonstrationen.) 

3. Hr. Reichmann: Herdsymptome hei Meningitis. 

Sind bei einer Meningitis Herdsymptome vorhanden, so kann es sich 
handeln: I. um eine Neuritis bzw. Perioeuritis der Hirnnerven, 2. um 
eine Läsion centraler Bahnen, 3. um einen Fall ohne anatomisches 
Substrat. Bei einem Patienten des Vortr. wurde die Diagnose auf einen 
Solitärtuberkel an der Brücke oder dem Beginne des Grossbirnschenkels 
gestellt. Die Sektion ergab keinen makroskopischen Befund. Jedoch 
gelang es, mikroskopisch schwere Veränderungen an den klinisch ver¬ 
muteten Lokalisationen festzustellen. (Demonstrationen.) 

Warsow-Jena. 


Medizinische Gesellschaft eh Göttingen, 

Sitzung vom II. Juni 1914. 

Hr. fioeppert demonstriert a) einen 5Vz jährigen Jungen mit Osteo- 
putyruis, der bereits seit 5 Jahren in Behandlung steht; jegliche 
Therapie ist wirkungslos geblieben; es treten immer wieder neue 
Frakturen auf. Starke Verbiegung der Oberschenkel. Keine Rachitis. 
(Röntgen bilder); 

b) Injektioispräparate, die den Verschluss der Foramina des 
4. Ventrikels bei Genickstarre des Säuglings erkennen lassen; einen Tag 
vor dem Eintritt des definitiven Verschlusses starke Differenz zwischen 
Ventrikel und Arachnoidaldruck; 

c) berichtet über ein 8 jähriges Kind, bei dem die Symptome eines 
Kleiikintanorfl nur angedeutet waren, ja teilweise überhaupt fehlten. 
Die Diagnose wurde im wesentlichen aus dem bestehenden rechtsseitigen 
Schiefbals gestellt. 

Hr. Boehm demonstriert das pathologisch-anatomische Präparat 
dieses Falles: zellreiches Gliom des rechten Kleinhirns. 

Br. Blnbdorn : Znr Biologie der Darmflora des Säuglings. 

Vortr. hat Versuche über den Einfluss verschiedener organischer 
Säuren auf die Stuhlflora angestellt; von den untersuchten Saures wirkte 
die Milchsäure am stärksten bakterienbemmend. In den Säurenähr- 
geoischen wuchs nur eine grampositive Flora, die gramnegative wurde 
abgetotet, weshalb Vortr. zu der Ansicht neigt, dass die früher ätio¬ 
logisch für die Entstehung von Darmkatarrhen verantwortlich gemachten 
Streptokokken und Streptobacillen (sogenannte Acidophilie) lediglich als 
säureresistente Bakterien in Stühlen saurer Reaktion gewissermaassen 
als Restflora gefunden worden sind. Die Milchsäure regt am wenigsten 
die Peristaltik an und schädigt am wenigsten den Darm. Die Säuren 
verhalten sich in dieser Beziehung gerade umgekehrt wie hinsichtlich 
«rer bakterienbemmenden Wirkung. Vortr. geht dann auf die von 
Bakteriea gebildeten Säuren eiu unter Mitteilung eigener Versuche; er 
glaubt, dass für die Entstehung von Durchfällen ätiologisch die niederen 
fluchtigen Säuren von grosser Bedeutung sind. Zum Schluss bringt er 
eunge therapeutische Ausblicke. 

Hr. Usener: 

Heber Einwirkung des Kalks auf das vegetative Nervensystem. 

p. v °rtr. hat die lähmende Wirkung von Kalksalzen auf das durch 
niocarpin, Atropin und Adrenalin erregte vegetative Nervensystem 
untersucht; es gelang ihm, das Zustandekommen der Adrenalinglykosurie 
fii DaC ^- ^ er ^ os * s zu hemmen bzw. zu unterdrücken. Die der 
drenalinglykosurie gleichsinnig gesteigerte Blutzucker- uod Liquor- 
wctermenge wurde durch Kalk ebenso quantitativ vermindert, auch die 
wcwDglykosurie wurde durch Kalk unterdrückt, dagegen blieb die 
juneotäre UQ H Phloridzinglykoaurie durch Kalk völlig unbeeinflusst. Es 
oanaelt sich nach Ansicht des Vortr. um eine die Nervenerregung selbst 
lahmende Wirkung des Kalks. 

Hr. Goeppert: Ueber Lnngenblähung. 
bei <u? t . oder °^ ne vesentliohen auscultatorischen Befund findet man 
E m • .ledern Lungenblähung, die sich durch Expression während der 
piration beseitigen lässt, nach Minuten bzw. Stunden aber reoidiviert. 


Die einsetzende Besserung ist oft daran erkennbar, dass die künstliche 
Reduktion des Lungenvolumens länger bestehen bleibt. Bei einer 
anderen Gruppe von an chronischem Husten Leidenden tritt erst Blähung 
auf, wenn das Kind mehrfach tief inspiriert hat. Dieses Volumen pulmonis 
auctum bleibt Minuten bis eine Stunde lang bestehen. Hustenanfälle 
verringern das Volumen nicht. Die Kinder sind meist ausgesprochen 
exsudativ diathetisob, doch erklärt dies nur die Häufigkeit und Dauer 
der Bronchitiden, nicht die Insuffizienz der Exspirationskräfte. Ein 
direkter Zusammenhang mit Asthma besteht nicht. Angenommen wird 
eine angeborene geringere Elastizität der Lunge, vielleicht durch eine 
Störung in der automatischen Regulierung der muskulären Exspirations¬ 
kräfte. F. Port. 


Natnrhlstori geh-medizinischer Verein zu Heidelberg. 

Sitzung vom 19. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Hermann Kossel. 

Schriftführer: Herr Carl Franke. 

1. Hr. Aitoni*. Demonstration eines Falles von Pemphigus vegetans. 

Im Sommer 1913 zeigten sich bei dem jetzt 21jährigen Patienten 

plötzlich auf Brust und Armen rote lioseugrosse Flecken, aus denen sich 
Blasen und Eiterpusteln bildeten. Ende August 1913 öfters blutiger 
Stuhl. Oktober 1913 reichliche Blasenbildung im Munde. Gleichzeitig 
stärkere Blasenbildung mit trübwässerigem Inhalt an beiden Beinen. 
Spontane Eröffnung der Blasen mit anschliessender Geschwürsbildung. 
Stellenweise Abheilung der Blasen. Februar 1914 plötzliche Verschlechte¬ 
rung. Geschwüre an Beinen und am After. Reichlich blutiger Stuhl. 
Starker Milztumor. 45pCt. Hämoglobin. Leukocyten 11000, Eosino¬ 
phile 5 pCt. Ausstriche aus den Geschwüren ergaben grampositive und 
gramnegative Stäbchen, Staphylokokken und einen besonders dicken 
grampositiven Diplococcus. Auf eine intravenöse Seruminjektion von 
20 com trat sofortige Besserung ein mit Nachlassen der Schmerzen und 
Eintrocknen der Wunden. Lokal wurden Kochsalz und Wasserstoff¬ 
superoxydumschläge angewandt, ausserdem Pinselungen mit Argentum 
nitricum. Drei weitere Seruminjektionen im Verlauf von 35 Tagen 
führten weitergehende Besserung herbei. Wunden granulierten und 
führten zur Heilung. Am 17. IV. plötzliche Verschlechterung des All¬ 
gemeinbefindens und Temperaturanstieg. In den schon zugeheilten Ge¬ 
schwüren sind neue wuchernde Uloerationeu aufgetreten, die heftig 
schmerzen. Erneute Serumiojektiou ohne wesentliche Besseruog der 
Geschwüre. In den Blutausstrichen, die zur Zeit des neuen Schubes 
untersucht wurden, fanden sich eigenartige Gebilde, die sich nicht sicher 
als Blutplättchen deuten Hessen (Protozoen?). Trotz Serumeinspritzung 
wurden die Uloerationeu grösser. Uebergang zur Salvarsantherapie. Ab¬ 
heilung der Geschwüre nach zwei Einspritzungen. 

2. Hr. Wiedhopf: 

Anatomische Demonstration eines Falles von Hirsehsprnng’scher 
Krankheit. 

Vort. berichtet über einen Fall, den er auf dem Präparierboden 
fand. Bemerkenswert ist, dass der rechte Leberlappen fehlte, der Lobus 
caudatus sehr stark entwickelt war. (Ausführliche Publikation anderen 
Ortes.) 

3. Hr. Dresel: 

Zar Aetiologie nnd klinischen Diagnose der Aktinomykose. 

Die Aktinomykose des Menschen und des Rindes beruht auf In¬ 
fektion mit einem anaeroben Trichomyceten (Actinomyoes Wolff-Israel). 
In manchen Fällen besteht eine Mischinfektion mit einer aeroben Strepto- 
thrixart (Actinomycesgruppe Bostroem). Ausser der echten 
Aktinomykose gibt es klinisch der Aktinomykose ähnlich verlaufende Er¬ 
krankungen, bei denen im secernierten Eiter ausschliesslich aerobe 
Streptothriobeen gefunden werden. In diesen Fällen können drusen¬ 
ähnliche, makroskopisch sichtbare Körnchen Vorkommen, die aus Knäueln 
verfilzter Streptothrixfaden bestehen. Andererseits können in frischen 
Fällen von echter Aktinomykose, besonders bei frühzeitiger eitriger Ein¬ 
schmelzung des Gewebes, Drusen im secernierten Eiter völlig fehlen. Die 
Frage, ob es sich in einem gegebenen Falle um echte Aktinomykose, 
um Streptothrichose oder um eine Mischinfektion beider handelt, kann 
nur durch die bakteriologische Untersuchung und aerobes und anaerobes 
Kulturverfabren mit Sicherheit entschieden werden. An der Hand von 
Lichtbildern wurde dann eingehend die Morphologie des anaeroben 
Actinomyoes Wolff-Israel und der Aufbau der Drusen beschrieben. 

4. Hr. Pol: 

Die verschiedenen Formen der Brachyphnlangie, Hypo- nnd Hvner- 
phalangie and ihre Deutung. JP 

Wie die Hyperpbalangie des Daumens als ein Zeugnis für seine 
Dreigliedrigkeit in der Vergangenheit aufgefasst wird, so ist die bei 
38 pCt. der Menschen vorkommende Hypopbalaogie der kleinen Zehe 
eine prospektive Varietät, der Typi^s der kleinen Zehe in der 
Zukunft. Diese phylogenetische Hypophalangie hat ihren Vor¬ 
läufer in der Braobyphalangie der Mittel phalanx. Beide sind Stadien 
desselben Reduktionsprozesses: Erst Reduktion der Mittelphalanx 
(Brachymesophalangie), dann Resorption ihres Materials duroh die 
Endpbalanx und Umformung dieser (Assimilationshypophalangie). 
Dieser innerhalb unserer Spezies weitverbreitete Reduktionsprozess an 
den Zehen überhaupt kommt in höherem Grade gleichzeitig zusammen 
mit analogen Formbildungen an den Fingern, beidseitig und symmetrisch. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1842 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


innerhalb bestimmter Familien vor: Familiäre Brachymeso- und 
Assimilationshypophalaogie. Für Hand und Fuss ergibt sich da¬ 
bei je eine ganz gesetzmässige Dispositionsskala zur Pbalangenreduktion, 
sie lautet (vom Maximum zum Minimum fortschreitend) für den Fuss: 
V, IV, III, II; für die Hand: V, II, IV, III. Die diesen beiden Skalen 
in umgekehrter Richtung entsprechende physiologische Differenz im 
Tempo der Knorpelwucherung der Mittelphalangen, die sich im Auf¬ 
treten der Epipbysenkerne ausdrückt, ist ins Pathologische gesteigert 
durch eine allgemeine Hemmung der Knorpelwucberung und -biidung. 
Diese formale Genese wie die Vererbung nach der Mendel’schen Prä¬ 
valenzregel lassen diese familiäre Brachydaktylie als endogen erkennen. 
Eine autogene Keimesvariation müssen wir für die analogen beidseitigen 
und symmetrischen nicht familiären Brachydaktylien annehmen. 

EinseitigeBrachymeso- undAssimilationshypophalangie 
zusammen mit Syndaktylie, verbunden in einem grossen Prozent¬ 
satz der Fälle mit gleichseitigem Brustmuskel-, auch Rippen¬ 
defekt, stellt einen zweiten Typus der Brachydaktylie dar, bei dem 
erbliche Einflüsse auszuschliessen sind, eine äussere mechanische Ent¬ 
stehungsursache nicht unwahrscheinlich ist. 

Mit den für die Phalangenreduktion charakteristischen OssifikatioDS- 
hemmuogen an den Epiphysen kombiniert sich bei einem dritten Typus 
eme Zunahme der Epiphysenossifikation: Sekundäre Phalangenbildung 
aus der Epiphyse der primären Grundphalanx am 2. und 3. Finger sym¬ 
metrisch beidseitig. (Pseudohyperphalangie). Diese Missbildung 
beim Menschen hat ebenso wie die bei der Brachydaktylie vorkommende 
doppelte Epipbysenbildung (proximal und distal) am Metacarpus und an 
den Grundphalangen ihre Parallele in den normalen Extremitäten der 
Wassersäuger. 

Eigentliche Hypophalangie mit wirklichem B’ehlen der End¬ 
phalanx und des Nagels kommt ebenfalls beidseitig und erblich vor. 
Von ihr unterscheiden sich amniogene Hypophalangien und 
Bracbyphalangien, die ebenfalls beidseitig und an Händen und 
Füssen gleichzeitig Vorkommen, durch ihre Atypie. Endlich gibt es 
Synostosen von Phalangen, ohne dass die LäDge und Form so verändert 
wird wie bei der Assimilation: Diese Symphalangien bevorzugen das 
proximale Interphalangealgelenk. 

Das charakteristische Fehlen einer EpiphyseDfuge bedeutet bei der 
letzten Form der Brachydaktylie, die durch Verkürzung einzelner oder 
mehrerer Strahlen im Metacarpus oder -tarsus bedingt ist, höchst wahr¬ 
scheinlich keine prämature Synostose einer echten Epiphyse mit der 
Diaphyse, sondern eine primär abnorme Verknöcherung der Epiphyse 
in Form einer Pseudoepipbyse, d. h. einer von der Diaphyse ausgehenden 
Ossifikation. Auch für die Brachyphalangia metacarpi und raeta- 
tarsi gilt hinsichtlich formaler und causaler Genese das für die Brachy- 
phalangie im engeren Sinne gesagte; auch sie setzt höchstwahrscheinlich 
im intrauterinen Leben ein, sie wird allerdings erst deutlich mit zu¬ 
nehmendem Wachstum. K o 1 b - Heidelberg. 


Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik. 

Sitzung vom 14. Mai 1914. 

Hr. Burckhardt; 1. Ueber Melanom. 

2. Ueber Meckel’sches Divertikel. 

Nach Besprechung der Entstehung des Divertikels berichtet Vortr. 
über 8 in den letzten 2 l f 2 Jahren im städtischen Krankenhaus von ihm 
operierte Fälle. 

Hr. Wilhelm Volt: 

Ueber Entfettnngskuren mittels elektrischer Ströme (Bergonie). 

Nach Beschreibung des Apparats und seiner Handhabung berichtet 
Vortr. über seine Erfahrungen, die recht günstig sind; er bat bei wirklich 
fetten Patienten eine Fettabnahme erzielt, wie dies durch diätetische 
Maassnahmen nicht möglich gewesen wäre. Die berichteten ungünstigen 
Erfolge beruhen wohl zum Teil auf Mangel an Erfahrung in der Hand¬ 
habung des Apparats. Besonders günstig wirkte das Verfahren bei mit 
Herzstörung behafteten Fettleibigen, besonders auch durch Kräftigung 
der Muskulatur, die sich dadurch zu erkennen gab, dass die Patienten 
in kurzer Zeit zu anerkennenswerten körperlichen Leistungen befähigt 
waren. 

Hr. Kraft demonstriert einen Patienten mit Heterochromie und 
verweist auf die Disposition solcher Augen zu Erkrankungen. 


Sitzung vom 28. Mai 1914. 

Hr, Wilhelm Voit berichtet über einen Fall von Carcinoma ven- 
triculi, bei dem die Stellung der Diagnose nur durch die Röntgen¬ 
aufnahme möglich war. 

39 jährige Frau aus der Oberpfalz war April 1913 zum neunten 
Male gravida geworden. Während der Gravidität Magenbeschwerden. 
Anfang dieses Jahres wurde sie von einem gesunden Kinde entbunden, 
das sie nur kurz stillen konnte, da Milch versiegte. Die starke Ab¬ 
magerung, die Magenbeschwerden nehmen nicht, wie sie erhofft batte, 
ab, sondern zu. Anfang Mai kam sie zu V. Vater der Pat. starb an 
Carcinom. Tumor beim Abtasten nicht zu finden. Keine freie Salz¬ 
säure. Uffelmann negativ. Keine Stauungsbakterien. Röntgenaufnahme: 
Kolossaler Tumor vom Pylorus, der noch durchgängig war, entlang der 
kleinen Curvatur. Das Carcinom war wohl infolge der Gravidität mit 
Leber und Zwerchfell verwachsen, es war vollkommen vom Rippenbogen 


verdeckt. Die Röntgenaufnahme behütete die Pat. vor einem aussichts¬ 
losen chirurgischen Eingriff. 

Hr. J. Steinhardt: Kasuistisches über Diphtherie. 

Oktober 1913 wurde Vortr. zu einem Kinde gerufen mit schwerster 
Herzschwäche nach Diphtherie. Der desolate Fall kam ad mortem, und 
nun erfuhr er von der Mutter, dass in der gleichen Klasse noch zwei 
andere Kinder an Diphtherie gestorben seien. Die 47 Schulkinder dieser 
Klasse wurden nun bakteriologisch untersucht, und es zeigte sich, dass 
2 davon Diphtberiebacillen beherbergten. Noch lange Zeit waren die 
beiden Bacillenträger und durften erst dann wieder zur Schule, in der 
kein weiterer Fall von Diphtherie mehr auftrat. Vortr. verweist auf die 
Veröffentlichung von Friebold in der Münchener medizinischen Wochen¬ 
schrift. 

Des weiteren berichtet Vortr. über Erkrankungen in einer Familie, 
die aus ManD, Frau und 3 Knaben bestand. Ein Knabe (Franz) war 
4 Jahre alt, zwei Zwillinge (Carl und Otto) 2 Jahre alt. Februar 1918 
erkrankte Carl an Diphtherie, Franz und Otto immunisiert. Januar 1914 
erkrankte die Frau an Diphtherie, Kinder isoliert, Wohnung desinfiziert 
Heilungsverlauf war glatt. 6. IV. 1914 wurde Vortr. zum vierjährigen 
Franz gerufen, Angina, nicht den geringsten Belag, keinerlei Diphtherie¬ 
verdacht. Am 9. IV. Husten mit rauhem Beiklang, es entwickelten sich 
Crouperscheinungen, auf den Tonsillen nichts. Abstrich ergibt Diphtherie¬ 
bacillen fast Reinkultur. Injektion von 2000 Serumeinheiten. Die 
beiden anderen Brüder wegen Anapbylaxiegefahr nicht injiziert. Ara 
11. IV. erkrankten die beiden Brüder mit leichter Temperatursteigerung, 
und in der Nacht zum 12. IV. stellten sich schwere Crouperscheinungen 
ein. Injektion von Serum. Otto musste zweimal injiziert werden 
(3500 Einheiten). Bei beiden (Carl und Otto) traten schwere ana¬ 
phylaktische Erscheinungen auf, besonders aber bei Otto; bei ihm stieg 
das Fieber bis 40,4°, and er bekam zwei schwere Anfälle von Herz¬ 
schwäche. Ausgang bei allen Kindern in Heilung. Gleichzeitig mit dem 
vierjährigen Franz erkrankte in einer befreundeten Familie ein vier¬ 
jähriger Junge auch an Angina; kein Belag auf den Tonsillen, nach 
14 Tagen typische Crouperscheinungen, Abstrich Diphtheriebacillen 
ebenfalls fast in Reinkultur. Vortr. machte von sämtlichen Familien¬ 
mitgliedern samt Dienstpersonal der erstgenannten Familie Abstriche, 
die bei allen negativ waren, ausser bei der Frau, die 1914 Diphtherie 
durch gemacht hatte. 

Die Frage: „Muss die Furcht vor Anaphyl&xieerscheinungen 
von der Immunisierung absteben lassen?" verneint Vortr. 
Es empfiehlt sieb, mit dem Serum zu wechseln, zur Immunisierung 
Rinderserum, zur therapeutischen Pferdeserum. Es empfiehlt sich, die 
Eltern zu unterrichten, welches Serum zur Anwendung gelangte, falls 
bei einer späteren Erkrankung ein anderer Kollege zugezogen wird. 

Kraus. 


Aerztllcher Verein zu München. 

Sitzung vom 20. Mai 1914. 

Geschäftliches. 

Hr. y. Stibenraneh: 

Die deformierende Helenhentsündang im Lichte neuerer Forschuagei. 

An der Hand von etwa 40 Projektionsbildern berichtet Vortr. über 
den heutigen Stand der Arthritis deformans. Es handelt sich bei den 
Projektionsbildern hauptsächlich um Knie- und Hüftgelenkerkrankungen, 
und zwar teils um makroskopische, teils um mikroskopische Aufnahmen. 
Das Primäre ist stets eine Erkrankung oder Schädigung des die Gelenk- 
flache bildenden Knorpels. Erst wenn dieser in irgendeiner Weise ver¬ 
letzt ist, kommt es zu einem grossen, zapfenartigen Vordringen von 
Knochenbälkchen und Vascularisierung, vom darunterliegenden knöchernen 
Teil des Knochens ausgehend, mit gleichzeitiger Einschmelzung der 
Knorpelsubstanz. Die bis dahin sebarfe Knochen-Knorpelgrenze wird 
dadurch uneben und höckerig. Bei ausgedehnter Schädigung des Gelenk¬ 
knorpels kommt es besonders im Randbezirk zu einer reichlichen Neu¬ 
bildung von Knochengewebe, das jedoch auch jetzt wieder von einem 
neugebildeten Faserknorpel überzogen ist. Auf dem Querschnitt sieht 
man, wie Vortr. an einem derartig veränderten Hüftgelenk zeigt, noch 
den ursprünglichen, schön gerundeten Gelenkkopf, während ihm die neue 
Knochenauflagerung ein pilzförmiges Aussehen verleiht. Bei Usur der 
Gelenkfläche werden hin und wieder Markräume eröffnet, und es sammeln 
sich dann in denselben teils Blutgerinnsel, teils Knorpelteilchen usw. an 
(Blut-, Detritus-, Knorpelgeröllcysten). Das in diesen Cysten sich an¬ 
sammelnde Knorpelgewebe ist zum Teil abgestorben, zum Teil aber 
noch lebensfähig und kann dann dort weiterwachsen. Da das Knorpel- 
gewebe frei von Nerven ist, können diese Vorgänge völlig schmerzlos 
vor sich gehen; man kann sogar die erkrankten Gelenkenden verschieben 
und aneinanderreiben und die Rauhigkeiten der Gelenkfläche direkt 
fühlen ohne Schmerzen für den Patienten. Erst die Heizung oder Ein¬ 
klemmung abgesprengter Gelenkteilchen zwischen dem Gelenk und der 
Gelenkkapsel rufen die heftigsten Schmerzen hervor. Als primäre Ur¬ 
sachen der KnorpelveränderuDgen sind anzusehen: Aenderung dw 
Elastizität des Knorpels infolge mangelhafter seniler Ernährung, Ueber- 
anstrengung, z. B. infolge zu laugen Stehens oder zu grosser Belastung 
(zu schweres Körpergewicht; in diesem Falle wäre eine Entfettungskur 
empfehlenswert), oder sekundär infolge von Aenderung der Druck¬ 
verhältnisse, wie wir sie bei Luxationen finden. Prophylaktisch ist also 
darauf zu achten, falsche einseitige übermässige Belastung der Gelenke 


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13. Juli 19X4. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1348 


*a verhindern, besonders zur Zeit der Pubertät (Kellner) bzw. Kräftigung 
der Gelenke durch Turnen usw. 

Nur bei zu heftigen Schmerzen empfiehlt Vortr. anfangs Ruhig¬ 
stellung des Gelenks, sonst möglichst von Anfang an Gelenkbewegung, 
Massage und normale Belastung nach vorheriger Behandlung der ur¬ 
sächlichen Momente (Pes planus, schlechtes Schuhwerk usw.), also 
statisch-funktionelle Behandlung. Nobiling. 


Physikalisch-medizinische Gesellschaft za Wfirzbnrg. 

Sitzung vom 10. Juni 1914. 

Hr. Hofmeier: Gebartenrüekgang and Säuglingssterblichkeit. 

Vortr. bemerkt zunächst, dass die jetzige Natalität nicht mit der 
früheren zu vergleichen ist, da infolge der allgemeinen geringeren Sterb¬ 
lichkeit die Zusammensetzung der Bevölkerung eine andere ist, viel 
mehr ältere Leute leben, die bei der Berechnung der Geburten auf die 
Kopfzahl ausscheiden müssten. Immerhin besteht ein Geburtenrückgang. 
Vortr. behandelt dann das Thema vom Standpunkte des Arztes und 
speziell des Frauenarztes aus und hält eine Massenproduktion von 
Kindern ärztlich nicht für wünschenswert im Interesse der Mütter, die 
besonders in den ärmeren und arbeitenden Klassen hierdurch schwere 
gesundheitliche Schäden erleiden. Man soll sich daher an die Wohl¬ 
habenden wenden. Als wünschenswerte Kinderzahl für eine Familie be¬ 
zeichnet Vortr. 3—4 Kinder. Im übrigen hält er den Geburtenrückgang 
für nicht aufhaltbar und zum Teil durch äussere und soziale Umstände 
begründet, auch im Interesse der Kinder selbst. Nach einer in der 
Würzburger Frauenklinik aufgestellten Statistik zählt er bei 420 Frauen 
unter 45 Jahren, von denen jede über 5 Schwangerschaften durchgemacht 
hat, zusammen 3440 Schwangerschaften. Von diesen endeten 420 früh¬ 
zeitig, 1056 Kinder starben, so dass also nur 1964 überlebende Kinder 
geblieben sind. Es bat also auch der Staat keinen Nutzen aus den 
zahlreichen Schwangerschaften infolge der grossen Sterblichkeit. An der 
Haud zahlreicher Tabellen wird demonstriert, wie mit dem Rückgang 
der Natalilät auch ein Rückgang der Säuglingssterblichkeit stattfindet. 
Weil weniger Kinder geboren werden, kann die Säuglingspflege besser 
sein, und diese hält Vortr. für wichtiger als die Bekämpfung des Ge¬ 
burtenrückgangs. Was wir tun können, um dessen Einfluss auf die 
Allgemeinheit und das Staatswohl zu paralysieren, ist die weitere Herab¬ 
setzung der Säuglingssterblichkeit und soziale Fürsorge: Stillprämien, 
bessere Sorge für uneheliche Kinder, Unterstützung kinderreicher 
Familien durch den Staat. Die Säuglingsheime begrüsst Vortr. in erster 
Linie als Sammelstellen für Säuglingspflege und Ausbildungsstätten für 
Wärterinnen. Von der Bekämpfung des Geburtenrückgangs durch ge¬ 
setzliche Mittel befürchtet er eine Zunahme der kriminellen Aborte. 

In der Diskussion befürwortet Hr. Polano die Schaffung von Findel- 
hiusern. 


K. k. Gesellschaft der Aerzte za Wien. 

Sitzung vom 12. Juni 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Urbaitsehitseb stellt ein 6 jähriges Mädchen vor, welches er 
vegen Jigilaristhrombose operiert bat. 

Das Kind bekam vor 2 Monaten eine Ohrenerkrankung, an welche 
sich plötzlich heftiges Fieber, Kopfschmerzen und Apetitlosigkeit an¬ 
schlossen. Der rechte Warzenfortsatz war empfindlich und die Lymph- 
drüsen auf der rechten Halsseite waren entzündet. Die Lumbalpunktion 
ergab einen klaren und sterilen Liquor. Es wurden der Bulbus der 
Vena jugularis und der Sinus freigelegt, sie waren tbrombosiert, ebenso 
die Jugularis bis zur Clavicula; das thrombosierte Gefäss wurde exstir- 
piert. Im Thrombus fand sieb Piplococous lanoeolatus, der um den 
Sinus befindliche Eiter war steril. Es handelt sieb wahrscheinlich um 
eine ascendierende Thrombose, die Wand der Jugularis war entzündlioh 
verändert. 

Ferner führt Hr. Urbantschitsch ein 7 jähriges Mädchen vor, welches 
eine trauutisehe seröse Mealagitis durchgemacbt bat. 

Hr. Stets demonstriert einen Mann mit Gilchrist’scher Blasto- 
■ykwe. 

Diese Krankheit ist in Amerika nicht selten, in Europa gehört sie 
zu den grössten Seltenheiten. Pat. wurde in Südamerika infiziert. Er 
erkrankte vor 5 Jahren mit akuter Gingivitis, am linken Mundwinkel 
bildete sich ein grosses granulierendes Geschwür, welches sehr schmerz¬ 
et war; in demselben wurden Gilchrist’sche Parasiten naebgewiesen. 
pcter Jodtherapie heilte das Geschwür in 3 Monaten aus. Vor 3 Jahren 
. a ® Pat. ein ähnliches Geschwür am rechten Nasenflügel, welches sich 
<®iaer mehr yergrösserte und sich gegen jede Therapie refraktär verhielt, 
tone 6 monatige Behandlung auf der Klinik in Florenz war resultatlos. 

, Gegenwärtig sind die Oberlippe, die Nase und die Wangen von 
p Ioe ® sc hmetterlingsartig geformten Geschwür eingenommen, dessen Basis 
tooulationen trägt, am barten und am weichen Gaumen finden sich 
scoarf begrenzte Substanzverluste. Die Drüsen im Unterkieferwinkel 

beiderseits geschwollen und druckempfindlich. Um das Geschwür 
leasen kleine Pusteln auf, durch deren Zerfall das Geschwür ver- 
pössert wird. Im Eiter finden sieb Gilcbrist’sche Parasiten. 
l| **r Tor M1 stellt zwei operativ behandelte Fälle von Hypopbysen- 

Hf. Finsterer führt eine Frau vor, welche er vor einigen Monaten 


vorgestellt hat, nachdem bei ihr wegen eines inoperablen PyloruscarciBOms 
die Vorlagerung und Röntgenbestrahlung vorgenoramen worden war. 

Hr. Heyrovsky stellt einen Mann vor, welchen er wegen Fl&tel- 
bllduag zwischen Duodenum und Colon ascendens operiert bat. 

Hr. Beiedikt: Ueber Emanation. 

Die Emanation, d. h. das Ausschleudern allerkleinster Teilchen von 
einem Körper aus, ist eine allgemeine Erscheinung und ist imstande, 
bisher noch ungeklärte Erscheinungen zu deuten, welche bei sensiblen 
Personen Vorkommen und als Telepathie, tierischer Magnetismus und 
andere okulte Phänomene gedeutet werden. 

Schon vor 40Jahren hatReiohenbach die Vermutung ausgesprochen, 
dass jede Substanz ein „Dynamid“ ausscheidet, welcher Name sich durch 
Emanation gut ersetzen lässt. Vortr. hat mit aller Vorsicht die Ver¬ 
suche von Reicbenbach nachgeprüft. Er fand, dass sensible Personen 
mit verbundenen Augen in einem dunklen Zimmer eine Perception von 
den daselbst befindlichen Gegenständen bekommen können, dass sie auch 
Farben sehen. Manche sensitive Menschen sehen im Dunklen die Haut 
leuchten; beide Seiten des Körpers können eine verschiedene Emanation 
haben. Auch anorganische Substanzen können als leuchtende Gegen¬ 
stände gesehen werden. Ein Nachteil der Reichenbach’schen Unter¬ 
suchungen ist, dass es bisher nicht gelungen ist, sie in objektiver Weise 
naobzuweisen, z. B. auf der photographischen Platte. Bisher wurde nur 
festgestellt, dass io einer mit Kalk getünchten Dunkelkammer die photo¬ 
graphische Platte ohne Licht Gegenstände der Umgebung photographiert. 

H. 


Gesellschaft für innere Medizin and Kinderheilkunde za Wien. 

Sitzung der pädiatrischen Sektion vom 4. Juni 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Kerl führt ein Kind mit Erythema chronicum migrans vor. 

Pat. hat sich in der Gegend der Brustwarze verletzt und bekam 
darauf Mastitis sowie rings um die Mammilla eine Rotiärbung. Letztere 
schritt immer weiter fort, während die centralen Partien abblassten. 
Jetzt sieht man einen etwa 5 mm breiten roten Streifen unterhalb der 
Mammilla über den Thorax auf die Achselhöhe und von da auf den 
Rücken verlaufen. Die Farbe ist schwach rot, es findet keine Schuppen¬ 
bildung statt und die Affektion verläuft vollständig ohne Schmerzen. 
Die Therapie besteht in Alkoholumschlägen und Ung. Crede. 

Hr. Neurath stellt ein 3®/* Jahre altes Kind mit luetischer Meiingo- 
eneephalitis vor, welche zur Hemiplegie and Facialislähmaag ge¬ 
führt hat. 

Pat. ist das 15. Kind, von den früheren Geburten der Mutter endete 
eine mit Abortus, die anderen 13 mit einer Frühgeburt. Das Kind er¬ 
krankte vor 2 Jahren mit einer linksseitigen Hemiplegie, einige Zeit 
später verlor es das Sprach- und Schluckvermögen. Vor 14 Tagen be¬ 
kam es clonisohe Krämpfe des Kopfes mit Bewusstseinsverlust, dazu ge¬ 
sellten sich später clonische Zuckungen des linken Beines. Das Kind 
zeigt einen hydrooephalischen Schädel und vorgetriebene Parietalhöcker, 
der linke Facialis ist gelähmt. Die Intelligenz ist normal, das Kind 
spricht aber nicht. 

Hr. Neurath demonstriert ein einjähriges Kind, mit einem an¬ 
geborenen Lymphangiom am Fussriicken. 

Hr. Rach zeigt ein 2 l } 2 jähriges Kind mit ifltumescierender Bron- 
chialdrüsentaberkulose. 

Die Pirquet’sche Reaktion ist positiv, rechts neben dem Manu- 
brium sterni ist der Perkussionsschall verkürzt, und es bestehen ein in- 
und expiratorischer Stridor sowie ein schriller Husten. Die Röntgen¬ 
untersuchung ergibt rechts eine Ausbauchung des Mitteischattens, die 
für eine Schwellung der rechtsseitigen tracheo-bronchialen Drüsen spricht. 
Sie komprimieren den rechten Hauptbronchus und verursachen den Husten 
sowie den Stridor. Beim Inspirium wird das Mediastinum nach rechts 
verzogen (Holzknecht’sches Symptom). 

Hr. Nobel stellt einen 8jährigen Knaben mit chronischem kongeai- 
talen acholurischeo Icterus ubü Splenomegalie vor. 

Pat. war schon bald nach der Geburt gelb und hatte ikterische 
Schleimhäute, die Färbung ist seither gleich geblieben. Im Stuhle findet 
sich Urobilinogen, der Harn enthält dieses sowie Urobilin. Pat. hat An¬ 
fälle von 1—2 Tagen Dauer mit Temperatursteigerung, Kopfschmerz, 
Erbrechen und Uebellaunigkeit. Das Abdomen ist aufgetrieben, die Milz 
reicht 3 Querfinger, die Leber 1 Querfioger über den Rippenbogen. Im 
Blute finden sich 2,6 Millionen rote Blutkörperchen, und 46 pCt. Hämo¬ 
globin nach Sahli, es besteht geringe Eosinophilie. Die Widerstands¬ 
fähigkeit der roten Blutkörperchen ist herabgesetzt. Es wird die Splen- 
ektomie vorgenommen werden. 

Hr. Nobel berichtet ferner über ein Kiad mit alkoholischer Leber- 
cirrhose, dessen Krankengeschichte er vor kurzem ausgeführt hat. 

Es wurde die Milz erstirpiert und das Kind ist jetzt gesund. 

Schliesslich stellt Hr. Nobel ein Kind vor, welchem wegen hämo- 
lytischeB Icterus die Milz exstirpiert worden ist. 

Im Blute fanden sich nur 800000 rote Blutkörperchen, von welchen 
100 000 kernhaltige waren, der Hämoglobingehalt war 13 pCt. Nach der 
Splenektomie hat sich das Kind sehr rasch erholt und das Blutbild hat 
sich fortschreitend gebessert, so dass jetzt schon 3,6 Millionen rote und 
10 000 weisse Blutkörperchen vorhanden sind und der Hämoglobingehalt 
47 pCt. beträgt. Der früher vorhandene Icterus ist geschwunden, im 
Harn findet sich kein Gallenfarbstoff mehr. H. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1344 


BERLINER KLINISCHE 'WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


Zur Bekämpfung der Tuberkulose. 

Vou 

Geh. Sanitätsrat Dr. Landsberger-Charlottenburg. 

Wie alljährlich im Frühjahr hielt das Deutsche Centralkomitö zur 
Bekämpfung der Tuberkulose seine Generalversammlung am 5. Juni im 
Reichstagsgebäude ab, und zwar unter dem Vorsitze desStaatssekretawDel- 
brück. Ausser den Formalien beschäftigte sie diesmal lediglich ein 
einziges Thema: „Die Fürsorge für die aus den Lungenheil¬ 
stätten Entlassenen.“ Freilich eins der schwierigsten sozialmedizini¬ 
schen Kapitel! Eins, das trotz der eifrigsten Bestrebungen nicht über 
Versuche hinausgediehen ist, und von dessen glücklicher Lösung doch im 
wesentlichen der ganze Erfolg der Heilstättenbehandlung abhängt. Der 
erste Referent, Prof. Dr. Röpke (Leiter der Eisenbahnheilstätte Mel¬ 
sungen) behandelte die Frage in ebenso erschöpfender wie mustergültiger 
Weise; überall fesselte ein reifes, auf reicher Erfahrung aufgebautes 
Urteil, überall befriedigte eine feste, bestimmte Stellungnahme. Wenn 
man von den Entlassenen der Heilstätten spricht, so muss man zunächst 
derjenigen gedenken, die rasch entlassen werden, weil sie eigentlich nicht 
hineingehörten. Das sind erstens die gar nicht an Tuberkulose Leidenden, 
also die irrtümlich diagnostizierten. Als solche erwiesen sich bei der 
Röpke’schen Anstalt seit Anfang dieses Jahres volle lOpCt., im Durch¬ 
schnitt eines ganzen Jahrzehnts etwa 6*/a pCt. Auch wo der physika¬ 
lische Befund eine Spitzenaffektion feststeüt, kann oft ein Zweifel be¬ 
stehen, ob es sich um beginnende oder um abgelaufene Tuberkulose 
handelt, ja es kann sogar lediglich eine „schlechte Durchlüftung“ vor¬ 
liegen oder eine Ablagerung von Staub. Zum Zwecke des Entscheids 
kann man sich nur des Tuberkulins bedienen und soll es auch nicht 
unterlassen. Ferner müssen möglichst rasch die all zuvorgeschrittenen, 
die aussichtslosen Fälle entlassen werden. Das sind durchaus nicht etwa 
alle Fälle des „dritten Stadiums“, denn auch unter diesen haben wir 
seit langem eine grosse Zahl wohl zu bessernder kennen gelernt, aber 
eine relativ kurze Beobachtung (von 1—2 Wochen) lehrt die rechte Aus¬ 
wahl treffen. Mir will diese Zeit etwas kurz bemessen erscheinen, auch 
in der Hinsicht, dass sie, wie Röpke meint, genügt, um behufs 
Minderung der Ansteckungsgefahr hygienisoh zu erziehen. Die für die 
Heilstättenbehandlung geeigneten Patienten befanden sich in allon drei 
„Stadien“, etwa die Hälfte im zweiten, je ein Viertel im ersten und 
dritten. An den üblich gewordenen drei Monaten der Behänd lungsdauer 
tut man gut festzuhalten; 6 Wochen verbürgen bei aktiver Tuberkulose 
keinen Erfolg. Mehr als drei Monate kann man aus Rücksicht auf den 
Bedarf und Andrang nur selten gewähren, aber die neue ADgestellten- 
versicberung rechnet anerkennenswerterweise mit einem Durchschnitt von 
4—6 Monaten Behandlungsdauer, weil sie von vornherein nicht bloss die 
Versorgung von Initialfäiien ins Auge fasst. 

In der Eisenbahnheilstätte fanden sich bei etwa 40 pCt. der Auf¬ 
genommenen Bacillen — bei mindestens der Hälfte von diesen ver¬ 
schwanden sie dauernd. 90 und mehr Prozent der Kranken erlangten 
ihre Erwerbsfähigkeit wieder, und 66 pCt. waren noch 5 Jahre nach be¬ 
endetem Heilverfahren voll arbeitsfähig. Das sind bei der relativ geringen 
Zahl von Frühfällen hervorragend günstige Ergebnisse, — es will mir 
scheinen, als ob die festgefügte Beamtendisziplin daran mit ein Verdienst 
hätte, und dass doch auch die Möglichkeit der Schonung im Beamten¬ 
stande eher vorhanden ist. Röpke verlangt mit Recht, dass jeder zur 
Entlassung Kommende nachdrücklich auf hygienisches Verhalten und Atem¬ 
übungen hingewiesen, zur Vorsicht, zur Meidung von Schädlichkeiten, 
zur Beachtung jeder Erkältung angebalten werden soll, — welcher Selbst¬ 
erwerbende kaun das letztere in gleichem Maasse beachten wie der Be¬ 
amte? Es sei keine Rede davon, dass jeder Heilstättenerfolg bei der 
Rückkehr in den Beruf und in die gewohnten Verhältnisse wieder schwinden 
müsse, — gewiss, aber er wird es oft, wenn die Familie durch den ent¬ 
fallenen Lohn in Bedrängnis geraten war, und wo keine Behörde — wie 
es glücklicherweise die Bahnbebörden in immer steigendem Maasse tun — 
für gute Wohnräume sorgen hilft. Die Eisenbahnpensionskasse lässt sämt¬ 
liche Entlassenen am Ende jedes Jahres durch die Bahnärzte nacbunter- 
suchen und empfiehlt bei Verschlechterungen des objektiven Befundes 
Wiederholungskuren von mindestens sechswöchiger Dauer, und zwar ge¬ 
schickterweise gerade im Herbst oder Winter, weil so nicht bloss 
die bessere Ausnutzung- der Heilstätten, sondern auch vor allem die 
grössere Abhärtung der Erkrankten erzielt wird. 

Wo bei der Entlassung kein vollbefriedigender Erfolg, wo nur der 
Stillstand des Prozesses festgestellt war, findet die Nachuntersuchung 
häufiger statt. Und wo die Entlassung zwar bei subjektivem Wohl¬ 
befinden und aus Drang nach Tätigkeit geschieht, obschon noch für 
aktive Prozesse Anzeichen vorhanden sind, da muss selbst bei wieder¬ 
aufgenommenem Dienst die volle ärztliche Aufsicht und Behandlung 
weitergeführt werden. Im Bereiche der preussisch-hessischen und ebenso 
der säohsischen und der österreichischen Bahnbeamtenschaft ist dabei 
die ambulante Tuberkulinbehandlung eingeführt und hat im 
allgemeinen keine Schwierigkeiten gefunden und sich bewährt. Für die 
Kosten tritt die Verwaltung ein, und sie hat auch dafür Sorge getragen, 
dass die Bahoärzte sieh mit den Einzelheiten dieser Behandlung gut ver¬ 
traut gemacht haben. Dagegen kann Röpke dem Friedmann’scben 
Mittel nichts Gutes nachrühmen. Er hat es — abgesehen von anderen 
Tuberkuloseformen — in 66 Fällen von Lungen- und Kehlkopftuber¬ 
kulose aller Stadien augewandt und kommt zu dem Urteil, dass es keine 


spezifische Bereicherung darstelle, „ganz sicher nicht“ für Kranke in Heil¬ 
stätten oder gar für ambulante. 

Aber die Heilstätte muss auch Kranke entlassen, bei denen nur eise 
Hebung der Kräfte, aber keine eigentliche Besserung erzielt werden 
konnte. „Wir können sie nur mit guten Lehren entlassen.“ Ja, aber 
gerade diese Kranken, die nicht krank sein wollen, die mit Aufwen¬ 
dung starken Willens bei der Arbeit bleiben wollen, die dann manch¬ 
mal jahrelang zwischen Arbeitsstelle und Bett hin und her pendeln, — 
sie siod doch vom Standpunkte der Allgemeinheit aus die allerbedenk- 
liebsten. Wenn man ihnen, wofür Röpke human plädiert, öfters kurze 
Wiederholungskuren bewilligt, so wird sie den einzelnen jeder gönnen, 
aber zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit trägt man 
dabei durchaus nicht bei und müsste die Invalidisierung und Isolierung 
eher zu betreiben suchen. 

Den weiblichen aus der Heilstätte Entlassenen sei für zwei Jahre 
das Heiraten bzw. eine Gravidität zu widerraten; der Rat ist gewiss 
richtig, aber auf seine Befolgung wird kein Kenner des Lebens viel 
Verlass haben, denn der Trieb ist bekanntlich mächtiger als der Ver¬ 
stand. Wo bei graviden Frauen die Krankheit Doch aktive und fort¬ 
schreitende Tendenz zeigt, ist die Frage der Unterbrechung jedenfalls 
ins Auge zu fassen; bei einer Beteiligung des Kehlkopfs wird sie nach 
Röpke in der Regel zu bejahen sein. Militärische Uebungen dürfe man 
durchaus nicht von vornherein für ungünstig hatten, jedenfalls überlasse 
man das entscheidende Urteil darüber dem zuständigen Militärärzte. 
Freilich ist es für den Kranken sowohl wie für die Militärbehörde nütz¬ 
lich, wenn die letztere zu einer Anfrage bei der Heilstätte veranlasst 

werden kann. Schliesslich warnt Röpke Tuberkulöse vor der Aus¬ 
wanderung in unsere afrikanischen Kolonien, selbst wenn der Prozess 
bei ihnen zum Stillstand gelangt ist. Und er warnt auch die Landes¬ 
versicherungsanstalten: selbst ein Vermögen von zwei Milliarden be¬ 
rechtige nicht zu therapeutischen Abenteuern. Dagegen seien die Be¬ 
strebungen zur Hebung der „inneren Kolonisation“ warm zu begrüssen 
und vielteioht der Behandlung der Tuberkulösen gut dienstbar zu machen. 

Soweit die Isolierung dadurch gefördert wird, kann ich diesem Plane 
zustimmen, dagegen will es mir scheinen, als wenn den aus den Heil¬ 
stätten Entlassenen in den meisten Fällen die volle Tätigkeit des Land¬ 

arbeiters zu schwer ist. Sie wird meist unterschätzt. Und eine gevisse 
Schonung, wenigstens für einige Zeit, ist doch bei der grossen Mehrzahl 
dieser Gebesserten, wie schon bervorgehoben ist, und wie jeder Arzt 
weiss, dringend zu wünschen. Wie schwer aber andererseits, auch bei 
der besten Organisation der Arbeitsnachweise, die Beschaffung leichterer 
Arbeit ist, das ist jedem Sozialpolitiker geläufig und ist in jeder Annen- 
Verwaltung die schwierigste und sprödeste Aufgabe. Selbst wo der Arbeit¬ 
geber den besten Willen hat, dem einzelnen Arbeiter eine Erleichterung 
zu gewähren, scheitert er oft an dem Widerstande der gesunden Mit¬ 
arbeiter. Immerhin ist die Rücksichtnahme des Arbeitgebers oft noch 
die beste Hilfe, dagegen sollte der Rat eines Berufswechsels nur äusserst 
vorsichtig und nur dann erteilt werden, wenn der bisherige Beruf allzu 
deutliohe Schädlichkeiten unvermeidbar mit sich bringt. Man bedenke 
nur, wie schwer es ist, Arbeitslosen eine Stelle au verschaffen, auch wenn 
sie voll arbeitsfähig und kräftig sind! 

Alle diese Schwierigkeiten, für welche der zweite Referent, Herr 
Magistratsrat Woelbling-Eiohwalde-Berlin ein reiches Material beige¬ 
bracht hatte, wurden in der langen Diskussion von allen Seiten erörtert 
Immerhin wird überall hervorgehoben, dass die Arbeit bei dem ge¬ 
besserten Tuberkulösen an sich ein Heilfaktor sein kann, und dass die 
Bemühungen, ihn zeitig und mit steter Steigerung zu ihr ansuhalten und 
zu erziehen, mit ein Stück des Heilplanes sein müssen. Wenn auch das 
in der Heilstätte aDgesetzte Fett oft rasch dabei schwindet, so braucht 
doch kein Gewichtsverlust einzutreten, vielmehr eine Ertüchtigung. Her¬ 
vorbeben möchte ich eine Aeusseruog von Ritter-Edmundstal-Hamburg: 
„Besser ungünstige Arbeit als gar keine!“ Was natürlich nur cum grano 
salis uüd mit strengster Individualisierung gemeint sein kann. Auch 
Ritter warnte entschieden vorder planmässigen Ansiedlung von Tuber¬ 
kulösen in unseren Kolonien. Die tropischen (Kamerun, Togo, auch Ost¬ 
afrika) dürften gar nicht in Frage kommen, aber auch in dem subtropi¬ 
schen Südwestafrika sei die Arbeit zu schwer und die wirtschaftliche 
Lage zu sorgenreich. Wer auf eigene Verantwortung hin wandern wolle, 
habe ohne feste Anstellung oder ohne ein Kapital von 30—50 000 M. 
keine Aussicht auf Fortkommen. 

Umfangreicher und ausführlicher als sonst war diesmal der „Geschäfts¬ 
bericht“, welcher für die Generalversammlung des Oentralkomitees ausge¬ 
geben worden ist. Er ist zum erstenmal von dem neuen Generalsekretär 
Dr. Helm erstattet worden, der an die Stelle des im Februar d. J. ver¬ 
storbenen, hochverdienten und allbeliebten Nietner getreten ist. Der 
Bericht bietet, wie stets, eine Fülle bemerkenswerten Material». Er zeigt 
vor allem zahlenmässig, wie die Maassnahmen und Einrichtungen zur Be¬ 
kämpfung der Tuberkulose immer reichhaltiger und ausgedehnter werden, 
und glücklicherweise auch, dass diese Bestrebungen nicht vergeblich sind, 
dass die Sterblichkeit an Tuberkulose immer weiter im stetigen 
bleibt. Allein an der Tuberkulose der Lungen starben von je 10000 
Lebenden im Deutschen Reiche von 1906 bis 1912: 16,3, 15,9, 15,3, H,4 
14,0, 18,7, 13,1, und an Tuberkulose überhaupt in Preussen von 1910 
bis 1913: 15,29, 15,12, 14,49, 18,59. Stellt man den letzteren Ziffern 
die des Jahres 1886 mit noch 31,14 (!) gegenüber, so kann man die enthu¬ 
siastische Hoffnung Behla’s, wenn auch nicht vollständig teilen, so 
doch begreifen, dass die Tuberkulose den Charakter einer Voikskrankhei 
verloren habe und mehr zu einer sporadischen Krankheit herabgesunken 


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18. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1845 


sei. Leider geht die Tuberkulose nicht gleichmässig zurück: sie hat sioh 
in den Jahren des Kindesalters nur sehr wenig vermindert. Die Wichtig¬ 
keit einer planraässigen Jugendfürsorge, die ja auch aus anderen 
Gründen überaus dringlich ist, ist auch hieraus unbestreitbar zu folgern. 
Zunächst wird in umfassenderer Weise als bisher für den Schutz der 
Säuglinge gesorgt werden müssen; sind doch die Kinder des ersten und 
zweiten Lebensjahres 8—9 mal mehr durch die Tuberkulose gefährdet 
als Erwachsene. An Gelegenheit zu gründlicher Belehrung fehlt es schon 
jetzt nicht, — um so mehr an der Erreichbarkeit der Isolierung und an 
der Erfüllung der übergrossen Aufgabe, alle Erwachsenen mit offener 
Tuberkulose aus dem Bereiche der Familien zu entfernen. Von aus¬ 
sichtsreicher Bedeutung ist es, dass neuerdings den Landesversicherungs- 
anstalten seitens der Reichsinstanz die Verwendung von Mitteln für die 
Sanierung von Kindern gestattet wird, unter der Voraussetzung, dass 
die beteiligten Gemeinden sieb mit den gleichen Summen beteiligen. 
Des weiteren wird es notwendig sein, die Zahl der Schulärzte immer mehr 
zu steigern und dahin zu gelangen, dass keine Schule — ob Volksschule 
oder höhere — ohne ärztliche Ueberwaohung und Mitarbeit bleibt. Gerade 
wenn man dies erstrebt, wird man es nicht für richtig halten können, 
einen grossen Teil der Aerztesohaft von dieser Betätigung dadurch aus- 
xuschliessen, dass man für die grösseren Städte, wie der Verfasser des 
Geschäftsberichts will (S. 22), den Schularzt „im Hauptamt“ fordert. Die 
neuerdings erhobene Forderung, auch für die Fortbildungsschulen Schul¬ 
ärzte anzustellen, kann kaum noch dem eigentlichen Kindesalter zugute 
kommen. Vielmehr handelt es sich dabei mehr um Verhütung von Berufs¬ 
schäden und um die Abwehr der Gefahren, welche allerdings die Halb¬ 
erwachsenen besonders bedrohen, z. B. die des sexuellen Gebiets. 

Es sei noch hervorgehoben, dass es gegenwärtig in Deutschland 
158 Heilstätten für erwachsene Lungenkranke gibt, was bei einem durch¬ 
schnittlichen Aufenthalte von 3 Monaten alljährlich über 63 000 Kranken 
die Möglichkeit einer solchen Kur verschafft. Ausserdem gibt es 135 Wald¬ 
erholungsstätten und über 2000 Auskunfts- und Fürsorgestellen. — An 
Lupus kranken waren 4579 ermittelt, jedoch wurde kaum der vierte 
Teil von ihnen von der „Lupuskommission“ des Centralkomitees als zur 
Behandlung geeignet erachtet, und noch weniger wurden wirklich in 
Behandlung genommen. Es scheint, als wenn die Mittel für diese Auf¬ 
gabe besonders schwierig zu beschaffen sind, obwohl sie nicht allzu be¬ 
trächtlich sein können. Es ist bedauernswert, dass die Verhandlungen 
der Lupuskommission, wie übrigens ebenso die des „Ausschusses“ des 
Centralkomitees nicht in gleicher Oeffentlichkeit geführt werden, wie die 
Generalversammlungen. Die Bekämpfung der Tuberkulose bedarf der 
Mithilfe Aller, und ihre Erfolge verdankt sie auch sehr wesentlich der 
regen und uneingeschränkten Propaganda, die für sie mit Recht in allen 
Volkskreisen ebenso betrieben wurde, wie in den Kreisen der Wissen¬ 
schaft und der Verwaltungen. Nur durch das Zusammenarbeiten Aller 
können wir weiter vorwärts kommen! 


Stimmungsbilder und Lehren vom 40. Aerztetag. 

i. 

Wenn jemals einem Aerztetag der Ort der Tagung zum Symbol 
wurde, so trifft das auf den diesjährigen zu. München, das in unseren 
Gedanken auftaucht, wenn nach mühevoller Jahresarbeit das Bedürfnis 
nach Ruhe, Sammlung, Ausspannung mächtig sich geltend macht, das wie 
das Sesam im Märchen eine Zauberwelt von blinkenden Seeen, leuchtenden 
Firnen, grünen Almen und rauschenden Bächen in uns aufschliesst; 
München mit seinen frommen Kirchen und seinen fröhlichen, weltlichen 
Menschen, denen der ewige Strom der ihre Stadt durchziehenden Ver¬ 
gnügungsreisenden etwas immer Festliches, zum Geniessen Bereites gibt. 
Alles gespannt in einen stadtbaulichen Rahmen von eindrucksvollster 
Schönheit, wo das Auge in den wohlabgewogenen Perspektiven der 
Strassen und vor allem der Plätze, dieser bei uns in Berlin so schmerz¬ 
lich vermissten, wahrhaften Points de vue, überall feinstem Geschmack 
und bodenständiger Kunst begegnet, und wo sich Scharen von Tauben 
ohne Scheu zwischen den Füssen der Dahinwandelnden bewegen. Ein 
Büd des Friedens, der Schönheit, der Lebensfreude. 

Etwas davon spiegelte sich im Aerztetag wieder. Die schmetternden 
Janfaren, die den vorhergehenden Tagungen die besondere Note gegeben 
wtten, sind milderen Tönen gewichen, des Krieges Stürme glücklich be- 
•chworen; ehe das unnatürliche RiDgen der kampfgerüsteten Gegner auf 
dem Boden des sozialen Versicherungswerkes seinen Anfang nahm, und 
F osae soz .' a ^ e Werte unwiderbringlich zerstört wurden, hatte ein 
Redliches Vermittelungswerk den zum Losschlagen Bereiten Halt ge- 
ten und die Grundlinien für ein erspriessliches Miteinander statt ver¬ 
derblichem Gegeneinander abgesteckt. 

Dieses Friedensabkommen aus der vorjährigen Weihnachtszeit 
«nd naturgemäss im Brennpunkt der Verhandlungen, welohe die Haupt- 
»^ m ^ Q0 8 des Leipziger Verbandes, die wie immer dem eigentlichen 
»cito g TOraus P n ff> entrollte. Hier galt es, sich darüber klar zu 
Reiche Hoffnungen dieses Abkommen wirklich verschlungen, 
faltn e ° ..Eningen, Wünschen, Notwendigkeiten es die Bahn zur Ent- 
wj D 8 ^gemacht hat. Also Umschau halten, Ueberblick ge- 
gtkr? 0 ’ , ziehen: Das war die Signatur der diesbezüglichen Er- 
reid»t D ^ eD L eitel Freude und Genugtuung über das Er- 

ancli d * öoohen angebracht wurde, war wohl jedem klar. Wenn 
10 Bestürzung von Weihnachten allenthalben einer ruhigeren Auf¬ 


fassung Platz gemacht hatte, so waren in den darauffolgenden Monaten 
Stimmen genug laut geworden, die in dem Geschehenen ein Döbacle zu 
sehen meinten und die Organisation in ihren Fugen beben Hessen, die 
einen grossen Aufwand von koalitorischer Kraft nutzlos vertan sahen 
und den Göttern des Leipziger Verbandes die Dämmerung kündeten. 
Ein leises Grollen, ein Nachhallen dieser Stimmen war auch in München 
noch zu vernehmen, aber es war nur ein leichtes Wellenkräuseln, das 
dem stolzen Schiff unserer Organisationsmacht nur eine sanft wiegende 
Bewegung gab. Wer den Beifallssturm hörte, der seinen Steuermann 
und Erbauer begrüsste, und seinen wie immer knappen, aber wuchtigen 
und schlagkräftigen Ausführungen folgte, der wusste, dass Hart mann 
nichts von seiner Popularität und Verehrung eingebüsst, im Gegenteil 
an Sympathie allenfalls noch gewonnen hat. Treffend führte einer der 
besten Diskussionsredner des Tages, Dr. Levy aus Graudenz, aus, dass 
Hart mann und seine Mitarbeiter sich gerade durch das Abkommen als 
die berufenen Führer bewahrt, grade darin eine wahrhaft moralische 
Tat geleistet hätten, die viel schwerer wiege und viel mehr Verant- 
wortungs- und Pflichtgefühl bezeuge als ein Draufgängertum, das sioh 
um die Folgen nicht kümmere und Qur der Lust am frischen, fröhlichen 
Kampf entgegen komme. 

Sich selbst bezwingen, ist der stärkste Sieg! Und als Sieger in 
diesem Sinne ist Hartmann gefeiert worden, und mit Recht. Alle die 
Kollegen, die zum Aerztetag entsandt waren, den Nachhall im Obre von 
den schneidigen Reden ihrer Vereinslöwen, die über unmännliches 
Zurückweichen, verzagte Kampfscheu, Unterwerfung ohne Schwertstreich 
gedonnert hatten, werden jetzt, nach den gründlichen Belehrungen auf 
dem Aerztetag, mit Ueberzeugung berichten können, dass ein Kampf 
geradezu ein Va-banque-Spiel gewesen wäre. Zahllos die Schwierig¬ 
keiten; zwei Fronten: Kassen und Behörden; eine feste Kolonne von 
Feinden aus dem eigenen Lager im Rüoken; die Gefahr zahlreicher 
Einzelkämpfe infolge ungleichen Vorgehens; die Abneigung gegen den 
Kampf bei vielen, die nach den ersten Schüssen die weisse Fahne auf- 
gepflanzt hätten; die Geldmittel trotz allen Opfermuts für einen monate¬ 
langen Krieg völlig unzureichend; ein Sieg also immerhin zweifelhaft, 
sicher aber die schwersten Wunden materiell und ideell an Kraft und 
Ansehen, von denen wir uns in Jahren nicht erholt hätten! Da wäre 
es Verblendung gewesen, einem ehrenvollen Frieden halsstarrig anszu- 
weicben; und dass Hartmann seine ursprüngliche Kampfnatur be- 
zwuDgen und die Aerzteschaft vor schwerer Krisis bewahrt hat, müssen 
wir ihm danken. 

Ein ehrenvoller Friede! Gewiss, das bestätigte und unterstrich noch 
bei der Eröffnung des Aerztetages der Vorsitzende Dippe. Metall¬ 
reich und um kein Jota gedämpfter wie auf dem vorjährigen ausser¬ 
ordentlichen Aerztetag in Berlin klang seine Stimme, obwohl sie dies¬ 
mal friedlichere Töne anschlagen konnte: Der Frieden wird Zustände 
bringen, unter denen sich leben lässt, die ein gutes Verhältnis zwischen 
Kassen und Aerzten auf die Dauer ermöglichen. Darum erheischte die 
Pflicht, dass wir das Dargebotene annahmen, so wenig verlockend es auf 
den ersten Blick schien; denn der Kampf konnte nie das beste, nur 
das äusserste, letzte sein. Wir müssen nur das Friedensinstrument 
richtig gebrauchen lernen! Darum, „wenn Sie mich auf Ehre und Ge¬ 
wissen frageD, ob ich auch heute noch unsere Zustimmung für richtig 
halte, so kann ich diese Frage aus freiem Herzen bejahen. Ich bereue 
nicht, was ich getan habe, und ich würde auch heute ebenso handeln 
wie damals!“ Jetzt gilt es, die Vollendung des gemeinsamen Werkes 
nach besten Kräften zu fördern! Dazu aber gehört auch von der anderen 
Seite mehr Eifer und guter Wille, als bisher. Der Fehler war, dass wir 
nicht für festere, zeitlich begrenzte Abmachungen gesorgt haben, dann 
wäre uns vielmonatlicher Verdruss, Elbing sowohl als die Widersetzlichkeit 
bei der Aufbringung des Nothelferbeitrags erspart geblieben! Wir selbst 
dürfen aber nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern müssen in 
der neuen Form mit der alten Energie weiterbauen! 

II. 

Das Hauptfacit des Aerztetages nach der wirtschaftlichen Seite 
unseres Standeslebens ist, dass die Disziplin im grossen, die unbedingte 
Gefolgschaft, die Erziehung zur Geschlossenheit glänzend die Probe 
bestanden hat. Was an Widerspruch offen und ehrlich hervortrat, wie die 
Auslassungen von Schneider-Potsdam, diente, weit entfernt von Nörgel¬ 
sucht und Besserwisserei, lediglich dem höheren Zweck, zu verhüten, 
dass um des Neuen willen etwas preisgegeben würde, was wir schon er¬ 
kämpft hatten, oder die früheren Ziele aus dem Auge verloren würden. 
So erwachsen Zukunftsaufgaben in Hülle und Fülle! Der Kampf nach 
aussen ist zum Stillstand gekommen, aber die Vorbereitungen dazu 
haben doch mancherlei Schwächen, Lücken, Schäden blossgelegt. 
Wie stark wir sind, beweist am besten, dass auch hierüber freimütig 
gesprochen werden konnte. Wer so viel Arbeit geleistet hat, wie es tat¬ 
sächlich an allen Orten Deutschlands von den führenden Kollegen ge¬ 
schehen ist, darf auch die Finger an Wunden legen! Gewiss „klappt“ 
unsere Organisation musterhaft. In der Centrale werden Wunder an 
Arbeit und Unermüdlichkeit vollbracht; von der Gewaltigkeit der 
Maschinerie möge das kleine Detail einen Begriff geben, dass ira letzten 
Jahre 11 000 Ferngespräche in der Dufourstrasse in Leipzig geführt 
wurden! Die lokalen Führer und Vertrauensmänner haben in mühsamen 
VertragsverhandlungeD, sowohl mit den Kassen, als auch unsicheren 
Kollegen, Opfer an Zeit und Kraft gebracht, für die ihnen oft wenig An¬ 
erkennung eiblühte. Aber der Organisationsgedanke stellt nicht nur an 
wenige einzelne seine Forderungen, die Gesamtheit soll von ihm 


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1346 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 28. 


durchdrungen werden. In dieser Beziehung bleibt noch recht viel 
zu wünschen übrig. Das kam wohl noch selten mit solcher Eindring¬ 
lichkeit zum Ausdruok wie diesmal, wo die „kleinen Sorgen“ nicht so 
hinter den „grossen Fragen“ verschwanden, und eine ganze Reihe von 
Rednern in verwandter Tonart darauf hinweisen konnte, dass auch 
intra muros reichlich gesündigt wird. 

Für sehr viele Berufsgenossen existiert die Organisation nur so weit, 
als sie ihnen nützt, schützend vor sie tritt und an ihren Errungenschaften 
teilnehmen lässt. Wehe aber, wenn sie auch mal ein kleines Opfer 
heischt, etwa, den Wettbewerb eines Kollegen zu dulden, der im all¬ 
gemeinen Interesse „untergebracht“ werden muss, oder einen kleinen 
Sondervorteil der Gesamtheit zuliebe aufzugeben. Der Gemeinsinn, 
das gewerkschaftliche Fühlen, muss mehr geweckt und entwickelt werden, 
vor allem aber das Gefühl der Verantwortung gegen die Gesamtheit, der 
Gern ein bürgschaft. 

In der Friedensära, der wir entgegen gehen, heisst es, bei den 
Gegnern, vor allem aber den Versicherungsbehörden moralische Erobe¬ 
rungen machen; das erfordert äasserste Selbstdisziplin des einzelnen, 
Selbstbesohränkung namentlich in der Ausnutzung der Vor¬ 
teile, die in bezug auf Honorar und Stellung vertraglich erkämpft sind. 
Immer kehrte die Klage wieder, dass man jetzt in den Vertrauens¬ 
kommissionen am meisten die hohen Liquidationen derjenigen Kollegen 
fürchtet, die vergessen, dass Kassenpatienten nicht nach den Gepflogen¬ 
heiten der praxis elegans darauflos behandelt werden dürfen. Das dis¬ 
kreditiert das System der Bezahlung nach Einzelleitungen und erschüttert 
das Vertrauen der Gegenpartei in die Aufrichtigkeit unseres Willens, 
auch den Interessen der Versicherungsträger gerecht zu werden. Wir 
müssen Loyalität säen, um Vertrauen zu ernten. 

Item! Die Grundlage für den Frieden ist gut. Nur muss man nicht 
von einem Baum, der im Frühjahr gepflanzt ist, ira Herbst schon Früchte 
pflücken wollen! Zunächst gilt es, mit allen bisherigen Mitteln auf den 
neuen Zustand sich einzurichten, ihn der Organisation zu aceommodieren. 
Diese selbst muss innerlich vertieft werden, so dass jeder sich als 
verantwortliches Glied fühlt. Das verbürgt für die Zukunft einen Zu¬ 
stand, bei dem die Aerzteschaft nicht in Kämpfen sich zu zermürben braucht, 
vielmehr sich voll den höheren Aufgaben des Berufs zuwenden kann. 

IIL 

Einen Hauch hiervon verspürte man schon diesmal! Erstaunlich 
war, mit welch ungemindertem Interesse auch die zum Teil recht langen 
Referate über Themen, die dem wirtschaftlichen Gebiet fernlagen, von 
einer zahlreichen Corona angehört, und in welch ausgiebiger Weise Rede¬ 
freiheit noch bei der Diskussion bewilligt wurde. Vor allem kam auch eine 
rednerische Jungmannschaft zum Wort, und wie allseitig anerkannt 
wurde, mit entschiedenem Geschick und Erfolg. Damit wird eine in jüngster 
Zeit wiederholt erhobene Forderung der Verwirklichung näher geführt, 
dass nämlich junge Kräfte allenthalben herangezogen werden sollten, um 
der maasslosen Ausnutzung der Leistungsmöglichkeit einzelner Bewährter 
Einhalt zu tun und gleichzeitig eine Gewähr für die Kontinuität der Ge¬ 
schäftsführung allenthalben zu schaffen; damit wird zugleich auch einer 
gewissen Verknöcherung, einem Mandarinentum vorgebeugt, wie 
sich das gerade im ärztlichen Vereinsleben vielfach bemerkbar macht. Es 
geht da manohem Vereinsheros wie dem alten Mimen, der nicht erkennen 
will, dass seine Stunde längst vorbei ist, und dass ihn nur die Erinne¬ 
rung an das, was er früher leistete, vor dem Ausgepfiffenwerden bewahrt. 

Uebrigens flössen die Debatten auf dem Aerztetag ruhig dahin, in* 
haltlioh auf sehr achtbarem Niveau, mit manchen rednerischen Höhe¬ 
punkten, im ganzen ohne besonders aufregende Momente. Einer kleinen 
Entgleisung des heissblütigen Goetz - Leipzig, der wie die Löwin ihr 
Junges, seinen nun schon ins dritte Jahr sich hinziehenden Antrag über 
die Reglementierung der charitativen Tätigkeit des Arztes gegen ein 
noch so ehrenvolles Begräbnis verteidigte, wurde durch die humoristische 
Entgegnung Peyser’s das Verletzende genommen. Die Abstimmung 
zeigte übrigens/ dass die Mehrheit eine Verabschiedung dieses An¬ 
trags wünschte, die einer Regelung nicht aus dem Wege ging. Frag¬ 
lich ist ja, ob die ganze Materie wirklich von so ungeheurer praktischer 
Bedeutung ist, dass 3 Aerztetage sich damit befassen mussten; wenig¬ 
stens ist man aber an den schärfsten Klippen glücklich vorbeigesteuert, 
und der Referent Lennhoff darf es sich zum Verdienst rechnen, dass 
eine Fassung gefunden wurde, die bei aller Betonung der traditionellen 
ethischen Auffassung des ärztlichen Berufs einem Missbrauch ärztlicher 
Hilfsbereitschaft entgegentritt und doch die Empfindungen der Kollegen 
schont, die ihre freiwillige Tätigkeit beim Roten Kreuz einer bevor¬ 
mundenden Reglementierung nieht ausgesetzt sehen wollen. 

IV. 

So fügte sich in den prächtigen Rahmen das Bild des 40. Aerzte- 
tags harmonisch ein — seine Arbeit zum Teil selbst ein Genuss für die 
Teilnehmer und ausserdem täglich abgelöst von fröhlichen Festen. Die 
Münchener haben ihren Ruf als Meister festlicher Veranstaltungen glänzend 
bewährt. Dieses Kapitel müsste eigentlich, um allen Seiten gerecht zu 
werden, von einer Kollegenfrau geschrieben werden, denn für sie war in 
geradezu lückenloser Ausnützung der verfügbaren Zeit gesorgt worden, 
so dass sie aus ästhetischen, kulinarischen, mondainen Genüsse gar nicht 
herauskamen; kein Delegierter konnte etwaiges Fernbleiben von den 
Sitzungen mit den Pflichten gegen seine bessere Hälfte beschönigen, und 
so hatte sich das Damencomite indirekt auch um die ungeminderte Präsenz 
der Sitzungen verdient gemacht. Wenn dann die Damen von Trachten¬ 


schau, The dansant, solennen Frühstücken (das erlesenste in der Villa 
Spatz), Museumsbesuchen in ihrer Genussfähigkeit ungebrochen, zurück¬ 
kehrten, begann das gemeinschaftliche Festieren am Abend; hier soll 
neben einer wundervollen Aufführung der Zauberflöte im Hoftheater 
wozu das Herausgeberkollegium der „Münchener Medizinischen“ ein- 
geladen hatte, besonders der Abend im Hofbräu erwähnt werden mit 
seiner echt münchnerischen Note, stilecht vom Souper mit Rettig und 
Weisswurst bis zum Münchner Kindl, das zwischen den ausgezeichneten 
Darbietungen des „sterilen Aerzteorohesters“ (in weissen Mänteln statt 
im Frack) in lokalechten Versen der Aerste Nöte und Kämpfe zwerch¬ 
fellerschütternd besang. 

Wem die Zeit nicht zu kurz bemessen war, der konnte am Sonntag 
vom Starnberger See aus noch in der Ferne das Karvendelgebirge und 
die Benediktinerwand grüssen oder gar mitten hinein in die lockenden 
Zauber der Gebirgswelt fahren, um in Reiehenhall oder Tölz oder 
Partenkircben der belehrenden Führung der gastlichen Kurverwaltungen 
zu folgen. Aber wenn auch nicht allen vergönnt war, den Becher des 
Geniessens zur Neige zu leeren, keiner wird München verlassen haben, 
ohne die Erinnerung an einen der „gelungensten“ Aerztetage mit sieh 
zu nehmen. Vollmann. 


Martin Kirchner. 

Am 15. Juli d. Js. vollendet der Direktor der Medizinal- 
Abteilung im Ministerium des Innern, Ministerialdirektor, Wirk¬ 
licher Geheimer Obermedizinalrat Prof. Dr. Martin Kirchner 
sein 60. Lebensjahr. Dieser Anlass bietet Gelegenheit zu einem 
Rückblick auf den Werdegang dieses hervorragenden Mannes, der 
aus den Kreisen der Wissenschaft hervorgegangen, auf Althoffs 
Rat in die preussiscbe Medizinalverwaltung berufen wurde und 
diese zu einer ungeahnten Entwickelung geführt bat. 

Kirchner wurde am 15. Juli 1854 in Spandan als Sohn des 
Pfarrers K. geboren. Seine wissenschaftliche Vorbildung erlangte 
er auf dem Joachimsthal’schen Gymnasium in Berlin-Wilmers¬ 
dorf. Hier gewann er die klassische Bildung lieb, für die er 
auch später stets mit voller Ueberzeugung eingetreten ist. Er 
widmete sieb dann dem medizinischen Studium an den Universi¬ 
täten Halle und Berlin. In Berlin war er in erster Linie als 
Schüler Kochs tätig, dem er bis an dessen Lebensende in treuer 
Ergebenheit und Verehrung nahegestanden bat. Kirchner wnrde 
im Jahre 1878 Unterarzt des aktiven MilitärdiensUtandes, in dem¬ 
selben Jahre zum Dr. med. promoviert, zwei Jahre darauf, nach 
Erlangung der Approbation als Arzt, zum Assistenzarzt und 1887 
zum Stabsarzt befördert. Seit seiner Universitätszeit mit Hygiene 
und Bakteriologie, längere Zeit auch im Koch’schen Institut, be¬ 
schäftigt, konnte er sich im Jahre 1894 in seinem damaligen 
Garnisonort Hannover an der technischen Hochschule als Privat¬ 
dozent für Hygiene habilitieren. Im Jahre 1896 wurde er Ober¬ 
stabsarzt, im Herbst desselben Jahres gab er als Frucht seiner 
langjährigen wissenschaftlichen Studien das bekannte Werk: 
„Grundriss der Militärgesundheitspflege 11 heraus. In¬ 
zwischen war Alt hoff auf ihn und seine hervorragende Begabung 
aufmerksam geworden und veranlasste seine Berufung in die 
Medizinalabteilung des Kultusministeriums. 

Das preussische Medizinalwesen lag damals in einem sanften 
Schlummer. Eine gründliche Reform wurde immer dringender. 
Besonders harrten zwei wichtige und eng miteinander verknüpfte 
Fragen ihrer Lösang: Die Bekämpfung der übertragbaren Krank¬ 
heiten musste dem neuen Stand der medizinischen Wissenschaft 
entsprechend geregelt werden, zur Durchführung dieser modernen 
Bekämpfungsmaassnahmen musste aber auch eine entsprechende 
Reform der preussischen Medizinalverwaltung, besonders in der 
Kreisinstanx durch Bereitstellung von leistungsfähigen Gesundheit«* 
beamten stattfinden. Sofort nach seiner Einberufung wurde 
Kirchner an den Arbeiten der „Medizinalreform“ beteiligt; 
einige Zeit darauf übernahm er die Bearbeitung der Reform selbst¬ 
ständig. Zugleich wurde das Reichsseucbengesetz in Angriff ge¬ 
nommen und eine gründliche Umgestaltung der Ausbildung der 
Mediziner durch eine Neubearbeitung der Prüfungsordnung für 
Aerzte vorbereitet. Alle diese Arbeiten lagen auf den Schaltern 
Kirchner’s, der dafür als äussere Anerkennung im Jahre 1897 
den Titel „Professor“ erhielt und im Jahre 1898 zum Geheimen 
Medizinalrat und Vortragenden Bat ernannt wurde. 

Als ich im Jahre 1900 dem jugendlichen Gebeimrat als 
Hilfsarbeiter beigegeben wurde, hatte ich den Eindruck, als sei 
das preussische Medizinalwesen aus seinem Dornröschenschlafs 
erwacht. Ueberall tauchten wichtige Fragen auf, und stets fanden 
sie geistvolle, fürsorgliche und grosszügige Behandlung. 0* e 
Verabschiedung des Gesetzes betr. die Bekämpfung gemein¬ 
gefährlicher Krankheiten vom 80. Juni 1900 erforderte die ganze 


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13. Jnli 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1347 


Kraft eines anf dem Gebiete der Bakteriologie and öffentlichen 
Gesundheitslehre hervorragenden Forschers. Die Vertretung des 
Gesetzes im Reichstag war ein Meisterwerk Kirchner’s. Zahl¬ 
reiche Sonderstudien befähigten ihn wie keinen anderen daza. 
Noch im Jahre 1897 war er zum Stadium der Lepra and der 
Granulöse nach Russland entsandt worden. Die Fracht seiner 
Untersuchungen war die zielbewusste, nicht nur für das Inland, 
sondern auch für andere Staaten vorbildlich gewordene Bekämpfung 
des Aussatzes in Deutschland und die grosszögige Bekämpfung 
der Granulöse in den östlichen Bezirken Preussens. Die Aus¬ 
führung des Reichsseuchengesetzes in den einzelnen Bundesstaaten 
nnd seine Ausgestaltung durch die Landesgesetzgebung ist eben¬ 
falls von Kirchner eingeleitet worden durch das preussische 
Gesetz betr. die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 
28. August 1905, das eine erschöpfende Regelung dieser Fragen 
darstellt und in den meisten deutschen Bundesstaaten als Vorbild 
gedient hat. Es wird seinen Mitarbeitern unvergesslich bleiben, 
welche gewaltige wissenschaftliche und parlamentarische Arbeit 
Kirchner damals geleistet hat. Und wenn einige Bestimmungen 
jenes preussischen Gesetzes, besonders diejenigen Ober die Be¬ 
kämpfung der Tuberkulose, nicht alles umfassen, was erhofft war, 
so trifft die Schuld daran wahrlich nicht Kirchner, der alles 
aufgeboten batte, um auch diese Lücken zu füllen, aber hierbei 
an dem Widerstand des Landtages scheiterte. 

Die gewaltigen Aenderungen, die nach dem Inkrafttreten des 
preussischen Kreisarztgesetzes vom 16. September 1899 in der 
Stellung und Dienstführung der Kreismedizinalbeamten eintreten 
mussten, wurden festgelegt in einer von Kirchner vorbereiteten 
umfassenden Dienstanweisung und in einer besonderen Geschäfts¬ 
ordnung für das neugeschaffene kollegiale Organ, die Gesundheits- 
kommission. Besonders dankbar seien anerkannt die Bemühungen 
Kircbner’s, die materielle Stellung der Kreisärzte zu verbessern. 
Im Interesse einer zuverlässigeren Feststellung der übertragbaren 
Krankheiten wurden MedizinaluntersucbungsaDstalten und mehrere 
hygienische Institute (Beutheu, Gelsenkirchen und Saarbrücken) 
begründet, die der Medizinalverwaltung beigegeben sind und die 
Aufgabe haben, die für die Feststellung übertragbarer Krank¬ 
heiten erforderlichen Untersuchungen und sonstigen im Interesse 
der öffentlichen Gesundheit notwendigen Ermittelungen aus¬ 
zuführen. Als Hauptanstalt dieser Art wurde das Institut für 
Infektionskrankheiten entsprechend weiter entwickelt. Die zur 
Bekämpfung der Pocken, insbesondere zur Ermöglichung einer 
einwandfreien Schutzimpfung bestimmten staatlichen Impfanstalten 
wurden verbessert und wissenschaftlich gehoben. Die gesund¬ 
heitliche Ueberwachung der Häfen wurde mustergültig geordnet 
nnd dadurch die Kette der Maassnahmen zur Bekämpfung der 
übertragbaren Krankheiten geschlossen. 

Bei dieser wichtigen Tätigkeit auf dem Gebiete der Medizioal- 
verwaltung war Kirchner zugleich unermüdlich bestrebt, das 
Wissen und Können der Aerite und der beamteten Aerzte zu 
fördern, um die wirksamsten Waffen gegen die Schädlinge der 
Volksgesundheit zu schärfen und dauernd brauchbar zu erhalten. 
Die Prüfungsordnung für Aerzte vom 28. Mai 1901 und diejenige 
für Zahnärzte vom 15. März 1909 stammen im wesentlichen aus i 
Kirchner’s Feder. Nur die Beteiligten können ermessen, welche 
enorme wissenschaftliche Arbeit in diesen Ordnungen enthalten 
i*t Ebenso wurde die Prüfungsordnung für Kreisärzte von K. 
neu bearbeitet. Auch die Fortbildung der Aerzte und beamteten 
Aerzte lag Kirchner sehr am Herzen. Es ist anscheinend zur¬ 
zeit nicht mehr bekannt, dass Kirchner bei der Begründung des 
Zentralkomitees für das ärztliche Fortbildungswesen in Preussen 
erheblich beteiligt gewesen ist — und, wie ich als sein damaliger 
Mitarbeiter aus eigener Beobachtung bestätigen kann, sich um 
die Ausgestaltung des Wirkens dieses Komitees grosse Verdienste 
erworben hat. Auch die Fortbildung der Aerzte, die das deutsche 
Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen sich zur Aufgabe gestellt 
hat, ist von Kirchner stets unterstützt und beraten worden. Die 
“Mtergültige Regelung der Fortbildung der beamteten Aerzte 
jerdanken wir Kirchner allein, der die entgegeustehenden Be¬ 
denken zu beseitigen und die regelmässige alljährliche Einberufung 
einer grösseren Zahl von Medizinalbeamten (zurzeit etwa 80) zu 
en verschiedensten Fortbildungskursen zu sichern verstand. An 
»eser Stelle möchte ich nicht unterlassen, auch der preussischen 
inanxverwaltung in aufrichtiger Dankbarkeit zu gedenken, ohne 
“^verständnisvolle Mitwirkung Kirchner's Tätigkeit nach 
^abw , kJ 6Den ^‘ c k* an 6 eD den erwünschten Erfolg nicht hätte 

Noch ein anderes grosses Gebiet der allgemeinen Wohlfahrts¬ 


pflege ist von Kirchner wissenschaftlich und praktisch bearbeitet 
und dadurch erfolgreich entwickelt worden: das Gebiet der ge¬ 
sundheitlichen Fürsorge. leb weise kurz bin auf die Fürsorge 
für Tuberkulöse, für Lupuskranke, für Krebskranke, auf die Schul- 
gesundbeitspflege und hier wieder noch besonders auf die Schul¬ 
zahnpflege, die einen erheblichen Anstoss zur allgemeinen Zahn¬ 
pflege in der Bevölkerung überhaupt gegeben hat. Die Organi¬ 
sation der Tuberkulosefürsorge, wie sie durch Kirchner ein¬ 
geleitet wurde, war vorbildlich für die Säuglingsfürsorge und die 
Krüppelfürsorge. Die Beziehungen der sozialen Verhältnisse zur 
Gesundheit der breiten Volksmassen hat Kirchner als einer der 
ersten mit Wort und Schrift behandelt. Er war auch bekanntlich 
der erste Inhaber eines Lehrauftrags für soziale Medizin an der 
Berliner Universität. Die hohe Entwicklung, die das Rettuogs- 
wesen in Preussen jetzt zeigt, und das Interesse, das im Deutschen 
Reich für diesen Zweig der öffentlichen Krankenfürsorge in den 
letzten Jahren hervorgetreten ist, kann zum grossen Teil auf 
Kircher’s Initiative zurückgeführt werden, der an der Begründung 
des Zentralkomitees für das Rettungswesen in Preussen beteiligt 
war und von Anfang an zu den Vorsitzenden dieses Komitees 
gehörte. 

Welches Empfinden Kirchner den Sorgen und Kämpfen des 
ärztlichen Standes entgegenbrachte und wie er bestrebt war, die 
berechtigten Interessen der Aerzte unter sehr schwierigen Ver¬ 
hältnissen zu vertreten, ist noch frisch in der Erinnerung. Ebenso 
darf angedeutet werden, dass Kirchner durch seine Persönlich¬ 
keit mittelbar dazu beigetrageu bat, den Wunsch der Aerzte zu 
verwirklichen, einen der Ihrigen an der Spitze der Medizinal¬ 
verwaltung za sehen. 

Kirchner’s Bedeutung liogt in der hoben Wissenschaftlich¬ 
keit seines Wirkens, die er aus der Schule Koch’s mit hinüber¬ 
genommen hat in die Arbeit der Medizinalverwaltung. Er konnte 
die ihm vorgelegten grossen Aufgaben der Öffentlichen Gesund¬ 
heitspflege um so eher zu einem erfolgreichen Abschluss bringen, 
weil er seine Wissenschaft beherrschte. Und er nutzte rück¬ 
wirkend auch der Weiterentwicklung dieser Wissenschaft, die er 
vom Standpunkt der Medizinalverwaltung aus förderte, wo er nur 
immer konnte. Sein reiches Wissen, seine grosse Beredsamkeit 
und parlamentarische Fertigkeit, sein ausserordentlicher Fleiss 
und das Streben, zu erreichen, was er für richtig erkannt, brachten 
ihm die Erfolge, die seinen Namen auch in der internationalen 
medizinischen Welt bekannt gemacht haben. Bei den Verhand¬ 
lungen über den Etat des Medizioalwesens im preussischen Land¬ 
tage hat Kirchner fast alljährlich über die grossen Fragen der 
Öffentlichen Gesundheit gesprochen. Alles folgte seinem Vortrage 
mit gespannter Aufmerksamkeit, stets war ihm der dankbare Bei¬ 
fall des Parlamentes sicher. Gerade diese Art der Vortragstätig¬ 
keit ist für die Verbreitung richtiger Anschauungen über die Ge¬ 
sundheitspflege von hoher Bedeutung geworden. Eine umfangreiche 
publizistische Tätigkeit legt Zeugnis davon ab, wie Kirchner 
darauf bedacht war, die praktische Hygiene auch durch die Schrift 
zu fördern. Die alljährlich erscheinenden Berichte über das Ge¬ 
sundheitswesen in Preussen wurden durch Kirchner einer neu¬ 
zeitlichen Umformung unterzogen, so dass sie jetzt die bedeutendste 
Fundstätte aller Fragen der Volksgesundheit in Preussen darstellen. 

So hat Kirchner das gesamte preussische Medizinal wesen 
mit seinem Geiste anregend und befruchtend durchdrungen. Alle 
beteiligten Kreise, die Vertreter der Wissenschaft und Praxis, denen 
die Gesundheit unseres Volkes am Herzen liegt, können bei Ge¬ 
legenheit seines 61. Geburtstages nur aufrichtig wünschen, dass 
ihm ein gütiges Geschick reichlich vergelten möge, was er für 
die Volksgesundheit getan, und dass er noch lange in der Kraft 
seines Geistes und in der Stärke seiner Persönlichkeit den Seinen 
und der Allgemeinheit erhalten werde, der rechte Mann an der 
rechten Stelle. E. Dietrich. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. - In der Sitzung der Berliner medizin. Gesellschaft 
vom 8. Juli demonstrierte vor der Tagesordnung Herr Landau eine 
Myomoperation während der Schwangerschaft. Hierauf hielt Herr E. Fuld 
den angekündigten Vortrag: Zur Behandlung der Colitis gravis mittels 
Spülungen von der Appendieostomie aus (Diskussion: die Herren Albu 
Katzenstein, Fuld), und Herr Eckstein seinen Vortrag über unbe¬ 
kannte Wirkungen der Röntgenstrahlen und ihre therapeutische Verwertung 
(Diskussion: die Herren Evler, Fritz M. Meyer, Eckstein). 

— In der Sitzung der Hufelandischen Gesellschaft vom 
9 . Juli zeigten der Vorsitzende, Herr Bumm, und Herr Warnekros 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1348 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 28. 


unter Beibringung des Beweismaterials, dass zur klinischen und anato¬ 
mischen Heilung tiefsitzerider Carcinome die äussere Bestrahlung 
mit sehr hohen Röntgendosen und über weite Flächen hin die beste 
aktinische Methode darstellt. An der Diskussion, die durchweg affirma¬ 
tiven Charakter hatte, beteiligten sich die Herren Paul Lazarus, Franz, 
A. Frankel, Evler, Dessauer, Levy-Dorn, Hessmann, Bucky. 

— Der III. Internationale Kongress für Radioaktivität 
und Elektronik findet in Wien vom 27. Juni bis 2. Juli 1915 unter 
dem Vorsitz von Prof. Sir Ernest Rutherford - Manchester statt. 
Aus dem vorläufigen Programm der biologisch-medizinischen Abteilung 
sei erwähnt: Allgemeine biologische Wirkungen der Radium- und Rontgen- 
strahlen: auf die pflanzlichen Zellen (Prof. Koernike-Bonn-Poppelsdorf); 
auf die tierischen Zellen und Gewebe (Dr. Dominici - Paris); auf den 
Gesamtorganismus (Prof. Wiechowski-Prag). Einwirkung der Radium- 
und Röntgenstrahlen auf Tumoren. Einleitender Vortrag (Geheimrat Prof. 
Aschoff-Freiburg). Ueber die Prinzipien der Röntgen-und Radiurabehand- 
lung maligner Tumoren (Geheimrat Prof. Krönig-Freiburg). Ueber die 
Röntgenbehandlung der Uterusmyome und der klimakterischen Blutungen 
(Prof. AIbers-Sohönberg-Hamburg). Ueber die Radium- und Meso- 
thoriumbehandlung benigner Tumoren (Prof. Howard Kelly-Baltimore). 
Einwirkung radioaktiver Substanzen: auf das Blutbild, auf Drüsen und 
Circulation (Dozent Dr. H. Hansen - Kopenhagen); auf Gicht, Rheuma¬ 
tismus und Nerven (Prof. FaIta - Wien). Dermatologisches Referat 
(Dr. Degrais - Paris). Demonstrationen von Patienten und Führung 
durch die Radiumstation des Allgemeinen Krankenhauses. In einer 
gemeinsamen Sitzung mit den Physikern u. a.: Filtration (Dozent Dr. 
Christen-Bern). Radio-und RÖntgensensibilisation (Dozent Dr. Freund- 
Wien). Ueber die durch Röntgen- und Radiumstrahlen hervorgerufenen 
Schädigungen (Prof. Holz kn echt-Wien). SekundärstrahluDg (das Referat 
wird von einem Physiker gehalten werden). Mitglieder, die einen Vor¬ 
trag zu halten wünschen, haben das Thema vor dem 1. April 1915 beim 
Sekretär anzumeiden und ein kurzes, zum Druck bestimmtes Autoreferat 
beizulegen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 24 Kronen = 20 Mark. Die 
Teilnehmer des Kongresses werden ersucht, diese vorläufige, wie auch 
alle folgenden Bekanntmachungen zu Auskunftszwecken aufzubewahren. 

— In Lyon findet vom 27. bis 81. Juli 1914 der VII. Inter¬ 
nationale Kongress für medizinische Elektrologie und Radio¬ 
logie statt. Auf der Tagesordnung stehen u. a.: Berichte über Mittel 
zum Schutze der behandelnden Personen gegen die X-Strahlen (Bericht¬ 
erstatter Prof. Albers-Schönberg), über Ionentherapie (Dr. Schnee- 
Frankfurt a. M.), über die Herzunregelmässigkeiten im Elektrokardio¬ 
gramm (Prof. Nicolai-Berlin). Mit dem Kongresse ist eine Ausstellung 
von Apparaten zur Heilbehandlung mit Elektrizität und Radium ver¬ 
bunden. Teilnehmer am Kongresse haben einen Beitrag von 25 Frcs. 
(Familienmitglieder von Teilnehmern 10 Frcs.) zu entrichten. Anmel¬ 
dungen und Beiträge sind an den Generalsekretär Dr. Cluzet, 106 rue 
de l’Hötel de Ville Lyon, einzusenden. 

— Ein internationaler Kongress für Schulhygiene wird 
1915 in Brüssel stattfinden. Das Programm enthält folgende Punkte: 
Schulgebäude und Schulmobilien. — Aerztliche Ueberwachung in den 
Stadt- und Landschulen. — Vorbeugungsmaassregeln gegen ansteckende 
Krankheiten in der Schule. — Hygienische Unterweisungen für Lehrer, 
Schüler und Familie. — Die Schulhygiene mit Hinsicht auf die körper¬ 
liche Erziehung in den verschiedenen Stadien des Wachstums. — Be¬ 
ziehungen der Lehrmethoden und Anordnungen des Lehrmaterials zur 
Schulhygiene. — Die Schulhygiene in besonderer Hinsicht auf die 
minderwertigen Schüler. — Die Hygiene der heran wachsenden Jugend. 

— Nach den Verhandlungen zwischen der deutschen Kongresscentrale, 
Berlin und dem Sekretariat der internationalen Union zur Förderung der 
Wissenschaft, welche den Austausch wissenschaftlicher Fragen unter den 
Gelehrten vermittelt, hat sich nunmehr auch der in dem Programm der 
internationalen Union längst vorgesehene Plan, sich mit der Organisie¬ 
rung von Kongressen zu befassen, verwirklicht. Zu diesem Zwecke hat 
die deutsche Rongresscentrale, Berlin, ein besonderes Kongressbureau 
eingerichtet, in dem sie mit der internationalen Union die technische 
und geschäftliche Vorbereitung wissenschaftlicher Kongresse übernehmen 
wird. Die deutsche Kongresscentrale ist bereits vielfach bei Vorbereitungen 
von Versammlungen, die hier in Berlin stattfanden, tätig gewesen und hat 
„ die Organisation derselben wesentlich erleichtert. 

— Am 5. Juli, dem 71. Geburtstage des verewigten Julius 
von Michel, wurde dessen Bronzebüste im Hörsaal der Universitäts- 
Augenklinik feierlich enthüllt; Herr Geheimrat Krückmann würdigte 
in feinsinniger Ansprache die Verdienste seines Vorgängers im Amte. 

— Geh. San.-Rat Dr. Fromm, der frühere, um die Entwickelung 
des Seebades hochverdiente Norderneyer Arzt, feierte seinen 80. Ge¬ 
burtstag. 

_ Der auf der Hauptversammlung am 25. Juni 1914 in München 

gewählte Vorstand des Leipziger Verbandes hat sich konstituiert. Nach 
Zuwahl weiterer 4 Mitglieder gehören ihm an die Herren DDr. Hart- 
mann, Streffer, Hirschfeld, Mejer, Göhler, Prof. Dr. Schwarz, 
DDr. Dumas, Vollert, Kloberg, Meischner. 

— In den letzten Tagen ging durch die Tagespresse die Nachricht von 
einem neuen Aerztestreik in Niederbarnim; angesichts des Berliner 
Abkommens und der auf dem Aerztetag dokumentierten Friedensstimmung 
klang das wie ein Hohn. Wie vorauszusehen war, ist es dem Zusammen¬ 


wirken der Vertragsparteien, des Oberversicherungsamts und einiger Vor¬ 
standsmitglieder vom Leipziger Verband innerhalb weniger Tage gelungen, 
eine gütliche Verständigung herbeizuführen. Aus den stipulierten Ver¬ 
gleichsbedingungen geht klar hervor, dass die Aerzte nur eine Sicherung 
gegen die fortwährende Verschleppung eines Vertragsabschlusses ver¬ 
langten, nachdem das Versicherungsamt bisher in bedauerlicher Weise 
alles unterlassen hatte, was ihm zur Durchführung des Berliner Ab¬ 
kommens oblag. Nunmehr ist den Aerzten im Kreise Niederbarmin neben 
erhöhter Abschlagszahlung auf die Zeit des Interimistikums eine Be¬ 
schleunigung der Vertragsverhandlungen und das Recht zugestanden 
worden, sich jederzeit auf dem Versicherungsamt über den Stand der 
Dinge zu informieren. Bei etwas besserem Willen der zuständigen Be¬ 
hörde hätten sich längst, wie an vielen andern Orten, geordnete Zustände 
erzielen lassen, und der ganze alarmierende Zwischenfall wäre vermieden 
worden. V. 

— In der Reisezeit (Juli bis Oktober) bitten wir alle für die 
Redaktion bestimmten Briefe nicht persönlich, sondern lediglich an die 
Redaktion adressieren zu wollen. 

— Dr. Hans Hohn ist vom 8. Juli bis Mitte August verreist. 

Hochschulnachrichten. 

Halle a. S.: Geheimrat E. von Hippel bat einen Ruf nach Göt¬ 
tingen als Nachfolger seines Vaters, Geheimrat A. von Hippel, erhalten. 
— Würzburg. Prof. Ackermann wurde ein Lehrauftrag für physio¬ 
logische Chemie übertragen. — Graz. Dem Privatdozenten für Chirurgie, 
Dr. Hof mann, wurde der Titel eines ao. Professors verliehen. — Prag. 
Dem ao. Professor für Geschichte der Medizin, Dr. A. Schrutz, wurde 
Titel und Charakter eines ordentlichen Universitätsprofessors zuerkannt. 
Zum Ordinarius für Pharmakologie wurde der ao. Prof. Ritter von Lhota 
ernannt. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personallon. 

Auszeichnungen: Königl. Krone zum Roten Adler-Orden 
4. KL.: Oberstabsarzt d. L. Dr. Krebs, Chefarzt des Landesbades 
der Rheinproviuz in Aachen, Oberstabsarzt Dr. v. Tobold, Chef¬ 
arzt des Hauptsanitätsdepots in Berlin. 

Roter Adler-Orden 4. Kl.: Kreisarzt Med.-Rat Dr. Brummund in 
Magdeburg. 

Rote Kreuz - Medaille 3. Kl.: San.-Rat Dr. Creutzfeldt in 
Harburg. 

Ernennungen: Generalarzt Prof. Dr. E. Steudel zum Geh. Ober- 
Med.-Rat und Vortragenden Rat im Reichskolonialamt; ausserordentl. 
Professor an der Universität Freiburg i. B, Dr. F. Keibel zum ordentl. 
Professor an der Universität Strassburg; Kreisassistenzarzt Dr. K. 
Kiesow in Bialla zum Kreisarzt in Kalau; Kreisassistenzarzt Dr. P. 
Kschischo in Danzig zum Kreisarzt in Aögerburg; Kreisassistenzarzt 
Dr. R. Ger lach in Güttingen zum Kreisarzt des Kreisarztbezirks 
Osnabrück (Land)-Wittlage in Osnabrück; Oberstabsarzt a. D. Dr. Stabn 
in Posen zum Kreisassistenzarzt daselbst. 

Versetzungen: Kreisarzt Med.-Rat Dr. Gottschalk von Kalau nach 
Kottbus; Kreisassistenzarzt Dr. Landsbergen von Gelsenkirchen nach 
Soltau. 

Pensionierungen: Reg.- und Geh. Med.-Rat und Oberamtsarzt Dr. P. 
Schwass in Sigmaringen; Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. H. Otto m 
Neurode, Kreisarzt Med.-Rat Dr. E. Bremer in Angerburg. 

Niederlassungen: Dr. W. Grumme und Aerztin Dr. G. Schmidt 
in Göttingen, Dr. H. Heyter in Frankfurt a. M. 

Verzogen: F. P ursche von Cöln-Lindenthal, Aerztin J. Selig von Würz¬ 
burg und A. Fischer von Dresden nach Dortmund, Dr. F. Müller von 
Kaiserslautern nach Haspe, Dr. W. Hüisenbeck von Greifswald nach 
Gevelsberg, Dr. 0. W. Henrioh von Bochum nach Sohwelm, Dr. C. 
Beau camp von Saarburg und Dr. P. Junius von Cöln nach Bonn, Dr. B. 
Schild von Göttingen und Dr. A. Savels von Trier nach Colo, Dr. A. 
Husmann von Volkmarsen nach Bensberg, Dr. F. Becker von Bonn 
nach Alzey, Dr. V. Zweig von CÖln nach Lübeck, Dr. L. Stambach von 
Obercassel nach Pützchen, Dr. 0. Käufer von Remscheid, Dr. J. «• 
Brockhaus von Breslau und W. Ambrosius von Darmstadt nach 
Aachen, Dr. H. Gorres von Aachen nach Heidelberg, Dr. S, Jacohi 
von Berlin-Schöneberg nach Herzogenrath, Dr. A. Stein brück von 
Harthau b. Chemnitz nach Stolberg (Bez. Aachen), K. Fnjst 700 
Nikolaiken nach Bajohren, Dr. H. Ehlers von Sorau nach Wilhelms- 
stift b. Potsdam, Dr. E. Preuss von Hannover und Dr. F. “ a . c * er 
von Würzburg nach Göttingen, Dr. W. Offermann von Freibarg 
i. B., Dr. A. Fels von Strassburg und Dr. F. Bender von Giessen 
nach Frankfurt a. M,, M. Caspari von Danzig nach Bad Homburg 
v. d. H., Dr. W. Griesbaoh von Frankfurt a. M., M. W- Weis« toii 
Magdeburg und Dr. A. Bossert von Scbreiberhau nach Wiesbaden, 
San.-Rat Dr. F. Brühl von Eltville nach Kiedrich. , 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. R. Schi 
von Götingen. _ _ 

Pör die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hane Hohn, Berlin W., Bayreuth er 8tr*sM ** 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N..4. 


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UNIVERSITY OF IOWA 




\*\ 


Die Berliner Klinische Wochonschrifi erscheint jeden 
Montast in Nummern von ca. h—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Mel-Rnl Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. üans Kohu. iugust flirschwald, VeriagsbucbhaudluDg in Berlin. 


Montag, den 20. Juli 1914. 



iWVI 


Einundfünfeigster Jahrgang. 


I N H 

Originalieft*. Rohmer: Ueber die Diphtheriescbutzimpfuog von Säug¬ 
lingen nach v. Behring. (Aus der medizinischen Universitäts¬ 
klinik za Marburg.) S. 1349. 

Meitzer: Ueber eine Methode zur experimentellen Erzeugung 
von Pneumonie und über einige mit dieser Methode erzielte 
Ergebnisse. (Aus dem Rockefeller Institute, New York.) S. 1351. 
Gümbel: Zur Behandlung der spastischen Lähmungen mit der 
Foerster’schen Operation. S. 1353. 

Faulhaber: Zur Frage des Sechsstundenrestes bei pylorusfernem 
Ulcus ventriculi. S. 1355. 

Scheffer: Einige Gesichtspunkte für die Beurteilung von Kohlen¬ 
säurebädern. (Illustr.) S. 1357. 

Goldscheider: Ueber atypische Gicht und verwandte Stoffwechsel- 
störuogen. (Schluss.) S. 1359. 

Matti: Die Beziehungen der Thymus zum Morbus Basedowii. 
(Schluss.) S. 1365. 

Bäeherbesprechiiigeii : Bier, Braun, Kümmell: Chirurgische Ope- 
ratiooslehre. S. 1370. (Ref. Adler.) — Birk: Leitfaden der Säug- 
liDg8krankheiten. S. 1370. Göppert: Die Nasen-, Rachen- und 
Ohrerkrankungen des Kindes in der täglichen Praxis. S. 1370. 
(Ref.Weigert.) — Pearson, Nettleship und Usber: A mono- 
graph on albinism in man. S. 1370. (Ref. Friedenthal). — Müller: 
Die Therapie des praktischen Arztes. S. 1370. (Ref. Bittorf.) — 
Joachim und Korn: Grundriss des deutschen Aerzterechts für 
Studierende, Aerzte und Verwaltungsbeamte. S. 1371. (Ref. 
Vollmann.) 

LUeratnr-AiiBCitge: Physiologie. S. 1371. — Pharmakologie. S. 1372. — 
Therapie. S. 1372. — Allgemeine Pathologie und pathologische 


Aus der medizinischen Universitätsklinik 7,u Marburg 
(Direktor: Geheimrat Matthes). 

Ueber die Diphtherieschutzimpfung von Säug¬ 
lingen nach v. Behring. 

Von 

Dr. P. Rohmer, 

Privatdozent für Kinderheilkunde. 

In seinem auf dem diesjährigen Kongress für innere Medizin 
gehaltenen Vortrag hat v. Behring u. a. die Säuglinge vor¬ 
läufig von der Behandlung mit seinem Diphtherieschutzmittel 
ausgeschlossen, und zwar deshalb, weil über deren Fähigkeit zur 
Antitoxinbildung sowie über die bei ihnen zur Erzielung einer 
hinreichenden Antitoxinproduktion nötige Dosierung des Schutz- 
Mittels noch nichts Sicheres feststand. Diese Frage bedurfte also 
Mer gesonderten Bearbeitung, die aber nach den Intentionen 
T - Behring’s um so nötiger war, als es äusserst wichtig wäre, 
wenn man die Kinder, ähnlich wie es bei der Jenner’schen Pocken- 
schutximpfung geschieht, bereits in diesem Alter gegen Diphtherie 
lamnnisieren könnte. Ich habe mich daher, einer Anregung 
v. Behring’s folgend, gerne der Aufgabe unterzogen, die 
Quellen Verhältnisse des Säuglingsalters gegenüber der Diphtherie- 
schnuinopfang einer weiteren Prüfung zu unterziehen. Obwohl 
D &ü meine diesbezüglichen Untersuchungen von ihrem Abschluss 
Men weit entfernt sind, so möchte ich doch die bisher abge¬ 
schlossenen Fälle veröffentlichen, und zwar deshalb, weil sich 
au81 “ Ben bereits jetzt einige wichtige neue Tatsachen und Frage- 


A L T. 

Anatomie. S. 1373. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1373. — 
Innere Medizin. S. 1374. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1375. — Kinderheilkunde. S. 1375. — Chirurgie. S. 1376. — 
Röntgenologie. S. 1376. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1376. — 
Augenheilkunde. S. 1377. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 
S. 1378. — Hygiene und Sanitätswesen. S. 1378. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische 
Gesellschaft. Diskussion über die Vorträge der Herren Gold¬ 
scheider und Steinitz: Ueber atypisohe Gicht. S. 1378. — 
Berliner physiologische Gesellschaft. S. 1383. — Berliner 
orthopädische Gesellschaft. S. 1384. — Verein für innere 
Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin. S. 1384. — 
Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie zu Berlin. 
S. 1385. — Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und 
Medizinalstatistik zu Berlin. S. 1385. — Forensisch¬ 
medizinische Vereinigung zu Berlin. S. 1386. — Medi¬ 
zinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultur zu Breslau. S. 1387. — Aerztlicher 
Verein zu Hamburg. S. 1390. — Unterelsässischer Aerzte- 
verein zu Strassburg i. E. S. 1392. — Freiburger medi¬ 
zinische Gesellschaft. S. 1392. — Aerztlicher Verein zu 
München. S. 1393. — Nürnberger medizinische Gesell¬ 
schaft und Poliklinik. S. 1393. — Medizinische Gesell¬ 
schaft zu Basel. S. 1394. — K. k. Gesellschaft der Aerzte 
zu Wien. S. 1394. — Gesellschaft für innere Medizin und 
Kinderheilkunde zu Wien. S. 1395. — Aus Pariser medi¬ 
zinischen Gesellschaften. S. 1395. 

Tagesgeschichtliohe Notizen. S. 1396. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1396. 


Stellungen ergeben haben, welche auch anderen Untersuchern 
gewisse Anhaltspunkte für ihr Vorgehen liefern können. 

I Ausgehend von der bekannten geringen Empfindlichkeit der 
j Säuglinge für das Diphtherieschutzmittel verwandte ich fast aus- 
I schliesslich das stärkste der zurzeit im Gebrauch befindlichen 
Präparate, TA VI. Injiziert wurde nur intracutan, und zwar immer 
0,1 ccm, an der Beugeseite des Vorderarms in der Nähe der Ell- 
beuge. Das Vorgehen gestaltete sich ganz schematisch so, dass 
TA VI 

zuerst , dann in zweitägigen Abständen je nach der Reaktion 
TA VI TA VI 

—jq— oder —, bis zuletzt in den meisten Fällen unverdünntes 

TA VI gegeben wurde. Die auf diese Weise erreichte Reaktion 
warde vorläufig als hinreichend stark „sensibilisierend“ ange¬ 
nommen und die zuletzt gegebene Dosis etwa 14 Tage später 
wiederholt („antitoxinproduzierende Injektion“). Bei sämtlichen 
Kindern wurde der Nasen- und Rachenabstrich auf Diphtherie¬ 
bacillen untersucht, und der Diphtherieantitoxingehalt des Blutes 
vor und etwa 5—8 Tage nach Abschluss der Behandlung unter¬ 
sucht 1 ). 

Um eine allgemeine Uebersicht zu gewinnen, wurden zunächst 
20 Säuglinge behandelt, welche ich nach Alter, Konstitution und 
Ernährungszustand möglichst verschieden auswählte. 4 von diesen 
Kindern scheiden aus, weil sie vor Abschluss der Behandlung 
entweder zur Entlassung kamen oder an intercurrenten Erkran- 


1) Letztere Bestimmungen hat in dankenswerter Weise der Leiter 
der „Behringwerke“, Herr Dr. C. Siebert, übemommeu. 


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1350 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 29. 


kungen starben. Es bleiben somit noch 16 fertig behandelte Fälle 
übrig, über welche hier kurz berichtet werden soll. 

Nachstehende Tabelle gibt eine knappe Uebersicht über die 
Fälle, wobei zu bemerken ist, dass ich mit Reaktionen I. Grades 
mit Hagemann, Kleinschmidt und Viereck 1 ) solche bezeichne, 
dereu grösster Durchmesser weniger als 2 cm, mit Reaktion 
11. Grades solche, bei welchen wenigstens ein Durchmesser mehr 
als 2 cm beträgt. Unter Reaktion 111. Grades fasse ich alle die¬ 
jenigen zusammen, bei welchen es zu einer Allgemeinreaktion, 
entweder in Form von wenn auch eventuell minimalen, aber mit 
Sicherheit auf die Injektion zurückzuführenden Temperatursteige¬ 
rungen oder Schwellung und Schmerzhaftigkeit der regionären 
Lymphdrüsen, oder beider zusammen kam; hierbei trat bisher in 
sämtlichen Fällen auch eine stärkere Hautreaktion auf. 

In der Tabelle ist ferner nur die letzte, antitoxinproduzierende 
Reaktion angeführt; sie war manchmal ebenso stark als die 
14 Tage vorausgehende sensibilisierende Reaktion, häufig etwas 
stärker, in einzelnen Fällen schwächer, so dass sich vorläufig 
hieraus keine sicheren Beziehungen zwischen beiden Reaktionen 
erkennen lassen. 


£ 

Alter 

Gesundheitszustand. 

Gewicht 

Antitoxin¬ 
gehalt des 
Blutes vorder 
Behandlung 

Zuletzt 

verwandte 

Dosis 

"C 1 
ri i 

1 

, <n : 

a 1 

s 

1 Jtli 
■ cd | 

! flö 1 

’S i 5 5 

1 

«Vt Mod. 

l 

Gesund. Ammenkind. 
4910 g. Di.-Bac. 0. 

1 

[ Vio l^ s 

1 Vro fach 

0,1 TA VI 
intracut. 

lll! 

i 

< Vbo fach 

2 

3 

- 

A trophie, dünne Haut. 

| 3330 g. Di.-Bao. 0. 

7jo fach 

do. 

11 

Veo facb 

3 

37* 

» 

i Gesund. 4650 g. 

I Di.-Bac. 0. 

ca. 7i oo fach 

do. 

II 

7 60 fach 

4 

37. 

- 

Massige Atrophie. 
3550 g. Di.-Bac. +. 

> 760 fach 

do. 

II 

! < V 20 fach 

5 

4 

* 

Atrophie, exsudative 
Diathese. 3590 g. 
Di.-Bac. 0. 

; 7ioo fach 

do. 

II 

7 100 fach 

6 

5 


Atrophie, exsudative 
Diathese. 4150 g. 
Di.-Bac. -f-. 

| Veoo bis 

j V1500 fach 

: ! 

0 1 TAVI 
’ 5 

iDtracut. 

II 

! 

> 7&o f ach 

7 

6 


j Atrophie, Rachitis, 
j Ekzem. 4350 g. 1 
Di.-Bac. -f. | 

: Veoo bis 
7 150 o fach ! 

1 

0,1 TA VI 
intracut. 

II 

> Vio fach 

8 

67 2 

TT 

! Atrophie, dünne Haut, 

| Neuropathie, Racbit., 
3700 g. Di.-Bac. +. 

Veoo bis j 
Viöoo fach 

do. 

I 

7 100 bis 

7 3 co fach 

9 

67. 

” ! 

Atrophie, Rachitis, 1 
exsudative Diathese. 
3500 g. Di.-Bac. -f. | 

Veoo fach j 

do. 

I 

Vio bis 
V 100 fach 

10 

7 

n 

Pastös, exsudative 
Diathese, Rachitis. 
5800 g. Di.-Bac.+. 

Vso fach ( 

! 

do. 

j 

7 10 fach 

11 

8 

» 

Rachitis, rauhe Haut, i 
5100 g. Di.-Bac. 0. 1 

V 5 o fach j 

j 

do. 

j 

II 1 

> Vs fach 

12 

9 

p ! 

Atrophie, Spasmo- , 
philie. 6190 g. 
Di.-Bac. 0. 

Vieoofach | 

. 1 

do. 

III 

ca. 7eoo fach 


13 

14 

15 

16 


11 » 

I Jabr 
172 „ 

272 „ 


Rachitis. 5710 g. 

Di.-Bac. 0. 
Atrophie. 4950 g. 
Di.-Bac. 0. 

Atrophie, dünne Haut, f 
exsudative Diathese. , 
Di.-Bac. 0. | 

Bronchialdrüsen- ’ 
tuberkulöse, guter i 
Ernährungszustand. 
Di.-Bac. 0. 


Vcou fach 

7:1600 f^h 

1 /eoo bis 
'/i 5 oo fach 


do. 

do. 

do. 


III , /j 0 bis 

Vloo fach 
fIII 7,o bis 

| V,oo fach 

III 7i 00 fach 


7 6 oo fach | 0 j TA VI jIII 7 l0 -l fach 
5 i 
intracut. ! 


Betrachtet man die Fälle von dem Gesichtspunkte der Anti¬ 
toxinproduktion aus, so zerfallen sie zwanglos in 2 Gruppen, von 
denen die eine alle jüngeren, die andere alle älteren Rinder um¬ 
fasst. Die Grenze liegt bei den von mir behandelten Kindern 
zwischen dem 4. und 5. Monat. Uoterbalb dieser Altersgrenze 
liess sich mit den angewandten Dosen des Mittels in keinem Falle 
eine Vermehrung des Antitoxingehaltes erzielen, während jenseits 


1) Die bisherige Literatur ist zusammengestellt in: E. v. Behring 
und R. Hagemann, Ueber das Diphtherieschutzmittel «TA“, D.m.W 
1914, Nr. 20. 


derselben sämtliche Kinder eben so ausnahmslos eine zum Teil 
recht beträchtliche Erhöhung desselben zeigen. Beide Groppen 
umfassen gesunde, konstitutionell minderwertige und atrophische 
Kinder, speziell haben einige der jüngeren Kinder der I. Gruppe 
ein bedeutend höheres Körpergewicht als mehrere Atrophiker der 
II. Gruppe, ohne dass sich ein Einfluss eines dieser Faktoren er¬ 
kennen Hesse. Ausschlaggebend ist nur das Alter. 

Nun hatten aber meine sämtlichen 5 Kinder der 1. Groppe 
schon vor der Behandlung einen nicht unbeträchtlichen Antitoxin¬ 
gebalt des Blutes, welcher nach den bisherigen Erfahrungen zum 
Dipbtherieschutz in der Regel ausreicht, und es bleibt abzuwarten, 
wie sich gleichalterige Säuglinge ohne Antitoxingehalt verhalten 
werden. Weitere Erfahrungen werden uns vielleicht in nächster 
Zeit hierüber Aufschluss geben: vorläufig müsste daran fest- 
gehalten werden, dass Säuglinge unter 5 Monaten von 
der Dipbtherieschutzimpfung einstweilen noch auszu- 
schliessen sind. 

Weiterhin wäre zu prüfen, ob iu den Fällen, in welchen keine 
Antitoxinbiidung stattgefauden hat, auch tatsächlich eine spezi¬ 
fische Reaktion auf die Einspritzung des Schutzmittels erfolgt war 
oder nicht. Denn dass die intracutane Injektion des artfremden 
Eiweisses des Mittels sowie der in ihm enthajtenen Karbolsäure 
beim Säugling an und für sieb eine lokale Entzündung hervor- 
rufen kann, die mit der spezifischen Wirkung nichts zu tun har, 
ist bekannt. Zur Entscheidung dieser Frage bin ich so vor¬ 
gegangen, dass ich sämtliche Injektionen in genau der gleichen 
Menge und Verdünnung doppelt vornahm, und zwar am rechten Arm 
mit aktivem, am linken mit stark aufgekochtem TA. Es ergab sich, 
dass tatsächlich auch mit gekochtem, also sicher nicht mehr spe¬ 
zifisch wirksamemTA lokale Reaktionen sowohl I. als auch II. Grades 
erhalten werden, welche sich von den durch ungekochtes TA her¬ 
vorgerufenen in ihrem Aussehen in keiner Weise unterscheiden. 
Reaktionen III. Grades (Lymphdrüsenschwellung) wurden dagegen 
mit gekochtem TA auch dann nicht erzielt, wenn eine solche an 
dem gleichzeitig mit ungekochtem TA behandelten anderen Arm 
recht deutlich ausgesprochen auftrat. Reaktionen 111. Grades 
I sind daher unter allen Umständen spezifisch, während 
dies bei solchen I. und II. Grades zweifelhaft ist. Aller- 
| dings bleibt in den einzelnen Fällen, sobald die Reaktionen stärker 
werden, die mit gekochtem TA hervorgerufene hinter der mit 
aktivem TA hervorgerufenen meistens, wenn auch durchaus nicht 
immer, zurück, zuweilen sogar recht merklich, so dass hier auch 
bei Reaktionen II. Grades, ja selbst I. Grades, eine spezifische 
Reaktion sicher vorliegt, wie ja auch die Antitoxinbiidung 
beweist. 

In bezug auf die Intensität der lokalen Reaktion verhalten 
sich die Säuglinge im Alter von 5 bis inklusive S Monaten wie 
diejenigen von 2 bis 4 Monaten: 0,1 unverdünntes TA ruft nur 
Reaktionen II., zum Teil I. Grades hervor. Die Kinder von 5 bis 
8 Monaten antworten hierauf mit Antitoxinbiidung, die jüngeren 
Kinder nicht. Auf die gleiche Dosis erfolgen vom 9. Monat ab 
Reaktionen III. Grades, aber mit nur geringer Allgemeinreaktion: 
Die Antitoxinbiidung ist hier also nicht grösser als bei den 
fünf- bis achtmonatigen Säuglingen mit schwächerer Lokal¬ 
reaktion. 

Auf eine theoretische Erörterung der Ursachen dieses ver¬ 
schiedenen Verhaltens von Reaktion und Antitoxinbiidung in den 
einzelnen Abschnitten des ersten Lebensjahres möchte ich in 
dieser kurzen Mitteilung nicht eingehen. Betreffs des weiter zu 
befolgenden praktischen Vorgebens dürfte es sich empfehlen, die 
Dosierung so zu wählen, dass Reaktionen III. Grades eben noch 
vermieden werden. Um diese Grenzdosis auch bei Kindern unter 
6 Monaten festzustellen, wird es zunächst nötig sein, die Dosis 
zu bestimmen, welche in diesem Alter eine Reaktion III. Grades 
mit schwacher, eben noch unzweifelhaft nachweisbarer Allgemein¬ 
reaktion (Temperaturerhöhung, Drüsenschwellung) hervorruft. 

An einem grösseren Material werden auch weitere PrageD 
zu entscheiden sein, wie z. B. die Beziehungen zwischen intra- 
cutaner und subcutaner Applikation des Mittels beim Säugling, 
sowie der Einfluss des Gesundheitszustandes, des Zustandes der 
Haut (Atrophie!), von Konstitutionsanomalien usw. auf Dosierung, 
Reaktion und AntitoxinproduktioD. Hier sollte vorläufig ß ur 
der Nachweis geführt werden, dass es auch beim Säug¬ 
ling möglich ist, eine wirksame Diphtherieschutz¬ 
impfung mit dem v. ßehring’scben Mittel vorzunehmeD. 


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20. J uli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1351 


Aus dem Rockefeiler Institute, New York. 

Ueber eine Methode zur experimentellen Er¬ 
zeugung von Pneumonie und über einige mit 
dieser Methode erzielte Ergebnisse. 

Von 

S. J. Meitzer. 

Einleitung. 

Unsere Kenntnisse von der ätiologischen Beziehung zwischen 
Mikroorganismen und Pneumonien beruhen hauptsächlich auf 
statistischen Daten, nämlich, dass in einer grossen Zahl von an 
Pneumonie verstorbenen Individuen gewisse Organismen in Rein¬ 
kultur gefunden wurden. Der sicherste Beweis wäre bekanntlich 
jedoch der, dass Pneumonien durch solche Reinkulturen bei 
Tieren experimentell mit Sicherheit reproduziert werden könnten. 
Bald nach der Feststellung der Beziehung des Pneumococcus zur 
lobären Pneamonie durch A. Fränkel und durch Weichsel ha um 
sind auch solche Experimente vielfach unternommen worden. 
Drei Methoden wurden angewandt, um Kulturen ins Innere der 
Lange zu bringen: Einspritzung in die Lunge durch die Brust' 
wand, intratracheale Einspritzung und Inhalationen. Positive 
Erfolge wurden berichtet Ende der achtziger Jahre von Gamal eia, 
der Hunden and Schafen Pneumococcnskulturen durch die Brust¬ 
wand in die Lunge eingespritzt hatte, und von Tschistovitch, 
der durch Einspritzung von ähnlichen Kulturen in die Trachea 
von Hunden in 7 von 19 Experimenten Pneumonie erzielt 
haben will. Später haben jedoch Kruse und Panaini u. a. 
den Wert dieser Angaben bezweifelt. In der langen dazwischen 
liegenden Zeit sind nur wenige Arbeiten erschienen, die von 
positiven Resultaten za berichten wussten. Man ist mehr and 
mehr zu der Annahme gelangt, dass zur Entstehung der 
Pneumonie neben der Invasion der spezifischen Organismen noch 
andere Bedingungen obwalten müssen, auf deren Natur ich hier 
nicht näher eingehen will. 

Die Methode der intrabronchialen Insufflation. 

Vor einigen Jahren wurde von mir eine einfache Methode 
entwickelt, mit der man mit Sicherheit Pneumonie ex¬ 
perimentell erzeugen kann. Innerhalb der letzten 
4 Jahre ist sie von meinen Mitarbeitern und mir an 
über 400 Hunden angewandt worden — mit nur drei 
Misserfolgen, die zu Beginn dieser Versuche sich ereignet 
hatten, als die Technik der Ausführung noch nicht ganz sicher 
beherrscht wurde. Die Methode wird als intrabronchiale In¬ 
sufflation bezeichnet und wurde im Anschluss an die Methode 
der intratrachealen Insufflation ausgebaut, über die ich 
schon verschiedentlich berichtet habe. Die Prozedur der intra- 
bronchialen Methode ist sehr einfach. Nachdem das Tier tief 
narkotisiert und auf dem Brette festgebunden ist, wird das Maul 
weit aufgesperrt, die Zunge stark angezogen and das Lig. glosso- 
epiglotticum (nicht die Epiglottis selbst) mit einer vorn etwas 
gekrümmten bämostatischen Pinzette gefasst und nach vorn ge¬ 
sogen; die hintere konkave Fläche der Epiglottis wird so sichtbar, 
ln diese konkave Fläche wird nun das kurz gefasste untere Ende 
«ines dünnen Magenschlauches (nicht eines Katheters!) hinein- 
gelegt, und während man mit dem linken Zeigefinger den Eingang 
des Kehlkopfes kontrolliert, schiebt man mit der anderen Hand 
den Schlauch langsam vor, bis er auf einen Widerstand stösst 
und nicht tiefer eindringen kann. Stösst man auf keinen un¬ 
überwindlichen Widerstand, dann ist der Schlauch in 
den Oesophagus geraten. Der Widerstand bedeutet, dass der 
Schlauch nunmehr an Bronchien angelangt ist, deren Lumen 
leiner ist als der Durchmesser des Schlauches. Für diese Ver¬ 
suche soll ein Schlauch mit einem kleinen Diameter gewählt 
werden. Jetzt wird nun das untere Ende einer sterilen, mit der 
®t'g e n Kultur gefüllten Pipette in die äussere OefFnung des 
Manches eingefügt und die Kultur vermittels einer passenden 
pritze in den Schlauch bineingespritzt. Durch Nachspritzen von 
liA r ir<1 ^ er *?kalt des Schlauches ganz in die darunter 
^genden Bronchien getrieben. Der Versuch ist jetzt zu 
e, und der Schlauch wird abgeklemmt und herausgezogen, 
aa her wird abgebunden und in seinen Stall zorückgeschickt, wo 
sich m wenigen Minuten vollkommen erholt. 

Ergebnisse. 

j Q j 8 mehrere Serien von Experimenten gemacht worden, 

De ° die Wirkungen verschiedener Mikroorganismen sowohl, 


als auch die Wirkungen des gleichen Mikroben verschiedener 
Virulenz geprüft worden sind. Die erste grössere Versuchsreihe 
betraf wesentlich die Wirkung virulenter Pneumokokken and 
wnrde von Dr. R. V. Lamar und mir studiert. Daraufhin folgten 
mehrere Versuchsreihen, die alle von Dr. Martha Wollstein 
und mir ausgoführt worden sind. Ich werde hier ein kurz ge¬ 
fasstes Resume der Resultate aller Versuche zu geben versuchen. 

Als ganz allgemeines Ergebnis darf die Tatsache voran¬ 
gestellt werden, dass die intrabronchiale Insufflation aller 
lebenden Mikroorganismen, die wir bis jetzt unter¬ 
sucht haben, ausnahmslos eine mehr oder minder aus¬ 
gesprochene charakteristische pneumonische Reaktion 
hervorgerufen hat. Hingegen hat die Insufflation von 
durch Hitze abgetöteten virulenten Pneumokokken 
höchstens eine leichte Hyperämie, aber niemals eine 
entzündliche Reaktion bervorgerufen. Noch weniger Effekt 
hatte eine Insufflation von steriler Bouillon oder einer Kochsalz¬ 
lösung. Die lebenden Organismen wuchsen entweder in Bouillon 
von spezifischer Zusammensetzung oder auf festen Nährböden. Im 
letzten Falle wurde sie abgekratzt und in physiologischer Koch¬ 
salzlösung suspendiert. Die inaufflierten Kulturen waren etwa 
20 Stunden alt. Der Sitz der entzündlichen Reaktion nach 
Insufflation von lebenden Organismen war meistens im rechten 
unteren Lungenlappen; in vereinzelten Fällen war die Pneumonie 
im linken unteren Lappen allein zu finden, and in einer kleinen 
Zahl von Fällen waren die unteren Lappen auf beiden Seiten 
pneumonisch infiltriert. Oefters waren ausser dem Hauptsitz der 
Affektion noch einige kleinere Herde zerstreut in den ver¬ 
schiedenen Lungenlappen vorhanden. Der Umfang der Re¬ 
aktion hing in fast allen Fällen von der Quantität der insufflierten 
Kultur ab. Wenn diese etwa 15—20 ccm betrug, so war oft der 
ganze untere Lappen und manchmal auch noch ein guter Teil des 
Mittellappens konsolidiert. 

Pathogene Organismen. 

Von den Organismen, welche oft eine pathogene Beziehung 
zu den Lungen aufweisen, sind folgende 6 Arten untersucht 
worden: Fränkel’s Pneumokokken, Friedländer’s Pneumo- 
bacillus, Schottmüller’s Streptococcus mucosus, Streptokokken, 
Staphylokokken und der lnfiuenzahacillns. Ich will vorweg 
sagen, dass nach der Natur der Reaktion, welche sie in den Lungen 
hervorriefen, die Organismen in zwei Gruppen zerfallen. 
Pneumokokken, Pnenmobacillen und der Streptococcus mucosus 
verursachten stets eine lobäre Pneumonie; Streptokokken, Staphylo¬ 
kokken und der Influenzabacillus riefen eine lobäre oder Broncho¬ 
pneumonie hervor. Die grösste Zahl der Versuche ist jedoch 
mit den Pneumokokken auf der einen and mit den Streptokokken 
auf der anderen Seite gemacht worden. Die Zahl der Versuche 
mit Staphylokokken namentlich war klein, etwa an 6 Hunden. 

Folgende Punkte hatten alle Pneumonien gemein, welche mit 
den 6 verschiedenen Orgaoismen produziert worden sind. Zu¬ 
nächst muss gesagt werden, dass der klinische Verlauf bei allen 
nicht tödlich endenden Pneumonien ein milder und von kurzer 
Dauer war und mit dem bekannten klinischen Verlauf beim Men¬ 
schen kaum verglichen werden konnte. Die Temperatur fing kurze 
Zeit nach der Insufflation zu steigen an, um eine Höhe von etwa 
40—41° C za erreichen, was für Hunde kein sehr hohes Fieber 
ist. Nach 12—14 Stunden begann die Temperatur herunterzugehen, 
nm nach 24—36 Stunden die normale Grenze zu erreichen. Die 
Hunde, welche während der Fieberzeit nur mässig krank erschienen, 
frassen wieder und waren ganz mnnter. Von einer schweren 
Krankheit und einer Krise konnte hier nicht die Rede sein. Anders 
verhielt es sich mit dem pathologischen Befunde in der Lunge; 
die pneumonische Reaktion der Hundelunge konnte im Charakter 
kaum von einer Pneumonie, wie wir sie vom Menschen kennen, 
unterschieden werden; namentlich war die Lunge im Stadium der 
roten Hepatisation ganz genau wie beim Menschen. Der Ablauf 
des ganzen Prozesses nahm 7—8 Tage in Anspruch. Die Ent¬ 
wickelung der Reaktion fing kurz nach der Insufflation an und 
erreichte nach 6—7 Standen eine beträchtliche Höhe. Nach 
24 Standen hatte die lokale Aasdehnung der Konsolidation 
meistens ihre Höhe erreicht. Bereits am 3. Tage setzte in den 
meisten Fällen die Reaktion ein, um allmählich, wie gesagt, am 
7. oder 8. Tage ihr Ende zu erreichen. Wenn man bei den nicht 
tödlich endenden Fällen 12—] 4 Tage nach einer Insufflation die 

Aatopsie machte, so fand man ganz normale Lungen _ es 

sei denn, dass die experimentelle Pneumonie mit der Hundestaupe 
kompliziert wurde; dann fanden sich in der Lunge oft auch 

1 * 


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1352 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


organisierende Prozesse. Uebrigens führte die Komplikation mit 
der Hundestanpe meistens zu einem tödlichen Ausgang. — Die 
angegebenen Daten sind natürlich nur Durchschnittszahlen und 
variieren ein wenig mit jedem Organismus und mit der Virulenz 
desselben. 

Experimentelle lobäre Pneumonie. 

Wie bereits früher erwähnt, hat die Insufflation von Kulturen 
von Pneumokokken,Pneumobacillen oder von Streptococcus mucosus 
zur Entstehung von lobärer Pneumonie geführt. Die ausgedehnteste 
Versuchsreihe wurde mit virulenten Pneumokokken gemacht. Die 
Quantität der insufflierten Kultur variierte zwischen 5 und 15 ccm. 
Diese Versuche erzielten eine Mortalität von etwa 16pCt. Je 
grösser die insuffiierte Quantität war, um so sicherer war der 
tödliche Ausgang. In diesen Fällen starben die Tiere wenige 
Tage nach der Insufflation, nachdem sie hohes kontinuierliches 
Fieber batten und schwer krank erschienen. Bei der Autopsie 
fand sich neben einer ausgedehnten intensiven Pneumonie mit 
starken fibrinösen Belägen der Lunge, Empyem, Pericarditis und 
eine Septikämie. In den nicht tödlich verlaufenen Fällen fand 
sich bei der Autopsie 24 oder 48 Stunden nach der Insufflation 
eine Konsolidation eines Lungenlappens im Stadium der roten 
Hepatisation; die entsprechende Pleura war oft mit Fibrin- 
flöckcben belegt. Die Schnittfläche des konsolidierten Teiles der 
Lunge war ein wenig körnig und mässig feucht, sonst aber kom¬ 
pakt und nirgends lufthaltig. Das Exsudat bestand wesentlich 
aus polymorphkernigen Leukocyten und viel Fibrin, welche die 
Alveolen ausfüllten. Die Pneumokokken lagen grösstenteils extra- 
celluiär. Die Wände der Alveolen und Bronchien waren nicht 
infiltriert. In den ersten 48 Stunden konnten lebende 
Pneumokokken vom Exsudate sowohl als vom Blute 
kultiviert werden; vom 3. Tage an konnte das bei nicht 
tödlich endenden Versuchen nicht mehr geschehen. Auf 
weitere Einzelheiten des histologischen Befundes während der 
ersten 48 Stunden oder während des Lösungsstadiums werde ich 
hier nicht näher eingeheti. Die Versuche mit dem Pneumobacillus 
und dem Streptococcus ergaben im ganzen ähnliche Resultate; 
das Exsudat war in diesen Fällen eio wenig fadenziehend. In 
Versuchen mit diesen Organismen war keine Mortalität zu ver¬ 
zeichnen; die Zahl der Versuche war jedoch vergleichsweise zu 
klein, auch ist in diesen Versuchen die Virulenz nicht besonders 
studiert worden, um vergleichende Schlüsse zu erlauben. In den 
Versuchen mit Insufflation von wenig virulenten Pneumokokken 
erschien die konsolidierte Lunge im ganzen genommen ähnlich 
derjenigen, wie wir sie bei der mit virulenten Pneumokokken 
produzierten Pneumonie kennen gelernt haben. Abgesehen jedoch 
von kleinen Unterschieden in der Intensität und im Verlauf des 
Prozesses, unterschied sich die Pneumonie der nicht viru¬ 
lenten Organismen scharf dadurch, dass das Exsudat 
nur sehr mässig Fibrin enthielt, die Pleura keinen 
Fibrinbelag besass, und dass das Blut, und meistenteils 
auch das Exsudat, auch in den ersten 48 Stunden keine 
kultivierbaren Pneumokokken enthielten. Die Versuche 
mit nicht virulenten Pneumokokken batten keine Mortalität er¬ 
geben. 

Von der anderen Groppe sind, wie erwähnt, ausgedehnte 
Versuche hauptsächlich mit Streptokokken gemacht worden. Die 
virulenten (bämolysierenden) Streptokokken waren in bezug auf 
ihre Virulenz mit den virulenten Pneumokokken vollkommen ver¬ 
gleichbar; beide Organismen töteten Mäuse von 20 Gramm in 
20 Stunden durch ein Millionstel eines Kubikzentimeters ihrer 
Kultur. Grössere Quantitäten der Kultur sind bei Streptokokken 
als bei Pneumokokken zur Verwendung gekommen, etwa zwischen 
15 bis 30 ccm, und in einigen Fällen sogar stark angereichert. 
In keinem Falle ist es zu einem tödlichen Ausgang gekommen, 
ausgenommen wenn der Versuch zufällig mit der Hundestaupe 
kompliziert war. Lokal hingegen fehlte in keinem Versuche eine 
markante Reaktion, welche unzweideutig sich als 
lobuläre Pneumonie präsentierte. Auch wenn grössere 
Quantitäten der Kultur insufflierfc waren und die Konsolidation 
ausgedehnt und derb zu sein schien, so war doch die Schnitt¬ 
fläche sehr feucht und rosafarben, lufthaltige Fleckchen waren 
stets zu finden in der Mitte der peribronchialeu dunkelroten, 
soliden Massen. Fibrinöse Belege der Pleura waren niemals vor¬ 
handen. Das Exsudat bestand aus Epithelzellen und polymorph¬ 
kernigen Leukocyten. Letztere infiltrierten sowohl die 
Wände der Alveolen und der kleinen Bronchien, als 
auch das Stützgewebe der Lunge, so dass das Exsudat 


oft ein eiterartiges Aussehen hatte. Fibrin war im Ex¬ 
sudat nur wenig vorhanden. In den Tieren, welche mit 
virulenten Streptokken insuffliert waren, konnte man 
in den ersten 48 Stunden vom Exsudate sowohl als vom 
strömenden Blute lebende Kokken kultivieren. Aus 
dem Blute und meistens auch aus dem Exsudat von 
Tieren, weiche mit wenig virulenten Streptokokken 
insuffliert wurden, konnten keine Streptokokken kul¬ 
tiviert werden. Das war der Hauptnnterschied zwischen den 
Wirkungen von sehr virulenten und wenig virulenten Strepto¬ 
kokken. Was hier von den Streptokokken gesagt wird, gilt auch 
von der Wirkung der Insufflation mit Kulturen des li.fluenza- 
bacillus; nur enthielt das Exsudat oft auch ein wenig Blut. — 
Insulflationen mit Staphylokokken brachten eine sehr mässige 
Bronchopneumonie zustande. Die konsolidierten Stellen waren 
meistens zerstreut und nur von mftssigem Umfang. 

Aus dem Vorangehenden will ich folgende Punkte schärfer 
bervorbeben. In unseren Versuchen ist die temporäre Septikämie 
der springende Unterschied in der Wirkung zwischen virulenten 
und nichtvirulenten Organismen, Pneumokokken sowohl als Strepto¬ 
kokken. Bei Pneumokokken jedoch ist auch die Anwesenheit 
von Fibrin im Exsudate in sichtbar grösseren Quantitäten ein 
bemerkenswertes Unterscheidungsmerkmal in der Wirkung viru¬ 
lenter und avirulenter Pneumokokken. Die Anwesenheit von 
Fibrin im Exsudate in grösseren Mengen ist auch ein Unter¬ 
scheidungspunkt in der pulmonären Entzündungsreaktion von In¬ 
sufflation von Pneumokokken und Streptokokken. Auf der anderen 
Seite unterschied sich die durch Insufflation bewirkte lobuläre 
Pneumonie von der lobären auch dadurch, dass in ersterem Falle 
sowohl die Wände der Alveolen und der Bronchien, als auch das 
Stützgewebe der Lunge mit Leukocyten infiltriert waren, während 
in der lobären Pneumonie die erwähnten Gewebe von einer leuko- 
cytären Invasion frei blieben. 

In den eben geschilderten Erfahrungen zeigte es sich, dass 
auch die Insufflation von avirulenten Organismen zu einer defini¬ 
tiven entzündlichen Reaktion führte. Das veranlasste uns, einen 
Versuch mit einem Sapropbyten zu machen. Als solchen 
wählten wir den B. Megatherium. In Vorversuchen an Kaninchen 
und Meerschweinchen mit intravenösen und intraperitonealen In¬ 
jektionen erwies sich der Organismus als ganz harmlos. Er machte 
auch bei subcutaner Einspritzung keine Abscesse. Vermittelst der 
Intrabronchialinsufflation brachten wir in die Lungen von Hunden 
15—20 ccm einer 24stüudigen Kultur, die fast sporenfrei war. 
Es trat jedesmal eine Reaktion ein, die makroskopisch 
eine lobäre Pneumonie darstellte; das Exsudat war jedoch 
frei von Fibrin. Das Stützgewebe der Lungen war frei von Leuko¬ 
cyten. Das Exsudat sowohl als das Blut enthielten keine kultivier- 
baren Bakterien. 

Ich will hier noch folgende experimentelle Erfahrung mit 
der Pneumokokkeninsufflation erwähnen. In mehreren Versuchen, 
in denen wir 10 oder 15 ccm von virulenten Pneumokokken in¬ 
suffliert batten, haben wir bald darauf die intratracheale 
Insuflation mit Aethernarkose angescblossen und das 
Sternum und die unteren Rippen an der rechten Wand 
entfernt. Wir konnten so die Entwicklung der Pneu¬ 
monie mit den Augen verfolgen. Nach 4—5 Stunden war 
ein grosser Teil des unteren rechten Lappens konsolidiert. Bei 
der Auskultation dieser konsolidierten Stelle konnten 
wir oft feines Rasseln und bronchiales Atmen hören. 
Der Einfluss dieser Prozedur war aber zu stark; das Herz erlahmte 
meistens nach der fünften Stunde. 

Endlich will ich noch die Ergebnisse zweier Versuchsreihen 
kurz erwähnen, die mit Organismen angestellt worden sind, welche 
sicherlich nicht zu den intensiv pathogenen gezählt werden, welche 
aber in unseren Versuchen schwerer schädigend wirkten, als alle 
die zuerst erwähnten Mikroorganismen. Es handelt sich um In¬ 
sufflation von Kulturen von B. prodigiosus und B. pyocyaneus. 
Der Effekt der Insufflation einer Prodigiosuskultur war sowohl 
klinisch wie pathologisch äusserst schwer. Allen Tieren, welchen 
5 ccm und mehr einer 24stündigeu Prodigiosuskultur insuffliert 
wurden, starben in kurzer Zeit, manche bereits nach 6 Stunden, 
unter Temperaturabfall und Erscheinungen eines schweren Col- 
lapses. Die Lunge war stark hämorrhagisch, nekrotisch und mit 
starken Fibrinbelägen. Blutig-eitriges Empyem und eine profuse 
Bakteriämie fehlten niemals. Erst als die insuffiierte Dose der 
Kultur nur 1 ccm betrug, überlebten 3 von 5 Tieren den 
3. Tag. Wenn die Dose der Prodigiosuskultur nur 0,5 ccm betrag 
(in 10 ccm Kochsalzlösung), fehlte die Lungennekrose und man 


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1353 


20. Juli 1914. 


konnte den lobulären Charakter der pneumonischen Entzündung 
erkennen, die durch eine graduelle Koalleszierung ein lobäres 
Aussehen aonabm und auch viel Fibrin enthielt. Der Insufflation 
dieser kleinen Dose folgte keine Bakteriämie, und Erholung war 
möglich. 

Die Folgen der Insufflation von Pyocyaneuskulturen waren 
lange nicht so schwer. Doch starben alle Tiere, welche 10 ccm 
insuffliert erhielten, in kurzer Zeit, gleichfalls unter Temperatur¬ 
abfall uüd Collapserscheinungen. Von 10 Tieren, die 5 ccm er¬ 
hielten, starben jedoch nur zwei. Die Lungenläsion war die einer 
Bronchopneumonie, die Alveolen enthielten jedoch Blut. Einige 
Pyocyaneustiere wurden immunisiert, so dass sie auch die In¬ 
sufflation von 15 ccm gut überstanden. Bei der Autopsie fanden 
sich keine frischen Prozesse, hingegen ausgedehnte Reste von vor¬ 
angegangenen schweren pleuritischen Prozessen. 

Die Lunge reagierte also auf die Insufflation von lebenden 
Organismen verschiedener Arten und von verschiedenen Virulenz¬ 
graden mit ausgesprochen pneumonischen Prozessen, ja auch auf 
die Insufflation von offenbar saprophytischeu Bakterien. Doch 
war der Charakter der Reaktion in manchen Punkten verschieden, 
je nach der Gruppe der insufflierten Organismen; die Pneumo- 
kokkenpneumooie zeichnete sich durch den lobären Charakter und 
durch die Anwesenheit von viel Fibrin aus, die Streptokokken- 
pneomonie durch ihren lobulären Charakter und durch die leuko- 
cytÄre Invasion des Stützgewebes der Lunge, und die Prodigiosus- 
reaktion durch die Neigung zu schweren Hämorrhagien und Ne¬ 
krosen. Die Virulenz gab sich hauptsächlich durch die Tendenz 
zu Septikämie zu erkennen. 

Wir müssen daran erinnern, dass Hunde als resistent gegen 
Pneumokukkeninfektion gelten, und ferner, dass unsere Tiere weder 
irgendwie vorbereitet (disponiert gemacht) oder ausgewählt wurden. 
Wir nehmen als vorläufige Arbeitshypothese folgende Erklärung für 
unsere erfolgreichen positiven Resultate an: Es will uns scheinen, 
dass die blosse Anwesenheit von Mikroorganismen auf einer Ober¬ 
fläche des Körpers, gleichviel ob im „Innern“ oder auf dem 
Aeussern desselben, in weitaus den meisten Fällen nicht genügt, 
eine Infektion bervorzurufen. Erst wenn sie allseitig von 
Geweben umgeben oder in einen Kanal oder Sack ein¬ 
geschlossen sind, fangen sie an, sich zu vermehren und 
die Umgebung zu invadieren. Sogar bei der Diphtherie tritt 
erst die richtige Infektion (und Intoxikation) ein, nachdem die 
Bacillen sich zwischen der toten Membran und dem lebenden Ge¬ 
webe einnisten und vermehren können. In unseren Versuchen 
haben wir eine Reihe von Bronchien total verstopft und 
in geschlossene Kanäle verwandelt. Darum vermochten 
die Organismen sich rasch zu vermehren, das benach¬ 
barte, sehr blutreiche lebende Gewebe anzugreifen und 
riefen darum früh und prompt eine Reaktion hervor. 
Wenn man bloss eine kleine Menge der Kultur in die weite Trachea 
einfühit, wie bei der intratrachealen Methode, so bleiben die Orga¬ 
nismen frei auf der Fläche und vermögen die Umgebung weder 
xu invadieren, noch eine Reaktion hervorzurufen. 

Es ist nicht unmöglich, dass auch bei der Entstehung der 
obären Pneumonie beim Menschen ein ähnlicher Vorgang zugrunde 
hegt. Die Plötzlichkeit des Einsetzens der Pneumonie ist viel¬ 
leicht nur scheinbar. Wochenlang vorher ist vielleicht eine un- 
bedeutende Bronchitis, Laryngitis oder Pharyngitis voraDgegangen. 
»eileicht sind einige kleinere Bronchien mit nicht reizbarem 
Schleime verstopft geblieben, was zu kleinerlei Symptomen Ver¬ 
anlassung gab. Pneumokokken sind oft genug im Munde und 
Kacnen a ucb des Gesunden vorhanden. 

Nüd passiert es gelegentlich, dass eine Gruppe von ihnen 
»3 io die verstopften Bronchien und Alveolen hinein aspiriert 
hl W ° S ' e 8 * c ^ nunme * ir einnisten, rasch vermehren, das be¬ 
nachbarte Lungengewebe attackieren, invadieren und eine Reaktion 
ervorrufen — und die Pneumonie hat begonnen. 


Literatur. 

r, m araa n, an< * Meitzer, Journ. of exper. med., 1912, Vol. 15, No. 2, 
t n■ 7w ,steiD SDd Meitzer, ebenda, 1912, Vol. 16, No. 2, p. 126. 
191? 1 T. ’ ebenda > 1913, Vol. 17, Nc. 3, p. 353. — Dieselben, ebenda, 
* v °>-17, No. 4, p. 424. - Dieselben, ebenda, 1913, Vol. 18, No. 3, 
Dieselben, ebenda, 1913, Vol. 18, Nr. 5, p. 548. — Die- 
" ben ’ Science, 26. Sept. 1913, p. 452 


Zur Behandlung der spastischen Lähmungen 
mit der Foerster'schen Operation. 1 ) 

Von 

Dr. Th. Gümbel, 

des slädt. Krankenhauses Bernau (Mark}. 

M. H.! Die grosse Begeisterung, die die Aufsehen erregenden 
Demonstrationen Küttner’s und Foerster’s auf dem Chirurgen- 
koDgress 1910 hervorgerufen batten, ist verflogen, und die Hoff¬ 
nungen, dass die Resektion der hinteren Rückenmarkswurzeln die 
Methode sei, welche den bis dabin nicht mit Aussicht auf Erfolg 
zu behandelnden Littlekranken den Gebrauch ihrer Gliedmaassen 
wiederzugeben imstande sei, haben sich nicht erfüllt, mindestens 
nicht in dem gehegten Maasse. Ich brauche eigentlich hier nicht 
noch besonders zu erwähnen, dass die Orthopäden sich von vorn¬ 
herein dem neuen Operationsverfahren gegenüber sehr zurück¬ 
haltend verhielten und dass vor allem auch Mitglieder dieser Ge¬ 
sellschaft davor warnten, die Hoffnungen allzu hoch zu spannen. 
Wer die bisher erschienenen Mitteilungen aufmerksam verfolgt 
hat, der kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die 
günstige Beurteilung der jedem Operateur in die Augen springen¬ 
den Früherfolge nicht ausgesprochen worden wäre, wenn man 
mit der Mitteilung gewartet hätte, bis sich das endgültige Er¬ 
gebnis hätte feststellen lassen. Es fällt immerhin auf, dass den 
zahlreichen Mitteilungen über den günstigen unmittelbaren Erfolg 
der Wurzelresektion so wenige gefolgt sind, in denen das nach 
längerer Zeit bleibende Resultat, der erzielte Dauerzustand, be¬ 
schrieben wird. Wir können heute wohl annähernd beurteilen, 
bei wievielen Fällen von Little’scher Krankheit die Foerster’sche 
Operation ausgefübrt worden ist, aber nur bei einer viel kleineren 
Zahl ist es möglich, festzustellen, wie sich das weitere Schicksal 
dieser Operierten gestaltet hat. Nachdem uunmehr die Operation 
bei den moisten mitgeteilten Fällen mehrere Jahre zurückliegt, 
dürfte es jetzt von grossem Werte sein, über den jetzigen Zustand 
dieser Kranken näheres zu erfahren. 

Gaugele und Gümbel 2 ) haben im Sommer 1913 82 Fälle 
von Foerster’scber Operation zusammenstellen können. Seitdem 
habe ich noch von folgenden Fällen Kenntnis erlangt: 

Guleke 8 ) resezierte bei einem 5 Jahre allten Knaben mit hoch¬ 
gradiger Little’scher Krankheit und völliger Gehunfahigkeit L 2 , L 3 , L 4 , L K 
und zwei Sacralwurzeln beiderseits mit dem Erfolg, dass nach einem 
halben Jahre der Knabe mit geringer Unterstützung geht, die Sohlen 
gut abwickelt, die Beine frei bewegen und strecken kann; während der 
Behandlung auffallende geistige Entwicklung des Kindes. 

Buccheri 4 ) hat bei einem 6 V 2 Jahre alten Knaben wegen spasti¬ 
scher Paraplegie (Little’sche Krankheit) beiderseits L 4 , L 5 , S 2 und bei 
einem 5 Jahre alten Mädchen wegen kompletter spastischer Paraplegie 
(Krankheitsbeginn im 18. Lebensmonat) beiderseits L 4l L 5 reseziert. 
Beide Kinder starben 3 bzw. 5 Tage nach der Operation, ohne dass die 
Todesursache durch die Sektion aufgeklärt werden konnte. Io beiden 
Fällen war Chlorformnarkose angewandt worden. Ausserdem hat 
Buccheri noch bei einem 7 Jahre alten Knaben wegen spastischer 
Monoplegie des rechten Armes C fl , C 7 , Dx reseziert; der Kranke starb 
7 Tage später und wies ausser sonstigen tuberkulösen Veränderungen 
einen Solitärtuberkel im linken Corpus striatum auf. 

Nach Buccheri haben Codivilla 5 ) noch weitere 5, Putti 6 ) noch 
9 Fälle operiert; von letzteren sind 3 gestorben, 1 infolge Liquorfistel, 
2 an Herzschwäche. 

Biesalski 7 ) operierte noch einen weiteren Kranken. 

Macnamara und Evans 8 ) operierten drei Kinder: Bei einem 
31/4 Jahre alten gebunfähigen Knaben mit überkreuzten Beinen Resektion 
von L 2 , L 4 , S 1 auf der einen, L a , L 6 , S 2 auf der anderen Seite, mit be¬ 
friedigendem Erfolg. Ein Mädchen, das unterstützt stehen, aber wegen 
Ueberkreuzung nur unvollkommene Gehversuche machen konnte, wurde 
wie das vorige operiert; der endgültige Erfolg ist nicht festgestellt. Vor¬ 
übergehend bestand Incontinentia urinae. Bei einem Mädchen, bei dem 
die Myotomie der Adduktoren den gewünschten Erfolg nicht hatte 
wurden Lx, L s , L 5 rechts, L 2 , L 4 , S, links reseziert, ohne dass die Spas- 


vumafc, gouamou iu uci oeruuer ortnopaaiscnen «iesellschaft am 
5. Januar 1914. (Siehe Berl. klin. Wochensehr., 1914, Nr. 12.) 

2) Gaugele und Gümbel, Die Little’sohe Krankheit usw. Jena 
1913, G. Fischer. 

3) Guleke, D.m.W., 1913, S. 1486. 

4) Bucoheri, La cura delle paralisi spastiche etc. Palermo 1913 

Brangi. 5 

5) Codivilla, cit. nach Buccheri. 

6) Putti, cit. nach Buccheri. 

7) Biesalski, Orthopädische Behandlung der Nervenkrankheiten; in 

Lange, Lehrb. d. Orthopädie. Jena 1913, G. Fischer. ' 

8) Macnamara und Evans, 17. internat. med. Kongres, London 
1913. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


men vermindert wurden; sie waren vielmehr zeitweise starker als 
vor der Wurzelresektion, so dass die Kniebeuger tenotomiert werden 
mussten. 

Little 1 2 3 * ) hat in einem Falle keinen günstigen Erfolg erzielt. 

Marquis*) führte bei einem 7 Jahre alten Knaben, der weder sitzen 
noch stehen und gehen konnte, die Wurzelresektion nach der Methode 
van Gehuchten’s aus, nachdem er vorher Achillessehnen und Semi¬ 
ten dinosi beiderseits tenotomiert hatte, mit dem Erfolge, dass das Kind 
sich im Bette aufrichten und gestützt stehen und Gehversuche machen 
konnte. 

Endlich teilt neuerdings Hirschowitsch 8 ) vier Fälle aus der 
Bier’schen Klinik mit, von denen die Fälle 1 und 4 wahrscheinlich 
unter die sechs von Klapp auf dem Chirurgenkongress 1910 erwähnten 
gehören. Bei 4 Jahre altem Knaben mit Spitzfuss, Spasmen beim Gehen, 
Flexion im Knie und Abduktion in Hüftgelenken wurden L t , L 5 , S 2 
beiderseits reseziert. Nach vorübergehender Incontinentia alvi et vesicae 
blieb eine Blasenschwäche zurück, die Spasmen wurden erheblich ge¬ 
bessert. Ein 5 Jahre alter Knabe, bei dem beiderseits L 2 , L 3 , L 5 re¬ 
seziert wurden, starb 5 Tage darauf an Meningitis infolge Liquorfistel. 
Bei 6 Jahre altem Mädchen mit hochgradigen Spasmen der Arme und 
Beine wurden beiderseits L 2 , L 3 , Lg, S 2 reseziert. Das Kind wurde un¬ 
genügend nachbehandelt und nach zwei Jahren sind die Beine infolge 
Spasmen der Adduktoren überkreuzt, beiderseits besteht Pes valgus, links 
so stark, dass das Kind auf dem inneren Knöchel zu gehen versucht; 
beiderseits Spitzfuss. Das Kind kann weder stehen noch gehen. Bei 
25 Jahre altem ManDe mit spastisch-paretischem Gaog wurden L z , L 4 
beiderseits reseziert, im weiteren Verlauf trat Liquorfistel auf und an¬ 
scheinend auch meniogeale Reizung sowie leichte Stuhl- und Harn¬ 
verhaltung mit Hypästhesie am Damm. Nach a / 4 Jahren sind die Spas¬ 
men der Adduktoren und Kniebeuger noch sehr erheblich; auch die 
Sensibilitätsstörung Doch nicht behoben; der weitere Verlauf ist un¬ 
bekannt. 

Es sind mir demnach bis beute 107 Fälle von Foerster’scher 
Operation wegen Little’scher Krankheit bekannt. Dabei setze ich 
voraus, dass die Fälle von Codivilla und Putti sämtlich Little- 
kranke waren und rechne die Fälle 1 und 4 von Hirschowitsch, 
die schon vor dem Kongress 1910 operiert waren, nicht nochmals 
mit. Von diesen 107 Fällen sind 14 gestorben; danach hat die 
Foerster’sche Operation zurzeit eine Mortalität von etwas über 
13 pCt., also nicht unerheblich höher als ich in meiner früheren 
Zusammenstellung berechnet habe. 

Ehe ich mich zu den Einzelheiten der von mir operierten Fälle 
wende, wollen Sie mir wenige Worte über die von mir angewandte 
Operationstechnik gestatten. Ich habe mich an die von Foerster aus¬ 
gearbeitete Methode gehalten; die ersten 4 Fälle siad zweizeitig operiert. 
Die Dura muss möglichst breit freigelegt werden, man nimmt also von 
den Bögen, unter Umständen sogar von den Gelenkfortsätzen so viel 
weg, dass überstehender Knochen nicht hindernd ira Wege ist. An 
besonderen Instrumenten sind nur die Tietze’schen Häkchen zur Iso¬ 
lierung der Wurzeln und gut schneidende Hohlmeisselzaogen erforderlich, 
deren unterer Kiefer möglichst flach zu wählen ist, damit man ohne 
Schwierigkeit zwischen Knochen und Dura vordriDgeü kann. Die Blutqpg 
aus Weichteilen und Knochen ist meist nicht bedeutend, kann aber doch 
störend werden, namentlich bei Vermischung des Blutes mit dem Liquor. 
Will man sie sicher vermeiden, so bedient man sich zweckmässig des 
Suprarenins. 

Von der Verwendung der Cbloroformnarkose ist abzuraten; die 
Aethertropfnarkose wird von den Kranken durchweg gut vertragen. 

Die Frage, ob eiuzeitig oder zweizeitig operiert werden soll, ent¬ 
scheidet wohl jeder auf Grund seiner persönlichen Erfahrung. Aus dem 
Vergleiche meiner zweizeitig und einzeitig operierten Fälle kam ich dazu, 
der einzeiligen Operation den Vorzug zu geben; die Operation dauert 
nur unwesentlich länger, die Infektionsgefahr ist viel geringer, der Shock 
nicht grösser. Auf keinen Fall soll, bei zweizeitigem Vorgeben, zwischen 
erstem und zweitem Akt längere Zeit verstreichen, weil die Ver¬ 
wachsungen zwischen Muskelnarbe und Dura dann die Operation ganz 
bedeutend erschweren. 

Meine Kranken sind Pfleglinge des von San.-Rat Dr. Gaugele 
geleiteten Krüppelheims in Zwickau-Marientbal, dort von mir 
operiert und bis auf zwei, die vor kurzem entlassen wurden, seit 
der Operation in ständiger stationärer Behandlung bis beute ge¬ 
blieben. Die Operationen wurden in der zweiten Hälfte des Jahres 
1910 ausgefübrt, die Nachbehandlung bat von Anfang 1911 an 
Dr. Gäugele allein übernommen, der auch alle adressierenden 
Maassnahmen sowie Operationen an Muskeln und Sehnen aus¬ 
geführt bat. Operiert wurden von den damals im Krüppelheim 
vorhandenen Littlekranken nur diejenigen, bei denen die voraus¬ 
gegangene, zum Teil jahrelange orthopädische Behandlung keinen 

1 ) Little, cit. aus Zbl. f. d. ges. Chir. u. i. Grenzgeb., 1913, Bd. 4, 

S. 141. 

2) Marquis, Bull, et möm. de la soc. de ohir., 1913, T. 35, 
Nr. 35. 

3 ) M. Hirschowitsch, Die För 9 tersche Operation bei spastischen 

cerebralen Kinderlähmungen. Diss. Berlin 1913, 


befriedigenden Erfolg gezeitigt batte und solche, bei denen nach 
unserer damaligen Auffassung ohne Foerster’sche Operation ein 
guter Erfolg mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht erwartet werden 
konnte. Es sind folgende Fälle: 

1 . B. R., 10 Jahre alt, seit etwa 3 Jahren in der Anstalt. Befund: 
Massige Spasmen der Arme, sehr starke der Beine. Kann weder stehen 
noch geheD, sinkt bei Nachlassen der Unterstützung zusammen. Enorin 
gesteigerte Reilexerregbarkeit; keine Schrumpfungskontrakturen. Achilles¬ 
sehnen beiderseits verlängert. 

Operation zweizeitig. Reseziert L*, L s , L ß , S* links, Lj, L 4 , Sj rechts. 

Erfolg: Nach 1 / 2 Jahr kann er sich ohne Unterstützung aufrichten, 
nach 2 Jahren nicht mehr oder nur sehr mühsam und kann an der 
Gehbank noch nicht gehen. Neuerdings nach 8 1 /* Jahren gebt er im 
Gehbarren ziemlich gewandt. 

2. Kr. F., 19 Jahre alt, seit 5 Jahren in der Anstalt. Befand: 
Starke Spasmen an Rumpf und Beinen, mässige an den Armen. Atbetose. 
Uatähigkeit zu sitzen, zu geben, zu stehen. Achillessehnen früher ver¬ 
längert. Luxatio coxae utriusque. 

Operation einzeitig; reseziert L 2 , L 3 , L 5 , S 2 beiderseits. 

Erfolg: Zunächst Besserung, insbesondere Verringerung der Mit- 
bewegungen. Verringerung der Spasmen. Lernt Dicht stehen noch 
gehen, kann selbst gestützt sich nicht fortbewegen. Nachdem das vor 
der Operation reichliche Fettpolster an den Beinen geschwunden ist 
und die Spasmen verringert sind, siebt man nunmehr hochgradige Atrophie 
der Muskulatur. 

3. Pr. K., 11 Jahre alt, seit 5 Jahren in der Anstalt. Befund: 
Spasmen stark, nur schwer überwindlicb, an den Beinen, massig im 
rechten Arm, Beweglichkeit im linken Arm nahezu unbehindert. Kann 
allein weder steben noch gehen. Nach vorübergebender Besserung in 
letzter Zeit Verschlimmerung. Luxatio coxae dextrae spastioa. 

Operation zweizeitig; reseziert L 2 , L 3 , L 5 , S 2 beiderseits, rechts beim 
ersten Akt durch Missgeschick motorische L* mit ansgerissen. 

Erfolg unbefriedigend; Spasmen zwar verringert, so dass aktive 
Beweglichkeit etwas freier wurde. Es hat sich aber weiterhin eine der¬ 
artige Muskelschwäche herausgebildet, dass das Kind vor kurzem wegen 
der Aussichtslosigkeit, weitere Besserung zu erzielen, aus der Anstalt 
entlassen wurde. 

4. S. K., 9 Jahre alt, seit 2 Jahren in der Anstalt, Befund: 
Spasmen gering in den Armen, sehr stark in den Beinen, die überkreuzt 
sind. Kann weder stehen noch gehen. 

Operation zweizeitig, reseziert L 2 , L 3 , L 8) S* beiderseits. 

Erfolg: Liquorfistel, anschliessend Meningitis, Tod 20 Tage post 
Operationen!. 

5. S. E., 8 Jahre alt, seit 2 Jahren in der Anstalt. Befund: 
Spasmen massig stark im linken Arm, sehr stark in den Beinen; un¬ 
fähig zu stehen, zu gehen. 

Operation zweizeitig; reseziert L 3 , L B , S 2 beiderseits. 

Erfolg; Zunächst Verringerung der Spasmen, die aber bei Aufnahme 
der Bewegungsübungen wieder zunehmen. Muskelatrophie und Genu 
valgum machen Versteifung des linken Knies und Redressement not¬ 
wendig, später erfordern auch Adduktionskontrakturen der Hüfte Re- 
.dressement. Nachher tritt mehrere Monate dauernde eitrige Coxitis dextra 

auf. Heute bestehen noch starke Spasmen und Unfähigkeit, zu stehen 
und zu gehen. 

6 . Z. L., 9 Jahre alt, seit 2 Jahren in der Anstalt. Befund: Arme 
frei. Adduktions- und Flexionskontrakturen der Oberschenkel, Kniee 
beim Gehen gebeugt, aneinander reibend. Früher Verlängerung der 
Achillessehnen. 

Operation einzeitig, reseziert L 2 , L 3 , L 8 , S 2 beiderseits. 

Erfolg: Spasmen der Beine ganz gering, aktive Beweglichkeit ge¬ 
bessert; aber die Muskulatur der Beine ist so schlaff und kraftlos, dass 
es erst durch Verwendung versteifender Knieschienen möglich geworden 
ist, das Kind wieder gehfähig zu machen. Runder Rücken viel stärker 
als vor der Operation. 

7. M. E., 10 Jahre alt, seit 5 Jahren in der Anstalt. Befund; 
Spasmen der Arme stark, noch stärker in den Beinen, kann mit Mühe 
sitzen, auch mit Unterstützung nur schlecht gehen und stehen. Doppel¬ 
seitige spastische Hüftluxation. Epileptiker. 

Operation einzeilig, reseziert L 2 , L 3 rechts, L 2 , L 8 , L 8 , Sa links. 
Liquorfistel vorübergehend. Gehäufte epileptische Anfälle nach der 
WuDdheilung. 

Erfolg: Spasmen der Arme gering, der Beine stark. Gebt äusserst 
mühsam an der Gebbank und ist vor kurzem wegen Aussichtslosigkeit 
auf weitere Besserung entlassen. Starker runder Rücken. 

8 . Me. R., 12 Jahre alt, seit 6 Jahren in der Anstalt. Befund: 
Sehr starke Spasmen des linken Armes, des Rumpfes und beider Beine. 
Beiderseits Spitzfuss. Kann sitzen, aber weder stehen noch gehen. 

Operation einzeitig, reseziert L 2 , L 3 , L fi , S 2 beiderseits. 

Erfolg: Spasmen des Armes eher stärker, in den Beinen geringer, 
aktive Beweglichkeit besser; kann aber trotzdem nur wenige Schritte 
gehen. Starker runder Rücken. 

Für die kritische Beurteilung meiner Fälle sind von vorn¬ 
herein auszuscbeiden Nr. 4 (gestorben) und Nr. 5, bei dem die 
Coxitis den Erfolg vereitelte. Von den übrigen würden beute 


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20. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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nicht mehr operiert werden Fal] 2 wegen der gleichzeitigen Athe- 
tose und Luxationen, Fall 3 wegen der Luxation und Fall 7 wegen 
Epilepsie uud Luxation. Sehen wir uns das Ergebnis in den 
danach verbleibenden Fällen 1, 6 und 8 an, so muss es als durch¬ 
aus unbefriedigend bezeichnet werden. Trotzdem sie dauernd in 
dem Krüppelbeim in sorgfältigster Behandlung geblieben sind, 
bat keiner von ihnen selbständig gehen gelernt. Also gerade der 
Erfolg, auf den am meisten gerechnet wurde, und um dessent- 
willen die Operationen ausgeführt wurden, ist ausgeblieben. Die Ver¬ 
minderung der Spasmen kann heute auch nicht mehr in allen 
Fällen als ein unbedingter Vorteil angesehen werden, da daraus 
eine Muskelscbwäche resultieren kann, die trotz der besseren 
aktiven Beweglichkeit die Stützfäbigkeit verringert und das Geh- 
vermögeo eher verschlechtert und zur Verwendung von Stützappa¬ 
raten zwingt. Es wiegt dieses Moment um so schwerer, als man 
vor der Wurzelresektion geneigt ist, die spastischen Muskeln auch 
für kräftig zu halten, und durch die scheinbare Kraft der spasti¬ 
schen Muskulatur über das tatsächlich vorhandene Leistungsver¬ 
mögen des nicht spastischen Muskels getäuscht wird. Es wird 
sich als notwendig erweisen, diesen Verhältnissen erhöhte Auf¬ 
merksamkeit zuzuwenden; auf Grund der bisherigen Erfahrungen 
lässt sich eine Entscheidung darüber, wie sich die Kraft der Mus¬ 
kulatur nach der Wurzelresektion darstellen wird, vor der Operation 
jedenfalls nicht treffen. Es liegt immerhin der von mir auch 
früher schon ausgesprochene Gedanke nahe, dass hier postope¬ 
rative, tropbische Störungen mit im Spiele sind. Auch dass die 
Stützfäbigkeit der Wirbelsäule durch die ausgedehnte Laminek- 
tomie leideu kann, dürfte nach unseren Erfahrungen nicht zu 
bestreiten sein; die Verschlimmerung des ruuden Rückens in 
dem einen, seine Entstehung in zwei weiteren Fällen sind nicht 
anders zu erklären. 

Als unbedingte Gegenanzeigen gegen die Ausführung der 
Wurzelresektion sind heute folgende Krankheitszustände zu be¬ 
zeichnen: das gleichzeitige Bestehen von 1. Idiotie, 2. Athetose, 
3. Epilepsie, 4. Luxatio coxae und 6. stärkere Spasmen der 
Arme. Aber auch für die Fälle, wo nur die Beine spastisch sind - 
eine recht kleine Gruppe —, lehnen Gaugele und ich die 
Wurzelresektion ab, weil man bei ihnen mit der bisher geübten 
orthopädischen Behandlung unter Umständen befriedigendere Er¬ 
folge erzielt, als wenn man nach Foerster operiert. Die in der 
letzten Zeit mitgeteilten Erfahrungen anderer Operateure sind 
obendrein nicht dazu angetan, mich zu einer günstigeren Beur¬ 
teilung des Wertes der Foerster’schen Operation für die Behand- 
lubg der Little’schen Krankheit zu veranlassen. 


Zur Frage des Sechsstundenrestes bei pylorus- 
fernem Ulcus ventriculi. 

Von 

Prof. Dr. Faulhaber io Würzburg. 

In den zahlreichen rein oder teilweise röntgenologischen Ver¬ 
öffentlichungen der letzten beiden Jahre über das Magengeschwür 
behauptet sich immer noch ein Satz, der von den Autoren mit 
einer fast axiomatiechen Selbstverständlichkeit hingenommen und 
ausgesprochen wird: nämlich der vom Sechsstundenrest auch 
beim pylorusfernen Ulcus ventriculi. Dieser Satz ist be¬ 
kanntlich seinerzeit von Haudek angegeben und durch Pyloro- 
spasmus infolge der das Ulcus begleitenden Hyperacidität erklärt 
worden, während Bergmann, der ebenfalls „von einer ungeheuer 
wichtigen Feststellung“ spricht, den Pylorospasmus als Vagus- 
»tigma, als vom Vagus aus übererregte Funktion des Pförtners 
auffasst. Und letztere Erklärung, das muss ich gestehen, schiene 
auch die weitaus bessere zu sein. 

Aber dieser Satz, so apodiktisch er aufgestellt wurde, ist gar 
kein Axiom. Ich will hier nicht nochmals die Gründe anführen, 
warum er nicht richtig ist; ich habe dies bereits ausführlich in 
roheren Veröffentlichungen 1 ) getan. Nun ist inzwischen doch 
ie von mir längst behauptete Tatsache, dass man bei pylorus- 
ernem Ulcus sehr häufig keinen Sechsstundenrest beobachtet, 
111 dem Maasse, wie sich das Röntgen verfahren in die Ulcusdia- 
piostik allgemein einbürgerte, etwas bekannter geworden und 
*wingt manchen znr Revision seiner Ansichten. Aber anstatt 
_ l ch re ' neD Tisch zu machen und die Richtigkeit des obigen 

i !! Diagnose und Behandlung des chronischen Ulcus pylori. 

’ 7 13» Nr. 17 u. 18 und Röntgendiagnostik der Magenkrank¬ 
st 611 ’ 2. Aul, Halle 1914, bei Marhold? 


Satzes in Zweifel zu ziehen, hält man unbegreifiicherweise an 
ihm fest und sucht nach Gründen, warum in solchen Fällen der 
Satz ausnahmweise keine Geltung hat. 

Das wäre ein richtiges Verfahren, wenn das Vorkommen des 
Sechsstundenrestes bei pylorusfernem Ulcus die Regel und die 
normale Entleerung die Ausnahme wäre. In der Tat ist es aber 
genau umgekehrt. Ich selbst habe unter meinem Privatmaterial 
von bis jetzt 48 röntgenologisch nachweisbaren pylorusfernen 
Ulcera nur 12 Fälle gefunden, welche einen Sechsstundenrest 
(manchmal bis zu 12 und 24 Stunden gehend) aufwiesen. Es 
wäre also ein Prozentsatz von 25 pCt, Das ist immer noch ein 
himmelweiter Unterschied von den Handek’schen Zahlen, wenn 
der letztere auch von anfänglich 100 pCt. Sechsstandenrest bei 
pylorusfernem Ulcus ganz neuerdings 1 ) auf 60 pCt. herabgegangen 
ist. Der Unterschied ist zu gross und auf der anderen Seite ist 
mein Material doch auch nicht so klein, um diese Diskrepanz 
durch Zufälligkeiten oder Besonderheiten in der Zusammen¬ 
setzung desselben erklären zu können. 

Nach meinen Erfahrungen kommt also der Sechsstundenrest bei 
pylorusfernem Ulcus nur in etwa 26 pCt. der Fälle vor. Und gesetzt, 
es wären selbst 30 und 35 pCt., so müsste der Sechsstundenrest 
immer noch als Ausnahme, die normale Entleerung aber als Regel 
gelten. Diese Tatsache ist für mich feststehend, und ich zweifle 
nicht daran, dass sie in absehbarer Zeit allgemein anerkannt 
sein wird. 

Aber bis heute freilich bat die Wucht der Tatsachen die 
Festigkeit des Axioms nicht erschüttern können. Man sieht nur, 
dass der Satz Ausnahmen, sogar sehr zahlreiche Ausnahmen hat 
und man sucht ihr Vorkommen zu erklären. 

So haben Glässner und Kreuzfuchs 2 ) hier einen Answeg 
gefunden, indem sie die Angabe machten, dass bei Penetration 
des pylorusfernen Geschwürs in das Pankreas der erwartete pyloro- 
spastiscbe Sechsstundenrest deswegen ausfällt, weil es infolge 
Schädigung der Bauchspeicheldrüse zur Reizung und Hypersekre¬ 
tion derselben und also sekundär zur Herabsetzung des Pylorus- 
schlussreflexes kommt. Bacher 8 ) hat sich der Auffassung obiger 
Autoren angeschlossen und 4 operierte und 5 nichtoperierte hier¬ 
hergehörige Fälle veröffentlicht 

So geistreich und bestechend nun die Erklärung Glässner’s 
und Kreuzfuchs’ ist und so sehr sie geeignet erscheint, uns 
das häufige Vorkommen der normalen Entleerung bei pylorus¬ 
fernem Ulcus — unter Aufrechterhaltung des Haudek’scben 
Satzes — begreiflich zu machen, so halte ich sie doch für nicht 
richtig. 

Ich will gegen sie nur die nackten Tatsachen sprechen lassen, 
obwohl ich auch theoretisch manches gegen diese Auffassung ein¬ 
zuwenden habe. 

So vor alleo Dingen: Es ist verhältnismässig recht selten, dass der 
Grund emes Magenpankreasgeschwürs von unverändertem Pankreas¬ 
gewebe gebildet wird. Fast regelmässig ist das Ulcus auch gegen das 
Pankreasparenchym hin von einem Wall von kallösem Gewebe umgeben, 
das durch seine charakteristische schwielige Konsistenz und seine Gefäss- 
armut auffällt. Der operierende Chirurg hat häufig Gelegenheit, sich 
von diesem Verhalten zu überzeugen. Er kann das Geschwür samt 
seinem Grunde scharf mit dem Messer vom Pankreas abtrennen und 
durchschneidet hierbei nur ein hartes schwieliges Gewebe, das gar nicht 
blutet. Das Pankreas selbst braucht er an der durchschnittenen Stelle 
oft gar nicht weiter zu versorgen, da eigentliches Pankreasgewebe dabei 
nicht verletzt wird. 

Jedenfalls bildet das letztere selbst nur in den allerseltensten Fällen 
als Geschwürsgrund einen Teil der inneren Magenoberfläche. In diesen 
Fällen wäre allerdings eine direkte Reizung des Pankreas durch die 
Ingesten, die freie HCl usw. wohl verständlich. Der trennende Wall 
von caliösem Gewebe lässt eine solche mir aber nicht recht denkbar 
erscheinen. , 

Dass aber die blosse Verwachsung mit einem Nachbarorgan so 
schweren funktionellen Reiz auf die Bauchspeicheldrüse ausüben soll, 
das halte ich ebenfalls nicht für plausibel. Zum mindesten ist dies bis 
heute eine noch ganz unbewiesene Vermutung. Vielleicht könnte man 
auf rein klinischem Wege dieser Frage beikommen; allein die Methoden 
zum Nachweis der Hypo- und Hypersekretion des Pankreas sind heut¬ 
zutage noch zu wenig verlässlich uud einwandsfrei, als dass hierdurch 
die Sache entschieden werden könnte. 

Aber, wie gesagt, nur die Tatsachen mögen reden! Ich lege 
dabei nicht das ganze obenerwähnte private Material, sondern, 
um jedem Einwand von vornherein zu begegnen, nur die 18 hier- 


1 ) Vortrag vom September 1913. Ref. M.m.W., 1913, Nr. 39 , S. 2200. 

2 ) Ueber Ulcus ventriculi und duodeni. W.m.W., 1913, Nr. 48. 

3) Zur Radiologie des pankreaspenetrierenden Magenulcus ohne pyloro- 
spas tischen Sechsstundenrest. D.m.W., 1914, Nr. 3. 

2 * 


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1356 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 29. 


von operierten Falle zugrunde. Auf die ausführliche Beschreibung 
derselben verzichte ich an dieser Stelle, um so mehr, als die 
gleichen Fälle zusammen mit weiterem Material von anderen 
Gesichtspunkten aus in einer ausführlichen gemeinsamen Publika¬ 
tion mit Herrn Dr. von Redwitz eingehendere Bearbeitung finden 
werden. 

18 Fälle sieben mir auf diese Weise zur Verfügung. Dieselben 
sind sämtlich vou mir vor der Operation eingehend klinisch und 
röntgenologisch untersucht worden; in allen Fällen wurde das 
Ulcus bzw. sein Sitz direkt durch da9 Nischensymptom nach¬ 
gewiesen. Die Lokalisation der Ulcera war meist die typische, 
ungefähr in der Mitte der kleinen Curvatur, öfters 1—2 cm, 
zweimal weitab davon entfernt, an der hinteren Magenwand, ln 
allen Fällen bat die Operation die aus dem Nischensyropiom ge¬ 
stellte Diagnose nach jeder Richtung hin bestätigt 1 ), und da die 
Vertreter der Würzburger chirurgischen Klinik Anhänger der 
radikalen Methoden der chirurgischen Ulcusbehandlung sind, 
konnte also in jedem Falle die Ulcusdiagnose nicht nur autoptisch, 
sondern auch am ausgeschnittenen Präparat erhärtet werden. 
16 der Fälle sind von Gebeimrat Enderlen, 2 von Prof. Hotz 
operiert, und zwar wurde 12 mal die circuläre Resektion, 3 mal 
die Resektion nach Billrotb 11, 3 mal die ovaläre Exzision aus- 
geführt. 

Die Fälle selbst und ihr motorisches Verhalten sind in der 
nachstehenden Tabelle angpgeben; die vierte Rubrik gibt den 
Operationsbefund wieder. Damit der Leser auch von der Grösse 
der Ulcera eine ungefähre Vorstellung erhalte, sind Geschwüre, 
deren Krater von Dreiroarkstückgrösse oder darüber war, als 
sehr gross, solche von etwa Markstückgrösse als gross, Ulcera 
aber, deren Krater pfenniggross und darunter war, nicht besonders 
bezeichnet. Wo nichts Besonderes angegeben, war der Sitz Mitte 
der kleinen Curvatur oder 1—2 cm davon entfernt, an der 
Hinterwand. 


Nr. 

Name, Alter, 
Geschlecht 

Röntgenologische 

Motilitätsprüfung 

Operationsbefund 

1 

0., 17 J., w. 

24 Std.-Rest 

Sehr grosses Ulcus, in Leber und 
Pancreas penetr. 

2 

K., 33 J., m. 

12 

Grosses Ulcus, ins Pancreas pen. 

3 

E., 55 J., w. 

12 

do. 

4 

M., 37 J., m. 

6 

do. 

5 

K., 22 J., w. 

6 

do. 

6 

M., 55 J., w. 

6 

do. 

7 

W., 42 J., m. 

6 

do. 

8 

Sch., 57 J., m. 

Kein 6 Std. Rest 

do. 

9 

R., 43 J., m. 

* 6 „ ! 

do. 

10 

M., 44 J., w. 

■ 6 „ ! 

do. 

11 

W., 35 J., w. 

» r> „ 

Ulcu9, ins Pancreas penetr. 

12 

Sch., 51 J., w. 

„ 6 

do. 

13 

M., 28 J., w. 

„ 6 

do. 

14 

Sch., 26 J., w. 

Minimaler Stil.-Reist, 
starke Atome und 
Ptose, Peri¬ 

staltik 

Nicht penetrierendes callöses 
Ulcus an der Hinterwand, 
nirgendshin adhärent. 

15 

K., 63 J., m. 

Kein 6 Std.-Rest 

Nicht penetrierendes callöses 
Ulcus, nirgendshin adhärent. 

16 

F., 53 J. f w. 

* 6 M 

Nicht penetrierendes callöses 
Ulcus, Adhäsion zum Omentum 
minus. 

17 

S., 26 J., w. 

* 6 „ 

Nicht penetrierendes callöses 
Ulcus der Hinterwand, Ad¬ 
härenz zur Bursa omentalis. 

18 

G., 29 J., m. 

* 6 , 

Nicht penetrierend.callös. Ulcus, 
Adhärenz zum Omentum min. 


ln der obigen Tabelle haben wir also nicht weniger als 7 Fälle 
von Magenpankreasgeschwüren, wo ein 6 Stundenrest nachweisbar 
war, von denen bei dreien die Retention sogar bis zur Stagnation 
bis zum 12-, ja 24 Stundenrest ging. Diese Tatsache ist 
allein geeignet, die Glässner - Kreuzfuchs’sche An¬ 
nahme als hinfällig erscheinen zu lassen. Um so mehr 
als diese Fälle sämtlich grosse und sehr grosse Magen¬ 
pankreasgeschwüre betreffen, wo also die Schädigung 
des Pankreasparenchyms mit ihren supponierten Folgen 
für die Magenmotilität eigentlich erst recht stark zu¬ 
tage treten musste. 


J) Um so befremdlicher muss es nach obigem anmuten, wenn in 
jüngster Zeit Strauss (Fortschr. d. RÖntgenstr., Bd. 21) das Nischen¬ 
symptom für sehr selten und in den meisten Fällen für einen Beob¬ 
achtungsfehler erklärt. 


Man hat aber ganz im Gegenteil den Eindruck: Je grösser das 
Geschwür, desto stärker die Motilitätsverzögerung. Das ist auch 
nicht weiter verwunderlich, worauf ich schon stets hingewiesen habe; 
denn je grösser das Geschwür, desto ausgedehnter die Perigastritis und 
desto leichter die Möglichkeit der VerziehuDg und Abknickuog des 
Pylorus; ganz abgesehen davon, dass ein an der kleinen Curvatur in 
ausgedehntem Maasse „eingemauerter“ Magen der Bewegungsmöglicbkeit 
ohnehin stark entbehrt. Bei kleineren pylorusfernen Geschwüren fallen 
in der U“gel alle diese Möglichkeiten fort, und sie haben daher keine 
Verzögerung der Entleerung zur Folge. 

Sechs der Mage»pankrea*geschwüre in obiger Tabelle zeigten 
keinen Sechsstundenrest; bemerkenswert für die Erklärung in 
meinem Sinne ist die Tatsache, dass drei davon kleine Ulcera 
waren. 

Nun mag es ja ein Zufall sein, dass unter meioen 13 Magen- 
par.kreasgeschwüren die grössere Hälfte, nämlich 7, entgegen 
der G1 ässner-Kreuzfuchs’schen Annahme, grobe Motilitäts¬ 
störung aufwiesen, und es kann wohl sein, dass ein anderer Autor 
bei Zusammenstellung seines Materials ein anderes und der 
G lässner- K reuzfuchs’schen Hypothese scheinbar günstigeres 
Verhältnis herausrechnen wird, so dass z. B. nur ein Drittel der 
Mageupankreasgeschwüre einen Sechsstundenrest aufweisen wurde. 

Und trotzdem bestände meine obige Argumentation gegen 
G lässn er-Kreuz fuchs zu Recht, besonders da man immer wieder 
wird konstatieren können, dass gerade die grossen ins Pankreas 
penetrierenden Ulcera mit Vorliebe zu Motilitätsstörungen Anlass 
geben. Die 33 pCt. Nichttreffer wären iu diesem Falle 
eben beweiskräftiger als die 67 pCt. Treffer, einfach 
weil die ersteren aus der Glässner-Kreuzfuchs’schen 
Auffassung heraus völlig unerklärlich sind, während die 
67 pCt. Treffer auf ganz andere Weise leicht verständlich werden. 

Man muss hier nur einmal voraussetzungslos die Dinge be¬ 
trachten. Folgende Schlussfolgerung wird sich dabei dem un¬ 
befangenen Beurteiler aufdrängen: Auf der einen Seite ist beim 
pylorusfernen Ulcus eine normale Motilität sehr häufig (nach 
meiner obigen Aufstellung an 48 Fällen in 75 pCt.). Auf der 
anderen Seite ist aber beim pylorusfernen chronisch callöseu Ulcus 
die Penetration ins Pankreas 1 ) ebenfalls sehr häufig (nach der in 
obiger Tabelle gegebenen Zusammenstellung von 18 autoptisch 
bestätigten Fällen 13 mal = 72 pCt.). 

Es kann so nicht ausbleiben, dass sich in zahlreichen 
Fällen eine Coincidenz dieser beiden häufig Vorkommen- 
den Ereignisse finden wird. Aus dieser zufälligen Coincidem 
einen ursächlichen Zusammenhang beweisen zu wollen, ist nichts 
anderes als ein Trugschluss, so gut wie der, welcher Masern 
und Gonorrhöe in ursächliche Verbindung bringen wollte, weil 
die grösste Mehrzahl der Gonorrhoiker Masern überstanden hat. 

Aber es bedarf ja der Glässner-Kreuzfuchs’schen Er¬ 
klärung gar nicht, um das häufige Vorkommen normaler Ent¬ 
leerung bei pankreaspenetrierendem Ulcus zu verstehen. Die nor¬ 
male Entleerungszeit ist ja bei pylorusfernem Ulcns, 
das nicht ins Pankreas penetriert, ebenfalls die Regel. 
Die obige Tabelle zeigt dies zur Evidenz. Unter 6 Fällen nur 
einmal ein minimaler Sechsstundenrest und das bei hochgradiger 
Atonie und Ptose mit sehr schlechter Peristaltik! Diese Fälle 
sind unter AufrechterhaltUDg des Haudek’scben Satzes auf keine 
Weise zu erklären. 

Alles aber wird aufs beste verständlich, sobald man sich nur 
erst von der Haudek’schen Anschaunng emanzipiert hat und 
an ihre Stelle die Auffassung setzt, welche ich stets verfochten 
habe: Das pylorusferne Ulcus hat für gewöhnlich keinen ver¬ 
zögernden Einfluss auf die Motilität des Magens. Nur wenn es 
gross ist und ausgedehnte perigastritische Verwachsungen macht, 
welche den Magen an der kleinen Kurvatur einmanern bzw. den 
Pylorus verziehen, kann es zu sogar sehr hochgradiger Retention 
kommen. Diese ist aber natürlich durch rein mechanische Mo¬ 
mente und nicht durch Pylorospasmus bedingt. 

Zusammenfassung. 

1. Der Haudek’sehe Satz vom pylorospastischen Sechs¬ 
stundenrest bei py io rus fernem Ulcus ist heute nicht mehr auf¬ 
recht zu erhalten. 

2 . Die normale Motilität ist bei pylorusfernem 
Ulcus die Regel, und es bedarf also, um die Häufigkeit einer 


1) Es ist allgemein anerkannt, dass sie von allen Penetrationen weit¬ 
aus die häufigste ist; erst dann kommt in weitem Abstand die Leber, 
das Netz, die vordere Bauch wand und als seltenstes Ereignis die Pe fle * 
tration in die Milz. 


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20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1357 


normalen Entleerung bei pankreaspenetrierendem Ulcus zu er¬ 
klären, der Glässner-Kreuzfuchs’scheu Hypothese nicht. 

3. Die Glässner-Kreuzfuchs’sche Auffassung, soweit sie 
die normale Entleerung bei pankreaspenetrierendem Ulcus aus 
einer Schädigung des Pankreasgewebes mit konsekutiver Hyper¬ 
sekretion desselben und Herabsetzung des Pylorusschlussreflexes 
erklärt, ist überdies mit den Tatsachen nicht vereinbar. 


Einige Gesichtspunkte für die Beurteilung von 
Kohlensäurebädern. 

Von 

Prof. Dr. med. W. Scheffer-Berlin. 

Für die physiologische und therapeutische Wirkung mous¬ 
sierender Bäder ist die Grösse und Anzahl der entwickelten 
Gasblasen von hoher Bedeutung. Man nimmt an, dass die 
Bläschen, die sich auf der Haut des Badenden ansetzen, einen 
Reiz von erheblichem Einfluss darstellen. 

Zunächst bestimmt man nach bekannter volumetrischer 
Methode die Menge des entwickelten Gases. Man muss hier zwei 
Versuchsreihen ausführen, deren eine die Menge des im ruhig 
stehenden Bade entwickelten Gases bestimmt, deren andere die 
ausschütteibare Gasmenge mitbestimmt. Hier hat man, wie 
bei der Untersuchung dieser Bäder überhaupt immer, darauf 
Rücksicht zu nehmen, wie die Verhältnisse im Bade selbst bei 
der praktischen Benutzung liegen. Beim Bad, wie es in der 
Praxis genommen wird, steht das Wasser weder vollkommen ruhig, 
noch wird es stärk geschüttelt. Man wird ungefähr als praktisch 
abgegebene Gasmenge das Mittel zwischen den beiden MessuDgs- 
reiheo annehmen. Selbstverständlich wird nur ein Teil des ent¬ 
wickelten Gases auf die Haut des Badenden kommen und dort 
seine Reizwirkung ausüben. Bei den Versuchen muss man die 
tatsächlich beim Baden benutzten Temperaturen einhalten. 
Kohlensäure Bäder haben eine reichlichere Gasentwicklung als 
Sauerstoffbäder. In den ersteren bekommt der Badende auch bei 
niedrigerer Temperatur sehr bald das Gefühl angenehmer Wärme, 
bei Sauerstoffbädern tritt dieses Wärmegefühl nur in sehr ge¬ 
ringem Maasse ein. Man nimmt letztere deshalb gewöhnlich 
wärmer als Kohlensäurebäder. Die Bestimmung der Gasvolumina 
stellt man mit 1—2 Liter Wasser an, denen man die ent¬ 
sprechende Menge der gasentwickelnden Körper zusetzt. Für diese 
Versuche muss man das Wasser durch Kochen von etwa gelösten 
Gasen befreien, die während des Versuchs frei werden und das 
Ergebnis beeinflussen können. 

Eine weitere Messungsreihe hat sich mit der Blasengrösse 
zu beschäftigen. Diese wird zweckmässig mit Hilfe einer Vor¬ 
richtung gemessen, die in Abbildung 1 im Schnitt und in der 
Aufsicht schematisch dargestellt ist. Sie besteht aus einer keil- 


Abbildung 1. 




förmigen auf- und zuklappbaren Kammer. Die wahre Steigung 
beträgt 1: 100; in der Zeichnung ist sie zehnfach zu gross dar¬ 
gestellt. Bei S sind die beiden Platten aus feinstem Spiegelglas 
10,1 Hilfe eines starken Heftpflasterstreifens (punktiert angedeutet) 
ge enkig verbunden, so dass die Kammern, geschlossen unter 
asser gebracht, dort geöffnet und wieder geschlossen werden 
oonen. Es ist aus zwei Gründen wichtig, die Kammer ge¬ 
schlossen unter Wasser zu bringen: Erstens soll man die Gas- 
asen immer aus bestimmter Tiefe entnehmen und zweitens 
^’gcu gewisse moussierende Bäder auf ihrer Oberfläche einen 
® ar k klebrigen Schaum, der natürlich nicht in die Kammer 
kommen darf. 

Die geschlossene Kammer wird aussen an den beiden Flächen 
J, sicher Leinwand abgetrocknet, gereinigt und dann unter das 
'kroskop gebracht. Die Keilform hat für den vorliegenden 


Zweck erhebliche Vorteile; einerseits dürfen die Gasblasen für 
die Messung und die Mikrophotographie nicht flachgedrückt 
werden, andererseits darf das Präparat nicht zu dick sein und 
etwa zwei Schichten von Blasen zeigen. Die Tiefe der Kammer 
ist also dem Blaseodurchmesser so anzupassen, dass sie die Blasen 
ohne Deformation durch Zusammendrücken zeigt, sie darf aber 
nicht so gross sein, dass etwa zwei Blasenschichten an den beiden 
Kammerwänden übereinander liegen. Ausserdem hat eine zu tiefe 
Kammer noch den Nachteil, dass in ihr die Blasen nachträglich 
wachsen können, während dies bei gut passender Kammertiefe 
nicht vorkommt. Eine grosse Reihe von Kontroilversuchen hat 
gezeigt, dass die Blasengrösse sich in diesen Kammern längere 
Zeit durchaus einwandfrei hält, so dass für die Messung und die 
raikrophotographische Aufnahme reichlich Zeit vorhanden ist. 
Die Keilform ermöglicht durch Hin- und Herschieben der Kammer 
auf dem Objekttisch des Mikroskops, die Stelle der richtigen 
Tiefe in das Gesichtsfeld zu kommen. 

Abbildung 2 zeigt Gasblasen an einer Stelle der Kammer von 
zu geringer und Abbildung 3 von richtiger Tiefe. 

Abbildung 2. 



Abbildung 3. 



Um über die wahren Verhältnisse im Bade unterrichtet zu 
sein, muss man wissen, welche verschiedenen Blasengrössen im 
Bade zu einer bestimmten Zeit Vorkommen und ausserdem wie 
gross die relative Häufigkeit der verschiedenen Blasengrössen ist. 
Beides ist aus den graphischen Darstellungen zu ersehen. In 
Abbildung 4—6 links sind die grössten und kleinsten Blasen¬ 
durchmesser und der Durchschnitt angegeben Das Koordinaten¬ 
kreuz für diese Bestimmungen ist stark angezogen und die 
Ordinaten bedeuten Blasendurcbmesser, die Abscissen bedeuten 
Zeiten (Minuten). Die erste Messung (beim Abscissen wert 0) wurde 
10 Minuten nach dem Ansetzen des Bades ausgefübrt. Rechts von 
diesen Kurven sind drei weitere Kurven zu sehen, die die relative 
Menge der verschiedenen Blasengrössen zu verschiedenen Zeiten 
zeigen. Die drei Kurven sind auf ein Koordinatenkreuz bezogen, 
das dieselben Ordinaten hat wie das stark Ausgezogene. Es 
bedeuten also auch hier die Ordinatenwerte Blasendurchmesser, 
und zwar, wie angegeben, Vio Oie Abscissenwerte, durch 

die Bezifferung von 0—6 angedeutet, geben die relative Häufigkeit 

3 


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1358 


Nr. 29. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


des Vorkommens an, die mit einem • bezeicbneten Werte 
wurden tatsächlich gezählt und die Kurven dann ausgezogen. Die 
bei den Kurven stehenden Zahlen entprechen gleichlautenden 
Werten der Abscissenachse der linken Kurven, bedeuten also Zeiten 
(jede dieser Kurven bedeutet also einen Zustand in einem ge- 
gewissen Zeitpunkt). Die Kurven, Abbildung 4—6, stellen einen 
Vergleich zwischen der Blasengrösse von drei bekannten Kohlen¬ 
säurebädern des Handels dar und zwar von Max Elb in Dresden 
(nach Dr. Zucker „mit den Kissen“), von Kopp & Joseph in 
Berlin (Zeobäder) und Dr. Sandow in Hamburg. 


Abbildung 4. 



Abbildung 5. 




Für die Versuche musste die Technik des Ansetzens der 
Bäder besonders berücksichtigt werden. Man kann nämlich durch 
die Art des Bereitens die ßlasengrösse ganz erheblich beein¬ 
flussen und z. B. durch ungeschickte Bereitung den Effekt des 
Bades viel ungünstiger gestalten. 

Bei den Bädern nach Dr. Zucker wird zuerst die Ameisen¬ 
säure in das Badewasser gegeben und durch Umrühren darin 
gleichmässig verteilt. Dann wird das Bicarbonat in Tuchbeuteln 
mit der Hand am Boden der Wanne behutsam ausgedrückt, 
so dass am Boden der Wanne eine konzentrierte Lösung 
von Bicarbonat liegt, über der sich eine sehr verdünnte 
Lösung von Ameisensäure befindet. Die Kohlensäure tritt hier 
also nicht direkt aus den Tuchbeuteln heraus, sondern ent¬ 
wickelt sich auf folgende Weise: Durch das Drücken der Beutel 
im schwach angesäuerten ßadewasser entsteht eine konzentrierte 
Bicarbonatlösung, die vermöge ihrer spezifischen Schwere zu Boden 
sinkt und ganz allmählich mit der im ganzen Bade fein ver¬ 
teilten Säurelösung in Reaktion tritt. Auf diese Weise kommt 
die langanhaltende und gleichmässige C0 2 -Entwicklung zustande. 

Bei den Bädern von Kopp & Joseph wird zunächst das 


Abbildung 7. 



Dr. Zucker. 10 Minuten. 


Abbildung 8. 



Dr. Zucker. 20 Minuten. 


Abbildung 9. 



Kopp & Joseph. 30 Minuten. 


Bicarbonat behutsam in das Badewasser gegeben und dann die 
Ameisensäure, welche mit Chlorcalcium beschwert ist, eingegossen. 
Obgleich in beiden Fällen ziemlich dieselben Chemikalien an¬ 
gewandt werden, ist der Effekt, wie aus den Abbildungen 4 und 5 
hervorgeht, recht verschieden. In den ersten 10 Minuten ent¬ 
wickelt sieb die Kohlensäure beim Bad von Kopp & Joseph 
zu heftig und es steigen grosse Blasen auf, weil die zu Boden 
sinkende beschwerte Säurelösung zu schnell mit dem daselbst 
befindlichen Bicarbonatpulver in Berührung kommt. Wenn man 
das Bad aber einige Zeit, etwa 10 Minuten, ruhig stehen lässt, 
hat die Entwickelung der grossen Blasen und das stürmische Auf¬ 
wallen aufgebört und es entwickeln sich feine, in gleichmässigem 
Strom aufsteigende Bläschen. Ein Vergleich der Kurvenblätter 4 
(Dr. Zucker) und 5 (Kopp & Joseph) zeigt deutlich, dass 
die Art des Ansetzens einen erheblichen Einfluss auf die Gas¬ 
blasen hat. Im Anfang, das heisst ungefähr 10 Minuten nach dem 
Ansetzen, sind die Gasblasen bei 5 noch wesentlich grösser als 
bei 4. Nach einiger Zeit werden die Unterschiede geringer, aber 


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20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


13B9 


Abbildung 10. 



Kopp & Joseph. 10 Minuten. 


Abbildung 11. 



Dr. Sandow. 10 Minuten. 


Abbildung 12. 



Dr. Sandow. 30 Minuten. 


es bleibt während der ganzen Versuchsdauer ein Unterschied in 
dem Sinne bestehen, dass bei 4 (Dr. Zucker) die Gasblasen etwas 
kleiner sind als bei 5 (Kopp & Joseph). Auch die Kurven, 
die die zahlenmässige Verteilung der verschiedenen Grössen an¬ 
geben, lassen dieselben Unterschiede erkennen. Bei diesen und 
den anderen Kurven wurde zu jeder Kurve eine grosse Anzahl 
Jon Messungen angestellt und das Mittel genommen. Jedenfalls 
haben die Versuche einwandfrei ergeben, dass die Art der C0 2 - 
Entwicklung beim Dr. Zucker’schen Bade eine besonders zweck- 
ist. Wenn man etwa das Bicarbonat einfach ohne Um¬ 
rollung in das angesäuerte Bad schüttet, dann steigen Bicarbonat- 
lumpen mit anhängenden Kohlensäurebläschen ballonartig auf 
Q nd bleiben an der Oberfläche des Wassers, wo sie sich lang¬ 
sam anflösen. Deshalb muss bei Nichtverwendung der Stoff- 
Umhüllung zuerst das Bicarbonat in das Wasser gebracht und dann 
er st die Säure zugegeben werden. Wie die Abbildungen 4 und 6 
z ^igen, besteht zwischen den Bädern von Dr. Zucker und Kopp 


& Joseph ein quantitativer Unterschied. Das Kurvenbild lässt 
aber eine gewisse Aehnlichkeit der Bäder erkennen. Ein ganz 
anderes Bild zeigt das Kohlensäurebad von Dr. Sandow. Hier 
wird zuerst das Bicarbonat in das Badewasser gebracht und 
dann Blöcke von Bisulfat auf den Boden der Wanne gelegt. 
Im Anfang sind die Blasen klein, sie werden dann etwas grösser 
und gegen Ende des Bades nimmt die Blasengrösse wieder ab. 
Diese Bäder müssen mit besonderen Bleiauskleidungen für die 
Wannen benutzt werden, da sie die Emaille der Badewannen zer¬ 
stören. Nur eine besondere Art von Emaille, die Acidaemaille, 
soll von dem zerstörenden Einfluss dieser Bäder verschont bleiben. 
Die Bäder von Kopp & Joseph und Dr. Zucker greifen nach 
meinen Beobachtungen die Badewannen nicht an. 

Wie ich schon mehrmals hervorgehoben habe, ist das Er¬ 
gebnis derartiger Untersuchungen in hohem Maasse von der Art 
des Ansatzes der Bäder abhängig. Man kann sich nur durch eine 
grössere Reihe von sorgsamen Versuchen und Messungen ein klares 
Bild von den tatsächlichen Verhältnissen machen. Es ist leicht 
möglich, von den hier veröffentlichten Werten stark abweichende 
zu bekommen. Wenn man aber die Bäder in der besagten Weise 
ansetzt und unnötiges Herumrühren vermeidet, lernt man bald, 
ziemlich gleichmässige Resultate zu bekommen. Im allgemeinen 
wird man durch leichtes Bewegen des Bades die Strömungen 
nachahmen, die der badende Körper verursacht. Jedenfalls soll 
sich der Badende so ruhig wie möglich verhalten, wie dies in 
allen Vorschriften für diese Bäder betont ist. 

Die hier beschriebenen Untersuchungen haben nur den Zweck, 
Einiges über die Versuchsanordnung weiteren Kreisen mitzuteilen 
und Grundlagen für die Methodik des Vergleichs gewisser Eigen¬ 
schaften der moussierenden Bäder zu geben. 


lieber atypische Gicht und verwandte Stoff¬ 
wechselstörungen. 

Von 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Goldscheider. 

(Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 
17. Juni 1914.) 

(Schluss.) 

Die Gruppe der Fälle mit Gelenkknirschen ohne Tophi ist 
grossenteils zur atypischen Gicht zu rechnen. Es bandelt sich 
nicht um eine besondere Form. Vielmehr ist die scheinbare Sonder¬ 
stellung nur dadurch bedingt, dass bei der Gicht der Frauen eben 
das Vorkommen des Knirschens dasjenige der Tophi bedeutend 
überwiegt. 

Immerhin ist zu beachten, dass das Knirschen, wie es scheint, 
auch Residuum von Gelenkentzündungen (z. B. traumatischen) sein 
kann. Verwechselungen mit dem gröberen Knacken und Knirschen 
anderer Arthritiden wird man vermeiden, wenn man sich erinnert, 
dass als charakteristisch nur das feine Sandknirschen angesehen 
werden darf. Weitere anatomische Untersuchnngen über die dem 
Knirschen zugrunde liegenden Gelenkveränderungen sind wün¬ 
schenswert. 

In welcher Beziehung zur gichtischen Stoffwechselstörung 
stehen nun die cardiovasculären, nervösen usw. Symptome und 
die Fettleibigkeit? Werden sie durch die gichtische Diathese 
oder durch alimentäre Schädigungen hervorgerufen? Welche 
Bedeutung hat die so häufig Vorgefundene Leberschwellung? 

Um bei der Beantwortung dieser schwierigen Fragen nicht 
in Einseitigkeit zu verfallen, ist ein weiterer klinischer Ausblick 
nötig. 

Ich habe zu diesem Zwecke die von mir vom 1. Januar 1912 
bis 1. Oktober 1913 beobachteten Fälle von Fettleibigkeit 
ohne uratische Ablagerungen, sowie von plethorischer 
Leberschwellung mit Ausschluss der durch Stauung, 
Fettleibigkeit, Gallenblasenleiden bedingten, zusammen¬ 
gestellt. Es handelt sich um 261 Fälle von Fettleibigkeit und 
162 Fälle von Leberanschwellung ohne Fettleibigkeit. 

Die Fälle von Fettleibigkeit lassen nun dieselben Sym¬ 
ptome und Symptomgruppierungen erkennen, wie wir sie bei der 
echten und atypischen Gicht kennen gelernt haben; neben einer 
grossen Zahl von unkomplizierten Fällen finden sich solche mit 
nervösen, mit cardiovasculären, mit renalen Symptomen; ferner 
treten uns wie dort Kombinationen von cardiovasculären mit ner¬ 
vösen usw. Symptomen entgegen. Ich bemerke, dass ich zu den 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 29. 


cardiovasculären Symptomen nicht das einfache Cor adiposum 
rechne, sondern nur wiikliche muskuläre Herzhypertropbie, Hyper* 
tension usw. Das Krank hei tsbild der Fettleibigkeit ohne Gicht 
ist also ganz ähnlich dem Krankheitsbild der Fettleibigkeit mit j 
Gicht. Dies legt den Schloss nabe, dass die Symptome und Syn¬ 
drome, welche wir als Bestandteile des gichtischen Krankheits- 
bildes kennen gelernt haben, vielleicht gar nichts mit der Gicht 
zu tun haben. 

Sind es etwa rein zufällige Komplikationen? Dies kann man 
unmöglich annehmen. Denn dann dürften sie sich bei der Gicht 
nicht häufiger finden, als sie überhaupt in der Morbiditätsstatistik 
auftreten. Sie sind aber ganz bedeutend viel häufiger! 

Oder sind diese Symptome und Syndrome nur solche der 
Fettleibigkeit und erscheinen bei der Gicht nur so weit, als sich 
unter den Gichtikern Fettleibige finden? Auch dies trifft nicht 
zu; denn die nichtfetten Gichtiker zeigen dies Symptome gleichfalls. 

Dazu kommt endlich, dass die fettleibigen Gichtiker die 
betreffenden Symptome häufiger aufweisen, als die einfach Fett¬ 
leibigen. 

Eine genauere Zusammenstellung und prozentische Berechnung 
ergibt nämlich, dass die Fälle von Adipositas, weiche mit atypi¬ 
scher oder typischer Gicht verbunden sind, in relativ-höherem 
Maasse mit nervösen, cardiovasculären und renalen Symptomen 
kompliziert sind als die Fälle von nichtgichtischer Obesitas. Frei¬ 
lich gilt dies nur für den Durchschnitt; einzelne Fälle von Fett¬ 
leibigkeit sind mit so schweren cardiovasculären Symptomen ver¬ 
bunden wie sie bei Gicht Vorkommen. 

Die enge Beziehung der Fettleibigkeit zur Gicht, bzw. zur 
Uratablagerung gebt daraus hervor, dass sich unter 424 Fett¬ 
leibigen 163 Gichtiker fanden (echte und atypische). 

Es scheint aus meinem Material hervorzugehen, dass besonders 
diejenigen Fälle von einfacher Fettleibigkeit mit Hypertension 
verbunden sind, bei welchen arthritiscbe Schmerzen bestehen. 
Dies ist für die Beziehung der Fettsucht zur uratiscben Diatbese 
und zur Hypertension von Bedeutung. Jedoch kommen Aus¬ 
nahmen vor. So sah ich einen Fall von Fettleibigkeit mit gicbt- 
ähnlicheo Fussschmerzen und einem maximalen Blutdruck von 
118 Riva-Rocci. Andererseits können bei Obesitas mit zweifellos 
uratischem Charakter Schmerzen fehlen; eine fette Frau von 
83 Jahren mit präpatellaren Tophi und einem Blutdruck von 145 
stellte Schmerzen in Abrede; aber sie ist noch jung und wird die 
Schmerzen vielleicht noch bekommen. 

üeber die Ursache der so häufigen Atherose der Fettleibigen 
ist bisher nichts Sicheres bekannt. Einzelne meinen, dass es 
sich lediglich um die Folgen der Ueberernährung oder gleich¬ 
zeitigen Potus handle. Ebstein hat sie aber bereits auf Gicht 
bezogen. Letztere dürfte jedenfalls einen bedeutenden Anteil an 
der Entwickelung der Atherose haben. 

Die Fälle von plethorischer Leberscbwellung (ohne Fett¬ 
leibigkeit) zeigen nun gleichfalls, wie die Fettleibigkeit, beglei¬ 
tende Symptomenkomplexe, welche denen der Gicht höchst ähn¬ 
lich sind. Wir finden nervöse Symptome, Hypertension, Arterio¬ 
sklerose, Herzhypertrophie, renale Symptome. Nierengries und 
Nierensteine kommen gleichfalls oft vor. Jedoch besteht, was 
die cardiovasculären Symptome betrifft, wiederum ein quanti¬ 
tativer Unterschied, indem die bei atypischer und typischer Gicht 
vorkommenden Leberschwellungen relativ mehr cardiovascnläre 
Komplikationen zeigen als die nichtgichtischen Leberschwellungen. 
Ein grosser Teil der cardiovasculären Begleitsymptome bei nicht¬ 
gichtischer Leberscbwellung steht mit Lues, Diabetes mellitus, 
Potus, Nierenschrumpfung in Beziehung; bei einer weiteren Anzahl 
war das Lebensalter ein so vorgerücktes, dass man senile Gefäss- 
veränderungen annebmen musste. Bei Ausschaltung aller dieser 
Fälle blieben aber unter den 162 Fällen von Le bersch wel lang 
(ohne Fettleibigkeit) immerhin noch 44 = 27,1 pCt. mit Hyper¬ 
tension usw. verbundene Fälle übrig, bei welchen die Verände¬ 
rungen des Gefässsystems auf nichts anderes bezogen werden 
konnten und als begleitendes Symptom der Leberschwellung auf- 
gefasst werden mussten. Es handelte sich meist um das Bild 
der Plethora abdominalis. 

Bei der atypischen Gicht mit Tophusbildung sind die cardio¬ 
vasculären Veränderungen aber ungleich häufiger. Hier kommen 
viel weniger Fälle wegen Lues, Potus, Diabetes, hoben Lebens¬ 
alters ausser Betracht, so dass bei ihrer Eliminierung die Zahl der 
cardiovasculären Komplikationen 39,1 pCt. gegen 27,1 pCt. bei 
Leberschwellung beträgt (vgl. übrigens unten). 

Die nervösen Komplikationen treten gleichfalls an Häufig¬ 
keit gegenüber der atypischen Gicht zurück. Während sie bei 


letzterer 42 pCt. betragen (atypische Gicht mit Tophi), zeigt die 
Leberscbwellung (bei Ausschluss von Diabetes, Potus, Lues usw) 
19,7 pCt. In ihrer Art unterscheiden sich die nervösen Störungen 
nicht von den bei Gicht zu beobachtenden. Sie hängen zweifellos 
ganz überwiegend mit der Leberschwellung bzw. Plethora ab¬ 
dominalis zusammen. 

Die nahen Beziehungen der Leberscbwellung zur Gicht gehen 
aus folgendem numerischen Verhältnis hervor: von 232 Fällen 
von Leberscbwellung ohne gleichzeitige Fettleibigkeit waren 
70 = 30,1 pCt. mit atypischer oder typischer Gicht verbunden. 

Von den typischen Gicht fällen waren 17,9 pCt. mit Leber- 
anschwellung ohne Fettleibigkeit kompliziert, von der atypischen 
Gicht 14 pCt. Rechnet mau die Fälle von Fettsucht mit Leber- 
8chwelluog hinzu, so ergeben sich für die echte Gicht 29,4 pCt., 
für die atypische Gicht 31 pCt. Leberanschwellungen. 

Ferner konnte bei einigen Fällen von plethorischer Leber¬ 
anschwellung wie von Fettleibigkeit familiäre gichtische Ver¬ 
anlagung konstatiert werden. 

Sowohl bei der plethorischen Leberanschwellung ohne Fett¬ 
leibigkeit wie bei der letzteren kommen trotz Fehlens von Urat- 
ablagerungen arthritiscbe Beschwerden in ähnlicher Weise wie 
bei Gicht vor, und zwar nach meinem Material bei 20 pCt, der 
Fälle. 

Auffallend häufig zeigte sich übrigens bei den Fällen von 
Leberan8chwellung ohne Fettleibigkeit Nierensand- und Nieren- 
steinbildung, nämlich bei 4,9 pCt. der Fälle. Und zwar waren 
von den Leberfällen, welche gleichzeitig schwere cardiovasculäre 
Symptome darboten, 10 pCt. mit Nierenconcrementen verbunden. 
Bei atypischer und typischer Gicht freilich ist immerhin die 
Frequenz der Nierensteine noch grösser (s. unten). 

Bemerkenswert ist auch die Häufigkeit der chronischen in¬ 
durativen Nierenerkrankung bei Fällen von plethorischer Leber- 
anschweilung ohne Fettleibigkeit. Ich fand unter Ausschluss von 
Lues, Potus und Diabetes mellitus 5,5 pCt. Schrumpfnieren; bei 
echter Gicht 7,4 pCt. 

Uebrigens überwog unter meinem Material von Leber- 
schwelluDg und von Fettleibigkeit ohne Uratabiagerungen das 
männliche Geschlecht. Die 162 Fälle von Leberschwellung be¬ 
trafen 139 Männer, 23 Frauen. Die 261 Fälle von Adipositas 
173 Männer, 88 Frauen. 

Frau M., 67 Jahre alt, fettleibig, mit stark erhöhtem Blutdruck, 
ohne Tophi und ohne Knirschen, mit klingendem zweiten Aortenton, 
systolischem AorteDgeräuscb, stenocardiscben Anfällen, in einem solchen 
gestorben, hatte stets viel Gelenkschmerzen gehabt und war stets neur- 
asthenisch und besonders hyperästhetisch gewesen. 

Frau H., 42 Jahre alt, fettleibig, ohne Tophi und Knirschen, mit 
190 Blutdruck, leichter Albuminurie, Cor adiposum mit unreinem ersten 
Ton, Oppressionsgefühl, klagte seit Jahren über Schmerzen in ver¬ 
schiedenen Gelenken. 

Frau S., 50 Jahre alt, fettleibig, ohne Uratabiagerungen, mit 

150 Blutdruck, klagte seit mehreren Jahren über Gelenkscbmerzen und 
verschiedene Neuralgien. 

Herr v. B., 58 Jahre alt, fettleibig, ohne UratablagerungeD, mit 
140 Blutdruck, geringer Dilatation des linken Herzens, litt seit Jahren 
an arthritischen Schmerzen. 

Herr P., 55 Jahre alt, sehr fettleibig, ohne UratablagerungeD, mit 
160 Blutdruck, minimaler Albuminurie und Cylindrurie, Cor adiposum, 
litt an Ischias und gichtähnlichen Schmerzen. 

Herr A., 42 Jahre alt, fettleibig, ohne Uratabiagerungen, mit 

140 Blutdruck, spurweiser Albuminurie UDd Oxalurie, Cor adiposum und 
unreinem ersten Ton, litt an multiplen chronischen Gelenkscbmerzen. 

Frau L., 44 Jahre alt, sehr fett. Keine Uratabiagerungen. Oft 

starke Schmerzen in der linken Schulter, im ÜDken Arm, Hinterkopf, 

mit Nervendruckpunkten. Urin normal. T. 135. 

Herr P., 58 Jahre alt, fett, ohne UratablagerungeD, mit 118 Blut¬ 
druck, Cor adiposum, litt an häufigen Fussscbmerzen von gichtischem 
Charakter, ohne eigentliche Anfälle. 

Herr G., 45 Jahre alt, mit Leberanschwellung ohne Fettsucht, ohne 
Uratabiagerungen, 135 Blutdruck, reichlicher Ausscheidung von Harn- 
säurekristallen im Urin, litt an gichtartigen Schmerzen, ohne eigentliche 
Anfälle. 

Frau B., 58 Jahre alt, mit Leberanschwellung ohne Fettsucht, ohne 
Uratabiagerungen, mit 165 Blutdruck, leichter Arteriosklerose, klagte 
seit einer Reibe von Jahren über arthritische Schmerzen. 

Frau R., 61 Jahre alt, mit Leberanschwellung ohne Fettsucht, ohne 
Uratabiagerungen, mit 170 Blutdruck, klingendem zweiten Aortenton, 
leichter Stenocardie, klagte über vielfache Gelenkschmerzen. 

• Eine Tochter der Patientin leidet an Nierensteinen, leichter Albumm- 
urie, Omarthritis. 

Die Beispiele Hessen sich leicht vermehren. 

Die Leber spielt im Purinstoffwechsei zweifellos eine be¬ 
sonders wichtige Rolle. Wahrscheinlich, haben alle Organe sowie 


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20. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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die Maskein die Fähigkeit, Parineiweiss zu Harnsäure abzubauen, 
vielleicht.auch letztere weiter zu zerlegen; aber der Leber kommt 
aoscbeinend eine hervorragende Bedeutung in dieser Beziehung zu. 

Man bat die Leber vielfach zur Gicht in Beziehung gebracht, 
ohne dass bis jetzt etwas Sicheres hierüber anerkannt worden ist. 
Beim akuten Gichtanfall hat man akute Leberanscbwellung be¬ 
obachtet. Lebercirrhose scheint nicht zur Gicht zu führen; auch 
meine Erfahrungen sprechen nicht für eine Beziehung der Leber- 
cirrh 08 e zur Gicht. Quincke weist darauf hin, dass zur Leber¬ 
hyperämie Gicht, Harngries, Glykosurie binzutreten können. 

Minkowski spricht sich dafür aus, dass die Leberscbwellung 
bei Gichtikern durch die Lebensweise derselben bzw. auch durch 
Circulation8störungen bedingt sei. Ich möchte jedoch darauf hin- 
weisen, dass die Fälle von Leberschwellung bei Gicht wie die¬ 
jenigen ohne Uratablagerungen mit gleichzeitigen cardiovascnlären 
Veränderungen oder Nierensteinen nicht darchweg auf Ueber- 
ernährang oder Potus zurückgeführt werden können, sondern dass 
man für manche eine Bedeutung des Leberstoffwechsels bzw. 
einer Störung der Leberfunktion anzunebmen nicht umhin kann. 
Stauaugsleber habe ich, wie schon bemerkt, überhaupt aus- 


Man findet freilich plethorische Leberschwellung auch bei 
fehlender Fettleibigkeit häufig bei Personen, welche ungenügende 
Bewegung haben, eine sitzende Lebensweise bei gleichzeitig guter 
Ernährung führen, Bedingungen, welche an sich zu gichtischen 
Störungen führen köonen, auch ohne dass mau eine besondere 
Mitwirkung der Leberfunktion annimmt. Aber letztere ist doch 
für einen Teil der Fälle wahrscheinlich, da schon das Fehlen der 
Fettleibigkeit darauf hinweist, dass der alimentäre Faktor nicht 
so bedeutend sein kann, dass man ihm allein so schwere Folge- 
zostände für das Gefässsystem usw. zuschreiben dürfte. 

Uebrigens kommt bei der ungenügenden Muskelfunktion wahr¬ 
scheinlich nicht bloss der Energieverbrauch überhaupt, sondern 
aach ein spezifischer Einfluss auf den PurinstoffWechsel in Be¬ 
tracht. 


Als Maassstab der Schwere des Falles kann die Intensität 
der cardiovasculären Veränderungen angesehen werden. 
Ich fasse im folgenden diejenigen Veränderungen des Gefäss- 
Systems, bei welchen Dilatation oder Hypertrophie des Herzens 
bzw, beides oder Herz- oder Aortengeräusche (ausschliesslich 
anämischer) oder eine Hypertension von 180 mm Quecksilber auf¬ 
wärts bestand, als schwerere zusammen. Da zeigt sich, dass 
die Fettleibigen ohne Uratablagerungen in 11,8 pCt. der Fälle 
schwerere cardiovasculäre Veränderungen aufweisen, die fettleibigen 
atypischen Gichtiker dagegen in 20,5 pCt., die fettleibigen typi¬ 
schen Gichtiker in 29,4 pCt. der Fälle. 

Die Fälle von Leberschwellung (ohne Fettleibigkeit) zeigen, 
wenn ich die mit Lues, Potus, Glykosurie, höherem Lebensalter 
komplizierten Fälle abziehe, 13 pCt. schwerere Gefäss- und Herz- 
jeränderangen, dagegen die Fälle von Leberscbwellung (ohne 
Fettleibigkeit) mit atypischer Gicht 32,6 pCt., mit typischer 
Gicht 30 pCt. schwere cardiovasculäre Veränderungen. Bei der 
typischen Gicht fand ich 34,3 pCt., bei der atypischen Gicht mit 
Tophusablagerung 28,4 pCt., bei der atypischen Gicht ohne Tophi, 
nur mit Knirschen, 30,3 pCt. schwerere cardiovasculäre Verände¬ 
rungen. Es besteht somit ein recht deutliches Uebergewicht der 
Gichtfälle. Andererseits ist es aber auch auffällig, wie häufig 
immerhin sich bei der Leberschwellang und Fettleibigkeit auch 
ohne Uratablagerungen schwere Alterationen des Gefässsystems 
herausbilden. 

Ans diesen Feststellungen geht hervor, dass Fettleibigkeit 
Md plethorische Leberanschwellung in Beziehungen zur Gicht 
stehen kann, was man wenigstens für die erstere längst ange¬ 
nommen hat. Es liegt daher nahe, auch die Symptome von 
witen des Gefässsystems, der Nerven usw. auf den Purinstoff¬ 
wechsel zu beziehen. 

Es kann nicht fiberraschen, dass uratische Erkrankungen 
ebne merkliche Uratablagerungen Vorkommen. Denn auch bei 
Jer echten Gicht können uratische Ablagerungen in der anfalls- 
ireien Zeit fehlen; selbst dann, wenn chronisch-arthritische Be- 
»chwerden bestehen und wenn schwere cardiovasculäre Symptome, 
Albuminurie oder besonders heftige Gichtanfälle vorliegen. 

Man wird nicht erwarten dürfen, dass eine Harnsäureanreicbe- 
rQn g des Blutes stets zu nachweisbaren Uratablagerungen führen 
tbws. Das Auftreten letzterer hängt noch von besonderen ausser- 
jwentlicben Bedingungen ab, z. B. mechanischen und thermischen 
Teilungen. Ferner kommt die Ausscheidungstätigkeit der Niere 

•o Betracht. 


Schliesslich ist es überhaupt zweifelhaft, ob gerade die Harn¬ 
säure das wesentliche Glied in der Kette der gichtischen Stoff- 
wechselstöruog bildet. Vielleicht hängen speziell die Schmerzen 
von der Harnsäure ab. Hierfür spricht der akute Gichtanfall. 
Jedoch kann eine regelmässige Beziehung auch hier nicht an¬ 
genommen werden, da viele Tophi schmerzlos sind, andererseits 
bei vorhandenen Schmerzen Tophi vermisst werden können. Es 
wird neben der Konzentration der Harnsäure auf die befallene 
Oertlichkeit und ihren Nervenreichtum ankommen. Unter den 
atypischen Gicbtfällen mit Tophi finden sich einige, bei welchen 
nie Schmerzen bestanden haben. 

Die cardio-vaskulären Fälle, bei welchen doch sicherlich ein 
abnormer Reichtum an Nucleinabbanprodukten anzunebmen ist, 
zeigen sowohl bei der atypischen Gicht wie bei der Fettleibigkeit 
und der Leberschwellung ohne Tophi und Kuirschen zum Teil 
arthritische Schmerzen, zutp Teil entbehren sie derselben; jedoch 
wurden solche Beschwerden bei der atypischen Gicht seltener 
vermisst als bei der Leberschwellung und Fettleibigkeit. Die 
Leberschwellung zeigte arthritische Schmerzen bei gleichzeitiger 
Hypertension häufiger als ohne Hypertension. 

Wie echte Gichtfälle in der anfallsfreien Zeit den Fällen von 
einfacher Fettleibigkeit so gleichen können, dass lediglich die 
Anamnese entscheidet, sei an einigen Beispielen verdeutlicht: 

Hr. S., 49 Jahre, fett (91 Kilo). Cor adiposum (Mastfettherz) mit 
unreinem 1. Ton an der Spitze, Lebervergrösseruog, T. 145, Urin nor¬ 
mal. Beschwerden von Atemnot usw. Keine Uratablagerungen. Vor 
20 Jahren ein typischer Gichtanfall! 

Herr V., 58 Jahre, fett. Herz leicht hypertrophisch. T. 190. Spur 
Albumen. Bronchitis. Keine Uratablagerungen. Gichtanfälle. 

Hr. G., 52 Jahre. LeberanschwelluDg. T. 150. Urin normal. Ziehende 
Schmerzen in Gelenken und Muskeln. Keine Uratablagerungen. Mehrere 
Gicbtanfälle usw. 

Wenn es auch wahrscheinlich ist, dass die Veränderungen 
des Gefässsystems, die nervösen und renalen Symptome, welche 
sich bei der Fettleibigkeit und bei der plethorischen Leber¬ 
anschwellung finden, auf die Ueberlastung bzw. Störung des Purin¬ 
stoffwechsels zurückzufübren sind, so ist doch ein Beweis dafür, 
dass dies durchweg gilt und nicht bloss für einen Teil der Fälle, 
nicht erbracht. Es ist möglich, dass die allgemeine Stoff- 
wecbselüberlastung oder der ungenügende Umsatz des allgemeinen 
Stoffwechsels gleichfalls die genannten Symptome bervorzubriogen 
vermag. Blutdrucksteigerung und Herzhypertrophie lässt sich sehr 
wohl von einer Ueberernährung schlechthin ableiten; ob auch hohe 
Grade solcher Veränderungen dadurch erklärt werden können, wie 
wir sie bei Obesitas in 11,8 pCt. der Fälle an treffen, ist immer¬ 
hin fraglich. 

Es handelt sich offenbar nicht lediglich um eine Belastung 
des Stoffwechsels durch übermässige Nabruogszufuhr, sondern auch 
um die Folgen des absolut oder relativ zu geringen Energie¬ 
verbrauchs, wie er der ungenügenden Muskeltätigkeit oder vielleicht 
auch einer konstitutionellen Anlage entspricht. Es wird in beiden 
Fällen zu einer vermehrten Bildung von Zwischenprodukten des 
Stoffwechsels kommen. Ob die nervösen usw. Symptome allein 
auf eine Harnsäureanreicherung oder nicht auch auf andere Stoff¬ 
wechselprodukte oder -Zwischenstufen zu beziehen sind, steht da¬ 
bin. Daher wird auch die Therapie der genannten Symptome 
nicht allein auf gesteigerte Harnsäureausfuhr und verminderte 
Harnsäurebildung, sondern auch auf Steigerung des Energie¬ 
verbrauches (Muskeltätigkeit) bedacht sein müssen. 5 

Bei den Fällen von plethorischer Leberanschwellung, welche 
übrigens zum Teil, wie es scheint, auf einer konstitutionellen 
Grundlage beruhen, spielt vielleicht noch eine Schädigung der 
Leberfunktion als Ursache von Stoffwechselstörungen speziell im 
Bereiche des Parinstoffwechsels eine Rolle (s. oben). 

Da auch bei konstitutioneller Fettsucht, ohne Ueberernährung, 
die genannten Gefäss-, Nerven- usw. Veränderungen Vorkommen, so 
muss man auch eine Beziehung der der konstitutionellen Fett¬ 
sucht zugrunde liegenden Stoffwechselanomalie zu denselben an¬ 
nehmen. 

Frau S., 45 Jahre. Heftige Neuralgien im Nacken und Hinterkopf 
Fettleibigkeit. Beiderseits prapatellare Tophi und Koieknirschen. Herz 
normal. T. 130. Urin normal. Menses regelmässig. Hat nie stark 
gegessen und getrunken; macht sich regelmässig Bewegung, treibt 
Gymnastik. 

Die cardio vascnlären, renalen und nervösen Symptome können 
somit bedingt sein: 

1. durch die gichtische Diathese (Iusuffizienz des Purinstoff¬ 
wechsels), 

2. durch die alimentäre Belastung des Purinstoffwechsels, 


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UNIVERSUM OF IOWA 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nf. 29. 


3. durch die Belastung des Stoffwechsels überhaupt bzw. durch 

ein Missverhältnis zwischen Einnahme und Ausgabe, 

4. durch die der konstitutionellen Fettsucht zugrunde liegende 

Diathese, 

5. durch die Störung des Leberstoffwechsels. 

Punkt 4 und 5 sind hypothetisch. Auch Punkt 3 ist zweifel¬ 
haft, da vorläufig nicht zu entscheiden ist, ob es sich nicht auch 
hierbei schliesslich im wesentlichen um Störungen des Purinstoff- 
Wechsels handelt. Erst weitere Untersuchungen des Purinstoff¬ 
wechsels und speziell des Harasäuregehaltes des Blutes werden 
in dieser Frage Aufklärung zu bringen vermögen. 

Bei den Fällen mit artbritischen Schmerzen ist mit Wahr¬ 
scheinlichkeit eine Störung des Purinstoffwecbsels anzunehmen, 
entweder im Sinne der gichtischen Diathese oder der alimentären 
Belastung. Man darf daher die Fälle von Fettleibigkeit und von 
plethorischer Leberanscbwellung mit arthritischen Schmerzen zum 
Teil als „larvierte“ Gicht ansehen. An eine Störung des Purinstoff- 
wechsels ist auch bei einem Teil jener Fälle von Fettleibigkeit und 
plethorischer Leberschwellung zu denken, bei welchen sich Nieren- 
concremente finden. 

Da sich bei dem Vorhandensein von Purinstoffwechsel- 
Störungen Hypertension (cardiovasculäre Symptome), nervöse und 
renale Symptome so häufig finden, so wird man in der Praxis 
angesichts dieser Krankheitszeichen stets an einen gestörten 
Purinstoffwechsel zu denken haben („uratischer Symptomen- 
komplex“). Finden sich Uratablagerungen, so ist die Beziehung 
zu diesem klargestellt. Auch Schmerzen von arthritischem Charakter 
und barnsaure Nierenconcremente sprechen mit gewissen Ein¬ 
schränkungen für eine Störung des Purinstoffwechsels. 

In anderen Fällen mag es sich um eine allgemeine alimentäre 
Belastung handeln; man könnte die genannten Symptome dann 
als dyskrasische (dyschymische) im weiteren Sinne auf¬ 
fassen. 

Es ist jedenfalls für den Praktiker sehr wichtig, zu wissen, 
wie ungemein häufig cardiovasculäre, nervöse und renale 
Symptome durch Stoffwechselstörungen bedingt sind. 

Auch dort, wo sich Uratablagerungen finden, ist wahrschein¬ 
lich nicht immer eine gichtische Diathese vorhanden; vielmehr 
scheint es auch ohne das Vorhandensein einer solchen ledig¬ 
lich durch Ueberernährung bzw. verringerten Energie¬ 
verbrauch zu Uratablagerungen kommen zu können. Es ist 
immerhin zweifelhaft, ob nicht auch in diesen Fällen eine Herab¬ 
setzung der Anpassungsfähigkeit an die Belastung des Stoffwechsels 
vorliegt. 

Auch echte Gicht scheint vereinzelt ohne Diathese durch 
alimentäre Schädlichkeiten bzw. zu geringen Energieverbrauch 
hervorgebracht zu werden (unter der Voraussetzung toxischer 
Ferment- oder Gewebsschädigung?). 

Wie die arthritischen Schmerzen und Schmerzattacken, so 
werden auch die übrigen Symptome, wie Hypertension, nervöse 
Störungen usw., ebensowohl durch die gichtische Diathese wie 
durch die alimentäre Belastung des Purinstoffwechsels produziert. 
Es ist daher im Einzelfall oft nicht zu unterscheiden, ob eine 
angeborene Diathese oder eine erworbene Störung des 
Pnrinstoffwechsels oder eine Kombination von beiden 
vorliegt. Demzufolge wird auch die larvierte Gicht ebenso 
Fälle von angeborener Diathese, bei welchen es zu typischen 
Gichtanfällen oder uratischen Ablagerungen nicht gekommen ist, 
wie Fälle von rein alimentärer Störung des Purinstoffwecbsels 
umfassen. Auf diese Weise können wir uns erklären, wie die 
Fettleibigkeit und plethorische Leberschwellung zu ähnlichen 
klinischen Folgezuständen wie die Gicht führen kanD; wie es bei 
ihnen zu Uratablagerungen kommt, auch ohne dass immer gichtische 
Beschwerden vorliegen; wie andererseits bei plethorischer Leber- 
8cbweilung und Fettleibigkeit trotz fehlender Uratablagerungen 
gichtische Beschwerden vorhanden sein können; wie endlich 
die Gicht ohne Fettleibigkeit und ohne Leberschwellung in ihren 
Folgen für das Gefässsystem sich nicht unterscheidet von der 
Leberschwellung und Fettleibigkeit ohne und mit Uratablage¬ 
rungen. 

Unentschieden muss es vorläufig bleiben, ob das Auftreten 
der cardiovasculären usw. Symptome bei Fettleibigkeit eine 
gewisse Insuffizienz des Eiweiss- bzw. Purinstoffwecbsels voraus¬ 
setzt, oder ob nicht die dauernde Ueberlastung des Stoffwechsels 
an sich schon zu diesen Symptomen führt, z. B. auf dem Wege 
übermässiger Beanspruchung des Circulationssystems durch die 
erhöhte Verdauungsarbeit oder durch Zufliessen abnormer Mengen 
von Nährstoffen. 


Es wird eine Aufgabe künftiger Forschung sein, festzustellen, 
ob die plethoröse Stoffwechselstörung in ihren Wirkungen auf 
das Gefässsystem, die Nerven, die Nieren identisch ist mit der 
uratischen Stoffwechselstörung oder nicht. Wir sind jedenfalls 
vorläufig noch nicht berechtigt, dem Arthritismus jene Aus¬ 
dehnung zuzuerkennen, wie sie jetzt auch bei uns üblich zu 
werden scheint. 

Die Ueberernährung hat auch bei der Gicht Einfluss auf die 
Entstehung schwerer Veränderungen des Herzgefässapparats. 
Bei der atypischen Gicht war nahezu der vierte Teil der Fälle 
von schweren cardiovasculären Veränderungen mit Leberschwellung 
ohne Fettleibigkeit, ein gleicher Teil mit Fettleibigkeit verbunden. 
Bei 15 von 76 Fällen schwerer cardiovasculärer Veränderungen 
hatte übermässige Nahrungsaufnahme, davon sechsmal Nikotin- 
abusus, ebensooft Alkoholabusus bestanden. Mehrfach handelte 
es sich um starke Fleischesser 1 ). 

Ich finde bei der atypischen Gicht im gauzen etwa 30 
bis 40 pCt., welche nach der Anamnese und den sonstigen Um¬ 
ständen als durch alimentäre Schädlichkeiten bedingt angesehen 
werden können. Da aber eine Einsicht in die Lebensbedingungen 
der Patienten nur unvollkommen möglich ist, so dürfte diese 
Zahl eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sein. Bei der echten 
Gicht spielt Ueberernährung, Bewegungsmangel, Potus zweifellos 
gleichfalls eine wichtige Rolle, jedoch tritt hier immerhin die 
Diathese bedeutend mehr hervor als bei der atypischen Form; 
so finden sich bei der echten Gicht relativ weniger Fettleibige 
als bei der atypischen (25 pCt. zu 37,4 bzw. 38,3 pCt.). Gerade 
aber für die Entstehung schwerer cardiovasculärer Ver¬ 
änderungen spielt nach Ausweis meines Materials auch bei 
der echten Gicht die Ueberernährung eine zweifellos be¬ 
deutende Rolle. 

Wenn die cardiovasculären Veränderungen eine Teilerscbeinung 
des uratischen Symptomenkomplexes bilden und sich sowohl bei 
der typischen wie bei der atypischen Gicht wie bei der Leber¬ 
schwellung und Fettsucht ohne Uratablagerung finden, so ist zu 
vermuten, dass sie auch für sich, ohne Gichtanfälle, ohne Urat¬ 
ablagerungen, ohne Fettleibigkeit usw. als Ausdruck einer der 
uratischen gleichwertigen Stoffwechselstörung auftreten können. 
Haben wir doch erkannt, dass auch unter den Fällen von Fett¬ 
leibigkeit und von Leberanschwellung solche von larvierter Gicht 
vorhanden sind ; weshalb nicht auch unter den Fällen von Arterio¬ 
sklerose bzw. Hypertension ohne Uratablagerungen? Die gleiche 
Betrachtung lässt sich auf renale Fälle und schliesslich auch auf 
manche Neurasthenien anwenden. So ist es nicht unwahrschein¬ 
lich, dass in Fällen, wo keine andere Schädlichkeit als gewohn- 
heitsmässige Ueberernährung stattgefunden hat, die Stoffwechsel¬ 
überlastung als Ursache cardiovasculärer usw. Alterationen an- 
zuseben ist, zumal zuweilen auch Schmerzen von arthritischem 
Charakter dabei Vorkommen. Auch ohne alimentäre Schädlich¬ 
keiten kann sich auf Grund gichtischer Diathese eine larvierte 
Form der genannten Art entwickeln. 

Ich führe im folgenden kurz einige Fälle auf, welche man 
als larvierte Gicht ansehen muss. 

Herr R., 56 Jahre alt. Früher starker Fleischesser und Biertrinker. 

T. 200. Klappende Herztöne. Urin normal. Steifigkeit der Wirbel¬ 
säule. 

Herr H., 32 Jahre alt. Schwester gichtisch. Vater stark arterio¬ 
sklerotisch. War starker Fleischesser. T. 170. Herztöne hart und 
hämmernd. Asthma bronchiale. 

Frau L , 58 Jahre alt. Hat mehrfach, besonders vor 3 Jahren „Rheuma¬ 
tismus“ gehabt. Sehr nervös. Seit 2 Jahren besteht Albuminurie, 
0,1—0,3 pM. hyaline und gekörnte Cylinder. T. über 220. Systolisohes 
Geräusch an der Aorta. Zweiter Ton klingend. (Schrumpfnieie bei 
larvierter Gicht. Freilich bleibt in solchen Fällen auch die Deutung 
möglich: primäre Schrumpfniere, sekundäre Gichtbeschwerden.) 

Herr B., 67 Jahre alt. Hat stets viel an „Rheumatismus“ gelitten. ^ 
Jetzt besteht rechtsseitige Omarthritis. Starker Esser, auch Fleisch¬ 
esser, und Raucher. Zweiter Ton an der Aorta Btark aocentuiert; 
schwaches systolisches Geräusch au der Aorta. T. 160. Schwindel. 
Urin normal. 

Herr St., 33 Jahre alt. Aus gichtischer Familie. Leicht fett¬ 
leibig. Viel Neuralgien. Hyperästhesie der Herzgegend. Neurasthenie. 
Urin normal. Herz ein wenig dilatiert, Töne rein. 

Lebensalter. Das Prädilektionsalter für atypische Gicht 
ist für beide Geschlechter die Zeit der 40er und 50er Jahre. 


1) Bei einem typischen Gichtiker von 50 Jahren, welcher fett u 
sowohl starker Esser wie Trinker war, bestand trotzdem ein wem 
gutes Gefässsystem, ein Beweis, wie wichtig bei all diesen Dingen 
konstitutionelle Veranlagung ist. 


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20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1863 


Häufig scheint eine Beziehung zum Klimakterium za bestehen. 
Einige Male schien sich atypische Gicht nach vorzeitiger Meno¬ 
pause infolge von Ovariotomie zu entwickeln. Bei den in jüngeren 
Jahren von atypischer Gicht Befallenen handelte es sich zum 
Teil um aasgesprochen gichtische Disposition: ich fand gerade 
bei diesen lebhafte arthritische Schmerzen, gelegentlich hereditäre 
Belastung, besonders häufig cardiovascnläre Veränderungen (Hyper¬ 
tension, Arteriosklerose, systolisches Herz- oder Aortengeräusch), 
starke Fettleibigkeit, zuweilen Nierensteine oder Nierengries. Ver¬ 
einzelt kam vielleicht eine Struma, einmal ein Basedow in Be¬ 
tracht. üebereroährung, auch Potus spielte bei einem dieser früh 
erworbenen atypischen Gichtfälle wohl mit, aber auch nur bei 
einem Teile. 

Ich habe in meiner früheren Arbeit die Meinungsverschieden¬ 
heiten der Autoren über die Bedeutung der Menopause für die 
Gicht beleuchtet und möchte auf diesen Punkt hier nicht noch 
einmal zurückkommen. 

Uebergang atypischer Gicht in typische. 

Schon die Tatsache, dass die atypische Gicht sehr viel ver¬ 
breiteter ist als die echte, lässt darauf schlossen, dass Ueber- 
gänge der atypischen in die typische Form nicht gewöhnlich sind. 
Immerhin kommen sie vor. Ich habe in meiner früheren Arbeit 
zwei solcher Fälle mitgeteilt. 

Herr v. A., seit 10 Jahren in meiner Behandlung wegen einer chro¬ 
nischen, milde verlaufenden interstitiellen (indurativen) Nephritis, welche 
mit mehrfachen Winterkuren in Aegypten und auch sonst andauernd in 
hygieniäch-diätetischer Hinsicht auf das sorgfältigste behandelt wurde. 
Eine Ursache war nicht auffindbar. Im 5. Jahre der Beobachtung wurde 
ein rechtsseitiger Olecranontophus und Nackenknirschen beobachtet. In 
den letzten Jahren bildete sich eine leichte Hypertrophie des linken 
Ventrikels aus, die Arterien sind in geringem Grade rigid. T. 145 
(Riva-Rocci). Der 2. Aorten ton ein wenig verstärkt. Im vorletzten 
Jahre nun hat Patient in einem Zwischenraum von 6 Monaten zwei 
regelrechte Gichtanfälle, im letzten Jahre einen dritten Anfall erlitten. 
Röntgenuntersuchung ergab keine Nierensteine. 

Der Fall könnte als Ebstein’sche primäre Nierengicht aufgefasst 
werden. Aber bemerkenswert ist doch, wie er jahrelang das Bild einer 
atypischen Gicht darbot. 

Frau A., 40 Jahre alt, seit über 7 Jahren in meiner Beobachtung, 
klagt vorzugsweise über Kopfschmerz und Intercostalneuralgie, ferner 
über wechselnde ziehende Schmerzen in den Armen und Beinen. Sie 
zeigt Depressionen und iat gemütlich leicht erregbar. Objektiv: Anämie, 
Extremitates frigidae. Zeitweise auffallend häufiger Urindrang. Urin 
normal. Reflexe lebhaft. Herz normal. Knieknirschen. Leichte Steifig¬ 
keit des Metacarpophalangealgelenks des rechten Daumens. Vor 2 Jahren 
eine anscheinend gichtische Ausscheidung am Alveolarfortsatz des Unter¬ 
kiefers. Im vorigen Jahre (1911) zum ersten Male regelrechter Podagra¬ 
anfall. 

Die Patientin war, ehe sie in meine Behandlung trat, als eine 
Hysterica angesehen worden. Ich nahm lediglich wegen des Knie- 
knirschens und der Steifigkeit des Daumengelenks, trotz der Anämie, 
eine Gicht an. Der im 5. Jahre der Beobachtung erfolgte Gichtanfall 
bestätigte diese Auffassung. 

Ich füge folgende weitere Fälle hinzu: 

Frl. K., 65 Jahre alt, leidet seit langen Jahren an Lumbago, 
Omarthritis, Ischias; ferner an Pyrosis. War stets massig, hat aber, 
wenn auch angeblioh nicht in grossen Mengen, gern Fleisch gegessen. 
Seit einem Jahre eohte Gichtanfälle in beiden Händen. Rechts kleiner 
Olecranontophus. Links Knieknirschen. T. 210. Hypertrophie des 
linken Ventrikels, 2. Ton verstärkt, leises systolisches Geräusch an der 
Herzspitze (besonders in liegender Stellung). Arhythmie. Urin normal. 

HerrR , 52 Jahre alt. Seit iy 4 Jahren Polyarthritis, in den ersten 
Monaten leicht fieberhaft. Gelenke waren sehr schmerzhaft, einzelne 
stark geschwollen (Ellbogen, Hand, Knie). Von vornherein waren grosse 
Olecranontophi auffallend, rechts mehr als links. Beiderseits, rechts 
stärker als links Knieknirschen. Die Tophi verkleinerten sich im Laufe 
der Zeit bedeutend. Leber leicht geschwollen. Herz und Gefiisse gut. 
Onn normal. Nachdem Patient schon bedeutend gebessert war und 
wieder aufstand, trat November 1913 zum ersten Mal ein echter Gicht- 
äpfaU (Podagra) ein. Patient war stets starker Fleischesser und hatte 
ein überempfindliches Nervensystem. 

Herr B., 50 Jahre alt. Seit 15 Jahren häufig wiederkehrende 
Schmerzen in verschiedenen Gelenken (Schulter, Knie, Hüfte, Lumbago), 
ha letzten Jahre (1912) erster Podagraanfall. Knieknirschen beiderseits. 
Omarthritis dextra. Gholelithiasis. Leber massig geschwollen. Herz 
«in wenig nach links erweitert, 1. Ton an der Herzspitze unrein, ver- 
'“«nt T. 140. Drin normal. 

Frau M., 60 Jahre alt. Sobon seit Jahren an Gelenkschmerzen in 
verschiedenen Gelenken leidend. Erster Gichtanfall (Handgelenk) am 
T ^ ve * ter Giohtanfall (GrosszeheDgelenk) am 24. VII. 1913. 

• zUO; durch Diät usw. auf 160 herabgehend. Urin normal, Arterio- 
klero8e. Neurasthenie. 

Herr F., 4 g Jahre alt. Leidet seit Jahren an leichten ziehenden 


Schmerzen in verschiedenen Extremitäten. Olecranontophus links. Knie¬ 
knirschen beiderseits. Urin normal. T. 170. Cor schwach dilatiert, 
hypertrophisch. Systolisches Geräusch an der Spitze. Zuweilen Arhyth¬ 
mie. Im Laufe der Beobachtung bekommt Patient zum ersten Male 
einen Podagraanfall. 

Herr E., 50 Jahre alt. Olecranontophus beiderseits. In der Familie 
viele Fälle von Obesitas und Gallensteinen. Starker Fleischesser. T. 142. 
Herz normal. Im Urin Eiweiss, 0,5—1,0 pM., hyaline Cylinder, rote Blut¬ 
körperchen. Leberscbwellung. Occipitalneuralgie. Wegen der Nephritis 
Kur in Karlsbad. Nach derselben zum erstenmal Gichtanfall im Gross- 
zebengelenk, 

Herr M., 47 Jahre alt. Olecranontophus rechts, Verdickungen einiger 
Fingergelenke. T. 190. Urin normal. 2. Herzton verstärkt. Hat keine 
eigentlichen Gichtanfälle, aber neuerdings öfter Rötungen und Stechen 
am linken Grosszehenballen. 

Als Grenzfälle zwischen larvierter und atypischer Gicht 
kann man gewisse Fälle ansehen, bei welchen die Tophi bzw. 
das Knirschen so minimal sind, dass sie gerade an der Grenze 
der Erkennbarkeit sich befinden. Beispiele: 

Frau S., 48 Jahre alt. Seit 4 Jahren im Klimakterium. Sehr starke 
Fettleibigkeit seit vielen Jahren. T. 200. Zweiter Herzton klingend. 
Systolisches Aortengeräusch. Urin normal. Leichtes Knieknirschen 
rechterseits. Leidet viel an Gelenk- und Wirbelschmerzen. 

Frl. S., 58 Jahre alt. Starke Esserin. LebersehwelluDg. T. 160. 
Urin normal. Schwaches Knieknirschen beiderseits. 

Herr E., 52 Jahre alt. Starker Weintrinker gewesen. Fettleibig¬ 
keit. T. 175. Herz leicht nach links erweitert. Systolisches Geräusch 
an der Aorta, schwächer an der Spitze. Spur von Eiweiss, ohne Form¬ 
elemente. Leber etwas vergrössert. Minimaler Tophus am rechten Ole- 
cranon. 

Herr St., 66 Jahre alt. Leidet oft an „rheumatischen“ Schmerzen 
und Ischias. Hat stets viel Fleisch gegessen. T. 150. Urin normal. 
Herz leicht nach links dilatiert. Systolisches Geräusch an der Herz¬ 
spitze, unreiner erster Ton an der Aorta. Olt Oppressionsgefühl. Leber- 
schweilung. Minimaler Olecranontophus rechts. 

Auch Uebergänge kommen vor. Ich habe Fälle gesehen, 
welche zunächst keine, bei einer späteren Untersuchung aber 
geringfügige Uratablagerungen erkennen liesen. Andererseits 
kommt es vor, dass Tophi verschwinden, Knirschen sich stark 
vermindert. Man wird bei manchen Fällen auch die Möglichkeit 
zulassen müssen, dass kleine Uratablagerungen übersehen 
worden sind. 

Frau H., 52 Jahre alt. Bei einer Untersuchung im November 1910 
konstatierte ich lediglich Neurasthenie. Im Oktober 1918 minimaler Ole¬ 
cranontophus links. Präpatellare Tophi rechts 2, links 3, minimal. 
Starkes Knieknirschen beiderseits. T. 140. Urin normal. Herz normal. 
In beiden Handgelenken ein fixer Schmerz. Neurasthenie. Patient war 
stets nervöä und hat viele Aufregungen gehabt. 

Frau Sch., 58 Jabrc alt. Bei einer Untersuchung im November 
1912 konstatierte ich Neurasthenie, besonders nervösen Schwindel. Im 
Oktober 1913: Nach innen von der linken Kniescheibe ein Tophus. Sub¬ 
jektives Gefühl des Nackenknirschens bei Koptbewegungen. Patientin 
leidet seit Jahren an nervösen Beschwerden, besonders Kopfschmerzen 
und Schwindel, Gemütsdepressionen. Früher bestand eine Leber¬ 
schwellung, weswegen sie mehrfach Karlsbader Kuren unternommen hatte. 
T. 130. Herz gut. Urin normal. Reflexe gesteigert 

Herr K., 75 Jahre alt. Im September 1913 stellte ich plethoröse 
Fettleibigkeit und Hypertension (T. 200) bei normalem Urin fest. Nervöse 
Beschwerden. Uratische Ablagerungen vermochte ich trotz sorgfältiger 
Untersuchung nicht zu finden. Im Februar 1914 sah ich den Patienten 
wieder. T. 220. Erster Ton an der Herzspitze geräuschartig. Herz nach 
links dilatiert. Urin normal. Oppressionsgefühl und mannigfache ner¬ 
vöse Beschwerden. Jetzt bestehen, ohne dass inzwischen etwa ein Gicht¬ 
anfall aufgetreten wäre, zwei verschiebliche Tophi nach innen von der 
Patella vor dem Condylus int. femoris. 

Eine bedeutende Verkleinerung von Uratablagerungen konnte 
in zwei Fällen ganz unzweifelhaft beobachtet werden. Bei dem 
einen Falle bandelte es sieb um mehrere grosse Olecranontophi 
der rechten Seite, welche bis auf einen kleinen Rest zurück¬ 
gingen, im anderen Falle um einen Tophus seitlich von der Knie¬ 
scheibe, welcher vollständig verschwand. Auch das Gelenk¬ 
knirschen kann verschwinden. 

Ich will übrigens hier erwähnen, dass auch Miscbfälle von 
rheumatischen Gelenkerkrankungen und Gicht Vorkommen. 

Nephrolithiasis 1 ). 

Nierensteine und Nierengries sind sowohl bei der typischen 
wie bei der atypischen Gicht so auffallend häufig anzutreffen, 
dass man von einem zufälligen Zusammentreffen nicht sprechen 


1 ) Der modernen Doktrin, dass die Gicht einen Schutz gegen Nieren¬ 
stein-Erkrankung gewähre, vermag ich mich nicht anzuschliessen. Ich 
möchte- aber an dieser Stelle nicht näher auf diesen Punkt eingehen. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


kann. Ich fand dieselben bei der typischen Gicht in 7,8 pCt. der 
Fälle, bei der atypischen Gicht mit Topbusbildung in 6,2 pCt, 
bei der atypischen Gicht ohne Tophusbiidung (nur mit Knirschen) 
gleichfalls in 6,2 pCt. der Fälle. 

Die mit Nierensteinen bzw. Nierengries komplizierten Fälle 
zeigten in besonders hohem Prozentsatz Veränderungen des Gefäss* 
Systems: Hypertension ohne oder mit Hypertrophie bzw. Dila¬ 
tation des Cor. Dies durfte zum Teil mit einer gleichzeitigen 
Nierenaffektion Zusammenhängen, obwohl eine solche bei einem 
Teil der betreffenden Fälle durch den Ürinbefund nicht nach¬ 
zuweisen war. Es ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass 
die Gicht in diesen Fällen als sekundäre Nierengicht anzusehen 
wäre, was freilich schon deshalb unwahrscheinlich ist, weil die 
Nierentätigkeit meist keine merklichen Veränderungen darbot. 
Immerhin bedarf diese Frage weiterer Erforschung (s. unten). 

Im Anschluss hieran sind Fälle von Nephrolithiasis bzw. 
Nierengries zu erwähnen, welche, ohne dass Tophi oder Gelenk¬ 
knirschen oder Gichtanfälle vorhanden waren, ähnliche klinische 
Bilder zeigten, wie sie sonst bei der Gicht Vorkommen („urati- 
scher Symptomenkomplex“). 

So trifft man bei Patienten, welche Nierensteine haben oder 
gehabt haben, hochgradige Hypertension, Arteriosklerose, Herz- 
bypertrophie an, auch ohne dass manifeste Erscheinungen einer 
Scbrompfniere oder überhaupt einer Nierenerkrankung vorhanden 
sind. Es handelt sich hier wahrscheinlich um larvierte Gicht¬ 
fälle. In anderen, wie es scheint, seltener vorkommenden Fällen 
ist eine chronische Albuminurie vorhanden, durch welche die 
Veränderungen des Gefässsystems ihre Erklärung finden. 

Frau S., 56 Jahre alt. Hat vor 20 Jahren Nierensteine verloren. 
Urin normal. Herzhypertrophie. T. 200. 

Herr B., 62 Jahre att. Hat vor einigen Jahren einen Nierenstein 
verloren. Urin normal. Herzhypertrophie, klingender zweiter Aortenton. 
T. 200. 

Frau A., 50 Jahre alt. Hat mehrfach Ausscheidungen von Nieren- 
gries gehabt. Urin normal. Herzhypertrophie. Arhythmia cordis. T. 205. 
Arteriosklerose. Cholelithiasis. 

Auch artbritische Beschwerden kommen bei Nierensteinen 
vor, ohne dass nachweisbare Uratausscbeidnngen vorhanden sind. 

Frau G., 35 Jahre alt. Hat bei einer linksseitigen Nierenkolik einen 
Stein verloren. Ferner ist noch ein Stein im linken Ureter röntgeno- 
skopisch nachgewiesen. Rechte Niere und rechter Ureter schmerzhaft, 
ohne dass hier Steine nacbzuweisen sind (Sand?). Urin normal. Herz 
normal. T. 125. Leidet oft an Gelenkschmerzen. Keine typischen 
Gichtanfälle. Keine Uratablagerungen. 

_ Frau S., 32 Jahre alt. Hat mehrfach Nierensteine verloren. Viel 
U-Kristalle im Urin. Minimale Eiweissau9scheiduDg. Herz leicht dilatiert, 
systolisches Geräusch an der Spitze. Omarthritis dextra. 

Einige Male bestand eine Depression, wie sie bei Gicht so 
oft angetroffen wird. 

Herr A., 48 Jahre alt. Hat mehrfach Nierensteine verloren. Magen- 
neurose. Angioneurose. Gemütsdepression. Urin normal. Keine Urat¬ 
ablagerungen nachweisbar. 

Herr W M 58 Jahre alt. Vor 10 Jahren Nierensteinabgang. Mehr¬ 
fach Griesausscheidung unter kolikartigen Schmerzen. Obesitas. Herz 
leicht dilatiert. T. 170. Urin normal. Schwindel und Kopfschmerzen. 
Gemutsdepression, Energielosigkeit, Gefühl der Arbeitsunfähigkeit. Keine 
Uratablagerungen. 

Auch unter den Fällen von Leberschwellung ohne Urat¬ 
ablagerungen sind zahlreiche Nierensteinerkrankungen, nämlich 
4,9 pCt. Bemerkenswerterweise finden sich unter den Fettleibigen 
ohne Uratablagerungen sehr viel weniger Nierensteinkranke, 
nämlich 2,3 pCt. Die Beziehung der Leberanschwellung zum 
Harnsäurestoffwechsel tritt somit auch hier wieder hervor. Die 
Häufigkeit der Hypertension bei Nierensteinerkranknng, ohne dass 
Zeichen von Nierenerkrankung nachweisbar waren, war gleichfalls 
zn konstatieren. 

Diese Wahrnehmungen drängen wieder zu der Annahme, dass 
ein Teil der Fälle von Leberschwellung und von Fettleibigkeit 
trotz Fehlens von palpablen Uratablagerungen zur Gicht gehören. 

Es ist daran zu denken, dass die Nierensteine zum Teil auch 
alimentär durch übermässige Belastung des Purinstoffwecbsels und 
folgeweise Absonderung eines abnorm barnsäurereichen Urins be¬ 
dingt sein könnten, und dass die Veränderungen des Gefäss¬ 
systems auf gleicher Ursache beruhten. Die Anamnesen boten 
freilich nach dieser Richtung hin nicht genügende Anhaltspunkte. 

Glykosurie habe ich jetzt öfter gefunden als bei meinem 
früheren Material und kann bestätigen, was ich schon in meiner 
ersten Arbeit sagte, dass sie bei der echten Gicht häufiger vor- 
kommt als bei der atypischen. So fand ich bei der echten Gicht 


7.3 pCt, Fälle mit Glykosurie, bei der atypischen Gicht mit 
Tophi 8,7 pCt., bei der atypischen Gicht ohne Tophi 2,6 pCt. Von 
den Obesitasfälien (ohne Uratablagerungen) zeigten 5 pO„ von 
den Leberschwellungen (ohne Uratablagerungen) 12,3 pCt. Zucker¬ 
ausscheidung. Wahrscheinlich ist es weniger die gichtische Stoff- 
wechselstörung als solche, welche zur Zuckerausscheidung Be¬ 
ziehung bat, als vielmehr die alimentäre Schädigung, welche so 
oft bei der Gicht gleichzeitig angetroffen wird. Denn auch bei 
der Glykosurie der Gichtiker, der typischen wie der atypischen, 
findet man auffallend häufig Lebersch wellung und Fettleibigkeit. 

Nephrogene Gicht. 

Was die Frage betrifft, ob echte oder atypische Gicht durch 
eine primäre Nierenerkrankung bedingt sein könne, so ist mein 
Material zwar nicht geeignet, eine sichere Entscheidung nach der 
einen oder anderen Richtung zu bringen, aber jedenfalls ist die 
Zahl der beobachteten Nierenaffektionen nicht so gross, um 
letzteren eine erhebliche Bedeutung in diesem Sinne beizamessen. 

Von den echten Gichtanfällen waren 7 = etwalO pCt. Nieren¬ 
erkrankungen. Bei dreien der Fälle konnte ich nach weisen, 
dass die Nierenerkrankung sich später entwickelt hatte als die 
Gicht. 

Bei der atypischen Gicht findet sich dasselbe Verhältnis: 

10.3 pNt. Nierenfälle. 

Wenn die Nierenerkrankung zur Gicht führt, so sollte man 
erwarten, dass sie auch die Neigung zu Uratablagerungen erhöht. 
Man müsste somit bei den Nierenfällen besonders viel Tophi er¬ 
warten. Dies ist aber nicht der Fall. Bei meinen Fällen von 
echter Gicht fand sich fünfmal Albuminurie ohne Tophi und nnr 
zweimal mit Tophi. Zahlreiche renale Fälle zeigen nur Gelenk¬ 
knirschen. Unter den atypischen Gichtanfällen mit blossem 
Knirschen fand ich 8,9 pCt. Nierenerkrankungen, unter denjenigen 
mil Topbi 13,8 pCt., also einen nur unbedeutenden Unterschied. 

Bei der Fettleibigkeit ohne Uratablagerungen fanden sich 
4,6 pCt., bei der Leberschwelluog ohne Uratablagerungen dagegen 
11,1 pCt. Nierenerkrankungeo. Letztere hingen zum Teil mit 
alimentären Schädigungen, ferner mit Potus, Diabetes mellitus 
and Nierensteinbiidung zusammen. Trotz dieser grossen Zahl von 
Nierenfällen ermangelten die Fälle dieser beiden Gruppen der 
Uratniederscbläge. Wenn Nierenerkrankung zur Gicht führte, 
müsste man letztere doch bei jener oft finden, was aber nicht za- 
trifft; ich habe seit längerer Zeit auf Töphi und andere Gicht¬ 
symptome bei Nierenaffektionen geachtet, ohne freilich genauere 
statistische Angaben machen zu können. Schon die grosse Häufig¬ 
keit der atypischen Gicht spricht gegen die Abhängigkeit vou 
Nierenaffektionen, von welchen doch nicht bekannt ist, dass sie 
so verbreitet Vorkommen. Es ist daher viel wahrscheinlicher, 
dass die bei Gicbt vorkommenden Nierenerkrankuogen die Folge 
und nicht die Ursache der Gicht sind. 

Anderseits ist aber die Möglichkeit nicht in Abrede zu stellen, 
dass Nierenaffektionen mit einer Insuffizienz der Harnsäureaus¬ 
scheidung einhergehen und so gichtische Zustände bedingen können. 
So könnte man daran denken, dass die häufige Kombination von 
Hypertension bzw. Arteriosklerose mit Gicht auf einer Beein¬ 
trächtigung der Nierenfunktion durch renale Gefässaffektion be¬ 
ruhe (beginnende arteriosklerotische Schrumpfniere). Es wäre 
z. B. nicht unmöglich, dass eine klimakterielle, durch Unterfunktion 
der Ovarien bedingte Hypertension sekundär zur Insuffizienz der 
Harnsäureausscheidung und zu Uratablagerungen führte. Man 
wird behufs Entscheidung dieser Frage die Hamsänreverbältnisse 
im Blut und Urin bei Präsklerose untersuchen und den Entwick¬ 
lungsgang der Fälle von Gicht mit cardiovasculären Symptomen 
genau verfolgen müssen 1 ). 

Die gichtische Stoffwecbselstörung ist ausserordentlich häufig 
und kommt in den mannigfachsten Abstufungen vor. Das, was 
wir echte Gicht nenen, stellt nur den am meisten ausgeprägten 
Typ dar, welcher sich in einem kleineren Teil der Fälle findet 
und bei dem das Moment der Diathese am meisten hervortritt. 
Bei der atypischen Gicht, die eine abgescbwächte Form darstellt, 
handelt es sich nicht durchweg um e'me eigentliche Diathese, 
sondern vielfach um übermässige alimentäre Belastung und un¬ 
genügende Anpassung des Stoffwechselapparates sowie um un¬ 
genügenden Energieverbrauch, ln ihren Folgen scheinen diese 
Momente der eigentlich gichtischen Diathese so ähnlich zu sein, 
dass gleichartige Krankheitsbilder resultieren. Den eigentlichen 

1) Die Absätze über Nephrolithiasis, Glykosurie und nephrogene 
Gicht wurden wegen Zeitmangel nicht vorgetragen. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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20. Juli 1914. 


Störungen des Purin Stoffwechsels ähnlich können ferner, wie es 
scheint; allgemeine Stoffwecbselüberlastungen wirken. 

Die Therapie der atypischen Gicht unterscheidet sich nicht 
tod derjenigen der echten Gicht. Die Bedeutung der Lehre von 
der atypischen Gicht besteht in dem Nachweise, dass ein grosser 
Teil von nervösen und von Circulationssympfcoraen, wie auch von 
renalen, auf Stoffwechselstörungen beruht, welche den gichtischen 
nabeste'hen, sei es, dass eine Diathese, sei es, dass eine alimentäre 
Ueberlastung oder ungenügender Energieverbrauch vorliegt. Die 
Behandlung des Stoffwechsels, rechtzeitig und konsequent durch- 
gefübrt, kann gerade bei dem Krankheitsbilde der atypischen 
Gicht sehr erfreuliche Resultate zeitigen. Zu allen Zeiten bat es 
Aerzte gegeben, welche gerade durch diätetische Kuren grosse 
Rrfolge batten. Dies dürfte nicht zum wenigsten damit Zusammen¬ 
hängen, dass Stoffwechselstörungen im Sinne der atypischen Gicht 
biw. der Plethora mit ihren mannigfachen Folgeerscheinungen 
und Krankheitsbildern so ungemein häufig Vorkommen. 

Ich möchte schliesslich nicht verfehlen hervorzuheben, dass 
meine Darlegungen nicht den Anspruch erheben, durchaus be¬ 
wiesene Tatsachen zu bringen. Vielmehr bieten sich der prü¬ 
fenden Forschung noch mannigfache Lücken dar. Da aber auch 
die therapeutischen Erfolge mir für meine Auffassung zu sprechen 
scheinen, so halte ich dieselbe, wenn auch der weiteren Prüfung 
bedürftig, so doch für hinreichend begründet, um sie der Dis¬ 
kussion zu übergeben. 


Die Beziehungen der Thymus zum Morbus 
Basedowii. 

Referat. 

Von 

Dr. Hermann Matti-Bern. 

(Schluss.) 

In einer seiner letzten Arbeiten hat Basch 1 ) die Beziehungen 
derThyinus zur Schilddrüse eingehend behandelt uDd weist darauf 
hin, dass beide Organe in erster Linie echte Wachstumsdrüsen 
seien; aber abgesehen von dem funktionellen Parallelismus beider 
Organe hinsichtlich ihrer Beziehungen zum Knochen- und Nerven¬ 
system zeigt sich eine fernere Analogie in dem positiven Ausfall 
der Loewi’schen Reaktion bei thyreoidektomierten und thymekto- 
mierten Hunden, mit dem einzigen Unterschied, dass bei den 
schilddrüsenlosen Hunden der Adrenalinversuch schon wenige 
Standen nach derTbyreo-Parathyreoidektomie positiv wurde, nach 
der Thymusausschaltung erst im Verlaufe von 2—3 Wochen. 

Dieser auffällige Parallelismus, der sich auch in histogene- 
tischer Verwandtschaft zwischen ßcbilddrüse und Thymus äu*sert, 
gebt jedoch nicht so weit, dass die beiden Organe einander funk¬ 
tionell vertreten können. Basch hat Versuche Gebele’s, die 
entfernte Schilddrüse durch implantiertes Thymusgewebe zu er¬ 
setzen, mehrfach nachgeprüft, mit durchaus negativem Resultat, 
wir haben die Behauptung Gebele’s, dass ein funktioneller Er¬ 
satz der Schilddrüse durch die Thymus möglich sei, auf Grund 
kritischer Deberlegungen an anderer Stelle bereits abgelehnt; 
dorch die Versuche von Basch wird nun die Auffassung Gebele’s 
•rekt widerlegt. Wenn wir also eine weitgehende Analogie und 
eine nahe Verwandtschaft zwischen Schilddrüse und Thymus an- 
nebmeD, so können wir doch jedem der beiden Organe bestimmte 
spezifische Funktionen zugestehen. Diese Anschauung harmoniert 
*e r gut mit der Auffassang, dass die Beteiligung der Thymus 
am Krankheitsbild des Morbus Basedowii eine der Schilddrüsen- 
wjrkang gleichgerichtete sei.- 

Jedenfalls geht es unserer Ansicht nach nicht an, aus den 
* °g'eehen und klinischen Reduktionsvorgängen an den Schild- 
7 mekton * i ?';te r Basedowpatienten auf eine normalerweise 
dar j S e S en8€ jtige Förderung zu schliessen; denn abgesehen 
RavU’ ™ an über die Interpretation der von Capelle und 
Tim/ k ■ r j? keDen Befunde streiten kann, sind Schilddrüse und 
und 08 • j ® 0r ^ us Basedowii pathologisch veränderte Organe, 
nafh Tk ,8t , nnr . na ^rlich, dass die Besserung des Zustandes 
drfluA ^ mas ® X8t * r P at, °u auch im histologischen Bilde der Schild- 
Canp| X | Ur j ? kommt. Wir können deshalb der Ansicht von 
e qn< * Bayer, dass Aasfall derTbymus depressiv auf die 

III. Beiträge zur Physiologie und Pathologie der Thymus, 

ii. Ther., Bd 12 D S 6I 2 ^ ^ b ^ mus zur Scll ilddrüse. Zschr. f. eiper. Path. 


Schilddrüse wirke, durchaus nicht beipflichten. In ihrer klinischen 
Beobachtung liegt ebensowenig ein Beweis für die Annahme be¬ 
stimmter korrelativer Beziehungen im Sinne der Förderung oder 
Hemmung zwischen Schilddrüse und Thymus, wie in den tier- 
experimentellen Exstirpationen. 

Man kann allerdings nicht in Abrede stellen, dass durch die 
pathologische Funktion des einen Organs auch das andere beein¬ 
flusst wird, um so mebr, als es sich im gegebenen Falle um 
funktionell offenbar sehr nabestehende Organe handelt; doch kann 
die Veränderung beider Organe ebensogut eine koordinierte Er¬ 
scheinung aus gleicher Ursache darstellen. Diese Annahme scheint 
uns so lange die richtige zu sein, als wir einwandsfreie Beweise 
für eine ganz bestimmte Korrelation zwischen Schilddrüse und 
Tbymus nicht besitzen. Im übrigen verweise ich auf die ein¬ 
schränkenden Bemerkungen, die ich hinsichtlich der Organcorre- 
lation sowie der Begriffe Förderung und Hemmung in meinen 
früheren Arbeiten gemacht habe. Gegenüber der Auffassung von 
K1 08 e, Lampö nnd Liesegang 1 ), die sich die Tbymushyperplasie 
bei Basedow’scher Krankheit auf dem Umwege über die Keimdrüsen 
zustande gekommen denken: Schädigung der Zwischensubstanz 
der Keimdrüsen durch das pathologische Sekret der Schilddrüse, 
Hyperplasie der Thymus infolge verminderter Funktion der Keim¬ 
drüsen (entsprechend den Untersuchungen von Calzolah, 
Hammar, Paton und Goodall, Hendersen, Gelün), möchte 
ich mich ebenfalls skeptisch verhalten, weil die Experimente von 
Valtorta, Soli, Hart und Nordmann, Lucien und Parisot 
hinsichtlich der Beziehungen zwischen Thymus und Keimdrüsen 
gegenteilige Resultate ergaben. So lange die modernen Vor¬ 
stellungen über gegenseitige Förderung und Hemmung der Kritik 
nicht besser standhalten, ganz abgesehen davon, dass die Ein¬ 
teilung der innersekretorischen Organe in hemmende und fördernde 
Gruppen dem teleologischen Prinzip nicht entspricht, vermag ich 
in derartigen Nebenhypothesen nur eine unnötige Komplikation 
zu erblicken, durch welche die Forschung eher abgelenkt wird. 
Obschon wir heute noch nicht in der Lage sind, etwas Bestimmtes 
über die correlativen Beziehungen zwischen Schilddrüse und Thy¬ 
mus auszusagen, müssen wir doch die Frage zu 'beantworten 
suchen, ob es einen primären Thymus-Basedow gibt, und welches 
die relative Bedeutung ist, die jedem der beiden Organe für die 
Genese des Morbus Basedowii zukommt. Im Anschluss au die 
von uns bereits referierte Beobachtung stellte Hart die Behauptung 
auf, dass bei den Kombiuationsfällen von Basedow mit Tbymus¬ 
hyperplasie die Veränderung der Thymusdrüse das Primäre sei, 
weil Herzstörungen oft lange vor nachweisbaren Schilddrüsen- 
Veränderungen vorhanden sind; die Persistenz bzw. Hyperplasie 
der Thymusdrüse provoziert nach Hart eine funktionelle Hyper¬ 
plasie der Schilddrüse, zu dem hypothetischen Zwecke, die ge¬ 
steigerte Produktion giftiger tbymogener Stoffwechselprodukte zu 
paralysieren. Der Basedow entsteht nun, weil die Schilddrüse in 
ihrer kompensatorischen Tätigkeit über das Ziel hinausschiesst. 
Hart bemerkt ausdrücklich, dass bei solchen Fällen die gestörte 
Herztätigkeit ausschliesslich der Thymus zur Last fallen könne. 
Der plötzliche Tod strumektomierter Basedowkranker wäre nach 
Hart’s Auffassung einer thymogenen Autointoxikation als Folge 
plötzlichen Ausfalls kompensatorischer Schilddi üseuteile zuzu¬ 
schreiben. Da Hart an anderer Stelle betont, dass von einem 
Antagonismus zwischen Schilddrüse und Tbymus nach den Experi¬ 
menten Svebla’s nicht gut die Rede sein könne, so steht seine 
Annahme einer kompensatorisch entgiftenden Schilddrüsenwirkung 
bei Thymus-Basedowfällen sichtlich im Widerspruch mit seiner 
eigenen Ansicht. Wir glauben nicht, dass ein derartiger Antago¬ 
nismus zwischen beiden Organen irgendwie bewiesen ist und 
können deshalb die dargelegte Basedowtheorie Hart’s nicht 
acceptieren. Wenn man Hart die Theorie eines thymogenen 
Basedow zuschreibt, ist zu beachten, dass der Thymus nach der 
Auffassung dieses Autors wohl eine primäre auslösende Wirkung 
zukommt; die eigentlichen Basedowsymptome werden jedoch nach 
Hart wesentlich durch die überkompensierende Schilddrüse ber- 
vorgerufen. Im Gegensatz zu dieser Auffassung hält Basch die 
Annahme eines besonderen primären Thymus-Basedow für über¬ 
flüssig, da die Hyperplasie der Thymusdrüse nur eine sekundäre 
von der Anomalie der Schilddrüse abhängige Erscheinung und 
nicht als ein der Schilddrüsenerkrankung ätiologisch gleichwertiges 
Phänomen aufzufassen sei. Da sich Basch offenbar nur aufseine 
eigenen Untersuchungen und die Berücksichtigung der damaligen 

. 0 Klose, mit Lampe und Liesegang, Die Basedow’sche Krank¬ 

heit. Beitr. z. klin. Chir., 1912, Bd. 77, H. 3. 


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1366 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


experimentellen Literatnr stützte, während das neueste klinische 
und experimentelle Material nicht zu seiner Verfügung stand, 
brauchen wir dieser Auffassung keine ausschlaggebende Bedeutung 
beizumessen. Der prompte Rtlckgang aller klinischen Basedow- 
Symptome nach der Tbymusexzision bei der zweiten reinen Thym- 
ektomie Garrö’s, sowie die Fälle von Sauerbruch und Haberer 
sprechen mit aller Bestimmtheit dagegen, dass die Schilddrüse 
stets das krankheitsauslösende Organ sei, oder dass es den Base¬ 
dowkomplex ausnahmslos beherrsche. Man wird deshalb eine 
ätiologische Bedeutung der Thymusdrüse für die Entstehung der 
Basedowschen Krankheit heute nicht mehr rundweg ablehnen können, 
und man darf wohl von einem wenigstens partiell thymogenen 
Basedow sprechen. Der Beweis jedoch, dass in solchen Fällen 
die Schilddrüse durchaus unbeteiligt sei, ist nicht er- 
bracht, und so lange erscheintauch die Annahme eines rein thymo¬ 
genen Basedow nicht hinreichend begründet. Dagegen liegt nichts 
vor, was der Annahme eines primären Thymus-Basedow widersprechen 
würde, auch wenn wir mit Capelle und Bayer annehmen, dass 
bei einem solchen sich auch die Schilddrüse, wenn auch nur 
untergeordnet, am Zustandekommen der Krankheitssymptome be¬ 
teilige. Es kann somit als feststehend gelten, dass in 
einigen Fällen die pathologisch veränderte Thymus 
den Symptomenkomplex bei Morbus Basedowii vor¬ 
wiegend beherrscht, und es ist ferner wahrscheinlich, 
dass in solchen Fällen die Thymus das primär ver¬ 
änderte Organ darstellt; die Rolle der Schilddrüse ist 
hier zweifellos nur eine untergeordnete. Mit dieser 
Feststellung fällt die Auffassung, dass bei der Base¬ 
dowschen Krankheit die einzige und primäre Krank¬ 
heitsursache ausnahmslos in der Schilddrüse liege. Es 
kann auch keine Rede davon sein, dass die operativ zu erzielende 
Heilung stets der quantitativen Ausschaltung kranken Schild¬ 
drüsengewebes entspreche, weil heute eine Reihe von Beobachtungen 
vorliegen, bei denen die Reduktion der Schilddrüse keinerlei 
Effekt batte, während Inangriffnahme der Thymus von einer un¬ 
zweideutigen Besserung gefolgt war. Im übrigen ist hier nicht 
der Ort, auf die feststehende Bedeutung der Schilddrüse für die 
Genese des Morbus Basedowii einzutreten; doch sei ausdrücklich 
darauf hingewiesen, dass in Zukunft neben der Thyreoidea stets 
auch die Thymus in den Kreis der ätiologischen und therapeu¬ 
tischen Ueberlegungen zu ziehen ist. 

Der Ansicht, dass die Thymus bei Morbus Basedowii zweifellos 
als krankmachender Faktor in Betracht fällt, hat sich auch 
Lampe 1 ) angeschlossen. Mit Hilfe des Abderhalden’schen Dialysier- 
verfahrens suchte er die Rolle der Thymus bei Basedowscher 
Krankheit zu ergründen, von der Annahme ausgehend, dass bei 
einer Dysfunktion der Thymus ihr Produkt blutfremd wirke, die 
Abderhaldeo’sche Reaktion somit positiv ausfallen müsse. Larap6 
schliesst aus den Resultaten seiner Untersuchungen, dass bei den 
meisten seiner Basedowkranken eine dysfunktionierende Thymus 
vorhandeu war. Wo kein Abbau der Thymus nachgewiesen wurde, 
ist man nur zu dem Schlüsse berechtigt, dass keine Dysfunktion 
der Thymus vorliegt, nicht aber, dass die betreffenden Kranken 
überhaupt keine Thymusträger sind. Diese Resultate haben für 
die vorliegende Frage zweifellos grosses Interesse. Sie scheinen 
unsere Ansicht zu bestätigen, dass bei einer grossen Zahl von 
Basedowfällen der hyperplastischen Thymus eine pathologische 
Rolle zukommt. Doch dürfte es angezeigt sein, bei dem gegen¬ 
wärtigen Stande der Diskussion über das Abderhalden’sche Ver¬ 
fahren mit der Verwertung der Resultate La mp 6’s noch zurück¬ 
haltend zu sein. 

Welches ist nun die nosologische Stellung der hyperplastischen 
Thymus bei der Basedow’scben Krankheit? Von Gierke und 
Hart ist die Auffassung vertreten worden, dass die Wirkung von 
Schilddrüse und Thymus bei der in Frage stehenden Krankheit 
eine kompensatorische sei. Gierke denkt daran, dass patho¬ 
logische Funktionen beider Drüsen sich bis zu einem gewissen 
Grade kompensieren könnten, Hart spricht von einer funktionellen 
Hyperplasie der Thyreoidea zum Zwecke kompensatorischer Ent¬ 
giftung der thymogenen Stoffwechselprodukte und sieht in einer 
über das Ziel hinausschiessenden Kompensation den Grund der 
Basedowschen Krankheit. Nach Gierke wäre somit die Thymos- 
hyperplasie ein natürlicher Reguliernngsvorgang, während nach 

1) Lamp6 und Papazolu, Serologische Untersuchungen mit Hilfe 
des Abderbalden’schen Dialysierverfabrens bei Gesunden und Kranken. 
Studien über die Spezifität der Abwehrfermente. II. Untersuchungen 
hei Morbus Basedowii, Nephritis und Diabetes mellitus. M.m.W., 1913, 
Nr. 28. 


Hart der hyperplastischen Thymus eine primäre, wenn auch in¬ 
direkte ätiologische Rolle zukommen würde. Gegen die Annahme 
Gierke’s sprechen die Resultate der Thymektomie bei Basedow- 
kranken, die Injektionsversuche mit Tbymuspressaft und wohl 
auch die Implantationsversuche Bircher's. Von einer rein 
kompensatorischen Wirkung der Thymus kann somit nicht die 
Rede sein. Auch die Ansicht Hart's, dass der Thymus nur in¬ 
direkt über die Schilddrüse eine ätiologische Bedeutung zukomme, 
scheint uns durch die Ergebnisse der Thymektomien bei Morbus 
Basedowii und durch die erwähnten Experimente widerlegt zu 
werden. Wir halten es für durchaus gegebeo, ganz bestimmte 
Einwirkungen der Thymus, im besonderen auf das Herz, an- 
zunehmeu, was übrigens an anderer Stelle auch Hart annimmt. 
Wir hätten somit eine der Schilddrüsenwirknng gleichsinnige, 
potenzierende Wirkung der Thymus vor uns; dieser Ansicht 
schliesst sich nach seinen Erfahrungen auch Garrö an. Gegen 
diese Auffassung scheinen die eingangs dieser Arbeit erwähnten 
postoperativen Todesfälle zu sprechen, die bei Basedowpatienten 
mit Thymushyperplasie während der Operation oder im unmittel¬ 
baren Anschluss daran auftreten. „Wenn sich w , so sagt mau, 
„Thymus- und Schilddrüsensekret in ihrer pathologischen Wirkung 
wirklich summieren, so dürfte man doch eine Besserung der 
Krankheit durch die Hemistrumektomie erwarten.“ Ich habe an 
anderer Stelle ausgeführt, dass dieser Schluss durchaus nicht 
zwingend ist, denn abgesehen von dem günstigen Einfluss der 
Thymektomie bei Morbus Basedowii erzielte v. Eiseisberg durch 
Hemistrumektomie bei Basedow mit Thymushyperplasie ganz be¬ 
sonders günstige Resultate. Es kaun nach unseren heutigen 
Kenntnissen keinem Zweifel unterliegen, dass eine ganze Reibe 
durch Schilddrüsenoperationen der Heilung zugeführte Basedow- 
patienten offenbar Thymusträger sind. Ferner ist darauf hin- 
zuweisen, dass bei einer Anzahl Basedow patienten mit Thymus¬ 
hyperplasie, die einer Schildrüsenoperation erlagen, offenbar viel 
zu weitgehende Operationen gemacht wurden. Derartige Operationen 
können erfahrungsgemäss schon Basedowkranken zum Verhängnis 
gereichen, die keinen Status thymicus aufweisen; bei Kranken, 
die unter der potenzierten, schädigenden Wirkung von Schild¬ 
drüse und Thymus stehen, hat der ungünstige Verlauf derartiger 
Eingriffe sicher nichts Auffälliges an sich. Diese schlimmen Er¬ 
fahrungen sind deshalb auch nicht geeignet, die Annahme einer 
gleichsinnigen, schädigenden Wirkung des Thymus- und Schild¬ 
drüsensekrets zu widerlegen. 

Was nun im besonderen die hohe Mortalität von Basedow¬ 
kranken mit Thymushyperplasie betrifft, so habe ich in einer 
früheren Arbeit darauf hingewiesen, dass nach experimenteller 
Tbymusausscbaltung das Nebennierenmark beinahe ausnahmslos 
hypertrophisch wird; diese Befunde wurden in neuester Zeit von 
Klose bestätigt. Andererseits beobachteten wir bei Tieren mit 
Tbymusbyperplasie eine auffällige Hypoplasie des Nebennieren¬ 
marks. Ganz abgesehen davon, ob die Hypertrophie des Neben¬ 
nierenmarks in unseren Experimenten wirklich dem Wegfall eines 
von der Thymus ausgehenden depressorischen Faktors zuzuschreiben 
sei, oder ob eine solche Korrelation im Sinne gegenseitiger 
Hemmung nicht bestehr, liegt es jedenfalls nahe, in der von 
Wiesel, Hedinger u. a. nachgewiesenen Koinzidenz von Status 
thymo-lymphaticus und Hypoplasie des chromaffinen System» 
einen Ausdruck gesetzmässiger Beziehungen zwischen Thymus und 
chromaffinem System zu erblicken. Wir haben an anderer 
Stelle eingehend begründet, weshalb wir die Hypo¬ 
plasie des chromaffinen Systems als von der Thymus¬ 
hyperplasie und nicht vom Status lymphaticus abhängig 
betrachten. Capelle und Bayer schieben mir in ihrer Arbeit 
die Behauptung zu, dass ich die Markhypoplasie der Nebenniere 
nur als Teilsymptom eines Status lymphaticus ansehe; eine der¬ 
artige Behauptung habe ich niemals aufgestellt, sie steht viel¬ 
mehr in striktem Gegensatz zu meinen eingehenden Ausführungen ). 
Wiesel hat seinerzeit darauf hingewiesen, „dass eine schlechte 
Entwicklung des chromaffinen Systems, dessen Sekret eine eminent 
blutdrucksteigernde ußd den Tonus der Gefässmuskulatur und 
des Herzens erhöhende Wirkung ausübt, für die Erklärung plötz¬ 
licher Todesfälle heranzuzieheu wäre. Bei mangelhafter Lieferung 
dieses Sekrets würden Noxen, die unter normalen Verhältnissen 
bloss vorübergehend Hypotonie und Erniedrigung des Drucks im 
Arteriensystem hervorrufeD, direkt zu Gefässläbmung und Herz¬ 
stillstand fuhren“. Wir glauben, dass diese Auffassung Wiesel» 

1) Untersuchungen über die Wirkung experimenteller Ausschaltung 
der Thymusdrüse. Mitt. Grenzgeb., Bd. 24, H. 4 u. 5, S. 784 ff. 


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20, Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1307 


durch unsere Versuche eine gewisse experimentelle Stutze ge¬ 
wonnen hat, und dass man diese Verhältnisse für die Erklärung 
der erhöhten Gefährdung Basedowkranker mit Thymushyperplasie 
heranziehen darf. In der erwähnten Arbeit über die Kombination 
von Morbus Basedowii mit Thymushyperplasie haben wir nun 
einige Fälle beschrieben, bei denen das Nebennierenmark auf¬ 
fällig schlecht entwickelt war, and in einem besonders bösartig 
verlaufenden Falle, den wir der Mitteilung Hedinger’s ver¬ 
danken, fand sich beinahe kein Mark und nur ganz spärliche, 
schwach tingierte chromaffine Zellen. In seiner Arbeit berichtet 
Pettavel 1 ), dass in vier von ihm untersuchten Fällen Basedow¬ 
scher Krankheit die geringe Menge von Marksubstanz auf¬ 
fällig war; dabei handelte es sich stets auch um Status 
lymphaticu8, zweimal mit ausgesprochenem Status thymicus. 
Eine Cbrombräunung der Markzellen wurde nur in einem Falle 
erzielt, und zwar nur in sehr geringem Grade 2 ). Eine gleich¬ 
zeitig beobachtete celluläre Hypertrophie des Markes ist 
wohl als KompensatioDsversuch aufzufassen; maassgebender dürfte 
die Hypoplasie des gesamten Marks sein. Capelle und Bayer 
beschreiben in ihrer neuesten Arbeit ebenfalls zwei schwere 
Basedowfälle, die unmittelbar nach dlnem operativen Eingriff 
ad exitom kamen; die Nebennieren waren platt, mit vollkommen 
hypoplastischem Mark, welches in einem Falle auf eine papier- 
dünne Zwischenlage reduziert war. Da Status lymphaticus, wie 
ausdrücklich bemerkt wird, fehlte, erblicken wir in diesen Be¬ 
obachtungen eine Stütze unserer Auffassung von einer gesetz- 
mässigen Hypoplasie des chromaffinen Systems (im besonderen 
des Nebennierenmarks) bei Thymusbyperplasie. Neben dem 
direkt schädigenden Einfluss der Thymus kommt somit 
noch die mangelhafte Fuoktion des Nebennierenmarks, 
resp. des chromaffinen Systems, für die Erklärung der 
Basedow-Tbymustodesfälle in Betracht. Mit unserer An¬ 
nahme scheint die von Fränkel, Börking und Trendelen- 
burg u. a. behauptete Adrenalinvermehrung im Blute Basedow- 
kranker nicht übereiozustimmen; da nun nach den Untersuchungen 
•von Asher und Flack das Schilddrüsensekret offenbar Sym- 
pathicusendapparate für das Adrenalin sensibilisiert, kann die 
mittels biologischer Methoden nachgewiesene Ad renalin Vermehrung 
im Blate Basedowkranker auf dieser Sensibilisierung beruhen 
und ist somit für eine Adrenalin Vermehrung nicht beweisend. 
Ebensowenig spricht gegen unsere Auffassung, dass Ingier und 
Schmor 1 mit der Commessati’schen Methode bei einem Basedow¬ 
fall unternormalen, bei einem zweiten mit Thymuspersistenz nor¬ 
malen Adrenalingehalt fanden; denn es ist klar, dass der 
quantitative Nachweis des Adrenalins in den Nebennieren nichts 
über die im Kreislauf befindliche Adrenalinmenge aussagt; der 
morphologische Nachweis einer Markhypoplasie erlaubt in der 
Frage der funktionellen Dignität des Nebennierenmarks wohl 
mas88gebendere Rückschlüsse. 

Auf die Frage des Tbymustodes können wir an dieser Stelle 
nicht eingehen. Soweit die deletäre Wirkung der Thymus bei 
Basedowscher Krankheit in Betracht fällt, wird sie nach unseren 
heutigen Kenntnissen wohl am besten mit der Annahme einer 
Dysthymisierung und der erwähnten mangelhaften Leistungsfähigkeit 
des bypoplastischen chromaffinen Systems erklärt. 

ln neuerer Zeit tritt die Tendenz immer mehr zutage, die 
hyperplastische Thymus für das sogenannte Basedowblutbild ver¬ 
antwortlich zu machen. Nach Caro, Gordon, Kocher, 
fiühler, van Lier u. a. zeigt das weisse Blutbild bei Morbus 
ßwedowii konstant eine relative oder absolute Lympbocytose. 
Ferner soll eine gewisse Eosinophilie, eine Zunahme der grossen 
oonooucleären Zellen, eine Leukopenie (Kocher) von Bedeutung 
•ein. Nach Lampe 8 ), Klose, Liesegaug u. a. ist nur die Ver¬ 
mehrung der Lymphocyten, der grossen und der kleinen, für das 
Bzsedowblntbild charakteristisch. Im Gegensatz zu Kocher, nach 
dessen Angaben klinische und hämatologische Ausheilung parallel 
gehen sollen, fanden Klose, Liesegang und Lampä an einem 
powen Basedowmaterial der Rehn’scben Klinik (52 Fälle), dass 
wi sämtlichen zum grössten Teile mit bestem Erfolg operierten 
an< * als geheilt za bezeichnenden Basedowpatienten die Lympho- 

1) Beitrag zur pathologischen Anatomie des Morbus Basedowii. i 

D Zschr. f.Chir., Bd. 116. 

2) Anmerkung bei der Korrektur: In einer neueren Arbeit (Mitt. 
t Bd. 27, H. 4) beschreibt Pettavel 8 weitere Basedowfälle, 

. aenen & e )oe erhebliche Hypoplasie des Nebennierenmarks aufwiesen, 

*tar betrifft es mit einer Ausnahme Fälle mit Thymushyperplasie. 
^ am p6, Die Blutveränderungen bei Morbus Basedowii im Lichte 
Forschung. D.m.W., 1912, Nr. 24. 


cytose persistierte. Das Blutbild hatte sich nur wenig oder gar 
nicht im Sinne einer Besserung geändert. Diese Befunde be¬ 
stätigte Bar ach an 12 Fällen der Küttoer’scheo Klinik. Ex¬ 
perimentelle Untersuchungen, die Lamp6 mit seinen Mitarbeitern 
anstellte, ergaben nun keinerlei swingenden Beweis für die Ab¬ 
hängigkeit der Lymphocytose von der Schilddrüse, weshalb 
Lampe der Thyreoidea einen direkten Einfluss auf das Mischungs¬ 
verhältnis der weissen Blutkörperchen abspricht. Jedenfalls 
stehen diese Resultate in einem fühlbaren Gegensatz zu den Be¬ 
richten aus der Kochor’scbou Klinik. ScKumaeher und Ruth 
weisen übrigens darauf hin, dass die Untersuchungen Tu rin’s 
am Kocher’schen Material keine einzige Beobachtung aufweisen, 
die eine dauernde Rückkehr des Blutbildes zur Norm nach Ein¬ 
griffen an der Schilddrüse beweisen würde, und dass zudem die 
Mehrzahl der Turin’scben Untersuchungen I—2 Tage nach der 
Operation angestellt wurde, also zu einer Zeit, wo das Basedow¬ 
blutbild von der gewöhnlichen postoperativen Leukocyteoreaktion 
vollständig verdeckt wird. Ohne auf eine nähere Kritik dieser Unter¬ 
suchungen einzugehen, muss man jedenfalls sagen, dass die direkte 
and ausschliessliche Abbäogigkeit des sogenannten Basedowblut¬ 
bildes von der Funktiou der Schilddrüse in letzter Zeit sehr 
fraglich geworden ist. Vielmehr legen neuere Beobachtungen die 
Annahme nahe, dass das sogenannte Basedowblutbild, d. h. ins¬ 
besondere die relative Vermehrung der Lymphocyten, auch von 
der Thymus abhängig sein könnte. Dafür sprechen io erster 
Linie die Beobachtungen an den Garrö’schen „Thymektomien“ 
mit der bereits beschriebenen Rückkehr des Blutbildes zur Norm, 
oder doch mit ihrer bedeutenden Besserung des Blutbildes. Io 
einem weiteren Falle, über den Capelle und Bayer berichten, 
war nach einer durch Kocher ausgeführten halbseitigen Strum- 
ektomie die Lymphocytose von 45,6 auf 87,7 pCt. gesunken. 
Nach der von Gar re vorgenommenen Thymusresektion sanken 
die Lymphocyten auf die normale Zahl. Ebenso frappant war die 
Besserung des Blutbildes im Falle Sauerbrucbs. Einen gleich 
grossen Rückgang der Lymphocyten (von 76 auf 37 pCt.) be¬ 
obachteten Klose und Lamp6 bei mehreren Kindern, bei denen 
eine hyperpiastische Thymus reseziert worden war. Experimentelle 
Injektion von Basedow-Tbymussubstanz bei Hunden war von einer 
ausgesprochenen Lymphocytose gefolgt und zwar zeigte sich diese 
Lymphocytose am ausgeprägtesten bei einer ovarektomierten 
Hündin. LampA nimmt deshalb mit Klose und Liesegang an, 
dass die Basedotbymus für die Erzeugung der Lymphocytose ver¬ 
antwortlich sei. Im besonderen soll das Produkt der dysfunktio¬ 
nierenden Schilddrüse zunächst die interstitielle Substanz der 
Keimdrüsen schädigen; durch diese Schädigung kommt es zn 
einer Hyperplasie der Thymusdrüse und von der Thymus ist 
schliesslich die Lymphocytose abhängig, sei es, dass deren 
spezifisches Produkt einen direkten Reiz auf das lymphathische 
System ausübt, sei es, dass es vagotonisierend wirkt und dadurch 
die lymphocytäre Vermehrung erzeugt. Soweit die Ansichten 
La mp 6’s und seiner Mitarbeiter. 

Ueber die allgemeine Frage, ob die Thymus ein blutbildendes 
Organ sei, herrscht in der Literatar noch nicht vollständige Ueber- 
eiostimuiuDg, doch ist es wahrscheinlich, dass der Thymusdrüse 
wenigstens im extrauteriuen Leben jede bämatopoetische Begabung 
abgeht. Damit ist aber, wie Klose bemerkt, die Möglichkeit 
nicht ausgeschlossen, dass das spezifische Sekretionsprodukt der 
Thymus auf die blutbildenden Apparate einen Einfluss aasübt. In 
diesem Sinne sind neuere Versuche von Klose, Lampe und 
Liesegang zu verwerten, die bei tbymektomierteu Hunden eine 
progressive Abnahme der Lymphocyten bis weit unter normale 
Werte, sowie das Auftreten einer deutlichen Lympbocytose nach 
intravenöser Injektion von Tbymuspresssaft ergaben. In gleichem 
Sinne möchte Klose auch eine Beobachtung Bircher’s verwerten, 
der bei seinen Versuchstieren nach Implantation von Basedow¬ 
thymus eine ausgesprochene Lymphocytose nachwies. Soweit diese 
Experimentalarbeiten in Betracht fallen, ist die Frage jedenfalls 
noch nicht spruchreif 1 ). Gapelle und Bayer halten den von 
Lamp6, Klose und Liesegang vertretenen Standpunkt für „all¬ 
zu prononciert“. Sie beobachteten bei einer Patientin Garrö’s, 
dass das nach Tbymektomie normal gewordene Blut nach einer 
sekundären operativen Redaktion der Schilddrüse wieder im Sinne 
einer Lympbocytose pathologisch wurde. Entsprechend nehmen 
sie an, dass in der Schilddrüse unter Umständen Stoffe frei werden, 


1) Weil andere Untersueher keine wesentliche Veränderung des Blut¬ 
bildes nach Thymusexstirpation fanden (Seiler am Material des Refe¬ 
renten, Schulz an früherem Materiale von Klose und Vogt). 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


die nicht erat auf dem Umwege über die Thymus auf die Quelle 
der weissen Blutelemente einwirken, und anerkenuen wohl ein 
bestimmtes Vorherrschen der Thymussekrete über die Blutmischung, 
aber kein ausschliessliches Beherrschen des Basedowblutbildes 
durch die Thymus. Nach den vorliegenden Untersuchungen 
wird man eine ausschliessliche Abhängigkeit des 
Baaedowblutbildes von der Scbilddrüsenfunktion wohl 
nicht mehr aufrecht erhalten können. Wenn auch die ex¬ 
perimentellen Untersuchungen ein abschliessendes Urteil noch nicht 
gestatten, so weist doch die klinisch nach Thymusresektion mehr¬ 
fach beobachtete Besserung des sogenannten Basedowblutbildes 
unbedingt auf eine ätiologische Bedeutung der Thymus hin. Gegen 
die ausschliessliche Bedeutung der Schilddrüse für das Basedow¬ 
blutbild sprechen auch neuere Untersuchungen Borchardt’s 1 ), der 
nicht nur bei Fällen von Morbus Basedowii, sondern auch bei 
allen andern Erkrankungen der Schilddrüse, der Hypophyse und 
der Nebennieren in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Ver¬ 
änderungen des Blutbildes fand, deren konstanteste die relative 
und absolute Vermehrung der einkernigen Zellen, insbesondere 
derLymphocyten, war. Die gleichen Veränderungen fand Borcbardt 
bei Patienten mit den klinischen Erscheinungen eines Status 
thymico-iymphaticus. Da nun bei den Erkrankungen der Schild¬ 
drüse, Hypophyse und Nebennieren sowohl klinische wie ana¬ 
tomische Zeichen von Status thymico-iymphaticus in sehr vielen 
Fällen festgestellt worden sind, hält sich Borcbardt für be¬ 
rechtigt, in all den genannten Fällen die Veränderungen des Blut 
bildes auf den Status lymphaticus resp. thymico lymphaticus zu 
beziehen. Die Möglichkeit näherer Beziehungen der Thymusdrüse 
zum sogenannten Basedowblutbild beansprucht zweifellos grosses 
Interesse; doch sollte man nicht vergessen, dass es angezeigt ist, 
die ganze Frage der Basedow’schen Blutveränderungen mit etwas 
grösserer Reserve zu behandeln, als das in den letzten Jahren 
namentlich von gewissen Schulen geschehen ist. Von einer 
Spezifität des in Frage stehenden Blutbildes für die Basedowsche 
Krankheit kann heute wohl keine Rede mehr sein; ganz abgesehen 
davon, dass auch bei Myxödem ein analoges Blutbild gefunden 
wird (das sich nur in der Reaktion auf Zufuhr von Scbilddrüsen- 
präparaten entgegengesetzt dem Basedowblutbild verhalten soll) 
verweisen wir auf die angeführten Untersuchungen Borchardt’s. 
Ferner trifft man nicht selten bei neurastbeniscben und hysteri¬ 
schen Zuständen eine relative Lymphocytose verschiedenen hohen 
Grades, so dass die differentialdiagiiostiscbe Abgrenzung dieser 
Fälle gegenüber Tbyreotoxicosen mit Hilfe des Blutbildes leider 
nicht möglich ist. Wir verfügen selbst über einige einschlägige 
Beobachtungen und beziehen uns im übrigen auf eine grössere 
Untersucbungsreibe von Dr. Tobler, der seine Erfahrungen in 
nächster Zeit publizieren wird. Da nun nach den soeben ver¬ 
öffentlichten Untersuchungen von Julius Bauer und Marianne 
Bauer 2 ) bei Kropfigen ohne Rücksicht auf den Funktionszustand 
ihrer Schilddrüse eine Verzögerung der Gerinnung beobachtet 
wird, die bei Hypothyreosen in der Regel noch ausgesprochener 
ist, so fällt auch dieses Kriterium zur Unterscheidung der Hyper- 
und Hypothyreosen dahin. Es mag besonders interessieren, dass 
eine Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes ausser¬ 
ordentlich häufig auch bei andern Alterationen des Blutdrüsen¬ 
systems, sowie bei allgemeiner Neuropathie und Status bypo- 
plasticus vorkommt. Die Berücksichtigung all dieser neueren 
Daten veranlasst uns, die Frage des Basedowblutbildes und seiner 
Abhängigkeit von der Funktion der hyperplastischen Thymus heute 
noch mit ziemlicher Reserve zu beurteilen, um so mehr, als die 
vorliegenden experimentellen Untersuchungen einer einheitlichen 
Interpretation noch nicht zugänglich sind. 

Ebenso skeptisch verhalten wir uns gegenüber der nament¬ 
lich von Capelle und Bayer vertretenen Auffassung, dass die 
sogenannten vagotoniscben Basedowsyraptome in überwiegendem 
Maasse von der Thymus beherrscht würden. Wir können die Frage 
der vagotoniscben und sympathikotoDischen Basedowfälle, wie sie 
von Eppinger, Hess, Kostlivy und von Noorden jun. postu¬ 
liert werden, nicht in extenso aufrolleu, doch sei darauf hinge¬ 
wiesen, dass nach den Angaben zahlreicher Autoren, so io letzter 
Zeit von Capelle und Bayer, feststehen dürfte, dass sympathische 
vagische Symptomgruppen im einzelnen Basedowfalle so gut wie 

1) Borcbardt, Ueber das Blutbild bei Erkrankungen der Drüsen 
mit innerer Sekretion und seine Beziehungen zum Status thymico- 
iymphaticus. D. Arch. f. klin M., 1912, Bd. 106, S. 182. 

2) J. und M. Bauer, Untersuchungen über Blutgerinnung mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung des endemischen Kropfes. Zschr. f. klin. M., 
1913, Bd. 79, S. 13. 


nie für sich existieren, sondern dass wir stets klinisch gemischte 
Bilder vor uns haben, bei denen sowohl das vagiscbe als das 
sympathische Nervensystem sieb als ionisiert erweist. Schon die 
Gegenüberstellung der vagischen und sympathischen Basedow- 
Symptome, wie sie von Eppinger und Hess gegeben wird, muss 
zur Kritik herausfordern, weil sie mit einer gewissen Willkürlich- 
keit vorgenommen wurde. So deckt sich nicht einmal das adrena- 
linopbile System mit dem Sympatbicus, indem die Schweissdrüsen 
dem Parasympathicus zugeteilt werden, was doch, wie Kraus 1 ) in 
seinem Referat über die Schilddrüse usw. auf dem letzten inter¬ 
nationalen medizinischen Kongress bemerkte, zum mindesten nicht 
bewiesen ist. 

Ferner bildet die Lähmung des Herzvagus durch Atropin eine 
bemerkenswerte Ausnahme von der allgemeinen Wirkung dieses 
Pharmakons auf die fördernden Fasern des Vagus. Das Wirkungs¬ 
gebiet der pharmakologischen Antagonisten deckt sich somit nicht 
mit den anatomisch-physiologischen Einheiten, im speziellen Falte 
mit dem sympathischen und parasympatbischen System, ganz ab¬ 
gesehen davon, dass die Begriffe der Förderung und Hemmung, 
wie schon erwähnt, rein konventionelle sind. Kraus weist nun 
im besonderen darauf hin, dass bei Morbns Basedowii eine Reihe 
von Symptomen sich nicht auf die Peripherie des vegetativen 
Nervensystems, überhaupt nicht nur auf den Sympathicus be¬ 
schränken lassen, wenn es auch nahe liegt, gewisse Erregungs¬ 
zustände der Basedowiker als peripher lokalisiert zu betrachten. 
Eine Reibe von Symptomen bei Morbus Basedowii haben bestimmt 
cerebiaien bzw. psychischen Ursprung. Die Wiener Schule nimmt 
für das Schilddrüsensekret eine Wirkung auf das sympathische 
und vagiscbe System an; Capelle und Bayer acceptieren diese 
Auffassung und übertragen sie in entsprechender Weise auch auf 
die Thymus. Doch gesteht Eppinger ausdrücklich zu, dass die 
Unterscheidung entgegengesetzt syropathicotoniscber und vago- 
tonischer Zustände bei psychisch erregten Individuen überhaupt 
nicht mehr durchführbar ist, indem hier mit beiderlei Reizmitteln 
abnorm starke Effekte erzielt werden. Es bedeutet deshalb nach 
Kraus eine selbstgeschaffene Schwierigkeit, antagonistisch an¬ 
greifende Kräfte gleichzeitig und in verschiedenen Kombinationen 
von demselben Hormon aus in Aktion gesetzt zu denken. Nimmt 
man mit A. Kocher und Capelle und Bayer histologisch diffe¬ 
renzierte sympatbicotonisierende (überwiegende Cylinderzellwucbe- 
rung) und vagotonisierende (überwiegende polymorphe Zellwuche¬ 
rung mit Desquamation) Bezirke in der Schilddrüse an, so müsste 
man logischerweise auch 2 verschiedene Sekrete annehmen. Da¬ 
zu kämen, wenn wir der Hypothese von Capelle und Bayer 
folgeu, noch ein sympafhicotoniscb und ein vagotonisch wirkendes 
Thymussekret, deren Verhältnis zu den analogen Schilddrüsen¬ 
sekreten noch abzuklären wäre. Nach den vorstehenden kritischen 
Ausführungen scheint uns die Annahme von 2 (oder gar 4) auf 
den Sympathicus und Parasympathicus elektiv wirkenden anta¬ 
gonistischen DrüseDsekreten nicht angezeigt, besonders weil offen¬ 
bar auch das Wirkungsgebiet der Drüsensekrete sich nicht mit 
den anatomisch physiologischen Einheiten des Nervensystems deckt. 
Durch die neuesten Untersuchungen von As her und Pearce 2 ) über 
die Umkehr peripherer Erregungen in Hemmungen wird über¬ 
haupt die gesetzmässige elektive Wirkung eines Pharmakons oder 
Drüsensekretes auf ein bestimmtes Nervengebiet im Siuue der 
Förderung oder Hemmung neuerdings zum Problem. 

Wenn es auch Fälle mit vorwiegender Betonung des yagiseben 
oder sympathischen Systems geben mag, so erweist sich doch 
eine konsequente und durchgreifende Unterscheidung sympathico- 
tonischer und vagotonischer Basedowformen als undurchführbar. 
Für die weitergebende Auffassung von Capelle und Bayer, 
dass bei den vorwiegend vagiscb betonten Fällen die Thymus, 
bei den sympathisch betonten in erster Linie die Schilddrüse 
ätiologisch beteiligt sei, fehlen hinreichende klinische Grundlagen; 
gesetzmässige therapeutische Indikationen können deshalb aus 
dieser Anschauung unseres Erachtens nicht hergeleitet werden. 
Die Unterscheidung sympathicotonischer und vagotonischer 
Basedowformen mit ihren besonderen Beziehungen zu Schilddrüse 
und Thymus, im Sinne der Ausführungen von Capelle un 
Bayer, hat deshalb, abgesehen von den theoretischen Bedenken, 
auch keine wesentliche praktische Bedeutung. Mit der Ablehnung 


1) Kraus, Pathologie der Schilddrüse, der Beischilddruse, 
Hirnanhangs und deren Wechselwirkungen. D.m.W., 1913, Nr. 40 u. • 

2) Pearce, Untersuchungen zur Dynamik der GeJässverenge g 
und -erweiterung und über die Umkehr peripherer Erregung in üemmu g- 
Zschr. f. BioL, 1913, Bd. 62, H. 5 u. 6. 


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20. Juli 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1369 


zweier besonderer Basedow formen verlieren auch histologische 
Differenzierungen vagotoniscber und sympathicotoniscber Schild¬ 
drüsen- und Thymusbefunde ihre Prämisse und damit auch ihren 
Wert, ganz abgesehen davon, dass die Interpretation derartiger 
Befunde naturgemäss durchaus subjektiv ist und Anspruch auf 
allgemeine Anerkennung nur erheben könnte, wenn sie sich auf 
Serienuntersuchungen stützen und durch ausgedehnte Nachunter¬ 
suchungen bestätigt würde. 

Diekritißche Würdigung der vorstehend diskutierten 
Tatsachen legt die Annahme nahe, dass die hyper- 
plastische Thymus bei Morbus Basedowii keinen zu¬ 
fälligen und belanglosen Befund darstellt, sonderndass 
das vergrösserte Organ am Basedowkomplex aktiv be¬ 
teiligt ist. Als einen regelmässigen, zum anatomischen 
Bilde gehörenden Befund kann man die vergrösserte 
Thymus nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse 
nicht betrachten, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass 
die grosse Mehrzahl aller Basedowkranken sogenannte 
Tbymusträger sind. Oie Thymushyperplasie ist nicht 
dut Teilsymptom eines Status thymicolymphaticus, 
sondern sie kommt auch isoliert vor. Offenbar werden 
die von der Schilddrüse ausgehenden Symptome durch 
die hyperplastische Thymus potenziert; die Thymus 
wirkt in gewissen Fällen deletär, und zwar direkt durch 
Schädigung des Herzens (Dysthymisierung), indirekt 
durch Vermittlung der mit Thymushyperplasie so häufig 
verbundenen Hypoplasie des Nebennierenmarks. Die 
hohe Frequenz einer vergrösserten Thymus bei Morbus 
Basedowii spricht nicht gegen eine deletäre oder doch 
verschlimmernde Wirkung des Organs; allerdings wird 
dadurch nahegelegt, dass Fälle mit Thymushyperplasie 
günstig verlaufen können, jedoch ist zu bedenken, dass 
die pathologische Funktion der Thymus nicht der 
Grösse des Organs proportioneil zu sein braucht. 
Uebrigens ist der Prozentsatz der Tbymusträger in der 
Groppe derjenigen Basedowiker, die an der magnitudo 
morbi oder post Operationen! starben, nach der Statistik 
am höchsten. Die ausschliessliche Scbilddrüsentheorie 
des Morbus Basedowii ist heute nicht mehr haltbar; 
die Thymus wirkt an der Gestaltung des Krankheits¬ 
bildes mit, eventuell so intensiv, dass sie das Krank¬ 
heitsbild direkt beherrscht. Zu dieser Schlussfolge¬ 
rung zwingen die neueren chirurgischen Erfahrungen. 
Die Thymn8veränderung ist als eine der Schilddrüsen¬ 
veränderung koordinierte, parallele, und nicht alseine 
kompensatorische Erscheinung aufzufassen. Auf welchem 
Wege derschon bei Struma simplex und auch bei Aplasie 
der Schilddrüse konstatierte Parallelismus zwischen 
Thymus und Schilddrüse zustande kommt, entzieht sich 
beute noch unserer Kenntnis. Der Annahme gegen¬ 
seitiger Förderung widerspricht zum Teil das Experi¬ 
ment; gesetzmässige Korrelationen sind bisher nicht 
einwandfrei bewiesen. Entgegen der Auffassung von 
Rppinger, Hess u. a. ist eine Unterscheidung rein vago- 
tonischerund sympatb icotonischerBasedowformen nicht 
konsequent durchführbar. Es ist deshalb auch nicht 
Möglich, nur aus den angeblichen Zeichen des Vago- 
tonus (subjektive starke Herzbeschwerden bei nicht ex- 
cessiver Pulsfrequenz, Schweisse, Digestionsstörungen, 
Diarrhöen, ausgeprägtes „Basedowblutbild“, eventuell 
hochgradige Myasthenie) auf eine hyperplastische 
Thymus zu schliessen. Auch Belastungsversuche mit 
Pilocarpin und Adrenalin haben nur einen beschränkten 
diagnostischen Wert und können höchstens als Hilfs¬ 
reaktionen verwendet werden. Der maassgebende Nach- 
we * 8 Qioer Thymushyperplasie hat durch Perkussion, 
gute Röntgenaufnahmen und Durchleuchtung zu ge¬ 
schehen; bei letzterem Verfahren wird ein Thymus¬ 
schatten respiratorische Verschieblichkeit zeigen, ent¬ 
sprechend dem Rehn’schen Symptom 1 ). Eine grosse 

|) Auch wo keine auffälligen klinischen Zeichen einer Thymus- 
ergrosserung vorliegen, soll in entsprechenden Fällen die Thymusregion 
Bd r ^°f era ^° nem m ‘^iert werden (vgl. auch v. Haberer, Mitt. Grenzgeb., 

• *'); man wird dann gelegentlich doch eine vergrösserte Thymus 
ein e °’ V - 6 um 8 e k®hrt trotz klinischer Zeichen einer Thymushyperplasie , 
fah Ter 8 r ^ 39 ej ;f ® 3 Organ nicht gefunden wird, was ich aus eigener Er- 
1^8 bestätigen kann. Eine flache und weit nach unten liegende 
/Mus kann übrigens auch dem Nachweis während der Operation ent- I 


Thymus stellt keine Kontraindikation gegen die ope¬ 
rative Inangriffnahme eines Basedowfalles dar, viel¬ 
mehr kommt primäre Resektion der Thymus dort in 
Betracht, wo die Schilddrüse klinisch nur geringe Ver¬ 
änderungen zeigt, und wo eine deutliche Thymushyper¬ 
plasie nachweisbar ist. 

Mit Rücksicht auf die begleitende Hypoplasie des 
Nebennierenmarkes erscheint die Vorbehandlung solcher 
Patienten mit Adrenalin angezeigt. 

Das Basedowblutbild ist zweifellos nicht aus¬ 
schliesslich von der Schilddrüse abhängig; neuere Beob¬ 
achtungen zeigen, dass auch die Thymus Beziehungen 
zu der Basedowlympbocytose hat, indem durchTbymus- 
resektion Blutbilder normal werden, die auf Schild¬ 
drüsenoperationen gar nicht oder nur in untergeordneter 
Weise reagierten. Die dargelegten mannigfaltigen Be¬ 
ziehungen der Thymus zur Baaedow’schen Krankheit 
zeigen, dass man der Schilddrüse zu unrecht ein ätio¬ 
logisches Monopol einräumte, so evident und einwand¬ 
frei die Bedeutung der pathologisch veränderten Schild¬ 
drüse für die Genese des Morbus Basedowii durch die 
Erfolge der chirurgischen Therapie auch nachgewiesen 
wurde. Gegen die uneingeschränkte Geltung derSchild- 
drüsentheorie sprachen eigentlich von jeher die ope¬ 
rativen Misserfolge, die z. B. in der Dauerstatistik der 
Küttner’schen Klinik 20 pCt. betragen, trotz mehr¬ 
maligen und ausgedehnten Strumareduktionen; es liegt 
nahe, mit Capelle und Bayer eine hyperplastische 
Thymus für diese Misserfolge verantwortlich zu machen. 
Es ist deshalb eine wesentliche Aufgabe der künftigen 
Basedowforschung, die Rolle der hyper plastischen 
Thymus abzuklären; besondere Berücksichtigung ver¬ 
langt ferner das Nebennierenmark bzw. das chromaffine 
System, und da auch an den Keimdrüsen, Hypophyse 
und Epithelkörperchen Veränderungen beschrieben 
werden, dürfte es angezeigt sein, das Verhalten aller 
innersekretorischen Organe in den Kreis der Betrach¬ 
tung zu ziehen und jedenfalls ihrem anatomischen Ver¬ 
halten bei Basedowsektionen besondere Aufmersamkeit 
zu schenken. 

Möglicherweise bedingen die Resultate dieser Untersuchungen 
eine weitere Einschränkung der Schilddrüsentheorie. 

So neigt Lampe 1 ) der Auffassung zu, dass es sich bei der 
Basedowschen Krankheit um eine Erkrankung der brancbiogenen 
Organe handle, „dass der Kern zur späteren Krankheit in die 
gemeinsame Anlage der gesamten Drüsen gelegt ist“. 

Wir möchten nun nicht annehmen, dass jedes Organ, welches 
makro- oder mikroskopische Veränderungen zeigt, auch wirklich 
eine primäre ätiologische Bedeutung für den Morbus Basedowii 
habe; doch nehmen Thymus und Schilddrüse nach dem heutigen 
Stande der Forschung und besonders nach den chirurgisch thera¬ 
peutischen Erfahrungen eine besondere Stellung ein, die es jeden¬ 
falls rechtfertigt, diesen Drüsen eine bestimmte ätiologische Rolle 
beizulcgen. Diese Annahme beruht auf der heute ziemlich allge¬ 
mein, wenn auch von gewisser Seite nur mit Einschränkung 
acceptierten Anschauung von einer organätiologischen Basedow¬ 
genese, wobei unter dem Begriff des Organs speziell Drüsen mit 
innerer Sekretion zu verstehen sind. Wie weit diese Auffassung 
berechtigt ist, darüber kann man trotz der hervorragenden Er¬ 
folge der chirurgischen Therapie bei Morbus Basedowii heute noch 
streiten, weil die Koeffekte der mit der heutigen chirurgischen 
Basedowbehandlung verbundenen internen Therapie (Ruhe, Er- 
nähruogs- und Klimatotherapie, psychische Beeinflussung) nicht 
immer genau abgewogen werden können. So steht namentlich 
die Frage einer primär neuropathischen Disposition der Basedow¬ 
patienten und damit die Möglichkeit einer neuro-thyreo-thymogenen 
Entstehung des Basedow zur Diskussion. Der künftigen Forschung 
bleibt auch zu entscheiden, wie weit die Veränderungen der ver¬ 
schiedenen innersekretorischen Organe primär oder sekundär sind 
ob die pathologischen Funktionen gewisser Organe eventuell nur 
Glieder eines Circulus vitiosus darstellen, uud welche pathogene- 

gehen, wenn mau keine Spaltung des Sternums vornimmt. Deshalb sind 
z. B. die Angaben A. Kocher’s über fehlenden Thymusnachweis intra 
operationem nicht durchaus beweisend in der Frage der „Thymusfrequenz* 
bei Morbus Basedowii. 

1 ) Lampe, Die Bedeutung der Thymusdrüse für den Organismus. 
Fortschritte der naturwissenschaftlichen Forschung, herausgegeben von 
Abderhalden, 1912, Bd. 9. 

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1370 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 20. 


tische Bedeutung den einzelnen Faktoren tatsächlich zukomcnt. 
Jedenfalls liegen genügende Anhaltspunkte vor, die Basedow’sche 
Krankheit nicht mehr als Folge pathologischer Funktion eines 
Organs, sondern als ein „pluriglanduläres Syndrom“ zu betrachten, 
unter den vorstehend geltend gemachten Reserven. 


BQcherbesprechungen. 

A. Bier, B. Br»»», H. Klimm eil: Chirargisehe Oper»ti»n«l«ire. 
Baues I. Lieferung 2. Mit 842 Abbildungen im Text. Leipzig 1914, 
Job. Ambr. Barth. 449 S. 25 M. 

Die jetzt erschienene zweite Lieferung des ersten Bandes enthält die 
Operationen am Schädel und Gesichtsteil des Kopfes, an 
der Wirbelsäule und am Rückenmark. Die von Tilmann-Köln 
bearbeitete Schädelchirurgie erläutert neben den bewährten älteren 
Methoden alle wichtigen therapeutischen Fortschritte, wie Hirnpunktion, 
Balkenstich usw. in Wort und Bild. Die zahlreichen Blutstillungs- 
methoden hei der Trepanation (Nicoli, Heidenhain, Wacker, 
Kredel, Makkas, Bail, Vorschütz) siud lückenlos illustriert, ebenso 
die endocraniellen, nasalen sublabialeD, oralen und pharyngealen 
Methoden der Freilegung der Hypophysis. König - Marburg, 
Leier-Jena und Wrede-Jena haben die Darstellung der Operationen 
am Gesichtsteil des Kopfes übernommen. Die plastischen Operationen 
im Gesicht und der Mundhöhle, die Operationen am Nervus facialis und 
trigeminus, die Eingriffe an der Orbita, den Kiefern, der Zunge und den 
Speicheldrüsen sind überaus anschaulich beschrieben und illustriert, 
wobei auch die Technik der Lokalanästhesie, der Punktion der Trigeminus¬ 
stämme und des Ganglion Gasseri berücksichtigt ist. Mustergültig ist 
ferner die Bearbeitung der Rückenmarkscbirurgie durch Schmieden- 
Halle. Technik und Nachbehandlung der Laminektomie, Costo- 
transversektomie, Förster’sche Operation, die Behandlung der Tumoren, 
entzündlichen Prozesse (Meningitis serosa) und der Verletzungen er¬ 
scheinen äusserst instruktiv geschildert und naturgetreu abgebildet. 

Manche Bilder sind in dem auf moderner Grundlage aufgebauten 
Werk vielleicht entbehrlich, so z. B. dasjenige des alten nicht mehr ge¬ 
bräuchlichen Handtrepans und die Abbildung aller Zahnzangen. Auch 
die elementare descriptive Anatomie der Wirbelsäule darf wohl bei deD 
Lesern dieser Operationslehre als bekannt vorausgesetzt werden. 

Das grosse dreibändige Werk liegt nunmehr vollendet vor. Sollen 
wir ein Urteil über das Ganze abgeben, nachdem wir bisher nur die 
einzelnen Lieferungen besprechen haben, so können wir es in die kurzen 
Worte fassen: Die „chirurgische Operationslehre“ von Bier, Braun 
und Kümmell stellt eine einzigartig grosszügige Leistung der deutschen 
Chirurgie dar. Es gibt zurzeit weder im In lande, noch im Auslande 
ein Werk, welches ihm an Gehalt und Form gleichwertig wäre. 

Adler - Berlin-Pankow. 


Walter Birk -Kiel: Leitfaden der Säogliegskrankheiten. Für 

Studierende und Aerzte. Bonn 1914, A. Markus & E. Weber’s 
Verlag. Preis 4,80 M. 

Das Buoh von Birk wird bald zu den beliebten Kompendien des 
Arztes und des Studierenden gehören, denn der Verf. hat seine Aufgabe, 
über die Behandlung der Säuglingskrankheiten zu orientieren, mit aus¬ 
gezeichneter Prägnanz, mit bewundernswerter Kürze, die doch nie die Klar¬ 
heit der Darstellung beeinträchtigt, und mit seltenem Geschick in der Aus¬ 
wahl des Entbehrlichen gelöst. Naturgemäss nimmt in einem Buche über die 
Säuglingskrankbeiten die Bearbeitung des Kapitels Ernährungsstörungen 
den breitesten Raum ein. Diesem geht je ein Abschnitt über die Nahrung 
und Ernährung des Säuglings und über die Physiologie und Pathologie 
des Neugeborenen voraus. In den letzten Kapiteln werden die übrigen 
Krankheiten des Säuglingsalters besprochen. Ihre relative Kürze ist 
damit erklärt und gerechtfertigt, dass Verf. sich vielfach darauf be¬ 
schränkt, nur die Besonderheiten, die der Verlauf der betreffenden Er¬ 
krankungen im Säuglingsalter aufweist, und die daraus sich ergebenden 
therapeutischen Maassnahmen zu besprechen. 

Im übrigen begDÜgt sich das Büchlein mit der Darstellung von 
Symptomatik und Therapie; auf die Pathogenese wird Dur so weit ein¬ 
gegangen, als es zum Verständnis einzelner Kapitel notwendig ist. Birk 
ist ein Schüler Czerny’s aus der Breslauer Zeit; die damals gewonnenen 
Anschauungen und praktischen Erfahrungen sind der Kern des vor¬ 
liegenden Buches. 


F. Göppert- Güttingen*. Die Nasen-, Rachen- und Ohrerkranknngen 
des Kindes in der täglichen Praxis. Berlin 1914, Julius Springer. 
Preis 9 M. 

Der Pädiater Göppert hat schon von jeher den Krankheiten der 
Nase, des Rachens und der Ohren des Kindes sein besonderes Interesse 
zugewandt. Als er noch Assistent in Czerny’s Klinik war, war er 
schon unser, der anderen Assistenten, Consiliarius in diesen Fragen. 
Seine regelmässig in der Monatsschrift für Kinderheilkunde erscheinenden 
Sammelreferate über die Literatur des im vorliegenden Buche bearbeiteten 
Spezialgebietes haben uns gezeigt, dass er später als praktischer Kinder¬ 
arzt und noch * später als Direktor der Universitäts-Kinderklinik in 


Göttingen dem Studium der Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten seine 
frühere Vorliebe bewahrt hat. Ref. hat auf die Entstehungsgeschichte 
dieses Buches so ausführlich hingewiesen, um zu erklären, .wie es kam, 
dass die anscheinend ausserhalb der kinderärztlichen Spezialität liegende 
Materie von einem Pädiater bearbeitet wurde, und gleichzeitig, um die 
Eigenart des Buches damit zu charakterisieren. Sie liegt in der Be¬ 
lehrung über den Zusammenhang der Erkrankungen des Rachens, der 
Nase und der Ohren mit dem Allgemeinzustande des Kindes, sowohl 
bezüglich der Aetiologie, wie auch besonders der Symptomatologie und 
der Therapie. Das Buch zeigt ferner, was der allgemein praktizierende 
Arzt oder Kinderarzt diagnostisch und therapeutisch auf diesem Gebiete 
muss leisten können, und wo die Grenze für das Eingreifen des Spezia¬ 
listen liegt. An diese Grenze hält sieb auch Göppert mit seiner Dar¬ 
stellung. Wir finden aus seinem Buche alles ausgeschlossen, was spezial- 
ärztlicbe Kenntnisse und Erfahrungen voraussetzt. Ueber das jedoch, 
wa 9 jeder Praktiker auf diesem Gebiete diagnostisch und therapeutisch — 
technisch — muss leisten können, orientiert Verf. in feiner, klarer 
Weise, mit der Praxis abgelauschten ausgezeichneten Vorschriften und 
kleinen Kunstgriffen und erläutert seine Darstellung mit prächtigen Ab¬ 
bildungen. Da dies Buch von einem Kinderarzt geschrieben ist, liegt 
natürlich sein Hauptwert in der Beherrschung der Zusammenhänge der 
lokalen Erkrankung mit dem Allgemeinzustande des Kindes, und in 
dieser Richtung ist die Darstellung Göppert’s vorbildlich. 

So kann dieses Buch mit uneingeschränktem Lobe empfohlen werden 
sowohl den praktischen Aerzten und den Spezialärzten für Kinderkrank¬ 
heiten als auch den Spezialärzten für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 
Sie werden bei dem Studium des üöppert’schen Buches jeder seinen 
Teil Belehrung finden. R. Weigert-Breslau. 

Karl Pearson, F.R.S., E. Nettleship, F.R.C.S., and C. H. Daker, 
M. B. B. C. Camb.: A monograph ob albinism in van. London 
1911, Dulau and Co. 

Obiges Standardwerk über den Albinismus beim Menschen erscheint 
als ein Teil von Drap er’s Company research memoirs biometric 
series VI. Bisher sind die stattlichen Bände I, II und IV jeder mit aus¬ 
führlichem Atlas erschienen. Die Autoren bringen auf prachtvoll aus¬ 
gestatteten Tafelserien eine derartige Fülle von Anschauungsmaterial über 
Albinismus und seine Erblichkeit im Menschen und Tierreich, dass oft 
die Uebersicht über den Aufbau des ganzen Werkes leidet. Die Haupt- 
rassen der Menschen sind in vollendeten Photographien wiedergegeben, 
wird doch bei keiner Rasse Albinismus gänzlich vermisst. Die für so 
extrem seiten gehaltene Scheckenbildung beim Menschen erscheint in so 
vielen Exemplaren, dass mit ihr wieder ein Unterschied zwischen den 
Haustiereigenschaften und den Eigenheiten des Menschengeschlechtes 
fällt. Bei wilden Tieren wird beim Hyänenhund, sonst aber wohl kaum 
atypische Scheckenbildung beobachtet. Bei den gescheckten Negern und 
Negerbastarden tritt eine sehr auffällige Lokalisation der weissen Stellen 
zutage. Ein weisser Teil in der Mitte des Schädels und Gesichtes tritt 
bei der Mehrzahl der Schecken auf, ebenso völlig schwarze Extremitaten- 
euden, wie bei der Russen genannten Kaninchenrasse. Von Tieren 
werden albinotische Vögel, Fledermäuse, Igel, Hunde, Hasen, Kaninchen 
und Pferde in ganzen Serien abgebildet. Ein ganzer Band ist der graphi¬ 
schen Darstellung der Erblichkeit des Albinismus durch Stammbäume 
gewidmet. Für Hautärzte haben die abgebildeten Fälle von erworbenem 
Albinismus ein besonderes Interesse. Die Pigmentanordnung in den 
Augen albinotischer Menschen und Tiere wird die Augenärzte inter¬ 
essieren. Bezüglich der Haare finden sich Abweichungen nur in der 
Pigmentanordnung bei Albinos, während die sonstigen Rasseneigenheiten 
der Haare bei allen Albinos wohl erhalten bleiben. Wenn das kostbare 
Werk abgeschlossen vor uns liegen wird, sollte ein grosser Teil der wissen¬ 
schaftlich arbeitenden Aerzte der monumentalen Arbeit Beachtungschenken, 
namentlich alle diejenigen, welche sich der Wichtigkeit der Erbforschung 
beim Menschen bewusst sind. Friedentbal. 


Eduard Müller*. Die Therapie des praktischen Arztes. Bd. 1: Thera¬ 
peutische Fortbildung VI. 1056 S. Geb. 10,50 M- — Bd. 2: Rezept¬ 
taschenbuch (mit Anhang) VI. 664 S. Geb. 6,40 M. Verlag von 
Julius Springer, Berlin. 

Bei der steten Produktion und Empfehlung neuer (chemischer, diäte¬ 
tischer) Heilmittel und der täglich zunehmenden Menge physikalischer 
und andersartiger therapeutischer Versuche wird es dem praktischen Arzt 
oft schwer oder unmöglich sein, das Rechte und Wertvolle zu finden und 
die Indikationen des einen oder anderen Eingriffs sicher zu erkennen. 
Der jüngere Praktiker wird seinerseits oft des Rates bedürfen, wie er im 
praktischen Leben und bei den verschiedenen sozialen Umständen die 
im Studium, Klinik oder Krankenhaus erworbenen Kenntnisse praktisch 
verwerten soll. 

In diesen Fällen will E. Müller’s Therapie des praktischen Arztes 
beistehen. Sicher ist ein solches Unternehmen freudig zu begrüssen, und 
die Namen der Mitarbeiter beweisen, dass dieser Gedanke E. Müllers 
auch guten Anklang gefunden bat. ( ,_ 

Der l. Band, die „therapeutische Fortbildung 8 , die duren 
jährlich erscheinende Bände ausgebaut und fortgesetzt werden soll, ent¬ 
hält eine grosse Reihe von Aufsätzen bekannter Kliniker über ihre 
speziellen Arbeitsgebiete. Die Dermatologie ist vertreten durch 
Neisser, Bruck, Hübner, Veiel, Zieler, Kiingmüller, Bering, 


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20. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1371 


Siebert io Arbeiten über Geschlechtskrankheiten und ärztlichen Ehe¬ 
konsens, Behandlung der Syphilis, Gonorrhöe, Hauttuberkulose, des 
Ekzems, Hautjuckens und der parasitären Hauterkrankungen, sowie ärzt- 
licke Kosmetik. Aus dem Gebiete der Kinderheilkunde (Vogt, 
Stolte und Kleinschmidt) finden wir die Ernährung, die Tuberkulose 
und Pylorusstenose der Säuglinge, die Technik ihrer Pflege und die 
Säuglingsfürsorge bearbeitet. Die Therapie in der inneren Medizin 
ist durch zahlreiche Arbeiten in Angriff genommen. So behandelt 
Mattbes: die chronischen Darmerkrankungen; Bruns, Forschbach, 
Frank und Härter: Asthma, Diabetes mellitus, Gicht, Nierenerkran- 
kungeD, Fettsucht usw. Zangemeister und Esch besprechen die 
wichtigsten geburtshilflichen Operationen im Privathause. Die 
Asepsis des Arztes von König, die chirurgische Behandlung der Chole- 
lithiasia von Poppert seien aus den chirurgischen Aufsätzen erwähnt 
Vossius bespricht die ersten ärztlichen Hilfeleistungen bei Verletzungen 
usw. des Auges. Daneben finden sich noch Mitteilungen über die Be¬ 
handlung von Vestibularerkrankungen, Zahnschmerzen, über die Histo¬ 
logie der Geschwülste, über technische Neuerungen der Krankenpflege, 
über Kurpfuscher und ärztliche Sektierer, ärztliche Standesrechte und 
-pflichten, die Bestimmungen der Wehr- und Dienstpflicht, der staats- 
äntlichen Prüfung usw. Zahlreiche Abbildungen sind beigegeben. 

Der Band enthält also, wie schon aus dieser einfachen Aufführung 
hervorgeht, viel mehr, als er verspricht. Die meisten Mitarbeiter haben 
auch mit sehr grossem Erfolg — dem Zwecke des Buches entsprechend — 
für den praktischen Arzt wirklich recht Brauchbares und Gutes ge¬ 
schaffen. Die meisten Mitteilungen sind klar, gründlich und übersicht¬ 
lich. Wenn einzelne Autoren (z. B. Hürter) durch allzugrosse Voll¬ 
ständigkeit noch über das Ziel binausschiessen, so ist das bei einem 
solchen ersten Versuch entschuldbar. 

Der 2.Band, das Rezepttaschenbucb, enthält die von Frey be¬ 
arbeitete Arzneitaxe, die gebräuchlichsten Arzneimittel, Badekurorte usw., 
die akuten Vergiftungen und ihre Behandlung. Die Grundlagen der 
Serumtberapie (Römer) und die Sera, Tuberkuloseheilmittel usw,(Siebert) 
und die Geheimmittel (Arends) sind ausführlich zusammengestellt. Die 
vollständige Zusammenstellung der diätetischen Mittel (Strassner) und 
der Heilanstalten ist sehr praktisch. Die Aufnahme der ärztlichen Ge¬ 
bührenordnung, der Steuerpflicht des Arztes usw. wird manchem dankens¬ 
wert erscheinen. Auch hier also eine Fülle von praktisch ausserordentlich 
wichtigen Zusammenstellungen. 

Anerkennenswert ist der niedrige Preis der bisher vorliegen¬ 
den, gut ausgestatteten Bände. Einen dringlichen Wunsch hätte Ref. 
nur für die nächsten Bände zu äussern: einen etwas grösseren Schrift¬ 
satz. Die verwendeten kleinen Lettern und die engstehenden Zeilen 
erschweren das Lesen besonders für Schwach- oder Alterssichtige und 
können den Genuss der Bücher beeinträchtigen. 

Die Therapie des praktischen Arztes — der 3. Band, „diagnostisch- 
therapeutisches Taschenbuch“, soll bald folgen — kann darum dem 
Praktiker nur recht dringend empfohlen werden. 

Bittorf - Breslau. 


Heinrich Joachim und Alfred Korn: Grundriss des deutschen 
Aerzterechts für Studierende, Aerzte nnd Verw&ltungsbe&mte. 

Jena 1914, Gustav Fischer. 

Ausgehend von der Erwägung, dass dem Medizinstudierenden bei 
dem Uebermaass des Lernstoffs, den er fürs Examen gebraucht, wenig 
Zeit zur Beschäftigung mit dem Aerzterecht bleibt und so eine Lücke 
entsteht, die sich für den angehenden Praktiker oft recht empfindlich 
bemerkbar macht, haben die beiden literarischen Dioskuren die wich¬ 
tigsten Gesetze und Verordnungen des Rechts und der grossen Bundes¬ 
staaten, sowie eine Reihe praktisch wichtiger Fragen aus dem ärztlichen 
Bemfskreis für die Zwecke des jungen Mediziners bearbeitet. Besonders 
eingehend behandelt ist demgemäss die Stellung des Arztes in der 
sozialen Versicherung; der Honoraranspruch; die Anzeigepflicht; die 
Ehrengerichtsbarkeit; überhaupt das Verhältnis des Arztes zu seinen 
Standesgenossen. Das Buch hat in Gliederung, klarer Prägung der Dar- 
«ellung, erschöpfender Sachkenntnis die Vorzüge, die wir an den 
früheren Werken der Verf. rühmen konnten. Es wird dem angehenden 
Arzt, aber auch dem Juristen und Verwaltungsbeamten ein willkommener 
Euhrer sein. Voll mann. 


Literatur-Auszttge. 

Physiologie. 

0. Warburg: Zellstruktur and Oxydationsgeschwindigkeit nach 
J***f 6n am Seeigelci. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 3-5.) Versuche 
dl * v ^sretoffverbraueh zerstörter Seeigeleier, deren Zerstörung je- 
oen nicht, wie früher, durch Zerreibung geschah, vielmehr dadurch, 
ws aie Gallerthüllen und Befruchtungsmembranen entfernt, dann die 
fliftl cen V^ u ^ er t ttQ d geschüttelt wurden. Bei letzterer Prozedur zer- 
. a s * e - Bas so gewonnene Material zeichnet sich dadurch aus, dass 
vJj 1 f ° ur Sauerstoff verbraucht, sondern auch Kohlensäure produziert, 
nid» * 4 - ? UD ’ ^ aM at,s unbefruchteten Eiern gewonnenes Material zu- 
itauA * r * er atmet > als gleiche Menge intakter Eier. Dagegen 
« fltt aus befruchteten Eiern gewonnene viel schwächer als diese 


selbst. Zerstörtes Eimaterial aus n n befruchteten und befruohteten Eiern 
atmet fast gleich. Die enorme Mehratmung befruchteter gegenüber un¬ 
befruchteten intakten Eiern häDgt also mit der Eistruktur zusammen. 
Bei dem Material zerstörter Eier ist der grössere Teil des Sauerstoff¬ 
verbrauchs an körnige Teilchen gebunden. Spermatozoon, die bei der 
Befruchtung intakter Eier die Oxydationsprozesse erheblich steigern, 
haben diese Wirkung auf das Material zerstörter Eier nicht. Auch hier 
spielt die Eistruktur bzw. deren Aenderung durch das Sperma eine Rolle. 

F. Zuckraayer: Ueber die Frauenmilch der ersten Laktations¬ 
zeit nnd den Einflass einer Kalk- and Phosphorsäurezalage auf ibre 
Zusammensetzung. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 3—5.) Verf. untersuchte 
den Kalk- und Phosphorsäuregehalt der Milch von Frauen, die zumeist 
nach der Entbindung, zum Teil schon in der Schwangerschaft eine Zu¬ 
lage von Tricalcol (= colloidales Tricalciumphosphatcasein) zur Nahrung 
erhielten. Die Kalk- und Pliosphorsäurewerte der Frauenmilch stimmten 
mit den von Schloss gefundenen; die bestehenden individuellen Schwan¬ 
kungen wurden durch Tricalcol nicht beseitigt. Dagegen ergab sich, 
dass im Mittel Kalk- und Phosphorsäuregehalt der Milch der Frauen, 
die Tricalcol schon in der Schwangerschaft erhalten hatten, höher war 
als bei denjenigen, die es erst nach der Entbindung erhielten. Der 
Kalkgehalt lag um etwa lOpCt. höher. 

0. Loewi und 0. Weselko: Ueber den Kohlehydratnmsatz dos 
isolierten Herzens normaler nnd diabetischer Tiere. (Pflüg. Arch., 
Bd. 158, H. 3—5.) Die Versuche sind am isolierten Kaninchenherzen 
ausgeführt im Locke’schen Apparat. Die Verff. zeigen zunächst, dass 
bei der Durchströmung das Glykogen des Herzens nicht angegriffen wird. 
Bei Herzen von durch Adrenalineinspritzung diabetisch gemachten 
Kaninchen ist der Glykogengehalt so hoch wie bei den normalen und 
nimmt durch Durchspülung auch nicht ab. Nur wenn zur Durcbströmung 
zuckerfreie Lockolösung benutzt wird, verschwindet das Glykogen aus 
dem Herzen, aber nicht durch eintretenden Bedarf an Glykose, denn es 
schwindet auch, wenn anstatt der normalen, sauerstoffhaltigen Locke¬ 
lösung mit Stickstoff gesättigte oder calciumfreie oder lävulosehaltige 
benutzt wird. Werden glykogenfreie Herzen mit zuckerhaltiger LösuDg 
durchspült, so wird von den Adrenalin herzen weniger Zucker ge¬ 
spalten als von den normalen; es besteht bei ersteren eine primäre 
Schwächung der Fähigkeit, Glykose zu zerlegen. Diese kann durch ver¬ 
schiedene Dinge aufgehoben werden; so durch Durcbströmung mit 
adrenalinhaltiger Lösung oder mit kali- oder caliumarmer Lösung. — 
Wegen weiterer Einzelheiten sei auf das (Jriginal verwiesen. 

0. Polimanti: Ueber die Natur des Winterschlafes. Eine Ant¬ 
wort an Fr. Mares. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 3—5.) Polemisches 
gegen die das gleiche Thema behandelnde Arbeit von Mare 9 (Pflüg. 
Arch., Bd. 155). 

J. K., A. Wertheim-Salomonson: Theoretisches und Praktisches 
zum Saitengalvanometer. Saitengestalt, magnetische Feldstärke, Normal¬ 
empfindlichkeit und Aluminiumsaiten. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 3—5.) 
Auf die theoretischen Betrachtungen von W.-S., deren Inhalt in der 
Ueberschrift angegeben ist, kann in einem Referat nicht eingegangen 
werden. Praktisch bemerkenswert ist, dass auf Veranlassung von 
W.-S. nun eine Aluminiumsaite hergestellt wird, deren Benutzung 
grosse Vorteile darzubieten scheint und die die bisher benutzte Quarzsaite 
vielleicht teilweise verdrängen wird. 

C. E. Benjamins: Ueber die Untersuchung des Herzens von der 
Speiseröhre aas, das Oesophagogramm, die ösopheale Auscultation 
und die Registrierung der ösophagealen Herztöne. (Pflüg. Arch., 
Bd. 158, H. 3—5.) Verf. hat seine Versuche am Menschen angestelit. 
Ec beschreibt genau sein durch Tampon unten geschlossenes Oesophago- 
skop, dass er zur Registrierung und Auscultation der Herztöne benutzte. 
Es muss etwa 35 cm vorgeschoben werden, bis an eine Stelle, die den 
Atrien des Herzens benachbart ist. Man hört dann bei Ausoultation vier 
Geräusche: zwei laute und zwei leise. Letztere gehören den Vorkammern 
an. Zur Registrierung benutztVerf. ein modifiziertes Phonendoskop. Er stellt 
dabei fest, dass die Vorkammersystole zum mindesten bis zum Beginn 
der Kammerkontraktion dauert. Das Oesophagogramm zeigt drei Er¬ 
hebungen und drei Senkungen, die den der Vorkammerdruckkurve und 
der Jugularvenenkurve entsprechen. A. Loewy. 

Beritoff: Die centrale reziproke Hemmung anf Grand der elek¬ 
trischen Erseheinangen am Mnskel. I. Mitteilung: Ueber die Hemmnngs- 
rhythmik bei der reflektorischen Innervation. (Zschr. f. Biol., Bd. 64, 
H. 4 u. 5.) Die centrale reciproke Hemmung verläuft rhythmisch ebenso 
wie die centrale Erregung. Die Dauer von jedem hemmenden Impuls 
beträgt < 0,01 Sek. Der Rhythmus der Hemmung ist veränderlich: im 
Moment seiner maximalen Tätigkeit erreicht er 100 in der Sekunde. 

Beritoff: Ueber die Erregungsrhythmik der Skelettmuskeli bei 
der reflektorischen Innervation. (Zschr. f. Biol., Bd. 64, H. 4 u. 5.) 
Der höchste Rhythmus der Muskelerregung im Beugungsreflex und* die 
Eigentümlichkeiten des Erregungsverlaufes bei ReizuDgen mit verschie¬ 
dener Frequenz zeigen keine merklichen Unterschiede in Abhängigkeit 
vom Vorhandensein oder Fehlen sekundärer peripherer Impulse, z. B. 
von seiten der Muskeln, Sehnen oder Gelenke. Ebenso zeigt sich kein 
Unterschied des Rhythmus beim Vorhandensein oder Fehlen peripherischer 
Sensibilität. 

Hacker-Würzburg: Versuche über die Schiebung der Nervenenden 
in der Haut. (Zschr. f. Biol., Bd. 64, H. 4 u. 5.) Alle Mittel, welche 
von aussen her lähmend oder zerstörend auf die Haut einwirken, bringen 

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UNIVERSUM OF IOWA 



1372 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


zuerst die Schmerzempfindung, dann die Kälteempfinduog und zuletzt 
Wärme- und Druckempfindung zum verschwinden. Bei Injektionen in 
das Cutisgewebe lähmen narkotische Mittel (Cocain) als auch Mittel, 
welche durch osmotische Spaonungsdifferenz auf die Zellen einwirken, 
wie auch die Haut schädigende Mittel (Jod) die Schmerz- und Kälte¬ 
nerven früher als die Wärme- uud Drucknerven. B i intensiver Kälte- 
eiowirkung geht die Lähmung der einzelnen Empfindungsqualitäten io 
derselben Reihenfolge vor sich. Es wird dadurch die Annahme von 
v. Frey sichergestellt, dass die Schmerznerven die oberflächlichste Lage 
einnehmen und dass die Wärmeorgane in einem tieferen Niveau liegen 
als die Kälteorgane. 

Hack er--Würzburg: Reversible Lähmungen von Hantnerven durch 
Säuren und Salze. (Zschr. f. Biol., Bd. 64, ü. 4 u. 5.) Durch Säuren, 
sowohl anorganische wie organische, können in entsprechenden Ver¬ 
dünnungen reversible LabmuDgen erzeugt werden. Dies lässt sich durch 
die vorübergehende Anästhesie bei intracutanen Injektionen am Menschen 
nachweiseD, wie auch durch die Erhöhung der Erregbarkeitsscbwelle für 
elektrische Reizung am Frosehischiadicus, welche ebenfalls völlig rück¬ 
gängig gemacht werden kann. Die Stärke der lähmenden Wirkung ist 
in weitgehendem Maasse von der Konzentration der H Ionen abhängig. 
Basen rufen bei Injektionen in verdünnten Lösungen eine Hyperalgesie 
hervor, die wahrscheinlich sekundär durch die gleichzeitg auftretende 
Hyperämie bedingt ist. Kretschmer. 

G. Bikeles und L. Zbyszewski: Die Erregbarkeit der Gross- 
hirnriude und Auslösbarkeit von Rindenepilepsie unter Einfluss von 
Schlafmitteln wie nach Verabreichung grösserer Bromgaben. (Pflüg. 
Arch., Bd. 158, H. 8—5.) Die Versuche sind an Hunden ausgeführt, bei 
denen die Erregbarkeitsschwelle und das Auftreten Jackson’scher 
Krämpfe auf elektrische Reizung der psychomotorischen Centren der 
Groasbirnrinde ermittelt wurde, zunächst in der Norm, dann nach Zu¬ 
fuhr von Schlafmitteln. Die Verff. fanden, dass durch Schlafmittel die 
Auslösbarkeit der Rindenepilepsie erschwert oder aufgehoben sein kann, 
ohne dass die Erregbarkeitsschwelle geändert zu sein braucht. Die Un- 
auslosbarkeit der Rindenepilepsie durch Narcotica ist nicht gebunden 
an eine Aufhebung der Riodenfunktion überhaupt oder an eine schiaf- 
raachende Wirkung; sie findet sich auch bei vollständig wachen Tieren. 
Gegenüber den Hypnoticis (Dormiol, Bromural, Amylenhydrat, Adalin) 
haben einmalige BromgabeD, selbst intravenös verabreicht, keinen 
Einfluss auf die Erregbarkeit der Rindencentren oder auf Auslösung von 
Rindenepilepsie; wirksam sind jedoch mehrere Tage fortgesetzte Brom¬ 
gaben. A. Loewy. 


Pharmakologie. 

W. E. Beresin: Üeber die Wirkung der Gifte auf die Lnngen- 
gefässe. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 8—5.) Nach einer historischen 
Uebersicht teilt B. seine an Kaninchenlungen ausgeführten Versuche 
mit. Die Lungen wurden mit Locke’scher Flüssigkeit unter Zusatz ver¬ 
schiedener Gifte durebspült, die Menge der ausfliessenden Flüssigkeit 
wurde gemessen. Es ergab sich, dass Adrenalin in Konzentrationen, die 
auf die peripherischen Gefässe stark kontrahierend wirken, die Lungen- 
gefässe unbeeinflusst liess oder bedeutend erweiterte. Nicotin, Histamin, 
Pilocarpin, Chlorbarium verengern die Lungengefässe. Coffein macht 
zunächst Verengerung, darauf folgend Erweiterung. Atropin wirkt an 
sich nicht, hebt aber die Verengerung durch Pilocarpin oder Histamin auf. 

A. Loewy. 

W. W. Herrick-New York: Ueber die Einwirkung des Atropins 
auf die eosinophilen Lenkocyten. (Arch. of int.med., 1914, Bd. 13, H. 5.) 
Die Versuche wurden an Meerschweinchen ausgeführt und ergaben, dass 
gewöhnliche, nicht toxische Atropindosen keinen erheblichen Einfluss auf 
die Zahl der Eosinophilen im Blut ausübten. Toxische Dosen führten 
neben einer allgemeinen Ernährungsstörung und Körpergewicbtsabnabme 
zu einer Verminderung der eosinophilen Blutzellen. Mindestens den¬ 
selben Effekt hatten Injektionen, die öfter als alle 12 Stunden gemacht 
wurden. c - Eayser. 


Therapie. 

Roher-Grabowsee: Hydrastinin „Bayer“ bei Lnngenblntnng. (Ther. 
Mb., Juli 1914.) An der Hand von 5 Krankengeschichten berichtet Verf. 
über die geradezu eklatante Wirkung von Hydrastinin „Bayer“ bei 
Hämoptoen. Gegenüber dem im Extr. Hydrast. fluid, enthaltenen 
Hydrastin besitzt Hydrastinin die Vorzüge der rascheren, stärkeren 
und zuverlässigeren Wirkung und der konstanten Zusammensetzung. Das 
synthetische Hydrastinin gelangt in drei Formen in den Handel: a) als 
Liquor HydrastiniDi „Bayer“, b) als Tablettae Hydr. B., c) als Ampullae 
Hydr. B.; es ist dies eine sterile 2proz. Lösung. Verf. bat das Mittel 
nur subcutan in letztgenannter Form angewandt und in keinem Fall 
eine Reizung oder gar Abscedierung an der Einstichstelle beobachtet. 

K. Knopf. 

Dudley: Amöbenrnhr und Leberabseess behandelt mit salzsaurem 
Emetin. (Ther. Gaz., 1914, Nr. 6.) Verf. bekam bei seinen mit Emetin 
gespritzten Fällen von Dysenterie nie einen Leberabscess. Ein beginnender 
Abscess bildete sich zurück. Sehe lenz. 

B. J. Courtney - Sokoto: Die Behandlung der Lepra mit intra¬ 
venösen Jodoforminjektionen. (Lanc., 27. Juni 1914, Nr. 4789.) Der 


Verf. berichtet über günstige Erfolge bei der Leprabehaodlung mit intra¬ 
venösen Jodoforminjektionen, wie sie Croftan bei Tuberkulose gemacht 
hat. Die Erfolge ergaben sich bei der knotigen und der gemischten 
Form, die anästhetische blieb unbeeinflusst. Möglichst frühzeitige Be¬ 
handlung ist nötig. Weydemann. 

H. Feldt: Tnberkelbacillns nnd Kupfer. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) 
Erwiderung auf die Veiöffentlicbung von Gräfin v. Linden. Kupfer als 
einfaches Kation, ebenso wie als komplexes Anion hemmt die Entwicklung 
des Tuberkelbacillus in Verdünnungen von unterhalb 1:5000 bis unter¬ 
halb 1:50 000, Die chemischen Relationen zwischen Tuberkelbacillus 
und Kupfer als „spezifisch“ zu bezeichnen, widerspricht den experimentell 
gewonnenen Tatsachen. 

C. Moewes und K. J au er-Berlin-Lichterfelde: Beitrag zur Kapfer- 
behandlnng der Lnngentnberknlose. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) Benutzt 
wurde das Kupferpräparat Lecutyl (Bayer & Co.). Die Tierversuche er¬ 
gaben eine gänzliche Wirkungslosigkeit des Lecutyls bei infizierten 
Meerschweinchen. Aehnliche Resultate wurden bei Phthisikern des II. 
und III. Stadiums erzielt, bei denen entweder zweimal wöchentlich 1 ccm 
des Präparats intramuskulär (sehr schmerzhaft!) oder 7* ccm, steigend 
bis za 2,5 ccm, aufgefüllt auf 5—10 ccm Kochsalzlösung, ebenfalls 
zweimal wöchentlich injiziert wurde. 

Th. Messerschmidt-Strassburg: Die Yaecinetherapie der chro¬ 
nischen Fnrnnknlose der Haut. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) (Vortrag, 
gehalten in der Strassburger militärärztlichen Gesellschaft am 4. Mai 1914.) 
Von 16 Fällen mit Furunkolose wurden 14 sehr gut mit Vaccine be¬ 
einflusst. Die zwei Patienten, bei denen kein Erfolg zu erzielen war, 
betrafen einen atrophischen Säugling und eine nekrotisierende Acne. 

Dünner. 

M. J. Breitmann-St. Petersburg: üeber die Syphilisbebandlnig 
mit Cbininderiraten. (Ther. Mh., Juli 1914.) Verf. empfiehlt folgende 
Zusammenstellung zur subcutanen Injektion bei Syphilis, die er seit 
langer Zeit erfolgreich erprobt bat: Chinini muriat. 3,0; Antipyrin 2,0; 
solve in aqua fervente 6,0. Er wendet sich an alle Kollegen mit ein¬ 
schlägiger Praxis mit der Bitte, das Mittel zu erproben und ibm die 
Resultate nach St. Petersburg, Sabalkanski Prosp. 40, mitteilen zu 
wollen, da er die Ergebnisse zu einer umfassenden Arbeit zusammenzu¬ 
stellen beabsichtigt. 

H. L. Eloner-Syracus: Prophylaxe und Therapie der Herzschwäche 
bei Pnenmonie. (Ther. Mh., Juli 1914.) Ganz ausführliche Besprechung 
aller in Betracht kommenden physikalischen und medikamentösen Hilfs¬ 
mittel zur Verhütung und Behandlung der Herzschwäche bei Pneumonie. 

H. Quincke-Kiel-Frankfurt a. M.: üeber die therapentiseheo 
Leistungen der Lumbalpunktion. (Ther. Mh., Juli 1914.) Verf. stellt 
folgende Grundsätze für die Anwendung der Lumbalpuuktion auf: 1. Die 
Lumbalpunktion ist grundsätzlich anzuwenden, wo bei einer leben¬ 
bedrohenden cerebrospinalen Drucksteigerung ein Flüssigkeitserguss als 
Ursache oder als mitbeteiligt vermutet werden darf. 2. Auch bei minder 
schweren Drucksymptomen gleichen Ursprungs ist von der Lumbalpunktion 
Linderung der Beschwerden zu erwarten. 8. In akuten Fällen einfacher 
seröser Transsudationen wird oft schon durch eine Lumbalpunktion auf¬ 
fällige Besserung herbeigeführt. 4. Wo die Besserung vorübergebt, muss 
die Lumbalpunktion wiederholt werden, in akuten Fällen täglich, in 
chronischen in Intervallen von 3 bis 10 Tagen, selbst monatelang. 

5. Bei diesen fortgesetzten Punktionen sind bei der Indikation für den 
einzelnen Eingriff ebensowohl der Krankheitsverlauf wie die einzelnen 
Symptome und die Ergebnisse der früheren Punktionen zu berücksichtigen. 

6 . Bei jeder Lumbalpunktion sind Anfangs- und Enddruck sowie die 

entzogene Flüssigkeitsmenge zu messen. 7. Bei eitriger bacillärer Cerebro¬ 
spinalmeningitis wird durch methodisch wiederholte Punktionen sicher 
sehr häufig günstiger AusgaDg ermöglicht, bei tuberkulöser wenigstens 
in seltenen einzelnen Fällen. 8. Hirntumoren oder der Verdacht darauf 
bilden keine Kontraindikation gegen Lumbalpunktion, wenn dieselbe mit 
gehöriger Vorsicht ausgeführt wird. Die Punktion kann Besserung der 
Symptome für längere Zeit, selbst bis zum Verschwinden der Stauungs¬ 
papille zur Folge haben. H. Knopf. 

E. Grafe - Heidelberg: Caramelkuren bei Diabetikern. (M.m.W., 
1914, Nr. 26.) Aus der interessanten und therapeutisch wichtigen 
Arbeit seien nur einige Punkte hervorgehoben: G. versuchte, Zucker, 
dessen Konstitution thermisch verändert wurde, seinen Diabetikern zu 
verfüttern. Er ging so vor, dass er gewöhnlichen Zucker l /»— 9 U Stunden 
bei 200° erhitzte. Es entsteht ein vielkammeriges Gebilde, das sich in 
heissem Wasser löst. Fabrikmassig kann man dieses Caramel durch 
Merck-Darmstadt unter dem Namen Caranose beziehen. Caranose hat 
einen hohen Calorienwert (4,3—4,6 Calorien). Die Versuche, deren 
Details im Original nachzulesen sind, ergaben bei einer Reihe von 
Diabetikern sehr gute Resultate, die tabellarisch dargestellt werden, hs 
erfolgte meistens eine wesentliche Besserung der Acidose. Dünner. 

Schuttes - Grabowsee: Erfahrungen mit dem Friedman» senen 
Tnberkilosemittel. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Absolut ungünstige Re* 
sultate bei der Behandlung von 46 Lungen tuberlosen. 

E. Meinicke - Hellersen: Ueber das Friedman»’ache Tnberknlose- 
mittel. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Bericht über 46 behandelte Lungen¬ 
tuberkulosen. Das Mittel hat „durchaus versagt“. M. muss vor seiner 
Anwendung warnen, da auch direkte Schädigungen einzelner Kranken 
dem Mittel zur Last zu legen sind. Das Friedmann’sche Heilmittel ist 
»ein recht gefährliches Mittel“. Wolfsohn. 


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Original fro-m 

UMIVERSITY OF IOWA — 






20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1373 


A. Sandisan-Croydon: Lungenfibrose, behandelt mit einem Vaeein 
TOB Bacillus Friedlaender. (Lancet, 27. Juni 1914, Nr. 4739.) Der 
Patient litt an einer ausgebreiteten chronischen Verdichtung einer Lunge 
mit schwerer Dyspnoe und Herzklopfen. Nach 6 Injektionen eines Stoek- 
vaccins ?om Bacillus Friedländer trat Heilung ein, ohne dass andere 
Medikamente benutzt wurden. Weydemann. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

Burns: Herzklappenfehler and Tuberkulose. (Araer. journ. of med. 
scienc., 1914, No. 507.) Zusammenfassende Besprechung über das Zu» 
saramentreffen von Klappenfehlern mit Lungentuberkulose. In 15 pCt. 
bei Männern, 14 pCt. bei Frauen fanden sich Veränderungen am Herzen. 

Schelenz. 

H. v. Engelbrecht:Qamburg: Ueber Altersveränderungen in den 
Knorpelringen der Trachea. (Virch. Arcb., Bd. 216, H. 3.) Man findet 
in den Trachealringen alter Leute in den meisten Fällen das Auftreten 
scharf abgegreDzter unregelmässiger kleiner Herdchen im Knorpel, die 
aus wirr durcheinander liegenden ganz feinen Fäserchen bestehen. Diese 
Herde, die sich schlecht färben lassen, sind unregelmässig angeordnete 
feine Spalten im sonst unveränderten Koorpelgewebe. Ein Zusammen¬ 
hang der ebenfalls häufig vorkommenden Verkalkungen mit diesen 
faserigen Heidcbeo, die als „feinfaserige Zerklüftung“ bezeichnet wird, 
konnte nicht nacbgewiesen werden. Ausser diesen Veränderungen kann 
man noch oft Fett in den Knorpelhöhlen nachweisen. 

A. W. Pinner. 

W. Peters*Bonn: Ueber Zwerchfellbrüche. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) 
Beschreibung und Abbildung eines einschlägigen Falles. Das Colon 
transversum war durch den Zwerchfelldefekt verschwunden. 

Wolfsohn. 

F. K. Burtlett-Chicago: Ueber multiple, primäre, maligne Tn- 
Boren. (Arch. of int. med., 1914, Bd. 13, Nr. 4.) Multiple, primäre, 
maligne Tumoren finden sich in 0,2 pCt. aller Fälle von malignen Neu¬ 
bildungen. Bericht über 2 einschlägige Fälle beim Hunde. In dem 
einen Falle handelte es sich um ein Thyreoideaoarcinom und Hyper¬ 
nephrom beider Nebennieren, in dem anderen ebenfalls um ein Schild- 
drüsencarcinom und einen Mischtumor der Mamma, ähnlich den Myxomen 
der Parotis. C. Kays er. 

Fr. Wohlwill-Hamburg: Ueber amöboide Glia. (Virch. Arch., 
Bd.216, H. 3.) Die von Alzheimer entdeckte und benannte amöboide 
Glia, deren Zellen kleinen, stark färbbaren Kern, reichliches Plasma mit 
pseudopodienartigen Fortsätzen besitzen, und der die Fasern fehlen, 
kommt nach den Untersuchungen des Verf. bisweilen beim postmortalen 
Zerfall der Glia vor. Ebenso findet man amöboide Glia bei Infektions¬ 
krankheiten, die ante mortem cerebrale Erscheinungen hervorgerufen 
babeo, und bei gröberen Veränderungen des Centralnervensysteras, ins¬ 
besondere bei den durch Circulationsstörungen bewirkten. Die Art der 
Entstehung der Gliaveränderung lässt Verf. unentschieden, doch vermutet 
er, dass sie auf Quellungsvorgängen beruht. Da die zwischen Tod und 
Sektion verflossene Zeit für den Befund der amöboiden Glia ohne Belang 
ist, so glaubt Verf., dass es sich meist um eine vitale Veränderung 
handelt. 

B. Heye-Hamburg: Untersuchungen über die Cerebrospinalflnssig- 
u\\ ii der Leiche. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Der in gleicher 
Weise wie beim Lebenden durch Lumbalpunktion gewonnene Liquor 
wurde bakteriologisch und cytologisch untersucht. Es fanden sich ausser 
den Erregern der eitrigen Meningitis im allgemeinen nur in einigen 
Fallen Bakterien, deren Vorhandensein nach des Verf.’s Erfahrungen 
einen Schluss auf histologische Veränderungen der Hirnhäute zu lasst. 
Während sich die im Liquor der Leiohe nachweisbaren Mikroorganismen 
*7 mit Ausnahme der Dipbtberiebacillen — auch aus dem Leichenblut 
rächten lassen, bleibt die Liquorkultur bei positivem Blutbefund häufig 
steril. Eine postmortale Einwanderung der Bakterien in den Liquor 
nimmt Verf. nicht an. — Der Zellgehalt des Liquors ist an der Leiche 
stets relativ erhöht, entsprechend der nach dem Tode verflossenen Zeit. 
Der Gestalt nach wiegen die Lympbocyten vor, doch findet man auch 
grosse einkernige Zellen, die von anderen Autoren für überlebende, post 
mortem eingewanderte Makrophagen gehalten werden, deren Herkunft 
Verf. aber unentschieden lässt. 

J. Zange-Jena: Ueber umschriebene Entzündungen des Obrlaby- 
(Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) In 3 Fällen fand Verf. umschrie¬ 
bene Entzündung des Vestibularapparates, ohne andere Veränderungen 
Mi Labyrinth als Degeneration der Nerven. In allen 3 Fällen handelte 
w eich um primäre Entzündung, die sich von chronischer Otitis media 
bei Cholesteatom aus entwickelt hatte. 

W. H. Schnitze-Braunschweig: Tödliche Menorrhagie in einem 
faue von Thyreoaplasie mit Hanptzellenadenom der Hypophyse, 
i™. Arch., Bd. 216, H. 3.) Die Pat. ist seit ihrem 8. Lebensjahre 
g«wu arzlich beobachtet worden, sie war myxödematös, körperlich und 
zurückgeblieben. Im 26. Lebensjahre starb sie an menstrueller 
wblutung. Die Sektion ergab vollkommene Thyreoaplasie. Dass Pat. 
trir m das verhältnismässig hohe Alter erreicht hat, ist dadurch zu 
i , areD * dass sich im Zungengrunde ein aus Schilddrüsengewebe be¬ 
endet Tumor befand, so dass man eigentlich nur von „dystopisoher 


Tbyreohypoplasie“ sprechen kann.' Die Hypophyse zeigte eine bis zur 
Adenombildung gehende Hyperplasie und Hypertrophie. 

A. W. Pinner. 

L. L6vy und R. Boulud-Lyon: Glykosarie beim Hände doreh 
intravenöse Injektion der Cerebrospinalflüssigkeit eines Akromegalen. 
(Revue de med, 1914, No. 6.) Das im Titel angedeutete Experiment er¬ 
gab einwandfreie Glykosurie. Diese trat besonders nach vorheriger Ver¬ 
abreichung von Glukose hervor, die an sich noch keine Zuckerausschei- 
dung hervorgerufen hätte. A. Münzer. 

G. Lusku u. J. A. Ricbe-New York: Ueber die Beeinflussung des 
diabetischen Stoffwechsels durch die Nebennieren. (Arcb. of int. med., 
1914, Bd. 18, Nr. 5.) Auf Grund von Tierversuchen, bei denen die Verff. 
das Verhalten des Respirationsquotienten nach subcutaner Epinephrin¬ 
injektion beim Hunde genauer studierten, kommen sie zu folgenden 
Schlüssen: Die Theorie, dass Epinephrin eine Zuckerproduktion aus Fett 
hervorruft bei gleichzeitiger Abnahme der Glukoseoxydationskraft durch 
Aufhebung der PaDkreasfunktion, ist unrichtig. Auch die Annahme einer 
Steigerung des Eiweissstoffwechsels durch Epinephrin ist nicht zutreffend. 

C. Kayser. 

F. Bonhoff-Hamburg-Eppendorf: Ueber Paratyphnsbaeilleibefirode 
an der Leiche. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Im Blute von 6500 syste¬ 
matisch untersuchten Leichen fand sich 29 mal B. paratyphus B, 2 mal B. 
paratyphus A. Verf. teilt die Fälle, in denen er positive Befunde erhob, 
nach Schottraüller in 4 Gruppen: 1. Paratyphus abdo ninalis, der 
dem Typhus abdominalis entspricht, mit Milzscbwellung und Schwellung 
der Darmlymphknoten einhergeht; 2. Gastroenteritis paratyphosa acuta 
und chroDica, in denen die entzündlichen Darmveränderungen, die bis¬ 
weilen der Dysenterie ähneln, durch B. paratyphus hervorgerufen werden; 
3. sekundäre Mischinfektion anderweitiger Infektionen, wie Scharlach, 
Diphtherie, Masern, Gelenkrheumatismus u. a. m. durch Paratyphus- 
bacillen; 4. reine Bakteriämien ohne Reaktionserscheinungen, die durch 
Infektion von Geschwüren des Magendarmkanals zustande kommen und 
reine Nebenbefunde bilden. Diese Bakteriämien sind vielleicht auch nur 
postmortalen Ursprungs. A. W. Pinner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

M. Hetzer-Bonn: Studien über Protozoen, insbesondere des 
Darms. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 304.) Es wurden 427 Stühle 
durch die Kultur auf Amöbenagar geprüft und in etwa 5 pCt. der Fälle 
Kulturen von Amöben aus mehr oder weniger normalen Fäces gewonnen. 
Die aus dem Darm gezüchteten Amöben hatten mit der echten parasitischen 
Form der Entamoeba coli nichts zu tun, da sie eine völlig verschiedene 
Struktur ihres Protoplasmas, ihres Kernes und ihrer Cystenmembran auf¬ 
wiesen. Eine Züchtung der Entamoeba coli ist bisher nicht gelungen. 

J. Basten - Bonn: Beiträge zur Methodik der Untersuchung der 
Bakterienflora des Sänglingsstuhles und zur Kenntnis seiner wichtigsten 
Bakterien typen. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 282.) Neben dem 
Bacillus bifidus bildet nach den Untersuchungen des Verf. der Bacillus 
acidophilus einen Hauptbestandteil der Bakterienflora des Säüglings- 
stuhles bei Brust- und Flaschenkindern. Bei der kulturellen Züchtung 
wurde der Bacillus bifidus meist noch in der 8. bis 9. Verdünnung, 
der Bacillus acidophilus nie über die 6. Verdünnung hinaus und in 
10 pCt. der Fälle überhaupt nicht gefunden. 

K. Ujihara - Formosa: Studien über die Amöbendysenterie. 
(1. Mitteilung.) (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 329.) Die auf Formosa 
vorkommenden Dysenterieamöben sind Tetragena Viereck. Es scheint, 
dass die Dysenterieamöbencyste, wenn sie unter Vermeidung direkten 
Sonnenlichtes allmählich getrocknet wird, auch nach Verlauf eines 
Monats noch lebensfähig ist. Die Cystenbülle ist im Magensaft schwer 
löslich, doch wird sie im Trypsin leicht verdaut. Für die Behandlung 
der Cystenträger wirken Thymol und Filmaron sehr intensiv, bei der 
vegetativen Form dürften die Gemische von Chinin und Gerbsäure wirk¬ 
samer sein, als die bisher angewandten Medikamente. Verabreicht man 
ein ChiDin-Tanninsäuregemisch, so wird zweifellos die Chininresorption 
verspätet. 

R. Oehler- Frankfurt a.M.: Untersuchungen über den Dimorphismus 
von Trypanosom» Brneei. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 356.) Der 
Dimorphismus eines von Braun und Teichmann erhaltenen Nagana- 
stammes (St. 63) blieb bei den Untersuchungen des Verf. bei Einzellen- 
übertragung unverändert «rhalten; er ist also offenbar kein Geschlechts¬ 
dimorphismus, vielmehr zeigte die genauere VerlaufsbeobachtuDg, dass 
die Schmalform die Wucherungsform, die Breitform die Remissionsform 
des Trypanosoma Brucei darstellte. 

Th. Messerschmidt und Keller - Strassburg: Befunde bei 
Psendotiiberkalose der Nagetiere, verursacht durch den Baeillns psende- 
tnberculosis rodentinm (Pfeiffer). (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 289.) 
Verff. berichten über eingehende Untersuchungen der morphologischen, 
kulturellen und serologischen Eigenschaften des Bacillus pseudotuber- 
culosis rodentium (Pfeiffer). Bei histologischen Kontrolluntersuchungen 
von tuberkulösen und pseudotuberkulöseD Organveränderungen waren 
wesentliche Unterschiede zu verzeichnen. Während die Pseudotuber¬ 
kulose neben den Zeichen der akuten Entzündung weitgehenden Gewebs¬ 
zerfall aufweist, tritt die Tuberkulose teils in Form von lympboiden, 
teils in epitheloiden Zellanhäufungen auf und lässt in dem weitgehenden 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1374 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


Mangel ausgesprochener nekrotischer Centren einen viel weniger pro¬ 
gredienten Charakter erkennen. 

W. Hagemeister - Berlin*. Ueber die Züchtung pathogener Try¬ 
panosomen auf künstlichen Nährböden. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77. H. 2, 
S. 227.) Rindertrypanosoraen vom Typus des Trypanosoma Theileri 
kommen auf Rinderblutnäbrböden bei 37° nur in erster Generation zur 
Vermehrung; dagegen gelingen Subkulturen dieser Trypaoosomenart auf 
mit Ziegenblut bergestellten Novyagar. Dextrose hat einen begünsti¬ 
genden Einfluss auf die Lebensfähigkeit und die Vermehrung pathogener 
Trypanosomen in vitro. Bei Dextrosezusatz ersetzen andere Blutarten 
(Ziegen-, Pferde-, Esel-, Kätberblut) das kostspielige Kanincheublut nicht 
nur, sondern übertreffen jene Blutart sogar noch. Auf Dextrosennähr¬ 
böden erhalten sich pathogene Trypanosomen infektiös, jedoch vermindert 
sich ihre Virulenz. Trypanosama brucei erhält in den Kulturen seine 
Virulenz besser und regelmässiger als Trypanosoma equiperdum. 

Möllers. 

R. Kraus - Buenos Aires: Ueber neuere Ergebnisse in der Er¬ 
forschung des flltrierbaren Virus. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.) Historischer 
Ueberblick. Wir kennen bis jetzt etwa 40 Krankheiten, welche durch 
filtrierbares Virus hervorgerufen werden. Es ist wahrscheinlich, dass 
auch die Ursache des Scharlachs, Masern, Mumps usw. filtrierbares 
Virus ist. P. Hirsch. 

J. P. Houget und F. Beckara - New York: Tuberkaloseimmnni- 
sierungsversuche mit dem Serum von Kühen. (Arch. of int. med., 
1914, Bd. 13, Nr. 5.) Die Verf. berichten über ihre im Laufe von zehn 
Jahren an Rühen vorgenommenen Versuche mit lebenden, virulenten und 
schwachvirulenten Tuberkelbacillen. Wohl fanden sie im Serum der be¬ 
handelten Tiere spezifische Agglutinine, Präcipitine, Opsonine usw., aber 
nie in höherem Grade. Bacteriolysine waren nicht nachweisbar. Lebende 
menschliche Tuberkelbacillen zeigten mit dem Immunserum sensibilisiert 
eine erhöhte Infektiosität bei Meerschweinchen und Kaninchen. Dieses 
eigenartige Verhalten des Immunserums ist wahrscheinlich dadurch zu 
erklären, dass die mit Antikörper beladenen Bacillen rascher phagocytiert 
werden. Jedenfalls ist ein Vaccin, das mit sensibilisierten, lebenden 
Tuberkelbacillen von der immunisierten Kuh gewonnen wird, nicht 
brauchbar. C. Kayser. 

W. Spät-KIadno: Zur Frage der Herkunft des lnetisehen Re- 
aktioiakörpers ii der Cerebrospinalflüssigkeit. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.) 
Die Versuche Spät’s stehen im Widerspruch mit der Annahme von 
v. Wassermann und Lange (B.kl.W., 1914, Nr. 11), dass die Lyropbo- 
cyten der Cerebrospinalflüssigkeit die Ursprungsstätte für den lueti¬ 
schen Reaktionskörper darstelfeD. Auch andere Zellon nichtluetischer 
Provenienz vermochten den Hemmungstiter erhitzter Cerebrospinal¬ 
flüssigkeiten zu steigern. 

G. Helling-Dresden: Blutseromunterfiiiehaageii bei Careiso- 

matösen mit neuer, verbesserter Methode. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.) 
Die Methode knüpft sich an das Abderbalden’sche Verfahren an. Es ist 
durch sie möglich, die hemmenden Stoffe im Serum durch Eigenbau zum 
Verschwinden zu bringen und hinterher das verstärkte Lösungsvermögen 
nachzuweisen Unter 250 untersuchten Fällen, welche hauptsächlich 
Erkrankungen de 9 MagendarrakaDals betrafen, befanden sich 65 Carciuome 
und von diesen wareD 58 positiv (= 90pCt.). P. Hirsch. 

0. Melikjanz - Arosa: Ueber die Anstellung des Abderhalden- 
schen Dialysierverfahrens mit der Koch’schen Toberknlinbacillen- 
emilsion. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) M. fand im Serum Leicht- und 
Schwertuberkulöser mit der Abderhalden’schen Reaktion Abwehrfermente, 
welche die Kocb’sche Bacillenemulsiön abbauen. Die Kontrollen reagierten 
negativ. 

A. Bisgaard und A. Korsbjarg - Kopenhagen: Kritische Be¬ 
merkungen zu Abderhalden’s Dialysierverfahren. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) 
Die Verff. konnten die von Fauser mit der Abderhalden’scben Reaktion 
ermittelten Resultate nicht bestätigen. Zur Feststellung der Proteasen- 
wirkung scheint die Ninhydrinmetbode nicht fein genug. Bis jetzt 
konnten die Verff. mit der Abderhalden’schen Reaktion keine Ferment¬ 
wirkung im Blute von Geisteskranken entdecken. Wolfsohn. 

H. Pfeiffer: Ueber das Auftreten peptolytiseher Fermente im 
Serum verbrühter Kaninchen. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) Bemerkungen 
zur Notiz von C. Ferrai in M.m.W., 1914, Nr. 23. 

M. Mandelbaum - München: Auftreten peptolytiseher Fermente 
im ßlnte. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) M. hat niemals, wie Pfeiffer meint, 
behauptet, dass das Auftreten peptolytiseher Fermente im Tode eine 
agonale Erscheinung ist. Dünner. 


Innere Medizin. 

0. An sei min o und J. Schi Hing - Berlin: Fiebtennadelbäder. 
(Ther. Mb., Juli 1914.) Zurzeit bestehen vier verschiedene Kategorien 
dieser Badezusätze: 1. Fichtennadelextrakte in dickflüssiger und fester 
Form; 2. Koniferenöl-Alkoholpräparate; 3. Koniferenöl Seifenpräparate; 
4. pulverförmige Zusätze, imprägniert mit ätherischem Oel. Kritische 
Besprechung und Untersuchung der einzelnen Arten. H. Knopf. 

M. Levy-Berlin: Ueber Transfusionen am Menschen mit sernm- 
baltigem und serumfreiem Blot (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) 
Bei der Transfusion defibrinierten Blutes kommen gelegentlich kleine 
Fiebersteigerungen vor, die aber ganz gefahrlos sind. Auch nach Trans¬ 


fusion von gewaschenen serumfreien Blutkörperchen beobachtet man diese 
Beeinflussung der Temperatur. Die Wirksamkeit der Transfusion ist die¬ 
selbe, ob man serumhaltiges oder serumfreies Blut einspritzt. Man soll 
serumfreies Blut zur Transfusiou benutzen, wenn das Serum des Spenders 
Agglutinine oder Hämolysine gegen die Blutkörperchen des Blutempläogers 
enthält. 

Jürgensen-Kopenhagen: Eine Modifikation der Hayem’sehen Lässig. 
(Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) Verf. findet, dass bei Benutzung 
der Hayem’schen Lösung deshalb leicht Zählfehler Vorkommen, weil die 
Erythrocyten zu schnell zu Boden sinken. Um dies zu verhindern und 
sie langsamer sich senken zu lassen, empfiehlt Verf. nur */ 2 pM. Sublimat 
bei der Herstellung zu nehmen. Das Rezept seiner Modifikation lautet: 
Uydr. bichlor. 0,05; Na. sulf. 2,5; Natr. chlor. 0,5; Aq. dest. 100,0g. 

Wol pe - Smolensk: Ueber den Einfluss des Pflanzeiphosphors auf 
den Blutbestand. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) W. hat den 
Einfluss des Phytins (inositphosphorsaures Calcium und Magnesium) auf 
die Zusammensetzung des Blutes studiert. Die Darreicbungsdauer des 
Mittels wahrte im Durchschnitt 65 Tage, dabei vermehrte sich die 
Erythrocytenzahl um 5,7 pCt., die Leukocytenzahl um 10,6 pCt., der 
Hämoglobingebalt um 7 pCt. H. Hirschfeld. 

E. Fraenkel - Hamburg: Ueber die Beziehungen der Leikiaie n 
geschwolstbildeadea Prozessen des hisi&topoetischen Apparates. 
(Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Zusammenfassender Vortrag über den 
Zusammenhang zwischen den verschiedenen Formen der Leukämie und 
dem Lymphosarkom, dem Chlorom und dem Myelom. 

A. W. Pinner. 

H. HirschfeId - Berlin: Die generalisierte alenkänisehe Myelose 

und ihre Stellung ira System der leukämischen Erkrankungen. (Zschr. f. 
klin. M., Bd. SO, H. 1 u. 2.) Die Existenz des Hrankbeitsbildes der 
aleukämischen Myelose war bisher bestritten. Verf. hat 3 Fälle klinisch 
und pathologisch-anatomisch sehr eingehend beschrieben und zeichnet 
ein Bild der klinischen und anatomischen Besonderheiten dieser Krank¬ 
heit. Im Mittelpunkt steht ein grosser Milztumor, eine Leberschwellung 
und eine zunächst schwere Anämie und Kachexie. Das Blut ist nicht 
leukämisch, höchstens sind einige Myelocyten vorhanden. Zur Differential¬ 
diagnose gegenüber Banti wird die Milzpunktion empfohlen, die myeloide 
Umwandlung ergibt. Pathologisch-anatomisch findet man die Ver¬ 
änderungen der myeloiden Leukämie, besonders in der Leber. Verf. 
zeigt an der Hand der Literatur, dass viele Fälle unter den verschiedensten 
Namen publiziert worden sind (Anaemia splenica, atypische Leukämie usw.), 
die in Wahrheit als aleukämische Myelosen aufzufassen sind. Auch eine 
akute Form kommt vor, von der eine eigene Beobachtung als Beispiel 
kurz beschrieben wird. H. Hirschfeld. 

O’Kelly*. Lenkosarkomatosta. (Dublin med. journ., 1914, Nr. 510.) 
Kasuistischer Beitrag eines abweichenden Falles. Schelenz. 

F. Klemperer - Berlin: Ueber Taberkelbaciilen im strömeodei 
Blut. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, Nr. 1 u. 2.) Verf. hat in 50 Fällen 
das strömende Blut auf Tuberkelbacillen untersucht; 8 Gesunde und 17 
von 18 an anderen Kraukheiten Leidende zeigten keine Bacillen im 
Blut, dagegen 21 von 24 Lungentuberkulosen. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung (Stäubli-Schnitter) ergibt weit häufiger ein positives Resultat 
als der Tierversuch. Diagnostisch und prognostisch ist der Tuberkel¬ 
bacillennachweis im Blut wegen seiner Unregelmässigkeit und schwierigen 
Technik bedeutungslos. 

L. Dünner-Berlin: Zur Klinik und pathologischen Anatomie der 
angeborenen Herzfehler. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Die 
genaue Diagnose der angeborenen Herzfehler ist immer eine unsichere, 
weil die Symptome sehr unbeständig sind. Selbst die Blausucht kann 
bei demselben Herzfehler bei einem Individuum vorhanden sein, beim 
andern fehlen. Selbst bei hochgradigen Entwicklungsstörungen kann der 
Blutkreislauf eine Zeitlang funktionieren. Bei einem 10 Wochen alten 
Kind vermutete Verf. ein kongenitales Vitium; die Sektion zeigte, dass 
drei Pulmonalvenen, zwei Foramina ovalia, eine gemeinsame Ventrikel- 
höhle, Transposition der Gefässe, offener Ductus Botalli, Missbildung 
der Tricuspidalis und Verlagerung der beiden Herzobren vorhanden waren. 
In einem zweiten Falle (21 Tage altes Kind) bestand Cyanose vom 
Halse abwärts, gleichzeitig Bronchopneumonie. Sektion ergab Persi9tenx 
und Erweiterung des Ductus Botalli -{- offenes Foramen ovale. Durch 
die Stauung in der rechten Kammer infolge der Lungenentzündung wurde 
ein Teil des venösen Blutes durch den Ductus in die Aorta geschleudert. 
Infolgedessen die beschriebene Cyanose. Die Gefässe, die das Gesicht 
und den Hals versorgten, entsprangen aus dem Teil der Aorta, der rem 
arterielles Blut führt. 

Libensky - Prag: Die Orthodiagraphie als Kontrolle der Wirkung 
der Digitalistherapie. (Zschr. f. klin. M. t Bd. 80, H. 1 u. 2.) Die Ortho¬ 
diagraphie gestattet, die Wirksamkeit der Digitalistherapie nachzuweisen. 
Man kann eine Verkleinerung des Herzens feststellen. Am stärksten is 
die Digitaliswirkung nach dieser Richtung hin bei erstmaliger Dar¬ 
reichung, bei längerer wird sie immer undeutlicher. Die durch Digita 11 ®* 
Wirkung an den Orthodiagrammen der einzelnen Klappenfehler herDei- 
geführten Veränderungen standen durchaus im Einklang mit den gelten 

Erfahrungen über Indikationen und Gegenindikationen der^Digitalistherap 

L. Caussade: Die Cytodiagoostik der Magenflflsfiigkeit und ihr« 
klinische Bedeutung. (Rev. möd., 1914, Nr. 6.) Wenn man einen *«« 
Magen im Normalzustände ausspült, so finden sioh in der Spulflussig 


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20. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1375 


regelmässig dreierlei Elemente: 1. Pflasterzellen, die aus der Schleim¬ 
haut des Mundes, Pharynx und Oesophagus stammen; 2. Zelltrümmer, 
die sich meist als isolierte Kerne darstellen, und deren Ursprung unklar 
ist; 3. Leukocytendetritus. Io pathologischen Fällen finden sich ab¬ 
weichende Verhältnisse. Man konstatiert hier das Vorkommen von 
weissen und roten Blutkörperchen; die Pflasterzellen können stark ver¬ 
mehrt sein; schliesslich sieht man Zellen epithelialer Herkunft, und 
xwar sowohl Epithel der Magenschleimhaut wrie auch Zellen der Magen¬ 
saftdrüsen, Hauptzellen und Belegzellen. Gewisse Erkrankungen des 
Oesophagus und des Magens lassen sich durch eine ganz bestimmte 
Zusammensetzung der pathologischen Zellformen charakterisieren. 

A. Münzer. 

Rebfuss: Eine neue Methode zur Magens&ftnntersnchnng. (Americ. 
jouro. of med. Sciences, 1914, Nr. 507.) R gibt eine Modifikation des 
Binhorn’schen Eimerchens an, mit dem es gelingt, in jeder Zeit die Ein¬ 
wirkung der Verdauung auf eingeführte Speisen zu prüfen. 

Schelenz. 

Saski - Warschau: Ergebnisse der bakteriologischen Blutuntersuchung 
io 50 Fällen von Abdominaltyphns. (Zschr. f. klio. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) 
Das durch Venenpunktion entnommene Blut wurde nach Castellani 
in Kolben mit 150—200 ccm Peptonbouillon verimpft oder seltener nach 
Schottmüller mit verflüssigtem Agar gemischt und in Platten ge¬ 
gossen oder nach der Anreicherungsmethode von Kayser-Conradi unter¬ 
sucht. Es wurde festgestellt, dass Bakteriämie in der ersten Krankheits¬ 
woche fast konstant vorkommt und im Laufe der ersten Wochen erlischt. 
1 q schweren und mittelschweren Fällen findet man auch in der zweiten 
und dritten Woche noch Bacillen im Blut. Noch im Laufe der zweiten 
Woche fällt die Blutkultur häufiger positiv aus, als die Widal’sche Reaktion. 

H. Hirschfeld. 

B. Hannes - Hamburg: Ueber das Vorkommen von Typhnsbacillen 
i* Liqtor cerebrospinalis bei Typhuskranken. (Vircb. Arch., Bd. 216, 
H. 3.) Unter 41 untersuchten Typhuskranken konnten zweimal Typhus¬ 
bacillen in der sonst normalen CerebrospinalflÜ9sigkeit nachgewiesen 
werden. Aus der Tatsache, dass in den positiven Fällen eine besonders 
schwere Bewusstseinstrübung bestand, schliesstVerf.auf einen Parallelismus 
zwischen dieser und dem Vorkommen von Bacillen. Irgendwelche 
prognostischen oder diagnostischen Schlüsse werden aus der geringen 
Anzahl der Fälle nicht gezogen. Meningitis bestand in keinem der Fälle. 

A. W. Pinner. 

E. Wilbrand - Hamburg: Einwirkung von Natrium bicarbonicnm 
auf die Pankreassekretion. (M.ra.W., 1914, Nr. 26.) Die Versuche 
zeigen, dass Alkalizufuhr beim Diabetes mellitus den Pankreas schont. 
Es setzt die Pankreassekretion herab. In Lösung wirkt es besser als 
in Substanz. Dünner. 

G. Lepehne - Freiburg i. B.: Experimentelle Untersuchungen über 
das „Biligewebe“ ii dar Leber. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Nach Milz¬ 
exstirpation bei Ratten findet man in den Kupfer’schen Sternzellen der 
Leber eine Eisenspeicherung sowie eine Phagocytose roter Blutkörperchen. 
Dieses Bild ist fast immer in der Leber normaler Vögel zu sehen. Es 
gelingt also durch Milzexstirpation quasi, die Säugetierleber in eine 
Vogelleber umzuwandeln. Man muss annehmen, dass normalerweise eine 
bestimmte Menge von roten Blutkörperchen untergeht und in der Ratten- 
oilz verarbeitet wird. Fehlt die Milz, so strömt freies Hämoglobin der 
Leber zu. Es kommt dann auch zur Hämoglobinämie. Wolfsohn. 

Wagner - Wien: Klinische Untersuchungen über die Bedeutung der 
rencbiedenen Zackerproben für die Beurteilung der Leberfunktion. 
(Zschr. f. klio. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) Verf. behauptet auf Grund seiner 
Untersuchungen, dass der Galaktoseprobe eine grosse Bedeutung für die 
Differentialdiagnose in der Leberpathologie zukomme. Galaktosurie be¬ 
deutet eine Funktionsstörung des Leberparenchyms. Besonders für die 
Differentialdiagnose zwischen Icterus catarrhalis und anderen Formen des 
Icterus wird die Galaktoseprobe Dienste leisten. Die Lavuloseprobe ist 
»eit weniger zuverlässig. H. Hirschfeld. 

Eustis: Diabetes Melittas and alimentäre Glykosnrie. (Americ. 
joum. of med. Sciences, 1914, Nr. 507.) Verf. weist an 2 Fällen auf 
die erheblichen Unterschiede der alimentären Glykosurie gegen den 
echten Diabetes hin. Schelenz. 

... .^auritzen-Kopenhagen: Ueber Aeidosebestimmnngen und ihre 
siinüche Anwendbarkeit bei Diabetes mellitus. (Zschr. f. klin. M., 
öd. 80, H. 1 u. 2.) Zur Acidosebestimmung empfiehlt Verf. die Ein- 
pk ? er ^ orm °Ritrierung zur Feststellung der Totalacidität des Urius. 
ebenso die Lungenluftanalyse nach Fridericia eine gute Methode, 
eine Versuche zeigten, dass mittelstarke Acidosen mit 2—3 g Ammoniak 
« . mit diätetischer Behandlung gut niedorgehalten werden können, 

w in den vorgeschrittenen Fällen ist gleichzeitig Alkalitherapie in 
aiaahlich steigender Dosis notwendig. 

. .,^^^ er i c ia - Kopenhagen: Ueber die Bestimmung der diabetischen 
h»ft 8 durch Untersuchung der Koblensäurespannung in der Langen- 
? chr - f - klin * Bd. 80, H. 1 u. 2.) Die Untersuchung der 
0 önsäurespannung der Lungenluft kann methodisch angewendet 
inH* 11 ’ Um diabetische Aoidosis zu bestimmen und die Schwankungen 
eiesem Zustand zu verfolgen. Verf. wird demnächst einen einfachen 
HU? ar ^ ^ esc b r ®iben, der sich zur klinischen Anwendung eignet und mit 
. C dessen man die Kohlensäurespannung in der Lungenluft leicht und 
w *toell bestimmen kann. H. Hirsohfeld. 


F. HirschfeldrBerlin: Die Erhöhung des Blatsaekers bei greisen 
Zuckerkranken. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Vortrag im Verein f. inn. 
Med. u. Kinderheilk. in Berlin am 16. März 1914. Wolfsohn. 

Reiss - Frankfurt a. M.: Zur Klinik und Einteilung der Urämie« 
(Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) Verf. versucht eine neue Ein¬ 
teilung der Urämien auf Grund der klinischen Entstehungsweise zu be¬ 
gründen. Er unterscheidet 4 Gruppen: die asthenische Urämie, die 
Krampfurämie oder epileptische Urämie, die psychotisohe Urämie und 
die Minenformen. Nur die beiden ersten Gruppen bespricht er an der 
Hand von Krankengeschichten. Bei der asthenischen Urämie sind die 
wesentlichsten Symptome körperliche und geistige Schwäche, bei der 
Krarapfurämie epileptiforme Krämpfe. 

Sorme-Kopenhagen: Uebt das Antithyreoideil eine spezifische Wir¬ 
kung gegenüber dem Morbas Basedowii aus? (Zschr. f. klin. Med., 
Bd. 80, H. 3 u. 4.) Im staatlichen Seruminstitut in Kopenhagen wird 
Antithyreoidin von tbyreodektomierten Ziegen und Pferden gewonnen. 
Viele Basedowkranken und auch viele Aerzte berichten von Erfolgen 
dieser Therapie. Verf. hat nun zunächst festgestellt, dass nur ein Teil 
dieser Tiere myxödematös wird, während andere gesund bleibeü, weil sie 
eine Nebenschilddrüse haben, die nicht mitentfernt wurde. Er verglich 
nun die Wirkung des Blutserums dieser Tiere mit dem der mxyödema- 
tösen im Tierversuch. Meerschweinchen und Kaninchen bekamen Schild¬ 
drüse und gleichzeitig Antithyreoidin. Es zeigte sich kein Unterschied 
im Verhalten der Tiere, gleichviel ob das Antithyreodin von myxödema- 
tösen oder gesunden Tieren stammte. Ganz ebenso fielen Versuche bei 
Basedowkranken aus: auch solche Patienten gaben Besserung an, die 
Antithyreoidin von gesunden Tieren genommmen hatten. 

H. Hirschfeld. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

H. Claude, R. Porak und J. Rouillard: Untersuchungen über 
klinische Manometrie mit spezieller Bezugnahme auf das Studium des 
Druckes der Cerebrospina)fliissigkeit. (Revue de möd., 1914, Nr. 6.) 
Mit Hilfe eines besonders konstruierten Manometers unternahmen die 
Verff. eine Reihe von Druekbestimmungen an der Cerebrospinalflüssigkeit, 
sowie an serösen Flüssigkeitsergüssen (Pleura, Bauchhöhle). Die Druck¬ 
messung ist als wertvolle klinische Untersuchungsmethode anzusehen und 
gibt interessante Aufschlüsse über das Wesen einer Krankheit. 

A. Münzer. 

Schellong: Zur Bewertung der Nenraetheniediagnose nach ob¬ 
jektiven Merkmalen. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) Auf Grund 
von sehr zahlreichen Untersuchungen und Erfahrungen ist Verf. zu dem 
Resultat gekommen, dass für die Diagnose „Neurasthenie“ die sog. ob¬ 
jektiven Merkmale derselben, gesteigerte Kniereflexe, schnelles vasomo¬ 
torisches Nachröten, erhöhte Pulsfrequenz, Augenlider-, ZuDgen- und 
Fingerzittern an und für sich wertlos sind, weil sie sich auch bei vielen 
Gesunden finden. Nur dort, wo mehrere dieser Symptome, etwa 4, ver¬ 
einigt auftreten, lässt sich mit Wahrscheinlichkeit auf eine erhöhte Nerven¬ 
erregbarkeit schliessen, ohne dass die Neurasthenie damit strikte bewiesen 
wäre. Dem Augenliderzittern und den gesteigerten Kniereflexen kommt 
die geringste diagnostische Bedeutung für die Neurasthenie zu. 

Chanutina: Ein Fall von Paralysis Laadry. (Zschr. f. klin. M., 
Bd. SO, H. 1 u. 2.) Verf. verficht den Standpunkt, dass dem Symptomen- 
komplex der Landry’scben Paralyse verschiedene pathologisch-anatomische 
Krankbeitsbilder oder auch eine differente Pathogenese zugrunde liegen, 
ln einem raitgeteilten Fall ergab die pathologisch-anatomische Unter¬ 
suchung eine Neuritis und eine degenerative Myelitis. 

H. Hirschfeld. 

L. Bcriel: Klinische Bemerkungen über obere Bnlbärsyndrome. 
(Lyon med., 1914, Nr. 22, 23 u. 24 ) Klinische Beobachtungen zeigen, 
dass Läsionen der höher gelegenen Bulbusabschnitte einen ganz bestimmten 
Symptomenkomplex erzeugen. Er setzt sich aus folgenden Erscheinungen 
zusammen: 1. Zerebellare Störungen, die auf der Seite der Läsion ge¬ 
legen sind. 2. Nucleäre, gleichfalls homolateral auftretende Störungen. 
Sie betreffen das sensible Gebiet des Trigeminus, die sensomotorischen 
Bahnen des Glossopbaryngeus, vielleicht auch des Pneumogastricus, bis¬ 
weilen schliesslich das motorische Gebiet des Facialis. 3. Störungen des 
allgemeinen sensomotorischen Bahn, die kontralateral auftreten: flüchtige 
oder nur sehr gering hervortretende Hemiplegie, Hemianästhesie vom 
Typus der Syringomyelie. Das geschilderte Syndrom ist in bezug auf 
seine Einzelerscheinungen mehr oder minder variabel. A. Münzer. 

M. Berliner-Hütteldorf-Hacking: Ueber einen Fall von hysterischer 
Monoplegie. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.) Der Fall betrifft einen 15jährigen 
Knaben. Es bestand bei ihm seit über 1 Jahr völliges Fehlen aktiver 
Beweglichkeit des rechten Armes, ferner Katalepsie dieses Armes, dabei 
aber normales elektrisches Verhalten und Pehlen von Muskelatrophie. 

_ P. Hirsch. 


Kinderheilkunde. 

Elliot: Wagsermann’sche Reaktion bei lindern der ärmeren 
Klasse. (Glasgow med. Journ., 1914, Nr. 5.) In 8 pCt. fand sich eine 
positive Reaktion. Es ist das eine erhebliche Meoge. Einen wesentlichen 
Einfluss auf den Allgemeinzustand konnte man nicht ableiten. 

Schelenz. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


1376 


Chirurgie. 

A. Hoffmann und M. K o chm an n - Greifswald: Untersuchungen 

über die Kombination der Lokalanaesthetiea mit Kaliamsalfat, nebst 
Angabe einer einfachen Wertbestimmungsmetbode der Lokalanaesthetica. 
(Beitr. z. kliü. Cbir., 1914, Bd. 91, H. 3.) Zu einem kurzen Referat 
nicht geeignet. Hervorgehoben mag nur werden, dass wiederum die 
starke Wirkungsverstärk sog des Novocain durch Kombination mit Kalium- 
sulfat bestätigt wird. W. V. Simon. 

Franz-Berlin: Eine Transportsebiene für Hüftgelenksverletzungen 
und Oberschenkelfrakturen. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Dorsale Stahl¬ 
blechschiene, vom Nabel bis zum Unterschenkel reichend; filiert das 
Hültgelenk im gestreckten Winkel; ist schnell und handlich anzulegen. 
Abbildungen. Wolfsohn. 

Schmidt-Moskau: Bogenförmige Osteotomie bei Winkelankylosen 
nnd arthrogenen Kontrakturen des Knies. (Beitr. z. kiin. Cbir., 1914, 
Bd. 91, H. 3.) Die Technik ist folgende: Man macht an der Längsachse 
des Oberschenkels 2 Seitenschnitte von 6—7 cm Länge; nach Spaltung 
der Aponeurose arbeitet man sich stumpf aus den Knochen vor, schiebt 
ein Elevatorium aus dem einen Schnitt frei zwischen dem Knochen und 
Muse, quadriceps auf die andere Seite des Femur und führt das Ende 
des Instruments durch den primären Weichteilschnitt auf der entgegen¬ 
gesetzten Seite heraus. Gleich nachdem das Elevatorium entfernt ist, 
wird die schmale Bogensäge oder die Giglisäge durebgeführt und im 
Bereich der Kondylen eine bogenförmige Osteotomie ausgeführt. Die 
Vorzüge der Methode vor der linearen Osteotomie und Keilresektion be¬ 
stehen in der Möglichkeit, eine volle Korrektion der Eitremität zu erzielen, 
ohne jegliche Verkürzung und bajonettartiges Hervortreten der Knochen¬ 
enden. 

A. Hüssy-Unter-Aegeri (Schweiz): Ueber die Erfolge der Helio¬ 
therapie im Hochgebirge bei Tuberkulosen der Hand. (Beitr. z. kiin. 
Chir., 1914, Bd. 91, H. 3.) Das Material entstammt der Rollier’schen 
Anstalt in Zupin. Es sind wieder sehr schöne Erfolge, über die uns der 
Verf. in seiner Arbeit berichten kann, Resultate, wie wir sie sonst bei 
Handtuberkulosen nicht im entferntesten zu sehen bekommen. Eine 
Verbindung der Heliotherapie mit der konservativen Chirurgie ist nötig, 
weswegeu von dem heliotherapeutisch tätigen Arzt verlangt werden 
muss, dass er chirurgisch und orthopädisch vorgebildet ist. 

G. Iwaschenzoff und W. Lange - Petersburg: Zur Frage der 
Salvarsantberapie der chirurgischen Lues. (Beitr. z. kiin. Chir., 1914, 
Bd. 91, H. 3.) Berichtigung zu der Arbeit derselben Autoren in Bd. 89, 
H. 2 u. 3 der Beitr. z. kiin. Cbir. W. V. Simon. 

Schlössmann-Tübiogen: Wiederanheiluog einer fast vollständig 
abgeschnittenen Band mit guter Funktion. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) Es 
bestand nur noch eine kleine Hautbrücke, in der die Arterie und der 
N. ulnaris verlief. Operation. Naht von 22 Sehnen, N. medianus wurde 
auch genäht; der N. radialis wurde nicht genäht, ebenfalls die Radial¬ 
arterie Dicht, da hinreichende Anastomosen der Ulnaris bestanden. Guter 
Heilverlauf und sehr gutes funktionelles Resultat. Sogar die Sensibilität 
stellte sich allmählich ein. Dünner. 

M. Tiegel-Dortmund: Ueber Behandlung von Handphlegmoneu. 
(Beitr. z. kiin. Chir., 1914, Bd. 91, H. 3.) Um den freien Abfluss des 
Eiters möglichst zu erreichen, empfiehlt Verf. die Verwendung kleiner 
Spreizfedern, durch die die Wundränder auseinandergehalten werden. 
Die Tamponade, der viele Misserfolge zur Last zu legen sind, wird ver¬ 
worfen. Das Verfahren eignet sich auch gut für Sehnenscheidenphlegmonen. 
Trotz ausgiebiger Freilegung der Sehnen wird die Nekrose derselben 
bintenaDgehalteu. Die Sehnen bedecken sich schnell mit Granulations¬ 
gewebe. Weiterhin ist eine Ruhigstellung der Finger oder Hand durch 
einen fixierenden, dorsal (bei volaren Affektionen) anzulegenden Schienen¬ 
verband nötig. Doch muss diese Fixierung räumlich wie zeitlich auf 
das notwendigste Mindestmaass beschränkt bleiben und den beteiligten 
Fingern doch eio gewisses Maass Bewegungsmöglichkeit gestatten. Angabe 
einer Schiene. 

Peuckert-Zwickau: Die Technik ausgedehnter Thoraxresektionen 
bei veralteten Empyemen. (Beitr. z. kiin. Chir., 1914, Bd. 91, H. 3.) 
Verf. führt die Operation in 4 Akten aus, deren Reihenfolge streng ein¬ 
zuhalten ist. Nach jedem Akt kann die Operation unterbrochen werden 
und soll es immer bei Totalempyemen. 1. Breite Eröffnung des Thorax 
am unteren Ende der Empyemhöhle. Nachbehandlung mit Spülungen 
und Tamponade. 2. Durchscbneidung der Thoraxwand am hinteren 
Rande der Empyemhöhle. 3. Desgleichen am vorderen Rande der 
Empyemböhle. 4. Ablösen des Scbede’schen Lappens und Entfernung 
der bereits vorn und hinten durchschnittenen Rippen nebst Pleura¬ 
schwarte in einem Stück. Gitterförraiges Einsebneiden der pulmonalen 
Pleuraschwarte. W. V. Simon. 

J. Galpern-Twer: Die Dauerresultate der Pylornsaasschaltnng. 
(M.m.W., 1914, Nr. 26.) G. hatte seine Fälle, bei denen er Pylorus- 

ausschaltung (speziell nach Bogoljuboff-Wilms machte) nach längerer 
Zeit nachkontrolliert und röntgenologisch gefunden, dass in fast allen 
Fällen der Pylorus undurebgängig war. Dünner. 

Dur and-Lyon: Die Frühoperation mit Schluss der Baach wand 
ohne Drainage in der Behandlung der akuten Appendicitis. (Lyon 
med., 1914, Nr. 24.) Verf. berichtet, dass er in einer ganzen Reihe von 
Fällen bei akuter Appendicitis die Frühoperation mit sofortigem Schluss 
der Bauchwandungen durebgeführt und hiermit ausgezeichnete Resultate 
erzielt habe. 


L. Arnaud: Abdominalkontosion dnreh Hnfsehlag lieb 24 Stnidei. 

(Lyon med., 1914, Nr. 25.) Bei einem ins Krankenhaus eingelieferten 
Patienten, der 24 Stunden vorher einen Hufschlag gegen den Leib be¬ 
kommen hatte, wurde als einziges Symptom eine Kontraktur des Ab¬ 
domens gefunden. Hierauf allein wurde die Diagnose „Perforation“ ge¬ 
stellt, die durch die sofortige Operation bestätigt wurde. Partielle 
Resektion der verletzten Darmschlingen, Naht, Schluss der Bauchwand 
ohne Drainage, Heilung. A. Münzer. 

Reich-Tübingen und Beresnegowski - Tomsk: Untersuchungen 
über den Adrenalingehalt der Nebeinierei bei akntei Infektioiei, 
besonders Peritonitis. (Beitr. z. kiin. Chir., 1914, Bd. 91, B. 3.) Bei 
akuter Peritonitis des Menschen befinden sich in mehr als der Hälfte 
der Fälle die Nebennieren in einem anatomischen Zustande der Chrom¬ 
affinverarmung, der mit einer normalen Adrenalinsekretion nicht vereinbar 
ist. Dementsprechend ist in einem Teil der menschlichen Peritonitis¬ 
fälle wahrscheinlich eine akute Nebenniereninsuffizienz an der Erzeugung 
der Kreislaufschwäche neben einer centralen Vasomotorenlähmung ursäch¬ 
lich beteiligt. Es ist vorerst nicht wahrscheinlich, dass die verschiedenen 
Arten tödlicher Infektionen das Nebennierenmark gleich rasch und gleich 
intensiv schädigen, hierin steht vielmehr die akute Peritonitis obenan. 

Baggerd-Posen: Zur Kenntnis der Massenblntangen ins Nierei- 
lager. (Beitr, z. kiin. Chir., 1914, Bd. 91, B. 8.) Mitteilung eines ein¬ 
zelnen Falles, dessen interessante Einzelheiten im Original nachgelesen 
werden müssen, mit Ausführungen zur Pathologie, Aetiologie und Klinik 
dieser Erkrankung. W. V. Simon. 


Röntgenologie. 

H. Bichler-Wien: Zur Kasuistik des Rtiatgencareinoms. (W.kl.W., 
1914, Nr. 26.) Kasuistik. Die Fälle gehören in ihrer Eotstehungszeit 
einer Periode au, in welcher noch niemand die Gefahren der scheinbar 
so harmlosen Röatgenstrahlen ahnte. Bei voller Beherrschung der Technik 
und gewissenhafter Anwendung derselben ist es möglich, schwere Röntgen¬ 
schädigungen mit Sicherheit zu vermeiden. W. V. Simon. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

N. Woronysch-Wien: Zur Frage der menstruellen Schilddrösen- 
vergrössernng. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.) Der Verf. konstatierte nach 
seinen Beobachtungen, dass weder prämenstruell noch menstruell eine 
zahlenmässig nachweisbare Vergrösserung der Schilddrüse stattfinde. 
Nur in einem geringen Prozeusatz der Fälle waren nachweisbare 
Grössenschwankungen festzustellen, und bei diesen war es nicht sicher 
zu entscheiden, ob wirklich menstruelle Einflüsse allein die Ursache 
der Volumsveränderungen waren. P. Hirsch. 

A. Hirschberg - Berlin: Ueber die vikariierende bzw. kom¬ 
plementäre MeBStrn&tionsblntug. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 26.) Be¬ 
kanntlich gibt es Blutungen, die als Ersatz bzw. gleichzeitig mit 
Blutungen aus anderen Organen auftreten. Es sind als solche Hämat¬ 
urie, Hautblutungen, Nasenblutungen, Morbus Werlhofit beschrieben 
worden, seltener solche aus der Mamma. Verf. beschreibt einen solchen 
Fall, bei dem komplementäre Blutungen aus den beiden Mammae auf- 
trateD, und zwar stärker aus der rechten. Diese Blutungen sistierten 
auch bei der Gravidität, bestanden vom 17. bis 27. Jahre, und hörten 
dann plötzlich auf. Siefart. 

Richter - München: Ueber Luftembolie bei krimineller Abtreibiig. 
(Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) 2 Fälle, in denen Frauen tot aufge¬ 
funden wurden, neben ihnen eine Klysopompe. Die Sektion ergab in 
beiden Fällen reichliche Luftblasen im HerzeD, der Vena cava, den 
Venae uterinae und im Uterus. In allen plötzlichen Todesfällen jüngerer 
weiblicher Personen ist die Sektion des Herzens so vorzunebmeD, dass 
eine etwaige Luftembolie zur Beobachtung kommen kann. Die Klyso¬ 
pompe ist gefährlicher als der Irrigator wegen des hohen Drucks, mit 
dem sie arbeitet. L. Zuntz. 

Ph. Jung - Göttingen: Die Behandlung bedrohlicher Blutungen 
nach der Geburt. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Klinischer Vortrag. 

Wolfsohn. 

Winter - Königsberg: Ueber Bedeutung und Behandlung retinierter 
Placentarstücke. (Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) Das retinierte 
Placentarstück macht an sich niemals schweres Puerperalfieber, sondern 
die gleichzeitig mit der Retention auftretenden schweren Fieber sind die 
Folgen direkter Infektion. Die aktive Ausräumung retinierter Placentar¬ 
stücke bei fiebernden Wöchnerinnen verläuft nur in etwa einem Drittel 
der Fälle fieberlos, und in 7—9 pCt. ist der Tod die Folge des Eingriffs. 
Die Ausräumung scheint bei Anwesenheit hämolytischer Streptokokken 
besonders gefährlich zu sein. Das Suchen nach einem vermuteten 
Plaoentarstück ist nur durch Blutungen und nicht durch das bestehende 
Fieber indiziert. Das bei der Geburt sicher erkannte retinierte 
Placentarstück ist sofort zu entfernen; ebenso im Wochenbett bei 
fieberlosen Wöchnerinnen. Bei schwerer Blutung ist auch der Uterus 
fiebernder Wöchnerinnen sofort auszutasten und ein anwesendes 
Placentarstück sofort zu entfernen. Wenn Blutungen fehlen, ist bei 
Polypen, welche in die Vagina ragen oder im Cervix sitzen, zu Qa cte 
die spontane Ausstossung einige Tage abzuwarten oder durch Er# 0 «- 11 * 
gaben zu befördern. Wenn auf eine spontane Ausstossung zunacns 


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20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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nicht gerechnet werden kann, so hangt die weitere Behandlung von dem 
Resultat der bakteriologischen Untersuchung ab; finden sich nur sapro- 
phytiscbe Keime, so ist die Ausräumung sofort vorzunehmen. Sind viru¬ 
lente Bakterien, vor allem hämolytische Streptokokken, vorhanden, so 
ist die Ausräumung zu unterlassen und die spontane Ausstossung oder 
das Verschwinden der virulenten Keime abzuwarten und dann erst aus- 
luräumen. Bei sicher nachgewiesener Erkrankung des Peritoneum, der 
Parametrien und der Adnexe ist nur ein konservatives Verfahren am 
Platze, nur bei akuter Verblutungsgefahr ist eine vorsichtige Aus¬ 
räumung gestattet. Die Ausräumung ist, wenn irgend möglich, nur mit 
dem Finger und niemals mit scharfen Instrumenten vorzunehmen. 

Sachs-Königsberg: Ueber innere Ueberdrehnng des Rückens in- 
feige Ansvorfalls. (Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) Es handelte sich 
um eine Gesichtslage bei ausgetragenem Kinde mit Arm-, Nabelschnur- 
und Fussvorfall, die nach Zurückschieben des Fusses spontan zu Ende 
ging. Das Kind war infolge des Nabelschnurvorfalls bei Uebernahme 
des Falles schon abgestorben. Das Kind lag so, dass der Rücken ent¬ 
sprechend einer ersten Lage uach links gerichtet war, während die 
Gesichtslinie im linken schrägen Durchmesser, Kinn links hinten, stand, 
also entsprechend einer zweiten Gesichtslage. Die Ursache hierfür 
war, dass die vorgfallene Hand den Kopf an einer der Stellungsänderung 
des Rückens entsprechenden Drehung hinderte. L. Zuntz. 

E. Schwarzenbach - Zürich: Der diagnostische Hinterdammgriff. 

(Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 27.) Die stets sehr wichtige Frage, ob der 
kindliche Schädel den BeckeneiDgang passiert und zangengerecht steht, 
lasst sich durch äussere Untersuchung allein nicht, oder nur sehr schwer 
entscheiden. Um nun eine innere Untersuchung überflüssig zu machen, 
lässt Verf. die Kreissende. sieb auf die rechte Seite legen und drückt 
mit der rechten Band zwischen Kreuzbein und After so tief als möglich 
ein. Nach seinen sehr reichlichen Erfahrungen ist der Schädel ganz 
sicher ins kleine Becken eingetreten, wenn er bei dieser Untersuchungs¬ 
methode zu fühlen ist, und stebt sicher noch nicht zangeogerecht, wenn 
man ihn bei dieser Methode noch nicht fühlt. Siefart. 

Benthin-Königsberg: Bakteriologische Untersuchungen bei gynäko¬ 
logische! Erkrankungen. Ein Beitrag zur (rage der Selbstinfektion 
der Gynäkologie. (Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) Bei systematischer 
Abimpfung des Vaginalsekrets finden sich hämolytische Streptokokken 
bei Carcinomen in etwa 25 pCt. der Fälle, bei Prolapsen in 15 pCt., und 
zwar auch bei solchen ohne Decubitalgeschwür, bei Myomen in etwa 
5pCt Nahezu alle letalen Ausgänge und fast alle Schwererkrankungen 
fallen auf ihr Konto. Gegenüber einer Mortalität von 17 pCt. bei 
Gegenwart von hämolytischen Streptokokken betrug sie bei ihrer Ab¬ 
wesenheit nur 1 pCt., entsprechend ist die Morbidität 56 und lOpCt. 
Speziell bei den Carcinomen sind die entsprechenden Zahlen für die 
Mortalität 29,4 und 4,2 pCt. Es gelingt aber, durch entsprechende Vor¬ 
behandlung (Spülungen mit Sublimat, mit 5 prom. Milchsäure) in einem 
Teil der Fälle die hämolytischen Streptokokken zum Verschwinden zu 
bringen und damit die Operationsprognose erheblich zu verbessern. 

Flatau: Erfahrungen mit Peristaitin nach Laparotomien. (Mschr. 
f. Geburtsh., Mai 1914.) Das parenteral gegebene Peristaltin ist im¬ 
stande, eine echte Peristaltik des Darms zu wecken und zu unterhalten, 
fe kürzt das Stadium der postoperativen Parese entschieden ab. Es 
kann durch Verhinderung einer Adhäsionsbildung gegen die Operations- 
achädiguug und ihre eventuellen Folgen — mechanischen Ileus, sekun¬ 
däre Sepsis auf Grund von Bacterium coli-Durchwanderung — pro¬ 
phylaktisch wirken und ist in der empfohlenen Anwendung unschädlich. 
Es sollte daher 24 Stunden nach jeder Laparotomie in der Dosis von 
0,5 ccm intramuskulär gegeben werden. L. Zuntz. 

F. Schauta Wien: Die Radinmbebandlnng bei Gebärmutterkrebs. 

(Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 27.) ln der Wiener Klinik hatte man vor dem 
Kongress in Halle nur mit geringen Mengen Bestrahlungen gemacht. Da 
ton Berlin, Freiburg und München über MesotbormmbestrabluDgen mit 
Dosen von 150 bis 200 mg berichtet wurde, so fing man nun auch in 
Wien an, entsprechende Mengen von Radium anzuwenden. Verf. be¬ 
richtet nun über drei Gruppen von Fällen: Die erste Gruppe sind Dauer¬ 
bestrahlungen mit 100—150 mg 5—11 Tage lang, die zweite inter¬ 
mittierende Bestrahlungen von 7 bis 15 Nächten, und die dritte inter¬ 
mittierende Bestrahlungen von 5 bis S mit wesentlich kleineren Dosen 
Jon 80 bis 50 mg. Die Filtrierung fand mit Blei oder Platin statt. 
Die Resultate der ersten Gruppe waren sehr schlecht, indem nämlich 
mcht nur alle Patientinnen dieser Gruppe gestorben sind, sondern auch 
bei ihnen Gewichtsabnahme, Kachexie, Diarrhöen, Verminderung der 
«ythrocyten, Fieber, Erbrechen usw. anftraten, bei der zweiten und 
Jntten Gruppe wurden von 22 Patientinnen 11 geheilt (primär) gleich 
JOpCt. Verf. wird mit der Technik der dritten BestrahiuDg9gruppe, 
\ nachts Bestrahlung von 12 Stunden mit Pausen von 12 Stunden, 
“«T 0 ’^ a ä eö und Intervallen von 2 bis 4 Wochen sowie mit 5 bis 
8 Jo tra - luD K en > und derselben Filtrierung fortfahren, aber alle ope- 
ftblen ^Sille nach wie vor operieren, da er sich zum Bestrahlen solcher 
noch nicht für berechtigt hält, solange keine Dauerresultate vorliegen. 

Siefart. 

11 er-Wiesbaden: Die kontinuierliche Rtintgenisation, eine neue 
St^n J ^ er .^ e f en bGstrahlung. (Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) An 
eile der serienweisen Bestrahlung mit sehr starken Dosen und vielen 
UMlfeldern, wie sie in Freibnrg üblich ist, bestrahlt Verf. mit wesent¬ 


lich kleineren Dosen von vier Feldern aus, zwei vorn, zwei am Rücken, 
unter Anwendung eines Aluminiumfilters so lange, bis Amenorrhoe ein- 
tritt. In 5 Fällen gelang dies in 54—74 Tagen ohne jede Schädigung. 

L. Zuntz. 


Augenheilkunde. 

Dutoit: Nachtrag zur Mitteilung: Ueber die Bedeutung und den 
Wert des PellidoU in der Augenheilkunde. (Graefes Arch., Bd. 88, 
H. 1.) Hinweis auf die Arbeit Schreiber’s über die Behandlung der 
recidivierenden Hornhauterosionen mit Scharlacbsalbe. (Graefes Arcb., 
Bd. 87, S. 174.) 

Dutoit: Ueber die Bedeutung und den Wert des Pellidols in der 
Augenheilkunde. (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Die im Gegensatz 
zum Scharlachrot nicht färbende Pellidolsalbe gibt in der Behandlung 
ekeematöser Bindehaut- und Hornhauterkrankungen zum Teil überraschend 
günstige Heilerfolge. Auch traumatische und infizierte Substanzverluste 
der Cornea heilen, wenn zuvor die nekrotischen Gewebsreste beseitigt 
wurden, sehr schnell. Antiseptisch wirkt Pellidol nicht. 

Rauch: Ueber den Einfluss des Embarins bei luetischen Affektionen 
des Auges. (Graefes Arch., Bd. 88, H. I.) Embarin, quecksilbersalicyl- 
sulfosaures Natrium, wird intramuskulär eingespritzt; die Injektionen sind 
schmerzlos, die Resorption erfolgt rasch. In 4 von 8 Fällen von paren¬ 
chymatöser Keratitis blieb das Mittel ohne Einfluss auf den Verlauf der 
Erkrankung; 4 mal setzte nach der Injektion eine langsame Besserung 
ein. Eine leichte Iritis verschwand auf Embarin schnell. Ein Iritis- 
recidiv mit Hypopyon besserte sich unter Salvarsan und Embarin schnell. 
Periorbitale Tumoren bei einem kongenital-luetischen Individuum, die 
unter spezifischer Kur erweichten, heilten unter mehrmaliger Schmierkur 
zum grössten Teil. Die letzte Schraierkur löste Erbrechen, Kopfschmerzen, 
Schwindelanfälle aus, so dass zum Embarin übergegangen wurde, das gut 
vertragen wurde und die Ausheilung der Tumoren weiter förderte. 

K. Steindorff. 

J. Stroebel-Zürich: Keratitis gonorrhoica nach Reinjektion von 

Gonokokkenvaceine. Conjunctivitis metastatiea gonorrhoica. (M.mW., 

1914, Nr. 26.) Dünner. 

E. Haslinger: Komplizierte ßindesabstanzgeschwülste der Tränen¬ 
drüse. (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Die Geschwülste der Tränen¬ 
drüse geboren fast ausnahmslos einer einheitlichen Geschwulstgrnppe an, 
es sind keine Misehgeschwülste. Sie sind endothelialer Herkunft uad 
sind, ebenso wie die sehr ähnlich gebauten Tumoren der Parotis, für 
diese Drüse, wie für die Tränendrüse charakteristisch. Sie sind gutartig, 
wachsen sehr langsam, erreichen nur geringe Grösse, machen keine Meta¬ 
stasen, haben aber nach anscheinend radikaler Operation grosse Neigung, 
in loco zu recidivieren. K. Steindorff. 

Rollet, Sechs Exstirpationen von Orbitalcarcinomen unter Er¬ 
haltung des Auges; Fernresultäte. (Lyon med., 1914, Nr. 23.) Verf. 
schildert sein Vorgehen bei der Operation von 6 Carcinomen der Orbita, 
in denen es ihm gelang, die Geschwulst unter Erhaltung des Auges zu 
exzidieren. Die Dauerresultate waren sehr gute: nur in einem Falle 
trat ein Recidiv auf. Münzer. 

K. Steindorff: Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung 
des Aalserums auf das menschliche and tierische Auge. (Graefes Arch., 
Bd. 88, H. 1.) Vgl. Bericht über die Sitzung der Berliner ophth&lmo- 
logischen Gesellschaft vom 22. Januar 1914 in B.kl.W., 1914, Nr. 10. 

A. v. Szily: Bemerkungen zu der Arbeit von A. Fuchs und Melles 
über pathologische Anatomie der anaphylaktischen Ophthalmie. 
(Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Ref. hat dieselben histologischen Befunde 
schon früher in zahlreichen Untersuchungen erhoben und veröffentlicht. 

Tertsch: Die spontane Iriscyste. (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) 
Verf. unterscheidet zwei Gruppen spontaner Iriscysten. Zur ersteren ge¬ 
hören die, deren Wand allseits ausser von Epithel noch von uvealem 
Gewebe gebildet wird, zur zweiten die, deren Wand sich ausschliesslich 
aus dem Pigmentepithel der Irishinterfläche zusammensetzt (intraepitheliale 
Cysten). Die Cysten der ersten Gruppe unterscheiden sich von denen 
der zweiten dadurch, dass sie nicht wie diese Wucherung des inneren 
Epithelbelags, noch sekundäre Drucksteigerung zeigen. Verf. beschreibt 
genau das klinische und histologische Bild einer von ihm beobachteten 
spontanen Iriscyste, deren Wand ausser von Epithelzellen auch von 
mesodermalem Gewebe gebildet wurde. An der Hinterfiäche der Cyste 
fanden sich echte Ciliarfortsätze. Durch Verkleben eines normalen 
Ciliarfortsatzes mit dem Pupillarrand oder mit einem dort persistierenden 
Ciliarfortsatz bildete sich, so deutet T. die Genese der Cyste, ein Hohl¬ 
raum, der sich nachträglich dehnte. 

Ginsberg und Spiro: Ueber Angiogliomatosis retinae (sogenannte 
v. Hippel’sche Krankheit). (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Vgl. Sitzungs¬ 
bericht der Berliner ophthalmologischen Gesellschaft vom 23. Okt. 1913 
B.kl.W., 1914, Nr. 4.) 

Seidel: Beiträge zur Frühdiagnose des Glaukoms. Untersuchungen 
über das centrale Gesichtsfeld mit Prüfungsobjekten unter kleinem Ge¬ 
sichtswinkel (Psjerrum). (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Die Gesiohts- 
felduntersucbung nach Psjerrum ist von grossem Wert. Man findet 
mit dieser Methode ringförmige Scotome, die vom blinden Fleck aus¬ 
gehend, den Fiiierpunkt umkreisen und in vorgerückteren Stadien den 
sogenannten „nasalen Sprung“. Für die Frühdiagnose sind kleine 


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UNIVERSUM OF IOWA 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 29. 


Scotome höchst bedeutungsvoll, die vom blinden Fleck nach oben oder 
unten ziehen, nach dem Fixierpunkt leicht concav sind und sich leicht 
suspitzend beginnen. Sie finden sich auch in Augen, die noch keine 
klinischen Zeichen von Glaukom, auch keine tonometrisoh nachweisbare 
Hypektomie aufweisen, während das andere Auge bereits an sicherem 
Glaukom erkrankt ist. Auch solche Augen, deren Druck noch nicht er¬ 
höht ist, bei denen aber Anamnese und Augenspiegelbefund auf bestehendes 
Glaukom hin weisen, zeigen diese Scotome. Eine nicht seltene Früh¬ 
erscheinung des Glaukoms ist die einfache Abblassung der Papille. Die 
kleinen Scotome wie die grösseren Ringscotome können wieder ver¬ 
schwinden und bei erneuter Drucksteigerung wieder erscheinen. Die 
Ringscotome können zu den kleinen Scotomen zusammenschrumpfen, sie 
finden sich auch bei tabischer Sehnervenatrophie, Papillitis und retro¬ 
bulbärer Neuritis, während die kleinen Scotome am blinden Fleck für 
Glaukom typisch sind. 

Roclofs und Zeemann: Zur Frage der biaocuUrei Helligkeit 
ud der biioenlarei Sehwelleiwerte. (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) 
Beim Sehen naoh Feldern von mehr als minimaler Helligkeit existiert 
keine binoculare Reizsummation. Sowohl bei Hell- wie bei Dunkel¬ 
adaption ist der binoculare Schwellenwert kleiner als der monoculare. 

E. Steindorff. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten* 

G. Heuser-Buenos-Aires*. Entfernnig einer Nadel ans der Trachea. 
(D.ra.W., 1914, Nr. 27.) 

Seyffarth-Hannover: Ueber direkte Laryngoskopie and Tracheo- 
broaehoskopie. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Der Wert der Methoden, 
besonders für subglottische Stenosen, tuberkulösen Drüsendurohbruch 
u. dergl. wird an der Hand mehrerer Beobachtungen skizziert. 

Wolfsohn. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

A. Silbermann-Bern: Ueber die Sterilisation von Waeoer durch 
altraviolette Strahlen. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 189.) Verf. 
hält das Verfahren der Gewinnung sterilen Trinkwassers mit Hilfe der 
durch Quecksilberdampfquarzlampen erzeugten ultravioletten Strahlen 
bei richtiger Kontrolle und Anordnung als durchführbar: Die richtige 
Wirkung des Apparats ist aber an bestimmte Vorsaussetzungen geknüpft. 
Die Stromstärke und Spannung sind für den zu benutzenden Apparat 
genau einzustellen und zu kontrollieren. Die Durchfiussgeschwindigkeit 
darf eine bestimmte Hohe, die je naoh der Qualität des Wassers festzu- 
stelien ist, nicht überschreiten. Das Wasser darf einen bestimmten 
Trübungs- und Färbungsgrad nicht überschreiten, ausserdem darf der 
Gehalt an* gelöster organischer Substanz nicht zu gross sein. Wenn 
diese Bedingungen erfüllt sind, liefert die Quecksilberdampflampe, Type 
Nogier-Triquet M 5, ein keimfreies Wasser. Der Ansicht des Verf., dass 
die Lampe zu Militärzwecken Verwendung finden könne, sohliesst sich 
Referent nicht an, da die Einhaltung der gesetzten Bedingungen sich 
unter militärischen Verhältnissen kaum durchführen lässt. 

Grassl-Kempten: Die optimale Sterblichkeit der ekeüeken Kiader 
ii Bayern. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 217.) Die Tabellen über 
die Kindersterblichkeit in den bayerisohen Bezirksämtern ergeben die 
deutlich erkennbare Erscheinung: Je grösser die Säuglingssterblichkeit 
in der Ehe, desto grösser der zweijährige eheliche Aufwuchs. Diese 
paradoxe Beobachtung ist nur dadurch möglich, dass die hohe Sterb¬ 
lichkeit der Säuglinge der Ehe mittels Nacherzeugung überkompensiert 
wird. Ein Vorteil der Kunstpfiege und Kunsternährung in völkischer 
Beziehung, also in der Zunahme der Aufwucbsmenge, ist in der Gegen¬ 
wart in Bayern nicht nachweisbar. Obwohl die Ehefrauen des bayerischen 
Waldes in ihrer Kindersterblichkeit durchschnittlich um lOpCt. höher 
belastet sind als die Ehefrauen der südlichen Alpenländer, bringen 100 
gebärfähige Ehefrauen des bayerischen Waldes doch ebensoviel Kinder 
bis zum Ende des zweiten Lebensjahres, wie 140 Ehefrauen der geringen 
Kindersterblichkeit der Alpen. Die optimale eheliche Säuglingssterblich¬ 
keit in den bayerischen Aemtern liegt gegenwärtig zwischen 20—30 pCt. 
für nichtgestillte Kinder; für gestillte Kinder liegt sie um 15 pCt. 
Daraus folgt, dass die Herabdrückung der Säuglingssterblichkeit, wenn 
sie keinen völkischen Schaden bringen soll, lediglich durch Erhöhung 
der Zahl der Stillenden und Verlängerung der Stillperiode erstrebt 
werden darf. Möllers. 

Hayhurst: Kritische Untersuchung von 100 Maleni auf Blei¬ 
vergiftung. (Americ. journ. of med. Sciences, 1914, Nr. 507.) Akute 
Symptome fanden sich in keinem Fall, wohl aber bei 70 Patienten 
Zeichen der chronischen Bleivergiftung. Schelenz. 

R. Emmerich und 0. Loew: Ueber Kalkmangel in der mensch¬ 
lichen Nahrung. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 311.) Der Kalkgehalt 
der gemischten Kost kann zwischen weiten Grenzen variieren, je nach 
den Nahrungsmitteln, welche gemischt genossen werden. Gerade die 
kalkreichsten Nahrungsmittel, nämlich die Kuhmilch und die Blattgemüse, 
werden in breiten Schichten der Bevölkerung in viel zu geringer Menge 
genossen, während Fleisch, Kartoffeln und Mehlspeisen einschliesslich 
Brot also die kalkarmsten Nahrungsmittel, die gemischte Kost weiter 
Bevölkerungsschicbten ausmachen. Fleisch, Kartoffeln, Schwarzbrot und 
Vollkornbrot haben noch den weiteren Uebelatand, dass sie mehr Magnesia 


als Kalk enthalten, was dem Körper eine grosse Regnlierungsarbeit auf¬ 
erlegt; denn das für die Zelltätigkeit so wichtige Blutserum enthält im 
Durchschnitt 3 mal so viel Kalk als Magnesia, während umgekehrt in 
der erwähnten gemischten Nahrung 1 l f 2 —2 mal so viel Magnesia als Kalk 
enthalt ist. Verff. empfehlen deshalb einen Zusatz von Chlorcalcium zu 
Brot, der so bemessen ist, dass sein C&lciumgehalt und das Kalkmagoesia- 
Verhältnis beim Weissbrod und den helleren Roggenbrotsorten dem der 
Kuhmiloh ungefähr gleichkommt. 

G. Lockemann und F. Croner-Berlin: Ueber den MetkyUlktktl- 
gehalt der Formaldehydwasserdimpfe bei den verschiedenen Raum¬ 
desinfektionsverfahren. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 257.) Verff. 
haben vergleichende Untersuchungen über die Mittelwerte der entwickeltes 
Mengen Formaldebyd und Methylalkohol bei den verschiedenen Raum¬ 
desinfektionsverfahren gemacht. Es wurden untersucht der Formalin- 
apparat von Flügge, das Formaliopermanganatverfahren ohne Kalk 
(nach Doerr-Raubitschek) und mit Kalk (nach Gins), das Grutau- 
verfahren (nach Eichengrün) und das Paraformpermanganatverfahreu 
ohne Kalk (nach Lockemann-Croner) und mit Kalk. Die Unter¬ 
suchungen ergaben grosse Unterschiede in den Ausbeuten an Formal¬ 
debyd und Methylalkohol bei den verschiedenen Verfahren. Jedenfalls 
wird dem Methylalkohol neben dem Formaldebyd eine gewisse Rolle bei 
der desinfizierenden Wirkung der entwickelten Dämpfe zuzuschreiben sein. 

Möllers. 

Fürst- Münoben: Die Vemhleppugmögliehkeit patkegeier Dtrw- 
blkteriea direh Brot. (M.w.M., 1914, Nr. 26.) F. eruierte, dass eine 
Typhusepidemie in einem Orte durch Verschleppung aus einem Nach- 
bardorf entstanden war. Ais Zwischenträger kommt wahrscheinlich 
Brot aus einer bestimmten Bäckerei in Frage. Verf. hat Versuche über 
die Uebertragungfähigkeit der Brote angestellt Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner jpedizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Nachtrag zur Sitzung vom 24. Juni 1914. 

Diskussion über die Vorträge der Herren Gtldfteheifor und Steiiitl: 
Ueber atypische Gicht. (Siehe Origio&lartikel in Nr. 28 und 29.) 

Hr. A. Mayer. (Erscheint unter den Originalien dieser Wochen¬ 
schrift.) 

Hr. Umber: Die Gicht hat ein vielseitiges Gesicht. Die alten 
Gicbtärzte wie Sydenham, Garrod haben es schon meisterlich ge¬ 
schildert. Es ist auch keine Frage, dass die Gicht von denjenigen 
Aerzten, die siob weniger eingehend mit ihr beschäftigt haben, häufig 
verkannt wird. Die Gicht wird im allgemeinen zu selten diagnostiziert! 
Das habe ieb auch in meinem eigenen Wirkungskreis konstatieren 
können: z. B. sind von den letzten 20 sicheren Gichtfällen, die bei mir 
in Westend auf der Stoffweobselabteilung eingeliefert und beobachtet 
worden sind, nur 8 unter der richtigen Diagnose aufgenommen, and 
nicht weniger als 10 unter der Diagnose Rheumatismus. 

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Aerzte, die den Begriff 
„Gicht* viel zu weit fassen und allerhand sonst schlecht oder gar nicht 
zu rubrizierende Krankheitserscheinungen als Gicht deuten. Manche be¬ 
kennen ganz frei, dass sie nicht allein die Arthritis urica, sondern auch 
die Osteoarthritis deformans und andere chronische destruierende Gelenk¬ 
leiden als Gicht betrachten. Darüber gehe ich hinweg! 

Oft genug wird aber auch der Begriff der eigentlichen Arthritis 
urica bzw. der gichtischen Diathese ohne genügende Grundlage so will¬ 
kürlich erweitert, dass man dagegen protestieren muss! Das habe ich 
bereits in meinem früheren Hamburger Wirkungskreis wiederholt getan, 
vornehmlich gegenüber den Anschauungen mancher Dermatologen, die 
alle möglichen ekzematöse, psoriatiforme und andere Hautleiden durch 
gichtische Diathese erklären wollten. Ebenso muss ich heute aussprechen, 
dass ich den Deduktionen des Herrn Goldsoheider in vielen Punkten 
nicht zu folgen vermag. 

Herr Goldscheider baut seine Statistik meines Erachtens auf an- 
fechtbarer Grundlage auf. Er fasst unter den Begriff „atypische Giobt 
Zustände, für deren gichtische Natur er uns den Beweis durchaus 
schuldig bleibt. 

Zur Diagnose der Gicht genügt nicht der Nachweis eines Tophus! 
Nur der gichtische Tophus, in dem Urate liegen, ist beweisend für 
eine gichtische Stoffwechselstörung! Es gibt aber gar nicht selten Tophi 
an scheinbar typischen Stellen, die bei genauerer Untersuchung mit 
Gicht nichts zu tun haben. 

So sah ich erst kürzlich bei einer 42 jährigen Patientin meiner 
Stoffwechselabteilung mit typischer, primärer, chronischer Polyartbritis 
destruens, die auch im Stoffwechselversuch keine Abweichungen des 
Purinstoffwechsels im Sinne einer Gicht darbot, haselnussgrosse Tophi 
der beiderseitigen Olecranonschleimbeutel. Die exzidierteo Tophi be¬ 
standen aus derbem, fibrösem Bindegewebe und zeigten weder mikro¬ 
skopisch noch chemisch die geringsten Spuren von Urateinlagerung; sie 
waren sicher rein entzündlicher Natur. . 

Herr Goldscheider sagt, wenn der Tophus keine Urate mehr ent¬ 
hält, so kann er deshalb doch gichtischer Natur sein! Damit wäre also 


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Original fro-m 

UNiVERSITY OF IOWA 




20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1379 


jeder Tophus nach seiner Ansicht ein Beweis für die Gicht des Trägers, 
and das ist eben sicher nicht zutreffend. Wie häufig sind doch z. B. 
die Tophi an den ersten und zweiten Phalangen der Finger — 
Heberden’sche Knoten — klimakteristischer Frauen mit und ohne Poly- 
artbritis destruens. Sie haben mit eohter Gicht gar nichts zu tun. Das 
hat schon Heberden selbst präzise ausgesprochen. Natürlich kann es 
ausnahmsweise einmal Vorkommen, dass echte gichtische Ablagerungen 
wie Heberden’sche Knoten lokalisiert sind. 

Das „Knirschen“ in den Gelenken! Es beweist nichts anderes 
als Unebenheiten der aufeinandergleitenden Knorpelflächen. Die Ursache 
hierfür kann gelegen sein in Uratablagerungen, aber ebensogut auch in 
irgendwelchen destruktiven Prozessen der Knorpel, in erster Linie durch 
Osteoarthritis deformans. Gerade die Fettleibigen, die häufig statische 
Anomalien der Füsse aufweisen, neigen besonders zu statischer Osteo¬ 
arthritis deformans der Kniee. Das im Beginn dieses Leidens auftretende 
feine Reiben in den Kniegelenken, lässt sich vom echten „Gicht¬ 
knirschen“ nicht unterscheiden. Ich bin überzeugt, dass eine ganze 
Reihe atypischer Gichtfälle Goldscheider’s hierunter zu rubrizieren ist. 

Die Schwierigkeit, aus rein klinischen Symptomen heraus Fälle 
von irregulärer Gicht von anderen nichtgichtischen Gelenkprozessen 
(Osteoarthritis deformans, Polyarthritis chronica destruens, chronische 
infektiöse Arthritis) zu unterscheiden, ist zuweilen unüberwindlich. 

Han muss unbedingt daran festhalten, dass man nur 
dann von Gicht — typischer oder atypischer, regulärer oder 
irregulärer — sprechen darf, wenn Störungen des Purin¬ 
stoffwechsels vorliegen! Auch Friedrich Müller bat sich in 
seinem Londoner Referat im vergangenen Jahre auf denselben Stand¬ 
punkt gestellt, er sagt: „Echte Gicht besteht nur da, wo entweder Ab¬ 
lagerung von Harnsäuresalzen in den Geweben oder wenigstens krankhafte 
Storungen des harnsauren Stoffwechsels vorliegen.“ 

Zwar sind die Störungen des harnsauren Stoffwechsels offenbar nicht 
die einzigen pathologischen Abartungea im Stoffwechsel der Gich¬ 
tischen. Zum Belege dessen verweise ich z. B. auf die Studien über die 
Glykokollausscheidung bei der Gicht aus meinem Laboratorium (Hirseh- 
stein, Unna, neuerdings Bürger und Schweriner). 

Die Harnsäurestoffwechselstörungen sind aber charakteristisch und 
geben bislang immer noch die besten Anhaltspunkte für die Differential¬ 
diagnose klinisch zweifelhafter Fälle. Leider ist ihre Erforschung in der 
allgemeinen Praxis oft schwer durchführbar und systematisch eigentlich 
nur auf solchen klinischen Abteilungen anwendbar, die überhaupt auf 
derartige Fragestellungen eingestellt sind. Als solche diagnostischen 
Anhaltspunkte haben zu gelten: 

1. Der Verlauf der endogenen Harnsäurekurve mit ihren typi¬ 
schen Schwankungen im Anfall. 

2. Die Resultate der Blutharnsäurebestimmungen: Sie dürfen 
aber nur mit Vorbehalt verwertet werden, da der nichtgichtische hohe 
Blutbarnsäurewerte haben kann und der gichtische harnsäurefreies Blut. 

3. Die Retention intravenös injizierter Harnsäure: Sie wird 
auf meinen Abteilungen seit 5 Jahren systematisch geprüft, seitdem ich 
sie zusammen mit meinem damaligen Assistenten Retzlaff mitgeteilt 
habe. Unsere Beobachtungen umfassen nachgerade eine sehr grosse Zahl 
von Fällen, und ich will but kurz zusammenfassend sagen: Der Gichtische 
retiniert intravenös injizierte Harnsäure, die der Gesunde total als Stoff¬ 
wechselendprodukt aussebeidet, ganz oder zu einem beträchtlichen Teile. 
Auch Alkobolisten und chronisch Bleivergiftete retinieren; hier ist also 
das Resultat nicht eindeutig. Was die Rolle der Niere anlangt, so kann 
ein Gichtischer mit gesunder Niere total retinieren, ein Nierenkranker 
ohne Gicht retiniert bedeutend weniger als der Gichtische. Ein Gich¬ 
tischer mit vorgeschrittener Nierenerkrankung darf nicht injiziert werden! 

4. Auch die Glykokollkurve — nicht die einmalige Glykokoll- 
ansacheidung — hat nach unseren Erfahrungen pathognomischen Wert. 
Die Glykokollausscheidung ist vermehrt in den Harnsäureretentions¬ 
perioden des Gichtikers. Sie ist auch vermehrt nach intravenöser Harn- 
säureinjektion beim Gichtiker, sowie endlich nach intravenöser Glykokoll- 
wjektion bei demselben. Der Gesunde verbrennt 1,0 Glykokoll — intra¬ 
venös — total. Der Gichtische aber ist nach unserer Beobachtung 
giykokollintolerant. 

Zum Schluss eine, wie ich glaube, sehr lehrreiche Illustration hierzu: 
hin 54jähriger Gichtiker. Vor 2 Jahren 1. Podagraanfall, V* Jahr später 
Podagraanfall, dann später mehrfach Gichtanfall in Händen, Füssen 
ood Kuien. Am 7. März 1912, nachts, Urticariaanfall über den ganzen 
horper; am 10. März 1912 Goaagraanfall. Die für den Gichtanfall typische 
hwitankung der von vornherein bearbeiteten endogenen Harnsäurekurve 
üt bei dem Urticariaanfall deutlich ausgesprochen. Man kann hier also 
Toa "P rt * car i Ä u ric*“ sprechen, und wir dürfen hier wohl zum ersten- 
Tori») ^ ewe ’ s 8 e föhrt sehen, dass wirklich gichtische Hauteruptionen 

. ® r * Hanse mann: Es ist ungefähr 30 Jahre her, dass ich bei 
ir selbst das Knieknirschen und auch das Halswirbelknirschen ent- 
^ on dem Herr Goldscbeider gesprochen hat. Ich bemerke 
glücklich, es war ganz genau, wie es Herr Goldscheider schildert, 

Ä r nicht et *a das Knacken und derbe Reiben, das man bei Arthritis 
UD( * ^ n ^ en Erkrankungen finden kann. Bald darauf war 
_ un d gleichzeitig chirurgischer Assistent in Kiel. Ich 

P cb damals mit meinem Chef, Herrn Professor Petersen, über diese 
^ .!^ un 8 mir, die mich als jungen Mediziner einigermaassen be- 

W und er wunderte sich darüber, dass ich nicht wüsste, dass 


das bei ganz normalen Menschen vorkommt und dass das gar keine Be¬ 
deutung hat. 

Nun, Herr Goldsoheider könnte vielleicht sagen: Ich wäre ein 
atypischer Giobtiker. Ich habe zwar selbst davon nichts gemerkt, und 
ich war es auch damals nicht. 

Aber ich habe dann Gelegenheit genommen, bei 100 Matrosen, die 
mir als Marinearzt leicht zugänglich waren, also jungen Menschen aus 
allen Gegenden Deutschlands, darauf zu untersuchen, und ich habe in¬ 
zwischen meine Notizen aus diesen damaligen Untersuchungen nach- 
gesehen. Ich habe bei 74 von diesen 100 willkürlich ausgewählten 
jungen Leuten das deutliche Knirschen im Kniegelenk fühlen köonen, 
und 26 haben mir angegeben, dass sie selbst das Halswirbelknirschen 
hören könnten. 

Ich habe aber auch einmal Gelegenheit gehabt, eine anatomische 
Untersuchung eines solchen Kniegelenks zu machen. Es betraf eine 
Dame, die damals gerade in Kiel war uod die dieses Knirschen in ganz 
ausgesprochenem Maasse hatte. Sie ist nachher hier in Berlin an einem 
Darmcarcinom in verhältnismässig jungen Jahren gestorben, und ich 
habe da das Kniegelenk, weil mich das natürlich sehr interessierte, 
genau untersucht, und kann Sie versichern, dass dasselbe vollständig 
normal war. Es waren weder gichtische Ablagerungen darin zu sehen, 
noch irgendwelche atrophischen oder deformierenden Veränderungen. 

Ich habe mir deshalb die Vorstellung gebildet, dass dieses Knirschen 
eine Erscheinung ist, die unter normalen Bedingungen lediglich durch 
irgendwelche Zustände der Gelenkformen zustande kommen kann, und 
dass man es natürlich wohl unterscheiden muss von dem deutlichen 
Knacken, den groben Geräuschen, die bei der Arthritis deformans zu¬ 
stande kommen können. Ich will auch nicht leugnen, dass bei gichti¬ 
schen Ablagerungen dieses Knirschen stärker sein kann. Aber jedenfalls 
ergibt sich aus diesen Beobachtungen, dass es ganz sicher bei ganz nor¬ 
malen Menschen eine gar nicht seltene Erscheinung ist. 

Das Knirschen wechselt übrigens sehr bedeutend. Man kann es 
einmal haben und hat es den anderen Tag nicht. Also wenn ich an 
einem anderen Tage die Matrosen untersucht hätte, würde ich vielleicht 
mehr oder weniger gefunden haben, die das gleiche Symptom erkennen 
Hessen. Aus alledem möchte ich schliessen, dass man in der Beurteilung 
dieses Symptoms für die Stellung der Diagnose einer atypisehen Gicht 
doch vorsichtig sein muss. 

Hr. Brugsch: Herr Goldscheider hat die atypische Gicht rein 
nosologisch zu klassifizieren und abzugrenzen versucht. leb glaube, 
wenn wir dieser nosologischen Abgrenzung folgen, so werden wir eben 
alles, was eine chronische Gelenkkrankheit darstellt und was nicht ein 
Gelenkrheumatismus auf infektiöser Basis im engeren Sinne ist oder nicht 
eine ausgesprochen chronisch destruierende Poiyarthritis ist, als Gicht 
ansprechen müssen. 

Ich glaube aber, es ist der grosse Fortschritt der letzten 10 Jahre, 
dass wir gelernt haben, aus der Fülle aller akuten und chronischen 
Gelenkerkrankungen eine Gruppe herauszunehmeD, die wir als Gicht be¬ 
zeichnen, weil ihr eine ganz bestimmte Harnsäurestoffwechselstörung zu¬ 
grunde liegt. Die Stoffwechselanomalie bezieht sich dabei, wie ich vorweg 
betonen möchte, nicht nur auf das Bild der Urikämie, sondern es ist 
meist die Trias vorhanden: vermehrte Blutharnsäure, niedriger Harn¬ 
säurewert der Ausscheidung, verschleppter Purinumsatz. Das Charakte¬ 
ristische ist, dass es auch gestattet ist, in den Fällen, wo eben die 
typischen Stoffwechselanomalien vorhanden sind, die Gicht, ich möchte 
sagen, zu diagnostizieren, ganz gleichgültig, ob ein Topbus vorhanden 
ist oder nicht. Sie sehen also, wenn man an die Diagnose der atypi¬ 
schen Gicht aus klinischen Gesichtspunkten herangeht, so soll man mit 
dem, was wir gelernt haben und was sicherlich zutrifft, als Grundlage 
arbeiten, soll alles auf dieser Grundlage abgegrenzte gruppieren und 
dann nach bestimmten Gesichtspunkten die atypische Gicht klinisch 
einteilen. 

Ich habe z. B. 45 Fälle willkürlich herausgesucht, die mir von 
Aerzten als atypische Gicht zugeschickt worden sind. Von diesen Fällen 
sind nur 3 typische Fälle von Gicht gewesen. Das sind Fälle, die Tophi¬ 
bildungen aufwiesen, Fälle, die das weiche Knirschen im Knie darboten, 
Fälle, die präpatellare Schleimbeutel darboten, und Fälle, die am Olecranon 
Schleimbeutel zeigten. In den übrigen Fällen hätte ich, wenn ich 
klinisch geurteilt hätte, in manchen Fällen gesagt: Das ist eine Gicht. 
Aber der typische Nachweis der fehlenden Harnsäuredyskrasie hat die 
Fälle glatt als Gicht ausschliessen lassen, und ich glaube, wir müssen 
daran festhalten, wenn wir über die Frage der Gicht weiterkommen 
wollen, dass wir die Purinstoffwechselanomalie, d. h. die Harnsäure und 
Harnsäureablagerungen als Unterlage annebmen und erst dann, wenn wir 
die Fälle als Gicht nach dieser Seite klassifiziert haben, sie als atypische 
Gicht einzureihen versuchen 1 )* 

Nun werden Sie sagen: Das ist leicht gesagt, aber schwer getan. 
Wie soll man Gelenksherde, Schleimbeutelerkrankungen, Knoten auf die 
Harnsäure zurückführen? Ich kann sie doch nicht anstechen, nioht 
punktieren? Es gibt aber mehr Hilfsmittel, als Sie glauben, die eine 
diagnostische Bestimmung der Gicht ausserordentlich erleichtern, z. B. ge¬ 
statten, die Exostosen der Finger in Form der Heberden’sehen Knoten abzu- 


1) Anmerkung bei der Korrektur: Bei Olecranon und prä- 
patellaren Schleimbeutelbildungen, wenn sie doppelseitig sind, gehören 
die Fälle nach jetzt etwa 50 Untersuchungen meinerseits der echten 
Gicht an. 


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Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 


1380 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


grenzen von den Bildungen bei atypischer Gicht, die Knochenherde die 
durch Urate bedingt sind, zu erkennen usw. Dazu dient das Röntgen- 
verfahren, das uns gestattet, an den Knochen der Extremitäten jene 
grossen dunklen Herde, die von einem hellen Hofe umgeben sind, als 
gichtisch zu erkennen. Versagt diagnostisch diese Möglichkeit, dann 
bleibt immer noch für uns die Möglichkeit, die Diagnose der Gicht auch 
in atypischen Fällen nach der Seite der Harnsäure bin zu führen. Ich 
berühre hierbei zunächst die Frage der Blutharnsäure. 

Schittenbelm und ich sind die ersten gewesen, die in aus¬ 
gedehnten Blutuntersuchungen bei Gicbtikern vermehrte Harnsäuremeogen 
trotz purinfreier Diät gefunden hatten. Schon im Jahre 1909 siud von 
mir eine ganze Reihe von Angaben über die Grösse der Harnsäure im 
Blute bei der Gicht gemacht worden auf Grund von Untersuchungen, 
die nach der alten Methodik angestellt worden sind, bei der die Harn¬ 
säure kristallinisch dargestellt wurde und ibr Stickstoffgehalt bestimmt 
wurde, also eine Methode, bei der wir die Harnsäure rein und exakt 
durch die quantitative Analyse nachgewiesen haben. Da habeu wir be¬ 
wiesen, dass Gichtiker, sei es typische, sei es atypische Gicht, immer ver¬ 
mehrt Harnsäure im Blut enthalten trotz purinfreier Diät, und dass beim Ge¬ 
sunden der Harnsäurewert des Blutes, trotz verhältnismässig grosser 
Ausscheidung im Harn, gegenüber einem Gichtiker ausserordentlich ge¬ 
ring ist, und zwar so gering, dass man ihn nicht nachweisen kann. Ich 
habe ihn zu etwa 1 mg im Blute angenommen, da wir ihn mit unserer 
Methode nicht nachweisen konnten; diejenigen, die ihn dann zum ersten 
Male exakt im Blute des Gesunden bestimmten, wareu Bass und 
Wichowski; sie fanden, dass Gesunde im Blute bei purinfreier Nahrung 
1 —2 mg Harnsäure enthalten. Dazu aber haben die Autoren so 
grosse Blutmengen verarbeitet, dass ihre Methode praktisch für die 
Diagnostik gar Dicht in Frage kommt. Nun hat Herr Steinitz eine 
Reihe von Fällen von Gicht angeführt und bat sie nach ihrem Harn¬ 
säurewert, ich möchte sagen, um 1 mg herum klassifiziert. Das darf 
man nicht. Ich habe selber eine Methode mit Herrn Kristeller aus¬ 
gearbeitet, die gestattet, in 0,1 emm Blutserum die Harnsäure leicht 
quantitativ nachzuweisen. Aber obgleich die Methode, trotzdem die 
Blutmenge so klein ist, noch leichter arbeitet als die Folin’sche 
Methode, die erst enteiweisst, dann die Harnsäure fällt und dann die 
Harnsäure colorimetrisch nachweist, würde ich es als bedenklich halten, 
die Blutharnsäurewerte so zu klassifizieren, wie es Herr Steinitz tut. 
Das heisst denn doch den Wert der Laboratoriumsmethoden verkennen. 

Aber nehmen wir einmal die Werte der Blutharnsäure, wie sie sind, 
so können wir folgendes zugrunde legen: Die Harnsäuremenge beträgt 
beim Gesunden bei purinfreier Ernährung auf 100 ccm Blut 1—2 mg, 
und die Harnsäuremenge beim Gichtiker beträgt etwa 4—5 und mehr 
Milligramm. Sie schwankt manchmal etwas nach unten, sie kann nach 
oben geben, dagegen aber muss ich protestieren, dass bei der atypischen 
Gicht die Mittelzablen (etwa um 3 mg Harnsäure) vorherrschen. Es mag 
einmal vorübergehend die Harnsäuremenge im Blute gering befunden 
werden, im grossen und ganzen sind aber auch hier die Werte hoch, 
oft sogar sehr hoch, und einen Typus von atypischer Gicht, bei dem der 
Wert an der oberen Grenze der Norm liegt, habe ich nicht gesesehen. 

Nun werden Sie sagen: dann ist ja doch die Bestimmung der Blut- 
harnsäure beim Gichtkranken eine ganz gute Methode, denn wenn der 
Harnsäurewert hoch ist, kann ich ohne weiteres die typische und die 
atypische Gicht von dem nicht gichtischen Zustande abscheiden. Ich 
sage, die Bestimmung kann mal in einem Falle geringer ausfallen. Wir 
wissen nicht: Sind das Fehlerquellen in der Methodik? Eine Kontroll- 
untersuchuog will man vielleicht nicht gleich ausführen. Andererseits 
kann auch ein Gesunder vorübergehend einen höheren Blutharnsäurewert 
aufweisen, z. B. im Fieber, bei Leubocytose usw. Darum ist das dia¬ 
gnostisch Wichtigste: die Bestimmung der endogenen Harnsäure. Was 
wir, Schittenhelm und ich, besonders urgiert haben, und was ganz 
aus den Diskussionen über die Gicht verloren gegangen ist, das ist das 
eigenartige Verhalten der endogenen Harnsäure gegenüber dem Gesunden. 
Es gibt mit Sicherheit zwei Typen der Gichtiker. Der eine Typ hat 
einen hohen endogenen Harnsäurewert und einen sehr hohen Blutbarn¬ 
säurewert. Da finden Sie die Harnsäureausscheidung von etwa 0,6 g 
pro die unter purinfreier Diät. Diese Form verläuft meist polyarticulär 
und stellt eine schwere Erkrankung dar, die allerdings sehr selten ist. 
Die Mehrzahl der Gichtiker aber hat einen verhältnismässig hohen 
Blutharnsäurewert von 4—5 mg und einen dabei verhältnismässig sehr 
geringen Harnsäurewert im UriD, wogegen der Gesunde auf 0,4 bis 0,5 
bleibt; z. B. ein Gichtiker hat 5 mg Harnsäure in 100 ccm Blut; der 
endogene Harnsäure wert beträgt (24 ständige HarnsäureausscheiduDg) 0,2 g. 
Dann kann man beide Faktoren in einem Quotienten ausdrücken, den 
ich einmal den urikämischen Quotienten nennen will: ich berechne 
dabei den Harnsäurewert für die ganze Blutmenge und dividiere diesen 
Wert durch den endogenen Harnsäurewert. Atso in unserem Falle, 
wenn man die Blutmeuge zu 5 Litern annehmen will, erhält man 

50 X 5 mg __ __ der urikämische Quotient beträgt also 1,25. Im 

Gegensatz dazu der Gesunde. Es betrage der Blutharnsäurewert (endogen) 
1 5 mg in 100 ccm Blut, der endogene Harnsäurewert 0,4, dann ist der 

urikämische Quotient -” 55 ^- = °- 19 - Als0 mit “deren Worten, 

Gichtkranke und Nicbtgicbtbranke unterscheiden sich durch diesen Quo¬ 
tienten wobei der Gichtkranke einen Wert aufweist über 0,5; der Gesunde, 
d b der nicht Gichtkranke einen Wert unter 0,5. Dariu liegt das wirklich 


unterscheidende, und nicht darin, ob einmal das Blut 1 oder 2 mg mehr 
Harnsäure aufweist. Und wenn man mir einmal entgegenhält, dass Ne- 
phritiker ähnliche Werte wie Gichtkranke aufweisen können, so verschlägt 
das nichts, weil atypische Gelenkserscheinungen bei Scbrumpfoieren- 
kranken unter solchen Verhältnissen auf die Harnsäure bezogen werden 
können. Jedenfalls sind diese Diüge auf die Gicht zurückzuführen. Das ist 
ein sehr gutes Mittel zur Differentialdiagnose, nicht aber die absolute 
Beurteilung der Harnsäurewert«. Da schickt man ein bisschen Blut ein¬ 
fach in die Apotheke und lässt feststellen: Hier ist viel oder wenig darin. 
Bei 4 mg ist es ein Gichtiker, bei 3 mg ist es ein Mittelding, eine 
Gicht, die vielleicht im Werden ist, oder atypische Gicht, bei 2 mg ist 
es ein Gesunder. Das ist nicht möglich, so einfach liegen die Dinge 
nicht, und dagegen möchte ich mich ganz energisch wehren. Auffallend 
höbe Harnsäurewerte sprechen allerdings für die Diagnose der Gicht von 
vornherein, wenn Schrumpfniere, Fieber, Leukocytosen auszuschliessen siod. 

Wie schwer es mit der Giebtdiagnose aus der Blutharnsäure ist, 
will ich Ihnen erzählen. Wir haben die Methode des Nachweises der 
Harnsäure im Blute beim purinfrei ernährten Gichtkranken veröffentlicht 
und haben lange Zeit geschwiegen, und da sind die Leute über uns 
hergefallen und haben gesagt: Es existiert ja gar keine vermehrte Harn¬ 
säure beim Gichtiker. Aus dem Goldscheider’schen Institut hat 
Ehrmann selbst Fälle von Gicht ohne Blutharnsäure, oder wo die Harn¬ 
säure negativ geworden ist, publiziert. Ich habe selbst immer gesagt, 
ebenso wie Schittenhelm, wie schwer die Methodik ist. Aber unsere 
Untersuchungen sind glänzend bestätigt. Die Poiin’sche Methode xeigt 
in bereits publizierten Untersuchungen von Kocher, dass die Harnsäure 
bei allen Giehtikern mehr oder weniger vermehrt ist. Einmal fällt ein 
weisses Schaf auf, das ist ein Gichtiker mit wenig Harnsäure im Blute. 
Aber mau darf nicht vergessen, dass die Gichtiker jetzt mit Atophan 
behandelt werden, und das treibt die Harnsäure aus dem Blute ausser¬ 
ordentlich herunter. Wenn ich einen Gichtiker habe, der mehrmals 
Atophan bekommen hat, so sinkt der Harnsäurewert des Blutes von 5 bis 
6 mg auf 1 bis 2 mg. Deshalb sind die Werte von Steinitz auch 
nicht so zu übersehen, weil ich nicht weiss, ob die Betreffenden Atophan 
genommen haben. 

Nun noch ein Wort über die Gichttherapie. Das Atophan ist, wie 
Sie wissen, ein Mittel, das einmal die Harnsäure besser zur Ausscheidung 
bringt und zweitens die Harnsäure mobilisiert. Da werden grosse Mengen 
von Harnsäure im Körper mobilisiert, in den Kreislauf geworfen und 
ausgesebiedeo. Dieses Atophan hat als Basis einen Körper, das ist das 
Chinolin, und zwar stellt es eine C&rboosäure, mit einem Phenylrest 
gepaart, vor. Wir haben nun durch Herrn Professor Wolffenstein 
Oxychinoline prüfen köonen und ihre Wirkung auf den Puriostoff- 
wechsel untersucht und haben die ausserordentlich interessante Tatsache 
entdeckt: Es gibt ein Präparat, das genau umgekehrt wirkt wie das 
Atophan. Atophau wirft aus den Depots die Harnsäure heraus, d. h. es 
mobilisiert die Harnsäure und bringt sie zur Ausscheidung. Ein solches 
Präparat vermag die Harnsäure so zu vermindern, dass ein normaler 
Mensch, der etwa 0,3 g Harnsäure im Durchschnitt ausscheidet, nur 
noch Milligramme ausscheidet. Merkwürdigerweise wirkt das Mittel auch 
bei der Gicht. Sie sehen, in einem Falle wird die Harnsäure beraus- 
geworfen und entlastet den Patienten, im anderen Falle wird die 
Harnsäurebildung verhindert. Beides kann zum Ziele führen. 

Ich will mich über dieses Präparat nicht weiter auslasseu. Die ja 
ausserordentlich interessanten Tatsachen zeigen, wie die Kenntnis der 
Purinstoffwechselanomalie auch in dieser Richtung uns weiter bringt 

Hr. F. Hirschfcld: Ich wollte nur auf einen der letzten Punkte 
eingeheD, die Herr Goldscheider erwähnte. Wenn ich ihn recht ver¬ 
standen habe — er sprach zum Schluss in sehr gedrängter Kürze —, 
schien Herr Goldaoheider der Gicht keine solche toxische Bedeutung 
beizumesseD, wie man allgemein bisher angenommen hatte. Es würde 
dies Berührungspunkte mit Anschauungen haben, die ich vor mehreren 
Jahren wiederholt aussprach. Auf Grund meines Materials stellte ich 
fest, dass die gichtische Albuminurie auffallend gutartig verlief, obgleich 
ich bei genauerer Untersuchung oft genug Symptome entdeckte, die auf 
eine Nierenaffektion bindeuteten, wie erhöhter Druck und vasomotorische 
Störungen der verschiedensten Art. Ich habe dann in einem Aufsatz 
der von v. Leyden und Klemperer berausgegebenen Deutschen Klinik 
auf Veröffentlichungen der Lebensversicherungsgesellscbaften biDgewiesen, 
wonach tatsächlich der Verlauf der Gicht durchschnittlich eio günstiger 
ist und eine Lebensverkürzung, wie sie beim Diabetes z. B. unbestreitbar 
nachweisbar ist, und wie sie auch bei der Fettleibigkeit so oft vom 
Herzen her droht, bei der Gicht kaum bemerkbar ist. Das widerspricht 
eigentlich der Anschauung, wie sie in den Werken von Senator, von 
Minkowski und auch in dem neulich erschienenen Buch des Herrn 
Umber angegeben ist. Auch dort ist diese Gutartigkeit der Gicht und 
der gichtischen Nephritis meiner Ansicht naoh nicht gebührend Fervor- 
gehoben. Naturgemäss habe ich mich weiter mit dieser Frage beschäftigt 
und kann meine frühere Ansicht nur bestätigen. Ferner habe ich einen 
klassischen Zeugen auffinden können. In dem bekannten, 1890 er¬ 
schienenen Werk von Charcot: „Ueber die Krankheiten im Ureisen- 
alter“ erwähnt er auf Grund seiner Erfahrungen den auffallend gutartigen 
Verlauf der gichtischen Albuminurie. Interessant ist ein Fall, den er 
in plastischer Weise genau schildert. Bei einer 84 Jahre alten rrao 
waren während des Lebens nur Symptome von chronischem Rheumatismus 
nachweisbar. Der Tod erfolgte an einer Pneumonie. Bei der Sektion 
wurde die linke Niere normal gross gefunden; sie enthielt eine Meng 


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20, Joli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1381 


von uratischen Depots. Die rechte Niere war sehr klein, stark ge 
schraropft, die Arterien hochgradig arteriosklerotisch verändert. Es ist 
also wenn man das zusammennimmt, eine typisch gichtische arterio¬ 
sklerotische Schrumpfniere. Trotzdem waren bei der Frau keine Symptome 
von Nephritis nachweisbar, und von einer Lebens Verkürzung wird man 
bei einer 84 jährigen Patientin wohl kaum sprechen können. Aehnliche 
Fälle habe ich wiederholt gesehen. 

Ich habe noch vor kurzem darauf hingewiesen, dass die arterio¬ 
sklerotische Schrumpfniere, so wie sie von dem Anatomen festgestellt 
wird, ebenso wie die senile Atrophie der Niere kaum Symptome während 
des Lebens macht. Wenn also auch der Anatom bisweilen gewisser- 
m&assen den Beweis für eine schwere gichtische arteriosklerotische 
Sohrompfoiere in der Hand hat, so entspricht dies klinisch doch keinem 
schweren Krankheitszustand, wenn wir auch intra vitam eine Albumin¬ 
urie häufig feststellen können. 

Ich möchte noch auf die Analogie bei der Fettleibigkeit hinweisen. 
Bei fettleibigen kommen schwere Schrumpfnieren ebenfalls häufiger als 
bei nicht fettleibigen Personen vor. Ausserdem findet man nach meinen 
Beobachtungen bei Fettleibigen sehr häufig leichte Albuminurien, die 
verschwinden, nach einiger Zeit bei leichten Infektionen wiederkommeo, 
aber im wesentlichen sich doch gutartig verhalten. Ich glaube, dass in 
sehr vielen Fällen von Gicht es sich um eine ähnliche gutartige Albumin¬ 
urie handelt und schwere, unter dem Bilde der Schrumpfniere verlaufende 
Fälle zu den seltenen Ausnahmen gehören. Wofern ich Herrn Gold¬ 
scheider richtig verstanden habe, dass der Gicht eine relativ geringe 
toxisohe Bedeutung beizumessen ist, würde dies mit meinen Anschauungen 
gut im Einklang stehen. 

Hr. His: Ich bekam heute den Separatabdruck einer Arbeit zu¬ 
geschickt, die mit den Worten beginnt: Die Gicht ist die häufigste 
Volkskraukheit. Nein, die Gicht ist eine verhältnismässig seltene Krank¬ 
heit und zeigt sehr scharfe soziale Abstufungen. Bei dem Arbeiter- und 
Handwerkermaterial im Krankenhause gehört sie zu den seltenen Krank¬ 
heiten, und wenn sie einmal vorkorarat, so ist sie meist durch Saturnis- 
mus hervorgerufen. Häufiger kommt sie vor im Mittelstände, namentlich 
gewisse Berufskreise, bei Schlächtern und vor allen Dingen bei Restau-' 
»teuren. Erst wenn man in die Klassen kommt, die über das Bedürfnis 
hinaus Nahrung und Getränke zu sich nehmen, wird die Gicht zu einer 
häufigeren Krankheit. 

Als vor etwa P/a Jahren Herr Kollege Goldscheider seine erste 
Arbeit in der Zeitschrift für physikalische Therapie publizierte, freute 
ich mich darüber, weil darin atypische Formen beschrieben waren, von 
denen wir heute ganz genau wissen, sie gehören zur Gicht, welche aber 
in früheren Werken, zum Beispiel bei Minkowski, mit emer etwas 
weitgehenden Kritik als unsicher dargestellt waren. Zu meinem grossen 
Bedauern haben die Arbeiten des Herrn Goldscheider hernach eine 
Richtung genommen, der ich nicht folgen kann. Er bat sich immer aus¬ 
schliesslicher auf klinische Symptome gestützt. Was bedeuten diese 
Symptome, was bedeutet ein präpatellarer Scbleimbeutel, was bedeutet 
ein Knirschen? Das bedeutet eine mechanische Veränderung im Gewebe 
des Knorpels oder des synovialen Bindegewebes. Von solchen Verände¬ 
rungen wissen wir aber beute ganz genau, dass sie auf sehr verschiedene 
Art Zustandekommen können, zum Beispiel durch infektiöse Vorgänge 
im Körper, durch Eiterherde in den Tonsillen und was derartige Dinge 
mehr sind. Wir wissen ferner, und zwar durch eine Untersuchung, 
welche Herr Professor Beitzke auf meine Veranlassung und mit mir 
xusammen vorgenommen hat, dass bei einer ungemein grossen Zahl von 
Menschen, welche gar nicht über Gelenkschmerzen geklagt hatten, Auf¬ 
faserungen des Knorpels Vorkommen, und zwar etwa vom 25. Jahre ab 
in grosser Häufigkeit. Wir wissen fernerhin auch, wie oft bei Frauen 
um die Zeit der Menopause herum Gelenkaffektionen auftreten, UDd unter 
diesen Gelenkaffektionen sind wiederum das Knirschen, die Schwellung 
der Synovialmembranen ausserordentlich häufige Erscheinungen. 

Dürfen wir nun mit Herrn GoldscheideT alles dieses zur Gicht 
reahnen? Davor möchte ich auf das dringendste warnen. In Berlin und 
auch anderswo ist es vielfach Sitte, jede chronische Gelenkaffektion als 
Gicht zu bezeichnen. Nun schlagen die Leute das Konversationslexikon 
u»ch, oder sie kaufen sich ein Buch über Gicht und lesen oder hören 
von anderen Mitleidenden alles, was die Gichtkranken esseD, und was er 
nicht essen kann. Nun habe ich schon einmal, ich glaube an dieser 
«eile, auseinandergesetzt, dass die Meinungen über die Diät bei der 
jjicht sehr stark auseinandergeben, selbst unter denjenigen, welche diese 
Meinungen durch exakte Laboratoriumsuntersuchungen zu begründen 
Bnternehmen, und ich habe nicht einen, sondern Dutzende von Patienten 
gesehen, die halb verhungert waren, weil sie alles nicht assen, wovon 

irgend einmal gehört oder gelesen hatten, es sei bei Gicht nicht gut. 
Jso dürfen wir schon aus praktischen Gründen mit dieser Diagnose 
weht leichtfertig umgehen. 

g .^!* n es sich: wie kommt Herr Goldscheider dazu, derartige 
awv* Dgen * u erklären, die auch bei anderen rheumatischen 

imff i° Den vor ^ ommen ? Da moohte ich vor allen DiDgen auf den Be- 
tt>i I T J°P*\ US eingehen. Herr Goldscheider beschreibt zum Bei- 
2 d?i ^ie hinten am Kreuzbein sitzen. Ich habe eine ziemliche 
»ohi V °k ^t^anken gesehen, aber noch keinen Tophus am Kreuzbein, 

» t * tominei i am Kreuzbein, am Nacken, den Schultern, an der 
sehm^u a * ur 8e ^ r häufig jene kleinen, etwas derb anzufühlenden 
DoaemT? 60 ®kUen vor, die so vielerlei Namen haben, und die in 

er Literatur so ausserordentlich stiefmütterlich behandelt worden 


sind. Das sind häufig die Ursachen der Ischias, häufig die Ursachen des 
von Edinger besohriebonen Schwielenkopfschmerzes, das sind die Noduli 
rheumatici englischer und französischer Autoren, das sind die Schmelz¬ 
punkte, auf die Herr Cornelius seine Lehre und Behandlung aufbaut, 
und die Herr Mü Iler - München-Gladbach ausführlich bearbeitet hat. 
Man fiodet solche Knoten bei Gichtkranken und ihren Abkömmlingen 
viel häufiger aber als selbständige Krankheit oder als Begleitsymptome 
anderer Konatitutionsanomalien ohne Gicht. Herr Gold so hei der hat 
eine Anzahl von Symptomen angegeben, die bei atypischer Gicht Vor¬ 
kommen können. Aber die Sache steht nicht so, dass derartige Vor¬ 
kommnisse stets auch die Gicht beweisen. Sie können bei Gicht Vor¬ 
kommen, sie können aber auch bei anderen Zuständen vorhanden sein, 
und deswegen bedeuten diese Symptome an sich noch nicht die Gicht. 
Die Gicht ist eine Stoffwechselkrankheit, daran müssen wir festbalten, 
wenn wir nicht hinter Garrod zurückreiohen sollen. Die Frage ist nur: 
wie erkennen wir diese Stoffwechselkrankheit? und da besteht in der 
Tat eine methodische Schwierigkeit. 

Es ist zurzeit noch nicht entschieden, welche der Methoden die 
Harnsäure im Blute mit Sicherheit nachzuweisen und zu messen gestattet. 
Am sichersten sind jedenfalls die Analysen nach Calkowski-Krüger 
und nach Folin, sowie die Dialysiermethode, welche die Substanz rein 
darstellen und prüfen; doch kommen bei diesen Methoden zweifellos 
gelegentlich Versager vor. Wie weit aber die bequemeren kolorimetrischen 
Methoden zuverlässig sind, ist noch nicht völlig erwiesen; sie werden 
aber jetzt so vielfach geprüft, dass wir binnen kurzem Gewissheit über 
ihren Wert erwarten dürfen. Inzwischen bediene ich mich noch der 
älteren Methoden, die uns zwar gelegentlich die Harnsäure im Blute 
vermissen lassen, wo sie vorhanden ist, aber niemals sie Vortäuschen, 
wo sie nicht vorhanden ist. 

Diese noch vorhandene Unsicherheit darf uns jedoch nicht irre 
machen an der sieb Garrod immer wieder als richtig erwiesenen An¬ 
schauung, dass die echte Gicht eine gut charakterisierte Stoffwechsel- 
störung ist, die wir nach der Aberration des Stoffwechsels und nicht 
nach unsicheren und vieldeutigen klinischen Symptomen diagnostizieren 
dürfen. 

Hr. Holländer: Ich möchte eine ganz kurze therapeutische Be¬ 
merkung machen. Nachdem ich vor etwa 15 Jahreu einen Infanterie- 
ofüzier, der wegen grosser, ihn molestierender Tophi an den Füssen den 
Abschied nehmen wollte, durch die Exstirpation dieser wieder voll¬ 
kommen marschfähig gemacht batte, und der auch viele Jahre noch 
seinen Dienst verrichten konnte, habe ich in den Fällen, in denen der 
Tophus entweder sehr gross geworden war oder er durch seinen Sitz an 
dem Ellenbogen mechanisch genierte, diese Uratgeschwülste exstirpiert. 
Man muss sie wie einen malignen Tumor entfernen, ohne dass der lobalt 
die Wunde berührt. Dann aber habe ich sehr gute Resultate erzielt. 
Die Heilung ist manchmal etwas verzögert, aber doch per primam er¬ 
folgt, und, was ich besonders bemerken möchte, nie habe icb Reoidive 
an der Stelle, an der die Exstirpation stattfand, beobachtet. Es ist im 
übrigen ziemlich unverständlich, wie es überhaupt zu Uratablagerungen 
gerade an Stellen kommen kann, die eigentlich fast ganz aus dem Kreis¬ 
lauf ausgeschaltet sind. Es blutet bei der Operation fast gar nicht. 

Vielleicht können wir da von den Inneren eine Erklärung be¬ 
kommen, warum einmal überhaupt diese Absonderung an Stellen er¬ 
folgt, deren Gefässversorgung eine so minimale ist, und wieso durch 
diese dicken Schwarten hindurch ein dauerndes Wachstum derselben 
möglich ist. 

Hr. Bergeil: Ich möchte nur eine kurze Bemerkung machen und 
eine Frage an Herrn Goldscheider richten. Es ist mir bei einigen 
ganz eklatanten Fällen der atypischen Gicht ein eigenartiges Verhalten 
der Harnsäureausscheidung aufgefallen. Es handelt sich um Fälle, die 
ganz zweifellos echte Gioht waren. Ich habe sie, entsprechend der 
Forderung des Herrn Brugsch, auch durch das Röntgenbild diagnosti¬ 
ziert, abgesehen davon, dass das ganze klinische Bild entsprechend war. 
Es handelte sich um Leute, die in der Mitte der 60 er Jahre standen 
und seit 15 bis 20 Jahren diese Tophi dauernd wachsen sahen und 
dabei nicht den geringsten Anfall gehabt haben. Es sind 3 Geschwister 
und noch 2 andere Fälle. Bei allen diesen Fällen sah ich durchweg, 
dass die Harnausscheidungen ausserordentlich gering waren, und zwar 
nicht nur bei purinärmster Nahrung, sondern auch bei etwas mehr 
purinreicher Nahrung. Die Harnmenge war sehr reichlich, 2 1 und 
darüber, der Urin war tiefgestellt, und die gesamte ausgeschiedene Harn¬ 
säuremenge, nach Hopkins bestimmt, war ausserordentlich gering, 
manchmal unter 0,1. 

Ich möchte nun die Frage stellen, ob bei den eklatanten Fällen 
von atypischer Gicht es im allgemeinen aufgefallen ist, dass Wochen 
hindurch, lange Zeit hindurch diese Patienten immer eine ausserordent¬ 
lich geringe Harnsäuremenge ausscheiden. Das wäre eventuell wichtig, 
wenn man tatsächlich eine grosse Anzahl von atypischen Gichtikera 
zusammenstellen kÖDnte, bei denen im Vordergründe steht, dass die 
Harnausscheidung ausserordentlich gering ist, so könnte man da ja einen 
Zusammenhang sehen zu dem ganzen Begriff der atypischen Gicht. 
Denn das Atypische ist ja, dass sie atoxisch auftritt, dass Anfälle die 
als toxische Erscheinungen anzusehen sind, sich nicht zeigen. ' 

Hr. Steinitz (Schlusswort): Wir waren uns bewusst, dass wir uns 
mit den Ergebnissen unserer Untersuchungen in einen Gegensatz zu 
früheren Resultaten stellten. Wir haben deshalb eine ziemliche Zeitlang 
abgewartet, ehe wir etwas veröffentlichten, bis die Zahl der Unter- 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 



1382 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


suchungen in die Hunderte ging und -wir über 50 Fälle untersucht 
hatten; jetzt sind es bereits über 100 Fälle. Herr Brugsch hat sich 
auf seine früheren Untersuchungen berufen. Es -war im Verhältnis zu 
den heutigen Erfahrungen nur eine geringe Zahl von Fällen, und es 
konnte nur eine geringe Zahl sein wegen der erforderlichen grossen 
Blutmengen und wegen der Kompliziertheit der Methode. Herr Schiften - 
heim, der die Untersuchungen mit Herrn Brugsch damals gemeinsam 
machte, sagt in einer neueren Arbeit: „Uebrigens schien uns die Methode 
der Harnsäurebestimmung im Blute bisher nicht so auf der Höhe ge¬ 
wesen zu sein, dass man daraufhin nach der einen oder anderen Richtung 
hin sichere Schlüsse ziehen kann. Man findet zuweilen mit den bisher 
üblichen Methoden, selbst bei ausgesprochenen Gichtkranken, keine 
Harnsäure im Blut.“ 

Also danach ist entweder die Methode unzureichend, oder es gibt 
Gichtiker, die im Blut bei purinfreier Kost keine Harnsäure haben. 

Wir habeu die Folin’sche Methode für unsere Untersuchungen nicht 
aus Bequemlichkeit oder wegen der geringen Blutmenge gewählt, die wir 
brauchten, sondern weil wir sie, ganz abgesehen davon, für zuverlässiger 
hielten. Die früheren Methoden, mit denen Herr Brugsch arbeitete und 
auch die Herren Bass und Wiechowsky in Prag, haben den Nach¬ 
teil: sie isolieren am Schluss die Harnsäure auf Grund ihrer Löslichkeit 
bzw. Unlöslichkeit, und die Löslichkeit der Harnsäure ist ein sehr viel 
umstrittenes Kapitel. Die Frage ist heute durchaus noch nicht sicher 
beantwortet. Es ist uns bei Versuchen mit den alten Methoden, die 
Harnsäure zu bestimmen, vorgekommen, dass wir am Schluss, wenn die 
Harnsäure auf dem Filter sein sollte, dort keine Harnsäure fanden, im 
Filtrat dagegen eine positive Murexidprobe bekamen. 

Herr Brugsch hat dann die früheren Resultate durch eine ganz 
neue Methode zu stützen versucht. Diese Methode ist sehr einfach. 
Ich glaube, es muss noch eine grössere Anzahl von Erfahrungen damit 
abgewartet werden, ehe man auf Grund dieser Methode wissenschaftliche 
Schlussfolgerungen ziehen kann. Bisher hat sie sich mir bei einigen 
Probeversuchen nicht bewährt. 

Kocher in der Friedrich Müller’schen Klinik in München bat 
ebenso wie ich mit der Foiin’schen Methode gearbeitet und hat Resultate 
bekommen, die im wesentlichen mit meinen übereinstimmen. Er hat 
nicht bei allen Gichtikern hohe Werte gefunden. Ueber ein Drittel 
seiner Gichtiker hat Zahlenwerte, die zu den von Herrn Brugsch an¬ 
geschriebenen Zahlen nicht stimmen, also die unter 4 liegen, und wenn 
Herr Brugsch für die Nichtgicbtiker als höchsten Wert 2 angibt, so 
hat Kocher in einer ganzen Anzahl von Fällen, die mit Gicht nichts 
zu tun haben, zu hohe Werte gefunden. Herr Kocher hat also eben¬ 
falls Werte gefunden, die zwischen 2 und 4 liegen in der Zone, die ich 
das letzte Mal als neutrale bezeichnet habe. 

Ich habe schou das vorige Mal darauf hingewiesen, dass man bei 
niedrigen Giehtwerten immer daran denken muss, dass die Leute be¬ 
handelt sind, und zwar nicht bloss, dass sie etwa mit Atophan behandelt 
sind, sondern mit Brunnenkuren, Schwitzkuren, Diät u. a. Mit dem 
Atophan ist es nicht so gefährlich, wie Herr Brugsch das hier hiu- 
gestellt hät. Das Atophan setzt den Blulharnsäurewert herunter, aber 
diese Wirkung lässt, wenn nicht sehr langdauernd und intensiv behandelt 
wird, wieder nach. Wir sind darüber ziemlich genau unterrichtet, weil 
wir mit unserer einfachen Methode das Blut unserer Patienten wieder¬ 
holt untersuchen konnten, und das gibt uns auch eine grössere Sicher¬ 
heit. Wir haben bei einer ganzen ÄDzabl das Blut 10 mal unsersuebt, 
den Rekord schlägt ein PatieDt mit 13 Blutuntersuchungen. Danach 
wissen wir, dass es Dicht am Atophan liegt, wenn wir bei einem Teil 
der Gichtiker niedrige Werte gefunden haben. 

Ich kann also nur dabei bleibeD, dass trotz der alten Unter¬ 
suchungen von Brugsch und Schittenhelm der Normale Harnsäure 
im Blute hat, oft mehr als 1 bis 2 mg, und der Gichtiker zuweilen 
weniger als 4 mg, dass also eine UebergaDgszone existiert, in die ein 
Teil der atypischen wie auch der echten Gichtlälle gehört. 

Hr. Goldscheider (Schlusswort): Wenn sich jemand auf das 
Gebiet der Diathese begibt, so muss er darauf gefasst sein, eine Anzahl 
von Widersprüchen zu erfahren. Die Widersprüche, welche mir heute 
entgegengetreten sind, beziehen sich zum Teil auf meine Diagnose, zum 
Teil auf den Stoffwechselversuch. 

Was die Diagnose betrifft, so ist mir entgegengehalten worden, dass 
das Gelenkknirschen nicht beweisend sei. Nun, ich habe ja schon in 
der ersten Arbeit gesagt, dass das Gelenkknirschen mit Vorsicht zu ver¬ 
werten ist, und ich habe auch jetzt wiederholt, dass ich nicht jedes 
Gelenkknirschen als Gicht ansehen möchte. Andererseits aber hiesse es 
die Bedeutung dieses wichtigen Symptoms unterschätzen, wenn man es 
nun ganz vernachlässigt. In der Tat ist es etwas, wovon niemand 
etwas weiss. Der Chirurg meint, dass das Gelenkknirschen eine 
chirurgische Erkrankung bedeute. Ein anderer meint, es sei eingedickte 
Synovia oder irgendetwas, was man nicht definieren kann. Nur die 
Herren in Hamburg und Umgegend wissen es ganz genau: es ist das 
Hamburger Knie. Es muss aber doch irgendetwas auch dem Hamburger 
Knie zugrunde liegen. Ist es Rheumatismus — nun gut, dann weise 
man es nach. Aber der Nachweis besteht darin, dass Herr Umber 
sagt, das Hamburger Klima sei ein sehr rheumatisches. Aber auch bei 
Gicht üben Witterungsverbältnisse einen sehr grossen Einfluss aus. An 
einer Stelle seines Buches sagt Umber, dass er io Hamburg sehr viel 
Gichtiker zu behandeln gehabt habe. Es ist bekannt, dass in Hamburg 
und Schleswig-Holstein sehr viel Fleisch gegessen wird. Es sind ebenso¬ 


viele Gründe für die Gicht beizubringen, wie hier Gründe für den 
Rheumatismus beigebracht sind. Ich glaube, es sind bessere Gründe 
für die Gicht als gegen die Gicht. Ich meine nicht, das jedes Knirschen 
gichtisch ist. Aber es scheint, dass die Gicht in ihren leisesten 
Schattierungen ausserordentlich verbreitet ist. Ich höre von Herrn 
v. Hansemann, dass er in Kiel — viele nennen es übrigens auch das 
Holsteiner Knie — das Knirschen sehr häufig gefunden habe. Ueber 
seine exorbitanten Zahlen erlaube ich mir kein Urteil. Wenn er von 
100 Matrosen bei 74 das Knieknirschen gefunden bat — ich weiss nicht, 
bei wievielen er Halsknirschen gefunden hat —, so kann ich ihm nur 
sagen, ich verstehe das nicht. Denn ich habe sehr sorgfältig einige 
Tausende von Patienten untersucht und habe es bei weitem nicht so 
oft gefunden. Vielleicht ist es doch ein anderes Knirschen gewesen. 

Im übrigen bemerke ich, dass das Knirschen in der Tat einen 
Wechsel zeigt. Das gerade, meine ich, spricht doch wenig dafür, dass 
es dauernde Veränderungen sind im Sinne der von Herrn Umber als 
Grund des Knirschens hingestellten schweren Gelenkverändenrng. Auch 
kann ich bezeugen, dass die Patienten mit Knieknirschen fast niemals 
erhebliche Schmerzen im Knie habeD, wie man es doch voraussetzen 
müsste, wenn schwere Gelenkveränderungen die Ursache des Knirscheos 
waren. Der Wechsel lässt sich ja sehr leicht verstehen, Harosäureaus- 
scheidungen wachsen, sie kommen und gehen, sie werden resorbiert, uncl 
ich glaube, dass sie in Zusammenhang stehen mit Ueberschwemmungeo 
des Körpers mit Purinnährmaterial. Das ist ja gerade der Punkt, den 
ich für einen der wichtigsten in meinem Vortrag gehalten habe, nämlich 
dass die Gicht als Diathese und die übermässige alimentäre Belastung 
mit Purinstoffen sehr ähnliche Symptome erzeugen, ein Punkt, der heute 
in der Diskussion in keiner Weise auch nur berührt worden ist. 

Ein anderer Widerspruch gegen meine Diagnose bezieht sich auf 
die Tophi. Wenn Herr Arthur Meyer sagte, dass die Dinge, die ich 
Tophi nenne, ebensogut Atherome oder Fibrome sein können, so kann 
ich das überhaupt gar nicht ernst nehmen. Ich habe iü meinem Vor¬ 
trage gerade davor gewarnt, jeden scheinbaren Tophus als einen Gicht- 
tophus aozuseben. Weiche Tophi in den Schleimbeuteln beweisen mir 
nichts, man muss vielmehr eine Härte oder eine Art von Knirschen 
'fühlen. Ich habe selbst ein weiches Fibrom aus dem Olecranonscbleim- 
beulel auf meiner Abteilung eistirpieren lassen. Es war in der Tat 
harnsäurefrei. Ich kann also Herrn Umber bestätigen, dass Fibrome in 
Schleimbeuteln Vorkommen, die nichts mit hainsauren Tophi zu tun 
haben. Beweist das denn etwas gegen Harnsäuretophi in den Schleim¬ 
beuteln, wenn hin und wieder einmal ein Fibrom an derselben Stelle 
vorkoramt? 

Dieselbe Bemerkung muss ich gegen Herrn His richten. Es ist 
nicht richtig, dass, wie Herr His bemerkte, hier eine Verwechselung mit 
Noduli rheuraatici und irgendwelchen schmerzhaften Knötchen an den 
Muskeln und Faseien vorliegt. Es ist auch nicht richtig, wenn Herr His 
die Existenz der Tophi am Kreuzbein bezweifelt. Ich bin sehr streng 
gegen mich selbst. Ich habe in sehr vielen Fällen Tophi, die mir als 
solche von Kollegen gezeigt wurden, abgelehnt. Ich erkenne dieselben 
nur an, wenn sie zweifelsohne sind oder mir wenigstens zweifelsohne tu 
sein scheinen. So leichter Hand, wie Herr His und andere glauben, 
kriegen Sie mich doch nicht unter, sondern untersuchen Sie nur selbst 
Hunderte von Fällen genau, dann werden Sie anders über die Sache 
urteilen. Die Tophi am Kreuzbein sind unzweifelhaft vorhanden. Aber 
es kennt sie allerdings fast niemand. Man muss das eben einmal ge¬ 
fühlt haben, und ich bin gern bereit, Herrn Kollegen His diese Tophi 
zeigen, wenn ich einen solchen Fall habe. Der einzige, der sie be¬ 
schreibt, ist Gemmel in Salzschlirf. 

Nun ist dann weiter aber ein viel ernsterer Einwurf gemacht worden. 
Er betrifft den Punkt, dass man nosologisch oder klinisch überhaupt 
keine Gruppierung vornehmen könne und dürfe, sondern die Gruppierung 
müsse sich auf den Stoffwechselversuch stützen. Nun, da kann ich auch 
nicht mit. Ich spreche offen aus, dass ich das für einen Standpunkt 
halte, der unklinisch ist. Herr Brugsch geht so weit, zu sagen, dass 
nach mir jede beliebige Gelenkaffektion eine gichtische sein müsste. Sie 
sagen: Nur das ist Gicht, was in Stoffwechselversuchen Harnsäare- 
retention macht. Sie finden, dass das zutrifft bei echter paroiysmaler 
Gicht, und verallgemeinern nun, indem Sie es als Postulat für alle Formen 
von Gicht aufstellen. Das ist das Recht des Laboratoriums, aber nicht 
das Recht der Klinik. Ich sage dagegen, ich sehe klinisch die Gicht, 
und es ist weiter 2u prüfen, ob auch diese Gicht den Anforderungen 
entspricht, welche das Laboratoriumsexperiment an die echte, reine 
Gicht stellt. 

Wir wissen vorläufig noch nicht, ob eine Gicht stets von vornherein 
eine Diathese ist, ob sie sich nicht aus einer Pnrinüberernährung ent¬ 
wickeln kann. Jedenfalls scheinen gichtische Erkrankungen durch 
Ueberernährung mit Purinstoffen zustande zu kommen. Ich habe auch 
bei echter Gicht die schweren cardiovasculären Erkrankungen haupt¬ 
sächlich dann gesehen, wenn der Gichtiker sich einer alimentären 
Schädigung durch eine Uebereroährung aussetzte. Ueberall spielen in¬ 
einander die Diathese Gicht und die alimentäre Schädigung, und da, wo 

keine Diathese vorliegt, sondern nur die alimentäre Schädigung stattbat, 

wird der Stoffwechsel, welcher die Harnsäureretention betrifft, nichts be¬ 
weisen. 

Herr Brugsch hat ja schon öfter sein Antlitz gewendet, er hat es 
heute aber in einer ganz überraschenden Art getan. Herr Brugscn 
hat in BeiDen früheren Gichtarbeiten Schleimbeuteltopbi pur neben* 
sächlich erwähnt. Es war gewiss nur zufällig, dass nach meiner vorige 0 


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UNIVERSITY OF IOWA ^ ^ 









20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1388 


Arbeit eine Bearbeitung der Gicht von Brugsch erschien, in der er 
mit einem Male den Schleimbeuteltophi die allergrösste Bedeutung 
beilegt. 

Ja, er sagt in diesem Buche, dass der Befund der Schleimbeutel¬ 
tophi die Gicht beweise, und dass es gar nicht darauf ankommt, in diesen 
Tophi Harnsäure nachzuweisen *). Nun vergleichen Sie mit diesem Satz 
das, was Herr Brugsch heute sagt, wo er sich ganz despektierlich 
über die Schleimbeuteltophi ausdrückt und sagt: nach Goldscheider 
ist ja überhaupt jede Gelenkaffektion Gicht. 

Zu dem Gelenkknirschen, weil hier heute Kasuistik angeführt worden 
ist, will ich Ihnen auch einen Fall erzählen. Ich hatte auf der Abteilung 
eine russische Patientin, die an Gelenkrheumatismus erkrankt war, ein 
Vitium cordis hatte, seit ihrer Kindheit von wiederkehrenden Gelenk¬ 
affektionen befallen wurde. Es war schliesslich zu Versteifungen in 
mehreren Gelenken gekommen. Der Fall wurde von uns als chronischer 
Gelenkrheumatismus angesehen wegen der Anamnese und wegen des 
Vitium cordis. Sie hatte aber in beiden Knien Knirschen. Bei dem 
Durchleuchten der Fingergelenke zeigte sich, dass auch eine Gicht vor- 
lag, trotz der Anamnese! 

Ich bedaure, dass in der Diskussion eigentlich von dem, was ich in 
meinem Vortrage für die Hauptsache hielt, sehr wenig gesagt worden ist. 
Kür mich war die Hauptsache, zu zeigen, dass eine Reihe von Symptomen, 
nervöse, cardiovasculäre, renale Symptome, durch zwei verschiedene Stoff¬ 
wechselstörungen hervorgebracht werden können, eine uratische und eine 
dyskrasische oder dyscbymische, dass diese beiden Stoffwechselstörungen 
fast identische, nur in der Intensität voneinander abweichende Verände¬ 
rungen in den Organen und ineinandergehende Symptome hervorrufen. 
Dieser Punkt ist meiner Ansicht nach für die Praxis äusserst wichtig. 

Mit einem Wort möchte ich nur noch den Standpunkt des Herrn 
His beleuchten. Herr His sagt, er bedaure, dass ich einen anderen 
Weg gegangen bin, als in meiner ersten Arbeit. Nun, nach der ersten 
Arbeit schrieb mir Herr Kollege His einen sehr freundlichen Brief, wie 
ich damals überhaupt von einer ganzen Reihe von Kollegen, Klinikern 
und Nichtklinikern, zu hören bekam, dass meine Mitteilung über die 
Fälle von atypischer Gicht, die vorher gänzlich unter den Tisch gefallen 
waren, wie eine Erlösung auf sie gewirkt habe. Nun, wenn mein jetziger 
Vortrag dem Herrn His nicht gefällt, so .bedaure ich, konstatieren zu 
müssen, dass mein Standpunkt von dem seinigen insofern divergiert, 
als ich meinen jetzigen Vortrag für viel besser halte, als die damalige 
Arbeit. 


Berliner physiologische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 26. Juni 1914. 

HHr. Martin Jacoby und N. Umeda: Ueber Aminosäure Wirkungen. 

Im Kaninchenserum findet sioh eine nicht dialysable, kochbeständige 
Amosubstanz für die Soja-Urease, die nach Trennung von den Eiweiss¬ 
körpern dialysabel wird. Aminosäuren aktivieren die Soja-Urease er¬ 
heblich, ohne selbst angegriffen zu werden, optisch aktive Aminosäuren 
ebenso wie inaktive. Vielleicht kommt es intermediär zur Bildung von 
üraminosauren, die dann besonders leicht gespalten werden. Robinia- 
Ureasei wird sowohl von Serum wie von Aminosäuren kaum aktiviert. 
Gegenüber Soja wurde das Serum von Kaninchen, Hammeln, Kälbern 
und Menschen aktiv befunden, ferper Casein, Witte-Pepton und Glycyl- 
hyptophan. Eine Reihe Substanzen, die zur Kontrolle untersucht 
wurden, aktivieren nicht. Der Einfluss der Reaktion wurde nach 
modernen Gesichtspunkten geprüft, die Serumwirkung und die Wirkung 
der Aminosäuren lässt sich aber nicht auf den Einfluss von Säuren und 
Alkalien zimickführen. Die Serurafuuktion ist eine durchaus neuartige. 
Inwiefern sie als Aminosäurewirkung, die in enger’Beziehung zum Eiweiss 
steht, zu deuten ist, wird an anderer Steile ausführlich erörtert werden. 
Die Versuche sind auch von Bedeutung für die von Jacoby früher 
diskutierten Hypothesen von der spezifischen Einstellung von Serum- 
eraenten durch den Uebertritt spezifischer Auxosubstanzen aus den 
urganen in das Blut, ferner für die Rolle der äusseren Aminosäure- 
grappen der Eiweisskörper des Serums bei der Resorption. Auch be- 
stebeo Beziehungen zur Serologie. Die Untersuchungen werden nach 
allen Richtungen fortgesetzt. 

n. ÖHr. P. v. Szily-Budapest und H. Friedenthal: 

1 n "jr* ÄB,MÄI ® Kombination von Quecksilber, Arsen and Jod. 

... . Wirkung einer ganzen Reihe von Giften ist ausserordentlich 
/ T0Q einer physikalischen Konstanten, welche wir am ein- 

c sten und ohne jede Hypothese als Protoplasmalöslichkeit bezeichnen 
aoen. Stoffe, welche protoplasmalöslich sind, werden in vielen Fällen, 

k f V N a ®hträglicher Zusatz. Der Satz lautet: „Die Schleim- 

. . am Glecranon und der Patella.sind in solchen Fällen 

bent«r U *t ?- Sc ^‘ lediglich das Feststellen der selbst kleinsten Schleim- 
verdi htt w S * gem Inhalt, aber auch ohne diesen, nur mit Feststellung 
iff, an( * u ?& genüg* zur Diagnose; wenigstens haben wir unter 
Blute« a leD deinen gefunden, wo nioht der Harnsäuregebalt des 
bestäti f t“ a * US «? em Vorhandensein der Schleimbeutel gestellte Diagnose 
von V Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten 

S. 210 &raus un< * Brugsch. Gicht von Th. Brugsch. I. Bd., 


besonders bei Einbringung in die BiutbahD, um so rascher und kräftiger 
wirken, je hoher ihre Protoplasmalöslichkeit steigt. Es ist nicht richtig, 
Protoplasmalöslichkeit durch Lipoidlöslichkeit zu ersetzen, wenn auch in 
vielen Fällen Substanzen, welche langsam in Zellen eindriDgen, wie so 
sehr viele Salzanionen durch Veresterung zugleich protoplasmalöslich 
und lipoidlöslich werden. Mit der Veresterung geht boi den Schwer¬ 
metallen, aber auch bei zahlreichen Säureanionen (ich nenne hier die 
Experimente von Wolfgang Pauli über das Rhodan) häufig eine ausser¬ 
ordentliche Steigerung der Giftwirkuog der Steigerung der Protoplasma* 
löslicbkeit parallel. Umgekehrt kann die Giftwirkung zahlreicher Ionen 
durch Komplexbildung so gut wie aufgehoben werden. Das bekannteste 
Beispiel für Entgiftung eines Ions durch Komplexbildung liefert wohl 
das Blutlaugensalz, welches die Giftigkeit des Blausäureions gar nicht 
mehr erkennen lässt, vermutlich weil das Cyanradikal in dem pTOto- 
plasmaunlöslichen Blutlaugensalz nicht mehr iu die Zellen hineingelangt. 
Wir können zwei Protoplasmagifte der schlimmsten Art, Quecksilber 
und CyaD, dadurch unschädlich machen, dass wir sie zu einem proto¬ 
plasmaunlöslichen Ion zusammentreten lassen. Die Ungiftigkeit des 
Quecksilbereyanides, ja selbst des Doppelsalzes aus Quecksilbercyanid 
Hg(CN)> und Cyannatrium ist bekannt. Quecksilbercyanid ist so gut 
wie gar nicht dissociiert, bildet also keine giftigen Quecksilber- oder 
Cyanionen; Jlas Doppelsalz soll das ungiftige (protoplasmaunlösliohe) 
Ion Hg(CN)< enthalten. Das Quecksilber findet sich hier im Anioo. 
Wir stellten uns die Aufgabe, die drei wirksamsten Mittel gegen Lues, 
Quecksilber. Arsen und Jod in anorganischer Lösung so zu vereinigen, 
dass die Giftwirkung möglichst aufgehoben sein sollte, während die 
pharmakologische Wirkung durch die Kombination gesteigert in Er¬ 
scheinung treten sollte. Der im Anfang des vorigen Jahrhunderts viel¬ 
fach empfohlene Liquor Jiydrojodolis arsenici et bydrargyri Danavaoi 
enthielt die Arzneistoffe in einer nicht optimal erscheinenden Form, 
namentlich Jodüre statt Jodiden. Quecksilber bildet mit Jod 
und Natrium ein Salz NaHgJ 8 • 1,5 H 2 0, welches das Queck¬ 
silber in dem Komplex HgJ~ enthält, also im Säureanteil, wobei 
die Quecksilberreaktionen, welche Reaktionen auf Hg]£ sind, anormal 
werden. Arsentrijodid AsJ 3 dissooiiert fast quantitativ in Jodwasser¬ 
stoff und Arsentrioxyd HJ und As 2 0 3 . In Lösungen von Jodsalzen wird 
diese Dissociation erheblich zurückgedrängt, doch sind die Doppelsalze 
wasserfrei sehr unbeständig. Arsenjodid fällt Eiweiss selbst in sehr 
verdünnten Lösungen, kombiniert man aber Arsenjodid mit Quecksilber¬ 
jodidjodkalium und fügt geringe Mengen Natronlauge hinzu, um die 
stark saure Reaktion zur Neutralität zurückzuführen, dann erhält man 
eine Lösung, welche Eiweiss in keiner Konzentration mehr fällt, dagegen 
ausserordentlich stark baktericid und, wie Versuche ergaben, auch 
stark antiluetisch wirkt. Entsprechende Lösungen der Rbodanreihe, 
statt der Jodreihe, lassen sich ebenfalls herstellen, sollen aber nicht 
näher behandelt werden, da sie kohlenstoffhaltig sind und daher 
trotz ihrer reinen Salznatur als nicht anorganisch bezeichnet 
werden können. Das wesentliche Moment bei der Herstellung anorga¬ 
nischer Mischungen von Quecksilber, Arsen und Jod ist die Ausschaltung 

der zwei äusserst giftigen Ionen HgJ, As+ und des freien Jodes J 6 . Jod 

ist umgekehrt wie Quecksilber und Arsen in elementarem Zustand 
protoplasmalöslich, also giftig, während die Jodionen in den Salzen 
schwer iu die Zellen eindringen und die Salze daher erst in sehr grossen 
Dosen giftig wirken. Das wesentlichste Moment für die Wirksamkeit 
einer Substanz, ebenso wie für ihre Resorbierbarkeit im Darmkanal ist, 
wie oben gesagt, ihre Protoplasmalöslichkeit 1 ). Die Lösung dieser Auf¬ 
gabe scheint in der oben erwähnten Kombination mit genügender An¬ 
näherung in einfachster Weise gelöst. Ueber die therapeutische Nütz¬ 
lichkeit dieser physikalisch-chemischen Betrachtungen soll erst nach aus¬ 
reichender klinischer Erprobung ein Urteil gefällt werden. Die Membran¬ 
stoffe der Bakterien bewirken, dass protoplasmalösliche Stoffe, die in 
Körperzellen und nackte Zellen nicht eindringen, ihre baktericide Wirk¬ 
samkeit trotzdem voll entfalten können. 

Hr. Hans Friedenthal - Berlin-Nikolassee: 

Die Bekämpfang der bösartigen Geschwülste anf der Grundlage der 
Wachstanisphysiologie. 

Man hat bisher versucht, die bösartigen Geschwülste auf drei ganz 
verschiedenartige Weisen zu bekämpfen, mit dem Messer, mit Strahlungen 
und in jüngster Zeit im Tierversuch mit chemotherapeutischen Maass¬ 
nahmen durch intravenöse Injektionen von starken Protoplasmagiften. 
Weder einzeln noch in Kombination genügen die bisherigen Verfahren 
in zahlreichen Fällen. 

Der Vortr. glaubt, dass die Wachstumsphysiologie uns einen vierten 
aussichtsreichen Weg zeigt, um Wachstum zu verhindern an Stellen 
wo es uns unbequem zu werden droht. Dieser Weg besteht darin, lokal 
unter Ausschluss aller Gifte die Zufuhr eines der für Wachstum not¬ 
wendigen Stoffe zu verhindern. Rasch wachsendes Gewebe, ebenso wie 
der wachsende Embryo verstehen es, durch Auflöseu der Nachbargewebe 
mit verdauenden Fermenten sich zeitweilig alle zum Weiterwachseo not¬ 
wendigen Stoffe zu verschaffen; sie können also die Zufuhr von Wachs¬ 
tumsbausteinen von aussen lange Zeit entbehren, nur für den Sauer¬ 
stoff, welchen rasch wachsende Teile in erhöhtem Maase nötig haben 
besteht eine Ausnahme. Sauerstoffhunger ist, wie Verf. annimmt, die* 


1) Siehe Friedenthal, Gesammelte Arbeiten, I, S. 107. Jena 1908. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


Ursache für das Eindringen rasch wachsender Gewebe mit Fermenten in 
ihre Umgebung, um sich Sauerstoffzufubr zu erringen. Das Placentar- 
gewebe des Embryo wächst wie eine bösartige Geschwulst, bis eine 
genügende Blut- und Sauerstoffversorgung erzwungen ist. Wenn dies 
der Fall, hört das parasitäre Wachstum auf; es ist daher nicht paradox, 
wenn entweder gänzliche Entziehung des lebensnotwendigen Sauerstoffs 
oder Uebersättigen von Geschwulatgewebe mit Sauerstoff zum Aulhören 
des Wachstums führen würde. Halbe Maassregeln werden statt Ver¬ 
besserungen nur Verschlimmerungen herbeiführen, namentlich Ge/äss- 
abbindung ohne Wärmezufuhr. Die Leukocyten, welche bei den bös¬ 
artigen Geschwülsten wie überall auch bei normalem raschen Wachstum 
eine wichtige Rolle spielen, bringen Kernstoffe und nach Unna auch 
Sauerstoff an die rasch wachsenden Tumorteile heran, durch die Gefässe 
müssen immer neue Leukocyten herangescbafft werden. Unterbrechen 
wir die Gefässversorgung einer mit bösartiger Geschwulst behafteten 
Körpergegend für einige Zeit, so sinkt die Organteroperatur, und es kann 
die Mehrzahl der Körperzellen eine Absperrung der Sauerstoffzufubr für 
einige Zeit vertragen, wenn wir von dem Centralnervensystem absehen. 
Beschleunigen wir dagegen durch Erwärmung die Zellteilung während 
Absperrung des Sauerstoffs, so steht zu vermuten, dass dadurch die 
allergefährlicbsten jüngsten und vermehrungsfähigsten Zellen am ehesten 
unter dem Sauerstoffmangel zu leiden haben werden, während die 
ruhenden Körperzellen ein weit geringeres Sauerstoffbedürfnis aufweisen 
werden. Durch Injektion geeigneter reduzierender wassserstoffgesättigter 
Lösungen in den Tumor UDd seine ganze Umgebung vor lokaler Unter¬ 
brechung der Blutzufuhr würden wir die Schädigung der Tumorzellen 
durch Sauerstoffmangel sehr erheblich unterstützen können. Eine lokale 
Erwärmuog des tumorhaltigen Gewebes auf 42° wird durch die modernen 
Diatherraieverfabren ermöglicht. Dass die lokale Erschwerung der Sauer¬ 
stoffzufuhr bei gleichzeitiger Steigerung der Zellteilungsgeschwindigkeit 
durch Wärme geeignet erscheint, Wachstum zu hemmen, wo immer es 
vorhanden ist, also atich das Wachstum bösartiger Tumoren, wird jedem 
einleuchten, der versucht, vom Standpunkt der Wachstumsphysiologie 
aus zu einer Beherrschung der Wachstumsvorgänge zu gelangen. 


Berliner orthopädische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 4. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Wollenberg. 

Schriitlührer: Herr Böhm. 

Hr. Radike: 

Knochen- nnd Gelenkerkranknngen bei Framboesia tropica. 

Vortr. weist auf die Aebnlichkeit der Erkrankung bin mit Lues in 
Genese, Verlauf und Therapie, sowie auf die Differenz in der Art der 
Infektion und Malignität. 

Demonstration von Röntgenbildern, in denen die verschiedenen Typen 
von Periostitis, Ostitis und Osteoperiostitis genau wie bei Lucs sich nach- 
weisen lassen. 

Hr. Mosenthal-Berliu; Um die Daraluminiumeinlagen, die ihrer 
Leichtigkeit und Elastizität wegen gute Dienste leisten, durch Schweiss 
aber derartig angegriffen werden, dass sie in kurzer Zeit manchmal zu 
Pulver zerfallen, weiter brauchbar zu machen, verwendet Vortr. ein 
papierdünnes Celluloidblättchen, das zwischen Metall und Leder montiert 
wird und den Schweiss von dem Metall abhält. Als Ersatz für Rind¬ 
leder, das ebenfalls stark durch Schweiss leidet, wird das sogenannte 
Fusswohlleder verwendet, das im Gegensatz zu Rindleder durch Feuchtig¬ 
keit nicht hart und brüchig wird, sondern stets weich bleibt. Zur Supi¬ 
nation des Fusses bat sich eine keilförmig geschnittene Gummiplatte be¬ 
währt, die auf die gewöhnliche Duraluminiumeinlage montiert wird; 
auch bei dieser wird zweckmässig das oben erwähnte Celluloidplättchen 
eingelegt, weil der schwefelhaltige Gummi das Aluminium gleichfalls 
angreift. 

Hr. Wollenberg: Ueber Gelenkgicht 

Demonstration makroskopischer und mikroskopischer Befunde bei 
giohtischer Erkrankung der Gelenke. 

Der Tophu9 des Knochens zeichnet sich durch ausgedehnte Gewebs- 
nekrose aus, die allmählich durch ein zellreiches Bindegewebe unter 
Mitwirkung zahlreicher Rieseozellen ersetzt wird. Die Knochen werden 
im Bereiche des Tophus zerstört, es wird aber in der Peripherie unter 
der Einwirkung von Osteoblasten auch Knochengewebe neugebildet. Der 
Knochentophus ist scharf begrenzt. 

Im Knorpel findet Inkrustation mit Craten statt, während hier um¬ 
schriebene Tophusbildung vermisst wurde. Die Knorpelzellen werden 
teilweise, aber nicht sehr ausgedehnt nekrotisch; es findet aber anderer¬ 
seits eine lebhafte Zellregeneration statt. 

Die Synovialis des Gicbtgelenkes zeigt bei fehlender Inkrustation 
keine oder äusserst geringfügige Veränderungen, während die inkrustierte 
Synovialis ausgedehnte Nekrosen aufwies. Teilweise war fast nur noch 
das bindegewebige Stroma vorhanden. 

Demonstration von Röntgenbefunden bei Gicht der Knochen und 
Gelenke. 

Hr. Waehsaer: Ueber bilaterale Asymmetrie des Körpers. Zu¬ 
gleich Beitrag zur Kenntnis des Naegeli’schen Beckens. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 


Hr. Bibergeil: Klaget der soziales Ffirsorge bei Bervfe- 
deformilätea. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Zuelzer: Was Kollege Bibergeil über die Schwierigkeit der 
Einlagen- und Stiefelbeschaffung für Ortskrankenkassenmitgljeder er¬ 
wähnte, kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Um der Schwierig¬ 
keit der StiefelbescbaffuDg für die Fusskranken zu entgehen, habe ich 
eine einfache Riemenvorricbtung seit einiger Zeit bei solchen Patienten 
mit Erfolg angewendet, und deshalb erlaube ich mir zu den theoretischen 
Ausführungen des Vorredners diese praktische Neuerung zu erwähnen. 

Die meisten fusskranken Patienten kommen mit ausgeweiteten, wenig 
Halt bietenden Schnürschuben zur Behandlung, und wollte man nun 
die stützenden Einlagen dahineiDlegen, so rutscht der Fuss über die 
schiefe Ebene der Einlage leicht nach aussen, von der Sohle seitwärts 
mehr oder weniger herunter, so dass selbst die bestanliegenden Sohlen 
erheblich an Wirkung und Wert einbüssen müssen. Die äussere Fuss- 
kappe gibt eben sehr bald zu viel nach — ein Fehler, der bei richtig 
fest gebauten orthopädischen Stiefeln leicht vermieden werden kann. 

Ein sogenannter Fussschoner, den ein Hauptmann d. L,, Hinkel- 
Cbemnitz, angegeben hat, legte nun den Versuch nabe, mittels Riemen 
dem Schuh die nötige Festigkeit zu geben. Der Hinkel’sche Fuss¬ 
schoner greift nach meinem Dafürhalten durch die unter der Fusssohle 
durchgeführte Stahlspange den Schuh nicht richtig fest an. So habe 
ich eine Vorrichtung, die aus drei Teilen für jeden Fuss besteht, zu¬ 
sammengestellt. Die beiden kleineren Teile sind kurze Riemen, etwa 
G cm jeder lang, welche schräg vor dem Hackenansatz am Stiefel aussen 
festgenäht werden. Am freien Ende ist eine derbe viereckige Schnalle 
aus Eisen (ohne Dorn) angebracht. Durch diese beiden Schnallen rechts 
und links wird ein Lederriemen durchgezogen und über dem Fussgelenk 
fest zugescbnallt. Damit die beiden Seitenschnallen nicht drücken, wird 
unter denselben an den kleinen Riemen eine breitere, derbe Lederplatte 
festgeuäbt. 

In den Stiefeln mit solcher Vorrichtung kann die Einlage sich nicht 
verschieben: der Patient hat einen schönen, angenehmen Halt. Das gute 
Publikum wird wohl solche aussen sichtbare Riemen Verschnürung in der 
Stadt nicht tragen wollen, aber auf Touren dürften sie hier auch an¬ 
gebracht sein. 

Vielleicht machen die Herren Kollegen bei ihren Kassenpatienten 
auch einen Versuch mit dieser billigen Vorrichtung, die leicht herzu¬ 
stellen ist und sich mir vielfach schon bestens bewährt hat. 

Hr. Kölliker bestätigt das Besteben von äusseren Schwierigkeiten 
bei der Behandlung der Skoliose jugendlicher Arbeiter. Er bat für diese 
zum Sonnabend nachmittag nach Geschäftsschluss eine Stunde für ortho¬ 
pädische Gymnastik eingerichtet und empfiehlt ihnen weiter möglichst 
häufige flache Rückenlage in der freien Zeit. 

Hr. Pettesohn: Die Schwierigkeiten und die bisherige Erfolglosig¬ 
keit der Behandlung der Lehrlingsdeformitäten werden nur durch An¬ 
gliederung orthopädischer klinischer Stationen an die Krankenhäuser be¬ 
hoben werden. So gehört der an kontraktem Plattfuss Erkrankte nicht 
auf die chirurgische Station, wo er nicht selten einer Knochenoperation 
unterzogen wird, die doch nur eine vorübergehende Besserung erzielt. 
Der juvenile Plattfuss ist orthopädisch zu behandeln, was länger dauert, 
aber viel bessere Resultate gibt. 

Hr. Böhm: Nach meinen Erfahrungen kommt der Plattfusskranke 
zumeist auf die innere Station der statischen Krankenhäuser. 


Verein für innere Medizin and Kinderheilkunde zn Berlin. 

(Innere Sektion.) 

SitzuDg vom 6. Juli 1914. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Ewald demonstriert die anatomischen Präparate eines 47 jährigen 
Mannes mit MediastiBaltnmer. Die Speiseröhre Hess die Magensonde 
passieren. Die Diagnose konnte nur röntgenologisch gestellt werden. 
Der Aortenscbatten war verbreitert, auch im schrägen Durchmesser, ohne 
Pulsation. Der nur faustgrosse Tumor — ein Lymphosarkom — sass 
zwischen Luft- und Speiseröhre. 

Diskussion. 

Hr. Davidsohn berichtet über die Sektion eines gleichen Tumors. 

Hr. Kraus fragt nach der Ursache des Todes, die bei dem kleinen 
Tumor nicht ersichtlich sei. 

Hr. Ewald (Schlusswort): Die Todesursache bat sich nicht eruieren 
lassen. 

Tagesordnung. 

Hr. Loeb- Göttingen (a. G.): 

ExperineBtalutersicbnng itr Stoffwechsel genese der Arteriosklerose. 

Kaninchen leiden selten an spontan arteriosklerotischen Erkrankungen, 
relativ häufig zeigen sie noch Veränderungen der Media; auch bei anderen 
Haustieren ist Arteriosklerose selten. 

Man hat nun neuerdings vielfach versucht, Arteriosklerose bei Tieren 
experimentell zu erzeugen, Josue durch Adrenalin; jedoch ist die er¬ 
zeugte Veränderung mit der menschlichen Arteriosklerose mikroskopisch 
nicht identisch; ist ja auch die Intima des Kaninchens anders gebaut. 
Es lassen sich der menschlichen Arteriosklerose ähnliche Veränderungen 


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20. Joli 1914. 


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beim Kaninchen durch Alkohol und veränderte Ernährung hervorbringen. 
Eine nahe Verwandtschaft dieser arteriosklerotischen Prozesse mit den 
menschlichen ist schon darum anzunehmen, weil die gleichen Ein- 
Wirkungen beim Kaninchen Media-, beim Hunde Intimaveränderungen 
bervorbriogen. Die Substanzen wurden bei den Versuchen nur per os 
einrerieibt und immer Parallel versuche mit Tieren gleichen Wurfs an- 
gestellt. Hundespontanarteriosklerose fand sich bei 46 Hunden im Alter 
von 1 bis 4 Jahren nie, während sie sich bei Hunden im Alter von 8 bis 
16 Jahren oft fand. 

Der Vortr. prüfte dann auf Grund einer alten Beobachtung die 
Wirkung der aliphatischen Aldehyde und bei der Verfütterung dieser 
Stoffe und ihrer Muttersubstanzen, wie z. B. der Milchsäure, wurden in 
14 von 16 Fällen in 8 — 16 Tagen beim Kaninchen Arteriosklerose hervor¬ 
gerufen (z. B. 0,5 g milchsaures Natrium 4 Wochen lang gefüttert). 

Die Natriurasalze der Isobuttersäure und der Isobaldriansäure er¬ 
zeugen Arterieoveränderungen, aber nicht die Salze der Norraalsäuren. 
Essigsaures Natrium war in bezug auf Erzeugung der Arteriosklerose 
unwirksam, freie Essigsäure konstant wirksam, Salzsäure unwirksam. 

Die Milchsäure entsteht bekanntlich bei der Muskelarbeit und bei 
vielen Vergiftungen, so dass ihr auch beim Zustandekommen der mensch¬ 
lichen Arteriosklerose eine Rolle zugeschrieben werden dürfte. 

Auf Grund einer von ihm aufgestellten Arbeitshypothese über das 
Ammoniumion ernährte er Hunde eiweissarm und führte dann Milchsäure 
bzw. Kohlehydrate zu. Neunmal bekam er nach längerer Versuchsdauer 
experimentelle Arteriosklerose. Umgekehrt wirkte bei Kaninchen, die 
mit milchsanrem Natrium behandelt wurden, Zufuhr von 20 bis 30 g 
Huhnereiweiss oder des Ammoniumions das Zustandekommen der Arterio¬ 
sklerose verhindernd. 

Der Vortr. fasste die Ergebnisse seiner Untersuchungen folgender- 
maassen zusammen. 

Es ist ihm bei zwei Tierarten nahezu konstant gelungen, arterio¬ 
sklerotische Veränderungen zu erzeugen, die beim Hunde der mensch¬ 
lichen Arteriosklerose entsprechen. Die Milchsäure ist als ein Prototyp 
einer Reihe von wirksamen Substanzen aufzufassen. 

Diskussion. 

Hr. Ben da bebt als bedeutsam hervor, dass es mit so einfachen 
Mitteln gelungen sei, eine der menschlichen Arteriosklerose ähnliche Er¬ 
krankung zu erzeugen. Die aufgestellten mikroskopischen Präparate 
ergeben tatsächlichIotimaveränderuDgen. Gemeinsam mit G. Klemperer 
bat er eine Nachuntersuchung im Kraokenhause Moabit eiogeleitet. 

Hr. Davidsohn weist auf die Schwierigkeit hin, die darin liegt, 
bei Tieren, die nicht spontan an Arteriosklerose erkranken, Arterio¬ 
sklerose experimentell zu erzeugen. Bei Vögeln, speziell Papageien, 
sind arteriosklerotische Veränderungen häufig, und darum empfiehlt er diese 
zur Anstellung solcher Versuche. 

Hr. Rothmann fragt an, ob an den Hirngefässen arteriosklerotische 
Veränderungen ebenfalls vorhanden waren, und ob Jod die experimentelle 
Arteriosklerose verhinderte. 

Hr. Loeb hat die Gehirogefasse bisher nicht untersucht. Er lässt 
die Frage der Jodwirkung offen. 


Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie zu Berlin. 

Sitzung vom 26. Juni 1914. 

Vorsitzender: Hprr Franz. 

1. Demonstrationen. Hr. Strassuann demonstriert ein mit 
Kauterisationsapparat vorhandenes Cystoskop, das zur leichten Ver¬ 
schorfung dient. Hierfür kommen namentlich die blutenden Blasen¬ 
tumoren in Betracht. Bei einer Patientin, die ausserdem an Brust- 
fibromeu und Myomen litt, waren die Blasenblutungen durch Spülungen 
wf 10 Jahre zum Stillstand gebracht worden. Nach Entfernung der 
Myome traten die Blasenblutungen wieder auf. Es handelte sich um 
flottierende Papillome. Es fanden 3 Sitzungen von 10—15 Sekunden 
statt. Nach 8 Monaten war die Bläschenschleimhaut glatt. Der Tumor 
Pf>g in einzelnen Fetzen ab. Weil ein hochfrequenter Strom angewendet 
vird, ist die Anwendung schmerzlos. 

Diskussion. 

Hr. Siegwart hat ein ebenfalls vor 2 Jahren operiertes, jetzt reci- 
öiviertes Papillom, von dem auch eine Photographie gezeigt wird, in 
Sitzungen durch den elektrischen Strom entfernt. Es wurde dabei 
«um em Tropfen Blut verloren. Mikroskopisch erwies sioh der Tumor 
? 9 Ob die Behandlung auch für maligne Tumoren genügt, 

wmifrit er. Für grössere Tumoren ist sorgfältige Umstechung des 
|cla nötig. Er hat bei einem Carcinom eine schwere Nachblutuog ge- 
St h e * ne Wiederholung der Sectio alta nötig machte. 

. . \ ^ norr: Zu bedenken ist, dass wir nioht wissen, mit was wir 
Del der Elektrocoagulation zu tun haben. Es ist also zu überlegen, 
vorher etwas mit der Schlinge herausnehmen. Es ist nicht 
sind ■ 3 Kettelten Tumoren immer gutartig sind. Nach Frisch 
™ Drittel bösartig. Sind viele und grosse Tumoren da, oder 
wen/ 1Q J* er ^ es B ,as enhalses, so ist die Methode nicht anzu- 
tw*!'-. n erre i c ht die Tumoren nicht. Der Apparat ist ein grosser 
Drtschntt, aber auch nicht allmächtig. 

rivas r ü D< ^ : Hygroskopische Untersuchung genügt es nicht, 

»uch t+w ^ er klinge von der Oberfläche zu entnehmen, man muss 
^Mtriexi Y ° ü ^ er ® as * 9 ^aben. Entsprechende Präparate werden de- 


Hr. Strassmann glaubt, dass alle Papillome zunächst so behandelt 
werden sollten; so viel er weiss, ist die Prognose der Carcinome sehr 
sohlecht. 

Hr. Franz ist der Ansicht, dass die Operation sehr undankbar ist, 
und möchte auch immer erst die Coagulation versuchen. Der Zustand 
der Kranken ist nach der Operation ein sehr trauriger. Ausserdem ist 
bekannt, dass es auch sehr leicht zu Nachblutungen kommt. (Der 
Apparat wird vom Ingenieur demonstriert) 

2. Fortsetzung des Vortrages von Herrn R. Meyer: Beiträge zur 
Pathologie der Ovarien. 

Vortr. setzt seine Demonstration von Ovarialtumoren fort und de¬ 
monstriert entsprechende Bilder. Die Tumoren bestehen teils aus Binde¬ 
gewebe, teils aus Epithel. Das Epithel kann sich zerstreuen, in die 
Lymphbahnen eindriogen oder sich zu soliden, harten Tumoren ver¬ 
dichten, auch können die Vacuolen grösser werden und der Tumor einen 
cystischen Charakter annehmen. Endlich kann auch das Bindegewebe 
prävalieren und eine Form in die andere übergehen. Die Tumoren 
zeigen nicht immer alle diese Bilder, sondern gewöhnlich nur eine Art. 
Unter seinen 13 Fällen ist eine grosse Auswahl, und man ist nicht 
immer iD der Lage, die Verwaodtschatt der Bilder festzustellen. Einige 
sind als Carcinoma follicolit. beschrieben, einige als Cylindroma. Viele 
gelten als Carcinom und haben doch damit gar nichts zu tun. Von 
Wichtigkeit ist, wie weit die Tumoren genetisch zusammengehören. Das 
Ziel ist immer noch die Feststellung der Zellentwicklung, obgleich wir 
in letzter Linie an die Chemie denken müssen. Am meisten interessiert 
die Entstehung und das morphologische Verhalten. Vor allem ist es 
nötig, die Tumoren bei Kindern und Erwachsenen zu vergleichen. Es 
ist Wert darauf zu legen, dass die Tumoren, die sioh bei Erwachsenen 
finden, bei Kindern nicht Vorkommen. Zur Betrachtung sind dringend 
Vergleiche nötig. Ein System ist nur durch ein sehr grosses Material 
zu erreichen. Oft wird nicht objektiv genug geurteilt und rein zufällige 
Dinge in den Vordergrund gestellt. Auch chronologisch können wir 
nicht immer das Alter durch die Befunde bestimmen. Aus allen diesen 
Gründen ist eine systematische Gruppierung sehr schwer. Es gehört 
dazu das Zusammenwirken vieler Untersucher. Trotz differenter End¬ 
stadien müssen die Tumoren eine gemeinsame Genese haben, z. B. die 
Teratoideo-Geschwülste. Weniger different sind die Mischgeschwülste 
(mesodermale). Von diesen auf die einzelnen Geschwülste übergehend, 
muss man trotzdem eine gemeinsame Histogenese annehmen. Jede Ge¬ 
schwulst ist aber im einzelnen verschieden von der anderen. Wenn wir 
Ordnung hineinbringen wollen, so müssen wir trotz der grossen Ver¬ 
schiedenheit zusammen fassen. Und es sind nicht nur sekundäre Ver¬ 
schiedenheiten, deren es natürlich sehr viele gibt, der Tumorkeim kann 
schon vor der Geschwulstbildung sich verändert haben. Das Ideal der 
Forschung ist, alle Geschwulstformen zusammenzustellen. Man kann aus 
100 Bildern 100 einzelne Formen herausfinden, damit ist der Forschung 
aber nicht gedient. Nötig sind Saramelforschungen, und gerade dabei 
machen die Ovarialtumoren besonders Schwierigkeiten. Hierbei sind 
viele für primär gehalten worden, die eigentlich sekundär sind. Sodann 
sind die Teratome zu erwähnen. Es kommen z. B. in einem Dermoid 
Strumareste vor und umgekehrt. (Es werden einige Bilder demonstriert.) 
Der Genese gegenüber können wir also bisher kein abschliessendes Ur¬ 
teil haben. Kahlden hat die Geschwülste als vom Epithel ausgehend 
betrachtet. Alle diese follikulären und ähnliche Genesen sind aber nicht 
bewiesen. Eine maligne Wucherung ist noch nicht gefunden. Zweifellos 
ist aber etwas da, das an die Follikelepithelien erinnert. Jedoch ist die 
organoide Tendenz doch sehr ausgesprochen. 

Hr. Nagel fragt, ob sich der klinische Verlauf von dem anderer 
Epithelgeschwülste unterscheidet, z. B. Verdrängung des Epithels durch 
Bindegewebe sich findet. 

Hr. Meyer: Das Epithel wirkt auf das Bindegewebe natürlich ein, 
spielt aber gewöhnlich keine selbständige Rolle. Das Zurückdrängen 
des Epithels kommt vor z. B. beim Cirrhus. Siefart. 


Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik 
zu Berlin. 

Sitzung vom 14. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Grotjahn. 

Schriftführer Herr Lennhoff. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Wachsner: 

Orthopädische Jugendfürsorge und körperliche Erziehung. 

Der rein körperlichen Erziehung, der Gesundung und Gesunderhal¬ 
tung des rein statischen Apparates unserer Jugend ist bis vor kurzem 
nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt worden. Während für die heim¬ 
bedürftigen Krüppel jetzt gesorgt wird, ist für die nichtheimbedürftigen 
praktisch nur wenig erreicht. Namentlich das vorsohulpflichtige Alter, 
das das Hauptkontingent der heilbaren Krüppel bildet, ist nach wie vor 
jeglicher staatlichen oder kommunalen Fürsorge, wenigstens was seine 
körperliche Entwicklung an betrifft, entzogen. Hier muss aber durch 
Prophylaxe und Therapie die Skoliosenbekämpfung einsetzen, da es eine 
Schulskoliose nicht gibt, die vielmehr in die Schule mitgebracht und 
erst in der Schulzeit manifest wird. 

Jede schwerere Skoliose ist entweder auf eine angeborene Asymmetrie 
der Wirbelsäule zurückzuführen oder beruht bei rachitischen Kindern 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


auf Fehlern in der körperlichen Erziehung im frühesten Lebensalter. Auf¬ 
gabe der orthopädischen Fürsorge muss es sein, die Skoliosen so früh 
wie möglich therapeutisch in Angriff zu nehmen und anderseits aus¬ 
gedehnte Prophylaxe zu treiben dadurch, dass die Kenntnisse der richtigen 
körperlichen Erziehung des Kindes in immer weitere Kreise dringt. Um 
eine gröbere Deformierung hervorzubriogeD, muss ein prädisponierendes 
Moment vorhanden sein, nachdem festgestelit ist, dass die Lehre von 
der Belastungsdeformität sich als unrichtig erwiesen hat. Zur ortho¬ 
pädischen Prophylaxe gehört demnach die Mitwirkung der internen 
Kinderärzte bei den orthopädischen Fürsorgestellen, die in Verbindung 
mit den internen Fürsorgestellen stehen müsson. 

Neben der Behandlung, die viele Mittel erfordert, ist das wichtigste 
die populäre Aufklärung in solchen Fürsorgestellen über vernunftgemässe 
körperliche Erziehung und Vermeidung der zu Deformitäten führenden 
äusseren Schädlichkeiten. Dahin gehört das zu frühe Aufsitzenl&ssen der 
Säuglinge, wodurch ein Vornüberfallen oder gar Einknicken der Wirbel¬ 
säule hervorgerufen wird. Wird diese Stellung nun öfter durch Stunden 
eingenommen, so formen sich die zu dieser Zeit auch beim nächtrachiti¬ 
schen Säugling noch äusserst plastischen Knochen entsprechend dieser 
bogenförmigen Stellung. Die Bänder und Muskeln passen sich dieser 
Lage an, dehnen sich auf der konvexen, verkürzen sich auf der konkaven 
Seite, und die fixierte Kyphose ist fertig. 

Nicht minder gefahrvoll in ihren Folgeerscheinungen für die Wirbel¬ 
säule ist das zu frühe und einseitige Aufnehmen der Kinder, wodurch 
bei rachitischen Kindern seitliche Verbiegungen entstehen. Durch das 
Frühredressement nach Böhm lässt sich viel erreichen. Ausserdem ist 
durch Kriechen, da9 die beste Vorschule für das spätere Gehen bildet 
und der biologischen und physiologischen Stellung des Kindes, d. h. der 
Vierfüsslerstellung, entspricht, eine möglichst gesunde Entwicklung des 
statischen Apparates zu erzielen und eine allmähliche Anpassung von 
Muskeln und Knochen an den umwälzend wirkenden aufrechten Gang. 

2. Diskussion über den Vortrag der Herren Etaenstadt und Onradze: 
Die Zahl and die häufigsten Krankheiten der Kinder der aittirren 
Postbeamten. 

Hr. Mayet findet, dass einige Zahlen in der Krankheitsstatistik von 
der von ihm bei der Leipziger Ortskrankenkasse festgestellten abweioben, 
wofür zum Teil die verschiedene Alterszusammensetzung der Familien¬ 
mitglieder verantwortlich ist. 

Hr. Teilhaber meint, dass, wenn die höheren Postbeamten weniger 
Kinder haben als die mittleren und unteren, dieses daran liegt, dass 
von jenen nach der amtlichen Reichsatatistik, im Gegensatz zu den 
mittleren und unteren Beamten, nur ein Verheirateter unter SO Jahren 
gezählt wird. 

Hr. Grotjahn macht darauf aufmerksam, dass die Postbeamten 
unterfrüchtig sind. 

Hr. Hamburger fragt nach der Höhe der Kindersterblichkeit. 

HHr. Eisenstadt und Guradze (Schlusswort). 

J. Lilienthal. 


Forensisch-medizinische Vereinigung za Berlin. 

Sitzung vom 26. Juni 1914. 

In der Diskussion zum Vortrage des Herrn Magnus 1 ) macht Herr 
Marx auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die der Patentierung körper¬ 
licher Behandlungsmethoden entgegenstehen; ehe sich eine derartige 
Behandlungsmethode das Bürgerrecht in der praktischen Medizin erwirbt, 
muss sie in zahlreichen Kliniken, Krankenhäusern und in der allgemeinen 
Praxis erprobt werden, so dass sie eigentlich längst Allgemeingut der 
Aerzte geworden ist, wenn ihre Patentierung erfolgen kann. Im Interesse 
einer wisenschaftlichen Medizin ist es empfehlenswerter, die Arzneimittel 
selbst als deren Namen zu schützen. Es gibt auf dem pharmakologischen 
Markt eine Unmenge von Mitteln mit Namen, unter denen man sich 
kaum etwas vorstellen kann, Namen, aus denen nicht im entferntesten 
auf die Natur des Mittels geschlossen werden kann. Dadurch wird der 
Arzt zu einem pharmakologischen Dilettantismus verleitet, der unbedingt 
zu verurteilen ist. Die Methode, den Namen eines Mittels von der 
Krankheit herzuleiten, gegen die es bestimmt ist, ist unbedingt zu ver¬ 
urteilen. Schliesslich verweist Marx auf die von Münsterberg ange- 
stellten Experimente zu dem Kapitel der ähnlich klingenden Namen und 
Warenzeichen, die eine Täuschung des Publikums bedingen können. 
Münsterberg hat experimentell untersucht, welche Bedingungen zu 
erfüllen sind, um auch dem unaufmerksamen Publikum die Verschiedenheit 
der Waren schon durch die Bezeichnung deutlich zu machen. 

Hr. Ephraim spricht über die Patentierbarkeit der Benutzung 
physiologischer Wirkungen. In solchen Patentfällen bedarf das Patent¬ 
amt der Hilfe des sachverständigen Mediziners. Verwechslungsfähige 
Zeichen sollen überhaupt nicht eingetragen werden; den Ausschluss der 
Patentierbarkeit hygienischer Mittel hält er für unrichtig. 

In seinem Schlusswort betont Hr. Magnus, dass er die Patentier¬ 
barkeit körperlicher Behandlungsmethoden nicht fordert, er sei nur gegen 
den Ausschluss der Arzneimittel von der Patentfähigkeit. Auf den 
Namenschutz können wir einstweilen schon deswegen nicht verzichten, 
weil darüber bestimmte internationale Vereinbarungen vorliegen; anderer- 


1) Vgl. den Berioht über die Sitzung vom Mai d. J. in Nr. 24. 


seits aber auch deshalb nicht, weil Aerzte und Publikum ein Interesse 
daran haben, dass bestimmte pharmazeutische Präparate aus bestimmten 
zuverlässigen chemischen Betrieben herrühren. 

Sodann hält Hr. Marx einen Vortrag: Ueber die gewalttätige 
Selbsthilfe der modernen Fran. Vortr. bespricht das Thema unter den 
Gesichtspunkten einer allgemeinen Krimioalantbropologie. Die Wurzeln 
der Bewegung sieht er in der besonderen psychischen Artung des 
Weibes. Die moderne Frauenbewegung hat die Schranken der natür¬ 
lichen eingeborenen Passivität des Weibes durchbrochen; ein Zusammen¬ 
wirken von sozial-patbologiseben und individual-pathologischen Momenten 
bedingt schliesslich das Phänomen der Femina milit&ns. Wenn auch 
die Ziele der Ftiuioa militans politica (Suffragettes) und diejenigen der 
Femina militans privata oder erotica ganz verschiedene sind, so waltet 
doch über beiden Erscheinungen eine bestimmte Gesetzmässigkeit, das 
Gesetz des „kürzesten Weges“, das seinerseits in einer zunächst natür¬ 
lich bedingten Unreife der Frauenpsyche ihren Ursprung hat. Wie dieses 
Gesetz ganz allgemein für die allgemeine Kriminalität seine Geltung hat, 
so sehen wir bei der Femina militans und ihren Aeusserungen auch alle 
Zeichen kriminalistischer Betätigung. Die Anwendung eines bestimmten 
Krankheitsbegriffes, wie etwa desjenigen der Hysterie, lehnt der Vortr. 
ab. Wenn auch hier und da in den motorischen Aeusserungen der 
Femina militans das hysterische Grundmotiv nicht zu verkennen ist Es 
kommen aber ebenso häufig paranoide und andere Krankheitszüge zum 
Vorschein, und so wird man im psychiatrischen Sinne einen einheitlichen 
Typus nicht konstatieren können. Daher kann auch die „Behandlung* 
der Femina militans keine einheitliche sein. In einem Teil der Fälle 
ist eine zweckentsprechende Strafe mit verständigem Strafvollzug am 
Platze, in anderen Fällen, wo vorwiegend individualpathologische 
Momente von wesentlichem Umfang mitwirken, wird man an eine Ver¬ 
wahrung der Femina militans in entsprechenden Krankenanstalten mit 
etwaiger Entmündigung denken müssen. Jedenfalls ist die Femina 
militans nur ein Sonderfall allgemeiner Kriminalität, dem unter den 
Gesichtspunkten krimineller Typenforschung und unter der Berück¬ 
sichtigung der Biologie des Weibes am besten beizukommen ist. 

In der Diskussion vermisst Hr. A. Leppmann eingehendere 
kasuistische Mitteilungen. Nach seiner Erfahrung spielen gewisse Ano¬ 
malien in der Gefühlssphäre, Stimmungsschwankungen, Unstetigkeit eine 
besonders entscheidende Rolle bei der Femina militans. Was die 
Suffragettes betrifft, so vermutet er, dass viele der Täterinnep nur be¬ 
zahlte Personen sind. 

Hr. Kronecker glaubt, dass man den allgemeinen Begriff der 
Femina militans nicht aufstellen könne. Er meint im übrigen, dass 
eine zielbewusste Kriminalpoiitik der Bewegung der Suffragettes wohl 
ein Ende machen könne. 

Hr. F. Leppmann glaubt, dass die Methoden der Femina militans 
mit denjenigen des gewobnheitsmässigen Verbrechertums nichts gemeinsam 
haben, er verweist auf die Bedeutung des Schwachsinns und des 
psychischen Infantilismus für das Zustandekommen der gewalttätigen 
Selbsthilfe der Frau. 

Hr. Krön meint, dass die Hauptvertreterinnen der Suffragetten- 
bewegung keineswegs bezahlte Individuen seien. Bei den pathologischen 
Individuen sollte man im allgemeinen nicht versuchen, einen bestimmten 
Rrankbeitsbegriff herauszusebälen. Man sollte nur ganz allgemein die 
konstatierte Minderwertigkeit hervorbeben. 

Nach Hrn. F. Strassmann’s Informationen ist die Bewegung der 
Suffragettes als eine Massenpsychose aufzufassen. Die Ursache für die 
Erfolglosigkeit ihrer Bekämpfung liege nicht offen zutage. Jeder Fall 
der Femina militans sei besonders zu beurteilen; die Hysterie spiele bei 
den Liebesverfolgerinnen eine besondere Rolle. 

Hr. K&de betont, dass Mann uDd Frau de lege lata vor dem Gesetz 
gleich sind, und dass deshalb kein anderer Gesichtspunkt für Mann und 
Frau in der strafrechtlichen Beurteilung maassgebend ist als eben diese 
Gleichstellung vor dem Gesetz. 

Hr. Otto Maas glaubt nicht, dass ein geistig normaler Mensch 
imstande sei, einen Hungerstreik wirklich durchzuführen; trotz aller Vor¬ 
sätze wird dieser nach einer gewissen Zeit der Nahrungsverweigerung 
doch wieder Nahrung zu sich nehmen, Individuen, die unter Ueberwiodung 
des Selbsterhaltungstriebes und des Hungergefühls einen Hungerstreik 
durchführen, leiden — falls keine ausgesprochene Psychose besteht — 
seines Eraohtens an Hysterie. 

Einen ziemlich breiten Raum nahm in der Diskussion die Psycho¬ 
logie der Schwurgerichte ein. Die scheinbaren Fehlsprücbe der Ge¬ 
schworenen werden zum Teil, wie von HHr. A. Leppmann und 
F. Strassmann, in Schutz genommen, insofern solche Feblsprüobe oft 
zwar der äusseren Gerechtigkeit zu widerlaufen scheinen, während sie 
doch zugleich eine gewisse innere Gerechtigkeit zum Ausdruck bringen. 

In seinem Schlusswort betont Hr. Marx, dass es ihm vor allem 
darum zu tun gewesen sei, die Erscheinung der Femina militans, wie es 
auch Lin den au versucht hat, vom Standpunkte einer allgemeinen 
Kriminalantbropologie zu untersuchen. Das Gemeinsame sei die besondere 
Psyche des Weibes, bei dem sich infolge der modernen Frauenbewegung 
pathologische Momente sozialer oder individueller Natur wirkungsvoller 
geltend machen als bei der in ihre enge Häuslichkeit eingeschlossenen 
Frau. Die Trägerinnen der Bewegung der Suffragettes sind keineswegs 
bezahlte Personen; man findet unter ihnen Frauen und Mädchen aus 
den besten Familien. Die Wirkungslosigkeit des Kampfes der englischen 
Regierung bat zum Teil rein politische Ursachen; der erste Todesfai 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF IOWA - 


20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1387 


einer Suffragette infolge von Hungerstreik in einem englischen Gefängnis 
würde voraussichtlich unabsehbare Konsequenzen haben. Auf eine aus¬ 
führliche Kasuistik hat der Vortr. verzichtet mit Rücksicht auf das oben 
angedeutete Prinzip seines Vortrages. Die Pathologie der Suffragettes 
erhellt schon aus der ungeheuerlichen Tatsache, dass unbestrafte Frauen 
und Mädchen aus den besten Gesellschaftsschichten zu Mitteln greifen, 
die in ausgesprochenem Maasse verbrecherisch und gemeingefährlich sind. 
Bei der Erscheinung der Femina militans ist schliesslich die besondere 
Artung der Frauenpsyche das besondere und zugleich allgemeine 
Moment; hier stehen der kriminellen Typenforschung noch grosse Auf¬ 
gaben bevor. Marx-Berlin. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cnltnr zn Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 8. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 

Diskussion zu dem Vortrage des Herrn Köttner: Wie vermeiden 
wir Irrtnmer bei der Diagnose der Appendicitis? 

Hr. Tietze: Die Frage der Fehldiagnosen bei Appendicitis ist auch 
von anderen Autoren schon vielfach besprochen worden, selten so ein¬ 
gehend wie in dem Referat von Herrn Küttner. Die Diskussion über 
dieses Thema ist um so wichtiger, als es sich hierbei nicht nur um eine 
Erkrankung handelt, die ja den Praktiker sehr vielfach beschäftigt, 
sondern weil auch — und mit Recht — von den Chirurgen die Früh¬ 
operation in diesen Fällen verlangt wird. Soll dieser Forderung genügt 
werden, so ist es absolut notwendig, die Diagnostik so zu verfeinern, 
dass Fehler vermieden werden. Aus der Küttnergehen Darlegung geht 
hervor, dass es kaum eine Bauchaffektion gibt, die nicht nach dieser 
Richtung hin zu Verwechslungen Anlass gegeben batte. Der Grund ist 
su suchen in der wechselnden Lage des Wurmfortsatzes (Redner hat ihn 
einmal in einer linksseitigen Hernie gefunden), ferner in dem Umstande, 
dass bei bestehender Peritonitis das Bild so verwischt sein kann, dass 
es nicht mehr möglich ist, den Ausgangspunkt festzuBtellen — und 
schliesslich in einer Art Massensuggestion. Bei einer Krankheit, die so 
sehr das Tagesgespräch bildet, die in so vielgestaltigem Bilde auftritt, 
die sich so oft bei unklaren Erscheinungen doch als Lösung des Rätsels 
entpuppt hat, ist es verständlich, dass sie als Deutung auch da heran¬ 
gezogen wird, wo der Wurmfortsatz entweder gar nicht beteiligt ist oder 
in dem ganzen Symptomenkomplex doch höchstens eine sekundäre Rolle 
spielt. Wir sind in der Diagnose der Appendicitis zu schnell geworden 
und können auch nicht leugnen, dass wir auch manchmal mit der Ope¬ 
ration zu eilig vorgegangen sind, was namentlich für die sogenannte 
Intervalloperation gültig sein dürfte. Wir sollen nicht vergessen, dass 
auch eine scheinbar leichte Intervalloperation der Gefahren nicht ent¬ 
kleidet ist (Embolie!) und dürfen von dem alten, guten Grundsatz nicht 
abgeben, unsere Operationen nur von strengen Indikationen abhängig zu 
machen. 

Hr.Robert Asch: Die Differentialdiagnose zwischen Entzündungen 
des Wurmfortsatzes und der rechten Tube wird palpatorisch stets ge¬ 
wisse Schwierigkeiten bieten; beide Erkrankungen kommen oft zusammen 
vor; das gegenseitige Verhältnis ist aber so, dass bei einer auf die Serosa 
übergreifenden, einen Abscess bildenden Appendicitis die Tube in ihrer 
physiologischen Bereitschaft alles Fremdkörperhafte aus dem Umkreis 
ihrer Ampulle dem Peritonealraum zu entführen, bei dieser Hilfsaktion 
selbst recht schwer erkranken kann; so schwer, dass die dadurch ent¬ 
stehende purulente Endosalpingitis auch nach Entfernung des Vermis 
watehen bleibt und bestenfalls zu einer die Umgebung weniger ge¬ 
fährdenden, aber genügende Beschwerden verursachenden Pyosalpinx 
wird. Die genitalfremde Infektion mit dem Bact. coli ruft dann oft auch 
«ioe langdauernde, recht schwer zu beseitigende Endometritis hervor. 
Anders bei primärer Tubeneiterung: bat diese eine Perisalpingitis, eine 
lokale, aber sich auf die Nachbarorgane erstreckende Peritonitis zur 
Mge, so wird oft auch der Wurm mit hineinbezogen; der aber erkrankt 
flann nicht besonders schwer; er muss gelöst werden, kann auch der 
icherheit halber und weil das leicht und ungefährlich angeschlossen 
werden kann, amputiert werden; der Stumpf kann gut mit seinem Mesen- 
nolum überkleidet werden; das alles geschieht bequem vom Mittel- 
omtt aus. Viel schwerer aber gestaltet sich die Uebersioht und Ope- 
atioosmöglichkeit, wenn die Appendicitis vom seitlichen Schnitt aus 
penert ist und eine Revision der Tuben angeschlossen werden muss; 
“K 63 schon recht unvorteilhaft, von diesem Schnitt aus das 
entofk D6X sor 8fältig so zu exstirpieren, dass keine Stumpfexsudate 

Wien; dazu muss der Schnitt schon erheblich verlängert werden; 
q \ un ®öglich ist aber die Revision der anderen Seite oder gar ein 
ich 5° d f e8er 5 u °d bei mancher abscedierenden Appendicitis habe 
einm i ° ^ le sekundär erkranken sehen, ja erst vor kurzem 

der W zue . rst tpd viel schwerer als die rechte. In diesem Falle lag 
verwach™ 1 m se * ner ff 40 *® 0 beträchtlichen Länge auf dem Rectum fest¬ 
ig w ö f: un< * re *°kt e mit seinem in einen Abscess mündenden 

in Kn W . ^ en Ich möchte also empfehlen, bei Frauen 

an. ,„ 0Q fraglicher Erkrankung beider Organe lieber vom Medianschnitt 
us * u operieren. 

Was nun die von Herrn Tietze schon zur Sprache gebrachten Fehl¬ 


diagnosen anbelangt, so möchte ich glauben, dass sie ebenso häufig, wie 
nicht bestehende Adnexerkrankungen vorgetäusebt werden, durch eine 
Schmerzhaftigkeit in den Bauchdecken, die viel häufiger, als bisher ange¬ 
nommen wurde, vorkommt. 

Durch verhältnismässig leichten Druck ruft man in solchen Fällen 
bei fehlender Defense musculaire schon eine Schmerzäusserung hervor, 
die sich — und das ist das Charakteristische dieser Erscheinung — 
bei willkürlicher, auf Erfordern hervorgerufener Anspannung der 
Bauchmuskeln sofort erheblich steigert Man kann diesen Schmerz 
deutlich, zumal durch Vergleich mit der Steigerung durch Psoas- 
kontraktion, als einen solchen erkennen, der seine Entstehungsursache 
innerhalb der Bauchwand, oberhalb der sich kontrahierenden Muskellage 
verdankt. Er erweist sich als nicht hervorgerufen durch den Druck auf 
ein inperhalb der Bauchhöhle gelegenes Organ. Solche Schmerzen können, 
zumal bei Frauen, über die ich ja nur aus Erfahrung sprechen kann, 
innerhalb der Muskulatur oder auf ihrer Oberfläche, oder, letzteres be¬ 
sonders häufig, innerhalb der Unterhautfettschicht entstehen. 

Innerhalb der Muskulatur sind es neben dem doch nicht ganz ab- 
zuleugnenden Rheumatismus nicht selten kleinste Verletzungen, wie sie 
in den oft so dünnen, atrophischen, in einzelnen Strängen duroh- 
zufühlenden Obliquusplatten entstehen; kleinste Hämatome nach fibril¬ 
lären Zerreissungen machen oft monatelang Schmerzen. Erhebliche 
Schädigungen durch vielfache Partus sprechen hier mit; ich habe mich 
in einer demnächst erscheinenden Arbeit darüber genauer ausgesprochen 
und möchte hier nur kurz erwähnen, dass auch in den Fettschichten 
häufig der Sitz des durch Druck hervorgerufenen Schmerzes nachgewiesen 
werden kann, wenn man die Haut mit dieser isoliert einem die Intestina 
nicht im geringsten alterierenden seitlichen Drucke aussetzt. 

Wohl weiss ich, dass auch bei Erkrankung der Organe des Beckens 
und der Unterbauchgegend eine wohl nachweisbare Schmerzhaftigkeit 
der benachbarten Bauchwand als Begleiterscheinung auftreten kann; 
ich habe solche bei entzündlichen Erkrankungen nicht nur, sondern so¬ 
gar auch bei Extrauterinschwangerschaften mit Blutergüssen ins retro- 
peritoneale Gewebe gesehen; doch häufig genug habe ich Fehldiagnosen 
zu sehen bekommen, deren Erklärung nur in einer der beschriebenen, 
isolierten, nicht durch Erkrankung innerer Organe hervorgerufenen 
Empfindlichkeit der über den betreffenden Organen gelegenen Tegumente 
zu suchen war. 

Hr. Schmeidler: Wir inneren Mediziner und Hausärzte sehen die 
Appendicitis in den frühesten Stadien. Dennoch sind Irrtümer oder zum 
mindesten Schwierigkeiten bei der Diagnose nicht ausgeschlossen, wenn 
der Schmerz an einer ganz anderen Stelle des Leibes auftritt — was 
häufig der Fall ist — wegen der verschiedenartigen Lage und Länge des 
Appendix. Namentlich links statt rechts tritt der Schmerz sehr häufig 
auf. Besonders schwierig aber wird die Diagnose, wenn schon heim 
ersten Eintritt der Erkrankung der Appendix spontan perforiert ist, 
nach oft nur unbedeutenden Prodromalerscheinungen, aber dann mit 
Schmerzen in der Mitte des Leibes oder links. Glücklicherweise sind 
solche Fälle immerhin selten. Die bald hinzutretende Peritonitis verwischt 
dann das Krankheitsbild, wie schon Herr Tietze erwähnte, noch mehr. 
Es folgt ein Bericht über mehrere solcher Fälle. Der eine betraf einen 
kräftigen Mann von 50 Jahren mit starkem Panniculus adiposus, be¬ 
sonders am Leibe. Die Erkrankung trat eines Freitags abends auf mit 
leichtem Fieber und allgemeinem Unwohlsein. Sonnabend früh heftiger 
Schüttelfrost. Erst da wurde ich gerufen. Fieber 39°. Der Leib massig 
aufgetrieben, rechts wenig druckempfindlich, auch nicht amMacBurnay- 
schen Punkte in der Tiefe, vielmehr schmerzhaft links. Es kam in¬ 
folgedessen ausser anderen Ursachen des Schüttelfrostes (Pneumonie usw.) 
etwaige Eiterung infolge eines Traumas in Frage, welches Patient drei 
Wochen vorher durch Fallen auf der Treppe erlitten zu haben angab; 
er habe danach links Schmerzen bekommen. Ein von mir hinzugerufener 
Chirurg dachte gleich mir an die Möglichkeit einer Appendicitis, 
fand aber die Situation zu unklar, als dass er hätte aufs unbestimmte 
hin zu einer Operation schreiten wollen, zumal sich schon peri- 
tonitische Symptome bald einstellten. Obwohl sich in den ersten 
Tagen Fieber und Schmerz minderten, auch die gemachten Eingüsse 
noch einigen Erfolg von Stuhlgang hatten, trat doch am 8. Tage Collaps 
und Exitus ein. Die Autopsie, welche von den Angehörigen selbst ge¬ 
wünscht wurde, um die etwaige Veranlassung der Erkrankung durch 
Trauma der Unfallversicherung gegenüber festzustellen, ergab, dass der 
Appendix sicher schon bald im Anfang, bei dem Schüttelfrost, spontan 
perforiert sei, denn er wies eine daumendicke Perforationsöffnung mit 
Eitererguss auf, während die Seite nach dem Darm zu duroh einen Kot¬ 
stein verschlossen war. Auf der linken Seite des Leibes war nichts zu 
finden, auch keine Folge eines Traumas. 

Von einem zweiten Falle, der viele Jahre zurückliegt, berichtet Redner. 
Er betraf ein junges Mädchen von 18 Jahren, bei welchem der Anfang der 
Appendicitis unter dem Bilde von Molimina menstrualia in der Uterin¬ 
gegend auftrat, an denen sie öfter zu leiden pflegte. Die Diagnose der 
Appendicitis wurde dadurch, dass gleichzeitig die Menses eintraten gänz¬ 
lich verschleiert, der Exitus trat nach hochgradigem Meteorismus au 
Peritonitis ein. Die Sektion ergab die Tatsache, das der Appendix 
sehr lang und bis über Uterus und Blase gelagert, dort aber 
bald im Anfang der Erkrankung spontan perforiert war. Die Gas¬ 
auftreibung des Leibes erfolgte deshalb nicht innerhalb, sondern ausser¬ 
halb der Därme im freien Abdomen durch Eiterzersetzung. Hervor- 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 


1388 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


ragende Autoritäten waren von ihm, dem Redner, rechtzeitig zugezogen 
worden, ohne die Diagnose ganz klar stellen zu können. 

In» Gegensatz zu diesen beiden Fällen steht ein dritter, welcher 
günstig verlief, weil die Diagnose frühzeitig gestellt werden konnte. Ein 
junges Mädchen erkrankte eines Sonnabends an leichten Beschwerden in 
der Blinddarmgegend. Dieselben waren am nächsten Tage fast ganz 
verschwunden, die Stelle wenig druckempfindlich, dagegen trat Montag 
mittag ganz plötzlich ein heftiger akuter Schmerz über der B lasen - 
gegend ein, welcher die sofortige Operation dadurch indizierte, dass 
die Appendicitis vorher sicbergestellt war. Die Operation wurde duroh 
Herrn May ausgeführt; der soeben spontan perforierte Appendix war so 
lang, dass er bis über die Blase lag und dort perforiert war. Auftupfen 
des Eiters und Entfernung des Appendix führten glücklicherweise noch 
zur Heilung. 

Redner, welcher immer für eine möglichst frühzeitige Operation bei 
Appendicitis nach Herrn Küttner’s Rat eingetreten ist und diesen 
Standpunkt nie bereut hat, im Gegenteil ihm viele Heilungen verdankt, 
glaubt durch vorstehende Ausführungen gezeigt zu haben, wie sehr 
durch das Auftreten des Schmerzes an anderer Stelle und die Verlage¬ 
rung und Verlängerung des Appendix nach ungewöhnlichen Richtungen 
hin das Krankheitsbild, besonders nach Auftreten spontaner Perforation 
gleich im Anfang durch nachfolgende Peritonitis verschlimmert werden 
kann. 

Hr. Kobrak glaubt nicht, dass die von Herrn Asch angeführten 
Bauchmuskelzerrungen und isolierten Rheumatismen der Bauchmuskulatur 
zur Klärung der Diagnose der Appendicitis beitragen. Er bat wiederholt 
gesehen, dass diese gern angenommenen Affektiooen sich schliesslich doch 
als peritoneale Reizerscheinungen, ausgehend vom Appendix, heraus¬ 
gestellt hatteo. 

Hr. Koznitzky demonstriert einen Fall von Lnes, die der Psoriasis 
ähnelt und als Bombensyphilis nach Lesser zu bezeichnen ist. 

Hr. Wegkowski: 

Meine weiteren Erfahrungen in der Radinmhestrahlnng maligner 
Beschwingte. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Tietze: Die sorgsame Ausarbeitung der Technik, über die 
Herr Wegkowski berichtet hat, verdient alle Anerkennung. Trotzdem 
muss Redner einem Teile der Ausführungen des Vortragenden widersprechen. 
Seit den letzten Vorträgen der Herren Simon und Wegkowski sind 
auf dem Allerheiligenhospital, an dem Herr Simon tätig ist, und 
das jetzt über eine genügende Menge von Mesothorium verfügt, eine Reihe 
von Geschwülsten zur Behandlung zugesandt worden, so auch Haut¬ 
krebse, die früher selten zur Beobachtung kamen. In diesen von Herrn 
Simon behandelten Fällen hat sich Redner davon überzeugen können, 
wie selbst bei verzweifelten Fällen eine teilweise sogar überraschende 
Heilung zustande kam, mit der namentlich bezüglich der kosmetischen 
Erfolge da9 operative Verfahren nicht konkurrieren konnte. Es ist ja 
auch wahrscheinlich, dass die verschiedenen Carcinomformen sowohl nach 
ihrer Lage al9 nach ihrem Aufbau ein verschiedenartiges Resultat bei 
der Bestrahlung aufweisen werden. Trotzdem ist selbst für den Haut¬ 
krebs, für welchen scheinbar die Verhältnisse recht günstig liegen, die 
Frage insofern noch nicht ganz abgeschlossen, als bei der immerhin noch 
kurzen Zeit ein sicheres Urteil über die Recidivfähigkeit noch Dicht ab¬ 
gegeben werden kann. Auch mit Röntgen strahlen hat man schon vor 
Jahren recht günstige Erfolge beim Hautkrebs erzielt, musste aber 
doch sehr oft das anfänglich gute Resultat durch ein Recidiv ver¬ 
nichtet sehen. 

Wenn nun Herr Wegkowski jetzt auch das Mammacarcinom 
als ein sehr geeignetes Objekt für die Strahlenbehandlung bezeichnet 
und zur Begründung seiner Ansicht auf die angeblichen Misserfolge der 
Chirurgie diesem Leiden gegenüber hinweist, so ist demgegenüber äusserste 
Vorsicht am Platze. Die von dem Vortragenden nach seinen Mitteilungen 
mit Radium behandelten Mammacarcinome waren an sich sehr wenig 
zahlreich. Einer dieser Fälle (von Redner Herrn Wegkowski über¬ 
wiesen) scheidet überhaupt für die Beurteilung der Erfolge aus, weil er, 
reoidivfrei, bald nach der Operation zur Nachbehandlung dem Radio- 
tberapeuten überwiesen worden war. Zwei andere Fälle des Vortragenden 
stammen ebenfalls aus der Klientel des Redners. Er erkennt sehr gern 
an, dass eine bedeutende Besserung in diesen Fällen erzielt worden ist, 
geheilt sind sie aber ebensowenig, wie alle anderen Fälle von Mamma¬ 
carcinom, über die Herr Wegkowski berichtet hat. Dabei ist die Frage 
der Reeidive bzw. der Metastasen von Herrn Weg ko wski ebensowenig 
besprochen, wie man sich aus günstigen Fällen aus der Literatur darüber 
ein Bild machen kann. Spätraetastasen kommen nach scheinbar glücklich 
verlaufenen Operationen selbst nach IO Jahren noch vor, und es ist klar, 
dass wir in dieser Beziehung von den Resultaten der aktivischen Therapie 
noch gar nichts wissen können. Angesichts dieser Schwierigkeiten und 
auf Grund eines einseitigen und doch noch recht kleinen Materials den 
Satz aufstellen zu wollen, auch selbst operable Mammacarcinome sollten 
nicht operiert, sondern bestrahlt werden, hält Redner denn doch noch 
für etwas verfrüht. 

Demgegenüber stehen nun die Resultate der vom Vortragenden so 
sehr angegriffenen chirurgischen Statistik. Redner besitzt darüber eigene 
Untersuchungen aus der Zeit seiner Tätigkeit im Augustahospital, die 
in einer Doktorarbeit von Henkel niedergelegt sind. Daraus ergab sich, 


dass ungefähr 75 pCt. der Patientinnen (gestorben nach der Operation 
ist von den vom Redner operierten Frauen nur eine) an der Operations¬ 
stelle reoidivlrei blieben, d. h. sie bekamen weder in der Haut noch in 
der Achselhöhle, noch in der Infraclaviculargrube Rückfälle, allerdings 
waren nur 20—25 pCt. länger als 8 Jahre gesund, d. h. trotz Recidiv- 
freiheit der Operationsstelle kam es zu Fernmetastasen in Supraclavi- 
culargrube, Knochen, inneren Organen. So traurig dieses Ergebnis immer¬ 
hin ist, so ist es doch durchaus nicht so schlecht, wie es von Herrn 
Weg ko wski und auch von anderen Autoren behauptet wurde; es lässt 
sich vielleicht auch noch verbessern, wenn man prinzipiell bei der Ope¬ 
ration nicht am Schlüsselbein Halt macht, sondern primär auch die Ober- 
schlüsselbeingrube revidiert, denn gerade hier finden sich nicht selten 
Dach 2 bis 3 Jahren bei intaktem Operationsgebiet Metastasen, die also 
aus Schlummerkeimen, die bei der Operation wahrscheinlich schon vor¬ 
handen waren, sich entwickelten. Es ist noch abzuwarten, ob die Radio¬ 
therapie ähnliche Leistungen aufzuweisen haben wird. A priori müsste 
man doch auch annehmen, dass es vorteilhafter ist, das mit dem Messer 
Erreichbare zunächst wegzunehmen und dann erst zu bestrahlen, weil 
dadurch vielleicht dem Radiotherapeuten seine Aufgabe erleichtert wird, 
und weil auch vielleicht die Resorption der durch Bestrahlung einge- 
schmolzenen Geschwulstmassen für den Körper nicht gleichgültig ist, 
denn ob diese im Sinne einer aktiven Immunisierung verwandt werden 
können, ist doch gewiss Doch sehr fraglich. Mit der Strahlenbehandlung 
der malignen Tumoren ist ein Problem angeschnitten, das uns nicht 
mehr zur Ruhe kommen lassen wird, es ist sicher das Programm wissen¬ 
schaftlicher Forschung der nächsten Zukunft. Aber in einer so wichtigen 
und folgenschweren Frage dürfen wir doch nur schrittweise Vorgehen und 
uns vor allzu frohem Optimismus ebenso hüten, wie vor kleinlichem und 
nörgelndem Pessimismus. Bei den Hautcarcinomeü, für welche ausserdem 
die Frage der Kosmetik eine grosse Rolle spielt, hält sich auch Redner 
nach seinen Erfahrungen zu der primären Anwendung von Röntgen- oder 
Radiumbehandlung für berechtigt, ohne dieselbe so sehr in dieLäüge zu 
ziehen, wie dies in zwei Fällen geschah, über die er früher berichtet hat 
Ueber die Carcinome der weiblichen Genitalien fehlen ihm die Erfah¬ 
rungen, für operable, dem Chirurgen zufallende Carcinome sieht er die 
zurzeit richtige Behandlung in der Operation, gefolgt von präventiver 
Bestrahlung. 

Hr. Fritz Hei mann: M. H.I loh möchte mir gestatten, ganz kurz 
den Standpunkt zu präzisieren, den die Küstner’sche Klinik in der 
Strahlenbehandlung der Carcinome einnimmt. Seit l 1 /* Jahren werden 
bei uns die Krebse bestrahlt, und wir verfügen zurzeit über eine Er¬ 
fahrung von etwa 50 Fällen. Betont muss werden, dass nur inoperable 
Uteruscarcinome der Bestrahlung unterworfen werden, die operablen Fälle 
werden sämtlich operiert, in letzter Zeit werden auch die operablen 
Carcinome gewissermaasen zur Vorbereitung für die Operation und die 
Patientinnen nach abdominaler Radikaloperation prophylaktisch zur 
HiDtanhaltung des Reeidivs mit Röntgenstrahlen behandelt. Ich will 
auf die Technik heute nicht eingehen, ich möchte nur so viel sagen, dass 
wir uns nur kleiner Dosen Mesothor, höchstens 50—100 mg, bedienen, 
und dass ich es nicht für richtig halte, 187 mg, wie es Herr Wegkowski 
mitgeteilt hat, auf einmal einzulegen. Schon bei meinen kleinen Dosen 
sehe ich zuweilen sehr schwere Nebenerscheinungen — Teoesmen, Diar¬ 
rhöen, Temperatursteigerungen, eventuell sogar Blutungen —, ioh ver¬ 
stehe nicht, wie Herr Wegkowski bei seinen Fällen das niemals beob¬ 
achten konnte. Was die Filterfrage anlangt, so muss auch da streng 
individuell vorgegangeo werden. Ich konnte durch experimentelle Ver¬ 
suche am Kaninchenovarium zeigen, dass der therapeutische Effekt bei 
der Anwendung der Bleifilter, wenn die Dosen genügend klein sind, ein 
ausgezeichneter ist, ja sogar besser, als wenn man Messing und Aluminium 
anwendet. Vielleicht spielt hier die Sekundärstrahlung, die vom Blei 
ausgeht, und die durch ß Strahlen dargestellt wird, eine recht günstige 
Rolle. Stärkere Nebenerscheinungen wurden beim Blei nieht beobachtet 
als bei Aluminium und Messing. Infolgedessen gehe ich jetzt so vor, 
dass jauchende Carcinome zunächst mit Bleifiltern angegangen werden, 
um die Oberfiächenwirkung recht auszunützen. Haben Blutungen und 
Sekretion aufgehört, dann wird mit den Filtern, die die y-Strahlen nur 
sehr gering absorbieren — Messing, Aluminium — bestrahlt. Auf einen 
Punkt muss ich noch ganz besonders hinweisen, auf den Herr Wegkowski 
nicht eingegangen ist. Ich halte die kombinierte Bestrahlung Röntgen + 
Mesothor für ausserordentlich wichtig. Unsere Erfolge sind sehr gute, 
wenn wir auch selbstverständlich heute noch Carcinome sehen, die sich 
den Strahlen gegenüber refraktär verhalten. Von einer Heilung darf 
natürlich vorläufig noch nicht gesprochen werden; die Strahlentberapie 
zeitigt jedoch bereits Resultate, die bisher durch keine andere Methode 
erreicht worden sind. 

Hr. Simon: Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass die 
Strahlentberapie der Geschwülste heute Erfolge zu erzielen versteht, die 
Doch vor einigen Jahren für unmöglich gehalten wurden. Dass dieser 
Fortschritt in erster Linie dem sorgfältigen Ausbau der zu beob¬ 
achtenden recht komplizierten Technik zuzuschreiben ist, ist ebenso klar. 
Noch etwas anderes aber fördert allmählich die ausgedehnte Beschäftigung 
mit diesem neuen Zweig der Therapie immer klarer zutage, und davon 
möchte ich hier sprechen, Dämlich die Erkenntnis der Grenzen 
der Strahlentherapie. Diese Grenzen sind, sofern wir den voim 
Erfolg, also die Dauerbeilung verlangen, zum Teil recht enge, w 
müssen uns darüber klar sein, dass die Strahlenwirkung eine stre g 
lokale ist; Fern Wirkung, etwa durch Resorption oder durch ein 


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UNtVERSITY OF IOWA 




20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1889 


anderen, rätselhaften Vorgang findet nicht statt: die kleinste Metastase 
also, die wir nioht in derselben Weise wie den Primärtumor unserer 
Therapie unterwerfen oder unterwerfen können, wird schliesslich den 
vollen Erfolg zunichte machen. Aber auch die lokale Wirkung der 
Strahleo wird beeinträchtigt durch die verhältnismässig geringe Tiefen¬ 
wirkung derselben. Zwar ist es uns gelungen, durch geeignete Technik, 
besonders hinsichtlich der Filterung, dann aber auch durch Erhöhung 
der verwendeten Menge strahlender Substanz diese Tiefenwirkung nicht 
unerheblich zu steigern, doch ergibt sich mit zunehmender Sicherheit, 
dass wir hier die obere Grenze, die mit Rücksicht auf das gesunde 
Gewebe nicht überschritten werden darf, bereits erreicht haben. Die 
von dem Herrn Vortragenden genannte Zahl stellt ja noch lange nicht 
das Höchste der bereits zur Verwendung gekommenen Mengen dar. 
Andere haben ja sogar mit 800 mg gearbeitet, die teilweise bis zu 8 Tagen 
an Ort und Stelle verblieben sind. Diese obere Grenze ist aber er¬ 
reicht worden, ohne dass uns dabei ein voller Erfolg beschieden gewesen 
wäre. Wie wir stets aus unseren Misserfolgen mehr lernen als au9 den 
Erfolgeu, so lege ich Wert darauf, zu betonen, dass es bezüglich des 
von dem Herrn Vortragenden besonders angezogenen Uteruskrebses bisher 
in keinem einzigen Falle gelungen ist, durch Operation oder Obduktion 
einen Uterus zu gewinnen, der durch intensivste Bestrahlung vollkommen 
von Carcinom befreit worden wäre. Stets fanden sich an irgendeiner 
Ecke oder sonst in der Peripherie noch lebensfähige Carcinomzellen, die 
schliesslich doch zum Recidiv geführt hätten. 

Gegen die Behauptung, dass das Mammacarcinom ein besonders ge¬ 
eignetes Objekt zum Studium der Strahlenwirkung sei, muss ich mich 
ganz entschieden wenden. Jeder Chirurg kennt den mitunter ausser¬ 
ordentlich protrahierten Verlauf des Mammacarcinoms; gerade hier sehen 
wir jene Spätrecidive nach 10 und mehr Jahren, die uns berechtigen, 
auch nach einer Heilung von 5 Jahren noch bezüglich der Dauerheilung 
einen gewissen Skeptizismus zu zeigen. Gerade bezüglich des Mamma¬ 
carcinoms wird also das Urteil über eventuelle Behandlungsmethoden 
über eine sehr lange Zeit hinaus zurückzustellen sein, die jedenfalls ein 
Vielfaches der Zeit betragen muss, in der die Strahlentherapie desselben 
in systematischer Weise bisher angewendet worden ist. 

Ich bitte, mich nicht misszuverstehen: auch wir im Allerheiligen- 
Hospital machen von der Strahlentherapie bei Geschwülsten in aus¬ 
gedehntestem Maasse und, wie ich wohl sagen darf, mit allmählich zu¬ 
nehmendem Erfolge Gebrauch; nur glaube ich, dass wir dann, wenn die 
Geschwülste die ihnen zunächst gesetzten lokalen Schranken über¬ 
schritten und sich im Körper verallgemeinert haben, vollen Erfolg nur 
von einer ebenfalls allgemein angreifenden Behandlung erwarten dürfen, 
also etwa von den chemo-therapeutischen Verfahren oder den Methoden, 
die eine Immunisierung des Körpers anstreben. Damit komme ich auf 
den Punkt, der mich heute veranlasst hat, das Wort zu ergreifen; ich 
glaube, und dieser Eindruck ist durch den Vortrag eher noch verstärkt 
worden, dass wir über der intensiven Beschäftigung mit der Strahlen¬ 
therapie, die anderen nicht operativen Verfahren, die doch teilweise 
theoretisch sehr gut fundiert sind und im Tierexperiment bereits höchst 
verheissungsvolle Ergebnisse gezeitigt haben, etwas zu vernachlässigen 
geneigt sind. Auf diese Verfahren im einzelnen einzugehen, habe ich 
hier kerne Veranlassung, wohl auch kein Recht; ich darf Sie in dieser 
Beziehung auf meinen am 7. November 1913 hier gehaltenen Vortrag 
sowie auf meine sonstigen, dieses Gebiet behandelnden Arbeiten hin- 
weisen. 

Hr. Silberberg wendet sich gegen die Verwendung extrem hoher 
Dosen. 

Hr. Rosenfeld hat 1905 einige Oesophaguscarcinome mit Radium 
iü Sonden behandelt, wo bei den wenigen Milligrammen, die zur Verfügung 
standen, kein Erfolg erzielt wurde. Er findet, dass bei der Erörterung, 
ob initiale Operation oder Strahlenbehandlung maligner Tumoren die 
grossartige, lindernde, mancbmal wie Heilung anmutende Einwirkung der 
Strahlenbehandlung inoperabler Tumoren zu kurz kommt, wie sie jetzt 
auf dem Wiesbadener Kongress Werner berichtet hat. Werner hat 
grosse, inoperable Abdominaltumoren so weit günstig beeinflusst gesehen, 
dass die Patienten 2—3 Jahre ohne Beschwerden und ohne Befund ge¬ 
blieben sind. Das empfiehlt die Strahlenbehandlung mehr als andere 
Resultate. 

Hr. W^okowski (Schlusswort): M. H.l Auf die Ausführungen von 
Herrn Tietze möchte ich erwidern, dass die von Mikulicz er¬ 
zielten 16,8 pCt. Dauer heil ungen bei Radikaloperation des Brustdrüsen- 
carcinoms in der Staatsklinik und in der Privatklinik 80,8 pCt. doch 
nicht ein solch hervorragendes Resultat bedeuten, um nicht durch die 
modernen Hilfsmittel der Radiumbestrahlungstherapie eine Erhöhung der 
e f*ähnten Prozentsätze anzustreben. Besonders bei dem letzten 
(30,8 pCt.) muss man bedenken, dass gerade die Brustdrüsencarcinome 
in Privatpraxis meist schon in den allerersten Anfängen zur Beobachtung 
und Operation gelangen. Ausserdem sind die 2 pCt. Todesfälle nicht 
^ersehen, die als Folge der Operation selbst beobachtet werden *)• 

Bevor ich auf den zweiten Einwand des Herrn Tietze ein- 
gehe, dass er „überhaupt noch keine durch Radiumbestrahlung geheilten 
Ule gesehen hätte“, möchte ich mich zunächst mit ihm darüber aus¬ 
einandersetzen, was man unter Heilung verstanden haben will. Fordert 
e ^ lD e fünfjäh rige Beobachtungszeit, in der weder Recidive noch Meta- 

U Priestley-Lesch-Halifax, Resultate von 100 Brustkrebsope- 
rationen. Brit med. journ., 8. Januar 1910, Nr. 2558. 


stasen aufgetreten sind, so muss ich ihm darauf erwidern, dass eine so 
lange BeobashtuDgszeit bei einer erst seit so kurzer Zeit ausgeübten 
Therapie im allgemeinen nur in den wenigsten Fällen vorliegen kann. 
Immerhin existieren solche Fälle in der Tat. So berichtet z. B. die 
Münchener medizinische Wochenschrift, Nr. 47, 1910, von 4 Gesichts-, 
Wangen-, Lippen-, Oberkiefercarcinomen, die, mit Radium bestrahlt, 
jahrelang, davon einer bereits 7 Jahre, recidivfrei geblieben sind. 

Weiter berichtete Robert Abbö - New York auf dem internationalen 
Kongress in London 1913 über Epitheliome an den Lidern, den Wangen 
und an der Nase, die bereits 8 Jahre dauernd geheilt waren, ausserdem 
über verschiedene Patienten mit inoperablem Mammacarcinom, die er 
bei Anwendung der Radiumstrablen bis 7 Jahre am Leben erhalten 
konnte. Sein ältester Fall reicht bis zum Jahre 1905 zurück. Es handelt 
sich um eine Frau mit blutendem Cervixcarcinora, welches nach einer 
Auskratzung sorgfältig mit Radium behandelt wurde. Durch die histo¬ 
logische Untersuchung war ein typisches Carcinom festgestellt worden. 
Ohne jede andere Behandlung blieb die Frau nun seit 8 Jahren voll¬ 
ständig gesund. Der Fall wurde häufig mikroskopisch kontrolliert. Auch 
andere, sehr schwere Fälle von grossen, pilzartigen Cervixcarcinomen, 
bei denen nach Auskratzung eine Radiumbebandlung vorgenommen wurde, 
zeigten noch nach 3—6 Jahren vollkommene Gesundheit. Ausserdem 
verfügt A. über 2 Fälle von Sarkomen, die nach Radiumbestrablung 
nunmehr 9 Jahre geheilt geblieben sind (Strahlenther., Bd. 4, H. 1.) 

Aus den Mitteilungen von Chöron und Rubens-Duval erfährt 
man von einem Uteruscarcinom, das nach RadiumbestrahluDg jetzt vier 
Jahre recidivfrei geblieben ist. 

Freudenthal erzielte Heilung in einem Falle von Carcinom der 
Tonsillen, der 4 Jahre nachher noch recidivfrei war (Arch. f. Laryngol., 
1911, Bd. 25, H. 1). 

Ist dagegen das Allgemeinbefinden des Patienten maassgebend, seine 
Arbeitsfähigkeit, das Verschwinden der klinischen Symptome, seine wieder¬ 
gekehrte Lebenskraft und -Fieude, so sind solche Fälle in der Literatur 
ausserordentlich zahlreich niedergelegt. Um nur die maassgebendsten her¬ 
vorzuheben, verweise ich auf die Werner’schen Ausführungen aus dem 
Samariterhause, auf die der Freiburger Klinik, die Resultate des Lon¬ 
doner Radiuminstitutes, die Arbeiten von Wiekham und Degrais, 
und die Mitteilungen von Robert Abbö - New York. 

Herr Simon behauptete, dass man, was die Erfolge der Radium¬ 
bestrahlungstherapie betrifft, bereits an den Grenzen des Erreichbaren 
angekommen wäre. Sollte dies Urteil das Resultat seiner persönlichen 
Erfahrungen seio, so kann dieses nicht als maassgebend gelten, da, wie 
mir bekannt, Herr Simon nur mit kleinen Mengen von 10—20 mg Meso¬ 
thorium bestrahlt. 

Für die Behauptungen des Herrn Hey mann, dass die RÖntgen- 
strahlen durchdringender wären als die Radiumstrahlen, liegen keinerlei 
physikalische Unterlagen vor. Im Gegenteil haben die neuesten Unter¬ 
suchungen von Keetman - Berlin und K önigsberger- Freiburg die 
den Röutgenstrahlen überlegene Durchdriogungskraft der y-Strahlen be¬ 
wiesen. Ausserdem muss ich seinen Behauptungen, dass die Wirkung 
der Radiumstrahlen ausserordentlich obeiflächlich wäre, entgegenhalten, 
dass Wiekham, Degrais und Gaud seinerzeit an mikroskopischen 
Schnitten eines Carcinoms der Brust, das am 16. Tage nach einer 
48 stündigen Bestrahlung mit 190 mg RaBr 2 exstirpiert war, deutlich 
regressive Veränderungen in 9 cm Tiefe demonstrierten. In der Achse 
der Radiumstrablen waren noch in 14 cm Tiefe Veränderungen, wie sie 
in mehrbestrahlten Teilen häufig sind. 

Schädigungen der Radiumbestrahlung9therapie, wie sie ganz be¬ 
sonders zur Zeit des Wiener Kongresses beobachtet und berichtet wurden, 
besonders Mastdarm- und Blasenscheiden fisteln werden jetzt infolge der 
verbesserten Operationstechnik immer seltener und sind zum geringsten 
Teil auf die grossen Dosen zurückzufübren. 

Was die biologische Wirkung änbelangt, so scheinen doch Unter¬ 
schiede zu existieren zwischen den Strahlen der Röntgenröhre und den 
Radiumstrablen, so sehr sie einander auch sich physikalisch ähneln; eine 
Beobachtung, die schon durch mehrere Jahre hindurch festgestellt und 
verfolgt worden ist berichtet z. B. Bayet 1 )'- «Die erste Gruppe dieser 
Fälle wird durch das Lippenepitheliom gebildet. Man weiss, daas sehr 
oft die Wirkung der Röntgenstrahlen auf diese Krebsart ungenügend, oft 
sogar schädlich ist. Mit Radium hingegen erzielt man eine Heilung mit 
staunenswerter Leichtigkeit, selbst wenn es sich um ein recht voluminöses 
Epitheliom bandelt. 

Die zweite Gruppe wird gebildet von unerklärlichen Fällen, welche 
auf Röntgenstrablenbehandlung absolut keine Besserung zeigen, die aber 
auf Radium vorzüglich reagieren. Hierher gehört hauptsächlich das Ulcus 
rodens des Gesichts. Ich habe eine Anzahl Fälle gesehen, die den 
Röntgenstrahien gegenüber absolut refraktär waren, während sie mit 
Radium in der üblichen Zeit geheilt wurden. 

In allerjüngster Zeit berichtete Prigl au9 der Abteilung v. Frisch- 
Wien über einen Fall von Melanosarkom des Penis, bei dem Röntgen¬ 
bestrahlung ohne Erfolg vorgenommen worden war, auf Radiumbestrahlung 
hingegen die Geschwulst fast vollständig zurückging. 

Schliesslich spricht für die biologische Verschiedenheit die bekannte 
Tatsache der Röntgen carcinome auf der einen Seite, und auf der anderen 
Seite vollkommenes Fehlen solcher Erscheinungen aus der Radiumpraxis, 
die doch schon 15 Jahre hinter sich hat. Aus dem Jahre 1909 besteht 


1) Strahlenther., Bd. 3, H. 2, S. 477. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



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Nr. 29. 


BggUNER KUNISC;HE WOCHENSCHRIFT 


eine Statistik von Coenen, welcher 33 Fälle von Röntgencarcinomen 
aus der Literatur gesammelt hat mit der recht hoben Mortalitätsziffer 
von 24 pCt, Es handelt sich also keineswegs um gewöhnliche Haut- 
cancroide. 


Aerztlicher Verein zu Hamburg. 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 16. Juni 1914. 

Hr. Knack: Blntbefnnd im Dankelfeid. 

Im normalen und pathologischen Blut des Menschen und der Tiere 
(Affe, Hund, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte Maus, Taube, 
Huhn) finden sich bei Dunkelfelduntersuchung eigentümliche fädige, 
3—30lange Gebilde mit graugrünlichera Protoplasmaleib und leuch¬ 
tenden Kügelchen an den Enden, die mit einer wellenförmigen Bewegung 
sich zwischen den corpusculäron Elementen des Blutes hindurchscblängeln; 
keine schraubenförmige Bewegung wie bei den Spirochäten. Im Hellfeld 
sind die Gebilde nicht zu sehen. Io Blutausstrichen lärben sie sich mit 
methylalkohoiischer Eosinlösung. Zur Untersuchung im Dunkelfeld Ver¬ 
mischen von 2 ccm 4 pCt. Magnesiumsulfatlösung mit der gleichen MeDge 
Blut oder von 5 ccm Gelatine Merck mit der gleichen Menge Blut; Auf¬ 
bewahren im Brutschrank, da die Gebilde sonst schnell ihre Beweglichkeit 
verlieren. 

Die Gebilde sind sehr zahlreich bei Scharlach, Masern, Röteln, 
selten bei Anämie und Icterus haemolytieus und fehlen ganz bei Typhus 
abdominalis. 

In der Lumbalflüssigkeit und in Transsudaten finden sie sieb nur, 
wenn Beimengungen von Blut daria sind. 

Ueber die Herkunft und die Natur der Gebilde kann noch nichts 
Sicheres ausgesagt werden. 

Diskussion. 

Hr. Cohnheim fragt an, ob das Blut auf Quarz aufgefaDgen worden 
sei, da man auf Glas sehr leicht Zerfallsprodukte von ähnlichem Aus¬ 
sehen bekommen kann. 

Hr. Plaut hat die beschriebenen Gebilde häufig gesehen und hält 
sie für Zerfallsprodukte; sie finden sich im frischen Blut nur spärlich 
und nehmen dann rasch an MeDge zu; man kann sic auch durch Er¬ 
wärmen des Blutes künstlich erzeugen. 

Hr. Schottmüller kennt die Gebilde schon seit 15 Jahren; erbat 
damals Blut in Kochsalzlösung aufgefangen und in den Brutschrank 
gebracht, über die Natur der Gebilde ist er nicht ins Klare gekommen, 
vielleicht handelt es sich um Fibrin. 

Hr. Simmonds weist darauf bin, dass Arnold schon vor länger 
als 25 Jahren diese Gebilde beschrieben bat. 

Hr. Knack (Schlusswort): Auf Quarz ist nicht untersucht worden. 
Da sich die Gebilde auch im mit Ammoniuraoxalat aufgefangenen Blut 
finden und nicht mit den Fibrinfärbungsmetboden dargestellt werden 
können, kann es sich nicht um Fibrin handeln. Die Frage, ob es sich 
um Degenerationsprodukte bandelt, muss noch offen gelassen werden. 

Hr. Key«: Zar Aetiologie der Endocarditis verrucosa. 

Mikroskopische Untersuchung von 23 und kulturelle Untersuchung 
der Knötchen an den Klappen von 13 Fällen von Eodocarditis verrucosa. 
Mikroskopisch konnten mit der Methylgrün-Pyrouinfärbung, zum Teil 
jedoch erst nach sehr mühsamem Suchen, in allen 23 Fällen innerhalb 
der Auflagerungen spärliche feine Doppelkokken gefunden werden. Die 
kulturelle Untersuchung ergab bei 8 Fällen auf Blutagar fein wachsende, 
den Boden zuerst leicht grünlich färbende und später hämolysiereude, 
Drigalski-röteode Kolonien. Die 5 negativen Fälle erklären sich aus der 
infolge der geringen Zahl der Keime unzulänglichen Technik. Die Blut¬ 
entnahmen ergaben bei allen Fällen sowohl vital als auch postmortal 
Sterilität. 

Tierversuche mit den isolierten Kokken blieben bei Maus und Meer¬ 
schweinchen ohne Resultat, während es beim Kaninchen in mehreren 
Fällen mit intravenöser Injektion grösserer Mengen gelang, an den Klappen 
rötliche Auflagerungen zu erzeugen, in denen wieder der eingeführte 
Erreger nachgewiesen werden konnte. 

Danach ist die Endocarditis verrucosa bakteriellen Ursprungs und 
der gefundene Streptococous ist der Erreger. Der Streptococcus ist 
seinem morphologischen und kulturellen Verhalten nach mit dem von 
Sobottmüller als den Erreger der Eodocarditis lenta beschriebenen 
Streptococcus raitior identisch. Die Unterschiede zwischen Endocarditis 
verrucosa und Endocarditis lenta sind nur gradueller Natur und sind 
auf Verschiedenheiten in der Widerstandsfähigkeit des befallenen Orga¬ 
nismus zurückzuführen. 

Diskussion. 

Hr. Sobottmüller trägt keine Bedenken, den von Reye gezüch¬ 
teten Streptococcus als Streptococcus mitior anzusehen. Da die Endo¬ 
carditis lenta ausschliesslich bei Personen vorkommt, die früher einen 
Rheumatismus durchgemacht habeD, so muss der Grund, warum es in 
dem einen Falle zur Eodocarditis lenta und im anderen Falle zur Endo¬ 
carditis verrucosa kommt, in einer lokalen Disposition der Klappen 
liegen. 

Hr. Reye (Schlusswort): Der gelungene Nachweis ist vor allem der 
Pyronin-Methylgrünfärbung zu danken. 

Qr. Trömner: Zar Pathologie der Paralysis agitang. 

Mitteilung seiner Erfahrungen über 36 in den letzten 15 Jahren 
beobachtete Falle. Als Ursache waren selten Heredität, niemals körper¬ 


liche Traumen, dagegen oft depressive Erregungen und körperliche Ueber- 
anstrengungen (zweimal auf Infektionskrankheiten folgend) zu erkennen. 
Bei Frauen fiel der Beginn mehrmals ins Klimakterium. Den motori¬ 
schen Kardinalsyraptoraen, Zittern und Rigidität, ging in mehreren 
Fällen ein neurasthenieähnlicbes Prodromalstadium mehrere Jahre vor¬ 
aus, in einem Falle 5 Jahre (Herzklopfen, Schlafstörungen, Hitzegefühl, 
Scbweisse, körperliche Mattigkeit, Gliederparästbesie, Schwindelgefühl 
bzw. Schwindelanfälle, seltener rheumatoide Schmerzen in Nacken, 
Schulter und Armen). Das Zittern wurde mehrmals in Mundfacialia und 
Orbicularis oculi beobachtet; einmal in sehr scbnellschlagiger Form in 
den Fingern, viermal als deutlicher lutentionstremor. Zwischen Tremor 
uud Rigidität besteht nach Trömner im allgemeinen ein konträres 
Verhältnis, sofern Tremor iu den am meisten willkürlich inoervierten 
MuskelD, Rigidität in den der Statik dienenden Rücken-Schulter-Becken- 
muskeln auftritt. Für erstere dürften corticale, für letztere cortico- 
cerebellare Leitungswege bzw. Centren als Krankheitsort in Frage kommen. 
Konstante Reflexanomalien fand Trömner nicht; bei einem durch 
Rigidität der Beine ausgezeichneten, sonst aber symptomreineo Falle 
war deutliches Babinski- und Oppenheimpbänomen vorhanden; Bechterew-, 
Mendel-, Rossolimo- und WadenphänomeD fehlten dagegen. Sensible 
Störungen objektiver Art fand Trömner nicht, bezweifelt auch ihr Vor¬ 
kommen. Die nicht selten zu findenden sogenannten bulbären Paresen 
in Facialis-, Zungen- und Scblundgebiet sind als pseudobulbäre antu- 
seben und auf Schädigungen suprabulbärer Innervationswege zu beziehen. 
Ebenso die Supersekretion von Speichel, Schweiss, Tränen und manch¬ 
mal Hautfett. Als tropbische Störungen sab Trömner Hautatrophie 
einmal mit main succulente und zweimal die Fräokel’sche Hautsklerose 
im Nacken, einmal Runzelung der Fingernägel. Als Hirnsymptom be¬ 
sonderer Art demonstrierte Trömner früher schon einen Fall mit nächt¬ 
lichen Muskelzuckungen und drei epileptiforraen Anfällen. Psychosen 
sah er zweimal nach deutlichem Beginn der Krankheit auftreten, einmal 
eine paranoide Psychose mit Wahnideen körperlicher Beeinflussung, 
ähnlich Kräpelin’s präsenilem Beeinträchtigungswahn. Mit den von 
König und Uband zusamraengesteüten Fällen verglichen, hat diese 
Form vielleicht als eine Art spezifischer Parkinsonpsychose zu gelten. 

Diskussion. 

Hr. Böttiger bat Id seinen Fällen immer die Rigidität als das erste 
Symptom gesehen, nicht den Tremor. Die bulbären Symptome köunen 
auch durch die Rigidität der beteiligten Muskeln erklärt werden, ebenso 
die Salivation. Babinski bat er in reinen Fällen nie gesehen. 

Hr. Plate hat in 2 Fällen eine Arthritis deformans beobachtet. 

Hr. Fraenkel betont, dass es eine pathologische Anatomie der 
Paralysis agitans noch nicht gibt. 

Hr. Kafka kann in den geschilderten Psychosen nichts Charakte¬ 
ristisches finden. Aelinliehe Symptome finden sich auch bei sonstigen 
geistigen Erkrankungen. 

Hr. Schottmüller hat bei einem Falle Paratbyreoidin gegeben 
mit dem Erfolge, dass der Zustand sich entschieden verschlimmerte; es 
wurden daraufhin die 4 Glandulae parathyreoideae bei dem Patienten 
entfernt, ohne dass eine Besserung eintrat. 

Hr. Fraenkel hat die exstirpierten Epithelkörperchen untersucht 
und sie vollkommen normal gefunden. 

Hr. Trömner (Schlusswort) gibt die Wichtigkeit der Rigidität für 
die Diagnose zu, betont aber, dass es Fälle gibt, welche nur mit Zittern 
beginnen. Die Salivation kann nicht von Rigidität abbängen, da sie 
manchmal selbst im Schlaf so stark ist, dass die Kranken vom Ver¬ 
schlucken von Speichel erwachen. Ausserdem bestehen ja noch andere 
Supersekretionsanomalien. Herrn Plate entgegnet er, dass chronische 
Arthritis auch bei Parkinsonkranken vorkommt, dass aber ausgebreitete 
Rigidität ohne Gelenkveränderungen häufiger ist. Nebenbei werden die 
Artbropatbies parkinsonieunes französischer Autoren von Oppenheim 
mit Recht als begleitende Arthritis deformans gedeutet. Bei Chorea 
werden häufiger deliröse und manische Psychosen als paranoide der hier 
geschilderten Art beobachtet. Gleich Herrn Schottmüller hat auch 
Trömner mit Parathyreoidin keine Erfolge gesehen. 

Hannes - Hamburg. 


Sitzung vom 23. Juni 1914. 

1. Hr. Saner berichtet über einen Fall von fast totaler Dickdarn- 
ansschaltnng. Das jetzt 18 jährige Mädchen leidet seit einer vor 
12 Jahren wegen Heus (?) vorgenommenen Operation an profusen, un- 
beeinflussbaren Diarrhöen, schwerer Albuminurie und Cylindrurie und 
starker Ernährungsstörung. Bei erneuter Operation findet man das 
untere Ueum mit der Fiexura sigmoidea anastomosiert, den Rest des 
Dickdarms unten blind verschlossen. Es wurde eine Fistel an dem aus* 
geschalteten Stück angelegt und dasselbe durch wochenlange Spülungen 
allmählich entleert. Versuch einer Wiedereinschaltung des gesund er¬ 
scheinenden Colon ascendens und eines Teils des Colon traosversum 
durch Einleitung des Ileums ins Coecum, der Flexur ins Colon trans* 
versum. Tod an Peritonitis. Auffallend, dass die Niere makroskopisch 
normal erschien. Heutzutage weiss man, dass so grosse Darmabscbnitte 
nicht gefahrlos ausgeschaltet werden können. 

2. Hr. Drei fass demonstriert einen Fall von Hydrops 
mittens. Bemerkenswert an dem Fall ist, dass Heredität bestem: 
Die Mutter leidet seit der Gravidität (mit diesem Patienten) ebenfalls 
an der Erkrankung, und zwar in demselben 13 tägigen Typus. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



20. Juli 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1891 


Nach Jodoform -Glyceriniojektion hörten bei dem Patienten die 
Gelenkergüsse auf, ein Erfolg, der wohl durch Suggestion zu erklären 
ist. Statt dessen tritt jetzt vikariierend ein urticariaähnliches 
Exanthem auf. 

8. Hr. Böttiger demonstriert a) einen Fall von Myastheiia gratis 
pBCidoparalyticA, bei dem vorerst im wesentlichen nur die Bulbär- 
gebiete ergriffen sind, während die Arme nur wenig, die Beine gar nicht 
affiziert sind. 

b) Einen Fall von stbeorticaler motorischer Aphasie, aufgetreten 
nach Schädelfraktur. Zunächst war, abgesehen von einer Parese des 
7. und 12. Hirnnerven und des Armes, Sprechen, Nachsprechen, Lautlesen 
völlig aufgehoben bei erhaltenem Sprachverständnis und Lese- und 
Schreib vermögen. Die Muskulatur der Sprachwerkzeuge, insbesondere 
des Kehlkopfs, war offenbar »praktisch, Intonation unmöglich. Schnelle 
Besserung unter Zurückbleiben dysarthrischer Störungen. Verletzt waren 
offenbar die Centren für Hand und Finger sowie für Facialis, Zunge, 
Kehlkopf. Die aphasischen Störungen auf diese corticalen Läsionen 
zurüokzuführeo, ist unmöglich. Sie müssen offenbar subcortical aus¬ 
gelöst sein und sind wahrscheinlich durch Diaschisis zu erklären. 

4. Diskussion zu dem Vortrag des Herrn Simmoads: lieber Tober- 
kilose des mliBllchen tienitalsystems. 

Hr. Kropeit bespricht die konservativen Behandlungs¬ 
methoden der Samenblasenerkrankungen: Spülungen des Organs nach 
Freilegung oder Katheterismus der Duct. ejaculatorii, sowie die dia¬ 
gnostische Bedeutung der Uretbroskopie. 

Hr. Wiesinger hat die Samenblasentuberkulose bisher nicht ope¬ 
rativ in Angriff genommen, weil der Eingriff ein grosser ist und man 
früher annahm, dass die Erkrankung nach Kastration spontan heile. 
Da das nach Simmonds’ Untersuchungen nicht der Fall ist, beab¬ 
sichtigt er, in Zukunft aktiver vorzugehen, will aber doch nur bei sehr 
dringender Indikation operieren. Er empfiehlt dazu den iscbo- 
rectaleo Schnitt. 

Hr. Kümmell: Die Blasentuberkulose ist stets sekundär, 
meist nach Nierentuberkulose, seltener nach Genital tuberkulöse. Die 
klinischen Erfahrungen über die Prognose der Genitaltuberkulose sind 
andere als die pathologisch-anatomischen: von 62 operativ behandelten 
Fällen sind 81 geheilt, 21 gebessert, 7 mit Bastei entlassen, 3 ge¬ 
storben. Ueber die Dauerresultate kann er allerdings keine Angaben 
machen. Er empfiehlt konservative Behandlung. 

Hr. Simmonds (Schlusswort): In eine tuberkulöse Samenblase 
kann man nichts einspritzen. Die Statistik Kümmell’s ist nicht be¬ 
weisend, weil die Fälle nicht lange genug beobachtet sind. Die Ope¬ 
ration ist nicht so gefährlich. Nach Völcker starben 9 pCt., aber kein 
Fall an der Operation selbst. 

5. Hr. E. Fraenkel: 

Aiateaiiche Befunde bei Flecktyphus. (Mit Demonstrationen.) 

Das Material F.’s besteht aus intra vitam eizidierten Roseolen 
vom 5. bis 17. Krankheitstag (4 Falle des Eppendorfer Krankenhauses, 
2 aus der Türkei) sowie aus Leichenorganen (ein B'all aus Ozerno- 
litx). Die histologischen Veränderungen betreffen fast ausschliesslich 
das Gefässsystem, und zwar in erster Linie die kleinen Arterien. 
Am konstantesten findet man Schwellung und Vermehrung der 
Adventitiazellen, die — oft nur einseitig — als Zellmäntel den 
Gelassen anliegen. Sie nehmen erst spindelige, weiterhin kugelige, end¬ 
lich wieder spindelige Form an. Die Gefässwand selbst ist oft — eben¬ 
falls meist einseitig — amorph verwandelt, nekrotisch, bisweilen auch 
wie gequollen; das Gefässlumen bisweilen stark verengt. In den 
Capillaren finden sich sehr häufig hyaline Thromben und Ansammlungen 
von Leukocyten. In der Haut finden sich diese Veränderungen am 
häufigsten und ausgesprochensten in der tiefen Subcutis (es muss daher 
*u diagnostischen Zwecken möglichst tief exzidiert werden). Oft sind 
besonders die die Knäueldrüsen begleitenden kleinen Arterien betroffen. 
Id einem Fall (Leiohenhaut) ist es zu einer ganz circumscripten 
Schädigung der Gefässwand gekommen: hier ragt ein kleines, intensiv 
jarbbares, von Endothel Überklei de tes, polypöses Gebilde ins Lumen 
hinein. Es zeigt sich nun, dass in allen untersuchten Organen — mit 
Ausnahme der Lunge — prinzipiell die gleichen Veränderungen an 
den Gefässen bestehen. Im Gehirn ist der Virchow-Rubin’sche Lymph- 
raum mit den gewucherten Zellen aDgefüllt. Sowohl die Pialgefässe 
*1° die intracerebralen sind betroffen, namentlich auch am Kleinhirn. 
Die Parenchyme selbst sind überall völlig intakt. Der Prozess an 
den Arterien ist ein ganz spezifischer, er hat entfernte Aehnlichkeit mit 
der Periarteriitis nodosa, doch fehlen im Gegensatz zu dieser fibrinöse 
Exsudate in der Gefässwand und kleine Aneurysmen. Wichtig ist 
Fixierung in Müller-Formol, zu warnen vor Alkoholfixierung. 

Diskussion. 

P Dr. Simmonds hält es für naheliegend, dass der Prozess vom 
efassionern ausgeht, also keine Periarteriitis darstellt. 

Hr. Hegler betont die Wichtigkeit der Befunde für die klinische 
du auch für die Sektionsdiagnose, da auch letztere sonst sehr 
« wierigist. Für klinische Zwecke ist die lange Dauer der Untersuchung 
iraeürere Tage) und die Notwendigkeit, sehr tief zu exzidiereD, hinderlich. 
_ p. r ' ® ann Qfflaon weist auf die Quellen der Einschleppung 
i i/'^typhua für Hamburg bin, es sind das: 1. die Seeseite (Gefahr 

n ™ Hch), 2. die Auswanderer, 3. die auswärtigen Arbeiter, 
w. Fraenkel (Schlusswort). 


(Biologisohe Abteilung.) 

Sitzung vom 30. Juni 1914. 

1. Hr. Delbaoco demonstriert a) einen Fall von Majocchi’scher 
Kraikheit (Purpura annullaris teleangiectodes). 

Es finden sich an den Beinen eine Reibe von bräunlichroten Flecken, 
die auf Teleangiektasien, umscheidet von Blutungen, beruhen und 
unter Pigmentbildung mit oder ohne Atrophie abheilen (Stadium tele- 
angiectaticum, Stadium pigmentosum, Stadium atrophicum); 

b) einen B’all von Syphilis bei einem Homosexuellen, entstanden 
durch Coitus in anum. Zunächst beherrschte ein periproctitischer Abscess 
das Krankheitsbild. Bericht über zwei weitere Fälle von Primäraffekt 
zwischen Hämorrhoiden bei Homosexuellen; 

o) das Aquarell eines Falles von maltiplea Caicroidea an weit 
voneinander entfernten Stellen. 

2. Hr. Müller: Demonstration ilmfester Zellbestaidteile. 

Die chemische Natur des bei den Tuberkolbacillen die Säurefestig¬ 
keit bedingenden Körpers ist noch unbekannt. Vortr. hat Meerschweinchen 
das an sich nicht säurefeste Tuberculonastin intraperitoneal injiziert. 
Nach einiger Zeit erscheinen in den Makrophagen des Peritonealexsudats 
nach Ziehl und nach Gram-Much färbbare Einschlüsse. Die¬ 
selben verlieren nach einiger Zeit ihre Säurefestigkeit, sind aber noch 
nach Gram-Much färbbar, schliesslich verschwinden sie ganz. Mit 
Injektion anderer Bakterienbestandteile erzielt man dies Resultat nicht. 
Vortr. glaubt, dass für die Säurefestigkeit der Tuberkelbacillen das 
Tuberculonastin jedenfalls mit verantwortlich zu machen ist. 

Diskussion. 

Hr. Cohnheim regt an, auf ohemisohem Wege diese Bestandteile 
darzustellen. 

Hr. Delbanco: Die Botaniker haben schon bei Pflanzen vor¬ 
kommende säurefeste Zellbestandteile chemisch untersucht. Ihnen folgend 
ist D. zu dem Resultat gekommen, dass es sich um eine Eiweissfett- 
verbindung handelt. 

Hr. P. Unna jun. hält den Beweis, dass die säurefesten Einschlüsse 
dem Tuberculonastin entstammen, nicht für erbracht. 

Hr. Müller (Schlusswort). 

3. Hr. Schottmttller demonstriert Präparate and Kaltarea eines 
Bacteriam8, das er in einer grösseren Versuchsreihe zweimal aus Ex¬ 
sudaten einer Polyarthritis rheuraatica gewonnen hat. Die geringe 
Ausbeute ist dadurch zu erklären, dass die polyarthritischeu Exsudate 
äusserst spärlich sind; sie sitzen in den periartikulären Sch leim beuteln 
und Sehnenscheiden. Grössere Ergüsse, wie man sie im Kniegelenk 
findet, sind als sympathische aufzufassen und haben mit dem primär 
infektiösen Prozess nichts zu tun. Es handelt sich um einen gram- 
negativen ovoiden Diplococous von der B’orm der Gono- und 
Meningokokken, der in NaCl Serum spärlich wächst und in Trauben¬ 
zucker-Serum-Agarröhrchen die Besonderheit zeigt, dass er nur in einer 
in geringem Abstand von der Oberfläche gelegenen Schicht gedeiht. 
Ueberschicbtet man mit Paraffin, so wächst er bis an die Oberfläche des 
Agars; er ist also obligat aerob, aber gegen die 0 Spannung der Luft 
sehr empfindlich. Durch diese Kultureigenschaft, die von pathogenen 
Keimen sonst nur noch dem Bang’schen Rinderabortbacillus zu¬ 
kommt, ist der Keim als ein besonderer charakterisiert. Ueber seine 
ätiologische Rolle will Vortr. sich bei der Kleinheit des Materials zurück¬ 
haltend aussern, er macht aber auf die Aehnlichkeit im klinischen Ver¬ 
halten der morphologisch verwandten Gono- und Meningokokken auf¬ 
merksam. 

Diskussion. 

Hr. Jacobsthal: Das Wachstum in bestimmter Zone ist den 
Botanikern bekannt. Bei Züchtung in reiner O-Athmosphäre kann man 
es z. B. auch bei Anthraxbacillen beobachten. Manche Bakterien zeigen 
zwei optimale Zonen. 

Hr. Reye: Bei einer Reihe von Fällen frischer Endocarditis bei 
Polyarthritis rheuraatica hat er nur den grampositiven Strepto¬ 
coccus gefunden, über den er in der vorigen Sitzung berichtete. Man 
kann dies sich höchstens so vorstellen, dass die Infektion mit dem Erreger 
des Gelenkrheumatismus die Prädisposition für das Hafteo des Strepto¬ 
coccus virid. an den Herzklappen schafft. 

Hr. E. Fraenkel betont die Verschiedenheit der Kultureigen- 
sebaften gegenüber den Gono- und Meningokokken. Der Schottmüller - 
sche Coccus müsste wohl eher an aerob genannt werden. 

Hr. Knaak. 

Hr. Schottmüller (Schlusswort). 

4. Hr. Cohnkeim: Blut untersuch nagen im Hochgebirge. 

a) Eine Konzentration des Blutes durch Austrocknung findet 
beim Menschen und bei Tieren mit geregelter Wärme- und Wasser¬ 
abgabe im Hochgebirge nicht statt. Eine Vermehrung der Blutkörperchen 
beim Gesunden wird erst nach mehreren Wochen beobachtet, 9ie be¬ 
trägt in einer Höhe von 1800 m 4—5pCt., bei 2900 m 10—15 pCt., bei 
4500 m bis 30 pCt. Viel deutlicher sind die Wirkungen beim künst¬ 
lich durch Aderlass oder toxisch (durch Pyrodin) anämisierten Tier: 
Die Regeneration des Blutes tritt dann im Hochgebirge viel schneller, 
ausgiebiger und unter Bildung einer grösseren Zahl von Normo- 
blasten ein, gleichgültig, ob der Versuch erst im Hochgebirge und 
dann in der Ebene oder umgekehrt vorgenommen wurde, b) Um fest¬ 
zustellen, welcher Faktor des Hochgebirges diese erhöhte Regener&tions- 
tendenz bedingt, ist zunächst der Einfluss des O-Mangels zu 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


studieren. Ein solcher macht sich zumeist nur in einer Höhe von über 
3000 bis 3500 m geltend in Gestalt des Saussure’schen Phänomens — 
stark erhöhter muskulärer Ermüdbarkeit — und der eigentlichen Berg¬ 
krankheit (Schwindel, Kopfschmerz, Erbrechen in der Ruhe). Beide 
Erscheinungen tretea — aus bisher unbekannten Gründen — heftiger 
auf, wenn die Höhe schnell und ohne Muskelarbeit (in der Bergbahn) 
gewonnen wird. Unterhalb der genannten Höhe fehlen diese Er¬ 
scheinungen. Damit stimmen sehr gut die Werte der Dissociationskurve 
des Hämoglobins überein, die von dem einer solchen Höhe entsprechenden 
O-Partialdruck ab eine starke Abnahme des Hämoglobin 0 zeigt. Dass 
in einer Höhe von 2900 m eine wesentliche O-Verarmung des Blutes 
nicht besteht, konnte Vortr. durch direkte 0 Bestimmung des durch 
eine Carotiskaniile gewonnenen arteriellen Blutes der Versuchstiere 
sowie dadurch nachweisen, dass er den Milchsäuregehalt des Blutes in 
dieser Höhe nicht erhöht fand. Die erhöhte Regenerationsfäbigkeit des 
Blutes muss also auf anderen Faktoren beruhen, unter denen die 
Strahlenwirkung als die wahrscheinlichste erscheint, wenn auch 
darauf gerichtete Versuche mit Bogenlichtbestrahlung keine eindeutigen 
Resultate ergaben, c) Muskelarbeit und Blutzusammensetzung: 
Bei Muskelarbeit nimmt der Hämoglobingebalt ab, das Plasma wird an 
sich konzentrierter. Das beim Schwitzen abgegebene H 2 0 und NaCl 
entstammt, wie Untersuchungen am Esel ergaben, im wesentlichen dem 
Muskel. Was den Wiederersatz betrifft, so zeigt sich bei anstrengenden 
Bergtouren, dass sehr erhebliche Gewichtsverluste bei normaler Kost 
innerhalb 18 Stunden ersetzt werden, bei kochsalzarmer Diät jedoch 
bestehen bleiben. Das Salzessen erleichtert sehr das Durststillen. In¬ 
folge der NaCl-Verarmung leidet auch sehr die Magen-HCl-Produklion, 
wodurch vielleicht ein Teil der fälschlich Bergkrankheit benannten 
Beschwerden bei Bergtouren zu erklären ist. 

Diskussion. 

Hr. Schottmüller fragt, ob die erhöhte Regenerationsfähigbeit des 
Blutes auch schon in niederen HöheD, die für einen Kuraufenthalt in 
Betracht kommen, zu beobachten ist. 

Herrn Rumpfs Erfahrungen bei Lungentuberkulosen sprechen nicht 
für einen erheblichen Einfluss der Höhenlage. 

Hr. Zeissler. 

Hr. Cohn heim (Schlusswort) glaubt, dass auch in geringerer Höhe 
der Einfluss auf die Blutregeneration statthat. 

Fr. Wohl will - Hamburg. 


Unterelsässischer Aerztererein zu Strassfonrg I E. 

Sitzung vom 27. Juni 1914. 

I. Hr. Roederer: Ueber Pallidinreaktion. 

Die an dem Material der Strassburger dermatologischen Klinik an- 
gestellten Nachprüfungen dieser Reaktion ergaben, dass dieselbe kein 
sicheres Diagnosticum darstellt. Auch klinisch sichere Fälle von Lues 
mit positivem Wassermann, die genau nach der Vorschrift Klausner’s 
behandelt wurden, ergaben eine negative Pallidinreaktion. 

Diskusssion: Hr. Mentberger. 

II. Hr. Fehling: 

Ueber den Wechsel der Indikationsstellnng in der heutigen Geburtshilfe. 

Diese Wandlung in den Anschauungen zeigt sich zunächst in der 
Verwendung der Narkose. Auf die Chloroformnarkose folgte der 
„Dämmerschlaf“. Dieser wurde vom Pantopon verdrängt. Vortr. wendet 
jetzt unmittelbar vor dem Durchschneiden des Kopfes einen kurzen 
Aetherrausch an. Während der Austreibungsperiode hingegen vermeidet 
er jedes Narkoticum. 

Die Verwendung von Pituitrin in der Eröffnungs- und Austreibungs¬ 
periode hat die Anwendung der Zange herabgedrückt, so zwar, dass 
bei der zahlenden Klasse die Zangenfrequenz von 20 auf 10 pCt. ge¬ 
sunken ist. Einen Einfluss auf dieses Absinken bat nach Meinung des 
Vortr. bei den sogenannten besseren Ständen auch die Zunahme des 
Sportes und damit eine bessere Entwickelung der Bauchpresse. 

Mit der Anwendung und technischen Durchbildung des extra¬ 
peritonealen, cervikalen Kaiserschnittes wurde die prophy¬ 
laktische Wendung beim engen Becken, deren Erfolge schlecht 
waren, überflüssig, das Geltungsgebiet der künstlichen Frühgeburt, 
der Perforation und der Pubotomie beträchtlich eingeeugt. Erläute¬ 
rung einer eigenen transperitonealen Methode des cervikalen Kaiser¬ 
schnittes, die bis jetzt in über 50 Fällen mit gutem Erfolg ausgeführt 
wurde, wobei sich nur ein Todesfall ereignete. 

III. Hr. Gnleke: a) Eise seltene Form von Pylorusstenose. 

Bei der Operation einer G5 jährigen Frau, die zunächst mit un¬ 
regelmässigem Erbrechen und schliesslich unter ileusartigen Symptomen 
erkrankt war, fand sich als Ursache ein über die Pars pylorica ventriculi 
quer hinwegziehender Netzstrang. 

b) Ueber Darminvagination bei Kindern. (Krankenvorstellung.) 

Bericht über 9 Fälle von Darminvagination, die bis auf 2 halbjährige 
Kinder, die starben, geheilt wurden. Die besseren Chancen gibt die 
Desinvagination. Ob Desinvagination gemacht werden darf oder Resektion 
angezeigt ist, hängt weder von der Dauer der Invagination, noch von 
der Läoge des invaginierten Darmstückes ab, sondern lediglich davon, 
wie fest die Invagination fixiert ist, und wie hochgradig die Störungen 
in der Darmwand und am Mesenterium sind. Mit der unblutigen Des¬ 
invagination, mit Insufflation von Luft oder Einläufen wird in der Regel 


kein Dauerresultat erzielt, weil alsbald ein Recidiv eintritt. Die Fixation 
der Spitze des Ißtussuscepturas, als welche sehr häufig die Kuppe des 
Coecums gefunden wurde, am Peritoneum parietale ist unbedingt er¬ 
forderlich. 

Diskussion: HHr. Salge, Chiari, Guleke. 

IV. Hr. Ahreiner: 1. Demonstration seltener Nierenpräparate. 

a) Durch Nephrektomie gewonnene Niere mit grossem Stein und 
einem hühnereigrossen Hypernephrom; b) Niere mit grösserem bis ans 
Nierenbecken reichenden Tumor Uüd mandelkerugrossem Konkrement im 
Nierenbecken; c) Nierentuberkulose und kleines Konkrement in einem 
Kalix. 

2 . Demonstration eines Falles familiärer multipler Exostosen. 

10jähriger Knabe mit zahlreichen Exostosen sowohl am Rumpf¬ 
skelett als an den Extremitätenknochen. Der Vater, der Grossvater und 
die Schwester des Vaters leiden gleichfalls an solchen multiplen Exostosen. 

Diskussion: HHr. v. Lichtenberg, Chiari. 

V. Hr- v. Lichtenberg: Ueber lokale Anästhesie. 

Die Anwendung der epiduralen Applikation von Novocain empfiehlt 
sich bei allen chirurgischen Eingriffen am After, am äusseren männlichen 
und weiblichen Genitale, sowie bei der transvesikalen Prostatektomie. 
Sehr gute Dienste leistet dieselbe bei schwieriger Cystoskopie, insbesondere 
bei der Blasentuberkulose. Ti 1p - Strassburg i.E. 


Freiburger medizinische Gesellschaft. 

Sitzung vom IG. Judi 1914. 

1. Hr. Determann: Ueber das Wästenklima. 

Für das Wüstenklima charakteristisch ist die ausserordentliche Rein¬ 
heit der Luft von Bakterien, die gros e Lichtintensität, grosse Amplitude 
der täglichen Temperaturschwankung und die geringe Feuchtigkeit der 
Luft. Die Luftfeuchtigkeit hängt stark von der Entfernung eines Ortes 
vom Nil ab, ist im Mittel 20 pCt. und mehr niedriger als in Berlin. 

Die grosse Lichtintensität wirkt auf die Psyche anregend, oft er¬ 
regend. Die Trockenheit der Luft bewirkt eine grosse Perspiration von 
Flüssigkeit durch die Haut, inwieweit auch dementsprechend feste Stoffe 
durch die Haut sezerniert werden, ist noch unerforscht, obwohl davon 
die Indikation für die Nephritis abbängt. Es wird dadurch eine Ein¬ 
dickung des Bluts verursacht, die von Schieffer durch Bestimmung 
von Hämoglobin und Eivthrocyten festgcstellt wurde. Die Untersuchung 
des Plasmas steht jedoch noch aus. Indirekt verursacht wohl im 
wesentlichen die Lufttrockenheit eine grosse Beanspruchung der Circu- 
lationsapparate, durch die starke Tacbycardien und Blutdrucksenkungen 
Zustandekommen. Im Zusammenhang damit entsteht eine grosse Unlust 
zu aller körperlicher Arbeit. 

Koutraiodiziert sind deshalb Orte mit Wüstenklima für alle Leute 
mit nicht völlig intakten Kreislauforganen sowie für solche, denen 
Muskeltätigkeit erforderlich ist. Rheumatiker werden sehr günstig be¬ 
einflusst, offenbar nach Art von Sonnen- und Wärmetherapie. Die In¬ 
dikation für Nephritis bedarf noch dringend der experimentellen Be¬ 
gründung, da nicht erwiesen ist, dass in diesem Klima die Haut wirklich 
die Niere durch Ausscheidung fest Substanzen entlastet. Tuberkulöse 
sollten nur in ersten Anfangsstadicn nach Aegyten geschickt werden. 
Heliotherapie, entsprechend Rolli er, sollte Doch systematisch mit ent¬ 
sprechenden Kautelen versucht werden. 

Diskussion. 

Hr. Hahn betont, dass ein Unterschied der relativen Feuchtigkeit 
im Betrag von 20pCt. schon für ein Klima ein ganz erheblicher ist. 

Hr. Aschoff betout die günstige Wirkung des Wüstenklimas auf 
chronische Bronchitiden und asthmatische Zustände. 

Hr. Determann: Die Wirkung auf diese Fälle beruht nicht 
allein auf der Verminderung des Auswurfs, die unerheblich ist, sondern 
ist eine spezifische. 

2. Hr. Ziegler: Ueber die Banti’sche Krankheit. 

Die Banti’sche Krankheit ist durch in drei Stadien auftretendc typische 
Syraptomkomplexe gekennzeichnet: Zuerst beginnt ein anämisches 
Stadium mit Milztumor und Leukopenie, daun tritt eine hypertrophische 
Lebercirrhose hinzu, schliesslich geht diese in die atrophische Form 
über. Im ersten Stadium, das jahrelang dauern kann, wirkt Milz¬ 
exstirpation heilend. 

Vom anatomischen Befund der Erkrankung ist in der Milz Quellung 
des Reticulums mit Verödung der Follikel hervorzuheben, dann tritt 
eine Endophlebitis des Pfortadersystems hinzu, die schliesslich cirrhotische 
Veränderungen der Leber im Gefolge hat. Forschungen nach der Aetio- 
logie waren bisher erfolglos. 

Mit der Lebercirrhose hat die Banti’sche Krankheit den Endzustand 
gemeinsam und unterscheidet sich nur durch die Reihenfolge der Er¬ 
krankung der Organe. Die Erkrankung kann im ersten Stadium be¬ 
stehen bleiben. Der mikroskopische Befund der Milz ist bei der 
Lebercirrhose ein anderer als bei der Banti’schen Krankheit: dort 
Stauungsveränderungen, hier eine Fibroadenie. Die degenerativen Ver¬ 
änderungen in den Organen geben nichts für einen bestimmten ätio¬ 
logischen Faktor Charakteristisches. 

Die Theorie einer hämatogenen Intoxikation erklärt die Befunde 
nicht restlos. Für die Theorie einer lymphogenen Intoxikation sprechen 
eigene Versuche des Vortragenden: Einspritzung von Aufschwemmungen 
von körperlichen Elementen in beliebige Lymphgefässe des Netzes ver- 


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20. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ursacht eine Ausschwemmung derselben in Leber und Milz in gleicher 
Weise: das zusammengehörige Lymphgefässsystem erklärt kombinierte 
Erkrankungen der beiden Organe. 

Diskussion. 

Hr. Landau weist auf die Untersuchungen von Lepehne hin: 
Die in Leber and Milz in gleicher Weise vorkommenden spezifischen 
Zellen (Kupfer’sohe Sternzellen) können als ein Organsystem zusammen¬ 
gefasst werden (reticulo-endotbelialer Stoffwechselapparat). Es könnte 
sioh also bei gemeinsamen Erkrankungen dieser Organe um eine Er¬ 
krankung dieses Organsystems handeln. 

Hr. Ziegler: Es handelt sich bei der Banti’schen Krankheit um 
den Weg einer Infektion und um allgemeine Gewebsschädigungen, nicht 
um Schädigungen eines Zellsystems. 

3. Hr. Hotfc: 

a) Ueber feruentatire Blutstillung. b) Versacke der D&aer&nüsthesie. 

a) Zur Blutstillung wurde eine Substanz mit Fermenteigenschaften 
unter dem Namen Coagulen eingeführt, die bei Operationen Unter¬ 
bindungen überflüssig machen soll. Vortr. empfiehlt die Benutzung von 
Coagulen für Wunden in Leber, Prostata und bei Gehirnoperationen. 
Im übrigen ist die Unterbindung gewöhnlich vorteilhafter. Innerlich 
wild Coagulen für Hämophilie, Werlbof’sche Krankheit und Hämoptyse 
empfohlen. Ferner prophylaktisch für Operationen. Kontraindiziert bei 
Trombophlebitis, Lues und ähnlichen Zuständen. 

b) Zur Vermeidung des Operationsshocks soll nach Crile eine 
langdauernde Anästhesie des Operationsgebietes in der Heilungsperiode 
erstrebt werden. Unterstützt wird die Erfüllung der Crile’schen Forde¬ 
rungen durch möglichste Verkleinerung der Eingriffe. Der psychische 
Sbock wird durch Morphium-Scopolamin eingeschränkt. Zur Erreichung 
einer Daueranästhesie in der Nachperiode verwendet Crile HCl-Harn- 
stoffchinininjektionen. Vortr. versuchte Orthoform, Anästhesin und 
Novokaintannat. Orthoform ist unbrauchbar wegen Nekroseubildung, 
Novokaintannat ist unwirksam, weil nicht in genügender Menge löslich. 
Dagegen wurden durch Einpulvern von Anästhesin in die Wunden gute 
Resultate erzielt. Der Heilungsverlauf wird nicht gestört. Ein Nachteil 
ist nur die Unübersichtlichkeit des Operationsgebietes. 

Diskussion. 

Hr. Kahler bestätigt die Brauchbarkeit des Coagulens, besonders 
für Knocbenwunden, doch ist mit anderen Mitteln, z. B. Wasserstoff¬ 
superoxyd, dasselbe zu erreichen und Coagulen sehr teuer. 

Hr. Noeggerath empfiehlt Anästhesin zur Behandlung von 
Rhagaden der Mammae bei stillenden Frauen. Fromherz. 


Aerztliclier Yerein zu München. 

Sitzung vom 10. Juni 1914. 

1. Hr. Herzog: Demonstration eines Falles von allgemeiner Be¬ 
ll aaraoe: and Frühreife bei 3jührigem Kinde. 

Vortr. stellt ein 4jähriges Kind vor, das aus einer gesunden All¬ 
gäuer Familie stammt. Bis zum 3. Jahr entwickelte sich das Kind voll¬ 
kommen normal und zeigte keinerlei Abnormitäten. Dann wurde die 
Stimme allmählich immer tiefer und am Körper traten reichlich Haare 
auf. Jetzt ist das Kind stark entwickelt, die Muskulatur ist direkt 
athleleuhaft ausgebildet, die Körpergrösse beträgt 10 cm mehr, als der 
Durohschnittsgrösse seines Alters entspricht. Dabei spricht das Kind 
mit einer äusserst tiefen Stimme. Mit Ausnahme der Hände ist das 
Kind am ganzen Körper behaart, und zwar besonders stark im Gesicht 
(Backenbart, Schnurrbart und Fliege), in der Genitalgegend und am 
ganzen Rücken. Die Röntgenphotographie ergibt normalen Befund; die 
Sella turcica ist nicht vergrössert, die Mammae sind nicht angedeutet 
und es besteht keine Menstruation. Die gynäkologische Untersuchung 
ergab normalen Befund. Ovarien oder ein Tumor waren nicht feststell¬ 
bar. Vortr. berichtet, dass derartige Entwicklungsstörungen bei Ver¬ 
änderungen an den Genitalien, der Hypophyse oder den Nebennieren 
auftreten, und zwar im Sinne einer Hypertrophie, Atrophie oder Tumor¬ 
bildung. Im vorliegenden Fall nimmt er Veränderungen im Bereich der 
Nebennieren an. Das Kind wurde zwecks Entfernung der Haare in 
spezialärztlicbe Behandlung geschickt, da nach Ansicht der dortigen Be¬ 
völkerung die starke Behaarung eine Strafe Gottes wäre. 

2. Frhr. v. Notthaft. Aas der modernen Gonorrhöetherapie. 

Vortr. berichtet über die moderne Behandlung der Gonorrhöe. Früher 

hatte die Ansicht, die Gonorrhöe ausser mit allgemeiner Ruhe und Zu¬ 
fuhr reichlicher, nichtreizender Flüssigkeitsmengen zwecks Ausspülung 
der Harnröhre zu behandeln, viel Anhänger gefunden, doch wendet man 
sich jetzt immer mehr und mehr der Lokaltherapie zu. Am besten 
haben sich dabei als Desinficientien die Silberpräparate bewährt, und 
*war die prozentualiter relativ wenig Silber enthaltenden besser als die 
silberreicben Lösungen. Von grosser Wichtigkeit hierbei ist die Art der 
Silberbildung: anorganische desinfizieren zwar reichlicher, organische sind^ 
jedoch weniger reizbar und daher für die Praxis mehr zu empfehlen. 
Zum Schluss der Therapie adstringierende Mittel zu verwenden, hält der 
Vortr. für einen Kunstfehler; denn erstens heilt der Katarrh von selbst 
aus und zweitens wird durch dieses Mittel die normale Sekretion und 
me dadurch bedingte Wegspülung der Gonokokken unterbrochen; diese 
gelangen in die Crypten und veranlassen so das Zustandekommen der 
chronischen Gonorrhöe. Dagegen empfiehlt Vortr. die Anwendung von 
»alksauren Salzen zusammen mit Silberpräparaten, da erstere durch 


Zellauflösung die Gonokokken ihrer schützenden Hülle berauben und so 
die Ag-Salze erfolgreicher wirken können. Zur Abortiv behänd lung mit 
Protargol, Argentum nitricum oder Kal. permauganic 1:4—8000 eignen 
sich nur die initalen Fälle mit geringer Sekretion. Bei einmal auf¬ 
getretener reichlicher Sekretion ist die bisherige Therapie anzuwenden. 

Auf jeden Fall warnt Vortr. vor der Auwenduog von Kathetern 
wegen der Verschleppung der Gonokokken in die hiutereo Partien der 
Harnröhre. In hohem Rufe standen früher die ätherischen Oele, Terpen¬ 
tine, Cedernöl, Copaivabalsam, Sandelholzöl usw., denen jedoch keine oder 
nur geringe desinfizierende Wirkung zukommt, so dass sie jetzt nicht 
mehr empfohlen werden können. 

Gute Erfolge sind mit der neuen Bakterientherapie durch Ein¬ 
spritzung fremder oder körpereigener Stämme unter die Haut zu ver¬ 
zeichnen. An der Einstichstelle entsteht dabei eine mehr oder weniger 
ausgedehnte Rötung und Schmerzhaftigkeit mit Temperatursteigerung. 
Die lokalen gonorrhoischen Beschwerden, besonders bei Gelenkgonorrhöe 
usw., lassen im allgemeinen schnell nach. Nobiling. 


Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik. 

Sitzung vom 11. Juni 1914. 

Hr. Weigel demonstriert einen IG jährigen Jungen mit Elephantiasis 
der 3., 4. and 5. Zehe, des Mittelfusses und der Weichteile an der Ferse 
links. Bereits bei der Geburt soll der Fuss grösser gewesen, aber später 
unverhältnismässig gewachsen sein. Allmählich wurde auch Wade und 
Oberschenkel dicker. Das linke Bein ist auch etwas länger als das 
rechte. Auf der Röntgenphotographie zeigt sieb, dass der Mittelfuss- 
knochen der 3. Zehe nur wenig vergrössert, stärker der der 4., am 
stärksten der der 5., er ist noch einmal so lang als der der 1. Zehe. 
Man glaubt deshalb nicht einen linken sondern einen rechten Fuss vor 
sich zu haben. Es besteht Syndaktylie der drei hypertrophischen 
ZeheD. Es findet sich ausserdem noch geringe Hypertrophie der 2. Zehe 
rechts. 

Hr. J. Müller berichtet über einen Fall von Nierensteinen, der 
dadurch interessant ist, dass die Schmerzen stets in der rechten 
Seite geklagt wurden. Die Röntgenaufnahme, die demonstriert wird, 
zeigt, dass im linken Nierenbecken 3 Steine sind, rechts dagegen 
keine. Die Steine gingen naeh und nach spontan ab, und es konnte 
durch Röntgenaufnahme jedesmal nachgewiesen werden, dass ein Stein 
weniger im Linken Nierenbecken war. Es waren Oxalatsteine. 

Hr. Grünbnnm berichtet über einen Fall von Spontanperforation 
des Uterus in der Gravidität. 

27 jährige Frau, bat 2 mal normal entbunden, doch musste jedes¬ 
mal der Arzt wegen Blutungen post partum zugezogen werden. Ob 
Placentarlösung vorgenomraen wurde, liess sich nicht feststellen. Im 
3. Monat der 3. Gravidität trat Blutabgang und Schmerzgefühl im Unter¬ 
leib auf, nächsten Tag wieder ohne Beschwerden. 4 Tage später heftige 
Schmerzen, Druckempfindliuhkcit des Abdomens, Ohnmacbtsanfall. Ueber 
Nacht Zunahme der Schmerzen, Verfall der Patientin. Vortr. wurde 
nun zugezogen, fand die Pat. mit aufgetriebeuem Leib, fast pulslos und 
totenblass. Diagnose per exclusionem: geplatzte Extrauteringravidität. 
Operation: nach Eröffnung des Peritoneums viel geronnenes und flüssiges 
Blut im Abdomen. Ovarien und Tuben intakt. Uterus vergrössert, fast 
in Nabelhöbe. Beim Hervorzieben des Uterus mit einer Kugelzange 
platzt der Uterus im Fundus, wo die Wand papierdünn ist, auseinander, 
und die Frucht und Fruchtwasser gelangen in die freie Bauchhöhle. 
Supravaginale Amputation nach Porro. — Die Uteruswand zeigte sich 
im Fundus äusserst verdünnt. Wodurch ist die Ruptur eingetreten? 
Was ist die Ursache der Verdünnung? Angeborene Hypoplasie des 
Uterus wird für unwahrscheinlich gehalten. Partielle Aussackung durch 
Verletzung bei der 1. oder 2. Geburt hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. 
Vortr. glaubt aber, dass es sieb in diesem Fall um eine Divertikel¬ 
gravidität handelte, wobei das Divertikel über dem Abgang der Tuben lag. 
Hr. Görl: Zar Röntgentherapie in der Gynäkologie. 


Sitzung vom 25. Juni 1914. 

Hr. Kirste berichtet über einen Fall von Rnptnr des Uterns 
während der Gravidität. 29jdhrige Frau hatte 2 mal geboreu, 1 mal 
abortiert, jedesmal musste manuelle Placentarlösung vorgenommen werden, 
von denen besonders die letzte von dem Gynäkologen als die schwerste 
bezeichnet wurde, die er je vornabm. Im 5. Monat der 4. Gravidität 
bekam die Frau plötzlich heftige Schmerzen in der Kreu 2 gegend, so dass 
sie nicht selbst heimzugehen vermochte. Ara nächsten Tage wieder 
gesund. 8 Tage später wieder Schmerzen in Kreuz- und Leistengegend. 
Vortr. dachte an kriminellen Abort trotz fehlender Blutungen und Wehen. 
Uterus 2 Querfinger über dem Nabel. Nach 3 Tagen wurde Puls immer 
schlechter, Erbrechen, allgemeiner Verfall. Innerer Befund immer gleich. 
Der zugezogene Gynäkologe Herr S. Flatau entschloss sich, da der 
Allgemeinzustand sich weiter verschlechterte, zur Operation. Vaginaler 
Kaiserschnitt. Der Uterus wurde leer befuuden, ira Fundus ein Loch, 
in dem noch die Placenta lag. Nunmehr Laparotomie. Leibhöhle voll 
Blut, Fötus oben hinter der Leber im rechten Hypochondrium. Amputatio 
uteri nach Porro. Trotz desolaten Zustandes nach der Operation, 
Pat. pulslos und kalt, erholte sie sioh wieder. Die Pat. und die Photo¬ 
graphien des Operationspräparates gleich nach der Operation, sowie der 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1394 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 29. 


exstirpierte Uterus werden demonstriert. Die starke Verdünnung der 
Uterusmuskulatur wird auf die vorangehenden drei schweren Placentar- 
lösungen zurückgeführt. 

Er. Heinlein berichtet über einen Fall von Hüftgeleukstuberkulose 
kombiniert mit Tnberknlose der Wirbels&ule bei einem 54 jährigen 
früheren Schreiner. Beginn der Erkrankung vor 4 Jahren mit rheuma¬ 
tischen Beschwerden. Aus dem Krankenhaus ungeheilt entlassen. Bei 
Untersuchung durch Vortr. waren Beschwerden nicht mehr mul tiartikulär, 
sondern aufs rechte Hüftgelenk beschränkt. Konnte nicht auftreten, 
beträchtliche Steifigkeit des Gelenks, HemmungsbeweguDgen schmerzhaft. 
Da Spitzendämpfung, viel Husten, abends schwaches Fieber, Puls über 
100 stellte Vortr. die Diagnose auf Tuberkulose des Hüftgelenks. Stütz- 
Gipsverband, danach noch ein zweiter solcher, Pat. entzog sich der Be¬ 
handlung und nahm den 2. Verband selbst ab. Erst nach 2 Jahren sah 
Vortr. den Kranken, der nicht arbeitsfähig geworden war, wieder. Pat. 
klagte über Schmerzen im linken Bein. Senkungsabscess unter dem 
Poupart’schen Band. Kein Gibbus. Punktion des Abscesses, Formalin- 
glycerininjektion, Erfolg nicht so günstig als links, es blieb eine Fistel. 
Eröffnung des Psoasabscesses. Die Gegend des Hüftgelenks wurde nun 
wieder schmerzhaft, es bildete sich in der Nähe der ersten eine zweite 
Fistel; unterhalb und nach einwärts vom Trochanter Fluktuation. In¬ 
zision brachte keine Erleichterung, Fieber blieb, es war kein Zweifel, 
dass der alte Herd im Hüftgelenk aufgefiackert war. Gestern Operation. 
Sprenger’sche SobnittführuDg, Sohenkelkopf bis zum Trochanter cariös, 
Resektion. Wahrscheinlich ist der Abscess in der Fossa iliaca nach 
dem Gelenk durchgebrochen. 

Hr. Führ wahr demonstriert einen Patienten mit Myotonia atrophica. 
Atrophie am rechten Oberschenkel, myotODische Erscheinungen besonders 
an Unterschenkel und Händen. Handmuskulatur nicht atrophisch. 
Geringe Atrophie der Genitalien. Patellar-Achillessehnenreflexe fehlen. 
Familienanamnese nihil. Kraue. 


Medizinische Gesellschaft zu Basel. 

Sitzung vom 11. Juni 1914. 

Hr. de Qaervain-. Chirurgisch« Demonstrationen. 

1. Pneumokokkenperitonitis bei einem Kinde. Kochsalz- 
spüluog der Bauchhöhle. Ausgangspunkt der Pneumokokkenperitonitis 
unbekannt. 

2. 77 jähriger Patient, dem vor 18 Jahren ohne Erfolg die Prostata 
teilweise entfernt worden war wegen Hypertrophie. In den 
18 Jahren ca. 40 000 mal Autokatheterismus. Die Reste der Prostata 
wurden jetzt operativ entfernt. Nach 18 jähriger Untätigkeit hat die Blase 
ihre Funktion wieder übernommen; Pat. uriniert im Strahl, und kaon i 
das Wasser bis zu 4 Stunden halten. 

3. Urethradivertikel. Bei dem Pat. war wegen gonorrhoischer 
Striktur ein Eingriff vorgenommen worden, der eine ungenügende 
Funktion des Sphincter urethrae zur Folge gehabt hatte. Pat. hatte 
sich daraufhin selbst eine Art „Sohlauchklemme“ konstruieren lassen, 
mit welcher er seinen Penisschaft komprimierte. Hinter der Klemme 
hat sich mit der Zeit ein Urethradivertikel ausgebildet, das jetzt 
operativ entfernt worden ist. Demonstration des Präparats; das 
Divertikel fasst 100 ccm. 

4. Hypophysen tu mor: Pat. mit bitemporaler Hemianopsie, ein¬ 
geschränktem Gesichtsfeld, Herabsetzung des Visus beiderseits. In 
Lokalanästhesie wurde die Nase nach rechts hinüber-, der Oberkiefer¬ 
körper nach links herübergeklappt. An Stelle der Hypophyse fand sich 
ein cystischer Hohlraum. Derselbe wurde entleert. Nach 4 Wochen 
Visus auf dem einen Auge etwas gebessert. Einige Zeit nach 
der Operation stellten sich Zeichen einer Meningitis ein. Die Lumbal¬ 
punktion ergab trübe Flüssigkeit mit Streptokokken. Nach wiederholten 
Lumbalpunktionen wurde die Cerebrospinalflüssigkeit wieder klar, ent¬ 
hielt keine Streptokokken mehr, ein Beweis dalür, dass auch von den 
Meningen diese Mikroorganismen resorbiert werden können. Die Rekon- 
valescenz ist bei der Pat. ganz normal. 

5. Magendivertikel. Vortr. hatte Gelegenheit, eine bis jetzt 
unbekannte Form von Magendivertikel zu beobachten. Auf dem 
Röntgenbild zeigte sich ein auffallend grosses Divertikel mit Gasblase, 
das der Form nach einem Haudek-Divertikel nicht unähnlich sah, der 
Grösse nach aber ein solches bei weitem übertraf. Die Pat. wurde 
operiert wegen einer Gallenblasenaffektion. Der Magen erwies sich als 
vollkommen normal; sowie die Magenwand durch Kneifen mechanisch 
gereizt wurde, entstand vor den Augen des Operateurs ein grosses 
Divertikel. Dieses war später bei Kontrollröntgenaufnahmen, besonders 
bei Durchleuchtung von der Seite, wiederholt nachweisbar. Die Ursache 
für dieses Divertikel ist nach der Ansicht des Vortr. zu suchen in einer 
umschriebenen Parese der Magenwand. Vortr. beobachtete einen analogen 
zweiten Fall, ebenfalls mit Gallenblasenaffektion; das Röntgenbild zeigte 
ein gleiches, sehr grosses Divertikel der Magenhinterwand. Keine 
Operation. 

Hr. Iselin: Kleine chirurgische Mitteilungen. 

1. Patientin mit Tumoren des Schädeldaches, Tumor des 
rechten Sohambeinastes, Tumor in der Magengegend. Probe¬ 
exzision aus einem Sohädeldachtumor ergab, dass es sich um Struma¬ 
metastasen handelte. 


2. Röntgenaufnahmen in zwei zueinander senkrechten 
Ebenen. Vortr. empfiehlt bei Röntgenaufnahmen des Schultergelenks, 
eventuell auch des Hüftgelenks, sich nicht mit der Aufnahme von einer 
Seite zu begnügeD. Er konnte eine Fraktur unterhalb des Humerus¬ 
kopfes, die bei der Aufnahme von der Seite nicht erkennbar war, da¬ 
durch nachweisen, dass er das Schultergelenk von oben aufnehraen Hess. 
Die Röntgenplatte braucht nicht, wie sonst allgemein für unumgänglich 
notwendig erachtet wird, dem Gelenke direkt aozuliegen. Es empfiehlt 
sich eventuell die Röntgenröhre unterhalb des Scbultergelenkes anzu¬ 
bringen, die Platte oberhalb des Scbultergelenkes. Man erhält auf diese 
Weise klare Detailbilder der einzelnen Gelenkpartien. 

8. Zwerchfellchirurgie. Vortr. bat Hunden Zwerch fellstich- 
wunden beigebracht; die Tiere wurden daraufhin sich selbst überlassen. 
Eine Hündin hat nach einem solchen Eingriff eine normale Gravidität 
durcbgemacht und hat normale Junge geworfen. Bei der Autopsie der 
Hunde zeigte es sieb, dass die Zwerchfellwunden schön vernarbt waren. 
Vortr. schfiesst daraus, dass es nicht absolut notwendig sei, jede 
Zwerchfellwunde operativ zu schliessen; es kann dadurch, was besonders 
wichtig ist, die Operationsdauer abgekürzt werden. 

4. Bemerkung zur Geschichte der Chirurgie. Vortr. weist 
nach, dass die hintere Gastroenterostomie zuerst von Prof. Courvoisier- 
Basel ausgeführt worden ist, 2 Jahre bevor v. Hacker diese Methode 
angegeben hat. 

Hr. de Montmollin: Ueber Milztuberkulose. (Mit Demonstrationen.) 

41jährige Patientin mit unbestimmten Beschwerden, Kräftezerfall, 
Abmagerung, Druckgefübl im Abdomen links. Die Untersuchung ergab 
einen derben, bimanuell gut abtastbaren, länglichen Tumor mit Dach 
vorne gerichteter Kante. Ein langer linksseitiger Flankenschnitt führte 
auf die vergrösserte Milz; dieselbe wurde entfernt; sie war auf das drei¬ 
fache vergrössert, zeigte vermehrte Resistenz} Höckerbildung; Gewicht 
520 g * 

Diskussion. Hr. Schönberg bespricht das histologische Bild der 
exstirpierten Milz, das charakterisiert war durch zahlreiche Epitheloid- 
tuberkel ohne Nekrosen, mit spärlichen Langhans’schen Riesenzellen, 
sowie sehr spärlichen Tuberkelbacillen im Antiformiüpräparat; ein Be¬ 
fund, der bisher in der Milz nicht erhoben wurde, und der in Analogie 
steht mit der als „körniges Lymphom“ bekannten Form der Lymph- 
drüsentuberkulose. 

Hr. Hüssli: Weitere Demonstrationen zir Milzchirnrgie. 

Drei Fälle von Milzexstirpation: 1. Eine Malariamilz, von 500 g 
Gewicht, wurde entfernt, weil sie ein mechanisches Hindernis bildete. 
Die Hoffnung mit der Milzexstirpation auch das ätiologische Moment der 
Malaria entfernt zu haben, erfüllte sich nicht. Während der Rekon- 
valescenz hatte die Pat. Malariaanfälle mit Plasmodien im Blute. Nach 
Chininmedikation Heilung. 

2. Milzexstirpation bei Morbus Banti. Erfolg, besonders bezüglich 
des Blutbefundes, gut. 

3. Milzexstirpation bei pernieiöser Anämie. Pat. erholt sich nur 
langsam, 

Diskussion. 

Hr. K. Hagenbach erkundigt sich nach den Erfahrungen der 
chirurgischen Klinik mit dem Coagulen Kocher Fonio, welches von 
Dr. de Montmollin in seinem Bericht über die Exstirpation der tuber¬ 
kulösen Milz erwähnt worden war. 

Hr. de Quervain: Das Coagulen Rocher-Fonio macht die 

Gefässligatur nicht überflüssig; wo unterbunden werden kann, da ist das 
Unterbinden viel einfacher, rascher und hauptsächlich sicherer. Bei 
Blutungen in Höhlen, bei denen tamponiert werden muss, da scheinen 
unter der Wirkung des Coagulens die Coagula rascher zu entstehen und 
zäher, fester zu sein. Io diesen Ausnahmefällen kann das Coagulen eine 
Erleichterung der Blutstillung bringen. Vielleicht können auch Blutungen 
bei Operationen an Hämophilen und an Leukämikern mit Hilfe des 
Coagulens besser gestillt werden. 

Hr. Suter: In einem Fall von Blasencarcinom mit heftigen 
Blutungen hat das Coagulen Kocher-Fonio vollkommen versagt. 

Lüdin-Basel. 


K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. 

Sitzung vom 19. Juni 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Chiari demonstriert eine kleine Spitzkugel, welche er aus dem 
rechten Recessus pyriformis eines 9jährigen Knaben extrahiert hat. 

Hr. Manchik führt einen 63jährigen Mann vor, bei welchem er ein 
Careinom der Traehea mit Radium behandelt hat. 

Hr. Fröschels stellt einen 8jährigen Knaben mit klonischem Stottern 
vor; dieses erstreckt sich auch auf einzelne Laute, und zwar auf Ex* 
plosivlaute. „ 

Hr. Oser stellt einen Mann mit Aneurysma racemosum der Maxii- 
laris externa vor. . , 

Hr. Goldscbmidt demonstriert mehrere Fälle von chirurgischer 
Tuberkulose, welche mittels der Höhensonne (Licht der Quarzlampe) 
bestrahlt worden sind. 

Ein Mädchen hatte ein faustgrosses Paket scrophulöser Drüsen am 
I Halse, nebst einer Fistel. Auf 20 malige Bestrahlung sind die Drusen 
I bis auf einen kleinen Rest zurückgegangen. 


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UNIVERSITY OF IOWA 




20. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1396 


Bio Mädchen hatte einen Sehnenscheidenfnngus über dem ganzen 
Dorsum einer Hand und ebenfalls eine Fistel; nach 22maliger Bestrah¬ 
lung sind die Erscheinungen zurückgegangen und die Fistel hat sich 
geschlossen. 

Eine Heilung erfolgte auch bei einer Frau mit einem kariösen Pro¬ 
zess an der Grundphalanx eines Fingers, wobei zwei Fisteln vorhanden 
waren. 

Bei einem Manne wurden Lymphomata colli inzidiert, worauf Fisteln 
zurückblieben; nach Bestrahlung sind die Lymphome zurückgegangen 
und die Fisteln haben sich geschlossen. 

Bei einem Manne heilte nach 5 Bestrahlungen Caries einer Rippe 
mit einem grossen kalten Abscess aus. 

Die tuberkulösen Fisteln werden durch Quarzlicht günstig beeinflusst, 
besonders gut heilen beginnende Fälle und solche ohne Mischinfektion. 

Hr. Hofbaaer zeigt einen Fall als Beitrag zur Symptomatologie 
des listens. 

Das vorgestellte Mädchen erkrankte vor 20 Monaten an quälendem 
Husten mit geriuger Expektoration; die Untersuchung ergab eine gering¬ 
gradige Bronchitis, welche mit dem schweren Husten nicht im Einklang 
staud. Da Pat. blass wurde, wurde sie für tuberkulös gehalten. Röat- 
genologiscb wurden fleckige Herde in den Lungen gefunden. Die genaue 
Anamnese ergab, dass Pat. au einzelnen Tagen gar nicht hustet, dass 
sie dauu plötzlich einen stundenlang anhaltenden Husten bekommt, der 
dann mit einem Schlage aufhört. Das deutete auf einen Fremdkörper 
im Respirationstrakte hin. Pat. batte wirklich vor 20 Monaten ein zwei- 
kronenstückgrosses Stück Blech geschluckt; es wurde eine Erdäpfelkur 
duTohgelührt. Eins neuerliche Röntgenaufnahme zeigte in der Höhe des 
Jogulum einen runden Schatten, welchen Vortr. auf die Anwesenheit des 
Fremdkörpers im unteren Teil des Rachens zurückführt. Es wird die 
laryngoskopische Untersuchung vorgenommen werden. 

HHr. Arzt und Kerl: 

Weitere Mitteilung über Spiroehätenbefonde bei Kaninehen. 

Vortr. hatten vor einigen Wochen anlässlich des Berichtes über ihre 
Untersuchungen betreffs Syphilisübertragung auf Kaninchen mitgeteilt, 
dass sich bei einzelnen Kaninchen, welche nicht experimentell mit Syphilis 
infiziert waren, eine Erkrankung des Genitales mit Spirochäten fand. 
Diese waren von der Spirochaeta pallida nicht zu unterscheiden. Vortr. 
erklärten sich diese Befunde dadurch, dass entweder bei Kaninchen eine 
spontane Spiroohätose vorkommt oder dass die Tiere irgendwie mit 
Spirochaeta pallida infiziert worden sind. Vortr. haben daher mehrere 
Zuchten von Kaninchen untersucht. Unter 267 erwachsenen Tieren 
fanden sich 72 mit einer Genitalaffektion und Spirochätenbefund, bei 
vielen war die Genitalaffektion ulceröser Natur; in einer Drüse wurden 
Spirochäten nachgewiesen. Bei einem Kaninchen fand sich auch eine 
papulöseEfflorescenz an der Unterlippe; in dem Reizserum dieser Efflores- 
cenz wurden Spirochäten gefunden. Es wurden bei mehreren Tieren 
Ueberimpfungsversuche vorgenommen, es blieb aber nur ein Tier am 
Leben, dieses bekam am 27. Tage Erosionen an der Clitoris mit positivem 
Spirochätenbefund. Ferner wurden 2 Affen von den Kaninchen geimpft; 
bei einem Tiere traten papulöse Effiorescenzen am Genitale auf, in 
welchen bisher keine Spirochäten nacbgewiesen wurden. 

Die bei den Tieren gefundene Spirochäte lässt sich vorläufig nicht 
von der Spirochaeta pallida differenzieren. Die Natur der Krankheit ist 
noch nicht geklärt und es werden weitere Versuche vorgenommeu werden. 

_ H. 

Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde zn Wien. 

Sitzung vom 18. Juni 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Fimi stellt einen 22jährigen Mann mit einem Tumor des Nasen- 
raebeiraimes mit Metastasen an der Gehirnbasis und im Rücken¬ 
mark vor. 

Hr. Biaeh demonstriert einen Fall von Dystonia mnsealoram de- 
foraai8 (progressiver Torsionsspasmus, Ziehen-Oppenheim’sche Er¬ 
krankung). 

Der 20jährige Mann begann vor 5 Jahren den rechten Fuss nach¬ 
zuschleppen, seit 3 Jahren hat er in ihm Schmerzen und ein drehendes 
Gefühl, ausserdem hat er stechende Schmerzen im Rücken. Wenn Pat. 
sich aufstellt, so wird das rechte Bein in Torsionsstellung gehalten, der 
Fuss befindet sich in einer klumpfussähnliehen Stellung, infolge eines 
Spasmus der Rüekenrauskulatur treten Lordose und Skoliose ein; der 
Spasmus lässt nach, wenn Pat. sich anhält, oder wenn er gestützt wird. 
Die kleinen Fussmuskeln sind atrophisch. Der Kopf sinkt leicht nach 
hinten, infolgedessen werden die Halsmuskeln stark angespannt. In der 
Muskulatur sieht mau kleine Zuckungen. Der Gang des Pat. ist hoch¬ 
gradig erschwert. Dieses progressive Leiden, von welehem bisher kein 
geheilter Fall bekannt ist, beruht auf einer organischen Veränderung 
des Centralnervensystems, welche vielleicht im Kleinhirn oder in den von 
ihm abgebenden Bahnen lokalisiert ist. 

Hr. Nenda: Zar Pathogenese des Qnincke’schen Oedems. 

Die Untersuchungen des Vortr. erstreckten sich auf 5 Fälle, in 
welchen allen sich die Befunde, die Vortr. im ersten Falle erheben konnte, 
la den Grundzügen bestätigt fanden. Vortr. hält sich im grossen ganzen 
an einen Fall von periodischem Erbrechen mit Schwellungen, den er im 
Oktober in dieser Gesellschaft vorgestellt hat, und an dem er alle Be- 
unde in den einzelnen Punkten erheben konnte, die er für eine Pathogenese 


dieser Affektion geltend macht. Es handelt sich vor allem um drei 
Kardinalsymptome, die für den Anfall sich als charakteristisch erwiesen 
haben: 1. die Miizschwellung, welche palpatorisch und perkutorisch nach¬ 
weisbar ist; 2. die exquisite Urobilinurie, eventuell Albuminurie, diese 
aber nicht so konstant wie die erstere; 3. Eigentümlichkeiten des Blut¬ 
befundes, wie Anstieg des Hämoglobingebaltes und des Färbeindex un¬ 
mittelbar vor dem Anfall und im Anfall. 

Die 3 klinischen Befunde weisen übereinstimmend auf einen hämo¬ 
lytischen Vorgang hin. Ein interessantes und wichtiges Ergebnis brachte 
die täglich durebgeführte Resistenzbestimmung der Erythrocyten. Ausser¬ 
halb des Anfalls war die Minimalresistenz ziemlich gering, bei 0,54, im 
Anfall jedoch 0,42, also gesteigert; die Maximalresistenz war vorher auf¬ 
fallend hoch, bei 0,1, sie sank im Anfall auf 0,34. Vortr. scbliesst dar¬ 
aus, dass im Anfall jene ausserordentlich resistenten Erytbrocyten wahr¬ 
scheinlich zugrunde gehen (also wieder die Hämolyse). Die Steigerung 
der Minimalresistenz lässt nach experimentellen Versuchen, die in der 
Literatur vorliegen und nach denen Injektion von lackfarbeuem Blut 
eine Resistenzsteigeruug macht, folgende Erklärung zu: Der hämolytische 
Vorgang mit seiner Konsequenz, der Hämoglobinämie, kann die Resistenz¬ 
steigerung erklären. Den Hämoglobingehalt des Serums bat Vortr. für 
den Anfall zweimal nachweisen können. Das Charakteristische der 
Quincke’schen Affektion, die akute circumscripte Schwellung, erklärt 
Vortr. durch eine Art von Hydrämie, welche durch die Wassersparung 
vor dem Anfall, wie sie sich klinisch durch Harn- und Stuhlverhaltung, 
Trockenheit im Munde und ständiges Durstgefühl dokumentiert, entsteht. 

H. 

Aus Pariser medizinischen Gesellschaften. 

Acaddmie de mddecine. 

Sitzung vom 5. Mai 1914. 

Hr. Borrel hat die Piguentzellen der gewöhnlich kongenitalen 
Naevi untersucht, beim Menschen und bei Tieren. Beim Menschen finden 
sich diese Zellen namentlich um die Haarfollikel. Es siud die gleichen 
Zellen, welche den Federn der Vögel deu besonderen Glanz verleihen. 
Es sind Zellen, welche unlösliche Produkte und Abfälle des Zellebens 
nach aussen ausscheiden und andererseits die Epidermis vor den Licht¬ 
strahlen schützen müssen, ln einem gewissen Alter tritt eine besondere 
Tätigkeit der Zellen des ganzen Haarsystems ein, die Haare werden 
grau; dieses Alter ist für Carcinom am günstigsten. Das Carcinom ist 
nicht eine einfache Folge dieser erhöhten Tätigkeit; das Pigment spielt 
auch nicht die Rolle eines Mikroorganismus. Vortr. meint, es bestehe 
ein besonderes Virus, das sich in den Pigmentzellen entwickle. Eine 
äussere Ursache allein könnte erklären, warum trotz der ausserordent- 
licheu Häufigkeit der Naevi die Naevicarcinotne so selten sind. 

Nach Hrn. Conteand genügt eine gut geleitete Behandlung von 8 
bis 10 Tagen, um eine Sehlüsselbeinfraktar zu heilen. Er hat 6 Fälle 
in 8 Tagen geheilt. Seine Methode ist vom Prinzip der kontinuierlichen 
Extension abgeleitet. Patient soll in Bettruhe successiv zwei Stellungen 
einuebmen. Zuerst wird der Arm der kranken Seite vertikal nach unten 
aus dem Bett gestreckt, während die Schulter nicht auf dem Bett ruht, 
und zwar wahrend einer Stunde. Nachher lässt man den rechtwinklig 
gebeugten Arm aus dem Bett hängen; der Vorderarm ruht auf einer 
tiefer als der Bettrand angebrachten Unterlage. Die Methode ist seit 
10 Jahren erprobt. Der Callus ist schöD, die Claviculae behalten 
normale Länge, die kranke Clavieula kann eventuell sogar länger werden 
als die gesunde. Die Resultate sind besser als bei chirurgischer Be¬ 
handlung oder mit Verbänden. 

Sitzung vom 19. Mai 1914. 

HHr. Ferd. Bezan^on und de Serboines haben die experimeitelle 
Tuberkelbacillenreinfektioi der Lunge versucht. Wenn maa einem 
gesunden Meerschweinchen 1—2 mg menschlicher Toberkelbacillen in 
die Trachea injiziert, erzeugt man eine tuberkulöse Bronchopneumonie, 
die rasch zu massiver Verkäsung führt. Die inoculierten Bacillen ent¬ 
wickeln sich in Menge in den Alveolen, die das Bild der käsigen Pneu¬ 
monie aufweisen. Wenn man die gleiche Injektion Bchon vorher tuber- 
kulisierten Meerschweinchen macht, die durch subcutane Injektion schon 
tuberkulöse Granulationen verschiedener Organe aufweisen, ist der Ver¬ 
lauf ein ganz anderer. Schon am Tage der Injektion entsteht starke 
Kongestion der Alveolencapillaren und starke Dyspnoe, die zum Tode 
führen kann. Meist widerstehen die Tiere, die Dyspnoe nimmt ab, und 
zwar häufiger als bei den vorher gesunden Tieren. Bei Reinfektion tritt 
nicht käsige Pneumonie ein, sondern katarrhalische Entzündung der 
Alveolen, die zu interstitieller Sklerose führt, die Bacillen sind selten 
und schwer in den Alveolen zu färben. Diese Untersuchungen unter¬ 
stützen die Ansicht, dass das, was man einen tuberkulösen Boden nennt, 
ein bakteriologischer Zustand ist, abhängig von einer vorausgegangenen 
leichten Infektion, die eine relative Immunität schafft und den Organismus 
resistent macht; während beim Fehlen dieser Infektion der Organismus 
für Tuberkulose empfindlich ist. Diese Untersuchungsresultate bestätigen 
auch die Forschungen von Metsohnikoff, Burnet und Calraette, 
die bei bis jetzt tuberkulosefreien Völkerschaften die Häufigkeit des 
raschen Verlaufes und der massiven Verkäsungen der Tuberkulosen nach¬ 
gewiesen haben, im Gegensatz zu der Häufigkeit der langsam verlaufenden, 
sklerosierenden Formen der zivilisierten Völker, die von Jugend an 
leichten Infektionen ausgesetzt sind. Sie erklären auch die scheinbar 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1396 


Nr. 29. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


paradoxe Tatsache, dass Tuberkulöse lange den häufigen Autoreinfektionen, 
denen sie bei offenen Tuberkulosen beständig ausgesetzt sind, wider¬ 
stehen können, und die Tatsache, dass Kinder für die erste Infektion 
sehr empfindlich sind, während Erwachsene für neue Infektionen wenig 
empfänglich sind. 

Hr. Marcel LabbA erinnert, dass die Operationsgefahr bei Diabetikern 
von der Hyperglykämie und von der Acidose abhängig ist und ausser¬ 
dem von den Gefässveränderungen, die nicht speziell dem Diabetes eigen 
sind. Die Hyperglykämie begünstigt die Eiterung, die aber durch gute 
Asepsis vermieden werden kann. Es ist besser, vor der Operation den 
Zuckergehalt des Blutes durch geeignete Diät herabzusetzen. Die Aci¬ 
dose ist gefährlicher, ihr sind das Coraa und der Tod nach Operationen 
zuzuschreiben. Diese treten bei Diabetes mit Acidose ein, aber auch 
bei Diabetes ohne Abmagerung, die vorübergehend Acidose haben, end¬ 
lich auch bei Diabetes ohne Abmagerung und Acidose nach Operationen 
unter Chloroform. Das Trauma der Operation, schwere Operation, die 
Aufregung vor der Operation können Acidose erzeugen, aber die Gefahr 
liegt mehr im Narcoticum als in der Operation. Am gefährlichsten ist 
Chloroform, es erzeugt oft sofort Acidose, aber nicht immer. Aetber ist 
weniger gefährlich, Chloräthyl noch viel weniger. Die Rachianästhesie 
mit Cocain ist ungefährlich, am besten ist Lokalanästhesie nach Reclus. 
Demnach sollen 1. an Diabetikern nur absolut notwendige Operationen 
gemacht werden. 2. Zuerst müssen Acidose und Glykämie durch Diät 
behandelt werden. 3. Vor der Operation sollen 40 g Natr. bicarb. ver¬ 
abfolgt werden und 4. zur Anästhesie mit Vorliebe die lokale Anästhesie 
oder Chlorätbyl verwendet werden. Nach der Operation wird Natr. 
bicarb. in hoben Dosen verwendet und möglichst bald als Nahrung 
trockene Gemüse, Hafersuppen und Milch. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin, ln der Sitzung der Berliner dermatologischen Gesell¬ 
schaft vom 14. Juli stellte zunächst Herr Erwin Franck (a. G.) vor 
der Tagesordnung einen Fall von Alopecia totalis im Anschluss an 
Trauma vor (Diskussion: die Herren R. Ledermann, J. Heller, 
0. Rosenthal, 0. Sprinz, F. Pinkus, E. Franck). Dann demon¬ 
strierte Herr H. Isaak erstens einen Fall von Psoriasis vulgaris mit 
Beteiligung der Zunge (Diskussion: die Herren 0. Rosenthal, 
R. Ledermann, A. Lippmann, H. Isaak), sodann einen Fall von 
Lichen ruber verrucosus. Herr 0. Sprinz zeigte einen Fall von Pseudo¬ 
pelade, Herr C. A. Hoff mann einen Fall von Sclerodermia linearis und 
demonstrierte dann mikroskopische Bilder von Ringelhaaren. Zum 
Schluss stellte Herr R. Ledermann einen Knaben mit synovialer 
multipler Arthritis auf kongenital luetischer Basis vor und Herr 
F. Pinkus besprach die Genese der Primeldermatitis. 

— Die Münchener medizinische Wochenschrift macht mit Recht 
darauf aufmerksam, dass es im Jahre 1917 wiederum zu Kollisionen 
wichtiger Kongresse kommen wird: insbesondere wird ausser dem grossen 
Internationalen Kongress auch die Internationale Gesell¬ 
schaft für Chirurgie ihre Tagung, und zwar in Paris, abhalten. Wir 
haben an dieser Stelle schon oft darauf hiDgewiesen, dass das einzige 
Mittel, dem vorzubeugen, in der Annahme eines vierjährigen Turnus 
auch seitens der internationalen Spezialkongresse liegen würde — dann 
würde jede Kollision unmöglich werden. Leider besteht bei letzteren 
vorläufig wenig Neigung, ihre Statuten zu ändern, und ebensowenig wird 
man damit rechnen dürfen, dass der Internationale Chirurgenkongress 
etwa als Sektion sich dem Internationalen medizinischen Kongress ein- 
ordnen werde — dem widerspricht schon der völlig geschlossene Charakter 
der Chirurgischen Gesellschaft. Erreichen wird man hoffentlich wenigstens, 
dass die chirurgische Tagung in zeitlichem Zusammenhang mit dem 
Münohener Kongress stattfiuden wird, damit die ausländischen Fach¬ 
männer an beiden Veranstaltungen teilnehmen können. Die Annahme 
übrigens, dass der internationale Anatomenkongress sich 1917 der 
Münchener Organisation einreihen werde, trifft — soweit wir orientiert 
sind — nicht zu; der nächste Internationale Anatomenkongress findet 
1915 in Amsterdam statt, der folgende erst 1920; es kann sich also 
wohl nur um eine etwaige Eingliederung der Deutschen anatomischen 
Gesellschaft als Sektion handeln. 

— Das Orgaoisationskomitee des vorjährigen Internationalen 
medizinischen Kongresses zu London hielt am 7. d. Mts. unter 
dem Vorsitz von Sir Thomas Barlow seine Schlusssitzung ab; der 
Generalsekretär, Sir Wilmot Herringbam erstattete ein Resümee über 
die geleistete Arbeit, Dr. Makins berichtete über das finanzielle Er¬ 
gebnis, welches mit einem Ueberschuss von 45 Lstr., 15 sh. 2 d. abschliesst, 
allerdings nur dadurch, dass seitens vieler gelehrter Gesellschaften so¬ 
wie der einzelnen Sektionen freiwillige Beiträge geleistet wurden. Die 
Verhandlungen des Kongresses, die bereits nach kaum mehr als einem 
halben Jahre vollständig erschienen, umfassen die gewaltige Zahl von 
12 489 Seiten. — Das Komitee konstituierte sich schliesslich als per¬ 
manentes Nationalkomitee für Grossbritannien und Irland, unter 
Vorsitz von Sir Thomas Barlow; als Sekretäre fungieren Dr. Clive 
Riviere und Dr. H. J. Paterson. 

— Der Bericht über die vorjährige Englandfahrt des Zentralkomitees 
für ärztliche Studienreisen — herausgegeben von San.-Rat Dr. Oliven — 


liegt nunmehr im Druck vor; er wird auch vielen, die nicht an der 
Reise selbst teilgenommen haben, als Erinnerung an die Londoner 
Kougresstage, über die Lennhoff anschaulich berichtet, willkommen sein. 

— Die Retroflexionsoperationcn werden den im September 1915 in 
New-York tagenden VII. Internationalen Kongress für Geburts¬ 
hilfe und Gynäkologie beschäftigen. Ein Bericht über die Spät¬ 
resultate der verschiedenen Operationsmethoden (Referent: Van de Velde- 
Haarlem) wird die Grundlage für die Diskussion bilden. Zur Erhaltung 
eines grossen statistischen Materiales ist die Mitarbeit vieler Operateure 
notwendig. Eine Kommission, bestehend aus den Herren: A. Martin- 
Berlin, F. Schauta-Wien, J. L. Faure-Paris, E. Pestalozza-Rom, 
Dm. de Ott-Sfc. Petersburg, J. Riddle Goffe-New-Vork, H. Spencer- 
London, Th. H. van de Velde-Haarlem, vom VI. Kongress (Berlin 1912) 
ernannt, hat die Fachkollegen aller Länder um diese Mitwirkung nach- 
gesucht und schon zahlreiche Zusagen erhalten. Die Kommission 
bittet diejenigen Operateure, die sich noch nicht zur Teilnahme an der 
Untersuchung gemeldet haben, aufs dringlichste, sich noch zur Mit¬ 
arbeit zu entschlossen und dieses dem Referenten (Adresse: Vrouwen- 
kliniek-Haarlem) mitzuteilen, der zu jeder gewünschten Auskunft gerne 
bereit ist. 

— Gebeimer Medizinalrat Prof. Dr. Fasbender, der bekannte 
Berliner Gynäkologe, ist 71 Jahre alt verstorben. 

— Herr Dr. Georg Meier, Assistent am Kgl. Institut für Infek¬ 
tionskrankheiten „Robert Koch“, wurde zum Leiter des bakteriologischen 
Instituts in Daressalem ernannt. 

Hochschulnachrichten. 

Berlin. Prof. Albrecht wurde als Direktor der Hals-Nasenklinik 
nach Tübingen berufen. — Giessen. Habilitiert: Dr. Göring für 
Psychiatrie.— Heidelberg. Geheimer Hofrat Kossel wurde Gebeimrat.— 
Königsberg. Der Direktor des pharmakologischen Instituts, Professor 
Ellinger, erhielt einen Ruf an die Universität Frankfurt. Der Privat¬ 
dozent Dr. Fetzner wurde zum Direktor der Landeshebammenschule in 
Stuttgart ernannt. — Rostock. Habilitiert: Dr. Moral für Zahnheil¬ 
kunde. — Bern. Ausserordentlicher Professor Asher wurde als Nach¬ 
folger Krön eck er’s zum Ordinarius für Physiologie ernannt. — Zürich. 
Der Privatdozent für Chirurgie Dr. Schumacher ist gestorben. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personal len. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: San. - Räte Dr. 
Neumeister in Breslau und Dr. Waechter in Altona. 

König!. Kronen-Orden 2. Kl: Direktor des Instituts für Schiffs¬ 
und Tropenkrankheiten, Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Nocht in Hamburg. 

Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: Oberstabsarzt d. L. a. D, Dr. Gutsch 
in Karlsruhe i. B. 

Rote Kreuz-Medaille 2. KL: dirigierender Arzt des Auguste 
Viktoria-Heims in Eberswalde, Prof. Dr. A. Hildebrandt. 

Prädikat Professor: Vorsteher des Medizinaluntersuchungsamtes in 
Koblenz, Kreisarzt Dr. Hilgermann. 

Ernennungen: Stadtassistenzarzt Dr. L. Wellguth in Flensburg zum 
Kreisassistenzarzt in Danzig; Assistent am Institut für Infektionskrank¬ 
heiten „Robert Koch“ in Berlin Dr. J. Wanke 1 zum Kreisassistenz¬ 
arzt und Assistenten bei dem Medizinaluntersuchungsamte in Breslau. 

Versetzung: ordentl. Professor Dr. E. v. Hippel von Halle nach 
Göttingen. 

Niederlassungen: Dr. G. Ladisch in Betsche, Dr. K. Spoin- 
berger in Murowana-Gosliu, Dr. A. Kawczeski in Miloslaw, Dr. 
H. W. Mosenthin in Posen, K. Traugott in Frankfurt a. M., Dr. 
K. Tholl in Eltville, Dr. A. Goldschmidt in Laufenselden. 

Verzogen: Dr. K. Böttger von Bernstadt, Dr. 0. Hagmaier von 
Weinsberg, Dr. J. Hauerstein von München, K. Huldscbinsky von 
Reisen, H. Loew und Aerztin Dr. E. Reinicke von Charlotten Burg, 
G. Reichelt von Strassburg sowie Dr. J. Strübe von Bertin- 
Weissensee nach Berlin; Dr. M. Boustmann von Berlin-Friedenau, 
W. Hohmann von Berlin und Dr. H. Lange von Breslau nach Char¬ 
lottenburg, W. Wygodzinsky von Berlin nach Neukölln, Dr. R. 
Goedel von Berlin und Dr. E. Rosenfeld von Frankfurt a. 0. nach 
Berlin-Schöneberg, Dr. L. Laband von Berlin Schöneberg nach Berlin- 
Wilmersdorf, Dr. H. Hensen von Berlin nach Hamburg, Dr. K. Lang- 
ner von CÖln nach Jezewo, Dr. H. Krüger von Murowana-Goslm 
nach Posen-Wilda, A. Ncuberg von Flatow (Westpr.) nach Nieder¬ 
orschel, F. Specht von Radebeul, Dr. R. Habermanu von Bonn, 
Dr. A. Tassius von Breslau, Dr. R. v. Lippmann von Halle a. S„ 
Dr. W. Unger von Freiburg i. B. und Dr. K. Beer von Naurod 
(Heilstätte) nach Frankfurt a. M., Dr. 0. Wolff von Frankfurt a. M. 
nach Wildungen, Dr. W. Göbel von Siegen i. W. nach Dillenburg. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. A. Gutb- 
mann von Berlin-Schöneberg auf Reisen, Dr. W. Lidkowski von 
Posen, Dr. G. Hundhammer von Limburg a. L. _ 

Gestorben: San.-Rat Dr. P. Juliusburger in Berlin, Dr. A. 
Schober in Klaushagen (Kreis Neustettin), Dr. F. H. Hilbrenner 
in Borgloh. _ _ 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hane Kahn, Berlin W., Bayreuth« Strass««. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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BERLINER 


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▼olle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
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Kr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCEENSCHETFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

j.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Koha. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin. 


Montag, den 27. Juli 1914. 


M 30 . 


Einimdfunfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origlnalie»: Göppert: lieber manifeste und latente Insuffizienz der 
Exspiration im Kindesalter. (Illustr.) S. 1898. 

Bernhardt: Beitrag zur Lehre von der ErrötuDgsfuroht (Ereutho- 
phobie). S. 1400. 

Friedberger: Weitere Versuche über ultraviolettes Licht. (Aus 
dem pharmakologischen Institut der Universität Berlin, Abteilung 
für Immunitatsforscbung und experimentelle Therapie.) S. 1402. 
Schiff*. Ueber das serologische Verhalten eines Paares eineiiger 
Zwillinge. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität 
Berlin, Abteilung für experimentelle Therapie und Immunitäts¬ 
forschung.) S. 1405. 

Jacoby und Umeda: Ueber Auxowirkungen und gebundene Amino¬ 
säuren des Blutserums. (Aus dem biochemischen Laboratorium 
des städtischen Krankenhauses Moabit in Berlin.) S. 1407. 
Alexander und Unger: Heilung eines bemerkenswerten Grosshirn¬ 
tumors. (Illustr.) S. 1408. 

Friedmaun: Ueber die wissenschaftlichen Vorstudien und Grund¬ 
lagen zum Friedmann’schen Mittel. S. 1410. 

Praktische Ergebnisse. Innere Medizin. Stern: Beiträge zur 
Frühdiagnose der Lungentuberkulose. (Aus der Luugenheilanstalt 
Tannenberg im Eisass.) S. 1419. 

V&Biliu: Eine neue Spritze zur intravenösen Injektion von kon¬ 
zentriertem Neosalvarsan und anderen sehr reizenden Lösungen. 
(Aus der III. medizinischen Klinik zu Bukarest. (Illustr.) S. 1421. 
BftefcerbMpreehangen: Basch, Bayer, Borchardt, Ehrmann, 
Foges, Hofier, Eohn, Pineies, Wagner v. Jauregg: Lehr¬ 
buch der Organotherapie. S. 1422. (Eef. Münzer.) — Quetsch: 
Die Verletzungen der Wirbelsäule durch Unfall. S. 1422. (Ref. 
Köhler.) — v. Bruns, Garrö und Küttner: Handbuch der prak- 

Ueber manifeste und latente Insuffizienz der 
Exspiration im Kindesalter. 

Von 

Prof. F. GÖppert-Göttiogen. 

(Nach einem Vortrag, gehalten in der Göttinger medizinischen Gesellschaft.) 

Unter der grossen Anzahl von Kindern, die an chronischem 
nnd recidivierendem Hasten leiden, findet man in einzelnen Fällen 
einen recht erheblichen Tiefstand der Lungengrenzen, wo weder 
klinische Erscheinungen noch der auscultatorische Befund uns 
vorher dies hätten erwarten lassen. Nun muss mau bei den im 
Schulalter befindlichen Kindern nicht jeden Tiefstand der hinteren 
Lungengrenzen als pathologisch ansprechen. Vielmehr ist oft der 
untertf Rand der 11. Rippe bei nach vorn gebeugtem Oberkörper 
*1* normaler Zwerchfellstand anzusehen. Dass es sich 
aber in jenen Fällen um einen pathologischen Befund handelt, 
leicht dadurch beweisen, dass, wenn man manuell beim 
öMpiriuin die Luft exprimieren hilft, die Lungengrenzen beider- 
*®its hinten und rechts vorn oft über 2 cm in die Höhe rücken 
and in diesem Zustand bei der gewöhnlichen Inspiration minuten- 
tas halbe Stunden lang verweilen. Als Beispiel seien folgende 
"alle angeführt, von denen der erste zeitweise fälschlicherweise 
geradezu als Pharynxhusten erklärt worden war. 

Wilhelm R., 10 Jahre alt, mit 2 1 /* und 7 Jahren Lungenentzündung. 
» . J w br oft bei jeder kleinen Erkältung. Periodische Appetitlosigkeit, 
^aben 5. und 8. Lebensjahr oft heiser. 

10. XU. Untersuchung wegen „Anfälligkeit“. Gewicht 82,5 kg. 


ALT. 

tisohen Chirurgie. S. 1422. v. Bruns: Neue deutsche Chirurgie. 

S. 1422. (Ref. Adler.) 

Literatur- Asslüge: Physiologie. S. 1428. — Pharmakologie. S. 1428. — 
Therapie. S. 1428. — Allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie. S. 1424. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1425. — 
Innere Medizin. S. 1425. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1427. — Kinderheilkunde. S. 1427. — Chirurgie. S. 1427. — 
Röntgenologie. S. 1429. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. 
S. 1429. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1429. — Augenheil¬ 
kunde. S. 1430. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 1430. — 
Hygiene und Sanitätswesen. S. 1430. 

Verhaadlnogea ärztlicher Gesellschaft«»: Berliner medizinische 
Gesellschaft. Landau: Demonstration eines Uterus myomatosus 
III mensium von ll l / 2 Pfund Gewicht. S. 1431. Fuld: Zur Be¬ 
handlung der Colitis gravis mittels Spülungen von der Appendioo- 
stomie aus. S. 1431. Eckstein: Unbekannte Wirkung der Röntgen- 
strablen und ihre therapeutische Verwertung. S. 1432. — Berliner 
mikrobiologische Gesellschaft, S. 1432. — Vereinigung 
zur Pflege der vergleichenden Pathologie. S. 1434. — 
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin. 
S. 1436. — Berliner Gesellschaft für Chirurgie. S. 1436. — 
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für 
vaterländische Cultur zu Breslau. S. 1437. — Aerzt- 
licher Bezirksverein zu Erlangen. S. 1440. — Physi¬ 
kalisch-medizinische Gesellschaft zuWürzburg. S.1440.— 
Ans Pariser medizinischen Gesellschaften. S. 1441. 

Friedemann: Psyohobiologie. (Zum Andenken au August Pauly.) 
S. 1441. 

Tagesgeschichtl. Notizen. S.1444. — Amtl. Mitteilungen. S.1444. 


Jugulardrüsen höhnen- bis haselaussgross. Keine hypertrophischen Ton¬ 
sillen, aber gerötete hintere Rachenwaud. Auscultatorisch über den 
Lungen kein Befund. Die Lungengreuzen rechts hinten am unteren 
Rand der 11. Rippe, links hinten unterer Rand der 12. Rippe. Rechts 
vorn unterer Rand der 6. Rippe. Expression heute uioht durchführbar 
(ungebärdig). 

12. XII. Pirquet negativ. Lungengreuzen wie vorher. Durch 
systematische Uebung der Ausatmung steigen die Lungengrenzen beider¬ 
seits hinten um mehr als 2 cm, vorn um mehr als l cm (12 mm). Dieser 
Zustand bleibt 2 Minuten unverändert. Als dann der Junge aufgefordert 
wird, tief einzuatmeu, tritt der alte Zustand wieder ein. Nach noch¬ 
maliger Expression rückt die Lungengrense gleichfalls nach vorn um 
2 cm herauf. 

Elisabeth W., 5 Jahre alt, früher Strophulus. Hypertrophische Ton¬ 
sillen. Phlyktene. Pirquet positiv. Seit Mitte Dezember 1913 Husten. 

7.1. 1914. Ausoultatorisch nur etwas grobe bronchitische Geräusche. 
Lungeugreuze beiderseits hinten 11. Rippe. Eucalyptusöleinatmung. 
Atemübungen. 

13.1. Hustet leiohter und bricht nicht mehr dabei. Lungengreuzen 
hinten beiderseits 11.—12. Brustwirbel, reohts vorn oberer Rand der 

6. Rippe. Herzdämpfung verschwunden. Nach Aus&temübungeo hintere 
Lungengrenze in der Höhe des 10. Brustwirbels (Differenz 3 om), vorn 
Mitte der 5. Rippe (Differenz 1 om). 

28.1. Husten war geringer geworden, erst in der letzten Nacht 
etwas mehr. Lungenbefund wie am 13.1. 

11.11. Trotzdem das Kind weniger hustet und weniger auswirft, 
Lungeogreuzen eher noch tiefer stehend (hinten 12. Brustwirbel, vorn 

7. Rippe). Durch Atemübung Heraufrücken der Grenze vorn um 2, 
hinten um 2 1 /* cm. Ausoultatorisch nur vereinzelte Ronchi. Die 
Atemübungen in letzter Zeit nioht mehr richtig ausgeführt. 

24.11. Husten in Abnahme. Lungengrense hinten beiderseits 


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UNIVERSUM OF IOWA 







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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


11. Brustwirbel (10. Interoostalraum). Durch Atemübungen heute hinten 
nur Doch um 1 cm Heraufrücken zu erzielen. 

10. IV. Keine Beschwerden mehr. Lungengrenzen hinten 10. bis 
11. Brustwirbel (unterer Rand der 10. Rippe), rechts vorn oberer Rand 
der 6. Rippe, links unterer Rand der 3. Rippe. Die LuDgengrenzen gut 
verschieblich; ein Versuch mit forcierter Inspiration lässt sioh nicht 
machen, da das Kind statt dessen, wie es zu Hause geübt worden ist, 
forciert ausatmet. 

10. VI. Lungengrenzen beiderseits 10. Rippe. Vom oberer Rand 
der 5. Rippe. Das Kind lässt sich zu forcierten Inspirationen diesmal 
bewegen, doch bleibt die schädliche Wirkung aus. 

An diese Fälle mit unbedeutendstem, ja fast fehlendem aus- 
cultatorischem Befunde schliessen sich gradweise solche mit er¬ 
heblicheren broncbitischen Erscheinungen bis zu den aus¬ 
gesprochenen Fällen diffuser chronischer Bronchitis des asth¬ 
matischen Typus an, welch letztere uns hier nicht beschäftigen 
sollen. Interessant ist, dass auch dann, wenn stärkere bronchitische 
Erscheinungen auf eine erheblichere Sekretion hinweisen, die Ex¬ 
pression gelingt und nun mehr oder weniger lange die Reduktion 
des Lungenvolumens bestehen bleibt. Oft tritt erst bei den Ex¬ 
spirationsübungen reichlicher Auswurf ein, der vorher entweder 
überhaupt nicht oder nur in geringem Grade bestanden hatte. 
Mitunter Hess sich beobachten, dass mit Eintritt der Besserung 
das Volumen länger vermindert blieb. 

Elisabeth K., 10 Jahre alt, leidet seit einem Jahre an häufigem 
Husten. Oft auch Fieber. Nie völlig frei von Husten. Eine Schwester 
leidet viel an Ausschlägen. In der Familie besteht Neigung zu Katarrhen 
der Luftwege, aber keine Tuberkulose. 

25. II. Diffuses Schnurren und Giemen. LuDgengrenzen beiderseits 
hinten 12. Brustwirbel, rechts vorn oberer Rand der 7. Rippe. Absolute 
HerzdämpfuDg 4. Rippe. Nach Exspirationsübungen steigt die Lungen¬ 
grenze links hinten um IV 2 * rechts hinten um 2, vorn um 3 cm (unterer 
Rand der 5. Rippe). Im Gegensatz zu den anderen Fällen verschwindet 
die Verringerung des Lungenvolumens in kurzer Zeit spontan. 

7. II. Pirquet negativ. Sehr starker Hustenreiz bei den Atem¬ 
übungen, die bisher wobl nicht gut gelungen sind. 

13. II. Die Ausatemübungen gelingen jetzt auch zu Hause. Dabei 
massenhaft Auswurf. Die Lungengrenzen zu Anfang wie beim ersten 
Male. Nach Ausatemübungen, die die Mutter allein leitet, rücken die 
Lungengrenzen beiderseits hinten um 2 l l 2 cm, rechts vorn um 0/2 cm 
in die Höhe. Der starke Hustenreiz wird durch Vermeidung von forcierter 
Inspiration überwunden. Dabei entleert sich massenhaft eiteriger klumpiger 
Auswurf. Nunmehr bleibt das verminderte Volumen einige Zeit bestehen. 

20. II. Noch reichlich Auswurf, LuDgengrenzen rechts hinten 10. bis 

11. Brustwirbel, links hinten 11. Brustwirbel, rechts vorn 4., links vorn 

3. Rippe. Nach Atemübung noch um 1 cm Heraufrücken der Grenzen. 

9. III. Akuter fieberhafter Katarrh. Lungengrenzen hinten 11. bis 

12. Brustwirbel. 

2. IV. Derselbe Befund. Die Behandlung soll wieder aufgenomraen 
werden. 

16. IV. Katarrh geringer, aber wieder Fieber. Lungengrenze hinten 
11. Brustwirbel. 

25. V. Soll immer noch weiter husten, aber fieberfrei sein. Sehr 
starker frischer Schnupfen. Chronische Pharyngitis mit sulzig gequollenen 
Tonsillen. LuDgengrenzen links hinten 11. lntercostalraum, links 11. Rippe, 
rechts vorn 7., links vorn 4. Rippe. Wenig Giemen. 

Nur selten wurde ein Zusammenhang mit akuteü, asthma- 
ähnlichen Anfällen ermittelt.' So wurde ich einmal bei einem 
6jährigen Kinde, das ich wegen nervöser Augenbescbwerden unter¬ 
suchen sollte, durch eine solche Lungenblähung ohne jeden aus¬ 
kultatorischen Befund überrascht, und erst direktes Befragen er¬ 
gab, dass das Kind 2 Tage vorher nachts einen Anfall mit Husten 
gehabt hatte. 

Hans L., 6 Jahre alt, Vater als Kind Lungenerweiterung, seit dem 

4. Lebensjahre Schnupfenbeschwerden, die durch Nasenrachenoperation 
nicht geändert werden. Seit 2 Jahren hie und da einmal vorübergehendes 
Stechen in den Schläfen, jetzt alle möglichen Beschwerden beim Lesen, 
die ophthalmologisch nicht begründet sind. Kommt wegen dieser Be¬ 
schwerden zur Untersuchung, hatte aber vor 5—6 Wochen Husten, der 
zeitweise etwas besser war, vorgestern aber nachts brüllender Husten 
und Atemnot. Lungengrenzen beiderseits hinten 12. Rippe, rechts vorn 
6. Rippe. Durch Expirationsübungen lässt sich die Lungengrenze um 
2 Querfinger hinaufschieben und bleibt in dieser Stellung, bis das Kind 
zu forcierter Inspiration aufgefordert wird. 

Diese Krankbeitsbilder stellen an und für sich gewiss nichts 
allzu seltenes dar, sind aber keineswegs banale Begleiterschei¬ 
nungen von Lungenkatarrhen. Wenn auch diese unerwartete Form 
von Lungenblähung der ärztlichen Beachtung wert ist und auch 
therapeutisch energischer, als gemeinhin geschieht, angegriffen 
werden sollte, so hätte mich das allein nicht veranlasst, dies zum 
Gegenstand eines besonderen Vortrages zu wählen. Die genauere 
Besprechung dieser Krankheitsbilder schien mir vielmehr deswegen 


von Wichtigkeit, weil wir vollständig analoge Fälle in derselben 
Abstufung beobachten, bei denen im Moment der Untersuchung 
eine Lungenbläbung nicht besteht. Wenn wir aber diese Kranken 
einige Male tief inspirieren lassen, so tritt oft schon nach 3 bis 
4 tiefen Atemzügen, in anderen Fällen erst nach etwas länger 
fortgesetzten Atemübungen, eine Lungenblähung auf, die nun einige 
Zeit lang bestehen bleibt. Husten, selbst erheblicher, vermag 
diese Blähung nicht zu beseitigen. 

Wir finden diese Erscheinung bei Hustenden ohne oder mit 
erheblichen Lungenbefund, wovon 2 Beispiele angeführt sein sollen. 

Bertha B., 7 Jahre. Im Juni Lungenentzündung mit nachherigem 
Keuchhusten. Seitdem bei jedem Witterungswechsel Husten. 

25. XI. 1913. Nach mehrmaligem tiefen Einatmen beiderseits, hinten und 
rechts vorn, Tieferrücken der Lungengrenzen um 2 A / 2 cm. Starke Ex¬ 
pektoration, die vorher nicht bemerkt war. Nach Expressionsübung wird 
die vorhergehende LungeDgrenze wieder vollkommen hergestellt. Therapie: 
Atemübungen. 

27. XI. Nach den Atemübungen immer sehr reichliche Expektora¬ 
tionen von geballtem Sputum, viel mehr wie früher. 

1. XII. Husten vermindert, nur zeitweise nooh Auswurf nach länger 
dauernden Uebungen. Temperaturen bei poliklinischer Untersuchung 
zwischen 37,7 und 37,9 schwankend. Hier keine Blähungen mehr zu 
erzielen. 

Erich M., 4 Jahre alt. Seit 25 Tagen trockener Husten und schleimiger 
Auswurf. Vor 16 Tagen auch 2 Tage lang Fieber. Litt früher sehr an 
Ausschlägen. 

6. I. 1912. Lungenbefund auskultatorisch sehr unbedeutend. Lungen¬ 
grenzen rechts hinten unterer Rand der 10. Rippe, links hinten 
unterer Rand der II. Rippe bzw. 10. Brustwirbel. Rechts vorn 4. Inter- 
costalraum. Absolute Herzdämpfung beginnt am oberen Rand der 4. Rippe. 
Nach tiefem Atmen verschwindet die Herzdämpfung, Lungengrenzen rechts 
vorn unterer Rand der 5. Rippe und hinten 12. Brustwirbel, Differenz 
rechts 2*/ 2 cm, links 2 cm. 

1. V. Bei einer gelegentlichen Untersuchung hinten beiderseits oberer 
Rand der 10., rechts vorn unterer Rand der 4. Rippe. Absolute Herz¬ 
dämpfung von der 3. Rippe an. Tiefes Einatmen ist bei dem Kinde 
nicht zu erzielen, da es durch die systematischen häuslichen Uebungen 
nur stark exspirieren gelernt hat. 


Abbildung 1. 



Im Röntgenbilde 1 ist bei spontaner Exspirationsstellung die 
gewöhnliche Haltung des Brustkorbs, im Bild 2 die Haltung nach 
künstlicher Blähung durch einige tiefe Atemzüge, und zwar während 
der gleichen Atemphase wie im ersteu Bilde dargestellt. Auch 
in diesen Fällen wird durch Expirationsübungen oft erst Auswurf 
hervorgerufeu oder vermehrt. 

Interessant war die Beobachtung eines 10jährigen Knaben, 
der bei geringer spontaner Lungenblähung eine sehr viel erheb 
lichere, künstlich hervorzurufende aufwies. Hier blieb anfangs 
der provozierteTiefstand der Lungengrenzen halb- bis viertelstunden- 
lang bestehen. Wenn man den spontanen Tiefstand des Zwerch¬ 
fells, der etwa die Hälfte des künstlich provozierten betrug 
(1 : 2^2 cm), beseitigte, so blieb umgekehrt dieser günstige Zustand 
anfangs nur wenige Minuten erhalten. Mit der zunehmenden 
Besserung kehrte sich das Verhältnis um. Immer längere Zeit 
blieb der Hochstand, immer kürzere der Tiefstand des Zwerch¬ 
fells bestehen. Auch hier hatten die Atemübungen anfangs ein 
Auftreten reichlichen Auswurfs zur Folge gehabt. Nach 5 Wochen 


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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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war die Lungenerkrankung beseitigt und ist wenigstens vorläufig 
nicht recidiviert. Hieran schliesst sich eine grosse Anzahl von 
Fällen, bei denen reichliches Rasseln und Giemen, namentlich in 
den abhängigen Lungenpartien, dauernd oder noch häufiger re- 
cidivierend auftreten. Spontan fehlt jedoch jedes Zeichen von 
Lungenblähung. Als Beispiel für mehrere sei noch kurz folgender 
Fall angeführt. 

Heinz F., 5 Jahre alt. Mutter an Asthma gestorben. Seit frühester 
Kindheit bis zum 4. Lebensjahre an schwerstem konstitutionellen Ekzem 
leidend, von dem im übrigen noch im 7. Lebensjahre erhebliche Reste 
vorhanden sind. Starke Vergrösserung der Adenoiden, die entfernt 
werden. Ira 5. Lebensjahre immer häufiger auftretende Bronchitiden. 
Deutliche Erscheinungen asthmatischer Natur nicht bemerkt. Bei Unter¬ 
suchung während einer frischen Bronchitis und während einer Remission 
nach einigen forcierten Atemzügen deutliches Tiefertreten des Zwerch¬ 
fells. Naoh mehrmonatigem Seeaufenthalt sind diese Erscheinungen 
nicht mehr hervorzurufen. 

Während also bei der ersten Gruppe von Krankheitsbildern 
die Insuffizienz der Exspiration manifest ist, lässt sie sich bei 
der zweiten jederzeit hervorrufen und demonstrieren. In der 
vorgeschlagenen Untersuchungsart dürfen wir daher eine funk¬ 
tionelle Prüfung der Exspirationskraft erblicken. Auf diese ein¬ 
fache Weise ist es möglich, eine Gruppe aus der grossen Zahl 
der chronischen Huster auszusondern, die einer besonderen 
klinischen Beachtung und Behandlung bedürfen. Es sind dies 
Kinder, die zweifellos eine Neigung zur Lungenlähmung be¬ 
sitzen und die unter ungünstigen Umständen zum Emphysem dis¬ 
poniert sind. 

Fragen wir uns, warum diese Insuffizienz der Exspiration, 
mag sie latent oder manifest auftreten, den einzelnen Patienten 
betrifft, so muss zunächst betont werden, dass nicht etwa die 
Art der Infektion schuld ist. Keuchhusten und gehäufte akute 
Bronchitiden, chronischer heftiger Husten irgendwelchen Ur¬ 
sprungs führen an und für sich nicht zu dieser Störung. So ist 
die Erklärung nur in der Konstitution des Kindes zu suchen. 
Gerade die charakteristischen Fälle zeigen in sehr ausgesprochener 
Weise Symptome der exsudativen Diathese. Häufig sind Haut¬ 
ausschläge bei dem Kranken und seinen Angehörigen. Doch 
gibt es zweifellos Fälle, bei denen nur die üblichen geringen 
Symptome ira Pharynx auf diese Konstitutionsanomalie hinweisen. 
In dieser Beziehung scheint es mir wichtig, dass Lichtwitz in 
der Diskussion zu meinem Vertrag über das gleiche Thema er¬ 
klärte, diese latente Exspirationsinsuffizienz auch bei jugendlichen 
Erwachsenen gefunden zu haben, die an ausgeprägtem konstitu¬ 
tionellen Ekzem litten. Doch muss ausser der exsudativen 
Diathese noch eine spezielle Beanlagung hinzutreten. Für die 
Entstehung dieses Symptomkomplexes muss man zunächst an ein 
besonderes Atemhindernis denken, das bei der Inspiration leicht 
überwunden, bei der Exspiration jedoch nicht überwunden werden 
kann. Wir sehen dies am häufigsten auftreten bei dem Bronchial¬ 
muskelkrampf. Vereinzelt sehen wir auch in unseren Fällen 
Andeutung von Beklemmungen, die ein oder das andere Mal in 
der Nacht beobachtet worden sind. Die Fälle mit geringem aus- 
cultatorischem Befunde würden sich so gewiss am einfachsten 


| erklären lassen. Wenn ich aber auch bei der ganzen Natur 
j dieser Fälle fest überzeugt bin, dass Beziehungen zum Asthma 
ein oder das andere Mal sich werden nachweisen lassen, so muss 
j ich doch daran festhalten, dass in der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle akute Steigerung der Beschwerden in Form von Be¬ 
klemmung und Atemnot fehlten. Die Annahme eines chronischen 
Broncbialmuskelspasmus in dieser symptomlosen Weise stösst aber 
auf Hindernisse. So liegt doch wohl der Gedanke näher, dass 
in der Tat das gesuchte Hindernis bedingt ist durch eine katar¬ 
rhalische Schwellung. Hierfür kann angeführt werden, dass 
durch Exspirationsübungen wiederholt eine unerwartet reichliche 
! Expektoration erzielt wurde. So dürfte die Auscultation uns 
über den Grad der Störung täuschen. Bekanntlich hat 
Ephraim bei den* sogenannten reinen Fällen von Asthma 
nervosum im symptomlosen Zwischenstadium das Fortbestehen 
einer Sekretionsanomalie nachweisen können. Also sind der¬ 
artige latent bleibende Symptome auch anderweitig beobachtet 
worden. So finden wir das gesuchte Hindernis in der chronischen 
katarrhalischen Schwellung der kleineren Bronchen. Hierzu kann 
bei ein oder dem anderen Kinde (vgl. Hans L.j ein Bronchial- 
spasraus hinzutreten. 

Gemeinhin aber genügt dieses Hindernis allein nicht, um die 
Symptome der manifesten und latenten Blähung hervorzurufen. 
Es bedarf dazu einer Störung der austreibenden Kräfte, der 
elastischen oder der muskulären. Wir können uns sehr wohl 
denken, dass die Elastizität der Lunge bei diesen Kindern ge¬ 
ringer ist, und zwar muss die Schwäche angeboren, nicht er¬ 
worben sein, denn sie findet sich gerade bei Kindern, bei denen 
eine chronische Schädigung der Lunge nicht vorhergegangen ist. 
Eine Schwäche des muskulären Apparates ist nicht anzunehmen, 
wohl aber ist es denkbar, dass die automatische Regulation 
mangelhaft funktioniert, die sonst überall nach Bedarf für die 
Heranziehung der muskulären Kräfte der Ausatmung zu sorgen 
bestimmt ist. 

In dieser relativen Insuffizienz ist der Grund zu suchen, 
warum bei dieser Art Kindern die durch die exsudative Diathese 
bedingten chronischen Katarrhe besonders schwer heilen, und so¬ 
mit erlaubt uns diese Funktionsprüfung einen Rückschluss auf 
die Prognose. Dieselbe ist ohne zweckentsprechende Therapie 
zweifellos ungünstiger als in anderen Fällen. Wird aber durch 
die gleich zu besprechende Behandlung die Ventilation der Lunge 
günstiger gestaltet, so ist therapeutisch sicher mehr zu erreichen 
als in den anderen Fällen, in denen wir keine entsprechende 
Möglichkeit, etwas Nützliches zu tun, haben. Für die Zukunft 
aber bleiben diese Kranken ein Gegenstand der Sorge. Sie sind 
bis zum gewissen Grade disponiert zum chronischen Emphysem, 
wenn auch nur bei einem Teile, und zwar, wie ich glaube, bei 
dem kleineren die Befürchtung zur Wirklichkeit wird. Wenn 
auch nur leichte Anfälle von akuter Beklemmung das Bild kom¬ 
plizieren, so wird die Gefahr dringender. 

Wenn wir daher manifeste oder latente Insuffizienz der Ex¬ 
spirationskräfte festgestellt haben, so ist es unsere nächste Auf¬ 
gabe, die muskulären Hilfskräfte zur Ausatmung heranzuziehen, 
da wir einen Einfluss auf die Elastizität der Lunge nicht be¬ 
sitzen. Wir lassen die Kinder nach einem kurzen Inspirium tief 
exspirieren. Anfangs muss die Ausatmung durch die breit von 
hinten her den Thorax umklammernden Hände eines Erwachsenen 
in ihrer letzten Etappe forciert, die Einatmung gehemmt werden. 
Auch empfiehlt es sieb, ähnlich wie es bei der Asthroatherapie 
üblich ist, mit gespitzten Lippen durch eine kleine Oeffnung ein- 
atmen und mit breit geöffnetem Munde ausatmen zu lassen. 
Diese Uebung wird selbst von 4 bis 5 jährigen Kindern erlernt 
und auch von nicht gebildeten Eltern oft recht gut geleitet. 
Gerade jüngere Kinder prägen sich diesen Atemtypus so gut ein, 
dass sie nachher, auf Aufforderung tief zu atmen, überhaupt nicht 
mehr zum tiefen Inspirium zu bewegen sind. Wie schon oben 
erwähnt, vermehrt sich die Auswurfsmenge nach diesen Uebungen 
oft beträchtlich. Es ist daher besser, die Eltern von vornherein 
darauf aufmerksam zu machen. Bei systematischer Durchführung 
dieser Uebungen erreicht man sehr oft auch ohne andere Maass¬ 
regeln Besserung bzw. Heilung eines solchen protrahierten Husten¬ 
zustandes, der vorher nicht beeinflusst werden konnte. 

2—3 mal täglich nehme man bei diesen Kindern die Atemübungen 
vor. Je 3—4 mal werden drei Exspirationen hintereinander gemacht 
und dazwischen eine Pause von 2 bis 3 Minuten eingeschoben. Bei 
stärkerer Sekretion lässt man nach den Uebungen 10 Minuten lang 
trockene Eucalyptusöldämpfe durch Maske einatmen. 

1 * 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 





1400 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Von einer Tüte wird die Spitze abgeschnitten, so dass ein Loch von 
etwa 5 cm Durchmesser entsteht. An einer durchgesteckten Haarnadel 
befindet sich in der Mitte der Oeffnung ein kleiner, mit Eucalyptusöl 
getränkter Watteflocken, so dass reichlich Luft nebenbei in die Maske 
tritt. Ich habe den Eindruck, dass auch hier das Eucalyptusöl heilungs- 
besohleunigend wirkt. Doch ist dies nicht so sicher wie bei der seltenen 
Bronchorrhöe und Bronchoblennorrhöe älterer Kinder, wo man fast von 
einer spezifischen Wirkung reden könnte. 

Der Nutzen dieser Therapie ist meist eklatant. Doch genügt 
sie in manchen Fällen von latenter Insuffizienz mit reichlicheren 
Rasselgeräuschen nicht, und auch dann ist der Erfolg unbe- 
friedigend, wenn häufige frische Infektionen das kaum beseitigte 
Leiden wieder aufflammen lassen, wie es z. B. beim Fall Elisa¬ 
beth Th. zutrifft. Dann ist, wenn es die Verhältnisse erlauben, 
eine klimatische Therapie an der Nordsee oder im Hochgebirge 
anzuraten. Doch scheint mir auch in den anderen Fällen der 
Zustand ernst genug, um eine solche Maassregel nicht für über¬ 
flüssig zu halten. 

Als Resultat dieser Betrachtungen möchte ich folgendes zu¬ 
sammenfassen: Bei einer Anzahl durch ihre Konstitution zu chro¬ 
nischer Schleimhautschwellung disponierten Kindern tritt auch 
bei scheinbar unbedeutenden, auscultatorisch oft kaum nachweis¬ 
baren chronischen Bronchialkatarrhen ein Tiefstand des Zwerch¬ 
fells ein, bei einzelnen spontan, bei anderen erst, wenn sie einige 
Male tief inspiriert haben. Die hierdurch nachgewiesene In¬ 
suffizienz der Exspirationskräfte ist eine relative. Das Atem¬ 
hindernis ist auch in den Fällen geringen aoscultatorischen Be¬ 
fundes in einem Katarrh der feineren Bronchien zu suchen, zudem 
sich BroncbialmuskelSpasmus gelegentlich wohl hinzugesellt, 
keineswegs aber notwendigerweise vorhanden ist. Die Schwäche 
der austreibenden Kräfte beruht wahrscheinlich in einem an¬ 
geborenen Mangel an Elastizität der Lunge oder auch in der un¬ 
vollkommenen Funktion der automatischen Regalation der Ex¬ 
spirationskraft. 

Der Ausfall der Funktionsprüfung ergibt therapeutische und 
prognostische Gesichtspunkte. 


Beitrag zur Lehre von der Errdtungsfurcht 
(Ereuthophobie). 

Yon 

Prof. M. Bernhardt -Berlin. 

Die vor nunmehr 5 Jahren in dieser Wochenschrift er¬ 
schienene Arbeit von 0. Aronsohn 1 ): „Zur Psychologie und 
Therapie des krankhaften Errötens“ hat mich veranlasst, zwei 
Briefe von Patienten, die an dieser Affektion litten, der Oeffent- 
licbkeit zu übergeben, obgleich die dort gemachten Mitteilungen 
unvollständig sind und ein Versuch therapeutischen Eingreifens 
nicht gemacht wurde oder besser Dicht gemacht werden konnte. 

Der eine der nachfolgenden Briefe ist überhaupt nicht unter¬ 
zeichnet, der Schreiber des anderen Briefes hat sich offenbar, 
nicht zutreffende Gründe vorschützend, meiner Beobachtung resp. 
Behandlung entzogen. 

Die Briefe lauten so: 

1. Mit Nachstehendem wende ich mich au Sie als Arzt, und zwar 
schriftlich, da mir ein Kommen nicht möglich ist. 

Schon seit ungefähr 10 Jahren leide ich aD einer Nervosität, die 
ihren stärksten Ausdruck findet in grundlosem Erröten vor jedermann 
bei den geringsten Anlässen, was in meinem Alter, ich bin 237s Jahre 
alt, zu den unangenehmsten Situationen Anlass gibt. 

Als Ursache kann ich vielleicht folgendes ansehen: 

Bei allerhand kleinen Naschereien und sonstigen jugendlichen Un¬ 
taten, die ich als Junge nicht lassen konnte, stellte sich jedesmal bei 
sofortigen Entdeckungen, wie es ja auch natürlich ist, Erröten und Ver¬ 
legenheit ein, und zwar um so leichter und schneller, je öfter ich Ver¬ 
botenes tat. Das jahrelange Fortführen meiner Handlungsweise und das 
jedesmal als Folge sich einstelleDde Erröten hat meine Gesichtsnerven, 
wenn ich so sagen darf, erschlafft, so dass, während früher nur ein wirk¬ 
licher Grund, nämlich das plötzliche Erschrecken bei der Entdeckung 
der unerlaubten Handlung mir das Blut in die Wangen trieb, jetzt so¬ 
gar schon ein etwas schärferes An gesehen werden mioh verlegen macht. 

Ich sehe also in meinem Zastand eine Ueberreizung der Gesichts¬ 
nerven und wende mich deshalb an Sie mit der Bitte um ein Mittel, 
das diesen krankhaften Zustand beheben kann. 

Einige Tage später, nachdem ich den Patienten aufgefordert hatte, 
mioh zu besuchen, erhielt ich folgenden Brief: 


1) 0. Aronsohn, B.kl.W., 1909, Nr. 81, 


Meine Absicht, Sie heute morgen in Ihrer Sprechstunde aufxusuchen, 
habe ich leider nicht ausfuhren können. Morgen werde ich nicht kommen 
können und Mittwoch werde ich schon wieder abgereist sein, da ioh hier 
nur auf kurze Zeit war, und infolgedessen mich wegen Zeitmangels nnr 
schriftlich an Sie wenden konnte, wie ich Ihnen schon schrieb. 

Könnten Sie deshalb nicht auf Grand der in meinem vorigen Briefe 
dargelegten Tatsachen mir eine Anweisung zur Abstellung der betreffenden 
Beschwerden geben? Mündlich würde ich ja doch nicht mehr Material 
geben können, als ioh es schriftlich schon getan habe. Es käme doch 
hier, soweit ich das als Laie beurteilen kann, elektrische Behandlung in 
Betracht. 

2. Seit etwa meinem 10. Jahre leide ich an Angstzustanden, Furcht vor 
Erröten und deren furchtbaren Folgen. Der Anfang war so: Wir waren 
mehrere SchuljuDgen beim Baden, und da der eine sich dabei recht 
zimperlich benahm, hob ich ihm für einen Augenbliok das Hemd hoch 
und lachte. Der Junge erzählte dieses seinen Eltern und diese es dem 
Lehrer. Ich bekam eine ganz gehörige Tracht Prügel usw. Der Vor¬ 
gang war an und für sich ziemlich harmlos (wollte ich schreiben, doch 
will ich mioh eines Urteils enthalten); die Folgen für mioh waren aber 
schlimme. Von dieser Zeit ab, wenn mioh der Lehrer ansah, wurde ich 
immer rot. Mit der Zeit verschlimmerte sich dies. Von meinen An¬ 
gehörigen merkte dies jedoch keiner. Ich arbeitete nach meiner Schul¬ 
entlassung eine Zeitlang bei meinem Vater, welcher in einer kleinen 
Stadt Gerichtsvollzieher war. Später arbeitete ich beim Magistrat, aber 
bei allen Gelegenheiten, so auf dem Wege von und zur Arbeitsstelle 
hatte ich häufig, später fast regelmässig, das Missgeschick zu erröten, 
und zwar so heftig, dass ich fast sohwindlig wurde. Und vor wem ich 
einmal errötete, errötete ich immer. So wurde mir das Leben eine Qual, 
und ich blieb auch niemals lange bei einer Arbeit. Es war mir immer, 
wenn ich auf der Strasse giDg, als ob ich Spiessruten liefe. Etwas Er¬ 
leichterung wurde mir durch Alkohol. Da nicht zu grosse Mengen ge¬ 
nossen, ging es dann nachmals ganz gut. Häufig wurde es zu viel und 
in diesem Zustande wurde ioh rabiat. So vergingen die Jahre; versuchte 
auch bei der Post als Gehilfe anzukommen; sehr tüchtig bin ioh niemals 
gewesen. Fiel durch mit der Prüfung (ganz uüohtero war ich bei der 
Prüfung auch nicht), sollte es nooh einmal probieren, war jedoch nicht 
dazu zu bewegen. Hatte ja auch viel zu viel Angst, am Schalter mit 
dem Publikum zu verkehren. 

So vergingen nooh einige Jahre; ich wurde Soldat, um zu kapitu¬ 
lieren. Inzwischen hatte ich mioh aber sohon recht gehörig dem Sufi 
ergeben und war etwas liederlich geworden. Im zweiten Jahre erhielt 
ioh einige Tage Arrest; im dritten folgten 2Va Jahre Festung. Mein 
Leiden hatte sich beim Militär insofern etwas gebessert, als ich beim 
vielen Aufenthalt im Freien ein etwas gerötetes Gesicht bekam. Nur 
liess es mich auch manchmal im Stich. Ich war und blieb ein Stümper. 
Den Sommer, wenn ich sonnverbrannt war, ging es ein wenig besser. 
Nach meiner Entlassung giDg ich nach Amerika, wo ich 9 Jahre blieb. 
Mein Charakter hatte sehr gelitten. Unstät wie der ewige Jude irrte 
ich durchs Land, manchmal heiss mit aller Seele zu Gott bittend um 
Besserung, manchmal dem Wahnsinn nahe, alles verachtend und zer¬ 
trümmernd. 

Meine Eltern waren wohl sehr gut zu mir, doch verstanden sie mich 
nicht, und ihre ganze Unterstützung, weil nach meiner Ansicht falsch 
verwendet (wie hätten sie *es auch anders machen sollen?), blieb frucht¬ 
los. loh hatte mir, als ich nach Amerika ging, gesagt, ich muss meinen 
eigenen Weg gehen, fremd, ungekannt, es brauchte niemand von meiner 
Qual etwas zu wissen. Weil die Erfolge auch in Amerika ausblieben, 
habe ich schiesslich nacbgegeben und bin wieder zurüekgekommen, um 
mit dem für mich bestimmten Restvermögen hier ein kleines Geschäft 
anzufangen. 

Ich habe in Amerika ein wildes Leben geführt. Dabei habe ich 
mein Leiden weniger gefühlt. Zermürbt hoffte ich schliesslich hier ein 
kleines, bescheidenes Dasein zu führen — aber alle Hilfe, die mir ge¬ 
boten wird, scheint zu versagen. Ich habe keine Courage mehr. Die 
fürchterliche ADgst, zu erröten, treibt mioh dem Verfolgungswahnsinn 
in die Arme. Was habe ich gelitten, was haben meine Eltern durch 
meine gelegentliche Rabiatbeit schon gelitten; ioh mache nooh meine 
ganze Familie unglücklich. Und kein Geld kann mir helfen. Wenn ich 
manchmal so viel saufe, zittern mir die Glieder, und dann bin ioh ganz 
kaput. Dann schwöre ich das Trinken ab; neulich habe ich zehn Tage 
nichts getrunken, getraue mich aber in nüchternem Zustande nicht ins 
Haus, wo man mioh kennt, weil es mit dem Erröten in letzter Zeit 
wieder schlimmer geworden ist. Und schliesslich trinke ioh doch wieder. 
Das stetig sich wiederholende Spiel, abwechselnd Besserung gelobend, 
und immer nooh mal probierend und dann wieder scheussliche Angst, 
halber Wahnsinn, unfähig zum Arbeiten trotz aller Hilfe und Geld. 

Zum Selbstmord habe ioh nicht die Courage, andererseits habe ioh 
immer wieder Hoffnung auf Besserung, und ioh möchte meinen alten 
Eltern das auch nicht antun. Und doch quäle ich sie durch mein Leben 
schlimmer, als ich es durch meinen Tod tun könnte. Aber wie habe 
ioh sie schon gequält, sie müssen mich für ein Scheusal halten, und doch 
kann ioh nicht dafür. Wo gibt es Hilfe! Aber noch Schlimmeres habe 
ich zu schreiben. Wenn ioh so gesoffen habe, kommen mir fürchterliche 
Gedanken (ich wehre mioh verzweifelt dagegen), als ob ioh, wenn ich 
gelegentlich bei der Mahlzeit das Messer in der Hand habe, meine Eltern 
damit schneiden müsste. Um mioh davor zu sohützen, gehe ioh aus 


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TJ 


V tftt)I 





27. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1401 


dem Zimmer und weine stein erweichend. Ist der Tod nicht vorzuziehen ? 
Ob ich es tun werde, weiss ich nicht, ich lürchte mich aber so sehr 
daror. Und doch kann ich meinen Eltern nichts davon sagen, wie 
wurden sie erschrecken, wie würden sie sich fürchten. Und das alles, 
nachdem sie in treuer Sorge um mich so alt geworden sind. Nun kann 
man mein wahnsinniges Leid etwas begreifen. Und doch habe ich immer 
noch gehofft, durch vielleicht landwirtschaftliche Arbeit Besserung 2 u 
finden. Nach Amerika bin ich schon sechsmal unterwegs, mein Mut ist 
gebrochen, mein Geld fliegt zum Fenster hinaus. Und zuletzt? 

(Bier endet das Schreiben ohne jede Unterschrift.) 

Nach Aronsohn’s Erfahrungen stellt eine grosse Zahl der 
Fälle von krankhaftem Erröten ein selbständiges Leiden dar, das 
eventuell nur mit geringfügigen nervösen Erscheinungen kom¬ 
biniert ist; nicht Angst ist das auslösende psychische Moment, 
sondern genau wie beim physiologischen Erröten das Scham¬ 
gefühl; zu den Zwangsvorstellungen oder Phobien sei das Leiden 
nicht zu rechnen. Dagegen ist nach Aronsobn der Charakter 
des an Erentbophobie Leidenden unnatürlich und unwahr, aus 
dieser Erkenntnis der Unwahrbaftigkeit entspränge das Scham¬ 
gefühl und damit das Erröten. Ob sich diese Erklärung für alle 
Fälle aufrecht erhalten lässt, erscheint mir zwar sehr zweifelhaft, 
denn die Leute, die anders erscheinen wollen, als sie sind, die 
sich, wie Aronsohn sagt, in ein besonders günstiges Licht setzen 
wollen usw., sind wohl durch lange Gewöhuung und die durch 
ihre Verstellung errungenen Ei folge so abgehärtet, dass sie kaum 
noch wie etwa zur Anfangszeit ihrer Verstellung zu erröten ge¬ 
zwungen sein sollten. Dagegen mag hier ein anderes Moment 
hervorgehoben werden, was auch von Aronsohn wohl beachtet 
und mitgeteilt ist, das ist das häufig sexuell wüst geführte Leben, 
wie es z. B. im ersten Fall A.’s als heimlich ausgeübte Onanie 
und im vierten Falle bei dem unglücklich verheirateten Manne, 
der sexuell nur wenig verkehrte, der Fall war. 

Auch in meinem ersten Fall gibt der Briefschreiber an: „Als 
Ursache meines Leidens kann ich vielleicht Folgendes ansehen: 

Bei allerband kleinen Näschereien und sonstigen jugendlichen 
Untaten (als solche ,Untat* darf man hier wohl mit der aller¬ 
grössten Wahrscheinlichkeit Onanie annehmen), die ich als Junge 
nicht lassen konnte, stellte sich jedesmal bei sofortiger Ent¬ 
deckung, wie es ja auch natürlich ist, Erröten und Verlegenheit 
ein, und zwar um so leichter und schneller, je öfter ich Ver¬ 
botenes tat.“ 

In meinem zweiten Falle schreibt der Betreffende: 

Der Anfang des Leidens war so: Wir waren mehrere Schul¬ 
jungen beim Baden, und da der eine sich dabei recht zimperlich 
benahm, hob ich ihm für einen Augenblick das Hemd hoch und 
lachte. Der Junge erzählte das seinen Eltern und diese es dem 
Lehrer. Ich bekam eine ganz gehörige Tracht Prügel usw. Der 
Vorgang war an und für sich ziemlich ha r mlos, wollte ich 
schreiben, doch will ich mich eines Urteils enthalten (sagt der 
Briefschreiber), die Folgen für mich waren aber schlimme. Von 
dieser Zeit ab, wenn mich der Lehrer ansah, wurde ich immer 
rot. Wenn Briefschreiber oben sagte, dass er sich über die Harm¬ 
losigkeit seines Benehmens beim Baden gegenüber dem Kameraden 
des „Urteils enthalten wolle“, so scheint mir darin doch ein Zu¬ 
geständnis zu liegen, dass der Vorgang damals nicht ganz so 
harmlos gewesen ist. 

Bekanntlich hat v.Beebterew im Neurolog.Centralblatt, 1B97, 
S. 386, 720, 985, in zwei Arbeiten seine Erfahrungen und Ansichten 
über das Wesen der Errötungsangst niedergelegt, ln der zweiten Mit¬ 
teilung (S. 985) macht er dort für seinen ersten Fall darauf aufmerk¬ 
sam, dass es sich bei dem 26jährigen Manne um Onanie gebandelt 
hat; er sagt: Nach dem Bekenntnis des Patienten selber ist dieses 
Laster (Onanie) nicht ohne direkten- Einfluss auf die Entwicklung 
seiner Krankheit geblieben, da er stets wähnte, dass jede ihn 
scharf betrachtende Person es erfahre, dass er onaniert, infolge¬ 
dessen er befangen und rot würde. In Anbetracht dessen, fährt 
v. Bechterew fort, wäre es richtig, die Bedeutung der Onanie als 
eines ätiologischen Moments in anderen Fällen der Errötungsfurcht 
klarzulegen. 

Diesem Wunsche ist nun A. Friedländer in seiner Studie: 
»Zur klinischen Stellung der sogenannten Erythrophobie“ 1 ), dem 
wir einen höchst eingehenden Literaturnachweis über den be¬ 
treffenden Gegenstand verdanken, nacbgekoromen. Hier finden 
* ,r im Falle Vespa’s, einen 22jährigen Mann betreffend, die 
otiz: Als Kffabe hatte Patient wenig Lust zum Arbeiten; von 
Kindheit an Masturbation bis zum 21. Lebensjahr. In einem 

1) A. Friedläuder, Neurol. Zbl., 1900, S. 848, 889, 950. 


anderen Falle desselben Autors (Fall 24 bei Friedländer) heisst 
es von dem 41jäbrigen Witwer: Vom 1L Jahre an Onanie, an¬ 
dauernd, doch mässig. Ferner, ein 25jähriger lediger Musiker, 
schwer neurastbeniscb (Fall 26 bei Friedländer, aus der 
Kasuistik Brassert’s) trieb bis zum 21. Jahre Masturbation. 

Ich erlaube mir hier noch die bei Oppenheim zitierte An¬ 
sicht Freud’s 1 ) raitzuteilen über die Art des Zustandekommens 
unwillkürlicher, gewissermaassen zwangsweise auftretender Vor¬ 
stellungen. 

Wenn eine disponierte Person zur Abwehr einer unerträg¬ 
lichen, meist dem Sexualleben entstammenden Vorstellung diese 
durch Verdrängung von ihrem Affekt trennt, so muss dieser Affekt 
auf psychischem Gebiet verbleiben. Die nun geschwächte Vor¬ 
stellung bleibt abseits von aller Association im Bewusstsein, ihr 
frei gewordener Affekt hängt sich an andere, an sich nicht un¬ 
erträgliche Vorstellungen, die durch diese falsche Verknüpfung 
zu Zwangsvorstellungen werden. Die psychischen Vorgänge, welche 
zwischen der auf Abwehr der peinlichen Vorstellung gerichteten 
Willensanstrengung und dem Auftreten der Zwangsvorstellung 
liegen, spielen sich im Unbewussten ab. Später hat Freud, fährt 
Oppenheim fort, die Zwangsvorstellungen dahin definiert, dass 
es verwandelte, aus der Verdrängung wiederkehrende Vorwürfe 
sind, die sich immer oder meist auf eine sexuelle mit Lust aus¬ 
geführte Aktion der Kinderzeit beziehen. 

Wenn nun auch geschlechtliche Verirrungen in der Jugend 
wenigstens in meinen Fällen und in nicht wenigen Beobachtungen 
anderer Autoren die Ursache des Sichschämens und als Folge 
dessen des Errötens hingestellt werden können, so bin ich doch 
weit davon entfernt, nun in jedem Falle krankhaften Errötens 
diese Ursache oder vielleicht besser ausgedrückt, diese Ursache 
allein als vollgültige Erklärung des io Rede stehenden Leidens 
zu betrachten. Bedenkt man, wie weitverbreitet leider die Onanie 
jugendlicher Individuen ist, und wie häufig Eltern und Lehrer 
Gelegenheit haben, diese Unart bei ihren Kindern bzw. Pflege¬ 
befohlenen zu entdecken und zu strafen, wie häufig ferner die 
überführten Individuen bei diesen Entdeckungen erröten werden, 
so muss man sich wundern, dass nicht noch viel mehr Fälle von 
Ereuthophobie beobachtet oder beschrieben werden. 

Schon v. Bechterew hat in seiner zweiten Arbeit über die 
Errötungsangst darauf bingewiesen, dass die Abstammung von 
nervösen Eitern und ein Zustand von Neurasthenie wichtige 
ätiologische Momente für das in Rede stehende Leiden abgeben. 
Noch deutlicher hat dies Friedländer in seiner oben schon 
zitierten Arbeit ausgesprochen. Die Tatsache der Belastung, sagt 
er, wird bei fast allen Fällen mehr oder minder betont. Man 
liest, fährt er fort, in den Krankengeschichten von Individuen, 
die den Keim zu nervösen oder psychischen Anomalien mit äuf 
die Welt bringen, von Individueo, die eben wegen ihrer Belastung 
an übergrosser Erregbarkeit im allgemeinen, der vasomotorischen 
Centra im besonderen leiden. Nach Friedländer ist es die 
Neurasthenie, bei der es in schwereren Fällen zur Ausbildung 
der verschiedensten Phobien kommen kann, die als besondere 
Krankheiten nicht gelten können, sondern wie die Ereutho¬ 
phobie nur als Symptom der Neurasthenie betrachtet werden 
müssen. 

Leider bin ich nun, trotzdem ich mich dieser Anschauung 
anschliesse, nicht imstande, aus meinen eigenen, oben beschriebenen 
Fällen dieses prädisponierende und belastende Moment der Erb¬ 
lichkeit nacbweisen zu können. Meine beiden Patienten scheuten 
sich offenbar, zu mir zu kommen, sich mir anzuvertrauen, und 
haben die Ursachen ihres Leidens nur skizziert und mit der Wahr¬ 
heit offenbar zurückgehalten, da die Scham sie abhielt, sich offen 
und rückhaltlos dem Arzte anzuvertraueu. Ich kann also über 
diesen wichtigen Punkt leider keine Aussagen machen. 

Wenn ich soeben von den verschiedenen Phobien sprach, die 
im Gefolge oder vielleicht besser als Symptom der Neurasthenie 
auftreten können, so möchte ich doch betonen, dass zwischen den 
verschiedenen Phobien, wie der Agora-Claustro Mysophobie und 
anderen derartigen Zuständen und der Furcht, zu erröten, insofern 
ein nicht unwesentlicher Unterschied besteht, als die Patienten 
nicht wie die an den eben genannten Affektionen Leidenden etwa 
wie diese eine Furcht vor grossen, weiteo Plätzen, vor spitzen 
Gegenständen, mit denen sie andere Personen schädigen könnten, 
nsw. haben, sondern dass sie nnr im Verkehr mit anderen 
Menschen im Bewusstsein, irgend etwas Unrechtes getan zu 


1) Freud, sit. in Oppenheim’s Lehrbuch der Nervenkrankheiten, 
6. Aufl., S. 1530. 


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Gck igle 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1402 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


babeo, verlegen und verwirrt werden; sie fürchten, dass man 
irgend etwas Unrechtes, was sie begangen, entdecken könnte, und 
ängstigen sich davor, dass man ihr Erröten als einen Beweis 
irgendeines Vergehens ansehen könnte. Ist der an Ereutbophobie 
Leidende allein, ist er im Dunkeln (diese Tatsachen finden sich 
in verschiedenen Krankengeschichten erwähnt), so wird er nie 
rot und denkt ancb nie an etwa begangenes Unrecht oder seine 
frühere Unmoralität. 

Von der bei allen diesen Patienten vorhandenen grossen und 
abnormen Erregbarkeit des vasomotorischen Nervensystems spricht, 
wie schon v. Bechterew es in seiner ersten Arbeit bervorhebt, 
auch Friedländer. 

Wie schon andere Autoren, die denselben Gegenstand be¬ 
handelten, habe auch ich in meinem zweiten Falle einen freilich 
nicht lange anhaltenden günstigen Einfluss auf die Furcht vor 
dem Erröten zu betonen, das ist der Genuss des Alkohols, der 
die aufsteigende Angst momentan oder für kurze Zeit betäubt und 
in den Hintergrund treten lässt. Diese Tatsache hat nun bei 
meinem zweiten Patienten allmählich daza geführt, dass sich dieser 
offenbar psychopathische und schwer neurasthenische Mensch 
rückhaltlos dem Alkoholmissbrauch ergeben hat. Interessant ist 
auch die am Schluss seiner vor mir schriftlich abgelegten Beichte 
von ihm mitgeteilte und natürlich direkt mit seiner Errötungsangst 
nur sehr lose bzw. überhaupt nicht im Zusammenhang stehende 
Tatsache der Zwangsvorstellung, dass er seine Eltern mit Messern 
verletzen könnte. Derartige zwangsweise sich aufdrängende Vor¬ 
stellungen sind bei dem durch ein wüstes Leben und Alkohol¬ 
missbrauch heruntergekommenen Menschen als ein weiteres und 
vorgeschrittenes Zeichen eines schweren psychopathischen Zu¬ 
standes wohl zu begreifen, haben indessen mit der Errötungsangst 
direkt höchstens in entfernter Weise und nur in diesem Falle etwas 
zu tun. 

Schliesslich mache ich noch darauf aufmerksam, wie bei 
diesem meinem zweiten Patienten mehr als einmal der Wunsch, 
ans dem für ihn kaum noch erträglichen Leben zu scheiden, auf¬ 
getaucht ist. 

Ich bin nicht in der Lage, etwas Bestimmtes über die etwa 
ausgeführte Absicht des Suicidiums mitzuteilen. 

Auf diese Neigung zam Selbstmord ist in den verschiedensten 
Mitteilungen über Erythropbobie hingewiesen worden, and so endete 
aucTi der erste in der Literatur bekannt gewordene Fall von Casper 
(1846), wie dies von A. Hocbe 1 ) berichtet ist, mit Selbstmord. 

Ueber therapeutische Maassnabmen zur Bekämpfung des eigen¬ 
tümlichen, schwer neurasthenischen, durch das Symptom der 
Ereutbophobie ausgezeichneten Zustandes kann ich ans eigener 
Erfahrung, da ich eben von meinen Kranken nur durch ihre Briefe 
etwas weiss, nichts anderes mitteilen, als was durch v. Bechterew, 
Friedländer, Aronsohn in ihren Beobachtungen schon gesagt 
worden ist. Neben dem Gebrauch abnorme Erregungen des Nerven¬ 
systems herabsetzender Mittel wird es sich hauptsächlich um 
eine psychische Behandlung, eventuell um hypnotische Ein¬ 
wirkung und eine die Kräftigung des Nervensystems im allge¬ 
meinen ins Auge fassende physikalische Therapie handeln. 

Aus dem pharmakologischen Institut der Universität 
Berlin (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. A. Helfter), Ab¬ 
teilung für Immunitätsforschung und experimentelle 
Therapie (Vorsteher: Prof. Dr. E. Friedberger). 

Weitere Versuche über ultraviolettes Licht. 

UL Mitteilung. 

Von 

Prof. Dr. E. Friedberger, 

Privatdozenl für Hygiene. 

(Vortrag, gehalten in der Berliner mikrobiologischen Gesellschaft, 
Sitzung vom 14. Mai 1914. 2 ) 

M. H.! In der Sitzung vom 23. Februar batte ich die Ehre, 
Ihnen ausführlicher über Versuche betreffend die Abtötung von 
Keimen in der Mundhöhle dnrch ultraviolettes Licht und kurz über 
eine elektive Sterilisierung des Vaccinevirns durch diese Strahlen 
zu berichten. 

1) A. Hoche, Neurol. Zbl., 1897, S. 528. 

2) Diskussion siehe diese Nummer, Seite 1433. 


Ehe ich heute über die Fortsetzung dieser Versuche and die 
dabei gewonnenen Resultate spreche, möchte ich Ihnen über 
einige weitere Versuche Mitteilung macheD, die zum Teil in Ge¬ 
meinschaft mit Herrn cand. med. Scbuscha, zum Teil mit 
Dr. Mirounescu angestellt worden sind 1 ). , 

1. Ueber den Einfluss der ultravioletten Lichtstrahlen 
auf Amboceptor, Komplement und Antigen. 

Hier liegen bereits eine Reihe von Untersuchungen vor von 
Baroni*), Hertel 8 ), Doerr und Moldowan 4 ), Scott 5 ), Löwen¬ 
stein 6 ) u. a. 

Während wir mit unseren eigenen Versuchen beschäftigt 
waren, erschienen dann noch die wichtigen Arbeiten von Abelin 
und Stiner 7 ) ans dem Institut von Ko Ile in Bern. 

Wir bedienten uns bei diesen Versuchen, über die später Herr 
Schuscha ausführlich in seiner Dissertation berichten wird, noch nicht 
der Kromayerlampe, sondern einer einfachen Quecksilber-Quarzlampe 
älterer Konstruktion, ähnlich der, die in der bekannten „künstlichen Höhen¬ 
sonne“ der Quarzlampengesellschaft Hanau sich befindet. Da diese Lampe 
eine besondere Kühlanlage nicht besitzt, wurden die zu bestrahlenden 
Flüssigkeiten, um eine Erwärmung zu verhüten, stets direkt auf Eis 
bestrahlt. 

Wir verwandten cur Aufnahme der ca bestrahlenden Flüssig¬ 
keiten offener Porzellanschiffcben von 9,35 cm Länge und 1,53 cm 
Breite. Das Material wurde in diesen Schiffchen in ganz dünner 
Schicht bestrahlt. Die Entfernung von der Lampe betrug 7 cm. 
Stets wurde zur Kontrolle nnter sonst gleichen Bedingungen eine 
Probe mit schwarzem Papier bedeckt bestrahlt. Hier trat 
keinerlei Beeinflussung ein. Die Wirkung in den übrigen Ver¬ 
suchen dürfte also lediglich auf das ultraviolette Licht zurückzu- 
führen sein. 

Einfluss des ultra violetten Lichtes auf den Amboceptor. 

Wir haben zunächst Versuche mit amboceptorhaltigen Seris 
angestellt, und zwar mit hämolytischen Antibammelblutkaninchen¬ 
seris. In Uebereinstimmung mit Abelin und Stiner fanden wir, 
dass die ultravioletten Lichtstrahlen den Amboceptor zerstören, 
und zwar in verdünntem Serum schneller. Diese Zerstörung war 
zum Beispiel bei einem Amboceptor vom Titer 0,U004 bei der 
VerdÜDnuDg 1:10 nach 60 Minuten, bei der Verdünnung 1:100 
schon nach 20 Minuten vollständig. 

Wir suchten nun weiterhin zu ermitteln, wovon die schnellere 
Zerstörung des Ameboceptors im verdünnten Serum abhängt. Beruht 
sie auf der dabei eintretenden Verdünnung des Serumeiweisses, 
oder ist die Amboceptorverdunnung an sich daran schuld? Zur 
Entscheidung haben wir denselben Amboceptor mit bei 66° in¬ 
aktiviertem normalen Sernm statt Kochsalzlösung verdünnt. Jetzt 
erfulgt die Zerstörung, die in Kochsalzlösung in der Verdünnung 
1:100 nach 20 Minuten vollständig war, erst nach 50 Minuten. Die 
stärkere Resistenz im konzentrierten Serum beruht alo wesentlich 
auf seinem höheren Eiweissgehalt. Beruht sie aber auf diesem 
allein? Wir haben zur Entscheidung einige Sera verschieden hohen 
Amboceptorgehalts alle in der Verdünnung 1: 10 (also gleicher 
Eiweissgehalt) bestrahlt. Die nachstehende Zusammenstellung 
zeigt den Titer dreier Sera und die Bestrahlangsdauer bis zur 
völligen Amboceptorzer8töruog. 


Verdünnung 

Titer 

Zeit bis zur völligen 

des Serums 

Amboceptorzerstörung 

VlO 

0,0004 

60 Minuten 

Vio 

0,006. 

30 ff 

VlO 

0,008 

20 ^ 


Wir sehen, dass bei gleicher Verdünnung in den ambo- 
eeptorärmeren Seris eine schnellere Zerstörung erfolgt. Die 
Intensität der Schädigung durch das ultraviolette Licht ist also 


1) Ausführliche Veröffentlichung erfolgt später in der Zeitschrift für 
Immunitätsforschung und experimentelle Therapie. 

2) V. Baroni, et C. Jonescu-Mihausti, Compt. rend. soo. biolog., 
1910, T. 68, Nr. 9; 1910, T. 69; 1911, T. 70, Nr. 3. 

3) E. Hertel, Zschr. f. allgem. Pbysiol,, 1904, Bd.4, S.24. 

4) Doerr und Moldowan, W.kl.W., 1911, Nr. 16* S. 555. 

5) W. M. Scott, Journ. of path. aud bact, 19U, Vol. 1 L6 ; f' 4 , 

6 ) Löwenstein, Zschr. f. exper. Patb. u. Ther., 1914, Bd .j 90 

7) 0. Stiner und S. Abelin, Zschr. f. Immun.Forscb., 1914, Bd, , 
H. 6, S. 598. 


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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1403 


abhängig: 1. vom Ei weissgebalt der Serum Verdünnung, 2. von der 
Konzentration des Antikörpers im Serum. 

Schon bei geringer Zunahme der Entfernung des Serums 
von der Lampe ist die Amboceptorzerstörnng bedeutend geringer. 
Die Verdünnung 1 : 100 eines Amboceptor», die in 7 cm Distanz 
in 20 Minuten zerstört ist, braucht in 10,6 cm Distanz bereits 
85 Minuten. 

Wir haben durch Dialyse und Kohlensäureausfällungen eine 
Trennung amboceptorbaltiger Sera in Albumin- und Globulinfraktion 
vorgeoommen; dann wurden beide Fraktionen wieder auf das Ur¬ 
sprungsvolumen gebracht. Die Albuminfraktion war dabei voll¬ 
kommen klar, die Globulinfraktion war trüb. Trotzdem erfolgt 
eine bedeutend intensivere Einwirkung des ultravioletten Lichtes 
auf die Globulinfraktion als auf die Albuminfraktion; z. B. war 
bei einem Serum durch 20 Minuten lange Bestrahlung derGlobulin- 
fraktion deren Amboceptoranieil vollkommen zerstört, in der 
Albuminfraktion war er noch völlig erhalten. In anderen Fällen 
war wenigstens der Amboceptor des Globulinanteiles innerhalb 
der Versuchszeit erheblich geschwächt worden. 

Friedberger und Pinczower 1 ) haben gefunden, und 
Kumagai 2 ) bat es jüngst gegenüber abweichenden Angaben von 
Bessau 8 ) erneut bestätigt, dass die an das Antigen gebundenen 
Agglutinine eine erhöhte Resistenz gegenüber thermischen Schädi¬ 
gungen besitzen. Es wurde das gleiche von uns für den an die 
homologen Blutkörperchen gebundenen hämolytischen Amboceptor 
nachgewiesen. 

Tappeiner und Jodlbauer 4 ) haben gezeigt, dass eine 
Reihe von (fluoreszierenden) Farbstoffen eine eigentümlich „photo- 
dynamische“ Wirkung auf Mikroorganismen, Körperzellen, Fermente, 
Toxine usw. entfalten. 

An sich ohne nennenswerte Wirkung erhöben sie die an sich 
gleichfalls minimale Wirkung des Sonnenlichtes. Wir haben nun 
beobachtet, dass eine Reibe derartiger Farbstoffe auch die ambo- 
ceptorzerstörende Wirkung der ultravioletten Lichtstrahlen erhöht. 
Hierher gehören Eosin, Methylenblau, besonders aber Estergelb 
nnd Cyanosin. Aehnlich wie diese Farbstoffe, wenn auch in sehr 
geringem Grad, wirkt die Galle. Als unwirksam erwiesen 
sich: Neutralrot, Auramin, Safrantetramin, Fuchsin, Rhodamin, 
Malachitgrün. 

Einfluss der ultravioletten Lichtstrahlen auf das 
Komplement. 

Die intensive zerstörende Wirkung auf das Komplement war 
schon von Abel in nnd Stiner und anderen nacbge wiesen. 

Aus den Untersuchungen von Friedberger 5 ) ist es bekannt, 
dass Komplement in hypertonischer Lösung gegenüber thermischen 
und anderen schädigenden Einflüssen ausserordentlich resistent ist. 
Die Methode der Besalzung wurde deshalb direkt zur Konservierung 
des Komplements empfohlen. Wir versuchten, ob das Komplement 
unter diesen Verhältnissen auch der Wirkung der ultravioletten 
Lichtstrahlen besser widersteht. Das ist nicht der Fall. Selbst 
bei Erhöhung des Kochsalzgebaltes um das Zehnfache findet eine 
ebenso schnelle Zerstörung des Komplements statt wie in der on- 
besalzenen Kontrolle. Dagegen erfährt das Komplement, wenn es 
trocken und fein gepulvert bestrahlt wird, innerhalb 30 Minuten 
keine nachweisbare Abschwächung, unter Bedingungen, unter denen 
es flüssig in 25 Minuten völlig zerstört ist. Die Erhaltung in 
ersterem Fall dürfte zum Teil wohl auf der geringen Tiefen¬ 
wirkung der ultravioletten Strahlen beruhen. 

Bei der Trennung des Komplements in Mittel- and 
Endstück durch Kohlensäure nach Liefmann, erweist sich das 
Endstück resistenter als das Mittelstück. In einem Versuch zum 
Beispiel, in dem das gesamte Komplement nach 25 Minuten zer¬ 
stört war, war das Endstück nach 20 Minuten, das Mittelstück 
bereits nach 15 Minuten zerstört. 

Einwirkung ultravioletter Strahlen auf das Antigen. 
Normales 1:10 verdünntes Menschenserum erfuhr durch ultra¬ 
violettes Licht in unseren Versuchen eine Abschwächung seiner 
rräcipitabilität bereits nach 16 Minuten. 

HammeJbiutkörperchen, die in 6 proz. Aufschwemmung eine 

H Fried berger und Pinczower, Zbl. f. Bakt., 1908, Bd. 45, S. 852. 

*) Kumagai, Zschr. f. Immun.Forsch., Bd. 14, H. 3. 

3) Bessau, Zbl. f. Bakt., 1911, Bd. 60, S. 363. 
o - Tappeiner und A. Jodlbauer, M.m.W., 1904, Nr. 17, 

J; ~ Berichte d. Deutschen chem. Gesellschaft, 1903, Bd. 86, S. 3035. 

o) Friedberger, Zbl. f. Bakt, 1908, Bd. 46, S. 441. 


Stunde lang bestrahlt wurden, zeigten Hämolyse, banden aber 
noch Amboceptor wie unbestrahlte. 

Aalserura hat seine hämolytische Fähigkeit gegenüber 
Kaninchenblut nach 10 Minuteo noch so gut wie vollständig be¬ 
wahrt. Die Giftigkeit (geprüft am Meerschweinchen) ist aber 
erheblich geringer geworden. Es entspricht das den Erfahrungen, 
die Camus und Giey 1 ) bei anderen schädigenden Einwirkungen 
auf das Aalserum beobachtet haben. 

Lässt man ultraviolette Strahlen auf Trypanosomen in 1:60 ver¬ 
dünntem Blut infizierter Mäuse einwirken, so zeigen die Protozoen 
nach 5 Minuten noch lebhafte Beweglichkeit. Auch nach 10 Minuten 
sind noch viele bewegliche Trypanosomen da. Trotzdem erfolgt 
jetzt keine Infektion mehr. Die mit 5 Minuten lang bestrahltem 
Material geimpfte Maus zeigt ein erheblich verzögertes Angehen 
der Infektion. Die mit 10 Minuten bestrahltem Material geimpften 
Mäuse erwerben, trotzdem sie mit zum Teil noch beweglichen, 
also noch lebenden Trypanosomen behandelt sind, keine Immunität 
gegen die spätere Infektion mit virulenten Trypanosomen; erst 
nach 20 Minuten ist die Beweglichkeit vollkommen geschwunden, 
die meisten Trypanosomen beginnen dann auch zu zerfallen. 

II. Das Verhalten vonBakterien gegenüber ultraviolettem 
Licht in Urin nnd Blut. 

Ich habe bereits in meinem früheren Vortrage kurz erwähnt, 
dass Bakterien, die in Kochsalzlösung ausserordentlich leicht 
durch ultraviolettes Licht abgelötet werden, in Urin selbst bei 
langdauernder Bestrahlung vollkommen geschützt sind, wie 
Strebei 2 ) zuerst gezeigt hat. 

Prodigio8usbacillenaufschwemmuogen, die in Kochsalzlösung 
bei einer Distanz von 20 cm von der Kromayerlampe in weniger 
als 10 Minuten abgetötet sind, zeigen in Urin suspendiert unter 
gleichen Bedingungen nach 35 Minuten noch keine nachweisbare 
Keimverminderung. Auch im verdünnten Urin bis etwa zur Ver¬ 
dünnung 1:25 macht sich die schützende Wirkung bemerkbar. 
Sie fehlt nach unseren Untsuchungen, sobald der Harnfarbstoff 
durch Kohle entfernt ist. 

Ich habe nun in Gemeinschaft mit Mironescu versucht, 
ob die schützende Wirkung des Urins auf Prodigiosusbakterien in 
irgend einer Weise aufgehoben werden könnte. Wir dachten auch 
hier wiederum au die pbotodynamiscb wirksamen Farbstoffe. Wir 
wählten im wesentlichen solche, die an sich, selbst in hohen Kon¬ 
zentrationen, relativ wenig baktiericid wirkten. 

Folgende seitens der Höchster Farbwerke in dankenswerter Weise 
zur Verfügung gestellten Farbstoffe wurden von uns untersucht; Methylen¬ 
blau, Eosin, Rhodamin, Auramin, Rotfluorescin, Malachitgrün, Estergelb, 
TetramethylsafraniD, Fuchsin. Sie wurden in Lösung verschiedener 
Konzentrationen mit Urin zu gleichen Teilen versetzt, und auf je 1 ccm 
dieser Mischung wurde 0,1 einer Aufschwemmung von 2 OeseD Prodigiosus- 
bacillen in 10 ccm Kochsalzlösung zugefügt. 

Die Suspensionen wurden in Quarzcapillaren eingefüllt und in einer 
Entfernung von 25 cm von der Lichtquelle eine halbe Stunde lang be¬ 
strahlt. Zur Kontrolle wurde je eine in gleicher Weise infizierte Urin¬ 
probe, die jedoch mit Kochsalzlösung statt Farblösung versetzt war, 
bestrahlt. In einem weiteren Kontrollversuch wurde der Urin mit 
Bakterien und der maximalen zur Anwendung gelangten Farbstoff- 
konzentrationen in schwarzes Papier eingehüllt vor die Lichtquelle ge¬ 
bracht. Diese Kontrolle sollte den Einfluss des Farbstoffes allein auf 
die Bakterien feststellen. E9 ergab sich nun, dass eine ganze Reihe von 
Farbstoffen in stärkeren Verdünnungen, etwa 1; 100 000 bis 1 ; 1 000 000, 
nicht aber in höheren Konzentrationen, die an sich minimale 
Wirkung des ultravioletten Lichts auf die im Urin befindlichen Pro¬ 
digiosusbakterien*) ganz erheblich verstärkte. Es bandelt sich dabei 
meistens um Farbstoffe, die allein die im Urin suspendierten Bakterien 
so gut wie gar nicht schädigen. Zur Abtötung der Bakterien im Urin 
erwiesen sich als besonders wirksam Eosin, Fuchsin und Säurerhodamin. 
Als Beispiel lasse ich einen Versuch mit Urin und Eosin folgen. 

Der frisch gelassene klare, normale Urin war vor Farbstoffzusatz in 
der oben beschriebenen Weise mit Prodigiosusbakterien versetzt worden. 
(Versuch 1.) 

Wir sehen aus diesem Versuch, dass das Eosin in der 
maximalen Konzentration, die zur Anwendung gelangte (1:100), 
die bakterientötende Wirkung der ultravioletten Strahlen auf die im 
Urin suspendierten Prodigiosnsbacillen in keiner Weise befördert. Mit 
zunehmender Verdünnung des Farbstoffes aber wird die Wirkung 
immer stärker und erreicht ihr Optimum bei 1 :1 000 000. Bei 
1:10 000 000 lässt wieder die den baktericiden Effekt des Lichtes 


1) Camus und Gley, Ann. de l’lnstitut Past., 1899, T. 13 p. 779. 

2) Strebei, D.m.W., 1901. * 

8) Aebnlioh war die Wirkung bei Zusatz von Staphylokokken zum 

Urin; dagegen erwies sich B. coli als bedeutend resistenter. 

2 * 


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1404 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Versuch 1. 

Dauer der Bestrahlung 30 Minuten. Entfernung 0,25 m. 


V ersuchsanordnung 

Wachstum 
auf Agar 

Urin + Eosiu 1:100 

+ + 4 - 

Urin -f- Eosin 1 : 1000 

4 - 4 - 

Urin -}- Eosin 1:10 000 

4 - 

Urin -f Eosia 1:100000 


Urin 4- Eosin 1:1 000 000 

— 

* ® fUrin 4- Eosin 1: 100 dunkel 

4 - 4 - 4 - 

§ ©(Urin 4" Eosin 1: 1000 dunkel 

4 -+ 4 - 

* ** lürin 4“ NaCl bestrahlt 

4 - + 


verstärkende pbotodynamische Wirkung des Farbstoffes nach. Aus 
den Kontrollversuchen ergibt es sieb, dass Eosin an sieb im 
Dunkeln selbst in der maximalen Konzentration 1:100 die Bakterien 
im Urin nicht deutlich schädigt. Aus der weiteren Kontrolle ist er¬ 
sichtlich, dass die ultravioletten Strahlen allein die Bakterien, die 
im Urin suspendiert sind, nicht merklich abzutöten imstande sind. 

Aber selbst solche Farbstoffe, die an sich in stärkeren Konzen¬ 
trationen baktericid wirken, wie z. B. das Malachitgrün, zeigen 
ihre optimale Wirkung bei der Kombination mit ultravioletten 
Strahlen wiederum nur in Verdünnungen von etwa 1: 100 000 
bis 1 000 000. (Versuch 2.) 

Versuch 2. 


Dauer der Bestrahlung 30 Minuten. Entfernung 0,25 m. 


Versuchsanordnung 

•Wachstum 
auf Agar 

Urin 4 “ Malachitgrün 1 

100 

+ 

Urin 4 * Malachitgrün 1 

1000 

+ 

Urin 4 * Malachitgrün 1 

10 000 

— 

Urin 4 * Malachitgrün 1 

100 000 

— 

Urin 4" Malachitgrün 1 

1 000 000 

— 

Urin 4 " Malachitgrün I 

10 000 000 

+ + 

Urin 4- NaCl 


4 ~ 4 - + 

Kontrollen nicht bestrahlt 


Urin 4 “ Malachitgrün 1 : 

: 100 

+ 

Urin 4 - Malachitgrün 1 

: 1000 

4 - 4 - 


Als unwirksam erwiesen sich von den von uns untersuchten 
Farbstoffen gegenüber Prodigiosus das Rhodamin, Rotfluorescin, 
Estergelb und Tetramethylsafranin. 

Im defibrinierten Blut ist bekanntlich die Wirkung der ultra¬ 
violetten Strahlen auf Bakterien vollkommen aufgehoben, weil 
sie vom Hämoglobin absorbiert werden. Selbst in 5 proz. Blut¬ 
körperchenaufschwemmung sind die Bakterien vor der abtötenden 
Wirkung der ultravioletten Strahlen noch geschützt. Aber auch 
hier vermochten in unsere Versuchen die im Urin als wirksam 
befundenen Farbstoffe die bakterientötende Wirkung des ultra¬ 
violetten Lichtes zu verstärken. 

III. Ueber den Einfluss der Bestrahlung mit ultra¬ 
violettem Licht unter gleichzeitiger Verwendung 
von Farbstoffen auf den Keimgebalt der Mundhöhle. 

In meinem früheren Vortrag 1 ) habe ich ausführlich über die 
Versuche berichtet, in denen es mir in Gemeinschaft mitShioshi 
gelungen war, durch Bestrahlung der Mundhöhle mittels eines 
besonderen Quarzansatzes eine erheblich, ja fast vollständige Ver¬ 
nichtung der Bakterien in der Mundhöhle herbeizufübren. 

Längere Bestrahlung wirkt aber namentlich auf die empfind¬ 
lichere Schleimhaut des Menschen stark entzündungserregend 
Wenn ähnlich wie bei der Hautbestrablung eine weitgehende Ge¬ 
wöhnung auch hier allmählich erfolgen dürfte, so waren wir 
doch bestrebt, die Wirkung auf andere Weise intensiver zu gestalten, 
um dadurch vielleicht die Zeit der Bestrahlung auch für die mensch¬ 
liche Therapie möglichst zu verkürzen. Wir haben auch hier 
Farbstoffe zur Verstärkung der Lichtwirkung herangezogen. Die 
Versuche wurdeu in der Weise ausgeführt, dass Verdünnungen 
der betreffenden Farbstoffe 1:100 000 mittels eines Spray¬ 
apparates während der Bestrahlung wiederholt in die Mundhöhle 
des Kaninchens gebracht wurden. Um den Effekt dieser kombi¬ 
nierten Prozedur zu beurteilen, wurde jeweils bei einem Kontroll¬ 
ier die Lichtbehandlung in der gleichen Weise durchgeführt, 

1) Friedberger und Shioshi, D.m.W., 1914. 


jedoch statt der Farblösung physiologische Kochsalzlösung ver- 
sprayt. 

In einem weiteren Kon troll versuch endlich wurde lediglich 
die Farbstofflösung in der gleichen Weise, wie beim ersten Tier, 
in die Maulböhle gesprayt, ohne dass eine Bestrahlung mit der 
Ultraviolettlampe erfolgte. Wir wandten in diesem Versuch die 
intermittierende Bestrahlung von 8 Minuten Dauer an bei 5 Minuten 
Pause. Den Gang einer solchen Versuchsserie zeigt der folgende 
Versuch 8. 


Versnob 3. (Gang des Versuches.) 

3 Kaninchen mit Prodigiosus in die Mundhöhle infiziert. 


Kaiiinchen A 

Kaninchen B 

Kaninchen C 

Farblösung 

Kochsalzlösung 

Farblösung 

ohne Bestrahlung 

uod Bestrahlung 

und Bestrahlung 

Entnahme 

Entnahme 

Entnahme 

Eosin 

Kochsalzlösung 

Eosin 

— 

3 Min. bestrahlt 

3 Min. bestrahlt 

Entnahme 

Entnahme 

Entnahme 

— 

5 Min. Pause 

5 Min. Pause 

Eosin 

Kochsalzlösung 

Eosin 

— 

3 Min. bestrahlt 

3 Min. bestrahlt 

Entnahme 

Entnahme 

Entuahme 

— 

5 Min. Pause 

5 Min. Pause 

Eosin 

Kochsalzlösung 

Eosin 

— 

3 Min. bestrahlt 

3 Min. bestrahlt 

Entnahme 

Entnahme 

Entnahme 

— 

5 Min. Pause 

5 Min. Pause 

Eosin 

Kochsalzlösung 

Eosin 

— 

3 Min. bestrahlt 

3 Min. bestrahlt 

Entnahme 

Entnahme 

Entuahme 

— 

5 Min. Pause 

5 Min. Pause 

Eosin 

Kochsalzlösung 

Eosiu 

— 

3 Min. bestrahlt 

8 Min. bestrahlt 

Entnahme 

Entnahme 

Entnahme 

— 

Va Std. Pause 

Vj Std. Pause 

Entnahme 

Entnahme 

Entnahme 

— 

2 Std. Pause 

2 Std. Pause 

Entnahme 

Entnahme 

Entnahme 

— 

1 Tag Pause 

1 Tag Pause 

Entnahme 

Entnahme 

Entnahme 


Von einer grossen Reihe von uns untersuchter Farbstoffe 
erwies sich als besonders wirksam das Eosin nnd-Fuchsin. Wir 
haben vor allen Dingen Versuche mit Tieren angestellt, denen in 
gleicher Weise, wie früher, grosse Mengen Prodigiosus vor der 
Behandlung in das Maul gebracht worden waren. Ist schon die 
Wirkung des Lichtes an sich auf die Bakterien der Mundhöhle 
eine ausserordentlich intensive, so wird sie durch das Eosin, wie 
sich aus dem nachstehenden Versuch 4 ergibt, noch beträchtlich 
verstärkt. Die Keimabnahme bezieht sich sowohl auf die künstlich 
eingebrachten Prodigiosusbakterien als auch auf die natürliche 
Mundflora. In diesem Versuch war die Menge der eingebrachten 
Prodigiosusbakterien nicht sehr gross, so dass auch beim Kon¬ 
trollier, das mit Eosin allein behandelt wurde, eine Abnahme 
der roten Kolonien erfolgte, die allerdings nicht zu vergleichen 
ist mit der bei den beiden behandelten Tieren. 


Versuch 4. (Eosinversuch.) 



1 Prodigiosus ! 

| Normale Keime 


Eosm 
ohne 
Licht | 

1 Licht 
ohne 
Eo'dn 

i Licht 
und 
Ensin 

Eosin 
ohne Licht 

Licht 
ohne Eosin 

Eosin 
und Liebt 

0 Min. 

CO | 

co 

! co 

v. Prodig. 
überwueb. 

v. Prodig. 
überwueb. 

v. Prodig. 
überwueb. 

8 „ 

4230 

2675 

2162 

do. 

do. 

do. 

6 * 

758 

265 

1 26 

2560 

145 ! 

87 

9 „ 

414 1 

51 

1 8 

— 

132 

23 

12 * 

312 

6 

: 4 

1664 j 

57 

19 

15 * 

275 

5 

i — 

3200 ! 

41 i 

5 

V 2 Std. später 

252 

3 

_ 

1300 1 

32 

13 

2 „ 

189 

3 ! 

j _ 

2765 

120 

30 

1 Tag „ 

67 | 

— ; 

: — 

2675 ; 

2560 ! 

1245 


In dem folgenden Versuch 5 mit Fuchsin wurden erheblich 
grössere Prodigiosusmengen angewandt, die sieb wenigstens zwei 
Stunden lang in annähernd unverminderter Menge in der Mund¬ 
höhle hielten. Auch hier zeigt sich wiederum, in wie hohem 
Grade der Farbstoff die Wirkung des Lichtes unterstützt. 


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Original fro-m 

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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1406 


Versuch 5. (Fuchsinversuch.) 



Prodigiosus 

Normale Keime 


Fuchsin 

ohne 

Liebt 

Liebt 

ohne 

Fuchsin 

Licht 

und 

Fuchsin 

Fuchsin 
ohne Licht 

Licht ohne 
Fuchsin 

Licht und 
Fuchsin 

0 Min. 

00 

oo 

oo 

v. Prodig. 
überwuch. 

1 

v. Prodig. i v. Prodig. 
überwuch. überwuch. 

3 , 

oo 

3136 

192 

do. 

832 

320 

6 „ 

00 

510 

16 

do. 

125 

107 

12 , 

00 

22 

3 

do. 

57 

33 

15 * 

00 

20 

0 

do. 

21 

5 

y« Std. spater 

1 

00 

1 18 ; 

0 

do. 

__ 

— 

2 . 

OO 

! o 

0 

do. 

— 

— 


Ich habe bereits früher ausgefübrt, dass die Wirkung des 
Sonnenlichtes auf Bakterien, wenigstens bei uns, sehr gering ist. 
Nachdem wir den ausserordentlich begünstigenden Effekt der Farb¬ 
stoffe auf die baktericide Wirkung des ultravioletten Lichtes 
kennen gelernt hatten, lag es nahe, auch entsprechende Versuche 
unter Verwendung des Sonnenlichtes anzustellen. 

Wir haben diese auf dem Dach unseres Instituts an den 
sonnigen Tagen im Mai ausgeführt. Dabei wurde den Ka¬ 
ninchen mittels eines Sperrklotzes das Maul aufgebalten und 
sie auf dem Brett so fixiert, dass das Sonnenlicht direkt in 
das Maul hineinscbien. Im übrigen war die Versuchsanordnung 
die gleiche wie bei den Versuchen mit der Quarzlampe, d. b. ein 
Kaninchen wurde bestrahlt unter gleichzeitiger Besprayung der 
Mundhöhle mit Farbstoff, ein zweites wurde ohne Farbstoff be¬ 
strahlt, und ein drittes erhielt allein Farbstoff, ohne dass sein 
Maul gewaltsam geöffnet den Sonnenstrahlen ausgesetzt wurde. 
Der Effekt der Bestrahlung ist natürlich geringer als bei Ver¬ 
wendung des ultravioletten Lichtes. Aber er ist doch ein so über¬ 
raschender, dazu noch angesichts des Umstandes, dass die Ver¬ 
suche im Centrum der Stadt, also in einer höchst verunreinigten 
Atmosphäre vorgenommen wurden, dass wir derartige Ver¬ 
suche unter günstigeren äusseren Bedingungen auch für 
den Menschen bei Rachenerkrankungen und speziell für 
Bacillenträger empfehlen möchten. 


Versuch 6. (Sonnenlicht. Normale Flora der Mundhöhle.) 


Dauer 

Fuchsin ohne 

Sonne 

Sonne 

der Behandlung 

Sonne 

undNaCl-LÖsung, 

und Fuchste 

0 Minuten 

9 984 

12 800 

12 096 

3 n 

10 240 

11 050 

2 496 

6 * 

14 400 

9 230 

1 280 

9 

11 520 

8 640 

508 

12 „ 

8912 

3 648 

213 

15 . 

13 704 

1 344 

121 

nach Va Stunden 

12 280 

1 560 

158 

2 Stunden 

| 9 800 

i 3 942 

256 

1 Tag später 

12 508 

11 025 

9 408 


Die Farbstoffe an sich dürften gänzlich unschädlich sein bei 
der kolossalen Verdünnung, die zur Anwendung kam, angesichts 
des Umstandes, dass z. B. für den Menschen reines Fuchsin ganz 
oogiftig ist. Versuche mit künstlich in die Mundhöhle gebrachten 
Prodigiosusbakterieo fielen bei Sonnenbestrahlung in der gleichen 
Weise au9, wie das der nachstehende Versuch 7 zeigt. 


Versuch 7. (Sonnenlicbt-Prodigiosus.) 


Dauer 

dar Behandlung 

Fuchsin 
ohne Sonne 

Sonne 
und NaCl 

Sonne 

und Fuchsin 

0 Minuten 

oo 

00 

CO 

* . 

oo 

00 

8 384 

o * 

CO 

28416 

660 

• ■■ 

! CO 

2 560 

384 

! ■ 

CO 

302 

119 

j® . 

00 

162 

85 

2 Stunden später 

oo 

128 

4 


IV. Ueber die Befreiung des Vaccinevirus von den Be¬ 
gleitbakterien durch die Einwirkung ultravioletter 
Lieh tstrahleo. 

Ich habe gleichfalls in meinem früheren Vortrag schon kurz 
wo in Gemeinschaft mit Dr. Mironescn aasgeführten Versuche 


znr elektiven Sterilisierung des Vaccinevirus erwähnt Wir haben 
diese Versuche fortgesetzt, und ich will zum Schluss in Kürze 
über die Resultate berichten. 

Das Vaccinevirus enthält, wie wir wissen, reichlich Bakterien. 
Das Glycerin bedingt nur eine nnvollkommene Keimvernichtung. 
Ausserdem dauert sie sehr lange. Chemische Desinfektionsmittel 
schädigen in Konzentrationen, die sicher keimverniebtend wirken, 
auch das Vaccinevirus. Verreibt man aber im Achatmörser Vaccine 
mit Kochsalzlösung im Verhältnis 1:10 vollständig homogen, filtriert 
sie durch Papier, füllt sie in Quarzröhrchen und bestrahlt sie dann 
mit ultravioletten Strahlen, so werden bei bestimmter Lichtintensität 
nnd Entfernung von der Lichtquelle die unter natürlichen Ver¬ 
hältnissen vorkommenden Begleilbakterien in etwa 20 Minuten 
vernichtet, selbst dann, wenn es sich schon um in Fäulnis über¬ 
gegangenes Ausgangsmaterial handelt. Künstlich in reichlicher Menge 
zugesetzte Antraxsporenaufschwemmungen werden in y 2 Stunde 
bis 40 Minuten, Subtilissporen in 1 Stunde, spätestens in l l / 3 Stunden 
abgetötet. Das Vaccinevirus aber ist unter gleichen Bedingungen 
nach iy 2 ständiger Bestrahlung noch voll virulent am KaDinchen- 
auge und auf der Kaninchenhaut. Io neueren Versuchen mit frischer 
Lapine war das Virus auch nach 2 Stunden nicht abgetötet. Die 
Lymphe bleibt, nach der Bestrahlung dunkel aufbewahrt, mindestens 
noch 4 Wochen haltbar. In einem Fall sahen wir nach 6 Wochen 
eine Abschwächung, aber immerhin noch volle Wirksamkeit in 
der Verdünnung 1 :10 (statt wie vorher 1:100); doch handelte es 
sich hier um ein fast 14 Tage altes Ausgangsmaterial. Fasse ich das 
Resultat unserer zahlreichen Versuche mit Lymphe zum 
Schluss zusammen, so ergibt sich, dass es uns in allen 
Fällen mit verschiedenen Vaccinen und Lapinen ge¬ 
lungen ist, die natürlich vorkommenden Begleitbakterien 
in weniger als 30 Minuten zu vernichten, während die 
Vaccine selbst 3—4 mal solange virulent blieb. Es ge¬ 
lingt also praktisch ohne Zusatz eines Antisepticums, 
und ohne dass ein störender Effekt noch nachwirken 
kann, die Lymphe keimfrei zu machen unter Wahrung 
ihrer Virulenz. 


Aus dem pharmakologischen Institut der Universität 
Berlin (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Heffter), Ab¬ 
teilung für experimentelle Therapie und Immunitäts¬ 
forschung (Vorsteher: Prof. Dr. Friedberger). 

Ueber das serologische Verhalten eines Paares 
eineiiger Zwillinge. 

VOD 

Fritz Schiff. 

(Vortrag, gehalten in der Sitzung der Berliner mikrobiologischen Gesell¬ 
schaft vom 14. Mai 1914.) 

Poll 1 ) hat seit einer Reihe von Jahren sich das Studium von 
Zwillingen vom Standpunke der Erblichkeitsforschung aus zur Auf¬ 
gabe gemacht. Die prinzipielle Bedeutung der Zwiliingsforscbung 
für die Erblicbkeitslebre liegt, soweit eineiige Zwillinge in Be¬ 
tracht kommen, darin, dass sie es ermöglicht, die Modifikations¬ 
breite bestimmter Merkmale festzustelleo, da sie es mit Individuen 
zu tun bat, deren Erbanlagen identisch sind. 

Unterschiede zwischen diesen gleicberbigen „isozy gotischen“ 
Individuen können nicht Unterschiede des Erbgutes, sondern 
müssen unabhängig von der Erbanlage erworben sein; sie be¬ 
ruhen auf „Modifikation“ im Sinne der Erblichkeitslehre 2 ). Die 
Zwillingsforschung leistet so bei solchen Untersuchungen als Me¬ 
thode etwa dasselbe wie in der Bakteriologie das Arbeiten mit 
Einzellkulturen. Herr Prof. Poll hatte Herrn Prof. Friedberger 
gebeten zu prüfen, inwieweit die Methoden der Serologie ent¬ 
sprechende Ergebnisse liefern 2 ). 

Die Untersuchungen an einem eineiigen Zwillingspaar, A. und 
P. K., wurden mir durch meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. 


1) Vgl. Poll, Vortrag in der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, 
Novembersitzuog 1913. Zschr. f. Ethoolog., 1914, H. 1, S. 87—105. 

2) Im speziellen verdanken wir der liebenswürdigen Vermittelung 
Yon Herrn Prof. Poll auch die Gelegenheit zur Untersuchung des hier 
besprochenen Zwillingspaares. Herrn Prof. Poll sowie auch denjenigen 
Damen und Herren, die durch Gewährung von Blutentnahmen diese 
Untersuchung ermöglicht haben, sei auch an dieser Stelle mein Dank 
ausgesprochen. 

3 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1406 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


Friedberger, übertragen; ich möchte ihm hierfür anch an dieser 
Stelle besonders danken. 

Es war za prüfen, ob serologische Unterschiede zwischen den 
Zwillingen vorhanden seien, und wenn nicht, ob die Ueberein- 
stimmung der Zwillinge sieb auch auf solche Merkmale erstreckt, 
die in der Regel nur einem einzigen Individuum zukommen. 

Die Zwillingsuntersuchungen haben gezeigt, dass eineiige 
Zwillinge sich in frühem Lebensalter in zahlreichen Merkmalen 
ausserordentlich ähneln, ja gleichen, und dass grössere Unter¬ 
schiede erst in späteren Jahren hervortreten. Bei zweieiigen 
Zwillingen liegen die Verhältnisse anders, nämlich annähernd 
ebenso wie überhaupt bei gewöhnlichen Geschwistern. Demnach 
sind im allgemeinen, und besonders auch schon in früher Jugend, 
die Unterschiede zwischen zweieiigen Zwillingen viel grösser als 
zwischen eineiigen. Einzelne Merkmale können aber bei zwei- 
eiigeo Zwillingen ebenso wie auch sonst bei Geschwistern völlig 
übereinstimmen. 

Ich benutzte zu dieser Prüfung das Verhalten der im menschlichen 
Blute normalerweise vorhandenen Agglutinine, und zwar zunächst 
derjenigen, die gegen Menschenblutkörperchen gerichtet sind. 

Nach den Untersuchungen von Landsteiner 1 ) unterscheiden sich die 
Sera mancher Menschen durch das Fehlen oder Vorhandensein einer 
Agglutinationsfähigkeit für die Blutkörperchen bestimmter anderer 
Menschen. Hierbei hat sich gezeigt, dass die Blutkörperchen einer ganzen 
Reihe von Menschen übereinstimmend von den Seren einer Reihe anderer 
Menschen agglutiniert oder nicht agglutiniert werden. Auf diese Weise 
konnte Landsteiner eine beschränkte Zahl von Typen aufstellen, in 
die sich nach ihrem agglutinatorischen Verhalten sämtliche untersuchten 
Sera oder Blutkörperchen (4 Typen) einreihen Hessen. 

v. Düngern 2 ), der mit seinen Mitarbeitern später unsere Kenntnis 
dieser Verhältnisse wesentlich erweitert hat, konnte zeigen, dass diese 
„Typen“ oder wie er sich ausdrückt „gruppenspezifischen Strukturen“, 
als deren Ausdruck eben das typische Verhalten der Agglutination 
angesehen werden kann, sich gesetzmässig vererben, und zwar ent* 
sprechend den MendeTschen Kegeln. 

Es war zunächst zu prüfen, ob die Zwillinge ein und demselben 
Typus angeboren, wie es die Theorie erfordert. 

Nach den Feststellungen v. Dun gern’s, aus denen das Vor¬ 
handensein bestimmter Erbanlagen für den Agglutinationstypus 
erschlossen werden muss, war das zu erwarten. Der folgende 
Versuch zeigt, dass es in der Tat der Fall ist. 

Es wurden die Sera der Zwillinge mit den Blutkörperchen 
von 8 anderen Menschen zusammengebraebt und zum Vergleich 
Blutkörperchen derselben Menschen auf ihr Verhalten gegen jedes 
der Sera dieser Menschen einzeln geprüft. 

Versuch 1. 

Das Blut wurde in Natrium citricum-Lösung aufgefangen, die Blut¬ 
körperchen einmal gewaschen und in 3 proz. Aufschwemmung verwendet. 
Blutkörperchenaufschwemmung 0,5; Gesamtvolumen 1,0. Es wurden 
kleine Reagenzgläser von etwa 0,6—0,8 mm Weite benutzt. Das Serum 
wurde 30 Minuten bei 50° inaktiviert. 

Ablösung nach zweistündigem Aufenthalt im Brutschrank; Kontroll- 
ablesung nach 2 Stunden; Zimmertemperatur. 


Agglutination. 


Serum 


1 


| 

T 


! ' 


Blut- 

I Zwillinge 

Zö. 

1 Hü. 

j Kl. 

j E. Bo. 3 ) 

i 0. Bo. 3 ) 

1 Ha. 1 Pr. 

1 

Ba. 

körperchen , 

A. 

p. 


! i 






j 

Zö. 

(+) 

(+) 

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I _ 

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44 

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44 

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KI. 

— 

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— 

44 

++ 

44 

44 

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0. Bo. 
Ha. 

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Ba. 




— | 

— 

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: ++| 

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-1 

— 1 ~ 1 
44j (-f)j 

44 

+4 

++ ! 

(+) 

— 


t t 

4~ 4 sehr starke Agglutination, (-f-) deutliche, aber schwache Agglutination. 

Die Sera der Zwillinge (A. u. P.) verhalten sich ganz gleichartig. 
Sie stimmen prinzipiell mit Serum „Hü.“ überein. Dagegen unter¬ 
scheiden sie sich völlig von den untereinander ganz gleichartigen 
Seren n E. Bo. w , „0. Bo.“, „Ha.“ und dem diesen sehr nahe¬ 
stehenden Serum „Pr.“. 


1) Landsteiner, W.kl.W., 1901; Handb. d. Biochem. 1909, Bd. 2. 

2) v. Düngern und Hirschfeld, Zschr. f. Immun.Forsch., Bd. 4. 
S. 531, Bd. 6, S. 284, Bd. 8, S. 526. 

3) Brüder. 


Das übereinstimmende Verhalten der Zwillinge in diesem 
Versuch ist noch kein Beweis für eine weitgehende serologische 
Aehnlichkeit, da, wie ersichtlich, auch Sera nicht blutsverwandter 
Personen in der Tabelle einander gleichen. 

Nun haben die Untersuchungen v. Düngern’s aber gezeigt, 
dass sich auch Sera desselben Typus nicht in allen Fällen 
gleichartig verhalten; Unterschiede kommen zum Vorschein, wenn 
man eine sehr grosse Zahl von Individuen in die Untersuchung 
einbezieht, v. Düngern bat hieraus den Schluss gezogen, dass 
auf diesem Wege eine individuelle Blutdifferenzierung prinzipiell 
möglich ist. Praktisch kommt das Verfahren wegen seiner Um¬ 
ständlichkeit und der grossen Anzahl verschiedener Blutkörperchen¬ 
aufschwemmungen, die notwendig ist, kaum in Betracht. Für 
den vorliegenden Fall habe ich aber noch weitere Sera und Blut¬ 
körperchen geprüft. Da schon Landsteiner gefunden hatte, dass 
die Agglutinine, wenn sie überhaupt vorhanden sind, auch in starken 
Verdünnungen (1:10 und 1 : 100) wirken, so wandte ich, zu¬ 
nächst in der Absicht, die zur Verfügung stehenden nur geringen 
Serummengen auszunutzen, die Sera in 10 facher Verdünnung an. 

Bei dieser Verdünnung fallen die Agglutinationen nicht so 
stark aus, wie bei unverdünntem Serum; man erhält aber noch 
zahlreiche zweifellos positive Reaktionen verschiedenen Grades. 
Unsichere Befunde wurden immer als negativ gerechnet. Der 
Nachteil der schwächeren Reaktion wird wetfgemacht dadurch, 
dass die Differenzierungsmöglicbkeit eine grössere ist, indem 
quantitative Unterschiede des Agglntiningehaltes häufiger hervor¬ 
treten als bei unverdünntem Serum. 

Den Ausfall zeigt Versuch 2. 

Versuch 2. 


Serum 1:10 verdünnt. Im übrigen Technik wie Versuoh 1. 
Agglutination. 


Serum 




r i 


; i 
! i 

i i 

! ! 





Blut- 

I Zwillinge 

Gu. 

Po. 

! Mo.) 

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La|0h. 

Zu., 

Ne. 

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körpereben 

A. 

1 P- 






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Zwillinge | p’ 

- 

- 


- 

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— 

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Po. 

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— 

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— 

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— 

,+ 

— 1 

+ 

— 

— 

44 

Mo. 

— 

— 

— 

— 

1 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

Ri. 

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(40 

— 

— 

++! 

— 

+ 

4 

+ 

— 

— 

4 

La. 

.— 

— 

(+) 

— 

— i 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Oh. 

— 

— 


— 

+ i 

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— 

4 

— 

— 

4 

Zu. 


— 

— 

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— J 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Ne. 

We. 

Sc. 


— 

— 


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4 - ! 

i 

— 

— 

+ 

— 


1 _ 

4 

4 


- 

- 


”! 

- 

[ 

- 

_ 



Die Sera der Zwillinge verhalten sich wie im vorigen Ver¬ 
such vollkommen gleich, ebenso die Blutkörperchen. Wenn man 
die deutliche aber schwache Agglutination unberücksichtigt lässt, 
die mit (-{-) bezeichnet ist, so stimmt das Verhalten der Zwillings¬ 
sera (in den Vertikalreihen) noch überein mit Serum „Gu. M , „Po. w , 
„Ri.“ „We.-. 

Gegenüber diesen Individuen besteben aber Unterschiede in 
der Agglutinierbarkeit der Blutkörperchen (Horizontalreihen). 
Die Blutkörperchen von „We“ werden nicht, wie die der Zwillinge, 
von Serum „La.“ agglutiniert, die von „Gu.“ werden zum Unterschied 
von den Zwillingen noch von „Ne“ agglutiniert, die Blutkörperchen 
von „Po.“ noch von Serum „Zu.“, die von „Ri.“ noch von Serum 
„Zu“ und „Ob.“. 

Die Zwillinge sind demnach in dieser Tabelle von 
allen anderen Individuen zu unterscheiden. Es gibt aber 
in der Tabelle noch zwei weitere Individuen, die nicht vonein¬ 
ander zu unterscheiden sind, nämlich „Mo.“ und „Sc.“. Eine 
Blutsverwandtschaft besteht hier nicht. 

Bei Ausdehnung der Untersuchung auf mehr Sera und Blut¬ 
körperchen könnten zunächst noch Individuen gefunden werden, 
die ebenfalls einem der angeführten gleichen. Immerhin liesse 
sich nach den bisherigen Erfahrungen die Untersuchung auf so 
viele Menschen ausdehnen, dass irgendwelche Unterschiede auch 
zwischen einander sehr ähnlichen Individuen schliesslich zum Vor¬ 
schein kämen. Es wäre za prüfen, ob unter diesen Bedingungen 
die Zwillinge immer noch völlig übereinstimmten. 

Man kann aber durch andere Methoden rascher zum Ziele 
gelangen. Eine der durch v. Düngern angewandten Methoden, 


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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1407 


die hier wahrscheinlich za verwerten wäre, bestände in der Ver- 
Wendung agglutinierender Immunsera, denen durch Absättigung 
bestimmte Agglutinine genommen sind. Diese Methode habe ich 
noch nicht angewendet. Dagegen habe ich andere, ebenfalls 
durch v. Düngern studierte Verhältnisse herangezogen, nämlich 
den Gebalt des Blutes an Normaiagglutininen für heterologe Blut¬ 
körperchen. v. Düngern hat fes: gestellt, dass diese Normalagglu- 
tinine ebenso wie die gegen die homologen Blutkörperchen nur 
für manche Individuen wirksam sind, und dass bis zu einem ge¬ 
wissen Grade zwischen den korrespondierenden Typen verschiedener 
Spezies Beziehungen bestehen. Da diese nicht regelmässig hervor¬ 
treten, so ist in der Prüfung der Normalagglutinine für art¬ 
fremde Blutkörperchen ein weiteres Mittel zur Differenzierung 
gegeben. Ich führe einen solchen Versuch 3 mit Meer¬ 
schweinchenblutkörperchen an. 


Versuch 8. 

Agglutination von Meerschweinchenblutkörperchen durch Menschen- 
serum (1:5). Technik entsprechend Versuch 1. 


Mensohenserum { 





! i 



i 

i 

Blut¬ 

körperchen 

Zwillinge 

Gu. 

Po. 

Mo. 

La. 

Zu. 

i Ne. 

| Sc. 

| We. 

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A. 

1 p * 

1 






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1 

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(44 

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++! 

— 

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4-4- 

4-4- 

— 


4-4- 

-h-, 

— ; 

— 

4 —h 

— 

7 

4- 

4- 

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4- 

— 

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4- 

8 

1 + 

4- 

+ 1 

— 

— 

—, 

— , 

— 

-f 

— 


t t 


Auch in dieser Tabelle stimmen die Zwillinge völlig überein. 
Sie unterscheiden sich durch ein mehr oder minder starkes 
Agglutinationsvermögen für alle Blutkörperchenarten von anderen 
Menschenseris, die insgesamt die Blutkörperchen wenigstens von 
4 Meerschweinchen nicht agglutinieren. 

Ausserdem zeigen in diesem Versuch auch die Sera „Mo.“ 
und „Sc. u , die einzigen, die sich in den Versuchen I und II völlig 
wie die Zwillingssera verhielten, hier nunmehr deutliche Unter¬ 
schiede. 

Zusammen fassend lässt sich sagen, dass Unterschiede 
im serologischen Verhalten des untersuchten Paares 
eineiiger Zwillinge sich nicht haben auffinden lassen 
bei Anwendung von Methoden, die es erlaubten, nicht 
nur das Blut der Zwillinge von dem der andern unter¬ 
suchten Menschen zu unterscheiden, sondern überhaupt 
das Blut jedes einzelnen ontersuchten Individuums von 
dem aller andern. 

Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass bei Untersuchung 
eines grösseren Rontrollmaterials doch noch Unterschiede zwischen 
den Zwillingen zum Vorschein kommen könnten; umgekehrt könnte 
auch wohl ein Individuum gefunden werden, das mit einem andern 
ihm nicht blutsverwandten völlig übereinstimmt. 

Vom Standpunkt der Zwillingsforschung kann festgestellt 
werden, dass eine sehr weitgehende Uebereiostimmnng in bezug 
auf bestimmte Eigentümlichkeiten des Blutes bei eineiigenZwillingen 
bestehen kann. Durch Untersuchung weiterer eineiiger Zwillinge 
muss geprüft werden, ob dies Verhalten für alle eineiigen 
Zwillinge charakteristisch ist. 

Dass es zweieiige Zwillinge gibt, die sich nach ihren 
Krappenspezifischen Strukturen der Blutkörperchen unterscheiden, 
darf nach den Untersuchungen von Poll über Zwillinge und denen 
ran v. Dungernvuber das serologische Verhalten von Geschwistern 
ohne weiteres angenommen werden, ebenso aber, dass zweieiige 
Zwillinge Vorkommen, die in ihren gruppen spezifischen Strukturen 
übereinstimraen. In diesem Fall wäre zu prüfen, ob es sieb, wie 
bei den untersuchten eineiigen Zwillingen, auch um eine Ueber- 
eio8timmung der Individuum spezifischen Strukturen handelt. 
Das braucht z. B. auch bei gleicher gruppenspetifischer Struktur 
Dicht der Fall zu sein, wenn Vater und Mutter demselben Typus 
ragehören, und ein Kind in Wirklichkeit der Struktur des Vaters, 
das andere der der Mutter folgt. 

Es könnten aber auch, wenn bei verschiedenem „Typus“ der 
filtern beide Kinder dem „Typus“ des e i QeQ Elters folgen, 


individuelle Differenzen der zweieiigen Zwillinge bestehen, und 
zwar dadurch bedingt, dass vom Agglutinations-„Typus“ unab- 
hängig agglutinatorische Eigenheiten von dem andern Elter ver¬ 
erbt werden. Es ist noch nichts darüber bekannt, wie weit 
Einzelheiten des agglutinatoriscben Verhaltens, z. B. das Agglu¬ 
tinationsvermögen gegen arteigene Blutkörperchen einerseits, gegen 
bestimmte artfremde Blutkörperchen andererseits, unabhängig von¬ 
einander bestehen und unabhängig voneinander vererbt werden 
können. 

Dass es auch, abgesehen vom Agglutinations-„Typns“, Quali¬ 
täten gibt, die vererbt werden können, folgt mit Sicherheit 
aus dem übereinstimmenden Verhalten der beiden untersuchten 
Zwillinge. 

Es ist selbstverständlich möglich, dass es andere Qualitäten 
gibt, die im Laufe des Lebens erworben werden, z. B. bei Er¬ 
krankungen. Nach den Untersuchungen von Landsteiner scheint 
das aber znm mindesten sehr selten zu sein. 

Zusammenfas sang. 

Es Hessen sich serologische Unterschiede bei einem Paar 
eineiiger Zwillinge nicht auffinden, trotzdem Methoden zur An¬ 
wendung kamen, die es erlaubten, das Blut aller andern unter¬ 
suchten Individuen individuell zu differenzieren. 

Zur individuellen Blutdifferenzierung empfiehlt sich die Kom¬ 
bination mehrerer der von v. Düngern und anderen Autoren 
(Todd) zur Untersuchung gruppen- und individuumapezifischer 
Strukturen benutzten Methoden. 


Aus dem biochemischen Laboratorium des städtischen 
Krankenhauses Moabit in Berlin. 

Ueber Auxowirkungen und gebundene Amino¬ 
säuren des Blutserums. 

Von 

Martin Jacoby und N. Umeda. 

Vor einiger Zeit hat M. Falk 1 ) in unserem Laboratorium 
eine neue Eigenschaft des Blutserums anfgefunden, welche sofort 
der genauesten Beachtnog wert erschien. Es zeigte sich nämlich, 
dass Kaninchenserum imstande ist, die Wirkung des in der Soja¬ 
bohne vorhandenen harnstoffspaltenden Fermentes erheblich zu 
verstärken, während es einer aus Robinia pseudacacia stammenden 
Urease gegenüber ohne Wirkung war. Diese neue Substanz des 
Serums wurde zunächst unverbindlich Auxourease genannt, um 
anzudeuten, dass hier vielleicht eine Beziehung zu den in unserem 
Laboratorium von Gnggenheimer 2 ) naebgewiesenen auxoauto- 
lytiscben Substanzen des Blutserums bestehen könnte. Da schon 
M. Falk beobachtete, dass die Auxourease zwar nicht dialysabel, 
aber kochbeständig ist, so musste es aussichtsvoll erscheinen, 
eine Isolierung der Auxourease zu versuchen. Wir haben diese 
Untersuchung ausgeführt und sind dabei ohne Schwierigkeiten zu 
sehr interessanten Resultaten gelangt, über die wir hier kurz be¬ 
richten wollen, während die Einzelheiten and die Protokolle an 
anderer Stelle ausführlich mitgeteilt werden sollen. 

Zunächst konnten die Resultate Falk’s vollkommen bestätigt 
werden: Das native wie das verdünnt gekochte Serum aktivierte 
sehr stark die Sojaurease, die Auxosubstanz dialysierte nicht. 
Bei IsolieruDgsversQChen zeigte sich, dass die Auxosubstanz nach 
der Coagulation der Eiweisskörper durch Siedehitze bei Zusatz 
von Essigsäure in das eiweissfreie Filtrat gebt, dass sie nach 
Ausfüllung der Ei weisskörper durch Alkohol aus dem Coagulum 
mit Wasser extrahierbar ist. Nach der Beseitigung der Ei weiss¬ 
körper ist die im nativen Serum undialysable Auxosubstanz nun¬ 
mehr dialysabel. 

Nach diesen Vorversucben schien es uns sehr wahrscheinlich, 
dass die AnxoWirkung den Aminosäuren zukommen würde, eine 
Vermutung, die sich in vollem Umfange bestätigte. Eingehende 
Versuche lehrten ans, dass Glykokoll, Alanin, Glutaminsäure, 
Leucin, Tyrosin, ferner auch ein Amid einer Aminosäure, das 
Asparagin, sehr stark die Sojaurease aktivieren, während sie 
allein nicht Harnstoff spalten. Da wir anoabmen, dass das Vor¬ 
handensein von eDdständigen Aminosäuregruppen das ausschlag¬ 
gebende ist, haben wir auch Gasein und Wittepepton untersucht 


1) Biochem. Zsohr., 1914, Bl. 59. 

2) D. Aroh. f. klin. M., 1913, Bd. 112. 

3 * 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1408 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80 . 


und wirksam befanden. Diese Befunde wurden nach jeder 
Richtung durch Kontrollen gesichert, insbesondere auch durch 
Heranziehung anderer Substanzen erwiesen, dass das Entscheidende 
der Aminosäurencharakter der Substanzen ist. 

Der Mechanismus der Aminosäurewirkung bedarf noch besonderer 
Untersuchung. In dieser Hinsicht verfügen wir bereits über die Fest¬ 
stellung, dass optisch aktive Aminosäuren nicht anders als die inaktiven 
wirken. Wir haben die d-Glutaminsaure mit der inaktiven verglichen, 
ferner d-Alanin, das uns Herr Professor Neuberg in liebenswürdigster 
Weise überlassen hat, wofür wir ihm zu grösstem Danke verpflichtet 
sind, mit inaktivem Alanin. Vorläufig ist es wohl am wahrscheinlichsten, 
dass der Harnstoff sich vorübergehend mit der Aminosäure verbindet 
und diese Verbindung besonders für die Fermentspaltung geeignet ist. 
Darüber wird später mehr zu berichten sein. 

Uns musste es zunächst darauf ankommeo, die to'etierkannte 
Sdrumfunktion analytisch aufzuklären, da augenscheinlich hier 
weitgehende physiologische und wohl auch pathologische Zu 
8ammenhänge zu entschleiern sind. Ist nun die Auxowirkung 
des Serums als Aminosäurewirkung aufzufassen? Sollte das er¬ 
laubt sein, so mussten die Aminosäuren gegenüber der Robinia- 
urease ebenso an Wirksamkeit zurücksteben, wie das für das 
Serum durch Falk und uns festgestelit war. Das ist in der Tat 
der Fall: Aminosäuren aktivieren kaum die Robiniaurease. 

In Parenthese seien einige methodische Punkte erwähnt, die uns 
die Durchführung dieser Arbeit ermöglichten und durch ihre Einfachheit 
Untersuchungen ähnlicher Art sehr erleichtern werden. Einmal haben 
wir alle Versuche mit einem bereits vor längerer Zeit in der Physio¬ 
logischen Gesellschaft demonstrierten Sojatrockenpräparat ausgeführt, 
das in Wasser löslich ist und ein sehr bequemes, exaktes Arbeiten zu¬ 
lässt. Herr Dr. Sugga wird das sehr einfache Darstellungsverfahren 
demnächst schildern. Bei der Untersuchung des Serums bedienten wir 
uns, um möglichst exakte Vergleichsanalysen ausführen zu können, eines 
bei Zimmertemperatur im Luftstrom getrockneten Serumpulvers, dessen 
Auxowirkung durch Monate unverändert blieb. 

Die AuxowirkuDg kommt allen bisher untersuchten Seram¬ 
arten (Kaninchen-, Hammel-, Kälber- und Menschenserum) zu. 
Man muss daher annebmen, dass entweder an die Bi weisskörper 
des Serums Aminosäuren angelagert sind, oder dass das Serum- 
eiweiss durch seine endständigen Aminosäuregruppen bisher un¬ 
bekannte Aminosäurereaktionen zu geben vermag. 

Durch diese Feststellung wird auch eine von Jacoby 1 ) 
früher aufgestellte Hypothese über die Bedeutung der Blut¬ 
eiweisskörper für die ResorptioDSvorgänge gestützt. Danach 
sollten die vom Darm dem Blut 2 uflie*senden Stoffe nicht frei 
im Blute kreisen, sondern an die Ei weisskörper des Blutserums 
gekuppelt werden. Aus den EiweissverbinduDgen spalten dann 
die Organe mit Hilfe ihrer spezifischen Enzyme die von ihnen in 
Anspruch zu nehmenden Materialien ab, ebenso die Niere die zur 
Ausscheidung bestimmten. So kommt es, dass Stoffe, wie die 
Salicylsäure oder die Bromkörper, zum Teil als Aminosäure- 
verbinduDgen (in Paarung mit Glykokoll, Cystein usw.) aus¬ 
geschieden werden. 

So gewinnt denn auch die von Jacoby auf Grund der 
Falk’scben Versuche aufgestellte Hypothese, dass durch den 
Uebertritt chemisch einfach gebauter Organprodukte Enzyme des 
Blutserums spezifisch eingestellt werden können, an Wahrschein¬ 
lichkeit. Wie beim Icterus Bilirubin in das Serum Übertritt, so 
könnten bei manchen Krankheiten Aminosäuren, die als direkte 
Spaltungsprodukte der Eiweisskörper bei erhöhtem Stoffwechsel 
im Uebermaasse produziert werden, aus den Organen in das Blut 
übertreten und hier als spezifische Aktivatoren von Enzymen wirk¬ 
sam sein. 

Auch für die Hämolyse und damit für das Gebiet der Sero¬ 
logie dürfte der Nachweis der gebundenen Aminosäuren des 
Serums von Bedeutung sein. Denn schon vor mehreren Jahren 
hat Sasaki 2 ) in Morgenroth’s Laboratorium beobachtet, dass 
Meerschweinchenserum, welches an und für sich sehr wenig hämo¬ 
lytisch auf Ziegen- und Pferdeblutkörperchen wirkt, durch Alanin 
nnd Glykokoll stark aktiviert wird. 

Endlich ist noch zn prüfen, ob diese so exakt und bequem 
bestimmbaren Serumwirkungen auch diagnostisch und prognostisch 
von Bedeutung werden könnten. Nach diesen Richtungen sind in 
unserem Laboratorium bereits Untersuchungen in Angriff genommen. 


1) Biochem. Zscbr., 1908, Bd. 9. 

2) Biochem. Zschr., 1909, Bd. 16. 


Heilung eines bemerkenswerten Grosshirn- 
| tumors. 

| 

Wv Aiefcäidfe? und E. Uiger. 

Alexander: M. H.I Wir gestatten uns, Ihnen folgenden Fall 
vorzustellen, der in mehrfacher Richtung Interessantes bieten dürfte. 

Der jetzt 26jährige Bureaubeamte A. K. stammt aus geSuhder Familie, 
in der insbesondere keine Krampfkrankhblteh vorgekommen sind. Er 
selbst war nie krank, hatte keihe Lues, kein Trauma. Er war ein mittel- 
mlssiger Schüler bnd batte während der Schulzeit fast täglich Kopf- 
BchtteNfen. Diese verloren sieb später, so dass er 1905/07 beim Militär 
dienen konnte und allen Strapazen gewachsen war» 

Im Januar 1910 bekam er nachts nach feinefti Alköholekcess ’onoe 
Vorboten im Schlaf einen Krampfanfall; die Wirtin hörte-ihn im 
Nebenzimmer röcheln, fand ihn beWuäst lös, er hatte sich auf die Zunge 
gebissen und Verfiel danach ih tiCfen Schlaf. Der nächste Anfall er¬ 
folgte aus Vollkommener Gesundheit im März 1910, gleichfalls naohts, 
der dritte im Mai 1910 auf der Strasse. In der Folgezeit traten noch 
einige grosse Anfälle mit Bewusstlosigkeit und Zungenbiss auf, daneben 
aber zahlreiche kleine Anfälle, in denen Patient (bei erhaltenem Bewusst¬ 
sein) abnorme Sensationen Im linken Gesicht und linken Arm Und Rand 
sowie einen bitteren Geschmack auf der linken Eungenhälfte fühlte. Diese 
sensiblen Auren Waren mit einem aufsteigenden Angstgefühl Verbundeb 
und verliefen jedestaäl gabz gleichartig, ln letzter Zeit ginget] Solche 
Auren auch dem grossen Krampfanfall häufig vorab, sö dass Patient 
stets fccit hatte, zur Verhütung des ßungbhbisses ein Taschentuch zwischen 
die Zähne zu steckefcu 

tm September 1910 wurde er 4 Wochen in der Nervenklinik der 
Charite 2 ) beobachtet. Es wurden dort mehrere typische epileptische 
Anfälle mit Pupi lienstarre ärztlich beobachtet, die jedesmal im llbkfeh 
Facialis begannen, nachdem sieb der Kopf nach links gedreht hätte; 
auf linken Arm und linkes Bein übergingen und zuletzt unteir 
Bewusstseinsverlust auch die rechte Seite beteiligten. Einmal Wurde nach 
dem Anfall deutlicher Habinski links beobachtet. Nach Einleitung dfet 
Bromkur (8 g pro die) trat kein grosser Anfall mehr auf, nur noch 
Auren. Röntgen: Erweiterung der Sella türcica, Aufhellungen am Occiput 
und oberen Schädeldach, die von der Klinik als verdächtig bezeichnet 
wurden, während die Sella noch für normal angesehen wurde. Befund 
der Augenklinik: Völlig normal. Der klinische Befund war vollkommen 
negativ, insbesondere fehlten Lähmungen, Sensibilitätsstörungen und 
Klopfempfindlichkeit des Schädels. Die Diagnose wurde unter diesen 
Umständen auf Epilepsie, pseudo-Jackson’sche Form, gestellt 
und Aufnahme in die Epileptikeranstalt Wuhlgarten empfohlen. 

Im März 1911 Aufnahme in die Edel’sohe Anstalt 4 ) in CharlOtten- 
burg. Hier hatte er bis zum 80. Juni 3 grosse Anfälle. Befund negativ. 
Diagnose: Epilepsie. 

Im Jahre 1913 hatte Patient 5 grosse Anfalls, jeden 8.-8. tag 
eine Aura, 

Anfangs August 1918 trateb Zum erstenmal Kopfschmerzeb 
auf, bald auch ein taubes Gefühl in der linken Hand, der gelegebt- 
lich Gegenstände entfielen. Zunahme der Kopfschmerzen. Wenn er itn 
Liegen den Kopf nach links drehte, Schwindel, Erbrechen. Nach 
14 Tagen schmerzhaftes Druckgefühl am fechten Auge. 

Ara 29. XI. 1913 wurde K. durch Herrn Dr. Wollenberg der Klinik 
überwiesen mit der Diagnose „Hirntumor*, nachdem ein Augenarzt 
Stauungspapille festgestellt hatte. 

Befund: Sensorium frei, Pupillen in Ordnung. Leichte Parese im 
linken unteren Facialis. Augenmuskeln, Zunge, Gaumensegel ohne Be* 
Sonderheiten, Trigeminus in Ordnung. Cornealreflexe -f-. KeiD Nystagmus. 
Keine Ataxie, Adiadokokinesis, Klopfempfindlichkeit des Schädels. Sensi¬ 
bilität für alle Qualitäten einschliesslich der Stereognosie intakt. Stauungs¬ 
papille rechts > links bei normalem Gesichtsfeld (Prof. Helbron). Puls 
im Liegen 64, im Sitzen 86. Organe und Urin frei. Kraft der Extremi¬ 
täten, Reflexe, Sprache, Gehör, Geruch in OrdnuDg. Temperatur normal. 

Die Diagnose bot keine besonderen Schwierigkeiten. Die 
allgemeinen Hirndruckerscheinungen (Kopfschmerzen, Erbrechen, 
Schwindel, Pulsverlangsamung, Stauungspapille) sprachen zwingend 
für einen raumbeschränkenden Prozess. Die Seitendiagnose war 
durch den stets gleichbleibenden Ablauf der motorischen nnd 
sensorischen Reizerscheinungen sowie die Facialisparese und den 
Babinski auf der gekreuzten Seite gegeben. Die Jackson’schen 
Anfälle mussten auf eine Reizung der Centralwindungen bezogen 
werden und gestatteten, bei dem Ueberwiegen der sensorischen, 
sowie dem Fehlen nennenswerter Lähmungserscheinnngen trotz 
der langen Dauer des Prozesses, den Schluss, dass der Prozess 
die hintere Centralwindung mehr als die vordere bedrängte. Aus 
dem Fehlen von Lähmung und Sensibilitätsstörung konnte auch 
mehr auf eine Verdrängung als auf eine Zerstörung der Central- 

1) Nach einer Demonstration in der Berliner med. Gesellschaft am 
17. Juni 1914. 

2) Die Krankengeschichte wurde uns freundlichst zur Verfügung 
gestellt. 


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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1409 


Windungen geschlossen werden. Deshalb war auch mehr auf sub- 
corticalen als auf corticalen Sitz des Herdes zu rechnen, um so 
mehr, als auch Klopfempfindlichkeit und Dämpfung des Per- 
kussionsschalls am Schädel vermisst wurden, die bei Rindenherden, 
wenn auch keineswegs immer, aber doch häufig gefunden werden. 
Gegen subcorticalen Sitz sprachen auch nicht die Jackson’schen 
Anfälle, da sie hier ebenso wie beim corticalen Sitz Vorkommen 
können. Wegen des langen Wachstums (4 Jahre) der Geschwulst 
konnte auf eine beträchtliche Grösse gerechnet werden, ohne dass 
wegen der „Stummheit“ der ja rechtsseitigen Nachbargegenden 
weitere Symptome (Sprache usw.) zu erwarten waren. (K. ist 
rechtshändig.) 

Demnach lautete die Diagnose: Tumor im Marklager der 
rechten Hemisphäre, gegen die Rinde zu wachsend, 
wahrscheinlich mehr unterhalb der hinteren Central¬ 
windung. 

Die Diagnose wurde noch durch das Röntgenbild in er¬ 
freulicher Weise bestätigt und ergänzt. Sie sehen auf dieser 
Seitenaufnahme (Abbildung 1) einen deutlichen, unregelmässigen 
Schatten, etwa 6 cm tief unter der Schädelkapsel. Durch die 
beiden Bleimarken hatten wir vor der Aufnahme die ange- 

Abbildung 1. 



Abbildung 2. 



noramene Lage desTumors durch Kocher s Kraniometer 
fixiert. In der Frontalaufnahme (Abbildung 2) sehen Sie den¬ 
selben Schatten 1 cm von der Schädelkapsel bis 4 cm in die Tiefe 
reichend. Ein so starker Schatten konnte nur von Verkalkungen 
des Tumors herstammen. Da diese aber erfahrungsgemäss fast 
nie den ganzen Tumor, sondern nur mehr oder minder grosse 
Teile desselben betreffen, so sprach auch der nicht unbeträchtliche 
Schatten für eine erhebliche Grösse der Geschwulst. 

Iu den folgenden Tagen nahmen Kopfschmerzen und Stauuogspapille 
rapide zu, es traten noch Doppelbilder infolge einer rechtsseitigen Ab- 
ducensparese auf, die wohl durch Fernwirkung auf den VI. Nerven in 
seinem basalen Verlauf zu deuten war. Wir entschlossen uns nunmehr 
zur Operation. 

Unger: 6. I. 1914 Operation: Lokalanästhesie, Bildung eines 
über handtellergrossen Knochenlappens, entsprechend der rechten Scheitel- 
lappeDgegend. Die Dura ist stark gespannt, man fühlt eine Resistenz 
am oberen Pol der freigelegten Stelle, also nicht weit von der Mittel¬ 
linie. Bildung eines viereckigen Duralappens, mit der Basis nach unten. 
Man sieht in der oberen Hälfte der hinteren CentralwinduDg, mehr zum 
Scheitellappen hin, eine einpfenniggrosse dunkelblaue Masse aus der 
Gehirnsubstanz hervorquellen, an einer Stelle der Dura adhärent. Der 
Knochen wird bis dicht an die Medianlinie abgetragen. Man fühlt unter 
der Hirnrinde unregelmässige Resistenzen, die nach Abschieben der 
deckenden Hirnrinde fast allein hervorquellen, teils mittels Saugglas 
(nach Krause) zum Vorschein kommen, kleinapfelgross; schliesslich 
hängt noch in der Tiefe ein TumorzapfeD, nach dessen Entfernung der 
Seiten Ventrikel in Fünfmarkstückgrösse freiliegt; der Ventrikel ist er¬ 
weitert, mit klarem Liquor gefüllt, in der Tiefe flottiert Tela chorioidea. 
Die Atmung stockt; der Kranke wird wiederholt laut angerufen: „tief 
Luft holen“, und schon nach einer Minute setzt regelmässig die 
Atmung ein. 

Zur Ueberbriickung des grossen Duradefektes und um den Ventrikel 
zu deckeö, wird ein freier Fascienlappen mit erheblicher Fettauflagerung 
aus dem Oberschenkel entnommen (etwa 7:7 cm), nach allen Richtungen 
unter die Dura geschoben und so vernäht, dass er nur wenig gespannt, 
das Loch im Seitenventrikel (wie ein geblähtes Segel etwa) verschloss; 
das aufgelagerte Fett diente etwas dazu, den Defekt zu füllen, darüber 
wird die Dura vernäht. 

Die Heilung der Wunde erfolgte glatt, bis auf wiederholt sich ab- 
stossende Knochensequester. 

Der Tumor, ein Eodotheliom, von Prof. Bielschowski untersucht, 
wog 85 g, war 7 cm lang, 5 cm breit, von der Duraoberfläche 7 cm in 
die Tiefe reichend; er enthält Kalksubstanz. 

Um Ihnen Lage und Grösse der Geschwulst zu veranschau- 
liehen, haben wir die exstirpierte Geschwulst in ein fremdes Ge¬ 
hirn eingelegt, und Sie sehen auf Abb. 3 wie der Befund nach 
Eröffnung des Schädels ungefähr aussah. Die Geschwulst sah als 
dunkle Masse zwischen den Hirnwindungen heraus. Auf der 
anderen Hemisphäre haben wir durch Schnitte die Ausdehnung 
angedeutet. 

Abbildung 3. 



Abb. 4 zeigt die in den ausgeschnittenen Defekt eingesetzte 
Geschwulst, Abb. 5 zeigt, nach der Tiefe der Geschwulst be¬ 
messen, dass sie in den Seitenventrikel hereioreichen musste. 
Daneben die Originalgeschwulst. 

Vom Gesichtspunkte des Chirurgen sei hervorgehoben: Die 
Operation ist hier einzeitig durchgeführt, während von den meisten 

4 


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1410 


Nr. 30. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Abbildung 4. 



Abbildung 5. 



Offenor SeJteiiveiitrikpl. 


die zweizeitige Methode empfohlen wird; ich versuche, wo es 
irgend geht, stets einzeitig vorzugehen. Der ganze Akt liess sich 
in Lokalanästhesie durchführen, der Patient blieb auch während 
der Atemstockung bei vollem Bewusstsein, auch die Entfernung 
des Tumors tief aus dem Gehirn verursachte keinen Schmerz. 
Die Blutung, die bekanntlich recht unangenehm werden kann 
und eine Ursache zum zweizeitigen Vorgehen sonst bildet, be¬ 
herrsche ich leicht durch kontinuierliches Absaugen; ich habe 
auf diesen Hilfsgriff wiederholt hingewiesen, doch ist er nicht 
beachtet oder falsch verstanden worden. 

Alexander: Nach der Operation erholte sich Patient schnell. Aus 
der VII-Parese war zunächst eine Paralyse geworden, die jedoch in 
einigen Tagen zurückging. Die Kopfschmerzen Hessen schnell nach, kein 
Erbrechen mehr. Die Stauungspapille war noch unverändert. Ara 28. I. 
1914 bekam Pat. einen schweren epileptischen Anfall. Danach 
bestand eine sogenannte mimische Facialisparese links, d. h. der 
Facialis gehorchte bei willkürlicher Innervation dem Willen, blieb aber 
bei unbewussten, psychoreflektorischen Bewegungen (Lachen) deutlich 
zurück. Diese Erscheinung, welche als Herdsymptom des Thalamus 
opticus bekannt ist, konnte in unserem Fall nicht überraschen, da bei 
der bedeutenden Verschiebung der Teile durch die Entfernung eines so 
grossen Tumors sehr wohl auch der Thalamus in der Tiefe durch Blutung 
oder Oedem geschädigt werden konnte. Die Temperatur verlief im ganzen 
normal, mehrfach traten kleine Steigerungen durch Liquorstauung auf, 
die durch Punktion von der Wunde aus beseitigt wurden. Am 4. II. 
wurde Ataxie und Hypästbesie für alle Qualitäten im linken Arm, be¬ 
sonders in den Fingern, festgestellt. Am 11. II. abermals ein schwerer 


epileptischer Anfall. Babinski links. Die mimische Vll-Parese besteht 
weiter. Brorabehan d lung. 

19. II. Mehrfach sensorische und motorische Auren im linken Arm. 
Kein Krampfanfall mehr. 

31. III. Entlassung. 11. V. Aufnahme der Arbeit. Seitdem ist Pat. 
beschwerdefrei. • 

Der jetzige Status ist der folgende: 

Demonstration: Facialis in der Ruhe und bei Bewegungen (ge¬ 
wollten und unbewussten) intakt. Als Rest der früheren Lähmung be¬ 
steht, wie Sie sehen, nur noch das bekannte Symptom, dass Patient wohl 
das rechte, nicht aber das linke Auge isoliert schliessen kann. 
Die grobe Kraft des linken Armes ist normal. Sie sehen, wie 
er einen schweren Stuhl bis zur Horizontalen hebt. Er steht mit ge¬ 
schlossenen Augen und macht eine prompte Kehrtwendung ohne 
Schwanken. Es besteht keine Spur von Ataxie, der Fingernasenversuch 
fällt tadellos aus. Die Reflexe sind in Ordnung. Die Stauungspapille 
ist verschwunden. Das einzige Symptom, welches noch festzustellen 
ist, ist folgendes: Am linken Arm ist die Sensibilität für alle 
Qualitäten auch nicht andeutungsweise gestört: Berübrungs , 
Schmerz- und Temperaturempflndung, DrucksioD, Gelenksinn, und Lokali¬ 
sation sind intakt. Und doch ist Patient nicht imstande, Gegen¬ 
stände, die man ihm in die linke Hand legt, zu erkennen. 
Diese Störung, welche in solcher Reinheit nur äusserst selten beschrieben 
ist, nennt man Stereoaguosie; sie gilt als Herdsymptom der hinteren 
C’entralwindung und des anstossenden Scheitellappens. Da sie vor der 
Operation nicht bestand, ist sie als, allerdings einzige, Operations- 
scbädiguDg anzuseheu. 

Noch ein Wort über die Prognose. Wir glauben dieselbe 
günstig stellen zu dürfen, aus folgenden Gründen: Der Tumor 
war abgekapselt und ist anscheinend in toto entfernt worden. Er 
ist sehr langsam gewachsen und hatte an sich die Tendenz zu 
regressiven Vorgängen (Verkalkung). Der Kranke ist nun seit 
G Monaten geheilt, während gerade bei Hirntumoren Recidive 
häufig schon in den ersten Wochen und Monaten beobachtet 
werden. Mit der Möglichkeit des Eintretens einer Narbenepilepsie 
muss natürlich gerechnet werden. 

M. H.! Die Bedeutung des Falles liegt, kurz zu- 
sammengfasst, in folgenden Punkten: Trotz fast dauernder, 
sachverständigster Beobachtung treten erst nach vierjähriger 
Dauer der Epilepsie die ersten Tumorsymptome auf. 
Auch daun blieben die Lokalsymptome nur äusserst gering bei 
der enormen Grösse der .Geschwulst. Der Tumor ist — gleich¬ 
falls ein sehr seltenes Vorkommen — direkt im Röntgenbilde 
sichtbar. Die Operation wird gänzlich in Lokalanästhesie durch¬ 
geführt und der Seitenventrikel weit eröffnet. Als einziger Defekt 
bleibt eine reine Stereoagnosie. Und schliesslich, was das 
wichtigste ist: es tritt vollkommene Heilung ein. 


Ueber die wissenschaftlichen Vorstudien und 
Grundlagen zum Friedmann’schen Mittel. 

Von 

F. F. Friedmann. 

Es dürfte bekannt sein, dass ich den Schildkrötentuberkel¬ 
bacillus 1902/03 entdeckt 1 )» reingezüchtet 2 ) und die Schildkröten¬ 
tuberkulose eingehend beschrieben 3 ) habe. Ich erhielt damals 
zwei an hochgradiger Lungentuberkulose eingegangene Seeschild¬ 
kröten und konnte hier zum erstenmal spontane Lungen¬ 
tuberkulose bei einem Kaltblüter überhaupt feststellen. 

Der aus der zweiten dieser Schildkröten von mir reingezüchtete 
Tuberkelbacillus vermochte in warmblütigen Tieren Knötchen zu 
erzeugen, die jedoch, wenn die Dose nicht zu enorm hoch gewählt 
wurde, abheilten; die Tiere gingen niemals an Tuberkulose zu¬ 
grunde. Wenn dieser Stamm also auch fast avirulent war, und 
wenn auch die Knötchen im Meerschweinchenkörper nie zur Tuber¬ 
kulose führten, so waren doch diese Bacillen noch nach Jahren 
im Körper dieser Versuchstiere nachweisbar. 

Da jedoch dieser Bacillus nicht nur bei niederen Temperaturen, 
sondern auch bei 37° gut wuchs, und da ausserdem seine bei 
37° gewachsenen Kulturen den Kulturen der menschlichen Tuber¬ 
kulose und der Rindertuberkulose zum Verwechseln ähnlich sahen, 
so lag mir der Gedanke nahe und ist von mir auch bereits io 
den Jahren 1903—1905 ausgeführt worden, diesen Tuberkelbacillen- 
stamm lebend zu immunisierenden und therapeutischen 
Tierversuchen zu verwenden. 


1) D.m.W., 1903, Nr. 2 u. Nr 26 

2) Zbl. f. Bakt., 1903, Bd. 34. 

3) Zschr. f. Tub., 1903, Bd. 4, H. 5. 


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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE 'WOCHENSCHRIFT. 


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In der Tat gelang es, Meerschweinchen, die für die Tuber* 
kuloseiofektion allerempfänglichsten Säugetiere, durch Vorbehand¬ 
lung mit jenem Stamm soweit zu immunisieren, dass sie, wenn 
sie in den ersten Monaten nach der Infektion mit menschlichen 
Tuberkelbacillen zu einer Zeit, wo die Eontrolltiere bereits an 
allgemeiner Tuberkulose gestorben waren, zugrunde gingen oder 
getötet wurden, gewöhnlich noch frei von Tuberkulose waren; 
schliesslich gingen sie auch zugrunde, doch überlebten sie die 
Kontrollen um das 2—3 fache, ja noch länger. 

Ein mit jenem Stamm 2 mal injiziertes, perlsüchtiges Rind 1 ), 
welches vor der Behandlung auf 0,6 ccm Koch’scbes Tuberkulin 
von 38,5°—41° reagiert hatte, wurde geheilt; es zeigte 6 Monate 
später mit der 4 fachen Menge Tuberkulin wie das erste Mal 
(2,0 ccm) geprüft, keine Spur einer Reaktion mehr, war auch nach 
Körpergewicht und Temperaturverlauf als geheilt zu betrachten. 
Sektionsbefund: Zwei Trachealdrüsen enthalten alte verheilte, ver¬ 
kalkte bzw. in Verkalkung begriffene Herde und beide Drüsen 
sind von derbem, mehrschichtigem Bindegewebe umgeben und 
vollständig abgekapselt. Alle sonstigen Körperdrüsen des Rindes 
und alle inneren Organe sind vollkommen freigeblieben und zeigen 
keine Spur tuberkulöser Erkrankung. 

Längere Zeit nachdem ich 1903 meine Meerschweinchen- 
Immunisierung publiziert hatte 2 ), erschien 1904 Möller’s erste 
Veröffentlichung über seine Immuni9ierungsversucbe mit seinen 
Blindscbleichenbacillen, sowie über seinen Versuch am eigenen 
Körper. Beides wurde von Liebreich 3 ) kritisch widerlegt, der 
ausführte 4 ), dass der Möller’sche Meerschweinebenversuch miss¬ 
glückt und sein Autoinoculationsversuch ohne Beweiskraft sei. 

Und in der Tat ist ja, da Dach den Veröffentlichungen des 
Kaiserlichen Gesundheitsamts von Weber und Taute alle diese 
nach Art der Möller’schen Blindschleichenbacillen bei niederen 
Temperaturen wachsenden, säurefesten Sapropbyten auch in 
zahlreichen gesunden, kaltblütigen Tieren Vorkommen, 
die von Möller behauptete Transformation der menschlichen 
Tuberkelbacillen in „Blindschleicbentuberkelbacillen“ als wider¬ 
legt und irrig anzusehen und ein immunisatorischer oder thera¬ 
peutischer Erfolg durch diese den Tuberkelbacillen viel zu fern¬ 
stehenden 5 ) Saprophyten, die allenthalben, auf der Weide, auf 
Gräsern, in der Erde, am Moose zufällig Vorkommen, nicht zu 
erwarten und auch nicht erzielt worden 6 ). 

Seit 1902 habe ich daun die biologischen, bakteriologischen 
und klinischen Studien mit Schildkrötentuberkelbacillen ununter¬ 
brochen fortgesetzt und habe mit verschiedenen Stämmen gearbeitet. 
1904 habe ich 7 ) gelegentlich kurz berichtet, dass mir die Züchtung 
eines zweiten Schildkrötentuberkelbacillenstammes gelungen war, 
der einer wiederum spontan eingegangenen Schildkröte, diesmal 
einer seltenen Landschildkröte entstammte, bei Temperaturen über 
25° nicht wuchs und mir seiner ganzen Beschaffenheit nach un¬ 
geeignet, dem menschlichen Bacillus viel zu fernstehend schien, 
nm immunisatorisch oder therapeutisch Erfolg zu versprechen. 
Die mit diesem Stamm behandelten Säugetiere reagierten zwar 
auch auf Koch’scbes Tuberkulin, aber nicht so prompt und typisch, 
wie die mit Stamm I behandelten. 

Uebrigens ist die Schildkrötentuberkulose * keine Seltenheit, 
v. Betegh züchtete aus frisch gefangenen Schildkröten (wie ich 
seinen brieflichen Mitteilungen entnehme, waren es Seeschildkröten) 
Tuberkelbacillen. Ferner veröffentlichte Professor Dr. A. Möller 
in der Staatsbürgerzeitung (Berlin, 25. Juli 1913), er hätte 
im Frühjahr 1913 auch einen Schildkrötentuberkelbacillus aus einer 
spontan eingegangenen Schildkröte, die er aus einem Tierexport- 
gesebäft erhalten hätte, gezüchtet. Weber und Taute vom Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamt impften mit den von ihnen gewonnenen 
Kaltblütertuberkelbacillen einige Landschildkröten, dieselben zeigten 
in Leber, Milz, Nieren, besonders zahlreich auch in den Lungen, 
graugelbe Knötchen. 

Auch ich selbst züchtete dann noch einige weitere Bacillen¬ 
stämme aus spontan eingegangenen Schildkröten. Die meisten 
derselben hatten ihr Temperaturoptimum bei 26°, über 30° kamen 
sie nicht mehr fort. 

Unter den weiteren zu Versuchszwecken frisch ange¬ 
schafften griechischen Landschildkröten (Testudo graeca), ging 


1) vgl, Friedmann, D.ra.W., 1904, Nr. 46. 

2) D.m.W., 1903, Nr. 50 und Ther. Mh., 1904. 

3) vgl. Friedmann, D.m.W., 1904, Nr. 46. 

4) Ther. Mb., 1904. 

5) D.m.W., 1914, Nr. 18. 

6) B.kl.W., 1912, Nr. 49, S. 2329. 

7) 1904, Nr. 5. 


eine, bevor sie in Versuch genommen werden konnte, im 
Januar 1906 spontan ein. Aus ihren Organen züchtete ich den 
dritten Scbildkrötentuberkelbacillenstamm. Das Tier war in einem 
Kasten isoliert gehalten worden, niemals mit anderen in Berührung 
gekommen und hatte als Futter ausschliesslich das übliche Schild- 
kröteufutter, nämlich Salat, erhalten. 

Bei der Sektion zeigten sich beide Lungen, die dorsal nur 
mit Sobstauzverlust von der Schildplatte abgelöst werden konnten, 
mit Knötchen, die zum Teil bereits käsig erweicht waren, 
durchsetzt. Mehrfach waren diese Gebilde konfluierend, zu grösseren 
Konglomeraten verschmolzen, die im Centrom Eioschmelzuog 
zeigten. Auf diese Weise waren mehrfach kleine Höhlenbildungen 
entstanden. 

Mikroskopisch zeigten Bich die käsig erweichten Partien aus 
ausserordentlich grossen Massen säurefester Bacillen bestehend, 
dazwischen fanden sich abgestossene Epithelien, mono-polynucleäre 
Leukocyten, Rundzellen und Zelldetritus. Die noch nicht erweichten 
Knötchen besteben aus epitheloiden Zellen und hier und da spär¬ 
lichen Rieseuzelleo; auch in diesen eigentlichen Tuberkeln finden 
sich intra- und extracelluläreBacillen, aber lange nicht so reichlich, 
wie in den verkästen Partien. Zwischen den Knötchen bzw. den 
verkästen Partien bemerkt man ganz normales, bacillenfreies 
Lungengewebe. 

Die Leber zeigte einige submiliare Knötchen, ist im übrigen 
makroskopisch ohne pathologische Besonderheiten. Milz und Nieren 
makroskopisch ebenfalls normal; mikroskopisch fanden sich in 
allen drei Organen zahlreiche säurefeste Bacillen, aber nicht in 
annähernd solchen Massen, wie in den Lungen. 

Die Methode der Kultivierung war die gewöhnliche, wie 
sie Koch angegeben hat, und wie ich sie nicht nur 1903 bei 
meiner Züchtung meines ersten Schildkrötentuberkelstammes, 
sondern auch bereits bei meinen 1901 veröffentlichten 1 ), aber bis 
1898 zurückreichenden experimentellen Tuberkulosevererbungs¬ 
arbeiten im hiesigen hygienischen Institut angewandt habe, die 
icb damals mit den von der Kgl. Preussiscben Akademie der 
Wissenschaften und der Berliner medizinischen Fakultät gewährten 
Geldmitteln ausführen konnte. Dieser kleine historische Hin¬ 
weis ist deshalb erforderlich, weil neuerdings von einer Seite be¬ 
hauptet wird, auf mein Ersuchen 1903 Reinkulturen aus einer 
tuberkulösen Schildkröte herausgezücbtet und mich damals in der 
Kulturzüchtung unterwiesen zu haben. Dieselbe Stelle behauptet 
übrigens einerseits, dass sie, angeblich durch Verfütteruug bacillen¬ 
haltigen Sputums (??), bei zwei Fröschen und einer Schildkröte 
die „gleichen“ Kulturen“ wie die „Friedmann’scben Kulturen“ 
gezüchtet haben will nnd versucht andererseits dieses Präparat, 
also einfach Friedmann’sche Bacillen, unter eigenem Namen und 
als angeblich eigenes Geistesprodukt mit besonderen „Schutz¬ 
zeichen“ der Aerztescbaft anzubieten. 

Die Kultivierungsmethode bestand also einfach darin, dass 
auf den für Tuberkelbacillen Üblichen Nährböden sowohl aus der 
Lunge wie aus Leber uud Milz Kulturen angelegt wurden Aus 
den Lungen wurde einerseits der schmierig-käsige Inhalt der er¬ 
weichten kleinen Höhlen direkt anf die Nährbodenoberfiäche ver¬ 
strichen, andererseits wurden Lungengewebsstückchen, die die noch 
nicht erweichten Knötchen enthielten, zwischen Bterilen Glasplatten 
zerquetscht und auch mit dem so erhaltenen, bacillenbaltigen 
Gewebsbrei Kulturen angelegt. Auf allen aus der Lunge ange¬ 
legten Röhrchen wuchsen reichliche Kolonien, während von den 
aus der Leber angelegten Röhrchen nur die Hälfte, von den aus 
der Milz überhaupt nur ein Röhrchen vereinzelte, kümmerliche 
Kolonien zeigte. Die Kolonien erwiesen sich mit den aus den 
Lungen gewonnenen identisch. 

Die ersten Kolonien erschienen am 6. Tage als kleinste eben 
sichtbare Pünktchen, sie vergrösserten sich ziemlich gleich- 
mässig und schnell, die kleinen weissgelblichen runden Gebilde 
konfiuierten, und am 10.—12. Tage waren die meisten Röhrchen, 
auf denen die Kultur angegangen, von einem feinen Belag über¬ 
zogen. 

Das Wachstum der bei gewöhnlicher Zimmertemperatur 
(18—25°) aufbewahrten, sowie der im Thermostaten von 37* ge¬ 
haltenen Kulturröhrchen war ein annähernd gleich intensives, 
nur zeigten die ersteren eine mehr feuchte Oberfläche, während 
die 37 °-Kulturen, wiederum den Säugetierkultureo sehr ähnlich, 
ein trockenes feinkörniges Aussehen batten; es entstanden 
da, wo sich die Bacillenrasen mehr flächenförmig ausdehnten, 
trockene schilfende Schüppchen, die als ganzes von der Nähr- 


1) Zsohr. f. klin. Med., Bd. 48, H. 1 u. 2. 

4* 


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1412 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30, 


bodenoberfläche abhebbar waren, während an anderen Stellen die 
Kolonien stark über die Näbrbodenoberfläche hervorwachsen, un¬ 
regelmässig prominierten und so die Kulturen schliesslich das 
bekannte blumenkohlartige Aussehen der Tuberkulosekulturen ge¬ 
wannen. Schon die primär gewonnenen Kulturen und alle ihre 
Abkömmlinge zeigten einen eigenartigen feinen charakteristischen 
Geruch: etwas faulig, süsslich und doch nicht widerlich, manche 
erinnert der Geruch an den Geruch der Hefe, andere wieder an Spargel. 
Am intentivsten ausgesprochen ist dieser Geruch der Kulturen 
auf flüssigen Nährböden, wo der Bacillus in Form von zarten 
schwimmenden Oberflächenhäutchen, dann mit fortschreitender Ver¬ 
mehrung in Form immer dicker werdender, faltiger, runzeliger Häute 
ebenfalls sehr gut fortkommt. Bei der mikroskopischen Unter¬ 
suchung zeigten sich die Bakterien als feine, ziemlich gleich- 
mässig geformte, meist gerade verlaufende, seiten geschwungene, 
2—4 ;t lange Stäbchen, die in der überwiegenden Mehrzahl 
vollständig alkobol- und säurefest waren; auch bei stärkster 
Entfärbung der Präparate durch absoluten Alkohol bzw. durch 
Säuren behalten die allermeisten Bacillenindividuen ihre Tinktion 
(durch Anilinwasserfuchsin, Carboifuchsin usw.) als leuchtend 
rote Farbe bei, nur in ganz jungen, erst wenige Tage bestehenden, 
so wie andererseits in alten, mehrmonatigen Reinkulturen finden 
sich Bacillen, die nach der Entfärbung nur noch ganz blassrosa, 
schemenhaft aussehen und dann auch sehr leicht durch die Kon¬ 
trastfarbe (Methylenblau) blau gefärbt werden oder aber eine 
Zwischenfarbe (rotviolett) annehmen. 

Tierversuche. 

Mit der Reinkultur dieses Scbildkrötentuberkelbacillenstammes 
wurden Meerschweinchen, Kaninchen und Schildkröten geimpft 
und zwar sowohl mit der dem Nährboden mit der Platinöse frisch 
entnommenen Kultur durch Implantierung in eine Hauttasche als 
auch mit einer homogenen Emulsion bzw. Suspension der Kultur 
in Bouillon, Kochsalz, Wasser usw. durch subcutane, intraperi¬ 
toneale, intramuskuläre, intravenöse Injektion. 

Die in der ersten Zeit nach Gewinnung der Kultur (Fe¬ 
bruar/März 1906) geimpften Landschildkröten verloren bereits in 
der zweiten Woche nach der Impfung die Fresslust und gingen 
nach s / 4 —1 1 / 2 Monaten an allgemeiner Tuberkulose zugrunde, 
während die 3 /a Jahre später (November, Dezember 1906) ge¬ 
impften Schildkröten viel weniger unter der Impfung litten: sie 
blieben leben und wenn sie nach 3 und 4 Monaten getötet wurden, 
so fanden sich wohl die injizierten Bacillen in die inneren 
Organe (Lunge, Leber, Milz, Nieren) verschleppt, auch sah man 
mikroskopisch Rundzellenanbänfungen, aber zu einer makro¬ 
skopisch erkennbaren, tödlichen Tuberkulose kam es nicht mehr. 

Die in der ersten Zeit nach Gewinnung der Kultur (Februar, 
März 1906) geimpften Säugetiere (Meerschweinchen und Kaninchen) 
zeigten in den ersten Wochen nach der Impfung etwas ver¬ 
minderte Fresslust, Gewichtsverlust, weniger glattes Aussehen, 
erholten sich aber dann, wenn sie nicht ah anderen interkurrenten 
Krankheiten zugrunde gingen, allmählich und blieben am Leben: 
kein einziges Tier ging an Tuberkulose zugrunde. 

Schildkröte. 6. II. 1906. 1 Platinöse Reinkultur, Hauttasche. 

15. III. Tot. Ueber erbsengrosser, teils käsig bröckeliger, teils 
eiterig erweichter Herd, von sulzigem Gewebe umgeben an der Implan¬ 
tationsstelle. Lungen, Milz, Leber, Niere, zahlreiche kleine graue und 
grössere gelbgraue Knötchen, die sämtlich dieselbe histologische Struktur 
wie bei der Ausgangsschildkröte zeigen und ebenso wie der Herd an 
der Stelle der Hauttasche zahlreiche, vollständig säurefeste Tuberkel¬ 
bacillen enthalten. 

Schildkröte. 6. II. 1906. 0,5 com Kulturemulsion intraperitoneal. 

3. III. Tot. Peritoneum, Leber und Milz mit zahllosen Knötchen 
dicht durchsetzt, Lungen und Nieren nur vereinzelte, äusserst feine 
Knötchen. Während die Peritoneal- und Leberknötchen mehr weiss¬ 
gelblich gefärbt sind und käsig weichen Charakter zeigen, sind die 
Knötchen in den übrigen Organen grau. Letztere zeigen mikroskopisch 
den typischen Tuberkelbau und enthalten nur spärliche Bacillen, während 
die Peritonealknötchen, die mikroskopisch verkäsendes Gewebe zeigen, 
von dichten Maasen von Bacillen vollgestopft sind. 

Schildkröte. 16. XL 1906. 2 Platinösen Reinkultur, Hauttasohe. 

12. III. 1907. Getötet. An der Hauttaschenstelle kleiner narbig 
umschlossener käsiger Herd, der mikroskopisch zerfallenes Gewebe mit 
zahlreichen Bacillen zeigt. Innere Organe makroskopisch ohne Befund. 
Mikroskopisch enthalten LuDgen, Leber, Milz und Nieren, besonders 
zahlreich Lungen und Leber, Anhäufungen kleiner Rundzellen mit ver¬ 
einzelten, meist intracellulär gelegenen Tuberkelbacillen. 

Schildkröte. 17. XI. 1906. 1,0 ccm Kulturemulsion intra¬ 
peritoneal. , , _ . 

13. II. 1907, Getötet. Zahlreiche kleine Knötchen auf dem Peri¬ 


toneum, sowie auf der Oberfläobe der Leber; Milz, Nieren und Lungen 
zeigen makroskopisch keine Veränderungen, dagegen mikroskopisch Rund- 
zellenanhäufungen mit Bacillen. 

Graues Kaninchen. 6. II. 1906. 3 Platinösen Reinkultur, Haut¬ 
tasche. 

5. V. 1906. Getötet. An der Stelle der Hauttasche stecknadelkopf¬ 
grosses, bröckelig körniges Herdchen, das lediglich aus Zelldetritus mit 
ganz spärlichen, sich blassfärbenden, körnig zerfallenden Bacillen be¬ 
steht. Alle inneren Organe und Drüsen spiegelblank, normal, ohne ein 
Knötchen. Mikroskopisch ebenfalls keinerlei Besonderheiten und keine 
Bacillen nachweisbar. 

Mit dem Herde der Hauttasche wird am 5. V. ein gelbweisses 
Meerschweinchen Hauttasche implantiert. Dasselbe zeigt bei der am 
1. VIII. vorgenommenen Tötung sich vollständig normal. Nirgends 
Bacillen nachweisbar, auch nicht an der Impfstelle. 

Weisses Kaninchen. 6. II. 1906. 0,5 com Kulturemulsion intra¬ 
venös. Linke Ohrvene. 

6. V. 1906. Getötet. An der Oberfläche der Lungen 3 submiliare 
harte Knötchen, sonst Lungen vollständig normal, ebenso die inneren 
Organe und Drüsen makroskopisch normal. Mikroskopisch zeigen die 
Knötchen sich aus Epitheloiden und Rundzellen mit ganz vereinzelten 
zerfallenden Bacillen bestehend; die Knötchen sind scharf bindegewebig 
umgrenzt. Das umgebende Lungengewebe ist völlig normal und b&cillen- 
frei, ebenso zeigen die Lungen im übrigen, auf sehr zahlreichen Schnitten 
untersucht, ganz normalen Bau, keinerlei pathologische Besonderheiten 
und nirgends einen einzigen Bacillus. 

Ein Stückchen der Kaninchenlunge mit einem Knötchen wird einem 
orangeschwarz gescheckten Meerschweinchen in eine Haut¬ 
tasche implantiert am 6. V. 1906. Am l. VIII. wird das Meerschwein¬ 
chen getötet. Es zeigt vollkommen normale Organe, und es lassen sich 
mikroskopisch auch an der Impfstelle keine Bacillen nachweisen. 

Schwarzes Meerschweinchen mit weisser Blässe. 260 g. 
6. II. 1906. 1,0 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

20. II. 310 g. Impfstelle verhärtet, regionäre Leistendrüsen, etwas 
geschwollen, etwas druckempfindlich. 

27. II. 290 g. Impfstelle erbseDgrosser Knoten, Drüsen stärker 
geschwollen, auch rechtsseitige Leistendrüsen beginnen zu schwellen. 

6. III. 280 g. Drüsen etwas kleiner geworden. Impfstelle entleert 
etwas käsigen Eiter. 

15. III. 250 g. Kleines Ulcus an der Impfstelle, fortdauernde 
Sekretion. Drüsen wieder fast normal, unempfindlich. 

28. III. 320 g. Ulcus fast verheilt. Drüsen normal. 

12. IV. 890 g. An der Stelle des ehemaligen Impfgeschwürs junge 
gesunde Haut, Drüsen normal. 

25. IV, 425 g. Getötet. In der Milz und Leber mässig zahlreiche 
weissgraue Knötchen. Uebrige Organe und alle inneren und äusseren 
Drüsen ohne Veränderung. Die mikroskopische Untersuchung zeigt die 
Knötohen aus Epitheloiden, hin und wieder eine Riesenzelle, bestehend, 
in ihnen vereinzelte Bacillen. 

Ein Stückchen der knötchenbaltigen Leber und Milz wird einem gelb* 
grauen Meerschweinchen Hauttasche implantiert am 25. IV. 1906, 
getötet 15. VII.: Alle. Organe makroskopisch und mikroskopisch voll¬ 
ständig normal, frei von Tuberkulose und von Baoillen, auch an der 
Impfstelle keine Bacillen nachweisbar. 

Schwarzweisses Meerschweinchen. 315 g. 6. II. 1906. 
1,5 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

20. II. 340 g. An der Impfstelle bereits kleines Geschwür mit 
käsigem Grunde. Regionäre Leistendrüsen diffus gesohwollen, druck¬ 
empfindlich. 

27. II. 320 g. Geschwür vergrössert. Gegenseitige Leistendrüsen 
intakt. 

6. III. 360 g. Gesobwür wieder in Verkleinerung. Drüsen nicht 
mehr druckempfindlich. 

15. III. 400 g. Ulcus geheilt. Drüsen normal. — 12. IV. 470 g. 

25. IV. 510 g. Bei bestem Wohlsein getötet. In der nur wenig 
vergrösserten Milz einige soharfumsohriebene, kaum steoknadelkopfgrosse 
Körnchen, alle übrigen Organe vollständig normal. Mikroskopisch: die 
Knötchen bestehen aus epitheloiden Zellen, zeigen im Centrum be¬ 
ginnende Verkäsung und naoh langem Suohen vereinzelte zerfallende 
Bacillen. 

Einige herausgeschälte Milzknötchen, die regionären Leistendrüsen, 
ein Stückchen Subcutangewebe von der Impfstelle werden einem orange- 
schwarzen Meerschweinchen Hauttasche implantiert am 25. IV. 1906, 
getötet 20. VII.: Alle Organe makroskopisch und mikroskopisch voll¬ 
ständig normal, frei von Tuberkulose und von Bacillen. 

Orangeweisses Meerschweinchen. 300 g. 6. II. 1906. 1,5 ccm 
Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

20. II. 825 g. An der Impfstelle kleinerbsengrosses Knötchen. 
Eine regionäre Leistendrüse vergrössert und verhärtet. 

27. II. 360 g. Derselbe Befund. 

6. III. 875 g. Impfknötchen bedeutend verkleinert, weinbeerenk® rD ' 
gross, Drüse zurückgegangen. 

15. III. 405 g. Impfstelle nicht mehr fühlbar. Drüsen normal. 

12. IV. 450 g. Normal. ... . 

25. IV. 475 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Auf der Oberfläche 
der nicht vergrösserten Milz sowie der Leber ganz vereinzelte (8 oder v 


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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1413 


weissgrane Fleckchen, im übrigen diese und alle übrigen Organe normal. 
Tier in ausgezeichnetem Ernährungszustand. Mikroskopisch: Rundzellen- 
anhäufungen mit intracellulären Bacillen, das umgebende Gewebe normal 
und bacillenfrei. 

Bin kleines Stückchen der Leber und Milz, welches die erwähnten 
Fleckchen enthält, sowie ein Stückchen der yergrössert gewesenen 
Leistendrüse werden einem schwarzgelben Meerschweinchen 
in die Hauttasche implantiert am 25. IV. 1906; getötet 30. VII.: Alle 
Organe makroskopisch und mikroskopisch vollständig normal, frei von 
Tuberkulose und von Bacillen. 

Gelbes Meerschweinchen. 275 g. 6.11.1906. 1,0 com Kultur* 
emulsion intraperitoneal. 

20. II. 240 g. Frisst schlecht. Haar struppig. — 27. II. 220 g. 
Desgleichen. — 6. III. 270 g. Fühlt sich besser an. — 15. III. 310 g. 
Offenbar gesund. — 12. IV. 390 g. Desgleichen. — 25. IV. 435 g. 
Bei bestem Wohlsein getötet. Auf dem Netz einige gelbliche, scharf um¬ 
schriebene Knötchen, Milz mit der Bauchwand verwachsen, nicht ver- 
grossert, keine Knötchen. Leber stellenweise mit Darmschlingen ver¬ 
wachsen, spiegelblank, keine Knötchen. Auch übrige Organe normal. 
Netzknötchen mikroskopisch: Epitheloide und polynucleäre Leukocyten, 
im Centrum beginnende Verkäsung, Zelldetritus, ganz vereinzelte Bacillen. 
Einige Netzknötchen sowie adhärente Stellen der Leber und Milz werden 
auf ein gelbgraues Meerschweinchen in die Hauttasche im¬ 
plantiert am 25. IV. 1906; getötet 25. VII.: Alle Organe normal, auch 
mikroskopisch keinerlei Besonderheiten. Nirgends Bacillen nachweisbar, 
auch nicht an der Impfstelle. 

Weisses Meerschweinchen. 250 g. 20.11.1906. 1,5 ccm Kultur¬ 
emulsion intraperitoneal. 

27. II. 190 g. Mager. Struppiges Haar, sitzt still zusammengekauert. 
— 6, IIL 200 g. Desgleichen. — 15. III. 230 g. Frisst besser. — 
12. IV. 290 g. Normal. — 25. IV. 355 g. Gut imstande. — 10. V. 
890 g. Bei bestem Wohlsein getötet: Einige weisse Fleckchen auf der 
Oberfläche der Leber, sonst ganz normal, nirgends Adhäsionen, auch 
übrige Organe völlig normal. 

Ein fleckchenhaltiges Stückchen der Leber wird einem neuen weissen 
Meerschweinchen in eine Hauttasche implantiert, dasselbe wird am 
1. VIII. getötet: völlig normal, auch mikroskopisch keinerlei Besonder¬ 
heiten. Nirgends Bacillen nachweisbar. 

Gelbgraugelbes Meerschweinchen. 300g. 20.11.1906. 1,5 ccm 
Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

27. II. 320 g. Impfstelle kirschkerngrosses Knötchen. Regionäre 
Leistendrüsen etwas druckschmerzhaft und geschwollen. 

6. III. 355 g. Knötchen höchstens noch weinbeerenkerngross. Drüsen 
nicht mehr schmerzhaft. Schwellung geringer. 

15. III. 380 g. Impfstelle und Drüsen normal. — 12. IV. 470 g. 
Normal. Gut imstande. — 25. IV. 500 g. Desgleichen. — 10. V. 520 g. 
Desgleichen. — 15. Mai. 535 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Voll¬ 
kommen normaler Befund. Alle Organe normal. 

Graues Meerschweinchen. 240 g. 20.11.1906. 1,0 ccm Kultur¬ 
emulsion subcutan linke Bauchseite. 

27. II. 220 g. Impfstelle kleine diffuse Verhärtung. Von dieser 
führt ein schmaler Strang zu den regionären Leistendrüsen, die druck- 
schmerzhaft und etwas geschwollen sind. 

6. III. 265 g. Impfstelle weicher. Strang und Drüsen nicht mehr 
schmerzhaft 

15. III. 290 g. Impfstelle kaum noch fühlbar. Drüsen zurück- 
gegangen. 

12. IV. 350 g. Impfstelle und Drüsen normal. — 25. V. 385 g. 
Sehr gut imstande. 

10. V. 450 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Auf der Leber und 
Milz einige weissgraue Knötchen, die mikroskopisch spärliche in Körnchen 
zerfallende Bacillen zeigen. Die übrigen Organe makroskopisch und 
mikroskopisch normal. 

Mit Stückchen der Leber, der Milz sowie der geschwollen gewesenenen 
Leistendrüsen werden ein orangeweisses Meerschweinchen sowie 
eine Landschildkröte in die Hauttasche implantiert. 

Resultat (am 1. August beide Tiere bei gutem Wohlsein getötet): 
Meerschweinchen bei makroskopischer und mikroskopischer Unter¬ 
suchung normal, auch keine Bacillen mehr nachweisbar. 

Schildkröte: An der Hauttaschenstelle kleinerbsengrosser käsiger 
Herd mit massig zahlreichen Bacillen, innere Organe (Lunge, Leber, 
Milz, Nieren) makroskopisch normal, zeigen bei mikroskopischer Unter¬ 
suchung mitten im sonst ganz normalen Gewebe Häufchen von Rund¬ 
eten mit Bacillen. 

Der käsige Hauttaschenherd der Schildkröte sowie Stückchen der 
jungen, Leber und Milz werden wiederum auf ein neues orange¬ 
farbiges Meerschweinchen in die Hauttasobe am 1. VIII. verimpft. 
dasselbe zeigt vorübergehende Schwellung au der Impfstelle mit Drüsen- 
Terhartung, ist aber, am 7. XI. getötet, vollkommen normal; innere Or¬ 
gane ohne jede Besonderheit, nirgends mehr Bacillen nachweisbar. 

Weissgelbschwarzes Meerschweinchen. 260 g. 27. II. 1906. 

° CC ? ^ uIturen *ulsion subcutan linke Bauchseite. 

|jL 285 g. Impfstelle und regionäre Leistendrüsen verhärtet. 

19 tu ff- Impfstelle und Drüsen stärker geschwollen. 

IV. 380 g. Impfstelle nicht mehr fühlbar. Drüsen normal. 


25. IV. 415 g. Normal. 

10. V. 450 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Alle inneren Organe 
und Drüsen vollkommen normal, auch mikroskopisoh ohne pathologischen 
Befund. Bacillen nicht nachweisbar. 

SchwarzweissesMeerschweinchen. 250g. 6.III. 1906. 1,5com 
Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

, 15. III. 290 g. Kleines Ulcus an der Impfstelle, regionäre Leisten¬ 
drüsen etwas verhärtert und geschwollen. 

25. III. 305 g. Ulcus io Heilung. Drüsenschwellung geringer. 

12. IV. 350 g. Getötet. Impfstelle und Drüsen normal. Vereinzelte 
Knötchen in der wenig vergrösserten Milz und in der Leber. 

Aus den zerquetschten Milz- und Leberknötchen werden 
Kulturen angelegt: es wachsen äusserst spärliche Kolonien 
der unveränderten Stammkultur der Schildkrötentuberkel¬ 
bacillen. 

Orangeschwarzweisses Meerschweinchen. 270 g. 27. IIL 
1906. 2,0 ccm Kolturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

6. III. 290 g. Geringe Schwellung an der Impfstelle. Regionäre 
Drüsen verhärtet und etwas geschwollen. 

15. III. 320 g. Ganz kleine stecknadelkopfgrosse Ulceration an der 
Impfstelle. Drüsenschwellung geringer, aber noch etwas verhärtet. 

25. III. 360 g. Ulceration entleert noch etwas dünnkäsiges Sekret. 

I Drüsen unverändert. 

12. IV. 405 g. Impfstelle verheilt, mit feinem Schorf bedeckt. 
Drüsen wieder fast normal. 

25. IV. 430 g. Impfstelle fast vernarbt. Drüsen normal. 

10. V. 450 g. Normal. 

19. V. 475 g. Getötet bei bestem Wohlsein. Alle Organe voll¬ 
ständig normal, nirgends ein Knötchen. Auch mikroskopisch nichts 
Pathologisches, nirgends Bacillen nachweisbar. 

Orangeschwarzes Meerschweinchen mit weisser Blässe- 
225 g. 27. II. 1906. 1,0 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

6.111. 240 g. Schmerzhafte Schwellung an der Impfstelle. 

15. IIL 230 g. Schwellung an der Impfstelle etwas yergrössert, 
regionäre Leistendrüsen etwas verhärtet. 

25. III. 250 g. Schwellung an der Impfstelle etwas härter und 
schärfer umschrieben, zeigt keine Neigung zum Durchbruch. Drüsen 
unverändert. 

12. IV. 290 g. Impfsehwellung kleiner, aber nicht weicher. Drüsen 
zurückgegangen. 

25. IV. 325 g. Aeusserer Befund unverändert. Bei Palpation ist 
eine geringe schmerzhafte Milzschwellung deutlich fühlbar. 

10. V. 315 g. Status idem. Milztumor etwas stärker. 

25. VI. 390 g. Impfstelle und Leistendrüsen ganz normal. Milz¬ 
tumor kaum noch wahrnehmbar, auch ist die Palpation der Milzgegend 
gar nicht mehr schmerzhaft. 

12. VII. 440 g. Normal. Sehr gut imstande. 

25. VIII. 525 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Vollständig nor¬ 
maler Befund. Auch mikroskopisch nichts Pathologisches und keine 
Bacillen nachweisbar. 

Schwarzgelb gesprenkeltes Meerschweinchen mit weisser 
Blässe. 260 g. 27.11.1906. 1,5 ccm Kulturemulsion subcutan linke 
Bauchseite. 

15. III. 250 g. Impfstelle zeigt bohnengrosse Verhärtung. Geringe 
druokschmerzhafte Schwellung der regionären Leistendrüsen. 

12. IV. 300 g. Impfstelle nur noch als stecknadelkopfgrosses 
Knötchen fühlbar. Drüsen schmerzlos, selbst bei stärkstem Druck, nicht 
mehr geschwollen, dagegen scheint eine geringe Vergrösserung der Milz, 
deren Palpation aber nicht schmerzhaft ist, zu besteben. 

10. V. 370 g. Milzschwellung nicht mehr nachweisbar. Normaler 
Befund. 

25. VI. 425 g. Desgleichen. Normaler Befund. 

12. VII. 480 g. Sehr gut imstande. 

25. VIII. 600 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Alle Organe spiegel¬ 
blank, normal, ohne Knötchen. Milz klein, glatt, nirgends Knötchen, 
nirgends Adhäsionen, nirgends Narben. Auch mikroskopisch nichts Patho¬ 
logisches und keine Bacillen nachweisbar. 

Zusammenfassung. Die in der ersten Zeit mit der 
frisch gewonnenen Schildkrötentuberkelbacillenkultur 
geimpften Meerschweinchen gingen niemals infolge der 
Impfung zugrunde und wurden auch niemals tuberkulös: 
Die inneren Organe blieben entweder ganz ohne jede 
Veränderung, oder aber, was häufiger der Fall war, es 
kam in den ersten Monaten durch Verschleppung einiger 
Bacillen zu regionären DrüsenschWellungen, zur Ent¬ 
wicklung einzelner Knötchen in Leber, Milz, auf dem 
Netz; dieselben waren aber stets harmloser, regressiver 
Natur und verschwanden samt den Bacillen bei den 
Tieren, die länger am Leben gelassen wurden, von selbst. 
Auch wurde durch Weiterverimpfung solcher Drüsen und 
Knötchen auf frische Meerschweinchen niemals irgend¬ 
ein pathogener Effekt erzielt: Die Impftiere wurden 
nie in ihrem Wohlbefinden gestört, blieben vollständig 
frei, und diese Impfungen verliefen ausnahmslos negativ. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1414 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


Aus alledem ergibt sich, dass dieser Schildkrötentuberkel- 
bacilleostamm von Anfang an avirulent, nicht etwa schwach virulent 
war. Unter einem schwach virulenten Erreger versteht die Bakterio¬ 
logie einen solchen, der eine zwar langsame, milde, aber doch 
stetig fortschreitende Infektion zu erzeugen imstande ist, und der 
sich in dem betreffenden befallenen Individuum (Tier oder Mensch) 
dauernd am Leben erhält. Beides ist hier nicht der Fall: Der Bacillus 
ist im Meerschweinchen, dem tuberkuloseempfänglichsten Säuge¬ 
tierkörper, den wir kennen, keine fortschreitende Infektion zu er¬ 
zeugen imstande, und er hält sich in demselben nicht dauernd 
am Leben. Es kommt vielmehr nur zu einer vorübergehenden, 
regelmässig abortiv verlaufenden Knötchenbildung; später gehen 
Knötchen und Erreger zugrunde. 

Aber auch diese knötcbenbildende Fähigkeit gelang es dem 
Bacillus durch fortgesetzte Umzüchtungen zu nehmen oder die¬ 
selbe jedenfalls auf ein Minimum zu reduzieren. Nachdem nämlich 
die Kultur nicht, wie früher immer üblich war, alle 4—6 Wochen 
uberimpft, sondern jahrelang in sehr kurzen Intervallen, bereits 
nach wenigen Tagen auf neuen künstlichen Nährboden übertragen 
war, war diese knötcbenbildende Fähigkeit fortschreitend ver¬ 
ringert worden, ja nahezu verschwunden, so dass nur noch äusserst 
selten die, natürlich stets vorübergebende, Entwicklung von Knötchen 
überhaupt beobachtet wurde. Es batte also die lange Zeit 
konsequent fortgesetzte, alle paar Tage erfolgende Umzüchtung 
von Nährboden zu Nährboden, durch welche die kaum entwickelten 
Bacillenkolonien immer wieder gezwungen wurden, sich immer 
wieder plötzlich neuen Lebensbedingungen anznpassen, diesen 
günstigen Effekt 

Ganz schwarzes Meerschweinchen. 400 g. 1. XII. 1907. 
2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5.1. 1908. 550 g. An der Injektionsstelle Infiltrat. Leistendrüsen 
etwas verhärtet. 

15. III. 750 g. Kleiner Rest eines weichen Infiltrats. Drüsen nur 
noch wenig vergrössert. Tier sehr gut imstande. 

15. IV. 770 g. Infiltrat und Drüsenschwellung verschwunden. 
31/2 Uhr 38,4°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’scbes Tuberkulin sub- 
cutao. l l l 2 Uhr 38,65°. 

30. IV. 780g. II. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 
20. V. 800 g. Sehr gut imstande. 2. VII. 800 g. Desgleichen. 
9. VIII. 820 g. III. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion subcutan. 
30. IX. 850g. Tot. Enteritis. Sonst ganz normal. Alle Organe 
gesund. Nirgends ein Knötchen. 

Schwarzweisses Meerschweinchen mit schwarzen Augen- 
flecken und weisser Blässe. 375 g. 5.1. 1908. 1 ccm Kultur¬ 

emulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. III. 550 g. Impfstelle und Drüsen normal. Keine Schwellung. 
5, IV. 575 g. Desgleichen. 3Va Uhr 39,2°. Unmittelbar darauf 
0,01 ccm Koch’scbes Tuberkulin subcutan. 7*/ 2 Uhr 39,2°. 

30. IV. 625g. II. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 
2. VII. * 700 g. Normal. 

9. VIII. 720 g. III. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion subcutan. 
11. XI. 75*0 g. 

31 I 1909 750 g. 12 Uhr 38,9°. Unmittelbar darauf 0,02 ccm 

Koch’sches Tuberkulin. 5 Ubr 39,15°. 31. III. 750 g. Normal. 20. VI. 
760 g. Desgleichen. 

2. III. 1910. Tot. Frische Pneumonie. Alle Organe frei von 
Knötchen. Auch bei mikroskopischer Untersuchung nichts 
Pathologisches und nirgends Bacillen nachweisbar. 

Weisses Meerschweinchen, hinten schwarzer Fleck, am 
Kopf zwei orange Flecke. 425 g. 1. XII. 1907. 1 ccm Kultur¬ 
emulsion subcutan linke Bauchseite. 

5.1.1908. 550 g. Geringes Impfinfiltrat. Keine vergrösserten Drüsen. 
15. III. 625 g. Normal. Kein Infiltrat mehr. 

5. IV. 3 S /4 Uhr 38.8°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. 7 3 / 4 Ubr 39,0°. 

30. IV. II. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion intraperitoneal. 
15. VI. 650 g. Normal. 

9. VIII. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan. 

II. XI. 750 g. Von der letzten Impfung besteht noch ein kleiner 
subcutäner Strang, der von der Stelle des Infiltrats zur Leistendrüse 
zieht. 12 Uhr 38,5°. Unmittelbar darauf 0,02 ccm Koch’sches Tuberkulin. 

5 Uhr 40,4°. * , 

31. I. 1909. Infiltrat und Strang völlig verschwunden. 

20. VI. 850 g. Sehr gut imstande. 

23. VI. 1910. 900 g. Vollständig Dormal. 

21. I. 1911. Bei bestem Wohlsein getötet. Frei von 
Knötchen. Alle Organe Dormal. 

Gelbes Meerschweinchen mit schwarzweisser Fleckung, 
Kopf gelb mit weisser Blässe. 400 g. 1. XIL 1907. 1 ccm Kultur¬ 
emulsion intraperitoneal. ... , x .. 

5. 1. 1908. 550 g. Sehr gut imstande, nichts Abnormes zu konstatieren. 

15. III. 750 g. Desgleichen. 1 


5. IV. 3 3 / 4 Uhr 38,55°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. 8 Ubr 38,85°. 

30. IV. 800 g. II. Kulturimpfung. 1 / 2 ccm Emulsion intra- 
peritoneal. 

25. VI. 800 g. Normal. 

9. VIII. 800 g. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan 
linke Seite. 

11. XI. 900 g. Normal. 

31.1.1909. Desgleichen. 12 Uhr 38,8°. Unmittelbar darauf 0,02 ccm 
Koch’sches Tuberkulin subcutan. 5 Uhr 38,5°. 27. VI. 875 g. Desgleichen. 
15. XI. 900 g. Desgleichen. 

20. V. 1910. Tot. Todesursache beiderseitige Pneumonie. Sonst 
normaler Befund aller Organe. Nirgends Knötchen. Auch 
mikroskopisch nirgends Knötchenbildung oder Bacillen 
nachweisbar. 


Schwarzorangeweisses Meerschweinchen. 600g. 5.1.1908. 
2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. III. 775 g. Gut imstande. Impfstelle nicht mehr auffindbar. 

5. IV. 4 Uhr 39,3°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuber¬ 
kulin subcutan. 8 Uhr 39,2°. 

30. IV. II. Kulturimpfung. V 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 

9. VIII. 800 g. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan 
rechte Bauchseite. 

11. XI. 925 g. Gut imstande. Kein Impfinfiltrat, keine Drüsen. 
81.1. 1909. 1000 g. Normal. 20. VI. 950 g. Normal. 15. XL 980 g. 
Normal. 

23. III. 1910. Tot. Todesursache Pneumonie. Sonst ganz normaler 
Befund. Alle Organe normal. Nirgends Knötcbenbildung. 
Mikroskopisch nirgends Bacillen nachweisbar. 

Schwarzorange Meerschweinchen mit weissem Quer¬ 
streifen. 600 g. 1. XIL 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke 
Bauchseite. 

5. I. 1908. 700 g. Normal. Kein Impfinfiltrat, keine Drüsen¬ 
schwellungen. 

15. III. 750 g. Gut imstaade. 

5. IV. 4 Uhr 39,1 °. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuber¬ 
kulin subcutan. 8 Uhr 38,9°. 

20. IV. Tot. Beiderseitige Pneumonie. Sonst ganz normale Organe. 
Nirgends Andeutung von Knötchen, auch mikroskopisch 
normal, nirgends Bacillen nachweisbar. 

Orangeschwarzes Meerschweinchen mit orange Querbarid. 
750g. 5. I. 1908. 2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. III. 825 g. Kein Impfknoten, keine Drüsenschwellungen. 

5. IV. 4 Uhr 39,1°. Gleich darauf 0,01 ccm Kocb’scbes Tuberkulin 
subcutan. 8 Uhr 39,1®. 

30. IV. 850 g. II. Kulturimpfung. 1/2 ccm Emulsion intraperi- 
toneal. 15. VI. 875 g. Normal. 

9. VIII. Desgleichen. III. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion sub¬ 
cutan rechte Seite. 11. XI. 900 g. Gut. Normal. 

31.1.1909. 1000 g. Normal. 20. VI. Desgleichen. Normal. 15. XL 
Desgleichen. 975 g. 24. VI. 1910. 1000 g. Normal. 

20. VIII. 1910. Tot. Enteritis. Alle inneren Organe normal, 
frei von Knötchen. Auoh mikroskopisch nirgends Knötchen¬ 
bildung oder Bacillen nachweisbar. 


Gelbscbwarzweisses Meerschweinchen. 400g. 

I. XIL 1907. 1 ccm Kulturemulsion intraperitoneal. 

5. I. 1908. 500 g. Kein Infiltrat, aber geringe DrüsenverbärtuDg. 

15. III. 525 g. Drüsen wieder weicher. 

5. IV. 600 g. V 46 Uhr 38,4°. Gleich darauf 0,01 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. 1 / 4 \0 Uhr 38,6°. 

30. IV. 675 g. II. Kulturimpfung. l /a ccm Emulsion intraperi- 
toneal. 10. VI. 720 g. Normal. 

9. VIII. 825 g. III. Kulturimpfung. 1,5 ccm Emulsion subcutao, 
rechte Seite. 

II. XI. 925 g. Gut imstande. 

31.1. 1909. 1000 g. 12 Uhr 39,1°. Gleich daraaf 0,02 ccm Kocb- 

scbes Tuberkulin subcutan. V 2 ® Uhr 39,3°. 

20. VI. 1000 g. Normal. 

24. VI. 1910. Desgleichen. Normal. 

20. IX. 1910. Tot. Pneumonie. AIle Organe frei von Knötchen. 
tfikroskopiSch nirgends Bacillen auffindbar. 

Schwarzorangeweisses Meerschweinchen mit orange Kopf* 
25 g 

1. XIL 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5.1. 1908. 550 g. Kein Infiltrat. Regionäre Leistendrüsen ilem, 
ielleicht etwas verhärtet. 

15. III. 675 g. Ganz normal. Sehr gut imstande. 

5. IV. y 4 S Ubr 38,7°. Gleich darauf 0,01 ccm Koch’sches TuDer- 
ulin subcutan, l / 4 9 38,7°. . .. 1 

30. IV. 750g. II.KuIturimpfung. */ 2 ccm Emulsion mtrapentoneai. 

10. VI. 700 g. Normal. , . 

9. VIII. 700 g. Normal. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion 
ibcutan rechte Bauchseite. 11. XL Normal. „ . 

31.1. 1909. 750 g. 12 Uhr 38,6°. Gleich darauf 0,02 ccm Kocn- 

hes Tuberkulin. Vs® Uhr 38,75°. 20. VI. 750 g. Normal. 


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UNIVERSITY QEi 




27 . Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1416 


24. VI. 1910. 800 g. Gut. Normal. 

21.1.1911. Bei bestem Wohlsein getötet. Normal. Ganz 
frei von Knötchen. In keinem Organ Baoillen auffindbar. 

Schwarzes Meerschweinchen mit orangeweisserFlockung. 
625 g. 

5.1.1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. Kleines Ulous an der Impfstelle. Geringe Drüsenverhärtung. 

15. III. 650 g. Impfstelle noch immer kleines Ulcus. Drüsen noch 
etwas verhärtet. 

5. IV. Desgleichen. Vz4 Uhr 89,7°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. */,9 Uhr 40,2°. 

15. VI. Impfstelle und Drüsen normal. 

9 . VIIL 750 g. II. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan 
reohte Bauchseite. 

15. IX. Impfstelle und Drüsen glatt, normal. 11. XI. 825 g. 
Normal. Sl. I. 1909. 825 g. Normal. 20. VI. 900 g. 24. 6. 1910. 

Desgleichen. Normal. 21.1.1911. 920 g. Normal. 

17. VII. 1911. Tot. Pneumonie. Sonst normaler Befund. Nirgends 
Knötchen. Keine Bacillen nachweisbar. 

Langhaariges weisses Meerschweinchen mit drei kleinen 
orange Flecken. 500 g. 

5.1.1908. 2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. Impfstelle, Drüsen glatt. 

15. IIL 550 g. Impfstelle, Drüsen glatt. 

5. IV. V24 Uhr 89,15®. Darauf 0,01 com Koch’sches Tuberkulin 
subcutan. t l%9 Uhr 38,8°. 

30. IV. 650g. II.Kult ü rimpfung. l j 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 

9. VIII. 650 g. UI. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan 
reohte Bauohseite. 

24. XII. Tot. Enteritis. Alle inneren Organe frei von 
Knötchen. Mikroskopisch nirgends Bacillen nachweisbar. 

Schwarzes Meerschweinchen mit zwei kleinen weissen ' 
Flecken. 500 g. 

5.1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite. 

15. III. Impfstelle und Drüsen glatt. 

5. IV. Vt4 38,8°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin subcutan. 
*/*9 38,30. 

30.1V. Tot. Pneumonie. Alle Organe frei von Knötchen. 
Keine Bacillen mehr nachweisbar. 

HellgelbweisssGhwarzes Meerschweinchen mit gelben 
Augenfleoken. 500 g. 

5.1.1908. 1 com Kuituremulsion subcutan, linke Bauchseite. 

15. IIL 575 g. Impfstelle nicht mehr auffindbar. Keine Drüsen¬ 
schwellungen. 

5. IV. a / 4 4 Uhr 38,85°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin 
subcutan. 8 / 4 9 Uhr 39,1°. 

30. IV, 625 g. II. Kulturi mp fung. l /a cc,n Emulsion intra¬ 
peritoneal. 

9. VIII. 750 g. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan, 
reohte Bauchseite. 

9. XI. Tot. Pneumonie. Alle Organe frei von Knötchen. Auch 
mikroskopisch normaler Befund. Keine Bacillen auffindbar. 

Weisses Meerschweinchen mit einem schwarzen Rücken¬ 
fleck und 2 orangeschwarzen Augenflecken. 500 g. 

5. L 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. 550 g. Impfstelle, Drüsen ganz normal. 

15. III. 600 g. Ganz normal. 

5. IV. */ 4 4 Uhr 38,9°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬ 
cutan. >/«9 Uhr 38,65° 

80. IV. II. Kulturimpfung. V 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 

15. V. Tot. Todesursache Pneumonie. Sonst allle Organe gesund. 
Keine Knötchen, keine Bacillen nachweisbar. 

Weisses Meerschweinchen mit einem grauen Fleck hinten 
und 2 grauen Kopfflecken. 500 g. 

5.1.1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite. 

15.11. 600 g. Impfstelle, Drüsen normal. 15.111. 700 g. Normal. 

5. IV. 4 Uhr 38,85°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub- 
outan. 9 Uhr 39,05®. 

80. IV. 700 g. II. K u 11 u r i m p f u n g. l / 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 

9. VIII. 800 g. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan, 
reohte Seite. 11. XI. 850 g. Normal. 

28. 1. 1909. Tot. Beiderseitige Pneumonie. Sonst normale Organe. 
Keine Knötchen und keine Bacillen nachweisbar. 

Schwarzes Meerschweinchen mit einem kleinen weissen 
Halsfleck. 250 g. 

L XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5.1. 1903. 325 g. Rest eines kleinen Infiltrates, sowie eines von 
demselben zu den linksseitigen Leistendrüsen führenden Stranges. 

15. III. 600 g. Impfstelle und Leistendrüsen ganz normal. 

5. IV. 4 Uhr 38,8°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬ 
cutan. 9 Uhr 88,5°. 

.30. IV. 575 g. II. Kulturimpfung. \U ccm Emulsion intra- 
Pentooeal. v 5 

9. VIII. 700 g. Normal. III. Kulturirapfun g. fl ccm Emulsion 
subcutan, rechte Bauchseite. 11. XI. 800 g. Normal. 


31.1. 1909. */ 4 l Uhr 38,35°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches Tuber¬ 
kulin suboutaD. 8 / 4 6 Uhr 38,8°. 

20 . VI. 850 g. Gut. Normal. 

24. VI. 1910. Getötet. Alle Organe gesund. Frei von 
Knötchen und Baoillen. 

Orange Meerschweinchen mit 2 weissen Fleckchen. 500 g. 

5.1.1908. 1 ccm Knltnremulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. Impfstelle und Drüsen glatt. 550 g. 

5. IV. 4 Uhr 38,9°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬ 
cutan. 5 Uhr 39,3°. 

30. IV. 675 g. II. Kulturimpfung. V 2 ccm Emulsion intra- 
peritoneal. 

9. VIII. 700g. IIL Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion subcutan, 
rechte Bauchseite. 

25. IX. Tot. Todesursache: perforierende Bisswunde mit an¬ 
schliessender Peritonitis. Im übrigen ganz normale Organe. Weder 
Knötchenbildung, noch Bacillen nachweisbar. 

Orange weisses Meerschweinchen mit orange Augen¬ 
flecken. 500 g. 

5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite. 

15. II. 600 g. Kein Impfknoten, keine Drüsenschwellung. 

15. III. 700 g. Gut. Normal. 

5. 4. V 4 4 Uhr 38,65°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin 
subcutan. J / 4 9 Uhr 38,8°. 

30. IV. 725 g. II. Kulturimpfung. I ccm Emulsion intra¬ 
peritoneal. 

9. VIII. 800 g. IU. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion suboutan. 

11. XI. 950 g. Sehr gut. Normal. 31.1. 1909. 925 g. Des¬ 

gleichen. 20. VI. 1000 g. Desgleichen. 24. VI. 1910. 1000 g. Des¬ 
gleichen. 

19. X. 1910. Tot. Pneumonie. Keine Spur von Knötchen. Alle 
Organe normal. Keine Baoillen nachzuweisen. 

Braunschwarzes Meerschweinchen mit weissen Flecken. 
275 g. 

1. XII. 1907. 2 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite. 

5.1. 1908. 375 g. Drüsen etwas verhärtet. 

15. III. 600 g. Impfstelle und Drüsen ganz normal. 

10. IV. Getötet. Ganz normale Organe. Nirgends Knötchen. 
Keine Bacillen naGhzuweisen. 

Schwarzweissgelbes Meerschweinchen mit gelben Aueen- 
flecken. 350 g, 

1. XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite. 

5.1. 1903. 450 g. Kein Impfinfiitrat. Linksseitige Leistendrüsen 

wenig verhärtet. 

15. II. 540 g. Drüsen und Impfstelle normal. 15. IIL 650 g. 
Normal. 8 

5. IV. 4 Uhr 38,7°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub- 
cutaD. 8 Uhr 38,4°. 

80.IV. 750g. II. Kulturimpfung. Va ccm Emulsion intraperi¬ 
toneal. 31. V. 800 g. Normal. 

24. VI. Getötet. Nirgends Knötchen oder Bacillen nach¬ 
weisbar. 

Orangeweissschwarz gesprenkeltes Meerschweinchen. 
325 g. 

1 . XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5.1.1908. 350 g. Etwas verhärtete linksseitige Leistendrüsen. 

15. II. 1908. 425 g. Leistendrüsen noch etwas verhärtet. 

15. III. 500 g. Drüsen wieder normal. 

5. IV.. 3 Uhr 38,4°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sohes Tuber¬ 
kulin subcutan. 8 Uhr 38,7°. 

30. IV. 500 g. II. Kulturimpfung, 7* ccm Emulsion intraperi- 
toneal. 20. VI. 575 g. Normal. 

9. VIII. 625 g. III. Kulturimpfung, 1 ccm Emulsion suboutan 
rechte Bauchseite. 11. XI. 750 g. Normal. 

31. I. 1909. 750 g. 1 Uhr 38,0°. Unmittelbar darauf 0,02 ccm 
Koch’sches Tuberkulin subcutan. 6 Uhr 38,2. 20. VI. 850 g. 

24. VI. 1910. Sitzt trübe da, aber glatt im Fell, keine Drüsen, 
kein Milztumor.' 

21 . I. 1911. 1000 g. Sehr gut imstande. 

2. V. 1912. Tot. Todesursache Darmdurchbruch infolge perforierender 
Bisswunde. Ganz normale Organe. Nirgends Knötchen oder 
Bacillen nachweisbar. 

Schwarzweisses Meerschweinchen mit zwei schwarzen 
Augenflecken. 450 g. 

5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15.11. 500 g. Normal. 

10 . III. Tot. Pneumonie. Impfstelle und Drüsen'ganz glatt. Innere 
Organe gesund. Nirgends Knötchenbildung. Keine Bacillen 
nachweisbar. 

Schwarzweiss-hellgelbes .Meerschweinchen mit weissein 
Kopf. 500 g, 

5.1.1908. 1 ccm Kulturemulsion intraperitoneal. 15.111. 525 g. 

5. IV. 5 Uhr 38,4®. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬ 
cutan. 10 Uhr 38,6°. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1416 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


80. IV. II. Kulturimpfung, 1 ccm Emulsion intraperitoneal. 15. VI. 
700 g. 

9. VIII. 750 g. III. Impfung, 2 ccm Emulsion subcu tan linke Bauch¬ 
seite. 

11. XI. Knoten au der Milz palpabel. 1 Uhr 38,7°. Darauf 0,09 
Koch’sches Tuberkulin subcutan. 6 Uhr 39,9°. 

81. I. 1909. 800 g. Normal. 

20. VI. 825 g. 

I. V. 1910. Tot. Alle inneren Organe frei von Knötchen. 
Keine Bacillen nachweisbar. 

Sohwarzes Meerschweinohen mit rechtseitigem weissen 
Fleck und weissen Kopf. 400 g. 

5. 1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. Impfstelle und Drüsen normal. 

15. III. 500 g. Desgleichen. 

5. IV. 2Vs Uhr 38,65°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin 
subcutan. 7Vs Uhr 38,7°. 

30. IV. II. Kulturimpfung, x / 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 

15. VI. 600 g. Normal. 

9. VIII. 750g. III. Impfung, 1,5 ccm Emulsion subcutan linke 
Bauchseite. 11. XI. 775 g. 

26. XI. Tot. Todesursache Enteritis. Alle Organe normal 
und glatt, nur in der Milz, die klein, von ganz normaler 
Grösse ist, 2 kleine ausschälbare Knötchen. Drüsen normal. 

Die ganze Milz wird einem schwarzen Meerschweinchen in 
eine Hauttasche transplantiert. Dasselbe wird am 24. II. 1909, also nach 
3 Monaten, getötet, ist vollkommen gesund. Auch an der Stelle der 
Hauttasche sind keine pathologischen Veränderungen oder Bacillen nach¬ 
weisbar. 

Graugelbes Meerschweinchen. 325 g. 

1. XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5. I. 1908. Impfstelle und Drüsen glatt. 420 g. 15. III. 575 g. 
Gut. Normal. 

30. IV. 625 g. II. Kulturimpfung, V 2 ccm Emulsion intraperi¬ 
toneal. 

23. V. Tot. Alle Organe gesund. Keine Spur von Knötchen¬ 
bildung. Nirgends Bacillen nachweisbar. 

Schwarzweissgelbes Meerschweinchen mit gelbem Kopf. 
300 g. 

I. XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5. I. 1908. 375 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15. II. 500 g. 

Desgleichen. 15. III. 625 g. Desgleichen. 

5. IV. 2 3 / 4 Uhr 38.7°. Darauf 0,01 ccm Koch’scbes Tuberkulin sub¬ 
cutan, 73/4 Uhr 38,9°. 

30. IV. II. Impfung, V 2 ccm Kulturemulsion intraperitoneal. 

15. VI. 700 g. Normal. 

9. VIII. 750 g. III. Impfung. 1 ccm Kulturemulsion subcutan 
linke Bauchseite. 

II. XI. 875 g. Sehr gut imstande. 

31. I. 1909. 850 g. 2 Uhr 38,9°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. 7 Ubr 39,1°. 20. VI. Normal. 

24. VI. 1910. 900 g. Normal. 

21.1. 1911. Bei bestem Wohlsein getötet. Völlig normale 
Organe. Nirgends Knötchenbildung oder Bacillen nach¬ 
weisbar. 

Hellgelbweisses Meerschweinchen mit zwei schwarzen 
Augenflecken. 350 g. 

5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. 430 g. Impfstelle und Drüsen glatt. 

15. III. 500 g. Desgleichen. 

5. IV. 4 V 2 Uhr 38,75°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin 
suboutan. 9 i / 2 Uhr 38,9°. 

80. IV. II. Impfung. V 2 cc ® Emulsion intraperitoneal. 15. VI. 550 g. 

9. VIII. 700 g. 111. Impfung, 1 ccm Emulsion subcutan rechte 
Bauchseite. 

11. XL 800 g. Normal. 

31. I. 1909. 800 g. I Uhr 39,0°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. 6 Uhr 39,3°. 20. VI. 850 g. Normal. 24. VI. 
1910. 875 g. Normal. 21. I. 1911. 920 g. Normal. 

I.IV. 1912. Tot. Ganz gesunde Organe. Nirgends Knötchen- 
bildung oder Bacillen nachweisbar. 

Weissgelbes Meerschweinchen mit schwarzgelben Augen- 
/Jecken. 400 g. 

5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. Impfstelle kleines UJcus. 490 g. 

15. III. 600 g. Ulcus. Dabezu verheilt, nur noch minimale Sekretion. 

5. IV. 3 Uhr 38,5°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin aub- 
cutaD. 8 Ubr 39,6°. 

30. IV. II. Impfung, V 2 ocm Emulsion intraperitoneal. 15. VI. 
Normal. 700 g. 

9. VIII. 800 g. III. Impfung, 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte 
Bauchseite. 

II. XI. 875 g. Sehr gut imstande. 

31. I. 1909. 925 g. IV 2 Uhr 38,6°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. 6V ’2 Uhr 38,95°. 

27. II. 1909. Tot. Pneumonie. Sonst ganz normal. Nirgends 
Knötchenbildung oder Bacillen nachweisbar. 


Weisses Meerschweinchen mit einem gelbsohwarzen 
Augenfleck. 275 g. 

I. XII 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5. I. 1908. 350 g. Kleines Infiltrat, minimale regionäre Drüsen¬ 
verhärtung. 

15. II. Impfstelle und Drüsen glatt. 15. 3. 500 g. Normal. 

5. IV. 2 3 / 4 Uhr 38,8°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬ 
cutan. 73 / 4 Uhr 38,9°. 

30. IV. 600 g. Normal. U. Impfung, Va com Emulsion iotraperi- 
toneal. 15. VI. 675 g. Normal. 

9. VIII. 775 g. Normal. Iil. Impfung, 1 ccm Emulsion subcutao 
linke Bauchseite. 11. XI. 800 g. Normal. 

15. XII. 1908. Tot. Ganz gesunde Organe. Nirgends 
Knotohenbildung oder Bacillen nachweisbar. 

Weisses Meerschweinchen mit 3 orange Flecken. 375 g* 

5. 1. 1908. 2 ccm Kutturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. (1. 500 g. Impfstelle und Drüsen ganz normal. 15. IIL 625 g. 
Desgleichen. 

5. IV. 3 Uhr 39,1 °. Darauf 0,01 ccm Koch’scbes Tuberkulin sub¬ 
cutan. 8 Ubr 39,1 g°. 

30. IV. II. Impfung, V 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 

15. VI. 725 g. Normal. 

9. VIII. 800 g. III. Impfung, 2 ccm Emulsion subcutan rechte 
Bauchseite. 

II. XL 800 g. Normal. Gut. 

31. I. 1909. 900 g. Gut. l l f 2 Uhr 38,8°. Darauf 0,02 ccm Koch- 
sches Tuberkulin subcutan. 6 V 2 Uhr 38,8°. 

20. VI. 1000 g. Sehr gut. 

24. VI. 1910. Getötet. Ganz normale Organe. Nirgends 
Knötcbenbildung oder Bacillen nachweisbar. 

Gelbweisses Meerschweinchen mit gelbschwarzem Augen¬ 
fleck. 325 g. 

1. XII. 1907. I ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5. I. 1908. Impffiltrat, keine Drüsen. 400 g. 

25. II. 525 g. 

15. IIL 600 g. Gut imstande. 

5. IV. 3 Uhr 38,65°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬ 
cutan. 8 Uhr 38,7°. 

30. IV. II. Impfung, V 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 15. VI. 
630 g. 9. VIII. 750 g. 111. Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan. 
11. XL 850 g. Normal. 

31. I. 1909. 950 g. 2 Ubr 39,1°. Darauf 0,02 ccm Koob’scbes 

Tuberkulin subcutan. 7 Ubr 38,4°. 20. VI. 1000 g. Normal. 24. VI. 
1910. Desgleichen. 

1. X. 1910. Tot. Ganz normale Organe. Nirgends Knötchen- 
bildung oder Bacillen nachweisbar. 

Weissschwarzes Meerschweinchen mit weisser Blesse. 
450 g. 

5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. Impfstelle und Drüsen normal. 575 g. 15. IIL 700 g. 
Desgleichen. 

5. IV. IIV 2 Uhr 39,1°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin 
subcutan. 4 1 / 2 Uhr 39,1°. 

30.1V. 750 g. Normal. II. Impfung. 1 } 2 ccm Emulsion intraperito¬ 
neal. 15. VI. 750 g. Normal. 

9. Vlll. 800 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion suboutan rechte 
Bauchseite. 11. XI. 925 g. Normal. 

31. I. 1909. 875 g. Normal. 12 3 / 4 Uhr 38,6° Darauf 0,02 ccm 
Koch’sches Tuberkulin subcutan. 5 3 / 4 Uhr 38,6°. 

20 . VI. 900 g. Normal. 

24. VI. 1910. Getötet. Vollkommen gesunde Organe. Keine 
Knötchenbildung oder Bacillen nachweisbar. 

Sch warzorangeweisses Meerschweinchen mit orange¬ 
schwarzen Augenflecken. 500 g. 

5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. Impfstelle, Drüsen glatt. 625 g. 15. IIL 700 g. Normal. 

30. IV. 750 g. II. Impfung. 1 / 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 

15. VI. 750 g. Normal. 

9. Vlll. 750 g. IIL Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte 
Bauchseite. 11 . XL 825 g. Normal. 

31. I. 1909. 825 g. 1 Uhr 38,6°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches- Tuber¬ 
kulin subcutan. 6 Ubr 38,7°. 20. VL 900 g. Normal. 24. VI. 1910. 

925 g. Normal. 21.1.1911. 925 g. Normal. 

6 . XI. 1911. Tot. Ganz gesunde 0rgane. Nirgends Knochen¬ 
bildung oder Bacillen nachweisbar. 

Orangebraungestreiftos Meerschweinchen. 250 g. 

5.1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. IL 350 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15.111. 450 g. Des¬ 
gleichen. 

5. IV. 475 g. 1 Uhr 39,5°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin 
subcutan. 6 Ubr 39,3°. 

30. IV. 500 g. V 2 ccm Emulsion intraperitoneal. IL Impfung. 

15. VI. 525 g. Normal. 

9. VIII. 550 g. IIL Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte 
Bauchseite. 2. X. 625 g. Normal. 11. XL 700 g. Normal. 

31. I. 1909. 700 g. 1 Uhr 39,1°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches Tuber¬ 
kulin subcutan. 6 Uhr 39,3°. 


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Original frum 

UNIVERSUM OF IOWA 


27. Joli X9U. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1417 


24. V. 1909. Tot. Alle Organe gesund. Keine Knötchen¬ 
bildung oder Baoillen nachweisbar. 

Weissschwaries Meerschweinchen mit kleinem gelben 
Fleck. 260 g. 

5.1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. 400 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15. III. 500 g. Des¬ 
gleichen. 

5. IV. l l U TO* r 38,7°. Darauf 0,01 ccm Koeh’sches Tuberkulin sub- 
cutan. 6 1 /* Uhr 88,9°. 

80. IV. 625 g. II. Impfung. 1 / s oem Emulsion intraperitoneal. 

15. VI. 680 g. Normal. 

20. VII. Tot. Pneumonie. Sonst alle Organe gesund. Nirgends 
Knötchenbildung oder Bacillen nachweisbar. 

Schwarzes Meerschweinchen mit weissen Streifen. 325 g. 

5.1.1908. 1 ccm Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. II. 475 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15. III. 600 g. 
Desgleichen. 

80. IV. H. Impfung. V* com Emulsion intraperitoneal. 15. VI. 
600 g. Normal. 

9 . VIII. 675 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion subcutan reohte 
Bauchseite. 11. XI. 750 g. Normal. 

31.1. 1909. 825 g. 27* Uhr 39,8°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches 
Tuberkulin. T 1 /* Uhr 39,4°. 

17.11.1909. Tot. Pneumonie. Sonst normale Organe. Nirgends 
Knötchenbildung oder Baoillen nachweisbar. 

Weisses Meerschweinchen mit zwei kleinen schwarzen 
Flecken. 375 g. 

I. XII. 1907. 1 ccm Kuljturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5. I. 1908. 450 g. Kirschgrosses Infiltrat. Linksseitige Leisten¬ 
drüsen etwas verhärtet. 

15. II. 600 g. Infiltrat resorbiert. Leistendrüsen noch etwas hart. 

15. III. 700 g. Leistendrüsen wieder ganz normal. 

30. IV. II. Impfung. 7a ccm Emulsion intraperitoneal. 15. VI. 
750 g. Normal. 

9. VIII. 850 g. III. Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte 
Seite. 

II. XI. 1908. 925 g. Sehr gut. 

29. XII. 1908. Getötet. Alle Organe normal. Nirgends 
Knötchenbildung oder Bacillen nachweisbar. 

Gelbschwarzes Meerschweinchen. 300 g. 

I. XII. 1907. 2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 

5.1. 1908. 350 g. Impfstelle und Drüsen glatt. 15. II. 475 g. 
Desgleichen. 15. III. 650 g. Desgleichen. 

5. IV. 3 1 /* Uhr 39,3°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub- 
entan. 8 V 4 Uhr 39,2°. 

30. IV. II. Impfung, 7* ccm Emulsion intraperitoneal. 

9. VIIL 800 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte 
Seite. 

II. XI. 1000 g. Sehr gut. 

31.1. 1909. 1000 g. 1 % Uhr 39,0°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches 
Tuberkulin. 6»/ 4 Uhr 89,3°. 

9.11.1909. Tot. Ganz normale Organe, nirgends Knötchen 
oder Bacillen zu finden. 

Schwarzgelbes Meerschweinchen mit schwarzen Augen- 
fleoken. 250 g. 

5.1.1908. 1 ccm Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite. 
15.111. 350 g. Impfstelle und Drüsen normal. 

30. IV. 450 g. 11. Impfung. i } 2 ccm Emulsion intraperitoneal, 

9. VIII. 550 g. III. Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte 
Bauchseite. 11. XI. 625 g. Normal. 

31.1. 1909. 725 g. 1 Uhr 89,0°. Darauf 0,01 ccm Koch’sohes Tuber- 1 
kulin subcutan. 6 ühr 39, 8 «. 20. VI. 750 g. Normal. 24. VI. 1910. 
800 g. Normal. 

21.1. 1911. Getötet. Alle Organe normal. Nirgends Knötchen 
oder Bacillen nachzuweisen. 

Braunes Meerschweinchen mit kleinem weissen Fleck. 
225 g. 

5.1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan Unke Bauchseite. 

15. II. 300 g. Impfstelle und Drüsen glatt. 15. III. 400 g. Des¬ 
gleichen. 

30,1V. 450 g. II. Impfung. 1 ccm Emulsion intraperitoneal. 

9. VIIL 500 g. III. Impfung. 2 ccm Emulsion subcutan rechte 
Bauchseite. 

24. XI. Tot. Alle Organe normal, nirgends Knötchen oder 

Bacillen naohwei&bar. 

Weissoranges Meerschweinchen mit schwarzen Augen¬ 
necken. 500 g. 

5.1.1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan Unke Bauchseite. 

15.11. 620 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15.111. 700 g. Des¬ 
gleichen. 

5. IV. 474 Uhr 39,4°. Darauf 0,01 ccm Kooh’sches Tuberkulin sub- 
cutao. 9V 4 Uhr 39,7°. 

30.1V, 750 g. U.Kulturimpfung. 7*ccm Emulsion intraperitoneal. 
9. VIIL 875 g. III. Kulturimpfung. * 1,5 ccm Emulsion subcutan 
rechte Seite. 11. XI. 900 g. Normal. 


30. XL Tot. Pneumonie. Sonst alle Organe gesund. Nirgends 
Knötchen oder Baoillen nachweisbar. 

Schwarzweisses Meerschweinchen mit orange Querband. 
375 g. 

1. XII. 1907. 2 oem Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite. 
5.1.1908. 450 g. Kein Infiltrat. Keine Drüsenschwellungen. 15.11. 
550 g. Normal. 15. III. 600 g. Desgleichen. 

5. IV. 4 V* Uhr 89,4°. Darauf 0,01 cm Koch’sohes Tuberkulin sub¬ 
cutan. 9>/2 Uhr 39,7°. 

SO. IV. II. Impfung. 7a ocm Emulsion intraperitoneal. 15. VI. 
675 g. Normal. 

9. VIIL 750 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte 
Seite. II. XI. 775 g. Normal. 

31. L 1909. 825 g. 2 Uhr 38,7°. Darauf 0,02 com Koch’sches Tuber¬ 
kulin subcutan. 7 Uhr 38,7°. 

22.11.1909. Tot. Pneumonie. Sonst ganz normale Organe. Nirgends 
Knötchen oder Baoillen nachweisbar. 

Orange Meerschweinchen mit weissem schrägen Band. 
550 g. 

5.1.1908. 1 ccm Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite. 

15. U. 675 g. Impfstelle und Drüsen ganz glatt. 15. II. 800 g. 
Desgleichen. 

5. IV. 47a Ubr 39,1 °. Darauf 0,01 ccm Kooh’sches Tuberkulin snb- 
outan. 972 Uhr 39,0°. 

30. IV. II. Impfung. 72 ccm Emulsion intraperitoneal. 

23. V. Tot. Ganz gesunde Organe. Keine Knötchen oder 
Bacillen nachweisbar. 

Weisshellgelbgeschecktes Meerschweinchen. 250g. 

1 . XU. 1907. 2 ocm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 
5.1. 1908. 325 g. Grosses Infiltrat. Keine Drüsenschwellungen. 
15.11. 500 g. Sehr gut entwickelt. Infiltrat resorbiert. 

15. III. 600 g. Ganz normal. 

5. IV. 472 Uhr 39,0°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬ 
cutan. 97a Uhr 39,1°. 

30. IV. II. Impfung. 7a ccm Emulsion intraperitoneal. 

9. VIII. 725 g. III. Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte 
Seite. 11. XL 750 g. Normal. 

31.1.1909. 900 g. 27 4 Uhr 38,7°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. 77 4 Uhr 38,6°. 

20. VI. 900 g. Sehr gut imstande. 

24. VI. 1910. Desgleichen. Getötet. Alle Organe vollständig 
normal. Nirgends Knötchen oder Bacillen auffindbar. 

Hellgelbweisses Meerschweinchen mit hellgelben Augen¬ 
flecken. 325 g. 

I . XII. 1907. 1 ccm Kulturemnlsion subcutan linke Bauchseite. 
5.1.1908. 400 g. Kein Infiltrat, keine Leistendrüsenschwellungen. 

15. II. 525 g. Desgleichen. 15. III. 650 g. Normal. 

5. IV. 472 Uhr 39,4°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬ 
cutan. 97, Uhr 39,4°. 

30. IV. II. Impfung. 72 ccm Emulsion intraperitoneal. 

9. VIII. 800 g. 111. Impfung. 1 com Emulsion subcutan rechte 
Seite. 

II. XI. 850 g. Gut imstande. 

31. I. 1909. 950 g. Normal. 2 8 / 4 Uhr 88,45°. Darauf 0,02 ccm 
Koch’sches Tuberkulin subcutan, 7% Uhr 38,75°. 

20. VI. 1000 g. Normal. 24. VI. 1910 desgleichen. 

11. II. 1911. Getötet. Alle Organe spiegelblank. Nirgends 
Knötchen oder Bacillen zu finden. 

Graugelbes Meerschweinchen mit 2 weissen Fleoken, 500g. 
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite. 
15. II. 625 g. Impfstelle und Drüsen ganz glatt. 

15. III. 700 g. Desgleichen. Normal. 

30. IV. II. Impfung, 7» ccm Emulsion intraperitoneal. 

9. VIII. III. Impfung, 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte Bauchseite. 
11. XI. 875 g. Sehr gut imstande. 

31. I. 1909. 900 g. 27, Uhr 38,45°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan, 77* Uhr 38,6°, 

20. VI. 1909. Getötet. Ganz normale Organe. Nirgends 
Knötchen oder Bacillen auffindbar. 

Orangegelb- und braungeflecktes Meerschweinchen, 275 g. 
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite. 

15. II. Impfstelle und Drüsen etwas verhärtet. 425 g. 

15. HL Impfstelle und Drüsen wieder normal. 475 g. 

5. IV. 27* Uhr 38,3°. Darauf 0,01 ccm Koch’sohes Tuberkulin 
subcutan. 77* Ubr 38,5°. 

80. IV. 550 g. II. Impfung. 7a ccm Emulsion intraperitoneal. 
9. VIII. 675 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte 

Bauchseite. 

11. XI. 1908. 725 g. Normal. 

81. I. 1909. 750 g. 1 Uhr 38,65°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches 
Tuberkulin subcutan. 6 Uhr 38,5°. 

20. VI. 800 g. 

9. V. 1910. Tot. Rechtsseitige Pneumonie. Sonst normale Organe, 
nirgends Knötchen. 

Orangeweisses Meerschweinchen mit schwarzem Augen 
fleck. 200 g. 

1 . XII. 1907. 1 ccm Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite. 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 



1418 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


5. I. 1908. 280 g. Uebererbsengroases Impfinfiltrat, linke Leisten- 
drüsen verhärtet. 

15. II. 400 g. Infiltrat viel kleiner, Drüsen noch unverändert. 

15. III. 500 g. Impfstelle und Drüsen glatt. 

80. IV. 550 g. II. Impfung, Vs ccm Emulsion intraperitoneal. 
20. Y. Tot. Alle Organe gesund, nirgends Knötchen. 

Orangeweisses Meerschweinchen mit einem orange und 
einem schwarzen Augenfleck, 250 g. 

I. XU. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite. 
5. 1. 1908. 850 g. Kein Infiltrat. 

15. III. 550 g. Normal. 5. IV. 600 g. 

30. IV. 550 g. II. Impfung, l 2 3 /s ccm Emulsion intraperitoneal. 
15. VI. 650 g. Normal. 

9. VIII. 700g. III. Impfung, 1 ccm Emulsion subcutan, reohte Seite. 

II. XI. 1908. 750 g. Normal. 81.1.1909. 800 g. 20. VI. 875 g. 
Normal. 

10.11.1910. Tot. Alle Organe normal. Nirgends Knötchen 
oder Bacillen nachweisbar. 


Es ergibt sich also, dass in der grossen Mehrzahl der Fälle 
selbst beim Meerschweinchen eine vollständige glatte Auflösung 
meiner gänzlich avirulenten Bacillen erfolgt, und dass es nur in 
seltenen Fällen zor vorübergehenden Knötchenbildung in inneren 
Organen kommt. Ich verweise bezüglich solcher Fälle auf das 
eine der vorstehenden Protokolle (schwarzweisshellgelbes Meer¬ 
schweinchen mit weissem Kopf) sowie auf die in meiner Publi¬ 
kation in D.m.W., 1914, Nr. 18, angeführten Meerschweinchen¬ 
protokolle. In den wenigen Fällen aber, wo sich wirklich noch 
Knötchen bilden, werden dieselben — und darauf kommt es an — 
wenn man die Geduld besitzt, zu warten, nicht nach Tagen 
und Wochen, sondern nach vielen Monaten schadlos und restlos 
aufgelöst. Zu allen Toberkulosearbeiten gehört nun eben einmal 
Geduld, worauf in richtiger Erkenntnis des chronischen Charakters 
dieser Infektion kürzlich z. B. auch Kraus 1 ) hinweist, indem er 
sagt: „Ein abschliessendes Urteil über Erfolg oder Nichterfolg 
werde ich aber erst in einem oder zwei Jahren gewonnen haben“, 
ferner u. a. Heisler*). 


Das Impfinfiltrat, das sich an der Injektionsstelle der Tiere 
bildet, besteht aus einem Granulatioosgewebe, das Riesenzellen und 
Bacillen enthält. Dieses ganze Gewebe ist niemals dauernder 
oder gar progressiver, sondern stets temporärer, vergänglicher 
Natur. 

So war also, lange bevor ich die erste KultQrimpfung am 
Menschen vornahm, die Unschädlichkeit der Kultur, ihre voll¬ 
ständige Avirulenz und Atoxicität für das tuberkuloseempfindlichste 
und tuberknloseempfänglichste Säugetier, das wir kennen, das 
Meerschweinchen, in einer grossen Reihe von Versuchen nach¬ 
gewiesen, bei denen viele Tiere zwei, drei Jahre, ja sogar noch 
länger, am Leben gehalten wurden 8 ). Durch das Ergebnis 
dieser Versuche ist jede Möglichkeit eines etwaigen 
„späteren Virulentwerdens“ ausgeschlossen, denn aus 
der Tatsache, dass später auf Tuberkulininjektion 
keine Temperatursteigerung eintrat, sowie dass bei 
mikroskopischer Sektionsuntersucbung keine Bacillen 
mehr nachgewiesen werden konnten, ergibt sich der 
zwingende Schluss, dass alle injizierten Bacillen auf¬ 
gelöst, also verschwunden sind. Daher ist die Vermutung, 
„dass vielleicht doch noch einige Bacillen virulent werden könnten“ 
eine absurde Phrase. 

So sagt Kraus 4 ) kürzlich: „Ich wusste und weiss, dass es 
sich um eine aus einem tuberkulösen Tier gezüchtete Kaltblüter- 
tuberkelbacillenkultur bandelte, die bei warmblütigen Versuchs¬ 
tieren nicht Tuberkulose hervorruft“. 

Was die therapeutischen und Immunisierungsexperimente mit 
meiner Kultur bei vorher oder nachher künstlich tuberkulös in¬ 
fizierten Meerschweinchen anbetrifft, so kann, wenn die infizierende 
Dosis nicht zu gross bemessen wird (bekanntlich gehen ja Meer¬ 
schweinchen schon durch l how mg virulenter Tuberkelbacillen 
regelmässig und prompt an allgemeiner Tuberkulose zugrunde), 
das Leben der mit dieser Kultur vorbehandelten und später mit 
virulenten menschlichen Bacillen infizierten Tiere über viermal so 
lang als dasjenige der Kontrollen, d. b. der nnr mit menschlichen 


1) D.m.W., Nr. 19. 

2) Fortscfar. d. M., Juli 1914. 

3) Nach einer von v. Behring im Berliner Verein für innere Medizin 
gegebenen Berechnung entsprechen 3 Monate Lebenszeit des Meer¬ 
schweinchens etwa 18 Jahren Lebenszeit des Menschen (vgl. D.m.W., 
1904, Nr. 5, S. 167). 

4) D.m.W., 1914, Nr. 19, S. 967. 


Bacillen infizierten Tiere erhalten werden. Während ferner tuber¬ 
kulös gemachte unbehandelte Tiere nach durchschnittlich 110 Tagen 
erlagen, konnten dieselben dnrch nachträgliche Injektionen der 
Kultnr durchschnittlich 363 Tage am Leben erhalten bleiben. 

Es ist also die Kultur auch für bereits tuberkulöse Meer¬ 
schweinchen nicht nnr unschädlich, sondern auch nützlich. 

Kürzlich schreibt Aronson 1 ): „Jedoch hat Fried mann 
sicher bei einigen Meerschweinchen eine gute Widerstandsfähigkeit 
durch seine Vorbehandlung erzielt; zwei von ihm dem Laboratorium 
des Kaiser Friedrich-Kinderkrankenhauses übergebene Meer¬ 
schweinchen wurden zu gleicher Zeit mit einer grösseren Zahl 
von Kontrollieren subcutan mit Tuberkelbacillen infiziert. Die 
letzteren erlagen der Infektion sämtlich io 3 bis 5 Monaten, 
während die geimpften Tiere noch nach einem Jahr völlig munter 
waren und sich in gutem Ernährungszustände befanden. . . Wenn 
es auch nur gelingt, einzelnen Meerschweinchen einen solchen 
Impfschutz zu verleihen, so ist dies immerhin als ein grosser Er¬ 
folg zu bezeichnen. Denn jeder, der sich mit Immunisierungs- 
Versuchen am Meerschweinchen beschäftigt hat, weiss, wie ausser¬ 
ordentlich selten and schwer eine solche Widerstandskraft za 
erzielen ist.“ 

Wird die Infektionsdosis nnveroünftig hoch genommen, so 
gehen selbstverständlich alle Tiere, sowohl die behandelten als 
die Kontrollen, rapide, nach ein bis zwei Monaten zugrunde. 

Es wird sicher möglich sein, Meerschweinchen mit dieser 
Kultur bei sorgfältiger, nicht schematischer, sondern individueller 
Behandlung des einzelnen „Falles“ immunisatorisch bzw. thera¬ 
peutisch, d. h. durch Behandlung vor oder nach der tuberkulösen 
Infektion gegen eine geringe infizierende Dosis vollständig zu 
schützen. 

Doch wird der Wert solcher Feststellung für die menschliche 
Pathologie vielfach überschätzt, weil nämlich die Art der künst¬ 
lichen Meerschweinchentaberknlose und die der spontanen mensch¬ 
lichen Tuberkulose in keiner Weise in Analogie gesetzt werden 
kann. Mit Recht sagt Behring*): „Bekanntlich unterliegen 
Meerschweinchen nnd andere Tiere nach der Einführung virulenter 
Tuberkelbacillen unter die Haut, in die Bauchhöhle und in die 
Blutbahn einem Krankheitsprozess, der gar keine Aebnliobkeit 
besitzt mit der menschlichen Lungenschwindsucht.“ Ebenso 
treffend betont Maragliano den „grossen Unterschied zwischen 
der natürlichen Infektion des Menschen und der experimentellen 
des Meerschweinchens, da wir im ersten Falle gegen keine so 
grosse Menge von auf einmal eingedrungenen virulenten Bacillen 
zu kämpfen haben, wie es der Fall ist, wenn ein Meerschweinchen 
experimentell infiziert wird“, und ferner, „dass normalerweise bei 
dem Menschen die Infektion nicht so stürmisch stattfindet wie 
bei der experimentellen Tuberkulose der Tiere“. 

Es ist also nicht etwa zu schliesseo, dass ein Tnberkulose- 
schutz- und Heilmittel, um für den Menschen wirksam und nütz¬ 
lich zu sein, auch dem künstlich krank gemachten Meerschweinchen 
absoluten Schutz verleihen müsse, vielmehr muss geschlossen 
werden, dass ein Mittel, welches sogar dem künstlich krank ge¬ 
machten Meerschweinchen relativ hoben, wenn anch keinen* 
absoluten Schutz verleiht, gegenüber der milder verlaufenden 
Infektion des Menschen noch viel mehr leistet. 

Nachdem so nicht nnr die vollständige Avirnlenz und 
Atoxizität der Kultur, sondern auch ihre Nützlichkeit in Tier¬ 
versuchen erwiesen war, ging ich daran, das Mittel, welches, 
wie an dieser Stelle nochmals betont werden soll, nichts weiter 
als die Emulsion der oben beschriebenen völlig avirulenten 
lebenden Tuberkelbacillen ist, beim Menschen anzuwenden. 
Zunächst spritzte ich es einem klinisch vollständig Gesunden, 
nämlich mir selbst ein, tarn erstenmal im Oktober 1909, sodann 
| im Juli 1910. 

Ueber die klinischen Erfahrungen am tnberknlös erkrankten 
Menschen werde ich an Hand der demnächst an dieser Stelle 
folgenden Krankengeschichten eingehend berichten. Dieselben 
werden zeigen, dass nicht nur meine Methode der Behandlung 
mit lebenden Bacillen — wie selbst meine schärfsten Gegner 
zugeben — die richtige ist, sondern dass man auch mit dem 
Mittel bei richtiger Anwendung die von mir angegebenen Er¬ 
folge erzielt. 

Ich habe niemals ein Allheilmittel proklamiert, ich habe 
vielmehr in meinem Vorträge in der Berliner medifinischep 


1) D.m.W., 1914, Nr. 10. 

2) D.m.W., 1904, Nr. 6. 


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27. Jnli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1412 


Gesellschaft 1 ) ausdrücklich betont: „Selbstverständlich sind Fälle, 

die bereits unaufhaltsam dem Tode entgegengehen,.auch 

durch dieses Mittel nicht an retten“. 

Das Mittel ist für die zahllosen, noch Heilungsfebigeu, noch 
nicht dem Tode Verfallenen, denen es nicht nnr Besserung der 
Symptome, sondern wirkliche Heilung bringt, und es soll die 
Kinder aus tuberkulöser Umgebung, die dauernd der Ansteckungs¬ 
gefahr ausgesetzt sind, durch Schutzimpfung vor der verderblichen 
Infektion bewahren. 

Diese Grenzen der Leistungsfähigkeit einerseits, 
die nicht zu bestreitenden Heilwirkungen bzw. Hei¬ 
lungen andererseits, sowie die Unschädlichkeit des 
Mittels dem menschlichen Organismus gegenüber werden 
aus den Krankengeschichten ersichtlich sein. 


Praktische Ergebnisse 

aus dem Gebiete der inneren Medizin. 

Aus der Lungenheilanstalt Tannenberg im Eisass 
(Direktor: Dr. Scheib). 

Beiträge zur Frühdiagnose der Lungentuberkulose. 

Von 

Erich Stera. 

Von den grossen Volkssenchen erreicht keine einzige die 
Bedeutung der Tuberkulose; ihr fallen jährlich Tausende von 
Menschen im besten Alter zum Opfer, und ein grosser Teil der 
Erwerbsunfähigkeit wird durch sie bedingt. Deshalb hat sich 
gerade das soziale Interesse in ständig wachsendem Maasse der 
Bekämpfung dieser Krankheit zugewandt, und der Erfolg ist auch 
nicht ausgeblieben; denn während in Preussen z. B. im Jahre 
1876, auf 10 000 Lebende berechnet, noch etwa 80 Personen an 
Tuberkulose starben, ist diese Zahl im Jahre 1910 auf 15, also 
die Hälfte gesunken. 

Die schlechte Prognose, die man früher jedem Tuberkulösen 
stellte, hat sich io einer grossen Anzahl der Fälle als irrig er¬ 
wiesen, und es ist dies besonders dadurch offenkundig geworden, 
daBs man bei 80 bis 90 pCt. aller sezierten Leichen Spuren durch- 
gemachter und zur Heilung gekommener Tuberkulose fiodeD kann. 
Man kann sich somit nicht der Einsicht verschliessen, dass die 
Tuberkulose im allgemeinen, besonders aber auch die Lungen¬ 
tuberkulose einer vollständigen Heilung zum mindesten im 
klinischen Sinne fähig ist. Pathologisch-anatomisch tritt ja wohl 
kaum eine restitutio ad integrum ein, aber ein paar Kalkherde 
und Schwielen in einer Lungenspitze schaden einem sonst gesunden 
Menschen ebensowenig, wie z. B. eine durch übermässige Callus- 
bildung entstandene Verdickung an der Bruchstelle eines fraktu- 
rierten Knochens. 

Gerade diese Erkenntnis, dass die Lungentuberkulose heilbar 
ist, mahnt uns aber dazu, keiüe Zeit zur Behandlung zu versäumen 
and möglichst bald mit allen Mitteln, die uns zu Gebote stehen, mit 
der Behandlung zu beginnen, denn der Erfolg wird naturgemäss 
am so grösser sein, je früher die Therapie einsetzt. Gerade 
darum ist es von ungeheurer Wichtigkeit, die Krankheit frühzeitig, 
möglichst noch vor Manifestwerden der Lungenerscheinungen zu 
diagnostizieren. Die ersten Anzeichen der beginnenden Erkrankung 
spielen sich nicht stets an der Longe ab, nnd darum werden sie 
oft übersehen, wenigstens in der Allgemeinpraxis, der ja die erste 
Untersuchung und Behandlung zufällt. In den Heilanstalten, wo 
sieb, wie auch hier in Tannenberg, die Patienten hauptsächlich 
aus Leichtkranken zusammensetzen, kann man eine Reihe von 
Erscheinungen beobachten, die gerade im allerersten Stadium für 
die Stellung der Diagnose von Wichtigkeit sind. Grösstenteils 
sind diese Erscheinungen früher schon beschrieben worden, jetzt 
finden sie aber zumeist weniger Berücksichtigung. Zweck dieser 
Arbeit ist es, über diese Symptome im Zusammenhang zu be¬ 
richten und so die Aufmerksamkeit wieder auf sie zu lenken. 

Oft führen ganz unbestimmte Beschwerden die Patienten zum 
Arzt: Klagen über Müdigkeit, Mattigkeit, Unlust zur Arbeit, schlechten 
Appetit kann man häufig hören. Ganz besonders sind es zwei 
"iogs, die sofort auf Tuberkulose der Langen verdächtig siod: 
Anämie und dyspeptisebe Beschwerden. So erinnere ich mich 
dos Falles einer 21jährigen Patientin, die sich matt und ab- 


l) B.kl.W., 1918, Nr. 47. 


gespannt fühlte, keinen Appetit, häufiges Aufstossen hatte und 
deshalb den Arzt aufsuebte. Dieser hielt das Leiden für ein 
Ulcus ventriculi, verordnete Bettruhe, strenge Diät osw. Anstatt 
einer auch nur geringen Besserung verfiel die Patientin immer 
mehr und kam erst nach fast einem Jahre in klinische Behand¬ 
lung. Sie hatte inzwischen 30 Pfund abgenommen. Die chemische 
und röntgenologische Untersuchung des Magens ergab dessen 
völlige Intaktheit Hingegen fand man bei der sofort ange¬ 
schlossenen Durchleuchtung der Lungen beide Spitzen affiziert, 
was übrigens auch perkutorisch und auscultatorisch nachweisbar 
war. Eine Allgemeinbehandlung besserte den Zustaad der Patientin 
so weit, dass sie nach 3 Monaten einer Heilanstalt überwiesen 
werden konnte. Dass aber hier viel kostbare Zeit schon verloren 
war, bedarf keiner besonderen Betonung. - Diese Magensymptome 
bilden nach Bourdon io */ 8 , nach Hutschinson in 1 ( i der 
Fälle ein Frühsymptom der Lungenschwindsucht. Bedingt können 
diese Erscheinungen sein einmal durch Resorption von Toxinen, 
die von den Tuberkelbacillen produziert werden, oder aber durch 
Beeinflussung des Vagus durch geschwollene Lymphdrüsen (Guenau 
de Mussy, Peter). Klemperer 1 ) fand ferner bei initialer 
Lungentuberkulose sehr häufig eine mehr oder weniger ausge¬ 
sprochene motorische Schwäche des Magens, verbunden mit Hyper¬ 
acidität. 

Vom Magendarmkanal geht übrigens noch ein Symptom aus, 
das man häufig beobachten kann; es wurde zuerst von Meissen*) 
beschrieben, später fand Aufrecht*) die gleichen Erscheinungen: 
Es ist dies die Neigung zu diarrhöischen Stühlen. Meissen er¬ 
wähnt einen Fall, in welchem erst ein Jahr nach Beginn der 
Diarrhöen sich die Lungenerscheinungeu manifestierten. Die Ur¬ 
sache für diese Erscheinung ist wohl in einer Infektion von 
Mesenterialdrüsen oder Beeinflussung des Vagus durch vergrösserte 
ßronchialdrüsen zu suchen, auch die von Klemperer gefundene 
Hyperacidität könnte in Betracht kommen. 

Andere Beschwerden, welche im Beginn der Lungenphthise 
oft auftreten, sind Herzklopfen. Untersucht man solche Kranken, 
so findet man am Herzen meist nichts Pathologisches, vielleicht 
eine geringe Verbreiterung der Herzdämpfnng. Auch Aufrecht 8 ) 
erwähnt diese bereits und glaubt, sie auf Retraktion der vorderen 
Lungenränder beziehen zu können. Das halte ich für nicht wahr¬ 
scheinlich, da dies nur für die Verbreiterung der absoluten 
Dämpfung in Betracht kommen könnte. Die Vergrössernng, die meist 
nach rechts statthat, ist auch im Röntgenbilde deutlich sichtbar, 
und ich gebe die Möglichkeit einer Erschlaffung des Herzmuskels 
zu. Wahrscheinlicher jedoch handelt es sich um frühzeitig ein¬ 
tretende Verwachsung zwischen Pleura und Serosaüberzug des 
Herzens und der grossen Gefässe. Ueber diesen Punkt sind ein¬ 
gehende Untersuchungen im Gange, und es soll später ausführlich 
darüber berichtet werden. Nach Regnault 4 ) handelt es sich 
um Vergrösserung des rechten Ventrikels. Es muss aber aus¬ 
drücklich betont werden, dass nicht, wie vielfach behauptet wird 
[Potain 8 )], eine Hypoplasie des Herzens die Regel ist, sondern 
dass im Gegenteil im Initialstadium eine geringe Vergrösserung 
Vorkommen kann, und dass es erst in den letzten Stadien zu einer 
Atrophie des Herzmuskels kommt. 

Sehr häufig findet sich bei Phthisikern eine ausgesprochene 
Tachycardie; 100 bis 120 Pulse und mehr sind nicht selten; 
selbst paroxysmale Tachycardie ist von Proebsting 6 ) beobachtet 
worden. Er sowohl wie Kr edel 7 ) sehen die Ursache in einer 
Parese des Vagus, die durch vergrösserte und verkäste Bronchial¬ 
drüsen veranlasst wird. Da nach unserer heutigen Ansicht die 
Infiltration der Bronchialdrüsen der Infektion der Lunge voraus- 
geht, so legt das Bestehen von Tachycardie bei gleichzeitig vor¬ 
handener Anämie oder Dyspepsie eine Untersuchung und weitere 
Beobachtung der Lungen eines Patienten dringend nahe. 

Audere Klagen, die den Patienten oft zuerst zum Arzt führen, 
sind Stiche und Schmerzen. Sind diese auf der Brust lokalisiert, 


1) Klemperer, Ueber Dyspepsie der Phthisiker. B.kl.W., 1889, 
Nr. U. 

2) Meissen, Ueber die frühe Erkennung der Lungentuberkulose. 
Ther. Mb., Nov. 1898, sowie Beiträge zur Kenntnis der Lungentuber¬ 
kulose. Wiesbaden 1901. 

3) Aufrecht, Pathologie und Therapie der Lungenschwindsucht. 
Wien 1905. 

4) Regnault, Le coeur chez le tuberculeux. These de Paris, 1898. 

5) Potain, Le coeur des phthisiques. Med. mod., 1892, Nr. 52. 

6) Proebsting, Ueber Tachycardie. Arch. f. klin. Med., 1882. 

7) Kredel, Vagusneurosen. Aroh. f. klin. Med., 1882. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


so deutet das von selbst auf den eudothorakaleu Ursprung hin. 
Viel häufiger jedoch treten diese Schmerzen in den benachbarten 
Regionen auf, und zwar besonders im Abdomen und in der 
Scbultermuskulatur, im letzten Falle werden sie dann häufig mit 
Gelenkrheumatismus, im ersten mit Appendicitis verwechselt. 

Gerhardt 1 ) sah im Laufe von 2 Jahren 7 Fälle von Pneu¬ 
monie, die wegen Verdacht auf Appendicitis in chirurgische Be¬ 
handlung gekommen waren. Diese Schmerzen sind stets ein Aus¬ 
druck von Erkrankung der Pleura, mit der ja oft auch eine 
Lnngentuberkulose beginnt oder Hand in Hand geht. Der Schulter¬ 
schmerz war bereits von Mackenzie 2 ) in seiner Ursache erkannt. 
Dabei ist oft der Phrenicusstamm auf Druck empfindlich. Ger¬ 
hardt 1 ) gibt für diese Erscheinungen folgende Erklärung. Der 
Erregungszustand pflanzt sich in den sensiblen Phrenicusfasern 
von der entzündeten Pleura fort und greift an der Einmündungs- 
stelle (4. Cervicalwurzel) auf die anliegenden Fasern der Hals¬ 
nerven über und erzeugt dadurch Schmerzen, welche ins periphere 
Ursprungsgebiet dieser Fasern verlegt werden. Noch eine andere 
Erklärung ist möglich. Wie Autopsien lehren, kommen sehr 
frühzeitig Verwachsungen der Pleuren vor; einmal können durch 
Zug an diesen bei der Inspiration Schmerzen entstehen, dann 
aber können Nervenäste in diese Verwachsungen einbezogen sein 
und so durch den Reiz Schmerzempfindung zustande kommen. 

Neben diesen subjektiven Symptomen gibt es nun eine Reihe 
objektiv nachweisbarer Störungen, die dem Patienten keine Be¬ 
schwerden verursachen, die aber für die frühzeitige Stellung der 
Diagnose von ausserordentlicher Bedeutnng sind, da sie lange vor 
Manifest werden der Lungenerscheinungen auftreten. Da ist in 
erster Linie das Larynxsymptom zu nennen, welches jetzt fast 
völlig unbekannt ist. Soweit ich aus der Literatur ersehen konnte, 
ist dasselbe zuerst von Luschka, dann von Schnitzler beob¬ 
achtet worden; genauer studiert und eingehend beschrieben wurde 
es dann 1883 von Schaeffer 8 ). Dieser fand bei vielen Patienten, 
die im Anfänge der Beobachtung noch keine Lungenerscheinungen 
boten, bei denen sich solche aber im weiteren Verlauf der Er¬ 
krankung entwickelten, mit grosser Regelmässigkeit beim Laryngo- 
skopieren die Parese des einen Stimmbandes, und zwar stets der 
Seite, auf welcher sich später die Lungenaffektion entwickelte. 
Er rät daher, alle Patienten, welche über ein unbestimmtes Druck¬ 
gefühl über dem Thorax, eine Art rheumatischer Schmerzen, 
leichte Atembeschwerden, Dypepsie nsw. klagen, zu Jaryngo- 
skopieren, um zu einer frühzeitigen Diaguose zu gelangen. Nach 
unseren Erfahrungen in der Heilanstalt Tanueuberg kann man 
diesen Satz nur bestätigen. Schaeffer betont übrigens, dass 
auch gleichseitige Pharyngitis granulosa lateralis, Hypertrophie 
der entsprechenden Tonsille, Erkrankungen im Cavum pharyngo- 
nasale, Otitis media purulenta sowie Parese des Velum palatinum 
molle auf der gleichen Seite häufig Vorkommen. 

Wenn wir nun auf die erwähnten Erscheinungen etwas näher 
eiogehen, so müssen wir folgenden Larynxbefund als ganz charak¬ 
teristisch schildern: fast stets findet sich ein leichter, chronischer 
Larynxkatarrh, der Kehldeckel sowie der Kehlkopfeingang und 
die Hinterwand sind mässig gerötet. Lässt man den Patienten 
intonieren, dann zeigt sich eine mehr oder weniger ausge¬ 
sprochene, aber bei genauer Beobachtung stets deutliche Parese 
eines Stimmbandes. Das paretische Stimmband ist gerötet, ebenso 
das gleichseitige Taschenband. Dieses ist auch stets merklich 
geschwellt. Auf dem paretischen Stimmband liegt mehr Schleim 
als auf dem anderen, was sich leicht aus der erschwerten Fort- 
scbaffung infolge der gestörten Bewegung erklärt. Der innere 
Rand des paretischen Stimmbandes ist meist nicht glatt, sondern 
gezahnt. Nach Schech 4 ) ist die Stimmbandparese das Primäre; 
der Katarrh entsteht infolge einer Ueberanstrengung, um die Parese 
auszagleichen. Klinisch äussern sich diese Erscheinungen in einer 
geringen, oft nur abends merklichen Heiserkeit, rauhem Halse 
und häufigem Räuspern, wobei nur wenig Schleim zutage gefördert 
wird. Tuberkeibacillen werden nicht im Auswurf gefunden, Lungen¬ 
erscheinungen sind noch nicht vorhanden. 

Schaeffer betont ferner, dass nach Besserung der Lungen 
die Kehlkopfsymptome verschwinden, hingegen mit einer Ver¬ 


1) Gerhardt, Ueber Schultersohraerz bei Pleuritis. M.m.W., 1913, 
Nr. 52. 

2) Mackenzie, Krankheitszeichen und ihre Auslegung. Citiert 
nach Gerhardt, 1. c. 

3) Schaeffer, Zur Diagnose der Lungentuberkulose. D.m.W., 1883, 
S. 306. 

4) Schech, Klinische und histologische Studien über Kchlkopf- 

sch windsucht. Aerztl, Intelligenzbl., 1881, Nr. 41 und 42. 


schlimmerung letzterer meist ein Fortschreiten des Lungenprozesses 
einhergeht, was auch ich aus eigener Beobachtung bestätigen kann. 
Dass bei Lungentuberkulose überhaupt Erscheinungen von seiten 
des Kehlkopfes sehr häufig sind, bat auch Lipowski 1 ) fest¬ 
gestellt, der solche in 95 pCt. aller Fälle von Phthisis fand. 
Dabei handelte es sich meist nicht um Kehlkopftuberkulose, 
solche bildete nur io 23—30 pCt. eine Komplikation der Lungen¬ 
schwindsucht. 

Wie kommen nun diese Erscheinungen zustande? v. Luschka 1 ) 
gibt hierfür bereits die Erklärung: „Der Brustteil des Vagus stebt 
mit dem Halse insofern in Beziehung, als sein Ramus recurrens 
in diesem emporsteigt . . . Der Nerv ist somit störenden Ein¬ 
wirkungen seitens der Lunge ausgesetzt. Damit steht die oft ge¬ 
machte Beobachtung im Einklänge, dass Alteration der Stimme 
bei Lungenschwindsucht schon im ersten und zweiten Stadium 
eintreten können, ohne durch entzündliche Vorgänge im Larynx 
bedingt zu werden. Der genannte Nerv kann, wie leicht ein¬ 
zusehen ist, durch Tuberkel iu der Lungenspitze einen Drack 
erfahren, welchem der genannte Effekt wohl zugeschrieben 
werden kann. w 

Auch hier also ist das Wesentliche der Einfluss der ver¬ 
änderten Lungenspitze, oder, wie ich hinzufügen möchte, der 
tuberkulösen Bronchialdrüsen auf den Nervus vagus. Aber noch 
etwas anderes spricht hier mit. Fränkel 8 ) bat die Kehlkopf¬ 
muskeln von Lungenphthisikern untersucht und dabei regelmässig 
pathologische Veränderungen an den Keblkopfmuskeln gefunden; 
besonders betroffen war die kontraktile Substanz, das Perimysium 
internum, in zweiter Linie die Muskelkörperchen. Aach dieser 
Prozess, der wahrscheinlich schon sehr früh einsetzt — das be¬ 
tont auch Fränkel bereits — hat sicher einen Einfluss auf die 
Bewegung der Ligamenta vocalia, wenn mir auch die erste Er¬ 
klärung (Luschka, Schaeffer) zutreffender erscheint. 

Wir finden ferner sehr häufig bei Tuberkulösen eine Atrophie 
der Muskulatur der befallenen Seite. Ueber den Muskelschwund 
bei Lungentuberkulose hat Fränkel 4 ) eingehende Untersuchungen 
angestellt. Allerdings beziehen sich diese mehr auf die Vorgänge 
an der gesamten Körpermuskulatur, die erst im Verlaufe der 
Krankheit sich einstellen; worauf ich hinweisen möchte, ist die 
schon vor Ausbruch der Tuberkulose vorhandene schlechtere Aus¬ 
bildung der Muskulatur der einen Körperbälfte; besonders fällt 
dies auf, wenn man den Rücken des Patienten betrachtet. Die 
von der Scapula entspringende bzw. dort inserierende Muskulatur 
ist auf der erkrankten Seite schwächer als auf der gesunden. 
Freilich bleibt hierbei die Frage offen, ob es sich um eine Folge¬ 
erscheinung der Tuberkulose bandelt. Ich halte dies für unwahr¬ 
scheinlich und glaube, dass hier etwas Primäres vorliegt. Diese 
Muskelhypoplasie ist der Ausdruck einer allgemeinen Schwächung 
dieser Seite, ähnlich, wie ich dies für abnorme Hautpigmentationen, 
Naevi usw. dargelegt habe 5 ). Wir würden darin also ein dispo¬ 
nierendes Moment erblicken können, anders hingegen ist es mit 
der schlechten Beweglichkeit der einen Tkoraxbälfte. Dieses 
respiratorische Schleppen ist ja bekannt, es ist der Ausdruck 
eines Prozesses im Thorax und spricht für eine Erkrankung der 
Pleuren. 

Ich komme nun zu einem andern Symptom, welches zuerst 
von Roque 6 ), später von Destree 7 ) beschrieben worden ist, es 
ist die ungleiche Weite der Pupillen, die man bei Tuberkulösen 
häufig findet, und zwar ist auf der erkrankten Seite die Pupille 
weiter. Roque erwähnt, dass diese Differenz besonders bei er¬ 
weiterter Pupille, also in mässig verdunkelten Räumen, zu beob¬ 
achten sei. Dies rührt nach den genannten Antoren von einer 
Erregung des Sympathicus durch tuberkulöse Drüsen her und tritt 
auch oft schon vor Manifestwerden der Lungenerscheinungen auf. 
Dass es sich wirklich um einen Einfluss der Drüsen auf den 
Sympathicus handelt, bat Deströe dadurch bewiesen, dass er 

1) Lipowski, Klinische Beobachtungen über Larynxerkrankungen 
bei bestehender Tuberkulose der Lungen. Ther. Monatsh., 1898. 

2) Lusohka, Die Anatomie des menschlichen Halses. Tübingen 1862. 

3) Fränkel, Ueber pathologische Veränderungen der Kehlkopf¬ 
muskeln bei Phthisikern. Virch. Aroh., 1877, Bd. 71. 

4) Fränkel, Ueber Veränderungen quergestreifter Muskeln bei 
Phthisikern. Virch. Arch., 1878, Bd. 73. 

5) Stern, Zur Frage der Disposition zur Lungentuberkulose. Zschr. 
f. Tbc., 1914. 

6) Roque, Note sur l’inögalite des pupilles dans les affections des 
poumons, des ganglions bronchiques et du pericard. Gazette mödioale 
de Paris, 1869. 

7) Destr6e, Ein prämonitorisches Symptom der Lungentuberkulose. 
Wien. med. Presse., 1894, Nr. 14. 


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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1421 


zeigte, dass jede mechanische Reizung des Plexus sympathicus in 
der Brusthöhle in der Nähe des Lungenhilus eine Erweiterung 
der Pupille auf der gereizten Seite zur Folge hat. Ein solcher 
Reiz wird aber von den vergrösserten Bronchialdrüsen ausgeübt; 
er geht von den Fasern des Plexus sympathicus pulmonalis auf 
das Ganglion thoracicum und von hier durch Vermittlung des 
Ganglion cervicale inferius auf das Ganglion ophthalmicum über 
(Deströe). Deströe behauptet ferner, dass dieses Symptom für 
Tuberkulose und Pleuritis pathognomonisch sei, es fehle bei Pneu¬ 
monie, chronischer Bronchitis und Emphysem. Ob dies wirklich 
der Fall ist, möchte ich nicht ohne weiteres entscheiden. Ich 
selbst habe diese Erscheinung bei einer sehr grossen Anzahl 
unserer Patienten beobachtet, und ich habe ferner wiederholt ge¬ 
sehen, dass die Pupille auf der erkrankten Seite etwas träger auf 
Licht reagierte. Hier bandelt es sich möglicherweise um eine 
Uebertragung des auf den Sympathicus ausgeübten Reizes durch 
Vermittlung des Ganglion ciliare auf den Oculomotorius. 

Noch eines möchte ich kurz erwähnen. Hörard 1 ) vertritt 
den Standpunkt, dass der Husten eines der ersten Symptome der 
Tuberkulose sei. Aufrecht 2 ) hält dies für unrichtig, und er 
zitiert Henle, der behauptet, dass die Ursache zum Husten meist 
in den komplizierenden Kehlkopfkatarrhen läge, eine Ansicht, der 
Aufrecht sich anschliesst. Nun erfolgt aber, und das sagt auch 
Henle, die den Husten auslösende Reizung meist im Gebiete des 
Nervus vagus, und dass hier schon im frühesten Stadium der 
Lungenaffektion, vor Manifestwerden derselben, Gelegenheit zu 
derartigen Reizen durch die geschwellten Drüsen gegeben ist, 
wurde bereits oft erwähnt. Sahli 3 ) vertritt daher die Ansicht, 
dass die Tuberkulösen, die nicht husten, den bei ihnen in geringer 
Intensität auftretenden Husten nur nicht beachten. Er rät des¬ 
halb, den Patienten leichte Hustenbewegungen vorzumachen, um 
ihnen zu zeigen, was man unter diesem Ausdruck versteht. 
Staebelin 4 ) ist der Meinung, dass der Husten, welcher trotz 
zweckmässiger Behandlung nach 4—6 Wochen nicht verschwindet, 
immer den Verdacht auf Tuberkulose erregen soll, wenn auch 
chronische Pharyngitis als Ursache in Betracht kommen kann, 
diese ist jedoch leicht auszuschliessen. 

Wenn wir nun die geschilderten Symptome überblicken, so 
muss unbedingt eines auffallen: der Einfluss des Ramus recurrens, 
des Nervus vagus und des Sympathicus auf die Initialsymptome 
der Tuberkulose, der sich von der Kompression des Nerven durch 
die vergrösserten Bronchialdrüsen herschreibt. Dass diese Sym¬ 
ptome auf der gleichen Seite zu beobachten sind, auf der die Er¬ 
krankung im Thorax sich abspielt, kann bei der halbseitigen An¬ 
ordnung des centralen und peripherischen Nervensystems nicht 
Wunder nehmen. Dadurch, dass diese Symptome vor Auftreten 
der an den Lungen nachweisbaren Veränderungen bereits zu beob¬ 
achten sind, geht unzweideutig hervor, dass die Lungentuberkulose 
nicht in den Spitzen beginnt, sondern von den Drüsen ihren Aus¬ 
gang nimmt, was ja meist anerkannt wird. Aber noch mehr, 
dass wir auch diese Drüsentuberkulose feststellen können und da¬ 
mit mit unserer Therapie beginnen können zu einer Zeit, wo die 
Lunge selbst noch fast völlig frei ist. Dabei müssen wir uns 
folgende Punkte, die ich hier noch einmal kurz zusammenfassen 
möchte, vergegenwärtigen: 

1. Die Diagnose der Lungentuberkulose wird erleichtert und 
vorzeitig, im Stadium der Bronchialdrüseninfektion, ermöglicht, 
durch richtige Würdigung einer Reihe von subjektiven und ob¬ 
jektiv nachweisbaren Störungen, wie dies bereits von der Anämie 
und dyspeptischen Beschwerden — auch die diarrhöiscben Stühle 
sind zu erwähnen — bekannt ist. 

2. Von seiten des Circulationssystems weisen Tachycardie, 
die auch als sogenannte paroxysmale Tachycardie auftreten kann 
sowie eine leichte Verbreiterung der Herzdämpfung nach rechts 
auf Tuberkulose hin. 

3. Schmerzen in der Schultergegend oder im Abdomen sind 
oft auf eine beginnende Tuberkulose der Thoraxorgane zu beziehen; 
sie sind ein Zeichen von bestehender Pleuritis. 

4. Von besonderer Wichtigkeit ist das Keblkopfsymptom, das 
m der Parese des der Lungenaffektion gleichseitigen wahren 
Stimmbandes, verbunden mit leichter chronischer Laryngitis, 
besteht. 

1) Herard, Cornil, Hanot, La phtise pulmonaire. Paris 1888. 

2) Aufrecht, 1. c. 

3) Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 6. Aufl. 
Le ‘gzig 1918. 

4) Staehelin, Der Husten. Jahreskurse für ärztliche Fortbildung, 
^ebruarheft 1914. 


5. Die häufig vorkommende schlechtere Entwicklung der 
Muskulatur auf der befallenen Seite ist ebenfalls diagnostisch ver¬ 
wendbar, wenn sie auch wahrscheinlich keinen Folgezustand, sondern 
ein disponierendes Moment darstellt. Das respiratorische Schleppen 
jedoch ist ein Zeichen bestehender Pleuritis. 

6. Die Pupille des Auges der befallenen Seite ist oft weiter 
und reagiert träger auf Licht. 

Zum Schluss möchte ich nicht verfehlen, Herrn Direktor 
Dr. Scheib meinen aufrichtigsten Dank für die Anregung zu 
dieser Arbeit sowie für die Ueberlassung seines reichhaltigen 
Krankenmaterials auszusprechen. 


Aus der III. medizinischen Klinik zu Bukarest 
(Direktor: Prof. I. Nanu-Muscel). 

Eine neue Spritze zur intravenösen Injektion 
von konzentriertem Neosalvarsan und anderen 
sehr reizenden Lösungen. 

Die Neorekordspritze. 

Von 

Dr. Tito Vasilin, Assistenten der Klinik. 

Es ist bekannt, welchen Schwierigkeiten man begegnet, eine intra¬ 
venöse Injektion bei Personen mit dünnen und unter der Haut ver¬ 
schiebbaren Venen vorzunehmen. Es kommt in solchen Fällen oft vor, 
dass die Substanz in das die Vene umgebende Gewebe gelangt. 

Bei dem heutigen Bestreben, das Neosalvarsan in sehr konzentrierten 
Lösungen anzuwenden (Ravaut, Alexandrescu), kann ein solcher 
Fehler der Technik eine heftige, ausgebreitete, von grossen Schmerzen 
begleitete Entzündung verursachen; eine unangenehme Komplikation, 
welche uns für eine gewisse Zeitdauer, wenn nicht für immer, die intra¬ 
venöse Bahn verschliesst. 

Mit der nach meinen Angaben von der Firma „Sanitaria“ in 
Ludwigsburg konstruierten Spritze wird diesem abgeholfen. 

Diese Spritze besteht aus zwei Rekordspritzen von 5 oder 2 com 
Inhalt, welche in ihren oberen Teilen mittels einer Doppelklemme ver* 
bunden sind; die unteren Enden der Spritze sind durch einen hohlen, 
abnehmbaren Metallbogen verbunden, in dessen Mitte sich ein Einsatz 
befindet, worauf die Nadel befestigt wird. Dieser Bogen ist mit zwei 
Hähnen versehen, welche es ermöglichen, separat den Inhalt jeder Spritze 
durch die Nadel zu entleeren. 



Technik. Man füllt beide Spritzen mit physiologischer Kochsalz¬ 
lösung und schliesst den Hahn einer Spritze. Ein Teil des Inhalts der 
anderen Spritze wird in die Ampulle, die das Neosalvarsan enthält, 
hineingelassen und die Substanz mittels der Nadel verrührt, bis man 
eine klare Lösung erhält, die man in die Spritze einsaugt; dann schliesst 
man diesen zweiten Hahn. Man öffnet den Hahn der ersten Spritze 
und spritzt durch die Nadel etwas Kochsalzlösung hindurch, um zurück¬ 
gebliebene Teilchen des Neosalvarsans wegzuspülen. 

Die Nadel wird in die Vene eingeführt, man spritzt dann etwas 
Kochsalzlösung, um zu sehen, ob sich die Flüssigkeit nicht unter der 
Haut sammelt und eine Beule bildet. In diesem Falle wird die Nadel 
zurückgezogen und ein neuer Einstich versucht. Im entgegengesetzten 
Falle wird der Inhalt der mit Salvarsan gefüllten Spritze langsam in die 
Vene entleert, nachdem der Hahn der mit Kochsalzlösung gefüllten 
Spritze vorher geschlossen worden ist. 

Auf diese Weise gelangten wir dazu, die Injektion von 
Salvarsan nur dann vorzuuehmen, wenn wir uns volle Gewiss¬ 
heit verschafft haben, dassdieNadel sich wirklich im Lumen 
der Vene befindet. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Bücherbesprechungen. 

Lehrbuch der Organotherapie, mit Berücksichtigung ihrer anatomi¬ 
schen und physiologischen Grundlagen- Bearbeitet von Karl 
Baoeh-Prag, Gustav Bayer- Innsbruck, L. Borehardt-Königsberg, 
Rudolf Ehrnann Berlin, Artur Foges-Wien, M. Hüfler Bad Tölz, 
Alfred Kohn-Prag, Friedrich Piueles -Wien, Julius Wagner 
v. Jauregg-Wien. Herausgegeben von Wagner v. Jauregg und 
Gustav Bayer. Mit 82 Textabbildungen. Leipzig 1914. Verlag 
G. Thieme. 516 S. Preis 13 M. 

Mit welchen Riesenschritten unsere Wissenschaft vorwärts eilt, wird 
uns wieder einmal vor Augen geführt, wenn wir das vorliegende Werk 
sur Hand nehmen. — Die Organotherapie, deren Anfänge bis in graue 
Vorzeiten zurückreiohen, ist in ihrer jetzigen Gestalt ein Kind der Neu¬ 
zeit. Konzentrierte sich bis vor wenigen Jahren unser ganzes organo- 
therapeutisches Können auf die Schilddrüse, so haben die neuesten 
Forschungen unsern Wirkungskreis in ungeahnter Weise erweitert und 
hiermit die Notwendigkeit einer zusammenfassenden Bearbeitung des ge¬ 
samten Gebietes klar erwiesen. 

Das „Lehrbuch der Organotherapie“, an welchem die berufensten 
Vertreter der einzelnen Spezialdisziplinen mitgearbeitet haben, breitet 
vor uns das ganze Arsenal der uns zur Verfügung stehenden Organ¬ 
stoffe aus. Die Einleitung des Werkes bildet eine Geschichte der Organo¬ 
therapie (Höfler). Weiterhin werden abgehandelt: die morphologischen 
Grundlagen der Organotherapie (Kohn), die Schilddrüse (Wagner), die 
Epithelkörperchen (Pineies), die Thymus (Basch), die Hypophyse 
(Borchardt), das Panereas (Ehrmann), die Nebennieren (Bayer), 
die Keimdrüsen (Foges); den Schluss bilden organotherapeutiscbe Ver¬ 
suche mit nicht innersekretorischen Organen (Bayer). — Eine Fülle von 
Material galt es zu bewältigen. Wenn auch vieles noch Hypothese ist, 
so stehen wir andererseits doch Bchon vor einer Reihe tatsächlicher For- 
sohungsresultate, an deren grundlegender Bedeutung nicht mehr zu 
zweifeln ist. 

Den einzelnen Abschnitten ist ein anatomisch-physiologischer Teil 
vorangestellt, der allerdings stellenweise etwas breit geraten ist; hier¬ 
durch kommt bisweilen der therapeutische Grundgedanke nicht klar 
genug zum Ausdruck. 

Für künftige Auflagen würde es sich empfehlen, am Schlüsse 
jedes Abschnitts eine tabellarische Debersicht über die Indikationen und 
die Dosierung der betreffenden Organbehandlung beizufügen; so würde 
der Gebrauch entschieden erleichtert werden. — Besonders wünschens- 
weit erschiene aber ein zusammenfassendes Kapitel über die Möglich¬ 
keiten und Aussichten der Organotherapie im allgemeinen. Die spe¬ 
ziellen Lehren, welche wir aus der therapeutischen Verwertbarkeit eines 
bestimmten Organs ziehen, müssen miteinander verglichen, das Gemein¬ 
same im Zusammenhang erläutert, das Trennende ursächlich begründet 
werden. Es müssen die Grenzen der Organotherapie gezogen werden. 
Vor allem sind die Gründe für die vielfachen Fehiscbläge aufzusuchen. 
Das Kardinalproblem der Organotherapie ist und bleibt noch immer: 
Warum gelingt es nicht, die gleichen Erfolge, welche uns die Schild¬ 
drüsenbehandlung gewährt, mit anderen Drüsenorganen zu erzielen? 
Ueber diese Frage sind wir noch nicht hinaus; in ihr ruht vielleicht 
die Lösung manches dunklen Rätsels. 

Das Lehrbach der Organotherapie bedeutet eine wertvolle und wirk¬ 
lich nutzbringende Bereicherung der medizinischen Literatur. Der Arzt, 
dessen vornehmste Aufgabe von jeher in der Heilung kranker Menschen 
gelegen, wird aus ihm lernen, die Ergebnisse der jüngsten Forschungen 
praktisch zu verwerten; so wird er den Kreis seiner Heilmethoden 
ständig ausdehnen, und hiermit wird sich die Strecke, die ihn von seinem 
hochgesteckten Ziele trennt, immer mehr und mehr verkleinern. 

A. Münzer. 


Die Verletzungen der Wirbelsäule durch Unfall. Ein Beitrag zur 
Versicherungsmedizin. Auf Grund von etwa 200 Eigenbeob- 
aohtungen von Dr. med. Franz Otto Quetsch, Spezialarzt für 
orthopädische Chirurgie und Unfallheilkunde. 155 Seiten mit 
103 Textfiguren. Berlin 1914, Verlag A. Hirschwald. Preis 
4 M. 50 Pf. 

Viele Aerzte, auch Unfallärzte, wird es nicht geben, die in 5 Jahren 
eine so grosse Zahl von Wirbelverletzungen beobachten, behandeln und 
begutachten konnten, wie es dem Verf. dieses interessanten „Beitrags 
zur Versioherungsmedizin“ möglich war. Das Material stammt aus der 
orthopädischen Heilanstalt „Hüffer-S tiftung“ zu Münster i. W. — Die 
Diagnosen wurden natürlich durch die Röntgenuntersuchung festgestellt; 
wenn aber der Verf. betont, dass damit beim Lebenden in jedem Falle 
eine exakte Diagnose zu stellen und mit Sicherheit jede Verwechslung 
auszuschHessen sei, so möchte ioh dem doch widersprechen. Gerade an 
der Wirbelsäule (und am Becken) sind Täuschungen auf Grund von 
Röntgenbildern leider gar nicht selten, was für den V. Lendenwirbel 
übrigens auch vom Verf. (S. 98) bestätigt wird. Dasselbe gilt von der 
Differentialdiagnose zwischen Wirbelbruch und Wirbelcaries in frühen 
Stadien der letzteren. In der Regel wird allerdings das Röntgenbild 
(s. S. 117) Aufschluss geben; Verf. betont aber selbst, welche anderen 
Gesichtspunkte (Alter, Schwere des Unfalls usw.) dabei von Wichtigkeit 
sind. Zn derselben Gruppe gehört die sogenannte Kümmell’sche 
(nicht Kümm ersehe!) Kyphose (S. 118) und der traumatische Hexen¬ 


schuss, der zuweilen durch Fraktur eines Fortsatzes verursacht und 
durch operative Entfernung des abgebrochenen Stückes geheilt ist. — 
Das grosse Material von 121 Fällen wird auf den ersten 111 Seiten des 
Buches ausführlich und nach Art und Ort der Verletzung besprochen; 
es ist so mannigfaltig, dass man für eigene Beobachtungen wohl immer 
Vergleichs- und Musterbeispiele finden kann. Vielleicht sind aber die 
folgenden Abschnitte, in denen die Hauptsymptome der Wirbelverletzung, 
die Deformitäten, ferner die Zeichen der Mitbeteiligung des Rücken¬ 
markes und der Nervenwurzeln und endlich der Schluss, die Prognose, 
die Beurteilung und die Behandlung der Verletzungen der Wirbelsäule 
gerade für den Unfallarzt von noch grösserer Bedeutung. Ich möchte 
besonders hinweisen auf die Schlussfolgerungen, die der Verf. auf Grund 
seines grossen und genau beobachteten Materials für die Prognose dieser 
Verletzungen im allgemeinen und für die Wiederherstellung der Enrerbs- 
fähigkeit im besonderen gibt. — Eine grosse Zahl von Röntgenbildern, 
Photographien und schematischen Zeichnungen erläutern den Text nnd 
erleichtern das Verständnis von oft recht komplizierten Verletzungs- 
folgen. Das Buch kann jedem Arzte, der mit Kassen- und Unfall- 
kranken zu tun hat, aber auch jedem Chirurgen aufs Beste empfohlen 
werden. A. Köhler. 


v. Brus, Garr£ und Kttttaer: Haidbueh der praktische! Chirurgie. 

Vierte umgearbeitete Auflage. Fünf Bände. V. Band. Mit 770 

teils farbigen Textabbildungen. Stuttgart 1914, Ferdinand Enke. 

. 1313 Seiten. Preis broschiert 35,20 M., gebunden 38,20 M. 

Von dem in fast allen Weltspraohen verbreiteten Handbuch ist jetzt 
auch der V. Baud in der Neuauflage erschienen, und das Werk geht 
damit, da nur noch die Chirurgie der Wirbelsäule und des Beckens 
(Band IV) aussteht, seiner Vollendung entgegen. An der voliegenden 
Extremitätenchirurgie sind Schulter und Oberarm von v. Hofmeister 
und Schreiber unter Berücksichtigung aller Neuerungen, wie auto¬ 
matische Extension der Humerusfrakturen nach Hof mann, RechtwinkeJ- 
extension nach Christan - Zuppinger, Knoohentransplantation usw. 
bearbeitet. Wilms hebt die glänzenden Erfolge der Helio- und Thalasso¬ 
therapie bei Ellbogengelenktuberkulose hervor, berichtet aber gleichzeitig 
über so günstige eigene Resultate mit Röntgenbestrahlung, dass in seiner 
Klinik seit 4 l / 2 Jahren keine operative Behandlung mehr nötig war. 
Die Resultate der Stauungsbehaudlung sind nicht konstant. Tuber¬ 
kulinkur wird nur bei negativer Pirquet’scher Reaktion empfohlen. 
Friedrich empfiehlt bei akuten entzündlichen Prozessen der Hand und 
des Vorderarms grundsätzlich die Spaltung aller Eiterherde vor der 
Hyperämiebehandlung; wird letztere zuerst versucht, so kann durch das 
Oedem die Auffindung der primären Eiterherde erschwert werden. Die 
bisher von Hoffa bearbeitete Chirurgie der Hüfte und des Ober¬ 
schenkels ist jetzt durch v. Brunn dargestellt. Bei der Coiitis wird 
wohl die Wichtigkeit der Allgemeinbehandlung neben der chirurgischen 
und orthopädischen Behandlung betont, dagegen ist nicht erwähnt, dass 
die konsequent durchgeführte Heliotherapie allein schon zum Ziele führen 
kann. Als begeisterten Anhänger dieser Therapie bekennt sich Reichel, 
welcher die Chirurgie des Kniegelenks und Unterschenkels bearbeitet hat, 
auf Grund seiner in Leysin gewonnenen Eindrücke: „Dies sind Erfolge, 
denen alle mit den bisher üblichen Behandlungsmethoden erreichten 
Resultate bei weitem nachstehen und hinter welchen auch —- namentlich, 
was die Heilung mit beweglichem Gelenk betrifft — jedes operative 
Verfahren erheblich zurück bleibt.“ Mustergültig ist endlich die Be¬ 
arbeitung der Chirurgie des Fussgelenks und des Fusses durch 
M. Borchardt. Zahlreiche wohlgelungene und instruktive Illustrationen 
ergänzen den überaus anschaulich gehaltenen Text. Hervorgehoben seien 
u. a. die schönen Bilder von Talus- und Calcaneusfrakturen, Caleaneus- 
sporn, von Os trigonum, Os peroneum und Os tibiale. 

Das Ganze erscheint trotz der Vielheit der Mitarbeiter dank der 
Einheitlichkeit der Grundsätze, nach welche die Darstellung erfolgte, wie 
aus einem Guss: eine durchaus moderne Extremitätenchirurgie, welche 
neben dem wertvollen alten Bestände alles wichtige Neue enthält und 
welche durch ihre glückliche Anlage ebenso wie das gesamte grosszügig 
angelegte und in fast allen Weltsprachen verbreitete Werk dazu ge¬ 
schaffen ist, dem praktischen Arzte ebenso nützlich zu sein, wie dem 
Fachchirurgen, welchem es längst unentbehrlich geworden ist Die 
Namen v. Bergmann und ▼. Mikulicz müssten mit ehernen Lettern 
seinen Titel zieren! 


P. ?. Brus: Nene deutsche Chirurgie. XI. Band: Die allgemeine 
Chirurgie der Gehirnkrankbeiten von A. Knoblauch, K. Brod¬ 
ln an n und A. Hauptmann. Zwei Teile. I. Teil. Mit H9 
teils farbigen Textabbildungen und 12 Kurven. Redigiert von 
F. Krause. Stuttgart 1914, Ferd. Enke. 580 Seiten. Preis 
24 M. (für Abonnenten 20 M.). 

Als XL Band der von P. v. Bruns herausgegebenen „neuen 
deutschen Chirurgie“, deren bisherige Lieferungen wir an dieser Stelle 
bereits besprochen haben, ist unter der Redaktion von F. Krause das 
oben bezeiohnete Werk erschienen. Die engen Beziehungen der anato¬ 
mischen, experimentell physiologischen und klinischen Erforschung des 
Centralnervensystems Hessen eine eingehende Bearbeitung der wichtigen 
Grundlagen, welchen die Hirnchirurgie ihren grossen Aufschwung ver¬ 
dankt, besonders erwünscht erscheinen, und so finden wir hier diese 
unter Berücksichtigung der neuesten Ergebnisse von berufener Seite 
dargestellt: A. Knoblauch - Frankfurt hat die Anatomie und Topo- 




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UNIVERSUM OF IOWA 




27. Jnli 1914. 


BERLfNER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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graphie des Gehirns und seiner Hüllen bearbeitet und dabei in 
instruktiver Weise allenthalben auf die chirurgisoh besonders wichtigen 
anatomisohen Verhältnisse hingewiesen (Verlauf der Frakturlinien des 
Schädels, Wichtigkeit des Sinus sagittalis sup. und transv. in chirur¬ 
gischer Hinsicht, abnormer Verlauf des Sinus transversus, anatomische 
Rindenlokalisation, Kommunikationen des Subaraohnoidealraumes mit 
dem Ventrikelsystem usw. usw.). Die Darstellung der Hirnphysio¬ 
logie durch K. Brodmann - Tübingen führt uns besonders anschaulich 
den stoben Bau vor Augen, su welchem die fundamentalen Ent¬ 
deckungen von Hitzig, Fritsch und Munk die ersten Bausteine ge¬ 
liefert haben. Insbesondere finden wir die moderne Lehre von der 
Agnosie und Apraxie, Aphasie und Alexie, die Physiologie der centralen 
Ganglien, der Hypophyse und der Glandula pinealis mustergültig und 
objektiv erörtert. Einen besonders breiten Raum nimmt naturgemäss 
die Physiologie des Kleinhirns ein, welohe durch die geistvollen Unter¬ 
suchungen Baräny’s über die Beziehungen des Vestibularapparates 
zum Kleinhirn in ein neues Stadium getreten ist. Das Studium dieses 
unter eingehender Berücksichtigung der grossen Fortschritte der letzten 
Jahre verfassten Kapitels ist besonders reizvoll. Den dritten Haupt¬ 
abschnitt des Buches bildet die von Haup tmann - Freiburg i. B. be¬ 
arbeitete Hirndruoklehre. Nachdem Verf. die für das Verständnis 
wichtige Anatomie des Gefass- und Lymphsystems des Gehirns- und 
Rückenmarks, sowie die Blut- und Liquorcirculation in der Schädel- 
uud Rückgratshöhle vorausgeschickt hat, erörtert er systematisch Patho¬ 
genese, Symtomatologie, Diagnose und Therapie des chronischen Hirn¬ 
drucks (Compressio eerebri) und der akuten Hirnpresung, Hirnerschütte¬ 
rung (Commotio cerebri). Jedem einzelnen Abschnitt ist ein sorgfältig 
geführtes Literaturverzeichnis beigefügt. 

Das mit zahlreichen vorzüglichen Illustrationen versehene Buch, in 
welchem wir neben dem wertvollen alten Bestände gewissenhaft alles 
Nene einverleibt finden, wird sicher in den Fachkreisen mit Freude be- 
grüsst werden und im Verein mit dem hoffentlich recht bald er¬ 
scheinenden zweiten Teil ein getreues Bild des gegenwärtigen Standes 
einer Disziplin bieten, welche trotz der mannigfachen noch vorhandenen 
Lücken unseres Wissens durch die besonders intensive experimentelle 
Erforschung und vor allem duroh das Hand-in-Hand-Arbeiten von 
Laboratorium und Klinik zu ihrer jetzigen Höbe gediehen ist. 

Adler - Berlin-Pankow. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

M. Cloetta und E. Waser-Zürich: Ueber den Einfluss der lokalen 
Erwärmung der Temperaturregulierungscentren auf die Körpertempe¬ 
ratur. (Zur Kenntnis des Fieberanstiegs. 3. Mitteilung.) (Arch. f. exp. 
Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 u. 2.) Barbour’s Theorie, dass 
die Erhöhung der Bluttemperatur auf die wärmeregulierenden Centren 
antipyretisch wirkt, stützte er durch Experimente, bei denen den Wärme- 
oentren trepanierter Kaninchen Wärme durch Leitung zugeführt oder 
entzogen wurde. Die Verff. bewirkten die Wärmezufuhr ohne Hirnver¬ 
letzung durch Diathermie und kommen zu entgegengesetzten Ergebnissen. 
Die Berechtigung obiger Theorie Ist zweifelhaft. 

P. Jangmann-Strassburg: Ueber die Beziehungen des Znckerstichs 
znm sogenannten Salutieh. (Aroh. f. exp. Path. u. Pharm., 1914, Bd.77, 
H. 1 u. 2.) Die Folge des Zuokerstichs bei Kaninchen an der Stelle 
01. Bernard’s ist ausser Glykosurie Polyurie und Mebrausscheidung 
ton NaCl in gesteigerter prozentualer Konzentration, genau so wie nach 
dem Salzstich im Funioulus teres. Die Zunahme der NaCl-Ausfuhrprozente 
ist nicht durch Hyperglykämie bedingt. Nach dem Zuokerstich besteht 
meist Blutdruckzunahme, nach dem Salzstich Blutdruckabnahme, beide 
M&le mit Hydrämie. Zucker- und Salzsticb wirken durch den Splanch- 
nicus auf die Niereufuuktion. Periphere Splanchnicusdurchschneidung 
verhindert die Zuckerstiohwirkung auf die Nierenfunktion, alleinige Durch¬ 
schneidung des linken Splanchnicus verhindert nur die Wirkung auf die 
Leberfunktion. W i r t h. 

E. Leschke - Berlin: Untersuchungen über die Funktion der 
(M.m.W., 1914, Nr. 27.) Vortrag und Demonstrationen, ge¬ 
aalten auf Einladung des ärztlichen Vereins in Hamburg am 12. Mai 
1914. Cf. Gelellschaftsbericht der B.kl.W., 1914, Nr. 24. 

Dünner. 

G. C. Parnell-London: Eine klinische Probe zur Bestimmung des 
««ergekiltes in Prozenten. (Brit. med. Journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.) 
Vcn. hat die Moore’sche Zuckerprobe dadurch zur quantitativen Bestim- 
mung benutzbar gemacht, dass er gefärbte Gläser hat herstellen lassen, 
Qle “ er Bräunung dea Urins bei bestimmten Zuokergehalten entsprechen. 

Weydemann. 

C. Hess -München: Neue Versuche über Lichtreaktionen hei 
jwei ud Pflanzen. (M.m.W., 1912, Nr. 27.) Vortrag, gehalten in 
iSij *l? ener Go s «ll8chaft für Morphologie und Physiologie am 19. Mai 
Cf. Gesellschaftsbericht der B.kl.W., 1914, Nr. 24. 

Dünner. 


Pharmakologie. 

K. Sech er-Kopenhagen: Untersuchungen über die Einwirkung des 
Coffeins anf die quergestreifte Muskulatur. (Arch. f. exp. Path. u. 
Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 u. 2.) Durobströmung der Froschmuskulatur 
mit sehr schwachen Lösungen von Coffein oder verwandten Stoffen ver¬ 
ändern die Muskulatur histologisch; bei Säugetieren erst bei Anwendung 
starker Lösungen. 

E. Starkenstein-Prag: Ueber die pharmakologische Wirkug 
caleiumfällender Säuren und der Magnesiumsalze. (Arch. f. exp. Path. 
u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 u. 2.) Ebenso wie die Oxalsäure wirken 
calciumentziebend eine Reihe von Phosphorsäuren und Fluorwasserstoff¬ 
säure, mit denselben klinischen Symptomen. CaCl-Injektion auf der Höhe 
der Vergiftung rettet das Tier; vorherige Injektion verhindert die Ver¬ 
giftung. Die Giftwirkung ist durch Calciumentziehung und nicht durch 
das Aniou calciumfällender Salze bedingt, denn lösliche Magnesiumsalze 
der Oxalsäure oder von Phosphorsäurea sind nicht giftig, da Magnesium 
das Ca im Organismus teilweise funktionell ersetzt. Nur bei der Mag¬ 
nesiumnarkose sind Ca- und Mg-Ionen antagonistisch. Auch Phosphate 
sind blutgerinnungshemmend. Wirth. 


Therapie. 

Johannessohn und Sohaechte - Berlin: Klinischer Beitrag zur 
Strophantnsfrage. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) „Purostrophan“ enthält 
0,5—1 mg g-Strophantin (aus Gratussamen hergestelltes, kristallisiertes 
Strophantin). Rasche, intensive Wirkung auf Herz und Gefässe, ohne 
erhebliche allgemeine Blatdrucksteigerung. Stom&ch&le Anwendung wirkt 
kräftig. Starke diuretische Wirkung. Kumulation kaum zu fürchten. 

Wolfsohn. 

K. Kall - Freiburg i. B.: Anwendung kl eilt? Salvarsandosen bei 
sekundärem Anämien and Ernährungsstörungen. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) 
K. empfiehlt kleine Dosen von 0,05—0,075 Salvarsan (intravenös) gegen 
sekundäre Anämien. Er macht 10—15 Injektionen und will gute Er¬ 
folge erzielt haben. 

A. Lichtenstein-Stockholm: Erfahrungen mit Eiweissmilck. 
(M.m.W., 1914, Nr. 27.) 

F. Föhrenbaoh - Tübingen: Poliklinische Erfahrungen mit Larosan. 
(M.m.W., 1914, Nr. 27.) Gute Erfolge. Dünner. 

P. Soharff-Stettin: Gicht und Harnröhrenstriktnr. (Derm. Wscbr., 
1914, Bd. 59, Nr. 27.) Verf. empfiehlt die Radiummineralbäder in Bram¬ 
bach i. Vogtl. gegen Gioht, Harnröhrenstrikturen, sowie gegen Diabetes 
und Harn- und Blasenleiden. Immer wahr. 

v. Cappellen: Ueber die Behandlung der Parapkimosis. (Ned. 
Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 21.) Verf. rühmt sehr die fran¬ 
zösische Methode, welche vor der Reposition eine Cooain-Adrenalinein- 
spritzung vorschreibt. Verf. machte eine kleine Variation, indem er statt 
des Cooain 1 pCt. Eucain verwendete und sich mit 4 Tropfen Adrenalin 
begnügte. v. Suchtelen. 

M. Dübi: Ueber die wissenschaftlichen Grundlagen der Sahli’schen 
Methode der Behandlung der Tnberknlose durch multiple cutaue Tuber¬ 
kulinimpfungen. (Beitr. z. Klin. d. Tab., Bd. 29, H. 2.) Die Vorteile der 
cutanen Methoden vor der lojektionstherapie können zweifacher Natur 
sein. Man kann sich vorstellen, dass einmal dadurch, dass man die 
Tuberkuiinreaktion lokal festhält, die Gefahren der AUgemeinreaktion 
her&bgemindert werden durch die angeführte lokale Entgiftung. Anderer¬ 
seits ist auch zu erwarten, dass die entzündliche Qautreaktion spezifische 
Antikörper liefert, welche allgemeine immunisatorische Heilwirkungen ent¬ 
halten. Verf. hat eine eigene Technik herangebildet vermittelst eines 
Tuberkulinschneppers, der mit zahlreichen Nadeln versehen ist. Man 
steigt allmählioh mit der Tuberkulinkonzentration, um zu guten, kräftigen 
Lokalreaktionen zu gelangen. Dabei ist auf die eventuellen Temperatur¬ 
erhöhungen und sonstige Zeichen von Allgemeinreaktion zu achten, und 
wenn solche auftreteu, mit der Konzentration herabzugehen. Zu heftige 
Lokalreaktionen sind zu vermeiden. Von dem Moment an, wo mau 
genügende Haatreaktionen erhält, steigert man die Wirkung im Sinne 
des S ah 1 i’schen Prinzips der Oberflächen Vergrößerung und um Allgemein¬ 
reaktionen zu vermeiden, nicht durch weitere Konzentrationserhöhung, 
sondern duroh Vermehrung der Impfstellen. Die therapeutischen Wir¬ 
kungen können als günstig bezeichnet werden. Bemerkenswert ist, dass 
Patienten, die auf subcutane Injektionen reagiert haben, bei der Tuber¬ 
kulinanwendung duroh die Haut reaktionsfrei bleiben bezüglich ihrer 
Herd- und Allgemeinerscheinungen. Besonders geeignet für die Impf¬ 
behandlung sind gerade solche Fälle, die bei kräftiger Lokalreaktion 
Zeichen von Allgemeinerscheinungen darbieten. Da jedoch auch Fieber- 
und Herdreaktionen beobachtet worden sind, ist die Befolgung einer 
genauen Methodik dabei unumgänglich notwendig. J. W. Samson. 

H. Mowat- London: Die Röntgenbehandlung tuberkulöser Drüsen. 
(Brit. med. Journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.) Die Resultate sind bei allen 
Drüsen sehr befriedigend, da mit harten Röhren auch tief liegende er¬ 
weicht werden können. Die harten Röhren sind überhaupt angezeigt 
unter Benutzung von 1,5 mm dicken Aluminiumfiltern. Es ist eine volle 
Sabouraud’sche Dosis nötig, manchmal bis ein Viertel mehr, in wöchent¬ 
lich 2 Sitzungen. Weydemann. 

K. Kaufmann - Schömberg: Zur Vinlenx des Friedm nun'gehen 
Tuberknlosemittelg. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) Das „Friedmaun’sohe 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Virus“ ist von Meerschweinchen auf Meerschweinchen übertragbar. An 
seiner Pathogenität ist nicht zu zweifeln. Seine Anwendung beim 
Menschen muss unbedingt unterbleiben. 

Ed. Kahn und 0. Seemann - Bonn: Schlechte Erfahrungen bei 
cbirirgiseher Tuberkulose mit dem Friedmana’schen Mittel. (D.m.W., 
1914, Nr. 28.) Das Friedmann’sche Mittel ist kein „Heilmittel“ der 
Tuberkulose. Die Vaccine ist verunreinigt. Vor Anwendung wird streng 
gewarnt (Klinik Gar re). 

R. Drechter - München: Erfahrungen mit dem Friedminn’sehei 
Heilmittel bei chirurgischer Tiberkulose. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) 
Meist keine Beeinflussung. In wenigen Fällen auffallende Besserung, in 
anderen erhebliche Verschlechterung. Wolfsohn. 

H. Eggers: Erfahrungen mit der Knpferbehaidlniig bei innerer 
und Kasserer Tuberkulose. (Beitr. z. Ktin. d. Tub., Bd. 29, H. 2.) Die 
durch das Tierexperiment erwiesene Affinität des Kupfers zu tuberkulös 
erkranktem Gewebe findet in 5 Fällen äusserer Tuberkulose ebenso wie 
die durch Strauch mitgeteilten Fälle auch für Menschen ihre Bestätigung. 
Die therapeutische Wirkung der lokalen Kupferbehandlung bei lupösen 
und verrucösen Ulcerationen war überraschend günstig. Auch durch die 
Inunktion und innerliche Medikation ersohien ein Einfluss auf die endogene 
Natur der Haut und chirurgischen Tuberkulose ausgeübt zu werden. Bei 
innerer Tuberkulose konnte mittels der Darreichung per os und der 
Schmierkur keine unbedingt einwandfreie Beeinflussung erzeugt werden. 

J. W. Samson. 

M. Münch - Frankfurt a. M.: Heilung eines Falles von Chorioiditis 
disseminata dnreh intravenöse Tabercnproseeinspritnnngen. (D.m.W., 
1914, Nr. 28.) Tubercuprose ist eine 1 prom. Lösung von Cuprum 
formicicum, mit Zusatz einiger Tropfen von Ac. formicicum. Es kommt 
in Ampullen in den Handel und wird intravenös injiziert. In dem mit¬ 
geteilten Fall wird die Heilung einer Lungenphtbise und einer Chorio¬ 
iditis disseminata auf dieses Mittel zurückgeführt. Wolfsohn. 

M. Goldschmidt-Leipzig: Die Chemotherapie der Pnenmo- 
kokkenerkranknngen des Auges, insbesondere des Ulcus serpens durch 
Optoohinsalbe (Aethylhydrocuprein). (M.m.W., 1914, Nr. 27.) G. be¬ 
nutzt folgende Salbe: Optochin. hydrochl. 0,1, Atr. sulf. 0,2, Amyl. titr. 
2,0, Vasel. flav. am. Cheseborough ad 10,0, 5—6 mal pro die einreiben. 
Eventuell vorher mit 3 proz. Cocain anästhesieren. Sehr gute Resultate. 

E. Kraus-Brünn: Zur Anästhesierung des Uterus. (M.m.W., 
1914, Nr. 27.) K. taucht Hegarstifte in Syrupua simplex, dem Novo- 
cain-Suprarenin zugesetzt ist und lässt den Sirup erstarren. Bei der Ein¬ 
führung der Stifte erfolgt Anästhesie. Dünner. 

W. C. Stevanson - Dublin: Vorläufiger klinischer Bericht über eine 
neue und wirtschaftliche Methode der Radiumbehandluug durch Ema- 
■atioBSuadeltt. (Brit. med. Journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.) Verf. sticht 
bei inoperablen Geschwülsten eine Anzahl von Hohlnadeln ein, in die 
kapillare Glasröbrchen mit Radiuraemanation eiogeführt werden. Die 
Nadeln bleiben 24—48 Stunden liegen und werden dann in einer anderen 
Richtung eingeführt. Die Erfolge waren sehr ermutigend. Die Vorzüge 
sind die Billigkeit des Verfahrens, die leichte Ausführbarkeit, die genaue 
Dosierung und die gleichmässige Verteilung der Emanation in der Ge¬ 
schwulst. Die Nadeln sollen nicht weiter als etwa 3 cm voneinander 
entfernt sein, da so weit die weichen Strahlen menschliches Gewebe 
durohdringen. Weydemann. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

G. Mita(-Japan)-Braunschweig: Physiologische und pathologische 
Veränderungen der menschlichen Keimdrüse von der fötalen bis zur 
Pubertätszeit, mit besonderer Berücksichtigung der Entwicklung. 
(Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. 3.) Verf. bat eine grössere Zahl HodeD von 
Föten, Kindern und Erwachsenen untersucht und tritt auf Grund seiner 
Ergebnisse der Behauptung Kyrie’s entgegen, dass ein grosser Teil der 
Kinder mit unterentwickelten Keimdrüsen zur Welt komme. Es handele 
sich nicht um eine mangelhafte Entwicklung infolge von primärer Keim¬ 
schädigung, sondern um eine Fehlentwicklung infolge der Einwirkungen 
ektogener Noxen; sie besteht in übermässiger Ausbildung des Intersti- 
tiums und Hemmung der Parenchymausbildung, die bereits bei der Ge¬ 
burt vorhanden sein können, wenn die Schädigung des Organs schon 
während des Fötallebens stattgefunden hat. Auch noch in den ersten 
Lebensjahren können derartige Schädigungen den Hoden treffen, der dann 
in seiner weiteren Entwicklung gehemmt wird. Von Krankheiten, die 
die beschriebenen KeimdrüseuveränderuDgen im Gefolge haben, sind 
ausser der kongenitalen Lues hauptsächlich Tuberkulose und Rachitis 
zu nennen. Blutungen, die man häufig in den Hoden Neugeborener 
findet, und die traumatischen Ursprungs sind, werden ohne weitere Folgen 
resorbiert. 

D. D. Krylow-St. Petersburg: Experimentelle Studien über Neben- 
nierenrinde. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. 3.) Fütterungsversuche bei 
Kaninchen: 1. Mit Kuhmilch, Lecithin und Eigelb in verschiedenen 
Mengen und von verschieden langer Dauer. Die Tiere nehmen an Ge¬ 
wicht zu, die Nebenierenrinde zeigt eine teilweise (Eigelbnahrung) kolos¬ 
sale Steigerung des Lipoidgehaltes. 2, Mit Cholesterin. Die Tiere 
magern stark ab, die Nebennieren nehmen an Grösse enorm zu, ihre 
Rinde enthält grosse Mengen doppeltbrechender Substanzen. Ausserdem 
weisen die Nebennieren degenerative Veränderungen in Aufbau und 


Zellstruktur sowie Entzündungserscheinangen auf, die Verf. auf die Ver¬ 
giftung mit Cholesterin znrückführt. 3. Alkoholfütterung per os bringt 
bei längerer Dauer geringe Grössenzunahme der Nebennieren sowie massige 
Vermehrung der doppeltbrecbenden Substanz in ihrer Rinde hervor. 

4. Alkohol intravenös bewirkt keine Veränderung der Nebennieren. 

5. Cholesterin -f* Alkohol per os wirkt wie Cholesterin allein. Bei allen 
diesen Versuchen waren die ersten Erscheinungen der Lipoidvermehrang 
in den Nebennieren nachweisbar, während die anderen Organe, die von 
den Mitarbeitern des Verf.’s eingehend untersucht wurden, erst später 
Lipoide aufwiesen. Verf. schliesst daraus, dass die Nebennierenrinde 
den Lipoidstoffwechsel des Körpers reguliert, dass aber die doppelt- 
brechenden Substanzen kein Produkt ihrer inneren Sekretion sind. 

M. Landau und Mc Nee-Freiburg i. B.: Zur Physiologie des Chole- 
gteriastoffwechgels. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. 3.) Die Nebennieren- 
rinde ist das Speicherungsorgan der Cholesterinester, das als intermediäres 
Organ des Cholesterinstoffwechsels vor die Leber geschaltet ist. Sie hat 
bei den verschiedenen Tierspezies wahrscheinlich verschiedene Bedeutung. 

A. W. Pinn er. 

W. Johnson-London: Eine pathologische Untersuchung von vier 
Fällen von HypopbyoenUiiorei. (Lancet, Nr. 4740, 4. Juli 1914.) Es 
handelt sich um zwei frische Falle und zwei ältere Museumspräparate, 
die eingehend beschrieben werden. In den beiden frischen Fällen hatte 
eiöe Stauung des Chiasmas eine Degeneration von Fasern in dem Tract. 
opt. verursacht, die aber nicht weiter als bis zu den primären optischen 
Ganglien zu verfolgen war. Die Veränderungen am Tractus waren in 
einem Falle grösser, als sich aus der GesiohtsfeldeineDgung sch Hessen 
liess. Weydemann. 

J. Novak: Ueber knngtlieke Tnoroa der Zirbeldrüseogegoid. 

Vorläufige Mitteilung. (W.kl.W., 1914, Nr. 27.) Um die Sohädigung, 
welche die Zirbeldrüse durch Tumoren erleidet, zu studieren, bat Verf. 
bei jungen Hunden Paraffin in die Zirbeldrüseugegend injiziert. Die 
Operation ist technisch ausführbar, das Paraffin bleibt an der Injektions¬ 
stelle liegen, ist also geeignet, die gewünschte Schädigung der Gehirn¬ 
partie herbeizuführen. P. Hirsch. 

B. R. G. Russell-London: Drei bemerkenswerte Fälle von Lympho¬ 
granulomatose. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. S.) Kasuistik. 

A. W. Pinner. 

O. Weltmann-Wien: Ueber Fettintoxikatioi. (W.kl.W., 1914, 
Nr. 27.) Die Hämolyse, welche man nach forzierter Fettfütterung be¬ 
obachtet, beruht auf dem Uebertritt eines Fett- oder Lipoidkörpers in 
das Blut. Bei den entstehenden Anämien kommt 69 zu beträchtlicher 
Abnahme der roten Blutkörperchen, zu ausgesprochener Anisocytose 
und Polychromasie, ferner zum Auftreten von Erythroblasten. Das Sinken 
des Hämoglobingebaltes geht ungefähr parallel der Erythrocytenabnahme. 

P. Hirsch. 

L. v. Stubenrauch - München: Oie deformierende Gelenkentsu- 
i»»S (Arthritis deformans) im Lichte neuer Forschungen. (M.m.W., 
1914, Nr. 27 u. 28.) Referat erstattet in der Sitzung des ärztlichen 
Vereins in München vom 20. Mai 1914. Cf. Gesellsohaftsbericht der 
B.kl.W., 1914, Nr. 28. Dünner. 

A. Girardet - Essen: Doppelte Perforation eines Tnherkelkioteis 
in die Aorta und die Bifirkation der Traehea. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) 
Inhalt im Titel enthalten. („Tuberkelknoten“ ist ein Pleonasmus! Ref.) 

H. Ribbert - Bonn: Ueber den Bau der in der Pulmonalarterie 
enbolisierten Thromben. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) Die frei ins Venen¬ 
lumen bineiohängenden, leicht abreissenden und zu tödlicher Embolie 
führenden Thromben sind in der Hauptsache Gerinnungsprodukte. 
Daher besteht die Möglichkeit, durch eine Herabsetzung oder Aufhebung 
der Gerinnungsfähigkeit des Blutes die Bildung dieser Thromben zu ver¬ 
hindern. Wolfsohn. 

B. Strassburg-Bern*. Die Gitterfasorn der Leber bei kongenitaler 
Syphilis. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. 8.) Nach den Untersuchungen, 
die Verf. an 13 Lebern kongenital syphilitischer Kinder angestellt hat, 
kann man 2 Formen der Leberveränderung bei Lues congenita unter¬ 
scheiden: 1. Starke intraacinöse Bindegewebswucherung mit entsprechen¬ 
dem Schwund des Parenchyms und Vergrösserung der Leber. 2. Ver¬ 
mehrung des periportalen Bindegewebes ohne erhebliche intraacinöse 
Wucherung. Im ersten Falle findet man die Gitterfasern überall im 
Gewebe vermehrt und verdickt, im zweiten Falle zeigen nur die Glisson- 
schen Scheiden Vermehrung der Gitterfasern, während das Parenchym 
freibleibt. Die Konsistenz entspricht der Masse des Bindegewebes und 
nimmt daher mit der Wucherung der Gitterfasern zu. Diese verdanken 
ihren Ursprung den zahlreichen Bindegewebszellen. Sie steilen ein prä- 
kollagenes, „nicht bis in die letzten Differenzierungsmöglichkeiten aus¬ 
gebildetes Bindegewebe“ dar. Ihre diffuse Vermehrung ist spezifisch für 
kongenitale Syphilis. 

P. Hei nrichsdorff - Breslau: Ueber Formen und Ursachen der 
Leberentartung bei gleichzeitiger Staunag. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, 
H. 3.) Bei Herzfehlern und anderen Stauung hervorrufenden Krankheiten 
findet man öfters eine Form der Leberentartung, die zunächst das Bild 
der Muskatnussleber zu bieten scheint, sich aber bei näherer Unter¬ 
suchung als eine ringförmige Nekrose der sogenannten intermediären 
Zone der Leberläppcben erweist. Diese Zone nekrotischen Gewebes er¬ 
hält durch hämorrhagische Infarcierung eine rote Farbe, während Peri¬ 
pherie und Centrum des Läppchens infolge von Fettinfiltration gelb er* 


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UMIVERSITY OF IOWA 




27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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seheinen. Dieser Zustand ist nach Verf. das Resultat einer Intoxikation, 
da er bei Eklampsie ähnliche Bilder gefunden hat. Die mechanische 
Wirkung des Blutdruckes in den genannten Gapillaren hält er nicht für 
genügend, um so starke Veränderungen hervorzubringen. 

A. W. Pinn er. 

R. Stein er'Wien: Vier Fälle von sogenannter „weisser Galle“. 
(W.kl.W., 1914, Nr. 27.) In der Literatur fand der Verf. nur 29 Fälle 
von sogenannter „weisser Galle“, richtiger Hydrops des gesamten Gallen¬ 
systems genannt, verzeichnet. Der Verf. präzisiert seine Ansicht über 
die Bedingungen zur Entstehung des Hydrops in folgenden Punkten: 
Der Choledocbusverscbluss muss absolut und genügend lang dauernd 
sein, dabei muss der Druck im Gallenwegsystem erhöht sein. Die Sekre¬ 
tion der Gallenwegsohleimhaut kann normal, vermehrt und — bei länger¬ 
währendem Verschluss — sogar vermindert sein. In der Gallenblase 
dürfen keine hochvirulenten Bakterien enthalten sein, sonst kommt es 
zum Empyem. 

J. Kyrie und K. J. Schopper-Wien: Auffällige Befunde bei ex- 
perimemtolleB Stadien an Nebenhoden. (W.kl.W., 1914, Nr. 27.) Ver¬ 
suche an Hunden haben gezeigt, dass man durch Unterbindung des Vas 
deferens den Hoden nicht zur Atrophie bringen kann. Ebenso beob¬ 
achteten die Verff. nach partieller Epididymisresektion das Erhaltensein 
der Testikelfunktion. Bei Untersuchung des Nebenhodenrestes fanden 
sie Sperma zu grösseren Herden gehäuft im Bindegewebe ausserhalb der 
Kanälchen, bei einem Tiere wurden Spermien in den Gefässen des 
Nebenhodens gefunden, und zwar sowohl in Arterien als in Venen. 

P. Hirsch. 

Duker: Das hämorrhagische Syadrom bei verschiedenen Krank¬ 
heiten. (Nederl. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 26.) Bei allen 
mit dem hämorrhagischen Syndrom vergesellschafteten Krankheiten findet 
man neben dem Blute auch die Gefässwände verletzt, und zwar am 
meisten das Endothel. Hierin erblickt Verf. einen Beweis für die Ver¬ 
wandtschaft der Blutzellen und der Endothelzellen, wie er dann auch 
in seiner Arbeit an der Hand von Untersuchungen von Schridde, 
Maximow u. a. und ferner von . eigenen Untersuchungen den weiteren 
Beweis für diese Verwandtschaft erbringt. v. Suchtelen. 


Parasitenkunde und Serologie. 

A. Kirobenstein: Die Bedingungen der Phagocytose von Tuberkel- 
haaUloa. ££& -Beitrag zum Phagocytoseproblem. I. (Beitr. z. Klin. d. 
Tbc., Bd. 29, H. 2.) Das Verhalten der Phagocytose in vitro kann 
nicht immer maassgebend für den Verlauf dieser Reaktion in vivo sein. 
Ueber den Verlauf der Phagocytose und den Zusammenhang dieser Re¬ 
aktion mit anderen immunisatorischen Vorgängen im Organismus können 
genügende Aufklärung nur graphische Darstellungen dieser Prozesse 
geben. Bindende Schlüsse in bezug auf die Ursachen des Wechsels der 
Phagocytose können nur gezogen werden, wenn za gleicher Zeit ein¬ 
gehend das bakterioskopische Bild des Objekts der Phagocytose berück¬ 
sichtigt wird. Das bezieht sich hauptsächlich auf Mikroorganismen, wie 
z. B. Tuberkelbacillen, welche starken Formenwechsel aufweisen. Das 
Opsonin muss als identisch mit den lytischen Antikörpern angesehen 
werden. Die Opsonie ist die bakteriotrope sensibilisierende Wirkung des 
verdünnten Lysins nach C. Spengler. Das Aggressin entspricht den 
durch die lysierenden Antikörper frei gewordenen bzw. von den Mikroben 
abgeschiedenen Toxinen. Es besteht gewöhnlich ein umgekehrtes Ver¬ 
hältnis zwischen der Stärke der Phagocytose und der Temperaturhöhe. 
Nur bei mittleren Temperaturen ist diese Parallelität gut sichtbar. 
Eine Vermehrung der Bacillenzahl geht gewöhnlich parallel mit dem 
Anstieg der Temperatur. Die Leukocyteozahl wechselt in Abhängigkeit 
der Toxinmenge und der Temperatur. Die eigentlichen Ursachen der 
Phagocytose sind elektrochemischer Natur. J. W. Samson. 

M. Wetzel - Marburg: Ueber das Verhalten des Komplements bei 
4«r Paakre&tinvergiftnng. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1914, 
Bd. 77, H. 1 u. 2.) Der Befund Kirchheim’s einer weitgehenden 
formalen Uebereinstimmuog zwischen den Symptomen der Anaphylaxie 
und der Pankreatinvergiftung wird auch für das Verhalteu des Kom¬ 
plements bestätigt. Das Komplement nimmt sowohl beim spezifischen 
Vorgang der Anaphylaxie wie bei der unspezifischen Wirkung von 
Rinderpankreatin auf Meerschweinchenserum ab, was für die Ansicht 
von Dörr spricht, der im Gegensatz zu Friedberger den Komplement- 
rerbrauch bei der Anaphylaxie als nebensächlich bewertet. 

Wirth. 

E. Herzfeld - Zürich: Eine colorimetrische Bestimmungsmethode 
der mit Triketohydrindenhydrat reagierenden Verbindungen. (M.m.W., 
*914, Nr. 27.) Die Menge der bei der Abderhalden’scben Reaktion ab¬ 
gebauten Stoffe lässt sich mit Hilfe eines Colorimeters durch Vergleich 
rait einer in geeigneter Weise hergestellten Glykokolllösung schnell be¬ 
stimmen. Dünner. 

du I 8 , 8a tschenko - St. Petersburg: Ueber die Spezifität der gegen 
iqi Äime * we * M Schichteten proteolytischen Fermente. (D.m.W., 
.14, Nr. 28.) Nach parenteraler Zuführung von Pflanzen ei weiss bilden 
sich im Tierorgauismus Fermente spezifischer Natur, wie sich das mit 
gr Abderhalden’schen Reaktion nachweisen lässt. Es kann daher diese 
Reaktion ähnlich wie die übrigen serodiagnostischen Methoden zur Diffe¬ 
renzierung von Pflanzeneiweias herangezogen werden. 


E. Mosbacher und F. Port - Göttingen: Beitrag zur Anwendbar¬ 
keit des Abderhalden’schen Dialysierverfahrens. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) 
Untersuchungen an Graviden und Nichtgraviden gaben ganz unspezifische, 
sehr unbefriedigende Resultate. Zum Teil siod Hülsenfehler schuld 
daran; sämtliche Versager können aber keineswegs auf diesen Fehler 
zurückgefübrt werden. Von einer Anwendung der Methode bei inneren 
Erkrankungen haben die Verff. deshalb vorerst Abstand genommen. 

Wolfsohn. 

L. Flatow - München: Abbau von Caseii durch Blutserum. 
(Ein Vorschlag zur Bestimmung des „proteolytischen Index“.) M.m.W., 
1914, Nr. 27.) Casein wird von jedem Normalserum deutlich, von 
Gravidenserum meist verstärkt abgebaut. Damit ist ein weiterer Beweis^ 
für die Unspezifität der Serumfermente geliefert. Caseinlösung dürfte 
zur Bestimmung des „proteolytischen Index“ eines Serums geeignet sein. 

Dünner. 


Innere Medizin. 

Holitscher: Alkoholismus und Tuberknlose. (Beitr. z. Klin. d. 
Tbc., Bd. 29, H. 2.) Unter den jugendlichen Tuberkulösen gibt es viel 
weniger Trinker als dem Bevölkerungsdurchschnitt entsprechen würde. 
Das Verhältnis verschiebt sich aber mit zunehmendem Alter immer 
mehr, so dass bei den Schwindsüohtigen des höheren Alters ein ganz 
überraschend grosser Prozentsatz von Alkoholikern festgestellt werden 
kann. Der Tuberkulöse wird in den meisten Fällen nicht Alkoholiker, 
aber der Alkoholiker läuft Gefahr, tuberkulös zu werden. 

P. Vollmer: Tuberknlose im schulpflichtigen Alter und ihre Be¬ 
kämpfung. (Beitr. z. Klio. d. Tbc., Bd. 29, H. 8.) Das allgemeine Ab- 
sinken der Tuberkulosesterblicbkeit hat mit dem im schulpflichtigen 
Alter nicht gleichen Schritt gehalten. Das schulpflichtige Alter ist in 
weit höherem Maasse mit Tuberkulose durchseucht und gefährdet, als 
man es vor wenigen Jahren annehmen konnte. Der Bekämpfung der 
Tuberkulose nach dieser Richtung ist künftig ein grösseres Interesse 
entgegenzubringen. Lehrer und Eltern sind über die Eigentümlichkeit 
der Tuberkulose im schulpflichtigen Alter zu unterrichten. 

W. Kn oll: Die Scrofulose der Züricher Heilstätte von 1885 bis 
1911. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 3.) Ausführlich wird das 
Allgemeine, die Symptomatologie, die Tuberkulosemanifestationen und 
Resultate sowie die Behandlung der Scrofulose in der Züricher Heil¬ 
stätte besprochen. Theoretisch kommt Verf. zu dem Schluss, dass es 
weder eine einzige Ursache für die manifeste, klinisch bemerkbare 
Tuberkulose gibt, denn die Infektionsgetegenheit genügt wohl zur In¬ 
fektion, nicht aber zur manifesten Tuberkulose, noch eine einzig wirksame 
Therapie. 

Sandberg: Planithorax. Ein neues Thoraxschema ad modum 
Freudweiler-Hildebrand. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 2.) Vordere, 
hintere und seitliche Partien des Thorax sind in einer Ebene aufgerolJt 
zum Einträgen des Lungenbefundes. 

N. Küchenhoff: Ueber die Bedeutung von Wirbelsäalenanomalien 

für die Entstehung der Lungentuberkulose. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., 
Bd. 29, H. 2.) Bei der Beurteilung der mechanischen Disposition muss 
mehr Wert als bisher auf die Haltung der Wirbelsäule gelegt werden. 
Leichte kyphotisebe Krümmungen des oberen Teils der Brustwirbelsäule 
führen zu Raumbeeinträchtigungen der Lungenspitzen und deren Schädi¬ 
gungen. Die tuberkulöse Infektion der Lungen erfolgt durchaus nicht 
immer in der Spitze, die Spitzentuberkulose zeigt jedoch sehr oft Neigung, 
voranzuschreiten, während die primäre Tuberkulose der übrigen Teile 
meistens zur Ausheilung neigt. Die Gründe dafür sind hauptsächlich 
in mechanischen Verhältnissen gegeben. J. W. Samson. 

Brückner-Berlin: Ueber die sogenannte granuläre Form des 
Tnberknlosevirns. Zugleich ein Beitrag zum Eiweissgehalt des 
Spatnms. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Nach B.’s Unter¬ 
suchungen ist das Much’sche granuläre Virus nur dann als tuberkulöser 
Natur aufzufassen, wenn es in Körnehenreihen liegt. In solchen Fällen 
findet man aber immer auch mit Ziehl’scher Färbung solche granulären 
säurefesten Bacillen. Die Eiweissreaktion des Sputums steht bei der 
Lungentuberkulose in einem gewissen Verhältnis zum Grade der Krank¬ 
heit und ist bei vorgeschrittenen Fällen fast immer stark positiv. Bei 
nichttuberkulösen Erkrankungen zeigt das Sputum meist keine oder nur 
geringe Eiweissreaktion. H. Hirscbfeld. 

E. Maliwa-Innsbruck: Beiträge zur Chemie des Spatoms. II. Ueber 
Fermente des Sputums. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) 
Untersuchungen über die Spaltungs-, Reduktions- und Oxydationsvorgänge 
im Sputum. Zion. 

O. Br. hn: Ueber die praktische Bedeutung der Circulationsände- 
rong durch einseitigen Lungencollaps bei therapeutischen Eingriffen 
an der Lunge. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 2.) Die Bedeutung 
der Circulationsverminderung für die HeilungsvorgäDge in tuberkulösen 
komprimierten Lungen ist: 1. Dass in der komprimierten luftleeren 
Lunge sich da9 Blut weder mit Sauerstoff anzureichern noch seine 
Kohlensäure abzugeben vermag. Sauerstoffmangel aber erschwert emp¬ 
findlich die Lebensbedingungen der Tuberkelbacillen, die bekanntlich 
ein ganz besonders hohes Sauerstoffbedürfnis haben. 2. Die Verlang¬ 
samung der Blutcirculation bat auch eine VerlaDgsamung der Lymph- 
bewegung zur Folge. Damit aber ist die Ausbreitung für Tuberkel- 


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UNIVERSUM OF IOWA 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 30. 


bacillen auf die Nachbarschaft, auf Blut- und Lymphbahnen erschwert. 
3. Ferner ist die Resorption der Toxine der Tuberkelbaoillen wesentlich 
verschlechtert. Damit hängt es zusammen, dass unmittelbar oft nach 
dem Anlegen des künstlichen Pneumothorax die toxischen Allgemein- 
erscheinungen verschwinden. Aus histologischen Präparaten ergibt sich, 
soweit sich eine Bindegewebsvermehrung in der komprimierten Lunge 
findet, ist sie entzündlichen Ursprungs. Die Auffassung, dass durch die 
Pneumothoraxtberapie hzw. durch die Circulationsverlangsamung in kom¬ 
primierten Lungen eine universelle Wucherung des interstitiellen Lungen¬ 
bindegewebes hervorgerufen werde, kann nicht aufrecht erhalten werden. 
In komprimierten Lungen nachgewiesene Bindegewebsvermehrung ist also 
kein Zeichen einer Heilungstendenz. Aber auf dem Umweg entzünd- 
• licher Veränderungen vermag so in der Tat die Collapstherapie den 
Heilungsvorgang zu unterstützen. 

Real: Künstlicher Pneumothorax während der Schwangerschaft. 

(Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 3.) Die Schwangerschaft bildet 
keine Kontraindikation, bei einseitiger Lungentuberkulose den künst¬ 
lichen Pneumothorax auzulegen. Derselbe ist vielmehr direkt angezeigt 
in Fällen mit fortgeschrittenen Destruktionsprozessen. In bezug auf die 
sogenannte gesunde Lunge müssen dabei die Grenzen besonders eng 
und exakt gezogen werden. Die weitere intrauterine Entwicklung de9 
Fötus wird dadurch nicht gestört. J. W. Samson. 

Fr. To biesen - Kopenhagen: Die Znsammensetznng der Pnenmo- 
thoraxluft. (D. Arcb. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Werden 
Stickstoff, Sauerstoff, Kohlensäure oder Mischungen von diesen Gasen in 
die Pleurahöhle eingebracht, tritt die eingeführte Luft mit den Geweben 
in Diffusion, und es bildet sich eine Gasmischung von etwa 90 pCt. 
Stickstoff, 4 pCt. Sauerstoff und 6 pCt. Kohlensäure. Bei bestehender 
Pleuritis ändert sich die Zusammensetzung der Gasmischung, indem der 
Sauerstoff vollständig oder beinahe vollständig verschwindet. Dieses 
Verschwinden des Sauerstoffs ist diagnostisch verwertbar, weil es früher 
als das Exsudat nachweisbar ist. Zinn. 

A. Jürgenson: Ueber den Wert der quantitativen Teberknlose- 
diagaostik und Therapie. (Beitr. z. Klin. d. Tbc , Bd. 29, H. 3.) Die 
Gefahr der Tuberkulose überhaupt kann sehr eingeschränkt werden, 
wenn wir nicht erst beim Versagen, sondern schon beim Absinken der 
Fermentation auf Grund einer sorgfältigen quantitativen Diagnostik die 
Tuberkulinbehandlung ansetzen. 

E. Nohl: Rheumatismus tnberculosns und andere Fälle larvierter 
Tuberkulose. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 2.) Von larvierter 
oder latenter Tuberkulose sind folgende Formen zu unterscheiden: 
1. Inaktiv latente Tuberkulose ohne klinische Symptome, durch spezi¬ 
fische Diagnostik zu erkennen. 2. Aktiv latente Tuberkulose, d. h. 
echte tuberkulöse Erkrankung irgendeines Organs unter anderen Sym¬ 
ptomen sich verbergend (Sokolowski). 3. Tuberkulöse Intoxikation 
ohne die Lokalisierung echter Tuberkulose oder als Nachspiel klinisch 
geheilter Tuberkulose (Hollos, Poncet und Leriche). Als Haupt¬ 
art können gelten: a) tuberkulöse Intoxikation ohne örtliche deutliche 
Veränderung, b) tuberkulöse Intoxikation mit Örtlichen deutlichen Ver¬ 
änderungen (entzündliche Tuberkulose, Paratuberkulose, Rheumatismus 
tuberculosus articularis et abarticularis). 

Ph. d’Onghia: Die Bedeutung und Wichtigkeit der Albuminurie 
bei Tuberkulösen. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 3.) Im Verlaufe 
der Lungentuberkulose findet man mit äusserster Häufigkeit und bei¬ 
nahe beständig im Harn Eiweiss. Diese Albuminurie nimmt einen bei¬ 
nahe konstanten Verlauf mit zeitweisen Erhöhungen während der 
Digestionsperioden, nach Strapazen, während Fieberanfällen U9W. Mit 
diesen Verschlimmerungen können eventuelle Erscheinungen von miliaren 
Elementen im Sediment Vorkommen. Durch die Verschlimmerung der 
Krankheit allein erfährt die Quantität des Albumins keine Vermehrung. 
In Perioden vermehrter Albuminausscheidung findet man auch Cylinder, 
meist einfache hyaline oder hyaline mit seltenen und kleinen Granu¬ 
lationen oder mit den anhaftenden lymphoiden Elementen besetzt. In 
solohen Fällen kann man auch die einfache Albuminurie als ein Symptom 
einer beginnenden Nierenentzündung auffasseu, deren letzte Phasen oft 
Nieren- und Cardialinsuffizieoz zeigen. Die Ausbildung der klassischen 
Symptome der chronischen Nephritis wird bei den Kranken meist da¬ 
durch gehindert, weil bei der ersten Schwierigkeit der Circulation nach 
einem vergeblichen und erfolglosen Versuch das Herz versagt und die 
Hyposystolie schnell das Krankheitsbild beherrscht. 

J. W. Samson. 

Benjamins: Ueber die Unterhaching des Herzens durch den 
Oenophagns. (Ned. Tijdschr. V. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 24.) Verf. 
hat die Untersuchungen Luciani’s, Fredericy’s, Rautenberg’s usw. 
wieder aufgenommen. Er benutzt die sehr dünne Sonde nicht nur zum 
Erhalten eines Oesophagocardiogramms, sondern auch zum Auscultieren 
der Brustorgane. Sehr lesenswerte Arbeit. v. Suchtelen. 

Karfunkel - Breslau: Einige während längerer Beobachtungszeit 
festgestellte elektrocardiographiscbe Veränderungen. (Zschr. f. klin. 
M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Schilderung des Verhaltens des Elektrocardio- 
gramms in einigen Fällen von Herzfehlern, die längere Zeit in Beob¬ 
achtung standen, und Reproduktion der Kurven. H. Hirschfeld. 

Zweig und Gerson: Zur Serodiagnostik der Tuberkulose. (Beitr. 
z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, II. 3.) Im ersten Teile ist die ausführliche 
technische Besprechung einer Modifikation des Kompleraentbindungs- 
versuches gegeben. Im zweiten Teil die Verwertbarkeit dieser Modi¬ 


fikation und Diagnose der Tuberkulose. 72 pCt., darunter viele Früh¬ 
fälle ergaben die Reaktion. Unspezifische Reaktion kommt bei Scharlach 
und grösseren Eiterungen vor. An zwei später zur Sektion gekommenen 
Patienten wird durch Sektion der Ausfall der Serumreaktion bestätigt. 

J. W. SamsoD. 

Roth-Zürich: Ueber isolierte linksseitige VorhofstachysystoUe. 
(Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Verf. beobachtete in zwei Fällen 
(Aorteninsuffizienz und arteriosklerotische Herzinsuffizienz) auf dem Röntgen¬ 
schirm ein isoliertes Flimmern des linken Vorhofs. Es wurden etwa 
270—380 Kontraktionen desselben in der Minute gezählt. Auch die Re¬ 
gistrierung dieses Vorhofsflatterns mit Hilfe des Oesophagocardiogramms 
gelang. H. Hirschfeld. 

W. Achelis - Strassburg: Ueber adhäsive Pericarditis und über 
den Verlust der beim Uebergang aus der horizontalen zur aufrechten 
Körperhaltung normalerweise eintretenden Vertikal Verschiebung des 
Herzens. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Eingehende 
klinische und röntgenologische Untersuchungen. Der Verlust der normalen 
Vertikalverschieblicbkeit des Herzens ist ein wichtiges Zeichen der 
adhäsiven Pericarditis und nicht durch die äusseren, sondern durch die 
inneren Verwachsungen des Herzbeutels bedingt. Ferner kann bei sorg¬ 
fältiger Beobachtung des Atmungsvorgangs auf ausgedehnte Pericard- 
Verwachsungen geschlossen werden, wenn der untere Teil des Sternums 
nicht wie normal gehoben, sondern eher eingezogen wird. Es ist bei 
der klinischen Untersuchung gelegentlich da9 einzige sichere Zeichen für 
Pericarditisadhäsion (Wenckebacb). Zinn. 

Pawinski - Warschau: Ueber den Einfluss unmässigen Raiehens 
(des Nikotins) auf die Gefässe und das Herz. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, 
H. 3 u. 4 ) Nach einer Statistik des Verf. nimmt unmässiges Rauchen 
unter den ätiologischen Faktoren der Arteriosklerose die zweite Stelle 
ein, während Fettleibigkeit die Hauptrolle spielt. In der Aetiologie der 
Coronarsklerose nimmt das unmässige Rauchen die erste Stelle ein. 
Unter den Kranken mit Angina pectoris waren etwa die Hälfte un¬ 
mässige Raucher, unter den Kranken mit Sklerose der übrigen Gefässe 
nur ein Viertel. Unter unmässigen Rauchern versteht Verf. solche, die 
täglich 50—100 Zigaretten rauchen. Verf. gibt dann eine kurze Ueber- 
sicbt über die Toxikologie des Nikotins. H. Hirschfeld. 

J. Zadek-Neukölln: Herzstürungen nack Pneumonie. (D. Arch. 
f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) 1. Postpneumonische Endocarditis 
mit Entwicklung einer gutkompensierten Aorteninsuffizienz bei einem 
13jährigen Knaben. 2. Zwei günstig verlaufene Fälle von funktionellen 
Herz- udö Gelässstörungen. 3. Zwei Fälle von akuter tödlicher Herz¬ 
insuffizienz, längere Zeit nach gut überstaudener Pneumonie. Die Wichtig¬ 
keit der sorgfältig geleiteten Rekonvaleszenz wird damit aufs neue ein¬ 
dringlich gelehrt. 

M. Sem rau-Strassburg: Beiträge zur Lehre vom Pnlsns paradox». 
(D. Arch. f. kliu. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Unterscheidung von zwei 
Gruppen von Pulsus paradoxus. Untersuchung in jedem einzelnen Falle, 
in welchem Verhältnis zur Atmung die Schwankungen der Pulsgrösse 
stehen. Diagnostische Bedeutung hat hauptsächlich der mechanisch be¬ 
dingte Pulsus paradoxus, der in der grossen Mehrzahl der Fälle für eine 
adhäsive Pericarditis pathognomonisch ist. Der dynamisch bedingte 
Pulsus paradoxus kann prognostisch verwertet werden, indem er eine 
drohende Herzschwäche oder in weniger eindeutigen Fällen eine Zu¬ 
nahme des negativen intrathorakalen Druckes anzeigt. 

H. Straub-München: Dynamik des Säugetierherzens. (D. Arch. f. 
klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Analyse der natürlichen Zuckung 
des Säugetierherzmuakels und ihrer Veränderungen durch dosierte 
Aenderung von Aortendruck und Schlagvolum. Als Mittel der Analyse 
diente die Darstellung von Spannung und Länge (Druck und Volum). 
Die einzelnen wichtigen Ergebnisse werden mitgeteilt. Der Nachweis, 
dass die Kontraktion des Säugetierherzens denselben Gesetzen folgt, wie 
diejenige des Skelettmuskels, ist ein zwingender Beweis für die An¬ 
schauung, dass die Herzmuskelkontraktion einer einfachen Muskelznckung 
entspricht, und dass es sich nicht um einen kurzdauernden Tetanus handelt 

Zinn. 

Gäli - Budapest: Ein Fall von leikämiseher Lympkomatese bei 
paroxysmaler Hämoglobinurie. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) 
In dem mitgeteilten Fall war die paroxysmale Hämoglobinurie die ältere 
Krankheit. Im Anfall wurde eine Ausschwemmung myeloischer unreifer 
Elemente beobachtet. Verf. sucht es auf Grund theoretischer Er¬ 
wägungen wahrscheinlich zu machen, dass beide Erkrankungen dem¬ 
selben infektiös-toxischen Einfluss ihre Entstehung verdanken. 

Schatzmann - Sahli: Untersuchungen über die Hämatologie der 
Variola and Vaccine. (Zschr. f. kliu. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Es wurden 
7 Fälle von echten Pocken und 10 Vaccinate untersucht. Bei der 
Variola lässt sich schon im Inkubationsstadium eine polynucleäre Leuko- 
cytose nachweisen, während des papulösen Stadiums des Ekzems findet 
man normale oder subnormale Leukocytenzahl, im vesiculären Stadium 
eine Gesamtvermehrung der Leukocyten, die auf einer Lympbocytose be¬ 
ruht. Polynucleose deutet auf eine Komplikation hin, Myelocyten und 
Normoblasten auf einen schweren Fall. Bei der Vaccine besteht während 
der ersten Tage nach der Impfung eine Polynucleose, dann normale oder 
subnormale Leukocytenzahl, später gerade wie bei Variola, eine 
Lymphocvtose mit Vermehrung der Gesamtleukocytenzahl. 

H. Hirschfeld. 


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27 Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1427 


p. Wack- Marburg: üeber Lenkoeytenbefnnde bei Miliar tuber¬ 
kulöse und ihre diagnostische Bedeutung. (D. Arch. f. klin. M., 1914, 
Bd. 115, H. 5 u. 6.) Bei Miliartuberkulose besteht eine relative Lympho- 
cytogenie bzw. relative Polynucleose. Zinn. 

M. TraIlero-Berlin: Zur Frühdiagnose des Magenkrebses und zur 
Differentialdiagnose der Aehylien, mit besonderer Berücksichtigung der 
quantitativen EiweUsbestimmnng und der Fermentabscheidangen im 
Mageninhalt. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) „Selbst hohe Eiweisswerte sowie 
das Salzsäuredefizit können nicht in Betracht gezogen werden bezüglich 
der Frühdiagnose des Magencarcinoms. Das Salzsäuredefizit hat keine 
klinische Bedeutung, da es meistens hoch ist (über 20), wo die Gesamt¬ 
acidität sehr niedrig ist (5—8). Hohe Eiweisswerte (400) in Verbindung 
mit niedrigen Pepsin- und Labwerten können bei der Differentialdiagnose 
zwischen benigner und maligner Achylie die Annahme der letzteren 
stützen. Niedrige und normale Eiweisswerte (160) sprechen nicht gegen 
Carcinom. Man kann die nervösen Aehylien von solchen, die durch 
Gastritis bedingt sind, auch dadurch unterscheiden, dass sie eine auf¬ 
fällige Inkonstanz in der Abscbeidung der Fermente erkennen lassen/ 

Wolfsohn. 

Landau und Rzasnicki - Warschau: Klinisohe Untersuchungen 
über die Leistungsfähigkeit des Pankreas. I. Mitteilung. (Zschr. f. 
klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Die Schlüsse der Verff. sind folgende: 
Der Mageninhalt nach dem Probefrühstück enthält in 55 pCt. aller Fälle 
nennenswerte Trypsinmengen. Man kann in solchen Fällen mittels 
Untersuchung des Magensaftes die äussere Sekretion des Pankreas fest¬ 
stellen. Es sind aber nur positive Resultate maassgebend, denn das 
Nichtauffiuden von Trypsin im Magensaft ist kein genügender Beweis, 
dass krankhafte Störungen der äusseren Pankreassekretion vorliegen. 
Wo im Magensaft Trypsin nicht nachweisbar ist, führe man die Ein- 
horn’sche Sonde ein. Die Sekretion von Trypsin, Diastase und Lipase 
geht nicht gleichzeitig vor sich, man muss daher nach allen drei Fer¬ 
menten suchen. 

Landau und Rzasnicki - Warschau: Klinische Untersuchungen 
über die Leistungsfähigkeit des Pankreas. II. Mitteilung. (Zschr. f. 
klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Weitere Untersuchungen der Verff. be¬ 
fassen sich mit der Frage, ob es möglich ist, im Magen die Pankreas- 
und Speioheldiastase voneinander zu unterscheiden. Tatsächlich gelingt 
das nicht, denn die verdauenden Eigenschaften dieser beiden Fermente 
und ihre Empfindlichkeit gegenüber Magensaft sind einander gleich. 

H. Hirschfeld. 

M. Landsberg-Greifswald: Zur Frage der Znekerverbrennnng im 
Pankreasdiabetes. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) 
Von einem direkten Beweise für die Verminderung, geschweige denn 
Aufhebung der Zuckerverbrennung im diabetischen Organismus kann 
keine Hede sein. Weder in den Versuchen zur Frage der Glykolyse 
noch in dem Verhalten diabetischer Muskeln Hess sich diese Erscheinung 
feststellen. Die Befunde sind für die Theorie des Diabetes von Be¬ 
deutung, sie sprechen gegen die Notwendigkeit des Pankreashormons für 
den Zuckerverbrauch der Körperzellen. Zinn. 

v. Noorden: Bemerkungen über die Ursachen, die Theorien und 
die Behandlung des Diabetes mellitus. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, 
Bd. 1, Nr. 24.) Ein in der Amsterdamer Universität gehaltener Vor¬ 
trag, in dem v. Noorden innerhalb enger Grenzen, jedoch überaus klar 
und deutlich obiges Thema abhandelt. v. Suchtelen. 

Pletnew - Moskau: Ueber das B&sedowsyndrom, eintretend mit 
akitea infektiösen Thyreoitiden nid Strnmitiden. (Zschr. f. klin. M., 
Bd. 80, H. 3 u. 4.) P. hat in mehreren Fällen den nach verschiedenen 
Infektionskrankheiten auftretenden Symptomenkomplex des Basedow 
studiert. Es entwickelt sich eine akute Thyreoiditis, die zu Dystbyreose 
oder Hyperthyreoidismus führt. Im ganzen werden 8 solche Fälle be¬ 
sprochen. Auch andere Drüsen mit innerer Sekretion können bei akuten 
Infektionen leiden, und es kann so zu einer pluriglandulären Affektion 
kommen. H. Hirschfeld. 

M. Rhein - Strassburg i. E.: Zur Technik der Indikanprobe nach 
Jaffe. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Anstelle der schlecht haltbaren Chlor¬ 
kalilösung oder Natriumhypochlorit und Chlorwassers empfiehlt R. die 
Verwendung von Antiformin, das 7,5 pCt. Natriumhydroxyd und 5,6 pCt. 
Natriumhypochlorit enthält. Dünner. 

Sturgis: Splenekteuie bei ßauti’seher Krankheit. (Boston med. 
jouro., 1914, Nr. 22.) Operation mit gutem Erfolg. Noch 14 Monate 
nach der Entfernung der Milz bestanden Veränderungen im Blutbild, 
so dass Verf. glaubt, noch andere ätiologische Momente als allein die 
Milz annehmen zu dürfen. Schelenz. 

F. Fisohl-Wien: Ueber den Cholesteringehalt des Serams bei 
Dermatosen. (W.kl.W., 1914, Nr. 27.) Der Verf. hat über 100 Fälle 
untersucht und gefunden, dass in der Mehrzahl der Fälle von Urticaria, 
Eczema chronicum, Pemphigus, Dermatitis herpetiformis, Pruritus senilis 
und Mycosis fangendes auffallend hohe Cholesterinwerte im Serum sich 
nachweisen Hessen. Interessant ist, dass die meisten dieser Hautaffektionen 
mit einer Eosinophilie eiohergehen. Ob nun diese beiden Erscheinungen 
ela zufälliges Nebeneinander zu betrachten ist, oder ob gewisse Giftreize 
gesetzmässig beide Phänomene hervorrufen, ist vorläufig nicht möglich 
*u entscheiden. P. Hirsch. 

W. Schultz * Charlottenburg: Scharlacbbehandlnng mit Human- 
wnm ud Serumlipoid«. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) 


Die mit Aetherextraktsuspension von Humanserum behandelten Fälle 
zeigten kaum wesentliche Abweichungen von unbehandelten Fällen. 
Demnach ist die entfiebernde Wirkung des Humanserums (Nollserum) 
bei der akuten Scharlachinfektion nicht in seinem in der Kälte extrahier¬ 
baren Lipoidgehalt darstellbar. Zinn. 

A. Plehn - Berlin: Ein Beitrag zur Kenntnis der aknt hämo¬ 
lytischen Malaria (Sohwarzwasserfieber). (D.m.W., 1914, Nr. 28.) Vor¬ 
trag im Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde in Berlin am 
4. Mai 1914. Wolf so hn. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

v. Valkenburg: Sensible Paukte auf der menschlichen Grosshirn- 
rinde. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 23.) Bis jetzt sind 
es hauptsächlich die motorischen Rindenfelder, die eingehend untersucht 
wurden, und deren Kenntnis sich sehr erweitert hat. Verf. macht noch¬ 
mals darauf aufmerksam, dass in vielen Fällen von Epilepsie anfänglich 
nur sensible Erscheinungen auftreten. Solche Fälle benutzte er, um 
später, als sie zur Operation kamen, die mit den betroffenen Haut¬ 
bezirken korrespondierenden Rindenfelder zu bestimmen. Soweit Verf. 
bekannt, hat nur der amerikanische Chirurg Cushing derartige Unter¬ 
suchungen angestellt. Die Resultate des Verf. stimmen mit denen 
Cushing’s überein und ergänzen dieselben zum Teil. 

v. Suchtelen. 

Eichhorst-Zürich: Ueber latenten Meningealkrebs. (D. Arch. f. 
klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Bei einer 50 jährigen Frau entwickelt 
sich das Bild einer mit Muskelkontrakturen verbundenen Lähmung der 
Beine. Neben der motorischen Lähmung nur geringe sensible Störungen. 
Exitus nach fast einem Jahre. Mikroskopisoh keine Veränderungen am 
Rückenmark, welche die Lähmung hätten erklären können. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung dagegen ergibt eine ausgedehnte Krebsbildung 
in der Pia mater spinalis. Zinn. 

* E. G. Fearnsides - London: Erkrankungen der Hypophyse und 
ihre Wirkung auf die Gestalt der Seil» tarcka. (Lancet, 4. Juli 1914, 
Nr. 4740.) Der Verf. gibt in der Hauptsache eine tabellarische Ueber- 
sicht über den Befund bei 12 Fällen von Erkrankungen der Hypophyse 
nebst den nach Röntgenbildern bestimmten Maassen der Sella turcica. 

Weydemann. 

Bolten: Hemiplegia altern ans nach Alkohol» jektion in das 
Ganglion Gasseri. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 25.) 
Die Mitteilung dieses Falles beabsichtigt nicht, den Wert der Alkohol¬ 
injektionen zu verringern. Verf. berichtet über einen Fall, wo kurz 
nach der Injektion, die den Erscheinungen nach richtig in dem Ganglion 
Gasseri stattgefunden hatte, eine zweitägige Bewusstlosigkeit auftrat, 
welche eine Hemiplegia alternans hinterliess. Nach viermonatiger 
KrankenhausbehandluDg konnte Patientin geheilt entlassen werden. 

▼. Suchtelen. 

Lier-Wien: Ueber Nenroflbromatose. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, 
H. 3 u. 4.) L. beschreibt einen sehr interessanten Fall, die Kom¬ 
bination einer Neurofibromatose mit Dystrophia adiposo-genitalis bei 
einem SVojährigen Knaben. Er vermutet, dass in unmittelbarer Nähe 
der Hypophyse ein Neurofibrom sitzt, da das Röntgenbild deutlich eine 
Depression am Tuberculum sellae turcicae zeigt und beiderseitige Seh¬ 
nervenatrophie vorhanden ist. Die Kombination von Neurofibromatose 
mit Dystrophia adiposo-geoitalis ist sicher noch nicht beobachtet worden, 
wohl aber mit Akromegalie. Die Neurofibromatose ist als eine System¬ 
erkrankung aufzufasseD, die unter Umständen auch gewisse endocrine 
Drüsen mitbefallen kann. H. Hirschfeld. 


Kinderheilkunde. 

L. Langstein - Berlin: Zur Diätetik des gesunden nnd kranken 
Kindes. (Ther. Mh., Juli 1914.) Ueberblick und Besprechung einiger 
neuerer Präparate und Milchbereitungsarten und deren Wirkung. Die 
Fortschritte der Säuglingsdiätetik sind sehr erheblich. Man kann ohne 
Uebertreibung sagen, dass Hunderte von Kindern, die früher verloren 
waren, dank den Fortschritten der diätetischen Kunst heute gerettet 
werden; es dürften sich noch manche Fortschritte erzielen lassen, wenn 
sie den Erkenntnissen folgen, die durch das Studium der Reaktion des 
gesunden und kranken Kindes auf bestimmte Ernährungsarten gewonnen 
worden sind. H. Knopf. 


Chirurgie. 

P. W. Siegel - Freiburg i. Br.: Die parayertebrale Leitnngs- 
anästhesie. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) Bei der paravertebralen Anästhesie 
werden die Nerven kurz nach ihrem Austritt aus der Foramina inter¬ 
vertebral ia unterbrochen. S. hat die paravertebrale Anästhesie mit der 
parasacralen kombiniert und hat damit eine für sämtliche Laparotomien 
ausreichende Schmerzlosigkeit erzielt. Er benutzt l j 2 proz. Novocain¬ 
lösungen, von denen grosse Mengen schadlos injiziert werden können. 
In den einzelnen Interoostalräumen wird das Anästhetioum direkt, ohne 
vorherige subcut&ne Infiltration, eingespritzt. Die ausführliche Be¬ 
schreibung der Technik ist in der Originalarbeit einzusehen. 

Wolfsohn. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Sir. V. Horsley: Blutstillung dureh Anwendung lebenden Ge¬ 
webes. (Brit. med. journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.) Zur Blutstillung 
auf blutenden Flächen, z. B. an Gehirn oder Leber, hat der Verf. er¬ 
folgreich Muskelstückchen desselben Tieres benutzt. Die blutende 
Fläche wird unter leichtem Druck abgetupft und sofort ein Stück 
Muskel darauf gedrückt; nach 15—20 Sekunden haftet es fest. Bei 
Katzen und Hunden hielt ein solches haftendes Muskelstückcben, auf 
durchschnittene Arterien (einschliesslich der Aorta) gedrückt, einem 
Blutdrucke von 60 — 80 mm Hg stand. Schon 5—10 Minuten nach dem 
Aufdrücken enthielt der sehr enge Raum zwischen Gewebe und Muskel¬ 
stück Blutplättchen, Fiberinfasern usw. Gedrehter Muskel hatte keine 
blutstillende Wirkung; Fascie haftet nicht so gut wie Muskelgewebe. 

Wey demann. 

H. A. v. Beckh - Widmanstetter: Ligaturen an schwer zogäng- 
lichen Stellen. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Angabe eines Instrumentes. 

Dünner. 

R. Sievers: Die Arthritis aeromio elavicnlaris als wichtiges 
Glied in der Pathologie der stumpfen Schnlterverletznngen. (D. Zschr. 
f. Chir., Bd. 129.) Sie charakterisiert sich durch Schmerzen in der 
Subakromialgegend, Druckempfindlichkeit unter dem Akromialrand, 
Hemmung der Abduktion. Oft bedingen stumpfe Scbulterverletzungen 
die Auslösung des Krankheitsbildes. Bei der akuten Form leisten 
Novocaininjektionen gutes. Bei den chronischen solt zunächst sympto¬ 
matisch, später eventuell mit Resektion des Akromialgelenks unter Im¬ 
plantation eines Fettlappeos vorgegangen werden. 

E. Payr: Weitere Erfahrungen über die operative Mobilisierung 
aakylosierter Gelenke mit Berücksichtigung des späteren Schicksals 
der Arthroplastik. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Verf. berichtet in 
einer ausführlichen Arbeit über seine Erfolge und Misserfolge, die er 
mit der Mobilisierung ankylosierter Gelenke und Einpflanzung von Fett¬ 
oder Fascienlapppen in dieselben erzielte. Einzelheiten hinsichtlich der 
Technik usw. sind in der Arbeit einzusehen. Er erzielte gute Erfolge 
bei Ankylose der Finger-, Ellenbogen-, Knie- und Hüftgelenke. 

J. Becker. 

F. D. Bird - Melbourne: Die operative Reduktion einer alten 
Ellenbogen Verrenkung. (Brit. med. journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.) 
Bildung eines rundlichen Lappens über dem Olecranon, das dann mit 
einer starken Knochenzange dicht über dem Schafte der Ulna ab¬ 
geschnitten wird. Es wird von Verwachsungen gelöst und nach oben 
gelegt. Vorhandenes Bindegewebe muss entfernt werden, bis die Hinter¬ 
seite des Gelenks frei liegt. Es wird nun ein Hebel unter die Trochlea 
geschoben und mit diesem und durch Bewegungen des Vorderarms die 
Einrenkung bewerkstelligt, wenn nötig, unter weiterer Trennung von 
hemmendem Gewebe. Dann wird das Olecranon wieder mit Draht oder 
Platte befestigt. Der Erfolg dieser Operation war recht gut. 

Weydemann. 

Brand: Ueber Coxa vara. (Ned. Tijdscbr. v. Geneesk., 1914, 
Bd. 1, Nr. 19.) Erfahrungen bei 16 Patienten. Die Coxa vara muss 
im allgemeinen als bleibende Missbildung, die oft zu fortwährenden Be¬ 
schwerden führt, betrachtet werden. Bei der Lorentz’schen Redression 
gelingt es, fast ohne Ausnahme, in frischen und nicht zu alten Fällen 
von Coxa vara adolescentium dem Schenkelhals die normale Form 
wiederzugeben. In den übrigen Fällen von Coxa vara darf man von 
dieser Behandlung keine anatomische Besserung erhoffen, wohl aber oft 
Verringerung der Beschwerden, sei es auch mehrmals mit bedeutender 
Bewegungsbeschräokung im Hüftgelenk. v. Suchte len. 

W. Sandrock: Beitrag zur Frage der offenen Patellarnaht mit 
Nachuntersuchungen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Mitteilung der Re¬ 
sultate der offenen Patellarnaht bei 116 Frakturen. Die Resultate sind 
ideale. Interessant ist die Angabe des Verf., dass Trendelenburg 
1878 als erster in Deutschland die aseptische Patellarnaht ausführte. 

J. Becker. 

Dünkelsloh: Beitrag zur kongenitalen Patellarluxation. (Arch. 
f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 39.) Baetzner. 

Guye: Der Koupressionsbrneh und die traumatische Erweichung 
des MondbeinB. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 1 u. 2.) Es kommen 
primäre Frakturen dieses Knochens und auf der Basis von Ernährungs¬ 
störungen desselben Erweichungen zustande, die man nur röntgenologisch 
feststellen kann. Die Ernährungsstörungen sind wohl meist durch Trauma 
(Kompression) bedingt, wodurch eine Störung der Blutcirculation und 
später eine Nekrose im Knochen veranlasst wird. Schmerz, Schwellung, 
Funktionsstörung des Handgelenks führen die Kranken zum Arzt. Thera¬ 
peutisch kommt eventuell die Entfernung des Lunatum in Betracht. 

J. Becker. 

Heller - Leipzig: Experimentelle Untersuchungen über die Trans¬ 
plantation des Iitermediärknorpels in Form der halbseitigen Gelenk¬ 
transplantation. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 29.) Verf. kommt 
auf Grund zahlreicher Tierexperimente mit autoplastiscber und homoio- 
plastischer Transplantation des Intermediärknorpels bei blutsverwandten 
und nichtblutsverwandten Individuen zu dem Schluss, dass die Ver¬ 
pflegung des Intermediärknorpels mit einem beiderseits anliegenden 
Knochenstück weder als Auto- noch Homoioplastik praktische Verwert¬ 
barkeit besitzt, da das Knochen Wachstum weit hinter der Norm zurück¬ 
bleibt. Bei der Verpflanzung der Knorpelfuge ohne jede anhaftende 
Knochenschicht als schmale Scheibe sind vielleicht positive Erfolge zu 
erwarten. Baetzner. 


stierlin: Ostitis fibrosa bei angeborener Fraktur. (D. Zschr. 
f. Chir., Bd. 130, H. 1 u. 2.) An der Hand eines einschlägigen Falles 
bespricht Verf. das Krankheitsbild der Ostitis fibrosa. Sein Fall zeichnet 
sich dadurch aus, dass er mikroskopisch untersucht wurde und somit 
den Forderungen v. Recklinghausen’s genügt. Die Therapie besteht 
in Fixierung der Fragmente, eventuell in Naht und Bolzung der 
Knochen. Wegen der häufigen Pseudarthrosen ist die Prognose un¬ 
günstig. J. Becker. 

Lothrop*. Operation der Adleraase. (Boston med. journ., 1914, 
Nr. 22.) Mitteilung einer Deuen plastischen Operationsmethode mit 
einem operierten Fall. Guter Erfolg. Schelenz. 

0. Kleinschmidt - Leipzig: Experimentelle Untersuchungen über 
den histologischen Umbau der freitraisplantierten Fascia lata und 
Beweis für die Lebensfähigkeit derselben unter Heranziehung der vitalen 
Färbung. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 30.) Die am Leben 
bleibende Fascie wird durch funktionelle Beanspruchung im Sinne der 
Zugrichtung umgebaut. Es ist zweckmässig, die Fascie in ihrer Längs¬ 
richtung einzufügen bei Ueberbrücken von Defekten am Bewegungs¬ 
apparat. Baetzner. 

Markull: Ueber Meaiagitis nach subcutanen Verletzungen des 
Schädels and der Wirbelsäule. (D. Zschr f. Chir., Bd. 130, H. 1 u. 2.) 
Die Annahme, dass eine Meningitis ohne äussere Verletzung nicht ein- 
treten könne, ist nicht mehr zu Recht bestehend. Irgendwo im Körper 
vorhandene Kokken können sich am Ort der Verletzung, der ja einen 
Locus minoris resistentiae bildet, absetzen und die Meningitis veran¬ 
lassen. Therapeutisch leistet gutes die Lumbalpunktion, die bei spinaler 
Meningitis vielleicht sehr gut durch L&minektomie ersetzt werden kann. 

J. Becker. 

Lücken-Leipzig: Ein- und gleichseitige Vagas- and Aeeessorius- 
läsion und vollkommene Tanbhcit nach JBchädelhaaUfraktir. (Arch. 
f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 33.) Baetzner. 

Wilms: Die Fortschritte der operativen Behandlung der Lugen- 
tnberknlose. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Verf. berichtet über die 
Technik der von ihm angegebenen Operation, die sich heute so gestaltet, 
dass er Rippenstücke von 6—8 cm reseziert. Es werden so von der 2. 
bis 10., auch 11. Rippe Stücke reseziert. Die Erfolge sind besonders 
bei zu Schrumpfung neigenden Prozessen günstige. 

Maisei: Die 1911 und 1912 mit der Wilms’schen Pfeilerresektion 
behandelten Lungentuberkulosen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 1 
u 2.) Nach Schilderung der bis jetzt üblichen Methoden zur Heilung 
der Lungentuberkulose (Phrenicotomie. Pneumothorax usw.) berichtet 
Verf. über die nach der Wilms’scben Methode der Pfeilerresektion 
operierten Fälle. Die Resultate sind gute und fordern zur Nach¬ 
ahmung auf. J. Becker. 

Laewen und Jurasz - Leipzig: Experimentelle Untersuchungen über 
die freie Uebertragnng von Maskelslüeken aufs Herz und in einige 
andere Organe zum Zwecke der Blutstillung. (Arch. f. klin. Chir., 
Bd. 104, H. 4, Nr. 30.) Die Uebertraguog von Muskelstücken zur Stillung 
von Blutungen bei Herz-, Leber- und Nierenwunden ist sehr zu emp¬ 
fehlen. 

Hohlbaum-Leipzig: Beiträge zur fanktionellen Magendiagnostik. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 36.) Der positive Ausfall der 
Salomon’schen Probe ist für einen Ulcerationsprozess im Magen beweisend. 
Beim Ulcus pylori kann das Gluzinski’sche Verfahren gute Resultate 
geben. Baetzner. 

G. Perthes': Zur chirurgischen Behandlung des Magengeschwürs 
nebst Mitteilungen zur Technik der Magenresektion. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 129.) Das ideale Ziel bei Ulcus ventriculi zur Beseitigung der Be¬ 
schwerden sieht Verf. io der Resektion des Magens. Auch ist wegen 
der schon bei einer Operation bestehenden Möglichkeit des Bestehens 
eines Carcinoms (Ulcus callosum!), die Resektion zu erstreben. Vielleicht 
ist von einer gleich bei der Operation ausgefübrten pathologisch-ana¬ 
tomischen Untersuchung Gutes zu erwarten. J. Broker. 

Jurasz - Leipzig: Die Mobilisierung des Duodenum. (Arch. f. 
klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 37.) In der Payer’schen Klinik wird 
prinzipiell die Mobilisierung der Duodenums — die Serosa des Peri¬ 
toneums wird von der oberen Duodenalflexur an entlang und parallel 
dem absteigenden Schenkel eingeritzt, das Duodenum hierdurch von seiner 
Unterlage abgelöst und nach links herumgeklappt — geübt, in denen 
ein Hindernis in dem papillären oder retroduodenalen Anteile vermutet 
wird. Baetzner. 

v. Assen: Ein Fall von akuter Pankreatitis. (Ned. Tijdsohr. v. 
Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 15.) Die Diagnose wurde frühzeitig und 
richtig gestellt. Verf. erwähnt den Fall deshalb, weil er von der üb¬ 
lichen Operation abgewichen hat. Sobald er das kranke Organ erreicht 
hatte, spaltete er nicht die Kapsel, sondern begnügte sich mit sorg¬ 
fältiger Tamponade auf und um das Pankreas herum. Sein Erfolg war 
ein guter. Y . Suchtelen. 

Pohl: Ueber Ein kl emmuug des Wurmfortsatzes. (D. Zschr. f. Chir., 
Bd. 130, H. 1 u. 2.) Kasuistische Mitteilung eines hierhergehörigen 
Falles. Die Diagnose der Einklemmung eines Appendix in einer be¬ 
stehenden Bruohpforte vor der Operation ist bis jetzt nicht möglich. 

J. Becker. 

r ,• ,£ rs l aW: . A kllte eltri S® Appendieitis. (Glasgow med. journ., 
Juli 1914.) Kritische Besprechung von 100 Fällen. Schelenz. 


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27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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W. Wolf: Ueber Beschwerden nach Blinddarmoperatiosen. (D. 
Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Mitteilung über 83 Frühoperationen an 
Appendioitis, die 0 pCt. Mortalität aufwiesen. Postdperative Beschwerden 
traten nie auf, was für Beurteilung von eventuellen Rentenansprüchen 
im Zivilleben sehr wichtig ist. J. Becker. 

Sohmiedt- Leipzig: Versuche über Adhäsiousbeschränkiuig in der 
Baichhtfhle durch HlrudiBbehandluDg (Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, 
0.4, Nr. 35.) Im Tierversuch werden durch Hirudineinspritzungen in 
die Bauchhöhle künstlich gebildete Adhäsionen verhindert. Eine Nutz¬ 
anwendung beim Menschen ist noch nicht zu beurteilen. 

Baetzner. 

H. Rimann: Ueber retroperitouesle CyßteiMldung. (D. Zschr. 
f. Chir., Bd. 129.) Eine vom Verf. mit Erfolg operierte retroperitoneale 
Cyste, die nicht mit dem Pankreas zusammenhing, glaubt dieser als 
Blutcyste erklären zu müssen, die durch ein. vor 11 Jahren erfolgtes 
Trauma hervorgerufen wurde. Solche Cysten sind selten. 

J. Becker. 

Kleinschmidt - Leipzig: Ein solitärer Netzechiuococcus. (Arcb. 
f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 38.) Baetzner. 

Korencan -Wien: Operative Verlagerung der kongenitalen dystopeu 
Niere. (W.kl.W., 1914, Nr. 27.) Der Verf. berichtet über zwei Fälle, 
die operiert wurden. Die Verlagerung ist als die weniger gefährliche 
Operation der Exstirpation jedenfalls vorzuziehen; auch darf dem Prinzip 
der Erhaltung eines so wichtigen Organs auch einmal eine zweite 
Operation zur Last fallen. P. Hirsch. 

Tichy: Klinischer und experimenteller Beitrag zur Operation der 
Wanderniere. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 1 u. 2.) Uebersicht über 
die bisher üblichen Methoden der Operationen der Wanderniere. Die 
neuen plastischen Methoden sind bestrebt, die Funktion des Organs 
möglichst wenig zu schädigen (Fascienplastik). König bildete aus dem 
Periost der 12. Rippe einen längeren Streifen, den er durch die Nieren¬ 
kapsel führte und dann wieder an der Rippe vernähte. Das Resultat 
war ,gut. Mikroskopische Untersuchungen des Verf. bei gleichartigem 
Vorgehen am Hund ergaben Intakt bleiben des Periosts. 

Scherers und Wagner: Ueber ein primäres Rnndzellensarkom 
beider Nieren bei einem Kinde. (D. Zschr. f. Chir., Bd. ISO, H. 1 u. 2.) 
Doppelseitiger Nierentumor imponierte als Cystenniere, was später die 
Sektion nicht bestätigte. Es handelte sich um doppelseitiges Rund- 
zellensarkom. Auf die Diagnose Nierentumor intra vitam muss die 
Schnelligkeit des Wachstums, die Kachexie, Drüsenmetastasen, eventuell 
Blut und Tumorteilchen im Urin hinleiten. J. Becker. 

Sonntag-Leipzig: Ausgedehntes Haemangioma cavernosum der 
Uiterlippe.nnd Zange sowie dessen Behandlung. (Arcb. f. klin. Chir., 
Bd. 104, H. 4, Nr. 32.) Die Operationsmethode der Wahl ist die totale 
Exstirpation. Bei Hautoaroinomen ist die Payer’sche Magnesiumspickung 
wertvoll. Baetzner. 


Röntgenologie. 

Huismans - Cöln: Eine einfache Methode, die „Herzspitze“ für 
die Messung des Längsdarchmesser des Herzens sichtbar za machen. 
(D.m.W., 1914, Nr. 28.) Durch mehrstündiges Fasten, eventuell durch 
Magenspülung wird vor der Röntgenaufnahme der Magensohatten be¬ 
seitigt, so dass die Herzspitze im Bilde gut sichtbar ist. 

Wolfsohn. 

H. Rieder-München: Zur Röntgenuntersuchung des Wurm¬ 
fortsatzes, besonders bei Appendioitis. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Der 
Wurmfortsatz ist röntgenologisch darstellbar sowohl durch Einlauf als 
auch durch Kontrastmahlseit. Letztere Methode ist wohl physiologischer. 
Die Füllung des Wurmfortsatzes beginnt etwa 7—8 Stunden post coenam, 
kann sich aber auch viel länger hinziehen. Man sieht eventuell Eigen¬ 
bewegungen und Segmentationen. Wertvoll kann die Röntgendiagnostik 
für die Appendioitis noch werden, indem Lageveränderungen, unter 
Umständen Adhäsionen, Stauungen von Darminhalt usw. gefunden 
werden kann. Dünner. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

P. de Galatz - Bukarest: Beitrag zum klinisohen und histopatho- 
logischen Studium der Dystrophia papillaris et pigmentaria (Acanthosis 
nigricans) verbunden mit einem Lungenkrebs. (Ann. de derm. et de 
*ypb., Juni 1914.) Fall von Acanthosis nigricans, welcher zur Sektion 
kam und ein Carcinom der Lunge hatte. Die Diagnose wurde schon bei 
Lebzeiten gestellt, da nach Darier bei Acanthosis nigricans sich stets 
ein Carcinom in irgendeiner Körperhöhle findet, aber nicht in der Bauch¬ 
höhle. 

J. T. Lenartowicz - Lemberg: Beobachtungen über cutane Re- 
»•rptiou der Salicylsftire aus Pflastern. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, 
Nr. 27.) Verf. beschreibt 2 Fälle von Salicylsäurevergiftung und An¬ 
wendung von grösseren Mengen von 40 proz. Salicylseifenpflaster bei 
Lupus vulgaris. Die Fähigkeit des Resorbiertwerdens besitzt nur die 
Salicylsänre, aber nioht deren Salze. 

Werther-Dresden: Ein Fall von chronischer lymphatischer Lenk- 
«ie mit generalisierter miliarer Lymphadenia cntis. (Derm. Zschr., 
J ali 1914.) Der Kranke zeigte vom Scheitel bis zur Sohle eine Ver¬ 


steifung, düsterrote bis blaurote Färbung und Abschuppung der Haut, 
eine generalisierte Erythrodermie mit stellenweise lichenoider und 
ekzematöser Abwandlung. Alle fühlbaren Lymphdrüsen, Milz und Leber 
waren geschwollen. Im Blute fand sich das Bild der Leukämie. Die 
histologische Hauptveränderung der erkrankten Haut bestand in einer 
lymphatisch-leukämischen Wucherung, welche Koötchen an Knötchen im 
oberen Teile der Cutis in der Höhe des subpapillären Gefässnetzes 
bildete. Die Erkrankung führte nach 3 Jahren zum Tode. 

K. Herxheimer und H. Köster - Frankfurt a. M.: Ueber sekundäre 
lichenoide Trichophytie. (Derm. Zschr., Juli 1914.) Der Fall der Verff. 
unterscheidet sich in jeder Beziehung von den von Guth mit demselben 
Namen bezeichoeten Krankheitsfällen. Deshalb schlagen die Verff. vor, 
die Guth’sche Affektion als primäre, ihr Krankheitsbild aber als sekundäre 
lichenoide Trichophytie zu benennen. Immerwahr. 

An ton i - Heidelberg: Zur Kenntnis der Dermatosen hei Hysterie. 
(M.m.W., 1914, Nr. 27.) Kasuistik. Dünner. 

C. Gutmann-Wiesbaden: Liquorhefande bei unbehandelter Früh- 
Syphilis. (Derm. Wscbr., 1914, Bd. 58, Nr. 25.) Etwa 28 pCt. patho¬ 
logisch veränderten Liquor hat Verf. zu verzeichnen, ein Prozentsatz, der 
auf etwa 56 pCt. steigt, wenn auch die Fälle von Drucksteigerung als 
pathologisch angesehen werden. 

K. Rübl- Turin: Zur Technik der Anwendung der Ztaler’schen 
40 proz. Calomelemnlsion in der Luesbehandluog. (Derm. Wschr., 1914, 
Bd. 58, Nr. V5.) Zur besseren Füllung der Rekordspritze bat Verf. die 
Calomelemulsion in Ampullen füllen lassen; den Inhalt der erwärmten 
Ampulle lässt man nach Herausziehen des ganzen Spritzenkolbens in die 
Spritze bineinlaufen, nachdem die Ampulle auf beiden Seiten ge¬ 
öffnet ist. 

B. Fuchs - Przemysl: Luesbehandluug und Wassermann. (Derm. 
Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 28) Bericht über 2520 Salvarsaneinverleibungen 
bei 843 Kranken. Die intraglutaale Einverleibung übertraf in ihrer 
Wirkung die intravenöse Infusion. In einer grossen Anzahl der Fälle 
wurde die Wassermann’sche Reaktion dauernd negativ. 

F. Munk-Berlin: Diagnostik und Therapie syphilitischer diffuser 
Nierenerkrankungen (syphilitische Nephritis). (Derm Zschr., Juli 1914.) 
Die akute syphilitische Nierenerkrankung stellt einen eigenen Typus 
einer degenerativen Nephritis dar, der durch ein charakteristisches Krank- 
heitsbild ausgezeichnet ist und durch den Urinbefund diagnostiziert 
werden kann. Die häufig bei der Syphilis vorkommende Albuminurie 
kann in eine substantielle Erkrankung der Nieren übergehen; deshalb 
ist es erforderlich, in allen Fällen von Albuminurie bei Syphilis eine 
regelmässige Untersuchung des Urinsedimentes im Polarisationsmikroskop 
auf doppeltbreohende Lipoide vorzunehmen. Therapeutisch ist Queck¬ 
silber und Salvarsau in kleinen, vorsichtigen Dosen indiziert. 

L. M. Pautrier - Paris: Sarkoide und Syphilis. Notwendigkeit 

einer Revision der Gruppe der Sarkoide. (Ann. de derm. et de syph., 
Juni 1914.) Die Sarkoide bleiben fast stets subcutan, ohne sich zu er¬ 
weichen. In gewissen Fällen werden sie der Sitz gummöser Produkte. 
Diese Fälle haben eine positive Wassermaun’sche Reaktion und heilen 
unter Salvarsan. Die Sarkoide scheinen also verschiedene Aetiologie zu 
haben. Es gibt syphilitische und tuberkulöse Sarkoide; und nur die 
von Boek’scbem und Darier’schem Typus verdienen den Namen 
Sarkoide. Immerwahr. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

D. A. de J ong - Leiden: Intradermale uud coujunctivale Schwaiger- 
schaftsreaktion. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Verf. hat mit fötalem und 
maternem Placentaantigen bei Rindern intradermale und conjunctivale 
Schwangerschaftsreaktion versucht und als Kontrolle Rindermuskel¬ 
gewebe benutzt. Er erzielte keine spezifischen Reaktionen, die dazu 
ermuntern, die Methode praktisch bei Menschen zu verwenden. 

Dünner. 

R. Cohn - Berlin: Pituglaudol bei Placenta praevia. (D.m.W., 
1914, Nr. 28.) In einem Falle von Placenta praevia mit starken 
Blutungen in der Eröffaungsperiode wurde Pituglandol mit gutem Erfolg 
angewendet. Wolfsohn. 

Kamerling: Zwei Fälle von Foetus compressus. (Ned. Tijdschr. 
v. üeneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 23.) Die Fälle waren deshalb interessant, 
weil in beiden die plattgedrückte Frucht vor der zweiten gesunden ge¬ 
lagert war. v. Sucbtelen. 

W. Ko Id e - Magdeburg: Chorea gravidarum. (Zbl. f. Gyn., 1914.) 
Mühl bäum ist der Ansicht, dass man bei leichteren Fällen exspektativ 
verfahren soll. Man soll medikamentös und diätetisch den Gesamtzustand 
heben, bis das Kind ausgetragen ist. Bei vorangegaogener jugendlicher 
Chorea ist mit Wahrscheinlichkeit auf einen günstigen Erfolg zu hoffen. 
In zweifelhaften und akut auftretenden Fällen ist frühzeitig ein arte- 
fizieller Eingriff zu maohen. Infaust sind diejenigen Fälle, bei denen 
schon frühzeitig endocarditische und psychotische Komplikationen auf- 
treten und wenn schon in früheren Schwangerschaften Chorea voran- 
gegangen ist. Verf. beobachtete einen Fall, bei dem er die Gebart 
durch einfachen Blasenstich einleitete. Der Erfolg war eiD so in die 
Augen springender, dass er bei fortdauernder Chorea immer zur sofortigen 
künstlichen Entbindung rät. 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 





1430 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


H. Freund - Strassburg: Eine neue Methode der Ovariotomie. (Zbl. 
f. Gyn., 1914, Nr. 28.) F. hält es für nötig, bei Ovariotomien mehr als 
bisher Reste vom Ovarium zu erhalten, wegen der Gefahr der Ausfalls¬ 
erscheinungen. Achtet man darauf, so findet man, wenn auch nicht 
immer, so doch sehr oft, neben den erkrankten Partien gesunde Reste 
von ganz normalem Ovarialgewebe. Er schlägt daher vor, stets das 
Ovarium zu spalten und, wenn es irgend möglich ist, gesunde Teile 
zurückzulassen. (Da wir aber wohl kaum durch blosse äussere Inspektion 
sicher sein können, ob wir nicht maligne Teile zurücklassen, will Verf. 
doch scheinen, dass man damit recht vorsichtig sein muss.) 

Siefart. 


Augenheilkunde. 

Salzer-München; Die Abstannniig der KeratobJasten bei der 
Regeneration der Bornhaut. Zugleich eine Erwiderung auf Bonnefon 
und Lacoste. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Vortrag in der Gesellschaft 
für Morphologie und Physiologie am 5. Mai 1914. Cf. Gesellschaftbericht 
der B.kl.W., 1914, Nr. 24. Dünner. 

Speleers: Einschlag* von Parafflnkngeln in Sclerabentel nnd 
Tenen’scher Kapsel. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 2, Nr. 1.) 
Seit einiger Zeit benutzt Verf. eine Paraffinkugel (50—60° Schmelz¬ 
punkt) zur Ausfüllung der durch Ausschälung oder Auslöffeln des Auges 
entstandenen Bohle. Der kosmetische Effekt ist ein sehr guter und die 
Bewegung des Kunstauges eine ausgiebige. Der Fremdkörper wird an¬ 
standlos vertragen. 

v. Bou wdijk - Bastiaanse: Hemiopische Papillenreaktion als Dia- 
gnostikum. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 15.) Bis jetzt 
batte diese Reaktion einen grossen Nachteil. Bei der Bestrahlung der 
blinden Netzhauthälfte wurde die andere immer noch von zerstreutem 
Licht getroffen, weshalb die Existenz dieser Reaktion sogar bestritten 
wurde. Verf. beschreibt nun eine einfache Vorrichtung, welche die oben¬ 
genannte Schwierigkeit beseitigt, v. Suchtelen. 

Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

W. Schoetz-Berlin: Gibt es eine kongenitale örtliche Disposition 
zur Bildung otosklerotischer Knochenherde? (Arch. f. Ohrenhlk., 
Bd. 95, H. 3 u. 4.) Sch. bejaht nach seinen histologischen Untersuchungen, 
die mit den Ergebnissen anderer Autoren übereinstimmeD, die Möglich¬ 
keit obiger Frage. Es scheint 9ich nach ihm um mangelnde Resorption 
der fötalen bzw. kindlichen Labyrinthkapselknorpel zu handeln. Für 
die interne Therapie der Otosklerose würde ffas bedeuten, dass sie, wie 
auch schon anderweitig aDgeregt wurde, bei Angehörigen hereditär be¬ 
lasteter Familien viel früher als die Symptome, am besten schon im 
Fötalleben, einsetzen müsste, um ihre Erfolge zu verbessern. 

Linck-Königsberg i. Pr.: Beitrag zur Lokalanästhesie bei Opera¬ 
tionen am äusseren Gehörgang nnd im Mittelohr. (Arch. f. Ohrenhlk., 
Bd. 95, H. 3 u. 4.) L.’s Methode beruht auf der Unterbrechung der 
sensiblen Nervenleitung, sie lehnt sich an die bekannten gleichartigen 
Verfahren allerdings mit einigen Unterschieden, so hinsichtlich der Ein¬ 
spritzungsstellen an. Mittels Rekordspritze wird eine selbstbereitete ein¬ 
prozentige Novocain-Suprareninlösung durch eine kurze dünne Kanüle 
um die Ohrmuschel und den Gehörgang subcutan eingespritzt. Nach 
10 Minuten ist völlige Anästhesie des äusseren Gehörganges und Trommel¬ 
felles eingetreten, die Mittelobrschleimbaut zeigt allerdings noch eine 
gewisse, wenn auch sehr herabgesetzte Empfindlichkeit. Es wurden aus¬ 
geführt: Radikaloperationen, Hammer-Ambosextraktion und die Ent¬ 
fernung von Polypen im Gehörgang und Mittelohr, was sonst besonders 
schmerzhaft ist; ferner Trommelfellparacentese bei akuter Mittelohr¬ 
entzündung, obwohl der geringfügige, kurze Eingriff in gewissem Miss¬ 
verhältnis zu der umständlichen, unangenehmen Anästhesierung stand. 
Schliesslich werden Inzisionen von Gehörgangsfurunkeln und Ausspülung 
der Mittelohrräume mittels Paukenhöhlenröhrchen sowie Sondenexploration 
daselbst namentlich bei Kindern und Aengstlichen gemacht. 

Streit; Einige plastische Operationen an der Ohrmnschel. (Arch. 
f. Ohrenhlk., Bd. 95, H. 3 u. 4.) Bei Operationen der Ohrmuschel, die 
wohl weniger aus kosmetischen Gründen erforderlich sind, werden selten 
allgemein gültige Grundsätze aufgestellt werden können, und zwar wegen 
der Schwierigkeit des Operationsfeldes und der Verschiedenheit der Indi¬ 
kation. Immerhin kommen auch hier gewisse typische Richtlinien vor. 
St. berichtet dann von seinen einschlägigen Fällen. Einmal handelte es 
sich um Ersatz des ganzen Ohrmuschelrandes wegen Erfrierung; das Er¬ 
gebnis war gut, obwohl die Ohrmuschel etwas kleiner erschien als die 
gesunde. In einem zweiten Falle handelte es sich um Beseitigung des 
Abstebens beider Ohrmuscheln; das recht gute kosmetische Resultat 
wurde durch ein grösseres Narbenkeloid hinter der Ohrmuschel beein¬ 
trächtigt. Schliesslich hatte St. die Aufgabe, aus sozialen Gründen die 
Verkleinerung einer ungewöhnlich grossen Ohrmuschel vorzunehmen; der 
Zweck wurde durch die Operation erreicht und gleichzeitig wurde, ohne 
ursprünglich geplante Operation, auch damit das Abstehen des Ohres 
beseitigt. 

M. Mai er-Strassburg i. Eis.: Erfahrungen übes den otitisclien Hirn- 
abseesg. (Arch. f. Ohrenhlk., Bd. 95, H. 3 u. 4.) In prognostischer Hin¬ 
sicht ergab M.’s Material, dass der Hirnabscess ein ernstes, prognostisch 


nicht sehr günstiges Leiden ist, das den therapeutischen Bestrebungen 
noch grosse Ziele setzt; nur ein Viertel der Hirnabscesse konnte der 
Heilung zugeführt werden, während drei Viertel dem Leiden erlagen. Als 
Haupttodesursache fanden sich: Hirnabscess als solcher, Meningitis, Re¬ 
spirationslähmung durch Druck auf das Atemcentrum, Durchbruch in 
einen Ventrikel oder nach den Meningen und fortschreitende Encepha¬ 
litis; manchmal schien es aus dem Verlauf, als ob nach geglückter Ope¬ 
ration ein voller Heilerfolg erzielt würde, plötzlich aber erlag der 
Patient dem Durchbruche eines zweiten Abscesses, der der Diagnose ent¬ 
gangen war. Gehäuftes Vorkommen von Hlrnabscessen bei ein- und 
demselben Patienten ist selten, immerhin wird es gelegentlich beobachtet. 
Ob Absces.se nach akuter Mittelohrentzündung eine bessere Proguose 
haben, als solche nach chronischer, ist noch unentschieden. Die thera¬ 
peutischen Grundsätze sind folgende: Bei akuten Eiterungen wird zu¬ 
nächst die typische Aufmeisselung gemacht, bei chronischen die Radikal¬ 
operation. Knocbeofisteln sind ein willkommener Fingerzeig für weiteres 
Vorgehen; nach Freilegung der mittleren, auch mitunter erst der hinteren 
SchadeIgrube können aus der Spannung und Beschaffenheit der Dura 
richtige Schlüsse gezogen werden. Die Diagnose wird alsdann durch 
Punktion der vorliegenden Hirnteile erhärtet, oft sind mehrere Punktionen 
notwendig. Der Abscess wird nach DurehtrenDung der Dura und der 
deckenden Hirnscbicbt breit eröffnet und entleert, die Abscesshöble mit 
Jodoformgaze tamponiert und der Wundverlauf angelegt. Sorglättige 
Nachbehandlung, die jede Eiterverhaltung vermeidet, ist unbedingtes Er¬ 
fordernis. Die Narkose erfordert die denkbar grösste Vorsicht. Die pri¬ 
märe Entleerung des Abscesses ohne vorherige Ohroperation, also z. B. 
direkte Trepanation der Schläfenbeinschuppe wurde nie vorgenommen. 
Um die Gefahr der Meisseierschütterung zu vermeiden, wurde möglichst 
mit der Knocheüzange gearbeitet. Die Hirnpunktion birgt entschieden 
Gefahren in sieb, sie ist aber gleichwohl als diagnostisches Hilfsmittel 
nicht zu entbehren, wenigstens so lange die Diagnose und Lokalisation 
des Hirnabscesses nicht absolut sicher ist. Es wurde stets mit breiten 
Canülen, selbst mehrmals und nach allen Richtungen des Hirns punktiert. 
Probeinzision an Stellen der Punktion wurde ausnahmsweise nnr daun 
gemacht, wenn die Spritze lediglich erweiohte Hirnmasae ansog. 

Max Senator. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

A. Calderini-Turin: Der Einfluss von Salz avf den Bakterien 
gehalt von Wasserproben. (Revue d’byg., 1914, Nr. 5, S. 502.) Verf. 
kommt zu einer Ablehnung dieses Verfahrens. 

Loir und Legangneux - Le Havre: Essig znr Verhütung des 
Typhus. (Revue d’hyg., 1914, Nr. 5, S. 545.) Es genügt, frisches Ge¬ 
müse 1 V< Stunde in Wasser zu legen, dem auf 1 Liter ein Löffel Essig 
zugesetzt ist, um eine Typhusübertragung durch dasselbe zu verhindern. 

Viereck. 

A. W. Bacot-London: Naphthalin zur Vernichtung von Mosqiitos 
iB verdeckten Cigternen und Brunnen. (Brit. med. journ., 4. Juli 1914, 
Nr. 2792.) Auf die Wasserfläche gestreutes oder in Beuteln darüber 
gehängtes Naphthalin tötete Mücken und Larven in weniger als 
24 Stunden. Das aufgestreute Naphthalin gab etwas von seinem Ge¬ 
schmack an das Wasser ab und ist daher nicht so geeignet. 

Weydemann. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 


(Offizielles Protokoll.) 

Ausserordentliche Generalversammlung am 8. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Schriftführer: Herr v. Hansemann. 

Statutenänderung: §1 endet mit den Worten „Medizin fördern“- 
$ 7 Absatz 1 soll lauten: > 

„Die Gesellschaft veranstaltet wissenschaftliche Sitzungen und 
unterhält ein mit der Bibliothek verbundenes Lesezimmer. In 
den Sitzungen der Gesellschaft können auch die 
ideellen Interessen des Aerztestandes erörtert werden. 


Vorsitzender: M. H.I Wir haben heute eine ausserordentliche 
Generalversammlung, und zwar zum Zweoke einer Statutenänderung. 
Der § 26 unserer Satzung lautet: 

„Ueber Abänderungen der Satzungen kann die General¬ 
versammlung der Mitglieder nur besobliessen, wenn die Einladung 
zu derselben mit Angabe des Zweckes mindestens 14 Tage vorher 
erfolgt ist.“ 

Ich konstatiere hiermit, dass die Veröffentlichung im roten Blatt 
vor über 14 Tagen zum erstenmal erschienen ist, dass also dieser Be¬ 
stimmung der Statuten genügt ist. 

Was die Sache selbst anbetrifft, so handelt es sich um einen Antrag 
des Herrn v. Hansemann, den Vorstand und Ausschuss geprüft una 
der Gesellschaft zu empfehlen beschlossen haben. Herr v. Hansemann 
wird die Begründung geben. 

Hr. v. Hansemann begründet den Antrag. 


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Coug le 


Original frum 

UNIVERSITY OF IOWA 



27. Jnli 1914. 


BERLINER KHN1SCHE WOCHENSCHRIFT. 


1481 


Vorsitzender: Wünscht noch jemand das Wort? Wenn das nicht 
der Fall ist, so köonen wir zur Abstimmung schreiten. Die beiden An¬ 
träge auf Aenderung des § 1 und des § 7 hängen so innig untereinander 
zusammen, dass ich glaube, wir können das mit einer Abstimmung er¬ 
ledigen. Das, was dem § 1 weggenommen wird, wird dem § 7 zum 
grössten Teile wieder hinzugesetzt. 

Ich möohte vielleicht noch das eine bemerken: unter 1700 Mit¬ 
gliedern ein kollegiales Verhältnis zu pflegen, ist wirklich unmöglich, 
dafür sind die Standesvereine, die kleineren Vereine da, wo alle Mit¬ 
glieder persönlich untereinander Fühlung haben können, bei uns ist das 
unmöglich. Die idealen Standesinteressen sind durch den Zusatz zu 
§ 7 gewahrt. 

Wer für die Aenderung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. 
(Geschieht.) Das ist angenommen. 

Ich habe Ihnen eine Einladung bzw. das Programm zu dem 3. inter¬ 
nationalen Kongress für Radioaktivität und Elektronik in Wien vom 
27. Juni bis 2. Juli 1915 vorzulegen. Ich lege die Programme hier zur 
etwaigen Entnahme aus. 

Ferner habe ich initzuteilen, dass die Deutsche Luftscbiffahrts- 
Aktien-Gesellschaft an uns geschrieben hat: 

An die 

Berliner medizinische Gesellschaft, 

Berlin, Ziegelstr. 10/11. 

Um weiteren Kreisen die Möglichkeit zu verschaffen, einmal eine 
Fahrt mit einem Zeppelin-Luftschiff mitzumachen, haben wir uns ent¬ 
schlossen, Mitglieder von Vereinen, Klubs, geschlossenen Körper¬ 
schaften, Teilnehmer an Kongressen u. dgl. m. unter nachstehenden 
Bedingungen zu fahren, die nach der Zahl der gleichzeitig erfolgenden 
Anmeldungen abgestuft werden sollen. 

Die Entnahme der Fahrscheine hat durch den Verein, Klub, 
Kongress u. dgl. als solchen zu geschehen. 

Bei Entnahme von 20 Fahrscheinen beträgt der Preis per Fahrschein 70 M. 

. » «40 „ * * „ * « 65 „ 

. 60 „ „ „ „ * 60 „ 

„ „ „80 „ „ „ „ „ „ 55 „ 

v » » IDO n r» w » * » 50 „ 

Die Fahrscheine werden mit dem Stempel des Vereins, Kon¬ 
gresses usw. versehen und berechtigen den Inhaber zur Teilnahme an 
einer der täglichen normalen Fahrten von rund l l / 2 ständiger Dauer, 
die in der Regel um 8 Uhr morgens und 5 Uhr abends stattfinden. 
Eventuell kann auch bqi genügender gleichzeitiger Beteiligung solcher 
Iohabrr von Vereinsfahrscheinen eine besondere Fahrt für Sie, Ihren 
Wünschen und Vorschlägen entsprechend, angesetzt werden. Die 
Teilnahme an einer regulären Fahrt kann an jedem beliebigen Tage, 
an dem gefahren wird, erfolgen, der Fahrscheininhaber hat nur seine 
Fahrt auf dem Bureau der Hamburg-Amerika-Linie, Abteilung Luft¬ 
schiffahrt, Berlin W. 8, Unter den Linden 8, Telephon Centrum 9197, 
oder unmittelbar bei der Fahrten lei tun g in der Luftschiffhalle Potsdam, 
Telephon Potsdam 1850—52, am Tage vorher oder spätestens am 
Vormittage anzumelden, um bei eventuell stärkerer Beteiligung die 
Dispositionen der Fahrtenleitung zu erleichtern. 

Wir nehmen an, dass sich auoh in Ihren Kreisen Interesse für 
diese Fahrten zeigen dürfte, und bitten Sie ergebenst, unsere vor¬ 
stehenden Vorschläge zur Kenntnis Ihrer Mitglieder gelangen zu lassen. 

Mit vorzüglicher Hochachtung 

Deutsche Luftschiffahrts- A.-G. 

Stationsleitung Potsdam. 

A. Heinen. 

Wir sind bereit, von der Gesellschaft aus, wenn eine genügende 
Anzahl von Mitgliedern den Wunsch dazu uns schriftlich zu erkennen 
gibt, diese Ermässigung für die Mitglieder der Berliner medizinischen 
Gesellschaft zu verschaffen. Ich lege ein Programm auf deu Tisch des 
Hauses nieder. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. L. Ludai: 

Deaaiatrattoi eins Uterus myomatosas III mensiam von ll >/ 2 Pfwd 
Gewicht. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Tagesordnung. 

_ Hr. E. Ftld; 

Zir Behandlung der Colitis gravis mittels Spülungen von der 
Appeidicostomie ans. (Kurze Mitteilung mit Krankengeschichten.) 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Albu: Es lag ja nicht in der Absicht des Herrn Kollegen 
t uld, wie er selbst schon sagte, hier eine allgemeine Aussprache über 
me8e8 uns noch unklare Krankheitsbild der Colitis ulcerosa herbeizu- 
mhren. Wir haben ja erst in Homburg vor einigen Wochen eine Er¬ 
örterung darüber gehabt, ohne dass eine wesentliche Klärung eingetreten 
‘st. Ich möchte trotzdem zu dem, was Herr Fuld über die Diagnose 
gesagt hat, einiges wenige hinzufügen, was mir notwendig erscheint. 

bo pessimistisch, wie er die Schwierigkeit der Diagnose dargestellt 
M, ist die Situation in der Mehrzahl der Fälle keineswegs. Im Gegen- 
j J 4er überwiegenden Zahl der Fälle lässt sich die Krankheit mit 
w Sicherheit erkennen, und zwar oft schon aus der ausserordent- 
Rr fkarakteristischen Anamnese. Es handelt sich ja in der Regel um 

anke, aie seit Monaten oder Jahren krank sind und immer dieselben I 


Beschwerden habeD, dass sie dauernd Blutungen haben, die auch unab¬ 
hängig von der Detäkation auftreten, oft sogar ohne Defäkation erfolgen, 
die häufig noch mit Eiter untermischt sind. Diese Anamnese ist eine 
derartige, wie wir sie bei keiner anderen Krankheit haben. Man muss 
also in solchen Fällen sehr sorgfältig die Anamnese aufnehmen. Dazu 
kommt aber — und darauf lege ich das noch grössere Gewicht — ein 
ganz konstanter rectoskopischer Befund. Ich habe schon in Homburg 
hervorgeboben, dass, wenn man dieses Krankheitsbild kennt, es in der 
Mehrzahl der Fälle auch in typischer Weise zu sehen bekommt, nämlich 
eine Durchlöcherung der Schleimhaut von unzähligen kleinsten Ge¬ 
schwüren, die nur punktförmig sind, dicht gedrängt beieinander stehend, 
aber meist nur herdförmig ausgebreitet, so dass immer einzelne Inseln 
ganz intakter Schleimhaut noch dazwischen stehen bleiben. Das ist ein 
Krankheitsbild, das in der Tat der Dysenterie' ausserordentlich ähnlich 
ist. Wenn man etwa grosse, flächenförmige Ulcerationen zu finden er¬ 
wartet, wird man allerdings enttäuscht sein. Nur seltener sieht man 
weisse, oberflächliche, nekrotische Herde von unregelmässiger Gestalt und 
im allgemeinen nicht mehr als etwa Erbsengrösse. 

Noch vor wenigen Tagen habe ich wieder einen solchen Fall ge¬ 
sehen, der auf den ersten Blick carciuomverdächtig erschien. Aber das 
Rectoskop hat in einer Höhe von 18 bis 25 mm ab ano das typische 
Krankheitsbild gezeigt. Es muss eben gelingen, bis an den Krankheits¬ 
herd heranzukommen. Das gelingt allerdings nicht immer, weil manche 
Patienten gegen die Rectoskopie ausserordentlich empfindlich sind. Die 
Verwechslung mit Carcinom ist gerade durch eine sorgfältige Rectoskopie 
für den Kenner mit Sicherheit auszuschliessen. 

So viel wollte ich in bezug auf die Diagnose sagen. 

Nun zu der Therapie, die der Herr Kollege hier empfohlen hat. Ich 
verfüge allerdings auch nur über eine Erfahrung von Appendicostomie 
bei Colitis ulcerosa. Es war eine Amerikanerin, die mich vor mehreren 
Jahren besuchte und das typische subjektive und objektive Krankheits¬ 
bild bot. Sie wollte sich damals in Berlin keiner längeren Behandlung 
unterziehen. Sie ging nach Amerika zurück und wurde in New York 
von einem der ersten dortigen Chirurgen, naohdem einige Wochen 
eine innere Behandlung vergeblich versucht worden war, appendi- 
costomiert. Die Fistel blieb vier Monate offen. Der Darm wurde mit allen 
möglichen Mitteln, desinfizierenden und adstringierenden, durebgespült. 
Es war anfänglich ein anscheinend guter Erfolg, so dass die Fistel wieder 
geschlossen wurde. Einige Wochen ging es der Patientin gut, dann 
aber trat ein vollständiges Recidiv in die Erscheinung. Sie hat sich 
einige Jahre damit herumgequält und ist unlängst wieder zur Konsultation 
nach Berlin gekommen. Ich fand genau dasselbe objektive Krankheits¬ 
bild wie vor der Operation. Es ist also ein vollkommener Misserfolg, 
den auch der dortige Chirurg anerkannt hat. 

Ich leugne nicht, dass diese Operation in dem einen oder anderen 
Falle einen Erfolg haben kann, aber ein sicheres Hilfsmittel ist es 
ebensowenig wie die Coecalfistel, von der aus in manchen Fällen monate¬ 
lang Darmspülungen mit den verschiedenartigsten Mitteln gemaobt 
wurden, ohne eine Heilung zu erzielen. 

Bei der therapeutischen Bewertung dieser Behandlungsmethode darf 
man nicht vergessen, dass die Colitis ulcerosa ausserordentlich zahlreiche 
spontane Intermissionen macht. Wir sehen Fälle, die monatelang fast 
ganz ohne Beschwerden sind, die ganz geheilt erscheinen, bis ein einziger 
Diätfohler die ganze Misere des Krankheitsbildes wieder herbeifübrt. 

Der Erfolg der medikamentösen Durchspülung des Darms ist übrigens 
vor allem abhängig von der vorherigen gründlichen Reinigung des Darms, 
und diese gelingt von der Appendixfistel aus noch viel schwieriger als 
von einer Coecalfistel. 

Ich will mich also dahin resümieren, dass wir in verzweifelten 
Fällen, die wir mit der internen Therapie nicht heilen können — solche 
Fälle gibt es leider immer wieder —, auch dieses operative Mittel 
werden heranziehen müssen, aber wir haben darin nicht eine Panacee 
zu sehen, sondern nur eins von den Mitteln, die man versuchen muss. 

Hr. Katzenstein: Ich habe Gelegenheit gehabt, die beiden Fälle 
mit zu beobachten, und muss ergänzend bemerken, dass die Fälle doch 
viel schwerer waren, als es nach der Schilderung des Herrn Fuld 
scheinen könnte. Besonders der Mann verliess meine Klinik meiner An¬ 
sicht nach als Todeskandidat. Ich hätte nicht geglaubt, dass wieder 
etwas aus ihm würde. Herr Fuld hat dies ja angedeutet, aber doch 
nicht klar genug ausgesprochen. Er war enorm abgemagert, befand sich 
in desolatem Zustande, und die Frau hatte ihn, offen gestanden, zum 
Sterben nach Hause genommen, und ich hatte auch geglaubt, dass er 
dort sterben würde. Es ist tatsächlich ein Triumph der internen 
Therapie, den Herr Fuld vielleicht in etwas zu bescheidener Form vor¬ 
getragen hat. Der Fall unterscheidet sich ganz sicher von dem des 
Herrn Albu. Weder er noch die zweite vorgestellte Kranke wäron im¬ 
stande gewesen, überhaupt eine Reise nach Amerika hin oder xurück 
auszuführen. 

Das, was Herr Fuld ausgeführt hat, unterscheidet sich auch noch 
wesentlich von den Angaben des Herrn Albu, denn Herr Fuld hob 
ja gerade hervor, dass die Fistel bestehen bleiben soll. In dem einen 
Falle — das ist vielleicht auch nicht ganz klar aus den Mitteilungen 
des Herrn Fuld hervorgegangen — liegt die Operation schon fast zwei 
Jahre zurück. Die Heilung hat 1 l f 2 Jahre gebraucht, um einzutreten. 

Bezüglich der Diagnose muss ich doch sagen: Aus der Anamnese 
allein kann man die Fälle doch nicht erkennen, wie Herr Albu be¬ 
hauptet, denn sie gleicht der Anamnese des Rectumcarcinoms. Beim 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1432 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


Rectumcarcinom haben Sie gewöhnlich genau den Blut- und Eiterabgang. 
Also anamnestisch lässt sich die Diagnose nicht stellen. Ich glaube, 
die Fälle sind doch recht schwierig zu erkennen, und ich muss offen 
sagen, bei diesem einen Mann hatte ich die Ueberzeugung, dass es sich 
nicht um eine Colitis handelt. Ich glaubte, es wäre doch ein Carcinotn^ 
das wir nicht erkannt haben. Um so erfreulicher ist der endgültige Erfolg. 

Hr. Fuld (Schlusswort): Auf die Frage der Diagnose möchte ich 
nicht eingehen. Darüber ist ja in Homburg ausreichend geredet worden. 

Ich möchte bloss noch einmal betonen: die Colitis gravis ist kein 
scharf umschriebenes Krankheitsbild. Wir kennen den Erreger nicht, wir 
haben nicht die leiseste Garantie dafür, dass alle Fälle einheitlich sind, und 
anamnestisch liegt eine ganz dysenterieähnliche Krankheit vor. Wir 
wissen nicht einmal, ob es sich um eine Infektion des Dickdarms handelt 
oder bloss um eine Abscheidung yon Toxinen auf ihn. 

Was nun die Appendicostomie anbetrifft, so sagte ich, es wird meist 
auf Grund eines unzureichenden Materials geurteilt. Herr Albu hat 
nun einen einzigen Fall gesehen, der nicht ihm gehört, sondern der sich 
bloss von Zeit zu Zeit vorgestellt bat. Die Fistel wurde nach 4 Monaten 
geschlossen, während ich gerade betont habe: die Appendicostomie hat 
den Vorteil, eine Dauerbehandlung zu gewähren. Die Patientin bat 
nach Schluss der Appendixfistel einen Rückfall bekommen, während ich 
gerade betont habe, dass die dauernde Spülung von der Appendicostomie 
während längerer Zeit uns eine gewisse Garantie gegen die Recidive ge¬ 
währen soll. Dieser Fall gehört nicht hierher, und wenn die Spülung 
nicht gut möglich war, so kann ich bloss sagen: ich habe dreimal 
appendicostomieren lassen; sie war in allen Fällen möglich. Man kann 
nicht in allen Fällen ein ideales Resultat verlangen. Io der Methode 
an sich liegt es aber nicht, wenn es nicht geht. 

Nun vollends, wenn gesagt worden ist, wir sollen die Methode für 
verzweifelte Fälle aufbewahren, — ja dann könnten wir die Methode 
lieber gleich ganz einpacken, denn in verzweifelten Fällen nützt keine 
Methode, damit kann man jeder Methode eine schlechte Statistik 
machen. Ich möchte die Fälle gerade davor bewahren, verzweifelt zu 
werden, und gerade daza ist die Methode gut. Bei der gewöhnlichen 
inneren Behandlung der Colitis gravida bleiben die geheilten Fälle in 
der Minderzahl. Die Statistik von Herrn Sohraidt wird noch in aller 
Gedächtnis sein. 

Hr. H. Eckstein: 

Unbekannte Wirkung der Rtintgenstrablen und ihre therapeutische 
Verwertung. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Evler: Bei vielen bestrahlten Entzündungen habe ich den 
Schmerz, der sich als erste Röntgenschädigung zeigt, in nichts von einem 
Eützündungsschmerz unterschieden gefunden; er ist ebenso pochend und 
raubt die Nachtruhe. 

Wenn sich nach der ersten Bestrahlung der Schmerz weiter zeigen 
sollte, wäre also von weiteren Bestrahlungen abzusehen. 

Was nun die Wirkung der Röntgenstrahlen aul die Nerven selbst 
anbetrifft, so könnte für eine solche der Erfolg bei Pruritus sprechen. 
Es wird nämlich das schmerzhafte Hautjucken an den Füssen bei Cirrhosis 
hepatis durch die Röntgenbestrahlung absolut nicht beeinflusst. 

Die Wirkung der Röntgenstrahlen wird aber bei der Reizdosis haupt¬ 
sächlich eine resorptive sein. Bei Entzündungsprozessen kann man eine 
Steigerung der Resorption beobachten, und ebenso, wenn man Ascites 
und Pleuritis bestrahlt. 

Selbstverständlich wird man nur für den einzelnen Fall entscheiden 
können, wie weit man dem Körper selbst ein beschleunigtes Aufsaugen 
zumuten kann. 

Hr. Fritz M. Meyer: Es ist ein bekanntes Gesetz in der Röntgen¬ 
therapie, dass zwischen der Bestrahlung als solcher und dem Eintritt 
eines biologischen Effektes eine Latenzzeit vorhanden ist, die in um¬ 
gekehrtem Verhältnis zur Strahlenmenge steht, welche man appliziert 
hat. Die Wirkung kann nach einigen Tagen, eventuell aber auch erst 
nach einigen Wochen manifest werden. Nun berichtet Herr Eckstein 
von Wirkungen, die momentan bei der Bestrahlung bzw. in sofortigem 
Anschluss an die Bestrahlung aufgetreten sind, und zwar in ganz schweren 
verzweifelten Fällen, wo z. B. ein Mensch sich auf zwei Krücken in ein 
Zimmer begeben musste und hinterher ohne jede Krücke das Zimmer 
verlassen konnte. Dieses bekannte Fundamentalgesetz in der Röntgen¬ 
therapie wird ja durch diese Erklärung vollständig umgestürzt und in 
seinem Wesen erschüttert. Es ist hier eine Umwälzung von fundamen¬ 
taler Bedeutung vorhanden, und man muss doch erwarten, dass, wenn 
eine solche Umwälzung erfolgt, sie in irgendeiner Weise erklärt wird. 
Diese Erklärung hat aber vorläufig noch nicht stattgefunden. 

Die Annahme, dass die Nervenendigungen primär beeinflusst werden 
sollen, würde zu den Erfahrungen in Widerspruch stehen, die wir bisher 
gesammelt haben. Man könnte höchstens daran denken, dass in diesem 
Falle die biologische Umstimmung nicht durch die Röntgenstrahlen er¬ 
folgt, sondern dass es rein elektrische Wirkungen sind. Nun sind aber 
auch nach dieser Richtung Versuche vorgenommen, die gerade zeigen, 
dass rein elektrische Wirkungen bei der Beeinflussung von Geweben 
durch Röntgenstrahlen mit aller Wahrscheinlichkeit auszuschliessen sind. 
Ich glaube also, dass nach dieser Richtung hin eine Erklärung erfolgen 
muss, und ich wäre Herrn Eckstein dankbar, wenn er un9 diese Er¬ 
klärung geben würde. 


Ausserdem möchte ich Herrn Eckstein noch bitten, uns über die 
Dosierung etwas mitzuteilen. Herr Eckstein sagte, er bestrahlt mit 
Röhren von 0,4 Milliampere, eventuell mit Röhren von 2 Milliampere in 
einem Abstande von 15—30 cm, wenn ich ihn richtig verstanden habe, 
und 2—7 Minuten lang. Das ist natürlich keine Angabe der Dosierung. 
Wir wissen heute, wo wir die Dosimeter kennen, dass eine Röhre in 
7 Minuten z. B. den dreifachen Effekt leisten kann, den eine andere in 
dieser Zeit gibt. Wir können eine halbe Volldose in 7 Minuten geben, 
und wir könneD mit dem modernen Instrumentarium, wie es heisst, so¬ 
gar 7—10 Volldosen in 7 Minuten geben. Das ist also keine Dosierung, 
und ich möchte bitten, uns hierüber aufzuklären. 

Dann möchte ich um Aufklärung bitten, warum teilweise ohne, teil¬ 
weise mit Filter behandelt wird, und ob das abwechselnde Bestrahlen 
mit oder ohne Filter in Zwischenräumen erfolgt oder hintereinander. 

Hr. Eckstein (Schlusswort): Herr Evler bat bemerkt, das9 man 
nicht weiter bestrahlen dürfe, wenn nicht vollständige Schmerzlosigkeit 
eintritt, weil die Schmerzlosigkeit, die eine ernst zu nehmende Reaktion 
der Röntgenstrahlen einleitet, doch damit verwechselt werden könnte. 
Darauf möchte ich entgegnen, dass ich ja immer so ausserordentlich 
geringe Dosen angewendet habe, dass ich niemals eine Schädigung erlebt 
habe und auch nicht glaube, damit eine Schädigung erleben zu können. 

Herrn Meyer gegenüber möchte ich sagen, dass die Verschiedenheit 
in der Technik, wie sie ihm aufgefallen ist, sich dadurch erklärt, dass 
ich bereits vor 5 Jahren angefangen habe, in dieser Weise zu behandeln, 
und dass ich damals ebenso behandelt habe, wie man allgemein be¬ 
handelt bat. Die Filtertherapie ist ja jüngeren Datums, und ich habe 
sie aufgeDommen, als sie proklamiert wurde, und als ich mich davon 
überzeugt hatte, dass sie gut war. Ich möchte aber trotzdem nicht unter¬ 
lassen zu bemerken, dass ich dadurch, dass ich in »moderner“ Weise 
bestrahlt habe, kaum eine Aenderung in der Wirkung bemerkte. Es 
mag ja sein, dass vielleicht die Wirkung noch etwas stärker war, aber 
gross war der Unterschied keinesfalls. 

Weiter aber muss ich dagegen protestieren, dass Herr Meyer von 
mir auf jeden Fall eine Erklärung der Symptome verlangt. Ich habe ja 
gesagt, dass ich keine Erklärung besitze, und ich habe ausdrücklich hin¬ 
zugefügt, dass ich die Erklärung, dass es sich hier um eine Beeinflussung 
der Nervenendigungen handelt, nicht acceptieren kann, vor allem mit 
Rücksicht darauf, dass ich Krepitation in einem Kniegelenk unmittelbar 
beeinflussen konnte, und dass man das natürlich nicht mit einer Beein¬ 
flussung der peripheren Nervenendigungen erklären kann. 

Wenn es richtig ist, was H«rr Meyer sagt, dass meine Beobachtung 
ein Fuodamentalgesetz in der Röntgenologie umstösst, dann muss sich 
Herr Meyer und dann muss ich mich damit abfinden, dass das Funda¬ 
mentalgesetz umgestossen ist. Aber ich muss es leider anderen über¬ 
lassen, zu erklären, in welcher Weise diese Erscheinung zustande 
kommt. 

Wenn ich die Frage nach der Dosis noch kurz beantworten darf, 
so muss ich ja sagen, dass, wenn man nach 15 Sekunden bereits eine 
beginnende Wirkung hat, eine solche Dosis natürlich nur winzig klein 
sein kann. — Im Durchschnitt werden die Dosen etwa 1—3 X entsprechen. 


Berliner mikrobiologische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 14. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Löffler. 

Schriftführer: Herr Friedberger. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Sehiff: 

Demonstration über das Verhalten des Serums nnd der Blutkörperchen 
bei einem Paar eineiiger Zwillinge. 

(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.) 

Tagesordnung. 

I. Hllr. Lange und Roos: 

Ueber den Befand von Typhnsbaeülen im Blnt von Kaninchen nach 
Verimpfnng in die Gallenblase. 

In die Gallenblase von Kaninchen wurden Typhusbouillonkulturen 
in Menge von 0,2 bis 0,5 ccm injiziert; Dach 1, 2, 5, 15 usw. Minuten 
wurden aus der Ohrvene mit der Spritze Blutproben entnommen und in 
Galleröhrchen angereichert. Bei den drei ersten derartigen Versuchen 
wurden Typhusbacillen jedesmal schon nach 1 bis 2 Minuten im Ohr- 
venenblut festgestellt. Später als 30 Minuten nach der Injektion waren 
sie nicht mehr zu finden. Bei einer grösseren Anzahl weiterer Versuche 
gelang nun der Naohweis der Typhusbacillen nicht mehr oder nur aus¬ 
nahmsweise. Erst nach Anstellung von vielen Kontrollversuchen wurde 
eine Aufklärung darüber erhalten, wann und unter welchen Bedingungen 
die Typhusbacillen so rasch im circulierenden Blut erscheinen. Es wurde 
nämlich festgestellt, dass die Bacillen unmittelbar an der Einstichstelle 
durch die Btutcapillaren der Gallenblasenwand in den Blutkreislauf em* 
treten. Wird bei der Injektion die Umgebung der Einstichstelle mit der 
Pinzette so gefasst und wird so rasch und in so genügender Ausdehnung 
unterbunden, dass die Bacillen, die an dem durch Spritze uüd Pinzette 
verletzten bzw. gequetschten Teile der Gallenblasenwand eintreten, nicht 
oder vielleicht nur in ganz wenigen Exemplaren die AbschnürungsgreDze 
überschreiten können, dann verläuft der Versuch negativ. Die Vortr. 
hatten es also schliesslich völlig in der Hand, oh sie bei Befolgung der 



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Berliner klinische Wochenschrift. 


27. Jqji 1914. -. 


elien erwähnten „glatten“ Technik den raschen Uebergang der Typhus* 
bacillen in den Blutkreislauf verhindern oder ob sie durch absichtlich 
mangelhaftere Technik das rasche Erscheinen der Bacillen im Ohrvenen¬ 
blut mit Sicherheit herbeiführen wollten. Bei Injektion von Typhus¬ 
bacillen in das Duodenum, in den Dünndarm, in die Harnblase, bei 
intraperitonealer Injektion in der Lebergegend, bei Aufträufeln von 
Kulturen auf Leberwiinden, be,i subCutaner Injektion itti rechten flypo- 
phöndttüni ünd bei noch anderen in vielfachster Weise modifizierten 
Kontrollversuchen gelang der rasche Bacillennacbweis niemals. Nur 
wenn man Injektionen direkt in die Leber macht, sind die Bacillen nach 
1—2 Minuten im Ohrvenenblut aufzufinden. Die Blutcapillaren der 
Gallenblase nehmen also eine gewisse Sonderstellung ein. (Die ausführ¬ 
liche Veröffentlichung der Versuche und weiterer mehr beiläufig ge¬ 
machter Befunde erfolgt in den Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesund¬ 
heitsamt.) 

2. Hr. Friedberger: 

lieber die Wirkung des ultravioletten Lichtes. 

(Nach Versuchen mit den Herren Scbuscba, Mironescu und 
Shioshi.) ... iii 

(Ist unter den Originälien dieser Nummer abgearucKi) 

Diskussion, 

Ür. Löffler: Die Untersuchungen des Hetrn Kollegen Friedberger 
über die Sleriliäjerbdrkeit dbr Vaccinelymphb halte ibh für boch- 
tieaentüDgsWi. Einer der Haupteinwände der Impfgegner gegen die 
Impfung ist ja der, dass die Lymphe, mit der geimpft tferde, eine Menge 
von Bakterien enthalte, die zu Infektionen der Impfschnitte Anlass geben 
könnten. Man ist deshalb eifrig bemüht, um diesem Einwand zu 
begegnen, eine bakterienfreie wirksame Lymphe zu gewinnen. Mit den 
bisher angegebenen Verfähreh gelingt es wobb die Lymphe bakterien frei 
ftd dachen; zugleich ist dann aber auch das Vaccinevirus vernichtet oder 
doch derärt in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt, dass die Lymphe 
praktisch nicht mehr brauchbar ist. Herrn Kollegen Friedberger ist 
e$ hun, iHe er glaüfet, gezogen, mit Hjlfe des Ultravidletten Lichtes das 
Ptobleni zü lösen. Nach */z ständiger BestrabluÜg wird die Lymphe von 
Bakterien befreil, Während däs Vaccinevirus noöh nach IV2 ständiger 
Bestrahlung wirksam bleibt. Mit solcher Lymphe hat er noch nach 
3—4 Wochen mit Erfolg impfen können. Die Versuchsergebnisse müssen 
natürlich auf das Sorgfältigste nacbgeprüft werden. Da Herr Kollege 
Friedberger als ein zuverlässiger Arbeiter bekannt ist, so werden, 
hoffe ich, die Nachprüfungen eine Bestätigung seiner Versuche bringen. 
Wenn sich die durch ultraviolettes Licht bakterienfrei gemachte Lymphe 
bei der Kinderimpfung als gut wirksam erweist, dann hat Herr Kollege 
Friedberger eines der wichtigsten Probleme auf dem Gebiete der 
Schutzpockenimpfung gelöst. 

Hr. Lentz: Die mit ultravioletten Strahlen bakterienfrei gemachte 
uymöhe hät doch nüf eine beschränkte Lebensdauer des Pockenvirus 
fefgebeh. Ich Möchte demgegenüber nochmals daräiif hintffciseti, dass die 
vön dns mit 1 proz. Carbol versetzte Lymphe erheblich länger vitulent 
bleibt. So haben lkir mit cärbolisierter Lapine noch nach 2ty* Monaten än 
einem fcrstimpfling, mit einer anderen carbolisierten Lapine nach zwei 
Monaten an einem Erstimpfling und einem Wiederimpfung vollen Erfolg 
gehabt. An Kaninchen haben wir mit einer carbolisierten Lapine noch 
nach 6 V 2 Monat einen vollen Impferfolg gehabt; ausserdem besitzen 
wir 5 Lapinen und je 1 Vaccine und Asine, die wenigstens 2 Monate 
lang voll virulent sich erwiesen haben. 

Die Lymphen waren nach dem Carbolzusatz nach 8—14 Tagen 
steril, auch wenn Schimmelsporen darin waren, die in Kontrollversuchen 
mit dem Fornet-Verfahren nicht abgetötet wurden. Nur wenn Subtilis- 
sporen und eine Streptotrichee in der Lymphe vorhanden waren, er¬ 
forderte die Abtötung etwa 5 Wochen. 

Hr. Aronson: Die Bemerkungen des Herrn Lentz veranlassen mich 
*n der Mitteilung von Versuchen, die ich in Gemeinschaft mit Herrn' 
Stabsarzt Huhn vor etwa 10 Jahren über die Uebertragbarkeit der 
afrikanischen Pferdesterbe gemacht habe. Es hat sieh hierbei gezeigt, 
dass diese bekanntlich auch auf einem mikroskopisch nicht sichtbaren 
Erreger beruhende Erkrankung durch Injektion des Serums in Afrika 
gefallener Pferde hier stets mit den typischen klinischen Erscheinungen 
und typischem Obduktionsbefund erzeugt werden konnte, obwohl das 
Serum vor vielen Monaten mit 0,5 proz. Carbolsäure versetzt und ohne 
besondere Vorsichtsmaassregeln aufgehoben war. 

Es scheint also die Widerstandsfähigkeit gegen Carbolsäure und viele 
andere bei Bakterien wirksame Desinficitien allen ultravisiblen Virus¬ 
arten gemeinsam zu sein. 

Hr. Friedberger (Schlusswort): Uns ist nicht nur die regelmässig 
sichere Abtötung der Begleitbakterien, sondern auch zugesetzter resistenter 
Sporen in spätestens einer Stunde gelungen, was ja natürlich bei dem Carbol 
ausgeschlossen ist. Meine Ausführungen über die Lebensdauer hat Herr 
Lentz anscheinend missverstanden. Ich möchte deshalb noch ergänzend 
bemerken, dass wir über die endgültige Lebensdauer der bestrahlten 
Lymphe noch keine Erfahrungen haben. In dem von mir erwähnten Fall, in 
pom die bestrahlte Lymphe nach l 1 /* Monaten eine geringe Abschwächung 
ihrer Virulenz zeigte (indem positive Impfresultate nicht mehr wie ur- 
aprücglich mit der Verdünnung 1 :100, sondern nur noch mit 1: 10 er¬ 
holt wurden), handelte es sich um ein Material, das erst 12 Tage nach 
^ Entnahme zu einer Zeit, wo es schon vollkommen faul war, der Be¬ 
strahlung ausgesetzt wurde. Nach tjer Bestrahlung wurde die Lymphe 


- ÜiS 

dann zwar in einem Eisschrank aufgehoben, aber in einem solchen, in 
dem leider nicht immer Eis vorhanden war. Selbst bei einem so un¬ 
günstigen Ausgangsmaterial und unter so ungünstigen Verhältnissen hat 
1 sich die Lymphe nach 6 Wochen noch wirksam erwiesen. Versuche 
über längere Konservierung liegen bis jetzt nicht vor. Wir können also 
von einer beschränkten Lebensdauer keineswegs reden; es ist vielmehr 
tu erwarten, dass; da ja das Desinfizienz hier nicht nachwirkt, die 
Lebensdauer eine bedeutend längere sein wird als bei den üblichen 
Methoden. 

3. HHr. Schiff, Fried berger und Moor«: Versiel® Öber Afispiylaii#, 

a) Ueber Blutkörperchenanaphylaxie beim Mensohen. 

Von Schiff und Moore wurde untersucht, ob Meerschweinchen sich 
gegen Blutkörpercheu unter denselben Bedingungen und ebenso regel¬ 
mässig anaphylaktisoh machen lassen wie z. B. gegen Serum, 

Den Ausgangspunkt der Versuche bilde die Beobachtung, dass eine 
Heibe stark harameihämolytischer tmrauosera vom Kaninchen ungeeignet 
befunden wurde zur Erzeugung passiver Anaphylaxie beim Meerschweinchen. 
Diese Beobachtung stand in Uebereinstimmung mit einer früheren An¬ 
gabe von Dörr und Pick, die die Erscheinung zurückführen wollten 
auf die ton Forssmänn entdeckten eigenartigen Wechselbeziehungen 
zwischen Hämfflelblutkörperchen und Meerschweinchenorganzellen. Nach 
dieser Auffassung bandelt es Bich also um ein besonderes Verhalten der 
Blutkörperchen des Hammels bzW. solcher Tierspecies, deren Blut¬ 
körperchen in der erwähnten Beziehung zu Organzellen des Meer¬ 
schweinchens stehen. Für Blutkörperchen dieser Tierarten (ausser dem 
Hammel ist nach den bisherigen Untersuchungen nur noch die Ziege 
hinzuzurechnen) müsste die Auslösung der aktiven Anaphylaxie ebenso 
auf Schwierigkeiten stossen wie die der passiven Anaphylaxie. Dagegen 
müsste mit den Blutkörperchen aller anderen Tierarten eine Präparierung 
für aktive und passive Anaphylaxie ohne weiteres gelinget!. 

Diesem Gedankengang entsprechend wurde zunächst geprüft, ob 
eine aktive Anaphylaxie gegen Hammelblutkörperchen beim Meer* 
schWeinchen existiert. 

Besonderer Wert wurde darauf gelegt, durch gründliches (sieben¬ 
maliges) Waschen mit reichlichen Mengen physiologischer Kochsalz¬ 
lösung die Blutkörperchen von anhaftendem Serum zu befreien, um 
Täüscbuhgen dütch eine gleichzeitig erzeugte Serumanaphylaxie zu ver¬ 
meiden. 

Es ergab sich in mehreren Versuchsreihen; dass auch bei hohen 
Reinjektionsdosen nur ausnahmsweise, nämlich in etwa lOpCt. der Fälle, 
Anaphylaxie eintritt. Diejenigen Tiere, die nicht akut starben, zeigten 
meist überhaupt keine Krankheitserscheinungen. 

Dies Ergebnis entsprach der Auffassung von Dörr und Pick. Es 
zeigte sich aber, was mit dieser Auffassung nicht zu vereinen ist, dass 
eine Sensibilisierung mit den Blutkörperchen des Rindes oder des 
Menschen ebenfalls nur ausnahmsweise gelingt. 

Das Verhalten der Menschenblutkörperchen ist deshalb von be¬ 
sonderem Interesse, weil früher von verschiedenen Seiten der Versuch 
gemacht wurde, mit Hilfe der anaphylaktischen Reaktion zu einer forensisch 
brauchbaren Methode der Blutdifferenzierung zu gelangen. 

Für den positiven Ausfall der zahlreichen früheren Versuche über 
Blutkörperchenanapbylaxie beim Meerschweinchen kommt neben anderen 
Fehlerquellen in Betraoht, dass in einem Teil der Versuche unbeabsichtigt 
auch kleine Mengen von Serum sensibilisierend wirkten, wodurch ein 
quantitativer Unterschied gegenüber den bewusst mit grösseren Serum- 
raengen sensibilierten Tieren zustande kam. Das Bestehen einer Serum¬ 
anaphylaxie kann nur dann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, wenn 
eine Reinjektion von Serum die mit „Blutkörperchen sensibilisierten“ 
Tiere unbeeinflusst lässt. 

Zu anderen als den beschriebenen Resultaten gelangten auch die¬ 
jenigen Autoren, die Versuche mit hämolysiertem Blut anstellten, wobei 
die primäre Hämoglobingiftigkeit bzw. die Giftwirkung ausgelaugter 
Kalisalze (Gottlieb) nicht genügend berücksichtigt wurde. 

b) Versuche über den anaphylaktischen Antikörper bei der 
passiven Anaphylaxie. 

Es wurde in von Friedberger, Schiff und Moore ausgeführten 
Untersuchungen das Verhalten des anaphylaktischen Antikörpers bei 
der Trennung von Immunseris in Globulin- und Albuminfraktion unter¬ 
sucht. 

Bei der Trennung mittels Dialyse und nachfolgender Koblensäure- 
ausfällung erwies sich ausschliesslich oder fast ausschliesslich die Albumin- 
fraktion als Trägerin der Antibörperwirkung. 

Bei der Trennung durch Ausfälluog mit Magnesiumsulfat war die 
Albuminfraktion unwirksam; die Globulinfraktion enthielt den durch die 
Schädigung des langwierigen Trennungsmodus regelmässig abgeschwächten 
Antikörper. 

Es geht also bei beiden Verfahren der Antikörper in eine ganz be¬ 
stimmte Fraktion über. 

Bei der Dialyse und Kohlensäureausfällung verhält sich der Anti¬ 
körper anders, als es vom hämolytischen Amboceptor für dasselbe 
Trennungsverfahren bei Seris derselben Tierspecies bekannt ist; der 
anaphylaktische Antikörper verhält sich dagegen ebenso, wie nach 
Fried berger und Goretti jener Faktor, der die primäre Antiserum¬ 
giftigkeit bedingt. Dies kann in Uebereinstimmung mit der Anschauung 
von Friedberger und Castelli im Sinne eines engen Zusammen¬ 
hanges zwischen primärer Antiserumgiftigkeifc und passiver Präparierungs- 
fähigkeit aufgefasst werden. 


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Original frn-m 

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1434 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Diskussion. 

Hr. Neufeld: Die Anaphylaxie gegen Blutkörperchen lässt sich 
wohl mit der Anaphylaxie gegen Bakterien (die ebenfalls corpusculäre 
Elemente darstellen) besser vergleichen als mit der Anaphylaxie gegen 
gelöste Eiweissstoffe. Auch bei der Bakterienanaphylaxie begegnen -wir 
ähnlichen Schwierigkeiten und Unregelmässigkeiten, wie es nach den 
vorgetragenen Versuchen bei der Blutkörperchenanaphylaxie der Fall zu 
sein scheint. 

Rr. Friedberger: Zu den Ausführungen des Herrn Neufeld 
möchte ich bemerken, dass die Anaphylaxie gegenüber Bakterien regel¬ 
mässig gelingt; nur der Index ist ein geringerer als bei der gewöhnlichen 
Eiweissanaphylaxie. Eine Reihe von Autoren hatten zwar bei Bakterien 
negative Resultate erhalten. Das liegt aber daran, dass sie nicht mit 
genügenden Dosen präparierten und reiDjizierten. Wenn man mit Serum 
Anaphylaxie regelmässig erzielen will, muss man wenigstens mit 0,01 
präparieren; das ist wenig für Serum, aber auf das Eiweiss berechnet 
bedeutet es eine kolossale Bakterienmenge, wie sie von jenen Autoren, 
die unregelmässige oder negative Resultate erhalten haben, nicht ange¬ 
wandt wurden. 

Hr. Schiff: Auf die Anfrage des Herrn Neufeld bemerke ich, dass 
die von sensibilisierten Tieren ertragenen Dosen an die Grenze der von 
Normaltieren vertragenen Blutkörperchenmenge heranreichten. 

Hr. Neufeld: Gerade wenn man die quantitativen Verhältnisse 
berücksichtigt, lassen sich die Blutkörperchen als anaphylaktisches 
Antigen mit den Bakterien wohl vergleichen. Während es z. B. bei der 
Serumanaphylaxie mit Leichtigkeit gelingt, sensibilisierte Tiere durch 
Vioo oder weniger der für Normaltiere unschädlichen Dosis zu töten, 
liegen die quantitativen Verhältnisse bei den Bakterien ganz anders; 
hier ist der Unterschied in der Empfindlichkeit der vorbehandelten und 
Kontrolltiere weit geringer 1 ). 

Hr. Aronson: Die Resultate meiner Versuche über Bakterien- 
anaphylaiie stimmen mit denjenigen Friedberger’s überein. Selbst 
bei Milzbrandbacillen, gegen welche nach Angaben Sobernheim’s eine 
Anaphylaxie nicht existieren soll, gelang es mir, unter Berücksichtigung 
der quantitativen Verhältnisse stets eine deutliche Ueberempfindlich- 
keit bei Meerschweinchen zu erzielen. Nach der Reinjektion sterben die 
Tiere unter typischen Symptomen nach Vs bis l /io derjenigen Dasis, die 
bei normalen Meerschweinchen tödlich wirkt. 

Die neuen Versucbsergebnisse von Herrn Schiff und Herrn Fried¬ 
berger scheinen mir nicht in Uebereinstimmung zu stehen mit den An¬ 
schauungen über Anaphylaxie, die wir uns auf Grund des früher vor¬ 
gelegenen Materials gebildet hatten. Wenn das anaphylaktische Gift 
aus dem Zusammen treffen von Antigen, Antikörper und Komplement 
entstehen soll, so ist es nicht zu erklären, warum die Albuminfraktion 
des Serums zur passiven Uebertragung der Anaphylaxie in erster Linie 
geeignet ist, während doch der Globulinanteil den Hauptteil des Anti¬ 
körpers enthält. Auch mit Zuhilfenahme neuer Hypothesen wird diese 
Erscheinung nicht verständlich gemacht. 

Hr. Friedberger: Ich freue mich, dass Herr Aronson im Gegen¬ 
satz zu den Ausführungen des Herrn Neufeld meine Angaben über die 
Regelmässigkeit der BakterieDanapbylaxie unter geeigneten Bedingungen 
bestätigen kann. Dass, wie ich mit Goretti früher festgestellt habe, die bei 
der Dialyse entstehende Albuminfraktion die Trägerin der Giftwirkuog 
ist und, wie meine heutigen Versuche mit Schiff und Moore zeigen, auch 
die passive Praparierungsfähigkeit bedingt, ist keine Hypothese, sondern 
eine Tatsache. Dass sie keineswegs mit unseren sonstigen Anschauungen 
über Anaphylaxie im Widerspruch steht, habe ich ausführlich in meinem 
früheren Vortrag auseinandergesetzt, auf den ich Herrn Aronson hin- 
weisen möchte. Neue Hypothesen bedürfen wir danach zur Erklärung 
nicht. Das wesentliche ist bei der ganzen Frage eben, dass nur ein be¬ 
stimmter Teil des Antikörpers, der mit einer ganz bestimmten Eiweiss¬ 
fraktion ausfällt, der Träger der Giftigkeit und passiven Präparierungs- 
fähigkeit ist. 


1) Nachträgliche Anmerkung. Während Friedberger und 
Mita für Vibrio Metschnikoff die akut tödliche Dosis bei sensibilisierten 
Tieren 10 mal kleiner als bei den Kontrollen fanden (nämlich 0,025 g 
Bakterien gegen 0,25g pro 100g Meerschweinchengewicht), sah Müller 
(Zscbr. f. Immun.Forsch., Bd. 14) bei Milzbrand, Proteus, Typhus erheb¬ 
lich geringere, bei Dipbtberiebacillen gar keine Differenzen zwischen vor¬ 
behandelten UDd nicht vorbehandelten Meerschweinchen. Mag hier auch 
die Sensibilisierung vielleicht nicht so stark gewesen sein, wie in Fried- 
berger’s Versuchen mit Vibrio Metschnikoff, so bleibt vor allem die 
Differenz bestehen, dass die Kontrolltiere von den letztgenannten Bak¬ 
terienarten auch Dicht annähernd so grosse Mengen vertrugen, sondern 
häufig nach 0,01—0,02 g pro Tier akut eingingen. Hiernach möchte ich 
Doerr beistiromen, wenn er (Kol 1 e-Wassermann’s Hb., Bd. 3, S. 1099) 
die Versuche über Bakterienanaphylaxie dabin resümiert, dass dabei im 
Vergleich mit der Serumanaphylaxie „die Steigerung der Empfindlichkeit 
durch die Vorbehandlung relativ gering und inkoostant* ist. 


Vereinigung zur Pflege der vergleichenden Pathologie. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 30. Januar 1914. 

Vorsitzender: Herr Georg Schneidemühl. 

Schriftführer: Herr Heller. 

1. Hr. Kliigner: 

Praktische Erfaknigei über de* Vmtaad der Tiere. 

Der Vortragende nahm zuerst Bezug auf Darwin, der verschiedene 
Definitionen für Instinkt gibt. Eine Definition nennt Instinkt: Erb¬ 
weisheit der Gattung; eine andere: unbowusstes Gedächtnis der Materie. 
Er gibt zu, dass Tiere Empfindungen von Trauer und Freude haben. 
Für höherstehende Tiere nahm er nicht nur Bewusstsseinselemente, 
sondern sogar individuelle Fähigkeiten an. Die Fähigkeiten haben dann 
die Aufgabe, das Funktionieren des Gattungsverstandes immer mehr ein- 
zuschränken, bis zuletzt in der höchsten Spitze der EntwickluDgsreihe 
beim Menschen der Instinkt durch die Vernunft und Willenskraft völlig 
in Sohrankeu gehalten wird. 

Ebenso äussert sich Bette in seinem Buch: „Zweifel* folgender- 
maassen: Wir sehen Tiere mit unfehlbarer Weisheit die ihnen zuträg¬ 
liche Nahrung aufsuchen oder mit mathematischer Genauigkeit ihre Zelle 
bauen oder aufs trefflichste und zweckmässigste für ihre von ihnen ganz 
verschiedene Nachkommenschaft sorgen; da sprechen wir von Instinkt. 
Auch viele andere Forscher bemühen sich, den Ausdruck Instinkt zu 
definieren, doch auch dem eifrigsten Verfechter dieses Begriffes dürfte es 
sehr schwer fallen, eine ausreichende und klare Definition für ihn zu 
finden. Der Vortragende führt dann aus, dass, wenn wir uns nieht 
immer an den Ausdruck Instinkt klammerten, wir sicher in dem Kampfe 
um die Erforschung der Tierseele viel weiter wären. Jeder Forscher 
legt dem rätselhaften Wort verschiedenen Sinn und Inhalt unter. Alles 
muss das Wort Instinkt decken. Alle Vorgänge im Tierlebeo, die wir 
uns infolge mangelnder Erkenntnis nicht erklären können, nennt man 
Instinkt. 

Alle diese Tatsachen lassen sich aus der Analogie mit der mensch¬ 
lichen Psychologie leicht aus Verstandesäusserungen deuten. 

Der Vortragende gibt dann einige Beispiele aus der Praxis. Zuerst 
spricht er über seine Erfahrungen mit dem klugen Hans des Herrn 
von Osten. Er habe schon eia Pferd vor dem klugen Hans beim Herrn 
von Osten kennen gelernt, das war aber nach der Meinung des Herrn 
von Osten zu zerstreut. Der kluge Hans war zwar auch oft zerstreut, 
aber es war doch nach mehreren vergeblichen Bemühungen aus ihm 
etwas herauszubekommen. So klopfte er die Namen Betbmann-Hollweg 
mit th, zwei n und zwei 1. Beim Namen Hahncke vergass er weder 
das kleine b, noch das ck. Der Vortragende bat dann folgenden Trick 
angewandt, um zu zeigen, dass Herr von Osten bzw. das Publikum 
dem Pferde die zu klopfende Zahl suggerierten. Er zeigte dem Pferde 
seine Uhr, die er vorher Herrn von Osten gezeigt hatte. Herr 
von Osten hatte sich überzeugt, dass die Zeiger auf 3 / 4 l2 standen. 

I Bei der WeflduDg vom Herrn von Osten zum Pferd drehte der Vor- 
| tragende jedoch die Zeiger weiter, so dass sie auf 5 zeigten, Hans 
j klopfte aber nach einigen Irrtümern 3 /*12. Ausserdem war die Uhr dem 
klugen Hans so vorgehalten worden, dass er sie überhaupt nicht sehen 
konnte. Die skeptische Auffassung führt der Vortragende auf die Er¬ 
fahrungen in seiner 19jährigen Zirkuspraxis zurück. Er erzählte einige 
Beispiele, hei denen er lange Zeit an eine überlegte Handlung der vor¬ 
geführten Tiere geglaubt hatte, die sich aber später als ganz einfache 
Tricks entpuppten. Zum Schluss äussert er sich über Verstand oder In¬ 
stinkt bei Tieren so, da9s er nach seinen Erfahrungen annimmt, dass es 
Tiere gibt, die einen derartig entwickelten Instinkt hatten, dass man 
ihn schon als Verstand auffassen musste, und dass der UebergaDg von 
Instinkt zum Verstand ebensowenig scharf festgestellt werden könne, 
wie der Uebergang der tierischen und pflanzlichen Zelle. 

Diskussion. 

Hr. Robert Meyer berichtet aus eigener Erfahrung mit Hunden 
über Gedächtnis und Urteilsfähigkeit und betont, dass es ganz belanglos 
1 sei, wie weit man die Ausdrücke Verstand oder Instinkt anzuwenden für 
angebracht halte. Hunde lasssen sich nicht foppen, wenn man ihnen 
fälschlich sagt, dass man mit ihnen spazieren gehen will; sie erkennen 
aus den Stiefeln, Hüten usw., ob man überhaupt ausgeht, und ob sie 
mitgenommen werden. Das ist eine alltägliche Erfahrung vieler Hunde¬ 
besitzer. M. besass einen jungen Jagdhund, der niemals zuvor im 
Wasser gewesen war, als er mit einem Pudel zusammengebracht, und 
im „ehrgeizigen* Wettstreite um das Apportieren eines Spazierstockes 
zum ersten Male an einen strömenden Fluss kam. Der Pudel war ge¬ 
wohnt, auch aus dem Wasser zu apportieren und vollführte das Kunst¬ 
stück einige Male: dann sprang der Jagdhund hinterher, erfasste den 
Pudel am Schwänze, kletterte auf dessen Rücken, so dass er unter¬ 
tauchte und schliesslich den Stock lo9liess, worauf der Jagdhund ihn 
erfasste und apportierte. Nach mehrmaliger Wiederholung in genau der¬ 
selben Weise musste das Experiment aufgegeben werden, weil beim 
letzten Male der Pudel eigensinnig eine längere Zeit den Stock unter 
Wasser festbielt, bis zum äussersten, so dass er dem Ertrinken nahe 
war. — Raffinierte Diebe unter den Hunden vergraben ihre Beute weit 
entfernt von der Wohnstätte, wenn sie satt sind, und eilen früh am 
folgenden Tage sofort an das Versteck, wie M. wiederholt beobachtet hat. 
Hunde haben oft ein glänzendes Gedächtnis und finden sich nach Jahren 
in grossen Städten sofort wieder zurecht. 


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_ Origij :l 

UMIVERSITY 




27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1435 


Die grösste Gedächtnisprobe legte ein kleiner Seidenspitz ab, welcher 
von M. aus äusseren Gründen verschenkt, nach nochmaligem Besitz- 
Wechsel in den Wohnort von M. nach zweijähriger Abwesenheit zufällig 
für wenige Tage zurückkehrte. Der Spitz erkannte auf der Strasse seinen 
früheren Herrn M. sofort wieder, wurde aber von diesem nicht gleich, 
sondern erst am nächsten Tage erkannt, als er durch die nochmalige 
zärtliche Begrüssung aufmerksam wurde. Auf die Anrede mit dem 
Namen ging das Tier mit M. nach Hause, wurde dort zunächst von 
Niemanden erkannt, erkannte selbst jedoch die Personen, welche früher 
bereits im Hause gewesen waren, sofort heraus. Dann begann er mit 
der Wiederaufnahme aller früheren, grösstenteils angelernten Gewohn¬ 
heiten, ohne jede Aufforderung mit einer unglaublichen Genauigkeit; 
nahm seine gewohnten Plätze ein, z. B. während des Mittagsmahles, lief 
nachher, wie vor 2 Jahren, zur Küche, um sein Futter zu fordern, ver¬ 
langte zur Nacht an gewohnter Stelle seine Ruhestätte, nahm spontan, 
wie vor 2 Jahren, des morgens um 8 Uhr das Wecken der Herrschaft 
auf, verlangte wie früher jeden Morgen die Aussicht auf dem Balkon 
und ging, ebenfalls spontan, um 9 Uhr zu seinem neuen Besitzer zurück 
und ward nicht mehr gesehen. Kein verständnisvoller Hundebesitzer 
kann seinen Pfleglingen Gedächtnis und Urteil absprechen. 

Ausserdem sprachen noch zur Diskussion die Herren Pfungst, 
Heller, Klingner. 

2. Hr. Robert Meyer: 

Ztr Vergleiehnig embryonaler Gewebseinschliisse and Gewebsaao- 
malien bei Measeh and Tier. Teil II. 

X. setzt seinen Vortrag aus der vorigen Sitzung fort und berichtet 
über „abnorme Abschnürung“; er erkennt an eine „aktive AbschoüruDg“ 
im Sinne Beneke’s, unter aktivem Vorgehen des Epithels durch Sonder- 
differenzieruQg mit sekundärer abhängiger Differenzierung des Binde¬ 
gewebes. Ausserdem gibt es jedoch auch eine passive Abschnürung, 
wie man an ganz groben Beispielen häufig sehen kann. Zufälligkeiten 
im Wachstumstempo, die ihrerseits von speziellen Wuchsstoffen abhängig 
sein können, bringen Gewebsarten in räumliche Kollision, die normaler¬ 
weise nicht zusammengehören. Es gibt Uebergänge von der Norm zur 
Anomalie in dieser Beziehung. M. nennt den Vorgang „illegale Gewebs- 
verbindung“, der keinerlei pathologische Veränderungen der Zellen zur 
Voraussetzung hat; erst im Laufe weiterer Entwicklung werden bei Aus¬ 
einanderrücken der ursprünglich benachbarten Organe einzelne Teilchen 
passiv von ihrem Mutterboden abgelöst, weil sie mit oder in dem Nacb- 
barorgan fest verankert siad. — Im feineren Maassstabe spielen sieb 
dieselben Vorgänge ab als „illegale Zellverbiodung“, ein fehlerhaftes In¬ 
einandergreifen kleiner Teilchen ohne irgendwelchen Gewebsüberschuss. 
Solche lokale Unstimmigkeiten sind vom Zufalle der Ernäbrungs- 
bediogungen abhängig; denn es gibt keinen Präzisionsmechanismus in 
der Entwicklung, da sonst Variationen unmöglich wären. 

M. demonstriert ausser fehlerhafter Gewebemiscbung (diffuse und 
circumsoripte Hämatome), die bei Tieren auch bekannt sind, auch Ge- 
websüberscbu9s in Gestalt von Polypen und abnormen Einstülpungen 
bei Föten und Neugeborenen. Von den eigentlichen Abschnürungen 
interessieren hier namentlich Sehleimhautinseln, welche in ganz gleicher 
Weise beim Orang-Utang und Mensch demonstriert werden, ferner Epithel¬ 
cysten verschiedener Herkunft in der Milz beim Embryo von Mensch und 
Schwein. Schliesslich eine Reihe mesenchymaler Aberrationen, welche 
nnr als passive Abschnürung zu verstehen sind, und kombinierte meso¬ 
dermale Abschnürungen, die bisher nur im Urogeoitalgebiet gefunden 
sind, wo die bekannten Mischgeschwülste bei Mensch und Tier (Schwein) 
Vorkommen. 

Ein Teil der embryonalen Gewebsanomalien lässt sieb noch nicht 
verstehen und manche nicht einwandsfrei einreihen. Das Studium 
tierischer Embryonen in dieser Richtung dürfte manchen Aufschluss auch 
für die menschliche Pathologie liefern. 

Hr. Heller stellt den Antrag: Die Vereinigung wolle sich als solche 
an der Ausstellung eines in Berlin tagenden internationalen Kongresses 
(für Urologie) beteiligen. 

Der Antrag wird angenommen. 


Sitzung vom 27. Februar 1914. 

Vorsitzender: Herr Knutb. 

Schriftführer: Herr Heller. 

Hr. Max Schmey: Dos Magencarcinom bei Tieren. 

Im Gegensatz zu dor ausserordentlichen Häufigkeit, mit der eine 
krebsige Erkrankung des Magens beim Menschen beobachtet worden ist, 
gehört das Magencarcinom bei Tieren zu den seltensten Befunden. Unter 
Krebsfällen, über die Casper und Johne berichten, fiadet sich nur 
«fl einziger Fall von Magenkrebs beim Pferde. Kitt citiert in seinem 
bekannten Lehrbuch der pathologischen Anatomie der Haustiere 2 Fälle 
von Scirrhus im Magen von P/erd und Rind, und beschreibt selbst zwei 
ralle von Plattenepithelkrebs beim Pferde. Eber lein endlich beob¬ 
achtete einen Cylinderepithelkrebs bei einem Hunde. Es sind also im 
ganzen, so weit ich die Literatur übersehen kann, 6 Fälle von Magen¬ 
krebs beim Tiere bekannt und davon entfallen 5 Fälle auf reine Herbi- 
oren_ und der 6. auf einen Karnivor, der allerdings durch Domestikation 
am Herbivoren geworden ist. Ich bin nun in der Lage, bei einem 
auven Omnivoren, bei einem Affen, einen Magenkrebs zu demonstrieren. 
I» handelt sioh um eine 8—10 Jahre alte, weibliche Meerkatze — 


analog dem Alter von 40 Jahren beim Menschen —, die Herr Professor 
Matsohie als Carcopithecus Rufo viridis bestimmt bat. Das Tier wurde 
wegen vorgeschrittener Ascites von Herrn Kollegen Klingner, dem ich 
für die Ueberlassung des Kadavers dankbar bin, mit Blausäure vergiftet. 
Die Sektion ergab: Sehr schlecht genährtes Tier; in der Bauchhöhle be¬ 
findet sieb etwa 1 Liter mit Fibrinflocken untermischte, rötliche, dünne 
Flüssigkeit. Frei im Raum der Bauchhöhle und zwischen den Darm¬ 
schlingen liegen grosse Mengen rötlichgelbe, gleichmässig geronnene 
Fibrinmassen. Die linke Niere fehlt. Die übrigen Organe der Bauch- 
und Brusthöhle weisen, soweit sie nicht noch Gegenstand unserer Be¬ 
sprechung sein sollen, nichts auf, was nicht durch die Blausäurevergiftung 
erklärt werden könnte. Den interessantesten Befund gewährt nun der 
Magen. 

Der vorliegende Magen ist am Oesophagus abgetrennt und bat ein 
etwa 5 cm langes Stück Duodenum am Pylorus haften. Was bei 
diesem kleinen Affen besonders auffällt, ist die enorme Erweiterung 
des Organs zu fast Kleinkindskopfgrösse. Aussenfläche und Innenfläche 
weisen beide gleich schwere Veränderungen auf. Auf der Aussenfläche 
fioden sich massenhaft überaus derbe Adhäsionen auf der inj zierten 
Serosa, daneben flache, gelbliche, 1—2 cm im Durchmesser haltende 
Buckel, die auf dem Einschnitt aus weicher, gelblicher, homogener, tief 
in die Magenwand dringender Masse bestehen. Während aber diese 
Kuoten auf der Magenaussenfläcbe immerhin nur in geringer Zahl zu 
finden sind, ist die Mageninnenfläcbe in einer sehr grossen Ausdehnung 
verändert. Zunächst sitzt oberhalb des Pylorus in über fünfmarbstück- 
grosser Ausdehnung der Innenfläche eine graugelbliche, weiche Ge¬ 
schwulstausbreitung auf, die auf dem Durchschnitt sich allerdings nur 
auf die Schleimhaut beschränkt; sie schneidet mit dem Pylorus ab. 
Sodann finden sich allerwärts teils flachere, teils etwas mehr erhabenere, 
zum Teil isolierte, zum Teil konfluierende Wucherungen auf der übrigen 
Schleimhaut, nicht selten auch von hämorrhagischem Charakter. Dicht 
unter der Cardia an der Vorderwand ist ein besonders grosses, aus drei 
Knollen zusammengesetztes, breit vorspringendes Beet von 25 mm Durch¬ 
messer. Hier setzen sieh auf dem Durchschnitt die Geschulstmassen 
durch alle Schichten bis ganz an die Serosa fort, während an den 
übrigen Stellen der flachen beetartigen und isolierten Plaques das makro¬ 
skopische Verhalten verschieden ist. Bald ist hier die Magenwand nur 
im Bereiche der Schleimhaut für das blosse Auge ergriffen, bald auch 
in tieferen Schichten. Da, wo die Magenwand von Tumoren frei ist, 
ist die Schleimhaut sehr dünn, eher atrophisch, aber im ganzen gerötet. 

Von den Lymphdrüseu in der Abdomimalhöhle sind am iu- und 
| extensivsten die die Aorta umlagernden retroperitonealen befallen, vom 
Hiatus des Zwerchfels ab bis hinunter zur Teilungsstelle der Iliacae. 
Die Drüsen sind zum Teil über haselnussgross, auf der Schnittfläche 
mavkig, weich, lassen milchigen Saft abstreifen; auch lateral unter dem 
Diaphragma und im Mesenterium finden sich mehr oder weniger veränderte 
Drüsen von der geschilderten Beschaffenheit. 

Für die mikroskopische Untersuchung wurden nach Formalin¬ 
härtung aus den verschiedenen Partien des Magens Stücke entnommen, 
nach Paraffiaeinbettung geschnitten und nach den üblichen Methoden 
gefärbt. Das Bild des Carcinoma ist allerwärts ein vollkommen über¬ 
einstimmendes. Es ergibt sich ein ziemlich klein- und polymorphzelliges, 
medulläres Carcinom von einem rein soliden Typus, d. b. ohne Bildung 
von Drüsen oder drüsenähnlichen Bildern (Adenocaroinom). Das ver¬ 
schiedene Verhalten der Carcinommasseo zur Magenwaud lasst sich auch 
bei der mikroskopischen Untersuchung leicht erweiseD. Es ist teilweise 
die Schleimhaut diffus substituiert und die Submucosa von Carcinom frei, 
während entweder Muscularis und Serosa oder auch bloss die Serosa 
von medullärer Krebsmasse erfüllt ist. An solchen Stellen fällt eine 
bedeutende Verdickung und sklerotische Umwandlung der Submucosa 
auf. Die Lymphdrüsen sind allerwärts total von Krebsmassen substituiert. 
Alles io allem also eine ausserordentlich ausgedehnte krebsige Erkran¬ 
kung des Magens mit reichlichen Metastasen auf der Serosa der Bauch¬ 
eingeweide und in den Lymphdrüsen. Welche Stelle des Magens zuerst 
erkrankt ist, wird sich wohl kaum mit Sicherheit sagen lassen, im 
Gegenteil wird man mit der Annahme einer multiloculären Erkrankung 
kaum fehlgehen, womit natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass eine Reihe 
der zahlreichen Magenherde nicht wieder Metastasen darstellen. 

Sicherlich ist in diesem Falle der Beweis für das Vorkommen des 
Carcinoma im Magen der Omnivoren Tiere geliefert. Unterschiede gegen¬ 
über manchen Carcinomformen im Magen des Menschen ergeben sich 
kaum, weder io den makroskopischen Erscheinungsformen, noch für die 
mikroskopische Struktur. Auch beim Menschen kommt gelegentlich eine 
ausgedehnte Infiltration der retroperitonealen Lymphdrüsen beim Magen¬ 
carcinom vor. 

Diskussion. Hr. Kantorowioz hat ein Pyloruscarcinom mit 
multiplen Metastasen in der Leber bei einem 3 jährigen Box gefunden 
und das Präparat an Schütz geliefert, von dessen Institut die Diagnose 
„Carcinom“ bestätigt wurde. 

Hr. Max Schmey: Das perirenale Cystoid bei Measeh and Tier. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Max Koch: Die Bezeichnung der von Herrn Schmey demon¬ 
strierten Veränderungen beim Schwein als perirenales Cystoid erscheint 
wenig glücklich. Auf Grund eines von mir in Elberfeld beobachteten 
Falles beim Menschen, der seinerzeit von Herrn Prof. Coenen publiziert 
warde, möchte iob doch glauben, dass diese eigenartigen Veränderungen 


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Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERS1TY OF IOWA 


1436 _BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. __Nr. 80. 


beim Menschen wie beim Schwein durch Blutungen in das Fettgewebe 
der Niere zustande kommen, wie das für das Schwein von Kitt auch 
schon angenommen wurde. 

Hr. L. Pick ergänzt die Ausführungen und die in seinem Institut 
ausgeführten Untersuchungen von Herrn Schmey. 

Eine Genese des Cystoids aus Blutungen um die Nieren (Apo¬ 
plexien des Nierenlagers) ist deswegen ausserordentlich unwahrscheinlich, 
weil in sämtlichen drei Fällen auch nicht eine Spur von Blutpigment 
sich in der Wand des Cystoids hat nachweisen lassen. Es müsste also 
zunächst wenigstens ein positiver Fall in dieser Richtung gefunden 
werden, um diese Auffassung für die vorliegenden Objekte diskutierbar 
zu machen. Die aus pathologischen Resten des WolfFschen Herzens, 
des Müller’schen Ganges oder der Keimdrüsen hervorgehendeo pararenalen 
Cysten sind wesentlich einseitig und haben im Verhältnis zur Niere eine 
durchaus andere Lage. 

Der Name „perirenales Cystoid“ charakterisiert Eiter und die 
genetisch unbestimmte Art der blasigen Ansammlung vorläufig am 
besten. Eine exaktere Benennung kann erst erfolgen, wenn die Genese 
aufzuklären ist. 

Hr. S. L evi: Ich möchte erstens darauf hinweisen, dass es doch 
eine merkwürdige Tatsache ist, dass die Erkrankung des perirenalen 
Cystoids bei fast allen hier angeführten Fällen doppelseitig ist, ähnlich, 
wie beim Menschen die cystiscbe Degeneration der Nieren auch fast 
ausnahmslos doppelseitig eintritt, und zweitens, dass ich mir wegen der 
doppelseitigen Erkrankung die Entstehungsart des Herrn Vorredners 
nicht erklären kann, wo zufällig auf beiden Seiten gleichzeitig eiü 
Stehenbleiben auf einer früheren Entwicklungsstufe oder ein AbspreDgen 
von Keimen des Müller’schen Ganges oder des WollFschen Körpers ein- 
treten müsste. 

Hr. L. Pick: Herr Levi bat mich offenbar missverstanden. loh 
habe gerade für die aus Resten des WolfFschen Körpers usw. hervor¬ 
gehenden Cysten neben der Niere die Einseitigkeit betont im Gegen¬ 
satz zu der anscheinend gesetzmässigen Doppelseitigkeit des perirenalen 
Cystoids. 

Hr. Emil Küster: 

Ueber die Bedentnng der Züchtang von keimfreien Tieren. 

Die Untersuchungsergebnisse des Vortragenden werden im nächsten 
Heft der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts publiziert 
werden. 


Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin. 

(Pädiatrische Sektion.) 

Sitzung vom 13. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr A. Baginsky. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Paderstein demonstriert einen Fall von Dermoid der Con- 
jnnctiva. Auffallend ist der Sitz im äusseren Augenwinkel. Die Ge¬ 
schwülste sind gutartig, wachsen langsam, ohne das Sehvermögen zu 
bedrohen. 

Tagesordnung. 

Hr. Peritz: 

Demonstration von Hydrocephalnsfällen mit hypophysären Symptomen. 

Vortr. stellt 4 Kinder vor. Die Wirkung des Hydrocephalus kann 
ausser durch Geschwulst des Hinterlappens oder der Zwischeupartie der 
Hypophyse auch durch Abknickung der Zufuhr des Sekrets auf dem 
Wege durch das Infundibulum und den Liquor cerebrospinalis erfolgen. 
Auch so kommt es zur Ausschaltung der Fermente, welche die Zucker¬ 
verbrennung fördern bzw. dem Fettansatz entgegenarbeiten. Der Balken¬ 
stich hat sich zur Beseitigung des Hydrocephalus nicht bewährt; er 
wirkt nur vorübergehend. Andere Methoden, z. B. von Payr (Ableitung 
in die Jugularis) sind zu gefahrvoll. Vortr. ist zurzeit mit einer neuen 
Methode beschäftigt. 

Diskussion. 

Hr. A. Baginsky sah bei Gummi der Hypophyse schweren Diabetes 
insipidus. 

Hr. Peritz (Schlusswort) hat ihn nie bei Menschen gesehen. Er 
ist eine Reiz-, keine Ausfallserscheinung. 

Diskussion zum Vortrage des Herrn Stier: Abgrenzung und Be¬ 
griff des nenropathischen Kindes. 

Hr. Stier rekapituliert: Er trennt das neuropatbisebe vom psycho¬ 
pathischen und vom intellektuell pathologischen Kinde. Zu ersterem 
gehört Uebererregbarkeit in der Bensibel-seusorischen Sphäre mit starker 
motorischer Reaktion, Enuresis, MuskelzuckuDgen, Schlaflosigkeit, ferner 
betonte Unlustgefühle bei schwachen Reizen. Dazu kommt Perseveration 
sogenannter hässlicher Angewohnheiten, Nägelknabbero, Daumenlutscben, 
Furcht vor dem Anblick von Blut. 

' Hr. Peritz rechnet zu den neuropathischen auch die spasmophilen 
Kinder mit schlankem Habitus und schlaffer Muskulatur sowie kühler 
Haut. Sie zeigen Uebergang zur Epilepsie und Kopfschmerzen, ferner 
nervös- körperliche Unruhe, zuweilen Asthma nervosum. 

Hr. Stier (Schlusswort) gibt Kombinationen zu, lehnt aber Ueber- 

gange zur Epilepsie ab. 


Hr. Falk: Zar Therapie des Tetanus leonatoram. 

Vortr. sah 3 Fälle in 4 Monaten im Kinderkrankenbause; er be¬ 
handelte mit Magnesium sulfür.-Injektionen (8—25 pCt.); die lähmende 
Wirkung bekämpfte er im Uebermaass durch Injektion von Galcium 
chloratum. Alle Kinder kamen durch. Das Magnesium wirkt krampf¬ 
hemmend. 

Diskussion. 

Hr. Finkeistein: Die Dauer des Leidens wurde nicht verringert; 
aber ein grosser Vorteil ist die Verhütung heftiger Stösse, in denen die 
Kinder oft sterben, und der Inanition. 

Hr. Czerny bezweifelt, dass der Tetanus neonatorum eine Infektions¬ 
krankheit sei. 

HHr. Finkeistein und A. Baginsky widersprechen. 

Hr. Falk (Schlusswort): Man muss auf der Höhe der Magnesium- 
wirkuDg füttern, aber an Schlucklähmung denken. Füttert man zu spät, 
entstehen Krämpfe. 


Berliner Gesellschaft für Chirurgie. 

Sitzung vom 13. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Körte. 

Schriftführer: Herr F. Krause. 

1. Hr. Schliep (a. G.): 

Demonstration eines operativ geheilten Falle« von Blaseispalte. 

Vortr. gibt zunächst einen Rückblick der bisher gewonneneu Re¬ 
sultate, die zum grossen Teile wenig befriedigend waren, da wegen 
bleibender Inkontinenz mit der Schliessung der Blase allein wenig ge¬ 
holfen war. Man unterscheidet die drei Formen der Missbildung: 

1. Fissura vesicae inferior. 2. Fissura vesicae superior (Spalt 
mehr am Nabel). 3. Ectopia vesicae: Fehlen der vorderen Blaseu- 
wand, Spaltung der Symphyse, der Bauchdecken und der äusseren 
Genitalien. Daneben finden sich noch: Leistenhernien, Kommunikation 
des Darms und der Blase. Die drei meist angewandten Operations« 
methoden sind: 1. Die plastische Methode. Decken des Defektes 
durch Lappen aus der Bauchhaut. Aber auch die Modifikationen von 
Thiersch und Billroth haben keine Kontinenz erzielt. In einer Zu¬ 
sammenstellung in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie (Bd. 109) ist 
unter 26 Fällen kein geheilter, 7 starben kurz nach der Operation. 

2. Plastik aus dem Darm, wodurch eine Vergrösserung des Cavum 
vesicae angestrebt wird. 3. Methode von Sonnenburg, die die 
Blase durch Exstirpation ganz ausschaltet, die Ureteren in die Flexura 
sigraoidea einpflanzt und den Hautweichteildefekt plastisch deckt. Diese 
Methode wurde anfangs viel geübt und gerühmt, bis auch hier die 
Reaktion eintrat (Mortalität 35—40pCt., 31 pCt. allein an Pyelo¬ 
nephritis). Modifikationen von Moynihan, Borelius, Müller u. a. 
brachten nicht wesentlich bessere Resultate. 

Vortr. berichtet nun über einen Fall, in dem er eine direkte Ver¬ 
einigung der Spaltränder mit Glück vornahm. Es handelte sich um 
ein 8 Monate altes Kind, das im Juni 1913 in die Bier’sche Klinik 
kam, an der Wurzel des Penis eine etwa zehnpfennigstückgrosse, mit 
Schleimhaut ausgekleidete, trichterförmige Oeffuung aufwies, aus der 
Urin austrat. Operation: Die Blasenschteimhaut wurde Umschnitten und 
versenkt, darüber die Haut vereinigt. Dauerkatheter. Es blieb danach 
zunächst eine kleine Fistel, die sich allmählich schloss. Am 7. IX. 1913 
geheilt entlassen. Also: E’all von Fissura vesicae superior. Die Cysto- 
skopie ergab nach der Heilung normale Schleimhaut. 

2. Hr. E. Holländer-. Die Entwicklung der ehirargiseben Säge. 

Vortr. gibt unter Vorbemerkungen über die objektive Entwicklung 
der Medizingeschichte im letzten Decennium einen Ueberblick über die 
aus dem Altertum überkommenen Sägen teils in Originatstücken, teils 
aus antiken Darstellungen. Er behandelt den Gegenstand nach den 
Verhältnissen der Steinzeit, der Bronzezeit, des Mittelalters und der 
Neuzeit. Vortr. demonstriert Originalsägen aus der Steinzeit und be¬ 
spricht die Operationsmöglichkeit mit diesen. Gleichzeitig liefert die 
Geschichte der Knochensäge einen Ueberblick über die Geschichte der 
KnochenoperationeD, die er als Trepanation und Amputation zusammen- 
fasst. Mit den Steininstrumenten hat er in wenigen Minuten eine 
Trepanation ausgeführt. Er bespricht deren technische Möglichkeiten 
und das Instrumentarium. Dann hat er aber auch mit zwei Original¬ 
messern und Sägen aus der Steinzeit in 4 Minuten die Amputation eines 
Vorderarms ausgeführt, deren glatte Wundränder demonstriert werden. 

Broncezeit: Es werden die Broncesägen des Altertums demonstriert, 
deren chirurgischer Zweck fraglich ist. Es besteht die Unmöglichkeit, 
mit diesen eine Amputation auszuführen. Auch der Leicbenversuch mit 
einer La Teno-Säge fällt negativ aus. Die literarische Umschau zeigt 
aber die genaue Bekanntschaft der Alten mit der Amputationsteebnik. 
Vortr. zeigt nun die Sägemodelle, die den Alten in anderen Gewerben 
genau bekannt waren und die bei den Etruskern, Griechen, Römern und 
Aegyptern mit unseren modernen Instrumenten übereinstimmend sind. 
Da nun überall, wo ärztliche Instrumente plastisch und im Bilde dar¬ 
gestellt werden, die Säge fehlt, so scbliesst der Vortr. daraus, dass die 
Kuochenoperationen im Altertum unpopulär waren. Es kommt als Unter¬ 
stützung hinzu, dass auf anderen Gegenständen der Kunst Darstellungen 
von Amputierten völlig fehlen, und dass die zwei antiken Persönlichkeiten 
mit amputierten Gliedmaassen, Sergius und Hegesistratus, die Extremitäten 
nicht durch die Kunst der Aerzte verloren. 


Original from 

ir sity qf iowa 


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27. Joli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1437 


Dagegen waren SchädelOperationen häufig. Holländer demon¬ 
striert nun zwei neuere Funde von Instrumenten aus der La T&ne- 
*eit, die als chirurgische Sammelfunde ein besonderes Interesse 
verdienen. Die beiden Sägen, die sich vorfanden, sind offenbar bisher 
in ihrem Zweck verkannt worden. Es sind feine, gestielte Instrumente, 
deren Sägeblatt im Querschnitt conisch gebildet ist. Es ist technisch 
unmöglich, mit diesen Sägen einen Knochen zu durchsägen, der dioker 
ist als die Schädelkapsel; denn sofort keilt sich die Verdickung des 
Sägeblattes nach oben ein. Das ist aber wieder ein Vorteil bei der 
Trepanation zur Vermeidung von Verletzungen der Hirnhaut. Auch die 
weiteren Instrumente dieser Funde sprechen für diesen Zweok, nament¬ 
lich der Knochenlöffel. Auch stimmen die Instrumente mit denjenigen 
überein, die die Naturvölker heute noch benutzen. Vortr. zeigt eine 
Trepanation, die er mit der Berliner Säge ausgeführt. Er demonstriert 
dann die Entwicklung der Säge im Mittelalter aus dem reichen Bestände 
der Sammlung im Kaiserin Friedrich-Haus. 

3. Hr. A. Israel: 

Blutgerinnung ia Körperhöhlen. (Nach gemeinsamen Versuchen mit 
Herrn A. Herzfeld.) 

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Blutungen z. B. aus Leber- 
wnnden durch Ueberpfianzung von Netz gestillt werden können. Dabei 
ist zu erwägen, ob das Netz als Tampon oder durch unbekannte 
chemische Eigenschaften blutstillend wirkt. Wenn nun auf der anderen 
Seite den serösen Höhlen im allgemeinen gerinnungshemmende Eigen¬ 
schaften zugeschrieben werden, so wäre im Hinblick darauf, dass ja das 
Netz der Bestandteil einer serösen Höhle ist, ein Widerspruch in dieser 
Hypothese zu konstatieren. 

Ferner hat man in der Gelenksmembran das Gerinnungshemmende 
gesehen und sie darin mit der Intima der Gefässe in Parallele gestellt, 
so z. B. Lübbe (als Assistent Lauenstein’s), der eine Schädigung der 
Gelenkswand als für die Gerinnung notwendig ansah, während Jaff6 
die Gelenkschmiere als gerinnungshemmeod ansah. Riedel hat als einer 
der ersten die Frage experimentell durch Einspritzen von Blut in Hunde- 
gelenke behandelt und gefunden, dass 2 /s des Inhalts nach l J 2 Stunde 
noch ungeronnen war, während Kocher noch nach 3 Wochen flüssiges 
Blut fand. 

Vortr. bat nun erst einmal, was merkwürdigerweise bisher nicht ge¬ 
schehen, die Frage beantwortet: Was wird aus dem Punktat? Ge¬ 
rinnt es sofort? Er fand, dass in 6 Fällen von Hämarthrose das Blut 
ungeronnen blieb, da sich ergab, dass in jedem Falle der Inhalt un- 
gerinnbar, weil fibrinogenfrei war, also aus Serum bestand. Auch 
im Experiment, im Anschluss an die Riederschen Versuche, ergab sich, 
dass das Punktat, welches nach einer Viertelstunde geronnen war, nach 
2—3 Stunden eine flüssige, fibrioogenfreie Masse, also Serum darstellte. 
Dass die Synovia keine gerinnungshemmende Eigenschaft besitzt, ist ein- 
waodsfrei erwiesen, denn trotz Zusatz von Synovia (gewonnen aus mehreren 
Hundegelenken) trat nach Zerstörung des Thrombins durch Hirudin — 
keine Gerinnung ein! — Aehnlich waren die Resultate bei Punktaten 
der Pleura und des Peritoneum, die immer ergaben: wenig Coagula, 
grössere Mengen anscheinend flüssigen Blutes, das aber immer Serum, 
nie Plasma enthielt. 

Diskussion: Hr. Katzenstein. Holler. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cnltnr zn Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 15. Mai 1914. 

Hr. Tietze: Ueber eine eigenartige traumatische Oelenkkontraktnr. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. Hr. Coenen zieht aus den Ausführungen Tietze’s 
über die eigentümlichen Krallenstellungen der Hand bei der arthrogenen 
Kontraktur und aus dem von 0. Foerster zur Erklärung herangezogenen 
phylogenetischen Moment, das durch das Fehlen des Willenimpulses 
die menschliche Hand zu einem krallenartigen Gebilde herabsinken lässt, 
den Schluss, dass die normale Entwicklung und Stellung der mensch¬ 
lichen Hand auf die Willenskraft und Intelligenz, also auf die Grosshirn- 
Jmktion, zurückzuführen ist. Damit stimmt längst die Auffassung des 
Volkes überein, indem das Wort „Begreifen“ nicht das Betasten mit den 
Fingern, sondern da9 Verstehen mit dem Gehirn bedeutet. 

Hr. Coeien; Ueber das Hidradenoma eylindromatosum der Kopf- 
schwarte ist eine typische pilzförmig autsitzende, meist etwas gelappte 
Geschwulstform, die in Jahrzehnten langsam bis zu Kastaniengrösse oder 
Eigrösse beranwächst und gutartig ist. Mikroskopisch ist der Aufbau 
ganz typisch. Der Tumor besteht aus langen und dicken hyalinen 
Schläuchen, die von cylindrischen Zellen ausgefüllt sind, indem sie 
manchmal die Schläuche vollständig a'nfüllen, gelegentlich aber auch 
humina freilassen, die von zweischichtigen, grossen Zellen umsäumt werden. 
Dadurch, dass die die Geschwulstzellen umgebenden und durch hyaline 
Umwandlung des'Bindegewebes entstandenen hyalinen Schläuche kolbige 
ond riffartige Fortsätze in die Alveolen hereinschicken, entsteht intra- 
Uweolares Hyalin, das zwischen den Geschwulstzellen liegt. Der Vortr. 

derartige Tumoren an der Kopfschwarte bisher 3 mal; einmal be- 
•»M Mültipliiität der Gewächse. Identisch mit diesen Beobachtungen 

die Fälle von Mulert und von van Leeuwen. Die sonst in der 


Literatur beschriebenen Schweissdrüsentumoren, z. B. die Fälle von 
Perthes und Klauber und L. Pick, haben eine andere mikroskopische 
Struktur als das Hidradenoma oylindromatosnm der Kopfschwarte, das 
nach seinem klinischen Verhalten und seinem mikroskopischen Aufbau 
eine scharf umschriebene, streng charakterisierte typische Geschwulst- 
form ist, die man, wenn man daran denkt, schon nach der makroskopi¬ 
schen Beurteilung diagnostizieren kann, obwohl sie sehr selten ist. 

Diskussion. 

Hr. Rosenfeld: Die Bezeichnung Hydradenoma für eine Geschwulst 
der Scbweissdrüsen ist sprachlich nicht gerechtfertigt: es müsste Hidra¬ 
denoma heissen (unter Analogisierung der Composita mit Hydro ). 

Hr. Tietze berichtet über ein tubulöses Schweissdrüsenadenom bei 
einem Hunde. 

Hr. Rosenfeld: Wenn die Hidradenome von den Scbweissdrüsen 
abgeleitet werden und dieser Hundetumor ein Hidradenom war, so würde 
das den Irrtum der histologisohen Herleitung beweisen, da Hunde keine 
Scbweissdrüsen haben. 

Hr. Rosen fei d: 

Ueber Diabetes innoenas and einige Pinkte der Dinbetesthernpie. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 


Sitzung vom 22. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr übt ho ff. 

Schriftführer: Herr Tietze. 

Hr. Hfirtbie: 

1. Ueber die Natnr der pilsatoriseh - elektrischen Arterienströue 
(Aktions* oder Strb'mnngsstrtiine?). (Mit Demonstration der Diapositive.) 

Nach Versuchen mit Herrn Dr. Blumenfeldt- Berlin. 

Verfasser erinnert zunächst an seine Mitteilung vom 17. Januar 1913, 
in der berichtet wurde, dass sich an den Arterien des lebenden 
Tieres sowie bei küastlicher Durchströmung überlebender Arterien elek¬ 
trische Ströme im Rhythmus der Pulse nachweisen lassen; die Frage, 
ob hier Aktionsströme vorliegen, sollte später entschieden werden. 
Am 4. Juli 1913 wurde mitgeteilt, dass sich auch bei künstlicher 
Darohströmung toter Arterien elektrische Ströme im Rhythmus 
der Pulse nachweisen lassen, die vermutlich ins Gebiet der elektro-osmo- 
tischen Erscheinungen gehören. Auf Veranlassung des Vortr. hat nun 
Herr Dr. BlumenfeIdt- Berlin im vergangenen Winter die Frage in 
Angriff genommen, ob die an lebenden Arterien nachgewiesenen Ströme 
als Aktionsströme (durch reaktive Kontraktion der Musoularis entstanden) 
zu betrachten oder physikalischer Natur sind. 

Zur Entscheidung der Frage wurden zunächst die Faktoren fest¬ 
gestellt, von welchen die in der Physik bekannten, beim Strömen von 
Flüssigkeiten durch Capillaren auftretenden und als Strömungsströme 
bezeiebneten elektrischen Potentialdifferenzen abhängen. Zur Erklärung 
derselben wird angenommen, dass an der Grenze von Wand und Flüssig¬ 
keit sich eine elektrische Doppelschicbt bildet, deren eine positiv geladene, 
deren andere negativ geladene Ionen enthält. Bei der Strömung werden 
die Schichten getrennt, und es entsteht eine Potenzialdifferenz. 

Die elektrischen Ströme wurden mit Hilfe eines Saitengalvanometers 
registriert. 

Bei den an Glascapillaren angestellten Versuchen ergab Bicb, zum 
Teil als Bestätigung früherer Festellungen, folgendes: 

Die elektromotorische Kraft ist abhängig von der Natur der Flüssig¬ 
keit, grösser bei destilliertem Wasser als bei Salzlösungen, steigt mit 
der Temperatur und der Geschwindigkeit der Flüssigkeit und ist bei 
Capillaren unabhängig von Länge und Querschnitt, während sie bei 
weiteren Röhren mit Zunahme des Querschnittes stark abnimmt. Sie 
tritt ferner nicht allein bei konstanter, sondern auch bei rhythmischer 
Durohströmung auf und zeigt sich dann in der Form von monophasischen 
Stromschwankungen. 

Zu den Versuchen mit abgetöteten Arterien wurden solche 
vom Hund, Pferd und Rind in ihren natürlichen Dimensionen getrocknet, 
nach Tagen oder Monaten wieder mit RingerlösuDg aufgeweicht und 
rhythmisch durchströmt. Für besondere Zwecke wurden in Alkohol ge¬ 
bartete Arterienstücke verwandt. Bei der rhythmischen Durcbströmung 
dieser Arterien zeigten sich im allgemeinen dieselben Faktoren lür die 
Entstehung der elektromotorischen Kraft wirksam wie bei Glasröhren, 
und auch die Form der Schwankungen war übereinstimmend. Die elektro¬ 
motorische Kraft war grösser bei Verwendung von destilliertem Wasser 
als bei Salzlösungen, nahm zu mit der Temperatur und mit der Ge¬ 
schwindigkeit. Dagegen zeigte sich ein wesentlicher Unterschied im 
Einfluss des Durchmessers: während eine Glasröhre von 8 mm Durch¬ 
messer kaum sichtbare Ausschläge lieferte, gaben Carotiden vom Pferd 
und Aorten vom Hund, deren Durchmesser etwa dreimal so gross ist, 
cet. par. sehr deutliche Ausschläge von 0,1 M.-V. Dass diese Ver¬ 
schiedenheit nicht vom Unterschied der Elastizität der Röhren abhäogt, 
wurde in besonderen Versuchen festgestellt. Man muss aunebmen, dass 
er auf der Imbibitionsfäbigkeit der Wand beruht, da gehärtete und wieder 
anfgeweichte Gelatineröhrchen sich ebenso verhalten. Zur Erklärung 
kann man hypothetische Annahmen machen, die hier übergangen werden 
sollen. 

Zur Untersuchung überlebender Arterien wurden Hunde¬ 
arterien unmittelbar nach der Entnahme aus dem Körper benutzt, während 
die vom Sohlachthof bezogenen Rinder- und Pferdearterien vor der 


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Original fro-m 

UNIVERS1TY OF IOWA 





1438 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


Untersuchung einige Stunden unter Druck gesetzt und bei Körper¬ 
temperatur gehalten wurden. Die bei rhythmischer DurchströmuDg von 
diesen gewonnenen elektrischen Schwankungen waren in ihrer Form von den 
von toten Arterien abgeleiteten nicht zu unterscheiden, waren also gleich¬ 
falls monophasisch und zeigten sich in gleicher Weise abhängig von der 
Stromstärke, der Temperatur und der Natur der Flüssigkeit. Auch die 
Zeit hatte keinen deutlichen Einfluss mit Ausnahme eines einzelnen 
Falles, in welchem der 2 Stunden nach der Entnahme beobachtete Aus¬ 
schlag 0,06 M.-V. betrug, nach 4 Stunden auf 0,38 stieg, um nach 
6 Stunden wieder auf 0,1 M.-V. zu fallen (ohne Aenderung der Form). 
Da diese Erscheinung nur einmal beobachtet wurde, kann ihr eine aus¬ 
schlaggebende Bedeutung nicht zugescbrieben werden, und man kommt 
daher zu dem Ergebnis, dass die tür Strömuugsstrome verantwortlichen 
Faktoren in den elektrischen Erscheinungen überlebender Arterien in 
gleicher Weise wirksam sind wie bei toten. Unter diesen Umständen 
wurde von der Anwendung gefässerregender Mittel (Adrenalin 
u. a.) der Nachweis eines entscheidenden Unterschiedes zwischen totem 
und lebendem Material erwartet. Tatsächlich zeigte sich fast in allen 
Fällen ein Einfluss dieser Mittel auf die elektrischen Ströme, bestand 
aber merkwürdigerweise bald in einer Verstärkung, bald in einer Ab- 
schwäcbuog der Ausschläge, und da auch bei den abgetöteten Arterien 
ein Zusatz dieser Mittel zur DurchströmuDgsflüsaigkeit häufig die Grösse 
des Ausschlags änderte, konnte auch mit dieser Methode ein unzwei¬ 
deutiger Unterschied zwischen toten und lebenden Arterien nicht fest¬ 
gestellt werden. Das Ergebnis dieser Versuche besteht daher darin, 
dass die an lebenden Arterien nachweisbaren pulsatorisch- 
elektrischen Ströme im wesentlichen von denselben Faktoren 
veranlasst werden, die für die Strömungsströme an leblosen 
Röhren maassgebend sind. Sollten daneben noch Aktionsströme 
mitwirken, so müssten diese von einer GrÖssenordnung sein, die dem 
Nachweis durch die angewandte Methode entgeht. 

Schliesslich wurden die Arterien frischer menschlicher 
Nabelschnüre der künstlichen Durchströmung unterworfen. Die von 
diesen abgeleiteten elektrischen Ströme verhielten sich nun wesentlich 
anders als die der Körperarterien: In erster Linie war die Form nicht 
monophasisch, sondern es traten bei jedem Pulse eine Reihe von Einzel¬ 
schwankungen auf. Zweitens verschwanden diese Schwankungen 
nach Verlauf von etwa 4 Stunden, und drittens hatte das 
Adrenalin einen regelmässigen Einfluss im Sinne einer Abschwäobung 
der Ausschläge. Aus diesen Unterschieden ist zu schliessen, dass die 
von der Nabelschnur ableitbaren elektrischen Ströme anderer Natur sind 
als die an toten oder lebenden Arterien fest gestellten. Und die näcbst- 
liegende Annahme ist die, dass es Aktionsströme sind, welche durch die 
pulsatorische Dehnung der Wand entstehen. Wodurch der Unterschied 
im Verhalten der Körper- und Nabelarterien veranlasst ist, ob prinzipielle 
Verschiedenheiten der Muskulatur oder in der Anordnung oder Masse 
der Muskeln entscheidend sind, diese Fragen zu beantworten, muss 
späteren Untersuchungen Vorbehalten bleibeD. 

II. Kritischer Bericht über das Bach von K. Hasebroek: Ueber 
den extracardialen Kreislauf des Blutes vom Standpunkt der Physio¬ 
logie, Pathologie und Therapie. Jena 1914. 

Der Vortr. beabsichtigt nicht, einen fortlaufenden Bericht über den 
Inhalt des Buches zu geben, sondern nur die eigenartigen Vorstellungen 
des Verfassers zu erörtern und sich zu den Gründen zu äussern, mit 
denen Verfasser seioe Ansicht zu stützen sucht. Das wesentliche dieser 
Ansicht ist die Annahme, dass das Herz nicht die einzige treibende 
Kraft des Blutstromes darstellt, sondern durch aktive Tätigkeit nicht 
allein der Arterien, sondern auch der Capillaren und Venen unterstützt 
wird. Diese Ansicht wird durch physiologische, pathologische, pharmako¬ 
logische und histologische Erfahrungen, sowie durch vergleichend 
anatomische Betrachtungen zu begründen versucht. Von diesen Er¬ 
fahrungen ist zwar keine einzige derart, dass sie als Beweis für die 
Ansicht des Verf. gelten könnte, und Verf. gibt im Rückblick zu, 
dass seine Ansicht eine „nur mögliche 0 oder „wahrscheinliche 0 Deutung 
sei; allein im Laufe des Buches erscheinen viele dieser Deutungen als 
Tatsachen, die geeignet sind, irrige Vorstellungen zu verbreiten und 
daher Dicht ohne Widerspruch bleiben dürfen. Für die Arterien 
wird die „grundlegende Annahme einer puls&torisch ver¬ 
einigten Aspiration-Propulsion 0 aufgestellt, die sich aus „pres- 
soriscber Systole“ und aspiratorisch wirkender Diastole zusammensetzt. 
„Je weiter stromabwärts die Eigenarbeit des Systems einsetzt, um so 
mehr dominiert eine aspiratorisobe Vergrösserung des Blutdruckgefälles 
von seiten der Peripherie, und je weiter stromaufwärts die Eigenarbeit 
des Systems mitwirkt, um so mehr kommt dies in einer propulsatori- 
schen Vergrösserung des Blutdruckgefälles nach der Peripherie hin zum 
Ausdruck.“ „Beide Effekte zusammengeDommen müssen aber für die 
Aorta, als am weitesten central gelegen, immer eine Aspiration bedeuten.“ 
Diese Tätigkeit wird durch die pulsatorische Druckschwaukung ausgelöst, 
ausserdem nimmt Hasebroek an, „dass mit hoher Wahrscheinlichkeit 
das sympathische System es ist, das an der Lieferung spezifisch rhyth¬ 
mischer Reize beteiligt ist“. 

Die Gründe, die Hasebroek für seine Ansicht anführt, bestehen 
zunächst aus den von mir beobachteten Erscheinungen, unter welchen 
dem „Nachweis der pulsatorischen Aktionsströme 0 die grösste Bedeutung 
beigelegt wird. Was es damit für eine Bewandtnis hat, haben wir ge¬ 
sehen. loh bin aber nooh nicht überzeugt, dass Hasebroek daraufhin 
den „Beweis“ fallen lassen wird, denn abgesehen von den Beobach¬ 


tungen an der Nabelarterie hat Hasebroek im Anschluss an meine 
Mitteilung in dieser Gesellschaft vom 4. Juli 1913 in seinem Buche be¬ 
reits zu „dieser scheinbar für unsere Beweisführung gefährlichen Fest¬ 
stellung“ sich geäussert: Er zweifelt, ob die getrockneten Arterien 
wirklioh „molekular tot“ sind und hält es für mögtich, „dass gerade 
durch Eintrocknen latent gewordene Erscheinungen des Zelllebens durch 
zugefübrtes Wasser wieder bemerkbar werden.“ Da diese Meinung 
höchstens für gewisse Pflanzensamen gilt, . erübrigt sich hier eine 
weitere Erörterung. Die weiteren Erscheinungen, die von Hasebroek 
zum Beweis für die aktive Tätigkeit der Gefässe angeführt werden, 
sind: die grössere Amplitude des Cruralis — im Vergleich zum Carotis¬ 
puls, die „systolische Schwellung“ des arteriellen Biutstroms, sowie 
teilweise veröffentlichte Versuche meines Schülers Fritz Schaeferüber 
den Vergleich der Stromstärke im künstlich durchströmten Hinterbein 
des Frosches bei rhythmischem und konstantem Druck, mit und ohne 
Anwendung gefässerregender Mittel. Die hier beobachteten Erscheinungen 
lassen sich tatsächlich nicht ohne weiteres aus den Gesetzen der Strom- 
und Wellenbewegung ableiten und haben mich selbst veranlasst, die 
Hypothese einer aktiven Tätigkeit der Arterien dafür in Betracht zu 
ziehen. Allein die Tatsachen sind bis heute noch nicht so weit analysiert, 
dass sie als Beweis für die Hypothese betrachtet werden düiften. Das¬ 
selbe gilt für die weiteren von Hasebroek beigebracbten indirekten 
Beweise, die, noch weniger klargestellt als die erstgenannten, zum Teil 
einer anderen Deutung fähig oder unrichtig sind. So z. B. die Angabe 
von Bayliss, dass die Arterien auf Drucksteigerung mit Kontraktion 
reagieren, die in Wirklichkeit einer im Versuch erzeugten und un¬ 
bemerkt gebliebenen Erhöhung des Adren&lingebalts des Blutes zuzu¬ 
schreiben ist (v. An rep). 

Die Behauptung, dass zur Erklärung der Hypertrophie der Arterien- 
w&nd die Erhöhung des Innendrucks unzulänglich oder „misslich“ sei, 
weil sie „nur vermehrte Widerstände setzen könnte“, kann ich nicht für 
zutreffend halten, weil die Hypertrophie der Arterienwand durchaus 
nicht notwendig mit einer Verengerung des Lumens verbunden ist. 

Zusammenfassend kann ich mich über diesen Teil der Hasebroek- 
schen Anschauungen folgendermaassen äussern: Wenn ich auch den Be¬ 
weis für eine aktive Tätigkeit der Arterien nicht als erbracht betrachte, 
gebe ich doch die Möglichkeit oder sogar eine zurzeit bestehende Wahr¬ 
scheinlichkeit dieser Hypothese zu. Dagegen ist mir unklar geblieben, 
womit Hasebroek die Annahme einer aktiven Diastole und damit einer 
aspiratorischen Wirkung der Arterien rechtfertigen will. Die Haupt¬ 
stütze scheint mir das Verhalten des Blutdrucks bei der Muskelarbeit 
zu sein, der nach Hasebroek bei mässigen Graden der Arbeit sinkt, 
bei höheren Graden aber steigt. Das Steigen wird durch verstärkte 
Tätigkeit des Herzens unter Mitwirkung der „pressoriseben Funktion“ 
der grösseren Gefässe erklärt, während die Senkung einer Aspiration im 
Gebiet der peripheren Arterien zugeschrieben wird. Ich wüsste aber 
nicht, was einer Erklärung dieser Erscheinung mit Hilfe des „land¬ 
läufigen Tonus“ im Wege stünde, und habe den Eindruck, dass Hasebroek 
nur durch eine mir nicht verständliche Vorstellung über die Wirkung 
der Erweiterung und Verengerung der Arterien auf Druck und Strom zu 
seiner Annahme kommt. Dieser Eindruck beruht auf einer Anzahl von 
Sätzen, von welchen ich als Beispiel den folgenden anführe: „Dass die 
Nierengefässe unter steigender Diurese aspirieren, steht fest, da nach 
Landergren und Tigerstedt bei Transfusion von Diureticis der 
Seitendruck in der Nieren&rterie abnimmt unter Zunahme der die Niere 
durchströmenden Blutmenge.“ Dieser „Beweis“ für die aspiratorisobe 
Wirkung der Gefässe erscheint mir ebenso zwingend, wie wenn man 
einem Wasserhahn, dessen verstärkte OeffnuDg verstärkten Abfluss zur 
Folge hat, eine aspiratorisobe Wirkung zuschreiben wollte. Die Hypo¬ 
these der aspiratorischen Wirkung der Arterien scheint mir daher aus 
der Luft gegriffen. 

Die zweite, auf Rosenbaoh zurückgehende Vorstellung Ut die An¬ 
nahme selbständiger Triebkräfte im Capillargebiet, die teils 
auf „vitale Kräfte“ des Stoffwechsels, teils auf „rhythmisch inter¬ 
mittierende CapillarbeweguDgen“ zurückgeführt werdeD. Die Berechti¬ 
gung dieser Hypothese wird zunächst aus der Behauptung abgeleitet, dass 
die Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen zur Unterhaltung des 
Blutstroms in den Capillaren nicht ausreiche, und diese Behauptung 
ihrerseits wird auf die Autorität von Reoklinghausen gestützt, nach 
welchem angeblich „bei der Entzündung keineswegs das Lumen der 
Gefässbahnen über den Grad der Strömung entscheidet, denn 
er stellte fest, dass das Blut in der Stase bei offenen Arte¬ 
rien und Venen stillsteht“. Ich habe nun das zitierte, 24 Seiten 
lange Kapitel III durcbgelesen, ohne diese Behauptung bestätigt zu 
finden; vielmehr gibt Recklinghausen in allen Fällen eine ErklaraDg 
für das jeweilige Verhalten des Blutstroms. Die andere Begründung, die 
Annahme „rhythmisch intermittierender Capillarbewegungen“ wird auf 
Abbildungen von Gradin es cu gestützt, in welchen Blutcapillaren unter An¬ 
wendung von Adrenalin ein perlschnurähDliehes Aussehen annebmen, sowie 
auf dessen Angabe, dass bei einer gewissen Konzentration des Adrenalins 
die Geschwindigkeit in den Capillaren zunähme. G. beobachtete den 
Strom in den Capillaren des Froschmesenteriums bei künstlicher Durch- 
strömung der Aorta mit Locke’scber Lösuüg, der Adrenalin zugesetzt 
war. Seine kurze Beschreibung lautet 1 ): „Man bemerkt im Anfänge ein 
Zunebmen der Geschwindigkeit der Strömung in den Capillaren; spater 
nimmt diese fortwährend ab, und manchmal hört sie sogar auf; letzteres, 


1) Pflüg. Arch., Bd. 152, S. 222. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1439 


tenu der Gebalt der Lösung an Adrenalin zu gross ist. Die Capillaren 
«eigen Einschnürungen, und an einigen Stellen verengt sich die innere 
Oefinung, so dass sie eine wirkliche ringförmige Strikter ihrer Bahn 
zeigen. Die roten Blutkörperchen können trotz ihrer Elastizität nicht 
durch diese Verengungen durchkommen.“ Ueber die Ursache der Zu¬ 
nahme der Geschwindigkeit im Beginn der Wirkung macht G. keine An¬ 
gabe; es steht daher gar nichts im Wege, sie einer vorübergehenden Er¬ 
weiterung der Capillaren zuzuschreiben. Eine „aktive Erhöhung der 
Stromgeschwindigkeit“ kann man nur mit einer vorgefassten Meinung 
d&ria sehen. Was die Formänderung der Capillaren betrifft, so ist ihre 
Wirkung auf den Strom von G. in unzweideutiger Weise geschildert, und 
es wird die Beobachtung in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man den 
Aenderungen der Capillaren, von denen zudem mit keinem Wort gesagt 
ist, dass sie rhythmisch erfolgen, einen fördernden Einfluss auf den Strom 
zuschreibt. 

Die zweite Vorstellung, dass der Stoffwechsel zwischen Blut und 
Geweben zu den treibenden Kräften des Blutstroms gehöre, übersiebt 
nicht allein, dass Zu- und Abstrom aus den Capillaren im Durchschnitt 
gleich gross sind, sondern auch, dass eine solche Flüssigkeitsbewegung, 
selbst wenn sie einseitig erfolgen würde, niemals einen Strom von 
bestimmter Richtung erzeugen könnte. Das Experiment, mit dem 
H. seine Vorstellung zu beweisen sucht, zeigt nur, wie irreführend 
Versuche an einem Schema sind, wenn die Bedingungen nicht dieselben 
sind wie im lebenden Körper. H. beweist, dass, wenn man durch 
eiue Seitenöffnung an einer wasserdurchströmten Röhre mit einer Spritze 
saugt, „die Seitendrücke prinzipiell peripherwärts erniedrigt“ werden. 
Das ist selbstverständlich, und zwar muss die Erniedrigung um so 
stärker ausfallen, je rascher das Ansaugen stattfiodet; beim langsamen 
Zuruckzieben des Spritzenstempels wird es unmerklich, und wenn man 
auf der anderen Seite der Röhre ebensoviel Zuströmen lässt, als man 
auf der einen absaugt, heben sich die Wirkungen auf. ln dieser Weise 
musste man aber das Experiment anstellen, um die Wirkung des Stoff¬ 
wechsels auf die Strömung in den Capillaren zu schematisieren. 

Das Heranziehen komplizierter „biologischer“ Erklärungen in Fällen, 
in denen man einer einfachen physikalischen Auslegung kaum ausweichen 
kann, wird nur dadurch einigermaassen verständlich, dass H. die 
physikalischen Grundbegriffe nicht in der üblichen Weise benutzt. Das 
gilt in erster Linie für den Begriff des Widerstandes, dessen An¬ 
wendung das folgende Beispiel zeigen möge: Es gibt Hunde, bei denen 
Adrenalin keine Blutdrucksteigerung bewirkt trotz „Blässe der Schleim¬ 
haut und Blutarmut der Muskeln“. Das ist gewiss sehr merkwürdig, 
und es müsste zunächst das Verhalten des Herzens sowie der übrigen 
Gofässprovinzen festgestellt werden, ehe eine Erklärung dieser Erschei¬ 
nung ausgesprochen wird. H. zieht aber den Schluss: „Das beweist, 
dass die sichtbare Verengerung der kleinsten Gefässe in einem selbst 
grossen Gebiet an sich nicht notwendig Widerstände für das ganze System 
zu schaffdn braucht.“ Nach der „exakten Physiologie“ wird der Wider¬ 
stand bestimmt durch die Viscosität des Blutes einerseits und die Di¬ 
mensionen des Röhrensystems andererseits, und zwar haben die Durch¬ 
messer den grössten Einfluss. Wenn daher H. der Verengerung der 
Gefässe einen notwendigen Einfluss auf den Widerstand absprioht, 
so setzt er sich in Widerspruch mit den physikalischen Grundbegriffen 
und macht damit jede Diskussion unmöglich. Eine Unklarheit im Be¬ 
griff des Widerstandes sehe ich auch darin, dass H. den Lungengefässen 
eine „pressorische und aspiratorische Eigentätigkeit“ zuschreiben zu 
müssen glaubt, um den „merkwürdig“ geringen Widerstand dieser Bahn 1 2 ) 
zu erklären. Oder wenn er die Leber als „ein wirklich biologisches, 
seitlich eingeschaltetes Pumpwerk“ betrachtet, um ihren geringen 
Widerstand verständlich zu machen. Hier fehlt die Einsicht, dass die 
Durchflussmenge, die ja dem Widerstand umgekehrt proportional ist, in 
einem zusammenhängenden System von Röhren, nicht allein vom Durch¬ 
messer und von der Länge, sondern auch von der Zahl der Röhren, ins¬ 
besondere der engsten, abbängt: durch 10 nebeneinander geschaltete 
Capillaren fliesst cet. par. zehnmal soviel ab als durch eine, oder um 
durch 10 Capillaren in der Zeiteinheit dieselbe Flüssigkeitsmenge zu 
treiben wie durch eine Capillare, ist nur ein Zehntel des Drucks er¬ 
forderlich*). Für die Wirkung dieser Anordnung ist die Verzweigung 
der Pfortader in der Leber ein typisches Beispiel, sofern in den Läpp¬ 
chen das Blut durch eine Unzahl von Capillaren aus den Venae inter- 
lobulares zur Centralvene strömt. 

Eine weitere Veranlassung zur Nötigung, Muskelkräfte zur Er¬ 
klärung von Aenderungen des Blutdrucks beranzuziehen, besteht darin, 
dass mitwirkende Faktoren gänzlich unberücksichtigt bleiben. So wird 
*• B. nicht in Erwägung gezogen, ob oder inwieweit die unter Adrenalin¬ 
wirkung auftretende Vergrösserung der pulsatorischen Druckschwankung, 
die angeblich ohne Steigerung des Druckminimums verläuft, auf einer 
Aeoderung der Dehnbarkeit des Aortensystems beruht, eine Möglichkeit, 
auf die ich H. gleichfalls schon früher aufmerksam gemacht habe. 

Der letzte Punkt ist „die aktive Wandtätigkeit der Venen“, 
die gleichfalls rhythmisch erfolgen und in verschiedener Weise ausgelöst 
▼erden soll. 

Auf eine Diskussion der einzelnen indirekten Gründe lasse ich mich 


1) Auf wessen Autorität H. die Behauptung stützt: „trotzdem die 
Durchflussgeschwindigkeit des Blutes in der Lunge eine zehnmal so 
rasche ist als im grossen Kreislauf“, ist nicht angegeben. 

2) Auf diesen Sachverhalt habe ich schon früher (Pflüg. Arch., 
ßa - 147, S. 591) hingewiesen. 


hier nicht ein, da die Erörterung der grundlegenden Tatsachen vom 
Venenstrom die Vorstellungen Hasebroek’s in ausreichender Weise 
kennzeichnet. Auf Grund der direkten Messungen des Venendrucks, wie 
sie von anerkannten Beobachtern, z. B. von Jakobson ausgefübrt 
wurden, nimmt der Druck im Venensystem von der Peripherie nach dem 
Herzen zu allmählioh ab. In den kleinsten einem Manometer zugäng¬ 
lichen Venen hat er etwa eine Höhe von 10 cm Wasser, in den grossen 
in den Thorax einmündenden Veoen ist er negativ; es besteht also ein 
natürliches Gefälle von der Peripherie nach dem Centrum, das zur Er¬ 
klärung des Stroms ausreicht. Nach Hasebroek dagegen ist das Ver¬ 
halten des Drucks ein ganz anderes: Der Druck zeigt ein Maximum in 
den mittleren Venen und lallt von hier nach beiden Seiten ab, indem 
er nicht nur in der Nähe des Herzens, sondern auch in der Nähe der 
Capillaren negativ wird. „Man mache sich physikalisch die Konsequenzen 
dieser Entdeckung für die Auffassung über die Rückströmuug des Bluts 
durch die Venen klar: am Anfang und am Ende des venösen Systems 
herrscht negativer Druck, dazwischen befinden sich Strecken mit posi¬ 
tivem Druck!“ Die „Entdeckung“, von der die Rede ist, ist in einer 
vorläufigen Mitteilung zweier klinischer Assistenten beschrieben, die bei 
der Verbindung der Oeffnung eines Röhrenknochens mit einem Mano¬ 
meter negativen Druck beobachtet haben wollen. Diese allen Erfah¬ 
rungen widersprechende Angabe wurde von meinem ehemaligen 
Assistenten Dr. Roth mann mit Registrierung der auftretenden Drucke 
nachgeprüft, wobei sich keine Spur von negativen Werten ergab. Die 
„Entdeckung“ beruht ohne Zweifel auf der Art der Handhabung des 
Manometers. Am Ausfall des Experiments konnte man von vornherein 
nicht zweifeln; sobald der Knochen angebohrt ist, fliesst Blut aus, und 
es ist meines Wissens nicht bekannt, dass bei der Verletzung von Ex¬ 
tremitätenknochen Luftembolien entstehen. Obwohl Hasebroek die 
Widerlegung durch Rothmann bekannt war, verwertet er doch die von 
vornherein unwahrscheinliche Behauptung zur Konstruktion seines sonder¬ 
baren Gefälles im Venenstrom, zu dessen Erklärung allerdings weitere 
periphere Kräfte erforderlich wären. 

Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich in vielen Punkten der 
Beweisführung Hasebroek’s die Bemühung vermisse, die Erscheinungen 
des Blutkreislaufs in Einklang mit den physikalischen Grundtatsachen 
zu bringen. Wer für neue Anschauungen in der Wissenschaft An¬ 
erkennung sucht, der muss den Nachweis erbringen, dass die vor¬ 
liegenden Erfahrungen sowie die geltenden Vorstellungen und Begriffe 
zur Erklärung gewisser Tatsachen unzureichend sind, oder dass sie mit 
diesen in Widerspruch stehen. Die „Tatsachen“ aber dürfen nicht 
zweifelhafter Natur sein. Ich bedauere, den Bemühungen eines viel¬ 
beschäftigten Arztes, vor dessen Streben nach Erkenntnis ich die grösste 
Hochachtung habe, nicht mehr Beifall zollen zu können, glaube aber 
doch, dieses Urteil Ihnen nicht vorenthalten zu sollen, weil ich be¬ 
fürchte, dass das Buch bei manchem mit den Tatsachen weniger ver¬ 
trauten Leser zu einer Verwirrung der Vorstellungen und Begriffe 
führen kann. 


Sitzung vom 12. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriltführer: Herr Rosenfeld. 

Hr. Jeger: Der gegenwärtige Stand der Blatgefftssehirnrgie. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Coenen berichtet über einen 60jährigen Patienten mit einem 
schnellwachsenden, kleinzelligen Rundzellensarkom der linken Leisten¬ 
gegend, bei dem die Vena femoralis oberhalb des Zuflusses der Vena 
saphena 5 cm reseziert werden musste, während die Sobeukelarterie sich 
von dem Tumor abschieben liess. Da während der Abklemmung der 
Scbenkelvene die ganze Extremität blau wurde und anscbwoll und nach 
und nach eine totenfleckenähnliche Verteilung des Blutes bekam, so 
schien das linke Bein stark gefährdet, und es wurde dem Patienten die 
linke Vena jugularis interna exstirpiert und rechtläufig in den Defekt 
der Vena femoralis eingenäht; hierbei kam der Bulbus jugularis nach 
oben zu liegen (s. nachstehende Abbildung). Als die Klemmen von der 
Vene abgenommen wurden, füllte sich sofort die transplantierte Gefäss- 
strecke prall an, und das angestaute kalte Blut am linken Bein zog 
augenblicklich ab, so dass daselbe eine normale Farbe und Wärme 
bekam. Wegen des bei der Exstirpation des Sarkoms entstandenen 
grossen Hautdefekta musste eine ausgedehnte Lappenplastik gemacht 
werden, die das überpflanzte Gefäss bedeckte. Heilung. 

Man kann vielleicht einwenden, dass möglicherweise nach der 
Venenligatur die Gangrän der Extremität nicht eingetreten wäre, dem¬ 
gegenüber muss aber auf die eklatanten, äusserlich gut sichtbaren, be¬ 
drohlichen Erscheinungen am linken Bein aufmerksam gemacht werden, 
die nach der Gefässüberbrückung sofort verschwanden. Ferner hat 
Wilh. Braune 1 ) die Col lateral bahnen genau studiert und auf Grund 
seiner ausgezeicbnetea anatomischen Studien erklärt, dass die Ligatur 
der Vene am Poupart’schen Bande im höchsten Grade zu fürchten ist. 
Zugleich teilt er eine Beobachtung von Roux mit, wonach die Unter¬ 
bindung der Vena femoralis -über der Einmündung der Vena profunda 
die Gangrän der ganzen Extremität bei einem Vierzehnjährigen erzeugte. 
Ferner stellte Frankel*) unter 58 Fällen von Unterbindung der Vena 

1) Die Oberschenkelvene des Menschen. Leipzig 1871. 

2) Beitr. z. kl in. Chir., 1901. 


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BERLINER KLINISCHE WO CHENSCHRIFT. 


Nr. BO. 



Implantation eines Stückes der Vena jugularis in die Vena femoralis 
eines 60jährigen Mannes mit Sarkom der Leistengegend. Heilung. 

femoralis den Eintritt der Gangrän in 2 pCt., Wolff 1 ) dasselbe unter 
59 Fätlen in etwa 5 pCt. der Fälle fest. Nach diesen Literaturangaben 
ist man verpflichtet, die Naht der Vena femoralis zu machen, wenn, wie 
in diesem Falle, nach der Ligatur bedrohliche Erscheinungen sichtbar sind. 

Bezüglich der vom Vortr. erörterten Ueberleitung des arteriellen 
Blutes auf den Venen weg zur Heilung der angiosklerotischen Gangrän 
verweist Redner auf seine in Gemeinschaft mit Wiewiorowski an- 
gestellten Leichenversuche und auf die physiologischen Versuche von 
Roth mann und Breslauer, die diese Methode als höchst unsicher 
erscheinen lassen. 

Hr. Triepel: Das Alter menschlicher Embryonen. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. L. Fraenkel: Meine Angabe, dass die Ovulation 18 Tage nach 
der Menstruation erfolge, und dass die Schwangerschaft demnach wesent¬ 
lich jünger ist und kürzer dauert, als man bisher annahm, ist von 
kompetenter embryologischer Seite nunmehr für die Früchte selbst be¬ 
stätigt. Die Tabelle, welche uns Herr Triepel vorlegte, ist geeigneter wie 
alle bisherigen Bestimmungsmethoden, das Alter der Embryonen zu er¬ 
mitteln, weil sie eine Menge der verschiedensten Faktoren berücksichtigt. 
Es ist bemerkenswert, dass er auf diese Weise eine Anzahl junger 
Embryonen erst richtig im Alter bestimmen konnte, ferner dass seine 
Grenzzahl für das Erscheinen der Ovulation fast genau in den gleichen 
Werten sich bewegten wie meine autoptischen Befunde bei der Laparo¬ 
tomie: 11—26 Tage nach der Menstruation. Der Vortragende hat aber 
vollkommen recht, wenn er darauf hinweist, dass das nur selten vor¬ 
kommende Grenzwerte sind, vielmehr im allgemeinen fast immer die 
Zahlen 18 oder 19 oder deren Nachbarn wiederkehren. Das hat sich 
mir auch wieder in der letzten Serie von 88 Laparotomien ergeben, die 
in meiner „Normalen und pathologischen Sexualphysiologie des Weibes“ 

mitgeteilt sind. . 

Vielleicht darf ich bei Gelegenheit der uns heute demonstrierten 
Tabelle darauf hinweisen, dass in der Entwicklungsgeschwindigkeit der 
Embryonen das individuelle, ungleichmässige, ja sprunghafte Wachstum 
eine grosse Rolle zu spielen scheint. Die Beweismittel dafür sind zum 
Teil klinische, also nicht vollwertige, die erst durch die stete Wieder¬ 
holung der Beobachtung an Wert gewinnen. Wir werden sehr häufig 
gefragt, ob Schwangerschaft besteht, und können trotz ausgebliebener 
Regel eine Uterusvergrösserung nicht feststellen; wenige Tage später ist 
die Diagnose dagegen absolut sicher, der Uterus erscheint schon er¬ 
heblich gewachsen. — In der Mitte der Schwangerschaft finden wir mit¬ 
unter eine Grösse des Uterus, die der Zeit der Schwangerschaft weit 
voraus ist. Wir denken schon an alles mögliche Pathologische, um 
nach 4 oder 8 Wochen durch nunmehr verlangsamtes Wachstum den 
Ausgleich herbeigelührt zu sehen. Sind diese klinischen Beobachtungen 
gelegentlich nur vorgetäusebt, so sind diejenigen dagegen sicher, die 
wir bezüglich des Endes der Schwangerschaft machen. Die Graviditäts¬ 
dauer schwankt bei Tieren ganz erheblich, bei Kaninchen mindestens um 
3 auf 30 Tage, bei Schafen um 26 auf 151, bei Stuten sollen sogar noch 

1) Beitr. z. klin. Chir., 1908. 


uuuoro uinerenzen Del einer Tragzeit von <U 7 
beobachtet sein. Beim Menschen wissen wir vollends, dass sicher über 
tragene Kinder durchaus nicht überreif und Frühgeburten mit all™ 
d - er a Rei i e *J ,r c Welt kommen könuen. Aus diesen Beobachtungen 
geht das individuell Sprunghafte und Ungleiche des Wachstums ber?or 
wodurch natürlich der Wert der obenerwähnten Tabelle nicht ge- 
handelt'* erSChemt ’ weü ea sioh j a hi8r nur u “> Durchscbnittsmaafse 


Aerztlicher Bezirksverein zu Erlangen. 

Sitzung vom 30. Juni 1914. 

Hr. F. Hauser: Vorführung der Zeiss schen Panktallinse. 

Die Bedeutung der Zeiss’sehen Punktallinse beruht darauf, dass beim 
schiefen Blick durch die Linse die Fehler der sphärischen Aberration und 
der Farbenzerlegung vermieden werden könuen. Die Oberfläche der 
neuen Linse ist nicht mehr ein Teil einer Kugeloberfläche, sondern sie 
ist asphärisch. Besondere Bedeutung besitzt die Linse für Staroperierte. 
Der Preis ist noch sehr hoch. 

Diskussion: Hr. Küramell. 

Hr. Königer-. Krankendemonstration. 

Bei einem 20 jährigen Mädchen hatten sich seit einem Jahre all¬ 
mählich Bewegungsstörungen eingestellt: Ausserordentliche Schwäche der 
Arme, besonders der Oberarme, der Rumpf- uud Nackeumuskulatur und 
der Beine, Ptosis duplex, maskeDartiger Gesichtsausdruck, Opbthalmo- 
plegia externa. Keine ’Sensibilitätsstörungen, keine Atrophie, keine Eot- 
artungsreaktion. Besserung der Erscheinungen nach vorhergehender Ruhe. 
Hervorstechendstes Symptom: ungewöhnliche Ermüdbarkeit der 
Muskeln, auch gegen den faradischen Strom. Diagnose: Myasthenia 
gravis pseudoparalytica (Jolly). Vortr. schliesst sich der Ansicht 
an, dass es sich bei dem vorliegenden Symptomenkomplex um eine 
Störung innersekretorischer Organe handeln könne (Thymus, Nebenniere, 
Nebenschilddrüse). Nach Abderhalden baute das Serum der Patientin 
in besonders starkem Maasse gerade Tbymus ab, im RöntgeDbilde ist ein 
Thymusscbatten nicht mit Sicherheit nachweisbar. Das Wesen der 
Erkrankung beruht wahrscheinlich auf einer mangelnden Entgiftung des 
Körpers, wenigstens liefert das gelegentliche Zusammentreffen mit Basedow, 
Tetanie, Addison einen Hinweis dafür. 

Diskussion: HHr. Kleist, Penzoldt, Jamin, Hauser. 

Hr. Kümmell: Ueber die Pulsation der Netzhautgefässe. 

Mit Hilfe des Güllstrand’schen Apparates, welcher eine 40—50 fache 
Vergrösserung der Netzhaut gestattet, wird nicht Dur die physiologische 
Erscheinung des Venenpulses bestätigt, sondern auch festgestellt, dass 
auch unter normalen Verhältnissen stets ArterieDpuls erkennbar ist. 

HHr. Seitz und Wintz: 

Ueber die biologische Funktion des Corpus lntenm, seine chemischen 
Bestandteile und deren therapeutische Verwendung hei Störungen 
der Menstruation. 

Aus dem Corpus luteum der Kuh konnten 2 wirksame Stoffe isoliert 
werden, welche Luteolipoid und Lipamin genannt wurden. 

Das Luteolipoid findet sich in verstärktem Maasse bei völlig aus¬ 
gereiften Corpora lutea, es beschleunigt die Blutgerinnung, bei kastrierten 
Tieren verlangsamt es dieselbe. Therapeutisch erwies es sich bei schweren 
Pubertätsblutungen und bei zu starken Blutungen älterer Leute äusserst 
wirksam, es verlängert die Intervalle zwischen den einzelnen Blutungen, 
verkleinert den Blutverlust und vermindert die Schmerzen bei der Men¬ 
struation. Unwirksam, sogar blutuDgsteigernd, wirkt es bei Myomen. 
Am kreissenden Uterus wirkt es nicht wehenerregend, die Einwirkung 
auf den menstruellen Uterus beruht wahrscheinlich in einer Anregung 
der Gefässrückbildung. 

Das Lipamin (Lipoproteid, enthält eine Aminosäuregruppe) erzeugt 
bei längerer Injektion bei Kaninchen Uterushypertrophie, auch beim 
kastrierten Tier. Therapeutisch verwendbar bei Amenorrhoen oder Oligo¬ 
menorrhoen, in 14 Fällen wurden nach 7—10 tägigem Gebrauch aus¬ 
nahmslos Menstrualblutungen erreicht, selbst in einem Falle, in welchem 
nur noch ein kleiner Ovarialrest vorhanden war, das übrige war wegen 
Ovarialcystom entfernt. , 

Zur therapeutischen Verwendung mussten beide Stoffe einige Tage 
lang subcutan injiziert werden; Anapbylaxiegefabr besteht nicht, denn 
sie wirken nicht sensibilisirend. 

Wahrscheinlich werden bei dem normalen Ablauf der Menses auch 
im menschlichen Corpus luteum diese Stoffe gebildet, und zwar nach 
Vollendung der Ovulation das Lipamin, während das Luteolipoid später 
entsteht und das Ende der Menstrualblutung herbeifübrt. 

Diskussion: HHr. Toeniessen, Wintz, Spuler, Pentzolat, 
Jamin. Stettner. 


Physikalisch-medizinische Gesellschaft zu Würzburg. 

Sitzung vom 25. Juni 1914. 

Hr. Wessely: Demonstrationen: a) Befunde bei experimentellem 
Katarakt. 

Durch Injektion geringer Mengen gallensaurer Salze in den Glas¬ 
körper gelingt es, beim Kaninchen eine langsam lortschreitende Degene¬ 
ration der Netzhaut und Aderbaut zu erzeugen, die im ophthalmoskopi¬ 
schen Bilde einschliesslich der aufsteigenden Sehnervenatropbie den beim 


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27. Joli 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Mensehen zur Beobachtung gelangenden Chorioretinalatrophien sehr 
ähnelt. So wie dort, kam es auoh in den Versuchen zu einer am hinteren 
Fol der Linse beginnenden Kataraktbildung, die in einer Reihe von 
Fällen total wurde. Die mikroskopischen Präparate ergaben dabei voll¬ 
ständige Analogien zu den beim subkapsulären Rindenstar auftretenden 
Veränderungen. 

b) Experimentelle isolierte Hornhaatanästhesie. 

Einmaliges Umfahren des Limbus corneae bei Kaninchen mit dem 
Dampfkauter schädigt die zutretenden Trigeminusendigungen derart, dass 
eine sich über 2—4 Wochen erstreckende vollständige Hornbautanästhesie 
entsteht. Eine Keratitis neuroparalytica tritt dabei niemals auf, auch 
wenn die Tränendrüse gleichzeitig exstirpiert wird. Es wird dadurch 
von neuem bestätigt, dass zur Entstehung der neuroparalytiscben Ent¬ 
zündung die Schädigung im Nerven weiter central wärts sitzen muss, 

c) Physiologische falsche Lokalisation. 

Bei abwechselnder Belichtung der Augen durch die geschlossenen 
Lider wird der Lichtschein falsch, nämlich stets temporalwärts lokalisiert, 
was auf den monokularen Anteil des diffus belichteten Auges im Gesichts¬ 
feld zuriickzuführen ist. Aehnlioh wird auch an geeigneten stereoskopi¬ 
schen Vorrichtungen die Zunahme der Lichtstärke eines der Bilder von 
der Mehrzahl der Untersuchten an einer temporalen Erhellung des 
Gesichtsfeldes des zugehörigen Auges erkannt. Dieser Unterscheidbarkeit 
rechts- und linksäugiger Eindrücke ist bei einer Reihe von Simulations- 
proben Rechnung zu tragen. 

d) Form der AngeDpnlskarve. 

Bei der graphischen Registrierung des Augendrucks stellen sich die 
einzelnen Pulse für gewöhnlich als einfache wellenförmige Erhebungen 
ohne katakrote Erhebungen dar. Letztere treten indessen auch am 
Augenpalse auf, sobald die Carotispulse stark erhöbt werden (z. B. durch 
Adrenaliniojektionen). Auch künstlich erzeugte Allorbythmen (Pulsus 
bigeminus und trigeminus) spiegeln sich in der Augenpulskurve wieder. 
Obwohl das Auge eine plethysmographische Kurve schreibt, gibt sich also 
unter Umständen sogar in der Pulsform eine völlige Uebereinstimmung 
zwischen Augen- und Blutdruck zu erkennen. Vortr. erörtert im Anschluss 
hieran von neuem diese Beziehungen und vor allem die von ihm bereits 
früher dargelegte Bedeutung der Blutdruckverschiebung im Organismus 
für die jeweilige Höbe des Augendruoks. 

Hr. Horowiti: 

Ueber di« Beziehugei zwischen Aagendnck- und Blntdrnekschw&n- 
kungen beim Menschen. 

Vortr. demonstriert das Schiötz’sche Tonometer, beschreibt dessen 
Anwendung, berichtet sodann über seine Beobachtungen und kommt zu 
dem Ergebnis, dass der Augendruok zum Blutdruck in festem Abhängig¬ 
keitsverhältnis steht Zahlreiche Versuche wurden angestellt an Frauen 
vor und nach dem Gebären, sowie an Patienten, bei denen eine Schwitz¬ 
kur indiziert war. Nur in einzelnen Fällen ergaben sich geringe Ab¬ 
weichungen des Augendruckes, die auf vasomotorische Veränderungen, 
besonders nach der Schwitzkur, zurückzuführen sind. 

Hr. E. Seifert: Scrodiagnostik von Staphylokokkenerkranknngen. 

Nach eingehender Schilderung des Prinzips und AnweDdung9weise 
berichtet Vortr. über seine Versuche mit dem Merk’schen Lysin. Von 
110 Personen hat er folgende Resultate: bei 40 Gesunden oder an in¬ 
differenten Leiden (Asthma, Herzfehler usw.) Erkrankten: negativ; 
bei SO an nicht eitrigen Erkrankungen Operierten: negativ; bei 16 nicht 
durch Staphylokokken hervorgerufene Eiterungen: negativ; bei 24 Staphylo¬ 
kokkeneiterungen: positiv. Ferner fand Vortr. noch einige positive 
Resultate bei schwereren Störungen nach Schutzpockenimpfung, wobei 
wahrscheinlich durch die Impfung eine Staphylokokkeninfektion statt¬ 
gefunden hatte, und 11 unklare Fälle, wobei weder durch Anamnese 
noch Befand eine Staphvlokokkenerkrankung sich hat n&chweisen lassen. 
Knochenerkrankung altier Leute sind oft auf Staphylokokken zurückzu¬ 
führen, nicht auf Tuberkulose. Mau soll auch andere Knochenerkrankungen, 
wie Ostitis fibrosa, ferner Hirnabscesse usw. einer Serodiagnostik auf 
Staphylokokken unterziehen. Knochenerkrankungen geben stärker posi¬ 
tive Resultate als Weiohteilerkrankungen. 


Aus Pariser medizinischen Gesellschaften. 

Acadömie de mödecine. 

Sitzung vom 26. Mai 1914. 

Hr. Xeszreir bespricht die vom Spitalpersonal heftig angefochtene 
Verordnung der obligatorischen TyphnsimpfoDg für Anwärter des 
arukeipersonals. Im November 1912 wurde die fakultative Impfung 
hei den Schülerinnen der Pflegerinnenscbule eingeführt und ohne Zwischen- 
»11 durohgeführt. Die Schülerinnen erhielten nach jedem der 4 Impf¬ 
te einen Ruhetag. Im Januar 1914 wurde die Antityphusimpfung für 
föstulanten der Spitalpflege obligatorisch, weil diese Postulanten, meist 
junge, aus der Provinz stammende Leute, besonders leicht an Typhus 
«krankten. Die Angriffe der Impfgegner stützen sich alle auf Fälle, 
me nichts beweisen; entweder handelt es sich um Wärter, die schon vor 
der Impfung Typhus acquieriert hatten, oder es handelt sioh um zufällig 
oei Geimpften eingetretene Appendicitis oder Haodphlegmone. Es wurden 
o 1064 Angestellten 4000 Impfungen ohne irgendeine Komplikation 


Diskussion. 

Hr. Chauffard erachtet es wie Herr Mesureur als Pflicht, das 
Krankenpersonal zu impfen, bei dem sonst Typhus so häufig auftritt. 
An 200 Pflegerinnen seiner Abteilung wurden nur einige leiohte Reaktionen 
beobachtet. Die Verordnung Mesureur’s ist also ein schöner Fort¬ 
schritt. Immerhin gibt es Fälle, die man nicht impfen soll; besonders 
Tuberkulöse zeigen leicht Komplikationen; leider sind gerade diese 
besonders der Typhusinfektion ausgesetzt. 

Hr. Vincent: In der Armee wurden zuerst die Krankenwärter ge¬ 
impft; unter denen, die sieb weigerten, traten zahlreiche Typhusfälle 
auf. Die Akademie billigt einstimmig die Verordnung Mesureur’s. 

Hr. Tnffler zeigt einen Fall von Virilisnos infolge Nebennieren- 
affektion. Die 62 jährige Frau trat im Dezember 1913 wegen reichlicher 
Metrorrhagien ein, welche im Zusammenhang mit einem Fibrom standen- 
Patientin hatte damals 70 g Zucker im Harn, weshalb nicht operiert 
wurde. Auffallend war die starke Entwicklung der Haare. Infolge Diät 
fiel der Zucker im Januar auf 6 g. Patientin, die sich selbst nicht 
pflegen und rasieren konnte, zeigte damals einen starken schwarzen Bart 
und Schnurrbart, stark gerötetes Gesicht mit leichtem Exophthalmus 
und eine frontoparietale Calvitis, wie sie Männern eigen ist. Ferner fiel 
die männliche Stimme und starke Entwicklung der Muskulatur auf. Die 
Genitalien zeigen starke Hypertrophie der Clitoris, die 4 cm misst und 
von einem starken Präputium bedeckt ist. Alle diese Veränderungen 
waren nach der Menopause eingetreten; Patientin hat seither auch ihre 
Lebensweise geändert und machte nur schwere Handarbeiten. Am 
3. Februar wurde die Laparotomie gemacht. Der kindskopfgrosse Uterus 
wurde entfernt. Die Exploration der Nebennieren zeigte beiderseits eine 
Gesohwulst von Fibrolipomkonsistenz über den Nieren. Der Uterus war 
nicht fibromatös, sondern nur stark hypertrophiert. Die Affektion ent¬ 
spricht dem von Gi bbert-Ballet beschriebenen Nebennierenvirilismus. 
Bei Virilismus muss man an Nebennierentumoren denken und dem¬ 
entsprechend behandeln. 


Sociötö mödlcale des höpitaux. 

Sitzung vom I. Mai 1914. 

HHr. Crouton und Foix zeigen ein Mädchen mit heredosyphilitischer 
Vitiligo. Vom 10. Jahre an entwickelte sich eine sehr starke Vitiligo 
gleichzeitig mit beredosyphilitischen. Zahnmissbildungen. Die Mutter 
bat beginnende Tabes mit positivem Wassermann, so dass die Aetio- 
logie sicher scheint und eine spezifische Behandlung verlangt. 

Diskussion. Hr. Milian hält die Vitiligo direkt für eine syphi¬ 
litische Erscheinung, direkt durch Syphilis bedingt ohne Mitwirkung 
tropbischer Störungen. 

Hr. Pagniec beschreibt oscillouetriaeke Beobachtungen bei einem 
Fall von Arteriitis bumeralis. Der 62 jährige Patient war wegen Schwache 
des linken Arms mit Sohmerzen im Ellenbogen in Behandlung ge¬ 
treten. Es fehlten Störungen bei oberflächlicher Circulation und der 
Temperatur des Arms. Daneben fehlte der Radialpuls vollkommen. 
Rechts konstatierte man eine Tensio maxima 19 und minima 9 mit 
Amplitude der Oscillationen von 7 Teilstrichen. Links konnte man den 
Blutdruck nicht messen, die sehr kleinen Oscillationen von nur einem 
Teilstrich zeigten sich bei einem Druck von 10. Nach 2 Tagen war der 
Befund der gleiche, naob 8 Tagen waren die Pulsschläge des Radialis 
wieder fühlbar; es bestand ein Druckmaximum von 15 und -Minimum von 
8 mit Amplitude der Oscillationen von 4 Teilstrichen. Nach einem Monat 
erreichten diese 5 Teilstriche, auf der gesunden Seite 7. Die Dauer der 
Erscheinungen war so lang, dass von einem Arterienspasmus nicht die 
Rede sein kann. Wahrscheinlich handelt es sioh um eine Atherompustel, 
die nach ihrem Platzen das Lumen der Arterie wieder frei machte. 

Hr. Comby und Frl. Cond nt haben mit Erfolg den Nicolle’sohen 
Antigonokokkenimpfstoff bei akuter gonorrhoiseber Vulvovaginitis der 
kleinen Mädchen verwendet. Ausser 15 solcher Fälle wurden noch eine 
gonorrhoische Peritonitis, eine Ophthalmie und Urethritis eines kleinen 
Knaben behandelt, und zwar mit gleich gutem Erfolg. Der Impfstoff 
wurde alle 3—4 Tage tief in die Oberscbenkelmuskeln injiziert, und 
zwar 1—lVs com mit 2 com NaCl-Serum vermischt. Die lokale und 
allgemeine Reaktion sind gering, etwas Schmerz, Rötung, selten Tempe¬ 
ratur von 39°. Rasch nimmt die Soheidensekretioo, ohne gleichzeitige 
Lokalbehandlung, ab. Der Nioolle’scbe Impfstoff wirkt also nicht nur 
gegen die Komplikationen, sondern gegen die Krankheit selbst. 


Psychobiologie. 

Zum Andenken an August Pauly. 

Von 

Dr. Max Friedemann-Berlin. 

Am 12. Februar d. J. starb August Pauly, Professor der ange¬ 
wandten Zoologie in München. Mit ihm ist einer der unermüdlichsten 
Vorkämpfer für den Neo-Lamarckismus in Deutschland dahingegangen, 
dessen Werk „Darwinismusund Lamarckismus“*) weit über den Kreis der 
Fachgenossen hinaus Verbreitung und Anerkennung fand. Wir wollen 

I) Pauly, Darwinismus und Lamarckismus. Versuch einer psycho- 
pbysisohen Teleologie. München 1905. 335 S. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 30. 


das Andenken des anoh menschlich so sympathischen Forschers dadurch 
ehren, dass wir heute ein Bild von der Forschungsriohtung zu entwerfen 
versuchen, deren Ausbau Pauly einen grossen Teil seiner Lebensarbeit 
gewidmet bat, nämlich der Verbindung von Biologie und Psychologie 
oder der sogenannten „Psychobiologie“. 

Unter diesem Worte lassen sioh eine Reihe verschiedener Strömungen 
in der modernen Biologie zusammenfassen, die unter sich in vieler Be¬ 
ziehung verschieden, von einer gemeinsamen Tendenz getragen werden. 
Worin diese besteht, wollen wir am besten durch einen summarischen 
Ueberbliok über die Lehren einzelner ihrer Hauptvertreter anschaulich 
maohen. 

Die heutige Facbpsyohologie arbeitet vorwiegend mit zwei Methoden, 
mit dem Experiment und mit der reinen Introspektion (Phänomenologie 
Busserl, Brentano u. a.). Beiden Richtungen gemeinsam ist, dass 
sie die subjektiv zu erfassenden Bewusstseinsvorgänge zum Gegenstand 
der Forschung nehmen 1 )* Von diesem Prinzip muss aber schon die ver¬ 
gleichende Psychologie abweichen, denn in der Tierpsychologie können 
ja die Bewusstseins Vorgänge naturgemäss nur als wahrscheinlich er¬ 
schlossen werden. Mit je tieferen Tiergattungen der Psychologe arbeitet, 
desto unsicherer wird der Boden, und so ist es nicht zu verwundern, 
dass die einzelnen Forscher je nach ihrer persönlichen Anschauung mehr 
zu einer seelischen (z. B. Forel, Fahre, Maeterlinck) oder einer 
mechanisch-physiologischen (z. B. Bethe, Jacques Loeb) Interpretation 
ihrer Beobachtungen hinneigen. Biologen, wie v. Uexküll, lehnen die 
Möglichkeit einer vergleichenden Psychologie überhaupt als eine contra- 
dictio in adjecto radikal ab, während Forel mit Recht geltend macht, 
dass man streng genommen dann nur Individualpsychologie treiben 
dürfe. Einen Mittelweg sucht die sogenannte „objektive Psychologie“ 
(Morgan, Thorndike, Bechterew u. a.) einzuschlagen, die sich die 
Erforschung des objektiven Verhaltens (animal bebaviour) zur Aufgabe 
macht Allerdings erhalten ihre Ergebnisse erst wieder durch Analogie 
mit Bewusstaeinsvorgängen einen Sinn. 

Einen wesentlichen Schritt weiter gebt nun die Psychobiologie. Für 
sie ist im Grunde genommen Bios und Psyche identisch und die Be- 
wusstseinsschranke von nicht ausschlaggebender Bedeutung. In den 
Lebensäusserungen des einfachsten Organismus offenbaren sich einerseits 
Gesetzmässigkeiten, die uns eigentlich nur in der psychischen Welt un¬ 
mittelbarer gegeben sind, und andererseits tritt uns — was auf dasselbe 
hinauskommt — in den höheren Bewusstseinsphänomenen nur intro¬ 
spektiv und in grösster Vollkommenheit das Walten desselben Lebens- 
prinzipes entgegen, dessen Zweckmässigkeit das gesamte organische Reich 
beherrscht. Nur die Einseitigkeit der physikalisch-chemischen Aera 
konnte das eigentliche Wesen der Lebenstätigkeit übersehen. Hier be¬ 
rührt sich also die Psychobiologie mit dem Neovitalismus, der ja heute 
zwar noch erbittert bekämpft wird, unzweifelhaft aber in den letzten 
25 Jahren an Boden gewonnen hat. Es wäre aber ungerechtfertigt, 
in der Psychobiologie nichts weiter als ein Wiederaufleben der aristoteli¬ 
schen Entelechie oder eine Fortsetzung der alten Naturphilosophie er¬ 
blicken zu wollen, vielmehr betont sie gerade mit Nachdruck die Not¬ 
wendigkeit empirischer Forschung. Biologie und Psychologie sollen sich 
zu vereinbarter Arbeit die Hände reichen, um auf Grund empirisch auf- 
zuatellender gemeinsamer Begriffe das beide Disziplinen umfassende Leben 
zu erforschen. 

Zu diesem Zwecke muss gerade die von der modernen Natur- 
forsohung unter dem faszinierenden Einfluss des Darwinismus als 
„Anthropomorphismus“ bei Seite geschobene Zweokmässigkeit des organi¬ 
schen Geschehens, die Teleologie, das Ziel ihrer Arbeit sein. Zwar ist 
es richtig, dass wir den Zweckbegriff ursprünglich aus der Selbstbeob¬ 
achtung des menschlichen Handelns entnommen haben; das scbliesst 
aber keineswegs aus, dass wir die Zweckmässigkeit als empirisch zu er¬ 
forschende Realität gleichberechtigt mit dem Kausalgeschehen anerkennen, 
woran im übrigen die älteren grossen Naturforscher und Philosophen 
kaum je gezweifelt haben. 

Schon Schopenhauer 2 ), der eigentliche Vater der Psychobiologie, 
erkannte mit genialem Blick die nahe Verwandtschaft der zweckmässigen 
Lebensvorgänge mit der Psyche, verblieb aber mit seinem Willen in der 
Welt der Natur auf rein metaphysischem Gelände. 

Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt ging erst E. Pflüger (1877) 
in seiner teleologischen Mechanik an das Problem heran, indem er die 
Rolle des Bedürfnisses betonte und den bedeutsamen Satz aufstellte, 
dass die Ursache eines Bedürfnisses stets auch die Ursache seiner Be¬ 
friedigung darstelle. 

In der heutigen Psyohobiologie ist der Gesichtspunkt der einzelnen 
Forscher ein etwas verschiedener, je nachdem sie als Biologen durch 
eine psychologische oder mehr als Psychologen durch eine biologische 
Betrachtungsweise ihre Wissenschaft zu vertiefen oder schliesslich für 
beide Disziplinen eine gemeinsame Unterlage zu gewinnen suchen. 

In die erste Gruppe gehört Pauly. Ausgehend von der zweck¬ 
mässigen Anpassung stellt er dem Darwinismus wieder das alte 
Lamarck’sche Prinzip entgegen und versucht au einem grossen Tat¬ 
sachenmaterial darzutun, dass die Anpassung eines Organs nur aus seiner 
Funktion verstanden werden könne. Mit der Funktion befindet er sioh 
aber sogleich auf psychischem Gebiet. Denn die Funktionsänderung 
setzt ein Bedürfnis dazu voraus, und die Befriedigung dieses Bedürfnisses 


1) Auch in der soeben erschienenen ausgezeichneten Psychologie 
von Messer wird ausdrücklich dieser Standpunkt vertreten. 

2) Schopenhauer, Der Wille in der Natur. Kleinere Schriften. 


erfolgt wiederum durch Wahl eines geeigneten Mittels. Die Zweck¬ 
mässigkeit dieser Wahl wird uns aber nur verständlich, wenn wir der 
lebendigen Substanz dem Gedächtnis und dem Urteilsvermögen analoge 
Eigenschaften zuerkenuen. Das Streben, durch in Funktion setzen eines 
Organs auf veränderte Lebensbedingungen in zweckmässiger Weise zu 
reagieren, findet sein adäquates Analogon nur in Willensvorgängen. Die 
Entwicklungsgeschichte bietet nun für Pauly eiue Möglichkeit, diese 
primitiven Psycbismen auf allen Stufen der Lebenswett empirisch unter¬ 
suchen und ihre Entwicklung in höhere Stadien verfolgen zu können. 
Eine die Welt beherrschende Zielstrebigkeit (im Sinne von Nägeli’s 
nisus formativus) ist abzulehnen; der Organismus entwickelt sich nur 
entsprechend des durch Milieueinflüsse geweckten Bedürfnisses, auch ist 
das zur Befriedigung des Bedürfnisses dienende Mittel keineswegs ein 
beliebiges, sondern — und das ist ein biologisch wichtiges Moment in 
Pauly’s Ausführungen — es wird stets an eine zufällig vorhandene 
Eigenschaft angeknüpft. Ein Beispiel möge zur Erläuterung dienen: 

Viele Insekten besitzen einen Apparat zur Reinigung ihrer Fühler, 
der sich bei den einzelnen Gattungen aber merkwürdigerweise an ver¬ 
schiedenen Extremitäten befindet. Der entwicklungsgeschichtlicbe Grand 
ist, dass zufällige Vorsprünge an den Beinen zur Erzeugung eines spalt¬ 
artigen Apparates benutzt werden, durch den das Tier die Fühler in 
rhythmischer Bewegung bei der Reinigung hindurohzieht. 

Zur weiteren Bestätigung könnten hier auch Beobachtungen von 
Jennings an Paramaecien angeführt werden. Jennings erzeugte bei 
diesen Protozoen durch Uebertragung aus einem armen in ein nahrungs- 
reiches Milieu einen bornartigen Protoplasmavorsprung, der dann in 
späteren Generationen allmählich als Gleitvorrichtung verwendet wurde. 

Voraussetzung für die Benutzung eines solchen Mittels ist natürlich, 
dass einmal eine diesbezügliche Erfahrung gemacht sein muss. Ferner 
muss zwischen den einzelnen Teilen des Organismus eine Art Ver¬ 
ständigung über die jeweiligen Bedürfnisse stattfinden. So gelangt 
Pauly schliesslich in konsequenter Weise dazu, auch der Zelle psychische 
Qualitäten zu erteilen. Dieselbe Gesetzmässigkeit tritt uns aber auch 
auf höchster Entwicklungsstufe entgegen, z. B. in der mit bewusster 
Intelligenz geschaffenen Technik, die gewissermaassen ein treues Abbild 
der phylogenetischen Entwicklung bildet So entwirft Pauly das Zu¬ 
kunftsbild einer biologischen Psychologie, in der auch die Aesthetik aus 
biologischen Gesichtspunkten abzuleiten wäre. Auf den Versuch einer 
philosophischen Begründung seiner Lehre, die er mit der Energetik ver¬ 
binden will und der mir recht anfechtbar erscheint, soll hier nicht näher 
eingegangen werden. 

Nachdem Haberland’s Entdeckung von Sinnesorganen bei Pflanzen 
und die Auffindung von dem Web ergeben Gesetz entsprechenden 
funktionellen Beziehungen in der Pflanzensensibilität die Botanik Wieder 
psychischen Problemen nähergeführt hatte, wurden auch im botanischen 
Lager Stimmen laut, die für ähnliche Ideen wie Pauly eintraten. 
Besonders ist hier neben Franc6 Adolf Wagner 1 ) zu nennen, der in 
seiner geistvollen vergleichenden Tier- und Pflanzenkunde die Annahme 
psychischer Eigenschaften bei Pflanzen als unumgänglich zu beweisen 
sucht. Sein Werk ist reich an Beispielen komplizierter Associations¬ 
vorgänge, die er auf Gedächtnis, Empfindung und primitive Urteils¬ 
prozesse zurückführt; ja, vor der bekanntlich meist bestrittenen An¬ 
nahme von Reflexvorgängen bei Pflanzen schreckt er nicht zurück und 
glaubt auch in der Reizleitung (im Anschluss an Fitting’s Versuche) 
von einem psychischen Prinzip nicht absehen za können. In neuester 
Zeit ist von italienischer Seite, wenn auch in sehr zurückhaltender 
Weise, Camillo Acqua 2 ) für die Existenz psyohischer Eigenschaften 
im Pflanzenreich eingetreten. 

Gegen Pauly’s Neo-Lamarokismus ist von biologischer Seite 
[Goldsohmidt 8 )] die Unmöglichkeit experimenteller Prüfung ins Feld 
geführt worden, ferner die Niohtvererbbarkeit erworbener Eigenschaften. 
Auch die de Vries’schen Mutationen dürften 4pm Lamarckismus noch 
Schwierigkeiten bereiten. Was die Nichtvererbung erworbener Eigen¬ 
schaften an betrifft, so scheint sioh in letzter Zeit ein entschiedenes Ab- 
schwenken aus dem extremen Weissmaun’schen Lager in der Biologie 
bemerkbar zu maohen (unter anderen Standfuss, Kämmerer und 
seine Schule, Semon, Tower mit Betonung der sensiblen Phase). In 
seinen psychologischen Deutungen wird man Pauly nicht so ohne 
weiteres folgen können. Denn die Anwendung einer aus der mensch¬ 
lichen Psychologie entlehnten Terminologie auf die niedersten Stufen der 
lebendigen Welt erscheint mir recht bedenklich und zu sehr der Gefahr 
des Anthropomorphismuus zu unterliegen, vor dem schon Kant gewarnt 
hat, abgesehen davon, dass uns ja auch für die Möglichkeit weit¬ 
gehender morphologischer Veränderungen dnreh Willensvorgänge jede 
Erfahrung fehlt. Ohne Voraussetzung lässt sich nur so viel sagen, dass 
die Lebensvorgänge so abliefen, „als ob“ sie von Willen, Urteil usw. 
begleitet würden. An Stelle von „psychisch“ sollte man vorläufig den 
von Gustav Wolff vorgeschlagenen und von Driesch adoptierten 
Terminus „psychoid“ setzen, um das Missverständnis zu beseitigen, als 
ob man damit siohere Bewusstsei ns Vorgänge bezeichnen wolle. Trotz 

1) Adolf Wagner, Vorlesungen über vergleichende Tier- und 

Pflanzenkunde. Leipzig 1912. 518 S. Ferner seine Geschichte des 

Lamarckismus. 

2) Camillo Acqua, Eaistouo fenomeni psichologici nei vegetali? 
Scientia 1914, Bd. 15, Nr. 84, 2. 

3) Richard Goldschmidt, Einführung in die Vererbungswissen- 
sebaft. Leipzig 1911. S. 185, 


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UNIVERSUM OF IOWA 





27. Juli 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1448 


der Wesensähnlichkeit von Psyche und Bios erscheint es mir geboten, 
an Stelle von Wille, Urteil usw. besser voraussetzungslose Begriffe ein¬ 
xuführen, denn die menschlichen Bewusstseinsvorgänge stellen jedenfalls 
eine solche spezielle Differenzierung dar (vgl. unten Berg so n), dass sie 
zweckmässigerweise nicht zur Grundlage für die gesamte Lebewelt ge¬ 
wählt werden sollten. 

Zu den Hauptvertretem derjenigen Forschungsrichtung, die die 
Psychologie auf biologische Basis zu stellen bestrebt ist, gehört Oskar 
Kobnstamm 1 2 ), der überdies das Wort „Psychobiologie“ geprägt bat. 
E. siebt in dem organischen Geschehen zwei verschiedene Prinzipien, ein 
zwecktätiges (teleoklines) und em ausserzweokhaftes. Das Wesen des 
ersten fasst er in dem Begriff der „Reizverwertung“, charakterisiert da¬ 
durch, dass die Reaktion auf den Reiz passt wie die Schale auf das 
Ei (z. B. Sekretion des Magensaftes auf den Nahrungsreiz). Das zweite 
wird durch die „Ausdruckstätigkeit u im weitesten Sinne repräsentiert. 
Der Ausdruck einer Gemütsbewegung ist z. B. verständlich, aber keines¬ 
wegs in seiner speziellen Form durch das zugehörige Gefühl eindeutig 
bestimmt. Sowohl die Lebenserscheinungen als auoh die Bewusstseins- 
vorgänge werden von diesen Prinzipien in gleicher Weise beherrscht. 
Die Willenshandlung ist biologisch nichts weiter als eine Reizverwertung, 
als deren Subjekt ich mich fühle. Die Intelligenz ist als bewusste 
Reizverwertung der Anpassung in der organischen Natur biologisoh an 
die Seite zu stellen. 

Die scheinbare Zweckmässigkeit vieler Ausdruckstätigkeiten erklärt 
Kobnstamm ähnlich wie Piderit als symbolische, im Gegensatz zu 
Darwin, der sie ja bekanntlich auf vererbte gewohnbeitsmässig assoziierte 
Zweckhandlungen zurückführte. Es werde z. B. moralischer Abscheu 
(eine echte Ausdruckstätigkeit) durch eine Würgbewegung wie beim 
physischen Ekel (wo es zweckmässig ist, also eine Reizverwertung 
bedeutet) ausgedrückt. Dem Würgen entspricht dabei kein vitales 
Interesse des Organismus, sondern es klingt nur auf dem Wege der 
Gefühlsassoziation an, weil moralischer und physischer Ekel durch den¬ 
selben Gefühlston verknüpft sind (Resonanztheorie der Gefühle). Zu 
den Ausdruckstätigkeiten gehören biologisch betrachtet die Kunst, 
Religion, die Sprache bei ihrem Ursprung usw. Der Künstler beseelt 
das Kunstwerk mit seiner Ausdruckstätigkeit durch „projektive Ein¬ 
fühlung“, die künstlerische Kontemplation erfolgt auf dem Wege der 
„reoeptiven Einfühlung“. Die unmittelbar wahre Verständlichkeit, mit 
der sich das Wesen eines Organismus ausdrückt, ist das biologische 
Vorbild für die Kunst (was Göthe bereits, wenn auch ohne strenge 
Formulierung, vorgesohwebt hat) und die biologischen Gesetze der Aus¬ 
druckstätigkeit müssen daher die Grundlage der Aethetik bilden. In 
bezug auf die Anwendung der Kohnstamm’schen Ideen auf medizinische 
und andere Probleme muss auf die Arbeiten des Verfassers verwiesen 
werden. 

Der Hauptwert der Kohnstamm’schen Theorien scheint mir in der 
scharfen Formulierung, der geschickten Terminologie sowie in seiner 
Theorie der Ausdruckstätigkeit zu liegen. Dadurch aber, dass er dem 
Ausserzweckhaften auch biologisch die Gleichberechtigung mit dem 
Zweckhaften in der Welt erteilt, wirkt er in philosophischer Beziehung 
befreiend und legt zugleich den Grundstein zu einer biologischen Welt¬ 
anschauung. ln den Einzelheiten wird man Kohnstamm nicht so ohne 
weiteres folgen können. Zunächst fehlt noch die breitere Durcharbeitung 
auf der Basis der Tatsachen. In der „ReizVerwertung“ eine letzte, weiter 
nicht auflösbare Eigenschaft der lebendigen Substanz zu erblicken, er¬ 
scheint mir ein der Biologie nicht empfehlenswertes Dogma. Dass die 
Ausdruckstätigkeit nicht das alleinige ausserzweckhafte Prinzip in der 
Natur darstellt, bemerkt Kohnstamm in seiner letzten Arbeit mit 
Recht. Vielleicht deuten manche neuentstehende Variationen (z. B. 
Farbenzeichnungen mancher Tiere), ferner ein Teil der Mutationen bei 
Oenothera Lamarckiana, bei denen sioh bisher der Charakter einer zweck- 
haften Anpassung noch nicht erkennen lässt, auf ein solches weitumfassendes 
Prinzip. Auch über den reinen Zweokcharakter der Mimikry kommt 
man in letzter Zeit ins Schwanken (Cuönot, Rabaud), und von 
paläontologisoher Seite hat bereits Stein mann auf die Existenz direkt 
unxweckmässiger zum Aussterben führender Entwicklungstendenzen hin¬ 
gewiesen. Was die Theorie der Ausdruokstätigkeit anbetrifft, so scheint 
sie mir, obwohl auf dem richtigen Wege, nur einen Teil der Tatsachen 
ungezwungen erklären zu können. Vor allem berührt sie das Problem 
nicht, wodurch Gemütsbewegung und Reizbewegung denselben Gefühlston 
erwirbt. Hier hat eine zukünftige Entwicklungsgeschichte der Gefühle 
ergänzend einzusetzen. 

Unter den Forschern der dritten Gruppe (Schaffung einer mehr 
neutralen Grundlage für Biologie und Psychologie) muss neben seinen 
Vorgängern Hering und Samuel Buttler Richard Semon*) an 
erster Stelle genannt werden. Sein Werk, in dem er die gesamten Re¬ 
produktionserscheinungen der lebendigen Substanz (Vererbung, Regene¬ 
ration usw.), mi t denen des Bewusstseins (Gedächtnis, Assoziation) unter 
das gemeinsame Prinzip der „Mneme“ bringt, ist wohl zu bekannt, als 

1) 0. Kohnstamm, Kunst als Ausdruckstätigkeit, München 1907. 
Derselbe, Zwecktätigkeit und Ausdruckstätigkeit. Aroh. f. Psych., 1913, 
Bd. 29; siehe ferner seine „Intelligenz und Anpassung“, sein System 
der Neurosen vom psychologischen Standpunkt und andere Arbeiten.. 

2) Richard Semon, Die Mneme als erhaltendes Prinzip im 
Weohsel des organischen Gesohebens, 1908, 2. Aufl.; Bd. 2, Die mnesti- 
echen Empfindungen. 


dass an dieser Stelle näher darauf eingegangen zu werden brauohte. Es 
sind hier die Vorteile einer voraussetzungslosen Terminologie (Engramm, 
Ekphorie, mnestisohe Homophonie) mit denen einer gewissenhaften 
wissenschaftlichen Durcharbeitung an der Hand von einem grossen Tat¬ 
sachenmaterial vereinigt. Wenn Semon selbst es vielleicht ablehnen 
wird, als „Psycbobiologe“ in unserem Sinne genannt zu werden, so 
liegt das daran, da9s er zwar die mnestische Fähigkeit als Grundeigen¬ 
schaft der lebendigen Substanz ansieht, aber trotzdem keine neo¬ 
vitalistische Konsequenz daraus zieht. Einen Fehler des Semon’sohen 
Werkes, dessen Ideengehalt sich bereits auf den verschiedensten Ge¬ 
bieten als fruchtbar erwiesen hat, möchte ich darin erblicken, dass 
Semon allzu einseitig seine Mneme für alles organische Geschehen ver¬ 
antwortlich macht und dabei zu sehr in das Fahrwasser einer öden 
Assoziationspsychologie gerät. 

Unter den Fachphilosophen können vornehmlich zwei, Eduard 
v. Hartmann und Henri Bergson als Psyobobiologen angesehen 
werden. (Herbert Spencer dürfte hier kaum in Betraoht kommen.) 

E. v. Hartmann 1 ), neben dem auch einige Vertreter des Neo¬ 
vitalismus angeführt werden könnten, ist schon frühzeitig in seiner 
Philosophie des Unbewussten mit Nachdruck für die unbewusst psychische 
Natur der Lebensvorgänge eingetreten, deren Wesen er sich in unräum¬ 
lichen Gestaltungskräften vorstellte (analog Driesch’s Entelechie, 
R e i n k e ’s Gestaltungsdominanten). Mit gleich meisterhafter Beherrschung 
von Psychologie und Biologie hat er später namentlioh in seinem „Problem 
des Lebens“ eine philosophische Fundierung der Psychobiologie versucht. 
Das Bewusstsein ist für ihn nicht wesenverschieden von dem organischen 
Geschehen; ja er schreckt nicht von der Annahme einer psychophysi¬ 
schen Kausalität zurück, über die ja die Akten auch heute noch lange 
nicht geschlossen sind. Die scharfe Schranke zwischen Bewusstsein und 
Physischem, die in dem psychophysischen Parallelismus grell zutage 
tritt, sollte durch die Mittelstellung des unbewusst Psychischen, das mit 
dem Bewusstsein im Verhältnis einer „allotropen Kausalität“ steht, über- 
brückbar sein. 

Weit tiefer in die Metaphysik führt uns Henri Bergson*), über 
dessen revolutionäre Philosophie wir an dieser Stelle nur ein Streiflicht 
werfen können. Für ihn vermag keine der biologischen Theorien (Dar¬ 
winismus, Orthogenese, Lamarckismus) das eigentliche Wesen des Lebens 
restlos zu erfassen, wie dasselbe überhaupt nicht durch wissenschaftliche 
Begriffe zu erschöpfen ist. Denn unser Verstand hat sich als differenzierte 
Anpassung an unsere Bedürfnisse als handelnde Wesen berausgebildet 
und lässt uns die Realität quasi nur als kinematographisehes Moment¬ 
bild erkennen. Das Leben aber ist ein Ganzes, gleich einem mächtigen 
Strome (elan vital), der durch die Materie braust und durch sie in seinem 
Impulse aufgehalten wird. Sich in viele Arme gabelnd, treibt er in stetiger 
Neuschöpfung zur fortschreitenden Entwicklung. Intelligenz und Instinkt 
sind zwei verschiedene Pole dieses Prozesses. Erst beide zusammen 
könnten uns ein Abbild des Lebensstromes geben. Aufgabe der Philo¬ 
sophie ist es, sich durch eine „Intuition“ in den ursprünglichen Lebens¬ 
strom zurückzuversenken. Dann erscheint uns auch unser Bewusstsein 
als eine unteilbare Qualität von wahrer qualitativer und nicht quantita¬ 
tiver Dauer (duree reelle), in ständiger Neuschöpfung begriffen. Leben 
und Bewusstsein sind ein und dasselbe. In dem Werke „Mattere et 
memoire“ hat dann Bergson auf der Basis eines dynamischen Dualis¬ 
mus eine Vereinigung von Realismus und Idealismus versucht. 

So wenig eine solche gewiss recht angreifbare metaphysische Philo¬ 
sophie der Naturwissenschaft Positives zu geben vermag — und Berg- 
son’s Auffassung von der Wissenschaft 9chliosst das geradezu ans — so 
wird sich jeder Leser von der anregenden Wirkung Bergson’s be¬ 
sonders in seiner Kritik von Biologie und Psychologie überzeugen. Für 
unsere psychobiologische Betrachtung fällt ins Gewicht, dass Bergson 
die Erkenntnis biologisch orientiert und Bios und Psyche als Ausfluss 
eineu und desselben Prinzipes auffasst. Gerade seine biologische Ab¬ 
leitung der Intelligenz wird uns aber eine Warnung sein können, unsere 
psychobiologiscben Begriffe nicht zu sehr nach dem Vorbild unserer 
eigenen psychologischen Erfahrung zu prägen. 

Hiermit wollen wir unseren keineswegs auch nur annähernd voll¬ 
ständigen Ueberblick abschliessen. Gewiss noch schwankend und noch 
wenig ausgearbeitet ist bisher das Fundament, auf dem die Psycbobio- 
logie ruht. Es ist eben die ganze Forschung noch zu sehr im Fluss, 
um schon jetzt endgültige Ergebnisse gezeitigt zu haben. Eins aber 
scheint schon heute hervorzugehen, dass eine biologische Weltanschauung 
gegenüber der mechanischen berufen ist, uns tiefer in die Geheimnisse 
des Lebens und der Psyche hineinzuführen. Und wenn die Wissenschaft 
auf diesem Wege fortschreitet, so ist auoh August P au ly’s Lebens¬ 
werk nicht umsonst gewesen. 


1) E. v. Hartmann, Das Problem des Lebens. Biologische Studien. 
1906, 440 S. 

2) Henri Bergson, L’övolution cröatrice. 18 6dit. 1918, 408 p. 
— Derselbe, Essai sur les donnäes immödiates de la oonscienoe. 
12 6dit. 1918, 184 p. — Derselbe, Matfere et mömoire* Essai sur 
la relation du corps ä Pesprit. 10 6dit 1918, 279 p. 


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1444 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 80. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In der SitauDg der Berliner medisin. Gesellschaft 
vom 22. Juli demonstrierte vor der Tagesordnung Herr Erwin Frank 
eine totale Alopeoie. Hierauf hielt Herr Hans Virchow den aDge- 
kündigten Vortrag über Situs der Brusteingeweide bei Kyphose, und die 
Herren Krusius und Borchard ihren Vortrag über Refraktions¬ 
bestimmung bei Schulkindern. Herr Skalier sprach dann noch über 
die Untersuchung des Magens mittels Sekretionskurve (Diskussion: die 
Herren Fuld, Bickel, Ullmann). 

— ln der Sitzung vom 17. Juli der Vereinigung zur Pflege 
der vergleichenden Pathologie (Vorsitzender: Herr Geheimrat 
Prof. Dr. Regenbogen) wurde die durch eine Petition des Geschäfts¬ 
ausschusses der Berliner ärztlichen Standesvereine an den Polizei¬ 
präsidenten aufgeworfene Frage, ob die Verunreinigung der Strassen 
Gross-Berlins durch Hundekot als ein erheblicher sanitärer Missstand an¬ 
zusehen sei, besprochen. Herr Regenbogen verneinte in einem auf 
reichem klinischen und statistischen Material gestützten Vortrag die 
Frage für alle Infektionskrankheiten mit Ausnahme der Echinokokken¬ 
affektion. Durch die Fleischbeschau aber ist die Verfütterung von 
Echinokokkenblasen enthaltendem Fleisch an Hunde fast unmöglich ge¬ 
worden. Vortr. selbst hat unter 187 000 Hunden keinen Fall von Taenia 
echinococcus beobachtet. Die Gefahr, dass also gerade durch den Hunde¬ 
kot Bandwurmeier auf den Menschen übertragen werden sollten, sei 
minimal. In der Diskussion bestätigten die Herren Eberlein und 
Sohmey die Seltenheit des Hundebandwurms nach eigenem, sehr 
grossem Material, die Herren v. Siegfried und Heller berichteten, dass 
aus dem pathologischen Material der Herren Benda, Westenhöfer, 
Koch, Rheindort sich kein Anhaltspunkt für die Schädlichkeit des 
Hundekots für den Menschen ergäbe. Die Echinokokkenkrankheit des 
Menschen sei trotz der Zunahme der Hundehaltung seltener geworden. 
Herr E. Patscbkowski hielt die Unschädlichkeit der Strassenverun- 
reinigung doch für nicht ganz bewiesen und trat für die auch aus 
ästhetischen Gründen zu begrüssende schleunige Entfernung der Hunde- 
exkremente von den Strassen ein. Herr Bruno Hey mann berichtet, dass 
er sehr oft im Hundekot Paratyphusbacillen (Typus B) gefunden habe, und 
glaubt, dass eine Verschleppung des Paratyphus durch Hundekot mög¬ 
lich sei. — Herr Heller demonstrierte Favus der Lerche und der 
Nachtigall (bisher in der Literatur nicht beschrieben) an makro¬ 
skopischen und mikroskopischen Präparaten. Herr Regenbogen zeigte 
Präparate von Taenia echinococcus im Hundedarm und demon¬ 
strierte an einem erfolgreich geimpften Meerschweinchen, dass die Tuber¬ 
kulose des Augenlids eines Papageies dem Typus humanus 
angeb orte. 

— Der IV. Internationale Laryngo-Rhinologenkongress 
wird vom 9. bis 12. September in unmittelbarem Anschluss an den eben¬ 
falls in Hamburg stattfindenden Internationalen Otologenkongress tagen. 
Aus Gründen der Zweckmässigkeit ist beschlossen worden, beide Kongresse 
gemeinsam am Sonntag, dem 5. September, zu eröffnen. Als Themata 
für die Referate sind seitens des Internationalen Komitees bestimmt 
worden: 1. Pathogenese und Aetiologie der Ozaena. 2. Pathogenese und 
Behandlung des Heuschnupfens. 3. Der Krebs des Kehlkopfes, seine 
Diagnose und Behandlung. 4. Indikationen und Anwendungsweise der 
physikalischen Methoden für die Behandlung der Kehlkopftuberkulose. 
5. Die Erkrankungen der Nase und ihrer Nebenhöhlen im Kindesalter. 
Präsident ist G. Killian, Berlin W., Lützowufer 2; Generalsekretär 
G. Finder, Berlin W-, Augsburger Strasse 38. 

— In der medizinischen Fakultät der hiesigen Universität habilitierten 
sich folgende Herren: Dr. med. et phil. Otto Warburg (Vorlesung: 
„Ueber die Rolle des Eisens im Mechanismus der Sauerstoffatmung“), 
Dr. Friedrich Lotsoh („Der Infektionsmodus bei Kriegsschussver¬ 
letzungen“), Dr. Kurt Warnekros («Zur Prognose des Puerperalfiebers“). 

— Zum Rektor der Universität München für das Studienjahr 1914/15 
ist Prof. Friedrich v. Müller gewählt worden. 

— Dr. Hans Guggenheimer, Assistent am poliklinischen Institut 
der Universität Berlin, erhielt den Alvarenga-Preis der Hufelandischen 
Gesellschaft über das Thema „Die Rolle der Fermente im tierischen 

Stoffwechsel“. . _ , , _ __ . „„ , 

— Baineologischer Kurszyklus in Karlsbad. Unter Forde¬ 
rung des Internationalen Komitees für das ärztliche Fortbildungswesen 
findet in Karlsbad in der Zeit vom 27. September bis 3. Oktober ein 
Kurszyklus über Balneologie und Balneotherapie statt, in dem erste 
Autoritäten aus der gesamten Kulturwelt als Dozenten mitwirken 
werden. Alles Nähere ergibt der der heutigen Nummer beiliegende 
Prospekt. 

Hoch sch ulnachrichten. 

Berlin. Geh. Ober-Medizinalrat Abel erhielt einen Ruf nach Jena 
als Ordinarius für Hygiene. — Frankfurt a. M. Die medizinische Fakultät 
wird folgende Zusammensetzung haben: Innere Medizin: Scbwenken- 
beoher, Chirurgie: Rehn, Gynäkologie: Walthard, Dermatologie: 
Herxheimer, Laryngologie: Spiess, Pädiatrie: v. Met'tenbeimer, 
Otiatrie: Vobs, Ophthalmologie: Schnaudigel, Pharmakologie: Ehrlich 
und Ellinger, Psychiatrie: Sioli und Raecke (als Extraordinarius), 
Pathologie: Fischer, Neurologie: Edinger, Physiologie: Bethe und 
Embden, Anatomie: Göppert, klinische Neurologie: Knoblauch, 


Hygiene: Neisser, experimentelle Therapie: Sachs, experimentelle 
Pathologie: Apolant, orthopädische Chirurgie: Ludloff, physikalische 
Therapie: Strassburger. — Göttingen. Habilitiert: Dr. Blühdorn 
für Pädiatrie. — Jena. Prof. Wittmaak erhielt die goldene Schwartze- 
Medaille. — Leipzig. Habilitiert: Prof. Selter und Dr. Bürger für 
Hygiene. — München. Habilitiert: Dr. Benjamin für Pädiatrie. — 
Wien. Habilitiert: Dr. Ritter Aberle ▼. Horstenegg für ortho¬ 
pädische Chirurgie, Dr. Fischer für Geschiohte der Medizin. 


Amtliche Mitteilungen. 

Perwonalien. 

Auszeichnungen: Königl. Krone zum Roten Adler-Orden 
4. Kl.: Kreisarzt, Geb. Med.-Rat Dr. Behrend in Kolberg. 

Roter Adler-Orden 4. Kl.: Kreisarzt a. D., Med.-Rat Dr. Bremer 
in Anger bürg, Geh. San.-Rat Dr. Le Blanc in Opladen, Direktor n. 
leitender Arzt des Oskar-Helene-Heims für Heilung und Erziehung ge¬ 
brechlicher Kinder io Zehlendorf, Kr. Teltow, Prof. Dr. Biesalski, 
San.-Rat Dr. Preuss in Hannover, San.-Rat Dr. Berns in Mülheim 
(Ruhr), San.-Rat Dr. Voigt in Erfurt. 

Königl. Kronen-Orden 3. Kl. am weissen Bande mit sohwarzer 
Einfassung: Oberstabsarzt a. D., Prof. Dr. Kuhn, bisher in der 
Schutztruppe für Kamerun und kommandiert lur Dienstleistung beim 
Reichs-Kolonialamt. 

Ernennungen: ausseretatsroässiges wissenschaftliches Mitglied der 
KöDigl. Landesanstalt für Wasserbygiene in Berlin-Dahlem Dr. med. 
B. Bürger zum etatsmässigen Mitgliede der Anstalt; Arzt Dr. K. 
Kauffmann in Willenberg zum Kreisassistenzarzt daselbst; Arzt Dr. 
K. Tiling in Waldenburg i. Schl, zum Kreisassistenzarzt in Bialla. 

Niederlassungen: Dr. C. Ebertshäuser in Vandsburg, F. Held 
in Schwetz, H. Parow in Berlin-Lichterfelde, Dr. A. Herzberg in 
Berlin-Tempelhof, Dr. W. Sandrock in Egeln, Dr. P. Keding in 
Aschersleben, Dr. G. Trampedach in Weissenfels, Dr. E. Heintze 
in Hannover, 0. Henrich in Schwelm, F. Stöcker in Boohum, 0. 
Baum in Dortmund, Dr. F. Rueben in Aachen. 

Verzogen: Aerztin Dr. F. Leuss von Bendorf a. Rh. naeh Limburg 
a. L., Dr. H. Neu von Aachen, Dr. K. Schäfer von Baden-Baden 
und Dr. H. Müller von Biebrich nach Wiesbaden, Dr. O. Wappen- 
scbmidt von Wiesbaden nach Berchtesgaden, Dr. H. Müller von 
Biebrich nach Dresden, Dr. K. Richter von Wehrawald i.Schwarzwald 
nach Naurod (Heilstätte), Dr. A.Sommerfeld von Duisburg und Dr. 
W. Hessel von Westerland (Sylt) nach Danzig, Dr. H. Foethke von 
Berlin nach Elbing, Dr. L. Landsberg von Berlin nach Joachima- 
tbal, H. Bing von Berlin naoh Woltersdorf, N. Roller von Berlin 
nach Hoppegarten, V. Grzibek von Posen und Dr. A. Moritz von 
Berlin nach Berlin-Reinickendorf, Dr. W. Klopsch von Kolberg nach 
Freienwalde a. 0., Dr. W. Schasse von Berlin und Dr. P. Mollen¬ 
hauer von Dresden nach Grunewald-Forst b. Zehlendorf, Dr. B. 
Künne von Berlin nach Berlin-Steglitz, Dr. A. Sandleben von 
Berlin nach Südende, Dr. R. Weichbrodt von Berlin nach Sohlachten¬ 
see, E. Ho ff mann von Emmendingen nach Potsdam-Forst, Oberstabs¬ 
arzt a. D. Dr. K. Förster von Charlottenburg nach Spandau, Dr. E. 
Wilke von Stuttgart nach Kolberg, Dr. B. Völker von Harbke nach 
Vogelsang b. Gommern, Dr. R. F. W. Schulze von Hildesheim nach 
Wolfen, Dr. E. Bertram von Niederorschel nach Hannover, Dr. W. 
Wienert von Mors und J. Orths von Cöln nach Münster, Dr. K. 
Hansen von Hombruch-Burg nach Olsberg i. W., F. Radefeldt von 
Danzig nach Gelsenkirchen, F. P. Holtschmit von Braunschweig und 
H. Schubert von Hagen nach Hamm, P. Hupe von Duisburg-Meide- 
rich und Horstrup gen. Köddewig von Dortmund nach Letmathe, 
0. Pott von Steinach naoh Hemer, W. Ammenhauser von Reck¬ 
linghausen nach Beisingbausen, M. Krng von Giessen nach Schwelm, 
Oberstabsarzt z. D. L. Nordhof von Cöln-Deutz nach Dortmund, 

W. Poller von Dortmund nach Bochum, P. Eichstädt von Erfurt 
nach Flörsheim, Dr. M. Schieppers von Bingerbrück nach Oberlahn- 
stein, Dr. K. Th. Bieger von Freiburg i. B. und Dr. 0. Sommer 
von Buenos-Aires nach Bad Ems, Dr. P. Brandtner von Hamburg, 
Dr. H. Dünschmann und Dr. 0. Rozenraad von Wiesbaden sowie 
Dr. W. Braunschweig von Heidelberg naoh Bad Homburg v. d. H. t 
Dr. E. Friedländer von Kemel nach Linkenhaus b- Lemgo. 

Gestorben: San.-Rat Dr. 0. Herzfeld in Ascbersleben, Geh. San.- 
Rat Dr. A. Schmitz in Dortmund, Kreisarzt a. D., Geh. Med.-Rat 
Dr. E. Gleitsmann in Wiesbaden, Dr. E. Schnell in Oberlahnstein. 


Berichtigungen. 

In der Bücherbesprechung über Joachim und Korn: „Grundriss 
des deutschen Aerzterechts“ in Nr. 29, Seite 1371 dieser Wochenschrift 
muss es in der 6. Zeile heissen: und so eine Lücke in seinem Wissen 
entsteht; in der 9, Zeile statt Rechts Reichs und in der 15. Zeile statt 
Prägung Prägnanz. — m 

In der Bemerkung „Zur Frage über die Konstitution der Nisslkorner 
von M. Mühlmann in dieser Wochenschrift, Nr. 25, muss es in Zeile o 
statt dass denn heissen. 

För die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Han• Kohn, Berlin W., BayreutherStrww4t. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4. 


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Preis vierteljährlich 6 Merk. Bestellungen nehmen 
eile Buchhandlungen und Postanstalten so. 


BERLINER 


AB« MosMduogeo ffir die Redaktion and BxpedlUon 
wolle man portofrei sn die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Kr. 68, adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

64 Med.-R&t Prof. Dr. C. Posner and Prot Dp. Hans Rohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung iu Berlin. 

Montag, den 3. August 1914. M31. Einundfiinfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origtualiei: Landau: Myom und Schwangerschaft. (Aus der L. und 
Th. Landau’scheu Frauenklinik zu Berlin.) S. 1445. 
Klieneberger: Die Behandlung der Lungentuberkulose nach 
Friedman d. S. 1446. 

Gutmann: Salvarsan and latenter Mikrobismus. (Aus dem städti¬ 
schen Krankenhause zu Wiesbaden.) (Illustr.) S. 1448. 
Martinotti: Epithelisierende Wirkung der Aminoazobenzole. (Aus 
der dermatologischen Klinik der Universität Modena.) S. 1451. 
Wqokowski: Weitere Erfahrungen in der Radiumbestrahlung 
maligner Geschwülste. S. 1458. 

Rabinowitsch: Urobilin und Diazoreaktion beim Flecktyphus. 
(Aus der chemisch-bakteriologischen Abteilung des Gouvernements- 
Semstwo-Krankenhauses in Charkow.) S. 1456. 

Babinowitsch: Ueber den Flecktyphuserreger. (Aus der chemisch- 
bakteriologischen Abteilung des Gouvernements-Semstwo-Kranken- 
hauses in Charkow.) S. 1458. 

Bendersky: Ein Fall von hochgradiger Fettleibigkeit (bzw. 

Elephantiasis). (Illustr.) S. 1459. 

Schmidt: Neuerungen im Bereiche der preossischen Heeressanitäts- 
Verwaltung während des Jahres 1913. S. 1460. 

Biekerkespreehuuge»: Volhard und Fahr: Bright’scbe Nierenkrankbeit. 
S. 1468. (Ref. v. Hansemann.) — Boas: Die okkulten Blutungen. 
S. 1463. Jehle: Die Albuminurie. S. 1468. Herz: Die Störungen 
des Verdauungsapparates. S. 1463. Babkin: Aeussere Sekretion 
der Verdauungsdrüsen. S. 1463. (Ref. Albu.) — Gaultier: Pröcis 
de ooprologie olinique. S. 1463. (Ref. Ehrmann.) — Kruse und 
Selter: Gesundheitspflege des Kindes. S. 1464. (Ref. Göppert.) — 
Röder, Bieling, Spinak, Wienecke, Bickel: Geländebehand¬ 
lung herzkranker Kinder im Mittelgebirge. S. 1464. (Ref. Birk.) — 
Tigerstedt: Physiologische Methodik. S. 1464. Hammarsten: 
Physiologische Chemie. S. 1464. (Ref. Jacoby.) — Schmieden: 
Der chirurgische Operationskurs. S. 1464. (Ref. Simon.) — Gocht: 
Röntgenlehre. S. 1464. (Ref. Sohmidt.) — Kays er: Diagnose und 
Therapie der Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 1465. 
(Ref. Brühl.) — Walb: Brüche des knöchernen Trommelfellrandes. 


S. 1465. (Ref. Haike.) — v. Drigalski, Flachs, Fröhlich, 
Granpner, Leubuscher, Sohmidt, Wehrhahn, Selter: 
Deutsche Schulhygiene. S. 1465. (Ref. Lewandowsky.) — Hertwig 
und v. Wettstein: Kultur der Gegenwart. S. 1465. Romani: 
Pentosuria. S. 1466. (Ref. Neuberg.) — Lochte: Gerichtsärztliche 
und polizeiärztliche Technik. S. 1466. Becker: Aerztliche Sach¬ 
verständigentätigkeit für die Unfall-, Invaliden-, Hinterbliebenen- 
und Angestelltenversicherungsgesetzgebung. S. 1466. (Ref. Marx.) 

Literatur- Auszüge: Physiologie. S. 1466. — Pharmakologie. S. 1467. — 
Therapie. S. 1467. — Allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie. S. 1468. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1469. — 
Innere Medizin. S. 1469. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1469. — Kinderheilkunde. S. 1469. — Chirurgie. S. 1470. — 
Röntgenologie. S. 1471. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. 
S. 1472. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1472. — Hals-, Nasen- 
und Ohrenkrankheiten. S. 1472. — Hygiene und Sanitätswesen. 
S. 1472. — Schiffs- und Tropenhygiene. S. 1472. — Militär- 
Sanitätswesen. S. 1473. 

Verhaudluiige» ärztlicher Gesellschaft«»: Hufelandische Gesell¬ 
schaft zu Berlin. S. 1473. — Gesellschaft der Charit4- 
Aerzte. S. 1477. — Berliner Gesellschaft für Psychiatrie 
und Nervenkrankheiten. S. 1478. — Berliner mikrobio¬ 
logische Gesellschaft. S. 1481. — Berliner Gesellschaft 
für Chirurgie. S. 1483. — Gesellschaft für Geburtshilfe 
und Gynäkologie zu Berlin. S. 1484. — Medizinische 
Sektion der schlesischen Gesellschaft für vaterländische 
Cultur zu Breslau. S. 1485. — Medizinische Gesellschaft 
zu Kiel. S. 1487. — Nürnberger medizinische Gesellschaft 
und Poliklinik. S. 1488. — Aerztlioher Verein zu München. 
S. 1488. — Gesellschaft für Morphologie und Physiologie 
zu München. S. 1489. — Med. Gesellschaft zu Basel. S. 1489. 
— Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde 
zuWien. S.1489. — Aus Pariser med. Gesellschaften. S.1489. 

Vindobonensis: Wiener Brief. S. 1491. 

Tagesgesohichtl. Notizen. S.1492. — Amtl. Mitteilungen. S.1492. 


Aus der L. und Th. Landau’schen Frauenklinik zu 
Berlin. 

Myom und Schwangerschaft. 

Uterus myomatosus gravidus III mens, von IIV 2 Pfand 
Gewicht. 

Von 

L. Lauda«. 

(Nach einer Demonstration in der Berliner medizinischen Gesellschaft 
am 8. Juli 1914.) 

Trotz mancher Erfolge bei der symptomatischen Behandlung 
von Myomen mittelst Mesothorium, Radium und Röntgenstrahlen 
®ind wir doch noch häufig gezwungen, Myome chirurgisch zu be¬ 
handeln, insbesondere wenn es sich um die Komplikation einer 
Myomatosta uteri mit Schwangerschaft handelt. 

Wir tun gut, für die Behandlung dieser Komplikation im 
ganzen vier Kategorien zu unterscheiden. 

Bei der ersten, wohl die meisten Fälle umfassenden, ist die 
genannte Komplikation bedeutungslos, Schwangerschaft und 
Niederkunft gehen wie bei einem normalen Uterus vor sich, 
h« « *^tive Behandlung wäre gänzlich überflüssig, ja schädlich; 
ftanfig werden Myome nur zufällig während einer Untersuchung 


in der Schwangerschaft oder nach der Niederkunft entdeckt, ohne 
Klagen des Allgemeinbefindens und ohne jegliche lokale Störung. 

In einer zweiten Kategorie von Fällen verursachen die 
Myome schon in der Schwangerschaft derartige Erscheinungen, 
dass ein exspektatives Verhalten für Mutter und Kind verderblich 
wäre, und dass man genötigt ist, aktiv einzugreifen. Wenn irgend 
angängig, soll man hier konservativ vorgeben und die Myome 
mit Schonung des graviden Uterus enucleieren. Ich selbst habe 
diese Operation bei 14 Franen ausgeführt, die die Operation nicht 
nur sämtlich Überstunden, sondern bis auf einen Fall, bei welchem 
der Abort eintrat, ausgetragen haben. Mehrere dieser Operierten, 
bei welchen über mannsfaustgrosse Myome enucleiert wurden, 
haben dann noch wiederholt, eine, welche ich vor 10 Jahren 
operiert habe, noch fünfmal rechtzeitig geboren. Der grösste Teil 
dieser Fälle ist in dem von Th. Landau herausgegebenen Buche 
Myom und Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, Berlin 1910, 
tabellarisch aufgeführt. 1 

Bei einer dritten Reihe von Fällen verläuft die Schwanger¬ 
schaft trotz Komplikation mit Myom ohne jegliche Beschwerden; 
aber Sitz und Grösse der Myome, Verdrängung der Gebärmutter 
durch Myome, kurz mechanische Ursachen lassen erkennen, dass 
exspektatives Verhalten am Ende der Schwangerschaft Mutter und 
Kind aufs äusserste gefährden würde. Bei manchem retrouterinen 
und retrovesicalen Myom würde sogar die Niederkunft per vias 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


naturales überhaupt unmöglich sein, ln solchen Fällen haben 
wir uns während der Schwangerschaft jeglichen Eingriffes ent¬ 
halten und diesen für das Ende der Schwangerschaft oder für den 
Wehenbeginn beschlossen und ausgeführt. Für uns kam hier 
lediglich die Entwicklung der Frucht durch Sectio caesarea in 
Betracht, an die sofort die totale oder supravaginale Entfernung 
des myomalösen Uterus angeschlossen wurde. Auch hier haben 
wir keinen Verlust weder der Mutter noch des Kindes zu beklagen. 

Die vierte Kategorie von Fällen — und damit komme ich 
auf den Fall, den zu demonstrieren ich mir jetzt erlauben 
will — bezieht sich auf diejenigen Myome, bei welchen die Fort¬ 
dauer der Schwangerschaft das subjektive und objektive Befinden 
verschlimmern und das Leben der Kranken gefährden wurde. Hier 
etwa durch Einleitang eines Abortes helfen zu wollen, was leider 
hier und da vorgescblagen wird und geschieht, halte ich nach 
meinen Erfahrungen für durchaus verfehlt. An sich schon ist der 
Abort wegen ungünstiger Lage der Gebärmutter und ungünstiger 
Lage des Kanales bei Myomatosis uteri in einzelnen Fällen technisch 
schwer auszufuhreu und wegen der Komplikationen gefährlich. 
Gelingt er aber, so setzt man die Kranke der Gefahr einer neuen 
Schwangerschaft aus und belässt ihr ihre Erkrankung. 

Hier kommt nur die von meinem Bruder und mir bis jetzt 
31 mal stets mit dem günstigsten Erfolge ausgeführte Hystero- 
myomectomia uteri gravidi totalis oder supravaginalis in Betracht. 

Die Ausführung der Operation ist im allgemeinen leicht; sie 
wird nur da schwierig, wo die Myome sich besonders stark retro- 
vesical oder intraligamentär entwickelt haben. leb zeige Ihnen 
aus dem Atlas der Publikation von Tb. Landau naturgetreue 
Abbildungen von vier ähnlichen Fällen von intraligamentärer 
Entwicklung vor. Schon die Grösse der Myome zeigt Ihnen, dass 
ein exspektatives Verfahren hier nieht am Platze war, und die 
Zahl und der Sitz der Myome, dass eine konservative Myom- 
enucleation nicht in Frage kommen konnte, sondern dass man im 
Interesse der Gesundheit der Frau radikal vorgehen musste. 

Der Fall, den ich heute morgen operiert habe und dessen 
Präparat ich Ihnen jetzt demonstriere, ist den auf den Tafeln 
gezeigten ähnlich. 

Es handelt sioh um eine 31jährige, erst seit 4 Monaten verheiratete 
Frau A. G., bei der seit 3 Monaten die Menses ausgeblieben waren. Das 
Abdomen war bis zum linken und rechten Hypochondrium von soliden 
Tumoren eingenommen. Den Gedanken, die Tumoren zu enucleieren, 
musste maD, abgesehen von der Grösse dieser, schon darum fallen lassen, 
weil, wie die Laparotomie zeigte, der Haupttumor, auf welchen der 
3 Monate schwangere Uterus wie ein breiter Pilz aufsass, mit diesem 
eine gemeinsame Wand hatte. Dieser grosse Tumor lag voll auf dem 
kleinen Becken und hatte den schwangeren Uterus fast in toto bis in 
das rechte Hypochondrium geschoben. Die beiden Blätter des linken 
Ligamentum latum waren von ihm entfaltet, er selbst lag der linken 
Darmbeinschaufel auf und war überdies durch primetritische Auflage¬ 
rungen fest mit dem Mesenterium und einigen Dünndarmschliogen ver¬ 
wachsen. Erst als ich das Myom aus seinem Bett ausgesebält und die 
Darmverwachsungen gelöst hatte, konnte ich an die rechte Seite des 
Uterus gravidus gelangen und diesen unter Zurücklassung des rechten 
Ovariums supravaginal amputieren; das linke Ovarium war von dem 
grossen linksseitigen, intraligamentär entwickelten Tumor so in die Höhe 
geschoben, dass es ihm in der Höhe des Epigastrium, stiellos geworden, 
breitbasig und plattgedrückt auflag und naturgemäss mit dem Tumor 
entfernt werden musste. 

Unter den 544 Fällen von Myomektomien und Hystero- 
myomektomien, welche mein Bruder und ich in den letzten 9 Jahren 
per laparotomiam ausgeführt haben — die vaginalen Myom- 
operationen sind hier nicht mitgerechnet —, haben wir eine 
Mortalität von etwa 1,8 pCt. Unter diesen 544 Fällen be¬ 
finden sich zwei Reiben: eine von 152 hintereinander operierten 
Fällen ohne Todesfall and eine Reihe von 131 Fällen ohne Todesfall. 

Sämtliche 51 Frauen mit myomatösen Uteris gravidis, welche 
bis jetzt zur Operation kamen, sei es, dass es sich um eine 
Enncleation von Myomen während der Schwangerschaft, sei es, 
dass es sich um totale oder supravaginale Hysteromyomectomia 
uteri gravidi, sei es endlich, dass es sich um Sectio caesarea 
mit anschliessender Totalexstirpation handelte, haben die Operation 
glücklich überstanden und sind genesen. 

Auch in dem beute operierten Falle glaube ich eine gute 
Prognose stellen zu dürfen 1 ). 

Wenn ich mir gestattet habe, Ihnen über diesen Fall zn be¬ 
richten, so geschah dies nicht sowohl wegen der Demonstration 


1) Anmerkung bei der Korrektur: Die Operierte ist inzwischen ge¬ 
nesen und hat bereits am 10. Tage nach der Operation das Bett und 
am 17. Tage die Klinik geheilt verlassen. 


des frischen, interessanten Präparates, sondern weil ich glaubte, dass 
es nützlich sei, doch wieder einmal die Aufmerksamkeit auf die 
Myomatosis uteri gravidi za richten, deren Tragweite, wie ich mich 
mehrfach in der letzten Zeit überzeugt habe, hier und da nicht 
richtig eingeschätzt wird. In der Tat bat der Arzt, welchen 
unsere Patientin vor der Verheiratung um Rat fragte, sein Gut¬ 
achten dahin abgegeben, dass sie ruhig heiraten könne; die Ge¬ 
schwülste der Gebärmutter seien so gross, so hart und so zahl¬ 
reich, dass sie eine Schwangerschaft nicht zn befürchten hätte. 
Sie müsse ihrem Manne nur davon Mitteilung machen, dass das 
Verhalten ihrer Gebärmutter nicht normal sei. Mit der Annahme 
aus früheren Zeiten, dass Myomatöse zur Sterilität verurteilt 
seien und omgekehrt Sterile zur Myomatosis neigen, müssen wir 
aufräumen. Auf der anderen Seite lehrt die grosse Zahl spon¬ 
taner glücklicher Entbindungen bei Myom und ebenso die aus¬ 
gezeichneten Erfolge der Enucleation der Myome bei Gravidität 
und die für Mutter und Kind günstigen Erfolge der Porro’schen 
Operation am Ende der Schwangerschaft, dass die Komplikation 
der Schwangerschaft mit Myomen nicht besonders zu fürchten 
ist. Die Myome als solche brauchen daher weder eine Ver¬ 
heiratung zu Verbindern noch die Hoffnung auf Kindersegen aus- 
zuschliessen. 


Die Behandlung der Lungentuberkulose 
nach Friedmann. 

Von 

Carl Klieneberger, 

dirigierendem Ante des Sudtkrankenbauses ZiUao. 

(Vortrag, gehalteu auf der 10. Versammlung der Freien Vereinigung für 
innere Medizin im Königreich Sachsen am 21. Mai 1914.) 

In den letzten Jahrzehnten haben in der Tuberknlosefrage 
die Aera der Tuberkulinbehandlung, der Heilstättenbewegung und 
der Haut-Schleimhautimpfung weitgehendes allgemeines Interesse 
erregt. Von deo sanguinischen Hoffnungen der AnfaDgsära ist 
wenig geblieben, und die nüchterne Kritik der Erfahrung hat die 
anfängliche Begeisterung zurückebben lassen. Ich erinnere daran, 
dass einzelne diagnostische Methoden (z. B. Ophthalmodiagnostik) 
und gewisse therapeutische Bestrebungen (Wandlungen der Tuber* 
kulinbehandlung) zum Teil nur noch geschichtliche Bedeutung 
besitzen. Wieder stehen wir in einer die Allgemeinheit erregenden 
Zeit, io der Friedmannbewegung. Nach den Angaben des Autors 
besteht das Friedrich Franz Friedmann’sche Heil- und Schutz¬ 
mittel zur Behandlung der Tuberkulose und Scrofulose aus lebenden 
aviruienten für Menschen und warmblütige Tiere, selbst in grössten 
Dosen, vollständig unschädlichen Schildkrötentuberkelbacillen, die 
im Gegensatz zu anderen Präparaten nicht toxisch wirken. 
Friedmann will bei seinem Impfungsverfahren 1 ) an die Methode 
von Jenner und Pasteur anknüpfen bzw. Behring’schen 
Prinzipien folgen. Nach seinen Angaben kann nicht nnr bei 
leichteren Lungenerkrankungen, sondern auch bei ganz schweren, 
durch Cavernen oder Mischinfektionen oder Kehlkopfaffektionen 
komplizierten Fällen sein Mittel erfolgreich angewandt werden. 
Es sollen selbst weit vorgeschrittene Fälle schnell und fort¬ 
schreitend günstig mitunter durch die erste Injektion, gelegentlich 
freilich erst durch die zweite beeinflusst werden. Wenn bei solcher 
Empfehlung Friedmann gegenüber Angriffen („Wirkungslosig¬ 
keit des Mittels in vorgeschrittenen Fällen“) behauptet, die an¬ 
gezogenen Beobachtungen seien zu weit vorgeschrittene Er- 
krankungsfälle gewesen, so fehlt die klinische Präzisierung pro¬ 
gressiver Symptome sowie die klare Kontraindikation Friedmann¬ 
scher Behandlung. Voraussetzung übrigens für den Erfolg der 
an sich absolut unschädlichen InjektioDskur ist die glatte Re¬ 
sorption. Fried mann betrachtet die Schildkrötentuberkelbacillen- 
behaudlung nach seinen Angaben als die Behandlung der 
Tuberkulose und empfiehlt prophylaktische Impfang, besonders 
von Kindern in gefährdeten Familien. Die Bedeutung der an¬ 
geschnittenen Frage erhellt u. a. aus den Zahlenangaben, dass 
bislang über 5000 Personen geimpft worden sind, dass Hunderte 
von kleinen Kindern der Schutzimpfung unterzogen wurden, und 
dass Friedmann-Anstalten in Amerika und Deutschland ins Leben 
gerufen worden oder werden. 

Im allgemeinen und öffentlichen Interesse liegt eine Klärung 
der Frage, ob die Friedmann Impfungen berechtigt sind und 
wirklich Erfolg versprechen, am so mehr, weil die Tagespresse 

1) Vgl. B.kl.W., 1912, Nr. 47. 


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3. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1447 


and die Reklame in einer der deutschen Heilkunde sonst fremden 
Weise in dieser speziell medizinischen Frage wie in einer politischen 
oder religiösen in leidenschaftlichem Fanatismus Stellung ge* 
nommen haben. Bei der mir zur Verfügung stehenden Zeit will 
ich chronologisch und in kurzen Abrissen meine bisherigen 
Erfahrungen (nunmehr 22 Fälle) aus einem Zeitraum von 5 Monaten 
skizzieren. 

Von pathologisch-anatomischer und bakteriologischer Seite 
ist Friedmann vorgeworfen worden, dass das in den Handel 
gebrachte Präparat nicht rein und nicht ungefährlich sei. Lydia 
Rabinowitsch stellte unter 10 Proben sechsmal Verunreinigungen 
fest. Staphylokokkenabscesse nach der Injektion wurden u. a. 
von diesem Autor (Meerschweinchen), von Brauer und W. Treupel 
(Mensch) festgestellt. Lydia Rabinowitsch und Westenhöfer 
haben in ihren Mitteilungen mit Bestimmtheit dargetan, dass das 
verwandte Material zuweilen nicht völlig unschädlich, mitunter 
sogar für den Menschen durchaus pathogen ist. Sie verurteilen 
deshalb scharf die prophylaktische Impfung und plädieren an¬ 
gesichts der Möglichkeit der Virulenzsteigerung eingeimpfter 
Bakterien für weitere klinische und anatomische Beobachtung, 
ehe man die menschliche Behandlung mit dem Friedmann’schen 
Präparat anraten kann. Auch Orth hält die Meerschweinchen* 
versuche Priedmann’s nicht für absolut eindeutig. Von klinischen 
Erfahrungen (mittlere und grössere Zahlenreihen) nenne ich von 
amerikanischen Autoren zunächst Mannheimer und Lee Barnes, 
von deutschen besonders Brauer und Treupel. Ich beschränke 
mich in der Literaturberücksichtigung, entsprechend meiner eigenen 
Nachprüfung, hauptsächlich auf die Erfahrungen, die bei 
Behandlung von Lungentuberkulose vorliegen. Mannheimer 
beobachtete, abgesehen von lokaler Abscessbildung, keinen be¬ 
stimmten Schaden als Folge der Einspritzung, niemals aber 
Besserung. Lee Barnes sah nichts von den unmittelbaren und 
wundervollen Resultaten, wie sie Fried mann berichtet hat. Im 
Gegenteil, in 17 pCt. der Fälle hatte eine Progredienz der Er¬ 
scheinungen statt, wie sie unter der gewöhnlichen Sanatorium¬ 
behandlung nicht zu erwarten gewesen waren. Ueber den 
bleibenden Nutzen oder Schaden der Injektionen möchte Barnes 
sich erst nach ein bis drei Jahren äussern. Auch die bei Gelenk¬ 
tuberkulose erfolgten Aenderungen zeigten keine ungewöhnliche 
Besserung oder bedurften weiterer Kontrolle durch chirurgisch- 
orthopädisch geschulte Aerzte. Die Spiethoff’sche Klinik 
(Lupusbebandlung) hat angesichts des Fehlens praktisch in Be¬ 
tracht kommender Besserung bzw. angesichts von unerwünschten 
Komplikationen Abstand von weiterer Verwendung des Mittels 
genommen. Braner (18 Patienten, Versuche seit einem halben 
Jahre) sah durchaus ungünstige Resultate, schwere Reaktionen, 
frische Schübe, Exitusbeschleunigung usw. Aus den Demonstrationen 
io der Berliner medizinischen Gesellschaft ist, abgesehen von 
dem begeisterten Eintreten von Schleich, Mueller, Thalheim 
für Friedmann von der Reserve, die Bier, Goldscheider, 
Wolff-Eisner eingenommen haben, die Redewendung von Kraus, 
dass das Friedmann’scbe Verfahren ein günstiges Vorurteil für 
sich habe, sowie die Worte, dass nach der Behandlung rasches 
Nachlassen der toxischen Symptome beobachtet wurde, dass 
Schädlichkeiten nicht gesehen wurden und in einem Falle über¬ 
raschende Besserung zutage trat, am meisten bemerkenswert. Kraus 
hat die ruhige Nachprüfung des Friedmann’scben Mittels empfohlen. 

Wenn Kraus behauptet, dass das Friedmann’scbe Verfahren 
sich nicht eines Geheimmittels bediene, so trifft das erst jetzt 
Im Anfang ist zweifellos Geheimnistuerei getrieben und un 
schöne Reklame gemacht worden. Es gibt auch zu denken, wenn 
George Mannheimer in seiner Publikation erklärt, dass jeder, 
der mit Friedmann in Berührung kam, iu eine VerteidiguDgs 
Stellung hineingedrängt wurde. Es ist auffallend, wenn Brauer, 
in dessen Krankenhaus die Injektionen grösstenteils von Fried- 
mann selbst ausgeführt wurden, ihm den Vorwurf wechselvoller, 
unklarer und irreführender Angaben macht. Es ist mindestens 
merkwürdig, dass der Staat New York, die erste grösste Stätte 
Friedmann’scber Behandlung das Friedmann’sche Mittel als ge¬ 
fährlich kurzerhand verboten hat. Ich selbst habe, nach den 
oiedergelegten Mitteilungen Friedmann’s, durchaus nicht den 
Eindruck einer klaren Theorie gewonnen. Die Angaben, dass 
man von der Einwirkung bei zu vorgeschrittenen Fällen (Westen¬ 
höfer) nichts mehr erwarten konnte, stehen durchaus in Wider¬ 
spruch za der Empfehlung des Mittels bei den schwersten Tuber- 
kaloseforraen in dem dem Mittel beigegebenen Circular. Die 
scharfe Trennung der Tuberkulose in solche des Lymph- und 
Blntapparats, die spezielle Inangriffnahme der Behandlung mit 


Zwischeninjektionen sieht aus wie ein festgefügtes mathematisch- 
physikalisches Lehrgebäude. Für den Aufbau fehlen aber Beweis¬ 
gründe. Die Bestimmtheit, mit der die Behandlungszeiten vor¬ 
geschrieben werden, entbehrt deduktiver Begründung. Warum 
vorausgehende Tuberkulinbehandlnng zunächst gegen die erste 
Injektion des Mittels refraktär macht, ist unerfindlich. Während 
im Anfang die Injektionsbehandlung einzig und allein in Betracht 
kommen sollte, heisst es neuerdings, dass die altbewährten 
hygienisch-diätetischen usw. Maassnahmen nicht ausser acht ge¬ 
lassen werden sollen. Durchaas vermisse icb wissenschaftlich klar¬ 
gestelltes Material, klinische Beurteilung und klinischeBestimmtheit. 

Eine Nachprüfung einer von Gunst und Ungunst hergezogenen 
Methodik muss ruhig und skeptisch sein. Bei einer Krankheit, 
wie die Tuberkulose, die ein Menschenalter hindurch andauern 
kann, die ans jeden Tag durch ungewohnte Zwischenfälle, abnorm 
raschen und staunenswert langsamen Verlauf überrascht, ist Vor¬ 
aussetzung einer kritischen Nachprüfung, jahrelange Beobachtung 
der behandelten Fälle und grössere Zahlenreihen, Berichterstattung 
von Zeit zu Zeit. Die erste Voraussetzung einer sachgemässen 
Prüfung ist es, dass überhaupt Tuberkulose vorliegt. Es klingt 
das etwas paradox, ist aber berechtigt, wenn man überlegt, wie¬ 
viel Nichttuberkuio8en oder sogenannte inaktive Tuberkulosen in 
Lungenheilanstalten und der Praxis als Tuberkulosen behandelt 
und gebeilt werden. Ich halte also im allgemeinen es für nötig, 
dass man offene Lungentuberkulosen behandelt, wenn man ein 
Urteil sich bilden will. Bei der Beurteilung des Erfolgs warne icb 
vor der Ueberschätzung des Röntgen Verfahrens sowie vorder kritik¬ 
losen Verwertung der am meisten irreführenden subjektiven Angaben. 

Ich habe sechsmal die von der Firma Haase zum Versand 
gebrachte Bacillenemulsion bakteriologisch geprüft und bei diesen 
sechs Prüfungen keine Verunreinigung mit Eitererregern feststellen 
können. Was die Injektionen selbst anbelangt, so entstanden 
dreimal länger fortbestehende Infiltrate, deren eines, nach einem 
brieflichen Bericht (die Patientin verüess bald nach der Injektion 
das Krankenhaus), zu einer angeblich 2 Monate fortdauernden 
Eiterung führte, ln den beiden anderen Fällen erfolgte ohne 
Zwiscbeninjektion langsame Rückbildung des Infiltrats. Auf die 
intraglutäalen Injektionen batte in der Regel gar keine Reaktion 
statt, d. h. es blieb nicht nur vorübergehende Infiltratbildung aus, 
sondern es fehlte sogar jede fieberhafte Reaktion, einerlei ob 0,25 
oder 0,4 intraglutäal injiziert worden war. Nur ausnahmsweise 
und vorübergehend erhöhte sich bestehendes Fieber. Bei den 
Simultaninjektionen folgte ziemlich rasch nach der Injektion ein 
einige Tage anhaltendes oder sich erhöhendes Fieber (es wurden 
Temperaturausschläge — 40° beobachtet). Die Ausgangstempe¬ 
raturen aber waren in der Regel nach 2—3 Tagen wieder er¬ 
reicht. Gleichzeitig waren gewöhnliche Erscheinungen: Kopf¬ 
schmerzen, Appetitlosigkeit, Mattigkeit, mitunter Erbrechen und 
mehr Husten. Ehe ich kurz auf die Ergebnisse der Behandlung 
der 22 Kranken eingehe, erwähne icb aus subjektiven Angaben, 
dass wiederholt über Nachlassen des Hustens und über besseres 
Allgemeinbefinden berichtet wurde. 3 Patienten etwa des zweiten 
Stadiums glauben an die günstige Einwirkung derart, dass sie 
bereits Monate voraus sich für weitere stationäre Behandlung an¬ 
gemeldet haben. Von den behandelten Fällen des dritten Stadiums 
der Tuberkulose sind zwei unerwartet rasch nach der Injektion 
gestorben bzw. haben eine Zunahme der subjektiven Krankheits¬ 
symptome derart verspürt, dass sie von vornherein weitere In¬ 
jektionen ablebnten. 

Von den klinisch behandelten 22 Patienten sind 14 aus der 
stationären Behandlung ansgeschieden. Es sind von diesen 7 ge¬ 
storben, und zwar 6, 9, 19, 26, 30, 75, 90 Tage nach der ersten 
Injektion (ohne dass eine spezifische Vorbehandlung voraus- 
gegangen war). 

Es hat in diesen 7 Fällen das Friedmann’scbe Mittel wahr¬ 
scheinlich (ein Fall mit unerwartet raschem Exitus, ein Fall mit 
besonders hervortretender subjektiver Allgemeinverschlechterung) 
nichts geschadet, sicherlich nicht den geringsten günstigen Ein¬ 
fluss gehabt. 

Die übrigen 7 bereits zur Entlassung gelangten Fälle betrafen 
offene Lungentuberkulosen, einmal des zweiten bis dritten Turban¬ 
seben Stadiums, zweimal etwa des zweiten, vier des ersten bis 
zweiten Stadiums. Die Tuberkulose des zweiten bis dritten 
Stadiums batte vor der Friedmann Behandlung in dreiwöchiger 
Liegekur 5 Pfund zogenommen, seit der Injektion (im allgemeinen 
wurde als erste Injektion 0,25—0,3 gewählt [die Patientin ver- 
liess das Krankenhaus bald nach der Einspritzung]) ist nach nun¬ 
mehr über 2 Monaten eine Besserung nicht eingetreten. Die 

1 * 


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1448 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


übrigen Kranken, die mit einer Ausnahme bereits bei Liege- und 
Diätkur vor der Injektionsbehandlung Gewichtszunahme und Ent¬ 
fieberung erfahren hatten, haben nach den Injektionen weitere 
Fortschritte gemacht und sind bisher (2—8 Monate nach der Ent¬ 
lassung) arbeitsfähig geblieben. Eine bemerkenswerte Aenderung 
im physikalischen Befund ist nicht erfolgt. Der Auswurf enthält 
noch immer Tuberkelbacillen. Die erzielte Besserung entspricht 
durchaus den Erwartungen, die ich auf Grund der Erfolge der 
diätetisch-klimatischen Behandlung vor den Injektionen voraus¬ 
gesagt hatte, bäDgt also in keiner Weise mit der Friedmann- 
Behandlung zusammen. 

Es bleiben 8 nach Friedmann behandelte Kranke, die sich 
noch in Krankenhausbebandlung befinden bzw. vor der Entlassung 
stehen. Davon scheiden für die heutige präliminare Besprechung 
2 Fälle aus, da die Beobachtungszeit nach der Einspritzungszeit 
noch zu kurz ist 1 ). Es ist übrigens, abgesehen von einer rasch 
vorübergehenden Injektionsreaktion, bisher weder eine günstige 
noch ungünstige Veränderung zutage getreten. Von den anderen 
6 Kranken, die bereits zwei- bzw. dreimal (zweite Injektion 0,6, 
dritte Simultanreaktion) injiziert sind, bespreche ich 2 — eine 
fieberlose Lungentuberkulose ersten bis zweiten Stadiums und eine 
Lungen-Darmtuberkulose mit geringer Progredienz, Arbeitsfähig¬ 
keit noch beim Eintritt in die Behandlung — zunächst. Dieser, 
ein 39 jähriger Patient, hatte vor der Simultaninjektion 11 Pfund 
zugenommen. Im Anschluss an die Simultaninjektion erfolgte 
zunächst bei vorübergehendem Fieber bis 39,6° ein Gewichtssturz 
um 4 Pfund. Nun hat wieder fortschreitende Gewichtszunahme 
eingesetzt. Die Entlassung erfolgt in diesen Tagen. Der andere 
Kranke hat im Anschluss an zwei Injektionen 15 Pfund zu¬ 
genommen. In beiden Fällen wäre mit grösster Wahrscheinlich¬ 
keit auch ohne Friedmann-Injektionen oder bei Tuberkelbacillen- 
emulsionsbehandlung als unterstüzendem Faktor der gleiche Effekt 
erzielt worden. Es erübrigt, auf 8 Fälle, die seit 4 Monaten 
stationär behandelt werden (zwei bzw. drei Injektionen: 1. 0,25; 
2. intraglutäal, 8. 0,5 Simultaninjektion) einzugehen. Bei 
2 Fällen handelt es sich um hauptsächlich einseitige Tuberkulose¬ 
ausbreitung nach Pneumonie (zweites Stadium), das dritte Mal 
um eine chronische fibrile Form, zweites bis drittes Stadium. Die 
Fieberbewegungen und die toxischen Symptome wurden durch die 
Injektionen nicht umgestimmt. Es wird von diesen Kranken eine 
25 jährige Patientin in befriedigendem Allgemeinbefinden mit 
10 Pfund Gewichtszunahme in diesen Tagen entlassen. Sie hat 
übrigens in dem Intervall zwischen zwei Injektionen eine nicht 
unbeträchtliche Hämoptöe gehabt. Die beiden anderen fiebern 
dauernd, halten sich aber im Gewichte ziemlich stationär. Eine 
günstige allgemeine oder lokale Einwirkung ist ebensowenig wie 
eine ungünstige zutage getreten. Bei einer chronischen subfebrilen 
Tuberkulose zweiten bis dritten Grades endlich lässt sich* jegliche 
Einwirkung nach nunmehr einem Monat vermissen. 


Nach diesen Erfahrungen kann ich sicher nicht loben, ich 
möchte noch nicht ganz verwerfen. Verunreinigungen des Präparats 
scheinen jetzt gewöhnlich nicht vorzukommen. Sichere andauernde 
Schädigungen durch die Injektionen habe ich bisher nicht fest¬ 
gestellt. Die in der Reaktion und ihren Folgen zutage tretende 
Schädigung scheint ungefährlich und vorübergehend zu sein. 
Zweifellose Förderung aber, Umschläge im lokalen oder allge¬ 
meinen Befund habe ich in keinem einzigen Falle gesehen. Was 


irreicht wurde, war bereits vorher erreicht worden und wäre 
jeher auch ohne Friedmann-Injektionen mit der lange bewährten 
Methodik (zumal mit Einschluss von Pneumothoraxbehandlung) in 
^eigneten Fällen mit Tuberkulin, mit Tuberkelbacillenemulsion 
Irzielt worden. Wenn ich trotzdem zur weiteren Prüfung rate 
ind eine Prüfungsverpflichtuug für vorliegend halte, so geschieht 
is aus folgenden Gründen: Das Prinzip der Immunisierung mit 
ebenden avirulenten, atoxischen Bacillen entspricht der heutigen 
heoretischen Auffassung einer Erfolg versprechenden Heilmethode. 
f ür die Nachprüfung einer solchen Immunisierung nach Fried- 
nann sind kritische Autoren eingetreten. Endlich aber durch 
»resse und Reklame ist eine weitgehende Beunruhigung des 
»ublikums erfolgt. Es sind Laienanfragen an mich herangetreten, 
ib ich zur Reise nach Berlin und zur Friedmann-Behandlung rate, 
ch rate dringend von der allgemeinen Anwendung des Friedmann- 
ferfahrens in der Praxis ab, da die Brauchbar^ der Methode 
d keiner Weise feststeht. Die Frage der Zweckmäßigkeit bzw. 
Brauchbarkeit der Friedmann-Behandlung ist eine noch ungeklärte 


1) Anm. bei der Korrektur: Keine bemerkenswert günstige oder un¬ 
günstige Beeinflussung. 


Laboratoriums- bzw. Krankenhausfrage. Wir werden darüber in 
Jahr und Tag zu sprechen haben, wenn wir dann überhaupt noch 
davon reden. 

Ob für die Immunisierung nach Fried mann bestimmte 
Indikationen in Frage kommen, ob sie neben anderen Verfahren 
in Betracht kommt, wird später besprochen werden müssen. Fest 
steht schon heute, dass die Friedmann-Impfang einen besseren 
Einfluss als andere erprobte Methoden bei Lungentuberkulose im 
Zeitraum von 5 Monaten nicht ausübt. 

Aus dem städtischen Krankenhause zu Wiesbaden. 

Beiträge zu dem Kapitel: S&lvarsan und latenter 
Mikrobismus. 1 ) 

Von 

C. Gutmaai - Wiesbaden. 

M. H.! Fieberhafte Erkrankungen, wie z. B. Angina, 
Influenza, Bronchitis, Epididymitis osf. erhöben bekanntlich in 
mehr oder minder hohem Maasse die Toxicität des Salvarsans. 
Und wenn nun auch vielleicht die Ansicht von Almkvist*) eine 
zutreffende sein mag, dass nicht allen Infektionen diese Eigen¬ 
schaft anzuhaften scheine — sah er doch bei 2 Fällen mit 
gewöhnlicher Erkältung (Rhinitis, Pharyngitis und leicht erhöhte 
Temperatur) eine Salvarsaniojektion ganz reaktionslos verlaufen —, 
so wird es doch angebracht sein, in allen mit Fieber einher¬ 
gehenden Krankheitszuständen ausnahmslos eine, wie 
Gennerich*) sagt, „temporäre Kontraindikation“ gegen 
die Sal varsanbehandlung zu erblicken und demgemäss letztere 
zu unterbrechen. Weiterhin aber hat die Erfahrung gelehrt, dass 
die Träger obengenannter und ähnlicher Affektionen auch noch 
nach dem Abklingen der klinischen Erscheinungen eine 
Herabsetzung der Toleranz gegenüber dem Salvarsan 
aufweisen, die, nach Gennerich wenigstens, der Fortsetzung der 
Salvarsantherapie in genügend intensiver Weise ausserordentliche 
Schwierigkeiten bereitet. Diese Herabsetzung der Verträglichkeit 
des Salvarsans dürfte einmal darin ihren Grund haben, dass 
trotz scheinbarer Gesundheit die betreffenden Mikro¬ 
organismen doch noch eine Zeitlang im Organismus vor¬ 
handen sein können, dass also, wie Ruhemann 4 ) sich ausdrückt, 
ein „latenter Mikrobismus 11 vorliegt, nnd zum zweiten wird 
Schuld daran haben die durch die Bakterien bzw. durch 
ihre Toxine gesetzte Hinfälligkeit der Gewebe, deren 
völlige Erholung natürlich eine gewisse Spanne Zeit erfordert. 
Da man aber im gegebenen Falle niemals imstande sein wird, 
mit Sicherheit den Zeitpunkt der völligen Restitutio ad integrum 
genau auf den Tag festzustellen, so wird man auf alle Fälle 
gut daran tun, eine ganze Reihe von Tagen bis zur Wieder¬ 
aufnahme der Sal varsanbehandlung verstreichen zu 
lassen und stets mit einer kleinen, sozusagen informa¬ 
torischen Salvarsaniojektion wieder anzufangen. Bei 
dieser Art des Vorgehens werden wir uns, glaube ich, im grossen 
und ganzen vor allzu unliebsamen Ueberraschungen zu schützen 
vermögen. Ganz anders liegen dagegen die Dinge, wenn 
eine der obigen Erkrankungen im Anzuge ist, wenn zwar 
bereits ein latenter Mikrobismus vorliegt, aber noch 
kein sichtbares Krankheitszeichen und keine Störung 
des Allgemeinbefindens. Geraten wir mit einer Salvarsan- 
injektion, womöglich mit einer Volldosis, in ein solches Stadium 
hinein, dessen Vorhandensein unserer Erkenntnis natürlich sich 
entziehen muss, so werden wir unfehlbar mehr oder minder schwere 
Störungen, eventuell einen unglücklichen Ausgang erleben, ohne 
dass den Therapeuten irgendeine Schuld daran träfe. 

M. H.! Mit diesen hier kurz skizzierten, durch Erfahrungen 
am Krankenbett erkannten Wechselbeziehungen z *‘® c “ en 
Salvarsan und intercurrenten, bakteriellen Erkran¬ 
kungen stehen nun die Ergebnisse der bekannten, auf V er *“' 
lassung von Exzellenz Ehrlich durch Yakymoff und Nina Ko 
Yakymoff*)angestelltenTierexperimente in gutem Einklang. 
Die beiden Forscher konnten zunächst einmal nachweisen, nss 

1) Vortrag, gehalten im Verein der Aerzte Wiesbadens am 4. Fe¬ 
bruar 1914. 

2) D.m.W., 1912, Nr. 1. . <nio 

3) Die Praxis der Salvarsanbehandlung, Berlin 1912. 

4) Med. Klin., 1912, Nr. 12. 

5) M.m.W., 1911, Nr. 49 und 1912, Nr. 3, 


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UNIVERSITY 0E_U 




3. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1449 


bei Mäusen durch gleichzeitige intravenöse Injektion von geringen 
Mengen Endotoxin des Bact. coli comm. und Salvarsan die Toxi¬ 
cität des letzteren 2,4 mal erhöht wird. Dieselbe erhöhte sich 
aber um das Achtfache, wenn die Mäuse ausserdem mit Trypano¬ 
somen, und zwar schwach, infiziert waren, und gar um das 15 fache, 
wenn diese Infektion eine starke war. Weitere Versuche zeigten 
alsdann, dass auch andere Bakterien, wie Bact. pyocyan. und 
Staphylococcus aureus, die Toxicität des Salvarsans steigern, wenn 
auch nicht in dem Maasse, wie das Bact. coli, während der 
Pneumobac. Friedländeri und Bac. subtilis nur einen geringen und 
das Bact. tetragenum gar keinen Einfluss nach dieser Richtung 
hin erkennen Hessen. # 

Bei diesen Versuchen entfaltete also das Salvarsan eine 
besonders starke Toxicität dann, wenn die Tiere gleich¬ 
zeitig auch noch Trypanosomen in ihrem Blute beher¬ 
bergten. Auf Grund gerade dieses Ergebnisses im Tierexperiment 
wird daher im frühen Sekundärstadium der Lues mit 
seinem grossen Spirochätenreichtum, und zwar ganz speziell 
bei Beginn der Behandlung, besonders sorgfältig auf andere 
bakterielle Erkrankungen von eingangs erwähntem 
Charakter gefahndet werden müssen; liegt doch in einem 
solchen Moment die Gefahr einer Doppel Wirkung des Salvarsans 
besonders nahe, nämlich einmal auf die Spirochäten selbst, zum 
anderen auf die sowohl durch die Spirochäten, wie durch die 
anderen Bakterien bzw. deren Toxine zweifach und derart ge¬ 
schädigten Körperzellen, dass dieselben, wie Ehrlich 1 ) meint, 
unter dem Einflüsse der bakteriellen Infektion eine Erhöhung ihrer 
Arsenavidität erlitten haben, sei es, dass sie mehr vom Arsenikale 
aufnehmen, sei es, dass sie dasselbe intensiver spalten. 

M. H.! Ich bin mit voller Absicht etwas ausführlicher auf 
diese Dinge ein gegangen, weil ich mich des Eindruckes nicht 
erwehren kann, dass die Kenntnis derselben noch keineswegs 
Allgemeingut der Aerzte geworden ist; und doch scheint mir das 
völlige Vertrautsein damit für die Praxis der Salvarsanbehandlung 
von nicht geringer Bedeutung zu sein. Ich habe diese Ausein¬ 
andersetzungen aber auch deshalb so weit ausgesponnen, weil 
immer und immer wieder von einigen Seiten versucht wird, einzig 
und allein das Salvarsan zum Sündenbock für alles und jedes 
Unglück zu stempeln. * 

M. H.l Als Beleg für die Richtigkeit der soeben ent¬ 
wickelten Anschauungen möchte ich nunmehr vier Kranken¬ 
geschichten mitteilen, aber gleichzeitig vorweg bemerken, dass 
wir bei diesen Fällen zum Teil die oben geforderte Vorsicht nicht 
in vollem Umfange haben walten lassen, weil wir über die Dauer 
des latenten Mikrobismus Aufschluss gewinnen wollten. Einer 
der Fälle hat sich bei Verwendung von Neosalvarsan abgespielt, 
die übrigen drei im Verlaufe von Versuchen mit Salvarsan- 
Kupfer, einer von Ehrlich und Karrer dargestellten, 
komplexen Metallverbindung von Salvarsan und Kupfer, 
mit einem Kupfergehalt von etwa 10 pCt. und der Labora- 
toriumsbezeicbnnng K. 3. In neuerer Zeit ist an die Stelle dieses 
Präparates das Natriums&lz des K. 3 getreten, welches die 
Laboratoriumsnummer K. 201 führt und dadurch ausgezeichnet 
•st, dass es sich leicht in Wasser aufiöst und alsdann sofort ver¬ 
wendungsbereit ist, während die Auflösung des K. 3 in Doppelt- 
Normal-Natronlauge geschehen muss 2 ). 

Fall 1«). Martha B., 21 Jahre alt. 

Status am 1. X. 1913: Kleine, zierliche Person. Gravida mens. VII. 
hianth. maculo-papulös, univers., Lympbaden. hyperplast. inguin. et 
cervi«., Primäraffekt nicht zu ermitteln. 

Wassermann -\—|-, Urin o. B. Bisher keine Behandlung, 

71 / c X " 2( ^ * n ccm Aqua. Höchsttemperatur 38,5°. 

' ' 2 Stunden post inject. Kopfschmerzen, einige Stunden anhaltend, 
oo i- X - °’ 05 ’ 6 - x - °.L 9. X. 0,1, 13. X. 0,1, 16. X, 0,1, 20. X. 0,1, 
fo v ° l1 » 27 * x - 30. X. 0.1, 2. XL 0,1, 6. XI. 0,1, 9. XI. 0,1, 

13. XL 0,05, 15. XI. 0,05, 17. XI. 0,05, 19. XI. 0,1, 24. XI. 0,1, 27. XI. 

1-X1I. 0,1 K. 201. 

Höchste, jemals erreichte Temperatur nach den Injektionen 37,3 °. 
«ach einigen derselben Blutandrang nach dem Kopfe, Kopfschmerzen, 
hchwiudelgefühl, Erscheinungen, die nach spätestens 15 Minuten stets 
Wieder behoben sind; sonst keine Störungen. 

4. XII. Entbindung von einem scheinbar gesunden Knaben, 48 om 

Gewicht 2280 g. Stillt das Kind. Normaler Wochenbetts verlauf. 


1) Abhandlungen über Salvarsan, Bd. 2, S. 549. 

") Bezüglich des Salvarsankupfers sei auf die Arbeiten von Baer- 
in der M.m.W., 1914, Nr. 1 und von van den Branden im 
Arch.f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1913, Bd. 17, verwiesen. 

, 3) Die Krankengeschichten enthalten nur die für das Verständnis 

es Themas notwendigen Daten. 


11. XII. Wiederaufnahme der Behandlung bei völligem Wohlbe¬ 
finden und einer Temperatur von 37,0°. 0,05 K. 201. Temperatur¬ 
anstieg bis 38,3°, ohne sonstige subjektive Beschwerden. 

12. XII. Wohlbefinden. Im Urin Spuren von Albumen. Tempe¬ 
ratur morgens 36,8°, abends 37,5°. 

13. XII. Vormittags 86,9°, Wohlbefinden; auch objektiv nichts 
nachweisbar. 0,05 K. 201. Temperaturerhöhung bis 37,6°. 

14. XII. Morgens 37,2°, abends 37,6°. 

15. XII. 0,1 K. 201, bei gutem Befinden und einer Temperatur 
von 36,8°. Temperaturanstieg bis 38,2°, ohne Störung des Allgemein¬ 
befindens. 

16. XII. Morgens 36,8°, abends 37,7°. 

17. XII. Morgens 36,80, abends 37,2°. 

18. XII. Vormittags 36,6°. Da Patientin über nichts zu klagen 
hat, auch objektiv nach wie vor nichts nachzuweisen ist, 0,05 K. 201. 
Wieder Temperaturanstieg bis 37,6°, ohne sonstige Nebenwirkungen. 

19. XII. Heute klagt Pat. erstmalig über Schmerzen in beiden 
Brüsten, nahe der Mamille. Objektiv ist beiderseits oberhalb der 
Brustwarze eine leichte Rötung und Schwellung festzustellen, 
desgleichen Druckempfindlichkeit. Morgens 36,4°, abends 37,6°. 

20. XII. Vormittags 37,0°, abends 39,1°. Schwellung heute beider¬ 
seits etwa markstückgross, Fluktuation deutlich. 

21. XII. Temperatur schwankt zwischen 38,0 bis 39,8°. 

22. XII. 38,0 bis 39,10. 

23. XII. Operation: Es finden sich zwei ganz oberflächlich gelegene, 
abgekapselte Eiterherde. Temperatur abends 40,0°. 

24. XII. und folgende Tage: Allmähliche Entfieberung und schnelle 
Heilung. 

M. H.! Eine Gravida mens. VII mit recenter Lues II reagiert 
auf die erste Injektion von 0,04 K. 201 mit einem Anstieg der 
Temperatur auf 38,5° und verträgt alsdann eine Serie von 19 In¬ 
jektionen mit einer Gesamtdosis von 1,7 g K. 201 ohne Tempe¬ 
raturerhöhung; nur sind einige derselben von rasch vorübergebenden 
Störungen, wie Kopfweh, Schwindelgefühl usf. gefolgt. Nach 
10 tägiger Behandlungspause, bedingt durch Partus und Wochen¬ 
bett, werden bei völligem Wohlbefinden und in fieberfreiem Zu¬ 
stande der Patientin die Injektionen wieder aufgenommen, mit dem 
Effekt, dass die Patientin nunmehr nach jeder der vier noch ver¬ 
abfolgten Injektionen fiebert, und zwar bis 38,3, 37,6, 38,2 und 
37,6°. Ein einwandsfreier Grund dafür ist zunächst nicht zu 
eruieren, wenn auch die an den injektionsfreien Tagen des öfteren 
abends festzustellende leichte Temperaturerhöhung darauf hinweist, 
dass irgend etwas im Anzüge ist. Erst die der letzten Ein¬ 
spritzung folgenden Tage bringen die Klärung der Situation durch 
den Nachweis eines beiderseitigen kleinen Mammaabscesses. Nach 
Eröffnung derselben klingt das zuletzt hohe Fieber lytisch ab, ein 
Beweis dafür, dass dieses Fieber in den letzten Tagen vor dem 
operativen Eingriff einzig und allein durch die Injektion, ohne 
Mitwirkung des Salvarsankupfers, bedingt war. Dagegen ist meines 
Erachtens der jedesmalige Temperaturanstieg nach den letzten 
vier Injektionen im wesentlichen auf das Schuldkonto des K. 201 
zu setzen, das offensichtlich unter dem Einfluss der eingedrungenen 
Eiterbakterien und ihrer Toxine eine Steigerung seiner Giftigkeit 
erfahren hatte. Wenn nun diese Reaktionen keinen ernsten oder 
gar bedrohlichen Charakter annabmen und nur von kurzer Dauer 
waren, wie die jedesmalige prompte Entfieberung der Patientin 
am Vormittage des der Injektion folgenden Tages zeigt, so dürfte 
das darin seine Erklärung finden, dass erstens die bakterielle 
Erkrankung ganz allmählich sich entwickelte, und dass zweitens 
doch nur sehr kleine Dosen des K. 201 verabfolgt wurden. 

Nach Ausheilung der Abscesse habe ich von der Wiederauf¬ 
nahme der Injektionen Abstand genommen, da durch die bis¬ 
herige Behandlung wenigstens zunächst einmal der Umschlag der 
Wassermann’schen Reaktion in die negative Phase erreicht war. 
Ich kann daher für den vorliegenden Fall nichts darüber aus- 
sagen, über welchen Zeitraum, vom Tage der Heilung an ge¬ 
rechnet, die Herabsetzung der Toleranz gegenüber dem K. 201 
sich erstreckt bat. 

Fall 2. Paula St., 38 Jahre alt. 

Status am 10. XI. 1913: Kleine, dürftig genährte Person mit starker 
Kyphoskoliose. Lues latens, Wassermann -f-f-. Eitriger Ausfluss aus 
Harnröhre und Cervix; Gonokokken trotz wiederholter Untersuchung 
nicht nachweisbar. 

14. XI. Therapie: Trotz Fehlens von Gonokokken vorsichtshalber 
Hegononinjektion in die Harnröhre und Protargolglycerin, lOproz., zum 
Auswiscben der Cervix. 0,05 K. 201. Höchsttemperatur 37,5°, sonst nihil. 

16. XI. 0,05 K. 201. Höchsttemperatur 37,2°, sonst nihil. 

18. XI. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 37°, sonst nihil. 

21. XI. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 37,5°, ohne sonstige Be¬ 
schwerden. 

22. und 23. XI. ohne Besonderheiten. 

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UNIVERSITÄT OF IOWA 



1460 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


24. XI. Pat. fühlt sich nicht wohl, klagt speziell über Schmerzen 
in der rechten Unterbaucbgegegend. Kein Fieber. 

25. XL Allgemeine Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, 
Schnupfen, Herpes der Oberlippe, Exacerbation einer ent¬ 
zündlichen Adnexerkrankung beiderseits (Dr. Kretschmar). 
Temperatur vormittags 38,3°, abends 38,8°. 

26. XL Befinden etwas besser, Temperatur 37° bzw. 38°. 

27. XI. Fieberfrei. Allgemeinbefinden wieder gut, Leibschmerzen 

nur noch im geringen Grade vorhanden. 

28. XI. 0,1 K. 201, Temperaturanstieg bis 37,8°, sonst nihil. 

I. XII. 0,05 K. 201. Höchsttemperatur 37,2°. 

3. XII. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 37,1°. 

6. XII. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 36,9°. 

9. XII. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 37°. 

12. XII. 0,15 K. 201. Höchsttemperatur 36,7°. 

(Behandlung wird ambulant fortgesetzt.) 

Es handelt sich also, m. H., um eine Patientin mit latenter 
Lues und eitrigem, keine Gonokokken enthaltenden Katarrh der 
Harnröhre und der Cervix. Nachdem dieselbe auf die erste In¬ 
jektion mit einer geringen Temperaturkuppe (37,6°) reagiert hat, 
verlaufen die zweite und dritte Injektion trotz Steigerung der 
Dosis fieberlos. Nach der vierten Injektion, die bei vollem Wohl¬ 
befinden gemacht wird, steigt nun die Temperatur wiederum 
auf 37,6°. In den nächsten Tagen setzt unter allgemeiner Ab¬ 
geschlagenbeit ein heftiger Schnupfen, begleitet von einem Herpes 
labialis und Temperaturanstieg, ein. Ausserdem wird eine beider¬ 
seitige Adnexitis festgestellt. Nach völliger Entfieberung und 
Nachlassen der Schmerzen im Leibe erhält Patientin wiederum 
eine Injektion mit dem Ergebnis, dass Fieber bis 37,8° eintritt, 
ohne sonstige Störungen. Tags darauf ist Patientin wieder ent- 
fiebert und verträgt nunmehr weitere fünf Injektionen trotz all¬ 
mählicher Steigerung der Dosis völlig reaktionslos. 

Wir sehen also, wie unter dem Einflüsse einer sich ent¬ 
wickelnden Erkältungskrankheit das Salvarsan-Kupfer eine Steige¬ 
rung seiner Giftigkeit erfährt, woran vielleicht bis zu einem ge¬ 
wissen Grade auch die, eventuell durch unsere Therapie pro¬ 
vozierte Adnexitis einen gewissen Anteil hat. Jedoch ist die 
Toxizitätssteigerung nur eine unbedeutende, wie aus dem nur ge¬ 
ringen Anstieg der Temperatur und dem Fehlen anderweitiger 
Störungen klar hervorgeht, auch hält sie nur eine kurze Spanne 
Zeit an; denn bereits 5 Tage, nachdem die klinischen Erschei¬ 
nungen im wesentlichen abgeklungen sind, zieht die Wiederauf¬ 
nahme der Injektionen keinerlei Reaktionen mehr nach sich. 

Fall 3. Luise H., 46 Jahre alt. 

Status am 6. XII. 1913: Kräftige, gesund aussehende Frau ohne 
Luessymptome. Wassermann -|—f— 

Pat. erhält zunächst vom 19. bis 26. XII. Kal. jodat. 

27. XII. Neosalvarsan Dosis II intravenös. Temperatur abends 36,9° 
(keine genaue Messung), keine sonstigen Beschwerden. 

4.1. 1914. Die für heute angesetzte Salvarsaninjektion unterbleibt 
aus äusseren Gründen. 

5. I. Pat. .fühlt sich nicht wohl, klagt über Kopf- und Hals¬ 
schmerzen. Diagnose: Angina follicularis. Temperatur abends 38,2°. 

7. I. Angina gebessert, entfiebert. 

8. I. Angina geheilt, Wohlbefinden. 

9. I. Neosalvarsan Dosis II intravenös 10 ühr vormittags. 
Einige Stunden später schlechtes Befinden, Frost, Uebel- 
keit, immer intensiver werdende Kopfschmerzen. Anstieg der 
Temperatur bis 38,5° (etwa 14 Stunden post injectionem). 

10. I. Vormittags 6 ühr noch immer 38,2° und schlechtes All¬ 
gemeinbefinden. Am Abend 37,4°, noch immer Kopfschmerzen und 
Appetitlosigkeit. 

II. I. Befinden wieder völlig normal. Temperatur unter 37°. 

12. bis 16. I. ohne Besonderheiten. 

17. I. Neosalvarsan Dosis II intravenös. Höchsttemperatur 37,3°, 
geringe, bald vorübergehende Kopfschmerzen. 

18. bis 20. I. ohne Besonderheiten. 

21. I. Neosalvarsan Dosis III intravenös, Höchsttemperatur 37,4°; 
sonst nichts Besonderes. 

22. bis 25. 1. ohne Besonderheiten. 

26. I. Neosalvarsan Dosis III intravenös. Höchsttemperatur 37,4°; 
etwas eingenommener Kopf während mehrerer Stunden. 

27. I. Nachmittags Entlassung bei völligem Wohlbefinden. 

M. H.l Eine Patientin mit Lues lateos verträgt am 27. XLI. 
1913 Neosalvarsan Dosis II glatt. Am 6. I. 1914 wird Angina 
follicularis festgestellt. Am 7. I. ist Patientin wieder entfiebert, 
am 8. die Angina beseitigt und das Allgemeinbefinden wieder ein 
ungestörtes. Am 9. I. wird mit der Neosalvarsanbehandlung 
wieder begonnen, und obwohl nur Dosis II injiziert wird, ent¬ 
wickelt sich im Anschluss daran unter Anstieg der Temperatur 
bis 38,6° ein recht bedrohlich ausgehendes Krankheitsbild, das 
erst am 11. I. wieder völlig normalem Befinden Platz macht. 


Am 17. I. verträgt die Patientin dieselbe Neosalvarsandosis so 
gut wie reaktioDslos, desgleichen noch zwei weitere am 21. und 
26. I., obwohl beide Male die nächst höhere Dosis appliziert wird. 

Auch in diesem Falle erkennen wir also, aber weit evidenter, 
wie in den beiden bisher beschriebenen Fällen, den schädlichen 
Einfluss, welchen eine eben überstandene Infektion auf die Ver¬ 
träglichkeit einer Salvarsaninjektion ausübt, zugleich aber geht 
aus der Schwere der Krankheitserscheinungen, die sich nach der 
Einspritzung einstellen, hervor, in wie hohem Grade ganz speziell 
eine eben überstandene Angina follicularis, also eine Strepto¬ 
kokkeninfektion, die Organotropie des Salvarsans zu steigern 
vermag. Und dabei wurde nur die kleine Dosis von 0,3 Neo¬ 
salvarsan injiziert. 

Was aber hätte sich, so frage ich, ereignet, wenn statt dessen 
eine grössere Menge inkorporiert worden wäre?! Es zeigt aber 
auch diese Beobachtung, dass hier verhältnismässig schnell die 
normale Resistenz der Organzellen sich wieder herausbildet; 
bereits etwa 8 Tage nach diesem Zwischenfall wird nämlich die 
gleiche Dosis, von minimalen Beschwerden abgesehen, recht gut 
vertragen, und ebenso iu der Folgezeit noch zwei weitere, etwas 
höher dosierte Injektionen. 

Fall 4. Ida B., 22 Jahre alt. 

Status am 10. XI. 1913: Lues U recid., bisher nicht behandelt. 
Leukoderma fere univers.; vereinzelte pigmentierte Narben am Stamm. 
Roseola trunci; Papul. squam. capillit.; Papul. eros. region. pudend. et 
cren. ani.; Syphil. papulo-squam. plantar, ped.; Lymphadenit. byperplast. 
multipl. Wassermann +-J-. 

10. XI. 0,05 K. 201 1 

18 XI 0,? 5 K. 201 ( völlig reaktioQsloser Verlauf. 

16] XL 0,’l X 201 J 

19. XL 0,12 K. 201, bei völligem Wohlbefinden, 12 Uhr mittags. 
Allmählicher Anstieg der Temperatur bis 38,8° (10 Uhr abends); dabei 
abwechselnd Frost- und Hitzegefühl; intensive Kopfschmerzen, 
Appetitlosigkeit, Somnolenz. 

20. XI. Mittags 12 Uhr noch 87,6°. Befinden zwar besser, doch 
bestehen die Kopfsohmerzen noch fort, wenn auch weniger heftig. 
Abends entfiebert. Allgemeinbefinden leidlich gut. 

21. XL Vormittags 37,8°. Fühit sich wieder nicht wohl; objektiv 
nihil. Abends 39°. Klagt über Kopf- und Halsschmerzen. Objektiv: 
Beide Tonsillen stark gerötet. 

22. XL Heute typische Angin a follioul. beiderseits. Temperatur 
schwankt zwischen 38,8 bis 40°. Im Urin Spuren von Albumen. 

23. 11. Vormittags 38,7°; abends 37,4°. Angina gebessert. All¬ 
gemeinbefinden gleichfalls. 

24. XL Fieberfrei, abends Beläge auf den Tonsillen beseitigt. All¬ 
gemeinbefinden gut. Uria eiweissfrei. 

25. XL Fieberfrei und völliges Wohlbebefinden. 

26. XL Pat. fühlt sich absolut wohl, ist fieberfrei und verlangt 
unbedingt behandelt zu werden, trotz dringenden Abratens. 

0,05 K. 201. Temperaturanstieg bis 89,2°; Frösteln, Kopf¬ 
schmerzen usw. wie am 19. XI. 

27. XI. Nachlassen der subjektiven Beschwerden; Temperatur je¬ 
doch um 12 und 3 Uhr wieder 38,1°, abends 36,7°. 

28. bis 30. XL Befinden und Temperatur normal. 

1. XII. 0,05 K. 201 
3. XII. 0,1 K. 201 
6 . XII. Neosalv,, Dos 

10. XII. 0,1 K. 201 
12. XII. Neosalv., Dos 
16. XII. 0,15 K. 201 
19. XII. Neosalv., Dos 
22. XII. 0,15 K. 202 
Behandlung wird abgeschlossen. 

Ein junges Mädchen mit recidivirender Lues II verträgt zu¬ 
nächst vier K. 201 - Injektionen ohne jegliche Reaktion. Auf die 
fünfte jedoch (19. XI.) folgt hohes Fieber bis 38,8°, verknüpft mit 
schweren sonstigen Nebenerscheinungen, wie Kopfschmerzen usw., 
die noch am Vormittag des nächsten Tages, wenn auch in ver¬ 
mindertem Maasse vorhanden sind. 

Am 21. XI. steigt die Temperatur erneut in die Höhe; 
gleichzeitig klagt die Pat. über Kopf- und Halsschmerzen. Am 
22. XL wird eine typische beiderseitige folliculäre Angina kon¬ 
statiert. Am 24. XI. ist die Augina geheilt, völliges Wohl¬ 
befinden wiedergekehrt, das Fieber verschwunden. Am 26. XL 
setzt die Behandlung auf dringenden Wunsch der sich völlig g®* 
suud fühlenden Pat. wieder ein, mit dem Ergebnis, dass trotz 
Herabsetzung der Dosis die Temperatur im Anschluss an die In¬ 
jektion bis 39,2® steigt und ähnliche Störungen wie am 19. XI. 
sich einstellen, die auch am nächsten Tage, wenn auch in ver¬ 
mindertem Maase, noch andauern. Am 1. XII., also 5 Tage 
Bpäter, wird mit den Einspritzungen wieder begonnen, die von 


j Keinerlei Störungen. Höchste nach 
v f einer oder der anderen Injektion er- 
> reichte Temperatur 87,3°, die auch 
1V 1 an den injektionsfreien Tagen bis- 
TV i weilen gemessen wird. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




3. Aug ust 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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nun an sämtlich, acht an der Zahl (teils K. 201, teils Neo- 
salvarsan) wieder völlig reaktionslos überstanden werden (siehe 
vorstehende Kurve). 

M. H.! Weitere Erörterungen zu diesem Fall erscheinen 
mir völlig überflüssig. Derselbe beweist wohl am ekla¬ 
tantesten von allen, einem Experiment gleich, dass in 
Wahrheit ein latenter Mikrobismus existiert und zugleich 
anch, welch unheilvolle Wirkungen aus dem Zusammen¬ 
treffen eines solchen mit einer Salvarsaninjektion im 
Organismus resultieren können und müssen. 

Wenn hier und natürlich auch ebenso in den vorher¬ 
geschilderten Krankengeschichten diese Verhältnisse in so klarer, 
eindeutiger Weise zutage treten, so liegt das eben daran, dass 
wir das K. 3 und K. 201 in kleinen Dosen und in kurzen 
Intervallen injizieren und auf diese Weise gegebenen Falles 
während der Behandlung natürlich ganz leicht einmal auf 
das Stadium eines latenten Mikrobismus treffen können, 
viel leichter jedenfalls, als bei Verwendung von Alt- und Neo- 
salvarsan, das wir im allgemeinen — eine Ausnahme macht nur 
Fall 3 — doch in grösseren Dosen und demgemäss auch in 
grösseren Zwischenräumen zu injizieren gewohnt sind. In der 
Anwendung dieser kleinen Dosen liegt aber zugleich auch 
bis zu einem gewissen Grade eine Gewähr dafür, dass 
nicht allzu üble Folgen in einem solchen Falle sich ein¬ 
stellen werden, wie das ja auch aus den mitgeteilten Kranken¬ 
geschichten erhellt. 

M. H., betrachten wir zum Schlüsse die hier geschilderten 
Fälle noch einmal zusammenfassend, so ergeben sich da, wie mir 
scheint, einige allgemeine Gesichtspunkte. Die Fälle zeigen 
zunächst ganz einwandfrei, dass es unter dem Einflüsse 
einer accidentellen fieberhaften Erkrankung zu einer 
Steigerung der Toxicität des Salvarsans kommt, und dass 
zweitens diese Erhöhung der Giftigkeit nur eine vor¬ 
übergehende Erscheinung ist. 

Weiter lehren die Fälle, dass, ähnlich wie in den eingangs 
erwähnten Tierexperimenten, bei den einzelnen interkurrenten 
Erkrankungen die Steigerung der Toxicität sehr ver¬ 
schieden hohe Grade erreichen kann, und dass dies offen¬ 
sichtlich abhängig ist von der Art der Krankheits¬ 
erreger. Verhältnismässig harmlos scheinen sogenannte Er¬ 
kältungskrankheiten zu sein, wie z. B. unser Fall 2 zeigt, und 
ebenso auch die in der Einleitung erwähnten Beobachtungen von 
Almkvist; desgleichen solche Fälle, wo es zur Entwicklung 
kleiner, abgekapselter Abscesse kommt (siehe Fall 1). Dagegen 
sind in dieser Beziehung Anginen, also Allgeraeininfektionen 
mit Streptokokken, zweifellos sehr gefährlich und be¬ 
wirken, wie das Fall 3 und 4 evident beweisen, schwere Störungen 
der Gesundheit trotz der Verwendung nur geringer Dosen von 
Salvarsan. 

Endlich lässt sich aus dem Ablauf unserer Beobachtungen 
e in gewisses Urteil darüber gewinnen, welche Zeitdauer die 
durch bakterielle Erkrankungen bedingte Herabsetzung der 
Toleranz gegenüber dem Salvarsan umfasst. So wird bei¬ 
spielsweise im Fall 1 bereits 8 Tage, bevor sich die ersten An¬ 
zeichen eines Brustdrüsenabscesses feststellen lassen, eine K. 201- 
lojektion nicht mehr gut vertragen. Fall 2 lässt die Steigerung 
der Toxicität erkennen, 3 Tage, bevor sich die ersten Krankheits¬ 
zeichen bemerkbar machen, und Fall 4 reagiert ca. 2 Tage vor 
dem die Angina einleitenden Temperaturanstieg sehr schwer auf 
Salvarsankupfer, nachdem beide Fälle noch wenige Tage zuvor 


eine Injektion ohne irgendwelche Störung ver¬ 
tragen hatten. Fall 2, jene Patientin mit dem 
fieberhaften Schnupfen und nur geringfügiger 
Steigerung der Empfindlichkeit gegenüber dem 
Salvarsan, verträgt bereits 5 Tage nach ein¬ 
getretener Entfieberung wieder ohne jegliche 
Störung 0,05 K. 201, und die beiden Patien¬ 
tinnen mit Angina follicul. (Fall 4 und 3) 
reagieren 7 bzw. 9 Tage nach völliger Heilung 
derselben auf 0,05 K. 201 resp. 0,3 Neo- 
salvarsan nicht mehr, während ein paar Tage 
vor diesen Terminen alle drei Fälle auf eine 
solche Injektion hin noch mehr oder weniger 
gefiebert hatten, obwohl dieselbe bei völ¬ 
ligem Wohlbefinden ausgefübrt worden war. 
Aus diesen Zeitangaben geht hervor, dass, in 
unseren Fällen zum wenigsten, weder 
jener vor dem Einsetzen von Erkran¬ 
kungserscheinungen bereits vorhandene latente Mikro¬ 
bismus, noch derjenige nach Abheilung der klinischen 
Symptome bestehende eine allzulange Dauer hatte, sich 
vielmehr nur auf verhältnismässig wenige Tage beschränkte. 
Ein weiterer Beweis hierfür liegt darin, dass bei den Patientinnen 
2—4 die Behandlung nicht nur wieder aufgenommen, 
sondern auch trotz allmählicher Steigerung der injizierten Sal- 
varsanmengen in durchaus befriedigendem Maasse ohne 
weitere Störungen durchgeführt werden konnte. Demnach 
trifft die bereits eingangs zitierte Meinung Gennerich’s, dass 
solche Fälle nur ausserordentlich schwierig in hinreichender Weise 
mit Salvarsan behandelt werden könnten, offenbar doch wohl nicht 
ausnahmlos zu. 

M. H., für die Praxis der Salvarsanbeliandlung 
dürften sich auf Grund dieser Auseinandersetzungen folgende 
Lehren ergeben: 

1. In der Entwicklung begriffene, akute, fieberhafte Er¬ 
krankungen mit ihrem latenten Mikrobismus entziehen sich 
fast ausnahmslos unserer Erkenntnis, weil jegliche Krankheits¬ 
symptome fehlen. Es ist deshalb gerade mit Rücksicht auf 
die Gefahren, die der latente Mikrobismus in sich birgt, unter 
allen Umständen auf das peinlichste an dem wohl zuerst von 
Genuerich aufgestellten Grundsatz festzuhalten, dass nur bei 
völligem Wohlbefinden eines Patienten nach jeder Richtung hin 
eine Salvarsaninjektion gemacht werden darf. Bei strikter 
Erfüllung dieser Forderung trifft dann wenigstens den Therapeuten 
keine Schuld, wenn doch einmal gelegentlich, trotz aller Vorsicht 
infolge des Zusammenstossens einer Salvarsaninjektion mit einem 
latenten Mikrobismus mehr oder minder üble Folgen sich ein¬ 
stellen sollten. 

2. Nach Abheilung irgendwelcher, akut fieber¬ 
haften, in eine Salvarsankur fallenden Erkrankung 
muss mit Rücksicht auf den wohl fast ausnahmslos noch be¬ 
stehenden Mikrobismus eine mindestens 8-, noch besser 
14 tägige Behandlungspause innegehalten werden. 

3. Bei Wiederaufnahme der Salvarsanbehandlung 
darf zunächst nur eine sehr kleine Dosis Salvarsan, eine 
probatorische Dosis, wie Wechselmann 1 ) das nennt, ge¬ 
geben werden, und nur ganz allmählich darf eine Steigerung 
der Dosis eintreten. 


Aus der dermatologischen Klinik der Universität 
Modena (Direktor: Prof. P. Colombini). 

Epithelisierende Wirkung der Aminoazobenzole. 2 ) 

Von 

Dr. Leonardo Martinotti, Assistenzarzt und Privatdozent. 

(Ucborsetr.t von Geh. San.-Rat Dr. Lewin.) 

Nach den interessanten Experimenten von Fischer, welche 
bewiesen, dass das medizinische Scharlachrot-Biebrich eine be¬ 
sonders anregende Wirkung auf die Wucherung der Epithelien 
besitze: Experimente, welche von zahlreichen Autoren (Jores, 
Wessely, Stahr, Seckel, Schreiber, Wengher, Stöber, 
Fricke, Werner usw ) bestätigt wurden uud heutzutage all- 


1) Die Behandlung der Syphilis mit Dioxydiamidoarsenobenzol, Bd. II. 

2) Eine vorläufige Mitteilung über diese Arbeit wurde in der medi¬ 
zinischen Gesellschalt von Modena am 16. Januar 1914 gemacht. 

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1452 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81 . 


gemein anerkannt sind, führte Schmieden als Frucht dieser 
Untersuchungen eine 8 proz. Scharlachrotsalbe in die Praxis ein 
und empfahl sie dringend zur Epithelialisierung von Wunden. 
Dieses Medikament erwies sieb schnell als durchaus wirksam uDd 
ist jetzt in die therapeutische Praxis übergegangen. Es wurde 
von zahlreichen Autoren zur Vernarbung von Wunden sehr ver¬ 
schiedenen Ursprungs, wie Verbrennung, X-Strahlen, postopera¬ 
tiver Lupus usw., empfohlen. Ich erinnere unter den vielen 
Arbeiten an die von Sprecher, Auerbach, Crajca, Strauss, 
Seifert, Rammstedt, Staige-Davis, Neumeyer, Scba- 
retzky, Enderlen, Hübner usw. 

Stöber fand 1909, dass auch die basischen Komponenten des 
Scharlachrots udü des Sudans III, d. h. des Amidoazotoluols und des 
Amidoazobenzols, desgleichen des Paratoluidins, der Aminoderivate des 
Naphthalins, des Naphthylamins dieselbe anregende Wirkung auf die 
Proliferation der Epithelien besässen, und er folgerte daraus, dass ge¬ 
rade dem Amidoazotoluol die Wirksamkeit des Scbarlaohrots zuzu¬ 
schreiben sei. 

Stöber machte darauf Experimente*nicht nur an Kaninchen, sondern 
auch am MenscheD. 

Hayward führte 1909 das Amidoazotoluol in die Therapie ein. 

Michaelis empfahl 1911 die Anwendung des Medikaments in 
Pulverform in Verbindung mit Zinkperhydrol und Bismut. subnitricum. 

Bortlin (1911) empfahl schliesslich das Pellidol (Dimethyl- 
amidoazotoluol) und das Azodolen (Pellidol -+- Jodoien aa). Schliess¬ 
lich gelang es Petzlow, Dobrawoiskaja, Schwerdt, Sachs in 
neuerer Zeit zu beweisen, dass verschiedene Farbstoffe, z. B. das 
Brillantrot, das Säuregelb, das Säuregrün und andere noch diese epi- 
thelialisierende Eigenschaft besässen. Besonders wurde das Brillantrot 
in Pulverform empfohlen. 

Unter den zahlreichen anderen Autoren, welche auf diesem Gebiet 
gearbeitet haben, erinnere ich an Wessely, Rutschinski, Bentbin, 
Wacker und Schmincke, Mori, Haga, Katz usw. 


Seit einiger Zeit mit zahlreichen Farbsubstanzen experi¬ 
mentierend, fand ich, dass eine Gruppe derselben in hohem 
Grade und in einer ganz besonderen Eigenart diese narben¬ 
bildende Eigenschaft besässe. Die in Rede stehenden Substanzen 
gehören zumeist dem Aminoazobenzoi oder dem Amidoazotoluol an. 

Der Kürze wegen werde ich ohne weiteres in den Haupt¬ 
punkten die Resultate meiner Studien und Untersuchungen mit 
teilen. 

1. Die Farbstoffe, welche dem Aminoazotoluol und Amino¬ 
azobenzoi angehören, haben alle eine mehr oder weniger starke 
und sichtbare Wirkung auf die Epithelien. Diese Wirkung äussert 
sich in Form von Epitbelwucherungen nach Injektionen von 
Lösungen oder Emulsionen dieser Substanzen in das Polster des 
Ohrläppchens des Kaninchens oder bei lokaler Anwendung auf 
Wunden, die durch Hautverletzung von Kaninchen entstanden 
sind. Bei den letzteren Applikationen beobachtet man eine einiger- 
maassen verschiedene Wirkung, je nachdem die angewandte 
Substanz in einem öligen, glycerinbaltigen oder wässerigen Mittel 
enthalten ist, worüber ich mich später äussern werde. 

Dieselben Wirkungen zeigen dieselben Substanzen auf Wunden 
der menschlichen Haut. 

2. Das Epithelisierungsvermögen erreicht sein Maximum 
bei den niederen Aminoazotoluol- und Aminoazobenzoi Verbin¬ 
dungen und nimmt im allgemeinen stets mehr ab, wächst jedoch 
bei den Disazo-, Trisazo- usw. Derivaten, so dass, um ein Beispiel 
auzuführen, diese Wirkung grösser beim Aminoazobenzoi ist als 
beim Scharlachrot. 

3. Die Aminoazobenzolverbindungen sind im allgemeinen weit 
wirksamer als die Aminoazotoluolverbindungen. Einige Autoren 
haben widersprechende Resultate beim Gebrauch des Scharlachrots 
gehabt. Nun ist zu bemerken, dass das Scharlachrot Biebrich 
(Scharlach 3R, Ponceau 3 RB [Pappenheim 1 ), Nietzky 2 ) und 
Enzyklopädie 3 )]) ein Disulfoderivat des Aminoazobenzols-azo- 
/JNapbthols ist; das Fettponceau oder Scharlachrot [Nietzky 2 ) 
und Enzyklopädie 4 ), Michaelis 5 )] ein Amidoazotoluol -azo- 
/iNaphthol. Nach der Formelangabe von Kalle würde dagegen 
das Scharlachrot-Biebrich R diese letztere Zusammensetzung haben. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die beiden in den Handel 
gebrachten Proben von Scharlachrot R verschieden zusammen¬ 


1) Pappenheim, Grundriss der Farbchemie, 1901, S. 401. 

2) Nietzky, Chemie der organischen Farbstoffe, 1906, S. 74, 75, 76. 

3) Enzyklopädie der mikroskopischen Technik, 2. Aufl., 1910, Bd. 1, 
S. 106. 

4) Ebenda, S. 455. 

5) Michaelis, Fett. Ebenda, S. 450. 


gesetzt sind und deshalb verschiedene Resultate bervorgerufen 
haben, obwohl es nach meinen Versuchen für mich, wie bereits 
gesagt, feststeht, dass die Aminoazobenzolverbindungen stets 
wirksamer sind als die Aminoazotoluolverbindungen. 

4. Von allen Aminoazobenzolverbindungen bat das salzsaure 
Diaminoazobenzol die grössere Wirkung, eine FarbsubstaDz, welche 
im Handel unter dem Namen „Chrysoidin“ gebt. In zweiter 
Linie steht das salzsaure Amidoazobenzol (Aniiingelb); alle 
anderen Aminoazolbenzolverbindungen haben eine geringere Wirkung. 

5. ln Uebereinstimmung mit allem, was ich zuvor gesagt 
habe, empfehle ich vom praktischen Standpunkte vor 
allem das Amidoazobenzol hydrochlor. (oder Phenylazo- 
meta-Pbenyiendiamin chiorydr.) als Vernarbungsmittel 
bei Wunden im allgemeinen als das wirksamste, kräf¬ 
tigste und vielleicht am wenigsten giftige von allen 
beute bekannten Präparaten 1 ). 

Ich wandte es an bei atoniseben varikösen Geschwüren, bei 
Brand Verletzungen, bei grossen ulcerierten Flächen, Residuen von 
Excochlea!ionseffekten usw. In allen diesen Fällen bewies es ein 
ausserordentliches, in einigen ein geradezu wunderbares Narben- 
bildung8vermÖgen. 

Man kann es in öliger (5 proz.), Salben- (10 proz.) oder 
wässeriger (1 — 2 proz.) Form verwenden. Bei wenig ausge¬ 
dehnter Fläche benutzte ich es auch als reines Pulver ohne 
irgendwelche toxische Erscheinung oder in Verbindung mit anderen 
unschädlichen Pulvern. Die Glycerinlösung (3—5 proz.) leistet 
schlechte Dienste. 

Vor allen Medien ziehe ich die wässrige Lösung vor. Denn 
die fettigen Medien (das trifft auch für die des Amidoazotoluols 
zu) führen zu einer mehr oder weniger wuchernden Vernarbung, 
während die wässerige Lösung eine flache, glatte und sehr schnelle 
Epithelialisiernng bewirkt. Ausserdem hält diese letztere die 
Wunde ganz rein, während die Salben und fettigen Lösungen eine 
Art Oedem des Bindegewebes erzeugen. Einen Nachteil hat die 
wässerige Lösung, und der besteht darin, dass die neugebildete 
Epidermis zu trocken ist (und dafür werden wir bald die Gründe 
erfahren); man kann jedoch diese Unannehmlichkeit vermeiden, 
wenn man alle 3—5 Tage die wässerigen Lösungen mit Salben 
vertauscht. 

Die wässerigen Lösungen werden in der Weise verwendet, 
dass man Gaze damit tränkt und auf die Teile legt. Im Centrum 
der Wunde bildet sich eine Anhäufung einer festen, sahnenartigen 
Masse, nach deren Entfernung der Boden rosig und ganz rein 
erscheint. Das Chrysoidin übt keine sichtbaren Wirkungen auf 
das Bindegewebe aus und hat die Tendenz, eine Vernarbung mehr 
auf der Oberfläche als in der Tiefe berbeizufübren. 


Es ist von Wichtigkeit, sich den Mechanismus klar zu machen, 
mit welchem diese Substanzen wirken. Ueber diesen Punkt sind 
die Meinungen verschieden und alle mehr oder weniger hypo¬ 
thetisch. 

Fischer schreibt die Tatsache einer Art von Chemotaxis zu, wie 
sie von diesen Substanzen (Attraxine) ausgeübt wird: eine Chemotaxis, 
welche auch bei den neoplastisohen Wucherungen sich geltend machen 
könnte. Diese Ansicht haben viele acceptiert. 

Stahr denkt eher an das Faktum der Reizung, herrührend von 
einem Komplex von Ursachen, die bei der Injektion dieser Substanzen 
ins Spiel kommen. 

Meyer misst den chronisch-entzündlichen Prozessen, welche in Be¬ 
ziehung zu den lokalen CirculationsstÖrungen stehen, eine Bedeutung bei. 

Greisoher legt grosses Gewicht auf die Ciroulationsverhältnisse. 

Benthin und Sachs führen verschiedene Ursachen ins Feld: 
Ciculationsstörungen, Spannung der Gewebe und vor allem das Er¬ 
scheinen besonderer chemischer Substanzen. 

Mori und Haga führen das Faktum auf eine entzündliche Reaktion 
zurück. 

Sachs leugnet auf Grund der Tatsache, dass zahlreiche verschiedene 
Substanzen von ganz verschiedener Zusammensetzung oin Narben¬ 
bildungsvermögen besitzen, jeden spezifischen Charakter derselben. 

Ich erinnere hier an Wyss, welcher annahm, dass das Phänomen 
eine Folge der mechanischen Wirkung der reinen, einfachen Oelinjektion 
sein dürfte. 

Schliesslich legen Wacker und Schmincke der Löslichkeit der 
Lipoide eine grosse Bedeutung bei. Es ist das ohne Zweifel die inter¬ 
essanteste Hypothese, aber die Frage ist meiner Ansicht nach von den 
Autoren nicht gut begründet worden. 

Das sind die Hauptansichten, die in dieser Beziehung aus¬ 
gesprochen worden sind. Ohne in eine Diskussion derselben ein- 

1) Ich gebrauchte die Proben von den Firmen Schucbardt, Kahl¬ 
baum und Grübler. 


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Gougle. 


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8. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1458 


satreteu, möchte ich jedoch offen erklären, dass keine von ihnen 
dem wirklichen Mechanismus entspricht: Die Existenz einer 
Chemotaxis ist rein hypothetisch, die Wichtigkeit der lokalen 
Circulationsstörangen und der sekundären Bildung von atypischen 
Wucheruogsherden, desgleichen die Idee, dass es sich um ein 
banales mechanisches Reizphänomen handle, sind zu einfach, um 
ein so kompliziertes und so offenkundiges Faktum, wie das starke 
Epithelisierungsvermögen zu erklären, welches einige Substanzen 
besitzen. Es würde wahrlich leicht sein, den Einwand zu er¬ 
beben, warum andere Ursachen, welche dieselben Erscheinungen 
liefern, nicht eine ebenso schnelle wie intensive Epithelisierung 
herbeiführeo. Von anderen Autoren ist behauptet worden, auch 
auf Grund von experimentellen Versuchen, dass dieselben öligen 
Substanzen, wenn sie als Lösungsmittel (besonders das Olivenöl) 
gebraucht würden, ein mehr oder weniger starkes Epethelisierungs- 
vermögen besässen. Darauf ist zu erwidern, dass ein banales Reiz¬ 
phänomen, welches auf verschiedenen Ursachen beruhen und zu 
Epithelwucherungen fuhren kann, durchaus verschieden ist von einer 
spezifischen Wirkung der echten Epithelialisierung, wie sie durch 
diese Substanzen hervorgerufen wird. Zweitens ist die Bedeutung 
des Excipiens ganz ohne Belang, wenn man bedenkt, dass ich, wie 
gesagt, die Farbsubstanz (Chrysoidin) nicht nur in wässeriger 
Lösung (wie es auch die anderen getan haben) angewandt habe, 
sondern auch in Pulverform. Wenn schliesslich das Olivenöl und 
die Excipientien dieses Epithelisieruogsvermögen besässen, so 
erscheint es doch .seltsam, dass es sich nicht äussert, wenn sie 
als Excipientien anderer Medikamente verwendet werden. 

Können auch endlich banale chemische oder physikalische 
Vorgänge Bpithelwucherungen hervorrufen, so bandelt es sich 
doch immer om gewöhnliche Reaktionen, welche nichts mit der 
spezifischen Tatsache der iutensiven Proliferation zu tun haben, 
die durch besondere Substanzen erzeugt werden, welche gerade 
beweisen, dass sie diese besondere Eigentümlichkeit besitzen. Die 
Ursache liegt in ganz anderen Faktoren höherer Art, welche in 
die Reihe der biochemischen Erscheinungen eintreten. Ich habe 
schon die Bedeutung betont, welche die von Wacker und 
Scbmincke ausgesprochene Ansicht besitzt nnd zwar deshalb, 
weil diese Autoren sich mehr als die anderen dem richtigen 
Punkte dieser Frage genähert haben. Ihre Annahme ist jedoch 
gerade das Gegenteil dessen, was sich in Wirklichkeit vollzieht. 
Sie haben behauptet, dass, wenn sie Substanzen verwenden, 
welche die Lipoide lösen, alsdann die Epithelwucherungen be¬ 
obachtet werden; wenn sie jedoch Substanzen verwenden, in 
welchen die Lipoide unlöslich sind, so tritt dieses Phänomen 
nicht auf. 

Ich bin bei Lösung dieser Frage von anderen Gedanken aas¬ 
gegangen: Ich suchte vielmehr zu erfahren, welche Affinität 
diese Substanzen zeigen, wenn man mit ihnen eine intravitale, 
supravitale oder postmortale Färbung der Gewebe vornimmt. 
Mit den beiden ersten Methoden erhielt ich nur zweifelhafte 
Resultate, und deshalb gab ich sie auf. Mit der letzteren da- 
S e £* D gelangte ich durch verschiedene Stufen zu sehr wichtigen 
Schlüssen, welche man kurz folgendermaassen zusammen fassen 
kann: Alle Substanzen, welche in vivo ein Epithelisierungs¬ 
vermögen haben, besitzen in vitro eine besondere Affinität für 
Fette. Es sind das meistenteils Derivate des Aminoazobeozols 
und Amiooazotoluols. Während jedoch die höheren Azoderivate 
dieser beiden Snbstanzen keine besonders bemerkenswerten Eigen¬ 
schaften besitzen, so haben die Monoazoverbindungen zum grossen 
Teil die Fähigkeit, sich auf den Fetten des Fettzellgewebes zu 
fixieren und in Gegenwart eines energisch oxydierenden Agens 
sich mehr oder weniger lange Zeit hiudurch nicht aufzulösen. 
Uiese Eigenschaft ist weit grösser bei dem Aminoazobenzol als 
heimi Aminoazotuol. Sie ist bisweilen so flüchtig, dass sie un¬ 
beachtet voröbergehen kann. Man beobachtet das bei den ent¬ 
sprechenden Monazoderivaten. Diejenige Substanz, welche vor 
kJ 0 aa< * e f en diese Fähigkeit besitzt, ist das Diamidoazobenzol 
ydrochloricnm. Das Experiment wird auf sehr einfache Weise 
ausgeführt. Man kann kleine Stückchen des subcutanen Zell¬ 
gewebes nehmen, sie in eine wässerige Chrysoidinlösang und als- 
aon ] n das oxydierende Agens legen. Weit bequemer und mit 
grosserem Erfolg kann man die Reaktion auf Hautschnitten 
jweicne man dem subcutanen Zellgewebe entnimmt) mit dem 
e nerm^rotom machen, oder nachdem man sie wenigstens zuvor 
ftrV°k* fatert hat. Das Formol ist nicht hinderlich, sondern 
fach ^ q- 8 * e Gegenteil und macht die Methode weit ein- 

er * ” ,e w * r e also besser in folgender Weise auszuführen: 


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1. Kleine sehr frische Hautstücke werden lebend oder bei chirur¬ 
gischen Operationen entnommen, in lOproz. Formol fixiert und mittels 
Gefriermikrotoms geschnitten. 

2. Die Schnitte werden 5—10 Minuten oder noch länger in eine 
wässerige 1 proz. Chrysoidinlösung getaucht. 

3. Kurze Waschung im Wasser. 

4. Eintauchung auf wenige Augenblicke (etwa 1 Minute) in eine 
wässerige Lösung von Kal. bichrom. oder lOproz. Chromsäure. 

5. Kurze Wasohung und schnelle Ueberführung in absolutem 
Alkohol, Benzol, Xylol und Einscbliessung in Balsam. 

Unter dem Mikroskop untersucht, zeigeo diese Schnitte die Fette 
des subcutanen Gewebes intensiv braungelb gefärbt. Diese Fette sind 
unlöslich gemacht worden, so dass man sie Fettlösungsmittel passieren 
lassen und in Balsam einschliessen kann, ohne dass sie sioh verändern. 

Diese Unlöslichkeit ist, wie gesagt, eine temporäre, hört in einem 
Zeitraum von einigen Stunden oder einigen Tagen auf und verliert sich 
ganz. Es ist also gut, sofort die mikroskopische Untersuobung der Prä¬ 
parate zu machen. 

Der Einwand, der sich sofort erhebt, ist natürlich der, ob 
nicht doch eine Beziehung besteht zwischen diesem Faktnm, 
welches sich in vitro vollzieht, und dem, was man in vivo be¬ 
obachtet, d. h., ob man in dieser Unlöslichkeit der Fette das 
gleichwertige biochemische Phänomen des Mechanismus der 
starken Epithelialisierung findet, welche diese Substanzen erzeugen. 
Ich behaupte, dass eine Beziehung hier besteht. Zwar kann ich 
zurzeit noch nicht von den Experimenten sprechen, welche ich 
bei Tieren über diese Frage zu machen im Begriff bin; ich kann 
jedoch nicht verschweigen, dass theoretisch wie praktisch diese 
Annahme zulässig ist. Theoretisch wissen wir, dass sich Oxy¬ 
dationsprozesse in jedem Moment im Organismus vollziehen, und 
wir wissen auch, dass überall sich Fette und Lipoide vor¬ 
finden. Praktisch sieht man, wenn man auf eine in Vernarbung 
befindliche Wunde Gaze legt, welche in eine wässerige Lösung 
von Chrysoidin getaucht war, an dea Rändern in Behr schneller 
Weise ein glattes flaches Epidermisgewebe vorsebreiten, welches 
jedoch besonders trocken ist, und, wenn die wässerigen Ver¬ 
bindungen des Chrysoidins nicht mit den öligen abwechseln, so 
ist das neugebildete Epithelgewebe äusserst arm« an Fotten. 
Wenn wir dagegen nar Lösungen oder Oelemulsionen anwendeo, 
so ist das neugebiidete Gewebe weniger trocken, viel krankhafter, 
viel fetter. 

Daher ist es für mich wahrscheinlich genug, dass w-ir in 
dieser Fixierung nnd Unlöslichkeit der Fette, in dem, was man 
Lipotropismus nennen könnte, ein Fundament der Therapie 
finden müssen, welches den Mecbanismns der Wirkung der narben¬ 
bildenden Snbstanzen erklärt. 

Der Entziehung oder ünlöslichmachung der Fette des Epithel¬ 
gewebes würde eine aktive Epithelwacherung entsprecheu. 

Das Phänomen der Epithelwucherungen, welches als Wirkung 
der genannten Farbsubstanzen beobachtet wurde, haben einige 
Autoren vom Felde des Experiments und der Therapie auf das der 
Pathogenese übertragen. Sie suchen zu erforschen, ob ein Zu¬ 
sammenhang zwischen dem in Rede stehenden Faktum nnd den 
atypischen Proliferationen der Neoplasmen besteht. 

In dieser Hinsicht befindet man sich natürlich anf dem Gebiet 
der Hypothese, auf welches man auch das Phänomen des Lipo¬ 
tropismus übertragen kann, von welchem ich gesprochen habe 
und das man in die zahlreichen Theorien über den Mechanismus 
der Genese der neoplastiseben Proliferationen einreihen kann. 

Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass zu den Sub¬ 
stanzen, welche den Lipotropismus besitzen, auch das Salvarsan 
gehört, über welches ich mich schon anderswo ausführlich aus¬ 
gesprochen habe. 1 ) 

Weitere Erfahrungen in der Radiumbestrahlung 
maligner Geschwülste. 

Von 

Dr. Weckewski- Breslau. 

(Vortrag, gehalten in der medizinischen Sektion der schlesischen Gesell¬ 
schaft für vaterländische Kultur zu Breslau am 8. Mai 1914) 

M. H.! Seit meinem letzten Vortrage im vorigen Semester 
anlässlich dessen die Radiumfrage hier in extenso behandelt 
worden ist, sind viele neue Beobachtungen und Erfahrungen auf 
dem Gebiete der Radiumtherapie bekannt geworden, die uns in- 
stand setzen, in dieser Frage klarer zu sehen wie bisher. 

cembre ^913^° deIle S ° C * italiane di Derm *tologia. Roma, 19 di- 

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Original fro-rn 

UNIVERSUM OF IOWA 




Nr. 81. 


1454 BERLINER KLINISCHE WOCIIENSC’HRIFT. 


Es schien eine Zeitlang, als ob bei der grossen Menge der 
Skeptiker die neue Therapie nicht imstande wäre, sich erfolgreich 
durchzusetzen. 

Alle irgendwie bekannten Misserfolge und angeblichen Schä¬ 
digungen derselben wurden hervorgeholt und zur Diskreditierung 
der neuen Heilmethode herangezogen. 

Es gibt in der ganzen Heilkunde weder ein Mittel noch 
eine Methode, die nicht in gewissen Fällen trotz richtigster 
Anwendungsweise im Stiche liesse. Bei der Radiumbehaodlung 
liegt der Fall noch um soviel komplizierter, als hier erst reiche, 
persönliche Erfahrung, subtile Technik und ausreichendes Be 
strablungsmaterial den Ausschlag geben bzw. zum Erfolg ver¬ 
helfen. 

Die einzelnen Misserfolge beweisen nichts gegen die Radium¬ 
therapie; beweiskräftig ist nur das Positive, und solches Material 
ist im letzten Semester genügend zutage gefördert worden. 

Die sofortigen Erfolge, die die sogenannte Radikaloperation 
uns zu bieten scheint, sind derart bestechend, dass seit der Aera 
der antiseptischen und aseptischen Operationsmethode keine andere 
Therapie des Krebses als diese Platz greifen konnte. 

Hierdurch entstand das Dogma von der allein Erfolg ver- 
heissenden Carcinombehandlung durch Radikaloperation. Zurzeit 
liegen die Verhältnisse so, dass die Chirurgen der Radiumtherapie 
nur die postoperative Behandlung, ausserdem die Bestrahlung der 
bereits inoperablen Geschwülste und der Recidive einräumen 
möchten. 

Demgegenüber muss hervorgehoben werden, dass die Radium¬ 
bestrahlung der Hautcarcinome die Erfolge der operativen Heil¬ 
methode unbestritten überholt hat, und in der Gynäkologie ver¬ 
spricht die neue Behandlungsweise des Uteruscarcinoms nicht nur 
Ebenbürtigkeit mit der Radikaloperation zu erreichen, sondern 
ihre Ueberlegenheit zu beweisen. 

Die operative Carcinomtherapie bat die ihr zu Gebote stehen¬ 
den Möglichkeiten der Krebsbehandlung bereits erschöpft und ihren 
Höhepunkt gewissermaassen bereits überschritten. Die Bestrah¬ 
lungstherapie im Gegenteil ist heute erst in der Entwicklung be¬ 
griffen und mit ihrer fortschreitenden Ausarbeitung und Verbesse¬ 
rung der Technik erweitern sich immer mehr die Indikationen 
ihrer Anwendung. 

So lange der chirurgischen Behandlung nur die operablen 
Fälle zuerteilt werden und die Bestrahlungstherapie der inope¬ 
rablen Fälle sich annimmt, ist ein Vergleich der Erfolge beider 
Behandlungsmethoden kurzerhand nicht ohne weiteres möglich. 

Wenn man bedenkt, in welch überwiegender Mehrzahl Reci¬ 
dive eintreten, selbst nach der aussichtsreichst ausgeführten so¬ 
genannten Radikaloperationen, so kann man wohl verstehen, dass 
die Radiologen auch die operativen Carcinome in den Bereich 
ihrer Indikationen hineinziehen wollen und zwar kommt hierbei 
zunächst das Carcinom der Mamma in Betracht, das ähnlich 
günstige Angriffspunkte für die Bestrahlung bietet, wie das Uterus- 
carcinom. 

In den l l /a Jahren meiner Tätigkeit als Radiologe hatte ich 
Gelegenheit, an vielen Patienten die biologische Wirksamkeit der 
Radiumstrahlen kennen zu lernen. 

Es muss zunächst besonders bervorgehoben werden, dass 
sämtliche Fälle inoperabel waren. Davon waren viele Fälle der 
art in extremis, dass sie kurz nach der Bestrahlung an zu¬ 
nehmender Cacbexie zugrunde gingen. 

Einige Fälle haben auf Veranlassung der überweisenden 
Kollegen ihre Kur unterbrochen, z. T. weil dieselben der Meinung 
waren, dass eine Bestrablungsserie genügen müsse. Andere 
Patienten wiederum haben auf eigenen Antrieb, aus Furcht vor 
etwaigen Schädigungen, wie solche nach dem Wiener Kongress 
sehr häufig in der Tagespresse berichtet wurden, ihre begonnene 
Kur aufgegeben. 

Ueber das Carcinom in der Gynäkologie möchte ich mich 
nicht allzusehr ausbreiten, da hierzu genügende Beiträge zusammen¬ 
getragen worden sind, speziell hier in Breslau aus der Klinik von 
Herrn Geh.-Rat Küstner. 

Die von dort berichteten Ergebnisse habe ich vielfach bestätigt ge¬ 
funden, in allerletzter Zeit an einer Frau, bei der nach Radikaloperation 
wegen Portiocarcinom ein stark blutendes und jauchendes Recidiv ent¬ 
stand. Heute — G Monate seit Beginn der Bestrahlung — ist die Ope¬ 
rationswunde absolut glatt, an einer Stelle dringt eine dünne Sonde 
mehrere Millimeter in einen engen Kanal ein, sonst ist auch nach bi- 
manueller Untersuchung nichts Besonderes an ihr mehr festzustellen. 
Vom Rectum fühlt man noch eine etwa haselnussgrosse Drüse und ver¬ 
dickte Stränge, die aber durchaus nicht den Charakter carcinomatöser 


Infiltrationen aufweisen. Die Frau bat zusehends zugenommen, und zwar 
um annähernd 10 Pfund. 

Ein anderer Fall betrifft ein Corpuscarcinom mit Metastasen der Vagma. 

Etwa 3 Monate nach Beginn der Bestrahlung gingen die Metastasen 
vollkommen zurück, das Corpuscarcinom dagegen änderte sich verhältnis¬ 
mässig wenig, vielleicht infolge zu kurz dauernder Bestrahlung. 

Immerhin ist dieser zunächst vollkommen inoperable Fall nach 
Schwund der Metastasen operabel geworden. 

Ein anderer Fall betrifft eine Patientin mit einem kindskopfgrossen 
Myom, die seit August vorigen Jahres sich in Behandlung befindet. 

Der Tumor sass an der Vorderwand des Uterus und war vom 
Abdomen mit einer Hand ohne weiteres palpabel. Die vor 8 Tagen 
stattgefuudene Untersuchung ergab folgendes Resultat: 

Vom Abdomen allein nichts festzustelien. Vorhandensein des Tumors, 
aber verkleinert um mindestens die Hälfte, wenn nicht mehr. 

Patientin wird weiter bestrahlt. 

Ich gebe über zu einer Gruppe von Carcinomen, die vielleicht 
am häufigsten zur Bestrahlung gelangen, und von deren Behandlung 
ich mir in der Zukunft eine Aenderung gegenüber heute noch gel¬ 
tenden Anschauungen verspreche. Es ist dies das Mammacarcinom. 

Die Radiumbesrahlung des Mammacarcinoms ist ganz besonders 
dankbar und lehrreich, weil man in der Lage ist, durch Palpation 
und Anschauung sich von der biologischen Wirksamkeit der Be¬ 
handlungsmethode ein unzweideutiges Bild zu verschaffen, viel 
mehr, als dies beim Rectum Uterus- oder Magen carcinom der Fall 
sein kann. Ausserdem lassen sich die verschiedenen Stadien 
durch die Hilfsmittel der Photographie und «des Gipsabdruckes 
bzw. der Moulage festhalten. 

Ganz besonders sind es die beiden letzteren, der Gipsabdruck 
und die Moulage, die am meisten imstande sind, den jeweiligen 
Zustand treuestens zu veranschaulichen. 

ln meiner Praxis bat sich folgende Methode am besten und 
zweckmäs.sigsteu bewährt: 

Gleich zu Anfang der Behandlung und in geeigneten Zeitabständen 
werden von den betreffenden Partien der Mamma möglichst grosse Gips¬ 
abdrücke abgenommen, hierauf mit Hilfe von farbig getöntem Paraffin 
die entsprechenden Moulagen ausgegossen. 

Gipsabdruck und Moulage stellen alsdann das Negativ und Positiv 
vor, die beide genau ineinander passen. 

Durch dieses Verfahren werden die Konturen absolut naturgetreu 
wiedergegebeo, die Farbentonung dagegen kann der Wirklichkeit nur an¬ 
genähert werden und hängt von der jeweiligen Geschicklichkeit des Her¬ 
stellers ab. 

Nur eins ist bei der Moulage unmöglich, nämlich die verschiedenen 
Grade der Konsistenz festzuhalten. 

Aus der Gesamtzahl der behandelten Mammacarcinome habe ich aus 
dem Anfang meiner Tätigkeit 2 Todesfälle zu verzeichnen. Bei dem 
ersten haudelte es sich um ausgebreitete Recidive nach Radikaloperation 
bei einer sehr pastöaen Patientin; im zweiten Falle handelte es sich 
um recht ausgedehnte Fälle von Metastasen, besonders in der Lunge, 
Leber und im Magen. 

Ich bebe hervor, dass diese Fälle mit der seinerzeit üblichen, ausser¬ 
ordentlich starken 2—3 mm-Bleifilterung bestrahlt worden sind. Es wäre 
falsch, anzunehmen, dass diese 2 Fälle sich der Bestrahlungstherapie gegen¬ 
über absolut refraktär verhalten hätten — im Gegenteil, die zunächst 
bestrahlten Stellen zeigten eine deutliche Beeinflussung, indem sie weich 
und kleiner wurden. 

Während der darauf folgenden Bestrahlungspause entstanden an 
anderen Stellen Metastasen in solcher Menge, dass es aussichtslos wurde, 
sie zu beherrschen. 

In solchen Situationen empfindet man ganz besonders die Notwendig¬ 
keit, sieh weniger eines einzigen, kräftigen Präparates zu bedienen, als 
mehrerer schwächerer, aber ungefähr gleichwertiger, um gegen die zer¬ 
streuten Metastasen gleichzeitig erfolgreich anzukämpfen. 

Anlässlich der beiden soeben erörterten, letal verlaufenen Fälle, die 
zunächst doch unzweifelhaft eine günstige Beeinflussung zeigten, möchte 
ich betonen, dass alle mit Radium bestrahlten Tumoren eine nach dieser 
oder jener Hinsicht günstige Veränderung zeigten, die in den einzelnen 
Fällen nur dem Grade nach einige Unterschiede aufwiesen. 

Ich möchte nicht weitergehen, ohne zunächst epikritisch 
einige Betrachtungen angestellt zu haben, und zwar knüpfen 
sich diese an die Aufwerfung der Frage: Sind diese zwei eben ge¬ 
schilderten, letal verlaufenen Fälle als Misserfolge glatt auf die 
Liste des Radiumkontos zu setzen oder nicht? 

Es wäre zweifellos ein Unterfangen, diese Frage nach der 
einen oder der anderen Seite ohne weiteres beantworten zu wollen, 
um so mehr, als ich nicht in der Lage war, eine Sektion der 
betreffenden Fälle vorzunehmen. Meine nun folgenden Ausführungen 
haben deshalb nur den Wert von Vermutungen. 

Solange wir noch immer über den Umfaog der Maximal- 
dosis nicht im Klaren sind, laufen wir stets Gefahr, eventuell 
eine Unterdosierung vorzunehmen. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



3. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1455 


Wohl ist uns die Maximaldosis selbst noch unbekannt, doch 
wissen wir heute mit Bestimmtheit, dass sie ausserordentlich hoch 
liegen muss. 

Ganz allgemein gehalten, komme ich auf Grund meiner bis¬ 
herigen Erfahrungen zu-der Ueberzeugung, dass 143 bzw. 187 mg 
Radiumbromid in selbst lOOstündiger (natürlich nicht hinter¬ 
einander) Anwendung8dauer sich der Maximaldosis durchaus noch 
nicht nähert. 

Aus diesem Grunde möchte ich auf die Einwendungen gegen 
die hohen Dosen, die seinerzeit in der Diskussion, die meinem 
letzten, hier gehaltenen Vortrage folgten, heute erwidern, dass die 
bei Rectumcarcinom (dies war der Gegenstand der damaligen 
Diskussion) auftretenden Tenesmen von der Aktivitätswertigkeit 
unabhängig sind. 

Sie treten vielmehr bei jeder Bestrahlung auf, ganz gleich, 
ob sie mit grossen oder kleinen Dosen erfolgt, und müssen mit 
der physiologischen Funktion des Rectums iu Verbindung gebracht 
werden, das — lokal, chemisch oder mechanisch gereizt — mit 
Tenesmen antwortet. 

Auf diese Weise ist die Empfindlichkeit des Rectums das 
ungeeignetste Dosimeter für die Bestrablungstecbnik und gibt uns 
durchaus keinen Anhaltspunkt für die Art der Bestrahlung an 
anderen Körperstellen. 

Hierbei möchte ich betonen, dass an den verschiedenen 
Körperteilen die Bestrahlung in ganz verschiedener Weise vorge¬ 
nommen wird, insbesondere was Zeit, Filter und Form der Radium- 
träger an belangt. 

Um nur zwei Körperstellen anzuführen: Leber und Speise¬ 
röhre. Hier kurzdauernde, 1—2 ständige Bestrahlungen durch 
dünnere Filter mit röhrchenförmigen Radiumträgern in Intervallen 
von 1—2 Tagen; dort Anwendung von dickeren Filtern, selbst 
tagelanges Liegenlassen in rasch wiederkehrender Folge, gleich¬ 
zeitig von verschiedenen Stellen aus. 

Ueber die Gründe, welche diese verschiedenartige Behandlungs¬ 
weise rechtfertigen, möchte ich hinweggehen, weil mich das zu 
weit führen würde. 

In der Diskussion nach meinem ersten Vortrage ist noch über eine 
angebliche Schädigung, hervorgerufen durch Radiumbestrahlung, berichtet 
worden, und zwar seitens des Herrn Prof. Frankel. Es handelte sich 
um heftige Diarrhöen, die vom Diskussionsredner als Folge der Radium- 
behandiung angesprochen worden war. 

loh habe damals diese Behauptung unbeantwortet gelassen, weil ich 
erst auf diesem Gebiete Erfahrungen sammeln wollte, und ich kann beute 
nur aussagen, dass ich die Beobachtung des Kollegen in keinem einzigen 
Falle bestätigt gefunden habe, trotz Verabreichung von 15—20 000 Milli- 
grammstuuden. 

Es muss daher angenommen werden, dass — da es sich in dem 
damals diskutierten Falle um ein Carcinom des Peritoneums mit hoch¬ 
gradigem Ascites handelte — die Diarrhöen aus einer anderen, nicht 
näher zu erklärenden Ursache aufgetreten sind, was ja bei Ascites ge¬ 
legentlich beobachtet wird. 

Ich habe während meiner Tätigkeit — es handelt sich 
um einige 80—90, zum Teil wochen- und monatelang be¬ 
strahlte Fälle — den Eindruck gewonnen, dass die Radium¬ 
bestrahlungen überraschend gut vertragen werden, ohne jegliche 
namhafte Störung des Allgemeinbefindens, dass Bestrahlungen, 
selbst des Herzens, wie sie bei der Mammacarcinom-Behandlung, 
besonders auf der linken Seite nicht zu umgehen sind, ohne 
Schaden vertragen werden trotz 10—15 000 und mehr Milli¬ 
grammstunden. 

Diesen Umstand möchte ich ganz besonders hervorheben, da 
ich gehört habe, dass bei Anwendung von Röntgenstrablen in 
ähnlichen Fällen häufig böse Erfahrungen gemacht worden sind. 

Zur Klärung der Frage bezüglich der biologisch verschiedenen 
Wirkung der Radiumstrahleu auf der einen und der Röntgen¬ 
strablen anderen Seite würde viel beitragen, wenn hier anwesende 
Herren mit einschlägigen Kenntnissen der Röntgenbehandlung sich 
über ihre persönlichen Erfahrungen äussern würden. 

Meine Beobachtungen bezüglich der relativen Unschädlichkeit 
der grossen Radiumdosen decken sieb im übrigen durchaus mit 
den an der Freiburger Klinik gemachten Erfahrungen. 

Aus diesem Grunde bediene ich mich in fast jedem Falle 
meiner sämtlichen Radiumträger, und würde deren noch mehr 
verwenden, falls mir solche zur Verfügung ständen. 

Ich komme nunmehr auf meine bei der Behandlung des 
lammacarcinoms gemachten therapeutischen Erfahrungen zu 
sprechen. 

Auf Veranlassung eines hiesigen Kollegen bestrahlte ich 2 Fälle 
wegen Mammacareinoms nach erfolgter Radikaloperation. 


In dem einen Falle konnte man zwar in der Operationsnarbe Recidive 
und in der Umgebung Metastasen nicht mit Sicherheit palpatorisch 
nachweisen, es befanden sich jedoch an diesen Stellen Schmerzen, so 
dass beginnende Recidive angenommen werden mussten. 

In dem anderen Falle bestanden ausserordentlich quälende, schon 
monatelang anhaltende Schmerzen in der Gegend der Operationsnarbe, 
ausserdem eine schmerzhafte, pralle, ödematöse Schwellung des Ober¬ 
und Unterarms bis zu den Fingerspitzen. 

Auch hier waren Recidive wegen des bestehenden Fettpolsters nicht 
mit Sicherheit palpatorisch festzustellen. 

Die in beiden Fallen vorgenommene Bestrahlung hatte zur Folge, 
dass die Schmerzen ziemlich prompt aufhörten, und die Ödematöse 
Schwellung des Armes zurückging. 

Der dritte Fall betraf eine Patientin, die nacheinander beiderseits 
wegen Mammacarcinoms radikal operiert worden war; bald darauf auf beiden 
Seiten ausgedehnte, flächenhafte Recidive, die quer an der Vorderseite 
des Brustkastens denselben wie ein Kürass umpanzerten, ausserdem 
carcinomatöse Pleuritis mit serösem Erguss, der allwöchentlich durch 
Pleurapunktion entleert werden musste. 

Dieser Eingriff wurde im Allerheiligenhospital vorgenommen, woselbst 
die Patientin daher wohl bekannt ist. 

Die Patientin war infolge ihres Zustandes ausserordentlich schwach, 
und es bestand wenig Hoffnung auf eine günstige Beeinflussung. 

Die Dispoöe war so stark, dass die Patientin sich stets zu Wagen 
zu mir begeben musste. 

Nach erfolgter energischer Bestrahlung war sie so weit wieder her¬ 
gestellt, dass sie ihre Tätigkeit als Leiterin eines Modesalons wieder auf¬ 
nehmen konnte, die Atemnot war vollkommen verschwunden, die flächen¬ 
haften Recidive zum grossen Teil zurückgebildet und die Pleurapunktionen 
für die folgenden 5 Monate, d. h. bis jetzt, unterbleiben konnte. 

Angesichts ihres relativen Wohlbefindens lehnte die Patientin weitere 
Radiumbestrahlungen, trotz dringenden Anratens ab, und liess sich 
später im Allerheiligenhospital mit Röntgenstrahlen weiter behandeln. 
Der Erfolg der Röntgenbestrahlung blieb jedoch aus, indem während der¬ 
selben neue lenticuläre Aussaat auftrat, weshalb die Patientin nunmehr 
jetzt vor etwa 4 Wochen mich von neuem zwecks Radiumbestrahlung 
aufsuchte. Das vorläufige Ergebnis derselben ist, dass die Aussaat 
beginnt, sich jetzt langsam zurückzubilden. 

Im vierten Falle handelte es. sich um eine Patientin, der ein Viertel¬ 
jahr vorher linksseitig die Mamma abgenoraraen und die Drüsen aus¬ 
geräumt worden waren. Sie wurde mir recidivfrei zur Bestrahlung über¬ 
wiesen. Seit der Bestrahlung sind jetzt etwa 8 Monate vergangen, ohne 
dass die Patientin recidiviert wäre. 

Es ist dies der einzige Fall, der recidivfrei in meine Behandlung 
gekommen ist, und ist als solcher für die Wirksamkeit der Therapie ohne 
grössere Bedeutung. 

Erst die statische Gegenüberstellung von bestrahlten und un¬ 
bestraften reeidivfreien Fällen kann den Beweis für die Zweckmässig¬ 
keit der prophylaktischen Bestrahlung erbringen. 

Der fünfte Fall betrifft eine Petientin, über die bereits in meinem 
Vortrage am 7. November vorigen Jahres referiert worden ist. Es ist 
jene Kranke, die Herr Kollege Winkler-Bethesda wegen Mammacarcinom 
operiert hat, und die danach recidivierte. 

Sie hatte ausserdem noch 40—50 lenticuläre Metastasen auf der 
operierten Seite, eine Metastase in der anderen Brust und vergrösserte 
schmerzhafte Axillar- und Supraclaviculardrüsen gehabt. 

Zur Zeit meines damaligen Vortrages war sie, wie ich berichtete, 
infolge der Radiumbestrahlung frei von Recidiv und Metastasen und ist 
es heute noch nach Ablauf von 7 J / 2 Monaten. 

Der sechste Fall von Mammacarcinom betrifft eine Patientin, der von 
einiger Zeit die rechte Mamma radikal entfernt worden war. 

Hierauf mehrmals Recidive, die fünfmal hintereinander operativ in 
Angriff genommen worden sind. 

Zuletzt ein Recidiv in der rechten Achselhöhle in Form einer flachen, 
markstückgrossen, auf der Unterlage unverschieblichen Infiltration, die 
nicht mehr operabel war. Infolgedessen Radiumbestrahlung. 

Die letzte, vor ungefähr 10 Tagen stattgefundene Untersuchung er¬ 
gab folgendes Resultat: Von der carcinomatösen Infiltration ist nichts 
mehr zu fühlen. Die daselbst vorhanden gewesenen Schmerzen haben 
aufgehört. 

Die Radiumbestrahlung der Mammacarcinome bietet ganz be¬ 
sonders Gelegenheit zu beobachten, wie verschieden normales 
und pathologisches Gewebe auf die Strahlung reagiert. 

Das den Tumor bedeckende Integument zeigt verschiedene Stufen 
der Reaktion, die als Erythem, Blasenbildung, eventuell Ulceration 
sichtbar werden. 

Die Erfahrung lehrt, dass Ulcerationen des gesunden Integuments, 
die selbst mehrere Millimeter tief ins Gewebe eindringen, makroskopisch 
mit einer Restitutio ad integrum wird er ausheilen. 

Es bildet sich keine Narbe, auch keine Niveaudifferenz, sondern nur 
eine Pigmentverlagerung und zwar derart, dass an Stelle des ursprüng¬ 
lichen Ulcus zunächst eine Pigmentanhäufung eintritt, später ein Pig¬ 
mentschwund. Gelegentlich habe ich das entgegengesetzte Verhalten 
des Pigments beobachtet. 

Ganz anders verhält sich das Tumorgewebe. Befindet sich dasselbe 
an der Oberfläche, so treten auch hier die 3 Phasen der Reaktion auf. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 



1456 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Eine eventuell entstehende Ulceration heilt narbenfrei zu, doch ent¬ 
steht hierbei im Gegensatz zum normalen Gewebe an Ort und Stelle und 
in der Umgebung zumeist eine deutliche Niveaudifferenz, die beweist, 
dass hier Zellengewebe aufgelöst und verschwunden sind. 

Befinden sich solide Tumormassen in der Tiefe, so beobaohtet man 
günstigenfalls eine Aenderung der Konsistenz, sozusagen ein Schwammig- 
und Lappigwerden des Gewebes, eine Erscheinung, die bis dabin beim 
Bestrahlen gesunder Gewebe keine Analogie zeigt. 

Sie kann nicht schlechterdings durch den höheren Grad der Strahlen¬ 
absorption im Tumorgewebe erklärt werden und drängt zu der Auf¬ 
fassung, dass hier besondere, noch nicht geklärte Verhältnisse eine Rolle 
spielen, die seinerzeit die Hypothese der spezifischen Selektion der 
Radiumstrahlen mit sich braohten. 

Es ist «urzeit leider unmöglich, einen Tumor von grösseren 
Dimensionen, wie es die inoperablen Fälle meist sind, durch eine 
einmalige Bestrahlung einzuschmelzen, auch wenn dieselbe 
48 Stunden hintereinander oder mehr vorgenommen wird. 

Jeder Radiologe wird die jeweilige Applikationsdauer uDd Menge 
nur bis zu einer gewissen, seinen Erfahrungen entsprechenden Höhe an- 
wachsen lassen, um durch unliebsame Komplikationen nicht überrascht 
zu werden. 

Hierauf folgt eine Bestrahlungspause, in welcher die in den Zellen 
absorbierte Strahlenenergie eine erwünschte oder unerwünschte Wirkung 
entfaltet, und nachdem die aus persöolicher Erfahrung bekannte Zeit 
verstrichen ist, in welcher infolge der Bestrahlung etwaige Kom¬ 
plikationen sich hätten einstellen müssen, kann die weitere Applikation 
vorgeDommen werden. 

Diese Abwechslung von Applikation und Pause muss den Umständen 
entsprechend fortgesetzt werden, wodurch gewissermaassen ein chronisch¬ 
intermittierender BehandluDgsmodus zustande kommt, wie er wohl am 
anschaulichsten mit der chronisch-intermittierenden Quecksilberbehandlung 
bei Lues zu vergleichen ist. 

Diese eben beschriebene Behandlungsmethode stellt eine 
fundamentale Forderung und Notwendigkeit dar, die sich unbe¬ 
dingt noch zur allgemeinen Kenntnis durchriDgeD muss. 

Die Filtertechnik, sozusagen der wundeste Punkt der ganzen 
Therapie, ist noch arg im Felde. 

Weder gibt es ein Filtermaterial, das allgemein in Anwendung wäre, 
noch weniger präzise Vorschriften für die anzuwendenden Filterstärken. 
Es ist somit wiederum jeder auf seine eigenen Erfahrungen angewiesen. 
In der letzten Zeit machte viel die Sekundärstrahlung von sich reden, 
die man für die oft heftigen Reaktionen im gesunden Integument oder 
in der Schleimhaut, z. B. der Vagina und des Rectums, verantworlich 
machte. 

Daher wurde die Frage aufgeworfen, wie man die Sagnao’sche 
Strahlung eliminieren oder wenigstens reduzieren könnte, und glaubte 
dies letztere besonders bei Anwendung von Messingfiltern erreichen zu 
können; ich selbst habe sie über einem Vierteljahr im Gebrauch gehabt 
und konnte in praxi besondere Vorzüge an ihnen bezüglich der Sekundär¬ 
strahlen nicht entdecken 1 ). 

Was die Filterstärke des angewendeten Messings anbelangt, so be¬ 
nutzte ich in Fällen, die sonst durch 1,5 mm Silber geschützt wurden, 
1,9 mm Messing, und zwar kam ich zu dieser Filterstärke, indem ich 
als Vergieichsbasis für beide Metalle ihre Absorptionsfähigkeit für 
/1-Strahlen zugrunde legte. 

Diese Vergieichsbasis hat sich bei mir für Berechnung der korre¬ 
spondierenden Filterschichten bzw. der zu eliminierenden weichen 
^-Strahlung ausserordentlich bewährt. Dem Einführen der Messingfilter 
in die Radiumbestrahlungspraxis liegt noch eine zweite Ueberlegung zu¬ 
grunde: 

Wie ich in meinem ersten Vortrage bereits auseinandergesetzt habe, 
bedeutet jede unnötige Verstärkung des häufig angewendeten Bleifilters 
eine starke Beeinträchtigung der ^-Strahlenintensität. 

Hieraus folgte im allgemeinen, dass man dünne Filter in Anwendung 
bringen müsste, oder ein anderes Filtermaterial, das die ^-Strahlen 
weniger absorbierte. 

Das letztere scheint im Messing gefunden worden zu sein, woraus 
fast allgemeine Anwendung resultierte. 

Ich selbst bin heute Dach vierteljähriger Anwendung der 
Messingfiiter noch nicht in der Lage zu entscheiden, ob beim 
Gebrauche dieser ein grösserer therapeutischer Effekt zu erzielen 
ist als bei der Verwendung des anderen Filtermaterials. 

(Eine bequeme Veranschaulichung der entsprechenden Filterstärken 
vermittelt Ihnen die nebenstehende Tafel.) 


sind und daher gesondert, gesammelt werden müssen. Ich werde 
daher die Erfahrungen bei anders lokalisierten Carcinomen, wie 
Rectum- und anderen Carcinomen, einem besonderen, späteren Vor¬ 
trage zugrunde legen. 

Meine bisherigen Erfahrungen susammenfassend, komme ich 
zu folgenden Schlüssen: 

1. Die Bestrahlungsquanten von 187 bzw. 143 mg, mit denen 
ich bis dahin bestrahlt habe, erwiesen sich in keinem einzigen 
Falle als schädlich. 

2. Carcinome, die unter Röntgen fortschreitend sich ver¬ 
schlimmern, verlieren bei Radiombestrablong ihre Bösartigkeit, 
indem sie sich zurückbilden (Beobachtung von 4 Fällen). 

3. Die Carcinome verhalten sich nach den bisherigen Erfah¬ 
rungen (der Radiumbestrahlung gegenüber) der Lokalität nach 
verschieden, was wohl jedoch weniger auf innere Ursachen zurück- 
zuführen ist, als vielmehr auf immer noch mangelhaft aus¬ 
gebildete Applikationstechnik. 

4. Aehnlich günstige Resultate, wie sie in der Gynäkologie 
beim Uteruscarcinom zu erzielen sind, erreicht man in der Chir¬ 
urgie zurzeit bei den Mammacarcinomen. 


Aus der chemisch - bakteriologischen Abteilung des 
(jouvernements-Semstwo-Krankenhauses in Charkow. 

Urobilin und Diazoreaktion beim Flecktyphus. 

Von 

Dr. Marcus Rabiiowitscb, 

Leiter der Abteilung. 

Unsere Kenntnisse über die Eigentümlichkeiten im Harn der 
Flecktyphuskranken sind sehr spärlich, und auch das, was schon 
bekannt ist, wird bis jetzt nicht allgemein anerkannt, da die An¬ 
gaben der Autoren nicht übereinstimmend sind. 

Wenn wir darauf sich beziehende Literatur nachschlagen, so finden 
wir nur einige Mitteilungen über die Diazoreaktion und gar keine über 
die Urobilinausscheidung beim Flecktyphus. 

„Bemerkenswert ist es — sagt Gurschmann in seiner klassischen 
Monographie über das Fleckfieber 1 ) —, dass neuere Beobachter 
(Vierordt u. a.) ziemlich regelmässig bei Untersuchung Fleckfieber¬ 
kranker auf Diazoreaktion ein positives Ergebnis hatten* (l. c. S. 79). 
Ueber Urobilinausscheidung wird nichts erwähnt. 

Kurz darauf hat Gedgowd 8 ) bei 30 Flecktyphuskranken den Harn 
auf Diazoreaktion untersucht und in s / 4 der Fälle ein positives Resultat 
erhalten. Die Diazoreaktion soll nach diesem Autor am vierten Krank¬ 
beitstage zum Vorschein kommen und bis zum sechsten bis neunten 
Tage erhalten bleiben; ausserdem soll der Krankheitsprozess um so 
kürzer und leichter verlaufen, je schneller die Diazoreaktion beim 
Kranken verschwindet und umgekehrt. 

Port 8 ), der im Jahre 1908 vier nach Deutschland eingeschleppte 
Fälle von Flecktyphus zu beobachten Gelegenheit hatte, erwähnt nur kurz, 
dass bei sämtlichen Kranken die Diazoreaktion schwach positiv war. 

Endlich sind noch die Untersuchungen von Balaschew 4 ) zu er¬ 
wähnen, die sich auf 113 Fälle beziehen, bei denen die Diazoreaktion 
im ganzen 538 mal ausgeführt wurde. Auf Grund dieser seiner Unter¬ 
suchungen kommt der Autor zu dem Schluss, dass die Diazoreaktion beim 
Flecktyphus in 96 pCt. der Fälle positiv ist, dass sie meist gleichzeitig 
mit dem Exanthem auftritt und in den ersten Krankbeitstagen scheinbar 
negativ ist. Am stärksten soll die Reaktion am fünften bis achten 
Krankheitstage ausgebildet sein und ein bis zwei Tage vor der Krise 
soll sie verschwinden. 

Im Gegensatz zu Gedgowd betont Balaschew, dass die Diazo¬ 
reaktion weder mit der Temperatur noch mit der Intensität des Krank¬ 
heitsprozesses in irgendeinem Zusammenhang steht. 

Wir sehen also, dass sämtliche Autoren, die beim Fleck¬ 
typhus die Diazoreaktion geprüft haben, dieselbe in der Mehrzahl 
der Fälle nach weisen konnten; widersprechend sind nnr die 
Schlüsse, die von den zuletzt erwähnten Autoren aus ihren Unter¬ 
suchungen gezogen wurden. 

Was die Urobilinurie beim Flecktyphus aobelangt, so habe 
icji, wie erwähnt, darüber in der Literatur wie auch in den Lehr¬ 
büchern keine Angaben finden können 5 ). 


Ich habe mit Absicht meine Erfahrungen über die Radinm- 
bestrablnng der Mammacarcinome herausgegriffen, weil diese bei 
mir am häufigsten vorkommt und ich der Ansicht bin, dass die 
Resultate der Radiumbebandlnng nach Lokalisation verschieden 

I) Jetzt nach weiteren zweimonatigen Erfahrungen muss zugegeben 
werden, dass bei ihrer Anwendung Uicerationen seltener auftreten als 
bei Verwendung anderen Filtermaterials. 


Bd Fleokfieber * NotbnagePs spezielle Path. u. Ther„ 1900, 

Nr 51 Kr0nika Lekarska ’ 15 * Nov * 1902. Ref. Russky Wratach, 1902, 


4) Russky Wratach, 1911, Nr. 25. 

miwlm er * Geheim 5 a * Dr. Bäumler hat mir in einem Privatbrief 

mitgeteilt, dass er beim Flecktyphus Urobilin im Harn beobaohtet hat 


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UNIVERSUM OF IOWA 




3. Angast 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1467 


Aas diesem Grande wie auch in Anbetracht der Tatsache, 
dass bis zar letzten Zeit verschiedene Theorien über das Zu¬ 
standekommen der Urobilinurie bestehen and keine Einigung in 
den Ansichten der verschiedenen Autoren erzielt worden ist, schien 
mir von besonderem Interesse, auch dieser Frage beim Flecktyphus 
oachzuforschen. 

Wie bekannt, wird von einigen Autoren behauptet, dass ver¬ 
mehrter Urobilingehalt des Harns für eine mehr oder weniger 
intensive Erkrankung der Leberzellen und eine hepatische In¬ 
suffizienz spricht. Es wird auch behauptet, dass Urobilin nur 
dann im Harn Vorkommen soll, wenn Bilirubin in den Darm ge¬ 
langt und dort von den Bakterien in Urobilin umgewandelt wird. 

' Nun sind aber in der Leber beim Flecktyphus, wie meine 
vorläufigen Untersuchungen gelehrt haben, von einer mehr oder 
weniger ausgesprochenen parenchymatösen Degeneration der Leber¬ 
zellen, die regelmässig von mir auch bei der Febris recurrens 
beobachtet wurde 1 ), abgesehen, keine weiteren pathologisch¬ 
anatomischen Veränderungen wahrzunehmen. 

Andererseits unterscheidet sich der Flecktyphus von der 
Recurrens dadurch, dass sein Erreger — der Diplobacillus 
exanthematicus — hämolytische Eigenschaften besitzt, die eine 
hämatogene Grobilinurie verursachen können. 

Um diese theoretischen Erwägungen nachzuprüfen, habe ich bei 
49 Fleoktyphuskranken täglich während des ganzen Krankheitsverlaufes, 
wie auch mehrere Tage nach der Krisis den Harn auf Diazoreaktion und 
Urobilingehalt gleichzeitig untersucht. 

Ausserdem wurde ia ähnlicher Weise auch der Urin von 12 Re- 
currenskranken untersucht. 

Zum Nachweis des Urobilins habe ich von den verschiedenen 
Methoden diejenigen von Florence und Bogomolow als die besten 
befunden. Da aber durch das sehr empfindliche Verfahren von Florence 
auch minimale Quantitäten des Urobilins im Garn von gesunden Menschen 
nacbgewiesen werden, so habe ich bei meinen Untersuchungen folgende, 
etwas modifizierte Methode von Bogomolow benutzt. 

Zu 10 com Harn werden 0,5 ccm gesättigter CuSO**Lösung und 
1,0 ccm CHG1 8 binzugefügt und umgeschüttelt; beim Vorhandensein von 
Urobilin wird die Chloroformschicht, je nach der Urobilinmenge, bell- 
bis dunkelrot verfärbt. 

Es muss aber dabei darauf geachtet werden, dass zum Nachweis 
des Urobilins nur ganz frischer Harn benutzt wird, denn beim längeren 
Stehenbleiben des Harns am Tageslicht können Spuren von Urobilin 
beinahe in jedem Urin nacbgewiesen werden. 

Die Diazoreaktion wurde nach Ehrlich’s Vorschrift ausgeführt. 

Was die Recurrenskranken anbelangt, so habe ich in deren Harn 
weder während der Paroxysmen, noch während der Apyrexien, noch nach 
Ablauf der Krankheit Diazoreaktion und Urobilin nachweisen können. 

Eine Ausnahme davon stellte nur ein sehr schwerer, mit Kompli¬ 
kationen verlaufener Fall, bei dem zweimal gleichzeitig eine schwach 
ausgebildete Diazoreaktion und deutliche Spuren von Urobilin nach¬ 
gewiesen wurden. 

Von den untersuchten 49 Flecktyphuskranken wurde die Diazo¬ 
reaktion in 45 Fällen oder in 91,8 pCt. und Urobilin in 38 Fällen oder 
in 77,6 pCt. der untersuchten Fälle nacbgewiesen. 

Was die Zeit des Erscheinens der Diazoreaktion betrifft, so war es 
unmöglich, dieselbe genau zu ermitteln, da die meisten Kranken am 6. 
bis 8. Krankheitstage ins Krankenhaus eingeliefert Wurden, doch hatte 
ich die Gelegenheit, in zwei Fällen am 2. und in drei am 3. Krankbeits¬ 
tage die Diazoreaktion auszuführen und habe dabei in zwei Fällen eine 
schwach und in einem Falle eine stark ausgebildete Reaktion feststellen 
können. 

Die Dauer der positiven Diazoreaktion und die Zeit des Ver¬ 
schwindens derselben ist je nach dem Fall verschieden, und an ver¬ 
schiedenen Tagen ist sie selbst bei ein und demselben Individuum ver¬ 
schieden stark ausgebildet. Sie kann auch ein bis zwei Tage fehlen, 
um dann wieder aufzutreten. In der Mehrzahl der Fälle war die Reaktion 
bis zum 8. bis 12. Krankheitstage stark ausgebildet. 

Irgendeinen Zusammenhang zwischen der Dauer und der Intensität 
der nachweisbaren Diazoreaktion und der Schwere der Erkrankung 
konnte ioh nicht konstatieren; in einigen schweren Fällen war die Diazo¬ 
reaktion mehrere Tage vor der Krisis verschwunden, dagegen konnte ich 
in einem ganz leichten und in einem schweren Fall noch mehrere Tage 
nach der Krisis dieselbe nachweisen. 

Meist verschwindet die Diazoreaktion kurz vor der Krisis; es muss 
aber erwähnt werden, dass ich zweimal in der zweiten Woche nach der 
Krisis bei subnormaler Körpertemperatur die vor der Krisis verschwundene 
Diazoreaktion wieder habe nachweisen können. 

Das Urobilin erscheint dagegen im Harn der Flecktyphuskranken 
«rat einige Tage vor der Krisis oder selbst nach derselben und ist 
auch je nach dem Fall mehrere Tage bis zwei Wochen laDg nachweisbar. 

Manchmal verschwindet das Urobilin aus dem Harn für ein bis zwei 
Tage und erscheint dann wieder. 

Die Menge des Urobilins im Harn ist je nach dem Fall wie auch 
an den verschiedenen Tagen verschieden, und es konnte auch hier 

1) Virch. Arch., Bd. 194, Beiheft, S. 38—168. 


irgendein Zusammenhang zwischen der Menge des Urobilins im Harn 
nnd der Intensität des Krankheitsprozesses im betreffenden Falle nicht 
konstatiert werden. 

Zur Demonstration will ioh hier nur kurz den Verlauf der Reaktion 
bei zwei Kindern erwähnen, da bei deo Kindern, wie bekannt, der Fleck- 
typhos sehr leicht und ohne Komplikation verläuft. 

Beide Kranken waren 13 Jahre alt, bei beiden verlief der Krank¬ 
heitsprozess sehr leicht und ohne Komplikationen, und die Dauer des 
P&roxysmus im Krankenhaus« war bei denselben 8 bzw. 9 Tage. 

Bei einem dieser Kranken war die Diazoreaktion stark aasgebildet 
nnd 7 Tage lang nachweisbar; das Urobilin kam dagegen kein einziges 
Mal im Harn zum Vorschein, weder vor noch nach der Krisis. 

Beim anderen kranken Kinde war die Diazoreaktion nur schwach 
ausgebildet und 4 Tage lang nachweisbar; das Urobilin erschien im 
Harn 2 Tage vor der Krisis und konnte noch am 7. Tage der Apyrexie 
nacbgewiesen werden. 

Von besonderem Interesse sind noch zwei andere Fälle, bei denen 
am nächsten Tage nach der Aufnahme ins Krankenhaus im Paroxysmus 
eine stark ausgebildete Diazoreaktion und viel Urobilin im Harn nach- 
gewiesen wurden. 

Es handelte sich in beiden Fällen um kräftige Männer, von denen 
der eine im bewusstlosen Zustande ins Krankenhaus eingeliefert wurde 
und am 5. Tage nach der Aufnahme starb. 

Beim zweiten traten schon in deo nächsten Tagen Bewusstlosigkeit 
und Delirien auf; der Paroxysmus dauerte noch 13 Tage, und am 14. Tage 
seines Aufenthalts im Krankenhause starb der Patient. 

Beim ersten Kranken konnte der Urin nur zweimal untersuoht 
werden, und beidemal wurde eine stark ausgebildete Diazoreaktion und 
viel Urobilin nacbgewiesen. 

Beim zweiten konnte die Harnuntersuchung sechsmal ausgeführt 
und regelmässig auch hier stark ausgebildete Diazo- und Urobilinreaktion 
konstatiert werden. 

Auf Grund dieser beiden Fälle ist es selbstverständlich nicht 
erlaubt, weitgebende Schlüsse zu ziehen; jedenfalls ist es sehr 
merkwürdig, dass in beiden letal verlaufenen Fällen das Urobilin 
schon in den ersten Krank bei tstagen im Harn erschienen ist, 
während es in keinem einzigen der übrigen 47 Fälle beobachtet 
werden konnte. Zieht man aber dabei in Betracht, dass die 
hämolytischen Eigenschaften des Flecktyphuserregers je nach dem 
Stamm, wie es von mir 1 ) und Furth 2 ) festgestellt wurde, ver¬ 
schieden stark ausgebildete hämolytische Eigenschaften besitzen 
und meist einige Tage vor der Krisis im Blute der Flecktypbus¬ 
kranken erscheinen, so drängt sich der Gedanke auf, dass die 
Urobilinausscheidung, die auch gewöhnlich knrz vor oder nach 
der Krisis auftritt, hämatogenen Ursprungs ist und durch die 
hämolytischen Eigenschaften des Flecktyphuserregers bedingt wird. 

Durch diese Anoahme kann das erwähnte Erscheinen des 
Urobilins im Anfang des Paroxysmus bei den letal verlaufenen 
Fällen in der Weise erklärt werden, dass es sich in diesen Fällen 
um sehr virulente, stark hämolytische Stämme des Diplobacillus 
exanthematicus handelte, die schon in den ersten Krankheitstagen 
ins Blut eingedrungen sind. 

Zusammenfassung. 

1. In der Mehrzahl der Fälle sind beim Flecktyphus Diazo- 
und Urobilinreaktion im Harn deutlich ausgebildet. 

2. Die Diazoreaktion ist schon in den ersten Krankheits¬ 
tagen deutlich ausgebildet; sie verschwindet meist kurz vor der 
Krisis, kann aber auch nach derselben noch nachweisbar sein. 

3. Die Diazoreaktion ist je nach dem Fall verschieden stark 
ausgebildet und steht in keinem Zusammenhang mit der Intensität 
des Krankheitsverlaufs. 

4. Das Urobilin erscheint im Harn der Flecktyphuskranken 
gewöhnlich kurz vor oder nach der Krisis, sein Erscheinen und 
Dauer desselben ist je nach dem Fall verschieden. 

5. ln beiden letal verlaufenen Fällen ist das Urobilin schon 
in den ersten Krankbeitstagen im Harn erschienen und war 
dauernd parallel mit der Diazoreaktion nachweisbar. 

6. Beim Flecktyphus ist das Urobilin hämatogenen Ursprungs 
und wird durch die hämolytischen Eigenschaften des Flecktypbus¬ 
erregers bedingt 8 ). 


1) Arch. f. Hyg., 1909, Bd. 71, S. 331—379. Wratschebn. Gazelta, 
1913, Nr. 37. 

2) Zschr. f. Hyg., 1911, Bd. 70, S. 333. 

3) Nachtrag bei der Korrektur: Nachdem der Artikel der Re¬ 
daktion übersandt wurde, sind Mitteilungen über Flecktyphus erschieneo, 
die nicht berücksichtigt werden konnten, auf die ich aber in einer 
späteren Publikation zurückkommen werde. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1458 


BERLIN ER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Aus der chemisch - bakteriologischen Abteilung des 
Gouvernements-Semstwo-Krankenhauses in Charkow. 

Ueber den Flecktyphuserreger. 

Von 

Dr. Harens Rabino witsch, 

Leiter der Abteilung. 

Die Frage über den Flecktyphuserreger beschäftigt schon 
über 50 Jahre die Forscher verschiedener Länder. Schon am 
Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat Hailier 1 ) 
Mikrokokken beschrieben, die er im Blute und Fäces der Fleck* 
typhuskranken beobachtete, und dabei die Behauptung aufgestellt, 
dass diese seiner Meinung nach ganz eigentümlichen Mikrokokken 
die Erreger des Flecktyphus sein sollten. 

Seit dieser Zeit sind wiederholt und von zahlreichen Autoren 
ähnliche Mikrokokken, wie auch verschiedene andere voneinander 
abweichende Keime beschrieben und als die spezifischen Erreger 
des Flecktyphus gedeutet worden. 

Wie gross die Zahl der auf den Flecktyphus sich beziehen¬ 
den und bis zum Jahre 1909 erschienenen Untersuchungen ist, 
kann man daraus schliessen, dass die kurze Besprechung derselben, 
soweit sie mir zugänglich waren, in meiner im Archiv für Hygiene, 
Bd. 71, erschienenen Arbeit — „Zur Aetiologie des Flecktyphus“ — 
19 Druckseiten in Anspruch genommen hat. 

Bei der genauen Nachforschung der zahlreichen, meinen 
Untersuchungen vorausgegangenen Mitteilungen über den Fleck- 
typbuserreger ist mir die merkwürdige Tatsache aufgefallen, dass 
man, trotz der widersprechenden Angaben der verschiedenen Autoren, 
in der Schilderung ihrer Untersuchungen etwas Uebereinstimmendes 
finden kann, und das ist die Tatsache, dass die meisten 
Autoren bei ihren Untersuchungen kurze, paarweise 
liegende Gebilde wahrgenommen haben. 

Io meiner erwähnten Arbeit, in der ich diese merkwürdige 
Tatsache hervorgeboben habe, konnte ich an der Hand von eigenen 
UntersuchnDgen Beweise dafür liefern, dass die meisten Autoren 
in der Tat denselben Flecktuphuserreger beobachtet haben; ich 
war auch imstande, die Erklärung dafür zu geben, warum die 
verschiedenen Autoren auf Grund ähnlicher Beobachtungen zu 
einander widersprechenden Schlüssen kommen konnten und sogar 
mussten. 

Die Sache ist nämlich die, dass der Flecktyphuserreger ein 
kurzes, plumpes Stäbchen darsteilt, das je nach der Färbungsart 
entweder ganz homogen aussieht, oder, dem Pestbacillus ähnlich, 
eine belle mittlere Zone aufweist. 

Und da diese Stäbchen ihrer typischen Anordnung nach mit 
dem längeren Durchmesser sich paarweise aneinander, manchmal 
aber auch einzeln oder der Länge nach nacheinander oder endlich 
in Haufen lagern, so können sie, je nach der Färbnngsart, ent¬ 
weder als einzelne und Doppelstäbchen oder als Diplo-, Tetra-, 
Strepto- oder Staphylokokken wabrgeDommen werden. 

Färbt man die Präparate mit einfachen Anilinfarben, dann 
kommt die homogene Stäbebenform zum Vorschein; wird dagegen 
das Löffler’sche Methylenblau zur Färbung benutzt, dann erscheinen 
dieselben Stäbchen als Diplokokken, und nur bei Färbung mit 
der Giemsafarbe kann man deutliche Stäbchen mit heller 
mittlerer Zone oder „Spalt“ und intensiv gefärbten Polen wahr¬ 
nehmen. 

Dass dieses StäbcheD, das ich Diplobacillus exanthe- 
matiens genannt habe, in der Tat der Flecktyphuserreger ist, 
konnte ich durch zahlreiche Untersuchungen an Flecktyphuskranken 
intra vitam und post mortem 2 3 ), wie auch durch Komplement- 
bindungs- 8 ) und Agglutinationsversuche und endlich durch Impf- 
versuebe an Meerschweinchen und Ferkeln 4 ) nachweiaen. 

1. Diese Stäbchen habe ich systematisch in den verschie¬ 
denen Organen von an Flecktyphus Verstorbenen durch die Silber¬ 
imprägnation wie auch durch die Gram’sche und Giemsa’sche 
Färbung in Schnitten und Ausstrichen naebgewiesen. 

2. Diese Stäbchen wurden systematisch in den Blntausstrichen, 
in den Schnitten durch die Gerinnsel des venösen Blutes, wie 
auch im Centrifugat des sterilen Serums, das von dem Blut- 


1) Virch. Arch., Bd. 43. 

2) Zbl. f. Bakt., I. Abt., 1909, Orig., Bd. 52, S. 173. — Arcb. f. 
Hyg., 1909, Bd. 71, S. 331. — Wratschebnaja Gazetta 1913, Nr. 37. 

3) Russky Wratscb, 1912, Nr. 85. —■ D.m.W., 1912, Nr. 35. — 
M.m.W., 1913, Nr. 44. — Wratschebnaja Gazetta, 1913, Nr. 43. 

4) Arch. f. Hyg., Bd. 78, S. 186. 


Nr. 81. 


gerinnsei ausgeschieden wurde, von Flecktyphuskranken nach- 
ge wiesen. 

3. Die Stäbchen habe ich aus dem steril entnommenen 
venösen Krankenblnt in Reinkultur gezüchtet. 

4. Die Reinkultur dieser Stäbchen warde durch das Seram 
der Kranken, die den Flecktyphus überstanden haben, agglutiniert. 

5. Aus der Reinkultur dieser Stäbchen bergestellter wässe¬ 
riger Extrakt hat mit dem Rekonvaleszentenserum der Flecktypbus¬ 
kranken die Kompiementbindung hervorgerufen. 

6. Die Reinkultur dieser Stäbchen hat sich in gleicher Weise 
wie das Krankenblut als virulent für die Meerschweinchen er¬ 
wiesen; dabei erkrankten die Meerschweinchen nach gleicher In¬ 
kubationszeit, wenn sie mit dem Krankenblute oder aus demselben 
gezüchteten Stamm des Diplobacillus intraperitoneal geimpft 
wurden. 

7. Die Virulenz und Inkubationszeit eines jeden Stammes 
des Diplobacillus für die Meerschweinchen ist eine verschiedene, 
aber dieselbe für ein und denselben Stamm, sei es in Reinkultur 
oder im Krankenblute. 

8. Diesen Diplobacillus habe ich regelmässig ans dem Herz¬ 
blut der geimpften Tiere während des Paroxysmus in Reinkultur 
gezüchtet, ganz unabhängig davon, ob die Tiere iotraperitoneal 
mit Reinkultur oder Krankenblut geimpft wurden. 

9. Mit der Reinkultur des Diplobacillus bzw. mit Kranken¬ 
blut geimpfte Meerschweinchen, die die Krankheit überstanden 
haben, werden für eine zweite Impfung mit Reinkultur oder 
Krankenblut unempfänglich. 

10. Der Diplobacillus ist auch für ganz junge Ferkel viru¬ 
lent, bei denen nach der Infektion ein stark ausgebildetes Exanthem 
zum Vorschein kommt. 

11. Auf 60° erwärmt, verliert der Diplobacillus seine Virulenz. 

12. Endlich hat dieser grampositive Diplobacillus ganz eigen¬ 
tümliche kulturelle Eigenschaften, die 1. c. genau geschildert 
werden. 

Diesen Diplobacillus exanthematicus haben beinahe 
sämtliche zahlreiche Autoren, die in den letzten Jahren mit 
dem Flecktyphus sich beschäftigt haben, in den Blutausstrichen 
von Fl ecktyphuskranken wahrnehmen können 1 ). 

Trotzdem haben nicht sämtliche Forscher das Blut der Fleck¬ 
typhuskranken bakteriologisch untersucht, und von den Autoren, 
die die Züchtungsversuche ausgeführt haben, ist auch Ricketts 
und Wilder 2 ), Fürth 8 ), Wilson 4 ), Silberger 8 ) und P. Th. 
Müller 6 ), die Reinkultur des Diplobacillus zu züchten 
gelungen. 

Die Tatsache, dass einige Forscher bei der bakteriologischen 
Untersuchung des Krankenblutes den Diplobacillus, den sie in 
den Blutausstrichen wabrgenommen haben, in Reinkultur nicht 
gewinnen konnten, kann nicht wundernebmen, denn derselbe er¬ 
scheint im Blute, wie es auch bei anderen Krankheitserregern der 
Fall ist, zu einer bestimmten Krankheitsperiode, die beim Fleck¬ 
typhus dem Ende des Paroxysmus entspricht, wie es auch Fürth 
bei seinen eingehenden Untersuchungen konstatieren konnte. 

Zieht man dabei in Betracht, dass der Paroxysmus beim Fleck¬ 
typhus, je nach dem Fall, wie es aus den klassischen Werken 
von Murebison 7 ), Griesinger 8 ) und Curschmann 9 ) bekannt 
Ist, 6 bis 25 Tage dauern kann, so wird es klar sein, dass bei 
der Züchtung des Erregers nicht der Krankheitstag, sondern der 
Tag der Krisis berücksichtigt werden muss. 

Jedenfalls kann auf Grund der geschilderten Tatsachen mit 
Recht behauptet werden, dass der Diplobacillus der Fleck¬ 
typhuserreger ist. 

Bemerkenswert muss es deshalb erscheinen, dass neuerdings 
Hegler und von Prowazek bei ihren Untersuchungen über den 
Flecktyphuserreger, wie es aus ihrer in Nr. 44 der Berl. klm. 
Wochenschrift erschienenen Mitteilung zu entnehmen ist, nicht 
einmal versucht haben, das Krankenblut bakteriologisch zu unter- 

1) Predtjetscbensky, Zbl. f. Bakt., I. Abt, 1910, Orig., Bd. 55, 
S. 212; ebenda, I. Abt., 1911, Orig., Bd. 58, S. 106. - Mc. Campen. 
Journ. of med. researeb, 1910, Vot. 23, p. 71. — Nicolle, Annal. de 
l’inst. Pasteur, 1910, T. 24, p. 243; ibidem, 1911, T. 25, p. 1. 

2) Journ. of the Amer. med. assoc., 1910, Vol. 54 und 55. — Aren, 
of int. med., 1910, Vol. 5. 

3) Zschr. f. Hyg., 1911, Bd. 70, S. 333. 

4) Journ. of byg., 1910, Vol. 10, p. 155. 

5) Obtschestwerny Wratseh, 1912, Nr. 6. 

6 ) M.m.W., 1913, Nr. 25. 

7) Die typhoiden Krankheiten. Braunschweig 1867. 

8 ) Virchow’s Handb. f. spez. Path. u. Ther., H. Aufl. 

9) Fleckfieber in Nothnagel’s Handb. d. spez. Path.u. Ther., 1900. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



8. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1459 


suchen, und um so mehr, als sie den Diplobacillus in den Blut' I 
ans8trichen beobachtet haben. 

„Auf eingehende bakteriologische Blutuntersuchungen,“ sagt 
von Prowazek, „wurde von vornherein als nicht im Rahmen 
unserer Untersuchungen Hegend verzichtet. 1 2 3 4 

Und trotzdem, dass auf die bakteriologische Blutuntersuchung 
überhaupt verzichtet wurde, glaubt von Prowazek doch folgendes 
über den Diplobacillus, den er auch, wie erwähnt, in den Blut- 
ausstrichen beobachtet bat, behaupten zu können: 

„Die Bedeutung dieser Gebilde ist sehr unklar, und ihre 
ätiologische Beziehung zum Flecktyphus scheint uns 1 ) nicht 
bewiesen. 4 

Hervorgehoben muss dabei werden, dass merkwürdigerweise 
Hegler und von Prowazek in ihrer Mitteilung, in der zahl¬ 
reiche Autoren zitiert werden, keinen einzigen derjenigen 
Forscher er wähnen,dieden Dip lobacillusex an thematicus 
in Reinkultur gezüchtet und seine ätiologische Bedeu¬ 
tung für den Flecktyphus nachgewiesen haben. 

Unbegreiflich ist es auch, warum Hegler und von Pro¬ 
wazek, die „zum genaueren Studium 4 des Flecktyphus nach 
Serbien gesandt wurden, „auf die bakteriologische Blut- 
Untersuchung von vornherein verzichtet haben?“ 

Mir scheint es, dafür sprechen auch die obenerwähnten neueren 
Forschungsergebnisse, dass gerade in der eingehenden bakterio¬ 
logischen Blutuntersuchung die wichtigste Aufgabe der Expedition 
liegen musste. 

Es ist allgemein bekannt, dass der klinische Verlauf der 
Krankheit in erschöpfender Weise von Murchison, Griesinger, 
Carschmann und von anderen eingehend erforscht und geschil¬ 
dert wurde. 

Dasselbe ist auch über die Impfversuche, die von Prowazek 
an Meerschweinchen und sechs Affen ausgeführt hat, zu sagen, 
denn Ricketts und Wilder 2 ), Nicolle, Conor und Conseil 8 ), 
M. Rabinowitsch 4 ), Anderson und Goldberger 5 ), Gavino 
und Girard*), Piquet 7 ) und endlich Fürth 8 ) haben schon längst 
an Hunderten von Affen und Meerschweinchen Impf- und Ueber- 
tragungsversuche mit dem Krankenblute bzw. aus demselben ge¬ 
züchteter Reinkultur des Diplobacillus mit positivem und an ver¬ 
schiedenen anderen kleinen und grossen Tieren mit negativem 
Resultat ausgeführt, und im Vergleich mit diesen zahlreichen Ver¬ 
suchen sind die sechs Versuche an Affen von v. Prowazek 
wohl ohne jede Bedeutung, und um so mehr, als diese nicht ein¬ 
deutig sind. 

So behauptet von Prowazek, dass es ihm gelungen ist, 
den Flecktyphus durch eine Laus auf einen Macaccus rhesus 
zu übertragen. 

Wenn man aber die Kurve 2 dieses Macacus rhesus mit der 
Kurve 1 des Macacus rhesus, der mit Krankenblut geimpft wurde, 
verleicht, so kann mau sich davon überzeugen, dass der Tempe¬ 
raturverlauf bei beiden Tieren ein ganz verschiedener ist, und es 
ist nicht ausgeschlossen, dass der durch die Laus angeblich in¬ 
fizierte Affe an einer intercurrenten Krankheit, die nach den An¬ 
gaben der meisten Forscher sehr häufig bei den Affen beobachtet 
werde, eingegangen ist. 

Diese Annahme ist um so wahrscheinlicher, als die Inkubations¬ 
zeit bei diesem durch eine Laus angeblich infizierten Macacus 
im Vergleich mit derjenigen bei durch zahlreiche Läuse infizierten 
Affen von Nicolle sehr kurz ist, und als es sich in diesem 
Falle, wie es v. Prowazek selbst hervorbebt, um ein „kleines 
weibliches, schwächliches Tier“*) gehandelt hat. 

Bei derartigen Uebertragungsversucben an Affen durch Läuse 
koonte überhaupt das Ergebnis der Versuche nur dann als positiv 
betrachtet werden, wenn beim infizierten Tier während des 
Paroxysmus der Krankheitserreger im Blute nacbgewiesen werden 
konnte und dabei jede Möglichkeit der Infektion durch andere 
infizierte Tiere ganz ausgeschlossen wäre, da die Affen häufig 
ohne bekannte Ursache zu fiebern anfangen. 


1) Meine Sperrschrift. 

2 ) 1. c. 

3) Annal. de l’inst. Pasteur, 1912, T. 26, p. 246. 

4) l.e. 

3) Journ. of med. research, 1910, Vol. 22, p. 409. 

6 ) Bull, de l’inst. Pasteur, 1910, p. 841. — Brochure. Mexiko 1911. 
~ Zbl. f. Bakt., 1. Abt., 1912, Ref., Bd. 53, S. 342. 

7) Bull, de la soe. de pathol. exotique, T. 2, p. 564. 

8 ) 1. c. 

3) Meine Sperrsobrift. 


Endlich muss ich noch vorläufig in aller Kürze auf die Zell¬ 
einschlüsse zurückkommen, deren Beschreibung v. Prowazek viel 
Platz in seiner Mitteilung eingeräumt bat. 

Derartige und verschiedene andere ZelleiDSchlüsse sind, wie 
es allgemein bekannt ist, von zahlreichen Autoren bei den ver¬ 
schiedensten Infektionskrankheiten beschrieben und als die ent¬ 
sprechenden Krankheitserreger gedeutet worden, aber nie und 
keinem dieser zahlreichen Autoren, die die Zelleinschlüsae be¬ 
schrieben haben, ist es gelungen, den Beweis dafür zu erbringen, 
dass es sich um Krankheitserreger und nicht um Farbennieder¬ 
schläge oder Degenerationserscheinungen in den Zellen handelt. 

Es ist selbstverständlich, dass die abgeschwächten oder toten 
Krankheitserreger von den Zellen aufgenommen werden können, 
in der Mehrzahl der Fälle handelt es sich aber bei diesen „Ein¬ 
schlüssen“, wie die neueren Forschungen lehren, um Reaktions- 
erscheinuogen in den Zellen. 

Derartige Reaktionserscheinungen in den neutrophilen Leuko- 
cyten beim Flecktyphus, in denen in ähnlicher Weise wie bei 
anderen Infektionskrankheiten eine Gliederung und Fragmentation 
des Kerns wahrgenommen wird, habe ich häufig beobachten 
können. 

Häufig kann man in den Leukocyten einen oder mehrere 
Kernsplitter von verschiedener Gestalt wahrnehmen, die manch¬ 
mal untereinander wie auch mit dem Kern durch feine Fäden 
verbunden sind, nicht selten aber auch frei im Protoplasma 
liegen. 

Aber niemals habe ich bei meinen Untersuchungen, 
die auf Tausende von Blutausstrichen sich beziehen, 
abgesehen vom Diplobacillus, der manchmal in den Zellen beob¬ 
achtet wird, irgendwelche ZAlleinschlüsse wahrnehmen 
können, die man als Parasiten deuten konnte. 

Uebrigens gibt v. Prowazek selbst zu, dass er in den Leuko- 
cyten der Flecktyphuskranken auch die Doehle’schen und 
trachomähnliche Einschlüsse beobachtet hat. 

Es ist deshalb sehr zu bedauern, dass Hegler und 
v.Prowazek die Gelegenheit nicht ausgenutzt haben, um 
das Blut der Flecktypbuskranken bakteriologisch zu 
untersuchen, denn wenn sie es getan und dabei die 
schon vor ihnen gesammelten zahlreichen Erfahrungen 
berücksichtigt hätten, dann konnten sie auch die Ueber- 
zeugung gewinnen, dass der von mir im Jahre 1908 ent¬ 
deckte Diplobacillus der Flecktyphuserreger ist, und 
die verschiedenen „Zelleinschlüsse“, die beim Fleck¬ 
typhus wahrgenommen werden, nichts anderes als Re¬ 
aktionsprodukte der Zellen sind. 

(Nachtrag bei der Korrektur.) Seit der Absendung 
dieses Artikels hatte ich Gelegenheit, weitere Untersuchungen über 
den Flecktyphuserreger auszuführen; diese wie auch die früheren 
abgeschlossenen Untersuchungen werden in kurzer Zeit io einer 
ausführlichen Monographie mitgeteilt werden. 


Gin Fall von hochgradiger Fettleibigkeit 
(bzw. Elephantiasis). 

Von 

J. BenderskyKiew. 

Ich habe im Laufe der letzten 7 bis 8 Jahre eine Patientin beob¬ 
achtet, welche schon wegen ihrer Dimensionen allein ein gewisses Inter¬ 
esse bietet. Es handelt sich nämlich um eine jetzt 60 jährige wohl¬ 
habende Dame S., deren Mutter und Bruder auch sehr dick waren — 
Vater und andere Geschwister normal. Vom 14. Lebensjahre, nach dem 
Eintreten der Pubertät, hat sie angefangen, Fett anzusetzen und nach 
der ersten Entbindung hat sich ihre Fettleibigkeit schon in prägnanter 
Weise bemerkbar gemacht. Bei mittlerem Wuchs macht die Dame den 
Eindruck eines Hippopotamus. Ich habe Gelegenheit gehabt, eine 
ganze Reihe von Dickleibigen zu untersuchen und zu beobachten — 
darunter auch einige Phänomene — Unica. Es weilt auch jetzt in Marien¬ 
bad, wo ich diese Zeilen schreibe, ein Aegypter, dessen Gewicht, als 
ich ihn einmal untersuchte, 230 Kilo betrug. Das ist der „schwerste“ 
Mensch, den ich je gesehen habe. Unsere Patientin hat vor 4 Jahren 
8 V 2 Pud (340 russische Pfund) gewogen. Jetzt konnte ich das Gewicht 
nicht feststellen. Die Wage, die in meiner Poliklinik aufgestellt ist, 
hätte nicht gereicht, es war zufällig unmöglich, eine Wage in die Wohnung 
der Kranken zu bringen, es gelang mir auch nioht, die Kranke zu be¬ 
wegen, Bich aus der Wohnung (oder gar aus dem Bette) nach aussen 
zu begeben, um sich wiegeu zu lassen. 

4* 


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Original frorri 

UNIVERSITY OF IOWA 



1460 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31 


Abbildung 1. 



Abbildung 2. 



Sie liess sich in solche Sachen nicht gerne ein, so wie ich es auch 
bei anderen excessiv Dicken beobachtet habe. Nicht ohne gewisse 
Hinterlist ist es mir gelungen, die Kranke durch eine meiner Kranken¬ 
schwestern photographieren zu lassen. 

ln den inneren Organen lässt sich nur eine Bicuspidalinsuffizienz 
konstatieren. Der Querdurchraesser des Herzens beträgt (bei der aus¬ 
kultatorischen Perkussion) 3 7 cm. 

Die untere MageDgrenze steht sehr hoch, 32 cm oberhalb des Nabels. 

Bemerkenswert sind die Diameter verschiedener Körperteile. Der 
Umfang des Halses 51 cm. Der Unterarm 26 cm, der Oberarm 43 cm 
(beide Hände gleich). Der rechte Unterschenkel (unten) 62 cm, in der 
Mitte der Waden 70 cm. Oberschenkel 77 cm. Links etwas dicker, 
64, 71 und 79 cm. Der grösste Diameter des Brustkorbes 142 cm. Der 
Bauch hängt. Wie eine Schürze hängt ein fetter Lappen herunter, der 
vom Scrobiculum cordis gemessen 73 cm lang ist. Für den grössten 
Leibdiameter hat auch unser Centimetermaass nicht gereicht, da er 
hundertzweiundachtzig Centimeter beträgt. 

Unsere Patientin steht also sozusagen ausser Maass und ausser 
Gewicht. 


Der Beschaffenheit der Gewebe und dem Aussehen nach dürfte dieser 
Fall, wie auch der oben genannte Aegypter, in die Klasse der Elenhan- 
tiatiker eingereiht werden. 

Der Aegypter wiegt jetzt 180 Kilo, er hat 50 Kilo verloren Er 
befolgt eine strenge Diät und macht oft die Manenbader Kur durch 
Dagegen gelingt es kaum, das Gewicht unserer Patientin herunterzusetzeD 
da sie sich keiner systematischen Kur, ausser der allgemeinen Massave’ 
unterziehen will. 6 ’ 


Neuerungen im Bereiche der preussischen 
Heeressanitätsverwaltung während des 
Jahres 1913. 

Von 

Oberstabsarzt Dr. Georg Schmidt -Berlin. 

1. Persönliches. 

Am 4. Oktober feierte Seine Exzellenz der Generalstabs¬ 
arzt der Armee, Chef des Sanitätskorps und der Medizinal¬ 
abteilung des Kriegsministeriums, Direktor der Kaiser Wilhelms- 
Akademie und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Senates bei 
der Akademie Prof. Dr. v. Schjerning den 60. Geburtstag. Seine 
Majestät der Kaiser und König ehrte ihn und das Sanitätskorps durch 
ein in warmen Worten gehaltenes Telegramm. Von Sanitäts¬ 
offizieren und sonstigen Heeresangehörigen sowie aus den Kreisen 
der Wissenschaft wurden zahlreiche Huldigungen dargebracht. 
Auch diese Wochenschrift steuerte eine Festnummer bei. 

2 . Kriegssanitätsdienst und Feldsanitätsausrüstung. 

Im Balkankriege weilten von preussischen Sanitätsoffizieren: 
die Stabsärzte Goldammer, Lotsch, Eckert, Otto,Aumaon, 
Brüning und der Assistenzarzt Regendanz. Ihre Erfahrungen 
werden verwertet. 

Der Wissenschaftliche Senat bei der Kaiser Wilhelms-Akademie 
beriet am 8. Februar über Gesundheitsdienst auf Schlachtfeldern, 
am 29. März über neuere FeldsanitätsausrüstuDg, auch über 
Mastixverfahren und Fortentwicklung des Verbandpäckchens, am 
28. Juni und 20. Juli über Trinkwasserbeurteilung und -Versorgung 
beim Feldheere, insbesondere im Operationsgebiete. 

Von Dienstvorschriften und Veröffentlichungen kommen in 
Betracht: 

a) Kraftfahrtruppen im Felde (Kraftf.-Tr. i. F.). Entwurf vom 
27. März 1913. (Krankenkraftwagen, bergericbtete Kraftomnibusse 
als Hilskrankenkraftwagen, als Behelfskrankenkraftwagen aus¬ 
gestattete leichte Lastkraftwagen des Etappensanitätsdepots usw.). 

b) Sublimat und sein Ersatz bei der Durchtränkung der Ver¬ 
bandstoffe. Heft 54 der Veröffentlichungen aus dem Gebiete des 
Militär-Sanitätswesens. (Vgl. Abschnitt 6.) 

c) W. Niehues, Die Sanitätsausrüstung des Heeres im Kriege. 
Band XXXVII der Bibliothek v. Coler-v. Schjerning. (Vgl. 
Abschnitt 6.) 

Bei der Krankenträgerausbildung, bei Krankenträger- und 
Feldsanitätsübungen wird geprüft, inwieweit das Krankenträger¬ 
personal der Truppe und Sanitätskompagnien darin besonders zu 
unterrichten sei, dass es sich auf dem Gefechtsfelde unter Aus¬ 
nutzung von Geländedeckungen an die Verwundeten heranarbeitet 
und sie ebenso zurückscbafft, nötigenfalls für sie vorübergehend 
Deckungen herstellt. 

Feldsanitätsübungen fanden beim IV., VIII. und XX. Armee¬ 
korps während der Manöver statt. 

Krankenträger im Felde erhalten eine Dienstmütze neuer Art. 

Nach langjährigen Versuchen gelangten zur Einführung ver¬ 
besserte Muster der Krankentrage, nämlich eine zusammenlegbare 
Einheitstrage, sowie eines Sanitätswagens für Sanitätskompagnien 
und eines solchen für Feldlazarette. 

Die 1912 beschlossenen und 1913 noch im einzelnen er¬ 
weiterten Neuerungen in der Feldsanitätsausrüstung konnten im 
Laufe des Jahres 1913 in den Beständen fast vollständig durch¬ 
geführt werden. 

Für den fahrbaren Trinkwasserbereiter, der in vermehrter 
Zahl beschafft wird, gelangten ein endgültiges Muster sowie 
Prüfungs-, Behandlungs-, Ausbildungsvorschriften zur Annahme. 

Erwähnt seien noch Verbesserungen an den Novocain Supra- 
renin- und den Tropacocain-Suprareninröhren, am Verschlüsse der 
Nähseideröhren, am Harngefässe der Feldsanitätsformationeu, 
am Truppenbesteckkasten, an der Schleifung der Sezierbesteck¬ 
messer, an Form und Verwendung der Atropintabletteü, an den 


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3. AognSt 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1461 


Augensalbengrundlagen, am Nadelkästchen, am Anstriche des Feld¬ 
sanitätsgerätes. 

Eine besondere Vorschrift regelte die Anfertigung möglichst 
keimfreier Borsalbe in ZinnrOhren mit Schraubverschluss. 

Als Fusssch weisssalbe dient nunmehr Formaldehydsalbe in 
ZinnrOhren mit Schraubverschluss. 

Für die neuen Weinsäuretabletten der Krankentragetasche 
trat ein Blecbkasten hinzu. 

Bei der Sanitätsabteilung des Güterdepots der Sammelstation 
ist nunmehr auch Brunnenbohrgerät angesetzt. 

Verbandkästen erhielten die Personen- und Lastkraftwagen 
sowie die Luftschiffe des Heeres. 

In Erprobung und Prüfung standen Henle’s Spiralfeder¬ 
leinenbinde für Blutleere, Noviform als Jodoformersatz, die Her¬ 
stellung von gebrauchsfertig abgeteilten ScopolaminlOsungen, 
Jodointabletten, Gelionhohlnadeln am Glasröhrenfüligeräte, zu 
entkeimendes Kautschukb eftpflaster, eine Einheitsbeinschiene, 
Aenderungen am Verbandpäckchen, an der elastischen Binde, an 
der Sanitätspacktasche, am zahnärztlichen Kasten und am Behelfs¬ 
werkzeugkasten, Leibbinden neuer Art. 

Da sich unter Heffter’s Mitarbeit ergab, dass abgeteilte 
keimfreie Losungen von g-Strophanthinum cristallisatum in zu¬ 
geschmolzenen Glasröhren haltbar sind, dürfen sie hinfort für 
den Krieg niedergelegt werden. 

Unter genauerer Benennung der Instrumente und sonstigen 
Geräte bekamen die Bestecke, Mikroskope, Sanitätstornister und 
•Kästen, Reagentienkasten usw. Inhaltsverzeichnisse und Lage¬ 
rungszeichnungen. 

Es traten an die Stelle der Operationstücher von Schirting 
solche von KOper, an die Stelle gewöhnlicher Handtücher für 
Aente der Feldsanitätsformationen feine Handtücher. 

Der Ersatz der Verbindezelte der Sanitätskompagnie durch 
das neue Muster 00 ist durchgeführt. 

Zeitbedarf und Art der Aufstellung der von 21 auf 42 ver¬ 
mehrten Krankenzelte des Etappensanitätsdepots unterlagen einer 
eingehenden Nachprüfung. 

3. Fortentwicklung des Sanitätskorps im Frieden. 

Nachdem bereits am 1. April 1913 einige Sanitätsoffizier¬ 
stellen hinzngetreten waren, brachte die grosse Heeresverstärknng 
am 1. Oktober 1913 deren eine erhebliche Menge, zum Teil be- 
beutungsvoller Art. Für den Dienstbereich der Generalinspektionen 
des Militärverkehrswesens and des Militärerziehungs- nnd Bildung®- 
wesens sowie der Inspektion der Infanteriescbulen wurde das 
Sanitätsamt der militärischen Institute mit einem Generalarzt an 
der Spitze geschaffen. Es untersteht unmittelbar dem Kriegs- 
ministerium, Medizinal-Abteilung. Patentierte Generaloberärzte 
sind hinfort die Garnisonärzte grösserer Standorte und die Chef¬ 
ärzte wichtigerer Garnisonlazarette. Daneben brachte die Er¬ 
richtung vieler Truppenteile eine namhafte Zahl neuer Ober¬ 
stabsarzt-, Stabsarzt-, Ober- oder Assistenzarztstellen mit sich. 

Ober- oder Assistenzärzte des Beurlaubtenstandes, die während 
der Uebungen Rationen beziehen, erhalten statt 120 M. 160 M. Ein¬ 
kleidungsgeld. 

Zur Kaiser Wilhelms - Akademie in Berlin gehörten am 
L April 1913 410 Studierende für das preussische uud württera- 
bergwche Heer sowie 60 für die Marine. In den nächsten 5 Jahren 
kommen je 20 weitere hinzu für Preussen, sowie je 4 nunmehr 
weh für Sachsen, so dass von 1918 ab jährlich rund 100 Studierende 
als Unterärzte des Heeres die Akademie verlassen werden. 

Zeichenunterricht an der Akademie wurde eingeführt. 

Mit der Heeres Verstärkung hängt die Einstellung von je eiuem 
Stabsapotheker in grösseren Garnisonlazaretten an Orten ohne 
General- oder Divisionskommando zusammen. 

Korpsstabsapotheker und Stabsapotheker nehmen hinfort an 
Lehrgängen teil, die sich in Berlin an Fortbildungskurse für 
Nahrangsmittelchemiker anschHessen und die Feldsanitätseinrich- 
toogen berücksichtigen, und erhalten Entschädigungen für Reit- 
nnterricht. 

Die Zahl der Lazarettbeamten ist anlässlich der Heeres¬ 
verstärkung erheblich vermehrt worden. 

Stellen für 3 Sanitätsfeldwebel grösserer Garnisonlazarette, 
för sonstige Sanitätsmannschaften nnd für Militärkrankenwärter J 
worden geschaffen. 

Die SanitätsmaDnschaften tragen nnnmehr die Uniform ihres 
Truppenteils mit einem Aeskulapstab als Aermelabzeichen. s 


Wie die Unterkunft der Unteroffiziere in den Kasernen wurde 
auch die der Sanitätsunteroffiziere in den Lazaretten in der Geräte¬ 
ausstattung erheblich verbessert. 

Infolge der Heeres Verstärkung sind weitere Stellen in grösserer 
Zahl für Armeeschwestern in Garnisonlazaretten errichtet worden. 

4. Friedenslazarett- und Krankenpflegedienst. 

Friedenssanitätsausrüstung. 

Neu herausgegebene Dienstvorschriften, die sich auf den 
Sanitätsdienst beziehen: 

a) Die am 1. April 1914 in Kraft getretene Garnison-Ver- 
waltnngsordnung. Vom 4. September 1913. 

b) Vorschrift für die Verwaltung der Truppenküchen. Vom 
2. Oktober 1918. 

Kosten für Fahrten Angehöriger anlässlich schwerer Er¬ 
krankungen von Soldaten sowie für Ueberführung von Soldaten¬ 
leichen in die Heimat und für Beerdigung daselbst bestreitet 
der Staat. 

Lazarett-Neu- und Erweiterungsbauten sind fertiggestellt in 
Wünsdorf, Wreschen, Trier und Gera, 
j Id Ausführung befinden sich reichseigene Neu- uud Erweite¬ 
rungsbauten in Colmar i. E., Metz (III) und Darmstadt (Garnison¬ 
lazarett) sowie in Ohrdruf, Heuberg und Bitsch (Barackenlazarette), 
ferner Mietbauten in Swinemünde, Dt. Krone, Neustettin, Heide, 
Scbwetz, Elbing und Borkum (Militärknrhaus und Genesungsheim). 
Es traten hinzu Militärkrankenabteilungen in Gemeindekranken¬ 
häusern zu Eschweiler, Euskirchen, Geldern und Stuhm. 

Die Militärkurgäste in Bad Rehburg erhielten bessere Unter¬ 
kunft; es kommen hinfort nur Lungenkranke in Betracht, und zwar 
das ganze Jahr hindurch. 

ln Eberbach (Rheingau) entstand ein Genesungsheim für das 
XVIII. Armeekorps. 

Die fortdauernde Heeresverstärkung führte zu einer Erweite¬ 
rung der Krankenunterkunft in zahlreichen sonstigen Garnison- 
nnd Barackenlazaretten, zur Einrichtung des erwähnten Sanitäts¬ 
amtes der militärischen Institute und von Arbeitstätten für die 
in Lazaretten grosser Standorte ohne General- oder Divisions¬ 
kommando eingeführten Stabsapotheker. 

Je eine fachärztlich geleitete für mehrere Armeekorps be¬ 
stimmte Geisteskranken-Lazarettabteilung wird in Berlin-Charlotten- 
bnrg und in Danzig geschaffen (ausser Poseo, Strassburg I, Mainz). 

Die Einrichtung des Militärkurhauses Bad Nauheim wurde 
verbessert. 

Die von zahnärztlich approbierten Sanitätsoffizieren geleiteten 
Lazarettabteilangen für Zabnkranke entwickeln sich in Zahl und 
Ausstattung stetig weiter. Es waren im Betriebe die Abteilungen 
in Berlin (1), Königsberg, Stettin, Magdeburg, Posen, Breslau, 
Coblenz, Altona, Hannover, Cassel, Karlsruhe, Strassburg i. E. (I), 
Metz (I), Mainz, Allenstein, Saarbrücken; weitere sind im Ausbau. 
Au die Stelle fehlender, beurlaubter, abkommandierter derartiger 
leitender Sanitätsoffiziere treten vertraglich verpflichtete Zivil- 
zahnärzte. 

Die Muster für Lazarettbesichtigungsberichte der Korpsärzte 
sind erheblich vereinfacht. 

Neue Bestimmungen betrafen die Mitbenutzung von Lazarett¬ 
röntgeneinrichtungen für Zivilpersonen. 

Zur Selbstbewirtschaftung der Verpflegung, die vom 1. Januar 
1914 ab in allen Garnisonlazaretten und ßarackenlazaretten ein- * 
setzte, schufen Vorversuche eine verheissungsvolle Grundlage. 

Für die Beigabe von Röntgenbildabzugen an militärärztliche 
Zeugnisse bewährte sich ein besonderes Verfahren. Die mit Pferden 
bespannten Garnison kranken wagen and die Garnisonkrankenkraft 
wagen wurden wieder vermehrt. Von diesen besass bisher die 
Heeresverwaltung je zwei in Berlin and in Metz, sowie je einen 
in Wünsdorf bei Berlin, Posen, Cöln, Strassburg, Mainz; 1913 
kamen hinzu je einer in Coblenz, Graudenz und Thorn; ausserdem 
erhielt Karlsruhe einen früher in Metz verwendeten Wagen. 1914 
wird beschafft je 1 Wagen für Königsberg, Trier, Altona, Han¬ 
nover, Danzig, sowiefürStettin, Breslau und Darmstadt(=21 Wagen). 
Weitere Kraukenkraftwagen verwendet die Generalinspektion des 
Militärverkehrswesens für Flugplätze usw. 

Innerhalb der erweiterten Fürsorge für kranke Soldatenfrauen 
und -kinder erhielten die behandelnden fachärztlich vorgebildeten 
Sanitätsoffiziere Aufwandsentschädigungen. Die Mittel für Be¬ 
nutzung von Beförderungsgelegenheiten im Krankendienste wurden 
vermehrt. Erprobungen erstrecken sich auf Eisbeutel neuer Art, 
Scbiessbrillen (in Verbindung mit einer Sitzung des Wissenschaft¬ 
lichen Senates bei der Kaiser Wilhelms-Akademie am 26. Juli 1913), 

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1462 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


Sauerstoff atmungsgerät als Schutz- und Rettungsvorrichtung bei 
Pionierübungen, Bolus alba als Mittel gegen Brechdurchfall, neue 
Matratzenmuster für Schwerkranke, Roh- oder Milchglasplatten 
an Stelle von Marmor- oder Granitplatten auf KrankenbettischeD, 
Lazarettkrankenkleidung usw. 

Das Stobbe’sche Gerät zum Schneiden und Aufrollen von 
Kautschukpflasterstreifen wurde eingeführt. 

5. Gesundheitsdienst. 

Der Wissenschaftliche Senat bei der Kaiser Wilhelms-Akademie 
beriet am 28. Juni und am 26. Juli 1913 über Trinkwasserbeur- 
teilung und -Versorgung beim Feldheere, am 28. Juni auch über 
die etwaige Herabsetzung der täglichen Eiweissmenge in der 
Soldatenkost. 

An den Ausbildungskursen und Prüfungen bei den vermehrten 
fahrbaren Trinkwasserbereitern nehmen auch nicht besonders 
hygienisch vorgebildete Sanitätsoffiziere teil. 

An der Einführung von Felddesinfektionseinrichtungen auf 
Kraftwagen wird gearbeitet. 

Am 7. Juli 1913 erschien die Seuchenvorschrift, als Anhang II 
zur Militär- Veterinärordnung vom 17. Mai 1910, mit Bestimmungen 
für die Verhütung der UebertraguDg von Tier-, insbesondere 
Pferdeseuchen auf Heeresangehörige. 

Im medizinischen Untersuchungsamte der Kaiser Wilhelms- 
Akademie sowie in den hygienisch-chemischen Untersuchung¬ 
steilen der Sanitätsämter am Sitze der Generalkommandos wurden 
u. a. folgende Fragen, zum Teil in Verbindung mit Versuchen bei 
der Truppe und im Lazarett, geprüft: Yatren als keimtötendes 
Mittel, insbesondere für Keimträger, Schweissfusspulver, die 
Alkoholseifenpaste Festalkol zur Händedesinfektion, Formaldehyd¬ 
desinfektion tuberkulös infizierter Räume, Vacuumformaldebyd- 
desinfektion, Brauchbarkeit des Perhydrits, Enthärtung von Kessel¬ 
wasser, Aluminium- und Bronzelegierungen, Haltbarmachung von 
Lymphe, Ermüduogsbekämpfung durch Antikenotoxin, Keimfrei¬ 
machung des Trinkwassers mit Brom, Chlorkalk, ultravioletten 
Strahlen nach Stabsarzt Kunow und noch andere Verfahren, 
zentrale Versorgung der Untersucbungstellen mit Trockennähr¬ 
böden, Erweiterung des tragbaren bakteriologischen Laborato¬ 
riums usw. Dazu kommen Untersuchungen über Pocken-, Trachom-, 
Scharlacherreger, über Ruhrimpfstoffe, über Maul- und Klauen¬ 
seuche, über eiweissfreie Typhusimpfstoffe, über Quecksilber- 
oxycyanid und Afridol als Sublimat- sowie Grotan als Karbolsäure¬ 
ersatz, der Braatz’scben Einwände gegen die Keimfreimachung der 
Verbandstoffe im Wasserdampfe, über Lederbehandlung, über Uni- 
formreinigungs- und Mottenvertilgungsmittel, über keimtötende 
Kraft des Aetbers, über Keimgebalt der kondensierten Milch und 
der Verbandpäckchen, über Fleisch- und Fischkonserven, über 
Gefrierfleisch, über Abderhaldeu’scbe Reaktionen, über Kalium¬ 
permanganatparaformpackungen, über Gesundheitscbädigungeu 
durch destilliertes Wasser, über zusammenlegbare Brutschränke 
und Filtertrichter, über poröse Deckel für Bakteriennäbrboden usw. 

Das Kriegsministerium erliess am 29. Mai 1913 die endgültigen 
Bestimmungen über die militärische Unterstützung der nationalen 
Jugendpflegebestrebungen. 

6. Heeresersatz. Entlassung and Versorgung. Statistik. 

Die mit der grossen Webrvorlage 1913 verbundene Heeres- 
verstärkang von 126 000 Mann bedingt eine jährliche Mehr¬ 
einstellung von 63 000 Rekrnten. Der Ersatz vollzog sich glatt. 

In der Wehrordnung wurden Vereinfachungen und Verbesse¬ 
rungen des Ersatzgeschäftes vorgesehen: An einem Tage sollen 
nur ausnahmsweise mehr als 130 Militärpflichtige gemustert 
werden. Ferner sind stets Leute aller Jahrgänge für jeden Tag 
zur Musterung heranzubolen. Endlich ist für die Reihenfolge der 
Militärpflichtigen nicht mehr das Los, sondern der Grad der 
Tauglichkeit maassgebend. Zweifellos Taugliche, gut Geeignete 
bilden die Klasse I, minder Taugliche die Klasse II. Auch die 
Dienstanweisung znr Beurteilung der Militärdienstfähigkeit wurde 
entsprechend abgeändert. 

Es erschien: Sanitätsbericht über die Königlich Prenssische 
Armee, das XII. und XIX. (1. and 2. Königlich Sächsische) und 
das XIII. (Königlich Württembergische) Armeekorps für den Be¬ 
richtszeitraum vom 1. Oktober 1910 bis 30. September 1911. 
Bearbeitet von der Medizinalabteilang des Königlich Preussischen 
Kriegsministeriums. Mit 37 Karten und 10 graphischen Dar¬ 
stellungen. (E. S. Mittler & Sohn, Berlin.) 

Ein vorläufiger Jahreskrankenrapport über vorstehende Heeres¬ 
teile für das Berichtsjahr vom 1. Oktober 1911 bis 30. Sep¬ 


tember 1912 wurde in der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift, 
1913, S.226, bekanntgegeben. Hiernach betrugen bei einer Kopfstärke 
von 553 345 der Krankenzugang in Lazarett und Kaserne 546,3 
auf das Tausend der Kopfstärke (im Vorjahre 589,1) und starben 
innerhalb militärärztlicher Behandlung 751 = 1,4 auf das Tausend 
(im Vorjahre 720 = 1,5 auf das Tausend). Insgesamt starben 
1081 = 2 anf das Tausend (im Vorjahre 1071 = 1,9 auf das 
Tausend). Die Zahl der Todesfälle durch Krankheiten blieb gleich; 
tödliche Unglücksfälle und Selbstmorde waren seltener. 

7. Sonstige grössere Veröffentlichungen. 

Die vom Kriegsministerium, Medizinalabteilnng, heraus¬ 
gegebenen „Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militär¬ 
sanitätswesens“ (A. Hirschwald, Berlin) wurden fortgesetzt durch: 

Heft 54. Sublimat und sein Ersatz bei der Durcbtränkung 
der Verbandstoffe. Bearbeitet in der Medizinalabteilung des 
Königlich Preussischen Kriegsministeriums. 

Heft 55. Arbeiten aus den hygienisch-chemischen Unter¬ 
suchungsstellen. Zusammengestellt in der Medizinalabteilnng des 
Königlich Preussischen Kriegsministeriums. VI. Teil. 

Heft 66. A. Köhler, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung 
des Militärbadewesens und der v. Pfuel’schen Schwimmanstalt in 
Berlin. 

In der Bibliothek v. Coler - v. Schjerning (A. Hirschwald, 
Berlin) kamen hinzu: 

Band XXXV: H. Bischoff, W. Hoffmann, H. Schwiening, 
unter Mitwirkung von H. Findel, H. Hetsch, K. H. Kutscher, 
0. Martineck, B. Möllers: Lehrbuch der Militärhygiene. V. Band. 
Mi 1 itärsanitätsstatistik. Bearbeitet von H. Schwiening. 

Band XXXVII: W. Niehues, Die Sanitätsausrüstung des 
Heeres im Kriege. Mit Genehmigung des Königlich Preussischen 
Kriegsministeriums unter Benutzung amtlicher Quellen. 

Ferner erschien als unentbehrliches Nacbschlagebuch für 
Friedens- und Kriegschirnrgen: 

Schjerning, Thöle und Voss, Die Schassverletzungen. 
2. Auflage, bearbeitet von Franz und Oertel. Archiv und Atlas 
der normalen und pathologischen Anatomie in typischen Röntgen¬ 
bildern. Ergänzungsband VII der Fortschritte auf dem Gebiete 
der Röntgenstrahlen, herausgegeben von Albers - Schönberg 
(Luchs Gräfe & Sillem-Hamburg). 

Des 25 jährigen Regierungsfestes Sr. Majestät des Kaisers ge¬ 
dachte auch die ärztliche und militärärztliche Fachpresse in Jubel- 
beften und -arbeiten. In dem grossen Pracbtwerke: „Soziale Kultur 
und Volks Wohlfahrt während der ersten 25 Regierungsjahre Kaiser 
Wilhelms II.“ verfasste 0. v. Schjerning den Abschnitt: Militär¬ 
sanitätswesen. 

In Virchow’s Jahresbericht der gesamten Medizin, 1912, 
2. Band (A. Hirschwaid, Berlin) behandelte A. Köhler: „Kriegs- 
cbirurgie“, F. Paalzow: „Militärsanitätswesen, Armeehygiene, 
Armeekrankheiten“. 

Auf der 42. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 
Ostern 1913, zu Berlin wurden die Erfahrungen der Balkan¬ 
kriege eingehend erörtert. 

Weitere facbwissenschaftliche Mitteilungen finden sich in der 
Deutschen militärärztlicben Zeitschrift (mit Roth’s Jahresbericht) 
und im Militär-Wochenblatt (E. S. Mittler & Sohn, Berlin) sowie 
in den regelmässigen Buch- und Zeitschriftenbesprecbungen dieser 
Wochenschrift. 

8. Freiwillige Krankenpflege. 

Das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz 
entsandte in den Balkankrieg 36 Aerzte, 20 freiwillige Kranken¬ 
pfleger, 48 Schwestern. 

Am Ausbildungskurse für Delegierte der freiwilligen Kranken¬ 
pflege im Februar zu Berlin nahmen 41 Johanniter-, 13 Malteser- 
ordensritter, 27 Mitglieder der Vereinigungen des Roten Kreuzes 
teil. Dabei wnrde mit bestem Erfolge ein gross angelegtes 
Sanitätskriegsspiel durchgeführt, das das Heeressanitätswesen und 
die freiwillige Krankenpflege im Kriege in praktischer Darstellung 
und unter Mitwirkung von Sanitätsoffizieren und Delegierten um¬ 
fasste. 

Der Kaiserliche Kommissar und Militärinspektenr der frei¬ 
willigen Krankenpflege, Fürst Solms, und die Sanitätskolonnen 
betätigten sich bei den Jahrhundertfeiern der Befreiungskriege 
zu Berlin und Breslau nnd bei den Kaiserparaden in Breslau und 
Posen. 

Aerzte, die Kolonnen- und Verbandsmitglieder aasbilden und 
dem Beurlanbtenstande angehören, dürfen als Zuschauer an Kranken¬ 
trägerübungen teilnehmen. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1468 


3. August 1914. 

Den Militärmusikkapellen wurde gestattet, unter denselben 
Bedingungen, die für vaterländische Jugendvereine gelten, auch 
bei den Veranstaltungen der Männervereinigongen des Roten 
Kreoxes mitinwirken. 

Für die Felduniform, auch der Johanniterordensritter, die 
Delegierte im Etappengebiete sind, ist das feldgraue Tuch ein- 
geführt worden. _ 

Bßcherbesprechungen. 

F. Volhard und Th. Fahr : Die Bright’sche Nierenkraakheit. Klinik, 
Pathologie und Atlas. Berlin 1914. Preis 45 M. 

Das vorliegende Werk ist von allergrösster Bedeutung sowohl für 
die Klinik als auch für die Pathologie der Nierenkrankheiten. ln der 
richtigen Erkenntnis, dass die Erforschung dieser Krankheiten nur durch 
gemeinsame Arbeit der klinischen Beobachtungen und der pathologischen 
Anatomie gefördert werden kann, haben diese beiden Autoren sich der¬ 
selben in umfangreichster Weise unterzogen. Das Resultat ist denn 
auch ein ausgezeichnetes. Und wenn auch die Schlussfolgerungen der 
beiden Autoren in manohen Punkten Widerspruch erfahren werden, so 
kann man doch das Buch als ein geradezu klassisches bezeichnen. Es 
ist ihnen auch gelungen, eine, wie es scheint, zutreffende und brauchbare 
Einteilung der Nierenkrankheiten zu finden, die sowohl der klinischen 
Betrachtung als auch der pathologischen Anatomie genügt und beide in 
UebereinstimmuDg miteinander bringt. Von manchen Seiten war an 
dieser Möglichkeit gezweifelt worden, doch immer nur von solchen, die 
sich einseitig auf den klioischeu oder einseitig auf den pathologisch¬ 
anatomischen Standpunkt gestellt hatten. Das Buch ist so eingeteilt, 
dass zunächst Fahr als Anatom die pathologischen Veränderungen 
makroskopisch und mikroskopisch ausführlich schildert, ln einem zweiten 
Teil gibt dann Volhard eine klinische Uebersicht. Der Hauptteil des 
Werkes aber ist der genauen Besprechung mit Anführung der Kranken¬ 
geschichten der einzelnen Fälle gewidmet. Auf 4S Tafeln und mehreren 
Figuren im Text sind die ausgezeichneten Präparate reproduziert. Das 
ganze Beweismaterial für die Behauptung der Autoren liegt also zur 
Nachprüfung durch den Leser vor. Die Verff. schlossen sich denjenigen 
Autoren an, die nicht jede Nierenerkrankung als eine Entzündung auf¬ 
fassen. Die einfachen degenerativen Erscheinungen zählen sie nicht zu 
den Entzündungen und bezeichnen sie als Nephrose. E 3 ist ganz 
offenbar, dass diese Einteilung mehr bedingt ist durch eine veränderte 
Definition des Entzündungsbegriffs als in der Erscheinung selber, und 
deswegen gelingt auch die Scheidung nicht vollständig scharf. Aber 
immerhin wird ganz allgemein heutzutage anerkannt, dass nicht jede 
degenerative Erscheinung in den Nieren schon ohne weiteres eine Ent¬ 
zündung bedeutet. Einen besonderen Wert hat Volhard darauf gelegt, 
die einzelnen Falle auf die Blutdrucksteigerung, die Konzentrationsfähig¬ 
keit und die Herzhypertrophie zu untersuchen. Hiermit sind dann die 
pathologischen Befunde in UebereinstimmuDg gebracht. Danach lassen 
sich drei Gruppen von Nierenkrankheiten aufstellen, degenerative, ent¬ 
zündliche und arteriosklerotische Prozesse. Die erstereu bezeichnet 
Volhard als Nephrosen nach dem Vorgang von Müller, die entzünd¬ 
lichen als Nephritiden, die arteriosklerotischen als Sklerosen. Für den 
Leser möchte es sich empfehlen, zunächst einmal die Tabelle auf S. 78 
zu betrachten, die, wenn man .schon etwas in die Materie eingeführt ist, 
schon vorweg einen Ueberblick gewährt über das, was die Autoren wollen 
und erreicht haben. Ueberhaupt empfiehlt es sich, nach dem Studium 
des klinischen Teils den anatomischen Teil noch einmal zu rekapitu¬ 
lieren. Es ist natürlich ganz unmöglich, dieses bemerkenswerte Werk 
ausführlich zu referieren. Ein Referat würde nicht annähernd das wieder- 
gebeu können, was das Buch bedeutet. Es muss also gelesen und aus¬ 
führlichst studiert werden. v. Hansemann. 


J. Boas: Die Lehre voi dea okkulten Blutungen. Mit 5 Text¬ 
abbildungen und einer farbigen Tafel. Leipzig 1914, Verlag von 
Georg Thieme. 149 S. 

Mit unermüdlichem Eifer istVerf. an dem Ausbau der von ihm be¬ 
gründeten Lehre von den okkulten BlutuDgen beschäftigt, die heute einen 
der wichtigsten Bausteine der modernen Magendarmdiagnostik bildet. 
Io der vorliegenden Monographie gibt er die erste zusammenfassende 
und gleichzeitig erschöpfende Darstellung dieses Gebietes, die sich auf 
die Technik und die Indikationen der Untersuchungsmethode erstreckt 
und dann die Bedeutung des positiven Befundes bei den einzelnen Er¬ 
krankungen des Verdauungstraotus und schliesslich die Prognose und 
Therapie bespricht. Manche neue Einzelheiten werden dabei mitgeteilt. 
Besondere Anerkennung verdient die ernste Kritik, mit der das Buch 
geschrieben ist. Den Beschluss bildet ein ausführliches Literatur¬ 
verzeichnis. 


k Johle: Die Albiniiarie. Klinische und experimentelle Beiträge 
zur Frage der orthostatisoh-lordotischen und der nephritischen 
Albuminurie. Mit 35 Abbildungen im Text und 2 Abbildungen 
auf einer Tafel. Berlin 1914, Julius Springer. 109 S. Preis 
4M. 

Zu der von ihm vertretenen lordotischen Pathogenese der ortho- 
statischen Albuminurie bringt der Verf. hier neue wertvolle Beweise. 


Gegenüber dem Einwande, dass es sich bei dieser Anomalie im letzten 
Grunde wohl um den Folgezustand einer angeborenen Minderwertigkeit 
der Nieren handle, scheint der Nachweis Jehle’s bemerkenswert, dass 
es nicht nur gelingt, durch gewisse Versuchsanordnung bei einem lordo¬ 
tiseben Individuum die orthosiatische Albuminurie auszugleichen und zu 
verhindern, sondern auch bei gesunden Kindern eine solche Albuminurie 
zu erzeugen. „Sie ist demnach nichts anderes als ein Zeichen der Ab¬ 
hängigkeit und der Labilität der Nierenfunktion von der Körperstellung 
und der damit verbundenen physikalischen Bedingungen, die sich unter 
dem Einfluss der pathologischen Lordose bis zu einer Albuminurie 
steigern kann.“ Und zwar infolge eintretender Cireulationsstörungen, 
einer venösen Stase, wie sie meines Erachtens auch als ausschliessliche 
Ursaohe der sportlichen Albuminurie anzusprechen ist, die der ortho- 
statischen sehr nahe steht. 


H. Herz-Breslau: Die Stfiroogea des Verdaoingsapparttes als Ur¬ 
sache and Folge aaderer Erkraakaagea. 111. Teil: Die chroni¬ 
schen Infektionskrankheiten in ihren Beziehungen zum VerdauuDgs- 
apparat. Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage. Berlin 
1914, Verlag von S. Karger. 726 S. 

Nachdem Verf. im ersten Teil seines Werkes die Krankheit des 
Blutes, des Stoffwechsels und der Konstitution, im zweiten Teil die 
akuten Infektionskrankheiten abgehandelt hat, werden im jetzt vorliegen¬ 
den dritten Teil die chronischen Infektionskrankheiten in ihren Be¬ 
ziehungen zum Veidauungsapparat erörtert, und zwar die Tuberkulose, 
Lepra, Aktinomykose Sklerora und Syphilis. Die Darstellung zeugt von 
derselben Sorgfalt und Ausführlichkeit wie in den früheren Teilen, und 
auch die sachliche Kritik ist zu ihrem notwendigen Rechte gekommen. 
Mit Bienenfleiss ist das Literaturverzeichnis zusammengestellt. Auf 
Einzelheiten der Darstellung kann hier nicht eingegangen werden. Die 
Veränderungen jedes einzelnen Organs des Verdauungstraotus werden 
nach ihren anatomischen Grundlagen und klinischen Erscheinungen ein¬ 
gehend beschrieben und gewürdigt. Dem Werke kommt ein hoher pro¬ 
pädeutischer Wert zu. 


B. J. Babkin: Die äussere Sekretion der Verdannngsdrfisev. Mit 

29 Textfiguren. Berlin 1914, Verlag von Julius Springer. 407 S. 

Obwohl an neueren Darstellungen dieses Gebietes kein Mangel ist, 
muss diese Bearbeitung aus der Hand eines der besten Schüler Paw- 
low’s als sehr willkommen geheissen werden, zumal sie eine Ausführ¬ 
lichkeit und Gründlichkeit in der Behandlung des Themas bietet wie 
kein anderes Lehrbuch dieses Gebietes. Es wird die Physiologie der 
Speicheldrüsen, der Magen-, Dünn-, Dickdarmdrüsen, des Pankreas und 
der Galle sowohl nach den Beobachtungen am Menschen wie in Tier¬ 
experimenten abgehandelt; zu letzteren fügt Verf. zahlreiche ältere und 
neuere eigene Forschungsergebnisse hinzu, die grösstenteils in tabellari¬ 
scher Form übersichtlich gemacht sind. Wie ich mich insbesondere 
durch die Lektüre des Pankreaskapitels überzeugt habe, steht die Dar¬ 
stellung, was bei einem Pawlowschüler selbstverständlich erscheint, 
durchweg auf der Höhe der derzeitigen Wissenschaft. So finden wir da z. B. 
eine detaillierte exakte Analyse sowohl all der Faktoren, welche als Er¬ 
reger der Pankreasfunnktion in Betracht kommen, als auch des nervösen 
und humoralen Mechanismus derselben. Das ernste Werk stellt ein un¬ 
entbehrliches Nachschlagebuch für alle auf diesem Gebiete forschend 
Tätigen dar und gibt auch selbst zahlreiche neue Anregungen für die 
weitere Forschung. Albu. 


Reuö Gaultier: Precis de coprologie clinique. 2. ödition, Paris 1914, 
Bailliere & Fils. 536 Seiten mit 98 zum Teil kolorierten Ab¬ 
bildungen. 

Das Buch enthält zu einem Teil die von dem Verf. angegebene 
Methode zur funktionellen Darmprüfung, gibt aber auch sonst eine, teil¬ 
weise sehr ausführliche, Beschreibung der verschiedenen Methoden der 
Kotuntersuchung. Da vom Verf. Krankengeschichten und Therapeutisches 
sowie von ihm ausgeführte Tiereiperimente mit eingeflochten sind, hat 
die Uebersichtlichkeit dadurch etwas gelitten. Eine spezielle Literatur¬ 
angabe ist nicht vorhanden. Da wir bereits das Werk von Schmidt 
und Strassburger besitzen, wird wohl kaum eine grosse Nachfrage für 
das Buch bei uns vorhanden sein. Trotzdem wird der speziell auf 
diesem Gebiet Arbeitende das Werk mit Interesse lesen. Merkwürdig 
ist, dass der Autor, nachdem er gezeigt hat, wie absolut sicher Krank¬ 
heitsbilder durch die FäcesuntersucbuDg erkannt werden konnten, zum 
Schluss in seinen „Conclusions“ wieder vollkommen resigniert ist. Dazu 
liegt aber gerade bei dem dort angeführten hypothetischen Fall, der 
zeigen soll, wie nicht die Stuhluntersuchuogen, sondern erst die klinische 
„Ueberlegung“ unter den beiden möglichen Diagnosen zu entscheiden 
hat, durchaus kein Gruud vor. Denn gerade in diesem geschilderten 
Falle muss die, allerdings vom Kliniker vorgenommene, Stuhlunter¬ 
suchung nach entsprechender Belastung des Darms ohne jede andere 
weitere „Ueberlegung* die eine oder die andere der beiden angegebenen 
möglichen Diagnosen absolut sicher bejahen bzw. aussohliessen lassen. 

R. Ehrmann. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1464 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


W. Kruse und P. Selter: Die Gesundheitspflege des Kindes. Für 

Studierende, Aerzte, Gesundheitsbeamte und alle Freunde der 

Volksgesundheit. Stuttgart, Verlag von Enke. 794 Seiten. 

Der Inhalt des Buches ist äusserst mannigfaltig. Alles, was die 
Entwicklung des Kindes, seine Ernährung und seine Pflege betrifft. Schule 
und Schulhygiene, Fürsorgeanstalten für Säuglinge, Kranke, Krüppel, 
Schwachsinnige, Verwahrloste werden von kompetenten Mitarbeitern 
besprochen. Ganz besonders dankbar wird empfunden werden, dass alle 
diese Punkte nicht nur für Kinder bis zum 15. Jahre, sondern bis zum 
20. Jahre behandelt sind. Da das Buch keineswegs nur für Aerzte be¬ 
stimmt ist, sind ärztliche Fachausdrücke tunlichst vermieden. Im allge¬ 
meinen darf also der Plan der Herausgeber, die Gesundheitspflege des 
jugendlichen Menschen nach allen Richtungen hin für ein breiteres Publikum 
verständlich und doch nicht verschwommen darzustellen, als geglückt 
betrachtet werden. Doch wird der Leser von dem Buch auch verlangen, 
dass es ihm nach Möglichkeit ein Nacbschlagen in Spezialwerken erspart. 
In dieser Beziehung wäre einiges zu beanstanden. So fehlen im Kapitel 2 
Angaben über den Umfang des kindlichen Schädels. Im Kapitel 3 er¬ 
schweren nicht vollständige Tabellenüberschriften das Nacbschlagen. 
Auch wäre (S. 37) die Angabe über die Sterblichkeit an Scharlach im 
1. Lebensmonat einer Kritik wert gewesen, das absolut Unzureichende 
der Statistik über Lymphdrüsenschwellung und Rachen Wucherung des¬ 
gleichen. Namentlich die Beziehung auf die Spezialuntersuchungen 
Nadoleozny’s und Edm. Meyer’s hätten die Bedeutungslosigkeit der 
anderen Statistiken dargetan. Gerade für Laien hätte ich eine schärfere 
Ablehnung der standesamtlichen Rubrik „Krämpfe“ und eine kurze Er¬ 
klärung über die Bedeutung von agonalen und andererseits selbständig 
eine Todesursache abgebenden Krämpfen gewünscht. Bei der Erkrankungs¬ 
häufigkeit der jugendlichen Arbeiter (S. 91) wäre eine Vergleichszahl 
mit den älteren erwünscht. Im übrigen ist freilich gerade dieses Kapitel 
durch seinen Reichtum an Angaben ganz besonders lesenswert. 

Im Kapitel 4 (Banti) waren einige Angaben über das Colostrum 
wünschenswert. Bei der Ernährung des älteren Säuglings möchte ich 
Mahlzeiten, die nur aus Gemüse bestehen, in keiner Weise für praktisch 
halten. Die als normal empfohlene Ernährung im 2. Lebensjahre basiert 
allzusehr auf Milch und führt daher zu häufig zu Misserfolgen, als dass 
sie als Norm empfohlen werden dürfte. Bei dem Leserkreise des Buches 
hätte auch die andere Methode, die die Ernährung des 2. Lebensjahres 
mehr der älterer Menschen annähert, eine Erwähnung finden müssen. 
In welcher Beziehung ist übrigens die Kohlehydratzufuhr in Gestalt von 
Mehlen vor dem 10. Lebensmonat unmodern? 

Einige praktische Angaben über die Ausübung der Milchkontrolle 
scheinen mir wünschenswert. Im übrigen scheint mir Bauer die Auf¬ 
gabe, im Rahmen dieses Buches die Ernährung des Kindes zu besprechen, 
recht glücklich gelöst zu haben. Dagegen ist das Kapitel von Schmidt 
über Geistes- und Körperübungen zu allgemein gehalten. Es fehlen auch 
im § 3, S. 313, genauere Angaben über die zeitliche Folge der seelischen 
Entwicklung des Kindes, für die allerdings ein eigenes Kapitel hätte 
bestimmt werden müssen. 

Bei der Frage des Seuchenscbutzes ist nur besprochen, was bisher 
üblich war und die Kritik desselben zu milde. Die wichtige Frage, wie 
man einen tuberkulösen Lehrer, der arbeitsfähig ist, aus der Schule ent¬ 
fernen kann, ist nicht einfach zu lösen, wenigstens bisher nicht gelöst. 

Bei den Plänen von Krankenhäusern fehlt in einigen Plänen die 
Angabe des Maassstabes. Eine ausführlichere Darstellung der Stellung 
der Ziehfrauen den polizeilichen Bestimmungen gegenüber wäre wünschens¬ 
wert. Auch wäre eine schärfere Beurteilung und Verurteilung der Folgen 
erwünscht, die sich für den Säugling durch das Gesetz über den Unter¬ 
stützungswohnsitz und das daraus entspringende HerumschiGken des 
Kindes von einer Pflege in die andere ergibt. Ohne eine Uebernahme 
der Säuglingsfürsorge durch den Kreis oder die Provinz wird hier wohl 
keine Besserung zu erreichen sein. 

Zum Schluss noch die Frage: Was wird aus den Säuglingen, die 
von noch nicht notorisch ortsarmen Müttern in Pflege gegeben werden 
müssen, weil die Mütter einige Wochen Gefängnis zu verbüssen haben? 
Bisher verlangt sogar mitunter eine Gefängnisverwaltung, dass das Kind 
möglichst bald abgesetzt werden soll. Wenn derartige Kinder ehelich 
sind, tritt eineUeberwachung in der Pflege überhaupt nicht, im anderen 
Falle nicht überall und meist zu spät ein. Auch hierüber müsste eine 
künftige Auflage Auskunft geben. F. Göppert. 


H. Rüder, C. Bieling, W. Spiiak, E. Wieneeke, A. Biekel: Gellnde- 
behandlnng herzkranker Kinder im Mittelgebirge. Klinische 
und experimentelle Untersuchungen an herzkranken Kindern bei 
einem Kuraufenthalte im Thüringer Wald. Berlin 1914, Verlag 
von Hirschwald. 184 Seiten. 

Herzkranke Schulkinder sind gegenüber ihren gesunden Kameraden 
in mancher Hinsicht im Nachteil, indem sie z. B. vom Turnen, von 
Sohulausflügen, von den Ferienkolonien u. a. ausgeschlossen werden 
müssen. Es wird nun hier über Versuche berichtet, ihnen wenigstens 
in einer modifizierten Form die mannigfachen Wohlfahrtseinrichtungen 
für Schulkinder zugute kommen zu lassen. Es wurde mit 12 herzkranken 
Kindern im Alter von 12 bis 14 JahreD, wovon 9 an organischen, die 
übrigen an funktionellen Herzerkrankungen litten, eine Exkursion in den 
Thüringer Wald (Friedrichroda) gemacht und eine GeländebehandluDg 
im Sinne der Oertel’schen Terrainkur eingeleitet. Ueber die Begründung 
dieses Unternehmens sowie über die Beobachtungen während der Kur 


berichten die einzelnen Abhandlungen des Baches, die wir der Reihe 
nach nennen: Bickel, Zur Einführung. Bewegung und Kreislauf in der 
Physiologie. Röder, Physiologische Beziehungen zwischen Kreislauf 
und Atmung. Röder, Weitere wissenschaftliche Unterlagen für eine 
Geländebebandlung herzkranker Kinder. Röder, Die Exkursion nach 
dem Thüringer Walde zur klinisch-experimentellen Beobachtung des Ein¬ 
flusses der Geländebehandlung bei 12 herzkranken Kindern im Sommer 
1913 nebst den Krankengeschichten. Bieling, Orthodiagraphische und 
elektrocardiographische Untersuchungen an den 12 herzkranken Kindern. 
Spinak, Untersuchungen des Blutdrucks, des Pulses, des Blutes und 
des Urins bei den 12 herzkranken Kindern. Wienecke, Psychologische 
Untersuchungen über das Verhalten herzkranker Kinder im Pubertats- 
alter im allgemeinen wie speziell die dahinzielenden Beobachtungen bei 
der Exkursion mit diesen Kindern im Sommer 1913. Röder, Zusammen¬ 
fassende Darstellung der Ergebnisse aus dem gesamten Material. 
Bieling, Praktische Durchführung der Geländebehandlung io den Luft¬ 
kurorten des ThüriDger Waldes unter Berücksichtigung von Friedrich¬ 
roda. Röder, Schlusswort. 

Der Inhalt des Buches geht aus diesen Kapitelüberschriften hervor. 
Näher auf den Inhalt einzugehen, erübrigt sich. Neue Tatsachen wurden 
nicht festgestellt, aber ein guter Einfluss der Geländetherapie auf das 
Allgemeinbefinden der Kinder beobachtet. Birk-Kiel. 


Handbuch der physiologischen Methodik. Herausgegeben von Tiger- 
stedt. Band 3, Abteilung III b. Mit 100 Figuren im Text und 
einer Tafel. Leipzig 1914, S. Hirzel. Preis 8 M. 

Das wichtige Werk, dessen Lieferungen hier wiederholt angezeigt 
worden sind, geht nun bald seiner Vollendung entgegen. Der neu vor¬ 
liegende Abschnitt bringt „die nicht akustischen Funktionen des inneren 
Ohres“, die J. R. Ewald bearbeitet hat und die „Untersuchungsmethode 
der akustisohen Funktionen des Ohres“, aus der Feder von K. L. Schäfer. 


Oiof Hammarsten: Lehrbuch der physiologisch» Chemie. 8 . völlig 
umgearbeitete Auflage. Wiesbaden 1914, J. F. Bergmann. 961 S. 
24 M. 

Die neue Auflage, bei deren Bearbeitung Professor S. G. Hedin den 
Verfasser unterstützt hat, besitzt dieselben Vorzüge, welche die früheren 
Auflagen so wertvoll machten: sorgfältigste Berücksichtigung der Literatur, 
klare Schreibweise und Kürze der Darstellung bei hinreichender Gründ¬ 
lichkeit. Es ist sehr erfreulich, dass dieses ausgezeichnete Lehrbuch 
wieder in moderner Fassung vorliegt. Es eignet sich ebenso zum 
systematischen Studium wie zum Nacbschlagen. M. J&ooby. 


V. Schmieden-Halle a. S.: Der chirurgische Operattoaskars. Dritte 
erweiterte und verbesserte Auflage. 416 Seiten mit 467 Ab¬ 
bildungen. Leipzig 1914, Joh. Ambr. Bartb. Preis geb. 16 M. 

Der „Chirurgische Operationskurs“ hat sich schnell einen geachteten 
Platz in der Literatur erobert. Das beweist am besten die Tatsache, 
dass, nachdem noch nicht 2 Jahre seit der letzten Auflage verflossen 
sind, bereits wieder eine Neuauflage notwendig wurde, die sich den 
vorangegangenen würdig anscbliesst und mancherlei Erweiterungen auf¬ 
weist. Völlig neu aufgenommen sind die Operationen an der Vena 
saphena, die Freilegung des retrobulbären Raumes nach Krönlein, die 
Hemilaryngektomie, die quere Resektion des Pharynx und des Oeso¬ 
phagus im Halsteil und die Lumbalpunktion. Andere wichtige Kapitel, wie 
die über Sehnennaht, Larynx-Pharynxchirurgie, Freilegung des Rücken¬ 
marks, sind wesentlich umgearbeitet, zahlreiche neue Abbildungen sind 
hinzugekommen. Das vorliegende Lehrbuch ist nicht nur für den Ge¬ 
brauch des Studenten bei dem ohirurgischen Operationskurs an der 
Leiche durch die kurze, präzise Darstellung und die trefflichen Ab¬ 
bildungen hervorragend geeignet; in gleicher Weise findet der Praktiker, 
besonders auch der angehende Chirurg wertvolle Hinweise in ihm. Die 
äussere Ausstattung ist, wie auch in den früheren Auflagen, vorzüglich. 
Mit einem Wort: Es ist ein Buch, für das wir dem Verf. dankbar sein 
müssen, und dem wir wünschen, dass es sich in gleioher Weise wie 
bisher immer neue Freunde erwerben möge. 

W. V. Simon-Breslau. 


Hermann Docht-Halle a.S.: Handbnck der Röntgenlehre. 485 Seiten, 
249 Abbildungen; 4. Auflage. Stuttgart 1914, Verlag von Ferdinand 
Enke. Preis broschiert 13,80 M. 

Das vortreffliche Buch Gocht’s liegt jetzt in 4. Auflage vor. Der 
rastlos fortschreitenden Entwicklung der Röntgendiagnostik und Röntgen¬ 
therapie ist vollauf Rechnung getragen, und besonders alle technischen 
Neuerungen haben die gebührende Würdigung gefunden. 

Speziell die Abschnitte, welche das Röntgeninstrumentariura und 
die Röntgenröhre, die diagnostische Verwendung der Röntgenstrahlen in 
der Geburtshilfe und bei Erkrankungen des Magendarmtractus behandeln, 
haben eine weitere Ausgestaltung erfahren. 

Auch der Abschnitt über Röntgentherapie gibt ein gutes Bild von 
der Entwicklung und dem gegenwärtigen Stand dieser Behandlungs¬ 
methode unter Berücksichtigung der neuesten Fortschritte, insbesondere 
auf dem Gebiete der Tiefenbestrahlung, trotzdem er von den 485 Text- 
seiten nur 65 beansprucht. Die Abbildungen sind durchweg gut. Auch 


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Go g le 


Ürigiinal fro-m 
M = PI~P-' fiF 



8. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1466 


die 4. Auflage kann also jedem, der sieb mit der Röntgendiagnostik und 
Röntgentherapie vertraut machen will, angelegentlichst empfohlen werden. 

H. E. Schmidt-Berlin. 


Richard Kayser- Breslau: Anleitung zur Diagnose und Therapie der 
Kehlkopf-, Nasen- nnd Ohrenkrankheiten. 8 ., verbesserte Auf¬ 
lage; mit 136 Abbildungen. Berlin 1914, Verlag von S. Karger. 

Die weite Verbreitung des Buches spricht für seine Zweckmässigkeit 
und das praktische Bedürfnis nach einer gemeinsamen Abhandlung über 
Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkrankbeiten in kompendiöser Form. Diesem 
rein praktischen Gesichtspunkt gegenüber müssen die wissenschaftlichen 
Bedenken, in einem Büchlein zwei grosse selbständige Spezialdisziplinen 
zur Darstellung bringen zu wollen, in den Hintergrund gerückt werden. 
Auf 210 Seiten werden die Untersuchungsmethoden, Krankheiten und 
Behandlungsweisen des Kehlkopfes, der Nase und des Ohres in an¬ 
schaulicher Form besprochen; dabei ist der Verf. bemüht, auch alle 
Neuerungen auf den Spezialgebieten, z. B. die Schwebelaryngoskopie, zu 
erwähnen. Ueberflüssig erscheint mir, dass so gefährliche und meist 
entbehrliche Verfahren, wie z. B. die Choanaltamponade mit dem Belloc- 
schen Röhrchen, ausführlich dargestellt werden; die an dieser wie 
allerdings auch an den meisten anderen Stellen beigegebenen Ab¬ 
bildungen lassen viel an Deutlichkeit zu wünschen übrig; vor allem 
waren die Trommelfellbilder besser gänzlich weggelassen worden. In so 
kurzen Kompendien erscheint mir ferner das Citieren von Autoren nicht 
nötig zu sein. Wenn aber z. B. in einem Gebiete, wie der Otosklerose, 
von dem Verfasser nur der Name „Fröschels“ erwähnt wird, so lässt 
sich dagegen Erhebliches ein wenden. Dass bei der Therapie dieser Er¬ 
krankung ausserdem das problematische Kinesiphon von Dr. Maurice 
erwähnt wird, welches übrigens keine „elektrisch betriebenen Stimm¬ 
gabeln“ enthält, ist auch auffallend. 

Diese und ähnliche Ausstellungen mehr werden sich bei der 
Darstellung zweier auf winzigen Raum zusammengedrängten Spezial¬ 
gebiete nicht vermeiden lassen. Die Brauchbarkeit des Buches für den 
Praktiker wird dadurch nicht eingeschränkt, und so wird auch dieser 
neuen Auflage der alte Erfolg treu bleiben. G. Brühl. 


Heinrich Walb: Ueber Brüche des knöchernen Trommel fellrandes. 

Ein Beitrag zur Unfall-Lehre. Mit 18 Figuren auf 4 Tafeln. 67 S. 

Bonn 1914, Verlag von A. Markus und E. Weber. Preis 3 M. 

Die Abhandlung liefert einen bedeutsamen Beitrag zur Unfall¬ 
heilkunde. W. beleuchtet auf Grund einer umfassenden Erfahrung, Gut¬ 
achtertätigkeit und klinischer Beobachtung die differentiell diagnostische 
Wichtigkeit der Brüche des knöchernen Trommelfellrandes, einer Ver¬ 
letzung, die sehr häufig unbeachtet bleibt, oder deren augenfälligstes 
Symptom, starke Blutung aus dem Gehörgang, vielfach falsch gedeutet 
wird, meist als Folge einer Schädelbasisfraktur. Da mit dieser ein 
Bruch des knöchernen Trommelfellrandes verbunden sein kann und 
andererseits der letztere gewöhnlich mit Bewusstlosigkeit als Folge von 
Hirnerschütterung einhergeht, so wird unmittelbar nach der Verletzung 
die sichere Diagnose nicht immer möglich sein, wohl aber einige Zeit 
danach, wenn die Mahnung W.’s beherzigt wird, in solchen Fällen 
möglichst frühzeitig eine genaue ohrenärztliche Untersuchung zu ver¬ 
anlassen. Wer die Schwierigkeiten gutachtlicher Entscheidungen, be¬ 
sonders bei lange zurückliegenden Verletzungen kennt, wird die in der 
Abhandlung niedergelegten kritischen Beobachtungen als wertvolle Hilfe 
bei der Beurteilung solcher Schädel Verletzungen begrüssen. 

H. Haike. 


Haidbteh der deutschen Schulhygiene. Unter Mitwirkung von Stadt- 
arzt Prof. Dr. W. v. Drigalski - Halle a. S., Kinderarzt Dr. 
R. Flachs-Dresden, Prof. Dr. Fr. W. Fröhlicb-Bonn, Bürgerschul- 
lebrer H. Granpner- Dresden, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Leu- 
buscher- Meinin gen, San.-Rat Prof. Dr. F. A. Schmidt-Bonn, Stadt- 
sohulrafc Dr. Wehrhahn -Hannover. Herausgegeben von Professor 
Dr. med. Hag® Selter-Bonn. Leiikonoktav, VIII und 760 Seiten. 
Mit 149 Abbildungen und zahlreichen Tabellen. Preis 28 M., in 
Leinenband 30 M., in elegantem Halbfranzband 32 M. Dresden 
und Leipzig 1914, Verlag von Theodor Steinkopff. 

Unter Führung des Herausgebers H. Selter, der selber den ersten 
Teil-. „Die Hygiene des Schulhauses und seiner Innenein¬ 
richtung“ beigesteuert hat, haben sich zu diesem Handbuch der 
deutschen Schulhygiene eine Reihe von Männern zu gemeinsamer Arbeit 
zusammengetan, deren Namen in allen Fragen der Schulhygiene schon 
seit langem einen guten Klang haben. Es ist daher unnötig, des 
breiteren die Vortrefflichkeit des Gebotenen darzulegen. Leubuscher 
gibt einleitend eine kurze Gesohichte der Schulhygiene, behandelt 
dann im Schlusskapitel des dritten Teils „Schularztwesen und 
schulärztlichen Dienst“, den darzustellen und zu beurteilen keiner 
berufener ist Im vierten Teil hat er noch die „Erkrankungen der 
Lehrer und Lehrerinnen“ und „die Ausbildung der Lehr¬ 
amtskandidaten in Gesundheitspflege“ behandelt. Einen breiteren 
Kaum nimmt in diesem Handbuch die Hygiene des Unterrichts 
®jn, der der ganze zweite Teil überlassen wird. Die Leistungen des 
p e) [7® Q sy8tems und seine Beziehung zur Unterricbtshygiene hat 
*rohlich-Bonn übernommen, den speziellen Teil Bürgerschullehrer 


H. Granpner-Dresden, der treue Besucher und Freund unserer sohul- 
hygienischen Kongresse. Dieser spezielle Teil ist mit ausserordentlicher 
Gründlichkeit bearbeitet. Auch dem spürendsten Auge wird kaum eine 
Lücke auffallen. Auch die ganz moderne, vielleicht seit gestern nicht 
mehr moderne Frage der Linkskultur wird untersucht und in ange¬ 
messene Würdigung gerückt. Der wohlbekannte Standpunkt, die gesund¬ 
heitliche Belehrung in den Schulen nicht durch den Arzt bzw. Schul¬ 
arzt, sondern durch die Lehrer vornehmen zu lassen, der auch von 
Leubuscher, Selter, Stephani geteilt wird, wird auch von 
Graupner vertreten. loh kann mich auch durch seine Ausführungen 
von meinem Standpunkt, diese wichtige Funktion des hygienischen 
Schulunterrichts möglichst ärztlichen Kräften anzuvertrauen, nicht ab- 
bringen lassen. Die mannigfachen Beleuchtungen, die die bisher ver¬ 
nachlässigten Fragen der Unterricbtshygiene durch Graupner erfahren, 
werden gewiss dem ärztlichen Leser sehr viel des Anregenden und 
Fruchtbaren bringen. Dem dritten Teil, der eigentlichen Hygiene 
des Schulkindes, ist dankenswerterweise eine Ouvertüre voran¬ 
geschickt, indem der Dresdener Kinderarzt R. Flachs die Fürsorge 
für das vorschulpflichtige Alter vom Säuglingsalter bis zur Ein¬ 
schulung behandelt. Referent begrüsst diese „Vorgeschichte“ des Schul¬ 
kindes als einen Fortschritt in der Wertung und Bearbeitung der Schul¬ 
hygiene und sieht darin ein erfreuliches Zeichen der wachsenden Einsicht 
in die notwendigen Zusammenhänge der gesamten Jugendhygiene, die 
von ihm seit Jahren immer betont worden. F. A. Schmidt-Bonn be¬ 
spricht in bekannter Frische die körperliche Entwicklung und 
Pflege des schulpflichtigen Alters, während der Hallenser Stadt¬ 
arzt v. Drigalski die krankhaften Störungen des Schulkindes 
abhandelt. Der fünfte und letzte Teil ist dem Hilfsschulwesen ge¬ 
widmet. Von seiner Entwicklung und seinem hohen Stand in Deutsch¬ 
land gibt. Stadtschulrat Dr. Wehrhahn - Hannover eine treffliche 
Schilderung. Die Ursachen des jugendlichen Schwachsinns 
und seine Behandlung in der Hilfsschule bilden den Schluss des 
Handbuchs und haben wiederum F. A. Schmidt-Bonn zum Verfasser. 
In einem Handbuch der Schulhygiene kann natürlich die Stellungnahme 
zur sexuellen Pädagogik nicht fehlen. R. Flachs-Dresden be¬ 
handelt diese delikate Frage, die man gern für einige Zeit aus der 
öffentlichen Behandlung verschwinden sehen möchte, in einem zwar 
kurzen, aber doch die verschlungenen Beziehungen des Problems durch¬ 
aus umfassenden Aufsatz. Mit Recht erhebt er gegen die sogenannte 
„sexuelle Aufklärung“ und deren Unfug Einspruch. Er wünscht die 
sexuelle Pädagogik allmählich in die allgemeine Hygiene als Fach ein¬ 
gerückt zu sehen. Ganz einverstanden! Aber dann dürfte wohl als 
Lehrer dieser Hygiene am besten der Fachmann, der Arzt, der Schul¬ 
arzt, in Frage kommen. Das Handbuch wendet sich an alle, welche 
mit dem Wohle unserer Jugend und ihrer Erziehung zu tun haben, Ver¬ 
waltungsbeamte, Aerzte, Architekten und vor allem an die Lehrerschaft. 
Möge sein Studium allen diesen Kreisen reichen Nutzen und Belehrung 
eintragen. Zahlreiche Abbildungen und Tabellen illustrieren die Dar¬ 
stellung. Ein Sach- und Autorenregister erleichtert die Orientierung. 

Alfred Lewandowski-Berlin. 


Die Kultur der Gegenwart. Dritter Teil. Vierte Abteilung. Vierter 
Band. Abstammungslehre,Systematik, Paläontologie,Biogeographie. 
Unter Redaktion von R. Hertwig und R. v. Wettstein. Bearbeitet 
von R. Hertwig, L. Plate, R. v. Wettstein, A. Brauer, 
A. Engler, 0. Abel, W. I. Jongmans, K. Heider und 
I. E. V. Boas. Leipzig-Berlin 1914, B. G. Teubner. Preis ge¬ 
bunden 22 M 

Wie bei einem früher in dieser Wochenschrift zur Besprechung ge¬ 
langten Band dieses gross angelegten Sammelwerkes ausgeführt wurde, 
ist es unmöglich, in Form einer kurzen Besprechung den reichen Inhalt 
mehr als anzudeuten. Bekanntlich ist die Darstellung in den Bänden 
der „Kultur der Gegenwart“ allgemeinverständlich gehalten, aber nach 
Form und Inhalt derart, dass selbst der Fachmann Belehrung und 
Genuss daraus schöpfen kann. Das gilt naturgemäss insbesondere für 
solche Wissensgebiete, die dem einzelnen Forscher an sich ferner liegen; 
aber das Buch bezweckt und erreicht, die grossen Gesichtspunkte der 
geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Gebiete heraus¬ 
zuheben und zu verbinden. Im vorliegenden Werk behandelt R. Hertwig 
die Abstammungslehre mit besonderer Berücksichtigung des Artenbegriffs, 
und anschliessend legt L. Plate die Prinzipien der Systematik nament¬ 
lich mit Berücksichtigung des Systems der Tiere dar. Es folgt sodann 
aus der Feder R. v. Wettstein’s das System der Pflanzen und dann 
das für jeden Biologen hochinteressante Kapitel A. Brauer’s über die 
Biogeographie. Die eigentliche Pflanzengeographie behandelt A. Engler, 
die spezielle Tiergeographie A. Brauer. Ueber die Bevölkerung der 
Erde in Urzeiten unterrichten die Kapitel von 0. Abel über Paläonto¬ 
logie und Paläozoologie, sowie die Abhandlung von W. I. Jongmans 
über die Paläobotanik. Der Schluss des Werkes ist der Lehre von der 
Phylogenie gewidmet: R. v. Wettstein bespricht die Phylogenie der 
Pflanzen, K. Heider die Phylogenie der Wirbellosen und I.E. V. Boas 
die Phylogenie der Wirbeltiere. 

Selten bietet ein Werk so reiche Gelegenheit zur Erweiterung des 
Allgemeinwissens, wie das vorliegende; und wer nicht die Müsse hat, 
sich in alle Abschnitte zu vertiefen, findet in dem ausführlichen Namen- 
und Sachregister bequeme Hinweise auf die Spezialfragen. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF IOWA 




1466 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Dario Romani: Pentosiria. Siena 1918, bei S. Bernardino. 

Die theoretisch interessante Stoffwecbselstörung der Pentosurie be¬ 
handelt Yerf. in einer 528 Seiten langen Monographie. Ausser den be¬ 
kannten Tatsachen bringt der Autor eine grosse Reihe eigener sorgfältiger 
Untersuchungen über die eigentliche und die alimentäre Pentosurie. Das 
Autorenregister 'weist 335 Nummern auf, und schon diese Tatsache be¬ 
zeugt, mit welch ausserordentlichem Fleiss und welcher Literaturkenntnis 
der Autor seiner Aufgabe gerecht wird. Der Kliniker wie der physio¬ 
logische Chemiker werden das Werk jederzeit mit Nutzen zu Rate ziehen. 

C. Neuberg-Berlin. 


Th. Lochte -Göttingen: (Jerichtsärztliche and polizeiärztliche Techiik. 

Ein Handbuch für Studierende, Aerzte, Medizinalbeamte und 
Juristen. Wiesbaden 1914, J. F. Bergmann. 794 Seiten mit 
193 Abbildungen im Text und einer Spektraltafel. Preis 27 M. 

Wir geben zunächst die Liste der Mitarbeiter des Herausgebers und 
der von ihnen bearbeiteten Abschnitte: Lochte selbst hat die Identi¬ 
fikationsmethoden, die Untersuchung von Federn, die ärztlichen Kunst- 
fehler bearbeitet. Hildebrand - Marburg gibt die Darstellung des 
Röntgenverfahrens in der gerichtlichen Medizin; von Reuter - Hamburg 
wird die Bedeutung der Photographie im Dienste der gerichtlichen 
Medizin gewürdigt. In das Kapitel der Untersuchung von simutations- 
verdächtigen Personen teilen sich Schi ec k - Königsberg (Simulation von 
Augenerkrankungen), der inzwischen verstorbene Bürkner - Göttingen 
(Simulation von Taubheit und Schwerhörigkeit) und Fr. Leppmann- 
Berlin (Simulation von Krankheiten im allgemeinen und bei Ver¬ 
letzungen). Die Untersuchung von Blutspuren stammt aus der Feder 
Ziemke’s - Kiel. Die Untersuchung von Haaren ist von Hildebrand- 
Marburg bearbeitet. P. Fränckel - Berlin hat die Abschnitte Sperma-, 
Mekonium-, Gras-, Vernix-caseosa, Milch-, Eiter-, Kot- und Harnflecken 
und die speziellen Sexualdelikte und die Hermaphroditen bearbeitet. 
Bohne - Hamburg liefert die forensische Bakteriologie, Bäumer- 
Greifswald die Unterscheidung von Menschen- und Tierknochen, und 
die Untersuchung von Leichen erstickter Personen. Richter-München 
erörtert die Untersuchung bei plötzlichen Todesfällen, Revenstorf- 
Rummelsburg die Untersuchung der Leichen Ertrunkener. Von Puppe- 
Königsberg stammt das Kapitel Schussverletzungen, von Reuter- 
Hamburg noch der Abschnitt über Verletzungen durch stumpfe Gewalt. 
Ger 1 ach - Göttingen trägt den Abschnitt über Verbrennen, Erfrieren, 
Verhungern, Tod durch Elektrizität und die Unterscheidung zwischen 
vitalen, agonalen und postmortalen Verletzungen bei. Die forensische 
Gynäkologie ist von Zoeppritz - Göttingen, das Kapitel der Frucht¬ 
abtreibung von Stumpf - München bearbeitet. Ungar-Bonn schreibt 
über den Kindesmord. Von der Anatomie der Vergiftungen, dem 
botanischen und biologischen Giftnachweis handelt Flury-Würzburg, 
während Ipsen - Innsbruck die Methoden des chemischen Giftnachweises 
darstellt. Es fehlt der Abschnitt über Verletzungen durch Stich und 
Schnitt, vielleicht hätte auch die Technik der Untersuchung der Leichen- 
Veränderungen, wie auch diejenige einer Reihe von anderen dem 
Gerichtsarzte vorkommenden Untersuchungen, wie z. B. der Wohnungs¬ 
untersuchung, in ein derartiges Handbuch gehört. Das sind indessen 
kleinere Lücken, die bei einer zweiten Auflage ausgefüllt werden 
können. 

Wenn sich einzelne Abschnitte des Buches nicht ausschliesslich auf 
die engere Technik beschränken, so ist das nur ein Vorzug des Hand¬ 
buches, der dem Käufer des Buches schon deswegen willkommen sein 
wird, weil es ihm bis zu einem gewissen Grade zugleich ein Lehrbuch 
der gerichtlichen Medizin ersetzen kann. 

Die Namen der Mitarbeiter bürgen für die Trefflichkeit ihrer 
Leistungen, die Literatur ist fast überall ausgiebig gewürdigt. Die 
Ausstattung des Buches ist durchaus würdig, die Abbildungen sind 
durchweg ausgezeichnet. 

Vor allem hat der Herausgeber es verstanden, für die Darstellung der 
einzelnen Kapitel Mitarbeiter heranzuziehen, die auf den von ihnen be¬ 
handelten Einzelgebieten den Ruf gediegener Spezialisten beanspruchen 
dürfen. 

Alles in allem darf man dem Lochte’schen Handbuch die wärmsten 
Empfehlungen auf den Weg geben. Möge ihm der verdiente Erfolg be- 
sebieden sein. _ 


L. Becker.* Lehrbuch der ärztlichen Sachverständieentätigkeit für 
die Unfall-, Invalides-, [Unterbliebenes- and Angestellten- 
versichernngsgesetzgebnng. 7. umgearbeitete und vermehrte 
Auflage. Berlin 1914, Richard Schoetz. 623 Seiten. Preis 15 M. 

Die veränderten Bestimmungen der Reiohsversicherungsordnung und 
die Angestelltenversicherung machten eine neue Bearbeitung und Ver¬ 
mehrung des Buches notwendig. Das Becker’scbe Lehrbuch beweist 
schon durch die Zahl seiner Auflagen den Grad seiner Bewährung. Der 
Referent ist daher in der angenehmen Lage, auf eine langatmige Be¬ 
sprechung verzichten zu können, das Becker’sche Buch hat sich so gut 
eingebürgert, dass es einer Empfehlung nicht mehr bedarf, man be- 
irrüsst das Buch wie einen alten Freund im neuen Kleide. 

H. Marx - Berlin. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

J. S. Szymanski: Lern verasche bei weissen Ritten. (Pflüg. 
Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Verf. wollte feststellen, wie Ratten lernen 
zweckmässig auf die gleichen, häufig wiederholten kinästhetischen oder 
optischen Reize zu reagieren, inwieweit also bei ihnen durch verschiedene 
Sinnesorgane vermittelte Associationen zustande kommen. Die Ergebnisse 
mit Hilfe des einfachen dafür vom Verf. konstruierten Apparats waren 
die, dass die Ratten auf kinästhetisebe Reize viel leichter Associationen 
bildeten als auf optische, wobei allerdings in der Lernfähigkeit grosse 
individuelle Unterschiede bestehen, so dass z. B. manche RatteD, im 
Gegensatz zu anderen, einen Lichtreiz von 10 Kerzen nicht von Dunkel¬ 
heit unterscheiden lernten. — RatteD, die sich von optischen Reizen 
leiten Hessen, bildeten Associationen auf Grund kinästhetischer Reize 
langsamer als solche, die keine optischen Associationen bildeten. 

J. P. Karplus und Al. Kr ei dl: Ein Beitrag zur Kenntnis der 
Scbmerzleitnng im Rückenmark. (Nach gleichzeitigen Durchschneidungen 
beider Rückenmarkshälften in verschiedenen Höhen bei Katzen.) (Pflüg. 
Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Unmittelbar Dach Querdurcbschneidung beider 
Rückenmarkshälften in verschiedenen Höhen wird Schmerzempfindung 
durch das Rückenmark zum Gehirn geleitet in normaler Stärke. Danach 
müsste die SchmerzempfinduDg nicht nur durch die weisse Substanz 
fortgeleitet werden, vielmehr muss die graue Substanz eine wesentliche 
Rolle bei der Schmerzleitung spielen. Wie das geschehen kann, dafür 
geben die Verff. ein einfaches Schema an. 

J. S. Szymanski: Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- nnd 
Aktivitätsperioden bei Tieren. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Verff. 
beschreibt Methoden, um graphisch Ruhe und Tätigkeit bei Insektea, 
Fischen, Salamandern, Mäusen, Vögeln darzusteilen, besonders den 
Wechsel von Ruhe und Tätigkeit während 24 Stunden. Bezüglich der 
benutzten Apparate muss auf das Original verwiesen werden. — Verf. 
findet, dass die Küchenschaben während der Tag- und Nachtstunden 
in Ruhe bleiben, nur in den Abendstunden zeigen sie eine Periode der 
Beweglichkeit, wobei innerelmpulse die Oberhand über die sonst wirk¬ 
samen äusseren Reize zu gewinnen scheinen. — Bei den Goldfischen 
wechseln Ruhe und Bewegung mit Nacht und Tag, ebenso bei den 
Kanarienvögeln. Dunkelheit setzt bei ihnen niebt nur die Intensität 
der einzelnen Bewegungen, sondern auch deren Gesamtsumme herab. — 
Die weisse Maus zeigt in 24 Stunden je 16 Ruhe- (Schlaf*) und 
Aktivitäts-(Wach-) Perioden von je 45 Minuten, die graue Maus 19 Perioden 
von je etwa 38 Minuten. A. Loewy. 

C. Funk: Studien über Beriberi. XI. Die Rolle der Vitamine 
beim Kohlehydratstoffwechsel. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 5, 
S. 378.) Steigende Mengen von kohlehydratreichen Nahrungsmitteln be¬ 
wirken eine Beschleunigung des Ausbruchs der Beriberi. Ebenso be¬ 
schleunigt ein Zusatz von Kohlehydraten (Stärke, Zucker) zu einer 
Standarddiät den Eintritt des Beriberiausbruchs. Offenbar spielen die 
Vitamine beim Kohlehydratstoffwechsel eine aktive Rolle. 

C. Funk: Studien über Beriberi. X. Experimentelle Beweise gegen 
die toxische Theorie der Beriberi. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, 
H. 5, S. 373.) Es besteht kein Unterschied in der Wirkung von ge¬ 
kochtem und ungekochtem Reis; vorausgesetzt, dass man gleiche Mengen 
verfüttert, erkranken Tauben bei Fütterung mit gekochtem Reis ebenso 
schnell wie bei Fütterung mit ungekochtem. Ein Nahrungsgemisch, be¬ 
stehend aus Casein, Fett, Stärke, Zucker und Salzen, erzeugt Beriberi. 
Das Handelscasein enthält Spuren Vitamine; werden diese durch Kochen 
oder Extraktion mit Alkohol zerstört bzw. entfernt, so wird der Aus¬ 
bruch der Beriberi bedeutend beschleunigt. Alkoholische Extrakte aus 
Beriberitauben vermögen Beriberi tauben zu heilen, ohne irgendwelche 
Giftwirkung zu entfalten. Demnaoh ist bei den an Beriberi erkrankten 
Tieren der Vitaminvorrat ihres Organismus keineswegs gänzlich erschöpft. 

| Wohlgemuth. 

K. Nakashima: Zur Frage der Resorption des Fettes im Diek- 
nnd Mastdarm. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Die Versuche N.’s 
sind an Mäusen angestellt, denen Fett in den Enddarm gebracht wurde. 
Zur Klärung der Resorptionsverhältnisse wurde deren Blut dann bei 
Dunkelfeldbeleuchtung untersucht und auch die Dickdarmschleimhaut 
histologisch durchmustert. N. findet, dass, im Gegensatz zur Zufuhr per 
os, bei rectaler Zufuhr Fettteilchen im Blute meist fehlen. Nach Ein¬ 
führung grösserer Fett-(Mileh-) mengen finden sich zuweilen Fettteilchen, 
jedoch nicht nach Unterbindung der Bauhin’scben Klappe. Eine Fett¬ 
resorption in gewöhnlicher Form findet also vom Rectum aus nicht 
statt, was auch das histologische Bild des Dickdarms erweist. Ob das 
Fett vielleicht in anderer Form (gelöst) aufgenommen "wird, wäre noch 
zu entsoheiden. 

K. Nakashima: Untersuchungen über die Resorption des Fettes 
ans der Bauchhöhle mittels Donkelfeldbeleuchtang. (Pflüg. Arch., 
Bd. 158, H. 6—8.) Versuche an Mäusen und Fröschen, bei denen ausser 
Fett auch die Resorption anderer Substanzen aus der Bauchhöhle durch 
Untersuchung des Blutes im Dunkelfeld festgestellt wurde. — N. findet, 
dass Fett in corpusculärer Form aus der Bauchhöhle ins Blut übergeht, 
und zwar beim Frosch leichter als bei der Maus. Noch leichter als 
Fett tritt Casein über. Sie sind beim Frosch schon naoh 10 bis 
15 Minuten, bei der Mau9 naoh 20 Minuten im Blute nachweisbar und 


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3. Augost 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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bleiben es bei ersteren 48 Standen, bei letzteren 24 Stunden lang. — 
Lecithin wird viel langsamer resorbiert; dagegen werden die Teilchen des 
wasserunlöslichen Gummigutt so schnell wie Fett ins Blut aufgenommen. 
Die fettresorbierende Kraft der Pleurahöhle ist viel geringer als die der 
Bauchhöhle. — Die Resorption aus entzündetem Peritoneum ist bei 
Mäusen aufgehoben, bei Fröschen fast normal; auoh Adrenalininjektion 
in die BauohhÖhle hemmt dessen Resorptionsfähigkeit, indem es als 
reizendes Gift wirkt, nicht durch seine gefässkontrahierende Wirkung. — 
Fett und Gasein werden durch die Lympbbahnen resorbiert, ohne dass 
sich die Blutgefässe beteiligen. A. Loewy. 

F. Knoop: Ueber Aminosänreabb&u and Glykokollbildung. (Zschr. 
f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 3, S. 151.) Die Aminosäuren werden im 
tierischen Organismus bekanntlich so abgebaut, dass über die a-Keton- 
sauren die nächst niederen Fettsäuren gebildet werden. Die Substitution 
von Sauerstoff am /J-C-Atom von a-Aminosäuren verändert aber, wie die 
vorliegenden Untersuchungen zeigen, die Angreifbarkeit des Moleküls 
derart, dass die Oxydation nunmehr an dieser Gruppe ansetzt. So wird 
beispielsweise /8-Phenylserin zerlegt in Benzoesaure und Glykokoll: 
C,H s -CH0H-CH(NH 2 )-C00H -f 0-> C 6 H 6 -C00H + CHjCNB^-COOH. 

0. Baudisch und E. Meyer: Photochemisehe Studien znr Ni trat - 
«id Nitratassimilation. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 3, S. 175.) 
Nitrite spalten ebenso wie Nitrate im Lichte Sauerstoff ab; das wirk¬ 
same Agens bei dieser Reaktion sind hauptsächlich die ultravioletten 
Strahlen. Durch Belichtung von alkoholischen bzw. aldehydischen 
Kaliumnitritlösungen entstehen intermediär die entsprechenden Hydroxam- 
säuren. Duroh längere Belichtung solcher Lösungen erhält man nach 
dem Verschwinden von Nitrit und Hydroxamsäure aminartige und höhere, 
wahrscheinlich ringförmige stickstoffhaltige Verbindungen. Es ist damit 
zum erstenmal gelungen, Nitrat- bzw. Nitritstickstoff in organische Stick¬ 
stoffverbindungen durch blosse Sonnenenergie umzuwandeln, ein Vor¬ 
gang, der sich auch in der Pflanzenzelle abspielen kann, da der grünen 
Pflanze die dazu notwendigen Faktoren Nitrat, Formaldehyd und 
Sonnenlicht in ausgiebigem Maasse zur Verfügung stehen. 

A. Loeb: Ueber die Atmung der künstlich durchbluteten Hande¬ 
leber. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 5, S. 325.) Die mit einer 
Suspension von gewaschenen Rinderblutkörperchen in zucker- und 
bicarbonatfreier Ringerlösung durchstiömte Leber eines hungernden Hundes 
verbraucht an Sauerstoff pro Kilogramm und pro Minute 27,7—66,0, im 
Durchschnitt 50,1 ccm 0 2 . Unter gleichen Versuchsbedingungen ist 
das Sauerstoffbedürfnis der Phloridzinfettleber höher; es beträgt 40,6 bis 
82,0, im Durchschnitt 68,5 ccm 0 2 . 

H. Palme: Eine Methode zur elektrolytischen Bestimmung von 
Qieeksilber im Ham. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 5, S. 345.) 
Die Methode besteht darin, dass man die organischen Substanzen im 
Harn mittels Schwefelsäure und Kaliumpermanganat zersetzt, in das 
klare Filtrat 0,1—0,2 Kupfersulfat, in Wasser gelöst, einträgt und nun 
40 Minuten lang Schwefelwasserstoff einleitet. Das Gemenge von Kupfer- 
und Quecksilbersulfid wird nach dem Auswaschen in verdünnter Schwefel¬ 
säure durch Zusatz von Brom oder Bromwasser gelöst, der Ueberscbuss 
an Brom entfernt und nun das Kupfer sowohl wie das Quecksilber 
elektrolytisch auf eine Platinkatbode abgeschieden und gewogen. Das 
Quecksilber wird sodann durch Erhitzen im Kohlendioxydstrom entfernt. 
Die Gewichtsdifferenz gibt die Menge des Quecksilbers an. 

Wohlgemuth. 

Al. Kreidl und A. Neumann: Ueber die Verlängerung der Zeit 
bis zum Auftreten terminaler Atmungen bei wiederholtem, unmittelbar 
aufeinanderfolgendem Aufenthalt eines Warmblüters im abgesperrten 
Loftranm. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Bringt man Mäuse mehr¬ 
mals bald nacheinander in einen kleinen abgesperrten Raum, so 
treten die terminalen Erstickungserscheinungen mit jedem folgenden 
Aufenthalt immer später auf, so dass die Zeit bis zum Erstickungsbeginn 
bis zum Zehnfachen verlängert werden kann. Das tritt nicht ein, wenn 
zwischen je zwei Aufenthalten mindestens 15 Minuten vergehen. Die 
Verlängerung der Zeit bis zur Erstickung tritt auch nur ein bei Zimmer¬ 
temperatur, nicht, wenn die Tiere bei höherer Temperatur gehalten 
werden. Sie erklärt sich daraus, dass bei dem Sauerstoffmangel, der in 
dem engen Raum erzeugt wird, die Körpertemperatur der Tiere sinkt 
und die abgekühlten Tiere einen verringerten Sauerstoffverbrauch haben. 

A. Loewy. 

F. Rolly und A. Christiansen - Leipzig: Beitrag zum Stoffweehsel- 
Mtt Koebsnlifieber. (Arch. f. exp. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 
und 2.) Injektionen physiologischer NaCl-Lösung an Kaninchen machen 
nur bei einem Teil der Tiere Temperaturerhöhung, verbunden mit geringer 
N-Mehrausscheidung; Injektionen von 3 proz. NaCl-LösuDg bewirken stets 
Temperaturerhöhung, höhere N-Ausscheidung und Steigerung des respi¬ 
ratorischen Stoffwechsels. Es wird angenommen, dass konzentrierte Koch¬ 
salzlösung zur ZellschädiguDg mit Abgabe von Eiweiss an das Blut führt, 
das neben dem Kochsalz ebenfalls das Wärmeregulationscentrum reizt 
und den Stoffwechsel beeinflusst. 

J. Donath-Wien: Ueber den Einfluss der Nebenuierenexstirpation 
und des d-Snprarenins auf die Blntkonzentration bei Katzen. (Arch. 
i- exp. Path, u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 u. 2.) Nach Nebennieren¬ 
exstirpation ist bei Katzen der Trockenrückstand des Blutes vermehrt, 
fohl wegen der erhöhten Durchlässigkeit der Blutgefasskapülaren. Nach 


abnorm grosser d-Suprareninzufuhr wird das Blut verdünnt wegen Gefasa- 
dichtung; wenn akute Blutdrucksteigerung vorher eintritt, kann es auch 
eingedickt werden. Wirth. 


Pharmakologie. 

E. Rost: Zar Kenntnis der bantreizenden Wirkungen der Becher¬ 
primel (Primala obeonica Hance). (Sonderabdruck aus den „Arbeiten 
des Kaiserl. Gesundheitsamtes“, Bd. 47, H. 1, S. 133—144, mit 3 Tafeln. 
Berlin 1914, Julius Springer.) Von der Primula obeonica scheinen bisher 
ungiftige Spielarten nicht bekannt zu sein; absolute Immunität gegen 
dieses Primelgift besteht bei keinem Meoschen. Monate nach dem Ab¬ 
heilen einer Primelvergiftung können noch Recidive auftreten, die auf 
Nervenwirbung zu beruhen scheinen. M. Jacoby. 


Therapie. 

B. Lewinsohn-Altheide: Ueber Elarson. (D.m.W, 1914, Nr. 29.) 
L. empfiehlt Elarson überall da, wo Arsen per os gegeben werden soll 
(z. B. Neurasthenie, Chlorose, Leukämie, Basedow, Psoriasis usw.). Rascher 
Eintritt der Araenwirkung. Keine üblen Nebenerscheinungen. 

Wolfsohn. 

R. Thierfelder - Plauen: Salophen, ein bewährtes Salicylpräparat. 
(Ther. d. Gegenw., Juli 1914.) Günstige Erfahrungen bei Neuralgien, 
Nierenkoliken, Pyelitis und Cystitis, Migräne usw. Dosis 3—4 mal täg¬ 
lich 0,5—1 g. 

0. Neugebauer-Wien: Scabiesebaga an Stelle von Ungt. snlfurat. 
Wilkinsonii in der Scabiestherapie. (Tber. d. Gegenw-, Juli 1914.) Scabies¬ 
ebaga ist nach Ansicht des Verf. ein äusserst wirksames Mittel gegen 
Scabies, völlig gleichwertig der Ungt. Wilkinsonii. Die Anwendung ist 
jedoch viel annehmlicher und reinlicher, wenn auch der Preis höher ist 
(100 g-Tube kostet 2 Kr. 50 Heller). Die Patienten werden jedoch in 
ihrem Berufe nicht gehindert, so dass die Anwendung- des Scabiesebagas 
weit ökonomischer ist. R. Fabian. 

M. Sohmid - Potsdam: Erfahrungen mit Lipojodin-Ciba. (M.m.W., 
1914, Nr. 28.) Lipojodin ist ein angenehm zu nehmendes Jodpräparat, 
welches trotz seines relativ hohen Jodgehaltes (41 pCt.) bei langsamer 
Resorption, günstiger Orgaospeicberuug infolge seiner polytropen Eigen¬ 
schaften und gleichmässigen protrahierten Ausscheidung in den zweck¬ 
mässigen therapeutischen Dosen nie die Symptome von Jodismus auftreteu 
lässt und als vollwertiger Ersatz der üblichen Jodalkalien gelten kann. 

A. Masarey-München: Adalin im Hochgebirge and in heissen 
Landern. (M.m.W., 1914, Nr. 28.) Verf. empfiehlt Adalin auf Grund 
eigener Erfahrungen zur Beseitigung von Gereiztheit und Schlaflosigkeit, 
von denen man öfters in heissen Ländern befallen wird. Es scheint ihm 
auch bei drohender Bergkrankheit indiziert. 

K.Stromeyer-Jena: Magoesinmbehandlung desTetanis. (Mm.W., 
1914, Nr. 28.) 5 Fälle, die nicht mit Serum, sondern nur mit intra¬ 
lumbaler Injektion von 8 ccm der 10 proz. Magnesiumsulfatlösung be¬ 
handelt sind. Nur 1 Fall genas, die anderen starben. Auffallend war 
bei einzelnen das Auftreten von Hautanästhesie. Die Wirkung des 
Magnesiums auf die Allgemeinerscheinungen war eine deutliche. 

Dünner. 

H. Weiss - Barmen: Zwei weitere mit Kupfer and Quarzlampe 
geheilte Fälle von Ulcus rodeng. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Mitteilung 
der abgebildeten Fälle. Kupferpräparat: Lecutylsalbe nach Strauss. 

Wolfsohn. 

H. Weiss - Barmen: Ein mit Lecatyl (Kapfer-Lecithin) geheilter 
Fall von Blasentaberkalose. (M.m.W., 1914, Nr. 28.) Der Kranke erhielt 
3 mal täglich 2 Pillen und machte mit 1 — 2 g Lecutylsalbe eine Schmier¬ 
kur durch (entsprechend der Schmierkur bei Lues). Dünner. 

F. Pentimalli - Freiburg i. B.: Zur Frage der chemotherapeuti¬ 
schen Versuche auf dem Gebiete der experimentellen Krebsforschung 
(nebst einer Mitteilung über die Wirkungen des kolloidalen Wismuts). 
(D.m.W., 1914, Nr. 29.) Ia Uebereinstimmung mit v. Wassermann 
konnte Verf. feststellen, dass der Mammakrebs der Mäuse gegen 
y-Strahlung um so viel widerstandsfähiger ist als der menschliche Krebs, 
dass er für experimentelle vergleichende Prüfungen nicht in Betracht 
kommt. Auch Bestrahlungen von Tumorbrei in Ringerlösuog haben bei An¬ 
wendung stärkster Dosen nur negative Resultate gegeben. Die chemo¬ 
therapeutischen Versuche mit SelenverbinduDgen und zahlreichen anderen 
empfohlenen Präparaten haben niemals ein eindeutiges positives Resultat 
gegeben. In Verfolg der von v. Wassermann inaugurierten Chemo¬ 
therapie sind auoh Pentimalli und Aschoff auf spezifisch wirkende 
Zellgifte gestossen, unter denen besonders das kolloidale Wismut als 
Niereugift bzw. direktes Reizmittel für das hämatopoetisohe Gewebe ge¬ 
nannt wird. Wolf sohn. 

F. Klemperer: Klinische Erfahrungen über das Friedmann- 
sche Taberknlosemittel. (Ther. d. Gegenw., Juli 1914.) Verf. gibt im 
Auschluss an den Bericht über den Karewski’schen Vortrag in der 
Berl. med. Ges. (18. Mai 1914) eine zusammenfassende Uebersicht über 
weitere klinische Erfahrungen, die in der letzten Zeit erschienen sind. 
Verf. kommt zu dem Ergebnis, dass für den Praktiker das Mittel als er¬ 
ledigt gelten darf. Es ist nicht ungefährlich und stellt kein Heilmittel 
der Tuberkulose dar. Für die therapeutische Forschung bedarf die Fried- 
mann’scbe Methode weiterer Prüfung. 

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UNIVERSUM OF IOWA 




1468 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81 . 


J. Bergmann-Nesslau (St. Gallen): Erfahrungen über die Anwen- 
Wendung von Tnberkalin Rosenbach bei Lungentaberkolose. (Schweiz. 
Korr. Bl., Nr. 23.) Verf. fasst seine Erfahrungen dahin zusammen, dass 
das Tuberkulin Rosenbach ohne Zweifel ein spezifisches Heilmittel gegen 
Tuberkulose darstellt. Es empfiehlt sich, dasselbe mit der Liegekur und 
den übrigen hygienischen diätetischen Verfahren zu kombinieren, da da¬ 
durch die Heilungstendenz entschieden günstiger beeinflusst wird als durch 
blosse ambulatorische Behandlung. 

A. Oswald - Zürich: Zur Behandlung des'endemischen Kretinismus. 
(Schweiz. Korr. Bl., Nr. 24.) Verf. berichtet über 2 Fälle von endemi¬ 
schem Kretinismus (16 jähriger Jüngling und 18jähriges Mädchen), die 
durch längere Jodthyreoglobulinbehandlung äusserst günstig beeinflusst 
wurden. Bei dem einen Patienten nahm das Wachstum in 3 Jahren 
um 28,5 cm zu. Die übrigen kretinischen Merkmale sind erheblich 
zurückgegangen, teilweise völlig geschwunden. R. Fabian. 

Th. Nogier und CI. Regaud: Abnahme der Radiosensibilit&t 
maligner Tumoren, die mit Röntgenstrahlen behandelt sind; Auto- 
immunisation gegen die Strahlen. (Compt. rend. de l’acad. des Sciences, 
1914, Nr. 23, S. 1711.) An der Hand von mehreren in genauen Ab¬ 
ständen histologisch untersuchten Tumoren — Carcinomen und Sar¬ 
komen —, die mit Röntgenstrahlen behandelt wurden, zeigen die Veiff. 
die interessante Tatsache, dass allmählich nach mehreren Bestrahlungen 
eine Immunität des Tumorgewebes gegenüber den Strahlen sich heraus¬ 
bildet, die wohl duroh die Resorption der zerstörten Tumorzellen her¬ 
vorgerufen wird; sie sprechen von einer Autoimmunisation der Neo¬ 
plasmen gegenüber den Strahlen. Für die praktische Anwendung ergibt 
sich daraus, dass man, gleich nach der ersten Bestrahlung, die bestrahlte 
Partie nach Möglichkeit von jedem Tumorgewebe mit dem Messer be¬ 
freien muss, da gerade dieses Gewebe für den Organismus eine Quelle 
der Intoxikation und für die Radiotherapie eine Quelle des Misserfolges 
darstellt. B. Valentin. 

Newkomet - Philadelphia: Bericht über hundert Fälle von mit 
Radium behandelten malignen Erkrankungen. (Fortschr. d. Röntgenstr., 
1914, Bd. 22, H. 3.) Verf. stellt keine allgemeinen Folgerungen auf. 
Alle angeführten Resultate wurden durch Applikation von 1—20 mg 
Radium erzielt Erfolge können nicht bezweifelt werden, wenn die 
applizierte Radiummenge und die Technik jede Fehlerquellen ausschliessen. 
Das Radium hat oft dauernden, bisweilen nur vorübergehenden Effekt ge¬ 
zeitigt. Es gibt gewisse Fälle, die mit der Röntgenbestrahlung bessere 
Resultate geben. Zwei lokale Bedingungen begünstigen ihre Anwendung: 
Behandlung von in Körperhöhlen situierten Affektionen und Fälle, in 
denen eine intensive Lokalwirkung mit möglichst geringer Störung der 
benachbarten Gewebe gewünscht wird. Bei oberflächlichen Prozessen 
wurde geringe Filterung, bei tiefliegenden 1 mm dicker Bleifilter an¬ 
gewandt. Verbrennungen in einigen Fällen wurden prompt geheilt. 
Tabelle. 

Freund-Wien: Zur Strahlenbehandlung der Vnlvaaffektionen. 

(Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) Bei vielen Vulvaaffektionen 
ist Röntgenbestrahlung kaum noch zu entbehren. Vielfach Heilung, in 
verzweifelten Fällen langandauernde Besserungen! Der Erfolg hängt 
stets in hohem Grade von der Bestrahlungstechnik ab. In vielen 
Fällen ist ausgiebige Entfaltung aller in Betracht kommenden Teile 
unerlässlich, was am besten mit dem vom Verf. angegebenen Instrument 
(Vulvaspreizzange) zu erzielen ist. Schilderung der Zange, die von 
Odelga Wien VIII/1 zu beziehen ist. 

Siel mann - München: Hundert Fälle von Frauenleiden mit Röntgen¬ 
strahlen behandelt. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) 
Myome, Metropathien, klimakterische Blutungen und Dysmenorrhöen sind 
in den meisten Fällen durch Röntgenstrahlen zu heilen. Hierzu genügen 
kleine und mittlere Röntgenlichtdosen. Nur in einem geringen Prozent¬ 
satz verhalten sich diese Krankheiten refraktär gegen Röntgenbestrahlung, 
und kommt dann andere, besonders chirurgische Therapie in Frage. 
Maligne Erkrankungen der Genitalien und der Mamma sind in erster 
Linie operativ zu behandeln. Jeder operierte Fall muss der prophylak¬ 
tischen Röntgenbestrahlung zugeführt werden. Alle nicht operablen 
malignen Tumoren sind ausgiebig und in grösseren Dosen mit Röntgen- 
strahlen zu behandeln. Tabellen, Schnütgen. 

H. Hirschfeld: Die Strahlentherapie der Blntkrankheiten. (Ther. 
d. Gegenw., Juli 1914.) Zusammenfassende Uebersicht, nach einem Vor¬ 
trage im Dozentenverein in Berlin (April 1914). R. Fabian. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

F. March and-Leipzig: Eine lebende erwachsene Doppelmissbildang 
(Epigastricus parasiticus). (M.m.W., 1914, Nr. 28.) Vorgestellt in der 
Sitzung der medizinischen Gesellchaft zu Leipzig am 12. Mai 1914. 

Dünner. 

K. Ob ata-München: Ueber Transplantation von Gelenken bei 
jungen Tieren mit besonderer Berücksichtigung des Verhaltens des Inter¬ 
mediärknorpels (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 1.) Verf. transplantierte bei 
jungen Kaninchen das Metacarpophalangealgelenk, und zwar erstreckten 
sich seine Versuche auf Autoplastik, Homoioplastik und Heteroplastik. 
In jedem Falle zeigte sich eine Hemmung des weiteren Wachstums, die 
Knochen heilten mit Ausnahme der Heteroplastiken stets an, die Be- 
wegungsfähigkeit war fast stets erhalten, dagegen zeigten sich Knorpel- 


usuren und Zeichen von Arthritis deformans in den transplantierten 
Gelenken. Bezüglich der Ergebnisse der histologischen Untersuchung sei 
auf das sehr ausführliche Original verwiesen. 

C. Hart-Berlin-Schöneberg: Ueber die anatomische Grundlage der 
Osteopsathyrosis idiopathiea, insbesondere der Osteogenesis imperfecta. 
(Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 2.) Bei einem vom Verf. sezierten Knaben 
fand sich neben hochgradiger Fettsucht erhebliche Brüchigkeit aller 
Knochen, insbesondere des Rumpfskeletts. Da sich keine Störungen der 
endochondralen Knochenbildung nachweisen Hessen, so lässt sich Rachitis 
ausschliessen, ebenso wie Osteomalacie durch das Fehlen von patho¬ 
logischen Resorptionserscheinungen am Knochen. Nach ausführlichster 
Besprechung der einschlägigen Literatur erklärt Verf. seinen Fall, dessen 
anatomische Einzelheiten genau beschrieben werden, als Osteogenesis con¬ 
genita imperfecta. Bezüglich der Aetiologie weist er auf die Möglichkeit 
hin, dass es sich um Störungen der inneren Sekretion handeln könne, 
schliesst aber den Einfluss einer Thymusveränderung aus. Auch können 
ähnliche KnochenveränderuDgen auf Grund schwerer Stoffwecbselstörungen 
(z. B. durch Fisteln der grossen Darmanhangsdrüsen), entstehen. 

S. Shiuya-München: Experimentalversuche über Maskeltr&nsplan- 
tation mit Berücksichtigung der Innervation der neugebildeten Muskel¬ 
fasern. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 1.) Bei der Transplantation von 
Skelettmuskeln an Nerven ergab sieb, dass autoplastische und homoio- 
plastische Transplantationen erfolgreich waren, nicht dagegen hetero¬ 
plastische. In diesem Falle wird das Transplantat nekrotisch und unter 
Entzündungserscheinungen der Umgebung resorbiert. Auch bei der auto- 
und homoioplastischen Transplantation geht ein Teil der Muskelfasern 
zugrunde, der Rest aber wuchert, und es entsteht so Neubildung von 
Muskelfasern, die in die Schwann’schen Scheiden eindringen, deren Inhalt 
degeneriert ist. Daneben wird Degeneration von Nervenfasern beob¬ 
achtet, deren Endigungen jedoch von normalen Endplatten stark ab¬ 
weichen. Die Regeneration der Muskelfasern ist bei Autoplastik und 
Homoioplastik verschieden. A. W. Pinner. 

P. Baum garten-Tübingen: Das Verhältnis der Lymphogrannlo- 
matose zur Tuberkulose. (M.m.W., 1914, Nr. 28.) (Nach einem im 
medizinisch-wissenschaftlichen Verein in Tübingen am 15. Juni 1914 ge¬ 
haltenen Vortrag.) Wenn man (Lichtenstein, Sasaki) Meer¬ 
schweinchen mit fallenden Mengen eines virulenten Tuberkelbacillen¬ 
stammes infiziert, so ergibt sich, dass die mit minimalen Mengen ge¬ 
impften Tiere an einer Tuberkulose von sehr protrahiertem Verlaufe er¬ 
kranken, deren Produkte grosse Aehnlichkeit mit jenen Fällen von 
Lymphogranulomatose darbieten, in welchen die Granulomstruktur mit 
der typischen Tuberkelstruktur verbunden ist. B. schlägt daher den 
Namen Lymphogranulomatosis tuberculosa vor und stellt ihr das fibrös 
käsige Lymphom gegenüber. Diese beiden Typen sind Unterarten der 
von B. sogenannten pseudoleukämieähnlichen Lymphdrüsentuberkulöse. 

Dünner. 

W. Lahm-Karlsruhe: Ein Fall von Polyposis adenomatosa inte- 
stini, zugleich ein Beitrag zur Histogenese des Schleimhautcarcinoms. 
(Ziegler’s Beitr., B. 59, H. 2.) Ausser auf entzündlicher Basis (Schleim¬ 
hautinseln bei Dysenterie) können multiple Darmpolypen auch als echte 
Neubildungen entstehen. Sie stellen dann einen präoancerösen Zustand 
dar; ihre Epithelien können destruierend das submucöse Bindegewebe 
durchwuchern. Nach Verf. sind es nicht nur die „indifferenten“ Epi¬ 
thelien, die entweder auf embryonaler Stufe stehen geblieben oder wieder 
zu ihr zurückgekehrt sind. Das Kriterium der krebsigen Entartung ist 
immer die Durchwucherang der Submucosa. A. W. Pinner. 

J. L. Burokhardt-Basel: Ueber den Sektionshefnnd bei Infek¬ 
tionen mit Bacterinm enteritidis Gärtner. (Schweiz. Korr. Bl., Nr. 22.) 
Bei den akuten Infektionen durch Baoterium enteritidis ist der patho¬ 
logisch-anatomische Befund ebenso wie beim Baoterium p&ratyphiB äusserst 
gering, oft sogar völlig negativ, im Gegensatz zu der Rapidität des Ver¬ 
laufes. Bei den langsam verlaufenden Fällen gleicht der Sektionsbefond 
annähernd dem des Typhus, wenn auch die Ulcerationen der Peyer- 
schen Plaques meist nicht so regelmässig und häufig sind. 

R. Fabian. 

H. Violle: Die Pathogenese der Cholera. (Compt. rend. de l’acad. 
des Sciences, Paris 1914, Nr. 23, S. 1710.) Aus den Untersuchungen und 
Experimenten geht hervor, dass die Einführung von Cholerakulturen 
direkt in den Dünndarm niemals Attacken von Cholera hervorruft, 
welches auch der Ort der Iuoculatiou sein mag; wenn man dagegen den 
Ductus coledochus unterbindet und nun unterhalb der Einmündungs¬ 
stelle die Injektion vornimmt, wird ein typischer Choleraanfall erzeugt. 
Es wird also jede Verdauungsstörung, die mit Gallenstauung einhergeht, 
die Entwickelung der Choleravibrionen begünstigen, uod als praktische 
Folgerung ergibt sich, dass man gegebenenfalls das normale Funktionieren 
der Leber unterstützen wird. B. Valentin. 

A. Tschernischoff - St. Petersburg: Die Eieratocksnberpflanztig, 
speziell bei Säugetieren. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. I.) Bei Kaninchen 
wurden Ovarien transplantiert. Einige Zeit nach der Transplantation 
werden die Follikel und da9 Keimepithel nekrotisch, wogegen die 
Zwischenzellen sich gut halten bzw. regenerieren. Daher macht Verf. 
sie für die Erhaltung der sekundären Geschlechtscharaktere verantwort¬ 
lich. Die transplantierten Ovarien wachsen fast immer auf dem neuen 
Boden fest und erhalten ihre Ernährung durch neugebildete Gefässe. 
Verf. hat dann noch bei Tieren transplantiert, die mit intraperitoneal 
einverleibter Leber vorbehandelt waren, und gefunden, dass die Vor- 


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3. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1469 


behandlung schädigend auf die Entwicklung der implantierten Ovarien 
einwirkt, während die Ovarien vorbehandelter Tiere in nicht vorbehan¬ 
delten sich gut entwickeln. A. W. Pinn er. 


Parasitenkunde und Serologie. 

S. Tamura: Zur Chemie der Bakterien. III. Ueber die chemische 
Zusammensetzung der Diphtheriebacillen. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, 
Bd. 89, H. 4, S. 289.) In dem alkoholischen Extrakt von Diphtherie- 
baoillen wurde ein Monoamidopbosphatid gefunden. Von Eiweissbausteinen 
konnten mit Sicherheit nachgewiesen werden: Arginin, Histidin, Lysin, 
Tyrosin, Leucin, Isoleucin, r- und 1*Prolin, Valin und durch Reaktion 
Tryptophan. Dagegen geben die Diphtheriebacillen keine Schwefelblei¬ 
reaktion. Die mit Aether und Alkohol extrahierten Diphtheriebacillen 
sind nach dem Gram’schen Verfahren mit absolutem Alkohol leichter zu 
entfärben als die nicht entfetteten. Aus dem ätherischen und alkoholischen 
Extrakt wurde eine lipoide Substanz gewonnen, welche nach Gram 
charakteristisch färbbar ist. Wohlgemuth. 

W. Kruse - Leipzig: Die Erreger tob Hasten and Schnepfen. 
(M.m.W., 1914, Nr. 28.) Vorgetragen in der Sitzung der medizinischen 
Gesellschaft in Leipzig vom 23. Juni 1914.) Auf Grund von Ueber- 
impfung des Nasensekrets kommt K. zu dem Schluss, dass die Erreger 
mindestens einer Form des Hustens und Schnupfens zu der Gruppe der 
unsichtbaren oder filtrierbaren Keime gehören, für die K. den Namen 
Aphanozöen vorschlägt. 

A. v. Domarus und W. Barsieck - Berlin-Weissensee: Zur Frage 
der Abwehrfermente. (M.m.W., 1914, Nr. 28.) Unter peinlichster 
lonehaltung aller Vorschriften konnten die Verff. nicht immer Resultate 
erzielen, die die Abderhalden’sche Reaktion schon heute als praktisch 
verwertbar erscheinen lassen. Um die Richtigkeit der Abderhalden’schen 
Behauptung, dass die Abwehrfermente Reaktionsprodukte auf das Ein¬ 
dringen plasmafremder Stoffe ins Blut sind, nachzuprüfen, Hessen die 
Verff coaguliertes menschliches Serum durch Serum abbauen; in 25 von 
66 Fällen erfolgte ein deutlicher Abbau. Das weist darauf hin, dass 
(ohne parenterale Zufuhr von Serum) schon im Blute auf den Abbau 
von Blutserum eingestellte Fermente bestehen, die sich in entsprechenden 
Fallen zu den spezifischen Fermenten gesellen und eventuell falsche 
Resultate bewirken können. Man musste eine Methode haben, die un- 
spezifischen Fermente zu eliminieren. Dünner. 

A. P ei per- Berlin: Ueber Adsorptionserscheinungen bei der 
Abderh&lden’schen Reaktion. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) In Ueberein- 
Stimmung mit Friedemann und Schönfeld fand Peiper, dass ad¬ 
sorbierende Substanzen wie Baryumsulfat, Kaolin, besonders Stärke, einen 
deutlich nachweisbaren Einfluss besitzen auf das Auftreten dialysier- 
barer, mit Ninhydrin reagierender Substanzen. Wolfsobn. 


Innere Medizin. 

G. Klemperer: Die Prognose der arteriosklerotischen Herz 

erkraaking. (Ther. d. Gegenw., Juli 1914.) Verf. unterscheidet drei 
Stadien. Das Anfangsstadium ist häufig schwer von einer Herzneurose 
zu unterscheiden. Objektiv am Herzen nachweisbar: verstärkter, klap¬ 
pender 2. Aortenton, oft ein systolisches Geräusch über Basis, normale 
Herzdämpfung, häufige Verstärkung des Spitzenstosses. Prognose ist 
günstig, die Dauer ist fast als unbegrenzt anzusehen. Im 2. Stadium 
findet sich eine Dilatation des Herzens mit einem diastolischen Geräusch. 
Prognose relativ günstig, die Krankheitsdauer kann noch viele Jahre 
snbalten. Das 3. Stadium ist charakterisiert durch gestörte Kompensation 
des insuffizienten Herzens, mit cardialem Asthma und Oedemen. In 
diesem Stadium ist das Leben unmittelbar gefährdet. Für die Prognose 
von Wichtigkeit ist die Feststellung der Komplikationen. Hier sind zu 
nennen: Gangrän der Zehen, Arteriosklerose der Hirngefässe, Granular- 
atrophie der Nieren, Sklerose der Pankreas- und Darmarterien, die zu 
tödlichen Blutungen führen können. Die Prognose wird um so günstiger, 
je früher die Ursachen beseitigt werden können. In Betracht kommen 
bier Infektionen (Lues usw.), Intoxikation, durch Alkohol und Tabak, 
körperliche und geistige Überanstrengungen. Als Medikamente kommen 
Jod und Arsen in Betracht. R. Fabian. 

H. Neugebauer - Kassa: Beitrag zur Klinik der Vagotonie. 

(W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Der Verf. bericht über zwei Fälle. Der eiue 
betrifft einen 23jährigen Mann mit vagotoniscbem Cardiospasmus, im 
»weiten Falle handelt es sich um eine vagotonische Dysmenorrhöe. In 
beiden Fällen Heilung durch AtropindarreichuDg. P. Hirsch. 

di Jena: Behandlung aknt bedrohlicher Znstttnde bei der 

"leiritis. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Klinischer Vortrag. 

Wolfsohn. 

, 9' Weltmann -Wien: Untersuchungen über die klinische Verwert¬ 

barkeit der Hämokonien. (W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Verzögerung in der 
jumokonienausscheidung weist vor allem auf eine gestörte Leberfunktion 
’ö. Mangelhafte oder fehlende Hämokonienbildung spricht für ein 
Msagehindernis im Gallenabfluss, vollkommenes Ausbleiben nach Fett- 
nahrung für kompletten Gallenverschluss. P. Hirsch. 

s . c hirokauer- Berlin: Zur PhenolphthaleiDprobe auf occnltes 
all ■ (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Die Reagentien der Probe 

® JD können eine positive Reaktion (Rosafärbung) Vortäuschen, welohe 


durch Eisessig bei Ueberschuss von Alkali bedingt wird. Der Wert der 
Probe wird dadurch beeinträchtigt. 

J. Boas-Berlin: Bemerknigen za den vorstehenden Artikel. 
(D.m.W., 1914, Nr. 29.) Die Fehlerquelle kommt in praxi kaum in 
Betracht. Mau muss jedoch vermeiden, Alkali im Ueberschuss zuzu¬ 
setzen. Wolfsobn. 

Förster-Karlsbald: Beiträge zur Therapie des Diabetes nellitvs. 
(Ther. d. Gegenw-, Juli 1914.) Verf. behandelt die Kombinationen des 
Diabetes mit Gicht und Neurasthenie. In diesen Fällen ist im all¬ 
gemeinen eine milde, reizlose Ernährung auf die Dauer einer strengen 
Diät vorzuziehen. R. Fabian. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

M. Rothmann - Berlin: Ueber die Ansfallsersekeinnngen Bach 
Affektionen des Centralnervensystems nnd ihre Rückbildung. (D.m.W., 
1914, Nr. 29.) Vortrag, gehalten im Verein für innere Medizin und 
Kinderheilkunde in Berlin am 25. Mai 1914. Wolfsohn. 

Lee und Hai ton: Die Ooldreaktion Lange’s im Liquor eerebro- 
opiiallo. (Amerio. journ. of med. scienoes, 1914, Nr. 508.) Die Unter¬ 
suchungen der Verff. ergaben den sicheren Wert der Reaktion für Lues 
im Vergleich mit zahlreichen anderen Erkrankungen. Schelenz. 

v. Malaise - München: Hirntnmordiagnosen. (M.m.W., 1914, 

Nr. 28.) Drei interessante Fälle. Dünner. 

G. C. Bolten-Haag: Ueber Wesen und Behandlung der so¬ 
genannten „genuinen“ Epilepsie. (W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Die 
genuine Epilepsie ist eine chronische Autointoxikation, welch hervor¬ 
gerufen ist durch eine Hypofermentation des Intestinaltractus und des 
intermediären Stoffwechsels als Folge einer Hypofunktion der Schild¬ 
drüse und der Epithelkörperchen (oder des Nervus sympathicus). Sie 
ist vollkommen heilbar durch rectale Eingabe frischen Presssaftes der 
insuffizienten Organe, bzw. man kann durch diese Behandlung den 
Patienten ganz frei von Erscheinungen machen. P. Hirsch. 

M. Nikitin - St. Petersburg: Einfluss der SchutzimpfnBgen gogoa 
Lyssa auf den Verlauf der Anfälle bei Epilepsie. (M.m.W., 1914, 
Nr. 28.) (Vortrag, gehalten in der Sitzung der psychiatrischen Gesell¬ 
schaft in St. Petersburg am 22. Februar 1914.) N. machte die inter¬ 
essante Beobachtung, dass eine Epileptikerin, deren Krankheit seit 
11 Jahren bestand, nach einem Hundebiss bzw. der sich anschliessenden 
Schutzimpfung ihre Anfälle verlor. In weiteren Untersuchungen konnte 
er sich davon überzeugen, dass Rückenmarksinjektionen vom gesunden 
Kaninchen auf die Epilepsie ohne Einfluss sind. Die Injektionen des 
abgeschwächten Lyssavirus Hessen keine eindeutigen Resultate erkennen. 
Bei einigen Kranken wurde vielleicht eine Besserung erzielt. 

Dünner. 

Fraser: Klinische Beobachtungen an 90 Fällen akuter Polio¬ 
myelitis. (Americ. journ. of med. Sciences, 1914, Nr. 508.) An der 
grossen Zahl von 90 Fällen hatte Verf. Gelegenheit, eingehend das Auf¬ 
treten der Poliomyelitis klinisch durchzuarbeiten. Er berichtet aus¬ 
führlich über seine Erfahrungen. 

Drinker: Wirkung von Extraktes der Thyreoidea des Sebafes 
and der pathologischen Thyreoidea des Menschen. (Amerio. journ. of 
med. Sciences, 1914, Nr. 508.) Verf. machten experimentelle Unter¬ 
suchungen, die ergaben, dass die Wirkung eines Extraktes der Thyreoidea 
des Schafes und der bei Basedow gleich war. Die Versuchsreihe ist zu 
klein, um sicheren Anhalt zu geben. 

Barkon: Das gleichzeitige Auftreten von Basedow nnd Tabes. 
(Boston med. journ., 1914, Nr. 75.) Verf. glaubt auf Grund mehrerer 
Fälle einen Zusammenhang von Basedow mit Tabes annehmen zu dürfen. 
Jodkalibehandlung kommt eventuell als auslösendes Moment in Frage. 

Sohelenz. 


Kinderheilkunde. 

B. Erlanger: Zur Kenntnis angeborenen lymphangiektatiscben 
Oedems. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Kasuistik. 

K. Morgenstern: Elektocardiograpbische Untersnchnngen über 
die Beziehungen des HerzmnskeJs znr 8pasmophilie (Tetanie) im frühen 
Kindesalter. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Ausgehend von 
der Auffassung Ibrahim’s, dass das plötzliche Versagen des Herzens 
bei Tetanie in einem Teil der Fälle ein primäres Tetaniesymptom (Herz- 
tetanie) darstellt, bat Verf. bei 15 Säuglingen und 2 älteren Kindern 
mit Tetanie elektrocardiograpbische Aufnahmen gemacht; er findet, dass 
alle Zacken auffallend gross sind, dass eine ausgeprägte Ia-Zacke, eine 
starke Fa-Zacke und ein spitzes F auftreten. 

C. J. Huerekens: Die Acidität des Mageninbnlts im Säuglings- 
und Kindesalter bei Milch- und fleischhaltiger Probenahrung. (Zschr. f. 
Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Zum Referat nicht geeignet. 

E. Thomas: Ueber die Beziehungen chronischer Unterernährung 
zur Infektion und die klinischen Zeichen der herabgesetzten Immnnität. 
(Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Auf Gruod der im Kaiserin 
Auguste-Viktoria-Hause Charlottenburg beobachteten Fälle kommt Verf. 
zu dem Schluss, dass einfache chronische Unterernährung (Pylorus¬ 
stenose) nicht zu einer Herabsetzung der Immunität führt, ausser wenn 
eine erhebliche Ernährungsstörung binzutritt. Im Gegensatz zu Bohrend 


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UNIVERSUM OF IOWA 





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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


fand er in 11 Fällen, dass starke Gewichtsstürze keine Disposition für 
die Entstehung von Lungenentzündungen schaffen. 

Castro: Ueber Erythrocyturia minima im Säuglings- und Kindes- 
alter. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Von etwa 200 Säug¬ 
lingen fanden sich in 10 pCt. der Fälle im Urin nach langem Centrifugieren 
(30 Minuten lang) neben vereinzelten Leukocyten und Epithelien mehr 
oder minder zahlreiche Erythrocyten verschiedener Grösse mit ver¬ 
ringertem Farbstoffgehalt und Schrumpfungserscheinungen (etwa 5 — 15 
pro Gesichtsfeld), Eiweiss fehlte völlig oder war nur in Spuren nach¬ 
weisbar. Diese Erythrocyturie dauerte woeben- bis monatelang. Verf. 
bezeichnet diese Erscheinung als Erythrocyturia minima. Das Aussehen 
der roten Blutkörperchen sowie der pathologisch-histologische Befund in 
zwei Fällen zeigen, dass der Sitz der Blutung die Niere ist. Eine 
Nephritis konnte nicht nachgewiesen werden. Die Erythrocyturia trat 
im Anschluss an Infekte auf (Grippe, Vaccination, Tuberkulininjektion). 
Doch muss für das Zustandekommen dieser Erkrankung noch eine be¬ 
sondere Disposition der Nieren angenommen werden, da bei der Mehr¬ 
zahl der untersuchten Säuglinge unter denselben Bedingungen, die bei 
diesen Kindern Erythrocyturia hervorriefen, keine roten Blutkörperchen 
im Urin auftraten. Die sonstige körperliche Entwicklung der Säuglinge 
war sehr gut. Verf. bringt diese bei Säuglingen gefundene Erytbrocyt- 
uria mit den von Herbst bei älteren Kindern festgestellten analogen 
Befunden in Beziehung. Ausser diesen reinen Formen findet sich eine 
Erythrocyturie auch bei Pyelitis vor, sowohl der Pyelitis vorangehend 
als auoh im Anschluss an eine Pyelitis entstehend. Orgler. 

M. Kusonoki: Die peruieiöse Allste im frühen Kindesalter. 
(Sohweiz. Korr. Bl., 1914, Nr. 27.) Verf. berichtet über einen Fall 
pernieiöser Anämie bei einem 6 jährigen Mädchen, das im pathologischen 
Institut Basel zur Autopsie kam: Die Patientin litt an einer schweren 
Anämie ohne nachweisbare Ursache, mit Hautblutungen und Blutbrechen. 
Unter fortschreitender Anämie erfolgte der Exitus nach einer Krank¬ 
heitsdauer von 2 l / 2 Monaten. Die roten Blutkörperchen schwankten 
zwischen 1 868 000 bis 510 000, Hämoglobin (Sahli) = 40pCt. bis 
lOpCt. Färbeindex während der ganzen Zeit etwas erhöht. Geringe 
Verminderung der Leukocyten, niemals Leukocytose. Eine grosse An¬ 
zahl kernhaltiger roter Blutkörperchen, besonders Megaloblasten nach¬ 
weisbar. Bei der Autopsie wurden schwere Anämie und Siderosis in den 
verschiedenen Organen festgestellt. Blutungen im Augenhintergrund; 
Blutbildungsberde in den Lymphdrüsen, Leber, Milz usw. Schwellung 
verschiedener Lymphdrüsen, der Tonsillen und Follikel im Darm, rotes 
Knochenmark an Femur, Rippen und Wirbeln. Im Knochenmark ausser 
reichlichen Normo- und Megaloblasten und Myelocyten auch zahlreiche 
Myeloblasten festzustellen. R. Fabian. 

H. Koch: Die Beziehungen der Masern zu anderen pathologischen 
Processen. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. II, H. 4.) Verf. erörtert die 
Beziehungen der verschiedenen Stadien der Masern zu anderen Krank¬ 
heiten; er findet, dass im Prodromalstadium (Leukopenie) eine Herab¬ 
setzung entzündlicher Prozesse (Eiterungen, chronische Nephritis, Granu¬ 
loma malignum) beobachtet wird, dass im exanthematiseben Stadium 
(Anergie) die allergischen Prozesse herabgesetzt sind (Tuberkulin¬ 
reaktion, Revaccination usw ), und dass im dritten Stadium (letztem 
Exanthemtage und postexanthematische Periode) eine Resistenzverminde¬ 
rung gegenüber Infektionen auftritt. Orgler. 


Chirurgie. 

G. Ho tz-Freiburgi. B.: Fermentative Blutstillung durch Coagulen. 

(D.m.W., 1914, Nr. 29.) Auf Grund seiner Erfahrungen empfiehlt Verf. 
das Coagulen: 1. zur Prophylaxe vor der Operation für solche Eingriffe, 
welche voraussichtlich mit stärkerer Blutung einhergehen werden; 2. zur 
Therapie in den Fällen, wo eine verborgene oder unzulängliche Blutung 
nicht mit mechanischen Mitteln gestillt werden kann (z. B. parenchy¬ 
matöse Organe, Icterus, im Innern des Magendarmkanals usw.). in der 
gewöhnlichen Wundbehandlung dürfte die Gefässunterbindung doch 
sicherere Resultate geben. Wolfsohn. 

W. Goldschmidt-Wien: Zur Behandlung der Gasphlegmonen. 
(W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Der Verf. bat während seiner Tätigkeit im 
Balkankriege Gelegenheit gehabt, 11 Fälle von Gasphlegmonen zu be¬ 
handeln. Auf Grund dieser Erfahrung hält er sich für berechtigt, auch 
in der Kriegsohirurgie die konservative Behandlung als Initialtherapie 
zu empfehlen. P. Hirsch. 

W. Pohl: Tuberkulose der Fasele des Bicepsmuskels am Oberarm. 
(Ther. d. Gegen*., Juli 1914.) 22jährige Patientin, mit normalem 
Knochen und normalen Gelenken. Ausser einer Wundbehandlung (Er¬ 
öffnung der Fisteln) erhielt Patientin Jodkali, Stauung und Sonnen¬ 
behandlung. Heilung. Mikroskopische Untersuchung der Granulationen 
ergab keine Tuberkelbacillen, wohl aber Riesenzellen. 

Muskat-Berlin: Die Luxatiou der Peroueussekueu. (Ther. d. 
Gegenw., Juli 1914.) Vortrag, gehalten auf dem Kongress der Deutschen 
Gesellschaft für Orthopädie 1914. R. Fabian. 

Vulpius-Heidelberg: Knockeuplastik bei Lamiuektonie. (Zbl. f. 
Chir., 1914, Nr. 26.) Verf. transplantiert einen Tibiaspan an Stelle der 
weggefallenen Wirbelbögen. 

Mysch-Tomsk: Ein neues Verfahren zur Beseitigung einer beider¬ 
seitigen Ankylosis ossea des Kiefergeleiks. (Zbl. f. Chir., 1914, 


Nr. 31. 


Nr. 26.) Verf. empfiehlt breite Resektion des Gelenkkopfes des Unter¬ 
kiefers samt Collum oder eine Osteotomie des Collam processus arti- 
cularis. 

Frankel - Charlottenburg: Die günstige Einwirkung der Rditgen- 
strahlenreizdosen auf die Heilung der Kuochenbriieke. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 26.) Verf. teilt Fälle mit, in denen X-Strahlenbehandlung 
eine auffallend rasche Konsolidierung zur Folge hatten. Sehrt. 

Syring-Bonn: Beziehungen zwischen Plattfass tad Fasstiber- 
knlose. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Beginnende Fusstuberkulosen zeigen 
bei Erwachsenen, besonders im jugendlichen Alter, die Tendenz zur 
Kontraktur in Planus- und Valgusstellung. Insbesondere bei der Tuber¬ 
culosis talo-navicularis gehört die Valgusstellung zum typischen Krank¬ 
heitsbild, sie kann aber auch bei Tuberkulose des Talocruralgeleoks 
Vorkommen. Die Gefahr der Verwechselung mit idiopathischem Platt- 
fuss ist nicht zu unterschätzen, die Diagnose kann sehr schwer sein. 
Im Material an Fussgelenkstuberkulosen der Klinik Garre’s war in fast 
lOpCt. der Fälle zunächst eine Fehldiagnose auf Plattfuss gestellt 
worden. Abwarten des Erfolgs einer ruhigstellenden Therapie und 
wiederholte Röntgenaufnahmen sind sehr zu empfehlen. 

Wolfsohn. 

Holfelder-Wernigerode: Heftpflasterverbaid bei Haseuschartei- 

Operationen» (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 27.) Verf. klebt auf jede Backe 
einen fünfmarkstückgrossen Heftpflasterstreifen. Durch die Heftpflaster 
geht ein dicker Zwirnsfaden, der quer durch die Mundöffnung läuft und 
durch seine Spannung die Oberlippe entspannt. 

Narath - Heidelberg: Eine zweckmässige Modifikatioi des Heft- 
pflasterverbandes bei Uasenschartenoperationen. (Zbl. f. Chir., 1914, 
Nr. 27.) Verf. legt einen Heftpflasterstreifen rechts und links so an: 
rechte Waoge, Nasenwurzel, linke Stirn, linkes Scheitelbein und um¬ 
gekehrt. Gute Entspannung der Oberlippe. 

Jeger, Joseph, Schober - Breslau: Das endgültige Resultat einer 
Aortenplastik aus der Carotis desselben Tieres. (Zbl. f. Chir., 1914, 
Nr. 28.) Die Autoren ersetzten Aorta abdominalis durch Carotis, so 
dass sie das resezierte Carotisstück der Länge nach aufgeschnitten und 
dann das so erhaltene Band der Quere nach zusammenfalteten und dann 
End-zu-End mit dem Aortadefekt vereinigten. Brillantes Resuttat, keine 
Thromben. Sehrt. 

Dobbertin-Berlin: Erieuto Atemnot laeh gelungene! Kropf- 
Operationen. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Unter 25 Fällen von Kropf¬ 
operierten beobachtete Verf. 4 mal eine später eintretende Atemnot. 
Als Ursachen hierfür kommen in Betracht: 1. recidive Strumen; 2. Narben- 
fixation der erweichten und verengten Trachea an der Haut, den Muskeln 
oder dem Sternalrand. Es wird dadurch die Luftröhre nach der ope¬ 
rierten Seite hin abgeknickt und verzogen. Brüskes Verziehen der 
Muskeln ist bei der Operation zu vermeiden, sie sollen lieber, nach 
Kocher, quer durchtrennt und exakt wieder vernäht werden. Dadurch 
vermeidet man die narbigen Kontrakturen. Zur Heilung der Atemnot 
kommt eine operative Tracheolyse mit eventuell folgender autoplastischer 
Fettumlagerung der skelettierten Trachea iu Frage. Differential¬ 
diagnostisch zu trennen ist die Dyspnoe von der Kurzatmigkeit 
Kropfiger infolge emphysematoser Lungenblähung nach Trachealstenosen. 

Wolfsohn. 

Dreyer - Breslau: Zur Freilegung des Brustabsehaittes der Speise¬ 
röhre. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 28.) Verf. empfiehlt den Zugang von 
rechts. 

Payr - Leipzig: Zur Indikationsstellung der operativen Behandlung 
des Ulcus callosam ventriculi. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 25.) Verf. 
reseziert alle Ulcera im Durchschnitt, nur das Ulcus simplex ohne er¬ 
heblichere, ausgedehnte Wandveränderungen, das Ulcu9 duodeni, die 
klassische Pylorusstenose anf Ulcusbasis behandelt er mit Gastroentero¬ 
stomie. 

Wagner - Lübeck: Zur operativen Behandlung des Saudubraiagens 

infolge Ulcus der kleinen Curvatur. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 25.) Verf. 
teilt einen Fall mit, in dem er den am Pylorus gelegenen Sack des 
Magens einstülpte durch Kappnähte. Auf diese Weise wurde das Lumen 
des pyloruswärts gelegenen Sackes auf ein Minimum reduziert, zugleich 
das Ulcus sozusagen „tamponiert“. Am cardiawärts gelegenen Magen¬ 
teil führte er eine Gastroenterostomie aus. 

Wagner - Lübeok: Zum Nachweis okkulter Blutnugei il den Flces. 
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 28.) Verf. empfiehlt die trockene Benzidin¬ 
probe (eine Messerspitze Benzidin in ein reines Reagenzglas -f 2 ccm 
Eisessig -f- 20 Tropfen einer 3proz. Wasserstoffsuperoxydlösung), mit 
einem Glasstab streicht man etwas Kot auf einen Objektträger, setzt ein 
paar Tropfen der Lösung zu, dann entsteht bei Blutvorhandensein blaue 
Färbung. 

Joseph - Berlin: Zur Technik der Pyelographie. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 27.) Eine Pyelographie ist nur auszuführen mit dünnen, 
den Ureter nicht ausfüllenden Kathetern und mit Einspritzung kleiner 
Mengen. Wenn etwa zu viel ein gespritztes Collargol Gelegenheit zum 
Rückfluss hat, ist jede Gefahr ausgeschlossen. Sehrt. 




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3. Anglist 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1471 


Röntgenologie. 

Urano-Wien: Eine wichtige Fehlerquelle bei Untersuchungen über 
die motorische BedetUrag des Magensäureinhalts des Magens. (Fortschr. 
d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) Verf. ist auf Grund seiner Versuche 
der Ansicht, dass man durch Natriumbicarbonat in röntgenologischen 
Arbeiten die Magensaure nioht ausreichend neutralisiert und empfiehlt 
als dafür naoh seinen Versuchen sehr geeignet die Magnesia usta. 

Hida-Tokio: Methode zum Erreichen einer konstanten Hirte der 
ßöhre. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, fl. 3.) Die von den 
Röntgenstrahlen durchdrungene Hälfte der Röntgenröhre, insbesondere 
die der Antikathode direkt gegenüberstehende Wand gibt während des 
Betriebes bei der Erwärmung Gas ab. Um einen möglichst gleich- 
bleibenden Rohrenhärtegrad zu bekommen, muss deshalb auch die Glas¬ 
kugel gekühlt werden. Die Kühlvorrichtung war ein kleiner Ventilator 
mit Elektromotor in 50—60 cm Entfernung von der Röhre. Versuche 
waren günstig, die Strahlenqualität war sehr konstant, wodurch die 
Dosis genauer festgelegt werden kann und die Röhre länger lebensfähig 
bleibt. 

Günther und Bosselmann - Erlangen: Vergleichende Versuche 
mit modernen Röntgeninstrumentarien für Tiefentherapie. Entgegnung 
auf die Arbeiten der Herren Wendt, Kress und Dessauer (Bd. 21, 
H. 6 und Bd. 22, H. 1 der Fortschr. d. Röntgenstr.). (Fortschr. d. 
Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 8.) Verf. erkennen den Standpunkt der 
genannten Herren nicht an und stellen im Interesse der Rontgenologen 
Unrichtigkeiten in den Arbeiten der genannten Herren klar. Ferner 
stellen sie fest, dass 1. der benutzte Reformapparat nach Aussage von 
Beamten der Veifa-Werke zur Zeit der angestellten Versuche das beste 
Instrumentarium für Tiefentherapie war, 2. die Härtemessungen sämtlich 
auf photographischem Wege vorgenommen wurden, 3. die Gegenüber¬ 
stellung der Kurven vom Reform- und Apexapparat keine willkürliche, 
aus verschiedenen Zeiten stammende war und 4. die veröffentlichte 
Tiefenkurve des Apexapparats in einer Gesamtbestrahlungszeit von 
10 Minuten erhalten worden ist, und zwar ohne Rhythmeur, unter Ver¬ 
wendung des Spezial-Gas-Therapie-Unterbrechers. 

Cermak - Giessen und Dessauer - Frankfurt a. M.: Ueber das 
Röatgeistrahlengpektram. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) 
Vom EmissionsVorgang einer Röntgenröhre kann man sich folgendes Bild 
machen: Die Antikathode sendet ein kontinuierliches Spektrum aus, das 
aus um so zahlreicheren Einzelkomponenten besteht, d. h. um so umfang¬ 
reicher ist, je kräftiger der Bremsvorgang der Kathodenstrahlen ist. Das 
Antikatbodenmaterial bedingt, dass einzelne Komponenten dieses Spektrums 
besonders betont werden. Sowohl der Bremsvorgang wie die Intensität 
und Zahl der betonten Komponenten des Spektrums können durch die 
Art des Instrumentariums, mit dem die Röhre betrieben wird, beeinflusst 
werden. Praktisch ist jenes Instrumentarium am meisten zu bevorzugen, 
das ein möglichst gleichmässiges und reichhaltiges Röntgenstrab len- 
spektrum liefert. 

Hanausek-Prag: Von den Fehlers, die durch die Bewegung des 
Körpers zwischen zwei Expositionen bei der Abbildung und Ausmessung 
der Stereorfotgenröhren entstehen. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, 
Bd. 22, H. 3.) Angabe verschiedener Fehler. Konstruktiv veranschaulicht 
wurden einige sozusagen typische Vorfälle. Selbst bei unmerklichen, zur 
Platte parallelen Verschiebungen sind die Fehler schon sehr bedeutend; 
Beispiele. Bei der auf der Basis vertikalen Verschiebung sind die Fehler 
nur unmerklich. Das Bild kann sich so verzeichnen, dass man jene 
Körperpartien, die beim Röntgenographieren sioh zur Platte anlegten, 
im Stereoskop hinter der Röntgenplatte sieht. Auch einfache geometrische 
Formen verzeichnen sich unregelmässig bei einfachen Verschiebungen. 
Die Entfernung der Körperpartie von der Platte ist in allen Fällen der 
Verschiebung ohne Einfluss auf Grösse und Qualität der Fehler. Bei 
vergrosserter Basis erhält man im Stereoskop jene verzeichneten Bilder, 
die mathematisch den für die normale Basis festgestellten gleichen, aber 
verkleinert und dem Auge näher proportional zur Basis. Die bei anderen 
Verschiebungen als den gerade erwähnten Verzeichnungen sind kompliziert. 
Zur Vermeidung dieser Fehler ist vollkommene Fixation der Körperpartie 
nötig, die Atmung muss bei Rumpfaufnahmen angehalten, das Stereo- 
röotgenogramm des Herzens in derselben Phasis der Herzaktion genommen 
werden. Mitteilungen über Sicherstellung, ob der Patient bei der Stereo- 
röotgenaufnahme sich nicht bewegt hat. 

Hanausek-Prag: Zur Theorie der stereoskopischen Abbildung 
nnd der Ausmessung der Röntgenogramme. (Fortschr. der Röntgenstr., 
1“14, Bd. 22, H. 3.) Wir erzielen bei der Lage der Platten mit den 
konvergenten Achsen zwar nicht eine vollkommene Akkommodation, aber 
trotzdem sind durch diese Plattenlage die Akkommodationsverhältnisse 
besser. Vollständige Uebereinstimmung zwischen Akkommodation beim 
Betrachten auf einen wirklichen Gegenstand und zwischen der bei der 
stereoskopischen Betrachtung kann aus zwei Gründen nicht erreicht 
»erden. Angabe der Gründe. 

Loeffler-Halle a. S.: Ueber Fremdkörper im Röntgenbild mit 
61 Berücksichtigung der Glassplitter. (Fortsch. d. Röntgenstr., 
P? 1 *» Bd. 22, H. 3.) Gegenstände aus Schwermetall lassen sich durch 
«ontgenstrahlen leicht nachweisen. Ein eiserner Fremdkörper von nur 
* “K Gewicht konnte mit voller Sicherheit in der Hand nachgewiesen 
"«raen. Auch Glassplitter kann man bis za einer beträchtlichen Klein¬ 


heit, bis zu einem Bruchteil eines Milligramms, Beispiel, auffinden; alle 
Porzellan- und Glassorten bilden sioh auf der Röntgenplatte selbst in 
dünnster Schiebt ab. 

Freund-Wien: Kongenitale FingerkoitrakUren. (Fortschr. d. 
Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) 1. Kongenitale symmetrische Kontraktur 
der Articulatio interphalangea prima der beiden Kleinfinger. Beide 
Finger waren im Winkel von 120° gebeugt. 2. Missgestaltung der drei 
Finger der linken Hand in den beiden letzten Gliedern. Sie erschienen 
kegelförmig zugespitzt und standen in Beugestellung von 120° fixiert. 
In beiden Fällen in der Familie ähnliche Anomalien. Röntgenologisch 
im ersten Falle Abschrägung des Köpfchens der zweiten Fingerphalanx, 
im zweiten komplette knöcherne Ankylosen zwischen den vorletzten und 
Endphalangen. Diese Knochen erscheinen an Volumen reduziert, in ihrer 
Struktur dichter. 

Müller-München: Zur Frage der diagnostischen Deutung des ver¬ 
breiterten Aortenbandes. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) 
Verf. sagt, dass man nicht immer bei dem röntgenologischen Nachweis 
der schattenverdichteten und vor allem verbreiterten Brustaorta den 
Verdacht einer luetischen Aortitis rechtfertigen und differential-diagnostisch 
zwischen centraler Gefässsklerose und Lues unterscheiden kann. Er hat 
auch bei jungen Leuten ein verbreitertes Aortenband gefunden, wo tat¬ 
sächlich Lues und Gefässsklerose ausgeschlossen werden konnten. Eine 
erschöpfende Erklärung kann zurzeit nicht gegeben werden. Verf. wirft 
die Frage auf, ob nicht vielleicht individuelle oder Ursachen schon 
embryonal-physiologischer Natur oder solche auf dem Wege allmählicher 
Entwicklung unter andauernden körperlichen Anstrengungen in jugend¬ 
lichem Alter vorhanden sein können. Sohnütgen. 

G. Helling-Dresden: Tastsonde für die Röntgennntersnchnng 
des Magens. (W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Die Tastsonde gestattet, unter 
dem Röntgenschirm jede Stelle des Magens zu treffen und auf Uneben¬ 
heit, Härte und Ulceration zu untersuchen. Herstellung bei Eugen 
Albrecht, Dresden, Zirkusstrasse 40. P. Hirsch. 

Schneider-Bonn: Vergleichende röntgenologische Untersuchungen 
über Form nnd Lage des Magens nach Anfbllhnng mit Koklenslnre 
und nach Eingabe der Bariumsulfatmahlzeit mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Perkussion des aufgeblähten Magens. (Fortschr. d. 
Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) Die nach Aufblähung mit Kohlensäure 
und nach Einführung der Bariummahlzeit gewonnenen Magenformen 
zeigen grosse Verschiedenheiten. Letztere Magenform entspricht dann 
den natürlichen Verhältnissen, erstere ist dann ein Kunstprodukt. Die 
untere Grenze des aufgeblähten Magens ist im Liegen annähernd genau 
zu perkutieren, die seitlichen Grenzen sind nicht zu perkutieren. Die 
untere Grenze des aufgeblähten Magens steht im Liegen und Stehen 
beträchtlich höher als die des mit Bariummahlzeit gefüllten Magens. 
Die perkutorische oder röntgenologische Bestimmung der unteren Grenze 
des im Liegen aufgeblähten Magens hat eine gewisse diagnostische 
Bedeutung. 

Burchard - Rostock: Bezoare in der alten und in der modernen 
Medizin. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) Geschichtliche 
Daten über den Bezoarstein im Magen der Tiere. Der Bezoarstein wurde 
bekanntlich in der alten Medizin als Heilmittel angewandt. Da Röntgen¬ 
untersuchungen über diese Steine nicht vorhanden waren, unternahm 
Verf. dies und erzielte dabei beachtenswerte Befunde, die genauer an¬ 
gegeben werden. Er untersuchte den orientalischen und occidentalischen 
Bezoar. Auch geht er auf den Trichobezoar ein, der oft im Magendarm¬ 
kanal der deutschen Haustiere gefunden wird, in seltenen Fällen auch 
im menschlichen Magen vorkommt, wo er erhebliche Dimensionen an¬ 
nehmen und ganz erhebliche Störungen machen kann. Angabe von Bei¬ 
spielen mit Röntgenuntersuchungen. Verf. ist der Ansicht, dass mit 
Hilfe der Röntgenstrahlen und in Verbindung mit den anderen Unter¬ 
suchungsmethoden jetzt in allen Fällen die Diagnose ante operationein 
möglich ist. 

Kienböck-Wien: Nachtrag über einen Fall von Eehinoeoeeus 
hydatitosiu der Leber, durch Röntgenuntersuchung erkannt. (Bd. 21, 
S. 77 der Fortschr. d. Röntgenstr.) (Fortsohr. d. Röntgenstr., 1914, 
Bd. 22, H. 3.) Die Operation ergab, dass ein grosser Tumor vorhanden 
war, der aber nicht subphrenisch, sondern intrathorakal, und zwar retro- 
pleural, lag und nicht ein Echinococcus, sondern ein Fibrom war. 

Robinsohn-Wien: Graphische Darstellung zahnrö’Dtgeiologiseher 
Diagaosen (Odonto-Diagnostographie). (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, 
Bd. 22, H. 3.) Schilderung bisheriger Versuche (Zeichnungen). Verf. hat 
eine eigene graphische Darstellungsweise (Diagnostographie) wiedergegeben, 
die auf wissenschaftlichen Prinzipien aufgebaut ist und eine korrekte, 
einfache und vollständige Wiedergabe aller diagnostisch wichtigen Einzel¬ 
heiten der Kiefer und Zähne bezweckt. Angabe des Aufbaues der 
Methode der Darstellung: 1. Konstruktion eines Platydiagramms, erhalten 
durch schematische Umwandlung des röntgenperspektivisohen, lokal 
projizierten Einzelbildes in eine übersichtliche Flachprojektion und 
Kombination der Einzelbilder zu einem Gesamtbild. 2. Graphische 
Charakterisierung der normalen und pathologischen Formelemente durch 
symbolische Zeichen (wie bei der Geo-Kartographie) und 3. verbale, auf 
ein Minimum beschränkte Interpretierung. Genaueres über diese drei 
Punkte. Abbildungen. Illustrationsbeispiele. Erläuterungen und Be¬ 
merkungen zur Kasuistik. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1472 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 81. 


Wohlauer-Berlin: Plattcischaiikasten zur Demonstration einer 
grösseren Anzahl von Röntgenbildern. (Fortschr. d. RÖntgenstr., 1914, 
Bd. 22, H. 3.) _ Schnütgen. 

Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

G. S t ü m p k e - Hannover: Gonnorrhoische Granalationen. (M.m.W., 
1914, Nr. 28.) St. berichtet über 5 Gonorrhöekranke, die am Anus und 
Damm — speziell der Anus war befallen — hahnenkammartige Wuche¬ 
rungen hatten. Daneben bestanden Geschwürsflächen. Differentialdiagnose: 
Hämorrhoiden, Lues. Mikroskopisch handelt es sich um diffuses, zell¬ 
reiches Entzündungsgewebe, mit Leukocytenherden durchsetzt, das viel¬ 
fach bis an die Epidermis heranreioht. Ausserdem besteht Gefässreichtum 
der der Epidermis unmittelbar angrenzenden Gewebsschichten des Corium. 

Dünner. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

A. Lebbardt-Basel: Ein häufiges Fröhzeichen der Schwanger¬ 
schaft. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 29.) Verf. ist der Ansicht, dass ein 
sehr frühes Schwangerschaftszeiohen die livide Verfärbung ist, und zwar 
ganz besonders diejenige, welche ein dicht unter der Urethralmündung 
von rechts nach links verlaufender bläulicher Streifen aufweist. Verf. 
erklärt dieses Phänomen dadurch, dass hier Venen von rechts nach links 
verlaufen, die eine Verbindung zwischen den beiderseits in der Tiefe 
liegenden Bulbi vestibuli darstellen, und betont, dass diese Erscheinung 
nicht mit den von Sohäffer und Rosthorn angegebenen farbigen 
Streifen identisch ist. 

Zengerle-Ravensberg: Ein Fall von Sectio caesarea post morten. 
(Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 29.) Das Kind lebt. Siefart. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

E. Paul-Innsbruck: Kurze Mitteilung zur Kasuistik der Fremd¬ 
körper in den Luftwegen. (W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Ein öjähriges 
Kind hatte eine kleine Stimmpfeife von 7 mm Breite und 12 mm Länge 
aspiriert. Extraktion in Narkose mittels Tracheotomia inferior und Ein¬ 
fuhren eines Bronchoskoprohres von 8 mm Durchmesser. 

P. Hirsch. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

Wallich und Der esse: Die Gründe des Nichtstillcns. (Revue 
d’hyg., 1914, Nr. 5, S. 565.) Verff. fanden bei ihren Nachforschungen, 
dass in 20pCt. ärztliche Gründe für das Nichtstillen bestanden, dass in 
10 pCt. diese Fälle ärztlich zu beheben waren. Weiter, dass 66 pCt. 
ihrer Frauen aus sozialen Gründen nicht stillen konnten. Material der 
Klinik Baudeloque’s. Viereck. 

S. Mc Murray: Nystagmus der Grubenarbeiter. (Miners’ nystag- 
mus.) (Journ. of state med., 1914, Bd. 22, Nr. 5, S. 303.) Nystagmus 
ist unter den Grubenarbeitern weit verbreitet, Dach neueren Schätzungen 
bei 20 pCt. aller Arbeiter in Kohlengruben. Nur bei den Arbeitern in 
den Kohlenbergwerken findet sich die Krankheit. Die Ursache liegt in 
dem Mangel von Farbe und Licht in der Grube und der dadurch be¬ 
dingten unvollkommenen Fixation und zu sehr angestrengter Akkommoda¬ 
tion. Das Hauptmittel zur Verhütung der Krankheit ist Verbesserung 
der Beleuchtungsverhältnisse in der Grube durch künstliches Licht. 
Weiter ist es wichtig, die Arbeiter regelmässig zu untersuchen; sobald 
Krankheitszeichen auftreten, müssten die Arbeiter bei Tageslicht be¬ 
schäftigt werden, bis Besserung erzielt ist. 

W. H. Hoffmann-Tsingtau. 

Kohn-Abrest: Kohlenoxyd Vergiftungen. (Revue d’hyg., 1914, 
Nr. 5, S. 550.) Verf. wünscht, dass jede Wohnung einen besonderen 
Rauchabzug habe. 

Fleury und Emeric-St. Etienne: Pockenepidemie in St. Etienne 
und im Loirebezirk. (Revue d’hyg., 1914, Nr. 5, S. 457.) Verff. 
schieben die Hauptschuld an der grossen Verbreitung der Epidemie der 
mangelhaft durchgeführten Schutzimpfung zu. Isolierung und Impfung 
der Umgebung sind die zu ergreifenden Maassnahmen. Es ist vielleicht 
nicht uninteressant, dass sie unter Umständen eine Isolierung in der 
Wohnung für durchführbar halten. 

Sergent und Negre-Algier*. Undulierendes Fieber in Algier. 
(Revue d’hyg., 1914, Nr. 5, S. 493.) Infektion durch Genuss infizierter 
Milch oder Berührung mit dem Urin infizierter Tiere. Die Verff. fanden 
von 303 Ziegen 10 infizierte, von 41 anderen Haustieren 6 (Pferde, 
Maulesel, Esel, Hunde). Sie wollen mit einem antitoxischen Serum gute 
Erfolge gehabt haben. Viereck. 

Conan: Gesundheitswesen von Französisch - Aeqnatorialafrika. 
(Service de santö en Afrique equatoriale fran<jaise.) (Journ. of state 
med., 1914, Bd. 22, Nr. 3—5.) Die Hauptkrankheiten in Französisch- 
Aequatorialafrika sind Schlafkrankheit und Pocken. Sie bedingen noch 
eine schreckliche Sterblichkeit. Es wird weitere Vermehrung der Aerzte 
und Krankenhäuser gefordert. Jede Verbesserung der allgemeinen Lebens¬ 
verhältnisse der Eingeborenen bedeutet eine Verbesserung des Gesund¬ 
heitsstandes. Die Arbeit enthält zahlreiche für den Tropenarzt lehrreiche 


Einzelheiten über die Entwicklung des Gesundheitswesens in dem franzö¬ 
sischen Schutzgebiet. W. H. Hoffmann-Tsingtau. 

Sergent und Negre - Algier: Die Lepra in Algier. (Revue d’hyg., 
1914, Nr. 6, S. 611.) Uebersicht über die Verbreitung der Lepra in 
Algier. Verff. wüeschen gleiche Bekämpfungsvorschriften wie im Mutter- 
lande, besonders Maassnahmen gegen die Einschleppung neuer Fälle. 

Viereck. 


Schiffs- und Tropenhygiene. 

Rodenwaldt: Ueber ein Behelfsmittel zur Konservierang utf 
Versendung von Pockenlymphe in den Tropen. (Arch. f. Schiffs u. 
Trop. Hyg., 1914, Bd. 18, H. 12.) Versuche mit der von französischer 
Seite empfohlenen Methode, zum Transport und zur Aufbewahrung voq 
Pockenlymphe in den Tropen ausgehöhlte Banauenstengel zu verwenden. 
Die Stengel sollen bei einer lichten Weite von 5 cm noch eine Wand¬ 
stärke von 5 cm haben. Bei zweckmässiger Aufbewahrung behielten sie 
eine ziemlich gleichmäßige, relativ niedrige Temperatur von 23 bis 25°. 
Durch täglich mehrmals wiederholte kräftige Vereisung der unter den 
Lymphbehältern liegenden trockenen Watte mittels des Aethylcblorid- 
sprays liess sich auch unter den ungünstigsten Verhältnissen im Inneren 
der Hülse eine relativ niedrige Temperatur längere Zeit erhalten. Bei 
einer praktischen Erprobung der Methode, wobei der Transport der 
Bananenkloben in einer Holzkiste mit Polsterwatte erfolgte, blieb die 
Lymphe während der ganzen Reise, d. h. etwa 4 Wochen, voll wirksam. 
Muss die Lymphe über grosse Strecken durch Farbige transportiert 
werden, so empfiehlt es sieb, sie in BananensteDgel einzuschliesseD, da¬ 
bei aber auf alle sonstigen Manipulationen zu verzichten und den Träger 
nur in den Nachtstunden marschieren zu lassen. 

Wick-Rabaul: Gnnda in Neu-Guinea. (Arch. f. Schiffs u. Trop. 
Hyg, 1914, Bd. 18, H. 12.) An der Hand zweier Abbildungen be¬ 
schreibt Verf. einen Fall von Gundu, den er längere Zeit zu beobachten 
Gelegenheit batte. Die Krankheit hatte bei dem etwa 20jährigen 
Kranken kurz nach der Geburt mit runden Anschwellungen zu beiden 
Seiten der Nase begonnen und zeichnet sich durch einen äusserst lang¬ 
samen Verlauf aus. Ausser der äusserlich sichtbaren Geschwulst be¬ 
stand eine MiterkrankuDg der Nasenschleimhaut. Von den differential- 
diagnostisch in Betracht kommenden Krankheiten konnten Lues und 
Frambösie durch die Therapie, Lepra und Rhinosklerom durch das 
Fehlen der charakteristischen Bacillen im Nasensekret ausgeschlossen 
werden. Um Sarkom konnte es sich wegen des frühen Beginns und des 
relativ gutartigen Verlaufs nicht handeln. Therapeutisch hatten zwei 
intravenöse Injektionen von je 0,75 Neosalvarsan, ebenso 8 Einspritzungen 
von je 2,3 ccm Fibrolysin (Merck) direkt in die Geschwulst hinein 
keinerlei Heilerfolge. 

Seyffert-Aruscha: Bericht über Uxara bei Anöbenrnhr. (Arch. 
f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1914, Bd. 18, H. 12.) Bericht über 11 mit 
Uzara behandelte Fälle von Amöbenruhr. Durchschnittliche Behand- 
lungsdauer 20 Tage. Todesfälle kamen bei diesen 11 Fällen nicht vor. 
Das Mittel, welches per os angewandt wurde, wurde in den gewählten, 
ziemlich hohen Dosen ohne jede Störung und Nebenwirkung vertragen. 
Verf. kommt zu dem Schluss, dass Uzara ein Medikament ist, dem im 
akuten Stadium der Dysenterie eine hervorragende und prompte Heil¬ 
wirkung zukommt, da es die toxische Komponente der Amöbenwirkung 
rasch und in günstigem Sinne beeinflusst, wodurch es die Mortalität des 
akuten Anfalls herabzusetzen imstande ist. Ausserdem wirkt es toni- 
sierend auf das Gefässsystem, stellt den Darm ruhig und vermindert da¬ 
durch die Blutungen; endlich bringt es die Kolikschmerzen und den 
Tenesmus nach den ersten Dosen zum Schwinden. Amöbocide Wirkungen 
hat das Präparat nicht. Deshalb ist seine Medikation in Verbindung 
mit Ipecacuanha usw. zu empfehlen. Wahrscheinlich wird sich dadurch 
die Behandlungsdauer weiterhin herabsetzen lassen. 

F. van den Branden und A. Dubois-Löopoldsville: Neosalvarsan 
bei Tropenkrankheiten. (Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1914, Bd. 18, 
H. 11.) Es wurden insgesamt 242 Schwarze mit Neosalvarsan behandelt. 
In der Regel wurde das Mittel intravenös angewandt. Ueble Zwischen¬ 
fälle wurden nicht beobachtet. Im allgemeinen hat sioh das Mittel 
bei den verschiedenen Tropenkrankheiten ebensogut bewährt wie das 
Salvarsan, nur war namentlich bei der Syphilis und der Frambösie die 
Wirkung vielleicht etwas weniger prompt als beim Salvarsan. Dafür 
ist aber die Anwendung erheblich einfacher, und der Organismus besitzt 
eine derartige Toleranz gegen das Mittel, dass häufige wiederholte 
Injektionen auch verhältnismässig grosser Dosen möglich sind. Gut 
bewährt hat sich Neosalvarsan bei menschlicher Trypanosomiasis;^ viel¬ 
leicht sind hier Dauerheilungen, namentlich im ersten Stadium, möglich. 
Zwei Fälle von Amöbendysenterie wurden durch intravenöse Injektionen 
geheilt, zwei andere blieben vollständig unbeeinflusst. 

A. Leber - Göttingen und S. v. Prowazek - Hamburg: Zur Kenntnis 
der Elephantiasis in Samoa. (Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1914, 
Bd. 18, H. 11.) Die Arbeit enthält eine Reihe interessanter geschicht¬ 
licher Mitteilungen sowie Angaben über die altere Literatur und eigene 
Beobachtungen der Verff. bezüglich des Zusammenhangs der in Samoa 
ausserordentlich verbreiteten Filariosis mit der Elephantiasis. Die 
sogenannten Mumu* oder Filarienfieber wurden bereits von Turner in 
genauer Weise beobachtet und in einen Kausalzusammenhang mit der 


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8. Angost 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 1473 


Elephantiasis gebracht. Auch Europäer können, selbst wenn sie längere 
Zeit den Ort ihrer Filarieninfektion verlassen und sich in einem kälteren 
Klima aufhalten, noch an wiederholten Mumufieberschüben erkranken. 
Charakteristisch für die Anfälle sind die „Symptome von Lymphgefäss- 
entzündungen“. Nicht immer verschwindet die Mikrofilarie während der 
Fieberanfälle aus dem Blut. In einem Muskelabscess wurden Konvolute 
Fon Mikrofilarien und grampositiven Kokken, vermutlich Staphylokokken, 
gefunden. Ferner liessen sich in einer lipomartigen Geschwulst Mikro¬ 
filarien nachweisen. Wahrscheinlich ist dieser Befund in eine Reihe zu 
setzen mit ähnlichen, in Samoa häufig vorkommenden Anschwellungen, 
die gelegentlich als Tumor albus auf tuberkulöser Basis angesprochen 
wurden. Pathologisch-anatomisch wäre die Geschwulst selbst wohl am 
besten au/zufassen als eine durch die als Fremdkörper wirkende Mikro- 
filarie ursprünglich hypertrophierte, später verdickte Lymphdrüse. 

_ J. Schuster. 

Militär-Sanitätswesen. 

Krause-Cassel: Ein Lehrbuch der Armeekrsnklieiteii aus dem 
Jahre 1772. (D. miiitärztl. Zscbr., 1914, H. 11.) Verf. gibt Auszüge 
aus dem 1. und 2. Teil des Buches, die hygienische und statistische 
Abhandlungen betreffen, wieder. Den grössten, dritten, interessantesten 
Teil, der Beobachtungen über die verschiedenen Krankheiten und ihre 
Behandlung enthält, will er demnächst in einem besonderen Aufsatz zu 
charakterisieren versuchen. 

Adam-Cöln: Der bulgarische, serbische und griechische Kriegs- 
gaaitStsdiensft. (D. miiitärztl. Zschr., 1914, BL 11.) Verf. gebt genauer 
auf die Organisation des bulgarischen, serbischen und griechischen Kriegs¬ 
sanitätsdienstes ein, wie sie in dem nach dieser Richtung hin einen sehr 
lehrreichen Einblick gewährenden Werke des französischen Oberstabs¬ 
arztes Consergue, der sich 1912 im Aufträge des Kriegsministers zum 
Studium des Feldsanitätsdienstes auf den Schauplatz des Balkankrieges 
begeben hatte, geschildert ist. Das Buch (Fonctionnement du Service 
de sante des armees coalisdes par M. Consergue-Paris) ist 1913 in der 
Librairie Chapelot erschienen. 

Grütz mach er-Berlin: Die Selbstbewirtschaftiing der Verpflegung 
io den Garnigonlazaretten. (D. miiitärztl. Zscbr., 1914, H. 13.) Die 
mit der Einführung der Selbstbewirtschaftung der Verpflegung in den 
Garnisonlazaretten (1. Januar 1914) beabsichtigte Verabfolgung guter und 
reichlicher Kost an Kranke und Personal und Erzielung von Ersparnissen 
für besondere Falle liess sieb gut ermöglichen. Die in Frage kommen¬ 
den Dienststellen müssen natürlich jede unnötige Ausgabe verhüten und 
die fest umgrenzten Geldmittel (Beköstigungsgeld) in wirksamster Weise 
ausnützen. Die beabsichtigte Vereinfachung des Buch- und Rechnungs¬ 
wesens hat sich bisher nicht in dem erwünschten Umfange durchführen 
lassen; dies ist aber bei vermehrter Erfahrung auch zu erzielen. 

Müller-Cöln: Erwiderung auf den Artikel von J. Frank in der 
D. miiitärztl. Zschr., 1914, Nr. 9: Wie kann man die Mortalitätsziffer 
der Bauchschnsswunden im Kriege herabsetzen? (D. miiitärztl. Zscbr., 
1914, H. 13.) Verf. verwirft die Ansicht Frank’s, nach der die Drainage 
aller penetrierenden Bauchwunden, und zwar möglichst bald nach der 
Verletzung durohzufübren ist. Sie bedeute einen grossen Rückschritt in 
der modernen Kriegschirurgie. Im Gegensatz zu Frank’s Vorschlag kann 
nur die strengste konservative Therapie auf Grund der Erfahrungen der 
letzten Feldzüge empfohlen werden; etwa 50 pCt. aller Bauchschüsse 
kommen so mit dem Leben davon. 

Frank-Chicago: Antwort auf vorstehende Erwiderung. Verf. be¬ 
leuchtet seine Ansicht und sagt, dass alle Kranken, die in den ersten 
Stunden (60 Friedensschussverletzungen!) nach der Verletzung zut Ope¬ 
ration kamen, schnell und glatt genasen. Diejenigen, die erst spat oder 
gar nicht operiert wurden, gingen entweder an Peritonitis zugrunde oder 
schwebten lange Zeit in Lebensgefahr. Tierversuche sollen diese seine 
Ansicht bestätigen. 

Noll-Würzburg: Die Bekänpfang der Tuberkulose. (D. miiitärztl. 
Zschr., 1914, H. 11.) In der Arbeit sind zwar nicht ganz erschöpfend 
me Mittel zur Bekämpfung der Tuberkulose aufgezählt und erläutert, 
jedoch sind die wichtigeren in zum Teil jahrzehntelangem Kampfe er¬ 
probten zusammen gefasst worden. 

Posen: Das Elektroeardiogramm. (D. miiitärztl. Zschr., 
»ii (Vortrag, gehalten in der Posener militärärztlichen Ge¬ 

sellschaft am 16. Januar 1914.) 

Mälzer-Berlin: Erfahrungen mit Arthigon bei gonorrhoischen 
awnpllkatiouen. (D. miiitärztl. Zschr., 1914, H. 13.) Die Artbigon- 
injektionen leisten dabei, namentlich bei Nebenhoden- und Gelenkentzün- 
uogen ausgezeichnete Dienste. Erfolge: Beschleunigung des Rückgangs 
er Erscheinungen, des Krankheitsverlaufs und der Wiederherstellung der 
üb? ii 8kdt ‘ Eerzgesunden können die intramuskulären Injektionen 

erali gegeben werden, die intravenösen sollten wegen der starken 

attionen vorläufig noch dem Spezialisten überlassen bleiben. Beein- 
^ ono ^°kkenbefundes im Harnröhrensekret kann nicht mit 
k » .® rbl erwartet werden. In der ambulanten Praxis empfiehlt es sieb, 
ere Dosen, etwa 0,3—0,6—0,9 ccm zu verabfolgen. 

Di® Behandlung des Trippers mittels intravenöser 
«riaigoninjektionen. (D. miiitärztl. Zschr., 1914, H. 13.) Sie sind ein 
Dlikati« 6 ™^ 7 ^® Mittel zur Bekämpfung der oft so hartnäckigen Kom¬ 
men des Trippers, namentlich bei Arthritis gonorrhoica und Epidi- 


dymitis. Ein Allheilmittel sind sie nicht, denn ea wird Fälle geben, die 
durch Arthigon nicht beeinflusst werden. 

Mohr-Posen: Die Aigensch&dignngen im Heere infolge Beob¬ 
achter der Sonnenfinsternis am 17. April 1912. (D. miiitärztl. Zschr., 
1914, Nr. 12.) 76 Fälle. Nur wenige meldeten sich bald nach dem 
Eintritt der Schädigung krank; meist erst machten schlechte Sohiess- 
ergebnisse sonst guter Schützen darauf aufmerksam. Schilderung der 
subjektiven Beschwerden: Flimmern, Sehen rötlicher, gelber, dunkler 
Flecke vor dem Auge, Verschwinden einzelner Buchstaben beim Lesen 
usw. Herabsetzung der Sehschärfe wurde in allen Uebergängen beob¬ 
achtet. Bei vielen wurde beim Geradeaussehen ein schlechteres Seh¬ 
prüfungsergebnis erzielt, als bei etwas eicentrischem Sehen (die Macula 
war wohl central geschädigt, an der Peripherie funktionstüchtig). Cen¬ 
trale Skotome traten vielfach in Erscheinung — Ringskotome nicht —; 
sie bildeten sioh meist zurück oder wurden von den Betroffenen all¬ 
mählich übersehen. Schilderung des Wesens der Schädigung, die in einer 
Nekrose der äusseren Netzhautschichten mit Transsudation aus der Ader¬ 
haut und Zerfall des Pigmentepithels besteht. Die Sohädigung ist meist 
in der Macula lutea lokalisiert. Verf. erwähnt auch die Schädigungen 
an anderen Augenteilen. Besprechung der Fälle, die auf die praktische 
Wichtigkeit der Kenntnis der Augen-Sonnenschädigung hinweisen, z. B. 
von Hysterie. Es wurde auch versucht, die Schädigung auf Erkältung 
zurückzuführeu (vielleicht, um materielle Vorteile zu erlangen). Angeb¬ 
liche oder wirkliche Sonnenblendung von Militärpflichtigen könnte zum 
Versuch benutzt werden, sich der Dienstpflicht zu entziehen. Mitteilung 
eines Falles. Am Schluss Besprechung der Prophylaxe und Therapie. 

Sohnütgen. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Hnfelandische Gesellschaft za Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 11. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr A. Fraenkel. 

Schriftführer: Herr J. Ruhemann. 

1. Hr. W. Körte: 

Drei Fälle von P^nkreastnmor and eil geheilter Fall von Pancrea- 
titls acuta. 

a) Fibrom des Pankreas. 

Fr., 52 Jahre alt. PrKI. 5. VIII. 1908. 

Sonst gesunde Frau. Pankreastumor langsam gewachsen, jetzt Druck 
besabwerden auf den Magen. 

5. VIII. 1908. Exstirpation des zwischen Leber und Magen ge¬ 
legenen, vom oberen Rande des Pankreas ausgehenden Tumors. Aus¬ 
lösung aus der Drüse, Uebernähung. 

Wegen peritonitischer Reizung am 6. Tage Bauch zum Teil geöffnet, 
seröses Exsudat ausgetupft. Drainage. 

Dann glatte Heilung. Mikroskopische Untersuchung ergibt Fibrom. 

Pat. ist gesund geblieben. 

b) Multiloculare Pancreascyste. 

D., 31jährige Frau. 22.54/1910. 10. XI. 1910 bis 31. XH. 1910. 

Patientin ist seit 1904 mehrfach in Russland wegen einer Pankreas¬ 
cyste operiert worden. Die Geschwulst kam nach der Einnahung stets 
wieder. 

Gut kindskopfgrosse Geschwulst im Epigastrium, von der Leber ab- 
grenzbar, etwas beweglieh. 

15. XL 1910. Exstirpation der Cyste, welche zahlreiche gefassreiche 
Verbindungen hat, in der Tiefe aus dem Pankreas ausgelöst werden 
muss. Gazestreifen und Drainrohr. 

Glatte Heilung. — Nach 1 Jahr gute Nachricht. 

Mustiloculäre Cyste mit Epithelauskleidung der Wände. 

c) Pancreascyste mit Caroinom. 

25jähriger Patient. PrKI. XVIII. 424. Wurde 1 Jahr vor der Auf¬ 
nahme wegen eines beweglichen cystischen Pankreastumors operiert 
mittels Einnahung. Es blieb eine verschieden stark absondernde Fistel, 
und die Geschwulst verkleinerte sieh nicht. Daher 1 Jahr naob der 
ersten Operation Exstirpation der Cyste, aus sehr dichten Adhäsionen 
heraus, zwischen Magen und Quercolon. Unten sitzt ein markiger Tumor 
an, welcher sich rein aus dem Pankreas ausschälen lässt. Naht und 
Gazesfreifen. Glatte Heilung. 

Die Cyste ist multiloculär, 'die einzelnen Kammern mit Epithel 
ausgekleidet. Der kleinere anhaftende Tumor zeigt carcinomatösen Bau. 

Diskussion. 

Hr. Körte: Die Anamnese gibt diagnostische Anhaltspunkte, da die 
Cystadenome ohne Beschwerden wachsen. Sodann hat man ein opera¬ 
tives Diagnosticum, indem bei Freilegen die Cystenwand, die continuier- 
lich in die seröse Bekleidung übergebt, von dieser nicht abgrenzbar ist. 

Hr. Ewald weist auf die Unsicherheit der funktionellen Prüfungs¬ 
ergebnisse bei Pankreasaffektionen hin. 

Hr. Körte bestätigt dieses, besonders die Unzuverlässigkeit der 
Cammidgeprobe und des Zuokeroachweises. 

Hr. Albu: Wurde der Cysteninhalt auf Fermente untersucht? 

Hr. Körte: Dies geschah nicht, der Inhalt war alt und eitrig. 


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1474 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Hr. H. Strauss betont, dass auch da, wo manifeste Erscheinungen 
von Pankreasaffektion vorliegen, die komplizierten Proben selten noch 
weitere Anhaltspunkte liefern, als sie durch die makroskopische und 
mikroskopische Untersuchung des Stuhls ohnehin schon gewonnen werden. 

Hr. Körte: d) Pancreatitis acuta. 

Th., 62jähriger Mann. 500/1716. 3. V. 1914. 

Früher stets gesund gewesen. Erkrankte etwa 10 Tage vor der 
Aufnahme mit Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Mattigkeit, einmaligem 
Erbrechen. Die Schmerzen nahmen zu, der Leib trieb auf. 

5. V. 1914. Kein Fieber, geringer Icterus. Leib aufgetrieben, 
empfindlich. 

Im Epigastrium rechts am Rippenbogen eine entzündliche An¬ 
schwellung fühlbar. 

Schräge Inzision im rechten Epigastrium über dem entzündlichen 
Tumor. Eröffnung einer grossen Eiterhöhle mit fetziger Wand, Fett- 
gewebsnekrosen. Gallenblase, Magen, Duodenum zeigen keine Perforation. 

Unter reichlicher Eiterung und Abstossung nekrotischer Fettgewebs- 
bröokel tritt Heilung ein. 

2. Hr. Wildegans: 

Demonstration eines geheilten Lnngenabscesses. 

Ich möchte mir erlauben, Ihnen in aller Kürze eine 63jährige 
Patientin zu zeigen, die Ende März dieses Jahres in das Krankenhaus 
am Urban (chirurgische Abteilung) aufgenommen wurde. Sie hatte vier 
Wochen vor der Aufnahme eine Pleuritis durchgemacht und kam zu uns 
mit der Diagnose Empyem der Pleurahöhle rechts. Wir fanden bei der 
Frau die physikalischen Zeichen eines rechtsseitgen Empyems, im Sputum 
und bei der Probepunktion, die dicht hinter der Thoraxwand Eiter er¬ 
gab, keine elastischen Fasern, keine Fett-, Hämatoidin-, Cholestearin- 
kristalle, wie sie häufig bei Lungenabscessen Vorkommen. Die Patientin 
hatte keine beträchtlichen Exspectorationen, nur wenig eitrigen Auswurf, 
im Bereioh der Dämpfung auch nach ausgiebiger Exspectoration keine 
Andeutung eines tympanitischen Schalles, keinerlei sonstige Höblen- 
symptome bei Perkussion und Auskultation. Wir resecierten in Lokal¬ 
anästhesie die 8. Rippe rechts, um den vermeintlichen Eiter aus der 
Pleurahöhle zu entleeren, fanden das Cavum pleurae aber frei von akuten 
Entzündungsprodukten, dagegen Verwachsungen zwischen den Pleura¬ 
blättern und eine fluktuierende Vorwölbung im Bereich des rechten 
Unterlappens, der im übrigen atelektatisch war und sich nicht an der 
Atmung beteiligte. Die Punktion ergab einen putriden Brei mit kleinen 
Lungengewebsfetzen. Da ausgedehnte Pleuraverwachsungen bestanden, 
konnten wir von der sonst üblichen circulären Einnähung der Lunge 
absehen und nach Abstopfen der Pleura an die Pneumotomie gehen, 
die dicht unter der Lungenoberfläcbe in dem atelektatischen Lungen¬ 
gewebe eine grosse Eiterhöhle eröffnet©, in der sich mehrere kleine 
Lungensequester fanden. Die Höhle wurde gründlich gesäubert, die darin 
hängenden Gewebsfetzen aber unberührt gelassen, um Blutungen zu 
vermeiden, die ja neben der Pleurainfektion die Prognose der Lungen- 
abscesse ungünstig gestalten können. Wir drainierten mit umwickelten 
Gummiröhren, umwickelten, um die Arrosion von Gelassen zu vermeiden, 
und tamponierten. Im weiteren Verlaufe waren die LungengraDulationen 
anfangs wie gewöhnlich sehr spärlich, die Patientin konnte aber schon 
vor einigen Tagen mit guter Funktion der Lunge geheilt entlassen 
werden, ohne dass die betroffene Brustseite infolge der Lungenschrumpfung 
erheblich eingesunken wäre. 

Der Deoursus morbi lehrt, dass man die Diagnose eines Lungen- 
abscesses nicht abhängig machen darf von dem Nachweis elastischer 
Fasern, dass ferner bei genügenden Pleuraadhäsionen das Druckverfahren 
von untergeordneter Bedeutung ist, und dass schliesslich die Behandlung 
der Lungenabscesse, so lange sie solitär und oberflächlich liegen, zu 
einer dankbaren Aufgabe der Lungenchirurgie gehören. 

Diskussion. 

Hr. Bönniger fragt nach dem Röntgenbild. Auf diesem lässt sich 
der Lungenabscess leicht vom einfachen Empyem unterscheiden, wenn 
er das bekannte Bild des Flüssigkeitsspiegels mit einer Luftblase 
darüber zeigt. 

Hr. Körte: Röntgenaufnahme wurde nicht gemacht. Der Fall lag 
operativ ungemein günstig. 

3. Hr. A. Fraenkel: 

a) Ueber Eventratio diaphragmatica nnd subphrenischen Abscess. 

Vortr. berichtet zunächst unter Demonstration eines Röntgenbildes 
über einen vor Jahren auf seiner Abteilung im Krankenhause am Urban 
beobachteten und seinerzeit von F. ^Glaser 1 ) publizierten Fall von 
Eventratio, in welchem die Diagnose anfänglich auf Hernia diaphragmatica 
gestellt war. Dazu hatte, wie das Röntgenbild deutet, eine Art Achsen¬ 
drehung des eventrierten Magens stattgefunden, wodurch sich nicht nur 
die Schwere der Magensymptome (Bluterbrechen), sondern auch der 
Irrtum der Diagnose erklärte. In gleicher Weise war der Fall einige 
Monate vorher auf der Gerhardt’schen Klinik der Kgl. Charite falsch 
gedeutet worden. Durch die von Körte ausgeführte Laparotomie wurde 
der wahre Tatbestand festgestellt. Als der Patient ein Jahr später an 
einem Zungenkrebs starb, konnte das Ergebnis der Autopsie in vivo 
durch die Sektion bestätigt werden. Es handelte sich um eine myogene 
Muskelatrophie (Prof. Ben da) der linken Zwerchfellhälfte, eioe Art 
lipomatöse Pseudohypertrophie, welche zu der höchstwahrscheinlich er- 

I) D. Arch. f. klin. M., Bd. 78. 


worbenen Lähmung geführt hatte; der Stamm des N. phrenicus, des¬ 
gleichen sein Kerngebiet im Rückenmark war intakt. 

Neuerdings beobachtete Vortr. einen zweiten Fall bei einer 70 jähr., 
an Arteriosklerose leidenden Dame, bei der neben Atembeschwerden 
gleichfalls die Magensymptome im Vordergründe standen. Hier wurde 
von vornherein auf Grund des physikalischen Befundes: hoher tympa- 
nitischer Schall in der linken Thoraxseite, sowie im Bereich der Hinter- 
wand bis hinauf zur Mitte der Scapula unter abgeschwächtem Atem¬ 
geräusch daselbst und Verschiebung des Herzens nach rechts, die richtige 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestellt. Das Röntgenbild bestätigte sie in 
unzweifelhafter Weise. Es zeigte sich ausser dem abnormen Hochstand 
der linken Diaphragmahälfte nebst aussergewöhulich grosser Magenblase 
sowie der beträchtlichen Dislokation des Mediastinums eine starke 
Scbattenbildung am Hilus der Lunge, so dass vielleicht Druck ver- 
grösserter Drüsen bzw. ein paradenitischer Prozess lur Lähmung des 
N. phrenicus, der bekanntlich beiderseits auf der Aussenseite des Herz¬ 
beutels herabläuft, bei dieser Patientin geführt hatte. 

Die Eventratio diaphragmatica, welche in der Regel links¬ 
seitig ist, ist in einem Teil der Fälle angeboren, in einem anderen, wie 
bei den Beobachtungen des Vortr., erworben. Bei den angeborenen 
Fällen sind meist noch andere Bildungsanomalien, z. B. DreilappenbilduDg 
der linken Lunge, Hasenscharte mit und ohne Gaumenspalte, Iriscolobom 
vorhanden welche für kongenitale Entstehung sprechen. Bei den er¬ 
worbenen halbseitigen Lähmungen handelt es sich, abgesehen von Traumen, 
welche den N. phrenicus in seinem Verlaufe am Halse treffeD, um ent¬ 
zündliche Prozesse, welche den Nerven, da wo er auf den Herzbeutel 
hinausläuft, schädigen bzw. um Druck von Tumoren, oder die Lähmung 
beruht auf einer myopathiseben Erkrankung des Diaphragma (Fall Glaser, 
Ben da), oder sie ist endlioh durch einen den Muskel beteiligenden, ent¬ 
zündlichen Vorgang (Pleuritis diaphragmatica — subphrenischei Abscess) 
verursacht. 

Die Symptome der Eventration sind dreifacher Art: i. subjektive 
Beschwerden der Kranken, bestehend in Uebelkeit, Erbrechen, Atmungs¬ 
und Herzbeschwerden, letztere bedingt durch die Verschiebung des 
Mediastinums und Druck auf das Herz, sowie die Lunge der anderen 
Seite. 2. Lauter, tympanitischer Schall über der unteren Thoraxhälfte 
der Seite der Lähmung mit abgeschwächtem Atmen daselbst, ferner Dis- 
locatio cordis nach der entgegengesetzten Seite, sowie ein mit der 
normalen inspiratorischen Hervorwölbung des Epigastriums in Widerspruch 
stehendes, halbseitiges Einsinken desselben bei tiefem Luftholen, dem 
umgekehrt bei der Exspiration eine Hervortreibung der betreffenden 
Hälfte des Epigastriums folgt. Dieses paradoxe Verhalten der einseitigen 
epigastrischen AtmungsbeweguDg beruht darauf, dass infolge zunehmender 
Druckverringerung im Cavum thoracis während des Inspiriums die ge¬ 
lähmte Zwerchfellseite in verstärktem Maasse nach oben aDgesaugt wird. 
3. Das Röntgenbild, welches einen abnorm hohen Stand der betreffenden 
Diaphragmahälfte nebst Verlagerung der darunter befindlichen Eingeweide 
(besonders Magen nach oben) zeigt; doch kann gerade dieses Bild, wie 
der erste Fall des Vortr. beweist, gelegentlich auch Irrtümer der Diagnose 
erzeugen. 

Als Typus einer durch entzündliche Zwerchfelllähmung 
verursachten Eventration demonstriert Vortr. die Röntgenbilder eines 
Falles von rechtsseitigem subphrenischen Abscess. Derselbe 
betraf eine 52 jährige Frau, welche seit 3 Jahren an periodischen Magen¬ 
schmerzen litt, die meist 1— V/ 2 Stunden nach der Nahrungseinnahme 
auftraten. Die Lebergegend war bei der Patientin znr Zeit der Auf¬ 
nahme stark druckempfindlich, die Leber selbst wenig vergrössert. Am 
2. Tage nach der Aufnahme in das Krankenhaus trat Fieber auf and 
2 Tage später machte sich pleuritisches Reiben hinten rechts unten 
bemerkbar. Allmählich gingen diese Symptome wieder zurück, bis drei 
Wochen später unter erneutem Temperaturanstieg sich plötzlich lauter 
tympanitischer Schall über der unteren rechten Thoraxhälfte entwickelt, 
welcher vorn rechts sich bis zur 2. Rippe, hinten vom Rippenrand bis 
zur Spina scapulae nach aufwärts erstreckt. Im Bereiche dieser Zonen 
war das Atemgeräusch völlig aufgehoben. Das Herz war stark nach 
links verdrängt, der Befund über dem Abdomen gegen früher insofern 
verändert, als die Leber jetzt abnorm tiefstehend, d. h. nach abwärts 
gedrängt war' und noch druckempfindlicher als früher erschien. Auf 
Grund dieser Zeichen wurde die Diagnose: subphrenischer Abscess in¬ 
folge eines perforierten Darm- oder Magengeschwürs gestellt. Die Röntgen¬ 
aufnahme bestätigte die bestehende rechtsseitige Zwerchfelllähmung, 
indem die Kuppe des Diaphragmas auf dieser Seite bis zur 2. Rippe 
nach aufwärts reichte. Bedauerlicherweise war der Allgemeinzustand 
der Kranken ein so bedenklicher, dass von einem operativen Eingriff 
Abstand genommen werden musste. Zwei Tage nach der Feststellung 
der Perforationssymptome erfolgte der Exitus. Die Autopsie ergab ein 
Ulcus perforans duodeni, welches zu einem abgekapselten Gasabscess 
unter der rechten Zwerch fellhälfte geführt hatte. 

Schliesslich macht der Vortr. auf die Unterschiede der Symptome 
aufmerksam, welche — im Gegensatz zu anderen Entstehungsweisen der 
Eventratio diaphragmatica — bei solchen Fällen von einseitiger Zwercb- 
felllähmung bestehen, die auf subphrenischer Abscessbildung mit starker 
Gasentwicklung beruhen. Während bei letzteren die Unterleibsorgane 
auf der erkrankten Seite so stark nach abwärts gedrängt werden, dass 
namentlich die Leber manchmal zugleich eine völlige AchsendrebuDg er¬ 
fährt, findet (vgl. oben) bei anderen Entstehuogsweisen der Eventratio 
ein Teil der Organe der Bauchhöhle in dem erweiterten Cavum subdia* 


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8. Angust 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1475 


phragmaticum der betreffenden Thoraxhälfte Platz, d. h. wird nach oben 
verlängert. 

b) Ueber Pneumothorax artifleialis bei Lungentuberkulose. 

Die Anlegung und Unterhaltung des Pneumothorax ist, von sach¬ 
kundiger Hand ausgeführt, ein durchaus gefahrloses Unternehmen. Die 
Kontrolle wird durch das Wassermanometer geübt. Nur, wenn dieses 
deutliche und regelmässige, mit den Iuspirationsbewegungen synchrone, 
negative Schwankungen aufweist, dürfen die Stickstoffeinblasungen vor¬ 
genommen werden. In keinem einzigen Falle haben sich naoh dem Vortr. 
bedrohliche Erscheinungen ereignet. Die Indikationsstellung ist im Laufe 
des letzten Jahres von ihm dahin geändert worden, dass nicht vorwiegend 
vorgeschrittene einseitige Lungentuberkulosen in Behandlung genommen 
wurden, sondern vielmehr solche Fälle, welche nach der Turban’schen 
Einteilung sich an der Grenze zwischen erstem und zweitem Stadium 
befanden, dabei aber eine unverkennbare Neigung zur Progredienz 
zeigten. Bei diesen Kranken sind die Aussichten auch insofern günstiger, 
als meist das Fehlen ausgedehnter Verwachsungen nicht störend wirkt. 
Dementsprechend waren die Erfolge durchaus zufriedenstellende. 

Was das Verhalten der Pleura nach längere Zeit unterhaltenem 
künstlichen Pneumothorax betrifft, so haben zur Autopsie gelangte Fälle 
gezeigt, dass ein leichter Grad fibrinöser Entzündung sich entwickelt; 
man findet an Stelle der spiegelnden Oberfläche des Brustfelles feine, 
diffuse, spinnengewebeartige Faserstoffauflagerungen. Diese geringfügige 
Entzündung bewirkt auch, dass naoh dem Aussetzen der Einblasungen 
sich lockere Adhäsionen bilden, die, wenn nach Monaten die Wiederauf¬ 
nahme des Verfahrens angezeigt erscheint, sich relativ leicht lösen, so 
dass es meist unschwer gelingt, von neuem einen freien Pneumothorax 
anzulegen. Bestehen von vornherein ältere circumscripte Verwachsungen 
au verschiedenen Stellen des Pleuraspaltes, so kommt es vor, dass selbst 
nach Einblasungen von 400—500 ccm Gas auf der Röntgenplatte nichts 
von dem eingeführten Stickstoff zu sehen ist, indem derselbe sieb in den 
Maschenräumen zwischen den Adhärenzen verteilt und dadurch auf der 
Platte unsichtbar wird. Bei grösserer Ausdehnung der Verwachsungen, 
welche sich durch mangelnde Ausschläge des Manometers oder durch 
schnellen Uebergang des letzteren in positiven Druck auch beim Inspi¬ 
rieren verraten, soll von den Einblasungen überhaupt Abstand genommen 
werden. Jedenfalls ist der Versuch, die Adhäsionen durch Anwendung 
stärkerer Drucke zu sprengen, aufs Energischste zu widerraten. Man 
riskiert sonst bei Vorhandensein von Cavernen, die in der Lungenober- 
fläche sich befinden, eventuell das Einreissen der Wand und die Ver¬ 
wandlung des Pneumothorax artifleialis in einen Pneumothorax verus, 
welcher leicht in einen Pyopneumothorax übergehen kann, was den 
Patienten sicher zum Naohteil gereicht. Auf Läsionen der Pleura beruht 
wahrscheinlich auch die Entwicklung serös-fibrinöser Ergüsse. Solche 
Läsionen bzw. Einrisse des pulmonalen Brustfellüberzuges können sich 
bei vorhandenen circumsoripten Adhärenzen leicht ereignen, wenn zu viel 
Gas eingeblasen wird. Vortr. pflegt daher in einer SitzuDg durchschnitt¬ 
lich nicht mehr als 400, höchstens 500 ccm einzuführen, dafür aber die 
Injektionen öfter — jede Woche 1—2 mal — zu wiederholen. Diese 
geringen Mengen bieten den Vorteil, dass durch sie nicht das Herz be¬ 
lastet wird, während sie andererseits zur RuhigstelluDg der erkrankten 
Lunge genügen. Drei von dem Vortr. vorgestellt'e weibliche Kranke 
zeigen den Erfolg der Behandlungsmethode. Bei zweien von ihnen be¬ 
stehen mehrfache circumscripte Verwachsungen, weswegen trotz regel¬ 
mässig fortgesetzter Einblasungen auf dem Röntgenbildo der Pneumo¬ 
thorax nicht erkennbar ist. Die dritte Kranke hatte sich nach drei¬ 
monatiger Behandlung deren Fortsetzung entzogen, kehrte aber 8 Wochen 
später ins Krankenhaus zurück. Der Pneumothorax erwies sich als voll¬ 
ständig verschwunden. Trotzdem gelang seine Wiederherstellung — und 
zwar einer freien, nicht duroh Adhärenzen verdeckten Luftansammlung, 
wie die Röntgenplatte zeigt — in leichter Weise. 

Zur Technik bemerkt der Vortr., dass er seit langer Zeit das 
Brauer’sche Verfahren der Durchschneidung der intercostalen Weiohteile 
bis zur Pleura-verlassen hat und die Einblasungen einfach mit der Nadel 
voraimmt unter vorheriger Anlegung eines 1 cm langen, lediglich die 
Epidermis und das Corium durchtrennenden Sohnittes. 

Diskussion. 

Hr. Umber betont die Notwendigkeit der Beobachtung im Röntgen¬ 
schirm bei der Diagnose der Zwerchfelllähmung. Er erwähnt einen Fall 
von rechtseitiger, postdiphtherischer ZwerchfelIlähmuDg bei einerKranken 
seiner klinischen Beobachtung; hier war im Röntgenschirm bei der In¬ 
spiration eine exquisite inspiratorische Ansaugung der rechten Zwerch- 
iellhälfte naoh oben zu erkennen, die dem äusserlich sichtbaren Ein- 
sinken des Epigastriums entsprach. 

Hr. Zinn: Von 78 Fällen, bei welchen Pneumothoraxbehandlung 
sugezeigt war, gelang die Anlegung in 57 Fällen. Von diesen 57 Fällen 
sind relativ geheilt 7. Gebessert, meist arbeitsfähig, 17. Unbeeinflusst 
i Ungünstig beeinflusst 2. Gestorben, während der Behandlung, 10 
(von vornherein schwere aussichtslose Fälle). Noch in Behandlung 12. 

Sowohl die Schnitt- wie die Stichmethode ist mit gleich gutem Er¬ 
gebnis anwendbar. loh bevorzuge meist die Schnittmethode, weil sie 
vielleicht doch noch etwas sicherer ist. 

~ v. e ^ was vreiter gehenden Indikationsstellung des Herrn Fraenkel 
mochte ich durchaus zustimmen. Die Resultate werden günstiger, wenn 
man nicht nur die sehr schweren einseitigen Fälle in vorgerücktem 
p •t* 11 ? Gehandelt, sondern zu einer Zeit, bevor sie dieses Stadium er¬ 
reicht haben, die Behandlung einleitet. Wenn möglich, schicken wir 


die Kranken erst in eine Heilstätte, welche bei ungünstiger Tendenz des 
Leidens uns die Fälle zu Pneumothoraxbehandlung zurüokschickt. 

Bezüglich der Stickstofimengen halte ich in der Mehrzahl der Fälle 
für die ambulante Behandlung die seltenere Füllung etwas grösserer 
Mengen (600, 800 ccm N) für praktischer. 

Die Erfolge der Behandlung bei günstig gestellten Patienten, die 
sich alle Vorteile der Tuberkulosetherapie sonst gewähren können, sind, 
das wird jeder bezeugen können, der darüber Erfahrung hat, immer 
wesentlich bessere als die Krankenbausfälle, deren ungünstige soziale 
Lage natürlich nachteilig wirkt. Alles in allem bleibt die Pneumo¬ 
thoraxbehandlung ein wesentlicher Fortschritt, der uns ermöglicht, 
manchen Kranken, der früher sicher verloren war, zu retten und eventuell 
zu heilen. 

Hr. Derendorf berichtet kurz über die Resultate der Pneumo- 
thoraxbehandlung im Krankenh&use Bethanien. Der künstliche Pneumo¬ 
thorax wurde anzulegen versucht bei 35 Kranken. Wegen Pleura¬ 
verwachsungen war er 9 mal überhaupt nicht ausführbar, 2 mal ganz 
unzulänglich, so dass man den Pneumothorax, als aussichtslos, naoh 
einigen Wochen eingehen liess. Einmal sah D. einen günstigen Erfolg 
von einem partiellen Pneumothorax. In der Regel war der Erfolg der 
Pneumothoraxtherapie um so besser, je vollkommener der erreichte 
Lungcncollaps war. Vollkommener Lungencollaps — ohne jeden Ver¬ 
wachsungsstrang — wurde nur bei zwei Fällen erreicht, das eine Mal 
bei einer Kranken, die wegen lebensbedrohender, auf andere Weise nicht 
still barer, Hämoptoe operiert wurde. Der Erfolg war ein vollkommener. 
Der zweite Fall betraf einen Kranken mit ganz akut in die Erscheinung 
tretender und rapid fortschreitender Tuberkulose. Auch hier prompte 
Entfieberung, Aufhören des Hustens und Auswurfs, Gewichtszunahme, 
Wiederkehr voller Arbeitsfähigkeit. Der Pneumothorax wird noch weiter 
unterhalten. 

Schmale VerwachsuDgsstränge beeinträchtigen den Erfolg der 
Therapie nicht, sofern sie dehnbar sind und nicht durch ihren Sitz eine 
besonders ungünstige Wirkung üben. Zwei Kranke, bei denen eine 
Caverne durch lateral ausetzende Pleurastränge am Zusammensinken 
gehindert wurde, sind an Verblutung aus einem arrodierten Cavernen- 
gefäss zugrunde gegangen. 

Von den 23 Kranken mit meist schwerster Phthise, bei denen die 
Anlegung eines grossen Pneumothorax gelang, sind 7 gestorben. 

Zwei Kranke sind jetzt ein Jahr naob dem Eingehen des Pneumo¬ 
thorax gesunde, voll arbeitsfähige, blühende Menschen geworden (Ge¬ 
wichtszunahme 35 bzw. 26 Pfund). Abgeschlossen ist die Behandlung 
sonst nur noch bei zwei Patienten. Erfolg sehr gut. Alle anderen sind 
noch in Behandlung. Der grössere Teil von ihnen ist durch die Therapie 
sehr günstig beeinflusst und lässt ein gutes Endresultat erwarten. Ob 
alle Hoffnungen sich schliesslich erfüllen werden, stebt dahin; sicher 
aber ist, dass die Mehrzahl der Kranken ohne diese Therapie jetzt ent¬ 
weder tot oder kachektisch wäre- 

Hr. Karewski fragt, wieviel Fälle in relativer Heilung sich be¬ 
finden, wenn nach Jahr und Tag der Pneumothorax zu existieren auf- 
gehört hat. 

Hr. A. Fraenkel betont, dass es sich um Stillstände des Prozesses 
handelt, welche durch die Behandlung erzielt werden, also um eine, wie 
Herr Karewski bemerkt, relative Heilung, deren Dauer bei der noch 
nicht zu langen Erfahrung nicht feststeht. 

Hr. J. W. Samson: Zu der Frage des Herrn Prof. Karewski, 
wieviel Dauerheilungen mit dem künstlichen Pneumothorax bei Lungen¬ 
tuberkulose erzielt werden können, möchte ich mir folgende kurze Be¬ 
merkung erlauben. Solche Dauerheilungen sind von einer grossen An¬ 
zahl von Autoren berichtet worden. Ich selbst habe ganz kürzlich erst 
Gelegenheit genommen, einen Fall von ausserordentlich schwerer ein¬ 
seitiger Lungentuberkulose, der vollkommen ausgeheilt ist, in der 
medizinischen Gesellschaft vorzustellen. Mein bisheriges gesamtes Material 
beträgt einige 30 Fälle, von denen ich zwei zur völligen Ausheilung 
bringen konnte. Brauer und Sprengler haben in ihrer grossen Arbeit 
vor einigen Jahren insgesamt über 120 Fälle berichtet, wovon 15 voll¬ 
kommen ausgeheilt worden sind, d. h. sie haben sich bis zu 4 Jahren 
nach Eingehen des Pneumothorax wohl befunden und keine klinischen 
Erscheinungen von Lungentuberkulose mehr dargeboten. Es ist ohne 
weiteres zuzugeben, dass diese vollkommenen Heilungen im Verhältnis 
zu der Gesamtzahl der mit dem Verfahren behandelten Fälle nur eine 
kleine Anzahl betragen, aber diese Heilungen sind eben mit keinem 
anderen Verfahren bei so schweren Fällen von Lungentuberkulose so zu 
erreichen wie mit künstlichem Pneumothorai. Ausserdem darf man 
aber die grosse Anzahl von relativen Heilungen auf längere Zeiträume 
nicht unterschätzen. Ein anderer Punkt, den ich erwähnen möchte, be¬ 
trifft die Menge des Stickstoffs, der eingefüllt werden soll. Herr Ge¬ 
heimrat Fraenkel hat, wenn ich recht verstanden habe, gesagt, dass er 
seine Patienten zweimal wöchentlich nachfüllt und jedesmal 400 ccm 
einfliessen lässt. Es ist ohne weiteres zuzugeben, dass derartig kleine 
Stickstoffmengen, oft sogar noch wesentlich kleinere Mengen vollkommen 
genügen, das gewünschte Resultat zu erreichen, nämlich eine Ruhe¬ 
stellung der Lunge. Diese hängt nämlich viel weniger von den Stick¬ 
stoffmengen, als von den Druckverhältnissen ab, und der Erfolg kann 
ein durchaus guter sein, wenn es gelingt, den Druck so zu regulieren, 
dass keine wesentlichen negativen Schwankungen bei der Inspiration 
mehr entstehen, also die Lunge bei der Atmung stille steht. Indessen 
dürften diese häufigen kleinen Mengen doch gewisse Naoh teile haben. 


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1478 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Solange die Patienten im Hospital sich befinden, lässt sich ja eine so 
häufige Stickstoffeinfüllung ohne weiteres vornehmen. Wie aber, wenn 
sie aas dem Hospital entlassen sind? Es wird schwer sein, die 
Patienten auf so lange Zeiträume bin, wie die Behandlung mit künst¬ 
lichem Pneumothorax sie erforderlich macht, wöchentlich zweimal zu 
einer Nachfüllung zu bekommen, besonders wenn sie ihrer Arbeit wieder 
nachgehen. Denn die Behandlung mit dem künstlichen Pneumothorax 
muss eine sehr langdauernde sein. Die pathologisch-anatomischen Ver¬ 
änderungen, welche die Lungentuberkulose in dem erkrankten Organ 
setzt, heiten erst nach sehr langen Zeiträumen aus, d. h. es bedarf 
einer sehr langen Zeit, um bindegewebige Vernarbungen hervorzurufen, ln 
dem einen eben erwähnten Falle habe ich im ganzen 20 Monate gebraucht, 
in einem anderen Falle 24 Monate, also volle 2 Jahre, ln wesentlich 
kürzeren Zeiträumen wird sich kaum eine wirkliche Heilung erzielen 
lassen. Indessen glaube ich, kann man mit den Stickstoffmengen wohl 
ohne jeden Schaden für den Patienten etwas kühner sein. Ich habe 
zurzeit etwa 10—12 Fälle in ambulanter Behandlung. Die Stickstoff¬ 
mengen bei den Patienten schwanken, je nach der Grösse des Pneumo¬ 
thorax, von 250 ccm in dem Fall mit geringster Menge bis zu 1500 ccm, 
also IV 2 Liter. Man kann selbst, wenn man den Zustand der Kranken 
genau und gut beobachtet, noch wesentlich grössere Mengen ohne 
Schaden für den Kranken einfüllen. Meine Patienten, die nach Anlage 
des künstlichen Pneumothorax fast sämtlich ihrer gewohnten Beschäfti¬ 
gung wieder nachgehen, kommen in Abständen von etwa 3, 4, auch 
6 Wochen zu mir in die Privatklinik, werden nachgefüllt und fahren 
dann wieder nach Hause, um am folgenden Tage ihrer Arbeit nachzu¬ 
gehen. 

4. Hr. A. Plehü: 

a) Fall von gleichzeitiger Entleerung eines Leherabscesses durch 
die Bronchien and durch die Brnstwand. b) Arteficieller Sero- 
pnenmothorax. 

a) C.-K. A, Anfang 1912 in Ostasien Blinddarmbeschwerden. 
Operation, die alte Prozesse zeigt. 7 Monate später Pleuritis, die 
punktiert wurde. Darauf trat ein Leberabscess hervor, der durch 
das Zwerchfell in die Lunge und die Bronchien durchbrach und teil¬ 
weise ausgehustet wurde; zugleich aber bahnte er sich auch den direkten 
Weg nach aussen und wurde kurz vor der Perforation durch Rippen¬ 
sektion operiert. 

Auf der Rückreise in Colombo Amöbenenteritis; durch subcutane 
Injektion — wohl mit Emetin — geheilt. 

Mai 1913. Bis auf ziehende Schmerzen in der Brust und Ver¬ 
dauungsstörungen Wohlbefinden. 

Status: Lunge hinten in normaler Ausdehnung lufthaltig; vorn 
Dämpfung bis zur 3. Rippe nach aufwärts; bis 2 Querfinger oberhalb 
der Rippenbogen tympanitischer Darmschall. 

Schirm: Zwerchfell rechts ganz unbeweglich. Platte: Kuppel¬ 
förmiger, scharfbegrenzter Schatten rechts bis zur 3. Rippe empor¬ 
reichend; anfangs für Leber gehalten. 

Strahlenförmige Narben im rechten Lungenfeld, vom Gipfel der 
Kuppel ausgehend. 

Ordination: Erst Kissingen, dann Gebirge. 

Mai 1914. Platte: Geringe Aulheilung des Schattens rechts. 
Sohirm: Zwerchfell gut beweglich. Der oberhalb desselben 
befindliche, jetzt deutlich davon abgrenzbare, scharf konturierte kuppel¬ 
förmige Schatten macht die Bewegungen des Zwerchfells mit. 

Es kann sich demnaoh nicht um Pleuraschwarten handeln, sondern 
wahrscheinlich um die derb-fibröse Wand des ausgeheilten Lungen- 
abscesses. — Der Herr ist vollkommen dienstfähig und hat keine Be¬ 
schwerden. 

(Demonstration der Platten.) 

b) C. W., 39 Jahre alt, 1914, Nr. 155. Mitte März auswärts wegen 
Pleuritis punktiert; danach Steigerung seiner Beschwerden; hatte das 
Gefühl, als wenn sich Flüssigkeit in seiner Brust bewegte. Später Husten 
und Auswurf. 

8. IV. Aufgenommen. Etwas Dyspnoe; leichte Cyanose. Inter- 
costalräume rechts verstrichen; rechte Seite bleibt bei der Atmung 
zurück. Tympanitischer Klopfschall; Metallklang bei Plessimeterstäbchen¬ 
perkussion. Atemgeräusch abgeschwächt. Fremitus aufgehoben; Suceussio 
Hippokratis; vom 7. Darmfortsatz abwärts intensive Dämpfung. Leber 
etwas nach abwärts gedrängt, Herzlage fast normal. Im Auswurf 
Tuberkelbacillen. Unregelmässiges Fieber. 

15. IV. Zustand unverändert. Mit Fürbringer’schem Apparat werden 
650 ccm klares Exsudat und viel Luft abgesaugt. Die Punktion wurde 
möglichst tief — im 8. Intercostalraum — gemacht. 

Einige Tage darauf zeigte sich auf dem Röntgenschirm die merk¬ 
würdige Erscheinung, dass zwei, offenbar durch Verwachsungen und 
Luftreste getrennte, übereinanderlie’gende Flüssigkeitsspiegel zu beob¬ 
achten waren, die bei Körpererschütterung unabhängig voneinander 
Wellen gaben. 

Auch auf der Platte traten die beiden geraden horizontalen Linien 
deutlich hervor, welche der Flüssigkeitsoberfläche entsprachen. (Demon¬ 
stration.) 

In der Folge gingen die Temperaturen allmählich zurück; die Lunge 
entfaltete sich, und die Exsudatreste wurden organisiert. 

Am 27. V., etwa 6 Wochen nach der Punktion im Krankenhaus, 
konnte Pat. arbeitsfähig entlassen werden. 

(Demonstration der Röntgenbilder.) 


5. Hr. A. Brentano: 

Ein Fall von operativ geheiltem Pankreaoeareinom. 

In dem Falle, über den ich beute abend berichten möchte, bandelte 
es sich um ein Carcinom des Pankreaskopfes. Das Bemerkenswerte des 
Falles beruht darin, dass der Tumor auch nach seiner operativen Frei¬ 
legung gar nicht den Eindruck einer Geschwulst, geschweige denn eines 
Carcinoms machte, sondern wegen seiner prall elastischen Konsistenz, 
seiner kugeligen Form und seiner deutlichen Abkapselung viel eher für 
einen Abscess oder eine umschriebene Nekrose als für eine maligne 
Neubildung gehalten werden musste. Dementsprechend wurde er nicht 
exstirpiert, was vielleicht möglich gewesen wäre, sondern nur inzidiert, 
ausgekratzt und das Geschwulstbett tamponiert. Erst die mikroskopische 
Untersuchung der ausgekratzten Massen deckte die maligne Beschaffen¬ 
heit der Geschwulst auf. Wenn nun auch der Fall nach einer lange 
bestehenden Pankreas- und Duodenalfistel schliesslich zur Heilung kam, 
so wage ich doch nicht zu hoffen, dass diese Heilung von langer Dauer 
sein wird. 

Die Patientin, um die es sich handelt, erlaube ioh mir Ihnen vor- 
zustellen. Sie ist 48 Jahre alt und litt seit etwa 2 Jahren an Schmerz- 
anfällen, verbunden mit Gelbsucht, die als Gallensteiokoliken gedeutet 
werden mussten. Die Zunahme ihrer Beschwerden seit Weihnachten 1913 
veranlasste sie am 20. Februar 1914 zur Aufnahme in das Krankenbaus 
am Urban. Der Befund, der hier erhoben wurde, machte eine Gallen- 
blasenentzüodung infolge von Steinen wahrscheinlich. Es bestand leichter 
Icterus bei normaler Temperatur und eine deutlich fühlbare Resistenz 
in der Gallenblasengegend. Der Stuhlgang war gefärbt, der Urin aber 
gallenfarbstoffhaltig. 

Am 25. Februar d. J. operierte ich die Patientin, fand eine stark 
vergrösserte Gallenblase ohne ausgesprochene Wandveränderungen. Die 
Blase enthielt keine Steine, sondern nur grüngelbe, normal aussehende 
Galle. Auch die Gallengänge schienen bei der Betastung von aussen 
und der Sondierung von innen keine Steine zu enthalten. Dagegen 
fühlte man hinter dem Duodenum, dem Pankreaskopf entsprechend, 
einen rundlichen Tumor von prallelastiscber Konsistenz und der un¬ 
gelähren Grösse eines kleinen Apfels, der im ersten Augenblick ganz 
den Eindruck eines Abscesses machte. Mehrfache Probepunktionen blieben 
aber erfolglos. Ich inzidierte deshalb die Geschwulst, nachdem ich das 
Peritoneum über ihr und eine dünne Schicht Pankreasgewebe zwisohen 
zwei Ligaturen durchtrennt hatte. Nach der Inzision quollen schwammig¬ 
weiche blauschwarze Massen aus der Geschwulst heraus, die durchaus 
an nekrotisches Pankreasgewebe erinnerten. Beim Eingeben mit dem 
Finger fühlte man deutlich, dass die Geschwulst eine glattwandige 
Kapsel hatte, wie man sie bei malignen Tumoren in der Regel nicht zu 
finden pflegt. Die weichen Massen wurden nach Möglichkeit mit dem 
Steinlöffel entfernt und das leere Gesohwulstbett mit Jodoformgaze 
tamponiert. Vorher war der Choledochus von dem gespaltenen Cysticus 
aus drainiert worden. In der Folge entwickelte sich nach der Ent¬ 
fernung der Tamponade eine Pankreas- und Duodenalfistel, aus der sich 
fast alle aufgenommene Nahrung entleerte, und die die Patientin sehr 
herunterbracbte. Schliesslich schlossen sich aber die beiden Fisteln von 
selbst, und Pat. erholte sich so, dass man an der Diagnose der Malignität 
des Tumors irre werden konnte, wenn nicht das mikroskopische Präparat, 
das ich Ihnen unter dem Mikroskop aufgestellt habe, und das von Herrn 
Prosektor Dr. Koch aogefertigfc ist, die Diagnose sicherstellte. Immerhin 
ist es bemerkenswert, dass die Patientin jetzt mehr wiegt wie jemals 
vor der Operation, sich ganz wohl fühlt, und dass von einem Tumor 
zurzeit, also etwa 4 Monate seit dem Eingriff, nichts zu fühlen ist. 
Sie wird gegenwärtig noch mit Röntgenstrahlen weiter behandelt. 

6. Hr. Max Koch: a) Fall von Mediastinalaktinomykose, 

Sehr dekrepide 38 jährige verheiratete Frau, die seit 6 Monaten naoh 
Angabe des behandelnden Arztes an Herzbeschwerden, Stichen, Atemnot 
und Oedemen der Beine gelitten. Herzdämpfung nach rechts und links 
um 3 Querfioger verbreitert, Spitzenstoss ausserhalb der Mammillarlinie; 
typischer Galopprhythmus über dem ganzen Herzen. Kein Fieber. Pals 
anfangs vom Typus des Pulsus bigeminus, später gleichmässig stark, 
Frequenz 120. Am Abend des zweiten Tages ihres Krankenhaus¬ 
aufenthalts plötzlicher Exitus. 

Bei der Sektion fand sich eine totale Concretio perioardii. Media¬ 
stinum und Umgebung des Herzens werden von dicken, schwieligen 
Massen eingenommen, die eine auffallende, hellgrüne (bei der Kon¬ 
servierung verschwundene) Färbung zeigen und vielfach von Grauulations- 
gewebe mit Actinomycesdrusen durchsetzt sind. Eiter und Actinomyces¬ 
drusen zeigten ebenfalls die auffällige hellgrüne Färbung. Die für 
Actinomyces sonst so charakteristischen verzweigten bräunlicbgelben 
Einsprengungen, die von der Verfettung des Granulationsgewebes in der 
Umgebung der einzelnen Drusen herrühren, waren nur an einigen Stellen 
wahrnehmbar. Im Herzfleisch selbst fanden sich einige wenige, höchstens 
erbsengrosse Herde. Beide Herzohren waren mit parietalen Thromben 
ausgekleidet, in denen ebenfalls Actinomycesdrusen nachgewiesen wurden. 
Ob auch die in der rechten Lunge vorhandenen hämorrhagischen und die 
in Milz und Nieren vorhandenen anämischen Infarkte derartige Pilzmassen 
enthalten, muss erst eine weitere mikroskopische Untersuchung erweisen. 

Die Eintrittspforte für die Infektion liess sich in diesem Falle nicht 
mit Sicherheit nachweisen; da die Veränderungen an den Bronchial¬ 
drüsen am weitesten fortgeschritten, so dürfte sie wohl mit einiger Wahr¬ 
scheinlichkeit hier zu suchen sein. 

(Demonstration von makroskopischen und mikroskopischen Präparaten.) 


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UMIVER5ITY O F IOWA 



3, August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1477 


b) Demonstratio» eia er eigentümlichen Oesiehtemissbildang dnrch 
Anftreihug der mittleren Nasenmoscheln. 

Yortr. zeigt 2 Fälle von symmetrischer blasenförmiger Auftreibung 
der mittleren Nasenmuscheln, die bei dem ersten je ungefähr die Grösse 
einer Walnuss, bei dem zweiten die eines Gänseeies erreichte. 

In dem ersten Falle handelt es sieb um eine 21 jährige Arbeiterin, 
die an Lungentuberkulose verstorben ist. An dem Gesicht fällt der 
breite Zwisohenraum zwischen den Augen (5 cm) und der verbreiterte 
nnd wie gespalten erscheinende Nasenrücken auf. An der Oberlippe 
findet sich eine oberflächliche mediane Spaltung, ebenso am Gaumen. 
Nach Angabe des Bruders wurde Pat. im ersten Lebensjahre im Elisabeth- 
Kinderkrankenhause operiert, „wodurch der bis dahin wie ein „Klump“ 
aussehende Schädel erst eine Nase und ein erträgliches Aussehen er¬ 
halten habe“. Ob der Zwischenraum zwischen den Augen von Anfang 
an abnorm breit gewesen oder ob er sich allmählich erst verbreitert und 
ob die Verbreiterung schliesslich sistierte, darüber Hess sich nichts in 
Erfahrung bringen. 

Durch diesen Fall wurde Yortr. veranlasst, ein in der Sammlung 
des pathologischen Instituts des städtischen Krankenhauses am Urban 
befindliches, noch von Herrn Prof. Ben da herrührendes Präparat, dessen 
weitere Bearbeitung ihm freundliehst von Herrn Prof. Ben da überlassen 
wurde, einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Pathologisch¬ 
anatomisch war dieser Fall bisher unter der Bezeichnung „Osteome des 
Siebbeins“ rubriziert worden, während die klinische Diagnose auf „ossi- 
fizierte Fibrome des Nasenrachenraumes mit Gesichtsmissbildung“ ge¬ 
lautet batte. Ein Frontalschnitt durch den Schädel brachte Vortr. die 
Bestätigung, dass auch die ungeheuerliche Deformation des Schädels in 
diesem Falle lediglich durch eine blasenförmige Auftreibung der mittleren 
Nasenmuscheln bedingt war. 

Das Präparat stammte von einem 47 jährigen Patienten ohne Beruf, 
der bis zum 12. Lebensjahre völlig gesund gewesen und im Gesicht 
nichts Auffälliges zeigte. Nach dem 12. Lebensjahre traten allmählich 
die Augen nach vorn und seitlich aus dem Kopfe heraus und die Nasen¬ 
wurzel und mittlere Gesichtspartie wurde breiter und immer breiter. 
Allmählich liess der Geruchsinn und die Sehkraft (auf beiden Augen 
ziemlich gleichzeitig) nach. Im 16. Lebensjahre war Pat. völlig blind 
und anosmotisch. Er hatte häufiges Nasenbluten und litt an Ver¬ 
stopfung der Nase. Behandlung wegen „Polypen“. Im 20.—21. Lebens¬ 
jahre hörte das Breiterwerden der Nasengegend auf und das Nasenbluten 
liess allmählich nach. In den letzten 27 Jahren bat sich im Gesichte 
nicht das Geringste mehr geändert. Nie Erscheinungen von seiten des 
Gehirns. Pat. hat sich in den letzten 30 Jahren in der Häuslichkeit 
seiner Mutter nützlich gemacht. Er soll geistig völlig normal gewesen 
sein und ein auffällig gutes Gedächtnis, besonders gutes Zahlengedächtnis, 
gehabt haben. 

Noch erhaltene photographische Aufnahmen von den Gesichtszügen 
des Pat. zeigen die fürchterliche Entstellung, die einen auffallend thero- 
morphen Charakter hatte. Unwillkürlich wird man dabei an die antiken 
Darstellungen des Aegopan oder von Faunen und Satyren erinnert. 
(Demonstration von Präparaten und Lichtbildern.) 

Ueber die Entstehung dieser blasenartigen Auftreibung der mittleren 
Nasenmuscheln hat die bisherige Untersuchung noch keinen Aufschluss 
ergeben. Da das Leiden bei beiden Patienten in der Jugend begann und 
später sistierte, so darf man wohl an eine kongenitale Störung (Ver¬ 
lagerung einer Siebbeinzelle in die mittlere Muschel oder dergl.) denken. 
Ob die hier gezeigten Fälle zu dem aus der Tropenpathologie als „Gundu“ 
bekannten Krankheitsbilde irgendwelche Beziehungen haben, lässt sich 
zurzeit nicht sagen, da genauere pathologische Untersuchungen über 
dieses Leiden noch nicht vorliegen. 

7. Hr. Ht8s«sii zeigt als seltenere Röntgenbefunde Bilder von 
Osteopsathyrosis mit multiplen Frakturen, besonders der oberen 
Extremitäten; weiter wird demonstriert das Bild einer Pyonephrose, 
eines Haematopneumothorax traumaticus mit Abgrenzung des 
Mittel- und Unterlappens, eines Oesophaguscarcinoms mit gewöhn¬ 
licher, einfacher Technik hergestellt, eines mehrkammerigen Ex- 
^ats, eines Aortenaneurysma bei Lues mit abnormer Verkalkung der 

Als Fälle mit pathologisch-anatomischer Unterlage wurden die 
Kontgenbilder eines Nierenechinococcus, einer Kalkspange in 
der Aorta bei einer Reizleitungstörung, hervorgerufen durch Druck 
eines Kalkherdes auf den linken Tawar’schen Schenkel, eines primären 
Lungentumors — Bronchialcarcinoms und eines metastatischen 
hungentu mors bei Hypernephrom demonstriert. 


Gesellschaft der Charitd-Aerzte, 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 11. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Scheibe. 

Schriftführer: Herr Glasewald. 

L Hr. Killiai: Ueber Bronchial fremdkür per. 

Eingehende Besprechung von 25 Fällen bronchoskopisch aufgesuchter 
na extrahierter Fremdkörper, von denen nur 8 bisher veröffentlicht sind. 
m!f’Q+ S ^ er ^ en ^ r P er sind 1° der grossen Mehrzahl Knochenstücke, die 
hall* 3 E. 8360 von Suppen, die ja sehr oft Knochenstückchen ent- 

ten, und gleichzeitigem Sprechen, Husten oder Lachen in die Luft¬ 


röhre geraten. Sie gelangen fast ausnahmslos in den rechten Stamm- 
bronohus. 

Diagnostisch ist das nicht wieder verschwindende Hüsteln, oft blutiger 
Auswurf und nach einiger Zeit auch übler Geruch von grösserer Bedeu¬ 
tung als die perkutorischen und auskultatorischen Lungenerscbeinungen 
und als das Röntgenbild. Besonders wenn es sich um Knochenstückchen 
handelt, ist letzteres nur in Ausnahmefällen überhaupt zu verwerten. 
Nur bei völlig abschliessenden Fremdkörpern und erst nach einigen Tagen 
kann durch Sekretanhäufung über dem betreffenden Lungenabschnitt 
Dämpfung und abgeschwächtes Atemgeräusch sowie veränderter Stimm- 
fremitus hervorgerufen werden. Beschreibung der Bronchoskopie und 
einer neuen vom Vortragenden selbst angegebenen Krallenzange. 

In jedem Falle von Verdacht auf aspirierten Fremdkörper ist die 
Bronchoskopie gerechtfertigt, zumal sie jetzt sehr schonend und ohne 
Narkose ausgeführt werden kann. Unangenehme Erscheinungen sind da¬ 
bei bisher nicht vorgekommen, mit Ausnahme eines bei einer zum siebenten 
Male wiederholten Bronchoskopie eingetretenen Pneumothorax, der aber 
von selbst zurückging. Die Pneumotomie bringt im Gegensätze dazu 
grosse Gefahren für den Kranken mit sich und leistet nicht entfernt das 
gleiche, da es äusserst schwierig ist, bei der Pneumotomie den Fremd¬ 
körper überhaupt zu finden. 

(Der Vortrag erscheint in umgearbeiteter und erweiterter Form in 
Bd. 38 der Charite-Annalen.) 

2. Hr. Weingaertner: 

Demonstration von Rö’ntgenMldern ans dem Gebiete der Laryngologie. 

M. H.! Ich möchte Ihnen zunächst einige Röntgenbilder vom 
Larynx projizieren. Die Aufnahmen sind Transversalaufnahmen. Das 
erste Bild soll Ihnen zeigen, was wir an einem derartigen Bilde sehen 
können: das Zungenbein, den Köiper mit seinen zwei Hörnern, Wirbel¬ 
säule, die Epiglottis, d&9 Ligamentum aryepiglotticum, den Sinus 
Morgagni und vor allem den Schild- und RiDgknorpel. Letztere bekommt 
man besonders schön auf die Platte bei älteren Patienten, weil bei 
diesen die normale Verknöcherung des Kehlkopfs stärker ausgeprägt ist 
als bei jüngeren Individuen. Ueber den Vorgang der Verknöcherung 
selbst sind von Scbeier und anderen Autoren schon eine grosse An¬ 
zahl vou Untersuchungen gemacht worden. Es verhält sich im all¬ 
gemeinen so, dass die Ossifikation als normaler Prozess im Alter von 

15 bis 18 Jahren anfangend bis zum 30. Lebensjahre bei beiden Ge¬ 
schlechtern vollkommen gleichmassig verläuft. Sie beginnt in der Nähe 
des unteren Horns und beschränkt sich zunächst auf den unteren und 

hinteren Schildknorpelrand. Dann tritt jenseits des 30. Lebensjahres 

ein Unterschied in der Ossifikation ein. Beim Weibe geht sie in gleich- 
massiger, paralleler Breite nach vorn, die sogenannte Ossifikation in 
breiter Front, oder sie geht (als zweite Möglichkeit) stufenweise nach 
vorn, so dass der untere Schildknorpelrand mehr vergrössert ist als die 
obere Partie. Beim Manne hingegen schreitet auch etwa um das 
30. Lebensjahr herum die Ossifikation am unteren Schildknorpelrand ent¬ 
lang und trifft sich hier mit einer Ossifikationszone, die von einem am 
unteren Ende des Schildknorpelwinkels auftretenden Knocbenkern aus¬ 
geht. Von da verläuft die Ossifikation weiter um den vorderen und 
oberen Schildknorpelrand herum. Vom Tuberculum inferius geht ein 
nach vorn und oben schräg ziehender Knochenzapfen, der die Schild¬ 
knorpelplatte gewissermaassen in zwei Knorpelinseln teilt. Schliesslich 
kann statt des Schildknorpels ein Schildknochen entstehen, dadurch, 
dass die Schildknorpelplatte vollkommen verknöchert. Etwa in einem 
Drittel der beobachteten Fälle bleibt ein kleines Foramen in der Platte 
hinten oben offen, durch das unter Umständen die Arteria laryngea 
superior durchgeht. 

Nun will ich Ihnen Röntgenbilder vom normalen Larynx, am 
Lebenden gewonnen, zeigen; sie stellen die Ossifikation in verschiedenen 
Lebensaltern und bei verschiedenen Geschlechtern dar. Im allgemeinen 
ist der Grad der Ossifikation direkt proportional dem Alter; aber man 
darf aus der Intensität der Verknöcherung des Larynx nicht in jedem 
Fall einen Schluss auf das Alter der Patienten ziehen, da individuelle 
Schwankungen häufig zu beobachten sind. Zunächst zeige ich Ihnen 
eine Serie von Männerkehlköpfen. (Demonstration.) 

1. 34 jähriger Mann. Hier sind die Ossifikationsvorgänge noch nicht 
charakteristisch für den Mann, auch nicht für die Frau; um das 
30. Lebensjahr herum kann es noch unentschieden sein. — 2. 52 jähriger 
Mann. Hier sieht man das Charakteristische der Ossifikation schon 
besser: Sämtliche Ränder des Schildknorpels sind verknöchert, besonders 
stark der hintere Rand; Ringknorpelplatte zum grössten Teil ossifiziert. — 
3. 55 jähriger Mann mit einer nahezu totalen Verknöcherung von Schild¬ 
knorpel und Ringknorpel; sogar einzelne Trachealringe sind ver¬ 
knöchert. — 4. 65 jähriger Mann, bei dem der schräge Knochenzapfen 
sehr schön zur Darstellung kommt; er begrenzt die vorhin besprochenen 
beiden Knorpelinseln des Schildknorpels. 

Nun einige Frauenkehlköpfe. 1. An dem Schild- und Ringknorpel 
einer 31 jährigen Frau erkennt man nur eine ganz schwache Schattierung 
durch Kalkeinlagerungen. — 2. Bei dem nächsten Bild von einer 36 jäh¬ 
rigen Frau ist der hintere Rand des Schildknorpels und der untere 
Rand deutlich ossifiziert. — 3. Eine 34 jährige Frau mit terrassen¬ 
förmiger Verknöcherung am Schildknorpel. — 4. und 5. Dasselbe noch 
deutlicher ausgesprochen bei einer 43 jährigen und einer 65 jährigen 
Frau. Man sieht die Ossifikation wie eine Treppe von oben nach unten 
schräg verlaufen. 


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UNIVERS1TY OF IOWA 





1478 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Die Kenntnis dieser normalen Ossifikationsvorgänge ist 
unbedingt nötig zur richtigen Deutung der Radiogramme so¬ 
wohl des normalen, wie besonders des kranken Kehlkopfs. 

Yon pathologischen Fällen stammen die nächsten Bilder. 

I. 4jähriges Kind: relativ gut zu erkennen die Larnyxkonturen, 
deutlich die Epiglottis, der Sinus Morgagni, das Zungenbein, das Liga¬ 
mentum aryepiglotticum. Es handelt sich um ein Kind, das wegen 
Diphtherie tracheotomiert wurde und später wegen erschwerten Dekanüle- 
ments infolge Narbenstenose zu uns kam. Bei genauem Hinsehen er¬ 
kennt man im Larynx einen schwachen Streifen, durch den die unge¬ 
nügende Luftpassage unterhalten wird. — 2. Das nächste Bild stammt 
von einem 12 jährigen Knaben, der schon seit einer Reihe von Jahren 
die Kanüle trägt. Es soll uns nur zeigen, was schon durch Unter¬ 
suchungen von Thost und anderen bekannt ist, dass nämlich in der 
Nähe der Trachealkanüle vorzeitige Verknöcherungen stattfinden. — 
3. 24jähriger Mann mit Larynxtuberkulose. Im Vergleich mit den 
anderen bis jetzt gezeigten Bildern fällt hier auf, dass ein leichter 
Schleier über dem ganzen Bilde ist. Das ist als charakteristisch bei 
Tuberkulose angegeben worden. Es bandelt sich wahrscheinlich um 
eine merkwürdige Art der Kalkverteilung in der Schildknorpelplatte; 
möglich ist auch, dass Inßltrationsprozesse diesen Schleier bedingen. 
Dies scheint mir in anderen Fällen, die ich jetzt zeigen will, wahrschein¬ 
licher. — 4. Ein 38 jähriger Larynxtuberkulöser. Sie sehen die Epi¬ 
glottis stark infiltriert, auch viel grösseren Schatten bildend als bei 
den vorher gezeigten Fällen. Das Ligamentum aryepiglotticum stärker 
und breiter als im normalen Bild. Iu diesem Larym findet sich ein 
Fremdkörper, der im Kehlkopfspiegel nicht zu sehen war. Der Mann ist 
schon oft laryngologisch behandelt worden. Wahrscheinlich ist gelegent¬ 
lich eines solchen Eingriffs einmal ein Stückchen eines Instruments 
irgendwo im Larynx sitzen geblieben, das jetzt diesen Schatten wirft.^ — 
5. Das nächste Bild zeigt Ihnen einen Lupus, der hauptsächlich die Epi¬ 
glottis ergriffen hat. Die dicke Anschwellung und die starke Schatten¬ 
bildung der Epiglottis fällt im Vergleich mit den. vorher gezeigten 
Bildern auf. Auf der erkrankten hinteren Partie liegt ein Schleier 
im Röntgenbild, vorn, wo keine pathologischen Prozesse nachweisbar 
waren, ist die Knochenstruktur und die ganze Zeichnung klar und deut¬ 
lich ausgesprochen. In dem Falle ist der Schleier sicherlich durch In¬ 
filtration bedingt. -— 6. Larynxtuberkulose mit Infiltration der hinteren 
Larynxwand. Sie sehen den halbkugelförmigen Schatten, der bei 
genauem Zusehen zum Teil mit der Ossifikation des Kehlkopfs zusammen¬ 
hängt, zum anderen durch Infiltration im Laryoxinnern bedingt ist. — 

7. Ein Larynxcarcinom bei einem 67 jährigen Manne. Sehr starker 
Schatten im Arygebiet. Das Carcinom sass in der rechten Arygegend 
am Sinus pyriformts und ging am Ligamentum aryepiglotticum hoch. 
Es besteht eine fast vollkommene Verknöcherung des Schildknorpels. — 

8. 74 jähriger Mann mit derselben Erkrankung und auch nahezu in der¬ 
selben Gegend. In der Arygegend ein Carcinom, das sich nach oben 
und unten ausbreitet. Nahezu vollkommene Verknöcherung der Schild¬ 
knorpelplatte. 

Starke Verknöcherung des Kehlkopfs ist hei Carcinoma laryngis 
relativ häufig zu beobachten, eine Erscheinung, die schon als für 
Larynxcarcinom charakteristisch bezeichnet wurde, die meines Erachtens 
aber für die Mehrzahl der E’älle eine ungezwungene Erklärung findet in 
der Tatsache, dass es sich bei dieser Krankheit meist um ältere Männer 
handelt, die an und für sich schon starke Ossifikationsprozesse im 
LaryDi aufweisen. 

9. Dieses Bild stammt von einer 35 jährigen Frau, die P/a Jahre 
ein reoht grosses Knochenstück im Laryoxinnern beherbergte. Ich habe, 
da der Knochen in dicke Granulationen eingebettet war und starke 
Stenose des Larynx bestand, eine Röntgenaufnahme gemacht, um zu 
sebeD, ob eventuell Aufschluss gewonnen werden kann über die Grösse 
des Knochens. Der Schatten in diesem Bild könnte als normaler Ver¬ 
knöcherungsvorgang aufgefasst werden, wahrscheinlich zu deuten als 
nebeneinander projizierte Verknöcherungsfiguren im Schildbnorpel. Dass 
ein Teil dieses Schattens aber mit dem Knochen zusammenhängt, beweist 
das Bild 10, das wir einige Tage nach der Extraktion des Knochens er¬ 
halten haben. Man sieht da nur noch einen kleinen Teil der oben als 
Verknöcherung aufgefassten Schattierung; im übrigen erscheint das 
Larynxlumen und der Sinus Morgagni viel freier. Hier war infolge der 
Granulationen vorher ein Schleier. Die Granulationen sind nach der 
Extraktion des Fremdkörpers spontan ebne jede Behandlung zurück¬ 
gegangen. — 11. Nun ein etwas merkwürdiger Fremdkörper, den man 
im allgemeinen im Röntgenbild nicht zu sehen bekommt, nämlich eine 
Fischgräte. Der Patient hatte vor einigen Tagen eine solche ver¬ 
schluckt. Wir konnten nur ihr oberes Ende seheD, da sie in der seit¬ 
lichen Pharynxwand eingespiesst war. Ich wollte versuchen, ob eine 
Fischgräte im Röntgenbild zu sehen ist; wenn ja, dann mussten wir 
auch über ihre Grösse Aufschluss erhalten. Im Röntgenbild verläuft 
die Fischgräte hier von der Zungenbeinhöhe nach dem Ligamentum ary¬ 
epiglotticum. Die Grösse der extrahierten Gräte stimmte mit der auf 
der Platte vollkommen überein. 

Endlich noch drei Röntgenbilder, die Ihnen eine Illustration zu dem 
Kapitel Wismut im Bronchialbaum geben sollen. Im allgemeinen ist, 
soweit ich die Literatur überblicke, von den Röntgenologen Wismut im 
Bronchial bäum nur veröffentlicht worden in Fällen von Oesopbagus- 
carcinom, bei denen eine Perforation nach der Trachea vorlag. In den 
drei Fällen, von denen Sie die Bilder jetzt sehen, ist ganz bestimmt 
keine Kommunikation zwischen Oesophagus und Trachea vorhanden ge¬ 


wesen (in einem Fall konnten wir uns sogar durch die Autopsie davon 
überzeugen). Alle drei Fälle waren Oesophagusoarcinome. Wie ist das 
zu erklären? Zunächst die Bilder. Sie sehen hier Trachea und Oeso¬ 
phagus, den wismutgefüllten linken und rechten Bronchus mit seinen 
Aufteilungen. 

Das nächste Bild zeigt sehr schön wie beim Ausguss an der Leiche 
den linken Bronchus, der ausser dem Wismut zum Teil Luftblasen ent¬ 
hält, vor allem aber sehr schön den rechten Bronchus und den Ober¬ 
lappenbronchus. — Das dritte Bild ist gerade während eines Husten- 
anfalls gemacht worden. Der Wismutzapfen sitzt im rechten Bronchus. 
Wie schon gesagt, bestand bei diesen drei Patienten keine Perforation 
nach der Trachea. Wohl aber hatten alle drei Patienten eine mehr 
oder weniger schwere Lähmung des Recurrens. Infolgedessen haben sie 
sich leicht verschluckt, und das Wismut konnte dadurch, dass die 
Recurrensläbmung keinen genügenden Verschluss des Larynx zustande 
kommen Hess, leicht in die Trachea und die Bronchien kommen. 

3. Hr. Stephan*, a) Krankenvorstellaagen nnd Demonstrationen. 

M. H.! Ich möchte Ihnen zwei Patienten vorstellen, bei denen 
wegen Carcinoms die Exstirpation des Larynx gemacht worden ist. 
Von den aufgesteilten mikroskopischen und makroskopischen Präparaten 
bitte ich nachher Kenntnis zu nehmen. Die Patienten sind nach der 
von Gluck angegebenen Methode operiert worden. Ich will gleich an 
einigen Bildern die Methode kurz vorführen. Der eine Patient ist im 
Juli v. J., der zweite im November operiert worden. Bei dem zweiten 
besteht noch eine kleine Fistel, die zum Hypopharynx bzw. Oesophagus 
führt. Mehrfach ist versucht worden, sie zu schliessen, sie ist immer 
wieder aufgegangen; sie hat sich jedoch wesentlich verkleinert, so dass 
der Patient in keiner Weise dadurch belästigt wird. Ich darf vielleicht 
bitten, die Patienten nachher zu besichtigen. (Demonstration an Licht¬ 
bildern.) Das erste Bild zeigt den torflügelförmigen Hautschnitt, den 
senkrechten Schnitt in der Medianlinie, dazu oben in Höhe des Zungen¬ 
beins und unten in Höhe des Ringknorpels je einen Querschnitt, so dass 
sich die beiden Hautlappen wie zwei Torflügel auseinanderschlagen lassen. 
Der Larynx ist freigelegt. — 2. Bild. Es ist der Augenblick, wo bereits 
der Musculus tbyreobyoideus durchschnitten ist. Man sieht oben die 
Arteria laryugea superior, die nachher noch eine wesentliche Rolle spielen 
wird. Unten ist die Schilddrüse und Arteria thyreocricoidea. — 3. und 
4. Bild. Es ist natürlich notwendig und wichtig, nach Drüseoerkran- 
kuDgen zu suchen bei einem Carcinom des Kehlkopfs. Ich möchte nur 
kurz auf den Verlauf der Drüsen hinweisen, die sich hier an den grossen 
Gefässen entlangziehen. — 5. Bild. Zweite Phase der Operation. Hier 
ist die Arteria thyreocricoidea durebtrennt, hier gefasst und durch¬ 
schnitten. Oben erscheint die Laryngea superior unter der KnopfsoDde. 
Der ganze Kehlkopf ist nach links herausgedreht, so dass das obere Horn 
des Schildknorpels sichtbar und zur Durchtrennung bereit ist. — 6. Bild. 
Hier ist die Laryngea superior durchtrennt, das obere Horn ebenfalls, 
das Ligamentum byotbyreoideum bzw. die Membrana hyothyreoidea an¬ 
gespannt, — 7. Bild. Hier ist bereits der ganze Kehlkopf mit der Epi¬ 
glottis und dem Schildknorpel vom Pharynx losgelöst. Sie sehen die 
grosse Oeflhung, die Einblick in den geöffneten Pharynx gewährt. Der 
Kehlkopf ist nach vorn herausluxiert. — 8. Bild. Dies ist der Augen¬ 
blick, wo der Pharynx schon durch Nähte geschlossen ist, ehe man den 
Kehlkopf abträgt. Es ist wichtig der Infektion wegen, die aus den 
Bronchien in die Pharynxwunde hineingeschleudert werden kann, diese 
Wunde zuerst zu schliessen, ehe man die Trachea nachher abschneidet. 
Sis sehen hier das Skalpell angesetzt, um die Trachea quer zu durch- 
schueiden. Diese Teile fallen weg, der Trachealstumpf wird in die 
untere Hautwunde hineingenäbt, 

b) Behandlung des Asthma bronchiale mit dem Rndobronehialspray. 

Die Spraytherapie ist wegen sehr guter Erfolge und zweifelloser 
Dauerheilungen zur Weiterverbreitung geeignet und sehr zu empfehlen. 
Genaue Erläuterung der Technik. Erprobt wurde hier nur eine Lösung 
von Novocain und Adrenalin, und zwar 5—10 ccm 1 l 2 —l pCt. Novocain 
mit 6—20 Tropfen 1:1000 Adrenalin. Durch das Bronchoskop werden 
erst die Schleimmassen entfernt und dann der Zerstäuber eingeführt bis 
an die Lamina der Bronchien höherer Ordnung. Der Ephraim’sche bieg¬ 
same Zerstäuber ist unzweckmässig, weil die Entfernung von Schleim 
und Sekret bei seiner Anwendung nicht möglich ist. Bisher wurden 
hier 10 Kranke behandelt; die Erfolge sind sehr günstig, doch müssen 
die Fälle sorgfältig ausgesucht werden; besonders ist nasales Asthma 
auszuschalten. 

(Der Vortrag erscheint in umgearbeiteter und erweiterter Form in 
Bd. 38 der Charitö-Annalen.) 


Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 15. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Bonhoeffer. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

1. Hr. K. Mendel: 

Krankenvorstellong. I. Herpes zoster nach Unfall. 

37jähriger MetalIschleifer. Trauma am 9. IV. 1914: Eine Holzkiste 
mit Metallplatten fiel gegen die rechte Brustseite vorn mit scharfer Kante 
auf. Hinten, insbesondere an der Wirbelsäule, keine Verletzung. Keine 


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3. Aogpst 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1479 


Wando, keine Kontinuitätstrennung der Haut, kein Rippenbraoh, keine 
Erscheinungen von seiten der Lunge. Alsbald naoh dem Trauma Sohmersen 
in der rechten Brustseite. Am Abend des Unfalltages Schüttelfrost. Am 
nächsten Tage Bläschen an der rechten Brustseite, zuerst vorn an der 
Stelle der Verletzung. Es entwickelte sich eine Gürtelrose, deren typische 
Narben jetzt noch sichtbar. Hyperästhesie in der Herpeszone. Sonst 
negativer Befund. Wassermann negativ. 

Der Unfall hat wohl einen Locus minoris resistentiae geschaffen, 
vielleicht die Bakterien mobil gemacht, ähnlich wie wir es bei der trau¬ 
matischen Pneumonie annehmen. In solchen Fällen kann man vielleicht 
— da das Spinalganglion völlig unverletzt blieb — an eine reine 
peripher-neuritisohe Form des Herpes denken, gegenüber der centralen 
im Ganglion; oder aber man müsste eine bis zum Ganglion ascendierende 
traumatische Neuritis annehmen. 

II. Myotonia Atrophie». 

33jähriger Arbeiter. Keine ähnliche Erkrankurg in der Familie. 
Früher gesund. Seit 2 Jahren — Ursache: Erkältung — Steifwerden 
der Finger, dann der Arme, schliesslich der Beine. Objektiv: Bei Will- 
kürbewegungen deutliche Myotonie in Armen und Beinen, typische 
mechanische und elektrische myotonische Reaktion daselbst (besonders 
an Daumen- und Kleinfingerballen sowie an den Waden), starke Hyper¬ 
trophie der Muskulatur an Daumen, Kleinfinger, Waden; neben dieser 
Hypertrophie starke Muskelatrophie an den Vorderarmen (besonders Ex¬ 
tensorenseite), Oberarmen, Infraspinati und Sternocleidomastoidei (letztere 
kaum bleistiftdick). Keine Facies myopathica, nichts an den Gesichts¬ 
und Zungenmuskeln. Als Degenerationszeichen: beiderseits an den Füssen 
starke Syndaktylie. (Als Degenerationszeichen ist bei der Myotonie 
Hodenatrophie angegeben; im vorliegenden Falle Hoden intakt.) 

Vielleicht ist die Myotonia atrophica von der gewöhnlichen Thomsen- 
schen Krankheit als besonderes Leiden abzugrenzen. Im Gegensatz zur 
gewöhnlichen Myotonie beginnt die Myotonia atrophica — wie auch im 
vorliegenden Falle — erst in den 30er Jahren; sie tritt anch nicht so 
deutlich familiär auf wie erstere. 

In der Diskussion fragt Herr Kramer, ob Patient Störungen 
der Potenz hatte (Hodenatrophie in Steinert’s Fällen!), was Vortr. 
verneint 

1IL Metaparalytische psychogene Akinesie. 

17jähr. Kellner. Seit dem 4. Lebensjahre rechtsseitige Gesichts¬ 
lähmung. Jetzt: typische schwere peripherische Facialislähmung mit 
leichter Kontraktur im obereu Facialis, leichten Tic- und Mitbewegungen. 
Auffällig ist nun, dass die elektrische Untersuchung völlig normale Ver¬ 
hältnisse ergibt: faradisch und galvanisch ist sowohl vom Nerven als 
vom Mnskel aus alles gut erregbar, rechts == links. Bis vor drei 
Wochen, wo Patient in meine Behandlung kam, hatte nie eine Behand¬ 
lung stattgefunden. Patient wurde vom Chirurgen überwiesen mit der 
Anfrage, ob eine Nervenpfropfung indiziert sei. 

Dieser Fall schliesst sich den von Toby Cohn und Gatz- 
Emanuel im Neurol. Centralbl., 1912, S. 147, publizierten Fällen an. 
Hier wie dort ist der N. facialis für elektrische Reize durchaus leituDgs- 
flhig, während er keinerlei Willensimpulse zu leiten vermag, also 
bleibender Beweglichkeitsverlust bei Ausheilung infantiler peripher-orga¬ 
nischer Lähmung. In UebereinstimmuDg mit den genannten Autoren 
nehme ich auch in diesem Falle an, dass durch den Wegfall von Be- 
wegUDgsempfindungen, den die Gesichtslähmung zur Folge hatte, bei 
dem damals im kindlichen Alter stehenden Patienten sekundär eine 
gewisse Verkümmerung der Bewegungsvorstellungen im Cortex ein¬ 
getreten ist, ähnlich wie ein in frühester Kindheit taub gewordenes In¬ 
dividuum bekanntlich die Sprechfähigkeit verliert. Der Verlust der Be¬ 
wegungsvorstellungen ist also eine Folge der langjährigen Inaktivität’; 
hinzu kommt dann noch das Fehlen jeglicher Behandlung, welche die 
Bewegungsempfindungen von der Peripherie aus hätte auslöseu können. 

Auch in meinem Falle hat nun in der Tat — und dies spricht auch 
für die Richtigkeit der Hypothese — die von mir eingeleitete Behand¬ 
lung (Elektrisieren und Uebungen vor dem Spiegel) bereits in 3 Wochen 
eine eklatante Besserung herbeigeführt: in den früher völlig unbeweg¬ 
lichen Muskeln tritt bereits deutliche Beweglichkeit ein. Eine Nerven- 
pnropfung ist nicht indiziert; ich werde versuchen, durch den elektrischen 
ötrom und die Uebungen weiterhin Impulse zum Facialiscentrum hinzu¬ 
fuhren und so die verkümmerten Bewegungsvorstellungen wieder zu er¬ 
wecken. Toby Cohn bezeichnet diese nach abgelaufener Lähmung 
zurückgebliebene Bewegungsstörung psychischen Ursprungs als „meta- 
paralytische psychogene Akinesie“. 

. Nach dem Gesetze der Duplizität der Fälle stellte sich mir gestern 
em 23jähriges Mädchen vor, welches seit seinem 9. Lebensjahre an einer 
schweren rechtsseitigen peripheren Facialislähmung (nach Ohraffektion) 
leidet und bei dem, trotz der Schwere und langen Dauer der Lähmung, 
nie elektrische Untersuchung völlig normale Verhältnisse ergibt. 

Diskussion. 

p ® c .^ U8 ^ er: Da ich zufälligerweise zurzeit gleichfalls eine 
Patientin mit den von Herrn Mendel geschilderten Facialisersoheinungen 
behandle, so habe ich die Arbeiten von Cohn, Gatz-Emanuel und 
▼on Bernhardt kürzlich noch einmal durchgelesen. Die in jenen Ar¬ 
beiten enthaltenen Erklärungsversuche des Phänomens der Akinesie 
weisen zwar schon darauf hin, dass die Bewegungen im Facialisgebiet 
~~ ln J Gegensatz zu denjenigen der Extremitäten — meist doppelseitig 
and dabei nur halb willkürlich erfolgen. Hiermit ersohöpfen sie jedoch 


das nioht, was meiner Ansicht nach zur Erklärung der Akinesie be¬ 
deutungsvoll sein könnte. 

Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Bewegungen der Ex¬ 
tremitäten und den meisten Gesichtsbewegungen bestehen in folgendem: 

Die Extremitätenbewegungen sind im allgemeinen Zweckbewegungen 
und haben den lokomotorischen Effekt als solchen zum Ziel. Dies ist 
bei den mimischen Bewegungen, welche bei weitem die Mehrzahl der 
Faeialisinnervationen ausmachen, nioht der Fall. 

Die Extremitätenbewegungen können ferner von ihrer Entstehung 
an während ihres ganzen Ablaufes von den Augen des Bewegenden ver¬ 
folgt und kontrolliert werden. Auch dies ist bei den mimischen Be¬ 
wegungen, wenn es sich nioht gerade um Schauspieler handelt, welche 
ihre Gesichtsbewegungen vor dem Spiegel einstudieren, nicht der Fall. 

Schliesslich bin ich der Meinung, dass die kinästhetischen Empfin¬ 
dungen bei allen Gesichtsbewegungen schwächer sind als bei den Ex¬ 
tremitätenbewegungen (ohne diese Annahme hier näher begründen zu 
wollen). 

Das Gesagte lässt es erklärlich erscheinen, dass eine verloren ge¬ 
gangene Facialisbeweglichkeit — besonders beim Rinde — leichter ver¬ 
loren bleiben kann als eine Extremitätenbewegung. Denn, wenn bei 
einer lang andauernden Facialislähmung die — von Hause aus 
schwachen — kinästhetischen Empfindungen allmählich verschwinden, so 
steht das Individuum viel hilfloser da, als wenn die kinästhetischen 
Empfindungen einer Extremitätenbewegung abhanden gekommen sind. 

Trotzdem man somit eine ganze Reihe von physiologischen Momenten 
zur Erklärung der Akinesie anführen kann, bin ich dennoch nicht recht 
befriedigt von allen bisherigen Erklärungsversuchen, weil die Bewegungs¬ 
vorstellungen, deren Verlust iu letzter Linie für die Akinesie verant¬ 
wortlich gemacht wird, bei sehr vielen Facialisbeweguogen offenbar keine 
Rolle spielen. Denn wir wissen, dass die affektiven Innervationen des 
Gesichts ohne MitbeteiliguDg der Rindengebiete vor sich gehen können. 

Hr. Toby Cohn: Obwohl die Bemerkungen des Herrn Sobuster 
geeignet sind, meine Annahme der psychogenen Entstehung der meta¬ 
paralytischen Akinesien zu unterstützen, muss ich doch einen Irrtum in 
seinen Ausführungen richtig stellen. Der Facialis ist nämlich weder der 
einzige Nerv, der bei der Mimik eine Rolle spielt, noch hat er eine aus¬ 
schliesslich mimische Funktion. Es sind auch im Facialisgebiet sehr 
wohl Zweck- und Zielbewegungen vorhanden. Man tut deshalb gut 
— wie ich es schon gegenüber Bernhardt betont habe —, die Frage 
der mimischen Innervation hier ganz auszuschalten, zumal die indivi¬ 
duellen, nationalen u. a. Schwankungen im Bereiche der Gesichtsmimik 
sehr beträchtlich sind. 

Hr. Roth mann betont, dass die Akinesie nach Lähmungen der 
Extremitäten doch viel häufiger zu beobachten ist, als es nach den Aus¬ 
führungen scheinen möchte. Bei Hemiplegien kommt es nicht allzu 
selten zu abnorm lange anhaltenden schlaffen Lähmungen, die dann 
in zwei bis drei Sitzungen mit Elektrizität oder Uebungstherapie weit¬ 
gehend gebessert werden, offenbar nur durch Ueberwindung eines 
psychischen bewegungshemmenden Faktors. Ganz das Gleiche kann 
man aber auch häufig bei poliomyelitiseben Lähmungen feststellen; eine 
Reihe von Muskeln zeigen keine oder nur minimale aktive Funktion, 
trotz guter elektrischer Erregbarkeit, werden daun aber bei der Uebungs¬ 
therapie in wenigen Tagen zur Funktion gebracht. Auch die über¬ 
raschend schnellen Erfolge nach einem operativen Eingriff in dem von 
Cohn und Katzenstein hier demonstrierten Fall von spinaler Kinder¬ 
lähmung hat R. damals bereits auf solche Verhältnisse zurückgeführt. 
Hinsichtlich der Akinesie im Facialisgebiet, die ja vorübergehend bei der 
Restitution nach Facialislähmung bei völlig wiedergekehrter elektrischer 
Erregbarkeit häufig zu beobachten ist, verweist R. besonders auf den 
von Saenger mitgeteilten Fall, bei dem eine Frau vom 2.-35, Jahr 
nach Ohroperation eine totale rechtsseitige Facialislähmung bei elektrisch 
intakter Muskulatur zeigte und dann in 3 Wochen völlig geheilt wurde. 

Hr. Toby Cohn: Der von Herrn Rotbmann erwähnte Fall von 
Katzenstein und mir gehört nicht hierher. Bei diesem kann von rein 
psychischer Wirkung der Therapie darum nicht die Rede sein, weil in 
einem Teil der Muskeln die früher nicht vorhandene elektrische Reaktion 
nach der Operation wiedergekehrt ist. 

Hr. Mendel (Schlusswort) hält gleichfalls den Ausdruck „psychogen“ 
nicht für glücklich gewählt. 

Hr. Rotbmann erwidert Herrn Cohn, dass in dem von Katzen¬ 
stein operierten Fall keine elektrische Reizung des Plexus brachiatis 
bei der Operation vorgenommen worden ist, wie Katzenstein auf die 
Anfrage Rothmann’s selbst angegeben hat. 

Hr. Kramer stimmt Herrn Rotbmann bei. 

Hr. Bon ho eff er fragt den Vortr. im Hinbliok auf den Ausdruck 
„psychogene Akinesie“, ob für das Ausbleiben der Willkürinnervationen 
nach Restitution des peripheren Neurons intercurrente affektive Momente 
heranzuziehen sind. Wenn das nicht der Fall ist, scheint die Wahl des 
Ausdrucks „psychogen“ nicht glücklich, sowohl im Hinblick auf den bis¬ 
herigen Gebrauch des Ausdrucks, als auch weil das Ausbleiben der 
willkürlichen Innervationsfähigkeit bei wiedergekehrter normaler Tropbik 
und Erregbarkeit in diesen Fällen pathogenetisch doch wohl nichts gemein 
hat mit psychischen Vorgängen im engeren Sinne. 

Hr. Sohnster: Hierzu möchte ich bemerken, dass ioh einen grossen 
Teil der von Herrn Cohn als „Willkürbewegungen“ bezeiohneten Inner¬ 
vationen nioht als rein willkürlich auffasse. Zum Beispiel stellt das 


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1480 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Mundspitzen beim Pfeifen keine echte Zielbewegung dar, sondern ist 
eine anfänglich unbewusste Innervation, welohe unter Zuhilfenahme 
des Eispirationsstromes nur den Zweck verfolgt, eine bestimmte 
akustische Erscheinung hervorzurufen. Das Mundspitzen beim 
Pfeifen entspricht dabei durchaus den Bewegungen des Kehlkopfes und 
des Mundes beim Sprechen. 

Hr. TobyCohn: Es ist doch nicht zu bezweifeln, dass Lichtaus- 
blasen, Pfeifen, Küssen, Augenzudrücken usw. willkürliche, nicht 
mimische Bewegungen darstellen. Das Wort „psychogen“ soll bezeichnen, 
dass es sich um eine auf dem Wege über die Bewegungserapfindungen 
und BewegUDgsvorstellungen zustande kommende Störung handelt. In 
meiner mit Frau Emanuel gemachten Publikation haben wir besonders 
hervorgehoben, dass dabei nicht an hysterischen Entstehungsmechanismus 
zu denken ist. Der Zusatz „nicht hysterisch“ zu „psychogen“ wurde 
nur fortgelassen, um den Terminus nicht allzu schwerfällig zu machen. 
„Psychogen“ und „hysterisch“ sind aber keine identischen Begriffe. 

2. Hr. Schuster: Deber gehäufte postdiphtherische Lähmungen. 

Vortr. demonstriert 3 Patienten, Vater, Mutter und 11jährigen Sohn, 
welche nach einer vor etwa 3 Monaten überstandenen Diphtherie¬ 
erkrankung postdiphtherische Lähmungen bekamen. Alle 3 Patienten 
wurden mit Seruminjektion (4500 bzw. 1500 I.-E.) behandelt, und bei 
der Entlassung wurde eine bakteriologische Untersuchung vorgenommen. 

Die Symptome sind in allen 3 Fällen die gewohnten: Parästhesien 
in den Fingern und Zehen, ataktische Störungen, Fehlen der Sebnen- 
reflexe usw. Der elektrische Befund war im wesentlichen normal. 

Die — nur bei dem Vater vorgenommene — Lumbalpunktion ergab 
nichts Abnormes. Keine Störungen der Hautsensibilität; die Mutter 
hatte ausgeprägte Lagegefühlsstörung an den Füssen. 

Die besondere Veranlassung der Demonstration bildet der Umstand, 
dass von drei an Diphtherie gleichzeitig erkrankten Individuen alle 
drei an neuritischen Erscheinungen erkrankten. Mit der SerumiDjektion 
haben die Lähmungen — entgegen der Auffassung der Patienten — 
nichts zu tun- (Bekanntlich behaupten amerikanische und französische 
Autoren im Gegenteil, dass die Neuritiden bei den ungenügend ge¬ 
spritzten Fällen zur Entwicklung gelangen.) Nach den neueren Statistiken 
sind die postdiphtherischen Lähmungen usw. jetzt gerade so häufig, 
wie in der Zeit der Serurabehandlung. In der Literatur ist das gehäufte 
Auftreten von Neuritiden nach Diphtherie nur sehr selten beschrieben. 
Feilchenfeld hat io einer Familie von 7 an Diphtherie erkrankten 
Personen bei 5 Lähmungen auftreten sehen, Kayser hat 3 Kinder einer 
Familie an Diphtherie und postdiphtherischen Störungen erkrankt ge¬ 
funden. 

In den vom Vortr. demonstrierten Fällen kann das gehäufte Auf¬ 
treten der postdiphtherischen Erscheinungen nicht — wie bei Kayser — 
in einer durch irgendein Gift (Alkohol) erzeugten allgemeinen nervösen 
Schwächung seinen Grund haben. Auch kann eine etwaige familiäre 
Disposition nicht zur Erklärung herangezogen werden, da ja Vater und 
Mutter erkrankt waren. Schon per exclusionem kommt man deshalb zu 
der Annahme einer besonderen, direkt oder indirekt neurotoxischen Ab¬ 
art des Diphtherievirus. Mit dieser Annahme, welche übrigens auch von 
Feilchenfeld in seiner Arbeit gemacht wird, stimmt die verschieden 
grosse Häufigkeit der postdiphtherischen Affektionen in den verschiedenen 
Epidemien überein. 

Die Annahme einer neurotoxischen Modifikation oder Abart des 
Virus erklärt am besten die Erfolglosigkeit der Serumbehandlung hin¬ 
sichtlich der nervösen Erscheinungen. 

An dem leicht zu überschauenden Beispiel der Diphtherie exempli¬ 
fiziert Vortr. schliesslich auf die Verhältnisse der syphilitischen Infektion 
und der postsyphilitischen Erkrankungen. Auch hier werden wir uns 
der Annahme einer neurotoxischen Abart des Virus gegenüber keines¬ 
wegs durchaus ablehnend verhalten dürfen. 

Diskussion. 

Hr. Bernhardt: Dreyfus und Schürer (Med. Klin., 1914, Nr. 23) 
haben neuerdings einen Patienten beobachtet, bei dem noch längere Zeit 
nach einer akuten Diphtherie Recidive und Verschlimmerungen durch 
erneute Giftzufuhr von den Tonsillen her hervorgerufen wurden. Die 
bei dem Kranken auftretende Polyneuritis zeigte sich besonders im Be¬ 
reich der sensiblen Nerven. Durch häufig auftretende Schmerzattacken 
wurde sie dem Patienten sehr unangenehm. Da sich noch 3 Monate 
nach der Infektion virulente Diphtheriebacillen im Rachenabstrich fanden, 
wurde die Tonsillektomie vorgeschlagen und ausgeführt. Nach dieser 
Operation trat eine auffallende und rapide Besserung aller Krankheits¬ 
erscheinungen ein. 

Als interessant mag hier noch die Meinung der Verff. erwähnt 
werden, dass von den in den Mandeln oder sonstwo im Körper befind¬ 
lichen Diphtheriebacillen auch noch längere Zeit nach Ablauf der akuten 
Erscheinungen Gift produziert und resorbiert werden kann und dass 
hierdurch eine Möglichkeit gegeben wird, die Erfolge einer Serum¬ 
behandlung bei postdiphtherischen Krankheits- und Lähmungserschei¬ 
nungen zu erklären. 

Hr. Schuster (Schlusswort): Der interessante, von Herrn Bern¬ 
hardt erwähnte Fall scheint mir keineswegs unbedingt gegen die von 
mir vertretene Auffassung zu sprechen. 

3. Hr. Stier: Juvenile Paralysis agitans. (Demonstration.) 

43 jähriger Militärinvalide mit hochgradiger Starre der gesamten 
Skelettmuskulatur, Zittern, Unsicherheit beim Stehen, fast völlige Un¬ 
fähigkeit zu gehen; in den corticospinalen Bahnen keine Störungen, 


Sensibilität intakt. Aus den sehr ergiebigen Akten lässt sich zurück¬ 
verfolgen, dass die Gliederstarre vor der Militärzeit im Sommer 1892 
schon in geringem Grade bestanden, dann während der Militärzeit schnell 
zugenommen bat, so dass Pat. nach wenigen Monaten entlassen werden 
musste, und dass dann die Arbeitsfähigkeit bis zum Jahre 1897 langsam 
auf den Nullpunkt gesunken ist. Vortr. glaubt Wilson’scbe Krankheit 
wegen des relativ gutartigen Verlaufs und des Mangels einer Leber- 
affektion ausschliessen und Paralysis agitans annehmen zu dürfen. 

Diskussion. 

Hr. Mendel hält nach dem ganzen Verhalten des Pat. und dem 
Befunde seitens des Vortr. eine Hysterie für vorliegend. Jede „Paralysis 
agitans“ vor dem 40. Lebensjahre lenke den Verdacht auf Hysterie. 
Jedenfalls hätte Vortr. die Differentialdiagnose mit der Hysterie in Er¬ 
wägung ziehen müssen. 

Hr. Bonhoeffer: Ich habe aus der Demonstration gleichfalls den 
Eindruck eines psychogenen Zustandsbildes bekommen, insbesondere fallt 
es mir auf, dass, während bei der durch den Arzt vorgenommenen passiven 
Bewegung des Armes des Patienten starke Widerstände vorzuliegen 
scheinen, der gebeugte Arm dann später, der Aufmerksamkeit entzogen, 
ohne Widerstand der Schwere entsprechend herabsinkt. 

Hr. Stier (Schlusswort): Einen rein hysterischen Zustand, mit dem 
das Krankheitsbild bei erster Betrachtung grosse Aehnlichkeit hat, halt 
Vortr. nach mehrwöchiger Beobachtung des Mannes im Lazarett nicht 
mehr für vorliegend. Denn gegen reine Hysterie sprechen aus dem 
Symptombild das Fehlen der Sensibilitätsstörungen und das Anhalten 
der Starre im Schlaf. Aus den Akten sprechen dagegen die nach¬ 
gewiesene langsame Entstehung der Starre und des Zitterns vor der 
Militärzeit ohne Trauma und ohne nachweisbares gefühlsbetontes Er¬ 
lebnis, ferner das langsame Absinken der Arbeitsfähigkeit von 1893 
bis 1896, das durch amtliche Erkundigungen Jahr für Jahr verfolgt 
werden kann; bemerkenswert ist auch, dass Pat. beim Militär nicht auf 
eigene, sondern auf Veranlassung seiner Vorgesetzten, denen die Starre 
und Schwäche an ihm aufgefallen war, sich krank gemeldet hat und 
beim Militär keiuerlei Bemühungen gemacht, eine Rente zu erhalten; 
erst als ihm schliesslich in Anerkennung seiner Bedürftigkeit eine Unter¬ 
stützung bewilligt wurde und seine Arbeitsunfähigkeit ihn in grosse 
Notlage brachte, erwachte der Rentenhuoger. 

4. Hr. M. Rothmann: 

Demonstration inr Ausschaltung der Rinde des Mittellappeis des 
Kleinhirns. 

Vortr. betont die Fortschritte, die die Rindenlokalisation des Klein¬ 
hirns in den letzten Jahren gemacht bat. Hinsichtlich der Lokalisation 
der Extremitätenfunktion in der cerebellaren Hemisphärenrinde haben 
die Ergebnisse des Vortr., vor allem auch in Bezug auf die Lagestörungen 
nach bestimmten Richtungen bei partiellen Ausschaltungen der Extremi- 
tätencentren, eine erfreuliche Bestätigung durch die Untersuchungen von 
Andre -Thomar und Durupt erfahren. Vortr. demonstriert zunächst 
das Gehirn eines Hundes, bei dem eine Rindenläsion im vordersten Ab¬ 
schnitt des Lobus medianus posterior ein 11 Monate angehaltenes Nein¬ 
schütteln des Kopfes als einziges Symptom ausgelöst hatte. Es handelt 
sich, um die klassische Stelle der ersten durch van Rijnberk nachge¬ 
wiesenen cerebellaren RindeDlokalisation. Vortr. zeigt dann zuerst die 
Photographie und die Serienschnitte des Kleinhirns eines Hundes, bei 
dem die Totalentrindung des Mittellappens (Lobus anterior und 
Lobus medianus posterior) bei intakten Hemisphären und intaktem Kern¬ 
gebiet im wesentlichen gelungen ist. Der Hund lebte derart 3 1 /* Monate 
und zeigte, nachdem er erst nach einem Monat wegen stärkster Asynergie 
zum Laufen gekommen war, bis zum Tode ausgesprochene Ataxie am 
Kopf, Rumpf und Extremitäten bei Aufhebung des Bellens und cere- 
bellarer KehlkopfstöruDg. Die Extremitäten waren weder zu verstellen 
noch zu versenken. Die mikroskopischen Kleinhiroschnitte lassen die 
völlige Zerstörung der Rinde des Lobus anterior und des Lobus 
medianus posterior bis auf Reste der Lingula und des Nodulus erkennen. 
Die Kleinhirnhemisphären zeigen im wesentlichen erhaltene Rinde. Die 
Masse der Kleinhirnkerne ist erhalten, ebenso die sämtlichen Kleinhirn- 
arme. Doch sind die medialen Kleinhirnkerne atrophisch geworden in¬ 
folge der Abtrennung der Tractus fastigio-bulbares. Während sich hier¬ 
durch die hochgradige „Asynergie cerebelleuse“ erklärt, hat das Erhalten* 
sein der Hemisphärenrinde und der lateralen Kleinhirnkerne inklusive 
der vorderen Kleinhirnschenkel das Auftreten von Lagestörungen der 
Extremitäten verhindert. Im Vergleich hierzu werden die mikroskopischen 
Präparate eines Hundes mit totaler Entrindung einer ganzen Kleinhirn¬ 
hemisphäre demonstriert bei Intaktsein des Wurms und des medialen 
Kleinhirnkerns und massiger Atrophie des lateralen Kleinhirnkerns. Bei 
diesem Hunde, der drei Monate die Operation überlebte, bestand stärkste 
Lagestörung der gleichseitigen Extremitäten mit positivem Versenkungs¬ 
versuch ohne ausgesprochene Asynergie. 

Indem Vortr. die von Lewandowsky und Simons gegen seine 
Kleinhirnuntersuchungen erhobenen Angriffe zurückweist, hebt er die 
Bedeutung derartiger ausgedehnter möglichst reiner Entrindungen des 
Kleinhirns für das Verständnis der Funktion sowohl der Rinde als auch 
der Kerne des Kleinhirns hervor. 

5. Hr. Erich Schlesinger: 

Demonstration eines Papillenmessapparates. 

Nach Besprechung einer Reihe von Problemen, die für die Kon¬ 
struktion eines objektiv arbeitenden Pupillenmessers wichtig sind (Wahl 
der Lichtquelle, Vermeidung des diffusen Zerstreuungslichtes, soharfe 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1481 


3, August 1914. 


Abbildung desReizliobtea auf der Retina bei allen Refraktionszuständen usw.) 
demonstriert der Yortr. zunächst an der Hand einer schematischen Zeich¬ 
nung das von der Firma Carl Weiss hergestellte Pupillometer, das in¬ 
sofern eine Verbesserung der bisherigen Modells darstellt, als eine Ein¬ 
richtung getroffen ist, die es ermöglicht, die Akkommodation des Unter¬ 
suchten vollständig auszuschalten. 

Des ferneren beriohtet der Vortr. über die Resultate der Messung 
des Schwellenwertes und des reflexempfindlichen Bezirkes der Retina. 
Neu sind seine Erfahrungen über die Ermüdbarkeit des Pupillenreflexes 
für weisses Licht und Farben, die den Schluss sulassen, dass die centri- 
petalverlaufenden Percepttonsfagern für einzelne Spektralfarben in ge¬ 
trennten Bündeln verlaufen. 

6. Hr. Borehardt: 

Denoistration: Timor des oberste! Halsiiarkes. 

Bei dem in der letzten Sitzung demonstrierten Patienten, bei dem 
ein Tumor des oberen Halsmarkes angenommen worden war, ist die 
Laminektomie in der Höhe des 2. bis 5. Halswirbels vorgenommen worden, 
aber ohne dass ein Befund erhoben werden konnte. Der Erfolg der 
Operation bestand lediglich darin, dass die heftigen Nackenscbmerzen 
sich erheblich besserten, im übrigen aber verschlechterte sioh die Krank¬ 
heit zunehmend und rapide. Bei der Autopsie fand sich ein Tumor — 
histologisch ein Fibrom — innerhalb der Schädelhöhle, der auf das 
oberste Halsmark von rechts her drückte. Der Tumor liess sioh am 
Präparat sehr leicht herauslösen und lag nicht in der Substanz des 
Nervensystems. Offenbar ging er von austretenden Nervenfasern aus; 
an welcher Stelle, war nicht festznstellen, weil das Präparat in toto er¬ 
halten bleiben sollte und deshalb nicht bis in alle Details inspiziert 
werden konnte. Ein Teil der klinischen Symptome ist durch den ana¬ 
tomischen Befund erklärt. Ungeklärt bleibt aber die Tatsache, dass der 
Deltoideus und Supra- und Infraspinatus der rechten Seite atrophisch 
waren, während andererseits das Zwerchfell gut funktionierte. Auch 
das Intaktbleiben der kleinen Halsmuskeln findet durch den anatomi¬ 
schen Befund keine ausreichende Erklärung. 

Diskussion. 

Hr. M. Roth mann fragt zunäohst an, ob bei dem hohen Sitz des 
Tumors, der ja bis zur Medulla oblongata zu reichen soheint, keine 
Storung der Stimme oder der Kehlkopfinnervation zu beachten war. Da 
Yortr. bei Läsionen im 1. Cervicalsegment experimentell solche Störungen 
häufig beobachten konnte, so wäre eine solche Feststellung eventuell für 
die Lokaldiagnose von Bedeutung. Besonders auffällig aber in dem vor¬ 
liegenden Fall ist das Fehlen einer Störung der Zwerchfellinnervation. 
Da die Atembahnen im oberen Cervicalmark an der Peripherie des Vorder¬ 
seitenstranges verlaufen, so müsste ja ein Tumor von dem Sitz, wie er 
hier demonstriert wurde, einen direkten Druck auf dieselben ausüben. 

Hr. Henne borg: Auch bei sorgfältiger Präparation bleibt es in 
derartigen Fällen von parabulbären Neurofibromen — diese Benennung 
dürfte am zweckmässigsten sein — oft ungewiss, von welcher Nerven¬ 
wurzel der Tumor ausgeht. Die Geschwülste gehen von einem Primitiv¬ 
bündel der Wurzel aus, dieses wird bei weiterm Wachstum der Ge¬ 
schwulst gedehnt und zerreisst. Die Tumoren können dann ohne er¬ 
kennbaren Zusammenhang neben der Medulla obl. liegen. Auch bei 
den AcusticusgeschWülsten (Kleinhirnbrückenwinkeltumoren) bleibt es 
bisweilen unsicher, ob die Geschwulst tatsächlich vom Acustious ausgeht. 

7. Hr. Bonhoeffer: Kleiihiribefand bei Delirium tremeis. 

Es werden ausgesprochene Marchidegenerationen im Marklager 
desKleinhirnwurmes bei Delirium tremens demonstriert. Klinisch 
hatte es sich um die Kategorie von Delirium tremens gebandelt, bei 
welcher eine von dem Vortr. früher genauer beschriebene Störung der 
Orientierung über die Stellung des Körpers im Raum und beim Auf- 
jtellen auf die Beine ein Bild der Asynergie cdrebelleuse vorliegt. Vortr. 
hat auf diese Prädilektion des Kleinhirns und speziell des Kleiohirn- 
^jrms in der pathologischen Anatomie des Delirium tremens Vorjahren 
schon hingewiesen und zugleich auch die Beziehung des anatomischen 
Befundes zu der eigenartigen cerebellar aussehenden Desorientierung in 
brwagung gezogen. Der Befund ist späterhin auch von anderer Seite, 
von Alzheimer und Kürbitz, bestätigt worden. Der Vortr. hält es 
für erlaubt, ihn wieder einmal zu demonstrieren, weil er den Eindruck 
hat, dass die Befunde schwerer anatomischer Veränderungen beim Delirium 
tremens seltener geworden sind als früher. Wie das Delirium überhaupt 
m Häufigkeit abnimmt (vgl. die Untersuchungen Jeske’s), so scheint 
es dass der delirante Prozess selbst leichter wird und seltener 

zum Korsakoff und zum Tode führt. Es ist möglioh, dass neben dem 
auckgang des Sohnapskonsums auch die Zusammensetzung des Schnapses 
eine andere weniger deletäre geworden ist, insofern die schädlichen 
höheren Alkohole aas dem Triukschoaps sorgfältiger ausgesohiedeo werden. 


Diskussion. 

p . ~_ r * Rothmann: Da der bei den Delirauteu vom Vortr. erhobene 
ernnd einer Degeneration im Mittelteil des Kleinhirns mit der Asyuergie 
cerebelleuse zusammeofällt, so wäre es natürlich von grossem Interesse 
*u wissen, ob in diesen Fällen der Bäräny’sche Zeigeversuch ent¬ 
sprechend dem normalen Befund der Kleinhirnhemisphäre intakt war. 
wenn auch ein Teil der Befunde des Vortr. vor der Einführung dieser 
otersuchungsmetbode erhoben ist, so liegen vielleicht doch neuere 
«Pachtungen na °b dieser Richtung vor. 

., .“ r * Bonhoeffer (Schlusswort): Im vorliegenden Falle ist auf Bäräuy 
moht untersucht worden. 


Berliner mikrobiologische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 11. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Löffler. 

Schriftführer: Herr Friedberger. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Leoaor Michaelis: 

Weitere Untersichnngei über Agglntiaiie md über Säore- 
agglntiiation. 

a) Die Säureagglntination der Typhusbaoillen. 

Sgalitzer hat den Ein wand gemacht, dass das vom Verf. auf¬ 
gestellte Gesetz der Säureagglutination, dass das Optimum derselben nur 
von der Wasserstoffionenkonzentration abhänge, nur für die organischen 
Säuren, nicht für HCl gelte. Es wird nun gezeigt, dass dieses Gesetz 
auch für HCl gilt. Mau muss der HCl, um Agglutination zu erreichen, 
ein wenig ClNa zufügen, und die [H*j darf nicht berechnet, sondern 
muss elektrometrisch gemessen werden, weil die Berechnung der [H‘] 
wegen der hohen Verdünnungen derselben und der unvermeidlichen Ver¬ 
unreinigungen illusorisch ist. 

b) Die Agglutination des Bact. coli durch Menschen¬ 
serum. 

Jedes Menschenserum agglutiniert Bact. coli bis zu einem Titer von 
1:3000 oder etwas mehr, wenn man die Agglutination bei einer Wasser- 
stoffionenkonzentration zwischen 10— 5 and 10~ 4 n vor sich gehen lässt. 
Die verschiedenen Sera, selbst die von Typhuskranken, verhielten sioh 
gleich; die Agglutinabilität verschiedener Colistämme schwankte in 
engen Grenzen. Es dürfte sich nicht um einen spezifischen Antikörper 
im biologischen Sinne handeln, sondern um die gegenseitige Fällung 
eines eiweiss- und nuoleoproteidartigen Körpers. 

Auoh die Säureagglutination der Typhus- und Paratyphusbacillen 
wird in bezug auf ihr Optimum durch Gegenwart von Serum, Gelatine 
u. a. verschoben. 

Diskussion. 

Hr.Lentz fragt, ob die Säureagglutination praktisch zur Identifizie¬ 
rung schwer agglutinabler Typhustämme verwandt worden ist. 

Hr. Michaelis: Der richtige Ausfall der Säureagglutiuation hat 
sich durchweg als ein sicheres Kriterium des Typhusbacillus erwiesen. 
Ich habe eine einzige Ausnahme erlebt: aus den Faeces eines vor drei 
Jahren an Typhus erkrankt gewesenen Mannes Hessen sich zu wieder¬ 
holten Malen sonst typische Colibacillen züchten, die aber das Säure- 
agglutinationsoptimum des Typhusbacillus gaben. Spezifische Serum¬ 
agglutination gaben die Bacillen nicht. Beim Weiterzüchten gab ein 
Stamm diese Eigenschaft bald wieder auf, ein zweiter hat sie bis jetzt 
(etwa 8 Wochen lang) bewahrt. 

Hr. Lentz: Die eben erwähnte Erscheinung erinnert sehr an die 
Paragglutination aus Coli- und Typhusstühlen. Auch das sohnelle Ver¬ 
schwinden der Säureagglutination bei diesem Coli entspricht ganz der 
Paragglutination, die ja auch nach wenigen Ueberimpfungen verschwindet. 
Die Beobachtung von Michaelis ist meines Erachtens ausserordentlich 
interessant. 

Hr. Löffler fragt, wie die Reaktion bei nahe verwandten Bakterien¬ 
arten verläuft. Zum Beispiel bei den Vertretern der Fleischvergiftungs¬ 
gruppe. 

Hr. Michaelis: Auch bezüglich der Säureagglutiuatioo gibt es 
leicht- und schweragglutinable Stämme. Diese Eigenschaft geht oft, 
aber nicht ganz regelmässig parallel mit der spezifischen leichten oder 
schweren Agglutinabilität. Sofern die Säureagglutination überhaupt noch 
erkennbar ist, ist Schweragglutinabilität keine Erschwerung der Diagnose, 
sondern eher eine Erleichterung, weil das Optimum der Säureaggluti- 
oation dann eher noch schärfer ausgeprägt wird. Dies ist ein Unter¬ 
schied gegen die spezifische Agglutination urd hat praktische Bedeutung. 
Eine zweite praktische Bedeutung liegt darin, dass eine grosse Gruppe 
vor paratyphus- und paracoliähnlichen Bakterien gemeinschaftlich vom 
Bact. coli durch ihr gemeinsames Säureagglutiuationsoptimum bei 16 bis 
32.10-« erkannt werden kann, während bisher ihre Zugehörigkeit zu 
dieser Gruppe nur durch Anstellung zahlloser spezifischer Agglutinations¬ 
proben mit den einzelnen Imraunseren erkannt werden kann. Es ist 
deshalb ratsam, dieses gemeinschaftliche Säureagglutinationsoptimum als 
eine Gruppencharakterisierung zu verwenden, denn es scheint die kon¬ 
stanteste gemeinsame Eigenschaft zu sein. Das echte Bact. coli ist über¬ 
haupt nicht säureagglutinabel. 

Hr. Poppe: Es ist die Frage angeschnitten worden, ob mittels der 
Säureagglutination die kulturell mit der Paratyphusgruppe überein¬ 
stimmenden Stämme, die jedoch von spezifischen Sera nicht agglutiniert 
werden, differenziert werden können. Frühere von mir im Kaiserlichen 
Gesundheitsamt angestellte und auf der letzten Tagung der Freien Ver¬ 
einigung für Mikrobiologie bereits bekanntgegebene Versuche haben nun 
gezeigt, dass eine Trennung der Paratyphus B- und Paratyphus B- 
ähnlichen Bacillen mittels der Säurefällung bis zu einem geringen Grade 
möglich ist. Während die Bakterien der Paratyphus B-Gruppe (Bacillus 
paratypbi B, suipestifer, psittacosis, typhi muriuml, ebenso wie die Mehr¬ 
zahl der Gärtnerbacillen einer [H'J von 16—32.10~* gefällt werden, 
werden Paratyphus B-ähuliche Stämme (Blaustämme aus Fleisch, die 
sogenannten Dahlemstämme und aus gesunden Kälbern gezüchtete 
Stämme), die darob spezifisohes Serum nicht agglutiniert werden, durch 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


Säure nicht beeinflusst. Bemerkenswert war jedoch, dass die Kälber¬ 
ruhrstämme, die sogenannten Voldagsen- und Glässerstämme und der 
Paratypbus C bei der gleichen [H*] gefällt werden wie die echten Para¬ 
typhus B-Baoillen. Es scheint somit, dass die aus kranken Menschen 
und Tieren gezüchteten Paratyphus B- und ähnlichen Stämme das gleiche 
Fällungsoptimum haben (16—32.10“*), im Gegensatz zu den sapro-, 
phytischen Stämmen, die durch Säure nicht beeinflusst werden. 

Beiläufig ist noch zu erwähnen, dass die den Paratyphusbakterien 
(Salmonellagruppe) nicht zu fernstehenden Bacillen der hämorrhagischen 
Septikämie (Pasteureliagruppe) mittels der Säureagglutination ebenfalls 
in zwei Gruppen getrennt werden können: Geflügelcholera-, Schaf- und 
KanarienseptikämiebaoiUen werden durch Säure nicht beeinflusst, 
während der Bao. suiseptious bei einer [H.] = 8.10~ 5 ausgefällt 
wird. 

2. Hr. R. Otto: Ueber Antianaphylaxie. 

Vortr. berichtet über Versuche, die (absichtlich künstlich erzeugte) 
Antianaphylaxie (d. b. die nach Injektion bestimmter Serumdosen 
bei überempfindlichen Individuen folgende Unempfindlichkeit gegenüber 
dem injizierten Antigen) als Prophylacticum gegen den ana¬ 
phylaktischen Shock zu benutzen. Bereits von verschiedener Seite 
(Neufeld, Besredka, Doerr, Friedberger usw.) ist vorgeschlagen, 
die Antianaphylaxie zu diesem Zwecke auch beim Menschen zu ver¬ 
wenden, besonders dann, wenn intravenöse oder intraspinale Serum- 
iDjektionen vorgenommen werden sollen. 

Auf Grund der vorliegenden Erfahrungen, vor allem der Studien 
von Pirquet’s und Schick’s und der Ergebnisse der Laboratoriums¬ 
untersuchungen hielt man bisher fast allgemein nur die wiederholte 
Injektion des Heilserums auch beim Menschen für gefährlich. Es zeigt 
sich aber heim Studium der „Serumkrankheit“, dass die schwersten Zu¬ 
fälle (Todesfälle) häufiger bei Personen Vorkommen, die bis dahin nicht 
mit Serum behandelt sind. Die Ursache dieser Ueberempfindlichkeit 
„Erstinjizierter“ ist noch nicht genügend geklärt. Nach Ansicht des 
Vortr. darf man auf Grund von experimentellen Erfahrungen (Heil ner, 
Uhlenhuth und Händel, Hailer, Steffenhagen, Clou gb, 
Billard und Barbes, Zunz, Wels und Osborne, Bürger) an- 
nehmeD, dass es sich hierbei nicht notwendig um eine voraufgegangene 
spezifische Sensibilisierung durch Pferdeeiweiss handeln muss. Die 
Ueberempfindlichkeit kann sehr wohl durch heterologes Ei weiss erzeugt 
und unspezifisch sein. Es sind daher auch nach der Applikation von 
Schaf- oder Rinderserum solche Zufälle nicht auszuschliessen. Neben 
der auf isopathischer Disposition beruhenden Ueberempfindlichkeit gegen 
Pferdeserum sei auch mit dem Vorkommen von Uebererapfindlichkeits- 
erscheinungen bei Leuten mit idiopathischen Dispositionen zu rechnen 
(siehe v.Bebring’s Einteilung der verschiedenen „Dispositionen“). Leider 
besitzen wir noch keine Methode, welche in kürzester Zeit die Diagnose 
auf das Vorliegen einer solchen idio- oder isopathischen Disposition ge¬ 
stattet. Andererseits ist aber bei Erkrankungen häufig die möglichst 
schnelle Serumanwendung dringend erforderlich. 

Die bisherigen Erfahrungen mit der Antianapbylaxie als Schutz¬ 
mittel gegen die Anaphylaxie sind nicht ungünstig, und die Erfolge 
lassen sich sogar z. B. bei Laboratoriumsversuchen sehr günstig ge¬ 
stalten. Allerdings sind die im Laboratorium brauchbar befundenen 
Methoden (z. B. die von Priedberger) in der Praxis beim Menschen 
kaum anwendbar; auch müssen alle die Verfahren für die menschliche 
Prophylaxe fortfallen, die sich nicht der subcutanen (oder intracutaneü) 
Injektion bedienen. Aber gerade bezüglich der nach dieser Methode zu 
erwartenden Schutzwirkung liegen wenig experimentelle Untersuchungen 
vor. Daher schwanken auch die Angaben über die beim Menschen an¬ 
zuwendenden Serumdosen. Aus diesen Gründen hat Vortr. in Gemein¬ 
schaft mit Dr. Hoefer nach dieser Richtung hin erneute, umfangreiche 
Versuche angestellt. 

Auf Grund der bisher vorliegenden Erfahrungen blieb dabei zu be¬ 
rücksichtigen, dass es vereinzelte hocbüberempfindliche Menschen gibt, 
für die selbst die subcutane Injektion von einigen Zentimetern Serum 
lebensgefährlich sein kann. Es war daher in erster Linie zu prüfen, ob 
sich auch durch geringe Antigendosen (bis 1 ccm Serum etwa) im Tier¬ 
versuch genügende „Antianaphylaxie“ erzeugen lässt. Um den er¬ 
langten Schutz zu messen, wurden möglichst schwere Versuchsbedin- 
gungen gewählt (Verwendung der mehrfach tödlichen Serumdosis und 
intravenöse Applikation des Serums). 

Wie die Versuche ergaben, gelingt es tatsächlich, durch subcutane 
Injektionen von 0,5 bis 1,0 ccm Serum beim überempfindlichen Meer¬ 
schweinchen eine hochgradige Unempfindlichkeit zu erzielen, die 
etwa naeh 3—4 Stunden einsetzt. Bei besonders stark empfindlichen Tieren 
gelang durch diese Dosis allerdings keine völlige Beseitigung des Shocks, 
aber doch die Abwendung des Exitus. Die intravenöse Injektion erwies 
sich auch bei diesen Versuchen als wenig brauchbar, weil sicher 
schützende Dosen der tödlichen Serumdosis sehr nahe kamen, abgesehen 
davon, dass die individuelle Empfänglichkeit der überempfindlichen Meer¬ 
schweinchen gegenüber Pferdeserum bei der intravenösen Reiojektion oft 
schwankte. Der subcutanen Injektion wird von dem Vortr. auch deshalb 
der Vorzug gegeben, weil die bei überempfindlichen Menschen auftretende 
sofortige „lokale“ Reaktion auf das Vorliegcn von hochgradiger Ana¬ 
phylaxie aufmerksam machen kann. Aus diesem Grunde ist die sub¬ 
cutane Methode auch der intramuskulären überlegen. Neben der sub¬ 
cutanen leistete die intracutane Methode gute Dienste. 


Zur Vermeidung der Serumkrankheit — speziell der schweren 
Zufälle — beim Menschen empfiehlt der Vortr., ganz generell in der 
Weise vorzugehen, dass man bei Injektionen zu Heilzwecken, wenn die 
klinischen Erscheinungen es gestatten, zunächst immer nur 0,5 bis 
1,0 ccm Heilserum „subcutan“ injiziert und nach mehreren Stunden 
(eventuell am nächsten Morgen) die weitere Seruminjektion folgen lässt 
Handelt es sich um „Reinjizierte“ oder um Personen, die an asthmatischen 
Beschwerden, Idiosynkrasien usw. leiden, so ist dieses Verfahren unter 
allen Umständen geboten; ebenso dann, wenn die Injektion grosser 
Serumdosen oder die intravenöse bzw. intraspinale Applikation des 
Serums beabsichtigt ist. Für die prophylaktischen Schutz¬ 
impfungen mit Diphtherieserum bei Gesunden in der Umgebung 
Kranker spielt die Gefahr der Serumkrankheit keine Rolle. Da für der¬ 
artige Injektionen 100—250 Immunitätseinheiten nach den vorliegenden 
Erfahrungen genügen, so kommt man beim Menschen mit so geringen 
Serumdosen aus, dass keine ernsteren Störungen zu erwarten sind (0,2 bis 
0,5 ccm eines 500 fachen Serums). 

Im Vergleich zum Nutzen der Schutzimpfung ist der Gefahr einer 
leichten Serumkrankheit keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen 1 ). 

Vortr. berichtet dann noch kurz über experimentelle Versuche, durch 
die gleichzeitige Injektion von Adrenalin eine lokale Kontraktion der 
Capillargefässe und damit eine Verlangsamung der Serumresorption und 
eine Abschwächung der anaphylaktischen Erscheinungen zu erzielen. 
Die Versuche fielen ungleiohmässig aus. (Verschiedenheit der Präparate?) 
Weiter hat er das von der Firma E. Merck zu prophylaktischen In¬ 
jektionen neu eingeführte Oeltrockenserum und ein ihm von 
Dr. B lumenthal - Moskau zur Verfügung gestelltes sogenanntes „ge¬ 
reinigtes“ Serum auf ihre anaphylaxieauslösenden Eigenschaften an 
überempfindlich gemachten Meerschweinchen geprüft. 

(Die Arbeit erscheint ausführlich an anderer Stelle.) 

Diskussion. 

Hr. Friedberger: Die umfassenden Versuche, über die uns Herr 
Otto berichtet hat, zeigen erneut, wie regelmässig man Tiere anti- 
anaphylaktisch machen kann. Allerdings ist in den Versuchen, deren 
Tabellen hier projiziert worden sind, der Grad der Antianaphylaxie ein 
relativ geringer gewesen. Es liegt das daran, dass entsprechend der 
praktischen Fragestellung keine sehr grossen Dosen und diese noch sub¬ 
cutan verwandt wurden, und dass die Injektion auf Prüfung der Anti¬ 
anapbylaxie schon nach kurzem Intervall erfolgte. 

Nach der von mir aufgestellten Theorie beruht die Antianaphylaxie 
auf einer Absättigung der Antikörper durch das in untertödlicher Dosis 
eingespritzte Antigen. Ich habe deshalb auch diese „Anaphylaxie 
refracta dosi“, wie ich die Antianaphylaxie bezeichnet habe, als streng 
spezifisch befunden, was experimentell auch von Weil und Cooa be¬ 
stätigt wurde. Das leugnete Bessau früher auf Grund unzulänglicher 
Versuche aber auch wieder in einer jüngst erschienenen Arbeit. Er 
begeht jedoch auch jetzt den prinzipiellen Fehler, dass er die Anti- 
anapbylaktisierung nicht richtig ausführt. 

Um die notwendige Absättigung der Antikörper zu erzielen, muss relativ 
viel Antigen zugeführt werden. Wenn man wie dieser Autor das Serum intra¬ 
venös gibt, so kann man das aktiv präparierte Meerschweinchen überhaupt 
nicht ordentlich antianaphylaktisch machen, weil in Anbetracht der 
hohen Empfindlichkeit der präparierten Tiere die Dosis minima tolerata 
viel zu klein ist. Man muss, wie das von mir und meinen Mitarbeitern 
früher bereits geschehen ist, subcutan oder am besten intraperitoneal 
präparieren. Dann erreicht man bequem eine 100 mal so starke Ab- 
sättigung als bei dem für die Antianaphylaktisierung ganz ungeeigneten 
Verfahren der intravenösen Antigenzufuhr. 

Sodann hat Bessau noch den Fehler begangen, zur gemischten 
Präparierung neben einem ungiftigen ein hocbgiftiges (Rinder-) Serum 
zu benutzen, wobei in seinen Versuchen die normale Toxizität bei etwas 
grösseren Dosen interferiert. Gleichwohl tritt auch bei dieser unzweck¬ 
mässigen Versuchsanordnung die Spezifizität der Antianaphylaxie zutage, 
und zwar in noch höherem Grade, als es aus Bessau’s Berechnung 
selbst zahlenmässig hervortritt (er hat die tödlichen Dosen des Rinder¬ 
und Pferdeseruma für die gemischt präparierten Tiere nicht richtig be¬ 
rechnet). Es muss also an der Spezifizität der Antianaphylaxie ent¬ 
sprechend ihrem Entstehungsmodus festgehalten werden. 

Nun haben wir in der jüngsten Zeit ein anderes Phänomen, das 
mit der Antianaphylaxie gewisse Aehnlichkeit hat, aber wohl als Resistenz 
in meinem Sinne aufzufassen ist, näher untersucht. 

Bei dem Bestreben, das noch am wenigsten geklärte Phänomen, 
nämlich das zeitliche Intervall in der passiven Anaphylaxie, näher zu 
erforschen, haben wir uns die Frage wieder vorgelegt, die ich schon vor 
Jahren diskutiert habe, dass vielleicht das Kanincbeneiweiss des prä¬ 
parierenden Serums an dem Intervall schuld sei. Ich hatte die Vor¬ 
stellung, dass dieses Eiweiss erst ausgesohaltet sein müsse, ehe die 
gleichzeitig injizierten Antikörper mit dem nach gespritzten Antigen in 
Aktion treten könnten. Tatsächlich gelingt es nun auch, bei passiv 
präparierten Meerschweinchen, die etwa 24 Stunden nach der Antiserum¬ 
zufuhr vorhandene maximale Ueberempfindlichkeit wieder auszulöschen 
durch die Injektion von aktivem oder inaktivem Normalkaninchenserum. 
(Vgl. auch die Versuche von Weil.) 


1) Siehe auch Verhandlung des Internationalen Hygienekongresses 1903 
sowie die Berichte von Geheimrat Gaffky und Heubner. 


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3. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1483 


Nach umfassenden Untersuchungen, die ich zusammen mit Fräulein 
S. Hjelt-Helsingfors ausgeführt habe, gelingt es 24 Stunden nach der 
passiven Präparieruog durch Injektion von 1,0 aktivem oder inaktivem 
Normalkaninchenserum, die passive Anaphylaxie gegenüber Hammel- 
eiweiss innerhalb einer Stunde aufzubeben (Prüfung meist mit lOfachem 
Multiplum der tödlichen Dosis). Diese Resistenz dauert wenigstens 
24 Stunden. Die die Anaphylaxie auslösende Wirkung kommt auch dem 
Hammelserum in gleicher Weise gegenüber Antipferdeserum zu, dagegen 
haben wir sie gegenüber Antikatzenserum vermisst. Das Kaninchenserum 
dagegen löscht sowohl die passive Antikatzenserum- wie Antipferde- 
serumanapbylaxie aus. 

Wir haben nun diese Versuche auch auf die aktive Anaphylaxie 
ausgedehnt und dabei das gleiche gefunden. Das Kaninchenserum löscht 
hier bei hochgradig gegen Hammeleiweiss überempfindlichen Tieren bei 
intravenöser Zufuhr in Dosen von 1 bis 0,2 die Anaphylaxie aus; 1,0 aktiven 
Kaninchenserums wirkt unter Umständen sofort, jedoch nicht so prompt 
wie bei mit Hammelserum präparierten Tieren, bei mit Pferdeserum prä¬ 
parierten. Die auslösohende Wirkung dauert wenigstens 15 Stunden. Sie 
kommt dem Kaninchenserum nicht in gleicher Weise zu, wenn es mit 
dem Antigen der Reinjektion gemischt gegeben wird. Pferdeserum, 
Hühnereiweiss, Menschenserum und Meerschweinchenserum besitzen unter 
Bedingungen, in denen das Kaninchenserum die aktive Anaphylaxie 
gegenüber Hammelserum aufhebt, keinen Effekt. 

Bei mit Pferdeserum aktiv präparierten Meerschweinchen besitzt das 
Kaninchenserum bei intraperitonealer Applikation zunächst keine aus¬ 
löschende Wirkung. In geringerem Grade scheint sie sich nach 48 Stunden 
geltend zu machen. 

Herr Otto hat dann noch auf meine Methode zur Verhütung der 
Anaphylaxie bei SerumiDjektion hingewiesen. Ob und inwieweit die 
Methode der langsamen Injektion, wie ich sie mit Mita angegeben habe, 
in die Klinik Eingang gefunden hat, darüber habe ich keine Erfahrung. 
Im Laboratorium und bei der Gewinnung von Antiseris am Tier ist sie 
jedenfalls mit Erfolg vielfach benutzt worden. Ich halte sie auch für 
durchaus anwendbar in der Klinik, zumal sie bei richtiger Handhabung 
die therapeutisch ja viel wirksameren intravenösen Seruminjektionen 
ohne Gefahr ermöglicht. Die Kältemethode, die ich mit Kumagai an¬ 
gegeben habe, ist ja wohl nur vom theoretischen Gesichtspunkte aus 
beachtenswert, weil sie eben ein Beweis für die Intervention des Kom¬ 
plements darstellt und das Ausbleiben der Ueberempfindlichkeit bei 
ungenügender Komplementfunktion zeigt. Es könnte aber Fälle geben, 
wo man sie immerhin auch in der Praxis versuchen dürfte. 

Was die Adrenalinversuche des Herrn Otto anlaogt, so stellen sie 
ja eine teilweise Bestätigung der unter meiner Leitung von Galambos 
ausgeführten Experimente dar. Vielleicht beruht das negative Ergebnis 
in einer Versuchsreihe tatsächlich auf der bekannten leichten Zersetzlich¬ 
keit des Präparats. 

Hr. Friedemann glaubt nicht, dass die Versuche Friedberger’s 
ausreichen, das Latenzstadium bei der passiven Anaphylaxie zu er¬ 
klären, da dieses auch bei der Uebertragung von Meerschweinchenserum 
zur Beobachtung kommt. 

Hr. Aronson: Die primäre Giftigkeit des Pferdeserums für 
Menschen scheint mir nicht so gross zu sein, wie Herr Otto annimmt. 
Ein Teil der bekanntgewordenen Todesfälle, speziell der Fall Langer- 
hans, sind sicher nicht dem Serum zuzuschreiben. 

Die Giftigkeit des Pferdeserums ist nicht allein durch ein anaphy¬ 
laktisches Toxin zu erklären. Es gibt noch im Serum schädlich wirkende 
Körper, die direkt nichts mit Anaphylaxie zu tun haben. So habe ich 
*• B. beobachtet, dass die primäre Giftigkeit für Menschen nicht allein 
von einer besonderen Disposition der Kranken herrührt, sondern dass 
das Serum bestimmter Pferde für alle Individuen toxischer ist als 
das Serum anderer. Speziell dem Serum schwarzer Pferde (Rappen) 
kommt, wie ich gefunden habe, im allgemeinen eine erhöhte Giftigkeit, 
die sich in gehäuftem Auftreten von Urticaria, Gelenkerscbeinungen 
aussert, zu. Ich habe daher früher zur Serumgewinnung für thera¬ 
peutische Zwecke nur möglichst helle Pferde verwendet. 

Hr. Friedberger: Zu den Ausführungen des Herrn Friedemann 
möchte ich noch bemerken, dass wir mit unseren Versuchen ja nicht das 
Latenzstadium bei der passiven Anaphylaxie erklären oder gar restlos 
erklären wollten. Bei den zur Analyse dieser Tatsache angestellten Ver¬ 
suchen haben wir unter anderem auch nach der angegebenen Richtung 
gearbeitet und die vorerwähnten Resultate erhalten, die vielleicht mit 
dem Lateozstadium Zusammenhängen. 

Hr. Otto (Schlusswort): Gegenüber den Bemerkungen des Herrn 
Friedberger möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass für unsere 
Untersuchungen nur die subcutane (bzw. intracutane) Reinjektion in 
Frage kommen konnte, weil sie die einfachste und ungefährlichste ist. 
Hass man mit anderen Methoden (z. B. intravenös und intraperitoneal) 
schnellere und höhere Grade der Antianaphylaxie im Tierexperiment 
ornelen kann, war uns nicht unbekannt. 

Was die Schutzwirkung des normalen Kaninchenserums anbetrifft, 
so habe auch ich die gleiche Beobachtung gemacht und zwar bei Ge¬ 
legenheit von Versuchen, welche von mir ausgeführt sind zur Analyse 
des von Loeffler jun. beschriebenen Phänomens. Bekanntlich hat 
Loeffler gezeigt, dass nach der intraperitonealen Injektion eines hämo¬ 
lytischen Systems bei intraperitoneal sensibilisierten Tieren kein Sbock 
Antritt, wenn man die Tiere eine Stunde später intraperitoneal mit dem 


Antigen reinjiziert. Loeffler führt diese Erscheinung auf Komplement¬ 
mangel zurück, da er nacbweisen konnte, dass durch die Hämolyse das 
Komplement in der Bauchhöhle der Tiere aufgebraucht wurde. Nach 
unseren bisherigen Versuchen ist der Komplementschwund nicht das 
ausschlaggebende. Das Ausbleiben des anaphylaktischen Shocks ist 
vielmehr auf eine Form von Antianaphylaxie zurückzuführen, für deren 
Entstehung mehrere Faktoren in Frage kommen dürften. Bei diesen 
Versuchen zeigte sich nun, dass auch normales Kaninchenserum allein 
und ebenso unter gewissen Bedingungen bestimmte Immunserum vom 
Kaninchen einen aspezifischen (vorübergehenden) Schutz bei über¬ 
empfindlichen Meerschweinchen auszuüben vermögen. Da unsere Ver¬ 
suche, denen vielleicht eine grosse praktische Bedeutung zukommt, noch 
nicht endgültig abgeschlossen sind, möchte ich heute nicht näher auf 
dieselben eingehen, sondern behalte mir vor, später auf dieselben zu¬ 
rückzukommen. 

Herrn Aronson gegenüber möchte ich bemerken, dass auch wir 
daran gedacht haben, ob nicht für die Auslösung der „Serumexantheme* 
beim Menschen ausser dem Eiweiss noch andere Stoffe im Heilserum ver¬ 
antwortlich zu maebeD sind. Ich selbst habe früher mehrfach Sera, die 
verhältnismässig viel Exantheme gemacht hatten, nach dieser Richtung 
hin untersucht, ohne dass es mir damals gelungen ist, festzustellen, 
welche Stoffe hierbei noch mitspielen können. 

3. Frau Liechtenstein: 

Heber die Differenziernng einzelner Hefearten mit Hilfe spezifischer 
Agglutinin«. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 
Diskussion. 

Hr. Löffler fragt an über die Möglichkeit, verschiedenfarbige Hefen 
zu differenzieren. 

Hr. Lange: Aus den interessanten Versuchen der Frau Liechten¬ 
stein ergibt sich, im grossen und ganzen, dass durch die Agglutination 
die zwei Gruppen der ober- und der untergärigen Hefen getrennt werden 
können. Es drängt sich der Gedanke auf, ob niobt bei der Immuni¬ 
sierung der Kaninchen gewisse eiweissartige Umsetzungsprodukte aus 
dem Nährmedium oder Zerfallsprodukte der Hefezellen das wirksame 
Agens darstellen. Der chemische Vorgang ist, wenn auch vielleicht 
nur in bezug auf Einzelheiten, ein verschiedener, je nachdem untergärige 
oder obergärige Hefe in Wirkung tritt. Es wäre vielleicht von Interesse 
zu prüfen, ob durch wiederholte Injektion von gewaschenen Hefe¬ 
zellen Sera gewonnen werden, die andere Eigenschaften zeigen. Ich 
möchte hiermit nur eine Vermutung ausgesprochen haben, zu der ich 
dadurch komme, dass frühere Untersucher Agglutinine gegen Hefe 
überhaupt nicht oder wenn, dann nur solche, die gar keine Differenzierung 
der Hefearten gestatteten, gefunden haben. 


Berliner Gesellschaft fttr Chirurgie. 

Sitzung vom 27. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Körte. 

Schriftführer: Herr Riese. 

1. Hr. Dö’nitz: 

Demonstration eines Präparates von Mediastinaleyste. 

Es handelte sich um einen Patienten, der 1906 mit Hustenreiz und 
Atemnot erkrankte, bei dem 1909 das Röntgenbild einen Schatten hinter 
dem Sternum ergab, und bei dem 1912 durch Punktion neben dem 
Sternum eine erst hellgelbe, später kaffeebraune Flüssigkeit punktiert 
wurde. Es bestand hochgradige Cyanose, der Thorax war fasslörmig er¬ 
weitert. Operation: Es wurde ein mehrere Centimenter grosses quadra¬ 
tisches Stück des Sternums herausgemeisselt, und versuobt, aus dieser 
Oeffnung den Tumor herauszuziehen; da aber die Vena anonyma mit¬ 
folgte, wurde die Mediastinaleyste (um eine solche bandelt es sich) er¬ 
öffnet und in den Wundrand eingenäht. Nach anfänglicher Besserung 
erfolgte in kurzem der Tod unter zunehmender Atemnot. — An einem 
Modell demonstriert Vortr., dass nach Eröffnung der Cyste' der intra- 
thoracale Druck derart verändert wurde, dass die Lunge nicht mehr 
atmete, und schlägt vor, in solchen Fällen durch eine Gummiplatte die 
Cystenöffnung zu verschliessen. — Aanatomisch handelte es sich um 
eine Dermoidcyste. 

Diskussion. 

Hr. A. Fraenkel berichtet über zwei Dermoidcysten des Mediastinums, 
die er im Urbankrankenhause beobachtete: 1. Bei einem 12 jährigen 
Jungen (Dämpfung hinter und neben dem Sternum), Punktion ergab 
einen emulsiven Fettbrei. Exstirpation der Cyste durch Herrn Körte. 
Tod nach 2 Jahren an Tuberkulose. 2. Bei einer Dame ergab sich vor 
8 Jahren eine Dämpfung, Schatten im Röntgenbild. Differentialdiagnose 
zwischen Struma retrosternalis und Dermoidcyste des Mediastinums. 
Von Kocher wurde später von der Fossa supraclavicularis dextra aus 
die Cyste eröffnet, entleert, mit Alkohol ausgespült. Die Cyste 
schrumpfte, so dass man von Heilung sprechen kann. 

Hr. Riese rät von Exstirpation ab und ist für Einnähung. Ein so 
operierter Fall ist gut verlaufen, aber die Cyste nicht geschrumpft. 

Hr. Körte berichtet von zwei Fällen, deren einer der von Herrn 
Frankel berichtete ist. Beide Cysten hatten dicke Wandungen, wurden 
nicht exstirpiert. 

Hr. Bier berichtet von mehreren ebenso operierten Fällen, die 
nachher noch lange gelebt haben. 


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1484 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


2. Hr. t. Huseatui: Ueber Krebs probleme. 

Vortr. kann keine neuen Tatsachen anführen. Er will aus der auch 
vom Spezialisten kaum zu bewältigenden Literatur nur ein kurzes 
Resum6 geben, in dem Sinne: welche Bedeutung den Ergebnissen für 
die praktische Behandlung zukommt. 

Er unterscheidet mehrere, derZeit nach nicht scharf zu trennende 
Perioden der Krebsforschung: 

1. Die histologisch-morphologische, die höchst eiakt und 
streng wissenschaftlich verfuhr und erreichte, dass heute die Diagnose 
des Carcinoms auch aus kleinsten Gewebsstücken mit hoher Sicherheit 
möglich ist, nicht mit absoluter, da die Grenzen zwischen gutartigen 
und bösartigen Formen nicht immer zu ziehen sind, selbst für den Ge¬ 
übtesten. Jedoch ist auch die frühzeitige Diagnose ermöglicht, frei¬ 
lich nicht durch die biologische Reaktion, da ja erst fortschreitende 
Carcinome im Körper reaktive Stoffe erzeugen. 

2. Die ätiologische Periode, die im Gegensatz zur ersten einem 
trüben Wasser gleicht, in dem alle fisohen wollen, namentlich auch 
Nicbtfachleute, nachdem Koch als Outsider voranging. Vortr. erinnert 
an die Leydenia gemmipara u. a. Ausser der Parasitentheorie spielte 
die Reiztheorie eine grosse Rolle, während jetzt als festgestellt gilt, 
dass derselbe Reiz verschiedene Geschwülste hervorrufen kann. 

Die ätiologische Forschung bat als wichtigstes ergeben: die Ent¬ 
stehung der Röntgencarcinome, ferner die durch Fiebiger inaugurierte 
Geschwulstentstehung bei Ratten durch Parasiten. Dabei muss betont 
werden, dass die Parasiten nicht etwa die Erreger des Krebses sind, 
sondern nur den Reiz darstellen, der zu Carcinom führt, aber auch 
andersartige Geschwülste hervorrufen kann, ebenso wie die Bilharzialarve. 

8. Die experimentelle Periode, die die Entstehung, Entwick¬ 
lung und endlich die Krebsbehandlung erforschen will. Die Resultate 
waren äusserst gering, da die einzige gelungene Krebsübertragung die 
von Hanau voltführte Cancroidübertragung von der Ratte ist. Wenn 
Ehrlich vor einigen Jahren der experimentellen Forschung einen nahen 
Sieg prophezeite, so ist zu konstatieren, dass sie, mit äusserst reichen 
Mitteln arbeitend, wohl eine Fülle interessanter Tatsachen gezeitigt bat, 
doch für die Praxis bei allem nicht viel herausgekommen ist, ausser 
etwa der Mäuseimmunisierung, Wachstumsbeeinflussung u. a. Dabei 
muss immer wieder betont werden, dass Mäusetumor mit menschlichem 
Carcinom ganz und gar nicht identisch, also kein echtes Carcinom ist. 
Jedoch ist zuzugeben, dass wir durch Fiebiger’s Versuche doch zu 
echten Carcinomen kommen werden, dass also jetzt erst die resultat- 
verheissende Forschung einsetzt. 

4. Die therapeutische Periode. Es ist bekannt, dass es ge- 
gelingt, Mäusetumoren in kurzer Zeit zum Schwinden zu bringen. Ins¬ 
besondere sind sie durch Wassermann’s Methode sehr gut zu beein¬ 
flussen, so dass schon nach 24 Stunden ein förmlicher Zerfall eingetreten 
ist Angenommen, dies Verfahren Hesse sich nun auch auf den Menschen 
anwenden, so wäre die Wirkung eine höchst deletäre, wenn man durch 
die schnelle Erweichung an Stelle eines Magen carcinoms ein grosses Loch 
bekäme. Was die Radiotherapie betrifft — von der chirurgischen 
soll hier nicht gesprochen werden —, so ist die Strahlenschädigung 
nicht so hoch zu veranschlagen, da bekanniermaassen jede Therapie mit 
einer Schädigung beginnt, ehe sie zweckmässig ausgebaut wird. Auch 
kann die Strahlenwirkung eine doppelte sein, einmal eine zerstörende, 
zum anderen eine reizende, so dass von dem Geschwulstrest ein 
neuer, alsdann äusserst resistenter Tumor durch neue Wucherung heraus¬ 
wächst. 

Man muss unterscheiden zwischen chirurgischer, d. h. zer¬ 
störender Behandlung der einzelnen Krebsgeschwulst (wozu auch 
die Strahlenbehandlung zu rechnen ist) — und eigentlicher all¬ 
gemein therapeutischer Behandlung der Krebskrankheit. Da ist 
zu konstatieren, dass wirkliche therapeutische Versuche bisher 
völlig fehlgeschlagen sind. Wenn durch das vielgerühmte Arsen 
z. B. Gesichtsoarcinom geheilt sei, so besteht die Schwierigkeit der 
Diagnose, da die histologische Definition nicht ausreicht und auch das 
klinische Verhalten maassgebend ist. Es ist eben Tatsache, dass echtes 
Carcinom noch nie spontan geheilt ist. Auch bei der „Heilung“ von 
„Dünndarmcaroinomen“ muss man skeptisch sein, da Dünndarmtumoren 
eben fast nie echte Carcinome sind. Es ist also sicher, dass das Arsen 
das Caroinom nicht heilt. Da man überhaupt nur die Krankheiten 
heilen kann, die auch gelegentlich spontan heilen, so wäre thera¬ 
peutisch das Carcinom bis jetzt überhaupt nicht zu beeinflussen, nur 
(chirurgisch oder radiologisch) zu zerstören. 

3. Hr. Bier: Demonstratio« iar Krebsbehandlang. 

Vortr. erinnert an seine 1901 und 1902 unternommenen Versuche, 
bösartige Geschwülste durch Injektion von Blut gesunder Tiere zu be¬ 
handeln, Versuche, die nie zu einer Heilung führten, nur zu vorüber¬ 
gehender Besserung, der dann eine um so bösartigere Verschlimmerung 
folgte. 

Hieran anknüpfend hat Vortr. nun eine Kombination von Blut- 
injektion mit Röntgenbestrahlung versucht, als deren Resultat er heute 
einen bemerkenswerten Fall vorstellt. Es handelt sich um einen 
Patienten, dem Herr Gluck im Januar 1913 ein Tonsillencarcinom, 
später ein Drüsenrecidiv operierte. Nachdem 1913 ein neuer Tumor 
sich gebildet, der 1914 unter Röntgen- und Radiumbehandlung weiter 
wuchs, kam der Patient am 14. Mai 1914 in die Klinik des Vortr. in 
einem höchst desolaten Zustande: Grosser Tumor der rechten Gesichts¬ 
seite bis zum Jochbogen und tief nach dem Halse herab, Blumenkohl¬ 


tumoren in der ganzen rechten Rachen-, Gaumen-, Zungen- und Mund¬ 
bodenseite, die stark bluteten, Kieferklemme, jauchig stinkender Ausfluss 
aus dem Munde, fast unmögliche Ernährung, allgemeiner Kräfteverfall. 
(Abbildung.) Es wurde bestrahlt und gleichzeitig, im ganzen fünfmal, 
je 10 ccm Schweineblut (nicht Serum) injiziert mit dem Erfolge, dass 
der Patient jetzt den Mund öffnen und schlucken kann. Der Tumor 
des Gesichts ist sehr abgeschwollen, am Halse zeigt sich eine tief ein- 
gezogene Narbe, die Tumoren der Mundhöhle sind, soweit man es sehen 
kann, geschwunden und von normaler Schleimhaut überzogen. Es 
handelte sich um ein Piattenepithelcarcinom. (Demonstration.) 

Vortr. will nun nicht eine Heilung behaupten, auch nicht sich dar¬ 
über schlüssig werden, ob Blut oder Bestrahlung das Maassgebende sei, 
ehe er seine Versuche abgeschossen habe. Er wollte nur diesen einen 
eklatanten Fall vorstellen und verspricht, über ihn später wieder zu be¬ 
richten, sowie über seine übrigen Versuche. Er glaubt jedenfalls jetzt 
schon den grossen Erfolg gleichzeitiger Blutinjektion annehmen zu 
können. 

Diskussion zu 2 und 3. 

Hr. Rotter bestreitet die Behauptung Herrn v. Hansemann’s, 
dass noch nie eine spontane Heilung eines Carcinoms beobachtet worden 
sei, und erinnert an einen von ihm operierten Fall von Mastdarmcarci- 
nom, der später recidivierte, als ungeheilt entlassen wurde und drei 
Monate später mit vollkommen ausgeheiltem Mastdarmcarcinom sich 
wieder vorstellte. Die Frau starb nach drei Jahren, die Sektion konnte 
die Heilung bestätigen; es bestand zwar ein Tumor der Beckenschaufel, 
der sich jedoch* als Adenooarcinom erwies. Während der Mastdarm¬ 
tumor ein malignes Adenom war, Geschwulstformen, die streng von¬ 
einander zu trennen seien. Das Mastdarmcarcinom wäre demnaoh als 
geheilt anzusehen. 

Hr. v. Hanse mann widerspricht ganz entschieden dieser irrtüm¬ 
lichen Auffassung und betont, dass der Fall des Herrn Rotter, der ihm 
sehr wohl bekannt sei, das ganze Unheil, den Glauben an die spontane 
Heilbarkeit eines Carcinoms, angericbtet habe. Die beiden erwähnten 
Geschwulstformen seien eben nicht ihrem Wesen nach, sondern nur 
graduell voneinander unterschieden, da Uebergänge zwischen ihnen ver¬ 
kämen. Es bleibt demnaoh der Satz bestehen, dass die Krebskrankheit 
spontan nicht heilbar ist. 

Hr. Bier erwidert auf eine Anfrage des Herrn Israel betreffs 
der histologischen Veränderungen, dass unter seiner Behandlung 
die Carcinomzellen zugrunde giDgen, indem sie in Leukocytennester von 
ungeheurer Reichlichkeit eingebettet seien, dass ferner grosse Tumoren 
in toto nekrotisieren, so dass sie herausgeboben werden können. 

Hr. Martin schliesst noch weitere biologische Merkmale an. 

Holler. 


Gesellschaft für Geburtshilfe and Gynäkologie xa Berlin. 

Sitzung vom 10. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Mackenrodt. 

Demonstrationen: Hr. Fraix lässt über einen Fall von Ureter- 
verletznng berichten, welche bei einer Wertheim’sohen Operation zu¬ 
stande gekommen war. Die Verletzung fand so hoch statt, dass es aus¬ 
geschlossen war, den Ureter in die Blase einzunähen. Man wandte daher 
die Methode der Invagination an. Es ist eigentlich unpbysiologisch, da 
die gleich weiten Teile ineinander genäht werden. Trotzdem war die 
Heilung eine glatte, und der Ureter lässt sich gut katheterisieren, so 
dass der Erfolg ein guter ist bis auf einen geringen Grad von Polyurie. 
Der Urin ist klar und ohne pathologische Bestandteile. 

Diskussion. Hr. Mackenrodt teilt mit, dass er in solchem 
Falle ein Stück Schleimhaut reseziert. Er bat erst kürzlich eineu von 
ihm in dieser Weise behandelten Fall genauer zu untersuchen Gelegen¬ 
heit gehabt. Die betreffende Patientin starb zwei Jahre nach der Ope¬ 
ration an einer intercurrenten Krankheit. Bei der Sektion fand sich, 
dass der genähte Ureter nur für eine Borste durchgängig war. Er 
glaubt nicht, dass derselbe jemals funktioniert hat, ebenso die be¬ 
treffende Niere. Die Erfolge sind nur Augenblickserfolge, die Niere gebt 
später doch ein. 

Hr. Nagel spricht über einen geheilte« Fall UterovesieallUtel. 
Eine 48jährige Patientin, die viermal geboren hat, wurde noch einmal 
gravide. 12 Stunden nach dem Wehenbeginn erfolgte der Blasensprung. 
Als nach 24 Stunden die Geburt noch nicht beendet war, wurde die 
Zange angelegt, wobei ein Myom gefühlt wurde. Das Kind war bereits 
abgestorben. Das Wochenbett verlief normal. Pat. stand nach 14 Tagen 
auf. 6 Tage nach dem ging durch die Scheide Urin ab. Ausfluss und 
übler Geruch nahmen so zu, dass sie sioh an eine Hebamme wendete, 
die eine Fistel konstatierte. Vortr. fand eine Stenose, die den Finger 
eben passieren Hess. Die Fistel zu Gesicht zu bekommen war unmög¬ 
lich. Der Katheter lag im Uterus. Es handelte sich also um eine 
Uterovaginalfistel. Dieses Ereignis ist sehr selten, wenn auch Neu- 
ge bau er das bestreitet. Uterovesicalfisteln mögen häufiger sein, ohne 
dass zugleich die Vagina beteiligt ist, sie heilen aber anscheinend sehr 
oft spontan. Ursache ist Quetschung bei lange dauernden Geburten. 
Seltener ist die Ursache eine Verletzung. Das reichliche feste Narben¬ 
gewebe spricht dafür, dass die Fistel die Folge einer Uteroveaicovaginal- 
fistel ist. ln diesem Falle lag offenbar auob Gewebsnekrose vor. Was 
die Therapie anbetrifft, so kommt wohl nur die operative Behandlung in 


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UNIVERSITY OF IOWA 



3. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1485 


Betracht. Am besten ist sofortige Vernäbung, sonst ist es richtig, nicht 
zu lange mit der Operation zu warten, damit nicht erst Blasen- 
scbrumpfuog ein tritt Neugebauer hat in 48 Fällen das exspektative 
Verfahren aDgewendet mit 37 spontanen Heilungen, das soll uns aber 
an der Notwendigkeit der Operation nicht irre machen, da die Aus¬ 
dehnung der Verletzung wesentlich mitspricht und wir diese zu schlecht 
beurteilen können. Wesentlich ist, dass die Blase gut von der Cervix 
abpräparier- wird, damit die Fistel gut zugänglich ist. In diesem Falle 
war eine Operation von der Scheide aus unmöglich. Es wurde die ab¬ 
dominale Totalexstirpation gemacht und die Vernähung der Fistel mit 
Drainage nach der Scheide zu. Der Dauerkatheter verursachte Be¬ 
schwerden. Die Heilung der Bauchwunde war zwar glatt, trotzdem be¬ 
gann am vierten Tage der Harnfluss von neuem. Die Fistel musste uuu 
noch einmal wieder angefrischt und mit Silk genäht werden. Die Heilung 
war dann eine glatte. Die Exstirpation ergab ein Myom, das gezeigt wird. 

Diskussion. 

Hr. Bardel eben hält Silk als Nahtmaterial für schlecht, da es zu 
leicht durchschneidet. 

Hr. Gerstenberg teilt mit, dass er die betreffende Geburt geleitet 
hat, und dass ein Kolpeuryntber angewendet worden ist. Dieser hat 
einen Riss in der Vagina und eine Scheidenmastdarmfistel verursacht, 
welche bereits geheilt war, ehe die Pat. überhaupt zu Herrn Nagel 
kam. Sehr erheblich war die Myombildung. 

Hr. Mainzer hält das Vorgehen des Herrn Nagel für gefährlich 
wegen der stets dabei vorhandenen Jauchung. 

Hr. Nacke bespricht ebenfalls einen Fall von Blasenmastdarm¬ 
scheidenfistel. Es handelte sich um eine ganz leichte Zange wegen 
Eklampsie. Er beschreibt genauer die Art der Operation. 

Hr. Nagel sagt, dass er der Darstellung der Pat. gefolgt sei. Von 
der Vagina aus an die Fistel zu kommen war unmöglich. Er habe auch 
nicht behauptet, dass dies die Methode der Wahl sein solle. Er habe 
den Fall eben gerade deshalb vorgetragen, um zu zeigen, dass es Fälle 
gäbe, bei denen man abdominal Vorgehen müsste. Dass die Naht zuerst 
nicht heilte,, führt er darauf zurück, dass zuerst die Catgutnähte sämt¬ 
lich im Narbengewebe gelegen hätten. Die Bedenken gegen Silkworm 
teilt er nicht, nur muss man die Fäden vier Wochen liegen lassen. 
Um die Blasenschleimbaut braucht mau sich dabei gar nicht zu kümmern. 

Hr. Fromme: Heber Aiwendniig der „ultravioletten Strahlen“. 

Die ultravioletten Strahlen werden geliefert von der Quarzlampe, 
welche glühende Quecksilberdämpfe entwickelt. Es ist nun die Frage, 
ob wir damit mehr erreichen als mit den sonstigen konservierenden 
Methoden, welche alle den Zweck der intensiveren Blutzuführung haben 
wie die heissen Bäder und Spülungen. Die Strahlen werden durch jedes 
Medium, durch das sie hindurchgehen, absorbiert, haben also keine 
grosse Tiefenwirkung wie die Röntgen usw.-Strahlen. Dagegen haben 
sie sehr starke baktericide Eigenschaften. Sie wirken auch entzündungs¬ 
erregend, z. B. in der Mundhöhle. Bei Einwirkung auf die Haut erfolgt 
schon nach einer Minute Verfärbung derselben, welche 2—3 Tage an¬ 
hält wie bei Gletscherbrand. Durch die Hauthyperämie wird der Blut¬ 
druck herabgesetzt und der Stoffwechsel gesteigert. In der Chirurgie 
und Dermatologie hat man schon vielfach günstige Resultate, obwohl 
eine Tiefenwirkung nicht vorliegt. Desgleichen bei eiternden Bauch¬ 
wunden und für die Vagina scheint nach Heine mann namentlich die 
Tuberkulose in Betracht zu kommen. Vortr. hat es namentlich bei 
Adnextumoren angewendet. Die Erfolge sind ausserordentlich gute. So¬ 
weit palpatorisch festzustellen, sind von 23 Fällen von Pyosalpinx 11 ge¬ 
heilt. Die übrigen sind noch in Behandlung, aber schon wesentlich ge¬ 
bessert Die Resultate werden im einzelnen besprochen. Nur zwei 
Kranke konnten gar nicht beeinflusst werden. Bei diesen liegt entweder 
eine Cyste vor, oder es handelt sich um eine Fehldiagnose. Um keine 
Verbrennungen zu machen, muss die Haut erst allmählich au die Be¬ 
strahlung gewöhnt werden. Man fängt also praktisch mit derselben in 
D /2 m Entfernung an und macht sie nur zwei Minuten lang. Allmäh¬ 
lich steigt man bis auf 20 Minuten und 15 cm Entfernung. Die Neben¬ 
wirkungen sind gering, wenn auch zuerst oft Rötung der Haut und Ab¬ 
schuppung statthat. In einzelnen Fällen tritt auch Resorptionsfieber 
auf. Die übrige Haut muss mit leineuen Tüchern bedeckt und die 
Augen der Pat. und der Aerzte mit Gläsern geschützt werden. Be¬ 
handelt wurden ebenfalls 6 Fälle von chronischem Pruritus, von denen 
2 geheilt sind. 4 sind wesentlich gebessert. Es wurden 13—15 Be¬ 
strahlungen gemacht. Mehrere Fälle waren vorher vergeblich mit anderen 
Methoden behandelt. Die Bestrahlung wird demonstriert. 

Diskussion. 

Hr. Brose fragt, ob die Behandlung ambulant stattfinden kann, 
was bejaht wird. 

Hr. Baur hat am eigenen Leibe die Folge der Bestrahlungen er¬ 
fahren und warnt dringend davor. 

Hr. Barde leben bespricht einen Fall von Gesichtsekzem, bei dem 
die Folgen ebenfalls sehr schwere waren. 

Hr. Strassmann hält es für bedenklich, dass eine starke Pigmen¬ 
tierung eiotritt, die sich nicht wieder beseitigen lässt. 

Hr. Mackenrodt kann das nicht so schlimm finden, wenn wir da¬ 
durch in den Stand gesetzt werden, PyosalpiDX ohne Operation zu heilen. 

Hr, Fromme glaubt, dass die Pigmentierung wieder schwindet, und 
hält jedenfalls einen Bauchbrucb, wie er nach Operationen statthaben 
wnn, für viel schlimmer. Siefart. 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cultur zn Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 19. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Küstner. 

Hr. Heimann: 

1. Die Wirkung gefilterter Mesothorinmstrahlen aif Kaninchenovartei. 

Demonstration mikroskopischer Präparate von Raninchenovarien, die 
mit 80 bzw. 100 mg Mesothor bestrahlt wurden. Als Filter wurde 1 mm 
dickes Messing, 3 mm dickes Aluminium, 3 mm starkes Blei und das 
von der Fabrik gelieferte 0,2 mm starke Silberröhrchen benutzt. Zum 
Teil wurde vom Bauch, zum Teil vom Rücken aus bestrahlt. Die beste 
therapeutische Wirksamkeit wurde bei Anwendung der Bleifilter gesehen, 
die Versuche sollen eine Ergänzung der klinischen Resultate darstellen; 
auch hierbei wurden bei Anwendung der Bleifilter niemals Nachteile ge¬ 
sehen, im Gegenteil konnte bei ulcerösen Cardnomen eine bedeutend 
rasohere Epithelialisierung der zerfallenen Partien konstatiert werden. 
Vielleicht spielt die Sekundärstrahlung, die vom Blei ausgeht, hierbei 
eine recht günstige Rolle. 

Diskussion. 

Hr. Wpckowski: Die Vermutung des Herrn Heimann, dass bei 
Verwendung von Bleifiltern ein besonderes, bisher unbekanntes Agens 
wirksam wäre, kann meinerseits nicht geteilt werden. Die demonstrierten 
Unterschiede sind vielmehr auf folgende physikalishhe Grundlagen zurück- 
zuführen: Jedes Element, das von jff-und y-Strahlen getroffen wird, sendet 
eine komplexe, ihm eigentümliche Strahlung aus: die Sekundärstrahlung. 
Je höher das Atomgewicht eines Elements ist, desto grösser ist die Pene¬ 
trationskraft der von ihm ausgehenden Sekundärstrahlung. Diese setzt 
sioh bekannterweise aus in der Hauptsache dreierlei Arten zusammen: den 
zerstreuten, den fluoreszierenden und den corpusculären Sekundärstrahlen. 
(Die penetrierenden Sekundärstrahlen des Bleies möchte ich übergehen, 
weil sie sehr in der Minderheit sind.) Für die in Frage stehenden Vor¬ 
gänge kann nur die corpusculäre Sekundärstrahlung des Bleies verant¬ 
wortlich gemacht werden. Es ist dies eine Elektronenstrahlung wie die 
^•Strahlung des Radiums. Elemente mit höheren Atomgewichten (Pb) 
haben penetrationskräftigere Elektronenstrahlung als solche mitniedrigem 
Atomgewicht (Al). 

Folgender Versuch rechtfertigt obige Behauptung: Lässt man ein 
Radiumröhrchen aus einiger Entfernung auf eine photographische Platte 
einwirken, so entsteht eine annähernd gleichmässige Schwärzung der¬ 
selben. (Eine vollkommene Schwärzung kann nur entstehen, wenn die 
Platte die Schale eine Cylinders darstellt.) Bringt man in die Nähe 
der Platte eine Bleischeibe, so wird die gleiohmässige Schwärzung noch 
verstärkt durch die Sekundärstrahlen des Bleies, so dass ein getreues 
Abbild der Bleischeibe resultiert. Die Versuchsanordnung gestaltet sieb 
olgendermaassen: 

1. Radium. 

2. Photographische Platte mit der Bromsilbergelatiueschicht nach 
unten gekehrt. 

3. Bleischeibe. 

Bringt man zwischen 2. und 3. Glasscheiben von verschiedener 
Dicke, so kann man die Penetrationskraft der sekundären Bleistrahlung 
mit der anderer Metalle vergleichen. Bei solcher Anordnung ergibt sieb, 
dass eine Glasscbicht von 2 mm nioht imstande ist, die sekundäre Elek¬ 
tronenstrahlung des Bleis zurückzuhalten. Eine Glassoheibe von 2 mm 
Stärke entspricht in der Absorptionsfähigkeit für ^-Strahlen einer Schicht 
von 5 mm tierischen Gewebes. 

Da, wie Herr Heimanu eben mitteilt, das Kaninohenovarium un¬ 
gefähr V 2 cm unter dem Integument gelegen ist, so muss es noch von 
den Sekundärelektronenstrahlen des Bleis getroffen werden, dagegen nioht 
von denen des Aluminiums oder Messiugs, deren Elektroueustrahlung 
geringer ist. 

(Demonstration einer in obiger Weise erhaltenen photographischen 
Platte.) 

Naohtrag: Da obige Versuchsanordnung bei dickeren Glasschiohten 
infolge der aus der Umgebung stammenden Sekundärstrahlen bisweilen 
Schwierigkeiten zeitigt, hat sioh nachträglich eine andere Versuchsanord- 
nung als zweckmässiger herausgestellt: Die Radiumstrahlen werden durch 
einen Schlitz auf eine unter 45° gestellte Bleiplatte gerichtet. Die 
Secundärstrahlen des Bleies werden von photographischen Platten aufge- 
fangen, die zur Primärstrahlung parallel gerichtet sind. Das Resultat 
ist dasselbe wie oben. 

(Erscheint ausführlich in der Strahlentherapie.) 

Hr. Heimann: In einem Punkte ist vielleicht ein Missverständnis 
vorgekommen. Die Carcinome werden, nur solange sie ulceriert sind, 
mit bleigefiltertem Mesotbor bestrahlt. Hat sioh der Krater geschlossen, 
haben Blutung und Sekretion aufgehört, dann werden Messing- und 
Aluminiumfilter, die nur 3 pCt der ^-Strahlen absorbieren, benutzt. 

Hr. Heinaia: 2. Zur Histologie bestrahlter Careiaone. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift) 
Diskussion. 

Hr. W$ckowski: Herr Heimann hat uns mitgeteilt, dass patho¬ 
logisch-anatomische Veränderungen beim Portiooarcinom nach Meso¬ 
thoriumbestrahlung nur in 2—2,5 cm Tiefe beobachtet würden. Diese 
Angaben dürfen natürlich unter keinen Umständen als allgemein geltend 


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Original fro-m 

UMIVERSITY OF IOWA 




1486 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


betrachtet werden, und es kann nicht etwa der Schluss gezogen werden, 
dass eine tiefere Beeinflussung nicht möglich wäre. Sie besagen nur, 
dass auf die, leider nicht genügend präzisierte (es fehlt Angabe von Be¬ 
strahl ungsmasse, Zeit, Filter), Weise seiner Bestrahlungstechnik Gewebs- 
änderungen beim Carcinom in etwa 2—2,5 cm Tiefe beobachtet worden 
sind. Hierbei darf nicht ausser acht gelassen werden, dass es durchaus 
noch nicht feststeht, wann nach der Bestrahlung das Optimum des 
Effekts erreicht wird. (Eine Wartefrist von 14 Tagen halte ich sicher 
nicht für ausreichend.) Es bestehen Gründe, um anzunehmen, dass der 
Umfang der GewebsäDderung und ihre Tiefe direkt proportioniert sind 
der Bestrahlungsmenge, der angewandten Zeit, dagegen umgekehrt der 
Absorption durch Filter und dem Quadrat der Entfernung. Der thera¬ 
peutische Effekt lässt sich daher durch Vergrösseruog der einen und 
Verkleinerung der anderen Komponenten variieren. Auf diese Weise 
sind die verschiedenen, sich widersprechenden Beobachtungen zu erklären, 
insbesondere, dass Wickham, Degrais und Gand über Gewebs- 
änderungen in der Achse der Radiumstrahlen berichten konnten in 14 cm 
Tiefe bei Anwendung von 19 cg Radiumsulfat und 48 Stunden 16 Tage 
nach der Bestrahlung eines Carcinoma der Brust (nicht am Phantom). 
(Ref. in der B.kl.W., 1910.) 

Hr. Küstner: Wenn ich trotz der bestehenden Beobachtungen, die 
auch wir mit der Bestrahlung der Carcinome machen, weiter daran fest- 
halte, operierbare Uteruscarcinome weiter zu operieren, so fühle ich mich 
dazu gezwungen, weil mir die Kontrollmöglichkeit der Leistung der 
Strahlentherapie am Uterus der Lebenden nicht ausreichend erscheint 
Ein zutage liegendes Hautcarcinom kann daraufhin, ob es durch Strahlen¬ 
behandlung geheilt wird oder nicht, gut kontrolliert werden. Beim 
Collumcarcinom ist das nicht der Fall. 

Dagegen erkennen wir in der Bestrahlung operierbarer Carcinome 
eine ausgezeichnete und sehr wirkungsvolle Vorbereitungskur. Das 
Mucose und Geschwürige des Carcinoms wird zum Wegfall gebracht, die 
Anreicherungsstätte für diejenigen Mikroben, die auch bei der Ope¬ 
ration den Kranken noch gefährlich werden können, wird epithelialisiert, 
das Carcinom kommt in einem reineren Zustande zur Operation; eine 
Infektion vom Carcinom aus ist nicht in dem gleichen Maasse zu fürchten 
wie ohne diese Vorbereitung. Dadurch, dass das Krebsgescbwür zum 
Ausheilen gebracht wird, kann auch eine weitere Chance für die Ope¬ 
ration gewonnen werden. Von dem geschwungen Carcinom aus gehen 
EntzÜDdungsprozesse in die Nachbarschaft und auch in die Parametrien. 
Auch diese können durch die Heilung des Krebsulcus einer Heilung 
entgegeogeführt werden. So kann es möglich sein, dass ein Parametrium, 
welches uns zur Zeit des Bestehens eines Krebsulcus hart erscheint, 
nach der Abheilung desselben als relativ zart und dehnungsfähig imponiert, 
und so kann es kommen, dass ein von Hause aus unoperierbar er¬ 
scheinendes Carcinom auch auf diesem Wege in ein operierbares über¬ 
geführt wird. 

Hr. Hei mann: Ich bin absichtlich infolge der Kürze der Zeit auf 
Technik, klinische Einzelheiten und Literatur nicht eingegangeo. Die 
Arbeit Bayet, die Herr Wqckowski erwähnt, ist mir selbstverständlich 
bekannt, und ich möchte betonen, dass diese Tiefenwirkung am Phantom 
nacbgewiesen worden ist. Dass es sich bei der Anwendung in vivo 
anders verhält, beweisen auch die Untersuchungen aus der Berliner 
Klinik von Händly, wo bei intensivster Bestrahlung nur mit einer 
Tiefenwirkung von etwa 5 cm gerechnet werden konnte. Die Ansicht 
von Herrn Wgckowski über meine Anwendung des Mesothors ist mir 
nicht klar. Die sogenannten centralen Strahlen kommen doch immer 
znr Wirkung, gleichgültig, welche Form das Instrumentarium besitzt. 
Natürlich wird die Wirkung eine um so intensivere sein, je länger man 
die Bestrahlungen vornimmt. 

Hr. 0. ßondy: Nacbgebnrtsblatnng und Wochenbettinfektion. 

Die Frage, inwieweit eine akute Anämie als prädisponierendes 
Moment für das Entstehen einer Infektion anzusehen ist, ist weder ex¬ 
perimentell noch klinisch hinlänglich beantwortet. Als Beitrag zur Ent¬ 
scheidung hierüber wurde untersucht, inwieweit der Wochenbettverlauf 
durch starken Blutverlust bei der Geburt beeinflusst wird. Unter etwa 
9000 Geburten fanden sioh rund 120 Fälle, bei denen ein Blutverlust 
von 1000 ccm oder mehr verzeichnet ist. Unter diesen befinden sich 
24 Fälle von manueller Plaoentarlösung. Hinzu wurden zum Vergleich 
genommen 10 Fälle von manueller Piacentarlösung ohne stärkeren Blut¬ 
verlust. Eine weitere Gruppierung wurde vorgenommen zwischen 
spontaner Geburt und Geburt mit Kunstbilfe, endlich wurden noch die 
Fälle mit Blutverlust von 1000—1200 ccm von denen mit noch höherem 
unterschieden. Die so gewonnenen Zahlen ergeben eine nur sehr un¬ 
bedeutende Steigerung der Morbidität bei spontaner Entbindung und 
einem Blutverlust bis zu 1200 ccm. Die Morbidität bei operativer Ent¬ 
bindung ist beträchtlich höher, auch bei spontaner Entbindung und 
Blutverlust über 1200 ccm überragt sie die Norm. Die manuellen 
Placentarlösungen bei starkem Verlust geben sowohl in bezug auf 
Häufigkeit wie auf Schwere der WochenbettiDfektionen ungünstigere 
Zahlen, als die ohne starken Blutverlust. Im allgemeinen kann ge¬ 
folgert werden, dass ein Blutverlust, der selbst das Doppelte des 
normalen beträgt, an sich keine Resistenz Verminderung des Organismus 
gegenüber der Infektion hervorruft, dass eine solche aber durch Hinzu- 
treten noch anderer infektionsbegünstigender Momente befördert wird. 

Hr. Küster demonstriert 1. ein walnussgrosses Lymphangiom der 
Tnhe, das als Zufallsbefund bei einer abdominalen Totalexstirpation 


wegen Carcinoms gewonnen wurde. Die Lympbräume sind zum Teil 
cystisch erweitert. 

2. Einen Tnmor der Fimbria ovariea, der nach dem Typus des 
intrakanalikulären Adenofibroms gebaut ist; van Gieson- und Biel- 
schowskifärbung erweisen die Fibromnatur des Gerüstes. Die spärlichen 
Kanäle sind mit hohem, flimmerntragendem Cylinderepithel ausgekleidet, 
das Schleim produziert; ausserdem findet sich eine Hydrosalpinx nicht 
entzündlicher Art und eiu erbsengrosser Fibromknoten an der gleichen 
Tube. Vortr. ist daher geneigt, eine Entwicklungsstörung des proxi¬ 
malen Teils der Müller’schen Gänge als gemeinsame Ursache dieser 
Bildungen anzunehmen, zumal die andere Seite vollständig gesund war. 

3. Gut ausgebildeter Graafscher Follikel im Ovar eiaes Neu¬ 
geborenen, in dem sich ausserdem noch zwei in Entwicklung begriffene 
Primordialfollikel fanden; man könnte solche ungewöhnlichen Vorgänge 
am Ovarium des Neugeborenen mit der Menstruatio praecox, auch wohl 
mit den Genitalbtutungen neugeborener Mädchen in Beziehung denken. 
Doch fehlen zurzeit noch beweisende Befunde. Corpus luteum-Bildung 
war in dem Ovar nicht vorhanden. 

4. Cyste der rechten Nebenniere eines Nengeborenen. Die Cyste, 
welche ganz wasserklaren Inhalt hatte und etwa walnussgross war, sasa 
in einer Delle am oberen Nierenpol. Mikroskopisch besteht ihre Wand 
aus Nebennierengewebe, das nicht den für das Neugeborene charakte¬ 
ristischen Aufbau zeigt, sondern eher einem späteren Stadium entspricht 
Der Vortr. denkt sich die Cyste entstanden durch Erweiterung eines der 
Bindegewebsfächer, in welche die Sympathicusbildungszellen einwandern. 

5. Ventilverschluss des vesicalen Ureterendes bei einem Nen¬ 
geborenen. Hydronepbrose, Bydrnreter. Es besteht, wie die mikro¬ 
skopischen Schnitte zeigen, kein Verschluss der Uretermündung durch 
epitheliale Verklebung, wie man bisher annahm, sondern ein Ventil¬ 
verschluss, der wohl bedingt ist durch primäre Engigkeit des vesioalen 
Spbincters zusammen mit ungleicbmässiger Ausbildung des Sphincter- 
ringes. 

6. Hirntorttom boi einem nengeborenen Hydmephtlns. Der 

Tumor besteht im wesentlichen aus Glia mit sehr reich liehen Neuro- 
epitbelkanäleD, hier und da findet man eine Insel von hyalinem Knorpel, 
drüsenähnliche Formationen unbestimmten Charakters. Es ist der dritte 
bekannte Fall, seinem Aufbau wesentlich aus Centralnervensystem nach 
bisher einzig. 

Diskussion. Hr. Stumpf zeigt im Anschluss an die Demonstration 
des Herrn Küster eine Nebennierencyste bei einer 58jährigen Frau, die 
als Lymphcyste aufzufassen ist, und betont die oft schwierige Er¬ 
klärung solcher Hohlraumbildungen. 

Hr. Küstner stellt vor: 1. ein Präparat einer geheilten ßlaseuebeidei- 
fiste! , welche nach seiner metroplastischen Methode operiert war. Die 
Kranke war nach der Heilung der Fistel an einer Pneumonie erkrankt 
und dieser in der vierten Woche nach der Operation erlegen. Man kann 
am Präparat die zarte Narbe von der Scheide aus sehen, kann aber auch 
von der Blaseninnenfläche aus konstatieren, dass auch hier eine lineare 
Narbe besteht, obwohl Vortr. bei der Fisteloperation niemals die Blasen- 
scbleitnbaut näht. Er tut es nicht, um nicht gelegentlich, was immer¬ 
hin bei grossen Fisteln möglich wäre, einen Ureter oder beide zu 
schnüren. 

2. Eine Frau mit grossem Scheidencareineni, bei welcher der 
Primärtumor ausserhalb operiert worden war und welcher im hoch¬ 
graviden Zustande, mit einem grossen lokalen Recidtv und zwei in dem¬ 
selben bestehenden Recto-Vaginalfisteln in die Klinik kam. Der Recidiv- 
tumor verlegte den grössten Teil des Beckens, es bestand fast absolute 
Indikation für den Kaiserschnitt. Es wurde Porro gemacht, ein grosses, 
lebendes Kind entwickelt. Das war vor 5 Wochen. Vor 2 Wochen 
traten infolge des obturierenden Carcinoms K&nalisationsstörungen des 
Darms auf, welche die Anlegung eines Anus praeternaturalis not¬ 
wendig machten. 

In derartigen desolaten Fällen bevorzugt Vortr. den Porro nach der 
ursprünglichen Methode mit extraperitonealer Stumpflagerung. So ist 
die Operation am einfachsten, am schnellsten auszuführen und für einen 
so schwer geschädigten Organismus, wie der einer unheilbaren Carcinom- 
kranken ist, am leichtesten verträglich. 

In gleicher Weise hat Vortr. vor Jahresfrist wegen eines unoperier¬ 
baren Vulvacarciooms mit faustgrossen Metastasen in den Inguinaldrüsen 
mit gleichem, gutem Erfolge den Porro gemacht. 

3. Einen extraperitonealen Kaiserschnitt, der vor einigen Wochen 
auf der Klinik gemacht wurde, und zwar zum zweiten Male an derselben 
Frau. Beide Male gelang die Operation völlig extraperitoneal. Vortr. 
zeigt im Epidiaskop Bilder, welche die von ihm geübte, wiederholt be¬ 
schriebene Methode erläutern. Der extraperitoneale Kaiserschnitt ist be¬ 
rufen, sich ein grosses Terrain auf dem Gebiete der praktischen Geburts¬ 
hilfe zu erobern, die Hebosteotomie vielleicht ganz zu verdrängen, ebenso 
die Perforation des lebenden Kindes, die prophylaktische Wendung bei 
engem Becken einzuengen, aber auch ausserdem zu einem Verfahren sich 
zu entwickeln, welches uns aus Dilemmen, in denen wir uns bei un¬ 
günstigen Kopfeinstellungen, bei Stirnlage, bei mentoposteriorer Gesichts¬ 
lage, eventuell bei Nabelscbnurvorfall befinden, zu befreien. 

Da er schwieriger ist als der einfache, klassische und auch der 
transperitoneale Kaiserschnitt, so muss er au den Kliniken geübt werden, 
damit genügende Dexterität damit erworben wird, darnit^ er gekannt 
wird. Deshalb darf an den Kliniken keine Gelegenheit vorüber gelassen 
werden, bei der er gemacht werden kann, und er muss für jede andere 


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JIVERSITY OF IOWA 




8. Aflgost 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1487 


Kaisersohnittmethode substituiert werden, wenn nicht besondere Ver¬ 
hältnisse zu einer anderen Methode zwingen. 

Zurzeit Hegt auf des Vortr. Klinik der 110. extraperitoneale Kaiser¬ 
schnitt. Von den 110 Frauen war die grössere Hälfte infiziert oder infek¬ 
tionsverdächtig in die Klinik eingeliefert worden. Keine der Frauen ist 
einer puerperalen Wundinfektion erlegen. Nur eine ist an Narkotikum¬ 
wirkung unmittelbar nach der Operation gestorben, gestorben ist eine 
andere, welche die Infektionsform, der sie erlag, mit in die Klinik 
brachte, nämlich einem Tetanus. 


Hr. Halmes : Ganz kurz möchte ich Ihre Zeit durch Mitteilung einiger 
nicht ganz alltäglicher Beobachtungen in Anspruch nehmen. Ich gebe 
Ihnen zunächst diese von einem reifen Neugeborenen stammende Leber 
herum. An Ihrer Konvexität sehen Sie den Serosaüberzug auf eine ge¬ 
wisse Strecke hin abgelöst, und Sie sehen weiter die Lebersubstanz an 
einer kleinen Stelle zertrümmert; es handelt sich um eine sogenannte 
Leberrnptnr. Die Tatsaohe der Leberruptur, welche natürlich durch 
Verblutung zum Tode des Kindes geführt hat, ist an sich nicht so inter¬ 
essant. Bemerkenswert ist die Art ihrer Entstehung. Wir finden bei 
Gelegenheit der Obduktion toter Neugeborener nicht so übermässig selten 
Leberverletzungen, wenn ein Trauma den Leib des Kindes getroffen hat; 
also in Fällen von Kindesmord, bei Sturzgeburten und namentlich auch 
in Fällen, wo die helfende Hand des Arztes bei der Wendung oder der 
Extraktion durch ungeeignete Manipulationen am Rumpfe des Kindes 
solche Verletzungen erzeugt. Die Obduktion erweist dann einen grösseren 
Bluterguss in der Bauchhöhle, und als dessen Ursache eine Verletzung 
der Leber, seltener eine solche der Milz oder der Nieren. Ganz eigenartig 
ist nun die Entstehungsursache der Ruptur in diesem Falle, den ich 
Ihnen hier herumzeige. Hier ist die Entstehung auch traumatisch, aber 
nicht direkt ist das Kind von dem Trauma getroffen worden, sondern 
das Trauma traf die Mutter vor ihrer Niederkunft. Am Tage vor ihrer 
Niederkunft erlitt die Mutter ein Trauma im Sinne einer Pfählungs¬ 
verletzung, indem sie von einer Scheune fallend auf den Rand eines 
Eimers mit der Scbossfuge aufschlug. Es entstand an der Clitoris eine 
ziemlich beträchtliche und recht blutende Wunde, die vom Arzt, der 
dann sogleioh die Frau in die Klinik sandte, tamponiert wurde. Sie 
kam am Tage nach dem Unfall in die Klinik und zeigte regelmässige 
Wehen. Kind in II. Schädellage mit sehr leisen, nicht ganz regel¬ 
mässigen Herztönen. Blasensprengung, schon 5 Minuten nachher wird 
der Kopf sichtbar und alsbald geboren. Das Kind scheint bleich- 
asphyktisch und ist nicht wieder zu beleben. Die Obduktion erweist 
das Abdomen voll Blut und als deren Ursache die besagte Leberruptur. 

Der Stoss, welcher die Unterbauchgegend der Mutter traf, hat sicher¬ 
lich diese Verletzung beim Kinde gezeitigt. Denn allein traumatischen 
Ursprungs kann diese Substanzzertrümmerung in der Leber sein, und 
ein anderes Trauma hat nicht eiogewirkt. Zunächst mag die Blutung 
eine massige subserös noch abgekapselt gewesen sein, mit welcher ein 
Weiterleben des Kindes noch vereinbar war. Die Aenderungen des 
Druckes seitens der Umgebung auf das Kind durch den Geburtsakt, die 
Aenderungen der Druckverhältnisse im Gefässsystem des Kindes, eben¬ 
falls wiederum durch den Geburtsakt, mögen dann zu einer Erneuerung 
und Verstärkung der Blutung geführt haben. So kam das Kind moribund 
zur Welt 

Es wäre noch die Frage zu erörtern, ob es sich nicht um eine rein 
asphyktische Blutung gehandelt haben kann, ob nicht vielleicht infolge 
einer traumatischen vorzeitigen partiellen Ablösung der Placenta diese 
Asphyxie bedingt ward, und ob nicht vielleicht die zur Wiederbelebung 
angewandten Sohultze’schen Schwingungen, denen ja von manchen 
Seiten solche Folgen zugeschrieben werden, die Ursache der Leber- 
verletzung sein können. Zuzugeben ist, dass umfängliche Blutergüsse 
in die Körperhöhlen auf rein asphyktischer Basis Vorkommen. Aber 
einmal ist im vorliegenden Falle eine Substanzzertrümmerung vorhanden 
and andererseits fehlten Blutungen in anderen Körperhöhlen, wie Schädel- 
und Brusthöhle. Es fehlen Ecehymosen an der Leber. Bezüglich der 
Frage, ob die Schultze’scben Schwingungen die Substanzzertrümmerung 
ausgelöst haben könnten, ist zu sagen, dass einmal unsere Erfahrung 
naoh richtig ausgeführten Schwingungen nie eine Gefahr für die inneren 
Organe der Frucht bedingen. 

Schliesslich scheint mir gerade die Kleinheit der Substanzzertrümme- 
ran K gewichtig dafür zu sprechen, dass ein das Kind nur mittelbar 
treffendes Trauma ihre Ursache darstellt. 

Dadurch gewinnt der Fall ein nicht unwichtiges gerichtsärztliches 
Interesse. Er scheint mir zu beweisen, dass ein die Frucht im Mutter¬ 
leibe treffendes Trauma eine tödliche Verletzung ihrer inneren Organe 
auch dann hervorrufen kann, wenn die Verletzungen der ebenfalls vom 
gleichen Trauma betroffenen Mutter unbedeutend, ja vielleicht gar nicht 
objektiv mehr erweisbar sind. Es müssen also solche Verletzungen des 
Kindes nicht notwendigerweise durch Manipulationen nach der Geburt 
oder bei der Geburt entstanden sein. 

Nun möchte ich Ihnen noch ganz kurz über einen Fall berichten, 
?°, ein Kind bei uns in der Klinik nach einer rituellen, von nichtärzt- 
ficher Seite ausgeführten Circumcision zugrunde ging. Am 7. Lebens- 
»ge wurde bei dem nicht ikterischen, über 4000 g schweren Knaben die 
ir ® u » c ’ 8 ' 0n vorgenommen. 2 Stunden nachher ist Verband, Windel 
na Bettchen durchblutet. PareDcbymatöse Blutung der ganzen Wunde, 
bfltr-k •stechungen und Kompressionsverband schliesslich steht. Sehr 

achtliche Anämie; es werden 80 ccm Kochsalzlösung infundiert und 
ccm defibriniertes mütterliches Blut intramuskulär injiziert; im Laufe 


des Nachmittags nochmals 90 ccm Kochsalzlösung infundiert und Campher 
injiziert. Besserung des Befindens. Kleine Kratzwunden, welche sieh 
das Kind am Finger und am Fuss beigebracht hat, bluten so lebhaft, 
dass die Blutung erst auf einen festen Kompressionsverband hin zum 
Stehen kommt. Am nächsten Tage blutete es wieder durch den Ver¬ 
band, sowohl am Penis als am Finger. Es werden wiederum einige 
Unterbindungen an der Circumcisionswunde gemacht und dort sowie am 
Finger ein Kompressionsverband angelegt, worauf die Blutung wieder 
steht. Sehr schlechtes Allgemeinbefinden. Es werden dem Kinde noch 
8 ccm Blutserum eines anderen Menschen intramusculär injiziert; doch 
geht das Kind in den nächsten Stunden unter den Erscheinungen der 
Anämie zugrunde. Obduktion nicht gestattet. 

Dieses hämophile Kind war das 3. Kind seiner Eltern, die anderen 
Kinder waren nicht hämophil; sein Bruder war auch bei uns in der 
Klinik geboren und oircumcidiert worden. Die Verblutung ex haemo- 
pbilia ist im allgemeinen nach der Circumcision sehr selten; wir haben 
im Laufe der Jahre immer wieder einmal stärkere Nachblutungen nach 
der rituellen Circumcision gesehen; doch immer war die Blutung durch 
Umstechung und Kompressionsverband zu stillen gewesen, nie war es zu 
einer Verblutung gekommen. 

Von anderen üblen Zufällen im Gefolge der rituellen Circumcision, 
wie septisoh-luetische und Tuberkuloseinfektion, Karbolvergiftungen uaw., 
von denen in früherer Zeit in der Literatur alljährlich eine nicht ganz 
kleine Kasuistik zu finden war, ist es in der Literatur in den letzten 
10—15 Jahren sehr ruhig geworden. Die bessere Informierung der „Be- 
schoeider“ und die Tatsache, dass seit Jahren nicht wenige der rituellen 
Circumcisionen von Aerzten au9geführt werden, haben die eben ge¬ 
schilderten Gefahren beträchtlich gemindert, fast völlig in den Hinter¬ 
grund gedrängt. 

Bestehen geblieben ist nur die Gefahr der Verblutung, entweder in¬ 
folge von Hämophilie oder stärkerer Entwicklung der Präputialgefässe. In 
unserem Falle handelte es sich um eine klassische Hämophilie, weswegen 
mir dieser Fall mitteilenswert erschien. Als exceptionell verdient eine 
in der Literatur von Wittner niedergelegte Beobachtung angeführt zu 
werden, wo sich in einer Familie zwei Brüder und acht Onkel dieser 
Brüder im Anschluss an die rituelle Circumcision ex haemophilia ver¬ 
blutet hatten. Ein solches Vorkommnis erscheint sehr wunderbar, wenn 
man bedenkt, dass der Ritus, wie mir mitgeteilt wurde, vorschreibt, dass 
kein weiterer Knabe beschnitten werden solle, wenn drei seiner Brüder 
sich dabei verblutet haben. Ist die Hämophilie als solche in der Familie 
der Eltern schon bekannt, so wird man vom ärztlichen Standpunkte aus 
schon bei der Geburt des ersten Knaben von der Circumcision abzuraten 
haben, um nicht erst Lehrgeld zahlen zu müssen. Solchen Fällen, wie 
den mitgeteilten gegenüber, wird man prophylaktisch wenigstens immer 
machtlos gegenüberstehen. Gelegentlich wird ja einmal die Serumtherapie 
oder auch Gelatineinjektion einen Erfolg erzielen können. Wie aber aus 
dem so lebhaften Bluten kleinster Kratzwunden in unserem Falle hervor- 
geht, handelte es sich am einen ganz besonders schweren Grad von 
Hämophilie. 


Medizinische Gesellschaft zu Kiel. 

Sitzung vom 18. Juni 1914. 

1. Hr. Graf-Neumünster: 

Zar blutigen Behandlung Begünstiger Schenkelhalsbrüche. 

Vortr. berichtet über fünf mediale Schenkelhalsbrüche, die er im 
Jahre 1912 und 1913 operativ behandelt hat. Er hat nach vorher¬ 
gehender Bohrung etwa 8 mm dicke Elfenbeinstifte durch Hals und Kopf 
zu treiben versucht und die betreffenden Patienten bereits nach zwei 
Wochen aufstehen lassen unter ganz allmählicher Belastung des Beins. 
Die Methode gebt bis auf Langenbeck zurück. Die Erfolge waren 
bereits früher zufriedenstellend, doch hat der grossartige Ausbau der 
Streokverbandbehandlung und die Gefahr der Narkose sie sehr einge¬ 
schränkt. Die Narkose ist heutzutage durch die örtliche Betäubung bei 
dieser Operation ganz oder teilweise zu vermeiden, so dass Vortr. selbst 
bei einer 74 jährigen Patientin ohne Schaden das Verfahren angewandt 
hat. Schwierigkeiten macht das centrale Ein treiben der Stifte. Zweimal 
geriet die Spitze des Nagels unter den Kopf. Der Schaft hatte dadurch 
zunächst einen guten Halt; die fibröse Vereinigung von Kopf und Schaft 
erfolgte auch hier, obwohl die Nägel nachträglich abbrachen. Die beiden 
Frakturen sind fest und tragfähig geworden. Es wurden auf diese Weise 
eine 10 Wochen und eine 22 Wochen alte Fraktnr behandelt, beide 
Patienten sind völlig arbeitsfähig geworden; ferner drei frische sub- 
capitale Frakturen bei drei Frauen. Eine Fraktur wurde völlig arbeits¬ 
fähig und heilte knöchern, vielleicht war die Fraktur von vornherein 
eingekeilt, die zweite wurde ebenfalls fest, so dass die 76 jährige Patientin 
mit Hilfe des Stockes auf dem Bein stehen kann. Ebenso kann die 
dritte nur mit Stock, aber */* Stunde auf der Strasse gehen. 

Gesamtergebnis: Drei völlig arbeitsfähige Leute, zwei fibrös geheilte 
Frakturen. 

Vortr. sieht den Vorteil der Methode in folgenden Punkten: a) Die 
Patienten können frühzeitig das Bett verlassen, ohne in Gefahr zu sein, 
die Fragmente zu verschieben, b) Die funktionelle Belastung des Beins 
als Heilfaktor kann schon sehr frühzeitig gestattet werden. 

Diskussion: Hr. Anschütz. 

2. Hr. Gö'bell bespricht die Pathologie der akuten Pankreasnekrose 
und die verschiedenen experimentellen Arbeiten über die Entstehung 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 81. 


derselben (Hildebrand, Opie, Hess, Guleke, Polya, H. Seydel, 
Knope und Natus). Er charakterisiert das Krankheitsbild, weist auf 
die häufige Kombination von Cbolelithiasis und akuter Pankreasnekrose 
hin und zeigt im besonderen au zwei geheilten Fällen, dass es möglich 
ist, eine Frühdiagnose zu stellen und an der Hand einer Statistik, 
dass die Frühoperation innerhalb der ersten 24 Stunden die besten 
Resultate gibt (9 geheilt zu 4 gestorben), während in den zweiten 
24 Stunden das Verhältnis schon 2 zu 3, in den dritten 24 Stunden 
gar 2 zu 8 ist. Die vorgestellten Patienten (60 und 78 Jahre alt) 
wurden in Lokalanästhesie operiert; bei dem 60jährigen fand sich be¬ 
ginnende Fettgewebsnekrose, bei dem 78 jährigen ausgedehntere Fett- 
gewebsnekrose. Der Paokreasüberzug wurde geritzt, die Bursa omentalis 
mit Vioformgaze tamponiert und drainiert. Wohlgemuth’sche Diät und 
länger durcbgeführte Tamponade und Drainage sicherten vor dem Auf¬ 
treten einer Pseudocyste des Pankreas. 

Diskussion: HHr. Richter, Lubarsch, Hoppe-Seyler, An¬ 
schütz. Graf. 

3. Hr. Göbell demonstriert eine 29jährige Frau, bei welcher er am 
II. Juli 1912 eine echte Pankreascyste, welche mit dem Pankreaskopf 
verwachsen war, entfernt hatte. Die Cyste war gut apfelgross, ihr In¬ 
halt war schwarz wie Tusche, die mikroskopische Untersuchung ergab, 
dass die Cyste innen von Cylinderepithel mit basal stehendem Kern 
ausgekleidet war. Die Untersuchung des Cysteniohalts im Physio¬ 
logischen Institut ergab: Inhalt schwach alkalisch, verdaut kein Eiweiss, 
kein Fett, verzuckert Starke wie jede Körperflüssigkeit. Gallenfarbstoff 
und Gallensäuren fehlen. 

Vortr. demonstriert aü mikroskopischen Präparaten den Unterschied 
zwischen echter Pankreascyste und Pseudocyste des Pankreas. 

Diskussion: Hr. Lubarsch bestätigt die Diagnose Cystis pau- 
creatis vera. 

4. Hr. Göbell demonstriert a) einen 5 jährigen Knaben mit isekämi* 
scher Kontraktur und Medianuslähmung nach Extensionsfraktnr des 
linken Hamerns, bei welchem die Neurolysis durch freie Fetttransplan¬ 
tation zur Umhüllung des aus den Narben oberhalb der Ellenbeuge frei¬ 
präparierten N. medianus und freie Fascientransplantation zum Ersatz 
der geschrumpften Oberarmfascie einen guten Erfolg am Medianus er¬ 
zielt batte. 

b) Eine Frau, die an Mamma pendnla und heftiger Mastodyiie 

litt, und bei welcher beiderseits durch freie Fascientransplantation ein 
an der 2. Rippe befestigtes Ligamentum Suspensorium mammae mit 
kosmetisch gutem Erfolg geschaffen wurde. Die Mastodynie ist völlig 
verschwunden. 

c) . Einen 32 jährigen Patienten, bei welchem eine 1 / i Jahr alte 
Lnxatio clavicnlae retrosternalis inveterata durch blutige Reposition 
und die Retention des sternalen Endes mittels zweier die Clavicula mit 
dem Sternum und der 1. Rippe verbindender, frei transplantierter Fascien- 
streifen erzwungen wurde. Resultat bis dahin ausgezeichnet. 

d) Zwei Mädchen, bei welchen nach Reposition einer Lnxatio coxao 
congenita trotz Beseitigung der Anteversion mittels Osteotomie nach 
Schede wieder Relaxationen aufgetreten waren. Es wurde blutig 
reponiert, das Ligamentum teres aus der Gelenkpfanne entfernt, nach 
der Reposition und Naht der Kapsel aus frei transplantierter Fascie ein 
von der Eminentia ilei pectinea zum Trochanter major ziehendes breites 
Band geschaffen, welches nunmehr forcierte Aussenrotation verhindert. 

Diskussion: HHr. Brandes, Göbell, Anschütz. 

E. Richter. 


Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik, 

Demonstrationsabend im Allgemeinen städtischen Krankenhaus zu Nürn¬ 
berg am 2. Juli 1914. 

Hr. von Rad demonstriert 2 Patientinnen mit manisch-depressivem 
Irresein. 

Hr. Scheidemandel demonstriert 1. eine Basedow-Kranke mit 
einseitigem Exophthalmus. 

2. Einen Patienten mit Hämatoporphyrinnrie. Bei Aufnahme ins 
Krankenhaus bestand hohes Fieber, Erbrechen, Schmerzen in der Blind¬ 
darmgegend. Leukocytose 20 000. Zunehmende Dunkeliärbung des Harns 
beim Stehen. Urobilin war vorhanden, dann gelang der Nachweis der 
Hämatoporphyrinurie. Bereits 1912 war der Kranke in ähnlicher Weise 
erkrankt und damals von anderer Seite Diagnose auf Appondicitis ge¬ 
stellt. Patellarreflexe gesteigert, Fussklonus, Radialisparese und seit 
einigen Tagen degenerative Veränderungen im Peroneusgebiet. Vielleicht 
bereitet sich eine Landry’sche Paralyse vor. SulfoDal und Trional bat 
der Pat. nie bekommen. 

3. Einen kräftig gebauten Mann mit ziemlicher Adipositas mit 
Thrombose der Vena axillaris links. Seit 10 Wochen Schwäche im 
linken Arm, der bei ganz geringen Anstrengungen anscbwillt und sich 
blau verfärbt. Anschwellen der Venen. Kein Trauma oder Tumor liegt 
vor. Es besteht Bradykardie. Patient ist Mechaniker, dessen linke 
Hand bei der Beschäftigung stets geringen Erschütterungen ausge¬ 
setzt war. 

Hr. Borkhardt demonstriert 1. ein 38 jähriges Fräulein bei der vor 
4 Wochen wegen Osteoms der linke Oberkiefer reseziert wurde, und 
bei der in nächster Zeit das kolossale Osteom des Unterkiefers der 
gleichen Seite operiert werden soll. Mit 6 Jahren habe die Geschwulst 
am linken Oberkiefer sich entwickelt, mit 14 Jahren wurde Pat. zweimal 


von Heiaecke operiert. Die Geschwulst kehrte wieder, wuchs aber 
zunächst sehr langsam. Die Operation wurde in Kopf tief lagerung vor¬ 
genommen, Weber’sche Schnittführuog, Unterbindung der Carotis externa, 
Umschlingung der Carotis communis mit einem Faden, durch Zusammen¬ 
ziehen der Schlinge zeitweise Kompression. Blutstillung mit Wachs. 

2. Einen Pat., bei dem wegen Carcinomrecidivs Totalresektion des 
linken Oberkiefers nebst vollständiger Ausräumung der Sieb- und Keil- 
beinzelleo nach Skelettierung des aufsteigenden Unterkieferastes vor¬ 
genommen wurde. Ein Teil der Haut wurde gangränös, durch dieses 
Loch Bestrahlung der Schädelbasis. 

3. Eine 60 jährige Pat., bei der dem Carcinom die ganze Oberlippe, 
Nase, Oberkiefer beiderseits grösstenteils zum Opfer gefallen sind. 

4. Eine 33 jährige Pat., die wegen Leibschmerzen, Diarrhöe mit 
Blntabgang ins Krankenhaus eingewiesen war. Pat. machte einen 
sohwerkranken Eindruck, Fieber, Erbrechen bestand nicht. Laparatomie. 
Ileum blauverfärbt. Mesenterialthrombose. Resektion von 1 m 
Ileum. Ausgang in Heilung. 

5. Einen 28 jährigen Mann, der vor 7 Jahren das erste Mal Magen¬ 
schmerzen bekam, die in der Folge öfter UDd anhaltender auftraten, 
Tumor in der rechten Bauchseite. Operation: Appendieitischer Ileo- 
COecaltBBOr. Resektion des Ileocoecums. Chronisch entzündliche Ver¬ 
dickung der Coecalwand, primär erkrankt der Appendix. 

6. Einen 24 jährigen ManD, eingeliefert wegen Herzschass. */*Stunden 
nach dem Suicid. Symptome des Herzblocks. Operation. In der linken 
Pleura über 1 Liter Blut, im Herzbeutel keine Einschussöffnung zu finden. 
Inzision des Pericards, Herzbeutel voll Blut, Einschuss in der vorderen 
Wand des linken Ventrikels. Ausschussöffoung ist nicht zu Hoden. 
Drainage der Pleura. Heilung durch hämorrhagische Nephritis kompliziert. 
Von 7 vom Vortr. im hiesigen Krankenhaus wegen Herzschuss operierten 
Patienten ist dies der 5., der zur Genesung kommt. 

7. Eine Pat., der er durch Seetio alta eine Haarnadel, die von 
einem hühnereigrossen Stein umschlossen war, aus der Blase entfernte. 

8. Eine Pat., bei der sieh der Tumor im Abdomen bei der Operation 
als eine das Ileum ausfüllende Mullkompresse erwies. Die 44jährige 
Frau machte ausserhalb eine aseptische Operation durch. 1913 wurde 
ein Douglasabscess bei ihr eröffnet, bald aber wieder Beschwerden, Fieber 
sowie Durchfälle. Februar 1914 wurde sie wieder laparotomiert, aber 
wegen ausgedehnter Verwachsungen der Därme von weiterem Vorgehen 
abgesehen. Im Mai kam sie ins hiesige Krankenhaus, daselbst zum 
4. Mal operiert. Durchtrennung des Ileums oberhalb des Tumors, es 
zeigte sieb, dass der Tumor durch eine Kompresse im Darm bedingt 
war. Resektion des Darmstückes, Einnäbung des Ileums ins Colon trans- 
versum. Operation durch Verwachsungen sehr erschwert, im kleinen 
Becken Eiter. Ein 2. Tumor, der noch gefühlt worden war, entpuppte 
sioh als grosser Kottumor. Eine Darmoperation war nie vorgenommen 
worden. Die Operationspräparate werden demonstriert. 

Hr. Müller spricht über pbarmakodynamisebe Prüfang des vege¬ 
tativen Nervensystems und demonstriert 3 Patienten, bei denen es auf 
diese Weise gelang festzustellen, dass der eine ein Vagotoniker, der 
zweite ein Sympathikotoniker ist, während der dritte eine Mischform 
repräsentiert. 

Vortr. demonstriert 2. einen Pat. mit Hypertrophie der linken unteren 
Extremität. Varicenbildung an Ober- und Unterschenkel. Der Kranke 
litt als Kind an Scrofulose, mit 10 Jahren Verletzung am Unterschenkel, 
Narben in der Inguinalgegend. Die Hypertrophie wird auf Stauung 
zurückgeführt durch Kompression der Femoralis. Ausserdem besteht 
Verkürzung des linken Ober- und Unterarms (Osteomyelitisfolge). 

3. Eine 33jährige Patientin mit schwieliger Mediastinitis. Schmerzen 
am unteren Ende des Brustbeins; auffallend ist die merkwürdige Art 
des Atmens und die Kontraktionen des Abdomens synchron mit dem 
Puls, dabei verschiebt sich die Baucbwand nach rechts und nach oben. 
Perkussion ergibt normale Grenzen, Spitzenstoss nicht verstärkt; Röntgen¬ 
bild Schwartenbildung im Mediastinum. Kraus. 


Aerztlicher Verein zu München. 

Sitzung vom 23. Juni 1914. 

1. Hr. v. Notthafft: Demonstration. 

N. warnt vor den sogenannten Schönheitsinatituten, die unter hoch¬ 
trabenden, fabelhaften Anpreisungen sich verpflichten, alle Falten und 
Unschönheiten des Körpers durch Einspritzungen zu entfernen. Iojiziert 
wird hauptsächlich Paraffin und Vaselin oder eine Mischung beider. 
Häufig sind im Anschluss an diese Einspritzungen Phlegmonen, Erysipele, 
Abscesse und sogar Carcinome beobachtet worden. Nach vorheriger aus¬ 
giebiger Reklame erscheint ein Agent, der die Patienten zur Vornahme 
dieser harmlosen Operation überredet und etwaige Bedenken zerstreut. 
Nach einigen Tagen nimmt dann meist ein französischer, amerikanischer 
oder italienischer „Arzt“ die Einspritzung vor. Die Unschön beiten, be¬ 
sonders kleine Gesichtsfalten, sind jetzt für einige Zeit schön ausge¬ 
glichen, aber bald nimmt der Gesichtsausdruck ein starres, maskenhaftes 
Aussehen an, da durch die Einspritzung die Muskulatur mehr oder weniger 
in ihrer Tätigkeit behindert und so das Mienenspiel oft gauz aufgehoben 
wird. Trotz gegenteiliger Versicherung ist ein späteres Wiederaufsaugen 
des eingespritzten Paraffins unmöglich, da an Stelle des Paraffindepots 
ein sklerotisches, derbes, blutgefässarraes Bindegewebe entstanden ist. 

An der Hand von Projektionen berichtet N. über einen Fall aus 


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UNIVERSUM OF IOWA 



8. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1489 


der Literatur bei dem nacb Jahr und Tag in der Nähe der Einspritzung 
eine Schwellung der Lider auftrat. Die Infiltration des Gesichts nahm 
im Laufe des folgendes Jahres zu und verwandelte die ganze obere Ge¬ 
sichtshälfte in eine höckerige, wulstige, das Gesioht vollkommen ent¬ 
stellende Masse. Auch hier war das Mienenspiel vollkommen aufgehoben. 
Diese Veränderungen blieben trotz aller Versuche stationär und Hessen 
sich in keiner Weise entfernen oder mildern. 

2. Hr. Craemer: 

Der biologische Unterricht an den bayerischen Gymnasien und die 
nene Sehnlordnnng. 

Vortr. berichtet über die Bemühungen der Münchener Aerzte, in den 
Gymnasien den bisher stiefmütterlich behandelten naturwissenschaftlichen 
Unterricht besser auszugestalten. Bisher wurde er in zwei wöchentlichen 
Stunden von der 6. Klasse (Obersekunda) ab erteilt, und zwar begann 
er mit dem schwersten Gebiet: der Gesundheitslehre und dem Menschen. 
Schon vor 5 Jahren versuchte man den zweistündigen Unterricht bis auf 
die 5. Klasse (Untersekunda) auszudehnen, leider jedoch ohne Erfolg. 
Von gegnerischer Seite wurde hauptsächlich Ueberbürdung der Schüler 
mit Schulstunden befürchtet. Wenn auch von medizinischer Seite eine 
Verlängerung der Unterrichtszeit durchaus nicht gewünscht wird, so glaubt 
doch Vortr., dass nach einer Reihe quälender Spraohstunden ein inter¬ 
essant erteilter naturwissenschaftlicher Unterricht vom Schüler mehr als 
eine Erholung angesehen wird. Die Folge dieses eigentlich von sämt¬ 
lichen deutschen Staaten einzig und allein nur in Bayern so mangelhaft 
erteilten Unterrichts ist nach Ansicht Craemer’s ein mangelhaftes Ver¬ 
ständnis der Schüler oder Studenten für die Vorstellung eines Vorganges, 
da er in dieser Beziehung in keiner Weise geschult ist. 

Um den Gymnasialunterricht mehr der Neuzeit anzupassen, wurde 
von der Schule selbst, leider bisher aber vergeblich, die Umwandlung 
in ein Reformgymnasium vorgeschlagen, nämlich 8 jähriger, lateinloser 
Unterbau mit wöchentlich 6 Stunden Französisch sowie einigen Stunden 
naturwissenschaftlichen Unterrichts, und erst von der 4. Klasse (Unter¬ 
tertia) ab sollte Latein eingeführt werden. 

In den bayerischen Oberrealschulen wird ein guter naturwissen¬ 
schaftlicher Unterricht in sämtlichen Klassen erteilt. Nobiling. 


Gesellschaft für Morphologie und Physiologie zu München. 

Sitzung vom 16. Juni 1914. 

Hr. L. Neumayer: Zur Phylogenie des Wirbeltierdarmes. 

Vortr. verfolgte die phylogenetische Entwicklung des Wirbeltier¬ 
darmes bei geeignetem fossilen Material (Ganoiden, Knochenfische). Die 
Befunde bestätigten die Anschauung, dass der Darmkanal der Wirbel¬ 
tiere ursprünglich eine einfache Röhre darstellt, an der später Spiral¬ 
touren auftreten; während die Spirale an das Ende des Mitteldarmes 
wandert, tritt kompensatorisch am vorderen Abschnitt des Mitteldarmes 
Schlingenbildung auf. Die Eindrücke des Spiraldarmes an Fossilien 
werden an Hand von Diapositiven und epidiaskopischen Projektionen de¬ 
monstriert unter Berücksichtigung der differentialdiagnostischen Schwierig¬ 
keiten. Die sog. Koprolithen sind, wie mikroskopische Studien an Quer- 
schliffen lehren, jedenfalls zum Teil Darmkanal mit Inhalt. 

K. S üp fl e - München. 


Medizinische Gesellschaft zu Basel. 

Sitzung vom 25. Juni 1914. 

Hr. voi Bunge: Ueber die Ursachen der Stillunfähigkeit. 

Schon im Jahre 1898 hat Vortr. begonnen, den Ursachen der Still¬ 
unfähigkeit näher zu treten. Er hat zu diesem Zwecke Fragebogen aus¬ 
gearbeitet, welche an 40 000 Aerzte im ganzen deutschen Sprachgebiet, 
m Holland, Dänemark, Schweden und Norwegen versandt wurden. Die 
Fragebogen wurden ferner übersetzt ins Englische, Französische, Italieni- 
«ohe, Spanische, Neugriechische und Japanische. Im Verlaufe von 
15 Jahren sind von 300 Aerzten 2700 ausgelüllte Fragebogen eingegangen. 

Als nor ? nal die Stillfähigkeit dann angesehen, wenn die Mutter 
mr Kind mindestens während neun Monaten an der Brust ernähren 
kann, ohne dass eine andere Nahrung beigegeben werden muss. Auf 
urand des statistisch geordneten Materials kommt der Vortr. zu dem 
Schlüsse, dass die Stillunfähigkeit erheblich sei; in 40 pCt. der Fälle 
patte die Mutter die Fähigkeit zum Stillen noch besessen, die Tochter 
J . P^- nicht mehr. Die Stillunfähigkeit ist in rapidem Wachstum 
begriffen; sie ist ein Zeichen der Degeneration. Der Verlust der Still- 
laaigkeit ist nicht isoliert, sondern nebenher gehen auch die Widerstands- 
osigkeit gegen Tuberkulose, gegen Nervenleiden, gegen Geisteskrankheiten. 

^ eso Degeneration, speziell für die zunehmende Still- 
UMahigkeit ist nach dem Urteil des Vortr. im Alkoholismus des Vaters 
suchen. An Hand von zahlreichen Tabellen wird der Zusammenhang 
örtert ^oholismus des Vaters und Stillunfähigkeit der Tochter er- 

Th ^ er ^ or ^ r * we ' s t die verschiedenen Einwände, welche gegen seine 
eone vorgebracht worden sind, als nicht stichhaltig zurück. Nach 
. ° 0rzeu 8 UD K ist die Stillunfähigkeit die wichtigste medizinische 
* Qd 80 ^c Frage der Gegenwart. Lüdin-Basel. 


Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde za Wien. 

Sitzung der pädiatrischen Sektion vom 25. Juni 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Monti demonstriert einen Fall von Gangrän eines Meckel’sehen 
Divertikels infolge Volvnlns. 

Frau Gertrnde Bien führt 1. ein Mädchen mit Raynaud’sehen Sym- 
ptomenkonplex vor. 

Das Kind wurde mit schwerer Pericarditis aufgenommen, es zeigte 
Cyanose der Nase und der Lippen und eine dunkelblaue Verfärbung der 
Finger. Mit Besserung des Herzleidens verschwand die Cyanose, aber 
an den Fingerspitzen tritt sie zeitweise auf, besonders nach Kälteeinfluss. 
Die Wassermanu’sche Reaktion ist negativ. 

2. Dieselbe demonstriert ferner ein 21 Monate altes Kind mit 
einem Sternaldefekt. 

Vom Sternum ist nur der Schwertfortsatz erhalten, an Stelle des 
Corpus und des Manubrium ist ein dreieckig, mit der Basis nach abwärts 
sehender Defekt, welcher nur von narbiger Haut überkleidet ist. 

Hr. Reaeh stellt zwei Kinder vor, bei welchen er Papaverin gegen 
Pertussis mit Erfolg angewendet hat 

Es wurde von 0,3 Papaverin : 1000 Aqua stündlich ein Haffelöffel 
voll gegeben, worauf die Zahl der Anfälle geringer und diese selbst 
leichter wurden. Das Erbrechen hörte auf und nach vier Wochen trat 
Heilung ein. Vortr. hat ausserdem noch 19 Fälle auf diese Weise be¬ 
handelt, er konnte sich überzeugen, dass in jedem Falle nach Verab¬ 
reichung des Papaverins das Erbrechen sofort sistierte und die Anfälle 
kürzer und seltener wurden. 

Hr. Lehndorff demonstriert mikroskopische Präparate von einem 
Falle von Mikromyeloblastenlenkämie. 

Dieselben stammen von einem Kinde, welohes vor einigen Monaten 
mit chronischem Gelenkrheumatismus von Strauss vorgestellt worden 
ist. Es hatte keinen Milztumor, die Blutuntersuchung ergab l l j 2 Mill. 
rote und 6000 weisse Blutkörperchen, unter den letzteren waren 40 pCt. 
anscheinend typische kleine Lymphocyten. Im weiteren Verlaufe traten 
immer wieder Attacken von Gelenkaffektionen auf. 

Hr. Nobel zeigt 1. ein IV 2 Jahre altes Kind mit akuter lympha¬ 
tischer Leukämie. 

2. Derselbe stellt den Knaben vor, welchen er vor einiger Zeit mit 
angeborenem, chronischem, acholnrisehen Icteras demonstriert hat. 

Bei dem Knaben ist vor 10 Tagen die Splenektomie ausgeführt 
worden. Schon 24 Stunden nach derselben ist der Icterus zurück¬ 
gegangen, jetzt ist er ganz geschwunden, und das Kind sieht blühend 
aus. Der Hämoglobingehalt ist von 46 auf 71 pCt. angestiegen und die 
Zahl der roten Blutkörperchen hat zugenommen. 

Hr. K&ssowitz demonstriert ein 472 Jahre altes Kind mit der vor¬ 
läufigen Diagnose: aknte lymphatische Leukämie. 

Hr. v. Peyerer zeigt ein 2 J / 2 Jahre altes Kind mit Mikromelie. 

Hr. Knöpfelmacher zeigt 1. ein 3jähriges Kind mit ehroiisehem 
Gelenkrheumatismus. 

Beide Handgelenke, die Ellbogengelenke, die Knie- und Sprung- 
gelenke sind geschwollen, die Schwellung ist elastisch und nicht druck¬ 
empfindlich. Die Krankheitsdaner beträgt bereits 2 Jahre, jetzt kann 
das Kind nicht mehr gehen. Es hat chronisches intermittierendes Fieber, 
die Schwellungen sind aber nicht tuberkulöser Natur, wie sich Vortr. 
durch Untersuchung eines exoidierten Stückchens überzeugen konnte. 
Behandlung mit Radium war bisher ohne Erfolg. 

Derselbe demonstriert 2. ein 21 Monate altes Kind mit heredi¬ 
tärer Lues und Pleioeytose der Cerebrospinalfiüssigkeit. 

Das Kind wurde mit Salvarsan behandelt, und es hat jetzt ein papu¬ 
löses Exanthem. Als das Kind 6y 2 Monate alt war, wurde bei ihm die 
Lumbalpunktion vorgenommen, welche Pleioeytose der Cerebrospinal- 
flüssigkeit ergab. Die jetzt vorgenommene Lumbalpunktion ergab eine 
noch stärkere Pleioeytose. Das Kind hat Hydrocephalus und eine geringe 
lntelligenzstörung. Die Wassermann’sche Reaktion ist in der Cerebro¬ 
spinalflüssigkeit negativ, im Blute positiv. Bei luetischen Säuglingen 
ist die Pleioeytose ziemlich häufig, bei älteren ist sie selten; sie deutet 
auf ein Befallensein der Meningen oder des Gentrainervensystems hin. 

Hr. K&ssowitz bespricht die Maassnabmen, welche er anlässlich einer 
Diphtherieepidemie in einem Kindergarten zur Verhütung der Ausbreitung 
der Seuche ergriffen hat. 

Bei der ersten Erkrankung wurden alle 52 Kinder des Kindergartens 
untersucht, bei 8 fanden sich Bacillen in der Kultur aus dem Abstrioh 
der Tonsillen. Die Anstalt wurde desinfiziert und gesperrt. Es kamen 
dann später noch 4 Erkrankungen vor, die Erkrankten wurden isoliert 
und serologisch behandelt, die Bacillenträger wurden ebenfalls isoliert 
und wiederholt untersucht. Die Bacillenträger wurden prophylaktisch 
mit Serum behandelt. Nach Wiedereröffnung der Anstalt, welche vor 
17z Monaten erfolgte, ist kein neuer Erkrankungsfall mehr vorgekommen. 

_ H. 

Aus Pariser medizinischen Gesellschaften. 

Acaddmie de medecine. 

Sitzung vom 8. Mai 1914. 

HHr. Caussade und Levl-Fraeukel beschreiben einen Fall von 
ieterisehem Symptemenkomplex nach Hanoi bei sekundärer Syphilis. 
5 Monate nach einem indurierten Schanker trat langsam intensiver Icterus 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1490 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


ein ohne Entfärbung der Fäces, mit Pruritus und Bradycardie. Der 
Urin enthielt Gallensalze und Pigmente. Die Leber war sehr gross, 
ebenso die Milz. Das reohte Hypoohondrium war druckempfindlich; 
während 8 Tagen bestand leichtes Fieber bis 38°. Dabei bestanden 
leiohte Magendarmstörungen, während Meteorismus, Ascites und collaterale 
Blutcirculation fehlten. Es handelte sich um den von Hanot be¬ 
schriebenen icterisohen Symptomenkomplex. Dieser war hier syphi¬ 
litischer Natur: der Wassermann war positiv; in den ersten Tagen be¬ 
standen papulöse Syphilide des Thorax und Abdomens, ciroinäre Syphilide 
des Scrotums, welche nach Hg-Cyanürbehandlung verschwanden. Der 
Icterus verschwand, die Hypertrophie von Leber und Milz ging nur 
langsam zurück, erst nach 3 Monaten. Die Hg-Behandlung wurde gut 
vertragen, weil keine Leberinsuffizienz bestand und Nieren und Blut 
nicht verändert waren. Die Behandlung musste lange fortgesetzt werden, 
trotzdem bekam Pat. nach einem Jahr einen leichten Rückfall. Die 
Leberafiektion hat offenbar rasch nach der Infektion begonnen. Die 
Leber muss also bei Lues genau überwacht werden, besonders bei so¬ 
genanntem oatarrhalischem syphilitischen Icterus. 

HHr. Aehard und Leblanc berichten über 25 Fälle von Herab- 
sinken der Ambard’schen Konstante* unter die Norm. Es bandelte 
siob fünfmal um Rekonvaleszenten von akuten Krankheiten oder um 
leicht Fiebernde (darunter 5 Tuberkulosen), fünfmal um Polyurie und 
zweimal um Oligurie. Die tiefste Zahl, 0,025, fand man bei einem aus¬ 
gehusteten Empyem und 0,026—0,028 bei 2 Tuberkulosen. Bei den 
meisten Fällen war der Harn stoffgeh alt des Blutes herabgesetzt auf 
0,10—0,15 pM. Dieser Harnstoffgehalt des Blutes geht mit den 
Schwankungen der Konstanten nicht parallel. Die Konstante zeigt Un¬ 
regelmässigkeiten, sobald der Patient nicht in einer gewissen physio¬ 
logischen Stabilität ist. Verstärkte Diuresen, CirculationsstÖrungen, 
Blutveränderungen nach Krankheiten können die Ambard’sche Konstante 
beeinflussen, ohne dass man berechtigt wäre, daraus auf entsprechende 
Veränderungen der Nierenpermeabilität zu schlossen. 

HHr. Felix Ramond und Poiranlt beschreiben einen Fall von 
Herpes zoster facialis. Der Ausschlag beschränkte sich genau auf das 
Gebiet des Nervus maxill. inf. Er war begleitet von syringomyelitischer 
Dissociation der Sensibilität der Haut und Schleimhaut, Verschwinden 
der Geschmacksempfindung in den beiden vorderen Dritteln der ent¬ 
sprechenden Zungenhälfte, welche übrigens nachher stark abhäutete und 
durch ihre Rötung auffiel. Ferner bestand gleichzeitig eine Facialis- 
parese der gleichen Seite. Alle diese Erscheinungen verschwanden im 
Laufe eines Monats. Die Erscheinungen erklären sich durch die An¬ 
nahme, dass die Veränderungen bis zum Bulbus sich ausdehnen, in 
welchem der Kern des Facialis denjenigen des Maxillaris inf. umrahmt 
und somit an dessen Entzündung sich beteiligen kann. 

HHr. G. Guillain und J. Onbois haben ein 20 jähriges Mädchen mit 
doppelseitiger Athetosis beobachtet, bei welchem die Augen¬ 
kompression hemmend auf die Athetosisbewegungen wirkte. 
Pat. zeigte intellektuelle Störungen, Athetosebewegungen des Gesichts, 
der Zunge und der Glieder, spastisch-cerebellären Gang, Veränderungen 
der Haut und Sehnenreflexe. Der Augenberzreflex war verstärkt, er¬ 
zeugte eine Pulsverlangsamung von 29 Pulsationen pro Minute. Die 
Kompression erzeugte Blässe des Gesichts und Neigung zu Ohnmacht, 
und während derselben verschwanden die Athetosebewegungen des 
Gesichts und der Glieder fast ganz, was auffällig ist, da sonst im Gegen¬ 
teil die ärztlichen Untersuchungen die Bewegungen vermehren. 

Sitzung vom 15. Mai 1914. 

HHr. Laigncl Lavastile und Frl. Romme zeigen einen 51jährigen 
Patienten mit symmetrischer Lipomatose, die seit 8 Jahren besteht 
und sich mit Facialisparalyse nach cervicofacialem Zoster 
komplizierte. Die Lipome am Hals, Thorax und Abdomen sind sehr 
gross und haben sich nirgends auf Lymphdrüsen entwickelt. Der Zoster 
war auf Naoken, Hals und Gesicht ausgedehnt und erreichte auch die 
Ohrmuschel. Es blieben Sensibilitätsstörungen zurück, und zwar heftige 
paroxystische Schmerzen und auf dem ganzen Ausschlaggebiet eine 
Hypoästhesie für Berührung, Schmerz und Wärme, besonders im Nacken 
und unteren Teil der Wange (2. und 3. Cervicalnerv) und am Ohr¬ 
läppchen, Helix und Antihelix des rechten Ohrs. Ohne Kopfschmerz 
oder andere klinische Zeichen komplizierte sich der Zoster mit starker 
meningealer Reaktion. 

HHr. Dnfonr, Legras und Ravina zeigen einen Fatl von chronischer 
Osteomalaeie bei einer 67jährigen Virgo. Die Affektion hatte im 
ersten Lebensjahr begonnen und das ganze Leben gedauert, mit Frakturen 
der verschiedenen Diaphysen, schlechter Konsolidation derselben, heftigen 
multiplen Schmerzen, Abnahme der Körperlänge bis 1,30 m, dorsale 
Kyphose usw. Pat. war vom 12. bis 46. Jahre normal menstruiert; die 
Menopause hat die Affektion nicht beeinflusst. Im ganzen lassen sich 
21 Frakturen nacbweisen. 

HHr. Hallä, Foix und Bloch beschreiben einen relativ seltenen 
Fall von diphtherischer organischer Hemiplegie. In dem Falle, der 
pathologisch-anatomisch untersucht werden konnte, war die vorüber¬ 
gehende Hemiplegie bedingt durch einen scharfbegrenzten Herd der 
hinteren Hälfte des Linsenkerns. Es handelte sich um einen Erweichungs- 
berd, wahrscheinlich embolischen Ursprungs. 

HH. Marod Lattä und Baumgartner besprechen den diagnostischen 
Wert der Acidose für Leberinsnffisienz. Ein 86jähriger Patient kam 
mit Coma, rechtsseitiger Hemiplegie, Ptosis und Mydriasis zur Behand¬ 
lung und zeigte gleichzeitig starke Reaktion für Acidose im Harn. Es 


bestand kein Diabetes und keine Zeichen von Leberaffektion. Liquor 
cerebrospinalis und Sehnenreflexe Hessen eine Erkrankung des Nerven¬ 
systems ausschliessen. Bei der Autopsie fand man eine total degene¬ 
rierte Leber; keine Nierenveränderung noch Gehirnveränderungen, die 
die Paralysen erklären würden. Es handelt sich um toxische Lähmung, 
wie man sie bei Urämie und Hepatotoxämie findet. Die Acidose hat 
erlaubt, die Diagnose auf Leberinsuffizienz zu stellen. 

Nach HHr. Mosny und Javol besteht bei chronischer Bleivergiftung 
zur Zeit einer Bleikolik eine Harnstoffretention im Blut, die vorüber¬ 
gehend ist und mit der Oligurie gleichzeitig besteht, mit der Polyurie 
und Heilung der Kolik wieder zurückgeht. 

Hr. Qneyrat zeigt einen Patienten mit Schanker der Lippe nid 
grosser Driisenschfvellung unter dem Kinn. Nach Injektion von 0,3 g 
Salvarsan entstand gleichen Tags eine faustgrosse Schwellung mit Rötung 
wie bei Lymphdrüseneiterung. Es handelt sich um eine starke Herx- 
heimer’sche Reaktion, gleichzeitig trat bei den anderen Sekundärerschei- 
nungen starke Reaktion ein. Zurzeit sind die Entzündungserscbeinungen 
im Rückgang begriffen. 

Hr. Gnisez bat bei 11 Patienten mit Lungengangrän durch massive 
intrabroncbiale Injektionen Heitung erzielt. Von 3 neuen Fällen heilten 
2, der 3. starb an Septicopyämie, während der Lungenherd geheilt war, 
wie die Sektion ergab. 

Sitzung vom 22. Mai 1914. 

Hr. BenBaude beschreibt einen neuen Fall von Acidose mit Coat 
ohne Diabetes. Eine 38 jährige Frau litt seit 8 Jahren an Gallenstein¬ 
kolik mit Icterus und dauernder Entfärbung der Stühle. Bei der Auf¬ 
nahme bestanden deutliche Zeichen von Cholecystitis und Perichole¬ 
cystitis, leichtes Fieber, sehr frequenter Puls bis 130 und 140 und 
Durchfall. Kurz vor dem Exitus wurde Patientin somnolent und fiel 
durch säuerlichen Geruch des Atems und des Urins anf. Dieser ent¬ 
hielt Aoeton und Diuretsäure, aber keinen Zucker. Mit Injektionen von 
Natr. bicarbon.-Lösungen ging das Coma vorübergehend zurück, trotzdem 
starb Patientin 4 Tage nach Eintritt des komatösen Zustandes. 

Hr. Merklen und Leblanc beschreiben einen Fall von Vitiligo hei 
einem Tuberkulösen, bei dem gleichzeitig Lues (Argyll Robertson) be¬ 
steht. Wassermann des Blutes und des Liquor waren negativ. 

HHr. Castaigne und Paillard zeigen einen 25 jährigen Patienten mit 
totalem spontanem, rechtsseitigen Pneumothorax. In vollem Wohl¬ 
befinden bekam Patient Schmerzen und Atemnot, konnte aber trotzdem 
heimgehen und in einen 7. Stock steigen. In wenigen Tagen ging die 
Atemnot zurück, aber Patient fühlte sich doch nicht ganz wohl und 
stellte sich vor Wiederaufnahme der Arbeit im Krankenhause vor. Da stellte 
man klinisch und radiologisch einen totalen, rechtsseitigen Pneumothorax 
fest. Seit l l J 2 Monaten beobachtet man die langsame Resorption des 
Luftergusses, deren Fortschritt radiologisch festgestellt wird. Der Flüssig- 
keitserguss war nur gering und radiologisch festzustellen, nur einmal 
fand man Succussio Hippocratis. Patient ist nicht tuberkulös belastet, 
hat nur leichte Veränderungen des Vesicularatmens an der linken Spitze. 
Fieber fehlt, Patient nimmt an Gewicht zu und fühlt sich wohl. 

Hr. A. Leri hat bei 7 Fällen von Gehirn- ud Meningealblntong 
untersucht, ob im Serum eiweisszerstörende Fermente bestehen. Iq 
6 Fällen bestanden solche, 5 mal in sehr starker, 1 mal in geringer Menge; 
im 7. Fall war das Resultat am 2. Tag negativ, nach 8 Tagen leicht 
positiv. Gewöhnlich ist die Reaktion schon in den ersten Tagen, in 
denen die Diagnose schwierig ist, positiv. Zum Vergleich wurde die 
Seroreaktion mit Fibrin in 11 Fällen von Gehirnerweichung und bei 
18 verschiedenen Erkrankungen untersucht. Bei den 11 Gehirn¬ 
erweichungen war sie nur lmal positiv. Bei den 18 anderen Patienten 
war sie negativ, ausser bei anderswo als im Gehirn lokalisierten Blutungen 
oder wenn infolge Eiterung oder Leukämie ausgedehnte Zerstreuung der 
weissen Blutkörperchen bestand; dabei handelte es sich nicht um spezi¬ 
fische Fermente, sondern um solche, die durch Zerstörung der Leuko- 
cyten freigeworden waren. Die Seroreaktion auf Fibrin gibt also ge¬ 
wöhnlich positive Resultate, besonders bei Gehirnblutungen, negative in 
anderen Fällen, und ist somit wichtig, wenn die Diagnose für Gehirn¬ 
blutung zweifelhaft ist. Es muss aber daneben nicht eine anders lokali¬ 
sierte Blutung bestehen, denn die Reaktion deutet auf Bluterguss und 
gibt keine Lokalisation an. Ausserdem dürfen neben der Blutung keine 
Massenzerstörungen der Leukocyten bestehen, wie bei Leukämie. 

Sitzung vom 29. Mai 1913. 

Hr. Bensande hält gegenüber Herrn Laignel-Lavastine an seiner 
mit Herrn Lannois aufgestellten Theorie des lymphogenen Ursprungs 
der symmetrischen Lipomatose fest. Es genügt nicht, zu zeigen, dass 
die Geschwülste da entstehen, wo gewöhnlich keine Lymphdrüsen be¬ 
stehen. Diese können an Orten bestehen, wo man sie gewöhnlich nicht be¬ 
schreibt (Schulter, Schulterblattgegend, Wirbelsäulengegend, BauchdeckeD, 
Pubes); gewisse Krankheiten, besonders Syphilis, haben eine Prädilektion 
für solche, sonst nicht beschriebene Drüsen. Für die lymphogene Natur 
dieser Lipome sprechen noch: die häufigen Tumoren des Mediastinums; 
das gleichzeitige Bestehen von Elephantiasis der Haut und Varizen der 
Lymphgefässe; die Tatsache, dass die Fettinfiltration längs der Gefäss- 
Nervenbündel weitergreift; das rasche Wachsen und Schwinden der Ge¬ 
schwülste; die Aebnlichkeit mit anderen Krankheiten lymphatischen 
Ursprungs, wie Lymphadenie; die engen Beziehungen zwischen Fett¬ 
gewebe und Lymphsystem, wie sie durch Verschwinden der Drüsen bei 
letten Ochsen ersichtlich sind. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



8. Aagast 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1491 


HHr. Flau di n und Paateir-Vallery Radot beschreiben einen Ver- 
gifttigafall mit 8aoerkleesalz. Trotz der grossen Menge absorbierten 
Salzes und der schweren Erscheinungen im Beginn wurde Patient rasoh 
gesund. Die Radioskopie zeigte bei dem scheinbar geheilten Patienten eine 
gestörte Magenkontraktionsfähigkeit, die auf später eintretende Störungen 
des Magens deuten. Die Harnstoffbestimmungen im Blut ergaben einen 
Gehalt von 3,86 g während der Periode der Oligurie. Diese Harnstoff- 
reteotion versohwand langsam, sobald die Diurese eintrat und verschwand 
in wenig Tagen ganz. Es handelt sich also um vorübergehende Azothämie 
toxischen (in anderen Fällen infektiösen oder mechanischen) Ursprungs, 
die keinen prognostischen Wert hat, nicht wie bei chronischer Nephritis, 
bei der die Prognose sohleoht wird, wenn der Harnstofifgehalt 1 g 
übersteigt. 

HHr. Oettisger. Fiessinger und Marie geben ihre Resiltate mit 
der Abderhalden’seliei Reaktion zur Diagnose des Carcinoms, besonders 
des Caroinoms des Verdauungsapparats. Bei sicheren Oarcinom war die 
Reaktion in 61,2 pCt. positiv und in 38,8 pCt. negativ. Bei nichtcarci- 
nomatösen Affektionen waren nur 32,2 pCt. positiv, die anderen negativ. 
Die positiven Reaktionen sind häufig, namentlich bei Mägendarmblutuugen. 
Die Methode ist also zu diagnostischen Zwecken nicht genau genug. 
Eine positive Reaktion ist nur ein Wahrscheinlichkeitszeichen, mit dem 
die anderen klinischen Symptome in Betracht gezogen werden müssen. 

HHr. Jeauelme und Sehalmaan beschreiben einen Fall von tertiärer 
Lies mit besonderer Beteiligung der Milz, die so enorm war, dass ein 
Chirurg die Exstirpation vorschlug. Die genaue Untersuchung ergab 
multiple, schmerzhafte Exostosen, nächtliche Schmerzanfälle, stark posi¬ 
tiven Wassermann. Eine erste Injektion von 0,1 cg Neosalvarsan brachte 
die Schmerzen zum Schwinden; nach der 5. Injektion war der Durch¬ 
messer der Milz von 21 cm auf 11 cm gesunken; ebenso war die Leber¬ 
schwellung zurückgegangen. In solchen Fällen muss vor der Chirurgie 
eine genaue Untersuchung stattfinden, wenn man Syphilis ahnt. 


Wiener Brief. 

Die wohlverdienten Sommerferien der Wiener medizinischen 
Fakultät werden durch einen Ukas des Dekanats gestört, der nichts 
mehr und nichts weniger als den Numerus olausus an der Reichs- 
universität diktiert. Der Wortlaut dieser historischen Kundmachung 
lautet wie folgt: 

»Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht hat mit Erlass 
vom 24. Juni 1914, Z. 14 309, Aufnahmsbeschränkungen an der 
Wiener medizinischen Fakultät für das Studienjahr 1914/15 ge¬ 
nehmigt, auf Grund welcher das Professorenkollegium der Wiener medi¬ 
zinischen Fakultät in seiner Sitzung vom 1. Juli 1914 folgendes be¬ 
schlossen hat: 

1. Die Zahl der in den ersten Jahrgang (erstes und 
zweites Semester) neu aufzunebmenden, zur Immatrikulation 
zuzulassenden Studierenden der Medizin wird mit 400 fest¬ 
gesetzt. 

2. Von den Studierenden, welche die Aufnahme anstreben und den 
vorgesohriebenen Bedingungen entsprechen, werden jene aus Nieder¬ 
österreich und denjenigen Kronländern, in welchen eine Uni¬ 
versität mit medizinischer Fakultät nicht besteht, sowie aus 
Bosnien und der Herzegowina in erster Linie inskribiert; 
sie haben die Inskription in der Zeit vom 23. September bis 8. Oktober 
durchzuführen. 

3. Studierende aus den übrigen im Reichsrate vertretenen König¬ 
reichen und Ländern, dann Ausländer können erst nach den Vor¬ 
genannten, bis die genannte Gesamtzahl von 400 erreicht ist, aufgenommen 
»erden. Diese haben sich bis zum 12. Oktober, 12 Uhr mittags, vorschrifts- 
mässig unter Vorweisung des Nationales und der Dokumente wie die 
übrigen schriftlich im Dekanat zu melden; über ihre eventuelle Aufnahme 
»ird am 13. Oktober entschieden sein. Zum Nachweise ihrer Zu¬ 
ständigkeit haben sämtliche die Immatrikulation anstrebenden Studierenden 
des ersten Jahrganges aus dem Nachweise ihrer österreichischen Staats¬ 
angehörigkeit ihre Heimatscheine beizubringen. Studierende anderer 
Fakultäten können sich für die Uebungen im Seziersaale nicht inskri¬ 
bieren. Spätere Inskriptionen, sei es mit Gesuchen an das 
Dekanat oder den akademischen Senat, sind, sobald die Ge¬ 
samtzahl von 400 erreicht ist, nicht zulässig; dasselbe gilt 
für eventuelle Uebertritte von anderen Fakultäten.* 

Die Motive, die unsere Fakultät bewogen haben, zum Verfahren 
wr Drosselung des Zuflusses zu greifen, um dem derzeitigen Mangel an 
Kaum und an Material, besonders für das anatomische Studium, ein 
Bnde zu bereiten, sind Ihren Lesern aus einem „Wiener Briefe“ be- 
aaunt. Im Jabre 1913/14 gab es an der Wiener medizinischen Fakultät 
663 erstjährige Mediziner! Diese Anziehungskraft der Reichs- 
Universität ist gewiss mit Freude und Stolz zu begrüssen; leider fehlt 
M derzeit an Raum und Material, um 663 Mediziner in Wien zu 
wichtigen, theoretisch und praktisch vorgebildeten Aerzten zu erziehen. 

fehlt in beiden anatomischen Instituten an dem Material; das ist die 
Hauptsache. Denn Raum Hesse sich gewinnen; entweder durch Ein¬ 
richtung von Parallelvorlesungen, wie sie an allen grossen Universitäten 
nach Bedarf eingelührt werden (Auoh in Wien! In früheren Jahren auoh 
w» den anatomischen Lehrkanzeln!), oder durch provisorische Verwen¬ 


dung des recht gut eingerichteten anatomischen Instituts an der 
historischen Josefs - Akademie für Militärärzte, dem aufgelassenen 
„Josephinum“, oder — horribile diotu — durch Neueinrichtung einer 
dritten anatomischen Lehrkanzel. Diese Auswege werden vom Collegium 
nicht gegangen, sondern es wird durch den Ukas, der einer Lehr- und 
Lernfreiheit an Hochschulen nicht entspricht, die Zahl der Mediziner 
restringiert und dezimiert. Studierende anderer Fakultäten dürfen an 
den Sezierübungen überhaupt nicht mehr teilnehmen, eine Maassregel, 
die nach der Ansicht der Juristen den Universitätsgesetzen nicht ent¬ 
spricht. Der Mediziner darf philosophische, philologische, historische, 
zoologische und andere Institute und Seminare frequentieren — der 
Nichtmediziner ist von dem anatomischen Studium ausgeschlossen. 
Warum das alles? Zu welchem Zweck und Ende die drakonische 
Strenge, die mit unseren Universitätsgesetzen in Widerspruch gerät? 
Das Professorenkollegium motiviert diese Strenge folgendermaassen: 
„Da im Seziersaai die erst-, zweit- (als Rigorosanten), auch die dritt- 
jährigen Mediziner Zusammentreffen, hat es sich ergeben, dass im Winter¬ 
semester 1913/14 ca. 1700 Studierende an den Sezierübungen teil- 
nahmen. Wenn auch infolge der Vermehrung der Seziersäle der Raum 
lür eine solche Frequenz zur Not noch ausreichen würde, so ist das 
schon läogst nicht mehr der Fall beim Seziermaterial. Nur 116 ganze 
Leichen standen in diesem Wintersemester zur Verfügung für 1700 
Sezierende, also für 15 Sezierende eine ganze Leiche. Es ist klar, dass 
unter solchen Umständen eine vollständige Ausbildung in der Anatomie 
unmöglich erzielt werden kann. Es mussten infolgedessen die Anforde¬ 
rungen, welche als Bedingung für die Testierung der Sezierübungen 
gestellt werden, bereits um ein Drittel herabgemindert werden; ein 
offenkundiger Schaden für die Ausbildung der Mediziner in der grund¬ 
legenden Disziplin der Anatomie.“ 

Wir hören, dass es in Wien derzeit an Leichen für die Anatomie 
fehlt; die staatlichen Spitäler haben ihre Prosekturen, die Privatspitäler 
wehren sich gegen das Ansinnen, Leichen zu Studienzwecken auszu¬ 
folgen, und Versuche, Leichen und Leichenteile aus der Ferne, z. B. 
Kehlköpfe aus Triest, nach Wien zu transportieren, gaben zu heftigen, 
auch politisch gefärbten Polemiken, ja sogar zum Einschreiten der Ge¬ 
richte Anlass. Die alten Verordnungen sind veraltet, und das Gesetz, 
das die Beschaffung des Studienmaterials für die Wiener Anatomien 
sichert, muss erst geschaffen werden. Nach den obigen Ausführungen 
des Professorenkollegiums wird es an Arbeitsmaterial fehlen, auch wenn 
nur 400 Mediziner pro Jahr zur Inskription zugelassen werden. Die 
Wiener medizinische Fakultät muss das wichtigste Studienmaterial für 
den zukünftigen Arzt auf gesetzlicher Basis erhalten, nicht durch 
Bitten und Betteln. 

So weit das anatomische Studium. Auch an den Kliniken fehlt es, 
nach einer Erklärung des Professorenkollegiums an Platz: „Ebenso 
schlimm steht es mit den Kliniken. Die interne Klinik soll durch 
4 Semester gehört werden. Es sind also, eine gleichmässige Verteilung 
der Studierenden auf Winter- und Sommersemester vorausgesetzt, zwei 
Jahrgänge zugleich an der internen Klinik inskribiert. Es sollen also, 
da der zweite Jahrgang ungefähr 470 Hörer zählt, 1100 Mediziner die 
interne Klinik besuchen. Daher entfallen', eine gleichmässige Verteilung 
auf alle drei Kliniken vorausgesetzt, auf eine Klinik über 870 Hörer. 
Keine der drei Kliniken hat aber einen Hörsaal, der mehr als 220 
bis höchstens 250 Hörer fasst. Es kann also ein Drittel der Hörer die 
Vorlesungen nicht besuchen, weil kein Platz da ist. Aber nicht nur die 
Hörsäle sind ganz ungenügend; auch das Krankenmaterial. Dasselbe 
reicht allenfalls für die Abhaltung der Vorlesungen aus. Aber wie soll 
diese Anzahl von Hörern an dem vorhandenen Material sioh praktisch 
durch Betätigung an den Kranken ausbilden, ohne dieses Material in 
einer ganz unmenschlichen Weise in Anspruch zu nehmen? Noch ärger 
sind die Zustände an den ohirurgischen Kliniken, die auch durch 
vier Semester inskribiert werden müssen. Di$ Verteilung auf Winter- 
uud Sommersemester ist aber hier eine ganz ungleichmässige, denn die 
grosse Mehrzahl der Mediziner hört Chirurgie durch ein Wintersemester, 
aber durch drei Sommersemester. Es kommen also au der chirurgischen 
Klinik im Sommersemester drei Jahrgänge zusammen. Daher werden im 
Sommersemester 1916/17 gegen 1500 Mediziner die chirurgische Klinik 
besuchen wollen, für deren Unterbringung drei Hörsäle mit einem 
Gesamtfassungsraum von etwa 600 Plätzen zur Verfügung stehen werden.“ 

Selbstverständlich muss hier Abhilfe geschaffen werden. Wenn drei 
medizinische Kliniken nicht genügen, muss eine vierte — provisorisch 
oder definitiv — eingerichtet werden. Wien besitzt übergenug interne Ab¬ 
teilungsvorstände, die Universitätsprofessoren sind und sowohl als 
Forscher wie auoh als Lehrer in der ersten Reihe genannt werden. 
Auch hat man eine vierte medizinische Klinik systemisiert und — nach 
kurzem Bestehen — wieder aufgelassen. Das imposante Krankenmaterial 
der Abteilungen wird leider nicht berangezogen — warum? Und nun 
die chirurgischen Kliniken! Wir besitzen deren zwei (eine dritte hat 
schon Billroth für unbedingt notwendig erklärt!); wir besitzen eine 
propädeutische chirurgische Klinik, und schliesslich hat ein Extra¬ 
ordinarius an der Poliklinik einen Lehrauftrag für Chirurgie und einen 
grossen Hörsaal erhalten. Man könnte, wenn schon die Errichtung der 
dritten Klinik umgangen werden muss, noch mehrere sehr tüchtige 
Extraordinarii mit Lehraufträgen auszeichnen. Also*. Internes und 
chirurgisches Material ist in Hülle und Fülle da; die Kliniken können 
vermehrt, vergrössert werden; die Abteilungen mit Professorenohefi 
können zum klinischen Unterricht herangezogen werden. 


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UNIVERS1TY OF IOWA 




1492 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 31. 


Das Professorenkolleginm bringt noch folgende Motive, die für eine 
gewaltsame Verringerung der Schülerzahl sprechen sollen: „Wo soll der 
Professor der Physiologie in seinem Hörsaale für 308 Hörer, der 
Professor der pathologischen Anatomie in seinem Hörsaale für 
250 Hörer die 633 Studierenden unterbringen? Wie sollen am 
chemischen, am histologischen Institut die praktischen Uebungen 
abgehalten werden, da ersteres im Jahre höchstens 520, letzteres aller¬ 
dings nur in skandalöser Weise 260 Hörern Arbeitsmöglichkeit bietet? 
Und so geht es auch allen anderen Instituten und Kliniken.“ Wenn 
ein physiologisches, ein pathologisch-anatomisches, ein medizinisch¬ 
chemisches, ein histologisches Institut zu wenig Baum und Arbeits- 
mögliohkeiten bieten, müssen eben Parallelinstitute errichtet werden. 
Auch für 400 Erstjährige genügen diese Institute nicht mehr. 

Die Wiener Aerzteschaft, die ja im allgemeinen für eine Vermehrung 
der Aerzte in den Gross- und Universitätsstädten nicht eintreten kann, 
billigt das Vorgehen des Wiener medizinischen Professorenkollegiums 
nicht. Die Wiener Aerzteschaft wünscht, dass die Reichsuniversität mit 
medizinischen Instituten auf das reiohste ausgestattet und dass keinem, 
der lernen will, mag er In- oder Ausländer, mag er aus einer Universitäts¬ 
stadt gebürtig sein oder nicht, die Tore der Wiener medizinischen 
Fakultät verschlossen werden. Die geplante Ausschliessung widerspricht 
dem Prinzip der Freizügigkeit des Hochschülers, der Lehr- und Lern¬ 
freiheit, der Geschichte und der Würde der Wiener Universität, der 
Universitas litterarum Vindobonensis. Tatsächlich fehlt es an Material 
für die beiden anatomischen Institute, auch für 400 Erstjährige. Dieses 
Material muss eben beschaffen werden, etwa nach dem Muster Sachsens 
und der Leipziger Universität auf gesetzlicher Basis. Das Experiment, 
die Studentenzahl dem derzeitigen, allzu engen Rahmen gemäss zu 
restringieren, ist ein misslungenes. Wir hoffen, dass man schon im 
Studienjahr 1915/16 zu dem biologisch und logisch begründeteren Ex¬ 
periment greifen werde, den Rahmen der Studentenzabl entsprechend zu 
erweitern. 

Sonst ist es still im medizinischen Wien. Wir sammeln Kräfte für 
mehrere Kongresse und Veranstaltungen des Septembers und Oktobers, 
für den internationalen Kongress für Gewerbehygiene, den Kurs- 
cyklus für Balneologie und Balneotherapie in Karlsbad und den 
deutschen Baineologenkongress in Baden (bei Wien). 

Vindobonensis. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Den Brief unseres Wiener Korrespondenten, den wir in 
dieser Nummer abdrucken, haben wir vor knapp einer Woche erhalten — 
wieviel hat sich in dieser kurzen Spanne Zeit ereignet, wie ganz anders, 
als durch innere Sorgen um die Ausbildung der Studierenden, ist die 
„Ferienruhe“ unterbrochen worden! Mit lebhaftester Spannung und Teil¬ 
nahme haben wir die Ereignisse in dem Nachbarstaate sich vollziehen 
sehen — insbesondere gelten natürlich unsere Wünsche den Kollegen, 
welche, dessen sind wir gewiss, auf dem Schlachtfeld wie im Lazarett 
ihren humanen Beruf treu und erfolgreich ausüben werden. Zur Stunde 
ist noch nicht abzusehen, ob und inwieweit auch an unsere Armee der 
Ruf zur Kampfbereitschaft ergehen wird — auch hier beseelt uns das 
Vertrauen, dass unser wohlgeschultes und trefflich geleitetes Sanitäts¬ 
offizierkorps auf der Höhe seiner Aufgabe stehen und in ernster Zeit 
dem deutschen Namen Ehre machen wird! P. 

— Der Anthropologenkongress, welcher vom 1. bis 5. August 
in Hildesheim tagen sollte, ist mit Rücksicht auf die politische Lage 
abgesagt worden — ein Schicksal, welches wohl auch manchen anderen 
wissenschaftlichen Veranstaltungen, die für diesen Herbst in Aussicht 
genommen waren, beschieden sein dürfte. 

— Der erste internationale Kongress für Sexualforschung, 
veranstaltet von der internationalen Gesellschaft für Sexualforschung, 
findet in Berlin in den Räumen des Abgeordnetenhauses vom 31. Oktober 
bis zum 4. November d. J. statt. Fast alle Kulturländer werden durch 
ihre ersten Sexualforsoher vertreten sein. Der Kongress wird allgemeine 
und Sektionssitzungen veranstalten. Als Sektionen sind eine kultur¬ 
geschichtlich-soziale, eine medizinisch-biologische, eine für Geburten¬ 
rückgang und Eugenik, eine juristische und eine pädagogisch-psycho¬ 
logische vorgesehen. Von den Vortragenden seien folgende genannt: 
August von Wassermann-Berlin, Julius Wolff-Berlin, Steinach- 
Wien, Seeberg-Berlin, von Strauss und Torney-Berlin, Mingaz- 
zini-Rom, Dessoir-Berlin, Mi chels - Basel, Goldscheid-Wien, 
Mittermaier-Giessen, Rene Worms-Paris, Edward Carpenter- 
England, Finger-Halle, von Liebermann-Budapest, Klumker-Frank- 
furt, Leppmann - Berlin, Seilheim-Tübingen, Montesano-Rom, 
Corbett-Smith - London, Asnaourow-Genf, Poussep-Petersburg. 
Stanley Hall-Worcester, Steinmetz-Amsterdam, Ruh 1 and-Würzburg, 
Veit-Halle, Men ge-Heidelberg, Ziemann-Berlin, Broman-Lund, 
Havelock Ellis-London, Flournoy-Genf, Ursin-Helsingfors, S. Sergi- 
Rom, Gini-Padua, Roberty-Petersburg, Talmey-New-York, Ufer- 


Elberfeld, Dück-Innsbruck. Alle Anfragen betreffend den Kongress 
sind an das Kongressbüro (Sanitätsrat Dr. Moll, Berlin W. 15, Kur¬ 
fürstendamm 45) zu richten. 

— Herr Geheimrat Abel, Vortragender Rat in der Medizinalabteilung 
des Ministeriums des Innern, hat den an ihn ergangenen Ruf als Professor 
der Hygiene in Jena angenommen. Mit dem Bedauern darüber, dass 
wir die hervorragende Persönlichkeit dieses in Wissenschaft und Praxis 
gleich erfahrenen Mannes verlieren, verbinden wir den Wunsch, dass ihm 
in seinem neuen Wirkungskreise eine vollbefriedigende und erfolgreiche 
Tätigkeit beschieden sein möge. 

— Seinen 70. Geburtstag feiert am 5. August Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. Schöler. Schöler ist zu Fellin in Livland geboren, studierte in 
Dorpat, ist aber seit 1870 in Berlin tätig; er habilitierte sich 1874, ist 
seit 1879 ausserordentlicher Professor und wurde 1896 zum Geh. Medi¬ 
zinalrat ernannt. Zahlreiche Arbeiten aus dem Gebiete der Augen¬ 
heilkunde, die zum Teil in unserer Wochenschrift publiziert worden sind, 
haben ihn in die vorderste Reihe der deutschen Ophthalmologen gestellt. 

— Der ausgezeichnete Anatom der Strassburger Universität, Pro¬ 
fessor Schwalbe, begeht am 1. August seinen 70. Geburtstag; eine 
grössere Feierlichkeit ist seitens seiner Fachgenossen in Aussicht ge¬ 
nommen — sein Jubiläum bedeutet zugleioh einen Abschied, daSohwalbe 
sich leider entschlossen hat, mit Ablauf des Semesters vom Lehramt 
zurückzutreten, welches er, als Wal deyer’s Naohfolger, seit dem Jahr 1883 
bekleidet. 

Hochschulnachrichten. 

Düsseldorf. Oberstabsarzt z. D. Dr. Haberling hat einen Lehr¬ 
auftrag für Geschichte der Medizin an der Akademie für praktische 
Medizin erhalten. — Giessen. Habilitiert: Dr. Huntemüller für 
Hygiene. — München. Habilitiert: DDr. Straub (innere Medizin) und 
Leier (Chirurgie). — Prag. Habilitiert: Dr. Imhofer (Laryngologie). — 
Bern. Habilitiert: Dr. Rusca (Chirurgie). 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: San.-Rat Dr. 
Grüneberg in Altona, Oberstabsarzt a. D. Dr. Förster, bisher 
Regimentsarzt des Husarenregiments von Ziethen (Brandenburgisches) 
Nr. 3. 

Stern zum Königl. Kronen-Orden 2. Kl.: Königl. württembergischer 
Obergeneralarzt z. D. Dr. v. Wegelin, bisher Inspekteur der 
3. Sanitätsinspektion. 

Ernennungen: Geh. Med.-Rat im Ministerium des Innern Dr. Finger 
zum Geh. Ober-Med.-Rat; Korpsarzt des III. Armeekorps, Generalarzt 
Dr. Schmidt in Berlin zum ärztlichen Direktor des Charitö-Kranken¬ 
hauses daselbst; Arzt Dr. A. Oberstadt in Berlin zum Kreisassistenz¬ 
arzt in Göttingen; Arzt Dr. F. Scultetus in Ranis (Kr. Ziegenrück) 
zum Kreisassistenzarzt daselbst. 

Niederlassungen: Dr. A. Krüger in Garz a. R., E. Asser in 
Beuthen O.-S., A. Lück in Laurahütte, Oberstabsarzt a. D. Dr. W. 
Gühne in Bad Bramstedt, Dr. G. Leendertz in Marburg, Dr. F. 
Sippell in So öden a. d. W., Dr. E. Burk und C. H. Flamm in 
Frankfurt a. M., Dr. W. Bürmann in Ohligs, Dr. E. Portmann in 
Elberfeld. 

Verzogen: Dr. K. Th. Willich von Flensburg nach Frankfurt a. 0., 
F. Metterhausen von Bremen nach Altgurkowschbruch, Dr. F. 
Rieke von Kiel nach Landsberg a. W., Dr. H. Zeller von Berlin nach 
Greifswald, Dr. J. Ho ff mann von Reisen zur See, Dr. S. Lob von 
Ahrweiler, Dr. E. Rösner von Worms, Dr. E. Mathias von Königs¬ 
berg, Dr. E. Fraenkel von Ohlau und Dr. E. Janus von Berlin 
nach Breslau, Dr. W. Jenetzny von Breslau nach Peisterwitz (Kreis 
Ohlau), Dr. W. Bibrowicz von Breslau nach Reinerz, Dr. F. Klemm 
von Scheibe (Kreis Glatz) nach Glatz, Dr. L. Gretschel von Breslau 
und Dr. M. Zieher von Jena nach Scheibe (Kreis Glatz), Dr. B. Bar- 
czewski von Berlin-Sohöneberg nach Landeck i. Schl., Oberstabsarzt 
a. D. Dr. E. Jacobitz von Diedenhofen nach Beuthen O.-S., 
A. Skuppe von Beuthen nach Rudahammer, Dr. E. Boehnke von 
Beuthen nach Quasnitz, Dr. F. Klinge von Rybnik nach Malapane, 
Dr. A. He im an n von Zabrze naoh Kunzendorf (Kreis Zabrze), Dr. R. 
Köster von Frankfurt a. 0. naoh Flensburg, Dr. W. Meyer von 
Nürnberg nach Altona, Dr. W. Frioke von Kiel naoh Freiburg l.B., 
Aerztin M. Heimbach von Bonn nach Altena i. W., M. 0. Schir¬ 
mer von Marburg nach Salzschlirf, Dr. W. Külz von Kiel nach 
Neuenahr, Dr. J. v. Ehrenwall von Reisen nach Ahrweiler. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. E. Hei- 
necke von Beuthen O.-S., Dr. H. Berberioh von Altona, F. Hoff- 
mann von Neustadt (M. W. B.), Dr. E. Senn von Frankfurt a. M., Dr. 
K. Michler und Dr. K. Sulzer von Aachen. 

Gestorben: B. Poozka in Rastenburg, San.-Rat Dr. A. Kuznitzki 
in Frankfurt a. 0., Dr. R. Raschkow in Breslau, San.-IUt Dr. K. 
Walter in Deutsch-Lissa (Kreis Neumarkt), R. Lorenz in Hamm 
a. d. S., Dr. F. Savels und Dr. F. Wöhler in Aachen. 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Rohn, Berlin W., Bayrenther Strass«4J. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Original frnm 

! ' r ■ - . 





Dl* Berliner Klinisch* Woclionschrffi erscheint Jeden 
UoaUg In Nummern tob e*. 5—6 Bogen gr. 4. — 
frei« rluleljihrlieb 6 Varl. Bestellungen nehmen 
dl« Buehbandlungen und Porlanmtten an. 


BERLINER 


in« länaondungen f&r di« ftedaktimi and MxpeditloA 
wolle man portofrei an die Yerlagabuehhandlnng 
Auguat Hinchvald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 63, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

6e(. Mei-fiat Prof. Pr. C. Posner and Prof. Dr. Hans Kok August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 10. August 1914. M 32. Einundfüafzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origlialtai: Tietze: lieber eine eigenartige traumatische Gelenk' 
kontraktur. (Aus dem Allerheiligen-Hospital in Breslau.) (Illustr.) 
S. 1493. 

Wolff: Die Behandlung der Lungentuberkulose mit dem Heil¬ 
mittel von Friedmann. (Aus der Universität« - Poliklinik für 
Lnngenleidende in Berlin. Direktor: Geb. Med.-Rat Professor 
Dr. Mai Wolff.) S. 1496. 

Asohoff: Sind die Würmer, besonders die Oxyuren, direkt oder 
indirekt schuld ao der Appendicitis? S. 1504. 

Mühsam: Milzschuss, durch freie Netztransplantation geheilt. (Aus 
der chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses Moabit 
in Berlin.) S. 1507. 

Huntemüller und Eckard: Beiträge zur Frage der Hände¬ 
desinfektion. (Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten 
»Robert Koch“. Direktor: Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Löffler, 
Abteilungsvorsteher: Prof. Dr. Neufeld.) S. 1508. 

Bernheim: Ueber Afridolseife. (Ans der Königlichen dermato- 

, logischen Universitätsklinik zu Breslau. Direktor: Gebeimrat 
Prof. Dr. Neisaer.) S. 1514. 

Heimann: Zur Histologie bestrahlter Carcinome. (Aus der Kgl. 
Universitäts-Frauenklinik zu Breslau. Direktor: Geheimrat Prof. 
Dr. 0. Küstner.) S. 1516. 

Henszelmann: Kleine röntgenologische Vorrichtung zur Erzeugung 
von Wurmfortsatzbildern. (Aus der I. medizinischen Klinik der 
Universität in Budapest. Direktor-Stellvertreter: Professor Baron 
Dr. L. v. Ketly.) (Illustr.) S. 1517. 

Mayer: Ueber die Beziehungen der atypischen Gicht zu Erkran¬ 
kungen der Respirationsorgane. (Aus der Friedrichstadt-Klinik 


für Lungenkranke. Dirigierender Arzt Dr. A. Mayer.) (Illustr.) 
S. 1518. 

Meyer: Die „Hellseher“, ihre Tricks und ihre Opfer. S. 1521. 
Bieherhespreehniigeo : Schmor 1: Die pathologisch-histologischen Unter- 
suchungsmethoden. S. 1523. (Ref. Hart.) — Wolff und Mulzer: 
Lehrbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1523. Uhlen - 
hutb und Mulzer: Atlas der experimentellen Kanioohensyphilis. 
S. 1523. (Ref. Bruhns.) — Brunton: Therapeutics of the circu- 
lation. S. 1524. (ßef. Fleischmann.) — Külbs: Das Reizleitungs- 
system im Herzen. S. 1524. (Ref. Mönokeberg.) — Pearson und 
Jaederholm: Mendelism and the problem of mental defekt. S. 1524. 
(Ref. Münzer.) 

Literatur-Auszüge : Physiologie. S. 1524. — Pharmakologie. S. 1525. — 
Therapie. S. 1526. — Allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie. S. 1526. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1526. — 
Innere Medizin. S. 1526. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1527. — Kinderheilkunde. S. 1527. — Chirurgie. S. 1527. — 
Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1529. — Geburtshilfe und 
Gynäkologie. S. 1529. — Augenheilkunde. S. 1530. — Hygiene und 
Sanitätswesen. S. 1531. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Gesellschaft der Charite - 
Aerzte. S. 1531. — Berliner otologische Gesellschaft. 
S. 1533. — Berliner urologische Gesellschaft. S. 1534. — 
Naturwissenschaftlich-medizinischeGesellschaft zu Jena. 

S. 1535. 

Tagesgesohichtliohe Notizen. S. 1536. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1536. 


Aus dem Allerheiligen-Hospital in Breslau. 

Ueber eine eigenartige traumatische Gelenk¬ 
kontraktur« 

(Reflexkontraktur steifgehaltener Gelenke.) 

▼ob 

Prof. Alexander Tietze. 

(Vortrag, gehalten in der medizinischen Sektion der schlesischen 

Gesellschaft für vaterländische Kultnr am 15. Mai 1914.) 

M. H.! Zur Erklärung der vorzustellenden, nach meiner An¬ 
sicht höchst eigenartigen Fingerkontraktur nach Trauma sehe ich 
mich veranlasst, ganz kurz den Inhalt eines Vortrages zu re¬ 
kapitulieren, den ich soeben auf dem Chirurgenkongress in Berlin 
wter der Bezeichnung „Zur Theorie der sogenannten arthrogenen 
Kontraktur“ gehalten habe. Ich kann mich in diesem Kreise in 
meinen Feststellungen um so mehr auf das knappste Maass be- 
whränken, als vor dieser Versammlung Herr Foerster seine An¬ 
schauungen über das phylogenetische Moment in der Kontraktur, 
mif die ich mich im folgenden beziehen werde, ausführlich er¬ 
örtert hak ln der sich an seinen Vortrag anschliessenden Dis¬ 
kussion bin ich auch schon auf die Gelenkkontrakturen einge- 
gwgen. 

Berr Foerster und ich hatten uns seit Jahren bemüht, eine 
wkllrung für die Gelenkkontrakturen zu finden, die wir sehr 


zahlreich an dem Material des Allerheiligen-Hospitals gemeinsam 
beobachten konnten und deren Reichhaltigkeit durch viele Beob¬ 
achtungen aus dem Claassen’schen Siecbenhaus, die mir durch 
das grosse Entgegenkommen von Herrn Primärarzt Dr. Freund 
ermöglicht worden, ergänzt wurde. 

Um die Theorie, die wir glauben bieten zu können, am 
klarsten zu entwickeln, habe ich mich in der Darstellung auf die 
Kontrakturen an der Hand und den Fingern beschränkt, wie sie 
in den beifolgenden nach Photographien gezeichneten Abbildungen 
gegeben sind, ln einer grösseren gemeinsamen Abhandlung, die 
wir hoffen aachliefern zu können, werden sie durch die Original- 
anfnahmen ersetzt werden. Zn bemerken ist, dass Abbildung 1 
bis 13 Gelenkkontrakturen wiedergebeu; Abbildung 14—17 sind 
Fälle spastischer Lähmungen bei Little’scher Krankheit, Abbil¬ 
dung 18—20 sogenannte primitive Hände. 

Während nun die Untersuchung abgelaufener Fälle sogenannter 
chronischer Arthritis, wie sie unsere Siechenhäuser bevölkern, 
infolge schwerster Knochenveränderungen, welche die anatomische 
Präparation oder das Röntgenbild aufdecken, durchaus den Ein¬ 
druck erwecken muss, als handle es sich bei diesen eigentüm¬ 
lichen Geienkverstellungen am Knochenprozesse, Abscbleifung der 
Gelenkenden, Fixation durch Knochenspangen und Bänder- 
schrumpfung in der pathologischen Haltung, so zeigt ein Blick 
auf frischere Fälle dieser sogenannten chronischen Arthritis (Ab¬ 
bildung 1 u. 2), dass dieselbe Abweichung in derselben typischen 
Weise auch vorhanden ist zn einer Zeit, wo von destruktiven 


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Original fro-m 

UNIVERS1TY OF IOWA 



1494 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 




kendes Muskelspiel eingestellt sind, so 
drängt sich uns diese Ueberzeugung noch 
viel lebhafter auf, wenn wir beobachten, 
dass unter diesen Gelenkstellungen eine 
immer wiederkehrt, die wir willkürlich 
gar nicht erzeugen können, das ist jene 
auf Abbildung 1, 3 u. 8 besonders gut 
ersichtliche Haltung der vier Aussen- 
finger, die im wesentlichen darin be¬ 
steht, dass diese vier Finger mehr oder 
weniger eine ulnare Ablenkung erfahren, 
während sie in den Grundgelenken ge¬ 
beugt, im ersten Zwischenfingergelenk 
überstreckt und in der Nagelphalanx 
krallenartig gebeugt oder gestreckt sind. 
Es handelt sich bei dieser Stellung um 
eine Wiikung der Interossei allein oder 
(Krallenstellung) kombiniert mit einer 
solchen des tiefen Fingerbeugers, wobei 
ich nicht verfehlen will, darauf hinzu¬ 
weisen, dass Herr Foerster darauf auf¬ 
merksam macht, dass bei elektrischer 
Reizung des Ulnarisstammes über dem 
Handgelenk die abducierende Komponente 
der Interossei überwiegt und die genannten Finger in ulnare Ab¬ 
duktion überführt. Auf diese Gesamtwirkung der Zwischenknochen¬ 
muskulatur führt er auch die Abduktion der Zehen zurück, die wir 
so typisch bei chronischer Arthritis der Zehengelenke beobachten 
(Abbildung 12). Diese eigentümliche Haltung der Finger fanden wir 
ausser jenen schon skizzierten Fällen chronischer Arthritis auch 
bei akuteren Prozessen, bei akutem Gelenkrheumatismus und bei 
einem Gichtanfall. Da wir jene Fingerhaltung willkür¬ 
lich nicht hersteilen können, muss es sich um einen re¬ 
flektorischen Vorgang handeln. 

Nun ist es interessant festzustellen, dass diese Kontrakturen 
in ihrer merkwürdigen Form ebenso auftraten bei manchen spasti¬ 
schen Lähmungen, namentlich dann, wenn die Patienten aufge¬ 
fordert werden, gewisse Bewegungen auszuführen (Abbildungen 14 
bis 17), und Foerster hat nun in seinem schon erwähnten Vor¬ 
trage auf das phylogenetische Moment in diesen Krampfformen 
aufmerksam gemacht. Indem er, gestützt namentlich auf Unter¬ 
suchungen vonKlaatscb, von den Kletter- und Greifbewegungen 
der Affen ausgeht, kommt er zu dem Schluss, dass es als eine 
Fortsetzung früherer Zustände im Menschen gewisse subcorticale 
Reflexmechanismen gibt, die gewisse Muskelsynergien in Szene zu 
setzen imstande sind, für gewöhnlich aber durch inbibitorische 
Pyramidenbahnen unterdrückt werden und nur bei Störung dieser 
Einflüsse wieder frei walten können. Die reflektorische Inner¬ 
vation der Interossei, für sich allein oder in Kombination mit 
dem tieferen Fingerbeuger, scheint nun eine solcher Energien 
oder Synergien darzustellen, und zwar glaube ich das letztere be¬ 
sonders daraus zu schliessen und deshalb die Foerster’sche 
Theorie annehmen zu dürfen, weil es nun auch noch Leute mit 
primitiven Händen gibt, d. h. völlig gesunde Leute, die noch im¬ 
stande sind, derartige, den meisten andern unnachahmliche Stel¬ 
lungen willkürlich einzuschalten (Abbildungen 18—20). Bei ihnen 
hat sich also dieser Synergismus noch bis zur Fähigkeit der will¬ 
kürlichen Benutzung erhalten. 

Aus dem vorgetragenen Zusammenhänge glaubte ich schliessen 
zu können, dass ein Patient mit einem erkrankten, schmerzhaften 
Gelenk, dasselbe ruhig zu stellen, die Herrschaft des Willens über 
dasselbe auszuschalten sucht, so dass nun unter dieser Ausschal¬ 
tung der Einflüsse der Grosshirnrinde subcorticale Centren in 
J Tätigkeit treten können. 


Knochenprozessen noch gar keine Rede ist und bei der relativen 
Jugendlichkeit des Prozesses auch an eine Schrnmpfung der Kapsel 
als stellungsgebenden Faktor noch nicht gedacht werden kann, 
wo ferner eine stärkere Füllung der Kapsel etwa im Sinne Bonnet’s 
wegen des negativen klinischen Befundes als Erklärung auch nicht 
in Frage kommen kann. Es handelt sich also im Anfangsstadium 
jedenfalls nur um myogene Kräfte, während allerdings später das 
reine Bild der myogenen Kontraktur durch allerhand sekundäre 
Momente, unter denen neben den anatomischen Veränderungen 
auch die Lagerung der Glieder eine hervorragende Rolle spielt, 
vielfach verwischt und umgestaltet wird. Wird es nun dadurch 
schon fast zur Gewissheit, dass reflektorisch vom Gelenk aus 
wirkende Kräfte auf ein eigentümliches, in typischer Weise wir- 


Diese Theorie, welche einen scheinbaren Ausnahmefall be¬ 
friedigend erklärt und gerade dadurch vielleicht einen gewissen 
Anspruch auf Allgemeingültigkeit gewinnt, weiter auszubauen und 
an den Verhältnissen der unteren Extremität zu prüfen, wird 
Aufgabe weiterer Studien sein. F’oerster hat sich, soweit 
spastische Lähmungen in Frage kommen, mit den Erscheinungen 
an den Unterextremitäten schon ausführlich beschäftigt; wenn es 
aber für die eigentlichen Gelenkkontrakturen an Hüfte, Knie und 
Fuss nicht ganz einfach gelingen sollte, sie in dieses System zu 
zwängen, so ist darauf aufmerksam zu machen, dass die Entwick¬ 
lung des peripheren Abschnittes der vorderen Extremitäten zu einer 
Kletter- und Greifhand ein sehr viel späteres Stadium darstellt, 
als die Benutzung dieser Gliedabschnitte zum Laufen, dass ferner, 
wie bereits Herr Goerke zum Foerster’schen Vortrage bemerkt, 


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Gri-gmal fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 







.32. 


10. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1495 


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Foerster gegebene Analyse der Fuss- 
bewegungen bei Krampfzuständen ver¬ 
weisen will. 

Nun sind verschiedene Momente in der 
Pathologie der Gelenkstellungen bereits 
klargestellt und zur Erklärung herangezogen 
worden, es wurde auf das Ueberwiegen 
einzelner Muskelgruppen, der Beuger über 
die Strecker, der Adduktoren über die 
Abduktoren, der polyartikulären über die 
monartikulären Muskeln hingewiesen — die 
vorgetragene Theorie soll das alles gar 
nicht entkräften, sondern sie sucht nur 
nach einem einheitlichen 7 Gesichtspunkt, 
unter welchem diese verschiedene Entwick¬ 
lung der Muskelkraft und -tätigkeit zu 
verstehen ist. 

Mag nun aber Foerster’s Anschauung 
über die Bedeutung des phylogenetischen 
Momentes in der spastischen Lähmung auf 
die Verhältnisse der Gelenkkontraktur zu 





später erworbene Eigenschaften unter pathologischen Verhält¬ 
nissen am zeitigsten verschwinden, so dass uns also bei der Ana- 
jyse pathologischer Eigenschaften von Finger- und Hand- 
bewegungen unter Abstraktion der später aufgepfropften Be- 
^egungsmöglichkeiten viel leichter eine Urform entgegentritt, als 
der Unterextremität, die sich funktionell viel weniger weit 
entwickelt hat, d. h. also, wenn die Foerster’sche Theorie von j 
^“ Phylogenetischen Moment in der Kontraktur auch für Ge- 
enkkontrakturen Gültigkeit hat, so wird es an sich leichter sein, 
J?.™* die Verhältnisse an Arm und Hand zu erweisen als für 
Diejenigen am Bein, wobei ich allerdings nochmals auf die von j 


übertragen sein oder nicht, jedenfalls glaube ich mich auf Grund 
meiner Beobachtungen und Ueberlegungen den Autoren anschliessen 
zu sollen, die, wie es schon Lücke vor vielen Jahren getan 
hat, in den pathologischen Gelenkstellungen mehr oder weniger 
einen Reflexakt erblicken. 

Das gibt nun aber auch den Schlüssel für den vorzustellen¬ 
den Fall, der sonst in vielfacher Beziehung ein schwer zu lösen¬ 
des Rätsel darstellen würde. Nämlich, während bisher immer 
nur von Kontrakturen der Gelenke nach erwiesenen artikularen 
Prozessen die Rede war, trifft dies für den nachfolgenden Fall 
trotz aller sonstigen Gleichheit insofern nicht zu, als die primäre 
Erkrankung dieses Patienten sich weitab von den später kon¬ 
trakten Fingern abgespielt hat. Der Patient hatte eine schwere 
Verletzung am Oberarm; Hand und Finger waren an sich gar 
nicht beteiligt, Nervenlähmungen waren nicht vorhanden, Muskel¬ 
schrumpfungen im Sinne einer ischämischen Kontraktur kamen 
gar nicht in Frage, konnten auch das Bild nicht erklären, eine 
hysterische Kontraktur ist auszuschliessen. Kurz und gut, das 
uns von Gelenkerkrankungen vertraute typische charakteristische 
Bild reflektorischer Fingerkontraktur ohne den vorläufigen Nach¬ 
weis einer Erkrankung der Gelenke selbst. Nun hat mir aber 
schon bei der Bearbeitung meines Gelenkraaterials ein Fall Vor¬ 
gelegen, der ganz ähnlich war: komplizierte, infizierte Vorderarm¬ 
fraktur, Hand und Finger nicht beteiligt, keine Läsion eines 
Nervenstammes, keine Muskelschrumpfungen, d. h. keine nutri¬ 
tive Verkürzung, und doch typische Fingerstellung, namentlich 
am Zeigefinger. Diese traumatischen Kontrakturen scheinen also 
einen gewissen Typ darzustellen, und ich glaube nicht fehl¬ 
zugehen, wenn ich sie doch, scheinbar widersprechend ihrer Ana¬ 
mnese, als echte, arthrogen ausgelöste Kontrakturen betrachte, 
genau so wie die vorigen. Ich vergleiche sie mit dem „Hydrar- 
thros steifgehaltener Gelenke“ und will, ohne dieser uns wieder 
weit abseits führenden Frage weiter zu folgen, nur darauf hin- 
weisen, dass in immobilisierten Gelenken gewisse Veränderungen 
auftreten müssen, die, gewöhnlich erst nach beginnender Be¬ 
lastung, zu Ausschwitzungen in den Kapselinnenraum führen und 
zu der eben genannten Bezeichnung die Veranlassung geben. 
Ich nehme an, dass auch bei meinen beiden Patienten 
die durch die Verletzung bedingte Fixierung durch 
Verbände, in denen auch die Hand und die Finger teil¬ 
weise eingeschlossen werden mussten, jene minimalen 
Gelenk Veränderungen setzten, die an den unteren Ex¬ 
tremitäten zum Teil zum Hydrarthro9, in unseren 
Fällen zur arthrogenen Reflexkontraktur führten. 

Der folgenden Krankengeschichte habe ich nichts weiter hin¬ 
zuzufügen, als dass die kombinierte Interosseuswirkung bei der 
gewöhnlichen Haltung der Hand voll ausgesprochen war, dass 
aber im Grundgelenk willkürlich eine, wenn auch nicht voll¬ 
kommene Streckung ausgeführt werden konnte. An den anderen 
Gelenken war die Haltung allmählich durch Bänderschrumpfung 
fixiert, wenn auch keine vollkommene Ankylose bestand. 

Gottfried H., 69 Jahre alt, Bierfahrer. (Figur 21 und 22.) Die 
Verletzung ist dadurch entstanden, dass der Verunglückte von durch¬ 
gehenden Pferden vom Wagen geschleudert und überfahren wurde. Es 
bildeten sich ausgedehnte Weichteilwunden am rechten Ellenbogen und 
I rechten Oberarm, die im Krankenhause zu Canth behandelt wurden und 
| unter erheblicher Eiterung und Abstossung von Haut und Weichteilen 


1* 


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Original ffom 

UNIVERSUM OF IOWA 












1496 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


innerhalb von mehreren Monaten ausheilten. Der Verunglückte bat seit' 
dem niemals mehr gearbeitet, da das rechte Ellenbogengelenk durch die 
Verletzung steif geworden war. Die jetzt an seinen Fingern zu beob¬ 
achtenden Verkrümmungen hat er nach Abschluss der Krankenhaus- 
behandluog bemerkt, er weiss jedenfalls nicht genau anzugeben, wann 
dieselben entstanden sind. Aueh eine längere medico- mechanische 
Behandlung in dem Institut für Unfallverletzte in Breslau führte nach 
seinen eigenen Angaben eine wesentliche Besserung nicht herbei. 

Der objektive Befund bei dem mittelgrossen, seinem Alter ent¬ 
sprechend aussehenden Manne ist folgender: 

Der rechte Arm hängt bei ruhiger Stellung im Ellenbogengelenk 
massig gebeugt, gerade von dem Rumpfe herab. Die rechte Schulter 
steht höher und ergibt für die Inspektion gegenüber links keinen wesent¬ 
lichen Unterschied. Die Muskulatur des rechten Oberarms ist stark 
atrophisch; auf der Haut sind tief eingezogsne Narben zu sehen, die 
sich hauptsächlich auf der Aussenseite des Oberarms und der Hinterseite 
finden, an der Hinterseite fest mit den Knochen verwachsen sind und 
den Arm scheinbar einschnüren und sich dann weiter an der Aussen¬ 
seite des Ellenbogens entlang erstrecken. Der Vorderarm ist atrophisch, 
zeigt aber sonst keine Besonderheiten. Das Handgelenk wird für ge¬ 
wöhnlich in gerader Stellung gehalten. An den Fingern findet sich eine 
höchst eigentümliche Steilungsabweichung, die darin besteht, dass für 
gewöhnlioh der Daumen in Mittelstellung zwischen Adduktion und Ab¬ 
duktion und in dem Nagelglied leicht gebeugt gehalten wird. Die vier 
Aussenfinger zeigen eine deutliche ulnare Abweichung. Sie sind im 
Grundgelenk leicht gebeugt, im linken Zwischenfinger überstreckt und 
in dem Nagelglied wieder gekrümmt. Am stärksten ausgesprochen sind 
die Veränderungen am zweiten und dritten Finger, weniger am vierten; 
am kleinen FiDger sind sie gerade noch angedeutet, doch bat der Nagel 
dieses Fingers einen eigentümlichen, krallenartigen Wuchs bekommen. 
Hinzugefügt sei gleich, dass die Beugestellung der Finger im Grund- 
gelenk durch die Wirkung des langen Fingerstreckmuskels zum grossen 
Teil, aber nicht völlig aufgehoben werden kann. 

Im einzelnen ergibt die Untersuchung der Extremität folgendes. 
Im Sohultergelenk ist bei Bewegungen ein deutliches Knirschen wahr¬ 
nehmbar. Die Bewegung ist erheblich beschränkt und geht über einen 
rechten Winkel nach vorn, oben und seitwärts nicht hinaus bzw. erreicht 
ihn noch nicht einmal. Das Ellenbogengelenk ist in einem Winkel von 
132° nahezu versteift Es sind sowohl aktiv wie passiv nur sehr geringe 
Beugebewegungen möglich, die Streckung geht über den genannten 
Winkel nicht hinaus. Das Handgelenk ist ebenfalls in gerader Stellung 
fast steif, Beugung ist aktiv und passiv kaum möglich; etwas besser 
steht es mit Adduktion und Abduktion, während die Streckung bis zu 
einem nach oben offenen Winkel von 147° aktiv und passiv möglich ist. 
Pro- und Supination nicht möglich. An den Fingern sind folgende Be¬ 
wegungen möglich: 1. Spreizung; am Daumen normal, an den anderen 
vier Fingern ebenfalls ziemlich vollständig. 2. Adduktion des Daumens 
ebenfalls vollständig. 3. Opposition dieses Fingers etwas vermindert. 
4. Zweiter bis vierter Finger Beugung im Grundgelenk aktiv bis zum 
rechten Winkel. Bei diesem Manöver tritt aber auoh ein Ausgleich der 
Ueberstreckung im ersten Zwischenfingergelenk ein, so dass die Finger 
sogar leicht gebeugt sind, und ferner eine stärkere Krümmung des 
Nagelgliedes (Wirkung der langen Fingerbeuger). Faustschluss ist nicht 
möglich. Streckung siehe oben. 

Die Carpometacarpalgelenke erscheinen etwas verdickt, und man 
bemerkt bei Bewegungen in denselben ein leichtes Knirschen. Schmerz¬ 
haft sind dieselben nioht, auch nie gewesen. In den anderen Gelenken 
ist für das Gefühl nichts Pathologisches festzustellen. Der Umfang der 
Gelenke ist vermindert (Kapselschrumpfung). In den Nagelgliedern be¬ 
hauptet Patient häufig heftige Schmerzen zu haben. Die Haut an den 
Fingern zeigt die Erscheinungen der sogenannten Glanzhaut, auch am 
Zeigefinger. An der Zeigefingerseite des Daumens ist die Haut etwas 
rauher und abgenutzt. Die Haut sonst am Arm, mit Ausnahme der 
Narbengegenden, zeigt keine besonderen Veränderungen. Das Gefühl 
ist nicht beeinträchtigt, mit Ausnahme des Bereiches der Narben. 
Die elektrische Untersuchung ergibt, dass durch Faradisation der Nerven* 
stamme sämtliche Muskeln des Vorderarms in Kontraktion gebraeht 
werden können (Prof. Foerster). Faradisation des Uinaris oberhalb 
des Handgelenks ergibt starke Abduktion der vier Aussenfinger. 


Aus der Universitäts-Poliklinik für Lungenleidende in 
Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Max Wolff). 

Die Behandlung der Lungentuberkulose mit dem 
Heilmittel von Friedmann. 

Von 

M. Wolff. 

I. 

In den Sitzungen der Berliner medizinischen Gesellschaft 
Ende Mai und Anfang Juni d. J. 1 ) stand die Behandlung der 
Tuberkulose mit dem Heilmittel von Herrn Dr. Fried mann zur 

1) B.kl.W., 1914, Nr. 22, 24, 25. 


Diskussion. Nachfolgend teile ich etwas ausführlicher, als es bei 
der Kürze der dem einzelnen Redner in der Diskussion sage- 
gemessenen Zeit möglich ist, meine damals gemachten Bemerkungen 
sowie die Belege für diese mit. 

Der Friedmann’8che Tuberkuloseimpfstoff ist von mir in 
der Poliklinik für Lungenleidende bisher in 60 Fällen von 
klinisch und röntgenologisch sicherer Lungentuberkulose ange¬ 
wendet worden. • 

Klinisch zweifelhafte Fälle worden von der Behandlung aas- 
geschlossen. Ich bebe dies ausdrücklich hervor, weil unter den 
von anderer Seite nach Fried mann behandelten Fällen nach 
Durchsicht der Literatnr sich auch solche zweifelhafte Fälle von 
Lungentuberkulose befanden; in der Diskussion wurde sogar direkt 
hervorgehoben, dass auch sicher NicbttuberkulÖse mit dem Mittel 
behandelt worden sind. 

Die überwiegende Anxahl meiner Patienten, 60, sind 3 bis 
7 Monate in Behandlung, darunter 27 Fälle zwischen 5 bis 
7 Monaten. Es handelt sich also um Zeiten, in denen von ver¬ 
schiedenen Seiten, auch von solchen, die von Herrn Fried mann 
anerkannt sind, Endergebnisse veröffentlicht worden sind. 

Die Behandlung wurde genau nach den Vorschriften durch- 
gefübrt, die Friedmann in seinen „Indikationen zur Anwendung 
des Dr. Friedrich Frans Friedmann’schen Heil- und Schutzmittels 
zur Behandlung der Tuberkulose und Scrofulose u Oktober 1913 
gegeben hat. 

Bei der Behandlung wurde ich in dankenswerter Weise von 
meinem Assistenten Herrn Dr. Frank unterstützt. 

Was nun meine Resultate mit der Behandlung anbetrifft, 
so sind Heilungen io bezug auf den physikalischen Lungen- 
befund, besonders ein endgültiges Verschwinden der charakte¬ 
ristischen Rasselgeräusche niemals beobachtet worden. Ich habe 
mehrfach Stillstand des Lungenprozesses, wie derselbe auch sonst 
vorkommt, gesehen, häufig habe ich aber auch während der Be¬ 
handlung erhebliche klinische Verschlechterung an den erkrankten 
Lungen, Vermehrung der Katarrhe, Zunahme der Dämpfung, zu¬ 
weilen auch Auftreten von cavernösen Erscheinungen beobachtet, 
ebenso wie ein Debergreifen der Erkrankung auf die bisher freie 
Lunge. 

Diese klinischen Fortschritte des tuberkulösen Prozesses, die 
im einzelnen aus den nachher folgenden Krankengeschichten zu 
ersehen sind, konnten auch in zahlreichen Röntgenaufnahmen be¬ 
stätigt werden. Die Röntgenbilder selbst sind, da in der Sitzung 
keine Zeit vorhanden war, an anderer medizinischer Stelle de¬ 
monstriert worden. 

Ein andauerndes Nachlassen der bekannten Symptome, 
Husten, Auswurf, Atemnot, Bruststechen, Nachtschweisse, Mattig¬ 
keit, Appetitmangel, Fieber war nur in sehr seltenen Fällen 
zu konstatieren. Meist waren diese Symptome wechselnd, ver¬ 
schwanden, kamen wieder, und irgendein überraschendes Resultat 
gegenüber dem, was man auch sonst mit und ohne Behandlung 
bei Tuberkulösen sieht, ist durch das Friedmann’sche Mittel nicht 
erreicht worden. Ich muss dies besonders bervorbeben gegenüber 
Herrn Dr. Thalheim, der in der bekannten CharitSsitzung 1 ) be¬ 
hauptete, dass er unter allen Umständen mit dem Friedmaoo- 
schen Mittel ein Aufhören dieser Kraokheitssymptome erreicht 
habe. Häufig musste ich während der Friedmann’schen Behand¬ 
lung wegen andauernden, die Nachtruhe raubenden Hustens za 
den bewährten Narcoticis zurückgreifen. 

Tuberkelbacillen sind in allen Fällen, mit Ausnahme 
von 1 oder 2 Fällen, in denen dieselben nicht nachweisbar ~ 
ich will nicht sagen verschwunden — waren, auch nach der Be¬ 
handlung meist leicht nachweisbar geblieben, selten erst nach der 
Antiforminmethode. Diese wichtige Tatsache bemerke ich des¬ 
halb, weil z. B. in der überwiegenden Anzahl der von Herrn Pro¬ 
fessor Müller ebenfalls in der Cbaritesitzung mitgeteilten Fälle 
von behandelter Lungentuberkulose jede Angabe fehlt, ob Tuberkel- 
bacillen vorhanden waren' bzw. ob die vorhandenen Tuberkel- 
bacillen nach der Behandlung verschwunden waren. 

Was die schädlichen Wirkungen beim Menschen nach An¬ 
wendung des Friedmann’schen Verfahrens anbetrifft, so entstanden 
an der intramuskulären glutäalen Injektionsstelle ziemlich häufig 
Infiltrate, die sich meist zurückbildeten. Seltener kam es zur 
Abscedierung der Infiltrate. Solche Abscesse kamen aber auch 
dann zustande, entgegen der Angabe von Friedmann, wenn 
ganz frühzeitig nach Entstehen der Infiltrate eine isolierte 


1) B.kl.W., 1913, Nr. 45, Sonderabdruck S. 17. 


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Original frn-m 

UNiVERSUY OF IOWA 




10. August 1914. 


Berliner klinische Wochenschrift 


1497 


intravenöse Injektion gemacht wurde, die nach Friedmann 
mit Sicherheit die Abscedierimg eines Infiltrats verhindern soll. 

Sehr auffallend kam es zuweilen zur Recidmerung von In¬ 
filtraten an der ersten Injektionsstelle, nachdem dieselben hier 
schon längere Zeit gänzlich verschwunden waren, wenn eine 
zweite fällige Injektion an einer ganz anderen Stelle gemacht 
wurde, also z. B. bei erster linksseitiger und zweiter rechtsseitiger 
Qlotäalinjektion. 

Von anderer Seite sind häufiger, als ich das gesehen habe, 
Impfabscesse beobachtet worden; Barnes in Amerika z. B. sah 
dieselben in 25 pCt. der Fälle. Jedenfalls ist aber der Unter¬ 
schied in der lokalen Wirkung des Friedmaon’schen Mittels und 
der verschiedenen Tuberkuline sehr bemerkenswert. Es kommt 
ja auch bei den letzteren zn Infiltraten, aber ich entsinne mich 
nicht, bei den vielen Tausenden von Tuberkulininjektionen, die 
ich gemacht habe, auch nicht bei der Bacillenemulsion, jemals 
einen Abscess gesehen zu haben. 

Von viel grösserer Bedeutung aber als diese lokale 
Schädigung an der Impfstelle ist die sehr häufig gemachte Be¬ 
obachtung einer ganz erheblichen Verschlechterung des 
Allgemeinbefindens während der- Behandlung. In der ganz 
überwiegenden Mehrzahl der Fälle, unter 47 Fällen, die gewogen 
sind, ist 28mal eine Gewichtsabnahme während der Behandlung 
gesehen worden, darunter öfter eine sehr erhebliche Abnahme von 
4, 6, 7, 10 kg. Io 10 Fällen ist das Gewicht stationär geblieben 
und nur in 9 Fällen eine Zunahme des Gewichtes gefunden 
worden, die aber niemals so erheblich war, als die beobachtete 
Gewichtsabnahme. - Die Zunahme war 6 mal nur zwischen 1 l 2 bis 
2 kg, 2 mal 3, 1 mal 4,5 kg. Die Gewichtsabnahme ist nicht nur 
bei besonders schweren Fällen während der Behandlung gesehen 
worden. Der Tod erfolgte bisher in 7 Fällen. 

Ich habe auch, was besonders hervorzuheben ist, mehrfach 
bei anfangs fieberfreien oder nur massig fiebernden Patienten 
während der Behandlung das Fieber ansteigen und weiter 
ein höher remittierendes Fieber bis 39° und darüber mit starkem 
Verfall der Patienten und Nachtschweisseu gesehen. 

Hier ist in der Tat die von Herrn Dr. Thal beim ebenfalls in 
der bekannten Cbaritöutzung angegebene „vollständige Umstimmung 
der Konstitution“ eingetreten, aber in pejns. Was nützt mir da 
der von Herrn Dr. Thal heim (I. c., S. 17) aufgestellte allgemeine 
Satz: „Unter allen Umständen stelle ich Gewichtszunahme (ohne 
Päppelung), dauerndes subjektives Wohlbefinden und Arbeits¬ 
fähigkeit höher als den durch Perkussion und Auscultation fest- 
lusteilenden eventuell noch übrigbleibenden Rest eines früher 
aktiven Herdes.“ Was nützt mir dieser rein akademische Satz, 
der übrigens als solcher auch noch bestreitbar ist, wenn die in 
demselben angegebenen schönen Dinge, Gewichtszunahme, dauerndes 
subjektives Wohlbefinden und Arbeitsfähigkeit, so äusserst selten 
nach der Anwendung des Friedmann’schen Mittels, meiner Er¬ 
fahrung nach, zustande kommen. 

Die bakteriologische Prüfung der bezogenen Ampullen 
ist von mir wiederholt vorgenommen worden. Es sind darin 
wiederholt ausser den säurefesten Bacillen auch Kokken un¬ 
mittelbar nach dar Eröffnung der frisch zugesandten Ampullen in 
mehr oder weniger erheblichen Mengen gefunden. Einige Male 
sind solche Kokken in den frisch übersandten Ampullen nicht sofort, 
sondern erst später gefunden worden, nachdem die Ampullen 
mehrere Tage bei Zimmertemperatur oder im Brutofen aufbewahrt 
wurden. Es muss hier eine spätere Entwicklung in der Impf¬ 
flüssigkeit stattgefunden haben, da eine anderweitige Verunreinigung 
bei den erst unmittelbar vor der Untersuchung unter allen Kautelen 
eröffneten Ampullen ansgeschlossen war. Solche spätere Ent¬ 
wicklung kann selbstverständlich auch beim Menschen nach 
der Injektion vor sich gehen. 

Ausser den Kokken wurden einige Male auch nichtsäurefeste 
Stäbchen in den Ampullen angetroffen. Vielleicht ist auf diese 
Verunreinigungen mit andersartigen Organismen die Abscedierung 
an der glutäalen Injektionsstelle zurückzuführen. 

Iü der Mehrzahl der Fälle waren aber die von mir mikro¬ 
skopisch untersuchten Ampullen rein, wie auch die daraus von 
mir angelegten Kulturen ergeben haben, und enthielten nur säure¬ 
feste Bacillen. - - 

Schliesslich noch einige Bemerkungen über die von mir an- 
gestellten Tierversuche. 

Zunächst die interessante Tatsache, dass Schildkröten 
»«1 b81 gegen die sogenannten Schildkrötentuberkelbacillen voll¬ 
kommen immun waren. Ich habe derartige Versuche Ende 
vorigen Jahres mit Land- and Wasserschildkröten, die meist aus 


Griechenland und Italien bezogen wurden, angestellt. Dieselben 
wurden wiederholt injiziert und gefüttert mit grossen Dosen 
Friedmann’scber Scbildkrötenbacillen, sind aber niemals tuber¬ 
kulös geworden. Auch mit menschlichen Tuberkelbacillen ist es 
mir nicht gelungen, die Schildkröten tuberkulös zu machen. 
Dieses Resultat ist in voller Uebereinstimmung mit den Angaben 
von Frau Professor Rabinowitsch. Es gibt aber verschiedene 
Species von Schildkröten, und möglicherweise gehört die erste 
spontan erkrankte des Herrn Friedmann, von der.seine Schild- 
krötentuberkelbacillen herstammen, einer anderen Species an. 
Darüber, wie über den Punkt, ob es ihm gelungen ist, weitere 
Schildkröten mit Erfolg zu impfen, existieren von Friedmann 
keine Angaben. 

Eine zweite grössere Reihe von Versnchen ist von mir an Warm¬ 
blütern angestellt worden, und zwar an den für Tuberkulose- 
versuche besonders geeigneten Meerschweinchen. Diese Versuche 
sind in der Weise angestellt, dass die Meerschweinchen mit 
menschlichen Tuberkelbacillen vorgeimpft Warden und dann 
mit Friedmann’scben Bacillen in Reinkulturen verschiedener, 
auch von mir selbst isolierter Stämme, teils mit der Friedmann- 
scben Impfflüssigkeit selbst frühzeitig und energisch nach- 
bebandelt worden sind. Andererseits sind A Kontrolliere mit 
menschlichen Tuberkelbacillen allein geimpft nnd sonst nicht 
weiter nachbehandelt werden. 

Das Resultat dieser Versuche war, dass in beiden 
Versuchsreihen ein prinzipieller Unterschied weder in 
bezug auf den zeitlichen Verlauf der Tuberkulose, d. h. 
in bezog auf die Verlängerung des Lebens durch die 
Nachbehandlung nach Friedmann, noch in bezog auf 
die anatomische Entwicklung der Tuberkulose statt¬ 
gefunden hat. Die Kontrolliere haben sogar oft länger gelebt 
als die behandelten Tiere (s. Versuchsreihe I, III, IV, V), und in 
beiden Versuchsreihen, sowohl bei den behandelten Tieren wie 
bei den nichtbehandelten Kontrollieren, erhielt man exquisite 
tuberkulöse Veränderungen in den verschiedenen Organen (Lympb- 
drüsen, Netz, Milz, Leber, Lungen), trotzdem die Behandlung sehr 
oft frühzeitig, d. b. bereits am 6. oder 7. Tage nach der Infektion 
einsetzte (s. Versuchsreihe I, III, IV, V) und jedenfalls niemals 
bereits erheblich kranke Tiere in Behandlung genommen wurden, 
und trotzdem behufs kräftiger Wirkung die injizierte Gesamtdosis, 
berechnet auf das Körpergewicht des Meerschweinchens, immer 
grösser, oft sehr erheblich grösser war als die beim Menschen 
angewandte Menge. So z. B. bekamen in Versuchsreihe IV vier 
mit menschlichen Tuberkelbacillen vorbehandelte Tiere, 7 bzw. 

13 Tage nach der Infektion innerhalb 1 / 2 —2 3 / 4 Monaten 4, 10, 

14 und 15 Injektionen von einer Reinkultur von Schildkröten¬ 
tuberkelbacillen, und zwar jedesmal 0,5 ccm injiziert. Die be¬ 
handelten Tiere gehen sämtlich innerhalb 23 Tagen, 
IVz? 37 4 und 6 1 /* Monaten nach der menschlichen Infektion 
zugrunde. Die beiden zugehörigen, nur mit mensch¬ 
lichen Tuberkelbacillen geimpften, aber nicht mit 
Schildkrötentuberkelbacilleu nachbehandelten Kon¬ 
trolliere starben 37* und 6 3 / 4 Monate nach der Impfung, 
also später als die zugehörigen, behandelten Tiere, und 
die Sektion ergab bei den behandelten Tieren ebenso 
ausgedehnte tuberkulöse Veränderungen (in Lymph- 
drüsen, Milz, Netz, Leber, Lungen) wie bei den nicbt- 
behandelteo Kontrollieren. 

Dasselbe lehrte auch Versuchsreihe III, bei der vier Meer¬ 
schweinchen bereits am 6. Tage nach der Infektion mit mensch¬ 
lichen Tuberkelbacillen mit Friedmann’schen Bacillen in Behand¬ 
lung genommen wurden und innerhalb 1—272 Monaten 9, 13, 
14, 13 Injektionen zu je 0,6 ccm Reinkultur von Schildkröten¬ 
tuberkelbacillen erhalten haben. Auch hier sind trotz der 
energischen and frühzeitigen Behandlung mit grossen 
Dosen die behandelten Tiere sämtlich innerhalb 17 2 bis 
3 3 / 4 Monaten nach der Impfung mit den menseblichen 
Tuberkelbacillen an Tuberkulose der verschiedenen 
Organe (Inguinaldrüsen, Axillardrüsen, Netz, Milz, 
Leber, Lungen) zugrunde gegangen, und zwar erfolgte 
der Tod bei zweien von den behandelten Tieren eben¬ 
falls früher als bei dem nichtbehandelten Kontrollier, 
das erst nach 3 Monaten starb. 

Bei den weiteren Versuchsreihen I und II wurde die Be¬ 
handlung 7 bzw. 14 Tage nach der Verimpfung mit den mensch¬ 
lichen Tuberkelbacillen eingeleitet. Die in diesen Versuchsreihen 
verwandten Dosen von Schildkrötentuberkeibacillen nähern sich 
mehr den bei der Behandlung des Menschen gebräuchlichen Dosen;' 

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UNIVERS1T7 OF IOWA 



1498 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


es wurden 1—3 Injektionen zu je 0,3—0,6 ccm zur Behandlung 
angewendet. Auch in diesen beiden Versuchsreihen I und 
II sind sämtliche behandelte Tiere an Tuberkulose in 
den verschiedenen Organen gestorben, und zwar inner- 
halb l 1 /*—3 Monaten nach der Infektion mit den mensch¬ 
lichen Tuberkelbacillen, während das Kontrolltier nach 
l®/ 4 Monat zugrunde ging. * 

Dasselbe, wie nach der Impfang mit den Reinkulturen der 
Scbildkrötentuberkelbacillen sah man auch bei den mit der 
Friedmann’schen Impfflüssigkeit selbst behandelten Meer¬ 
schweinchen (s. Versuchsreihen V, VI, VII). Die Tiere in diesen 
Versuchsreihen sind zu verschiedenen Zeiten, nicht ganz 7, nicht 
ganz 11 und nicht ganz 22 Tage, meist nach subcutaner, nur 
2mal nach peritonealer Verimpfung mit menschlichen Tuberkel¬ 
bacillen in Behandlung mit Friedmann’scher Flüssigkeit ge¬ 
nommen worden und zwar zu einer Zeit, als dieselben noch gar 
keine oder jedenfalls keine erheblichen Erkrankungserscbeinungen 
zeigten. Sämtliche in diesen Versuchsreihen V bis VII 
behandelten Tiere sind 2—3 3 / 4 Monate nach der Vor¬ 
impfung mit den menschlichen Tuberkelbacillen an 
Tuberkulose verschiedener Organe (käsige Drüsen, käsige 
Knoten in Netz, Milz, Leber, besonders reichlich io den Lungen) 
gestorben, bis auf 1 Tier, das noch lebt, aber deutliche Zeichen 
der Erkrankung, grosse Inguinaldrüsen beiderseits, zeigt. Die 
Kontrolliere sind ungefähr in derselben Zeit wie die 
behandelten Tiere an Tuberkulose gestorben, und ein 
Kontrolltier (Versuchsreihe V) hat sogar viel länger 
gelebt als die behandelten Tiere und ist erst über fünf 
Monate nach der Impfung mit den menschlichen Tu¬ 
berkelbacillen gestorben. 

Hervorheben muss ich noch, dass durch die Behandlung mit 
den Friedmann’schen Bacillen nicht etwa in ihrer Virulenz „ab- 
gescbwächte u Tuberkel in den mitgeteilten Tierexperimenten ent¬ 
standen sind. Das lehren die 'Weiterimpfungen mit tuber¬ 
kulösen Organstücken (Netzknoten, Lungenknoten) von Meer¬ 
schweinchen, die trotz energischer Behandlung mit Friedmann- 
schen Bacillen gestorben waren; die mit solchen Stücken ge¬ 
impften Meerschweinchen sind ebenfalls an exquisiter Tuberkulose, 
wie die vorgelegten Präparate zeigen, innerhalb 2— 2 1 / 4t Monaten 
zugrunde gegangen. 

Alle die mitgeteilten Versuche sind ganz eindeutig und be¬ 
rechtigen zu dem oben aufgestellten Satz, dass kein prinzipieller 
Unterschied zwischen behandelten und nichtbebandelten Tieren 
existiert; ein Verbindern der Entwicklung oder eine Heilung der 
Tuberkulose ist in keinem Fall durch die Behandlung erreicht 
worden; alle Tiere sind in gleicher Weise tuberkulös geworden. 

Auf die Ergebnisse, die ich mit den Schildkrötentuberkel¬ 
bacillen der Konkurrenten des Herrn Fried mann, nämlich der 
Herren Piorkowski und Karfunkel, bei Tieren und Menschen 
erhalten habe, gehe ich hier nicht ausführlich ein; dieselben 
waren ebenso ungünstig wie die mit den Friedmann’schen 
Bacillen selbst. Die negativen Resultate der Tierversuche mit 
den Bacillen des Herrn Piorkowski sind bereits in der Sitzung 
der Berliner medizinischen Gesellschaft im Juni v. J, mitgeteilt 
und die erhaltenen Präparate liegen in der heutigen Sitzung aus. 
Sie zeigen ebenfalls, dass bei Tieren, die mit menschlichen Tu¬ 
berkelbacillen vorher infiziert wurden, die Nachbehandlung mit 
der Piorkowski’scben, Schildkrötenbacillen enthaltenden Emul¬ 
sion und seines Schildkrötentuberkulins das Leben der Tiere 
nicht zu verlängern vermochte; die behandelten Tiere sind sogar 
fast sämtlich früher gestorben, als die nichtbehandelten Kontroll¬ 
tore. Und was die Sektionen anbetrifft, so ergeben dieselben eben¬ 
falls bei den mit Piorkowski’scher Impfflüssigkeit behandelten 
Tieren dieselbe ausgedehnte Tuberkulose in den verschiedenen 
Organen, wie bei den Dichtbehandelten Kontrollieren. 

Schliesslich habe ich mit Herrn Dr. Karfunkel, der früher 
in der Berliner medizinischen Gesellschaft voq einer ausserordent¬ 
lich grossen Zahl günstiger Resultate berichtet bat, eine Anzahl 
von Fällen (12) im Sommer vorigen Jahres zusammen behandelt. 
Es waren meist Fälle im zweiten Stadium. Die Fälle sind nach 
seiner Angabe 1 x / 2 —3 1 /* Monate gespritzt worden und zwar zu¬ 
nächst mit der von Herrn Piorkowski an Herrn Karfunkel 
abgegebenen Schildkrötenbacillenemulsion, und als auch hier, wie 
so häufig in dieser Affäre, häuslicher Zwist eintrat, mit einer von 
Herrn Karfunkel selbst gezüchteten Kultur, die nach seiner An¬ 
gabe aus einem nach Friedmann’schen Injektionen entstandenen 
Abscess herrübrte. Die Injektionsdosen betrugen */*—1 ccm, die 
Zahl der Injektionen 3—6. 


Ich muss nun zunächst die höchst auffallende Tatsache er¬ 
wähnen, auf die ich Herrn Karfunkel wiederholt hingewiesen 
habe, dass in den von ihm selbst angelegten Kulturen ans dem 
Friedmann’schen Abscess entweder gar keine oder nur in der 
erheblichsten Minderzahl säurefeste Bacillen nachweisbar waren. 
Es fanden sich fast stets nur Stäbchen, die nach der Ziebl’scheo 
Färbung die Gegenfarbe, Methylenblau, annabmen und die sich 
auch einfach mit Methylenblau färbten, also des charakteristischen 
Merkmals der säurefesten Bacillen entbehrten. Ausser den glatten 
Stäbchen waren in den Kulturen auch zahlreiche Iovolutionsformen 
nachweisbar. 

Herr Dr. Karfunkel meinte nun aber wiederholt, dass die 
mit seinen oben beschriebenen Kulturen beim Menschen erhaltenen 
Resultate ganz identisch mit den Resultaten von Friedmann 
seien und dass er auch daraus auf eine Identität seiner und der 
Friedmann’scben Bacillen schlossen müsse. 

Dass ich unter solchen Umständen nur sehr zögernd an die 
Behandlung mit diesen Kulturen ging, liegt auf der Hand, und 
nur die wiederholte ausdrückliche Versicherung von Herrn Dr. 
Karfunkel, dass er bei sehr zahlreichen Injektionen beim 
Menschen keinen Schaden davon gesehen habe, konnte mich zur 
Benutzung seiner Kultnr veranlassen. 

Was ich nun bei der Behandlung mit der von Herrn 
Karfunkel bergesteilten Kulturflüssigkeit gesehen habe, war 
folgendes: Lokal trat in den meisten Fällen eine totale Re¬ 
sorption der injizierten Flüssigkeit ein; seltener kamen in den 
ersten Tagen etwas schmerzhafte, nicht erhebliche Infiltrate zu¬ 
stande, die meist resorbiert wurden; einmal habe ich einen klein¬ 
wall nussgrossen Abscess gesehen. Der physikalische Lungen¬ 
befund zeigte aber in den meisten Fällen keinerlei 
Besserung, derselbe blieb stationär; einmal erhebliche Zunahme 
der Dämpfung und des Bronchialatmens. Wenn einige Patienten 
angaben, dass sie weniger Husten und Auswurf hätten, so kann 
ich bei dem wechselnden Bild der Symptome bei der Tuberkulose 
nur wiederholt darauf hinweisen, dass das ja auch ohne jede 
Behandlung vorkommt; bei einer grösseren Anzahl von Patienten 
war aber der Husten und Auswurf vermehrt, blieb der Appetit 
schlecht, war hohes, remittierendes Fieber, 39,2°, und zum Teil 
erheblicher Gewichtsverlust, bis 6 kg, zu konstatieren. Günstige 
Erfolge, Heilung oder Besserung habe ich also nach 
der Behandlung von Herrn Karfunkel durchaus nicht 
beobachtet. 

Fasse ich nun alles das zusammen, was ich im 
Laufe der Zeit klinisch, experimentell und in Röntgen¬ 
bildern gesehen habe, so sind die Resultate der Fried¬ 
mann’schen Behandlung ausserordentlich wenig zu¬ 
friedenstellende gewesen. Das beweisen auch zahlreiche 
Briefe, die ich von Patienten bekommen habe, und die ich vorzu¬ 
legen in der Lage bin. Die behandelten Patienten, soweit sie 
nicht gestorben sind (7) oder zu Hause andauernd bettlägerig 
oder wegen zunehmender Verschlechterung ins Krankenhaus 
übergeführt, bin ich gern bereit, in der Poliklinik zu demon¬ 
strieren. 

Wenn ich zarückblicke auf das, was in den letzten 30 Jahren 
alles, zum Teil auch in dieser Gesellschaft, als Heilmittel oder 
als besonders wirksam bei Tuberkulose empfohlen ist, und was 
davon übrig geblieben, so war der Pessimismus auch diesem 
neuen Mittel gegenüber erklärlich. Benzoesäure, Zimmtsäure, mit 
der ich selbst zahlreiche Versuche aDgestellt habe, Igazol, 

Guderin, Mesbe, Mallebrein, Dioradin, mit dem ich ebenfalls viel 
experimentiert habe, die verschiedenen Gujacolpräparate, Menthol, 
Eucalyptol, Thymol, Schmierseife, verschiedene Jodpräparate 
und zahlreiche andere Mittel, die für die Behandlung der Tuber¬ 
kulose besonders empfohlen sind, sind im Laufe der Jahre als un¬ 
wirksam wieder verschwunden oder im Verschwinden begriffen. 
Auch die verschiedenen spezifischen Behandlungsmethoden, 
sowie die Behandlung mit chemotherapeutischen Mitteln haben 
nicht die gehofften ausgiebigen günstigen Erfolge geliefert. 
Ich bin nach alledem der Meinung, dass man die armen 

Tuberkulösen endlich einmal ein wenig in Ruhe lassen sollte, und 
dass man nicht immer mit neuen Heilmitteln, bevor dieselben 

von den verschiedensten Seiten klinisch und experimentell in 

einwandfreier Weise durcbgeprüft sind, neue Hoffnungen erwecken 
sollte, deren Rückschlag nur von deletärster Bedeutung für die 
Patienten sein kann. 

Nach Schluss der Diskussion (10. Juni 1914) in der Berliner 
medizinischen Gesellschaft veröffentlicht Herr Dr. Fried mann 


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10. Aqgmt 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1499 


jetzt neue Vorschriften für die Anwendung seines Heilmittels 1 ). 
Selbstverständlich konnte von allen Rednern nnr nach den doch 
sehr ausführlich mitgeteilten früheren „Indikationen zur An¬ 
wendung des Dr. Friedrich Franz Friedmann'schen Heil- und 
Schutzmittels zur Behandlung der Tuberkulose und Scrophulose u , 
Oktober 1913, diskutiert werden, nach denen Friedmann selbst 
und seine Anhänger in Deutschland und Amerika doch so aus¬ 
gezeichnete Resultate erhalten haben wollen. Man wird in Ruhe 
abwarten und, wer dann mit dem Mittel noch weiter arbeiten will, 
ernstlich nachprüfen müssen, wie es sich mit seinen Erfolgen 
nach dieser Wandlung verhält. Jedenfalls kann jeder, der 
reichlich Tuberkulose zu sehen Gelegenheit gehabt bat, sagen, dass 
bei der jetzt empfohlenen Wartezeit von 4—5 Monaten nach der 
ersten intramuskulären Injektion, und von fast einem Jahr, in vielen 
Fällen noch weit länger nach der Simultaniojektion, bevor eine 
zweite Injektion erfolgen soll, bei Tuberkulösen sich sehr vieles, 
auch ganz ohne Behandlung, sowie bei jeder anderen Behandlung 
in bonam partem wenden kann. 

II. Vor und nach der Behandlung mit dem Fried- 
mann’8chen Mittel erhobene klinische und röntgeno¬ 
logische Befunde beim Menschen. 

Nachfolgend wird ein Teil der behandelten Fälle mitgeteilt; 
die übrigen verliefen im wesentlichen ebenso. 

Fall 1. A. S., 17 Jahre alt. Vater und Geschwister lungenkrank. 
Seit einem Jahre Husten, Auswurf, Abmagerung. Mehrfach in See¬ 
hospizen und Heilstätten gewesen. Keine Tuberkulin kur. 

7. XL 1913. Status: Links hinten oben Schallverkürzung bis 
Spina scapulae; vereinzelte feuchte Rasselgeräusche. Links vorn oben 
Sohallverkürzung bis Costa 3, darüber saccadiertes Atmen, mässig reich¬ 
liches, mittelgrossblasiges, feuchtes Rasseln. Rechts vorn oben broncho- 
vesieuläres Atmen, kein Katarrh; + Tuberkelbacillen. Gewicht 42 kg. 

Röntgen bi Id: Vor der Behandlung nur links oben oberhalb der 
Clavicula Verschattung; rechts wesentlich frei. 

23. V. 1914. Resultat: Nach 6 V 2 monatiger Behandlung mit drei 
intramuskulären und einer intravenösen Injektion (wegen schmerz¬ 
hafter, mandelgrosser Infiltration an der ersten intramuskulären In¬ 
jektionsstelle). Erhebliche Verschlechterung des Allgemein¬ 
befindens. 

Pat. ist hoohgradig anämisch geworden, hat häufig Ohnmachts- 
anfälle. Gewichtsabnahme 3 kg, -f- Tuberkelbacillen. Fieber, das vor 
der Injektion nur mässig war, stieg nach der intravenösen Injektion bis 
auf 40,8°, ging aber dann wieder herunter auf subfebrile Temperaturen; 
gegen Ende der Behandlung aber war andauernd remittierendes Fieber 
bis 39,7° vorhanden. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis zur Mitte des Inter- 
scapularraums; darüber bronchiales Atmen und Katarrh. 

Links vorn Dämpfung bis Costa 3, schwach bronchiales Atmen und 
Katarrh. Rechts hinten supraspinat Verkürzung; Katarrh, der auch 
interseapular hörbar. Reohts vorn supraclavicular und infraolavicular 
Verkürzung und Katarrh. Also Verschlechterung des pbysika- 
lisohen Befundes, insofern links Zunahme der Dämpfung und in der 
rechteo Spitze Verkürzung und Katarrh hinzugekommen ist. 

Röntgenbild: Links oben starke Zunahme der Versohat¬ 
tun g; dieselbe ist jetzt nicht bloss, wie zu Anfang der Behandlung, 
oberhalb, sondern auch unterhalb der Clavicula in grosser Ausdehnung 
sichtbar. Rechts wesentlich frei. 

Fall 2. Mann Sp., 23 Jahre alt. Krank seit 3 Jahren; Husten, 
Auswurf. 

23. XL 1913. Status: Rechts hinten oben Dämpfung bis zum 
oberen Drittel des Interscapularraums; darüber abgeschwächtes Atmen; 
Rasseln bis zur Basis. Rechts vorn oben Dämpfung bis Costa S, ab- 
geschwächtes Atmen. Links supraspinal und supraclavicular geringe 
Verkürzung; rauhes Atmen; spärlicher Katarrh; -f- Tuberkelbacillen. 
Gewicht 58,5 kg. 

Röhtgenbild: Rechts multiple Sehattenherde zwischen 2 . und 
4. Rippe; zwischen den einzelnen Schattenherden noch helles Lungen¬ 
gewebe sichtbar. 

, 16* IV. 1914. Resultat: Nach beinahe 5 monatiger Behandlung 
®it zwei intramuskulären und einer Simultaninjektion. Erhebliehe 
Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Gewichtsabnahme 
* h Kilo, -f- Tuberkelbacillen. Pat. sehr anämisch geworden, das an¬ 
fangs remittierende Fieber bis zu einer Maximaltemperatur von 38,8°, 
steigt nach der SimultaniDjektion 2 Tage aul 39,8 bis 40,3°, sinkt dann 
wieder am 3. Tage bis 38,6°; gegen Ende der Behandlung aber an¬ 
dauernd hohes Fieber bis anf 40°; Husten sehr stark, so dass wieder- 
ooit Narcotica gegeben werden mussten. 

. Lun gen befand: Reohts hinten supraspinat Dämpfung; von da 
an Verkürzung bis zur Lungenbasis; supraspinat schwach bronchiales 
Atmen; Katarrh bis zur Lungenbasis. Rechts vorn tympanitiach ge- 
ampft bis Costa 2; supraolavicular abgeschwächtes Atmen; infra- 
laricalar leicht bronchiales Atmen und spärlioher Katarrh. Links 
upraspinat un d supraclavicular Verkürzung. 

1) Sieb« D.m.W., 18. Juni 1914, Nr. 25. 


Röntgenbild: Sehr starke Zunahme der Sohattenbildung 
von oben bis zur Lungenbasis. Wegen starker Verschlechterung des 
Allgemeinbefindens geht Pat. ins Krankenhaus; ohne besondere Be¬ 
handlung bessert sich dort sein Zustand; er nimmt wieder an Gewicht 
zu, bis zu 59,5 kg; der Lungenbefund aber bleibt unverändert wie 
sub 16. IV. -f Tuberkelbaoillen. 

Fall 3. Mann Schl., 35 Jahre alt. Rippenfellentzündung vor 
17z Jahren. Seit 8 Wochen Husten, Auswurf, Nachtsohweisse. 

27. XI. 1913. Status: Links supraspinat Verkürzung, rauhes 
Atmen, vereinzeltes Knacken. Links supraclavicular Verkürzung, ver¬ 
schärftes und verlängertes Exspirium, spärlicher Katarrh. Links infra- 
clavicular geringe Verkürzung, scharfes Exspirium. Rechts supraspinat 
Dämpfung, bronchovesiculäres Atmen, mittelgrossblasiges Rasseln, ver¬ 
einzelt bis zum ÄDgulus soapulae. Rechts supraclavicular und infra- 
clavicular Verkürzung, bronchovesiculäres Atmen, spärlicher Katarrh. 
+ Tuberkelbacillen; 66 kg Gewicht. 

Röntgenbild: Beiderseitig Verschattung in der Spitze, links wesent¬ 
lich bis zum 3. lntercostalraum; rechts weiter nach abwärts reichend 
bis znm 5. lntercostalraum. 

16. VI. 1914. Resultat: Nach 6 */« monatlicher Behandlung mit drei 
intramuskulären Injektionen; eine Simultaninjektion wird nicht gemacht 
wegen andauernden Fiebers. Erhebliche Verschlechterung des 
Allgemeinbefindens. Gewichtsabnahme 6 kg, -j- Tuberkelbaoillen. 
Husten und Nachtsohweisse stärker; anfänglich geringe Temperatur- 
Steigerung, seit etwa 87z Monaten aber andauernd remittierendes Fieber 
bis 39 bzw. 39,4°. 

Lungenbefund: Links supraspinat Dämpfung, abgeschwächtes 
Atmen; links supraolavicular bis Costa 3 ebenso, und Katarrh; rechts 
supraspinat Scballverkürzung, bronchiales Exspirium, Katarrh. Rechts 
supraolavicular Schallverkürzung, bronchovesiculäres Atmen, Katarrh. 
Links also Zunahme der Dämpfung. 

Röntgenbild: Beiderseits erhebliche Zunahme der Ver¬ 
schattung. 

Fall 4. Frau St., 25 Jahre alt. Schwester tuberkulös. Krank seit 
7 Jahren. Heilstätte 1909. Keine Tuberkulinkur. Hämoptoe 1912; 
Husten, Auswurf. 

6 . XL 1913. Status; Rechts supraspinat und supraolavicular 
scharfes vesiculäres Atmen. Links hinten oben Scballverkürzung bis 
zur Spina, daselbst bronchovesiculäres Atmen, spärliohes mittelgross¬ 
blasiges Rasseln, Pfeifen und Schnurren bis zur Lungenbasis. Links 
vorn oben Schall Verkürzung bis Costa 3, scharfes vesiculäres Atmen, 
mässig reichlicher Katarrh, -f Tuberkelbaoillen. Gewicht 61 kg. 

Röntgenbild: Links oberhalb und unmittelbar unterhalb der 
Clavicula Verschattung. Rechts wesentlich frei. 

1. VII. 1914. Resultat: Nach beinahe 8 monatlicher Behandlung 
mit zwei intramuskulären und einer Simultaninjektion. Verschlechte¬ 
rung des Allgemeinbefindens. Gewichtsabnahme 17* kg; Husten 
und Auswurf sehr stark, 4- Tuberkelbaoillen. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Mitte des Interscapular- 
raum 8 ; reichlicher Katarrh. Links vorn Dämpfung bis unten, reichliches 
RasselD, zum Teil klingend. Rechts supraspinat Dämpfung, Rasseln, 
verschärftes Atmen. Rechts supraclavicular Verkürzung, verlängertes 
Exspirium. 

Also: Links Zunahme der Dämpfung und des Katarrhs; 
rechts neue Erkrankung des Oberlappens. 

Röntgenbild: Links unterhalb der Clavioula zunehmende 
Verschattung bis zur 7. Rippe. 

Fall 5. Mann Sob., 26 Jahre alt. Keine Heredität; krank seit 
einem Jahre; Husten, Ausirurf, Atemnot; 4 Monate in Heilstätte; 
-f- Tuberkelbaoillen; Gewicht 64 kg. 

3. XL 1913. Status: Links hinten Dämpfung bis Angulus scapulae, 
darüber bronchovesiculäres Atmen, Katarrh bis zur Lungenbasis. Links 
vorn supraclavioulare Dämpfung, ebenso infraclavioular; von da ab 
Verkürzung bis zur Basis, überall unbestimmtes Atmen, reichliche, 
zum Teil klingende Rasselgeräusche. Rechts hinten oben vereinzeltes 
GiemeD, rechte Lunge Bonst frei, -f Tuberkelbacilen, Gewicht 64 kg. 

Röntgenbild: Links starke Verschattung der ganzen Seite. Rechts 
wesentlich frei. 

26. V. 1914. Resultat: Nach 6 8 /i monatlicher Beobachtung mit 
zwei intramuskulären und einer SimultaniDjektion. Allgemeinbefinden 
viel schlechter; Gewichtsabnahme fast 7 kg; früher subfebril; nach 
der SimultaniDjektion 2 Tage bis 40,2*; in den folgenden 8 Tagen 
remittierendes Fieber bis 38,9 das dann wieder abnimmt bis 88 °; 
sehr starker Husten, der die Nachtruhe raubt, so dass wiederholt Codein 
gegeben werden musste; Auswurf sehr reiohlich; -f- Tuberkelbaoillen. 

Lungenbefund: Links unverändert. Reohts Auftreten 
von Verkürzung und Katarrh im Oberlappen. 

Röntgenbild: Links Verschattung der ganzen Seite, wie zum Be¬ 
ginn der Behandlung. Reohts war zum Beginn der Behandlung wesent¬ 
lich frei, jetzt starke Zunahme der Verschattung. 

Fall 6 . Fräulein Z, 28 Jahre alt. Vor einem Jahre von mir mit 
Dioradin ohne jeden Erfolg behandelt; viel Husten und Auswurf; 
2 Monate in Heimstätte. 

20. XI. 1913. Status: Links hinten supraspinat Dämpfung; im 
oberen Drittel deslntersoapularraums. Sohallverkürzung, darüber Bronohial- 
atmen mit Katarrh, der bis zur Lungenbasis reicht. Links vorn 
Dämpfung bis Costa 2; Bronohialatmen, reichliches Rasseln, infraolavi- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


cular klingend. Rechts supraspinat und supraclavicular Schall etwas 
verkürzt, Exspirium verlängert, nirgends Katarrh hörbar; kein Fieber; 
-f Tuberkelbacillen; Gewioht 47 kg. 

Röntgenbild: Links oberhalb, besonders aber unterhalb der Clavi- 
oula Verschattung wesentlich bis Costa-5. Rechts nur am inneren Ende 
der Clavicuia Verschattung, sonst wesentlich frei. 

24. VI. 1914. Resultat: Nach 7 monatlicher Behandlung mit zwei 
intramuskulären uud einer Simultaninjektion. Verschlechterung des 
Allgemeinbefindens. Gewichtsabnahme 2 kg; 4 " Tuberkelbacillen; 
Husten und Auswurf ebenso wie vor der Behandlung. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis zum inneren Ende 
der Spina, darüber bronchiales Atmen und feuchter Katarrh, der bis 
zum Angulus reicht. Links vorn Dämpfung bis Costa 3, Bronchial- 
atmen, reichlicher feuchter Katarrh. Rechts hinten supraspinat Schall- 
Verkürzung, scharfes Atmen. Rechts vorn Schallverkürzung, supraclavi¬ 
cular reichlich feuchter Katarrh, infraclavicular Pfeifen. 

Also: Links wesentlich derselbe Befund, rechts Ver¬ 
schlechterung, insofern supraclavicular reichlicher, feuchter 
Katarrh hinzugekommen ist. 

Röntgenbild: Beiderseitig erhebliche Zunahme der Ver¬ 
schattung. 

Fall 7. Mann Geh., 29 Jahre alt. Keine Heredität; Husten und 
Auswurf seit 2 Jahren; keine Tuberkulinkur. 

6. I. 1914. Status: Links hinten oben Schallverkürzung bis zur 
Spina, unbestimmtes Atmen, feuchtes Rasseln bis zum Angulus. Links 
vom supraclavicular und infraclavicular Verkürzung, unbestimmtes 
Atmen, feuchtes Rasseln, letzteres bis zur Basis. Rechts hinten inter- 
scapular vereinzeltes Rasseln. Rechts vorn supraclavicular spärlicher 
Katarrh; + Tuberkelbaoillen; Gewicht 70 kg. 

Röntgenbild: Vor der Behandlung links Verschattung oberhalb 
und unterhalb der Clavicuia bis zum 5. Intercostalraum. Rechts Ver¬ 
schattung bis zur Clavicuia. 

9. V. 1914. Resultat: Nach 4 monatlicher Behandlung mit zwei 
intramuskulären und einer Simultaninjektion. Allgemeinbefinden 
verschlechtert. Gewichtsabnahme 2,6kg; -f- Tuberkelbacillen; Husten 
und Auswurf sehr stark; Atemnot. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Mitte des Inter- 
scapularraums, Katarrh nach unten abnehmend bis zur Lungenbasis. Links 
vom Verkürzung bis Costa 2, schwaches Atmen, Katarrh bis unten. 
Rechts supraspinat, supraclavicalar und infraclavicular Verkürzung, reich¬ 
licher Katarrh. Rechts hinten unten und seitlich pleuritisches Reiben. 

Also: Links hinten Zunahme der Dämpfung und des 
Katarrhs; rechts Zunahme von Katarrh, rechts unten Auf¬ 
treten von Pleuritis sicoa. 

Röntgenbild: Starke Zunahme der Schattendichtigkeit, 
besonders links, 

Fall 8. Frau Br., 31 Jahre alt. Krank seit 4 Jahren; dreimal in 
Heilstätten; keine Tuberkulinkur; vor 3 Jahren Hämoptoe. 

6. I. 1914. Status: Rechts hinten oben Dämpfung bis zur Spina, 
bronohovesiculäres Inspirium, schwach bronchiales Exspirium, kein 
Katarrh; weiter abwärts vesiculäres Atmen. Rechts vorn supraclavicular 
und infraclavicular Verkürzung, schwach bronchiales Exspirium, ver¬ 
einzeltes Knacken. Links hinten Verkürzung bis Spina, bronchovesi- 
culäres Atmen, vereinzelter Katarrh. Links vorn supraclavicular und 
infraclavicular Verkürzung, schwach bronohovesiculäres Atmen, kein 
Katarrh; Gewicht 51 kg; — Tuberkelbacillen. 

Röntgeobild: Beide Spitzen verschüttet, links mehr als rechts. 

15. IV. 1914. Resultat: Nach 3 l / t monatlicher Behandlung mit zwei 
intramuskulären Injektionen; Patientin lehnt weitere Injektionen ab 
wegen erheblicher Verschlechterung des Allgemeinbefindens. 
Gewichtsabnahme 3 1 /} kg; Auftreten von Fieber bis 38,7° und 
von Tuberkelbacillen während der Behandlung bei der an¬ 
fangs fieberfreien Patientin, bei der vor der Behandlung 
wiederholt auch keine Tuberkelbacillen im Sputum ge¬ 
funden waren. 

Lungenbefund: Rechts hinten oben Dämpfung bis oberes Drittel 
des Interscapularraums, bronohovesiculäres Atmen, Katarrh. Rechts 
vorn oben Verkürzung bis Costa 3, schwaches Atmen, kein Katarrh. 
Links hinten oben Dämpfung bis inneres Ende der Spina, scbwaohes 
Atmen, Katarrh; weiter abwärts ebenfalls Katarrh. Links vorn oben 
Verkürzung bis Costa 3, spärlicher Katarrh. 

Also: Rechts hinten oben und rechts vorn oben Zunahme 
der Dämpfung bzw. Verkürzung; Auftreten von Katarrh 
rechts hinten oben; ebenso links vorn und hinten. 

Röntgenbild: Starke Zunahme der Verschattung, be¬ 
sonders rechts, reicht hier bis zur Lungenbasis. 

Fall 9. Mann H., 30 Jahre alt. Keine Heredität; vor 11 Jahren 
Pleuritis; seit l l f 2 Jahren Husten, Auswurf; 4 Monate Heilstätte. 

25. XI. 1913. Status: + Tuberkelbacillen; Gewicht 74 kg. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Spina; darüber mittel¬ 
grossblasiges Rasseln. Rechts vorn supraclavicular Dämpfung bis Costa 2, 
verschärftes Atmen, mittelgrossblasiges Rasseln. 

Links hinten interscapular Verkürzung, darüber mittelgrossblasiges 
Rasseln. Links vorn supraclavicular und infraolavicular Dämpfung, 
Katarrh. 

9. V. 1914. Resultat: Nach 5V*monatlicher Behandlung mit 2 intra¬ 
muskulären und 1 Simultaninjektion. Patientfühltsiohvielschlechter 


als vor der Behandlung, lehnt deshalb weitere Injektionen ab. Ge¬ 
wichtsabnahme 10 kg; 4- Tuberkelbacillen; Nachtschweisse; Husten stärker, 
so dass Patient wiederholt Narcotica bekommen musste. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bisSpina, schwach bronchiales 
Atmen, Rasseln bis fast zum Angulus. Rechts vorn Dämpfung bis Costa 2 
bronchiales Atmen, klingendes Rasseln. Links supraspinat Verkürzung] 
schwaches Atmen; von der Spina ab bis zur Basis reichlicher Katarrh! 
Links vorn supraclavicular und infraclavicular Verkürzung, vesiculäres 
Atmen, spärlicher Katarrh bis unten. 

Also: In der Lunge rechts hinten und links hinten Zu¬ 
nahme des Katarrhs; rechts vorn Bronohi&latmen, klingendes 
Rasseln biuzugekommen. 

Fall 10. Mann Bre., 42 Jahre alt. Krank seit 3 Jahren; viel 
Husten und Auswurf. 

24. XI. 1913. Status: -f- Tuberkelbacillen; Gewioht 50 kg. 

Lungenbefund: Rechts hinten supraspinat Schallverkürzung; 

weiter abwärts LuDgenscball. Rechts vorn Dämpfung bis Costa 3; über 
den gedämpften Partien verlängertes und verschärftes Eispiiium, massig 
reichliches mittelgrossblasiges Rasseln, das vorn bis zur unteren Lungen¬ 
grenze geht. Links supraspinat und supraclavicular Schallverkürzung, 
spärliches Rasseln; im übrigen vesiculäres Atmen. 

Röntgenbild: Rechts in der Spitze verschattet, supraclavicular, 
infraclavicular und supraspinat. 

25. III. 1914. Resultat: Nach 4monatlicher Behandlung mit 2 intra¬ 
muskulären Injektionen. Patientsehrelend. Gewichtsabnahme 4 kg; 
-f- Tuberkelbacillen. Während der Behandlung mussten wiederholt wegen 
starken Hustens Narcotica gegeben werden; während der Behandlung 
stark remittierendes Fieber bis 39,2° C, das nicht aufhörte. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Spina; weiter ab¬ 
wärts Sehallverkürzung bis Angulus, darüber schwaches Atmen, spär¬ 
licher Katarrh bis Spina. Rechts vorn tympanitische Dämpfung bis 
Costa 3; bronchiales Exspirium, reichlich grossblasiges, zum Teil klin¬ 
gendes Rasseln bis unten. Links supraspinat Dämpfung, rauhes Atmen; 
Katarrh. 

Also: Rechts hinten Zunahme der Dämpfung. Rechts 
vorn Cavernensymptome aufgetreten. 

Röntgenbild: Starke Zunahme der Verschattung beider¬ 
seits, besonders rechts. 

Fall 11. Mann W., 37 Jahre alt. Bruder gestorben an Tuber¬ 
kulose. Husten und Auswurf seit 10 Jahren. 

6.1. 1914. Status: Gewicht 66 kg; -f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis zur Mitte des Inter¬ 
scapularraums, broncbovesiculäres Atmen, Katarrh, trockene Geräusche 
bis zur Lungenbasis. Links vorn oben supraclavicular und infraclavicular 
Dämpfung, bronohovesiculäres Atmen, reichliches, feuchtes, zum Teil 
klingendes Rasseln. Rechts supraspinat und supraclavicular Ver¬ 
kürzung, bronohovesiculäres Atmen, kein Katarrh. 

Röntgenbild: Starke Verschattung der 1. Seite; in der rechten 
Spitze mehrfache Schattenberde. 

23. VI. 1914. Resultat: Nach b 1 /-, monatlicher Behandlung mit 2 intra¬ 
muskulären und 1 Simultaninjektion. Allgemeinbefinden sehr 
schlecht. Gewichtsabnahme Vl t kg; Husten und Auswurf sehr stark; 
-j- Tuberkulose; Appetit sehr schlecht. 

b Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Mitte Scapula; über 
der Dämpfung Katarrh. Links vorn Dämpfung über der ganzen Seite, 
bronchiales Atmen und feuchtes, zum Teil klingendes Rasseln. Rechts 
supraspinat Schall Verkürzung, bronohovesiculäres Exspirium, ebenso im 
Interscapularraum. Rechts supraclavicular und infraclavicular Schall- 
verkürzung, verlängertes Exspirium. 

Also: Links Zunahme der Infiltration. 

Röntgenbild: Links Schatten etwas dichter; rechts deut¬ 
liche Zunahme der Schattendichtigkeit. 

Fall 12. Frau Wo., 40 Jahre alt. Krank seit 4 Jahren; Bruder 
tuberkulös; geringe Hämoptoe vor einem Jahr. 

9. XII. 1913. Status: Gewicht 51,8 kg; viel Husten und Auswurf; 
-f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Spina, geringe Ver¬ 
kürzung bis Basis; supraspinat bronchiales Atmen, von der Spina ab 
Rasseln bis Angulus. Rechts vorn supraclavicular tympaDitische 
Dämpfung, bronchiales Atmen; infraclavicular Dämpfung, bronchovesi- 
culäres Atmen, Bpärlicher Katarrh. Links supraspinat und supraclavicular 
geringe Verkürzung, broncbovesiculäres Atmen, vereinzeltes Knacken.* 

Röntgen bild: Rechte Spitze supra- und infraclavicular verschattet. 

17. VI. 1914. Resultat: Nach 6 1 /*monatlicher Behandlung mit 2 intra¬ 
muskulären und 1 Simultaninjektion. Allgemeinbefinden schlecht. 
Gewichtsabnahme 2 kg; Husten und Auswurf sehr reichlich; + Tuberkel- 
baoillen. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Spina, weiter ab¬ 
wärts Sohallverkürzung; über der Dämpfung bronchiales Atmen, feuchter 
Katarrh; von der Spina ab Katarrh weniger bis Angulus. RecbtB vorn 
Dämpfung bis Costa 2; supraclavicular lautes Bronchialatmen mit 
Katarrh; infraclavicular verschärftes Atmen mit Katarrh. Links supra¬ 
spinat und supraclavicular geringe Verkürzung; supraspinat kein Katarrh; 
supraclavicular verschärftes Atmen mit spärlichem Katarrh. 

Also: Lungenbefund wesentlich unverändert. 

Röntgenbild: Reohta starke Zunahme der Verschattung. 


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10. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1501 


Fall 13. Kind S., 10 Jahre alt. Vater tuberkulös; krank seit 2 Jahren. 

22. XI. 1913. Status: Gewicht 29 kg; kein Auswurf; Husten; Brust- 
sticbs. 

Lungenbefund: Links hinten Verkürzung bis zum Angulus, scharfes 
bronchovesiculäres Atmen, kein Katarrh. Links vorn supraclavicular 
und infraolavioular Verkürzung, bronchiales Atmen. Rechts hinten 
Verkürzung fast bis zum Angulus; supraspinat bronchiales Atmen, 
weiter abwärts verschärftes bronchovesiculäres Atmen. Rechts hinten 
unten vereinzeltes Rasseln und Schnurren. Reohts vorn Dämpfung bis 
Costa 2, Bronchialatmen, Rasseln. 

Röntgenbild: In beiden Lungen multiple'Schattenherde, zwischen 
denen noch reichlieh helles Lungengewebe durchscheint. 

10.2.1914. Resultat: Nach 2 l /amonatlicher Beobachtung mit2 intra¬ 
muskulären Injektionen. Zunehmende Verschlechterung des All¬ 
gemeinbefindens; zunehmender Katarrh; stark remittierendes Fieber 
zwischen 86,8—39°; starke Mattigkeit; Tod 2 l / 2 Monate nach Beginn der 
Behandlung. 

Röntgenbild: Lungenschatten ociderseits viel dichter 
geworden. 

Fall 14. Frau Ge, 33 Jahre alt. Krank seit 1 ( 2 Jahr; Husten, 
Auswurf, zeitweise Nachtschweisse. 

11. XII. 18. Status: Gewicht 46,5 kg; -f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links supraspinat Verkürzung, schwaches Vesiculär- 
atmen, spärliches feuchtes Rasseln, Giemen und Schnurren; die trocknen 
Geräusche bis zur Lungenbasis. Links supraclavicular und infraclavi- 
cular geringe Verkürzung, schwaches vesiculäres Atmen, trockne Ge¬ 
räusche bis unten. Rechts ohne nachweisbare Veränderungen. 

Röntgenbild: Linke Lunge Schattenbildung in der Gegend der 
V. und VI. Rippe, vom Hilus nach der Scapula hinziehend. 

6. VL 1914. Resultat: Nach 6monatlicher Behandlung mit 3 intra¬ 
muskulären Injektionen. Allgemeinbefinden unverändert; Gewicht 
stationär; + Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung und reichlicher Katarrh 
bis Mitte Scapula. Links vorn Verkürzung bis Costa 3, sehr reichlicher 
Katarrh, der das Atmen verdeckt und vereinzelt bis unten reicht. Rechts 
supraspinat und supraclavicular Verkürzung; Giemen bis unten. 

Also: Links vorn und links hinten erhebliche Zunahme 
der Dämpfung und der Rasselgeräusche. Rechts vorn und 
rechts hinten Verkürzung und trockner Katarrh hinzuge¬ 
kommen. 

Röntgenbild: Links Zunahme der Schattenbildung. 

Fall 15. Frau Pu., 46 Jahre alt Seit 1*/* Jahren Husten, Aus¬ 
wurf, Brustschmerzen; im Sommer 1913 4 V 2 Monate in Heilstätte. 

29. Xi. 1913. Status: Guter Ernährungszustand; Gewicht 80,5 kg; 
+ Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links supraspinat Verkürzung, abgeschwächtes 
Atmen, feuchtes Rasseln bis zur Basis. Links vorn Verkürzung bis zur 
2. Rippe; supraolavicular, schwach-bronchiales Exspirium, feuchtes 
Rasseln, infraclavicular, vereinzelter Katarrh. Rechts supraspinat, 
supraclavicular und infraclavicular Lungenschall, vereinzelter Katarrh. 

Röntgenbefund: Linke Spitze dunkel; ferner multiple Schatten¬ 
knoten, zwischen denen noch helles Gewebe sichtbar ist. 

8 . IV. 1914. Resultat: Nach 4^2monatlicher Behandlung mit zwei 
intramuskulären und einer intravenösen Injektion keine Besserung 
des Allgemeinbefindens; 2 kg Gewichtsabnahme; -4- Tuberkel¬ 
bacillen. 

Lungenbefund: Links hinten Verkürzung bis Spina; reichlicher 
Katarrh über der ganzen Seite bis unten. LiDks vorn Verkürzung bis 
.3; supraclavicular, leicht bronchiales Atmen, Katarrh reich¬ 
lich bis unten. Rechts hinten und vorn in der Spitze Verkürzung und 
einzelner Katarrh. 

Also: Links Zunahme von Verkürzung und Katarrh. 
Rechts Verkürzung vorn und hinten in der Spitze hinzu¬ 
gekommen. 

Röntgenbild: Wesentlich gleich geblieben wie vor der 
Behandlung. Patientin verweigert weitere Injektionen mit dem Be- 
J 1 ” « ’ *^ ass Heilkraft des Mittels kein günstiges Resultat gezeitigt 


Fall 16. Mann R., 38 Jahre alt. Hämoptoe vor 6 Jahren; seit 
einem Jahre Husten, Auswurf, Abmagerung; keine Heilstättenbehand- 
lung; keine Tuberkulinkur. 

11. XI. 1913. Status: Gewicht 57 kg; + Tuberkelbacillen. 
Lungenbefund: Rechts hinten Verkürzung bis Spina; darüber 
Katarrh bis zur Lungenbasis. Rechts vorn supraclavicular und infra- 
clavicular Schallverkürzung und Katarrh. Links hinten supraspinat 
geringe Verkürzung, Katarrh bis unten. Links vom Verkürzung, Katarrh 
Dis Costa 3; beiderseits abgeschwächtes Atmen. 

Röntgenbild: Beide Spitzen oberhalb und unterhalb der Clavi- 
Schatte^ 110 ^^ unc * Intercostalraum rechts und links multiple 

. . 30. Vl. 1914. Resultat: Nach 7^2monatlicher Behandlung mit drei 
tramoskulären und einer Siraultaninjektion Allgemeinbefinden 
J?y° ran d 0r t* Atemnot, Husten und Auswurf wechselnd; + Tuberkel- 
Gewicht beinahe stationär; eine Drüse am Unterkiefer wuchs 
«irend der Behandlung kl ein apfelgross, abscedierte. 

Sch it n Renbefund: Links hinten Dämpfung bis Spina, von da ab 
oallverkürzung bis zur Mitte des Interscapularraums; über der Dämpfung 


abgeschwächtes Atmen und Katarrh, der bis zum Angulus reicht. Links 
vorn supraclavicular, infraclavicular Dämpfung bis Costa 3; darüber 
feuchtes klingendes Rasseln; das Rasseln reicht bis unten. Rechts hinten 
Dämpfung; supraspinat abgesohwächtes Atmen bis zur Mitte des Inter¬ 
scapularraums; rechts vorn supraolavicular, infraclacicular Schall Ver¬ 
kürzung und Katarrh. 

Also: Links Zunahme der Dämpfung und des Katarrhs; 
das Rasseln klingend gewordeu. 

Röntgenbild: Beiderseits sehr starke Zunahme der Ver¬ 
schattung. 

Fall 17. Mann Bu., 87 Jahre alt. Krank seit 6 Jahren; 1908 
4 Monate in Heilstätte; seit einem halben Jahre sehr viel Husten, Aus¬ 
wurf, Brustschmerzen, Nachtschweisse. 

22. XI. 1918. Status: Gewicht 61 kg; -f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Rechts supraspinat geringe Verkürzung, 

schwaches Atmen, spärliches Rasseln bis zur Lungenbasis. Rechts vorn 
geringe Verkürzung, bis Costa 2; infraclavicular, schwach bronchiales 
Exspirium; links nichts besonderes. 

Röntgenbild: Rechts supraclavicular dunkler als links; sonst die 
rechte Lunge stärker marmoriert als die linke. 

16. VI. 1914. Resultat: Nach 7monatlicher Behandlung mit drei 
intramuskulären und einer Simultaninjektion Allgemeinbefinden 
schlechter. Gewichtsabnahme 4 kg; Husten und Auswurf sehr stark; 
-}- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Reohts hinten Schall Verkürzung bis zum oberen 
Drittel des Interscapularraums; darüber scharfes Atmen, Katarrh bis zur 
Basis. Rechts vorn supraclavicular und infraclavicular Schallver- 
kürzung, Katarrh; links vorn und hinten ohne Befund. 

Also: Lunge im wesentlichen unverändert. 

Röntgenbild: Wesentlich unverändert. 

Fall 18. Frau L., 35 Jahre alt. Krank seit einem Jahre; Husten, 
Auswurf, geringe Nachtschweisse. 

9. XII. 1913. Status: Gewicht 54,2 kg; -j- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund; Rechts hinten Dämpfung bis Mitte Scapula: sehr 
schwaches Atmen, Rasseln bis zur Basis. Rechts vorn supra- und 
infraolavioular tympanitische Dämpf ung; supraclavicular schwaches 
Atmen, Rasseln; infraolavioular schwaches Atmen, kein Rasseln. 
Links hinten supraspinat, links vorn supraclavicular Verkürzung, 
schwaches Atmen, spärlicher Katarrh. 

Resultat: Nach 4monatlicher Behandlung mit zwei intramuskulären 
Injektionen erhebliche Verschlechterung des Allgemein¬ 
befindens; Patientin ist dauernd bettlägerig; Gewichtsabnahme in 
3 Monaten 5,7 kg; Fieber, das vor der Behandlung nur gering war, er¬ 
reicht während der Behandlung häufig Temperaturen bis 39,8 und 40°C, 
so dass Antipyrin, Pyramidon gegeben werden mussten. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Mitte Scapula. 
Rechts supraspinat amphorisches Atmen, klingendes Rasseln. Rechts 
vorn tympanitische Dämfung bis unten; infraclavicular amphorisches 
Atmen, klingendes Rasseln. Links hinten Verkürzung bis Mitte Sca¬ 
pula, schwaches Atmen. Links vorn supraclavicular und infraclavicu¬ 
lar Dämpfung; Katarrh reichlich. 

Also: Rechts Dämpfung ausgedehnter; Cavernen- 

symptome entstanden. Links Zunahme von Dämpfung und 
Katarrh. Naoh brieflicher Mitteilung 3 Monate später geht 
es der Patientin sehr schlecht, sie ist dauernd bett¬ 
lägerig. 

Fall 19. Frau E. Sch., 32 Jahre alt. Krank seit 2 Jahren; Heil¬ 
stätte vor einem Jahr; keine Tuberkulinkur; viel Husten und Auswurf. 

23. II. 1914. Status: Gewicht 60,5 kg; -f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links supraspinat Verkürzung, spärlicher 

Katarrh, vereinzelt auch weiter abwärts. Links supraclavicular, infra- 
clavicular Verkürzung, bronchovesiculäres Atmen, spärlicher Katarrh. 
Rechts supraspinat Verkürzung, schwaches Atmen, kein Katarrh. Rechts 
supraclavioular Lungenschall, kein Katarrh. 

Röntgenbild: Linke Spitze oberhalb und unterhalb der Clavicula 
dunkler als rechts; weiter abwärts ist die Lunge ebenfalls undurch¬ 
sichtiger als rechts; im 3. lntercostalraum kleine Caverne. 

17. VI. 1914. Resultat: Nach 4 monatlicher Behandlung mit einer 
intramuskulären und einer intravenösen Injektion. Allgemeinbefinden 
unverändert. Gewichtsabnahme 2,5 kg; + Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links Verkürzung bis Spina, abgeschwächtes 
Atmen, reichlicher Katarrh bis zum Angulus. Links supraolavicular 
Verkürzung, feuchter und trockener Katarrh, bis zum 2. lntercostalraum. 
Rechts supraspinat und supraclavicular spärlicher Katarrh. 

Also: Links Zunahme des Katarrhs. Rechts Auftreten von 
Katarrh. 

Röntgenbild: Beiderseits starke Zunahme der Ver¬ 
schattung, besonders links. 


Fall 20. Frau B., 44 Jahre alt. Krank 
Auswurf, Hämoptoe, Frösteln; Mann tuberkulös. 


seit % Jahr; Husten, 


28. XI. 1913. Status: Gewicht 60,5 kg; 4 - Tuberkelbacillen. 
Lungenbefund: Rechts supraspinat Verkürzung bis Mitte der 
Scapula, schwaches Atmen, massig reichlicher Katarrh, vereinzelt bis 
Angulus. Rechts vorn geringe Verkürzung bis Costa 2; schwaches 
Atmen, reichlich feuchtes Rasseln. Links oben frei, unten und seitlich 
Katarrh. 


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UNIVERSUM OF IOWA 






BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


9. IV. 1914. Resultat*. Nach 4 1 /* monatlicher Behandlung mit zwei 
intramuskulären und einer intravenösen Injektion. Erhebliche Ver¬ 
schlechterung des Allgemeinbefindens. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Angulus, broncho- 
vesiculares Atmen. Rechts vorn tympanitische Dämpfung bis Costa 3; 
bronchiales Atmen über der ganzen Seite, reichliches, zum Teil klingendes 
Rasseln. Links vorn oben, links hinten oben Dämpfung, bronchiales 
Atmen und reichliches, zum Teil klingendes Rasseln. 

Also: Erheblicher Fortschritt der Lungenerkrankung; in 
der rechten Lunge Zunahme der Dämpfung; Auftreten von 
Bronohialatmen und klingenden Rasselgeräuschen; hinzu- 
gekommen ist ferner ein Infiltrat des linken Oberlappens, 
das vorher fehlte. 

Fall 21. Frau R., 36 Jahre alt. Krank seit U/s Jahren; Husten, 
viel Auswurf, Brustschmerzen, Heiserkeit; Nachtschweisse; wenig Appetit. 

21.11. 1914. Status*. Gewicht 61 kg; -f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Mitte Scapula, 
schwaches Atmen, massig reichlicher Katarrh, nach unten zu abnehmend. 
Rechts vorn tympanitische Dämpfung bis Costa 3; supraclavicular 
bronchiales Atmen, massig reichlicher Katarrh. Links hinten oben Ver¬ 
kürzung bis Spina, schwaches Atmen, vereinzeltes Rasseln. Links vorn 
geringe Verkürzung bis Costa 2, vereinzelter Katarrh. 

Röntgenbild: Rechts supraclavicular und infraolavicular starke 
Verdunkelung, ebenso in der Scapulargegend; linke Lunge wesentlich frei. 

1. VII. 1914. Resultat: Nach ± l j 4 monatlicher Behandlung mit zwei 
intramuskulären und einer intravenösen Injektion. Allgemeinzustand 
verschlechtert. Gewichtsabnahme 6 kg; viel Husten und Auswurf; 
-}- Tuberkelbacillen; mehrmals Fieberperioden während der Behandlung. 

Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Mitte des Inter- 
scapularraums, sehr reichlicher Katarrh, weiter abwärts scharfes Atmen 
und spärlicher Katarrh. Rechts vorn tympanitische Dämpfung, sehr 
reichlicher Katarrh bis Costa 3. Links supraspinat, supraclavicular, 
infraclavicular Schallverkürzung, verschärftes Atmen; kein Katarrh. 

Also: Rechts Zunahme des Katarrhs. Links wesentlich 
ebenso. 

RöDtgenbild: Starke Zunahme der Verschattung der 
ganzen rechten Seite; auch die linke Lunge ist im ganzen 
undurchsichtiger geworden. 

Fall 22. Mann Mo., 27 Jahre alt. Krank seit l ] /s Jahren; keine 
Heredität; Nachtschweisse; viel Husten, Auswurf, AbmageruDg, Hämoptoe; 
3 Monate in Heilstätte; keine Tuberkulinkur. 

3. XI. 1913. Status: Gewicht 71 kg; -f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis zur Spina, von da ab 
Verkürzung bis zur Lungenbasis; über der Dämpfung abgeschwächtes 
Atmen, reichlich feuchtes Rasseln bis fast zur Lungenbasis. Links 
vorn supraclavicular Dämpfung; supraclavicular und infraclavicular 
feuchtes Rasseln. Rechts supraspinat Verkürzung, vesiculares Atmen, spär¬ 
lich feuchtes Rasseln; in der Mitte des Interscapularrauros das Rasseln 
reichlicher; in der Gegend des Angulus scapularis deutliches Reiben. 
Rechts vorn supraclavicular und infraclavicular Verkürzung, spärlicher 
Katarrh. 

Röntgenbild: Linke Lunge supraolavicular und infraclavicular 
verschattet bis Costa 6. Rechts wesentlich frei bis auf verstärkte 
Schattenbildung in der Hilusgegend. 

7.1V. 1914. Resultat: Nach 5monatlicher Beobachtung mit zwei 
intramuskulären Injektionen. Sehr erhebliche Verschlechterung 
des Allgemeinbefindens; bereits 2 Monate nach Beginn der Be¬ 
handlung bat Patient 4 kg an Gewicht abgenommeD; die Abnahme 
dauert weiterhin an, wie Patient sohreibt; andauernd Fieber; andauernd 
bettlägerig; unter starker Atemnot ist rechts ein oircum- 
scripter Pneumothorax entstanden, 2 1 /* Monate nach Beginn 
der Behandlung. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Angulus, broncho- 
vesiculäres Atmen. Katarrh bis zur Lungenbasis. Links vorn tympanitische 
Dämpfung, Bronchialatmen, Katarrh bis unten. Rechts vorn oben und 
rechts hinten oben lauter Sohall mit kaum hörbarem Atemgeräusch an 
der Stelle, wo der Pneumothorax im Röntgenbilde sichtbar ist. Reobta 
hinten von der Mitte der Scapula ab Sohenkelschall (pleuritisches Ex¬ 
sudat). ' - 

Also: Links Zunahme der Dämpfung vorn und hinten; 
vorn Auftreten von Bronohialatmen, Ausdehnung des 
Katarrhs. Rechts oben Entwicklung eines Pneumothorax, 
rechts unten pleuritisches Exsudat entstanden. 

Röntgeobild: Links Zunahme der Verdunklung; multiple 
Schattenknoten. Rechts Pneumothorax zwischen dem 3. und 
5. Intercostalraum sowie Zunahme der Verdunklung von der 
7. Rippe ab. 

Fall 23. Mann W., 31 Jahre alt. Viel Husten und Auswurf; 
ein Bruder an Tuberkulose gestorben; 1903 in Heilstätte; 1912 Hämoptoe; 
kein Fieber; keine Nachtschweisse. 

11. XL 1918. Status: Gewicht 51,7 kg: -f- Tuberkelbacillen. 

Lnngenbefund: Links hinten oben Verkürzung bis Mitte Scapulae, 
darüber abgeschwächtes Vesiculäratmen, spärliches Rasseln bis zur 
Lungenbasis. Links vorn oben supraclavicular und infraclavicular Ver¬ 
kürzung, bronchovesiouläres Atmen, reichlich Rasseln, zum Teil klingend. 
Rechts supraclavicular und supraspinat geringe Verkürzung, kein 
Katarrh, nur am Angulus vereinzeltes Knacken. 


Röntgenbild: Beiderseits Verschattung, links oben mehr wie rechts. 

16. VI. 1914. Resultat: Nach 7 monatlicher Behandlung mit drei 
intramuskulären und einer Simultaninjektion. Allgemeinbefinden un¬ 
verändert. Gewichtsabnahme 1 kg; Husten, wie gewöhnlich im Sommer, 
besser; -f* Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links hinten oben supraspinat Dämpfung, darüber 
spärlicher Katarrh; interscapular, broncho vesiculares Atmen; weiter 
abwärts Atmen vesiculär. Links vorn oben supraclavioular und infra¬ 
olavicular Dämpfung, Katarrh; besonders infraclavicular reichlich, zum 
Teil klingend. Rechts supraspinat Dämpfung, schwach bronchiales 
Atmen, Katarrh, der bis zur Lungenbasis reicht. Rechts supraclavioular 
Dämpfung bis 2. Intercostalraum; supra- und infraolavicular Katarrh. 

Also: Kliuisoh links wesentlich ebenso. Rechts Zunahme 
von Dämpfung und Katarrh. 

Röntgenbild: Beiderseits starke Zunahme der Sohatten- 
dichtigkeit. 

Fall 24. Frau H. 58 Jahre alt. Krank seit Vs Jahr; Husten, 
Auswurf, Abmagerung; Heilstätte 2 Monate; keine Tuberkulinkur. 

12 . XI. 1918. Status: Gewicht 53,5 kg; -f - Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links hintea oben Dämpfung bis Mitte Soapula; 
darüber Bronohialatmen, feuchter und trockener Katarrh; letzterer ver¬ 
einzelt bis Lungenbasis. Links oben supra- und infraclavicular Dämpfung 
bis 1. Intercostalraum, verschärftes Atmen, reichlich Rasseln. Rechts 
supraspinat und supraclavicular Verkürzung, bronchovesiculäres Atmen; 
spärlicher Katarrh. 

Röntgenbild: Links oben Trübung der Spitze, oberhalb der 
Clavicula. 

17. VI. 1914. Resultat: Nach 7 monatlicher Behandlung mit zwei 
intramuskulären, einer intravenösen und einer Simultaninjektion. Allge¬ 
meinbefinden unverändert. Gewichtsabnahme 1 kg; Husten uod 
Auswurf reichlich; -f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links hinten supraspinat Dämpfung bis Mitte 
des Interscapularraums; darüber bronchiales Atmen; reichlicher Katarrh, 
fast bis zum Angulus. Links vorn supra- und infraclavicular Dämpfung; 
supraclavicular Rasseln, unbestimmtes Atmen. Rechts supraspinat 
Verkürzung, kein Katarrh. Rechts supraclavicular Verkürzung, rauhes 
Atmen. 

Also: Lungenbefund wesentlioh ebenso. 

Röntgenbild: Starke Zunahme der Verschattung in der 
linken Spitze. 

Fall 25. Mann Jo., 19 Jahre alt. Krank angeblich erst seit 
5 Wochen; Husten, Auswurf, Hämoptoe. 

5. XII. 1913. Status: Gewicht 69,5 kg; -f Tuberkelbacillen; gut 
genährt. 

Lungenbefund: Links hinten oben Verkürzung, schwach vesi- 
culäres Atmen; kein Katarrh. Links vorn oben Verkürzung, rauhes 
Atmen, ohne Katarrh. Rechts ohne Besonderheiten. 

Röntgenbild: Ganze linke Seite undurchsichtiger, mit einzelnen 
hellen Inseln; rechte Lunge wesentlich frei. 

23. VI. 1914. Resultat: Nach 6 1 /* monatlicher Behandlung mit drei 
intramuskulären und einer Simultaninjektion. Allgemeinbefinden 
unverändert. Gewichtszunahme 1 */t kg; Husten und Auswurf unver¬ 
ändert; -f- Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links hinten supraspinat Dämpfung bis zur 
Spina; über der Dämpfung abgeschwäohtes Atmen, spärlicher Katarrh. 
Links vorn supra- und infraclavicular Verkürzung, spärlicher Katarrh. 
Rechts überall schwaches Vesiculäratmen. 

AIbo: Links hinten oben Zunahme der Dämpfung. Links 
vorn oben und links hinten oben ist spärlicher Katarrh hinzu¬ 
gekommen. 

Röntgenbild: Links zunehmende Dichtigkeit der Schatten- 
bildung. 

Fall 26. Frau U., 36 Jahre alt. Krank seit 4 Jahren; Heredität; 
Brustschmerzen, Abmagerung, Husten, Auswurf. 

10. XI. 1913. Status: Gewicht 59,5 kg; + Tuberkelbacillen. 

Lungenbefund: Links hinten supraspinat Verkürzung, broncho- 
vesiculares Atmen, spärliches, feuchtes Rasseln bis zur Lungenbasis. 
Links vorn oben supra- und infraclavicular Verkürzung, bronebovesi- 
culäres Atmen. Rechts oben frei. Rechts hinten unten geringe Ver¬ 
kürzung, sohwaobes Atmen, kein Katarrh. Rechts vorn supra- und infra* 
clavioular Verkürzung, rauhes Atmen, vereinzeltes Knaokep. 

Röntgenbild: Links supraclavioular fleckig getrübt, infraolavicular 
Schattenbildung neben dem Sternalrande. Rechts unten Sobattenbildung 
neben dem Herzen. 

10. VI. 1914. Resultat: Nach 7 monatlicher Behandlung mit zwei 
intramuskulären und einer Simultaninjektion. Allgemeinbefinden 
stationär. Gewichtszunahme 2 1 { Z kg. 

Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Mitte Scapula, 
schwaches Atmen; reichlicher Katarrh bis Angulus; weiter hbwärts ver¬ 
schärftes Atmen. Links vorn Dämpfung bis Costa 8, bronchovesiculäres 
Atmen; supraclavicular spärlicher Katarrh, infraclavicular Giemen. Recht» 
supraclavioular und supraspinat scharfes Atmen. 

Also: Links erhebliche Zunahme der Dämpfung und des 
Katarrhs. 

Röntgenbild: Links und rechts erhebliche Zunahme der 
Verschattung. 


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UNIVERSITY OF IOWA 




10. Aogost 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1608 


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III. Tierversuche. 

Ich teile xunächst einige Versuche mit Reinkulturen 
Friedmann’scher Bacillen mit. 

Versuchsreihe L Im November vorigen Jahres inirden 4 Meer¬ 
schweinchen mit je 0,5 ccm einer Reinkultur von mensohliohen 
Tuberkelbaoillen suboutan vorgeimpft. Nach nicht ganz 7 Tagen, 
sobald die ersten Zeichen der Infektion an der Impfstelle auftraten, 
wurden 3 von diesen Tieren mit je 0,5 ccm einer starken Aufschwemmung 
von einer Reinkultur von SohildkrÖtenbacillen nachbehandelt und intra¬ 
muskulär am Oberschenkel injiziert. 10 Tage später erfolgte bei allen drei 
Meerschweinchen die zweite intramuskuläre Impfung von je 0,5 ocm Schild- 
krotenbaoillen; 8 Tage später die dritte Impfung von je 0,5 ccm derselben 
Reinkultur. Die mit den SohildkrÖtenbacillen nachbehandelten 
Tiere sind sämtlich lty 3 bis 2*/* Monate nach der Impfung 
mit den mensohliohen Tuberkelbaoillen an Tuberkulose zu¬ 
grunde gegangen. 

Sektionsbefund: Behandeltes Meerschweinchen 1,gestorben 
272 Monate nach der Impfung mit den menschlichen Tuberkulosebacillen. 
An der Impfstelle bohnengrosses Iofiltrat, beiderseits vergrösserte und 
verkäste Inguinaldrüsen. Milz vergrössert, Leber mit Knötchen und 
mehrfachen grauweissen, stellenweise durch Gallenfarbstoff gelb imbi- 
bierten Herden durohsetzt. In den Lungen sehr reichliche, kleinere und 
grössere graugelbe Knoten. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab in Milz, Leber und LuDge 
teils circumscripte zellreiche, aus runden lymphoiden und epithelioiden 
Zellen bestehende Knoten, mit spärlichen Riesenzellen, teils diffuses, 
tuberkulöses Granulationsgewebe, mit überall nachweisbaren säurefesten 
Bacillen. 

Behandeltes Meerschweinchen 2 stirbt ebenfalls 2Vs Monate 
nacfi der Impfung mit den menschlichen Tuberkelbacillen. 

Sektion: Beiderseits überbohnengrosse, käsige Inguinaldrüsen. Milz 
stark vergrössert, mit grossen, weissgrauen Inseln durchsetzt. Leber 
vergrössert, höckrig; einzelne graue Knötchen und multiple hellere, 
nekrotische Inseln. In beiden Lungen sehr zahlreiche, linsengrosse hya¬ 
line und gräugelbe Knoten. 

Mikroskopisch derselbe Befund wie bei dem vorigen Meerschweinchen. 

Behandeltes Meerschweinohen 3 stirbt l 1 /? Monate nach der 
Infektion mit den menschlichen Tuberkelbaoillen. 

Sektion: Inguinaldrüsen rechts bohnengross, mit käsigen Herden: 
Milz vergrössert mit prominenten Knötchen und mehrfachen, hellgrauen 
losein; Leber reiohliche, hirsekorngrosse Knötchen; LuDgen zahlreiche 
graue und hyaline Knoten. 

Das zu dieser Versuchsreihe zugehörige, mit mensohliohen 
Tuberkelbaoillen geimpfte, aber nicht mit Sohildkröten- 
bacillen behandelte Kontrolltier stirbt l 8 /« Monate nach der In¬ 
fektion. 

Sektion: Beiderseits käsige Inguinaldrüsen; Milz nicht vergrössert; 
Leber vereinzelte Knoten; Lunge ziemlich reichliche graugelbe Knoten. 

Die mikroskopische Untersuchung ergibt in den Leber- und Lungen- 
berdeu ganz denselben Typus der Wucherung, Rundzellen und Epithe- 
lioidzellen mit spärlichen Riesenzellen und geringer Nekrose, wie bei 
den behandelten Tieren; in der Milz, Leber, Lungen säurefeste Bacillen 
nachweisbar. 

Versuchsreihe II. In der folgenden Versuchsreihe sind 5 Meer“ 
schweinchen mit je 0,5 ccm einer Reinkultur menschlicher Tuberkel' 
bacillen subcutan vorgeimpft. Nach nicht ganz 14 Tagen erfolgt die 
Nachbehandlung mit einer von mir aus Ampulle Grün 1 Friedmann 
hergestellten Reinkultur von Schildkrötentuberkelbacillen. Von dieser 
Kultur bekommen innerhalb l®/ 4 Monaten Meerschweinchen 1 eine intra¬ 
muskuläre Injektion von 0,3 ocm; Meerschweinchen 2 und 3 je drei In¬ 
jektionen von 0,3 ccm; Meerschweinchen 4 zwei Injektionen von je 0,3 ccm 
Fnedmann’scher Bacillen. Als dieNachbehandlung anßng, waren nur im Be¬ 
reiche der Impfstelle der menschlichen Tuberkelbacillen geringe Zeichen der 
Infektion vorhanden, geringe Infiltration und kleine Inguinaldrüsen. 
Sämtliche mit Friedmann nachbehandelten Tiere sind inner¬ 
halb U/ 4 bis 3 Monaten nach der Infektion mit den mensch¬ 
lichen Tuberkelbacillen gestorben. Alle Tiere ergaben bei 
der Sektion tuberkulöse Organveränderungen, di© besonders 
8 ^ Mr k waren bei den Tieren 2 und 3, gestorben naoh 2 3 / 4 und 3 Monaten. 

Behandeltes Meerschweinchen 2. Sektion: Rechts zwei 
bohneogrosse, käsige Inguinaldrüsen und Axillardrüsen; Milz stark ver- 
pösaert, mit submiliaren Knoten, in denen säurefeste Bacillen nach¬ 
weisbar; Leber miliare Knoten und grauweisse, nekrotische Herde; 
T Tuberkelbaoillen; Lunge ausserordentlich reiohliche grauweisse Knoten; 
T Tuberkelbacillen. 

Behandeltes Meerschweinchen 3. Sektion: Ueber Bohnen- 
pwse, käsige Inguinal- nnd Axillardrüsen; sehr grosse Milz mit Knoten 
uoq grauweissen nekrotischen Einsprengungen; reichliche grüngelb imbi- 
bierte Leberherde; sehr zahlreiche graue Knoten in der Lunge. 

Mikroskopische Untersuchung von Leber und Lungen: Umschriebene 
Knoten aus epithelioiden und lymphoiden Zellen bestehend, ferner be- 
•onaera in der Leber ausgedehnte Züge von tuberkulösem Granulatious- 
durchsetzt von Bindegewebsfasern; säurefeste Bacillen in Milz, 
Leber, Lungen nachweisbar. 

Versuchsreihe III. Bereits am 6 . Tage nach der Vorimpfung 
out V, der bisher gebrauchten Dosis menschlicher Tuberkelbaoillen 
»erden 4 Meersohweipchou mit einem neuen Stamm von SchUdkrptep- 


tuberkelbacillen nachbehandelt. Die Tiere bekamen innerhalb 1 bis 
272 Monaten 9, 13, 14, 13 Injektionen, und zwar jedesmal 0,5 ccm 
Schildkrötentuberkelbacillen injiziert. Die mit Schildkrötentuberkel' 
bacillen naohbehandelten Tiere sind sämtlich gestorben, 

1V* bis 3*/ 4 Monate naoh der Infektion mit den mensohliohen 
Tuberkelbacillen. 

Behandeltes Meerschweinchen 1. Intraperitoneal vorgeimpft 
mit menschlichen Tuberkelbaoillen, bekommt 9 Injektionen von 
Schildkrötentuberkelbacillen, je 0,5 ccm. Tot 17t Monate nach der In¬ 
fektion mit den menschlichen Tuberkelbacillen. 

Sektion: An der Injektionsstelle käsiger Herd in der Bauchwand; 
Netz verdickt mit käsigen Knoten; Milz vergrössert mit grauweissen, 
nekrotischen Herden; Leber zahlreiche miliare Knötchen; Lungen sehr 
reichliche miliare und grössere hyaline und grauweisse Knoten; Aus¬ 
strichpräparate von dem käsigen Abscess an der Impfstelle, von Leber, 
Milz, Lungen, reichliehe Tuberkelbacillen. 

Behandeltes Meerschweinchen 2. Intraperitoneal mit den 
mensohliohen Tuberkelbacillen vorgeimpft; darauf 13 Injektionen mit 
Schildkrötentuberkelbacillen, je 0,5 ccm; tot 3 Monate nach der Impfung 
mit den menschlichen Tuberkelbacillen. 

Sektion: Rechts und links bohnengrosse käsige Iogunialdrüsen; 
Netz zusammengerollt mit sechs erbsengrossen käsigen Knoten; Milz 
erbeblich vergrössert, mit grauweissen, über die Oberfläche promi- 
nierenden Knötchen; Lungen mit zahlreissen grauweissen, kleinen und 
grösseren konfluierten Knoten. 

Mikroskopisch: Io Schnittpräparaten von Milz, Leber, Lungen, teils 
umschriebene Knoten aus Epithelioiden- und Rundzellen zusammengesetzt, 
teils diffuses, tuberkulöses Granulationsgewebe, das auch von Spindel- 
zelten durchsetzt ist; in den Sohnitten der verschiedenen Organen säure¬ 
feste Tuberkelballen nachweisbar. 

Behandeltes Meersohweinohen 3. Subcutan mit menschlichen 
Tuberkelbacillen vorgeimpft; danaoh 14 Injektionen mit Schildkröten¬ 
tuberkelbacillen; tot 8% Monate nach der Infektion mit den mensch¬ 
lichen Tuberkelbacillen. 

Sektion: Ueber bohnengrosse, käsige Inguinal- und Axillardrüsen; 
grosse Milz; Leber mit zahlreichen kleinen und grösseren weissgrauen 
Herden; Portaldrüse vergrössert, mit käsigen Einsprengungen; Lunge 
sehr reichlich hirsekorn- bis linsengrosse grauweisse Knoten; in Aus- 
strichpräparateo aus Milz, Leber, Lungen säurefeste Bacillen. 

Behandeltes Meerschweinchen 4. Subcutan mit menschlichen 
Tuberkelbaoillen vorgeimpft; danach 13 Injektionen mit Schildkröten¬ 
tuberkelbacillen, je 0,5 ccm; tot 27s Monate nach der Infektion mit 
den mensohliohen Tuberkelbaoillen. 

Sektion: Beiderseits über bohnengrosse käsige Inguinaldrüsen 
und beiderseits über erbsengrosse käsige Axillardrüsen; Milz erheblich 
vsrgrossert; Leber mehrfache grauweisse Herde; beide Lungen übersät 
mit birsekorogrossen grauweissen Knoten. 

Mikroskopisch: Schnitte au9 Milz, Leber, Lunge Tuberkel aus 
Epitheloid- und Rundzellen bestehend, sowie mehr diffuses tuberkulöses 
Granulationsgewebe mit Tuberkelbacillen. 

Kontrollmeersohweincben 5. Das nur mit menschlichen 
Tuberkelbacillen geimpfte, aber nicht mit Schildkrötentuberkelbacillen 
nachbehandelte Kontrollmeersohweinchen stirbt ebenfalls erst 3 Monate 
nach der Impfung, also später, als zwei von den behandelten Tieren. 

Sektion: Rechts bohneogrosse, käsige Inguinaldrüsen; Milz stark 
vergrössert; Lunge sehr zahlreiche graue Knoten; Bronchialdrüsen ver¬ 
grössert, mit käsigen Einsprengungen. 

Die tuberkulösen Veränderungen der inneren Organe 
sind bei dem nichtbebandelten Kontrolltier nicht erheb¬ 
licher als bei den mit Schildkrötentuberkelbacillen naoh¬ 
behandelten Tieren. 

Versuchsreihe IV. Die hierher gehörigen Tiere sind in 2 Fällen 
7 Tage nach intraperitonealer Vorimpfung, in 2 Fällen 13 Tage nach 
suboutaner Verimpfung mit menschlichen Tuberkelbacillen zu einer Zeit, 
als die Inguinaldrüsen eben anfiogen, anzuschwellen, mit Schildkröten¬ 
tuberkelbacillenkultur in Behandlung genommen. Die Tiere bekamen inner¬ 
halb , / 2 —2 3 / 4 Monaten 4, 10, 14, 15 Injektionen mit Schiidkrötentuberkel- 
bacillen und zwar jedesmal 0,5 ccm injiziert. Meerschweinchen 1 
bekommt entsprechend der intraperitonealen Vorimpfung die 4 Iojektionen 
Schildkrötentuberkelbacillen intraperitoneal; die anderen drei Meer¬ 
schweinchen intramuskulär injiziert. Die behandelten Tiere gehen 
sämtlich innerhalb 23 Tagen, 17s. 57s» 87i Monaten nach der 
Vorimpfung mit den mensohlichenTuberkelbaoillen zugrunde. 
Die beiden nur mit mensohliohen Tuberkelbacillen ge¬ 
impften, aber sonst nicht weiter mit Schildkrötentuberkel' 
bacilleu naohbehandelten Kontrolliere starben 37« resp. 
erst 6 8 / 4 Monate nach der Impfung; also jedenfalls verlängerte die 
Behandlung nicht das Leben der Tiere gegenüber den nicht behandelten 
Kontrollieren. Die Sektion ergab bei den behandelten Tieren 
verkäste Inguinaldrüsen, starke tuberkulöse Erkrankungen des Netzes 
mit käsigen Knoten bei den intraperitoneal geimpften TiereD, Tuberkulose 
der Leber und Milz und besonders die Lungen übersät mit stecknadel¬ 
kopfgrossen und grösseren konfluierten, im Centrum zum Teil verkästen 
Knoten. Die tuberkulösen Veränderungen sind bei den mit 
der Reinkultur behandelten Tieren ebenso reichlich wie bei 
dep nichtbebandelten Tieren. 

3* 


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Original frn-m 

UMIVERSITY OF IOWA 




1504 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


In den bisher mitgeteilten Versnchen sind die mit 
den menschlichen Tuberkelbacillen vorbehandelten 
Tiere mit Reinkulturen von Schildkröte nt uberkel- 
bacillen nachbehandelt worden. Nach Freigabe des 
Friedmann’scben Mittels sind nun in weiteren Versuchs¬ 
reihen mit menschlichen Tuberkelbacillen vorgeimpfte 
Meerschweinchen mit der von Friedmann hergestellten 
Impfflüssigkeit selbst behandelt worden. 

Versuchsreihe V. Vier Meerschweinchen werden nicht ganz 7 Tage 
nach der Vorimpfung mit 0,5 ccm menschlicher Tuberkelbacillen — 
die Impfung geschah io 2 Fällen intraperitoneal und in 2 Fällen subcutan — 
innerhalb I 3 /*—2 Ä /* Monaten mit 4 Injektionen von je 0,5 ccm Impfflüssig¬ 
keit (grün 1) nachbehandelt. Drei von den mit der Impf¬ 
flüssigkeit nachbehandelten Tieren gehen 2, 3' 3 , 3% Monate 
nach der Vorimpfung mitden menschlichen Tuberkelbacillen 
zugrunde; eines von diesen Tieren lebt nooh, zeigt aber 
deutliche Zeichen der vorhandenen Erkrankung; beider¬ 
seits starke Inguinaldrüsen. 

Die Sektion ergab ausser käsigen Inguinaldrüsen bei dem sub¬ 
cutan geimpften Tier sowie käsigen, säurefeste Bacillen enthaltenden 
Knoten im Netz bei den intraperitoneal geimpften Tieren, in allen Fällen 
Tuberkel in Milz und Leber sowie besonders zahlreiche kleinere udü 
grössere Tuberkuloseherde in den Lungen; die Bronchialdrüsen in zwei 
Fällen vergrossert, mit käsigen Einsprengungen; Tuberkelbacillen in den 
Knoten uq,d Herden der einzelnen Organe nachweisbar. 

Das ebenfalls mit 0,5 ccm menschlicher Tuberkelbacillen 
intraperitoneal geimpfte Kontrolltier starb erst über fünf 
Monate nach der Infektion, also viel später als die be¬ 
handelten Tiere. 

Sektion des Kontrolltiers: Tuberkulose von Netz, Milz, Leber, 
Lunge. 

Versuchsreihe VI. Zwei Meerschweinchen werden nicht ganz 
II Tage nach der subcutanen Vorbehandlung mit 0,5 ccm mensch¬ 
licher Tuberkelbacillen, innerhalb l 1 /* Monaten mit 2 Injektionen von 
je 0,25 ccm Friedmann’scher Impfflüssigkeit (grün I) nachbehandelt. 
Beide mit der Impfflüssigkeit behandelte Tiere sind 2 bzw. 
2 l ft Monate nach der Vorimpfung mit den menschlichen 
Tuberkelbacillen gestorben. Das nur mit den menschlichen 
Tuberkelbacillen geimpfte, sonst nicht weiter behandelte 
Kontrolltier geht ebenfalls 2 Monate nach der Impfung mit 
den menschlichen Tuberkelbacillen ein. 

Die Sektion ergibt bei den behandelten Tieren wie bei dem nicht- 
bebandelten Kontrolltier ausser verkästen Inguinaldrüsen besonders in 
den Lungen reichliche stecknadelkopf- bis linsengrosse Knoten; Ausstrich¬ 
präparate aus Milz, Leber, Lunge Tuberkelbacillen. 

Versuchsreihe VH. Zwei Meerschweinchen, subcutan vorgeimpft 
mit 0,5 ccm menschlicher Tuberkelbacillen. Beginn der Behandlung 
22 Tage nach der Vorimpfung; beide Tiere bekommen innerhalb l l / 2 Monaten 
je 4 subcutane bzw. intramuskuläre Injektionen von je 0,25 ccm Fried- 
mann'scher Impfflüssigkeit (grün I). Beide behandelte Tiere sind 
2 Monate nach der Impfung mit den menschlichen Tuberkel- 
bacitlen gestorben. 

Das zugehörige, nur mit den menschlichen Tuberkel¬ 
bacillen geimpfte, sonst nicht weiter behandelte Kontroll¬ 
tier starb gleichfalls 2 Monate nach der Impfung. 

Sektion, sowohl die mit der Impfflüssigkeit behandelten Tiere als 
das Kontrolltier: Vergrösserte und verkäste Inguinaldrüsen; vergrösserte 
Milz mit Tuberkelbacillen; Lunge mit hyalinen und graugelben Knoten, 
die Tuberkelbacillen enthalten, und die bei den behandelten Tieren 
sogar viel reichlicher sind als bei dem nicbtbehandelfcen Kontrolltier. 


Sind die Würmer, besonders die Oxyuren, direkt 
oder indirekt schuld an der Appendicitis? 

Von 

L. Aseheff. 

Im Jahre 1911 schrieb ich in der zweiten Auflage meines 
Lehrbuches über die Ursachen der Appendicitis: „Noch weniger 
begründet ist die Beschuldigung von Eraaillesplittern, einseitiger 
PflanzennahruDg, der Würmer wie der Oxyuren, Trichocephalen usw. 
Noch niemals ist der Beweis für die ätiologische Bedeutung be¬ 
sonders der in der Literatur so beliebten Würmer erbracht. Da¬ 
gegen kann nicht scharf genug betont werden, dass bei der all¬ 
gemeinen Appendicitisangst Wurmfortsätze in grosser Zahl ex- 
stirpiert werden, die keine Spur von akuter oder abgelaufener 
Entzündung anfweisen, in denen auch nichts von Fieber oder Peri¬ 
tonealreizung bestand, in weichen aber eine starke Wurminfektion 
appendicitisäbnliche Erscheinungen auslöste. Eine Kotnntersuchung 
hätte die Exstirpation unnötig gemacht, falls man dieselbe nicht 
als allgemeine prophylaktische Maassnabme durchführen will. u 
Aus diesen Sätzen geht hervor, dass ich die Häufigkeit der Wurm¬ 


infektion des Wurmfortsatzes und auch ihre klinische Bedeutung 
sehr wohl kannte, indem ich ausdrücklich darauf hinwies, dass 
dadurch appendicitisähnliche Bilder hervorgerufen werden können. 
Ich habe das auch wiederholt in Fortbildungsvorträgen und Dis¬ 
kussionen über diesen Gegenstand in Freiburg zum Ausdruck ge¬ 
bracht. Allerdings habe ich darüber nicht eingehender publiziert; 
aber jedenfalls beweist der obige Passus genügend, dass mir die 
Wurminfektion des Wurmfortsatzes und seine Folgen nicht un¬ 
bekannt gewesen sind. 

Erst ein Jahr später begannen die Publikationen von Rhein- 
dorf, in welchen derselbe nicht nur auf die relative Häufigkeit 
der Oxyureninfektion des Wurmfortsatzes erneut aufmerksam macht, 
sondern daraus auch die Schlussfolgerung zieht, dass durch dieselbe 
echte Appendicitis, d. b. die bekannte entzündliche Wurmfortsatz¬ 
erkrankung mit allen ihren Folgen direkt oder indirekt hervorgerafen 
werden könnte. Ich habe mich zwar gegen diese letzten Schluss¬ 
folgerungen Rheindorf gewandt, im übrigen aber in seinen Aus¬ 
führungen durchaus eine Bestätigung der von mir 1911 vertretenen 
Anschauung gesehen, dass eben durch Oxyuren Infektionszustäode 
hervorgerufen werden können, welche dem behandelnden Arzt eine 
echte Appendicitis Vortäuschen. Ich habe auch meine Gründe an¬ 
gegeben, warum ich trotz der von Rheindorf beschriebenen Be¬ 
funde den Oxyuren nicht die Rolle als direkte oder indirekte 
Appendicitiserreger zuschreiben kann und habe besonders darauf 
aufmerksam gemacht, dass viele der von ihm beschriebenen Schleim- 
hautveränderungen als Kunstprodukte aufzufassen sind. Im übrigen 
habe ich durch die Arbeit meines Schülers Hu eck 1 ) noch genauer 
über die Häufigkeit der Oxyureninfektion und die dadurch her¬ 
vorgerufenen Zustände in der Schleimhaut des Wurmfortsatzes be¬ 
richten lassen. In der neuesten Auflage meines Lehrbuches habe 
ich daher an meinem ablehnenden Standpunkt in Bezug auf die 
Bedeutung der Oxyuren als Erreger der Appendicitis festgebalten, 
andrerseits meinen früheren Passus über die klinische Bedeutung 
der Wurminfektion erst recht unverändert bestehen lassen. 

In den Nummern 26/27 dieser Wochenschrift erhebt nun Rhein ¬ 
dorf eine mir nicht ganz begreifliche heftige Anklage gegen mich, 
dass ich trotz seiner vielfachen Publikationen über die Bedeutung 
der Oxyureninfektion für die Appendicitis dieser seiner Auffassung 
keinen Raum gegeben hätte und damit die Bedeutung der Oxyuren- 
infektion in den Augen der praktischen Aerzte heruntersetzte. Er 
glaubte auch besondere Kritik an meinen früheren Arbeiten vor¬ 
nehmen zu müssen, indem ich der Oxyureninfektion viel zu wenig 
gedacht hätte. Er glaubt, dass durch seine Arbeiten die Appen- 
dicitisfrage in ein ganz anderes Liebt gerückt worden wäre. Dar¬ 
über vermag ich als Beteiligter natürlich nicht zu urteilen. Aber 
ich darf mich wohl hier gegen die von Rheindorf erhobenen Vor¬ 
würfe kurz verteidigen. Ich würde das nicht getan haben, wenn 
nicht Reindorf die ganze Frage auf die Bedeutung der Wurm¬ 
infektion für die Appendicitis zuspitzte, nnd da glaube ich aller¬ 
dings mit meiner Auffassung nicht zurückhalten zu dürfen. 

Wenn ich in meinen früheren Publikationen nur nebenbei auf 
die Oxyurenfrage eingegangen bin, so batte das seinen besonderen 
Grund. Mir kam es damals vor allem darauf an, die ganze Ent¬ 
wicklung des appendicitischen Anfalles klarzustellen, und so habe 
ich mich natürlich vorwiegend mit den entzündeten Wurmfort¬ 
sätzen beschäftigt und dabei feststellen können, dass irgendwelche 
direkten Beziehungen zwischen Oxyuren und der Entstehung der 
Primärinfekte, welche den ganzen entzündlichen ProzesB einleiten, 
nicht besteben. Da ich die akut entzündeten Wurmfortsätze ziem¬ 
lich genau an Stufen- und vielfach auch an Serienschnitten unter¬ 
sucht habe, so hätten mir derartige Beziehungen, besonders wenn 
sie etwa häufiger waren, gewiss nicht entgehen können. Ueber 
die Verhältnisse in nicht entzündeten Wurmfortsätzen habe ich 
seinerzeit keine weiteren Angaben gemacht, weil, ich von den ge¬ 
legentlichen Befunden von Oxyuren in unveränderter Scbleimhaat 
abgesehen, keine positiven Angaben über histologisch-pathologisch 
nachweisbare Erscheinungen der Oxyureninfektion machen konnte, 
die Tatsache aber, dass Trichocephalen, ja anch Oxyuren in die 
Schleimhaut eindringen, durch die Arbeiten Askanazy’s und seiner 
Schüler bekannt war. Erst der Umstand, dass ich relativ häufig 
ganz intakte Wurmfortsätze zugeschickt bekam, in deDen sich keine 
histologischen Veränderungen fanden, in deren kotigem Inhalt ich 
aber Oxyuren oder Eier von Trichocephalen nachweisen konnte, 
brachte mich auf die Vermutung, dass in diesem Falle die Würmer 
die Ursache der klinisch beobachteten dumpfen Schmerzempfindnng 
in der lleocoecalgegend gewesen sein könnten. Ich habe dann 


1) Siehe dort auch die Literatur. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




10. Angqst 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1505 


genauer nacbgefragfc und in der Tat feststellen können, dass in 
der Mehrzahl der Fälle die betreffenden Kranken ausser dem lokali¬ 
sierten Schmerz und den Druckempfindungen weder eine ausge¬ 
sprochene Temperatursteigerung noch Zeichen peritonealer Reizung 
aufgewiesen batten. Diese Tatsachen brachten mich zur Ueber- 
zeugung, dass eine nicht unerhebliche Zahl sogenannter pseudo- 
appeodicitischer Anfälle durch eine Wurminfektion bedingt ist, 
und dieser Auffassung habe ich in meinem Lehrbuch Ausdruck 
gegeben. Die später erschienenen Arbeiten von Rheindorf haben, 
wie ich bereits früher hervorgehoben, diese meine Anschauung in 
vollem Umfang bestätigt, und ich kann Herrn Kollegen Rheindorf 
für seine Mitarbeit auf diesem Gebiete nur dankbar sein; denn 
auch seine Untersuchungen haben gezeigt, dass in einem nicht 
kleinen Prozentsatz von Appendixoperationen an dem Wurmfort¬ 
satz nichts anderes als eine Oxyureninfektion festzustellen war, 
ohne dass irgendwelche Zeichen eines entzündlichen Zustandes im 
Sinne einer beginnenden oder fortschreitenden Appendicitis bestanden. 

Freilich behauptet Rh eindorf, und damit komme ich zu der 
zwischen uns bestehenden Differenz, dass die Oxyuren nicht nur 
appendicitisähnliehe Erscheinungen hervorrufen, sondern dass sie 
auch an der echten Appendicitis schuld sind, und dass auch dort, 
wo keine echte Appendicitis vorliegt, sehr erhebliche mit Fieber 
verbundene Veränderungen am Wurmfortsatz hervorgerufen werden 
können. Ich meinerseits habe behauptet, dass die pseudoappen- 
dicitiscben Anfälle von den echten appendicitischen Anfällen vor 
allem durch das Fehlen des Fiebers zu unterscheiden wären, und 
dass ferner die von Rheindorf an den nicht entzündeten Wurmfort¬ 
sätzen beschriebenen Veränderungen gar nicht auf die Würmer zurück- 
zuführen sind, sondern nichts anderes als Kunstprodukte darstellen. 

Da mich Rbeindorf von neuem in einer ziemlich brüsken 
Form zur Rede stellt, indem er meine Schlussfolgerungen als 
unhaltbar und für die Praxis irreführend bezeichnet, weil ich von 
ganz irrigen Voraussetzungen ausginge, so muss ich kurz darauf 
eingehen. Mir sind allerdings solche irrigen Voraussetzungen 
nicht bekannt. Anscheinend meint Rh ein dorf damit, dass ich 
die Oxyureninfektion des Wurmfortsatzes nicht genügend gekannt 
habe. Demgegenüber verweise ich auf die Ausführungen in meinem 
Lehrbuch. Die Tatsache des Vorkommens von Oxyuren in ge¬ 
sunden Wurmfortsätzen war ja vor meinen und Rheindorf’s Ar¬ 
beiten schon genügend beschrieben, so dass ich darüber keine 
weiteren Worte zu verlieren brauchte. Es bleibt also nur die 
Frage: Rufen die Oxyuren iu der Regel fieberhafte Anfälle hervor, 
die sowohl klinisch wie pathologisch anatomisch mit der echten 
Appendicitis identifiziert werden können, oder nicht? Was das 
klinische Bild anbetrifft, so muss ich nach wie vor daran Fest¬ 
halten, dass der pseudoappendicitische Anfall, der durch die 
Wurminfektion hervorgerufen werden kann, in der Regel fieberfrei 
verläuft. Dass natürlich bei schweren Infektionen Fiebersteige 
mögen Vorkommen können, und dass man nicht nach dem Fieber 
allein die Fälle trennen kann, halte ich für so selbstverständlich, 
dass ich nicht weiter darauf einzugehen brauche. Dass es auch 
echte Appendicitisanfälle ohne Fieber gibt, ist mir natürlich be¬ 
kannt, und ich habe das ja ausdrücklich in meiner Monographie 
hervorgehoben. Wenn ich das Fehlen des Fiebers bei der Pseudo- 
appendicitis betont habe, so wollte ich eben die Aufmerksamkeit 
darauf lenken, dass gerade in solchen Fällen, wo der Anfall 
fieberfrei verläuft, an Würmer gedacht werden muss. Dass ich 
aber deswegen die sofortige Verabreichung eines Abführmittels 
vorgeschlagen hätte, wie es nach den Worten Rheindorf’s er¬ 
scheinen könnte, ist nicht richtig. Ich würde damit 3ie Tradition 
verleugnen, die ich aus den Händen eines erfahrenen Praktikers 
empfangen habe. Wenn ich nun auf Grund meines Materials 
gerade das Fehlen der Temperatursteigernng — von Ausnahmen 
selbstverständlich abgesehen — als charakteristisch hervorgehoben 
habe, so kann ich mich auch nicht durch das von Rheindorf vor¬ 
gebrachte Material davon überzeugen lassen, dass es sich bei mir 
nur um einen Zufall gehandelt haben konnte. 

Ich habe schon einmal hervorgehoben, dass unter den hier in Be¬ 
tracht kommenden Fällen von Rhein dorf von Oxyureninfektion ohne 
anatomisch nachweisbare Zeichen einer echten Appendicitis — es sind 
das im ganzen 9 Fälle — keiner eine Temperatur von über 37,6 0 gehabt 
«at- Bheindorf macht mich darauf aufmerksam, dass es sich hier um 
^P^utcmperaturen handelt, und ich muss zugeben, dass 37,6° am Morgen 
erhöhte Temperatur bedeutet. Ich lasse nun die 9 Fälle noch einmal 
wlgeu: Nr. 10 Temperatur 37,3°, Nr. 12 ohne Fieber, Nr. 13 kein Fieber 
Jfeitens des Arztes festgestellt), Nr. 22 ohne Fieber, Nr. 23 kein Fieber, 
2 r ? em P«atur 37,6°, Nr. 26 Temperatur 37,4°, Nr. 28 kein Fieber, 

Nr. 29 kein Fieber. 

Das heilst also von 9 Fälle 6 sicher ohne Fieber, 3 mit erhöhter 


Morgentemperatur. Dem stehen 14 Fälle von akuter Appendicitis in 
anatomischem Sinne, ohne Oxyurenbefund, gegenüber. Die Temperaturen 
sind folgende: 


Nr. 

Temperatur 

Nr. 

Temperatur 

3 

39,0« 

11 

39,30 

4 

37,8° 

14 

37,5° 

5 

37,6° 

16 

37,9° 

6 

37,8« 

18 

38,7° 

7 

37,3° 

20 

38,5° 

8 

38,6° 

25 

37,6° 

9 1 

37,60 

27 

38,3° 


Unter diesen Fällen findet sich kein einziger fieberfreier Fall, und 
nur 5 sind darunter, bei welchen die Morgentemperatur 37,3 bis 37,6° 
beträgt, also so viel wie die 3 Fälle von Pseudoappendicitis mit erhöhter 
Morgentemperatur. Wenn schon diese grosse Differenz durchaus zu¬ 
gunsten meiner Anschauungen spricht, so darf ich vielleicht noch hervor¬ 
heben, dass selbstverständlich neben der Temperatur, die ja bekanntlich 
nicht immer eindeutig ist, der Puls berücksichtigt werden muss. Nun 
ist zu beachten, dass unter den 3 Fällen von Pseudoappendicitis, wo die 
Morgentemperatur zwischen 37,3 und 37,6° lag, der Puls, soweit ange¬ 
geben, stets normal war, nämlich 84 betrug. Dagegen zeigen von den 
5 Fällen echter Appendicitis mit Morgen temperatur von 87,3° und 37,6° 
3, nämlich die, bei denen die Pulszahl angegeben ist, die Zahlen 94, 
100 und 116. In 2 Fällen ist der Puls nicht vermerkt. Ich glaube 
also, dass gerade das Material von Rhein dorf, wenn es reoht kritisch 
von den Augen eines praktischen Arztes betrachtet wird, doch genügend 
Anhaltspunkte bietet, um eine Unterscheidung zwischen der durch Würmer 
hervorgerufenen Pseudoappendicitis und der echten Appendicitis durch¬ 
zuführen. Auch unter den in seiner neuesten Publikation angeführten 
Fällen finde ich keinen Fall von reiner Wurminfektion vermerkt, bei 
dem etwa die pseudoappendicitischen Anfälle mit typischen Fiebersteige- 
rungen verbunden gewesen wären. Damit will ich selbstverständlich 
nicht leugnen, dass gelegentlich einmal Fieber auftreten kann oder auch 
eine leichte Erhöhung der Temperatur. Aber selbst dann ist die Frage, 
wie weit die Gegenwart der Würmer im Wurmfortsatz schuld an der 
Temperatursteigerung war, schwer zu beantworten. Ich habe wiederholt 
Fälle gesehen, io denen bei Kindern mit plötzlicher Fiebersteigerung und 
Schmerzen im Leib, besonders in der Ileocoeealgegend der sofort exstir- 
pierte Wurmfortsatz gar keine Zeichen von Entzündung, auch keine Wurm¬ 
infektion aufwies, das Fieber aber anscheinend im Anschluss so die 
Operation verschwand. WeDn man nun berücksichtigt, dass gerade bei 
Kindern leicht FiebersteigeruDgen bei anderweitig bedingten intestinalen 
Reizungen nicht selten auftreten, so wird man bei der relativen Häufig¬ 
keit der Wurminfektion nicht ohne weiteres jede Temperatursteigerung 
mit den etwa im Wurmfortsatz Vorgefundenen Würmern in Verbindung 
bringen wolleD. 

Ich glaube also nachgewiesen zu haben, dass das Material 
von Rheindorf selbst in entscheidender Weise zu meinen 
Gunsten spricht. Ich bin aber in der Lage, auch noch neues 
Material vorzulegen. Aus Rheindorl’s Entgegung könnte man 
herauslesen, dass ich mich um das von ihm neuerdings intensiver 
bearbeitete Problem der Oxyureninfektion gar nicht kümmerte, 
während das Gegenteil der Fall ist. Ein Schüler von mir, 
Dr. Matsuoka, wird demnächst Gelegenheit nehmen, ausführ¬ 
licher über eine genau untersuchte Serie von 103 Wurmfortsätzen 
mit spezieller Berücksichtigung der Wurminfektion zu berichten. 
Davon waren 33 Fälle von frischer (histologisch bestätigter) 
Appendicitis, darunter 3 Fälle mit Oxyuren (9 pCt.) und 70 Fälle 
ohne frische Entzündung, darunter 26 Fälle mit Oxyuren (37 pCt.). 
Von diesen 26 Fällen mit OxyureD, von denen 20 Druckempfind¬ 
lichkeit oder Schmerzen der Ileocoeealgegend aufwiesen und zum 
Teil wegen dieser appendicitischen Schmerzen zum Chirurgen ge¬ 
schickt worden waren, bei denen aber keine akute Appendicitis 
histologisch nachweisbar war, waren 18 Fälle völlig fieberfrei, dar¬ 
unter gerade 2 Fälle mit ganz akuten Anfallserscheiuungen, nur 
in 6 Fällen waren Temperaturen bis 37,5° beobachtet, in 2 Fällen 
wurden keine Temperaturmessungen vorgenommen. Ich glaube, 
dass ich mir keine bessere Bestätigung meiner früheren Be¬ 
hauptung als diese Zahlen wünschen kann. 

Nun aber bestreitet Rheindorf nicht nur die klinischen Unter¬ 
schiede zwischen der durch Würmer bedingten Pseudoappendicitis 
and der echten Appendicitis, sondern er behauptet, dass die Würmer 
auch eine im histologischen Sinne echte Appendicitis hervorrufen 
können, allerdings weniger direkt als indirekt, indem sie ein sehr 
lebhaftes Zerstörungswerk an der Wurmfortsatzschleimbaut ver¬ 
richten and zwar ganz besonders in der Tiefe der Buchten 
Epitbelläsionen hervorrufen, welche durch sekundäre Infektion 
zu den von mir beschriebenen Primäraffekten bzw. zur echten 
Appendicitis sich entwickeln sollten. Für diese Behauptung, die 
natürlich eine besondere Tragweite besitzt, ist nun Rheindorf 

4 


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UNIVERSITV OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


16Ö6 


jeden Beweis schuldig geblieben. Ich habe schon früher hervor* 
gehoben, dass die vielen von ihm beschriebenen Spaltbildungen, 
soweit es sich um unregelmässig begrenzte Spalten mit Zer¬ 
trümmerung des Gewebes handelt, nur Kunstprodukte sind, und 
dass diese Spalten mit den Würmern gar nichts zu tun haben. 
Es wäre doch höchst merkwürdig, wenn die Oxyuren, im Gegen¬ 
satz zu den ebenfalls die Schleimhaut durchdringenden Tricho- 
cephalen so ganz andere Bilder hervorrufen sollten. Nun sind 
aber die Veränderungen, welche die Tricbocephalen hervorrufen, 
durch Askanazy und in neuester Zeit durch Christoffersen 
so eingehend geschildert worden, dass es eigentlich überflüssig 
erscheint, hier es noch einmal zu betonen, dass von solchen 
Epitheldefekten, wie sie Rheindorf beschreibt, oder von Zer¬ 
trümmerung der Gewebe, die zur Bildung unregelmässiger Spalten 
führten, nirgends die Rede ist. Auch habe ich mich selbst da¬ 
von überzeugt, dass eine massenhafte Einwanderung von Triclio- 
cephalen io die Dickdarmschleimbaut keine anderen Erschei¬ 
nungen auslöst, als wie sie von Christoffersen beschrieben 
worden sind. Ich aber betone, dass das gleiche auch für die 
Oxyuren gilt. Wie leicht an einem so zarten Gewebe, wie es 
die Schleimhaut des Wurmfortsatzes darstellt, traumatische Zer¬ 
trümmerungen Vorkommen, weiss jeder, der sich eingehender mit 
diesen Dingen beschäftigt hat. Hier sind es vor allem die Kot¬ 
verschiebungen bis in die Tiefe der Submucosa, die so charakte¬ 
ristisch für das operative Trauma sind, ferner die Spaltbildungen 
und Zerreissungen an den Grenzen der Follikel und die Quet¬ 
schungsfiguren an dem lymphatischen Gewebe. Wenn Rheindorf 
die Rotverschiebungen auf eine Verschleppung durch die Würmer 
zurückfübren will, so muss er, da diese Behauptung allen Er¬ 
fahrungen von den Trichocephaleninfektionen des Dickdarms, wo 
die operativen Traumen nicht in Frage kommen, widerspricht, 
bündige Beweise dafür bringen. Wenn er die Bedeutung der 
Quetschfiguren leugnet, so kann ich nur auf die Erfahrung hin- 
weisen, dass diese Quetscbfiguren jederzeit künstlich erzeugt 
werden können. Man braucht nur eine Klemmpinzette an den 
Wurmfortsatz zu legen, um sie auf das Deutlichste hervortreten 
zu lassen. Viel wichtiger aber ist die Tatsache, dass die meisten 
der von Rheiodorf beobachteten Spalten gar keine Würmer ent¬ 
hielten. Auf meine Frage, was dann in diesen Spalten des 
Wurmfortsatzes während des Lebens vorhanden gewesen sei, habe 
ich keine befriedigende Antwort bekommen. Wenn wirklich die 
eindringenden Würmer für längere Zeit persistierende Spalten 
hinterlassen, so müsste eine Coecumschleimhaut, die mit Triclio- 
cepbalen gespickt ist, geradezu wabig durchlöchert erscheinen. 
Davon ist aber keine Rede, wie die einfache Beobachtung zeigt. 
Dass aber gerade nur der Oxyuris und nicht der Trichocephalus 
solche Löcher hinterlassen sollte, wäre sehr merkwürdig. Ferner 
sind alle Wurmkanäle, die von Trichocephalen erzeugt werden, 
ganz glattwandig, so dass es unverständlich ist, warum die 
Oxyuren gerade solche unregelmässigen, wie gerissen aussehenden 
Spalten erzeugeo sollten. Um nachzuweisen, dass in echten Wurm¬ 
kanälen stets auch Würmer zu finden sind, habe ich bei vor¬ 
sichtig entfernten Wurmfortsätzen durch Herrn Dr. Matsuoka 
einen Teil mit dem Gefriermikrotom schneiden, einen anderen in 
Paraffin und einen dritten Teil in Celloidin einbetten lassen. Das 
Glück wollte, dass in den untersuchten Wurmfortsätzen auch 
solche mit WurmkaDälen waren. Während in dem Celloidin- 
präparat nahezu sämtliche Querschnitte der Wurmkanäle auch 
Würmer enthielten und durch die Verfolgung der Serienschnitte 
nacbgewieseo werden konnten, dass es sich in dem einen wie dem 
anderen Schnitt mit anscheinend leeren Kanälen nur am ein zu¬ 
fälliges Ausfallen des Wurmquerscbnittes handelte, war an den 
Paraffinschnitten bzw. Gefriermikrotomschoitten ein viel öfterer Aus¬ 
fall zu beobachten. Damit war der Beweis geliefert, dass glattwandige 
WurmkaDäie auch stets Würmer enthalten, und dass die Würmer 
nur durch das Schneiden ausfaiien. Da diese Wurmkanäle, welche 
Würmerenthielten oder aus denen die Würmer beim Schneiden heraus¬ 
gefallen waren, stets glattwandig waren, soweit nicht zufällig ein 
nicht zu vermeidender traumatischer Riss bis in einen solchen 
Wurmkanal führte, so kann man schliessen, dass die von Rhein¬ 
dorf beschriebenen unregelmässigen Spalten keine Würmer im 
Moment der Fixation enthalten haben. Sie müssen also auf 
andere Weise entstanden sein, und da man nun durch künst¬ 
liches Quetschen des Wurmfortsatzes die Zahl dieser traumati¬ 
schen Risse willkürlich vermehren kann, so halte ich vorläufig 
an meiner Ueberzeugung fest, dass es sich bei den Rheindorf- 
schen Spalten um Kunstprodukte handelt, bis Rhein dort durch 
sorgfältig durchgeführte Celloidineinbettung bewiesen hat, dass in 


allen diesen Spalten Warmer liegen, oder andererseits den Beweis 
erbringt, dass es persistierende Spaltbildungen ohne Würmer an 
einem lebenswarm fixierten, aber nicht traumatisch geschädigten 
Darrastück gibt. Da nun Rbeindorf gelegentlich in solchen un¬ 
regelmässigen Spalten Oxyuren gefunden hat, so kann es sich 
entweder um einen echten Wurmkanal bandeln, der nachträglich 
durch ein Trauma in einen Gewebsriss umgewandelt worden ist, 
oder aber die in der Lichtung des Wurmfortsatzes vorhanden ge¬ 
wesenen Würmer sind durch das Trauma in die künstlich ent¬ 
standenen Risse eingepresst worden. Es gibt also soviel Mög¬ 
lichkeiten der Täuschungen, dass alle diese erst ausgeschlossen 
sein müssen, ehe man mit der Sicherheit, mit der Rheindorf 
seine Behauptungen aufstellt, die Abhängigkeit der von ihm be¬ 
schriebenen Spaltbiidungen von der Wurminfektion als bewiesen 
annebmen kann. 

Solange das nicht der Fall ist und solange von keinem 
Forscher glaubhaft gemacht worden ist, dass Würmer wie 
Oxyuren und Trichocephalen gewobnheitsmässig ausgedehnte 
Epitheldefekte 1 ) und grobe Gewebszertrümmerung machen können, 
solange fühle ich mich berechtigt, an der Hypothese Rhein- 
dorf’s, dass sich die von den Würmern angeblich erzeugten De¬ 
fekte zu echten Primärinfekten umwandeln, zu zweifeln. Auch 
hier ist, glaube ich, Rheindorf einem Irrtum zum Opfer ge¬ 
fallen; denn gerade die Zerreissungen in der Tiefe der Buchten 
sind etwas ungemein Charakteristisches für die traumatischen 
Verschiebungen der Schleimhaut. Sollten wirklich Würmer an 
diesen Epitheldefekten und Einrissen schuld sein, so müsste man 
unbedingt die Zeichen der Regeneration, der Epithelisierung an 
diesen Defekten nachweisen können, und zwar bei der Häufigkeit 
dieser Veränderungen auch an zahlreichen Stellen des Wurmfort¬ 
satzes. Auch ist ein solcher Epitbeldefekt ohne Reaktion des 
unterliegenden Gewebes nicht oder nur schwer denkbar. Wenn 
Rbeindorf schreibt, dass nicht jeder Defekt zur Entzündung 
führen müsste, da doch aach die tuberkulösen Geschwüre nicht 
immer zu Entzündungen der übrigen Darmwand Veranlassung 
geben, so kann ich allerdings über diesen Punkt mit ihm nicht 
streiten, denn das tuberkulöse Geschwür ist eben bereits ein ent¬ 
zündliches Geschwür und nicht ein einfacher Epitheldefekt und 
durch die Bildung des tuberkulösen Granulationsgewebes charak¬ 
terisiert. Bekanntlich bildet aber das Granulationsgewebe jeder Art 
einen mehr oder weniger wirksamen Schutz gegen Weitereinfektionen. 

Dass die akute Appendicitis nicht durch die Würmer direkt 
hervorgerufen wird, das gibt ja Rheindorf selbst zn, und dafür 
spricht auch die bekannte Tatsache, dass gerade in entzündeten 
Wurmfortsätzen, wie ich das immer behauptet habe, und wie es 
Rheindorf ’9 eigene Untersuchungen bestätigen, nur äusserst selten 
Oxyuren gefunden werden. Wenn aber Rheindorf jetzt behauptet, 
dass die Oxyuren an der Appendicitis schuld wären, indem er letztere 
auf die Bildung von Epitheldefekten durch die Würmer zurück¬ 
führt, die dann sekundär infiziert würden, so ist das so lange 
eine unbewiesene Behauptung, als der Vordersatz, dass nämlich 
die Würmer Epitheldefekte machen, noch ganz der Begründung 
entbehrt. Aber selbst, wenn die Würmer solche Epitheldefekte 
machen würden, so würden diese sicher wie alle oberflächlichen 
Epitheldefekte sehr schnell durch Regeneration geschlossen werden 
und somit keine Veranlassung zur Sekundärinfektion geben. Man 
könnte nun sagen: es muss eben ein ungünstiger Zufall Zusammen¬ 
treffen, nämlich die Bildung des Epitheldefektes durch Oxyuren 
und gleich oder sehr bald darauf die Infektion mit Bakterien. 
Wie kommt es dann aber, dass so gut wie alle Appendicitiden 
in dem abgebogenen Teil des Wurmfortsatzes beginnen? Ent¬ 
weder dürften die Würmer nur dort ihre Epitheldefekte erzeugen, 
was kaum anzunehmen ist, falls sie überhaupt entstehen, was ich 
leugne, oder aber die Bakterien dürften gerade nur in dem 
distalen Abschnitt vorhanden sein. Dann müssten sie die Epithel¬ 
defekte des proximalen Abschnittes glatt überwandert haben. 
Und wie kommt es, dass man so häufig Recidive beobachtet 
hinter eingedickten Kotmassen oder Concrementen, die wie ein 
Pfropf den abgebogenen Teil verscbliessen, so dass sie schwer¬ 
lich einem Oxyuris das Hin- und Rückwandern glatt gestattet 
haben würden. Gerade in solchen Fällen, die doch ungemein 
häufig sind, sollte man die Oxyuren in dem abgeschlossenen ent¬ 
zündeten Teil noch vorfinden. Aber wie selten sind solche Be* 

1) Christoffersen spricht zwar am Schluss seiner Abhandlung 
von Ulcera, aber die Lektüre zeigt, dass er nur die momentan entstehen¬ 
den Lücken meint, die der Parasit beim Eindringen von den Drüsen aus 
erzeugt. Von persistierenden Spalten und Defekten des Oberflächen¬ 
epithels findet sich nichts in den Abbildungen von Christoffersen. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OFJQÜÜ 




10. Anglist 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1607 


fände. Jedenfalls scheiden also die Recidive, soweit sie mit Con- 
crementen kompliziert sind, ans der Oxyurisätiologie ans. Es 
kann also jedenfalls die Appendicitis auch ohne jede Wurm¬ 
infektion zustande kommen, und wenn man berücksichtigt, dass 
die Trichocephaleninfektion fast ebenso häufig, in manchen 
Ländern noch häufiger als die Oxyurisinfektion vorkommt, warum 
entstehen dann nicht viel häufiger schwere Entzündungen des 
Coecums, in dessen Schleimhaut die Trichocephalen sich mit 
Vorliebe einbohren? Denn wenn erst die durch die Würmer an¬ 
geblich gesetzten Epitheldefekte die Sekundärinfektion ermög¬ 
lichen, so müsste diese an dem Coecum genau so zustande 
kommen wie in dem Wurmfortsatz. Ist es aber die Retention 
des Inhaltes in dem distalen Teil des Wurmfortsatzes, die haupt¬ 
sächlich an dem Zustandekommen der Appendicitis schuld ist, so 
beweisen die Recidive, dass die Stagnation allein bei Anwesen¬ 
heit bestimmter Mikroorganismen den appendicitischen Prozess 
auslösen kann. Daher wird man recht daran tun, in dieser Stag¬ 
nation bei Infektion des Wurmfortsatzes mit bestimmten Mikro¬ 
organismen so lange die eigentliche Ursache der Appendicitis zu 
erblicken und nicht unnötig auf Epitheldefekte durch Würmer zu 
rekurrieren, bis bewiesen worden ist, dass die Oxyuren überhaupt 
imstande sind, persistierende Epitheldefekte zu erzeugen. Aber 
auch dann wäre nur die Möglichkeit einer appendicitischen 
Infektion von einem solchen Epitheldefekt wahrscheinlich ge¬ 
macht, die Behauptung aber, dass nun wirklich eine grössere 
Zahl von Appendicitisfällen oder gar die Mehrzahl derselben von 
einem solchen Epitbeldefekt ihren Ausgang nehmen, ist in keiner 
Weise bewiesen, denn gerade in entzündeten Wurmfortsätzen 
werden Würmer sehr selten gefunden. 

Ich habe mich hier vorwiegend mit kritischen Gegenäusse¬ 
rungen begnügt, möchte aber nicht unterlassen, darauf auf¬ 
merksam zu machen, dass in einer kürzlich aus dem Institut 
Askanazy’s, eines der besten Kenner der WurminfektioD, her- 
vorgegaDgenen Arbeit Sagredo auf Grund eines sorgfältig unter¬ 
suchten Materials von Wurmfortsätzen zu der gleichen Ablehnung j 
der Oxyuren als Erreger der Appendicitis kommt wie ich. Aber | 
ich werde auch in Zukunft nicht unterlassen, eigenes Material 
für meine Behauptungen aufzubringen. Heute möchte ich nur 
mit folgender Feststellung abschliessen: 

1. Die relative Häufigkeit der Oxyureninfektion des normalen 
oder nicht akut erkrankten Wurmfortsatzes ist schon seit längerer 
Zeit bekannt (Zenker, Hoepfl, Unterberger). 

2. Das von mir vor mehreren Jahren kurz geschilderte Bild 
der durch die Oxyuren hervorgerufenen Pseudappendicitis ist 
durch die Untersuchungen Rbeindorf’s in den wesentlichen 
Punkten bestätigt und in seiner Häufigkeit anerkannt worden. 

3. Die von Rheindorf geschilderten Befunde von Spalt 
bildungen in der Schleimhaut der Wurmfortsätze, welche von ihm 
auf das Einwandern von Oxyuren zurückgeführt werdeD, sind im 
wesentlichen nichts anderes als Kunstprodukt'e. 

4. Solange keine Beweise dafür erbracht sind, dass die 
Oxyuren überhaupt gröbere, einige Zeit persistierende Epitbeldefekte 
oder Gewebszertrümmerung herbeiführen können, ist auch die Be¬ 
hauptung Rbeindorf's, dass die Oxyuren indirekt mit der akuten 
Appendicitis etwas zu tun haben, als unbewiesen anznseben. 

5. Die Bedeutung der Wurminfektion für die pseudo- 
appeotici tischen Anfälle sollte die Aerztescbaft veranlassen, noch 
sorgfältiger als bisher auf Wurminfektion, besonders bei Kindern, 
zu achten. Eine erfolgreiche Wurmkur wird die Kinder vor 
pseudoappendicitischen Anfällen und damit vor etwaiger unnötiger 
Operation bewahren, unnötig, weil, wie auch die Rheindorf’schen 
Beobachtungen zeigen, die pseudoappendicitischen Anfälle trotz 
operativer Entfernung des Wurmfortsatzes bei persistierender 
Wurminfektion immer von neuem auftreten können. 

Aus der chirurgischen Abteilung des städtischen 
Krankenhauses Moabit in Berlin. 

Milzschuss, durch freie Netztransplantation 
geheilt.') 

Von 

Richard Mühsam. 

?j e Verwendung des Netzes zur Blutstillung an der Leber 
. <fer Milz in der Form von gestielten oder freien Netzlappen 

verhältnis mässig neueren Datums. Sie geht auf die klinischen 

1) Nach einer Demonstration in der Berliner medizinischen Gesell¬ 
schaft am 24. Juni 1914. 


Erfahrungen Sandulli’s, Mastrosimone’s und Mauclaire’s 
(1 Fall von Lebertumor, 1 Fall von Stich Verletzung) znrück. Io 
umfangreicher Weise wurden Netzlappen am Petersburger Obuchow- 
Krankeohause verwendet. 

Hesse 1 ) berichtet über 10 Fälle von Leberverletzungen, welche 
mit Netzplastik und nachfolgender primärer Naht behandelt und geheilt 
worden sind. Boljarski 2 ) stellt in seiner letzten Arbeit 18 Fälle zu¬ 
sammen, in denen die freie Netztransplantation erfolgreich zur Tam¬ 
ponade bzw. Uebernäbung von Leberwunden verwendet worden ist. 
Stuckey 3 ) hat zur Blutstillung nach Gallenblasenexstirpation in drei 
Fällen das Leberbett mit Netz bedeckt und das Aufhören der BlutuDg 
erreicht. Da der Patient 3 Tage später an Herzschwäche zugrunde 
ging, so konnte durch die Obduktion der Beweis geliefert werden, dass 
das transplantierte Netzstück mit der Leber an den Stellen, wo kein 
Serosaüberzug vorhanden war, fest verlötet war. Zwischen Serosaüberzug 
und Netz gab es keine Verwachsungen, Auf dem Querschnitt war 
deutlich zu sehen, dass das Netz überall fest dem Lebergewebe anlag. 
Dasselbe Bild gab auch die mikroskopische Untersuchung; nur hier und 
da waren geringe Blutaustritte zwischen Netz und Lebergewebe zu 
finden. 

In ähnlicher Weise hat Körte mehrfach nach Cholecystektomien 
einen gestielten Netzlappen über das blutende Leberbett der Gallen¬ 
blase gebreitet und mit einigen Nähten fixiert. 

Die experimentellen Grundlagen des Verfahrens rühren von Loewy 4 ) 
her, welcher feststellte, dass das Netz schnell mit der Leber verwächst 
und zwar entweder unmittelbar oder mit Hilfe eines fibrinösen Exsudats. 
In Gegensatz hierzu konnte Girgoi&ff 5 ) eine direkte Verwachsung des 
frei transplantierten Netzes mit seiner Unterlage nicht beobachten. An 
den Stellen, an welchen das Netz in unmittelbare Berührung mit der 
unverletzten Leber kommt, findet keine Verwachsung der endothelialen 
Oberflächen statt, man findet dagegen stets ein fibrinöses Exsudat oder 
aus den benachbarten Gefässen eingedrungenes Blut. Auch Girgolaff 
fand isolierte und transplantierte Netzlappen durchaus lebensfähig und 
sab, dass die Tamponade der Lieberverletzungen mit freien Netzlappen 
die Blutung stillt. Springer 6 ), welcher im übrigen nicht für eine sehr 
weitgehende Anwendung der freien Netzplantation ist, war überrascht, 
wie gut nach einer Leberresektion, die er mit einem ungestielten Netz¬ 
lappen bedeckte, die parenchymatöse Blutung zum Stehen kam. Weitere 
Versuche wurden von Boljarski 7 ) angestellt mit dem Ergebnis, dass 
durch die freie Netztransplantation selbst in Fällen riesiger Resektionen, 
in welchen die Wundfläche 30:4 cm betrug, trotz einer Reihe klafiender 
Gefässe ein günstiges Resultat erzielt wurde. Die freie Netzplastik 
bringt die Blutung prompt zum Stillstand und verhindert eine Nach¬ 
blutung. Das Netzt schützt vor dem Durchschneiden der Nähte, falls 
trotzdem eine Naht durohschneiden sollte, wird die Stelle sofort durch 
Netz bedeckt. In jüngster Zeit hat Jaquin 8 ) die Frage der Blut¬ 
stillung bei Leberwunden durch gestielte und freie Netzlappen von 
neuem experimentell studiert Selbst bei Fortnahrae von einem Viertel 
der Leber wurde durch Aufnähen von Netz völlige Blutstillung erzielt. 
Ob die Wirkung des Netzes rein mechanisch ist, oder ob chemische 
Faktoren eine Rolle spielen, lässt er unentschieden. Bei Blutungen aus 
dem Leberbett der Gallenblase beim Menschen haben sich gestielte 
Lappen als sehr geeignet erwiesen. Bei Leberresektionen an Hunden 
wurden wegen der besseren Fixierung rings am Wundrande freie Netz¬ 
lappen verwendet. 

Endlich seien noch Beresnegowsky’s Versuche 9 ) erwähnt, welcher 
nicht ganz so günstige blutstillende Wirkungen sab und darum die An¬ 
wendung des Netzes mit durchgreifenden ununterbrochenen Matratzen¬ 
nähten verbindet. 

Weniger Erfahrungen als über die Verwendung des Netzes 
zur Behandlung von Leberwunden liegen über die Behandlung 
von Milzwunden vor. 

Stassow (russisch) (citiert nach Hesse) deckte eine transdiaphrag¬ 
matische Milzstiohverletzung mit Netz und schloss Diaphragma und Bauch 
primär. 

Lange 10 ) berichtet über einen günstig verlaufenen Fall von Stich- 
verletzuDg der Milz. Die Milzwunde wurde mit einem freien Netzzipfel 
tamponiert. Die Blutung stand momentan, Patient wurde geheilt. 
Ebenso soll Tuffier, wie der Arbeit Boljarski’s zu entnehmen ist, 
die Netzplastik bei einem Fall von Milzverletzung verwendet haben. 
Die Originalmitteilung konnte ich nicht auffinden. 

Diese spärlichen Erfahrungen über die Anwendung des 
Netzes zur Blutstillung bei Milz Verletzungen möchte ich durch 


1) Chirurgenkongress 1911 und Beitr. z. klin. Chir., Bd. 82, H. 1. 

2) Langenb. Arch., Bd. 93, S. 507. 

3) Langenb. Arch., Bd. 99, S. 384. 

4) Compt. rend. hebd. des sceances et mem. de 1a soc. de biol., 
1901, citiert nach Boljarsky und Grigolaff. 

5) Zbl. f. Chir., 1906, Nr. 46, und citiert nach Boljarsky. 

6) Zbl. f. Chir., 1906, Nr. 49. 

7) 1. c. 

8) Langenb. Arch., Bd. 102, S. 502. 

9) Langenb. Arch., Bd. 104, H. 1. 

10) Zbl. f. d. ges. Chir., 1913, Bd. 2, S. 383. 

4 * 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 




1508 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


Mitteilung eines Falles erweitern, bei dem ich mit gutem Erfolge, 
wie der Ihnen hier vorgestellte Patient beweist, von der freien 
Netztransplantation bei einer Schussverletxung der Milz Gebrauch 
gemacht habe. 

Die Krankengeschichte ist folgende: Aleiander K., 20 Jahre alt, 
aufgenommen am 25. Y. 1914. 

Anamnese: Patient hat sich abends um 8 Uhr mit einem Re¬ 
volver eine Kugel in die linke Brustseite geschossen. Er wurde gegen 
9 Uhr gefunden und vom Schutzmann ins Krankenhaus gebracht. 

Befund: Mittelgrosser, schmächtig gebauter, junger Mann, sehr 
blass, klagt über heftige Schmerzen in der linken Brustseite. 

Drei Q.uerfioger unterhalb der linken Brustwarze Einschussöffnung 
mit deutlichen Zeichen des Nahschusses. Die Einschussöffnung ist 
blutig suggilliert, die Haut etwas verkohlt. Es blutet stark aus der 
Einschussöffnung. Die Herzdämpfung ist nicht verbreitert. Auscultation 
des Herzens ohne Besonderheiten. Ein grösserer Erguss im Pleuraraum 
ist nicht festzustellen. 

Bei der Inspektion des Rückens bemerkt man etwa 4 Querfinger 
breit, oberhalb der linken Spina post. sup. ossis ilei ein frisches 
Hämatom, in welchem die Kugel dicht unter der Haut zu fühlen ist. 

Das linke Hypogastrium ist sehr druckschmerzhaft. Es besteht hier 
ausgesprochene Muskelspannung. Auf der linken Seite ist eine FlankeD- 
dämpfung nachzuweisen, die sich bei Lagewechsel etwas verschiebt. Die 
Leberdämpfung ist erhalten, der Urin ist frei von Blut. 

Diagnose: Aus der Schussrichtung ergibt sich mit grösster Wahr¬ 
scheinlichkeit, dass die untersten Abschnitte des Brustraums sowie der 
Bauchraum getroffen ist. Für die Annahme einer peritonealen Ver¬ 
letzung spricht die defence musculaire links, für die einer Blutung die 
mit Lageveränderung einhergehende Flankendämpfung. Annahme einer 
Magen- oder Milzverletzung. 

Operation etwa 2 Stunden nach der Verletzung. 

Die Bauchhöhle wird durch einen dem linken Rippenbogen parallel 
gehenden Schnitt eröffnet. Sie enthält eine grosse Menge teils flüssigen, 
teils geronnenen Blutes. An der vorderen Partie des Zwerchfells ist ein 
Loch mit blutig imbibierten Rändern zu sehen. Eine etwa fünfmark¬ 
stückgrosse Partie an der grossen Curvatur des Magens ist blutig unter¬ 
laufen, jedoch ohne Verletzung, und zeugt davon, dass die Kugel hier 
die Magenwand gestreift hat. Die Milz ist schräg von vorn nach hinten 
von der Kugel durchbohrt. Aus dem Kanal, durch den man zwei Finger 
hindurchführen kann, fliesst reichlich /rischrotes Blnt; andere Organe 
der Bauchhöhle sind anscheinend nicht verletzt. Die Stelle, an der die 
Kugel den Bauchraum verlassen bat, ist nicht zu sehen. 

Ein grosses Stüek Netz wird nunmehr abgebunden, abgetragen und 
durch den Schusskanal der Milz mit Hilfe einer Kornzange hindurch¬ 
gezogen. Die beiden freien Enden des Netztampons werden miteinander 
vernäht, so dass das Netzstück ringartig die Milz umgibt und keinesfalls 
den Scbusskanal verlassen kann. Schluss der Wunde durch Etagennähte. 

Die am Rücken unter der Haut sitzende Kugel wird durch einen 
kleinen Hautschnitt entfernt. Es ist ein 9 mm-Bleigeschoss. Während 
der Operation mehrere Campherspritzen. 

Verlauf: 26.V. Puls besser, Leib weich, nirgends druckempfindlich. 

29. V. Links hinten unten Dämpfung und aufgehobenes Atem¬ 
geräusch bis zur SpiDa scapulae. Probepunktion ergibt Blut. Die Ver¬ 
mutung einer gleichzeitigen Verletzung des Brustraumes wird hierdurch 
bestätigt. 

Der weitere Verlauf war bis auf eine geringe Absonderung aus der 
Wunde glatt. Die Dämpfung ist immer mehr zurückgegangen. Das 
Atemgeräusch ist durchzuhören. 

Es darf wohl als sicher angenommen werden, dass in diesem 
Falle eine durch Milzschuss bervorgerufene schwere Blutung durch 
die freie Netztransplantation geheilt worden ist. 

Eine Nabt der Milz, welche ich überhaupt für sehr schwer 
und bei Verletzungen wegen der Gefahr der Nachblutung für recht 
gefährlich halte, wäre in diesem Falle unmöglich gewesen. Sie 
hätte auch keinen Erfolg haben können, da sie die aus der Tiefe 
der Milz kommende Blutung nicht hätte stillen können. Es wäre 
also nur die Milzexstirpation in Frage gekommen, und wenn diese 
bei Verletzungen auch ein relativ einfacher Eingriff ist und von 
den Patienten, wie ich selbst in zwei Fällen sab, gut vertragen 
wird, so erschien mir nach den vorliegenden günstigen Berichten 
über die blutstillende Wirkung des frei transplantierten Netzes ein 
Versuch konservativer Behandlung nach dieser Methode für geboten. 
Das Verfahren empfiehlt sich ganz besonders auch wegen seiner 
grossen Einfachheit. Der Weg war vorgeschrieben. Der abge¬ 
tragene Netzteil wurde durch den Schusskanal durchgezogen und 
seine Enden wurden über der Milz vernäht. So konnte der Netz¬ 
streifen jedenfalls nicht den Scbusskanal verlassen. 

Dass durch das Netz allein in diesem Falle die Blutstillung 
bewirkt worden ist, geht meines Erachtens daraus hervor, dass 
keinerlei Nähte unmittelbar am Schusskanal angelegt worden sind. 
Offenbar bat hier auch bald die von den experimentellen Unter- 
Suchern beobachtete Verklebung des Netzes mit der Wundfläche 
stattgefunden und die Blutung schnell zum Stehen gebracht. Sonst 
hätte der sehr ausgeblutete Patient die Verletzung nicht überlebt 


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Ich glaube daher die bei Leberblutungen schon bewährte, bei 
Milzverletzungen bisher erst selten ausgeführte freie Netztransplan¬ 
tation auch bei dieser Art Verletzungen in geeigneten Fällen 
empfehlen zu können. 


Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten 
„Robert Koch“ (Direktor: Geh. Ober-Med.-Rat Prof. 
Dr. Löffler, Abteilungsvorsteher: Prof. Dr. Neufeld). 

Beiträge zur Frage der Händedesinfektion. 

Von 

Dr. Hnntenhller, und Dr. B. Eckard, 

Assistenten am Institut, Stabsarzt in der Scbutstruppc 

für Deutsch-Ogtafrika. 

I- 1 ) 

M. H.! Wir möchten Ihnen über Händedesinfektionsversuche 
berichten, die mit verschiedenen Methoden und verschiedenen 
Präparaten ausgeführt wurden. 

Herr Dr. Neumark hat kürzlich an dieser Stelle die Er¬ 
gebnisse von Desinfektionsversuchen mitgeteilt, die im städtischen 
Untersuchungsamt mit einem neuen Präparat gemacht worden 
sind. Dieses Präparat ist ebenso wie Festalkol von salben- bzw. 
pastenartiger Konsistenz und bietet hierdurch den Vorteil bequemer 
Handbabuug und leichten Transportes. Wir hatten bei unseren 
Versuchen zunächst die Frage im Auge, ob die beiden Mittel sich 
für die Hebammendesinfektion eignen; hierbei würden die 
genannten Eigenschaften besonders wertvoll sein. 

Das von Herrn Dr. Neu mark geprüfte, als „Kodan“ be- 
zeichnete, unseres Wissens aber bisher nicht im Handel befind¬ 
liche Mittel enthält Cblormetakresol in 40 proz. Alkohol gelöst 
und ist durch einen aus Seetang gewonnenen Zusatz in eine 
gelatinöse Form gebracht. 

Von dem Mittel sollen laut Gebrauchsanweisung ohne vorheriges 
Waschen etwa 6 g gut auf die Hände verrieben werden. Nach An¬ 
trocknen des Mittels resultiert ein feiner Ueberzug, der abgewaschen 
werden oder während der Operation haften bleiben kann. 

Der Festalkol ist ein von Selter eingeführtes Präparat, über 
dessen gute Wirkung auch von anderer Seite (Martius, Süpfle, 
Borrmann) berichtet und das auf Grund eines Gutachtens des 
Hygienischen Instituts in München in Bayern in die Hebammen¬ 
praxis eingeführt wurde. Festalkol besteht aus 80 pCt. Alkohol 
und 20 pCt. palmitin- und stearinsaurer Kernseife. 

Die ungenügenden Resultate, die Kutscher mit einem ähn¬ 
lichen Präparat erhielt, sind nach Martius auf den geringeren 
Alkoholgehalt (etwa 70 pCt.) zurückzuführen. Um das Verdunsten 
des Alkohols zu verhindern, wird das Präparat jetzt in Glas¬ 
röhrchen mit einem luftdichten Heftpflaster-Paraffinverschluss in 
den Handel gebracht 2 ). 

Nach der Vorschrift sollen die Hände mit heissem Wasser, Bürste 
und Seife gereinigt und dann eins der drei in einem Glasröhrchen luft¬ 
dicht verschlossenen Stücke ohne vorheriges Abtrocknen auf der Hand 
verrieben werden, bis die Hände trocken zu werden beginnen, darauf 
das zweite und später das dritte Stück. Hierauf wird kurz mit steriler 
Flüssigkeit abgespült. 

Auch diese Methode bietet den Vorteil, dass die Desinfektion un¬ 
abhängig von der Uhr ausgeführt wird; die Verreibung der drei Stücke 
soll etwa 6 Minuten dauern. 

Wir haben mit dem Kodan keine so günstigen Ergebnisse 
erzielt, wie sie von Neu mark berichtet wurden, und zwar möchten 
wir dies auf die verschiedene Versuchstechnik zarückführen. 

Wir fanden nämlich bei unseren Versuchen die Verwendung 
von festen Agarplatten, die durch Bestreichen mit dem Finger 
bzw. mit der Platinöse nach Abkratzen bestimmter Hautpartien 
beimpft wurden, nicht geeignet und griffen daher auf die Ab- 
impfungsmetbode in flüssigem Agar zurück, wobei wir Wert darauf 
legten, das Desinfiziens durch Spülung möglichst zu entfernen; 
diese Methode liefert ausserordentlich zahlreiche und gleicbmässig 
verteilte Kolonien und scheint uns auch den natürlichen Verhält¬ 
nissen am meisten zu entsprechen, denn auch der Chirurg führt 
seine Manipulationen meist mit den äussersten Fingergliedern in 
einem körperwarmen und feuchten, d. h. blutigen Medium aus. 


1) Nach einem Vortrag, gehalten am 19. März d. J. in der Berliner 
mikrobiologischen Gesellschaft. 

2) Der Preis der für eine Desinfektion erforderlichen drei Stück 
beträgt nach Martius 30 Pfg. und in grösseren Mengen aus der Fabrik 
bezogen 15 Pfg. Bei Benutzung von steuerfreiem Alkohol liesse sich 
dieser Preis bedeutend herabsetzen. 


Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 







10. Auggst 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1509 


Bei dieser von Schumburg, Kutscher, Otto und anderen Unter¬ 
suchern benutzten Methode werden die Nagelglieder der Finger — Beuge¬ 
nd Streckseite — 45 Sekunden lang in eine Schale mit etwa 45° 
warmem, flüssigen Agar eingetaucht und durch dauerndes Kneten und 
Reiben aneinander und an den Boden der Schale auch tieferliegende 
und unter den Nägeln befindliche Keime mit dem Agar abgespült. 

Bei einigen Versuchen wurde der Unternagelraum noch mit sterilen 
Nagelreinigern ausgekratzt und der erhaltene Nagelschmutz auf die Ober¬ 
fläche von festen Agarplatten mit dem Spatel verrieben, um die Masse 
gleiobmässig zu verteilen. 

Die Platten — wir benutzten Petrischalen von gewöhnlicher Grösse — 
kamen 24 Stunden bei 37° oder bei den Versuchen mit Prodigiosus zweimal 
24 Stunden bei 22° in den Brutschrank, um dann ausgezählt zu werden. 

Zur Beurteilung der Desinfektiouswirkung sollten unseres Er¬ 
achtens stets zwei Prüfungen herangezogen werden: einmal ist 
das Verhalten der an der Tageshand haftenden nnd 
zweitens das der aufgebrachten, fremden Keime zu 
prüfen. Diese Prüfungen sind beide durchaus nötig, um 
die Tauglichkeit eines Mittels zur Händedesinfektion 
zu beweisen. Denn, wie unsere Versuche zeigen werden, kann 
ein Verfahren die in den Drüsengängen vorhandenen Keime der 
Tagesband recht gut, die angetrockneten fremden Keime aber ganz 
ungenügend beeinflussen. 

Bekanntlich gelingt es nur sehr schwer, die Hände völlig 
keimfrei zu machen. Ja, nach dem Waschen mit heissem Wasser, 
Seife und Bürste finden sich häufig mehr Keime als vorher - 
eine Beobachtung, die auch alle anderen Untersucher vor uns 
gemacht habeo, und die jedenfalls darauf zurückzuführen ist, 
dass die vermutlich in den Drüsengäugen schmarotzenden 
Bakterien durch das Kneten und Auf weichen der Haut aus der 
Tiefe an die Oberfläche gebracht werden. Man muss staunen, wieviel 
Tausende von Keimen einer gut gewaschenen Hand noch anhaften, 
und es wäre nicht uninteressant, sich in Scbnittpräparaten durch die 
Haut näheren Aufschluss über den Sitz dieser Keime zu verschaffen. 

Wenn diese Hautsaprophyten auch meist harmlos sind, so ist 
es doch schwer, exakt festzustellen, ob sich nicht doch einmal 
infektiöse Keime darunter finden, die, zumal wenn sie in grösserer 
Menge vorhanden sind, eine pathogene Wirkung in einer Wunde 
zu entfalten vermögen. Die Möglichkeit, dass überhaupt durch 
vorher saprophytische Keime der Haut bzw. Schleimhaut schwere 
septische Infektionen entstehen können, ist nicht zu bestreiten. 
Die sogenannte Selbstinfektion der Wöchnerin während oder kurz 
nach der Geburt in Fällen, wo nicht innerlich untersucht wurde, 
ist kaum anders zu erklären. Es wird sich hier allerdings immer 
um verhältnismässig seltene Vorkommnisse bandeln, während es 
keines weiteren Beweises bedarf, dass infektiöse Keime, die aus 
Eiter oder Blut auf die Hände des Chirurgen oder der Hebamme 
gelangen, zu den schwersten Wundinfektionen führen. 

Wir möchten daher zwar nicht Krönig und Blumberg bei¬ 
stimmen, die gelegentlich vorschlugen, die Desinfektionswirkung 
einer Methode allein danach zu bewerten, ob künstlich auf die 
Hände gebrachte infektiöse Keime (die Autoren benutzten Tetra¬ 
genus und infizierten mit der Spülflüssigkeit Mäuse) unschädlich 
gemacht werden; wir müssen nach dem Gesagten aber die beiden 
Prüfungen verlangen, Desinfektionswirkung auf saprophytische und 
auf künstlich aufgebrachte fremde Keime, wobei wir die ße- 
seitiguDg der letzteren für das in derPraxis weitaus Wichtigere halten. 

Für unzulässig halten wir es, dass ein Verfahren, wie 
esneuerdiDgs mehrfach geschehen ist,nur anf Grund derPrü- 
fung der Keime der Tageshand für brauchbar erklärt wird. 

Die pathogenen Keime gelangen an die Hände des Arztes meist mit 
Eiter und Blut vermischt, während sie bei Desinfektionsversuchen meist 
in wässeriger oder Bouillonaufsohwemmung aufgebracht werden. Be¬ 
kanntlich gelingt die Desinfektion von Bakterien in eiweisshaltigen 
Lösungen recht schwer, auch sind selbst Bakterien, die sonst sehr hin¬ 
fällig sind, auffallend resistent, wenn sie in Blut oder Organsaft ange¬ 
trocknet sind. 

Um diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen, haben wir die Keime — 
vif bedienten uns bei unseren Versuchen stets des Bac. prodigiosus — 
io der Mehrzahl der Versuche nicht mit Bouillon, sondern mit Blut ver¬ 
bucht auf die Finger, besonders in die Unternagel- und Nagelfalzräume, 
clÜ. ^ a am sc h* ers ten au desinfizieren sind, gebracht und etwa eine 
stunde angetrocknet 

Ueber die Resultate unserer Versuche geben folgende Tabellen 
Aufschluss. 

Zum Vergleich mit den vorher genannten neuen Desinfektions¬ 
verfahren wurden die in der Praxis eingefübrten Methoden von 
Ahlfeld, Schumburg, Fürbringer und Krönig berangezogen. 

Das Waschen wurde mit heissem Wasser, Seife und Bürste 
*Q8geführt nnd dabei die Uuternagelräume ausgekratxt. 


A. Häidedesinfektioa aa der Tageshaad. 

I. Kodan. 

Von dem Präparat wurde mit oder ohne vorheriges Waschen mit 
Seife und heissem Wasser 6—8 g auf die Hände gebracht und fest ver¬ 
rieben, bis es völlig trocken war und die Haut mit einem feinen Häutchen 
überzog. Danach wurde die erste Abimpfung in flüssigem Agar vor- 
genommen, dann, nachdem das Mittel mit heissem Wasser und steriler 
Kochsalzlösung abgespült war, die zweite. 

oo = > 500000 Keime auf der Platte. (Tabelle 1.) 


Tabelle 1. 


Person 

Art 

des Verfahrens 

Keimzahl 

vorher 

nach dem 
Waschen 

mit Mittel 

Mittel 

abgespült 

N. 

mit Waschen 


40000 

3 000 

40000 

N. 

do. 

3 000 

30 000 

20 000 

20 000 

Bör. 

do. 

1000 

2 000 

2 000 

12 500 

Bör. 

do. 

4 500 

25 000 

0 

25 000 

E. 

do. 

45 000 

40 000 

25 000 

35 000 

N. 

ohne Waschen 

35 000 

— 

0 

5000 

H. 

do. 

100 000 

— 

100 000 

100 000 

E. 

do. 

10 000 

— 

2 000 

i 5 000 

N. 

do. 

1500 

— 

350 

1500 


II. Festalkol. 

Mit oder ohne vorheriges Waschen mit heissem Wasser, Seife und 
Bürste wurde auf die trockenen (bzw. abgetrockneten Hände) ein Stück 
Festalkol gebracht und kräftig vorrieben, bis die Hände trocken zu 
werden begannen, darauf ein zweites Stück genommen und in gleicher 
Weise verfahren. Dauer des Verreibens etwa 5—6 Minuten. Es wurden 
gegen die Vorschrift nur zwei Stück verwandt, da die Unterarme nicht 
mit desinfiziert wurden. Fenier wurden die Hände nach dem Waschen 
mit sterilem Tuch getrocknet, da das aufgebrachte Präparat dann besser 
einen trockenen Ueberzug auf der Haut bildete. 

Nachdem die Hand gut trocken war, wurde sie erst mit reich¬ 
lich fliessendem, heissen Wasser und darauf mit steriler 
Kochsalzlösung abgespült und die Hand mit sterilem Tuche ab¬ 
getrocknet; dann wurden die Platten angelegt. Hier waren übrigens 
ohne vorheriges Abspülen die Resultate die gleichen. (Tabelle 2.) 


Tabelle 2. 


Person 

Art 

des Versuchs 

Keimzahl 

vorher 

nach dem 
Waschen 

nach 

Festalkol 

Abnahme 
in pCt. 

N. 

ohne Waschen 

oo 


150 

99,97 

E. 

do. 

80 000 , 

— 

0 

100 

K. 

do. 

2000 

— 

0 

100 

E. 

mit Waschen 

50 000 

12 500 

3 

99,99 

H. 

do. 

CO 

60 000 

io ! 

99,99 

Bör. 1 ) 

do. 

1 

0 

0 

— 

K. 

do. 

15000 

10 000 

50 

99,96 

Kah. 

do. 

10000 

40000 

20 000 

Zunahme 

Sir. 1 ) 

do. 

20 

250 

0 1 

— 


1) Hände am selben Tage mit Sublimat gewaschen. 


III. Verschiedene in der Praxis angewandte Methoden. 

Die Schumburg’sche lässt sich vergleichen mit dem Festalkol 
ohne Waschen und die Ahlfeld’sche mit dem Festalkol bei vorherigem 
Waschen. (Tabelle 3.) 

Tabelle 3. 


0 

O 

Art des Versuchs 


Keimzahl 


u 

9 

PM 

vorher 

nach dem 
Waschen 

nach Des¬ 
infektion 

1 Abnahme 
i in pCt. 

E. 

(Schumburg) 

100 000 


100 

99,9 

N. 

4 Min. Alkohol 96 proz. 

16 000 

— 

25 

99,84 

H. 

(Ahlfeld) 

5 Min. Waschen 

26 000 

1000 

10 

99,99 


5 Min. Alkohol 96 proz. 

— 

— 

— 

— 

H. 

(Fürbringer) 

1 Min. Waschen 

oo 


100 

99,99 


1 Min. Alkohol 96proz. 

— 

— 

— 

— 


1 Min. Sublimat 1 prom. 

— 

— 

— 

— 

E. 

(Krönig) 

5 Min. Waschen 






5 Min. Sublimat lprom. 

oo 


0 

* 

100 


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Gougle 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1610 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


Diese Desinfektionsversnche an der Tageshand 
zeigen, dass das Festalkolverfahren die saprophyti- 
schen Reime annähernd gleich gnt beeinflusst wie die 
zum Vergleich herangezogenen praktisch erprobten 
Methoden, während das Kodan erheblich schlechter 
wirkt. 


B. Häadedesinfektion bei anfgebraehtea, fremden Keimen. 

(Prodigiosus in Blut bzw. Bouillon angetrocknet.) (Tabelle 4—6.) 
Tabelle 4. (Kodan.) 


Person 

Art des Versuchs 

Zahl der Prodigiosuskolonien 

vorher 

Prodigi 

nach 

Waschen 

i 

osus angeti 
in Blut 
nach 

Desinfek¬ 

tion 

rocknet 
in Bouillon 
nach 

Desinfek¬ 

tion 

D. 

ohne Waschen 

CO 


1 

oo 

l 

3 000 

D. 

do. 

CO 

— 

1 60 

100 

Bör. 

do. 

oo 

— 

! 20 000 

10 000 

N. 

do. 

CO 

— 

i — 

oo 

H. 

mit Waschen 

oo 

— 

1 — 

250 000 

Bör. 

do. 

CO 

5000 

1 0 

0 

E. 

do. 

CO 

j 5000 

o 

10 


Tabelle 5. (Festalkol.) 


Person 

Art des Versuchs 

Za! 

& 

'S 

s 

bl der Prodigi< 

Prodigiosus 
in Blut 
nach 

Desinfek¬ 

tion 

)suskolonien 

angetrocknet 
in Bouillon 
nach 
Desinfek¬ 
tion 

N. 

ohne Waschen 

00 

0 

_ 

E. 

do. 

oo 

0 

— 

H. 

do. 

CO 

0 

— 

Bör. 

do. 

oo 

1 000 1 

0 

E. 

do. 

oo 

249 000 

24 000 

N. 

do. 

CO 

cc 

CO 

E. 

mit Waschen 

oo 

0 

— 

N. 

do. 

OO 

8 

— 

Bör. 

do. 

oo 

0 

— 

N. 

do. 

oo 

0 

— 

D. 

do. 

CO 

0 

— 

H. 

do. 

cO 

0 

— 

D. 

do. 

oo 

0 

— 

Sch. i 

do. 

oo 

0 

1 — 


Tabelle 6. (Verschiedene Methoden zum Vergleich.) 





Zahl der Prodigiosuskolonien 

a 



1 Prodigiosus angetrooknet 

5 

Art des Verfahrens 

jj 

in Blut 

in Bouillon 

£ 


■e 

© 

nach 

nach 

nach 

nach 



► 

Desin- 

Desin- 




Waschen 

fektion 

Waschen 

fektion 

Boe. 


00 

_ 

50 

_ 

500 

E. 

N. 

H. 

( (Schumburg) 

/ 4 Min. Alkohol 96proz. 

00 

00 

CO 

- 

0 

OO 

00 

- 

0 

56 000 

0O 

Boe. 


oo 

— 

0 

— 

— 

Sch. 

. 

00 

00 | 

0 

00 

0 

E. 

f (Ahlfeld) 

00 

50 

0 


— 

Bör. 

\ 5 Mio. Waschen 

oo 

1000 

0 

-20 

0 

H. 

1 5 Min. Alkohol 96 proz. 

oo 

oo 

50 

23 000 

0 

D. 

CO 

50 000 

3 

— 

— 

Sch. 

\ (Fürbringer) 

00 

— 

0 

— 

0 

Bör. 

l 1 Min. Waschen 

00 

— 

i 0 

— 

0 

E. 

J 1 Min. Alkohol 96 proz. 

oo j 

— | 

! 0 

— 

0 

Sch. 

I Min. Sublimat 1 prom. 

oo ' 

— 

i 0 

— 

— 

Bör. 

(Krönig) 

CO 

1 

— , 

0 

— 

— 


5 Min. Waschen 


— 

— 

— 

— 


5 Min. Sublimat 1 prom. 


— 

— 

— 

— 


Wie die Tabellen 4—6 zeigen, wirkt das Kodan auch gegen¬ 
über den künstlich auf die Haut gebrachten, fremden 
Keimen — die ja sonst im allgemeinen leichter zu beeinflussen 


sind, da sie mehr oberflächlich sitzen — auch bei vorherigem 
Waschen mit Seife nur unsicher, während das Festalkol ver¬ 
fahren mit vorhergehendem Waschen dem entsprechen¬ 
den Ahlfeld’schen Verfahren gleichwertig ist. 

Ohne vorhergehendes Waschen zeigt aber der Fest¬ 
alkol ebenso wie das Schumburg’sche Verfahren wohl 
eine gute DesinfektionsWirkung auf die Keime der Tages¬ 
hand, während die aufgebrachten Keime durchaus unge¬ 
nügend beeinflusst werden. 

Wir sehen hier die Berechtigung unserer Forderung, dass bei 
der Prüfung der Desinfektionswirkung eines Präparates nicht nur 
die Einwirkung der Keime auf die Tageshand, sondern vor 
allem auch auf die fremden, aufgebrachten Keime berücksichtigt 
werden muss. 

Nach dem Ausfall unserer Versuche können wir weder die 
Anwendung des Festalkols ohne vorheriges Waschen, noch die 
Schumburg’sche in ihrer ursprünglichen Form, nämlich Abreiben 
der trockenen, vorher nicht gewaschenen Hand mit 96proz. 
Alkohol für ausreichend erachten. 

Allerdings gehen die Angaben der Autoren über die Ausführung 
des Schumburg’schen Verfahrens in diesem Punkte auseinander, und viele 
sind der Ansicht, dass man in praxi auf ein wenn auch nur kurzes 
Waschen mit Wasser und Seife nicht verzichten soll. Auch Kutscher 
bat sich in diesem Sinne geäussert und ist bei allen seinen Versuchen 
so verfahren, obwohl er andererseits sagt, man solle „jedes unnötige 
Aufweichen der Haut vor und nach der Alkoholbehandiung möglichst 
vermeiden, da der Alkohol seine keimvermindernden und zurückhalten¬ 
den Eigenschaften am besten entfalten kann, wenn er möglichst kon¬ 
zentriert wirkt.“ 

Der entscheidende Einfluss, den eine wenn auch nur 
kurze Seifenwaschung vor der Anwendung des konzentrierten 
Alkohols auf die Beseitigung der auf die Hände gelangten 
fremden Keime bat, ist jedenfalls von den Nacbprüfern des 
Schumburg’sohen Verfahrens nioht genügend hervorgehoben 
worden. 

Wenn wir auch mit Kutscher der Ansicht sind, dass der 
Alkohol um so stärker wirkt, je konzentrierter er ist, so kann 
er seine baktericiden Eigenschaften nnr gegenüber feuchten 
Objekten äussern, da er, wie bekannt, in trockene Medien, wie 
Blut u. dgl., nicht einzodringen vermag. 

Die Verkennung dieser im Grunde einfachen, von Ahlfeld 
und Vahle u. a., neuerdings wieder von Martins klargelegten 
Verhältnisse hat zu mancherlei unrichtigen Ansichten über die 
Alkohol Wirkung geführt, z. B. zu der Ansicht, dass verdünnter 
Alkohol an sich stärker wirke, als konzentrierter. In Wirklich¬ 
keit verhält sich der Alkohol in dieser Hinsicht wohl ebenso wie 
alle anderen Desinfektionsmittel, er wirkt an sich um so stärker, 
je konzentrierter er ist. Es wirkt aber wie alle anderen Mittel 
nur da, wo er hinkommt. 

Es ist daher die Anwendung von konzentriertem 
Alkohol auf die trockene Hand zu verwerfen, denn er 
vermag hier nicht genügend einzudringen und seine 
baktericide Wirkung zu entfalten, auf der unserer Ueber- 
zeugung nach die Bedeutung des Alkohols für die Hände¬ 
desinfektion beruht 1 ). Oft wird ja die natürliche Feuchtigkeit 
der Hand genügen, um die Desiufektiouswirkung des konzentrierten 
Alkohols zu ermöglichen, aber unsere Prodigiosusversuche zeigen, 
dass wir uns darauf nicht verlassen dürfen. Wir konnten bei 
unseren Versuchen beobachten, dass das mit den Bakterien an der 
Hand angetrocknete Blut durch Abreiben mit 96 proz. Alkohol 


1) Merkwürdigerweise ist die Tatsaohe der überaus schnellen bak¬ 
tericiden Wirkung des unverdünnten Alkohols auf feuchte Bakterien in 
dünner Schicht, von der man sich durch einen einfachen Versuch jeder¬ 
zeit überzeugen kann, offenbar vielen Autoren unbekannt, während die 
Hypothese, dass die keimvermindernde Wirkung des Alkohols gegenüber 
den Bakterien der Hand hauptsächlich auf Fixation und Schrumpfung 
beruhe, als erwiesene Tatsache von einer Arbeit in die andere über¬ 
nommen wird, so z. B, noch jüngst in die von K. Borrmann, während 
die eigenen Versuche der Verfasserin die schnelle Keimtötuog durch 
Alkohol aufs neue beweisen. Wenn Kutscher findet, dass Prodjgiosus 
nach 10 Minuten langer Einwirkung von 96 proz. Alkohol unverzögertes 
Wachstum zeigte, so hat er mit an Seidenfäden angetrockneten Bakterien 
gearbeitet, also unter Bedingungen, die sich mit denen bei seinen Des- 
infektionsversuohen an einer mit Wasser und Seife gereinigten Hand nicht 
vergleichen lassen. Bei der Unschädlichmachung fremder, auf die Haut 
gelangter Keime spielt unserer Ansicht nach die schrumpfende und 
fixierende WirkuDg des Alkohols gar keine Rolle; wie unsere Prodigiosus¬ 
versuche an der trockenen Hand zeigen; werden solche Keime durch 
Alkohol gar nicht wirksam fixiert. 


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UMVERSITY OF IOWA 





10. Augnst 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1511 


nicht entfernt, sondern fixiert wurde. Es war noch nach erfolgter 
Desinfektion an der Hand und besonders unter den Nägeln vor¬ 
handen und löste sich erst beim Eintauchen in den flüssigen Agar, 
wo dann die beigemiscbten Keime auswuchsen. 

Wenn wir also gründliches Reinigen und Anfweichen der Haut 
vor der Alkoholdesinfektion verlangen müssen, so können wir dem 
langdauernden Waschen, wie es in manchen Kliniken sogar bis 
15 Minuten und länger üblich ist, nicht das Wort reden; denn 
ein besseres Resultat wird dadurch nach den Versuchen früherer 
Autoren sowie nach unseren eigenen nicht erzielt. 

Was nun die Dauerwirkung bei der Desinfektion mit Fesfc- 
alkol betrifft, so hat Martius mitgeteilt, dass nach dem Ope¬ 
rieren in Gummihandschuhen der Keimgehalt der mit Festalkol 
desinfizierten Hände nicht wesentlich zunabm. 

Einige von uns nach dieser Richtung hin angestellte Versuche 
halten ein ähnliches Resultat, doch erscheint es erwünscht, sie 
noch in der Klinik unter praktischen Verhältnissen genauer zu 
prüfen. 

Wir haben zunächst auf die Dauerwirkung nicht so grossen 
Wert gelegt, da es uns in erster Linie auf die Brauchbarkeit des 
Festalkols für die Hebammen praxis ankam. Hier ist die lange 
Nachwirkung nicht in gleicher Weise erforderlich, wie bei chir¬ 
urgischen Eingriffen. Der Festalkol bietet dagegen den Vorteil 
der Einfachheit und der automatischen Kontrolle der Desinfektions- 
zeit. Er ist auch zunächst hauptsächlich für diesen Zweck von 
Selter, Martius und Süpfle empfohlen worden. 

Ein für alle Zwecke geeignetes und in jeder Hinsicht voll¬ 
kommenes Verfahren der Händedesiofektion ist bisher wohl nicht 
gefunden, und wir müssen uns bemühen, uns auf diesem schwie¬ 
rigen Gebiete von Einseitigkeit freizuhalten. 

Trotz der grossen Vorteile, die die Einführung des Alkohols 
bei der Händedesinfektion gehabt hat, ist doch die Unvollkommen¬ 
heit der reinen Alkoholmethoden nicht zu verkennen und das 
Bestreben berechtigt, durch Anwendung von anderen Antiseptica 
eine bessere und vor allem eine nachhaltigere Wirkung zu er¬ 
reichen. Zweifellose Vorteile hat aber in dieser Hinsicht bisher 
wohl nur das Sublimat gezeigt, gegen dessen allgemeine Ver¬ 
wendung aber die bekannten Bedenken vorliegen. 

Was die Sublimat Wirkung anbetrifft, so konnten wir bei 
unseren Versuchen einige Beobachtungen über einen besonderen 
Vorzug derselben, nämlich ihre lange Dauerwirkung, sammeln; 
die Hände von einigen Versuchspersonen, die sich am selben Tage 
mit Sublimat gewaschen hatten, zeigten sieb nämlich noch nach 
Stunden fast steril (Tabelle A II, sowie eine grössere Anzahl hier 
nicht mitgeteilter Versuche). Diese Nachwirkung, die jedoch bei 
unseren Versuchspersonen durchaus nicht gleichmässig vorhanden 
war, ist bekanntlich schon von Speck aus dem Flügge’schen 
Institut beschrieben worden. 

Von anderen Mitteln haben wir inzwischen noch das von Heusner, 
v. Brunn und Meyer erprobte Jodbenziuverfahren geprüft (3 Minuten 
laogeB Waschen in: Jod 1,0, Benzin 750,0, Paraffin 250,0, dann 2 Mi¬ 
nuten langes Naohwaschen in 96 proz. Alkohol). Dabei wurden die auf¬ 
gebrachten Prodigiosuskeime abgetötet, während die Saprophyten der 
Tageshand ungenügend beeinflusst wurden. 

Zum Schluss möchten wir noch mit einigen Worten auf das 
Mastisol zu sprechen kommen. Das Prinzip, durch Klebstoffe 
die Bakterien zu fixieren und dadurch unschädlich zu machen, 
ist gewiss für viele Zwecke durchaus richtig, und nach zahlreichen 
Berichten soll ja das Mastisol für die Wundbehandlung — speziell 
im Felde für die ersten Verbände — Gutes leisten. Nun ist es 
neuerdings aber von Oettingen und Jaquet auch zur Hände¬ 
desiofektion empfohlen worden. Nach den von uns gemachten 
Beobachtungen ist es in der angegebenen Form zu diesem Zwecke 
völlig ungeeignet. Rieben wir die Hände nach der von den Autoren 
gegebenen Vorschrift gründlich mit Mastisol ein und tauchten, 
nachdem der Ueberzug erstarrt, eventuell mit sterilem Talkum be¬ 
streut war, die Fingerspitzen kurz in flüssiges Agar oder in körper¬ 
warmes, flüssiges Serum, so gingen ausserordentlich zahlreiche 
äeime in die Nährlösung über, offenbar weil das Mastisol in dem 
nussigen Agar sowohl wie im Serum gelöst wird, so dass die 
eabsichtigte Fixierung auch nicht annähernd erreicht wird. Auch 
wenn wir die vorher mit Prodigiosus infizierten Hände in der- 
se Den Weise mit Mastisol behandelten, gingen von den Fingern 
usserst zahlreiche Prodigiosuskeime in die flüssigen Nährböden 
er. Es ist daher unrichtig, derartige üeberzüge als 
u (d* b. den Körperflüssigkeiten gegenüber) un- 

‘ösDch zu bezeichnen. 8 6 


II. i) 

Wir haben seitdem noch eine grössere Anzahl von Versuchen 
mit Festalkol an der Tageshand gemacht, deren Resultate in 
Nummer 1 der Tabelle am Schluss der Arbeit summarisch zu¬ 
sammengestellt sind. 

Zum Teil wurden dabei im Gegensatz zu unseren ersten Versuchen 
die Hände nach der Seifenwaschung nicht getrocknet; die Verreibung 
des Mittels erforderte dann etwas längere Zeit, die Resultate waren aber 
keine anderen wie sonst. Auch bei diesen Versuchen haben wir anstatt 
3 jedesmal nur 2 Stücke Festalkol für eine Desinfektion genommen und 
nur die Hände, nicht auch die Unterarme desinfiziert, da hier doch keine 
Proben entnommen wurden und die Entfernung der Bakterien von den 
Fingern, speziell von den Nagelgliedern, allgemein als das schwierigste 
gilt. In praxi müsste bei der Desinfektion der Unterarme entsprechend 
mehr von dem Mittel genommen werden. 

Wie bei allen Desinfektionsverfahren, mag auch bei diesem 
die Sorgfalt, mit der es ausgeführt wird, und die Uebung, die 
mau darin bat, einen gewissen Einfluss auf das Ergebnis haben; 
von grösserem Einfluss waren aber individuelle Unterschiede, in¬ 
dem gewisse Hände deutlich schlechtere Resultate ergaben als 
andere und andrerseits anch die täglich zu Desinfektionsversncben 
benutzten Hände sich im Laufe der Versuche etwas leichter keim¬ 
frei machen Hessen als im Beginn. Wir haben aber nicht selten 
anch dann unbefriedigende Resultate gesehen, wenn die Des¬ 
infektion von einer geübten Person, deren Hände vor und nach¬ 
her sehr gute Resultate ergaben, mit aller Sorgfalt geschah. Aehn- 
liche Erfahrungen haben wir jedoch auch bei den andern von uns 
angewandten Methoden gemacht, so bei dem von zahlreichen 
Autoren anerkannten Ahlfeld’schen Verfahren (bei dem wir jedoch 
die Zeit der Seifenwaschung auf 5 bzw. 2 Minuten herabsetzten); 
siehe Nnmmer 8 n. 9 der Scblusstabelle. Auch in den Tabellen von 
Kutscher, Otto und Kannengiesser finden sieb mit dem 
Schnmbnrg’schen und Ablfeld'schen Verfahren neben vielen guten 
einzelne unbefriedigende Ergebnisse verzeichnet. Entschieden sind 
die Ergebnisse des Verfahrens nach Ahlfeld durchschnittlich 
etwas besser als beim Festalkol, vor allem ist die Zahl der sterilen 
Platten grösser, aber auch die Platten mit recht hohen Keimzahlen 
sind seltener. Die gleichmässigere Wirkung wird man natürlich 
zunächst dem energischen mechanischen Bearbeiten der Hände 
and der grossen Menge des benutzten Alkohols (10 mal mehr als 
beim Festalkolver fahren!) losch reiben; der Vergleich unserer Ver¬ 
suche in Nummer 8 u. 9 der Tabelle spricht allerdings — obwohl 
Scbumburg u. a. in diesem Punkt za anderen Ergebnissen ge¬ 
kommen sind — dafür, dass auch das vorhergehende längere 
Bürsten mit Seife an dem Erfolg beteiligt ist. Aber auch beim 
Festalkol wird man gegenüber der überwiegenden Zahl von guten 
Ergebnissen den einzelnen Misserfolgen keinen entscheidenden 
Wert beilegen dürfen; auf Grand unserer Ergebnisse an künstlich 
infizierten und normalen Händen sowie der entsprechenden Be¬ 
funde von Selter, Martius und Borrmann und unter Berück¬ 
sichtigung der Untersuchungen Süpfte’s über die starke bakteri- 
cide Wirkung des Mittels auf Staphylococcus aureus möchten wir 
vielmehr das Festalkol verfahren sowie die Anwendung der so¬ 
gleich zu besprechenden flüssigen Seifenalkoholpräparate speziell 
für die Hebammenpraxis, wo die Handlichkeit der Methode be¬ 
sonders ins Gewicht fällt, für praktisch genügend ansehen. 

Wir haben nun Versuche mit ähnlichen, teils 80, teils 88 proz. 
Alkohol enthaltenden Präparaten gemacht, denen jedoch noch ein 
Zusatz von 0,1 —0,25 pCt. von Gblor-m-Kresol oder verwandten 
Antiseptica gegeben wurde. Die Versuche mit diesen Mitteln, die 
untereinander keine dentlichen Differenzen zeigten und daher in 
Nnmmer 2 der Tabelle zusammen fassend wiedergegeben sind, er¬ 
gaben jedoch keine nennenswerte Verbesserung der Resultate 
gegenüber dem Festalkol. 

Nun hat kürzlich Laubenheimer 2 ) bei Desinfektionsver¬ 
suchen mit Festalkol an 14 Händen unter Anwendurg der Paul- 
Sarwey’schen Prüfungsmethodik zum grossen Teil ungünstige Re¬ 
sultate erhalten; er hält danach das Präparat für ungeeignet und 
führt die abweichenden Ergebnisse der anderen Untersucher dar¬ 
auf zurück, dass sie fast ausschliesslich die auch von uns benutzte 
Prüfung nach Schumburg durch Bewegen der Fingerspitzen in 


1) Die nachstehend besprochenen Versuche sind zum grossen Teil 

erst nach dem Ausscheiden von Herrn Dr. Huntemüller aus dem 
Institut in meiner Abteilung ausgeführt worden; über diese Untersuchungen 
wird alsbald von den Herren Stabsarzt Eokard und Medizinalpraktikanten 
Börnstein ausführlich berichtet werden. Neufeld 

2) Hyg. Rundschau, Nr. 9. 

5* 


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1512 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


flüssigem Agar anwendeten, anstatt des Abschabens der Nagel¬ 
räume usw. durch Hölzchen nach Faul und Sarwey. 

Derart widersprechende Resultate sind bekanntlich in Desinfektions¬ 
fragen schon mehrfach vorgekommen, und die Wertschätzung sowohl der 
Desinfektionsmittel als auch der Prüfungsmetboden hat manchmal von 
einem Extrem zum andern geschwankt. Wir möchten, wohl in Ueber- 
einstimmung mit der Mehrzahl der neueren Untersucher, die Schumburg¬ 
sohe Art der Keimentnahme, bei welcher, den natürlichen Verhältnissen 
entsprechend, die Keimabgabe der Finger gegenüber einem flüssigen 
kolloiden Medium (vergleiche hierzu auch die neuesten Untersuchungen 
von Bechhold) geprüft wird, für weit besser halten als die ältere 
Paul - Sarwey’sche Methode. Io keinem Fall aber ist die Lauben- 
heimer’sche Ansicht zutreffend, dass bei unserer Methodik nur die 
oberflächlichen Keime in den Nährboden übergehen, „während der leim¬ 
artige Agar alle Poren verstopft .... und die Keime in den Nagel¬ 
betten geradezu festklebt“. Diese Vorstellung ist bereits durch zahl¬ 
reiche frühere Versuche widerlegt, und auch wir haben uns überzeugt, 
dass, wenn man die Finger vielfach hintereinander in flüssigen Agar 
ausdrückt, immer wieder Tausende von Keimen sich ablösen. Kannen- 
giesser (1. c. S. 33) erhielt bei mehrmals wiederholtem Abimpfen einer 
Hand in flüssigen Agar jedesmal sehr zahlreiche Keime, dann, nachdem 
er durch Bürsten viele Millionen Bakterien entfernt batte, bei Eintauchen 
der Finger in drei Agarschalen hintereinander jedesmal sogleich wieder 
über 100 000 Keime. Wenn schon nach diesen Beobachtungen, die wir 
vielfach bestätigt haben, keine Rede davon sein kann, dass der Agar 
die Poren verstopft, so sprechen dagegen auch die überaus zahlreichen 
Versuche, in denen nach der Schum bürg’schen Methodik an den mit 
den verschiedensten Desinfizientiei), Sublimat, Lysol, Formaldehyd, 
Alkohol usw., behandelten Händen sehr zahlreiche Bakterien nachgewiesen 
wurden. Man darf wohl annehmen, dass durch alle diese Mittel die 
Hauptmasse der oberflächlichen Hautkeime beseitigt wird. 

Wie schon Kutscher und andere gezeigt haben, lässt sich 
mit der gleichen Methodik anch die Dauerwirkung eines Mittels 
ausgezeichnet verfolgen. Bei unseren einschlägigen Versuchen, 
deren Einzelheiten demnächst mitgeteilt werden sollen, war die 
Danerwirkung beim Festalkol sowie bei unseren sogleich zu 
erwähnenden Seifenspirituspräparaten zwar keineswegs ideal, aber 
nicht prinzipiell schlechter als bei anderen Desinfektionsmethoden. 

Es lag nun nach den Erfahrungen mit Festalkol nabe, 
flüssige Präparate von ähnlicher Zusammensetzung za versuchen; 
wird doch die Verwendung des festen Seifenpräparats bisher im 
allgemeinen nnr für besondere Fälle, wie bei Hebammen, in der 
ambulatorischen Präzis, auf dem Lande oder im Felddienst, 
empfohlen; auch Süpfle glaubt, dass im Krankenhausbetrieb der 
Alkohol stets als Flüssigkeit Verwendung finden wird. Wir haben 
daher eine Aozahl flüssiger Seifenpräparate hergestellt, die im 
Gegensatz tu dem offizinellen (etwa 40 proz.) Seifenspiritus, der 
bekanntlich von Mikulicz seinerzeit zur Händedesinfektion 
empfohlen, aber auf Grund späterer Resultate mit Recht als un¬ 
genügend abgelehnt worden ist, einen Alkoholgehalt von etwa 
75 und 88 pCt. (Gewichtsprozent!) hatten. 

Wir verwendeten diese Präparate in der Weise, dass wir, wie auch 
bei den Versuchen mit Festalkol und den meisten anderen Mitteln, 
die Hände zunächst kurz, etwa 2 Minuten lang, in fliessendem warmen 
Wasser mit Seife wuschen, und zwar meist ohne Anwendung von Bürste 
und Nagelreiniger; wir möchten jedoch für die Praxis die Anwendung 
der Bürste für die Seifenwaschung in jedem Falle empfehlen und halten 
sie für selbstverständlich da, wo etwa sichtbarer Schmutz sich unter 
den Nägeln befindet. Dann wurden die Hände teils nass, teils nach 
leichtem Abtupfen mit Gaze mit geringen Mengen des Seifenspiritus ge¬ 
waschen, indem mehrmals einige Kubikzentimeter davon in die Hohl¬ 
hand gegeben und, ohne eine Bürste anzuwenden, einfach auf den 
Händen, natürlich mit besonderer Berücksichtigung der Nagelglieder, so 
lange verrieben wurden, bis die Hände trocken waren. Dies dauerte 
bei einem Gesamtverbrauch von 10 bis 15 cm im ganzen etwa 5 bis 
6 Minuten. Darauf gründliches Abspülen mit fliessendem heissen Wasser 
und schliesslich mit steriler Kochsalzlösung. Auch hier haben wir, wie 
bei allen unseren Versuchen, auf eine Desinfektion der Unterarme, die 
natürlich entsprechend mehr von dem Mittel erfordern würde, verzichtet. 

Von derartigen Mitteln haben, wie ans Nummer3—6 derSchluss- 
tabelle hervorgeht, einige mit Ricinnsseifen hergestellte Präparate 
bei einer grösseren Zahl von Versuchen recht gute Resultate er¬ 
geben, während die Ergebnisse mit einigen ähnlichen Präparaten 
ungünstiger waren. Die Anwendung dieser Mittel in der 
beschriebenen Form ist für die Hände angenehm, ein¬ 
fach aaszuführen und billig und kommt bei dem ge¬ 
ringen Materialverbrauch insbesondere für die ambu¬ 
lante Praxis and für die Verwendung bei Hebammen in 
Betracht. Nach weiteren, alsbald näher mitzuteilenden Ver¬ 
suchen mit künstlich aufgebrachten Golibakterien sind diese Mittel 
auch für die Händedesinfektion am Krankenbett, bei Typhus¬ 
bacillenträgern und dergleichen sehr geeignet. 


Wir verwendeten zunächst mit gutem Erfolg einen Seifenspiritus 
aus palroitiusaurem Kali, das Herr Dr. Croner im Institut in liebens¬ 
würdiger Weise für uns aus reinem Ausgangsmaterial herstellte; wir 
verrieben davon im Mörser 20 g mit etwa 4 ccm Wasser und 80 ccm 
96 proz. Alkohol. Wir haben bei Wiederholungen aber nicht immer ein 
gleichmässiges Präparat erhalten, dabei schienen sich kleine Differenzen 
im Wasser- und Alkaligehalt bemerkbar zu machen; aus diesem Grunde 
haben wir dann von einer weiteren Herstellung im Laboratorium abgesehen. 
Die Seifenspirituspräparate zu 3—7 sind für uns von der Firma Schülke 
& Mayr-Hamburg bergestellt worden, die bereits das Kodan und die 
Präparate zu 2 geliefert hatte. 

Besonders geeignet erscheint der za den Versuchen in Zeile G 
and 7 benutzte Seifenspiritus aus Ricinusöl mit 75 proz. Alkohol¬ 
gehalt 1 ). Nun sind gerade die Resultate in Nummer 6 (und ferner 
in Nummer 5) erheblich dadurch beeinträchtigt, dass sich darunter 
eine Anzahl von Versuchen an einer Person mit besonders schwer 
za desinfizierenden Händen befinden; zieht man diese ab, so erhält 
man die weit günstigeren Zahlen, die wir, um den Einflnss dieses 
individuellen Faktors za zeigen, daneben in Klammern gesetzt 
haben. 

Nun kann man aber auch, wenn es nicht darauf ankommt, 
mit ganz geringen Mengen des Mittels aaszukommen, denselben 
Seifenspiritus in der Weise verwenden, dass man damit, wie bei 
dem Ahlfeld’sclien Verfahren, einen Watte (oder Gaze-) bansch 
tränkt und mit diesem die Hände abreiht; man braucht dann 
immer noch weniger Material als bei der Desinfektion nach 
Ahlfeld oder Schumburg; auch wurde der Seifenspiritus selbst 
bei dieser immerhin eingreifenden Art der Anwendung im all¬ 
gemeinen angenehmer empfunden als der reine Alkohol. Die in 
Nummer 7 der Tabelle enthaltenen Resultate sind ausgezeichnete; 
es zeigt sich auch hier, dass, wie ja von vornherein za erwarten 
ist, das einfache Verreiben geringer Mengen des Präparats doch 
nicht so sicher wirkt wie das der längeren Bearbeitung der Hand 
mittels eines Wattebausches. Insbesondere sehen wir dann anch 
bei sonst schwer zu desinfizierenden Händen eine sichere Wirkung, 
wie der Vergleich mit den eingeklammerten Zahlen (s. oben) zeigt. 
Die Ergebnisse sind wohl die besten unter allen unseren 
Versuchen und gewiss weiterer Nachprüfung wert. 

Die Versuche unter Nr. 14 der Tabelle zeigen die wichtige 
Rolle der Beimischung der Seife znm Alkohol, dessen Eindringen 
dadurch offenbar erleichtert wird. Alkohol ohne Seife bat beim 
einfachen Verreiben (ohne Watte oder Bürste) selbst in doppelter 
Menge einen ganz mangelhaften Erfolg. Hieraus geht unseres Er¬ 
achtens deutlich hervor, dass die Zufügung einer geeigneten 
Seife zn hochprozentigem Alkohol einen wesentlichen 
Fortschritt in der Desinfektionstechnik bedeutet 2 ). Sinkt 
der Alkoholgehalt erheblich, so ist die Wirkung des Seifenspiritus 
offenbar keine andere als die einer gewöhnlichen Seife (Nr. 13, Ver¬ 
such mit offizinellem Seifenspiritus). Das Einreiben mit dem ein¬ 
gangs beschriebenen „Kodan“ (etwa 40 pCt. Alkohol) ist fast ganz 
erfolglos (Nr. 11). Auch die Anwendung wässeriger Lösungen 
der drei neuen Chlorkresolpräparate, die freilich in dieser Form 
(vgl. auch Okada) von vornherein kaum Erfolg versprachen, 
ergab durchaus ungenügende Resultate; dieselben sind hier nur 
zum Vergleich mitgeteilt (Nr. 12 der Tabelle). Erwähnt sei, 
dass das Grotan insofern noch am besten wirkt, als es wenigstens 
die künstlich aufgebrachten Prodigiosuskeime annähernd, wenn 
auch nicht vollständig beseitigte. 

Auf Grund der Empfehlung von Lanbenheimer, Okada, 
Bierast und Lamers machten wir ferner einige Versuche, bei 
denen wir die Hände in einer grossen Schüssel mit Pbobrol- 
alkohol (Phobrol 10, 70 pCt. [Vol.-pCt.] Alkohol ad 1000) 3 Mi¬ 
nuten bürsteten; die Resultate waren im ganzen gut, doch er¬ 
hielten wir auch hier mehrfach Platten mit mehreren hunderten 


1) Das Präparat ist von Sohülke & Mayr - Hamburg zu beziehen. 
Preis ab Fabrik ohne Packung 3 M. per Liter. 

2) Sohrauth glaubt dagegen (in seinem Handbuch „Die medika¬ 
mentösen Seifen“, Berlin 1914, S. 52), dass die festen Spiritusseifen in¬ 
folge des zu hohen Alkoholgehalts (!) nicht genügend desinfizieren, dass 
vielmehr daraus erst durch Zusatz eines Antisepticums ein gutes Des- 
infizienz gewonnen werden könne. Der Alkohol sei dabei geeignet, die 
Seife und das etwa zugesetzte Antisepticum in die tiefen Schichten der 
Haut einzuföbreo; er selbst verdunste aber grösstenteils beim Verreiben, 
„während sich Seife und Antisepticum in der Haut anreichern“. Diese 
letztere Hypothese findet in unseren Ergebnissen mit den Chlorkresol- 
alkoholseifen leider keine Stütze. Ob sich mit Quecksilberpräparaten 
besseres erzielen lässt, bleibt abzuw&rten; einige Versuche mit Sublimat¬ 
zusatz zu flüssigem Seifenspiritus unmittelbar vor dem Gebrauch — was 
uns nach Martius’ Beobachtungen, die wir bestätigen können, nicht 
aussichtslos erschien —, zeigte keine deutliche Verbesserung der Wirkung. 


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10. August 19X4. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1513 


Tabelle 7. 


u 

a> 

0 

0 

3 

Ä 

Seifen¬ 
waschung 
(fliess. warmes 
Wasser) 

Dauer (Bürst.? 

Desinfektionsmittel 
(ca..... Gewichtsprozent Alkohol) 

Ver¬ 

brauchs¬ 

menge 

Art der Anwendung 

Zahl 

der 

Ver¬ 

suche 

(Hände) 

Die prozen 
Keimabnahme 
.... ma 

100 %| 99 % 
(sterii) 'u.mehr 

;uale 

betrug 

1 

unter 
99 % 

Die al 
nach 

t 

0-100 

>solut< 
der De 
rügen . 

100 bis 
1000 

sn Keim 
sinfektk 
... mal 

1000 b. 
10 000 

zahlen 
m be- 

über 
10 000 

1 

ca. 2" 

meist 

Festalkol (80%) 

ca. 12 g 

5—6' einf. Verreiben 

31 

13 

12 

6 

23 

3 

1 

4 

2 

do. 

nein 

do. 

Festalk. m.Kresolen (80bzw.88°/ o ) 

do. 

do. 

33 

13 

18 

2 

23 

7 

2 

1 

3 

do. 

nein 

( Ricinussäure (88%) 

ca. 15 ccm 

do. 

40 

3 

29 

8 

24 

12 

3 

1 

4 

do. 

do. 

.. do. (75 7o) 

do. 

do. 

40 

8 

22 

10 

31 

4 

2 

3 

5 

do. 

do. 

g 3 < Ricinusöl (88%) 

do. 

do. 

*22(18) 

5 (5) 

9(8) 

8(5) 

14(14)' 

1 1 (0) 

1 3 (3) 

4(1) 

6 

do. 

do. 

•• / do. (75 %) 

do. 

do. 

56(50) 

29(29)116 (12) 

11 (9) 

39(28), 

8(5) 

: 5 (5) 

4(2) 

7 

do. 

do. 

<g \ do. (75»/.) 

ca. 50 ccm 

5' mit Watte abreiben 

37(31) 

18(13) 

18(17) 

1 

34(28)! 

2 

i 1 1 

0 

8 

ca. 5' 

ja! 

Alkohol (96 o/o) 

ca. 60 ccm 

do. 

1 20 

14 

3 

3 

16 

2 

! 2 1 

0 

9 

oa. 2' 

nein 

do. 

do. 

do. 

l 30 

3 

21 

6 

24 i 

5 

1 i 

0 

10 

do. 

do. 

1 proz. Pbobrolalkohol (63 %) 

1 Liter 

3' bürsten 

! 16 

4 

9 

3 

10 

5 

- 0 | 

1 

11 

do. 

do. 

Kodan (40 %) 

ca. 5 g 

ca. 5' einf. Verreiben 

9 

0 

0 

9 

0 

0 i 

3 1 

6 

12 

do. 

do. 

7t proz. Phobrol, 0,3 proz. Grotan, 

1 Liter 

2' bürsten 

8 

0 

1 

7 

0 ; 

1 i 

2 ! 

5 




l proz. Sagrotan (0 %) 








( 

1 


13 

do. 

do. 

offiz. Seifenspiritus (43%) 

ca. 15 ccm 

ca. 5' einf. Verreiben 

10 

0 

0 

10 

0 

0 ! 

0 1 

10 

14 

do. 

do. 

Alkohol (75 bzw. 90%) 

25 ccm 

do. 

10 

0 

4 

6 

1 

2 

1 

3 ! 

4 


Die Desinfektionsmittel wurden stets durch sorgfältige Spülung vor der Abimpfung entfernt; die Abimpfung geschah stets durch Reiben und 
Ausdrücken der Nagelglieder sämtlicher Finger in flüssigem Agar während 45 Sekunden. — Eine Anzahl von Platten, die nur einzelne oberflächliche, 
offenbar aus Luftkeimen hervorgegangenen Kolonien zeigten, sind als steril aufgeführt. 


(bei Prüfung der Dauerwirkung mit mehreren Tausenden) von 
Kolonien; das Verfahren ist zudem kostspielig und dürfte für die 
ambulante Praxis ohnehin nicht in Betracht kommen. 

In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse der von uns 
hauptsächlich herangezogenen Methoden nach zwei Gesichts¬ 
punkten zusammengestellt, indem wir einmal im Anschluss an die 
von Schumburg, Kutscher, Otto, Martius und anderen ge¬ 
übte Berechnung die prozentuale Abnahme des Keimgehaltes (im 
Vergleich mit dem Keimgehalt derselben Hand vor der Des¬ 
infektion) angeben, ferner aber auch absolute Keimzahlen nach 
vollendeter Desinfektion summarisch wiedergeben. Die Bewertung 
dieser Zahlen bei Versuchen an der Tagesband ist wohl immer 
etwas willkürlich. Wir möchten glauben, dass gerade die 
absoluten Keimzahlen zur Beurteilung des Erfolges am 
wesentlichsten sind; eine Keimabnahme um 99 pCt. kann an 
sich noch nicht als genügend angesehen werdeD, da z. B. bei 
Anfangszahlen von 100000 Keimen oder mehr, wie sie sehr 
häufig Vorkommen, die Endplatte dann immer noch 1000 Keime 
enthalten kann. Will man etwa angesichts der Mangelhaftigkeit 
aller Methoden der Händedesinfektion die Versuche, bei denen 
die absolute Keimzahl nach der Desinfektion nicht über 100 
hinausgeht, als befriedigend anseben und die einzelnen Ver¬ 
fahren danach beurteilen, wie häufig dieses Ziel erreicht wird, so 
können wir unter den Verfahren zu 1—10, abgesehen etwa von 
Nr. 7, keine Unterschiede konstatieren, die ganz sicher über Zu¬ 
fälligkeiten hinausgehen. Nimmt man aber als weiteres Kriterium 
den Prozentsatz der sterilen Platten hinzu, so steht unter den 
einfacheren Verfahren 1—6 (geringer Materialverbrauch, kein 
mechanisches Bearbeiten der Hände) Nr. 6 am günstigsten, unter 
den anderen vor allem 8, alsdann 7; bei diesen letzteren Verfahren, 
bei denen die Hände energisch abgerieben oder gebürstet werden 
(Nr. 7—10), ist ferner, was wohl kein Zufall ist, das unerfreuliche 
Ereignis einer ganz hohen Keimzahl (über 10000) an der des¬ 
infizierten Hand sehr selten. 

Die ganz unzulängliche Wirkung der Verfahren 11—14 im 
Vergleich mit den anderen geht aus der Tabelle 5 ohne weiteres her¬ 
vor; es ergibt sich daraus in "Uebereinstimmung wohl mit allen 
neueren Autoren, dass eine befriedigende Händedesinfektion ohne 
Anwendung von Alkohol in Konzentrationen über 60 pCt. bisher 
nicht möglich ist. 

Die in der Tabelle 7 wiedergegebenen Resultate beziehen 
«ich nur auf die saprophytischen Keime der „Tageshand“; nach 
unseren früheren Ausführungen können natürlich solche Ver¬ 
ehren, die sich in dieser Hinsicht als ganz unzureichend er¬ 
weisen, trotzdem durch Beseitigung der Mehrzahl der von aussen 
*uf dfe Hand gelangten Bakterien überaus nützlich wirken, wie 
y» ja zweifellos bereits bei der einfachen Seifen Waschung der Fall 
ist. Wie oben bervorgehoben wurde, sind die Bedingungen für 
die Abtötung einerseits der normalen Haut-(Drüsen ) Schmarotzer, 
ond andererseits der fremden Keime nicht immer die gleichen, 
da die Bakterien an verschiedener Stelle sitzen und Feuchtigkeits¬ 


grade und Einbettung verschieden sein können. Bis zu einem 
gewissen Grade gehen jedoch die Wirkungen eines Desinfektions¬ 
mittels auf beide Arten von Keimen parallel, und im allgemeinen 
werden die an der Tageshand wirksamsten Mittel auch die von 
aussen stammenden Keime am zuverlässigsten beseitigen. Im 
Grunde beruhen unsers Erachtens beide Wirkungen auf derselben 
Ursache, nämlich auf der starken baktericiden Kraft und auf 
seinem schnellen Eindringungsvermögen; speziell für die Haut¬ 
schmarotzer kommt in Betracht die Fähigkeit, in capillare Räume, 
wie es die DrüseDgänge sind, einzudringen. Wir sind in dieser 
Hinsicht zu derselben Anschauung gekommen, wie sie soeben 
Bechhold dargelegt hat; wir vermuten aber, dass auch 
die Dauerwirkung des Alkohols nicht, wie jetzt allgemein 
angenommen wird, auf Keimfixierung und Schrumpfung der 
Haut, sondern auf Abtötung der Bakterien in den Drüsengängen 
beruht. 

Die ausführlichen Protokolle über unsere Versuche sollen 
alsbald in einer weiteren Arbeit zusammen mit weiteren Ergeb¬ 
nissen mitgeteilt werden, dabei werden wir auch auf einige all¬ 
gemeine Gesichtspunkte, die für die Beurteilung der Frage der 
Händedesinfektion und ihrer Methodik in Betracht kommen, näher 
eingeben. 

Schlusssätze. 

1. In Bestätigung früherer Versuche konnten wir ein$ ge¬ 
nügende Händedesinfektion nur mit hochprozentigem (von etwa 
70 Gewichtsprozent an) Alkohol erreichen. Notwendig ist aber 
vorhergehende Seifen Waschung, da z. B. in Blut angetrocknete 
Keime sonst der abtötenden Wirkung des Alkohols, auf der seine 
Bedeutung für die Desinfektion beruht, entgehen können. 

2. Als einfaches und billiges Verfahren ist zu empfehlen das 
Verreiben kleiner Mengen von Festalkol oder geeignetem flüssigen 
Seifenspiritus; als solcher bewährte sich besonders ein 75 proz. 
Ricinusseifenspiritus. Hierdurch wurden fremde Keime regel¬ 
mässig unschädlich gemacht und der Keimgehalt der Tagesband 
stark herabgesetzt. 

Noch erheblich bessere Resultate erhält man, wenn man etwas 
grössere Mengen des flüssigen Seifenspiritus mit einem Watte¬ 
bausch auf den Händen verreibt. 


Literatur. 

Ahlfeld und Vahle, D.m.W., 1896, S. 81. — Bechhold, Zschr. 
f. Hyg., Bd. 77, S. 436. — Bierast und Lamers, Zbl. f. Bakt. Orig., 
Bd. 68, S. 207. — Borrmann, Hyg. Rdsch., 1914, Nr. 6. — v. Brunn, 
M.m.W., 1908, S. 893.— Heusner, D. Zschr. f. Chir., Bd. 87, S. 482.— 
Jaquet, D.m.W., 191$, S. 2044.— Kanneugiesser, Experim. Unter¬ 
suchungen über die Händedesinfektion mit Alkohol. Diss. Giessen 
1909. — Krönig und Blumberg, M.m.W., 1900, Nr. 29 u. 30. — 
Kutscher, Vöff. MilitSanitätsw., Jahrg. 44, S. 1. — Kutscher, B.kl.W., 
1911, S. 758. — Laubenheimer, Phenol und sein Derivat, 1909. — 
Laubenheimer, Hyg. Rdsch., 1914, Nr. 9. — Martius, D.m.W., 1903, 

6 


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Original frn-m 

UNIVERS1TY OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


1514 


S. 2088. — Meyer, M. KL, 1910, S. 1329. — Okada, Untersuchungen 
über Händedesinfektionen. Diss. Giessen 1910. — Otto, Vöff. Milit. 
Sanitätsw., Jahrg. 44, S. 47. — Selter, D.m.W., 1910, S. 1563. —— 
Speck, Zscbr. f. Hyg., Bd. 50. — Süpfle, Arch. f. Hyg., Bd. 81, S. 1. 


Aus der Königlichen dermatologischen Universitäts¬ 
klinik zuBreslau (Direktor: GeheimratProf.Dr.Neisser). 

Ueber Afridolseife. 

VOB 

Dr. Beriheia, 

Stabsarzt beim Inf.-Regt. Nr. 5S, ehemals kommandiert zur Klinik. 


A. Experimenteller Teil. 

In den folgenden Versuchen wurde überall dort die von 
Scholl und Gelarie 1 ) gewählte Anordnung der Experimente be¬ 
vorzugt, wo eine Heranziehung der von diesen Autoren gefundenen 
Werte «um Vergleiche mit den uoserigen erwünscht erschien. 

Die in dem Prospekt der Firma Bayer behauptete Nentrali- 
tät der Afridolseife konnte durch Titrationsversuche der alkoholi¬ 
schen SeifenlÖsung mit Normalschwefelsäore erwiesen werden. 

Wie Scholz undGelarie 1 ) zeigten, spalten non auch „neu¬ 
trale“ Grundseifen bei Lösung in Wasser eine geringe Menge Alkali 
ab. Die Quantität dieses Alkalis nimmt nicht parallel der wach¬ 
senden Verdünnung zu, sondern es wird zunächst in schneller, 
dann in langsamer Steigerung bei einer gewissen Konzentration 
der Lösung ein End wert für das überhaupt dissoziier bare Alkali 


Bei der grossen Beliebtheit, der sich die Benutzung medizini¬ 
scher, speziell anti septisch er Seifen in der ambulanten dermato¬ 
logischen Praxis erfreut und bei der Weite des Anwendungs¬ 
gebietes, insbesondere der Quecksilberseifen, erscheint es merk¬ 
würdig, dass sich gerade mit den letzteren nur eine äusserst 
geringe Zahl von Publikationen aus Fachkreisen beschäftigt. 

Der Grund für diese Erscheinung ist ein mehrfacher. Bei 
einem Teile der Dermatologen bat sich infolge der schlechten Er¬ 
fahrungen mit den früheren Hg Seifen, die nur den geringsten 
Teil der ihnen in den Prospekten nachgerühmten Vorzüge wirk¬ 
lich aufwiesen, eine Skepsis gegenüber jeder Neuerscheinung auf 
diesem Gebiete eingenistet. Ein anderer Teil dagegen überträgt 
infolge der hohen Bewertung der Seifenmedikation durch die Ham¬ 
burger Schule auf alle als antiseptiscbe Seifen angepriesenen Prä¬ 
parate ein Vertrauen, das nach Unna nur ganz bestimmte von 
ihm geprüfte Handelsprodukte verdienen. 

Die Zusammensetzung der unter gleicher Signatur in den 
Handel gebrachten Marken ist gerade bei den Hg-Seifen so viel¬ 
gestaltig, dass die mit einer derselben erworbenen Erfahrungen 
bei einer zweiten völlig im Stich lassen. 

Durch eine grosse Reihe von chemischen und bakteriologischen 
Arbeiten über die Desinfektionskraft der Seifen im allgemeinen, 
auf die hier im einzelnen einzugehen zu weit führen würde, bat 
sich eine Anzahl von Grundsätzen herausgebildet, die für eine 
sachgemässe Darstellung medizinisch-antiseptiscber Seifen maass¬ 
gebend sein müssen. Allgemeine Geltung haben folgende Normen 
erlangt: 

Von der mechanisch reinigenden Kraft der Seifen (Kera- 
tolyse und Transport der Keime durch den Schaum), die nach 
den neueren Anschauungen auf ihrem Emulsionsvermögen beruht, 
ist scharf zu trennen ihre Desinfektionswirkung. Das Vor¬ 
handensein von freiem Alkali bedingt die Reizwirkung der Seife 
auf die Haut, während für diese Frage das durch Hydrolyse sich 
bildende Alkali wegen seiner geringen Quantität nicht berück¬ 
sichtigt zu werden braucht. Von den zu Seifen verarbeiteten 
Grundstoffen weisen die Salze der gesättigten Fettsäuren, unter 
diesen wieder das Palmitat, die erheblichste Desinfektionskraft 
auf. Die Desinfektionswirkung der fertigen Seifen beruht auf der 
an sich geringen, aber sich gegenseitig steigernden antiseptischen 
Kraft zweier Komponenten, nämlich der Seifenmasse und des 
Alkali, bzw. der alkalischen Zusätze. Nur durch Zuführung 
alkalisch reagierender Desinfektionsmittel wird die baktericide 
Kraft der Seife das mögliche Höchstmaass erreichen, doch wird 
die Haltbarkeit solcher Seifen nur dann gewährleistet, wenn in 
dem alkalisch reagierenden Desinfiziens der Giftbestandteil komplex 
gebunden ist, während saure Desinfizienten mit den alkalischen 
Bestandteilen der Seife Bindungen eingehen und hierdurch thera¬ 
peutisch unwirksam werden. 

Eine diesen Anforderungen gemäss von Schranth und 
Scböller 1 ) kombinierte Hg-Seife bringen die Farbenfabriken vorm. 
Friedr. Bayer & Co. seit einer Reihe von Jahren unter dem Namen 
„Afridolseife" in den Handel. Dieses Präparat ist dem Prospekt 
nach eine völlig neutrale Seife, vornehmlich aos ge¬ 
sättigten Fettsäuren mit einem 4 proz. Zusatz von oxy- 
mercuri-o-toluyl8aurem Natrium. 

Da auch manches theoretisch richtig anfgebaute Präparat den 
io der Praxis zu stellenden Anforderungen nicht genügt, erstreckte 
sich diePrüfungder Afridolsei f eso wohl auf ihre chemisch- 
bakteriologischen Eigenschaften, als auch auf ihre 
klinische Verwendbarkeit. 

1) Schrauth und Scböller, Ueber die desinfizierenden Bestand¬ 
teile der Seifen an sich und über Afridolseife, eine neue antiseptische 
Quecksilberseife. Med. Klin., 1910, Nr. 36. 


gefunden. 


Versuch 1. 


Es wurde zweimal je 0,5 g Afridolseife im Mörser mit je 5 ccm 
neutralem destillierten Wasser, welches im ersten Versuche 15—20°, im 
zweiten 70—80° Wärme zeigte, aufgenommen und nach Zusatz von 
Phenolphthalein mit Normalschwefelsäure austitriert; nach weiterer Ver¬ 
dünnung mit entsprechend temperiertem Wasser wurde wiederum bis 
zur neutralen Reaktion Säure hinzugefügt, bis naoh fernerem Zusatz de» 
Lösungsmittels kein Alkali mehr frei wurde. 

Zur Neutralisation von 0,5 g Afridolseife wurden verbraucht bei 
Lösung in: 

5 ccm kaltem (warmem) HoO 0,8 (0,35) ccm N-H 2 S0 4 

10 * * »I 0,5(0,55) * 

20 * „ * 0,6 ( 0 , 6 ) „ 

40 „ „ „ * 0,7 (0,7) „ 

80 „ * n 0,7 (0,7) „ 


Die hier mitgeteilten Werte stellen stets das Mittel aus einer grösseren 
Anzahl von Einzelversuchen dar. 

Scbolz und Gelarie, die wegen der schweren Löslichkeit ihrer 
stark überfetteten Versuchsobjekte nur mit heissem Wasser als Lösungs¬ 
mittel arbeiteten, erhielten bei sonst gleichen Bedingungen folgende 
Durchschnittszahlen für 

Albumosen-Basisseife (Mielk) . 0,4—0, 6—0, 6—6, 7—0, 7 
Neutrale Kernseife (Gramm) . 0,2—0, S—0, 32—0, 35—0, 35 
Basisseife Nivea (Beiersdorf) . 0,5—0, 7—0, 8—0, 8—0, 8. 

Die durch Hydrolyse aus der Afridolseife abspaltbare Alkalimenge 
ist bei Lösung in kaltem und beissem Wasser in ihrem Endwerte genau 
gleich, nur wird derselbe bei höherer Temperatur entsprechend schneller 
erreicht. Trotz des Afridolzusatzes stellen sich die Alkaliwerte nicht 
hoher, als die der reinen Kernseifen, so dass die Afridolseife in Be¬ 
zug auf ihre Neutralität den mildesten Seifen des Handels 
gleicbkommt. 


Die Haltbarkeit der Afridolseife unter den natürlichen wie 
unter den willkürlich geänderten Bedingungen kennen zu lernen, 
wurde je eine Probe der Seife: 1. 3X24 Stunden offen stehen 
gelassen; 2. 1 / 2 Stunde dem Strahlenkegel einer grossen Quarz¬ 
lampe ausgesetzt; 3. 3X24 Stunden in mit schwarzem Papier 
umhüllter Petrischale im Brutschrank bei einer- Temperatur von 
37° gehalten; 4. 24 Stunden in neutralem destillierten Wasser 
gelöst, aufbewahrt (0,5 g Seife auf 40 ccm H*0). 

Nach Ablauf der verzeichneten Zeiten wurde jedesmal gemäss 
Versuchsanordnung I auf Atkalihydrolyse geprüft; es ergaben 
si-ch stets dieselben Werte wie bei Verwendung der 
frischen trocknen Seife. 

Die bakteriologi8che*Unter8uchung der Afridolseife er¬ 
streckte sich auf die durch sie bewirkte Entwicklungshemmung 
und ihre baktericide Kraft. 

Es wurden zu den Versuchen benutzt Reinkulturen von Pro- 
digiosus, Stapbylococcus anrens, Streptococcus und Thyphusbacillus. 


Versuch I. (Entwicklungshemmung.) 

Es wurde von der Afridolseife bei einer Temperatur von 20 bis 25^ 
eine 20 proz. und eine 1 proz. Lösung in sterilem destillierten Wasser 
hergestellt. Dem Nährboden wurde dann im Wasserbade (etwa 40°) 
unter Umrühren die entsprechende Menge der SeifenlÖsung zugefügt und 
die fertigen Röhrchen sterilisiert. Bei jedem Versuch wurde einerseits 
eine Kontrolle des Seifenagar auf Sterilität angelegt, andererseits eine 
solche auf Lebensfähigkeit der verimpften Keime. Die Versuchsröhren 
wurden nach 48 Stunden Brutschrank abgelesen 2 ). (Tabelle 1.) 

1) Scholz und Gelarie, Ueber den Desinfektionswert der Seifen 
mit besonderer Berücksichtigung des Alkaligebalts und der Zusätze von 
Riechstoffen. Arch. f. Derm. u. Syph., 1910, Bd. 101, S. 127. (Daselbst 
ein 50 Nummern umfassendes Literaturverzeichnis über den Desinfektions¬ 
wert von Seifen.) 

2) In sämtlichen Versuchen bedeutet 0 = kein, -j- = spärliches, 
+-b — reichliches, -f—|—|- = ungehemmtes Wachstum. In Klammern 
ist bei einigen Fällen sehr spärlichen Wachstums die Anzahl der Kolonien 
hinzugefügt. 


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^ Go ogl e 


Original fro-m 

mVERSUXJ QE-IQWA 



10. Angnst 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1515 


Tabelle 1. 


Konzentration 
des Seifenagar 

Prodigiosus 

Staphylococcus 

aureus 

Streptococcus 

Typhus¬ 

bacillus 

5:100 

s. spärliche 
Kolonien 

0 

r 

0 

1 0 

1:100 

~h 

0 

0 

0 

1:500 

++ ! 

0 

0 

+ 

1:1000 

+■+•■+■ i 

+~b i 

+ 

++ 


Versuch II. 

Um auch eine etwaige Einwirkung des Afridolseifenzusatzes 
zum Nährboden auf die Entwicklung von Schimmelpilzen zu studieren, 
worden Platten von reinem und solche mit durch Beimischung der 
Afridolseife verändertem Agar offen für 24 Stunden der Luft ausgesetzt 
und das Resultat der Ansammlung, nach 43 ständigem Aufenthalt der 
Objekte im Brutschrank, erstmalig notiert. (Tabelle 2.) 

Tabelle 2. 


Aufentbaltszeit 
im Brutschrank: 

2 mal 24 Std. 

3 mal 24 Std. 

4 mal 24 Std. 

Reines Agar 

++ 

++ 

+++ 

Afridelseifenagar 




5:100 

0 

0 

0 

1:100 

0 

sp. Kolonien 

+ 

1:500 

sp. Kolonien 

+ 

++ 

1:1000 

+ 

++ 

+++ 


Die geringe Affinität aller Desinfizientien gegenüber den 
Schimmelpilzen teilt somit auch die Afridolseife. 


Versuchsreihe III. (Baktericide Kraft.) 

Zur Feststellung der baktericiden Kraft der Afridolseife wurde in 
folgender Weise vorgegangen: Es wurden vier sterile Röhrchen mit den 
verschieden konzentrierten Afridolseifenlösungen beschickt (mit je 1 ccm 
5:100, 1:100, 1:500, 1:1000). Von der als Versuchsobjekt dienenden 
Bakterienreinkultur wurde nun eine möglichst dichte Aufschwemmung in 
sterilem Wasser gemacht und von dieser wieder 0,1 ccm einem jeden 
der vorbereiteten Afridolseifenröhrchen hinzugesetzt. Die Abimpfung auf 
reinen Agar erfolgte nach verschieden langer Zeit der Einwirkung (5, 10, 
30 und 60 Minuten). Nach 48 Stunden im Brutschrank wurden die er¬ 
haltenen Kulturen hinsichtlich ihres Wachstums abgelesen. (Tabelle 3.) 


Tabelle 3. 


Konzentration der Afridol- 
8eifenlösung 

5 Min. | 

Zeit der Einwirkung 
10 Min. | 30 Min. | 

[ 60 Min. 

A. Staphylokokken. 



5:100 

2 

0 1 

0 | 

o 

1: 100 

+ 

1 3 

0 

0 

1:500 

++ 

+ ! 

+ S. sp. 

5 

1:1000 

++ 

i + ; 

+ sp. 

17 

B. Streptokokken. 



5:100 

0 I 

I 0 

0 

0 

1:100 

0 I 

0 

0 

0 

1:500 

0 

0 

0 

0 

1:1000 

+ 1 

5 

0 

[ o 


C. Typhus. 



5:100 

+ 1 

1 0 1 

0 

1 0 

1:100 

+ 1 

o i 

; o 

i 0 

1:500 



1 3 

3 

1:1000 

+++ 

i ++ - 

1 + 

! o 

D. Prodigiosus. 



5 : 100 

0 

1 o 

0 

1 0 

1:100 

0 

1 d 

0 

1 o 

1:500 

H—b 

1 2 

0 

1 0 

1:1000 

+-f~b 

! ++ 

0 

! o 


Die mit der 5 pro*. Afridolseifenlösung erzielte Desinfektions- 
1 * 8t a * so 8 e g en über den von mir gewählten Stämmen eine 

in ? er beim Wascbprozess erzeugte Schaum jedoch 

pCt. feste Seife enthält, so entspricht das Handelsprodukt 
Afridolseife“ allen Anforderungen, die man an eine 
S**te Hg-Seife theoretisch zu stellen berechtigt ist. 

B. Klinische Erprobung der Afridolseife. 

Um möglichst rasch eine Uebersicht über die Brauchbarkeit 
gewinnen, wurde zunächst der Kreis der mit Afridolseife be¬ 
reiten Auktionen so weit gezogen, als theoretische Er¬ 


wägungen eine Wirkung erhoffen Hessen. Der Wert jedes Mittels 
bei irgendeinem Krankheitszustande ist in gewisser Beziehung ein 
relativer, d. b. er ist nur unter Würdigung der mit dem neuen 
in Konkurrenz tretenden schon bekannten Präparate zu beurteilen. 
Der Spezialist wird auf Grand seiner weitgehenderen Erfahrung 
des „ob, wann und wie ein bestimmtes Therapeuticum angezeigt 
ist“, sich oft dort einer energischeren and schneller zum Ziele 
führenden Medikation bedienen, wo für den weniger Geübten Vor¬ 
sicht bei der Wahl des Anzuwendenden am Platze ist. Ans 
diesem Grande wird au$h ein minder wirksames Mittel seine Da¬ 
seinsberechtigung behalten, wenn es dafür bequemer anwendbar 
und weniger störend ist. 

Die Art der Anwendung ist die denkbar einfachste 
und sauberste: Man weist den Patienten an, die betreffenden 
erkrankten Partien kräftig einzaseifen and den entstandenen 
Schaum entweder nach einiger Zeit (1—2 Stunden) mit lanem 
Wasser abzuwaschen oder auf der Haut völlig eintrocknen zu 
lassen. In einem Falle wurde auch eine entsprechende Menge 
der Seife einem Bade zugefügt. 

Da für eine grosse Reihe dermatologischer Heilmittel die 
durch sie erzeugte Hyperämie als Hanptfaktor ihrer Wirkung an¬ 
gesprochen wird, habe ich mich durch Versuche am eigenen 
Körper überzeugt, dass nicht die Hyperämie, sondern die Des¬ 
infektionswirkung unter den praktisch in Frage kommenden 
Verhältnissen die durch Afridolseife erzielten therapeutischen Er¬ 
folge bedingt. Die Tiefenwirkung des in der Seife suspendierten 
Desinfiziens ist allerdings an sich eine geringe and erreicht nur 
bei schon vorhandener oder künstlich erzeugter Hyperämie der 
zu behandelnden Hautpartie erheblichere Intensität. Dass das 
Afridol in der Seife sich auch bei höherer Temperatur nicht zer¬ 
setzt, ist durch Wahl des heissen Wassers als Lösungsmittel auch 
ohne mechanische Reize (Bürsten) leicht die therapeutisch wirk¬ 
samere Kombination der Hyperämie und der Desinfektionswirknng 
za erzielen. 

Wenn auch die Irritation der Haut dnrch Afridolseife 
kaum nennenswert ist, wird man doch zweckmässig, besonders 
bei Patienten mit sehr empfindlicher Haut (Idiosynkrasie gegen 
Fette), zunächst nur eine kleine Hautpartie probeweise behandeln. 
Bei einem Patienten mit hochgradiger Empfindlichkeit gegen 
Quecksilber konnte die Afridolseife ohne Schädigung grösseren 
Hautstrecken appliziert werden. Von den bei umfangreicherer, 
änsserlicher Hg Behandlung häufigeren Störungen (Erythem, 
Nierenreizung) habe ich bei der Afridolseifenmedikation nie etwas 
gesehen. 

Eine besondere Bedeutung kommt der Afridolseife als Prä- 
ventivmittel zu 1 ). Die von Schranth and Scböller unter¬ 
nommenen Versuche einer Händedesinfektion zeigen, dass die 
Afridolseife den vom Praktikers zn stellenden Anforderungen 
genügt, nicht jedoch den höheren der Chirurgen. 

Instrumente greift die Afridolseifenlösnng nicht an, wie 
ein kleines Experiment überzeugend nach weist. Es wurden in 
einer Afridolseifenlösnng (0,5:40) verschiedene blanke Metall- 
münzen 1 / i Stunde lang gekocht, ohne dass eine Veränderung an 
der Oberfläche der Objekte wahrnehmbar wurde. Für die speziellen 
Zwecke des Venerologen erscheint es wichtig, dass die der Afridol- 
seifenlösnng entnommenen Instrumente eine erhebliche Schlüpfrig¬ 
keit anfweisen, so dass z. B. die Verwendung eines Gleit¬ 
mittels bei Einführung der Vaginalspekula sich erübrigt. 
Ob auch andere Schleimhäute als die der weiblichen Genitalien 
eine genügende Resistenz gegen Afridolseifenlösung der nötigen 
Konzentration besitzen and ob somit dieses Desinfektionsverfahren 
auch anf die nrologische Praxis sich aasdehnen lässt, steht 
noch dahin. 

Zur Frage der Verwendbarkeit der Afridolseife bei der prä¬ 
ventiven Sexaaldesinfektion konnten wir keine Erfahrungen 
sammeln, da hier Tierversuche im Stiche lassen und beim Menschen 
nnr gelegentlich einwandsfrei überzeugendes Material za ge¬ 
winnen ist. 

Das aassichtsreichste Betätigangsgebiet für die Afridolseifen¬ 
medikation stellen die oberflächlichen Staphylokokkosen 
dar. Bei den sonst sehr hartnäckigen Nackenfurunkeln wurde 
sowohl einer Weiter Verbreitung der Infektion anf gesunde Haar¬ 
follikel Einhalt getan, als auch deT Krankheitsprozess selbst sicht¬ 
bar günstig beeinflasst. Bei ausgedehnten impetiginösen 
Affektionen der Gesichtshaut, der Bartgegend und des 


1) Peters, Eine Seife für Aerzte und Hebammen. M.m.W., 1918, 
Nr. 30. 


6 * 


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Gougle 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1516 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


Kopf es wurde einerseits eine gefahrlose tägliche Reinigung bzw. 
ein Rasieren der befallenen Partien ermöglicht, andererseits deut¬ 
liche Besserung der Krankheitsherde erzielt. Acne der verschie¬ 
denen Formen wies unter längerer Afridolseifenbehandlung eine 
erhebliche Tendenz zur Abheilung auf. Bei tiefer liegenden In¬ 
filtraten und bei schon central erweichten, isolierten Furunkeln 
wird selbstverständlich eine energischere Therapie angezeigt sein. 

Von den Pilzerkrankungen der Haut halten wir eben¬ 
falls nur diejenigen mit oberflächlichem Sitz der Krankheitserreger 
für geeignet für eine Afridolseifenbehandlung: Pityriasis vesicolor, 
Erytbrasma, oberflächliche Trichophytie. Drei Fälle von Pityriasis 
rosea zeigten eine deutliche Abkürzung des Heilungsverlaufes. Bei 
Favus hat schon Kusunoki 1 ) die Zwecklosigkeit eines derartig 
milden therapeutischen Vorgebens experimentell erwiesen. 

Bei Seborrhoea capitis oleosa haben wir schöne Erfolge 
mit Afridolseife gesehen, während bei der Seborrhoea sicca 
und den zur Schuppenbildung neigenden Formen des mykotischen 
Ekzems leicht, infolge der aastrocknenden Wirkung jeder Seifen¬ 
behandlung, eine Vermehrung der subjektiven Beschwerden 
(Schuppenbildung, Juckreiz) zu konstatieren ist. 

Bestimmt durch die fast spezifische Wirkung der Quecksilber¬ 
präparate gegen gewisse Dermatozoonosen des Menschen wurde 
die Afridolseife gegen Phthirii pubis und Pediculi capitis erprobt. 
Durch zweimaliges je einstündiges Einwirken des Afridolseifen- 
scbaumes wurden die ausgewachsenen Tiere abgetötet; ein Dauer¬ 
erfolg wurde jedoch erst nach weiterer etwa achttägiger Behand¬ 
lung (täglich einmal) erzielt. Wenn es gelingt, den Patienten zu 
bewegen, sich an den befallenen Partien die Haare abschneiden 
zu lassen, so wird natürlich die Behandlungszeit erheblich verkürzt. 
Namentlich bei der Pediculosis capitis der Frauen sind ja oft die 
Haare so verfilzt, dass schon allein dieser Umstand, sowie das 
fast stets vorhandene Ekzem des Haarbodens zu dieser Maass- 
nahme zwingt. 

Bei einer Anzahl von Pigmentanomalien konnte ich weiter¬ 
hin den Einfluss einer Afridolseifenmedikation beobachten. Unter 
der Behandlung konnte eine gewisse Aufhellung der pigmentierten 
Stellen bei Chloasma uterinum und bei Epheliden kon¬ 
statiert werden, während die nach Ulcera cruris und luetischen 
Exanthemen (Leucoderma colli) zurückbleibenden Veränderungen 
nicht beeinflusst wurden, zumal für letztere die bisherige Behand¬ 
lungszeit zu kurz war. 

Unsere vorläufigen klinischen Erfahrungen mit der Afridol¬ 
seife können wir dahin zusammenfassen, dass dieselbe in ihrem 
Indikationsgebiete gute Erfolge erzielt und praktisch 
alles das hält, was theoretisch von ihr zu erwarten steht. 


Literatur, 

Goerl, Erfahrungen mit Afridolseife (Bayer). Nürnberger med. 
Gesellschaft und Poliklinik, Sitzung vom 12. Oktober 1911. Ref.: B.kl.W., 
1911, Nr. 52. — Müller, Ueber die Afridolseife. D.m.W., 1912, 
Nr. 12. — Schmid, Gibt es brauchbare Quecksilberseifen? Ther. d. 
Gegenw., 53. Jahrg., 1912, Juniheft. — Neumark, Afridol und 
Afridolseife. Untersuchungen über die desinfizierenden Eigenschaften 
eines neuen Quecksilberpräparates. Hyg. Rdsch., 1912, Nr. 21. 


Aus der Kgl. Universitäts-Frauenklinik zu Breslau 
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. 0. Köstner). 

Zur Histologie bestrahlter Carcinome. 

Von 

Privatdozent Dr. Fritz Beimann, 

Assistenten der Klinik. 

(Vortrag, gehalten am 19. Juni 1914 in der medizinischen Sektion der 
schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.) 

Wohl alle Autoren, die sich eingehend mit der Strahlen¬ 
therapie der Uteruscarcinome beschäftigt haben, sind sich einig 
darüber, dass wir mit den Strahlen eine Behandlungsart in unsere 
Hände bekommen haben, die an Erfolgen bisher durch keine 
andere Methode erreicht worden ist. Jauchende blutende Car¬ 
cinome sehen wir unter dem Einfluss der Strahlen sich so zurück¬ 
bilden, dass Blutung und Sekretion aufhören, dass der Krater 

1) Kusunoki, Experimentelle und klinische Studien zur Lehre der 
Dermatomykosen (Infektion, Prophylaxe und Immunität). Arch. f. Denn, 
u. Syph., 1912, Bd. 114, H. 1. 


verschwindet und eine epithelialisierte Neubildung der Portio au 
Stelle der ulcerösen Partien sich bildet. Diese Stellen hat man 
in der ersten Zeit, in der die Bestrahlung aufkam, gewählt, um 
die Heilung der Carcinome zu beweisen. Es ist ja nach allem, 
was wir von den Strahlen wissen, selbstverständlich, dass wir an 
diesen oberflächlichen Partien die Carcinomzellen entweder nur 
in sehr veränderter Form oder überhaupt nicht mehr finden. 
Auch wir haben in der ersten Zeit, in der wir die Bestrahlung 
übten, dieses Verfahren gewählt und konnten, wie ich an anderer 
Stelle bereits publiziert habe, die Befunde anderer Untersucber 
bestätigen und ergänzen. Schon damals habe ich auf die Un¬ 
zulänglichkeit dieser Methode hingewiesen. Vor allen Dingen 
handelt es sich doch bei der Behandlung des Carcinoms um die 
Frage, wie tief die Wirkung der Strahlen geht, eine Frage, die 
für die Zukunft der Strahlenbehandlung von einschneidender Be¬ 
deutung ist. Aus diesem Grunde habe ich schon in früheren 
Arbeiten betont, dass man für die histologischen Untersuchungen 
eigentlich nur die vor der Operation intensiv bestrahlten Uteri 
verwenden dürfe. An der Klinik werden duq seit einiger Zeit 
sämtliche operablen Fälle vor der Operation eine Zeitlang kombi¬ 
niert (Röntgen und Mesothor) bestrahlt. Abgesehen davon, dass 
man infolge Aufbörens der Blutung und Jauchung die Operation 
gewissermaassen ungefährlicher macht, sind solche Präparate in 
gewissem Maasse geeignet, uns ein Bild von der Tiefenwirkung 
der Strahlen zu geben. Es müssen hier allerdings gewisse Bin- 
schränkungeu gemacht werden. Die Strahlung ist ja natürlich 
nicht so intensiv wie in den Fällen, in denen z. B. ein inoperables 
Uteruscarcinom angegangen wird. Während hier im Durchschnitt 
2—3000 X und 15 000 Milligrammstunden Mesothor verabreicht 
werden, um einen offensichtlichen klinischen Erfolg konstatieren 
zu können, werden zur Vorbereitung natürlich viel geringere 
Dosen, etwa 600 X und 5000 Milligrammstunden, gegeben. Ein 
weiterer Punkt ist aber noch wichtiger. Ich habe bereits früher 
betont, dass wir die ersten frappanten Erfolge bei der Bestrahlung 
gleichsam nach der ersten Serie sehen, wenn also die erste 
grössere Pause gemacht worden ist. Erst wenn die Patientinnen 
nach einigen Wochen zur erneuten Bestrahlung sich einstellen, 
finden wir die bekannten günstigen Beeinflussungen. Man müsste 
demnach nach der ersten Bestrahlung erst einige Zeit verstreichen 
lassen, ehe man zur Operation schreitet, um den vollen Effekt 
abzuwarten; auch dieser Modus kommt zurzeit an der Klinik znm 
Teil zur Anwendung. Ich will heute auf die Technik der Be¬ 
strahlung, auf die klinischen Einzelheiten nicht eingehen, sondern 
will nur die Befunde bei einer Anzahl von nach der Bestrahlung 
exstirpierten Uteri demonstrieren. 

Fall 1. Fr. B., 29 Jahre alt. Es bandelt sich um ein massig 
grosses, kraterförmiges Cervixkanalcarcinom, das bereits etwas auf die 
Scheide übergreift. Uterus normal. Parametrien zart. Pat. erhält in 
einem Zeitraum von etwa 3 Wochen 530 X Röntgenstrahlen und 18 Stunden 
100 mg und 46 Stunden 50 mg Mesothor in 3 mm Blei. 

Bei der Operation ergibt sich, dass das kraterförmige Geschwür sich 
in sehr gutem Heiluögszustande befindet. Sekretion und Blutung haben 
vollkommen aufgehört. Die Operation, die Herr Geheimrat Küstner 
ausführte, war leicht. 

Besonders instruktiv musste natürlich die mikroskopische 
Untersuchung dieses Uterus seiD, und so wurde das Präparat in 
seinem ganzen Durchschnitt studiert (Einbettung in Paraffio, Hämatoxilin- 
Eosinfärbung). 

Schnitt aus dem Affekt. Die unterste Begrenzung wird von einem 
feinen Granulationsgewebe gebildet, das auch die Epithelialisierung bei 
der klinischen Untersuchung vorgetäuscht hat. Darüber sehen wir aus¬ 
gedehnte Herde carcinomatöser Zellen, nicht wie sonst in Nestern zu¬ 
sammenliegend, sondern diffus über das ganze Gesichtsfeld ausgebreitet; 
jede Zelle ist als solche einzeln zu erkennen, kaum eine einzige ist als 
normal anzusprechen. Aufquellungen des Protoplasmas, reichliche 
Vacuolenbildung, die Kerne sind gross, stark färbbar und meist in 
einzelnen Trümmern zu erkennen. Dazwischen schiebt auch hier sich 
ein feines Granulationsgewebe, das fast den ganzen Schnitt durchzieht; 
hier und da starke Anhäufungen von kleinzelliger Infiltration. 

Schnitt: obere Grenze zwischen Cervix und Affekt. 

Die Cervixschleimhaut ist, was Drüsen und Epithel anlangt, voll¬ 
kommen intakt, von Schädigungen ist nichts zu erkennen. 

Das Bild des Carcinoms an den Stellen des Affekts, wo er an die 
Cervii herangeht, ähnelt sehr dem Bilde des ersten Schnittes. Die 
Carcinomzellen liegen wieder in dieses Granulationsgewebe eingebettet 
und zeigen die Veränderungen, die wir bereits weiter unten am Uterus 
beobachten konnten. Hyaline Degeneration der Gefässwände. Eme 
Schädigung der Muskelzellen, hyaline Degeneration derselben, Zugrunde¬ 
gehen der Kerne, wie es Hand ly beschreibt, konnte hier nicht gesehen 
werden. 

Schnitt an der Grenze zwischen Corpus und Cervix. 


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Gck igle 


Original from 

UNIWRSITY nF IOWA 




10. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1617 


Das Carcinom ist bis hierher nicht gedrungen, an der Muskulatur 
der Schleimhaut sind keine Anomalien zu sehen, vielleicht fällt eine 
etwas stärkere Anwesenheit von Leukocyten im Gewebe auf. Selbst¬ 
verständlich sind auch die Schnitte durch das Corpus und die Para¬ 
metrien ohne Besonderheiten. 

Fall 2. Fr. F., 50 Jahre alt. Sehr zerklüftete Portio, Ränder 
hart, etwas uloeriert, geringer blutig-wässriger Aufluss. Uterus normal. 
Parametrien zart. 

In einem Zeitraum von etwa 14 Tagen erhält Pat. 900 X Röntgen- 
strablen und 50 Stunden 80 mg Mesothor in 3 mm Aluminium. 

Vor der Operation wird notiert: Das Carcinom sieht ausgezeichnet 
aus, die Portio ist fast vollständig formiert, nur rechts geht in das 
Scheidengewölbe ein wenig umfänglicher Krater hinein. Besondere 
Schwierigkeiten wurden bei der Operation nicht gefunden. 

Schnitt aus der Portio. 

An manchen Stellen sind die von den Probeexzisionen her bekannten 
Bilder zu sehen: Neubildung eines niedrigen Epithels, Narbengewebe 
zum Teil sklerosiert, Neubildung von Gefässen; von CarcinomzeUen ist 
nichts zu entdecken. Andere Stellen dagegen lassen noch ganz deutlich 
die zerstörten CarcinomzeUen erkennen; hier ist besonders um die 
Nester herum eine sehr starke kleinzellige Infiltration zu bemerken, ja, 
an manchen Stellen sieht es so aus, als ob eine ausgesprochene Phago- 
cytose mithilft, die geschädigten CarcinomzeUen fortzuschaffen, denn 
diese Schädigung ist auch hier wieder sehr ausgesprochen: Vacuolen- 
bildung, Quellung des Protoplasmas, Zerstörung der Kerne. Sehr starke 
hyaline Degeneration der Gefässe. 

Schnitt: Cervix, oberhalb des Affekts. 

Auch hier sind deutlich Nester von CarcinomzeUen zu sehen, doch 
hat eine Einwirkung der Strahlen in bedeutendem Maasse stattgefunden. 
Dieselben Schädigungen sind auch an diesen Stellen, die etwa 2—3 cm 
von der Portio entfernt liegen, zu beobachten; die über dem Affekt 
liegende Cervixscbleimhaut ist vollkommen intakt, ein gleiches ist von 
der Muskulatur zu sagen. 

Auch hier ist das Carcinom nicht hoher hinaufgegangen, da an der 
Grenze von Corpus und Cervix CarcinomzeUen nicht mehr zu sehen sind. 

Fall 3. Fr. W., 48 Jahre alt. Massig grosser, zum Teil schon 
zerfallener Cauliflower, wenig auf die Scheide übergehend. Uterus und 
Adnexe normal. Parametrien leidlich zart. 

Pat. erhält in 3 Wochen 550 X Röntgenstrahlen und 41 Stunden 
50 mg Mesothor in 1 mm Messing. 

Bei der Operation sieht der carcinomatöse Affekt gut aus, er hat 
sich fast vollkommen epithelialisiert, Sekretion und Blutung haben völlig 
aufgehört. 

Schnitt aus Portio und Affekt. 

Hier ist das Granulationsgewebe an manchen Stellen bereits in 
Narbengewebe übergegangen, nur ganz vereinzelt sind degenerierte 
carcinomatöse Zellen zu sehen, die wie in den früheren Fällen von klein¬ 
zelligen Infiltrationen direkt umlagert sind. Auch hier ähnelt der Schnitt 
sehr den Bildern, die wir von den Probeexzisionen her kannten, mit 
denen die Heilung des Carcinoms bewiesen wurde. 

Auch der Affekt selbst zeigt hier eine sehr weitgehende Beeinflussung. 
Die carcinomatösen Nester sind klein, völlig in die Haufen der Leuko- 
oyten eingegraben. Die Zellen selbst sind völlig zerfallen, die Kerne 
nur noch stark mit Farbe tingierte Trümmer, das Bild schwerster De¬ 
generation. Etwas weiter oberhalb ist das Bild ein anderes. Hier sind 
noch die Zellnester sehr deutlich als solche zu erkennen, aber die 
Strahlen sind doch mit ihrer Wirkung bis zu diesen Stellen gelangt. 
Auch hier sind die schon oben geschilderten Veränderungen zu sehen, 
also Quellung des Protoplasmas, Vacuolenbildung, Kerntrümmer usw. 
Besonders auffallend ist hier eine Riesenzellbildung, etwas, was bereits 
auoh von anderen Autoren (Händly, Gauss, Krönig) gesehen 
worden ist. 

Die Grenze zwischen Corpus und Cervix zeigt keine carcinomatöse 
Stellen mehr. 

Fall 4. Frau P., 43 Jahre alt. Massig grosser carcinomatöser 
Zerfallskrater der Portio und des unteren Teils der Cervix. Uterus ver- 
grüssert, xetroflektiert mobil. Parametrien anscheinend zart. 

Im Verlaufe von etwa 14 Tagen erhält Pat. 35 Stunden 50 mg 
Mesothor in 3 mm Aluminiumfilter und 700 X Röntgenstrahlen. 

Vor der Operation wird notiert: Krater viel kleiner geworden, fester, 
epithelialisiert, massige Sekretion. 

Die Operation ist leicht. 

Schnitt durch den ganzen Uterus; makroskopisch sieht man an dem 
gefärbten Präparat, dass das Carcinom etwa 3—4 cm tief in den Uterus 
biueingedrungen ist. Dies wird mikroskopisch bestätigt. Oberhalb dieser 
Partien ist weder in der Schleimhaut noch in der Muskulatur etwas von 
CarcinomzeUen zu sehen. 

Die Portio zeigt wie in allen früheren Schnitten dasselbe Bild. Sehr 
zellreiches Granulationsgewebe, keine CarcinomzeUen, Neubildung von 
CapiUarep, zum Teil homogen gefärbte, zum Teil schollige Klumpen, die 
als Fibrinmaasen angesprochen werden müssen. Schon etwas höher 
hinauf, also etwa a / 4 cm von dem Rand der Portio entfernt, sieht man 
<jie waten Carcinomnester, die aber ein sehr verändertes Aussehen haben; 
«as Protoplasma ist gleichsam coaguliert, weist aber daneben wieder 
sehr zahlreiche Vacuolen auf, deutliche Kerndegenerationen, der Kern 
wt in mehrere Trümmer zerfallen, Riesenzellbildung, die Herde stark 
umsaumt von kleinzelliger Infiltration; ein derartiges Bild kann man 


eine Strecke von etwa I cm weit verfolgen, dann werden die degene- 
rativen Veränderungen geringer, doch ist auch hier noch an manchen 
Stellen eine Einwirkung der Strahlen zu konstatieren, die Zerstörung ist 
aber lange nicht so ausgesprochen wie weiter unten. Je näher man 
hinaufkommt, um so deutlicher treten unverändert gebliebene Carcinom¬ 
nester zutage; die Einwirkung ist also bis zu einer Tiefe von etwa 2 cm 
gegangen. 

Fall 5. Fr. Sch., 52 Jahre alt. Befund: Starkes Lacerations- 
ektropium, in seiner ganzen Ausdehnung von einem Carcinom betroffen, 
welches noch wenig Zerfall zeigt, jedoch teilweise schon auf die Aussen- 
fläcbe der Portio vagina übergegriffen hat. Uterus klein retrovertiert. 
Linkes Parametrium verkürzt und gespannt, rechts anscheinend frei. 
Pat. bekommt in etwa 3 Wochen 54 Stunden 50 mg Mesothorium in 
3 mm Aluminiumfilter und 720 X Röntgenstrahlen. 

Vor der Operation ist folgender Befund: Collumdefekt sehr gut 
durch Bestrahlung beeinflusst. Portio epithelialisiert, keine Blutung 
oder Sekretion. 

Leichte Operation. 

Schnitt durch den ganzen Uterus. 

Auch hier ist das Carcinom bereits makroskopisch zu erkennen. 
Auffallend ist die scharfe Absetzung des gesunden Gewebes. Der Affekt 
geht etwa 2 cm in die Tiefe von den Rändern der Portio aus gerechnet. 
Besonders springt hier die sehr starke Leukocyteninfiltration in die 
Augen, fast die ganze Portio ist dicht von dieser kleinzelligen Infiltration 
durchzogen, und hier und da sind einzelne klecksig tingierte, kaum als 
Zellen zu erkennende Trümmer zu sehen; sehr starke Riesenzellbildung, 
hyaline Degeneration der Gefässe; höher hinauf sind dann wieder die 
zerstörten Garcinommassen zu erkennen, die von den Leukocyten gleichsam 
umsäumt werden. Hier sind die Strahlen bis ans Ende des Affektes 
gedrungen, denn selbst die am tiefsten gelegenen Krebsnester zeigen 
noch die für die Bestrahlung charakteristischen Veränderungen, obwohl 
sich natürlich auch noch intakte Zellen darunter finden werden. Auch 
hier ist also die Beeinflussung eine recht gute gewesen. 

Zusammenfasseod möchte ich aus diesen Befanden folgende 
Schlüsse ziehen. Selbstverständlich hat eine weitgehende Beein¬ 
flussung der carcinomatösen Stelleu durch die Strahlen statt¬ 
gefunden, und zwar können wir nach unseren Erfahrungen mit 
einer Tiefenwirkung von etwa 3 cm rechnen. Natürlich können 
wir aus dieser Beeinflussung noch absolut keinen Schluss ziehen, 
ob eine Heilung von Carcinomen jemals möglich sein wird. 
Findet man, auch wenn man sehr intensiv bestrahlt hat, noch 
intakte Krebszellen, so werden die Enthusiasten der Strahlen¬ 
therapie geltend machen, dass eine weitere Bestrahlung auch noch 
diese Zellen zerstört hätte. Die histologische Untersuchung gibt 
also heute noch keinen Aufschluss über die Heilungsmöglicbkeit 
der Carciuome; wie immer betont werden muss, werden es erst 
die nächsten Jahre zeigen, ob die Strahlentherapie imstande sein 
wird, die Erfolge, die das Messer uns bisher gebracht hat, za 
verdrängen. Soviel steht jedoch schon heute fest, dass die Be¬ 
einflussung der carcinomatösen Zellen durch die Strahlen, wie 
wir ans unseren Untersuchungen gesehen haben, eine phäno¬ 
menale ist. 


Aus der I. medizinischen Klinik der Universität in 
Budapest (Direktor-Stellvertreter; Professor Baron 
Dr. Ladislaus v. Ketly). 

Kleine röntgenologische Vorrichtung zur Er¬ 
zeugung von Wurmfortsatzbildern. 

Von 

Dr. Aladär Henszelnann, Assistenzarzt der Klinik. 

Die Füllung des Wurmfortsatzes mit Kontrastmitteln ist nach 
den heutigen Anschauungen ein Zufallsereignis. Ueber die Gründe, 
warum sich diese Füllung nur ausnahmsweise vollzieht und 
warum sie in den meisten Fällen ausbleibt, hat man bisher keine 
Erklärung gesucht, obwohl die radiologische Darstellung des 
Wurmfortsatzes mit der Füllung zusammenhängt. 

Ich will mich in die Behandlung dieser interessanten und 
hochwichtigen Frage nicht einlassen. Es sei mir hier erlaubt, 
mich nur auf die eingehenden Untersuchungen, weiche dies¬ 
bezüglich auf unserer Klinik gegenwärtig eingeleitet sind, berufen 
zu dürfen. Die bisherigen Resultate sind schon vielversprechend. 

Meine Absicht ist, hier einiges über die zufälligen Füllungsbilder 
zu sagen. Ich bin auf einen jedesmal anwendbaren Kunstgriff gekommen, 
mit welchem ich die Zahl der zufälligen Füllungen bedeutend erhöht habe. 
Die Darstellung des Processus vermiformis gelingt bisher sehr selten. 
Jedesmal bereitet es Freude und Ueberraschung, wenn sein sehr charakte¬ 
ristisches Bild auf dem Schirm oder auf der Platte erscheint. Statistische 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1518 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


Abbildung 1. 



Abbildung 2. 



Angaben und einen historischen Rückblick will ich hier nicht geben und 
berufe mich nur auf Groedel’s Studien. Alle, die sich mit der 
Radiologie des Wurmfortsatzes befassen, geben das Kontrastmittel ent* 
weder per os oder als Klysma. Jedenfalls hält man mehrfache Dar¬ 
stellung für nötig, und zwar nicht nur während der Füllung des Blind¬ 
darms, die 2—4 Stunden nach der Rieder’sehen Wismutmahlzeit beginnt, 
sondern auch nach der Ausleerung derselben. So hält es Groedel für 
nötig, dass man im Falle eines Wismutklysmas auch nach der Aus¬ 
leerung eine Aufnahme mache. Zu diesem Verfahren wird er von dem 
Gedanken geleitet, auch jene Wurmfortsätze, welche durch den Schatten 
des Coecums verborgen sind, sichtbar zu machen. Groedel glaubt, dass 
der Wurmfortsatz nach vollständiger Ausleerung des Coecums noch 
immer Kontrastmittel enthalten kann. 

Bei der Beobachtung des Colons betrachte ich, nachdem ich das 
Coecum gesehen habe, auch immer die Gegend des Wurmfortsatzes. 
Ich untersuche, ob er gefüllt und beweglich ist, und in welchem Ver¬ 
hältnis er zur Umgebung steht. Zu dieser Untersuchung wie zum Auf¬ 
schluss aller Fragen, die bei den Untersuchungen der Baucheingeweide 
auftauchen können, mache ich von meinem „Kompressionsexponator“ 
Gebrauch J )- Mit meiner Vorrichtung kann ich nach nötiger Kompression 
bis zum Blinddarm eindringen und ihn scharf und kontrastreich im 
Rahmen des Kompressors fixieren. Das erhaltene Bild ist licht und 
scharf und weist auch den kleinsten Teil kontrastreich mit etwaiger 
Projektionsvergrösserung auf. Wer einmal das so erzeugte, sehr lehr¬ 
reiche und plastische Bild siebt, wird nie versäumen, zur Untersuchung 
des Coecums diese Vorrichtung in Anspruch zu nehmen. 

Während meiner Untersuchungen über den Blinddarm habe ich oft 
wahrgenommen, dass auch das Bild des Wurmfortsatzes sichtbar 
wird wenn ich mit dem Kompressor deD Blinddarm aufhebe. 


1) A Henszelmann, Eine einfache Aufnahmetechnik zur Röntgen¬ 
untersuchung der Baucheingeweide. (Publikation erfolgt in dieser 
Wochenschrift.) 


Ich muss hier angeben, dass meine bisherigen Beobachtungen normale 
Falle betreffen. Bei ileocoecaler Empfindlichkeit habe ich möglichst 
keine Untersuchung vorgenommen. Mir war die Frage interessant, wie 
oft der Wurmfortsatz hinter dem Coecum liegt, d. h. wie oft 
solche Füllungsbilder des Wurmfortsatzes zur Darstellung gebracht 
werden können, welche ich bisher nur deshalb nicht gesehen habe, weil 
sie verdeckt waren. Ich kann auf Grund meiner Untersuchungen be¬ 
haupten, dass das Bild des gefüllten, hinter dem Coecum liegenden 
Wurmfortsatzes im Verhältnis zu den bisherigen Füllungsfällen sehr oft 
eintritt. Wenn wir drei oder vier Fälle beobachten, so werden wir in 
einem gewiss das sehr charakteristische Bild des Wurmfortsatzes wahr¬ 
nehmen, manchmal noch in mehreren. Man braucht nichts anderes zu 
tun, als den Kompressor in der ileocoecalen Gegend durch die Bauch¬ 
wand drücken. Die erste Aufgabe ist, dass man die Stelle, wo das 
Ileum in den Blinddarm mündet, sucht. Es gelingt leicht. Man sucht 
nur .das sackartige, gewöhnlich sehr gut gefüllte Coecum, in das die quer- 
fiagerdicke Dünndarmpartie rechtwinklig mündet. Man braucht nur wenig 
Uebung zu haben, um diese Mündung in den meisten Fällen in wenigen 
Augenblicken aufsuchen zu können, um so mehr, da die Orientierung 
durch das genaue Betrachten der kontrastreichen Bilder sehr erleichtert 
wird. Wenn wir die Stelle der Einmündung gefunden haben, so haben 
wir nicht nur einen wichtigen Wegweiser, sondern es wird uns das 
sichtbare Ileum auch vor dem Irrtum behüten, dass wir eine mangelhaft 
gefüllte Dünndarmpartie für den Wurmfortsatz halten. Nachdem wir 
die unterste Partie des Ileums aufgesucht haben, schieben wir die Dünn¬ 
darmschlingen nach oben links, wenn wir es für nötig halten, mit dem 
Kompressor selbst oder mit der Hand oder aber mit einem Distinktor. 
Den Blinddarm heben wir so weit wie möglich auf, wodurch die Retro- 
coecalgegend sozusagen eröffnet wird. Wenn der Wurmfortsatz sich ge¬ 
füllt bat, kann seine charakteristische, aber immerhin wechselnde Ge¬ 
staltung auf dem lichten, von nichts gestörten Grunde unserer Auf¬ 
merksamkeit nicht entgehen. Gewöhnlich sehen wir, wie er in das 
Coecum mündet. Manchmal aber scheidet sie ein Spatium von einigen 
Millimetern. Bei wiederholten Aufnahmen, auch bei derselben Person, 
erhalten wir gewöhnlich ein von der Füllungsgrösse abweichendes Bild. 
Natürlich sind in allen diesen Fällen Mesocolon und Mesoappendix frei 
beweglich. Hebt man das Coecum nur partiell auf, so sieht man auch 
den Wurmfortsatz nur teilweise. 

Meine Aufnahmen habe ich 4—6—12 Stunden nach der Rieder’schen 
Wismutmahlzeit verfertigt. (Abbildung 1 und 2.) 

Anmerkung bei der Korrektur. Inzwischen erschien die inter¬ 
essante Arbeit: Zur Röntgenuntersuchung des Wurmfortsatzes besonders 
bei Appendicitis von Prof. H. Rieder, M.m.W., 1914, Nr. 27. 


Literatur. 

F. Groedel, Die röntgenologische Darstellung des Processus vermi¬ 
formis. M.m.W., 1913, Nr. 14. — M. Cohn, Die röntgenologische Dar¬ 
stellung des Wurmfortsatzes. M.m.W., 1913, Nr. 19. 


Aus der Friedrichstadt-Klinik für Lungenkranke 
(dirig. Arzt Dr. Arthur Mayer). 

Ueber die Beziehungen der atypischen Gicht 
zu Erkrankungen der Respirationsorgane. 

Von 

Dr. Arthur Mayer. 

Dass zwischen gewissen Erkrankungen der Respirationsorgane, 
vor allem zwischen dem Asthma bronchiale und der typischen 
Gicht, enge Beziehungen bestehen, ist schon lange bekannt und 
studiert. Die ersten Mitteilungen von Goldscheider 1 ) über das 
Wesen der atypischen Gicht haben mich zu Untersuchungen 
darüber angeregt, ob derartige Beziehungen auch zwischen der 
atypischen Gicht und zwischen dem Asthma bestehen. Gold¬ 
scheider selbst führt ja auch in seiner ersten Monographie 
einen Fall an, bei dem atypische Gicht mit Asthma bronchiale 
vereinigt war. 

Bei meinen Untersuchungen habe ich aber von vornherein 
den Begriff der atypischen Gicht ganz anders gefasst, als es 
Goldscheider getan hat. Ich konnte mich nicht dazu ent¬ 
schlossen, bei meinen Patienten kleinen Verdickungen an irgend¬ 
welchen Körperteilen, die möglicherweise Tophi, ebensogut aber 
auch kleine Fibrome, Atherome oder dergleichen sein konnten, 
eine entscheidende pathognostische Bedeutung zuzusprechen, ganz 
besonders nicht, nachdem ich mich einmal überzeugt hatte, dass 
eine kleine tophusartige Geschwulst am Olecranon in der Tat ein 
Fibrom war. Auch dem Gelenkknirschen konnte ich nicht bei 
meinen Patienten den Wert zumessen, dass aus ihm allein die 

1) Zschr. f. physik. u. diät. Ther., Bd. 16. 


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10. Aagost 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1519 


Diagnose der Gicht gemacht werden konnte. Denn das Gelenk- 
knirschen ist swar bei Gichtikern häufig, kommt aber wohl auch 
bei Menschen, die zweifellos nicht gichtig sind, recht oft vor, 
and scheint .unter anderem auch in bestimmten Gegenden, viel¬ 
leicht durch Witterangsverhältnisse, so häufig zu sein, dass mau 
z. B. in Hamburg ganz allgemein im Volke von dem „Hamburger 
Knie“ spricht. 

Für die Diagnose der atypischen Gicht war für mich etwas 
ganz anderes entscheidend, nämlich der Nachweis, dass bei den 
Patienten der Purinstoffwechsel gestört ist, ohne dass es zu 
den charakteristischen Paroxysmen gekommen ist. 

Um diesen Nachweis führen zu können, ist zunächst bei den Kranken 
der Harnsänregehalt des Blutes bestimmt worden. Indessen 
möchte ich auch — und damit komme ich auf die Mitteilungen von 
Steinit* 1 ) — der Höhe des Harnsäurespiegels im Blute bei Patienten, 
die im übrigen keine klinischen Symptome der Gicht haben, keine ent¬ 
scheidende Rolle zusprecben. Erstens aus methodischen Gründen. Denn 
alle Bestimmungsmethoden, die bisher angegeben worden sind, haben 
beträchtliche Fehlerquellen. Ich will zugeben, dass der Zusatz von 
Talcum bei der Enteiweissung, wie ihn Steinitz eingeführt hat, zweifellos 
eine Verbesserung darstellt, aber trotzdem ist dadurch die sogenannte 
Folin’sche Methode noch nicht in dem Maasse klinisch brauchbar geworden, 
dass man z. B. die Harnsäurewerte, die man mit ihr ermittelt, in Parallel- 
beiiehungen zu der Zahl der Tophi bringen kann, wie es Steinitz getan hat. 
Eine Minderung dieser Fehlerquelle wird voraussichtlich erst dann möglioh 
sein, wenn wesentlich geringere Blutmengen zur Bestimmung notwendig 
sind, wie das scheinbar bei einer neuen, von Brugsoh und Kristeller 2 ) 
angegebenen Methode der Fall ist. Dazu kommt, wie es ja auch 
Steinitz hervorgehoben hat, dass die physiologische Breite des Harn- 
sanrespiegels im Blute so gross ist, dass eigentlich nur ganz grosse Aus¬ 
schläge klinisch verwandt werden können. Schliesslioh ist aber auch das 
Quantitative gar nicht die Hauptsache. Es scheint doch vielmehr darauf 
anzukommen, in welcher Form die Harnsäure im Blute kreist — und 
darüber sagt eben naturgemäss die quantitative Bestimmung der Harn¬ 
säure im Blute gar nichts, selbst wenn man, was aber wohl auch nicht 
der Fall ist, behaupten wollte, dass die Harnsäure allein das Wesent¬ 
liche bei der gichtischen Erkrankung ist. 

Viel weiter kommt man, wenn man den gesamten endogenen Harn¬ 
säurewert bestimmt, d, h. also auch die Ausfuhr der Harnsäure, 
und wenn man — und das scheint mir ganz besonders wichtig zu sein — 
eine funktionelle Probe anstellt, wie weit das Retentionsvermögen 
des Organismus für die Harnsäure reicht. Denn gerade der Nachweis 
der erhöhten Retention, der verschleppten Ausscheidung ist ja das Ent¬ 
scheidende. 

Ich habe nun bei meinen Patienten von diesen Erwägungen 
aas die Harnsäure im Blut und die Harnsäureausfuhr bestimmt 
und — was mir am wichtigsten scheint — die von Umber und 
Retzlaff angegebene funktionelle Harnsäureprobe angestellt. 

Diese Methode besteht darin, dass den Patienten 0,5 g Harnsäure 
mit etwas Piperacin intravenös injiziert wird. Gesunde scheiden die 
Harnsäure in den nächsten zwei Tagen fast quantitativ wieder aus, 
Kranke mit gestörtem Parinwechsel retinieren die injizierte Harnsäure 
io sehr erheblichem Maasse. 

Meine Untersuchungen erstreckten sich auf 40 Patienten mit 
chronischer Bronchitis und Asthma, die angeblich niemals einen 
Gichtanfall gehabt haben, und bei denen sich auch die üblichen 
klinischen Symptome nicht nachweisen Hessen. 

Von diesen 40 Patienten zeigten 9 die charakteristische Störung im 
Purinwechsel, die wir von der echten Gicht her kennen, und die sich in 
der Höhe des endogenen Harnsäurewertes und in einer starken Retention 
bei der funktionellen Prüfung dokumentierte. 

Der Harnsäuregehalt des Blutes lag in guter Uebereinstimmung 
mit den Mitteilungen von Steinitz zwischen den normalen und den 
gichtischen Werten, zeigte aber bisweilen ein recht schwankendes Ver¬ 
halten. 

Bei 4 von diesen 9 Patienten zeigten sich zum Teil an den von 
Goldscheider beschriebenen ungewöhnlichen Stellen kleine Ver¬ 
dickungen, die sehr wahrscheinlich Tophi gewesen sein können, auch 
mod sich zweimal Gelenkknirschen. Bei 5 dieser Patienten fanden sich 
diese Symptome indessen nicht, und umgekehrt liess sich Gelenkknirschen 
Jod hier und da ein kleiner Tophus (?) bei den Patienten nachweisen, bei 
denen eine Störung des Purinstoffwechsels nicht bestand. 

Es ist bemerkeoswert, dass bei fast allen diesen 9 Patienten 
festgestellt werden konnte, dass in der Ascendenz oder in der 
nächsten Verwandtschaft echte Gicht und Diabetes vorgekommen 
war, und dass die Kinder der Patienten so häufig das Bild der 
exsudativen Diathese boten, dass an einem Zusammenhänge dieser 
Juankheitsbilder kaum gezweifelt werden kann. Es darf wohl 
daran erinnert werden, dass die Existenz solcher Beziehungen 

J) B.kl.W., 1914, D.m.W., 1914, Zschr. f. phys. Ch., Bd. 90. 

2) D.m.W., 1914. 


schon wiederholt behauptet worden ist, und dass z. B. Strümpell 1 ) 
den Standpunkt vertritt, dass das echte Asthma bronchiale als 
Ausdruck einer exsudativen Diathese der Bronchialschleimbaut 
anzusehen ist. Exakte Untersuchungen des Parinstoffwechsels bei 
exsudativen Kindern liegen indessen, soweit ich sehe, nicht vor. 

Die Affektion der Respirationsorgane bot bei all diesen 
Kranken ein scharf umschriebenes Bild. Es bandelte sich in allen 
Fällen um eine chronische trockene Bronchitis, wie sie auch 
schon von Laennec als charakteristisch für die Gicht beschrieben 
worden ist, mit der stets eine leichte chronische expiratorische 
Dyspnöe vereinigt war, also ein Zustand, der sich wohl am 
besten als chronisches Asthma oder als Status asthmaticus be¬ 
zeichnen Hesse. 

Verhältnismässig leicht, bisweilen ohne jede nachweisbare 
Ursache kommt m zu Exacerbationen und zu einem Zustande, 
der sich bis zum Höhepunkt eines echten asthmatischen Anfalles 
steigert. Dieser Zustand der Exacerbation währte bisweilen 
mehrere Stunden, klang aber in den meisten Fällen in kürzerer 
Zeit ab. 

Bei einigen Patienten machte es den Eindruck, als ob das 
Frühjahr ganz besonders disponierend wirkt, bei anderen konnte 
indessen eine Abhängigkeit von der Jahreszeit nicht festgestellt 
werden, eine Beobachtung, die deswegen wichtig ist, weil manche 
Autoren das Heuasthma in einen Zusammenhang mit der Gicht 
gebracht haben. Exakte Beweise für diese Zusammengehörigkeit 
sind indessen nicht erbracht worden. 

Sehr interessant war es nun, dass- es gelang, bei mehreren 
Patienten diese anfallartigen Exacerbationen durch dieselben 
Schädlichkeiten auszulösen, die als die Veranlassung eines typi¬ 
schen Gichtanfalls bekannt sind, vor allem durch Alkohol und 
durch Zufuhr von Nucleinen. 

Diese Exacerbationen waren äusserlich dem Bilde des bron¬ 
chialen Asthmas sehr ähnlich, unterschieden sich aber vom 
echten Bronchialasthma dadurch, dass sich weder Charcot- 
Leyden’scfae Kristalle noch eine Vermehrung der eosinophilen 
Lenkocyten nachweisen liess. Ich möchte das deswegen besonders 
hervorheben, weil bereits vor mehreren Jahren K. Reicher und 
E. H. Stein Mitteilungen über diesen Gegenstand gemacht haben, 
und gleichfalls nachweisen konnten, dass Purinkörper unter Um¬ 
ständen Asthmaanfälle auslösen 2 ). Sie fanden aber auch gleich¬ 
zeitig eine starke Vermehrung der eosinophilen Zellen and zogen 
daraus weitgehende theoretische Schlüsse, deren Berechtigung 
schon damals von Brugsch und Hirschfeld bestritten worden 
sind. Diese Fälle waren damals auch deswegen nicht ganz be¬ 
weisend, weil möglicherweise bei dem einen oder anderen dieser 
Patienten eioe Achylie bestanden haben kann, die zu einer ver¬ 
schleppten Ausscheidung der Harnsäure führt. Das war aber bei 
den von mir untersuchten Patienten ganz bestimmt nicht der Fall. 

In einigen meiner Fälle konnte ich nun den Purinstoffwecbsel 
vor, während und nach Exacerbationen beobachten. Da zeigte 
sich nun, dass sich bei diesen Patienten die Harnsäureaus¬ 
scheidung genau so verhielt, wie man es von der echten Gicht 
her kennt: Es entstand eine ausserordentlich charakteristische 
Harnsäureflut, die auf der Höhe des Anfalls einsetzte, am zweiten 
oder dritten Tag ihren Höhepunkt erreichte und im postkritischen 
Stadium wieder zur Norm herabsauk. Auch im anakritischen 
Depressionsstadium zeigte sich das von His entdeckte Sinken 
der Harnsäureflut in unverkennbarer Weise, wenn auch aller¬ 
dings die Differenz zwischen Tiefstand und Hochstand der Kurve 
nicht so gross war, wie man es bei der echten Gicht zu sehen 
gewohnt ist. (Kurve 1 und 2.) 

In einer, wie wir von den Umber’schen Untersuchungen her wissen, 
charakteristisch entgegengesetzten Kurve verlief während des Anfalls die 
Kurve der Glykokollausscheidung: Dem Sinken der Harnsäure im 
„anakritischen Stadium“ entsprach ein Steigen der Glykokollausscheidung, 
der Harnsäureflut ein Sinken der Glykokoilkurve. 

Das sind also alles Verhältnisse, wie sie bei der echten Gicht studiert 
und hinreichend bekannt und absolut pathognostisch sind. 

Bedürfte es noch eines Beweises, dass bei diesen Patienten eine 
beträchtliche Neigung zur Harnsäureretention bestand, so wurde er 
durch die intravenöse Injektion von Harnsäure und der Bestimmung der 
Ausfuhr erbracht. Hier zeigte sich, dass die Patienten zwar nicht so 
grosse Harnsäuremengen retinierten, wie es bei der echten Gicht ge¬ 
schieht, aber die Retention bewegte sich doch immerhin bis zu 30pCt. 
und zeigte damit zweifellos eine Störung des Purinstoffwechsels an. 

Bemerkenswert ist übrigens, worauf ich nur mit wenigen Worten 
eingehen will, dass sich eine purinfreie Kost und das Atophan auch hier 


1) Med. Klin., 1910. 

2) Fol. haem., 1910, Bd. 9. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 32. 


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echte'oich/beschrieben worden ist, ohne Einfluss auf den Harnsäure- 
spiegei im Blut und die ? ar “ s |“^! aU “j“ ^ n _ er Zusammenhang zwischen 
Wenn ^ Stör«»« ÄpLtorischen Funktionen 

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säurebelastuog des Blutes als die Ursache der beschriebenen Erkrankung 
beschuldigen; denn selbst sehr grosse Harnsäuremengen, die man der 
Blutbahn einverleibt, schädigen, wie auch schon Minkowski hervor- 
hebt, die Respiration nicht, oder wenigstens nicht in der hier in Betracht 
kommenden Form. Das einzige, was man i. B. auch nach der Umber- 
Retzlaff’schen Injektion sieht, ist, dass die Atemzüge während der In¬ 
jektion sehr erheblich vertieft werden, dass also eine derartige In¬ 
jektion, wie das auch Umber hervorhebt, zwar einen chemischen Reiz 
auf die Atemcentren ausübt, dass aber diese Einwirkung doch ganz vor¬ 
übergehend ist. 

Nun lag mir die Frage nahe, weshalb niemals trota aller 
dieser Beobachtungen Uratdepots in den Lungen gefunden werdeo. 

Es musste festgestellt werden, ob etwa das Absorptionsvermögen 
der Lunge ganz besonders gering ist; denn die meisten Stoffwechsel- 
patbologen sind jetzt mit Umber der Meinung, dass bei der Pathogenese 
der Gicht eine gesteigerte Affinität der Gewebe zur Harnsäure eine ent¬ 
scheidende Rolle spielt. 

Aehnliche Untersuchungen am Knorpel liegen von Almagia 1 ) und 
Brugsch und Citron 2 ) vor, die feststellen konnten, dass in der Tat eine 
besondere Affinität der Harnsäure im Knorpel besteht. Ob aber diese 
Affinität grösser oder kleiner als die anderer Gewebe ist, ist bisher noch 
nicht untersucht worden. Es wurden nun von mir die verschiedensten 
Gewebe in eine bestimmte Lösung von Harnsäure gebracht und die Harn¬ 
säure nach 14 Tagen wieder quantitativ bestimmt. Da zeigte sich nun, 
dass von allen Geweben, die untersucht wurden, der Knorpel bei weitem 
die grösste Affinität zur Harnsäure besitzt, dann folgt das Bindegewebe, 
die Niere, Milz, Muskel und zuletzt das Lungengewebe. Bemerkens¬ 
wert ist, dass sich krankes Gewebe anders verhält als gesundes, und 
dass z. B. die Affinität einer tuberkulösen Lunge nooh viel geringer 
ist als die einer gesunden. 

Damit komme ich za dem zweiten Teil meiner Bemerkungen, 
nämlich za den Beziehangen der TaberkaloBe zar atypischen 
Gicht. 


Dass zwischen Tuberkulose und Gicht ein bemerkenswerter Ant¬ 
agonismus besteht, ist ja seit langem bekannt (Minkowski, H. Strauss). 
Aber auch hier hat man naturgemäss nur sein Augenmerk darauf ge* 
richtet, ob sich die echte (paroxysmale) Gicht seltener oder öfter mit der 
Tuberkulose vereint, hat aber der atypischen Gicht, die sich nur in der 
Harnsäureretention dokumentiert, keine Aufmerksamkeit entgegeDgebracht 

Unter welchen Umständen echte Gioht und Tuberkulose zusammen¬ 
trifft und wie dann der Purinstoffwechsel beeinflusst wird, darüber will 
ich in diesem Zusammenhänge nicht sprechen. Ich will nur über Unter¬ 
suchungen an Tuberkulösen berichten, die niemals einen Gicht¬ 
anfall gehabt haben, dagegen in einigen Fällen «Tophi* und 
„Gelenkknirschen“, in allem aber eine charakteristische Stö¬ 
rung des Purinstoffwechsels aufwieseD. 

Und zwar waren das Tuberkulöse, die fieberfrei waren und keine 
grösseren Einschmelzungsherde hatten, bei denen man also von vorn¬ 
herein nicht annehmen konnte, dass sie infolge ihrer Tuberkulose eine 
Vermehrung der Harnsäure haben konnten. Die Auswahl der Patienten 
wurde dadurch sehr erleichtert, dass eben, worauf ich noch ganz kurz 
zu sprechen kommen werde, die Gicht, auch die Gicht ohne Paroxysmen, 
die Tuberkulose sehr günstig beeinflusst und sehr rasch zu fibrösen 
Schrumpfungen führt, eine Erfahrung, auf der bekanntlich die in Frank¬ 
reich immer noch beliebte Purintherapie der Tuberkulösen beruht. Es 
ergab sioh nun, dass von 27 derartigen von mir untersuchten Tuber¬ 
kulösen 8 Patienten eine charakteristische Störung des Purinstoffweohsels 
aufwiesen und eine erhebliche Neigung zar Harnsäureretention hatten. 


Es scheint demnach, dass die Vereinigung von Gicht und 
Tuberkulose nicht so selten ist, wie man annimmt, nur dass die 
Gicht sich bei Tuberkulösen in einer sehr milden Form dokn- 
montiert and dass es za einem Anfall scheinbar ausserordentlich 
Belten kommt. 

Ein atypischer Verlauf der Gicht wird überhaupt fast immer 
erzwungen, sobald eine Tuberkulose hinzutritt. Selbst bei Patienten, 
die vorher die schwersten Anfälle gehabt haben, hören — w® 
verfüge über mehrere derartige Krankengeschichten — die An¬ 
fälle fast ganz auf, sobald sich eine Tuberkulose manifestiert * • 
Dass umgekehrt die Tuberkulose durch die Gicht * a88er ‘ 
ordentlich günstig beeinflusst wird und es auffallend oft zu nbr se *j 
Schrumpfungen kommt, ist bekannt und kann von mir in vollem 
Umfange bestätigt werden. Für dieses Verhalten kommt 
wie ich hier kurz erwähnen will, nicht die Uricidämie an sic 
Betracht, denn die Harnsäure hemmt nicht die Entwicklung 
Virulenz der Tuberkelbacillen, und auch das Blut von GicntiKeru 
setzt nicht, wie ich mich im Gegensatz zu Raw 8 ) überzeugen k » 
die Virulenz der Tuberkelbacillen irgendwie herab. 

In diesem Zusammenhänge sind 3 Fälle von den 


T H » A »n/>kfAn hoannriAra intArpssant. Diese 


Poti An tan. 


von mir 
die ein® 


1) Hofmeisters Beitr., Bd. 7. 

2) Zsohr. f. exp. Path. u. Ther., 1909. 

3) The Lancet, 1911. 


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Original fram 

UNIV'ERSITY QF IOWA 







10. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


1521 


ausgesprochene Harnsäurediathese and eine ausserordentlich gering¬ 
fügige and zur Schrumpfung neigende tuberkulöse Erkrankung 
hatten, litten an erheblichen, immer wiederkehrenden Lungen- 
blntangen, die u. a. mit experimenteller Sicherheit auftraten, so¬ 
bald den Patienten minimale Dosen von Tuberkulin injiziert wurden. 

Derartige „arthritische Lungenblutungen“ sind ja bei echten 
Gichtikern mehrfach beschrieben worden, ohne dass ein Sektions¬ 
befand den Zusammenhang zwischen Gicht und Lungenblutung 
gesichert hätte (Huchard, Clark, Lanceraux). Es ist auch 
bekannt und konnte von mir bestätigt werden, dass das Tuber¬ 
kulin so lange, bis eine Gewöhnung an das Tuberkulin eintritt, 
eine starke Leukocytose und damit eine erhebliche Harnsäure* 
Vermehrung auslöst. Aber was das besondere bei diesen Pa¬ 
tienten war, das ist eben der Umstand, dass die Harnsäure* 
Vermehrung im Anschluss an die* Tuberkulininjektion sich zu 
einer schon vorher bestehenden Uricidämie addierte, zu einem 
sehr hoben Werte anstieg, und dass auf dem Höhepunkt 
dieser Harosäurevermebrung eine Blutung auftrat. Die Harnsäure- 
ausfahr verhielt sich während der Blutung genau so, wie bei 
einem gichtigen Anfall: es kam während und nach der Blutung 
zu einer erheblichen Harnsäureausscbeidung, die erst mit dem 
Abklingen der Tuberkulinwirkung und dor Blutung zur Norm 
sank. Die Glykokollausscheidung verlief in typischer Weise ent¬ 
gegengesetzt. Dass die Blutung nicht einfach als Tuberkulin- 
wirkung aufgefasst werden kann, gebt u. a. auch daraus hervor, 
dass im übrigen jede Tuberkulinreaktion fehlte. Die Temperatur 
blieb völlig normal. 

Ohne diese Beobachtungen verallgemeinern zu wollen, legen 
sie doch die Vermutung sehr nahe, dass manche Lungenblutungen, 
deren Aetiologie unklar ist. das Aequivalent eines Anfalles bei 
einer im übrigen latenten Gicht ist. Wie diese Blutungen aber 
zustande kommen, ob es sich in der Tat um eine „gichtige Kon¬ 
gestion“ handelt, das lässt sich natürlich nicht sagen. Jedenfalls 
lassen sich aus diesen Beobachtungen neue Gesichtspunkte für 
die Pathologie der Lungenblutuogen und der Klinik der atypischen 
Gicht abieiten. 


Die „Hellseher“, ihre Tricks und ihre Opfer. 

Von 

Prof. Dr. Robert Meyer-Berlin. 

In Nr. 23 und 24 dieser Wochenschrift, 1914, habe ich eines 
„Hellsehers“ Erwähnung getan, weil der Pall in aussergewöhn- 
iicher Weise gut beglaubigt schien; unter denkbar günstigen 
äusseren Umständen — es handelte sich um einen Gefangenen — 
stellen einwandfreie Männer aller Fakultäten, darunter erfahrene 
Kriminalisten, Versuche mit ihm an, zwei beamtete Mediziner 
werden vom Gericht als Sachverständige betraut, den Fall zu 
untersuchen und geben unter Eid ihr Zeugnis ab. 

Die Mitteilungen und Zeugnisse mehrerer der Herren liegen 
wörtlich vor in einem Aufsatz von Schottelius in einem an¬ 
gesehenen medizinischen Facbblatt, und meine persönlichen Er¬ 
kundigungen Hessen die Tatsache kaum bezweifeln, dass einwand¬ 
frei experimentiert nnd berichtet wurde, so dass ich lieber vorzog, 
eine verzweifelte Hypothese heranzuzieben, als zu misstrauen. 
Wer die Zeugnisse liest, wird das begreifen. 

Das Hellsehen als solches habe ich dagegen geleugnet und 
betont, dass ich mich eines endgültigen Urteils enthalten müsse, 
bis der Fall geprüft sei. Leider hat der Mann sich mir mit 
vielem Trug und List und mit einem Vorschuss entzogen, aber 
dafür hat sich ein Ersatzmann gefunden, welcher genau dasselbe 
leistet. Ich wusste damals nicht, dass ein noch berühmterer 
Hellseher existiere, „Professor“ Reese (ursprünglich Ries, auch 
Reess geschrieben). 

In Amerika seit langem hochberübmt — er ist 74 Jabre 
a “> angeblich, in Wirklichkeit etwa 64 Jahre —, machte er 
schon früher und zuletzt im Jahre 1913 viel von sich in Deutsch¬ 
land reden, nachdem Felix Holländer im Berliner Tageblatt 
* om 31. Juli 1918 über das „Phänomen“ berichtet hatte. Prof. 
Deasoir u. a. haben zwar sieb abfällig über ihn geäussert, aber 
die Tagespre8se hat für die weitere Verbreitung des Wunders 
gesorgt. Herr Prof. Dessoir hatte die Liebenswürdigkeit, mir 
Zeitungsberichte und private Mitteilungen über Reese zu geben, 
und auch von anderen Seiten wurde mir Material zugetragen. 

Herr v. Sch re nck-Notzing hat Reese geprüft, seine hell¬ 
seherische Tätigkeit anerkannt und daran die Folgerung geknüpft, 


dass die Lehre von den Sinneswahrnebmungen revisionsbedürftig 
sei. Der Fall Reese goss natürlich reichlich Wasser auf die 
Mühlen der Mystiker aller Richtungen, und im Zentralblatt für 
Okkultismus, 1913, H. 4, wurde von Surya unter den partei¬ 
üblichen Ausfällen gegen das materialistische fy’ofessorentum in 
Deutschland kühnlich behauptet: „dass ein Hellsehen in 
Raum und Zeit Tatsache ist. Der transcendentale 
Idealismus, die metaphysische Weltanschauung, der 
Experimentalokkultismus stehen nun abermals glänzend 
gerechtfertigt und unerschütterlich da.“ 

Ferner wird Reese als „Bahnbrecher und Heros für 
eine höhere Weltanschauung and als Markstein eines 
neuen Zeitalters“ bezeichnet. In Wahrheit ist Reese ein ganz 
gewöhnlicher Schwindler von auffallender Geistesarmut, der seine 
Taschenspielerkunst nicht nur zu seiner Bereicherung, sondern 
in gemeingefährlicher Weise ausbeutet, die Menschen irrezuführen, 
aber freilich weder Bildung noch Verstand genug besitzt, um 
dafür ein Verantwortlichkeitsgefühl zu kennen. 

Mit der Verleihung von Titeln pflege ich mich sonst nicht 
zu befassen, aber hier tue ich es absichtlich, um Reese Gelegen¬ 
heit zu geben, seine nie versagenden Fähigkeiten vor Gericht zu 
beweisen. 

Der Humbugprofessor Reese hat einen einzigen Trick mit 
geringen Variationen, ausserdem besitzt er die Gottesgabe der 
Unverfrorenheit und einer allerdings einseitigen Menschenkenntnis. 
Er rechnet mit der mangelhaften Beobacbtungsfähigkeit der 
Menschen, und damit kann er sich kaum irren, denn die Beob¬ 
achtungsgabe der Menschen ist erstaunlich gering. Auf diesem 
Fehler fussen die Erfolge der Taschenspieler, und wenn erst das 
Wunderbare Ereignis scheint, dann ist es um alle Vernunft ge¬ 
schehen; dann sieht man nur noch das Wunder und übersiebt, 
zumal man durch allerlei kleine Tricks zur rechten Zeit ab¬ 
gelenkt wird, trotz aller guten Vorsätze genau beobachten zu 
wollen, den plumpsten Schwindel. Reese macht folgenden Trick: 
er lässt in seiner Abwesenheit Zettel schreiben, und zwar schlägt 
er meistens vor, den Mädchennamen der Mutter aufzuschreiben 
und einige Fragen zu stellen; die Fragen sind wegen der Un- 
konlrollierbarkeit an die Zukunft zu richten und werden dem¬ 
entsprechend mit ganz vagen Redensarten beantwortet. Beziehen 
sich die Fragen auf die Vergangenheit, so werden die Antworten 
vom Fragesteller gleich dazu geschrieben; so verlangt es Reese. 
Geschieht das nicht, so hütet sich Reese darauf zu antworten, 
sondern sagt grob: „Warum fragen Sie denn so etwas, das wissen 
Sie doch selber“. Meine Fragen: „Welchen Traum ich letzte 
Nacht hatte“, „Welches Buch ich zuletzt gelesen hätte“, „Welche 
Nummer meine Uhr habe“, liess er unbeantwortet, nachdem er 
eine kurze Zeit sich scheinbar stark angestrengt hatte. Diese 
Anstrengung, welche verschiedenen Personen als geistige Kon* 
zentration imponierte und ihnen „elektrische Schläge“ in den 
Armen verursachte, wenn sie ihre Hände an seine Schläfe hielten, 
beruht auf rein äusserlicher Mache, die jeder Mensch naebahmen 
kann. Er benutzt die Bauchmuskulatur und das Zwerchfell nach 
Einatmung zum „pressen“, bis er rot wird und bis ibm die Blut¬ 
gefässe an der Schläfe schwellen und ruft ausserdem ein will¬ 
kürliches Zittern des Kopfes mittels schneller clonischer 
Zuckungen der Halsmuskulatur hervor, eine unbedeutende Leistung, 
die ich selber ohne Vorübung sofort ausführen konnte. 

Im übrigen kann er weiter nichts, als unbemerkt den Inhalt 
der Zettel lesen, nnd dafür bat er kleine Variationen ein und 
desselben Tricks, der auf dem Vertauschen der Zettel beruht 1 ). 


1) Ich hatte, um Täuschung zu vermeiden, während Reese im Neben¬ 
zimmer war und sich mit einer mir bekannten Dame laut unterhielt, bei 
geschlossener Tür und Vorhang mit Rückendeckung auf dicker Papier¬ 
unterlage, die ich nachher vernichtete, meine Fragen geschrieben. Einen 
Zettel hatte ich schon in meiner Wohnung geschrieben und mitgebracht, 
und zwar teils mit Rotstift und teils mit Tinte geschrieben. Reese las 
diesen Zettel eben so schlank wie die anderen und sagte, der obere Teil 
sei mit Rotstift, der untere sei mit Tinte geschrieben. Mit Schreib¬ 
unterlagen oder Gedankenlesen konnte das nichts zu tun haben; das 
musste er gesehen haben. Reese machte keinerlei Versuch, meine Frage¬ 
stellung vorher zu beeinflussen oder durch Unterhaltung nachher zu 
sondieren, vielmehr vollzog sich der ganze Akt gesebäftsmässig routiniert, 
ohne Federlesen mit amerikanischer Kühle. Von einem Fühlen des 
Zettelinhaltes hätte keine Rede sein können, denn ich hatte die Zettel 
nach dem Schreiben gut geglättet und hielt sie ihm stets gefaltet nur 
mit einer Seite, also ein Viertel an die Stirn. Die Zettel waren so ver¬ 
tauscht, dass ich ihren Inhalt nicht kannte und ausserdem waren meine 
Fragen so schnell improvisiert, dass ich sie selbst vergessen hatte und 
erst wieder daran erinnert wurde, als er sie vorlas. Uebrigens las er 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


Voraussetzung bei diesem Trick ist, dass der Zettelschreiber die 
Zettel nicht unterscheiden kann, deshalb lässt Reese 4—6 oder 
mehr Zettel durcheinander mischen und in verschiedene Taschen 
stecken, z. B. in jede Tasche einen Zettel, oder die Zettel werden 
in verschiedene Schubladen eingescblossen oder an verschiedene 
Personen verteilt, die sie in der Hand halten. Die Zettel werden 
vorher mehrfach gefaltet, damit man nicht erkennen soll, welchen 
Zettel man gerade zur Hand bat und in welchen Taschen oder 
Schubladen sie stecken; das ist nämlich sehr wichtig, weil man 
sonst das Vertauschen der Zettel merken wurde. Nun lässt sich 
Reese einen Zettel an die. linke Schläfe halten; dabei hält man 
die Hand gewöhnlich nicht flach an seine Schläfe, dann greift er 
mit seiner Hand zu, um zu zeigen, wie man die Hand auflegen 
soll und tauscht dabei den Zettel aus, indem er einen leeren 
Zettel unterschiebt, den man ahnungslos weiter an seine 
Schläfe hält. 


Auf einen Papierzettel schreibt er einige Zeilen voll 
hebräischer (?) Zeichen, deren Bedeutung erst später klar wird. 
Dann sagt er: „Nehmen Sie bitte einen anderen Zettel“, und 
während man durch diesen Wechsel abgelenkt wird, liest er un¬ 
bemerkt den ersten Zettel; dabei beobachtet er gleichzeitig, wohin 
der Blankozettel wandert, um ihn wenn möglich wieder einzu¬ 
kassieren; gelingt das nicht, so stört das nicht. Nun beginnt das 
„Wunder“, und wer bis dahin nichts gemerkt, wird in der 
Schnelligkeit, mit der sich das Weitere vollzieht, verwirrt und 
starr vor Staunen. Denn jetzt sagt Reese den Inhalt des ersten 
entwendeten Zettels oder beantwortet die darin enthaltene Frage 
mündlich oder schriftlich. Wenn man nun den an seine Stirn 
gehaltenen Zettel 2 öffnen will, um sich zu überzeugen, ob es 
wirklich der richtige Zettel sei, so erweist sich Reese dabei so 
geschickt nützlich, dass er nochmals austauscht, indem er Zettel 1 
seinem Opfer in die Hand spielt und sich dafür Nr. 2 eintauscht, 
der ihm jetzt mehr nützlich ist. Jetzt geht das Spiel schneller 
weiter, indem er Zettel Nr. 2 beantwortet, während man Nr. 3 
an seine Schläfe hält, es wiederholt sich der Kniff, indem er 
scheinbar Nr. 3 öffnet, in Wirklichkeit aber Nr. 2 usw. 

Um Zeit zum unbemerkten Lesen der Zettel zu finden, lässt 
er den Zettelschreiber zwischendurch einzelne Zeichen der hebräi¬ 
schen (?) Worte sich aussuchen und durchstreichen, oder er fragt 
nachher, welche Zeichen man durchgestrichen habe, obgleich das 
ganz deutlich zu sehen ist, oder er stellt einige Fragen. Der¬ 
gleichen kleine Kniffe hat er mehrere auf Lager, um die Auf¬ 
merksamkeit im gewünschten Moment von sich abzulenken. Es 
ist natürlich nicht nötig, dass alle Zettel an seine Stirne gehalten 
werden, der erste würde genügen, aber er lässt die gleiche Prozedur 
weiterfübren, um ira Stile zu bleiben. Eine kleine Variation beruht 
darauf, dass er sich einen Zettel zunächst gehen lässt und an¬ 
geblich diesen, in Wirklichkeit einen untergeschobenen verbrennt; 
er spielt sich auf diese Weise noch viel bequemer den ersten 
Zettel in die Hände, aber dieser Trick ist so durchsichtig, da es 
analoge Kartenkunststücke in Masse gibt, dass er den vorgenannten, 
etwas schwierigeren Trick bevorzugt. 

Wenn man die Berichte der Zeugen liest, so sollte man es 
im ersten Augenblick nicht für möglich halten, dass sie gerade 
das Wesentliche übersehen haben, obgleich doch viele von ihnen 
mit dem dringenden Wunsche an die Sache herangingen, den Trick 
zu entlarven. Das erklärt sich jedoch daraus, dass die Meisten 
unvorbereitet an die Sache herangehen. Als ich Reese zum 
erstenmal sab, hatte ich von der Literatur über ihn noch gar 
keine Kenntnis und wusste nichts von seiner Arbeitsmethode; ich 
hatte zwar verschlossene und versiegelte Kuverts mitgebracht, 
welche die Zettel enthielten aber das lehnte Reese natürlich ab. 
Er wusste wobl, warum. So gelang es ihm dann mühelos, seinen 
gewohnten Trick auszuführen, erst hinterher fielen mir die Einzel¬ 
heiten auf, die ich aber erst verstand, als ich von Herrn Professor 
Dessoir erfuhr, Reese selbst habe einmal gesagt, er substituiere 


dW ^clTbalte es danach für ganz selbstverständlich, dass man 
unvorbereitet nicht leicht in der Lage ist, den Trick au durch¬ 
schallen Dass es jedoch Menschen gibt, die in mehreren Sitzungen 
bei der typischen Wiederholung der Einzelheiten des Experiments 
nicht stutzig werden, das ist freilich ein Beweis von sehr geringer 


.in ffanz wortgetreu; nur den Namen meiner Mutter las er nicht ganz 
richtig Von Gedankenlesen hätte also ebensowenig die Rede sein koimen 
Suggestion Es blieb nur Hellsehen oder ein Trick. Ich werde 
Z Einzelheiten°bei Gelegenheit einer Kritik der Schottelius’schen 
Mitteilungen zurückkommen. 


Beobachtungsgabe. Wer möchte sich jedoch darüber verwundern? 
Ist doch die Tatsache durch Massenexperimente oft genug, z. B. 
im juristischen Seminar in Berlin, erwiesen, dass nur einzelne 
Ausnahmen unter den Menschen in der Lage sind, einen Vorgang 
wahrheitsgetreu wiederzugeben, wie er sich zugetragen hat. ln 
diesem Falle kommt hinzu, dass der Vorgang, wie gesagt, der- 
maassen überraschend wirkt, dass man weder vor lauter Staunen 
kühl genug beobachtet, noch dazu Zeit findet. Ich batte mir 
sofort nach der Sitzung alle Einzelheiten aufgescbrieben, so dass 
ich nachträglich in der Lage war, sie zu prüfen und zu verstehen. 

Nun noch einige Daten zur Kennzeichnung unseres Heros; 
relata refero: 

Schon als junger Mann wegen seiner Schwindeleien von seiner 
achtbaren Familie nach Amerika exportiert, hatte er das Glück, 
als Handlanger eines Taschenspielers und „Wahrsagers“ dessen 
Frau zu entführen, der er das grosse Geschäftsgeheimnis seines 
Vorgängers und Prinzipals entlockte nämlich seinen Trick des 
Zettellesens. Also nicht einmal die Idee des Tricks stammt aus 
seinem eigenen Kopf, sondern auch die ist von ihm erschwindelt 
worden. Dass er die Frau nachher verlassen hat, tut für uns 
nichts zur Sache. 

Auffällig ist nur, dass ebenfalls ein in früher Jugend nach 
Amerika verschickter Mann genau denselben Trick erlernt hat 
Ludwig Kahn, auch Professor Akldar genannt, 41 Jahre alt 
(Wohnsitz „New-York, Paris, London“), hat in Deutschland das 
Gericht beschäftigt wegen verschiedener Betrügereien und wurde 
im Gefängnis und in der psychiatrischen Klinik zu Freiburg mit 
dem obenerwähnten Resultat untersucht. Ludwig Kahn ist weniger 
gerissen und wenn möglich noch ungebildeter als Bert Reese, 
aber sie haben zweifellos nicht nur die gleiche Schule durebge- 
macht im Erlernen ihres Tricks (Kahn will von einem ameri¬ 
kanischen „Professor“ angelernt sein), sondern sie haben auch 
wesensverwandte Züge. Aeusserlich sehr unähnlich, haben sie 
beide die gleiche Eigentümlichkeit, zu lügen und zu renommieren, 
so oft sie den Mund öffneu, und sich mit Biederkeit zu schmücken. 
Reese hat freilich eine auffallend hässliche Galgenpbysiognomie, 
Kabn dagegen ist ein schöner Mann, dessen Augen nur ab und 
zu lauernd und spitzbübisch dreinschauen, während er ihnen sonst 
einen treuherzigen Ausdruck zu geben versteht. Kahn ist nicht 
ganz ohne Sentimentalität, während Reese diese nur zuweilen 
simuliert. Beide sind in der Kunst der Verstellung meisterlich 
geübt; das gehört zum Handwerk. Beide sind Spielernatnren, 
beide haben sich in der Erwerbung von Menschenkenntnis bewusst 
geübt. Kahn bat weniger Uebung und zieht daher vor, seinen 
Trick nur in Gegenwart eines einzigen Menschen vorzuführeo. 
Auch er lässt sich den ersten Zettel an die Stirn führen oder 
führt ihn selber an seine Stirn, um ihn zu vertauschen; gelegent¬ 
lich verschafft er sich ihn auch scheinbar ohne dieses, soweit man 
aus den Angaben der Voruntersucher etwas entnehmen kann. In 
der Gefangenschaft gelang das Kunststück nicht immer, entweder 
weil er kein Papier zum Austausch besass, oder wenn er befürchten 
musste, dass die öftere Wiederholung des Tricks vor demselben 
Gutachter zur Entdeckung führen könne. Er schützte dann In¬ 
disposition vor. 

Sonst gelang es ihm angeblich stets gleich gat ausnahmslos 
bei allen Menschen. Auch er betreibt das Geschäft schon über 
20 Jahre. In gleicher Weise nutzen beide „Hellseher“ das Staunen 
und Grauen ihrer Opfer aus, um ihnen aus Vergangenheit und 
Zukunft zu wahrsagen. Diese „Professoren“ werden zu „Propheten , 
mit denen ein Journalist Reese wirklich verglichen hat, und finden 
dadurch leider viele Gläubige und Gläubiger. Die Opfer des 
Schwindels werden so kopflos, dass sie fortan die lächerlichsten 
und einfachsten Dinge von der Welt als Ausfluss einer Wunder¬ 
gabe betrachten. Das Staunen nimmt kein Ende, denn Reese 
sieht durch die Kleider der Damen hindurch Schnürsenkel am 
Korsett oder Leberflecke an der Hüfte und sagt einem Herrn au 
den Kopf zu, er sei dann und dann vorbestraft worden; als 0 
es keine Schlüssellöcher, bestechliche Kammerjungfern und us 
kunfteien gäbe. Wer will sich über die Machenschaften eine 
notorischen Schwindlers wundern? Die Wahrsagungen sin gro 
Plattheiten und treffen meistens nicht zu; unter 1000 Losen • 
regt aber ein Treffer bekanntlich mehr Aufsehen, als 99 > 

und so wundern sich sogar diese Leute, wenn Reese e,n H t 
vorher richtig als Gewinner bezeichnet; nebenbei eine P 
beschäftigung Kahn’s, der ausgedehnte Beziehungen zu de 
büreaus unterhält. 

Reese’s Prophezeiungen sind stereotyp; mf 
einen glücklichsten Tag des Lebens in ein bis 


ist prophezeit er 
zwei Jahren oder 


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UNIVERSITT OF IOWA 







10. Aognst 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1523 


einen besonderen Erfolg; auch ein Missgeschick an einem be¬ 
stimmten Tag, wenn man eine Wagenfahrt macht, zu der man 
eingeladen wird. Er verfehlt aber nicht, vor der Fahrt zu warnen, 
damit das Unglück nicht eintrifft. Gute Freunde von mir haben 
sich bereits verabredet, mich an dem betreffenden Tage einzu¬ 
laden. Ferner schreibt er auf ein Blatt Papier, wieviel Kinder 
die Mutter batte und das wievielte von ihnen man selbst ist. 
Bevor Reese das Blatt überreicht, fragt er jedoch: „Wieviel Kinder 
batte Ihre Mutter und das wievielte sind Sie?“ Ohne diese Fragen 
gelingt der Schwindel nicht, denn er schreibt die Zahlen, die man 
richtig oder falsch angibt, unglaublich schnell in die dafür frei- 
gelassenen Stellen seines Zettels. Dass die Zahlen dabei etwas 
zu gross oder schief geraten, stört bei seiner schwindelhaften 
Handschrift nicht sehr. 

Die Prophezeiungen bewegen sich im übrigen auf dem 
dürftigsten Niveau allgemeiner Schicksalsmöglicbkeiten, trotzdem 
erregt gelegentliches Eintreffen, auch wenn es nur ungefähr 
stimmt, stets das gebührende Aufsehen der Beteiligten. 

Es würde sich wirklich nicht lohnen, diese Dinge ausführlich 
zu erwähnen, wenn sie nicht von so bedeutsamem allgemeinstem 
psychologischem Interesse für die gläubigen Opfer wären, und 
wenn sich nicht im besonderen die Lehre daraus ziehen liesse, 
den „übernatürlichen“ Gaben seiner Mitmenschen ebenso wie ihrer 
Beobachtungsfähigkeit unter allen Umständen mit dem grössten 
Misstrauen zu begegnen; man hat die Wahl zwischen bewusstem 
und unbewusstem Schwiudel. 

Man kennt jetzt also den Trick des Hellsehens; es gehört 
dazu eine geschickte Hand, ein schnelles Auge und Licht, denn 
im Dunkeln geht es nicht. Die Probe auf das Exempel jeder 
Art von Hellsehen und Gedankenlesen beruht im Prinzip auf dem 
Ausschluss aller Sinneseindrücke. Die Durchführung der hierzu 
nötigen Maassregeln ist bewussten und unbewussten Schwindlern 
gegenüber gleich schwierig. Im Falle Reese-Kahn ist es leicht; 
die Dunkelheit allein genügt, um ihren Trick unmöglich zu 
machen, und wenn sie sich mit Ausflüchten dagegen sträuben, so 
ist doch das mindeste Verlangen, dass man strengstens eine Be¬ 
rührung der Zettel oder auch nur der Hand des Opfers durch 
den Hellseher untersagt und auf diesen Punkt das Augenmerk 
dauernd richtet oder durch einen Dritten richten lässt. Ferner 
kann man die Zettel zusammenkleben oder in undurchsichtige 
und nicht ohne Gewalt eröffenbare Umschläge scbliessen oder 
wechselnde Papierfarben nehmen, die der „Hellseher“ nicht kennt. 
Man kann auch die Zettel von aussen nummerieren oder mit 
besonderen Zeichen versehen, oder man kann die Zettel so halten 
oder so verstecken, dass man weiss, welche Inschrift er trägt, 
um das Austauschen zu verhindern, letzteres insbesondere bei 
dem Verbrennungstrick. 

Wer sich den Experimentbedingungen der Humbugprofessoren 
unbedingt beugt, erfährt selbstversändlich unfehlbare Täuschung. 

Es werden natürlich die Freiburger Herren behaupten, Kahn 
tausche die Zettel nicht aus, das würden sie bemerkt haben; sie 
mögen sich tfösten, tausend andere, darunter sehr berühmte 
Männer haben es bei Reese auch nicht bemerkt. Jedenfalls lehne 
ich eine Diskussion mit der Begründung ab, dass sie das nach¬ 
träglich unmöglich wissen können und verlange von ihnen, dafür 
Sorge zu tragen, dass Kahn vor Unparteiischen, unter Anwendung 
der von mir angegebenen Vorsichtsmaa^sregeln, Proben seiner 
Kunst gebe. Ich prophezeie jedoch, dass Kahn sich der Unter¬ 
suchung entziehen wird. 

Nach allen äusseren und inneren Anzeichen haben nach 
meiner Ueberzeugung Reese und Kabn die gleiche Schule des 
Schwindels summa cum laude absolviert. 

Die weiteren Lehren ergeben sich von selbst; wenn scheinbar 
ungewöhnlich gut beglaubigte Fälle ausserordentlicher „Tatsachen“ 
wie im Fall Kahn sich als so einfacher Schwindel aufklären, was 
hat man dann von den zahllosen Angaben und Zeugnissen der 
Laien über andere Wunderdinge zu halten? Nichts oder weniger 
als nichts! Einer ernsthaften Prüfung halten sie nicht stand. 
Aerzte sind nicht die berufenen Sachverständigen in Fragen der 
Taschenspielerkünste; dazu sollte das Gericht Leute von Profession 
bestellen, und die Aerzte sollten sich für inkompetent erklären. 

Ich komme auf die im Eingang berührten Aeussernngen 
Surya’8 znrück, der unter Berufung auf v. Schrenck-Notzing 
eine Revision unserer Weltanschauung verlangt. Wenn jeder 
Schwindler berufen wäre, unsere Weltanschauung zu beeinflussen, 
so lange er als Schwindler nicht entlarvt ist, dann müsste man 
seine Weltanschauung öfter wechseln als seine Kleider. 


Ich weiss zwar nicht, was Paetzold leistet, von dem Surya 
erzählt, seine Gabe als Hellseher sei vom Gerichte in Elberfeld, 
der Stadt der klugen Pferde, anerkannt; wenn letzteres jedoch 
der Fall sein sollte, so würde ich es lieber als einen bösen 
Justizirrtum zu betrachten vorziehen, als ihm eine Revision meiner 
Weltanschauung zuzubilligen, obgleich ich sie vor unleugbaren 
„Tatsachen“ schmerzlos opfern würde. 

Weltanschauung ist unter allen Umständen Glaubenssache. 
Soweit sich jedoch die Weltanschauung auf sogenannte „Tat¬ 
sachen“ bezieht, sollte man stets abwarten, bis sich die „Tat¬ 
sachen“ einer dauernden Anerkennung erfreuen, also möglichst 
lange. Das ist die Lehre des Falles Reese-Kahn für die Okkultisten 
und Mystiker, die gerne Mitteilungen mit „Tatsachen“ verwechseln 
und danach schreien, die Wissenschaft solle ihnen auf ihrem 
Gebiet Folge oder Vorspann leisten. 

Okkultismus, als Wortbildung unsinnig, besagt das Gegenteil 
von dem, was es sagen will. Ist das nicht unfreiwillig bezeichnend? 
Alle Dinge, die wir nicht kennen, sind dunkel; sie aufzuklären 
ist in der Tat Sache der Wissenschaft. Schöpfungen der Phantasie 
und der Urteilslosigkeit als Tatsachen hinzustellen, ist wirklich 
Okkultismus. Mehr Kritik und weniger Glauben, das ist die 
Tagesförderung der Wissenschaft. 

Der Fall Reese und der Fall Kahn hören somit auf, die 
Wissenschaft anzugehen; es gibt dafür nur ein kriminalistisches 
Forum. 


BQcherbesprechungen. 

6. Schmort: Die pathologisch-histologischen Untersnchnngsmethoden. 

7, neubearbeitete Auflage. Leipzig 1914, Vogel. 430 Seiten. 

Preis 10 M. 

Die schnelle Aufeinanderfolge der Auflagen zeigt, welch grosser 
Beliebtheit sich das vortreffliche Buch erfreut. Schon fängst ist es allen 
pathologisch-anatomisch Arbeitenden ein unentbehrlicher und stets zu¬ 
verlässiger Ratgeber geworden, der in keinem Laboratorium fehlen sollte. 
Nur wirklich brauchbare und wertvolle Methoden sind in das Buch auf- 
genommeo, übersichtlich dargestellt und durch praktische Winke viel¬ 
fach ergänzt. In der neuen Auflage haben namentlich die Kapitel über 
die Celloidincinbettung, den Nachweis der Pigmente und die Oxydase- 
reaktion eine Umarbeitung erfahren, während ein Abschnitt über vitale 
Färbung neu hinzugekommen ist und auch die Literaturangaben reicher 
geworden sind. Hart-Berlin. 


Wolff und Mnlzer: Lehrbnch der Hant- and Oeschlechtskrank- 
heiten. 2. Aufl. Stuttgart 1914, Ferdinand Enke. Preis 16 M. 

Das vorliegende Lehrbuch hat in seiner zweiten Auflage gegenüber 
der vor über 20 Jahren erschienenen ersten Auflage eine gründliche 
Neubearbeitung erfahren müssen, die weniger die klinischen Bilder als 
vielmehr die Aetiologie und Therapie besonders der Syphilis und be¬ 
züglich der Behandlung auch der Gonorrhöe betreffen. Die Darstellung 
ist überall eine sehr eingehende, zum Teil über den Rahmen der ge¬ 
wöhnlichen Lehrbücher hinausgehende, speziell das Kapitel der Syphilis 
ist auf einen Raum von ca. 400 Seiten abgehandelt. Es sind dement¬ 
sprechend überall die neuesten Erfahrungen gewürdigt und kritisch 
beleuchtet. In der Beurteilung des Salvarsans und besonders des Neo- 
salvarsans nehmen die Verff. ihreu bekannten, zum Teil ablehnenden, 
aber sicherlich nicht von allen geteilten Standpunkt ein. Die Darstellung 
ist überall sehr klar, eine grössere Anzahl schwarzer Bilder und zwei 
farbige Tafeln sind dem Text beigegeben. Das Lehrbuch wird sich 
sicherlich, besonders durch die Reichhaltigkeit seines Inhalts auch in 
dieser seiner neuen Form wieder viel Freunde erwerben. 


Uhlenhnth und Mälzer: Atlas der experimentellen Kaninchen- 
Syphilis. Berlin 1914, Jul. Springer. Preis 28 M. 

In dem vorliegenden Atlas bringen die Verff. ihre dem Inhalt nach 
zum grossen Teil schon in verschiedenen Veröffentlichungen mitgeteilten, 
sehr wertvollen Arbeiten über Kaninchensyphilis in bildlicher Dar¬ 
stellung. Sie geben hier ein vollständiges Bild der Kaninchensyphilis 
mit allen Einzelheiteu, mit Recht geben sie auch noch einmal eine ge¬ 
naue Technik der Impfung in allen einzelnen Phasen wieder, denn die 
Infektion gelingt nur bei sorgfältig ausgeführter Technik, dann erst 
kann die Kaninchenimpfung in der Tat die Inokulationen an dem viel 
schwieriger zu behandelnden und viel kostspieligeren Affenmateri&l er¬ 
setzen. Dargestellt sind zunächst die Syphilisübertragungen auf das 
Kaninchenauge, dann in zahlreichen Abbildungen die Hodenimpfungen. 
Es folgen die Allgemeinsymptome der Lues beim Kaninchen und die 
histologischen Bilder der syphilitischen Krankheitsprozesse, dann die 
syphilitischen Manifestationen bei niederen Affen, die mit Kaninchen- 
syphilis geimpft wurden. Die Darstellung der ausgedehnten experimen¬ 
tellen Arbeiten Ublenbuth’s über die Chemotherapie der Spirochätosen, 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1624 


BERLINER KLINISCHE WOCH ENSCHRIFT. 


über die Schutz- und Heilwirkung des Atoxyls, des atoxylsauren Queck¬ 
silbers, des Salvarsans an Hühnern und Kaninchen bildet den Schluss 
des Werkes. Ein grosses und ausserordentlich bedeutungsvolles Arbeits¬ 
gebiet, dem wir sehr wertvolle Bereicherungen unserer Kenntnis der 
Syphilispathologie und -therapie verdanken, ist hier noch einmal zu¬ 
sammenfassend, in ausgezeichneten, meist farbigen Abbildungen dar¬ 
gestellt, vor dem Leser aufgerollt. C. Bruhns - Berlin. 


Lander Brnnton: Tberapenties of the cirenlation. Zweite Auflage. 
536 Seiten mit Abbildungen. London 1914, John Murray. Preis 
5 Sh. 

Lauder Brunton’s Werk über die Therapie der Circulations- 
störungen, das trotz seinem Umfang von 536 Seiten in einem handlichen 
Bändchen in zweiter Auflage vorliegt, unterscheidet sich inhaltlich von 
ähnlichen Werken recht erheblich. Der Grundzug des Werkes ist in 
einem sehr treffenden Vergleich im Vorwort gegeben: „Sehr schnell“, 
heisst es da, „ist beim Bau einer Brücke der Schlussstein, der die Brücke 
erst gangbar macht, eingefügt, aber lange Zeit braucht der Bau der 
Pfeiler, auf denen die Brüoke ruht.“ So sehen wir in dem Werke die 
Grundpfeiler jeder rationellen Herztherapie: die genaue Kenntnis der 
Herztätigkeit in gesundem und krankem Zustande und unter der Ein¬ 
wirkung von Medikamenten in höchst anschaulicher Weise dargestellt. 
Durch zahlreiche Kurven und einfache Zeichnungen ist der Text wirksam 
unterstützt. Für eine solche Art der Darstellung ist wohl niemand be¬ 
rufener gewesen als Lauder Brunton, vor beinahe einem halben 
Jahrhundert in Ludwig’s Laboratorium gelbst Mitbegründer der ex¬ 
perimentellen Aera in der Erforschung des Circulationssystems. 

Dass dieser Gelehrte trotz einer immensen Praxis und einer jahr¬ 
zehntelangen Lehrtätigkeit den Fortschritt seines Spezialgebietes bis in 
die neueste Zeit verfolgt und durch eigene Experimente stets weiter 
ausgebaut hat, davon legt das vorliegende Werk Zeugnis ab. Physio¬ 
logie, Pharmakologie, reiche klinische Erfahrung sind hier zu einem 
Ganzen verschmolzen und in 19 Kapiteln zu einer Darstellung gebracht, 
deren Lektüre ein wirklicher Genuss ist. Fleischmann. 


Frann Kttlbs: Das Reizleitongssystem im Herzen. Berlin 1913, 
J. Springer. Preis 2 M. 

Der Verf., dem wir wertvolle Beiträge zur Kenntnis des Atrio¬ 
ventrikularsystems bei niederen Wirbeltieren verdanken, gibt in der 
vorliegenden Broschüre einen kurzen klaren Ueberblick über das anato¬ 
mische Verhalten des Systems in den verschiedenen Wirbeltierklassen, 
über seine Funktionen und seine Pathologie. Eine Anzahl, zum Teil 
bunter Abbildungen soll die Anschaulichkeit der Beschreibung erhöhen. 
Da der Ueberblick offenbar dazu bestimmt ist, den Praktiker in die 
neueren Forschungsergebnisse einzuführen, wären Abbildungen, die das 
Verhalten des Systems im normalen und pathologischen menschlichen 
Herzen darstellen, nach Ansicht des Referenten zweckdienlicher ge¬ 
wesen, als solche von offenbar sehr schönen Modellen niederer Wirbel¬ 
tierherzen. Ziemlich zahlreiche Druckfehler bei den im Text angeführten 
Autornamen hätten sich vermeiden lassen. 

J. G. Mönckeberg - Düsseldorf. 


Karl Pearson and Gustav A. Jaederholm: Mendelism and the pro- 

Wem of mental defekt. II. On tbe continuity of mental defeet. 

47 S. London 1914, Dulan and Co. 

Die vorliegenden Untersuchungen präzisieren im Gegensatz zu be¬ 
sonders in Amerika geäusserten Anschauungen den Standpunkt, dass 
normale Intelligenz und geistige Schwäche nicht durch eine sobarfe 
Grenze getrennt sind. Vielmehr verläuft eine kontinuierliche Linie von 
höchsten geistigen Qualitäten bis zu offenkundig hervortretenden Defekten. 
Nicht statthaft ist es, zu sagen, dass volle geistige Wirksamkeit durch 
eine bestimmte „Determinante“ ermöglicht wird, bei deren Fehlen 
geistige Schwäche zutage treten müsste. An der Kontinuität der 
geistigen Arbeitsleistungen muss festgehalten werden. 

Der Kliniker, der psychische Anomalien in allen möglichen Ab¬ 
stufungen beobachtet Und hierbei nicht so sehr die trennenden Schranken, 
wie vielmehr die mannigfachen Zusammenhänge der einzelnen Bilder 
sich einprägt, wird den Thesen der beiden Autoren in vollem Umfange 
zustimmen. A. Münzer. 


Literatur-Auszfige. 

Physiologie. 

S. Kostytschew und W. Brilliant: Die Synthese stickstoff¬ 
haltiger Stoffe im Macerationshefensaft. (Zschr, f. physiol. Chemie, 
Bd. 91, H. 5, S. 372.) Der Macerationshefensaft enthält immer eine be¬ 
trächtliche Menge von Eiweissstoffen und die Endotryptase. Bei der 
Autolyse des Saftes werden zunächst die Eiweissstoffe zerlegt. Dann 
aber spielen sich bei längerer Dauer der Autolyse synthetische Vorgänge 
ab. Es findet eine Zunahme des nach der Stützer’schen Methode mit 
Kupferbydroxyd fällbaren Stickstoffs statt. In günstigen Fällen erreicht 


Nr. 32. 


die Zunahme des „Proteinstoffs“ 16 pCt. der im frischen Saft vor der 
Autolyse enthaltenen Mengen. 

G. Chr. Hirsch: Zur Kritik der Seidenpeptonmethode und der 
intracellnlären Protease. (Zschr. f. physiol Chemie, Bd. 91, H. 1 u. 2, 
S. 78.) Die Seidenpeptonmethode wurde in der Weise ausgeführt, dass 
der zu untersuchende Gewebsteil auf einen Objektträger ausgebreitet, 
dann mit 3—5 Tropfen Peptonlösung und einem Tropfen Toluol be¬ 
schickt und in eine feuchte Kammer bei Zimmertemperatur gebracht 
wurde. Nach 18—19 Stunden hatten sich Tyrosinkristalle abgeschieden. 
Diese Methode ist für den Nachweis einer intracellulären oder Gewebs- 
protease sehr gut brauchbar. 

E. Abderhalden und H. Strauss: Beitrag zur Kenntnis des Um¬ 
fanges der Hippnrsänrebildnng im Organismus des Schweines. (Zschr. 
f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, H. 1 u. 2, S. 81.) Durch Fütterung von 
benzoesaurem Natrium wurde eine möglichst hohe Ausscheidung von 
Hippursäure bewirkt. Die Menge der ausgesohiedenen Hippursäure 
konnte noch erheblich gesteigert werden durch Zugabe von Glykokoll, 
Bei gleichzeitiger Verfütterung von Alanin wurde diese Wirkung nicht 
erzielt. Zusatz von Ammoncarbonat zu Natriumbenzoat bewirkte ein 
rasches Abfallen der Hippursäurebildung. 

S. J. Thannhauser: Experimentelle Studien über den Nnelein- 
Stoffwechsel. I. Mitteilung. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, H. 5, 
S. 329.) Verf. liess menschlichen Duodenalsaft 3 Tage auf Hefenuclein- 
säure ein wirken und konnte aus dem Verdauungsgemisoh eine Substanz 
isolieren, die nach den erhaltenen analytischen Daten noch ein Poly- 
nucleotid ist und sich nur um einen Phosphorsäurezuckerkomplei von 
der ursprünglichen Nucleinsäure unterscheidet. Die Substanz kristalli¬ 
siert nicht, gibt aber ein schön kristallisierendes Brucins&lz und dreht 
im Gegensatz zur Nucleinsäure nach links (—19,6°). Bei der ammonia- 
kalischen Hydrolyse im Autoklaven konnten Guanosin, Adenosin und 
Cystidin isoliert werden. 

S. J. Thannhauser und A. Bommes: Experimentelle Studien 
über den Nneleiostoffweehsel. II. Mitteilung. Stoffwecbselversuche mit 
Adenosin and Gnanosin. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, H. 5, 
S. 336.) Die Injektion von Guanosin oder Adenosin führt beim Kanin¬ 
chen zu einer Vermehrung der Allantoinausscheidung um das Doppelte 
gegenüber den Vortagen. Der gesunde Mensch scheidet nach Injektion 
von 1 g Guanosin oder Adenosin 0,4—0,5 g mehr Harnsäure aus als an 
den Vortagen. Der schwer Gichtkranke dagegen zeigt keine Vermehrung 
der Harnsäureausscheidung, der leicht Gichtkranke eine verzögerte Harn- 
säuremehraussebeidung. Dagegen ist der Harnsäuregehalt des Blutes 
bei den Gichtkranken nach der Injektion höher als vor der Injektion. 
Von vier Gichtkranken bekamen drei nach der Injektion einen Gicht¬ 
anfall. 

F. Blum und R. Grütznerj Studien zur Physiologie der Schild¬ 
drüse. IV. Mitteilung. Schicksal des Jods in der Schilddrüse. (Zschr. 
f. physiol. Chemie, Bd. 91, H. 5, S. 400.) Der bei weitem grösste Teil 
des Jods der Schilddrüse befindet sich in fester Eiweissbindung. Da¬ 
neben findet sich ein kleiner Anteil von in Aceton löslicher Jodsubstanz. 
Ein Teil hiervon konnte als Jodkali erwiesen werden. Dieses Jodkali 
fand sich unabhängig von einer etwaigen Verfütterung von Jodkali auch 
bei solchen Tieren, die nur mit Milch, Reis oder Fleisch ernährt waren. 
Eine Regelmässigkeit des Jodgehalts der Schilddrüse ist nach den bis¬ 
herigen Erfahrungen mindestens bei Hunden nicht vorhanden. Hingegen 
findet bei Einnahme von Jodkali eine beträchtliche Vermehrung des 
Fortbestandes der Drüse statt. Bei dieser Anreioherung erfolgt eine 
Umwandlung von vorher anorganischem in organisch gebundenes Jod. 
Dieser Prozess ist für die Schilddrüse spezifisch. Der Jodeiweisskörper 
der Schilddrüse (Thyreoglobulin) hat eineD inkonstanten Jodgehalt. Der¬ 
selbe wird nachweisbar vermehrt nach Eingabe von Jodkali. Bei Weg¬ 
nahme einer Schilddrüse und Eingabe von Jodkali vermehrt sich die 
Menge und der Jodgehalt des Thyreoglobulins der stehengebliebenen 
Drüse. Bei ausbleibender Jodzufuhr bewahrt die Schilddrüse ihren Fort¬ 
bestand. — Diese Befunde sprechen nicht zugunsten einer inneren 
Sekretion eines Jodeiweisskörpers durch die Schilddrüse; wohl aber 
stützen sie die Lehre von der intraglandulären Entgiftung der Thy¬ 
reoidea, wobei dem nachgewiesenen Jodstoffwechsel eine wichtige Rolle 
zukommt. 

F. Blum und R. Grützner: Studien zur Physiologie der Schild¬ 
drüse. V. Mitteilung. Kommt Jod im Blat vor? (Zschr. f. pbysiol. 
Chemie, Bd. 91, H. 6, S. 450.) Ein Vorkommen von Jod im kreisenden 
Blut darf nur dann auf thyreogenen Ursprung zurüokgeführt werden, 
wenn das Halogen in organischer Eiweissbindung nachgewiesen wird. 
Solch organisch gebundenes Jod ist niemals im normalen Blut gefunden 
worden, ln anorganischer Bindung befindliches Jod stammt aus der 
Nahrung und bedeutet nur einen vorübergehenden zufälligen Befund. 
Jodfrei ernährte Tiere, deren Schilddrüsen jodreich sind, haben in ihrem 
Blut auch kein anorganisches Jod. In bestimmten pathologischen Zuständen 
(Eklampsie, Hirntumor) enthält das menschliche Blut in einem gewissen 
Prozentsatz der Fälle kleinste Mengen organisch gebundenen Jods von 
wahrscheinlich thyreogener Herkunft. 

J. Lifschütz: Der Abbau des Cholesterins in den tierischen 
Organen. VI. Mitteilung. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 91, H. 5, 
S. 309.) Das Cholesterin wird im tierischen Organismus zunächst ver¬ 
wandelt in das wesentlich reaktionsfähigere und dem weiteren Abbau 
zugänglichere Oxycholesterin. Dieses ist gekennzeichnet durch seine 


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10. Angü8t 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1625 


spezifische Färb- und Spektralreaktion in EisessiglösuDg mit kon¬ 
zentrierter Schwefelsäure) und mit dieser sehr empfindlichen Reaktion 
lässt sich das Oxycholesterin in fast allen tierischen Organen und Ge¬ 
weben neben dem Cholesterin leicht nachweisen. Es findet sich am 
reichlichsten im unverseifbaren Anteil des Blutfettes, am spärlichsten in 
der Leber, Das Unverseifbare des Leberfettes besteht jedoch noch zur 
Hälfte aus Cholesterin und zur anderen Hälfte aus den sogenannten 
Niohtcholesterinen, deren Natur noch völlig unbekannt ist. Man weiss 
nur, dass sie Cbolesterinabkömmlinge sind, da sich auch bei ihnen durch 
Oxydation die Essigschwefelsäurereaktion hervorrufen lässt. Wahrschein¬ 
lich dienen sie als Bausteine für die N-freie Komponente der Gallen- 
säurepaarlinge. Denn auch die Gallensaure und die Galle selbst geben 
die Essigschwefelsäurereaktion. 

L. Martinotti: Ueber eine neue Reaktion der Fette (Chrom* 
chrygoidinreaktion). Ueber die Fettkörper des Hautgewebes im all¬ 
gemeinen. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, H. 6, S. 425.) Eine den 
Aminoazoverbindungen angehörige Gruppe von Farbstoffen hat die Eigen¬ 
schaft, Fette zu fixieren und bei Gegenwart eines Oxydationsmittels un¬ 
löslich zu machen. Das Prototyp dieser Körper ist das Chrysoidin 
(m-Diamidoazobenzolchlorhydrat), und als Oxydationsmittel sind am 
besten verwendbar Chromsäure und die Bichromate. Mittels dieser 
Reaktion lässt sich die Anwesenheit von Fettkörpern in der mensch¬ 
lichen Epidermis, namentlich im Keratohyalin, Eleidin und den Eleidin¬ 
abkömmlingen der Nägel und Haare nachweisen. Dadurch wird zugleich 
im Gegensatz zur bisherigen Auffassung die grosse Bedeutung, welche 
den Fetten im Verhornungsprozess, namentlich der Hautanhänge, zu- 
kommfc, demonstriert. Wahrscheinlich sind es die Fettsäuren, Neutral¬ 
fette und FetteiweissverbinduDgen, welche die Chromchrysoidinreaktion 
geben. 

G. Embden und W. Griesbach: Ueber Milchoänre- and Zacker- 
kilding in der isolierten Leber. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, 
H. 4, S. 251.) Bei der Durchblutung glykogenarmer Hundelebern be¬ 
wirkte Zusatz von d-Sorbose zur Durchströmungsflüssigkeit in einem Falle 
d-Milcbsäurebildung, in zwei anderen Versuchen nicht. Die künstlich 
durchblutete Leber phloridzinvergifteter Tiere kann d-Sorbose in d-Glu- 
kose umw&ndeln. Der Chemismus des Ueberganges von d-Sorbose in 
d-Glukose ist nicht aufgeklärt und ohne unmittelbare chemische Ana¬ 
logie. Es wäre denkbar, dass d-Sorbose zunächst in d-Sorbit übergebt. 
Jedenfalls bildet d-Sorbit bei der künstlichen Durcbströmung der Hunger¬ 
leber sehr reichlich d-Milchsäure und geht in der künstlich durch¬ 
strömten Phloridzinleber in Zucker, und zwar in ein Gemenge von 
d-Lavulose und d-Glukose über. Im Gegensatz zum d-Sorbit ist d-Mannit 
nicht imstande, in der isolierten Leber Zucker oder Milchsäure zu 
bilden. Ebenso sind auch Dulzit und Inosit auf die Kurve der Zucker¬ 
bildung in der künstlich durchströmten Phloridzinleber ohne Einfluss. 

E. Hirsch und H. Reinbaob: Ueber psychische Hyperglykämie 
■■4 Nnrkosehyperglykämie beim Hund. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, 
Bd. 91, H. 4, S. 292.) Der normale Blutzuckergehalt des Hundes 
schwankt zwischen 0,08 und 0,12 pCt.; ein höherer Blutzuckergehalt als 
0,12 pCt. muss als hyperglykämisch angesehen werden. Der Blutzucker¬ 
spiegel des Hundes unterliegt im allgemeinen bedeutend geringeren 
Schwankungen als der des Kaninchens. Dauernde psychische Erregungen, 
hervorgerufen durch Fesselung, Freilegung von Gefässen verursachen eine 
Hyperglykämie. Die Narkotika Morphium, Aether, Chloroform üben eine 
gleichmässig steigernde Wirkung auf den Blutzucker aus. Die Steige¬ 
rung des Blutzuckergehalts sowohl bei gefesselten wie bei gefesselten 
und narkotisierten Hunden ist mit einem Temperaturabfall verbunden. 

Wohlgemuth. 

A. Fröhlich und L. Pol lack-Wien: Ueber Znckermobilisiernng 
io der überlebenden Kaltbliiterleber. (Arcb. f. exper. Path. u. Pharm., 
1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Versuch an mit Riügerlösung durchströmten 
Froschlebern, ob bestimmte Substanzen in der Leber aus Glykogen 
Zuoker frei machen. Die interessanten Ergebnisse und Folgerungen 
müssen im Original gelesen werden. Für eine gaüze Reibe chemisch 
verschiedener Stoffe, wie z. B. Adrenalin, Uransalze, Ketonsäuren, Aether, 
Hypophysensubstanzen, wird festgestellt, dass sie aus der Leber Zucker 
mobilisieren, und zwar stammt dieser Zucker mit hoher Wahrscheinlich- 
keit aus intracellulär abgebautem Glykogen. Der Angriffspunkt wird 
für Adrenalin und Brenztraubensäure an den sympathischen Endungen 
aer Lebernerven gesucht, wobei für letztere Substanz der direkte Ueber- 
^ u ^ ose a,s wahrscheinlich bingestellt wird. Ergotoxin hemmt 
am Wirkung von Adrenalin und Brenztraubensäure, dagegen nicht die 
von Hypophysensubstanzen, die also einen anderen Angriffspunkt haben 
müssen. 

• UD( * L. Pollack-Wien: Steigerung der Znckerbildnng 
in der Senildkrätenleber als Folge der Pankreasexstirpation. (Arch. 

exper. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) In gleicher Weise wie 

* der vorstehenden Arbeit werden Schildkrötenlebern durchströmt; 
Adrenalin mobilisiert hier kaum Zucker, bei pankreaslosen Tieren da¬ 
gegen eher. Es scheint, dass die Reizschwelle der Leberzellen für 

uckermobilisation hier allgemein nach unten verschoben ist. 

P‘? reun< ^ E. Schlagintweit-Heidelberg: Ueber die Wfirme- 
Bd 77 n* eir ® r ^^ p ^ r Tiere. (Arob. f. exper. Path. u. Pharm., 1914, 
^ 'L “■ 5 u. 4.) Nach bisherigen Anschauungen ist der Hauptfaktor 
er chemisohen Wärmeregulation verstärkte Zersetzung in den Muskeln. 
a gegen sprachen schon Versnobe von Frank und Voit und jetzt die 


der Verff. Curarisierte Kaninchen, die durch die Tracheotomiekanüle 
mit feuchter erwärmter Luft ventiliert wurden, halten ihre Körper¬ 
temperatur innerhalb bestimmter Grenzen normal und können fiebern. 
Es kann also die chemische Wärmeregulation auch ohne motorische 
Muskelinnervation arbeiten. 

H. B äumer - Halle: Ein Beitrag zur Chemie der Lipoidsubstanxen 
in den Nebennieren. (Arch. f. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) 
Nächst dem Centralnervensystem ist die Nebennierenrinde besonders 
reich an Lipoidsubstanzen. Es werden aus Ochsen- und Hammelneben¬ 
nieren eine Reihe von Phosphatidgruppen isoliert und eine zweite, 
jekorinartige Substanz gefunden. Cholesterin kam meist frei vor. Die 
Cholesterinester des Serums haben offenbar keine Beziehung zu denen 
der Nebennieren. Letztere können überschüssige Cholesterinmengen 
aufspeichern. Die Nebennieren sind reich an freien Fettsäuren. 

Wirth. 


Pharmakologie. 

O. Gross - Leipzig: Ueber die letale Dosis des Cnrarin für das 
Kaninchen bei intravenöser oder coujunctivaler Applikation. (Arcb. f. 
exper. Patb. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Dosis minima letalis 
des Curarin für Kaninchen bei intravenöser Gabe 0,13 bis 0,14 mg 
pro Kilo, bei conjunctivaler Darreichung je nach Konzentration der 
Lösung. 

R. Kuenzer - Freiburg i. B.: Ueber Resorption und Ausscheidung 
von Strychnin nach parenteraler Einverleibung der Strychninbase 
beim Meerschweinchen. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, 
H. 3 u. 4.) Strychninb&sen, die fast wasserunlöslich sind, haben nach 
subcutaner Injektion am Meerschweinchen keine Giftwirknng, werden 
langsam resorbiert und durch Nieren und Darm ausgeschieden. Ein 
Teil scheint im Organismus zerstört zu werden. 

Y. Kuno- Leipzig: Ueber die Wirkung der einwertigen Alkohole 
auf den überlebenden Kaninchendarm. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 
19L4, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Wie in einer früheren Arbeit (obige Zschr., 
Bd. 74, H. 6) für das Herz, wird die Wirkung verschiedener Alkohole 
auf den Kaninchendarm untersucht. Methyl- und Aethylalkobol in ge¬ 
ringster Konzentration fördern die Darmbewegung; Propyl-, Butyl- und 
Amylalkohol hemmen sie. In höherer Konzentration lähmen alle ge¬ 
nannten Alkohole. Die Giftigkeit wächst mit der Zunahme des Siede¬ 
punktes. Gewöhnung war nicht nachweisbar. 

P. Gensler - Zürich: Ueber die Wirkung der Hypnotiea (Neuronal) 

hei normalen nnd bei psychisch erregten Zuständen. (Arch. i exper. 
Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Zur Erklärung warum 
Schlafmittel bei Aufregungszuständen in grösserer Menge als in Ruhe 
vertragen werden, erhalten Hunde in Ruhe und nach künstlich er¬ 
zeugtem Aufregungszustand Neuronal. In letzterem Falle versagt die 
sonst wirksame Dosis. Der Neuronalgehalt des entbluteten Gehirns, der 
ziemlich konstant ist, war bei erregten Hunden etwas gesteigert. Das 
Versagen des Neuronais wird auf die funktionelle Mehrleistung der Hirn¬ 
zellen zurückgefübrt. Wirth. 

Th. Arndt - Breslau: Untersuchungen über die Wirkungen einiger 
neuer Derivate der 2 Phenyichinoiin-4 Carbons&nre im Vergleich mit 
dem Atophan and Acitoin. (Diss., Breslau 1914.) Die neuen Präparate 
zeigten klinisch — die Prüfung erfolgte auf der Minkowski’seben Klinik — 
keine Ueberlegenheit gegenüber dem Atophan und dem ihm nahe¬ 
stehenden Acitoin. Die Methode der Beeinflussung der Senfölconjuncti¬ 
vitis des Kaninchens ist ein sehr interessantes Experiment. Man darf 
aber ein antiphlogistisches Mittel nicht nach dem Ausfall dieses Ver¬ 
fahrens in Bezug auf seine klinische Brauchbarkeit bewerten. 

M. Jacoby. 

M. Cloetta und E. Anderes - Zürich: Zur Kenntnis der Lnngen- 
vasomotoren. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3u. 4.) 
Weitere Mitteilung zu dem Nachweis von Lungengefässkonstriktoren in 
einer früheren Arbeit und Polemik gegen E. Weber über die Wirkung 
von /Mmidozolyläthylamin auf die Lungenvasomotoren. Die entgegen¬ 
gesetzten Resultate weiden auf die ungeeignete Methode Web er’s 
zurückgefübrt. Wirth. 

A. Stühmer - Frankfurt a. M.: Zur Topographie des Salvarsans 
und Neosalvamns. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd, 120, H. 2.) 
Von allen drei untersuchten Präparaten ist die Verteilung im gesamten 
Körper beim Neosalvarsan am gleichmässigsten. Nur wenig steht ihm 
in dieser Beziehung Dach das alkalische Altsalvarsan, während das 
saure Salvarsan eine besondere Vorliebe lür die Lungen zeigt, durch die 
es in gefälltem Zustand wie auf einem Filter zurückgehalten wird. In 
konzentriertem Zustand geschieht dies auch mit dem alkalischen Sal¬ 
varsan. Neosalvarsan verteilt sich auch in höchster Konzentration ganz 
gleichmässig. Schon kurze Zeit nach der Einspritzung werden alle Prä¬ 
parate zum grössten Teil von den Organen gespeichert. Lunge, Leber 
und Milz haben hieran den grössten Anteil zu fast gleichen Teilen. 
Hier wird also ein Depot mit grosser Obeifläche gebildet, ans welchem 
nun der Blutstrom dauernd kleioe Mengen auslaugt. Diese im Blute 
enthaltenen Mengen kommen zur klinischen Wirkung. Beim sauren und 
alkalischen Salvarsan hält diese Wirkung am längsten an, unter Um¬ 
ständen bis zu 3 Tagen. Beim Neosalvarsan ist das Depot in der 
Hauptsache bereits nach 24 Stunden erschöpft. Das Salvarsan wird zu 
gutem Teile wahrscheinlich unverändert durch die Nieren, ganz be- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


sonders aber durch den Darm ausgeschiedeu. Durch mehrfache wieder¬ 
holte Injektionen wird die Aufnahmefähigkeit der speichernden Organe 
gesteigert. Das Nervensystem selbst bleibt bei allen Präparaten ganz 
frei, nur das Neosalvarsan zeigt für die Hüllen des Centralnerven¬ 
systems eine gewisse Vorliebe. 

A. Takahashi - Tokio: Ueber das Scbioksal von intramskilär 
und snbentau injizierten, unlöslichen Arzneien, speziell des SaL 
varssuB. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Das Sal- 
varsan erzeugt an der InjektioDsstelle eine weitgehende Nekrose, die 
sich über alle Gewebe erstreckt und schliesslich nach etwa 14 Tagen 
unter akut entzündlichen Erscheinungen durch einen starken Leuko- 
cytenwali von dem gesunden Gewebe abgegrenzt wird. Um die Nekrose 
bildet sich ohronisch entzündliches Granulationsgewebe, welches langsam 
central vordringt und die abgestorbenen Massen resorbiert. Dieser 
Regeneration folgt eine Vernarbung. Bei der Beseitigung des Salvarsans 
von der Injektionsstelle kann man drei Stadien unterscheiden. In dem 
ersten, der Gewebsnekrose entsprechenden, wird das gelöste Salvarsan 
und die feinsten Körner in die Lympbgefässe aufgenoromen, zum 
grössten Teil aber wieder im Harn ausgeschiedeü; nur eine geringe 
Menge bleibt im Körper. Im zweiten Stadium, dem der chronischen 
Gewebsentzündung, wird das SalvarsaD, welches sich allmählich in grobe, 
schwer lösliche, trübe Körner verwandelt, gar nicht oder nur in sehr 
geringer Menge resorbiert. Bei Abscessbildung wird sogar das meiste 
mit dem Eiter nach aussen entleert. Im dritten Stadium werden die 
groben, an der Injektionsstelle verbliebenen Salvarsankörner von den 
Elementen des Granulationsgewebes, besonders den Riesenzellen, zer¬ 
kleinert und aufgelöst. Die Zeit bis zur totalen Resorption beträgt 
beim Menschen mindestens 400 Tage. Immerwabr. 


Therapie. 

J. Feldner-Wien: Schwere Phthisen unter Tuberkulomucin Wele- 
miusky. (W.kl.W., 1914, Nr. 29.) Verf. hat in einem aussichtslos er¬ 
scheinenden Falle eine unerwartete Besserung nach Behandlung mit dem 
Tuberkulomucin „Weleminsky“ gesehen und empfiehlt daher das Präparat 
für schwere, ulceröse Phthisen. P* Hirsch. 

A.Götzl und R.Spannann: Zur Behandlung chirurgischer Tuber¬ 
kulosen mit dem Tuberkulomucin. (Grenzgebiete, Bd. 28, H. 1.) Das 
Präparat kann als spezifisch wirksames Mittel angesehen werden. Besse¬ 
rung bis Heilung wurde in 22 von 49 Fällen erzielt. Die Dosierung des 
subcutan zu verabreichenden Präparates beginnt mit 4 mg (Erwachsene!) 
und steigt bis höchstens 10 mg. Starke Stichreaktion bei der 1. Injektion 
ist prognostisch günstig. Die besten Erfolge werden bei Lokalisation des 
Prozesses in Knochen erzielt; Gelenkleiden werden nicht so günstig, 
Lymphome mit sehr ungleichmässigem Resultat beeinflusst. 

Th. Müller. 

Kakowski: Die Kürbisbehaudluug der Oedeme. (Zschr. f. phys.- 
diät. Ther., 1914, Juni u. Juli.) Der Genuss gekochten Kürbisfleisches 
wirkt harntreibend, selbst in schweren chronischen Nephritisfällen, in 
denen alle anerkannten Diuretica versagt hatten. Die aufgespeicherten 
Cylinder werden in den ersten Tagen ausgeschieden, neue werden be¬ 
deutend weniger gebildet. Die Wirkung des Kürbisses wird nur in der 
Periode seines Gebrauchs beobachtet, wobei sie ebenso rasch, wie sie 
sich einstellt, auch wieder verschwindet. E. Tobias. 

H. B. Day und A. R. Ferguson-Cairo: Die Behandlung der Ankylo- 
8lomaanämie. (Lancet, 11. Juli 1914, Nr. 4741.) Beobachtungen an 
300 Fällen. Die Anämie war sehr schwer, im Durchschnitt war der Hämo- 
globingehalt des Blutes bei Beginn der Behandlung nur 22 pCt. Als 
Wurmmittel bevorzugten die Verff. eine Mischung von je 3 g Thymol und 
^-Naphthol, die, wenn nötig, wiederholt gegeben wird. Die Zahl der 
roten Blutkörperchen nimmt in der Regel eher zu als der Hämoglobin¬ 
gehalt. Zur raschen Besserung ist Eisen erforderlich, unter dessen Wirkung 
das Hämoglobin in den ersten Wochen schon um 20—30 pCt. zunimmt. 
Steigt das Hämoglobin nicht regelmässig, so sind noch nicht alle Würmer 
entfernt. Die Form der Eisendarreichung ist gleichgültig; organische 
Präparate haben keine Vorzüge; Hämoglobinpräparate sind nutzlos. In 
schweren Fällen ist neben Eisen Arsen von grosser Bedeutung, doch hat 
es für sich allein keinen Nutzen für die Häraoglobinbildung. Bleibende 
Eosinophilie nach völliger Abtreibung der Würmer deutet auf Vorhanden¬ 
sein lebender .Larven in den Geweben. Weydemann. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

St. Rosenthal: Zur Methodik der Sehädelkap&zitätsbestiiniiliDg 
mit Hinsicht auf einen Fall von Hirnschwellnng bei Katatonie. (Neur. 
Zbl., 1914, Nr. 13.) Die Hirnsohwellung ist ein physikalischer Sektions¬ 
befund. Der Beweis, dass es intravitale Hirnschweltung gibt, ist bisher 
nicht erbracht. Es lässt sich nicht ausschliessen, dass Hirnschwellung 
post mortem entstehen kann. Verschiedene histologische Befunde geben 
eine Erklärungsmöglichkeit für eine VolumensvermehruDg des Gehirns, 
einerseits die amöboide Umwandlung der Neuroglia, andererseits Struktur¬ 
veränderungen, die nur auf intravitalen Krankheitsvorgängen im Gewebe 
beruhen können. 

H. Richter: Zur Histogenese der Tabes. (Neur. Zbl., 1914, Nr. 14.) 
ln jedem Tabesfall findet man als konstantes Symptom die von Nageotte 
beschriebene Affektion der Rückenmarkswurzeln im Gebiet des N. radi- 


cularis. Die Affektion der motorischen Wurzel ist derartig häufig bei 
Tabes, dass prinzipielle Unterschiede zwischen sensiblem und motorischem 
Neuron diesbezüglich überhaupt nicht bestehen. R. konnte in 2 Fällen 
reiner Tabes die Spirocbaete pallida im Granulationsgewebe des N. radi- 
cularis zweifellos nacbweisen. E. Tobias. 


Parasitenkunde und Serologie. 

L. Arzt und W. Kerl-Wien: Weitere Mitteilungen über Spirt* 

ebSteibafaade bei Kaninchen. (W.kl.W., 1914, Nr. 29.) Vorgetragen 
in der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien am 19. Juni 
1914. Referat siehe den Sitzungsbericht. P. Hirsob. 

M. Loewit-Innsbruck: Anaphylaxiestudien. VII. Mitteilung. Die 
Beziehung des anaphylaktischen Shocks zur Dyspntia bei Meersebweiiebei. 
Ein Beitrag zur Kenntnis der Oxydasegrannla im Herzen. (Arch. f. exper. 
Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 8 u. 4.) Bei Meerschweinchen sind 
manche anaphylaktischen Sbocksymptome Folge der Dyspnoe und treten 
auch bei fehlendem Bronchialmuskelkrampf nach doppelseitiger Halsvagus¬ 
durchschneidung, nach Streckreflexen oder nach Koblensäurezufuhr auf. 
Die Oxydasegranula längs der Herzmuskelfibrillen fehlen nach anaphy¬ 
laktischem Shock und Herzstillstand, sowie nach CO*-Vergiftung, treten 
aber wieder auf, wenn der Herzmuskel längere Zeit der Luft auagesetzt 
war. Dies spricht für die Auffassung dieser Granula als Oxydasegranula. 

Wirth. 

E. Abderhalden, G. Ewald, Isbiguro und R. Watanabe: 
Weiterer Beitrag zur Frage der spezifischen Wirknng der Zellfermeite. 
III. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 91, H. 1 u. 2, S. 96.) Lebermace- 
rationssaft baut Pepton aus Leber ab, dagegen nicht Pepton aus Lunge, 
Gehirn, Niere, Pankreasdrüse, aus Seidenfibroin und aus Gelatine. 
Lungenmacerationssaft baut Pepton aus Lunge ab, nicht jedoch solches 
aus Muskelgewebe, aus Leber und Niere. Nierenmacerationssaft aber 
spaltet alle möglichen Peptone, nur nicht Gelatinepepton. Die Versuche 
ergaben im allgemeinen keine Artspezifität. Wohlgemuth. 

0. Melikjanz-Sülzhayn: Vergleiche zwischen den Resultaten des 
Abderhalden’schen Dialysierverfabrens mit Tier- lad Mensebealuge. 
(W.kl.W., 1914, Nr. 29.) M. hat 20 Vergleichsversuche mit Menschen-, 
Ziegen-, Kaninchen- und Meerschweinchenlungen angestellt. Verf. rät, 
sich sehr kritisch gegenüber den Reaktionen mit TierluDgen zu verhalten. 

P. Hirsch. 


Innere Medizin. 

W. P. Morgan-London: Der künstliche Paenmotborax ; grund¬ 
sätzliche Fehler des üblichen Verfahrens und deren Beseitigung. (Landet, 
11. Juni 1914, Nr. 4741.) Das übliche Verfahren, durch direkte Mano¬ 
meterbeobachtung festzustellen, ob die Nadel die Pleurahöhle erreicht 
hat, ersetzt der Verf. durch ein neues indirektes. Er bringt zwischen 
Gasbehälter und Nadel ein regulierbares Drosselventil an, und man er¬ 
hält den intrapleuralen Druck indirekt durch Ablesung zweier Mano¬ 
meter, auf jeder Seite des Drosselventiles eines. Es werden die dazu 
nötigen Formeln abgeleitet und der Apparat eingehend beschrieben und 
die Handhabung desselben an Beispielen erläutert. Weydemann. 

P. Szel - Wien: Ueber alimentäre Gal aktosurie bei Morbns Basedowii. 
(W.kl.W., 1914, Nr. 29.) Beim Morbus Basedowii findet sich in 86,9 pCt. 
der Fälle eine Galaktosurie, welche oft zu sehr hohen Werten ansteigt. 
Die alimentäre Galaktosurie findet sich häufig gleichzeitig mit einer 
alimentären Dextrosurie; es wurde kein Fall von Dextrosurie ohne gleich¬ 
zeitige Galaktosurie beobachtet. Woher die alimentäre Galaktosurie bei 
Morbus Basedowii kommt, lässt sish nicht mit Sicherheit entscheiden; 
es ist leicht möglich, dass die Leber an ihrem Zustandekommen be¬ 
teiligt ist. G. Hirsch. 

L. Czapski - Berlin: a) Ein Fall extremster Acidosis im Verlaufe 
des Diabetes mellitus. — b) Experimentelles über Alkalitherapie. (Aren, 
f. exper. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Ein Diabetiker, der 
nach einem zweiten Anfall hoher Acidosis stirbt, scheidet einmal mehrere 
Tage je 90 g ß Oxybuttersäure im Urin aus, das andere Mal 10 Tage 
hindurch durchschnittlich je 109 g ß -Oxybuttersäure -f- Acetessigsäure. 
Die ß -Oxybuttersäure ist dabei frei im Harn. Nach Berechnung musste 
eine fast totale Hemmung der Oxydation und Spaltung des Eiweisses und 
Fettes bestehen. Ferner hatte er ungewöhnlich grossen Stickstoflyerlust 
von 8,5 g pro Tag, für den ausser Unterernährung und einer eitrigen 
Meningitis noch ein besonderer toxischer Faktor angenommen wird. Intra¬ 
venös und subcutan wurde Mononatriumcarbonat (NaHCOg) gegeben. 
Theoretische Begründung und Erfahrungen über diese Theorie enthalt 
die zweite Arbeit; der Vorzug ist Vermeidung von Nekrosen. 

Wirth. 

0. Cohn heim: Experimentelle Pathologie des Verdaitugskaiials. 
(Hamburgische med. Ueberseehefte, Jabrg. 1, Nr. 2.) Die bei der Aus¬ 
heberung nach Probemahlzeit und Probefrühstück erhaltenen Resultate 
sind richtig. Die klinische Titration mit Phenolphthalein (Gesamtacidi- 
tät) und Günzburg oder Kongopapier (freie Salzsäure) sind „im ganzen 
richtig. Andere titrimetrisohe Untersuchungen und Bestimmung der 
lonenkonzentration sind unnötig. Fermentbestimmungen im Magensafte 
sind wertlos, da Salzsäure und Pepsin parallel gehen. Labuntersucbungen 
sind gegenstandslos, da Lab mit Pepsin identisch ist. Gegen die Unter¬ 
suchung peptonspaltender Fermente im Magensaft (zur Tumordiagnose) 


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UNIVERSITY OF IOWA 







10. Angost 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ist einzuwenden, dass aus Angst vor der Sonde Danninhalt in den Magen 
dringen kann, und so natürlich das Vorkommen peptonspaltender Fer¬ 
mente im Magen vorgetäuscht werden kann. Durch Einführung von 
stärkeren Salzlösungen in den Dünndarm lässt sich eine Einwirkung auf 
Magensekretion (Menge und Acidität) erzielen; Gärungssäuren im Dünn¬ 
darm bewirken Motilitätsverlangsamung des Magens und Hyperacidität; 
Salzsäureüberschuss im Darm — Verlangsamung der Motilität des Magens, 
verminderte Sekretion; Reflexlähmung des Dünndarms (Novocain) — 
Hypermotilität des Magens, hohe Gesamtacidität und freie HCl. — Bei 
der Gallensekretion ist wichtig zur Diagnose entzündlicher usw. Vorgänge 
Brauer’s Beobachtung (an Fistelgalle) von einer Albuminocbolie, ent¬ 
sprechend der normalen Albuminurie, da die Galle sonst nur Mucin ent¬ 
hält. — Der Dünndarm ist zwar, auch pharmakologisch, das Gentrum 
der Verdauungsorgane, aber wir besitzen noch zu wenig Untersuchungs¬ 
methodik. 

W. P. Dunbar: Ueber den Nutzen der Vaeeiiatlon gegen Typhös. 
(Hamburgische med. Ueberseehefte, Jahrg. 1, Nr. 2 u. 8.) Hinweis auf 
die statistisch nachweisbare Verminderung der Typhussterblichkeit nach 
Sanierung der Wasserwerke; eines Impfzwanges für die Grossstädte be¬ 
dürfen wir nicht, dagegen ist Pflegepersonal zweckmässig zu impfen, 
besonders aber die Armee in Kriegszeiten. Bedenkliche Erscheinungen 
naoh der Vaocination treten nicht auf; nach 12—60 Stunden sind die 
Nebenerscheinungen, die oft ausbleiben, verschwunden. Besredka 
schwächt Typhusbacillen mit Immunserum ab (sensibilisiert); gute Er¬ 
fahrungen mit dieser Methode, aber bisher noch allgemeine Abneigung 
gegen eine Impfung mit lebenden Kulturen. Die Typhusvaccination 
fand in der nordamerikanischen Armee unter F. F. Russell statt. Verf. 
zitiert dessen Ergebnisse. Nachdem im Burenkrieg die britische Armee 
21,08 pM. Mortalität, 151,56 pM. Morbidität an Typbus hatte, haben die 
geimpften Truppen der Briten im Burenkrieg 11,84 pM. Morbidität, 
2,04 pM. Mortalität. Typhusepidemien in amerikanischen Truppen lagern 
vor Einführung der Typhusvaccination zeigen bei 10 759 Mann 1729 
sichere Typhusfälle und 243 Typhusmortalität; nach Vacoination bei 
12 801 Mann 2 sichere Typhusfälle (es waren zum Vergleich Heere mit 
gleich ungünstigen Bedingungen gewählt). 

Schottmüller: Zur Frage der Niere»- und Nierenbeckeninfektion. 
(Hamburgische med. Ueberseehefte, Jahrg. 1, Nr. 2 u. 3.) Verf. unter¬ 
sucht bei Bakteriämien, welche und wieviel Keime aus der Blutbahn 
beim Menschen die Niere durchwandern und im Urin erscheinen. Staphylo- 
cocous fast regelmässig auch im Urin und sehr viel; dabei meist kloinere 
und grössere Nierenabscesse; dies bei Sepsis, nach Panaritium usw. Kom¬ 
plikation paranepbritisoher Absoess. Streptococcus bei Bakteriämie nicht 
so häufig im Urin. Gasbacillus: nach einer Abortausräumung ein Ueber- 
gang in den Urin. Verf. nimmt an, dass Keime nur nach Schädigung 
des Nierengewebes aus dem Blut in den Urin übertreten. Bacterium 
coli ist der häufigste Infektionserreger bei Nierenerkrankungen, meist 
Nierenbeckenerkrankung. VeTf. polemisiert gegen die hämatogene In¬ 
fektionstheorie der Pyelitis; der urethrale und lymphogene Weg ist ihm 
plausibler. Verf. vertritt therapeutisch absoluten Konservativismus; viel 
Lindenblütentee; Wert der Nierenbeckenspülung fraglich. 

A. Döblin. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

H. Liepmann-Berlin: Bemerkungen zu v. Monako * 9 Kapitel 
„Die Lokalisation der Apraxie“ in seinem Buch: Die Lokalisation im 
Grossbirn (1914). (Mschr. f. Psych., Juni 1914.) Gutfundierte Polemik 
Verf.’s gegen Monakow, dessen neues Buch „zu seiner schmerzlichen 
Ueberraschung an lrrtümern und Missverständnissen reich ist. 

E. Loewy. 

Zimkin, Versuche zum objektiven Nachweis der Intelligennbesse- 
Jing bei Paralytikern nach Salvarsantherapie. (Neurol. Zbl., 1914, 
Nr. 14.) Z. teilt Versuche zur Prüfung der kombinatorischen Fähigkeit 
bei Paralytikern nach Salvarsanbehandlung mit. Kombinatorische Tätig¬ 
keit ist eine psychische Fähigkeit, die, von einem Hauptziele beherrscht 
und von gewissen Gefühlstönen begleitet, einem Gleichgewichtszustände 
zustrebt. E. Tobias. 

W. P. Ossipow-Kasan: Ueber die Dosierung der Absinthessenz 
beim Hervorrufen von Anfällen experimenteller Epilepsie bei Hunden. 
(Mschr. f. Psych., Jnni 1914.) Minimaldosen, die typische epileptische 
Anfälle hervorrufen, sind Dosen von 0,03—0,05 pro Kilo Gewicht, Dosen 
▼on 0,12 pro Kilo Gewicht sind Maximaldosen. 

A. Münzer-Schlachtensee: Zur Pathologie des Personlichkeits- 
bewisstseins. (Mschr. f. Psych., Juni 1914.) M. beschreibt einen sehr 
interessanten Fall von „Depersonalisation“, den er — bei circulärem 
Verlauf mit günstigem Ausgang — zum manisch-depressiven Irresein 
zählt, wo sich Zwangsideen dominierend in den Vordergrund drängen. 

E. Loewy. 

Rothfeld und v. Schilling-Siengalewicz, Experimentelle Unter¬ 
suchungen über das Verhalten des Liqnor cerebrospinalis bei Kohlen- 
’ ^ rMB " Bleivergiftung. Vorläufige Mitteilung. (Neurol. Zbl., 
1914, Nr. 13.) Bei experimenteller Koblenoxydvergiftung tritt im Liquor 
cerebrospinalis eine erhebliche Vermehrung der Lymphocytenzahl auf. 
Oje Globulinreaktion ist oft positiv, der kryoskopische Punkt gesteigert. 
Diese Veränderungen im Liquor sind so lange nachweisbar, als im Blute 
ms Kohlenoxyd noch vorhanden ist. Im Blute besteht stets Leukocytose. 


Die experimentelle Arsen Vergiftung bewirkt ebenfalls eine, wenn auch 
geringere, Lymphooytenvermehrung im Liquor. Die Globulinreaktion ist 
positiv, der kryoskopische Punkt hoch. Das Arsen ist im Liquor nicht 
nachweisbar. Im Gegensatz zu der Wirkung des Kohlenoxyds und des 
Arsens finden wir bei akuter Bleivergiftung absolut keine Veränderungen 
im Liquor cerebrospinalis. Im Blute besteht Leukocytose. 

E. Tobias. 

P. Schröder-Greifswald: Grosshirnveränäerangen bei pernicitiser 
Anämie. (Mschr. f. Psych., Juni 1914.) Sch. fand neben den lange 
bekannten Lichtheim’schen Herden im Rückenmark bei perniziöser 
Anämie im Gehirn kleine miliare Herdchen, und zwar an den Markleisten 
der Grossbirnwinduogen. Sie sind mikroskopisch kleine, von Zellen 
gebildete Ringwälle, mit hellem, fast zellfreiem Centrum. Die Zellen 
sind Gliazellen, häufig sind rote Blutkörperchen beigemischt, sie stammen 
wohl aber nicht aus primären Blutungen. E. Loewy. 

W. N. Russkscb - Moskau: Ein Fall von Gehirnerweicktng. 
(Mschr. f. Psych., Juni 1914.) Der Fall ergab völlige Kongruenz des 
klinischen Bildes und der anatomischen Untersuchung (Atheromatose der 
A. fossae sylvii, 2. Ast der Art. lobi tempor. und Art. lenticulooptica). 

G. Ki esse Ibach- Erlangen: Anatomischer Befund eines Falles von 

Hintington’scher Chorea. (Mscbr. f. Psych., Juni 1914.) ln dem Fall 
faDd sich besonders neben sklerotischen Gelassen eine Atrophie der 
nervösen Elemente des ganzen Centralnervensystems und ganz vorwiegend 
der kleinzelligen Striatumteile. Die Gliazellen, besonders die kleinen, 
waren ausserordentlich vermehrt. Ferner fanden sich reichliche kalkartige 
Einlagerungen. E. Loewy. 

P. Schuster: Gehäufte postdiphtherische Lähmungen; ein Beitrag 
zur Frage der Neurotropie gewisser lofektioosstoffe. (Neurol. Zbl., 1914, 
Nr. 14.) Vater, Mutter und Sohn sind gleichzeitig an Diphtherie erkrankt 
und haben sich offenbar an einer Infektionsquelle infiziert. Sch. kommt 
per exclusionem zur Annahme einer besonderen, direkt oder indirekt 
neurotropischen Abart des Diphtheriegiftes. 

Haenel: Neue BeoDachtungen an den Elberfelder Pferden. (Neurol. 
Zbl., 1914, Nr. 13.) Durch Versuche, die jeden Zweifel ausschliessen 
und allen Anforderungen an Genauigkeit entsprechen, ist es nach Verf. 
sicher, dass die beiden Pferde Muhamed und Hänschen selbständig 
Zahlen lesen und mit ihnen einfache Rechenaufgaben ausfübren können. 

E. Tobias. 

H. See 1 ert-Berlin: Schwere symmetrische Gangrän. (Mschr. f. 

Psych., Juni 1914.) Kasuistische Mitteilung eines Raynaud’schen Sym- 
ptomenkomplexes, die besonders dadurch praktisch wichtig ist, weil die 
Frage des Zusammenhanges mit 2 Unfällen, die Hoden Verletzung und 
Fieber zur Folge hatten, gestreift und bejaht wird. Die geringe 
Arteriosklerose und Lues sind „bei der Häufigkeit dieser Leiden und der 
Seltenheit der Gangrän allein nicht ausreichend, das Entstehen der Gan¬ 
grän ätiologisch zu begründen“. E. Loewy. 


Kinderheilkunde. 

J. Biernacki-Londoo: Eine gewöhnliche Ursache später Todes¬ 
fälle nach Tracheotomie wegen Diphtherie. (Lancet, 11. Juli 1914, 
Nr. 4741.) Diese Todesfälle werden gewöhnlich einer Pneumonie zugeschoben; 
es handelt sich aber häufig statt dessen um Erstickung durch einen 
Pfropf eingetrockneten Trachealsekretes. Diese Pfropfe müssen durch 
geeignete Zangen von der Tracheotomie wunde aus entfernt werden; es 
bilden sich aber fast stets neue und in immer kürzeren Zwischenräumen, 
bis der Tod erfolgt. Zur Verhütung dieser Pfropfbildung sollen sich die 
Patienten bis zur Entfernung der Kaoüle, sonst mindestens aber eine 
Woche in einem dampferfüllten Raume aufhalten. Bilden sich neue 
Pfropfe nach Entfernung der ersten, so bringt man einen Spray von 
einer Lösung von Natrium bicarbonicum io die Luftröhre. 

Weydemann. 


Chirurgie. 

H. Kümmell - Hamburg: Das neugestaltete Operationsgebände des 
Eppendorfer Krankenhauses. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92.) Der 
vorliegende Aufsatz bildet die Einleitung zu dem Festband des Eppen¬ 
dorfer Krankenhauses zur Feier seines 25 jährigen Bestehens. 

Scholz-Hamburg: Ueber das Narkotisieren ängstlicher Menschen. 
(Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Verf. hat 
die Blutdruckscbwankungen während der Narkose gemessen und gibt 
beherzigenswerte Hinweise, wie besonders bei ängstlichen Patienten die 
Narkose gehandhabt werden soll. 

H. Kümmel 1 - Hamburg: Weitere Erfahrungen über intravenöse 
Aetbernarkose. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Fest¬ 
band.) Die Erfahrungen, die am Eppendorfer Krankenhause an etwa 
250 Fällen gemacht worden sind, sind ausserordentlich günstige. Besonders 
eignet sich die intravenöse Narkose, bei der man kontinuierlich Aether- 
kochsalzlösung abwechselnd mit physiologischer Kochsalzlösung eiofiiessen 
lässt, für Operationen im Gesicht, Kopf, Mundhöhle, weiter bei schwachen 
und ausgebluteten Patienten. Das Erwachen aus der Narkose erfolgt 
rasch, ohne Unbehagen. Uebelkeit und Erbrechen wurden in keinem 
Falle beobaohtet. Die Gefahren der intravenösen Narkose werden be¬ 
deutend überschätzt. Seit Verbesserung der Technik durch koutiouier- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


liohea Einfliessenlassen der Kochsalzlösung wird die Thrombenbildung 
verhindert. Kontraindiziert ist die intravenöse Narkose bei Arteriosklerose, 
bei schwerer Myooarditis und allgemeiner Plethora. Zur Beschleunigung 
des Eintritts der Narkose empfiehlt sich die Verwendung einer 1—l,5proz. 
Isopratlösung. 

Wiebrecht - Braunsobweig: Zur Behandlung der postoperativen 
Tetanie. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) 
Therapeutisch kommt io Betracht: Versuch der Implantation von frischer 
menschlicher Nebenschilddrüse. Per os kann man entweder frische 
tierische Nebenschilddrüse verabreichen oder die bekannten Tabletten 
geben. Eventuell kann man auch Calciumpräparate versuchen (Calo, 
laot, Calcine-tferck). 

Wieting-Pascha - Konstantinopel: Ueber 120 Banchschnssver- 
letznngen ans dem Balkankriege, beobachtet in dem osmaniscben Fort* 
bildnngskrankenhause Gülbane. (Beitr. z. klin. Obir., 1914, Bd. 92, 
Eppendorfer Festband.) Frühoperationen sind unter den im Kriege 
herrschenden Verhältnissen grundsätzlich nicht auszufübren. Es ent¬ 
scheidet sich das Schicksal der Bauchgeschossenen zumeist auf dem 
Sohlachtfelde. Man soll sie möglichst in Ruhe lassen, nicht transportieren, 
wenn möglich Morphium und Eisblase, nichts zu trinken geben. Was 
die Frage betrifft, ob man frühsymptomatisch operieren soll, d. h. bei 
Verschlechterung des Allgemeinbefindens aus vitaler Indikation ver¬ 
suchen soll, operativ einzugreifeD, so kann zwar wohl ein Fachchirurg 
hier von Fall zu Fall individuell unterscheiden. Der nicht Erfahrene 
soll aber die Hände auch davon lassen, denn es kommt eine grosse An¬ 
zahl dieser Verwundeten dennoch durch, und er kann mehr schaden als 
nützen. Später ist es dann angebracht, wenn die erste Lebensgefahr 
beseitigt ist, zur Behebung mehr oder weniger lokalisierter ausgesprochener 
Symptome und Störungen operativ einzugreifen. 

Kayser-Cöln: Zur Frage der Infektion der Schnsgverletznngen. 
(Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Die Schuss¬ 
wunden sind als primär infiziert anzusehen. In vielen Fällen spielt 
gleichzeitig die primäre und die sekundäre Infektion eine Rolle und sind 
diese auch klinisch praktisch oft nicht zu trennen. Zu dem klinischen 
Bilde der Infektion braucht diese Keimübertragung in die Wunde nicht 
zu fuhren. Das wirksamste therapeutische Prinzip zur Vermeidung der 
Ausbildung der klinischen Infektion ist vor allem die Immobilisation und 
der Schutz vor sekundärer Infektion. 

H. Hoffmann * Dresden: Ueber Kiefergelenksankylose mit „Vogel- 
gesieht u -Bildnng. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer 
Festband.) Mitteilung zweier Fälle und Besprechung der ätiologischen 
und klinischen Momente. Therapeutisch kommt am meisten die Resektion 
des Gelenkes und des Proc. coronoid. mit eventueller Weichteil-Muskel¬ 
interposition in Betracht. 

H. Kümmell- Hamburg: Operative Behandlnng des Aorten¬ 
aneurysmas. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) 
Es bandelte sich um eine Aneurysma der Aorta thoracica, das bereits 
rupturiert war. K. ging so vor, dass er die Aorta retropleural bzw. 
retroperitoneai freilegte, was leicht ohne Verletzung der Pleura gelang. 
Unter Fingerkorapression der Aorta wurde der geplatzte Sack entfernt, 
annähernd normal gestaltet und durch Naht vereinigt. Vielleicht empfiehlt 
es sich, in Zukunft diese Naht mit einem Fascienstreifen zu sichern. 
Leider ging der Pat. an Herzschwäche zugrunde, doch verspricht der an¬ 
gegebene Weg für zukünftige Fälle Erfolg. 

Hildebrand-Marburg: Ueber Eventratio nnd Hernia diaphrag- 
matica. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) 
Die Arbeit enthält wertvolle Angaben zur röntgenologischen Diagnose 
bzw. Differentialdiagnose der beiden erwähnten Krankheitsbilder. 

Hauch - Hamburg: Ueber unsere Radikaloperationen beim Careinom 
der Speiseröhre in ihrem thorakalen und abdominalen Abschnitt. (Beitr. 
z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Der Inhalt der 
Arbeit, in der sich das Material des Eppendorfer Krankenhauses in ein¬ 
gehendster Weise verarbeitet findet, und die zahlreiche chirurgisch inter¬ 
essante Einzelheiten enthält, lässt sich in einem kurzen Referat nicht 
wiedergeben. 

Treplin-Sahlenburg: Ein Phytotriehobezoar. (Beitr. z. klin. Chir., 
1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Mitteilung des Falles eines 6jähr. 
Kindes. Der Bezoar hatte eine Grösse von 21:12 cm; an seinem Pylorus- 
teil hing ein dünner Haarzopf, der tief in das Duodenum gereicht haben 
muss. Zar Stellung der Diagnose wird die Röntgenuntersuchung 
empfohlen. 

E. Roedelius - Hamburg: Bericht über die während der letzten 
3 Jahre chirurgisch behandelten Magenerkranknngen. (Beitr. z. klin. 
Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Von 495 Magenfällen der 
1. chirurgischen Abteilung des Eppendorfer Krankenhauses in den letzten 
3 Jahren wurden 312 einem chirurgischen Eingriff unterzogen, über 
welche in der vorliegenden Arbeit berichtet wird. 

H. Kümmell-Hamburg: Zur Chirurgie des Uleos dnodeni. (Beitr. 
z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festbaud.) Das Ulcus duodeni 
kommt in Deutschland in neuerer Zeit weit häufiger vor als früher, was 
wahrscheinlich auf der besseren Diagnosenstellung beruht. Ausser¬ 
ordentlich häufig findet es sieb mit Appendicitis vergesellschaftet, auf 
deren ätiologische Bedeutung hingewiesen wird. Verf. geht dann aus¬ 
führlich auf die Diagnose des Ulcus duodeni ein und betont in dieser 
Hinsicht den Wert der Anamnese (lange Dauer der Erkrankung, Periodi¬ 
zität derselben, Hunger- und Nachtschmerz). Von objektiven Symptomen 


sind zu nennen der lokalisierte Druckschmerz neben der Mittellinie, 
Nachweis von Blut im Stuhl, Hyperchlorhydrie und eventuell noch 
Hypersekretion. Sehr genau wird auf die röntgenologische Untersuchung 
eingegangen, zu der zahlreiche charakteristische Röntgenpausen gegeben 
werden. Bei der schlechten Heiltendenz wird die interne Behandlung 
nicht sehr viel Aussicht auf Erfolg haben. Die am meisten bewährte 
operative Methode ist die Gastroenterostomie mit Pylorusabschnürung, 
zu deren Ausführung sich K. meist des Ligamentum teres hepatis bedient. 

J. Oeh ler - Freiburg: Beitrag zu den Abnormitäten der Gallen- 
wege. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Bei 
2 Fällen war eine abnorm späte Vereinigung der Hepaticusäste vor¬ 
handen. Bei dem einen dieser Fälle, der zur Obduktion kam, fanden 
sich in dem einen Ast mehrere kleine Steine. Der andere Ast war 
gallenblasenartig erweitert und von einem grossen Stein verschlossen, 
der aus der Gallenblase hier eingewandert sein muss und dort von einer 
sekundären dicken Pigmentschale umhüllt worden ist. In der Er¬ 
weiterung des HepaticusgaDges lagen ausserdem zwei grosse, reine 
Hepaticussteine, die sich hinter diesem Verschlussstein gebildet haben. 

J. Schulz-Barmen: Ein Beitrag zur Gallensteinehirnrgie. (Beitr. 
z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Verf. teilt einige 
seltene Fälle mit, so die Fälle eines drei- und eines fünfjährigen 
Mädchens, einen Fall von Riesenstein im Choledochus, der zur Diagnose 
eines Magencarcinoros Veranlassung gegeben hatte. Weiter ist inter¬ 
essant ein Fall von Situs inversus und wohl einzig in der Literatur 
dastehend ein Fall von vollständiger Doppelbildung der Gallenblase und 
der ersten Cysticushälfte. Therapeutisch hat die Cbolecystostomie in 
über ein Drittel der Fälle kein gutes Resultat gezeitigt. Sehr gut da¬ 
gegen sind die Erfolge bei der Ektomie und der mit Choledochotomie 
kombinierten Ektomie, Die Operation führt Verf. aus bei akuten, das 
Leben bedrohenden Cholecystitiden, bei chronischer Cholelithiasis richtet 
er sich nach der sozialen Lage. Bei der arbeitenden Klasse operiert 
er nach dem zweiten oder dritten Anfall, sonst rät er wiederholte und 
häufige Bäderbehandlung &d. Bei chronischem Choledocbusverscbluss 
geht er nach 6 Wochen operativ vor, falls der Stuhl noch ungefärbt ist, 
weiter erfordert das Empyem und der chronische Hydrops, ebenso wie 
die infektiöse Cholangitis den chirurgischen Eingriff. 

Gr aff und Weinert-Bonn: Warum bleiben nach Exstirpation der 
Gallenblase so häufig Beschwerden zurück? (Beitr. z. klin. Chir., 1914, 
Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Graff hat sich durch Versenden von 
Fragebogen an seine Patienten und durch Nachuntersuchungen über diese 
Frage zu informieren gesucht. Eine Quelle späterer Misserfolge bietet 
das Zurückbleiben von Steinen im Choledochus, mit dessen Möglichkeit 
immer gerechnet werden muss. Besonders ungünstig in dieser Beziehung 
liegen die Fälle mit weichen Steinen und eingedickter Galle. Graff hat 
in diesen Fällen später das Drain nicht wasserdicht eingenäht, sondern 
die lozisionsstelle am Choledochus offen gelassen, damit noch auf diesem 
Wege ConcrementbrÖckel ausgeschieden werden können. Mehrere Male 
hat Verf. einige Zeit nach der Exstirpation der Gallenblase ein Carcinom 
des Hepaticus festgestellt. Weitere Veranlassung für ein scheinbares 
Recidiv können narbige Veränderungen des Gallenganges geben. Als 
weitere postoperative Beschwerden sind zu nennen solobe, die entschieden 
mit dem Magen und Darmtraktus Zusammenhängen, dann vor allem 
richtige Adhäsionsbeschwerden, weiter Beschwerden durch einen von der 
Operation zurückgebliebenen Bauchbruch und allgemeine nervöse Be¬ 
schwerden. Zur Bekämpfung der Adhäsionen ist die subseröse Aus¬ 
schälung der Gallenblase und die Peritonealisierung des Gallenblasen¬ 
bettes sehr zu empfehlen. Weiterhin soll die Tamponade nicht grösser 
sein, als es unbedingt nötig ist. Gut eignet sich zur Tamponade das 
Dreesmann’sche Glasdrain. 

H. Hoffmann - Dresden: Zur Chirurgie der Milx. (Beitr. z. klin. 
Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Verf. berichtet über 
17 Fälle der Kümmell’schen Klinik. Abgesehen von 9 traumatischen 
Fällen sind hervorzuheben 2 Fälle von isolierter Tuberkulose und ein 
Fall von wahrscheinlicher Lues. Ferner wurde die Splenektomie aus¬ 
geführt bei einem Fall von Erythrocytosis megalosplenica und bei einem 
Milztumor bei Osteosclerosis universalis. Es folgen noch 2 Bantifalle 
und ein Fall von Leberoirrhose mit Milztumor und hämolytischem 
Icterus, bei dem durch die Operation ein sehr guter Erfolg erzielt wurde. 

H. A. Dietrich - Göttingen: Panereatitis acuta. (Beitr. z. klin. 
Chir., 1914, Bd. 92.) Verf. berichtet über 17 Fälle des Eppendorfer 
Krankenhauses, darunter einen der seltenen Fälle von traumatischer 
Pankreatitis. Die Entstehung der akuten Pankreatitis ist noch nicht 
geklärt; eingehend wird auf den Zusammenhang mit Gallensteinleiden 
eingegangen. Die Diagnosenstellung ist in letzter Zeit bedeutend präziser 
geworden. Wertvoll scheint in dieser Beziehung im Gegensatz zur Cam- 
midge’sche Reaktion die Abderhalden’sohe Reaktion zu sein. Thera¬ 
peutisch wird möglichst frühzeitige Laparotomie aoempfohlen. Entfernen 
des Exsudates durch reichliche Kochsalzspülung und Austupfen. Frei¬ 
legen des Pankreas durch das Lig. gastrocolicum, Kapselspaltang und 
breite Drainage nach aussen. Bei Gallen blasensteinen, wenn es der 
Zustand erlaubt, Cholecystektomie oder Cholecystostomie. Wenn auch 
die Prognose immer noch eine sehr schlechte ist, hat sie sich doch auch 
in der letzten Zeit infolge der verbesserten Diagnosenstellung gegen früher 
verbessert. 

Ed. Birt - Shanghai: Ueber Appendicitis in Ostwie*, speziell 
Shanghai und Umgebung. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppen- 


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UNIVERSITV OF IOWA 




10. Äugest 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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dorfer Pestband.) Bericht über die innerhalb eines Zeitraums von vier 
Jahren operierten Fälle. Fast alle Patienten sind Europäer, nur sehr 
wenige sind Chinesen. Bei diesen tritt die Appendioitis ebenso gut und 
sohlimm auf wie bei den Europäern, doch stösst die Behandlung auf 
sehr grosse Schwierigkeiten, sowohl die konservative als auoh ganz be¬ 
sonders die chirurgische, zu der sich der Chinese nur sehr selten enfc- 
schliesst. 

Ringel-Hamburg: Ueber den Anton v. Bramnnn’sehen Balken- 
stich. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Verf. 
hat mit dem Balkenstich günstige Erfahrungen gemacht. Es ist eine 
einfache und ungefährliche Operation und sollte man ihn daher in Fällen 
von Hydrocephalus und bei Hirntumoren, bei denen eine grössere An¬ 
sammlung von Flüssigkeit in den Ventrikeln vermutet wird, ausführen 
und erst beim Versagen dieser Methode zu eingreifenderen Operationen 
seine Zuflucht nehmen. 

Weispfenning-Hamburg: Erfahrungen über die positive Bebaad- 
lug der geiuinen ud traumatischen Epilepsie. (Beitr. z. klin. Chir., 
1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Der Arbeit liegen sämtliche Fälle 
von genuiner Epilepsie zugrunde, die Kümmel 1 seit den achtziger Jahren 
operiert hat. Ausserdem sind noch 11 Fälle von traumatischer Epilepsie 
besprochen und anhangsweise 2 Fälle von Jacksonepilepsie, die durch 
Paobymeningitis und Araobnitis luetica bzw. Tumor cerebri bedingt 
waren und wegen des günstigen Operationsresultates interessant sind. 
Einzelheiten der Arbeit müssen im Original nacbgelesen werden. 

Löffelmann - Hamburg: Der Schultemhmerz (das Fernsymptom 
des Nervus phrenicus) bei den akiten chirurgischen Erkrankungen 
der Bauchhöhle. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Fest¬ 
band.) Der isoliert auftretende Sehultersehmerz bildet, wenn er auch 
nioht in seiner Bedeutung überschätzt werden darf, immerhin ein be¬ 
achtenswertes Moment bei der Diagnose und mithin auoh bei der Wahl 
des Operationsweges bei akuten chirurgischen Erkrankungen der Bauch¬ 
höhle. Die Ursache dieses Schmerzes können mechanische, entzündliche 
und chemische Reizung des Phrenicus sein; meistens wird eine Kombi¬ 
nation dieser vorliegen. Er weist stets auf eine Beteiligung des Zwerch¬ 
fells hin. So trat bei fast allen perforierten Magen- und Duodenalulcera 
dieser Schulterschmerz auf, während die akute Appendicitis ihn nie ver¬ 
ursachte, ausser in einigen Fällen, bei denen eine Verlagerung der 
Appendix unter das Zwerchfell vorhanden war. ln ähnlicher Weise 
lässt sich das Auftreten des isolierten Sohultersohmerzes für andere 
Erkrankungen von Organen der Bauchhöhle differentialdiagnoatisch ver¬ 
werten. 

P. Su deck -Hamburg: Zur pathologischen Anatomie und Klinik des 
Merbus Basedowii. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer 
Festband.) Eingehende Betrachtungen pathologisch-anatomischer Natur 
leiten die Arbeit ein. Die weiteren Ausführungen beziehen sich haupt¬ 
sächlich auf die bei Morbus Basedowii vorhandenen Herzerscheinungen 
und auf die chirurgische Teohnik. W. V. Simon. 


Haut« und Geschlechtskrankheiten. 

ß. Bernhardt und St. Rygier-Warschau: Ueber sekretorische 
Niereninsnffixienz bei dem vulgären nnd beim parasitären Ekzem. 
(Arch. f. Denn. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) In 55 pCt. der Fälle 
konnten die Verff. beim gewöhnlichen Ekzem eine sekretorische Nieren¬ 
insuffizienz feststellen, beim parasitären Ekzem nur in33pCt. der Fälle. 
Beim seborrhoischen Ekzem ist die Niereninsuffizienz viel seltener. 
Jedenfalls ist es therapeutisch von Wert, bei Ekzemfällen duroh Diät 
und Diuretica die Nferenfunktion zu heben. 

S. L. Bogrow - Moskau: Behandlung von Röntgendermatitiden. 
Ein Fall von RÖntgenulcns behandelt naeb Pfaueistiirs Methode. 
(Arob. f. Denn. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Verf. empfiehlt 
Pfanuenstill’s Methode, Jod in statu nascendi auf die Ulcera ein¬ 
wirken zu lassen. Das geschieht, indem man Sol. Natr. jodat. 10,0:200,0 
tagiioh 3—6 Esslöffel innerlich verabreicht und die Uloera gleichzeitig 
mit einer 3 pro*. Lösung des Merck’schen Perhydrols, der noch 1 pCt. 
Essigsäure zugesetzt werden, behandelt. Die Gesohwürsränder werden 
durch Vaselin und Wachspapier gegen Reizung geschützt. Das Geschwür 
selbst wird mit einer 5—6 fachen Gazeschioht bedeckt, welche alle 
5—10 Minuten mit der Perhydrollösung getränkt wird. 

A. Buscbke und Matthissohn - Berlin: Symmetrische Lipo- 
■Atoiii. (Uebersicht nebst Mitteilung von 2 Fällen kombiniert mit 
Psoriaafo und Arthritis.) (A»oh. f. Demi. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) 
Beide Fälle sind vielleicht rheumatischen Ursprungs. Ebenso darf wohl 
der ätiologische Zusammenhang alter Psoriasis mit rheumatisohen und 
Gelenkerkrankungen einerseits und mit Stoffwecbselstörungen anderer¬ 
seits als gesichert angesehen werden. Jedenfalls ist das gleichzeitige 
Bestehen der drei Krankheiten nebeneinander zum mindesten sehr 
auffällig. 

0 M* Winkler - Luzern: Ueber einen Fall von eigenartig lokalisierten 
»yriigomeii in Kombination mit anderen EntwicklnngsanomaHen. 
(froh. f. Denn. u.Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) In diesem Falle bestand 
Kombination einer mangelhaften Entwicklung der Seiualorgane 
(Testikel nnd Penis) und des damit zusammenhängenden Mangels des 
Stimmwechsels und der Haarentwicklung einerseits, der Syringome und 
der atheromähnliohen Cystenbildang an der Scrotal- und Penishaut 
wdererseits. 


B. Lipschütz - Wien; Ueber ein eigenartiges, durch den Typtl 
gaüinaceus hervorgerufenes Krankheitsbild der Tuberkulose, nebst Be¬ 
merkungen über den Nachweis und die Bedeutung der einzelnen Typen 
des Tuberkelbaoillus bei klinisch verschiedenartigen Formen der Haut¬ 
tuberkulose. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Sämtliche 
Typen des Tuberkelbacillus (humanus, bovinus und gatlinaceus) kommen 
beim Menschen als Erreger klinisch verschiedenartiger Formen der Haut¬ 
tuberkulose in Betracht. Der Typus bovious kommt regelmässig bei 
der Tuberculosis verrucosa cutis vor, die daher als echte Impftuberku¬ 
lose mit Rinderbacillen zu definieren ist. Die Bedeutung des Typus 
gallinaceus für die Genese selten auftretender Formen der Hauttuberku¬ 
lose ist nach der Beobachtung des Verf. nicht zu unterschätzen. Als 
praktische Folgerung ist die Forderung abzuleiten, bei einem für Meer¬ 
schweinchen wenig oder fast gar nicht pathogenen Impfmaterial die Dia¬ 
gnose Tuberkulose nicht ohne weiteres abzulehnen, sondern die Möglich¬ 
keit einer Geflügeltuberkulose in Erwägung zu ziehen und die Impf- 
versuebe an Hübnern zu wiederholen. Für die Geflügeltuberkulose des 
Menschen scheinen folgende Befunde charakteristisch und diagnostisch 
wertvoll zu sein: Auffallend reichlicher Bacillenbefund, fast ausschliesslich 
intracelluläre Lagerung der Bacillen und Gewebsveränderungen, die sich 
sowohl klinisch als auch mikroskopisch von dem typischen Aussehen ge¬ 
wöhnlicher Tuberkulose deutlich unterscheiden. 

A. Buschke und M. J. Michael-Berlin: Zur Kenntnis der 
hyperkerato tisch-vesikulösen Exantheme bei Qenorrköe. (Arch. f. 
Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Im Verlaufe von durch ander¬ 
weitige Prozesse komplizierten gonorrhoischen Harnröhrenerkrankungen 
erkrankt zuweilen die Haut an einem Exanthem, das sich nach kurzem, 
vesikulösem Stadium in Form lange bestehender hornartiger Kuppen, 
umgeben von den Resten der früheren Blasen, repräsentiert. Die Lieb¬ 
lingslokalisation stellen Fusssohleu und Fussrücken, nächstdem Hand¬ 
rücken und Beugeflächen einschliesslich der Nagelbetten dar. In 
selteneren Fällen kommt es zu einer Ausbreitung des Exanthems auoh 
auf andere Körperstellen. Das Neuauftreten des Exanthems bei neuen 
gonorrhoischen Infektionen bzw. Rückfällen lässt die ätiologische Ab¬ 
hängigkeit des Exanthems von der Gonorrhöe trotz des mangelnden 
bakteriologischen Nachweises als gesichert erscheinen. Das Exanthem 
tritt meist im Gefolge von gonorrhoischen Gelenkerkrankungen auf und 
kann zugleich mit diesen einen jahrelangen Verlauf mit ungünstiger 
Prognose annehmen. Histologisch handelt es sich um einen in den 
höheren Cutislagen beginnenden, im Papillarkörper und im Rete Mal- 
pighii am intensivsten ausgeprägten Entzündungsprozess. 

E. Klausner - Prag: Die Cntisreaktionen hei Syphilis mit besonderer 
Berücksichtigung der Pallidinreaktion. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, 
Bd. 120, H. 2.) Mit Organextrakten aus Lungen mit den Veränderungen 
der Pneumonia alba gelingt es, ganz charakteristische Cutanreaktionen 
bei Syphilis zu erzielen. Auch anderes spirochätenreiches Material, 
Nebennieren, Lymphdrüsen, syphilitische Föten, Sklerosen und Papel¬ 
extrakte, eignet sich, wenn die Extraktbereitung nach der Fischer’schen 
Methode geschieht, zur Herstellung wirksamer Impfflüssigkeiten. Das 
Kriterium der vom Verf. zuerst beobachteten und beschriebenen Cutan- 
reaktion (Pallidinreaktion) ist ein entzündliches Infiltrat um die lmpf- 
striohe, das fast in allen Fällen zu einem zweihellergrossen Herde kon- 
fiuiert und von einem oft bis fünfkronenstückgrossen Erythemhofe um¬ 
geben ist. Diese geschilderte Reaktion hat innerhalb 36—48 Stunden 
den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht zu einer Zeit, wo bei nicht 
reagierenden Fällen die Impfstelle völlig reaktionslos erscheint. Die 
Pallidinreaktion ist spezifisoh für Syphilis, und zwar für die beiden 
Spätstadien derselben, für die Lues gummosa und Lues hereditaria tarda. 
Die Pallidinreaktion ist eine klinisch brauchbare Methode zur Diagnose 
der Syphilis, der Lues gummosa und Lues hereditaria tarda, eine Er¬ 
gänzung der Wassermann’schen Reaktion. 

K. Vignolo-Lutati - Turin: Beitrag zum Studium der scrofuloiden 
Adenopathien hereditär-syphilitischer Individuen. (Arch. f. Derm. u. 
Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Verf. lenkt die Aufmerksamkeit auf einige 
scrofuloide Adenopatbien des Halses, die man zuweilen bei hereditär- 
syphilitischen Individuen findet, Adenopathien, die rapid unter spezi¬ 
fischer Behandlung heilen, und die als eine mehr oder weniger späte 
Manifestation von Erbsyphilis angesehen werden müssen. 

Immerwahr. 

J. Saphier-Wien: Abortivbehandlnag der Lnes. (W.kl.W., 1914, 
Nr. 29.) S. fordert eine energische Frühbehandlung der Lues. Die 
Notwendigkeit dieser Forderung erbliokt er in der Tatsache, dass die 
meisten Luetiker trotz konsequenter Belehrung nur die erste Kur syste¬ 
matisch durobzuführen pflegen. P. Hirseb. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

K. Reifferscheid-Bonn: Ueber die Anwendung von Bnphyllin 
snr Hebung der Diurese bei der Eklampsie. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 30.) 
Verf. hat das Eupbyllin in 16 Fällen systematisch angewendet, und da¬ 
mit dem Anschein nach sehr gute Erfolge erzielt, zumal unter seinen 
Fällen, wie er sagt, recht sohwere waren. Einmal stieg die Harnmenge 
in 2 Tagen auf 1200 ccm. Aber auch sonst war der Eindruck, den man 
von dem Mittel batte, ein recht guter, so dass nur einmal der Kaiser¬ 
schnitt bei einem engen Becken, einmal der vagioale Kaiserschnitt in 
einem besonders schweren Falle, sonst nur Beokenausgangszange, Metreu- 
ryse oder bei totem und nicht lebensfähigen Kinde, Perforation und 


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UNIVERSUM OF IOWA 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


Kranioklasie angewendet wurde. Im übrigen machte man noch Gebrauch 
von Venesectio, wenn sehr starke Cyanose vorhanden war, und zwar 
mit sehr gutem Erfolg. 

F. Ahlfeld-Marburg: Heilung von Nabtlgehnnrbrficheo auf koi- 
Bervativem Wege. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 30.) Gründliche Reinigung 
des Bruchsackes und der umgebenden Haut, Zurückdrängen des Inhalts 
in leichter Narkose, Bedeckung mit in Alkohol getränkter Watte und 
Einwicklung des ganzen Unterleibes mit einer eng anschliessenden Binde, 
die verhindern muss, dass auch beim Schreien die Bauchdecken ausein¬ 
ander gedrängt werden, nur alle paar Tage abgenommen und wieder 
angelegt, bis die Bauebränder sich vereinigt haben. Wenn auch nicht 
immer Radikalheilung erzielt wird, so wird doch die nachfolgende Ope¬ 
ration wesentlich erleichtert, und die Methode ist auch auf dem Lande 
und vom praktischen Arzt ausführbar. Je früher es geschieht, desto 
besser ist der Erfolg, und deshalb sollte darauf gehalten werden, dass 
alle Hebammen Weingeist, Watte und geeignete Binden mit sich führen. 

Rieck-Altona-Hamburg: Therapie der Amenorrhö'e. (Zbl. f. Gyn., 
1914, Nr. 80.) Verf. berichtet über 22 Fälle, in denen er zum Zweck 
der Hebung der Amenorrhoe und der mit ihr verbundenen Beschwerden, 
wie Fettleibigkeit, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl usw. mit grossem 
Vorteil den Intrauterinstift angewendet hat. Nur in 4 Fällen versagte 
der Stift ganz. In diesen Fällen hatten sich aber die Patientinnen der 
Behandlung entzogen. Der Stift lag von 14 Tagen bis zu 8 Monaten, 
ohne dass er besondere Störungen gemacht hätte. In den meisten Fällen 
kam es zu dauernder Heilung, indem die Menses auch wieder ihren 
richtigen Typus nach Entfernung des Stiftes annahmen, mindestens aber 
trat eine so bedeutende Besserung ein, dass die Patientinnen beschwerde¬ 
frei waren. Siefart. 


Augenheilkunde. 

C. H. Sattler - Giessen: Ueber die Wirkung des Aeoins hei sub- 
cotjtnctivafer Injektion. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Beim 
Kaninchen macht subconjunctivale Injektion von 1,0 ccm 1 proz. Acoin- 
lösung schon nach 1—2 Stunden starke Irishyperämie, Miosis und Horn¬ 
hautmattigkeit. Vom 1. bis 6. Tage besteht Ciliarrötung, Mattigkeit und 
Trübung der Cornea, Irishyperämie, Miosis, bisweilen Fibrinflocken im 
Kammerwasser. Vom 6. Tage bis zur 4. Woche und länger ist die von 
neugebildeten Gefässen durchzogene Cornea mehr oder weniger dicht 
getrübt. Bindehaut und Sclera verwachsen immer fester und schrumpfen 
schliesslich, je öfter die Einspritzungen wiederholt werden. Die Eiweiss¬ 
vermehrung im Humor aqueus zeigt, dass der Injektion eine Hyperämie 
des Ciliarkörpers folgt. Von 0,1 bis 0,3 ccm der Lösung wird wohl 
eine Verwachsung zwischen Sclera und Conjunctiva, aber nicht immer 
eine Hornhauttrübung verursacht, 0,5 ccm ruft eventuell vorübergehende, 
0,7—1,0 ccm dauernde Hornhauttrübung hervor. ZersetzuDgsprodukte 
des Acoins, wie sie durch den Alkaligehalt des Glases bei alten 
Lösungen auftreten, sind meist die Ursache der Schädigung. Acoin 
wirkt auf Diphtheriebacillen und Staphylokokken hemmend. Es ist von 
leicht vasokonstriktorischer Wirkung. 

C. H. Sattler - Giessen: Ueber die Wirkung von Anaestheticis bei 
sabconjnnetivaleB Injektionen. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Die 
Wirkung mechanischer und genau dosierter Reize auf die Eiweiss¬ 
ausscheidung im Kammerwasser wird durch vorhergehende Anwendung 
von Anaestheticis (Cocain, Tropacocain, Holocain) wesentlich vermindert. 
Ebenso wird die Wirkung suboonjunctivaler NaCl-Einspritzungen auf 
den Eiweissgehalt des Kammerwassers durch vorherige Cocainisierung 
der Bindehaut oder durch Cocainzusatz zur Iojektionsflüssigkeit bedeutend 
verringert. Wird die Untersuchung des Humor aquens erst längere Zeit 
nach der Einspritzung (50 Minuten) vorgenommen, so ist die Differenz 
zwischen dem Eiweissgehalt des anästhesierten und dem des nicht 
anästhesierten Auges geringer, als wenn die Punktion bald (schon nach 
20 Minuten) erfolgte. Bei späterer Punktion ist die Wirkung des 
Cocains abgeklungen, die NaCl-Lösung durch Diffusion verdünnt. Die 
duroh die NaCl-Injektionen hervorgerufene Verminderung der Hyperämie 
des Corpus eil. beruht nicht auf einer vasokonstriktorisohen Wirkung 
der Anaesthetica, sondernder von Wessely angenommene Reflexvorgang 
wird durch die AnästhesieleituDgsunterbrecbung gestört, die reflektorische 
Erregung der Vasodilatatoren bleibt aus. Einzelne Anaesthetica haben 
neben einer anästhesierenden noch eine Reizwirkung, der entsprechend 
eine Blutüberfüllung im Corpus oii. bzw. Eiweissvermehrung im Kammer¬ 
wasser eintritt; ihr parallel geht der bei ihrer Einträufelung oder sub- 
conjunctivalen Einspritzung ausgelöste Schmerz. Bei suboonjunctivaler 
Injektion wird der Eiweissgehalt am stärksten durch Akoiu vermehrt, 
weniger durch Holocain, Alypin, Stovain, Tropacooain, am wenigsten 
durch Cocain. Dementsprechend vermindert Akoinzusatz zu subconjuoc- 
tival eingespritzter NaCl-Lösung die Wirkung der Einspritzung kaum, 
die anderen Anaesthetica aber in einem mit Abnahme der Reizwirkung 
zunehmendem Grade. Besonders geeignet als Zusatz bei subconjunctivalen 
Injektionen ist Novocain (0,1 der 5 proz. Lösung zu 0,5 NaCl 5 proz.). 
Bei Injektionen hinter den Bulbus tritt ein bis au den Limbus reichendes 
Oedem auf, dessen Stärke einen Parallelismus mit dem Eiweissgehalt im 
Kammerwasser zeigt. Das Verfahren ist zur klinischen Verwendung un¬ 
geeignet. 

E. Hertel: Experimentelle Untersuchungen über die Abhängigkeit 
des AngeidrnekB von der Blatbesehaffenheit. (Graefe’s Arch, Bd. 88, 
H. 2.) Intravenöse Einspritzungen von Losungen seilreicher Salze in 


verschiedener Konzentration, von Traubenzucker und Harnstoff, von - 
kolloidalen Lösungen, wie Gelatine, Eiweiss, Eigelb und verschiedene 
Sera ändern den Augendruck, und zwar ohne Beeinflussung des Blut¬ 
drucks. Die Infusionen ändern sowohl die Zusammensetzung des Blutes 
wie auch die Konzentration in den Augen, und die Aenderung der Blut¬ 
beschaffenheit ist es, auf der in letzter Linie die Beeinflussung des 
Augendrucks beruht Die Wirkung von Bluttransfusionen steht mit 
diesen Befunden vollkommen im Einklang. 

J. Meller: Ueber Fälle von sympathischer Ophthalmie ohne 
charakteristischen Befund im ersten Auge. (Graefe’s Arch., Bd. 88, 
H. 2.) Der Fuchs’schen Anschauung, dass das histologische Bild der 
sympathischen Augenentzündung eiu spezifisches, wohl charakterisiertes 
sei, stehen die Anschauungen gegenüber, dass zwischen einer einfachen 
traumatischen, fibrinös-plastischen Uveitis und einer sympathisierenden 
Entzündung keine prinzipiellen, sondern nur graduelle Unterschiede be¬ 
stehen, eine Anschauung, die besonders von Rüge, Schirmer und 
Gilbert vertreten wird. Es gibt nun Fälle, die das klassische histo¬ 
logische Bild vermissen lassen. Verf. bringt nun aus der Fuchs’schen 
Klinik 7 Fälle, deren klinisches und histologisches Bild eingehendst be¬ 
schrieben wird. Im ersten Falle, einer klinisch sicheren sympathischen 
Ophthalmie, wurde das histologische Bild von der Endophthalmitis septica 
beherrscht, und es war unmöglich, beide Piozesse voneinander zu 
scheiden. Im zweiten Falle gestattete der histologische Befund nicht, 
mit absoluter Sicherheit die Diagnose sympathisierende Infiltration zu 
stellen. In 4pCt. aller Fälle besteht eine solche Unsicherheit, es sind 
zumeist solche Falle, iu denen das zweite erst nach der Enucleation des 
ersten Auges erkrankte. Offenbar hatte der Prozess nicht genügend 
Zeit, sich zu typischer Deutlichkeit des histologischen Bildes zu ent¬ 
wickeln. Bei dem dritten Falle entstand aus einer septischen End¬ 
ophthalmitis eine chronische plastische Uveitis. Ia zwei weiteren Fallen 
war die klinische Diagnose sympathische Ophthalmie von vornherein un¬ 
sicher bzw. der weitere Verlauf sprach gegen ihre Richtigkeit; der histo¬ 
logische Befund ergab dann auch, dass kein sympathischer Prozess vor- 
lag. Zuletzt bringt Verf. 2 Fälle, in denen eingehende Untersuchung 
den ersten Beginn der Affektion erkennen liess, Dachdem man sie an¬ 
fangs für „negativ“ gehalten hatte. Im letzten Falle wurde die Dia¬ 
gnose aus der Gesamtheit der Einzelheiten gestellt, von denen jede für 
sich nicht hätte maassgebend sein können. 

El sehnig: Studien zur sympathischen Ophthalmie. (Graefe’s 
Arch., Bd. 88, H. 2.) VII. Uebersioht und Kritik über neuere Arbeiten. 

A. Elschnig: Studien zur sympathischen Ophthalmie. VIII. Re- 
fraktometrische Untersuchungen über die sympathische Ophthalmie. 
(Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Weder Kaninchen noch Affen oder 
Hunde zeigen nach Erzeugung einer lange dauernden Entzündung (Ein¬ 
spritzung von Crotonöl, Papayotin, Cholerabacillenemulsion u. ä.) eine 
Beeinflussung des zweiten Auges im Sinne einer Veränderung seiner 
Circulations- und Ernährungsverhältnisse, wie sie sich in der mit 
Pufrich’s Refraktometer bestimmten Aenderung des Brechungsindex 
des Kammerwassers dokumentieren müsste. 

M. Goldschmidt - Leipzig: Der Mechanismus des Abbais nndder 
Resorption der Linse. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Wurden asep¬ 
tisch in der Kapsel extrahierte Ochsenlinsen mit Chloroformwasser und 
Toluol Überschichtung im Dialysierschlauch der Autolyse gegen steriles 
Aqua destillata ausgesetzt, so ergab eine N-Bestimmung des Dialysats 
allmählichen Abbau des Linseneiweisses; wird das Dialysat nicht ent¬ 
fernt, so wird die Autolyse duroh Anhäufung der Abbauprodukte ge¬ 
hemmt. In einer diszindierten Linse fiudet im Gegensatz zur intakten 
Linse eine Konzentrationszunahme des proteolytischen Ferments statt 
Dieses Ferment fehlt dem normalen Kammerwasser fast ganz, nimmt 
aber bei wiederholten Punktionen an Menge zu. Während die intakte 
Linse kein proteolytisches Ferment aus dem Humor aquens aufnimmt, 
steigt das Adsorptionsvermögen der diszindierten Linse für dieses 
Ferment beträchtlich, und zwar infolge veränderter Oberflächen Wirkung; 
ausserdem wirkt die Anwesenheit der quellenden Linsenmassen ähnlich 
der wiederholten Punktion steigernd auf den Uebergang des proteo¬ 
lytischen Ferments in das Kammerwasser. Dieses in der Liose fest sich 
verankernde Ferment baut das Linseneiweiss zu löslichen, kleinmole¬ 
kularen Produkten ab. Weiter fördern die in der Linse selbst vor¬ 
handenen autolytiseben und die proteolytischen Fermente der einge¬ 
wanderten Blutelemente die Linsenresorption, die einen rein physikalisch¬ 
ohemischen Vorgang darstellt. 

Vogt: Klinischer und anatomischer Beitrag zur Kenntnis der 
Cataracta senilis, insbesondere zur Frage des sabkapsnlären Beginnes 
desselben. (Graefe’s Aroh., Bd. 88, H. 2.) Der Altersstar beginnt nicht, 
wie Hess annimmt, subkapsulär, sondern meist supranuolear bzw. in 
den tiefen Rindensohichten, wie Verf. an zahlreichen klinisch und 
50 mikroskopisch untersuchten Linsen feststellen konnte. Beides ist 
weder ein klinischer noch ein anatomischer Beweis für die Häufigkeit 
der Cataracta supracapsularis incipieos erbracht worden. Verf. fwd, 
dass über 90 pCt. aller über 60 Jahre alten Menschen an mehr oder 
weniger ausgedehnten senilen Linsentrübungen leiden. Subkapsulare 
bzw. subepitheliale Trübungen finden sich nur da, wo der Star der 
tieferen Rinde schon entwickelt ist. 

Lindner: Ueber Pigmentstreifeobildtig io der Betioa. (Graefe’s 
Arch., Bd. 88, H. 2.) Die Pigmentstreifenbildung ist stets doppelseitig. 
Die Streifen sind scharf, aber unregelmässig begrenzte, radiäre, unter 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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elen Netzhautgefässen verlaufende, meist braune Gebilde, die nahe der 
Papille entspringen. Mit der Zeit ändern sie ihre Farbe und werden 
dunkel. Sie liegen zwischen Pigmentepithel und Retina oder in den 
äussersten Netzhautschichten. L. beobachtete 8 Fälle, von denen 2 ein 
Brüderpaar betrafen. Ein Patient litt an Neuroretinitis albuminurica 
mit Iridocyclitis. Bei 3 Fällen waren die Streifen aus unregelmässigen 
Pigmentkrümeln zusammengesetzt, die tiefschwarz, häufig parallel und 
gestreckt angeordnet waren. Diese Beobachtungen erinnern an den von 
Magitot 1908 veröffentlichten Fall, den einzigen anatomisch unter¬ 
suchten. Nach Magitot handelt es sich um Blutungen in die äusseren 
Netzhautschichten. L. führt die Streifenbildung zurück auf capilläre 
Blutungen in die tieferen Netzhautschichten; das Blut habe bei seinem 
Vordringen ins Gewebe in radiärer Richtung den geringsten Widerstand 
gefunden. Unterstützend mag die bei Erkrankungen der Netzhaut so 
häufige Höhlenbildung in der äusseren plexiformen und der Corneaschicht 
mitgewirkt haben. Die die Blutungen auslösende letzte Ursache bleibt 
unbekannt, vielleicht liegt eine lokale Netzhautaffektion entzündlichen 
Charakters vor. 

K. Lindner: Ueber einen Fall von Hemeralopie mit weissgran 
verfärbtem Fundus. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Der 16 Jahre alte 
Patient stammt aus blutsverwandter Ehe. Der Augenhintergrund ist 
auf beiden Augen in weitem Umkreis um die Papille weisslicbgrau ver¬ 
färbt, der Uebergang in die normal rote Peripherie erfolgt allmählich. 
Die Gegend der Macula ist duokel, rechts von radiären, faltenartigen, 
hellen Streifen durchzogen, links liegen um die Macula an das Bild der 
Retinitis punct. albescens erinnernde Reihen heller Fleckchen. Die Seh¬ 
schärfe war erheblich herabgesetzt. Das in seiuen Ausseogrenzen nor¬ 
male Gesichtsfeld zeigte rechts ein kleines centrales Skotom für Rot, 
links ein absolutes grösseres für Weiss. Die Maculaveränderungen waren 
nach U /2 Jahren wesentlich andere: Die Streifung rechts verschwand, 
die Färbung war hellgrau geworden, in der Fovea lag ein dunkelroter 
Fleck, links bot sich ein ähnliches Bild. Es bestand ausgesprochene 
(angeborene) Nachtblindheit. Oguchi, Komoto, Dor, Miyno und 
Nakamura haben ähnliche Fälle veröffentlicht. Das Fortschreiten der 
weisslicbgrauen Verfärbung spricht dafür, dass sie keine angeborene, 
sondern eine erworbene Veränderung darstellt. Der Prozess dürfte wohl 
in das Pigmentepithel zu lokalisieren sein. Vielleicht handelt es sich 
um einen degenerativen Prozess, der mit Veränderungen entzündlicher 
Natur vergesellschaftet ist. Die Erkrankung hat mancherlei Berührungs¬ 
punkte mit dem Bilde der Retinitis punctata albescens, und L. möchte 
die Erkrankung als Fundus albescens cum hemeralopia congenita be¬ 
zeichnen. K. Stein dor ff. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

A. Ph. Mitchel l - Edinburg: Bericht über taberknlüse Milch in 
Edinbarg. (Brit. med. journ., II. Juli 1914, Nr. 2793.) In einer früheren 
Arbeit hat der Verf. festgestellt, dass ein grosser Teil der tuberkulösen 
Lymphdrüsen bei Kindern in Edinburg durch den bovinen Bacillus 
infiziert ist. Bei einer Untersuchung von Milchproben (400) fanden sich 
in 20 pCt. Tuberkelbacillen. Weydemann. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Gesellschaft der Charile-Aerzte. 


(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 2. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Scheibe. 

Schriftführer: Herr Glaswald. 

DiroW f ' f ra H? : . Hochgeehrter Herr Obergeneralarzt! Verehrter Herr 
sehen °h * .^Küchen Charite und Präsident dieser Gesellschaft! Sie 
natürlich* w 1D 5 zahlreicllere Versammlung als gewöhnlich. Die ist 
es mir Tk 010 , durcb unsere bescheidene Tagesordnung herbeigelockt, 
Cbaritp wieder einmal Abschied zu nehmen von der 

in kraftvniwtf^i Wird uns dieser Abschiefl J a dadurch, dass wir Sie 
ziehen in h* *f lscbe ^ or uns . seben > und dass Sie sich nicht zurück¬ 
rettet ah eruchtigte otium cum dignitate, wohin jeder so viel 
Wir sehen < 3 ,- 0 P b y s, sche und geistige Kraft noch zu ertragen vermag. 
wL Stelluni T m c hr 3e ! bs,; » ,d, e schreiten in eine neue 

Wwn. die Sif Ä?. , p?*-.? Ch ." lbst ge ’ ,ählt haben ' Aber iD den zebn 
erweitert worden niw^ l ® lt ® t . habei1 » da ist sie nicht bloss baulich 
®anche der besten «• Gbanl ®. bat in der Zeit viele Menschen verbraucht; 
einsam um uns ™ 1Q d geschieden. Es will Abend werden, und es ist 
heraus ich sprechen ^m eD 5 ^ JSt d ° Ch die Grun(lstim mung, aus der 

«ll.n I<: den ba A e emteT' Herr Obergeneralarzt, zu danken in 

JÜem zu danken im n b j? r aus K eübt habe. Ich habe Ihnen vor 
da » einige Band ist dl^nn« n'T, Charit e-Gesellschaft, die ja bisher 
! Dd Unterärzte . Aente - Stabs- und Zivilärzte 

» er Scheibe gewesen ist gt ’ ^ enn wir einmai UDS fra S en werden, 
be ™»gLISn s id e l“ Wlr . nooh älter geworden oder wenn die 
Sie“°Ü ““ V«»"oh’ rdCn W ' rsageu: «war ein untadiiger 
moht bloss die Charite zielbewusst geführt. Sie haben 


auch mir Ihre Freundschaft erwiesen. Wenn Sie es konnten, haben Sie 
uns ausgeholfen, und wenn Sie uns auch nur mit kleinen Summen bei¬ 
springen konnten — dass es nicht grössere waren, das liegt in den Ver¬ 
hältnissen —, Sie haben es gern getan, und das tut einem Direktor¬ 
berzen wohl. Wir als Zivilisten wissen die Vorteile sehr zu schätzen, 
die aus der Verbindung eines militärischen und eines Universitätsinsti¬ 
tuts hervorgehen. Dass Sie aber Ihre Sonne haben leuchten lassen in 
gleicher Weise über Ihre militärischen und über die zivilistischen Aerzte 
und Assistenten, das wird Ihnen gewiss auch bei letzteren unvergessen 
bleiben. 

Ich selbst habe Ihnen persönlich zu danken, dass ich Gelegenheit 
gehabt habe. Ihnen auch freundschaftlich gegenüberzutreten, und ich 
hoffe, dass Sie auch mich in freundlichem Andenken behalten werden. 
Wenn ich nun schliesse, so möchte ich Sie bitten, Sie möchten recht 
gern und oft an die Charite zurückdenken, in der Ueberzeugung, dass 
Treue und herzliche Wünsche Sie begleiten in eine, wie wir alle hoffen, 
nur angenehme Zukunft! (Langanhaltendes lebhaftes Bravo und Hände¬ 
klatschen.) 

Vorsitzender: M. H.! Hochverehrter Herr Gebeimrat! Sie sehen 
mich tief bewegt. Wenn ich heute nach zehn Jahren hier von dieser 
Gesellschaft Abschied nehme, so ist es mir ganz besonders schwer ge¬ 
macht worden durch diese Worte, die Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, 
an mich zu richten die Güte hatten. Ich bin wirklich tief gerührt über 
die Worte der Anerkennung, und ich kann nur versichern, dass ich alles, 
was in meinen Kräften gestanden hat, getan habe, um zu fördern, wo 
ich fördern konnte. Dass Sie aber mir in dieser freundschaftlichen Weise 
näher getreten sind, hochverehrter Herr Geheimrat, das beglückt mich, 
und ganz besonders, dass Sie das hier auch zum Ausdruck gebracht 
haben. Ich hoffe, wenn mich nun meine Schritte westlich führen, dass 
auch die Herren, die hier mit mir zusammen gearbeitet haben, ab und 
zu ein klein wenig meiner gedenken. Ich werde stets mit grosser Liebe 
und Dankbarkeit an die Zeit zurückdenken, die mich hier in der Charite 
und speziell an der Spitze dieser Gesellschaft gesehen hat, von deren 
Mitgliedern Herr Geheimrat Orth und ich noch die einzigen sind, die 
seinerzeit auch die Gründung der Gesellschaft, und zwar Herr Geheimrat 
Orth als Assistent von Virchow, ich als Unterarzt, mitgemacht haben. 
(Zuruf): Und Herr Geheimrat Ewald! Jawohl, verzeihen Sie, tres faciunt 
Collegium. Um so mehr freuten mich aber die Worte, die Sie an mich 
gerichtet haben, und ich danke Ihnen von Herzen dafür. Behalten Sie 
mich in gutem Andenken! (Lebhaftes Bravo und Händeklatschen.) 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Brüning: Demonstration eines Kranken mit Prothese. 

M. H.! Ich möchte Ihnen einen Kranken zeigen, der am 23. Oktober 
v. J. in der Pulverfabrik in Spandau bei einer Explosion verunglückt 
ist, und zwar hatte er neben der Verbrennung der Hände auch eine 
solche des Gesichts und des Schädels davongetragen. Der ganze obere 
Schädel war eine grosse Wunde; beide Ohren sind verloren gegangen, 
die Stirn ist bis hinten zum Opticus in Mitleidenschaft gezogen, die 


Abbildung 1. 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


ganze Schädelhaut ist verbrannt, die Augen haben stark not gelitten. 
Der rechte Bulbus ist verloren gegangen, im linken Bulbus ist nur noch 
etwas Lichtempfindung und Projektion vorhanden. 

Die chirurgische Behandlung war zu Anfang sehr schwer. Der arme 
Kranke bot einen furchtbaren Anblick, und es war zuerst dafür zu sorgen, 
dass der Kopf überall mit Haut bedeckt wurde. Das wurde nach Thiersch 
gemacht, und zwar — der Unfall war am 23. Oktober, die erste Ope¬ 


ration am 1. Januar, und bis zum 9. Januar brauchte die Wunde, um 
sich zu reinigen — wurden Hautplättchen nach Thiersch transplan¬ 
tiert, und Sie sehen, es ist gelungen, den ganzen Schädel wieder zu be¬ 
decken. Ferner wurde versucht, das Ektropium zu bessern. Das ist 
nicht gelungen; es muss nach Ansicht der Augenklinik damit noch ein 
Jahr gewartet werden. 

Unsere zweite Sorge war, den armen Kranken so weit wiederherzu¬ 
stellen, dass er sich draussen in der menschlichen Gesellschaft zeigen 
kann, und dazu haben wir folgendes vorgenommen. Der Ersatz der Ohren 
durch Transplantation war ausgeschlossen, weil die ganze Umgebung 
vernarbt war, und ausserdem der Ersatz der Ohrmuscheln niemals ein 
gutes Resultat gibt. Da hat sich ein Verfahren bewährt, das ein Wärter 
der Ohrenklinik erfunden hat: es werden künstliche Ohren aus Kautschuk 
hergestellt, die werden angeklebt. Ausserdem haben wir ihm eine Perücke 
und eine Brille gegeben, so dass er dann ganz anders aussieht. Der 
Mann wird nun draussen zurecht gemacht werden, und ich werde ihn 
dann nochmals zeigen. 

Inzwischen möchte ich Ihnen noch kurz dieses Verfahren der Ohren¬ 
plastik erläutern. Hier sind die Formen, in denen die Ohren gegossen 
werden. Es ist eine Kautschukraasse, die das Geheimnis des Wärters 
ist — soviel ich weiss, wird das ausser hier io Berlin nur in Wien ge¬ 
macht, und man benutzt es auch zum Ersatz von Nasen —, eine Kaut¬ 
schukmasse, die bei 50 bis 60 Grad flüssig in diese Form hineingegossen 
wird. Wenn die Masse erstarrt ist, wird sie in drei Teile auseinander¬ 
genommen, und nun ist hier die fertige Ohrmuschel drin. Wichtig ist, 
dass diese Fläche, die nachher angeklebt wird, möglichst plan ist; sie 
muss nachher etwas abgeschabt werden. Dann werden die Ohren mit 
Mastix angeheftet, und sie sitzen so gut, dass der Kranke über Nacht 
damit ins Bett gehen und sich sogar aufs Ohr legen kann. Die Farbe 
ist noch nicht ganz recht; da kann man leicht durch Fettschminke usw. 
nachhelfen. Die Ohren können längere Zeit getragen werden, und wenn 
der Kranke im Besitz der Form ist, kann er sich selbst die Ohren neu 
giessen (Heiterkeit), so dass er die Ohren, wenn sie abgeschliffen sind, 
sich selber wieder neu machen kann. (Erneute Heiterkeit.) —- Ich darf 
Ihnen die Ohren und eine Form herumgeben. 

Um die Perücke aufzusetzen, war es nun nötig, die Haut zunächst 
widerstandsfähig zu machen. Zu diesem Zweck ist die Haut monatelang 
massiert worden; erst wurde sie mit Borsalbe eingefettet und dann 
massiert. Auf diese Weise ist es gelungen, dass er den Tag über ganz 
gut seine Perücke tragen kann, und Sie werden gleich sehen, dass er 
doch nicht den abschreckenden Eindruck macht, wie ohne diese Behelfe. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Kraus. Das Herz bei Asthma bronchiale. 

(Der Vortrag erscheint in erweiterter und durchgearbeiteter Form in 
Band 38 der Charitö-Annalen.) 

Nunmehr wird der Kranke des Herrn Brüning mit seiner Prothese 
vorgeführt. 

Hr. Brüning: Hier sind also die Ohren befestigt. Er hat etwas 




Abbildung 3. 


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10. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Couleur bekommen, und Sie sehen, er kann ganz schon mit den Ohren 
wackeln; vie gesagt, er kann in der Nacht darauf liegen, ohne dass sie 
verloren gehen. Später soll noch das Ektropium verbessert werden. 
Immerhin aber kann der Kranke drausaen auf der Strasse so spazieren 
gehen. 

Diskussion: Hr. Kraus: Es ist ja sehr erfreulich, dass die 
Henen Chirurgen wieder anfangen, sioh um solche kleine Sachen zu 
kümmern. Aber ich möchte nur sagen: was speziell diese angeschminkte 
Nase betrifft, so hat neulich ein Herr in einer hiesigen Gesellschaft 
ein ganz analoges Verfahren gezeigt, nicht für die Ohren, sondern für 
die Nase. Und da möchte ich, weil heute doch ein Tag der Erinne- 
rangen ist, auf einen Fall zurückkommen, den ich gemeinsam mit 
Herrn von Bergmann beobachtet habe. Herr von Bergmann hatte 
12 Jahre laog einen berühmten spanischen Parlamentarier in Behandlung, 
dem er ein Sarkom des Kiefers entfernt hatte. Durch diese Operation 
war die ganze untere Gesichtshälfte weggenommen, auch ein Stück Nase 
war fort. Die Operation war im übrigen gelungen, und der Patient hat 
dann eine Prothese angeschminkt bekommen, die ganz ähnlich gemacht 
war wie diese hier. Der Mann war Ministerpräsident und hat nachher 
nooh die glänzendsten Reden gehalten; den Namen kann ich nicht 
nennen, Sie alle kennen ihn aber. Naoh 12 Jahren bekam er erst ein 
Reoidiv; es trat ein intraoranieller Tumor auf, der dann zum Exitus 
führte. 

2. Hr. Bragseh: Lues iod Mageierkrankungen. 

(Erscheint in den Charitö-Annalen, Bd. 38.) 

Diskussion. 

Hr. Ewald: M. H.! Die Auseinandersetzungen des Herrn Kollegen 
Brugsoh waren mir deshalb von besonderer Wichtigkeit und Interesse, 
weil ich in meiner langjährigen Praxis nur das bestätigen kann, was er 
über die Seltenheit des Vorkommens von greifbaren luetischen Affektionen 
am Magen gesagt hat. Ich habe seit sehr vielen Jahren mein Augen¬ 
merk immer darauf gerichtet, und zwar aus einem Grunde, der etwas 
vulgären Charakter hat; es gab nämlich hier früher einen Arzt namens 
Pancritius, der hatte die Eigentümlichkeit, dass er alles, was von 
Krankheiten irgendwie existierte und womöglich darauf zu beziehen war, 
auf Syphilis bezog. Und so bezog er auch einen grossen Teil der Magen¬ 
krankheiten, die ihm vorkamen, auf syphilitische Genese und schickte 
die Leute immer nach Nenndorf; Nenndorf war ein Spezialkurort für 
diesen Herrn. (Er hatte auoh ein Buch geschrieben über die Syphilis 
der Lunge, das seinerzeit ziemliches Aufsehen erregte.) So wurde ich 
denn also sehr früh auf diese syphilitischen Prozesse beim Mageo auf¬ 
merksam gemacht. Das kann ich aber dem Kollegen Brugsch auch be¬ 
stätigen, dass es eine ganze Reihe von Erkrankungen gibt, die diesen Charakter 
der gastrischen Krise in abortiver Form haben. Mein Oberarzt Dr. Wolff 
hat eine ganze Reihe von diesen Fällen in der Poliklinik bei uns ge¬ 
sammelt, und wir haben das immer als abortive gastrische Krisen oder 
als pseudogastrische Krisen bezeichnet, obgleich sie — wie ich auch dem 
Kollegen Brugsch zugeben muss — gar nicht deu Charakter einer 
Krise haben, sondern sioh über lange Zeit gleichmässig erstrecken. Iu 
solchen Fällen wird also eine antiluetische Kur jedenfalls des Versuches 
wert sein. Darin kann ich ihm nun aber nicht beistimmen, dass sie 
immer und jedesmal einen Erfolg bat — ich weiss nicht, ob Sie das 
gesagt haben, oder nicht —; das ist nicht der Fall. Aber in einzelnen 
Fällen haben wir tatsächlich Resultate damit erzielt. Wir haben niemals 
Salvarsan angewendet, sondern immer nur eine luunktionskur mit Jod¬ 
kalium gewählt. Die Diagnose der Syphilis des Magens ist immer eine 
Vermutungsdiagnose; mit Sicherheit lässt sie sich meines Erachtens über¬ 
haupt nur auf dem Obduktionstiscbe stellen, eventuell aus dem Erfolg 
einer solchen antiluetisohen Kur abstrahieren. 

Hr. Citron: M. H.! loh möchte nur ein paar Worte zu dem be¬ 
merken, was Heir Brugsch gesagt bat. Einen Teil der Fälle kenne 
ich aus eigener Ansohauung, habe sie auch selbst untersucht, und ich 
kann mich nicht ganz dem anschliessen, was Herr Brugsch gesagt hat, 
dass wir diese Magenerscheinungen so häufig auf Lues beziehen dürfen. 
Wir wissen, dass die Lues leider eine der häufigsten Krankheiten in 
Berlin ist; speziell bei unserem Charitematerial spielt der Prozentsatz 
der Wassermann’schen Reaktion eine grosse Rolle, und dass es unter 
diesem natürlich auch Patienten gibt, die alle möglichen uncharakte¬ 
ristischen Magenerscheinungen haben, das scheint mir selbstverständlich. 
Nun hat Herr Brugsoh aber nooh eine bestimmte Gruppe herausge- 
griffeu, und ich glaube, auf die müssen wir ganz besonderen Wert legen. 
Er hat vou Patienten gesprochen, die keine sonstigen Zeichen von Tabes 
bieten, die aber von Zeit zu Zeit gastrische Erscheinungen darbieten, 
welche an Krisen erinnern, teilweise kontinuierlicher Form, teilweise aber 
weh intermittierend; und da kann es vorkommeD, dass, wenn man die 
Wassermann’sehe Reaktion anstellt, man auch ein negatives Resultat 
bekommt. Wenn er aber auch die Lumbalfiüssigkeit, wie ich es tue, 
nnt zur Untersuchung heranzieht, dann sieht er, dass es sich um Leute 
bandelt, die tabische Lyraphooytose haben und auoh einen positiven 
Wassermann geben. loh glaube also, dass die Auffassung dieser Fälle 
weit eher die sein muss, dass es sich um beginnende oder abortive Tabes- 
falle handelt, und nicht um gastrische Syphilis, wobei wir uns die An¬ 
wesenheit der Spirochäten im Magen selbst vorzustellen haben. Dass es 
syphilitische Magenerkrankungen gibt, will ich keineswegs bestreiten; 
r*® 8 sie aber insbesondere nicht im tertiären Stadium sehr stark hervor- 
.ten, sondern im sekundären, das soheint mir weit einleuchtender zu 
sein. Denn im sekundären Stadium erfolgt die erste Eruption, die Ueber- 


säung des Organismus mit Spirochäten; dann dringen sie in alle Organe 
ein. Aber dass alle möglichen gastrischen Verstimmungen zur Zeit der 
ersten Eruption bestehen, das ist etwas ganz Alltägliches, und bei der 
dann fast immer einsetzenden Behandlung wegen der Allgemeinsymptome 
gehen dann auch diese Erscheinungen zurück. Ob es nun in allen diesen 
Fällen zu anatomischen Veränderungen, Gastritis kommt, oder ob es sich 
bloss um toxische Erscheinungen handelt, die infolge der begleitenden 
toxischen Ueberschwemmung des Körpers mit Spirochäten beruht, lässt 
sioh ärztlich nicht entscheiden, auoh anatomisch nicht, weil diese Leute 
selten auf deu Sektionstisch kommen oder, wenn sie darauf kommen, 
keine charakteristischen Erscheinungen mehr bieten. 

3. Hr. Plesek: 

Demonstration eines Apparates cir Blntmengebestimmnng. 

4. Hr. Döhrer: 

Colitis mit retrograder Peristaltik im aosgesehalteten Colon descendens. 

(Beide Vorträge erscheinen in ausgearbeiteter und erweiterter Form 
in Band 38 der Charitö-Annalen.) 

Hr. Scheibe: Nunmehr schliesse icb die heutige Sitzung mit ver¬ 
bindlichstem Danke für Sie, Herr Geheimrat, und die übrigen Herren 
Redner, und ich sage auch Ihnen allen nochmals meinen herzlichsten 
Dank für die festliche Sitzung, die Sie mir bereitet haben. (Bravo! und 
Händeklatschen.) 


Berliner otologische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 24. April 1914. 

Vorsitzender: Herr Passow. 

Schriftführer: Herr Beyer. 

Der Vorsitzende begrüsst als Gast Herrn Dr. Mallito aus Moskau. 

Tagesordnung. 

Hr. Spituer stellt einen Fall vor von Spontanfraktnr der vorderen 
unteren Wand des rechten äusseren, knöchernen Gehörgangs bei einem 
60jährigen Mann. Der Bruch war eutstandeu beim Essen eines 
Brötchens. Der Patient leidet weder au Lues noch an Diabetes. Als 
Nebenbefuud wurde bei der Röntgenuntersuchung ein ausserordentlich 
stark entwickelter Processus styloideus festgestellt, sowohl hinsichtlich 
seiner Länge als auch seiner Dicke. Nach Ansicht des Vortr. hat mög¬ 
licherweise bei Zustandekommen der Fraktur der vergrosserte Processus 
eine wesentliche Rolle gespielt, indem durch Hebelwirkung beim Kauen 
die Fraktur zustande gekommen ist. 

Diskussion. 

Hr. Passow hält die Verlängerung des Processus für die ver¬ 
knöcherte Sehne, glaubt aber doch, dass die Fraktur vielleicht durch 
Anstossen des Kopfes des Proc. condyl. des Unterkiefers gegen die 
dünne Gehörgangswand entstanden sein kann. 

Hr. Spitzner: Es ist auffallend, dass der Processus nur auf dieser 
einen Seite so stark entwickelt ist, wie es auf der Röutgenplatte deut¬ 
lich zu sehen ist. Beim weiten Aufklappen des Unterkiefers stösst die 
Spitze gegen den Processus. 

Hr. Bosch: Isoliertes Nenrorecidiv im Ramus vestibaiaris. 

Die 23jährige Patientin hat 1913 Lues erworben, seitdem drei 
Kuren mit Hg, einmal mit Salvarsan gebraucht. War bis vor 14 Tagen 
ohrgesund, dann bekam sie plötzlich ohne Veranlassung Schwindel, 
Uebelkeit, Erbrechen, Ohrsausen rechts. Trommelfellbefund negativ, 
Flüstern 15 cm beiderseits, spontaner Nystagmus horizontal und rota¬ 
torisch nach links. Rechtes Labyrinth kalorisch unerregbar. Es scheint 
hiernach also ein isoliertes Neuroreoidiv im Ramus vestibularis vor¬ 
zuliegen. 

Diskussion. 

Hr. Beyer meint, dass nach dem einseitigen Vorbeizeigen beim 
Barany’schen Zeigeversuch auch an einen gummösen Prozess au den 
Meningen zu denken wäre. 

Hr. Passow: Es ist eine Frage, ob man hier, wenn es eine ganz 
isolierte Vestibularislähmung ist, die Lumbalpunktion machen soll oder 
nicht. Bei isolierter Acusticusaffektion würde auch Salvarsan ange¬ 
zeigt sein. 

Hr. Claus hat Fälle gesehen, in denea allerdings nicht isolierte 
Vestibularisreizung, sondern Acusticusreizung nach Salvarsan bestand, 
die recht gut geworden sind, nachdem wieder Salvarsan angewandt 
wurde. (Zuruf: Das ist ja nicht naoh Salvarsan!) 

Hr. Busch: Sie bat im Januar die Salvarsaneinspritzung bekommen, 
jetzt vor 14 Tagen hat der Anfall eingesetzt 

Hr. Passow: Mich würde es interessieren, ob absolute Taubheit, 
wie wir sie jetzt nach Salvarsan gesehen haben, nach einer erneuten 
Dosis wieder rückgängig wird. 

Hr. Blumenthal: Dieser Fall gehört zweifellos zu den Fällen, wie 
wir sie in der ersten Zeit der Salvarsantherapie häufig gesehen haben, 
wo lediglich Salvarsan injiziert wurde, ohne Kombination mit Queck¬ 
silber. Es wäre daher auch in diesem Falle auzura^o, die Salvarsan- 
therapie mit Quecksilber zu kombinieren. 

Hr. Busch: Patientin hat zuerst nur Quecksilber bekommen und 
dann im Januar Salvarsan. Jetzt soll sie eine Queoksilberinjektionskur, 
kombiniert mit Salvarsan erhalten, und zwar beginnend mit 0,3 Sal¬ 
varsan, dann in etwa 8 Tagen 0,4, in weiteren 8 Tagen 0,5 Salvarsan. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1534 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 32. 


Hr. Peyser: Es wird behauptet, dass noch 3—6 Monate nach der 
Salvarsaninjektion derartige Erscheinungen auftreten können. Wichtig 
iräre es, nach dem Vorbilde von Knick und Zalocsieski die Lumbal¬ 
punktion zu machen. Knick fand bekanntlich Meningitis basalis auf 
luetischer Basis. 

Hr. Wolff: Die Injektion liegt 3 Monate zurück, und es liegen 
differente centrale Symptome vor. 

Hr. Peyser bemerkt dazu, dass nach seinem Dafürhalten nicht ein 
einziger Fall von toxischer Arsenscbädigung des Cochlearis nachweisbar 
sei. Gerade durch die Arbeiten von Knick und Beck ist doch be¬ 
wiesen, dass in den meisten Fällen mindestens zweifelhaft ist, ob nicht 
doch Lues vorliegt, zum Teil ist es sogar mit Sicherheit bewiesen, dass 
es sich um keine Arsenschädigung handeln kann. 

Hr. Karrenstein hat in einem ähnlichen Falle die Liquorunter¬ 
suchung gemacht, nach deren Befund keine luetische centrale Erkrankung 
vorlag, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass doch eine Arsenintoxikation 
bestehen kann, grösser ist. 

Hr. Herzfeld: Ich habe zufällig in einer Woche drei schwere 
Labyrinthaffektionen gesehen bei Leuten, die kein Salvarsan bekommen 
hatten. Wenn Schwerhörigkeit und Nystagmus schon vor 14 Tagen auf¬ 
getreten sind, ist es merkwürdig, dass die Patientin heute noch diesen 
ausgesprochenen Nystagmus hat. Denselben sehen wir doch gewöhnlich 
viel früher verschwinden. Auch stehen die ganz geringen Gleichgewichts¬ 
störungen in keinem Verhältnis zum Nystagmus. Daher möchte ich an¬ 
nehmen, dass es sioh hier um Schädigung des Vestibularis im retro¬ 
labyrinthären Teil handelt. 

Hr. Sehmidt-Hackenberg: Primäre Naseidiphtherie bei Kindern. 

Die Nasendiphtherie wird leicht übersehen. Hartnäckiger Ausfluss 
aus der Nase bei wenig veränderter Schleimhaut und intakten Neben¬ 
höhlen führt makroskopisch zur Diagnose, die durch bakteriologische 
Methodik gesichert wird. Jeder operative Eingriff an Nase, Nasopharynx 
und Ohr ist — wenn nicht quoad vitam — kontraindiziert wegen der 
Schwere eintretender Komplikationen. Sehr bald sind Dipbtheriebacillen 
im Ohr nachweisbar. Therapeutisch kommt nur Diphtherieheilserum in 
Frage, das intravenös, auch intramuskulär, nicht subcutan, und bei 
leichten unkomplizierten Fällen auch lokal appliziert wird. 

Diskussion. 

Hr. Max Senator beanstandet nach seiner Erfahrung die Angabe 
des Redners, dass die Rhinitis fibrinosa nicht mit der Diphtherie iden¬ 
tisch ist und die dabei gefundenen Diphtheriebacillen nur Saprophyten 
seien. Allerdings gibt ja die Rhinitis fibrinosa nicht das ausgesprochene 
klinische Bild, von dem wir eben gehört haben, sondern ein abge¬ 
schwächtes, trotzdem wird man gut tun, an sie genügende Kautelen zu 
knüpfen. 

Da wahrscheinlich die Diphtherie mehr in der Bucht der Rachen¬ 
mandeln zu suchen ist, müsste man eher von einer Diphtheria retro¬ 
nasalis sprechen. 

Wenigstens spricht ein Fall eigener Beobachtung dafür, bei dem 
postrhinoskopisch die Rachenmandeln erkrankt gefunden wurden und die 
bakteriologische Untersuchung vollvirulente Diphtheriebacillen nachwies 
und durch typische Seruminjektionen Besserung und allmähliche Heilung 
eintrat. . 

Hr. Blumenthal bezweifelt, dass Seruminjektionen bei Nasen¬ 
diphtherie noch günstig wirken, wenn wir sie nach 2 bis 3 Wochen 
machen, wie hier bei den Kindern mit Nasendipbtberie, da es doch be¬ 
kannt ist, dass Seruminjektionen bei Diphtherie sonst nur in den ersten 
Tagen der Erkrankung wirksam sind, später keine Wirkung mehr haben. 

Hr. Schwerin bat eine grössere Anzahl von Nasendiphtherien nur 
lokal mit weisser Präcipitatsalbe behandelt und damit recht gute Er¬ 
folge erzielt. Das Behring’sche Serum ist ein Antitoxin. Die toxischen 
Erscheinungen sind bei Kindern meist recht minimal, gleich Null. Ich 
sehe nicht ein, warum wir in diesen Fällen eine Indikation sehen 
sollen, das Serum anzuwenden. 

Hr. Schmidt-Haokenberg: Die Fälle von Rhinitis fibrinosa und 
von sekundärer Nasendiphtherie waren von der Betrachtung ausge¬ 
schlossen. Die Diphtherie der Rachenmandel streift ein Gebiet, das ich 
absichtlich nicht berührt habe. Präcipitatsalbe bringt günstigstenfalls 
die Excoriationen zum Abheilen. Nachschübe aus der Nase kann sie 
nicht verhindern. 

Hr. Gütlich: Vestibnlarisreiz als Todesursache beim Baden. 

Hat jemand eine offene Pauke, dann kann beim Baden kaltes Wasser 
bei ihm kalorischen Nystagmus auslösen, es kann zum Erbrechen und 
zum Collaps kommen. Diese Tatsache ist noch nicht gebührend ge¬ 
würdigt. Alle Theorien, mit denen man den plötzlichen Tod beim Baden 
zu erklären sucht, sind unzuläüglioh. Das Erbrechen figuriert immer 
noch als Haupttodesursache. Es ist jedoch nur ein Symptom, und zwar 
wahrscheinlich eines der Vestibularreizung. — Stellen Sie sich vor, Sie 
würden bei einem unter Wasser befindlichen Menschen kalorischen 
Nystagmus auslösen, so wird er sofort mit seiner gesamten Muskulatur 
die Bärany’schen Abweichereaktionen ausfübren, er wird also für sein 
Schwimmen und für das Zurückkehren an die Wasseroberfläche voll¬ 
ständig unzweckmässige Bewegungen ausführen. Dann kommt die Fall¬ 
reaktion dazu. Der betreffende Mensch wird sich wahrscheinlich um 
seine eigene Achse drehen. Schliesslich kann dann noch Erbrechen und 
Collaps eintreten. Jedoch schon die durch die Abweichereaktion und 
die Fallreaktion ausgelöste örtliche Desorientierung kann zur Erstickung 
und zum Exitus führen. 


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Diskussion. 

Hr. Passow bemerkt, dass japanische Tanzmäuse, wenn man sie 
ins Wasser tut, sofort ertrinken, während eine gewöhnliche Maus längere 
Zeit schwimmt. 

Hr. Katzenstein bemerkt, dass Normale beim Tauchen mit offenen 
Augen besser orientiert sind als mit geschlossenen, dass es ferner, da 
im Wasser die Körperschwere um so viel geringer wird, als Wasser durch 
den Körper verdrängt wird, hier in Frage käme, ob es sich vielleicht 
nicht um den Vestibularis, sondern um veränderte Sohwerebedingungen 
des Körpers bandle. 

Hr. Busch glaubt, dass die Theorie des Herrn Vortragenden nicht 
ganz neu ist, sondern dass Troeltsch schon in seinem Jahrbuch (1881) 
darauf hingewiesen bat, dass eine Anzahl von plötzlichen Todesfällen im 
Wasser durch Reizung des N. vestibularis nach Eindringen von kaltem 
Wasser ins Ohr zu erklären ist. 

Hr. Halle: Es ist interessant, dass Körner in Müritz Kinder, selbst 
wenn sie grosse Perforationen batten, ruhig baden liess, ohne das Ohr 
zu schützen. Er hat weder Mittelohrentzündungen noch Labyrinth¬ 
reizungen gesehen. 

Hr. Peyser warnt davor dringend, da er neulich bei einem Fall 
nach Aufmeisselung, nachdem mit grosser Mühe die Heilung erzielt war, 
durch Baden ein schweres Recidiv beobachtete. 

Hr. Passow: Dass in jedem Sommer Leute Otitiden bekommen, 
die durch Baden entstanden sind, ist ganz sicher, besonders bei der 
Truppe ist es beobachtet worden. Ob die Eiterung allein vom Wasser 
kommt oder von Bakterien, ist natürlich eine andere Frage. Was Körner 
mit den Kindern gemacht hat, halte ich für sehr gewagt. 

Hr. Güttich: Die Theorie, dass man überhaupt die plötzlichen 
Todesfälle beim Baden, die ziemlich häufig sind, mit der offenen Pauke 
erklären kann, ist meiner Ansicht nach neu. Wenn man bedenkt, dass 
bei Kopfsprüngen Trommelfell risse zustande kommen, ist auch die Mög¬ 
lichkeit gegeben, dass auch bei Leuten, die eine geschlossene Pauke 
haben, die Todesart durch Desorientierung infolge Vestibularreiz eintreten 
kann. Natürlich kann das nur bewiesen werden, wenn bei den Fest¬ 
stellungen darauf geachtet wird. 


Berliner nrologische Gesellschaft, 

Sitzung vom 30. Juni 1914. 

1. Hr. K. Frans: Pyelitis gravidaran. 

Pyelitis gravidarum ist keine für die Schwangerschaft spezifische 
Erkrankung, besser spricht man von Pyelitis in der Gravidität. Nach 
statistischer Erhebung ist zu Pyelitis das weibliche Geschlecht mehr dis¬ 
poniert als der Mann, in der Schwangerschaft besondere Häufung der 
Pyelitis. 2 / 3 ^ er Fälle von Schwangersohaftspyelitis betreffen Erst¬ 
gebärende. Die Pyelitis tritt kaum vor dem 5. Monat ein, nach dem 
8. Monat sehr selten. 2 /s der Fälle sind rechtsseitig, doppelseitig höch¬ 
stens 1 / 8 . Der Erreger der Pyelitis ist das Baoterium coli. Aetiologiscb 
muss eine Disposition vorhanden sein. Die Ursache ist Harnstauung. 
Das rechte Nierenbecken ist in 65 pCt., das liuke in 14 pCt., beide in 
19 pCt. befallen (Zangemeister). Rechts konnte Vortr. immer eine 
trägere Tätigkeit des Ureters beobachten. Mit Sicherheit ist nicht zu sagen, 
wie die Harnstauung zustande kommt. Beim Ureterenkatheterismus 
stösst man zuweilen auf ein Hindernis an der Stelle, wo die Linea ter- 
minalis das Becken kreuzt, physiologisches Hindernis. Bei Operationen 
wird bei Freilegung des Ureters dieses Hindernis nicht konstatiert. Eine 
andere Erklärung ist, dass das Hindernis im Ureter bedingt ist durch 
die Lage des Kindes und Verlagerung des Uterus nach rechts, dies ist 
jedoch anatomisch unhaltbar wegen der Weichheit des Uterus und des 
Ureters. Auch durch Schwellung der Schleimhaut des Ureters und Ver¬ 
lagerung der Blase durch den wachsenden Uterus soll die Stauung zu¬ 
stande kommen. 

Alle diese Erklärungen geben keinen befriedigenden Aufschluss. 
Eine weitere Frage ist, wie kommen die Keime in den Ureter hinein? 
Zwei Theorien bestehen hierüber, von aussen auf dem Wege durch die 
Blase, auf dem inneren Wege durch die Blutbahn. Die Gewebe der 
Schwangeren sind für den Eintritt des Baoterium coli disponiert, zu 
finden in Bartholini’schen Drüsen und auch im katheterisierten Harn. 
Es besteht jedoch keine Cystitis, dies spricht gegen die Annahme. Be¬ 
steht Cystitis, so ist gar keine Pyelitis vorhanden. Man kann daher 
den ascendierenden Weg nur durch die Lymphbabnen des Ureters an¬ 
nehmen. Franz schliesst sich mehr der Auffassung an, dass die Iq- 
fektion des Nierenbeckens auf deto Wege der Blutbabnen stattfindet. 
Pyelitis schliesst sich an an Angina. Das Wahrscheinlichste ist eine 
Infektion auf dem Wege der Lymphbabnen vom Darm aus. Dies ist 
erwiesen durch die Arbeiten von Posner und Löwin. Weg vom Wurm¬ 
fortsatz nach dem rechten Nierenbeken durch die Lympbbahnen (Franke). 
Als ätiologisches Moment gilt die bei Graviden häufige Stuhlverstopfung 
jind das Aufflackern einer aus der Kindheit stammenden Pyelitis. Sym¬ 
ptome sind Temperatur 39—41°, Schüttelfröste. Allgemeinbefinden ira 
ganzen gut. Schmerzen sind oft im ganzen Bauch, unten in der rechten 
Seite, nioht in der Nierengegend. Die unklare Schmerzempfindlichkeit 
führt oft zu falsche Diagnosen: Appendicitis, Cholecystitis, kryptogene¬ 
tische Septikämie, Malaria. Der oft klare Urin gibt ebenfalls zu 
Täuschungen Veranlassung. Cystoskopisch findet man oft nichts, erst 
Kulturen bringen Aufklärung. Bei unbestimmtem Sitz der Sohmerzen 
Ureterenkatheterismus. Differentialdiagnostisch kommen in Betracht 


Original fro-m 

UMIVERSITY OF IOWA 





10. Aflgost 1914. 


BERLINER KLINISCHE) WOCHENSCHRIFT. 


1685 


Tuberkulose und Steine. Vortr. hat dies noch nicht beobachtet, es ist 
dies eine theoretisehe Annahme. Bei Tuberkulose andere Fieberkurve, 
anamnestisch war das Leiden schon vor der Gravidität vorhanden. Bei 
Steinen findet sioh Blut im Urin. Verlauf ist günstig. Prognose im 
allgemeinen gut. Alteration des Nierenbeckens auch bei schweren 
Fällen selten. F. hat zwei Todesfälle unter einem grossen Material be¬ 
obachtet. 

Durch Einfluss der Pyelitis oft Frühgeburt durch Wärmestauung. 
Unterbrechung der Schwangerschaft zwecklos, schafft nicht mehr als die 
Behandlungsmethoden. Bettruhe, Umschläge, Zufuhr grosser FJüssigkeits- 
mengen, Urotropin usw. Führt dies nicht zum Temperaturabfall, Ein¬ 
führung des Ureterkatheters, danach prompter Abfall. Dies spricht für 
Harnstauung. Ureterkatheter kann 6—12 Stunden liegen bleiben, 
Nierenbeckenspülungen, wenn Temperatur nicht sinkt, mit 1— Vj 2 proz. 
Wasserstoffsuperoxyd, etwa 10 ccm, 3—4 mal hintereinander. Der Rest 
bleibt im Nierenbecken. Mit dieser Behandlung Heilung erzielt. Diese 
Behandlung nicht ad infinitum fortzusetzen. In dem einen tödlich ver¬ 
laufenen Fall ging die Patientin kurz nach der Geburt an Sepsis zu¬ 
grunde, die septische Infektion entstand durch die Unruhe bei der Ge¬ 
burt Deswegen schlägt Franz vor, wenn die oben angeführte Behand¬ 
lung nicht zum Ziele führt, lieber die Niere fortzunehmen. 

Bei den klinisch geheilten Fällen bestand Ausscheidung von Bak¬ 
terien noch monatelang. Recidive sind häufig, die sofort wieder be¬ 
handelt werden müssen. 

Diskussion. 

Hr. Freudenberg wendet sich gegen die Auffassung, dass Nieren¬ 
steine Blutungen makroskopisch machen müssen, mikroskopisch immer. 
Bei Pyelitis ist mikroskopisch manchmal Blut vorhanden. Bei Bak- 
teriurie im Nierenbecken ist der Urin klar, daher klarer Urin, bei 
Pyelitis. 

Hr. Posner: Zur Aetiologie hat Franz an die physiologischen Ver¬ 
engerungen des Ureters erinnert. Es gibt zwei Verengerungen, die 
untere ist an der Kreuzung mit den Vasae iliacae, die obere an der 
Kreuzung mit den Vasae spermaticae. Beide spielen wohl bei der 
Stauung eine Rolle durch Kompression. Die meisten der Pyelitiden ent¬ 
stehen auf dem Wege des Säftestroms. 

Hr. Casper hat zahlreiche Fälle von Pyelitis während der 
Schwangerschaft gesehen. Diagnostische Zweifel durch Ureterenkathete- 
rismus beseitigt. Typisch sind die Schüttelfröste. Differentialdiagnostisch 
kann septische Infektion mit kleinen Herden im Parenchym gleiche Er¬ 
scheinungen machen. Empfiehlt zu Spülungen Arg. nitr. 1—2:200; nur 
bis zum Gefühl der Spannung spülen. Im Wochenbett kommt es oft zu 
chronischen Pyelitiden. 

Hr. Mankewitz: Durch die Eigenbewegung der Colibacillen kommt 
es zu einer Einwanderung derselben in die Lymphwege und im Anschluss 
daran zur Infektion des Nierenbeckens. 

Hr. Knorr: Im Gegensatz zu Franz, der Anhänger der descen- 
dierenden Aetiologie ist, nehmen die meisten Gynäkologen eine ascen- 
dierende Ursache an. Die hauptsächlichste Veranlassung für die 
Stauung ist wohl die obere Verengerung des Ureters. Kelly hält 
Senkung der vorderen Wand oder Drehung der Niere für die Ursache. 
Therapeutische Uebereinstimmung mit dem Vortr., hauptsächlich damit, 
die Schwangerschaft nicht zu unterbrechen. 

Hr. Hammesfahr zeigt an einem Präparat vom Hunde, dass durch 
relativ kleine Veränderungen am Ureter, durch eine Falte, nach drei 
Wochen Pyelitis uud Hydronephrose entstehen kann. 

Hr. Franz (Schlusswort): Es wurde makroskopisch und mikro¬ 
skopisch Blut im Urin nachgewiesen. Arg. nitr., ebenso Collargol wurden 
früher ebenfalls za Nierenbeckenspülangen verwandt, Xeroformsesamöl 
batte keine Wirkung, beste Resultate Wasserstoffsuperoxyd in schwacher 
Konzentration. 

2. Hr. K. Hammeofahr*. 

Experimentelle Beobachtungen über den Sekretionsdruek der Nieren. 

Beobachtung bei Hunden nach Anlegung von Fisteln. Schon früher 
war festgestellt, dass Blutdruok und Sekretiousdruck parallel laufen. 
H. hat den Ureter retroperitoneal freigelegt, blasenwärts unterbunden 
uud aus der Wunde heraushängen lassen, Steigrohr eingebunden. Bei 
den Beobachtungen sind die Schwankungen bei der Atmung berück¬ 
sichtigt. Bei normalem Hund und klarem Urin Anstieg in der zweiten 
Stunde, steigt weiter in der dritten Stunde, bleibt dann konstant. Nach 
drei Stunden Maximalhöhe. Normaler Druck sohwankt zwischen 
50—60—70 om. Relative Abflusshindernisse beeinträchtigen sehr stark 
den Sekretionsdruck. Beobachtungen bei Vergiftungen: bei Cautharidin- 
vergiftung erste Stunde langsamer Anstieg, bei Chromvergiftung umge¬ 
kehrt. Bei Wasserdiurese Steigerung Ton 15 cm, ebenso bei Euphyllin. 
Die Druoksteigerung meist nach einer halben Stunde vorbei. Bei Nar¬ 
kose Senkung des Sekretionsdrucks, hängt wahrscheinlich mit Blutdruck- 
seokung zusammen. Der Sekretionsdruok sinkt rapide ab bei Abfluss¬ 
storungen und eitrigen Erkrankungen der Niere. ^Vorführung zahlreicher 
Kurven zur Erläuterung de9 Vorgetragenen.) 

Diskussion. 

Hr. Roth: Bei rechtsseitigem Nierentumor, bei dem Phloridzin- und 
Pbenolphthaleinaussoheidung normal war, war bei durch Blutung ein¬ 
tretender plötzlicher Anurie, auch nach Beseitigung derselben, ^ noch 
längere Zeit die Zuckerausscheidung nach Phloridzininjektion gestört. 

Hr. Franz: Unterbindung des Ureters führt zu keiner Störung 
durch plötzliches Sinken des Sekretionsdrucks. 


Hr. Roth hat bei Hunden Ureterunterbinduugen gemacht, bei denen 
die Niere sofort die Tätigkeit einstellte. 

Hr. Hammesfahr (Schlusswort) hat die Rückwirkung durch die Niere 
früher schon behauptet, später kategorisch verneint. Sie ist regelmässig 
vorhanden bei Ausdehnung des Versuchs über 24 Stunden. 

3. Hr. E. Wossidlo: a) Demonstration eines Falles von seltener 
ex Yaeno-ßlntnog. 39jähriger Mann mit Striktur nach Gonorrhöe. Bei 
Urethrotomia iaterna wenig eitriger Urin entleert. 3 Stunden später 
unstillbare Blutung ex vacuo trotz Blaseneröffnung und Tamponade. Bei 
der Sektion Blase, Ureteren und Nieren mit Blutung in das Parenchym 
unter die Schleimhaut durchsetzt. 

b) Demonstration zur Meoothoriumbehandlnng von Blaoentumoren. 

Inoperables Blasencarcinom mit Mesothorium bestrahlt. Zuerst Wohl¬ 
befinden, später Verschlechterung. Gollaps, Exitus. Bei der Sektion 
zahlreiche Metastasen in Leber usw. 

Diskussion zu a. 

Gr. Freudenberg hält die Blutung für keiao ex vacuo-Blutung, 
sondern für miliare Blutungen, septische Blutungen usw. Der Fall ist 
nicht zu erklären. 

Hr. Wossidlo (Schlusswort): Dis seltene an dem Fall ist das Auf¬ 
treten der Blutung nach Entleerung der relativ kleinen Flüssigkeits 
menge. L. Lipman - Wulf. 


Naturwissenschaftlich-medizinische Gesellschaft zu Jena. 

(Sektion für Heilkunde.) 

Sitzung vom 18. Juni 1914. 

Hr. Wrede berichtet über die Operation eines Falles von Cardia- 
careinoin. 

Diskussion: Hr. Rehn spricht an der Hand seiner früher ver¬ 
öffentlichten Experimente und einiger operierter Fälle über Technik und 
Prognose der Resektion. Vortr. hält die totale Entfernung des Oeso¬ 
phagus mittels Invagination von oben nach unten für das Verfahren 
'der Wahl. 

Hr. Lexer: Demonstration eines Teratoms, das bei einem Neu¬ 
geborenen auf dem Abdomen im epigastrischen Winkel sass. Bei der 
Operation hatte sich gezeigt, dass der Gefässstiel des Teratoms sich in 
das Ligamentum Suspensorium hepatis des Kindes fortsetzte. 

Hr. Stemmler: 

a) Isolierte Frakturen der Lendenwirbelqnerfortsätze. 

Im allgemeinen werden für diese Verletzung folgende Symptome als 
spezifisch angesehen: 1. Einschränkung und Schmerzhaftigkeit der Beuge- 
fäbigkeit des Rumpfes nach der gesunden Seite, desgleichen die der Ro¬ 
tation; 2. Schmerzhaftigkeit beim Vorbeugen und Wiederaufrichten oder 
beim Beugen des gestreckten Beines der verletzten Seite in der Hüfte 
bei Rückenlage; 3. lokale Druckempfindlichkeit neben der Wirbelsäule 
in der Gegend der Querfortsätze bei sonst normalem Befund an der Wirbel¬ 
säule. Vortr. erkennt bloss das erste als spezifisches Symptom an. Die 
andern kommen auch bei einfachen Hämatomen in der Muskulatur vor. 
b) Eine neue Operationsmethode der Mastdarmfistel. 

Der Fistelgang wird von aussen präpariert und mit einer Sonde in 
den Mastdarm invaginiert. Der Vorteil der Methode besteht in der 
schnellen Heilung (4—6 Tage) und in der Schonung des Sphincters. 

Hr. Biedermann: 

Klinik, Pathologie nnd Therapie der isolierten Fraktnr des Os navi- 
cniare der Hand. 

In frischen Fällen wird mit konservativer Behandlung (Ruhigstellung, 
späteT Massage) gute Funktion erreicht. In verschleppten Fällen mit 
grossen Beschwerden gibt die Resektion des zertrümmerten Knochens 
befriedigende, zum Teil gute Erfolge. Der Defekt wird mit Jodoform¬ 
plombe oder noch besser mit einem frei transplantierten Fettlappchcn 
ausgefüllt (Demonstration von Patienten und Röntgenbildern). 

Hr. Zange: 

Die pathologisch-anatomischen Grindlagen der Funktionsstörungen 
de« inneren Ohres bei Mittelohreiternngen nnd ihre Entstehung. 

Demonstration zahlreicher Präparate. Vortr. kommt zu folgenden 
Schlüssen: 1. Es können Entzündungen der verschiedensten Art im 
Labyrinth bestehen, ohne dass Degeneration in den Nervenendapparaten 
eintritt; 2. es kann Entzündung von gleicher Art und Dauer bestehen 
ohne und mit Degeneration des nervösen Apparates; 8. die Entzündung 
im Labyrinth vermag auch direkt Degeneration zu erregen; 4. es gibt 
reine Degeneration ohne jede Spur von Entzündung im Labyrinth. 

Gr. Schnitz: Nene körperliche Symptome hei Dementia praeeox. 

Vortr. fand 1. Veränderungen des Blutbildes. Besonders wichtig 
sind Erythrocytenvermehrung in der Mehrzahl der frischen Fälle, bei 
vielen chronischen im Verlauf frischer Schübe und bei vielen End¬ 
zuständen. 

2. Die Abderhalden’schen Untersuchungen, die Vortr. in Chemnitz 
ausführte, Hessen in Uebereinstimmung mit den Befunden der Jenaer 
Klinik häufig Abbau von Keimdrüsen, Schilddrüse und gelegentlich Ge¬ 
hirn, nie von Uteruswand und -Schleimhaut erkennen. 

3. Dementia praecox-Kranke zeigten in der Hälfte der Fälle Adre- 

nalin-Mydriasis massigen bis erheblichen Grades; ein Fünftel zeigte 
keinerlei Adrenalinwirkung; bei einem weiteren Fünftel trat eine mässige 
bis deutliche Verengerung der Pupille nach Adrenalin ein (paradoxe 
Adrenalin wirkuDg). Warsow. 


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UNIVERS1TY OF IOWA 



1536 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 82. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Wenn beim Abschluss der vorigen Nummer noch eine schwache 
Möglichkeit bestand, dass unserem Vaterlande die Teilnahme am Welt¬ 
kriege erspart bleiben könnte, so sind inzwischen die Würfel gefallen, 
und die Entscheidung der Waffen ist angerufen worden. Mit dem festen 
Entschluss, ihre Pflicht zu erfüllen, sind unsere Volksgenossen, ohne 
Unterschied von Rang, Partei oder Glaubensbekenntnis hinausgezogen — 
Meinungsverschiedenheiten und innerer Zwist sind gegenüber den 
schweren, unser harrenden Aufgaben verstummt. Ein grosser Teil 
unserer Kollegen steht im Felde — und auch jenen, die in der Heimat 
verbleiben, wird Arbeit genug erwachsen. Wir entbieten ihnen allen 
unseren Gross; unsere wärmsten Wünsche begleiten sie, wohin auch 
immer ihre Pflicht sie ruft. Unsere heimische Tätigkeit wird nicht still 
stehen, und wir hoffen, dass die stille Arbeit der Klinik und des 
Laboratoriums unseren Kranken und Verwundeten zum Segen gereichen 
und manche Wunde heilen wird, die der Krieg schlägt. So sehen wir 
den kommenden schweren Zeiten mit Vertrauen und Entschlossenheit 
entgegen! Mit Gott für Kaiser und Reich! 

— In dem Wirbelsturm der Ereignisse, der über uns dahinbraust, 
ist es nicht leicht, den Standpunkt ruhiger Ueberlegung für Rückblicke 
zu gewinnen. Ein jeder von uns, er gehöre welcher Partei auch immer 
an, kennt jetzt nur eine Empfindung: den heissen Wunsch, dem Vater¬ 
lande zu dienen und seiner gerechten Sache zum Siege zu verhelfen. 
Von Feinden umgeben, im Kampf um die Existenz sind wir überzeugt, 
dass auch gerade wir deutschen Aerzte zu unserem Teil an der Er¬ 
reichung dieses Zieles mitwirken werden. Und da mag wohl manohem 
unter uns die Erinnerung daran aufsteigen, dass kaum ein anderer Stand 
so viel internationale Beziehungen angebahnt, so viel gemeinsame Be¬ 
strebungen mit den Vertretern anderer Völker gepflegt hat wie der* 
unsere. Genau ein Jahr ist verflossen, seit der grosse internationale 
Kongress in London getagt hat — und gerade Deutschland war es, 
welches damals die nächste Tagung in unser Reich zu Gaste lud. Zahl¬ 
reiche internationale Gesellschaften haben sich seither versammelt oder 
sollten binnen kurzem zusammentreten — und nun ist mit eiserner 
Faust in Stücke geschlagen, was in sorglichem Bau und mit vieler Hin¬ 
gabe jahrelang aufgerichtet worden war! 

Kein Wort des Bedauerns hierüber ist in dieser Stunde zulässig. 
Aber wer zu seinem bescheidenen Teile an solchen Bestrebungen mit¬ 
gewirkt hat, mag sich heut die Frage vorlegen, ob es der Mühe lohnte, 
an internationaler Arbeit so lebhaft teilzunehmen und soviel Kraft 
darauf zu verwenden. Da mag man sioh daran erinnern, dass die Ver¬ 
tretung Deutschlands bei solchen Gelegenheiten den besten Männern 
unseres Faches, einem Virchow, v. Bergmann, v. Schjerning, 
Waldeyer anvertraut war. Beweis genug, dass es sich nicht um 
unklare Verbrüdenrngsschwärmerei, sondern vielmehr darum gebandelt 
hat, die Stellung unseres Vaterlandes mit nachdrücklicher Energie 
zu wahren. Das war unser Ziel: im friedlichen Wettstreit mit allen 
übrigen Nationen den Rang deutscher Wissenschaft, deutscher Kraft 
zu behaupten, und wir dürfen rühmen, dass dieses unseren Ver¬ 
tretern stets in hervorragender Weise gelungen ist. Gerade die gewaltige 
Entwicklung der Medizin in Deutschland ist überall mit höchstem Erfolg 
zur Geltung gebracht worden — und wenn wir jetzt beweisen werden, 
wie in jeder Hinsicht die überkommenen Eigenschaften der Pünktlich¬ 
keit, der Selbstentäusserung, der Hingabe an das Allgemeinwohl auch 
der heutigen Generation eignen, so haben wir über unser ärztliches 
Wissen und Können wahrlich nie einen Zweifel aufkommen lassen. 
Dieses soll, so hoffen wir, nun auch im Felde bewährt werden — getreu 
dem humanen Beruf, dem wir dienen. Unbeirrt durch Vergangenes 
richten wir den Blick vorwärts! P. 

— Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 1. August 1914 be¬ 
schlossen: 1. die zuständigen Landescentralbehörden — § 1 der Prüfungs¬ 
ordnung für Aerzte — zu ermächtigen, den Kandidaten der Medizin, 
die die ärztliche Prüfung abgelegt, das praktische Jahr aber noch nicht 
beendet haben, unter Befreiung von der Ableistung des Restes des 
praktischen Jahres die Approbation als Arzt sofort zu erteilen; 2. die 
nach Nr. 1 erteilte Ermächtigung bis auf weiteres auoh auf diejenigen 
Kandidaten der Medizin zu erstrecken, die nach dem Ergehen 
dieses Beschlusses die ärztliche Prüfung ablegen; 3. die zuständigen Be¬ 
hörden zu beauftragen, den gemäss Nr. 1, 2 zu approbierenden Kandidaten 
der Medizin bei Erteilung der Approbation zu Protokoll zu eröffnen, die 
Erteilung erfolge in der Erwartung, dass die Kandidaten, soweit sie nicht 
heeresdienstpflichtig und -fähig sind, den Behörden zur Verwendung an 
solchen Orten zur Verfügung stehen würden, in denen eine Verstärkung 
des ärztlichen Personals erforderlich erscheine. — Auf allen deutschen 
Universitäten haben bereits zahlreiche solcher Notexamina stattgefanden. 

— Für Berlin ist eine „Kriegsvertretung“ der Aerzte ein- 
geriohtet worden; alle in Berlin zurückbleibenden Kollegen werden auf¬ 
gefordert, dem Bureau der Aerztekammer (Schelling-Strasse 9) mitzu¬ 
teilen, ob und eventuell in welchem Umfange sie Vertretung einberufener 


Aerzte übernehmen. Im übrigen haben sioh wohl die meisten Kollegen, 
auch die Aerztinnen, den Militärbehörden lur Verfügung gestellt und 
harren nur auf den Moment, wo von ihren Diensten Gebrauch gemaoht 
wird! 

— S&nitätsrat Dr. Wilhelm Stern, Arzt in Berlin und bekannter 
philosophischer Schriftsteller, feiert am 11. August seinen 70. Geburtstag. 
Sein Geburtsort ist Sandberg (Provinz Posen). Seine schriftstellerische 
Tätigkeit liegt fast ausschliesslich auf philosophischem Gebiete und zwar 
hauptsächlich auf dem der Ethik, Psychologie und Rechtsphilosophie. 

— Das Denkmal für den berühmten Universitätslehrer und Ohren¬ 
arzt, den Reformator des Unterrichtswesens für teilweis Taube, Friedrich 
Bezold, wurde in den Anlagen des Krankenhauses 1. d. I. in München 
enthüllt 

— Der bekannte amerikanische Automobilfabrikant Henry Ford 
hat dem neuen Krankenhaus von Detroit eine Stiftung in Höhe von 
4 Millionen Mark überwiesen zum Zwecke von Forschungen und Experi¬ 
menten über das Wesen und die Bekämpfung des Krebses. Ein eigenes 
Krebslaboratorium wird geschaffen. Der medizinischen Fakultät der 
Yale-Universität ist von der Familie Länder eine Stiftung in Höhe von 
1 600 000 M. überwiesen worden zum Zwecke der Errichtung eines Lehr¬ 
stuhls für öffentliche Gesundheitspflege. 

Hochschulnacbrichten. 

Freiburg. Prof. Knoop wurde die etatsmässige ao. Professur für 
physikalische Chemie übertragen. — Leipzig. Geheimrat Hering, 
Ordinarius für Physiologie, feierte seinen 80. Geburtstag. — Marburg. 
Prof. Hübner erhielt einen Ruf als Leiter der Abteilung für Haut-und 
Geschlechtsleiden am städtischen Krankenhaus in Elberfeld. — Buda¬ 
pest. Habilitiert: DDr. v. Liebermann (Ophthalmologie), Kiralyfi 
(innere Medizin),. Orsos (pathologische Anatomie), Schmidleobner 
(Gynäkologie). — Klausen bürg. Habilitiert: Dr. Issekutz (für 
Pharmakologie). 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: Königl. baye¬ 
rischer Oberstabsarzt Dr. v. Reitz, Regimentsarzt des 1. Fussartillerie- 
regiments vakant Bothmer. 

Rote Kreuz - Medaille 2. Kl.: Generaloberarzt a. D. Dr. Hermann 
in Hildesheim, Arzt, Stabsarzt d. L. Dr. Neusitzer in Elbing. 

Rote Kreuz-Medaille 8. Kl.: Arzt Dr. Freytag in Wiesdorf 
(Niederrhein'). 

Prädikat Professor: Dozent der Akademie für praktische Medizin in 
CöId, Landes-Med.-Rat Dr. H. Knepper in Düsseldorf. 

Ernennung: Oberstabsarzt a. D. Dr. E. Jacobitz in Diedenbofen 
zum etatsmässigen wissenschaftlichen Mitgliede des Königl. hygieni¬ 
schen Instituts in Bentben O.-S. 

Niederlassungen: Dr. G. Baummgart in Bolkenhain, St Meiss¬ 
ner in WarmbrunD, Dr. E. L. M. Simon in Ilten. 

Verzogen: Dr. H. Jüsgen von Charlottenburg nach Koblenz, Dr. L. 
Weil von Strassburg nach Kreuznach, Dr. R. Asch von Berlin nach 
Merxheim, Dr. G. Kremer von Freimengeu i. L, Dr. F. Kindt von 
Stuttgart und Dr. L. Remy vom Ausland nach Aachen, Dr. E. Kell¬ 
ner von Galkhausen nach Düren, Dr. Tb. Mahler von Buch bei 
Berlin, Dr. F. Sauer von Trier, Prof. Dr. W. Kraus von Berlin- 
Wilmersdorf und Dr. J. Mayer von Hamborn nach Düsseldorf, Dr. 
G. Riedmeier von München nach Duisburg, Dr. H. Ortloff von 
Freiburg nach Elberfeld, Dr. G. Queiser von Wilhelmshaven nach 
Essen, B. J. Kuhlenborn von Trier nach Johannistal b. Süchteln, 
Dr. W. Lossen von Cölu und Dr. P. Weste von Duisburg nach 
Moers, Dr. F. Froning von Cöln und Dr. E. Malinkrodt von Wien 
nach Wesel. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. £. Bay, 
M. Hobelmann und 0. Halm von Düsseldorf, Dr. 0. Saynisch von 
Elberfeld auf Reisen. 

Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. J. Eich ho ff in Elberfeld, San.-Rat Dr. 
C. Claus und Dr. L. Bircks in Rees, San.-Rat Dr. F. Bloebaum 
in Cöln. 


An unsere Leser und Mitarbeiter. 

Angesichts der durch den Krieg bedingten Verhältnisse wird 
nusere Wochenschrift in der nächsten Zeit nnr in verringertem Um¬ 
fange erscheinen können. Aach wird es selbstverständlich unmöglich 
sein, sie unseren Abonnenten immer pünktlich zncistellen. Wir 
brachen nsere Leser and ebenso unsere Mitarbeiter wohl nicht erst 
um Nachsicht eh bittim. 

Redaktion und Verlag 
der Berliner klinischen Wochenschrift. 

Fßr die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Ha na Sohn, Berlin Bayreuther Strasse 41. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwaid in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Original fro-rn 

UNIVERSUM OF IOWA 



I>1* B«rlin«r Klinisch« Wochonschrlft erscheint jeden 
Montag 1*» Nummern von ca. 5—6 Bogon gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestell«ngon nehmen 
«11« Buchhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


An« Einsendungen für die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHEIET. 

Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Mei-fial Prof. Dr. C. Posoer und Prof. Dr. Hans Rohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin. 

Montag, den 17. August 1914. M 33 . Einundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Originalton: Beitzke lieber eine schwere, tödlich verlaufene Infektion 
des Menschen mit Rindertuberkulose. (Aus dem pathologischen 
Institut der Universität Lausanne.) S. 1537. 

Starke: Zur Behandlung des Lupus mit dem Fried man naschen 
Mittel. (Aus der Licht- und Radiumabteilung der Königlichen 
dermatologischen Universitätsklinik in Breslau.) S. 1540. 
Scholtz: Die Heilung der Syphilis durch die kombinierte Salvarsan- 
Quecksilberbehandlung. S. 1541. 

Strauas: Ueber die diagnostische Bedeutung des Nischensymptoms 
bei der radiologischen Magenbetrachtung. S. 1545. 

Ehrenreioh: Zur Diagnose der beginnenden sekretorischen In¬ 
suffizienz des Magens. (Aus dem medizinisch - poliklinischen 
Institut der Universität Berlin.) S. 1546. 

Friedlaender: Ein Fall von Neuritis postdiphtherica. S. 1548. 
Triepel: Das Alter menschlicher Embryonen. S. 1549. 
fifteherbeaprechiingen : Friedenthal: Allgemeine und spezielle Physio¬ 
logie des Menschen Wachstums. S. 1550. (Ref. Klaatach.) — Preis¬ 
werk- Magyi: Lehrbuch und Atlas der zahnärztlich-stomatologischen 
Chirurgie. S. 1551. (Ref. Proeil.) — v. Hofmeister: Verband- 
teohnik. S. 1551. Rydygier v. Ruediger: Sammlung der bis 
jetzt veröffentlichten Arbeiten. S. 1551. (Ref. Adler.) — Klinke: 
Die operativen Erfolge bei der Behandlung des Morbus Basedowii. 
S. 1551. (Ref. Simon.) — Sommer: Klinik für psychische und 
nervöse Krankheiten. S. 1551. Pappenheim und Grosz: Die 
Neurosen und Psychosen des Pubertätsalters. S. 1551. Gruhle 
und Wetzel: Verbrechertypen. S. 1551. Anton: Psychiatrische 
Vorträge für Aerzte, Erzieher und Eltern. S. 1551. (Ref. SeifFer.) — 
Oberndoerffer: Roth’s klinische Terminologie. S. 1552. Stein: 
Die Fadenpilzerkrankungen des Menschen. S. 1552. (Ref. H. Kohn.) —- 


Spinner: Aerztliches Recht, unter besonderer Berücksichtigung 
deutschen, schweizerischen, österreichischen und französischen Rechts. 
S. 1552. Perlmann: Rentenlehre für Aerzte. S. 1552. Entschei¬ 
dungen des preussischen Ehrengerichtshofes für Aerzte. S. 1552. 
Ko bl er und Miller: Leitfaden der Rsichsversicherung für den be¬ 
handelnden und begutachtenden Arzt. S. 1552. (Ref. Vollmann.) 

Literatnr-Ansziige: Physiologie. S. 1552. — Pharmakologie. S. 1553. — 
Therapie. S. 1554. — Allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie. S. 1554. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1554. — 
Innere Medizin. S. 1554. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1555. — Chirurgie. S. 1555. — Geburtshilfe und Gynäkologie. 
S. 1556. — Augenheilkunde. S. 1557. — Technik. S. 1557, 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner mikrobio¬ 
logische Gesellschaft. S. 1557. — Berliner physiologische 
Gesellschaft. S. 1559. — Berliner ophtbalmologische 

Gesellschaft. S. 1559. — Gesellschaft für soziale Medizin, 
Hygiene und Medizinalstatistik zu Berlin. S. 1560. — 
Medizinische Gesellschaft zu Kiel. S. 1560. — Medizinische 
Gesellschaft zu Leipzig. S.1561. — Naturwissenschaftlich¬ 
medizinische Gesellschaft zu Jena. S. 1562. — Medizinische 
Gesellschaft zu Göttingen. S. 1562. — Unterelsässischer 
Aerzteverein zu Strassburg i. E. S. 1563. — Natur¬ 
historisch-medizinischer Verein zu Heidelberg. S. 1563. — 
Aerztlicher Bezirksverein zu Erlangen. S. 1564. — Frei¬ 
burger medizinische Gesellschaft. S. 1565. — Aus Pariser 
medizinischen Gesellschaften. S. 1565. 

Simon und W^ckowski: Berichtigungen. S. 1567. 

Tagesgeschichtliche Notizen. S. 1567. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1568. 


Aus dem pathologischen Institut der Universität 
Lausanne. 

Ueber eine schwere, tödlich verlaufene Infektion 
des Menschen mit Rindertuberkulose. 

Von 

Prof. H. Beitzke. 

Der folgende Fall erscheint mir in mehr als einer Beziehung 
einer Mitteilung wert. 

Ernest B. aus Prölaz bei Lausanne, 14 Jahre alt, leidet seit Juni 
1912 an subdiaphragmatischen Schmerzen. Der Appetit nimmt ab, es 
stellen sich Erbrechen und Abmagerung ein, seit Oktober auch Husten. 
Verschiedene Aerzte werden konsultiert; Dr. C. weist den Knaben am 
11. XL 1912 mit der Diagnose „schwere Anämie“ ans Kantonsspital. 

Status bei der Aufnahme*. Schmächtiger, blasser Knabe. Tempe¬ 
ratur 88°. Die Leber überragt den Rippenbogen um zwei Querfinger. 
Die Milz gut palpabel, überragt den Rippenbogen um einen Querfinger, 
rleuritisches Reiben rechts hinten unten. Rote Blutkörperchen 5 660 000, 
weisse 8439. Sonst nichts Besonderes. 

Verlauf: Stuhlgang täglich, oft diarrböisoh. Temperatur unregel¬ 
mässig bis 89°. Unter zunehmender Schwäche, allmählichem Auftreten 
von Oedemen und Ascites erfolgt der Exitus am 24. XII. 1912 früh 
• Uhr. 

Die Sektion (Nr. 307, 1912), am gleichen Tage um 1X 1 /* Uhr 
von m * r Ausgeführt, ergab folgenden Befund: 

Männliche Leiche von etwa 140 cm Länge, von schwachem Körper¬ 
bau und ziemlich schlechtem Ernährungszustand. 

„ Leib stark aufgetrieben. In der Bauchhöhle 4 Liter einer gelb- 
gnmhchen, leicht triiben Flüssigkeit. Das grosse Netz ist dünn und 
wetzt mit zahlreichen grauen Knötchen von Stecknadelkopf- bis Reis- 


korogrösse. Auf dem Peritoneum finden sich gruppenweis gelbe Knoten 
von Linsen- bis Kirschkerngrösse, besonders in der Ileocoecalgegend. 
Die untere Zwerchfellfläche, besonders rechts, ist von diesen linsen¬ 
förmigen Knoten dicht besetzt; das Zwerchfell ist an der Leber leicht 
adhärent. An anderen Stellen sieht man vielmehr kleine, graue, steck¬ 
nadelkopfgrosse Knötchen in Gruppen mehr oder weniger zusammen¬ 
gedrängt. Zwischen diesen Knoten und Knötchen ist das Peritoneum 
im allgemeinen glatt, weisslicb, leicht verdickt; hier und da finden sich 
leichte Verwachsungen. Zwerchfellstand rechts 4. Rippe, links 4. Iuter- 
costalraum. 

In der linken Pleurahöhle etwa 1200 ccm schmutzigrötliche, leicht 
trübe Flüssigkeit. Die linke Lunge ist fest mit Herzbeutel und vorderem 
Mediastinum verwachsen, hinten oben nur leicht. In der rechten Pleura¬ 
höhle 300—400 com trübe gelbe Flüssigkeit. Die rechte Lunge ist oben, 
hinten und unten angewachsen, die Verbindung mit dem Zwerchfell ist 
so fest, dass es mit der Lunge entfernt werden muss. Die freien Teile 
der parietalen Pleura, besonders links, weisen zahlreiche prominente 
gelbe Knötchen von Reiskorn- bis Linsengrösse auf. 

Das Herz ist nur 2 /a so gross wie die Faust der Leiche. Das 
Myocard ist braunrot, ziemlich fest. Die Klappen sind zart, die Coronar- 
arterieQ und Aorta ascendens ohne Veränderungen. 

Lungen: Die Pleuren sind teils mit fibrösen Fetzen bedeckt, teils 
glatt oder zeigen nur leicht abziehbare, dünne gelbe Beläge. An ihrer 
Oberfläche prominieren ziemlich zahlreiche graue oder gelbe Knötchen 
von Hirsekorn- bis Kirsohkerngrösse. Auf der Schnittfläche ist das Ge¬ 
webe rot und weich. Es finden sich hier ähnliche Knoten bis zu Hasel¬ 
nussgrösse; ihre Farbe ist gelb, ihre Konsistenz hart, sie springen auf 
der Schnittfläche vor. Sie sind im Gewebe ganz gleichmässig verteilt 
ohne Bevorzugung der Spitzen. Die grössten Knoten sind augenschein¬ 
lich aus zahlreichen kleinen von Stecknadelkopfgrösse zusammengesetzt. 
Die Bronchien enthalten viel gelben oder gelblichrötlichen Schleim, ihre 
Schleimhaut ist geschwollen und dunkelrot. Keine Veränderungen an 
den Lungengefassen. Die Bronchialdrüsen sind haselnuss- bis mandel- 


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UNIVERSITY OF IOWA 







1638 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 33. 


gross, von schwärzlicher Farbe; sie stecken voll gelber, stecknadelkopf¬ 
grosser Knötchen. 

Halsorgane: Die Schleimhaut des Pharynx, besonders an der 
Hinterwand, ist gerötet. Im Oesophagus eine schwärzliche, breiige Masse; 
die Schleimhaut ist hellbrau, ira unteren Teile maceriert. Die Schleim¬ 
haut des Larynx ist rosa, die der Trachea gerötet. Schilddrüse und 
Aorta ohne Besonderheiten. Die Cervicaldrüseo sind kaum linsengross, 
blaurot. Die linken Supraclaviculardrüsen sind geschwollen, die grösste 
baselnussgross; sie sind mehr oder weniger verkäst. Rechts findet sich 
nur eine erbsengrosse, verkäste Supraclaviculardrüse. Alle Mediastinal- 
drüsen sind geschwollen und verkäst, die untersten am stärsten; die un¬ 
mittelbar über dem Zwerchfell gelegenen haben Walnussgrösse. Der 
Ductus thoraeicus verläuft zwischen den verkästen Drüsen ohne makro¬ 
skopisch wahrnehmbare Veränderungen. 

Milz 18: 14:9 cm, violett, mit zahlreichen gelben, haselelnuss- 
grossen, an der Oberfläche vorspringenden Knoten. Konsistenz sehr derb. 
Die Schnittfläche bietet das gleiche Aussehen. Am unteren Pole eine 
Nebenmilz von Walnussgrösse mit den nämlichen Veränderungen. 

Die Mesenterialdrüsen sind stark geschwollen, eiuige klein¬ 
hühnereigross, völlig verkäst. Die portalen, peripankreatitiscben, cardialen 
und lumbalen sind gleichfalls verkäst, bis haselnussgross. 

Das Coecum und die Flexura splenica des Dickdarms sind einge- 
schnürt durch die angelagerten Drüsenpakete und Serosaherde. Bei Er¬ 
öffnung des Darmes finden sich an diesen beiden Stellen schwere 
Ulcerationen. Sie nehmen im Coecum die ganze Innenfläche ein und 
erstrecken sich auch auf das unterste Ende des lleum; die Ileocoecal- 
klappe ist fast völlig zerstört. Der Geschwürsgrund ist schmutziggrün. 
Das Geschwür an der Flexura splenica hat Fünffrankstückgrösse und 
senkt sich in die umgebenden Käsemassen ein. Man hat den Eindruck, 
dass die Verkäsung der Wand von ausseu nach innen fortgeschritten 
ist. Im übrigen Darm ist die Schleimhaut grau; es findet sich hierund 
da ein stecknadelkopfgrosses gelbes Knötchen in einem Peyer’schen 
Haufen. 

Magen, Pankreas ohne Veränderungen. 

Leber: 24:19:9 cm, hat etwa die Grösse der Leber eines Er¬ 
wachsenen. Farbe saffraDgelb mit einem Stich ins Rötliche, besonders 
am rechten Lappen. Auf der Oberfläche Reste der Verklebungen mit 
der schwer tuberkulösen Zwerchfellserosa. Auf der Schnittfläche sind 
die Läppchen sehr gross, ihre Farbe ist gelb. Die Konsistenz des Organs 
ist ziemlich derb. 

Nieren: 14:4'/ 2 '■ 3 l / 2 cm, rot mit einem Stich ins Gelbe, ziemlich 
derb. Auf Ober- und Schnittfläche ein Dutzend gelbe, prominente, bis 
stecknadelkopfgrosse Knötchen. Am unteren Pol der linken Niere eine 
leicht eängezogene Stelle, etwas blasser als die Umgebung. Beim Ein¬ 
schneiden findet sich ein keilförmiger, etwa apfelsinenkerngrosser 
Käseherd. 

Nierenbecken, Nebennieren, Beckenorgane, Hoden, Aorta ohne Ver¬ 
änderungen. 

Schädelhöhte: Schädeldach, Dura, Sinus ohne Veränderungen. 
Pia zart, durchscheinend, enthält zwischen ihren Maschen ziemlich viel 
wässerige Flüssigkeit. Ueber dem linken Occipitallappen findet sich in 
der Pia ein derber, gelber hanlkorngrosser Käseherd. Io der Spitze des 
lioken Schläfenlappens ein runder, scharf begrenzter, haselnussgrosser 
Käseherd. Ein dritter, apfelkerngrosser Käseherd findet sich in der 
Rinde der linken Kleinhirnbälfte. Die Hirnsubstanz ist im übrigen 
ziemlich weich; in den Ventrikeln nur wenige Tropfen klare Flüssigkeit. 
Schädelbasis, Felsenbeine ohne Veränderungen. 

Diagnose: Schwere Verkäsung aller abdominalen und thorakalen 
Lyraphdrüsen. Tuberkulöse Darmgeschwüre. Perlsuchtähnliche Peri¬ 
tonitis und Pleuritis tuberculosa. Grossknotige Tuberkulose von Milz, 
Lungen und Gehirn. Miliartuberkulose der Nieren. Fettleber. 

Die mikroskopische Un tersucbung deckte eine ausserordentlich 
vorgeschrittene Verkäsung aller tuberkulösen Herde auf. Kaum dass 
von der Peripherie noch ein schwacher Saum vom lebenden Granulations¬ 
gewebe übrig blieb. Meist reichte die Verkäsung bis an das gesunde 
oder noch wenig veränderte Gewebe der Nachbarschaft heran. Ver¬ 
narbungsvorgänge fehlten so gut wie gänzlich. Dagegen fanden sich 
überall ungeheure Massen von Tuberkelbacillen, so dass man oft schon 
mit schwacher Vergrösserung in den nach Ziehl gefärbten Schnitten 
die rot getöntea Herde erkannte. Namentlich die Lungenknoten, die 
sieb als ziemlich frische käsige Hepatisationen erwiesen, enthielten 
Milliarden von Bacillen. 

Es handelt sich also um einen 14 jährigen Knaben, der mit 
allerlei unbestimmten Zeichen erkrankt und innerhalb 6 Monaten 
unter zunehmendem Marasmus zugrunde geht. Die Sektion deckt 
eine allgemeine Tuberkulose von ungewöhnlicher Form und 
Schwere auf. Ich erinnere mich nicht, jemals solche gewaltigen 
Drüsenverkäsungen und vor allem so grosse Käseknoten in der 
Milz gesehen zu haben; auch die gleichmässige Verteilung relativ 
grosser runder Käseherde in den Lungen ist etwas durchaus Un¬ 
gewöhnliches. Der Hauptsitz der Erkrankung in den Bauch¬ 
organen, namentlich den Mesenterialdrüsen, das offensichtlich 
sekundäre Uebergreifen von dort auf die mediastinalen bis zu den 
Supraclaviculardrüsen liess ohne weiteres auf eine alimentäre 
Tuberkulose schliessen. Der ganze Befund forderte geradezu dazu 


auf, den Typus der hier vorliegenden Tuberkelbacillen festzu- 
stellen. 

Zu diesem Zwecke wurden zwei Meerschweinchen und ein Kaninchen 
mit Stückchen von hinteren unteren Mediastinaldrüsen subcutan am 
Bauche infiziert. Das erste Meerschweinchen verendete am 17.11.1913 
mit schwerer allgemeiner Tuberkulose, besonders der Bauchorgane, das 
zweite wurde am 19. II. mit ähnlichem Befund getötet und aus beiden 
Tieren Kulturen auf Serum und Glycerinkartoffeln angelegt. Das Kanin¬ 
chen wurde am 20. III. schwerkrauk getötet und folgender Befund 
erhoben: An der Impfstelle fünffrankstückgrosser, 5—6 mm dicker, 
zum Teil ulcerierter, erweichter Käseherd. Mehrere kleine subcutane 
Käseherdchen an der rechten Brustseite. Lungen vollgepfropft mit 
hirsekorn- bis erbsengrossen Käseherden. Ein miliarer verkäster Tuberkel 
in jeder Niere. Ein neues Meerschweinchen wurde von der Lunge des 
Kaninchens subcutan infiziert und von den OrganeD des Kaninchens 
ebenfalls Kulturen angelegt. Sämtliche Röhrchen, auch die mit Material 
von den ersten beiden Meerschweinchen beimpften, blieben steril. Der 
Stamm wurde nunmehr im Meerschweinchen weitergezücbtet und beim 
Tode jedes Tieres Kulturen angelegt, stets mit demselben negativen Er¬ 
folg, während aus einem anderen Tuberkulosefall auf den gleichen Nähr¬ 
böden im gleichen Brutschrank die Isolierung des Bacillenstammes ohne 
Schwierigkeit gelang. Die augenscheinliche Virulenz für das Kaninchen, 
die Unmöglichkeit, Kulturen zu erhalten, legten den Verdacht nabe, 
dass es sich um Rinderbacillen handle; haben doch auch andere Unter- 
sueber [Gaffky *), Lydia Rabinowitsch 2 )] angegeben, bei der Züohtnng 
des Typus bovinus mitunter auf unüberwindliche Schwierigkeiten ge- 
stosseu zu sein („dysgonisches“ Wachstum der englischen Kommission). 
Um diesen Verdacht zu begründen oder aber auszuschalten, schien mir 
zunächst die Vornahme eines quantitativen Kaninebenversuches wünschens¬ 
wert zu sein. Eine Kultur stand mir zwar nicht zur Verfügung, doch 
waren aus den Organen infizierter Meerschweinchen mittels Antiformin 
die Tuberkelbacillen zu erhalten; freilich Hessen sich auf diese Weise 
nicht leicht die für den subcutanen Versuch erforderlichen 2 mg ver¬ 
schaffen, sehr wohl hingegen eine für die Schieck’sche intraoculare 
Methode genügende Menge. Schieck 3 ) bat bekanntlich gezeigt, dass bei 
intraocularer Impfung des Kaninchens mit einer Dosis Tuberkelbacillen, 
die zur Erzeugung einer tuberkulösen Lokalaffektion gerade noch aus¬ 
reicht, der Typus bovinus bei dieser Dosierung nur eine auf das Auge 
beschränkte, oft ausheilende, nie aber eine metastasierende Tuberkulose 
erzeugt. Die kleinste krankmachende Dosis erhielt Schieck durch 
successive Verdünnung eines abgewogenen Quantums Tuberkelbacillen 
mittels physiologischer Kochsalzlösung. Wegen des nie ganz zu ver¬ 
hindernden Zusammenklumpens der Bacillen war diese Dosis nicht mit 
mathematischer Exaktheit zu bestimmen. Sie lag etwa zwischen 0,000001 
und 0,0000001 mg, was nach einer von Findel 4 ) aogestellten Berechnung 
einer Anzahl zwischen 40 und 4 Tuberkelbacillen entspricht. Ich ging 
folgendertnaassen vor: 

Von einem frisch verendeten Meerschweinchen (es war von dem er¬ 
wähnten Kaninchen ab das zweite, also im ganzen das dritte Tier der 
zur Fortzüchtung des Virus dienenden Serie) wurden am 2. VII. 1913 
Milz und Leber unter aseptischen Kautelen zerkleinert und eine Stunde 
lang in 20proz. Antiforminlosung bei Brutwärme gehalten. Die äusseren 
Schichten der Organstückchen waren gelöst; das gelöste Material Wurde 
abgpgosseu, centrifugiert, mit sterilem destillierten Wasser gewaschen 
und abermals centrifugiert, alsdann dekantiert. Von dem weisslicben 
Bodensatz wurde eine Oese auf einen Objektträger ausgestrichen, mög¬ 
lichst vorsichtig nach Ziehl gefärbt, und alsdann mittels beweglichen 
Objekttisches die Tuberkelbacillen gezählt. Es fanden sich 12 gut iso¬ 
lierte Exemplare. Nahm man an, dass bei der Prozedur des Färbens 
einige Bacillen verloren gegangen waren, so enthielt die Oese doch 
schwerlich mehr als 20. Ich stellte nun mit physiologischer Kochsalz¬ 
lösung eine Emulsion her, derart, dass in je 0,1 ccm je eine Oese des 
Materials enthalten war, und injizierte in die vier Augen von zwei 
Kaninchen nach der detaillierten Vorschrift von Sobieck je 0,2 ccm 
der Emulsiou. Ich konnte dabei die Erfahrung von Schieck bestätigen, 
dass stets etwa die Hälfte des Materials wieder herausfliesst. Jedes 
Auge hatte also allerhochstens 20 Bacillen erhalten. Dass ich wirklich 
dicht an der infizierenden Grenze geblieben war, bewies der Umstand, 
dass von den geimpften vier Augen nur drei erkrankten und dass io 
diesen die Veränderungen mit blossem Auge erst nach drei Wochen 
wahrnehmbar waren. Es entwickelte sich bei allen drei Bulbis eine 
fortschreitende Tuberkulose mit mehr oder minder schwerer Verkäsung. 
Am 14. IX. starb das Tier mit doppelseitiger Augenaffektion. Das 
Sektionsprotokoll lautet: Stark abgemagertes Tier. Rechter Bulbus in 
der vorderen Hälfte rot und schmutziggelb gemasert, Cornea, Iris, Sclera 
nicht zu unterscheiden; am Aequator löst sich die massige, käsige In¬ 
filtration in einzelne submiliare gelbe Knötchen auf. Der linke Bulbus 


1) Gaffky, Zur Frage der Infektionswege der Tuberkulose. Tuber- 
cutosis, Bd. 6, S. 437. 

2) Rabinowitsch, Untersuchungen über die Beziehungen der Tuber¬ 
kulose des Menschen und der Tiere. Arbeiten a. d. Patbol. Institut zu 
Berlin. Festschrift 1906, S. 365. 

3) Schi eck, Die Differenzierung des Typus humanus und bovinus usw. 
Veröff. der Robert Koch-Stiftung, 1913, H. 5/7. 

4) Findel, Vergleichende Untersuchungen über Inhalations- und 
Fütterungstuberkulose. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 57, S. 104. 


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UNIVERSITY OF lom 



17. Aagpst 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1539 


weist 2—3 Reihen dichtgedrängte, submiliare gelbe Knötchen am Cor* 
nealrand auf. Cornea trüb, schmutziggrau, in der Mitte weisslich, leicht 
staphylomatös vorgewölbt. Cervicaldrüsen bis bohnengross, graurot, mit 
miliaren und submiliaren gelbweissen Knötchen, ebenso Tracheobronobial* 
drüsen. Lungen und die vergrösserte Milz dicht voll miliarer und sub¬ 
miliarer gelber und weisser Knötchen. In den Nieren einzelne, in 
der Leber zahlreiche submiliare graue Knötchen. Portaldrüsen bohnen¬ 
gross, voll gelber Herdchen, Axillar- und Kniefaltendrüsen reiskorn- bis 
linseogross, mit submiliaren grauen Knötchen. Mikroskopisch zeigen die 
Herde starke Verkäsung, aber an der Peripherie immer noch deutliches 
Granulationsgewebe. Bacillen sind ziemlich zahlreich. 

Das zweite Tier verendete am 9. IX. Der noch einige Tage vorher 
stark prominente, total verkäste und bereits oberflächlich ulcerierte linke 
Bulbus war geplatzt und zusammengesunken, eine käsig teigige Masse 
quoll auf leichten Druck heraus. Beide Ohren inwendig von grau¬ 
braunen, dicken, schilfrigen Krusten bedeckt, die den äusseren Gehör- 
gang fast völlig ausfüllen und nach oben allmählich abnehmen (Ekzem); 
in den Mittelohren keine Veränderungen. Lungen dicht durchsetzt von 
erbsengrossen Käseknötchen, so dass nur sehr wenig Lungengewebe 
übrig bleibt. Die Milz enthält etwa ein Dutzend reiskorngrosse, die 
Leber einzelne bis hanfkorngrosse gelbe Käseherde. Nieren durchsetzt 
von zahlreichen gut hirsekorngrossen, grauweissen Knötchen. Im unter¬ 
sten Peyer’schen Haufen, dicht vor der Ileocoecalklappe zwei reiskorn¬ 
grosse tuberkulöse Geschwüre. Fast alle Lymphdrüseu vergrössert, mehr 
oder minder verkäst. Mikroskopisch überall schwere Verkäsungen, 
wenig Granulationsgewebe, ungeheure Massen von Tuberkelbacillen. 

Nachdem somit der ganz eindeutige Ausfall des Kaninchen¬ 
experiments bereits mit ziemlicher Sicherheit die Diagnose „Typus 
bovinus“ hatte stellen lassen, beschloss ich, noch einen Rinder¬ 
versuch anzuschliessen und zugleich über die etwaige Infektions¬ 
gelegenheit des Knaben Emest B. Nachforschungen anzustellen. 
Was zunächst den letzteren Punkt angeht, so erfuhr ich folgendes: 
Beide Eltern und acht Geschwister des Knaben leben und er¬ 
freuen sich völliger Gesundheit; klinisch ist niemand von ihnen 
auch nur auf Tuberkulose verdächtig. Der Knabe Emest bat 
jedoch als einziger ans der Familie seit Frühjahr 1912 täglich 
auf einem benachbarten Bauernhof, besonders im Kuhstall ge¬ 
spielt und dort jeden Abend 1—2 Glas frischgeroolkene, un¬ 
gekochte Milch getrunken. Herr Tierarzt Dr. Louis Roux, Leiter 
des kantonalen bakteriologischen Untersucbungsamts, batte die 
Freundlichkeit, mit mir zusammen die Kühe des betreffenden 
Bauern zu besichtigen. 

Der Bestand hatte leider seit dem Tode des Knaben bereits ge¬ 
wechselt. Zwei Kühe waren verkauft, an wen und wohin, war aus dem 
misstrauischen Bauern, der für seinen Milcbbandel fürchtete, nicht 
herauszubekommen. Eine Kuh mit verdächtigem Euterviertel wurde 
sofort als fremdes Eigentum und nur vorübergehend „in Pension be¬ 
findlich“ bezeichnet. Es blieben drei Kühe, die auch schon zur Zeit des 
Knaben Emest B. dem Bestände angehört hatten. Herr Dr. Roux war 
so liebenswürdig, Milch von diesen drei Tieren unter aseptischen 
Kautelen zu entnehmen und sein Laboratorium zur sofortigen Verimpfung 
zur Verfügung zu stellen. Das Material wurde bei 9000 Touren pro 
Minute eine Viertelstunde lang centrifugiert, Satz und Rabm jeder Probe 
gemischt und je zwei Meerschweinchen damit geimpft, eins subcutan, 
eins intraperitoneal; jedes erhielt etwa 3 ccm. Die Tiere wurden nach 
6 Monaten in bestem Wohlbefinden getötet. Die mit Milch von Kuh 
Nr. 2 geimpften Tiere boten keine Veränderungen, dagegen gaben von 
Nr. 1 und 3 die intraperitoueal infizierten Meerschweinchen eiu positives 
Resultat. Bei Nr. 1 fand sich in der Milz ein stecknadelkopfgrosses, 
bei Nr. 3 in der Leberoberfläche ein hirsekorngrosses, grauweisses 
Knötchen. Beide erwieseD sich histologisch als Tuberkel aus Epitbeloid- 
und Lympboidzellen, bei Nr. 1 mit einer Langhans’schen Riesenzclle, 
bei Nr. 3 mit beginnender fibröser Vernarbung. Tuberkelbacillen waren 
nicht auffindbar. An der tuberkulösen Natur der Knötchen Hess trotz¬ 
dem die histologische Struktur keinen Zweifel. Die in den verimpften 
Proben enthaltenen Tuberkelbacillenmengen waren augenscheinlich so 
gering, dass sie bei subcutaner Infektion nichts hinterliessen und bei 
intraperitonealer nur geringe Veränderungen setzten, von denen 6 Monate 
nach der Impfung nur einige in Heilung begriffene Miliartuberkel 
übrig waren. 

Für den Rinderversuch erhielt ich durch Vermittelung 
des Chefs des kantonalen Medizioalamts, Herrn Dr. Delay, ein 
Kalb zur Verfügung gestellt, dass in der Oekonomie der Landes¬ 
irrenanstalt Cery bei Lausanne in einem Isolierstalle unter¬ 
gebracht war. 

Es war einem tuberkulosefreien Bestände entnommen, wurde während 
der ganzen Dauer des Versuchs von dem Oberaufseher gewartet und mit 
sorgfältig sterilisierter Milch gefüttert; in der letzten Zeit wurde etwas 
Kcu hinzugegeben. Herr Tierarzt Huber überwachte den Versuch. 
Die ImpfuDg geschah mit einer unter aseptischen Kautelen bereiteten 
Emulsion aus Milz und J / 4 Leber des siebenten Tieres der zur Fort- 
*üchtung des Stammes successive geimpften Serie. Das betreffende 
Meerschweinchen war 47 Tage vorher infiziert und bereits stark ab¬ 
gemagert. Bei der Sektion befand sich ein Geschwür an der Impfstelle 


und schwere Tuberkulose der inneren Organe. In Quetscbpräparaten 
von Milz uod Leber waren gleichwohl nur wenig Tuberkelbacillen sicht¬ 
bar; etwa je einer auf etwa drei Gesichtsfelder. Aus den mit Stückchen 
von Milz und Leber auf Serum und Kartoffel angelegten Kulturen gingen 
nur einige Staphylokokken auf. Nachstehend gebe ich das (erw&9 ge¬ 
kürzte) Versucbsprotokoll: 

Stierkalb, 3 Wochen alt, 60 kg schwer, wird am 11. XII. 1913 von 
Herrn Tierarzt Huber der Tuberkulinprobe unterworfen; die Tempe¬ 
ratur schwankt 24 Stunden vor wie nach der Probe zwischen 39,3 und 
39,4°; die Probe ist somit negativ ausgefallen. Impfung mittels In¬ 
jektionsspritze am 13. XII. subcutan an der linken Schulter. Am 21. XII. 
beginnt sich an der Impfstelle ein Abscess zu bilden. Temperatur am 
31. XII. 40,4°; Abnahme des Gewichts von 78 auf 77 kg. Am 6. und 
7.1. 1914 Temperatursteigerung auf 40,4 bzw. 40,6°. Am 16.1. Punktion 
des faustgrossen Abscesses (Tierarzt Huber); im Eiter spärliche 
Staphylokokken. Temperatur von da ab normal. 29.1. zweite Punktion 
des kleinkindskopfgrossen Abscesses (Tierarzt Huber); im Eiter Staphylo¬ 
kokken, Streptokokken und anaerobe Kurzstäbchen. Die Temperatur 
bleibt iudes normal. Das Tier entwickelt sich gut, ist nur kurz vor 
Beendigung des Versuchs etwas weniger munter als vorher. Am 7. III. 
wird das Tier geschlachtet. Die in Herrn Hu her’s und meiner Gegen¬ 
wart ausgeführte Sektion hatte folgendes Ergebnis. 

Ziemlich gut entwickeltes Stierkalb. Gewicht 115 kg. An der 
Impfstelle ein übelriechender Abscess, ausgekleidet mit zweifingerdickem, 
käsigem, missfarbenem Granulationsgewebe. Linke Bugdrüse faustgross, 
hart, das Messer knirscht beim Einschneiden; Schnittfläche braungelb- 
licb. Rechte Bugdrüse kaum walnussgross mit einem gelben, hirsekorn- 
grossen Knötchen. Sublingualdrüsen ohne Veränderungen. Bronchial- 
und Mediastinaldrüsen bis hühnereigross, hart, unter dem Messer 
knirschend. Die Schnittfläche ist blassbräunlich mit zahlreichen feinen, 
harten, gelblichen Rippchen. An den Pleuren zahlreiche hirsekorn- bis 
bohnengrosse, graue bis graurötliche, mit schmaler Basis oder deutlichem 
kurzen Stiel angeheftete Knoten. Im rosaroten Lungengewebe unregel¬ 
mässig verteilt ziemlich zahlreiche hirsekorn- bis erbsgrosse graue 
Knötchen. An der Oberfläche der Leber einige schmalbasige graue, 
linsengrosse Knoten. Im Parenchym von Leber und Nieren vereinzelte 
miliare graue bis gelbe Knötchen. Milz dicht durchsetzt von zahlreichen 
hirsekorngrossen gelben Knötchen. Portaldrüsen walnussgross, im übrigen 
wie die Bronchialdrüsen verändert. Mesenterialdrüsen äusserlich un¬ 
verändert; beim Einschneiden finden sich einzelne bis erbsgrosse bräun¬ 
lichgelbe Herde. Die übrigen Organe ohne Veränderungen. 

Mikroskopisch findet sich an allen veränderten Stellen ein an 
Riesenzellen reiches, tuberkulöses Granulationsgewebe, in den Lympb- 
drüsen mit Neigung zu VerkäsuDg und Verkalkung. Tuberkelbacillen 
sind bei ZielfärbuDg nur äusserst spärlich zu finden. 

Der Befund lässt somit gar keinen Zweifel darüber, dass 
das Kalb an generalisierter Perlsucht erkrankt war, und dass die 
Krankheit von der Impfstelle ihren Ausgang genommen bat. 

Fasst man nun noch einmal das Ergebnis der vorstehenden 
Untersuchungen zusammen, so bandelt es sieb um folgendes: Ein 
vierzehnjähriger Knabe aus vollkommen gesunder Familie, der 
monatelang täglich im Kuhstall gespielt and täglich rohe Milch 
von Kühen getrunken hat, die Tuberkelbacillen mit der Milch 
ausschieden, erkrankt und stirbt innerhalb 3 / 4 Jahren an einer 
ungemein schweren, ausgebreiteten Tuberkulose, die ihren primären 
Sitz im Verdauungsapparat hat Züchtung der Tuberkelbacillen 
auf künstlichem Nährboden gelingt trotz zwölf Monate lang fort¬ 
gesetzter Versuche nicht. Dagegen tötet eine minimale Menge der 
betreffenden Bacillen, nach dreimaliger Tierpassage auf Kaninchen 
intraoeular verimpft, die Tiere unter Erzeugung einer schweren 
Allgemeintuberkulose. Ein Kalb, das relativ wenig desselben 
Virus (nach siebenmaliger Tierpassage) subcutan injiziert erhält, 
erkrankt innerhalb dreier Monate an ausgebreiteter Perlsucbt, die 
von der Impfstelle ihren Ausgang nimmt. Die Tatsachen zusammen¬ 
genommen führen zu dem Schluss, dass Emest B. an einer In¬ 
fektion mit Riudertuberkelbacillen gestorben ist. 

Die vorliegende Veröffentlichung bat nicht lediglich den 
Zweck, die Zahl der bereits bekannten bovinen Tuberkulose¬ 
infektionen beim Menschen um eine zu vermehren. Schon 1912 
zählte Weber 1 ) 138 Fälle, darunter 56 tödliche, und ich habe seit¬ 
dem in der mir zugänglichen Literatur weitere 126 sammeln 
können; einschliesslich der für mich nicht erreichbaren Literatur¬ 
angaben dürften über 150 neue Fälle herauskommen. Wenn da¬ 
her Weber 1 ) sagt: „Diese Zahlen bedeuten eine nicht zu unter¬ 
schätzende Gefahr für die menschliche Gesundheit, die jedenfalls 
die erforderlichen Vorsicbts- und Vorbeugungsmaassregeln erfordert. 
Von diesem Standpunkt aus muss man denjenigen, welche in der 
Rindertuberkulose eine ernste Gefahr für die menschliche Ge¬ 
sundheit erblicken, recht geben . . so dürfte diese Ansicht 
heutzutage allgemein geteilt werden mit Ausnahme weniger 


1) Weber, Zur Tuberkulose des Menschen und der Tiere. Zbl. 
f. Bakt., Orig., Bd. 64, S. 243. 


1 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 33. 


Autoren, die an dem ablehnenden Koch’scben Standpunkt von 
1901 feathalten. Indessen wird neuerdings immer wieder auf 
den fast völlig negativen Erfolg der Sammeiforschungeu über die 
Folgen des Genusses der Milch eutertuberkulöser Kühe hinge¬ 
wiesen, und man sucht auf Grund dessen die Bedeutung der Milch 
als Infektionsstelle für die Menschen abzuschwächen. Orth 1 2 ) hat 
bereits vor mehr als Jahresfrist in dieser Wochenschrift ausein¬ 
andergesetzt, weshalb diesem Ergebnis keine entscheidende Be¬ 
weiskraft zukommt, und ich habe seinen Ausführungen nichts 
hinzuzufügen. Bei der gleichen Gelegenheit hat indes Orth 1 ) ge¬ 
sagt, der Ausspruch Robert Koch’s „es ist deshalb sehr die 
Frage, ob jemals ein Fall von menschlicher Tuberkulose einwurfs¬ 
frei auf den Genuss von Fleisch oder Milch von tuberkulösen 
Tieren zurückgeföbrt wird“, habe auch heute noch Gültigkeit. 
Der vorliegende Fall dürfte dazu angetan sein, diese Lücke aus- 
zufüllen. Es ist zwar in der Literatur bisher häufig angegeben, 
dass die Individuen, bei denen der Typus bovinus konstatiert 
wurde, längere oder kürzere Zeit unsterilisierte Milch getrunken 
hatten. Soviel ich selbst die Literatur einsehen konnte, ist mein 
Fall aber der erste, in dem Tuberkelbacillen in der Milch der 
betreffenden Kühe nachgewiesen wurden. Wäre die Feststellung 
des Tuberkelbacillentypus nicht so umständlich und zeitraubend, 
so würde dieser Nachweis wohl öfter gelingen, namentlich in 
ländlichen Bezirken, wo sieb die Verhältnisse besser übersehen 
lassen und wo auch viel mehr rohe Milch genossen wird als in 
den Städten. Wenn Monate nach dem Tode des Patienten die 
Diagnose „Typus bovinus“ gestellt werden kann, so ist in der 
Grossstadt mit ihrem ewigen Wechsel die Infektionsquelle oft 
auch nicht mehr vermutungsweise aufzufinden, wie ich aus eigener 
Erfahrung weiss. 

Noch in einer anderen Hinsicht scheint mir der raitgeteilte 
Fall interessant. Es wird häufig auf die relative Harmlosigkeit 
der bovinen Infektion bingewiesen. Auch Weber 3 ) bat in dieser 
Wochenschrift noch im vorigen Jahr demselben Gedanken Raum 
gegeben. Nun sind tödlich verlaufene Rindertuberkulosen nach 
und nach in recht erheblicher Anzahl veröffentlicht. Ich halte 
es aber doch für wesentlich, ausdrücklich zu bemerken, dass der 
vorliegende Fall die schwerste allgemeine Tuberkulose ist, deren 
ich mich aus vierzehnjähriger pathologisch-anatomischer Tätigkeit 
erinnern kann. Man bat früher den Typus bovinus vorzugsweise 
bei primärer Intestinaltuberkulose gesucht, die bekanntlich viel 
seltener ist als primäre Lungentuberkulose und sehr oft nnr zur 
stationär bleibenden Verkäsung einer oder mehrerer Drüsen führt, 
eben weil der Verdauungsapparat einen weit ungünstigeren Boden 
für die Tuberkulose abgibt als der Respirationstrakt. Da hat sich 
denn die Meinung gebildet, der Typus bovinus sei für den Menschen 
relativ wenig virulent. Wenn jetzt einmal eins vergleichende 
Statistik aller auf den Typus der Bazillen untersuchten Tuber¬ 
kulosefälle angestellt würde — die Unzugänglichkeit mancher 
Veröffentlichungen macht es mir hier in Lausanne unmöglich, es 
selber zu tun —, so dürfte für den Typus bovinus kein geringerer 
Prozentsatz an tödlichen Fällen herauskommen als für den Typus 
humanus. Schon die Statistik von Weber zeigt, dass fast die 
Hälfte der vor zwei Jahren bekannten bovinen Infektionen töd¬ 
lich verlief. Wir sind gewiss alle darüber einig, dass die Haupt- 
ansteckungsgefahr vom tuberkulösen Menschen droht. Dass aber 
auch das tuberkulöse Rind eine wesentliche Infektionsquelle bildet, 
darf nicht mehr bezweifelt oder unterschätzt werden, und ich 
möchte den mitgeteilten Fall als Material in dieser Hinsicht ver¬ 
wendet wissen. 


Aus der Licht- und Radiumabteilung (Oberarzt 
Dr. Kuznitzky) der Königl. dermatologischen Univer¬ 
sitätsklinik in Breslau (Direktor: Geheimrat Neisser). 

Zur Behandlung des Lupus mit dem Fried- 
mann’schen Mittel. 

Von 

Dr. Starke, Assistent der Klinik. 

Das Friedmann’sche Mittel wurde in unserer Klinik — ab¬ 
gesehen von einigen bereits früher von Herrn Dr. Friedmann 
selbst behandelten Fällen — bei 7 Lupuspatienten, also nur einer 

1) Orth, Ueber die Bedeutung der Rinderbacillen für den Menschen. 
B.kl.W., 1913, S. 429. 

2) Weber, Ueber die Bedeutung der Rinderbaoillen für den Menschen. 

B kl.W., 1913, S. 538. 


relativ geringen Anzahl, in Anwendung gebracht. Da wir jedoch 
überzeugt sind, mit der gerade in diesem Falle ganz besonders 
erforderlichen Objektivität unsere Beobachtungen angesteiit zu 
haben, sowie in 4 Fällen über eine Beobachtungszeit von 3 1 /, bis 
5 Monaten verfügen, halten wir uns für veranlasst, auch diese 
geringe Anzahl unserer Resultate einer weiteren Beurteilung zur 
Verfügung zu stellen. 

Ich möchte hier eingangs schon hervorheben, dass wir in 
diesen 7 Fällen kein einziges praktisch verwertbares 
Resultat erzielt haben, und dass wir stets gezwungen waren, 
wieder zu unserer alten Therapie zurückzogreifen. Der einzige 
Einwand, der uns allenfalls gemacht werden könnte, besteht viel¬ 
leicht darin, dass wir in nur einem Fall zu der voo Fried¬ 
mann bei der Lupusbebandlung vorgeschlagenen zweiten simul¬ 
tanen Injektion gegriffen und uns bei den übrigen Fällen mit 
einer intramuskulären und einer nach langem Intervall folgenden 
intravenösen Injektion begnügt haben; doch waren die Resultate 
der isolierten Injektionen so wenig ins Auge springend oder voll¬ 
kommen negativ, dass nicht recht zu erwarten stand, dass auf eine 
Kombination von intravenöser und gleichzeitig intramuskulärer 
Behandlung die Erfolge eklatanter geworden wären. 

Bei unseren Fällen handelte es sich sowohl um lupöse Er¬ 
krankungen der Haut und Schleimhäute ohne objektiv nachweis¬ 
bare Veränderungen der inneren Organe, als um Fälle, die mit 
einer tuberkulösen Erkrankung der Lunge kompliziert waren. 
Einer der Fälle betrifft eine Patientin mit gleichzeitiger Drüsen¬ 
tuberkulose und tuberkulöser Gelenkerkrankung. Naturgemäss 
erstreckten sich unsere Beobachtungen in erster Linie auf das 
am besten kontrollierbare Objekt, den Lupus. Erwähnt sei noch, 
dass fünf von diesen Fällen bereits längere Zeit mit ausgedehntem 
Lupus in unserer Behandlung nach den üblichen Methoden standen. 
Doch befanden sich diese Patienten immer noch in einem Zustand, 
der uns für eine Beurteilung einer neuen Heilmethode geeignet 
erschien. 

Die Behandlung wurde stets mit der intramuskulären In¬ 
jektion Nr. I 0,5 eingeleitet, mit Ausnahme des einen Falles von 
Gelenktuberkulose (Fall VII), bei dem Nr. III 1,0 intramuskulär 
injiziert wurde. Eine gleichzeitige intravenöse Injektion von 
Nr. II 0,5, wie sie Fried mann für derartige Fälle vorschreibt, 
unterblieb hierbei, da wir bei dem elenden Zustand der Patientin 
eine höhere und eventuell länger anhaltende Temperatursteige¬ 
rung nach Möglichkeit vermeiden wollten. Bei drei Fällen fühlten 
wir uns genötigt, eine intravenöse Zwischeninjektion zwecks Be¬ 
seitigung des Infiltrates an der Injektionsstelle, nach l 1 /* und 
3 Monaten, aoszuführen (Fall I, II, IV). Einmal (Fall V) wurde 
8 Wochen nach der ersten Injektion eine zweite isolierte intra¬ 
venöse (II 0,5) verabfolgt und in Fall I erhielt der Patient ausser 
einer zweiten intravenösen Zwiscbeninjektion als dritte noch eine 
Simnltaninjektion, 3 Monate nach der ersten intramuskulären Ein¬ 
spritzung. In Summa haben wir also 7 intramuskuläre Injek¬ 
tionen, 4 intravenöse und 1 simultane verabfolgt. Zwecks einer 
genaueren Orientierung lasse ich einen kurzen Auszug aus den 
Krankengeschichten folgen. 

Fall I. 47 Jahre alt. Lupus seit dem 11. Lebensjahr. Aus¬ 
gedehnter Lupus des Gesichts, Kopfes, Halses, des Stammes und der 
Extremitäten. Bis 1901 mit den üblichen Methoden behandelt; vor¬ 
wiegend mit Röntgen und Tuberkulin. Seit 1907 keine Behandlung mehr. 

20. XI. 1913. Injektion I 0,5 intramuskulär. Weder Lokal- 
noch Allgemeiureaktion. 

3.1. 1914. Bisher unverändert. Seit 8 Tagen Schmerzen an der 
Injektionsstelle. Kirscbkerngrosses, derbes Infiltrat, intensiv gerötet. 

4.1. Intravenöse Zwischeninjektion II 0,3. 

5.1. Abendtemp. 39,3°. Starke Kopfschmerzen. Temperatur geht 
in 4 Tagen auf die Norm zurück. Herde sämtlich in schwacher, aber 
deutlicher Reaktion (Rötung der sonst ziemlich blauen Ränder). 

20. II. Herde nach Angaben des Pat. an einzelnen Stellen flacher 
und blässer. Objektiv keine deutlich wahrnehmbare Veränderung. 

24.11. Simultaninjektion 0,5 intravenös -f- 1,0 intramuskulär. 

25.11. Abendtemp. 39,7°. Fieber hält noch 2 Tage an. Lokali¬ 
sation sehr fraglich. 

2. III. Herde unverändert, auch nach Angabe des Pat. 

Beobachtungszeit 8*/* Monate. 

Fall II. 47 Jahre alt. Ausgedehnter Lupus vulgaris des Gesichts, 
seit dem 18. Lebensjahr bestehend. Seit 1909 in Behandlung, vor¬ 
wiegend mit Röntgen und Tuberkulin, bis 1910. Dann nur noch Quarx- 
lampenbehandlung. Die centralen Partien der lupösen Herde vernarbt, 
mit vereinzelten Knötchen durchsetzt. An den Rändern grösstenteils 
Fortschreiten des Prozesses. 

17. X. 1918. Intramuskuläre Injektion I 0,5. Temperaturen 
stets normal, keine Lokalreaktion. 


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17. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1541 


15.1. 1914. Befand vollkommen unverändert. Etwa erbsengrosses» 
derbes, nicht schmerzhaftes Infiltrat an der Injektionsstelle. 

16. I. Intravenöse Injektion II 0,5. 

Abendtemp. 40 0 , dann lytischer Abfall innerhalb 4 Tagen. Starke 
Kopfschmerzen, Debelkeit. Brennen in den lupösen Herden, keine deut- 
liehe Lokalreaktion. 

20.1. Nach Abklingen der Allgemeinreaktion Herde an den Rand¬ 
partien zweifellos flacher und blasser. 

20. II. Kein Dauerresultat. 

Beobachtungszeit von 5 Monaten. 

Fall III. 22 Jahre alt. Ausgedehnter Lupus exulcerans des Ge- 
sichts und der Extremitäten. Früher bereits behandelt. Lupöse Affektion 
der Mundschleimhaut. 

7.1.1914. Intramuskuläre Injektion I 0,5. 

Abendtemp. 87,8°, im übrigen keine Beschwerden. Keine Lokal-. 
reaktion. 

Injektionsstelle bleibt reaktionslos. Einzelne Herde werden mit 
Quarzlampe und Röntgen behandelt. Kontroilberde, die unbehandelt 
bleiben. Beobachtungszeit H/s Monate. Keinerlei Veränderungen. 

Fall IV. 14 Jahre alt. Lupöser Herd etwa handtellergross über 
dem rechten Glutaeus, von da über die Innenfläche des Oberschenkels 
zum Mona veneris ziehend. Handtellergrosser Herd am Rücken und in 
der Kniekehle. Pat. ist früher einmal geröntgt worden, ohne Erfolg. 
Im übrigen vollkommen unbehandelt. Zwei Herde werden mit Quarz¬ 
licht behandelt, die übrigen bleiben zur Kontrolle frei. 

7. XU. 1918. Intramuskuläre Injektion 1 0,5. 

8. XII. Morgentemp. 38,5°. Fiebert bis 20. XII. (Abendtemperaturen 
zeitweise bis 38 und 39 °). Dann subfebrile Temperaturen. Temperatur 
vor der Injektion stets normal. Keine LokalreaktioD. 

16.1. 1914. Bisher unverändert. Kirscbkerngrosser Knoten an der In¬ 
jektionsstelle. 

Zwisoheninjektion II 0,3 intravenös. 

Abendtom. 38,8°. Daun normal. Keine Lokalreaktion. Heftige 
Kopfschmerzen, Erbrechen, sehr matt. 

20.1. Kontrollherd in der Kniekehle anscheinend etwas flacher, 
Resultat praktisch, aber kaum verwertbar. 

20. II. Keine Besserung zu konstatieren; auch an den mit Quarz¬ 
licht behandelten Herden kein sonderlich auffallendes Resultat. 

Beobachtungszeit 2 l / 2 Monate. 

Fall V. 14 Jahre alt. Lupus seit 10 Jahren bestehend. Klein- 
band tellergrosser, serpiginöser lupöser Herd an der rechten Wange, stark 
über das Niveau der gesunden Haut vorspringend. Ein ebensolcher Herd 
in der rechten Ohrgegend. Kleiner Herd am linken Ohrläppchen. Hais¬ 
und Kinndrüsen beiderseits ziemlich stark geschwollen. Lupus der Nase, 
des Pharynx und Larynx. Positiver Lungenbefund. Subfebrile Tempe¬ 
raturen. 

18. XI. 1913. Intramuskuläre Injektion I 0.5. Abendtemp. 37,8°. 
Keine Beschwerden. Fiebert noch 2 Tage bis 38°, dann wieder sub¬ 
febril bis Mitte Dezember. Keine Herdreaktion. 

17. XII. Herde erscheinen zeitweise deutlich flacher (sehr wechselnder 
Befund, speziell des Herdes an der Wange). Nasen-, Pharynx- und 
Larynxbefund unverändert. 

5.1. 1914. Herde gegenüber dem Aufnahmebefund unverändert. 
Operative Behandlung des Schleimhaut!upus. 

22.1. Intravenöse Injektion II 0,5. 

23.1 Morgentemp. 39,4°, abends 38,9°, dann allmähliche* Rück¬ 
gang. Temperatur nach 6 Wochen noch subfebril. Deutliche Herd- 
reaktion. 

Beobachtungszeit 4 Monate. Keine deutliche Veränderung. 

Fall VI. 17 Jahre alt. Lupus exulcerans des Gesichts, des rechten 
Armes und des rechten Handrückens. Rechte Spitze suspekt. Mit 
Quarz- und Finsenlicht bereits längere Zeit behandelt. Herde grössten¬ 
teils gat vernarbt, zeigen aber überall noch vereinzelt Knötchen. Letzte 
Finsenbehandlung Oktober 1913. 

18. XI. 1913. Intramuskuläre Injektion I 0,5. 

Keine Allgemeinreaktion, keine Lokalreaktion. Injektionsstelle stets 
reaktiooslos. 

BeobachtuDgszeit 5 Monate. Keine Veränderung. 

Fall VII. 21 Jahre alt. Lupus (granuläre Form) am Naseneingang, 
vornehmlich am Septumabschnitt. Tuberculosis arthritis des linken 
Kniegelenks. Erweichte Drüse am Halse. Bisherige Behandlung ohne 
joden Erfolg. Positiver Luogenbefund. 

6.1.1914. Intramuskuläre Injektion III 1,0 (von der vor¬ 
geschriebenen gleichzeitigen intravenösen Injektion wurde in Anbetracht 
des elenden Zustandes der Patientin Abstand genommen). Keine All- 
gemeinreaktion, keine Lokalreaktion. Heftige Schmerzen an der In¬ 
jektionsstelle, die nach einigen Tagen spontan schwinden. 

5. II. Pat. wird auf Wunsch der Eltern entlassen. Befund voll¬ 
kommen unverändert. 

Beobachtungszeit 1 Monat. 

Was zunächst die Reaktionen auf die einzelnen Ein¬ 
spritzungen anbetrifft, so wäre zusammenfassend folgendes zu er¬ 
wähnen: Auf sieben intramuskuläre Injektionen erfolgte dreimal 
woe Allgemeinreaktion bis 37,8 und 38,5°. .Fall IV fieberte 
etwa 14 Tage lang mit zeitweise auftretenden Abendtemperaturen 


bis 38 und 39°. Fall V roaass noch zwei Tage lang etwa 38° 
und zeigte etwa einen Monat lang subfebrile Temperaturen. Die 
Temperaturschwankungen vor den Injektionen lagen stets inner¬ 
halb normaler Grenzen. Herdreaktionen waren nach den intra¬ 
muskulären Injektionen in keinem Falle zu konstatieren. Anf 
die vier intravenösen Injektionen trat stets eine Allgemeinreaktion 
ein. Temperaturen bis 39 und 40°, die aber spätestens in vier 
Tagen auf die Norm znrückgingen, und Fall V wies noch nach 
6 Wochen subfebrile Temperatnren auf. Ebenso trat bei der einen 
Simultaninjekrion ein Temperaturanstieg auf 39,7° ein, der aber 
ebenfalls rasch — innerhalb 2 Tagen — zurückging. Die sub¬ 
jektiven Beschwerden hielten sich stets innerhalb erträglicher 
Grenzen und entsprachen im allgemeinen der Höhe der Tempe¬ 
raturen. In zwei Fällen zeigte sich eine deutliche Herdreaktion 
mit „Brennen“ an den lupösen Stellen and geringer Rötung der 
Randpartien, wie sie sich bei Tuberkulinreaktionen mässigen 
Grades präsentiert. Einmal war die Reaktion fraglich, ebenso 
nach der Simultaninjektion. 

Was die Erfolge mit der Friedmann’schen Bebandlnngsweise 
anbetrifft, so haben wir eine dauernde oder prompt ein¬ 
setzende Besserung, wie eingangs bereits erwähnt, nie 
beobachten können. Weder die am längsten beobachteten 
Patienten noch die ohoe jede vorherige Therapie behandelten Fälle 
wiesen schliesslich eine einwandfrei zu deutende Besserung auf. 
Selbst bei den beiden lokal reagierenden Fällen, wo wir am 
ehesten eine Besserung erwartet hatten, war das Endstadium un¬ 
verändert. Durch die intramuskulären Injektionen blieben sechs 
Fälle vollkommen unbeeinflusst, nur einmal schien es uns (Fall V), 
als ob der Herd zeitweise flacher und blässer würde, doch waren 
diese Veränderungen derart wechselnd und kaum einen Monat an¬ 
haltend, dass wir ihnen einen praktischen Wert nicht beimessen 
konnten. Nach den vier intravenösen Injektionen sahen wir ein¬ 
mal eine deutliche, aber nicht fortschreitende Abflachung und 
Abblassung von etwa vierwöchiger Dauer (Fall II). Eine Lokal¬ 
reaktion war in diesem Falle nicht deutlich vorangegangen. Ein 
Schwinden der Knötchen oder Infiltrate wurde in keinem Falle 
beobachtet. Was die Schleimhautaffektionen anbetrifft, so waren 
ebenfalls keine Veränderungen zu konstatieren. Auch in dem 
einen Falle von Drüsen- und Gelenktuberkulose war nach einem 
Monat nicht die mindeste Beeinflussung zu erkennen. Das Körper¬ 
gewicht wies nie erhebliche Zunahme auf, jedenfalls nicht mehr, 
als auch sonst allein durch einen Krankenbausaufenthalt be¬ 
dingt wird. 

Als Resume ergibt sich also, dass wir unangenehme 
Nebenwirkungen, die zu einer Schädigung der Patienten hätten 
führen können, nicht beobachtet haben, dass wir aber auch in 
keiner Weise einen Vorteil in diesem als Spezifikum gegen Tuber¬ 
kulose gepriesenen Mittel erkennen können, und dass eine 
wirklich fortschreitende Heilung, selbst eine deutliche 
Besserung auch nach mehreren Monaten in keinem 
Falle zu konstatieren war. ' 


Die Heilung der Syphilis durch die kombinierte 
Salvarsan-Quecksilberbehandlung. 

Von 

Prof. W. Scholtz-KÖuigsberg i. Pr. 

Während die überraschend schnelle und zuverlässige Wirkung * 
des Salvarsans auf die klinischen Erscheinungen der Syphilis 
auch von den Gegnern der Salvarsanbebandiung zugegeben wird, 
besteht über den Wert der Salvarsanbehandlung für die Dauer¬ 
heilung der Syphilis und in bezug auf die mit der Salvarsan¬ 
bebandiung verbundenen Gefahren noch immer eine lebhafte 
Diskussion. 

So wichtig und notwendig es nun auch ist, alles Material 
in bezug auf Misserfolge und Schädigungen der Salvarsanbehand¬ 
lung zu sammeln und zu publizieren, so ist die Salvarsaudebatte 
jetzt doch in ein falsches Fahrwasser gekommen. Man hat sich 
nämlich vielfach daran gewöhnt, die Erfahrungen, die mit dem 
Salvarsan bei einer bestimmten Anwendungsform und 
Dosierung gemacht worden sind, zu verallgemeinern, und ob¬ 
wohl ich schon wiederholt, unter anderen auch anf dem inter¬ 
nationalen Dermatologenkongress in Rom auf das Unberechtigte 
einer derartigen Verallgemeinerung hingewiesen habe, geschieht 
dieses besonders von den Gegnern der Salvarsanbehandlung leider 
noch immer in ausgedehntem Maasse. 

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1542 


BERLIN KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 38. 


Heute handelt es sich bei der Beurteilung des Wertes der 
Salvarsantherapie nicht mehr um die Frage, inwieweit durch eine 
ungeeignete Anwendung oder Dosierung des Salvarsans geschadet 
werden kann, und wie häufig nach einer ungenügenden Salvarsan- 
behandlung, *. B. einer nur einmaligen Injektion, Rückfälle bei 
der Syphilis auftreten, sondern einzig und allein darum, was 
man bei zweckmässiger Form der Salvarsanbebandlung 
bzw. Salvarsan-Quecksilberbehandlung ohne Gefahren 
für den Kranken erzielen kann. Um das zu beurteilen, 
darf man aber nicht die Erfolge bzw. Misserfolge und Unglücks- 
fälle, die von den verschiedenen Autoren bei den verschiedensten 
Formen der Anwendung erzielt sind, zu einer Sammelstatistik 
zusammen werfen, sondern die Beurteilung dieser Frage muss 
eben auf Grund der Berichte and Statistiken derjenigen Autoren 
erfolgen, welche in beiden Richtungen, sowohl bezüglich der 
Dauerwirkung des Salvarsans wie bezüglich der Gefahrlosigkeit 
des Heilmittels, die besten Resultate erzielt habeD. Die dabei 
gewählten Formen der Behandlung sind dann in sorgfältigster 
Weise unter Einhaltung der Originalanweisungen nacbznprüfen, 
und auf diese Weise ist dann schliesslich die beste Anwendungs¬ 
form des Salvarsans festzustellen. 

Würde sieb dabei zeigen, dass die Salvarsanbebandlung in 
keiner Form eine genügende Dauerwirkung bat, und dass die 
Salvarsanbehandlung in keiner Form für den Kranken genügend 
ungefährlich ist, so wäre die Salvarsanbebandlung bzw. Salvarsan- 
Quecksilberbebandlung gewisserwaassen als Standartmethode der 
Syphilisbehandlung aufzugeben und nur für gewisse Fälle zu 
reservieren. Ergibt sich aber, dass es Methoden der Salvarsan¬ 
behandlung gibt, die nicht nur auf die momentanen klinischen 
Erscheinungen in der bekannten prompten Weise einwirken, 
sondern auch eine Dauerwirkung haben, d. h. die Syphilis 
definitiv zu heilen vermögen und dies ohne nennenswerte Gefahr 
für den Kranken, so sind diese Methoden eben als Universal- 
metboden der Syphilisbehandlung zu acceptieren. 

Ich hoffe, den Leser durch meine folgenden Ausführungen 
und statistischen Mitteilungen davon zu überzeugen, dass es bereits 
jetzt derartige Methoden gibt. 

Inder Deutschen medizinischen Wochenschrift, in der Wochen¬ 
schrift für praktische Dermatologie und auf dem Kongress zu 
Rom habe ich bereits wiederholt nachdrücklich auf die Dauer¬ 
wirkung der Salvarsan-Quecksilberbebandlung in der von uns aus¬ 
gearbeiteten Form hingewiesen und mich schliesslich auf Grund 
unserer Resultate vor fast einem Jabr nicht mehr gescheut, in 
diesen Fällen — wenn auch mit einer gewissen Reserve — von 
einer Heilung der Syphilis durch eine einmalige Salvarsan- 
Quecksilberkur zu sprechen. 

Die Methode unserer Behandlung ist kurz die folgende: Wir 
machen im Beginn der Kur zunächst an zwei aufeinanderfolgenden 
Tagen an jedem Tage je zwei Salvarsaninjektionen in mittleren 
bzw. kleinen Dosen (gewöhnlich zwei Injektionen zu 0,25—0,3 
und zwei zu 0,2, im ganzen 0,85—1,0 Salvarsan auf vier In¬ 
jektionen). Wir geben also in der Regel das erstemal, morgens, 
0,25—0,3 Salvarsan, dann mittags, nach etwa vierstündiger Pause, 
0,2 Salvarsan und am nächsten Tage dann wiederum morgens 
0,2—0,25 Salvarsan und mittags als letzte Injektion 0,2 Salvarsan. 
Wir verwenden so gut wie ausschliesslich Altsalvarsan, da 
wir Neusalvarsan einerseits in der Wirkung für ein wenig 
schwächer und andererseits besonders wegen sein er raschen Ze r¬ 
s etzlichkeit für qtwas toxischer und daher für etwas gefährl icher 
als Altsalvarsan halten . 

Dass dabei der ,7Wasserfehler“ peinlich berücksichtigt wird, 
d. h. nur ganz frisches destilliertes Wasser zur Herstellung der 
Salvarsanlösung und Kochsalzlösung verwandt wird, versteht sich 
von selbst. 

Wir injizieren das Salvarsan in dieser Form, in mehreren 
aufeinanderfolgenden kleinen Dosen, um eine länger dauernde 
Einwirkung des Medikamentes zu erzielen. Bekanntlich ist das 
Salvarsao bei intravenöser Injektion aoeh bei Anwendung relativ 
grosser Dosen schon nach etwa 3 Stunden aus dem Blute ver¬ 
schwanden und daher eine prolongierte Wirkung nur durch 
mehrere in Pausen von einigen Stunden aufeinanderfolgende In¬ 
jektionen möglich. 

Unter diesen Umständen pflegen bei kleinen, jungen Primär¬ 
affekten und bei den meisten Fällen von latenter Lues irgend¬ 
welche Reaktionen ganz zu fehlen, und nur bei frischen Exanthemen 
oder älteren Primäraffekten mit multipler Drüsenschwellung treten 
meist nach der ersten, bisweilen auch erst nach der zweiten 
Salvarsaninjektion rasch vorübergehende Temperatursteigerungen 


bis zu 39°, selten darüber, auf. Es ist daher ratsam, bei aus¬ 
gebreiteten Exanthemen und ebenso bei älteren Primäraffekten 
mit stärkeren Drüsenschwellungen und vor allen Dingen beim 
Vorhandensein irgendwelcher Prodromalerscheinungen entweder 
mit kleineren Dosen — 0,2, bei starken Prodromen selbst nur 
0,1 oder 0,15 zu beginnen und die zweite und dritte Injektion 
dafür etwas grösser zu nehmen bzw. an Stelle von 4 Injektionen 
5 auszuführen. Oder man schickt der Salvarsankur in solchen 
Fällen 1—2 Quecksliberinjektionen mit Hydr. aal. bzw. 40 proz. 
Calomel oder 6—8 Quecksilboreinreibungen voraus, um auf diese 
Weise stärkere Allgemein- und Lokaireaktioneo zu vermeiden 
(E. Ho ff mann u. a.). Doch sei nicht verschwiegen, dass uns 
leichte Allgemein- und Lokalreaktionen ganz erwünscht erscheinen, 
.da das Salvarsan nach Eintritt lokaler Reaktionen bei der nächsten 
Injektion besonders kräftig in die byperämischen Spirochätenherde 
eindringen dürfte. 

Nach der Salvarsaniojektion lasse ich den Kranken sofort im 
Bett warm einpacken, so dass er leicht transpiriert und das 
Salvarsan auf diese Weise besonders io der Haut etwas lebhafter 
cirkuliert. Vor jeder Salvarsaneinspritzung soll der Urin auf 
Eiweiss untersucht und möglichst auch durch Messung der Urin- 
meoge festgestellt werden, dass die Nieren gut funktionieren. 

Bei Verwendung der konzentrierten Injektionen von Neo - 
salvarsan lässt sich die Kur in dieser Form auch in <ler Behausung 
des Kranken sehr bequem und leicht durchführen. Man kocht zu 
diesem Zwecke einfach 5—10 ccm Leitungswasser einige Minuten 
im Reagenzglase auf, lässt etwas abkuhlen und löst darin dann 
0,3 bzw. 0,4 Neosalvarsan auf, und diese Lösung wird dann sofort 
intravenös eingespritzt. Jeder praktische Arzt, der die Technik 
der intravenösen Injektionen beherrscht, vermag daher die Kur 
mit Leichtigkeit durchzuführen. Freilich muss die Lösung tadellos 
in die Vene fliessen, und es darf kein Tropfen in das umgebende 
Gewebe gelangen, da sich sonst Thrombosen uod Nekrosen bilden. 

Wir selbst bevorzugen vorläufig noch immer Altsalvarsan in 
grösseren Flüssigkeitsmengen gelöst (auf 0,1 Salvarsan 50 bis 
60 ccm 0,6 proz. Kochsalzlösung), da wir glauben, dass die mit 
den grösseren Infusionen verbundene „Auswaschung* 1 der Gewebe 
für das Eindringen des Salvarsans in die Gewebe vielleicht nicht 
ohne Bedeutung ist. 

Sofort im Anschluss an die Salvarsanbebandlung — gewöhn¬ 
lich schon am 2. Salvarsautage — beginnen wir eine Quecksilber¬ 
kur, und zwar fangen wir meist mit Einreibungen an und schieben 
dann zwischen die einzelnen Einreibungstouren nach Möglichkeit 
Quecksilberinjektionen mit Hydr. salicyl. oder besser 40 proz. 
Calomel — pro Injektion 0,08 Hydr. salicyl. oder 0,05—0,06 Ca¬ 
lomel — ein. Auch Mercinol — das 40 proz. Quecksilberöl der 
Engel-Apotheke in Breslau — verwenden wir häufig zu Injektionen, 
jedoch niemals allein, sondern stets abwechselnd mit Hydr. salicyl., 
da das Mercinol nur langsam resorbiert wird 1 ) und dadurch leicht 
eine kumulierende Wirkung eintritt. 

Die Schmierkur selbst pflegen wir in der Weise ausführen za 
lassen, dass wir an 4 aufeinanderfolgenden Tagen jeden Tag ein 
Viertel des Körpers mit 4—5 g Quecksilberresorbin einreiben lassen. 
Am 1. Tage wird also der eine Arm und die eine Rumpfseite des 
Körpers eingerieben, am folgenden Tage die gleichen Körperteile 
der anderen Seite, dann folgt das eine Bein mit Hüfte und Gesäss- 
fläche und zuletzt das andere Bein in gleicher Weise. Am 5. Tage 
bleibt der Kranke eingerieben, am 6. Tage nimmt er ein Bad und 
erhält an diesem Tage eine Quecksilbereinspritzung. Nach der 
Injektion wird 1 — 2 Tage pausiert, dann folgt ein neues Bad und 
im Anschluss hieran wird der Einreibungsturnns in gleicher Weise 
wiederholt und nach 5 Schmiertagen wieder eine Einspritzung wie 
vorher gemacht und so fort. 

Wir wählen gewöhnlich diese letztere Form der kombi¬ 
nierten Injektions-Schmierkur, weil diese nach unseren Erfahrungen 
relativ gut vertragen wird, man dabei dem Organismus verhältnis¬ 
mässig viel Quecksilber zufübren kann und die Vorteile beider 
Methoden, der Schmierkur wie der Injektionskur, ausgenutzt werden. 
Besonders bei ausgedehnten Exanthemen hat ja die Schmierkur 
zweifellos dadurch einen besonderen Wert, dass es dabei auch zu 
einer lokalen Einwirkung des Quecksilbers auf die Giftdepots 
in der Haut und durch Resorption von der Haut aus auch za 
einer stärkeren Einwirkung des Heilmittels auf die Drüsen kommt. 
Ferner ist es möglich, dass die besondere Form, in der das Queck¬ 
silber bei der Scbmierkur aufgenommen wird (Einatmung durch 
die Lungen!) und durch die damit vielleicht verbundene Art der 


1) Vergl. Döhring, D.m.W., 1914. 


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17. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1543 


Circulation des Quecksilbers (Dampfform?) besonders gute Wir¬ 
kungen ausgelöst werden. Aber auch die Einspritzungen haben 
durch die mehr schubweise Resorption und durch die Art, in 
welcher das Quecksilber hierbei cirkuliert, wohl besondere Wir¬ 
kungen, und es ist schon hiernach ganz plausibel, dass man durch 
Kombination dieser beiden Methoden möglicherweise noch 
günstigere Einwirkungen auf die Krankheit erzielt als durch eine 
dieser Methoden allein. Dazu kommt, dass wir trotz sehr reich¬ 
licher Qaecksilberzufuhr weniger leicht Intoxikationen oder Stoma¬ 
titis bei der gemischten Injektions-Schmierkur zu fürchten haben, 
als bei der Einspritzungs- oder ßinreibungskur allein, weil wir 
die Quecksilberzufuhr besser in der Hand haben und bei Ein¬ 
reibungskuren die Gefahr der Stomatitis, bei Injektionskuren die 
Gefahr einer allgemeinen Intoxikation vorherrscht.. 

In dieser Form führen wir die Quecksilberkur reichlich vier 
Wochen durch, dann folgt die zweite Salvarsankur, welche im 
wesentlichen in gleicher Weise wie die erste durchgeführt wird, 
nar kann sie — besonders bei schwächlichen Patienten — etwas 
milder gestaltet werden. Man gibt z. B. am 1. Tage nur 0,25 und 
0,2, am 2. Tage zweimal 0,2, oder man beschränkt sich eventuell 
auf 3 Injektionen von 0,25—0,8, dann 0,2 und am 2. Tage wieder 
0,2—0,3 Salvarsan. 

Im Anschluss an die 2. Salvarsankur wird dann die Queck¬ 
silberkur in gleicher Weise nochmals 14 Tage bis 3 Wochen 
durch geführt. 

Die Intensität sowohl der 2. Salvarsankur wie besonders 
aucji der weiteren Quecksilberkur bängt wesentlich von dem 
Resultat der Blutuntersuchung ab, welche gelegentlich 
der 2. Salvarsankur ausgeführt wird. Ergibt dieselbe noch 
ein positives, wenn auch nur schwach positives Resultat, so ist die 
Salvarsankur möglichst gleich intensiv wie das erstemal zu gestalten 
und die Quecksilberkur noch reichlich 3 Wochen in gleich kräf¬ 
tiger Weise durchzuführen. Ist die Reaktion ausnahmsweise bei 
der 2. Salvarsanbehandiung oder selbst noch nach Beendigung der 
2. Qaecksilberkur noch ausgesprochen positiv, so bat möglichst noch 
eine 3. Salvarsanbehandiung, wenigstens von einem Tage (2 Injek¬ 
tionen zu 0,3 und 0,2) stattzufinden, ln der Regel ist die Wasser- 
maon'sche Reaktion bei primärer and frischer sekundärer Lues zur 
Zeit der 2. Salvarsanbehandiung aber bereits völlig negativ, ord- 
nungs.massige Durchführung der Kur natürlich vorausgesetzt. 

Dass sich die Art der Durchführung der Salvarsankur — und 
ebenso der Qaecksilberkur — natürlich auch nach der Konsti¬ 
tution des Kranken, nach seinem Körpergewicht und dergl. zu 
richten bat und danach kleine Abweichungen, besonders in der 
Dosierung vorzunehmen sind, bedarf keiner näheren Ausführung. 

Die Salvarsan-Quecksilberkur, in dieser Weise durcbgeführt, 
stellt immer gewisse Anforderungen an den Organismus, und die 
Kranken werden dadurch gewöhnlich etwas mitgenommen und 
pflegen auch an Körpergewicht etwas zu verlieren. Die Kranken 
müssen daher während der Kur nach Möglichkeit ihrer Gesundheit 
leben und alle unnötigen körperlichen und geistigen Anstrengungen, 
vor allen Dingen aber unnötige Vergnügungen, Nachtleben, Alkohol 
und dergleichen meiden. Die Kunst des Arztes ist es im übrigen, 
io Fällen, in denen die Kur die Kranken zu sehr angreift, Stomatitis 
u.dgl. droht durch rechtzeitige Einschiebung von Ruhetagen, durch 
Nährmittel (Sanatogen) u. dgl. mehr wirklichen Schädigungen des 
Organismus vorzubeugen. Eine genaue Urinkontrolle, eine Kon¬ 
trolle des Gewichtes und ebenso eine genaue Kontrolle des Mundes 
und peinlichste Mundpflege sind natürlich unerlässlich. Zum 
Spülen des Mundes bevorzuge ich noch immer Perbydrollösung 
(Sol. Perhydroli 10/400, hiervon einen Teelöffel voll auf J /2 Glas 
Wasser) und lasse bei drohender Stomatitis mit der unverdünnten 
Lösang morgens und abends auch noch das Zahnfleisch pinseln. 

Uebrigens pflegen sich die Kranken bald nach der Kur fast 
ausnahmslos sehr rasch zu erholen nnd aufzublühen, selbst wenn 
*ie während der Kur etwa 10 Pfund an Körpergewicht verloren 
hatten. 

Die Resultate, welche wir mit dieser Form der Salvarsan- 
Quecksilberkur erzielt haben, sind nun ausserordentlich gute und 
speziell bei primärer und frischer sekundärer Lues im 1. 
his 2. Jahre nach der Infektion geradezu glänzende, wie aus der 
folgenden Statistik ein wandsfrei bervorgeht. 

Wir haben vor etwa einem Jahr alle Fälle, in denen wir 
nach durchgeführter Kur die Kranken längere Zeit regelmässig, 
gewöhnlich in Abständen von 4—5 Monaten, haben klinisch und 
serologisch untersuchen können, zusammengestellt und haben die 
oabei gewonnene Statistik in der deutschen medizinischen Wochen¬ 
schrift, 1913, Nr. 30, veröffentlicht. Um dabei richtige Prozent¬ 


sätze zu gewinnen, haben wir auch die Kranken, welche wir nur 
3 bis 6 Monate lang klinisch und serologisch kontrollieren konnten, 
mit in die Statistik aufgenommen. Die Fälle, in denen Recidive 
eingetreten sind, haben nämlich auch vielfach nur 8—6 Monate 
unter unserer Kontrolle gestanden und wurden natürlich in die 
gtatistik aufgenommen, auch wenn sie nicht weiter verfolgt werden 
konnten. Infolgedessen mnssten auch die recidivfreieo Fälle von 
gleicher Beobachtungsdauer in der Statistik mit verwertet werden. 
Die Gesamtzahl der Fälle von primärer und frischer sekundärer 
Lues (erstes und zweites Jahr nach der Infektion), auf die wir 
uns in dieser Weise stützen konnten, betrug 316 Fälle 1 ). 

Einen Teil dieser Fälle haben wir dann im letzten Jahre 
noch weiterhin unter Beobachtung und serologischer Kontrolle 
behalten können, so dass die Statistik jetzt noch grösseren Wert 

I hat. Besonders ist infolge dieser weiteren Beobachtung die Zahl 
der Fälle, welche nur 3—6 Monate nnter Beobachtung gestanden 
haben, nur noch relativ klein (etwa 15 pCt. der Gesamtzahl), 
während 2 / 3 der Fälle 1 bis 2 Jahre unter Beobachtung ge¬ 
standen haben und bei etwa 15 pCt. die Beobachlungszeit bereits 
2— 3 V 2 Jahre beträgt. 

Im ganzen sind bei den 31Q Fällen 41 Rückfälle einge¬ 
treten und zwar handelt es sich in 28 Fällen um klinische Reci- 
\dive, in 13 Fällen nur um positive Wassermann’sche Reaktion, 
hei es, dass diese überhaupt nicht negativ geworden ist, sei es, 
/dass sie wieder positiv wurde. Es würde einem Prozentsatz von 
rnnd 18 pCt. Rückfällen entsprechen, etwa 9 pCt. klinische und 
4 pCt. serologische Recidive. 

Von primärer Lues haben wir im ganzen 85 Kranke ge¬ 
nügend lange beobachtet und dabei 6 Rückfälle gesehen, gleich 
7,5 pCt. 

Von sekundärer Lnes innerhalb der ersten 2 Jahre nach 
der Injektion konnten wir unter 281 Kranken 35 Rückfälle, gleich 
15,3 pCt., beobachten. 

Nun ist aber der Unterschied zwischen den Resultaten in der 
Poliklinik und der Privatpraxis recht erheblich, so dass es 
zweckmässig ist, nochmals die Prozentsätze für beide Rubriken 
getrennt zu berechnen. 

Von primärer Lues wurden in der Privatpraxis 44 Kranke 
behandelt, alle ohne Recidive, davon sind 2 nur 3—6 Monate, 
8 sind 6 —12 Monate, 25 1—2 Jahre, 9 schliesslich 2— d 1 j t Jahre 
beobachtet und serologisch kontrolliert worden. 

Von sekundärer Lues wurden in der Privatpraxis 
109 Kranke genügend lange beobachtet und dabei nur bei 11 
derselben später Recidive bzw. positive Wassermann’sche Reak¬ 
tion beobachtet. Die Beobachtungszeit beträgt bei den recidiv- 
freien Kranken 16mal 8—6 Monate, 19mal 6—12 Monate, 47 mal 
1—2 Jahre, 16 mal 2—8 1 /* Jahre. 

Wir hätten also in der Privatpraxis bei frischer 
sekundärer Lues nur etwa 10pCt. Recidive, bei primärer 
Lues 100 pCt. Heilungen; bei primärer und sekundärer 
Lues zusammen 6,4 pCt. Recidive und das bei einer regel¬ 
mässigen serologischen Kontrolle von meist 1—3 Jahren. 

In der Poliklinik wurden dagegen bei gleicher Beobachtungs- 
dauer in 168 Fällen von primärer und sekundärer Lues 30mal 
Recidive bzw. positive Wassermann’scbe Reaktion beobachtet, das 
sind rund 18 pCt. 

Dass die Resultate in der Privatpraxis noch erheblich besser 
als in der Poliklinik sind, obwohl die Privatpatienten im all¬ 
gemeinen noch regelmässiger klinisch und serologisch nachunter¬ 
sucht worden sind als die Kranken der Poliklinik, ist in erster 
Linie wohl darauf zurückzuführen, dass die Kranken in der Privat¬ 
praxis die ganze Behandlung in noch sorgfältigerer und inten¬ 
siverer Weise durchzuführen pflegen, als dies bei den poli¬ 
klinischen Kranken der Fall ist. Diese führen nicht nur die 
Einreibekur bisweilen wenig sorgfältig aus, sondern kommen auch 
häufig zu den Quecksilberinjektionen unregelmässig und haben 
auch oft zwischen der 1, nnd 2. Salvarsankur eine grössere Pause 
gemacht, als wir verordnet batten. Auch ist die Zahl der Sal¬ 
varsan injektionen in der Poliklinik häufiger als in der Privatr 
praxis bei jeder Kur auf 2 oder 3 Einspritzungen beschränkt worden. 


1) Die Zahl der mit Salvarsan von uns behandelten Syphilitiker 
überhaupt beträgt etwa 3500, und ungefähr bei der Hälfte handelt es 
sich um primäre oder frische sekundäre Syphilis, aber in regelrechter 
Weise ist die Kur dabei nur etwa von der Hälfte der Kranken duroh- 
geführt worden. — Von einer VergrösseruDg der Statistik durch Hinzu¬ 
nahme der im letzten Jahre behandelten und regelmässig kontrollierten 
Kranken haben wir abgesehen, zumal die Resultate die gleichen ge¬ 
blieben sind. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1544 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 33. 


Vielleicht sind die schlechteren Resultate in der Poliklinik 
aber auch nur scheinbare und darauf zurückzufübren, dass die 
poliklinischen Patienten, wenn sie keinerlei Symptome der Krank¬ 
heit bemerken und sich dementsprechend geheilt fühlen, bei 
weitem nicht so zahlreich zu den Kontroi(Untersuchungen kommen 
wie die Privatpatienten. Es wäre also möglich, und scheint mir 
nach der Art unseres poliklinischen Materials sogar wahrschein¬ 
lich, dass die Kranken, welche Ruckfälle bekommen haben, sich 
auf Grund dieser so gut wie ausnabmlos wieder vorgestellt haben, 
während sich die geheilten Kranken nur zum Teil wieder gezeigt 
haben. 

Hieraus gebt auch hervor, dass unsere Statistik ziemlich 
sicher schlechtere Resultate angibt, als tatsächlich erzielt 
worden sind. Die Kranken mit klinischen Rückfällen zeigen 
Bich so gut wie ausnabmlos, die Kranken, welche keine Rück4 
fälle bekommen, verlieren auch wir zum nicht geringen Teil aus! 
den Augen. I 

Hiernach beträgt also die Wahrscheinlichkeit der Heilung! 
bei regelrechter Durchführung der Kur bei primärer Lues von! 
vornherein 95—lOOpCt., und nach einjähiiger Kontrolle dürfte 
die Wahrscheinlichkeit eines späteren Rückfalles bei primärer 
Lues tatsächlich fast Null sein. : 

Bei sekundärer Lues beträgt die Wahrscheinlichkeit der 
Heilung bei regelrechter Durchführung der Kur von vorn¬ 
herein etwa 85 pCt. und schon nach halbjähriger Kontrolle 
und Freibleiben von Sypbiliserscbeinungen ist ein Rückfall ganz 
ausserordentlich wenig wahrscheinlich und mit reichlich 95 pCt. 
Wahrscheinlichkeit Heilungen anzunebmen, während nach ein¬ 
jähriger Kontrolle Rückfälle nur noch in 1 bis höchstens 2 pCt. 
der Fälle eintreten dürften. 

Den Ehekonsens werden wir freilich, besonders bei se¬ 
kundärer Lues, nach ein- ja selbst nach zweijähriger Kontrolle 
noch nicht geben, denn wenn auch die Wahrscheinlichkeit eines 
Rückfalles ganz ausserordentlich gering ist, so würde doch das 
Recidiv aller Voraussicht nach sekundärer Natur und mithin 
stark ansteckend sein. Aus diesem Grunde würde ich auch weiter¬ 
hin in der Regel eine 2- .bis 3jährige regelmässige Kontrolle vor 
Erteilung des Ehekonsenses verlangen. Nach 2—3 Jahren können 
wir ihn allerdings, wie ich glaube, mit weit mehr Recht und 
weit grösserer Zuversicht geben, als das früher selbst nach fünf¬ 
jähriger regelrecht durchgeführter chronisch-intermittierender Be¬ 
handlung der Fall war. 

Eine weitere Frage ist es nun, ob wir überhaupt in unseren 
Fällen, sofern sie sich 1, 2, 3 Jahre und darüber regelmässig 
klinisch und serologisch als gesund erwiesen haben, nun tatsäch¬ 
lich von Heilung sprechen dürfen, oder ob wir mit der Mög¬ 
lichkeit rechnen müssen, dass trotz dieses Freibleibens während 
der ersten 2 oder 3 Jahre mit dem späteren Auftreten tertiärer 
oder sogenannter metaluetischer (quartärer) Erkrankungen ge¬ 
rechnet werden muss. Ich glaube, tu einem derartigen Skepti¬ 
zismus liegt kein besonderer Grund vor, vielmehr zwingt uns 
die Erfahrung über den klinischen Verlauf der Syphilis iu solchen 
Fällen wirklich definitive Heilung anzunebmen. 

Freilich verläuft die Syphilis chronisch und kann noch nach 
10 und 2U Jahren zu Krankbeitserscheinungen führen, nachdem 
jahrelang speziell an der Haut keinerlei klinische Zeichen der 
Krankheit mehr nachweisbar waren. Aber erstens dürfte nach 
unseren jetzigen Erfahrungen das Blut solcher Patienten während 
der ganzen vorausgegangenen, sogenannten latenten Periode 
meist positive Wasserroann’sche Reaktion zeigen, und zweitens 
ist der Verlauf der Syphilis, wenigstens in den ersten 
^Jahren nach der Infektion, ein ausserordentlich typi¬ 
scher und gesetzmässiger, mag der Verlauf in der Spät¬ 
periode in den einzelnen Fällen auch ein recht ungleichmässiger 
sein. Mit grösster Regelmässigkeit tritt bei frischer Syphilis 
7—8 Wochen nach der Infektion die typische Blutreaktion ein 
und bleibt ohne Behandlung — von unbedeutenden, vorübergebenden 
Schwankungen abgesehen — während der nächsten Jahre in der 
•grossen Mehrzahl der Fälle positiv, und in den Fällen, die später 
Späterscheinungen irgendwelcher Art zeigen, dürfte diese positive 
Reaktion nach unseren jetzigen Erfahrungen meist während des 
ganzen „latenten“ Verlaufes positiv gewesen sein. 

Nach Vornahme einer Quecksilberkur bei primärer und 
frischer sekundärer Lues verschwinden wohl die klinischen 
Erscheinungen, und die Wassermann’sche Reaktion wird negativ, 
aber mit st-ltener Regelmässigkeit wird die Reaktion meist schon 
wenige Monate nach Beendigung der Kur, spätestens aber nach 
i/ bis 1 Jahr, wieder positiv. Die ganz seltenen Ausnahmen 


bestätigen hier tatsächlich nur die Regel. Genau ebenso wie 
nach Quecksilberbehandlung ist es aber nach Salvarsanbeband- 
Jung, die nicht zur definitiven Heilung führt. Das haben uns die 
häufigen Rückfälle nach unvollständiger Salvarsan-Queeksilber* 
behandlung zur Genüge gezeigt, und auch bei den seltenen Febl- 
scblägen nach gründlicher Durchführung unserer Salvarsan-Queck- 
silberbehandlung ist das nicht anders. Auch in diesen Fällen 
zeigt das Blut meist schon nach 3 — 6 Monaten, spätestens aber 
nach 6—12 Monaten, wieder positive Reaktion, und das Wieder* 
auftreten positiver Reaktion nach mehr als einem Jahr ist ein 
so seltenes Ereignis, dass wir es nicht weiter berücksichtigen 
brauchen. 

Wir sehen also immer wieder, dass die Rückfälle 
bei fehlscblagender Salvarsan-Queckaiiberbehandlung 
genau in derselben Weise und in derselben Zeit aufzu¬ 
treten pflegen wie nach einer einfachen kräftigen Queck¬ 
silberkur, und wir haben mithin nicht die geringste Berechti¬ 
gung zu der Annahme, dass durch die Salvarsanbebandlung der 
gante Verlauf der Syphilis verändert und verschoben würde. 

Wenn nun bei einer Erkrankung die typischen Er¬ 
scheinungen, welche mit absoluter Regelmässigkeit 
wenige Woeben nach der Infektion erscheinen und in 
gleich regelmässiger Weise wenige Monate nach einer 
wesentlich symptomatisch wirkenden Behandlung wieder¬ 
auftreten, nach Vornahme einer bestimmten Kur aus- 
bleiben, so dürfen, ja müssen wir doch daraus den 
Schluss ziehen, dass die Krankheit geheilt ist. 

Wir haben uns grossenteils bei der Syphilis so in die*Vor- 
stelluDg der „Latenz“ bineingedaebt — ich möchte fast sagen 
darin verrannt —, dass wir dem Verlauf nicht zu trauen wagen, 
auch wenn keinerlei Erscheinungen voibanden sind. Aber nach 
allem, was wir jetzt über den Verlauf der Syphilis, wenigstens 
in der Frühperiode, wissen, gibt es während dieser Zeit 
keine länger dauernde wahre Latenz. Wohl können ge¬ 
legentlich alle Erscheinungen an der Haut ausbleiben, aber die 
Wassermann’scbe Reaktion stellt sich, wie schon erwähnt, mit 
grösster Regelmässigkeit ein und tritt nach einer nur sympto¬ 
matisch wirkenden Kur ebenso regelmässig nach wenigen Monaten 
wieder auf. Wenn also nach Salvarsan Quecksilberbebandlung in 
geeigneter Form bei primärer Lues in etwa 95 pCt., bei sekun¬ 
därer in etwa 85 pCt. der Fälle alle Krankheitserscbeinungen, 
auch positive Wassermann’scbe Reaktion jahielang ausbleiben, 
in 5 resp. 16 pCt. dagegen genau zu der gleichen Zeit üüd in 
der gleichen Art wie nach einer Quecksilbevkur wieder auftreten, 
so ist doch der einzig logische Schluss der, dass in der ersten 
Serie durch die Kur definitive Heilung erzielt wurde, während die 
Kur in der zweiten Serie der Fälle eben feblgescblagen ist. 
Garantieren können wir für die definitive Heilung zwar nicht, das 
tue ich auch nicht, aber wir haben das volle Recht, in diesen 
Fällen endgültige Heilung anzunehmen und dementsprechend zu 
handeln. 

Schwieriger ist es. sich bezüglich der definitiven Erfolge 
wirksamer Salvarsan Quecksilberkuren im Spätstadium zu 
äussern, denn in diesem Stadium haben wir über den Verlauf 
der Blutreaktion sowie die Zeit des Wiederauftretens der Reaktion 
nach einer Kur noch nicht genügend Kenntnisse. 

Im übrigen erreicht man im Spätstadium mit der von uns 
geübten Kur reichlich in zwei Drittel der Fälle ein Negativwerden 
der Reaktion, und ein späteres Umschlagen der Reaktion wird 
dabei nur recht selten beobachtet. Unsere Erfahrungen decken 
sich in dieser Beziehung auch mit denen von Gennerich. 

Im Sinne einer Heilung bei der Behandlung der Syphilis im 
Fröbstadium durch kombinierte Salvarsan-QuecksiIberbehand¬ 
lung spricht ferner die Beobachtung, dass wir bei 8 Kindern der 
von uns behandelten Kranken, welche 8 / 4 —l 1 /* Jahre nach der 
Rur gezeugt bzw. 1V 2— 21 /2 Jahre nach der Kur geboren wurden — 
dreimal waren beide Eltern luetisch — keinerlei Erscheinungen 
von Syphilis haben feststellen können und dreimal auch das Blut 
der Kinder haben untersuchen können, und zwar mit völlig 
negativem Ergebnis. In gleichem Sinne sprechen schliesslich drei 
Beobachtungen, die wir als einwandsfreie Reinfektionen auffassen 
dürfen. Es bandelte sich in diesen Fällen um typische Primär¬ 
affekte mit mehr oder weniger ausgesprochener und allmählich 
zunehmender Drüsenschwellung bei im Anfang negativer oder nur 
ganz schwach positiver Blutreaktion und vor allen Dingen typi¬ 
scher Inkubationszeit nach einem Coitus mit Prostituierten. 

Bei einer Anzahl unserer Kranken haben wir zur Sicher¬ 
stellung der Heilung auch sogenannte provokatorische Io* 


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17. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1545 


jektionen gemacht und dabei bei jenen Kranken, die wir als 
geheilt betrachtet hatten, stets negative Resultate bekommen. Einige 
wenige Kranke haben wir nach der Kur auch lumbal punktiert und 
bei der Liquoruntersuchung normale Verhältnisse gefunden. 

Nach alledem stehen wir auch weiterhin auf dem Standpunkt, 
dass durch die Salvarsan-Quecksüberbebandlung der Syphilis in der 
von uns geübten Form bei primärer Syphilis in 95—100 pCt., bei 
sekundärer Syphilis in etwa 85 pCt. der Fälle Heilung erzielt 
wird uod wir tatsächlich berechtigt sind, anzunehmen, dass die 
Heilung dabei, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, eine 
definitive sein dürfte. 

Auch stehen wir mit unserem Urteil nicht allein, und be¬ 
sonders die soeben erfolgte letzte Publikation von Gennerich in 
der Münchener medizinischen Wochenschrift zeigt, dass man auch 
mit anderen Formen der kombinierten Salvarsan-Quecksilber- 
behandlung gleich gute Resultate wie wir erzielen kann. 

Anmerkung bei der Korrektur: E. Hoffmann-Bonn, 
welcher vor einem Jahre unsere auf Grund einer sorgfältigen 
Krankenstatistik mit aller Reserve vertretene Ansicht bezüglich 
der Dauerheilung der Syphilis durch unsere Salvarsan-Quecksilber- 
hehandlung als voreilig kritisierte und dann schon im Sep¬ 
tember 1913 auf der Naturforscherversammlung in Wien ohne 
Beibringung genaueren statistischen Materials mit einer gewissen 
Emphase die Heilbarkeit der Syphilis durch die Salvarsan Queck- 
silberbehandlung verkündete, schreibt jetzt unter Hinweis auf nur 
16 Fälle primärer Lues in Nr. 23 der Deutschen medizinischen 
Wochenschrift: „Die Salvarsaninjektionen am Beginn und Schluss 
der Qaecksilberkur nach dem Vorschlag von Scholtz gehäuft 
zu geben, ist nach meiner Erfahrung unnötig und erhöht nur die 
Gefahren der Kur“. Es ist das eine recht nichtssagende Be¬ 
hauptung, die jedes Beweises entbehrt. Haben wir doch bei der 
von ans bevorzugten Behandlung mit Altsalvarsan noch nie eine 
schwere oder dauernde Gesundbeitsschädigung bei unserer 
Salvarsankur gesehen! Wir bemühen uns einfach mit vielen 
anderen Autoren, z. B. Gennerich, durch sorgfältige Beobachtung 
die beste Behandlungaform der Syphilis zu finden. Ob das 
schliesslich die von nns jetzt angewandte Methode oder eine 
andere Form der SalvarsanbebandluDg sein wird, ist uns bei 
unserer Arbeit ganz gleichgültig. 


Ueber die diagnostische Bedeutung des Nischen- 
symptoms bei der radiologischen Magen¬ 
betrachtung. 

Von 

Stabsarzt Dr. Strangs. 

An dieser Stelle bat Faulhaber eine Betrachtung über den 
diagnostischen Wert des Sechsstundenrestes bei pylorusfernem 
Magengeschwür veröffentlicht und dabei hervorgehoben, dass er 
in allen Fällen von pylorusfernem Ulcus ventrieuli eine Nischen¬ 
bildung bei der Röntgenuntersuchung gefunden habe. Faulhaber 
knüpft daran die Bemerkung, „um so befremdlicher muss es nach 
obigem anmuten, wenn in jüngster Zeit Strauss das Nischen¬ 
symptom für sehr selten und in den meisten Fällen für einen 
Beobachtungsfehler erklärt“. Die Faulhaber’sche Ausführung 
nötigt mich, zu dieser äusserst strittigen Frage der Magenradio¬ 
logie das Wort zu nehmen. 

Das Nischensymptom wurde zuerst von Reiche beobachtet 
and beschrieben, fand indessen eine allgemeine Beachtung damals 
nicht. Erst durch die unabhängig voneinander gemachten Beob¬ 
achtungen von Haudek und Faulbaber wurde das Interesse 
aller Röntgenologen auf dieses Symptom hingelenkt. Die Be¬ 
schreibung des Nischensymptoms fehlt heute in keinem Lehrbuch, 
nnd es hat sich, namentlich in den der Radiologie ferner stehenden 
Kreisen, die Ansicht berausgebildet, dass das Nischensymptom za 
don alltäglichsten Erscheinungen gehört und bei jedem Fall von 
Mageoulcus nacbzuweisen wäre, eine Auffassung, die ich stets bei 
ärztlichen Fortbildungskursen vernehme. 

Handek hat das Nischensymptom in vielen Hunderten von 
Fällen beobachtet, sein Vorkommen ist in Wien ein ganz allge¬ 
meines, Faulhaber hat es in allen zur Operation gelangten 
Fällen vorher festgestellt und seine Diagnose durch die Operation 
bestätigt gefunden. Gegenüber der Darstellung von Haudek und 
Faulhgber, der beute die Allgemeinheit folgt, betonte ich nun, 
dass das Nischensymptom ausserordentlich selten ist, und bin bis 


jetzt noch nicht in der Lage, diesen Standpunkt zu ändern. An¬ 
gesichts dieser ausserordentlichen Gegensätze sind zur Erklärung 
nur 3 Möglichkeiten gegeben: 1. Die Eigenart der Geschwürs¬ 
bildung am Magen ist eine regionär verschiedene, der südliche 
Teil Deutschlands verhält sich anders als der nördliche. Dieser 
Satz mag vielleicht beim ersten Augenblick befremden, aber ebenso 
wie die Carcinomstatistik uns hier ausserordentliche Verschieden¬ 
heiten zeigt, wie fernerhin der Salzsäuregehalt des Magensaftes 
regionäre Differenzen aufweist, so wäre es auch hinsichtlich der 
Geschwürsbildung möglich. 2. Es herrscht im Terminus technicus 
keine Uebereinstimmung, indem der eine Beobachter irgendeine 
substantiierte Erscheinung am Magen als Nische deutet, die von 
einem anderen nicht als solche angesprochen wird. 3. Es liegen 
Beobachtungsfebler vor. 

Dass Beobachtungsfehler möglich sind, hat Faulhaber in 
seiner „Röntgendiagnostik der Magenkrankheiten“ selbst zugegeben 
und den Zusatz gemacht, dass sie ihm selbst aber nicht passiert 
sind. Ich kann Faul haber hier erwidern, dass diese Beobachtungs¬ 
fehler indessen häufiger sind, als man denkt. Erst jüngst habe 
ich gesehen, dass ein ganz hervorragender Kenner der Materie 
auf Grund eines Nischensymptoms ein callöses Ulcus an der kleinen 
Curvatur an nahm, während die Operation einen absolut normalen 
Magenbefund ergab. Es kommen also auch bei genauer Kenntnis 
der Untersucbnngstecbnik solche Beobachtungsfehler vor, und was 
oftmals nun gar erst von weniger Geübten als Nische angesprochen 
wird, sind Adhäsionen, Kontrastpartikel im Dünndarm oder 
gar nur physiologische Verhältnisse. Nun kann aber das Vor¬ 
kommen von Beobachtungsfehlern im vorliegenden Falle nicht 
zur Widerlegung Faulhaber’s herangezogen werden, denn Faul¬ 
haber berichtet ja nur über operierte Fälle, und ist so in der 
Lage, für die Zuverlässigkeit seiner Angaben den Beweis zu er¬ 
bringen. Auch Haudek versicherte mir auf dem diesjährigen 
Röntgenkongress, dass ihm zahlreiche operative Ergebnisse zur 
Stütze seiner Ansicht zur Verfügung stehen. Es trifft also für 
diese Antoren der Beobachtungsfebler sicherlich nicht zu. 

Bleibt also die regionäre Verschiedenheit und die Differenz 
im Terminus technicus übrig. 

Zur regionären Verschiedenheit möchte ich nun folgendes 
sagen: Die von mir beobachteten, chirurgisch behandelten Ulcera 
sind vorwiegend am Pylorns lokalisiert gewesen, hatten also einen 
Sitz, von dem Faulhaber selbst auf Seite 46 seines erwähnten 
Buches sagt, dass hier das callöse Ulcus ein Nischensymptom 
nicht aufweise. Ich fand dasselbe in diesen Fällen auch nie nnd 
befinde mich also vollständig mit Faulhaber in Uebereinstimmung, 
Ich halte es gar nicht für unwahrscheinlich, dass eben das pylorus- 
ferne Ulcus im südlichen Deutschland häufiger ist als im Norden. 

Was nun die Differenz im Terminus technicus betrifft, so 
scheint eine solche hier sogar eine ziemliche Rolle zu spielen. 
Ich bezeicbnete als Nischensymptom bis jetzt immer nur ein 
solches, das man im gewöhnlichen Spracbgebrauche ein führendes 
Symptom nennt. Wenn ich an einer Stelle der kleinen Curvatur 
den pilzartigen Vorsprung im Sinne der Re ich e’schen Darstellung 
finde, so deute ich dies — die Wahrung gewisser technischer 
Kautelen vorausgesetzt — als Nische. In allen Fällen aber, in 
denen der Nischenvorsprung mit einem organischen Sanduhrmagen 
vergesellschaftet ist, betrachtete ich bis jetzt den Sandubrmagen 
als das führende Symptom. Dass allerdings das callöse Ulcus, 
das im Röntgenbild die Nische verursacht, ätiologisch für das 
ganze Krankheitsbild verantwortlich zu machen ist, kann nicht 
bestritten werden. Insofern pflichte ich auch Haudek bei, wenn 
er überhaupt einer anderen Nomenklator beim Sandubrmagen das 
Wort redet, und ich gebe dann absolut zu, dass das Nischen¬ 
symptom, wenn ich die Fälle von nacbgewiesenem Sanduhrmagen 
mit callöser Nische den Nischenfälle zuzäble, allerdings nichts 
Seltenes ist. Der Nachteil dieser Betrachtung liegt meines Er¬ 
achtens aber darin, dass man daun die Nische als führendes 
Symptom bezeichnet, während tatsächlich Nische -|- Sandubrmagen 
vorhanden ist. Auf jeden Fall — mag man nun die Nische oder 
den Sanduhrmagen als den das Krankbeitsbild beherrschenden 
pathologischen Zustand ansehen — liegen diese Fälle diagnostisch 
so absolut einfach, dass sie ausserhalb aller Diskussion stehen. 
Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes gebe ich gern zu, 
dass man die Nische beim pylorusfernen Ulcas sehr selten vermisst. 

Was nun die Häufigkeit der Nische betrifft, so bin ich — 
wenn ich selbst in allen Punkten Haudek und Faulhaber so¬ 
weit entgegenkomme als nur möglich — nicht in der Lage, meine 
Ansicht zu ändern. Die Nische ist nichts Häufiges, keioesfalls 
etwas Alltägliches. Auch Faulhaber’s Veröffentlichung spricht 

3 


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UMIVERSITY OF IOWA 






1646 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 33. 


mehr gegen als für ein häufiges Vorkommen, denn die 18 Fälle, 
von denen er spricht, sind doch nur eine kleine Ziffer. Die 
Bedeutung der Faulbaber’schen Mitteilung liegt in dem strikten 
Nachweis des steten Auftretens der Nische bei pylorusfernem Ulcus, 
sicherlich eine sehr wichtige und ausserordentlich wertvolle Be¬ 
kundung, da es sich nur um autoptisch kontrollierte Fälle handelt. 
Hinsichtlich der Masse aber kann Faulbaber’s Angabe mich nicht 
überzeugen, denn 18 Beobachtungen, die sieb, wie ich annehme, 
auf einen Zeitraum von 4—6 Jahren erstrecken, sind ebenso ein 
Belag für meine Auffassung von der relativen Seltenheit der Nische, 
wie die Veröffentlichung Schüller’*, der unter 1200 Beobachtungen 
auch nur 5 Nischen gesehen hat. Die Haudek’sche Nische ganz allein 
— ohne begleitenden Sanduhrmagen — habe ich nur ganx selten 
beobachtet, und es wäre eine ziffernmässige Angabe sicherlich 
von allgemeinem Interesse, wenn Faulbaber einmal mitteilen 
wollte, wie oft er solche Fälle gesehen hat, die er auf S. 41 und 
42 seines Baches und den Figuren 1, 2, 3 und 5 der Tafelabbil- 
dungen wiedergibt 1 ). In meinem Beobachtungsmaterial sind solche 
Fälle Raritäten, und ich habe bis jetzt bei der Operation es noch 
nie erlebt, dass sich ein pylorusfernes Ulcus gefunden hat, das 
ich übersehen hätte. Es kann also eine mangelhafte Beobachtung 
meinerseits nicht die Ursache sein. Dass man allerdings mit der 
Verwendung des Operationsbefundes vorsichtig sein soll, bewies 
mir jungst ein sehr drastischer Fall. Ich fand bei einem Kranken 
an der kleinen Curvatur eine bochsitzende Haudek’scbe Nische 
und diagnostizierte daraufhin ein Magenulcus, eine Diagnose, die 
mit den Ansichten der Internisten im Widerspruch stand. Bei der 
Operation wurde der Magen intakt gefunden, und noch an dem¬ 
selben Tage besprach der betreffende Internist den Fall in einer 
ärztlichen Gesellschaft, betonte die Unzuverlässigkeit der Radio¬ 
logie uud die Ueberlegenbeit der klinischen Uutersuchungsmethoden. 
Nach einigen Tagen verschied der Kranke an einer intercurrenten 
Erkrankung. Der Prosektor fand nun tatsächlich 7 cm unter der 
Cardia das callöse Ulcus, das sich bei der Operation der Fest¬ 
stellung entzogen hatte. 

Ich möchte nach all dem Mitgeteilten zusammenfassend sagen: 

1. Das Nischensymptom ist, sobald es vorhanden ist und 
ein Beobachtungsfehler nicht vorliegt, absolut beweisend für das 
callöse Ulcus* 

2. Es kommt ihm beim pylorusfernen, callösen Ulcus eine 
sehr hohe Bedeutung zu, beim Ulcus simplex spielt es keine Rolle. 

3. Als reines Symptom — also ohne gleichzeitig vorhandenen 
Sanduhrmagen — ist es sehr selten. 

4. Die Nische ist meistens beim penetrierenden Ulcus vor¬ 
handen, doch kann man sie gelegentlich auch bei ganz kleinen 
callösen Ulcera ohne penetrierenden Charakter beobachten. 


Aus dem medizinisch-poliklinischen Institut der Uni¬ 
versität Berlin (Direktor: Geheimer Medizinalrat 
Prof. Dr. Goldscheider). 

Zur Diagnose der beginnenden sekretorischen 
Insuffizienz des Magens. 

Von 

Dr. M. Ehrenreieh - Bad Kissingeo. 

In ungezählten Abhandlungen und Lehrbüchern finden sich 
Erörterungen über die Frage, welche diagnostische Bedeutung 
dem Vorhandensein oder Fehlen der freien Salzsäure beim Magen- 
carcinom zukommt. Trotzdem diese Frage nunmehr seit 
35 Jahren im Anschluss au v. d. Velden’s 2 ) Mitteilung ventiliert 
wird, und die namhaftesten Autoren das Wort dazu ergriffen 
haben, ist sie bis jetzt noch nicht in allseitig befriedigender 
Weise entschieden worden, ja es scheint, als ob man neuerdings 
von der Wahrheit weiter denn je entfernt sei, nachdem einige 
Publikationen der neuesten Zeit dem Verhalten der HCl jegliche 
diagnostische Bedeutung überhaupt absprecheu. Dieser Wider¬ 
streit der Meinungen ist um so erstaunlicher, als es sich um eine 
Frage handelt, deren Lösung doch ausserordentlich einfach zu 
sein scheint. Es ist nicht schwer, die Ursache für die an¬ 
scheinend vorhandenen Schwierigkeiten anzugeben. Sie liegt 


1) Nach einer in den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie, 
XXVIII, 1 erschienenen Arbeit von Faulhaber und Redwitz scheint 
sich diese Beobachtung auf 12 Fälle zu stützen. 

2) R. von den Velden, Zschr. f. klm. M., 1870, S. 369. 


darin, dass die Frage an sich fatsch gestellt ist und daher in 
dieser Form nur schwer oder gar nicht restlos beantwortet werden 
kann. 

Wenn man auf freie Säure untersucht, so tut man dies doch 
zu dem Zweck, sich über den Zustand der sekretorische Funktion 
zu informieren, da man weiss, dass diese durch die Entwicklung 
des Carcinoms stark beeinträchtigt wird. Nun ist es aber 
durchaus falsch, aus dem Vorhandensein oder Fehlen der freien 
Säure in jedem Falle Schlüsse auf ein gleichsinniges Verhalten 
der sekretorischen Funktion ziehen zu wollen. Denn einmal 
kann diese trotz vorhandener freier HCl aufs schwerste geschädigt 
sein, oder sie kann umgekehrt ganz intakt sein, obwohl freie 
HCl nicht gefunden wird (bei Absättigung durch neutralisierende 
Substanzen wie Schleim, zurückgeflossenen Duodenaliobalt u. dgl.). 
Ferner ist das Auftreten freier Säure in hohem Grade abhängig 
von der Art der gereichten Probemahlzeit, und der Zeit nach 
welcher diese ausgehebert wird. In diesen Punkten wird jedoch 
durchaus nicht von allen Untersuchern einheitlich vorgegangen. 
Aber selbst wenn immer die gleiche Mahlzeit gereicht und stets 
nach gleicher Zeit ausgehebert werden würde, so gäbe das Ver¬ 
halten der freien Säure dennoch keinen Maassstab für die Be¬ 
urteilung der sekretorischen Funktion ab. Denn das Versiegen 
der Magensaftsekretion ist doch kein plötzlicher, sondern ein 
langsam im Verlauf längerer Zeit sich vollziehender Vorgang, 
uud das Verschwinden der freien HCl bildet in diesem Prozess 
nur eme Etappe, die überdies nicht weit von dessen Endstadium 
liegt. Es ist absolut kein Grund vorhanden, der uns berechtigen 
könnte, gerade dieser Phase im Ablauf der ganzen Erscheinung 
eine besondere diagnostische Bedeutung beixulegen. Das Wieder¬ 
aufleben des Streites um den diagnostischen Wert der freien 
Säure zeigt im Gegenteil, zu welcher Verwirrung die einseitige 
Beachtung dieses aus dem Gesamtbild der Sekretiousstörung 
herausgegriffenen Moments führt. Offenbar sieht man jetzt mehr 
Carcinome mit freier HCl im Mageninhalt als früher. Das 
kommt natürlich daher, dass mau durch die diagnostischen Fort¬ 
schritte der letzten Zeit — insbesondere durch Boas’ Lehre von 
den okkulten Blutungen, und die von Rieder, Holzknecht u.a. 
inaugurierte röntgenologische Magendiagnostik — heutzutage in 
der Lage ist, das Mageucarciuom in einem früheren Stadium zu 
diagnostizieren als vordem. Infolgedessen sieht man eben auch 
mehr Carcinome, bei denen die Sekretion noch wenig geschädigt, 
also freie HCl noch vorhanden ist. Die Häufung solcher Fälle 
hat einige Autoren zu dem Irrtum geführt, dass die Prüfung des 
Mageuchemismus für die Diagnose belanglos sei. Aus alledem 
folgt, dass, wenn wir funktionelle Diagnostik treiben wollen 
— was beim Mageucarcinom auf alle Fälle berechtigt ist —, 
wir bestrebt sein müssen, die funktionelle Schädigung bereits in 
ihren Anfängen zu erkennen, nicht erst in ihrem Eodstadium. 

Die richtige Fragestellung lautet also nicht: in welchem 
Prozentsatz der Fälle fehlt beim Magencarcinom die freie HCl? 
sondern — da das Wachstum des Carcinoms stets mit einer Zer¬ 
störung der sezernierenden Drüsen einhergeht — in welchem 
Prozentsatz der Fälle können wir die Beeinträchtigung der 
sekretorischen Funktion, auch leichterer Grade, erkennen und 
diagnostisch verwerten? 

Die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass wir über 
Methoden verfügen, mit deren Hilfe es möglich ist, die motorische 
Insuffizienz bereits in ihren Anfängen zu diagnostizieren. Nichts 
zeigt besser, wie wenig GedaDkengänge, wie der eben dargelegte, 
den auf diesem Gebiete tätigen Autoren geläafig waren, als der 
Umstand, dass bisher fast gar keine Versuche zur Schaffung einer 
derartigen Methode unternommen wurdeo. Als einziger hat 
Gluziüski 1 ) vor 12 Jahren Untersuchungen nach dieser Richtung 
angestellt; seine Methode, auf die wir noch zurückkommen 
werden, fand jedoch keinen Eingang in die allgemeine Praxis. 
Ausser ihm wäre noch Albu 2 ) zu nennen, der darauf hingewiesen 
hat, dass ein stäodiges Zurückgehen der Säurewerte bei längerer 
Beobachtung auf die Entwicklung eines Carcinoma hindeute, ein 
Symptom, dessen Richtigkeit von Boas bestätigt wurde, dessen 
Nachweis aber mit dem Verlust kostbarer Zeit verbunden ist, so 
dass wir uns seiner nur faute de mieux bedienen. 

Die solchergestalt vorhandene Lücke in unserem diagnosti¬ 
schen Rüstzeug veranlasst uns, auf eine Beobachtung zur “® 
zukommen, die sich gelegentlich einer klinischen Studie über 


1) A. Gluzinski, Mitt. Grenzgeb., Bd. 10, H. 1. — 
1912, S. 553. 

2) Albu, D.m.W., 1906, Nr. 52. 


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17, August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1547 


operative Magenfälle von Scb mieden, Ehrmann 1 ) und mir ergab, 
und die zeigt, dass es bereits mit den jetzt gebräuchlichen 
Methoden in einer Reihe von Fällen möglich ist, die beginnende 
sekretorische Insuffizienz zu erkennen, und deren weiterer Ausbau 
zu einer für sämtliche Fälle brauchbaren Methode zu fuhren ver¬ 
spricht. Bei unserer Arbeit hat sich nämlich ergeben, dass die 
Vergleichung der Säurezahlen des Nüchternrestes mit denen des, 
nach dessen Entleerung gegebenen, Probefrühstücks ein grund¬ 
sätzlich verschiedenes Verhalten beim Carcinom einerseits und 
den ulcerösen und postulcerösen Erkrankungen andererseits offen¬ 
barte. Bei den letzteren waren die Säurezahlen des Probefrüh¬ 
stücks im allgemeinen grösser oder doch mindestens ebenso gross 
als die des Restes, beim Carcinom dagegen war in den aller¬ 
meisten Fällen das umgekehrte Verhalten zu konstatieren, auch 
in dem Falle, der mit gesteigerter Sekretion einherzugehen schien. 
Wir bringen hier nochmals die betreffende Tabelle. (Siehe Tabelle 1.) 


Tabelle 1. 


Name 

Diagnose 

Im Nüchtern¬ 
inhalt 

HCl | G.-A. 

Nach Probe¬ 
frühstück 

HCl | G.-A. 

H. Ha. 

Ulcus duodeni . 

36 

44 

56 

64 



19 

32 

64 

86 

A. B. 

Ulcus duodeni et pylori . . 

42 

46 

80 

104 

A. Hi. 

Ulcus pylori. 

56 

80 

41 

59 

A. Me. 

Ulcus pylori. 

19 

32 

38 

53 

F. Do. 

Ulcus pylori ...... 

0 

? 

30 

42 

Du. 

Ulous pylori. 

20 

40 

28 

; 36 

A. Wu. 

Ulcus ventriculi. 

4 

12 

16 

, 44 



40 

50 

35 

47 

Scb. B. 

Carcinom der kleiuen Curvatur 

82 

108 

72 

94 

E. Sch. 

Carcinom der kleinen Curvatur 

0 

68 

0 

28 

M. Bau. 

Carcinom des Pylorus . . . 

28 

48 

30 

50 

Kr. 

Carcinom des Pylorus und der 






kleinen Curvatur .... 

16 

52 

0 

12 

Ag. K. 

Caroinom des Pylorus und der 






| kleinen Curvatur.... 

0 

72 

0 

i 36 

H. Sa. 

Carcinom der kleinen Curvatur 

32 | 

82 

0 

1 28 


Wie haben wir nun die Erscheinung, die in dieser Tabelle 
zum Ausdruck kommt, zu deuten? Die Erklärung ist nicht schwer. 
Wir wissen, dass der Nuchternrest auf die Magenschleimhaut als 
ein adäquater Sekretionsreiz wirkt. Wenn wir also den Rest 
aashebern und dann den Magen mit dem Probefrühstück beschicken, 
so reizen wir nicht — wie das sonst der Fall ist, wenn wir ein 
Probefrübstück in einen nüchtern leeren Magen geben — einen 
ausgernhten Magen znr Sekretion, sondern einen solchen, der bis 
zu diesem Moment bereits einem Sekretionsreiz unterworfen war. 
Wir nehmen also zwei Reizungen nacheinander vor. Da ist es 
denn nicht weiter auffallend, dass der ohnehin schon zur Ueber- 
prodnktion von Saft neigende Ulcusmagen anf den zweiten Reiz 
eine andere Antwort gibt, als der Carcinommagen, sobald dessen 
sekretorischer Apparat auch nur eine geringe Schädigung bereits 
erlitten hat. Dies zeigt unsere Tabelle, und wir ziehen daraus 
den Schluss, dass es gelingt, durch zwei hintereinander 
gesetzte Sekretionsreize schon geringe Grade sekre¬ 
torischer Insuffizienz manifest zu machen. 

Wollen wir das geschilderte Verhalten diagnostisch nutzbar 
machen, so müssen wir zunächst feststellen, bis zu welchem Grade 
es konstant gefunden wird, da sich ja schon aas unserer Tabelle 
ergibt, dass Ausnahmen Vorkommen. Als ganz einwandsfreies 
Material können nur durch Autopsie kontrollierte Fälle gelten. 
Wir verfügen über 4 weitere, durch Operation bestätigte Fälle, 
die eine gute Uebereinstimmung mit denen der Tabelle 1 zeigen. 


Tabelle 2. 


Name 

Diagnose 

Im Nücbtern- 
rest i 

HCl | G.-A. 

Nach Probe¬ 
frühstück 

HCl j G.-A. 

A. Ha. 

Pylorusstenose durch periton. 
Strangulation. Katarrh 

0 

l 

i 

1 20 

30 

1 

1 

i 50 

M. Kl. 

Pylorusstenose, Ulcus ventr. . 

40 

i 58 

40 

62 

F. Ka. 

Ulcus pylori. 

18 

1 30 

12 

32 

S. Bo. 

Pyloruscarcinom. 

20 

i 52 

12 

35 


Ä 1) Schmieden, Ehrmann und Ehrenreicb, Mitt. Grenzgeb., 
Bd. 27, S. 479. 


Spricht somit alles dafür, dass unser Befand nicht das Produkt 
gehäufter Zufälle ist, so haben wir uns doch durch oft wieder¬ 
holte Ausheberungen von Patienten, bei denen eine Operation 
nicht in Frage kam, und die daher in unserer Tabelle nicht auf¬ 
geführt sind, davon überzeugt, dass die Resultate noch nicht die 
wünschenswerte Konstanz haben and Ausnahmen immerhin noch 
za häufig Vorkommen, als dass es ohne weiteres angäDgig wäre, 
in jedem Falle einfach ans dem Verhältnis der Säurewerte im 
Rest zu denen im Probefrübstück die Entscheidung über den be¬ 
nignen oder malignen Charakter der Stenose zn treffen. Wir 
haben ans bemüht, die Ursachen dieser Inkonstanzen zu eruieren, 
and bis jetzt gefunden, dass die Menge der festen Reste nicht 
gleichgültig ist. Ist sie zu gross, so erschöpft der Rest die 
Sekretion in einem Maasse, dass der zweite Reiz auch beim Ulcus 
eine mindere Sekretion bewirken kann als der Reiz des Restes. 
Ist sie andererseits zu klein, so bewirkt gelegentlich der Rest 
eine zu unerhebliche Sekretion, als dass durch das folgende Probe¬ 
frühstück eine sehr geringfügige sekretorische Insuffizienz genügend 
in die Erscheinung treten könnte. Es scheint nach unseren bis¬ 
herigen Beobachtungen, dass das Resultat am einwandfreiesten zu 
verwerten ist, wenn die Menge der festen Rückstände ungefähr 
denen des Probefrühstücks gleichkommt, oder um ein Geringes 
hinter ihnen zurückbleibt, worauf man bei der öfteren Wieder¬ 
holung der Untersuchung, die ja au sich schon geboten ist, bis 
zu einem gewissen Grade einen Einfluss ausznüben in der Lage ist. 

Andere Fehlerquellen wird die Zukunft vielleicht noch auf¬ 
decken. Man wird sich durch sie zu einer Fehldiagnose so leicht 
nicht verleiten lassen, wenn man nicht rein schematisch die 
Säurezahlen miteinander vergleicht, sondern auch andere Faktoren, 
wie die Saftschicht, den Grad der Chymifikation, etwa vor¬ 
handenen Rückflass aus dem Duodenum, u. dgl. m. kritisch be¬ 
achtet, um eine leichte sekretorische Insuffizienz des Magens als 
solche zu erkennen, oder eine Beeinflussung der Sekretion im 
Sinne einer Reizung für die Diagnose eines Ulcus zu verwerten. 

Diese Untersuchung eignet sich jedoch nur für motorisch 
insuffiziente, ihren Inhalt abnorm lange retinierende Mägen, d. b. 
also nur, wenn eine gut- oder bösartige Pylorusstenose vorliegt. 
Es besteht aber ausserdem das Bedürfnis znr Erkennung der be¬ 
ginnenden sekretorischen Insuffizienz auch in jenen Fällen, bei 
denen das Carcinom nicht am Pylorus sitzt. Zur Schaffung 
einer für derartige Fälle geeigneten Methode werden wir uns 
unserer Beobachtung erinnern, dass die sekretorische Insuffizienz 
durch zwei hintereinander applizierte Sekretionsreize manifest ge¬ 
macht werden kann. Mit der Ansarbeitang einer Methode auf 
dieser Basis sind wir noch beschäftigt. 

Nun noch ein paar Worte über die einzige bis jetzt zum 
Nachweis geringerer Grade von sekretorischer Insuffizienz erdachte 
Methode, die von Gluzinski. Er gab an, ein Verfahren ge¬ 
funden zu haben, mit dessen Hilfe es in jedem Falle von Pylorus¬ 
stenose gelinge, festzastellen, ob es sich um einen gutartigen 
oder carcinomatÖ8en Prozess am Pylorus bandle. Sein Vorgehen 
ist folgendes: zuerst wird der Nüchternrest ausgehebert und der 
Magen gründlich mit Wasser ausgespült. Dann wird ein aus 
Hühnereiweiss bestehendes Probefrühstück gereicht und nach 
a / 4 Stunden wieder ausgehebert. Hierauf wird eine Probemabl- 
zeit gegeben, die nach 4 Stunden wiedergewonnen wird. Alle 
diese drei Proben müssen an ein und demselben Tage vorgenommen 
werden. Fehlt in einer der drei ausgeheberten Proben freie HCl 
oder ist sie nur schwach positiv, so liegt nach Gluzinski stets 
Carcinom vor. Das stimmt nnn aber sicher nicht. Es ist doch 
allgemein anerkannt,, dass auch bei ulcerösen Erkrankungen 
gelegentlich ein vollkommenes Darniederliegen der Sekretion be¬ 
obachtet wird, und es kommt ferner anch bei erhaltener Sekretion 
beim Ulcus nicht allzu selten vor, dass im Nüchterninbalt keine 
freie HCl vorhanden ist. Schmieden, Ehr mann und ich 
haben bei sieben benignen Pylorusstenosen zweimal ein derartiges 
Verhalten gesehen. Bei dem Falle A. Ha. der Tabelle 2 fehlte 
die freie HCl wochenlang im Nüchternrest. Auch in der Lite¬ 
ratur finden sich derartige Fälle von Ulcus beschrieben, die alle 
nach Gluzinski’s Argumentation als Carcinome hätten dia¬ 
gnostiziert werden müssen, ohne es zu sein. Trotz dieser auf der 
Hand liegenden Unrichtigkeit kam doch Fonio 1 ), der die Methode 
von Gluzinski an einem grösseren Material nachprüfte, zu einem 
für diese günstigen Resultat. Fonio hat es allerdings vermieden, 
den durch falsche Voraussetzungen entstandenen Fehlschlüssen 
Gluzinski 1 » zu folgen, und hat den richtigen Kern der Methode 


1) Fonio, D. Zsohr. f. Chir., Bd. 116, S. 76. 

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UNIVERSUM OF IOWA 











1548 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 33. 


herauszuscbälen verstanden. Statt des Eiweissfröbstöckes nahm 
er, dem Vorschlag Kocher’s folgend, das E wald-Boas’acbe 
Probefrühstuck nnd legte den Hauptwert darauf, ob die Säure¬ 
werte der drei aufeinander folgenden Mahlzeiten eine steigende 
oder fallende Richtung zeigten. Das leiztere Verhalten spricht 
nach ihm für Carcinom. Ein anderer Nachuntersucber, Ruska 1 2 ), 
kam allerdings zu entgegengesetzten Resultaten. Es muss also 
vorläufig offen bleiben, ob das modifizierte Gluzinski'sche Ver¬ 
fahren sich als eine brauchbare] Methode zur Erkennung der 
Frühstadien der sekretorischen Insuffizienz erweisen wird. Das 
Verdienst Gluzinski’s bleibt es jedenfalls, dass er als erster 
die Notwendigkeit einer solchen Methode erkannt und auf ihre 
Ausarbeitung hingearbeitet hat. 

Zusammenfassung: Nicht die Frage, ob freie HCl vor¬ 
handen ist oder fehlt, ist für die Differentialdiagnose zwischen 
Ulcus und Carcinom von Wichtigkeit, sondern die, ob die sekre¬ 
torische Funktion als Ganzes im Sinne einer Reizung oder 
Lähmung verändert ist. 

Das Frühstadium der sekretorischen Insuffizienz kann man 
beim Pyloruscarcinom oftmals aus dem Verhältnis der Säure¬ 
zahlen des Nüchternrestes zu denen des Probefrühstücks erkennen. 

Für Fälle mit pylorusfernem Carcinom muss eine geeignete 
Methode zur Erkennung der Anfangsstadien der Sekretions¬ 
schädigung noch gefunden werden. Als dafür gangbarer Weg er¬ 
scheint die Anwendung des Verfahrens der zweimal nacheinander 
vorzunehmenden Reizung des sekretorischen Apparates. 


Ein Fall von Neuritis postdiphtherica.-) 

(Kurze Mitteilung.) 

Von 

P. Friedlaender. 

Gestatten Sie mir, m. H., dass ich Ihnen über einen Fall 
von Polyneuritis oder Neuritis nach Diphtherie berichte, den ich 
an mir selbst zu beobachten Gelegenheit hatte. 

Ich behandelte am 15. und 16. Mai vorigen Jahres zwei Kinder 
wegen Diphtherie in der üblichen Weise und bemerkte am 19., also drei 
Tage später, abends, dass ich eine kleine Drüsenscbwellung an der 
linken Halsseite hatte. Am selben Abend wurde ich von Schüttelfrost 
befallen, und am 20. Mai wurde ein Belag der linken Mandel von dem 
hinzugezogenen Kollegen konstatiert. Der Kollege hielt die Infektion 
zuerst für eine Mischinfektion. Nach einigen Tagen, am 22. und 
23. Mai, wurde die Affektion als Diphtherie angesprochen, und zwei Ein¬ 
spritzungen, jedesmal von 1500 Einheiten, gemacht. Die Diphtherie hatte 
sich über den ganzen Gaumen, die beiden Tonsillen, den Racheneingang 
bis hinunter zum Kehlkopfeingang entwickelt. Die Nase blieb frei. Die 
Maximaltemperatur war 39,2°, der Puls zwischen 90 und 100 und 
darüber. Die Affektion war eine durchaus schwere, hin und wieder 
traten Collapszustände ein, der Puls setzte aus. Es fand eine zwei¬ 
malige Applikation von Digalen statt. Ich möchte dabei bemerken, 
dass diese Einspritzungen, die natürlich ganz aseptisch ausgeführt 
wurden, ausserordentlich schmerzhaft waren und jedesmal ein An¬ 
schwellung am Arm bervorriefen. 

Im Drin war niemals Eiweiss, das Allgemeinbefinden, der schweren 
Iafektion entsprechend, wenig gut, Schlaflosigkeit und ziehende Schmerzen 
in den unteren Extremitäten, die allerdings auf die Darreichung von 
kleinen Dosen Aspirin verschwanden oder wenigstens nachliessen. 

Die Diät war sehr kräftig. Es wurde Wein und alles mögliche ge¬ 
reicht. Nach drei Wochen waren die lokalen Erscheinungen geschwunden. 
Doch blieb eine auffallende Empfindlichkeit im Gaumen, die Empfindung, 
als wenn die Uvula immer noch aufläge, das Gefühl, als wenn ein Woll- 
faden im Munde wäre, das mich bei allen Schluckbewegungen besonders 
peinigte. 

Am 19. Juni, also ungefähr nach vier Wochen, fuhr ich zur Er¬ 
holung nach Warnemünde. Hier wurde ich am 20. Juni, am Tage nach 
meiner Ankunft, auf einem Spaziergang nach der Mole von einem sehr 
heftigen Schmerz in der Sacralgegend befallen. Ich hielt das zuerst für 
einen Hexenschuss. Allein der Schmerz war in ganz kurzer Zeit so 
intensiv geworden, dass ich nur mit Mühe nach dem 5 Minuten entfernten 
Hotel zu gehen vermochte. Nach 1 g Aspirin Hessen die Beschwerden 
nach, ich konnte schlafen, und am anderen Morgen hatte ich nur ein 
dumpfes Gefühl in der Lenden- und Kreuzbeingegend. Vielleicht 7 
oder 8 Tage später, am 27. Juni, also in der fünften Woche ungefähr 
nach der Infektion, bemerkte ich beim Gehen ein pelziges Gefühl in 
der linken Fusssohle und Ameisenkribbeln. Dieses Gefühl verschärfte 


1) Ruska, Schweiz. Korr. Bl., 1913, S. 1498. 

2) Vortrag, gehalten in der Sitzung der Berliner medizinischen 
Gesellschaft vom 29. April 1914. 


sieh in den nächsten Tagen, nach 3 Tagen trat dasselbe Gefühl auch 
auf der rechten Fusssohle auf. Ich bemerkte, dass meine linke Hand 
beim Spreizen der Finger und Greifen etwas schwerfälliger war und 
konnte damals schon die Diagnose Polyneuritis stellen. Ich hatte aber 
noch niemals einen Fall von Polyneuritis nach Diphtherie gesehen 
und war in dem Glauben, dass das Leiden nach einigen Wochen ver¬ 
schwinden würde. 

Der Gang wurde von Tag zu Tag unsicherer, ich taumelte, und es 
entwickelte sich allmählich eine Ataxie mit Verlust des Kniephänomen¬ 
reflexes. 

Am 7. Juli kehrte ich nach Berlin zurück; ich war nicht mehr 
fähig, zu gehen, und die Ataxie nahm von Tag zu Tag zu. Mit Mühe 
konnte ich in das Eisenbahnabteil kommen. Die Nacht verlief sehr 
schlecht. Die Schmerzen in den Beinen waren ganz unerträglich. Am 
anderen Morgen bzw. einen Tag später nahm ich die liebenswürdige 
kollegiale Hilfe der Herren Professoren Bernhardt und His in An¬ 
spruch, die die Diagnose Neuritis postdiphtherica bestätigten. 

Die Ataxie nahm von Tag zu Tag zu, und die Schmerzen wurden 
immer heftiger. Sie wurden bekämpft mit Morphiumeinspritzungen 
von 0,02. Besonders in der Nacht hatte ich damals das eigentümliche 
Gefühl, dass ich nicht wusste, wo meine Beine waren. Am 20. Juli trat 
bei dem Versuch, das Klosett zu besuchen, ein Vorfall des Mastdarms 
ein, der unter Blutungen allmählich zurückgebracht wurde. Von zwei 
Personen gestützt, wurde ich mit Mühe und Not ins Bett gebracht und 
verblieb von da an im Bett bis zum 29. Juli, an welohem Tage ich das 
Sanatorium in Neubabelsberg, das von dem Kollegen Korytkowsky 
geleitet wird, aufsuchte. 

Herr Kollege His war so liebenswürdig, sich meiner besonders an¬ 
zunehmen, er hatte mir geraten, da auch meine Psyche sehr ungünstig 
beeinflusst wurde und er von einem Sanatoriumsaufentbalt sich eine 
langsame Besserung versprach, mich in ein Sanatorium zu begeben. 

Hier gingen die Störungen weiter. An dem Tage, als ich in das 
Sanatorium aufgenommen wurde, konnte ich mit Mühe und Not noch 
essen. Am nächsten Tage hörte auch das auf. Ich konnte nicht mehr 
greifen, musste gefüttert werden, konnte meine Lage überhaupt nicht 
mehr verändern und hatte auffallend starke Schmerzen. Es war also 
bei diesen Lähmungserscheinungen, die sich nunmehr einstellten, das 
besonders Unangenehme, dass die Sensibilitätssphäre sehr stark ergriffen 
war. Ich wusste nicht, wo meine Beine waren, wusste nicht, wo mein 
Nabel, mein Penis war, batte den Ortssinn vollkommen verloren und 
die Empfindung, als wenn die Fersen und die Gegend des Kreuzbeins 
durcbgelegen wären. Decubitus war aber niemals entstanden. 

Die Störungen von seiten des Mastdarmes waren Behr unangenehm. 
Es bestand zwar keine absolute Sphincterlähmung, aber es war nur mit 
Unterstützung von zwei Personen möglich, mich so zu lagern, dass die 
Defäkation überhaupt vor sich gehen konnte. Die Arme konnten zum 
Teil noch erhoben werden, aber ein Greifen mit den Fingern war aus¬ 
geschlossen. Störungen von seiten der Blase waren nicht da. Sehkraft, 
Gehör, Schluckbewegungen normal. Die Sprache etwas rauh und heiser. 
Immer das peinliche Gefühl im Munde und Gaumen, als wenn ich einen 
Wollfaden hätte. Der Puls war normal, es bestand aber Präcordial- 
angst. Bei Gewitterneigung geriet ich in auffallende Erregung. 

Der Höhepunkt der Krankheit wurde ungefähr Mitte August erreicht. 
Ich konnte bis dabin, wie gesagt, keine Bewegungen machen. Erst am 
20. August hatte ich die Freude, konstatieren zu können, dass ich eine 
ganz minimale Bewegung des Gesässes vornehmen konnte. Der Appetit 
lag sehr darnieder, eine ausgesprochene Anorexie bestand nicht, aber ein 
starker Widerwille gegen Fette, Käse, Wurst und Fleisch, und dazu 
immer diese Empfindung, die mich bei allem Schlucken peinigte, das 
verlängerte Zäpfchen usw. Die Sch Weissabsonderung fehlte vollständig. 
Reflexe, Gähnen, Niesen waren verschwunden. Die Hand war eiskalt, 
fühlte sich wie eine Totenhand an, die Muskulatur atrophisch, an den 
Waden besonders, dann ausserdem an den Fingern die Interossei, der 
Abductor pollicis und der Opponens. Von den Nerven waren ergriffen 
der Peroneus, der Tibialis, die Hautnerven, Medianus, Radialis, Ulnaris. 
Der Ischiadicus selbst muss frei gewesen sein, und ich habe niemals in 
dieser Gegend Schmerzen gehabt. 

Ende August ungefähr oder Anfang September wurde eine leichte 
Besserung festgestellt, und am 10. oder 12. September gelang es mir, 
einen Stehversuch und im Anschluss daran ganz minimale Gehversuche 
zu machen, die aber nach B Wochen so weit fortgeschritten waren, dass 
ich nunmehr einen Weg von etwa 10 Minuten zurücklegen konnte. Io 
dem Augenblick, wo ich gehen konnte, waren auch die Mastd&rm- 
beschwerden geschwunden. Der Stuhlgang erfolgte in normaler Weise 
wie früher. 

Am 20. Oktober verliess ich das Sanatorium. Am 27. Oktober 
suchte ich dann Gardone auf, wo ich mich 4 Woeben bei herrlichster 
Sonne in ausgezeichneter Weise erholte. In Gardone war ich im¬ 
stande, wohl hin und wieder eine kleine Tour zu machen, das heisst 
eine Viertelstunde, wohl auch eine halbe Stunde zu gehen. Aber am 
angenehmsten war es für mich, wenn ich in der Sonne sitzen konnte. 
Gerade Gardone hat einen wunderbaren Einfluss ausgeübt. Im November 
war die Maximumtemperatur 46° C in der Sonne. Von Gardone fuhr 
ich dann, um mich vollständig wiederherzustellen, nach Aachen. Es ist 
ja bekannt, dass Aachen ein ausgezeichnetes Bad ist für die metallischen 
Vergiftungen, Arsenvergiftungen, Quecksilbervergiftungen, und in Aachen 
habe ich dann Duschenbäder mit Massage genommen, die mich so gut 
wie ganz herstellten. 


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UNIVERSSTY OH 


17. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Am 4. Januar kehrte ich nach Berlin zurück, und am 5. Januar 
nahm ich meine Praxis wieder auf, nachdem ich vom 20. Hai bis 4. Januar 
pausiert hatte. 

Die Beschwerden sind fast vollständig verschwunden. Es besteht 
nur noch eine Schwäche der linken Extremität. Das ist auch die 
Extremität, bei der das Leiden begonnen hat.* Die motorische Kraft in 
den Armen ist nicht ganz vollständig, und hin und wieder habe ich 
noch das Gefühl im Halse, als wenn das Zäpfchen verlängert wäre, auch 
ist die Stimme noch nicht so rein wie früher. Im übrigen ist eine 
Restitution eingetreten, nur noch beim Treppensteigen leichtes Er¬ 
müden. 

Ich moohte bemerken, dass die Behandlung, die mir im Sanatorium 
zuteil wurde, natürlich exspektativ war. Ich bekam Salol, weil Aspirin 
angeblich das Herz etwas belästigen könnte. Das Salol ist ein Medi¬ 
kament, das ausserst unangenehm schmeckt, sich gar nicht auflöst. Ich 
habe es genommen, weil man eben in diesen Fällen alles tut, in dem 
Glauben, es könnte vielleicht wirken. Dann bin ich galvanisiert worden 
von 2 Milliampere bis 5 Milliampere. Das ist eine recht hübsche Unter¬ 
haltung, aber ich kann mir nicht recht denken, dass es irgendeinen 
Einfluss gehabt hat. Auch die Anwendung der Massage und des Föns 
hatte meiner Ansicht nach wenig Zweok. Sie haben nur dann einen 
Wert, wenn der Prozess abgeklungen ist, wie das in Aachen der Fall 
war, wo sich die Massage und die warmen Bäder vorzüglich bewährt 
haben. 

Dieser Fall hat nnn eine auffallende Aebnlichkeit mit dem 
Fall des Kollegen v. Hansemann, der im Jahre 1889 von 
einer Polyneuritis postdiphtherica befallen war und seine Beob¬ 
achtaogen im Virchow’schen Archiv, Bd. 115, niedergelegt bat. 

Hansemann hat in geradezu klassischer Weise alles beschrieben. 
Er hat vorher schwere Infektionen gehabt, ist am 19. Juni an Diphtherie 
erkrankt and wurde am 20. Juli von Kribbeln, wie er schreibt, und 
eigentümlichen Sensibilitätstörungen in der Zunge, im GaumeD, am Kopfe 
befallen. Er bat dann am 8. August Lähmungserscheinungen bekommen, 
und ich glaube, die Höhe der Krankheit war Ende August. Anfang 
September hat er wieder den Versuch gemacht, zu gehen. Er ist dann 
am I. Oktober so ziemlich hergestelit gewesen. Auch bei Hansemann 
haben die Störungen noch sehr lange angehalten, er hat im gauzen ein Jahr 
mit diesem Leiden zu tun gehabt. Bei Hansemann sind nun — das 
ist bei mir nicht der Fall gewesen — von Nerven der Olfactorius, der 
zweite und dritte Ast des Trigeminus, der Abducens, der Glossopharyngeus, 
der Vagus, Accessorius und Bypoglossus ergriffen gewesen, und eben diese 
eigentümlichen Hautsensibilitätsstörungen, von denen ich frei war. Auch 
Hansemann klagte über kontinuierliche Schlaflosigkeit, hat aber, so 
viel ich von ihm gehört habe, Morphium niemals angewandt. Die bei 
mir angewandten Schlafmittel, Adalin, Veronal, Sulfonal, Trional, Bro¬ 
mural und wie sie alle heissen, haben gar keinen Effekt gehabt. Es 
sind ja eben nur Hypnotica, aber zum Unterschied vom Morphium keine 
Analgetica. Es bleibt als einziges Residuum das Morphium, das ich 
allerdings leider nur in ganz kleinen Dosen bekam, weil der Herr Kollege 
sehr vorsiohtig war. Ich würde nicht Anstand nehmen, Patienten mit 
solchen Beschwerden viel grössere Dosen zu geben, und glaube nicht, 
dass sie dadurch Morphinisten werden. 

Was nun die Häufigkeit dieser Lähmungen betrifft, so sind 
in der Literatur von Myers, einem Engländer, 1816 Fälle von 
Diphtherie zusammengestellt worden, bei denen 275 Lähmungen 
konstatiert wurden. Von diesen 275 Lähmungen sind 80 tödlich 
verlaufen. Es ist also doch nicht ganz richtig, was wir so hin 
und wieder in Lehrbüchern lesen, dass diese Krankheit mit 
Genesung endet, vorausgesetzt, dass eben nicht der Tod durch 
Vagus- oder Phrenicuslähmung eiotritt. Also hier ist ein Pro¬ 
zentsatz von 29 pCt. Mortalität, ein anderer englischer Autor bat 
io neuerer Zeit den Prozentsatz der Mortalität auf 23 angegeben. 
In dem Alter, in dem ich mich befand — ich hatte das 57. Lebens¬ 
jahr erreicht —, ist die Krankheit eine Seltenheit. Landouzi 
hat 68 Fälle von Lähmungen zusammengestellt, darunter 62 Fälle 
von 6 bis 63 Jahren, und Ross hat 6 Fälle über 50 Jahre fest¬ 
gestellt. 

Es ist früher, wie den meisten Herren ja bekannt sein dürfte, 
Strychnin in hohen Dosen angewendet worden, tägliche Ein¬ 
spritzungen von 0,001 bis 0,01. Aber mit Recht hat Herr Ba- 
ginsky darauf aufmerksam gemacht, dass das Strychnin wohl 
▼on gar keinem Wert ist und in vielen Fällen wahrscheinlich den 
Herztod beschleunigt. 

In der letzten Zeit ist nun von Love geäussert worden, dass 
seit Einführung des Heilserums die postdiphtherischen Lähmungen 
an Zahl abgenommen haben. Er hat in den Jahren von 1908 
bis 1911 85 Lähmungen beobachtet und dabei eine Sterblichkeit 
von 23 pCt. festgestellt, es ist ja möglich; aber ich glaube — 
wie Oppenheim in seinem Buche hervorgeboben hat —, dass 
diese Lähmungen nichts mit dem Serum zu tun haben und trotz 
Serum anftreten können. 


154Ö 


In neuester Zeit ist empfohlen worden, grosse Dosen Serum 
gegen diese schweren Lähmungen anzuwenden, und zwar soll man 
dem Kranken bis 100 000 Einheiten geben. Meine Herren, die Kol¬ 
legen, die mich behandelt haben, haben das nicht versucht. Ich 
würde auch darauf nicht eingegangen sein, denn immerhin glaube 
ich doch, dass es eine sogenannte Anaphylaxie gibt, nnd man kana 
sich doch nicht dazu entschliessen, wenn es auch vielleicht vom 
Laboratorium aus berechtigt erscheint, solche Dosen bei einem 
Menschen anzuwenden. 


Das Alter menschlicher Embryonen. 1 ) 

Von 

Prof. H. Triepel - Breslau. 

M. H.! Im vorigen Sommer (4. Juli 1913) sprach an dieser 
Stelle Herr Prof. Fraenkel über Ovulation, Menstruation, Kon¬ 
zeption und Schwangerschaftsdauer. Er war durch verschiedene 
Ueberlegungen und besonders durch die Untersuchung der Ovarien 
bei Laparotomien zur Ueberzeugung gekommen, dass Ovulation 
und Menstruation nicht zusammeufallen, dass vielmehr die Ovulation 
während des Intermenstruums stattfindet und zwar im Mittel aus 
zahlreichen Fällen am 18. bis 19. Tage nach Beginn einer 
Menstruation. Von dieser mittleren Zahl können nach jeder 
Richtung hin noch Abweichungen von wohl höchstens 7 Tagen 
Vorkommen. Die Festsetzung dieses Verhältnisses, das übrigens 
auch von Villemin und anderen Forschern bestätigt wurde, hat 
für den Embryologen die grösste Bedeutung, aus verschiedenen 
Gründen, unter anderem deswegen, weil sie ihm für die Bestim¬ 
mung des Alters menschlicher Embryonen neue Anhaltspunkte 
bietet. 

Ich habe nun bei einer Reihe jüngerer Embryonen, die in 
der Literatur zusammen mit einer genauen Angabe der Men- 
straationageschicbte veröffentlicht worden sind, auf Grund der 
Fraenkel’schen Regel das Alter berechnet, unter der Voraus¬ 
setzung, dass die Imprägnation des Eies sehr bald nach der 
Ovulation erfolgt. Aber gerade bei den jangen and besonders 
den jüngsten Stadien kommt man doch mit dem neuen Hilfs¬ 
mittel nicht zu eindeutigen Resultaten, weil die angegebene 
Regel noch einen zu weiten Spielruum offen lässt. Man muss 
hier in weitem Umfange auf die Grösse der Embryonen, ihren 
Entwicklungszustand und auf etwa bekannt gewordene Kobabi- 
tationen Rücksicht nehmen. 


Tabelle I. 



Menstrual¬ 

alter 

Tage 

Wahres 

Alter 

Tage 

Grösste 

Länge 

cm 

Wahres 

Alter 

Woeben 

om 

Bryce-Teacher . 


38 

14 

0,015 



Peters .... 


30 

15 

0,019 

2 

0,02 

Graf Spee v. H. . 


40 

17 

0,037 



Frassi .... 


42 

19 

0,117 



Eternod . . . 


34 

19 

0,13 



Graf Spee Gle . 


40 

20 

0,154 



His Lg . . . . 


40 

22 

0,215 

3 

0,2 

His BB . . . 


48 

25 

0,32 



His a ... . 


51 

28 

0,4 

4 

0,4 

Kollmann . . . 


50 

33 

0,6 



Keibel-Elze 24 . 


49 

33 

0,65 



Mall 208 .. . 


49 

84 

0,7 



His Stt. . . . 


57 

35 

0,775 

5 

0,8 

His-Ecker . . . 


60 

39 

1,0 



His Br 1 . . . 


61 

40 

1,1 



Rabl P . . . . 


55 

40 

1,1 



His M 2 . . . 


64 

42 

1,3 

G 

1,3 

His Br 2 . . . 


63 

43 

1,36 



Rabl W . . . 


66 

43 

1,4 



Mall 26 . . . 


75 

55 

3,0 

8 

3,0 


Aber immerhin führen doch die Rechnungen, die ich vor¬ 
genommen habe, zu einigen bemerkenswerten Ergebnissen. In 
der Tabelle I habe ich zunächst neben dem Namen des Autors 
das Menstrualalter des Embryos angegeben, worunter die Zeit zu 
verstehen ist, die zwischen dem Beginn der letzten Menstruation 
und dem Abort bzw. der operativen Gewinnung des Embryos ver¬ 
strichen war. Das wahre Alter des Embryos, das in der nächsten 

1) Nach einem in der medizinischen Sektion der schlesischen Gesell¬ 
schaft für vaterländische Cultur am 12. Juni 1914 gehaltenen Vortrag, 

4 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 







1650 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 83. 


Kolumne verzeichnet ist, wurde auf Grund einer Schätzung ge¬ 
wonnen, die sich, wie ich vorhin bemerkte, auf verschiedene 
Daten stützte. Beiläufig stimmen meine Schätzungen bei den 
ersten sechs Embryonen so ziemlich mit denjenigen von ßryce 
und Teacber überein. Die grösste Länge (nächste Kolumne) ist 
bei denselben jungen Stadien gleich der LäDge des Keimschildes, 
nachher deckt sie sich fast überall mit der Nackensteisslänge, 
nur in den beiden letzten Fällen ist sie gleich der Scheitelsteiss- 
länge. Zuletzt habe ich zur Gewinnung einer besseren Uebersicht 
die Längen der Embryonen angegeben, die sie am Ende der ein¬ 
zelnen Wochen erreichen. 

Es zeigt sich nun, dass Menstrualalter und wahres Alter der 
Embryonen streng auseinander zu halten sind. Die Differenz 
entspricht dem Zeitraum zwischen dem ersten Tage der letzten 
Menstruation und der Ovulation. Bei den Fällen der Tabelle 
schwankt ihr Betrag zwischen 15 und 24 Tagen, was vollkommen 
der Fraenkel’8chen Regel entspricht. Bei einem Abort ist es 
üblich, als Anfang der unterbrochenen Schwangerschaft den An¬ 
fang der letzten Periode anzusehen, und so kommt es, dass in der 
Literatur das Alter von Embryonen oft zu hoch angegeben wird. 
Andererseits halten sich manche Aerzte und Embryologen auch heute 
noch an die ältere Theorie von Reichert und His, nach der 
der Schwangerschaftsbeginn (annähernd) mit dem Beginn der 
ersten ausgebliebenen Periode zusammenfällt. Bei einem solchen 
Verfahren wird man die Embryonen stets merklich zu jimg ein¬ 
schätzen. His hielt die von ihm beschriebenen Embryouen, also 
auch die in der vorstehenden Tabelle angeführten, für wesentlich 
jünger, als ich es tue. 

Noch über einen weiteren Punkt gibt die Tabelle I Aufschluss, 
nämlich über die Wacbstumsgeschwindigkeit der Embryonen. Frei¬ 
lich über die Art des Wachstums in den ersten drei Wochen kann 
man nicht viel erkennen, weil hier die Zeitzunahmen im Ver¬ 
gleich zu den Längenänderungen zu gering sind. Dagegen sieht 
man deutlich, dass von der 8. bis zur 8. Woche eine Beschleuni¬ 
gung des Wachstums stattfindet. Es folgen aufeinander während 
gleicher Zeiten Längenzunahmen von 0,2, 0,4, 0,5 und 0,85 cm. 

Um auch das Alter grösserer Embryonen in den Kreis der 
Betrachtung ziehen zu können, habe ich eine zweite Tabelle ent¬ 
worfen, in der die Grössen der Embryonen am Ende der einzelnen 
Menstrualmonate angegeben sind. Die Tabelle II ist aus einer 
grösseren Zusammenstellung Mall 1 » 1 ), der über ein sehr grosses 
Material verfügt, durch Interpolieren und ein paar unbedeutende 
Aenderungen der ersten Dezimalstellen gewonnen worden. An¬ 
gegeben ist hier nur das Menstrualalter, in Monaten zu 28 Tagen, 
für eine Bestimmung des wahren Alters würden, wenn sie genügend 
zuverlässig sein soll, doch die ausreichenden Unterlagen fehlen. 
Ferner enthält die Tabelle die Standhöhe (Scheitelfersenlänge) 
der Embryonen und ihre Sitzhöhe (Scheitelsteisslänge). Man findet 
heute oft, dass jÜDgere Embryonen nur durch ihre Sitzhöbe, 
ältere nur durch ihre Staudhöhe charakterisiert werden; ich habe 
der Vollständigkeit halber beide Maasse notiert. 


Tabelle II. 


Menstrualalter 

Standhöhe 

cm 

Sitzböhe 

cm 

Monate 

Tage 

1 1 

28 

_ 

_ 

2 

56 

1,6 

1,5 

3 

84 

7 

5 

4 

112 

16 

11 

5 

140 

23 

15 

G 

168 

30 

19 

7 

196 

35 

23 

8 

224 

40 

27 

9 

252 

45 

31 

10 

280 

50 

34 


Auch aus der Tabelle II lassen sich bemerkenswerte Schlüsse 
auf die Wacbstumsgeschwindigkeit der Embryonen ziehen. Die 
Werte für die Standhöhe zeigeD, dass das Wachstum vom Ende 
des 3. bis zum Ende des 6. Menstrualmonates sich verlangsamt; 
wir sehen in aufeinanderfolgenden Monaten erst eine Längen¬ 
zunahme von 9 cm, dann von 7 cm and weiterhin von 5 cm. Vom 


1) Handb. der Entwicklungsgesetz des Menschen, herausgegeben von 
Keibel und Mall, 1910. 


Ende des 6. bis zum Ende des 10. Menstrualmonates schreitet das 
Wachstum gleichmässig fort, die Länge des Embryos nimmt in 
jedem Monat um 5 cm zu. Diese monatliche Längenzunahme um 
5 cm in den späteren Monaten der Schwangerschaft ist schon 
seit langem bekannt, sie ist meines Wissens zuerst von Haase 
1877 (Cbariteannalen) ferwähot worden. Schon zu einer früheren 
Zeit der Schwangerschaft zeigt die Sitzhöhe der Embryonen ein 
gleichmässiges Wachstum. Kopf ond Rumpf zusammen nehmen 
vom Ende des 4. Menstrualmonates an fast bis zum Schluss der 
Schwangerschaft im Monat um 4 cm zu. 

Man ersieht ans solchen Zusammenstellungen, dass das 
Menstrualalter, auch wenn es von dem wahren Alter des Embryos 
abweicht, doch immer für die Bestimmung des Alters mensch¬ 
licher Embryonen von Bedeutung ist. Das Menstrnalalter wird 
sich immer leicht aus der Anamnese ermitteln lassen. Nur muss 
man sich stets daran erinnern, dasB das wahre Alter im Mittel 
um 18 bis 19 Tage geringer ist als das Menstrualalter. Die 
Differenz zwischen beiden Werten wird vielleicht nnr selten die 
von Fraenkel beobachteten Grenzwerte 11 und 26 erreichen. 


Bücherbesprechungen. 

Hans Friedenthal: Allgemeine und spezielle Physiologie des Menschen» 
Wachstums. Für Anthropologen, Physiologen, Anatomen und 
Aerzte dargestellt. Mit 34 Textabbildungen und 3 Tafeln. Berlin, 
Verlag von Julius Springer. 151 Seiten. Preis 8 Mk. 

In diesem, dem Physiologen Hugo Kronecker zu seinem 75. Ge¬ 
burtstag gewidmeten Werke setzt sich der in seinen Forschungen un¬ 
ermüdliche Verfasser die Aufgabe, eine wesentliche Lücke der bisherigen 
Physiologie auszufüllen, in deren modernen Lehrbüchern für das Wachstum 
sich kein Raum findet. Namentlich die besondere Berücksichtigung des 
Menschenwachstums fehlte bisher. In der ihm eignen geistreichen Weise 
unter Anwendung neuer Methoden, um die Wachstumsvorgänge zu re¬ 
gistrieren und zu messen, behandelt Verf. die physikalischen und energeti¬ 
schen Grundlagen des organischen Wachstums mit besonderer Rücksicht 
auf die chemischen Bausteine desselben, auf die reizenden und die 
hemmenden Einflüsse des Nervensystems, der inneren Sekretion, der Ge¬ 
schlechtsverschiedenheiten. Aus den „Rohgewichtskurven“ leitet der 
Verfasser neue Wachstumsregeln ab: 

1. Die prozentische Zunahmegeschwindigkeit der Säugetiere ist vor 
allem eine Funktion des absoluten Lebensalters, gerechnet von der Be¬ 
fruchtung der Eizelle an. 

2. Die prozentische Zunahmegeschwindigkeit der Säugetiere sinkt 
von den ersten Lebensstadien mit geringen Schwankungen durch die 
ganze Wachstumsperiode hin ab, ebenso der Wachstumsquotient 

3. Die zu erreichende Eadgrösse ist ein wichtiger Faktor für die 
prozentische Zunahmegeschwindigkeit. Gleich grosse Tiere aus ganz 
verschiedenen Säugerordnungen wachsen annähernd gleich rasch, wenn 
man gleiche Altersstufen vergleicht, wachsen dagegen ganz ungleich 
rasch, wenn man die Neugeborenen vergleicht. 

4. Die Wachstumsgeschwindigkeit ist annähernd proportional der 
Masse der lebendigen Substanz im Rohgewicht. 

5. Die intrauterine Wachstumsgeschwindigkeit der Säuger ist in der 
Regel annähernd gleich der Wachstumsgeschwindigkeit bereits geborener 
Säuger von gleiobem absoluten Alter und gleichem Gewicht. 

6. Die gesamte Wachstumsarbeit der Tiere ist um so kleiner im 
Verhältnis zur Gesamtlebensarbeit der Tiere, je grosser der Cepbali- 
sationsfaktor der Säugetiere und Vögel ist. Unter Cephalisationsfaktor 
versteht Verf. das Verhältnis von Masse des Centralnervensystems zur 
Masse der lebendigen Substanz im Rohgewicht. (S. 42.) 

„Die klügsten Tiere leben am längsten und leisten die grösste 
Lebensarbeit. Die Klugheit der Tiere hängt ab von der Zahl der zu 
verarbeitenden Aussenweltreize in der Zeiteinheit. Die klügsten Tiere 
besitzen die vollkommenste Fibrillenmaschine, die die grösste Lebens¬ 
arbeit zu leisten imstande ist.“ 

Den Versuch, fundamentale Wachstumsgesetze energetischer Art aus 
Rohgewichtsmessungen ableiten zu wollen, erklärt der Verfasser für ge¬ 
scheitert, da sich herausstellt, dass, um ein Kilo Tier zu erzeugen, durch¬ 
aus nicht immer der gleiche Arbeitsaufwand erforderlioh ist bei mög¬ 
lichst gleichen Bedingungen. Die Anwendung der Ergebnisse des Ver¬ 
fassers auf die „Sonderfonn des menschlichen Wachstums“ (S. 47ff.) ist 
von höchstem Interesse. „Will der Mensch auf indirektem Wege Ein¬ 
fluss auf sein Wachstum gewinnen und seine Körperform nach den An¬ 
forderungen der maximalen Arbeitsfähigkeit zugleich und des sinnlichen 
Wohlgefallens gestalten, so ist das erste Erfordernis ein genaues Studium 
des unbeeinflussten natürlichen Ablaufs der Wachstumsvorgänge. Die 
Sonderform der menschlichen Gswichtskurve gegenüber allen anderen 
Säugetierarten beruht in der Länge des Pubertätsgewiohtsanstieges, 
namentlich beim Kulturtypus. Zu der vollen Zeugungsreife des Kultur¬ 
menschen sollte der Entwicklungsgrad seiner Grosshirnrinde nicht wenige 
gerechnet werden als der Reifegrad seiner Zeugungsorgane. 

Die typisch menschliche Gliederung des Körpers ist bereits in den 
ersten Monaten der Entwicklung nach der Befruchtung der Eizelle aus- 


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Gougle 


Original from 

UNIVERS1TY OPteWfr 




17. August 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1651 


gesprochen. Aehnüch isoliert wie der Mensch stehen einige spezialisierte 
Säugetiere, wie der Elefant. Der aufrechte Gang des Menschen bean¬ 
sprucht eine solche Fülle von Spezialanpassungen, dass nur einige im 
Gezweige aufrecht stehende Affenarten Aehnlichkeit der Gesamtgliederung 
mit dem Menschen aufweisen. (S. 88.) 

Dem Längenwachstum des Menschen widmet der Verfasser sehr aus¬ 
führliche Studien und sucht die bestehenden Methoden der Messung mit 
Recht zu reformieren. Die Kritiklosigkeit auf diesem Gebiete war ja 
eine so grosse, dass die meisten Zahlenanhäufungen gänzlich wertlos 
sind. Ob nun freilich die Bemühungen F.’s eine endgültige Lösung dieser 
schwierigen Probleme bedeuten, müssen wir noch als fraglich bezeichnen. 
Als Grundmaass benutzt er die ventrale Rumpflänge, gemessen von der 
Symphyse zum obern Sternairand, eine Grösse, die am Lebenden sehr 
schlecht zu ermitteln und an Skeletten infolge der inkorrekten Auf¬ 
stellung der Wirbelsäule meist von sehr problematischem Werte ist. 
Originell ist die Umsetzung der Längenmaasse in Volumina für Kopf, 
Hals und Körper; die so gewonnenen Vergleichungsfiguren haben immer¬ 
hin etwas recht Anschauliches für sich. 

Für die Berechnungen des Wachstums des Menschen vor und nach 
der Geburt muss auf das Original mit seinen zahlreichen Tabellen ver¬ 
wiesen werden. Von besonderem Interesse sind die Angaben und Ab¬ 
bildungen über so schwer zu erlangende Objekte, wie Schimpanse- und 
Tschegofetus. Letzterer zeigt deutlich die Absetzung einer Kopfkappe 
nach menschlichem Habitus, sowie einem ausgedehnten Lippensaum. Für 
Rassenforscbungen sind die Vergleichungen der Europäer mit Negern, 
Zwergnegern, Malayen u. a. von Bedeutung, sowie die Abbildungen eines 
Sudanesen- und eines Papuafetus. Beim Sudanesenfetus treten bereits 
die langen Extremitäten des fertigen Rassetypus hervor. Auch die üe- 
schiechtsverschiedenheiten kommen zu ihrem Recht. 

Da wir zwei Idealkaoons aufstellen müssen, einen für den Mann und 
einen für das Weib, so erhebt sich wohl die Frage, welcher von beiden 
den menschlichen Bewegungen am besten entspricht. Beim Manne ist 
die für den Menschen vor allem charakteristische Schulterbreite im Ver¬ 
hältnis zur Rumpflänge stärker ausgeprägt als bei der Frau. Die Frau 
zeigt breites Beckeu, eine Anpassung an die Kopfgrösse des Neugeborenen, 
als rein menschliche Besonderheit; ihr kleineres Gesicht kann ebenfalls 
als eine menschliche Wuchsform bezeichnet werden, in der die Frau den 
Mann an Ausprägung menschlicher Eigenart übertrifft. Die männliche 
Bauart bietet Vorteile bei hohen Sprüngen; die längeren Hebelarme 
der Beine erlauben langsamere Pendelbewegung bei ausdauerndem Laufe 
und eine Ersparnis an Laufarbeit (S. 150). Die grössere Befähigung des 
weiblichen Körpers für Richtungsänderungen tritt beim menschlichen 
Tanz zutage. 

Mit zunehmender Kenntnis der Wachstumsfaktoren wird es „eine 
der idealsten Aufgaben der Aerzte sein, auf dem Wege zur höchsten 
Körperschönheit als richtungsweisende Führer zu geltend 

Ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis, bei dem auch besonders 
die chemischen Publikationen berücksichtigt werden, bescbliesst das Werk, 
dessen hoher Wert sich immer mehr bei eiodringendem Studium offenbart. 

H. Klaatsoh-Breslau. 


Paal Preuwerk-Magyi - Basel: Lehrbuch und Atlas der zabnärztlieh- 
stOH&tologischen Chirurgie. Lehmann’s medizinische Hand¬ 
atlanten. Bd. XXXIX. 235 Seiten. 35 vielfarbige Tafeln und 
230 schwarze Abbildungen. München 1914, J. F. Lehmann’s 
Verlag. Preis geb. 12 M. 

Vorliegender Band stellt eine Ergänzung der im Lehmann’schen 
Verlage bereits erschienenen die Zahnheilkunde behandelnden Atlanten 
dar und macht die Leser mit den chirurgischen Erkrankungen der 
Mundhöhle bekannt, welche für den Zahnarzt und Stomatologen Inter¬ 
esse haben. Diese zahnärztliche Kleinchirurgie ist ein in sich ab¬ 
geschlossenes Gebiet geworden und wird in den Lehrbüchern der grossen 
Chirurgie nur gestreift. Eine selbständige und ausführliche Darstellung 
dieses Spezialgebiets aus der Feder eines Praktikers ist daher eine 
dankenswerte Aufgabe. — Nach anatomischen Vorbemerkungen widmet 
der Verf. der Schmerzverhütuog ein längeres Kapitel, sodann folgt die 
Beschreibung der Extraktionstechnik, die chirurgische Behandlung der 
Kiefergeschwülste und Zahncysten, der Erkrankungen der Kieferknochen 
und -höhle. In den meisten Punkten folgt P.-M. der Schule 
Parts ob's, der die moderne zahnärztliche Chirurgie entwickelt hat. 
Einige nicht unwesentliche und in der Prakis erprobte Neuerungen 
werden mitgeteilt. Theorien und die verschiedenen Ansichten der 
Autoren fanden nur insoweit Erwähnung als der Rahmen des Buches es 
zulasst. Pro eil - Königsberg i. Pr. 


P« v. Hofmeister: Verbandtechnik. Zweite Auflage. Mit 131 Ab¬ 
bildungen im Text. 136 S. Tübingen 1914, H. Laupp. Preis 4 M. 
* Hofmeister’s Verbandtecbnik ist bei ihrem ersten Erscheinen an 
dieser Stelle eingehend besprochen und gewürdigt worden. Sie will dem 
studierenden einen kurzen Leitfaden an die Hand geben, welcher den 
U ^ rr ? ch . t * m Verbandkurs durch Wort und Bild ergänzen und auch 
selbständige Uebungen im Verbinden ermöglichen soll. Durch die zahl¬ 
reichen halbschematischen und doch naturgetreuen Illustrationen und 
den knapp erläuternden Text wird dieser Zweck sicher erreicht werden. 
ln j ersc ^ en enen zweiten Auflage haben diejenigen Verband- 
methoden, welche sioh in der Zeit seit dem Erscheinen der ersten Auf¬ 


lage praktisch bewährt haben (Mastix und Klebroverband, Zuppinger’s 
ExteDsionssohiene, Steinmann’s Nagelextension usw.), die gebührende 
Berücksichtigung gefunden. _ 

Ludwig Ritter Rydygier v. Rnediger: Sammlung der bis jetzt ver¬ 
öffentlichten Arbeiten. 1267 S. Lemberg 1912, Verlag des 
Autors. 

Der vorliegende Band ist bereits im Jahre 1912 anlässlich des 
25 jährigen Professorenjubiläums v. Rydy gier’s erschienen und von ihm 
„seinen lieben Freunden und Bekannten, nicht weniger seinen Feinden" 
gewidmet. Er enthält in chronologischer Folge 149 von ihm bis jetzt 
publizierte Arbeiten, zum Teil in polnischer Sprache, sowie ein Ver¬ 
zeichnis der Arbeiten seiner Schüler. Adler-Berlin-Pankow. 


0. Klinke - Lublinitz: Die operativen Erfolge bei der BebandUng 
des Morbns Basedowii. Berlin 1914, S. Karger. 

Der Verf. steht der chirurgischen Therapie des Morbus Basedowii, die 
als keine einheitliche und auf die Schilddrüse lokalisierte Krankheit an¬ 
zusehen sei, bisher noch recht skeptisch, wenn auch nicht völlig ablehnend 
gegenüber. Als besonders gefährlich sieht er den chirurgischen Eingriff bei 
Vorhandensein des Status tbymicolymphaticus an. Auch zu der neuer¬ 
dings dabei empfohlenen Exstirpation der Thymus sollte man nur in ver¬ 
zweifelten Fällen raten. Jedenfalls betrachtet er bisher die Behandlung 
der Basedow’sohen Krankheit noch als Domäne der internen Medizin 
bzw. der Neurologen, die beim Versagen aller innerer Therapie den 
Chirurgen zu Hilfe rufen sollen. Wenngleich die Anschauungen des 
Verf. manchen Widerspruch besonders aus chirurgischem Lager erfahren 
werden, so bietet die Arbeit mit ihrem umfangreichen Quellenmaterial 
viel Interessantes und Wertvolles. W. V. Simon. 


Robert Sommer: Klinik für psychische nnd nervöse Krankheiten. 

Bd. IX. Heft 1. Halle a. S. 1914, Carl Marhold, Verlagsbuch¬ 
handlung. 

Das 1. Heft des IX. Bandes der Sommer’schen „Klinik für psychische 
und nervöse Krankheiten“ enthält einen interessanten experimentell- 
psychologischen Beitrag von Muth: „Bildbescbreibungsversuche bei einem 
Falle von Dementia praecox“ und einen Aufsatz von Küster über das 
neue Schlafmittel „Diogenal“, ein milderes Veronal. 


Martin Pappenheim und Carl Gross: Die Nenrosen nnd Psychosen 
den Pabertätsalters. (I. Heft der „Zwanglosen Abhandlungen 
aus den Grenzgebieten der Pädagogik und Medizin“, heraus¬ 
gegeben von Th. Heller-Wien und G. Leubuscher-Meioingen). 
Berlin 1914, Verlag von Julius Springer. 129 S. Preis 3 M. 

Die von Heller und Leubuscher neu begründete Sammlung zwang¬ 
loser Abhandlungen dient zur Pflege der Berührungen zwischen Päda¬ 
gogik und Medizin und will ihre gemeinsame Arbeit fördern helfen. Das 
vorliegende erste Heft behandelt gleich eins der wichtigsten und 
schwierigsten Kapitel dieser Grenzgebiete: die Neurosen und Psychosen 
des Pubertätsalters. Die Verfasser, M. Pappenheim und Carl Grosz, 
mussten sich natürlich mit Rücksicht auf Publikum, Zweck und Raum 
der Abhandlung grosse Beschränkung in der Bearbeitung des umfang¬ 
reichen Gebietes auferlegen. Immer im Hinblick auf ein pädagogisches 
und allgemein medizinisches Leserpublikum behandeln sie kurz, klar 
und übersichtlich die leichten Formen des Schwachsinns, das manisch- 
depressive Irresein, die Epilepsie, die Dementia praecox, einige exogene 
Neurosen und Psychosen und am ausführlichsten mit Recht die psycho¬ 
pathischen Persönlichkeiten im Pubertätsalter. 

Die kurze, modern wissenschaftliche Darstellung dieser Anomalien 
der Entwicklungsperiode wird nicht nur die Pädagogen, sondern auch 
die ärztlichen Praktiker lebhaft interessieren. 


Verbrechertypen. Herausgegeben von Haas W. Grüble und Albrecht 
Wetze], Bd. 1, Heft 2: Säufer als Brandstifter, von 
H. W. Gruhle, K. Wilmanns und G. L. Dreyfus. Berlin 
1914, Verlag von Julius Springer. 83 S. Preis 3,20 M. 

Das 2. Heft der „Verbrechertypen“, eines neuen Archivs krimineller 
Persönlichkeiten, schildert vier Alkoholisten, die auf der Grundlage der 
Psychopathologie des Trinkers zu Brandstiftern wurden. Diese Grund¬ 
lage, die charakteristische Trinkerpsyche, und der Zusammenhang des 
Delikts mit ihr wird durch die von Gruhle, Wilmanns und Dreyfus 
beigebrachten vier Fälle sehr gut illustriert, am besten wohl durch den 
von Wilmanns dargestellten Fall Bitter. Sie repräsentieren vier 
Säufertypen aus verschiedenen sozialen Schichten, mit verschiedenen 
Schicksalen, aber der gleichen Geistesbeschaffenheit und sozialen Un¬ 
brauchbarkeit. 

G. Anton: Psychiatrische VortrSge für Aerzte, Erzieher and Eltern. 

(Dritte Serie.) Berlin 1914, Verlag von S. Karger. 91 S. Preis 
2,40 M. 

Die dritte Serie der Anton’scben Vorträge über psychiatrische 
Fragen für ein breiteres Publikum, besonders für Aerzte, Erzieher und 
Eltern enthält fünf ausgezeichnete Aufsätze bzw. Vorträge: I. Gehirn¬ 
bau und Seelenkuode. II. Ueber gefährliche Menschentypei). III. Wieder¬ 
ersatz der Funktion bei Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarkes, 

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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 






1552 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 83. 


IV. Aerztlicbes über Sprechen und Denken. V. Geistige ArtuDg und 
Rechte der Frauen. 

Das Thema eines jeden der vier ersten Vorträge betrifft wichtige 
neurologisch psychiatrische Fragen, welche auch für Nichtärzte von 
Iateresse, in Richtung der Pädagogik eventuell von grosser Bedeutung 
sind. Diese Fragen in allgemein verständlicher Form und fruchtbringend 
zu behandeln ist meist sehr schwer, dem Verf. aber vorzüglich gelungen. 
Indessen, auch für den Arzt, nicht bloss für den Laien, bilden die Vor¬ 
träge eine anregende Lektüre. Der letzte Aufsatz behandelt die geistige 
Artung und Rechte der Frauen vom ärztlichen Standpunkt aus und 
vertritt eine Auf fassungsweise, welche verdiente, immer mehr Eingang in 
die heutige Frauenbewegung zu finden. W. Seiffer. 


Roth’s klinische Terminologie. Neubearbeitet von E. Oberndoerffer. 
8. Aufl. Leipzig, Thieme. Preis 12 M. 

Mit dieser Auflage erscheint die alte Terminologie Roth’s in völlig 
neuer Bearbeitung. Der Begründer des Buches hatte sich eine engere 
begrenzte Aufgabe gestellt, seine Terminologie auf die Pathologie be¬ 
schränkt und sie deshalb — a potiori fit denominatio — eine klinische 
genannt. Die Herausgeber der späteren Auflagen sind nicht wesentlich 
von seinem Plane abgewichen und auch in der Erklärung der einzelnen 
Ausdrücke hielten sie sich im grossen und ganzen an Roth’s Vorbild. 
Die jetzige Bearbeitung weicht an Ausdehnung des Gebietes und Tiefe 
seiner Bearbeitung ganz gewaltig davon ab. Zur „Pathologie“ im Sinne 
Roth’s kommt in der neuen Bearbeitung das grosse Gebiet der 
chemischen Pathologie — noch io der 7. Auflage würde man ein 
Wort, wie Purinkörper, vergeblich suchen — die Arzneimittellehre, 
die trotz aller Uebertreibungen der Industrie eine immer grössere Be¬ 
deutung für deD Arzt gewinnt, es kam hinzu die Anatomie, Embryo¬ 
logie und Physiologie, uDd endlich eine grosse Zahl biographischer 
Notizen. So ist aus dem alten und wenig brauchbaren Buche, das in 
den letzten Jahren mit Recht fast völlig verdrängt worden war, ein 
Werk geworden, das sich sicherlich aufs neue einen hervorragenden 
Platz in der medizinischen Literatur erwerben wird. 

Rob. Otto Stein -Wien: Die Fadenpilzerkrankungen des Menschen. 

Lebmann’s medizinische Handatlanten. Preis 10 M. 

Von einem Atlas muss man in erster Linie gute Abbildungen ver¬ 
langen; diese gibt das vorliegende Werkchen, das somit seinem Haupt¬ 
zweck vollkommen gerecht wird. Auch der Text ist im allgemeinen 
bei aller Kürze klar und hinlänglich orientierend; doch muss die Will¬ 
kür beanstandet werden, mit der Autoren Verdienste zuerkannt werden, 
die ihnen nicht zukommen und umgekehrt die entscheidenden Namen des 
öfteren unerwähnt gelassen werden. Zum Beispiel ist es ungerecht, bei 
den Erkrankungen an Aspergillus fumigatus gerade Renon die Beob¬ 
achtung der Lungenaspergillose zuzusebreiben, die viel älteren Datums ist; 
wer vom Soor innerer Organe spricht, darf F. A. v. Zenker nicht un¬ 
erwähnt lassen, wer von Aktinomykose spricht, darf sich nicht auf die Er¬ 
wähnung Boström’s beschränken, Ponfick und J. Israel aber mit 
Stillschweigen übergehen. Man kann bei einem kleinen Atlas ohne 
Literatur auskommen; citiert man aber, so tue man es sorgfältig und 
gewissenhaft. _ Hans Kohn. 

J. R. Spinner: Aerztliches Recht, nnter besonderer Berücksichtigung 
deutschen, schweizerischen, österreichischen nnd französischen 
Rechts. Berlin 1914, Julius Springer. 556 Seiten. Preis 16 M. 

Bei den immer lebhafter und verzweigter werdenden Beziehungen 
des Arztes zu Staat und Gesellschaft in unserem sozialen Zeitalter ist 
es nur natürlich, dass die Öffentlich-rechtliche Stellung der Aerzte in 
erhöhtem Maasse Gegenstand der literarischen Bearbeitung wird. Das 
vorliegende Werk, hervorgegangen aus den Grenzgebieten zwischen Recht 
und Medizin, will nicht sowohl eine systematische Darstellung der ge¬ 
samten Rechtsbeziehungen gebeD, als vielmehr das ärztliche Recht in 
seinen brennendsten Zeitfragen vom Standpunkt der allgemeinen Pro¬ 
phylaxe und Rassenhygiene aus behandeln. Sein besonderer Wert liegt 
darin, dass die Rechtsverhältnisse der wichtigsten Kulturländer berück¬ 
sichtigt werden, namentlich die einschlägigen Kodifizierungen der drei 
deutschsprachigen Länder vergleichend zusammengestellt sind. Bekannt¬ 
lich sind gerade in diesen Ländern Reformen der Strafgesetzgebung im 
Gange, und da ist es sehr willkommen, dass der Verf. auch die bezüg¬ 
lichen Entwürfe und Gegenentwürfe tunlichst berücksichtigt. Durch die 
hierdurch ermöglichte vergleichende Betrachtung wird der Weitblick der 
Darstellung gehoben, die Erfassung der Probleme grosszügiger und viel¬ 
seitiger. 

Die bürgerlichen Rechtsbeziehungen des ärztlichen Standes sind be¬ 
sonders im Hinblick auf die aus der Approbation fiiessenden Rechte und 
Pflichten dargestellt; recht bemerkenswert ist ferner das der Kur¬ 
pfuscherei, ihren Erscheinungsformen und ihrer Bekämpfung gewidmeten 
Kapitel. Den breitesten Raum aber nehmen die gegenwärtig ja so be¬ 
sonders aktuellen Fragen der strafrechtlichen Stellung des Arztes ein, 
der ärztliche Eingriff in die körperliche Integrität, in die Fortpflanzung 
des Menschen, das ärztliche Berufsgeheimnis. Man muss dem Autor zu¬ 
gestehen, dass er diese so überaus diffizilen und vielumstrittenen Pro¬ 
bleme nicht dilettantisch oberflächlich, sondern auf Grund einer staunens¬ 
werten Literaturbeherrschung in eindringendster, gründlichster Weise 
uach ärztlichen, rechtstheoretischen und sozialen Gesichtspunkten ana¬ 


lysiert. Dabei nimmt er selbst, zuweilen temperamentvoll, Stellung, 
weist auf die bestehenden Mängel und Lücken hin und versucht aus der 
Darstellung der Entwicklung die Richtlinien der künftigen Gestaltung 
zu entwerfen. Wenn man ihm auch hier nicht durohweg folgen kann, 
hinter manche recht subjektivistischen Ausführungen ein Fragezeichen 
setzten möchte, so wird der eigentliche Wert des Buches dadurch nicht 
berührt. Es ist ein ausgezeichnetes Orientierungswerk für alle hier 
Interessierten, bietet dem Lernenden gründlichste Einführung und reiche 
Anregung, dem selbständig Arbeitenden willkommene Erleichterung in 
der Sammlung und Sichtung des Materials. 

Alfred Perlmano: Rentenlehre für Aerzte. Leipzig 1914, Georg 
Thieme. 264 Seiten. Preis 6,20 M. 

Ausgehend von der Erwägung, dass das Studium der ausgiebig klar¬ 
gelegten und vom Reichsversicherungsamt beurteilten Fälle die beste 
Einführung und Vorbildung für die Gutachtertätigkeit ist, hat der Autor 
aus der Ueberfülle der seit 30 Jahren ergaDgeneo Entscheidungen des 
R.V. A. die für den Arzt wertvollen Fälle gesammelt und nach praktisch 
wichtigen Gesichtspunkten zusammengestellt. In diesem ersten Bande ist 
das allgemeine Material verwertet, das dem Belehrung Suoheoden viel¬ 
seitigen Aufschluss über die allmählich entwickelte Begriffsbestimmung 
im Rentenwesen, die Grundsätze für Bemessung und Abänderung der 
Rente, Bedeutung des Gutachtens, Verhältnis des Arztes zum Verletzten, 
zu Behörden und Berufsgenossenschaften und manches andere in der 
Praxis des Gutachters Wissenswerte gibt. Ein unzweifelhaft nützliches 
und verdienstliches Werk, das nicht nur in die schwierige Materie gut 
einführt, sondern im Einzelfalle durch die mit Kritik geübte Zusammen¬ 
stellung der einschlägigen Judikatur gute Dienste leistet. 


Entschcidangeii des preissischen Rhrengeriehtshofes für Aerzte. 

Dritter Band. Berlin 1914, Richard Sohoetz. 290 Seiten. Preis 

5,80 M. 

Wieder liegt ein recht stattlicher Band Entscheidungen vor, in dem 
sich das ärztliche Leben der Gegenwart spiegelt; die vielfältigen Kolli¬ 
sionen mit der ärztlichen Standesehre, die hier ihre Aburteilung finden, 
geben so recht eio Bild von den Begleiterscheinungen des verschärften 
Kampfes um die Existenz. Der maassvolle, abgeklärte, wahrhaft objektive 
Geist, den die Urteile des ärztlichen Obergerichts in zunehmendem Maasse 
zeigen, wird auch die etwa noch vorhandenen grundsätzlichen Gegner 
des Ehrengerichts entwaffnen; die Fülle des Stoffs demonstriert ihnen die 
Notwendigkeit der Institution. — Auch im vorliegenden Falle ist die 
frühere Gruppeneinteilung des Materials beibehalten; bei den Entschei¬ 
dungen von materieller Bedeutung erregen namentlich diejenigen Interesse, 
die von dem Verhalten des Arztes gegenüber seinen Kollegen und den 
Aerztevereinen, sowie von dem Verhalten ausserhalb des Berufes handeln. 
Prinzipiell neue Rechtssätze treten nicht hervor, es befestigt sich zu¬ 
sehends die Sprucbpraxis des Ehrengerichtshofs. Zweifellos bilden seine 
Entscheidungen die Bausteine zu einem zukünftigen ärztlichen Sitten¬ 
kodex; bis dahin aber müssen Uebung und Erfahrung weiter ausreifen, 
und daher begrüssen wir es mit grosser Befriedigung, dass im vorliegen¬ 
den Band die Gepflogenheit beseitigt ist, fast aus jedem Urteil einen 
allgemeinen Rechtssatz abzuteiten, wie das früher in oft unliebsamer 
Weise hervortrat. Diesmal wird mit wenigen Ausnahmen lediglich der 
abstrakte Gegenstand des jeweiligen Verfahrens in gesperrter Schrift 
vorangestellt, was der Orientierung sehr zu statten kommt. Durch ein 
vorzügliches Register ist auch weiterhin bestens hierfür gesorgt. 


Franz Kobler und M. Miller: Leitfaden der Reichsversieberung für 
den behandelnden nnd begutachtenden Arzt. München 1914, 
J. F. Lehmann. 100 Seiten. Preis 1,50 M. 

Die grosse Reichsversicherungsreform hat naturgemäss viele flinke 
Federn in Bewegung gesetzt, um das gesetzgeberische Riesenmaterial für 
die Bedürfnisse des ärztlichen Publikums auszumünzen. Vorliegendes 
Werkchen ist im Aufträge des Kgl. bayerischen Staatsministeriums des 
Innern entstanden und bringt in verständiger Arbeitsteilung einen Extrait 
der wissenswerten Grundsätze und Bestimmungen der Reichsversicberupgs- 
ordnung von einem höheren Regierungsbeamten, die versicherungsärzt¬ 
liche Untersuchung und Begutachtung von einem beamteten Mediziner. 
Uebersichtlicb, knapp und prägnant in der Darstellung, kommt das Buch, 
namentlich in seinem zweiten Teil, den Bedürfnissen der Praxis sehr 
entgegen, vermeidet allen Ballast und gibt für die praktische Aufgabe 
des Einzelfalles willkommene Orientierung und belehrende Anleitung. 
Es wird sich auch über die blauweissen Pfähle hinaus einen grossen 
Kreis von Freunden erwerben. Voll mann. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

M. Koehler: Ueber die willkürliche Beschleunigung des flerz- 
Bcblages beim Menschen. (Pflüg. Arcb., Bd. 158, H. 9—12.) Nach Mit¬ 
teilung der einschlägigen Literatur berichtet K. über an sich selbst an- 
gestellte Versuche zur willkürlichen Veränderung der Herzschlagfrequenz. 
K. vermochte durch Konzentrierung des Willens und eine nicht genau 
definierbare Muskelanstrengung, die mit der zur Ausführung von stark 
anstrengenden Muskelkontraktionen aufgewendeten vergleichbar ist, seine 


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17. Aogost 1914. 


BERLIN KK KUNISCHK WOCHENSCHRIFT 


1663 


Pulsfrequenz um 30—35 Schlage zu steigern. Eine Verminderung der 
Pulszahl konnte er nicht willkürlich zustande bringen. Dabei nahm die 
Höhe des Pulses ab, und er wurde dikrot. Aenderungen der Atmung 
hatten nichts mit dem Phänomen zu tun. Der Blutdruck nahm während 
der Pulsbeschleunigung zu. — Kurz nach Beendigung der willkürlichen 
Pulsbeschleunigung zeigte sich eine starke Abhängigkeit des Pulses von 
den Atmungspbasen: bei der Inspiration nahm die Pulsfrequenz zu, seine 
Höbe ab; bei der Exspiration war es umgekehrt. — Aus einer Ver¬ 
gleichung mit den Ergebnissen der Tierversuche kommt K. zu dem Er¬ 
gebnis, dass es sich bei der von ihm erzeugten Pulsbeschleunigung um 
einen direkten Effekt auf die Acceleratoren des Herzens handelt, viel¬ 
leicht unterstützt durch eine Tonusabnahme des Vagus. 

Yas Kuno: Ueber den Einlings warmer Bäder auf den Blut- 
driek iad aaf die Polsfreqnenz des Kaninchens. (Pflüg. Arch., 
Bd. 158, H. 9—12.) K.’s Versuche sind an mit Urethan narkotisierten 
Kaninchen ausgeführt. In warmen und heissen Bädern tritt für Bruch¬ 
teile einer Minute eine unregelmässige initiale Blutdrucksenkung auf. 
Dann steigt der Blutdruck und bleibt während der ganzen Dauer des 
Bades über die Norm erhöht. Diese Steigerung ist nach K. auf die 
Kompression der Gefässe des grossen Kreislaufes durch den hydrosta¬ 
tischen Druck des Badewassers zurückzuführen, dazu kommt wohl auch 
reflektorische Wirkung des thermischen Reizes. Letztere spielt eine 
erhebliche Rolle in kalten Bädern. Ausschaltung der No. splancbnici 
oder Ligatur der Arterien der Baucheingeweide ändert an der Wirkung 
der Bäder nichts. Die Pulsfrequenz steigt in warmen, sinkt in kalten 
Bädern. Das fand sich auch an Tieren, deren Herznervensystem aus¬ 
geschaltet war. Es dürfte sich hierbei also um eine direkte Wirkung 
der Bluttemperatur auf den Herzmuskel bandeln. A. Loewy. 

J. M. Lahy: Die vergleichenden Wirkungen auf den Blutdruck 
zwischen einer physischen Ermüdung, hervorgerufen durch einen laoge 
fortgesetzten Marsch und zwischen der psychischen Ermüdung, be¬ 
wirkt durch fortgesetztes Anspannen der Aufmerksamkeit. (Compt. 
rend. de J’acad. des Sciences, 1914, Nr. 25, S. 1913.) In früheren Ver¬ 
suchen war gezeigt worden, dass die Erhöhung des Blutdrucks ein 
objektives Zeichen der Ermüdung bei den Berufen, die keine Muskel¬ 
arbeit erfordern, darstellt. Auf der einen Seite wurden Soldaten nach 
einer längeren militärischen Uebung untersucht, ohne dass vor oder 
nach dem Marsche eine Aenderung des Blutdrucks sich zeigte; dagegen 
trat — wie es vorauszusehen war — bei Dactylograpben, die in sitzender 
Stellung 7 Stunden am Tage zu arbeiten hatten, deren Aufmerksamkeit 
also fortwährend angespannt ist, stets eine Erhöhung des Blutdrucks 
auf. In praktischer Hinsicht müsste für die Festsetzung der Arbeits¬ 
dauer diese regelmässig auftretende Erhöhung mit herangezogen werden. 

B. Valentin. 

F. Verzär: Ueber glatte Mnskelzellen mit myogenem Rhythmus. 
(Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Das Amnion des Hühnchens im Ei 
zeigt rhythmische Kontraktionen. V. weist darauf hiD, dass das 
Amnion nervenfrei ist und nur aus glatten Muskelzellen besteht. Wir 
haben hier also Kontraktionen rein myogenen Ursprungs. 

A. Jarisch: Ueber den Mechanismus der Piqüre-GIykosorie. (Pflüg. 
Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Der Zuckerstich wirbt noch glykosuriscb, 
wenn allein die Innervation der Nebennieren erhalten ist, die Leber je¬ 
doch sowohl vom Centrum wie von der Nebenniere nervös isoliert ist. 
Er vermag weder Glykosiirie noch deutliche Hyperglykämie zu erzeugen, 
wenn die Nebenniere nervös isoliert ist, das übrige Splanchnicusgebiet 
jedoch mit dem Centrura in leitender Verbindung bleibt. Der Piqure- 
reiz läuft demnach zur Nebenniere, und von hier aus wird die Glykogen¬ 
abgabe aus der Leber bewirkt. Wie J. weiter findet, hängt der Erfolg 
des Zuckerstichs bei Tieren, bei denen nur eine Nebenniere entnervt ist, 
vom körperlichen Zustande dieser Tiere ab. Eine centrale Glykosurie 
kommt nooh zustande, wenn die Leber ca. 1 pCt. Glykogen enthält. 
Der Zuckerstich reizt das Zuckercentrum intensiver als Diuretin. 

A. Jarisch: Ueber den Mechanismus der Dinretinglykosnrie. (Pflüg. 
Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Diuretin macht Hyperglykämie, und zwar 
auch noch, wenn durch Durchschneidung der Nd. splanchniei jeder cen¬ 
trale Einfluss ausgescbaltet ist. Diese Hyperglykämie ist also peri¬ 
pherischen Ursprunges. 

E. Berger-. Nachtrag zu meiner Arbeit: Ueber die mit Hilfe des 
Stereoskopen nachweisbare Verschiedenheit der Lokalisation zwischen 
den in den gekreuzten und ungekreuzten Sehnerven fasern fortgeleiteten 
üeiiehtsempflndugen. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Aenderung 
der Versuohsanordnung, um einem von Claparede gemachten Einwande 
zu begegnen. 

R. Cords: Bemerkung zu der Arbeit von Berger: Die mit Hilfe 
aer Stereoskopie nachweisbare Verschiedenheit usw. (Pflüg. Arch., 
“d. 158, H. 9 —12.) C. bestreitet, dass Berger’s Versuch eine ver¬ 
schiedene Funktion der gekreuzten und ungekreuzten Sehnervenfasern 
beweist, und gibt für B.’s Versuche eine einfache Erklärung. 

G. Modrakowski: Beobachtungen an der überlebenden Sänge- 
tierlnige, I. Mitteilung. Dnrehströmnngsgeschwindigkeit und Ver¬ 
halten des Toms der Gefässe nnd Bronchien an der überlebenden 
Katxenlunge. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Die Versuche sind 

® ro< ^ e ’ ac h® n Apparate an der überlebenden Katzenlunge aus- 
fföführt, die mit defibriniertem Katzenblut durchströmt wurde. Dabei 
t F ^ onu9 ^er befasse allmählich nach. Bei Druckwerten, wie sie 
«wa dem Durchschnitt bei normalen Tieren entsprechen, bei einem Ge¬ 


falle von 20 mm Hg, kann die durch die Lunge strömende Blutmenge 
bis zu 272 ccm in der Minute betragen. Auch der Bronchialmuskeltonus 
lässt allmählich nach, wie die allmähliche Zunahme der Atemexkursionen 
bei gleichbleibender künstlicher AtmuDg beweist. 

G. Modrakowski: Beobachtungen an der überlebenden Säuge¬ 
tierlunge. 11. Mitteilung. Ueber die experimentelle Erzeignng von 
Lnngenb'dem. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Die Versuche sind 
in gleicher Weise wie die vorstehenden ausgeführt. Sie ergeben, dass 
durch arteriellen Hochdruck kein Lungenödem erzeugt werden kann. 
Die Druckwerte stiegen bis zu 82 mm Hg. Dauern die hohen Druck- 
werte nur kurze Zeit, so kehren Lungenvolumen und Atmungsexkursionen 
wieder zur Norm zurück. Venöse Stauung, so dass die Durchströraung 
der Lunge stillsteht oder selbst umgekehrt wird, bewirkt kein Oedem, 
solange die arteriellen Drucke 35 mm Hg nicht überschreiten. Von 
diesem Druck an entsteht Lungenödem, wenn der venöse Abfluss derart 
erschwert wird, dass das Gefälle auf 8 mm sinkt. Bei einem arteriellen 
Druck von 44—65 mm Hg tritt Oedem auch schon bei einem Gefälle 
von 13—29 mm auf. An pathologisch veränderten Lungen kann 
arterielle Drucksteigerung allein ohne venöse Stauung Oedem machen. 
Bei Lungeaschädigung, z. B. durch Ammoniak, kann Lungenödem schon 
bei normalem Blutdruck auftreten. 

E. v. Elischer: Ueber den Einfluss der Ansschaltnng der Kehl¬ 
kopfnerven auf das Wachstum des Kehlkopfes. (Pflüg. Arch, Bd. 158, 
H. 9—12.) Versuche an wachsenden Hunden, denen die Nn. laryngei 
superiores durchschnitten oder die von ihnen versorgten Mm. tbyreo- 
cricoidei entfernt wurden. Danach bleiben die Kehlkopfknorpel im Wachs¬ 
tum zurück, der ganze Kehlkopf bleibt kleiner. Insbesondere bleiben 
die Stimmbänder im Längenwachstum zurück. 

A. Baron und Th. Bärsony: Ueber die Einwirkung der Chloro¬ 
form- nnd Aethernarkose auf die motorische Magenfnnktion. (Pflüg. 
Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Die Beobachtungen sind im Röntgenbilde 
an Hunden nach Fütterung mit Wismutbrei ausge/ührt. Chloroform- 
wie Aethernarkose führen zu einer Tonusverminderung, Dehnung des 
Magens. Aber beim Chloroform kommt es zu einer mehrere Tage dauernden 
Nachwirkung, die in Abnahme der motorischen Funktion des Magens be¬ 
steht. Die Wirkungen des Chloroforms sind also intensiver als die des 
Aethers, sein Gebrauch bei B&uchoperationen sollte also zugunsten des 
Aethers eingeschränkt werden. A. Loewy. 

S. Secerov: Ueber den Einfluss der ultravioletten Strahlen aaf 
die Färbung des Felles von Kaninehen nnd Meerschweinchen. (Compt. 
rend. de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 24, S. 1826.) Die Schluss¬ 
folgerungen sind folgende: 1. Die weissen Felle von Kaninchen und 
Meerschweinchen können unter dem Einfluss der ultravioletten Strahlen 
gelblich und rötlich werden; das Rot und Gelb wird als Vorstufe 
(Propigraent) für das Melanin angesehen. Ebenso ist es möglich, dass 
eine lange fortgesetzte Wirkung der Strahlen das Auftreten von 
schwarzem Pigment bewirkt. 2. Die Verfärbung des weissen Felles bei 
denjenigen Tieren, die sonst noch am Körper schwarze oder gelbe 
Flecken haben, geht schneller vor sich als bei den Kaninchen, die ganz 
weiss siad. 3. Die Hitze kann ebenfalls das Gelbwerden des Felles 
hervorrufen, aber man muss sie dann bei einer so hohen Temperatur 
einwirken lassen, dass man in biologischer Hinsicht dem nicht Rechnung 
tragen kann. 4. Wenn man die dem Tiere entnommenen Haare be¬ 
strahlt, werden sie ebenfalls gelb, aber weniger schnell, als am Tiere 
selber. B. Valentin.' 

F. Verzar und M. Felter: Untersuchungen zur Theorie der so¬ 

genannten Veratrinkontr&ktion. (Die Wirkung von Aldehyden auf die 
Kontraktion des quergestreiften Muskels.) (Pflüg. Arch., Bd. 158, 
H. 9—12.) Das Veratrin zeichnet sich dadurch aus, dass elektrische 
Reize an den mit ihm vergifteten Muskeln (des Frosches) eine Zuckung 
mit nachfolgendem Tetanus erzeugen. Die Verff. heben nun hervor, dass 
ganz ebenso wie Veratrin eine Anzahl niederer Aldehyde wirken: 
Formaldehyd, Glyoxal, Acetaldehyd, Acrolein u. a. Aber auch zahl¬ 
reiche anorganische Salze, organische Säuren (Propion-, Buttersäure), 
Alkaloide und Glykoside habeD dieselbe Wirkung. In der Erklärung 
weichen die Verff. von der gangbaren aber ab. Nach ihnen kommt die der 
Zuckung folgende Dauerkontraktion dadurch zustande, dass erstere die 
Erregbarkeit des Muskels erhöbt und nun die genannten chemischen 
Reize imstande sind, schon in kleinen Dosen einen Tetanus hervor¬ 
zurufen, was sie sonst nur in viel grösseren tun. Das Veratrin zeichnet 
sich nur dadurch aus, dass es schon in ausserordentlich kleinen Mengen 
den Tetanus zustande kommen lässt. A. Loewy. 


Pharmakologie. 

W. Weygandt, A. Jakob, V. Kafka - Hamburg: Klinische und 
experimentelle Erfahrungen bei Salvars&ninjektionen in das Central- 
nervensystem. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Bei intralurabalen Salvarsan¬ 
injektionen am Affen in Dosen, die den beim Menschen üblichen im 
grossen und ganzen entsprechen, zeigte sich, dass das Salvarsan stark 
reizend auf das Duraendothel, die austretenden Nervenbündel und die 
Endothelien der Gefässe und unter Umständen auch auf das nervöse 
Parenchym des CentralnerveDsystems selbst einwirkt und hier zu aus¬ 
gesprochenen degenerativen und proliferativen Vorgängen und herd¬ 
förmigen Prozessen Veranlassung geben kann, bei deoen die Gefässwand- 
veränderungen am meisten in die Augen fallen. Ebenso entstanden bei 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1554 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 33. 


subduralen und intracerebralen Injektionen Schädigungen des Nerven¬ 
systems. Injiziert man hingegen sehr kleine Mengen, so lassen sich nicht 
die geringsten Veränderungen nachweisen. Dünuer. 

A. Fröhlich: Die Pharmakologie der Hypopbysensubstanzeii. 
(W.m.W., 1914, Nr. 20.) Die Wirkungen der Hypophysine sind auf das 
vegetative (sympathische und parasympathische) Nervensystem gerichtet, 
und zwar auf seine peripher gelegenen Anteile, die vegetativen Nerven¬ 
endigungen. Eine elektive Bevorzugung des einen oder des anderen der 
genannten nervösen Systeme lässt sich nun nicht mit Sicherheit erkennen. 
Dagegen muss man nach neueren Untersuchungen annehmen, dass in 
den Hypophysinen zweierlei wirksame PriDzipe vorhanden sind: solche, 
welche die nervösen Endapparate direkt erregen und solche, welche die 
sympathischen Nervenendigungen sensibilisieren, sie erregbarer machen. 

Eisner. 


Therapie. 

G. Stümpke - Hannover: Thigao, ein neues äusserliches Anti- 
gonorrhoicum. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Thigan ist eine Verbindung 
von Tbigenol (wirkt antiphlogistisch) und Silber (baktericid), Fünfmal 
täglich Injektion. Gute Erfolge. Dünner. 

J. Ehrl: Antisklerosin ii der Praxis. (W.m.W, 1914, Nr. 20.) 
Antiskierosin vermag viele Beschwerden des Sklerotikers wesentlich zu 
mildern und dem Patienten dadurch bescbwerdefreie Intervalle zu ver¬ 
schaffen. Es ist zur Nachprüfung zu empfehlen. 

W. B alb an: Zur Sypbilisbehaiidliiiig nit Embarin. (W.m.W., 
1914, Nr. 21.) Es ist warm zu empfehlen. Es dürfen aber die beim 
Quecksilber üblichen Kautelen nicht ausser acht gelassen werden, da es 
zu Intoxikationserscheinungen kommen kann. Nervensystem und Magen 
darmtractus scheinen am leichtesten betroffen zu werden. Albuminurie 
wurde nicht beobachtet. Eisner. 

E. Bumm und K. Warnekros - Berlin*. Heilung tiefliegender 
Careinome dirch Röntgenbestrahlung von der Körperoberfläche aus. 
(M.m.W., 1914, Nr. 29.) (Vortrag in der Hufelandischen Gesellschaft am 
9. Juli 1914.) Vergleichende Untersuchungen zwischen radioaktiven 
Substanzen und Röntgenstrahlen zeigten, dass bei den Röntgenstrahlen 
eine viel grössere Menge der Strahlen durch die Gewebe durchgehen. 
Zur Bestrahlung tiefliegender Gewebe (etwa 10 cm von der Oberfläche 
entfernt) sind 3500 X erforderlich. Die Verff. haben nun eine Reihe von 
Carcinomen nach diesem Prinzip behandelt und sehr gute Erfolge erzielt. 

B. Baisch - Heidelberg: Die Behandlung chirurgischer Tober- 
knlosen Bit Enzytol (Borcholin). (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Enzytol ist 
borsaures Cholin. Es erscheint durch die chemische Imitation der 
Strahlenwirkung und durch eine möglichst direkte Wirkung auf die 
Tuberkelbacillen zur Behandlung der Tuberkulose geeignet. Bei gleich¬ 
zeitiger Anwendung von Bestrahlung und Enzytol ist auf die grössere 
Empfindlichkeit der Haut durch die Injektion Rücksicht zu nehmen. 
Der grössere Vorteil besteht in der ergänzenden Hilfe der Einspritzung 
da, wo der Wirkung der Bestrahlung ein Ziel gesetzt ist. Die Erfolge 
sind ermutigend. Dünner. 

W. Falta und Steinberg: Ueber eine neue Kohlenbydratkur 
(gemischte Amylaeeenknr) bei Diabetes. (W.m.W., 1914, Nr. 21.) 
Es handelt sich um eine Kur, bei der man die verschiedensten Amylaceen 
in Suppen oder Breiform verwendet, die bei Diabetikern ähnlich gute 
Resultate gibt wie die Verwendung von Hafer- oder Weizenmehl allein. 
Bei ausschliesslicher Ernährung des Diabetikers mit Kohlehydraten und 
Pflanzeneiweiss wird der komplizierte Regulierungsmechanismus, durch 
den beim normalen Individuum die Ueberschwemmung des Blutes mit 
Zucker verhindert wird, mehr oder weniger wiederhergestellt, dadurch 
wird die Verbrennung des Zuckers erleichtert, die Ketonkörperbildung 
eingeschränkt und Eiweiss gespart. Die Amylaceenkur weist nicht in 
allen Fällen den gleichen Erfolg auf. Eisner. 

E. Holzbach - Tübingen: Die Danerirrigation der Harnblase nnd 
des Nierenbeckens. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Die Dauerirrigation wird 
vorgenomraen mit einem doppelläufigen Dauerkatheter, der 10 —14 Tage 
liegen bleiben kann. Dünner. 

J. Mark: Zur Frage der Innnnnkörperbebandlnng. (W.m.W., 
1914, Nr. 21.) Vortrag. Verf. berichtet über Erfolge mit dem Spengler- 
schen I.-K.-Serum. Eisner. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

R.Trenkler*. Ein Fall vollkommener angeborener Penisspaltnng 

(Doppelpenis). (W.kl.W., 1914, Nr. 20.) Kasuistische Mitteilung. 

Eisner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

Ch. Richet: Ueber die Unmöglichkeit, Mikroorganismen an wenig 
nabrnng8reiche Nährböden zn gewöhnen. (Compt. reod. de l’acad. 
des Sciences, 1914, Nr. 24, S. 1749.) In Anlehnung an frühere Ver¬ 
suche, die gezeigt hatteD, dass der Milchsäurebacillus sich sehr wohl 
daran gewöhnt, in Medien weiterzuleben, denen toxische Substanzen 
zugesetzt waren, prüfte R., ob sich der Bacillus ebenso gewohnt in 
einem an Näbrsubstanzen armen Medium, d. h. im Zustande der 
Inanition zu wachsen. Während nun im toxischen Medium die Art sich 


umformt, Varietäten bildet und neue eigenartige, spezifische physio¬ 
logische Eigenschaften aufweist, bleibt dagegen im armen Medium stets 
in allen Generationen der Bacillus der gleiche; mit anderen Worten: 
Der Milchsäurebacillus gewöhnt sich an Gifte, er gewöhnt sich aber nie 
an Inauition. 

Cb. Nico Ile und G. Blanc: Sind die Recnrrensspirillen in den 
verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung beim Floh virulent? Demon¬ 
stration ihrer Virulenz in einem unsichtbaren Stadium. (Compt. rend. 
de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 24, p. 1815.) Die Recurrensspirillen 
machen im Floh, der der Ueberträger ist, so schnelle Entwicklungen 
durch, dass einige Stunden nach der Infektion schon sie selbst für das 
Ultramikroskop unsichtbar sind. Nach ungefähr 8 Tagen erscheinen sie 
wieder in der Form von sehr feinen und sehr beweglichen Individuen, 
die bald die Grösse der Spirillen des Blutes erreichen. Die Verff. 
prüften nun die Virulenz dieser verschiedenen Entwicklungsplänen und 
fanden, dass die Spirillen virulent sind, und zwar besonders in der 
Phase, wo sie unsichtbar sind, und dann in der ersten Zeit ihres Wieder¬ 
sichtbarwerdens. 

Edm. Sergent und H. Foley: Ueber Latonzperioden der Spirillea 
bei einem Reenrrenskranken. (Compt. rend. de l’acad. des Sciences, 
1914, Nr. 25, p. 1926.) Einem Recurrenskranken in Nord-Afrika wurde 
in einer fieberfreien Periode Blut entnommen und mit diesem ein Affe 
geimpft. In dem Blute selber Hessen sich histologisch, obgleich ver¬ 
schiedene Beobachter daraufhin untersuchten, niemals Spirillen nach¬ 
weisen; dagegen wurden sämtliche mit demselben Blut geimpfte Affen 
infiziert. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass das Virus im 
lieberfreien Stadium eine andere, sehr kleine Entwicklungsform annimmt. 

B. Valentin. 

H. Mautner: Eine bisher nicht beobachtete Moaiiiaart bei chro¬ 
nischer Bronchitis. (W.m.W.. 1914, Nr. 20.) Bei einem 10 jährigen 
Mädchen mit chronischer Bronchitis fand sich im Sputum ein den Soor¬ 
arten nahe verwandter Pilz, der als Parendomyces pulmonalis Plaut be¬ 
zeichnet wird. Möglicherweise ist dieser Pilz durch Tauben übertragen 
worden. Eisner. 

A. Fauser-Stuttgart: ,, Passive“ Uebertragnag der Fermente 
von Geisteskranken auf Kaninchen. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Die 
UebertraguDg will Verf. durch die Injektion des Blutes von Geistes¬ 
kranken auf Kaninchen nachweisen. Das Serum dieser Tiere soll dann 
die Fermente gegen Organe enthalten, die vorher im Serum des Kranken 
nachweisbar waren. Dünner. 

E. P u p p e 1 - Mainz: Die biologische Schwangersekaftsreaktion und 
ihre Ergebnisse in der Praxis. (Mschr. f. Geburtsb., Bd. 39, H. 6.) Die 
Ausführung der Reaktion darf nicht auf die Kliniken beschränkt bleiben, 
auch der Praktiker kann sie, wenn er ein entsprechend eingerichtetes 
Laboratorium bat, exakt ausführen. Die Ergebnisse erwiesen sich in der 
grossen Mehrzahl, aber nicht in allen Fällen, als dem klinischen Be¬ 
fund, wie ihn die weitere Beobachtung ergab, entsprechend. Man sollte 
die Reaktion nur in solchen Fällen ausführen, in denen ein gewichtiger 
Grund zur frühzeitigen Feststellung der Gravidität vorliegt, nicht aber, 
wenn die Patientinnen nur, wie es häufig der Fall ist, ihre Gravidität 
festgestellt wissen wollen, um möglichst frühzeitig einen kriminellen 
Eingriff machen zu lassen. L. Zuntz. 

E. Sch warz - Berlin: Erfahrungen mit der Abderhalden’selen 
Blatnntersacbnngsmetbode. (Mschr. f. Psych. u. Neurol., Juli 1914.) 
Die Untersuchungen, die an der Nervenklinik der Charite angestellt 
wurden, ergaben durchaus uneinheitliche „regellose“ Ergebnisse Auf¬ 
fallend gross ist die positive Reaktion mit Ovarium bei männlichen 
Seren. Verf. lehnt es ab, irgendwelche Schlüsse für Diagnostik oder 
Kenntnis der Aetiologie der Psychosen zu ziehen. 

E. Loewy-München. 


Innere Medizin. 

A. Lehndorff-Prag: Zur Frage der Sangwirknng des Hemis. 
(D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) In geeignetem Versuch 
zeigt sich, dass die dem Blut durch die Kontraktion der Ventrikel allein 
erteilte Beschleunigung noch hinreiohen kann, um ganz ohne unter¬ 
stützende Momente rückwirkend durch Capillaren, Venen und sogar noch 
durch die Vorhöfe hindurch die Ventrikel wieder genügend zu füllen. 
Das Herz wirkt also nur als Druckpumpe, nicht als Säugpumpe. 

E. Weiser-Prag: Präsystolische Geräasche bei Vorhofsflimmera. 
(D. Arch. f. klin. Med., 1914, Bd. 116, H 1 u. 2.) In einem Falle, in 
dem der Vorhof dazu neigt, aus feinschlägigem in grobschlägiges Flimmern 
überzugehen, treten vereinzelt derart starke Kontraktionen des Vorhofes 
ein, dass der durch ein verengertes Mitralostium durchgepresste Blutstrom 
ein präsystolisches Geräusch erzeugen kann. Aus vereinzelten präsysto¬ 
lischen Geräuschen darf nicht auf einen Vorhofventrikelrhythmus ge¬ 
schlossen werden, sondern Phlebogramm und Elektrocardiogramm müssen 
zur Aufklärung des Falles herangezogen werden; auch prognostisch ist 
dies von Wichtigkeit, denn im allgemeinen ist die Lebensdauer eines an 
einem Mitralfehler leidenden Menschen beschränkter, wenn die Schlag- 
folge seines Herzens auf Vorhofflimmern beruht, als wenn etwa eine 
geringere oder grössere Zahl von Extrasystolen den normalen Vorhof- 
ventrikelrbythmus unterbricht. 

R. Hertz und M. Ehrlich: Ueber den Einfluss kleiner Gaben 
Toiiyleidiasaias auf das Blut mit einem Beitrag zur Lehre über die 


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17. Angast 1914. 

Entstehung experimenteller Hyperglobalie. (D. Areh. 1. klin. M., 1914, 
Bd. 116, H. 1 u. 2.) Kleine Gaben von Toluylendiamin rufen Erythro- 
cytenzerfall hervor; hin und nieder wird Erhöhung der Resistenz der 
Erythrocyten beobachtet. Kleine Gaben von Toluylendiamin führen zur 
Entstehung der Hämatopoetine bzw. verstärken die Tätigkeit derjenigen, 
welche sich normaliter in Organen befinden; sie können Hyperglobulie 
hervorrufen. Die Untersuchungen beweisen auf experimentellem Wege 
die Existenz eines kausalen Zusammenhanges zwischen Hyperglobulie 
und Anämie. 

Z. Tanji - Leipzig: Experimentelle Untersuchungen über das Ver¬ 
hältnis der Ammoniak- und Gesamtstickstoffaasscheidang im Urin bei 
verschiedener Kostform, und besonders bei Reisfütternng. (D. Arch. f. 
klin. ML, 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) Das Verhältnis Ammoniakstickstoff: 
Gesamtstickstoff im Urin beim Menschen, Hunde und Kaninchen bat 
wahrend vorwiegender Eiweiss- (auch Fleisch ) Nahrung im Gegensatz 
zur eiweissarmen (oder cerealiscben) Kost die Neigung zur Verminderung. 
Das Verhältnis ist deutlich vermehrt bei Reisfütterung. Die Ursache 
der relativen Ammoniakvermehrung bei Reisfütterung beruht auf einer 
Blutalkaleszenzabnabme im Organismus. 

R. Siebeck-Heidelberg: Beitrag zur Analyse sehr kleiner Stick- 
steffmengen in organischem Material (Harnstoffbestimmungen in einigen 
Tropfen Blut. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) Be¬ 
schreibung und Abbildung eines geeigneten Apparats, der die gasometriscbe 
Methode zur Analyse sehr kleiner Mengen Stickstoff exakt ermöglicht. 
Die Bestimmung des nichtcoagulablen Stickstoffs im Blutserum hat u. a. 
für die Beurteilung der Nierenleistung eine grosse Bedeutung. 

E. Wall erstein-Heidelberg: Untersuchungen über das Verhalten 
von Gesamtstoffweehsel and Eiweissnmsatz bei Careinoai&tffsen. (D. 
Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) In Jangdauernden Respira- 
tionsversuchen wird das Verhalten der Wärmeproduktion nüchterner, 
nicht fiebernder Carcinomatöser geprüft, ferner wird der Eiweissstoff¬ 
wechsel dieser Kranken nicht wie bisher* losgelöst, sondern im Rahmen 
der Gesamtverbrennungen untersucht. Bei etwa 10 pCt. der Fälle von 
Carcinom zeigte sich eine erhebliche Steigerung des Gesamtstoffwechsels. 
Mit einer ausreichenden Ernährung liess sich in den Fällen, die eine 
einwandfreie Untersuchung möglich machten, stets annähernd ein Stick- 
stoffgleicbgewicht erzielen. Die nachgewiesene Steigerung des Stoffwechsels 
bei Carcinom wird am besten im Sinne von Fr. Müller als eine toxische 
Steigerung aufgefasst, wobei das Wort im weitesten und allgemeinsten 
Sinne einer Alteration des Stoffwechsels durch das Geschwulstgewebe bzw. 
dessen Produkte angewandt sei, die nicht nur den Eiweissstoffwechsel, 
sondern auch, und wohl in erster Linie, den Gesamtstoffwechsel trifft. 

P. v. Monakow-Münohen: Beitrag zur Kenntnis der Nephropathien. 
3. Teil: Miscbformen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H, 1 u. 2.) Von 
den Ergebnissen der ganzen Arbeit seien erwähnt: Es gibt Fälle von 
schwerer Störung der NaCI-Ausscheidung bei gleichzeitig intakter N-Eli¬ 
mination. Bei diesen Fällen pflegen urämische Erscheinungen zu fehlen, 
der Blutdruck ist niedrig, dagegen besteht Neigung zur Oedembildung. 
Diesen Fällen hypochlorurischer Nephropathie entsprechen anatomisch 
wahrscheinlich Veränderungen der gewundenen Harnkanälchen. Heilung 
ist häufig. Bei chronischen Formen kommt es später durch den sekun¬ 
dären Ausfall vieler Giomeruli auch zu schlechter N-Ausscheidung: nach 
früherer Bezeichnung sekundäre Schrumpfniere. Demgegenüber stehen 
die Fälle von Störung der N-Ausscbeidung: hoher Blutdruck, chronische 
urämische Beschwerden; anatomisch Erkrankung der Giomeruli. Verf. 
nennt diese Form die hypazoturische Nephropathie. Akute Formen selten, 
heilbar, meist chronische Erkrankungen, die früher der genuinen Schrumpf¬ 
niere zugezählt wurden, die sich entweder aus einer akuten Glomerulitis 
entwickelt haben oder auf dem Boden einer chronischen Erkrankung der 
Gelasse (namentlich der Glomerulusgefässe; Jores) entstanden sind. Neben 
dieser eigentlich renalen Hypertonie gibt es Fälle mit hohem Blutdruck, 
leichtester Albuminurie, sonst intakter Nierenfunktion. Ursache: peri¬ 
phere Gefässveränderungen (Sklerose der Arteriolen Jores). Ausser den 
genannten reinen Formen gibt es sehr zahlreiche Mischformen. In bezug 
auf die Ausscheidung der körperfremden Stoffe, Jod und Milchzucker, 
konnten prinzipielle Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen 
jron Nephropathien nicht gefunden werden. Deshalb hält Verf. das Ver¬ 
halten dieser Stoffe im Gegensatz zu Schlayer für ungeeignet zur 
Beurteilung der Art und des Sitzes der Störung. 

Schlayer-München: Bemerkungen zu der Arbeit v. Monakow’s, 
Beitrag zur Kenntnis der Nephropathien. — v. Monakow, Erwiderung 
zu obigen Bemerkungen. (D. Aroh. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) 

Lichtwitz und Stromeyer-Göttingen: Untersuchungen über die 
Mereafanktion. L Die Funktion der Niere im Diabetes insipidns. (D. 
"oh. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) Untersuchungen bei zwei 
au Diabetes insipidus leidenden Männern, an einem Kranken mit einer 
olyurie unklaren Ursprungs und an einer gesunden Person. Besondere 
erucksichtigung des Einflusses, den die Hypophysenpräparate auf die 
lerenfunktion ausüben. Bei Fall 1 und 2 hochgradige Schädigung der 
onzentrierung des Chlorions. Die Niere war dagegen fähig, Stickstoff in 
hohen Werten zu konzentrieren. Primäre Polydipsie war dera- 
-* 1,er D icht die Ursache des Diabetes insipidus, sondern die Funktions- 
K ^ er ^ ere Sinne einer Schädigung der Partialfuoktion der 
chsalzkonzentrierung. Fall 3 zeigte keine Störung des Konzentrations- 
i r . m ^ ens für NaCl und Harnstoff, war demnaoh nicht als Diabetes 
8, pidus, sondern als primäre Polyurie (unklaren Ursprungs) aufzufassen. 


W. Kaiser und J. Löwy-Prag: Ueber Schwankungen der 8erun- 
konzentration bei Searlatiia. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116^ 
H. 1 u. 2.) Bei einer Reihe von Fällen von Scharlach ohne Komplikation 
finden sich während des Krankheitsverlaufes keine nennenswerten Schwan¬ 
kungen des Brechuogsindex des Serums, während bei eiaer anderen Reihe 
eine Erhöhung der Serumfraktion im Stadium der Schuppung vorhanden 
ist. Bei dem Falle von Nephritis und Albuminurie war die Serum¬ 
konzentration vor dem Auftreten des Eiweisses im Harne erhöht. Prak¬ 
tische Bedeutung hat die Bestimmung der Serumfraktion bei Scharlach 
wegen ihrer Schwankungen nicht. 

Goebel-München: Protensmeniagitis and Proteassepsis bei einem 
Neugeborenen nebst Bemerkungen über Proteus als Krankheitserreger 
des Menschen. (D. Arcb. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) An dem 
Falle (9 Tage alter Knabe) war bemerkenswert: das Vorkommen von 
Bacterium Proteus als einzigem Erreger einer eitrigen Meningitis (nur 
einmal sonst beschrieben) und der fieberlose Verlauf der Krankheit; der 
im Leben erbrachte Nachweis der sonst nur postmortal bei tuberkulöser 
Meningitis beschriebenen Mandelbaum’schen Endothelien; die auffallenden 
Unterschiede zwischen Ventrikel- und Lumbalpunktat in Farbe, spezifi¬ 
schem Gewicht und Fibringehalt; der diagnostisch vielleicht verwertbare 
charakteristische Proteusgeruch des Patienten. Zinn. 

G. Singer: Aetiologisches in der Rheamatisainsfrage. (W.m.W., 
1914, Nr. 22.) Die akute Polyarthritis ist das Produkt der Iofektion 
mit den verschiedenartigsten Erregern. Ihr Kernbild, der sogenannte 
akute Gelenkrheumatismus, geht aus einer Infektion mit pyogenen Kokken, 
speziell Streptokokken, hervor und gehört als Varietät zur grossen Krank¬ 
heitsfamilie der Pyämie. Eisner. 

C. v. Pirquet-Wien: Graphische Analyse cntaner Reaktionen. 
(M.m.W., 1914, Nr. 29.) Die Methode besteht in einer durch mehrere 
Tage hindurch ausgeführten Registrierung der cutanen Effekte inbezug 
auf Flächenausdehnung, Hyperämie und Exsudation, der Darstellung in 
Kurvenblättern auf Grund eines unterlegten Schemas der zuerst pro¬ 
visorischen, dann definitiven Zusammenfassung in Kurvenbildern. Bei¬ 
spiel von cutaner Tuberkulinreaktion. 

R. Schütz-Wiesbaden: Chronische Magen-Danndyspepsie, Colitis 
gravis and Lebercirrhose. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Vortrag, gehalten 
auf der ersten Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, 
Homburg, April 1914. Verf. weist auf den Zusammenhang der Magen- 
Darmdyspepsie mit Colitis gravis hin. Er hat Fälle beobachtet, bei 
denen dyspeptische Erscheinungen denen der Colitis vorangingen und 
die zum Teil eine Zeit nach Abklingen der Colitis weiter bestanden. 

Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

A. Gregor-Leipzig: Intelligenzantersaehangen mit der De- 
finitionsmethode. (Mschr. f. Psych. u. Neurol., Juli 1914.) Gregor 
hat grössere Reihenuntersuchungen mit einer neuen Methode unter¬ 
nommen, die im Gegensatz zu den meist gebräuchlichen Assoziations- 
metboden und der nach Binet-Simon nur Definitionen verwendet. Er 
kommt zu dem Schluss, dass man mit dieser Untersuchung intellektuelle 
Defekte ermitteln und in ihrer Intensität bewerten kann, und dass sie 
darüber hinaus Einblick in das individuelle Geistesleben und die be¬ 
sondere Art seiner krankhaften Störungen gewährt. 

K. Togami - Kiushu (Japan): Lehre vom Stoffwechsel bei 
Psychosen. (Mschr. f. Psych. u. Neurol., Juli 1914.) Die sehr genauen 
und ausführlichen Untersuchungen des Verf. führen zu ziemlich dürftigen 
Resultaten. Einerseits sind es ziemlich offen zutage tretende Dinge 
(geringe Harnmenge bei Paralyse, Einfluss der Harnverhaltung auf die 
katatone Psyche), andererseits sehr unscharfe und — vorläufig wenig¬ 
stens — kaum brauchbare Resultate, die er erhält (gelegentlich Störungen 
der Zuckerassiroilation). 

H. Hacke und F. H. Lewy - München: Klinik und Pathologie eines 
atypischen Falles von Verschloss der Art. cerebelli post. inf. (Mschr. 
f. Psych. u. Neurol., Juli 1914.) Bei einer 60jährigen Patientin mit 
chronischer Mittelohreiterung trat Schwindel, Kopfschmerz, Nystagmus 
auf, ferner Schmerzhaftigkeit der rechten Gesichtsseite und Tränen des 
rechten Auges. Beim spontanen Zeigeversuch Abweichen des rechten 
Armes nach rechts; Adiadokokinese, Ataxie rechts; abnorme Kopf- 
einstellang, Romberg nach hinten, wechselnd nach links und rechts; Ver¬ 
kleinerung der rechten Lidspalte, Exophthalmus. Nach Freilegung des 
Kleinhirns (erster Akt) Exitus. Die Sektion ergab hochgradige Hirn¬ 
arteriosklerose, besonders cerebellar, ferner ältere Erweichungen und 
frische Blutungen im Kleinhirn, in der Oblongata nur geringfügige 
Störungen. Io der Rinde hatte die Arteriosklerose zu ausgedehnten Ver¬ 
ödungsherden geführt. Im Kleinhirn bestand ein eigenartiger histologi¬ 
scher Prozess mit Auftreten massenhafter fucbsinophiler Granula. 

E. Loewy - München. 


Chirurgie. 

G. Hotz - Freiburg i. B.: Daneranästhesie. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) 
Vortrag, gehalten in der Freiburger medizinischen Gesellschaft am 
19. Juni 1914. Cf. Gesellsohaftsbericht der B.kl.W., 1914, Nr. 29, S. 1392. 

R. Draohter-München: Die Gaamenspalte und deren operative 
Behandlung. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Der operative Verschluss der 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 33. 


Hasenscharte bewirkt mechanisch eine Annäherung des Alveolarfortsatzes, 
von dem aus die Ränder der Gaumenspalte in einem spitzen Winkel 
auslaufen, deren Enden sich in einem bestimmten Stadium („Stadium 
der optimalen Spaltbreite“) am Zäpfchen wieder nähern. In dieser Zeit 
soll nach Yerf. operiert werden. Verf. bevorzugt die Langenbeck’sche 
Methode. Dünner. 

Haehner: Zur Luxatio elavicnlae retrosternalis. (D. Zschr. f. 
Chir., Bd. 130, fl. 3 u. 4.) Mitteilung eines Falles, bei dem es im 
sternoclavicularen Gelenk zu einer Luxatio retrosternal is claviculae ge¬ 
kommen war. Die Reposition gelang durch Zurückziehen der Schulter 
ad maximum und Gegendruck vom Rücken zwischen den Schulter¬ 
blättern her. Die Entstehung erfolgt meist durch indirekte Gewalt. 
Prognose günstig. 

Schmitt: Zur operativen Behandlung der Talnslnxation. 

(D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 3 u. 4.) Mitteilung eines Falles, der 
nach blutiger Reposition mit tadellosem funktionellen Resultat ausheilte. 
Wichtig ist, dass man sich bei dem operativen Vorgehen über den Zu¬ 
stand der Bänder vergewissert, dabei sind die Ligg. talocaicanea und 
Lig. interosseum einer besonderen Revision zu unterwerfen, weil darin 
die ernährenden Gefässe laufen. J. Becker. 

W. S. Handley-London: Ein Fall von Cheilotomie. (Lancet, 
11. Juli 1914, Nr. 4741.) Des Verfasser hat in einem ausführlich mit¬ 
geteilten Falle einer traumatischen Arthritis des Hüftgelenkes mit grossem 
Erfolg lippenartige Knochenvorsprünge am Oberschenkelkopfe abge- 
roeisselt. Wey de mann. 

Schtnidseder: Ueber primäre Beckensarkome (mit einer Zusammen¬ 
stellung von 178 Beckensarkomfällen aus der Literatur und einem selbst 
beobachteten Fall.) (D. Zschr. f. Chir , Bd. 130, H. 3—4.) Besprechung 
der verschiedenen Arten der Sarkome, die am Becken Vorkommen können, 
weiterhin Besprechung der in differential-diagnostischer Beziehung in 
Betracht kommenden Tumoren. Oft Verwechslung mit Ischias durch 
Druok des Tumors auf den Nerven. Radikalmittel ist die operative 
Entfernung, Gutes leisten auch Röntgen- und Radiumbestrahlungen. 
Literaturverzeichnis. Becker. 

Br. Glaserfeld: Die Erfolge der operativen Behandlung des 
Morbns Basedowii. (Grenzgebiete, Bd. 28, H. 1.) Preisgekrönte Arbeit 
der Möbiusstiftung. Die gehaltreiche Arbeit kann in der gebotenen 
Kürze nicht referiert werden. 

Sh. Marnyama: Beitrag zur Kenntnis deä Pnlsionsdivertikels der 
Speiseröhre. Mit 1 Abbildung. (Grenzgebiete, Bd. 28, fl. 1.) Mikro¬ 
skopische Untersuchung eines operativ gewonnenen Präparates ergab, 
dass die Wandung des Divertikels nirgends quergestreifte Muskelfasern 
enthält, mit Ausnahme des an die Oeffnung angrenzenden Abschnittes. 
Das Divertikel kommt demnach durch Ausstülpung der Mucosa und 
Submucosa zwischen den Fasern des Constrictor pharyngis inf. zustande. 
Bei Entstehung des Divertikels spielen Verknöcherungsprozesse am Kehl¬ 
kopf eine Rolle insofern, als bei normalem Kehlkopf dessen Knorpel 
dem Bissen, der in den Oesophagus gleitet, ausweichen kann; ist er 
nicht mehr dazu fähig, so wird die Entstehung eines Divertikels an der 
physiologisch engen Stelle des Oesophagus hinter dem Ringkorpel be¬ 
günstigt. Der mitgeteilte Fall war operiert und starb an einer Blutung 
aus der Art. thyreoid. inf., die durch eitrige Prozesse im Wundbett 
arrodiert war. 

A. Wydler: Zur radikalen Behandlung der Bronehektasien. (Grenz¬ 
gebiete, Bd. 28, H. 1.) In einem Falle kongenitaler diffuser Bronch- 
ektasie des linken Unterlappens wurde zunächst in 4 Sitzungen durch 
ausgedehnte Rippenresektionen die linke Thoraxseite um 5—6 cm ein¬ 
geengt, ohne Erfolg. Als auch nach Ligatur der Art. pulmonalis keine 
Besserung eintrat, wurde der linke untere Lungenlappen amputiert mit 
dem Erfolg, dass der Patient nun seit 2 Jahren arbeitsfähig und bis 
auf Absonderung massiger Mengen Sputums beschwerdefrei ist. Verf. 
plaidiert für radikales Vorgehen (Abtraguug des erkrankten Lappens) 
von Anfang an, ohne den Umweg über das ergebnislose Einengungs¬ 
verfahren zu machen. Theo Müller. 

Alberts: Ein Beitrag zur operativen Behandlung der akuten 
Magenblntnngen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 3 u. 4.) Braun 
unterband in mehreren Fällen blutender Ulcera die zuführenden Arterien 
und kombinierte dies Verfahren mit einer Jejunostomie oder Gastro¬ 
enterostomie. Die Erfolge waren gute und fordern zur öfteren Nach¬ 
ahmung auf. J. Becker. 

Faulhaber und E. Frbr. v. Redwitz: Zur Klinik und Behand¬ 
lung des „pyloruafernen“ Ulcus ventricnli. Mit 47 Abb. (Grenzgebiete, 
Bd. 28, H. 1.) Die wertvollste Stütze für eine topische Diagnose ist das 
Röntgenbild; alle anderen klinischen und anatomischen Ergebnisse sind 
unsichere Merkmale. Periodizität der Schmerzen ist meist nachzuweisen, 
doch ist sie ein Symptom aller chronischen tiefgreifenden Geschwüre 
des Magens und Duodenums, sie kanD daher für die Lokalisation nicht 
in Betracht kommen. Die von vielen Chirurgen als Operation der Wahl 
anzusehende Gastroenterostomie kann Ausheilung eines pylorusfernen 
Geschwürs und Ausbleiben gefährlicher Komplikationen, Perforation und 
Blutung nicht garantieren. Vorzuziehen sind radikale Resektionsmetboden, 
neben Billroth II besonders die Resektion des mittleren Magenteils. Diese 
Methode gab bei 27 von 30 Fällen schon gute, zum Teil klinisch und 
röntgenologisch genau nach untersuchte Resultate; nur 2 Todesfälle — 
Nahtinsuffizienz und Ruptur einer Oesophagusvarix und ein Misserfolg — 
Reoidiv — sind zu verseiohnen. Exzision und Keilresektion sind mög¬ 


lichst einzuschränken, bei letzterer kommt es leicht zu anatomischem 
Sanduhrmagen. Die physiologisch richtigsten Verhältnisse schafft die 
Resektion der Magenmitte; sind hohe Säurereste zu finden, so ist ein 
genügend grosser Magenabschnitt nach Billroth II wegzunehmen. 

W. Pfänner: Kasuistischer Beitrag zur Kenntnis der tuberkulösen 
Pylorusstenosen (Grenzgebiete, Bd. 28, H. 1.) Die Wahrscheinlichkeit»- 
diagnose auf tuberkulöses Ulcus konnte vor der Operation gestellt werden. 
Der Pylorus wurde reseziort, der Magenstumpf nach Pölya versorgt, 
der unsichere Duodenalstumpf durch Aufnähen des Pankreas und der 
Gallenblase gedeckt. Das Präparat zeigte ein typisches tuberkulöses 
Ulcus am Pylorus. Theo Müller. 

ingebrigtsen: Unterbliebene Drehung des Colons, Coecum 
mobile, Ileus. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 3 u. 4.) Bericht über 
einen Sektionsfall, bei dem sich ein grosses Mesenterium fand, das Duo¬ 
denum, PaDkreas, Dünndarm und Colon umfasste. Es war ausserdem 
eine Hyperplasie des ganzen Darmtractus mit dem Colon ascendens links 
der Wirbelsäule vorhanden. Einzelheiten sind in dem Original nachzu¬ 
lesen. J. Becker. 

T. Bärsony • Budapest: Beiträge zur Diagnostik des postopeia- 
tiven jejunalen und Anastomosennlcns. (W.kl.W., 1914, Nr. 29.) Die 
iDitialiälle von postoperativem Ulcus kann man zurzeit noch nicht dia¬ 
gnostizieren. Es dauert immer längere Zeit, bis die Diagnose „post¬ 
operatives Ulcus“ gestellt werden kann; dabei kann aber häufig noch 
nicht festgestellt werden, ob es sich um ein jejunales oder Anastomosen- 
ulcus handelt. Von praktischem Wert für die Differenzierung ist die 
Tatsache, dass die typischen Jejunalulcera meist ohne begleitende Re- 
tentionserscheinungen bestehen. P. Hirsch. 

Al. Einer und E. Schwarzmann: Gastrische Krisea und Vago- 
tomie. (Grenzgebiete, Bd. 28, H. 1.) Wenn bei gastrischen Krisen die 
Schmerzleitung auf der Bahn des Vagus erfolgt, so kann die subdia- 
phragmatisebe Resektion der Vagi die Krisen günstig beeinflussen, ja 
sogar Heilung bringen, wie aus tabellarisch und kursorisch mitgeteilten 
Krankengeschichten erhellt. Zur Indikationsstellung des genannten Ein¬ 
griffs ist die Anästhesierung der hinteren Wurzelregionen mit Novocain 
nach Heile wichtig: Gelingt die Coupieruog eines Anfalls mit Leitungs¬ 
anästhesie, so ist lür den einzelnen Fall bewiesen, dass die Schmerzen 
durch die Rami communicantes dem Rückenmark zufliessen, und eine 
Operation am Vagus nicht am Platz ist, die Förster’sche hat Aussicht 
auf Erfolg; versagt dagegen die Anästhesie, so sind die Schmerzen durch 
das Vagusgebiet verursacht, und , die Vagotomie nach Einer tritt in 
ihre Rechte. Die Erfolge der Operation sind dann dadurch zu erklären, 
dass in den Reflexbogen, der zur Entstehung der gastrischen Krisen 
nötig ist, auch der Vagus eingeschaltet ist, und die Unterbrechung der 
Leitung auch,an dieser Stelle helfen kann. Theo Müller. 

Rost: Experimente! le Untersuchungen über eitrige Parotitis. (D. Zschr. 
f. Chir-, Bd. 130, H. 3—4.) Die Ansichten, ot> die Parotitis aszendierend 
oder auf hämatogenem Wege entsteht, sind geteilt. Verf. suchte dies 
klarzulegen dadurch, dass er vom Ausführungsgang aus oder von der 
Arterie aus die Parotis infizierte. Seine Resultate gipfeln darin, dass 
bei hämatogener Infektion der Parotis stets primär eine eitrige Entzün¬ 
dung in den Ausführungsgängen war, und dass dabei ein Unterschied 
gegenüber dem anatomischen Bilde einer aszendierenden Parotitis nicht 
bestand. 

Wagner: Ileas durch Gallensteine. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, 
H. 3 u. 4.) Dieser Ileus befällt hauptsächlich Frauen im höheren Alter. 
Ueber eine gewisse Wahracbeinlicbkeitsdiagnose kommt man dabei nicht 
hinaus. Sitz des Verschlusses ist meist das untere Ileum. Das Krank- 
heitsbild ist durch relative Häufigkeit gekennzeichnet und durch den 
Wechsel von intensiver Peristaltik mit Aufstossen und Erbrechen faku- 
lenter Massen. Die Therapie ist eine operative. Literaturverzeichnis. 

Troell: Zur Kenntnis der anormalen Appendixlagen. (D. Zschr. 
f. Chir., Bd. 130, H. 3 u. 4.) Mitteilung dreier Fälle, in denen der 
Appendix in der Lebergegend lag. Verf. führt diesen Zustand auf die 
lötale Entwicklung zurück, indem die normalen Drehungen der Darm¬ 
sohlingen und das Herabsteigen des Blinddarms in die Fossa iliaca Aus¬ 
bleiben. J. Becker. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Adam-Berlin: Ueber Augenveräuderungen bei Schwangerschaft 
and Gebart. (Mscbr. f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) Da die Retinitis 
albuminurica häufiger bei chronischen als bei akuten Nephritiden vor¬ 
kommt, findet sie sich bei Schwaogerscbaftsniere nicht sehr häufig. Bei 
reichlichem Albumengehalt kommt zur Verhütung ihres Auftretens die 
Unterbrechung der Schwangerschaft in Betracht. Ist sie erst vorhanden, 
so bedeutet ein Hinausschieben der Geburt, falls es im Interesse des 
Kindes erwünscht scheint, keine bedeutende Verschlechterung der Pro¬ 
gnose in bezug auf die spätere Funktion des Auges. Häufig ist sie mit 
einer Netzhautablösung verbunden, die aber eine bessere Prognose gibt 
als diejenige auf anderer Basis. Die Sehstörungen bei Eklampsie sind 
meist cerebraler Natur. Ohjektive Veränderungen lassen sich meist 
nicht nach weisen. Ihre Prognose ist daher eine bessere. 

0. Bondy - Breslau: Zur Lehre von der Hyperemesis gravidaran. 
(Mschr. f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) Ein Fall von schwerem Schwanger¬ 
schaftserbrechen wurde durch 2 malige intramuskuläre Injektion von 
je 10 ccm normalem Schwangerenserum geheilt. Dieser Erfolg spricht 


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17. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


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für die Annahme einer Intoxikation als ätiologischer Faktor. In bezug 
auf die Indikationsstellung zur Unterbrechung der Schwangerschaft haben 
sich die verschiedenen, einzeln angegebenen Indikationen (dauernder 
schneller Puls, verminderte Urinausscheidung, vermehrte Ammoniak¬ 
bildung usw.) nicht als eindeutig erwiesen. Immerhin darf man bei 
einer Häufung derartiger Anzeichen nicht zu lange warten, da man sonst 
mit der Unterbrechung zu spät kommen kann, wie durch einen Fall 
illustriert wird, in dem sich der Exitus nicht mehr aufhalten Hess. 

M. Malinowsky - Kasan: Tokodynamometrisehe Unters ach nagen 
über die Wirkung des Pituitrins anf die (Jternskontraktionen unter 
der Geburt. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 40, H. 1.) Die Untersuchungen 
wurden mit einem dem Sohatz’schen Tokodynamometer nachgebildeten 
Apparat angestellt und ergaben folgendes: Am meisten ausgesprochen 
sind die Sturmwehen dort, wo das Pitutrin in frühen Stadien der Er- 
öffnungsperiode zur Anwendung gekommen ist. Die mittlere Dauer 
solcher an Tetanus erinnernden Uteruskontraktionen beträgt ungefähr 
10—15 Minuten. Irgendwelche unangenehme Folgen scheinen die 
Stumwehen nicht zu haben, ebensowenig für die Mutter wie für das 
Kind. Eine Pituitrindose von 1 ccm ist für einen therapeutischen Effekt 
vollkommen ausreichend. Fraktionierte Dosen haben eine schwächere 
Wirkung. Die maximale Einzeldose, welche Verf. mit gutem Erfolg an¬ 
wandte, betrug 1,5 ccm. Wiederholungsgaben von Pituitrin geben immer 
einen Effekt. Die Wirkung beginnt 2—10 Minuten, ira Durchschnitt 
5,8 Minuten nach der Injektion. Die mittlere Wirkungsdauer einer 
Pitutrindose von 1 ccm beträgt ungefähr eine Stunde. In 3 Fällen 
unter 60 hatte das Mittel gar keine Wirkung; in 4 anderen Fällen hatte 
es keinen merkbaren Einfluss auf den Fortschritt der Geburt. 

T. Hausmann - Berlin: Ergebnisse der methodischen Palpation 
der Ileecoecalgegend mit besonderer Berücksichtigung der ektopischen 
Eileiter. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) Die vom Verf. schon 
früher vielfach beschriebene Methode gestattet, wie durch instruktive 
Fälle erläutert wird, in diagnostisch schwierigen Fällen eine Unter¬ 
scheidung der Appendicitis von Erkrankungen der oberen Harnwege 
einerseits, der Geschlechtsorgane andererseits. Die Schmerzhaftigkeit des 
Mao-Burney’schen Punktes ist nicht eine solche der Appendix, sondern 
des Musculus psoas, kann durch alle drei Arten von Erkrankung hervor¬ 
gerufen werden und genügt also nicht zur Diagnose. 

F. Heinemann - Breslau: Wert der Antitrypsinbestimmnng in 
der Gynäkologie und Geburtshilfe. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) 
Uoter 50 Fällen von Gravidität stimmte klinischer Befund und Reaktion 
nur 3 mal nicht überein. Die Erhöhung des antitryptischen Titers kann 
also als unterstützendes diagnostisches Moment zur Erkennung der 
Schwangerschaft gebraucht werden. Auch bei Carcinom waren die 
Resultate leidlich güostig. Für die allgemeine Praxis kann sich die 
Methode nicht einbürgern, da zu viel Einschränkungen gemacht werden 
müssen, um die Diagnose sioherstellen zu können. 

E. Brattström - Lund: Ein Fall von viereiigen Vierlingen nebst 
einigen Beobachtungen betreffs der Vierlingsgeburten im allgemeinen. 
(Mschr. f. Geburtsh., Bd. 40, H. 1.) Von den vier Kindern war eins 
maceriert, die drei anderen wurden lebend aus der Klinik entlassen, 
doch starb eins nach 5 Wochen. Das Gesamtgewicht der Kinder betrug 
1227 g, das der Placenteu 1900 g. Da sehr viel Fruchtwasser vor¬ 
handen war, so dürfte das Totalgewicht, vod dem die Mutter durch die 
Geburt befreit wurde, 18 kg betragen haben. Entsprechend hatte vorher 
erhebliche Atemnot bestanden. In Schweden betrug in den letzten 
160 Jahren die Häufigkeit der Vierlingsgeburten 1 : 236 034, eine hohe 
Zahl. Statistiken anderer Länder gehen bis auf 1 *.750 000. 

J. Fabricius - Wien: Ueber ein primäres Carcinom der Bartho- 
lili’schei Drüse. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 40, H. 1.) 

0. Nebesky - Innsbruck: Beitrag zur Kenntnis der Chorio&ngiome. 
(Mschr. f. Geburtsh., Bd. 40, H. 1.) Zu den in der Literatur bisher 
beschriebenen 88 Fällen fügt Verf. einen selbst beobachteten hinzu. 
Die mikroskopische Uutersuohung ergibt, dass es sich bei dem faust¬ 
grossen Tumor um ein wirkliches Angiom handelte, dass also die An¬ 
sicht von Gräfenberg, diese Tumoren seien durch regressive Prozesse be¬ 
dingt, nicht zutreffe. Für die Mutter haben diese Geschwülste keinerlei 
Bedeutung; dagegen wird die Prognose für das Kind in hohem Grade 
ungünstig beeinflusst. 

S. A. Kriwsky - St. Petersburg: Ueber die chirurgische Behandlung 
der entzündlichen Adnexerkranknngen. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 39, 
H. 6.) Bei 3683 klinisch beobachteten Adnexerkrankungen wurde bei 
252 eine vaginale Inzision eines Abscesses gemacht, 88 Operationen an 
den Adnexen selbst, und zwar fast ausschliesslich auf abdominalem 
Wege; war Eiter zu erwarten, wurde der Längsschnitt gewählt, sonst 
der Querschnitt. Von 19 wegen eitriger Adnexerkrankungen operierten 
Frauen starb eine, von 17 bei schon bestehender Peritonitis operierten 6; 
▼on 51 nicht eitrigen Fällen starb eine. Es wurde stets versucht, einen 
Rest des Eierstockes zu erhalten. 

H. Cramer - Bonn: Das Terpentinöl in der Prophylaxe und 
Behandlung puerperaler nnd gynäkologischer Infektionen. (Mschr. 
f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) Das Terpentinöl hat eine starke des¬ 
infizierende und entwicklungshemmende Kraft, die tagelang aohält. Es 
setzt keinen Aetzschorf und bewirkt eine starke Leukocytose. Aus 
diesen Gründen hat Cr. es bei jauchiger Endometritis post part. et 
äbort. und auch nach der Ausräumung fieberhafter Aborte in der Weise 
angewandt, dass der Uterus gründlich entleert, trocken gewisoht und 


dann mit einem Wattebausch, der mit Terpentinöl getränkt ist, aus¬ 
gewischt wird. Die ausgezeichneten Erfolge werden durch kurze Kranken¬ 
geschichten und Kurven illustriert. Besonders empfiehlt es sich auch, 
wenn man ausnahmsweise bei Placenta praevia gezwungen ist, die 
Scheide zu tamponieren, den Tampon mit Terpentinöl zu tränken, um 
so Zersetzung zu verhüten. L. Zuntz. 


Augenheilkunde. 

Bonnefon und Lacoste*. Experimentelle Untersuchungen über 
die Transplantation der Hornhaut. (Compt. rend. de Pacad. des 
Sciences, 1914, Nr. 26, p. 2017.) Es wurden auto- und heteroplastische 
Transplantationen von Cornea beim Kaninohen ausgeführt. Bei der 
Autotransplantation wurde ein Stück fortgenommen und auf das andere 
Auge gesetzt, bei dem künstlich ein gleich grosser Defekt geschaffen 
war. Die Heterotransplantation fand vom Meerschweinchen oder Huhn 
auf das Kaninchen statt. Das Transplantat heilt bei beiden Arten 
nicht ohne weiteres als solches ein, sondern wird grösstenteils durch 
ein Regenerationsgewebe ersetzt, das vom Wirt stammt. 

L. Valentin. 


Technik. 

0. Berneker- Berlin: Eine neue Vorrichtung zur Vereisung 
kleinerer eircnmseripter Hanthezirke mit Aetbylchlorid. (M.m.W., 
1914, Nr. 29.) Mit Hilfe eines Trichters. Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner mikrobiologische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 9. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Löffler. 

Schriftführer: Herr Friedberger. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Küster: 

Eine Capillardesinfektionsmethode znr Entkeimung von Milch, 
Wasser u. dgl. 

Vortr. macht Mitteilung über eine von ihm ausgearbeitete Capillar- 
methode zur Entkeimung, Entgiftung und Haltbarmachung von Flüssig¬ 
keiten. Sie beruht darauf, dass die betreffende Flüssigkeit allein oder 
unter Beimengung von verschiedenen Zusätzen unter Druck bzw. mittels 
Saugkraft durch eine feine Capillarröhre durcbgetrieben wird. Die 
Capillarröhre wird durch Einlegen in ein Wasserbad o. dgl. auf einen 
bestimmten Wärmegrad gebracht. Durch Variieren von Capillarlänge, 
-weite, von Druck und Wärmezufuhr ist man imstande, die Einwirkung, 
welcher die Flüssigkeit während ihres Durchlaufs durch das Capillarrohr 
ausgesetzt ist, so zu regulieren, dass z. B. nur für Bruchteile einer 
Sekunde eine Erwärmung auf eine bestimmte beliebige Temperatur statt¬ 
findet. Dies ermöglicht auf die schonendste Weise eine Sterilisierung 
durchzuführen, indem man Temperaturböhe und -Einwirkungsdauer so 
wählt, dass eben die in Betracht kommenden Keime mit Sicherheit ver¬ 
nichtet werden. Unerwünschte und unter gewissen Verhältnissen, wie 
etwa bei der Milchpasteurisierung, schädliche Nebenumsetzungen der 
Flüssigkeit können so am vollkommensten vermieden werden. Patho¬ 
gene Spaltpilze bedürfen zu ihrer Abtötung, wie die Versuche mit der 
Capülarmethode ergaben, einer wesentlich kürzeren Einwirkung auch 
niederer Wärmegrade als nach der allgemeinen Anschauung und nach 
den Angaben der bakteriologischen Lehrbücher bisher angenommen 
wurde. So starben z. B. Typhus-, Coli-, Gärtnerbacillen in Milch schon 
bei 0,3 Sekunden langer Erwärmung auf 75° C. Die grosse Desinfektions¬ 
wirkung in der Capillarröhre ist mit der grössten Wahrscheinlichkeit 
auf den Umstand zurückzuführen, dass die Flüssigkeiten in feinster 
Schicht erwärmt werden und kein Teilchen sich der Einwirkung ent¬ 
ziehen kann. Die biologischen Reaktionen der Milch: der Enzymgehalt, 
das AufrahmungsverraÖgen, die Gerinnbarkeit bleiben, soweit sich bis¬ 
her übersehen lässt, weitgehend erhalten. Die Versuche sind noch nicht 
abgeschlossen, doch lässt sich aus den bisherigen vorzüglichen Resultaten 
mit ziemlicher Sicherheit Voraussagen, dass die Capillardesinfektion eine 
grosse praktische Anwendung finden kann. Insbesondere sei darauf hin- 
gewiesen, dass dieselbe auch zur Trmkwasserbereitung in den Fällen, wo 
jetzt der Berkefeldfilter am Platz ist oder bei richtiger Wahl des 
Capillarmaterials zur elektrischen und Strahlenbehandlung von Flüssig¬ 
keiten sich als brauchbar erweisen dürfte. 

Diskussion. 

Hr. Löffler fragt, ob die Staphylokokken unter den vom Vortr. 
gewählten Bedingungen gleichfalls absterben, was doch für die Kinder¬ 
milch von erheblicher Bedeutung ist. 

Hr. Hey mann bittet den Herrn Vortr. um Auskunft, wieviel Zeit 
grössere Flüssigkeitsmengen, wie etwa 10 Liter .Milch, zur Passage 
durch den Capillardesinfektionsapparat beanspruchen. 

Hr. Küster (Schlusswort): Staphylokokken werden bei 0,3 Sekunden 
Durchlaufszeit und Erwärmung auf 73—75° nicht getötet, ihre Erhaltung 
wird bei der Milchpasteurisierung auch gewünscht, weil eine solche Milch 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 33. 


sicherer eine normale Säuorung eiogeht. Bei der Kindermilcbgerinnung 
könnte man zu ihrer Abtötung leicht mit Temperatur und Durchlaufs¬ 
zeit in die Höbe gehen, um auch die Kokken zu vernichten, musste aber 
dann eine stärkere Veränderung der Milchenzyme in Kauf nehmen. 

Die hier demonstrierte Capillare leistet 4 Liter pro Stunde; die 
Ergiebigkeit des Apparates lässt sich durch Vermehrung der Capillar- 
zahl oder durch Erhöhung des Drucks und entsprechende Einstellung 
von Länge und Temperatur beliebig steigern. 

Tagesordnung. 

1. Hr. H. Ziemans: 

Ueber eigenartige (eventuell neue?) Malariaparasitenfomen. 

Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Forscher unterscheidet be¬ 
kanntlich Tertian-, Quartan- und Perniciosaparasiten. Die letzteren 
werden von einigen in maligne Tertian- und Quotidianparasiten, die 
QuotidiaDparasiten ihrerseits von Mannaberg und Manson in pigmen¬ 
tierte und unpigmentierte eingeteilt, was ich nicht anerkennen kann. 
Dagegen trenne ich die Perniciosaparasiten in Laverania malariae (Syno¬ 
nym Plasmodium praecox bzw. falciparum, die Parasiten der Perniciosa 
in Italien und den meisten Tropen- und subtropischen Gegenden, und 
Plasmodium perniciosum). Mit letzterem Namen bezeichne ich die 
speziell an der westafrikanischen Küste vorkommenden Formen, da sie 
sich morphologisch von den ersteren durch die Bildung von weniger 
und weniger klumpigem Pigment, durch frühzeitigeres Verschwinden aus 
dem peripherem Blute nach Erreichen der Siegelringformen, durch das 
Fehlen der Messingfarbe der infizierten roten Blutkörper und seltenere 
Neigung zu Halbmondbildung unterscheiden. Kommt es zur Bildung der 
letzteren, sind sie auch kleiner und plumper als speziell die in Italien 
zu beobachtenden Parasiten, die sich gelegentlich in Kamerun durch 
besonderen Chromatinreichtum auszeichneten, möchte ich zunächst als 
Spielarten bezeichnen. Später hat auch Mine in Formosa von dem ge¬ 
wöhnlichen Perniciosaparasiten Formen abgeteilt, die in gewisser Be¬ 
ziehung an mein Plasmodium perniciosum erinnern. 

In dem III. Report of the Welcome Research Labora¬ 
tories in Khartoum wurden nun 1908 Formen abgebildet, die 
vollkommen den Parasiten glichen, wie sie kürzlich Stephens 
offenbar in Unkenntnis der vorigen Parasiten als „Plasmodium tenue“, 
nova species aus Iadien beschrieben hat. Dieselben zeigten ausser¬ 
ordentlich starke amöboide Beweglichkeit, schwache Entwicklung des 
Protoplasmas, welches spinnwebenartige Zeichnung aufwies und eine im 
Verhältnis zum Volumen des Parasiten besonders starke Entwicklung 
des Chromatins. Da aber weitere Angaben über Scbizogonie und 
Gametenbiidung bei diesen Formen noch fehlten, kann ich die Namens¬ 
gebung von Stephens (Plasmodium tenue) für die Khartoumer und 
indischen Parasiten noch nicht anerkennen und schlage daher als vor¬ 
läufigen Namen zur Bezeichnung der Formen, und da die eigenartigen 
Khartoumer Parasiten eher abgebildet sind als das „Plasmodium tenue“, 
den Namen „Plasmodium Kbartoumense“ vor. 

Kürzlich beschrieb ferner Ahmed Emin im Bulletin de la sociötö 
de pathologie exotique eigenartige Parasitenformen, die er auf der Insel 
Camar&n im Roten Meer fand und als „Plasmodium vivax, varietas 
minuta“ bezeichnete. Diese Formen sollten sich im Jugendstadium 
sehr den Perniciosaparasiten, im erwachsenen Stadium mehr den Tertian- 
parasiten nähern. In Präparaten, die mir von Marchoux gesandt 
wurden, konnte ich die Befunde von Emin zum Teil bestätigen 
und in einigen Punkten ergänzen. Das Chromatin zeigte sich im 
allgemeinen schon im Jugendstadiura stark entwickelt. Häufig waren 
Absplitterungen von Cbromatinteilchen bzw. Teilungen des Chro¬ 
matins in zwei bis drei Teilstücke. Während der Kernteilung 
konnte es zuweilen auch zu feinster Auflockerung des Chromatins kommen. 
Kernteilung tritt meist schon ein, wenn der Parasit V *— l U Grosse des 
roten Blutkörpers erreicht hat. Im Jugendstadium zeigen die Parasiten 
deutliche Ringform, wie auch die Perniciosaparasiten. Später können 
auch schleifenförmige Fortsätze von dem Plasmaleibe ausgeben. Die 
Blaufärbung des Plasmaleibes ist sehr zart und oft recht ungleichmässig 
verteilt, nach Eintritt der Kernteilung oft schwer oder gar nicht nacb- 
zuweisen. Die maximale Grösse der Schizonten entsprach a /s bis 4 /s 
eines roten Blutkörpers. Mehrfach war drei-, einmal auch vierfache In¬ 
fektion der roten Blutkörper, was bei Tertianaparasiten äusserst selten, 
bei Quartanaparasiten wohl nie vorkommt. Die Zahl der Merozoiten be¬ 
trug 6—12, wie schon Emin angegeben. Vielfach waren Parasiten mit 
Kernteilung (Sporulation) in den Gesichtsfeldern, so dass also wie bei 
gewöhnlichen Tertian- und Quartan Parasiten die Kernteilung schon im 
peripheren Blute vorkommt. Das Pigment war im Jugendstadium ausser¬ 
ordentlich feinkörnig, bräunlich, fast staubförmig, jedenfalls erheblich 
zarter als beim Quartanparasiten, um erst im erwachsenen Stadium 
dunkelbräunliche, mehr körnige Beschaffenheit zu gewinnen. Schüffner¬ 
sehe Tüpfelung habe ich, im Gegensatz zu Emin, nicht gesehen. Die 
infizierten roten Blutkörper waren nicht aufgebläht, nicht abge¬ 
blasst wie beim Tertianpar&siten, die Gameten waren nicht halb¬ 
mondförmig, sondern rund. Auch Jugendstadien der Gameten 
kamen vor, aber seltener als erwachsene. Die maximale Grösse betrug 
2 Ja bis Vs der roten Blutkörper. Die Gameten waren deutlich von den 
Sobizonten zu trennen, schon wegen der anderen Färbung des Plasma¬ 
leibes (bei den weiblichen Formen mehr dunkelblau, bei den männlichen 
mehr ein zartes, fast hyalin erscheinendes Himmelblau) und wegen Nicht¬ 
teilung des Chromatins. Das Pigment der Gameten war mehr stäbchen¬ 
förmig und zeigte grünlichen Farbenton. Der Parasit ist demnach zu 


trennen vom Tertianparasiten durch Fehlen der Aufblähung und Ab¬ 
blassung der roten Blutkörper, durch Fehlen der Schüffner’schen 
TüpfeluDg, geringere Zahl der Merozoiten und frühzeitige Kernteilung 
im peripheren Blute. Gegen Quartana spricht das sehr frühzeitige Ein¬ 
treten der Cbromatinteilung, das Fehlen der bei Quartana so ausser¬ 
ordentlich charakteristischen Bandformen und das feinere, bräunliche 
Pigment, speziell in jugend- und halberwachsenen Stadien, gegen Perniciosa 
das Auftreten eines feinkörnigen, dunkelbräunlichen statt klumpigen 
schwarzen Pigments, Einsetzen der Kernteilung schon im peripheren 
Blute, Auftreten sämtlicher Entwicklungsstadien der Gameten im peripheren 
Blute, völliges Fehlen der Halbmondformen. Gegen eine Mischinfektion 
junger Perniciosa- und älterer Quartanparasiten spricht der Umstand, 
dass zwischen den jüngsten und älteren Entwicklungsstufen alle mög¬ 
lichen Uebergänge schon im peripheren Blute Vorkommen, die sich eben 
scharf von den Perniciosa- und Quartanparasiten unterscheiden. Ohne 
Zusammenfassung aller dieser Momente war es nicht leicht, eine genaue 
Differentialdiagnose gegenüber Tertiao-, Quartan- bzw. Perniciosapara¬ 
siten vorzunebmen. Den Namen „Plasmodium vivax, varietas minuta“ 
lehne ich aus den obenerwähnten Gründen ab und schlage als vorläufige 
Bezeichnung den Namen „Plasmodium camaranenae“ vor. 

Weitere Untersuchungen müssen lehreD, ob es sich bei denKbartoumer- 
(Stephens’ plasmodium tenue) und Camaranparasiten wirklich um neue 
Arten handelt. 

Diskussion. 

Hr. Löffler fragt an, ob bereits Untersuchungen über die Entwick¬ 
lung der Parasiten in der Mücke vorliegen. 

Hr. Plehn: Die Ausführungen des Herrn Ziemann haben mich 
von der Artkonstanz der verschiedenen Plasmodienformen nicht über¬ 
zeugen können. Ich bitte um die Erlaubnis, Ihnen einige seinerzeit für 
die Dresdener Hygieneausstellung hergestellte Tafeln das nächste Mal 
demonstrieren zu dürfen; Sie werden daraus ersehen, welche Variationen 
sogar in demselben Präparat Vorkommen. Man darf doch nicht ver¬ 
gessen, dass die grösseren, plasmareioben Parasitenformen während der 
vegetativen Periode ihrer Entwicklung eine lebhafte Beweglichkeit be¬ 
sitzen und es deshalb vom Zufall abhängt, in welcher Form sie fixiert 
werden. Auch die sogenannte Bandform ist keineswegs so charakteristisch 
für Quartana wie manche glauben. Sie kommt bei anderen Fiebertypen 
auch vor. Ueberhaupt können wir die ktinisohe Beobachtung für die 
Parasiteneinteilung noch nicht entbehren, so wenig die Fieber/orm oft 
von bestimmten Parasitenformen abhängig ist. 

Die Intensität der Plasmafärbung als ein Moment für die Parasiten¬ 
unterscheidung zu verwerten, halte ich, namentlich wenn man nach 
Romanowski färbf (was sicher am besten ist), für sehr heikel. 

Demonstrieren muss ich gegen den Ausdruck „Züchtung“. Es 
ist doch noch keine „Züchtung“, wenn man die Entwicklung eines Para¬ 
siten im künstlichen Medium bis zur Teilung — oder eben darüber hin¬ 
aus verfolgt und ihn dann absterben sieht. Weiter ist bis jetzt nichts 
gelungen, soviel ich weiss, und dies hat mein Bruder in seinen „Malaria¬ 
studien“ schon 1889 mit feineren Methoden geleistet. 

Hr. Rodenwald fragt an, ob über den klinischen Verlauf der Fälle 
etwas bekannt ist und mit welcher Technik die Präparate hergestellt 
sind. Er betont die grosse Aehnlicbkeit der beschriebenen Parasiten¬ 
formen mit Quartanparasiten, für welohe die Bandform keineswegs immer, 
ja nicht einmal für die Mehrzahl der Fälle zum regelmässigen Befund 
gehöre. 

Zur Neuaufstellung einer neuen Spezies der Malariaparasiten be¬ 
dürfe es der Anwendung der modernsten Methode der Protozoentechnik, 
vor allem der feuchten Fixierung. 

Die Nomenklatur der Malariaparasiten bedarf besonders bezüglich 
des Tropicaparasiten dringend einer Klärung. 

Hr. Ziemann (Schlusswort): Den Herren Plehn und Rodenwaldt 
möchte ich erwidern, dass ich selbstverständlich, nachdem ich viele 
Tausende von Malariaparasitenpräparaten aus den verschiedensten Ländern 
gesehen, mir ganz von selbst strengste Kritik bei Beurteilung dieser 
Parasiten auferlegte. loh kann nur wiederholen, dass, wie ja auch 
Tertian-, Quartan- und Perniciosaparasiten in manchen Entwicklungs¬ 
stadien oft einander sehr ähnlich sein können, natürlich auch diese 
neuen Formen Anknüpfungspunkte an schon bekannten darbieten. Dass 
speziell Perniciosa-, Quartana- und Tertianaringe, ferner Perniciosa- und 
Quartanaschizonten während der Kernteilung manche Vergleichspunkte 
bieten, ist ja längst bekannt. Es kommt eben auf die Zusammen¬ 
fassung aller differentialdiagnostischen Momente an, die die Camaran¬ 
parasiten vom Tertian-, Quartan- und Perniciosaparasiten unterscheiden. 
Gewiss können auch in Präparaten von gewöhnlicher Tertiana, Quartana 
und Pernioiosa vereinzelt mal eigenartige Formen auftreten, die gewisser- 
maassen aus dem Rahmen fallen. Das sind aber Ausnahmen. Wir haben 
jedoch nur den grossen Durchschnitt der Parasiten unserer Beurteilung 
zugrunde zu legen. Wenn nun alle die in den Gesichtsfeldern meist 
sehr zahlreichen Parasiten stets die von mir geschilderten Charaktere 
aufweisen, so spricht das eben für eine besondere Varietät, vielleicht 
sogar Art. Es ist nooh zu bemerken, dass an einer fehlerhaften Technik 
die eigenartige Zeichnung und Beschaffenheit der Parasiten nicht gelegen 
haben kann, da jede Spur von Deformation der roten Blutkörper, die 
infolge des Ausstriches hätte entstehen müssen, fehlte. Junge Quartan- 
parasiten, die derartige amöboide Ausläufer zeigen, gibt es einfach nicht, 
wie ja überhaupt die amöboide Beweglichkeit des Quartanparasiten 
ausserordentlich gering ist. Herrn Plehn speziell erwidere ich, dass 


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17. Aiigast 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1659 


ich bei all den vielen Präparaten, die ioh bei aus den Tropen Heim¬ 
kehrenden zu sehen Gelegenheit hatte, nie Unterschiede gegenüber den 
in den Tropen beobachteten gefunden habe. Das einzige, was auffallend 
bei afrikanischer Perniciosa ist, wäre, dass in Europa häufiger Halbmonde 
auftreten. Die Parasiten selber aber verhalten sich morphologisch 
absolut identisch und behalten ihre Arteigentümlichkeiten 
bei. Mit dem von mir im Vortrag angewandten Ausdruck: „Kultur der 
Malariaparasiten“ habe ich absolut nicht diese sogenannte Kultur mit 
der von Bakterien auf eine Stufe stellen wollen. Ich habe mich in der 
Beziehung bereits deutlich in zwei Arbeiten im Archiv für Schiffs- und 
Tropenhygiene 1913 und 1914 ausgelassen und kann auf diese verweisen. 
Jedenfalls hat diese künstliche Weiterentwicklung, die es gestattete, 
zwei bis drei Generationen des Parasiten in vitro zu erzeugen, sehr wohl 
interessante Resultate ergeben und einen weiteren Beweis für die Art¬ 
verschiedenheit der Malariaparasiten erbracht. Die von Herrn Plehn 
citierte Beobachtung seines verstorbenen Bruders, Friedrich Plehn, 
über angebliche Weiterzüchtung des Malariaparasiten kann ich nicht an¬ 
erkennen. Hr. Plehn drückt sich in seiner Notiz darüber sehr kurz 
und unbestimmt aus, unterstützt auch seine damaligen angeblichen Be¬ 
funde nicht durch nähere Abbildungen und ist auch später meines 
Wissens niemals wieder darauf zurückgekommen. Auch andere Forscher 
haben keine Bestätigung dieser Befunde erbracht. Dieselben kommen 
also für uns hier gar nicht in Frage. 

Herrn Bodenwald erwidere ich noch, dass klinisch über die 
Malariafälle auf der Insel Camaran nichts Näheres mitgeteilt ist. Emin 
schreibt nur, dass es sich um „schwere Fälle“ gehandelt hätte; er ent¬ 
schuldigt den Mangel weiterer Bearbeitung dieser Fälle mit ausserordent¬ 
licher Belastung (40—60 000 Pilger). 

Was die Nomenklatur anbelangt, so muss man Herrn Rodenwald 
recht geben, dass da eine Aenderung wünschenswert wäre. Die Ameri¬ 
kaner und Engländer sprechen beim Perniciosaparasiten von „Plasmodium 
falciparum“, die Italiener vom „Plasmodium praecox“, ein Name, der 
allerdings ja schon vergeben ist, andere wieder von Laverania malariae. 
Es wäre wünschenswert, dass bei einem internationalen medizinischen 
Kongress in der tropenmedizinischen Abteilung einmal eine definitive 
Einigung der Namensgebung betreffs des gewöhnlichen Perniciosaparasiten 
erzielt würde. Im übrigen stehe ich Herrn Rodenwald gegenüber auf 
dem Standpunkt, dass es für neue, interessante Formen durchaus 
wünschenswert ist, vorläufig Namen zu finden, um eine Eingruppierung 
der verschiedenen Formen zu erleichtern. Stellt sich der Name als un¬ 
richtig heraus, muss er eben wieder verschwinden. Aus diesem Grunde 
beharre ich zunächst auf dem Namen „Plasmodium perniciosum“, da er 
andere Formen bezeichnet als die gewöhnlichen. 

Im übrigen erinnere ich noch einmal daran, . dass ich am Schlüsse 
klar und deutlich gesagt habe, dass noch weitere Untersuchungen über 
die Khartoum-, indischen und Gameranparasitenformen notwendig sind. 

2. Hr. Blnmenthal Anaphylaxie und intraeutane Injektion. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Friedberger: In den Tabellen des Herrn Blumenthal fallt der 
geringe Grad der erzielten Antianapbylaxie auf. Es dürfte das vielleicht 
daran liegen, dass das zur Antianaphylaktisierung subcutan gespritzte 
Antigen zur Zeit der Prüfung (24 Stunden) noch nicht völlig resorbiert 
ist Vielleicht wären die Ausschläge später deutlicher geworden. Im 
übrigen zeigen die Tabellen deutlich, dass die Antianaphylaxie, die mit 
dem homologen Antigen erzeugt wird, stärker ist als die unspezifische 
Resistenz durch ein heterogenetisches Antigen; das stimmt mit den 
früheren Befunden von Friedberger und seinen Mitarbeitern überein. 
Das gleiche ergibt sich auch, wie ich bereits in der vorigen Sitzung be¬ 
tont habe, aus den Versuchsprotokollen Bessau’s, wenn dieser Autor 
selbst auoh auffallenderweise aus ihnen nicht den gleichen Schluss 
zieht. 

3. HHr. Friedberger und Bassani: 

Kme NotU über vergleichende Wirkung einiger Desinfektionsmittel. 

Im Anschluss an Untersuchungen über die Einwirkung von drei- 
und fünfwertigen anorganischen Arsenverbindungen auf den höheren 
Organismus sowie auf Hefezellen, die in unserem Institut von Herrn 
Dr. Joachimoglu angestellt worden sind, haben wir den Einfluss drei- 
und fünfwertiger Arsensalze auf Bakterien vergleichend untersucht. 
Dabei wurden Lösungen mit gleichem Arsengebalt angewandt. Es ergibt 
«ich, dass das dreiwertige Arsen ebenso wie auf höhere Organismen auch 
auf die Bakterien bedeutend intensiver einwirkt als das fünfwertige. 
Das gleiche ist der Fall bei drei- bzw. fünfwertigen Antimonverbindungen. 
Eine derartige Abhängigkeit der desinfizierenden Kraft, nicht von ab¬ 
soluten Mengen des Desinfektionsmittels, sondern von der Wertigkeit 
waren meines Wisseus bis dahin nicht bekannt. Die Versuche werden 
fortgesetzt und sollen namentlich auf organische Arsenverbindungen aus¬ 
gedehnt werden. 

4. Hr. Tsurnmi: 

Ueher Verwendung von Amboceptordissoziation znr Diagnose von Er- 
regem der Typbus- und Paratyphnsgrnppe. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

(Diskussion vertagt.) 


Berliner physiologische Gesellschaft, 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 24. Juli 1914. 

HHr. A. Loewy und 8 . Rosenberg: 

Beobachtungen über die Natnr des 0. Loewi’schen Papillenphänomeis. 

0. Loewi hatte im Jahre 1908 eine Beobachtung beschrieben, wo¬ 
nach Adrenaliniostillation ins Auge von Hunden und Katzen, denen das 
Pankreas exstirpiert war, zu einer Pupillendilatation führte. Loewi 
bezog dieses Phänomen auf den Fortfall sympathischer Hemmung, die 
das Pankreas auf den Pupillenerweiterer ausüben sollte. 

Wir fanden nun, dass das Pupillenphänomen unter allen Versuohs- 
bedingungen eintrat, unter denen wir Hyperglykämie erzeugen konnten. 
So nach intravenöser und stomacbaler Zufuhr grösserer Zuckermengen, 
nach intravenöser Iofusion konzentrierter Salzlösung (Salzdiabetes), nach 
Injektion von Extrakten diabetogener Drüsen, wie Thyreoidea, Hypophyse, 
Nebennieren, allein oder wirksamer noch in Verbindung mit Morphin. 

Es trat nicht ein bei dem durch Phloridzin erzeugten Nieren¬ 
diabetes, und blieb aus bei einem Hunde mit experimentellem Pankreas¬ 
diabetes, dem Phloridzin in so grosser Menge eingespritzt wurde, dass keine 
Hyperglykämie mehr bestand. Vor der Phtoridzineinspritzung, also bei be¬ 
stehender Hyperglykämie, war die Pupillenreaktion stark positiv gewesen. 

Danach hat das Pupillenphänomen jedenfalls direkt nichts mit 
dem Fortfall des endokrinen pankreatischen Sekretes zu tun, höchstens 
indirekt insofern, als nach Pankreasexstirpation Hyperglykämie ei nt ritt 
und das Phänomen eine Indikation für Hyperglykämie darstellt. 

Auf Grund unserer Beobachtungen dürfte das Loewi’sche Phänomen 
diagnostisch wertvolle Dienste leisten können zur Unterscheidung ver¬ 
schiedener Glykosurieformen, Dämlich solche die mit und solche die 
ohne Hyperglykämien einhergehen. Bedingung ist dabei allerdings, den 
Versuchsindividuen vor der Adrenalininstillation so grosse Mengen von 
Kohlehydraten zu geben, dass bei normalen Personen noch keine Hyper¬ 
glykämie eintritt, während sie bei Störungen des Kohlehydratstoffwechsels 
zu erwarten ist. 

Hervorgehoben werden muss, dass die Beobachtung der Pupille nach 
der Instillation längere Zeit sorgfältig geschehen muss, da die Pupillen¬ 
erweiterung zu verschiedener Zeit nach der Instillation eintritt und ver¬ 
schieden schnell wieder schwindet. 

Hr. N. Züutz berichtet über Versuche, die Dr. Pirogoff aus 
Wologda in seinem Institut ausgeführt hat. Anlass zu diesem Versuche 
gaben praktische Erfahrungen, wonach bei Diabetes die Zuckeraus- 
scheidung durch sogenannte „Nährhefe“ (getrocknete, entbitterte 
Hefe) herabgesetzt werden soll. Die Versuche wurden in der Art 
durebgeführt, dass in einer aus 200 g Fleisch, 70 g Reis, 20 g Fett und 30 g 
Zucker bestehenden Kost 10 g Hefe an Stelle der gleichen Stickstoffmenge 
enthaltenden Quantität Fleisch und Reis traten. Es wurde eine zweifache, 
sehr charakteristische Wirkung der Hefe auf die Oxydationsprozesse fest¬ 
gestellt. Einmal war in den ersten 7 Stunden nach der Fütterung der 
Respirationsquotient bei Hefe durchschnittlich um 0,02 — 0,06 höher als in 
den Kontrollreihen. Andererseits war die absolute Grösse des Sauerstoff- 
verbrauebs bei Hefe merklich höheT als in den Kontrollversuchen. Das 
war sowohl in den Nüchternversuchen, 21—23 Stunden nach der letzten 
Mahlzeit, als auch in den ersten 7 Stunden nach der Nahrungsaufnahme 
der Fall. 

Eine ausführliche Beschreibung der Versuche erscheint demnächst 
in der Biochemischen Zeitschrift. 

Hr. P. Rona: 

Beobachtungen über die Wirknngsbedingnngen der Urease. 

Marshall hat vor einiger Zeit angegeben (Journ. of biol. ehern., 
vol. 17, p. 351), dass die Urease aus Sojabohnen in ihrer Wirkung in 
weiten Grenzen von der H-Ionenkonzentration des Mediums unabhängig 
ist. Diese Angabe habe ich in Gemeinschaft mit Herrn v. Slabey 
nachgeprüft und fand im Gegenteil, dass die Reaktion (H-Ionenkonzen- 
tration) des Mediums die Wirkung der Urease sehr stark beeinflusst. 
Das Optimum des Fermentes liegt in einem ganz engen Bereich der 
H-Konzentration, bei pu 6-9 bis 71. Sowohl nach der saueren 
wie nach der alkalischen Seite hin wird dann die Wirkung schwächer. 
Diese Versuche wurden mit Phosphatgemiscben als Regulatoren angeatellt. 
Arbeitet man ohne Regulatoren, so ändert sich die H-IonenkoDzentration 
von pH ca. 70 bis 9 0; von einer gut defioierten Reaktion des 
Mediums kann also nicht gesprochen werden. — Fügten wir dem Ferment, 
das unter optimalen wie auch nicht optimalen Reaktionsbedingungen 
arbeitet, Serum hinzu, so konnten wir in keinem Falle eine Erhöhung 
des Umsatzes (unter sonst gleichen Bedingungen) erzielen. Weitere Unter¬ 
suchungen müssen lehren, wie weit diese Befunde mit den Auxokörpern 
vonJacoby vereinbar sind. Nach den Wanderungsversuchen zu urteilen 
sind die Fermentanionen die Träger der Fermentwirkung. Ueber diese 
und weitere das Ferment betreffende Punkte sind die Untersuchungen 
im Gange. 

Berliner ophthalmologlsche Gesellschaft. 

SitzuDg vom 25. Juni 1914. 

1. Hr. West (a. G.): 

Ueber zwei Jabre Erfahrungen mit der endoiiasalen Erüffituag des 
Tränensackes bei Dacryostenose. 

Unter Beifügung von Photographien gibt Vortr. eine Uebersicbt über 
die nach seinem Verfahren operierten Fälle. Der Bindehautsack war in 


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UNIVERSUM OF IOWA 





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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 33. 


den so operierten Fällen schon nach 1—2 Tagen keimfrei, was nach der 
Exstirpation des Träuensackes mehrere Wochen dauert. 

Diskussion. Hr. v. Haselberg: Die Indikationsstellung für die 
West’sche Operation muss noch genau fixiert werden, denn in einem 
Falle, der von West operiert werden sollte, trat die Heilung auch bei 
friedlicher Behandlung ein. 

2. Hr. Schwartzkopff: 

Erfahrneren mit Aethylhydrocnprein bei Ulen» serpens. 

Die bisherige Therapie hat nicht befriedigt, und zwar aus drei un¬ 
beeinflussbaren und variablen Ursachen: wegen der Virulenz der Keime, 
wegen der Widerstandsfähigkeit des Organismus bzw. der Cornea, wegen 
des zu späten Nachsucbens spezialärztlicher Hilfe, Die Optocbintherapie 
wurde in der Berliner Universitäts-Augenklinik seit August 1913 bei 
allen Fällen von Ulcus serpens mit positivem Pneumokokkenbefund — 
insgesamt 27 Fällen — angewendet. Zuerst wurde von 7 Uhr früh bis 
9 Uhr abends 1 proz. wässerige Lösung stündlich eingeträufelt, später 
eine I proz. Optochin-Atropiosalbe zweistündlich eiDgerieben, da die Wirk¬ 
samkeit der wässerigen Lösung nach 14 Tagen nachlässt. Der brennende 
Schmerz, den die erste Anwendung auslöst, ist durch vorherige Ein¬ 
träufelung von Cocain zu verhüten. Für die weitere Verabreichung des 
Mittels braucht man kein Cocain, da Optochin selbst hinreichend an¬ 
ästhesiert. Länger als 3—4 Tage Optochin zu geben ist unzweckmässig 
und überflüssig, weil die meisten Fälle dann schon zum Stillstand oder 
zur Rückbildung gekommen sind. Zur Nachbehandlung wurde gelbe 
Präcipitat- oder Noviformsalbe benutzt. Bei eitriger Dacryocystitis 
wartet man mit der Entfernung des Tränensackes so lange, bis sich das 
Ulcus gereinigt bat, weil die Erfolge bei der dann möglichen offenen 
Behandlung zweifellos besser sind. In 2 Fällen von Dacryocystitis ver¬ 
sagte Optochin. Von der Aufnahme an gerechnet war die Krankheits¬ 
dauer im Durchschnitt 15 Tage. Sehschärfe \j 2 —1 wurde in 18,5 pCt. 
erzielt, in 30 pCt. U 4 —1; bei 37 pCt., die Finger in 1—3 m zählten, 
bestanden gleichzeitig Komplikationen, die die Sehschärfe verminderten; 
22 pCt. wurden mit dem Erkennen von Haudbewegungen oder Lichtschein 
entlassen. Die schlechten Resultate betrafen stets Fälle mit sehr 
schweren, schon längere Zeit bestehenden Geschwüren, bei denen die 
Prognose von vornherein schlecht gestellt werden musste. Bei 2 Fällen 
war die Exenteration notwendig, einmal wegen Ringabscesses, das andere 
Mal wegen perforierender Verletzung — bei beiden war der Pneumo¬ 
kokkenbefund positiv. Die guten Resultate wurden bei Anwendung der 
Salbe erzielt. Jedenfalls ergibt trotz der kleinen Zahl der Fälle ein Ver¬ 
gleich mit anderen Statistiken, dass Optochin bei Ulcus serpens gut wirkt. 

Diskussion. 

HHr. Mühsam und Paderstein berichten über gute Erfolge bei 
Ulcus serpens und bei Tränensackleiden. 

Hr. Morgenroth empfiehlt, die Salbe als Notverband vom prak¬ 
tischen Arzt draussen anwenden zu lassen. Die Spezifität des Mittels 
scheint nicht ganz eng begrenzt zu sein. M. hat Mitteilungen erhalten, nach 
denen Diplobacillenerkrankungen und Blennorrhoe gut beeinflusst wurden. 
Im Reagenzglase gibt es keine gegen Optochin resistenten Pneumo¬ 
kokkenstämme. Deshalb interessieren die langsam sich reinigenden Ge¬ 
schwüre besonders. Hier kann eine auch im Reagenzglase zu beob¬ 
achtende Resistenz sich entwickeln, nämlich dann, wenn das Medikament 
nicht dauernd angewendet wird, sondern wenn längere Zeiträume (Nacht¬ 
ruhe) zwischen den einzelnen Applikationen liegen; die Mikroorganismen 
können sich dann erholen und giftfest werden. Aus diesem Grunde 
dürfte auch die Wirkung der längere Zeit im Bindebautsack verweilenden 
Salbe günstiger sein. Theoretisch ist die Salbenapplikation eigentlich 
zu beanstanden, weil ja das Optochin auch bei feinster Verteilung an 
umschriebenen Stellen einwirken könnte. Doch haben die praktischen 
Erfolge die theoretischen Bedenken widerlegt. Das Mittel wirkt wohl 
direkt ohne Mitwirkung der Körperzellen, insbesondere der Leukocyten, 
wie es auch die anderen Chininpräparate tun. Es bandelt sich also um 
eine reine Desinfektion. Die schlechte Haltbarkeit der wässerigen Lösung 
beruht wohl auf Abgabe von Alkali aus dem Glase, auch Aufbewahrung 
unter Lichtabschluss empfiehlt sich. 

Hr. Meisner: Die refraktären Fälle von Ulcus serpens sind zum 
Teil dadurch ausgezeichnet, dass sich die Oberfläche wohl schnell reinigt, 
die Infiltration in der Tiefe aber lange bestehen bleibt. Interessant 
wäre es, festzustellen, ob Optochin auch bei intraocularen Pneumo- 
kokkeneiteruogen wirkt. 

Hr. Fehr sah wenig gute Erfolge mit Optochin. 

Hr. Ginsberg führte das Mittel in Verdünnungen von 1:1000 
experimentell in die Vorderkammer des Kaninchens ein, ohne dass sich 
die Linse trübte. 

Hr. Morgenroth: Eine Trübung der Cornea könnte durch Ab¬ 
lagerung der Optochinbase entstehen; aber diese Trübungen hellen sich 
sicher schnell wieder auf. Die schlechtere Beeinflussung tiefer Hornbaut- 
iofiltrate erklärt sich daraus, dass bei Einführung des Mittels vom Binde¬ 
hautsack aus ein Konzentrationsgefälle entstehen muss. 

Hr. Wertheim wendete selbst 2 proz. Lösung ohne Schaden an. 

3. Hr. v. Haselberg: 

Eia erfolgreicher Fall von Hornhanttransplantation. (Mit Kranken¬ 
vorstellung.) 

Vor einem Jahre wurde bei der 60 Jahre alten Patientin wegen 
doppelseitiger Hornhauttrübungen die Ueberpflanzung nach v. Hippel 
gemacht. Das Material stammte von einem 22 jährigen Mädchen. Der 
Lappen blieb durchsichtig, S = V 6 o. 


Diskussion. 

Hr. Hirschberg erinnert an eine 1879 von Wolfe angegebene 
Transplantationsmethode. 

Hr. Brückner zeigt einen vor 1 */ 2 Jahren nach Löh lein trans¬ 
plantierten Fall, bei dem das überpflanzte Stück glatt einbeilte und die 
Sehschärfe von Lichtschein auf Fingerzählen stieg. Aber der Erfolg war 
nicht von Dauer, denn von der durch eine alte Verätzung narbig ver¬ 
änderten Conjunctiva wucherte ein dichtes Narbengewebe wieder auf die 
Hornhaut hinüber. Kurt Steindorff. 


Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene and Medizinalstatistik 
zn Berlin. 

Sitzung vom II. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr May et. 

Schriftführer: Herr Lennhoff. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Hamburger: 

Vorschlag zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit ii Miets¬ 
kasernen. 

Vortr. geht von der Tatsache aus, dass die Säuglingssterblichkeit 
im Sommer im wesentlichen verursacht wird nicht von der bakteriellen 
Milchzersetzung, sondern direkt von der Einwirkung der Hitze in den 
Wohnungen, wie Me inert zuerst nachgewiesen hat. Diese Ansicht 
Meinert’s ist in den letzten Jahren durch die verschiedensten Autoren 
bestätigt worden (Finkeistein, Rietschel usw.). Die bisher ge¬ 
machten Vorschläge Liefmann’s, die Säuglinge in den Kellern unter¬ 
zubringen, oder Tugendreich’s, schwimmende Säuglingskrippen einzu- 
richten, sind nicht durchführbar. 

Hamburger schlägt vor, für den Säugling die Dächer der Miets¬ 
kasernen zu benutzen durch AubriDgen einfacher gärtnerischer Anlagen 
und sonneodichter, etwa den vierten Teil des Daches einnehmender 
Zelte, vor allem in neu zu bebauenden Strassenreiben. Dass aber selbst 
in alten Häusern die Anbringung nicht überall mit unüberwindlichen 
Schwierigkeiten verknüpft ist, beweisen Dachgärten, die schon im 
Centrum von Berlin angelegt sind. Ueber die Kosten eines Dachgartens 
geben zwei Baupläne Auskunft, die von zwei Baumeistern unabhängig 
voneinander aufgestellt ergeben, dass eine Zweizimmerwohnung sich im 
Jahre um ungefähr 13 M. teurer stellen würde. Rauohbelästigung 
kommt im Sommer wenig in Frage, und die Hitze ist geringer als in den 
besonders häufig schwer oder gar nicht durchlüftbaren Proletarier¬ 
wohnungen, in denen, wie festgestellt ist, die Durcbschnittstemperatur 
um 8,5° höher ist als im Freien und erst um 9 Uhr ihr Maximum 
erreicht. 

2. Diskussion zu dem Vortrage des Herrn Mayet: Bio Siebartig 
der Volksvermehrang. 

Hr. Roesle hält zur Sicherung der Volksvermehrung die Schaffung 
hinreichender Erwerbsmöglichkeiten für die zunehmende Bevölkerung für 
die Hauptaufgabe, da sonst der Geburtenüberschuss durch den Wande¬ 
rungsverlust aufgehoben würde. Die tatsächliche Volksvermehrung 
richtet sich nicht allein nach der Höhe des Geburtenüberschusses, 
sonderu auch nach den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen. Sind 
diese ungünstig, dürften die vorgeschlagenen Maassnahmen zur Er¬ 
tüchtigung der Jugend nicht dazu ausreicheD, die Volksvermehrung in 
dem gewünschten Maasse zu sichern. 

Hr. Theilhaber macht darauf aufmerksam, dass nach der besseren 
Sterbeordnung der neueren Zeit ungefähr 75 000 männliche Personen 
mehr das 20. Lebensjahr erreichen, dass aber die Einsparung infolge 
der besseren Sterbeordnung wettgemacht werden wird durch die grössere 
Einsparung an Geburten. 

Hr. Guradze hält neben der Lebensmittelteuerung das Eindringen 
der Frau in viele Berufszweige, die früher fast ausschliesslieh dem 
Manae reserviert waren, für das späte Abschliessen von Ehen und 
damit den Geburtenrückgang für verantwortlich. 

Hr. Eisenstadt glaubt, dass infolge des höheren Heiratsalters eine 
höhere Geburtenzahl nicht zu erwarten ist. Infolge der Kinderarmut 
steigert sich zwar die Zahl der 15 bis 50 Jahre alten Personen. Es ist 
aber fraglich, ob dieser Zunahme die Zunahme der Ebeschliessuogen 
parallel geht. Die Aufhebung des Zölibats bei den Beamtinnen in 
anderen Staaten hat die Heiratslust derselben nicht vermehrt. Die Aus¬ 
bildung der Mädchen im Kochunterricht hätte nur Wert, wenn sie 
später genug Zeit und Geld hätten, um das Erlernte auch praktisch 
auszuführen. Die Familienversicherung ist hauptsächlich für das Alter 
von 0 bis 5 Jahren notwendig, gleichzeitig müsste hier die Versicherung 
als „Ernährungsversicherung“ Einrichtungen für eine rationelle Bf* 
nahrung der Säuglinge und Kleinkinder schaffen, um deren Erkrankung 
und Tod zu verhüten. 

Hr. Mayet (Schlusswort). J. Lilienthal. 


Medizinische Gesellschaft za Siel. 

Sitzung vom 9. Juli 1914. 

Hr. Oloff: 

a) Ein sehr seltener Fall von Tanor des Sehiemakopfes. 

20 jähriger Matrose vom Linienschiff „Posen“, der seit einigen 
Jahren eine zunehmende Herabsetzung des linksseitigen Sehvermögens 


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UMVbKSl I V Uh lüS'TE 



17. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1661 


verspürt. Er vermag jetzt nur noch die oberste grosse Buchstabenreihe 
der Snellen’schen Tafeln, und zwar nur noch exzentrisch in l /* m Ent¬ 
fernung zu erkennen (S = °» 5 /8o)» während eine vor einem Jahre vor¬ 
genommene Untersuchung noch «/*o S. ergeben hatte. Auge äusserlich 
vollkommen reizlos und frei von Entzündung. 

Bei der Augenspiegeluntersuchung findet sich ein fester, konsistenter 
Tumor, der vom Sehnervenkopf ausgeht, keulenförmig bis etwa in die 
Mitte des Glaskörpers hineinragt und eine ziemlich glatte, grauweisse, 
von Netzhautgefässen durchzogene, etwa P /2 Papillendurchmesser grosse 
Oberfläche zeigt. Umgebende Netzhaut vollkommen frei. Gegen para¬ 
sitären Charakter (Echinococcus, Cysticercus) sprachen die feste Kon¬ 
sistenz und der Mangel an Bewegungserscheinungen. Syphilis und 
Tuberkulose, wie sie in seltenen Fällen in Form von Gummen bzw. 
konglobierten Tuberkeln an der Papille beobachtet worden sind, liessen 
sioh auf Grund der spezifischen Diagnosen (Blutuntersuchung nach 
Wassermann, probatorische Tuberkulineinspritzung unter die Haut) 
ausschliessen. Trotz sehr energischer antiluetischer Behandlung und 
einer monatelang durchgeführten Tuberkulinbehandlung Dabm der Tumor 
unter weiterer Verschlechterung des Sehvermögens an Grösse zu, ohne 
dass sich bisher begleitende entzündliche Erscheinungen des übrigen 
Auges bemerkbar gemacht haben. 

Aus diesem Grunde, und da die wenigen sonst bisher beobachteten 
präpapillaren Tumoren sich durchweg als Sarkome herausgestellt haben, 
wird auch hier die Wabrscheinlichkeitsdiagnose auf Sarkom gestellt und 
Enucleation des Augapfels vorgescblagen. 

(Ausführliche Publikation, insbesondere auch des Ergebnisses der 
pathologisch-anatomischen Untersuchung in den „Klinischen Monats¬ 
blättern für Augenheilkunde“ in Aussicht genommen.) 

b) Ueber Snicidalverletzangen des Auges. 

An der Hand eines zum Teil auf der Augenabteilung des Marine- 
lazaretts Kiel befindlichen Falles von Selbstmordversuch (Revolverschuss 
io die rechte Schläfe) bespricht Vortr. kurz das Zustandekommen der¬ 
artiger Augenverletzungen. Nähere Erläuterung der Flugbahn des Ge¬ 
schosses und der Lage des Projektilstückes an den bei dieser Gelegen¬ 
heit aufgenommenen Röntgenphotographien, die sehr gut erkennen lassen, 
dass es sioh im vorliegenden Falle um eine sogenannte indirekte Kon¬ 
tusion der Sprengwirkung handelt, ohne dass die Projektilstücke in die 
Orbita hineingedrungen sind, und ohne dass sie den Orbitalinhalt ge¬ 
troffen haben. 

Zum Schluss Demonstration einschlägiger Bilder von intraocularen 
Tumoren und Selbstmordverletzung der Augen am Epidiaskop und Be¬ 
sichtigung der beiden Fälle im Augenspiegelzimmer mit dem elektrischen 
Augenspiegel von Wolff. 

Hr. Aner: 

Zwei Fälle von Atrophie und Lähmung im Bereich der Schnlter- 
mnskniatnr. 

Demonstration von zwei Matrosen. Die degenerative Lähmung er¬ 
streckte sieb bei dem einen auf den M. cucullaris, serratus anticos, 
supra- und infraspinatus der rechten Seite und war die Folge einer 
postinfektiösen Polyneuritis (Erysipel). 

Der andere Matrose war vor Auftreten seiner Muskelatrophie im 
linken Deltoides und Serratus anticus nicht in ärztlicner Behandlung. 
Er befand sich angeblich einige Tage nicht recht wohl und hatte rheuma¬ 
tische Schmerzen in allen Gliedern, versah aber seinen Dienst weiter. 
Neuritische Erscheinungen fehlten vollkommen, so dass die Annahme 
berechtigt erscheint, dass es sich um die im ganzen seltene subacute 
Form der atrophischen Spinallähmung handelte. 

Diskussion. Hr. Lubarsch. 

Hr. Kaerger: 

Ueber die Behandlung von Muskelbrüehen durch freie Faseientrans- 
plaatation. 

Vortr. berichtet im Anschluss an den Vorfrag von Göbell (18. VI. 
1914) über seine Erfolge mit der freien Fascientransplantation bei 
Muskelbrüehen. Das früher oft verkannte Krankheitsbild ist erst durch 
neuere Untersuchungen geklärt worden. Bei den wahren Muskelbrüehen 
handelt es sich um eine Zerreissung der Fascie und des Muskels. Der 
mehr oder weniger verletzte Muskel wölbt sich aus dem Risse der Fascie 
hervor, wodurch Schmerzen und Ermüdungserscheinungen im Muskel, 
sowie Neuralgien, Sensibilitätsstörungen und Läbmungserscheinungen in¬ 
folge Läsion der darunterliegenden Nerven hervorgerufen werden können. 
Die früher üblichen Nähte der Fascie ergaben meist schlechte Resultate 
und die Dienstfähigkeit der betreffenden Patienten blieb in Frage 
gestellt. 

Vortr. hat bei einem schweren Fall von Muskelbruch infolge alter 
komplizierter Fraktor de9 rechten Wadenbeins mit erheblicher Zer- 
reissung der Fasoia cruris ein 18 cm laDges und 10 cm breites Stück 
sus der Fascia lata auf die Fascia cruris transplantiert und vollkommene 
DieQstfähigkeit des Patienten, eines 23 jährigen Matrosen, erreicht. 

Man kann bei der Fascia lata an der Aussenseite des Oberschenkels 
ohne Gefahr auch noch grössere Stücke entnehmen, da der M. vastus 
ext. eine eigene Fascie besitzt. Die Fascia lata muss nur nach der Ent¬ 
nahme durch starke Catgutnäbte möglichst wieder genäht werden. 

Nach diesem guten Erfolg der Behandlung eines Muskelbruches 
durch freie Fascientransplantation hat Vortr. das Verfahren noch an 
siner ganzen Reihe von Fällen angewandt. Abbildungen des Zustandes 
▼or der Operation und Skizzen des Operationsverfahrens werden demon¬ 
striert. 


Vorstellung eines geheilten Falles von Muskelbruch an beiden 
Unterschenkeln vorn im unteren Drittel an der Austrittsstelle des 
N. peroneus, bei dem eine erfolglose früher vorgenommene Nabt der 
Fascie zu einem Recidiv und zu Störungen im Gebiet des rechten 
N. peroneus geführt hatte. 

Vorstellung eines geheilten Recidivs nach Muskelbruch (M. semi- 
membranosus) iu der rechten Kniekehle). 

Vorstellung eines doppelseitigen Muskelbruohes an der Beugeseite 
beider Unterarme im Bereiche der Mm. pronator teres, flexor carpi 
radialis und ulnaris, sowie der Flexoren, durch freie Fascientransplan- 
tation geheilt. 

An der Hand dieser Erfolge wird das Operationsverfahren zur Be¬ 
handlung des Muskelbruches warm empfohlen. E. Richter. 

Medizinische Gesellschaft za Leipzig. 

Sitzung vom 12. Mai 1914. 

1. Hr. Rische demonstriert eine 63 Jahre alte Frau mit einer aus- 
esprochenen Dermatitis idiopathica atrephieaas progressiva chronica 
iffasa, die sich auf die unteren Extremitäten vorn bis zu den Inguinal¬ 
beugen und hinten bis zum oberen Rand der Nates beschränkt. Bis zu 
den Kniekehlen besteht mehr eine schlaffe Atrophie der. Haut, während 
im Bereiche der Streckseite der Unterschenkel und der Füsse die 
atrophische, mehr gelblichrote, glatte, glänzende Haut auf ihrer Unter¬ 
lage fest aufliegt und dadurch auffallend dem Bilde einer Sklerodermie 
gleicht. In einem zweiten Falle hat der gleiche Prozess auch die oberen 
Extremitäten ergriffen. Kompliziert ist dieser Fall durch halbkugelige 
fibromartige Verdickungen über den Streckseiten der Unterarme. Da¬ 
neben bestehen atrophische Herde am Stamm in Form von umschriebenen, 
bis markstückgrossen, blaurot bis graubraun verfärbte Flecke (maculöse 
Form der Dermatitis atrophicans). Die Hautaffektion ist in beiden Fällen 
von einem lästigen Juckreiz begleitet. 

2. Hr. Marchand: 

Vorstellnng einer lebenden Doppelmissbildaig (Epigastrin#). 

Es handelt sich um einen etwa 30 Jahre alten Italiener von mittel¬ 
grosser, massig kräftiger Statur. Er trägt in der Gegend des Epi- 
gastriums einen unvollkommen entwickelten zweiten Körper mit vier 
Extremitäten. Der parasitäre Körper hängt herab und ist an seiner 
oberen Grenze durch einen knochenharten Stiel mit dem Processus ensi- 
formis des Autositen verwachsen. Der Kopf fehlt, es macht den Ein¬ 
druck, als ob der Parasit aus dem Körper seines Bruders hervorwüchse. 
Das Körperskelett ist sehr mangelhaft, eine Wirbelsäule und Brustkorb 
ist nicht nachweisbar, ebenso fehlt da9 Herz. Anscheinend wird die 
Circulation durch einen Ast der Art. mamroaria interna oder epiga9trioa 
des Autositen unterhalten. An Stelle des Rumpfes wölbt sich zwischen 
Ober- und Unterextremitäten eine halbkugelige weiohe Masse hervor. 
Der After ist nicht ausgebildet, dagegen ist ein kleiner Penis, das 
Scrotum und ein kleiner Hoden vorhanden. Der Penis entleert tropfen¬ 
weise eine harnabnliehe Substanz. Sensibilität ist kaum vorhanden, 
aktiv kann der sonst leicht bewegliche Parasit nicht bewegt werden. 
Die Missbildung geht aus einem sich abnorm teilenden Ei hervor. 

3. Hr. Zalowiecki demonstriert eiuen 20jährigen Dienstknecht, bei 
dem sich ein bisher nur bei der sogenannten Westphal-Strümpell’schen 
Pseudosklerose beschriebener grünlichbraniier, etwa i j 2 mm breiter 
Horohaatsaam findet. Daneben findet sich eine bräunliche Verfärbung 
der Haut, die Anzeichen einer leichten Mitralinsuffizienz, Albuminurie 
und eine Lebercirrhose mit Milztumor. Von seiten des Nervensystems 
besteht keine besondere Intelligenzherabsetzung, dagegen eine an Zwangs¬ 
lachen erinnernde, sehr leichte Auslösbarkeit des Lachens und eine 
eigentümliche Schwerfälligkeit in der Innervation der willkürlichen 
Muskulatur. Vortr. glaubt, dass diese somatischen Symptome der voll 
entwickelten Pseudosklerose vorangehen, und dass deshalb den be¬ 
schriebenen Pigmentierungen, besonders dem Cornealring, beizugesellenden 
Individuen mit chronischer Leberaffektion eine besondere Bedeutung bei¬ 
zumessen ist. 

4. Hr. Seidenberger: 

Vorstellung eiaes Falles voa Dystonia mascaloram deform aas 
(Oppenheim). 

5. Hr. Rille: Demonstration eines Falles von lebthyosis serpeitina. 
Der junge Mann ist 16 Jahre alt und leidet seit seinem zweiten Lebens¬ 
jahre an dieser Hautaffektion, die fast die ganze Körperoberfläche er¬ 
griffen bat. Am stärksten ist der Prozess an den Armen und Beinen 
ausgeprägt. Hier finden sich ausgedehnte dicke, schwartige, graugrüne, 
vollständig trockene, derb, rauhe Verhornungen. Die Behandlung mit 
äusserer Anwendung von Lebertran, Wilkinsonsalbe und Einpinselungen 
von Borglycerin bringt nur vorübergehend Besserung. 


Sitzung vom 26. Mai 1914. 

1. Hr. Weichsel stellt zwei Kranke mit angetforeiem Herzfehler 
(offenem Ductus Botalli) vor. Die erste Patientin ist 84 Jahre, die 
zweite 32 Jahre alt. Die Herzerscheinungen sind bei beiden erst in 
späteren Jahren aufgetreten. Beide Patientinnen haben Herzklopfen, 
Schmerzen in der linken Brustseite und sind kurzatmig. Iq letzter Zeit 
sind wiederholt Obnmachtsanfälle aufgetreten, dabei stärkere Cyanose. 
Bei beiden findet sich eine bandförmige, fingerbreite Dämpfung, dem 
Huken Sternalrand aufsitzend und bis zur 2. Rippe reichend. Daselbst 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1502 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 33. 


ist ein systolisches Geräusch und ein verstärkter 2. Pulmonalton zu 
hören. Im Röntgenbilde eine deutliche Vorwölbung des Pulmonalbogens. 
Das Elektrocardiogramm hat bei beiden eine deutlieh ausgeprägte S-Zacke. 

2. Hr. Rille: Demonstration von 2 Fällen mit Lichen syphiliticus 
bei erworbener und kongenitaler Lues. Es tritt hauptsächlich als 
Recidiv auf, jedoch ein halbes Jahr nach der Infektion, und lokalisiert 
sich in der Kreuzbeingegend. Gegen Quecksilber ist es sehr resistent, 
weniger gegen Salvarsan. Anatomisch geht es von den Follikeln aus 
und enthält Riesenzellen. Es bat grosse Aehnlichkeit mit dem Lichen 
scropbulosorum. 

3. Hr. Zweifel: Erfahrungen über Mesothorininbehaudlung. 

Nach einleitenden Bemerkungen über die Entdeckung des Meso-- 
thoriums und der verschiedenen Strahlen, bei denen er den Ausdruck 
„weiche“ und „harte“ Strahlen durch „matte“ und „durchdringende“ 
ersetzt wissen möchte, zeigt Z. an Lumierephotographien die Wirkung 
der Strahlen bei einem Vulvacarcinom. Mikroskopisch konnte der Unter¬ 
gang der Krebszellen verfolgt werden. Sicher ist die Wirkung der y- 
Strahlen auf die Krebszellen elektiv, doch nicht ausschliesslich. Wieder¬ 
holt hat Z. nach der Bestrahlung die Kranken an qualvollem Tenesmus 
erkranken sehen, dabei wurden per anum Gewebsfetzen und Schleim ent¬ 
leert. Günstige Erfolge bei inoperablen Carcinomen kommen unzweifel¬ 
haft vor, aber es ist noch nicht der Beweis erbracht, dass Carcinome 
durch Mesothoriumbehandlung geheilt wurden; dazu gehört mindestens 
eine Recidivfreiheit von 5 Jahren. Auf Grund seiner guten Operations¬ 
erfolge (51 pCt.) hält Z. daran fest, alle operablen Fälle zu operieren 
und nur inoperable Fälle und solche, die sich nicht operieren lassen 
wollen, oder bei denen ein Kontraindikation besteht, mit Strahlen zu 
behandeln. 

4. Hr. Schweitzer: 

Die bisherigen Erfolge der Mesotborinmbehavdling beim Gebärmutter* 
und Scheidenkrebs. 

Der Vortr. berichtet über die therapeutische Beeinflussung der 
Uterus- und VaginalcarciDome durch Mesothorium an der Leipziger 
Frauenklinik seit Januar d. J. Es wurden vorwiegend /-Strahlen ver¬ 
wendet. Anfangs wurden 2—3 mm dicke Bleifilter, später 1—1,5 mm 
dicke Messingfilter verwendet. Das Mesothorium war mit einem dicken 
bleifreien Gummi überzogen, der wiederum mit einfacher steriler Gaze 
umwickelt war und von einem Condomgummi umgeben wurde. In dieser 
Armierung wurde das Mesothorium in die Vagina und je nach Lage des 
Falles die umgebenden Weichteile durch Hartgummicelluloid oder Metall¬ 
abdeckung geschützt. Die verwendete Dosis schwankte zwischen 50 mg 
bis 150 rag, die auf 8 bis höchstens 24 Stunden eingelegt wurde. Mit 
etwa zweitägigen Pausen wurde diese Menge noch 1—2 mal eingelegt 
(1. Serie) und damit eine Mesothoriumquantität von 3—4 mg-Stunden 
erzielt. Die Patienten blieben für diese Zeit in der Klinik und wurden 
dann nach 8—4 Wochen wiederbestellt, um nach dieser Zeit eine zweite 
Serie zu absolvieren. Auf diese Weise wurden jedem Patienten 3, 4 und 
nach Bedarf mehr Serien verabreicht. Unangenehme Nebenwirkungen 
wurden wiederholt beobachtet. Schmerzen im Leib, Fieber, Pulssteige¬ 
rung, zuweilen auch Erbrechen, Stuhldrang und Tenesmus. Nach 14 Tagen 
besserte sich häufig das Befinden der Frauen. Blutung und Jauchung 
sistierten schon meist nach der 1. Serie, während die Schmerzen erst 
nach der 3. und 4. Serie aufhörten. In vielen Fällen war die Besserung 
augenfällig, es stellte sich guter Appetit ein und Gewichtszunahme. Das 
Carcinora schrumpfte schon nach der 1. Serie meist um ein Drittel oder 
gar um die Hälfte seines Umfanges zusammen. Die Tiefenwirkung der 
Strahlen beträgt etwa 5 cm. Bisher wurden 31 Fälle behandelt. Zwei 
unvollständig operierte Carcinome und zwei Scheidencarcinome wurden 
günstig beeinflusst, 1 Fall von isoliertem Scheidencarcinom so günstig, 
dass nichts Pathologisches mehr nachzuweisen ist. Von den weiteren 
26 Fällen (9 Portiocarcinome, 8 Carcinoma cervicis, 9 Carcinoma colli 
et vaginae) haben 10 Fälle erst die 1. Serienbestrahlung durcbgemacht; 
die 2. Serie haben 7 Überstunden, davon 6 gebessert, 1 gestorben; naoh 
der 3. Serie sind von 3 Fällen l gebessert und in 2 Fällen die Be¬ 
handlung beendet, da klinisch geheilt; nach der 4. Serie unter 6 Fällen 
1 gebessert und 5 klinisch geheilt. Erreicht wurden diese Resultate allein 
durch Mesothorium UDd zwar durchschnittlich mit 10 600 mg-Stunden bei 
einer klinischen Behandlung von 28 Tagen und einer Gesamtbehandlungs¬ 
dauer von 4 Monaten. 

Diskussion. 

Hr. Payr wendet sich gegen die Ansicht von Krönig, der auch 
operable Tumoren bestrahlen will und auf schlechte Resultate der gynäko¬ 
logischen wie chirurgischen Krebsoperationen hingewiesen hat. Payr 
steht auf dem Standpunkt, dass man operable Tumoren operieren und 
nicht operable bestrahlen soll. 

Hr. Ver9o demonstriert die anatomischen Präparate einer Frau, die 
wegen eines Portiocarcinoms in der Frauenklinik io 2 Serien mit fast 
9000 mg-Stunden bestrahlt worden war.' Die Frau war später an Lungen- 
gaogrän ad exitum gekommen. Während in der Vagina mikroskopisch 
kein Carcinom mehr nachzuweisen war, fanden sich in der Cervix frische 
Carcinoranester. In einem 2. Falle von Leberkrebs, der ebenfalls intensiv 
bestrahlt worden war, waren die centralen Teile der Knoten zwar einge- 
schmolzen, aber an den Rändern der Knoten wurde an vielen Stellen 
lebensfähiges, junges Krebsgewebe nacbgerwiesen. Rösler. 


NatarvrlssenBChaftllch-iuediciiiische Gesellschaft zn Jena. 

(Sektion für Heilkunde.) 

Sitzung vom 2. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Lex er. 

Schriftführer: Herr Berger. 

Hr. Gärtner: Ankylostomiasis. 

Vortr. geht zunächst auf die Geschichte und die Einwanderung 
dieser Krankheit in Europa und speziell in Deutschland ein, die in 
stärkerem Maasse zuerst beim Bau des St. Gotthard-Tunnels auftrat und 
von hier aus nach Deutschland auf die Ziegelfelder Cölns und in den 
Oberbergaratsbezirk Dortmund verschleppt wurde. In den nächsten 
Jahren häuften sich die Fälle in den Bergwerken des westfälischen 
Industriebezirkes erheblich, und zwar trat die Affektion als eine bös¬ 
artige Anämie auf, die auch Todesfälle aufzuweisen hatte. Peroncido 
wies als erster nach, dass die Würmer nicht die Folge, sondern die Ur¬ 
sache der Krankheit waren und heilte diese durch Extractum filicis. 

Vortr. geht dann genau auf das Ankylostomum duodenale ein, be¬ 
spricht sein Aussehen, Vorkommen, Lebensdauer usw. Aufgenoramen 
werden die Larven durch den Mund des Menschen. Der zweite In- 
fektiousweg ist der von Loos angegebene durch die Haut. 

Die Symptome der Krankheit bestehen zunächst in leichten Ver¬ 
dauungsstörungen, dann in Schmerzgefühl in der Oberbauchgegend. Dem 
folgen Zeichen der Anämie, als: Müdigkeit, Herzgerausche, Abnahme der 
roten Blutkörperchen, Verminderung des Hämoglobingehalts usw. Be¬ 
deutsam ist eine Vermehrung der eosinophilen Leukocyten. 

Vortr. geht dann im einzelnen auf die Möglichkeit der Bekämpfung 
der Krankheit sowie auf die zu treffenden und von den Bergbehörden 
bereits getroffenen Maassnahmen ein. Vor allem müssen die jetzt vor¬ 
handenen, weitgehenden Reinlicbkeitsbestrebungen in den Bergwerken 
bestehen bleiben, die besonders bei dem sicherlich eine grosse Rolle 
spielenden Infektionsmodus durch die Haut ausserordentlich wichtig sind. 
Die kulturelle Untersuchung nach dem Vorgänge von Loos dient zur 
besseren Erkennung der vorliegenden Erkrankung. Wichtig ist eine 
Kontrolle der Wurmträger, wenn auch mit allerhand Schwierigkeiten 
verknüpft. Helfend tritt hinzu, dass die Ankylostomen sich im Menschen 
nur etwa 5—8 Jahre halten und dann absterben. 

Hr. Klunker-. 

Ueber Milehpastenrisierung, insbesondere über biovisierte Milch. 

Vortr. gibt zunächst einen Ueberblick über die gebräuchlichsten 
PasteurisieruDgsraethoden im Grossbetriebe, die sich in der Hauptsache 
physikalischer Hilfsmittel bedienen. Von den chemischen Mitteln hat 
nur der Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd eine gewisse Bedeutung. Vortr. 
berichtet sodann über eigene Versuche mit dem „Biovisator“, einem 
Apparat, in welchem die unter einem Druck von 4 Atmosphären stehende 
Milch aufs feinste verstäubt und hierbei wenige Sekunden hindurch einer 
Temperatur von etwa 75° ausgesetzt wird. Die Biovisation der Milch 
bat keinen nennenswerten Einfluss auf ihre chemisch-physiologische Be¬ 
schaffenheit. Die Milch bleibt gegenüber dem unbehandelten Natur¬ 
produkt so gut wie unverändert; andererseits tritt durch die Ver¬ 
arbeitung im Biovisator eine überraschende Keimverarmung und ins¬ 
besondere Vernichtung aller Krankheitserreger ein. Eine Ausnahme 
hiervon machen nur die Staphylokokken, die nicht völlig vernichtet 
werden; von ihnen sowie von den eigentlichen Milchsäurebildern bleibt 
eine kleine Anzahl am Leben. Sehr günstig gestalteten sich die Ver¬ 
suche mit Tuberkelbacillen. Aus einer Reihe von Tierversuchen geht 
hervor, dass auch die Koch’schen Stäbchen vermittels des neuen Ver¬ 
fahrens völlig unschädlich gemacht werden. Da ausserdem die im Bio¬ 
visator behandelte Milch eine um über 100 pCt. erhöhte Haltbarkeit 
gegenüber der Robmilch besitzt, so kann sie als eine hygienisch ein¬ 
wandfreie Milch bezeichnet werden, die aller Wahrscheinlichkeit nach 
eine grosse Bedeutung für die gesamte Volksernährung erlangen wird. 

Warsow-Jena. 

Medizinische Gesellschaft zn Göttin gen. 

Sitzung vom 2. Juli 1914. 

Hr. Schnitze demonstriert 1. einen 60jährigen Mann mit Oesophagus- 
carcinom and Metastase in der Halsanscbwellung der Medulla; es be¬ 
steht eine Atrophie des linken Unterarms und der Hand. Temperator- 
und Scbmerzempfindung sind am linken Arm fast völlig erloschen. 

2. Mann mit Tabes and Mnskeiatrophie an der linken Hand. 

3. Mann mit Tabes und gastrischen Krisen. 

4. Bericht über einen ähnlichen Fall und bespricht an der Hand 
der 3 letzten Fälle die Bedeutung der Wassermann’schen Reaktion 
in Liquor cerebrospinalis; dieselbe war bei allen 3 positiv, während 
die Wassermann’sche Reaktion im Blut negativ ausfiel. Auch die Nonne- 
sche Reaktion war stots positiv; ausserdem bestand Pleooytose. 

Hr. Hacker: Die Wirkung des Antikenotoxins auf den Menschen. 

Vortr. konnte in eigenen Versuchen weder durch Verstäuben bei 
Schulkindern, noch durch Injektionen bei Erwachsenen eine Erhöhung 
der körperlichen oder geistigen Leistungen erzielen; er spricht dem Anti¬ 
kenotoxin jegliche Wirkung ab, während er bei dem Coffein einen günstigen 
Einfluss auf die körperliche und geistige Ermüdung feststellen konnte. 
Hr. Hacker.- 

Ueber die lokalanästhetisehe Wirking der Morphinmsalie. 

Das Morphium hat selbst keine lokalanästhetische Wirkung, viel- 


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UNIVERSUM OF IOWA 



17 August 11)14. _BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 15G3 


mehr beruht dieselbe bei dem Morphium hydrochloricum auf der Wirkuog 
der Salzsäure. Stärker dissociierte Säureu hinterlassen eioe längere 
Analgesie. Bei Salzen, wo das Morphium an schwache Säuren gebunden 
ist, ist die lokalaoästhetiscbe Wirkung nicht vorhanden. 

Ur. Kittel: 

Ergebnisse der Intelligenzpräfiin^ lach Einet Lisa« bei Hilfsschtl- 

Vortr. hat seine Untersuchungen an Göttinger Sohulkindern der 
Hilfsschule angestellt und fand bei keinem Kind eine dem Alter ent¬ 
sprechende Intelligenz. Die Methode ermöglicht es, in relativ kurzer 
Zeit festzustellen, ob das lutelligenzalter dem wirklichen Alter entspricht. 
An der Hand der Testtabelle nach Binet-Liman wird die Methode in 
ihren Einzelheiten besprochen. 

Sitzung vom 16. Juli 1914. 

Hr. Usener demonstriert einen durch Magnesiumsulfatbehandlung 
geheilten Fall von Tetanns. Das Magnesiumsulfat wurde in etwa 25 proz. 
und 20 proz. Lösuog in der empirisch als wirksam gefundenen Einzel¬ 
dose von 0,18 bis 0,2 pro Kilogramm Körpergewicht gegeben. Eioe 
volle Wirkung wurde erst durch wiederholte (5—8 mal tägliche) zwei- 
stundlicbe Dosen sicher erzielt (Kumulation). Die Applikation muss 
suprafascial sein, da sonst Fettgewebsnekrosen entstehen. Die Wirkung 
der Magnesiumbehandlung auf die Zahl der Anfälle und die Ausdehnung 
des Dauerspasmus wird an einer Kurve gezeigt. 

% Hr. Göppert berichtet über experimentelle Untersuchungen, die in 

seiner Klinik mit 30 proz. Magnesiumlösungen an Meerschweinchen an¬ 
gestellt wurden und sich auf die Wirkling bei sabent&ner bzw. intra- 
eitaier Injektion bezogen. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass 
die Magoesiumsalze nur dann unschädlich für das Gewebe bleiben, wenn 
grössere Lymphräume zu ihrer schleunigen Resorption zur Verfügung 
stehen. 

Hr. Ebbeeke: 

Ueber lokale vasomotorische Reaktion der Hant and der inneren 
Organe. 

Vortr. zeigt das nach mechanischer ReizuDg auf tretende Nachröten 
(Dermographie) an der Kaninchenniere und einen einfachen Reizapparat 
mit quantitativ graduierbarer Druckstärke und auswechselbaren Reiz¬ 
flächen. Nach kurzer Uebersicht über die neurologischen und dermato- 
i logischen klinischen Befunde beschreibt E. neun verschiedene Haupt- 

typen von Farbänderung nach mechanischer, thermischer, chemischer 
and elektrischer Reizung, von denen sowohl das „Nachlassen“ (Dermo¬ 
graphismus albus) als die Quaddelbildung (Urticaria factitia) normal 
, sind. Klinisoh wichtig ist das Verwenden wiederholter, sich summierender 

Reize, das Beachten der die Laten*, Intensität und Dauer der Reaktion 
stark beeinflussenden Hauttemperatur und die Abtrennung eines nervösen 
und eines muskulären Faktors von einem dritten ursächlichen Moment, 

I als welches E. eine Gewebsreizung mit Entstehung von die Gefässweite 

regulierenden Stoffweohselprodukten in Analogie mit Organextrakten und 
‘: Hormonen ansieht. 

Hr. Port: 

Beitrag zzr Anwendbarkeit des Abderhaldei’schen Dialysierverfahrens. 

(Nach gemeinsam mit Herrn Mosbacher angestellten Versuchen.) 

Nach kurzer Darlegung der dem Verfahren zugrunde liegenden 
Theorie Abderhalden’s bespricht Vortr. die überaus wechselnde 
:' Peptondurchlässigkeit der Dialysierschläucbe, wodurch Dicht ausschalt¬ 

bare Fehlerquellen in der Methodik bedingt werden. Die Prüfung der 
Hülsen auf Eiweissundurchlässigkeit nach der Methode von Swart und 
Terwen mittels Casein ergab einwandfreie Resultate. Die Unter- 
>'■; Buchungen, über welche berichtet wird, erstrecken sich auf 50 Gravide 

im 7. bis 8. Monat, 25 Männer und 25 sicher nicht gravide Frauen. 
Eine Spezifität der sogenannten Abwehrfermente liess sich aus diesen 
t Befunden nicht erkennen, vielmehr handelte es sich um quantitative, 

i nicht qualitative Unterschiede. Auch das Serum von Nichtgraviden und 

von Mäanern vermochte in einem grossen Teil der Falle Placenta abzu- 
bauen, während in einzelnen Fällen Gravidaserum keinen Abbau zeigte. 
Zq den Versuchen wurden vier verschiedene Placenten abwechselnd 
verwendet, oha© dass sich ein wesentlicher Unterschied in dem Ausfall 
.&> der Reaktion zeigte. Mit inaktiviertem Serum waren die Reaktionen 

stets negativ. 

Hr. Mosbacher: Hülsen, die in üblicher Weise 8—10 Stunden in 
giessendem Wasser gespült waren, wurden mit je 1 ccm frisch destil¬ 
liertem Wasser angesetzt. Die Dialysate enthielten meist Stoffe, die 
kolloidale Goldlösung schützten, zum Teil aber auch fällten. Die 
vechselnde Peptondurchlässigkeit könnte wohl auf diese in kolloid- 
chemischer Beziehung aktiven Stoffe zurückgeführt werden. 

F. Port. 

Unterelsässiscber Aerzteverein zu Strassbarg i. E. 

Sitzung vom 25. Juli 1914. 

... 1* Hr* Adrian: Demonstration eines Falles von Lapis plan iS 
■Ularig disseminatus non exedens. 47 jährige Frau leidet seit 6 Jahren 
an dieser Erkrankung auf der Brust. 

.?• Hr. Mentberger: Demonstration eines Falles von Syndaktylie. 
beide^^^d^ 11 ^ 6 hochgradiger Verschmelzung aller 5 Finger an 


3. Hr. Stolz.- Ueber das perirenale Hämatom. 

Vortr. berichtet über zwei eigene Beobachtungen, von denen einer 
operativ geheilt werden konnte, während der andere starb. Beide Fälle 
betrafen Männer in den mittleren Jahren. Die Aetiologie blieb in beiden 
Fällen unklar. Bei dem einen Fall schlossen sich die ersten Symptome 
an eine brüske Bewegung des Körpers bei der Arbeit an. Besprechung 
der Symptomatologie, Aetiologie, anatomischen Befunde und der Therapie 
dieser Erkrankung. 

Diskussion. HHr Schickele, Cahn, Ghiari, Stolz. 

4. Hr. Schickele: 

Ueber Waehstnmssttirnngen nnd ihre Beziehungen znr inneren 
Sekretion. 

Nach einer übersichtlichen Erörterung der Wechselbeziehungen 
zwischen den Drüsen mit innerer Sekretion und den Waohstumsvorgängen 
beim Weibe demonstriert Vortr. drei Patientinnen, zum Teil in natura, 
zum Teil in effigie, deren Wachstumsstörungen in die hierher gehörigen 
bekannten Krankheitstypen nicht recht hineinpassen, und zwar a) eine 
24 jährige Frau mit 1,82 m Körperlänge mit sehr hoben BeineD, mit 
kleinem Kopf; keine Schilddrüsenvergrösserung, keine typische Akro¬ 
megalie. Sella turcica nach dem Röntgenbild normal. Uterus hypo- 
plastisch, Ovarien nicht tastbar, äusseres Genitale klein, aber normal. 
Vortr. möchte diesen Fall doch am ehesten noch der Akromegalie oder 
dem Riesenwuchs im Sinne von Klebs zurechnen. b) Frau von 28 Jahren, 
Hypoplasie des Skeletts, Grösse 1,37 m, grosser Kopf, geringe Behaarung, 
stärkere Fettansammlung am Mons veneris. Hypoplasie des Uterus und 
der Ovarien. Menstruation erst mit 21 Jahren, Dieser Fall lässt sich 
weder zum eunuchoiden Typus noch zur Dystrophia adiposogenitalis 
rechnen, e) 19jähriges Mädchen. Grosse untere Extremitäten, geringe 
Behaarung. Ein Uterus auch in der Narkose nicht zu tasten, kleine 
Ovarien. Hat nie menstruiert. Epiphysen geschlossen. Vielleicht 
eunuchoider Typus. 

Diskussion. HHr. Cahn, Rosenfeld, Chiari, Wissmann, 
Fehling, Sohiokele. 

5 Hr. Blnm: 

Benee-Jones-Eiweisskörper bei Inetischer Knochenaffektion. 

24 jähriger Mann, vor einem Jahre luetisch infiziert. Meningitis 
luetica. Intravenös Salvarsan und Quecksilber. Seit 6 Monaten Schmerzen 
im Sternum. Anämie, Zeichen myeloider Reizung. Vortr. nimmt als 
Grand für die Ausscheidung dieses Eiweisskörpers eine luetische Rnochen- 
markerkrankung an. 

Diskussion. Hr. E. Meyer. 

6. Hr. Cahn: 

Eine besondere Form von Sklerodermie. (Demonstration.) 

Vortr. sah im Verlauf eines chronischen Gelenkrheumatismus, der 
vor 5 Jahren begann und zur Ankylosierung der Gelenke führte, bei 
einer 34 jährigen Frau Sklerodermie nicht nur in der Nähe der Gelenke, 
sondern auch an anderen Körperstellen, z. B. im Gesicht, auftreten. Die 
Gelenkerkrankung hatte sich an einen gonorrhoischen Adnextumor an- 
geschlossen. Demonstration von Röntgenaufnahmen der Gelenke, die 
Knorpelusuren ohne Knocbenneubildung aufweisen. Besprechung eines 
zweiten Falles von Sklerodermie bei einem Mann in den mittleren Jahren 
mit Gele&kversteifungen. 

Diskussion. HHr. Blum, E. Meyer, Wolff. 

Tilp-Strassburg i. E. 


Naturhistorisch-medizinischer Verein za Heidelberg. 

Sitzung vom 9. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Hermann Kossel. 

Schriftführer: Herr Carl Franke. 

Hr. Siebeck: 

Ueber den Chlorgehalt der roten Blutkörperchen and seine Ab¬ 
hängigkeit von der Sispensionsflässigkeit. 

Die Erscheinungen und Bedingungen des Salzwechsels am gesunden 
und kranken Menschen sind so mannigfach, dass es im einzelnen Falle 
kaum möglich ist, die Verhältnisse befriedigend zu erklären. Daher er¬ 
scheint es wünschenswert, die Grundlagen unserer Vorstellungen durch 
die Untersuchung einfacher, übersichtlicher Vorgänge zu erweitern, 
d. b. den Salzwechsel einzelner Zellen zu untersuchen. Von mensch¬ 
lichen Zellen kommen praktisch die Blutzellen in Betracht, vor allem 
die roten Blutkörperchen, die allerdings wegen ihrer minimalen vitalen 
Funktion Nachteile haben. Ueber das Verhalten der roten Blutkörperchen 
wurden verschiedene Vorstellungen entwickelt: während die Blut¬ 
körperchen einerseits vor allem auf Grund der umfassenden Unter¬ 
suchungen Overton’s im wesentlichen mit osmotischen Systemen ver¬ 
glichen wurden, nahm andererseits besonders Hamburger demgegenüber 
immer eine weitgehende Salzdiffusion an. Die berichteten Unter¬ 
suchungen beziehen sich zunächst nur auf Chlor. Analysen; trockene 
VeraschuDg nach Bau mann, Titration nach Volhard. Volumen- 
bestimmuDg der roten Blutkörperchen durch die ursprünglich von 
Hamburger angegebene Stickstoffmethode. Ergebnisse: Es wurde 
zunächst der Chlorgehalt des Serums und der Blutkörperchen unter ver¬ 
schiedenen Verhältnissen bei Gesunden und Kranken (auch die Störungen 
des Salzwechsels) verglichen. Es ergab sich ein ganz konstantes Ver¬ 
hältnis: Das Serum enthielt immer etwa zweimal soviel Chlor als die 
Blutkörperchen. Weiter wurde der Chlorgehalt der roten Blutkörperchen 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1564 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 63. 


io verschiedenen Lösungen untersucht: Es wurden gleiche Volumina 
Blutkörperchenbrei und neutrale isotonische Rohrzucker- oder Natrium¬ 
sulfatlösung mehrere Stunden lang dauernd gemischt (bei Zimmer¬ 
temperatur): in der Lösung wurde dann stets erheblich mehr Chlor 
gefunden, als dem Chlor aus dem Serumrest des Blutkorperchenbreies 
entsprach. Es trat also Chlor aus dem Blutkörperchen in die 
Lösung. Der Austausch erfolgte im Natriumsulfat viel rascher als in 
Rohrzucker. Er trat auch dann ein, wenn die Kohlensäure aus dem 
Blutkörperchenbrei ausgespult worden war. Bringt man dem Blut¬ 
körperchenbrei nach dem Austausch in Serum oder Kochsalzlösung, so 
geht Chlor aus der Lösung in die Blutkörperchen. Wurde vor oder 
nach dem Versuche das Verhältnis des Chlorgehaltes im Suspensions¬ 
mittel zu dem in den Körperchen bestimmt, so ergab sich, dass es 
genau das gleiche war, wenn der Blutkörperchenbrei bei Zimmer¬ 
temperatur 4 Stunden dauernd mit Natriumsulfatlösung gemischt wurde. 
Danach scheint sich das Chlor in ganz bestimmtem Verhältnis (1:2) 
auf die Blutkörperchen und das Suspensionsmittel zu verteilen. Es war 
nun die Frage zu entscheiden, ob die Zeilen in diesen Versuchen 
dauernd geschädigt waren oder ob der Austausch ein reversibler Vor¬ 
gang ist. Es ist schon erwähnt, dass sowohl aus Serum als auch aus 
Kochsalzlösung Chlor in die Zellen giög. Weiter wurden mit solchen 
Zellen, die Chlor abgegeben hatten, „osmotische Versuche“ angestellt, 
d. h. die Zeilen wurden in isotooischer und hypotonischer Kochsalz¬ 
lösung aufgeschwemmt und 1—3 Stunden gemischt. Die Zellen nahmen 
dann ebenso an Volumen zu wie normale. Es gelang auch, rote Blut¬ 
körperchen durch wiederholtes Auswaschen mit Natriumsul/atlösung 
vollkommen chlorfrei zu machen, ihr Chlorgehalt wurde in der ge¬ 
sammelten Spülflüssigkeit quantitativ gefunden: auch diese Zellen 
nahmen in hypotonischer Kochsalzlösung ebenso Wasser auf und hielten 
es in mehreren Stunden unverändert fest. Es kann also zwischen Blut¬ 
körperchen und umgebender Lösung ein Chloraustausch stattönden, und 
dennoch ist der Wassergehalt der Zellen von osmotischem Drucke der 
umgebenden Lösung abhängig, was eben nach der herrschenden Ansicht 
bedeutet, dass nur Wasser, nicht aber Salz in die und aus den Zellen 
diffundiere. Man kann die Verhältnisse auch nicht durch die Annahme 
erklären, dass Wasser viel langsamer als Salz in die Zellen diffundiert 
(Hamburger, Jaques Loeb), da der Wassergehalt der Zeilen in der 
hypotonischen Lösung auch in 3 Stunden nicht abDimmt. Will man die 
osmotischen Vorstellungen festhalten und nicht annehmen, dass der 
Wassergehalt der Zellen in erster Linie vom Quellungsgrade der Zell¬ 
kolloide abhängt — und wirklich findet eine grosse Reihe Tatsachen 
in den osmotischen Vorstellungen die einfachste Erklärung —, so bleibt 
nur übrig anzunehmen, dass die Grenzschicht der Zellen ganz 
komplizierte Funktionen hat, dass der Widerstand, den sie 
der Diffusion entgegensetzt, vom Milieu abhängig ist: er ist 
zum Beispiel in Sulfatlösuog geringer als in Rohrzuckerlösung. 

Hr. B. Baisch: 

Die Behänd lang chirurgischer Tuberkulosen mit Encytol (Borcholin). 

Das Encytol erscheint durch die nachgewiesene chemische Imitation 
der Strahlenwirkung und durch eine mögliche direkte Wirkung auf die 
Tuberkelbacillen zur Behandlung von chirurgischen Tuberkulosen ge¬ 
eignet. Bei gleichzeitiger Anwendung von Bestrahlung und Encytol ist 
auf die erhöhte Empfindlichkeit der Haut durch die Injektion Rücksicht 
zu nehmen. Der grössere Vorteil besteht in der ergänzenden Hilfe der 
Einspritzungen, da wo der Wirkung der Bestrahlung ein Ziel gesetzt ist. 
Die bisherigen Erfolge, über die anderweitig berichtet werden wird, er¬ 
mutigen zu weiteren Versuchen in dieser Richtung. 

Diskussion. 

Hr. Bettmann betont, dass er bei der Hauttuberkulose nur sehr 
geringe Wirkung mit Encytol gesehen hat, was aber durch die bekannte 
Resistenz der Hauttuberkulose auch gegen Röntgenbestrahlungen eine 
Erklärung findet. 

Hr. Schreiber hat experimentell bei Kaninchen durch Einbringen 
des Enoytols in die vordere Augenkammer Depigmentierung der Iris er¬ 
zielt, was sonst mit keinem anderen Mittel zu erreichen war. 

Hr. Werner will festgestellt wissen, dass nicht der Gehalt an 
Lecithin an sich die Radiosensibilität eines Gewebes bedinge, sondern 
dass die Anwesenheit von Sauerstoff (reichliche Vascularisierung) zum 
Abbau notwendig sei. Er bestätigt die Einwirkung des Cholins, wie 
sie vom Vortr. angegeben wurden, und bat bei Tumoren die beste 
Wirkung durch gleichzeitige Anwendung von Encytol und Bestrahlungen 
erzielt. _ 

Sitzung vom 23. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Hermann Kossel. 

Schriftführer: Herr Carl Franke. 

Hr. Neil: Cystoskopische Demonstration eines entlang dem rechten 
Ureter nach der Blase zu durcbgebrochenen paranephritisehen Abscesses 
bei einer 21jährigen landwirtschaftlichen Arbeiterin. 

Nach der Anamnese bestand bei der Patientin vom zweiten 
Schwangerschaftsmonate ab eine während der ganzen Gravidität an¬ 
dauernde rechtsseitige Pyelitis; gelegentlich heftige Schmerzattacken in 
der rechten Seite, Schüttelfröste. Uebliche interne Behandlung. Am 
6. Wochenbetttage Abgang von stark eitrigem, stinkendem Urin. Acht 
Wochen später Aufnahme in die Universitätsfrauenklinik. Befund: 
Aus beiden Ureteren klarer Urin. Rechts neben der rechten Ureter- 


münduDg eine kraterartige Einziehung (Perforationsöffnung), aus der sich 
zäher Eiter, besonders bei Druck auf die vergrösserte rechte Niere ent¬ 
leert. Rechter Ureter als deutlich verdickter Strang zu tasten. Uterus 
retrovertiert-flektiert. Rechte Adnexe und Beckenzellgewebe elastisoh. 
Palpatorisch und röntgenologisch ist die rechte Niere enorm vergrößert; 
das Pyelogramm ergab keine erkennbare NierenbeckenerweiteruDg. Die 
Diagnose einer auf einer früher bestandenen Pyelitis in graviditate 
beruhenden Paranephritis abscendens ist nach alledem gesichert. Die 
Patientin wird operiert werden; von dem Befund bei der Operation 
wird die Ausdehnung des chirurgischen Eingriffes abhängig zu machen sein. 

Hr. Bettmann: Demonstration eines Falles von Anthrax, geheilt 
durch Salvarsan, und eines Falles von sekundären Syphilid mit 
Primäraffekt an der Tonsille. 

Zum ersten Falle bemerkt Vortr., dass er seine letzten 14 Fälle von 
Anthrax mit Salvarsan behandelt habe und alle Fälle geheilt seien. Er 
glaubt berechtigt zu sein, die Salvarsantherapie bei Anthrai empfehlen 
zu dürfen, da bei den sonstigen Behandlungsmethoden eine Mortalität 
von 20 pCt. zu erwarten ist. 

Hr. Moro: Ueber den Einfluss der Molke anf das DamepitheL 

Die Ueberlegenheit der natürlichen Ernährung und die Minder¬ 
wertigkeit der Kuhmitchnahruog beim Säugling ist unter anderem auf 
die differente Wirkung beider Molken zurückzuführen, und zwar ergaben 
Atmungsversucbe am überlebenden Darmepithel verschiedener Tierarten, 
dass die am Oxydationseffekt gemessene Lebensenergie der isolierten 
Darmzellen im Medium artentsprecbender Molken wesentlich höhere 
Werte erreicht als im Medium heterologer Molken. Dieser Einfluss der 
Molken auf das Darmepithel beruht zum Teil auf spezifischer Salz¬ 
wirkung, vor atlem aber auf der Wirkung gewisser wahrscheinlich mit 
Lipoidsubstanzen zu identifizierendem Molkenstoffe. Das Molkeneiweiss 
(homolog oder heterolog) übt auf die Oxydationsgrösse in Darmzellen 
keinen erkennbaren Einfluss aus; wohl aber auf die resorptive Funktion, 
wie in besonderen Versuchen (Freudenberg und Schofmann) gezeigt 
werden konnte. Uebertebender Kälberdarm nahm aus Frauenmolke 
wesentlich weniger Milchzucker auf als aus Kubmolke. Als resorptions- 
bemmendes Prinzip wurde das heterologe Molkeneiweiss erkannt. 

Kolb - Schwenningen a. N. 


Aerztlicher Bezirksverdii zu Erlangen. 

Sitzung vom 21. Juli 1913. 

Hr. Kümmell demonstriert einen Fall von hysterischer Selbstver- 
letznng der Augen mit frisch kristallisierter Soda, der anfangs die 
grössten diagnostischen Schwierigkeiten bereitet hatte. Die Verände¬ 
rungen bestanden in eigenartig nekrotisierenden Verätzungen der Con- 
junctiva palpebrae et sclerae und der Cornea, Verwachsungen und Bildung 
von Narbeosträngen. 

Diskussion: HHr. Kleist, Königer, Jamin. 

Hr. Hanek: Ueber Haattnberknlide. 

Zunächst erschöpfendes Referat über die ganze Tuberkulidfrage, dann 
Demonstration eines Falles von subcutanem Sarkoid Darier- 
Roussy. Die Patientin batte mit 25 Jahreo Lungenbluten gehabt und 
war vor 5 Jabren angeblich wegen Kreuzbeincaries in Behandlung ge¬ 
wesen. Der Beginn des jetzigen Leidens war im Februar 1913; unter 
der Haut des Rumpfes waren Knoten entstanden, die sich zu breiten, 
derben, wulstigen Sträugen umbildeten. Bis zur völligen Entwicklung 
der Veränderungen waren Schmerzen vorhanden, welche dann verschwanden. 
In einem mikroskopischen Präparat dieses Falles fanden sich die für 
einen tuberkulösen Prozess charakteristischen Riesenzellen, weshalb Vortr. 
der Ansicht der echten Tuberkulidnatur der vorliegenden Erkrankung 
zuneigt. Der wissenschaftliche Nachweis wird von noch laufenden Tier¬ 
versuchen erhofft 

Diskussion: Hr. Spuler. 

Hr. Kleist: 

Zar Kenntnis der Geistesstörungen nach inneren Erkrankingen ind 
nach Operationen. 

Nach Beobachtungen in der chirurgischen und Frauenklinik treten 
im Anschluss an grössere Operationen (oft Rectumcarcinom) psychische 
Veränderungen auf, welche besonders durch ihre Fremdartigkeit dem 
normalen Seelenleben gegenüber ausgezeichnet sind; psychopathische 
Veranlagung ist zum Entstehen des Symptomenkomplexes nicht erforder¬ 
lich. Nach einer Latenzzeit von 2—14 Tagen werden die Erscheinungen 
manifest, dauern oft nur kurze Zeit und können völlig ausheilen, 50 pCt. 
der beobachteten Patienten starbeD. Die Geistesstörung kann in Form 
tiefster Benommenheit oder als deliranter Zustand, als ängstliche Rat¬ 
losigkeit, als Stupor, als hyperkinetische Verwirrtheit oder als paranoi¬ 
scher Zustand auftreten. Wahrscheinlich entstehen diese Krankheits¬ 
bilder nicht durch Erschöpfung, durch Narkoseschädigung oder auf dem 
Boden einer psychopathischen Anlage, sondern sie stehen in naher Be¬ 
ziehung zur Anaphylaxie. Eiweissspaltprodukte, die bei den grossen 
Wundflächen immer entstehen, gelangen in die Blutbahn des anämisierten 
Patienten und erzeugen nach einer Latenzzeit die oben geschilderten 
Symptome. 

Diskussion: HHr. Kreuter, Weiohardt, Königer, Seitz. 
Jamin, Spuler. Stettner. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 










17. Aagaat 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1566 


Freiburger medizinische Gesellschaft. 

Sitzung vom 7. Juli 1914. 

HHr. Stnber, Winter und Heim: Stadien zur Blatgerinnnngslehre. 

a) Hr. Heim: Fettsäuren, Kohlensäure und Blutgerinnung. 

Auf Anregung von Herrn Stüber unternommene Versuche ergaben: 

1. Die Triglyceride der höheren Fettsäuren beschleunigen die Blut¬ 
gerinnung. Die Beschleunigung nimmt mit der Spaltung der Glyceride 
anfänglich zu, bei zu weit gehender Spaltung ab. Diese Abhängigkeit 
ist durch das Vorhandensein der freien Fettsäuren und ihrer Wasserstofi- 
iooenkonzentration bedingt, wie durch das Kohlensäurebindungsvermögen 
des Plasmas festgestellt wurde. 

2. Alle Fettsäuren beschleunigen die Gerinnung. Die Beschleunigung 
nimmt in der homologen Reihe mit der Koblenstoffzahl der Fettsäuren 
stetig zu und ist bei der Stearinsäure am höchsten. Sie ist, abgesehen 
von der Wirkung der Wasserstoffionenkonzentration, eine spezifische. 

3. Kohlensäure beschleunigt die Gerinnung. Vortr. fand, dass die 
Kohlensäure imstande ist, den an Eiweiss gebundenen Teil des Fettes 
des Gesamtblutes aus der Verbindung mit dem Eiweiss zu verdrängen 
und in den ätherlöslichen Zustand überzuführen. Dadurch wird die 
Wirkung der Kohlensäure mit der der Fette in Zusammenhang gebracht. 

4. Fett in Verbindung mit einem fettspaltenden Ferment ist in 
gerinnungsbefördernder Wirkung der Morawitz’schen Thrombokinase 
überlegen. Die Wirksamkeit der Thrombokinase entfällt zum grössten 
Teil auf ihre (ätherlösliohen) Fettbestandteile. Sie kann durch diese 
ersetzt werden. Ferner enthält die Thrombokinase ein lipolytlsches 
Ferment. 

5. Die befördernde Wirkung verschiedener Lipasen auf die Blut¬ 
gerinnung ist der lipolytischen Fähigkeit parallel. 

6. Von den verschiedenen Eiweisskörpern des Blutplasmas hat das 
Fibrinogen eine spezifische Fähigkeit, sich mit Fettsäuren zu unlöslichen 
Verbindungen zu vereinigen unter Mitwirkung von einem lipolytischen 
Ferment. 

b) Hr. Stüber: Eine chemische Theorie der Blutgerinnung. 

Die bestehenden Theorien der Blutgerinnung gründen die auf die 

Befunde von A. Schmidt und der späteren Autoren. Zuletzt wurde 
der Gerinnungsvorgang von Morawitz dahin gedeutet, dass zunächst 
drei Bestandteile, das Thrombogen, ein Ferment, die Thrombokinase und 
ein Kalksalz das Thrombin bilden. In eiuer zweiten Reaktion verbindet 
sich das Thrombin mit dem Fibrinogen des Plasmas zu Fibrin. 

Zusammen mit Winter und Heim ausgeführte Versuche führen nun 
zu den folgenden Auffassungen. Thrombogen ist Fett, Thrombokinase 
eine Lipase, die das Fett in Fettsäuren und Glycerin spaltet. Mit 
Kalksalzen verbinden sich die Fettsäuren zu Kalkseifen, die das Thrombin 
darstellen. Fibrinogen verbindet sich mit Kalkseifen zu Fibrin. Durch 
diese Theorie ist die bisher dunkle Rolle des Kalks bei der Gerinnung 
befriedigend berücksichtigt. Sie erklärt die Abhängigkeit der Gerinnung 
von den Fettsäuren (s. o.) und die Resultate der Untersuchung der 
Thrombokinase. 

^ Diskussion. 

Hr. Knoop: Eine Synthese aus Kalkseife und Fibrinogen lässt sich 
nicht als chemisch ohne weiteres definierbarer Vorgang denken. Ein 
solcher synthetischer Vorgang lässt sich bei dem raschen Verlauf der 
Gerinnung durch einen fermentativen Prozess nicht erklären. Ferner 
müssten sich unter der Voraussetzung der Richtigkeit der Theorie von 
Stüber quantitative Beziehungen zwischen Fettsäuren und Fibrinogen 
nachweisen lassen. 

Hr. Hahn: Die Richtigkeit der Annahme einer synthetischen Bildung 
des Fibrins aus Fibrinogen und Kalkseifen müsste sich durch die Unter¬ 
suchung des Fibrins kontrollieren lassen. 

Hr. Stüber: Die Möglichkeit 30 rasch verlaufender Fermentreaktionen 
ist durch die Untersuchungen von Bertscheller gegeben. Versuche, 
das Fibrin zu analysieren, sind im Gange. Fibrin enthält jedenfalls 
Fettsäuren. Die von Knoop vorgeschlagene Untersuchung mit ver¬ 
schiedenen Fettsäuren hergestellter Fibrine muss nicht notwendig zu 
einer Lösung der Frage führen, weil die Reaktion wahrscheinlich nur 
bis zu dem isoelektrischen Punkt verläuft, also sich nicht in konstanten 
Proportionen abspielen muss. 

Hr. Asch off weist auf die Bedeutung von Ruhe und Bewegung für 
die Gerinnung des Blutes hin. Nach vorangehender Agglutination der 
Blutblättchen schiesst das Fibrin nach Art von Kristal Inadeln an. 

Froraherz. 


Aus Pariser medizinischen Gesellschaften. 

Acadömie de mödecine. 

Sitzung vom 2. Juni 1914. 

HHr. Pierre Marie und Löri besprechen ein Verfahren der Chromo- 
serodiagBostik der Gehirn bl atangen. Bei 5 Gehirnblutungen haben 
8ie eio eigentümlich grünliches, mehr oder weniger fluorescierendes Aus¬ 
sehen des Blutserums beobachtet, das wahrscheinlich auf den Uebergang 
der Zersetzuogsprodukte des Hämoglobins des extravasierten Blutes in 
das oirculierende Blut zu beziehen ist. Um diese Färbung des Serums 
nachzuweisen, genügt es, 10—20 ccm Blut in einem Gefäss aufzufangen 
und das Blutgerinnsel von den Gefässwänden loszutrennen, so dass es 
sich zusammenziehen kann; dann trennt man das Serum durch Ab- 
pessen oder mit einer Pipette und kann seine Färbung feststellen. Das 


Verfahren bedarf also keines Apparates und keines Reactivs und gibt 
in kurzer Zeit ein praktisches Resultat. Es ist schon in den ersten 
Stunden nach der Blutung positiv und hält einige Tage an. Das Ver¬ 
fahren erlaubt die Differentialdiagnose zwischen Gehirnblutung und Ge¬ 
hirnerweichung und kann wahrscheinlich auch zur Diagnose anderer 
Blutungen dienen. 

HHr. Kirnisson und Perrin haben auf ihrer Abteilung zwei 
Tetanastodesfälle erlebt infolge Infektion durch den zur Behand¬ 
lung der Skoliose nach Abbot verwendeten Filz. Bei einem 
17jährigen Mädchen mit starker Skoliose wurde am 10. Februar der 
Gipsverband angelegt und am 14. und 21. Februar, 7. und 21. März 
zwischen Verband und Gibbus die Filzplatten geschoben. Am 1. April 
trat Trismus auf; der Exitus erfolgte innerhalb 24 Stunden. Nach Ent¬ 
fernung des Apparates fand man kleine Excoriationen auf dem Gibbus. 
Ein anderes Mädchen von 19*/2 Jahren starb auf gleiche Weise an 
akutem Tetanus am 15. April. Von dem sofort verdächtigten Filz wurde 
ein Teil zur bakteriologischen Untersuchung geschickt; es konnten aus 
demselben reichliche Kolonien virulenter Tetanusbacillen gezüchtet 
werden. Der Filz sollte also gründlich sterilisiert sein und seine Fabri¬ 
kation ernst überwacht werden. 

Hr. Teissier beschreibt eine Reihe von tödlichen eitrigen früh¬ 
zeitigen Peritonitisfallen bei Scharlach; diese beruhen auf Strepto¬ 
kokkeninfektion. Diese Fälle widersprechen der allgemeinen Ansicht, 
dass die frühzeitig entwickelte Peritonitis bei Scharlach eine gute Pro¬ 
gnose habe, während die Spätformen schwer seien. 

Hr. Souqnes beschreibt einen Fall von dauernder Paralyse der 
Extremitäten nach lange fortgesetztem Gebrauch von Colchicin. Pat. 
hatte aus Furcht vor einem Gichtanfall während 3 Wochen täglich 
Colchicinpräparate genommen. Plötzlich trat komplette, totale Lähmung 
der Extremitäten ein, mit Hautanästhesien und tiefen Schmerzen. Das 
Gesicht, das Herz und die Sphincteren blieben frei, ebenso fehlten 
psychische Störungen. Die Lähmung ging langsam zurück, war aber 
nach 6 Monaten nicht ganz verscwunden. Es gibt also neben der 
akuten Colchieinvergiftung eine subakute, nach oft wiederholten kleinen 
Dosen, die zu Lähmungen führen kann. Solche Colchicinbebandlungen 
bedürfen also der ärztlichen Ueberwachung. 

Sitzung vom 9. Juni 1914. 

Da Herr Marinesco erklärt hat, dass das Leben der Gewebe 
ausserhalb des Organismus unmöglich sei, gibt Herr Pozzi Bericht 
über den Zustand des von Herrn Carrel seit 28 Monaten 
ausserhalb des Körpers lebend erhaltenen Bindegewebes. 
Der dynamische Zustand des Gewebes misst sich an der Geschwindig¬ 
keit seines Wachstums. Dieses kann ziemlich genau gemessen werden. 
Ein Stück der Gewebekultur wird genommen, in Ringer’scher Flüssigkeit 
gewaschen und auf einen neuen Nährboden gebracht. Es wird rasch von 
einem Ring neuen Gewebes umgeben, nach 48 Stunden wird die Dicke 
dieses Ringes gemessen. Im allgemeinen verdoppeln die Gewebe ihr 
Volumen nach 48 Stunden; das Wachstum ist aber je nach der Natur 
der Nährflüssigkeit und je nach dem Zustand der Gewebe im Moment 
der Einpflanzung verschieden. Der Vergleich der innerhalb 48 Stunden 
entwickelten Gewebsmassen mit Zellen der heutigen Kultur und mit 
Zellen der gleichen Kultur vor Jahresfrist zeigt, dass die Tätigkeit der 
Zellkolonien sich gesteigert hat Vor einem Jahre war der innerhalb 
48 Stunden gebildete Ring 1,5—1,8 mm dick, während er heute in guten 
Verhältnissen 2—2,8 mm misst, ln eine gleiche Kulturflüssigkeit wurden 
Herzstücke eines achtagigen Hühnchens und Stücke der seit über zwei 
Jahren in vitro entwickelten Gewebe eingelegt. Die Fermente der alten 
Kultur entwickelten sich schneller, das Proliferationsvermögen dieser 
Zellkolonien hat also nicht abgenommen; diese raschere Entwicklung ist 
vielleicht der Verbesserung des Verfahrens zuzusehreiben. 

Hr. Claude zeigt, dass die paralytische Myasthenie von Erb, 
selbst in ihren heilbaren und geschwächten Formen von den astheni¬ 
schen oder adynamischen Symptomenkoraplexen durch Neben¬ 
niereninsuffizienz, die bei infektiösen und toxischen Zuständen be¬ 
obachtet werden (namentlich im Morbus Addisonii), zu unterscheiden 
ist. Es bestehen sichere klinische und anatomische Unterschiede. Bei 
den asthenischen Zuständen besteben Zeichen einer allgemeinen Intoxi¬ 
kation, CirculationsstöruDgen, Herabsetzung des Blutdrucks, Muskel¬ 
ermüdung, aber es fehlen Lähmungen, Muskelatrophien, Aenderungen 
der elektrischen Reaktionen der Muskeln. Bei der Myasthenie dagegen 
bestehen neben der leichten Ermüdung der Muskeln vorübergebende 
Lähmungen gewisser Muskelgruppen, besonders des Auges, des weichen 
Gaumens, der Lippen, Aenderungen der elektrischen Erregbarkeit der 
Muskeln. Die Herabsetzung des arteriellen Blutdrucks ist nie bedeutend. 
Beim Addison und den toxisch-infektiösen Asthenien findet man bei der 
Autopsie destruktive Prozesse der Nebenniereo. Bei der paralytischen 
Myasthenie sind die Nebennieren eher vergrössert, aber durch die Ueber- 
anstrengung erschöpft. Diese Ueberanstrengung ist die Folge der im 
Körper circulierenden Gifte der Nerven- und Muskelzellen, die ver¬ 
schiedenen Ursprungs sind, aber in gewissen Fällen von der veränderten 
Thymus stammen. Bei schweren Myasthenien bestehen bedeutende Er¬ 
nährungsstörungen, welche durch Harnanalysen und Untersuchung der 
Toxizität des Harns sich kundgeben und sich in der Rekonvaleszenz der 
heilbaren Fälle nicht mehr finden. Die Insuffizienz der direkten Drüsen 
mit innerer Sekretion durch funktionelle Erschöpfung ist bei der Erb- 
schen Krankheit eine sekundäre Erscheinung, während die Nebennieren¬ 
insuffizienz bei Addison oder dynamischen Zuständen die primäre 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1566 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 83. 


ErscheiDUDg ist. In diesen Fällen ist somit die Nebennierenopotherapie 
besonders angezeigt, während bei den myasthenischen Zustäoden die 
Polyopotberapie, Behandlung mit Phosphor, Strychnin und Elektrizität 
angezeigt ist. 

Nach Herrn Trillat besteht neben dem trockenen Staub in der Luft 
der bewohnten Räume feuchter Staub, welcher überimpft werden 
und einen wahren Duft von Mikroben bilden kann. Es setzen sich 
wahre Tropfen ab, deren Gentrum der Mikroorganismus ist, dessen Ent¬ 
wicklungsfähigkeit erhalten wird durch Anwesenheit der ernährenden 
Gase der Atmungsluft. Diese Tröpfchen sind um so beweglicher, als 
der Mikroorganismus klein ist, wie das bei den durch Luft am leichtesten 
übertragbaren Krankheiten der Fall ist. Gestützt auf die Tatsache, dass 
diese Tröpfchen durch abgekühlte Flächen abgezogen und getrennt 
werden können, stützt Herr Trillat die Ansicht, dass es in von 
Kranken besetzten Räumen für die Ansteckung günstige Stellen gibt. 
Er empfiehlt Anwendung abkühlender Flächen zur Desinfektion der 
Räume. 

Sitzung vom 16. Juni 1914. 

Hr. Enriqnez spricht über die gastralgische Form der Pylorus¬ 
stenose. Es ist zweifellos, dass der spät, zu bestimmter Stunde ein¬ 
tretende Scbmerzanfall auf eine Störung der Entleerung durch den Pylorus 
deutet. Bei wiederholter Beobachtung dieses Symptomenkomplexes, ver¬ 
bunden mit in Serien gemachten Radioskopien, hat der Autor mit 
Durand zusammen eine besondere Form der Pylorusstenose, ohne Stase 
des Mageninhalts, ohne dauernde Hypersekretion, mit beständigem Leer¬ 
sein des nüchternen Magens entdeckt. Diese Stenose wurde in allen 
Fallen bei der Operation richtig gefunden. Die Veränderungen sassen 
bald am Pylorus, bald an der kleinen Curvatur, oder auf der duodenalen 
Seite des Pylorus. 

Das klinische Bild der Affektion ist sehr verschieden, je nachdem 
die Stenose sich an einem hypertonischen, hypotonischen oder atonischen 
Magen entwickelt. Ein hypertonischer Magen kann lange trotz Verände¬ 
rungen am Pylorus die Leerung des Magens sichern, das einzige Zeichen 
des erschwerten Durchgangs ist dann der späteintretende Schmerz, der 
durch seine Persistenz und Wiederholung aufmerksam macht. Das Haupt¬ 
zeichen dieser Stenosen ist der Schmerz, der 2—4 Stunden nach der 
Mahlzeit eintritt, durch Aufnahme Beuer Speisen oder durch Natr. bicarb. 
gestillt wird. Oft ist dieser Schmerz von Aufstossen, Sodbrennen, Brech¬ 
reiz oder Brechen begleitet oder hört häufiger damit auf. Aus dem 
nüchternen Magen kann nie Flüssigkeit ausgepumpt werden; Hyperchlor- 
hydrie ist häufig. Im grossen und ganzen gleicht das Bild der hyper- 
sthenischen Dyspepsie. Seltener verlauft die Affektion unter dem Bilde 
der hyposthenischen Dyspepsie mit früh eintretendem Magendruck, Blut¬ 
wallungen zum Kopf und Schmerzen lange nach dem Essen. Nie wurden 
peristaltische Bewegungen noch intermittierende oder dauernde Distensiou 
im Epigastrium beobachtet. Dagegen bestand immer mehr oder weniger 
starke Dilatation, oft nur relative Dilatation. Diese kann sich nur auf 
den Pylorusteil beschränken, besonders bei hypertonischem Magen. 

Der Verlauf ist besonders intermittierend, die Diagnose in der Regel 
schwer. Vorerst müssen alle ausserhalb des Magens liegenden Gründe 
der Pylorusspasmen ausgeschaltet werden (Nervensystem, Leber, Gallen¬ 
blase, Appendix und Uterus). Dann bleiben noch drei Zustände, die der 
Pylorusstenose in den Erscheinungen sehr ähnlich sind und die durch 
die therapeutische Differentialdiagnose ausgeschaltet werden. Die Hyper- 
chlorbydrie mit schmerzhaften Anfällen ohne organische Veränderungen 
verschwindet mit der Kochsalzentziebung. Die Schmerzen bei Magen- 
ptose mit starker Abknickung des Duodenums verschwinden mit An¬ 
wendung der Binde, welche die Ptose ohne Organveränderung bessert 
Wenn trotz dieser therapeutischen Eingriffe die Schmerzen fortbestehen 
und die Magenerweiterung Fortschritte macht, hat man es, besonders 
wenn der Allgemeinzustand schlechter wird, mit einer Stenose zu tun, 
die einen chirurgischen Eingriff, womöglich die Pyloreotomie verlangt, 
oder doch wenigstens die Gastroenterostomie mit totalem Ausschluss des 
Pylorus. 

Sitzung vom 23. Juni 1914. 

Hr. B&zy hält die Bezeichnung Prostatektomie für unrichtig, denn 
man entfernt eigentlich nicht die Prostata, sondern die Adenome, welche 
die Prostatahypertrophie bedingen, es ist also eher eine A denektomie. 
Diese Operation beseitigt nicht allein die mechanischen Störungen und 
die damit verbundenen Harninfektionen und Intoxikationen, sondern sie 
behebt auch die schädlichen Einflüsse, welche von den Tumoren auf den 
Körper ausgeübt werden. Bei einem 71jährigen Patienten wurde vor 
2 Jahren wegen schwerer Infektion und Unmöglichkeit des Katheterismus 
die Cystotomie gemacht. Patient war damals mit Albuminurie und 
Oedemen mit schweren Herzstörungen behaftet, die nach der Operation 
nicht verschwanden, trotzdem Retention beseitigt worden war. Es wurden 
dann die Prostataadenome (im ganzen 105 g) entfernt. Progressiv ver¬ 
schwanden alle Störungen. Die Heilung hält nun über 2 Jahre an. 

Hr. Kirmisson bespricht die tiefliegenden, schmerzhaften Angiome 
der Extremitäten an Hand von 3 Fällen. Diese tiefen, unter den 
Fascien der Extremitäten gelegenen Angiome verursachen sehr heftige, 
lokale und auf das ganze Glied ausgedehnte Schmerzen. Diese Angiome 
liegen so tief, dass sie kaum eine leichte diffuse Schwellung erzeugen, 
oft sogar das nicht. Man muss daran denken bei gutem Allgeraein- 
zustaod, Fehlen von Diatbesen und bei jugendlichen Individuen. Ohne 
Kenntnis dieser Angiome könnte man lange nutzlos mit schmerzstillenden 
Mitteln behandeln, was eine kleine Operation leicht beseitigen kann. 


Diskussion. Hr. Le Den tu hat bei einem Mädchen ein solches 
tiefliegendes Angiom der Wade operiert. Die Exstirpation war sehr 
einfach. 

SitzuDg vom 30. Juni 1914. 

Hr. Sambon bat Untersuchungen über die Aetiologie der Pellagra 
gemacht, die er im Balkan, in den Antillen, in England und Südfrank- 
reicb untersucht hat. Die historischen und ätiologischen Tatsachen er¬ 
lauben nicht mehr, die schädliche Wirkung des Maises verantwortlich zu 
machen. Die Krankheit bestand vor der Einführung von Mais als 
Nahrungsmittel. Infiziert werden nur Leute, die in bestimmten Gegenden 
gewissen Insektenstichen der Gruppe der Simuliden ausgesetzt sind. Die 
Krankheit ist ausserhalb der endemischen Herde nicht übertragbar. 

Hr. Voronoff berichtet über einen Fall von Myxödem bei einem 
8jäbrigen Kinde nach Masern. Dem jetzt 14jährigen Kmde wurde vor 
6 Monaten in die rechte Halsgegend der rechte Lappen der Schilddrüse 
(mit Parathyreoidea) eines grossen Affen (Tapio) transplantiert. Auf 
diese Operation folgte eine regelmässig fortschreitende, deutliche Besse¬ 
rung des physischen und psychischen Zustandes. Die Transplantation 
muss rasch geschehen und in einer gefässreicben Gegend gemacht werden, 
indem durch Nähte zahlreiche Adhärenzen der Gewebe mit dem trans¬ 
plantierten Gewebe geschaffen werden. 


Socidtd medicale des höpitanx. 

Sitzung vom 5. Juni 1914. 

HHr. 6 . Bron&rdel, L. u. 6 . Giro« besprechen an der Hand eines 
Falles die tranmatisehe LnngeBtuberkiilose. Der sonst nie kranke 
Patient bekam nach Kontusion der rechten Brusthälfte tuberkulöse 
Läsionen, die sehr rasch fortschritten und zum Tode führten. Die ersten 
Erscheinungen fanden sich deutlich an der Stelle des Traumas. Die 
Lungenspitzen erkrankten erst nachträglich, wie die Radioskopien be¬ 
stätigten. Die Autoren berichten gleichzeitig über experimentelle Unter¬ 
suchungen, die zu beweisen scheinen, dass das Trauma (Rippenfraktur 
bei mit einer 1 Monat alten Bacillenkultur geimpften Kaninchen) die 
Tuberkulose lokalisiert. Bei den sogenannten traumatischen Tuberkulosen 
bandelt es sich meist um Traumen der Brustwand, einfache Kontusionen, 
seltener Rippenbruch, noch seltener penetrierende Wunden. Die tuber¬ 
kulösen Veränderungen treten sofort oder nach einigen Tagen ein, sitzen 
auf der gleichen Seite wie die verletzte Partie, selten, wie im vorliegen¬ 
den Falle an der Stelle des Traumas selbst. Selten entwickeln sich 
die Veränderungen auf der entgegengesetzten Seite. Meist erzeugt das 
Trauma die Entwicklung einer lokalen latenten Tuberkulose. Der Ein¬ 
fluss der im Blut eirkuüerenden Bacillen ist grösser als man meint, der 
latente tuberkulöse Herd braucht nicht in den Lungen zu sein. 

Hr. Simonin betrichtet über 10 Fälle traumatischer Lunge»- nnd 
Plenratnberknlose. Sie wurden bei Soldaten beobachtet und entstanden 
nach Kompression oder Kontusion des Thorax ohne Wunden oder Frakturen. 
Die Lungenblutung fehlte nur einmal in einem Falle, in dem die erste 
krankhafte Reaktion auf der Pleura sich zeigte. Die BlutuDg folgt sehr 
rasch nach dem Trauma, ist nicht von Fieber begleitet und nur gering. 
Die Pleura- und LuDgenveränderung liegt der getroffenen Stelle 
gegenüber und entsteht bald nach dem Trauma. Die Lungenreaktionen 
sind häufiger als diejenigen der Pleura. Das Trauma der Brust dient 
nur, um eine latente Tuberkulose aufzudecken. Hereditäre oder persön¬ 
liche verdächtige Antecedentien fehlen selten. 

Ausser dem Trauma werden in der Armee als Faktoren, die latente 
Tuberkulose aufdecken, starke und dauernde Erkältung und der lang¬ 
dauernde Dienst in Betracht gezogen. Eine Statistik des Val de Grace 
zeigt, dass l /io der Entschädigungen an Unteroffiziere und Berufssoldaten 
wegen Tuberkulose nach einem bestimmten Trauma oder langer Dienst¬ 
dauer ausbezahlt werden. Nach Simonin ist die traumatische Tuber¬ 
kulose mit 1,52 pCt. vertreten, im Deutschland 1,37 pCt. 

HHr. G. Vitry und Henri Lab he beschreiben einen Fall von periodi¬ 
schem Brechen beim Kind. Während 3 Krankheitsperioden konnten sie 
täglich den Harn untersuchen und fanden einige Besonderheiten der 
Harnacidose, wie bei Diabetikern mit drohendem Coma. Die Acidität 
des Harns ist stark während des ganzen Anfalles und wird normal, so¬ 
bald die Ernährung wieder möglich ist; ebenso verhält sich der Ammoniak¬ 
gehalt des Harns. Der Stickstoffgehalt ist hoch infolge des Abbaus des 
Eiweisses des Gewebes des Körpers, da während des Anfalles die Er¬ 
nährung ganz ausbleibt. Der Acetongehalt kann nach dem Verfahren 
von Gerhardt, Legal und Lichen deutlich nachgewiesen werden 
und verschwindet, sobald die Ernährung möglich ist. Die intensive Be¬ 
handlung mit Alkalien durch Clysmen mit Natr. bicarbon.-Lösungen hat 
die Erscheinungen etwas gebessert. 

Sitzung vom 12. Juni 1914. 

HHr. Canssade und 6 . Leyi-Fraenkel haben einen Fall von Syphilis 
beobachtet, der den Symptomenkompiex der Ban’ti’schen Krankheit 
aufwies. Während 5 Jahren hatte Pat. einen grossen Milztumor, der 
zuletzt das ganze linke Hypochondrium ausfüllte und von da nach unten 
bis ans rechte Hypogastrium reichte. Diese Partien waren leicht druck¬ 
empfindlich und schmerzhaft infolge Perisplenitis. Zwei bis drei Jahre 
nach Beginn trat zunehmende Anämie ein. Zuletzt sanken auch die 
weissen Blutkörper von 4500 auf 1500. In der letzten Zeit trat Glykosurie 
ein, und 2 Monate vor dem Exitus Ascites. Der Tod trat infolge schweren 
Icterus ein. Die Affektion betraf atso zuerst die Milz, dann das Pankreas 


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17. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1567 


and zuletzt die Leber. Alle Erscheinungen sind diejenigen der Banti- 
sehen Krankheit. Die Lues wurde durch den Wassermann festgestellt 
und durch die bei der Obduktion gefundene deutliche spezifische 
Aortitis, deutliche Perisplenitis, Sklerose der Milz durch Endoperiarteritis, 
ebensolche des Pankreas. Die Leber zeigte namentlich nekrotische Ver¬ 
änderungen, erzeugt durch die toxischen Produkte der anormalen Milz 
und des Pankreas. Die Autoren betrachten deshalb die Banti’sche 
Krankheit nicht als Krankheit, sondern als Symptomenkomplex, der auch 
durch andere Ursachen als durch Syphilis ausgelöst werden kann. Die 
spezifische Behandlung blieb ohne Erfolg, da sie zu spät einsetzte, als 
schon fibröse und nekrotische Veränderungen bestanden. 

Hr. Rist beschreibt einen Fall von dysenterischem Lnngenabseess 
bei latenter Dysenterie. Patient war im April wegen reichlicher Hämo¬ 
ptysen aufgenommen worden. Man fand keine Tuberkelbacillen, und radio- 
skopisch war in der rechten Lunge eine Eiteransammlung mit scharfer Um¬ 
grenzung sichtbar, so dass man an Blasenwurm dachte. Die Punktion 
forderte schokoladenfarbenen Eiter zutage ohne Baoillen und Amöben. 
PatieDt hat 5 Jahre früher in Tunis Icterus durebgemaebt, aber nie Dys- 
senterie. Da der Zustand sich verschlimmerte, wurde Pat. von Herrn Hart- 
mann operiert. Aus der Abscesshöhle floss etwa 1 Liter nichtstinkenden 
Eiters ab. Pat. starb andern Tags. Der LuDgenabscess kommunizierte mit 
einem kleinen Leberabscess, welcher noch Amöben enthielt. Ferner 
fanden sich im Dickdarm dysenterische Geschwüre mit AmöbeD. Lungen 
und Leberabscess haben sich unabhängig voneinander entwickelt und 
gingen erst sekundär ineinander über. 

BHr. Kuss und Rubinstein haben an 100 Patienten des Sanatoriums 
von Angicourt die Serodiagnose der Tnberknlose mit dem Antigen von 
Besredka untersucht. Die Nichttuberkulösen, die nur als verdächtig 
ins Sanatorium kamen, batten negative Reaktion mit Tuberkulin UDd 
negative Seroreaktion, während man bei den verschiedenen Formen der 
Tuberkulose 75 pCt. positive Seroreaktionen erzielte. Diese positiven 
Reaktionen verteilen sich auf die verschiedenen Formen der Tuberkulose 
folgendermaassen. Bei beginnender Tuberkulose ist die Reaktion in 100 pCt. 
positiv. Bei schweren Formen, altern Datums, mit langsamem Verlauf 
ohne Fieber, war sie in 90 pCt. positiv; bei käsigen schweren, fortge¬ 
schrittenen Prozessen ohne Kachexie in 86 pCt. positiv. Bei sicherer 
Tuberkulose mit geschlossenen Herden, schleichendem Verlauf nur in 
50pCt. positiv, endlich bei leichter, inaktiver Tuberkulose war die Re¬ 
aktion meist negativ. Bei leichter Tuberkulose mit leichten Zeichen 
von Aktivität wird die Reaktion in 2 /s der Fälle positiv. Bei älteren 
Patienten ist also eine beständig positive oder eine wiedereintretende 
positive Reaktion ein Zeichen vom neuen Erwachen der Bacillentätigkeit. 

Sitzung vom 19. Juni' 1914. 

HHr. Aeh&rd und Ronillard berichten über einen Fall von Lnngen- 
pigrii nach Kc nsion der Brost. Die 25jährige Patientin hat bei 
einem Streit eine Kontusion der Thoraxbasis rechts erhalten. Während 
14 Tage bestanden Schmerzen, dann trat Fieber ein, schlechtes All¬ 
gemeinbefinden, Husten, reichliche fötide, leicht mit Blut vermischte 
Expektoration, ln der erkrankten Gegend bestand leichte Dämpfung, 
Bronchial atmen mit krepitierendem Rasseln; radiographisch eine helle 
Zone, umgeben von einem dunklen Rand verdichteten Gewebes. Die 
Rippen waren frei. In der Pleura zeigt die Probepunktion wenig trübe 
aseptische Flüssigkeit. Operation wird verweigert. Das Fieber schwankt 
zwischen 38 und 40°, die Expektoration ging zurück, Patientin war nach 

3 Wochen geheilt. Das Trauma hat wahrscheinlich eine kleine Blutung 
erzeugt; die blutig infiltrierte Partie wurde sekundär infiziert. 

HHr. Henri Dnfonr, Legras und Crow haben in zwei Fällen die 
passive Anaphylaxie therapeutisch verwendet, um die Gerinnbarkeit des 
Blutes zu erhöhen und die Blutungen des Typhus zu stillen. Zwei 
Kaninchen wurden durch Diphtherieserumiojektionen vorbereitet und 
nach II Tagen nach der ersten Injektion ihr Blut genommen, etwas 
früh, um sicher zu sein, dass sie in voller Anaphylaxie waren. Das Serum 
pes einen Kaninchens A coagulierte Blut in 3 Minuten, das des andern B 
in 4 Minuten. Das Gerinnsel A war innerhalb 3 Stunden stark zusammen- 
gezogeD, das von B gar nicht. Das Serum dieses letzteren hat, auch 
auf Patienten injiziert, die Gerinnbarkeit gar nicht beeinflusst, während 
dasjenige des Kaninchens A sehr günstig wirkte. Vor der Injektion 
erfolgte die Gerinnung des Blutes des Patienten in 23 Minuten. 3 bis 

4 Stunden nach Injektion von 2 ccm Serum A trat die Coagulation nach 
6 Minuten ein. Nach 4 Tagen brauchte sie 17 Minuten, und 3 Stunden 
nach einer Injektion von 1 ccm 7 Minuten. Mit diesem Serum wurden 
dann auch Typhuspatienten behandelt, die im Kraokheitsbeginn starkes 
Nasenbluten und Zahnfleischblutungen aufwiesen, und starke Blutung 
nach blutigen Schröpfköpfen. Bei einem Patienten, der vorher in 15 Mi¬ 
nuten Coagulation zeigte, war diese 3 Stunden nach 3 ccm Serum A 
schon nach 7 Minuten vorhanden. Nach 1 ccm Dipbtherieserum brauchte sie 
8 Minuten. Die Blutungen hörten auf. Der andere Patient zeigte Ge¬ 
rinnung nach Ja/ 2 Stunden; nach Injektion von 3 ccm Serum braucht 
die Gerinnung 8 Minuten, nach 1 ccm Diphtherieserum 5 Minuten. Die 
Blutungen hörten auf und kamen nicht wieder. Der Verlauf des Typhus 
Vurde sonst nicht beeinflusst. 

Hr. Simoiin beschreibt einen Fall von multiplen unabhängigen 
Aueessen der Leber nnd der Lnnge nach Amöbendysenterie. Patient 
wurde auf dem Marsch nach Fez krank. Nach 2 Monaten Dauer der 
Amöbendysenterie traten febrile Zustände ein, dann unbestimmte 
Schmerzen in der Leber, Perihepatitis mit Reiben. Dann kamen Fieber- 
aofälle mit grossen Temperaturschwankungen, mit vorausgehendem Frost 


und nachfolgendem Schweiss. Weder durch Radioskopie noch durch 
Punktionen konnte ein Abscess entdeckt werden. Einige Stunden vor 
dem Exitus, 8 Monate nach Beginn der Dysenterie trat ein Hustenanfall 
ein mit Auswurf von eitrigem Sputum. Der Tod erfolgte infolge Throm¬ 
bose der Lungenarterie. Bei der Obduktion fand man drei Absoesse 
im rechten Leberlappen, von Mandarinen- bis Haselnussgrösse. Ausser¬ 
dem fanden sich in der rechten Lunge zwei baselnussgrosse Eiterherde, 
von denen sich einer in den Bronchus entleerte, ln den Leberabscessen 
waren keine Amöben nachweisbar, aber in deo Lungenberden. Die 
Kultur des Eiters ergab Staphylokokken. Diese Beobachtung wurde vor 
der Einführung der Eraetinbehandlung gemacht. 

HHr. Hirtz und Debrä berichten über die Autopsie eines Patienten, 
der 1912 mit allen Zeichen des Morbus Addisoiii (Asthenie, Pigmen- 
tationen der Haut und Schleimhäute, Magendarmstörungen, Abmagerung) 
auf die Abteilung kam und nach 6monatiger Opotherapie geheilt 
vorgestellt und entlassen wurde. Dieser Patient hatte seither ver¬ 
schiedene psychische Störungen, die dem Alkoholismus zuzuschreiben 
sind, und starb zuletzt an Magencarcioom. Bei der Autopsie fand sich 
keine makroskopische Veränderung der Nebennieren oder des Pleius 
solaris. Mikroskopisch fand man in der linken Nebenniere eine kleine 
Narbe, deren Aetiologie (Tuberkulose oder Syphilis) nicht zu bestimmen 
ist. Die Addison’sche Krankheit kann also durch eine sehr kleine 
Läsion bedingt werden, vorausgesetzt, dass diese die Sympathicus- 
elemente der Nebennieren betrifft. In dem Fall haben die Nerven- 
veränderungen die Drüseninsuffizienz bedingt. 

Hr. Lonste und Frl. Conto berichten über einen Fall, bei dem ein 
Schilddriisentamor ein Aneurysma des Aortenbogens vorgetäuscht bat. 
Die 40jährige Patientin batte alle Zeichen der mediastinalen Kompression: 
paroxystische Dyspnoe, Tachycardie, Stimmveränderung, Krampf¬ 
husten, collaterale venöse Circulation, bronchiales Atmen durch Kom¬ 
pression des Bronchus, linke Carotis kaum zu fühlen. Herzbypertrophie. 
Da ausserdem Patientin sicher syphilitisch war (Pupillenungleichheit, 
Argyll Robertson, aufgehobene Sehnenreflexe, positiver Wassermann) 
wurde die Diagnose auf Aneurysma aortae gestellt und durch Radio¬ 
skopie von Herrn Beelere selbst bestätigt. Nach drei Bijodürinjektionen 
starb Patientin. Die Obduktion zeigte eine Atberomatose, Aorta mit 
normalem Kaliber und über derselben einen 240 g schweren Schild¬ 
drüsentumor. 


Berichtigung. 

Nach dem soeben erschienenen Sitzungsberichte (Berliner klinische 
Wochenschrift, 1914, Nr. 29, S. 1389) äusserte Herr Dr. W^ckowski in 
dem Schlusswort zu seinem Vortrage in der Medizinischen Sektion der 
schlesischen Gesellschaft lür vaterländische Cultur am 8. V. 1914, dass 
meine in der Diskussion gemachten Bemerkungen über die Grenzen des 
Erreichbaren in der Strahlentherapie nicht auf persönlicher Erfahrung 
beruhen könnten, da ich, wie ihm bekannt, nur mit kleinen Mengen 
(10—20 mg) Mesothorium arbeite. Obwohl anwesend, habe ich diese 
Aeusserung nicht gehört, hätte übrigens auch nicht darauf antworten 
können, da es das Schlusswort des Herrn Vortragenden war. Ich lege 
aber Wert darauf, festzustelleo, dass diese Behauptung nicht den 
Tatsachen entspricht: wir verfügen im Aller hei ligenhospital über 
200 mg Mesothorium, so dass meine Ausführungen sich nicht nur auf 
ausgedehntes Literaturstudium, sondern auch sehr wohl auf eigene per¬ 
sönliche Erfahrung stützten. Hermann Simon - Breslau. 


Zu obiger Berichtigung teile ich mit, dass ich für noch zu Recht 
bestehend angenommen hatte, was mir Herr Simon seinerzeit (November 
1913) mitgeteilt hat. 

In der Folgezeit hat sich das Allerheiligenhospital, wie es aus der 
Berichtigung von Herrn Simon hervorgeht, mit 200 mg Mesothorium 
versehen, was mir aber unbekannt geblieben ist. Aus diesem Grunde 
wird mein Zweifel an seiner persönlichen Erfahrung mit grösseren 
Mengen hinfällig. W^ckowski. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der Minister des Innern erlässt folgendes Rundschreiben 
an die Regierungspräsidenten und den Polizeipräsidenten von Berlin: 

„Mit Rücksicht auf den beginnenden Feldzug gegen Russland, 
wo stets die Pocken in grösserer Ausdehnung herrschen, ersuche ich 
Euere Hochwohlgeboren ergebenst, um den Ausbruch von Pocken¬ 
epidemien tunlichst vorzubeugen, die Kreisärzte gefälligst unverzüglich 
zu veranlassen, dass sie pockenverdächtigen Erkrankungen ihre volle 
Aufmerksamkeit zuwenden und die praktischen Aerzte veranlassen, 
solche Erkrankungen sofort zu melden. Bei einem Pockenausbruch 
sind die durch §§ 55 und 56 des Regulativs vom 8. August 1835 
vorgesebriebenen ZwaDgsimpfuogen aller ansteokungsfähigen Personen 
unverzüglich vorzunehmen. Die Königlichen Impfanstalten sind an¬ 
gewiesen, die zu diesem Zweck erforderlichen Lymphemengen bereit 
zu halten.“ 

Diese Aufforderung bezieht sich, wie weiterhin bekannt gegeben 
wird, gleicherweise auch auf Cholera. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 83. 


1568 


— Ein Orientierungskurs für freiwillige Kriegsärzte wird 
vom Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen in Preussen 
unter Förderung des Kriegsministeriums vom 17. bis 20. August 1914 
im Kaiserin Friedrich-Hause nach folgendem Programm veranstaltet: 
Montag: Generalarzt Dr. Paalzow, Chef der Medizinalabteilung des 
Kriegsministeriums: Einleitung. Dr. Holzhauer Stabsarzt an der 
Kaiser Wilhelms-Akademie: 1. Organisation der Armee mit besonderer 
Berücksichtigung der Organisation des Sanitätskorps. 2. Heeressanitäts¬ 
dienst: a) Operationsgebiet, b) bei der Etappe, c) im Heimatsgebiet. 
Dienstag: Dr. Neu mann, Stabsarzt in der Medizinalabteilung des Kriegs¬ 
ministeriums: Verwendung des nicht dienstpflichtigen Zivilarztes im 
Dienste der Armee, sein persönliches Verhältnis und Ratschläge für seine 
Ausrüstung. Stabsarzt Dr. Holzhauer: Die freiwillige Krankenpflege 
und ihre Verwendung im Kriege. Mittwoch: Prof. Dr. v. Oettingen: 
Allgemeine Gesichtspunkte der chirurgischen Tätigkeit in Front, Etappe, 
und Heimat. Donnerstag: Oberstabsarzt Geheimrat v. Wassermann: 
Seuchenbekämpfung im Kriege. Generalarzt Dr. Grossheim, stell¬ 
vertretender Subdirektor der Kaiser-Wilhelms-Akademie: Schlusswort. — 
Die Vorträge finden sämtlich von S 1 /* bis 10 Uhr abends irn grossen 
Hörsaal des Kaiser Friedrich-Hauses statt. Teilnehmerkarten werden 
daselbst wochentäglich von 9 bis 4 Uhr ausgegeben. Die Einschreibe¬ 
gebühr beträgt wie üblich 2 M., die in diesem speziellen Falle an das 
Rote Kreuz abgeführt wird. 

— Schutzmaassnahmen gegen Seuchengefahr. Gegenüber 
der Besorgnis, ob die zurzeit in Russland angeblich herrschende 
Cholera auf Deutschland übergreifen wird, sei auf folgendes hingewiesen: 
Russland ist im letzten Jahrzehnt wiederholt von Cholera heimgesucht 
worden und hatte z. B. im Jahre 1905 eine schwere Choleraepidemie. 
Obgleich aber die lange deutsch-russische Grenze dem Vordringen der 
Krankheit nach Deutschland keinerlei natürliche Hindernisse bietet, im 
Gegenteil die Weichsel mit ihrem Schiffahrtsverkebr geradezu ein Eiufall- 
tor für sie darstellt, so ist die Seuche niemals über die Grenze hinaus 
vorgedrungen. Einzelne bei uns eingeschleppte Fälle sind dicht an der 
Grenze sogleich erkannt und durch die erforderlichen Vorsichtsmaass¬ 
regeln alsbald unschädlich gemacht worden. Diesen Erfolg verdankt 
Deutschland seinem vorzüglich organisierten Seuchenschutz. Ueber das 
ganze Reich sind zahlreiche Medizinaluntersuchungsämter (bakteriologische 
Stationen) ausgebreitet, welche zur sofortigen Feststellung ansteckender 
Krankheit dienen. Treten irgendwo solche Krankheiten gehäuft auf, so 
können diese Aemter „fliegende Laboratorien“ in die gefährdete Gegend 
senden, um an Ort und Stelle noch rascher und nachdrücklicher die 
Seuche zu unterdrücken. Durch Isolierungen und Desinfektion wird die 
Ansteckungsquelle unschädlich gemacht und die Ausbreitung der Krank¬ 
heit dadurch verhindert. Auch bei unserem Heere befinden sich zahl¬ 
reiche tragbare bakteriologische, nach den neuesten Anforderungen der 
hygienischen Wissenschaft eingerichtete Laboratorien, damit jeder 
Seucbenverdacbt sofort au Ort und Stelle geklärt werden kann. Hygie¬ 
nisch wohlgeschulte Sanitätsoffiziere begleiten die Truppen; je ein 
hygienisch-spezialistisch ausgebildeter Sanitätsoffizier befindet sich bei 
jedem Korpsarzt, und schliesslich bei jedem Armeearzt je ein „beraten¬ 
ter Hygieniker“, die aus den ordentlichen Professoren der Hygiene an 
den Universitäten und Instituten ausgewählt sind. Sachverständiger Rat 
in gesundheitlichen Fragen steht hiernach ausreichend zur Verfügung. 
Gegen Typhus und Cholera gibt es ferner eine zweckmässige Schutz¬ 
impfung, welche das Kriegsministerium natürlich längst in seinen Plan 
zur Bekämpfung dieser Seuchen einbezogen hat. Der Impfstoff steht 
zur Verfügung. Zum Abkochen des Wassers sind fahrbare Trinkwasser¬ 
bereiter, zur Ausführung von Desinfektionen fahrbare Desinfektions¬ 
apparate vorhanden. Ein solcher neuzeitlicher, auf einem Kraftwagen 
montierter Desiofektionsapparat ist mit einer grossen Feldwäscherei- 
anlage, gleichfalls auf Kraftwagen montiert, verbunden. Gegen Pocken 
ist das Heer durch die Impfung geschützt. Wir dürfen hiernach mit 
Sicherheit darauf vertrauen, dass wir auch für den Kampf mit Seuchen 
auf das beste gerüstet sind. 

— Die Hilfsbereitschaft derjenigen Berliner Aerzte, welche nicht ins 
Feld ziehen oder in sonstiger Stellung zur Verfügung der Militärbehörden 
stehen, macht sich insbesondere im Dienste des Roten Kreuzes 
geltend. Zunächst zind zahlreiche Kurse eingerichtet woideD, in denen 
Helferinnen ausgebildet werden sollen. In eiuer stark besuchten Aerzte- 
versammlung, welche Fürst Solms - Baruth leitete und in der die 
Herren Präsident Bumm, Ministerialdirektor Kirchner, Geheimrat 
Pannwitz das Wort nahmen, wurden die Einzelheiten festgestellt. Auch 
an dieser Stelle sei der Wunsch ausgesprochen, dass keinerlei Kräfte¬ 
zersplitterung eintreten möge, sondern dass alle, die der gemeinsamen 
Sache dienen wollen, sich auch dieser gemeinsamen Organisation an- 
schHessen mögen! 

— Eine Centralmelde- und Auskunftsstelle des Roten 
Kreuzes für weibliches und männliches Personal, welches sich der frei¬ 
willigen Krankenpflege im Kriege widmen will, ist im Reichstagsgebäude, 
Eingang Portal 4, unter Leitung von Geheimrat Pannwitz eröffnet. 

— Bakteriologisch geschulte Aerzte, welche nicht militär¬ 
pflichtig sind, werden für den Dienst in den Königlichen Medizinaluoter- 
suohungsämtern und hygienischen Instituten sofort gesucht. Anmel¬ 
dungen in der Medizinalabteiluog des Ministeriums des Innern in Berlin, 
Schadowstrasse 10. 


— Auf Grund einer kaiserlichen Verordnung vom 31. Juli wird für 
eine grosse Zahl von Arzneimitteln (reine Carbolsäure, Quecksilber 
und Sublimat, Jod und seine bekannten Abkömmlinge, Chloroform, Pyra- 
zolorium phenyldimethylicura und seine Abkömmlinge, Opium, Morphium, 
Codeiu, Formalin, Chinin, Arecolin, Salvarsan), ferner Verbandstoffen, 
ärztlichen Instrumenten, bakteriologischen Geräten und Nährböden, Impf¬ 
stoffen und Sera und endlich Versuchstieren die Ausfuhr und Durch¬ 
fuhr verboten. 

— Durch Verfügung des Staatssekretärs des Innern ist gestattet, 
dass Medizinalpraktikanten und Kandidaten der Medizin, die 
bereits zwei Semester hinter sich haben, für die Kriegszeit als Vertreter 
in der kassenärztlichen Praxis tätig sein dürfen. 

— Laut Erlass vom 4. August wird für Desinfektoren eine Ver¬ 
kürzung der Ausbildungszeit auf sechs Tage in den Desinfektoren¬ 
schulen gestattet. 

— Laut Erlass vom 3. August wird PersoneD, welche zur Kranken¬ 
pflege im Heeresdienst in Lazaretten beschäftigt werden sollen, auf 
Antrag eine abgekürzte Prüfung (Notprüfung) gestattet, wenn sie 
wenigstens sechs Monate in einer staatlich anerkannten Krankenschule 
am Unterricht mit Erfolg teilgenommen haben. Die Prüfungsgebühr wird 
auf 12 Mark festgesetzt. 

— Von der Einrichtung des Notexamen9 haben bis jetzt gegen 
2000 Aerzte Gebrauch gemacht. 

— In Freiburg i. B. starb am 6. d. M. Alfred Hegar, der lang¬ 
jährige Leiter der gynäkologischen Frauenklinik im Alter von 84 Jahren. 

— Der Kriegszustand macht die Abhaltung des III. Internatio¬ 
nalen Kongresses für Gewerbekrankheiten, der vom 21. bis 
26. September in Wien tagen sollte, unmöglich. — Auch die „Jahres¬ 
versammlung deutscher Nervenärzte“ fällt in diesem Jahre aus. 

— Der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums wurden von der 
süddeutschen pharmazeutischen Fabrik F. Hoffmann-La Roche 4 Co-, 
Greuzach-Baden, grössere Mengen pharmazeutischer Präparate im Werte 
von über 40 000 M. für die Behandlung und Pflege der im Felde ver¬ 
wundeten Krieger als Geschenk zur Verfügung gestellt. Diese Spende 
(Digalen, Pantopon usw.) wurde am 4. August vom Kriegsministerium 
angenommen. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Königl. Krone zum Roten Adler-Orden 
3. Kl. mit der Schleife: Geh. San.-Rat Prof. Dr. Thiem in 

Cottbus. 

Roter Adler-Orden 3. Kl.: Direktor des Pathologischen Instituts am 
Friedrichstädter Krankenhause in Dresden, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Scbmorl. 

Königl. Kronen-Orden 4. Kl.: Kreisarzt Dr. Stoll in Heydekrug. 

Zu besetzen: die Stelle des Kreisassistenzarztes und Assistenten bei 
dem Mcdizinaluntersucbungsamt in Hannover. Jahresremuneration 2500M. 
Bakteriologische Vorbildung erforderlich. Die Stelle kann auch einem 
noch nicht kreisärztlicb geprüften Arzte vorläufig kommissarisch über¬ 
tragen werden, wenn er den Bedingungen für die Zulassung zur kreis- 
ärztlichen Prüfung genügt und sich zur alsbaldigen Ablegung der 
Prüfung verpflichtet. 

Niederlassungen: Dr. R. Reich, Dr. J. Saphra, Th. Wirts, Dr. 
F. Grass, Dr. M. Westenberger und Dr. 0. Beck in Cöln, 
M. van Wersch in Bonn. 

Verzogen: Dr. H. Vossenberg von Münster i. W. nach Ringen¬ 
berg, Dr. 0. Hu eck von Lüdenscheid und Dr. W. Hörg von Breslau 
nach Solingen, Dr. Th. Laup von Barmen nach Giessen, Dr. W. 
Bockstroh von Essen nach Hamburg, Dr. F. Epple von Essen nach 
Wassenburg am Bodensee, Dr. A. Bippus von Wesel nach Tübingen, 
Dr. E. Buschke von Solingen nach München, J. van Husen von 
Klein-Netterden b. Emmerich nach Cleve, H. Thom von Düsseldorf 
nach Rheydt, Dr. M. Rahm von Reisen nach Mülheim (Ruhr), Dr. H. 
Schlüter von Hamborn nach Rees, Dr. G. Anders von Breslau nach 
Lüben, Aerztin Dr. G. Weng er von Berlin nach Liegnitz, Dr. R. 
Steincke von Gera(Reuss) nach Mallmitz, Dr. F. Block von Berlin 
nach Sagan, 0. Henop von Hannover, Geh. San.-Rat Dr. F. Simon 
von Lüben und Dr. E. Haslinger von Halle a. S. nach Görlitz, Dr. 
A. Kaul von Sanatorium Woltersdorfer Schleuse nach Sanatorium 
Birkenbof bei Greiffenberg, Dr. E. Braun von Hirschberg i. Schl, 
nach Brückenberg, Dr. L. Gross von Liegnitz nach Kissingen, 
E. Stad tl ander von Ilten nach Bremen, Dr. A. Lehnert von Frank¬ 
furt a. M. nach Bad Dürkheim, F. Bender von Frankfurt a. M. nach 
Giessen, Dr. Th. Schenk von Heidelberg, Dr. W. Nourney von 
Selters i. W., Dr. W. Kaess von Kreuznach nach Frankfurt a. M. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. P- Kapischke 
von Cöln auf Reisen. 

Gestorben: Kreisarzt, Med.-Rat Dr. P. Müller in Berlin, Geh. San.- 
Rat Dr. E. Fliegei in Hirschberg i. Schl., Dr. K. Hütlenmüller 
in Rothenburg O.-L., Dr. Tb. QuelI horst in Scharnebeck. 

För die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreuther8tr**se41. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Prels rlertoljahrlich 6 Mark. Beateilungen nehmen 
alle Buchhandlungen und PoaUnatalten an. 


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ADe Änaendungen fttr die Redaktivu und Expedition 
wolle man portofrei an die Yerlagabuchhandlnng 
Angust Himchwald in Berlin NW., Unter den Lindeo 
Nr, 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

߻k. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kok _ Angnst Hirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin. 

Montag, den 24 . August 1914. J|£ 34. Einundfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origtialiei: Frans: Praktische Winke für die Chirurgie im Felde. 
S. 1569. 

Fritsch: Netxtorsion mit Einschluss einer Darmschlinge. (Aus der 
KÖnigl. chirurgischen Universitätsklinik in Breslau.) S. 1572. 
Ehrmann: Ueber Rückfluss und röntgenologische Antiperistaltik 
des Duodenums als Folge von Adhäsionen. (Aus dem medizinisch- 
poliklinischen Institut der Universität Berlin.) (Illustr.) S. 1572. 
Piesch: Ueber die Verteilung und Ausscheidung radioaktiver Sub¬ 
stanzen. (Illustr.) S. 1573. 

Zondek und Frankfurther: Die Beeinflussung der Lungen durch 
Sohilddrüsenstoffe. (Aus dem physiologischen Institut der Uni¬ 
versität Berlin.) S. 1574. 

ßflckerlesprechiDgea : Stransky: Lehrbuch der allgemeinen und 
speziellen Psychiatrie. S. 1576. (Ref. SiemerliDg.) — Mann: Lehr¬ 
buch der Tracheo-Bronchoskopie. S. 1576. (Ref. Albrecht.) — 
Meyer und Gottlieb: Die experimentelle Pharmakologie als Grund¬ 
lage der Arzneibehandlung. S. 1577. (Ref. Jacoby.) — Schwarz: 
Klinische Röntgendiagnostik des Dickdarms und ihre physiologischen 


ALT. 

Grundlagen. S. 1577. (Ref. Frankel.) — Schönwerth: Vademecum 
des Feldarztes. S. 1577. (Ref. H. Kohn.) 

Literatir-Aosztge: Physiologie. S. 1577. — Pharmakologie. S. 1577. — 
Therapie. S. 1577. — Allgemeine Pathologie und pathologische 
Anatomie. S. 1578. — Diagnostik. S. 1579. — Parasitenkunde und 
Serologie. S. 1579. — Innere Medizin. S. 1$79. — Psychiatrie und 
Nervenkrankheiten. S. 1581. — Kinderheilkunde. S. 1581. — Chir¬ 
urgie. S. 1581. — Röntgenologie. S. 1582. — Geburtshilfe und 
Gynäkologie. S. 1582. — Augenheilkunde. S. 1582. — Gerichtliche 
Medizin. S. 1582. — Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 
S. 1582. — Technik. S. 1582. 

Verhaidlugra ärztlicher Gesellschaft*!: Medizinische Sektion 
der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 
zu Breslau. S. 1582. — Südostdeutsche Chirurgen-Ver¬ 
einigung. S. 1586. 

Aufruf! S. 1588. 

Tagesgescbichtliohe Notizen. S. 1588. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1588. 


Praktische Winke für die Chirurgie im Felde. 

Von 


Oberstabsarzt 

A. Geschosse. 

Russland: Spitzgeschoss, Modell Mossim, leichter an Gewicht, 
kürzer, etwas kleineres Kaliber als das deutsche. Die Ver¬ 
letzungen werden im grossen und ganzen denen des deutschen 
S-Geschosses gleich sein. 

Frankreich: Spitzgeschoss (D balle), länger und schwerer 
als unser Geschoss, hat einen kleinen Führungsring, besteht aus 
reinem Kupfer, ist in seinen Wirkungen hinsichtlich Deformation 
den Mantelgeschossen gleich. Verletzungen etwas schwerer als 
durch unser Geschoss, namentlich bei Querschlägern, wegen 
grösserer Länge. Frankreich bat aber das schlechteste Gewehr 
von allen Grossstaaten, weil Vorderschaftsmagazin, und daher 
jede Patrone einzeln geladen werden muss. 

England: Ogivales Geschoss, Lee Matford oder Lee Enfield. 
Geschoss hat dicht vor dem Boden eine Rinne, staucht sich daher 
leicht. Kaliber nicht ganz 8 mm. Verletzungen gleich denen mit 
unserem alten 88-Geschoss. 

Maschinengewehre: Geschosse gleich denen der Gewehre. 

Handgranaten: Nach der Petersburger Konvention und 
Haager Konferenz nicht verboten, wenn über 400 g Gewicht. 

Artilleriegeschosse: Schrapnellkugeln haben 10—12 g Ge¬ 
wicht bei jedem der drei Staaten. Anzahl der Granatsplitter 
unbestimmt, hängt von Sprengladung ab, machen häufig ganz 
leichte, oberflächliche Verletzungen. Jedoch bei ihnen häufiger 

Tetanusinfektion. 

B. Allgemeines. 

Vor Gefechten hat der Arzt seine Injektionsspritze zu prüfen. 
Für das Feld empfehlen sich die gewöhnlichen Pravaz9pritzen mit 
Leder- oder Asbeststempel. Um einen wasserdichten Abschluss des 
Uderstempels zu gewährleisten, ist es notwendig, dass der Stempel 
®it dem in der Truppensanitätsaasrüstung mitgeführten Ungaentnm 
«olle eingefettet wird. Für das Gefecht hat sich der Arzt mit zwei 
Spritzen zu versehen, eine für Morphium und eine für Campheröl. 


Dr. Franz. 

Ferner hat er für die subentanen Injektionen nicht die Ampullen, 
sondern zweckmässig zwei Fläschchen mit 30 —50 g Inhalt, das 
eine mit 3 proz. MorphiumlÖsuDg (jede 1 ccm-Spritze, also Maxi¬ 
maldosis!), das andere mit 01. camphoratum forte bei sich zu führen. 

Der Chefarzt der Sanitätskompagnie hat beizeiten 
Vorsorge für Lampen, Lichte, Petroleum durch Requisition zu 
treffen. Ferner muss er für den Fall, dass der Hauptverbandplatz 
nicht in einer Ortschaft angelegt wird, sich 10—12 Böcke zum 
Heraufstellen von Tragen als Verbandtische sowie zum Belegen 
mit ebenfalls zu requirierenden Holzplatten als Schreibtische und 
Tische für Verbandmaterial mitnehmen. 

Berechnungen über das Schienen- und Verbandmaterial haben 
ergeben, dass bei einem Gefecht einer Division, wenn man die 
Sanitätskompagnie wieder schnell bewegungsfähig machen will, 
bei einem Verlust von 10 pCt. Personal und Material von 1 Feld¬ 
lazarett, bei einem Verlust von 20 pCt. von 2, bei einem Verlost 
von 30 pCt. von 3 Feldlazaretten Bofort ein setzen muss. 

Da die Auftreibung von Wagen, insbesondere aber von Pferden 
für die Rückbeförderung von Verwundeten vom Hauptverband¬ 
platz immer Schwierigkeiten macht, so empfiehlt es sich, dass der 
Chefarzt sich sofort bei Einrichtung des Hauptverbandplatzes die 
Krankenwagen der der Division zngeteilten Feldlazarette vom 
Divisionskorps eiofordert. 

C. Wunden. 

I. Weichteil wunden. 

75 pCt. aller Schusswunden. 

1. Durch Gewehrgeschosse. 

Ein- und Ausschuss bei senkrechtem Auftreffen kalibergross, 
manchmal schlitzförmig. Unterschied zwischen beiden schwer zu 
erkennen, denn die nekrotische Randzone am Einschuss beruht 
auf Eintrocknung, ist daher an frischer Schussöffnnng nicht 
sichtbar, sondern erst 12—24 Standen später, Derartige Ver- 


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UMIVERSITY OF IOWA 







1570 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


wundete brauchen aach vom Arzt bei Mangel an Zeit nicht un- 
bedingt verbunden zu werden, da sekundäre Infektionen bei ihnen 
nicht zu fürchten sind. Anschauung über Infektion gegen früher 
geändert; die primäre Infektion spielt die Hauptrolle, sie steigert 
sich mit der Anzahl der Bekleidungsstücke, tritt daher an den 
unteren Gliedmaassen eher ein. Sekundäre Infektion ist erst zu 
befürchten, wenn Schussöffnungen über Kalibergrösse hinausgehen. 
Wegweiser für kalibergrosse oder davon abweichende Schuss¬ 
öffnungen sind für den Arzt, wenn Verwundeter nicht entkleidet 
werden soll, Grösse der Schussöffnungen in der Montur. 

Verbunden werden Weichteilschüsse trocken. Desinfektion 
der Umgebung mit Jodtinktur und anderen unnötig. Durch¬ 
schnittlich genügt Verbandpäckchen. Verrücken desselben durch 
Heftpflasterstreifen zu vermeiden. Mastixpinselungen unnötig. 
Nur bei grösseren Weichteilwunden einmaliger 5 proz. Jodtinktur¬ 
anstrich. Da, wo Blutung stärker, Verband mit sterilen Mull¬ 
streifen, Mullbinde, gestärkte Binde. Alle Stärkebinden zum 
Unterschied von Gipsbinden sehr fest anziehen, weil Verband sieb 
sonst lockert. Wenn Verband durcbgeblutet, nicht gleich neu 
verbinden, sondern Verbandstoffe überwickeln. Verwundete 
mit kalibergrossen Scbussöffnungen können zuweilen, 
nachdem sie verbanden sind, wieder in Feuerlinie ge¬ 
schickt werden; ausgenommen sind Schüsse, die durch 
die ganze Dicke der Muskulatur der einzelnen Glied¬ 
abschnitte gehen. Aber auch hier sind Unterschiede nach 
Waffengattung zu machen. Verwundete bei vorrückender Infan¬ 
terie sind eher auf .Truppenverbandplatz zurückzuschicken, weil 
sie keine Sprünge mitmachen können. Wadenschüsse sind grund¬ 
sätzlich zurückzuschicken, müssen Stützverband erbalten und nach 
rückwärts getragen werden. In die Feuerlinie sind nur Verwundete 
wieder zu senden, wenn Arzt sich von der Funktionstüchtigkeit 
des betreffenden Gliedes überzeugt hat. 

Heilungsdauer der unkomplizierten Weichteilgewehrscbuss- 
wunden 10—15 Tage. Daher hat Truppenarzt unter Berück¬ 
sichtigung der Aufgaben seines Truppenteils für die nächste Zeit 
nur diejenigen Verwundeten nach Leichtverwundetensammelplatz 
abzuschieben, welche die Kompagniewagen belasten würden 1 ). 

2. Durch Schrapnell. 

Verband der gleiche wie unter I. Die Verwundeten sind 
immer nach Leicbtverwundetensammelplatz abzusebieben, ausser 
bei kleinen Streifschüssen, weil diese Wunden 3—4 Wochen zur 
Heilung bedürfen und andererseits infolge mitgerissener Tuch¬ 
fetzen leicht eitern. 

3. Durch Granatsplitter 

sind häufig so gering, dass Verwundete mit kleinem Schutz¬ 
verband wieder in Front geben können. 

Jeder Truppenarzt hat Verpflichtung, jedes Gewehr 
der Truppe möglichst lange zu erhalten. Jeden Leicht¬ 
verwundeten wahllos nach rückwärts abzusebieben ist 
falsch, weil grosse Anzahl dieser Wunden auch bei 
Truppe heilen können und eine vorschnelle Evakuation 
diese Verwundeten für Wochen der Truppe fernhält. 

II. Gefässschüsse. 

Unterbindungen und elastische Binde kommen nur ausnahms¬ 
weise in Betracht, da meistens Verblutung, und sonst die 
Blutung durch Kompressionsverband steht. Hämatom nicht immer 
sofort gross. Da auch erhaltener peripherer Puls nicht gegen 
Schuss Verletzung der zuführenden Arterie spricht, ist einziges 
untrügliches Zeichen das Wahl’sche Symptom nachweisbar durch 
Stethoskop: kontinuierliches oder intermittierendes Gefässgeräusch. 
Wo Gefässschuss sicher oder nach anatomischer Lage des Schuss¬ 
kanals höchst wahrscheinlich ist, ist das betreffende Glied mit 
viel Verbandmull und Druckverband zu versehen und durch 
Schienen zu fixieren. Derartige Verwnndete sind immer abzu¬ 
schieben. Primäre Arterienunterbindung nicht aDgezeigt. Operation 
am besten in der 3. Woche. Vor Verwechselung mit Phleg¬ 
monen im späteren Wund verlauf wird gewarnt. 

III. Nervenscliiisse. 

Primär keine Operation, erst wenn nach 5—6 Wochen keine 
Aenderung im Zustand der Neuralgien und Paralysen eingetreten, 
Freilegen des Nerven. 

1) Nach Heilung bleiben häufig neuralgische Schmerzen zurück. 
Diese heben aber für gewöhnlich Felddienstfähigkeit nicht auf, nur 
Paresen und Paralysen machen felddienstunfähig. 


IV. Schädelschüsse. 

Der sekundären Infektion am meisten ausgesetzt, daher immer 
Schädel in Umgebung der Wunde rasieren, einmaliger 6proz. Jod- 
tinktnranstricb, viel Verbandgaze, Mullbinde, immer Stärke¬ 
bindenverband. 

a) Tangentialschüsse, d. h. Streifschüsse, bei denen 
Schädelknochen und Gehirnoberfläche verletzt sind. Sie sind 
immer so schnell wie möglich zu operieren. Operation: Keine 
grossen Weicbteilschnitte, gewöhnlich genügt Einsetzen von 
scharfen Haken in die Wundränder, lose Knochensplitter werden 
mit Pinzette entfernt, Knochenränder werden mit Luer’scher Hohl- 
meisselzange abgeknabbert (kein Hammer, kein Meissei). Ver¬ 
nähen der Wnndränder (nicht eng) bis auf kleine Hautlücke, um 
Gebirnvorfall zu vermeiden. Keine Tamponade, nur Jodoformgaze 
anflegen. Operation, wenn Zeit vorhanden und aseptisches 
Operieren möglich, schon auf Hauptverbandplatz, jedenfalls mög¬ 
lichst nicht später als nach 24 Stunden nach der Verletzung. 
Die ersten 5 Tage nach Operation nicht transportieren. 

b) S eg mental schösse, d. h. Durchschösse mit getrenntem 
Ein- und Ausschuss, wo Hirnschusskanal nicht weit von Hirn¬ 
oberfläche verläuft, z. B. Stirnschuss, Hinterhauptschuss, ober¬ 
flächlicher Sckeiteischuss. Im allgemeinen abwarten. Hierbei 
Individualisieren hinsichtlich der Operation. Indikation nur von 
Chirurgen zu stellen. 

c) Diametralschuss. Niemals operieren. 

d) Steckschuss, d. h. Schüsse, wo kein Ausschuss ist. 

1. Durch Mantelgeschosse nicht operieren. 2. Durch Schrapnell 
immer operieren, weil Kugel gewöhnlich nur 3—5 cm unterhalb 
der Hirnoberfläche sitzt. 

Segmental-, Diametral- und Steckschüsse nicht vor 5 Tagen 
transportieren. 

V. Gesichtschüsse 

geben günstige Prognose selbst bei schweren Knochenschüssen. 
Nasenlöcher nicht länger als 24 Stunden tamponieren, wegen 
Gefahr einer Otitis media. Bei Verletzungen des Wundbodens 
uud Unterkieferschussbrüchen Tracheotomie in Betracht ziehen. 
Bei Unterkieferschussbrüchen Keil aus Kork, Holz oder Watte 
zwischen die erhaltenen Zähne des Ober- und Unterkiefers, Kinn¬ 
schleuderverband mit Mull- und Stärkebinden. 

VI. Halsschüsse. 

Luftröhrenverletzungen durch Mantelgeschoss erfordern nicht 
immer Luftröbrenschnitt; letzterer ist notwendig, wenn längerer 
Transport bevorsteht. Bei Verdacht auf Speiseröhren Verletzung 
5 tägige Enthaltsamkeit von Speise und Trank, Lagerung Kopf 
tief, Beine hoch! 

VII. Lungenschüsse. 

Nicht immer Bluthusten! Prognose entscheidet sich gewöhn¬ 
lich nach 24 Stunden; sind Atemnot und Blausucht dann besser 
geworden, dann Aussicht günstig, Abtransport möglich. Trans¬ 
versal-und Longitudinalschüsse des Brustkorbes nicht transportieren! 
Randscbüsse der Lungen können transportiert werden. Behand¬ 
lung: Morphium. Selbst bei Fieber und bestehendem Hämothorax 
nicht punktieren I. wegen Gefahr der Nachblutung, 2. wegen 
Gefahr der Infektion. 

Ausnahmen nur bei Indicatio vitaliä, d. h. wenn entweder 
schwere Herzverdrängungserscbeinungen oder Erguss bis vorn zur 

2. Rippe und hinten bis Spina scapulae reicht. 

VIII. Herzschüsse 

dürfen auf Gefechtsfeld nicht liegen bleiben, weil sie spontan 
heilen können. 

IX. Bauchschüsse 

sind immer vom Transport auszuscbliessen. Prolabierte Därme 
nicht reponieren! Behandlung: Enthaltung von Speise und Trank 
für 5 Tage. Morphium. RocbsalzeingiessuDgen im Mastdarm 
oder besser intravenöse Adrenalin-Kochsalzinfusionen. Im weiteren 
Verlauf auf intraperitoneale Hämatome und deren Vereiterung 
achten. Brust-Baachsebüsse gefährlicher als einfache Bauch¬ 
schüsse. 

X. Rückenmarkschüsse 

möglichst schnell in stehende Kriegslazarette oder Etappenlazarette, 
ja sogar nach Heimat transportieren, weil ihre Pflege wegen 
Mangel an Personal unmöglich ist. Gummiring, Dauerkatheter in 
derBUse. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





24 August 1914. 


BERLIN KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1571 


XI. Knochen- und Gelenkschüsse. 

Allgemeines über die Behandlung der Knochen- und 
Gelenkschüsse. 

Umgebung der Schussöffnung mit 5 pro*, einmaligem Jod¬ 
anstrich desinfizieren, ln operativer Hinsicht sind sie primär ein 
noli me tangere. Nor die in oder auf den Schassöffnungen 
liegenden Knochsplitter dürfen entfernt werden. Sondieren sowie 
primäres Freilegen der Bruchstelle ist verboten, desgleichen 
primäre Kontinnitätsresektionen der langen Knochen oder Gelenk¬ 
resektionen. Tamponaden, in welcher Art sie auch immer statt¬ 
finden mögen, sind selbst bei stärkerer Blutung verboten. Es 
sind nur Verbandstoffe aufznlegen, nie in die Wunde einzuführen, 
weil eingeführte Gaze mit den Granulationen des Unterhautzell- 
gewabes schnell verbäckt und dem Wundsekret den Abfluss ver¬ 
stopft. Erscheint dem Arzt eine Drainage notwendig, weil die 
Wunde bereits infiziert ist, dann sind Gummidrains einzuführen. 

Allgemeines über fixierende Verbände. 

Gipsverband ist das Ideal, erfordert aber technische Fertig¬ 
keit und längere Zeit. 

Der Stärkebindenverband hat den Nachteil, dass er nicht 
gleich trocknet und man ohne unterstützende Schiene den Ver¬ 
wundeten dem Transport nicht gleich aussetzen kann. 

Beide erhärtenden Verbände haben den Nachteil, 
dass sie bei Schnee und Regen überhaupt nicht an¬ 
gewandt werden können. Deshalb sind Schienenmaterial und 
trockene Binden und Verbandtücher denTruppensanitätsausrüstungen 
und den beweglichen Sanitätsformationen in grosser Menge mit¬ 
gegeben. Sie sind, weil ein Umschlag der Witterung möglich und 
weil die Verbände mit ihnen leicht sind, in den vordersten 
Linien durchschnittlich anzuwenden. 

Es empfiehlt sich, die Pappetafeln in Streifen von 1 m zu 
7 cm zu schneiden, die Schusterspanschienen von 20 cm Breite in 
solche von 5 cm zu vierteilen, die zu 15 und 13 cm in solche 
von 7,5 cm und 6,5 cm zu halbieren. Die Teilungen sind aus 
Sparsamkeitsrücksichten unbedingt notwendig und schon vor den 
Gefechten vorzunehmen, da die Pappe sich schwer schneidet. 

Die Polsterung erfordert viel Material; das mitgeführte 
Wattematerial genügt aber nicht, daher sind Kleider grund¬ 
sätzlich bei der Polsterung zu verwenden. Ueberhaupt ist 
die Entkleidung des Verwundeten möglichst zu vermeiden, weil 
man ihn dadurch des Schutzes gegen die Witterung beraubt. Ist 
Auftrennung des Kleidungsstückes zum Verbinden der Wunde 
durchaus notwendig, so empfiehlt es sich, die Teile durch Zu- 
sammenstecken mit Sicherheitsnadeln zu vereinigen. Für gewöhn¬ 
lich genügt Ausschneiden der betreffenden Stellen über den Schuss¬ 
öffnungen mit der Kleiderschere. 

Hinsichtlich der Polsterung ist zu erwähnen, dass in jedem 
Pressstück 6 Rollen Watte sind. Es genügen bei entkleideten 
Patienten für die obere Extremität eine Watterolle, für Ober¬ 
schenkel- und Hüftgelenkschüsse 4—5 Watterollen, für Unter¬ 
schenkel- und Kniegelenkschüsse 2—3 Watterollen. 

Binden: In den vorderen Linien sind wegen Wassermangels 
und aus oben angeführten Gründen im allgemeinen trockene 
Binden zu verwenden. Vor Anlegung derselben sollen die Schienen 
grundsätzlich durch einige dreieckige Verbandtücher fixiert werden, 
weil dadurch an Bindenmaterial gespart wird. Reine Gipsverbände 
sind vorn zu vermeiden, weil neben den anderen Gründen der 
Gipsvorrat nicht aasreicht. Von erhärtenden Binden sind Gips¬ 
binden nur im Verein mit Stärkebinden zu benutzen. Für obere 
Extremitäten kommen solche als Transportverbände nicht in Frage. 
Für Oberschenkel verbände sind durchschnittlich, zusammen mit 
Schienenmaterial, notwendig: 6 Stärke- und 4 Gipsbinden, welche 
letztere als Spica coxae angelegt werden, für Kniegelenks- und 
Unterschenkel verbände 2 Stärke- und 2 Gipsbinden. Gipsbinden 
dürfen bei Anwickeln nicht angezogen, Stärkebinden müssen 
sehr fest aogezogen werden. Sobald Knochenscbüsse in stationäre 
Behandlung kommen, gilt als Grundsatz, die inficierten Frakturen 
®it gefensterten Gipsverbänden, die nicht inficierten mit Exten¬ 
sionsverbänden zu behandeln. 

1. Obere Extremität. 

Als Transporteinheitsverband für sämtliche Schüsse genügt 
Einheitsverband, d. h. eine Rolle Watte, 2—3 breite Mullbinden: 
Eine dicke Lage Watte kommt zwischen Innenseite des Armes 
ond Thorax, der andere Teil der Watte auf die Vorderseite. 
Durch Kreistouren wird die rechtwinkelig im Ellenbogen ge¬ 
krümmte Extremität an den Thorax angewickelt. Die Hand wird 


mit eingebunden. Es ist darauf zu achten, dass auch Binden¬ 
touren das Schultergelenk feststellen. Es brauchen keine typischen 
Dösaulttouren zu sein. Beim Anlegen steht der Verwundete am 
besten, wenn er nicht zn erschöpft ist, die Hilfsstellung: kniet 
auf der Erde. Richtlinie: Acromion, Tuberculum majus und 
Condylus externus bumeri. Weder Stärkebinden noch Schienen 
sind unbedingt notwendig. Vor allem ist vor Innenschiene zu 
warnen, weil ihre Anlegung schwer ist und viel Schmerzen macht. 

2. Untere Extremität. 

a) Hüftgelenks- und Oberschenkelschussbrüche. Die 
natürliche Schiene ist das gesunde Bein. Beide Beine sind daher 
grundsätzlich durch 3 dreieckige Verbandtücher zusammenzubinden. 
Für diese Verletzungen ist immer das Knie und Hüftgelenk fest- 
zustellen. 

Vol km an nsche Schiene allein genügt nicht, weil Hüftgelenk 
dadurch nicht fixiert. Zur Fixation des Hüftgelenks ist, abgesehen, 
von allem anderen Scbienenmaterial, immer notwendig eine starre 
Vorderschiene, deren Mitte dem Hüftgelenk entspricht. Dieselbe 
muss mindestens 30 cm lang sein. Aus dem vorschriftsmässigen 
Schienenmaterial eignet sich am besten dazu die englische Schiene 
und die Holzschiene mit Blechhülse. Die nicht starren Schienen 
der Sanitätsausrüstung wie Schusterspan, Pappschienen, Siebdraht' 
schienen, Aluminiumschienen kommen, nur wenn starre Schienen 
nicht vorhanden sind, in Frage. Sie sind aber dann an der 
Vorder- and Aussenseite zwei- bis dreifach zu nehmen. 

Sehr zu empfehlen ist eine Aussensebiene, hergestellt aus 4 
ineinandergefügten Holzschienen mit Blechhülsen und eine Vorder¬ 
schiene aus 3 ineinandergefügten Holzschienen mit Blechhülsen. 

Ist Langstroh vorhanden, so ist der Einheitsverband nach 
Steuber sehr zweckmässig. Derselbe besteht aus 2 Einheits- 
Strohmatten 100 X 50 cm, einer Steigbügelmatte 100:25 cm, 
einer Holzlatte 150 cm lang, 1 cm dick, 3 cm breit. Derselbe 
wird so angelegt, dass in der Steigbügelmatte der Fuss wie in 
einem Steigbügel ruht. Eine Eioheitsmatte umgibt kreisförmig 
das ganze Bein und reicht bis zur Gesässfurche. Die zweite Ein¬ 
heitsmatte wird nur an die Aussenseite angelegt, so dass sie vom 
Kniegelenk bis etwa zur Brustwarzengegend reicht. An die 
Aussenseite dieser Strohmatte kommt die Holzlatte. Durch 
2 grosse und 4 kleine dreieckige Verbandtücher wird das Schienen¬ 
material befestigt. Die Holzlatten müssen requiriert werden. 

Bei den Etappensanitätsdepots werden vorrätig gehalten: 

1. Die Cramer’schen Schienen. Auch von diesen ist eine 
lange Vorder- und eine lange, bis zur Nabelhöhe euerseits und 
unter das Kniegelenk andrerseits reichende Aussenschieue notwendig. 

2. Schiene nach Oberstabsarzt Franz. Diese ist eine starre 
Vorderschiene der ganzen Vorderfläche des Beines entsprechend, 
welche von Nabelhöhe bis unter das Kniegelenk reicht. Sie 
zwingt den Verbindenden, das Hüftgelenk zu fixieren, braucht 
wenig Bindenmaterial, ist schnell anzulegen and ist daher auch in 
der Hand von Sanitätsunterpersoual gut zu verwenden. 

Sehr zu empfehlen ist die Requisition von 3 cm breiten, 
1 cm dicken, 90 cm langen Holzstäben, von denen einer als 
Aussen-, bis znr Nabelhöbe reichende Schiene, der zweite als Vorder¬ 
schiene anzulegen ist. Rückseite und Innenseite des Oberschenkels 
sind mit Pappe oder Schusterspanschienen zn bedecken. 

Anf dem Gefechtsfeld und dem Truppenverband¬ 
platz sind bei Vorhandensein grundsätzlich Gewehre, 
Kolben kopfwärts gerichtet, zu verwenden. Richtlinie für 
Steilnng des Beines: Zwischenraum zwischen grosser und zweiter 
Zehe, Mitte der Kniescheibe und Mitte der Ligamentum Poupartii. 

, b) Kniegelenk: Die Knochenschüsse sind meistens Epiphysen¬ 
schüsse ohne Fraktur der Gelenkteile. Infolgedessen ist in diesen 
Fällen von gleichzeitiger Fixation des Fuss- und Hüftgelenks ab¬ 
zusehen, und es genügen zwei seitliche starre Schienen und eine 
vordere und hintere nachgiebige Schiene (Schusterspan, Pappe, 
und Siebdrahtschiene). Besteht dagegen eine Fraktur der Gelenk¬ 
teile, so hat die Schienung analog der bei einer Oberschenkel¬ 
fraktur stattzufinden. 

c) Unterschenkel- und Fussgelenkscbüsse. Es sind not¬ 
wendig 2 seitliche starre und eine vordere und hintere biegsame 
Schiene. (Schusterspan, Pappe, Siebdrahtschiene ist ungeeignet.) 

Für die reinen Lochschüsse des Kniegelenks und die Unter¬ 
schenkel- und Fussgelenkschüsse kommen, wenn vorhanden, die 
Volk mann'sehen Schienen in Betracht. Für erstere jedoch nur, 
wenn dieselbe annähernd bis zum Sitzbeinknorren reicht. 

Die Verwendung des Seitengewehrs des Verwundeten ist stets 
bei Kniegelenks- und Unterseitenkelscbüssen in Betracht zu ziehen. 

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Original fram 

UNIVERSITY OF IOWA 






1572 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


Aus der Königl. chirurgischen Universitätsklinik in 
Breslau (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Küttner). 

Netztorsion mit Einschluss einer Darmschlinge. 1 2 ) 

Von 

Privatdozent Dr. Karl Pritsch, 

Assistent der Klinik. 

Obgleich unsere Kenntnisse fiber die Netztorsion noch nicht 
alt sind, denn erst 1882 veröffentlichte Oberst den ersten Fall 
im Centralblatt für Chirurgie, so sind dieser ersten Beobachtung 
doch so viele gefolgt, dass wohl jede Klinik über mehrere Fälle 
verfügt und Balduin bereits 1910 78 Fälle von Netttorsion aus 
der Literatur und einen selbst beobachteten zusammenstellen 
konnte 3 ). 

Wenn ich trotzdem zu diesem Thema das Wort ergreife, so 
geschieht es, weil ich in der Lage bin, einen Fall von Netztorsion 
zu beschreiben, der, soweit mir die Literatur bekannt ist, mit 
einer bisher noch nicht veröffentlichten Komplikation verbunden 
war, die nicht nur als Seltenheit, sondern auch bezüglich der 
Therapie aller Fälle von Netztorsion grosses Interesse verdient. 

Ich lasse zunächst die Krankengeschichte folgen: 

Es handelt sich um einen 44 Jahre alten Kann, der schon seit 
Jahren über Stuhlverstopfung klagt und bei der Ausstossung der sehr 
harten Kotballen immer starke Schmerzen hat, die besonders in den 
letzten Tagen an Heftigkeit zugeuommen haben. Vor 2 Tagen, nach 
einer Stuhlentleerung, sehr heftige Schmerzen in der linken Unterbauch¬ 
gegend. Seitdem Bettruhe. Stuhl und Winde immer sp'arlioher, bis seit 
gestern Abend sowohl Stuhl als Winde gänzlich angehalten sind. 

Bei der Aufnahme in die Klinik wird bei dem sehr fetten, in bestem 
Ernährungszustand befindlichen Manne ein stark aufgetriebenes, straff 
gespanntes Abdomen festgestellt, das überall leicht druckempfindlich ist. 
In der linken UDterbauchgegend lässt sich eine etwa handteilergrosse, 
sehr schmerzhafte Resistenz abtasten. Rectal, palpatorisch völlig nor¬ 
maler Befund. Lunge und Herz ohne Besonderheiten. Puls klein, 
frequent (100), Temperatur 39. 

Die Diagnose schwankt zwischen paralytischem Ileus infolge Appendi- 
citis mit links verlagertem Wurm, Fremdkörperperitonitis oder Ileus 
infolge Volvulus, innerer Hernie oder dergl. Ein maligner Tumor wird 
wogen des ausgezeichneten Ernährungszustandes und des stürmischen 
Verlaufs erst in letzter Linie in Erwägung gezogen. 

Die Operationsindikation war durch den kompletten Ileus gegeben. 

In Aethernarkose Schrägschnitt in der Gegend der erwähnten Resistenz 
in der linken Unterbaucbgegend. Nach Eröffnung des Peritoneums pro- 
labiert sofort ein überfaustgrosser, aus Netz bestehender Tumor, von 
dem einzelne Stränge tief herunter nach dem kleinen Becken führen. 
Das Netz, das den Tumor bildet, ist leicht injiziert, zeigt aber sonst 
ausser ziemlich erweiterten und geschlängelten Venen keine Veränderung. 

Nach Unterbindung und Durobtrennung der in die Tiefe führenden 
Netzstränge gelingt es leicht, das Netzkonvolut zu entwirren und aus 
ihm entwickelt sich nun eine bläulich verfärbte Dünndarmschlinge, an 
der deutlich die Stellen, wo sie in die Netzdrehung ein- und wieder 
ausgetreten ist, markiert sind. Der Darm oralwärts dieser Schlinge ist 
stark gebläht, während er analwärts völlig collabiert ist, so dass mit 
Sicherheit hier die Stelle des Darmverschlusses liegt. Da das Netz kaum 
verändert ist, wird von einer Resektion abgesehen und nach Kontrolle 
der Flexur und des Rectums, die sich frei von Tumor erweisen, Netz 
und Darm wieder reponiert und die Bauchhöhle in Etagen geschlossen. 

Nach der Operation erfolgt schon am nächsten Tage Abgang von 
Winden, die nach einer PeristaltiniDjektion sehr reichlich werden. Stuhl 
tritt jedoch erst am 5. Tage post Operationen! ein. Danach ständige 
Zunahme des Wohlbefindens, bis die Rekonvaleszenz durch eine absce- 
dierende Fettnekrose gestört wurde. Nach Ueberwindung dieser Kom¬ 
plikation erholt sich der Patient schnell und konnte nach etwa sechs¬ 
wöchigem Aufenthalt aus der Klinik entlassen werden. 

Ehe ich auf die Einzelheiten dieses Falles eingebe, muss ich 
kurz einige statistische und anatomische Daten über Netztorsionen 
vorausschicken. 

Legen wir die Balduin’sche Zusammenstellung zugrunde 
und fügen noch zwei später veröffentlichte Fälle 3 ) und einen 
kürzlich in der Breslauer Klinik beobachteten nicht veröffent¬ 
lichten Fall hinzu, so verfügen wir über 81 Beobachtungen. In 
diesen 81 Fällen handelte es sich 63 mal um Netztorsion mit 
gleichzeitiger Hernienbildung. Ferner überwiegt bei weitem die 
rechte Seite. Beide Eigentümlichkeiten lassen sich durch ana¬ 
tomische Verhältnisse erklären. Das grosse Netz wächst nämlich 


1) Vortrag, gehalten in der Sitzung der schlesischen Gesellschaft 
für vaterländische Cultur am 26. Juni 1914. 

2) Prag. med. Wscbr., 1910, Nr. 45 u. 46. 

3) R. M. Vick: Acute torsion of tbe great omentum. Brit. med. 
journ. 18. März 1911. — Alfr. Schönwerth: Ueber intrahermäre 
Netztprsion, Beitr. z, klin. Chir„ Bd. 70, H. 1. 


häufig rechts io einem längeren Zipfel aus (Omentum colicom 
Hallen); besteht nun eine rechtsseitige Hernie, so gelangt dieser 
Zipfel leicht in den Bruchsack, es bilden sich dort Adhäsionen, 
und damit ist die Achse für eine Drehung geschaffen. Durch 
Behinderung des Blutkreislaufes in der Bruchpforte tritt bald 
Stauung und Schlingenbildung in den schon physiologisch die 
Arterien an Länge übertreffenden Venen auf und diese Schlingen 
begünstigen eine Drehung um die gebildete Achse. Ein weiteres, 
förderndes Moment ist starke Fettansammlung im Netz, denn in 
fast allen Fällen handelte es sich am sehr wohlbeleibte Patienten. 

In dieser, von Riedel unter Payr gegebenen Erklärung der 
Netztorsionen mit Hernienbildung liegt auch ohne weiteres der 
Schlüssel für die Torsionen ohne Hernienbildung. Auch in solchen 
Fällen muss durch Fixierung von einem oder mehreren Netzzipfeln 
eine Achse geschaffen werden, um die die Drehung vor sich 
gehen kann. 

AetiologUch kommen hier aknte und chronische Entzündungen 
in Betracht, wie Appendicitis, Pericolitis, tuberkulöse und maligne 
Tumoren, und zu dieser Art von Netztorsion ist unser Fall zu 
zählen. Durch eine infolge der chronischen Obstipation ent¬ 
standene Pericolitis war es zu Netzadbäsionen in den tiefsten 
Partien des Colon gekommen, die zunächst symptomlos blieben, 
bis eines Tages die Torsion anfing. Dadnrch nun, dass eine 
Darmschlinge in die Drehungen bineingezogen wurde, kam es zu 
stürmischen lleuserscheinungen, die eher, als es gewöhnlich bei 
Netztorsionen der Fall ist, znr Operation führten. Bei der Lapa¬ 
rotomie hatte man nun das interessante Bild einer völlig frischen, 
sozusagen noch in der Entwicklung begriffenen Netztorsion, die 
sich ohne Schwierigkeiten entwirren liess, wodurch die Darm¬ 
schlinge befreit wurde. Bei alten Netztorsioneo wäre dies un¬ 
möglich und auch nicht richtig, da selbst nach Resektion tor- 
quierter Netzstücke infolge lokaler Tbrombenbildung embolische 
Pneumonien häufig beobachtet werden. Die Therapie besteht 
deshalb stets in Resektion des Netztumors. Auf Grund des vor¬ 
liegenden Falles wird man aber mit der Eventualität eines Darm¬ 
einschlusses in die Netzdrehungen zu rechnen haben nnd bei der 
Resektion die nötige Vorsicht in dieser Richtung niemals ausser 
acht lassen dürfen. 


Aus dem medizinisch-poliklinischen Institut der Uni¬ 
versität Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Gold- 
scheider). 

Ueber Rückfluss und röntgenologische Anti¬ 
peristaltik des Duodenums als Folge von 
Adhäsionen. 

Von 

Privatdozent Dr. Ehrmain, Assistenzarzt. 

Im folgenden soll über zwei Fälle berichtet werden, die fast 
übereinstimmende Befunde sowohl des Chemismus als auch der 
Röntgendurchleuchtung des Duodenums ergaben. Es handelte sich 
um zwei ältere Männer, bei denen ein Carcinom der kleinen 
Curvatur des Magens vorhanden war, das sowohl palpatorisch 
sowie auch röntgenologisch nacbgewiesen werden konnte. 

Die Ausheberung ergab keinen Rückstand der am AbeDd 
zuvor genommenen Speisen. Im Probefrübstück fehlte freie Salz¬ 
säure, und es fanden sich grosse Mengen zähschleimiger, intensiv 
galliger Flüssigkeit, die durch ihren Geruch den jauchigen Zer¬ 
fall der Geschwulst erkennen Hessen. 

Bei beiden zeigte sich nun, dass der Röntgenbrei direkt ins 
Duodenum überfloss und sich dann beim Uebergang des Duo¬ 
denums in das Jejunum staute. Es zeigte sich dann eine von 
hier aus einsetzende Antiperistaltik, wobei das Duodenum etwa 
die doppelte bis dreifache Weite wie gewöhnlich aufwies und 
eine deutliche Segmentierung, ähnlich wie das sonst am Dick- 
darm zu beobachten ist. Besonders deutlich ist diese Segmentie¬ 
rung, die wohl durch die Kerkring’schen Falten hervorgerufen 
wird, nach dem Ende des Duodenums hin. 

Bei dem einen Patienten M. (Abbildung 1) konnte nun an 
der Stelle, von der die rückläufige Bewegung des Duodenums 
ausgiög, eine kirschgrosse, harte, offenbar roetastatische Druse 
gefühlt werden. Im zweiten Falle Gl. (Abbildung 2) ergab * e 
Sektion, dass an der Stelle, von der die Antiperistaltik des Du - 
denuras ausging, carcinomatöse Drüsen an der Darmwand vo - 


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UNIVERSITY-OE-LQ 



24. August 191 4. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1573 


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Abbildung 2. 

*4 

banden waren, ohne dass aber das Duodenum an dieser Stelle 
irgendwie verengt war. 

Das etwa einen Monat später aufgenommene Sektionsprotokoll, 
für das ich Herrn Prosektor Dr. Rheindorf zu Dank verpflichtet 
bin, lautete bei Fall 2 folgendermaassen: 

28. IV. 1914. Nr. 68. Magen weit, zeigt an der kleinen Curvatur 
ein über handtellergrosses, jauchig belegtes Geschwür, das beim Ein- 
schneiden einen 1 cm dicken, grauweisslich derben, fast homogenen 
Grund zeigt. Es ist fest mit der Leber verwachsen und an mehreren 
Stellen in die Leber in knotiger unregelmässiger Weise eingewachsen. 
Dicht hinter dieser teils jauchig veränderten Wand iü der Leber mehrere 
jauchige Abscesse, die durch jauchig aussehende Leberabschnitte mit den 
eingangs erwähnten subkapsulären Leberabscessen in Verbindung steheu. 
Sonst Leber gestaut mit mehreren bis aprikosengrossen Krebsknoten von 
grauweisslichem, rötlich geflecktem Aussehen. An der Serosa, ander 
Grenze zwischen Duodenum und Jejunum zwei bohnengrosse 
Krebsknoteu, von denen der eine die Darmwand durchwachsen hat 
und in die Schleimhaut vorgedrungen ist. Letztere sieht hier in hanf¬ 
korngrosser Ausdehnung grauweisslich homogen aus. Das Duodenum massig 
erweitert, das Jejunum und Ileum eng. Sonst Darm ohne Besonderheiten. 

Aus den mitgeteilten beiden Fällen ergibt sich, dass es auch 
ohne Verengerung des Duodenums — es bestand keinerlei 
Stauung — zu einer Anti peristaltik mit starker Erweite¬ 
rung des Duodenums und Fältelung des Organs kommen kann. 
Die Ursache der Antiperistaltik muss wohl in Spasmen gesucht 
werden, die durch A dhärenzen am Duodenum bedi ngt waren. 
Als Erfolg dieser ausserordentlich gesteigerten Antiperistaltik 
kommt die abundante Rück Strömung von Duodenalsaft 
zustande, die sich speziell an dem starken Gallegehalt zu er¬ 
kennen gibt. 

Zur Röntgenologie des Duodenums sei hier noch be¬ 
merkt, dass man hier zweckmässig, statt allein die gewöhnlichen 
Beobachtungen von vorn oder von der rechten Seite vorzunehmen, 
auch die Beobachtungen vom Rücken aus machen kann. 
Besonders die Bewegungen an der kleinen Curvatur, am Pylorus 
uad Duodenum werden bei ventrodorsaler Durchleuchtung 
erheblich vergrössert und deutlicher. Dass der Verlauf des 
Bariumbreies durch Duodenum und Dünndarm nur undeutlich 
normaliter zu verfolgen ist, und dass er nur da deutlich sichtbar 
wird, wo es sich um Verengerungen handelt oder um Ver¬ 
wachsungen, wie oben gezeigt wurde, ist wohl in erster Linie auf 
die Verdünnungen des Breies durch die verschiedenen Darm¬ 
säfte, speziell durch den Pankreassaft zurückzuführen. 

Bei einem Patienten, bei dem durch Carcinom des Pankreas¬ 
kopfes so gut wie kein Pankreassaft sich in den Darm ergiessen 
konnte, konnte in der Tat der ziemlich dicke Bariumbrei in den 
oberen Teilen des Dünndarms als fingerdicke und -lange wurst- 
artige Massen deutlich durch den Röntgenschirm beobachtet werden. 


Ueber die Verteilung und Ausscheidung radio¬ 
aktiver Substanzen. 

Von 

J. Plesch. 

(Vortrag, gehalten in der Berliner physiol. Gesellschaft am 13. Juni 1914. D 

M. H.! Nachdem ich mit meinen Mitarbeitern Karczag, 
Keetman, Pappen heim zeigen konnte, dass die radioaktiven 
Stoffe im allgemeinen eine grosse Affinität zu dem häraatopoeti- 
schen System besitzen, ist dieser Befund von vielen Seiten be¬ 
stätigt worden. Auch die Klinik hat daraus ihren Nutzen ge¬ 
zogen. Es war unsere Pflicht, den Befund, den wir erhoben 
haben, auf allen uns zu Gebote stehenden Wegen zu beweisen, 
und ich will Ihnen heute meine Beweise vorlegen. 

Vergiften Sie ein Tier, so werden Sie neben den übrigen 
sehr charakteristischen und interessanten makroskopischen und 
mikroskopischen Veränderungen die auffallendsten Veränderungen 
am Knochenmark finden. Die Röhrenknochen des vergifteten 

1) Siehe Gesellschaftsbericht in Nr. 27. 


Tieres enthalten kein Fettmark, sondern sie sind durch ein Blut- 
coagulum bzw. mit flüssigem Blut gefüllt. Mikroskopisch sieht 
man an derartigen Präparaten eine mascbige, fettlückenhaltige 
Grundsubstanz, lauter kernlose rote Blutkörper, also freie Blutung, 
man bemerkt Reste von spindligeu Bindegewebselementen, aber 
nichts von eigentlichem Knocbenraarksgewebe oder von 
juvenilen Blutzellen. Mit einem Wort, das Knochenmark ist 
total vernichtet. . 

Untersuchen wir die einzelnen Organe eines mit radioaktiver 
Substanz intravenös gespritzten Tieres, so finden wir folgende 
Zahlen (Tabelle 1) der Verteilung. 

Also schon nach einer Stunde finden sich 38 pCt. und nach 
24 Stunden G4 pCt. des einverleibten Thorium X im Knochen¬ 
mark Dasselbe ist mit dem Radiumbromid der Fall, welches zu 
75 pCt. im Knochenmark enthalten ist. 

Wenn man ein Tier, nachdem es mit radioaktiver Substanz 
behandelt, 24 Stunden leben lässt, dann tötet und auf eine in licht- 
undurcblässigem Papier gewickelte photographische Platte aus¬ 
breitet, so sehen Sie, wie hier auf diesem Bilde, dass sich 
das Knochengerüst selbst abphotographiert. Lazarus, 



der meine Befunde bez. der Verteilung der radioaktiven Stoffe 
mit Actiuium nachgeprüft hatte, konnte auf diese Weise meine 
Angaben verifizieren. Wir können auf Grund dieser Unter¬ 
suchungen sagen, dass die Affinität zu dem bämatopoetischen 
System nicht die Eigentümlichkeit einzelner radioaktiver Stoffe 
ist, sondern dass sich alle radioaktiven Stoffe in gleicher W'eise 
verhalten. 

Was die Ausscheidung von radioaktiven Stoffen anlangt, so 
können sie sich aus dieser Tabelle informieren (Tabelle 2.) 

Tabelle 1 zeigt, dass schon nach 2 Stunden die grösste 
Menge der durch die Nieren ausscheidbaren Aktivitäten aus¬ 
geschieden ist. Am ersten Tage wurde fast alles eliminiert; am 
zweiten Tage ist die Ausscheidung minimal, nach 42 Stunden 0,1, 
um dann am dritten Tage inaktiv zu werden. Es wurden 
insgesamt durch den Harn 62,7 elektrostatische Einheiten 

(= Macb ^^ nheit ) entleert; das macht 2,19 pCt. der gesamten 

einverleibten radioaktiven Substanz. 

Wesentlich verschieden verhält sich demgegenüber die Aus¬ 
scheidung durch den Darm. Am ersten Tage wird auch hier die 
grösste Masse entleert, die Ausscheidung ist aber protrahierter 
wie durch die Niere, denn wir sehen uoch am dritten Tage 

2 


Abbildung 1. 


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Original fro-m 

UMIVERSITY OF IOWA 




1574 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 34. 


Tabelle 1. 





1 

Stande im Kaninchen 
ebendgewicbt von 

_ 


2 


neben 

on 

« 

Verteilung nach 1 
von 2450 g L 

Verteilung nach 24 Std. im Kan 
von 1460 g Lebendgewicht v 

Verteilung 
chen von 

nach 24 Std. im KaDin- 
2210 Lebendgewicht von 


Thorium X 

Thorium A 


Thorium X 

Thorium A 


0,1 mg Radiumbromid 


Organ¬ 

gewicht 

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Menge 

Organs 

Darmtrakt mit Inhalt . . . 

514 

6 

1.1 

6 

1,1 

353 

13 ! 

3,7 

10 

2,8 

290 

8,2 

2,8 

Leber und Gallenblase . . . 

94 

10 

10,6 

33 

35.2 

68 

9 

13,3 

9 

13.2 

90 

3,4 

3,7 

Blut. 

131 

16 

12,2 

17 

12,9 

57 

1,4 

2,4 

4,6 

8,8 

140 

0,8 

0,5 

Uropoet. System mit Harn J ) 

25 

9 

36,0 

4 

16,0 

/ U 34 

1 H 86 

1.5 

3.6 

4,4 

4.2 

3,7 

11,8 

Ul 

2,3/ 

150 

4,0 

3,6 

Knochen. 

412 

38 

9,2 

14 

3,4 

173 

64 

37,0 

26 

15,0 

485 

75,0 

15,4 

Muskel und Herz. 

789 

12 

1,5 

12 

1,5 

524 

8 

1,5 

6,4 

12,2 

755 

0 

0 

Haut. 

327.5 

4 

1,2 

4 

1,2 

146 

0 

0 

0 

0 

340 

0 

0 

Luugen und Trachea . . . . 

13,5 

4 

1 29,6 

4 

29,6 

12 

0 

0 

0 

0 

14 

5 

1 35,6 

Milz. 

1,4 

0 

1 0 

0 

0 

0,5 

0 

0 

0 

0 

2 

0,3 

15,0 

Gehirn, Rückenmark .... 

14.5 

0 

1 0 

0 

0 

8,0 

0 

0 

0 

0 

13 

1,2 

9,2 

Schilddrüse. 

2,0 

0 

1 0 

0 

0 

1,0 

0 

0 

0 

0 

2 

0 

0 

Augen. 

7,0 

0 

| 0 

0 

0 

5,0 

0 

0 

0 

j o 

7 

0 

0 

Hoden, Ovarien. 

7.5 

0 

0 

0 

0 

0,5 

0 

0 

0 

1 0 

7 

1,6 

22.8 

Summa . . 

2336,5 

99 

! _ 

1 

94 

i ~ 

1453 

100 

- 

60 

1 

2195 

99,5 

’ 


1) In Versuch 2: U = Uropoetisches System, H = Harn. 


Tabelle 2. 


-!■ 

Fall I 

Fall 11 

Urin 

Fäces 

1 LS -A 

£ , g* 

g 1 

m m ® c 

^ cw 

1 M.-E. 

g ,1000 

| Urin 

! Fäces 

nach Stunden 

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1 > -» c 

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| M.-E. 
ccm i 1000 

nach Stunden 

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ccm; 1000 

nach Stunden 

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M.-E. 

1000 

2 

130' 12,7 

j 1 

11 55, 52,4 

3 

1 

570 3,8 

8 

67 

5,75 

4 

205| 9,4 

29 45 220,0 

4 

330 1 2,3S 

32 

72 

142,0 

5,5 

150, 4,9 

40 23 | 7,7 

5 

50 j 1,79 

40 

107 

77,0 

6,45 

60 1,9 

49,5 92 92,2 

7 

110j 1,66 




11 

202' 4,8 

59 1501 13,2 

16,5 

265j 3,27 




14.5 

182, 3,9 

75 60 0,5 

23 

1020 13,50 




17,5 

130 3,2 

"■' 'f ‘ #• '1 


1 




20 

248' 2,6 



| 




23,5 

3901 9,2 







43 

920j 0,1 

L* ■$ * 


1 




Sa. | 

I 

2617j 52,7 

Sa. 1 430 | 386,0 

Sa: 

2345 26,40 

l 

Sa. 

246 

224,75 

Ausgeschieden: 

Ausgescbieden: 

Ausgeschieden: 

Ausgeschieden: 

2,19 pCt. 

16,10 pCt. 

1,13 pCt. 

9,69 pCt. 


Fall III. Schweiss. 

Aktivität der Watte in M.-E. = 260 ) zurückgerechnet auf den Tag 
„ Wäsche „ „ = 1100 / der Iojektion. 

Summa: 1360 M.-E. = 0,08 pCt. 

13,2 E. st. in den Fäces. Ara vierten Tage wird auch durch 
den Darm nichts allsgeschieden. Gegenüberden 2,9 pCt. 
Ausscheidung durch die Nieren sehen wir in diesem Falle eine 
Darraausscheidung von 16,6 pCt. der einverleibten Aktivität. 

Im zweiten Falle wurden durch den Harn 1,13, durch den 
Kot 9,69 pCt. ausgeschieden. Woran diese Differenzen liegen, ist 
schwer zu sagen. In einem Falle haben wir die Ausscheidung 
des Thorium X im Schweiss untersucht. Der Fall betraf einen 
schwer Tuberkulösen mit profusen Schweisseu. Wir Hessen den 
Patienten 3 Tage lang baumwollene Wäsche tragen, dann wurde 
der ganze Körper mit Alkoholwatte abgerieben und die aus¬ 
geschiedene Aktivität sowohl in der Watte, wie in der ver¬ 
aschten Wäsche nacbgewiesen. Der gefundene Wert wird in An¬ 
betracht der Tuberkulöse des Patienten, wohl als maximalster 
Wert zu betrachten sein. 

Addieren wir die auf den drei verschiedenen Wegen aus- 


gescbiedenen Mengen-, so ergibt sich eine Ausscheidung von 
12—18 pCt., die übrigen 80 pCt. werden im Körperzurück- 
i gehalten und bilden dort sicherlich Depots. Wir können also, 

1 der Lebensdauer des Präparates eutsprechend, andauernde Wir- 
! kungen erwarten. Es ergibt sich weiterhin aus diesem 
! Ergebnis der therapeutische Fingerzeig, dass wir uns 
j bei Einverleibung von neuen Dosen auf eine kumu- 
i lierende Wirkung gefasst machen müssen. 

I Ich zeige Ihnen noch das mikroskopische Bild der Leber 
! eines vergifteten Tieres. Neben dem Knochenmark und der Niere 
| ist die Leber das zellempfindlichste Organ gegenüber den radio¬ 
aktiven Substanzen. Bei höchsten Dosen, einerlei ob per os oder 
| intravenös, kommt es zu circumscripten centralen NekroseD. Die 
centrale Gefässanschoppung mit folgenden Hämorrbagien und 
Parenchymscbädigungen hat ihr Seitenstück in der Lungen¬ 
kongestion im Gebiet der zufübrenden venösen Lungenarterie; 
die Bronchialarterien und Bronchialvenen der Lunge sind weniger 
I betroffen, ebenso wie die Leberarterie und Pfortader. 

Dieser Befund an der Leber liess Zweifel wach 
| werden, ob auch die mit den Fäces ausgeschiedenen 
Aktivitäten de facto durch die Darmwand abgesondert 
würden, oder ob die Stoffe von der Leber sezerniert 
und mit der Galle in den Darm geraten sind. 

Ich stellte also einen Versuch aD, indem ich bei einem 
Hunde eine Gallenfistel bei völligem Verschluss des Choledochus 
anlegte. Diesem Tier wurde dann Thorium X intravenös ge¬ 
geben nnd der Kot und die Galle gesondert aufgefangen nnd anf 
ihre Radioaktivität untersucht. Die Untersuchung ergab, 
dass in der Galle nnr 1,6 pCt. der im Kot enthaltenen 
Radioaktivität vorhanden war. Angenommen, dass die ge¬ 
samte ausgeschiedene Menge laut unserer Untersuchungen 20pCt. 
des gesamten dargereichten Stoffes betragen bat, so würde mit 
der Galle etwa 0,3 pCt. der gesamten Ausscheidung ausgeschieden 
werden. Es ist also durch diese Untersuchung erwiesen, 
dass die radioaktiven Stoffe hauptsächlich durch den 
Darm sezerniert werden. 


Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin. 

Die Beeinflussung der Lungen durch Schild- 
drüsenstoffe. 

Von 

Bernhard Zondek und Walter Frankfnrther, 

cand. med. Assistent am Institut 

Zwei Methoden müssen Zusammenwirken, um die Erkenntnis 
von der Funktion der Drüsen mit innerer Sekretion zu fördern. 
Einmal müssen die Verändernngen beobachtet werden, die die 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1575 




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24. Augost 1914. 


Ausschaltung des zu untersuchenden Organs am Organismus und 
seinen Funktionen herbeiführt, dann aber muss untersucht werden, 
wie die von der Druse abgesonderte wirksame Substanz bei plötz¬ 
lichem Eintritt in grösserer Menge in die Blutbahn wirkt. Die 
Ausfallserscheinungen nach Exstirpation der Schilddrüse sind 
auch in der menschlichen Pathologie als die Krankheitsbilder des 
Myxödems und der Cachexia strumipriva bekannt. Auch für die 
übermässige Zufuhr von Schilddrüseostoffen bietet die Patho¬ 
logie ein Beispiel in der Basedowschen Krankheit, bei der 
schon der Kropf auf eine zum mindesten nicht normale Funktion 
der Schilddrüse hioweist. Die experimentelle Analyse der 
Wirkungen plötzlicher Schilddrüsenzufuhr bat sich, woht im An¬ 
schluss au die hauptsächlich vasomotorischen Symptome bei der 
Basedowschen Krankheit im wesentlichen auf die Untersuchung 
des Kreislaufes beschränkt. Oliverund Schäfer 1 ) erzeugten 
durch die intravenöse Injektion von Schilddrüsenextrakten eine 
Blutdrucksenkung, die Cyon und Oswald 2 ) auf eine Erregung 
intracardialer Hemmungscentren zurückführen wollten. Fürth 
und Schwarz 8 ) bekamen nach intravenöser Injektion von Jodo- 
thyrin, dem oder richtiger einem der wirksamen Schilddrüsen¬ 
stoffe, einen Abfall des Blutdrucks und grosse langsame Pulse, 
die durch Reizung des Vaguscentrums im verlängerten Mark be¬ 
dingt sein sollten, und nach Vagusdurchschneidung verschwandet). 
Das Respirationssystem dagegen ist bisher nicht auf seine Be- 
einflus8barkeit durch Schilddrüsenstoffe untersucht worden, obwohl 
sowohl klinische Beobachtungen, wie die experimentellen Ergeb¬ 
nisse über die durch Jodothyrin bedingte Vagusreizung für einen 
solchen Zusammenhang sprechen mussten. 

Um den Einfluss der Schilddrüsenstoffe auf die glatte 
Muskulatur der Bronchien zu beobachten und graphisch darzu¬ 
stellen, benutzten wir die Methode von Brodie und Dixon 4 ), die 
von Weber 5 ) noch vervollkommnet worden ist. Die Methode 
besteht darin, dass den Tieren nach Kurarisierung und Einleitung 
der künstlichen Atmung der Thorax weit eröffnet wird. Ein 
günstig gelegener Luogenlappen wird nun in eine Guttapercha¬ 
kapsel eingeschlossen und der durch die Mündung austretende 
Bronchus mit seinen Gefässen durch Lanolin, das wasserfrei sein 
muss, ringsum abgediebtet. Die Guttaperchakapsel wird dann 
mit einer Marey’schen Kapsel verbunden, die auf diese Weise die 
Volumschwankungen der LuDge innerhalb der Kapsel auf der 
berus8ten Fläche eines Kymographions zu registrieren vermag. 
Tritt jetzt ans irgendwelchen Ursachen eine Bronchokonstriktion 
ein, so kann bei der künstlichen Atmung weniger Luft durch die 
verengerten Bronchien in die Lunge eintreten, der Lungenlappen 
wird nicht mehr so stark aufgeblasen und die registrierten Ex¬ 
kursionen werden als Zeichen dieser Bronchokonstriktion merklich 
kleiner. Die so registrierten Atemkurven geben nun neben den 
Aenderungen der Lu/tfülle in den Lungen des öfteren auch die 
Veränderungen der Blutfülle wieder, die aber neben den beträcht¬ 
lichen Atemschwankungen weit an Grösse zurücktreten. Da aber das 
Verhalten der Blntgefässe in der Lunge gleichfalls von ausser¬ 
ordentlicher Wichtigkeit ist, wandten wir ausserdem die von 
E. Weber angegebene Methode der Blutvolumschreibung in der 
Lunge an. Bei dieser wird der zu untersuchende Lappen durch Unter¬ 
bindung des Hauptbronchus unter Schonung der Gefässe von der 
Atmung ausgeschlossen und der Lappen auf die gleiche Weise 
wie oben in die Guttaperchakapsel eingeschlossen und seine 
Volumschwankungen registriert, die jetzt nur durch Verände¬ 
rungen der Blutfülle bedingt sein können. Es gelingt sehr gut, 
an dem einen Lappen die Atemschwankungen und an einem 
Lappen der anderen Lunge die Blutvolumschwankungen bei dem¬ 
selben Tiere gleichzeitig aufznnehmen. Bei unseren Versuchen, 
die wir an etwa 25 Katzen anstellten, wurde ausserdem noch 
gleichzeitig der Blutdruck mit einem Gad’schen Manometer 
registriert 8 ). 

1) Oliver und Schäfer, Oo tbe physiological actioo of extracts 
of pituitary body and certain other glandular Organs. Journ. of physiol., 
1895, Bd. 18, p. 277. 

2) v. Cyon und E. Oswald: Ueber die Wirkung einiger aus der 
Schilddrüse gewonnenen Produkte. Pflüg. Arch., 1901, Bd. 83. 

3) v. Fürth und Schwarz, Ueber die Einwirkung des Jodothyrins 
auf den Circulationsapparat. Pflüg. Arch., 1908, Bd. 124. 

4) Brodie und Dixon, Tbe bronchial muscles, their innervation 
and action of drugs upon them. Journ. of physiol., 1903, S. 92. 

5) E. Weber, Neue Untersuchungen über experimentelles Asthma 
und die Innervation der Bronchialmuskeln. Arch. f. Physiol., 1914, 
Physiol. Abt. S. 563. 

6) Die ausführliche Veröffentlichung unter Beigabe der Kurven er¬ 
folgt im Arch. f. Physiol, 


Um die Schilddrüsenstoffe bzw. ihre wirksamen Bestandteile 
intravenös zuführen zu können, wählten wir zunächst den Pt ess¬ 
saft der Drüse (vom Hammel), den wir zunächst mit Zusatz von 
Chloroform zur Konservierung, später aber nur frisch ohne jeden 
Zusatz verwendeten. Die Injektion des Presssaftes hatte regel¬ 
mässig einen Einfluss auf den Blutdruck. Der Druck sank zu¬ 
nächst, und es traten häufig, wenn auch nicht regelmässig, 
Vaguspulse auf. Dieser Presssaft wirkte auch stets auf die 
Bronchialrauskulatur, wenn auch nicht immer gleichmässig stark. 
Dies mag teils an einer verschiedenen Empfindlichkeit der Tiere, 
teils an Unterschieden in der Zusammensetzung des Presssaftes 
liegen. Jedenfalls bestand die Wirkung stets in einer Ver¬ 
engerung der Bronchien, die gleichzeitig mit der Blutdruck¬ 
senkung einsetzt und noch fortdauert, wenn der Blutdruck schon 
wieder zur alten Höhe zurückgekehrt ist. Gleichzeitig mit dieser 
Verengerung der Bronchien erfolgt eine sehr starke Erweiterung 
der Lungengefässe. Dass diese Wirkung des Presssaftes nicht 
etwa auf das diesem zugesetzte Chloroform zurückgeführt werden 
konnte, zeigte sich schon darin, dass auch der chloroformfreie 
Presssaft die gleiche Wirkung ausübte. Ferner zeigte ein Kon- 
trollversucb, dass durch Chloroform allein eine ähnliche Wirkung 
nicht auszulösen war. Es schien vielmehr, als ob das Chloro¬ 
form der Wirkung des Presssaftes etwas entgegenarbeite und der 
frische Presssaft einen wesentlich stärkeren Einfluss ausübe. 

Sollte diese Wirkung des Schilddrüsenpresssaftes auf einen 
bestimmten Bestandteil des Presssaftes bzw. der Schilddrüse 
zurückgefuhrt werden, so musste zunächst an das Jodothyrin ge¬ 
dacht werden, das Baumann 1895 aus der Schilddrüse isoliert 
bat und das den für die Schilddrüse charakteristischen Bestandteil, 
das Jod, enthält. Die für den innerlichen Gebrauch bestimmten 
Präparate von Jodothyrin konnten wir aber wegen ihrer Wasser¬ 
unlöslichkeit nicht benutzen und gebrauchten daher ein besonderes, 
extra hergestelltes, wasserlösliches Jodothyrin. Die Wirkung auf 
den Blutdruck war im allgemeinen die gleiche wie die des Press¬ 
saftes, doch waren die Vaguspulse weniger ausgesprochen, 
wenigstens bei Dosen, die schon eine sehr ausgesprochene Wirkung 
auf die Broncbialmuskulatur ausübten. Diese Wirkung auf die 
Bronchialmuskulatur liess sieb, je nach der Dosis, von leichter 
Verengerung der Bronchien bis zum völligen Krampf der Bronchien 
steigern, wie er z. B. durch genügend grosse Dosen Muskarin 
herbeigeführt wird. Auch gegen Jodothyrin war die individuelle 
Empfindlichkeit der Tiere verschieden. Die Lungengefässe er¬ 
weiterten sich auf Jodothyrin ebenso, wie durch den Presssaft. 
Mehrere Male konnten wir auch feststellen, dass die Tiere nur 
auf die erste Injektion des Mittels reagierten, weitere Injektionen 
aber, auch nach längerer Zeit, ohne jede sichtbare Beeinflussung 
ertrugen, was auch für andere Mittel gelegentlich festgestellt 
worden ist. Jedenfalls scheinen also von dem einen charakte¬ 
ristischen Bestandteil der Drüse, dem Jodothyrin, die gleichen 
Wirkungen auf die glatten Muskeln der Lungen auszugehen, wie 
von dem Presssaft der gesamten Drüse. 

Es war nun möglich, dass diese Wirkung der Schilddrüsen¬ 
stoffe auf das in ihnen enthaltene Jod zurückzuführen sei. Aller¬ 
dings war es nach klinischen Erfahrungen unwahrscheinlich, dass 
Jod eine bronchokonstriktorische Wirkung ausüben sollte, da es 
ja gerade als Gegenmittel gegen die Erscheinungen des Asthma 
bronchiale in Gebrauch ist. Ein Kontrollversuch mit einer intra¬ 
venösen Injektion von Jodkali bestätigte diese Vermutung denn 
auch. Bei Jodmengen, die weit über die mit den Schilddrüsen¬ 
stoffen zugeführten Mengen binausgingen, war niemals ein ver¬ 
engernder Einfluss auf die Bronchialmuskulatur zu beobachten. 
Kleinere Dosen waren auch in bezug auf den Blutdruck ganz un 
wirksam, und erst grössere Dosen führten eine vorübergehende 
Blutdrucksenkung herbei. Wohl trat dagegen eine geringfügige 
Erweiterung der Lungengefässe auf. 

Ferner musste daran gedacht werden, dass bei der Wirkung 
des Presssaftes und vielleicht auch des Jodothyrins das Cholin 
beteiligt sei. Das Cholin, das Triraethyloxäthylammoniumhydroxyd, 
wurde zuerst von Strecker in der Galle gefunden und dann in 
allen Arten von muskulösem Gewebe nachgewiesen, ferner aus 
Niere, Leber, Milz, Hoden, Pankreas, Ovarium, aus Schilddrüse, 
Nebenniere und Hypophyse extrahiert. Modrakowsky 1 ) und 
ebenso Biedl konnten feststellen, dass das Cholin sich leicht 
zersetzt und durch die muskarinartigen Zersetzungsprodukte 
leicht falsche Resultate vorgetäuscht werden können. Wir wählten 


1) Modrakowsky, Ueber die physiologische Wirkung des Cholins. 
Pflüg. Arch., 1908, Bd. 124, S. 601. 

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1576 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


daher zur Kontrolle das Cholinchlorid, das von Kahlbaum be¬ 
zogen und unmittelbar vor der Injektion erst gelöst wurde. Auch 
bei recht beträchtlichen Dosen, die über die Menge des über¬ 
haupt verwendeten Jodothyrins schon hinausgingeD, war ein Ein¬ 
fluss des CholiDS auf die Bronchialmuskulatur nicht nachzuweisen. 
Es erfolgte eine Blutdrucksenkung und eine beträchtliche Er¬ 
weiterung der Lungengefässe. 

Waren so das Cholin und das Jod als Ursache der Broncho- 
konstriktion ausgeschaltet, so war es noch möglich, dass andere 
im allgemeinen in Presssäften vorkommende Substanzen, oder das 
artfremde Eiweiss selbst, diese Wirkung ausüben könnten. Allerdings 
pflegt artfremdes Eiweiss in den Dosen, in denen es bei unseren 
Versuchen zugefübrt wurde, bei so grossen Tieren, wie Katzen, keine 
toxischen Wirkungen auszuüben. Um aber auch diese Möglichkeit 
auszuschliessen, stellten wir Kontrolluntersuchungen mit dem 
Presssafte eines anderen drüsigen Organs, des Ovarium, an, da 
uns dieses gerade zur Verfügung stand. Dieser Ovarienpresssaft 
war wesentlich giftiger als der Schilddrüsenpresssaft, da bei 
grösseren Dosen die Tiere unter rascher Blutdrucksenkung fast 
augenblicklich starben. Erfolgte der Tod etwas langsamer oder 
bei nicht tödlichen Dosen, so Hess sich niemals ein Einfluss auf 
die Bronchialmuskulatur feststellen. 

Es muss somit der Schluss gezogen werden, dass es sich 
bei der durch die Schilddrüsenstoffe erzeugten Bronchokonstriktion 
um die Wirkung von Stoffen handelt, die für die Schilddrüse 
spezifisch sind. 

Es wurde nun versucht, den Angriffsort dieser Stoffe auf die 
Bronchialmuskulatur festzustellen, was nach Beobachtungen über 
die Vaguswirkung der Schilddrüsenstoffe von besonderem Interesse 
sein musste. Diese Feststellung kann nach Weber’s Vorgang 
auf zwei einander ergänzende Weisen erfolgen. Die eine Möglich¬ 
keit liegt darin, dass durch Injektion bestimmter Gifte die 
nervöse Leitung in bestimmten Bahnen abgeschnitten werden kann. 
So gelang es Langley, durch intravenöse Injektion von Nikotin 
die Leitung in sämtlichen sympathischen Ganglien zu unter¬ 
brechen und so den Einfluss des sympathischen Systems auf die 
Bronchialmuskulatur völlig auszuschalten. Diese Ausschaltung 
des sympathischen Systems beeinflusste die Jodothyrinwirkung auf 
die Bronchialmuskulatur nicht. Auch die Vagusdurchschneidung 
hatte auf diese Wirkung keinen Einfluss, so dass das Jodothyrin 
sicherlich peripherisch angreift, wobei sich die Wirkung auf die 
Muskulatur selbst oder auf die intramuskulären Nervenendigungen 
erstrecken kann. Um eine eventuelle Wirkung auf die Nerven¬ 
endigungen gleichfalls auszuschliessen, lähmten wir diese durch 
Atropin, wonach gleichfalls dnrch Jodothyrin noch eine Ver¬ 
engerung der Bronchialmuskulatur ausgelöst werden konnte. 
Auch die blutdrucksenkende Wirkung blieb nach der Nikotin- 
und Atropininjektion erhalten. Es kommt also dem Jodothyrin 
eine direkte Wirkung auf die Bronchialmuskulatur zu. 

Um zu entscheiden, ob vielleicht neben dieser sicherlich 
peripherischen Beeinflussung auch noch eine gleichgerichtete, vom 
Centrum ausgehende Wirkung vorliegt, kann der zweite, von 
Weber angegebene Weg benutzt werden, die Nervenleitung aus¬ 
schliesslich au einem Lungenlappen auszuschalten, während die 
übrige Lunge normal innerviert wird. Dies gelingt durch Ein¬ 
führung eines MessiDgröb rohen s in den Bronchus des zu entnerven¬ 
den Lappens, über das der Bronchus uuter Schonung der Hilus- 
gefässe zweimal fest geschnürt wird. Durch die Umschnürung werden 
sämtliche in der Bronchialwand verlaufenden Nervenfasern ge¬ 
quetscht und leitungsunfähig gemacht, während der Lappen in 
seiner Luft- und Blutversorgung nicht eingeschränkt ist. Dieser 
„entnervte“ Lungenlappen kann nun gleichzeitig mit einem nor¬ 
malen verglichen werden.' Für eine vom Centrum ausgehende, 
neben der peripherischen Beeinflussung bestehende Wirkung würde 
es sprechen, wenn die Wirkung auf den intakten Lappen wesent¬ 
lich stärker als auf den von der nervösen Versorgung abge¬ 
schnittenen wäre. Dieses ist aber nicht der Fall Es schien im 
Gegenteil sogar der nervös isolierte Lappen eine energischere 
Bronchokonstriktion zu zeigen als der normal innervierte, so dass 
jedenfalls eine die Verengerung unterstützende Wirkung vom 
Centrura nicht ausgeht. Auch nach Rückenmarks- und Vagus¬ 
durchschneidung änderte sich dieses Verhältnis nicht, so dass 
also die von Weber im Rückenmark nacbgewiesenen erweitern¬ 
den und verengernden Centren für die Bronchien bei der Wirkung 
des Jodöthyrins jedenfalls keine Rolle spielen. Ein strenger Be¬ 
weis, dass es sich lediglich um eine peripherische — d. h. 
an der Bronchialmuskulatur angreifende — Wirkung handelt, 
ist nicht zu führen, da die peripherische Wirkung des 


Mittels niemals ausgeschlossen werden kann. Jedenfalls sprechen 
aber die Versuche dafür, dass es sich im wesentlichen um eine 
peripherische Wirkuog der Schilddrüsenstoffe handelt, an der eine 
gleichsinnige centrale Wirkung nur ganz unwesentlich beteiligt 
Bein könnte. 

Ob die so festgestellte Wirkung der Scbilddrüsenstoffe auch 
im normalen Stoffwechsel des Organismus eine Rolle spielt, muss 
dahingestellt bleiben, da hier nur immer verhältnismässig geringe 
Mengen auf einmal in die Blutbahn gelangen. Immerhin mag 
aber wohl doch die festgesteilte bronchokonstriktorische Wirkung 
der Schilddrüsenstoffe für die Erklärung mancher klinischer Er¬ 
scheinungen bei Schilddrüsenerkrankungen in Betracht kommen. 


Bücherbesprechungen. 

Erwin Stransky: Lehrbneh der allgemeinen nnd speziellen 

Psychiatrie. Zur Einführung für Studierende und als Merkbuch 
für in der allgemeinen Praxis stehende Aerzte. I. Allgemeiner 
Teil. Mit 11 Abbildungen, einer farbigen Tafel und einem 
pharmabologiscben Anhang, bearbeitet von Dr. Karl Feri in 
Wien. Leipzig 1914, Verlag von F. C. W. Vogel. 257 S. Preis 8 M. 

Mit einer beachtenswerten persönlichen Note ist das vorliegende 
Lehrbuch geschrieben; es gewährt uns einen Einblick in den Werdegang 
des Verfassers und seine Einführung in die Psychiatrie. Welch begeisterter 
Anhänger seiner Wissenschaft Stransky ist, zeigt uns das Temperament 
und der Enthusiasmus, mit dem das Werk geschrieben ist. Das verleibt 
dem Buch auch einen besonderen Reiz. 

Für lernende Anfänger und für praktische Aerzte ist das Buch 
bestimmt. 

Der erste allgemeine Teil bringt eine Darstellung der Störungen 
des Affektlebens, der Störungen im Bereiche der Wabrnehmungs-, Auf- 
fassungs- und Vorstellungsvorgänge, der Störungen auf dem Gebiete des 
Willens und der Psychomotilität. Es werden dann die körperlichen 
Symptome, der Verlauf der Geistesstörungen, die allgemeine Aetiologie 
und Pathogenese der psychischen Störungen erörtert. 

Besondere Abschnitte sind der Degeneration und den Degenerations- 
zeicheD, der pathologischen Anatomie der Psychosen, der Prognostik 
der Geisteskrankheiten gewidmet. Die allgemeine Therapie der Geistes¬ 
krankheiten hat eine eingehende Berücksichtigung erfahren. Diesem 
Abschnitt dient auch der Anhang über die Wirkungsweise und An¬ 
wendung der wichtigen Arzneimittel. Den Schluss bilden Abschnitte 
über die rechtlichen Gesichtspunkte in der praktischen Psychiatrie, in 
denen die reichsdeutsche und österreichische Gesetzgebung Berück¬ 
sichtigung finden. Daran schliesst sich ein Schema zur Krankenunter¬ 
suchung. 

Ueberall tritt das Bestreben zutage, den Anfänger mit den prak¬ 
tischen Ergebnissen der Untersuchung und Behandlung vertraut zu 
machen. Eingefügte gute Abbildungen dienen zur Illustration der Aus¬ 
führungen. Die äussere Uebersichtlicbkeit und die Lektüre würden 
durch zweckmässige Verwendung verschiedener Drucktypen erleichtert 
werden. Sie merling- Kiel. 


M. Mann: Lehrbneh der Tracheo-Bronchoskopie. (Technik und 
Klinik.) Mit 50 Abbildungen und 5 schwarzen Tafeln im Text, 
10 farbigen Tafeln im Anhang. Würzburg, Verlag von Curt 
Kabitzsch. Preis broseb. 10,50 M., geh. 12,50 M. 

Das Buch umfasst 208 Textseiten und gliedert sich in die beiden 
Hauptteile: Technik und Klinik der Tracheo-Bronchoskopie. 

In dem technischen Teil werden zunächst die verschiedenen Instru¬ 
mentarien gründlich besprochen und in zahlreichen Abbildungen dar- 
gestellt. Die Einteilung nach Schulen und Ländern ist dabei geschickt 
und übersichtlich durebgeführt. Bei der Methodik wird die Art der Ein¬ 
führung, die Vorbereitung, die Anästhesie usf. genau behandelt, doch 
vermisste ich hier die Darstellung im Bilde, welche die einzelnen Etappen 
während der Einführung, die Haltung des Patienten, die Verdrängung 
u. dergl. am anschaulichsten wiedergeben kann. Es sind nur zwei 
photographische Platten reproduziert, die das eingeführte Rohr am 
sitzenden Patienten demonstrieren. 

Im klinischen Teil wird die Literatur mit grosser Sorgfalt verarbeitet. 
Wohl um ihre Wichtigkeit besonders hervorzuheben, stellt Mann den 
einzelnen Kapiteln eine Literaturzusaramenhang voran. Die wichtigsten 
Beobachtungen werden im Auszug wiedergegben, und auf Grund der be¬ 
schriebenen Fälle und der eigenen Erfahrung folgt am Schluss des 
Kapitels eine kritische Zusammenfassung. Durch diese Art der Dar¬ 
stellung erreicht Mann eine geschlossene, vollständige Wiedergabe des 
bisher Erreichten, wenn auch unter dieser detailierten Schilderung die 
didaktische Seite etwas zu leiden hat. Besonders gründlich sind die 
Fremdkörper verarbeitet, und ihre sorgfältige Darstellung erscheint als 
besonders dankenswerte Leistung. 

Die klinischen Abbildungen sind teils endoskopische Bilder, teils 
Reproduktionen pathologischer Präparate. Sie sind in den natürlichen 
Farben wiedergegeben und gut gelungen. 

Das Werk stellt eine vollständige Sammlung dessen dar, was auf 
den verschiedensten Gebieten der Tracheo-Bronchoskopie bisher geleistet 


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Qrifinial frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 




24. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1677 


wurde. Es wird darin zum erstenmal die gesamte Literatur kritisch 
verarbeitet. Sein spezieller Vorteil ist, dass es uns in allen Fragen 
durch seine übersichtliche Form sehr rasch und gründlich orientiert. 

_ Al brecht-Tübingen. 

Hais H. Meyer und R. Gottlieb: Die experimentelle Pharmakologie 
als Grundlage der Arzneibehandlnng. Ein Lehrbuch für 
Studierende und Aerzte. III. neubearbeitete Auflage. Mit 66 
zum Teil farbigen Textabbildungen und einer farbigen Tafel. 
Berlin und Wien 1914, Urban & Schwarzenberg. Preis 17 M. 

Die zahlreichen Interessenten des in der kurzen Zeit seines Be¬ 
stehens bereits unentbehrlich gewordenen Meyer - Gottlieb’scben 
Lehrbuches werden mit Freuden die neue Auflage begrüssen. Das Werk 
ist in der ganzen Anlage unverändert geblieben, die Fortschritte der 
Wissenschaft sind in weitem Umfange berücksichtigt worden. 

_ M. Jacoby. 

Klinische Röntgendiagnostik des Dickdarms nid ihre physiologischen 
Grundlagen. Von Privatdozent Dr. Gottwald Schwarz, Assistent 
und Leiter des Röntgeninstituts der k. k. I. med. Universitäts¬ 
klinik in Wien. 153 S. Mit 108 Abbildungen. Berlin 1914, Ver¬ 
lag von Julius Springer. Preis 10 M. ungebunden. 

Der Inhalt dieser zu9ammenfassenden Darlegung kommt im Titel zu 
prägnantem Ausdruck. Es ist eine klinische Diagnostik im besten Sinne. 
Der Verf. zieht alles Experimentelle, alles Spekulative und alles Rönt¬ 
genologische nur insoweit heran, als es für eine klinische Durchdringung 
des Gegenstandes unbedingt erforderlich ist. Gerade durch diese straffe 
Konzentration auf das praktisch Wichtige wird das Studium des Büch¬ 
leins zu einem wahren Genuss, und es kann aufs wärmste allen empfohlen 
werden, die sich irgendwie mit der Pathologie des Dickdarms zu be¬ 
fassen haben. Bekannt sind die speziellen Verdienste des Verf. auf dem 
Gebiete der Darmbewegung und der chronischen Obstipation. Auch in 
diesen Kapiteln ist die vielfach unerlässliche Polemik des Verf. in so 
vornehme Formen gekleidet, dass sie dem weniger Eingeweihten über¬ 
haupt nicht als Kritik bewusst werden wird. Kurz, das Buch gibt 
mustergültig nach Inhalt und Form eine treffliche Uebersicht, welche 
grossen Dienste uns die Röntgenuntersuchung leisten kann, wenn sie 
sich in den Rahmen der allgemeinen klinischen Untersuchung einfügt. 
Schon allein das Kapitel über den Darmkrebs wäre Anlass genug, dass 
jeder Internist und jeder Chirurg das Büchlein besä9se. Die Abbildungen 
sind ausserst lehrreich und technisch so vorzüglich, wie ich es bei 
autotypischer Wiedergabe noch nicht gesehen habe. 

Arthur Frankel - Berlin. 

Oberstabsarzt Prof. A. Schönwerth: Vademecnm des Feldarztes. 

München 1914, Lehmann. Preis 4 M. 

Das Verlangen nach kurzen chirurgischen und besonders kriegs¬ 
chirurgischen Anleitungen macht sich gegenwärtig allenthalben geltend, wo 
Tausende von Aerzten in verantwortliche Stellungen rücken müssen, für 
die sie zum grösseren Teil nur wenig vorbereitet sind; wenigstens scheint 
es so für den ersten Blick. Wer aber die von autoritativer Seite 
stammenden „kriegschirurgischen Winke“ auf den ersten Blättern 
dieser Nummer gelesen hat, muss allerdings bald zur beruhigenden 
Ueberzeugung kommen, dass für den „Truppenarzt“ nicht allzuviel Chir¬ 
urgie vonnöten ist. Es genügt für die ersten Tage, d. b. bis der Ver¬ 
wundete io chirurgische Hände gelangt, die allgemein-ärztliche Grund¬ 
lage, gesichert durch den festen Entschluss, nicht durch Uebereifer 
Schaden zu stiften. 

Beurteilt man von diesem Gesichtspunkte aus das vorliegende Werk- 
chen, das sich dem Vorwort nach an den Nichtchirurgen wendet, „der 
sich im Feldlazarett plötzlich in die Lage versetzt sieht, hauptsächlich 
chirurgisch zu arbeiten“, so wird man zur Annahme geneigt sein, dass 
es an manchen Stellen zuviel bietet und Operationen beschreibt, die 
man im Interesse des Verwundeten lieber dem Fachmann überlassen 
sollte. Davon abgesehen gibt es eineu recht guten Anhalt zur raschen 
Information in den zahlreichen Fällen, die auch der Nichtchirurg zu be¬ 
handeln oder wenigstens zu beurteilen hat. Einiges darf aber nicht unbe¬ 
anstandet bleiben. So z. B. die Verordnung von Aetherinjektionen 
gegen Herzschwäche beim Erysipel, was eine völlig unnötige Grausam¬ 
keit genannt werden muss, die um so unverständlicher ist, als Verf. 
auf derselben Seite gegen Herzschwäche bei Sepsis mit Recht Campher- 
injektionen (natürlich Campheröl) empfiehlt. Die eitrige Strumitis auf 
S. 111 hat mit Cystenkropf nichts zu tun, die Einführung einer Kanüle 
in die Trachea ist falsch abgebildet u. a. m. Trotz dieser Ausstellungen 
wird da9 Werkchen zweifellos sich schnell die Gunst der neuen Truppen¬ 
ärzte erwerben und ihnen ein brauchbarer Ratgeber sein. 

Hans Kohn. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

J. T raub -Charlotten bürg: Physikalisch-chemische Untersuchungen 
von Blitsfsrls. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Eine sehr interessante Arbeit, 
deren Details sich leider nicht zum Referat eignen. Sicherlich werden 
die Traube’schen Methoden Anlass zu vielen Untersuchungen geben. 


A. Rovighi und R. Secchi - Bologna: Die Hyperleakocytose dnreh 
Kfilteeinwirknng. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Mässige Körperabkühlung 
führt zu peripherischer Leukocytose (speziell Polynucleäre) und Leuko¬ 
penie im Herzblut. Sehr starke Körperabkühlung bewirkt Leukopenie, 
die sich bei Rücktritt zur mässigen Kälte rückbildet. Lokale Kälte¬ 
applikation geht mit lokaler Leukocytose einher. Bei vielen Leuko- 
cyten findet sich eine grossere Kernfragmentierung (Steigerung der Vis- 
cosität). Dünner. 

Pharmakologie. 

P. Trendelenburg: Pbarmakotechnisches zu Tampospnman. 
(M.m .W., 1914, Nr. 31.) Verf. weist nach, dass das Hämostaticum bei 
der bestehenden Zusammensetzung keine potenzierende Wirkung ent¬ 
falten kann; im Gegenteil. 

E. Hamack- Halle a. S.s Chronische Knpfervergiftnng durch das 
Tragen schlechter Goldlegiernng im Munde. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) 
Die betreffende Patientin hatte zahlreiche cariöse Zähne; sie trug eine 
Goldplatte, die aus schlechter Goldlegierung bestand. Erscheinungen 
von Kupfervergiftung (Appetitmangel, Darmkoliken, Muskelzittern, Luft- 
beklemmuDg, Aenderung der Haarfarbe) verschwanden, nachdem die 
Platte entfernt worden war. 

A. Czapek und S. Wassermann-Wien: Die akute Harnverhaltung, 
eine wenig beachtete Wirkung des Morphins. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) 
Schon therapeutische Dosen von Morphin erzeugen häufig Harnverhaltung, 
bedingt durch Sphinkterkrampf der Blase. Dünner. 


Therapie. 

E. Barth-Berlin: Das Coagnlen Kocker-Foiio in der Rhinochirargie. 
(D.m.W., 1914, Nr. 3t.) Auch hier bewährt es sich. 

H. Grabi - Berlin: Weiterer Beitrag zur Lnminalbchandlong der 
Epilepsie. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Verf. besserte Anfälle und psychi¬ 
sches Verhalten bei einer sich auf lange Zeit ausdehnenden Luminal- 
medikatioo. 

A. Mager - Potsdam: Erfahrungen mit dem Tuberkulin Rosenbach 
bei Lungentuberkulose. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) Gute Erfolge. Vor 
anderen Präparaten zeichnet es sich durch geringe Giftigkeit, gute Be¬ 
kömmlichkeit und leichte Dosierbarkeit aus. Die von anderer Seite be¬ 
richteten starken Stichreaktionen sah Verf. selten. Dünner. 

G. Spiess und A. Feldfc: Tuberkulose und Goldkantharidin, mit 
besonderer Berücksichtigung der Kehlkopftuberkulose. Mit einem An¬ 
hang: Lautenschläger: Zur Technik der intravenösen Goldinfnsionen 
und Injektionen. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 2.) Die Tuber¬ 
kuloseaffinität des Kantharidins bleibt im Aethylendiaminkondensations- 
produkte erhalten. Dasselbe ist UDgiftig, speziell passiert es die Nieren 
ohne Reizung. Das Kantharidinätbylendiamin dient als Träger (Trans¬ 
portmittel) für das spezifisch wirkende Goldcyan. Das letztere zeigt so- 
ipit potenzierte Nosotropie, neben reduzierter Organotropie, die durch 
Anlagerung der organischen Base erreicht wird. Gold tötet akut (als 
Gold-Natriumchlorid) in der Dosis von 49 mg pro Kilogramm Körper¬ 
gewicht, die therapeutische Dosis von 0,7 mg ist der 70. Teil der letalen. 
Bei Pyknokolloiden (= Kolloid + Schutzkolloid) geht die Entgiftung für 
den Tierkörper einer WirkungsabschwächuDg auf den Tuberkelbacillus 
parallel. Das dreiwertige gesättigte Gold ist in vitro 100—1000 fach 
weniger wirksam als das einwertige. Die Beeinflussung des tuberkulösen 
Herdes durch Goldinfusionen besteht in dreierlei: in einer direkten Ein¬ 
wirkung derselben auf den Erreger im Verein mit den gleichgerichteten 
Körperenzymen bzw. Antikörpern, in einer direkten resorptions¬ 
befördernden Wirkung auf die Reaktionszellen, d. h. die Epitheloiden, 
Lympbo- und Leukocyten, in der Anregung der Bindegewebswucherung 
als Resultante der beiden vorhergehenden. 

Hagedorn: Die Behandlung chirurgischer Tuberkulose mit Tuber¬ 
kulin Rosenbach. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Tuberkulin 
Rosenbach ist ein wirksames Mittel, dem weiter Vertrauen geschenkt 
werden kann. Nur darf man es nicht als Mittel in der Erwartung an¬ 
wenden, ein Heilmittel im wahren Sinne des Wortes an ihm zu haben. 
Das würde enttäuschen. Es soll nur mithelfen im Verein mit den 
anderen bewährten Heilfaktoren. 

K. Weirauch: Behandlungserfolge mit Mesbd. (Beitr. z. Klin. d. 
Tbc., Bd. 30, H. 3.) Eine auffallend günstige Beeinflussung des Lungen¬ 
befundes konnte in keinem Falle, der Mesbe innerlich genommen hatte, 
festgestellt werden. Die Erfolge waren vielmehr gleichwertig denen, die 
ohne Mesbebehandlung nach einer gewöhnlichen Heilstättenkur eintreten. 
Unangenehme Nebenwirkungen wurden nur in zwei Fällen beobachtet, 
wo nach der Inhalations- und Trinkkur Brechreiz eintrat. Die chir¬ 
urgischen Tuberkulosen Hessen eine günstige Einwirkung des innerlich 
genommenen oder örtlich angewandten Mesbe völlig vermissen, zeigten 
hingegen bei anderweitiger Behandlungsweise Heilung oder völlige 
Besserung. J. W. Samson. 

H. Mül ler-Mainz und E. Bender-Wiesbaden: Versuche mit dem 
Nicolle’schen Gonokokkenvacein (Dmegon). (M.m.W., 1914, Nr. 30.) 
Dmegon entfaltet ebenso wie andere ßonokokkenvaccine seine besondere 
therapeutische Wirkung bei Gonorrhöekomplikationen; in einem Teil der 
Fälle wurde ein Erfolg erzielt, bei denen die anderen Vaccine versagt 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 34. 


hatten. Es treten die auch sonst üblichen Nebenerscheinungen auf. Es 
unterscheidet sich durch seinen tiehalt an grampositiven, den Gono¬ 
kokken ähnlichen Diplokokken. 

A. Neisser - Breslau: Venerische Krankheiten bei den im Felde 

stehenden Trappen. (D.m.W., 1914, Nr. 33.) 1. Syphilis. Im all¬ 

gemeinen beeinträchtigen die Erscheinungen des ersten und zweiten 
Stadiums so gut wie gar nicht die Leistungsfähigkeit im Felde, Eine 
Therapie lässt sich auch im Feldzuge durchführeu, und zwar sowohl mit 
Hg wie mit Salvarsan. Als einfachste Quecksilbertherapie empfiehlt Verf. 
die intraglutäale Injektion von Vio bis höchstens l j 4 ccm von Oleum 
cinereurn einmal wöchentlich. Daneben selbstverständlich genaue Mund¬ 
pflege. Wichtiger als die Hg-Behandlung ist die Salvarsankur, um so 
mehr, als es sich meistens um frische Luesfälle handelt. Man soll so¬ 
bald wie möglich intravenös in 6—10 ccm gut destilliertem Wasser ge¬ 
löst 0,4 Neosalvarsan injizieren. 8 Tage später 0,6 g. Die dritte, 
vierte und fünfte Injektion mit 0,9 erfolgen in 8 tägigen Zwischenräumen. 
Die Neosalvarsan- und Oleum cinereum-Injektionen können am selben 
Tage gemacht werden. Man soll alle erosiven Fälle, selbst dann, wenn 
sie als reine Fälle von Ulcus molle imponieren, wie Lues nach den 
obigen Vorschriften behandeln: man schadet, wie Verf. ausführt, damit 
jedenfalls nicht, nützt aber sehr viel, wenn es sieb um eine Misch¬ 
infektion mit Syphilis handelt. Lokal soll man die Ulcerationen exakt 
in allen Winkeln und Buchten mit unverdünnter Carbolsäure auswaschen 
und dann 10 proz. Jodoformvaseline applizieren. Erweichte Bubonen 
müssen punktiert und die Höhle mit 10 proz. Jodoformvasaline gefüllt 
werden; Pflaster. 2. Schwierig ist die Behandlung der frischen Gonorrhöe. 
Eine Abortivbehandlung ist auch im Felde möglich: vorsichtige tägliche 
Injektion durch den Arzt einer 4 proz. Protargollösung mit Zusatz vou 
2 proz. Alypin bzw. 5 proz. Antipyrin. Ausserdem täglich zwei In¬ 
jektionen von 1 ] 4 bis 1 i 2 proz. Protargol mit Zusatz von 3 proz. Anti¬ 
pyrin oder Vo proz. Alypin. Tragen eines guten Suspensoriums. Statt 
der Abortivbehandlung schlagt Verf. die Injektion der „Novinjectol“- 
Salbe (Engel-Apotheke, Breslau) vor, die, ein- oder zweimal injiziert, die 
Gonorrhöe detiuitiv heilen kann. Man muss die Salbe erst erwärmen 
und dann in die Spritze geben, 6 — 10 ecra injizieren und dann die In¬ 
jektion 8 —10 Stunden halten lassen. Daneben Gonos.au usw. Zur Pro¬ 
phylaxe gegen lufektion empfiehlt Verf.: reichliche Einfettung des Penis, 
post coitura Einträufeln einer 10—20 proz. Protargol-Glycerinlösuug. 
Den besten Schutz gewährt der Condom. Eine genaue Ueberwacbung 
der Prostituierten ist notwendig, die man alle nach Neisser einer 
Salvarsankur unterziehen sollte. 

M. II e n i us - Berlin •. Zur medikamentösen Behandlung der Diarrhöen. 

(D.m.W., 1914, Nr. 30.) Verf. prüfte die von Fuld vorgeschlagene 
Therapie mit Cocain nach. Verf. weist darauf hin, dass die Diarrhöen 
auf Uebererregbarkeit der Magenschleimhaut zuriiekzuführen siud, die 
wir durch Cocain beseitigen können. Er schlägt vor, vor jeder Mahlzeit 
10 Tropfen einer 3 proz. Cocainlösung zu nehmen. Bequemer zu nehmen 
ist das Cocain als Gelonida neurenterica (Goedecke & Cie., Berlin), 
dreimal täglich 3 Tabletten. Verf. kann das Fu 1 d’scho Verfahren warm 
empfehlen. 

Grober-Jena: Behandlung akut bedrohlicher Zustände beim 
Pneumothorax. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Klinisch-therapeutischer Vortrag. 

J. A. A mann - München: Wandlungen in der Krebsbebandlong 
mit Röntgenstrahien. (M.ra.W., 1914, Nr. 31.) (Vortrag, gehalten auf 
dem deutschen Chirurgentag in München am 11. Juli 1914.) Verf. tritt 
für die Röntgenbestrahlung der Carcinome mit hohen Dosen ein, von 
denen er gute Erfolge sab. Die vom Retormapparat gelieferten Strahlen 
sind denen des Radium-Mesothorium ähnlich; jedenfalls aber sind sie 
anders als die früher angewandten Röntgenstrahien; man sieht jetzt 
trotz hoher Dosen keine Verbrennungen, oder sie heilen, wenn sie ent¬ 
stehen, leicht aus. 

B. Krönig - Freiburg: Die biologische Reichweite der Radium-, 
Mesothorium- und Röntgenstrahien. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Verf. 
opponiert gegen die speziell von Bumm vertretene Ansicht, dass die 
Penetrationskraft des Radium und Mesothorium im Gegensatz zu den 
Röntgenstrahien nicht ausreicht, um tiefliegende Carcinome zu zerstören. 
Er will die Leistungsfähigkeit der Röntgenstrahien nicht aberkennen, 
glaubt aber, dass zwischen diesen und Radium bzw. Mesothorium Diffe¬ 
renzen in der biologischen Wirkung bestehen, die nicht ohne weiteres 
schon beute die Bevorzugung der Röntgenstrahien gestatten. 

G. Schwarz - Wien: Heilung tiefliegender Carcinome durch 
RÖntgenbefltrahlnng von der Körperoberfläche aus. (M.m.W.. 1914, 
Nr. 31.) Bemerkungen zu der Arbeit von Bumm und Warnekros in 
Nr. 29 der M.m.W. Verf. zweifelt daran, dass man so grosse Dosen, 
wie es Bumm und Warnekros getan haben, ungestraft an wenden 
kann; oder die Messung von Bumm und Warnekros ist nicht richtig. 

K iih 1 mann Strassburg i. E.: Die Röntgenbehandlung der tuber¬ 
kulösen Lymphdräsen. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Gute Erfolge. 

Dünner. 

E. Meyer-Frankfurt a. M. : Zur Wertung der intrauterinen Radinm- 
applikation bei Carcinoma nteri. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 31.) Radium 
und Mesothorium wurden bei Fällen von Carcinoma nteri cervicis und 
corporis in derselben Weise angeweudet, wie die Laminaria. Bei einer 
30jährigen Patientin entstand im linken Parametrium eine cystische, 
fluktuierende Geschwulst unter Fiebererscheinungen, welche auf Behand¬ 
lung mit Bettruhe zurückging. Bei der Entlassung war die hintere Lippe 


der Portio zerstört. Die Portio blutete bei Berührung nicht mehr, jedoch 
war im Douglas und in beiden Parametrien eine Inflltration vorhanden, 
welche die Cervix fixierte und eine Verengerung des Rectums in Höhe 
des Sphincter tertius zur Folge hatte. Allgemeinbefinden gut, Gewichts¬ 
zunahme. Im zweiten Falle bandelte es sich um eine 68 jährige Patientin 
mit Carcinoma corporis, welche nach fünfwöchiger Behandlung gesund die 
Klinik verliess. Aber schon am nächsten Tage trat Fieber auf, und nach 
6 Tagen Exitus. Die Sektion zeigte den Befund der allgemeinen Sepsis. 
Es liegen also hier zwei Fälle vor, bei denen in einem Falle eine schwere 
parauterine Entzündung, im anderen eine foudroyante Sepsis entstanden 
war. Da keine Laminariabehandlung voranging und falsche Applikation 
geleugnet wird, so bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass die 
Affektionen von den stets bei älteren Carcinomen vorhandenen sekundären 
Streptokokkeninvasionen hervorgerufen waren. 

P. Zweifel: Erfahrungen mit Mesothoriumbehuidluug. (Zbl. f: 
Gyn., 1914, Nr. 31.) Zweifel hat im allgemeinen mit der Mesothorium¬ 
behandlung gute Erfahrungen gemacht und will in seinem Artikel be¬ 
kannte Sachen nicht wiederholen. Jedoch warnt er dringend vor Ueber- 
schätzungen und vertritt die Ansicht, dass vorläufig wenigstens die erste 
und Haupttherapie die chirurgische bleiben muss. Siefart. 

Weih-Cöln a. Rh.: Erfahrungen mit Triealcolmilch beim kranken 
Säugling. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) Tricalcot ist gleich Larosan und 
Eiweissmilch ein eiweissreiches, fettarmes, an Phosphosphorsäure und 
CaO reiches Präparat, das bei Ernährungsstörungen, Spasmophilie, Rachitis 
usw. sich sehr gut bewährte. Dünner. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

G. Link - Freiburg i. B.: Ueber Hydrops eongenitus bei fötaler 
Thrombose. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 2.) Gleichzeitig mit mehreren 
Missbildungen (Aplasie des Kleinhirns u. a.) bestand eine ausgedehnte, 
zum Teil verkalkte Thrombose der unteren Hohlvene und ihrer Zweige, 
die starke Oedeme des Körpers des Kindes hervorgerufen hatte. Die 
Beobachtung, dass gleichzeitig Hydramnion bestand, spricht für den 
fötalen Ursprung des Fruchtwassers. Verf. führt die Thrombose auf 
ein Trauma zurück, das die Mutter im 5. Schwangerschaftsmonat ge- 
troffeu hat. 

A. Krokiewicz - Krakau: Nachtrag zum Fall von Situs viscerum 
inversus completus. (Virch. Arch., Bd. 217, H. 1.) Sektionsbericht 
zu eiuem in Virch. Arch., 1913, Bd. 211 beschriebenen Fall. 

Th. Bauer und J. F leissig - Wien: Zur Frage des Fremdkörper- 
grannlatlonsgewebes. (Virch. Arch., Bd. 217, H. 1.) Nach Injektionen 
von Kieselgur bei Kaninchen entstanden entzündungsähnliche Bilder: 
Granulationsgewebe aus epitheloiden Zellen und Fibroblasten, zwischen 
denen zahlreiche Riesenzellen mit Einschlüssen von Rieselgurkristallen 
lagen. Am besten traten diese Bilder im Unterhautgewebe hervor, bei 
der Injektion ins Parenchym beschränkte sich die Zellwucberuog auf das 
Iuterstitium, während die Parenchymzellen selbst frei blieben. Daher 
kann von einer Identität mit echten Tumoren, wie sie von anderen 
Autoren behauptet wird, keine Rede sein. 

N. Ani tschkow - Freiburg i. B.: Ueber die Atherosklerose der 
Aorta beim Kaninehen und über deren Entstehungsbedinguogen. 
(Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 2.) Experimentelle Erzeugung vou athero- 
matösen Veränderungen in der Kaninchenaorta durch Cholesterinfütte¬ 
rung. Die Veränderungen, die von der durch Adrenalin bewirkten 
Medtanekrose durchaus verschieden sind, werden schneller hervorgebracht, 
wenn man die toxische Wirkung des Cholesterins durch die mechanische 
der Aufhängung uach Klotz unterstützt. Ausserdem ist bei dieser 
Kombination eine geringere Menge Cholesterin notwendig. Bei Kombi¬ 
nation von Adrenaliobehandluog mit Cholesterinfütterung entsteht in der 
infolge der Adrenalinwirkung hypertrophisch gewordenen Aortenintima 
typische Atheromatose schon bei Einführung kleiner Cholesterinmengen. 
Die Resultate sprechen für die Annahme des Zusammenwirkens 
mehrerer Faktoren für die Entstehung der Atherosklose. 

A. W. Pinner. 

U. Stenge 1 e - Radolfszell: Ein Fall von Aneurysma abdominalis 
mit Heilongstendenz. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Bei der Autopsie fand 
sich der Sack mit grossen Thrombenmassen ausgefüllt, die zum Teil 
organisiert waren. Dünner. 

M. Fukushi Tokio) - Berlin: Ueber das Verhalten der Broichial- 
muskulatur bei akuter und chronischer Bronchitis. (Virch. Arch., 
Bd. 217, H. 1.) Verf. hat in der Hälfte der von ihm untersuchten Fälle 
Verfettung der Bronchialmuskulatur feststellen können. 

M. Lissauer - Königsberg: Lebercirrhose bei experimenteller In¬ 
toxikation. (Virch. Arch., Bd. 217, H. 1.) Durch Vergiftung mit Toxinen 
von Fäulniserregern konnte Verf. bei Kaninchen cirrhotische Verände¬ 
rungen erzeugen. A. W. Pinner. 

W. T. Freeman - Reading: Primärer Leberkrebs bei einem drei¬ 
jährigen Kinde. (Lanc., 18. Juli 1914, Nr. 4742.) Kurze Mitteilung. 
Bemerkenswert war das Fehlen aller Metastasen, Schmerzen, Empfind¬ 
lichkeit und Verdauungsstörungen. Der Appetit war bis kurz vor dem 
Ende gut. Weydemaon. 

W. Hülse - Königsberg: Beitrag zur Pathogenese des tuberkulösen 
Ileocoecaltumor8. (Virch. Arch., Bd. 217, H. 1.) Die Veränderung be¬ 
steht in einer tumoräbnlichen Verhärtung der Blinddarmwand, die zu 


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24. Anglist 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Steoose und Ileus führt. Die mikroskopische Untersuchung ergibt, dass 
es sich um vernarbende Tuberkulose handelt, die durch wenig virulente 
Bacillen bewirkt wird; die epitheloiden Zellen wandeln sieb zu Binde¬ 
gewebszellen um, während eine Verkäsung ausbleibt. Diese Form der 
Tuberkulose tritt primär, ohne sonstige tuberkulöse Darmverände- 
rungen auf. 

S. S. Ghalatow - Petersburg: Zur Frage über die metastatische 
Gesekwnlstbildnng in der Milz. (Virch. Arcb., Bd. 217, H. 1.) Die 
Milz ist verhältnismässig selten Sitz von Geschwulstmetastasen, was 
Verf. auf die Wirkung der Fermente des Organs zurückführt, die die 
Tumorzellen sohädigen. 

J. Wätjen - Freiburg i. B.: Ueber die Histologie der eitrigen Sal¬ 
pingitis und ihre Beziehung zur Frage der Aetiologie. (Ziegler’s Beitr., 
Bd. 59, H. 2.) 1. Die Dilatation mit Laminariastift ruft bei Graviden 
eine bis zur phlegmonösen Infiltration der Tubenwand gehende Salpin¬ 
gitis hervor, die klinisch gutartig ist. 2. Bei Tubentuberkulose kann 
ein Katarrh mit bacillenbaltigcm Exsudat oder typische Tuberkelbildung 
auftreten. Der Eiter enthält im ersten Falle keine Plasmazellen. 3. Bei 
Appendicitis kann die Tube ein dieser ähnliches Bild darbieten. 4. Bei 
Gonorrhöe zeigt sich hauptsächlich die lymphocytare Zusammensetzung 
des Eiters und die Plasmazelleninfiltration, die jedoch auch 5. bei der 
Streptokokkensalpingitis Vorkommen kann. Dagegen besteht der Strepto¬ 
kokkeneiter hauptsächlich aus Leukocyten. In chronischen und Misch¬ 
fallen ist eine sichere histologische Diagnose bezüglich der Aetiologie 
unmöglich. 

E. Bumke - Berlin: Epitheliale Neubildungen im rectogenitalen 
Zwischengewebe beim Weibe, ein Beitrag zur Pathologie des Gärtner- 
Sehen Ganges. (Virch. Arcb., Bd. 217, H. 1.) Im rectogenitalen Ge¬ 
webe können sich aus den häufig dort nachweisbaren fötalen und post¬ 
fötalen Keimen die verschiedenartigsten Neubildungen entwickeln. Unter 
diesen Keimen nimmt der Gärtnerische Gang eine besondere Stellung als 
Residuum der WoIfFschen Gänge ein. Aus ihm köunen sich Cysten, 
bösartige und gutartige Adenome entwickeln, zu denen Verf. einen Fall 
von Cancroid hinzufügt. Die sogenannten tiefen Cervixkrebse gehen 
meist von Resten der WolfPscheu Gänge aus. 

A. A. Ponomarow - Tomsk: Ueber den Ursprung der Fett- 
snbstanzen in der Nebennierenrinde. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 2.) 
Bei der Fütterung von Mäusen mit Speck, der mit Scharlachrot gefiirbt 
ist, wird das Körperfett sowie das der Nebennierenriude rot gefärbt, 
während die Fütterung mit gefärbter Stärke keine Färbung des Fettes 
ergibt. Während das Fettbindegewebe die Farbe länger hält, schwindet 
diese aus der Nebenniere rasch. Die stets in der Nebennierenrinde vor¬ 
handenen Fettsubstanzen, Neutralfett und Lipoide, nehmen beim Hungern 
oder bei fettloser Ernährung der Tiere allmählich ab, und zwar die 
Lipoide stärker als die Neutralfette. Füttert inan nur mit Speck, so 
nimmt der Fettgehalt der Nebenniere zunächst übermässig stark zu, 
daun, da die Tiere zuletzt den Speck verweigern, in der gleichen Weise 
ab wie bei fettloser Nahrung oder beim Hungern. Aus diesen Beob¬ 
achtungen schliesst Verf., dass die Nebennierenrinde ihren Fettgehalt 
einer Infiltration mit Fettsubstanzen verdankt, die im Blutplasma gelöst 
oirkulieren. Die Nebenniere speichert diese, wie sich aus den Versuchen 
mit vitaler Färbung ergibt, auf und gibt sie nach einiger Zeit wieder 
ab, nachdem sie möglicherweise durch die spezifische Tätigkeit der 
Nebennierenzellen chemisch verändert worden sind. 

E. J. Kraus-Prag: Ueber einen Fall von pigmentiertem Gliom 
bei multiplen Gliomen des rechten Seitenventrikels. (Virch. Arch., 
Bd. 217, H. 1.) A. W. Pinner. 


Diagnostik. 

H. Stern -New York: Ein Frnbsymptom der pernieiüsen Anämie. 
(D.m.W., 1914, Nr. 30.) Wundsein der Zunge und des Gaumens. 

01 pp -Tübingen: Zur Stimmgabelstethoskopmethode. (M.m.W., 
1914, Nr. 30.) (Vortrag, gehalten am 11. Mai 1914 im medizinisch- 
naturwissenschaftlichen Verein in Tübingen.; Auscultiert man mit dem bin- 
auriculären Stethoskop ein OrgaD, auf dem eine angeschlagene ^-Stimm¬ 
gabel steht, so klingt der Ton laut; dieser Ton wird sofort leise, wenn 
die Gabel die Grenze des Organs verlässt. Man kann so z. B. die Leber 
nach der Lunge und Darm genau abgrenzen, auch gegen ein pleuri- 
ritisches Exsudat. Darin i9t ein grosser Vorteil gegenüber der Perkussion 
gegeben. Auch andere Organe kann man mit dieser Methode, die von 
Cantlie stammt, gegeneinander abgrenzen. Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

R. Kraus und B. Barbara - Buenos-Aires: Zur Frage der Züchtung 
Lyssavirns nach Nognchi. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Die Annahme 
von Noguchi, dass die von ihm beschriebenen Körperchen als Rein¬ 
kultur des Lyssavirus aufzufassen sind, ist auf Grund der Nachunter¬ 
suchungen nicht ganz sicher. Mit den Kulturen konnten die Verff. 
keine Lyssa experimentell erzeugen. In Nährböden ohne Ascites miss¬ 
langen die Kulturen (bei Noguchi auch). Andererseits konnten sie 
aus Ascites allein Gebilde züchten, die den Körperchen gleichen. Da 
aber Noguchi experimentell Lyssa hervorrufen konnte, wäre es möglich, 
^83 io der Kultur Formen sind, die sich von denen in der Ascites- 
Mssigkeit differenzieren lassen. 


M. Weinberg - Halle a. S.: Bewertung des Abderhalden’sehen 
Dialysierverfahrens zur Diagnose und Differentialdiagnose maligner 
Geschwülste. (M.m.W., 1914, Nr. 29 u. 30.) Verf. hält die Reaktion für 
brauchbar. 

M. Weinberg-Halle a. S.: Zur Technik des Abderhalden’schen 
Dialysierverfahrens. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Angabe eines Koch¬ 
apparates. 

P. Lindig - Giessen: Zur Snbstr&tfrage bei der Anwendung des 
Abderhalden’schen Dialysierverfahrens. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) L. 
empfiehlt gepulverte Placenta, die er so berstellt, dass er Placenta 
normaliter entblutet und mit Ninbydrin prüft, durchsiebt, dann bei 85° 
24 Stunden trocknet und die Substanz zerreibt. Nochmalige Prüfung 
mit Ninbydrin und Trocknung. Einfüllen in sterile Flaschen und Ver¬ 
schlüssen mit Toluolstöpsel. Es tritt keine Infektion ein. Mit diesem 
Pulver kann man quantitativ arbeiten; es sind Mengen von 0,1—0,2 
erforderlich. L. machte auch Versuche mit Casein (an Stelle von 
Placenta). 

H. Oeller und R. Stephan - Leipzig: Kritik des Dialysier¬ 
verfahrens und der Abwehrfermentreaktion. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) 
Auch Männer hatten Abwehrfermente auf Placenta. Die Verff. ziehen 
aus ihren Untersuchungen mit der Vordialyse den Schluss, dass nicht 
der Wegfall eigendialysabler Körper das Ablesen der Reaktion erleichtere, 
sondern dass antifermentative Körper entfernt werden, deren Anwesenheit 
im Dialysierverfahren die Proteolyse bei genügender Konzentration auf¬ 
zuheben vermögen. Schaltet man die fermentscbwächende Komponente 
des Serums aus, so vermag fast jedes Serum Placentagewebe abzubauen. 

L. Nieszytka - Tapiau: Untersuchungen zum Abderhalden’schen 
Verfahren. (D.m.W,, 1914, Nr. 30.) Im Tierversuche lassen sich bis¬ 
weilen differente Fermente gegen verschiedene Abschnitte des Nerven¬ 
systems erreichen. Die Frage, ob das auch bei Kranken vorkommt,’ 
erfordert weitere Prüfung. Der Grad der Fermentspeziiität ist abhängig 
von der Eiweissreinheit des Antigens, ferner von der Resorptions¬ 
geschwindigkeit des letzteren. Es besteht Dach N. keine Identität 
zwischen Fermenten und Amboceptor. 

P. Hirsch-Jena: Eine neue Methode zum Nachweis der Abwehr¬ 
fermente. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) (Zugleich zweite Mitteilung zur 
Frage ihrer Spezifität.) H. beschreibt eine Methode zur quantitativen 
Verfolgung der Abwehrfermentwirkung, die darauf beruht, dass die durch 
den Abbau eines bestimmten Substrates durch spezifische Fermente be¬ 
wirkte Peptonbildung in einem Serum eine Konzentrationsänderung ver¬ 
ursacht, die durch Vergleich mit einer unter gleichen Bedingungen auf¬ 
gehobenen Probe desselben Serums ohne Substrat mit Hilfe des Löwe- 
Zeiss’scben Interferometers quantitativ bestimmt werden kann. Diese 
Untersuchungen ergaben eine Spezifität der Abwehrfermente. 

R. Freund und C. Brahm - Berlin: Weitere Erfahrungen mit der 
Abderhalden’schen Reaktion allein und ein Vergleich mit der Anti¬ 
trypsinmethode. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) Die Verff. haben mit der 
Abderhalden’schen Reaktion bei grossen Versuchsreihen keine einheit¬ 
lichen spezifischen Resultate erzielt. Versuche mit Vordialy.se und Ent- 
eiweissung nach Michaelis fielen besser aus. Ein Vergleich zwischen 
Abderhalden’scher Reaktion und Rosenthal’scher Antitrypsinmethode fiel 
zugunsten der letzteren aus. Dünner. 


Innere Medizin. 

Engelen - Düsseldorf: Brachialis-Wellenschreibnng. (D.m.W., 
1914, Nr. 30.) E. erklärt nochmals seine Methode und deren Vor¬ 
teile. 

K. Binderspacher-Dortmund: Zur Kasuistik der periodischen 
Unregelmässigkeit des Pulses. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Es kommen 
bei Kindern periodisch Herzarytbmien vor, die auf Reizleitungsstörungen 
zwischen Sinus und Vorhof zurückzuführen sind, die durch eine fuuktio- 
nelle Schädigung der Ueberleitungsfasern und gleichzeitige Stauung in 
den Coronarveuen abhängig ist. Die a'-Welle ist eine Stauungswelle 
des Blutes, herrührend aus dem rechten Ventrikel. Verf. glaubt, dass 
diese Stauung durch eine aktive Tonusvermehrung der Ventrikelmuskulatur 
zustande kommt. Eine derartige aktive Tonusvermebrung scheint durch 
einen mechanischen Reiz des den Ventrikel füllenden Blutes ausgelöst 
zu werden. Vielleicht spielt die toxische Schädigung der Muskulatur 
(Diphtherie, Nikotin) bei dieser erhöhten Empfindlichkeit eine Rolle. 

Dünner. 

P. Lehmann: Vorkommen viralenter Tnberkelbaeillen im strömen¬ 
den Blot bei Kindern. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Der 
Nachweis säurefester Stäbchen im Blutausstrich von Tuberkulösen oder 
der Tuberkulose verdächtigen Patienten beweist keineswegs eine Bacill- 
ämie mit Tuberkelbacillen. Denn diese gefundenen Stäbchen sind meist 
keine Koch’schen Bacillen. Die Tierversuche haben in der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle nur zu einem geringen Prozentsatz positive Resultate 
ergeben. Bestimmte Formen der Tuberkulose mit einem gehäuften Auf¬ 
treten der Erreger im Blut konnten hierbei nicht festgestellt werden. 

Hage: Ueber das Vorkommen von Tnberkelbaeillen im strömenden 
Blnte beim tuberkulösen und tuberkulinisiertcu Meerschweinchen. (Beitr. 
z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Aus den Versuchen des Verf. ergibt 
sieb, dass sowohl bei unbehandelten tuberkulösen Meerschweinchen als 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 34. 


auch unregelmässig oder systematisch behandelten tuberkulinisierten 
tuberkulösen Meerschweinchen weder nach einer einmaligen noch einer 
wiederholten TuberkulineinspritzuDg, weder bei der regelmässigen noch 
während der unregelmässigen Tuberkulinbehandlung eine sogenannte 
Mobilisierung von Tuberkelbacillen erfolgt in der Weise, dass sie im 
Tierversuche aus dem Blut nacbgewiesen werden können. 

M. Cohn: Ueber die Bedeutung der intracellulären Lage der 
Tnberkelbacillen in Aaswarf. Eine mikroskopisch-klinische Unter¬ 
suchung. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., ßd. 31, H. 1.) Verf. untersucht die 
Kennzeichen der intracellulären Lage der Tuberkelbacillen, die Bedeutung 
des Schleims für das mikroskopische Sputumbild, das Verhalten des 
Schleims zu den Leukocyten, die Bedeutung des Schleims für die Lage¬ 
beziehungen der Leukocyten und Tuberkelbacillen und endlich die Be¬ 
deutung des Schleims für die Hofbildung um die Bacillen. Zusammen- 
fassend lässt sich sagen, dass die intracelluläre Lage der Tuberkel¬ 
bacillen im Auswurf keinen Schluss auf den Verlauf der Lungenschwind¬ 
sucht zulässt. 

Kirchenstein: Beobachtungen über die Entwicklung and Zahl 
der Tnberkelbacillen in Spntnn in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf. 
Beitrag zur Morphologie und Biologie der Tuberkelbacillen IV. (Beitr. 
z. Klin. d. Tub., Bd. 31, H. 1.) Die verschiedenen Formen des Tuber¬ 
kulosevirusstehen in bestimmtem genetischen Zusammenhang miteinander. 
Die Art der Zusammengehörigkeit lässt sich am besten mit Hilfe der 
Strukturmethode nachweisen. Der Spengler’sche „Splitter“ ist die ruhende, 
sporoide Form des Tuberkulosevirus. Das Much’scbe „Granulum“ ist 
mit dem „Splitter“, „Korn“ Spengler’s, identisch. Der Splitter besitzt 
Sporennatur. Die Widerstandsfähigkeit der Splitter gegen die physikalisch- 
chemischen Faktoren ist geringer als die der meisten Sporen (andere 
Mikroben). Statt der Bezeichnung Splitter empfiehlt es sich, allgemein 
in die Terminologie der Tuberkulosevirusformen die passendere Be¬ 
zeichnung Sporoidenum (F. Spengler) oder sporoide Wuchsform einzu¬ 
führen. Die vegetativen Formen entstehen durch Auswachsen der sporoiden 
Wuchsform und nicht durch Teilung. Die scheinbaren Teiluogsformen 
sind als Anfangsstadium der Sporenbildung aufzufassen. Die Tuber¬ 
kulosevirusformen lassen sich in zwei Gruppen, in die Gruppe der pro¬ 
gressiven und in die der regressiven Entwickluogsreihe zusammenfassen. 
Aus der Temperaturhöhe lässt sich nicht immer ein Schluss auf die quali¬ 
tativen und quantitativen Verhältnisse des Tuberkulosevirus ziehen. Nur 
mit Hilfe der Strukturmethode lässt sich sicher feststelleD, ob in einem 
Falle die Bacillenvermehrung progressiver Natur oder mechanischen 
Ursprungs ist. Die zuweilen plötzlich auftretende stärkere Zunahme 
der Bacillen ist gewöhnlich als sogenannte „Ausstossung“ aufzufassen. 
Ausstossungen sind nicht progressiver Natur. Die Ausstossungen und 
das Auswerfen tuberkulöser Linsen werden durch lokale Reaktionen her¬ 
vorgerufen. Die Bedingungen für das Auftreten lokaler Reaktionen sind 
gewöhnlich in den lytischen Reaktionen in den tuberkulösen Herden 
gelegen. Ein Ausbau der Untersuchungen in der Zukunft kann dahin 
führen, dass man aus dem bakterioskopischen Bilde, besonders wenn man 
den Wechsel der verschiedenen Formen und der Bacillenzabl vorsichtig 
darstellt, Schlüsse auf den Status und weiteren Verlauf der Erkrankung 
wird ziehen können. 

Isager: v. Pirqnet’s Probe in der praktischen Vorbeugung der 
Tuberkulose. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Verf. schildert an 
der Hand seiner statistischen Untersuchungen, die hygienischen Verhält¬ 
nisse in der dänischen Erziehungsanstalt Himmelbjerggaarden. Er be¬ 
tont die Möglichkeit, dass man durch solche Untersuchungen Resultate 
gewinne, die der praktischen Vorbeugung dienen können. 

F. Klemperer*. Untersuchungen über die Tnberknlinreaktion. 
(Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Durch Vorbehandlung mit Tuber¬ 
kulin lässt sich beim nichttuberkulösen Tiere Tuberkuiinüberempfindlich- 
keit nicht erzeugen. Das spricht dagegen, dass die Tuberkulinreaktion 
eine anaphylaktische Reaktion ist. Mit der Exstirpation des tuberkulösen 
Herdes erlischt beim lokaltuberkulösen Tiere momentan die Tuberkulin- 
überempfindlichkeit. Das spricht dagegen, dass die Tuberkulinreaktion 
durch die im Blute kreisenden oder sonstwie im Organismus verbreiteten 
Antikörper bedingt ist. 

H. Nothmann: Ueber cntane Impfang mit humanem and bovinem 
Toberkalin. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Die Impfung mit 
Tuberkulinen von verschiedenen Bacillen ist nicht geeignet, Aufschluss 
darüber zu geben, mit welcher Bacillenart der Organismus infiziert ist. 
Dagegen gibt die gleichzeitige Impfung mit bovinem und humanem 
Tuberkulin wichtige Aufschlüsse über die Tuberkulinempfindlichkeit des 
Organismus, nämlich der tuberkulös, infizierte Organismus verhält sich 
bei cutaner Einverleibung von bovinem und humanem Tuberkulin diesen 
beiden Antigenen gegenüber insofern gleich, als er bei mehrfacher 
Impfung in fast allen Fällen auf beide Tuberkuline mit Papelbildung 
reagiert. Die Tuberkulinempfindlichkeit des Organismus gegen die beiden 
Tuberkuline ist zu verschiedenen Zeiten wechselnd. Primär besteht eine 
grössere Empfindlichkeit des Organismus gegenüber dem humanen Tuber¬ 
kulin. Denn primär reagieren mehr Individuen auf humanes Tuberkulin 
als auf bovines, und auch bei mehrfachen Impfungen bleibt die Zahl 
der nur humanen Reaktionen höher als die der nur bovinen. Subcutane 
Vorbehandlungen mit menschlichem Tuberkulin sensibilisiert den Körper 
auch für bovines. Alle diese Tatsachen lassen sich nur durch die An¬ 
nahme erklären, dass in beiden Tuberkulinen gleiche Gruppen an Re¬ 
aktionskörpern vorhanden sind, und dass ferner die homologen Gruppen 


stärker sind als die spezifischen, so dass in der Mehrzahl der Fälle, 
gleichgültig, welche Infektion vorliegt, eine Doppelreaktion auftritt. 

Kögel: Die Beziehungen der Enpfindlicbkeit Taberkalöser aif 
Partialantigene (Deycke-Much) und auf Alttnberknlin zur prognosti¬ 
schen Form der Lungentuberkulose und zur Prognose (Diagnose) und 
Therapie von Tuberkulosekrankheit. (Beitr. z. Klin. d. Tub., Bd. 80, 
H. 3.) Es gelingt mit Hilfe der cutanen Impfung quantitativ und quali¬ 
tativ, genügend differenzierte Diagnosen auf Partialantigeoe zu erzielen, 
mit M.-Tb.-R. mit A. und mit L. Für die Impfung mit N. und F. ist 
die intracutane Impfung zu empfehlen. Die systematische Prüfung der 
Empfindlichkeit Tuberkulöser auf Partialantigene hat prognostisch-dia¬ 
gnostische Bedeutung für die Form der Tuberkulose wahrscheinlich in 
höherem Maasse als die Empfindlichkeitsprüfungen nur auf Alttuberkulin. 
Die zeitlichen Reaktionen sind zu berücksichtigen. Der temporäre Mangel 
an Schutztoxin ist bei unkomplizierten Fällen ein Schutzmittel zur Er¬ 
kennung von Tuberkulosekrankbeit. In der Dauer dieser Anergie bei 
chronischen Prozessen liegt eine erhebliche prognostische Bedeutung. 
Der Mangel an Schutzstoffen im Entwicklungsalter gibt eine Erklärung 
für die Altersdisposition Jugendlicher. Krankhafte Zustände des Blutes, 
der Drüsen, der inneren Sekretion usw. bewirken eine Anergie, ohne 
Tuberkulose auszuscbliessen. Die erhaltene Reaktivität auf diese Antigene 
trotz Tuberkulosekrankheit ist prognostisch günstig und erlaubt im all¬ 
gemeinen eineD Schluss auf einen gutartigen Verlauf der Krankheit. Die 
hygienisch-diätetische Kur, die sensibilisierende Tuberkulinbebandlung 
und andere therapeutische MaassDahmen steigern die Hautempfindlicbkeit 
auf Partialantigene. Für die spezifische Therapie mit Partialantigenen 
hat sich zur Bestimmung der Anfangsdosen eine Kombination der cutanen 
mit der intracutanen Methode bewährt. Die Ueberempfindlichkeit auf A. 
ist nicht in allen Fällen erstrebenswert. J. W. Samson. 

A. Mayer-Berlin: Die Beziehungen der im Blut kreisenden Taberkel- 
baeillen zu der Entstehung von Partialantikörpern. (D.m.W., 1914, 
Nr. 31.) Verf. fand, dass bei denjenigen Patienten, in denen im Blut Tuberkel¬ 
bacillen sind, durchweg Fettantikörper fehlen oder sehr spärlich sind, 
und zwar fehlen in erster Linie Fettsäureantiköiper, in geringerem Um¬ 
fang Neutralfettantikörper. Diese Beziehung wird verständlich, dass die 
Fettsäuren Träger der Farbstoffe bei der Ziebl’schen Methode sind. Sind 
keine Fettsäureantikörper vorhanden, so ist die Fettsäurehülle des Bacillus 
unversehrt und folglich darstellbar. Dünner. 

K. Spengler: Einige Bemerkungen zu dem Aufsatz Prof. PetruschkiV. 
Ueber eine Vereinfachung der spezifischen Therapie für die spezifische 
Tuberkulosebekämpfung im grösseren Stil. Brauer’s Beitr., Bd. 30, H. 1. 
(Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) 

Petruscbki: Ergänzung zu den vorstehenden Bemerkungen 
Speogler’s. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 81, H. 1.) 

Galecki: Die Inspektion nnd die Palpation des Thorax in der 
Diagnose der Lnngentnberknlose. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) 
Nach einer kurzen Literaturübersicht bespricht Verf. zunächst die Ein¬ 
senkungen des Brustkorbes und der Ober- und Unterschlüsselbeingruben. 
Ferner die einseitige Tiefersteüung der Schulter, die Ungleichmässigkeit 
der Atmungsbewegungen des Brustkorbes, die Muskelrigidität der Lungen¬ 
tuberkulose, die lokalen Muskelatrophien, die leichte Tastpalpation, die 
Venenerweiterungen der Haut und gibt so im ganzen einen Ueberblick 
darüber, wie sich die Prozesse, die im Innern des Thorax verborgen sind, 
auf seiner Oberfläche abspielen. 

Nicol: Die Entwicklung und Einteilung der Lingenphthioe. 
Pathologisch-anatomische und klinische Betrachtungen. (Beitr. z. Klin. 
d. Tbc., Bd. 30, H. 2.) Monographisch angelegte Arbeit. Verf. legt 
seiner neuen Einteilung der Lungenphthise vorwiegend die Ergebnisse 
seiner pathologisch* anatomischen Untersuchungen zugrunde. Patho¬ 
logisch-anatomisch unterscheidet er drei Hauptformen der Lungen- 
phtbise, 1. den acinös-nodösen Herd, 2. den käsig-bronchopneumonischen 
Herd und 3. die käsige Bronchitis als Bindeglied zwischen 1 und 2. So¬ 
dann werden die übrigen Formen der Lungenphthise und Gefässverände- 
rungen bei der Lungenphthise besprochen. Bei der Ausbreitung der 
Phthise innerhalb der Lungen werden zwei Abschnitte scharf gesondert 
behandelt, 1. die Lungenphthise des Erwachsenen und 2. die Lungen- 
phtbise der Kinder. Hierbei werden Ausbreitungsweg, Ausbreitungsart 
und die Bedeutung der respiratorischen FunktionsänderuDgen innerhalb 
der Lungenabsobnitte für die cranio-caudale Ausbreitung der Lungen- 
phtbise ausführlich erinnert. In dem mehr ätiologisch und klinisch ge¬ 
haltenen dritten Teil werden die Infektionsperioden der Lungenphthise, 
die Bedeutung der Latenz im Infektionsgang, Reinfektion, Immunität 
und Disposition, ihre Bedeutung für den Werdegang der Lungentuber¬ 
kulose behandelt. Am Schluss der Arbeit werden die bisherigen klini¬ 
schen Einteilungen der Lungenphthise mit den neuen des Verf. ver¬ 
glichen und die neue Einteilung der Lungenphthise besonders unter dem 
Gesichtspunkte dargelegt, dass künftighin eine stärkere Verschmelzung 
der pathologisch-anatomischen Befunde mit den klinischen erstrebenswert 
ist. Die Mittel und Wege hierzu bleiben den künftigen klinischen 
Forschungen Vorbehalten unter genauer Berücksichtigung der Ergebnisse 
des Röntgenverfahrens. 

Hofvendahl: Beitrag zur Technik bei Pneunothoraibehandling* 
(Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Angabe eines Apparates, bei 
dem aus einer hochgestellten Flasche die Flüssigkeit in das tiefer¬ 
liegende Gasometer hineinläuft und dort das Gas austreibt. Erzeugung 


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24. Aogqst 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1581 


positiven und negativen Druckes ist möglich, so dass also vor Beginn 
der Einblasung jede Druckeinstellung im Apparate geschehen kann. 

Troell: Zur Kasuistik der akuten tuberkulösen Peritonitis. (Beitr. 
a. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Kasuistik, awei Fälle. 

Die Vereinigung der Lnngenheilanstaltsärzte: Erklärung. (Beitr. 
a. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 2.) Die genannte Vereinigung protestiert 
gegen die reklamenhafte und entstellte Berichterstattung in amerika¬ 
nischen Zeitungen über einen Besuch ihrer Mitglieder bei einer Demon¬ 
stration Friedraann’s, welche im Februar 1914 stattfand. 

Landmann: Ein reines Tuberkuliüpräparat (Tabolytin). Be¬ 
merkungen au der Arbeit von Friedberg und Römer in Brauer’s 
Beitr., Bd. 26, H. 2. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Polemik. 

Friedberg und Römer: Erwiderung auf vorstehende Ausführungen 
des Herrn Landmann. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) 

Landmann: Schlusswort zu der obenstebeuden Erwiderung. (Beitr. 
a. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) 

Friedberg und Römer: Schlusswort. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., 
Bd. 30, H. 3.) J. W. Samson. 

W. Autenrieth und W. Montigny - Freiburg i. B.: Kolori- 
metrisehe Bestimmungsmethoden: Die Bestimmung des Zockers im 
Blute. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) (9. Mitteilung.) Mit Hilfe einer ver¬ 
dünnten Bang’schen Lösung lässt sich mit dem Königsberger-Autenrieth- 
sohen Kolorimeter mit 2,5 Blut der Zuckergehalt bestimmen. Man ent- 
eiweisst am besten mit kochender Vioo n Essigsäure; eventuell Zusatz von 
NaCl, um die Bildung kolloidaler Lösungen zu verhindern. Normal¬ 
zuckergehalt des Blutes 0,05—0,07 pCt. 

J. Broekmeyer- Greifswald: Blutzucker bei Morbus Addisonii. 
(D.m.W., 1914, Nr. 31.) Mitteilung eines Falles, der zeigt, dass 
Adynatnie bei Addison’scher Krankheit auch bei normalem Blutzucker¬ 
gehalt auftreten kann und dass die Schwere des Krankheitsprozesses 
nicht von auschlaggebender Bedeutung für das Symptom der Hypo¬ 
glykämie ist. Dünner. 

A. Caddy und B. Molony - Calcutta: Hämorrhagischer Typbus. 
(Lanc., 18. Juli 1914, Nr. 4742.) In einem Falle bestand ein aus¬ 
gedehnter Purpuraausbruch mit Schleimbautblutungen, im zweiten 
Hämatemese auf der Höhe des Fiebers gleichzeitig mit Darmblutungen, 
im dritten Darmblutungen. Dieser dritte genas, die ersten beiden 
starben. Alle drei waren erst als Malaria angesehen und mit grossen 
Chiningaben behandelt werden. Purpura als Komplikation von Typhus 
ist selten. Weydemann. 

R. Kraus und S. Mazza - Buenos-Aires: Zur Frage der Vaccine¬ 
therapie des Typbus abdominalis. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Der von 
verschiedenen Autoren beobachtete jähe Temperatursturz nach der 
intravenösen Injektion von Typhusvaccine bei Typhus ist nicht, wie man 
vielleicht annehmen sollte, eine anaphylaktische Erscheinung, denn er 
erfolgte auch, wie die Verff. feststellen konnten, nach intravenöser In¬ 
jektion von Colivaccin. Diese Tatsache muss klinisch weiter nach¬ 
geprüft werden, nicht nur bei Typhus, sondern auch bei anderen 
Infektionskrankheiten. 

C. Klieneberger - Zittau: Agglutinationstiter bei Infektions¬ 
krankheiten, insbesondere bei Typhus und Paratyphns. (D.m.W., 
1914, Nr. 30.) Die in der Literatur vertretene Meinung, dass beim 
Typhus z. B. Agglutinationswerte von 1:20 000 sehr hohe Verände¬ 
rungen darstellen, die nur ganz ausnahmsweise Vorkommen, besteht 
nach den Mitteilungen K.’s nicht zu recht; er fand einmal einen Widal 
1:163 840. 

J. Schumacher-Berlin: Vortäuschung von Eiweiss nach Hexa¬ 
methylentetramin. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Die von Schmitz be¬ 
schriebene Reaktion, dass der Esbach von Hexamethylentetraminurinen 
einen erhöhten Albumenniederschlag anzeigt, ist nicht spezifisch. Die 
Verbindung entsteht durch Reduktion des Kaliumpikrats und ist ein 
Aminophenolkörper. Das reduzierende Formaldehyd bedingt die Reaktion. 
Bei der quantitativen Zuckerbestimmung nach Fehling ist es zweck¬ 
mässig, auf das Vorhandensein von Hexamethylentetramin ira Urin zu 
achten. 

P. L. de Bloerae, S. P. Swart und A. J. L. Ter wen - Amsterdam: 
Her kolloidale Stickstoff des Harns und seine Bedeutung für die 
klinische Carcinomdiagnostik. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Der Kojo- 
Niederschlag enthält ausser Harnsäure und Purinbasen noch andere N- 
haltige Substanzen, deren N zwischen 0,4 und 2,25 pCt. des Gesamt-N 
schwankt. In den Fällen der Verff. decken sich aber die hohen Werte 
nicht mit den Carcinomen, die mittlere Werte hab°n. Das Kojo-Ver¬ 
fahren ist für die Carcinomdiagnostik nicht verwertbar. Es wäre 
nur dann zu gebrauchen, wenn sich ein qualitativ oder quantitativ 
definierbarer Bestandteil des Kojo-Niederschlages naohweisen liess, der 
für Carcinom charakteristisch wäre. Das scheint den VerfT nach der 
beschriebenen Methode gelungen zu sein; sie fanden eine Vermehrung 
des adialysablen N. Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

II böiger - Frankfurt a. M. : Ein geheilter Fall von schwerer 
neaingitig cerebrospinalis mit einseitiger Erkrankung des inneren 
0hr * 8 - (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Dünner. 


Kinderheilkunde. 

A. H eisler-Königsfeld: Erythema Infeetiosnm. (M.m.W., 1914, 
Nr. 30.) Epidemie von 25 Fällen, bei denen sich die Ansteckung sehr 
gut verfolgen liess. Nur selten Prodrome in Gestalt von Drüsenschwellung 
an Kieferwinkel, Obr und Nacken. Fieber, gedunsenes Gesicht mit 
makulo-papulösem Erythem, Weiterscbreiten auf den Körper bzw. Ex¬ 
tremitäten. 

N. Dracinski und J. Mehl mann-Kimpolung: Mnmpskomplikation- 
Pankreaiitis. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Die Verff. beobachteten bei 
einer Mumpsepidemie einige Fälle, bei denen nach Parotitis Pankreatitis- 
symptome und auch Fehlen der Patellarreflexe, Pulsverlangsamung und 
Cheyne-Stokes’sches Atmen auftraten. Das Fehlen der Patellarreflexe 
erklären sich die Veiff. durch Uebergreifen der Entzündung vom Plexus 
solaris auf die ersten Lendenwurzeln. Sie fanden bei etwa lOpCt. der 
übrigen Parotitisfälle fehlende Patellarreflexe. 

C. T. Noeggerath und H. Zondeck-Freiburg: Zur Kenntnis der 
Nierenerkranknng im Kindes&lter. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) II. Mit¬ 
teilung. Klinische und funktionelle Untersuchungen. Zu einer Standard¬ 
kost wurden Zulagen von NaCl und N (Plasmon) gegeben und die Aus¬ 
scheidung beobachtet. Interessant ist, dass eine Zulage von N zu einer 
Retention von NaCl führt, und ebenso umgekehrt. Wenn diese wechsel¬ 
seitige Beeinflussung verschwindet, so steht die Ausheilung der Nephritis 
in Aussicht. Dio Konstatierung der Beeinflussung von NaCl und N 
gestattet natürlich auch therapeutische MaassnahmeD. Die Untersuchung 
mit Mehrbelastung von NaCl und N bei einer orthotischen Albuminurie 
zeigte eine funktionelle Störung der Nieren. 

M. Wilhel m-Weissensee: Ein Beitrag zu den nervösen Aeqai- 
valenten im Säuglingsalter. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Bei einem Kinde, 
dass an unstillbarem, monatelang fortdauerndem Erbrechen leidet, sistiert 
das Erbrechen mit dem Eintreten einer schweren Erkrankung, nach deren 
Abklingen es wieder auftritt. Das Kind starb, und man fand bei der 
Autopsie einen antrumkontrahierten Magen. Verf. erklärt sich die Er¬ 
scheinung so, dass bei dem (neuropathischen) Kinde, bei dem früher 
einmal eine von Erbrechen begleitete Ernährungsstörung bestanden hat, 
sich ein bedingter Reflex herausgebildet hat, der erst erlosch, als die 
Errkrankung, die sozusagen als Hemmnis wirkte, eintrat. Dünner. 


Chirurgie. 

H. M. Page-London: Interpharyngeale Einfnhrang von warmem 
Aetherdampf durch die Nase. (Lancet, 18. Juli 1914, Nr. 4742.) Injektion 
von Morphin und Atropin, wenn nötig mit Skopolamin. Beginn der 
Narkose in gewöhnlicher Art, Einführung zweier Gummikatbeter durch 
die Nase bis in den Pharynx hinter die Zunge und Verbindung dieser 
mit dem Aetherverdampfungsapparat. Bei Kindern genügt oft ein Katheter. 

Weydemann. 

M. K atzen stein - Berlin: Die Gerbung der Bänder zur Heilung 
des Plattfnsses und anderer Knochendeformitäten. (D.m.W., 1914, 
Nr. 30.) Vortrag in der Berliner Gesellschaft für Chirurgie am 9. März 
1914, cf. Gesellscbaftsbericht der B.kl.W., 1914, Nr. 12. 

P. Babitzki-Kiew: Eröffnung des Kniegelenkes bei Menisens- 
verletznngen durch Längsschnitt mitten über die Patella und deren 
Durchsägung. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) 

E. Eitner-Wien: Zwei Anroplastiken. (M.m.W., 1914, Nr. 20.) 

Dünner. 

W. H. CI. Greene-London: Eine durch Knochenäberpflanznng ge¬ 
heilte Schenkelhernie. (Lancet, 18. Juli 1914, Nr. 4742.) Ein 5 cm 
langes Stück der 11. Rippe wurde abgestemrot, der Länge nach gespalten 
und beide Stücke in Periosttaschen an der Hinterseite des Schambeins 
eingepflanzt. Sie waren leicht zu befestigen. Das Lig. Poupartii wurde 
dann auf die Fase, pectin. herabgezogen. Die Wunde heilte fest. Der 
Versuch, beim Verschluss der Schenkelbrüche fremdes Material, wie 
Silberdrahtgeflecht, durch Knochen zu ersetzen, erscheint völlig gelungen; 
Greene glaubt aber selbst, dass man statt eines Stückes Rippe besser 
ein Tibiastück nähme. Weydemann. 

H. L. Baum-MÜQchen: Diagnostische Eigentümlichkeiten der Car- 
cinome des Magenkörpers. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Die Arbeit ent¬ 
hält uichts Neues. Dünner. 

A. G. T. Fi sh er-Bristol: Unvollständige Drehnng der Darmschlinge 
als Ursache einer Hernia retrocolica. (Lancet, 18. Juli 1914, Nr. 4742.) 
Verf. bespricht die Anatomie der hinter dem Colon liegenden Bauchfell¬ 
taschen und die Entwicklung der Fossa retrocolica. Die bisher be¬ 
schriebenen 6 Fälle von Hernia retrocolica werden kurz angeführt und 
der Fall des Verf. ausführlich beschrieben. Weydemann. 

G. Hirschel-Heidelberg: Die Resektion des Dnodennms mit der 
Papille wegen Carcinoms. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Resektion des 
Duodenums und eines Stückes des Pankreaskopfes. Bildung eines Deuen 
Choledochus mit einem Drain, Einnähen des Pankreas, Gastroenterostomie. 

Th. Müller-Augsburg: Zur operativen Behandlung der Herzschüsse. 
(M.m.W., 1914, Nr. 30.) 1. Fall: Naht des rechten Ventrikels. Kom¬ 

plikationen: Pneumothorax, Pneumonie, Angina und EiteruDg der Schuss¬ 
wunde. Heilung. 2. Fall: Verletzung des Herzens durch einen kleinen 
Glassplitter. Exitus infolge Anämie; die Naht selbst war gut geglückt. 

Dünner. 


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1582 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 34. 


Röntgenologie. 

W. Nonnenbruch - Wurzburg: Sandnhrm&gen bei nicht tief¬ 
greifendem Ulcus ventriculi. (M.m.W., 1914, Nr. 81.) 2 Fälle von 
persistierendem Sandubrmagen, die bei sicherlich nicht tiefgreifendem 
Magenulcus bestanden und mit der Besserung schwanden. Die Sanduhr¬ 
form war wohl durch lokale tetanische Muskelkontraktionen bedingt. 

Dünner. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

L. Seitz, H. Wintz und L. Fingerhut-Erlangen: Die biologische 
Funktion des Corpus luteum, seine chemischen Bestandteile und deren 
therapeutische Verwendung bei Menstruation. (M.m.W., 1914, Nr. 30 
u. 31.) Die Menstruation hängt von der Funktion des Corpus luteum 
ab. Das Corpus luteum enthält zwei Körper: 1. Das Luteolipoid hat 
blutungshemmende Eigenschaften und vermindert subcutan eingespritzt 
die Blutung der Menstruation. 2. Das Lipamin bewirkt im Tierexperiment 
beschleunigtes Wachstum der Genitalien. Seine Injektion bewirkt bei 
Amenorrhoischen Menstruation. 1 und 2 sind Antagonisten. 

Dünner. 


Augenheilkunde. 

F. Best-Dresden: Die Diathermie in der Augenheilkunde. 
(M.m.W., 1914, Nr. 31.) (Nach einem Vortrag in der Gesellschaft für 
Natur- und Heilkunde in Dresden.) Die Diathermie leistet mehr als 
Wärme in anderer Form. Dünner. 

S. Stephensen - London: Die Beteiligung des bovinen Tuberkel- 
bacillus bei phlyktännlären Erkrankungen der Augen. (Lanc., 
18. Juli 1914, Nr. 4742.) Nach dem Vorgänge von Bywater hat der 
Verf. 20 Kinder im Alter von 1 '/ a —12 Jahren mit verschiedenen Formen 
von Phlyktänulose mit der v. Pirquet’schen Methode untersucht und in 
allen Fällen mit beiden Formen des Tuberkulins positive Reaktion er¬ 
halten. In der Hälfte der Fälle war die Reaktion mit beiden gleich 
stark, in sechs war die bovine, in vier die humane stärker. 

W. H. H. Jesrop - London: Schwere Augenverlefzuug durch den 
Inhalt eines Golfballes. (Lano., 18. Juli 1914, Nr. 4742.) Schwere 
Verätzung der Hornhaut und der Umgebung des Auges. Der Patient 
wollte einen Golfball mit einem Taschenmesser zerlegen. Der Ball war 
nicht solid, sondern beim Anstechen des Kernes fuhr aus dem Innern 
eine ätzende Flüssigkeit mit grosser Gewalt heraus dem Patienten ins 
Gesicht und an die über 3 m hohe Zimmerdecke. Weydemann. 


Gerichtliche Medizin. 

M. Richter - München: Temperaturmessungen an Leichenorganen. 
(Aerztl. Sachverst. Zfcg., 1914, Nr. 11 u. 12.) Auf Grund von Tempe¬ 
raturmessungen an Leichenorganen lassen sich Anhaltspunkte zur Be¬ 
stimmung der Zeit des Todes gewinnen. Doch muss die Obduktion bald 
nach Auliindung der Leiche erfolgen. Der Temperaturausgleich zwischen 
den einzelnen Leichenorganen und der Umgebung erfolgt ungleichmässig, 
namentlich das Gehirn kühlt sich viel ungleichmässiger ab als die 
anderen Organe. 

Schilling - Schöneberg: Ein kasuistischer Beitrag zur Frage der 
Mängel im Entmündiguug8- und Pflegschaftsverfahren. (Aerztl. 
Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 12.) 

Liniger - Frankfurt a. M.: Drei interessante Haftpflichtfälle aus 
angeblich unrichtiger Behandlung seitens des Arztes. (Aerztl. 
Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 12.) H. Hirschfeld. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

Markus - Posen: Das neue städtische Krankenbans in Cottbus. 
(Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 7.) Beschreibung der Einrichtungen 
dieses, der Leitung von Thiem unterstellten, besonders der Behandlung, 
Beobachtung und Begutachtung Versicherter bestimmten Krankenhauses. 
Es enthält eine chirurgische, orthopädische und medicomechanische Ab¬ 
teilung, eine für innere, Nerven- und Kinderkrankheiten bestimmte 
Station, geburtshilflich-gynäkologische Räume, Abteilungen für Ohren-, 
Hals- und Nasenkranke, eine zahnärztliche Abteilung, Infektionsbaracken 
und ein Institut für bakteriologische und pathologisch-anatomische Unter¬ 
suchungen. 

Magnus: Die Gesetzentwürfe betreffend den gewerblichen Rechts¬ 
schutz und die Medizin. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 12.) 

R. Grünbaura-Wien: Ein einfacher Gelenkwinkelmesser für die 
Praxis. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 6.) Beschreibung und Abbildung 
eines Gelenkwinkelmesser9, der sehr praktisch sein soll und zum Preise 
von 10 M. bei Skotnitza in Wien zu haben ist. 

H. Engel- Berlin: Beitrag zur Beurteilung von Lungenentzündungen 
auf dem Gebiete der Versicherungsmedizin. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, 
Nr. 7.) Erörterungen dieses interessanten Kapitels an der Hand eines 
Gutachtens. 

Pietrzikowski-Prag: Beitrag zur Beurteilung eines Leisten- 
bruches als Unfallfolge. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 6.) Mitteilung 
eines Gutachtens, in welchem der Nachweis geführt wird, dass die auf 


einen Unfall zurückgeführte Verschlimmerung eines Leistenbruches un¬ 
abhängig vom Unfall entstanden sein muss. Besonders wird darauf Wert 
gelegt, dass längere Zeit nach der angeblich übermässigen Anstrengung 
keine Beschwerden bestanden, und dass sich bei der späteren Operation 
keine frischen Verletzungen der Brucbpforte zeigten, die übrigens ausser- 
gewÖbnlich gross war und auf ein schon langes Bestehen des Bruches 
hinwies. 

Meltzer-Freiberg: Die Schätzung der Erwerbsunfähigkeit bei der 
Neurasthenie. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 11.) Die sogenannten 
objektiven Symptome der Neurasthenie berechtigen an sich noch Dicht 
zur Annahme einer Beschränkung der Erwerbsfähigkeit. Die erstmalige 
Beurteilung der ErwerbsbeschränkuDg Neurasthenischer ist stets nur nach 
längerer Beobachtung, am besten in einer Klinik, vorzunehmen; sie soll 
zunächst stets eine zeitige, unter Annahme der zulässig kürzesten Fristen 
sein. 

Froehlicb: Ueber einen Fall von posttranmatischer Psychose. 
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 11.) Bei einer 49jährigen Frau ent¬ 
wickelte sich nach einem Eisenbahnunfall, bei dem wahrscheinlich nur 
ein heftiger Schreck stattgefunden hatte, eine posttraumatische Psychose, 
die eine Zeitlang eine Anstaltsbehandlung notwendig machte. Be¬ 
merkenswert ist, dass in diesem Falle, obwohl es sich um kleine Leute 
handelte, das Heilverfahren im Laufe von 5 Monaten 2065,55 M. kostete, 
wobei für nicht weniger als 260,70 M. Medikamente verbraucht wurden. 

Krüger-Franke - Cottbus: Ueber Schwangerschaft ausserhalb 
der Gebärmutter und Unfall. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 6.) Eine 
durch ein Trauma zum Platzen gebrachte Tubargravidität ist ausser¬ 
ordentlich selten, im Gegensatz zur Häufigkeit der Spontanruptur. Auch 
Verf. teilt einen Fall mit, in welchem der Zusammenhang einer platzenden 
Tubargravidität mit einer vorher stattgefundenen Kontusion des Bauches 
nicht angenommen werden konnte. Der Unfall hatte nämlich etwa 
7 Tage vor den ersten bedrohlichen Erscheinungen stattgefunden, nach¬ 
dem die Verletzte inzwischen wieder gearbeitet hatte. Etwa 17 Tage 
nach dem Unfall erfolgte der Tod, der auf eine Spontanruptur zurück¬ 
zuführen war. Um bei einer extrauterinen Gravidität mit solchem Aus¬ 
gang die ursächliche Folge eines Unfalls anzunehmeD, müssen folgende 
Bedingungen erfüllt sein: Es muss ein plötzliches und dem regelmässigen 
Betriebe fremdes Ereignis vorangegangen sein, es müssen sofort die 
Zeichen des Platzens einer schwangeren Tube aufgetreten sein, und es 
muss sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. 

H. Mohr - Bielefeld: Traumatisches Narbencarcinom der Ellen¬ 
bogenhaut; Tod infolge Carcinose der inneren Organe. (Mschr. f. Un¬ 
fallhlk., 1914, Nr. 6.) M. beschreibt die Entstehung eines Carcinoms an 
der Haut des Ellenbogens, die schon längere Zeit infolge einer Ver¬ 
brennung starke, zum geschwürigen Zerfall neigende Narben aufwics. 
Nach einem Schlag dieser Region gegen eine scharfe Eisenkante ent¬ 
wickelte sich eine eiternde, nicht zur Heilung kommende Wunde, die 
sich schliesslich als Plattenepithelcarcinom eiwies. Bei der Sektion fand 
man ausgedehnte Metastaseubildung. 

L. Hoffmann - Stettin: Der Bergonie-Apparat in der Unfallheil¬ 
kunde. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 6.) Empfehlung des Bergonie- 
Apparates, um kräftige und schmerzlose Muskelzuckungen an atrophi¬ 
schen Gliedern auslösen zu können. H. Hirschfeld. 


Technik. 

W. N. Clernm - Dresden: Eine neue Speiseröhre- und Magensonde 
mit Vorrichtung zn elektrischer Behandlung. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) 

H. Lohnstein-Berlin: Ein Urethroskop zur Hoohfrequenzbehand- 
lung von Affektionen der Harnröhre und des Blasenhalses. (D.m.W., 
1914, Nr. 30.) 

A. Schwarz-Dresden: Bandagen für Appendieitisnarhen und Bauch¬ 
brüche. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cnltur zn Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 26. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Küttner. 

Hr. Küttner: 

Bericht über 1100 in den letzten 7 Jahren behandelte Magenfälle. 

Redner legt seinen Standpunkt dar zu den wichtigsten Fragen der 
Magenchirurgie an der Hand eines reichen Materials, über das er be¬ 
richtet. Zur Erläuterung wird eine grosse Anzahl von Patienten vorge¬ 
stellt. Die Demonstrationen betreffen vor allem Carciuome, welche durch 
Resektion seit 3—21 Jahren geheilt sind und pylorusferne Ulcera, bei 
denen die einfache Gastroenterostomie die Heilung herbeiführte. 
Diskussion. 

Hr. Oppler: Da die Kürze der Zeit, die für die Diskussion heute 
zur Verfügung steht, leider ein genaueres Eingehen auf die zahlreichen 
interessanten Einzelfragen, die der Herr Vortragende bei seinen inbalts- 


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Original fro . 

UNIVERSITY OF IOWA 


24. Augost 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1583 


reichen Darlegungen angeschnitten hat, verbietet, so beschränke ich mich 
auf wenige Bemerkungen, die ich zudem nicht so ausführlich begründen 
kann, wie es wohl notwendig wäre. Höchst erfreulich ist die grosse 
Anzahl der Dauerheilungen bei den resezierten Carcinomen. Sie geht 
nicht nur über den von anderen Seiten publizierten Prozentsatz hinaus, 
sondern ist auch erheblich grosser, als das leider bei meinem Material 
der Fall ist. Sie macht uns Mut und legt die Verpflichtung auf, jeden 
einigermaassen geeigneten Fall dem Chirurgen zuzuführen. — Nicht ganz 
so gut wie die des Herrn Vortr. sind meine Erfahrungen über die Wirkung 
der einfachen Gastroenterostomie beim pylorusfernen Geschwür; sie sind 
nicht so schlecht, wie die vielfach von anderen Autoren behaupteten, 
aber in einer grösseren Anzahl bestehen doch — wenn auch das Ulcus 
vielleicht geheilt ist — noch recht erhebliohe Beschwerden, die zum 
Teil wohl auf den dauernden Gallerückfluss in den Magen, die Anacidi¬ 
tät, Verwachsungen und ähnliches zurückzuführen sind. Es wäre dooh 
genau zu prüfen, ob das nicht in grösserem Umfange auch bei den ge¬ 
heilten Fällen der heute vorgetragenen Statistik zutrifft. — Sehr denen 
der Internisten genähert haben sich die Anschauungen des Herrn Vor¬ 
tragenden über die sogenannte Frühdiagnose. Was ich bereits vor 
4 Jahren in der Breslauer chirurgischen Gesellschaft ausgeführt habe, 
besteht, wie wir gehört haben, noch heute zurecht: Die Kranken suchen 
wegen zu geringer Beschwerden oft zu spät den Arzt auf; tun sie es 
erst, so sind unsere diagnostischen Mittel schon jetzt in 99 pCt. der 
Fälle ausreichend, die Diagnose zu stellen. Eine „Frühdiagnose“ im 
Sinne der „Frühoperation“ ist es aber auch dann in den seltensten 
Fällen. Für die Diagnose der übrigbleibenden Fälle haben auch die 
neueren Methoden, wie Röntgenbild, Abderhalden usw., noch nichts ge¬ 
fördert, während für Lokalisation und Differentialdiagnose das erstge¬ 
nannte Verfahren manches leistet. Sollte es aber selbst einst gelingen, 
diesen kleinen Rest diagnostisch zu fassen, so wird das aus dem zuerst 
genannten Grunde auf die chirurgischen Resultate ohne wesentlichen 
Einfluss bleiben. Es kommt bei den zweifelhaften Fällen alles auf 
die klinische Erfahrung des einzelnen Arztes an, und deswegen glaube 
ich auch nicht, dass in einer grösseren Anzahl Fälle — wie der Herr 
Vortragende meint — zu lange konservativ behandelt wird, wenigstens 
nicht von genügend vorgebildeten Aerzten. Zudem spielt die Wachs¬ 
tumsenergie des Tumors im Einzelfalle für die Dauerprognose eine viel 
grössere Rolle als der in Betracht kommende Zeitverlust. — Sehr inter¬ 
essant war mir noch, dass Herr Küttner sich eines von chirurgischer 
Seite so oft für eine operative Behandlung des Ulcus geltend gemachten 
Arguments — in Uebereinstimmung mit meinen Erfahrungen — begeben 
hat, nämlich des häufigen Ueberganges des Ulcus io ein Carcinom. Man 
kann bei der Häufigkeit beider Erkrankungen den geringen Prozentsatz 
der Fälle, wo beide Erkrankungen sicher nachgewiesen sind, wirklich 
sehr wohl aus einem einfachen Neben- oder Nacheinander ohne Causal- 
neius erklären. 

Hr. Henke: Ich möchte zunächst Herrn Küttnor dafür danken, 
dass er auch als Kliniker sich auf den Standpunkt stellt, dass für die 
Frage, ob aus einem runden Magengeschwür, speziell dem Ulcus callosum, 
häufig oder selten ein Carcinom später entsteht, die genaueste anato¬ 
mische Untersuchung resezierter oder bei der Obduktion gewonnener 
Mageopraparate für ausschlaggebend hält. Ich möchte an dieser Stelle 
nur ganz kurz den Standpunkt zum Ausdruck bringen, den ich mir auf 
Grund der Untersuchungen eines seit langem gesammelten Materials ge¬ 
bildet habe, das ich zu einem Teil auch der Liebenswürdigkeit des 
Herrn Kollegen Küttner verdanke. — In erfreulicher Uebereinstimmung 
mit dem Herrn Vortragenden komme ich gegenüber den Anschauungen 
der amerikanischen Chirurgen, besonders von Mayo und seiner Schule, 
zu der Auffassung, dass das Hervorgehen eines Carcinoms aus einem 
Ulcus im ganzen als ein seltenes Ereignis betrachtet werden muss. Da¬ 
gegen ergibt die genaue histologische Untersuchung, dass eine ganze 
Anzahl von Geschwüren mit verhärteten Rändern, bei denen makro¬ 
skopisch die Diagnose, ob Carcinom oder Ulcus, zweifelhaft bleibt oder 
die gar als Ulcus callosum direkt imponieren, sich bei der mikroskopi¬ 
schen Untersuchung als sichere Carcinome erweisen. Daraus würde sich 
der ja auch von Payr besonders betonte praktische Standpunkt ergeben, 
dass man ein solches zweifelhaftes Ulcus lieber reseziert, weil die Mög¬ 
lichkeit besteht, dass ein Carcinom vorliegt. Für die Begründung meiner 
Ansichten verweise ich im übrigen auf die auf der letzten Tagung der 
deutschen pathologischen Gesellschaft in München gemachten Aus¬ 
führungen. 

Hr. Weil: Rö'ntgenMlder von Magenoperierten. 

Demonstration von zahlreichen typischen Röntgenbildern, zuerst von 
Magenresektionen, nach der Methode von Billroth I und II. Die 
Röntgenbilder zeigen die Form des Magenrestes und die ausserordent¬ 
lich rasche Entleerung desselben. Schon nach 15 Minuten kann die ge¬ 
wöhnliche Wismutmenge in den Dünndarm vollständig übergetreten sein. 
Die Entleerung des resezierten Magens erfolgt teils kontinuierlich, teils 
beschleunigt durch Kontraktion der Magenwand. Der Magenrest nach 
CarciDomresektion entleert sich in derselben Weise wie der nach Ulcus- 
resektion. Der Säurereflex des Duodenums wirkt nicht auf die Gastro¬ 
enterostomie. Recidive nach Carcinomresektionen sind zuweilen auf dem 
Röntgenbild zu erkennen,, häufiger versagt das Röntgenbild. „Magen¬ 
drücken“ wird zuweilen empfunden, wenn der Magen schon völlig ent¬ 
leert ist, kann also vom Darm ausgelöst werden. 

Für die Beurteilung der Gastroenterostomie ist die Durchleuchtung 
öfters wichtiger als das Radiogramm. Nur recht selten, in 4 Fällen von 


etwa 120 Untersuchten, fand sich die neue Magendarmverbindong zuge¬ 
wachsen. Die Gastroenterostomie funktioniert auch bei offenem Pylorus. 
Es besteht hier ein Gegensatz zu den Tierexperimenten, bei denen Ver¬ 
schluss des Pylorus Vorbedingung einer Entleerung durch die Gastro¬ 
enterostomie ist. Je rascher der Magen sich entleert, desto besser ist 
das Resultat der Operation. Demonstration von Bildern, bei denen nur 
die Gastroenterostomie vom Wismutbrei benützt wird und von anderen, 
bei denen sowohl der Pylorus wie die Gastroenterostomieöffoung benutzt 
wird. 

Demonstration eines Bildes einer Pylorusausachaltung nach v. Eiseis¬ 
berg, bei dem sich das Duodenum rückläufig mit Wismutbrei füllte. 
Fascienumschnürungen des Pylorus und Pylorusverengerungen durch Naht 
werden, wie demonstriert wird, wieder durchgängig. Demonstration eines 
Bildes eines Sanduhrmagens mit Gastroenterostomie, auf dem die Ent¬ 
leerung sowohl durch die Gastroenterostomie wie durch die Sanduhrenge 
gut erkennbar ist. 

Demonstration mehrerer Bilder von pylorusfernen Ulcerationen an 
der kleinen Kurvatur, mit Gastroenterostomie behandelt. In mehreren 
Fällen entleert sich der Magen so rascb, dass kein deutliches Bild zu¬ 
stande kommt. In anderen Fällen sieht man noch, obwohl der Patient 
klinisch geheilt ist, den Ulcuskrater an der kleinen Kurvatur, Spasmen 
an der grossen Kurvatur bei gut funktionierender Gastroenterostomie. 

Zuletzt werden Bilder gezeigt von Patienten, bei denen die Gastro¬ 
enterostomie keinen Erfolg hatte. Auf einem Bilde sieht man, dass die 
Gastroenterostomie fast völlig wieder zugegangen ist und der Magen in¬ 
folge von Pylorospasmus sich ausserordentlich langsam entleert. 

Auf einem weiteren Bild ist ein Ulcus pepticum jejuni, das dann 
später operativ entfernt wurde, schön erkennbar. 

Zuletzt warnt der Vortragende davor, nach Operationen am Magen 
allzufrüh Wismutaufnahmen zu machen, ln einem Falle, bei dem 
12 Tage nach der Gastroenterostomie Wismut gegeben wurde, trat von 
da ab unstillbares Erbrechen ein, das nicht zu bekämpfen war, und der 
Patient starb trotz Relaparotomie und neuer Gastroenterostomie. Die 
Sektion ergab die erste Gastroenterostomie für zwei Finger durchgängig, 
wenige Verwachsungen in ihrer Umgebung. 

Hr. W. V. Simon: 

Erfahrungen mit dem Friedm&nn’schen Tnberknlosevacein. 

M. H.! Als Friedrich Franz Friedmann am 6. IX. 1912 in 
der Berliner medizinischen Gesellschaft über das von ihm angegebene 
Heil- und Schutzmittel zur Behandlung der Tuberkulose und Scrofulose 
gesprochen batte und zum ersten Male über anscheinend ausserordent¬ 
lich günstige mit diesem Mittel erzielte Erfolge berichtet wurde, glaubte 
wohl die Mehrheit der deutschen Aerzte — ungeachtet einer gewissen 
Reserve, die wir ja derartigen Mitteln, durch die Erfahrung gewitzigt, 
entgegenzubringen pflegen, vor einer neuen Aera der Behandlung der 
Tuberkulose zu stehen. 

Selbst Aerzte, die noch keine überzeugenden Resultate gesehen 
hatten, konnten sieb doch des Eindrucks, dass eine Beeinflussung durch 
das Mittel statthabe, nicht erwehren. 

Die Demonstrationen, die am 25. X. 1913 Schleich, Müller, 
Thalheim, Immelmann undFriedmanu in der Kraus’schen Klinik 
abhielten, bestärkte noch mehr den guten Eindruck, auch Kraus selbst 
schien das beste von dem Mittel zu erhoffen, so dass, da in dieser 
Sitzung den Aerzten das Mittel freigegeben wurde, es als Pflicht ange¬ 
sehen werden musste, dasselbe bei der Behandlung der Tuberkulose an- 
zuwenden. 

So hat auch mein Chef, Herr Küttner, die Verwendung des Fried- 
mano’schen Mittels bei der Behandlung der chirurgischen Tuberkulosen 
an unserer Klinik angeordnet und mich freundlicherweise mit deren Aus¬ 
führung beauftragt. Ueber die Resultate möchte ich Ihnen im folgen¬ 
dem berichten: 

Voransschicken möchte icb, dass die viel zu lesende Bezeichnung 
„Friedmann’sches Tuberkuloseserum“ nicht zutreffend ist. Viel¬ 
mehr handelt es sich um ein Vaccin, und zwar um ein lebendes Vaccin, 
das aus angeblich völlig avirulenten Kaltblütertuberkelbacillen bestehen 
soll, die schon von Natur avirulent, noch durch verschiedene Züchtungen 
und Passagen weiter mitigiert sein sollen. Diese AVirulenz der Bacillen 
wird übrigens von Lydia Rabinowitsch auf Grund von Tierversuchen 
angezweifelt. 

Auch möchte ich an dieser Stelle auf die von einigen Autoren fest¬ 
gestellte Tatsache hinweiseD, dass sich die Fried man n’schen Bacillen 
von anderen Kaltblütertuberkulosebacillen dadurch auszeichneo, dass sie 
bei 37° im Brutschrank üppig wachsen, eine Tatsache, die doch bezüg¬ 
lich der Frage ihrer Pathogenität für den Warmblüterkörper nicht ganz 
zu vernachlässigen ist. 

Die dem Friedman n’schen Mittel zugrunde liegende theoretische 
Erwägung, zur Immunisierung lebende Bakterien zu verwenden, ist nicht 
neu. Ich verweise auf ähnliche Versuche, die von Pasteur, Behring, 
Möller u. a. ausgeführt worden sind. 

Wir haben mit dem Friedmann’schen Vacoin 26 Fälle gespritzt. 
Drei weitere Patienten wurden ebenfalls einer Injektion unterworfen, 
doch müssen sie von der Besprechung ausgeschaltet werden. Bei dem 
einen handelte es sich wahrscheinlich um eine Fehldiagnose (Spondy¬ 
litis), auch kam die Patientin so unregelmässig in die Klinik, dass eine 
sachgemässe Behandlung unmöglich war. Es bildete eich bei ihr ein 
Abseess an der Stelle der Gesässinjektion. Zwei andere Patienten 
wurden einige Tage nach der Injektion operiert. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 




1584 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


Einen weiteren Fall, bei dem nach dem histologischen Bilde die 
Diagnose auf Tuberkulose nicht sicher ist, möchte ieh — er ist unge- 
bessert — nicht mit zur Beurteilung heranziehen. 

Es bleiben also 26 Fälle übrig, die ich nach dem klinischen Bilde, 
das wir von ihnen bei der Aufnahme und nach dem bisherigen Verlauf 
hatten, in leichte, mittelschwere, schwere und infauste Fälle eingeteilt 
hatten. 

Unsere Resultate waren nach dieser Einteilung folgende: 

Von 5 leichten Fällen sind gebessert 3. Eine auffallende 
Besserung ist nicht darunter. Anderen bisher gebräuchlichen Tuberku¬ 
losenmitteln hat sich in diesen Fällen das Friedmann’sche Vaccin 
nicht überlegen gezeigt. 

Ungebessert: 2. Der eine von diesen ist sogar etwas schlechter, 
bei dem anderen muss hervorgehoben werden, dass Friedman» nach 
neuerlichen Angaben diese Form der Erkrankung auf andere Weise 
spritzt, wie es bei uns geschehen ist. 

Von 8 mittelschweren Fällen sind gebessert: 1. Dieser Fall 
ist ganz auffallend gebessert, und hätte dieses Resultat kaum mit 
einem Mittel erreicht werden können. 

Ungebessert: 4 Fälle. Einer von diesen ist sogar vielleicht etwas 
schlechter geworden, bei einem anderen bat sich das Allgemeinbefinden 
sicher verschlechtert. 

Verschlechtert: 3 hülle, wenn auch bei dem einen die Schmerzen 
besser sind. I 

Von 9 schweren Fällen sind gebessert: 1 Fall in geringem 
Maasse; doch hätte sich dies auch wohl mit einem anderen Mittel er¬ 
reichen lassen. 

Unverändert: 3 Fälle. 

Verschlechtert: 5 Fälle, und zwar alle in hohem Maasse. 

Von 4 infausten Fällen fehlt eine Antwort von einem Fall. 

Gebessert: Kein Fall. 

Unverändert: Kein Fall. 

Gestorben: 3 Fälle. Bei dem einen dieser Falle hat doch viel¬ 
leicht das Mittel den traurigen AusgaDg beschleunigt. 

Sie sehen also, dass unsere Resultate nicht nur nicht befriedigend, 
sondern sogar im höchsten Grade deprimierend sind, uud dass die Re¬ 
sultate mit zuoehmeuder Schwere der Fälle immer schlechter werden. 

Der erzielten Besserungen sind nur wenige, ln 4 dieser Fälle ging 
die Besserung nicht über das Maass dessen heraus, was wir zm minde¬ 
sten auch mit den bisher üblichen Mitteln erreicht hätten. 

Nur in einem Fall von fistelnder Schultergclenkstuberkulose, der 
ausserordentlich stark und atypisch auf die Injektion reagierte und 
deutliche Ueberempfindlichkeitssymptome zeigte, war die Besserung so¬ 
wohl in klinischer als in funktioneller Hinsicht eklatant. In diesem 
Fall müssen wir unbedingt zugeben, dass wir wohl mit keinem anderen 
Mittel, eine Sonnenkur in Leysin vielleicht ausgenommen, etwas ähn¬ 
liches, besonders in der relativ kurzen Zeit, hätten erreichen können. 

Erwähnen muss ich auch die Besserung, die man zuweilen im 
direkten Anschluss an die Injektion zu sehen bekommt, und die in der 
Tat zuweilen erstaunlich ist. 

Ein äusserst elendes und erbärmliches Kind, das mit starken 
Schmerzen in dem tuberkulösen Ellenbogen, mit Blepharospasmus in¬ 
folge phlyktänulöser Conjunctivitis zu uds kam, war bereits am 2. Tage 
nach der Injektion wie umgewandelt. Die Schmerzen waren im hohen 
Grade vermindert, der Blepharospasmus geschwunden, das Kind sprach 
und spielte in seinem Bettchen. Auch bei einem anderen Fall war ein 
Schwinden der tuberkulösen Eczeme und der phlyetäuulüsen Kerato¬ 
conjunctivitis zu verzeichnen, welch letztere allerdings später in starker 
Verschlimmerung recidivierte. 

Ebenso zeigten viele andere Fälle zuerst eine allerdings schnell 
vorübergehende Besserung der Bewegung und besonders auch der 
Schmerzen, welch letztere zuweilen selbst bei bedeutender klinischer 
Verschlechterung andauerten. 

Bevor ioh auf die Verschlechterung eingehe, die ich bei den von 
mir behandelten Fällen gesehen habe, möchte ich noch kurz die in der 
Literatur viel diskutierte Frage der Fieberreaktion und der In- 
filtratbildung streifen. Während nach der intramuskulären Injektion 
Temperaturanstiege nicht häufig und meist nur subfebril sind, so ist 
nach der intravenösen bzw. nach der Simultaninjektion hohe Fieber¬ 
reaktion bis um 40 Grad und hoher die Regel, die etwa innerhalb dreier 
Tage abzufallen pflegt. Während von anderer Seite sehr bedrohliche 
Reaktion gemeldet wurde, sogar einzelne Todesfälle zur Beobachtung 
kamen, haben wir nichts dergleichen erlebt. Der eine Fall — der einzige 
übrigens, bei dem ein glänzendes Resultat erzielt wurde, hatte allerdings 
eine ziemlich laDgdauernde atypische Fieberuog mit Herderscbeinungen, 
die uns etwas beunruhigte. Jedoch war der Allgemeinzustand nicht 
direkt bedrohlich. Ein anderer Patient, den ich gemeinsam mit Herrn 
Weber behandelte, zu dessen Klientel er gehörte, bekam am 
5. Tage nach der Injektion nach anfänglicher Besserung eine starke 
Herzattacke. Es handelte sich hier jedoch um einen völlig hoffnungs¬ 
losen Fall mit ausgedehnter Lungen- und Fusstuberkulose, bei dem diese 
Herzattacke, die sich auch wieder besserte, nicht mit Sicherheit dem 
Vaccin zur Last gelegt werden kann. 

Einige Autoren wollen, nachdem sich die Verunreinigung des Mittels 
mit andern Bakterien herausgestellt hat, die Temperaturanstiege und 
überhaupt die Reaktionserscbeinuogen in ihrer Gesamtheit auf die bak¬ 
terielle Infektion des Vaceins zurüokführen. Diese Ansicht muss ich 
in dieser Verallgemeinerung zurückweisen. Auch der von Vulpius 


mitgeteilte Todesfall scheint mir keine akut tödlich verlaufende Sepsis 
zu seiD, wie er es auffasst. Vielmehr glaube ich, dass es sich hierbei 
um typische Ueberempfindlichkeitssymptome handelt. Fieber, 
Dyspnoe, Exantheme, DrüsenschwellungeD, die andere Autoren und auch 
ich beobachten konnten, schliesslich Exitus letalis unter krampfartigen 
Zuckungen, wie es Vulpius erlebte, das alles entspricht mehr dem 
Bilde der spezifischen Ueberempfindlichkeit als dem der Sepsis. Uebrigens 
möchte ich hervorheben, dass auch Herdreaktionen, z. B. vermehrter 
Eiterausfluss aus den Fisteln beobachtet werden. 

Ebenso möchte ich das Infiltrat, das sich an der glutäaien la- 
jektionsstelle zu bilden pflegt, und dem Friedmann und Schleich 
als organische Apotheke soviel Gewicht beilegen, lediglich als Ueber- 
erapfindlichkeitssymptom und als nichts anderes als eine sozusagen sub- 
cutane Pirquet’sche Reaktion ansehen. In den stark progressiven 
Fällen sowie bei Säuglingen bildet sich weder die Pirq uet’sche-Reak¬ 
tion noch das Gefässinfiltrat aus. In meiner im Druck befindlichen 
grösseren Arbeit 1 ) bin ich ausführlich auf diese Frage eingegangen. Ich 
habe die Vermutung ausgesprochen, dass der Umstand, dass nach der 
isolierten intravenösen Injektion nach anfänglicher starker Besserung 
plötzlich ein Stillstand des Heilprozesses stattfinden soll, dass weiter 
durch die Simultaniojektion bzw. durch die intravenöse Zwischen inj ektion 
das Infiltrat leichter resorbiert wird, d. h. leichter verschwindet, wohl 
so zu erklären ist, dass der Körper durch die Ueberschwemmung des 
Organismus mit den Tuberkelbacillen genau wie bei progressen Phthisen 
die Fähigkeit der Antikörperbildung verliert. Ich habe daraus die Un¬ 
statthaftigkeit der intravenösen Applikation gefolgert. 

Als Heildepot kann man das Gesässinfiltrat natürlich nur so lange 
ansehen, als in ihm lebende BacilleD vorhanden sind, die zur Antikörper¬ 
bildung Veranlassung geben. Wie lange diese aber in ihm vorhanden 
sind, weiss man nicht. Gegen die Bedeutung als Heildepot spricht 
ausserdem, dass das Infiltrat, nachdem es schon längere Zeit verschwunden 
war, wiederaufflackern kann. Auch klinisch habe ich keine Beziehungen 
zwischen Gesässinfiltrat und Heiltendenz feststellen können. 

Abscedierungen des Infiltrats, über die von anderer Seite 
sehr geklagt wird, habe ich unter meinen simultan gespritzten Fällen 
nur einmal gesehen. Dieser aber kann, wie ich oben erwähnte, aus 
mehreren Gründen nicht mit zur Beurteilung herangezogen werden. Bei 
den intramuskulär injizierten Fällen bildeten sich einige Male Abscesse, 
deren Durchbruch durch die in diesen Fällen vorgeschriebene intravenöse 
Zwischeninjektion wohl etwas aufgebalten und wahrscheinlich auch ver¬ 
mindert, aber nicht völlig verhindert werden konnte. 

Als Ursache für die Abscedierungen muss man in einem Teil der 
Fälle wohl Infektionen primärer (durch das Mittel) oder sekundärer 
Art (durch lufektion des lojektionsstiches) annebmen. 

Im allgemeinen aber glaube ich, dass Friedmann recht bat, wenn 
er sie ebenfalls für eine Ueberempfmdlichkeitserscheinung hält und be¬ 
dingt durch die in den Tuberkelbacillen enthaltenen wachsartigen Sub¬ 
stanzen, die die Resorption des Eiweisses verhindern. 

Wir kommen nun zu dem traurigen Kapitel uoserer Friedmann’schen 
Versuche, zu den Verschlechterungen, die wir gesehen haben: be¬ 
stehende Fisteln vermehrten und vergrösserten sich, es kam bei ge¬ 
schlossenen Tuberkulosen zur Bildung von Abscessen und Fisteln. la 
anderen Fallen traten neue Herde auf, schon bestehende Herde ver¬ 
schlimmerten sich in starker Weise. Auffallend war auch die häufige 
Exacerbierung und Ausdehnung von Lungenerscheinungen. Io 
einigen Fällen habe ich eine eigentümliche Periostitis beobachten 
können, deren Vorkommen ja sonst bei Tuberkulosen nicht allzubäufig, 
wenn auch zuweilen zu beobachten ist. 

Traurig war es für uns, dass sich gerade einige der Fälle, die zuerst 
eine so erstaunliche Besserung gezeigt batten, nachher desto eklatanter 
verschlechterten. So recidivierte bei dem einen Knaben die Keratitis 
so, dass sie zur völligen Zerstörung der Cornea führte. Bei dem kleinen 
Mädchen mit Ellenbogentuberkulose, das, wie ich ebenfalls früher be¬ 
richtet habe, zuerst eine so erfreuliche Besserung aufwies, trat ebenfalls 
später ausser einem neuen Herde am Fusse eine eDorme Verschlechte¬ 
rung des Ellenbogens auf. Es bildeten sich grosse Fisteln, die ausser¬ 
ordentlich stark sezernieren und auch nicht die geringste Heiltendenz 
aufweiseD. Der Nachweis, ob es sich bei diesen Verschlechterungen um 
den natürlichen Verlauf der unbeeinflussten Krankbeit handelte oder ob 
ein direkter Zusammenhang mit der Behandlung besteht, ist natürlich 
sehr schwierig. Abgesehen von einem Patienten, der eine Thrombose des 
Beines bekam, die wohl ganz sicher auf die Injektion zu beziehen ist, 
spricht in einigen anderen Fällen die zeitliche Aufeinanderfolge der 
Verschlechterungen für diese Annahme. 

Besonders scheinen die Fälle zur Verschlechterung zu neigeD, bei 
denen noch ein anderer Herd (z. B. in der Lunge) vorliegt. 

Schon bevor die Veröffentlichungen erschienen, die die von den in 
den Friedmann’schen Vaccin gefundenen bakteriellen Verunreinigungen 
berichteten, hatte ich den Verdacht, dass es sich um Mischiofektionen 
handeln könne, ein Glaube, der sich nach dem Erscheinen dieser 
Arbeiten noch befestigte. Für einen Teil der Fälle ist dies auch sicher 
als wahrscheinlich anzunehmen, doch bin ich im allgemeinen von dieser 
Ansicht zurückgekommen, da in einigen von mir untersuchten Fällen 
der Eiter steril war. 

12 Ampullen, die ich mir nach dem Erscheinen der Arbeit von 
Laubenheimer usw. kommen liess, und für deren bakteriologischen 

1) Beitr. z. klin, Chir., 1914. 


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U Ml V ERSITY OF IOWA 




24. AogPSt 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1585 


Untersuchungen ich dem hygienischen Institut dankbar bin, erwiesen sioh 
als nicht verunreinigt. Vorher hatte ich eine solche Untersuchung nicht 
▼orgenommen, da mir die Annahme einer bakteriellen Verunreinigung 
des zum Teil intravenös anzuwendenden Mittels als ausserhalb des 
Bereichs der Möglichkeit liegend erschien. Dass doch — wie es nun¬ 
mehr aus zahlreichen Untersuchungen sichergestellt ist — Verunreini¬ 
gungen des Vaccins Vorkommen konnten, ist bedauerlich. Noch weit 
bedauerlicher ist es aber, dass die Fabrik gar kein Verständnis für 
diese ihre Fahrlässigkeit zu haben soheint, wurde doch E. Frank auf 
eine Anfrage die Antwort zuteil, das müsste er doch wissen, dass, wenn 
im Laboratorium Röhrchen abgefüllt würden, ein Luftzug Staphylokokken 
und andere Bakterien hereinbringen könnte. 

Worauf nun sonst die Verschlechterungen beruhen können, kann 
man noch nicht entscheiden: ob sie den natürlichen Verlauf der Krankheit 
darstellen, ob sie als protrahierte Herdreaktionen aufzufassen sind, be¬ 
dingt durch die Anwesenheit lebender Bacillen oder ob eine Aenderung 
der Virulenz resp. Avirulenz der Tuberkelbacillen eine deletäre Rolle 
spielt (Bildung neuer Herde), das kann man bisher noch nicht wissen. 
Auch muss man daran denken, dass es sich um ähnliche Vorgänge 
handeln kann, wie wir sie bei der Bildung von verkäsenden Knötchen 
im Tierversuch (Rabinowitsch) und bei der Bildung von Impf- 
absoessen sehen. 

Ich komme nun zur Frage der Beurteilung des Mittels. Und da 
muss ioh ungeachtet meiner schlechten Erfolge an dem festhalten, was 
ich schon auf dem diesjährigen Orthopädenkongress ausführte. Wir 
können das Mittel bisher nicht beurteilen und zwar aus folgenden 
Gründen. 

Wir haben das Mittel klinisch nicht völlig ausgeprobt, denn wir 
haben nach der Nachricht, dass Verunreinigungen gefunden waren, das 
Mittel nioht mehr angewandt. Daher ist ein grosser Teil der Fälle nur 
einmal gespritzt. Allerdings wurde dies nach einer Erklärung, die 
Fried mann neuerdings abgegeben bat — ioh komme gleich darauf 
zurück — gerade den Friedmann’soben Indikationen entsprechen. 
Zweifellos müssen wir offen zugeben, dass wir solche Verschlechterungen 
gesehen haben, die uns schon deshalb zum Abbruch der Friedmann’schen 
Behandlung veranlassen, aber wir wissen ja gar nicht, was wir injiziert 
haben, was für Bakterien resp. bakterielle Toxine wir mitinjiziert haben, 
ob sich das Vaccin bei der nachlässigen fabrikatorischen Darstellung 
nicht verändert hat. 

Denn dass eine Aenderung gegen früher stattgefunden haben muss, 
ist sicher, sonst Hessen sich nicht die guten Erfolge früherer Unter¬ 
sucher erklären, die man doch nicht einfach alle, wie Brauer es tut, 
als „Friedmann und seine Helfer“ abfertigen kann. Ich erinnere 
z. B. an Immelmann, der doch objektive rontgenologisohe Unterlagen 
zeigte. Worauf diese Aenderung beruht, das können wir bisher noch 
nicht wissen. 

Sehr eigenartig und verstimmend muss es allerdings wirken, dass 
fast keiner von denen — Immelmann ausgenommen —, die früher so 
gute Resultate gesehen hatten, in der auf Karewski’s Vortrag in der 
Berliner medizinischen Gesellschaft folgenden eingehenden Diskussion 
das Wort ergriff. Weder Friedmann noch Schleich, Thalheim, 
E. Müller Hessen sich hören. Man weiss nicht, was man zu diesem 
Verhalten, was auch Karewski in seinem Schlusswort gebührend ge¬ 
tadelt hat, sagen soll. 

Eine ganz schwache Erklärung hat Fried mann in der letzten 
Nummer der Deutschen medizinischen Wochenschrift abdruoken lassen. 
Hiernach scheint er alle Misserfolge darauf zurückfübren zu wollen, dass 
die Fälle zu oft gespritzt sind. Neuerdings hält er es für ratsam, bei 
den intramuskulären gespritzten Fällen 4, 5 Monate und länger, bei den 
simultan gespritzten Fällen gar 10—12 Monate, mindestens bis zur 
zweiten Injektion zu warten. Die Verschlimmerung, z. B. neu auf¬ 
tretende Herde, sei in der Regel nur vorübergehender Natur und 
bildete sich ohne jeglichen Eingriff zurück, wenn man nur die Geduld 
hätte, ein paar Monate zu warten. 

Nun, m. H., ich habe schon oben gesagt, dass meine meisten Fälle 
nur einmal injiziert sind. Sie würden also der neuerdings von Fried- 
mann aufgestellten Indikation vollauf entsprechen. Ich habe trotzdem 
nichts von Erfolgen gesehen. Die Verschlechterungen haben sich nicht 
xurückgebildet, sondern haben im Gegenteil weiter um sich gegriffen, 
und den Mut, noch einige Monate zu warten, habe ich auch nicht ge¬ 
habt. Denn dann hätte ich mich moralisch und wohl auch juristisch 
strafbar gemacht. Vielmehr haben wir nunmehr eine rationelle Be¬ 
handlung eingeleitet. 

Zusammenfassend müssen wir sagen: In seiner jetzigen Gestalt — 
denn dies können wir beurteilen — ist das Mittel völlig unbrauchbar. 
Es ist weder unschädlich, noch wirkt es prophylaktisch. Seine An¬ 
wendung am Menschen wäre — auch nach den anderen gemachten Er¬ 
fahrungen — ein Verbrechen. Es ist daher mit Genugtuung zu be- 
gpüssen, dass die Medizinalbehörde neuerdings in einem offiziösen Artikel 
in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ vor der Anwendung des 
Friedmaun’schen Mittels warnt. Ein Verbot, das Mittel überhaupt an¬ 
zuwenden, bevor nicht seine Unschädlichkeit durch sorgfältig durch¬ 
geführte Laboratoriumsversuche garantiert ist, konnte die Regierung aus 
juristischen Gründen nicht aussprechen. Das Mittel ist viel zu früh 
zur Behandlung der menschlichen Tuberkulose herausgekommen, und 
das ist daher zu tadeln. Seine PrüfuDgszeit im Laboratorium ist noch 
lange nicht beendigt; vor allem müssen wir endlich auf genaueste An¬ 
gabe der Art und der Zubereitung des Vaccins dringen, was uns immer 


von Friedmann versprochen, aber nie gehalten ist Andere Appli- 
kations- und Dosieruogsarten — ioh bin in meiner ausführlichen Arbeit 
darauf naher eingegangen — werden vielleicht bessere Erfolge zeitigen. 
Trotz aller bisherigen Misserfolge geben manche berichteten Erfolge so¬ 
wie manche unmittelbar in die Injektion eintretende Besserungen zu 
denken. Vielleicht wird fleissige, stille, auf eingehende Laboratoriums- 
versuohe gestützte Forscberarbeit doch noch später einmal dies Mittel 
oder ein ihm theoretisch ähnliches Mittel der Therapie der Tuberkulose 
zugänglich machen können. Diese Hoffnung ist allerdings, das können 
wir uns nicht verhehlen, nach den in letzter Zeit von allen Seiten her 
ein treffen den ungünstigen Berichten nur ausserordentlich gering. 

Diskussion. 

Hr. E. Neisser: Die optimistischen Artikel in der Tagespresse vor 
und unmittelbar nach der Einführung des Friedmann’schen Mittels 
hatten die Situation der Aerzte in der Aussenpraxis gegenüber dem 
Publikum ausserordentlich erschwert. Die Verwirrung ist durch Fried- 
mann, der das Mittel eben nicht genügend geprüft an die Oeffentlicb- 
keit brachte, noch gesteigert worden, indem er in der ursprünglichen 
Indikationsstellung als Zeitpunkt der zweiten intramuskulären Injektion 
8 Wochen Zwischenraum seit der ersten gelten liess, neuerdings aber 
die zweite nicht vor dem 4.-5. Monat gemacht wissen will. Eine Ver¬ 
schlechterung des Befundes infolge der zweiten Injektion erscheint nioht 
ausgeschlossen bei einem elfjährigen Mädchen, das wegen Drüsen- und 
Lungenaffektion ein Jahr zuvor nach ergebnislosem Aufenthalte in 
Görbersdorf eine erfolgreiche Tuberkulinkur durchgemacht hatte, in den 
ersten Januartagen 1914 Friedmann I 0,25 intramuskulär wegen Testie¬ 
render Halsdrüsen erhielt und zunächst (ohne Abscessbildung an der 
Injektionsstelle, lediglich geringes Infiltrat) eine schnell auftretende, ge¬ 
wisse Besserung aufwies: Zerteilung der Drüsenpakete in kleinere Einzel¬ 
drüsen, Gewichtszunahme von 8 Pfund in einer Woche — vorher nie 
beobachtet. Entsprechend der aus dem Friedmann’schen Institut ge¬ 
gebenen Auskunft, „dass eine zweite Iojektion auch nach vorhergehender 
Tuberkulinisierung erst dann in Frage kommt, wenn ein mehrwöchiger 
Stillstand in dem durch das Mittel angebahnten Heilungsprozess ein¬ 
getreten ist,“ erfolgte die zweite Einspritzung Anfang April, also 
8 Monate später; in den nächsten Wochen Abnahme um 8 Pfund, starke 
Drüseopakete an anderer Stelle (Achselhöhle) und Temperaturen zwischen 
37—37,5° im After, früher nie über 37°. 

Weitere drei Beobachtungen (Lungentuberkulose und Reotalaffektion) 
waren gleichfalls nicht ermutigend und festigten die Ueberzeugung, dass, 
auch wenn man dem Tuberkulin kritisch von Fall zu Fall gegenüber¬ 
steht, mit einer unter allen Kautelen vorgenommenen Tuberkulinkur 
bessere Resultate erzielt werden können. 

Hr. Minkowski hat 10 Fälle von Lungentuberkulose mit dem 
Friedmann’sohen Mittel behandelt. Von diesen verliess nur einer die 
Klinik in gebessertem Zustande. Aber auch diesem soll es später 
wieder schlechter gegangen sein. In mehreren Fällen konnte man sioh 
dem Eindruck nicht entziehen, als ob durch die Injektionen der un¬ 
günstige Ausgang beschleunigt wurde. 

Hr. Küttner warnt eindringlich vor dem nicht nur nutzlosen, 
sondern schädlichen und gefährlichen Mittel. Er betont die vollkommene 
Einmütigkeit in der Verurteilung, welche bei allen an der Konferenz im 
Ministerium des Innern Beteiligten, mochten sie Internisten, Chirurgen, 
Heilstätten- oder Kreisärzte sein, zutage trat. 

Hr. W. V. Simon (Schlusswort): M. H.! lob möchte voll und ganz 
unterstreichen, was Herr Neisser über den schädlichen Einfluss der in 
den Tageszeitungen erschienen Artikel gesagt hat. Ich bin auch auf 
diesen Punkt in meiner Arbeit ausführlich eingegangen und habe doch 
speziell den in der Schlesischen Zeitung erschienenen Feuilletonartikel 
zweier Breslauer Aerzte kritisiert. Nicht nur, dass durch solohe 
Schreibereien die Patienten in ein Uebermaass der Hoffnungsfreudigkeit 
geraten, um nachher desto jäher enttäuscht und entmutigt zu werden. 
Es wird duroh solche Zeitungsartikel ungewollt — ich betone das 
ausdrücklich — Reklame gemacht. Denn wenn ein Arzt sich weigert, 
seinen Kranken mit dem Wundermittel zu behandeln, dann geht er 
natürliob zu dem, der den begeisterten Aufsatz in der Zeitung ge««- 
schrieben bat. Das ist die zweite bedenkliche Seite dieses Auswuchses 
der ärztlichen Publizistik, wenn auch, ich möchte das nochmals aus¬ 
drücklich hervorheben, an der bona fides der betreffenden Kollegen 
nicht zu zweifeln ist. 

Hr. Fritsch: Ueber Netatorsioaen. 

(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.) 

Hr. Dreyer spricht an der Hand mehrerer Fälle: a) Aber stampfe 
BaacbverletEingen, b) über Mal perforant bei Jagendliehea. 

Hr. Renner: 

Behandlung der Blasentamoren mit Hoebfreqaeaistrb'mea. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Hr. Melchior: Zar Kasnistik ebirargischer Protenserkraaknngea. 

Der bis dahin gesunde, 28 jährige Patient S. erkrankte vor einem 
Jahre im Anschluss an eine „Erkältung“ an Blasenkrampf mit Urin- 
retention. Nach einmaliger Anwendung des Katheters gingen die Be¬ 
schwerden wieder zurück. Am 10. Mai d. J. kam es wieder naoh einer 
„Erkältung“ zur Urinverhaltung. Ein auswärts versuchter Katbeterismns 
hatte die Entstehung eiaes falschen Weges zur Folge; bei der am 
13. Mai erfolgten Einlieferung des Patienten in die Klinik wurde die 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1586 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 34. 


Ausführung der Blasenpunktion notwendig. Am nächsten Tage Hess 
sich ein Dauerkatheter einführen; eine Stenose bestand nicht, keine 
Gonorrhöe. Während nun die cystitischen Erscheinungen bei ent¬ 
sprechender Behandlung schnell zurückgingen, bildete sich allmählich 
unter Temperaturanstieg ein tiefes Infiltrat an der Punktionsstelle aus; 
die Haut wurde teigig ödematös; am 2. Juni wurde durch Eingehen 
beiderseits neben den Recti abdominis ein grosser, dem Carum Retzii 
angebörender, mit der Blase nicht kommunizierender Absoess eröffnet. 
Die im hiesigen Kgl. hygienischen Institut vorgenommene Untersuchung 
des Eiters ergab die Anwesenheit des Bacillus proteus in Rein¬ 
kultur. Prompte Wundheilung. Patient ist jetzt entlassungsfäbig. 

Derartige bakteriologische Befunde, d. h. die alleinige Anwesen¬ 
heit des Bacillus proteus in Phlegmonen oder Abscessen sind selten. 
Relativ häufiger lassen sich Allgemeinerkrankungen septischer Art, die 
unter dem Bilde des Typhus, des Icterus infectiosus Weillii oder der 
Fleischvergiftung verlaufen können, auf die Gegenwart dieses „Prole¬ 
tariers unter den Bakterien“ zurückfübren. Möglicherweise lag jedoch 
auch im vorliegenden Falle primär eine derartige leichtere, als „Er¬ 
kältung“ imponierende Allgemeininfektion vor, welche dann auf dem 
Wege der bakteriellen Ausscheidung zur Cystitis führte. Eine solche 
kann ganz besonders leicht durch den Proteus hervorgerufen werden, 
da hierzu allein die Gegenwart dieses Mikroorganismus in den Harn wegen 
genügt, während bei den übrigen bakteriellen Erregern der Cystitis zu¬ 
meist noch das Vorhandensein einer Harnstauung oder einer Epitbel- 
läsion zum Eintritt der Blasenentzündung notwendig ist. Die Infektion 
des Cavum Retzii erfolgte dann nachträglich durch direkte Inoculation 
bei der Blasenpunktion. Es spricht dies für eine besondere Virulenz 
der Bacillen, da wir sonst, trotz häufiger Ausführung der Blasenpunktion 
an der Küttner’schen Klinik, niemals eine hierdurch bewirkte Infektion 
des prävesicalen Raumes beobachtet haben. 

Hr. Melchior: Zur Kenntnis der Strnnitis posttyphosa. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Hr. Bauer: Hypoplasie des Femur. 

Gestatten Sie mir, Ihnen ein Kind von l 8 /* Jahren zu demonstrieren, 
bei dem naoh Angabe der Mutter seit Geburt eine Verkürzung des 
rechten Beines besteht, das heute in der Tat 4 cm Längendifferenz 
gegenüber dem anderen Bein aufweist. 

Die Geburt soll normal gewesen sein, in der Familie sind irgend¬ 
welche Anomalien und Wachstumsstörungen nicht zur Beobachtung ge¬ 
kommen. Das Kind ist das einzige seiner Eltern. 

Wie Sie ans dem Röntgenbilde ersehen, erscheint der Femur weit 
graciler, weit kürzer als der der anderen Seite; die Epiphysen sind nicht 
auffällig verändert. 

Drehmann hat für Femurdefekte zwei Gruppen aufgestellt, eine, 
bei der nur die Diapbyse verändert erscheint, während Hüft- und Knie¬ 
gelenk normal ist (ich glaube unseren Fall dieser Gruppe zurechnen zu 
dürfen), eine zweite, bei der die Defektbildung nur das obere Femur¬ 
ende betrifft, während die untere Epiphyse deutlich vorhanden ist. 

Bei der zweiten Gruppe glaube ich mit Reiner ein sogenanntes 
modellierendes Trauma im embryonalen Leben verantwortlich machen 
zu können. 

Reiner und vor ihm Langer hat die Blutversorgung am embryo¬ 
nalen Femur untersucht und feststellen köoDen, dass die Regio sub- 
trochanterica am schwächsten versorgt wird, während der obere Femur¬ 
teil durch die Arterie des Ligamentum rotundum, der untere durch die 
Kniekehlenarterie und der grösste Teil der Diaphyse durch die Arteriae 
nutriciae versorgt wird. Er behauptet ausserdem, dass die an der Linea 
aspera ansetzenden Muskeln eine ausgiebige Versorgung dieser Gegend 
nach sich ziehen, während die obengenannte Regio subtrochanterica von 
einer solchen Blutversorgung freibleibt. Diese stelle deshalb einen Locus 
minoris resistentiae dar, der, wenn er durch Einhüllen einen abnormen 
Druck erfährt, leicht eine Verkümmerung des proximalen Femurendes 
nach sich ziehen könnte. 

Es erscheint mir nach anatomischen Bildern und Injektionspräparaten 
zweifelhaft, dass wirklich diese Gegend der anderen gegenüber hinsicht¬ 
lich der Blutversorgung stark benachteiligt ist; dagegen scheint es mir 
denkbar, dass durch eine über die Norm hinausgehende Introtorsion, die 
der normale embryonale Femur durchmaohen muss, eine Schädigung 
dieser Gegend eintreten kann, zumal diese Torsion sich in der genannten 
Gegend vorzüglich abspielt. 

Sicher wird für einen Teil der Fälle die Ansicht von Drehmann 
zutreffen, der bei diesen Defektbildungen an das Vorstadium einer 
hochgradigen kongenitalen Coxa vara glaubt, mit AbknickuDg im oberen 
Diaphysenende. _ 


Südostdeutsche Chirurgen-Vereinigung* 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 13. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Küttner. 

Schriftführer; Herr Goebel. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. A. Seiffert-Breslau stellt einen Fall mit einer Naseiprotbese 
vor, die aus Hennig’scher Masse hergestellt ist. Da der Uebergang der 
Prothese zur Haut unmerklich ist und die elastische Prothese sich bei 
mimischen Bewegungen des Gesichts in natürlicher Weise passiv mit¬ 
bewegt, macht die künstliche Nase einen vollkommen natürlichen Eindruck. 


Diskussion. Hr. Küttner hat das Verfahren ebenfalls angewandt. 
Der Patient lernte schnell, sich die Prothese, welche immer nur einige 
Tage brauchbar blieb, selbst anzufertigen. 

Tagesordnung. 

Hr. Philipowics Breslau: Choiedochascbirnrgie. 

Vortr. präzisiert zuerst den Standpunkt der Küttner’schen Klinik 
in der Behandlung des Gallensteinleidens. Stets Cholecystektomie. 
Nachfolgende Hepathicusdrainage unterbleibt in den Fälleo, wo die 
Anamnese nichts für vorausgegangene Cholangitis oder Choledochusstein 
ergibt, wenn der Choledochus und seine Umgebung zart und nicht ent¬ 
zündlich verändert ist, keine Dilatation vorliegt, die Palpation negativ 
ausfäiit und die Leber keine Veränderung zeigt. Die jeweilige Indikation 
muss auf das Stadium der Krankheit Rücksicht nehmen. 

Der akute Choledochusverschluss wird am besten zuerst intern be¬ 
handelt. Doch darf man bei wiederholten Zeichen beginnender Chol¬ 
angitis und stärkerer peritonealer Reizerscbeinungen nicht zögern. 
Haidenbein’s Standpunkt der absoluten Frühoperation ist nicht zu 
weitgehend. Im allgemeinen ist nach 8 Tagen vergeblichen Wartens zur 
Operation zu raten. Ein zu langes Warten verschlechtert die Chancen 
in jeder Beziehung. 

Bei der supraduodenalen Choledochotomie muss man die grösste 
Sorgfalt auf Entfernung aller Steine verwenden. Mobilisierung des Duo¬ 
denums kann nicht genug empfohlen werden. Niemals Naht, stets 
Drainage. Wichtigkeit der Drainage für die Behandlung der Bacillen¬ 
träger. Zweizeitige Methoden sind nicht zu empfehlen. Cboledocho- 
duodenostomie kann bei starker Papillenschwellung von Vorteil sein. 

Bei retroduodenalem Sitz des Steines Mobilisierung, sonst trans- 
duodeoale Choledochotomie. Bei grösserem Sohlitz der Papille Chole- 
dochoduodenostomia interna indiziert Transpankreatisohes Vorgehen ge¬ 
fährlich. 

Bei nicht zu beseitigendem Verschluss GallenwegdarmverbinduDg, 
am besten Gallenblase mit Duodenum. Deshalb vor der Cholecystektomie 
stets Revision des Choledochus vorzunehmen. Aufsteigende Gallen¬ 
infektion nicht hoch anzuscblagen. 

Bei grossen Totaldefekten transduodenale Hepathicusdrainage. Er¬ 
fahrungen darüber noch nicht gross. Plastischer Ersatz aus der Nach¬ 
barschaft. Anführung der verschiedenen Methoden. 

Bei Obliteration des duodenalen Anteils Ersatz durch Gummidrain 
nach Verhoogen und Jenckel, eventuell transintestinale Methoden. 
Im Notfall zweizeitige Verbindung mit Drain nach GallenfistelanleguDg 
und Jejunostomie oder Hepatocholangioenterostomie. 

Besprechung der Nachbehandlung. Akuter Duodenalverschlusä 
vielleicht durch vorhergehende Mobilisierung nach Kocher zu vermeiden. 

Idiopathische Cyste ist mit dem Darm zu anastomosieren. Neueste 
Statistiken der Ektomie und Drainage ergeben 2—3 pCt. Mortalität und 
über 90 pCt. Dauererfolg. 

Nochmalige Betonung der Wichtigkeit den Bedürfnissen des Indi¬ 
viduums im Einzelfalle Rechnung zu tragen und allzu strenge Schemati¬ 
sierung zu vermeiden. 

Hr. Schnltze-Posen: Zar Chirargie der akuten Cholecystitis. 

Die Aetiologie der akuten Cholecystitis ist keine einheitliche. Io 
einem Falle sind die Steine bzw. die durch sie hervorgerufeDe Stauung 
das Primäre, dem dann die Infektion des Blaseninhaltes folgt; im 
anderen Falle tritt unabhängig vom Vorhandensein von Steinen auf dem 
Wege der Metastase eine Phlegmone der Blasenwand zuerst auf. Da¬ 
zwischen viele Mischfälle. Die akute Cholecystitis erheischt die Früh¬ 
operation, und zwar mit Entfernung der Gallenblase als Operation der 
Wahl. Cholecvstostomie nur in Ausnahmefällen. Die Gründe, die be¬ 
sonders von ausländischen Autoren gegen diesen Standpunkt angeführt 
werden, können als berechtigt nicht anerkannt werden, insbesondere sind 
physiologische Schädigungen nach dem Verlust der Gallenblase nicht 
mit Sicherheit erwiesen und klinisch nicht beobachtet. Unter 25 selbst¬ 
beobachteten Fällen wurde 21 mal die Ektomie ausgeführt. Kein Todes¬ 
fall, Heilung in durchschnittlich 29 Tagen. In 4 Fällen mit sehr 
schlechtem Allgemeinbefinden Stomie mit einem Todesfall. Unter den 
Ektomiefälien waren zwei mit galliger Peritonitis ohne Perforation an 
den Gallenwegen. Beide wurden geheilt. 

Hr. Baruch: Zar Pathologie des Aneurysma arteriae hepatieae. 

Vortr. spricht an der Hand eines von ihm operierten Falles über 
die Erfahrungen der vier übrigen Chirurgen, die dieses seltene Leiden 
während der Operation entdeckten. Nur besonders günstige Umstände 
werden eine Diagnose vor der Operation erlauben. Differentialdiagnostisch 
neben den Kompressionserscheinungen sind jugendliches Alter, männ¬ 
liches Geschlecht und durchgemachte rechtsseitige Pneumonien zu ver¬ 
werten. Therapeutisch kommt die Unterbindung des erkrankten Ge- 
fässes nur dann in Frage, wenn eine rückläufige Blutung aus der Leber¬ 
arterie nachgewiesen werden kann. Andernfalls soll zweizeitig operiert 
werden. 

Hr. Borchard- Posen: Demonstration eines Präparates von Cartiao® 
der Gallenblase, das mit Leberresektion und Ausräumung der Drüsen 
am Cysticus radikal entfernt werden konnte (Heilung und Recidivfreiheit 
nach 3 / 4 Jahren). Das Präparat zeigt einen kleinapfelgrossen Tumor 
von dem vorderen Rand der Gallenblase, die mit Steinen und eitrigem 
Inhalt gefüllt war, ausgehend, der die Leber durchwachsen hatte. Im 
Anschluss daran wird das Krankheitsbild des Gallenblasencarcinoms, 
die Indikationsstellung besprochen. 


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Diskussion. 

Hr. V. E. Mertens-Zabrze erwähnt einen anderweitig zu publi¬ 
zierenden Fall von Choledocbustumor, den er bei einer 36 jährigen 
Patientin fand. Choledochus, Gallenblase und Magen waren miteinander 
verlötet und kommunizierten an dieser Stelle. Im Choledochus sass ein 
14 mm langer, 5—6 mm dicker Zapfen, der sieh anatomisch (Prosektor 
Dr. Stahr - Danzig) als Adenomyofibrom erwies und samt einem Stück 
Choledochus entfernt wurde. Die Patientin ist jetzt gesund. 

Hr.-Pendl berichtet über einen Fall von akuter eitriger Entzündung 
der Gallenblase, in deren Inhalt Typhusbacillen in Reinkultur vor¬ 
gefunden wurden; in der Gegend der Cysticusmündung lag ein Stein. 
Die Patientin wurde am 13. Januar 1914 operiert (Cholecystektomie). 
Am 26. Januar waren noch Typhusbacillen im Stuhl nachweisbar; das 
Blut war kulturell steril. Agglutination 1 :80. Am 5. Februar waren 
die Typhusbacillen aus dem Stuhl definitiv verschwunden. In diesem 
Falle beseitigte also die Cholecystektomie ohne Hepathicusdrainage die 
Bacillen dauernd aus dem Stuhl. 

Hr. Goebel ist kein Anhänger der Cbolecystostomie, der Fall des 
Herrn Borchard spricht wiederum für die Unzulänglichkeit der Ope¬ 
ration. Wo irgend angängig, ist Cholecystektomie und primärer Bauch¬ 
deckenschluss, wenigstens mit nur kleinem Drainloch, anzuwenden. Die 
primäre Exstirpation (Frühoperation) wäre ebenso wie beim Appendix 
das Erstrebenswerte. In Fällen akutesten Hydrops, in denen äussere 
Verhältnisse (dicke Bauchdecken, schlechtes Allgemeinbefinden, ungünstige 
Operationsverhältnisse, z. B. der Assistenz) die Exstirpation der Gallen¬ 
blase zu schwierig machen, hat er sich ein paarmal mit der Punktion 
der Gallenblase begnügt — Steine nicht nachweisbar. Das Organ wurde 
an das Peritoneum parietale angeheftet, ein dünner Tampon bis auf 
dasselbe durch die Bauchdecken geführt und letzterer im übrigen ge¬ 
schlossen. Reaktionslose Rekonvaleszenz. Die Patienten sind ohne Be¬ 
schwerden entlassen und nicht wieder gekommen, was ja allerdings nicht 
beweist, dass sie nicht erneute Anfälle erlitten haben. 

Hr. Küttner fragt, ob bei allen operierten Typhusbaoillenträgern 
die exstirpierten Gallenblasen steinhaltig gewesen sind. Soweit K. die 
Literatur übersieht, ist dies stets der Fall gewesen, so dass offenbar 
die Concremente die Ansiedelung und das Verweilen der Typhusbaoillen 
begünstigen. 

Hr. Hüben er-Liegnitz erinnert hinsichtlich der Dauer des symptom¬ 
losen Aufenthaltes von Typhusbacillen im Organismus an einen von ihm 
publizierten Fall von Strumitis typhosa aus der v. Mikulicz’schen 
Klinik, in welchem sich etwa 26 Jahre nach einem überstandenen Typhus 
echte Typusbacillen aus dem Strumitiseiter isolieren Hessen. Durch 
genaue Nachforschungen liess sich feststellen, dass die Patientin seit 
dieser Zeit eine Erkrankung an Typhus nicht mehr durchgemaoht hatte. 
Auch sonst sind analoge Fälle in der Literatur beschrieben. 

Hr. Jeger-Breslau kann auf Grund zahlreicher Experimente be¬ 
stätigen, dass eine Abklemmung des Ligamentum hepatoduodenale zwecks 
blutleerer Ausführung von Leberoperationen unzweckmässig ist, da eine 
40 Minuten überschreitende Kompression der Vena portae im allgemeinen 
nicht vertragen wird. Ferner erwähnt er, dass es ihm einmal gelungen 
ist, die Arteria hepatica bei einem Hund freizulegen, zu durchschneiden 
und die Arterie durch Naht wieder zu vereinigen. Er empfiehlt daher, 
künftig bei Aneurysmen der Arteria hepatica die Ausführung einer 
idealen Aneurysraaoperation (je nach den speziellen Verhältnissen seit¬ 
liche Naht, End-zu Endnaht oder Gefässtransplantation) in Erwägung zu 
ziehen. 

Hr. Borchard-Posen spricht zur Operation der akuten Chole¬ 
cystitis und Choledochitis und empfiehlt die Frühoperation im akuten 
Anfall bei höherem Fieber, peritonitischen Erscheinungen, Schüttelfrost 
und wenn eine andere Eiteiinfektion vorhergegangen ist, die Erkrankung 
der Gallenblase also eine Metastase darstellt. Wie die aus seiner Ab¬ 
teilung von Sobultze mitgeteilte Statistik beweist, sind die Resultate 
gut. Tamponade und Drainage ist auf ein Minimum zu beschränken, 
freie Netztraosplantation zur Blutstillung und Ausschaltung der Wund- 
fiächen anzuwenden. Der Kehr’sche Schnitt gibt gute Qebersicht bei 
geringer Hernienbildung. Als Methode der Wahl kommt nach Revision 
der Gallengäoge die Cholecystektomie in Betracht, nur bei besonderen 
Verhältnissen (schwerem Collaps) die Cholecystostomie. 

Hr. Baruob: Nach den Erfahrungen der Breslauer Klinik gehört 
dw Carcinom der Gallenblase und der Gallengänge zu den ungünstigsten, 
die wir überhaupt kennen. Die meisten Carcinorae sind bereits inoperabel, 
wenn sie zu diagnostizieren sind. Aber auch in denjenigen Fällen, in 
denen ein kleines Caroinom gelegentlich einer unter falscher Diagnose 
unternommenen Operation entdeckt wird, können selbst ausgedehnte 
Operationen den Kranken nicht retten- So ging ein auf die Gallenblase 
beschränktes Carcinom, bei dem B. eine Keilresektion aus der Leber 
machte und die — carcinomfrei befundenen — Drüsen ausräumte, naoh 
5 Monaten an Caroinom zugrunde. Drei weitere radikal operierte 
Patienten erlagen ihrem Leiden in 4—6 Monaten. Bei den übrigen 
Patienten musste man sich mit Probelaparotomien bzw. Palliativ- 
operationen bescheiden. Bei ersteren betrug die primäre Mortalität 

pCt. Dringendst zu warnen ist vor Palliativeingriffen, bei denen 
nioht weniger als 75 pCt. primäre Mortalität zu beklagen war. 

Hr. Kftttner: Zir Gallensteinehirnrgie. 

Vortr. gibt seinem Erstaunen Ausdruck, dass manche Operateure 
so häufig die Kooher’sche Mobi lisi erung des Duodenum und die trans¬ 


duodenale Choledochotomie aaszuführen genötigt sind. Selbst bei dem 
ungewöhnlich schweren Breslauer Gallensteinmaterial — in 75 pCt. aller 
Fälle waren Choledochuskomplikationen vorhanden — gehörten die ge¬ 
nannten Eingriffe zu den Seltenheiten, fast stets kam man mit der supra¬ 
duodenalen Choledochotomie aus. Dass zwischen den amerikanischen 
und deutschen Chirurgen so grosse Differenzen bezüglich der Frage der 
Gallenblasenexstirpation bestehen, erklärt sich daraus, dass in dem 
operationsfreudigen Amerika die Fälle im allgemeinen weit früher zur 
Operation gelangen. Bei der Choledochotomie forciert Vortr. unter 
schwierigen Verhältnissen die Exstirpation der Gallenblase nicht immer, 
sondern eröffnet sie, räumt sie aus, und näht wasserdicht ein Drain ein, 
ohne die meist geschrumpfte Gallenblase an die Bauchwand zu fixieren. 

Die Schwierigkeiten wiederholter Eingriffe 9ind weniger durch eine 
vorausgegangene Exstirpation, als durch die oft ungeheuren Verwachsungen 
bedingt. Bei der Hepaticusdrainage verwendet Vortr. das T-Rohr nicht 
mehr, sondern drainiert meist nur den Hepaticus; wenn nötig jedooh 
auch den Choledochus mit einem besonderen Rohr, durch das man im 
Notfälle den Patienten während der ersten Tage künstlich ernähren 
kann. Von Spülungen ist er abgekommen. Bei der einfachen Chole¬ 
cystektomie schliesst er die Bauchhöhle gern primär, da die Blutung 
aus dem Gallenblasenbett bei subseröser Exstirpation leicht zu stillen 
ist, überhaupt tamponiert er äusserst sparsam. Die Tampons werden 
frühzeitig entfernt, meist unter Zuhilfenahme einer Morpbiuminjektion, 
in Ausnahmefällen auch im Aetherrauscb. Die nach Gallensteinoperationen 
so häufige Magenatonie verliert sich oft, nicht immer, prompt nach 
Entfernung der Tampons. Was die Indikationsstellung bei der akuten 
Cholecystitis anlangt, so steht Vortr. auf dem Standpunkt der Früh¬ 
operation aller irgendwie schweren Fälle. Beim akuten Choledochus- 
verschluss ist er zurückhaltender, doch operiert er sofort bei septischen 
Erscheinungen und wartet auch sonst nicht länger als 8 — 10 Tage. 
Bei jedem Icterus gebt der Operation eine intensive Behandlung mit 
Chlorcalcium, Calcine, Gelatine voraus, trotzdem bleibt die hämorrhagi¬ 
sche Diathese die gefährlichste Komplikation. Das Carcinom wird bis¬ 
weilen übersehen, man soll alle irgendwie verdächtigen Gallenblasen 
mikröskopisch untersuchen. In zwei Fällen fand sich der Krebs histo¬ 
logisch — und der Verlauf bestätigte die Diagnose —, wo die Operation 
wegen heftiger akuter Cholecystitis ausgeführt worden war. 

Hr. BoTehard-Posen berichtet über 2 Fälle von doppelter Invagi- 
nation bei Kindern. Einmal wurde bei der Operation einer lovaginatio 
ileocolica eine solche des obersten Jejunums übersehen (Exitus), ein 
andermal trat nach Lösung einer Invaginatio ileocolica 10 Tage später 
eine Invagination in der Mitte des Ileum ein, die ebenfalls operativ be¬ 
seitigt werden konnte (Heilung). 

Hr. v. Mieczkowski-Posen: 

Beiträge zir Klinik und Lokalisation der Dermoide. 

1. Ein in der rechten Lumbalgegend bei einem 41jährigen alten 
Fräulein lokalisiertes retroperitoneales Dermoid, das 10 Tage vor der 
Operation vereiterte und einen perityphlitischen Abscess vortäuschte. 
Nach langdauernder Eiterung Ausgang in Heilung nach 3 Monaten. 

2. Ein Ovarialdermoid, das auf der rechten Darmbeinschaufel fixiert 
war und wegen Stieldrehung in Gangrän überging. Auch hier lautete 
die Diagnose: Perityphlitis abscedens. Exstirpation des Tumors. Heilung 
in 3 Wochen. 

3. Einem 28 jährigen Diener wurde ein sanduhrförmiges Dermoid 
exstirpiert. Der eine Sack lag auf dem rechten M. glutaeus, der andere 
unterhalb des Trochanters, die VerbinduDgsbrücken beider auf dem 
Trochanter. 

Diskussion. 

Hr. Goebel hat in Aegypten einen grossen, mehrfach fistulösen 
Tumor der Trochantergegend eines alten Fellachen operiert, der sich als 
ein Dermoid entpuppte. Er erstreckte sich nach vorne in die Leisten-, 
naoh hinten in die Glutäalgegend und wies auch Verkalkungen auf. Die 
Operation war eine sehr ausgedehnte und schwierige wegen zahlreicher 
entzündlicher Verwachsungen. 

Hr. Weil demonstriert ein grosses vereitertes retroperitoneales Dermoid, 
das bei einem 14 jährigen Jungen in der linken Nierengegend beobachtet 
wurde. Inhalt: Cholestearinbrei, Knochen, Zähne und zungenähnliches 
Gewebe. 

Hr. Eyff-Nimptsch berichtet über eine Dermoidcyste im Bereich des 
Steissbeins bei einer 20 jährigen Dame. 

Klagen: Leichte Spannung. Geringfügiges Nässen aus einigen steck¬ 
nadelfeinen Oeffnungen. Inzision eröffnet die Höhle und lässt atherom¬ 
breiähnliche Massen nebst einer grösseren Zahl feiner Härchen erkennen. 
Exzision. Offene Behandlung. Heilung. 

Hr. Küttner: Die Dermoide über dem Kreuzbein gehören zu den 
häufigsten, die der Chirurg zu sehen bekommt. Die aus ihnen hervor¬ 
gehenden Fisteln werden oft mit tuberkulösen Knochenfisteln verwechselt, 
die jedoch an dieser Stelle entschieden seltener siüd. Ausserdem lässt 
die mediane Lage, die völlige sonstige Gesundheit der Patienten und 
das gelegentliche Hervorragen feiner Haare aus den meist multiplen, 
nahe beieinanderliegenden Fisteln die richtige Diagnose stellen. 

(Schluss folgt.) 


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UMIVERSITY OF IOWA 






1588 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 84. 


Aufruf! 

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin haben dem Präsidium des 
Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose Allerhöcbst- 
ihre lebhafte Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass die unter Auf¬ 
wendung grosser Mittel erreichten glänzenden Erfolge in der Bekämpfung 
der Tuberkulose durch den uns aufgezwungenen Krieg in Frage gestellt 
werden könnten. Selbstverständlich erfordert die augenblickliche Not 
des Vaterlandes, dass alle verfügbaren Kräfte und Mittel zuerst dafür 
eingesetzt werden, um den Sieg zu erringen und für die Opfer des 
Kampfes, unsere verwundeten und kranken Krieger, zu sorgen. Dadurch 
werden nicht nur die grössten Anforderungen an die öffentliche Wohl¬ 
tätigkeit gestellt, sondern es werden auch eine grosse Anzahl derjenigen 
Personen, die sich in Friedenszeiten der Tuberkulosebekämpfung wid¬ 
meten, dieser Tätigkeit entzogen. Schon haben zahlreiche Lungenheil¬ 
stätten geschlossen werden müssen und viele Auskunfts- und Fürsorge¬ 
stellen für Lungenkranke ihre vorbeugende Tätigkeit eingestellt. Damit 
erhebt sich die Gefahr, dass der Kampf gegen die Tuberkulose, den 
gefährlichsten Feind des Volkes, erlahmen könnte. Aber noch weit 
Schlimmeres ist zu befürchten. Durch die vorzeitige Entlassung von 
Kranken mit offener Tuberkulose aus den Heilstätten werden die Keime 
der Tuberkulose im Volke verbreitet. Durch die Schliessung der Aus¬ 
kunfts- und Fürsorgestellen wird den Kranken Hilfe und Beratung ent¬ 
zogen und der Ansteckung der gesunden Familienmitglieder durch die 
Kranken Tür und Tor geöffnet. Es sollte aber gerade während der 
Kriegszeiten alles geschehen, um zu verhüten, dass dieser Würgeengel 
von neuem sein Haupt erhebe; denn sonst droht unseren aus dem Kriege 
heimkehrenden Volksgenossen in der Heimat, am eigenen Herd, eine 
neue, viel schlimmere Gefahr, als der Krieg gegen den äusseren Feind. 

Es ergeht deshalb der Aufruf an alle diejenigen Stellen, die sich 
bis jetzt mit der Tuberkulosebekämpfung beschäftigt haben, diese Tätig¬ 
keit auch während des Krieges fortzusetzen und mit allen Kräften dafür 
zu sorgen, dass der Gefahr einer erneuten Ausbreitung der Tuberkulose 
in unserem Volke wirksam begegnet werde. Die Tuberkulosefürsorge 
darf keine Unterbrechung erfahren; wer immer, sei es beruflich, sei es 
ehrenamtliob, in der Fürsorge für die Tuberkulösen tätig gewesen ist, 
möge auf seinem Posten verharren, und mögen sieh, wo Lücken in den 
Reihen der Tuberkulosekämpfer entstanden sind, recht bald freiwillige 
Helfer und Helferinnen finden, die bereit sind, an diesem edlen Werke 
für die Volksgesundheit mitzuarbeiten. 

Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose wird 
naoh dem Wunsche Ihrer Majestät der Kaiseriu in unveränderter Weise 
bemüht sein, die Tuberkulosearbeit zu fördern und auch während des 
Krieges Hat und Hilfe in allen auf die Tuberkulosebekämpfung bezüg¬ 
lichen Angelegenheiten zu gewähren. 

Berlin, den 15. August 1914. 

Das Präsidium des Deutschen Zentralkomitees 
zur Bekämpfung der Tuberkulose. 

Delbrück, Vorsitzender. Dr. Helm, Generalsekretär. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der Magistrat hat eine besondere Kommission zur vorbera- 
tenden Bearbeitung aller den städtischen Sanitätsdienst während des Krieges 
betreffenden Maassnahmen eingesetzt, der die Städträte Geheimrat 
Dr. Strassmann, Selberg und Runge, Magistratsrat Dr. Gordan, 
der ärztliche Direktor des Rettungswesens Dr. Frank, der Leiter des 
Bureaus der Krankenanstalten Oberstadtsekretär Geissei angeboren. 
Es ist zweckmässig, alle Anträge, Anregungen, Anfragen, Meldungen 
usw., die den Sanitätsdienst in der Stadt betreffen, ausschliesslich an 
das Bureau der Krankenanstalten zu Händen des Oberstädtsekretärs 
Geissei gelangen zu lassen. 

— Der Orientierungskurs für freiwillige Kriegsärzte, 
welcher vom Centralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen unter 
Förderung des Kriegsministeriums im Kaiserin Friedrich-Hause veranstaltet 
wird, hat unter den Aerzten von Gross-Berlin einen derartigen Anklang 
gefunden, das9 eine Wiederholung des Kurses vom 21.—25. August in 
den Abendstunden von S l J 2 —10 Uhr im Kaiserin Friedrich-Hause statt¬ 
findet. Daselbst werden Teilnehmerkarten in der Zeit von 9—4 Uhr 
gegen eine Einschreibegebühr von 2 M. (zum Besten des Roten Kreuzes) 
entgegengenommeo. Eine weitere Wiederholung ist nicht vorgesehen. 

— Für Kriegsärzte veranstaltet das Zentralkomitee für das ärztliche 
Fortbildungswesen in Preussen einen Demonstrationskurs der 
topographischen Anatomie, mit besonderer Berücksichtigung der 
Schussverletzungen, der von Herrn Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Wal- 
deyer yoq Montag den 24. bis Sonnabend den 29. August, mittags von 
1 Uhr (pünktl) bis 2 Uhr im Anatomischen Institut, Luisenstrasse 52, 
abgehalten wird. Zutritt hat jeder reichsdeutsehe Arzt, soweit der Platz 
ausreicht (ca. 350 Plätze), gegen eine Einschreibegebühr von 2 M., die 
für das Rote Kreuz bestimmt ist. Die Karten werden von 12 Uhr ab am 
Eingang des Hörsaals ausgegeben. 


— Ein Kurs über spezielle Kriegschirurgie ist für die 
nächste Zeit in Aussicht genommen. Nähere Auskunft von Montag ab 
im Kaiserin Friedrich-Haus, NW. 6, Luisenplatz 2—4. 

— Die Darlehaskommission der Berlin-Brandenburger Aerztek&mmer 
bat die Gewährung zinsloser Darlehen an kriegsdienstleistende Aerzte 
und deren Familien beschlossen. 

— Unter den ersten Opfern, die der Krieg gefordert hat, befindet 
sieb, wie wir mit tiefer Teilnahme melden, der einzige Sohn des bis¬ 
herigen Direktors der Charitö, Obergeneralarzt Scheibe. Auch Exzellenz 
Erb in Heidelberg hat den Tod eines Sohnes zu beklagen. 

— Die diesjährige Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, 
die im September in Hannover stattfinden sollte, fällt des Krieges 
wegen aus. 

— Angesichts des nunmehr ausgebrochenen Krieges dürften folgende 
Angaben über die militärärztliche Versorgung des uns verbündeten 
Oesterreich von Interesse sein. Der Gesamtbestand an aktiven Militär¬ 
ärzten beträgt bei dem k. und k. gemeinsamen Heere 1091, bei der 
k. und k. Kriegsmarine 86, bei der österreichischen Landwehr 218, bei 
der ungarischen 157: das sind zusammen 1552 Personen des ärztlichen 
Aktivstandes. Dazu treten naoh dem österreichischen Jahrbuch für 
Militärärzte von 1914 an Reserve-Militärärzten in der gleichen Reihenfolge 
wie oben 1198, 30, 299 und 205, das sind zusammen 1752 Reserve - 
Militärärzte. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 3. Kl. mit der Königl. 
Krone: Med.-Rat Prof. Dr. Krukenberg, dirigierender Oberarzt am 
Herzogi. Krankeohause in Braunschweig. 

Roter Adler-Orden 4. KL: Königl. bayerischer Oberstabsarzt Dr. 
Schmitt, Regimentsarzt des 2. Fussartillerieregiments. 

Königl. Kronen-Orden 3. KL: Königl. bayerischer Generaloberarst 
Dr. Fruth, Garnisonsarzt in München; Königl. württemb. General¬ 
oberarzt Dr. Hopfengärtner, Divisionsarzt der 38. Division, bisher 
im Kriegsministerium. 

Charakter als Medizinalrat: Privatdozent und Mitglied des Medi- 
zioalkollegium9 der Rheioprovinz, Prof. Dr. R. Thomson in Bonn. 

Zum Dr. med. promoviert: Arzt W. Gordon in Hildesheim. 

Ernennung: Privatdozent Prof. Dr. B. Heymann in Berlin zum Ab¬ 
teilungsvorsteher am Hygienischen Institut der Universität daselbst. 

Versetzung: Kreisarzt Dr. Ehlers von Grosskamsdorf nach Genthio. 

Zu besetzen: die Stelle des Kreisassistenzarztes und Assistenten bei 
dem Medizinaluntersuchungsamt in Hannover. Jahresrerauneration2500K. 
Bakteriologische Vorbildung erforderlich. Die Stelle kann auch einem 
noch nicht kreisärztlich geprüften Arzte vorläufig kommissarisch über¬ 
tragen werden, wenn er den Bedingungen für die Zulassung zur kreis- 
ärztlichen Prüfung genügt und sich zur alsbaldigen Ablegung der 
Prüfung verpflichtet. 

Niederlassungen: W. Zurbonsen in Göttingen, Dr. W. Raabe 
in Fulda. 

Verzogen: Oberarzt Dr. J. Janssen von Potsdam und Dr. R. Jenisch 
von Berlin-Schöneberg nach Frankfurt a. M., Dr. E. Bindseil von 
Eichberg nach Weilmünster, Dr. 0. Lade von Düsseldorf nach Eich¬ 
berg, Dr. H. Strakosch von Baden-Baden nach Laogenschwalbacb, 
Dr. G. Erbach von Flonheim und Dr. J. M. Laurentius von Leipzig 
naoh Wiesbaden, Dr. F. Mörchen von Ahrweiler nach Sonnenberg 
bei Wiesbaden, Dr. H. Wolff von Strassburg nach Cöln, F. Bösen¬ 
berg von Klütz (Meckl.), 0. Erbach von Rastatt und 0. Fricke von 
Bonn nach Godesberg, Aerztin Dr. M. Wolf von Tübingen, Dr. 0. 
Homuth von Ohligs und Dr. H. Stamm er von Cöin nach Bonn, 
R. Schürmann von Paderborn Dach Sulzbach, Dr. A.Brunke von 
Chile, Dr. L. Cohn von Mannheim, F. Sobolowski und Dr. F. 
Westhoff von Charlottenburg, R. Fiebach von Königsberg i. Pr., 
Dr. S. Klempner von Berlin-Schöneberg, Dr. E. Miller und Dr. G. 
Riemann von München sowie Dr. H. Schmidt von Berlin-Wilmers¬ 
dorf nach Berlin, Dr. R. Lenel von Freiburg und Dr. E. Schede von 
Magdeburg nach Charlottenburg, Dr. M. Kruchen von Rudolstadt 
und Dr. W. Mi rauer von Mannheim nach Berlin-ScbÖneberg, Dr. E. 
Martin von Berlin-Schöneberg nach Berlin-Wilmersdorf, A. Kiehl von 
Bingen a. Rh. nach Bergquell (Bez. Stettin), Dr. Schacht von Berlin 
nach Wiesbaden, J. Stawicki von Breslau nach Jastrzemb, Dr. H. 
Büttner von Gera nach Kleinschmalkalden, Dr. F. Scheidler von 
Königshütte nach Volkmarsen, Dr. A. Noelle von Essen (Ruhr) nach 
Hessisch-Lichtenau, Dr. F. W. Gille von Strassburg nach Saar¬ 
brücken. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. B. Gutkind 
von Berlin auf Reisen. 

Gestorben: Dr. J. Brix und Geh. Med.-Rat Prof. Dr. H. Fasbender 
in Berlin, Kreisarzt a. D., Geh. Med.-Rat Dr. Th. Frey er in Nau- 
gard, San.-Rat Dr. K. Schwarz in Stettin, Dr. L. Buppert in 
Kleinschmalkalden. 


För die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreather BtrtsM4i. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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St 1330 bcs Kriegsfanitätsbienftes. 

Beilage jur Berliner fltnifdjen iDocfyenfcfyrift, Br. 35. 

(Perla$ r>oit 21 uft fjirfdjnntlb, Berlin HIP. 7, Unter beu Cinben <>8.) 


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©renje ^lüifcfjen Operations-- 
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Etappengebiet nnb ©eneral= 
gouoernement, jroifd)en ©ern* 
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be§ L, II. unb 111. 2lrntee= 
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(Etappengebiet 


Einiges über die Kis 


Von den zahlreichen Zivilärzten, die sich jetzt in den Dienst 
der Armeeverwaltung stellen, werden manche mit dem Kriegs¬ 
sanitätsdienst nicht vertraut sein. Viele dem „gedienten“ Arzt 
geläufigen Begriffe sind ihm fremd oder doch in ihrer Bedeutung 
nicht völlig klar, nnd so dürfen wir hoffen, mit den nachfolgenden 
Ausführungen ihnen den Eintritt in den neuen Wirkungskreis zu 

erleich e Kartengkizze j st mit E r \ ail bni8 der Medizinalabteilung 
des Kriegsministeriums der „Kriegssanitätsordnung“ vom 17. Januar 

1907 entnommen. _ . . . , 

Beginnen wir zunächst mit dem Dienst bei den höheren 
Komroandobehörden, so liegt die Leitung des gesamten Sanitäts¬ 
dienstes in den Händen des Chefs des Feldsanitätswesens 
(in Friedenszeiten ist sein Titel Generalstabsarzt der Armee); 
er befindet sich im grossen Hauptquartier, also am Sitz des 
Kommandos über das gesamte Heer, und er ist der unmittelbare 
Vorgesetzte des gesamten Sanitätspersonals im Felde, Etappen- 
und Heimatgebiet. Unter ihm folgen die Armeeärzte, deren je 
einer jedem Armeeoberkommando zugeteilt ist. Jede Armee be¬ 
steht aus mehreren Korps, an deren Spitze jeweils ein General¬ 
kommando steht, dem ein Korpsarzt angehört; jedes Korps aus 
Divisionen, dem je ein Divisionsarzt zugehört. 

Bei jedem Generalkommando befindet sich ausserdem ein 
beratender Chirurg“, der aus der Reihe der Chirurgen von an¬ 
erkannter wissenschaftlicher Tüchtigkeit ausgewählt wird und, 
falls er nicht schon dem Heere angehört, einen bestimmten mili¬ 
tärischen Rang erhält. Eine Parallelstellung nimmt der „beratende 
Hygieniker“ ein, der jedoch nicht der mobilen Truppe, sondern 
dem „Etappenarzt“ zugeteilt ist, aber bei Bedarf auch im Opera¬ 
tionsgebiet Verwendung finden kann. ... 

Aus den nun weiter folgenden Abstufungen ist noch ein be¬ 


sonderer Sanitätskörper herauszuheben, die Sanitätskompag¬ 
nien, wovon eine jeder Infanteriedivision zugeteilt wird. 

Etwa gleichbedeutend mit der Sanitätskompagnie ist der Aus¬ 
druck Sanitätsstaffel, der sich auf die Kavallerie bezieht, aber nur 
bei Bedarf aus dem Sanitätspersonal der Truppe formiert wird. 

Kommen wir nun zu unserer Skizze, so ergibt sich zunächst 
eine Einteilung in das „Operationsgebiet“, das „Etappen¬ 
gebiet“, dessen Unterabteilung gegebenenfalls ein „General¬ 
gouvernement“ (z. B. bei Errichtung eines solchen in einem 
eroberten Land) darstellt und das „Heimatsgebiet“. 

Operationsgebiet. Bei Märschen grösserer Truppeo¬ 
verbände wird vor dem Uebergang zur Ruhe ein Kranken¬ 
sammelpunkt bestimmt, an welchen die zurückzulassenden 
Kranken zu schicken sind. Bei längerer Ortsunterkunft werden 
nach Bedarf Ortskrankenstuben bzw. Ortslazarette ein¬ 
gerichtet nach den im Frieden geltenden Grundsätzen. 

Im Gefecht werden bei Eintritt grösserer Verluste Truppen¬ 
verbandplätze eingerichtet. 

Diese sind in nächster Nähe der fechtenden Truppe, tunlichst 
geschützt gegen feindliches Feuer, anzulegen. Es ist wünschens¬ 
wert, dass für jedes Regiment ein Truppenverbandsplatz errichtet 
wird, doch sind Abweichungen unter Umständen notwendig und 
gestattet. Der Truppenverbandplatz wird vom Sanitätspersonal 
des betreffenden Truppenkörpers versorgt; doch hat ein Teil der 
Sanitätsoffiziere und des Personals unmittelbar der Truppe ins 
Gefecht zu folgen. 

Etwas rückwärts liegt der Hauptverbandplatz. Er soll 
dem Gewehrfeuer, tunlichst auch dem Gescbützfeuer entzogen, 
in der Nähe einer fahrbaren Strasse und von Feuer- und Wasser- 
I stellen gelegen sein. Er soll in grösserem Maassstabe für die 


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Verwundeten sorgen und ihre eventuelle Ueberföhrung in die 
Feldlazarette vermitteln. Den Dienst auf dem Hauptverband¬ 
platz übernimmt die Sanitätskoropagnie. 

Feldlazarette besitzt jedes Armeekorps, wie oben erwähnt, 
12. Sie sollen den schwerer Verwundeten so lange Lazarettpflege 
angedeihen lassen, bis eine Rückbeförderung oder Uebemahme 
durch die Etappe möglich ist. Jedes Feldlazarett ist für die 
Aufnahme von 200 Verwundeten ausgerüstet, kann jedoch noch 
erweitert werden. 

Um die Truppen- und Hauptverbandplätze von den marsch¬ 
fähigen Kranken zu entlasten, wird ausserdem vom Divisionsarzt 
ein Leichtverwundetensammelplatz eingerichtet; er soll 
weiter zurückliegen und ein Bindeglied zu den Etappen darstellen; 
doch wird ein Teil der Verwundeten von hier aus wieder nach 
vorwärts zur Truppe beordert. 

Der Reservedivision werden eine Reservesanitätskom¬ 
pagnie und vier Reservefeldlazarette überwiesen. 

Die mobilen Landwehrtruppen sind anf ihre eigene 
Sanitätsausrüstung bzw. die des Etappengebiets angewiesen. 

Etappengebiet. Es zerfällt in Etappeninspektionen. 
Den Sanitätsdienst im Bereich einer solchen Inspektion leitet der 
Etappenarzt. Wie oben bemerkt, ist dem Etappenarzt für den 
Gesundheitsdienst ein beratender Hygieniker beigegeben und 
für jedes Armeekorps ein Kriegslazarettdirektor. Für den 
Dienst in den Kriegslazaretten sind die Kriegslazarett- 
abteilungen bestimmt, in welchen neben Militär- auch Zivil¬ 
ärzte Verwendung finden. Die Kriegslazarette sind zur Ab¬ 
lösung der Feldlazarette bestimmt, welch letztere sich mit ihrer 
Truppe weiter zu bewegen haben; darin liegt gegeben, dass auch 


die Kriegslazarette weiter wandern durch Umwandlung von Feld- in 
Kriegs!azarette. Anders die nun folgenden Etappenlazarette. 
Diese sind am Etappenhauptort und nach Bedarf an anderen 
geeigneten Orten festgelegt. Sie nehmen Kranke der Etappen¬ 
truppe und Behörden, sowie der Transporte auf, sowie gegebenen¬ 
falls Verwundete, die nach einem Gefecht in den Feldlazaretten 
keine Aufnahme mehr finden können. Ihre Chefärzte dürfen nur 
aktive oder ehemalige Sanitätsoffiziere sein. Stehen solche nicht 
zur Verfügung, so sind Lazarettkonimissionen aus je einem 
Offizier und einem Zivilarzt zu bilden. Unter- und Parallel- 
abteilungen der Etappenlazarette sind Leich tkrankenabtei- 
lungen, Seuchenlazarette, Genesungsstätten. 

Heimatsgebiet. Die im Frieden bestehenden Sanitäts¬ 
inspektionen werden aufgelöst; die Leitung des gesamten Sanitäts¬ 
wesens im Besatzungsheere wird nach den Friedensbestimmungen 
von der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums geführt. Und 
wie für jedes Generalkommando eines Armeekorps, das ja im 
Felde ist, ein stellvertretendes Generalkommando eingesetzt wird, 
so für jeden Korpsarzt ein stellvertretender Korpsarzt. Auch ihm 
können nicht dienstpflichtige fachärztliche Beiräte zur Seite ge¬ 
stellt werden. 

Alle Lazarette im Heimatgebiet heissen von der Mobilmachung 
ab Reservelazarette, die in Festungen Festungslazarette. 

Der Transport der Kranken erfolgt zunächst per Wagen, 
dann mit Hilfe von eigenen Lazarettzügen und HilMazarettzügen, 
sowie Lazarettschiffen und Hilfslazarettschiffen. Diese Lazarett¬ 
züge sind geschlossene Formationen mit ständigem Personal und 
schon im Frieden vollständig bereit gestellter Einrichtung, die 
einem Chefarzt unterstellt sind, der ein aktiver oder reaktivierter 
Sanitätsoffizier sein soll. Hans Kohn. 


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Die Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Montau in Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4 . — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmon 
«Ue Buchhandluitgon und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle ‘Einsendungen für die Kedakti^n and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschnald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinal Verwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. August llirscliwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Moutag, den 31. August 1914. J»2 35. Einundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Originalien : Coenen: Handkrebs als Spätfolge einer Kriegswunde? 
(Aus der Königl. chirurgischen Klinik in Breslau.) (Illustr.) S. 1589. 
Kohrs: Das cytologische Bild der Iutracutanreaktionen mit den 
Deycke-Much’schen Partialantigenen der Tuberkelbacillen und dem 
Alttuberkulin. (Aus der Direktorialabteilung des Allgemeinen 
Krankenhauses zu Lübeck.) (Illustr.) S. 1590. 

Meyer: Ueber Neuralgia bracbialis und ein eigentümliches Symptom 
bei derselben. (Illustr.) S. 1593. 

Ehrmann: Zur Diagnostik der Erkrankungen der Lungenspitzen. 
(Aus dem medizin.-poliklin. Institut der Universität Berlin.) S. 1596. 
Bächerbesprechangen : Brauer, Schröder und Blumenfeld: Hand¬ 
buch der Tuberkulose. S. 1597. (Ref. Alexander) — Rovsing: 
Die Gastro-Coloptosis, ihre pathologische Bedeutung, ihre Krank¬ 
heitsbilder, Diagnose und Behandlung. S. 1598. (Ref. Ewald.) 


Literatur-Auszüge: Therapie. S. 1598. — Allgemeine Pathologie und 
pathologische Anatomie. S. 1599. — Diagnostik. S. 1599. — Para¬ 
sitenkunde und Serologie. S. 1599. — Innere Medizin. S. 1599. — 
Chirurgie. S. 1600. — Röntgenologie. S. 1600. — Haut- und 
Geschlechtskrankheiten. S. 1600. — Geburtshilfe und Gynäkologie. 
S. 1600. — Technik. S. 1600. 

VerhandluDgen ärztlicher Gesellschaften: Südostdeutsche Chir- 
urgen-Vereinigung. S. 1600. — Aus Pariser medizinischen 
Gesellschaften. S. 1603. 

Tagesgeschichtliche Notizen. S. 1604. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1604. 


Beilage: Einiges über die Kriegssanitätsordnung, mit Skizze. 


Aus der Königl. chirurgischen Klinik in Breslau 
(Direktor: Geheimrat Köttner). 


Geschwulstknoten. Der linke Vorderarm ist rot und ödematös, in der 
linken Achselhöhle sitzt ein hühnereigrosses Drüsenpaket unter deutlich 
geröteter und mit Geschwulstknoten besetzter Haut (s. Abbildung 1). 


Handkrebs als Spätfolge einer Kriegswunde? 

Von 

Prof. Dr. H. Coenen, Oberarzt der Klinik. 

Ueber die Spätfolgen der Verwundungen im Kriege liegen 
Dur einige zusammenfassende Berichte vor, obwohl es an Einzel¬ 
beobachtungen auf diesem Gebiete nicht mangelt. So starb 
Ernst v. Bergmann (1907) an den Folgen eines im russisch¬ 
türkischen Krieg erworbenen Ruhrgeschwürs, dessen ringförmige 
Narbe den Dickdarra verschlossen hatte. Da Narben, wie die 
Friedenschirurgie lehrt, in nicht seltenen Fällen im höheren 
Alter der Ausgang der Krebsentwicklung werden können, so 
schwebt diese Gefahr über mancher ruhmvoll erworbenen Narbe 
des Kriegsinvaliden, wenn auch dies Ereignis nicht häufig ist. 
Wir beobachteten folgenden Fall: 

Der jetzt 74jährige Eisenbahnscbaffoer K. Sch. aus Nieder-Salzbrunu 
machte beim Grenadierregiment Nr. 10 die glorreichen Tage von Düppel 
und Alsen (1864) mit. Am 3. Juli 1866 focht er unter der Fahne des 
Breslauer Infanterieregiments Nr. 50 mit bei Königgrätz. Während 
der Schlacht krepierte in seiner Nähe eine Granate; diese erfasste den 
vor seiner Rotte marschierenden Feldwebel, ihn vollständig zerfleischend 
und zugleich verschüttend; seinem Vordermann aus Habelschwerdt 
riss sie ein Bein weg und ihm selbst zersplitterte sie, das rechte Bein 
streifend, das Gewehr, welches er in der rechten Hand hielt. Hierbei 
drang ein fingerlanger Holzsplitter in den rechten Handteller ein, der 
zwei Tage später in Reichenbach (unter der Eule) entfernt wurde. Die 
Wunde heilte gut und hinderte nicht, dass der alte Krieger im Jahre 
1870/71 in Schweidnitz beim Gefangenendienst verwendet wurde und 
auch späterhin seine rechte Hand gut gebrauchen konnte. 

Erst im Anfang des Jahres 1913 bildete sich auf dem Rücken der 
rechten Hand im Bereich der alten Kriegsnarbe eine warzenartige Wuche¬ 
rung, die sich der Patient zweimal hintereinander mit einem Rosshaar 
abband. Bald darauf bildete sich ein Geschwür an dieser Stelle, das 
sich schnell unter Eiterung vergrösserte. Jetzt sieht man bei dem ge¬ 
alterten, aber noch gut konservierten Krieger den ganzen rechten Hand¬ 
rücken zerstört und in ein Krebsgeschwür verwandelt, das die Haut und 
btreckfasern vollständig bis an die Knoohen zerfressen hat, in der Tiefe 
jaucht und von graugrünlichen Gewebsteilen ausgefüllt ist. Der Rand 
springt wie ein dicker Wall hervor und zeigt mehrfache dickwulstige 


Abbildung 1. 



Handrückenkrebs bei einem 74 jährigen Invaliden. 

Die Diagnose konnte keinem Zweifel unterliegen: in dem 
Bereiche der alten Feldzugsnarbe aus dem Jahre 1866 hatte sich 
nach 47 Jahren ein schnell wachsender Hautkrebs entwickelt, der 


Digitized by Gousle 


Original fro-m 

UNIVERS1TV OF IOWA 









rf.rliner klinische w ochenschw^ 


jetzt die Amputation des Ar d “ eS ““torge^chrTttenen Verbreitung 
hOhle erforderte und wegen der wen 1 znliess. 

in den Lymphwegen k ® lne ,f l S tion (Oberarzt Dr. Wrobel, 
Am 22. Juh wurde die °P« raW ° D . 1 mikroskopische ünter- 

Feldartillerie Regiment 21) gemacht. Die m,kro P 

suchung ergab Plattenepithelkrebs. 

„ Abbildung 2. 




Schuss durch die Hand mit kleinem volaren Einschuss und grossem | 
sternförmigen Ausschuss. 

Die Hautkrebse an der Hand haben ihren bevorzugten Sitz 
am Handrücken. Dies ist eine immer wiederkehrende Erschei¬ 
nung. In den 90er Jahren stellte E. v. Bergmann in der Klinik 
einen alten Schäfer mit einem ähnlichen ausgebreiteten Hand- 


, 1 ko vnr der seine Entstehung zurückleitete auf eine in 

rückenkrebs vor der B d . e ^ ^ 

der Vater dicke wulstige Narben hinterlassen hatte. Einen 

durch den v ® , , . h | n w j r j n derselben Klinik bei einem 

08 jährigen*). Er hatte sich angeblich aus einem warzenartigen 

Coachs entwickelt Kattne r’schen Klinik befinden sich 

ln aer & Handrücken bei hochbetagten Patienten, 

dre ‘ dcnen^eine/aulf eine Wunde der Kartoffelhacke zurückgeführt 

Ä *von tÄÄÄ 
ÄVlt Klarheit ÄS jSÄ -hl E 

der"VV^ar'ze U der'Ausgaligspimkt^des zelsdörende^^Krebsge^diwüres 

WUrd Mikroskopisch handelt es sich beim Handrückenkrebs 
a'usgedehn te *'Vertaornung un^KÜgeS^htung nie- 

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Erm€beÄs 

er meist als vielfaches Krebsgeschwur auftntt und geraoe 

""MSÄ - “ «S« I*'“ 7SSJÄS 
“:™ t. ä'ää: -ä 

obachtung auch ein gewisses aktuelles Interesse ni Häufig- 

denn die g !et1ten Balkaokriege haben von neuem die gnrsse Hinflg 

ttn d bä üss ^ 

(s* Abbild. ^ Vdffibei zurückblmbenden N«benzerst»rungen 

SÄKÄ Ättr 

Vorstehenden für diese häufigen Han s n am it tritt aber 

späteren Krebsentwicklung nicht »biuwdsen. ‘ Atzungen, 

der Krebs ein in die Reihe der Spätfolgen der Kriegsverletz g 

mit denen praktisch zu rechnen sein wird. 

Aus der Direktorialabteilung des Allgemeinen Kranken¬ 
hauses zu Lübeck (Prof. Dr. Deycke) 

Das cytologische Bild der Intracutianr«t* n 

mit den Deycke-Much’schen P^^erkuUn. 
der Tuberkelbacillen und dem AlttuberKuu 

Von 

Theodor Kohrs. ^ 

Während den roten Blutkörperchen im wesentliche^f j ffliner 
Leben direkt erhaltende Tätigkeit zukomm , e ^er we j 8S en 

mehr, dass es die Aufgabe wenigstens elD . Schädigung J es 

Blutkörperchen ist, bei allgemein« oder loWe SJt ^ 6^, dje 

Körpers schützend, abtötend und heilend einzugre 


1) Langenbeck’s Arch., Bd. 78, S. 688, Fall 32. 

2) Bruns’ Beitr., 1891, Bd. 7. 

3) D.m.W., 1904, Nr. 30. 1909 Nr. 7. 

4) Coenen, Das Röntgen oarcinom. 19 * 

5) Beitr. z. Kriegsohirurgie, Rotes Kreuz, iyi^. 

6) Bruns’ Beitr., 1914. 


□ igitized fr, 


Got igle 


Original from 


31. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1691 


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Phagocyteßtheorie, jedenfalls in dem anmittelbaren und univer¬ 
sellen Sinne Metschnikoff’s, für den Menschen mehr als pro¬ 
blematisch bleibt. 

Es ist ferner gefunden worden, dass die polynucleären 
Leukocyten wie auch die Lymphocyten diese Tätigkeit zum Teil 
dem Umstande verdanken, dass sie für gewisse komplizierte che¬ 
mische Verbindungen fermentähnliche Stoffe besitzen oder pro¬ 
duzieren, die diese abzubauen vermögen. 

Verschiedentlich ist darauf hingewieseu worden, dass ebenso, 
wie Pepsin Eiweiss verdaut, wie Galle Fett spaltet usw., so auch 
bestimmte Arten von weissen Blutkörperchen eine bestimmte 
lytische Wirkung ausüben. Diese lytische Fanktion weisser Blut¬ 
zellen scheint auch bei der Bakteriolyse eine wichtige Rolle zu 
spielen. Wie nun zur Verdauung der Nahrung die verschieden¬ 
artigsten Fermente nötig sind, da die Nahrung aus den ver¬ 
schiedensten Bestandteilen besteht, so sind auch mehrere ver¬ 
schiedene fermentartige Stoffe, kurz gesagt Antikörper nötig, um 
ein Bacterium aufzulösen, da dieses, wie alle Lebewesen, nicht 
aus einem einheitlichen, sondern aus verschiedenen, chemisch 
ganz differenten Stoffen zusammengesetzt ist [Bergei 1 )]. 

Diese Erkenntnis, die für die säurefesten Bakterien besonders 
von Deycke 2 ) chemisch näher erforscht und begründet wurde, 
ist von Wichtigkeit bei der aktiven Immunisierung geworden. 
Speziell beruht die therapeutische Methode von Deycke 2 ) bei 
bei Lepra und das Immunisierungsverfahren von Deycke und 
Much 8 ) bei Tuberkulose auf dieser Anschauung. Bei der Tuber¬ 
kulosebehandlung nach ihrem Programm wird angestrebt, dem 
Körper die Bestandteile* des Bacillus in nativer Form und indi¬ 
viduell angepasster Dosis einzuverleiben und ihn so anzuregen, 
die einzelnen nötigen fermentartigen Stoffe bzw. Reaktionskörper 
zu bilden. 

Eine Trennung der einzelnen Antigene ist durch eine mecha¬ 
nische Aufschliessung der Tuberkelbacillen nach Ansicht Deycke’s 
und Much’s 4 ) nicht möglich, dagegen gelang es Deycke und 
Much, auf chemisch-physikalischem Wege durch schwach kon¬ 
zentrierte Lösungen von organischen und anorganischen Säuren 
(Salzsäure, Phosphorsäure, Milchsäure, Weinsäure, Zitronen¬ 
säure usw.) bei 56° Tuberkelbacillen so aufzuschliessen, dass sie 
durch Filtration in ein Filtrat (L) und in einen Rücktand M.Tb.R. 
zerlegt werden konnten. 

L enthält alle löslichen Bestandteile der Bacillen, und der 
Rückstand enthält: 1. die unlöslichen albuminoiden Sub¬ 
stanzen (A), 2. das Fettsäure-Lipoidgemisch (F), 3. das Neutral¬ 
fett (Tuberkulona8tin) (N). 

In diesen Anfschliessungen (L -j- A -f- F -f- N) müssen sämt¬ 
liche Bestandteile der Tuberkelbacillen enthalten sein, und zwar 
in nativer Form. Diese Stoffe verwenden Deycke und Much 
zu immunisatorisch therapeutischen Zwecken, nachdem vorher 
nachgewiesen war, dass Meerschweinchen und viele andere Tier¬ 
arten durch sie immunisiert werden konnten 8 ). 

Von diesen Teilsubstanzen der Tuberkelbacillen konnten 
Much und seine Schüler auf serologischem Wege zeigen, dass 
sie sämtlich — auch die Fettkörper — antigenen Charakter be¬ 
sitzen. Sie werden daher mit Recht als die Partialantigene der 
Tuberkelbacillen bezeichnet. Einfacher noch und jedenfalls an¬ 
schaulicher lässt sich die geradezu fabelhafte spezifische Aktivität 
der Partialantigene durch die zuerst von Mendel, dann von 
Mantoux, Roux und Roeroer empfohlene intracutane Stich¬ 
reaktion demonstrieren. Es hat sich nun gezeigt, dass die 
einzelnen Partialantigene sich bei den Stichreaktionen nach In- 
QDd Extensität sowie nach Art und Aussehen der Hauterschei¬ 
nungen durchaus nicht gleich verhalten, sondern deutliche quanti¬ 
tative und qualitative Unterschiede erkennen lassen. Da nun die 
Bewertung der intraentanen Reaktivität gegen die Partialantigene 
•m klinischen Einzelfall für die Methode der Tuberkulosetberapie 
nach Deycke - Much grosse praktische Bedeutung gewonnen hat, 
ßo dürfte es von Interesse sein, zu erfahren, wie sich die ana¬ 
tomischen Verhältnisse gestalten, d. b. ob und welche Ver¬ 
schiedenheiten die lokalen Reaktionsprodukte der verschiedenen 
Partialantigene im cytologiscben Bilde bieten. Denn nach 
dem eingangs Gesagten müssen sich an den Injektionsstellen in 
erster Linie die Zellen sammeln und aßhäufen, die geeignet sind, 


1) M.m.W., 1910, Nr. 82. 

2) D.m.W., 1907, Nr. 3. 

3) M.m.W., 1913, Nr. 3 u. 4. 

4) Beitr. z. Klin. d. Tub., Bd. 20, H. 3. 

5) M.m.W., 1913, Nr. 3 u. 4. 


die gesetzte Schädigung durch Abbau der injizierten chemischen 
Stoffe zu beseitigen. Um dies zu untersuchen, wurden Intracutan- 
reaktionen, die zur Feststellung der bestehenden cellulären Im¬ 
munität gemacht wurden, bei sechs verschiedenen Menschen ex- 
stirpiert, und zwar alle am 4. Tage, nachdem das Antigen in die 
Haut eingespritzt war. 

Bezüglich der Technik sei erwähnt, dass sämtliche Reaktionen mit 
Spritzen und Kanülen gemacht wurden, die nur für das betreffende 
Partialantigen benutzt wurden, also nicht mit anderen in Berührung ge¬ 
kommen waren. Unter Aufhebung einer Hautfalte wurden tangential 
zwischen Epidermis und Corium jedesmal 0,1 ccm der betreffenden 
Antigenverdünnung eingespritzt, so dass eine gut linsengrosse weisse 
Hautquaddel entstand. Diese Art des Vorgehens gibt die grösstmögliche 
Gewissheit, dass die zu prüfenden Substanzen wirklich an Ort und Stelle 
bleiben und nicht fortgewischt oder verunreinigt werden, wie es zum 
Beispiel bei der cutanen Reaktion nach v. Pirquet nicht immer zu 
vermeiden ist. Verwendet wurden von den Deycke - Much’schen Prä¬ 
paraten die durch MilcbsäureaufschliessuDg gewonnenen Partialantigene 
der Tuberkelbacillen, deren Verdünnung auf Trockensubstanz berechnet 
wurde, ausserdem noch das Koch’sche Alttuberkulin. 

Auf diese Weise gelang es, 2 Reaktionen von Alttuberkulin, 
2 Reaktionen von M.Tb. = L -f- M.Tb.R., 2 Reaktionen von L 
(Filtrat), 3 Reaktionen von M.Tb.R. (Rückstand), 3 Reaktionen 
von A (Tuberculoalbumin), 3 Reaktionen von F (Tuberculo- 
Fettsäurelipoid), 3 Reaktionen von N (Tuberculonastin) histo¬ 
logisch zu untersuchen. 

Auf das makroskopische Aussehen der Stichreaktion einzu¬ 
gehen, erübrigt sich nach den Veröffentlichungen von Deycke- 
Much 1 ) und Altstaedt 2 ), die diese Reaktionen eingehend, ver¬ 
gleichend und zusammenfassend beschrieben haben. Es sei hier 
nur bervorgehoben, dass sieb auch bei diesen Untersuchungen 
der mit blossem Auge sichtbare Unterschied der Stichreaktionen 
mit Alttuberkulin und L. einerseits und mit den unlöslichen 
Partialantigenen andererseits bestätigt bat. 

Histologisch zeigte es sieb, dass in den Reaktionen teilweise 
kleine Nekroseherde sich fanden, in denen reichlich Zell¬ 
detritus mit ausschliesslichen Anhäufungen polynukleärer Leuko¬ 
cyten vorhanden waren. Zur Bestimmung des prozentualen Ver¬ 
hältnisses der einzelnen Zellarten gegeneinander wurden diese 
Partien nicht verwandt, weil hier die Verhältnisse durch die 
Gewebszerstörung, die ja ein Auftreten von Leukocyten erklärlich 
macht, kompliziert bzw. verwischt werden und nicht mehr das 
reine Bild der Antigenwirkung zeigen. In den nichtnekrotischen 
Stellen wurden Leukocyten und Lymphocyten mittels Oelimmersion 
ausgezählt. 

Fall 1. 22 Jahre alt. Tuberkulose der Luügen und Nieren, bis 
jetzt nicht spezifisch behandelt. 

M. Tb.R 1/1000 Millionen: Im Corium findet sich eine Anhäufung 
von Leukocyten und Lymphocyten. Eine Zerstörung der Bindegewebs* 
bündel ist nicht eingetreten. Die weissen Blutkörperchen sind zwischen 
die einzelnen Fasern eingebettet. Leukocyten 42 pCt., Lymphocyten 

A. 1/1000 Millionen: Im Corium Anhäufungen von Leukocyten und 
Lymphocyten. Keine Gewebsstörung. Leukocyten 39 pCt., Lymphocyten 
61 pCt. 

F. 1/1 Million: Reichliche Zellanhäufung im Corium und im Stratum 
subcutaneum. Keine Bindegewebsschädigung. Fast nur Lymphocyten. 
Leukocyten 4 pCt., Lymphocyten 96 pCt. 

N. 1/1 Million: Sehr reichliche Zellaobäufung im Corium und im 
Stratum subcutaneum. Keine Gewebseinschmelzung. Leukocyten 57 pCt., 
Lymphocyten 43 pCt. 

Nirgends Epitheloid- oder Riesenzellen. 

Fall 2. 47 Jahre alt, gesund. Kein Anhaltspunkt für aktive Tuber¬ 
kulose, nie spezifisch behandelt. 

M. Tb.R. 1/1000 Millionen: Sehr reichliche Zellanhäufungen mit 
einem Nekroseherd. An den nicht nekrotischen Stellen: Leukocyten 
57 pCt., Lymphocyten 43 pCt, (Abbildung 1.) 

A. 1/1000 Millionen: Gewebseinschmelzung mit Blutungsherden im 
Stratum papillare. Sonst reichliche Zellanbäufungen ohne Zelldetritus. 
Leukocyten 35 pCt, Lymphocyten 65 pCt. 

F. 1/1 Million: Schwache Reaktion, nur wenig ZellanbäufuDgen mit 
wenig Leukocyten. Leukocyten 8 pCt, Lymphocyten 91 pCt. 

N. 1/1 Million: Ein Einschmelzungsherd mit reiner Leukocyten- 
anbäufung im Corium. In den übrigen Partien: Leukocyten 62 pCt., 
Lymphocyten 38 pCt. 

Bei keiner der Reaktionen Epitheloid- oder Riesenzellen. 

Fall 3. 23 Jahre alt. Tuberkulose beider Lungen. Spontanpneumo- 
thorax. Bisher nicht spezifisch behandelt. 

M.Tb.R. 1/1000 Millionen: Keine Einschmelzungsherde. Zellanhäu- 


1 ) M.m.W., 1918, Nr. 3 u. 4. 

2) Beitr. z. Klin. d. Tub., 1914, Jubiläumsheft, 

1* 


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Original from 

UNIVERSITV OF IOWA 



1592 


BERLINER KLINISCHE WOC HENSCHRIFT . 


Nr. 35. 


Abbildung 1. 



Jungen im Corium und Stratum subcutaneum. Leukocyten 43 pCt., 
Lymphocyten 57 pCt. 

A. 1/1000 Millionen: Keine Einschmelzungsherde. Geringe Zell- 
anbäufuDgeD. Leukocyten 33 pCt., Lymphocyten 67 pCt. 

F. 1/1 Million: Im Corium ein Einschmelzungsherd, in dem Leuko¬ 
cyten und Lymphocyten gleichmässig gemischt auftreten. In den übrigen 
Zellanhäufungen überwiegen die Lymphocyten erheblich. Leukocyten 
10 pCt., Lymphocyten. 

N. 1/1 Million: Kein Einschmelzungsherd. Geringe Zellanhäufung, 
vorwiegend aus Leukocyten bestehend. Leukocyten 66 pCt-, Lympho¬ 
cyten 34 pCt. 

Nirgends waren Riesenzellen oder Epitheloidzellen sichtbar. Auch 
makroskopisch war die Reaktion mit F. am stärksten. 

Fall 4. 24 Jahre alt, gesund. Kein Anhaltspunkt für aktive Tuber¬ 
kulose. Nie spezifisch behandelt. 

M. Tb. 1/1000 Millionen: Grosser Einschraelzungsherd mit Leuko¬ 
cyten. In den Zellanhäufungen des übrigen Gewebes sieh#*raan sowohl 
Leukocyten wie Lymphocyten, ohne Riesenzellen oder Epitheloidzellen. 
Leukocyten 21 pCt., Lymphocyten 79 pCt. 

L. 1/100 000 Millionen: Starke diffuse Zellanhäufungen ohne Ein¬ 
schmelzung des Gewebes. Recht zahlreich finden sich diese Verände¬ 
rungen im Stratum papillare. Es bandelt sich hier um eine reine Lympho- 
cytenansammlung, ohne dass Leukocyten zu finden sind. Keine Epithe- 
loid- oder Riesenzellen. Lymphocyten 100 pCt. 

Alttuberkulin 1/1000 Millionen: Auch hier sieht man eine diffuse 
flächenhafte Einlagerung von Lymphocyten. Keine Leukocyten, keine 
Epitheloid- oder Riesenzellen (Abbildung 2). Lymphocyten 100 pCt. 


Abbildung 2. 



Fall 5. IS Jahre alt. Gonitis tuberculosa. Nicht spezifisch be¬ 
handelt. 

L. 1/100 000 Millionen: Zahlreiche Lymphocytenanhäufungen ohne 
Beimengung von Leukocyten im Corium. Reichliche Ausbreitung der 
Lymphocyten in den Lympbräumen des Stratum papillare. Keine Ge¬ 
webseinschmelzung. Keine Epitheloid- oder RiesenzelleD. Lymphocyten 
100 pCt. , 

Alttuberkulin 1/1000 Millionen: Keine Gewebseinschmelzungen. 
Reicbliobe Lymphocytenanhäufung im Corium, besonders in den Lymph- 


räumen des Stratum papillare. Keine Epitheloid- oder Riesenzellen. 
Lymphocyten 100 pCt. 

Fall 6. 33 Jahre alt, gesund. Kein Anhaltspunkt für aktive 
Tuberkulose. Nie spezifisch behandelt. 

M. Tb. 1/1 Million: Reichliche Anhäufung von Lymphocyten und 
Leukocyten im Corium. Keine Nekrosen. Keine Epitheloid- oder Riesen¬ 
zellen. Leukocyten 25 pCt., Lymphocyten 75 pCt. 

Fassen wir diese Resultate zusammen, so ist es auffallend, 
dass bei keiner Reaktion Riesenzellen oder Epitheloidzellen vor¬ 
handen sind. Es widerspricht dieser Befund bei der Alttuber¬ 
kulinreaktion den Befunden, die Bandler und Kraibisch 1 ) er¬ 
heben konnten. Beide beschreiben in Impfpapeln RiesenzelleD, 
sowie epitheloide Zellen. Daeis 2 ) beschreibt sogar die typische 
Struktur eines Tuberkels. Allerdings enthält das von ihm ver¬ 
wendete Material tote ßacillenleiber; es handelt sich also wobl 
nicht um einen nur chemisch, sondern um einen biologisch 
reaktiven Stoff. 

Uebereinstimmend mit der makroskopischen Aehnlichkeit der 
Stichreaktionen von Alttuberkulin und L., auf die schon hin¬ 
gewiesen wurde, sehen wir auch mikroskopisch das gleiche Ver¬ 
halten. Bei beiden haben wir eine reine Lymphocytenanhäufung, 
ohne dass auch nur irgendwo Leukocyten aufgetreten wären. 
(Abbildung 1.) 

Alttuberkulin. 


Fall 

4 

5 

Lymphocyten .... 

. . 100 pCt. | 

100 pCt. 


L. 

Lymphocyten.| 100 pCt. 100 pCt. 

Ganz anders verhalten sich, schon makroskopisch deutlich 
sichtbar und auch mikroskopisch hervortretend, die fünf Partial¬ 
antigene A., F., N., sowie M. Tb. R. und M. Tb. Hier sehen wir 
mehr oder minder ein Auftreten von Leukocyten, die bei A. etwa 
1 f 3 der Zellen ausmachen. 

A. 


Fall 

1 

2 

3 

Leukocyten . . . 

39 pCt. 

35 pCt. 

33 pCt. 

Lymphocyten . . . 

! 61 ■ 

65 jf | 

67 . 


Nach der zurzeit geltenden Anschauung über die Tätigkeit 
der polynucleären Leukocyten sollte man eigentlich annebmen, 
dass diese bei der Unschädlichmachung eines Biweisskörpers in 
viel grösserer Anzahl auftreten würden. Man muss aber be¬ 
denken, dass A. kein einheitliches chemisches Gebilde ist, und 
dass es auch kein Eiweiss in dem sonst üblichen chemischen 
Sinne darstellt, sondern dass es sich um albuminoide, vielleicht 
den Nucleoproteiden nahestehende, hochmolekulare Substanzen 
handelt, die neben Stickstoff in sehr reichlicher Menge Phosphor 
enthalten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in dieser chemischen 
Beschaffenheit des A., die uns im einzelnen noch durchaus un¬ 
bekannt ist, der Grund zu suchen ist, warum auch hier in über¬ 
wiegender Zahl Lymphocyten aufgetreten sind. 


F. 

Fall 

1 

2 

3 

Leukocyten . . . 

4 pCt. 

! 9 pCt. 

lOpCt. 

Lymphocyten . . . j 

96 * 

91 „ 

90 „ 


Bei F., dem Fettsäure-Lipoidgemisch sehen wir mehr als 
»/io Lymphocyten und nur zu einem geringen Teil Leukocyten. 
Diese Lymphocytose bestätigt die schon verschiedentlich ge- 
äusserte Ansicht 3 ), dass die Lymphocyten lipoidlösliche Stoffe 
enthalten und ist nach dem heutigen Stande der Kenntnis von 
der Tätigkeit der Lymphocyten verständlich. 


N. 

Fall 

1 

2 

3 

Leukocyten . . . 

57 pCt. 

1 62 pCt. 

66 pCt. 

Lymphocyten . . . J 

43 „ 

38 „ 

34 „ 


Bei N., dem Neutralfett, finden wir zu etwa 2 / 8 Leukocyten 
und zu Vs Lymphocyten. Beide Zellarten stehen also im um- 

1) D.m.W., 1907, Nr. 40. 

2) M. Kl., 1908, Nr. 2. 

3) M.m.W., 1910, Nr. 32. 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 







31. August 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1593 


gekehrten Mischungsverhältnis wie bei A. Daa ist gewiss ein 
ebenso interessantes wie unerwartetes Ergebnis. Denn a priori 
hätte man gerade bei einem Nentralfett das Ueberwiegen der 
lipolytisch wirkenden Lymphocyten vermuten können. 

Wir sehen demnach, dass auf A., F. und N., jedes für sieb, 
der ROrper anders reagiert als auf Alttuberkulin und L. Während 
hier nur reine Lymphocytenansammlung beobachtet wird, haben 
wir bei den unlöslichen Partialantigenen Deycke’s und Much’s 
zum Teil recht erhebliche Leukocytenanbäufangen. Zwischen Alt- 
tuberknlin und L. auf der einen Seite und A., F. und N. auf der 
anderen Seite scheint also ein fundamentaler Unterschied zu be¬ 
stehen, aber auch zwischen den einzelnen nichtlöslichen Teil- 
sobstaozen der Tuberkelbacillen sind deutlich qualitative Unter¬ 
schiede chemotaktischer Natur zu erkennen. Dass dies unter¬ 
schiedliche Verhalten nicht zufällig, sondern gesetzmässig ist, 
dafür geben die Zellbilder der Stichreaktionen mit dem Gesamt¬ 
rückstand (M.Tb. R) sowie mit der Gesamtaufschliessuog der 
Tuberkelbacillen (M. Tb.) die Probe aufs Exempel. (Abbildung 2.) 


M. Tb. R. 


Fall 

| 1 

2 

3 

Leukocyten . . „ 

42 pCt. 

57 pCt. 

43 pCt. 

Lymphocyten . . . 

58 „ 

43 „ 

57 „ 


Hier halten sich also die beiden Zellarten annähernd die 
Wage. Dass sie bei den drei Patienten nicht in gleichen Mengen¬ 
verhältnissen vorhanden sind, findet wohl darin seine Erklärung, 
dass ein Mensch mehr gegen diese, ein anderer stärker gegen 
jene Teilsubstanz der Tuberkelbacillen reagiert. Denn aus etwa 
1000 Serien von Intracutanreaktionen, die bisher mit den Partial¬ 
antigenen angestellt sind, bat sich ergeben, dass jeder überhaupt 
reagierende Mensch einen individuell verschiedenen Reaktions¬ 
titer gegenüber den einzelnen Partialantigenen besitzt. Es^ ist 
also verständlich und entspricht durchaas der Theorie, wenn wir 
bei M.Tb. R. tatsächlich verschiedene Verhältnis werte bei den 
Auszählungen der Zellen erhalten. 

M. Tb. 


Fall 

* 1 

5 

Leukocyten. 

21 pCt. 

25 pCt. 

Lymphocyten. 

79 n 

75 „ 


Bei M.Tb. sehen wir gleichfalls sowohl Lymphocyten wie 
Leukocyten auftreten, was durchaas erklärlich ist, wenn man be¬ 
denkt, lass im M. Tb. das leukocytotisch wirkende M. Tb. R. ent¬ 
halten ist. Wenn die Leukocyten hier numerisch hinter den 
Lymphocyten zurücktreten, so kann das nur daran liegen, dass 
L., welches ja im M. Tb. enthalten ist, in sehr energischer Weise 
im Sinne der Lymphocytose sich geltend macht. 

Zum Schluss soll noch einem Einwand begegnet werden, der 
möglicherweise erhoben werden könnte. Die Intracutanreaktion, 
die wir zum Zweck der histologischen Untersuchung exstirpiert 
haben, waren sämtlich durch recht hochgradige Verdünnungen 
der verschiedenen Tuberkelbacillenstoffe erzeugt. Das geschah, 
um ein möglichst reines, nicht durch Gewebsnekroseu kompli¬ 
ziertes cytologisches Bild zu erhalten. Man könnte nun sagen, 
dass vielleicht die Verdünnungsflüssigkeit (Carboikochsalzlösung) 
schon zelluläre Infiltrationen bedingt. Der Einwand ist hinfällig. 
Denn, obwohl reine Kontrollen nicht untersucht sind, so haben 
wir doch mehrere mit sehr hohen Verdünnungen der Partial¬ 
antigene ansgeführte und makroskopisch negativ ausgefallene 
Stichreaktionen exzidiert und geschnitten und dabei keine Gewebs¬ 
veränderungen, vor allem keine Anhäufungen von Leukocyten 
oder Lymphocyten feststellen können. 

Einstweilen möge die einfache Feststellung der gefundenen 
Tatsachen and ihrer unverkennbaren Gesetzmässigkeit genügen. 
Das Wie und Warum lässt sich heute noch nicht aufklären. Bei 
unserer mangelnden Kenntnis von der genauen chemischen Be¬ 
schaffenheit der verwendeten Substanzen, sowie auch bei der 
problematischen Natur unserer Anschauungen von der immuno- 
biologischen Funktion der Lenke- und Lymphocyten ist es besser, 
auf hypothetische Schlussfolgerungen Verzicht zu leisten. 


Ueber Neuralgia brachialis und ein eigentüm¬ 
liches Symptom bei derselben. 

Voa 

Dr. 0. B. Meyer, Nervenarzt in Würzburg. 

Ueber ein eigentümliches Symptom bei Neuralgia brachialis, 
das ich im folgenden beschreiben werde, habe ich in den diesen 
Gegenstand zusammenfassenden Besprechungen keine Angaben ge¬ 
funden. Ausser den weiter unten angeführten Lehr- und Hand¬ 
büchern habe ich daraufhin noch die letzten Jahrgänge des 
Neurologischen Centralblattes, sowie der Münchener medizinischen 
Wochenschrift durebgesehen, welch letztere bekanntlich aach 
Referate aus einer grossen Zahl medizinischer Zeitschriften ent¬ 
hält. Bei der Beschreibung des Symptoms gehe ich am besten 
von dem Fall aus, bei dem ich es zuerst beobachtete. 

Fallt. Er betraf einen 44 jährigen Gendarmen, aus dessen Kranken¬ 
geschichte ich nur das wesentliche herausgreife. Bei diesem Kranken, 
sowie allen übrigen wurde bei der Aufnahme ein eingehender Nerven- 
status gemacht und schriftlich niedergelegt. 

3. VI. 1910. Seit 5 Monaten bestehen fortwährend Schmerzen im 
rechten Arm, wodurch der Schlaf sehr gestört ist. Auf den andauernden 
Schmerz pfropfen sich noch heftige Schmerzanfälle von einigen Minuten 
Dauer. Auch leichte Bewegungen des Armes verursachten Schmerzen. 
Die Angaben hinsichtlich Heredität, Infektion, Alkohol- und Nikotin¬ 
genuss sind ohne Interesse. Pat. machte nun folgende merkwürdige 
Angabe: Er könne sich nur im Stehen rasieren lassen, da beim 
Zurückbeugen des Kopfes der Schmerz im Arm heftiger wird. 
Allgemeine Nervosität ist den Angaben nach nicht vorhanden. 

Der Schmerz wird vorzugsweise, nach der Ausbreitung der Haut¬ 
nerven betrachtet, im Gebiet des N. cutaneus hum. post, und N. cut. 
brach, post. inf. beschrieben, von denen erstem aus dem N. axillaris, 
letzterer aus dem N. radialis stammt (Gegenbauer 1 )- Der Sohmerz 
ist aber nicht streng an diese Gebiete gebunden. Jedenfalls weist Pat. 
beim Hinzeigen auf den Sitz der Schmerzen fast gar niobt auf die volare 
Seite. Der rechte Arm ist in tote etwas magerer als der linke. Die 
Messung des Umfanges des Oberarmes über den (erschlafften) Biceps er¬ 
gibt rechts 26, links 27 cm. Der N. radialis, der Ulnaris und der 
Medianus werden rechts als mehr empfindlich auf Druck bezeichnet wie 
links, und zwar der Radialis an der Umschlagstelle um den Oberarm* 
der Ulnaris an dem Epicondylus medialis, der Medianus über der Ellen¬ 
beuge. Auch die unteren Halswirbel waren schmerzhaft auf Druck. 
Druck auf die Nervenstämme löste ein Gefühl aus, „wie Durchströmen 
mit elektrischem Strom“; links war dies bei dem angewandten, kurzen 
und nicht allzu starken Druck nicht der Fall. Ein besonders empfind¬ 
licher Druckpunkt befand sich auf der Dorsalseite über dem Ellbogen; 
gelenk, da wo der N. outan. brach, inf. post, über das Gelenk hinweg- 
zieht (Abbildung 1). Pat. hatte infolge der Schmerzen angeblich 
10 Pfund an Gewicht abgenommen. 

Die Therapie in diesem Falle gibt zu einigen Bemerkungen Anlass. 
6 Tabletten Aspirin täglich nützten gar nichts, auch nicht das hiernach 
verordnete Pyramidon, selbst wenn als Einzelgabe 1,0 genommen wurde. 
Elektrische Behandlung, die einige Male versucht wurde, hatte ebenso¬ 
wenig Erfolg. Da Pat. schon sehr lange die Schmerzen hatte, viel und 
vergeblich behandelt war 3 ) and ziemlich weit von hier wohnte, ging icli 
zur Behandlung mit Injektionen über, die meines Wissens bei den 
brachialen Neuralgien, so häufig sie auch bei anderen Neuralgien zur 
Anwendung gelangt, nur wenig versucht wurden. Ich machte Iojektioneri 
mit Cocain 0,2 proz. in physiologischer Kochsalzlösung (jetzt wende ich 
zur Injektionstherapie nur Novocain an). Die Injektion wurde zunächst 
an dem auf Druck besonders schmerzhaften Punkt in der Nähe des EIL 
bogengelenkes (Abbildung 1) gemacht. Sie brachte wesentliche Linde¬ 
rung der Schmerzen in dem Gebiet des N. cut. brach, inf. post., in dem 
sie, wie bemerkt, am stärksten auftraten. Nach etwa 8 Tagen wurde 
die Einspritzung wiederholt mit dem Erfolg weiterer Besserung. Doch 
kamen die Schmerzen, wenn auch nicht so stark, wieder. Da wahr¬ 
scheinlich bei der diffusen Ausbreitung der Schmerzen und bei der 
Druckschmerzhaftigkeit der Halswirbel eine radikuläre Form der Neur r 
algie anzunehmen war, so machte ich den Versuch, die Neuralgie durch 
centrale Injektionen zu heilen. Nach Vorversuchen an Leichen, für die 
mir in dankenswerter Weise Material im hiesigen anatomischen Institut 
zur Verfügung gestellt wurde, ging ich mit einer langen Hohluadel seit¬ 
lich von der Halswirbelsäule auf diese ein, um möglichst nahe der Aus; 
trittsstelle der Nerven mit Gocainlösung eine paravertebrale Injektion 
zu machen, in der Weise, wie sie Heile®) später angegeben hat. Bei 
dieser Gelegenheit erwähne ich, dass ioh solche Injektionen auch in der 


1) Lehrbach der Anatomie des Menschen. 7. Auflage. 

2) Er war schliesslich auch bei einer Magnetopathin gelandet. Es 
spricht wohl für die Intensität seiner Schmerzen, dass er längere Zeif 
regelmässig die 122 km Bahnfahrt, die ein solcher Besuch erforderte^ 
zurücklegte, und zwar auf seine eigenen Kosten, da seine Kranken; 
kasse begreiflicherweise hierfür nicht aufkam. 

3) Zur Darstellung des Epiduralraumes. M.m.W., 1913, Nr. 15. 
— Derselbe, Ueber epidurale Einspritzungen bei Isobias scoliotica. 
M.m.W., 1912, Nr. 18. 

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UMIVERSITY OF IOWA 





RERLlNER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 36. 


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Abbildung 1. 



Markierung der Eiostiohstelle für die Injektion auf den N. cut. brach, 
post. inf. 

Folge bei anderen Neuralgien einige Male ausgeführt habe, und be¬ 
sonders wieder dann, nachdem sie von Heile warm empfohlen waren. 
Ich halte es aber, besonders an der Lendenwirbelsäule, für recht 
schwierig und geradezu manchmal für Glückssache, in der Tiefe die 
Intervertebrallöcher zu erreichen, wie mir Injektionen mit Methylenblau¬ 
lösungen an Leichen gezeigt haben- Ich möchte sie daher nur für die 
Fälle empfehlen, bei denen man mit peripheren bzw. epiduralen In¬ 
jektionen durch den Kreuzbeinkanal nicht zum Ziele gelangt. 

Nach dieser Injektion trat nun wieder Besserung ein, die mehrere 
Wochen anhielt. In der Folge wurden hauptsächlich nur Schmerzen im 
Gebiet des N. cut. brachii post. inf. geklagt, die aber wieder ziemlich 
heftig wurden. Ich entschloss mich daher, da es sieb um einen ziem¬ 
lich oberflächlichen Hautnerven handelte und der Druckpunkt einen 
guten Anhaltspunkt für seine Lage bot, auf diesen Nerven Alkohol¬ 
injektionen zu machen. Ich wandte hierzu 2 ccm 75(volum-)proz. 
Alkohol an; mit sehr gutem Erfolg. Pat. teilte mir nur diesen noch 
mit und kam zunächst nicht wieder. 

Im Juli 1911 erschien er wieder in der Sprechstunde und teilte 
mit, dass die Schmerzen bis zum April aufgehört hätten und seitdem 
sich wieder allmählich eingestellt hätten, besonders heftig wieder an der 
Ellenbogenbeuge (dorsal). Die Finger seien taub. Beim Zurücklegen 
des Kopfes, besondersbeimRasieren, habe er wieder Schmerzen 
vom Nacken bis in den Arm. Es genügten zwei Injektionen (13. VII. 
und 26. VII.), die erste mit Novocainlösung, die zweite mit Alkohol, um 
die Schmerzen wieder zum Aufhören zu bringen. 

Von einer Epikrise des Falles will ich absehen und nur hin¬ 
sichtlich der Behandlung auf die auffällige Tatsache hinweisen, 
dass auch periphere Injektionen bei einer sicher weiter central 
sich erstreckenden Neuralgie von Nutzen sein können. Das ist 
merkwürdig und schwer erklärlich. Aehnliches habe ich aber 
auch bei der Injektionsbebandlung anderer Neuralgien, z. B. der 
Ischias, beobachtet. Trotzdem hier Injektionen von physiologischer 
Kochsalzlösung auf den Stamm bzw. epidurale Injektionen sehr ! 
günstig wirkten, blieben in einzelnen Fällen schliesslich noch 
Schmerzen nur in einem peripheren Gebiet, nämlich dem des 
Peroneus, bestehen, die dann nach Injektionen auf diesen selbst 
schwanden. 

Ich gebe nun eine kurze Uebersicht über eine Anzahl anderer ; 
von mir beobachteter Fälle von brachialer Neuralgie. 

II. 58jährige Lehrersfrau. Aufnahme 21. I. 1909. Hier handelt es 
sich um eine symptomatische, brachiale Neuralgie, die infolge Kom¬ 
pression des Plexus brachialis durch einen Tumor hervorgerufen wurde. 

Es waren zunächst nur Symptome einer Neuralgie festzustellen; Atrophien, 
Paresen, Sensibilitätsstörungen fehlten, so dass die Erkrankung bis da¬ 
hin von verschiedenen Aerzten als idiopathische Neuralgie aufgefasst 
worden war. Druck in der Supraclaviculargrube auf den Plexus ist 
schmerzhaft. Die aktiven Bewegungen des Armes schmerzen und werden 
möglichst vermieden. Die konstanten Schmerzen sind anscheinend ziem- 


Abbildung 2. 



Rechts oben deutlicher Schatten des Tumors, der den Plexus brachialis 
komprimiert. 


lieh diffus, doch hauptsächlich im Verlauf des Radialis und Medianus. 
Im Röntgonbild war ein Schatten an entsprechender Stelle zu sehen 
(Abbildung 2). Die Operation (Geheimrat Enderlen) ergab ein Endo- 
theliom, das wahrscheinlich von den Blutgelässscheiden ausgegangen war. 
In meinem sehr ausführlichen Status ist weder etwas über ScbmerzeD 
bei spontanen noch bei passiven KopfbeweguDgen bemerkt. 

III. Frau L. S., 46 Jahre alt. Aufnahme am 30. V. 1912, ambulante 
Beobachtung bis 27. VI. 1912. Es bestanden in letzter Zeit stärker ge¬ 
wordene Schmerzen im rechten Arm seit 4 Jahren nach einem Fall auf 
den Arm. Verlauf der anfallsweise auftretenden Schmerzen radial-dorsal. 
Radialis rechts exquisit schmerzhaft auf Druck. Leichte Abstumpfung 
für Schmerzreize im Radialisgebiet. Herr Prof. Faulhaber, der mir 
den Fall überwies, hatte eine interstitielle Nephritis festgestellt. In 
diesem Fall ist über Schmerzen bei Kopfbewegungen nichts verzeichnet, 
eine besondere Untersuchung hierauf habe ich allerdings nicht gemacht. 
Elektrotherapie war von gutem Erfolg. 

IV. Dr. S., praktischer Arzt. Aufnahme am 12. IX. 1912. In Be¬ 
handlung bis zum 8. Oktober 1912. Ein Bruder leidet an Gicht, die 
auch sonst in der Familie vorgekommen ist, Pat, selbst an häufigen 
rheumatischen Erkrankungen. Oefters Caput obstipum, wobei immer die 
rechte Nackenseite betroffen ist. Symptome von Gicht hat er dagegen 
nicht an sich beobachtet. Am 25. August Schiefhals und Schmerzen 
in der rechten Schulter. Am 4. oder 5. September plötzlich Schmerzen 
in der rechten Schulter und im Arm, die anfallsweise, besonders nachts, 
am meisten in der Schulterblattgegend, sodann in der dorsalen Seite 
des Armes und hier wieder vorwiegend in der Gegend des Ellenbogen¬ 
gelenkes und der Metacarpophalangealgelenke auftraten. Der Schmerz 
wird mehr als krampfhaftes Gefühl wie als eigentlicher scharfer Schmerz 
bezeichnet. Zuweilen kann auch der Kopf nicht gerade gehalten werden. 
Druckpunkte: Ueber der rechten Hälfte der Halswirbelsäule, N. radialis 
an der Umschlagstelle und über dem Ellenbogengelenk genau wie bei 
Fall I (Fig. 1). Die Schmerzen strahlen zuweilen nach vorn in die rechte 
Brustseite und werden nach Husten stärker fühlbar. Am rechten Hand¬ 
rücken, im Gebiet des Ulnaris und Radialis Ueberempfindlichkeit für 
Nadelstiche. Am rechten Zeigefinger, besonders lateral (im Versorgungs- 
gebiet des Medianus) starkes Taubheitsgefühl, das sich bei beruflichen 
Untersuchungen störend bemerkbar macht. Das Zuknöpfen von kleinen 
Knöpfen wird mit Hilfe des Mittelfingers ausgeführt. Röntgenbild der 
Pleius-, Schulter- und Oberarmgegend normal. Die grobe Kraft des 
Armes wurde im Verlauf der Beobachtung rechts geringer. Die elek¬ 
trische Untersuchung ergibt links und rechts im wesentlichen gleiche 
Resultate. Aktive Kopfbewegungen, besonders auch die Hal¬ 
tung des Kopfes beim Rasieren, rufen Schmerzgefühle in der 

1 Schulter und im Oberarm hervor. 

Bei einer späteren Untersuchung (8. X. 1912) erweist sich die 
Muskulatur des rechten Oberarmes etwas schlaffer wie links, die Kon¬ 
turen des M. brachioradialis treten bei entsprechender Beugung des 
Ellbogengelenkes rechts weniger hervor wie links. Elektrisohe Behand¬ 
lung hatte keinen besonderen Erfolg. Ebenso nicht Pyramidon. Um 
ruhige Nächte zu haben, nahm Pat. Pantopon 0,2 in Tabletten- Nach 
10—12 wöchiger Dauer klangen die Schmerzen ab. Ich sprach mit dem 
Kollegen zuletzt Ende 1913 über sein Befinden. Die Neuralgie war nicht 
mehr aufgetreten, dagegen hatte er auch noch um diese Zeit, also nach 
14 Monaten, Sensibiiitätsstörungen im Zeigefinger, so dass er z. B. bei 
rektalen Untersuchungen sich der linken Hand bedient. Die Motilität 
des Armes sei schon lange Zeit wieder ganz normal. 

V. Dr. N., Spezialarzt, hier. Ueberwiesen durch den Hausarzt am 
25. IX. 1913. Schmerzen im linken Arm seit einigen Wochen. Die 
Motilität des Armes ist an sich nicht gestört, sondern nur ab und zu 
indirekt infolge der Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen. Heredität o. B. 
5 6 Glas Bier. Infektion negiert. Plexus brachialis links sehr schmerz- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1596 


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81. Angast 1914. 


haft auf Druck. Das rechte Ellbogengelenk ist infolge einer Verletzung 
ankylotisch. Pat. ist ambideiter. 

16. X. 1913. Die Neuralgie ist weniger heftig und zieht jetzt mehr 
vom Ellbogen zur Hand auf der dorsalen Seite, während sie vorher durch 
den Oberarm und durch die Schulter strahlte. Es bestehen jetzt auob 
Motilitätsstörungen des Unterarmes. Pat. (Ophthalmologe) hat seine 
operative Tätigkeit völlig eingestellt. Röntgenaufnahme des Piexus und 
der Schulter, ebenso Durchleuchtung der Halswirbelsäule vor dem Schirm 
(Röntgenlaboratorium Prof. Faulhaber) negativ. Pyramidon und Pan- 
topon von keinem bzw. sehr geringem Erfolge, dagegen hat Algooratin, 
ein französisches Präparat, sehr günstig eingewirkt. 

Ich möchte hier anfügen, dass mir dieses Präparat bei verschiedenen 
Neuralgien, wo andere Antineuralgica versagten, ausgezeichnete Dienste 
geleistet hat. Nach Angabe des Pharmazeutischen Laboratoriums Lan- 
cosme in Paris soll das Algocratin {äkyoq Schmerz — xparito ich be¬ 
zwinge) ein chemisch einheitlicher Körper aus der Gruppe der Phenyl- 
amidoxanthine sein. Von E. Buchard 1 ) wird das Algocratin gleichfalls 
sehr gerühmt und seine Bekömmlichkeit hervorgehoben. 

Ende Oktober war im ganzen Besserung eingetreten. Doch bestanden 
noch Schmerzen beim Husten. Druck auf den Plexus ist weniger schmerz- 
haft, dagegen noch in hohem Grade der Druok auf den N. radialis und 
ulnaris. Beim Rasieren traten solche Sohmerzen auf, dass 
Pat sich inzwischen einen Vollbart stehen liess. Die grobe 
Kraft des Armes ist bei fast allen Bewegungen herabgesetzt, allerdings 
ist der Vergleich gegen rechts bei einer Reihe von Bewegungen nicht 
möglich, wegen der Ankylose des rechten Ellenbogengelenkes. Im 
Dezember war die Parese besonders im Gebiet des N. radialis ausgeprägt. 
Die Extension der Hand war viel schwächer wie rechts. Der M. brachio- 
radialis sprang links bei der Beugung des Armes bedeutend weniger 
hervor wie rechts und fühlt sich ziemlich schlaff an. Pat. klagte be¬ 
sonders, dass er Staroperationen noch nicht ausführen könne. Hierbei 
ist es notwendig, den Arm etwa bis zur Horizontale zu erheben und 
den Vorderarm in eine zwischen Supination und Pronation die Mitte 
haltende Stellung zu bringen, welche Funktion der Brachioradialis ver¬ 
mittelt [Duohenne zitiert nach E. Remak 2 * )]. Elektrisch, besonders 
faradisch war die Erregbarkeit im Radialisgebiet deutlioh herabgesetzt. 
Auch der M. deltoideus (innerviert vom N. axillaris) fühlt sich schlaffer 
an und zeigte eine Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit. Die 
Sensibilität war stets völlig intakt. 

Im Januar 1914 war eine erhebliche Besserung der Paresen ein¬ 
getreten, so dass Pat. wieder feinere Operationen, wie z. B. die Iridek- 
tomie ansführen konnte. Weniger schwierige, wie Bulbusenucleationen, 
waren ihm schon vorher möglich. Der UmfaDg des linken Oberarmes, 
der am 27, Oktober mit 28 1 /* cm verzeichnet wurde, betrug am 9. Januar 
29 b / 4 cm. Eine gewisse Schwäche bei der Extension der Hand ist aber 
noch recht deutlich. Schmerzen seien nicht mehr nennenswert vor¬ 
handen. 

VI. Dr. L., 44 Jahre, Kreisarzt in P. 15. XII. 1913. Ausser all¬ 
gemeinen, nervösen Klagen, wie Herzpalpitationen und SchweisseD, 
Schmerzen und Parästhesien auf der dorsalen Seite des linken Armes. 
Dem Patienten, der Vollbart trug, sagte ich nichts von meinen Beob¬ 
achtungen, sondern brachte den Kopf passiv in Rasierstellung, 
d. b. in starke Beugung nach rückwärts und etwas nach rechts seitwärts. 
Der Erfolg trat mit der Sicherheit eines Experimentes ein. Pat. gab 
spontan an, Schmerzen im linken Arm und Parästhesien zu empfinden, 
die nach den Hinweisen des Pat. hauptsächlich das Gebiet des 
N. cut. brach, post. inf. betrafen. 

Radialis an der Umschlagstelle entschieden empfindlicher auf Druck 
als rechts. Nach relativ leichtem und kurzem Druck treten vorüber¬ 
gehende Parästhesien im Radialisgebiet auf (rechts nicht). 

VII. Frau B., 33 Jahre. 2. I. 1914. Schmerzen im rechten Arm 
seit 4—6 Woehen, besonders nachts, die als nagende geschildert werden. 
Bei Druck auf den Ulnaris und Radialis kommt es rechts rasch zu 
Knebeln und Ameisenlaufen, links nicht. Passives Rückwärts-Seitwärts- 
beugen des Kopfes schmerzt nicht besonders. Sensibilität intakt. 
Pyramiden versagt. Algooratin nützt, bringt aber die Schmerzen nicht 
ganz zum Verschwinden. 

VIH. K. K., Tapezierer, 42 Jahre. 9. I. 1914. Seit 8 Tagen 
Schmerzen in der rechten Schulter und im rechten Arm. Taubheit im 
Zeigefinger. Infolge der Sohmerzen fast schlaflos. Halswirbelsäule nicht 
schmerzhaft bei Druck oder aktiven Bewegungen des Kopfes. Starkes 
passives Beugen des Kopfes nach vor- und rückwärts schmerzt, dagegen 
nicht die Kopfhaltung beim Rasieren. Objektiv für alle Qualitäten keine 
Sensibilitätsstörungen, auch nioht am Zeigefinger. 

Alle diese Fälle von Neuralgie brachialis sind als sichere 
zu bezeichnen. Die grosse Mehrzahl war längere Zeit in Beob¬ 
achtung, bis auf Fall VI, der aber einen Arzt betraf und Fall VIII. 
Auf centrale Störungen wurde in dem eingehenden, vom Kopf. bis 
zu Fass gemachten Status genau geachtet und nichts Positives 
gefunden. Auch spricht der Verlauf gegen medulläre Erkran¬ 
kungen. Für Halsrippen waren keine Anhaltspunkte vorhanden. 

1) „Algocratin“ — ein neues Analgeticum für die ärztliche Praxis. 
*od.M., 1913, H. 9 . 

2) E. Remak, Abhandlung über Radialislähmung in Eulenburg’s 

ßcaleucyklopädie. 


Auch ergaben die in zwei Fällen gemachten Röntgenaufnahmen 
bzw. Durchleuchtangen in dieser Beziehung ein negatives Resultat. 
Wie wertvoll andererseits das Röntgenverfahren bei diesen Formen 
der Neuralgie sein kann, zeigt Fall II, in dem die Durchleuchtung 
die Ursache der vermeintlichen idiopathischen Neuralgie auf¬ 
deckte. Ich lasse nach dieser Erfabrnog tunlichst jeden Kranken 
mit hartnäckiger und schwerer Form der Armneuralgie röntgen. 
Io Fall 1 war die von mir vorgescblagene Durchleuchtung ans 
äusseren Gründen unterlassen worden. Bei den Frauen, Fall U 
und VII, bei denen sich keine Zeichen besonderer Neurasthenie 
und keine für Hysterie fanden, habe ich keinen Anhaltspunkt für 
etwaige Psychalgie gehabt. Bei anderen mit Schmerzen im Arm 
einhergehenden Erkrankungen meines Materials habe ich bisher 
das eigentümliche Symptom des Armschmerzes bei Rasierstellnng 
des Kopfes nicht beobachtet. Zu solchen anderen Erkrankungen 
gehörten hauptsächlich rheumatische, besonders Omarthritis, bei 
der ja ausstrahlende, der Neuralgie nicht unähnliche Schmerzen 
Vorkommen, und auch zwei Fälle von entsprechend lokalisierter, 
centraler Erkrankung, nämlich ein Fall von Caries der Wirbel¬ 
säule und ein Rückenmarkstumor. Beide Kranke hatten über 
Schmerzen in der Schalter bzw. im Arm geklagt, beide sind lange 
Zeit von mir beobachtet und durch Operation bzw. Sektion 
bestätigt worden. Es scheint also, dass dieses Symptom den 
eigentlichen brachialen Neuralgien zukommt. Eine Erklärung 
desselben ist darin zu suchen, dass bei der Rasierstellung des 
Kopfes eine Zerrung am Plexus ausgeübt wird und dass gerade 
diese Stellung, besonders bei gleichzeitiger Seitwärtsbeugung des 
Kopfes nach der der Erkrankung entgegengesetzten Seite, eine 
maximale Anspannung des Plexus bedingt. Es wäre anch daran 
za denken, dass bei radikulärem Sitz der Neuralgie die Be¬ 
wegungen in den Halsgelenken Schmerzen verursachen. Dann 
müssten aber auch die meisten anderen Kopfbewegungen schmerzen, 
and hierüber ist im allgemeinen nicht geklagt worden. Die 
erste Erklärung hat meines Erachtens die grössere Wahrschein¬ 
lichkeit für sich. 

Bei der Mehrzahl meiner Fälle ist der radikuläre Sitz der 
Erkrankung entschieden wahrscheinlicher als ein weiter peripher 
liegender. In Fall I spricht die diffuse Sensibilitätsabstumpfung 
am Arm und der Schmers bei Druck auf die Halswirbel für diese 
Auffassung. Bei Fall III wäre eine andere Deutung für die 
Seosibilitätsabstumpfung in den Gebieten, die von 8 Nerven ver¬ 
sorgt werden, nur dann noch verständlich, wenn mau den Sitz 
der Erkrankung in den Plexus verlegte. Hiergegen spricht aber 
wieder die Schmerzhaftigkeit der Halswirbelsäule auf Druck. 
Doch sind auch wohl beim radikulären Sitz die peripheren Nerven¬ 
teile mit erkrankt. Sonst wären die Drucksymptome an peri¬ 
pheren Punkten nnd auch der therapeutische Erfolg in Fall I 
schwer erklärlich. Der radikuläre Sitz der Erkrankung ist auch 
nach Wertheim Salomonson 1 ) der weitaus häufigere. Zum Ver¬ 
gleich ist auf die Ischias hinzu weisen, bei der neuerdings gewisse 
Formen direkt als „Wurzelischias“ bezeichnet werden [Sturs- 
berg 2 )]. Vielleicht ist bei dieser Erkrankung der Nerv viel häufiger 
bis zur Wurzel hinauf erkrankt, als bisher angenommen wurde. 
Dieses Verhalten könnte die anch nach meinen Erfahrungen sehr 
günstige Wirkung der epidnralen Injektionen erklären. Bemerkens¬ 
wert ist, dass die Neuralgie in meinen sämtlichen Fällen die 
dorsale Seite des Armes bevorzugte, and hier wieder besonders 
die radial-dorsale Partie des Unterarmes. Diese Bevorzugung des 
Radialis ist aber nach den Angaben der Literatur eine ziemlich 
häufige. Auch war bei meinen Fällen an der Umschlagstelle des 
N. radialis der konstanteste and am meisten ausgesprochene 
Druckpunkt zu finden. Dass Bewegungen des neuralgisch er¬ 
krankten Gliedes schmerzen, ist bekannt. Auch Oppenheim 8 ) 
weist darauf hin. Es sind aber damit nnr die Schmerzen gemeint, 
die bei Bewegung des Armes selbst entstehen, nicht etwa die hier 
geschilderten Schmerzen bei gewissen Bewegungen des Kopfes. 
Der letztgenannte Autor erwähnt Druckpunkte über den Hals¬ 
wirbeln, die auch zwei meiner Fälle anfwiesen. Die starke Ge¬ 
wichtsabnahme, die auch idiopathische Neuralgien mit sieb bringen 
können — in Fall I wurden 10 Pfund angegeben — kann an¬ 
fänglich diagnostische Zweifel verursachen, ob nicht eine Kom¬ 
pression durch einen bösartigen Tumor vorliegt. Auch die beiden 
Aerzte, Fall IV und V haben eine nicht unbeträchtliche Abnahme 
ihres Körpergewichtes ausdrücklich erwähnt. 

1) Neuralgie und Myalgie. Handbuch d. Neurol. (herausgegeben 
von Lewandowsky). 

2) Ueber Wurzeliscbias. M.m.W., 1910, Nr. 84. 

3) Lebrb. d. Nervenkrankh. 6. Auflage. 

2 * 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1596 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 85. 


Unter den Ursachen ist in Fall IV wohl die rheumatische 
Veranlagung, in Fall V der an sich als immerhin mässig fu be¬ 
zeichnende Alkoholgenuss tu vermuten. Fall VIII behauptet nun 
in bestimmter Weise einen Zusammenhang der Neuralgie mit der 
sehr schmerzhaften Plombierung eines Backenzahnes auf der 
gleichen Seite. Nach Bell und Hesse (cit. nach Oppenheim) 
sollen bisweilen kranke Zähne die Ursache von Brachialneuralgie 
gewesen sein, ln Fall 11 wird ein Trauma (Fall auf den Arm) 
als Ursache angescbuldigt. In den übrigen Fällen, abgesehen 
von der symptomatischen Erkrankung des Falles I, war hinsicht¬ 
lich einer Ursache nichts tu erheben. Bei Fall IV, und besonders 
auch bei Fall V waren neuritische Prozesse mit im Spiel. Die 
Grenzen zwischen Neuralgie und Neuritis sind ja öfters, und 
speziell bei den Armneuralgien, fliessende. 

Es ist wohl für die Beobachtungen von besonderem Wert, 
dass sich unter den Kranken drei Aerzte befanden. Ob dies mehr 
als zufällige Bedeutung bat, möchte ich bezweifeln. Kein Zufall 
ist es wohl, dass der rechte Arm mehr disponiert ist, da er 
mehr angestrengt wird. Die linke Seite war zweimal betroffen, 
aber der eine dieser Patienten gebrauchte infolge der Ankylose 
des rechten Ellbogengelenkes den linken Arm mehr als den 
rechten. 

Die brachiale Neuralgie wird sowohl von Oppenheim 1 ) als 
von Strümpell 2 ) als eine seltene Erkrankung bezeichnet, im 
Gegensatz zu anderen Autoren, wie Bernhardt und Wertheim 
Salomonson 3 4 ). Letzterer hält sie fast für ebensohäufig wie die 
Ischias und hat sie in 30,6 pCt. seiner Neuralgiefälle beobachtet. 
Unter meinem allerdings nur kleinen Material (insgesamt 59 Fälle), 
das am meisten Trigeminusneuralgien (24 Fälle) enthält, finden 
sich brachiale Neuralgien zu 13,6 pCh Diese Zahl nimmt eine 
Mittelstellung ein zwischen den Angaben der genannten Autoren 
hinsichtlich der Häufigkeit der Armneuralgien. 

Der günstige Einfluss der Ruhe, besonders das Tragen des 
Armes in einer Schlinge erwies sich auch iu meinen Fällen als 
günstig. Zur Therapie bemerke ich noch, dass ich auch an In¬ 
jektionen auf den Plexus nach Kuh lenk arapff*) gedacht habe. 
Sie dürften aber nicht leicht und vor allem nicht ungefährlich 
sein, wie auch Mitteilungen über danach aufgetretene Lähmungs¬ 
erscheinungen bestätigen 5 6 * ). Többen 8 ) berichtet übrigens über 
einen Fall von Plexusneuralgie, bei dem die Behandlung mit In¬ 
jektionen nach Kuhlenkampff guten Erfolg hatte. 

Ich sehe von einer weiteren allgemeinen Erörterung meiner 
Fälle ab, da in der angegebenen Literatur sich vorzügliche, zu¬ 
sammen fassende Besprechungen finden nnd hebe nur noch kurz 
die wesentlichen Besonderheiten hervor, die sich aus meinen Be¬ 
obachtungen ergeben. 

1. Bei 3 unter 7 Fällen von idiopathischer, brachialer 
Neuralgie fand sich ein meines Wissens bisher nicht beschriebenes 
Symptom, das man kurz als Arm-(Schulter-)schmorz bei 
Rasierstellung des Kopfes bezeichnen kann. Der Schmerz 
tritt am stärksten auf, wenn gleichzeitig mit der Rückwärts 
beugung eine Seitwärtsbeugung des Kopfes nach der der Neuralgie 
entgegengesetzten Seite verbunden wird. Bei Armschmerzen 
anderer Herkunft wurde das Symptom nicht beobachtet. Es 
scheint, dass ihm bezüglich der brachialen Neuralgie diagnostische 
bzw. differentialdiagnostische Bedeutung zukommt. 

2. Bei hartnäckigen oder besonders schweren Formen der 
Erkrankung sollten stets Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule 
und der Plexusgegend gemacht werden, mit Rücksicht anf die 
chirurgische Therapie bei eventuellen Neubildungen. 

3. Als ein neues Antineuralgicum bat sich Algocratin gut 
bewährt. 

4. Für die hartnäckigen, schweren Armneuralgien kommt, 
wie der erste Fall zeigt , die Injektionstherapie mit paraverte 
bralen bzw. epiduralen Injektionen an der Halswirbelsäule oder 
an den peripheren Nerven in Frage. 


2) Spez. Path. u. Ther., 14. Auflage, Bd. 8. 

3) 1. c. — Vgl. hierzu Eulen bürg, Brachialneuralgie in Eulenburg’s 
Realencyklopädie. 

4) Zbl. f. Chir,, 1911, Nr. 40. Vgl. hierzu G. Hirsch ei, Die An¬ 
ästhesierung des Plexus brachialis usw. M.m.W., 1912, Nr. 22. 

5) F. Härtel und W. Keppler, Erfahrungen mit der Kuhlenkampff- 
sehen Anästhesie des Plexus brachialis, mit besonderer Berücksicbti- 
ffun<r der Neben- und Naoherscbeinungen. Arch. f. klin. Chir., 1913, 
Bd 10$. 

6) Die Beeinflussung der Neuralgie des Plexus brachialis durch 

Kuhlenkampfl’sche Anästhesie. 


Aus dem medizinisch-poliklinischen Institut der Uni¬ 
versität Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Gold¬ 
scheider). 

Zur Diagnostik der Erkrankungen der Lungen¬ 
spitzen. 

V©* 

Privatdozent Dr. med. R. EhrnftlB, Assistenzarzt. 

Für die Erkennung der beginnenden Lungentuberknlose spielt 
die perkussorische Veränderung der Lungenspitzen gegeneinander 
eine wichtige Rolle. In jüngster Zeit sind nun gerade hier 
wesentliche Verfeinerungen in der Diagnostik durch die Schwellen¬ 
wertsperkussion, namentlich zwischen den Köpfen der Musculi 
8ternocleido mastoidei (Goldscheider) angegeben worden. 

Trotzdem findet man nicht selten perkussorische Unterschiede 
zwischen beiden Spitzen, ohne dass man auf Grund der Aus- 
cultation, der Röntgendurchleuchtung und aller anderen Methoden 
auch nur den geringsten Anhalt für eine pathologische Verände¬ 
rung auffinden könnte. 

Als solche Unterschiede zwischen beiden Spitien hat man 
bisher Ungleichheiten im anatomischen Bau, vor allem Adhärenz 
der Trachea an der inneren Fläche der rechten Spitze, Unterschiede 
in der Lagerung der grossen Blutgefässe verantwortlich gemacht, 
so dass schon normaliter der Schall über der rechten Spitze 
häufig leicht abgeschwächt sein soll. In anderen Fällen mögen 
Emphysem der anderen Spitze, circumscripta Oedeme, byper- 
ämische Schwellungen derartige Unterschiede bedingen. Auch die 
von Krönig beschriebene Spitzenatelektase kann Scballver- 
kürzungen und Dämpfungen bewirken. 

Wir haben nun derartige Schall Verkürzungen bei zwei Fällen, 
in einem Fall bis zur zweiten Rippe, beobachtet, bei denen die 
Sektion nichts ergab als Adhäsionen der beiden Pleuren. 

Zur Entscheidung der Frage, ob in der Tat häufiger solche 
Verwachsungen an den Spitzen Vorkommen, die bei der Perkussion 
eine Dämpfung ergeben, ohne dass die darunter liegende Lunge 
durch alte oder frische Prozesse verändert ist, bat Dr. Alfred 
Neumann im pathologisch-anatomischen Institut von Herrn 
Prof. Pick eine grössere Reihe von Leichen nach dieser Richtung 
hin untersucht. Es fanden sich in der Tat in einer Reihe von 
Fällen strangförmige oder fläcbenbafte Adhäsionen, die sich bei 
der Perkussion der Leiche bemerkbar machten, während der 
pathologisch-anatomische und der histologische Befund keine Ver¬ 
änderung ergab, abgesehen von geringem Oedem, das aber auch 
auf der anderen, nicht veränderten Seite in gleicher Weise vor¬ 
handen war. 

Wenn auch die Perkussion an der Leiche andere Verhältnisse 
bietet wie beim Lebenden, so glauben wir doch, dass auch beim 
Lebenden nicht selten Dämpfungen an den oberen Teilen 
der Lungen, vorne oder hinten, perkussorisch nachweisbar 
sind, die nicht auf eine Erkrankung der Lungen, sondern 
auf Verwachsungen oder Stränge zwischen den Pleuren 
zurückgeführt werden müssen. Fand sich doch unter 23 per¬ 
kussorisch und nachher pathologisch und histologisch genau unter¬ 
suchten Leichen in vier Fällen ein derartiger Befund. Für ihre 
liebenswürdige Unterstützung bei den Untersuchungen sind wir 
Herrn Prof. Dr. Pick und seinem ersten Assistenten Herrn 
Dr. Christeller sowie für die Durchsicht der Präparate Herrn 
Prof. Dr. Hans Kohn zu Dank verpflichtet. 

Im folgenden soll noch ein weiteres Phänomen, das wir bei 
Affektionen der Lungenspitzen beobachtet haben, angegeben 
werden. Es ist bereits bekannt, dass man bei einseitigen Spitzen- 
affektionen Unterschiede in der Weite der Pupillen findet. 

Wir haben uns nun bemüht, bei Patienten mit einseitiger 
Spitzeoaffektion durch Einträufelung von Cocain -f- Adrenalin in 
die Conjunctiven derartige Pupillendifferenzen deutlicher zu 
machen, sind aber infolge der Unmöglichkeit, exakte Ein¬ 
verleibungen in den Conjunctivalsack zu machen, davon &b- 
gegangen und haben den Patienten dafür 5—10—16 Tropfen 
einer 0,1 proz. Lösung von Atropinum sulpburicum auf einem Stück 
Zucker per os einverleibt und alsdann viertelstündlich die 
Pupillen weite geprüft. 

Es fand sich nun bei den Patienten mit einseitiger oder 
doppelseitiger Spitzenaffektion erheblich häufiger als bei den 
Patienten mit normalem Lnngenbefund ein Unterschied in der 
Weite der Pupillen. Durch eine nachträgliche subconjanctivale 


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UNIVERSITV OF IOWA 



81. Augost 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1597 


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Einverleibung eines Tropfens einer 3 pro*. CocainlÖsung bzw. 
eine» weiteren Tropfens einer 1 prom. Adrenalinlösung konnte der 
Pupillenuntefschied häufig noch deutlicher gemacht werden. 

Nach unseren Untersuchungen scheint es wahrscheinlich, 
dass bei ein- oder doppelseitiger Affektion der Lungen¬ 
spitzen viel häufiger als bei gesunden Lungen eine ver¬ 
schiedene Reizbarkeit des Musculus dilatator pupillae 
besteht, die durch Lähmung des Musculus oculomotorius, nach 
Einverleibung von Atropin oder Belladonna per os, erst 
deutlich in die Erscheinung tritt. Anstatt auf diese Weise in¬ 
direkt, wird man natürlich auch direkt, d. h. dureh Einverleibung 
von Cocain per os oder subcutan, den gleichen Effekt erzielen 
können. Es können aber wohl nur diese Einverleibungsarten, 
d. h. stomachale oder subcutane, in Betracht kommen, da In¬ 
stillationen niemals genau in der gleichen Menge exakt gemacht 
werden können. 


BQcherbesprechungen. 

Haidhneh der Taherknlose. In fünf Bänden, herausgegeben von 
Prof. Dr. L. Brauer- Hamburg-Eppendorf, Dr. 6. Schröder- 
Soböneberg und Dr. P. Blumenfeld - Wiesbaden. Erster Band mit 
88 Abbildungen, 10 Kurven und 9 farbigen, 1 Stereoskop- und 
8 schwarzen Tafeln. Leipzig 1914, Verlag von Johann Ambrosius 
Barth. 8. 792 Seiten. Preis brochiert 85 M., geb. 37 M. 

Zehn Jahre sind seit dem Erscheinen der ersten Auflage verflossen. 
Aus dem einbändigen, knapp 1000 Seiten umfassenden „Handbuch der 
Therapie der chronischen Lungenschwindsucht 11 ist ein fünfbändiges 
„Handbuch der Tuberkulose“ geworden, dessen heute vorliegender erster 
Band allein einen Umfang von 792 Seiten besitzt. Fürwahr zwar nur 
ein ausserliehes, aber ein eindrucksvolles Kennzeichen der gewaltigen 
Arbeitsmenge, welche auf dem Gebiete der Tuberkulose in dem letzten 
Decennium geleistet worden ist. Dabei wähne man nicht, dass in diesem 
so umfangreichen Werke nunmehr eine jede Arbeit zu ihrem Rechte 
käme. Weit gefehlt! Nur das Wesentliche ist zusammengestellt worden, 
um einen den Zweoken des Praktikers dienenden Ueberblick über die 
Materie zu erzielen. Keine langen Literaturverzeichnisse belasten das 
Werk, vielmehr sind in Fussnoten nur verhältnismässig spärliche 
Arbeiten verzeichnet, welche dem Interessenten eine mühelose Zu¬ 
sammenstellung der gesamten Literatur ermöglichen. Den bewährten 
Herausgebern der ersten Auflage hat sioh Prof. Brauer zugesellt. Für 
die Bearbeitung eines jeden der einzelnen hier in Betracht kommenden 
Gebiete wurde ein Autor gewonnen, dessen Erfahrung und wissenschaft¬ 
liche Tätigkeit die sachgemässe Bearbeitung des ihm überwiesenen 
Stoffes gewährleistet. So ist im Verein mit den Bemühungen der im 
Dienste des Kampfes gegen die Tuberkulose stets rührigen und hilfs¬ 
bereiten Verlagsbuchhandlung ein Werk entstanden, das ohne Ueber- 
treibung als eine Zierde der medizinischen Literatur bezeichnet 
werden darf. 

Aber kein Werk, das, wie so viele seinesgleichen, etwa nur dem 
Bedürfnis der Herausgeber seine Entstehung verdankt! Vielmehr ein 
solches, das, aus dem Zwange der Notwendigkeit geboren, einen Ruhe¬ 
punkt schafft in dem beispiellosen Ringen um die Siegespalme, die 
demjenigen winkt, der den vielgestaltigen Riesen „Tuberkulose“ end¬ 
gültig niederzuzwingen vermag. Längst sind die Zeiten vorüber, da es 
dem einzelnen auoh nur annähernd möglich war, das Material nur eines 
der zahlreichen Kapitel dieses Handbuches völlig zu beherrschen. Gar 
bald erdrückt auch den Fleissigsten die Ueberfülle der Literatur, er 
verliert den Ueberblick und ist nicht mehr imstande, sioh in dem 
Labyrinth der einzelnen Gedankengänge zurechtzufinden. Da stellt sich 
dieses Handbuch zur rechten Zeit als Wegweiser ein. Es bringt in 
klarer und übersichtlicher Form Inhalt und Werdegang dessen, was auf 
den einzelnen Gebieten der Tuberkuloseforschung bisher geleistet 
worden ist, es bietet einem jeden die Möglichkeit, sioh in kurzer Zeit 
über ein spezielles Kapitel vollkommen zu informieren und wieder An¬ 
schluss zu gewinnen dort, wo ihm der Faden schon längst entglitten 
war. Und indem das Handbuch dem einzelnen mit der Behandlung der 
Krankheit beschäftigten Arzte, sowohl dem Spezialisten wie auch dmn 
allgemeinen Praktiker, das Material an die Hand gibt, das eifrige 
wissenschaftliche Arbeit etwa in der Frist eines Jahrhunderts seit der 
ersten strengeren anatomischen Formulierung des Begriffes der Tuber¬ 
kulose geschaffen hat, stellt es sich selbst in den Dienst des Kampfes 
gegen die Tuberkulose. Es wird der gemeinsamen Sache neue Freunde 
und.Förderer zu gewinnen wissen und dem jungen Forscher, der sich 
mutig in den Kampf hineinwagt, den Anschluss an die gewaltige Geistes¬ 
arbeit seiner Vorgäpger erleichtern. 

Auch der Zeitpunkt des Erscheinens dieser zweiten Auflage scheint 
mir richtig gewählt. Stand die erste Auflage an der Schwelle einer 
Aera, die, von einem den Erfolg verbürgenden Optimismus beseelt, den 
entsprechenden Nutzen aus den Grosstaten eines Robert Koch, sowie 
seiner Schüler und Mitarbeiter, zu ziehen versuchte und dem Problem 
der Tuberkulose eine weitgehende Vertiefung angedeihen liess, so be- 
npden .wir uns jetzt in einer Epoche der Neuentdeckungen, die uns 
^versprechenden Ausblick gewährt. „Die Studien über die ver¬ 
schiedenen Formen des Erregers, seinen Chemismus und seine Dauer¬ 


formen, die serologischen Stadien über die Reaktion des Organismus 
auf die tuberkulöse Infektion, die Fragen des Stoffwechsels und der Er¬ 
nährung“ haben ebenso, wie die Ausgestaltung des klinisohen Bildes 
und die auf neuen internen und ohirurgisohen Wegen einhergehende 
Therapie die mannigfaltigste Bereicherung gefunden und scheinen uns 
den endgültigen Erfolg unserer Bemühungen in greifbare Nähe zu 
rüoken. 

Die Reihe der Interessenten an diesem Werke, dessen Umfang nur 
den abseits Stehenden in Staunen zu setzen vermag, ist gross genug 
und wächst überdies von Tag zu Tag. Nicht nur die grosse Schar der 
Heilstättenärzte und die in den Grossstädten praktizierenden Spezial¬ 
ärzte für Lungenkrankheiten kommen als Abnehmer in Betracht, sondern 
auoh jeder praktische Arzt, der bemüht ist, sein Wissen und Können 
auf der Höhe der Zeit zu erhalten. Ein Handbuch, wie dieses, behält 
mit der Fülle des in ihm Gebotenen auf Jahre hinaus seinen vollen 
Wert. Seine Anschaffung dürfte niemand gereuen, zumal der Preis im 
Verhältnis zu dem Umfang und der Ausstattung als massig und er¬ 
schwingbar bezeichnet werden darf. 

Die Anordnung des Stoffes ist, soweit dies den vorliegenden ersten 
Band betrifft, eine durchaus zweokmässige. Die erste Abteilung, 
welohe gewissermaassen das wissenschaftliche Rüstzeug schildert, das 
wir zum Studium und zur Bekämpfung der Tuberkulose der einzelnen 
Organe bisher gewonnen haben, beginnt mit einer klar, übersichtlich 
und fesselnd geschriebenen Geschichte der Tuberkulose aus der 
Feder von Aug. Predöhl - Hamburg. Im Interesse der Vermeidung 
von Wiederholungen wäre es vielleicht zweokmässig gewesen, dieses 
Kapitel mit der Entdeckung des Tuberkelbacillus zu schliessen. Die 
historische Entwicklung der Arbeiten der letzten 30 Jahre steht doch noch 
so sehr im Mittelpunkt des Interesses, dass kein Autor der folgenden 
Kapitel dieses Handbuches es unterlassen konnte und durfte, diese 
Arbeiten in den Rahmen seiner Darstellung hineinzuziehen. Die dann 
folgende „Pathologische Anatomie“ von Dr. N. Ph. Tendeloo- 
Leiden kann als Musterbeispiel einer einheitlichen, wohl geordneten und 
nie ermüdenden Darstellung einer an sioh spröden Materie betrachtet 
werden. Stets sind nur die grossen Gesichtspunkte berücksichtigt, 
während die Vertiefung unserer speziellen Kenntnisse auf den einzelnen 
Gebieten den klinischen Bearbeitern der Spezialgebiete überlassen wurde. 
Besondere Beachtung verdient hier die zusammenhängende Besprechung 
der collateralen tuberkulösen Entzündung, sowie die Erörterung der 
Kriterien für die Erkennung des tuberkulösen Ursprungs einer Ent¬ 
zündung. 

Hans Much, dem wir unsere heutigen erweiterten Kenntnisse über 
die Morphologie und den Chemismus des Tuberkelb&oillus verdanken, 
schrieb das Kapitel „Der Erreger“. Keiner ungeniessbaren Re¬ 
gistrierung alles dessen, was über den Erreger der Tuberkulose in Er¬ 
fahrung zu bringen ist, begegnen wir hier, vielmehr einer lebendigen 
Darstellung, die sich von dem Gedanken leiten lässt: Wo liegen die 
Erkenntnisse, die uns auf diesem Gebiete in der letzten Zeit weiter ge¬ 
bracht haben und wo haben wir selbst künftighin den Hebel anzu¬ 
setzen? Auch Paul H. Römer betrachtete es in dem Kapitel über 
„Die Ansteokungswege der Tuberkulose“ als seine Aufgabe, aus 
der grossen Zahl von mehr oder weniger gut begründeten Anschauungen 
über die Tuberkuloseansteckung eine kritische Betrachtung und Sichtung 
des beigebrachten Beweissstoffes vorzunehmen und hieraus einen Stand¬ 
punkt zu gewinnen, der gewissermaassen in Ueberschauung des ge¬ 
samten gültigen Stoffes die Antwort erstrebt auf die Frage: „Auf 
welchem Wege gelangt der Tuberkelbaoillus in den menschlichen 
Körper?“ Das folgende Kapitel „Immunität“ ist wieder der be¬ 
währten Feder H. Much’s an vertraut worden. Seite für Seite erkennen 
wir das Bemühen, nur eine den Bestrebungen des Praktikers dienende 
Uebersicht über diese Frage zu liefern. Demgemäss wurde auoh von 
der Schilderung technischer Einzelheiten abgesehen. Trotzdem, oder 
vielleicht gerade deswegen, stellt dies hochwichtige Kapitel mit den in 
ihm zum Ausdruck gelangenden grundlegenden modernen Anschauungen 
erhebliche Anforderungen an das Auffassungsvermögen des serologisoh 
nioht geschulten Lesers, die auch die klare, übersichtliche Schreibweise 
des Verfassers, wohl herabzumindern, aber nicht zu beseitigen vermochte. 
Mit scharfer Logik und unerbittlicher Kritik endledigt sioh F. Martins- 
Rostock der Aufgabe „Disposition und individuelle Prophylaxe“ 
zu erläutern. Mit besonderer Liebe vertieft er sieb in die Zergliede¬ 
rung der die Disposition bedingenden wirksamen konstitutionellen 
Faktoren, deren wechselnde Kombination und Wertigkeit das Sohicksal 
des einzelnen gegenüber der tuberkulösen Infektion besiegelt. A. Gott¬ 
stein, Charlottenburgs auf dem Gebiete der Tuberkulosefürsorge be¬ 
währter Stadtmedizinalrat lässt in dem Kapitel „Epidemiologie“ in der 
überaus vorsichtigen und kritischen Bewertung der statistischen Zahlen 
an jeder Stelle den aus tiefer Kenntnis der Marterie schöpfenden Antor 
erkennen. 

Als einen glücklichen Gedanken der Herausgeber darf man es wohl 
bezeichnen, dass sie auoh einem Veterinärmediziner in diesem Handbuch 
das Wort erteilten und so dem Leser duroh die berufene Feder 
G. Dammann’s einen Einblick in das Gebiet der Tiertuberkulose 
verschafften, wie er sonst nur den wenigen Aerzten vergönnt ist, die 
sich in der glücklichen Lage befinden, experimentelle Arbeiten an 
grösseren Haustieren ausführen zu können. Es zeugt von der Ge¬ 
wohnheit, im Unterricht grosse Wissengebiete in kurzen charakteristi¬ 
schen Strichen klar darzustellen, dass es dem Verfasser gelungen ist, 
uns auf nur 93 Seiten einen in der Anordnung des Stoffes durchaus 


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UNIVERSITY OF IOWA 




1598 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 85. 


übersichtlichen und in der Durcharbeit meisterhaft gelungenen Abriss 
über eins der Hauptkapitel der Tierpathologie zu geben. Derselben prä¬ 
gnanten Kürze befieissigt sich Ministerialdirektor Prof. Dr. Martin 
Kirchner, dem, als dem Berufensten, das Kapitel: „Die Tuber¬ 
kulose in sozialer Beziehung“ übertragen war und der dasselbe 
besonders interessant dadurch zu gestalten wusste, dass er vornehmlich 
auf diejenigen Maassnahmen bin weist, welche bisher noch unerfüllt ge¬ 
blieben sind. 

Die zweite Hauptabteilung des Handbuches, die sioh 
speziell mit der Lungentuberkulose beschäftigt, leitet Dr. A. Brecke 
(Heilstätte Ueberrub) ein mit der Besprechung der „Diagnose“. All¬ 
gemeine Erörterungen über den verschiedenen Verlauf der Lungen¬ 
tuberkulose und die Gründe hierfür eröffnen den Artikel; eine Ab¬ 
handlung über die Differentialdiagnose beschliesst ihn. Besonders 
liebevoll behandelt und mit vielen anschaulichen Abbildungen versehen 
ist die Schilderung der Perkussion und Auscultation, sowie der 
Messung der Körpertemperatur. Das die spezifische Diagnose be¬ 
treffende Kapitel beginnt zweckmässigerweise mit dem Nachweis der 
Tuberkelbaoillen im Sputum, der aber schon in Much’s Kapitel über 
den Erreger ausführlicher behandelt worden ist. Ein Hinweis auf das 
letztere hätte hier genügt. „Die klinisohe Bedeutung der Tuber¬ 
kulinreaktionen“ in ihren verschiedenen Formen schildert uns 
J. Ritter (Heilstätte Edmundsthal-Siemerswalde) in klarer und objektiver 
Darstellung. Wer die Literatur über die Bewertung der verschiedenen 
Tuberkulinreaktionen kennt, wird gestehen müssen, dass Ritter sich 
bei seinen Ausführungen eine ausserordentliche Beschränkung auferlegt 
und dennoch nichts Wesentliches ausser acht gelassen hat. „Das 
Röntgen verfahren bei der Lungentuberkulose“ wird uns von 
Dr. Alexander Lorey - Eppendorf beschrieben. Der Autor hat sich 
im wesentlichen auf die Beschreibung der sicher zu deutenden Befunde 
beschränkt und der Phantasie nicht so weiten Spielraum gelassen, wie 
dies in manchen diesbezüglichen Darstellungen zu geschehen pflegt. 
Nur mit der Deutung des sogenannten Hilussohattens, die doch noch 
immer Gegenstand der Diskussion ist, hat' er es sich doch wohl etwas 
zu leicht gemacht. „Die Verwendung der Thorakoskopie und 
Laparoskopie“ für die Diagnose tuberkulöser Erkrankungen wurde 
von ihrem Erfinder Dr. H. C. Jacobaeus - Stockholm besprochen. Die 
Ausführungen des Verfassers, sowie die Abbildungen zweier thorako- 
skopischer Befunde bei Tuberkulose der Pleura erwecken derart das 
Interesse für die Methoden, dass Referent in diesem Artikel nur ungern 
eine Abbildung des Instrumentariums und eine genaue Beschreibung der 
Technik vermisst hat. Prof. Dr. E. Meissen - Essen liefert uns das 
Schlusskapitel des Bandes: „Die klinischen Formen der Tuber¬ 
kulose.“ Der leitende Gedanke seiner Ausführungen ist es, die bis¬ 
herigen Versuche und Anregungen vorzuführen, aus denen sich von 
selbst die prägnantesten Gruppen ergeben und darauf hinzuweisen, dass 
wissenschaftliche und praktische Gründe einen weiteren Ausban der 
bisherigen Abgrenzung der einzelnen klinischen Formen dringend er¬ 
fordern. 

Ein kurzes, aus der Feder E. Rüdiger’s stammendes Namen- 
und Sachverzeichnis erleichtert die Benutzung dieses ersten Bandes. 
Mögen die folgenden vier Bände ihm gleichen! 

_ A. Alexander - Berlin. 

Thorkild Rovsing: Die Gastro-Coloptosis, ihre pathologische Bedeutung, 

ihre Krankheitsbilder, Diagnose and Behandlung. Aus dem 

Dänischen übersetzt von G. Saxinger. Mit 36 Illustrationen. 

273 Seiten. Leipzig 1914, Verlag von Vogel. 

Dies ist ein streitbares Buch und eio Buch, welches in Anbetracht 
des hervorragenden Namens seines Verfassers auch nicht ohne lebhaften 
Widerspruoh bleiben wird. Denn Rovsing unterzieht in demselben 
zunächst verschiedene Dogmen der modernen Röntgenologie, soweit sie 
sich auf die Auslegung der Bilder beziehen, einer scharfen Kritik. Er 
greift in dem ersten Kapitel über Form und Lage des Magens die Vor¬ 
stellung an, dass der obere Rand des Wismutschattens der kleinen, der 
untere der grossen Curvatur entspricht. Die obere Grenze des Wismut¬ 
breies befindet sioh vielmehr bei ungenügender Menge dessselben in 
grossem Abstand von dem wahren Verlauf der kleinen Curvatur, auch 
stehe die kleine Curvatur keineswegs nach oben und die grosse nach 
unten, vielmehr erstere nach hinten gegen die Wirbelsäule, die grosse 
nach vorn gegen die vordere Bauchwand. Infolge des Umstandes, dass 
die verschiedenen Abschnitte des Magens nioht in ein und derselben 
Frontalebene liegen, müsse das Röntgenbild verzerrt sein, und man 
könnte den projizierten Schatten nicht für ein naturgetreues Bild der 
Magenform halten. (Die neueren Erfahrungen, wonach sich die Magen¬ 
wand dem jedesmaligen Mageninhalt entsprechend eng an denselben 
anlegt, sind nicht berücksichtigt. Ref.) Nur die Stierhornform Holz- 
knecht’s entspricht den normalen Verhältnissen, während der Rieder¬ 
sohe Typus immer auf geringgradigen Magendislokationen beruht. Wenn 
man die Lage des Magens lediglich an der Hand des Röntgenbildes be¬ 
stimmt, so ist man zahlreichen Irrtümern unterworfen, und Verf. hat 
unter den von ihm operierten Fällen eine ansehnliche Reihe zu ver¬ 
zeichnen, in denen das Röntgenbild sieb als falsch, das klinische Bild 
dagegen als riohtig erwiesen hatte. „Im Grossen und Ganzen genommen, 
glaube ich,“ sagt Verf., „dürfte es an der Zeit sein, ein warnendes Wort 
auszurufen gegenüber der bedeutenden Ueberschätzung der Röntgen¬ 
diagnose, welche fast auf allen Gebieten herrscht. Das gilt auch auf 
dem Gebiete der KnochenerkrankuDgen, so dass im blinden Zutrauen 


zum Röntgenbild die alten bewährten Untersucbungsmethoden in Ver¬ 
gessenheit geraten. Wie gross auoh die Hülfe ist, die uns die Röntgen¬ 
methode darbietet, sofern wir ihre Begrenzung kennen und erkennen, 
so gross ist anoh die Gefahr, die aus ihrer kritiklosen Anwendung als 
souveräne und unfehlbahre Methode entsteht.“ — Es branoht diesen 
Sätzen gegenüber wohl kaum betont zu werden, dass man — ich kann 
das, glaube ich, als allgemein gültig, aussprechen, — bei uns über diese 
Phase der Röntgenologie bereits fortgekommen ist, und niemand mehr 
daran denkt, dieselbe als eine „souveräne und unfehlbare Methode“ 
auszuspielen. Dass die Gastro- resp. Enteroptose so selten beim männ¬ 
lichen Geschlecht, dagegen so häufig bei Frauen auftritt, ist einer der 
Gründe, welche der Verf. gegen die Stiller’sche Hypothese, einer uni¬ 
versellen angeborenen Asthenie anführt, zumal die Ptose ein so häufiges 
Phänomen bei ursprünglich normalen Frauen ist. Die Ptose entsteht 
vielmehr durch den Missbrauch des Korsets und des Schnürbandes und 
die Veränderungen des intraabdominellen Druckes, welche Gravidität 
und Geburt mit sich bringen. (Und wie steht es mit den Fallen von 
Ptose bei jungen Mädchen, die sich nie geschnürt und nie ein Korset 
getragen haben? So einfach liegen die Dinge doch nioht! Gerade der 
von Rovsing mitgeteilte und abgebildete Fall von sohwerer Ptose ist 
ein typisches Beispiel des Stiller’schen Habitus astbenicus. Ref.) 

R. unterscheidet demgemäss eine virginelle und maternelle Gastro- 
Coloptose. Hier kann es sioh nicht nur um eine primäre Atonie 
handeln, die von Stiller und Knud Fab er als die Ursache der Ptose 
angesehen wird. Eine Atonie führt zur Dilatation mit Senkung der 
grossen Curvatur, eine Senkung der kleinen Curvatur tritt nur ein, wenn 
der Aufhängeapparat des Magens verlängert und schlaff ist. Dabei kann 
auoh in einer Anzahl von Fällen eine Verzögerung in der Entleerung 
des Magen9 durch Knickung des Duodeums auftreten, aber es ist un¬ 
berechtigt, unter solchen Umständen von einer Atonie zu sprechen. 
Das Bestehen einer Atonie sei vielmehr in der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle gänzlich ausgeschlossen. Nur in etwa 10—20% besteht eine 
Verzögerung der Magenentleerung, die aber mit einer echten Atonie 
nichts zu tun bat. Wenig Krankheiten werden so häufig verkannt, wie 
gerade die virginelle Gastroptose, die mit den verschiedensten anderen 
Magen- und Darmleiden verwechselt wird. Das charakteristische Zeichen 
der maternellen Gastroptose ist in erster Linie die Erschlaffung da 
Lig. gastro-colicum und des Mesocolon, überhaupt der Ersohlaffung der 
Bänder. Die Beschwerden bessern sich oder verschwinden ganz im 
Gegensatz zn der virginellen Form, wenn die Kranken sich niederlegen, 
um sich alsbald wieder einzustellen oder zuzunehmen, sobald Patient 
sich in aufrechte Stellung begibt. (Ref. bat schon vor vielen Jahren 
darauf hingewiesen, dass bei echter Gastroptose die Beschwerden, soweit 
sie sich als ziehende Schmerzen, Druckgefühl und andere nervöse Be¬ 
schwerden kundgeben, augenblicklich gelindert werden, wenn man durch 
einen von unten nach oben auf das Abdomen gerichteten Druck mit den 
Händen — am Besten, indem man den Patient von hinten umfasst — 
den Magen in die Höbe hebt. Dies ist eine recht gute Prüfung, wonach 
die Anlegung einer Bandage, Rose’schen Binde und ähnliches, zu be¬ 
werten ist.) Zur Behebung dieser Zustände empfiehlt R. die Gastro- 
pexie und setzt das von ihm angewandte OperationBverfahren aus¬ 
einander. In 163 von ihm operierten Fällen ergab sioh Heilung in 
50,6pCt., bedeutende Besserung in 20,5pCt., insgesamt 71,1 pCt, Besserung 
in llpCt., geringe oder keine Besserung in 12,8pCt., gestorben 4,9 pCt 
Indessen waren diese Todesfälle in der Mehrzahl nicht der Operation 
an sioh beizumessen, und würden 9ich bei strenger Sichtung nur auf 
1,2 pCt. beziffern. Die Ausführung der Gastroenterostomie bei einer 
unkomplizierten Gastroptose wird verworfen, weil sich eine Stase unter¬ 
halb der Anastomosenstelle und damit ein Rücklauf von Galle und 
Darminbalt in den Magen einstellt. Eine Nahrungsretention im Magen 
findet dagegen naoh der Gastropexie nicht statt. Nur bei einem ein¬ 
zigen Patienten wurde bei einer Nachprüfung aller bis zum Jahre 1907 
operierten Patienten eine, übrigens wechselnde Retention naebgewiesep. 
Als Nachbehandlung ist das Tragen einer Binde anzuraten und in 
den ersten 2—3 Monaten jede Art grober körperlicher Arbeit, das Heben 
und Tragen schwerer Gegenstände und ähnliches zu vermeiden notwendig, 
ln einem grossen Prozentsatz der Fälle wurde die vorher bestehende 
Obstipation duroh die Gastropexie mit einem Schlage zum Verschwinden 
gebracht oder bedurfte anfänglich nur geringer Nachhilfe. Die Operation 
ist indiziert in allen Fällen, in denen die Kranken infolge ihrer Magen- 
und Darmbeschwerden arbeitsunfähig und invalide werden, und in denen 
eine systematisch durobgeführte medizinische Behandlung und das Tragen 
einer Leibbinde erfolglos war. 

Ein Bericht über 300 mit Gastropexie behandelte Fälle bildet den 
Beschluss des Buches. Ewald. 


Literatur-Auszüge. 

Therapie. 

G. Katz - Friedenau: Hexal in der Frauenpraxis. (D.m.W., 1914, 
Nr. 82.) Hexal hat sich Verf. in einer Reihe von Blasenaffektionen 
sehr gut bewährt. 

G. Fritsch - Gross-Lichterfelde: Die resorbierende Wirking 
Jodozitins. (D.m.W., 1914, Nr. 32.) Verf. nahm gegen seine Glas- 
körpertrübungen täglich eine Pastille mit gutem Erfolge. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1689 


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81. Angnat 1914. 


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H. Boruttau - Berlin: Zur innerlichen Kalktherapie. (D.m.W., 
1914, Nr. 82.) Die vielfache Verwendung des Kalkes in der Therapie 
yeranlasste Verf., die schleohtschmeokenden Präparate in einem Corrigens 
zu geben, das gleichzeitig den Charakter des Nährmittels hat. Er be¬ 
nutzt das Pflanzeneiweiss Edestin. Das Präparat heisst Caleedon und 
hat dieselben pharmakologischen Eigenschaften wie Kalk. 

R. Meyer-Halle a. S.: Larosan keil Erwachsenem insbesondere 
bei Ulous ventriouli. (D.m.W., 1914, Nr. 82.) Verf. empfiehlt, das in 
der Kinderheilkunde sioh gut bewährende Larosan mit seinem hohen 
Kalk-Caseingehalt in der Therapie des Ulcus ventriouli als Beigabe zur 
Milch in verschiedener Konzentration zu benutzen, um so den Calorien- 
gehalt der Nahrung zu steigern. Der Kalkgehalt des Larosans bietet 
auch noch den Vorteil der Steigerung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes 
und der Saurebindung im Magen. 

E. Kosminski - Berlin: Zur Behandlung der Amenorrlitie nit 
Hypophyseoextrakten. (D.m.W., 1914, Nr. 88.) Die Behandlung der 
Amenorrhoe mit Hypophysenextrakten ist in allen ätiologisch nicht 
klaren Fällen als erfolgreich und bei Misserfolgen als unschädlich zu 
empfehlen. Eine grosse Zahl von Amenorrhoen ist sicherlich auf eine 
Hypofunktiou des Hirnanhanges zurückzuführen. 

M. Cordes - Berlin: Verbesserung der Technik der Embarin- 
bebandiang. (D.m.W., 1914, Nr. 38.) Da Verf. öfters im Beginn der 
Kur Storungen des Allgemeinbefindens sah, verabfolgt er anfangs nur 
kleine Dosen, um dann zu Voildosen überzugehen. 

A. Neumann - Graz: Therapeutische Versuche mit Embarin bei 
Nervenkrankheiten. (D.m.W., 1914, Nr. 33.) Embarin scheint im An¬ 
fangsstadium von Nervenkrankheiten, insbesondere bei initialer Tabes 
und progressiver Paralyse günstig zu wirken. Dünner. 

A. Grosglick - Lodz: Immnnotherapeutische Versuche bei Syphilis. 
(Denn. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 31 u. 32.) Der Lues-Fötalleber¬ 
extrakt wirkt spezifisch auf Produkte der Syphilis ein in allen Stadien 
der Krankheit, ähnlich dem Quecksilber, dem Jodkali, dem Salvarsan. 
Er steht jedoch den erprobten Spezificis, was Schnelligkeit, Intensität 
und Zahl der beeinflussten Fälle anbelangt, unvergleichlich nach. 

Fr. Samberger - Prag: Eine neue Behandlungsmethode des akntei 
Ekzems. (Denn., Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 30.) Verf. lässt dreimal 
am Tage die nässende Ekzemfläche 5—10 Minuten lang mit heisser, 
lproz., wässeriger Resorcinlösung betupfen und dann abtrocknen und 
trocken und luftdicht verbinden. In 2—3 Tagen ist gewöhnlich das 
Nässen beseitigt. Dann wird die erkrankte Partie mit Unna’scher Zink¬ 
paste (Zinci oxydati 10,0, Teriac silio. 2,0, Axungii poroi 28,0) bestrichen. 

Mitschke - Gnesen: Ein mit Qnarzlicht behandelter Fall von 
diabetischer Hautgangrän. (Derm. Zbl., Juli 1914.) Die Gangrän 
heilte nicht nur, sondern auch das körperliche Befinden besserte sich 
zusehends. 

P. Wichmann - Hamburg: Erfahrungen mit dem F. F. Friedmann- 
sehea Heil- und Schutzmittel zur Bekämpfung der Tnberkalose beim 
Lupus, bei Haut- und Knochentuberkulose. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, 
Nr. 32.) Verf. hat in allen Fällen bisher nur Misserfolge mit der Sohild- 
krötentuberkelbacillenemulsion gehabt. Immerwahr. 

D. Ghilaiditi - Konstantinopel: Zur Technik der gynäkologischen 
Röntgentherapie. Der Kompressor, ein Instrument für systematische 
Ausnutzung der Verschieblichkeit der Bauohhant. (M.ro.W., 1914, Nr. 82.) 
Um von verschiedenen Hautstellen aus dasselbe Organ zu bestrahlen 
nnd um ganz genau den einmal bestrahlten Hautbezirk zu kennen, be¬ 
nutzt Verf. einen Kompressor, mit dem die genannte Forderung erfüllt 
werden kann. 

L. Heidenhain-Worms: Operatioa oder Bestrahlaag. (M.m.W., 
19U, Nr. 82.) Eine kritische Betrachtung zu Sanitätsrat Dr. Chr. 
Müller’s gleichnamigen Aufsatz in Nr. 22 der M.m.W. 

0. Küstner und F. Heimann - Breslau: Ergebnisse der Strahlen¬ 
behandlung der Garcinome. (D.m.W., 1914, Nr. 33.) Bericht über 
98 Fälle während l l / 2 Jahre. Die Verff. operieren nach wie vor die 
operablen Carcinome. Die Strahlenbehandlung kommt vorwiegend für 
die inoperablen Carcinome in Betraoht, bei denen sie viel nützen, schon 
dadurch, dass die fürchterlichen Jauchungen sistieren. Dünner. 

B. Schweitzer - Leipzig: Die bisherigen Erfolge der Hesothoriam- 
hehandlung heim Gebärmutter- nnd Scheidenkrebs. (Zbl. f. Gyn., 
1914, Nr. 32.) Gerade die Fälle, bei denen wir bisher völlig machtlos 
waren, d. h. die sogenannten inoperablen, fordern dazu auf, die Meso- 
thoriumtherapie zu versuchen, und so hat denn Verf. auch gerade diese 
Falle dieser Therapie unterzogen. Er verbreitet sich zunächst über die 
Technik und kommt auf den schwierigen und viel umstrittenen Punkt 
der Dosierung und der Reizwirkung zu sprechen. Zur Abdeckung ver¬ 
wendet er Messing, welches allerdings da, wo es mit den gesunden 
Partien in Berührung kommt, auch noch einer Fütterung bedarf. Diese 
gewhieht durch Einlegen von Celluloidplatten. Die Schwierigkeit be¬ 
steht darip, dass man einerseits in erster Linie die Gammastrahlen an¬ 
wenden will, andererseits aber für die centralen Partien auch der Beta¬ 
strahlen bedarf, dass man ferner anfänglich das Bestrahlungsgebiet nicht 
zu sehr ausdehnen darf, weil man sonst Gefahr läuft, Reizwirkuug und 
schnelleres Wachstum zu erzielen, wie das dem Verf. tatsächlich passiert 
p? “ ass man aber andererseits auch die gewünschte Wirkung durch 
Km Wirkung auf ein zu kleines Gebiet illusorisoh machen kann. Verf. 
hat daher die Messingumhüllungeo mit Ausschnitten versehen und diese 


allmählich vergrö9sert, und bald auf diese, bald auf jene Partie in 
systematischer Weise einwirken lassen und ebenso auoh die Art der 
Fütterung in verschiedener Weise dem einzelnen Fall angepasst. 

A. Hörrmann - München: Chorionepitbeliom and Strahlentherapie. 
(Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 32.) Verf. beschreibt den Verlauf eines Falles 
von Chorionepitbeliom, bei welchem er nach vaginaler Totalexstirpation 
zuerst Röutgenstrahlen und, als dieses nicht viel Besserung brachte, 
Mesothorium angewendet hat. Der Erfolg war örtlich ein sehr guter, 
trotzdem recidivierte das Cborionepitheliom nicht nur örtlich wieder, 
sondern es traten auch Symptome vou der Geschwulst in allen mög¬ 
lichen anderen Organen auf. Schliesslich starb Patientin an Apoplexie. 

Siefart. 

K. Grimm - Cöln: Taenia saginata heim Säugling. (M.m.W., 1914, 
Nr. 32.) Taenia saginata ist beim Säugling sehr selten. Die Verab¬ 
reichung eines Abtreibungmittels ist zum Teil gefährlich (Extractum 
filicis maris) oder es wird oft erbrochen. Einem 16 1 /* Monate alten Säug¬ 
ling gab Verf. 20 g Kukumarin, die etwa 2 /s kg Kürbiskernen . ent¬ 
sprachen, in Milch mit gutem Erfolg; der Kopf ging ab. Dünner. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

A. Schmincke - München: Entstehung der Hämorrhoiden. (M.m.W., 
1914, Nr. 32.) Nach gemeinsamen Untersuchungen mit Szumann. 
Vortrag im ärztlichen Verein München am 15. Juli 1914. Dünner. 


Diagnostik. 

L. Saat hoff - Oberstdorf: Die Notwendigkeit einer einheitlichen 
Temperatnrmessung und über die Grenze zwischen normalen und patho¬ 
logischen Temperaturen. (M.m.W., 1914, Nr. 32.) Eiue von allen 
Aerzten geübte Methode der Temperaturmessung ist bisher noch nicht 
durebgeführt. Am zuverlässigsten ist die Rectalmessung, aber auch sie 
ist nur unter Einschränkung zu verwerten, naohdem man weiss, dass 
die Region, die vor der Messung in Aktion war, höhere Tempe¬ 
ratur aufwies. So ist die Rectaltemperatur nach Spaziergängen, die 
Magentemperatur nach dem Essen (Weinert) erhöht. Psychische Er¬ 
regung hat das gleiche Resultat. Will man eine exakte Rectal tempe- 
ratur haben, so muss man bei bettlägerigen Personen 20 Minuten vor 
den Mahlzeiten messen. Dann ist 37° als Grenze des Physiologischen 
anzusehen. Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

L. Hirschfeld und R. Klinger - Zürich: Eine Gerinnungsreaktion 
hoi Loos, (D.m.W., 1914, Nr. 32.) Die Gerinnungsreaktion bei Lues 
beruht auf der Bestimmung der Gerinnangsaktivität von Organextrakt, 
nachdem er mit Serum digeriert wurde. Luetische Sera haben die Eigen¬ 
schaft, den Cytoeymcharakter des Extraktes zu zerstören, so dass bei 
der gewählten Versuchsanordnung die Gerinnung ausbleibt. Durch Zu¬ 
satz von gefärbten Suspensionen liess sioh die Gerinnung auch als 
Farbenreaktion zum Ausdruck bringen, da beim Schütteln die gefärbten 
Teilchen im Fibrin eingeschlossen werden und eine Entfärbung der 
Flüssigkeit ein tritt. 

E. Wegener-Jena: Zur Frage der Gesehlechtsspezifität der 
Abderhalden’schen Abwehrfermente und über die Beeinflussung der 
Abbau Vorgänge durch Narcotica. (M.m.W., 1914, Nr. 32.) 1. Verf. 

konnte zeigen, dass die Geschlechtsspezifität der Abderh&lden’schen 
Reaktion, soweit der Abbau von Ovarien und Testikel in Frage kommt, 
absolut gewahrt ist. 2. Versuche an Hunden liessen erkennen, dass 
einige Zeit verabreichte Narootioa zu einem Gehirnabbau führen. Des¬ 
halb muss man die Forderung aufstellen, dass alle Kranke, deren Blut 
auf Abwehrfermente untersucht werden soll, ohne jede Medikation von 
Narcotica sind. 

J. J. Nitzescu - Bukarest: Die Sehatzfermente gegen das Mais- 
eiweiss (Zeine) im Blute der Pellagrösen. (D.m.W., 1914, Nr. 82.) 
Verf. versucht die Frage, ob Pellagra eine Intoxikation mit Maiseiweiss 
sei, mit Hilfe der Abderhalden’schen Reaktion zu lösen. Er fand bei 
allen Fällen von sicherer Pellagra Abwehrfermente gegen Maiseiweiss. 
Die Fermente bleiben lange Zeit im Blute nach Verschwinden der 
Symptome und Ersatz des Maises durch Brot. 

A. E. Porter - Edinburgh: Die Verbreitung der fett-, leeithii- md 
wachsspalteadel Fermente in den Organen. (M.m.W., 1914, Nr. 32.) 
Verf. konnte die genannten Fermente in einer Reihe von Organen, die 
er aufführt, nachweisen. Dünner. 


Innere Medizin. 

H. Strauss: Zur Verwendung der Karminprohe für die Bestim¬ 
mung der Verweildauer im Verdauungskanal. (Boas* Arch., Bd. 20, H. 3, 
S. 299.) Strauss empfiehlt aufs neue die von ihm angegebene Karmin¬ 
probe. Die Verweildauer beträgt bei Gesunden selten weniger als 
12 Stunden und selten mehr als 48 Stunden. Unter pathologischen Be¬ 
dingungen kann sie auf 3—4 Stunden sinken und sich bis zu 117 Stunden 
ausdehnen; Für die Diagnose des Torpor recti oder der Proktostase 
bzw. der Typhlostase gibt die Karminprobe wertvolle Anhaltspunkte. Sie 


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UMIVERSITY OF IOWA 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


ist einfach aaszuführen and hat Anrecht aaf eine grössere Benutzung in 
der praktischen Danndiagnostik. 

St. Sochanski: Capillaranalyse des Magensaftes, ihre praktische 
Bedeutung nebst einigen Bemerkungen, andere Methoden der Magensaft- 
titration betreffend. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 3, S. 317.) Eine Nach¬ 
prüfung der Holmgren’schen Methode unter experimentell-kritischer 
"Würdigung des Verfahrens bat dem Verf. die Brauchbarkeit und Zuver¬ 
lässigkeit desselben ergeben. Neben Congorot (1 pCt.) hat Verf. auch 
eine 0,5proz. wässerige Aiizarinrotlösuog angewandt, die besonders zur 
Bestimmung der freien Salzsäure geeignet erscheint, und schlägt vor, 
beide Indikatoren gemeinsam zu benutzen. Man hat dann zwei Skalen 
auf dem Fliesspapier, die gekreuzt verlaufen, und kann sowohl freie 
Salzsäure als Milchsäure analysieren. Bemerkungen über Wesen und 
Wirkung der verschiedenen Indikatoren (Lakmus, Phenolfarbstoffe) usw. 

E. Schütz: Ueber Mageninhaltspräfiiig ohne Anwendung des 
8ondeiverfahrens. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 3, S. 804.) Verf., der die 
verschiedenen Methoden, besonders die von Schwarz, Friedrich und 
Fuld, einer Nachprüfung unterzogen hat, kommt zu dem Schluss, dass 
sie „weder für sioh allein noch zusammengenommen imstande sind, das 
Sondierungsverfahren zu ersetzen“. 

Disque: Organische und funktionelle Achylia gastriea. (Boas’ 
Arch., Bd. 20, H. 8, S. 366 ) Eine eingehende Besprechung der Ent- 
stehungsarten und des Verlaufes bzw. der Behandlung beider Formen 
der sogenannten Aohylie. Verf. kommt zu dem Ergebnis, dass die 
funktionelle Acbylie häufiger als die organische vorkommt, die Diffe- 
rentialdiagnose aber nicht immer leicht zu stellen ist. Die Prognose 
der ersteren ist besser, die Behandlung beider Formen eine entgegen¬ 
gesetzte. Im ersteren Fall eine Ueberoroährungskur, im letzteren eine 
Sohonungsdiat. Ewald. 

H. Scbirokauer-Berlin: Die Phenophthaleinprobe auf okkultes 
Blnt nach Boas. (D.m.W., 1914, Nr. 32.) — J. Boas-Berlin: Ent¬ 
gegnung.) (D.m.W., 1914, Nr. 82.) Schirokauer weist nochmals 
darauf hin, dass die von Boas angegebene Probe nicht zuverlässige 
Resultate ergeben kann, weil die Reagentien allein schon eine positive 
Reaktion ergeben. Dem widerspricht Boas insofern, als er zwar die 
theoretischen Erörterungen von Schirokauer mehr oder weniger an¬ 
erkennt, aber solange an der Gültigkeit der Probe festhält, bis ihm an 
einem praktischen Fall die Unbrauchbarkeit der Reaktion gezeigt wird. 

Dünner. 


Chirurgie. 

H. Andree - Bremen: Die Operationen zar Deeking grösserer 
Tibiadefekte. (D.m.W., 1914, Nr. 32.) Anwendung des Brandes’soben 
Verfahrens in modifizierter Form. Näheres im Originalartikel. 

Riedel-Jena: Cystiseke Geschwülste im Jngalam, speziell eine 
tuberkulöse, aus der Thymnsdrüse (?) hervorgegangene. (D.m.W., 1914, 
Nr. 32.) In kropfreichen Gegenden werden Dermoide und Kropfoysten 
gleich häufig im Jugulum zur Beobachtung kommen; iu kropffreien über¬ 
wiegen erstere. Kropfcysten werden gelegentlich tuberkulös entarten, 
Dermoide schwerlich. Die von Rippenansätzen und den die Vena jugu- 
laris interna umgebenden Lymphdrüsen ausgebenden cystisohen tuberku¬ 
lösen Geschwülste bzw. Abscesse liegen mehr seitlich im Jugulum. Eine 
in der Mittellinie desselben lokalisierte tuberkulöse Cyste wird sich ent¬ 
weder von einer substernalen Struma oder, wahrscheinlicher, von der 
tuberkulösen Thymusdrüse aus entwickeln; auch die Glandulae media- 
stini anteriores kommen in Frage. Dünner. 


Röntgenologie. 

H. Greinaoher-Zürich: Das Ionometer und seine Verwendung in 
der Böntgendosimetrie. (M.m.W., 1914, Nr. 32.) 

R. Goipel - Würzburg: Ein kleiner Vorteil beim Durchleuchten 
mit Röatgenstrahlen. (M.m.W., 1914, Nr. 32.) Zur Erhaltung der 
Adaption rät G., eine Glühbirne von rotem Glas, wie sie bei der Ent¬ 
wicklung von photographischen Platten verwendet wird, zur Erleuchtung 
des Röntgenzimmers zu benutzen; durch das rote Glas werden gerade 
die Strahlen ausgeschaltet, die am Röntgenschirm aufleuchten, und die 
Empfindlichkeit des Auges für diese bleibt erhalten. Dünner. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

P. G. Unna - Hamburg: Zinkmethan als Unterlage. (Derm.Wscbr., 
1914, Bd. 59, Nr. 30.) Unna empfiehlt das Zinkmethan (Zinci oxy- 
dati, Bismuthi oxyohlorati, 01. Lini, Aquae oalcis u 10,0, Methan 20,0) 
als Unterlage unter Zinkleimverbände, Schälpasten und Druckcollodium- 
verbände. 

Eschbaum-Barmen: Beitrag zur Snlfoformbehandlnng der 
Seborrhoea eapitis. (Derm. Zbl., Juli 1914.) Empfehlung der Sulfo- 
formölbebandlung, welche rascher und dauernde Erfolge erzielte in 
Fällen, iQ denen bisher jede andere Therapie versagt batte. 

F. Tamm - Hamburg: Ein Beitrag zur Aetiologie der Dermatitis 
exfoliativa neonatornm Ritter und ihrer Beziehung zu der Impetigo 
contagiosa stapbylogenos. (Derm. Zschr., August 1914.) Die Mutter 


des an Dermatitis exfoliativa neonatorum erkrankten Säuglings litt an 
Impetigo contagiosa und hatte auch ihr zweijähriges Kind infiziert Bei 
allen drei Kranken wurde als Erreger der Staphylococcus aureus fest- 
gestellt. 

T. Aoki - Nagasaki: Ueber den Favis der unbehaarten Haut in 
Japan, mit besonderer Berücksichtigung der bakteriologischen Unter¬ 
suchung. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 29.) Im Gegensatz zu 
Europa ist der Favus auf der unbehaarten Haut in Japan sehr selten 
beobachtet worden. Wahrscheinlich ist im Falle des Verf. da9 Aebenen 
Scböoleinii vom Kopfe durch Kratzen auf die unbehaarte Haut über¬ 
tragen worden. 

A. Takahashi - Tokio: Ueber die ätiologische Beziehung des 
Bacillus pyoeyanens zar Gesebwftrebildang. (Derm. Zschr., August 
1914.) Der Bacillus pyooy&ueus ist, wenn er unter die Haut gelangt, 
wie die Eiterkokken fähig, ein Geschwür zu bilden, welches an der 
Glans penis pbagedäniseben Charakter hat und den Patienten unerträg¬ 
liche Schmerzen bereitet. Durch Wucherung der Ränder kann ein einem 
Krebs ähnliches Bild entstehen. Mikroskopisch ähnelt das Geschwür am 
meisten dem barten Schanker, bakteriologisch ist aber stets der Bacillus 
pyocyaDeus nachweisbar. 

Ch. Plancherel - Basel: Beitrag zur Lehre vom Boeek’ieken Sar¬ 
koid. (Derm. Zschr., August 1914.) Das bisher vorliegende Material 
genügt durchaus nicht, eine Entscheidung über die tuberkulöse Natur 
des Boeck’schen Sarkoids zu fällen; aber noch viel weniger berechtigt 
ist das Bestreben, auf Grund der negativen Ergebnisse das Boeck’ache 
Sarkoid von jeglicher Beziehung zur Tuberkulose schon definitv loszu- 
trennen und lediglich nach histologischen Kriterien zu einer nosologi¬ 
schen Einheit mit unbekannter Aetiologie zusammenzufassen. 

R. Pol laud - Graz: Ueber die Beziehungen gewisser Formen 
exfoliativer Erythrodermien zar Tuberkulose. (Derm. Ztschr., August 
1914.) Bei einem an Tuberkulose der Lymphdrüsen und an Lupus 
vulgaris leidenden Patienten trat eine Dermatitis exfoliativa acuta auf, 
welche als ein tuberoulo-toxisches Erythem aufzufassen ist 

Immerwahr. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

H. Küster-Breslau: Nutzen des Peristaltins für die Laparo- 
tomierten. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 31.) Nach der Anwendung io 
81 Fällen kommt Verf. zu dem Resultat, dass er die Anwendung des 
Peristaltins nur warm empfehlen kann, und zwar hat es sich am meisten 
bewährt, wenn er kurz vor der Operation und am Abend nach derselben 
je 0,5 ccm intramuskulär injizierte, natürlich abgesehen von den Fällen, 
in denen der Darm selbst in Mitleidenschaft gezogen war. 

Siefart. 


Technik. 

Engelen - Düsseldorf: Apparat zar Lichtbehandlung der Lunge. 
(D.m.W., 1914, Nr. 32.) Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Südostdeotsche Chirnrgen-Vereinignng. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 18. Juni 1914. 

(Schluss.) 

Hr. Borchard- Posen*. Demonstration eines hühnereigrossen Baad* 
zellensarkoma des Colon ascendens, das Veranlassung zu einer Iovagi- 
natio ileocolica gegeben hatte und durch Resektion des unteren Ileum, 
Colon ascendens und der ersten Hälfte des Colon transversum mitsamt 
den bis tauben eigrossen Drüsen des Mesocolon entfernt wurde. Heilung. 

Im Anschluss daran wurden die verschiedenen Formen der Magen* 
darmsarkome besprochen und auf die Aehnlichkeit mancher Fälle mit 
Tuberkulose hingewiesen. 

Diskussion. 

Hr. Küttner: Sarkome des Magens wurden in den letzten Jahren 
4 mal beobachtet; die Prognose ist ganz ungünstig, in einem Falle schien 
sie besser, doch trat 10 Jahre nach der Resektion das Recidiv und die 
Peritonealaussaat auf. Am häufigsten bat K. das Sarkom der Ileocoecal* 
gegend gesehen, bei dem durch ulcerative Erweiterung des Darmlumens 
die Stenose im Gegensatz zum Carcinom ausbleibt. Diese Patienten 
zeichnen sich bisweilen durch ein eigenartiges Kolorit des Gesichts aus, 
in dem die auffallend roten Lippen mit dfem gelblichblassen Farbton der 
Gesichtshaut kontrastieren. 

Hr. Goebel macht auf mehrere Charakteristica der Dünndarm¬ 
sarkome aufmerksam. Erstens das infiltrierende, multiple Wachstum, 
das zu mehreren Stenosen führen kann, die scheinbar gao* unabhängig 
voneinander sind. Zweitens die naheliegende Verwechslung mit Tuber¬ 
kulose, die sowohl durch die Multiplizität als das makroskopische Aus¬ 
sehen herbeigefübrt werden kann. Die Verwechslung kann zu verhangtu* 
vollen Irrtümern führen, indem man sioh statt der beim Tumor strikte 
indirekten Resektion mit der Entero&n&stomose begnügt. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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31. Äugest 1914. 

Voa polypösen Dickdarmsarkomen hat G. ein sehr seltenes an der 
Flexura lienalis operiert und in der Breslauer chirurgischen Gesellschaft 
demonstriert. Die zum Skelett abgemagerte, etwa 50 jährige Frau erholte 
sich nach der Operation ausserordentlich und stellte sich 5 Jahre später 
in blühendem Zustand wieder vor, trotzdem bei der Operation 
grosse Drüsen im Mesocolon entfernt, aber höchstwahrscheinlich nicht 
radikal entfernt waren. Offenbar waren die Drüsen — wie beim Carcinom — 
infolge der Ulcerierung des Tumors im Darmlumen wesentlich nur ent¬ 
zündlich angeschwollen. 

Hr. Melchior: Die von Herrn Goebel erwähnte gelegentliche 
Aehnlichkeit der Dünndarmsarkome mit der Tuberkulose war besonders 
evident in einem von mir vor längeren Jahren im Krankenbause Moabit 
zu Berlin mitbeobachteten Falle. Die klinischen Erscheinungen waren 
hier völlig die einer tuberkulösen Polyserositis; die Sektion ergab 
jedoch ein Dünndarmsarkom mit knötchenförmiger Aussaat auf Peritoneum 
und Pleuren. 

Hr. Phi lipo wicz empfiehlt bei lleocoecaltumor zweifelhaften Ursprungs 
die subcutane Tuberkuliniojektion zu diagnostischen Zwecken. Bei nega¬ 
tiver Herdreaktion kommt maligner Tumor oder die pseudoneoplastische 
Form der Appendioitis in Betracht, was für die Wahl des Eingriffes 
wichtig ist. 

Hr. Philipowicz- Breslau: 

Ueber „Ligaturbehandlnng der Hämorrhoiden“. 

Vortr. bespricht kurz die Methoden und Resultate der operativen 
Hämorrhoidenbebandlung und berichtet über 50 mittels Ligatur behandelte 
Patienten der Küttner’schen Klinik. Absolut geheilt sind 80 pCt., 
relativ geheilt, d. h. ohne subjektive Beschwerden 92 pCt. In 8 pCt. 
kam es wieder zu unangenehmen Sensationen und Blutungen. Neubildung 
von Knoten bei weiter bestehender Stauung und Disposition nicht aus¬ 
geschlossen. Ernstere lokale oder allgemeine Komplikationen sind nicht 
vorgekommen. Nur einmal herabgesetzte Kontinenz, was auf zu starke 
Sphincterdehnung zu beziehen ist. Deshalb Vorsicht beim Dehnen. Nach¬ 
blutung zweimal ganz unbedeutend, Urinretention viermal kurzdauernd, 
postoperativer Schmerz zweimal nach Lokalanästhesie, einmal nach De- 
fäkation. Beschreibung der Technik. Die Methode ist als gefahrlos, 
schonend und einfach und bei Befolgung der richtigen Technik sehr zu 
empfehlen. Ungünstige Angaben beruhen auf fehlerhafter Technik. 

Diskussion. 

Hr. Hufschmid hat in etwa 10 Fällen die Ligaturmethode ange¬ 
wandt. Sie ist technisch verhältnismässig einfach und lässt sich mit 
wenig Assistenz ausführen. Da sich aber bei einer grösseren Anzahl 
der Patienten sehr starke postoperative Schmerzen eingestellt haben, die 
nur mit grossen Morpbiumdosen bekämpft werden konnten, ist Hufschmid 
wieder zur Whitehead-Mikulioz’schen Operation zurücbgekehrt. 

Hr. Küttner: Die Schmerzen nach der Ligatur treten nur auf, wenn 
die äussere Haut mit eingebunden worden ist; auch bei sensiblen Patienten 
der Privatklientel hat K. das Verfahren seit Jahren stets angewandt und 
niemals über ungewöhnliche Beschwerden klagen hören. Ein besonderer 
Vorzug der Methode ist die Schnelligkeit der Ausführung und das Aus¬ 
bleiben von Strikturen. 

Hr. Peiser-Posen ist ebenfalls Anhänger der Ligaturbehandlung. 
Er empfiehlt sie angelegentlich auch zur Behandlung des Prolapsus aui, 
der ja so oft mit inneren Hämorrhoiden vergesellschaftet ist. Der Prolaps 
heilt regelmässig, offenbar infolge tiefgreifender Narbenbildung an der 
Ligaturstelle. 

Hr. Batzdorff kann die von dem Vortragenden gegen die Whitehead- 
sche Operation erhobenen Einwände nicht bestätigen. An der Abteilung 
von Herrn Prof. Gottstein sind mit dieser Methode an einem Material 
von mehreren Hundert Fällen ausserordentlich gute Resultate erzielt 
worden, die auch von Hadda in einer ausführlichen Publikation 1 ) be¬ 
richtet worden sind. Strikturen, Inkontinenz oder Recidive wurden bei 
diesen zu einem grossen Teil auch nachuntersuchten Fällen nicht beob¬ 
achtet Dieses günstige Resultat sowie die kurze Operations- und Krank¬ 
heitsdauer berechtigen dazu, der Whitehead’schen Operation zugleich auch 
als radikaleren Methode den Vorzug zu geben. 

Hr. Harttung berichtet über einen Hämorrhoidalknoten von etwa 
Erbsengrösse bei einem Neugeborenen, dessen Geburt ohne Besonder¬ 
heiten verlief. Die Diagnose schwankte anfangs zwischen einem kongeni¬ 
talen Hämorrhoidalknoten odereinem polypösen Gebilde, welches ziemlich 
breitbasig am Uebergang der Schleimhaut in die äussere Haut am 
Anus sass. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass es sich um ein Angiom 
handelte. Vielleicht ist dieser Fall für die Reinbach’sche Theorie zu 
▼erwerten, da es sich in einem grossen Prozentsatz bei Hämorrhoiden 
um selbständige Neubildungen im Sinne von Angiomen bzw. cavernösen 
Angiomen handle. 

Hr. Melchior: Mitunter ist es nicht der Arzt, sondern der Patient 
selbst, der seinem Sphincter eine ganz erstaunliche Malträtierung zu- 
wütet. Soeben im Beginne der Sitzung suchte hier ein Mann die Poli¬ 
klinik auf, mit der Angabe, sich gestern, um einer bestehenden Diarrhöe 
Einhalt zu tun, ein „Schächtelchen“ in den After gesteckt zu haben. 
Kan fühlte in der Ampulle, gerade noch mit der Fingerkuppe erreichbar, 
den unteren Rand des Corpus delicti. Die Extraktion in Narkose, mit 
Anwendung der Kugelzange ausgeführt, ergab eine nicht weniger als 
7 cm im Durchmesser betragende, 2,4 cm hohe Blechdose eines Schuh- 


1) Arch. f. klin. Cbir., Bd. 100, H. 4. 


putzmittels. Wie der Sphinoter aui auf diese enorme Dilatation reagieren 
wird, muss abgewartet werden. 

Hr. Melchior: Ueber Olntlstülsceiie. 

Vortr. bespricht an der Hand von zahlreichen Beobachtungen der 
Küttner’schen Klinik die pathologische Anatomie, Symptomatologie und 
Behandlung der idiopathischen, in der tiefen Glutaaltatsche sioh abspielen¬ 
den Phlegmonen. 

(Erscheint ausführlich in den Beitr. z. klin. Chir.) 

Diskussion. 

Hr. Küttner betont das typische der Glutäalabscesse, die als Meta¬ 
stasen unbedeutender peripherer Eiterungen mindestens ebenso häufig 
beobachtet werden wie die paranephritischen Abscesse. Auch viele sub- 
pektorale Phlegmonen gehören in die gleiche Kategorie. 

Hr. Borchard berichtet über einen Fall, wo ein Aneurysma der 
Arier, glutealis unter der Diagnose Glutäalabscess ihm zur Operation 
kam. Patient starb an Embolie. 

Hr. Bauer demonstriert einen Kniebttgel (erhältlich bei Georg Härtel- 
Breslau), der den Zweck hat, Oberschenkel- und Schenkelhalsfrakturen 
rationeller als wie bisher mit Gehgipsverbänden zu behandeln. 

Es sind mit diesem Bügel in der Küttner’schen Klinik eine ein¬ 
gekeilte Schenkelhalsfraktur und eine mit starker Dislokation einher¬ 
gehende Oberschenkelfraktur bei einem 260 Pfund schweren alten Manne 
mit gntem Erfolg behandelt worden. 

Diskussion. 

Hr. Borchard-Posen glaubt nicht, dass trotz der vorzüglichen 
Redressioo der Fragmente eine knöcherne Heilung des intrakapsulären 
Schenkelhalsbruches erfolgt ist und erfolgen wird, und kann deshalb ohne 
weiteres die Lösung der Fragmente bei eingekeilten Schenkelhalsbrüchen 
nicht empfehlen. 

Hr. Simon: Ich möchte Gelegenheit nehmen, das von Drehmann 
empfohlene Verfahren bei Schenkelhalsfrakturen zu empfehlen. Wir haben 
dasselbe in jüngster Zeit im Allerheiligenhospital mit sehr schönem Er¬ 
folge angewandt. Herr Prof. Drebraann war so liebenswürdig, den 
ersten Fall selbst bei uns zu redressieren und einzugipsen. In der Folge 
hat Herr Prof. Tietze bei einem Falle in seiner Privatklinik und ich 
selbst bei 2 Fällen im Hospital das Verfahren benutzt. Wir haben dabei 
die Fraktur, soweit sie eingekeilt war, gelöst und dann den Oberschenkel 
in Innenrotation und Abduktion gebracht. Der Unterschenkel wurde 
gleichzeitig im Knie gebeugt, ein vorzügliches Mittel, um die Innen¬ 
rotation zu erhalten. Der Gips umfasst das Becken und das kranke Bein 
bis zur Wade. (Demonstration der Röotgenbilder des letzten Falles, die 
eine ideale anatomische Stellung der Bruchstücke erkennen lassen.) 

Hr. Drehmann hat vor 8 Jahren einen veralteten Fall von intrakapsu- 
lärer Schenkelhalsfraktur bei einem 18 jährigen Mädchen mit Redressement 
und Abduktionsbebandlung behandelt. Die Genannte ist jetzt imstande, 
ohne Stock ausdauernd und ohne merkliches Hinken zu gehen und an¬ 
strengende Gebirgstouren zu unternehmen. Er empfiehlt jede auch ein¬ 
gekeilte Schenkelhalsfraktur, ausgenommen alte und dekrepide Leute, von 
vornherein zu redressieren. Es kommt darauf an, die funktionell un¬ 
brauchbare Adduktionsstellung in eine dauernde Abduktion zu verwandeln, 
wenn dabei auch nicht immer eine knöcherne Vereinigung erzielt werden 
tollte. Bei veralteten Schenkelhalsbrüchen älterer Leute ist durch die 
leicht ausführbare Transposition nach Lorenz noch eine wesentliche 
Funktionsverbesserung zu erreichen. 

Hr. Hank«: Zur Behandlung der P&tellarfraktnren. 

M. H.! Allgemeine Uebereinstimmung herrscht wohl heutzutage 
unter den Chirurgen bezüglich der Frage, wann man eine Patellarfraktur 
konservativ behandeln und wann man operativ eingreifen soll. Der 
Standpunkt des v. Bergmännischen Assistenten Bockenheimer, 
wonach jede Querfraktur der Kniescheibe mit der KnocheDnaht zu be¬ 
handeln sei, rief nicht mit Unrecht den Widerspruch der Heidelberger 
Klinik hervor. Die konservative Therapie tritt in ihre Rechte bei Er¬ 
baltensein des so überaus wichtigen Reservestreckapparates des Knie¬ 
gelenkes, es sei denn, dass eine etwa vorhandene grosse Diastase der 
Fragmente zu energischerem Vorgehen nötigt. Der operativen Behandlung 
werden zugeführt alle Fälle mit aufgehobener Streckfähigkeit, ferner die ver¬ 
alteten Brüche. Seit 1906 ist nach diesem Prinzip die Behandlung der 
Patellarfrakturen an der chirurgischen Abteilung des Allerheiligenhospitals 
erfolgt. Die konservative Behandlung bestand in den üblichen Maassnahmen: 
möglichst frühzeitige Massage, Näherung der Fragmente durch Heftpflaster¬ 
verbände, vorsichtige Bewegungen und schliesslich energische Uebungen im 
mediko-mechanischen Institut. Die technische Ausführung der Operation 
gestaltete sich folgendermaassen: nachdem durch einen Längsschnitt, 
gewöhnlich aber durch einen nach oben oder unten konvexen, die beiden 
Kondylen verbindenden Hautschnitt das Operationsgebiet freigelegt war, 
wurden die Fragmente — bei veralteten Frakturen nach ihrer Anfrischung 
— mit durchgreifenden Nähten vereinigt, eine Methode wie sie auch 
an der v. Mikulicz’schen Klinik geübt wurde. Als Nabtmaterial 
wurde nicht Silberdrabt, sondern der besser haltbare Aluminium¬ 
bronzedraht genommen. Nur ausnahmsweise, bei Komminutivfraktureo, 
bedienten wir uns der Cerclage. Dann erfolgte die sorgfältige Naht 
des seitlichen Streckapparates. Die Wunde wurde stets ganz verschlossen. 
Die WundheiluDg war dabei durchweg eine glatte. Wir erzielten mit 
dieser Behandlung nicht glänzende, aber immerhin ganz gute Resultate, 
über die ich im folgenden berichten will. Auf die Wiedergabe der 
Krankenberichte muss ich leider verzichten. Von 37 behandelten Fällen 
waren 19 der Nachuntersuchung zugänglich. Ich berichte Ihnen zunächst 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1602 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 35. 


über 15 davon. Die Mehrzahl liegt 5—7 Jahre, der Rest weniger lange, 
mindestens aber IVa Jahre zurück. Bei der Untersuchung wurde nächst 
genauester Prüfung des Kniegelenkes, von dem natürlich jedesmal ein 
Röntgenbild angefertigt wurde, auoh die Ober- und Unterschenkel* 
muskulatur einer eingehenden Betrachtung unterworfen. Die Funktions¬ 
prüfung erstreckte sich neben der Gradmessung, der Beugung und 
Streckung im Kniegelenk auch auf die dabei entwickelte Kraft; als Prüf¬ 
steine galten gewöhnlicher Gang, Laufen, Treppen- und Stuhlbesteigen. 
Als „gut“ werden die Fälle bezeichnet, die keinerlei Funktionsstörungen 
aufweisen, wobei es gleichgültig ist, ob die Heilung der Fragmente 
knöchern erfolgt ist oder nicht, als „ausreichend“ die, die bei der 
Lösung der schwierigsten Aufgabe, beim Stuhlbesteigen, teilweise ver¬ 
sagten oder doch Schwierigkeiten dabei hatten, die übrigen Bedingungen 
aber noch zur Zufriedenheit erfüllten. Die „schlechten“ Fälle zeichnen 
sich durch gröbere Funktionsstörungen aus. 

4 Fälle wurden konservativ behandelt; von ihnen sind 3 gut und 
einer schlecht; der letztere hatte die ihm dringend angeratene Operation 
abgelehnt. Von den II Operierten heilten 6 mit guter Funktion. Er¬ 
wähnt muss werden, dass nur einmal knöcherne Heilung erfolgt war und 
bei den übrigen lediglich eine fibröse Vereinigung der Fragmente mit 
einer Diastase von durchschnittlich 1V* cm bestand. 4 Fälle sind als 
ausreichend zu bezeichnen; auch hier handelt es sich nur in einem Kall 
um eine knöcherne Fragmentvereinigung. Interessant ist der Patient 
mit der schlechten Funktion, der zwar eine ideale anatomische Heilung 
der Bruchstücke aufwies, indessen das Bein im Kniegelenk nur bis zu 
einem Winkel von 170°, also fast gar nicht beugen konnte. 4 von 
allen 15 Patienten erhalten eine dauernde Rente. Bei der Mehrzahl 
unserer Patienten haben wir eine Beobachtung gemacht, die bis jetzt 
unseres Erachtens nach nicht genügend hervorgehoben worden ist: näm¬ 
lich die Neigung des betreffenden Kniegelenkes zu arthritischen Ver¬ 
änderungen. Und zwar bandelte es sich ausnahmslos um Gelenke, deren 
Patella mit Draht genäht worden war, während die konservativ be¬ 
handelten Frakturen freie Gelenke aufwiesen. So fanden wir in unseren 
11 Fällen 8 mal mehr oder minder ausgesprochene Arthritis, die geringere 
oder grössere, zeitweise — bei Witterungswechsel — oder dauernd ; ub~ 
jektive Beschwerden verursachte. Wenn auch der eine oder andere 
Patient, insbesondere die Rentenempfänger, übertriebene Angaben machte, 
so bot doch der Röntgenbefund genügend objektive Anhaltspunkte. Ent¬ 
weder war die Callusbildung sehr gross und teilweise in feste Verbindung 
mit der benachbarten Knorpelfläche der Condylen eingegangen, oder die 
Fragmente waren stufenförmig adaptiert und hatten wohl so eine chro¬ 
nische mechanische Irritation für den Gelenkknorpel abgegeben. Teil¬ 
weise war es zur Osteopbytenbildung gekommen. In 4 Fällen konnten 
die Störungen auf das Zerreissen des Drahtes bezogen werden (worauf 
ja schon durch v. Brunn’s eingehenden Untersuchungen ira Jahre 1906 
hiDgewiesen worden ist), 2 mal lag ein abgespreogtes Drahtstück im 
hinteren Receasus der Gelenkkapsel und hatte hier Veränderungen am 
Knorpelüberzug seiner Umgebung bervorgerufen. Wenn nun auch zu¬ 
gegeben werden muss, dass ein von einem Trauma betroffenes Gelenk 
an und für sich zu Arthritis neigt, so können wir uns auf Grund der 
geschilderten Sachlage der Erkenntnis nicht verschliessen, dass durch 
ein Operationstrauraa, wie es die Knochennaht ist, ein weiteres zur 
Arthritis disponierendes Moment gegeben ist. Denn dass sämtliche 
konservativ behandelten Kniescheibenbrücbe freie Gelenke hatten, kann 
schliesslich nicht blosser Zufall sein, gerade durch den Draht kann es 
leicht zu Knorpelnekrosen kommen, und dass sich daran Veränderungen 
im Sinne der Arthritis anschliessen können, haben die experimentellen 
Arbeiten Axhausen’s klar dargetan. Ich möchte bei dieser Gelegenheit 
noch hervorheben, dass auch der Cerclage, der circularen Umschnürung 
der frakturierten Patella gegenüber eine gewisse Reserve geboten er¬ 
scheint. Denn im Tierexperiment hat die circuläre Umstechung der 
Kniescheibe Knorpel- und Knochennekrosen und im Anschluss an diese 
Arthritis gezeitigt (Axhausen, Walkhoff, Ewald, Preiser). Durch 
diese Erwägungen haben wir uns veranlasst gesehen, die Knochennaht 
endgültig aufzugeben. Wir üben jetzt lediglich nur noch die Naht des 
Reservestreckapparates und der Gelenkkapsel und die von zahlreichen 
Autoren (Thiem, Bärlocher, Rüdinger, Lauenstein u. a.) 
empfohlene peri- und präpatellare Naht aus, der wir in veralteten Fällen 
immer, in frischen je nach der Lage der Verhältnisse, die auch von 
Ferraresi und Roter ausgeübte Fascienplastik hinzufügen, die in der 
Bildung eines Lappens aus der Quadricepsfascie mit der Basis am oberen 
Fragment und Befestigung desselben am unteren Fragment besteht. 
Was die übrigen Verfahren anlangt, so möchte ich nur erwähnen, dass 
wir die osteoplastischen Methoden von Rosenberger, Helferich und 
Wolff wegen ihrer Kompliziertheit nie angewandt haben. Schultze 
beseitigt die Fragmentdiastase vermittels einer Muzeuxzange und näht 
dann Kapsel und Reservestreckapparat. In der Frage, ob eine knöcherne 
Vereinigung der Fragmente immer zu erstreben sei oder ob eine fibröse 
ausreiche, sind die Meinungen geteilt. Man wird ja schliesslich mit 
v. Bergmann, Thiem, Schultze u. a. in der knöchernen Vereinigung 
als der restitutio ad integrum das Ideal erblicken müssen. Immerhin 
aber ist zu bedenken, dass andere Autoren (Lauenstein, Doberauer, 
Silbermark u. a.) auch in Fällen mit fibröser Vereinigung recht gute 
Funktion sahen, ja sogar weit bessere als bei der knöchernen Vereinigung 
(v. Brunn, Lewisohn), eine Tatsache, die wir auf Grund unserer 
eigenen Beobachtungen nur bestätigen können. Auch wir sind überzeugt, 
dass eine bindegewebige Vereinigung genügt, vorausgesetzt, dass der 
Gefahr der späteren Ueberdehnung durch exakte Naht des Reservestreck¬ 


apparates oder durch die Fascienplastik vorgebeugt ist. Zum Schluss 
möchte ich noch kurz über 4 im letzten Jahre behandelte Fälle be¬ 
richten, bei denen die Fascienplastik und nicht die Knocbennaht an¬ 
gewandt wurde: der eine, eine veraltete Fraktur, ist mit ausreichender 
Funktion, die übrigen 3 sind gut geheilt. Arthritische Veränderungen 
irgendwelcher Art sind bei ihnen bis jetzt nicht vorhanden; infolge der 
Kürze der seit der Operation verstrichenen Zeit ist das natürlich völlig 
belanglos. (Demonstration eines Patienten.) 

Diskussion. 

Hr. Küttner: Die vielfach geübte sohematisch operative Be¬ 
handlung aller schwereren Patellarfrakturen ist unrichtig. Es wird zu 
wenig scharf zwischen der direkten und der indirekten Fraktur unter¬ 
schieden. Die direkte Fraktur bedarf im allgemeinen der operativen 
Behandlung nicht und ist auch wenig für sie geeignet. Auch bei der 
indirekten Rissfraktur kommt man weit häufiger mit konservativer Be¬ 
handlung aus, als zurzeit ziemlich allgemein angenommen wird. Zwei 
schwere Vereiterungen und eine Reihe von Spätschädigungen des Knie¬ 
gelenkes haben K. hinsichtlich der Naht sehr zurückhaltend mit der 
Naht gemacht, und dabei hat sich dann berausgestellt, dass auoh Fälle, 
welche den Symptomenkomplex einer Zerreissung des Reservestreck¬ 
apparates aufwiesen, bei sorgfältiger konservativer Behandlung mit guter 
Funktion heilten. Dass der Diastase der Fragmente bei fester binde-, 
gewebiger Pseudarthrose eine untergeordnete Bedeutung zukommt, ist 
bekannt; K. erwähnt den Fall eines Briefträgers, der mit handbreiter 
Diastase täglich treppauf treppab lief und seinen vollen Dienst versah. 
Die schlechten Resultate bei konservativer Behandlung sind meist durch 
mangelhafte Therapie bedingt; in den Fällen mit schlechter Funktion 
liegt entweder eine isolierte Vernarbung der Bruchenden oder eine Ver¬ 
wachsung des oberen Fragmentes mit dem Femur, oder eine hochgradige 
Atrophie des Quadriceps vor. Solche Fälle sind sekundär operativ an¬ 
zugreifen. Hält man die primäre Naht für indiziert, so empfiehlt es 
sich, nicht sofort zu operieren, sondern 8—10 Tage zu warten und 
eventuell vorher zu punktieren. Die Infektionsgefahr ist dann geringer, 
und in manchem Falle wird die Wartezeit zugunsten der konservativen 
Behandlung entscheiden. 

Hr. Anton-Oels: Zwei Fälle von Patellarfraktur. 1. Gepäckträger 
von einigen 30 Jahren, der auf eine granitene Bordschwelle mit dem Knie 
auffiel. 2. Dienstmädchen, ca. 19 Jahre alt, das in ähnlicher Weise fiel. 
Ersterer in seiner Behausuog mit Ueberstreckung des Beines und Heft¬ 
pflastergewichtszug, der das obere Fragment dem unteren nähern sollte, 
behandelt. Ergebnis: fibröse feste Vereinigung mit guter Funktion 
bei einer 1 cm breiten Diastase. Aktive Streckung des Unterschenkels 
möglich. Nur massige Beschwerden beim Treppensteigen. Versieht 
weiter seinen Dienst. Der zweite Fall fand Krankenhausbehandlung. 
Maximale Streckung des Unterschenkels. Zur Fixierung und Adap¬ 
tierung der Fragmente Filzverband und ausgesparter Oeffnung für 
die Patella. Unter diesem Verband mit Zuhilfenahme von Schwamm¬ 
press verband auffallend schnelle Aufsaugung des sehr grossen Blut¬ 
ergusses. Infolgedessen leicht und gute Aneinanderlagerung der Frag¬ 
mente, die bei der Wiederaufnahme aktiver Bewegungen auf */* cm 
wieder auseinander wichen. Nach den ersten 8 Tagen schon passive 
Bewegungen im Kniegelenk, Massage und elektrische Anregung der 
Quadriceps. Durch den Filzverband, der die Fragmente firixierte und 
den Erguss zum schnellen Schwinden brachte, wurde meines Erachtens 
die Heilung in günstigster Weise beeinflusst. Ich möchte ihn deshalb 
zur Anwendung warm empfehlen. 

Hr. Dreyer weist auf die grossen Vorteile hiD, die der Extensions¬ 
verband bietet, einmal für die Erkennung der Erhaltung des Reserve¬ 
streckapparates, dann für die Behandlung der nicht zu operierenden, 
wie für die Nachbehandlung der genähten Fälle. 

Hr. Melchior: Auch bei den mit den Kniescheibenbrüchen 
prinzipiell sieb sehr ähnlich verhaltenden Frakturen des Oberarms 
scheint die Erzielung einer knöchernen Konsolidation für das funk¬ 
tioneile Resultat nicht immer ausschlaggebend zu sein. Ich sah an der 
Küttner’schen Klinik zwei solche Fälle, von denen in einem die Köochen- 
naht nicht gehalten hatte; im anderen, der auswärts behandelt war, 
hatte man überhaupt die richtige Diagnose nicht gestellt. Trotz deut¬ 
licher Diastase der Brüchen den wurde doch in beiden Fällen durch 
orthopädische Nachbehandlung ein zwar nicht vollkommen ideales, aber 
doch praktisch durchaus zufriedenstellendes Resultat erzielt. 

Hr. H. Simon: 

Ueber die Histologie der Strahlenwirkung anf Tumore«. 

Vortr. bespricht zunächst die Strahlenwirkung auf Gewebe im all¬ 
gemeinen und stellt bezüglich derselben folgende Leitsätze auf; 

1. Die Röntgenstrahlen und die von den sogenannten radioaktiven 

Substanzen (Radium, Mesothorium usw.) ausgesandten Strahlungen sind 
hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Gewebe im grossen und ganzen 
qualitativ gleich. t , 

2. Die Strahlenwirkung ist eine streng lokale, nur die von den 
Strahlen in ungenügender Stärke direkt getroffenen Zellen und Gewebe 
werden beeinflusst; Fern Wirkung findet in keiner Weise statt. 

3. Die Strahlen beeinflussen die Zelle direkt, ohne Vermittlung von 
Blut- oder Lymphbahn. In der Zelle ist es der Kern und in diesem 
vermutlich das Chromatin, das in erster Linie verändert wird. 

4. Alle Zellen und Gewebe werden durch die Strahlen beemnus , 
jedoch in einem sehr verschiedenen Grade. Die Strahlenwirkung 


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UMIVERSITY OF IOWA 




31. Augpst 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1603 


abhängig von der Strahlen lampe, der Dauer der Einwirkung und dem 
Grade der Empfänglichkeit der betreffenden Zelle. 

Sodann werden die als Folge der Bestrahlung auftretenden histo¬ 
logischen Veränderungen des Tumorgewebes im einzelnen geschildert 
(an den Geschwulstzellen: Hypertrophie bis 2 ur Verdoppelung 
und Verdreifachung des Volumens, Veränderungen des Kernes in Form 
von Knospung, Lappung, Riesenkernbildung, Beeinflussung der Chromatin¬ 
struktur, Vakuolenbildung, Karyo- und Cytolyse; im bindegewebigen 
Stützgerüst des Tumors: Auswanderung der weissen Blutkörperchen, 
Ph&gocytose des durch den Zerfall der Geschwulstzellen entstandenen 
Zelldetritus, Bindegewebsneubildung, Ersatz des Tumors durch Narben¬ 
gewebe). 

Schliesslich weist Vortr. darauf hin, dass unter dem Einfluss der 
Bestrahlung die Geschwulstzellen mitunter zwar nicht zugrunde gehen, 
aber ihren Charakter und ihre wesentlichsten Eigenschaften vollkommen 
zu ändern scheinen. Häufig erfolgt diese Aenderung im Sinne einer 
weitergehenden Differenzierung und dadurch eventuell verminderten 
klinischen Bösartigkeit (nioht verhornende Krebse zeigen unter der Be¬ 
strahlung typische Verhornung, Adenocarcinome wandeln sich in Schleim- 
kiebse um dergl.). Noch weitergehender und verheissungsvoller ist die 
Beobachtung Wickham’s, nachdem die Sarkomzelle unter dem Einfluss 
der Bestrahlung sich direkt in eine normale Bindegewebszelle verwandeln 
kann. 

Bestätigung und Erweiterung dieser und ähnlicher Untersuchungen 
ist anzustreben, da hier nicht nur Gelegenheit geboten scheint, in das 
Geheimnis der Strahlenwirkung einzudringen, sondern auch die Möglich¬ 
keit vorliegt, in die dunkeln Vorgänge des Zeitlebens Einblick zu gewinnen. 

(Demonstration der geschilderten Veränderungen an mikroskopischen 
Präparaten.) 

Diskussion. 

Hr. Peis eT- Posen: Bei der Strahlenbehandlung der Tumoren scheint 
mir das Studium der Einwirkung auf die gesunde Umgebung des Tumors 
von nicht geringerer Bedeutung als das der Einwirkung auf den Tumor 
selbst. Herr Simon hat uns die morphologischen und tinktoriellen 
Veränderungen der Tumorzelleu geschildert. Die durch Vernichtung der 
Tumorzellen und Resorption ihrer Reste gesetzten Defekte werden durch 
nengebildetes Bindegewebe ersetzt, das bei längerer Bestrahlung hyaliner 
Degeneration verfällt und sklerosiert. Ganz ähnlich gestalten sich die 
Verhältnisse in der Umgebung des Tumors. Die Strahlen wirken nicht 
elektiv auf die Tumorzellen, sie beeinflussen, wenn auch langsamer und 
geringer, auch das gesunde, allerdings oft durch den Tumor an sich in 
einem Reizzustande befindliche Gewebe der Umgebung. Es kommt auch 
hier zur Bildung von Bindegewebe, und zwar um so stärker, je ober¬ 
flächlicher, d. b. je näher das Gewebe der Strahlenquelle liegt. Dieses 
Bindegewebe erfüllt, wie ich glauben möchte, die Aufgabe eines Schutz¬ 
walls gegen den Tumor, den es abgrenzt, und wird vielleicht manche, 
noch nicht verniohtete Tumorzelle erdrücken können. Es wird weiteren 
Studiums bedürfen, inwieweit und ob die Anregung dieser Bindegewebs- 
entwicklung zweckmässig ist und ob nicht in gewissem Zeitpunkte für 
seine Widerstandskraft gegen die Tumorzellen das neugebildete Binde¬ 
gewebe seinerseits gegen die Schädigung einer fortdauernden Bestrahlung 
zu schützen ist. Ich habe mich mit diesen Fragen schon vor 7 JahreD 
beschäftigt, als ioh gelegentlich der Behandlung maligner Tumoren mit 
Röntgenstrahlen und Coley’schem Toxin histologische Studien machte. 

Hr. Köttner fragt, wie der Vortragende sich zu den neuesten 
Untersuchungen v. Hansemann’s stellt. - 

Hr. Philipowioz fragt, wie sich die regressiven Veränderungen der 
Nachbarorgane im Verhältnis zu denen im Tumor mikroskopisch be¬ 
merkbar machen und ob Simon Umwandlung an sich relativ benigner 
Tumoren in malignere unter dem Einfluss der Strahlentherapie beob¬ 
achtet hat, ob ferner die zapfenförmigen Fortsätze des Tumors im 
normalen Gewebe dieselben Veränderungen zeigen, wie in den mittleren 
Partien des Tumors. 

Hr. Goebel macht auf die interessanten biologischen Folgerungen 
aus der Wirkung der Strahlen auf die Tumoren besonders in der Hin¬ 
sicht aufmerksam, dass die Differenzierung der Tumorzellen unter dem 
Einfluss der Strahlen einiges Lioht auf die Aetiologie der Tumoren zu 
werfen geeignet scheint. Jedenfalls spricht diese AenderuDg der bio¬ 
logischen Eigenschaften nicht für die parasitäre Aetiologie der Ge¬ 
schwülste. 

Hr. Wqokowski - Breslau: M. H.! Die Behauptung von Herrn 
Simon, dass es sich bei Radium, Mesothorium, Thorium X und Röntgen¬ 
strahlen um im grossen Ganzen gleichstrahlende Energie handle, bedarf 
einiger Besprechung, und zwar stellte ich hierbei die strahlende Energie 
des Radiums und der Röntgenröhre einander gegenüber, jedoch nioht 
vom physikalischen, sondern vom biologischen Standpunkte aus be¬ 
trachtet. Ich habe an der Hand von drei Mamma- und einem Parotis- 
carcinom Gelegenheit gehabt, zu beobachten, dass Röntgenbestrahlung 
ohne Erfolg geblieben war, dagegen auf Radiumbestrahlung eine baldige 
Beeinflussung eintrat in Form von Schrumpfung bzw. Epithelisierung 
des Carcinomulous. 

, Bei den Mammacarcinomen handelte es sich um Tumoren, die von 
intaktem Integument bedeckt waren und mehrere Zentimeter (in einem 
Falle etwa 4 cm) unter der Oberfläche sich befanden. Man könnte dem 
entgegen halten, dass ein biologischer Unterschied daraus noch nicht zu 
folgern wäre, weil die angewandten Röntgenstrahlen nicht derart durch¬ 
dringend gewesen wären, wie die y-Strahlen des Radiums, und aus 
diesem Grunde musste der Erfolg eben verschieden sein. 


Dieser Einwand wird entkräftet durch Beobachtungen bei Be¬ 
strahlung oberflächlicher Carcinomulcerationen, denn hierbei gelangt 
neben der harten Strahlung in weit höherem Umfange die weiche 
Strahlung zur Anwendung. Bei dem Uebergewicht der weicheren 
Strahlung der Röntgenröhre müsste durch letztere ein besserer Erfolg 
zu erzielen sein als bei Anwendung von Radiumstrahlen, und trotzdem 
ist das Gegenteil der Fall. 

(Beobachtung eines Falles von uloeriertem Parotiscarcinom, das trotz 
wochenlangen Bestrablens mit Röntgenstrahlen immer grösser wurde, 
dagegen nach stattgefundener Radiumbestrahlung innerhalb von 14 Tagen 
auf die Hälfte des ursprünglichen Umfanges zurückgeführt wurde.) 
Aehnliche Beobachtungen liegen vor von Prigl-Wien, M. Friedländer- 
Berlin, Schüller-Wien, Bayet-Brüssel. 

Die Annahme einer biologischen Verschiedenheit erhält noch eine 
weitere Stütze durch die Erfahrung, dass infolge von Manipulation mit 
Röntgenstrahlen Carcinome entstehen. Coenen - Breslau hat im 
Jahre 1909 über 33 derartige Carcinome berichtet. In den letzten Jahren 
sind noch einige dazu gekommen. Carcinomfälle infolge Betätigung mit 
Radium sind dagegen noch nicht bekannt geworden, trotz 15 jährigen 
Arbeitens hiermit. 

Qr. Coenen macht auf die Gefahr des RÖotgencarcinoms aufmerk¬ 
sam, die man bei der Verwendung der starken Röntgendosen, die neuer¬ 
dings üblich sind, im Auge behalten muss. Bei einem Röntgendiener 
und bei einem Arzt entwickelten sich neue Röntgencarcinome an den 
Händen, obwohl schon jahrelang die Röntgenarbeit eingestellt war. 
Offenbar haftet der Röntgenreiz dem Gewebe aussergewöhnlich lange an. 
Die Angabe, dass nicht verhornende Hautcarcinorae unter dem Röntgen- 
lioht Verhornungen zeigen, kann mit der Heilwirkung der Röntgenstrahlen 
auf das Carcinom nicht gut in Einklang gebracht werden, denn die ver¬ 
hornenden Carcinome sind in der Regel bösartiger als die nicht verhornen¬ 
den Hautkrebse. 

Hr. Baruch - Breslau bemerkt zu den Ausführungen von Herrn 
Peiser, dass das Coley’sche Mittel kein Serum, sondern ein Toxin¬ 
gemisch ist. Ferner enthält dieses Gemisch keine lebenden Strepto¬ 
kokken, sondern besteht aus abgetöteten Kulturen von Streptokokken 
und Prodigiosus. Die peritumorale Anwendung des Mittels, wie sie Herr 
Peiser zur Erzeugung von Bindegewebe, das den Tumor ersticken 
soll, benutzt hat, liegt nicht im Sinne des Autors. Vielmehr soll das 
Toxingemisch vom Blutwege her wirken, kann also überall — am wirk¬ 
samsten intratumoral — eingespritzt werden. Zahlreiche Versuche 
Baruch’s mit dem von Coley der Klinik freundliehst zur Verfügung 
gestellten Toxingemisch haben übrigens irgendeinen kurativen Erfolg 
nicht gezeitigt. 

Hr. Simon (Schlusswort): Beantwortung der in der Diskussion her¬ 
vorgetretenen Anfragen und Einwände. Vortr. steht nicht auf dem 
Boden der parasitären Geschwulsttheorie. Bezüglich der Art der 
Strahlenwirkung auf Geschwulstgewebe schlägt er vor, nicht von spezi¬ 
fischer, sondern von elektiver Wirkung zu reden. Wesentlich für 
den Erfolg ist vor allem der Grad der Empfänglichkeit der einzelnen 
Zellen und Gewebe für die Bestrahlung, bezüglich dessen grosse Unter¬ 
schiede bestehen. Beispiele. Hinweis auf eventuelle gefährliche Neben- 
und Nachwirkungen der Bestrahlung (Blutungen, Fistelbildung, exzessive 
Bindegewebswucherung). Sollte sich bestätigen, dass unter dem Einfluss 
der Bestrahlung mitunter eine weitergehende Differenzierung des Tumor¬ 
gewebes eintritt, so wäre darin — trotz einzelner widersprechender 
klinischer Beispiele — doch eine Art von Heileffekt zu sehen. Schilde¬ 
rung der Zusammensetzung von „Coleys fluid“, über die in der Dis¬ 
kussion Meinungsverschiedenheit herrschte. Vortr. betont nochmals, dass 
die lokal angewandte Bestrahlung stets ausschliesslich lokal wirkt. Fern¬ 
wirkung haben wir erst zu erwarten, wenn es uns gelingen sollte, 
Substanz in den Körper einzuführen und in demselben zu verbreiten, 
wie dies z. B. mit der Einführung des Thorium X versucht wurde. S. hat 
vor kurzem bei einem inoperablen Lymphosarkom am Halse durch intra¬ 
venöse (Thorium X-) und lokale (Mesothorium- Bestrahlung) einen sehr 
schönen augenblicklichen Erfolg erzielt; über den Fall soll anderwärts 
ausführlich berichtet werden. 

Hr. Borchard - Posen: Bantimilz. Da die Diagnose in den beiden 
ersten Stadien der Erkrankung nicht mit absoluter Sicherheit zu stellen 
ist, im eigentlichen Stadium die Veränderungen anderer Organe (Leber) 
zu gross sind, um sich völlig zurückbilden zu können, der Eingriff nicht 
immer ganz leicht ist, so ist Vorsicht in der Auswahl der Fälle geboten. 
Das demonstrierte Präparat stammt von einer Patientin, bei der von in¬ 
terner Seite die Diagnose auf Banti gestellt war, auch pathologisch-ana¬ 
tomisch lautet die Diagnose des stark vergrösserten, in der Zwerchfell¬ 
kuppe verwachsenen Organs, das einen taubeneigrossen Infarkt aufwies, 
auf Banti, und doch brachte die gut überstandene, nicht besonders 
leichte Operation nur eine vorübergehende Besserung. 


Aus Pariser medizinischen Gesellschaften. 

Sociötö mödicale des höpitaux. 

Sitzung vom 26. Juni 1914. 

HHr. Achard und Flandin haben in zwei Fällen von Henfleber 
Besserung erzielt durch Injektion des eigenen Serums der Patienten 
unter die Haut, a /io und 1 ccm bei einem Patienten, 1 ccm beim 
anderen Patienten. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 35. 


Diskussion. Hr. Martin betont, dass man Autoserotherapie von 
der Injektion von fremdem Serum unterscheiden müsse. Mit letzterem, 
das in Amerika viel gebraucht wird, wurden 13 Todesfälle verzeichnet. 

HHr. Chantemesse und Coareonx zeigen einen 17 jährigen Jüngling 
mit Sclerodermie, die im Begriff ist, sieh auszudehnen; mit Sclero- 
dactylie und Atrophie der Schilddrüse. Die Affektion begann vor 
8 Jahren im Anschluss an Masern. Die Affektion der Hände nahm pro¬ 
gressiv zu; die Haut ist trocken, verdickt, mit dem unterliegenden Ge¬ 
webe verwachsen. Die Finger sind flektiert; die dritte Phalanx ist 
durch Resorption fast verschwunden. Das Gesicht, der Hals und. die 
Brust sind beteiligt. Patient hat infantilen Habitus, aber gut entwickelte 
Genitalien. Es besteht eine leichte Hypoästhesie auf dem Handrücken, 
sonst keine nervösen Störungen. Die Schilddrüse ist ganz atrophisch, 
nicht zu fühlen. Es bestehen Hautpigmentierungen, herabgesetzter 
Blutdruck. 

HHr. Brodin und Pasteur Vallenry-Radot berichten über einen 
Fall von Cerebrospinalmeningitis. Trotz 120 ccm AntigenmeniDgo- 
kokkenserum (in drei Injektionen verabfolgt), wurden die Erscheinungen 
schlimmer und behielt der Liquor sein trübes Aussehen. Diese Tatsache 
erweckte den Verdacht auf Parameningokokkeninfektion, und bevor diese 
von Herrn Dopter festgestellt werden konnte, wurden 40 ccm Anti¬ 
parameningokokkenserum dem Patienten injiziert. Schon tags darauf 
war der Zustand besser, der Liquor weniger trüb. Es wurden 
im ganzen 145 ccm dieses Serums intradural verabreicht, in wenig Tagen 
war die Heilung definitiv, Herr Dopter konnte eine besondere Form 
von Parameningokokken züchten. Diese Diagnose braucht lange Zeit, 
man ist also berechtigt, im Notfall schon vorher das Serum zu ver¬ 
wenden. 

HHr. 0. Josue und Belloir beschreiben einen Fall von Typhus mit 
gleichzeitiger Syphilis. Bei der Patientin war schon in den ersten 
Tagen die Blutkultur positiv. Der Typhus hielt lange an, die Tempe¬ 
ratur blieb hoch und der Allgemeinzustand verschlimmerte sich von Tag 
zu Tag. Am 52. Tage trat ein Ausschlag von papulösen Syphiliden 
ein; der Wassermaun war stark positiv. Die sofort eingeleitete Hg- 
Behandlung brachte einen raschen Umschwung und Fieberabfall nach 
neun Injektionen. Nach Neosalvarsan war die Rekonvaleszenz kurz und 
die Heilung vollkommen. Ueber den Eintritt der syphilitischen Infektion 
ist nichts bekannt. Entweder handelt es sich um eine Syphilis, die 
durch den Typhus aufgeweckt wurde, oder um eine gleichzeitige In¬ 
fektion. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Kriegsärztliche Abende. Unter Mitwirkung einer Reibe 
hervorragender Aerzte aus den Militär- und Zivilkreisen sowie von Ver¬ 
tretern des Ministeriums des Innern und des Kriegsministeriums ist am 
24. d. M. unter obigem Namen im Kaiserin Friedrich-Hause eine lose 
Vereinigung begründet worden. Die Vereinigung soll einen Sammel¬ 
punkt für alle im Dienste der verwundeten und erkrankten Krieger 
tätigen Aerzte schaffen und zugleich zum Austausch von Erfahrungen 
und zur Förderung kriegsäratlicher Kenntnisse dienen. Es sind in 
wechselnder Folge alle 8 Tage Vortrags- und Demonstrationsabende vor¬ 
gesehen. Erstere finden im Langenbeck-Hause, letztere in den zu 
Reservelazaretten umgewandelten grösseren Berliner Krankenhäusern 
statt, und zwar der .erste Vortragsabend am 8. September, 8 Uhr. Zum 
Vorsitzenden wurde Geheimer Rat Trendelenburg, zum stellvertretenden 
Vorsitzenden Generalarzt Grossheim, zum Schriftführer Prof. Adam 
und zum Kassierer Dr. Löwin gewählt. Mitglieder können alle reichs- 
deutschen und österreichischen Aerzte und Aerztinnen gegen Zahlung 
eines Beitrags von 2 M. werden. Karten vom 1. September ab im 
Kaiserin Friedrich-Hause (Luisenplatz 2—4) erhältlich. 

— Die Kurse über Kriegsohirurgie, welche das Central¬ 
komitee für das ärztliche Fortbildungswesen in Preussen vom 31. August 
bis 5. September veranstaltet, sind nunmehr soweit organisiert, dass die 
einzelnen Gruppen feststehen. Die Herren Aerzte können sich vom 
Donnerstag den 27. d. M. an in der Zeit von 10-3 Uhr im Kaiserin 
Friedrioh-Hause für eine der 15 Gruppen eintragen lassen. Bei der 
Meldung ist gleichzeitig eine Einschreibegebühr von 2 M. zu entrichten. 

— In den Berliner Krankenhäusern befindet sich bereits eine grössere 
Anzahl Verwundeter; naturgemäss handelt es sich dabei bisher vor¬ 
wiegend um Verletzungen leichterer Art, namentlich Weichteilwunden. 
Die chirurgische Versorgung der im Charitekrankenhause befindlichen 
Verwundeten wird — da die Herren Geh. Rat Hildebrand und Prof. 
Rumpel im Felde stehen — durch die Herren Geh. Rat Franz und 
Prof. Hollaender geleitet. 

— In den Reservelazaretten der Provinz Brandenburg ist noch 
chirurgische Hilfe notwendig. Aerzte oder auch ältere Studierende, die 
hierzu bereit sind, werden gebeten, sich beim Sanitätsamt des III. Armee¬ 
korps (Schöneberger Ufer 13) zu melden. 

— Zur Begleitung der Lazarett- und Hilfslazarettzüge bedarf der 
Kaiserliche Kommissar und Militär-rnspekteur der freiwilligen Kranken¬ 
pflege noch weiterer Aerzte. Meldungen sind unter Vorlegung der Zeug¬ 


nisse bei dem genannten Herrn Kommissar in Berlin NW. 7, Reichtags¬ 
gebäude, einzureichen. Den Kandidaten, die die ärztliche Notprüfung 
bestanden haben und den Nachweis führen, das9 sie als ärztlicher Be¬ 
gleiter eines Lazarettzuges angenommen worden sind, wird bei Erfüllung 
der sonstigen Zulassungsbodingungen für die ärztliche Prüfung die 
Approbation als Arzt für das Gebiet des Deutschen Reiches alsbald er¬ 
teilt werden. 

— Zum Schutz gegen event. Typhusinfektion steht den Aerzten 
und Pflegern des Heeres, die sich einer Schutzimpfung unterziehen 
wollen, Impfstoff aus dem Institut Robert Koch zur Verfügung. 

— Die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen, 
haben in ihrem grossen Verwaltungsgebäude ein Hilfslazarett mit 250 Betten 
eingerichtet, das mit einem weiteren noch einzurichtenden zweiten 
Lazarett, ebenfalls 250 Betten, dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt 
werden soll. Die Fabrik trägt auch sämtliche Kosten des Betriebs. 

— Professor Bertheim, der verdienstvolle chemische Mitarbeiter 
P. Ehrlich’s, ist hier, wo er seiner Dienstpflicht nachkam, durch einen 
Unfall ums Leben gekommen. 

— Die für Ende August und Anfang September in Bern angesetzte 
Versammlung der freien Vereinigung für Mikrobiologie findet nicht statt. 

— Der nach Budapest für den 14. September dieses Jahres einbe- 
rufene VIII. Internationale kriminalanthropologische Kongress wird wegen 
Kriegsausbruch verschoben. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. KL: Geh. San.-Rat Dr. 
Loewenthal in Königsberg i. Pr. 

Charakter als Geheimer Regierungsrat: San.-Rat Dr. Würzburg, 
Mitglied des Kaiserlichen Gesundheitsamts. 

Charakter als Geheimer Medizinalrat; Kreisarzt, Med.-Rat Dr. 
JuDgmann in Guben. 

Charakter als Medizinalrat: Kreisärzte Dr. Bachem in Euskirchen, 
Dr. Wolters in Coesfeld, Dr. Dörschlag in Bromberg, Dr, 
v. Gizycki in Brieg; Stadtarzt Dr. Schrooder in Altona, beauftragt 
mit der Wahrnehmung der Obliegenheiten des Kreisarztes im Stadt¬ 
kreise Altona. 

Niederlassungen: Dr. W. Casemir in Spandau, Dr. S. Ostrowski 
in Berlin - Schmargendorf, M. Reissner in Buch b. Berlin, Dr. 
P. Baitzer in Frankfurt a. 0., M. Güssow in Greifswald, W.Wichura 
in Breslau, Dr. G. Schievelbein in Steinau a. 0., Dr. F. F. Braun 
in Dommilzscb, Dr. M. Weinberg, Dr. M. Sander und Dr. H. Schoen 
in Halle a. S., Dr. A. Bräcker in Bassum, L. Schlösser in Ahaus, 
Dr. H. Herxheimer in Frankfurt a. M. 

Verzogen: W. Albert von Berlin-Steglitz nach Beelitz (Heilstätten), 
Dr. H. Wolfsohn von Halle a. S. nach Liohtenrade, San.-Rat Dr. 
S. Wintritz von Dtsch.-Eylau nach Schlachtensee, San.-Rat Dr. 

A. Aronstein von Wiesbaden nach Berlin - Schmargendorf, Dr. 

K. Liesauer von Berlin nach Guben, San.-Rat Dr. E. Falkentbal 
von Freienwalde a. 0. nach Sorau, Dr. G. Giese von Beelitz nach 
Landsberg a. W., L. Drozynski von Dresden nach Stettin, Dr. 
E. Senn von Frankfurt a. M. nach Greifswald, Dr. A. Weber von 
von Eisenach und Dr. G. Bogatsch von Reisen nach Breslau, Dr. 

B. Barczewsky von Berlin und Dr. A. Hanel von Buch b. Berlin 
nach Landeck, B. Scharlach von Orteisburg nach Merseburg, Dr. 
E. Boehnke von Bouthen O.-S. nach Altscherbitz, Dr. F. Friedland 
von Reisen als Schiffsarzt und Dr. W. Strauch von Altona nach 
Halle a. S., Dr. F. Schreiber von Halle a. S. und Dr. M. Ludwig 
von Diepholz nach Hamburg, Dr. G. Moritz von Breslau nach 
Hannover, Dr. H. Dessloch von Wattenscheid und Dr. B. * r i®‘ 1 _ n 8 
von Wennigsen nach Münster i. W., Dr. R. Schute von Osnabrück 
nach Brackwede, Dr. B. J. Wodrig von Müllrose b. Frankfurt a. u. 
und Dr. U. Königer von München nach Lippspringe, Dr. H.Wächter 
von Erlangen und Dr. J. Färber von Aachen nach Paderborn, Dr. 

L. Loewenstein von Godesberg nach Trier. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: F. Knaufch von 
Lichtenrade auf Reisen, Dr. W. Kalbfleisch von Frankfurt a. M. 
auf Reisen als Schiffsarzt, Dr. E. Rabanus von Trier. 

Gestorben: Kreisarzt, Med.-Rat Dr. Roller in Trier, Dr. F. Ritter 
in Breslau, Dr. E. Metzner in Halle a. S., San.-Rat Dr. A. Elsässer 
in Hannover, Dr. K. Schneider in Gladbeck. 


Berichtigung. . > 

Herr Scholtz-Königsberg teilt uns zu seinem Aufsatz in Kr. o 
mit, dass bei der gelegentlich der Korrektur vorgenommenen Anmerkung 
insofern ein Irrtum vorgekommen ist, als es daselbst nicht heissen 
„E. Hoffmann-Bonn, welcher vor einem Jahre...“, sondern: »“.Hoi ‘ 
mann-Bonn, welcher vor ca. zwei Jahren . . Herr Scboltz leg 
Wert darauf, dass dieser Irrtum gleich berichtigt wird, ________ 

F5r die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayrenther Strasse«. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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DJ» B»rJioer Kliatacb» Wochanachrifi »racheint Jeden 
MonUW in Nummern von c*. 5—6 Bogen gr. 4 . — 
Preievjerteljiiirlich 6 Mark, Bestellungen nehmen 
alJe Buchhandlungen und Po»Un*ulten an. 


BERLINER 


Alle Slnsendnagen Ihr die Red aktive nnd Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
Auguat Hiiacharald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KUNISCHE WOCHEMHEIET. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

ßeli. MeA-Rat Prof. Pr. C. Posoer und Prof. Dr. Hans Kohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 

M 3li. Einundfünfzigster Jahrgang. 


Montag, den 7. September 1914. 


INHALT. 


Ofigtsaliea: Dreyer: Die jetzige Gestaltung des Druekdifferenzverfahrens. 
(Aus der Chirurg. Universitätsklinik zu Breslau.) (Ulustr.) S. 1605. 
Eckstein: Ueber einige unbekannte Wirkungen der Röntgenstrahlen 
und ihre therapeutische Verwertung. (Aus Dr. Fopp’* und Dr. Eck* 
stein’s orthopädisch-chirurgischer Anstalt in Berlin.) S. 1606. 
Rautenberg: Klinische Anwendung der Röntgenphotographie der 
Leber und Milz. (Aus dem Stubenraucb-Krankeubaus in Berlin- 
Lichterfelde.) S. 1608. 

Heinemann: Ueber Lupus syphiliticus. S. 1609. 

Kiel: Eine Vorrichtung zum Auffangen und Transportieren von 
Stuhl für klinische Untersuchungen (Faecotenor). (Ulustr.) S. 1609. 

Bäeherbesprechiuigea: Keith: Chirurgische Anatomie. S. 1610. Pagen- 
stecher (+): Ueber das Vorkommen des endemischen Kropfes und 
der Schilddrüsenvergrösserung am Mittelrhein und in Nassau. S. 1610. 
(Ref. Simon.) — Kabane: Grundzüge der Psychologie für Mediziner. 
S. 1610. (Ref. Sriffer.) — weil. Kassowitz: Gesammelte Abhand¬ 
lungen. S. 1610. (Ref. Birk.) — Ritter: Verhandlungen der Ver¬ 
einigung der Lungenheilanstaltsärzte auf der 8. Versammlung in 
Freiburg i. B. vom 7. bis 9. September 1918. S. 1611. Brauer: 


Tuberkulose-Fortbilduogskur8 des allgemeinen Krankenhauses Ham¬ 
burg-Eppendorf. S. 1611. (Ref. Samson.) — Schlottmaqn: Das 
Einigungsabkommen zwischen Aerzten und Krankenkassen, nebst 
Ausführungsbestimmungen. S. 1611. Gins: A. Kussmaul’s zwanzig 
Briefe über Menschenpocken- und Kubpockenimpfung. S. 1611. 
Soholz: Von Aerzten und Patienten. S. 1611. (Ref. Vollmann.) — 
Arzt und Schule. S. 1611. (Ref. Lewandowski.) 

Literatir-Aisxfige: Physiologie. S. 1612. — Therapie. S. 1612. — 
Diagnostik. S. 1612. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1612. — 
Chirurgie. S. 1612. — Augenheilkunde. S. 1612. 

Verh&adluagea ärztlicher Gesellschaft«*: Laryngologische Gesell¬ 
schaft zu Berlin. S. 1612. — Medizinische Sektion der 
schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu 
Breslau. S.1616. — Breslauerpsychiatrisch-neurologische 
Vereinigung. S. 1616. — Freiburger medizinische Gesell¬ 
schaft. S. 1619. — AerztlioherVerein zu München. S. 1619. 

Klinkert: Berichtigung. S. 1619. — Lichtwitz: Bemerkung zu vor¬ 
stehender Berichtigung. S. 1619. 

Tagesgesobiobtl. Notizen. S.1620. — Amtl. Mitteilungen. S.1620. 


Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Breslau 
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Küttner). 

Die jetzige Gestaltung des Druckdifferenz¬ 
verfahrens. 1 ) 

Von 

Privatdozent Dr. Lothar Dreyer. 

M. H.l Bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden 
Zeit werde ich mich auf die Wiedergabe voo Resultaten be¬ 
schränken. Die hier vorzutragenden Ansichten stützen sich auf 
das Material der Küttner’schen Klinik, Literaturstudium und 
eigene Experimente, sowie auf eine kurz vor dem Kongress von 
mir veranstaltete Umfrage. Danken möchte ich an dieser Stelle 
nochmals allen den Herren, die so liebenswürdig waren, meinen 
an sie gesandten Fragebogen zu beantworten. Was nun zunächst 
überhaupt die Bedeutung des S&uerbruch’schen Druck- 
differenzverfahrens anlangt, so ist, nach dem Ergebnis meiner 
Umfrage, auch nicht ein einziger unter denen, die das Verfahren 
m praxi erprobt haben, der nicht den grossen damit geschaffenen 
Fortschritt für die intrathorakale Chirurgie anerkennt. Angaben 
im einzelnen verbietet die Zeit. Sie erübrigen sich aber auch, 
flenn, wer wirklich intrathorakale Chirurgie in grösserem Maass- 
st&be treiben will, muss einen einschlägigen Apparat besitzen und 
wird ihn dann schon zur eigenen Uebung möglichst häufig an¬ 
wenden. Der Streit über die Gleichberechtigung des Ueber- 
gegenüber dem UnteTdruckverfahren ist dahin entschieden, dass 
nach dem weit überwiegenden Urteil der von mir befragten 
utoren die Ueberdruckmethode den Anforderungen der Praxis 
flarchaus genügt, wenngleich manche das Unterdruckverfahren für 
philologischer halten und einige, so besonders Sauerbruch und 
riedrich, dieser Ansicht auch praktische Bedeutung beilegen, 
inrauf, sowie auf Cloetta’s und v. Rohden’s Untersuchungen 
inzugehen, findet sich vielleicht nachher in der Diskussion 
wegenheit Die vereinfachten Ueberdruckapparate, d. h. 

GmmJ? Ro Auszuge vorgetragen auf dem 48. Kongress der Deutschen 
uesellsdhaft für Chirurgie, 


die sogenannten Maskenapparate, für die seinerzeit besonders 
Tiegel, Schmieden und ich eingetreten sind, haben sich durch¬ 
aus bewährt. Am meisten benutzt werden die Apparate von 
Tiegel-Henle, Shoemaker, der Kombinationsapparat der Dräger- 
Werke, endlich der Apparat von Lotsch und Möllgard. Zu 
beachten ist, dass bei allen intrathorakalen Eingriffen von Anfang 
bis zu Ende tiefe Narkose aufrecht erhalten werden muss, ein¬ 
mal, weil jedes Pressen Störungen für den Operateur und Gefahr 
für den Patienten mit sich bringt, dann weil die Wiederentfaltung 
der Lunge am Schluss der Operation andernfalls erschwert sein 
kann. Weiterhin soll, nm jederzeit eine exakte, rasche Wieder- 
entfaltung der Lunge zu ermöglichen, das dem Patienten zur Ver¬ 
fügung stehende Luftqaantum so gross sein, dass die inspira¬ 
torischen Drucksenkungen möglichst eingeschränkt werden. 
Diese Druckkonstanz ist recht gnt gewahrt einmal bei dem 
Apparat von Möllgard, dann dem der Dräger-Werke. An dem 
Tiegel’schen Apparat der Küttner’schen Klinik habe ich zu 
dem gleichen Zweck den Ballon grösser nnd das Zuleitungsrohr 
weiter machen lassen, ferner den ursprünglich in der Nähe des 
Mundes angebrachten, sich hier aber öfters störend bemerkbar 
machenden Ballon nach oben hin verlegt und die Narkosenzufuhr 
vergrössert (Demonstration. Abbildung). Ferner hat sich gezeigt, 
dass die Apparate, die reinen Sauerstoff Überdruck ermög¬ 
lichen, zu bevorzugen sind. Man braucht bei reiner Sauerstoff- 
zufubr, worauf Tiegel zuerst aufmerksam gemacht hat, nur ganz 
geringen Ueberdruck während des Eingriffes, 8—5 cm Wasser, 
Die Gefahr der Magenblähung durch höhere Grade von Druck¬ 
differenz, sei es nun Ueber- oder Unterdrück, aber auch bei der 
lnsufflation beobachtet, wird dadurch sehr vermindert. Nach 
Roth kann man ihr ausserdem io der Weise begegnen, dass man 
den Ringknorpel gegen die Speiseröhre drückt. Schliesslich 
hindert ja nichts, vermittels des Magenschlauches nach der Ope¬ 
ration die Luft zu entfernen. Beim Wiederaufblähen der Lunge 
am Schlüsse der Operation ist darauf zu achten, dass sich nicht 
etwa ein der Oeffnung im Thorax zunächst liegender Lungenteil 
eher aufbl&ht als der Rest der Lunge und dadurch der im Thorax 
noch befindlichen Luft den Ausweg versperrt 

Als zweites nun ebenfalls auf dem Prinzip eines Ueberdrackes, 


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UNIVERSUM OF IOWA 







1606 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


wenn auch in wesentlich veränderter Form, beruhendes Verfahren 
ist dann die Insufflation nach Vollbard-Meltzer-Auer zu 
nennen. Die Amerikaner sind von der Methode geradezu be¬ 
geistert. Allerdings haften ihr zwei Schwierigkeiten an: Einmal 
ist es nicht ganz leicht, das Lumen des Katheters, das */ 2 bis 2 / 3 
des Durchmessers der Luftröhre betragen soll, immer richtig zu 
treffen. Ist aber der Katheter zu dick, so hindert er das not¬ 
wendige Zurückströmen der Luft aus der Lunge; ist er wiederum 
zu dünn, so kann es unmöglich werden, die kollabierte Lunge 
wieder regelrecht zu entfalten, da zuviel Ueberdruck verloren 
geht. In solchem Falle kann man sich dadurch helfen, dass man 
die Luftröhre oberhalb des Kehlkopfes von beiden Seiten zu¬ 
sammendrückt und sie so verengt. Der ersten Gefahr wiederum 
begegnet man, indem man die notwendige Unterbrechung des 
Ueberdruckes und den damit verbundenen Collaps der Lunge 
etwas häufiger eintreten lässt, als, wie normalerweise gefordert, 
3—4 mal in der Minute. Die Insufflation kann sowohl mit be¬ 
sonderem, wie auch mit Hilfe eines vereinfachten Ueberdruck- 
apparates nach Vorschlägen von Borchardt, Tiegel, Lotsch, 
.leger und mir ausgeführt werden. Die zweite Schwierigkeit bei 



der Insufflation kann die Einführung des Katheters bereiten. 
Man begegnet ihr zunächst, indem man grundsätzlich nur bei 
tiefer Narkose intubiert. Ferner möchte ich bitten, einmal solche 
Katheter 1 ) zu versuchen (Demonstration). Sie tragen vorn die 
Mercier-Krümmung. Aber die bei den gewöhnlichen Instrumenten 
dieser Art seitlich angebrachte Oeffnung befindet sich bei diesem 
Typ in der Verlängerung der langen Katheterachse, so dass der 
Luftstrom gerade nach unten austritt. Bei der Einführung 
wendet man die Spitze der Krümmung nach vorn, um so den 
Hauptfehler, das Hineingleiten in den Oesophagus, eher zu ver¬ 
meiden. Es gelingt ferner, mittels solchen Katheters, wie mich 
Tier- und Leichen versuche lehrten, je nach Wunsch in den rechten 
oder linken Hauptbronchus zu kommen, was beim Menschen 
noch nicht praktisch erprobt, im Tierexperiment einige Vorteile 
bot. Die Amerikaner führen den Katheter meist mittels des 
Jackson’schen Laryngoskops ein. Es genügt aber auch einfach 
wie bei Kuhn’scher Intubation vorzugehen. Auch die Insufflation 
hat sich nun bei zahlreichen intrathorakalen Eingriffen am 
Menschen ausgezeichnet bewährt. 

Zaaijer hat dann noch auf Grund eines Hundeexperimentes 
empfohlen, den Ueberdruck vermittels zweier durch die Nasen- 


1) Bezugsquelle: Georg Haertel, Breslau, Albrechtstr. 


Nr. 36. 


löcher bis in den Pharynx hinabreichender Gummiröhren zuzu¬ 
führen, ohne dass das Maul des Tieres dabei geschlossen zu sein 
brauchte. Ich bin jedoch in mehreren Versuchen zu einem aus¬ 
reichenden Ueberdruck nur dann gelangt, wenn ich das Maul des 
Tieres stark zusammenpresste.' Ueber den Apparat von Klapp, 
die Unterdruckkammer von Giertz, sowie andere neuerdings auf¬ 
getauchte Vorschläge liegen noch nicht genügende Erfahrungen vor. 

Fasse ich nun das Gesagte kurz zusammen, so ergibt sieb, 
dass die Weiterentwicklung der Sauerbruch’schen Idee die Richtung 
zu Brauer’s Ueberdruckverfahren bevorzugt hat, und dass wir, 
die nötige Vertrautheit wie überall natürlich vorausgesetzt, in 
den mit Sauerstoff betriebenen vereinfachten Ueberdruckapparaten 
und in der Insufflation sichere und verlässliche Methoden zu dessen 
Anwendung besitzen. Damit soll nicht behauptet werden, dass 
Verbesserungen überflüssig seien, aber nach der Gesamtheit der 
mir vorliegenden Ergebnisse muss ich doch sagen: Das Druck¬ 
differenzverfahren ist jetzt so weit ausgebildet, dass es den An¬ 
forderungen der Praxis durchaus zu genügen vermag. Erinnern 
wir uns zudem an die erfolgreichen Resektionen im Brustteil der 
Speiseröhre durch Zaaijer und Toreck, von denen die eine mit 
einem vereinfachten Ueberdruckapparat, die andere unter Insof- 
flation ausgeführt wurde, so sehen wir, dass selbst die kühnsten 
an Sauerbruch’s Entdeckung geknüpften Hoffnungen heute tat¬ 
sächlich und zwar mit Hilfe des Ueberdruckverfahrens erfüllt sind. 


Aus Dr. Fopp’s und Dr. Ecksteines orthopädisch¬ 
chirurgischer Anstalt in Berlin. 

Ueber einige unbekannte Wirkungen der 
Röntgenstrahlen und ihre therapeutische 
Verwertung. 

Von 

H. Eckstein. 

(Vortrag, gehalten am 8. Juli 1914 in der Berliner medizinischen 
Gesellschaft.) 

Schon ganz kurze Zeit nach der Entdeckung der Röntgen- 
strahleD, 1896, stellte Despeignes, der zuerst das Magen- 
carcinom den Wirkungen dieser neuen Erfindung unterwarf, neben 
einer Einwirkung auf die Krankheit eine schmerzstillende Wirkung 
fest, die bereits nach der ersten Sitzung eintrat. Dieselbe Beob¬ 
achtung machte 1897 Gocht, der als erster Mammacarcinome 
und Neuralgien bestrahlte. In demselben Jahre hat Tarchanoff 
über die Wirkung der Röntgenstrablen auf das Centralnerven¬ 
system mit Fröschen Experimente angestellt und eine Herab¬ 
setzung der Reflexerregbarkeit nach Bestrahlung der Grosshirn¬ 
hemisphäre beobachtet. Auch in der Folgezeit wurden ver¬ 
einzelte experimentelle Untersuchungen vorgenommen, doch haben 
weder ihre Resultate noch die gehäuften klinischen Erfahrungen 
Klarheit über die Wirkung der Röntgenstrahlen auf das Central- 
und periphere Nervensystem gebracht. Inzwischen hat sieb der 
Kreis der Anwendungsarten der Röntgenstrahlen, bei denen eine 
schmerzstillende Wirkung beobachtet wurde, bedeutend erweitert. 
Allbekannt ist diese Wirkung bei Tumoren, bei Leukämien, bei 
Frauenleiden geworden, weniger gewürdigt ist ihre Wirkung bei 
Tuberkulose, Furunkulose, Hämorrhoiden, Malariamilz, Neuralgie, 
Rheumatismus, Gicht, Arthritis deformans, Osteomalacie, während 
wiederum die Dermatologen vor allen Dingen die Beseitigung des 
Juckreizes bei Pruritus, Ekzem, Lichen ruber und Mycosis 
fungoides schätzten. 

In welcher Weise aber diese überaus angenehme Neben¬ 
wirkung zustande kam, darüber hat man sich, scheint es, nicht 
allzusehr in den bald 20 Jahren seit Entdeckung der Röntgen¬ 
strahlen den Kopf zerbrochen. Während man im Anfang die An¬ 
gaben der Patienten, dass ihre Schmerzen geringer geworden 
seien, einfach als Autosuggestion auffasste, lag es anderen Däber, 
diese Nebenwirkung als einen Teil eines Heilungsprozesses aufzu- 
fassen, wie er sich ja z. B. bei Mammacarcinom durch die sinn¬ 
fällige Besserung der Ulcerationen sowie der Sekretion doku¬ 
mentierte. Ueber die Schnelligkeit des Einflusses der schmerz¬ 
stillenden Wirkung sind offenbar ebenfalls wenig oder gar keine 
Beobachtungen angestellt worden, wenngleich sich in der Lite- 
ratar öfters die Bemerkung findet, dass die Schmerzen schon nach 
der ersten Bestrahlung nachgelassen hätten. Es lag ja auch keine 
Veranlassung vor, diese Frage genauer zu prüfen, denn fasste 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1607 


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man' die Wirkung als Autosuggestion auf, so war auch eine sehr 
schnelle Wirkung nicht wunderbar, fasste man dagegen die 
Wirkung als ein Symptom der Heilung auf, so erwartete mau 
ihren Einflass erst gleichzeitig mit der Besserung anderer Sym¬ 
ptome, und man kam überhaupt nicht auf die Idee, die Patienten 
schon kurze Zeit nach der Bestrahlung au fragen, ob etwa ihre 
Schmerzen gebessert seien. 

Mein Augenmerk wurde auf diese Frage durch eine persön¬ 
liche Erfahrung gelenkt.. Im Jahre 1909 zog ich mir eine Hflft- 
verstauchung zu, die noch 3 Monate nachher so stark schmerzte, 
dass ich mir eine Röntgenaufnahme machen liess, weil ich der 
Meinung war, dass doch vielleicht eine Beschädigung der Kuochen- 
teile vorliegen könnte. Indessen ergab das Bild keinen patho¬ 
logischen Befund.. 2 Tage später fiel mir zufällig ein, dass ich 
ja.gar nicht mehr an meine Hüfte gedacht batte, da sie mir 
während dieser Zeit keinerlei Schmerzen mehr bereitet batte. 
Einige Tage später traten die Schmerzen jedoch wieder, aber in 
bedeutend vermindertem Maasse auf. Ich liess mir daraufhin 
wtedernm eine Röntgenbestrahlung machen und stellte unmittelbar 
nachher fest, dass eine völlige Schmerzfreiheit eingetreten war* 
Auch diese Wirknng hielt wieder etwa eine Woche an; die danach 
aoffretenden Schmerzen waren so unbedeutend geworden, dass ich 
mich nicht mehr um sie zu kümmern brauchte. Ich hatte also 
festgestellt, dass auch bei rein traumatischen Affektionen, wie es 
eiae Hüftkontusion war, die Röntgenstrab len eine ausgezeichnete 
Wirkung gehabt batten, und dass diese Wirkung momentan 
eintrat. Eine Suggestion war schon aus dem Grunde aus¬ 
geschlossen weil ich wenigstens beim ersten Male durchaus nicht 
an.eine schmerzstillende Wirkung gedacht hatte. Genau dieselbe 
Erfahrung habe ich inzwischen ein zweites Mal gemacht mit einer 
ziemlich schweren Kontusion des rechten Sprunggelenkes, bei der 
ick wegen des Verdachtes auf eine Fraktur eine Röntgenaufnahme 
machen liess, wiederum ohne an die schmerzstillende Wirkung 
bei dem akuten Trauma zu denken. Aber auch hier zeigte sie 
steh io eklatantester und augenblicklich eintretender Weise. Auch 
hier hielt sie etwa eine Woche an und liess ' sich in ganz 
identischer Weise zum zweiten Mal erzeugen. Da hiernach über¬ 
haupt keine weiteren Schmerzen auftraten, war es mir gelungen, 
eine Verletzung, die mich in meiner Arbeitsfähigkeit zweifellos 
beeinträchtigt hätte, ohne jede weitere andere Behandlung völlig 
schmerzlos zur Heilung zu bringen. Ausser diesen beiden Er¬ 
fahrungen habe ich nun im Laufe der letzten Jabre an über 
70 Patienten mit über 100 Einzelbestrahlungen eine Bestätigung 
meiner Beobachtung erfahren, die ich dahin zusammenfassen 
möchte, dass die Röntgenstrahlen Schmerzen jeder Qualität, 
zumeist in sehr weitgehendem Maasse zu lindern vermögen, und 
dass die schmerzstillende Wirkung in der Regel unmittelbar bei 
oder nach der Bestrahlung eintritt. 

Ausser den bei mir selbst beobachteten Kontusionen habe 
ich solche an allen möglichen Gegenden des Körpers stets mit 
demselben günstigen Erfolge behandelt. Wohl am auffälligsten 
wäf dieser bei einer schweren Kontusion der Wirbelsäule, bei der 
die Patientin auf zwei Krücken das Röntgenzimmer betrat, das 
sie unmittelbar nach der Bestrahlung verliess, beide Krücken 
horizontal in einer Hand tragend. Noch verblüffender war das 
Resultat bei einef eingerenkten Radiusfraktur, deren erhebliche 
Nacbschmerzen fast restlos nach der Bestrahlung verschwunden 
waren. Als ich nach 10 Tagen bei der Verbandabnahme wieder 
etwas Schmerzen auftreten sab, wurden auch diese durch eine 
zweite Bestrahlung sofort beseitigt, so dass der Patient, der nur 
mit dem Arm in der Binde, aber ohne Verband entlassen wurde 
and nur wenige Male sich zur Massage-Nachbehandlung einstellte, 
bereits 14 Tage nach dem Unfall in keiner Weise mehr Unbehagen 
empfand und weitere 3 Wochen später bereits seine volle Kraft 
wiedergefunden hatte. Dieser Fall gab mir Veranlassung, die 
Bestrahlung zur Beseitigung der Nachschmerzen nach Operationen 
,Q versuchen, und ich hatte auch hier den nunmehr schon er¬ 
warteten Erfolg. Dieser ermöglichte z. B. nach der Mobilisierung 
eines Ellenbogengelenkes eine Benutzung von Pendelapparaten, 
die vor der Bestrahlung wegen der Schmerzen ausgeschlossen 
war. Ich brauche kaum zu erwähnen, dass ich die Wirkung 
anch bei den schon anfangs erwähnten Affektiooen feststellte, 
bei denen sie bereits früher bekannt war, und dass auch bei 
diesen die Wirkung sich mit ganz seltenen Ausnahmen unmittol- 
bar an die Bestrahlung anschloss. So bei rheumatischen und 
PjRtigen Affektionen, bei Herpes zoster, Neuralgien und Neuritis. 
Aber auch bei Schmerzen unbekannten Ursprungs, die den sonst 
«ogh meist recht günstig wirkenden Heissluftkastenbädern stand 


hielten, habe ich in den meisten Fällen durch Röntgenstrahleo 
eine bedeutend, bessere Wirkung erzielen können, Ich ging dann 
über zu. Affektionen mehr oder weniger entzündlicher Natur. Ein 
beginnender Paratonsillarabscess wurde ebenfalls, wenn auch nur 
kurze Zeit schmerzlos. Besonders günstig zeigte sich die Wirkung 
bei Bronchitiden und beim Asthma bronchiale, Affektionen,, 
die bekanntlich ebenfalls schon seit längerer Zeit mit Röntgen- 
strahlen behandelt .werden. Hier hatte ich nun Gelegenheit, die 
Wirkung nicht nur von dem Patienten bestätigen zu lassen, sondern 
auch selber zu sehen und zu hören. Mehrere Male konnte ich 
speziell bei Asthma bronchiale, in einem Falle bei Pseudocroup 
eines 6 jährigen Kindes unmittelbar -nach der Bestrahlung kon¬ 
statieren, dass die. Atmung leichter, die Stenosen- und Rassel¬ 
geräusche geringer waren. . Auch hierbei sah ich Wirkungen von 
der Dauer einiger. Stunden bis zu der einiger Wochen. Dies 
leitet mich über zu der Einwirkung der Röntgenstrahlen auf 
Reflexe. Die eine Beobachtung, die ich in dieser Beziehung 
machte, dass nämlich bei einer Patientin mit einem schweren 
Magencarcinom das quälende Erbrechen nach einer einzigen Be¬ 
strahlung sistierte. wäre vielleicht mit einer Beeinflussung des 
Grundleidens zu erklären. Um so auffälliger erscheint dagegen 
eine zweite Beobachtung. Es betraf dies allerdings die einzige 
Patientin, bei der . die Beobachtung vielleicht durch eine Hysterie 
getrübt war. Die Patientin, eine Lehrerin, litt an chronischer 
Bronchitis und Laryngitis, infolge deren sie einen unerträglichen 
andauernden Hustenreiz empfand, der sich besonders beim Sprechen 
verstärkte. Als ich den Kehlkopfspiegel ein führen wollte, war 
dies wegen eines überaas starken Racbenreflexes völlig unmöglich. 
Ich bestrahlte non die Brast und den Hals der Patientin und sah 
zu meiner Ueberraschnng, dass nunmehr der Rachenreflex fast 
völlig verschwunden warj so dass ich in aller Ruhe laryDgo- 
skopieren konnte. Noch auffallender war der Erfolg bei dem 
Schreibkampf einer Seminaristin, die nach der Bestrahlung des 
rechten Unterarms augenblicklich etwas besser, wenn auch nicht 
gut, schreiben konnte. Allerdings liess sich dies Phänomen nar 
beim ersten Male erzeugen. 

Die geschilderten Beobachtungen scheinen zunächst keine 
andere Erklärung zuzulassen, als dass wir es hier mit einer 
direkten Beeinflussung der Nervenendigungen zu tun haben. Auf 
den mir natürlich auch schon gemachten Einwand, dass derartige 
Beobachtuogen sich dnreh Suggestion erklären liessen, brauche 
ich wohl mit Rücksicht auf die grosse Zahl und auf die mehr« 
jährige Dauer meiner Beobachtungen kaum einzugehen. Ueber- 
dies ist jeder Arzt, der über einen Röntgenapparat verfügt, io 
der Lage, bei schmerzhaften Affektionen jeder Art meine Er¬ 
fahrungen nachzuprüfen. Wer hierbei jeden Verdacht der Sug¬ 
gestion ausschliessen will, der möge zwischen Röhre nnd Patient 
eine für den letzteren nicht sichtbare hinreichend dicke Bleiplatte 
einscbalteD, so dass der Patient in Wirklichkeit von den Röntgen¬ 
strahlen nicht erreicht wird, ein Vorschlag, den mir Herr Kollege 
Löwenthal-Braunschweig, machte. Es wird sich dann sicher 
zeigen, dass derselbe Patient, der ohne Bleifilter die schmerz¬ 
stillende Wirknng konstatierte, sie piit diesem vermisst. Die von 
mir angeführte direkte Beeinflussung der Nervenendigungen durch 
die Strahlen würde indessen, darüber bin ich mir vollkommen 
klar, nicht viel mehr bedeuten als eine andere Bezeichnung da¬ 
für, dass wir uns die Wirkung in Wirklichkeit nicht erklären 
können. Aber auch diese Erklärung, die ja in Wirklichkeit keine 
ist, glaube ich nicht aufrecht erhalten zu können angesichts der 
folgenden Beobachtungen. Bei einer 26 jährigen Patientin mit 
chronischer Kniegelenksentzünduog bestand seit längerer Zeit 
neben erheblichen Schmerzen eine, Crepitation, die deutlich fühl- 
und hörbar war. ßs wurden nun bei dieser Patientin nicht nur 
mit grosser Regelmässigkeit nach der Bestrahlung die Schmerzen 
augenblicklich erheblich besser, sondern anch die Crepitation, 
die für Gefühl und Gehör stark vermindert ond von einem viel 
weicheren Charakter war. Diese Beobachtung habe ich bei der 
Patientin im Laufe von 1y 2 Jahren gegen 20 mal angestellt, öfters 
in der Weise, dass mein Mitarbeiter, Herr Kollege Fopp, sich 
von dem Zustande der Kniegelenke überzeugte und dann das 
Röntgenzimmer verliess. Ich bestrahlte nun ein Kniegelenk und 
Herr Fopp war dann in der Lage, mit absoluter Sicherheit da* 
bestrahlte Gelenk von dem unbestrahlten zu unterscheiden. Aller¬ 
dings waren diese und noch ein etwa 40 jähriger Mann die 
einzigen Patienten mit Crepitation der Kniegelenke, bei denen 
solche eklatanten objektiven Zeichen der Besserung zu konstatieren 
waren. Jedenfalls haben wir es hier mit einer Wirkung zu tun, 
bei der eine Beeinflussung von sensiblen Nervenendigungen picht 

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UNIVERSUM OF IOWA 



1608 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


in Frage kommen kann. Vielleicht konnte es sieb bier um einen 
veränderten Blutfüllungszustand der Zotten und Rauhigkeiten auf 
der Synovialis bandeln, welche die mechanische Unterlage der 
Crepitation darstellen, um eine Anämie, die durch einen Reiz 
auf die Vasokonstriktoren zustande käme. Bei der Patientin hielt 
die Wirkung in der Regel mehrere Wochen an. 

Bei der Erzeugung der geschilderten Wirkungen scheint 
die Technik der Bestrahlung keine besondere Rolle zu spielen. 
Ich bestrahlte in der Regel mit mittelharten oder harten Röhren 
bei 0,4 oder 0,2 Milliampere zuerst ohne, dann mit Aluminium- 
uud Lederfilter bei einer Focus-Hautdistanz von 16 bis 30 cm 
2 bis 7 Minuten lang. In der letzten Zeit hatte ich endlich die 
erwünschte Gelegenheit, bei mir Belbst die Wirkung mit der Uhr 
in der Hand kontrollieren zu können, wozu mir eine kleine 
Fingerverletzung Gelegenheit bot. Hierbei stellte ich fest, dass 
schon nach 15 Sekunden eine Scbmerzverminderung bemerkbar 
wurde, die sich von Minute zu Minute steigerte, so dass ich 
nach fünf Minuten nur noch bei starkem Druck eine leichte 
Schmerzempfindung hatte, die sich dann aber auch bei wei¬ 
terer Bestrahlung von einigen Minuten Dauer nicht mehr weiter 
besserte. 

Ich glaube nicht, dass meine Erfahrungen das Anwendungs¬ 
gebiet der Röntgenstrablen als Analgeticom bereits erschöpfen. 
Ich glaube vielmehr, dass noch viel weitere Indikationen sich er¬ 
geben werden. In der inneren Medizin scheint es mir wünschens¬ 
wert, den Einfluss der Röntgenstrahlen anf Magen- nnd Darm¬ 
affektionen mit vermehrter Peristaltik oder spastischem Charakter 
zu studieren. Eine gastrische Krise habe ich einmal mit so¬ 
fortigem Erfolge behandelt 1 2 ). Aber auch spastische Zustände des 
Herzens, z. B. die Angina pectoris, sollten einem Versuche mit 
dieser Therapie unterzogen werden. In der Chirurgie erscheint 
mir die Methode der systematischen Anwendung wert zur Beseiti¬ 
gung des Nachschmerzes von Operationen überall da, wo solche 
Nachschmerzen erfabrungsgemäss oft zustande kommen oder be¬ 
sonders quälend wirken, speziell bei Bankoperationen, nach 
denen sie vor allem bei Würgen und Erbrechen der Patienten die 
Kräfte aufzehren oder durch Scheu vor schmerzhaftem Husten die 
Expektoration verhindern. Eine solche prinzipielle Anwendung 
wird sich ganz leicht bewerkstelligen lassen, wenn man den viel¬ 
leicht noch nicht einmal ans der Narkose erwachten Patienten 
aus dem Operationszimmer direkt ins Röntgenzimmer und dann 
erst ins Bett bringt. 

Irgendwelche Nachteile habe ich von dem Verfahren niemals 
konstatieren können, auch dann nicht, wenn es wiederholt zur 
Anwendung kam, im Gegenteil halte ich es für durchaus möglich 
und nach meinen Beobachtungen auch für wahrscheinlich, dass 
die künstliche Analgesierung von Verletzungen und entzündlichen 
Affektionen deren Heilang beschleunigen, analog der Tatache, die 
ich bereits vor bald 20 Jahren feststellte, dass Wunden, die durch 
Orthoform oder Anästbesin schmerzfrei gemacht wurden, einen 
besonders schnellen Heilungsverlauf zeigten. Diese Unschädlich¬ 
keit, für die wir bei richtiger Dosierung garantieren können, ist 
eine der schönsten Begleiterscheinungen eines Heilmittels, das wir 
wegen der Energie und Schnelligkeit seiner Wirkung getrost 
neben die stärksten Mittel unseres Arzneischatzes stellen dürfen. 


Aus dem Stubenrauch-Krankenhaus in Berlin-Lichter¬ 
felde. 

Klinische Anwendung der Röntgenphotographie 
der Leber und Milz. 3 ) 


Vom 

Prof. E. Rautenlerg. 

M. H.! Auf dem Kongress für innere Medizin in Wiesbaden 
habe ich über meine Untersuchungen berichtet, die darauf hin¬ 
zielten, die unter dem Zwerchfell liegenden Organe, namentlich 
die Leber und Milz, sowie auch das Zwerchfell selbst, der 
Röntgendiagnostik zugänglich zu machen; eine systematische 


1) Herr Stabsarzt Dr. O.Strauss teilte mir mit, dass er bei einem 

Kinde das wegen Epilepsie vergeblich eine Gehimoperation durch¬ 
dacht hatte, durch eine einzige kräftige Bestrahlung des Schädels die 
Anfälle zum Verschwinden gebracht habe. . . 

2) Nach einem am 1. Juli 1914 in der Berliner medizinischen Ge¬ 

sellschaft gehaltenen Vortrage. 


Röntgenuntersuchung dieser Organe war noch nicht durcbgeföbrt 
worden, seitdem ich im Herbst 1913 mit meineii Untersuchungen 
begann. Dieselben gingen darauf hinaus, durch Einfuhren eines 
Kontrastmittels, nämlich von Sauerstoff, in die Bauchhöhle die 
Konturen dieser Organe sichtbar und vor dem Schirm und auf 
der Platte darstellbar zu machen. Zur ersten Anwendung 
der Methode waren am meisten geeignet Fälle, die mit Ascites 
kompliziert waren, und vornehmlich darüber habe ich in Wies¬ 
baden berichtet. Inzwischen sind unsere Untersuchungen weiter 
ausgedehnt worden, besonders auch auf Patienten mit Erkran¬ 
kungen der Bauchorgane ohne Anwesenheit von Flüssigkeit, und 
darüber, welche Ergebnisse erzielt worden sind, und über die 
Frage, ob es eventuell gelingt, die Gallenblase sichtbar zu 
machen, will ich Ihnen heute kurz berichten. Wir haben im 
ganzen 11 Kranke mit Ascites mit der Methode untersucht, näm¬ 
lich 3 Patienten mit einfachen bydropischen Ergüssen, 3 Patienten 
mit Lebercirrhose, 5 Patienten mit Carcinosis peritonei. Natür¬ 
lich war es in der grössten Zahl der Fälle schon vor der 
Punktion des Ascites möglich, eine Wahrscbeinlichkeitsdiagnose 
zu stellen und nach der Punktion diese Wahrscheinlichkeits¬ 
diagnose zu einer verhältnismässig sicheren zu machen. Sie 
wissen aber selbst, dass es nicht in allen Fällen von Ascites 
anch nach der Punktion gelingt, die Diagnose sicher zu stellen, 
und in diesen Fällen hat die Methode der Sauerstoffeinblasuog 
uns die absolute Sicherheit verschafft. In allen Fällen aber 
haben wir die Methode als eine wertvolle diagnostische Bereiche¬ 
rung ansehen können, da wir auf die Lage der Organe, ihre 
Form und Beschaffenheit einen wertvollen Einblick gewinnen 
konnten, wie es sonst nicht möglich gewesen wäre. Ich habe 
bereits an anderer Stelle aasgeführt, dass wir durch die ver¬ 
schiedene Lagerung der Patienten die Uebersicht über die 
Organe der Bauchhöhle verbessern können, nnd diese Methode 
der Untersuchung in verschiedener Lage haben wir noch weiter 
ausgedehnt, indem wir nicht nur in aufrechter Stellung, in 
Seitenlage, sondern auch in Rückenlage, mit Beckenhochlage- 
rung usw. untersuchten. Wir gehen jetzt in der Weise vor, dass 
wir den Patienten zuerst, um einen Ueberblick zu gewinnen, in 
verschiedenen Stellungen durchleuchten und dann die bemerkens¬ 
werten und charakteristischen Lagen auf der Platte fixieren. 
Ueble Zufälle oder nachträgliche Belästigungen haben wir nicht 
gesehen. In letzter Zeit haben wir die Hülse der Punktionskanüle 
an der Punktionsstelle einfach liegen gelassen (in verschlossenem 
Zustande) und nach der Untersuchung des Patienten in Rücken¬ 
lage das Gas durch manuellen Druck leicht und vollständig ent¬ 
leert. In zwei Fällen habe ich wegen der Aengstlichkeit der 
Patienten Morphium-Skopolaminnarkose angewandt. 

Eine weitere Frage war die, ob es gelingt, etwa zur Ver¬ 
meidung einer Probelaparotomie iu unklaren Fällen bei Kranken 
ohne Ascites durch diese Methode die Diagnose so weit zu 
fördern, dass man sich therapeutisch nach der einen oder 
anderen Richtung entgeh Hessen könnte. Die Ergebnisse unserer 
diesbezüglichen Untersuchungen an 6 Patienten bejahen diese 
Frage. Es handelte sich in diesen Fällen teils um die Frage, 
ob bei Magencarcinom eine Operation noch angängig sei, oder 
ob eine Lymphosarkomatose der Mediastinaldrüse, die mit Erfolg 
bestrahlt war, auf die Bauchorgane übergegangen sei nnd auch 
hier bestrahlt werden Bollte u. ä. 

Endlich war die Frage zu erörtern, ob es gelingt, die 
Gallenblase zu erkennen. Zu diesem Zwecke musste es 
darauf ankommen, besonders die Unterfläche der Leber und 
ihre vordere Kante sichtbar zu machen. Diesen Versuchen 
haben sich jedoch grosse Schwierigkeiten in den Weg gestellt 
In Rückenlage, namentlich mit starker Hochlagerung des Beckens, 
hätte diese Sichtbarmachung der Gallenblase am ehesten gelingen 
müssen. Die dahingehenden Versuche sind aber alle negativ aus¬ 
gefallen. Ein Fall, bei dem dnreh Operationsnarben die vor “®*® 
Leberkante an der Bauchwand fixiert war, bot in dieser Be¬ 
ziehung z. B, ausgezeichnete Verhältnisse, da bei ihm in Rücken¬ 
lage die Unterfläche der Leber vertikal stand; es gelang wohl, 
eine rundliche, konvexe Wölbung von Wallnussgrösse auf dem 
Schirm und auf der Platte zu erkennen and in ihr einige Schatten 
(Concremente) wahrznnebmen, das Ergebnis war aber so unsicher 
und unbefriedigend, dass wir von weiteren Versuchen io dieser 
Beziehung Abstand genommen haben. (Demonstrationen.) 

Zosammenfassend kann ich sagen, dass wir im Laute de 
Zeit den diagnostischen Wert dieser Methode immer me 
schätzen gelernt haben. Sie gestattet, Form, Lage der ge¬ 
nannten Organe und ihre Veränderungen «u erkennen; sie g * 


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7. Se ptember 19 14. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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stattet auch, die Veränderungen der Konsistenz der Leber wabr- 
zunehmen und bat, namentlich im Anschluss an die Punktion des 
Ascites, den Vorteil grosser Einfachheit. Ich glaube, dass 
die Methode sich in der inneren Medizin einbürgern wird. 


Ueber Lupus syphiliticus. 

Von 

Dr. 0. Heinemann, Spezialarzt in Berlin. 

Die Bezeichnung stammt von Virchow und soll eine Krank- 
keit bedeuten, die grosse Aehnlichkeit mit Lupus vulgaris hat, 
aber syphilitischer Natur ist. Die Aehulicbkeit kann eine sehr 
weitgehende sein. 

Die Haut der äusseren Nase ist in mehr oder weniger grosser 
Ausdehnung gerötet, geschwollen und exulceriert. Die Ulce- 
rationen sind oberflächlich. Sie können wie bei Lupus vulgaris 
auf die Oberlippe übergreifen. Die Prädilektionsstelle des Lupus 
vulgaris, die Nasenflügel, können gleichfalls exulceriert sein, und 
nach Abheilung der Ulcerationen können Defekte derselben Zu¬ 
rückbleiben. 

Die Krankheit scheint, wie der nachstehende Fall beweist, 
und auch noch andere Fälle der Literatur, wenig bekannt zu 
sein. So sind in der Münchener medizinischen Wochenschrift, 
1910, Nr. 3, S. 149 zwei Fälle, Mutter und Tochter, erwähnt. 
Sie wurden jahrelang als Lupus vulgaris behandelt. Als endlich 
die richtige Diagnose gestellt wurde, war inzwischen gänzliche 
oder teilweise Erblindung eingetreten. In meinem Fall war die 
Kranke 6 Jahre lang als Lupus vulgaris behandelt worden, und 
zwar erfolglos. Doch blieben schliesslich dauernde Nachteile 
nicht zurück. 

Solche Fälle beweisen die Wichtigkeit der richtigen Diagnose. 
Was in meinem Fall eine ganze Zahl Kollegen mit allen 
modernen antilupösen Behandlungsmethoden in 0 Jahren nicht 
erreichen konnten, gelang mir auf Grund der richtigen Diagnose 
mit wenigen Gramm Jodkali in 6 Wochen. Ein neuer Beweis 
für die Wichtigkeit der alten Regel, immer an Lues zu denken, 
wenn Krankheitsbilder Vorkommen, welche von den gebräuch¬ 
lichen abweichen oder einen abnormen Verlauf zeigen. 

Auf die richtige Diagnose wird mau kommen, wenn einzelne 
Symptome von den Erscheinungen des Lupus vulgaris abweichen, 
oder wenn die antilupöse Therapie erfolglos ist. Die Anamnese 
wird öfter Licht in die Sache bringen, noch mehr bei Verhei¬ 
rateten die Untersuchung des Ehegatten, endlich die spezifische 
Jodkaliwirkung. Dieselbe ist eine so sinnfällige, dass sie die 
Wassermann’sche Reaktion in der Regel überflüssig macht. ^ Man 
findet bei Lupus syphiliticus auch Perforationen der Nasen¬ 
scheidewand. Sie können aber auch fehlen, und da sie auch bei 
Lupus vulgaris Vorkommen und auch noch mit anderer Aetio- 
logie, so sind sie für die Diagnose nicht entscheidend. 

Am 3. I. 1914 erschien Frau R., 42 Jahre alt, wegen eines Nasen¬ 
leidens in meiner Sprechstunde. Dasselbe bestand seit 1907. Sie war 
bereits damals ärztlich behandelt worden. 1909 liess sie sich homöo¬ 
pathisch behandeln, beides ohne Erfolg. Im Jahre 1912 behandelte sie 
ein dritter Arzt mit Salben, ein vierter mittels Lichttherapie und roter 
Salbe. Die Krankheit heilte nicht. Im Jahre 1913 erkrankte sie am 
Unterleib, wurde deswegen zunächst in der Sprechstunde, dann in der 
Klinik behandelt. Es wurde wegen Bauchschwangerschaft eine Operation 
vorgenornraen. Patientin gibt an, ihre Nase habe während dieser Zeit 
aoi besten ausgesehen, als sie notgedrungen in Ruhe gelassen werden 
musste. 

Die äussere Nase zeigte sich teilweise gerötet und geschwollen, teil¬ 
weise von weissen Narben bedeckt. Eine normale Hautstelle war nicht 
zu finden. An einer Reihe von Stellen fanden sich Ulcerationen, so an 
beiden Nasenflügeln und am Nasenrücken. Diese sahen den lupösen 
sehr ähnlich; sie waren flach und hatten ein granuliertes Aussehen. An 
der Nasenwurzel hingegen war eine tiefere, etwa zehnpfennigstückgrosse 
Ulceration, scharf begrenzt und mit steil abfallenden Rändern. Sie sah 
aus wie mit dem Locheisen ausgeschlagen, der Geschwürsgrund war 
rot. Ferner fanden sich grosse strahlige Narben, welche die ganze 
Oberlippe einnabmen. Das Innere der Nase war mit Borken bedeckt, 
deren Entfernung die Kranke ablehnte. Erst später, um es vorweg¬ 
zunehmen, gelang die Entfernung derselben, und es kam eine grosse 
Septumperforation mit grösstenteils vernarbten Rändern zum Vorschein. 
Oie Nasenschleimhaut blutete leicht nach Entfernung der Borken, zeigte 
jedoch sonst nichts Besonderes. 

Bei der aussergewöhnlichen Renitenz des Falles gegen jede anti¬ 
lupöse Therapie erschien mir die Diagnose zweifelhaft. Namentlich das 
scharf begrenzte Geschwür der Nasenwurzel unterschied sich wesentlich 
▼oq den gewöhnlichen Lupusgeschwüren. Ich verordnete daher Jodkali 


in Solution, 1 g pro die. Diese Dosis ist nach meinen Erfahrungen aus¬ 
reichend, höhere Dosen nützen auch nicht mehr. Um sicher zu gehen 
für den Fall, dass es doch gewöhnlicher Lupus war, fügte ich Umschläge 
von Wasserstoffsuperoxyd nach Pfannen stiel hinzu. Nach etwa acht¬ 
tägigem Jodkaligebrauch setzte eine geradezu rapide HeiluDg ein. Nach 
weiteren 8 Tagen waren die Ulcerationen des Nasenrückens und der 
Nasenflügel abgeheilt, letztere ohne Defekt. Dos Ulcus an der Nasen¬ 
wurzel leistete wegen seiner Tiefe längeren "Widerstand, es bedurfte im 
ganzen 6 Wochen zur Heilung. Die Nase sah um diese Zeit, abgesehen 
von einigen kleinen Stellen rein weiss aus. Ich schlug nunmehr eine 
Nachbehandlung mit Quecksilber und Salvarsan vor. Diese wurde jedoch 
zunächst abgelehnt und Pat. blieb aus der Behandlung fort. Am 14. III. 
erschien sie wieder mit einem Recidiv, und zwar in Begleitung ihres 
Mannes. Es ergab sieb, dass der Mann vor 3 Jahren Lues gehabt hatte. 
Er litt zurzeit noch an Psoriasis luetica der Beugeseite des linken Unter¬ 
armes und Beines. Dieselbe verschwand ohne jede örtliche Therapie im 
Verlauf einer eiogeleiteten Schmierkur. 

Das Recidiv der Ehefrau beschränkte sich auf ein tiefes Ulcus an 
der Nasenwurzel, an der alten Stelle und von demselben Aussehen wie das 
frühere. Die Frau wurde nun kombiniert mit Jodkali 1,0 pro die und 
Ungt. einer. 2,0 pro die behandelt. Die örtliche Behandlung war auf 
Grund der gesicherten Diagnose eine indifferente, mit‘Borsalbe. Am 
16. IV. war das Ulcus geheilt. Pat. beendete ohne Zwischenfall ihre 
Schmierkur. Es ist für die Zukunft eine methodische kombinierte Queck¬ 
silber- und Salvarsankur in Aussicht genommen. 


Eine Vorrichtung zum Auffangen und Trans¬ 
portieren von Stuhl für klinische Untersuchungen 
(Faecotenor). 

Von 


W. Kiel, 


Präparator um poliklinischen Institut für innere Medizin der Kßl. Universität Berlin. 


Die oft so bedeutungsvollen Stuhluntersuchungen wurden bisher für 
Patienten und Arzt dadurch erschwert, dass es an einer geeigneten 
hygienisch und ästhetisch einwandsfreien Vorrichtung zum Auflangen 
und Transportieren des Stuhles fehlte. Dem abzuhelfen habe ich auf 
Anregung und mit Unterstützung des Herrn Dr. Arnoldi, damaligem 
Assistent am Poliklinischen Institut der Kgl. Universität, eine Vorrichtung 
konstruiert, mit der ein sauberes Auffangen und Transportieren des 
Stuhles leicht möglich ist und es dem Arzt ganz wesentlich vereinfachen 
wird, die Stuhluntersuchungen sorgfältig und reinlich vorzunehmen. 


Abbildung 1. 




Abbildung 2. 


Der Apparat besteht, wie aus Abbildung 1 und 2 ersichtlich ist, 
im wesentlichen aus einer dickwandigen Glasscbale von 18 cm Durch¬ 
messer und 5 cm Tiefe, einer MetallfassuDg des Bodens und einem, mit 
einer Dichtung versehenen Blechdeckel. Seitlich an der Gestellfassung 
sind Oesen angebracht, an welche Gurte befestigt sind. Diese wiederum 
ermöglichen durch ein einfaches Befestigen an dem Klosettring ein be¬ 
quemes Aufhängen des Gefässes in dem Klosettinneren. Die Boden- 

2 


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Original frn-m 

UNIVERSITY OF IOWA 





1610 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


fassung und der Blechdeokel des Aufnahmegefäases werden nach der 
Benutzung mittels Metallklammern absolut sicher und fest verschlossen. 

Der Apparat führt den Namen „Faecotenor“ und ist unter der 
Nummer 591504 gesetzlich geschützt und wird von der Firma Gebrüder 
Muenke, Berlin NW., Schumannstr. 2, zum Preise von 6 M. vertrieben, 
auch ist er in den meisten Apotheken vorrätig. 


Bacherbesprechungen. 

Treves-Keith: Chirurgisch» Anatomie. Nach der 6. englischen Auf¬ 
lage übersetzt von A. Mülberger. Mit einem Vorwort von 
E. Payr und mit 152Textabbildungen von 0. Kleinsohmidt 
und 0. Hörhammer. Berlin 1914, Julius Springer. 478 S. 
Preis geb. 12M. 

Das Treves - Keith’sche Werk ist keine topographische Anatomie 
im eigentlichen Sione des Wortes. Neben der anatomischen Be¬ 
schreibung finden sioh zahlreiche Exkursionen in das Gebiet der Patho¬ 
logie, Physiologie und der praktischen Chirurgie; überhaupt tritt auf 
jeder Seite des Buches — eine Tatsache, auf die auch E. Payr in seiner 
Vorrede hinweist — der Charakter des Buches als englisches Lehr¬ 
buch zutage, das in erster Linie die Bedürfnisse der Praxis berück¬ 
sichtigt. Aus diesem Grunde gestaltet sich aber gerade die Lektüre 
des Buches zu einer ausserordentlich fesselnden. Es ist ein Buch, dessen 
Lektüre den Leser nicht anstrengt, sondern bei der man — ähnlich wie 
bei dem klassischen Werk Hyrtl’s — Erholung findet, und das daher 
auch besonders dem älteren, vor dem Examen stehenden Medizin- 
studierendeD empfohlen sei. Allerdings darf man andererseits nicht ver¬ 
gessen, dass eine gewisse Kritik besonders der speziell chirurgischen 
Ausführungen zuweilen am Platze ist, wie überhaupt die wissenschaft¬ 
liche Bearbeitung nicht die Exaktheit und Gründlichkeit erreicht, wie 
wir es in unseren deutschen Lehrbüchern gewohnt sind. Damit sei kein 
Tadel ausgesprochen, sondern nur die Eigenart des Werkes betont. 
Alles in allem glauben wir, dass die sehr gute deutsche Uebersetzuog 
.des Buches, das auch äusserlich vorzüglich ausgestattet ist, sioh viele 
Freunde erwerben wird. 


E. Pagenstecher (f)- Wiesbaden: lieber das Vorkommen des endemi¬ 
schen Kropfes und der Sehilddriisenvergrössernng am Mittel¬ 
rhein und in Nassau. Mit 3 Tafeln und einem Vorwort von 
K. Garre. 29 S. Wiesbaden 1914, J. F. Bergmann. 

Die Erkenntnis, dass die möglichst genaue Erforschung des Vor¬ 
kommens des Kropfes in den- verschiedensten Gegenden die Vorbedingung 
für die Erforschung der Aetiologie desselben darstellt, die ja gerade in 
neuester Zeit wieder stark umstritten ist, hat auch in Deutschland ver¬ 
schiedene Arbeiten gezeitigt, die sich die Erforschung des Kropfes in 
den verschiedenen Provinzen unseres Vaterlandes zur Aufgabe gemacht 
haben. Diesen schliesst sich jetzt als weitere die vorliegende nach¬ 
gelassene Arbeit des leider jüngst verstorbenen Wiesbadener Chirurgen 
an. In dem in der vorliegenden Arbeit behandelten geographischen Ge¬ 
biet kommt der Kropf nicht besonders stark vor. Man hat den Eindruck 
nur einer schwachen bzw. im Schwinden begriffenen Endemie. Wie alle 
Autoren, die ähnliche Arbeiten herausgegeben haben, musste auch P. 
die wirkungsvolle Mitarbeit der landansässigen Kollegen vermissen. Trotz¬ 
dem findet sich auf den wenigen Seiten viel interessantes Material zu¬ 
sammengetragen, und es ist nur zu bedauern, dass P. nicht selbst seine 
begonnene Arbeit fortsetzen konnte. Eine Klärung der ätiologischen 
Frage ist natürlich bisher noch nicht erreicht. Während in einzelnen 
Gegenden das Bircher’sche Gesetz bestätigt worden ist, haben sich doch 
wieder an anderen Stellen des Landes Widersprüche herausgestellt. Auf 
jeden Fall bietet die vorliegende Arbeit einen wertvollen Beitrag zur 
Frage des Vorkommens des Kropfes in Deutschland. 

W. V. Simon - Breslau. 


Heinrich K&hane: Grundlage der Psychologie für Mediziner. 

Wiesbaden 1914, Verlag von J. F. Bergmaon. 1390 S. Preis 9 M. 

Der Verfasser dieser Grundzüge einer Psychologie für Mediziner 
bringt nicht etwa, wie manche aus dem Titel schliessen würden, eine 
jener üblichen Zusammenfassungen gangbarer psychologischer Systeme 
für den Gebrauch des Mediziners, sondern ein ganz neues und eigenes 
System. Er geht davon aus, dass den üblichen abstrakt-systematischen 
Darstellungen der Psychologie die praktische Anwendbarkeit für den 
Arzt mangle; sie seien ebenso praktisch unfruchtbar wie theoretisch 
unbefriedigend. Seit Jahren bestrebt, „in der Psychologie jene Be¬ 
trachtungsweise zur Geltung zu bringen, welche in den exakten und 
beschreibenden Naturwissenschaften so fruchtbar gewirkt hat“, sucht er 
diese Lücke auszufüllen, indem er sich also die Aufgabe stellt, gewisse 
Anschauungen der exakten Naturwissenschaften, insbesondere der 
modernen Physik für die Psychologie nutzbar zu machen. So räumt er 
z. B. der Fourier’schen Analyse einen grossen Einfluss auf psycho¬ 
logische Untersuchungen ein und der bisherigen „starr formalistischen“ 
Vorstellungstheorie setzt er eine Strömungstheorie, der passivistischen 
eine aktivistische Auffassung des Psychisohen entgegen. Die Seele ist 
die Trägerin des Lebens und Erlebens, sie ist in dauerndem Fluss und 
hat das immanente Ziel der Erhaltung und Entfaltung des Lebens und 
des psychischen Systems in unabsehbarer, unendlicher Höherentwicklung. 


So wie die moderne Physik nicht mehr „letzte Teilchen“, sondern „Zu¬ 
stände“ zur Erklärung der Drprobleme heranzieht, so will auoh Verl, 
nicht isolierbare 9tarre Vorstellungen als Elemente, sondere nur Zustände 
der einheitlichen Psyche anerkennen, die er behufs erleichterter Auf¬ 
fassung als Erschütterungen und Strömungen eines „AU-Einen“ definiert. 
Und so glaubt er, dass eine Aufhellung der psychischen Zusammenhänge 
nach Art der exakten naturwissenschaftlichen Methoden auf dem 
Wege sei. 

Das Buob wird natürlich wie alles, was die gewohnten Geleise ver¬ 
lässt und neue Wege geht, sehr viele Gegner finden. Die Anschauungen 
z. B. über den Willen, über Ermüdung, Schlaf und Traum, über die 
Affekte, die Kunst, den Sport u. a. müssen manchen Widerspruch hervor- 
rufen. Sieht man aber einmal von Einzelheiten ab, versucht man, sich 
auf den Boden des Verf. und seiner Voraussetzungen gegenüber den 
bisherigen psychologischen Darstellungen zu stellen, so ist die Gesamt- 
wirkung des Buches die eines in sich geschlossenen Lehrgebäudes, das 
mit Klarheit und ruhiger Sicherheit durcbgeführt ist, dessen tiefe Denk- 
metbode, dessen Eiguung zu psychologischer Erziehung und Erkenntnis 
nicht zu leugnen ist. Das Werk ist ein Versuch, dessen Aussichten 
gerade für die Kreise der Mediziner vorläufig allerdings sehr zweifelhaft 
sind, der aber die Beachtung aller psychologisch Interessierten verdient. 

W. Seiffer. 


Gesammelte Abhandlungen von weil. Prof. Max Kassowitz. In Ver¬ 
bindung mit August Büttner, Priv.-Doc. Hochsinger, Dr. 
Holitscher, Prof. Mauthner zusammengestellt, mit biogra¬ 
phischen und erläuternden Anmerkaogen versehen und beraus- 
gegeben von Dr. Julie Kassowitz-Schall. Berlin 1914, Verlag 
von Julius Springer. 534 S. Preis 12 M. 

Mit Kassowitz ist eine eigenartige Persönlichkeit dahingegaogen, 
ein Mann von zweifellosen Verdiensten um die Kinderheilkunde wie um 
die Wissenschaft überhaupt, eine Kampfnatur, der erst der Tod die streit¬ 
bare Feder aus der Hand nehmen musste, andererseits ein St&rrkopf, der 
wohl niemals etwas zurückgenommen hat, was er publiziert hatte, und 
wenn auch alle Welt vom Gegenteil überzeugt war. 

Nun er dahingegangen ist, haben Schüler von ihm eine Auswahl aus 
seinen zahlreichen Arbeiten herausgegeben. Gewöhnlich bringen solche 
Sammlungen einzelne wertvolle Arbeiten, die an schwer zugänglicher 
Stelle publiziert wurden und nun etwas mehr ins Licht gerückt werden 
sollen. Dieser Gesichtspunkt war aber, und das ist bei der Beurteilung 
der einzelnen Arbeiten zu berücksichtigen, hier nicht maassgebend. Viel¬ 
mehr trägt das Buch eine weit persönlichere Note. Es soll nämlich 
„alle für den Verstorbenen charakteristischen Ideen und Ansichten, so¬ 
wie auch alle bedeutsamen Momente in seinem Leben deutlich hervor¬ 
treten lassen“. Es soll also die Persönlichkeit des Forschers Kassowitz 
in seinen Arbeiten fortleben lassen. Dieser Bestimmung entsprechend 
enthält die Sammlung neben wertvollen Arbeiten auch solche, denen 
jedes aktuelle oder wissenschaftliche Interesse abgeht, die aber für die 
Beurteilung der Persönlichkeit Kassowitz’ kennzeichnend sind. Rund 
50 solcher Abhandlungen sind hier vereinigt worden. 

Frau Dr. Kassowitz-Schall hat dem Buch ein Geleitwort mit¬ 
gegeben, an dem die Kritik nicht so ohne weiteres Vorbeigehen kann. 
Es ist — wie natürlich — eine Hymne auf den Toten und eine Anklage 
für die Mitwelt. Diese habe ihm die Ehren vorenthatten, die ihm ge- 
reohterweise gebührt hätten. Das stimmt nicht ganz, denn so sehr haben 
sich seine Zeitgenossen doch nicht an Kassowitz versündigt. Zeit 
seines Lebens hat die Pädiatrie dem Mann, dem sie vieles verdankte, 
der dem Unfug der Zahnkrankheiten steuerte, der die Klinik der kreti- 
noiden Wachstumsstörungen sohuf, der die Lehre von der Syphilis und 
der Rachitis mächtig förderte, der ihr noch auf der Höhe seines Lebens 
in seiner „praktischen Kinderheilkunde“ einen glänzenden Niederschlag 
seiner Lebenserfahrungen schenkte, mit gebührender Achtung begegnet. 

Wenn Kassowitz trotzdem seinen Lebensweg als Aussenseiter ging, 
so lag das an ihm und an seinen manchmal ganz unverständlichen An¬ 
schauungen. Hatten doch, um ein Beispiel anzuführen, selbst 20 Jahre 
einer erfolgreichen Diphtherieserumbehandlung ihn nicht davon über¬ 
zeugen können, dass sein erstes verdammendes Urteil ungerechtfertigt 
war. So etwas und vieles andere machte die jüngeren Pädiater stutzig 
und war der Grund, weshalb schliesslich alles, was von Kassowitz 
kam, seine Pädiatrie sowohl wie seine Biologie, mit Misstrauen und Vor¬ 
behalt aufgenommen wurde. — Nooh etwas anderes kam hinzu: fast jede 
Arbeit von ihm, seine Hauptwerke sowohl wie seine gelegentlichen kleineren 
Aufsätze waren Polemik. Und das stiess viele von ihm ab. Denn Polemik 
ist gewiss etwas Gutes, aber Nichts-als-Polemik fällt auf die Nerven. 

Sicher war das kein schönes Geschick, aber andere — Grössere — 
haben dasselbe erlitten und — haben sioh nicht beklagt. Soviel über 
die Vorrede. 

Als erste Gruppe enthält das Buch eine Reihe von Arbeiten über 
die Theorie und Therapie der Rachitis. K. hat bekanntlich den Phosphor¬ 
lebertran in die Therapie der Rachitis eingeführt. Die wiedergegebenen 
Arbeiten bringen die heftige Polemik, die sich aus diesem Anlass ent¬ 
spann. Es folgen Aufsätze zur Heilserumfrage, der gegenüber sich K., 
wie schon erwähnt, absolut ablehnend verhielt. Sie habeo heute natür¬ 
lich nur rein historisches Interesse. Der nächste Abschnitt enthält 
i kleinere Aufsätze „aus verschiedenen Gebieten der Kinderheilkunde . 

Einzelne davon sind wirkliche schriftstellerische Kabinettstücke, die die 
I glanzende Stilistik und zugleich die grosse Lebenserfahrung des Autors 


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UNIVERSIT7 OF IOWA 



7. September 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1611 


widerspiegeln. Niebt weniger als 16 Arbeiten behandeln „die Erkenntnis 
der Lebenserscheinungen im Lichte einer neuen Theorie“. Ein Er¬ 
innerungsbuch für Kassowitz wäre unvollständig, wenn es ihn nicht 
auch als Fanatiker der Abstinenzbewegung zu Worte kommen liesse. 
Und so bringt das Buch denn auch eine Reibe seiner Aufsätze über den 
Alkohol und seine Schädlichkeit. Populäre Aufsätze verschiedenen Inhalts 
beschlossen die Sammlung. 

Für den, der sich einmal so ganz loslösen kann von modernen An¬ 
schauungen, ist das Buch wie eine Wanderung durch die Anfänge und 
die Kinderjahre der Pädiatrie, eine hochinteressante Lektüre, die einen 
besonderen Genuss nooh durch die glänzende Schreibweise des Autors 
erfährt. Birk-Kiel. 


Verhandlovgea der Vereinigung der Lnngenbeilanstaltsärzte anf 
der 8. Versammlung in Freibarg i. B. vom 7. bis 9. September 

1918. Im Aufträge der Vereinigung herausgegeben von Dr. 

J. Ritter- Geesthacht, Bezirk Hamburg. Mit IO Tafeln und 3 Ab¬ 
bildungen im Text. Würzburg 1914, Verlag von Kurt Kabitzsoh. 
IV und 129 S. Preis 6 M. 

Der stattliche Band enthält eine Reihe Arbeiten, die ein höchst 
aktuelles Interesse haben, und an welche sich zum Teil eine sehr leb¬ 
hafte Diskussion angeschlossen hat. Der Kürze halber kann hier nur 
im folgenden der Titel der verschiedenen Arbeiten angegeben werden. 
An der Spitze der Verhandlungen steht 1. eine Ansprache Brauers, ein 
Vorschlag über die Gründung der Tuberkuloseforschungsstätte zu Mar¬ 
burg, 2. die Satzungen des Hamburger Forschungsinstituts für Krebs und 
Tuberkulose. Dann folgt de la Camp: Die Strahlentherapie der experi¬ 
mentellen und menschlichen Lungentuberkulose; Kahler: Neuere Unter¬ 
suchungsmethoden des Larynx und ihr Wert für die Diagnose und The¬ 
rapie der Lungentuberkulose; Schröder: Klimatologische und klimato- 
therapeutische Fragen. In der Diskussion sprechen die Herren Felix 
Wolff, v. Muralt, Breoke, Rumpf, Pigger, Wehmer, Schröder. 
Dann folgt v. Muralt: Erfahrungen über Exsudate bei künstlichem 
Pneumothorax, in der Diskussion die Herren Ziegler, Weinstein, 
Schröder, Pigger und v. Muralt. Nicol: Ueber eine neue Eintei¬ 
lung und Nomenklatur der Lungenphthise; Diskussion die Herren K ( hier, 
Ziegler, Ritter, Brauer, Liebe, Schröder, Brecke, Wolff, 
Nicol. Fernerhin Seil: Diätetische Fragen in der Lungenheilanstalt; 
Diskussion die Herren Schröder, Liebe, Schröder, Schuttes, 
Brauer, Seil. Jarosch: Ueber die Verwendung des Röatgenapp&rates 
in der Lungenheilstätte, zur Diagnose und Therapie. Junker*. Klinische 
Erfahrungen mit der Kupfer- und Goldtherapie der Lungentuberkulose. 
Schuttes*. Ueber die Behandlung der wollenen Decken in der Heil¬ 
stätte. Schultes: Können sioh die Heilstätten vor Pfändung der An¬ 
staltsmöbel in den Zimmern der Angestellten schützen? Sander: Ueber 
moderne Sanatoriumshygiene und Maassregeln zur Prophylaxe der Tuber¬ 
kulose. 

Taberknlose-Fortbildangskiirs des allgemeinen Krankenkasse* Ham¬ 
burg-Eppendorf. Herausgegeben von Ludolf Brauer. Bd. 2. 
Dem Eppendorfer Krankenhause zur Feier seines 25jährigen Be¬ 
stehens gewidmet von früheren und jetzigen Aerzten der Anstalt. 
Mit 6 Abbildungen im Text und 13 Tafeln. Würzburg 1914, 
Kurt Kabitzsch. 159 S. Preis broschiert 7 M., geb. 8,20 M. 

Wie der erste Band des Tuberkulose-Fortbildungskurs enthält 
auch der zweite Band eine Reihe von ausgezeichneten übersichtlichen 
Arbeiten, welche zur Einführung in die verschiedenen Gebiete der Tuber¬ 
kulose und ihrer Bekämpfung gedacht sind, und man kann wohl sagen, 
dass dieser Zweck in glänzender Weise erreicht worden ist. Allen Ar¬ 
beiten ist gemein, dass sie in ausserordentlich klarer und einfacher 
Weise geschrieben sind, und dass sie den gegenwärtigen Stand unseres 
Wissens auf dem betreffenden Gebiete nur in Anlebnuog an Bewährtes 
geben, während die so zahlreichen noch strittigen Fragen als solche 
dargestellt sind, ohne zu einer allzu frühen Entscheidung gebracht zu 
werden. Zuerst berichtet Lorey über den Wert der Röntgenunter¬ 
suchung bei der Lungentuberkulose, wo er mit Recht vor der einseitigen 
Ueberschätzung dieser Untersuchungsmethode warnt und sie nur im 
Zusammenhang mit allen anderen klinischen Methoden überhaupt ange¬ 
wendet wissen will. Auch ist überall freimütig zugegeben, dass über 
die Bedeutung mancher Schattenbilder auf der Röntgenplatte zurzeit 
noch Unklarheit herrscht und ihre Deutung daher von keinem Einfluss 
auf eine gut gesicherte klinische Diagnose sein darf. Mayer referiert 
über die Tuberkulose in den Tropen und bei bislang immunen Völker¬ 
schaften, Deutschmann über die Tuberkulose des Auges, Ritter über 
die Tubcrkulinbehandiung der Lungentuberkulose. Dieses Referat wirkt 
geradezu erfrischend durch die weise Zurückhaltung, mit der die Erfolge 
des Tuberkulins hier beurteilt werden. Es ist ausserordentlich wichtig, 
einem Tuberkulintherapeuten, der das Tuberkulin als wirksames Heil¬ 
mittel schätzt, die Grenzen der Leistungsfähigkeit dieses Mittels ziehen 
*u hören in einer Zeit, wo noch so viel einseitige Ueberschätzung des 
Tuberkulins oder Nichtachtung seiner Erfolge von manchen Aerzten geübt 
wird. Kreplin spricht über das Meeresklima als Heilfaktor bei der 
Tuberkulose und räumt mit manchen wissenschaftlich unhaltbaren Vor¬ 
stellungen von der Wirkung des Meeresklimas auf, um ernstlich wirk¬ 
same Faktoren dieses so heilsamen Klimas lür die Tuberkulose heraus- 
mchälen, Kümmell behandelt in einer Arbeit mit ausgezeichneten 


Illustrationen die Nierentuberkulose und endlich gibt Brauer einen 
zusammenfassenden und kritisch wohl begründeten Ueberblick über die 
chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose. J. W. Samson. 


Rudolf Schlottmam: Dm Sinigugsabkoiraefl iwfeehea Aerzten 
■ad Krankenkassen, nebst Aisftihrnngsbesttmmingen. Berlin 
1914, Franz Vahlen. 96 S. Preis 1,50 M. 

Bei der grossen Wichtigkeit, die das sogenannte Berliner Abkommen 
für die Regelung der Beziehungen zwischen Kassen und Aerzten schon 
jetzt hat und in erhöhtem Maasse künftig haben wird, ist ein kurzer 
Kommentar, wie der vorliegende, fast ein Bedürfnis. Sind doch manche 
Einrichtungen und Bestimmungen des Abkommens etwas ganz Neues, 
die richtige Anwendung derselben für die Aerztesohaft von höchstem 
Wert. In dem Büchlein ist das Abkommen selbst, wie auch die 
Ausführungsbestimmungen, ferner eine genaue Anleitung für die Wahlen 
der verschiedenen Schieds- und Vertragsinstanzen enthalten, die Kom¬ 
mentierung zeugt von einer unbefangenen, sachlichen Auffassung auch 
strittiger Fragen neben völliger Beherrschung des Materials. 


H. A. §tss: A. Knssaanl’s zwanzig Briefe über Menscbenpocken- 

nnd Kikpeekenivpfing. Mit einem Geleitwort von Ministerial¬ 
direktor Dr. Kirchner. Berlin 1914, Richard Schoetz. Preis 
1,60 M. 

Seit 40 Jahren ist das deutsche Impfgesetz in Kraft und hat 
Deutschland trotz gelegentlicher Einschleppung von Pookenfällen vor 
jeglicher Pookenepidemie zu bewahren vermocht. Da muss man mit 
Beschämung feststellen, dass die Neuauflage der Kussmaul’schen Briefe, 
die vor jetzt 44 Jahren geschrieben wurden, ein geradezu aktuelles Werk 
bildet. Die Briefe könnten heute geschrieben sein, nicht nur was Klar¬ 
heit, Volkstümlichkeit und überzeugende Kraft der Darstellung betrifft, 
sondern als ruhige Abwehr gegen die Angriffe der Impfgegner, die un¬ 
gestümer, fanatischer und verbohrter als je vordräogen, als wären ihre 
hetzerischen Beschuldigungen noch nie durch Statistik, Forschung und 
Erfahrung entkräftet worden. Sie werden Kussmaul’s klassische Mono¬ 
graphie nicht lesen, dafür aber sollte sich jeder Arzt an der Hand dieser 
bei aller Gründlichkeit fast unterhaltend geschriebenen Aufsätze alle zur 
Abwehr wichtigen Tatsachen ins Gedächtnis zurückrufen; namentlich 
müsste dafür gesorgt werden, dass sie in der Hand keines Reichsboten 
fehlen, der bei einschlägigen Interpellationen oder Petitionen mitzu- 
stimmen hat. _ 


Fr. Scholl: Voi Aerzten and Patienten. Lustige und unlustige 
Plaudereien. 4. Auflage. München 1914, Otto Gmelin. 177 S. 
Preis 3,50 M. 

Die Tatsache der 4. Auflage beweist am besten, dass sich dies 
prächtige Buch einen dauernden Platz neben den verwandten Werken 
eines Billroth und Ughetti errangen h&t. Immer ist es interessant, 
die grosse und kleine Welt des Arztes durch das Auge und Tempera¬ 
ment eines warmherzigen Menschen und Berufsgenossen zu sehen; hier 
gesellt sich als besondere Beigabe ein köstlicher Humor der scharfen 
Beobachtungsgabe und sicheren Darstellungskunst, die uns so manche 
selbsterlebten und doch von neuem Reiz umflossenen Bilder aus unserem 
Berufskreis erstehen lässt. Und noch eins! Es weht aus dem Buch der 
Hauch der guten alten Zeit, wo zwar Intuition und Blick manches von 
unserem Wissen ersetzen musste, dafür aber Ansehen und Schätzung 
des Arztes noch nicht unter den entwertenden Einflüssen der Kranken¬ 
kassenära zu leiden hatte. Kaum eia Gebiet unseres Berufslebens bleibt 
unberührt in dem Buche, und niemand wird es aus der Hand legen, ohne 
dem schönen Greisen köpf auf dem Titelbild mit den klugen, schalkhaften 
Augen dankbar zuzunicken. _ Vollmann. 


Arzt ond Schule. Ziele und Erfolge der Schulkommission des ärzt¬ 
lichen Vereins zu München auf dem Gebiete des Mittelschul¬ 
wesens 1904/1914. München 1914, J. F. Lehmann’s Verlag. 96 S. 
Preis 2 M. 

Jeder Schulhygieniker und im weiteren Sinne jeder Freund der 
sozialen Hygiene wird die kleine Festschrift freudig willkommen heissen. 
Der Münchener ärztliche Verein gibt darin ein Spiegelbild der nunmehr 
zehnjährigen Tätigkeit seiner Schulkommission. Acht Herren haben sieb 
in das Arbeitsgebiet geteilt. Es behandelt Crämer: Zehn Jahre Schul- 
kommission; Grassmann: Umfrage über persönliche Hygiene der Mittel¬ 
schule; Bergeat und Rommel: Mittelschulreform; Dornberger: 
Schulärzte an höheren Lehranstalten; Nassauer: Scbülerverbindungen 
und Schülerwohnungen; Lissmann: Sexualität und Schule; Uhl: Leibes¬ 
übungen und Schule. Auf alle Einzelheiten des interessanten Berichts, 
der in gleicherweise dem Faohmaun Bestätigung eigener Beobachtungen, 
wie Anregungen zu neuer Arbeit bietet, kann hier nicht eingegangen 
werden. Der besondere Wert des Büchleins liegt, abgesehen von seinem 
sachlichen Inhalt, in der erfreulichen Tatsache, dass die Vertreter einer 
grossstädtischen Aerzteschaft dem wichtigen und stets wachsenden Ge¬ 
biete der Schulgesundheitspflege ihr uneigennütziges Interesse und ihre 
Arbeitskraft zuwenden. Sie beweisen damit ein Maass von sozialer Ein¬ 
sicht, das Referent sowohl aus sozialhygienischen als auch ärztlich-politi¬ 
schen Erwägungen nur zur Nacheifenrng empfehlen möchte. Vielleicht 
zeitigt die Morgenröte des sogenannten „Kassenfriedens“ auch hier eine 
| fruchtbare Entwicklung. Alfred Lewandowski - Berlin, 


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UMIVERSITY OF IOWA 


1612 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 36. 


Literatur-Ausz&ge. 

Physiologie. 

H. Guillemard und G. Regoier: Beobachtungen über die physio¬ 
logische Wirkung des Klimas auf hohen Bergen. (Campt, rend. de 
l’acad. des Sciences, 1914, Bd. 159, Nr. 1, S. 96.) Die Untersuchungen 
wurden auf dem Laboratorium des Mont Blanc vorgenommen. Wenn 
man nach längerem Aufenthalt wieder in die Ebene hinabsteigt, kann 
man oft beobachten, dass die Pulsfrequenz beträchtlich langsamer als 
vor dem Aufstieg ist, und zwar wird diese Verlangsamung nur dann 
konstatiert, wenn bei dem Aufenthalt auf der Höhe intensivere Zeichen 
der Bergkrankheit aufgetreten sind, also gleichsam als ein verspätetes 
Symptom derselben. B. Valentin. 

Therapie. 

E. Juliusburger-Breslau: Coagnlen Kocher - Fon io. (D.m.W., 
1914, Nr. 34.) Verf. machte bei schweren Lungen- und Magenblutungen 
1—2 intravenöse Injektionen von 5—lOproz. Kocher-Fonio (Verdünnung 
mit physiologischer Kochsalzlösung). Die Flüssigkeit wird 5 Minuten 
lang gekocht und dann ohne Rücksicht auf den entstehenden wolkigen 
Niederschlag eingespritzt. 

Th. v. Mutschenbacher-Budapest: Die Stillung der parenchyma¬ 
tösen Blatangen mit Coagnlen Kocher-Fonio. (D.m.W., 1914, Nr. 34.) 
Verf. empfiehlt das Coagulen 1. zur Stillung parenchymatöser Blutungen 
aus der defekten Serosa nach Zertrennung vou Verwachsungen in der 
Bauchhöhle, oder aus dem Leberbette nach Exstirpation der Gallenblase, 
wodurch wir die Tamponade umgeben können; 2. zur Blutstillung auf 
zur Transplantation vorbereitetem Grunde; 3. zur Stillung des trans¬ 
plantierten Lappens bei plastischen Operationen; 4. in allen Fällen, bei 
denen nach der Operation eine tote Hoble zurückbleibt, die sich ohne 
sichere Blutstillung mit Blut füllen würde. 

M. Schur-Tübingen: Die Behandlung des Ulcas corneae serpens 
mit Optochinin (Aetbylbydrocuprein). (D.m.W., 1914, Nr. 34.) Gute 
Erfolge. Dünner. 

E. Maurel: Experimenteller und klinischer Beitrag zur Wirkung 
des salisauren Emetins. (Arch. de med. exp., Mai 1914, Nr. 3, 
S. 225.) Ausführliche, auch historisch wichtige Uebersicht über das 
Emetin, mit dem sich Verf. seit dem Jahre 1809 beschäftigt. Die Indi¬ 
kationen sind: vor allem bei der Dysenterie, hier wirkt es fast spezifisch 
gegen die Amoeba histolytica, bei Lungen- und Oesophagusblutungen 
dadurch, dass sein HauptangrifTspunkt die glatte Muskelfaser ist. 
Schliesslich hat der Verf. es mit Erfolg bei einer Bronchopneumonie und 
bei akuter Bronchitis angewendet Interessant ist auch noch die lokal- 
anästhetische Wirkung des Emetins, die sich aus der Ischämie und der 
Wirkung auf den sensiblen Nerven erkennen lässt. B. Valentin. 


Diagnostik. 

A. Schneider und Frhr. v. Teubern - Bonn: Untersuchungen mit 
der Boag’schen Phenolphthaleinprobe aaf okkultes Blat in den Fäces. 
(D.m.W., 1914, Nr. 34.) Die Probe ist brauchbar; sie ist feiner als die 
Weber’sche und AloiDprobe. Dünner. 

Parasitenkunde und Serologie. 

Calmette und L. Massol: Ueber die Aufbewahrung des Giftes 
der Kobra und über sein Antitoxin. (Compt. rend. de l’acad. des 
Sciences, 1914, Bd. 159, Nr. 2, S. 152.) Das Gift der Kobra verliert 
langsam seine anfängliche Giftigkeit, selbst in geschlossenen Gefässen 
und vor Licht geschützt, besonders wenn man es als fein zerteiltes 
Pulver aufbewahrt. Der Antitoxingehaft des Serums wird nicht nur von 
der toxischen Substanz des Giftes selber absorbiert, sondern auch von 
anderen Substanzen, die dieses begleiten; denn das Volumen des Serums, 
welches nötig ist, um eine bestimmte Menge Gift zu neutralisieren, 
bleibt das gleiche, während dagegen die Giftigkeit mit der Zeit abnimmt 

M. Phisalix: Vaccination gegen die experimentelle Tollwnt durch 
das Sekret von Batrachiero und durch das Gift einer Vipernart. 
(Compt. rend. de l’acad. des Sciences, 1914, Bd. 159, H. 1, S. 111.) 
Die allmählich gegen das Hautgift des Salamanders und gegen das Gift 
einer Vipernart immunisierten Kaninchen sind resistent gegen die intra¬ 
cerebrale Einimpfung des Virus der Rabies, während diese ImpfuDg stets 
für normale Kaninchen tödlich ist. Dagegen bietet weder das eine noch 
das andere dieser Gifte, allein angewendet, eine genügende Immunität, 
sie sind nur in einem Drittel der Fälle imstande, den Ausbruch der 
Tollwut hinauszuschieben. B. Valentin. 

Chirurgie. 

L. Dreyer-Breslau: Beitrag zur Gefässchirargie. (D.m.W., 1914, 
Nr. 34.) Es handelte sich um einen Embolus der Arteria femoralis 
dicht unterhalb des Poupart’schen Bandes. Längsschnitt und ein zweiter 
Schnitt im Adduktorenschlitz. Von diesem zweiten Schnitt wurde der 
Thrombus mit Kochsalzlösung ausgespritzt. Er erschien in toto 28 cm 
lang am oberen Schlitz. 


Riedel-Jeoa: Ueber einen vor 22 Jahren operierten Fall von 
Kropftoberknlose mit deutlichen klinischen Erscheinungen. (D.m.W., 
1914, Nr. 34.) Systematische Untersuchungen haben gezeigt, dass die 
Schilddrüse eine gewisse Neigung hat, au Tuberkulose zu erkraoken. 
Sie hat, wie auch ein vor 22 Jahren von Verf. operierter Fall lehrt, 
einen relativ gutartigen Charakter und kann, wenn auch sehr langsam, 
aushcilen. Bei dem erwähnten Fall musste Verf. einen Teil stehen 
lassen; es trat nach Jahren ein Recidiv massigen Grades ein. Verf. 
empfiehlt genaue mikroskopische Untersuchung aller operierten Strumen. 

_ Dünner. 

Augenheilkunde. 

Eppenstein - Marburg: Zur Kenntnis der Lldntkrosev. (Zschr. f. 
Augblk., Juli 1914.) Zwei Fälle von Zerstörung der Lidränder wurden 
hervorgerufen durch virulente Streptokokken. Ein dritter Fall bot im 
Anfang das Bild eines Lidfurunkels. Dann traten Nekrose und starke 
Defekte auf. Es bestand schmerzhafte Anschwellung der regionären 
Lymphdrüsen. Bakteriologisch fand sich Stapbylococcus pyogenes aureus. 
Das Auftreten einer schweren Tarsitis liess an Lues denken. Wasser¬ 
mann positiv. Es handelte sich hier um eiuen mit dem Staphylococcus 
infizierten Primärafiekt. 

Dutoit - Montreux: Beobachtung eines Falles von Keratitis neiro- 
p&ralytica infolge einer Alkoholiajektioii in den Nervus maxillaris 
superior bei Gesichtsneuralgie. (Zschr. f. Augblk., Juli 1914.) Die 
Alkoholinjektion in den Nervus maxillaris superior fand in der Fossa 
pterygopalatina von aussen her statt. 4 Tage später liess sich an der 
Seite der Injektion ein ganz oberflächlicher Substanzverlust der Horn¬ 
haut mit zarter Trübung des Parenchyms unten aussen feststellen. Die 
Anästhesie der Hornhaut lies an Keratitis neuroparalytica denken. Sub- 
conjunctivale Injektionen voo lproz. Dioninlösung und Einträufelungen 
von 3 proz. Dionin brachten die Epithelisierung zustande und bewirkten 
die Wiederkehr der Empfindlichkeit. In einem Falle von Lintz stellte 
sich gleichfalls nach Alkoholinjektioo des Nervus maxillaris inferior eine 
Keratitis neuroparalytica ein, nach einer zweiten Injektion Abduoens- 
lähmung. 

Ohm-Bottrop: Zur graphischen Registriernng des Augenzittern 

der Bergleute und der LidbeweguDgen. (Zschr. f. Augblk., Juli 1914.) 
Angabe eines neuen Apparates hauptsächlich zur Registrierung der Be¬ 
wegungen der Oberlider, der ein getreues Abbild der Lidbewegung nach 
Schnelligkeit, Amplitude usw. gibt. Es kommt z. B. wellenförmiges 
Augenzittern bis zu 270mal in der Minute vor. 

Barth-Aarau: Untersuchungen über Häufigkeit und Lokali¬ 

sation von beginnenden Linsentrübungen bei 302 über 60 Jahro alten 
Personen. (Zschr. f. Aughlk., Juli u. August 1914.) Die Untersuchung 
der nach Homatropin-Cocain-Mydriasis möglichst übersehbaren Linse ge¬ 
schah im auffallenden und durcbfallenden Licht und mit dem Lupen¬ 
spiegel. Es wurden bei über 96 pCt. aller über 60 Jahre alten Leuten 
Linsentrübungen gefunden, die nicht direkt imter der Kapsel, sondern 
auf der Kernoberilache oder in den tieferen Rindenscbichten liegen. 
Stets ist zwischen Kapsel und Trübungen noch eine klare Riudenschicht 
vorhanden. Subcapsuläre Trübungen bestehen auch in tiefen Rinden¬ 
schichten. Die Cataracta senilis mässigen Grades ist eine physiologische 
Altersveräuderung. Diese Tatsache muss zur vorsichtigen Prognose¬ 
stellung bei Vorhandensein von Linsentrübungen führen, da es ungewiss 
ist, ob solche Trübungen auch progressiv sind. 

Cords-Bonn: Bemerkungen zur Untersuchung des Tiefensehätlttlgs- 
vermögeas. 111. Die Verwertung der parallaktischen Verschiebung 
durch Einäugige. (Zschr. f. Aughlk., Juli 1914.) 

Wolff-Berlin: Zur Skiaskopie mit der Gallstrand’aehen Nernst- 
Spaitlampe und unfoliierter Glasplatte. (Zschr. f. Augblk., Juli 1914) 
Verf. weist darauf hin, dass die wichtige Einrichtung der Drehbarkeit 
der Lichtquelle um die optische Achse, die an der Gullbrand’scben 
Nernstspattlampe angebracht ist, von ihm herrührt und an seinem Skia¬ 
skopophthalmometer seit 14 Jahren verwirklicht ist. G. Erlanger. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Laryngologlsche Gesellschaft an Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 19. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Killian. 

Schriftführer: Herr Gutzraann. 

Vorsitzender: In Kiel wurde auf Antrag von Thost beschlossen, 
dass die Sektionen für Laryngologie, Rhinologie und Olologie auf dem 
nächsten internationalen medizinischen Kongress zu einer Sektion ver¬ 
schmolzen werden sollen. Auch der Zusatzantrag von Panse, diese 
Sektionen auch auf der nächsten Naturforschcrversammlung zu vereinigen» 
gelangte zur Annahme. In der gleichen Sitzung wurde von einer ganzen 
Reihe von Herren folgendes Separatvotum eingebracht: 

Die Unterzeichneten Mitglieder des Vereins deutscher Laryngo 
logen richten an das Exekutivkomitee des 18. medizinischen Kon¬ 
gresses 1917 in München das Ersuchen, die Laryngo-Rbinologie 


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UMIVERSITY OF IOWA 








7. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1813 





len. 


einerseits und die Otologie andererseits als selbständige Sektionen 
wie bisher fortbestehen au lassen, weil jede dieser beiden Sektionen 
bisher bei allen Kongressen kaum ihr Programm aufarbeiten 
konnte. 

Soweit mir bekannt, hat bereits die Wiener laryngologische Gesell¬ 
schaft einen entsprechenden Beschluss gefasst. Da von den Mitgliedern 
unserer Gesellschaft nur eine geringe Anzahl in Kiel anwesend war, so 
halte ich es für sehr erwünscht, die Ansicht unserer ganzen Gesellschaft 
über den fraglichen Punkt kennen zu lernen. Die Sache wird auf die 
Tagesordnung für die nächste Sitzung gesetzt werden. 

Hr. P. Heymann: M. H.! Die Gründe, die Herr Killian soeben 
ausgeführt hat, sind in Kiel von Chiari, mir und einigen anderen 
Herren ausführlich dargelegt worden. Es bestand in Kiel eine gewisse 
Hurrastimmung für diese Sache; man hatte den Eindruck, dass die 
Zusammensetzung der Gesellschaft nicht ganz unabsichtlich für diesen 
Beschluss ausgenutzt wurde. Die Herren, die schon längere Zeit in 
unserer Gesellschaft sind, werden sich erinnern, dass sich sehr viele 
Jahre hindurch Bernhard Frankel, Rosenberg und eine grössere 
Anzahl von Mitgliedern unserer Gesellschaft, darunter auch ich, bemüht 
haben, gegen die Vereinigung Front zu machen, teilweise aus wissen¬ 
schaftlichen, teilweise aus praktischen Gründen. Unsere Gesellschaft 
war damals in überwältigender Majorität der Ansicht, dass es aus wissen¬ 
schaftlichen Gründen notwendig wäre, die beiden Gebiete auseinanderzu¬ 
halten, und dass für die Kongresse noch praktische Gründe hinzu 
kämen, weil das Programm der Sektionen auf den letzten Kongressen, 
wo zwei Abteilungen bestanden, immer so reichhaltig war, dass die 
beiden Sektionen nicht ausreichten, um das Material genügend zu be¬ 
arbeiten. Wie es werden soll, wenn die beiden Sektionen verschmolzen 
werden uod nun das Programm für die eine Sektion verdoppelt wird, ist 
mir, offen gestanden, nicht ganz klar. Wenn sich die Herren die 
Protokolle der Berliner Versammlung, der Pester Versammlung und 
anderer ansehen, werden Sie zu dem Schlüsse kommen, dass eine 
Vereinigung ganz unzweckmässig ist. Es wäre ein Verdienst unserer 
Gesellschaft, wenn sie in diesem Sinne ihre warnende Stimme erhöbe 
und sich dem Protest anschlösse, den die Wiener laryngologische Gesell¬ 
schaft schon eingereicht hat. 

Hr. Halle: M. H.! Ich möohte nur referierend ein paar Worte 
sagen. Auch Herr Finder hat in Kiel in sehr ernsterWeise gegen den 
Beschluss seine warnende Stimme erhoben. Die Idee der Herren, die 
dafür eintraten, und die besonders von Thost zum Ausdruck gebracht 
wurde, war: wissenschaftlich soll eine Trennung der beiden Disziplinen 
durchaus fortbestehen. Während aber die wissenschaftliche und forschende 
Tätigkeit getrennt ist und bleiben soll, haben sich die Verhältnisse so 
gestaltet, dass die Mehrzahl der Praktiker auch Otologie treibt und in¬ 
folgedessen den Wunsch hat, an den Ergebnissen der Forschungen teil¬ 
zunehmen. Den Herren soll nach dem Beschlüsse des Kieler Kongresses 
Gelegenheit geboten werden, aD den Verhandlungen beider Disziplinen 
voll Anteil zu nehmen. In diesem Sinne wurde von der Mehrzahl der 
anwesenden praktischen Kollegen der Beschluss gefasst. 

Hr. A. Meyer: Darf ich in dieser Beziehung an den Vermittelungs¬ 
vorschlag erinnern, den Herr Burger seinerzeit gemacht hat. Erschlug 
vor, dass alle rein wissenschaftlichen Themen, die die Otologie wie die 
Laryngologie betreffen, in getrennten Sitzungen, dass dagegen rein 
praktische Angelegenheiten sowie alles, was die Nase betrifft, in ge¬ 
meinsamen Sitzungen behandelt werden mögen. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Heioemann: Geheilter Fall von Lnpas syphilitica». 

(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.) 

Diskussion. 

Hr. Killian: Man tut gut daraD, immer nach Bestätigungen für 
eine Diagnose zu suchen. 

Hr. Heinemann: Ich bin der Meinung, dass das gute alte Jod¬ 
kalium bei tertiärer Syphilis ein so sicheres Diaguosticum ist, wenn es 
so wirkt wie hier, dass man nicht nötig hat, noch nach anderen Mitteln 
zu suchen. 

Hr. Killian: Ich würde empfehlen, Salvarsan anzuwenden, weil das 
iu solchen Fällen besonders günstig wirkt. 

Hr. Heinemann: Das ist auch meine Absicht. Ich wollte nach 
der Quecksilberkur noch Salvarsan geben. 

Tagesordnung. 

1. Hr. Richard Landsberger (a. G.): 

Ueber die Aetiologie des hohen Gaumens. 

M. H.! Ueber die Einwirkung der Zähne auf die Entwicklung des 
Schädels hatte ich bereits vor zwei Jahren die Ehre, vor Ihnen zu 
sprechen. 

Ich habe unterdes weitere Tierversuche im Physiologischen Institut 
der Berliner Universität gemacht und möchte mir erlauben, Ihnen die 
Resultate vorzuführen. 

Ich muss auf einige Versuche zurückgreifen, die ich vor zwei Jahren 
schon vorge/ührt habe, um Ihnen das Verständnis der nachfolgenden 
Versuche zu verschaffen. Ich entfernte damals bei Hunden direkt nach 
der Geburt auf der einen Seite die Zahn keime aus dem Oberkiefer. 
Nach weiteren drei Monaten entfernte ich die Zahnkeime der bleibenden . 
Zähne aus dem Kiefer und Jiess die Tiere ein Jahr lang leben. Dann | 


skelettierte ich den Schädel und machte die Wahrnehmung, dass sich 
auf der Seite, wo ich die Operation vorgenommen hatte, eine wesentliche 
Veränderung nicht nur des Kiefers, sondern auch des Schädels zeigte. 
(Demonstration an Lichtbildern.) 

Es zeigte sich auf der Seite, wo die Zähne geblieben waren, ein 
kräftiges Breitenwachstum, wie es normalerweise zu erwarten war, 
während sich auf der Seite, wo die Zähne entfernt waren, vollständige 
Degeneration des Schädels eingestellt hatte. Sie sehen diesen Jochbogen 
viel enger als diesen. Auch der Kiefer ist enger, und der hintere Teil 
des Schädels. 

Es war nun anzunehmen, dass vielleicht der Masseter oder der 
Temporalis, da am Oberkiefer die Zähne fehlten, atrophisch geworden 
sei und deshalb Degeneration des ganzen Kiefers eingetreten wäre. Aber 
das war nicht der Fall. Ich habe hier dasselbe Experiment am Unter¬ 
kiefer eines Hundes gemacht. Trotzdem blieb am Oberkiefer das Breiten¬ 
wachstum genau so wie auf der anderen Seite vorher. 

Bei diesem Hunde (Bild) habe ich sämtliche Zahnkeime am Ober¬ 
kiefer auf beiden Seiten herausgenommen, sowohl die Keime der Milch- 
zäbne wie die der bleibenden Zähne. Sie sehen, dass der Kiefer etwa 
um 1 / 2 cm im Wachstum zurückgeblieben ist. Also auch das Längen¬ 
wachtum von hinten nach vorn wird durch die Zähne beeinflusst. 

Es war also anzunebmen, dass das Breitenwacbstum des Schädels 
durch das Wachstum der Zähne bedingt ist. Um dies beweisen zu 
könneü, brachte ich an einem Hunde, der bereits die Milchzäbne hatte, 
oberhalb derselben ein kleines Fenster an, d. b. ich trug von dem Ober¬ 
kiefer die Knochenwand ab. Ich machte nach kurzer Zeit die Wahr¬ 
nehmung, dass die bleibenden Zähne in horizontaler Richtung zum 
Durchbruch kamen, so dass der Kiefer sozusagen zwei Etagen von Zähnen 
hatte, die Milchzähne unterhalb und die bleibenden Zähne oberhalb. 
Daraus schloss ich, dass tatsächlioh in den Zähnen die Tendenz nach 
einem centrifugalen Wachstum liegt, und dass sich diese Tendenz auch 
auf das Wachstum des Kiefers überträgt, so dass die Zähne eigentlich 
das Breitenwachstum des Kiefers bedingen. loh machte aber noch eine 
andere Wahrnehmung. Es fehlte nämlich der Alveolarfortsatz vollständig. 
Daraus war auch zu schliessen, dass durch die Zähne erst der Alveolar¬ 
fortsatz erzeugt wird, und dass es ohne Zähne keinen Alveolar¬ 
fortsatz gibt. 

Das Experiment, das ich an Tieren gemacht hatte, konnte ich 
klinisch an zwei Fällen bestätigen, an zwei Brüdern von 27 und 
! 28 Jahren, die nur zwei und drei Milchzähne und sonst nie Zähne be¬ 
sessen hatten. 

Auch hier sieht man, dass das Breitenwachstum des Kiefers bedingt 
ist durch die Zähne. Der Oberkiefer ist bedeutend kleiner al9 der 
Unterkiefer. Und wenn wir diesen Oberkiefer genauer betrachten, sehen 
wir auch, dass der Alveolarfortsatz vollständig fehlt, der Gaumen voll¬ 
ständig flach ist. Wir linden hier bestätigt, was das Tierexperiment 
schon gezeigt hat, dass sowohl das Breitenwachstum des Kiefers wie das 
des Alveolarfortsatzes unbedingt von den Zähnen abbängen muss. 

Der Einfluss, den die Zähne auf den Schädel hatten, indem sie 
einerseits das Breitenwachstum des Schädels oder des Kiefers bedingen, 
andererseits das des Alveolarfortsatzes, liess erwarten, dass sich auch 
schliesslich auf den inneren Bau der Nase der Einfluss bemerkbar 
machen muss. Ich machte deshalb dasselbe Experiment noch einmal, 
indem ich bei einem Hunde auf der einen Seite die Zahnreihe direkt 
nach der Geburt entfernte, dann die Zahnkeime der bleibenden Zähne, 
nach einem Jahr den Schädel skelettierte und einen Frontalschnitt 
machte (Bild). Sie sehen, wie der Nasenbodeu auf der Seite, wo die 
Zähne fehlen, im Wachstum zurückgeblieben ist, d. b. er ist nicht mit 
^ nach unten gerückt wie auf der anderen Seite, sondern um ungefähr 
3 mm zurückgeblieben. 

Wenn wir uns fragen, wie das möglich ist, so sehen wir die Antwort 
schon im Embryo (Bild). Sie sehen hier den Frontalschnitt eines fünf 
Monate alten Embryos. Die Lagerung der Zahnkeime findet in der Weise 
statt, dass sie oberhalb des Nasenbodens liegen und unterhalb der 
unteren Muschel. Das Wachstum entwickelt sich nun so, dass die Zähne 
nach aussen und unten streben. Gleichzeitig wächst aber der Teil zwischen 
Muschel- und Nasenboden mit, so dass durch das Wachstum der Zähne 
das Nachuntenrücken des Nasenbodens bedingt ist. Deshalb ist bei dem 
Hunde auch der Nasenboden auf der Seite, wo die Zähne fehlten, zurück¬ 
geblieben, d. h., er ist nicht mit heruntergegaDgen. 

Dieses Wachstum der Zähne nach aus9en sehen wir am Frontal¬ 
schnitt eines Erwachsenen ebenfalls bestätigt (Bild). Sie seheü, wie der 
Zahn mit der Wurzel bis an den Nasenboden ragt, wie er nach aussen 
strebt und wie er mit seinem Wachstum den Bogen des Gaumens be¬ 
dingt und auch nach unten den Alveolarfortsatz. Im Gegensatz hierzu 

sehen Sie, dass z. B. die Entfernung der Zahnwurzel vom Nasenboden 

am hohen Gaumen (Bild) fast 1 cm beträgt. Wir kommen dadurch zu 
der Annahme, dass der hohe Gaumen möglicherweise dadurch zustande 
kommen könnte, dass die Lagerung der Zahnkeime sich nicht, wie wir 
vorhin gesehen haben, oberhalb des Nasenbodens befindet, sondern unter¬ 
halb, dass also der Zahn, wenn er sich entwickelt, den Nasenboden 

nicht mit nach unten nehmen kann. Auch das Streben der Zähne nach 
aussen fällt bei dem hohen Gaumen weg. 

Wenn die Annahme, dass der höbe Gaumen durch die Lagerung 
der Zahnkeirae bedingt ist, richtig ist, so müssen wir schon im Embryo 
dies nachweisen können, was auch der Fall ist (Bild). Sie sehen hier 
die Zahnkeime unterhalb des Nasenbodehs und bereits die starke Wölbung 
des Gaumens. Ferner haben Sie hier ein ungefähr 8 Monate altes Kind 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 



1614 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


(Bild). Auch hier sehen Sie schon den hohen G&umeD, auch hier die 
beträchtliche Entfernung vom Zahn zum Nasenböden und die hohe 
Wölbung des Gaumens. Also findet sich die Annahme bestätigt, dass 
der hohe Gaumen durch eine zu tiefe Lagerung der Zahnkeime bedingt 
und bereits im Embryo nachweisbar ist. Die Annahme, dass es einen 
hohen Gaumen gibt, ist insofern richtig, als der Nasenboden nicht voll¬ 
ständig nach unten ruckt. Aber das eigentliche Problem liegt doch 
im Alveolarfortsatz: wir haben eigentlich keinen hohen Gaumen, sondern 
nur einen verlängerten Alveolarfortsatz. Es ist interessant, dass einem 
verlängerten Alveolarfortsatz des Oberkiefers auch ein verlängerter 
Alveolarfortsatz des Unterkiefers entspricht. Sie sehen hier den hohen 
Gaumen in der vorderen Partie des Mundes. Dem entspricht ein ver¬ 
längerter Alveolarfortsatz des Unterkiefers an dieser Stelle. Es gibt 
also keinen einheitlichen hohen Gaumen, sondern da wir von der An¬ 
nahme ausgegangen sind, dass er durch die Lagerung der Zahnkeime 
bedingt ist, so ist es natürlich, dass in jeder Zone des Mundes ein hoher 
Gaumen möglich sein muss. Hier sehen wir durchgängig den hohen 
Gaumen, und dem entspricht auch ein hoher Alveolarfortsatz des ganzen 
Unterkiefers (Bild). Hier sehen wir den hohen Gaumen der hinteren 
Partie. Diesem entspricht auch ein hoher Alveolarfortsatz des hinteren 
Teils des Unterkiefers (Bild). 

Wenn wir uns nun denken, dass beim hohen Gaumen der Alveolar¬ 
fortsatz des Unterkiefers in seiner vertikalen Richtung verlängert ist und 
ebenso der Alveolarfortsatz des Oberkiefers, ferner dass bei diesem hohen 
Gaumen auch die enge Nase vorhanden ist, so kommen wir zu der Idee, 
dass dadurch die Leptoprosopie möglicherweise erklärt sein könnte. Es 
ist interessant, dass tatsächlich den Völkerschaften, die zur Leptoprosopie 
neigen, meistens den nordischen Völkerschaften, die Resonanz der Nase 
fehlt oder bei ihnen nicht so entwickelt ist wie bei den Südländern, wo 
mehr das Breitenwachstum vorhanden ist. Möglicherweise hängt vom 
Schädelbau das jeweilige Sprachidiom ab. Wenn wir vergleichen, so 
haben beispielsweise die nordischen Völkerschaften, z. B. die Engländer, 
auch weniger berühmte Sänger als die Südländer, Italiener, Franzosen. 
Das mag eben dadurch bedingt sein, dass infolge der engen Verhältnisse 
der Nase durch die Zahnlagerung das Mitklingen der Luft weniger mög¬ 
lich ist als bei der breit entwickelten Nase. Die Sprache der nordischen 
Völkerschaften ist auch mehr eine Zungenspraohe. 

Nun ist Ihnen bekannt, dass, wo ein hoher Gaumen und enge Nase 
ist, auch meist Adenoidenwucherungen vorhanden sind. Ich kam daher 
auf die Idee, ob vielleicht die Aetiologie der Adenoiden möglicherweise 
dadurch erklärt werden könnte, dass die Nase nicht genügend Luft hat 
und die betreffenden Personen zur Mundatmung gezwungen sind, so dass 
im Nasenrachenraum dadurch ein luftverdünnter Raum entsteht; man 
könnte annehmen, dass dieser luftverdünnte Raum eine Saugwirkuog 
ausübt, und diese Saugwirkung würde durch die Hyperämie, die ent¬ 
steht, die Adenoiden zur Erscheinung kommen lassen. Ich konstruierte 
mir dieses Instrument (Demonstration) und schob es einem Patienten 
durch den Mund hinter die Uvula in den Nasenracben. Ich liess die 
Nase zuhalten und durch den Mund atmen. Tatsächlich findet sich 
dann ein kolossal starker negativer Druck. Ich bin dann weiter gegangen 
und habe einem Hund die Nase zugenäht. Es war eine schwere Operation, 
weil die Hunde an der Wand die Nähte immer wieder aufreissen. Es 
ist mir aber gelungen, einen Hund 11 Monate mit verschlossener Nase 
zu halten (Bild). Sie sehen hier den Hund mit der zugenähten Nase. 
Die kleinen Oeffnungen haben sich allmählich entwickelt, weil der Kiefer 
wuchs und dadurch auch zwischen den Fäden eine kleine Erweiterung 
stattfand. Als der Hund plötzlich starb und ich den Schädel skelettierte, 
fanden wir die Nase kolossal erweitert. Die Muscheln fehlten, der 
hintere Gaumenteil war etwas nach unten gedrängt, wahrscheinlich durch 
das Streben des Hundes, bei der Exspiration die Luft durch die Nase 
naoh aussen zu pressen. Die ganze Nase war erweitert. Interessant 
ist eben, dass die Muschel fehlt. Möglicherweise wird ihr Wachstum 
mit von der Atmung beeinflusst. Der Hund hat bei Lebzeiten gut ge¬ 
hört und vorzüglich gerocheD, jedenfalls durch den Mund. Ich habe 
wiederholt durch Experimente das festgestellt. Unerklärlich ist der Tod. 
Bald nach seinem Tode fanden wir die Uvula hinter der Epiglottis. Es 
ist möglich, dass in dem Bestreben zur Exspiration die Epiglottis vor 
die Uvula gerückt ist, so dass bei der Inspiration keine Luft durch 
Nase und Mund dringen konnte, was den Tod des Hundes zur Folge 
haben konnte. Der Diener sagte, kurz vorher habe er ihn noch ge¬ 
füttert, und kurze Zeit darauf war er tot. Adenoide entstanden nicht. 

Zur Dehnung des Gaumens habe ich eine Schraube konstruiert naob 
dem Vorgänge von Eysel und Schröder in Cassel. Damit dehne ich 
den Gaumen. Ich gehe von dem Gedanken aus, dass die Sutura pala- 
tina gedehnt und die Nase dadurch erweitert wird (Bild). Sie sehen 
auch, wie die Sutura aüseinaudergedrängt wurde (Bild). Hier sehen Sie 
ferner das Bild einer Patientin mit der Schraube. Auch eine lebende 
Patientin erlaube ich mir Ihnen vorzuführen. Es fragt sieb, was wird 
aus der Sutura palatina, die nun plötzlich so stark gedehnt wird. Ich 
habe, um dies festzustellen, einem Hunde, nachdem ich ihm die Schleim¬ 
haut des Gaumens gelöst hatte, zwei Elfenbeinkeile in die Sutura pala¬ 
tina hineingezwängt, so dass zwischen den Elfenbeinkeilen eine klaffende 
Nabt. war. Nach 6 Monaten habe ich das Tier getötet (Bild). Sie sehen, 
die Naht, die vorher geklafft hatte, ist vollständig von Knochen ausgefüllt, 
und die Nase ist um diese Dehnung dadurch geweitet. Die Elfenbein¬ 
keile sind organisiert und vollständig mitverwachsen. Bei der Dehnung 
des Gaumens geht ein trophische> Reiz über den ganzen Schädel. Auch 
auf den Unterkiefer geht dieser Reiz über und bewirkt eine Dehnung 


(Bild). Also der Oberkiefer wirkt bei der kieferorthopädischen Behand¬ 
lung dehnend auch auf den Unterkiefer. Sie sehen also, dass durch diese 
Dehnung des Oberkiefers nicht nur die Nase gedehnt und die Nasen¬ 
atmung wiederhergestellt wird, sondern dass auch ein trophischer Reiz 
über den ganzen Schädel geht und dadurch die verengten Stellen im 
Gaumen usw. erweitert werden und eine freiere Girculation im ganzen 
Schädelgefüge hervorgerufen wird. 

Diskussion. 

Hr. Gutzmann: M. H Ich will weniger auf die Aetiologie des 
hohen Gaumens eiDgehen, für die jedenfalls nicht allein das in Frage 
kommt, was der Herr Vortragende gesagt bat, sondern auf einige seiner 
Nebenbemerkungen, die sich auf sprachliche und gesangliche Probleme 
beziehen. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass ein schön ge¬ 
wölbter, normaler Gaumen Einfluss auf den Klang der Sprache hat. Wir 
haben bei guten Sängern und Sängerinnen wohl kaum jemals hohen, 
sohm&len Gaumen, kielförmig geknickten Gaumen usw. geseheD; gute 
Ges&ngskünstler haben auch schöne, wohlgewölbte Gaumen, die den 
nötigen Reson an ziaum des Mundes sohaffen. Was die Nase dabei an 
Resonanz mit leistet, ist gewöhnlich nur das, was durch den barten 
Gaumen fortgeleitet wird, wenn man nicht direkt durch die Nase singt. 

Was die Gesangskunst nordischer Völker betrifft, so möchte ich be¬ 
tonen, dass es z. B. unter den Schweden ausgezeichnete Sänger und 
Sängerinnen gibt, so dass die Bemerkung des Herrn Vortragenden, dass 
die nordischen Völker hohe Gaumen vielfach haben und wenig gute 
Sänger produzieren, nioht recht zutrifft. Ich selbst habe längere Zeit 
in Schweden Vorlesungen gehalten und dabei auch Gelegenheit gehabt, 
Gaumen von Sängern und Sängerinnen zu sehen. Abnormes ist mir 
nicht aufgefallen. Immerhin sind gelegentliche Beobachtungen kein zu¬ 
verlässiges Material und systematische Untersuchungen fehlen, soviel ich 
weiss, vorläufig noch. 

Was die Sprechweise betrifft, so ist es sicher, dass der Engländer 
eine besondere Art des Spraohklanges hat, die er duroh seine eigen¬ 
artige „Artikulationsbasis“ erzeugt. Der Engländer sohiebt nämlich den 
Unterkiefer nach vorn. Es fragt sich, ob er das von Kindheit an macht, 
weil er es naohahmt, oder ob sein Spreohorgan anatomisch so angelegt 
ist, dass sich daraus die Neigung, mit vorgeschobenem Unterkiefer zu 
sprechen, erklärt. Jeder von uns, der Englisch richtig aussprechen will, 
muss es ebenso machen, damit der englische Klang herauskommt. 
Auch der Deutsche hat eine bestimmte Art der Artikulationsbasis, in 
der er spricht, ebenso die Romanen. Die Romanen z. B. haben die 
Neigung, die Artikulationsbasis so zu verändern, dass sie den Mund vor¬ 
schieben. Wenn Sie sich die kinematographischen Bilder eines redenden 
Franzosen anseben, wie er die Zähne fletscht, den Mund weit vorwölbt, 
dann sieht das so aus, als wenn er mit grösster Kraft sprachlich arbeitet. 
Das kann mit der Oberkieferform nichts zu tun haben, sondern das sind 
durch Nachahmung entstandene Gewohnheiten. 

Ebenso bat man früher behauptet, dass die Hottentotten ganz be¬ 
sondere Verhältnisse des Gaumens und der hinteren Raohenwand hätten, 
weil sie die für Europäer schwierigen Schnalzlaute machen. Schnalz¬ 
laute machen wir aber auch, nur sind sie bei uns zu einfachen Aus¬ 
drucksbewegungen geworden: der Schnalzlaut mit der Zungenspitze beim 
Bedauern, der Schnalzlaut njit dem Zungenrücken beim Hetzen und der 
Schnalzlaut mit den Lippeü, der Kuss, ist ein bekannter Gefüblsaus- 
druck. Schwierig ist nur die Verbindung dieser Schnalze mit unseren 
exspiratorisch erzeugten Vokalen. Wenn aber europäische Kinder, die 
Kinder der Missionare unter Hottentotten aufwachsen, lernen sie die 
Laute sehr gut sprechen, woraus hervorgeht, dass Rasse und anatomische 
Verhältnisse des Gaumens usw. keinen Einfluss haben. Was der Herr 
Vortragende über die embryonale Knochenanlage beim Embryo mit¬ 
teilte, war mir ganz neu; ich habe das bis jetzt noch nicht gesehen. 

Hr. Peyser: M. H.! Das Wesentliche des Vortrags schien mir darin 
zu liegen, dass der Versuch gemacht wurde, naohzuweisen, ob der hohe 
Gaumen eine erworbene oder angeborene Eigenschaft ist. Sie wissen ja, 
dass dieses Thema schon seit Jahren, besonders in den Siebenmann- 
schen Untersuchungen, eine grosse Rolle gespielt bat, dass exakte 
Messungen vorgenommen und Schlüsse daraus gezogen worden sind. 
Als ich mich vor Jahren mit der Frage beschäftigte, die Untersuchungen 
hier auch vorgetragen habe, musste ich sagen, dass sie noch nicht ge¬ 
klärt ist. Sie ist es wohl jetzt auch noch nicht. Deshalb hat jeder 
Beitrag, der geeignet ist, uns der Klarheit näherzubringen, wissenschaft¬ 
liche, aber auch praktische Bedeutung. Wenn man von dem Stand¬ 
punkt ausgeht, der früher vorherrschte, dass der Verschluss der Nase 
allmählich zum hohen Gaumen führe, dann müsste man bei Kindern, 
bei denen man z. B. Adenoide feststellt, diese sehr früh herausoebmeD, 
um der eventuellen Entstehung eines hohen Gaumens vorzubeugen, denn 
der hohe Gaumen ist keine sehr nützliche Beigabe für das Leben. Wenn 
man aber die Adenoidenoperation noch so oft bei Kindern wiederholt 
und doch nicht verhindern kann, dass ein hoher Gaumen entsteht, dann 
hat die Adenotomie aus dieser Indikation heraus keinen grossen Zweck. 
Ierstehe auf dem Standpunkt, dass die zweite Theorie richtig ist, dass 
es sich in der Tat um eine angeborene Veranlagung handelt. Das kann 
man noch ausser der Methode, die Herr Landsberger in seinen 
Arbeiten angewendet hat, durch Familienforschung nachzuweisen ver¬ 
suchen. Ich habe das in der letzten Zeit getan und kann darüber nur 
eine vorläufige Mitteilung machen. Ich habe bei meinen Patienten mit 
ausgesprochen hochgradig engen, spitzbogenförmigen Gaumen daiauf ge* 
achtet, ob festzustellen war, dass etwas Derartiges in der Familie liege. 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1615 


7. September 1914. 





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Man kann das in der Tat häufig feststellen. Merkwürdig ist z. B. in 
einer Familie, wo man den hohen Gaumen durch drei Generationen ver¬ 
folgen kann, dass er sich immer nur auf die männlichen Mitglieder der 
Familie übertragen hat, die an einem ganz ausgesprochen engen, spitzen, 
hoben Gaumen leiden. Der Vater des jetzigen Patienten ist sogar des¬ 
wegen und wegen der Begleiterscheinungen an den Halsorganen aus 
seiner Offizierskarriere herausgekommen. Dann habe ich wieder eine 
Familie, wo der hohe Gaumen von der Mutter auf die Töchter, aber 
nicht auf die Söhne übergegangen ist, usw. Es liegen da noch eine 
ganze Menge Probleme, und ich möchte die Aufmerksamkeit der Herren 
Kollegen darauf lenken, dass man auf diesem Wege vielleicht einen 
exakten Nachweis des hohen Gaumens durch Veranlangung erbringen 
könnte. Auch ein anderer Grund spricht noch dafür. Wenn der hohe 
Gaumen durch Verstopfung der Nase sekundär entstanden wäre, dann 
dürften wir ihn wohl als erworbene Eigenschaft betrachten, und er¬ 
worbene Eigenschaften vererben sich bekanntlich sehr schwer und sehr 
unregelmässig. Wenn es aber nacbgewiesen würde, dass der hohe 
Gaumen generationsweise sich vererbt, dann ist das ein Moment, das 
dafür spricht, dass wir es in der Tat mit einer vorhandenen Ver¬ 
anlagung zu tun haben. Ob das nun allein von den Zahnkeimen 
kommt, wie Herr Landsberger meint, was nach seinen Präparaten 
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, oder andere Momente mit¬ 
spielen, kann man nicht sofort entscheiden. 

Hr. Gutzmann: Ich habe vorhin noch vergessen, auf das Experiment 
des Herrn Vortr. einzugehen. Es handelt sich darum, ob durch 
das Nasenzumachen, durch Vernähung der Nase (Hr. Landsberger: 
Ich habe einem Versuchspatienten die Nase zugehalten!), durch das 
Nasenzuhalten ein luftverdünnter Raum entsteht. Denken Sie siob, die 
Nase ist offen, und es kommt bei der gewöhnlichen Atmung Luft durch 
die Nase. Bringen Sie in den Luftstrom das kleine Instrument, dann 
wird auch in ihm ein Ueberdruok stattfinden. Nun halten Sie die Nase 
zu: der betreffende Patient muss gezwungenermaassen durch den Mund 
atmen. Jetzt kommt es darauf an, wie sich das Gaumensegel einstellt. 
Stellt es sich so ein, dass es hinten völlig anschliesst, dann bekommen 
Sie vom Nasenraohen her überhaupt keinen Ausschlag; stellt es sich 
aber so ein, dass es nicht ganz schliesst — und das ist bei dieser Ver- 
suehsanordnung sehr wahrscheinlich —, dann wird durch die Mundluft¬ 
strömung die Luft im Nasenrachen mitgerissen, ähnlich wie bei den 
Wassergebläsen. Es entsteht im Röhrchen demnach Unterdrück. 

Dann wollte ich noch auf die Operation der Adenoiden und den 
Zusammenhang mit dem hohen Gaumen eingehen. Der bleibende hohe 
Gaumen dürfte wohl auch dadurch mitentstehen, dass die alte Gewohn¬ 
heit, den Unterkiefer herabhängen zu lassen, nicht ohne weiteres nach 
der Adenoidenoperation verschwindet. E. Bloch hat in einer sehr 
schönen Arbeit, die immer noch lesenswert ist, vor Jahren darauf hin- 
gewiesen, dass durch die lange Gewohnheit des offenen Mundes und 
hängenden Unterkiefers auch Veränderungen der Muskulatur eintreten. 
Ich habe seiner Zeit ein Mittel angegeben, um das zu vermeiden. Ich 
habe nämlich versucht, die Aktivität des Kindes dadurch zu wecken, 
dass ich ihm einen kleinen Stift in den Mund gab, der mit verschiedenen 
Gewichten belastet werden konnte und nun mit der Schliessmuskulatur 
des Mundes allmählich immer längere Zeit gehalten werden musste. 
Diese kleinen Uebungsstiftchen zur „Uebung im Mundhalten“ habe ich 
seinerzeit in der „Medizinischen Klinik“ beschrieben; sie sind an mehreren 
laryngologischen Kliniken mit Erfolg benutzt worden, so z. B. vom 
Kollegen Roth in Wien. 

Hr. E. Barth: Beachtenswert ist das Experiment, das Herr Lands¬ 
berger durch Vernähung der Nase beim Hunde angestellt hat. Es gibt 
Tiere (Säugetiere), welche überhaupt nicht durch das Maul atmen können. 
Pferde, denen man die Faciales durchschneidet, ersticken infolge Lähmung 
der Nüstern. Bei den Tieren ragt der Larynx viel höher in den Pharynx 
hinauf, so dass bei manohen ein Verschlucken gar nicht stattfinden kann. 
Es ist z. B. möglich, dass ein Elephant gleichzeitig die Harmonika bläst 
nnd Wasser trinkt. 

Hr. Stolte: Zur Beleuchtung des Versuchs, dass sich nach Zu- 
nähung der Nase keine wesentlichen Ernährungsstörungen eingestellt 
nnd die Hunde sich allgemeinen Wohlbefindens erfreut haben, auch zur 
Beleuchtung der Bemerkungen des Kollegen Barth möchte ich erwähnen, 
dass von Brown in Amerika eine ganze Reihe Versuche mit jungen 
Hunden angestellt worden ist, denen er die Nase wirklich zugenäht 
hat, so dass sie nicht atmen konnten. Bei einem Hunde war eine Aus¬ 
nahme gemacht worden. Die ersten drei, vier Wochen befanden sich 
sämtliche Hunde wohl und zeigten keine Ernährungsstörungen. Nach 
dem dritten Monat traten deutliche Ernährungsstörungen ein, sie 
schrumpften und blieben im Wachstum zurüok, und im sechsten Monat 
s ® m Uiche Versuchshunde an Inanition zugrunde. Das steht auch 
ln i Widerspruch zu diesem Versuch und bestätigt wiederum die Rückert- 
8 ^ er9uc ^ e » dass bei jungen Hunden, wenn man ihnen die Nase ver* 
jS * ^ a ^ 8 ?^ u ^ 8 i°ker der Tod durch Schrumpfung aller Gewebe eintritt. 
Jedenfalls weist das darauf hin, wie ungeheuer wichtig die Nasenatmung 

4 usser d en i sind von Brown Versuche durch Zusammendrüoken 
es Hiefers gemacht worden, dasselbe also, was wir bei weitem Gaumen 
unstlich durch Zusammenschrauben der beiden Oberkieferhälften aus- 
faiiK • . eses Experiment wurde bei normalem Gaumen gemacht, eben- 
w > * be !i^ aD ® en Kunden. Es stellte sich heraus, dass nach kurzer Zeit 
eits die Nasenweite, wie durch Messung festgestellt wurde, um 8 bis 


4 mm abnahm. Es trat in allen Fällen eine Deviation des Septums 
ein, es bildete sich eine Crista septi, das Septum bog sich nach einer 
Seite um. 

Das zeigt auch wiederum, dass die Hemmung der Entwicklung des 
Oberkieferwachstnms einen Einfluss auf die Nasenseptumverbiegungen 
hat loh glaube, dass die Ursache hauptsächlich in Waobstumsstörungen 
im intrauterinen Leben liegt, da ja jede Waohstumsstorung der Mutter, 
ob im Stoffwechsel oder traumatisch bedingt usw., auf die Bildung des 
Mundes einen Einfluss haben muss. 

Hr. Killian: Der Herr Vortragende hat uns mit einer ganzen Reihe 
von experimentellen Tatsachen bekannt gemacht loh möchte aber nicht, 
dass unsere Diskussion den Eindruck erweckt als wenn wir mit den 
Schlüssen, die in der Diskussion nicht berührt wurden, einverstanden 
wären. Mir scheint doch sehr vieles recht fragwürdig zu sein, loh bin 
auch nicht vollständig überzeugt von der Richtigkeit der Folgerungen 
in bezug auf den Verlust der Zähne. Auch kann das eine Präparat 
von einem menschlichen Embryo nicht beweisen, dass der hohe Gaumen 
angeboren vorkommt Es wäre eine Tatsache, die unsere Anschauungen 
vollständig auf den Kopf stellen würde. Wir haben uns bisher immer 
vorgestellt, dass der hohe Gaumen erworben wird. 

Dann möchte ich auf das eingehen, was Herr Peyser gesagt hat. 
Wenn Veränderungen wie hoher Gaumen in bestimmten Familien häufiger 
Vorkommen, so ist es durchaus nicht notwendig, dass die Deformität als 
solche vererbt ist es kann die Anlage zur Hypertrophie der Rachen¬ 
tonsille ererbt sein. Zu dieser Frage möchte ich nur bemerken, dass ich 
bei meinen früheren Untersuchungen von Neugeborenen gefunden habe, 
dass manche mit stärker entwickelter Rachentonsille auf die Welt 
kommen. In manchen Familien sind alle Kinder mit Adenoiden be¬ 
haftet. Da ist die Schlusfolgerung durchaus berechtigt, dass der hohe 
Gaumen erst später erworben wird. 

Hr. Peyser: M. H.! Wenn es so ist, dass die Rachenmandel das 
Primäre und der hohe Gaumen das Sekundäre wäre, dann könnte man 
sich vorstellen, dass in der sagenhaften Zeit, wo man noch keine Adeno¬ 
tomie kannte, wo die Adenoiden sich selbst überlassen waren, der fort¬ 
wirkende Reiz die Entstehung des hohen Gaumens zustande gebraoht 
hat. Man würde sich aber doch sehr schwer erklären können, dass in 
einer Zeit, wo der Vater schon sehr viel mit dem Arzt zu tun gehabt 
hat und die Kinder in sehr frühem Alter adenotomiert wurden, trotz 
einmaliger oder mehrmaliger Adenotomie doch ein hoher Gaumen zu¬ 
stande kommt. Das ist eben der Punkt, der mir und anderen zu denken 
gegeben hat. Darum wäre es wichtig, dass sich auf diesen Punkt die 
Forschung konzentrierte. 

Dann etwas anderes. Wenn der hohe Gaumen und die Adenoiden 
zusammen bestehen, und man würde jetzt versuchen, die Adenoiden zu 
lassen, den hohen Gaumen aber in dem Alter, wo es noch schnellen Er¬ 
folg verspricht, zu dehnen, dann müsste doch einmal beobachtet werden, 
ob nicht mit der Abflachung des Gaumens — genau 90 wie manche De¬ 
viation des Septums zurückgeht — eine Verkleinerung der Adenoiden- 
vegetation im Nasenrachenraum zustande kommt. Ausserhalb des Be¬ 
reichs der Möglichkeit scheint das nicht zu liegen. Die Frage ist nach 
meiner Meinung trotz der Anschauung, die Herr Geheimrat Killian vor¬ 
hin erwähnt hat, durchaus noch nicht geklärt. 

Hr. Halle: E9 scheint mir nicht genügend, dass man bei Kindern 
nur die Adenoiden beseitigt. Oft genug liegt die Ursache der ungenügen¬ 
den Respiration nicht hier, sondern in der Nase, und der mangelhafte 
Erfolg der Operation liegt daran, dass man vielfach noch fälschlicher¬ 
weise glaubt, dass z. B. bestehende Muschelhypertrophie sich nach 
Adenotomie zurückbilde. Ich habe eine ganze Reibe solcher Fälle be¬ 
obachtet und muss gestehen, dass ich recht günstige Erfolge gesehen 
habe, auch in bezug auf Beseitigung des hohen Gaumens, wenn man auf 
Herstellung der Respiration durch die Nase achtet. Die wiederholte 
Adenotomie maoht es nicht. 

Hr. Richard Landsberger (Schlusswort): Dass der hohe Gaumen 
angeboren ist, habe ich nicht nur durch das eine Bild, das embryonale 
Bild, nachgewiesen, sondern auch durch ein Bild, wo ein Kind nach acht 
Monaten bereits den hohen Gaumen hatte. Das sind nicht nur zwei 
Bilder, sondern eine Entwicklung; es sind zwei Fälle, die darauf hin¬ 
deuten, dass der hohe Gaumen tatsächlich angeboren ist. Es ist ja 
furchtbar schwer, bei embryonalen Untersuchungen auf Fälle zu treffen, 
wo man gleich den hohen Gaumen mit der typischen Wölbung findet. 

Dann ist gesagt worden, dass die Schweden sehr gute Sänger 
haben, und man hat mich dabei immer auf die Lind verwiesen. Ich 
habe ganz zufällig gehört, dass die Lind nicht eine ganz reine Schwedin 
sei, sondern dass eine ihrer Voreltern romanischer Abkunft sei. 

Dass der hohe Gaumen vererbt ist, erklärt sich dadurch, die 
Zahnanlage so vererbt ist. Die Heredität liegt nicht im hohen Gaumen, 
sondern in der Zahnanlage, und der hohe Gaumen ist erst sekundär. 
Die Adenoiden beginnen zu verschwinden, oft schon im 12. Jahr, 
wenigstens gehen sie da zurück. Wenn die bleibenden Zähne 
kommen, verflacht sich nämlich der Gaumen. Das ist eine Beobachtung, 
die ich häufig gemacht habe. Kinder, die noch Milchzähne haben, haben 
einen viel engeren Gaumen als Kinder, die schon über bleibende Zähne 
verfügen. Es mag vielleicht von teleologisoher Bedeutung das Wechseln 
der Zähne sein, dass die Zähne eben auf die Entwicklung des Schädels 


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UNIVERSUM OF IOWA 




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BERLINER KLINISCHE W OCHENSCHRIFT. 


Nr. 36. 


wirken, weil die bleibenden Zähne viel mehr Raum bedürfen und da¬ 
durch Einfluss auf das Wachstum des ganzen Schädels und des Gaumens 
haben. 

(Schluss folgt.) 


Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater- 
ländische Cnltnr zn Breslau. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 3. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Ubthoff. 

Schriftführer: Herr Part sch. 

Hr. S. Weil: 

lieber die Bedentang des Cholestearins für die Entstehung von Riesen- 
zellengescbwfilsten der Sehnen und Gelenke. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Stumpf weist auf das häufige Vorkommen sogenannter Xanthora- 
zellen bei recht verschiedenartigen Krankheiten hin. Sie treten unter 
anderem gelegentlich dort auf, wo lokale Störungen der Saftcirculation 
vorhanden sind. Vielleicht spielt dieser Umstand auch bei ihrem Auf¬ 
treten in den vom Herrn Vortr. besprochenen Tumoren eine Rolle. Ob 
die Ablagerung der doppelbrechenden Substanzen hier als primär oder 
sekundär aufzufassen ist, d. h., ob ihre lokale Anhäufung dem Auftreten 
der Tumoren vorausgeht und sie verursacht, wie der Vortr. annimmt, 
oder ob sie erst nachträglich in dem neugebildeten Gewebe zur Ab¬ 
lagerung kommen, müssen noch weitere Untersuchungen lehren. 

Hr. Biberfeld: 

Ueber dag Verhalten der Glnknronsänre im Organismus. 

Der allgemeinen Annahme nach wird freie Glukuronsäure im Orga¬ 
nismus glatt verbrannt, wenn die (parenteral) eingebrachte Menge nicht 
übermässig gross ist. Die Glukuronsäure gilt auch bei den meisten 
Autoren als die erste Abbaustufe des Traubenzuckers. Vortr. hat in 
einer grösseren Reibe von Versuchen, die alle gleichtnässig verliefen, 
gezeigt, dass diese Annahme durchaus nicht zutrifft, sondern dass sub- 
cutan oder intravenös injizierte Glukuronsäure quantitativ im Harn 
wiedererscheint; selbst kleine Meogen (0,39g) sind für den Organismus 
unangreifbar und auch Tiere, die gehungert haben, vermögen nicht die 
Glukuronsäure zu verbrennen. — Die in den Versuchen benutzte 
Glukuronsäure war aus dem Harn von Kaninchen gewonnen, die mit 
Menthol oder Araylenhydrat gefüttert waren; beide Glukuronsäuren zeigten 
das gleiche Verhalten. — Vortr. zieht aus seinen Versuchen den Schluss, 
dass die Glukuronsäure kein „normales“ Stoffwechselprodukt sei. 

(Der Yortrag erscheint ausführlich in der Biochemischen Zeitschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Pohl: Die Unangreifbarkeit eines Körpers mit einer endständigen 
Aldehydgruppe wird vielleicht Befremden erregen. Doch gibt es hierfür 
ein weiteres Analogon: die Glyoxylsäure COH • COOH, die eine Zeitlang 
als solche im Körper kreist, die physiologische Wirkung des Pulsus 
alternans entfaltet und dann erst in Oxalsäure übergeht. 

Hr. RosenfeId: Die Unangreifbarkeit der Aldehydgruppe ist äusserst 
merkwürdig: ist es doch gerade deren so leichte Oxydabilität, die Emil 
Fischer veranlasst hat, um das Ausbleiben ihrer Oxydation bei der 
Bildung der gepaarten Glukuronsäuren und die Oxydation an der 
Alkoholgruppe zu erklären, die Annahme einer primären Glykosidbildung 
zu machen. Hierdurch würde zunächst die Aldebydgruppe geschützt, 
es entstände darum keine Glukousäure, sondern Glukuronsäure. Diese 
Oxydation an der Alkoholgruppe in dem Glykosid gelingt ja auch dem 
Diabetiker — schade, dass die tatsächliche Beobachtung in Ueberein- 
stimmuDg mit den Versuchen des Vortr. zeigen, dass nach der ersten 
Oxydationsstufe die Verarbeitung nicht weitergeht, obwohl ja gerade 
dieser Ausscheidungszwang für Glukuronsäure den Vorteil hätte, dass 
der Glukuronsäurepaarling aus dem Körper ausgemerzt würde. 

Hr. Röhmann: Die Bildung der gepaarten Glukuronsäuren ist nach 
der jetzt zumeist als richtig angenommenen Ansicht so zu erklären, 
dass die eingeführte Substanz rieh mit dem Zucker paart und das so 
entstandene Glykosid oxydiert wird. Redner hält es trotz der an sich 
gewiss beachtenswerten Versuche des Vortr. für möglich, dass die im 
Stoffwechsel entstehenden gepaarten Glukuronsäuren zum Teil durch ein 
vom Redner in den Organen, speziell der Leber, naebgewiesenes Enzym 
gespalten werden und an dem Orte der Entstehung weitere Umwandlungen 
erfahren. Aus dem Verhalten der per os eiDgeführten Substanzen dürfe 
man keine zu weitgehenden Schlüsse auf das Verhalten der im Stoff¬ 
wechsel entstehenden Stoffe machen. 

Hr. Biberfeld (Schlusswort): Herrn Röhmann gegenüber möchte 
ich betonen, dass in der Glukuronsäurefrage nur 2 Tatsachen feststehen: 
erstens gepaarte Glukuronsäuren werden im Organismus nicht zerstört, 
zweitens auch freie Glukuronsäure ist für den Organismus nicht angreif¬ 
bar. Daraus folge mit zwingender Logik, dass die Glukuronsäure kein 
intermediäres Produkt des Kohlenhydratstoffwechsels sein könne. 

Hr. Richard Levy: Lymphocytäre Tumoren der Zange. 

In einem Falle lag ein erbsengrosser Knoten des Zungenrückens, im 
andern ein über kirsobgrosser Tumor vor. Beides waren Männer über 


GO Jahre. Die Geschwülste waren rasch gewachsen, nicht scharf gegen die 
Zungensubstaoz abgesetzt, Konsistenz hart. Schmerzen bestanden nicht. 
Im zweiten Fall, der als Carcinom zur Operation überwiesen war, Hessen 
sich harte Drüsen an beiden Kieferwinkeln nachweisen. Wassermann- 
sche Reaktion negativ. Für Tuberkulose fand sich kein Anhalt. Die 
Tumoren hatten auf dem Durchschnitt eine weisslich-graue ins gelbe 
spielende Farbe, der grössere erschien in der Mitte weicher, als an der 
Peripherie. Histologisch bauten sich beide Geschwülste aus Rundzellen 
auf mit nicht sehr stark tingiertera Kern und etwas grösserem Proto¬ 
plasmasaum, als einfache Lymphocyten. Die Muskulatur in der Nach¬ 
barschaft, auch von diesen lymphocytäreo Gebilden reich durchsetzt, 
erscheint stellenweise wie erdrückt durch sie. Spärliche reticuläre Stütz¬ 
substanz; hier und da Anhäufung eosinophiler Zellen. Keine Riesen¬ 
zellen. Heilung seit lf 4 bzw. l 3 /< Jahren nach einfacher Excision. 
Offenbar lagen hier keine Rundzellsarkome vor, obwohl eine histologische 
Differenz nicht existiert. Der klinische Verlauf spricht gegen Lympho- 
cytom im Sinne Ribbert’s, da dieser dieselben zu den maligüen 
Tumoren rechnet. Klinisch unterscheiden sich die hier beschriebenen 
Geschwülste von den bösartigen Tumoren der Zungensubstaoz durch 
das Fehlen voo Schmerzen, vor den Sarkomen der Zungentonsille durch 
den Sitz. 

Diskussion. Hr. Coenen demonstriert ein wall nussgrosses Hyper¬ 
nephrom, das aus der Zungenbasis einer 62 jährigen Frau exstirpiert 
wurde. Die Frau hatte sonst keine Anzeichen eines malignen Neben- 
nierentumors. 


Breslauer psychiatrisch-neurologische Vereinigung. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 25. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr C. S. Freund. 

Hr. C. S. Freund: 1. Polycythämie. 

Seit den Arbeiten von Osler (1895) und von Geisböck (1905) ist 
die Kenntnis der primären oder richtiger kryptogenetischen Fälle von 
Polycythämie sehr vermehrt worden. Von der Neurologie wurden bisher 
dieso Forschungen wenig beachtet. Nach R. Stern 1 ) handelt es sich 
fast stets um nervöse leicht erregbare Menschen, die seit der Jugendzeit 
au schwerer Migräne leiden oder durch jahrelange, verantwortungsvolle, 
aufreibende Tätigkeit nervös geworden sind. Die Krankbeitsbeschwerden 
(Schwindel, Kopfschmerzen, aufsteigende Hitze, starker Durst, Ohren¬ 
sausen, zuweilen Ohnmachtsanfälle, zeitweise Erbrechen, Migraine 
ophthalmique, schlechte Merkfähigkeit, sehr gereizte, niedergedrückte 
Stimmung) weisen eher auf ein funktionelles Nervenleiden hin als auf 
eine interne Erkrankung. Demgemäss wird in allen diesen Fällen zu¬ 
nächst die Fehldiagnose „Neurasthenie“ gestellt. Das auffallendste ob¬ 
jektive Symptom, sofern es überhaupt vorhanden ist, ist die rötliche 
oder bläulichrötliche Verfärbung der Haut und sichtbaren Schleimhäute. 
Die meisten Fälle sehen vortrefflich genährt und blühend aus, aber 
manche Patienten sind eher mager und nicht „vollblütig“ oder cyanotiscb, 
sondern echauffiert. Manche können, so lange der Blutandrang nach¬ 
lässt, wie anämisch oder wie bepudert ausseben. In vielen Fällen 
fehlen, abgesehen von dem Blutbefund, anderweitige objektive Symptome, 
in anderen besteht Milzvergrösserung, geringfügige Albuminurie, an den 
Netzhautvenen starke Verbreiterung und abnorme Schlängelungen mit 
partiellen länglichen oder spindelförmigen Ausbuchtungen (Uhthof0» 
und von zeitweisen Nervensymptomen: Meniere’sche Anfälle, inter¬ 
mittierendes Hinken, Erythromealgie, häufig kompliziert mit Gicht. Die 
Fälle mit Hypertonie und Arteriosklerose prädisponieren zu Schlaganfällen 
(bei 18 solchen Fällen Geisböck’s 8 mal Schlaganfälle). 

Fall 1. 47 jährige Lithographenwitwe K. Seit dem 7. Lebensjahre 
nervös nach einem schweren psychischen Shock: Beim Einsturz eines 
Treppenhauses wurde ihr Bruder erschlagen, sie selbst und ihre Mutter 
wurden nach einer Stunde mit Leitern aus der gefährdeten Wohnung 
herunter geholt, der Vater bewusstlos unter den Trümmern bervor- 
gezogen, war seitdem „tiefsinnig“. Heiratete mit 20 Jahren, bat 
26 jährige Tochter. Seit der Mädchenzeit öfters Migräneanfälle und 
schreckhafte Träume; seit einigen Jahren häufiger. 

Steigerung der Nervosität seit dem plötzlichen Tode ihres 
Mannes im Januar 1912. Ständig Ziehen und Hitzegefühl im Kopfe, 
fast ständig Schmerzen in beiden Augenhöhlen und Andrang nach dem 
Kopf. Oft schmerzhaftes Nagen in der Magengegend. Stets schlechter 
Schlaf mit aufregenden Träumen; Schleier vor den Augen; mitunter 
Rauschen vor dem rechten Ohr. Im letzten Jahre allwöchentlich ein- 
bis zweimal schwere Anlälle von Kopfschmerzen mit Erbrechen und un¬ 
erträglichem Blutandrang nach dem Kopf, auch bei ruhiger Lebensweise, 
stets wenn ihr irgendetwas Aussergewöhnliches passiert oder bevorsteht. 
Beim Treppensteigen und ebenso nach längerem Gehen Herzklopfen und 
Atemnot. Sehr niedergedrückte Stimmung. Schlechte Merkfähigkeit. 

Sehr gut genährt, kräftig gebaut. 81 kg. Gesicht meist stark ge¬ 
rötet und warm, „vollblütig“; bei vorübergehendem Abklingen des Blut¬ 
andranges ausgesprochen blass. Starke Dermograpbie. Obere Augen¬ 
höhlenränder, besonders an der Nervendurchtrittsstelle sowie die Mitte 
beider Schläfen druckempfindlich. Haut* und Sehnenreflexe regelrecht, 
linker Achillesreflex nicht auslösbar. Empfindungs- und Bewegungs- 

1) M. KL, 1908. 


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7. September 1014. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Fähigkeit ohne Besonderheiten. Am Gesichtsfeld keine Ermüdung oder 
wesentliche Einengung. Hypermetiopie Ton -f 1 D, und Presbyopie 

2,25 D., geringe Insuffizienz der Museuli interni und ausgesprochene 
ConjunotWalbyperämie. Normales Hintergrundsbild (San.*Rat Land- 
mann). 

Herzgrenzen normal, Herztöne aocentuiert, 28 Pulse, zu Beginn der 
ersten Untersuchung 29 Pulse in der VierteIminute. Blutdruck stets 
abnorm erhöht (160—180 mm Hg nach RiYa-Roooi). Milzvergrösserung 
nicht nachweisbar. Vermehrte Salzsäureproduktion des Magens. 

Blutuntersuchung (Dr. Lubowski): 2. Xt. 1912. Hämoglobin 75 
nach Sahli, Färbeindex 0,67, rote Blutkörperchen 7 175 000, weUse 
Blutkörperchen 9200. Bei Difierentialzählung: Lymphocyten 22,5 pCt., 
neutrophile Leukooyten 69 pCt., ausserdem pathologische Formen, sowohl 
Myelooyten als jugendliche Metamyelocyten. Eosinophile Leukooyten in 
normalem Prozent. Urin ohne Besonderheiten. 

8.1.1913. Keine Veränderung bei der Differentialzählung. Hämo¬ 
globin 75, Zahl der roten Blutkörperchen 8 200 000, Färbeindex 0,80, 
weisse Blutkörperchen 9100. 

20. IV. 1914. Hämoglobin 90, Färbeindex 0,85, rote Blutkörperchen 
6 790000, weisse Blutkörperchen 7150. Differentialzählung: Lympho- 
oyten 38 pCt. (8660 im Kubikzentimeter), neutrophile Leukocyten 54 pCt., 
keine pathologischen Formen. Eosinophile Leukocyten 5pCt. (350 im 
Kubikzentimeter). 

Im Urin Eiweiss positiv. 

14. V. Eiweiss negativ. Im Centrifugat vereinzelte hyaline Cylinder. 
Spezifisches Gewicht des Abendurins 1002, des Morgenurins 1015. 

Fall 2. 28jährige Kaufmaonsgattin. Sohon als Mädchen, zumeist 
vor und während der regelmässigen, nicht starken Periode anfallsweise 
rasende, meist halbseitige Kopfschmerzen (mit Uebelkeit, Blutandrang 
nach dem Kopf, kalten Füssen); vertrug weder Höhenluft noch Seeklima, 
hatte Angstgefühl im Gedränge und beim Schwimmen. Mit 15 Jahren 
bleiohsüohtig. Vor 6 Jahren wegen Verdauungsstörungen und Kopf¬ 
schmerzen vierwöchige Kur in Tarasp. Seit jener Zeit nervöse Duroh- 
fälie, zugleich Herzklopfen, Appetitlosigkeit und grosse allgemeine 
Schwäche. Fortschreitende Abmagerung. Früher 186 Pfd,, jetzt 95 Pfd. 
in Kleidern. 

Seit 3—4 Jahren am Nachmittag leidliches Befinden, vom Spätnach¬ 
mittag an niedergedrückt, sprachlich gehemmt, Angst vor demNichtschlafen. 
Schläft schwer ein und unruhig aus Furcht vor Einbrechern. Am Abend 
Wohlbefinden und guter Schlaf in geräuschvoller Umgebung (beim 
Abendkonzert im benachbarten öffentlichen Garten, beim Uebernachten 
in an lebhafter Strasse gelegenen Berliner Hotels). Eisenbahnfähren 
strengt nicht an und hebt die Stimmung. Gebt abends gern ins 
Theater, ist schweigsam, aber heiter. Beim Eintritt in heissen Konzert¬ 
saal sofort heisser Kopf und Erstickungsgefühl. Nach minimalen 
Alkoholmengen Sohwindelgefühl und unerträglicher Andrang nach dem 
Kopfe. Im Sonnenschein Unbehagen und Schwindelgefühl. In der Woche 
vor und nach der Periode Schwindelanfälle 2—3 Tage lang mehrmals 
täglich. Keine extremen StimmuDgsschwankungen. 

Schwere Gedächtnisstörungen: muss sich den Schreibstoff für ihre 
Briefe aufnotieren, korrespondiert sehr sohnell und fiiessend, hat aber 
den Inhalt des Briefes am nächsten Tage vergessen. Ist seit Jahren im 
Frühjahr und Herbst je 2 Monate in Meran, erinnert sich aber schon 
naoh 6 Wochen nicht mehr an den Bauplan von Meran, an die Zimmer- 
anordnung der von ihr dort regelmässig bewohnten Wohnung, erkennt 
in Meran die Menschen nicht wieder, mit denen sie vor einem halben 
Jahre verkehrt hat. Erinnert sich nicht auf die Mahlzeiten am Tage 
zuvor. Kann nioht im Haushalt disponieren. Alte Ortseindrücke er¬ 
halten, aber keine Merkfähigkeit für die Lage neuer Geschäfte auf den 
oft von ihr besuchten Hauptstrassen Breslaus. 

Innerlicher Befund (Geheimrat Sandberg): 

Schilddrüse fehlt. Milzvergrösserung. Lebervergrössenrng. Blut¬ 
druck gesteigert. Am Herzen sehr starke Palpitation ohne Geräusche 
und Beschleunigung. Urin frei. 

Blutbild (Geheimrat Sandberg): 

25. VII. 1913. Weisse Blutkörperchen 6800, rote Blutkörperchen 
8 900 000, Hämoglobin 125, kleine Lymphocyten 26pCt., grosse Lympho¬ 
cyten 10 pCt., Polynucleäre 64 pCt. 

20. IX. Weisse Blutkörperchen 10400, rote Blutkörperchen 8920000, 
Hämoglobin 125, kleine Lymphocyten 16 pCt., grosse Lymphocyten 24pCt., 
Polynucleäre 60 pCt. 1 

9. XII. Weisse Blutkörperchen 11400, rote Blutkörperchen 8666000, 
Hämoglobin 115, Eosinophile 1 pCt., grosse Lymphocyten 20 pCt., Poly¬ 
nucleäre 79 pCt. 

16. VI. 1914. Weisse Blutkörperchen 8000, rote Blutkörperchen 
8 640000, Hämoglobin 130, Eosinophile 1 pCt., Lymphocyten 23 pCt., 
Polynucleäre 76 pCt. 

Vortr. hält die Prüfung des Blutbildes für ein wichtiges diagnosti¬ 
sches Hilfsmittel zur Klärung der Pathogenese neurasthenischer Krank¬ 
heitszustände. Voraussichtlich wird sich in vielen Fällen, welche Blut- 
arucksteigerung bzw. den vasomotorischen Symptomenkomplei zeigen, 
rolycythämie nachweisen lassen. 

Diskussion. Er. Lubowski. 

Füle von Lues cerebrospinalis (sogenannte Tabes alt 

58jährige Frau, seit Febrnar 1912 im Sieohenhause. Hei- 
Jahren, nie concipiert; Mann starb naoh 15jähriger Ehe 


_ 2. Drei 
Healplegie). 

Fall 1. 
ratete mit 20 


an „Geisteskrankheit“. Mit 29 Jahren „weite Pupillen und einige Monate 
lang Doppeltsehen“. Zweite Ehe mit 89 Jahren (mit 40 Jahren normale 
Entbindung, hernach 2 Fehlgeburten). Seit 1907 Nervenleiden: Schwindel, 
Kopfschmerz, Ermüdbarkeit, zeitweise Reissen in den Beinen. Seit Weih¬ 
nachten Sausen im linken Obr und in der linken Kopfseite. Im Januar 
1911 Influenza. Am 14. IL 1911 erwacht Pat. mit rechtsseitiger Läh¬ 
mung und Sohwindelgefühl. 

Status praesens (Mai 1914): Aneurysmaaortae. Wassermann-f-, 
Icbthyosis. 

Pupillen liohtstarr, links > rechts. Papillen normal. Strabismus 
divergens nach links. Parese des linken Reotus superior. 

Keine Artikulationsstörung» rechte Nasenlippenfalte < linke. 

Patellarreflex rechts —, links schwaoh +, Achillesreflex ebenso. 

Bauohdeckenreflex rechts —, links -j-. Babinskirefiex rechts -f-, 
links —. 

Oppenheim- und Strümpeireflex rechts 4~> links —, ebenso Mendel- 
Bechterew. 

Am Arm Sehnenreflexe rechts > links. 

Bei Kitzeln der reohten Fasssohle: sehr starke und lange an¬ 
dauernde Dorsalflexion im Fussgelenk and auch im Kniegelenk. 

Bei Kitzeln der linken Fusssohft: nur im Fussgelenk nioht lange 
andauernde Dorsalflexion. 

Hypalgesie am Brustkorb rechts von 5. Rippe bis Rippenbogen, links 
von 3. bis 6. Rippe, ferner am Damm und After, an der Streckseite des 
rechten 4. und 5. Fingers. 

Gelenkgefühl rechts an den Zehengelenken stark beeinträchtigt, am 
Fass- und Kniegelenk etwas < links. 

Ataxie an beiden Beinen; reohts erheblich > links. 

Ataxie der rechten Hand. 

Geht ataktisch mit rechtem Genii reonrvatum. Hochgradige Hypo¬ 
tonie im rechten Kniegelenk, starke Hypotonie im rechten Hüftgelenk 
beim Beugen. 

Leichter Muskelwiderstand beim Streoken im reohten Ellbogengelenk, 
beim Abduzieren im rechten Sobultergelenk. Supination kaum be¬ 
hindert. 

Druckkraft: Linkerseits durchweg gut bis auf eine geringe 
Schwäche der Dorsalflexion der Füsse. Rechterseits: im Kniegelenk 
Beugung hochgradig geschwächt; im Hüftgelenk Beugung, Innen- und 
Aussenrollung geschwächt, Adduktion rechts = links; im Fussgelenk 
Dorsalflexion sehr geschwächt. Druckkraft der reohten Hand etwas ge¬ 
schwächt. 

Fall II. Theodor H., 62 Jahre alt, seit Dezember 1913 im Siechen¬ 
hause. Mit 23 Jahren Lues. Mit 32 Jahren erste und einzige Injektions¬ 
kur. Mit 40 Jahren geheiratet (I Sohn lebt, keine Aborte). Vor 
20 Jahren Sohieloperation. Vor 13—14 Jahren rechtsseitiger doppel¬ 
seitiger Fussknöohelbrach; nach 6 Wochen gut geheilt, ohne Gang- 
störung. Schon vorher „Zucken und Reissen in den Beinen, bald da, 
bald dort“. Vor 4 Jahren unter Schwellung und Rötung Geschwür an 
der reohten Fusssohle; einzelne Knocbenstücke operativ entfernt. Im 
Sommer 1913 brach das Geschwür wieder auf unter Abstossen eines 
Knochensequesters; Fussgelenk and unterstes Drittel des Unterschenkels 
blieben rot und geschwollen. 

Im September 1913, mittags 2 Uhr, erster und bisher einziger 
Schlaganfall: auf der Strasse plötzliche Schwäche in den rechts¬ 
seitigen Gliedmaassen ohne Bewusstseinstrübung, ohne Sprachstörung, 
ohne Schluckstörung. Schleppte sich langsam nach Hause. In der 
folgenden Nacht entwickelte sich vollkommen schlaffe rechtsseitige Läh¬ 
mung. Einige Tage lang rechterseits ganz bewegungsunfähig und auoh 
— zuvor nie bemerktes — Harnträufeln. Von Geburt an linkshändig. 

' Seit dem Sohlaganf&U belegte, aber nicht heisere Stimme, keine aphasi- 
schen Symptome. 

Aufnahmebefund am 15. XII. 1913. Pupillen entrundet, lioht¬ 
starr, auf Konvergenz keine sichere Reaktion. Beiderseits Cataracta 
inoipiens. Papillen und Fundus normal. Strabismus convergens dexter, 
kein paralytisches Schielen, keine Doppelbilder. 

Tiefes, kirsohgrosses Mal perforant am Aussenrande des Grund¬ 
gelenks der rechten kleinen Zehe. Ichthyosis. Alte Hautnarbe in der 
linken Leiste. Wassermann +. 

Starke Schlaffheit des rechten Handgelenks. Hypotonie der Beine 
(reohts > links). Ataxie and sohlechte Treffsicherheit der Beine 
(rechts > links). Keine Sensibilitätsstörung; gutes Gelenkgefühl anoh 
an den Zehen. 

Rechtes Fussgelenk nahezu versteift (aktiv und passiv nur minimale 
Dorsalflexion, Knoohenverdickung in der Malleolargegend). Rechtes 
SchultergeleDk teilweise versteift seit einer Schulterquetschung im Mai 1913. 

Beim Gehen wird der rechte Arm gebeugt gehalten, der rechte Fuss 
aufgestampft, dann und wann mit der Fussspitze n&ebgeaohleift oder 
Fuss im ganzen abgehoben daroh etwas stärkeres Beugen im Knie- und 
Hüftgelenk. 

Am reohten Arm ist nur das Supinieren erschwert. Fanstschlnss 
gelingt aktiv vollkommen, ist passiv bei einiger Mühe zu öffnen. Im 
Sobultergelenk Muskelspannung beim Abduzieren und Rückwärtsfahren. 
Beim Hocbheben wird der Ellbogen gebeugt gehalten. 

Kniesobeibenreflez rechts -{■-{■■, lihks -f*; kein Knieclonns, kein Fuss- 
clonns. B&binski beiderseits <!) -f-, reohts > links. Fasskitzelreflexe 
lebhaft. An den Armen Sehnen- und Periostreflexe reohts lebhaft, links 
schwach. 

Unter mehrmonatiger Jodkalibebandlung angeblich erhebliobe 


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UMIVERSITY OF IOWA 



161 & 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 86. 


Besserung der Bevegungsfähigkeit, speziell sicherer und schnellerer 
Gang. Hin und wieder Reissen und Zucken an verschiedenen Stellen 
beider Beine, besonders in den Oberschenkelmuskeln. Gegenwärtig: 
Faustschluss rechts normal, kräftig und passiv nicht auflösbar, rechtes 
Handgelenk nicht mehr abnorm schlaff. Ataxie und Hypotonie nur 
noch rechterseits nachweisbar und auch nur eben angedeutet. Druck* 
kraft der rechten unteren Extremität gut, nur die der Unterschenkel¬ 
beuger etwas herabgesetzt. Supination rechts nicht so exakt und nicht 
ganz so schnell wie links, Schriftzüge noch unsicher und etwas un¬ 
geschickt. 

Fall 3. Reinhold Spr., 54 Jahre alt, seit September 1911 im 
Sipchenhaus. Am 1.1. 1910 dreistündige tiefe Ohnmacht, seitdem rechts¬ 
seitige Lähmung mit motorischer Aphasie. 

Wassermann im Blut positiv. Kein Trinker. Pupillen entrundet, 
rechts etwas > links; beide lichtstarr bei erhaltener Konvergenzreaktion. 
Linke Papille atrophisch (aber nooh nicht vollständig) und nicht ganz 
scharf begrenzt, Arterien stellenweise verengt. Rechte Papille normal. 

Patellarreflexe —, Achillesreflexe —, Babinski rechts +, links —, 
Bauchdeckenreflexe links lebhaft, rechts schwach. 

In der Ruhelage leichte Dorsalflexion rechterseits im Grosszehen- 
und im Fussgelenk. Beim Hochhetfon an der rechten unteren Extremität 
deutlich ausfahrende Bewegungen. An der rechten unteren Extremität 
ist die aktive Beweglichkeit deutlich besser wie sonst bei Hemiplegie, 
ebenso die Druckkraft, auch seitens der Prädilektionsmuskeln; nur ist 
im Fussgelenk die Dorsalflexion und im Hüftgelenk die Abduktion etwas 
geschwächt; die Flexion im Hüftgelenk fast so gut wie links. Keblkopf- 
befund ohne Besonderheiten. Sensibilität gut; klagt über Schmerz vorn 
an der rechten Brustkorbhälfte (Gürtelgefühl?). 

Der erste dieser drei Fälle ist bald nach dem Auftreten der Hemi¬ 
plegie von 0. Foerster klinisch beobachtet worden und gehört zu den 
Fällen aus der menschlichen Pathologie, die ihn zu der 1908 publi¬ 
zierten Behandlungsmethode spastischer Lähmungen mittels Resektion 
hinterer Rückenmarkwurzeln angeregt haben. Vortr. erwähnt ferner, 
dass Eduard Müller 1907 in einer Arbeit „über Friedreich’sche Krank¬ 
heit')“ an der Hand klinisch und histologisch untersuchter Fälle hervor¬ 
gehoben hat, dass trotz erheblicher Beteiligung der Pyramidenseitenstrang¬ 
bahn bei dieser kombinierten Systemerkrankung stärkere Grade von 
Hypertonie fast regelmässig fehlen, und dass eine Steigerung der Sehnen¬ 
reflexe verhindert wird durch jede gleichzeitige oder gar voraneilende 
Hinterstrang- bzw. Hinterwurzeldegeneration, und dass andererseits auch 
die Hypotonie meist viel geringer ist, als es der Tabes dorsalis und der 
Schwere der Hinterstrangdegeneration kaum entspricht. 0. Foerster Bat 
öfters genau verfolgen können, dass, wenn zu einer primär vorhandenen 
Erkrankung der Hinterstränge, also bei einer entwickelten Tabes dorsalis, 
später eine Erkrankung der Pyramidenbahn (Seitenstrangerkrankung im 
Brustmark oder ein Herd in der inneren Kapsel) hinzutritt, zwar eine 
Parese der Beine bzw. der einen Körperhälfte auftritt, dass aber sich 
keine Muskelkontrakturen entwickeln. Es ist ihm dabei „regelmässig 
aufgefallen, dass die resultierende Bewegungstörung, die paretische Kom¬ 
ponente für sich auffallend gering war, und dass die vorher bestehende 
Ataxie usw. geringer wurde“. In den vorgestellten drei Fällen waren 
Parese und Muskelkontrakturen auffallend geriug, indessen war die 
Ataxie auf der Seite der Hemiplegie deutlich stärker. 

3. Narkolepsie. 

56jährige Kaufmannswitwe. Nach ihrer Selbstschilderung fallen 
ihr beim Lesen schon nach 5 Zeilen die Augenlider zu und sinkt der Kopf auf 
das Buch. Sie sucht zwei- bis dreimal hintereinander dagegen anzukämpfen 
und sich zum Weiterlesen zu zwingen; dann nützt ihr alle Willens¬ 
anspannung nichts. Sie wacht auf, wenn die Nase auf das Buch stösst, 
oft nach 10 Minuten, die sie traumlos schlafend verbracht hatte. Beim 
Erwachen ärgerlich über das Einschlafen, aber sofort frisch und orientiert 
und fähig, mühelos und richtig zu sprechen und irgeudetwas Praktisches 
richtig zu erledigen, empfindet keine Muskelsteifigkeit, kein Erlahmen 
der Beine oder Arme, keine Schwere in den Augenlidern. 

Der Schlaf tritt angeblich nur beim Lesen von einfacher Lektüre 
und Zeitungen auf, namentlich beim VorleseD. „Wenn ich mich beim 
Lesen selbständig betätige, produktiv bin, z. B. beim Briefschreiben, 
beim Uebersetzen aus dem Deutschen ins Französische oder Englische, 
passiert es nicht. Neuerdings kommt es mitunter beim Briefschreiben 
vor, und ich erwache dann im Moment, wenn die Feder auf dem Papier 
zu kritzeln beginnt 1 2 ). Wegen starker Kurzsichtigkeit mache ich keine 
Handarbeiten. Die Dankeibeit im Theater schläfert mich nicht ein. Mit¬ 
unter schlafe ich in der Unterhaltung ein, besonders im eDgeren 
Familienkreise. Nur an meiner guten Erziehung liegt es, dass ich nicht 
öfters einschlafe. Ich kann vorlesen und dabei schlafen. Mein Nacht¬ 
schlaf ist gut, traumlos, früher 7—8, jetzt 5 Stunden hintereinander 
und erfrischend.“ 

In der Schule soll das Einschlafen beim Lesen nicht aufgefallen 
sein, wohl aber schon damals den Eltern und Geschwistern. Ihr 
34jähriger Sohn berichtete dem Vortragenden, er erinnere sich genau aus 
seiner Kinderzeit, dass die Mutter immer beim Vorlesen — sonst nicht — 


1) Zschr. f. Nervenblk., Bd. 82. 

2 ) Vortr. zeigt in einem Schreibheft der Patientin (Uebersetzung 
aus dem Deutschen ins Lateinische) einige Stellen, an welchen die sonst 
freie Schrift mitten im Text durch solche kurze Kritzelstriche unter¬ 
brochen ist. 


einnickte, auf Anrufen oder beim Anfassen ihres Kinns sofort munter 
wurde und lachend sagte: „Ach, ich bin wieder eingesohlafen.“ Die 
Kinder haben ihr oft gesagt: „Mutter, schläfst Du schon wieder?“ Beim 
Vorlesen flaute nach einer Weile der Ton ihrer Stimme ab, sie las leiser 
und ausdrucksloser und war bald eingescblafen. Schon bei den letzten 
Worten will sie geschlafen bzw. nicht gewusst haben, was das Vor* 
gelesene bedeute. Auch beim Abhören der lateinischen Vokabeln des 
damals 9 jährigen Sohnes schlief sie ein. Sie sass stets mit geschlossenen 
Augen und leicht naoh vorn geneigtem Kopfe. Beim Aufwachen wusste 
sie sofort, dass sie geschlafen hatte, aber nioht immer gleich, wo es im 
Text weiterging. 

Hat als Kind aus dem Schlaf gesprochen und richtig geantwortet. 
Ist naohtgewandelt, wachte nicht auf, wenn man sie anrief, gab aber 
richtige Antworten, ging auf Aufforderung ins Bett zurück, wusste am 
nächsten Tage nichts davon. Ist vor 34 Jahren zum letzten Mal nacht¬ 
gewandelt. 

Hat mitunter beim Sprechen Lachanfalle, besonders beim Yorlesen, 
zumeist wenn sie dabei das Getühl hat, dass der Zuhörer sie fixiert oder 
auf die Art des Vortrages achtet, oder wenu sie Geraütserregungen 
unterworfen ist, z. B. hatte sie solchen Lachanfall in der Unterhaltung 
mit Verwandten am Tage vor dem Tode ihres Monate hindurch von ihr 
gepflegten Mannes, ferner öfters, wenn sie jemandem ihr Beileid aus- 
spricht. Kürzlich bei der telephonischen Aufgabe eines Glückwunsch¬ 
telegrammes anlässlich der Geburt eines Grossneffen lachte sie fast naoh 
jedem Worte derart, dass das Telephonfräulein ihrer Verwunderung 
darüber Ausdruck gab. Wenn sie nicht zu sprechen braucht, kann sie 
Weinen und Lachen beherrschen. Das Weinen erfolgt nicht bei un¬ 
passender Gelegenheit. Das Laohen ist nie von einer Schwäche in den 
Extremitäten begleitet. 

Keine Symptome von Myasthenie. Keine Ermüdbarkeit der Gesichts¬ 
felder (Augenarzt Sanitätsrat Dr. Land mann). Keine Ermüdbarkeit 
der Hörnerven nach Boenninghaus. Keine erhöhte elektrische Muskel- 
erregbarkeit. 

Blutdruck bis 200 mm Hg. Massige Arteriosklerose. Leichte Ver¬ 
breiterung des Herzens naoh beiden Seiten, systolisches Geräusch ao der 
Aorta und zeitweise an der Mitralis. Puls 76. Beim Treppensteigen 
und bei kurzen Wegen Schlagen der grossen Schlagader am Halse. Seit 
einigen Jahren leichte Vergrösserung der Schilddrüse. Urin ohne Be¬ 
sonderheiten. 

Entsprechend dem Vorschläge von Friedmann und Stöcker hält 
Vortr. es für zweckdienlich, dass die Bezeichnung „Narkolepsie“ für 
zwei Krankheitstypen reserviert bleibt, für die von Friedmann bet 
sebriebenen „gehäuften, nioht epileptischen Absencen des Kindesalters“ 
und für die der vorliegenden Mitteilung ähnelnden Ermüdungs- und 
Schlafanfälle. Vortr. skizziert die fliessenden Uebergänge dieser beiden 
Formen hinsiohtlioh Tiefe und Dauer der Bewusstseinstrübung durch 
kurze Mitteilung einschlägiger Beobachtungen von Gdlineau, Berkban» 
Loewenfeld und Stöoker. Lachanfälle wurden bei analogen Fällen 
von Loewenfeld und von Guleke beobachtet. 

Der vorgetragene Fall ist dadurch ausgezeichnet, dass er bereits im 
vorgerückten Lebensalter steht und in seiner Eigenart sich bis in die 
Kinderjahre zurückverfolgen lässt. — Vortr. kennt die Patientin gesell¬ 
schaftlich sehr gut schon seit über 25 Jahren und weiss, dass sie eine 
geistige Einbusse oder Charakterveränderung im Sinne der Epileptiker 
nicht erfahren hat, auch nicht an periodisch auftretendeo Verstimmungen 
leidet. Eine ueuropathische Veranlagung ist zweifellos vorhanden. 

4. Idiotie mit HantveräBderwngen. 

38 jähriger Idiot, von Jugend an verblödet, mit öfteren epileptischen 
Anfällen und Pseudoplexibilitas cerea, zeigt in den Nasenlippenfalten, 
besonders an der oberen Hälfte und in der das Kinn von der Unterlippe 
abgrenzenden Falte dicht aneinander gestellt zahlreiche, teils flache, teils 
knospenförmig hahnenkammähnlich gruppierte rötliche Hautwärzohen. 
Ferner rechterseits an der Stirn nabe der Haargrenze ein kleinpflaumen¬ 
grosses, gelblich-bräunliches Keloid, am Hinterkopf eine Anzahl runder 
kahler Stellen (Alopecia areata), ferner an der Mitte und an den 
Seitenrändern der Nacken-Rückengrenze beetartig gruppiert kleine ge¬ 
stielte Hautfibrome. Schliesslich in einem handtellergrossen Bezirk 
der unteren Lendengegend (untere Grenze verläuft im Niveau der Darm¬ 
beinkämme) ein Naevus sebaoeus: die Haut ist in seinem Bereich 
leicht verdickt, von seichten Furchen durchzogen und mit zahlreichen 
kleinen, schwarzen, comedonenähnlichen Punkten durchsetzt. 

Vortr. nimmt an, dass eine tuberöse Sklerose des Gehirns 
vorliegt. 

5. Tabes mit Muskelatrophie. 

a) Der linke Daumenballen ist in der mittleren Partie deutlich ab' 
geflacht (Entartungsreaktion). 

b) Die linke Grosszehe steht in der Ruhestellung plantarflektiert 
und kann aktiv nicht dorsal flektiert werden. Der Extensor hallucis 
longus zeigt typisohe Entartungsreaktion. 

An der Muskulatur des linken Unterschenkels und der linken Hand 
bzw. Vorderarm geringe quantitative Herabsetzung der elektrischen Er¬ 
regbarkeit. Kein Anhalt für das Bestehen einer peripheren Lähmung. 

Am Kehlkopf beiderseits leichte Beschränkung der Abduktion. 
Am linken Auge Schwäche des Levator palpebrae und Rectns supenor. 
Auf beiden Augen leichte Internusparese. 

In den seitlichen Endstellungen beiderseits (beim Blick nach 
rechts » horizontaler Nystagmus. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1619 


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7. September 1914. 


Der Fall (49 jährige Frau) charakterisiert sich als Tabes durch hoch¬ 
gradige Ataxie der unteren und. oberen Extremitäten mit grober Störung 
des Gelenkgefühls, diffuser Analgesie und typischer verlangsamter Schmerz¬ 
leitung; BerühruDgsanasthesie am Rumpfe, reflektorische Pupillenstarre, 
Fehlen der Sehnenreflexe und der Bauchreflexe. 

Derartig isolierte Muskelatrophien bei Tabes sind von Lapinsky 
mitgeteilt worden und beruhen nach ihm darauf, dass die Erkrankung 
der hinteren Wurzeln infolge einer umfangreichen Degeneration der langen 
Coll&teralen eine Affektion der Vorderhornzellen nach sich zog. 


Freiburger medizinische Gesellschaft. 

Sitzung vom 21. Juli 1914. 

1. Br. Dlepgei: 

Heber die altei Siegel der hiesig» medizinischen Faknltät. 

2. Hr. K röntg: 

Das Krebsmerkblatt des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung 
der Krebskrankkeiten. 

Vortr. hat das Krebsmerkblatt nicht unterschrieben, weil er mit 
demselben sich nioht einverstanden erklären kann. Es wird darin der 
Laie allzusehr zu einer ängstlichen Selbstbeobachtung und zum Achten 
auf in der grossen Mehrzahl der Fälle harmlose Kleinigkeiten ange¬ 
halten. Dadurch wird durch Erzeugen von Neurasthenie und Hypo¬ 
chondrie weit mehr geschadet als genützt. Denn die Fälle, in denen 
durch eine frühzeitigere Behandlung die Heilungsaussichten verbessert 
werden, werden versohwindend gering sein, zumal die Erfolge der ope¬ 
rativen Therapie an sich schon erschreckend gering sind. Was soll es 
z. B. nützen, dass Leute darauf hingewieseu werden, dass Schluok- 
behinderungen auf einem Speiseröhrenkrebs beruhen könnten, da doch 
die Heilangsaussiohten dieses Krebses selbst bei Operation gleich 
Null sind? 

3. Hr. Hildebrandt: 

UrobiJinnric bei Typhus abdominalis und ihre klinische Bedeutung. 

Die Urobilinurie ist beim Typhus abdominalis ziemlich regelmässig, 
und zwar in den vorgeschritteneren Stadien beginnend, etwa gleichzeitig 
mit dem Auftreten von Roseolen. Sie verschwindet allerdings durch 
Durchfälle, da dabei die Resorption des Farbstoffes aus dem Darm ver¬ 
hindert wird. Sie dauert bis über die Entfieberung hinaus, oft in die 
Rekonvaleszenzzeit hinein, ist dann aber als Zeichen beachtenswerterer 
Leberstörungen anzusehen. 

Die Urobilinurie beim Typhus kommt nicht durch einen vermehrten 
Blutzerfall zustande wie die bei der Pneumonie, weil ein entsprechender 
Blutzerfall nicht statthat. Stauungsleber oder Gallenstauung infolge von 
Cholangitis lassen sich als Ursachen dieser Urobilinarie ebenfalls aus- 
schliessen, weil die übrigen Symptome dieser Störungen bei den Fällen 
des Vortr. fehlten. Es muss deshalb eine parenchymatöse Hepatitis als 
Ursache dieser Urobilinurien angenommen werden, die anatomisch sich 
in Hyperämie, trüber Schwellung and Nekrosen äussern kann. Als Ur¬ 
sache der Urobilinurie muss dann ein pathologisches Durchlässen des 
Urobilins von den Pfortaderverzweigungen in die Lebervenen statt in 
die Galleneapiüaren angenommen werden, nicht etwa eine Störung im 
Chemismus. 

4. Hr. Gams: 

Kiiematographische Vorführungen ans dem Gebiete der Geburtshilfe. 

Bei der Schwierigkeit, und in kleineren Kliniken mit relativ grosser 
Frequenz von Studierenden bei der Unmöglichkeit, alle zu geburtshilf¬ 
lichen Operationen an der Lebenden zuzulassen, kann die kinemato- 
graphisohe Vorführung von geburtshilflichen Operationen sehr vieles er¬ 
setzen und grossen didaktischen Wert besitzen. (Demonstrationen.) 

Fromherz. 


Aerztlicher Verein zu München. 

Sitzung vom 15. Juli 1914. 

Demonstrationsabend. 

1. Hr. Borst: 

Experimentelle Untersuchungen znr Gelenkyerpflanxnng. 

Vortr. zeigte an der Hand von Diapositiven sowie histologischen 
.Projektionsbildern seine Untersuchungen bei Gelenkverpflanzungen. Vor 
allem, demonstrierte Borst den Unterschied von Autoplastiken und 
Homoplastiken und zwar am Metatarsophalangealgelenk des Fusses. Dabei 
erwies sich, dass die Verkürzung des Knochens bei Autoplastiken nicht 
so stark ist, wie bei Homoplastiken. Des weiteren zeigte Vortr. Präpa¬ 
rate von transplantierten Radiusköpfchen und von ganzen Gelenken, die 
in Weichteile verpflanzt worden waren. Sehr interessant waren die so¬ 
genannten „Kapselversuche“ welche die hochbedeutsame Rolle dartaten, 
welohe das Periost bei der Regeneration des Knochens spielt: Knochen, 
seines Periostes entblösst und mit Glas oder Metallkapseln umgeben, 
zeigte keine Apposition, während Periost allein zu wuchern vermochte. 

2. Hr. Sehmincke: a) lieber die Entstehung der Hämorrhoiden. 

Vortr. hat gemeinsam mit Sohuhmann die Entstehungsursache der 

ttamonrhoiden genau studiert, wie er an zahlreichen Demonstrations- 
Dilaern zeigte. Die Erweiterung der Venen beginnt mit dem frühen Alter 

setzt sich mit dem späteren fort. Die „Hämorrhoidalzone“ des 
augungs und des kleinen Kindes unterscheidet sich nicht von derRectal- 
«cnieimhaut. Erst im zunehmenden Alter wird ein Unterschied bemerkbar: 


Es tritt eine Injektion der Gefässe in der Hämorrhoidalregion und all¬ 
mähliches Entstehen einer bandförmigen Zone mit Auftreten von Yenen- 
hmpullen ein. Unter „ Hämorrhoidalregion“ versteht Vortr. einen 2 cm 
aohen, ringförmigen Bezirk der Pars analis recti, von der Basis der 
Morgagni’schen Säulen beginnend und bis zur unteren Grenze des «Muse, 
sphincter int. reichend. Die Begrenzung ist sehr scharf, was gegen die 
Annahme einer allgemeinen Stauung spricht. 

Beim Defäkationsakt steigt die Kotsäule nach unten, die Wand des 
Rectums wird hyperämisch und auaeinandergedrüokt. Durch die Kotsäule 
wird das Blut nach unten gepresst bis in die Venen der Hämorrhoidal- 
zone. Beim Moment der Defäkation befindet sioh eine übermässige Menge 
Blut in der Hämorrhoidalzone, die noch unter mehrfachem Druck steht 
uud durch gleichzeitige Wirkung der Bauchpresse nicht abfliessen kann. 
Beim Säugling ist die mechanische Wirkung des Kotes eine ganz geringe, 
bei der Obstipation dagegen eine starke. Für gewöhnlich gleicht sich 
die Dilatation des Hämorrhoidalplexus bei der Defäkation wieder aus; 
allmählich .— besonders mit zunehmendem Alter und bei Obstipation — 
wird aber eine Erweiterung der Venenwand auftreten, was gerade bei 
den Venen mit kleinem R&mifikationsgebiet der Fall ist, weil hier 
die Wanddehnung eine grössere ist. Die Entzündung ist immer eine 
sekundäre. 

b) lieber Teratome der Zirbeldrüse. 

Bis jetzt sind 56 Fälle beschrieben, von denen die meisten Sarkome, 
Gliome und Teratome waren. Es handelt sich meistens um jugendliche 
Individuen mit einem ganz eigenartigen Symptomenkomplex: Starkes 
Längenwachstum, abnorme Behaarung, Vergrösserung der Genitalien mit 
Behaarung, sexuelle und manohmal auch geistige Frühreife. Diese Er¬ 
scheinungen beruhen wahrscheinlich auf einem Ausfall- des Sekretes der 
Zirbel. Die Tumoren, die Vortr. sah, stammten von einem 21- und 
17 jährigen jungen Menschen. Bei letzterem handelte es sich um ein 
dreiblättriges Teratom (Teratoma triphyllioum). 

3. Hr. Hneck: 

Demonstrationen zur Frage der experimentellen Atherosklerose. 

Bisher warden gewöhnlich Versuche mit Adrenalin gemacht. Vortr. 
aber gab Kaninchen in der Nahrung Cholesterin, worauf Verdickungen 
der Bauchaorta und keine Nekrosen wie bei Adrenalin sioh fandea. Auch 
Verfettungen der Intima traten auf, wie Vortr. an Bildern im Polari¬ 
sationsmikroskop zeigte. Diese Versuche zur Klärung des Streites, ob es 
sich bei der Atherosklerose um eine Abnützungskrankheit oder um 
toxisch-diätetische Momente handelt, zu benutzen, ist unangebracht, da 
mit diesen Cholesterinfütterungen zwar Veränderungen der Aorta, nicht 
aber die ganzen — klinisch besonders hervortretenden — Begleiterschei¬ 
nungen: Herzhypertrophie, Gebirnerkranknngen und Blutdrucksteigenmg 
erzeugt werden. Nobiling. 


Berichtigung. 

In den „Ergebnissen der inneren Medizin und Kinderheilkunde“, 
1914, Bd. 13, zitiert Prof. L. Liohtwitz in einer Arbeit „Ueber die 
Bildung der Harn- und Gallensteine, Seite 59, auch eine Publikation 
von mir, welche in dieser Wochenschrift, 5. Mai 1913, unter dem Titel 
„Untersuchungen und Gedanken über den Cholesterinstoffwechsel“ er¬ 
schienen ist. 

Es tut mir leid, feststellen zu müssen, dass Herr Prof. Licbtwitz 
ungenau gelesen hat und dadurch ganz falsche Schlüsse zieht Wo ich 
ausdrücklich geschrieben habe: „Es sind keine parallelen Be¬ 
stimmungen gemacht worden“, hat Liohtwitz dies alles übersehen und 
berechnet jetzt irrtümlicherweise die ungeheuren Differenzen, welche die 
beiden Methoden der Cholesterinbestimmung nach Chauffard-Grigaut 
und Windaus aufweisen sollep; Differenzen, welche -f-50,9 pCt. und 
— 31,8 pCt. betragen sollen! 

Es wandert mich wirklich, dass Herr Liohtwitz am Schluss dieser 
Berechnung nioht gefühlt hat, dass er falsch gelesen and Zahlen mit¬ 
einander verglichen hat, welche nichts miteinander zu schaffen haben 
und von verschiedenen Personen herrühren. 

Jetzt wijrd er wohl verstehen, warum ich nur Mittelwerte miteinander 
verglichen habe, welche übrigens genügende Uebereinstimmung auf¬ 
weisen. 

Das schlimmste an der Sache ist aber, dass er später auf Grund 
seiner falschen Berechnungen meinen Zahlen, welche die Hypercholesterin- 
ämie während der SohwaDgerschaft mit der Methode von Windaus ex¬ 
akt bewiesen habeD, kein Vertrauen schenkt. Er schreibt nämlich 
(Seite 61): „ist bei den oben begründeten Bedenken gegen Klinkert’a 
Methodik ein sicheres Ergebnis nioht zu gewinnen“. 

Es tut mir leid, dass Herr Lichtwitz beim Studium der Literatur 
so ungenau gearbeitet hat, und ich hoffe, dass er den von ihm ge¬ 
machten Fehler in den „Ergebnissen“ rektifizieren wird. 

D. Klinkert-Rotterdam. 

Bemerkung zu vorstehender Berichtigung. 

Ich bin zurzeit nicht in der Lage, die Angaben des Herrn Dr. Klin¬ 
kert nachzuprüfen und mich zur Sache zu äussern. Sollte ein Versehen 
von mir vorliegen, so darf Herr Dr. Klinkert überzeugt sein, dass auch 
ihm nach dem Feldzug volle Genugtuung zuteil werden wird. 

Dirschau i. Westprenssen. L. Liohtwitz. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 36. 


1620 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der Chef des Feldsanitätswesens gibt, wie aus einer Mit¬ 
teilung des Generalquartiermeisters von Stein hervorgeht, folgendes be¬ 
kannt: Der Gesundheitszustand aller Teile unseres im Feldeatehenden 
Heeres ist gut. Seuchen sind bisher nicht aufgetreten. Freilich stehen 
unsere Truppen zum Teil in einem Feindesland, das sich bis dabin keiner 
so guten hygienischen Aufsicht erfreute wie unsere Heimat, und dessen 
Bevölkerung manche Träger der Keime ansteckender Krankheiten in sich 
birgt, doch waltet auoh gegen diese Uebelstände weitgehende Vorsicht 
im deutschen Heere. Die Pockenschutzimpfung ist streng durcbgeführt 
und wird im Notfälle auch bei der feindlichen Bevölkerung durcbgesetzt. 
Typhus-, Cholera-, Rubruntersuchungsgeräte und Schutzimpfungsstoffe 
werden mitgefübrt. Sachverständige Hygieniker befinden sich in den 
Reihen unserer Militärärzte. Leider wurde auch von ihnen schon einer bei 
vorsorgender Brunnenuntersuchung hinterrücks von Einwohnern erschossen. 
Im Inlande sind nennenswerte Häufungen übertragbarer Krankheiten eben¬ 
falls nicht zu verzeichnen. In dieser Hinsicht werden besonders scharf 
die Kriegsgefangenen überwacht. Die von regelrechten Heeresgeschossen 
esetzten Wunden zeigen durchweg gutes Heilungsbestreben. Das 
eutsohe Verbands verfahren, insbesondere die Anwendung der deutschen 
Verbandspäckchen, bewährte sich. In den vordersten Linien angelegte 
Verbäude sassen auoh noch zur Zeit des ferneren Rücktransports der Ver¬ 
wundeten gut. Ein grosser Teil der zurückbeförderten Verwundeten 
ist bereits in Genesung und dräogt wieder nach der Front zurück. Wohl 
aber sind bereits zahlreiche Beweise dafür gesammelt, dass die feindlichen 
Einwohner und die Truppen des englischen sogenannten Kulturvolkes Dum- 
Dum-Geschosse, .das heisst Geschosse ohne Vollmantel mit Einschnitten 
benutzen, deren Fetzen im Körper grausame Verletzungen reissen. Es 
sind Schritte getan, um dieses allen völkerrechtlichen Abmachungen 
hohnsprechende Vorgehen zur Kenntnis der gesitteten Welt zu bringen. 

— Kriegs ärztliche Abende. Der erste kriegsärztliche Abend 
findet nicht, wie zuerst beabsichtigt, am 8. September, sondern erst am 
15. September, abends 8 Uhr, im Langenbeckhause statt. Das ausführliche 
Programm wird in diesem Blatte noch bekannt gegeben. Mitglied kann jeder 
reichsdeutsche und österreichische Arzt werden. Der Beitrag beträgt 2 M. 
Mitgliedskarten werden wochentäglich von 10—2 Uhr im Kaiserin Friedrich- 
Haus (Berlin NW. 6, Luisenplatz 2—4) ausgegeben. Schriftliche Mel¬ 
dungen können nur berücksichtigt werden, wenn gleichzeitig der Mitglieds- 
beitrag sowie ein mit Freimarke versehener Briefumschlag eingesandt wird. 

— Kursus der Kriegsseuchen. Das Zentralkomitee für das 
ärztliche Fortbildungswesen in Preussen veranstaltet iD der Woche vom 
7. bis 12. September eine Vortragsreihe über Erkennung und Behandlung 
der Kriegsseuchen, unter besonderer Berücksichtigung der ersten Dia¬ 
gnose. Die Vorträge stellen sich auf den Standpunkt des praktischen 
Arztes, der in jetziger Zeit mehr als je mitberufen ist, an der Be¬ 
kämpfung der gefährlichen Infektionskrankheiten mitzuarbeiten. Als 
Vortragende wirken mit die Herren: Geb. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge, 
Oberstabsarzt Prof. Dr. Hoff mann, Prof. Dr. Jocbmann, Ministerial¬ 
direktor Prof. Dr. Kirchner, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Lenz, Prof. Dr. 
Neufeld, Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. v. Wassermann. Die Vorträge 
finden im Hörsaal des Langenbeckhauses statt und beginnen um 8 Uhr 
abends (pünktlich). Teilnehmerkarten werden nur an Aerzte wochen- 
täglioh von 10 bis 3 Uhr im Kaiserin Friedrich-Haus ausgegeben. Bei 
der Meldung ist eine Einscbreibegebühr von 2 M. zu entrichten. 

— Id Anlehnung an das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung 
der Tuberkulose hat sich bei der Zentralstelle des Roten Kreuzes für 
Kriegswohlfabrtspflege ein besonderer Tuberkuloseausschuss gebildet, der 
es sich angelegen sein lässt, nach jeder Richtung hin für die Aufrecht¬ 
erhaltung der Tuberkulosefürsorge während der Kriegszeit zu sorgen. 
Zunächst hat dieser Ausschuss, um die in den Heilstätten und Fürsorge¬ 
stellen durch Abgaben von Personal für die Kranken- und Verwundeten¬ 
pflege des Heeres entstandenen Lücken auszufüllen, einen Nachweis für 
Aerate, Schwestern und sonstiges Pflegepersonal, die bereit sind, an 
solchen Stellen zu arbeiten, errichtet. Anmeldungen für derartige Stellen 
sind an die Zentralstelle für Kriegswohlfahrtspflege, Tuberkuloseaasschuss, 
Berlin NW. 7, Reichstagsgebäude Portal V zu richten. 

— Einst und Jetzt. Beim Durchblättern der B.kl.W. vom Jahre 
1870 finden wir eine Annonce, in der die Königliche General-Lazarett- 
Direktion „diejenigen Herren Aerzte in Berlin und Charlottenburg, welche 
in patriotischer Bewegung, wie im Jahre 1866, so auch im bevorstehen¬ 
den Kriege ihre Tätigkeit der Krankenpflege in den Reservelazaretten 
zu widmen geneigt sind, ergebenst ersucht werden, ihre desfallsigen Er¬ 
klärungen .gefälligst abzugeben“. — Zu solchem höflichen und 

gemütvollen Aufruf hatte die Heeressanitätsverwaltung beim jetzigen 
Kriege keinen Anlass; denn stürmisch drängten sich die Aerzte von 
selbst zum Dienste, und so zahlreich, dass, in Gross-Berlin wenigstens, 
nur ein Bruchteil Verwendung finden konnte, sehr viele aber, die sich 
gern der grossen Sache widmen möohten, betrübt beiseite stehen müssen. 

— Geheimrat Prof. Dr. v. Grashey, Leiter des bayerischen Medi¬ 
zinalwesens, ist in München im Alter von 75 Jahren gestorben. 

Hoohschnlnaohrichten. 

Cölna. Rh. Habilitiert: Dr. Ebel er, Sekundärarzt an der gynäko¬ 
logischen Klinik der Akademie für praktische Medizin. — München. 
Habilitiert: DDr. Lesser für Chirurgie und Straub für innere 
Medizin. — Zürich. Habilitiert: Dr. Steiger für innere Medizin. 


Amtliche Mitteilungen. 

PerMonallen* 

Auszeichnungen: Roter'Adler-Orden 4. Kl.: Geh. San.-Rat Dr. 
Reuter in Charlottenburg. 

Königl. Kronen-Orden 4. EL: Chefarzt des Krankenhauses in 
Pilchowitz, Kr. Rybnik, Dr. Bartsch. 

Rettungsmedaille am Bande: Direktor der Landes-Heil- und 
Pflegeanstalt in Altscherbitz, Kr. Merseburg, Geh. San.-Rat Dr. Paetz. 

Ernennung: Stabsarzt und Bataillonsarzt des 2. Oberrheinischen In¬ 
fanterieregiments Nr. 99 B. v. Kamptz, kommandiert zur chirurgischen 
Universitätsklinik in Marburg, zum Ehrenritter des Johanniterordens. 

Niederlassungen: Dr. W. Haesner in Stettin, H. Eggers in Bonn. 

Charakter alsGeheimer Sanitätsrat: San.-Räte Prof. Dr. J. Cassel 
und Dr. E. Friedländer in Charlottenburg, Dr. M. Goldstein in 
Berlin-Lichterfelde, Dr. A. Gottstein und Dr. J. Handtm&nn in 
Charlottenburg, Dr. E. Huth in Prenzlau, Dr. E. Kothe in Ober- 
glogau, Dr. 0. Lehmann in Charlottenburg, Dr. 0. Mauer und Dr. 
L. Plotke in Berlin, Dr. A. Rohden in Bad Oeynhausen, Dr. M. 
Rosenstein in Breslau, Dr. 0. Saleoker in Elbing, Dr. R, 
Sohaefer, Dr. K.Sohorler and Dr. H. T&enzer in Ch&rlottenbaig, 
Dr. W. Wille in Berlin-Schöneberg, Dr. F. Winzer und Dr. St 
v. Zelberschwecht - Laszewski in Berlin, Direktor der Pro- 
vinziat-Hebammen-Lehranstalt und Frauenklinik Dr. P. Baumm in 
Breslau. 

Charakter als Sanitätsrat: Aerzte Dr. F. Albrecbt in Sohmitten, 
Dr. H. Altenburg in Bebra, Dr. M. Anker in Licbtenrade, Dr. A. 
Becker in Gravenstein, Dr. F.Berndt in Stralsund, Dr. B.Beselin 
in Berlin-Lichterfelde, Dr. P. Bickenbach in Elberfeld, Dr. M. 
Bischofswerder in Berlin, Dr. A. Block in Wandsbek, Dr. F. 
Blümel in Berlin, Dr. A. Bremer in Elberfeld, Dr. K. Bruck in 
Berlin, Dr. Chr. A. Bruhn in Wentorf, Dr. R. Buch fei d in Elber¬ 
feld, Dr. H. Buddeberg iu Bielefeld, Dr. 0. Büttner in Erfurt, Dr. 
W. Butzbach in Apenrade, Dr. L. Caro in Berlin-Wilmersdorf, Dr. 
E. Colla in Gadderbaum, Dr. M. Crüger in Elbing, Dr. H. Demme 
in Ummendorf, Dr. W. Ebner in Cöln, Dr. E. Engel mann in 
Magdeburg, Dr. Th. Ehrhardt in Landsberg, Bez. Merseburg, Dr. W. 
Fischer in Lübbenau, Dr. J. Frankenstein in Cassel, Dr. B. 
Frings in Oberbleis, Dr. F. Glasow in Ahlbeck, Dr. N. Golliner 
in Burgdorf, Dr. J. Grötschel in Neisse, Dr. M. Gross in Löwen 
i. Schl., Dr. P. Grossmann in Kindelbrück, Dr. A. Hampel in 
Lassoth, Dr. F. Hayn in Beutben O.-S., Dr. R. Hei mann in Colo, 
Dr. A. Helpup in Bielefeld, Dr. P. Hildebrandt in Lüneburg, Dr. 
H. Hirschfeld in Spandau, Dr. H. Hollen in Cöln, Dr. R. Kann 
in Bad Oeynhausen, Dr. E. Kerns, Oberarzt der Provinzial-Heil- und 
Pflegeanstalt in Johanuistal b. Süchteln, Dr. H. Koch in Bad Oeyn¬ 
hausen, Dr. K. Koch in Wiesbaden, Dr. H. Könneke in Paderborn, 
Dr. G. König in Bergen, Bez. Lüoeburg, Dr. A. Koppen in Norden, 
Dr. Th. Kosterlitz in Berlin-Schöneberg, Dr. S. Krahö in Cöln, 
Dr. E. Kühne in Jodlauken, Dr. F. Lahnstein in Wiesbaden, Dr. 
E. Lehfeldt und Dr. J. Lilienthal in Berlin, Dr. A. Lotzin in 
Allenstein, Dr. S. Mankiewitz in Neukölln, Dr. W. Mayer in 
Aachen, W. Mein borg in Salshausen, Dr. R. Meyer in Osnabrück, 
Dr. H. Müller iu Cassel, Dr. W. Müller in Enger, Dr. W. Müller 
in Cöln, Dr. H. Nathan in Charlottenburg, Dr. Kl. Niemann in 
Rheine, Dr. H. Nieprasch in Cüstrin, Dr. J. Nippen und Dr. G. 
Nolden in Cöln, Dr. R. Ohren in Crefeld, Dr. F. Otto in Wies¬ 
baden, Dr. G. Pasewaldt in Zehlendorf, Dr. F. W. Pieper in 
Dürrenberg, Dr. L. Pollack in Berlin, Dr. S. Proskauer in Katto- 
witz O.-S, Dr. K. Quint in Solingen, Dr. J. Reimers io Wandsbek, 
Dr. W. Rentei in Berlin, Dr. A. Reuter in Sonderburg, Dr. B. 
Rossberg in Asohersleben, Dr. P. Soharff in Stettin, Dr. J. 
Schoben in Bonn, Dr. G. Schoekiel in Tostedt, Dr. 0. Schuckelt 
in Bad Schmiedeberg, Dr. E. Simon in Ullersdorf, Dr. K. Stadt- 
länder in Mellendorf, Dr. R. Sunkel in Bielefeld, Dr. K. Theuer- 
kauf in Magdeburg, Dr. A. Trottmann in Essen, Dr. M. Troplo- 
witz in Oppeln, Dr. M. Umpfenbach in Erfurt, Dr. H. Unger in 
Kurnik, Dr. E. Weber in Norderney, Dr. J. Werner in Neukölln, 
Dr. M. Werner in Magdeburg, Dr. W. Weatphal in Wilhelmshaven, 
Dr. E. Weyhe in Sörup, Dr. J. Wich mann in Hanerau, Dr. F. 
Wil lecke in Nordhausen, Dr. E. J. H. P. Wullen weher in Schles¬ 
wig, Dr. A. Zain in Cöln. 

Verzogen: Dr. H. Teufel von Ludwigsburg und Dr. W. Heimaon 
von Strassburg i. E. nach Stettin, Dr. E. Schütte von Osnabrück, 
Dr. F. Stüber von Hildesheim, Dr. J. Eicke von Stade und Dr. K. 
Klipstein von Lüdenscheid nach Lüoeburg, Dr. H. Sauter von 
Radolfzell nach Harburg, Dr. S. Seliginann von Wittlicb, Dr. B. 
Martens von Kiel, Dr. B. Hirschmann von Cöln und Dr. R. Weid¬ 
lich von München nach Frankfurt a. M. 

Gestorben: Dr. P. Müller in Stettin, Kreisarzt a. D., Geh. Med.-Rat 
Dr. ^lingelhöffer in Frankfurt a. M., San.-Rat Dr. K. Brock¬ 
müller in Cöln-Mülheim, San.-Rat Dr. J. Longard in Sig- 
maringen. 


Pör di« Redaktion yerantir örtlich Prof. Dr. Han« Ko ho, Berlin W„ Bayreuth« Strwae«. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N.4. 


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Die Berliner KNnlsehe Wochenschrift orscheint Jedeo 
Montag In Nummern ca. 5—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Mirk. Bestellungen nehmen 
alle Bucbhaiidluugon und Fostansialten an- 


BERLINER 


Alle Einsendungen fQr die Redakti<m and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirachwald in Berlin NW., Unter den I-indeu 
Nr. 68, adressieren. 


KUN ISCHE WOCI IENSC I ffilFT. 

Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

fielt Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kolm. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 

Montag, den 14. September 1914. JdL 37. Emundfüofzigster Jahrgang. 



INHALT. 

OriginaltaB : Wolter: Ueber die Rolle der Kontaktinfektion in der Wöchnerinnen. S. 1631. Maunu af Heurlin: Bakteriologische 

Epidemiologie der Cholera. S. 1621. Untersuchungen der Genitalsekrete der nichtschwangeren und nicht- 

Coenen: Hypernephrom des Zungengrundes. (Aus der Königl. puerperalen Frau vom Kindes- bis ins Greisenalter. S. 1631. (Ref. 

chirurgischen Universitätsklinik in Breslau.) (Illustr.) S. 1626. Haendly.) — Polano: Geburtshilflich-gynäkologische Propädeutik. 

Renner: Behandlung der Blasentumoren mit Hochfrequenzströmen. S. 1631. Fromme: Die Gonorrhöe des Weibes. S. 1631. (Ref. 

(Aas der urologischen Poliklinik der chirurgischen Klinik zu Zuntz.) 

Breslau.) S. 1627. Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1632. — Therapie. S. 1632. — 

Kunreuther: Ueber Methodik der Schwangerschaftsunterbrechung Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1632. — 

und gleichzeitiger Sterilisation bei Lungentuberkulose. (Aus der Parasitenkunde und Serologie- S. 1632. — Innere Medizin. S. 1633. 

Frauenklinik von L. und Th. Landau zu Berlin.) S. 1629. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1633. — Kinderheilkunde. 

Piorkowski: Trockennährböden. (Aus dem bakteriologischen In- S. 1683. — Chirurgie. S. 1633. — Röntgenologie. S. 1633. — Haut- 

stitut von Dr. Piorkowski, Berlin.) S. 1630. und Geschlechtskrankheiten. S. 1633. — Augenheilkunde. S. 1633. — 

Meyer: Nachtrag zu der Abhandlung: Ueber Neuralgia brachialis Technik. S. 1633. 

und ein eigentümliches Symptom bei derselben. S. 1630. Verhandlungen Ärztlicher Gesellschaft«! : Laryngologisohe Gesell- 

Btteherbeepreehungen : Hasebroek: Ueber den extracardialen Kreislauf schaft zu Berlin. S. 1633. 

des Blutes vom Standpunkt der Physiologie, Pathologie und Therapie. Die Kriegsseuchen. (Vortragsreihe über ihre Erkennung und Behand- 
S. 1631. (Ref. Buttcrsack.) — Maunu af Heurlin: Bakteriologische lung unter besonderer Berücksichtigung der ersten Diagnose.) S. 1635. 

Untersuchungen des Keimgehaltes im Genitalkanale der fiebernden Tagesgesohichtl. Notizen. S.1636. — Amtl. Mitteilungen. S.I636. 


Ueber die Rolle der Kontaktinfektion in der 
Epidemiologie der Cholera. 

Auf Grund der bisher über das Auftreten der Cholera auf 
dem Kriegsschauplätze des Balkankrieges 1912/13 
vorliegenden Berichte. 

Von 

Dr. Friedrich Wolter-Hamburg. 

I. 

Ueber die Rolle der Kontaktinfektion in der Epidemiologie der 
Cholera nach den Erfahrungen auf dem Kriegsschauplätze des Balkan¬ 
krieges 1912/13 sind in dieser Wochenschrift kürzlich zwei Arbeiten er¬ 
schienen, welche zu ganz entgegengesetzten Resultaten kommen. 
Während Eckert (in Nr. 50; 1913) auf Grund seiner Erfahrungen in 
Bulgarien zu dem Schluss kommt, dass die Kontaktinfektion wohl unter 
gewissen Umständen ein so explosives Entstehen einer Cboleraepidcmie, 
wie es vor Tschataldscha beobachtet wurde, hervorrufen könne, dass sie 
aber bei der Verbreitung der Seuche keine irgend wichtige Rolle spiele, 
kommt Au mann auf Grund seiner Erfahrungen in Serbien zu dem Re¬ 
sultat, dass hier die Kontaktinfektion von ausschlaggebender Bedeutung 
für die Verbreitung der Seuche über ein ganzes Land war. Beide 
Arbeiten finden eine für unsere Betrachtung wichtige Ergänzung in einer 
Arbeit von Geissler über die Cholera auf dem Kriegsschauplätze des 
Jahres 1912/131). 

Eckert beginnt seinen Bericht mit einer lebhaften Schilderung, wie 
der Siegeslauf der Bulgaren gegen Konstantinopel in der Tsohataldscha- 
lmie, als sie hier aus politischen bzw. militärischen Gründen haltmachen 
mussten, vor allem dadurch gehemmt worden sei, dass plötzlich, geradezu 
explosionsartig, die Cholera unter den Divisionen vor Tschataldscha auf¬ 
getreten sei. Die Höhe der durch die Seuche verursachten Verluste be- 
na<J h bulgarischen Quellen 16000 Mann, nach Prof. Kraus-Wien 
29600 Erkrankungen mit 6,2 pCt. Todesfällen. 

In gleicher Weise erfolgte das Auftreten einer explosiven Cholera- 
epidemie bei der türkischen Ostarmee, als dieselbe nach der verlorenen 
ocblacht von Lüle Burgas zurückweichend in der Zeit vom 6. bis 10. No¬ 
vember 1912 io die Tschataldschalinie hineinströmte. Hinter derselben 
Sudeten sich allmählich grosse Lager völlig durcheinander gekommener 
Truppenteile, deren grösstes bei Hademköj und Muhaköj etwa 80000 Mann 
enthalten haben soll. 

Zu Beginn des Feldzuges konnte nach Geissler die Cholera in der 
1) Zschr. f. Med.-Beamte, 1918, Nr. 5. 


türkischen Armee wie in Konstantinopel als erloschen angesehen werden. 
Die ersten Cholerafälle 1 ) traten erst kurze Zeit nach der Schlacht bei Lüle 
Burgas auf, also Anfang November. Die erste von Wieting in Kon- 
stantinopel festgestellte Choleraerkrankung betraf einen Zivilisten, der 
mit einem Marmaradampfer von Rodosto gekommen war. Seine Heimat 
war Gegerl. Am folgenden Tage wurden dem deutschen Krankenhause 
in Konstantinopel zwei choleraverdäohtige Fälle gemeldet, die das Eisen¬ 
bahnpersonal aus Tscherkeskoi (Bahnstation zwischen Lüle Burgas 
und Stambul) betrafen und die in derselben Gegend beheimatet waren. 
Gleichzeitig wurde aus Hademkoi, einem wenige Kilometer östlich von 
Tschataldscha gelegenen Städtchen, eine grosse Zahl sicherer Cholerafälle 
gemeldet. 

Diese zeitlich zusammenfallenden Beobachtungen und Meldungen 
von verschiedenen Seiten beweisen am besten das plötzliche Auftreten 
der Cholera im Bereiche der Stellungen der türkischen Ostarmee vor 
vor Tschataldscha, während die Westarmee völlig verschont war und 
blieb (Geissler). 

Zur Prüfung der Gesundheitsverhältnisse an der Front war Mitte 
Oktober 1912 eine Kommission unter Prof. Wieting abgesandt; die¬ 
selbe kam aber nur bis Tscherkeskoi, da die Bahn bereits in den HäDden 
der Bulgaren war. Nirgends konnte man aber zu dieser Zeit 
(etwa 15. Oktober) eine Erkrankung oder einen Verdacht von 
Cholera bemerken. Das Auftreten der Cholera erfolgte, wie schon 
gesagt, vielmehr bei der türkischen Ostarmee erst dann, als dieselbe nach 
der verlorenen Schlacht bei Lüle Burgas in völliger Verwirrung zurück¬ 
weichend die Tschataldschalinie erreicht hatte und hier in ihre Ver¬ 
teidigungsstellung einrückte (6. bis 10. November). Hier häuften sich 
innerhalb weniger Tage die Cholerafälle auf über 1000. Zu der Cholera 
gesellten sich hier noch Ruhr und Typhus, die klassischen Kriegsseuchen 
(Geissler). 

„Wie gross tatsächlich die Verluste durch die Cholera gewesen sind, 
wird schwer jemals mit Sicherheit festzustellen sein“, heisst es in dem 
vom deutschen Generalstab herausgegebenen Bericht über den Balkan¬ 
krieg 1912/13 (H. 50 der kriegsgeschichtlichen Einzelschriften, Berlin 
1914). „Nach einer Schätzung sind im November 1912, also wohl 
grösstenteils in der ersten Hälfte des Monats, 15000 Mann dieser Seuche 
und anderen Krankheiten der Verdauungsorgane zum Opfer gefallen. In 
der Zeit vom 11. bis 25. November trafen in dem Seuchenlazarett 
San Stefano etwa 15000 Kranke ein, die allerdings nicht alle an Cholera 
litten. Davon starben in der angegebenen Zeit etwa 3200 Mann. Erst 
vom 19. November ab wurde eine Abnahme der Zahl der Choleraerkran¬ 
kungen beobaohtet (s. H. 50, S. 103).“ 

1) Die Daten derselben sind leider nicht angegeben. 


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1622 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 37. 


Das Auftreten der Cholera auf dem Kriegsschauplätze wird nun von 
Geissler darauf zurückgefübrt, dass sie von den syrischen Regimentern 
eingeschleppt sei, die zum Teil in der Gegend von Damaskus und Adana 
garniaoniert waren. Hier, wo die Cholera endemisch herrscht, waren in 
der Zeit Yom 18. Juli bis 5. November 1912 518 Cholerafälle zur Beob¬ 
achtung gekommen. 

Geissler stellt aber selbst fest, dass diese auf dem Landwege über 
den Taurus herangeführten syrischen Truppen, soweit sie suspekt waren, 
eine Quarantäne durcbgemacht hatten, und dass sich der Verdacht in¬ 
sofern unbegründet gezeigt habe, als keine klinisch Kranken beobachtet 
wurden. Auch zeigten sich die ersten Cholerafälle bei der Ostarmee 
erst 8—10 Tage, nachdem diese syrischen Regimenter an der Front ein¬ 
getroffen waren. Es liegt also sehr wohl die Möglichkeit vor, dass ihr 
Eintreffen nur ungefähr zeitlich mit dem Auftreten der Cholera auf dem 
Kriegsschauplätze zusammengefallen ist, wobei auch zu beachten ist, 
dass die Choleraursache sich gleichzeitig an verschiedenen Orten des 
Kriegsschauplatzes geltend machte (Gegerl, Tscherkeskoi, Hademkoi), 
und dass die ersten Fälle Zivilisten bzw. Bahnbeamte betrafen. 

Zu beachten ist ferner vor allem, dass sich die Choleraursache 
bereits in den Jahren 1910 und 1911 in den Balkanstaaten geltend ge¬ 
macht hatte, und dass die Seuche im Jahre 1912 ebenso wie 1910 und 
1911 die grösste Ausbreitung in den letzten Monaten des Jahres 
zeigte*). 

Jedenfalls scheint sich aus den bisherigen Berichten also zu ergeben, 
dass die Cboleraur9ache sich im Jahre 1912 erst im Bereiche der 
Stellungen der Tschataldschalinie in solcher Iotensität geltend gemacht 
bat, dass sowohl das bulgarische wie das türkische Heer hier von einem 
epidemischen Auftreten der Seuche ergriffen wurden. Es erhebt sich 
nun hier die Frage: Ist dieses im Bereiche der Tschataldscha- 
stellung erfolgte explosive Auftreten der Seuche daraus zu 
erklären, dass die beiden Heere hier der sich aus dem Boden 
entwickelnden, örtlich-zeitlich bedingten miasmatischen 
Choleraursache ausgesetzt waren, oder ist es aus einerKon- 
taktinfektion im weiteren Sinne, wie Eckert es für die Bulgaren 
annimmt, zu erklären? Eckert bemerkt zunächst, dass das Trink¬ 
wasser für das explosive Auftreten der Cholera vor Tschataldseha nur 
in geringem Maasse verantwortlich gemacht werden könnte. Nach seiner 
Auffassung ist der Infektionsmodus vielmehr folgender: „Die Bulgaren, 
welche an die Benutzung der Latrinen nicht gewöhnt seien, hätten ihre 
Eicremente auf den Boden deponiert, so dass der Boden ihres Biwaks 
sich in einen Morast verwandelte; die Mannschaften wateten hindurch, 
kämen ins Lager zurück, zögen die Stiefel au9 und setzten sich zum 
Essen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich zuvor zu waschen. So sei 
die beste Gelegenheit zur Infektion gegeben, und zwar, worauf Eckert 
besonderes Gewicht legt, zur Infektion mit einer grossen MeDge von 
Material. 

Bei dieser kontagionistischen Auffassung der Entstehungsursachen 
der im Bereiche der Tschataldschalinie explosiv auftretenden Epidemie 
bleibt indessen eine Tatsache unerklärlich: warum verursachte der aus 
dem Epidemiegebiet nach Konstantinopel zurück fl utende Menschenstrom, 
den Geissler und Wieting auf mehr als J00000Menschen bezifferten, 
in Konstantinopel keine Epidemie oder gar keine Pandemie, wie 
Geissler sie befürchten zu müssen glaubte? „Es grenzt an das Un¬ 
fassbare, dass nicht die ganze Hauptstadt einer Pandemie zum Opfer 
fiel“, sagt Geissler, indem er hinzufügt: „unfassbar auch deswegen, 
weil erst sehr spät Schritte getan wurden, den Derkossee, die Wasser¬ 
quelle Konstantinopels im Norden der Stadt, dessen Zuflüsse zum Teil in 
verseuchtem Gebiet lagen, durch einen wirksamen Kordon zu sperren 
und durch fliegende Laboratorien täglich bakteriologisch untersuchen zu 
lassen.“ 

So unfassbar und geradezu unerklärlich dieses Verschontbleiben 
Konstantinopels von einem epidemischen Auftreten der Cholera den Ver¬ 
tretern der kontagionistischen Richtung erscheinen muss, so natürlich 
und selbstverständlich erscheint es uns, wenn wir den lokalistischen 
Hauptcbarakterzug der Cholera beachten, der sich in der der Seuche 
eigentümlichen lokalen Begrenzung ihres endemischen und epidemischen 
Auftretens ausprägt. 

Nach den Feststellungen der epidemiologischen Forschung bildet 
diese lokale Begrenzung den hervorstechendsten Charakterzug der Cholera. 
Schon James Cuningham, welcher 30 Jahre lang als Leiter des 
Sanitätsdienstes der indischen Regierung die CholerabewegUDg in Indien 
verfolgt hat, bezeichnet die lokale Begrenzung der Cholera¬ 
epidemien als „eine der grossen Tatsachen* der Cholera¬ 
epidemiologie. In gleicher Weise sagt Pettenkofer: „Die auf¬ 
fallende örtliche Begrenzung der Choleraepidemien ist nicht 
nur bei uns, sondern überall, auch in Ostindien, in der 
Heimat der Cholera, eine sicher konstatierte Tatsache. 
J. Cuningham stellt diese Eigenschaft mit Recht unter die 
great facts, unter die grossen Tatsachen, welche konstatiert 
sind.“ 

Ebenso präzisierte Griesinger, bekanntlich einer der besten Kenner 
der Cholera, diesen Hauptcharakterzug in folgender, für die in Rede 
stehende Epidemie im Bereiche der Tsohataldschastellung besonders 
prägnanter Weise: 

1) W. Freise - Bonn, Die Epidemiologie der asiatischen Cholera 
seit 1899 (VI. Pandemie). Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1913, Bd. 17, 
Beiheft 5. 


„Als Epidemie bleibt die Cholera innerhalb eines ge¬ 
wissen Rayons, über welchen nur vereinzelte Fälle hinaus- 
gehen. Sie überschreitet z. B. in einem gewissen Jahr nicht Berlin 
gegen Westen, wiewohl der Verkehr derselbe ist wie in anderen Jahren .. .; 
sie tritt in den Umgebungen einer stark durchseuchten Stadt nicht über¬ 
all in einer dem Verkehr entsprechenden Stärke auf, einzelne Dörfer 
in nächster Nähe bleiben zuweilen vollkommen frei, während andere 
ungemein stark leiden; am Orte der Epidemie selbst herrscht sie, ob¬ 
wohl doch der Verkehr in einer grossen Stadt überall bin geht, häufig 
lange ganz überwiegend, fast ausschliesslich in einem Teil, einer Vor¬ 
stadt u. dgl.; kurz, das Auftreten der Cholera zeigt eine Menge von 
Umständen und Eigenheiten, welche sich durch den Verkehr nicht mehr 
erklären lassen. — Dieses, die ungleichartige, die nach manchen 
Richtungen und zu m&nohen Zeiten trotz des lebendigsten Ver¬ 
kehrs, trotz aller Umstände, welche ihr Weiterschreiten sonst zu fördern 
scheinen, gar nicht erfolgende Verbreitung, ist der dunkle 
Punkt und das eigentliche Geheimnis in der Aetiologie der 
Cholera.“ 

Dieses eigentliche Geheimnis in der Aetiologie der Cholera, wie es 
uns also auch wieder auf dem Kriegsschauplätze von 1912/13 in der 
auffallenden Örtlichen Beschränkung der Epidemie auf den Bereich der 
Tschataldschalinie entgegentritt, findet nun nach Pettenkofer seine 
Erklärung darin, dass sich im Bereiche solcher grösseren oder kleineren 
lokalbegreDzten Herde die primäre, miasmatische Choleraursache unter 
dem Eiufluss gewisser klimatischer Faktoren aus dem Boden entwickelt. 
Den eigentlichen lofektionsmodus bezeichnete Pettenkofer noch im 
Jahre 1S89 bei fast allen zeitweise epidemisch auftretenden Infektions¬ 
krankheiten, namentlich bei Typhus und Cholera als ganz unbekannt, 
indem er besonders hervorhob, dass diese Epidemien nicht auf 
kontagionistischem Wege entständen. Eine Klärung dieser wichtig¬ 
sten Frage des Seuchenproblems erwartete Pettenkofer von den 
weiteren Fortschritten der bakteriologischen Forschung, und diese haben 
nun inzwischen ergeben, dass es sich bei diesen Krankheitsprozessen 
nicht, wie R. Koch damals annabra, um saprophytiscbe, sondern um 
obligate Bacillen bandelt, deren eigentlicher Nährboden die Gewebe des 
menschlichen Körpers sind. Damit ist nun, wie ich in meinen früheren 
Arbeiten ausgeführt habe, die Möglichkeit einer Verständigung zwischen 
den beiden sich entgegenstehenden Auffassungen gegeben, wenn man 
nämlich annimmt, dass es sich bei diesen sogenannten Bodenkrankheiten 
primär um miasmatische, sich aus dem Boden entwickelnde Krankheits¬ 
ursachen handelt, unter deren Einfluss die Gewebe unseres Körpers, die 
nach R. Koch den eigentlichen Nährboden der obligaten Mikroorganismen 
darstellen, erkranken, worauf dann sekundär auf dem so veränderten 
Nährboden die Entwicklung der Cholera-, Typhus- usw. Bacillen aus 
anderen Mikroorganismen (Bacter. coli) in unserem Körper erfolgt. 

Bei solcher Auffassung der Choleragenese wird unserem Verständnis 
jedenfalls die epidemiologische Tatsache näher gebracht, dass das Auf¬ 
treten der Cholera als Epidemie stets örtlich begrenzt zu sein pflegt, 
wie es hier im Bereiche der Tscbataldschastellung wieder der Fall ist. 

Aus einer solchen Choieraörtiichkeit können nun nach Pettenkofer 
Flüchtlinge in ihren Kleidern und Effekten soviel ektogenen (miasmati¬ 
schen) Iofektionsstoff mitnehmen, wie hinreicht, um an ihrem neuen 
Aufenthaltsorte einzelne Krankheitsfälle unter den Personen ihrer näch¬ 
sten Umgebung zu veranlassen. So betrafen nach Geissler die in 
Konstantinopol täglich gemeldeten einzelnen Fälle nur Emigranten oder 
deren VerwandteoanhaDg eventuell auch die Wohnungsgeber. Ganz die¬ 
selbe Beobachtung, dass es bei solchen vereinzelten Fällen blieb, war 
von Eckert im Sommer des Jahres 1913 in Sofia gemacht, wie wir 
weiter unten sehen werden, ohne dass in Sofia eine Epidemie entstanden 
wäre, obwohl sich ein Strom von 40 000 mazedonischen Flüchtlingen 
über die bulgarische Hauptstadt ergoss. Das Verschontsein Konstantinopels 
wie Sofias von einem epidemischen Auftreten der Seuche aber ist offen¬ 
bar daraus zu erklären, dass die örtliche Disposition hier und dort fehlte. 

Aus dem Fehlen der örtlichen Disposition erklärt sich auch das 
Freibleiben von San Stefano, in dessen unmittelbarer Nähe' ein grosses 
Barackenlager alle Cholerakranken sammelte. „Dass ein Uebergreifen der 
Cholera auf den Ort San Stefano verhindert wurde, Ist bei dem innigen 
Konnex, in dem die Einwohner mit den Soldaten, Gesunden und 
Kranken bei der anfangs herrschenden Verwirrung und Systemlosigkeit 
standen, nahezu unverständlich,“ sagt Geissler. „Die Kontaktfälle 
(im Anfang),“ fügt er hinzu, „hörten später nach Verwirklichung des 
neuen Projektes zwar auf, dafür aber blieben die Wasser quellen, 
Ziehbrunnen verseucht, namentlich die, welche an. der Cholerawieae (wo 
das Barackenlager stand) lagen und von der Zivilbevölkerung mitbenutzt 
wurden.“ San Stefano hat zwar eine neue, 6—8 km weit von Nord¬ 
osten herkommende Quellwasserleitung, neben derselben wurden aber 
zum Teil alte Brunnen mitbenutzt, weil nicht überall Anschlüsse vor¬ 
handen waren. Diese Brunnen waren nach Geissler zum grossen Teil 
infiziert, erwiesen sich jedoch als „infektionsuntüchtig“, was Geissler 
aus dem hohen Kalkgehalt zu erklären geneigt ist (?). „Innerhalb des 
Barackenlagers waren Kontaktinfektionen nur ganz vereinzelt im Anfang 
wahrzunehmen, akute Cholerafälle kamen nur mit den Trans¬ 
porten von der Front,“ fügt Geissler hier hinzu. 

Es erhebt sich nun die Frage, ob für die Tschataldsohastellung 
denn die örtlichen Bedingungen der CholeraentstehuDg nachweislich 
vorhanden sind. Wir erinnern uns hier, dass das wichtigste örtliche 
Moment für die Choleraeotstehung ein gewisser Wasserreichtum des 
Bodens ist, wie er resultiert aus der natürlichen Lage (tiefe Lage, 


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14. September 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT._ 1623 


Nähe des Wassers, muldenförmiges Terrain) und dem klimatischen 
Charakter der Oertliehkeit, mit der Maassgabe jedoch, dass der Boden 
für die Choleraentstebung zeitweise sowohl zu wasserreich, wie auch zu 
trocken sein kann. 

In dieser Beziehung ist nun von besonderem Interesse, dass die 
Tsohataldschastellung nach der Darstellung der örtlichen Verhältnisse, 
wie sie in dem Berichte des deutschen Generalstabes gegeben und in 
Karte 4 veranschaulicht ist, durch zwei Eigentümlichkeiten ausgezeichnet 
ist, welche nach Pettenkofer eine erhöhte örtliche Disposition für die 
Cholera bedingen: nämlich durch Terrainmulden und durch Steil* 
ran der, die beide durch mangelnde natürliche Drainage ausgezeichnet 
zu sein pflegen. 

Die Tschataldschalinie stellt nämlich einen 23 km in der Luftlinie 
langen, tiefen Terraineinsohnitt dar, welcher 50 km westlich von Kon¬ 
stantinopel vom Derkossee im Norden zum Tschekmedschesee im Süden 
sich erstreckt und auf dessen 2000 —3000 m breiter Talsohle der 
Katartschi- und Karasubach im Süden und ein Zufluss des Derkossees 
im Norden die Zuflüsse aufnehmen, welche ihnen aus den Quertälern 
des östlichen Bergrückens zufliessen. Der Bergrücken östlich der 
Niederung erhebt sich zu fast der gleichen Höhe wie der auf der West¬ 
seite. In den östlichen Bergrücken schneiden vom Katartschifluss aus 
zahlreiche Quertäler teilweise ziemlich tief ein. Dadurch entstehen 
schmale, in die Niederung hinein sich erstreckende Höhenzüge, auf deren 
vorderen Bergnasen die Befestigungswerke der Türken lagen. Die ganze 
Gegend der Tsohataldschastellung, deren Länge in der Luftlinie 28 km 
beträgt, steht, was die Feuchtigkeit des Bodens und der Atmosphäre 
betrifft, unter den Einflüssen des Schwarzen Meeres mit dem Strandsee 
von Derkos im Norden und des Marmarameeres mit den tiefen Ein¬ 
schnitten der Bucht und des Sees von Buj-Tschedmedsche im Süden 
(siehe Karte 4 des Generalstabsberichts). 

Was nun den zeitlichen Verlauf der Epidemie betrifft, so war nach 
dem deutschen Generalstabsbericht das Auftreten der Cholera im Be¬ 
reiche der Tscbataldscbastellung in der ersten Hälfte des November 
ein explosives; ebenso überraschend schnell nahm vom 19. November 
an die Seuche an Ausdehnung ab; Ende Dezember konnte naoh 
Geissler die Cholera an der Front, was akute Fälle anbetrifft, als er¬ 
loschen angesehen werden. 

Dieser zeitliche Verlauf, über welchen übrigens die bisher vor¬ 
liegenden Berichte leider sehr widersprechende Angaben aufweisen, 
dürfte seine Erklärung in der zeitlichen Verteilung der Regenmengen 
finden. Nach einer freundlichen Mitteilung von Prof. Wieting ist der 
Anfang der Epidemie noch in die trockene Zeit gefallen. Später traten 
nach Geissler „beispiellose Regengüsse und Ueberschwemmungen ein“. 

Wir erinnern uns hier, dass nach Pettenkofer der Ausbruch der 
Epidemien vorwiegend in trockene Zeiten zu fallen pflegt, grössere 
Regenmengen aber zu dem raschen Ablaufe solcher Epidemien wesentlich 
beizutragen pflegen. 

II. 

Nach Beendigung des ersten Krieges gegen die Türken verschwand 
die Choleraepidemie binnen kurzem fast ganz (Eckert). Im Sommer 1913, 
und zwar, wie Prof. Wieting mir schreibt, „in der trockensten 
Jahreszeit, die es dort gibt,“ erfolgte sodann das Wiederauftreten 
der Seuche: im Juni und Juli. In dieser Zeit wurde die bulgarische 
Armee von Tschataldscha und Bulair durch Macedonien nach der bulgari¬ 
schen Grenze zurückgezogen. 

„Auf diesem Marsche infizierte sie die macedonischen Dörfer, so¬ 
weit es nicht schon vorher geschehen ist,“ sagt Eckert. Es 
scheint sich danach die Choleraursache schon vorher in Macedonien 
geltend gemacht zu haben. 

Der Kriegsschauplatz lag nunmehr in grösserer Nähe von Sofia, 
teilweise nur etwa 120 km davon entfernt. Die Hauptstadt erschien 
einmal durch die etwa 40 000 macedonischen Flüchtlinge, sodann aber 
auoh durch den regeren Verkehr der Feldarmee gefährdet. Bis An¬ 
fang August waren in dem Choleraspital bei Sofia 600 von aussen 
eingeschleppte Cholerafälle festgestellt, im August und September kamen 
noch über 200 hinzu. 

»Trotz dieser dauernden Einschleppung von Cholera- 
fällen, trotz mangelhafter hygienischer Schulung der Be¬ 
völkerung hat die Cholera in der hygienisch einwandfrei 
versorgten Stadt Sofia niemals festen Fuss fassen können;“ 
,D diesen Worten fasst Eokert das Resultat seiner Beobachtungen zu¬ 
sammen. „Sofia ist^ohön gelegen, zwischen dem Gebirgsmassiv des 
Witoscb (2200 m) und dem kleinen Balkan (1700 m) in einer fracht- 
baren Talmulde. Ein Teil der Strassen ist gepflastert, der Rest raaka- 
damisiert. Sofia ist absolut sauber, schlechte Gerüche haben wir nie 
bemerkt, stagnierende Gewässer gibt es in der Umgebung 
nicht, zwei Gebirgsbache mit reissendem Gefälle fliessen an Sofia vor- 
, l • » • Die Stadt ist im Besitze einer vorzüglich funktio¬ 
nierenden Kanalisation (!), die für eine gründliche und schnelle 
.®Rjffung der Abwässer sorgt, und einer Wasserleitung, deren Quellen 

toschgebirge gelegen, gegen jede Verunreinigung sicher geschützt 
. • »Sofia ist demnach,“ so schliesst Eckert seine Beschreibung, 
»eine nach jeder Richtung hin hygienisch einwandfrei versorgte Stadt.“ 
... Weiter stellt nun Eckert fest, dass unter den 160 Cholerafällen, 
über die er genauere Aufzeichnungen besitzt, sich nur 24 befanden, die 
innerhalb Sofias erkrankt waren, und hierunter wieder 8 Soldaten der 


Feldarmee und 4 Ehefrauen bzw. nähere Angehörige von Erkrankten. 
Diese 24 Fälle kamen nicht gehäuft vor zu bestimmter Zeit oder in be¬ 
stimmten Strassen, sondern trugen durchaus den Charakter sporadischer 
Erkrankungen. 

So kommt Eckert zu dem Schluss: Eine hygienisch einwand¬ 
frei versorgte Stadt soheint demnach selbst von massenhaft 
eingeschleppten Cholerafällen nichts Ernstliches zu be¬ 
fürchten zu haben. Man traut seinen Augen kaum, wenn man in 
unserer Zeit eine so glänzende, beinahe wörtliche Bestätigung der „ver¬ 
alteten“, völlig erledigten“ Cboleralehre Max v. Pettenkofer’s liest! 

Diese Beobachtung bestätigt Eckert sodann noch durch seine Er¬ 
fahrungen in dem 2 km von Sofia entfernten Cholerahospital, welche er 
dahin zusammenf&sat: 

„In einem mit Wasserleitung und Kanalisation hygienisch 
gut versehenen Spital kamen hier trotz mangelhafter per¬ 
sönlicher Prophylaxe und trotz der dauernd gegebenen Ge¬ 
legenheit zu Kontaktinfektionen Hausepidemien nicht vor.“ 
Es kam nur eine Bausinfektion vor, und diese betraf einen älteren Des¬ 
infektor, „der von seinem geliebten Carbolspray recht ausgiebig Gebrauch 
gemacht hatte“. 

Diese Tatsache, dass in dem Hospital nur eine einzige Hausinfektion 
vorkam, ist noch in einer anderen Beziehung epidemiologisch sehr be¬ 
deutsam. Mau hat ja bekanntlich den Fliegen eine bedeutsame Rolle 
bei der Verbreitung der Cholera zusebreiben wollen. In dem Cholera¬ 
spital bei Sofia war nun die Fliegenplage nach Eckert eine „ganz 
enorme“, da das Spital zwischen einem städtischen Abfuhrplatze und 
dem Schlachthause lag. „In dichten Scharen bedeckten sie die Wände, 
BetteD, das Geschirr, und wir müssen gestehen“ sagt Eckert, „dass 
unser Kampf gegen die Fliegen wenig erfolgreich gewesen ist.“ „Fliegen¬ 
fenster verschlimmerten die Sache und hielten die Fliegen im Zimmer 
zurück, Formalin bewährte sich nicht, die Patienten waren empfindlicher 
dagegen als die Fliegen. Den besten Erfolg hatten wir noch, wenn wir 
mehrmals am Tage Türen und Fenster öffnen und dann die Leichtkranken 
mit Tüchern die Fliegen veijagen Hessen.“ Dabei ist nun zu bedenken, 
dass in den stark belegten Zimmern die Betten eng aneinander standen, 
die Schwerkranken ihre Nachtgeschirre im Zimmer benutzten, und dass 
es bei dem grossen Personalmangel nicht durchführbar war, dass dann 
die Eicreraente jedesmal unmittelbar nach der Entleerung mit Carbol- 
wasser oder sonst einem Desinfizienz übergossen und unschädlich ge¬ 
macht wurden. Sie blieben öfter längere Zeit offen stehen. — 
Trotz alledem, trotz der enormen Fliegenplage und obwohl oft Verletzte 
tage- und vereinzelt auch wochenlang in unmittelbarster Nähe von 
cbolerakranken mit positivem Bacillenbefund lagen, ist, wie Eckert 
wiederholt hervorhebt, ausser jenem Desinfektor eine Hausinfektion nicht 
beobachtet. — So kommt Eckert zu dem Schluss: 

„Die Fliegen scheinen ebenfalls für die Verbreitung der 
Cholera nicht in Betracht zu kommen, obwohl der Beweis er¬ 
bracht ist, dass Cholerakeime durch Fliegen verschleppt werden können.“ 

Eckert erörtert sodann auf Grund seiner Erfahrungen in Bulgarien 
die Frage, welche Rolle die Bacillenträger in der Epidemio¬ 
logie der Cholera spielen. Hierbei kommt er zu dem Schluss: 
„Die Bacillenpersistenz spielt, wie dies in der Literatur bereits nieder¬ 
gelegt ist, in der Epidemiologie der Cholera eine ganz andere, weit 
weniger bedeutsame Rolle als etwa beim Typhus oder bei der Diphtherie. 
Für die praktische Hygiene darf in der Tat der klinisch Ge¬ 
sunde im allgemeinen für vibrionenfrei gelten“, wie das ja 
auch in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck komme, indem 
für gesunde Reisende aus Choleragebieten keine Quarantäne, sondern 
nur eine 5 tägige Beobachtung des Gesundheitszustandes vorge- 
sebrieben sei. 

Diese Eckert’sche Feststellung ist von prinzipieller Bedeutung für 
die EvakuieTungsfrage im Kriege, indem sie die Pettenkofer’sche Auf¬ 
fassung bestätigt, dass man im Kriege, falls die Cholera auf dem Kriegs¬ 
schauplätze ausbricht, Truppenteile und Gefangene nach einem cholera- 
freien Hinterlande unbedenklich evakuieren dürfe, ohne eine epidemi¬ 
sche Ausbreitung der Seuche befürchten zu müssen 1 ). Dabei ist nach 
Pettenkofer durchaus zuzugeben, dass Personen, welche aus einer 
Choleralokalität kommeD, aus derselben in ihren Kleidern und Effekten 
soviel ektogenen (miasmatischen) Infektionsstoff mitbringen können, dass 
sie, auch ohne selbst erkrankt zu sein, unter den Personen ihrer nächsten 
Umgebung resp. derselben Raumatmosphäre einzelne Choleraerkrankungen 
verursachen können. Zur Vermeidung solcher Fälle von Uebertragung 
der Cboleraursache hat Pettenkofer auf diesbezügliche Erfahrungen 
aus bayerischen Gefangenenanstalten hingewiesen, welche lehren, dass 
es von Wichtigkeit ist, dass die aus einem Choleraort kommenden 
Personen nur frisch gebadet, mit reiner Wäsche, reinen Kleidern und 
mit längerer Zeit nicht gebrauchten Effekten die Choleralokalität ver¬ 
lassen. 

„Man war bisher nur immer bestrebt, die Einschleppung 
der Cholera in cholerafreie Orte durch Kranke zu ver¬ 
hindern“, sagt Pettenkofer, „man richtet vielleicht mehr aus, 
wenn man strebt, die Ausschleppung duroh Personen zu ver¬ 
hindern, welche einen Choleraort verlassen.“ 

Auf seiten der Ko oh’sehen Schule ist man heute überzeugt, 
dass die von solchen aus einem Choleraorte kommenden Personen 
drohende Gefahr darin begründet sei, dass diese Personen Keimträger 

1) Pettenkofer, Zur Cbolerafrage. S. 688ff. 

1 * 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1624 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 37. 


sind uod die in ihren Entleerungen vorhandenen Krankheitskeime direkt 
durch Kontakt auf die Personen oder indirekt durch Wasser-, Milch¬ 
oder Nahrungsmittelinfektion auf einen grösseren Kreis übertragen. 

Es ist nun von ausserordentlichem Interesse, dass auch beim Fleok- 
typhus unter gewissen Umständen eine solche Uebertragung der Krank¬ 
heitsursache auf die Personen der nächsten Umgebung stattfindet, ohne 
dass hier eine ähnliche Erklärung wie bei der Cholera in Frage kommen 
könnte, denn die Erreger des Flecktyphus sind bisher noch nicht be¬ 
kannt, und nach R. Koch hat die Erfahrung gelehrt, dass „weder Wasser, 
noch die Entleernngen der Kranken für die Weiterverbreitung des Fleck¬ 
typhus in Betracht kommen“. 

Andererseits steht aber fest, dass wie bei Cholera, Abdominaltyphus 
und Ruhr, so vor allem beim Flecktyphus einzelne, aus einer verseuchten 
Lokalität in einen seuchenfreieD Ort kommende Personen die Krankheits¬ 
ursache den Personen ihrer nächsten Umgebung vermitteln können. 
Dass es sich hier um einen miasmatischen Infektionsstoff handeln muss, 
geht 1. daraus hervor, dass solche Uebertragung vorzugsweise in schlecht 
ventilierten, menscbenüberfüllten Oertlicbkeiten erfolgt, so z. B. im 
Frieden in überfüllten Herbergen, Gefängnissen und Hospitälern, und im 
Kriege bei Truppenanhäufungen in schlechten Quartieren, überfüllten 
Lazaretten und auf Schiffen; und 2. spricht die von R. Koch bestätigte 
und besonders bervorgehobene günstige Einwirkung guter Ventilation, 
die er als das einzige Mittel gegen die Verbreitung des Fleck¬ 
fiebers bezeichnet, für die miasmatische Natur der Ursache der Seuche. 

Aus der Geschichte der Kriegsseuchen ist hier die von Niedner 
bestätigte Tatsache bervorzubeben, dass durch die aus dem Krimkriege 
heimkebrenden Truppen der Flecktyphus wohl nach England, nicht aber 
nach Frankreich verschleppt wurde. Niedner führt diese Tatsache 
darauf zurück, dass die französischen Truppen zunächst in Marseille in 
Quarantäne gelegt wurden, und ferner darauf, dass sämtliche zurück¬ 
kehrenden französischen Truppen, an ihrem Bestimmungsorte angelangt, 
in einiger Entfernung vor der Stadt lagern mussten, hier neue Uniformen 
erhielten, gebadet und ärztlich untersucht wurden 1 ). Im Zusammenhalt 
mit dieser KriegserfabruDg gewinnt eine Feststellung von Kolle und 
Hetseh ein besonderes Interesse, welche in ihrem Lehrbuche vom Jahre 
1908 (S. 701) auf die in Krankenhäusern und Gefängnissen gemachten 
Beobachtungen hioweisen: . . . dass die Aerzte sich fast regel¬ 
mässig mit Flecktyphus infizieren, wenn sie die Kranken, 
ohne dass diese gebadet und ihrer schmutzigen oder mit 
Ungeziefer behafteten Kleider entledigt sind, untersuchen. 
Die gebadeten und in frische Kleider gebrachten Kranken 
sind meist viel weniger ansteckend für das Pflegepersonal 
und die Aerzte“. 

Wir haben also bei Cholera und Fleckfieber dieselbe Tatsache, dass 
die Krankheitsursache von einzelnen Personen in ihren Kleidern und 
Effekten aus einem verseuchten Orte mitgenommen und an einem anderen 
Orte auf die Personen derselben Raumatmosphäre übertragen werden 
kann, und wir haben ferner die andere Tatsache, dass solche Ueber¬ 
tragung vermieden oder eingeschränkt werden kann, wenn die be¬ 
treffenden Personen gebadet und mit neuen Kleidern versehen oder einer 
gründlichen Durchlüftung ausgesetzt sind. Diese beiden Tatsachen 
haben wir bei der Cholera ohne Ungeziefer und beim Flecktyphus ohne 
Bacillenträger zu erklären und kommen daher zu dem Schluss, dass 
beide Tatsachen daraus zu erklären sein dürften, dass es sieb bei beiden 
Seuchen um miasmatische Krankheitsursachen handelt, die in Kleidern 
uod Effekten verschleppt und auf einzelne Personen derselben Raum¬ 
atmosphäre übertragen werden können. — 

Nach dieser in Rücksicht auf den gegenwärtigen Krieg gebotenen 
Abschweifung kehren wir wieder zu unserer Betrachtung der Cholera 
im jüngsten Balkankriege zurück. 

In einer Nachschrift 2 ) zu seinen Ausführungen weist Eckert selbst 
wiederholt auf den Gegensatz biD, welcher darin besteht, dass der 
explosive Choleraausbruch vor Tschataldscha durch eine Kontaktiofektion 
im weiteren Sinne erfolgt sein soll, während in Sofia und im Sofioter 
Choleralazarett die Kontaktiofektion tatsächlich nur eine so geringe bzw. 
gar keine Rolle gespielt hat. Eckert glaubt, diese beiden sich ent- 
gegenstebenden Tatsachen daraus erklären zu können, dass bei der ge¬ 
ringen Widerstandskraft der Choleravibrionen zum Zustandekommen 
eines Infektes im allgemeinen grössere Mengen Virus er¬ 
forderlich seien, wie sie bei den günstigen hygienischen Zuständen 
in Sofia nicht vorhanden waren. 

Diese Hypothese widerspricht aber durchaus der von Robert 
Koch stets vertretenen Ansicht. Auf der Cholerakonfereoz 1884 sprach 
sich Robert Koch wörtlich dahin aus: „Es lässt sich annehmen, dass, 
wie es bei anderen Bakterien der Fall ist, sehr wenige Exemplare, unter 
Umständen ein einziges genügt, um eine Infektion zu bewirken.“ In 
demselben Sinne sprach sich Robert Koch im Jahre 1904 in den Ver¬ 
handlungen wegen der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 aus, 
als vom Gerichtshöfe die Frage gestellt wurde, wieviele Baoillen denn 
zur Erregung einer so grossen Epidemie für erforderlich gehalten würden. 

Unsere Betrachtung bat uns gezeigt, dass die Eckert’schen Fest¬ 
stellungen eine geradezu glänzende Bestätigung der Petten kofer’schen 
Lehre von der örtlich-zeitlichen Bedingtheit der Choleraentstehung dar¬ 
stellen. Diese Bestätigung ist um so gewichtiger, als Eckert, wie wir 

1) Niedner, Die Kriegsepidemien des 19. Jahrhunderts. 1903. 
S. G4. 

2) B.kl.W., 1913, Nr. 6. 


gesehen haben, niobt etwa vom lokalistiscben Standpunkt ausgeht 
sondern vielmehr für die Entstehung der Epidemie vor Tschataldscha 
sogar an einer Kontaktiofektion im weiteren Sinne festhält. 

In der Pettenkofer’schen Auffassung der Choleraentstehung findet 
nun auch der von Eckert selbst hervorgehobene Gegensatz eine be¬ 
friedigende Erklärung, indem im Bereiche der Tschataldschastellung die 
beiden feindlichen Heere der sich aus dem Boden entwickelnden Cholera¬ 
ursache ausgesetzt waren, wodurch in einer grösseren Reihe der Falle 
eine Kontaktinfektion vorgetäusobt wurde, während in Sofia und im 
Sofioter Choleralazarett nur einzelne Cholerafälle vorkamen, weil hier 
ähnlich wie in San Stefano und in dem dortigen Cholerahospital die 
miasmatischen Einflüsse einer Choleraörtlichkeit fehlten. 

Von diesem lokalistischen Standpunkte Pettenkofer’s Bind auch 
die von Aumann auf Grund seiner Erfahrungen in Serbien erhobenen 
Einwände gegen die Eckert’schen Feststellungen sehr leicht zu wider¬ 
legen. 

Es sei zunächst darauf hingewiesen, dass der Au man n’sche Bericht 
über die Cholera in Serbien im Jahre 1913 die beiden Hauptcharakter¬ 
züge der Cholera sehr deutlich heivortreten lässt, nämlich: 

1. das herdweise Auftreten der Seuche in scharfer lokaler 
Begrenzung. „AU Ausgangspunkte der Cholera in Serbien kommen 
zwei Hauptherde in Betracht,“ sagt Aumann, „vod denen der eine 
an der Bregalnitza in dem Gebiete Kocaoa, Stip, Kumanowo ge¬ 
legen ist, während der andere bei mehr länglicher Ausdehnung in 
den Landstreifen zwischen Pirot-Zajecar einerseits und der bulgari¬ 
schen Grenze andererseits zu verlegen ist“, und 

2. tritt die Vorliebe der Cholera für gewisse Strecken ein¬ 
zelner Flusstäler deutlich hervor. So trat unter den ander 
Bregalnitza kämpfenden Truppen eine Epidemie auf, die Aumann 
als Trinkwasserepidemie auffassen su müssen glaubte; ebenso an 
dem an Kumanowo vorbeifliessenden Bacb, die Aumann aut die 
sich dort ansammelnden Cbolerakranken zurückführte, sodann ein 
explosionsartiger Ausbruch der Seuche unter der Stadtbevölkerung 
von Kumanowo. Diese Epidemie in Kumanowo teilt Aumann in 
eine Wasserinfektionsepidemie von 100 Erkrankungsfällen und in 
eine darauffolgende Kontaktepidemie mit 150 Erkrankungsfällen. 
Ich habe schon in meiner Bearbeitung der Hamburger Cholera* 

epidemie von 1892 und auch bei der Gelsenkirchener Typhusepidemie 
von 1901 darauf hingewiesen, dass in dieser Zweiteilung des Ver¬ 
laufes der Epidemien in eine „Hauptepidemie“ und eine 
„Nachepidemie“, wie es bei der Hamburger Choleraepidemie von 
1892 hiess, oder in eine „Wasserinfektions-“ und eine „Kontakt¬ 
epidemie“, wie es bei der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 
hiess, und wie es jetzt in dem Aumann’schen Bericht über die Cholera 
in Serbien wieder heisst, der Hauptfehler der bakteriologischen 
Auffassung der Cholera- und Typhusgenese liege, der den 
Eindruck jeglicher Gesetzmässigkeit verschwinden lasse und allen 
Theorien Tür und Tor Öffaet. So sehen wir dieselben Tatsachen 
des gesetzmässigen zeitlichen Ablaufes der Epidemien, die noch vor 
10 Jahren sämtlich im Sinne der Trinkwassertheorie und später 
im Sinne der Milch- bzw. Nahrungsmittelinfektionstheorie gedeutet 
wurden, heute im Sinne der Kontakttheorie gedeutet werden, worüber 
schon P. Remlinger im Jahre 1910 seine offensichtliche Verwunderung 
ausgesprochen hat 1 ). 

„In den letzten Jahren hat sich immer mehr die Ueberzeuguog 
Bahn gebrochen“, sagt Aumann am Eingang seines Berichtes, „dass 
die Kontaktinfektioo, sei es nun direkt oder indirekt in der Epidemio¬ 
logie der Cholera von ausschlaggebender Bedeutung ist. Während 
Kolle und Hetseh noch im Jahre 1911 der Ansicht Ausdruck ver¬ 
liehen, dass die Uebertragung der Cholera durch infizierte Nahrungs¬ 
und Genussmittel eine weit grössere epidemiologische Rolle spiele als die 
Kontaktinfektion, haben in dieser Hinsicht unsere Anschauungen eine 
gründliche Wandlung erfahren. Der nachhaltige Eindruck, den die Ham¬ 
burger Trinkwasserepidemie des Jahres 1892 hiuterlassen hat, wird all¬ 
mählich verwischt“ .... Dazu ist zu sagen: Gründlich gewandelt und 
verwischt haben sich nur die Theorien; fest stebt dagegen die epidemio¬ 
logische Tatsache der jahreszeitlichen Regelmässigkeit der Cbolera- 
bewegung uod der Abhängigkeit der Typhusbewegung von gewissen 
klimatischen bzw. Witterungszuständen, wie sie den verschiedenen Jahres¬ 
zeiten an den einzelnen Oertlicbkeiten eigentümlich sind. Diese jahres¬ 
zeitliche Regelmässigkeit, wie sie z. B. die Cholerabewegung zeigt, und 
die nach Pettenkofer ihre innere Begründung in gewissen klimatischen 
Einflüssen auf die örtlich bedingte Choleraursache findet, tritt sehr deut¬ 
lich hervor, wenn man den zeitlichen Ablauf der Epidemien als Ganzes 
betrachtet, sie verschwindet aber völlig bei der von der Koch’scben 
Schule beliebten Zweiteilung der Gesamtepidemie, wie sich das sehr 
deutlich zeigte bei der Hamburger Epidemie von 1892. Demgegenüber 
konnte ich feststellen: 

Wenn man das Auftreten eines epidemischen Erkrankens an Cholera 
in Hamburg in dem Zeiträume von August 1892 bis März 1893 als ein 
Ganzes betrachtet mit dem Maximum der Cholerafrequenz im Septenaber 
und dem Minimum im März, so wird durch die Epidemie des Jahres 
1892 schlagend die Gesetzmässigkeit des jahreszeitlichen Einflusses au 
die Cholerabewegung in Norddeutschland bestätigt, welche v. Pulten- 
kofer für Preussen (1848—1859) und wir für Hamburg (1831—1°™/ 
übereinstimmend gefunden haben und welche sich folgen dermaasseo 

1) Le Bull, med., 1910, Nr. 10. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1625 


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14. September 1914. 

formulieren lässt: Wenn man die in Preussen bzw. Hamburg im April 
vorgekommenen Erkrankungsfälle an Cholera als 1 nimmt, so steigt ihre 
Zahl mit einer schrecklichen Regelmässigkeit bis zum September auf das 
568 fache in Preussen, bzw. das 322 fache in Hamburg, und nimmt dann 
wieder mit der gleichen Regelmässigkeit von Monat zu Monat ab, bis 
sie im März wieder bei 1,9 in Preussen, bzw. bei 0 in Hamburg an¬ 
kommt. 

Bei der von der Roch’schen Schule beliebten Teilung der.Epidemie 
in eine Haupt- und eine Naohepidemie dagegen verschwand der Eindruck 
dieser so offenbaren jahreszeitlichen Gesetzmässigkeit völlig und damit 
war allen Theorien Tür und Tor geöffnet. 

Wenn wir nun nach dieser prinzipiell wichtigen Abschweifung zu 
dem Aumann’schen Bericht über die Epidemie in Kumanowo zurück¬ 
kehren, so ist bezüglich der örtlichen Begrenztheit derselben die Be¬ 
merkung von Interesse: 

„Für das Uebergreifen der Cholera auf Alt-Serbien ist diese Epi¬ 
demie von Kumanowo, auch die unter den Truppen, wohl nicht von 
allzu grosser Bedeutung gewesen 0 ; und ferner die andere Bemerkung: 
„Die unter den Truppen herrschende Epidemie wurde zum Stillstand 
gebracht und die Truppen verliessen Kumanowo. Aber unter der Stadt¬ 
bevölkerung nahm die Seuche unterdes ungehemmt eine weitere Ver¬ 
breitung. 8 

Es scheint sich hier die alte Erfahrung wieder bestätigt 
zu haben, dass in Truppenteilen, welche einen Choleraort 
verlassen, die Epidemie zu erlöschen pflegt, sobald sie in 
eine cholerafreie Gegend kommen. 

Aumann kommt sodann zu seinen Feststellungen im Kreise Pirot, 
der zu dem zweiten Hauptcholeraherd Serbiens gehört Er traf dort ein 
am 14. Oktober 1913, zu einer Zeit, wo die Cholera in raschem Ab¬ 
nehmen begriffen war; es gelang ihm trotzdem bei seinen Naohsuchungen 
von Haus zu Haus, in wenigen Tagen aus der Stadt Pirot und den um¬ 
gebenden Ortschaften 75 echte Choleraerkrankungen zu sammeln und in 
die Cbolerabaracken zu überführen. Annähernd die gleiche Zahl ging 
während der Zeit seiner Anwesenheit an Cholera so schnell zugrunde, 
dass eine Verbringung in die Cholerabaracken nicht mehr möglich war. 

Da im ganzen Kreise Pirot nicht eine einzige Trinkwasserepidemie 
beobachtet worden ist, wie Aumann ausdrücklich feststellt, so führt er 
die Entstehung der Epidemie auf Einschleppung durch die Bulgaren und 
ihre Verbreitung im Anfang auf „indirekt» 8 Kontaktinfektion, ihren 
weitereren Verlauf in späterer Zeit aber auf „direkte“ Kontaktinfektion 
durch die zur Entlassung gelangenden Truppen zurück. „Auch hier 
leigten sich zahlreiche Infektionen in den Familien und in der unmittel¬ 
baren Umgebung der Erkrankten. Ja, sogar fast jeder einzelne Fall, 
den wir gefunden haben, war ein Beispiel dafür“, sagt Aumann. 

Auf Grund dieser Erfahrungen in dem Kreise Pirot in Serbien 
lanbt Aumann nun die Behauptung Eckert’s, dass Sofii trotz 
auernder Einschleppung von Cholerafällen im Jahre 1913 von einem 
epidemischen Auftreten der Cholera verschont geblieben ist, in Frage 
stellen zu können, weil hier der Nachweis fehle, dass bei Naohsuchungen 
von Haus zu Haus tatsächlich keine Cholerakranken mehr angetroffen 
seien als die wenigen in das Lazarett verbrachten Fälle. Abgesehen 
davon, dass es doch höchst unwahrscheinlich erscheinen muss, dass in 
einer hygienisch so einwandfrei versorgten Stadt, wie Eckert uns Sofia 
schildert, ein epidemisches Auftreten der Cholera den Behörden ent¬ 
gangen sein könnte, erscheint dieser Einwand auch vom lokalistischen 
Standpunkte aus ganz hinfällig, denn wenn wir den lokalistischen Haupt¬ 
charakterzug der Cholera beachten, erscheint es ganz selbstverständlich, 
dass sowohl die Eckert’schen Feststellungen bezüglich Sofias wie die 
A um an n’schen Feststellungen bezüglich des Kreises Pirot ganz richtig sein 
können, dass es aber nicht richtig ist, sie gegeneinander geltend zu 
machen. 

Der Grund des Missverständnisses zwischen Eckert und Aumann 
liegt eben nnr darin, dass sie an dem Begriff der Kontaktinfektion fest- 
halten, während es Bich bei der Cholera um eine örtlich bedingte En- 
demioitat der miasmatischen Choleraursache handelt, die in Tschataldsoha 
und im Kreise Pirot in Serbien in örtlicher Begrenzung vorhanden war 
und hier in einer grösseren Reibe von Fällen eine Kontaktinfektion vor- 
tjf u ® c hte, während in Sofia und in Konstantinopel die örtliche Disposition 
für die Choleraentstehung fehlte. 

Der Kreis Pirot war nach Aumann ein Teil des zweiten Haupt- 
berdes der Cholera in Serbien. In dem ganzen Bereiche dieses Haupt- 
berdes machte die sich aus dem Boden entwickelnde Choleraursache sich 
geltend, und zwar, wie gewöhnlich, in lokaler Begrenzung und an ge¬ 
wissen Strecken einzelner Flussläufe, so im Kreise Pirot zu beiden Seiten 
der Nisara. Hier stand riie Bevölkerung unter dem Einfluss der sich 
aus dem Boden entwickelnden Choleraursache, und hier wurden daher 
bei näherer Nachforschung viel mehr Cholerakranke gefunden, als in die 
Krankenhäuser verbracht werden konnten. In Sofia aber, der hygienisch 
wowandfrei mit vorzüglicher Kanalisation versehenen Haupt- 
■todt Bulgariens dagegen fehlte die Örtliche Disposition für die Cholera- 
eotstehung zu jener Zeit, die Bevölkerung stand also nioht unter dem 
miasmatischen Einfluss einer Choleralokalität: es wurden daher dort nur 
sporadische Cholerafälie in der nächsten Umgebung der eingeschleppten 
Falle beobachtet. 

Aumann stellt ferner der von Eckert hervorgehobenen Tatsache, 
üass im Choleralazarett in Sofia nur eine Hauainfektion erfolgt sei, ob¬ 
wohl die Maassnahmen gegen eine Kontaktinfektion nur recht unvoll¬ 


kommen durchgeführt werden konnten, die andere von ihm beobachtete 
Tatsache gegenüber, dass in dem serbischen Orte Leskovatz in dem 
dortigen Lazarett unter etwa 30 Krankenwärtern 5 Kontaktinfektionen 
mit 3 Todesfällen festgestellt worden sinl. Auch diese beiden Tatsachen 
können nach der lokalistischen Auffassung der Choleragenese durchaus 
nebeneinander bestehen, ohne dass die eine durch die andere in Frage 
gestellt würde. So wurde auch im Kriege von 1870/71 bezüglich des 
Abdomiualtyphus iu den mit Hunderten von Typhuskranken belegten 
Kriegslazaretten in Nancy eine völlige Immunität des Pflegepersonals 
von Prof. v. Niemeyer beobachtet, während in den Kriegslazaretten 
von St. Marie aux Chenes und Batiüy sich das ärztliche und Lazarett- 
personal in erheblichem Maasse vom Typhus ergriffen zeigte. Zur Er¬ 
klärung wird in dem Kriegs-Sanitatsbericht von 1870/71 (S. 122) darauf 
hingewiesen, dass die Lage dieser Lazarette inmitten eines in¬ 
tensiven Seuchenherdes zur Erklärung dieser Ausnahmen völlig 
genüge. Hier war also die örtliche Disposition für die Typhusentstehung 
vorhanden, während sie in Nancy fehlte. 

Unsere bisherige Betrachtung hat uns gezeigt, dass die sich ent¬ 
gegenstehenden Ergebnisse, zu welchen die bisherigen Bericht¬ 
erstatter bezüglich der Rolle der Kontaktinfektion bei der Ver¬ 
breitung der Cholera auf dem Kriegsschauplätze gekommen sind, ihre 
Erklärung und Lösung finden, wenn man den lokalistischen 
Hauptoharakterzug der Cbolera beachtet. 

Es liegt auf der Hand, von welcher Bedeutung die Widersprüche in 
den Auffassungen von der Rolle, welche die Kontaktinfektion bei der 
Verbreitung der Cholera spielt, für die Maassnahmen zur Verhütung und 
Bekämpfung der Seuche sein müssen. 

So kommt Aumann zu dem Schluss, dass die direkte Kontakt- 
infektion in Serbien von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sei, so 
dass also der kontagionistische Gedanke für die Seuchenbekämpfung 
maassgebend sein müsse. 

In einer ganz kürzlich erschienenen Arbeit über die Cholerabe¬ 
kämpfung in der griechischen Armee während des griechisch-bulgarischen 
Krieges 1 ) von J. Moutouses in Wien kommt Verf. hinwiederum zu 
dem Schluss, dass vor allem die prophylaktische Choleraschutzimpfung 
das griechische Heer und ganz Griechenland vor einer Durchseuchung 
geschützt habe. Dabei ist für die lokalistische Auffassung sehr interessant 
die Feststellung, dass „das Vordringen der griechischen Armee in ein¬ 
zelne von den Bulgaren geräumte Positionen zu einem plötzlichen, fast 
explosionsartigen Auftreten der Cholera in einzelnen griechischen Truppen¬ 
teilen geführt habe“, und ferner, dass „bei einer Truppe, in der es an 
einem Tage 100 Cholerafälie gab, am nächten Tage nach dem Abmarsch 
in eine andere Gegend nur mehr sporadische Fälle konstatiert wurden“. 
Verf. glaubt dieses verschiedene Verhalten der Seuche aus der Trink¬ 
wasserversorgung erklären zu können. 

Demgegenüber kommt Eckert zu dem Schluss, dass die Kontakt- 
iufektion, wenn sie auch in erster Linie zur Entwicklung der Epidemie 
vor Tscbataldscha beigetragen habe, doch nur dann zur Erkrankung zu 
führen scheine, wenn die Uebertraguog grösserer Baciilenmengen gewähr¬ 
leistet sei. Das praktische Ziel der Kriegsbygiene aber würde durch eine 
lückenlose Fürsorge für die Unterbringung der Truppen, für die Trink¬ 
wasserversorgung und Beseitigung der Abwässer am einfachsten und für 
die Truppe selbst am schonendsten erreicht. 

Zum Schluss seiner Ausführungen weist Eckert darauf hin, dass 
es für den Kriegssanitätsdienst nioht gleichgültig sei, wie 
hoch man die Gefahr von Kontaktinfektionen einschätze. 
Nach den epidemiologischen Erfahrungen des Balkankrieges liege z. B. 
keine Veranlassung vor, einem Verwundeten, der an Cholera erkrankt 
sei, eine spezialärztliobe Behandlung zu verweigern aus Furcht vor einer 
leichten Uebertragung der Krankheit und Verschleppung in chirurgische 
Spitäler. Und auch in anderer Beziehung, z. B. für die Heeres¬ 
leitung, sei die Frage der Kontaktinfektion von grosser 
Wichtigkeit. So wurde der bulgarischen Heeresleitung z. B. von Prof. 
Kraus-Wien empfohlen, zur Bekämpfung der Cholera eine grössere Zahl 
bakteriologischer Laboratorien zu errichten, die gesamte Armee auf 
Bacillenträger durchzuuntersuchen und diese unschädlich zu machen. 

„Eine derartige Maassnahme legt die Armee lahm“, sagt 
Eckert, „ganz abgesehen davon, dass es für die Durchführung der Ar¬ 
beiten an Aerzten und für die Unschädlichmachung der Bacillenträger 
an Isoliervorriobtungen mangelte.“ Es wurde weiter angeraten, zur Ver¬ 
hinderung einer allgemeinen Epidemie in Sofia und Bulgarien Heer und 
Zivilbevölkerung einer Schutzimpfung zu unterziehen. „Dieser Rat 
war genau so undurchführbar wie der erste“, sagt Eckert, in¬ 
dem er hinzufügt: „Sofia ist verschont geblieben von einer Epidemie, im 
Lande ist die Bevölkerung in irgend nennenswerter Weise nur dort an 
der Cholera erkrankt, wo das rumänische Heer für eine hinreichende 
Verseuchung gesorgt hatte (?). Schon gegen Ende Oktober war Bulgarien 
gänzlich frei von Cholera.“ 

Wir sehen also hier, dass die vom kontagionistischen Standpunkte 
aus, und zwar ?on autoritativer Seite (Prof. Kr aus-Wien), zur Ver¬ 
hütung und Bekämpfung der Cholera im jüngsten Balkankriege vorge¬ 
schlagenen Maassnahmen sich nicht nur als undurchführbar, sondern 
auoh als ganz unnötig erwiesen haben. 

Die Erfahrungen des jüngsten Balkankrieges bestätigen Dach alle¬ 
dem die Lehre, welche der verewigte bayerische Generalarzt Dr. Port 


1) Siehe Zeitschrift „Der Militärarzt“. 1914, Nr. 4. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 37. 


auf Grund des im Jahre 1886 erschienenen Kriegssanitätsberichtes aus 
den Kriegserfahrungen von 1870/71 gezogen hat, die Lehre nämlich, 
dass für die Verhütung und Bekämpfung der Hauptheeres¬ 
seuchen unserer Zeit, des Abdominaltyphus und der Ruhr, so¬ 
wie der Cholera nioht der kontagionistische Gedanke maass¬ 
gebend sein dürfe. " 

Bei der Wichtigkeit dieser Frage hatte ich Veranlassung genommen, 
in meiner letzten grösseren Arbeit über die Typbus- und Cholerafrage 
auf die ausserordentliche Tragweite der heute vorherrschenden kontagio- 
nistischea Auffassung der Seucheneutstehung hinzuweisen, wie sie bei 
den Maassnabraen zur Verhütung und Bekämpfung der Seuchen im 
Kriege hervortreten würde. Zur Begründung hatte ich eine Reihe von 
Arbeiten aus der neuesten militärärztlichen Literatur in den Kreis der 
Betrachtung gezogen und ihnen die Ausführungen Port’s über „Typhus 
und Ruhr im Lichte der Kriegserfahrungen von 1870/71“ gegenüber- 
gestellt. In einer Besprechung meiner Arbeit in der „Zeitschrift für 
Medizinal-Beamte“ (1911, Nr. 7) wurden nun von Herrn Prof. Dr. Lentz 
die Port’schen Ausführungen, auf die ich mich bezogen hatte, in wich¬ 
tigen Punkten in Frage gestellt, so dass eine Nachprüfung auf Grund 
des Kriegssanitätsberichtes von 187Ö/71 mir durchaus geboten erschien. 
Bei dieser Nachprüfung, die sich zunächst nur auf das von Herrn 
Prof. Dr. Lentz in Frage gestellte Ergebnis des grossartigen Eva¬ 
kuierungsexperimentes von 74 000 typhösen und 39 000 Ruhrkranken 
bezog, erwies es sich dann als durchaus notwendig, die Typhus- und 
Ruhrbewegung bei der deutschen Feldarmee in dem Kriegsjahr 1870/71 
ira ganzen in den Kreis der epidemiologischen Untersuchung zu ziehen. 

Ferner erwies es sich als unumgänglich, die Seuchenbewegung in 
den Kriegen des 19. Jahrhunderts im Zusammenhalte mit dem Wandel 
in den Erscheinungsformen des epidemischen Erkrankens zu berück¬ 
sichtigen. Dabei habe ich auch besonders die Seuchengesohichte des 
Krimkrieges in den Kreis der Betrachtung gezogen, von der Robert 
Koch gesagt hat: „Auf das vielfach zitierte Beispiel des Krimkrieges 
kann gar nicht oft genug hingewiesen werden, um zu zeigen, dass wir 
mächtige Mittel zur Verfügung haben, welche richtig angewendet wohl 
imstande sind, gewisse und gerade die verderblichsten Kriegsseuchen in 
enge Grenzen zu bannen oder selbst gänzlich abzuwehren.“ (Gesammelte 
Werke von Robert Koch, Bd. 2, H. 1, S. 276.) 

Das Resultat dieser epidemiologischen Untersuchung, welche mich 
mehrere Jahre beschäftigt hat, und welche gerade bei Ausbruch des 
gegenwärtigen Krieges fertig gestellt war und jetzt erschienen ist Di 
lässt sich dahin zusammenfassen, dass die wichtigste und für alle 
Zeiten denkwürdigste Lehre, welche aus den Kriegserfahrungen von 
1870/71 auf Grund des klassischen Kriegssanitätsberichtes zu ziehen 
ist, die Erkenntnis darstellt, dass nicht die Kontaktinfektion, sondern 
die örtlich-zeitliche Bedingtheit der Seuchenentstehung das entscheidende 
Moment für das epidemische Auftreten des Abdominaltyphus und der 
Ruhr, dieser beiden eigentlichen Kriegsseuchen der neueren Zeit, ist. 
Es war mir daher von besonderem Interesse, dass Eckert auf Grund 
seiner Erfahrungen in dem jüngsten Balkankriege bezüglich der Cholera¬ 
verbreitung zu einem im wesentlichen gleichen Resultate gekommen 
ist, wenn er auch bezüglich der Choleraentstehung noch an einer 
Kontaktinfektion im weiteren Sinne festhalten zu müssen glaubt, auf 
Grund einer Hypothese, die er selbst als epidemiologisch, klinisch und 
experimentell angreifbar bezeichnet. 


Aus der Königl. chirurgischen Universitätsklinik in 
Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Küttner). 

Hypernephrom des Zungengrundes. 

Von 

Prof. H. Coenen, Oberarzt der Klinik. 

Soweit sich auch die Grawitztumoren aus dem Bereiche 
der Nebennieren entfernen mögen, immer kennt man diese inter¬ 
essanten, durch Versprengung von Nebennierenkeimen erzeugten 
Geschwülste wieder an ihrem charakteristischen, die Nebennieren¬ 
rinde nachahmenden Bau mit der zarten alveolären Struktur und 
den meist nicht zu verkennenden NebenniereDiellen mit dem 
kleinen-Kern, der scharfen Zellgrenze und dem hellen Zellleib 
und an der umschriebenen, oft umkapselten Anlage. # 

Das Vorkommen eines Hypernephroms am Zungengrund ist 
gewiss eine Seltenheit, daher mag die folgende klinische Beob¬ 
achtung die sonst so reiche Kasuistik der GrawitzgeschWülste 
bereichern. 


1) Die Arbeit ist soeben im Verlage von J. F. Lehmann in München 
erschienen unter dem Titel: Die Entstehungsursachen der Kriegs- 
seuchen, ihre Verhütung und Bekämpfung. Ein epidemiologischer 
Kommentar zu dem Kriegssanitätsbericbt über „Typhöse Erkrankungen und 
Ruhr bei den deutschen Heeren 1870/71“ unter Berücksichtigung der 
Seuchenbewegung in den Kriegen des 19. Jahrhunderts. Von Dr. med, 
F. Wolter in Hamburg. München 1914. 


Ernestine B., 62 Jahre alt, aufgenomraen 30. IV. 1914, entlassen 
19. VI. 1914. 

Die Frau hat drei gesunde Kinder, litt früher an Masern und machte 
mit 30 Jahren eine Bruchoperation durch. Seit Frühjahr 1913 hat sie 
an der Zunge eine Schwellung bemerkt, die das Schlingen erschwerte, 
indem die Speisen auf der rechten Zungenhälfte nicht recht herabgleiten 
wollten. Vor 3 Wochen nahmen die Schlingbeschwerden zu und ver¬ 
gesellschafteten sich mit Störungen bei der Atmung durch den Mund. 

Die gealterte, aber noch rüstige Frau mit starken Krampfader¬ 
bildungen an den Beinen zeigt zuuächst beim Oeffnen des Mundes nichts 
abnormes; erst wenn die ZuDge ganz herausgestreckt wird, sieht man 
auf der rechten Hälfte der Zungenbasis den ebenen Pol eines etwa 
walnussgrossen Tumors, der als glasiges, graugelbliches Gebilde aus 
dem roten Zungenfleisch berausragt und eine barte Konsistenz hat, zum 
Teil im Zungenfleisch liegt und nicht erheblich ulceriert ist. Die 
W T assermann’sche Reaktion ist negativ. An den Abdominalorganen, ins¬ 
besondere im Bereich der Nieren Hessen sich keine krankhaften Ver¬ 
änderungen nachweisen. 

Zum Carcinora, das ja meist am Zungenrande als hartes 
Ulcus auftritt, passte das Bild nicht. Eine bestimmte andere 
Diagnose konnte auch nicht gestellt werden. So wurde am 
9. VI. 1914 die Operation gemacht (Prof. Coenen). 

Unter Anästhesierung des 2. und 3. Trigeminusastes und der rechten 
Halsseite nach 0. Braun wird die Eröffnung des Rachens von der Seite 
her mit der Langenbeck’schen temporären Kieferresektiou ausgeführt: 
Querspaltung der rechten Wange bis jenseits des rechten Kieferwinkels 
und rechtwinklige Abbiegung des Weichteilschnittes entlang dem vorderen 
Kopfnickerrande bis zur Mitte des Halses; Ausräumung der Glandula 
dubmaxillaris salivalis und Unterbindung der Arteria und Vena lingualis 
sextra; Durchsägung des Unterkiefers nahe am rechten Unterkieferwinkel. 
Darauf Infiltration des Zungengrundes mit 1 j 2 proz. Novocainadrenalin- 
Lösung von der Wunde aus durch eine in die rechte Seite der Zungen¬ 
basis eingelassene Hohlnadel. 


Abbildung 1. 




pernepbrom des Zungengnindes. dw Schnittfläche 

cinh tnnsnenartic über die Zungenfiacne. au 


■ j J er Tumor 

Beim Vorsieben der Zunge an einer 1, nicht diffus,. 
Ilständig sichtbar und ist, nach dem b kei i för mige 

idern umschrieben, so dass er dur vo ii s tändig ausgerottet wer 

, Dreiviertel des Zungengrundes umtoat ;°“ s ‘“ <,, | ( . h i u *, s der Zungen- 
an, was ohne nennenswerte Blutung möglich ist. 


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14; September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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wunde und des Mundbodens durch die Naht. Drahtnaht des Unterkiefers 
und Vernähung der Rachensohleimhaut unter dem vereinigten Unter¬ 
kiefer mit der flaut, also Bildung einer Rachenschleimhautfistel zur Ab¬ 
leitung des Schleimes und Mundsekrets. Darauf Naht der Haut und 
Mundschleimhaut. 

Die Pat. kommt nach der Operation nicht ins Bett, sondern bleibt 
auf. Wundheilung ohne Störung und ohne Pneumonie. Am 6. VI. An¬ 
frischung der Schleimhautfistel und Vernähung; am 19. VI. geheilt ent¬ 
lassen. 


Aus der urologischen Poliklinik der chirurgischen 
Klinik zu Breslau. 

Behandlung dep Blasentumoren mit Hoch¬ 
frequenzströmen. 1 ) 

Von 

Dr. Iienner. 


Im exzidierten Präparat sieht man das weissliche Geschwulst¬ 
gewebe scharf abgesetzt gegen die Zungenmuskulatur und zum 
grössten Teil über die Oberfläche derselben emporragen. So er¬ 
hebt sich der Tumor in Walnussgrösse knospenartig über die 
Zunge und schickt in das Zungenfleisch einen zapfenartigen Fort¬ 
satz. Die Oberfläche des Tumors ist nur zum geringsten Teil 
ulceriert, was vielleicht von der anderswo ausgeführten Probe- 
excision herrührt. 

Im mikroskopischen Präparat gewahrt man den für Neben¬ 
nierentumoren charakteristischen Bau. Die Geschwulstzellen liegen 
in säulenförmiger Anordnung in einem dünnen Bindegewebsnetz- 
werk j und^,haben einen kleinen Kern, scharfe Zellgrenzen und 
einen getüpfelten oder schaumig aussehenden Zellleib. Neben 
der Geschwulst sieht man herdweise kleinzellige Rundzellen¬ 
wucherungen, in deren Innerem man die charakteristischen Ge¬ 
schwulstzellen in einzelnen Komplexen liegen sieht. 


Abbildung 2. 



Hypernephrom des Zungengrundes/* Mittlere Vergrösserung. 


Angesichts dieses scharf charakterisierten histologischen Auf¬ 
baues konnten Zweifel, dass es sich um einen Nebennierentumor 
handelte, nicht aufsteigen, und man muss hier, da Erkrankungs¬ 
erscheinungen im Gebiete der Nieren und Nebennieren völlig 
fehlten und auch das Röntgenbild hier keinen Geschwulstschatten 
nachwies, einen primären Grawitztumor annehmen, wenn nicht 
spätere klinische Symptome oder die eventuelle Sektion ihn für 
eine Metastase erklären, was nach dem jetzigen Befunde höchst 
fragwürdig erscheint. 

Ob man im Leben im wiedervorkommenden Falle eine solche 
Diagnose jemals wird stellen könneD, ist sehr zweifelhaft, höch¬ 
stens könnte die umschriebene Form und der graugelbliche Farben¬ 
ton und die nicht ulcerierte Oberfläche an einen versprengten 
Nebennierentumor denken lassen. Man wird aber jedenfalls bei 
umschriebenen Tumorbildungen des Zungeogrnndes neben der 
Scbilddrüsenstruma auch die Nebennierenstruma diagnostisch in 
Betracht ziehen müssen. 


Die Erfolge der chirurgischen Behandlung der Blasentumoren 
waren früher recht wenig befriedigende. Maligne Geschwülste, 
soweit sie durch sectio alta exzidiert werden konnten, rezidivierten 
meist. Die Resektion oder gar Totalexstirpation der Blase ist ein 
grosser und schwerer Eingriff, der eine ziemlich erhebliche un¬ 
mittelbare Mortalität hat und auch später wegen der drohenden 
Infektion der Nieren von den eingepflanzten Uretereu aus die 
Patienten gefährdet. Auch die neueren Methoden der Bildung 
einer Blase aus dem coecum und der Benutzung der appendix 
als urethra haben noch nicht viel Wandlung schaffen können, 
sind auch zu komplizierte Eingriffe, um sie als Methode der Wahl 
bezeichnen zu können. Ueber den Wert der Radiumbehandlung 
und ebenso der Tiefenbestrahlung mit Röntgen fehlen noch grössere 
Erfahrungen, ausserdem sind sie keine Methoden, welche rasch 
und bald deutlich erkennbar dem Wachstum dieser Tumoren Ein¬ 
halt gebieten und die vorhandenen Massen zum Schwinden bringen. 

Bei den sogenannten gutartigen Geschwülsten, den Pa¬ 
pillomen, von denen übrigens etwa 90Cpt. doch maligne sein 
sollen, wenigstens im pathologisch anatomischen Sinne, wenn man 
ihre Basis untersucht, liegen die Verhältnisse für einen chirur¬ 
gischen Eingriff ebenfalls nicht günstig. Exstirpiert man sie von 
der sectio alta aus, so rezidiviereu sie nicht nur ausserordentlich 
häufig, selbst wenn die Basis exakt mit exzidiert und verschorft 
wird, sondern es entstehen auch Impfmetastasen an anderer Stelle, 
mit Vorliebe in der Narbe der Blasennaht, so dass man es oft 
in kurzer Zeit mit multiplen Geschwülsten zu tun hat. Wenn 
die Patienten überhaupt eine neue sectio alta zulassen, so kann 
sie nur dasselbe Ergebnis haben. Eine endovesicale Behandlung 
aber, auf die ich nachher zu sprechen komme, ist nach sectio 
alta meist erheblich durch Verwachsungen und Verziehungen der 
Blase erschwert. 

Auch die Behandlung mit Resorcinspülungen hat uns bisher 
keine greifbaren Resultate gegeben. 

Schon seit längerer Zeit ist daher die endovesicale Behandlung 
wenigstens bei den Papillomen die Methode der Wahl gewesen 
und hat in der Tat in der Hand unserer tüchtigen Urologen recht 
zufriedenstellende Resultate ergeben. Bei ihr wird der Tumor in 
einer oder mehreren Sitzungen mit der kalten oder heissen Schlinge 
abgetragen, schliesslich die Basis verschorft, eventuell noch mit 
stärkeren Resorcinlösungen betupft. Die Methode ist nicht ein¬ 
greifend, lässt sich in der Sprechstunde ausführen, und wenn doch 
Rückfälle eintreten, beliebig oft wiederholen, solange die Ge¬ 
schwülste dann noch klein sind. Sie erfordert nur eins*, ausser¬ 
ordentliche manuelle Geschicklichkeit. Sie ist die difficilste aller 
urologischen Methoden. Wenn sich also trotz ihrer günstigen 
Erfolge das Bedürfnis gezeigt hat, noch eine andere zur Verfügung 
zu haben, so beruht das erstens auf der Schwierigkeit ihrer An¬ 
wendung, dass es in einigen, wenn auch wenigen Fällen tech¬ 
nisch nicht möglich ist, an den Tumor so heranzukommen, dass 
die Schlinge um den ganzen Tumor oder Teile gelegt werden kann. 
Endlich ist es natürlich auch wünschenswert, die Zahl der Sit¬ 
zungen möglichst zu verringern. 

In den letzten 2 Jahren haben wir nun eine neue Methode 
bekommen, welche gewisse Vorteile bietet, die Behandlung 
mit Hochfrequenzströmen. 

Nachdem man bei der Behandlung von malignen Tumoren 
zur Fulguration und dann zur funkenlosen elektrischen Schnitt¬ 
behandlung — die Forest’sche Nadel und Messer — gekommen 
war, lag es verhältnismässig nahe, auch die Blasengeschwülste 
ähnlich zu behandeln. Beer in New York gebührt das Verdienst, 
diesen Gedanken in die Tat umgesetzt zu haben. 

Das Wesen dieser Methode beruht darauf, dass ausserordent¬ 
lich frequente Wecbselstöme vom Körper nicht mehr als solche 
empfunden werden, sondern nur in den als Widerstand wirkenden 
Organen Wärme entstehen lassen, welche sich je nach der Grösse 
der Elektroden bis zur Hitze steigert. Nimmt man die eine 
Elektrode* ganz klein, so steigt sie derartig, dass eine Eiweiss- 

1) Vortrag gehalten in der Sitzung der schlesischen Gesellschaft 
für vaterländische Kultur zu Breslau am 26. VI. 1914. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr.-37. 


koagulation io der Umgebung der Elektrode eiotrltt, keine Ver- 
schorfuDg. Man sieht den Unterschied von der elektrischen 
Kauterisation schon daran, dass das Gewebe nicht schwarz wird, 
sondern weiss. 

Beer hat zur Erzeugung dieser hochfrequenten Ströme einen 
Oudinapparat angewendet, während wir in Deutschland nach dem 
Vorgänge Kutner’s meist einen Diathermieapparat benutzen, bei 
dem einfach die eine flächenhafte Elektrode mit einer knopf¬ 
förmigen vertauscht wird. 

Sie sehen hier den Diathermieapparat von der Firma R.Seiffert, 
Hamburg, welcher in ähnlicher Ausfährung aber von allen grösseren 
Elektrizitätsfirmen geliefert wird. Er bat sich bei uns bisher gut 
bewährt. Die eine Schnur führt zu einer grossen indifferenten 
mit Stoff überzogenen Elektrode, welche vom Patienten gegen 
Bauch oder Röcken gedruckt wird. An die andere Schnur wird 
eine Kupfersonde angeschlossen, welche bis auf ihre Platinspitze 
durch eine SeidenkatheterumhölluDg isoliert ist. Sie wird durch 
einen Kanal eines gewöhnlichen Ureterencystoskops in die Blase 
eingeführt und mit Hilfe des Albarran’schen Hebels gegen den 
Tumor gedruckt oder in ihn bineingestossen, dann der Strom für 
einige Sekunden geschlossen. Man sieht das Gewebe, sobald die 
Stromstärke eine gewisse Höhe erreicht bat, etwa 0,3 Ampöre, 
sofort verkochen, weiss werden. Man wiederholt das Verfahren 
in einer Sitzung an möglichst vielen Stellen. In etwa 8 bis 
10 Tagen stossen sich die koagulierten Teile ab oder man kann 
sie auch sofort mit kalter Schlinge entfernen, was dann leichter 
ist als ohne vorherige Koagulation, weil die oft stark flottieren¬ 
den zarten Fortsätze vorher der Schlinge leicht ausweichen, nach¬ 
her aber starrer und fester sind. Auch der umgekehrte Weg 
kann manchmal schneller zum Ziele führen: erst Abtragung eines 
Tumorteiles mit der Schlinge, dann Coagulation des Restes. Oder 
es glückt manchmal, den Tumor mit einem feinen Zängelchen, 
wie ich mir hier habe konstruieren lassen, oder mit der Schlinge 
anzuziehen, und dann den besser sichtbaren und zugänglichen 
Stiel zu koagulieren, wobei natürlich mit einem Schlage die ganze 
Geschwulst zur Abstossung zu bringen ist, und in der zweiten 
Sitzung nur noch eine Coagulation des Geschwulstbettes zu erfolgen 
hätte. Bei allen diesen Kombinationen erweist sich die Benutzung 
meines von Georg Härtel, Breslau, gebauten Cystoskops als 
vorteilhaft, welches drei Einführnngskanäle besitzt, so dass man 
neben der Coagulationssonde noch ein Instrument, Zange oder 
einfache Schlinge, welche ebenfalls Härtel z. T. nach meinen 
Angaben konstruiert hat, einfübren kann, während im Bedarfs¬ 
fälle durch den dritten Kanal gespült werden kann. 

Diese neue Methode ist nicht sehr schmerzhaft. Meist ge¬ 
nügt eine rektale Anästhesie mit Codeinzäpfchen, die man selbst¬ 
verständlich noch durch Alypinanästhesie der Harnröhre und Blase 
oder Antipyrinklystiere oder Morphiuminjektion verstärken kann. 
Störender, als der eigentliche Schmerz, ist manchmal ein starker 
Tenesmus der Blase, der eine genügende Füllung, welche mit 
Bor-Kochsalz- oder Hydrargyrumlösung erfolgen kann, verhindert 
oder bald ein Auspressen veranlasst. 

Die Vorzüge der neuen Methode sind ihre technische Einfach¬ 
heit — sie ist nicht schwerer als ein Ureterenkatheterismus —, 
die Möglichkeit, die Zahl der Sitzungen zu verringern, und die 
Zugänglichkeit der meisten iür die Schlinge nicht erreichbaren 
Stellen der Blase. Auch urethroskopisch ist sie anwendbar. 

Eine weitere Frage ist die, ob sie auch sicherer als die 
anderen Methoden vor Rezidiven schützt Ans eigener Erfahrung 
kann ich das bisher nicht beantworten, da wir erst in neuester 
Zeit mit dieser Behandlung begonnen haben. Es ist mir aber 
wahrscheinlich, dass die Coagulation des Geschwulstbettes, welche 
etwa 3 mm in die Tiefe wirken kann, geeigneter zur Verhütung 
von Rezidiven ist als die einfache Kauterisation oder gar die 
Resorcinbehandlung des Stumpfes. Nach Beer und anderen soll 
die Methode nur für die Papillome anwendbar sein; andere wieder 
ziehen auch nicht zu breitbasige bösartige Geschwülste in den 
Bereich dieser Behandlung. Ich selbst habe sie bei einem papillo- 
matösen, aber sicher carcinomatösen Tumor, der schon 2 Mal nach 
hohen Blasenschnitten rezidivierte und multip wurde, angewendet, 
und habe jetzt einen Fall in Behandlung, der wahrscheinlich auch 
maligne ist. Jedenfalls würde ich vorläufig bei jedem malignen, 
überhaupt angreifbaren Tumor die Coagulation versuchen, da alle 
anderen Methoden noch traurigere Ergebnisse liefern. 

Einen Schaden habe ich von der Coagulation bisher nicht 
gesehen. Bei dem einen Fall von langzottigem Papillom trat 
nach Abstossung des Tumorstieles eine erhebliche Blutung ein, 


die etwa einen Tag anhielt, aber auf Gelatine per os und Styptol 
stand, und dem Patienten nicht geschadet hat. 

Bisher habe ich 6 Fälle mit Koagulation behandeln können, 
3 aus der chirurgischen Klinik und 3 aus der Privatpraxis, bei 
denen mir Herr Geheimrat Küttner die Benutzung des klinischen 
Apparates in entgegenkommendster Weise gestattet hat. 

1. Bei einem 21jährigen Buchdrucker gelang mir in 5 Sitzungen die 
Abtragung eines grösseren Teiles der ausserordentlich langen Zotten 
eines Papilloms mit der einfachen, vorhin erwähnten Schlinge durch 
mein Ureterenoystoskop. An den Rest kam ich weder mit Schlinge noch 
mit Kauter heran, konnte ihn aber in 2 Sitzungen soweit ooagulieren, 
dass er sieb ganz abstiess. Die dann eintretende Blutung habe ioh oben 
erwähnt. In der dritten Sitzung coagulierte ich die Basis. Leider 
konnte er der Aufforderung, sich beute vorzustellen, nicht n&chkommen; 
sein Arzt teilte mir aber heute telephonisch mit, dass es ihm gut gehe. 

2. Einem zweiten Patienten wurde im August 1912 in der Klinik 
ein ziemlioh infiltrierender Tumor durch Sectio alta entfernt. Ein Jahr 
später fand sich in der Narbe ein kirscbgrosses, flach aufsitzendes Re- 
cidiv; trotz ResoreinspüluDgen bildeten sich neue Knötchen. Da die 
Klinik damals noch keinen Diathermieapparat besass, nahm Herr Pro¬ 
fessor Gottstein im jüdischen Krankenhause mehrfach die Coagulation 
vor. Mitte Februar 1914 waren nur nooh ödemartige Veränderungen zu 
sehen, die sich aber bis zum Juni wieder zu einem ausgesprochenen 
Oedema bullosum mit verdächtigem wallartigen Untergründe verdiobtet 
hatte. In 2 Sitzungen habe ioh diese dann coaguliert, wobei es inter¬ 
essant war, zu beobachten, dass die Bläschen unter fühlbarem und selbst 
im Zimmer hörbarem Knall zersprangen. Heute sind nur noch geringe 
Reste der Infiltration zu sehen. 

3. Bei dem dritten Patienten wurde im Jani 1910 ein kleinapfel¬ 
grosser papillomatöser Tumor (Carcinom) durch Sectio alta entfernt, der 
Stumpf kauterisiert. Schon nach einem halben Jahre fanden sieb, trotz¬ 
dem Pat. beschwerdefrei war, zwei gaüz kleine neue Knötchen. Mehrere 
Kauterisationen und Resorcinspülungen hatten nur den Erfolg, dass 
mehr Knötchen entstanden, von denen eins rasch wuchs. Im Februar 
1913 neue Seotio alta mit Abtragung. Von nun an waren die cysto- 
skopischen Untersuchungen durch Narbenzug sehr erschwert. Schon im 
Mai 1913 fanden sich eine ganze Reihe neuer kleiner Papillome, meist 
in der Nähe der Narbe. Resorcin blieb wieder erfolglos. Auch dieser 
Patient wurde dann von Herrn Prof. Gottstein mehrfach coaguliert 
mit dem Erfolge, dass diese Tumoren fast verschwunden waren, als sich 
im März 1914 an einer neuen Stelle, in der Mitte der Vorderfläche der 
Blase, wahrscheinlich dem Ende der Narbe der Sectio alta, ein grosser, 
kleinzottiger Tumor fand, weloher infolge seines Sitzes nahe dem 
Spbinoter schwer zugänglich war. Ausserdem klagte Pat. seit längerer 
Zeit über fast unerträgliche Schmerzen im hintersten Teile der Harn¬ 
röhre, als deren Ursache wahrscheinlich ein kleiner polypöser Tumor an¬ 
zusehen war, den ioh im April ebenfalls zu coagulieren versuchte. In 
letzter Zeit ist an dieser Stelle nur ein Ulcus zu sehen, das aber eben¬ 
falls noch grosse Beschwerden macht. Der grosse neue Blasentumor 
wurde nun noch mehrfach von mir ooaguliert und hat siob, wie ich heute 
feststellen konnte, bereits stark verkleinert. 

Dieser Fall ist natürlich für die Behandlung in jeder Be¬ 
ziehung nicht sehr dankbar, wegen der primären Malignität, der 
Aussaat durch zweimalige Sectio alta, und der narbigeo, ein 
Herankommen erheblich erschwerenden Verziehung. 

Von den drei Privatfällen habe ich zwei erst vor ganz 
kurzem in Behandlung bekommen nnd erst einmal coaguliert. 
Bei dem einen schon etwas kachektischen scheint es sich um 
einen malignen, ziemlich breitbasigen Tumor zu handeln, bei dem 
anderen um ein grosses kleinzottiges, schwer zugängliches 
Papillom. 

Bei dem dritten besteht eine multiple Papillomatosis, eine 
Unzahl kleiner, teils zarter, durchscheinender, teils soliderer Ex- 
crescenzen im Sphinctergebiet und den angrenzenden Teilen des 
Trigonum. 

In solchen Fällen war man bisher fast machtlos. Spüluogeo 
mit Resorcin sind erfolglos; mit Schlinge kann man nur sehr 
mühsam hier und da einmal ein Knötchen abtragen, wie es mir 
auch hier einige Male geglückt ist. Es scheint mir, als ob ich 
in diesem Falle mit der Coagulation trotz der ungünstigen Lokali¬ 
sation doch etwas schneller vorwärts komme, als das Wachstum 
der kleiuen Geschwülste fortschreitet. 

Alles in allem glaube ich lhoen die Behandlung der Blasen- 
tumoren mit Hochfrequenzströmen als einen Fortschritt empfehlen 
zu können. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Aus der Frauenklinik von L. und Th. Landau zu Berlin. 

Ueber Methodik der Schwangerschaftsunter¬ 
brechung und gleichzeitiger Sterilisation bei 
Lungentuberkulose. 

Von 

Dr. Mai J£aireither, Assistenzarzt der Klinik. 

Der Eintritt einer Schwangerschaft bedeutet für die mit 
manifester wie mit latenter Langen tuberkulöse behaftete Frau 
eine der nnübersebbarsten Komplikationen. Während Pinard 
1902 noch erklären konnte, dass die Lungentuberkulose keine 
Indikation zur künstlichen Schwangerschaftsunterbrechung bedeute, 
hat die Beobachtung der Gynäkologen wie der Internisten und 
AUgemeinpraktiker im letzten Jahrzehnt diesen Optimismus leider 
nicht bestätigen können. Das ideale therapeutische Verfahren 
wäre natürlich die Heilstättenbehandlung der schwangeren Tuber¬ 
kulösen. Wenn jedoch nach Heimann’s Statistik 73 pCr. der 
Tuberkulösen während oder im Gefolge der Schwangerschaft eine 
Verschlimmerung aufweisen und 49 pCt. zum Tode führen, wenn 
Fellner-Schauta 68 pCt. Rückfälle bei stationär gewordenen 
Tuberkulösen beobachteten, Predella unter 1085 Fällen sogar 
von 95 pCt. Verschlimmerung berichtet und endlich nach Essen- 
Möller selbst bei gut situierten Sanatoriumpatientinnen in 50 pCt. 
Verschlimmerung oder der Exitus letalis erfolgte, so kann eine 
rinzipiell konservative Behandlung auch bei bisher latent 
uberkulösen beute nicht mehr in Betracht kommen. Ja, wir 
können sogar den Standpunkt der meisten Sanatorien, Schwangere 
von der Aufnahme auszuschliessen, nicht missbilligen. 

Zwecks Vermeidung dieser zu jedem Zeitpunkt der Schwanger¬ 
schaft drohenden Gefahren war bis vor wenigen Jahren die mög¬ 
lichst frühzeitige Unterbrechung der Schwangerschaft allgemein 
in Uebung. Diese Methode — ob nach Laminaria- oder Metall¬ 
stiftdilatation oder Cervixspaltung, spielt keine wesentliche Rolle — 
birgt jedoch zwei schwerwiegende Nachteile: Bei der nicht ab¬ 
zustreitenden Fertilität der Tuberkulösen sehen wir uns oft schon 
nach wenigen Monaten zur erneuten Schwangerschaftsunter¬ 
brechung gezwungen, und ausserdem tritt nicht so selten im An¬ 
schluss an die Uterusausräumung eine Verschlimmerung der 
Tuberkulose ein. v. Bardeleben beobachtete unter 39 künst¬ 
lichen Aborten 10 plötzlich im Wochenbett auftreten’de bedeutende 
Verschlimmerungen, die früher oder später zum Tode führten. 
Unter den übrigen 29 behielten 10 progrediente Lungenprozesse, 
von denen 9 an starken Menorrhagien, meist mit Dysmenorrhöe, 
litten. Von den 19 Stationären hatten 6 starke Menorrhagien. 

Unter diesen Umständen ging man konsequenterweise dazu 
über, der Uterusausräumung sofort eine sterilisierende Operation 
&nzu8chlie88en. Selbstverständlich darf die Vereinigung dieser 
beiden Operationen nicht zur Methode der Wahl erklärt werden, 
sondern man wird sie in der Regel auf Frauen beschränken 
müssen, die schon ein oder mehrere Kinder geboren haben, und 
bei denen während der neuen Schwangerschaft eine Ver¬ 
schlimmerung der Lungenerkrankung bereits eingetreten ist oder 
auf Grund in den früheren Schwangerschaften beobachteter Ver¬ 
schlimmerungen ein erneutes Aufflackern durch die neue Gravi¬ 
dität zu befürchten ist. Natürlich wird man, wie dies an unserer 
Klioik üblich ist, die Bestätigung der Indikation zu diesem doch 
folgenschweren Eingriff durch einen zuverlässigen Internisten ver¬ 
langen müssen. 

Zahlreich sind die Methoden, die zur Schwangerschafts¬ 
unterbrechung mit gleichzeitiger Sterilisation angegeben worden 
sind: die vaginale Totalexstirpation des graviden Uterus samt 
Adnexen (Bumm-E. Martin) oder ohne Adnexe (Heil); die ab¬ 
dominale Totalexstirpation samt Adnexen (Henkel); die vaginale 
Hysterotomia anterior mit Tubenresektion (Cbristofoletti und 
Thaler, Werner); dieselbe Operation mit anschliessender Vaginae- 
fization des Uterus (Dützmaon); die vaginale Corpusamputation 
(Krömer); die vaginale partielle Corpusexzision (v. Barde¬ 
leben); die abdominale Uterusinzision durch Längsschnitt (Hof- 
maon, Freund) oder Querschnitt (Sei 1 hei m) mit anschliessender 
Tubenresektion; im Anschluss an den künstlichen Abort aus¬ 
geführte Röntgenkastration (Gauss). 

Das an unserer Klinik seit 2 1 /* Jahren geübte Verfahren ist 
die abdominale, supravaginale hohe Amputation des 
schwangeren Uterus unter Zurücklassung der Adnexe: 
PfannenstiePscher Fascienqaerschnitt, Vorziehen des Uterus bei 
geringer Beckenbochlagerung, Unterbindung des Ligameutum 


ovarii proprium, der Tube, des Ligamentum rotundnm und latum 
beiderseits; Abschieben der Blase; keilförmige Amputation des 
Uteruskörpers (dabei Eibautsack meist unverletzt) mit Erhaltung 
eines möglichst grossen Corpusrestes; ein bis zwei versenkte 
Muskelnäbte; Uebernähung des Stumpfes mit seromuskulären 
Gatgutknopfnähten; Etagennabt. 

Beim Vergleich dieser Methode mit den übrigen in rein 
technischer Hinsicht sowie bezüglich der infolge der Operation 
anftretenden funktionellen Aenderungen in der Genitalspbäre und 
deren Rückwirkung auf den Gesamtorganismus ergibt sich 
folgendes: durch den fast vollständigen Wegfall des Fruchthalters 
werden ebenso wie bei dem Verfahren von Bumm, Henkel, 
Heil, Krömer und v. Bardeleben die im Wochenbett drohenden 
Gefahren — es sei nur an die oben wiedergegebene Statistik 
v. Bardeleben's erinnert — ausgescbaltet; ferner kommen die 
mit der Menstruation verbundenen starken Blutverluste samt den 
nicht seltenen, das Allgemeinbefinden beeinträchtigenden dys- 
menorrhoischen Beschwerden in Wegfall. Endlich ist eine er¬ 
neute Conception ausgeschlossen, während sie nach Tubenresektion 
vereinzelt beobachtet wurde. Dass wir aber im Gegensatz zu 
Bumm, Heil, Krömer und v. Bardeleben das abdominale 
Verfahren wählen, dazu veranlassen uns Vorzüge rein technischer 
Art: absolut sichere Asepsis, fast keine Blntang, da alle Gefässe 
vor der DurchschoeiduDg unterbunden werden; glatte übersicht¬ 
liche Wund Verhältnisse, Möglichkeit einer genauen Revision und 
Inspektion der Adnexe und der Appendix, so dass eventuell er¬ 
krankte Organe leicht mitentfernt werden können. Im Gegensatz 
zur abdominalen Totalexstirpation (Henkel) unterbleibt bei der 
abdominalen supravaginalen Amputation die Eröffnung der bakterio¬ 
logisch nicht einwandfreien Scheide. Ausfallserscheinungen, die 
sich bei Mitnahme der Ovarien fast regelmässig einstellen, kommen 
bei deren Zurücklassung nur vereinzelt zur Beobachtung. Der 
starke Fettansatz endlich, den Bumm bei der Mitnahme der 
Ovarien erhofft und auch erreicht, erscheint Strümpell bei der 
Lungentuberkulose nicht immer als ein Vorteil wegen dadurch 
möglicher Belastung der Lungen und Schwächung des Herzens. 
Auch konnten Cbristofoletti und Thaler bei kastrierten 
Kaninchen eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Tuberkulose¬ 
infektion nicht beobachten. 

Die Operation wurde an unserer Klinik bisher 12mal bei 
Lugentuberkulose ohne Todesfall ausgeführt. Das Alter der im 
2.—5. Monat der Schwangerschaft befindlichen Patientinnen be¬ 
trug zwischen 26 und 40 Jahren. Der Lungenbefund entsprach 
viermal dem ersten und achtmal dem zweiten Stadium. Einmal 
fanden sich reichliche Tuberkelbacillen im Sputum. Die Tempe¬ 
ratur (axillar) betrug vor der Operation in drei Fällen 37,2 bis 
37,4, iu vier Fällen 37,6—37,8. Vier Patienten hatten früher, 
teilweise wiederholt, SanatoriumbehandluDg genossen; bei dreien 
war je einmal vorher schon der Abortus arteficialis wegen der 
Lungenerkrankung ausgefübrt worden. Die Geburtenzahl betrug 
0 (einmal) bis 17, im Durchschnitt 4,5. Um die Lebensaussicht 
der von diesen Frauen geborenen Kinder zu illustrieren, möchte 
ich eine 38jäbrige Frau erwähnen, von deren sechs lebenden 
Kindern drei an Lungentuberkulose starbeo, während von den 
drei überlebenden zwei ebenfalls lungenkrank sind. 

Die Operation wurde ausschliesslich in Chloroformnarkose 
ausgeführt. Zweimal stellte sich eine wenige Tage dauernde 
Teroperatursteigerung bis 38,8 bzw. 38,4 ein, die übrigen Fälle 
verliefen afebril. Auffallend ist das gute Allgemeinbefinden schon 
am zweiten Tage, so dass die meisten Patientinnen spontan auf¬ 
zustehen wünschen, welchem Verlangen wir ausnahmslos nach- 
kommen. Als einzige Komplikation beobachteten wir bei einer 
26jährigen Fran, die bereits vier Entbindnngen hinter sich hatte, 
eine Thrombose der Vena saphena. Diese Patientin entzog sich 
aus äusseren Gründen vorzeitig unserer Beobachtung. Die anderen 
Patientinnen verliessen die Klinik durchschnittlich am 18. Tage 
nach der Operation. Bei zwei Patientinnen stellen sich alle vier 
Wochen schmerzlose, einen bzw. vier Tage dauernde, sehr geringe 
Menses ein, die übrigen sind amenorrhoisch. Unter diesen traten 
Ausfallserscheinungen nur in zwei Fällen ein. Eine 35jährige 
XVIIpara bekam sechs Monatelang zurZeit der erwarteten Periode 
Ausschlag und Kopfschmerzen, und eine 38jährige VIpara klagte 
ein Jahr lang über periodische Kreuzschmerzen. 

Bei sämtlichen Operierten konnten wir nie eine Verschlechte¬ 
rung, jedoch meist eine Besserung des subjektiven Befindens und 
des objektiven Befundes (Verschwinden der katarrhalischen Er¬ 
scheinungen und des Fiebers) feststellen. Wenn wir jedoch znr 
Beurteilung des Einflusses der Operation aof den Ablauf der 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1630 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr.87. 


Lungenerkrankung nach Martin’s Vorschlag eine mindestens ein* 
jährige Beobachtnngszeit verlangen, so kommen dafür nur vier 
Fälle in Betracht, die vor 13—26 Monaten operiert wurden. 
Diese haben 5—25 Pfund, im Durchschnitt 15,5 Pfund zuge¬ 
nommen, befinden sich subjektiv wohl, die Lungenerkrankung ist 
stationär geblieben; es sind bei ihnen keine katarrhalischen Er¬ 
scheinungen nachweisbar. 

Natürlich ist dieses Verfahren auch bei anderen konstitutio¬ 
nellen Erkrankungen angezeigt, bei denen die Schwangerschaft 
erfahrungsgemäss mit schweren Schädigungen für die Mutter ver¬ 
bunden ist, wie schweres Vitium cordis, schwere Nephritis usw. 

Zusammenfassung. 

1. Bei dem Zusammentreffen von Lungentuberkulose und 
Schwangerschaft ist bei Mehrgebärenden, falls eine Verschlimme¬ 
rung der Lungenerkrankung eingetreten ist oder zu befürchten 
ist, die Unterbrechung der Schwangerschaft mit gleichzeitiger 
Sterilisation indiziert. 

2. Als bestes Verfahren hierfür empfehlen wir die ab¬ 
dominale hohe supravaginale Amputation des Uterus unter Zurück¬ 
lassung der Adnexe. 


Aus dein bakteriologischen Institut von Dr. Piorkovvski, 
Berlin. 

Trockennährböden. 

Von 

Dr. Piorkowski. 

Die ernste, schwere Zeit, die über unser Vaterland berein- 
gebrochen ist, hat an alle Gebiete besondere Anforderungen ge¬ 
stellt, und wohl jeder hat sein Möglichstes dazu beigetragen, in 
seiner Art mitzuwirken an dem grossen Gelingen des gemein¬ 
samen Werkes. 

Für die Seuchenbekämpfung im Felde ist es von grosser 
Wichtigkeit, Mittel und Wege zu besitzeu, um die erforderlichen 
Maassnahmen bei aller üblichen Sorgfalt schnell und bequem 
ausführen zu können. Unter anderem ist es notwendig, die für 
die hygienischen Bedürfnisse benötigten Materialien in kon¬ 
zentrierter Art, dabei praktisch und handlich mit sich zu führen. 
Zeit und Raum sind auf die knappste Form zu beschränken. 

Ein wesentliches Hilfsmittel für die bakteriologischen Unter¬ 
suchungen bilden z. B. die Nährböden, namentlich Bouillon, 
Gelatine und Agar-Agar. Man weiss, dass diese Nährmedien zu¬ 
folge ihrer Art und Versendung in Glasröhrchen grosse Volumina 
beanspruchen, und es war hier geradezu Bedürfnis, dieselben in eine 
Form zu bringen, die allen diesbezüglichen Anforderungen entsprach. 

Der erste, welcher auf diesem Gebiete tätig war, dürfte wohl 
Dörr gewesen sein, welcher 1909 in der Wiener klinischen 
Wochenschrift Angaben machte über ein Verfahren zur Trocknung 
von Drigalski- und Endonährböden und zur Wiederauflösung der¬ 
selben für den Gebrauch bei der bakteriologischen Typhusunter¬ 
suchung. . 

Weiterhin hat Hart 1 ) an Stelle von Tierfleisch bzw. Fleisch- 
extrakt die Maggi’schen Präparate, gekörnte Fleischbrühe oder die 
Bouillonwürfel mit gutem Erfolge verwendet, freilich ohne au die 
Verwendung dieser festen Substanzen für Trockeupräparate zu 
denken. Endlich hat Marx 2 ) berichtet, dass ihm die Herstellung 
trockener Präparate gelungen ist (das sogenannte Ragit), ohne 
aber nähere Angaben zu machen. Nach seinem Bericht stellt 
die Firma Merck ein Präparat her, das ausser Maggibouillon 
Agar und Pepton in solchen Mengen enthält, um hiervon einen 
Liter Nährboden von der üblichen Zusammensetzung herzustellen, 
wozu 42 g des Präparats notwendig sind. Auch Bouillon kann 
mittels eines entsprechend zusammengesetzten Pulvers bereitet 
werden (22 g pro Liter). 

Gelegentlich von mir vor kurzem übernommener Ver¬ 
pflichtungen, für Feldlazarette Trockennährböden herzustellen, 
habe ich Veranlassung genommen, Versuche nach der Richtung 
hin anzustellen, geeignete Methoden für diese Zwecke zu finden. 
Die bekannteste und gegebene Weise lag nahe, die fertigen Näbr- 
medien bei nicht zu hohen Temperaturen einzudicken und sie in 
Pulverform zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren ist ein 
wenig umständlich und erfordert geschulte Arbeitskräfte. Andere 
Methoden komplizierten die Sache wieder. 

1) Zbl. f. Bakt., 1909, Bd. 50. 

2) M.m.W., 1910, Nr. 7. 


Aber eiDe einfache Ueberlegung führte ohne weiteres zum 
Ziele. Bekanntlich sind die Koch’schen Nährböden derart zu¬ 
sammengesetzt, dass auf einen Liter Fleischwasser 10,0 g Pepton, 
5 g Kochsalz und 20 g Agar bzw. 100 g Gelatine genommen 
werden. Bei ßouilionnährböden fallen die letzteren beiden Gallerten 
fort. Nun braucht man an Stelle von Fleisch oder Fieischextrakt 
die bereits bewährten Maggi’schen Bouillonwürfel (noch besser 
Fleischextraktwürfel) zu verwenden, wobei ^noch der wesentlich 
billigere Preis in Betracht zu ziehen ist. Es war also nur nötig, die 
festen Ingredienzien zusammenzumischen und als Grundstoffe für die 
Nährbödenbereitung zu verwenden. Der Kochsalzzusatz erübrigt sich, 
da die Maggiwürfel genügend von ihm enthalten, und um die not¬ 
wendige Neutralität einzuhalten, muss Soda in der vorsebrifts- 
mässigen Stärke von vornherein zugegeben werden. Uebrigens kann 
auch nach der endgültigen Fertigstellung dieselbe noch reguliert 
werden. Der Versuch ist als durchaus gelungen zu bezeichnen, und 
die mit diesem Nährpulver hergestellten Nährböden zeitigen, mit den 
pathogenen Bakterienarten, vor allem den Typhus-, Cholera-, 
Ruhrerregern, den Staphylokokken und Streptokokken, Diphtherie¬ 
bacillen usw. verimpft, ein Wachstum, welches in nichts dem auf 
den bisherigen bekannten Nährböden beobachteten nachsteht. 
Dabei ist noch von besonderem Vorteil die Ersparnis an Mübe, 
Arbeit, Raum und Zeit, namentlich auch an Geld. (Fleisch 
0,60—1,20 M.; ein Maggiwürfel = 6 Pf.) Abweichungen gegenüber 
dem bisherigen Verhalten der Mikroben siud nicht festzustellen, 
wie auch deren Eigentümlichkeiten: Pathogenität, Farbstoffbildung, 
Grambeeinflussung, Agglutinationsfäbigkeit usw. erhalten bleiben. 

Für Choleranährböden kann sogar noch der Maggizusatz in 
Fortfall kommen. Die Vibrionen wachsen im Gegenteil ohne 
denselben noch weit üppiger. 

Natürlich können in gleichem Maasse auch die für die 
Typhusdiagnose so wichtig gewordenen Lakrausoutrose , Fuchsin- 
Datriumsulfit- und Malacbitgrünnäbrböden in den bezüglichen 
Mischungen in Pulver/orm vorrätig gehalten werden. Demnach 
sind also die Vorschriften für Bouillon, Agar und Gelatine 
folgendermaassen zu fassen: 

1. Bouillon: 10,0 g Pepton siccum 

0,025 g Natr. carboD. 

12.0 g = 3 Maggiwürfel 

22,025 g. 

2. Agar-.-20,0 g Agar-Agarpulver 

10,0 g Pepton 
0,05 g Natr. carbon. 

12,0 g = 3 Maggiwürfel 

42,0 g. 

3. Gelatine: 100,0 g Gelatine 

10,0 g Pepton 
0,05 g Natr. carbon. 

12,0 g = 3 Maggi Würfel 

122,05 g. 

Es ist aus praktischen Gründen vorzuziehen, die Maggiwürfel 
vorher mit ein wenig Milchzucker zu verreiben. Der Zusatz des 
Milchzuckers bewirkt eine innigere Mischung und ist ausserdem 
für die Nährböden selbst von Vorteil. Nach diesen Rezepten 
kann sich jedes bakteriologische Laboratorium die Mischung 
vorrätig halten. Für den Bedarf wenig Geübter habe ich 
die Deutsche Schutz- und Heilserum-Gesellschaft, Berlin NW, 6, 
Luisenstrasse 45, veranlasst, die Nährpulver vorrätig zu halten. 
Es dürfte sich hiernach der Preis für ein Liter Agar z. B. auf etwa 
1,50 M., für ein Liter Bouillon auf 1 M. stellen. Von dem Pulver 
brauchten für die ßouillonbereitung nur 22 g, für die Agar¬ 
herstellung nur 42 g in einem Liter Wasser eine Stunde lang 
auf dem heissen Wasserbade gehalten zu werden, dann in der 
üblichen Weise filtriert und in Röhrchen gefüllt und sterilisiert 
zu werden, um die Kulturen anlegen zu können. 


Nachtrag zu der Abhandlung: Ueber Neuralgia 
brachialis und ein eigentümliches Symptom bei 
derselben. 

Von 

Dr. 0. B. Meyer, Nervenarzt in Würzburg. 

In Nr. 35 dieser Wochenschrift habe ich in der im Titel genannten 
Abhandlung als neues Antineuralgicum das Algocratin empfohlen. Ich 
bin auf dieses Präparat, das ich zuvor nur dem Namen nach kannte, 
besonders von einem an brachialer Neuralgie erkrankten Kollegen (Fall V) 
aufmerksam gemacht worden, bei dem Pyramidon und Pantopon versagten, 


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UNIVERSUM OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1631 






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14. September 1914. 

da 9 Algocratin aber vorzüglich wirkte. Ich habe auch erwähnt, dass 
das Mittel nach Angabe des Laboratoriums Lancosme in Paris „ein 
chemisch einheitlicher Körper sein soll“. 

Ich linde nun, leider bereits nach der Drucklegung der Arbeit, in 
einer „Pharmazeutischen Rundschau“ von M. Winkel (Münch, med. 
Wochenschr., 1914, Nr. 34) folgenden Passus: „Aus dem pharmazeu¬ 
tischen Laboratorium der Universität Göttingen publizieren C. Mannich, 

G. Leemhuis und S. Kroll die Ergebnisse ihrer Untersuchungen über 
neue Arzneimittel. 

Algocratine, von E. Lanoosrae-Paris, soll eine künstliche Base 
sein, die in eine besondere Klasse der Pyrazolonbasen gehört; in Wirk¬ 
lichkeit ist es nichts anderes als ein Gemisch aus 50 Phenazetin, 
10 Koffein und 40 Pyramidon (Apoth.-Ztg., Nr. 49).“ 

Darnach ist also nicht mehr das, zudem sehr teuere, 
französische Präparat, sondern die angegebene Mischung zu 
verordnen. Die Erfahrungen im erwähnten Falle und in einer Reihe 
anderer wären dann so aufzufassen, dass die Mischung den einzelnen 
Bestandteilen, speziell dem Pyramidon, in der Wirkung überlegen ist. 
Es entspricht ja einer pharmakologisch und klinisch häufig gemachten 
Beobachtung, wonach Gemische nicht eine einfach summierte, sondern 
wesentlich stärkere Wirkung hervorrufen *). 


Bücherbesprechungen. 

Karl Hasebroek- Hamburg: Ueber den extraeardialen Kreislanf de§ 
Blntes vom Standpunkt der Physiologie, Pathologie and The¬ 
rapie. Jena 1914, G. Fischer. 330 Seiten. 

Jedermann kennt und schätzt die Geburtszange, weiss, dass mit 
ihrer Erfindung die moderne Geburtshilfe eingeleitet worden ist, und 
kann sich kaum in jene Zeit hineindenken, als ein smarter Geschäfts¬ 
mann nur den einen Löffel davon um teures Geld der Allgemeinheit 
verkaufte. Aehnlich, will es mich bcdünken, liegen heute die Dinge be¬ 
züglich des Kreislaufs. Die überwiegende Mehrzahl der Zeitgenossen 
kennt ausschliesslich das Herz als Pumpwerk. Aber damit lassen sich 
viele und gerade die interessantesten Beobachtungen nicht erklären, und 
so resultieren nnr zu häufig die unbefriedigenden Eingeständnisse des 
Ignoramus, oder ebenso unbefriedigende Spitzfindigkeiten. 

Da kommt K. Hasebroek unserem Verständnis in erwünschter 
Weise zu Hilfe. Er stellt dem centralen Herzen die Organe als peri¬ 
pheres Pumpwerk gegenüber, und indem er diese beiden Pumpwerke 
physiologisch verkuppelt, fällt neues Licht auf manche Rätselhaftigkeiten. 
Die Organe sind ihm keine unveränderlichen Grössen. Sie regulieren 
ihren Blutbedarf bzw. ihre Durchströmung selbst; aber nicht dadurch, 
dass sie sich ausscbliesslioh erweitern oder ausschliesslich verengern, 
sondern durch einen verstärkten diastolisch-systolischen Betrieb. Mit 
dem Begriff des rhythmischen Wechsels dieser beiden Funktionen führt 

H. einen wahrhaft physiologischen Gedanken in das Fundament der 
Lebenserscheinungen. Reicht die Diastole-Systole des Protoplasmas, des 
Parenchyms, des Capillargebiets nicht aus, so werden die pressorischen 
Eigenschaften der nächsten Arterien, und dann die der grösseren Arterien, 
schliesslich der Aorta oder gar des Herzens mobil gemacht, während 
andererseits die Venen dank ihren muskulären Schichten das Blut rascher 
rückwärts treiben. 

Spielt sieh der normale Betrieb automatisch mit Hilfe des Sym- 
pathicus ab, welcher mehr gefässdilatatorische, aüsaugende Tendenzen 
in der Peripherie und damit ein stärkeres Gefälle befördert, so veran¬ 
lassen die spinalen (cranial-autonomen) Nervenbahnen eine Erhöhung 
des Drucks im Arteriengebiet. Mit unverkennbarem Geschick zieht Q. 
die Hormone in den Kreis seiner Betrachtungen und tut dar, wie das 
Adrenalin, die Sekrete der Schild-, Zirbeldrüse usw., je nach dem Be¬ 
dürfnis, bald mehr auf die ge fässerweiternde oder auf die verengernde 
Komponente im diastolisch-systolischen Betrieb wirken und somit ge¬ 
legentlich zu scheinbar widersprechenden Resultaten führen können. 

Es gab eine Zeit in der Naturwissenschaft, in welcher das peinliche 
Beschreiben des Zuständlichen für den Höhepunkt der exakten Forschung 
galt. Das war die Zeit der Vorherrschaft der Anatomie. Aber wie die 
Kinematographie auch über die sorgfältigsten Momentbilder triumphiert, 
so muss auch in der Biologie das alte Prinzip des jravra fei wieder ob¬ 
siegen. Was Hasebroek an physikalischen, experimentellen, physio¬ 
logischen, pathologischen Beweisstücken beibringt und mit erstaunlicher 
Kunst zusammenfügt, kann nicht genug bewundert werden. Aber was 
ich noch höher an seiner Arbeit schätze, ist dieses, dass für den Leser 
der Mensch nioht mehr bloss ein sich bewegender Leichnam ist, sondern 
dass er alle die grossen und kleinen Pulswellen spüren lernt, die da 
dauernd in dem kunstvollen Gefüge durcheinander laufen. 

.. Sollte indessen jemand glauben, dass Hasebroek einen revolutio¬ 
nären Angriff auf Harvey’s Autorität machte, so würde er sich gröb¬ 
lich täuschen. Der grosse Brite dürfte vielmehr den kühnen Neuerer 
freundlich grüssen und ihm zurufen: Ich hab’ es ja längst gesagt: „Con- 
tractione et relatione totius corporis intro sumunt et expellunt, movent 


1) Bei dieser Gelegenheit ergänze ich eine unvollständige Literatur- 
Arbeit von Többen ist in der M.m.W., 1913, Nr. 34 ver¬ 
öffentlicht. . 


et removent alimentum.pro corde enim toto corpore utuntur.“ 

(Ezerc. anat. de motu cordis et sanguinis, Cap. XVIL) 

Buttersack - Trier. 


Mannn af Henriin: B&kteriologisehe Untersuchungen des Keim- 
gehaltes im Genitalkanale der fiebernden Wöchnerinnen, mit 
Berücksichtigung der Gesamtmorbidität im Laufe eines Jahres. 

(Aus der geburtshilflich-gynäkologiscbca Universitätsklinik zu Hel- 
singfors, Vorstand: Prof. G. Hcinricius.) Holsingfors 1910. Seit 
1914 Berlin, S. Karger. 618 S. Preis 12 M. 

Manna af Henriin: Bakteriologische Untersuchungen der Genital¬ 
sekrete der nicbtschwangeren nnd nichtpnerperalen Frau vom 
Kindes- bis ins Greisenalter, unter physiologischen nnd gynä¬ 
kologisch-pathologischen Verhältnissen. (Aus der dermatolo¬ 
gischen Universitätsklinik zu Hclsingfors, Vorstand: Professor 

I. I. Karvonen.) 226 S. Berlin 1914, S. Karger. Preis 12 M. 

In der ersten der genannten Arbeiten berichtet Verfasser über seine 
bakteriologischen Befimde an fiebernden Wöchnerinnen. Das Gesamt¬ 
material betrifft 2152 Gebärende mit einer Totalmorbidität von 11,33 pCt. 
und einer Mortalität aus genitaler Infektion von 0,098 pCt. Bis auf 
5 Fälle wurden alle Patientinnen untersucht, die, zweimal täglich ge¬ 
messen, eine einmalige Temperatursteigerung von 88° und darüber in 
der Achselhöhle aufwiesen. Das Untersuchungsmaterial wurde aus der 
Vagina und dem Uterus entnommen. Die Untersuchung erfolgte im 
Ausstrich nach verschiedenen Färbemethoden, in ebenfalls verschiedenen 
Kulturmedien und endlich durch Verimpfung auf Mäuse. Die Unter- 
suchungsmetboden und Nährböden werden ausführlich angegeben. Die 
von dem Verfasser aus seinen Untersuchungen gezogenen Schlussfolge¬ 
rungen sind folgende: Die Totalmorbidität ist viel grösser bei I-parae 
und zwar 15,52 pCt. zu 8,6 pCt. bei Mebrgebärenden. Das Verhältnis 
der genitalen Erkrankungen zu den extragenitalen fand Verf. mit 57,8 pCt. 
zu 40,1 pCt. Von den extragenitalen Fieberfällen stand aber ein grosser 
Teil mit dem Puerperium in direktem Zusammenhang (Mastitis, Pyurie usw.). 
Störungen von seiten des Darmkanales fand Verf. sehr selten. Für prä¬ 
disponierend für Fieber in den ersten Tagen post partum kommen nach 
Verf. rein lokale Veränderungen oder auf konstitutioneller Ursache be¬ 
ruhende genital-lokale Veränderungen in Betracht, die das Fortkommen 
von Bakterien in der Vagina ermöglichen. Hier sind vor allem die post¬ 
gonorrhoischen Cervicitiden von Bedeutung und von konstitutionellen 
Momenten die Albuminurie, bei der „das Zustandekommen von Perine&l- 
rupturen und das Zurückbleiben der Eihäute erklärlich sind“. Stauungen 
als Ursache von Fieber bei putriden Zersetzungsprozessen im Uterus 
hält Verf. für ziemlich selten. Dem Touchieren intra partum misst Verf. 
für die Erhöhung der Morbidität im Wochenbett keinen nennenswerten 
Einfluss zu und sucht dies unter Berufung auf einzelne Arbeiten der 
Literatur und auf sein eigenes Material zu beweisen. Endlich lehnt 
Verf. die Spülung und Desinfektion vor der Geburt als überflüssig und 
zwecklos ab. 

In dem zweiten Werke hat Verf. seine Untersuchungen auf die 
Genitalsekrete auch der nichtgraviden Frauen, der Kinder und Grei¬ 
sinnen ausgedehnt. Aus den Schlusssätzen der Untersuchungen, die im 
grossen und ganzen nach denselben Methoden wie bei der ersten Arbeit 
gemacht sind, sei kurz folgendes hervorgehoben: Die Reaktion der Geni¬ 
talsekrete ist im geschlechtsreifen Alter eine lackmussaure, vor und 
nachher eine lackmusalkaliscbe. Dies ändert sich auch in der Schwanger¬ 
schaft wahrscheinlich, sicher während der Menstruation nioht. Während 
bei ganz jungen Mädchen die Vagina gegenüber der Vulva sehr viel 
keimärmer ist, gleicht sieb dieses Verhältnis um die Pubertät aus, bis 
io der Menopause wieder der kindliche Zustand eintritt. Eine Schwanger¬ 
schaft ändert physiologischerweise die Genitalflora nicht. Im Genital¬ 
kanal gesunder Frauen können ausser dem Gooococcus keine pathogenen 
Keime sich halten, sie werden vielmehr durch die baktericide Kraft der 
Sekrete abgetötet. 

Dies wären in Kürze die wesentlichsten Ergebnisse der beiden 
Arbeiten. Für jeden, den die einschlägigen Verhältnisse besonders 
interessieren, und für jeden, der dieses noch lange nicht abgeschlossene 
Gebiet zu seinem Spezialstudium gewählt hat, dürfte die Lektüre der 
Arbeiten nicht nur anregend, sondern als vorbildlich kaum zu umgehen sein. 

_ Haendly. 

Oscar Pol an o- Würzburg-. Geburtshilflich-gynäkologische Propädeutik. 
Eine theoretische und praktische Einführung in die Klinik und in 
die Untersucbungskurse. Würzburg 1914, Verlag von Curt 
Kabitzsoh. Preis 5 M. 

Das in bezug auf Abbildungen und Druck vorzüglich ausgestattete 
Büchlein zerfällt in einen theoretischen und einen praktischen Teil. In 
ersterem erscheint bedeutungsvoll, weil in solcher Vollständigkeit in 
ähnlichen Büchern von gleichem Umfang nicht behandelt, der biologische 
Abschnitt. Es sind hier die Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der 
inneren Sekretion, die Resultate der anatomischen Untersuchungen über 
die periodische Veränderung der Uterusschleimhaut und auch sonst die 
wesentlichsten Fortschritte bis auf die allerletzte Zeit klar und prägnant 
dargestellt. So gibt das kleine Buch dem Studenten nicht nur tote 
Lerndaten, sondern auch ihre wesentlichsten Grundlagen. 

F. Fromme-Berlin: Die Genorrköe des Weibes. Berlin 1914, Verlag 
von S. Karger. 

Die kurze Schrift, die aus den Vorträgen des Verf. in Monats- und 


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UNIVERSUM OF IOWA 








1632 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 37. 


Ferienkursen für praktische Aerzte entstanden ist, bringt io knapper, 
klarer Darstellung alles für den Praktiker Wichtige in bezug auf Ver¬ 
lauf und Behandlung der Gonorrhöe des Weibes. Bei der Therapie be¬ 
tont Verf. die Wichtigkeit der Vermeidung aller Polypragmasie bei 
akuten Erkrankungen und Nachschüben; die Vaccinetherapie wird für 
Pyosalpingen im chronischen Stadium empfohlen, die operative Therapie 
in die ihr gebührenden Grenzen verwiesen. L. Zuntz. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

E. Grafe: Zur Genese des Eiweisszerfalls im Fieber. (D. Arcb. 
f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 8 u. 4) Die Versuche zeigen eindeutig, 
dass eine toxische Steigerung des Eiweissumsatzes durch Toxinwirkung 
und Fieber bei den untersuchten Kaninchen nicht stattgefunden hat. Es 
besteht deshalb die Möglichkeit, dass die Eiweisseinschmelzung im Fieber 
nicht durch besondere toxische Momente in der Zelle selbst, soudern 
lediglich durch centrale, irgendwie mit der Stoffwechsel- und Wärme¬ 
regulation verknüpfte Vorgänge, bzw. deren Störung bedingt ist. 

H. Straub: Dynamik des SSngetierherscns. II. Mitteilung. 
Dynamik des rechten Herzens. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, 
H. 3 u. 4.) Auch für das rechte Herz besteht die funktionelle Identität 
der Kontraktion von Herzmuskel und Sklettmuskel. Verf. prüfte experi¬ 
mentell den Einfluss des venösen Zuflusses und des Widerstandes auf 
die Dynamik des rechten Herzens. Zureichende Druckregistrierung in 
den Herzhöhlen ermöglichte wiederum das nach Frank’schen Prinzipien 
konstruierte Troikartmanometer. Die Verwendung von Sterling’« Herz- 
Lungenkreislauf ergab eindeutige Versuchsbedingungen. Für die Dynamik 
des rechten Ventrikels ist bei Konstanz der Beschaffenheit des Muskels 
die Grösse des venösen Zuflusses der maassgebende Faktor. Zunahme 
des Widerstandes durch Verengerung der Strombahn des Lungenkreislaufs 
hat innerhalb physiologischer Grenzen bei normalen Lungengefässen nur 
geringen Einfluss auf die Dynamik des rechten Ventrikels. Die Systole 
des rechten Vorhofs wird von denselben Gesetzen beherrscht, wie die 
Systole der Kammern. Der Druckablauf im rechten Vorhof übt maass¬ 
gebenden Einfluss auf die Strömungsgeschwindigkeit in den grossen 
Venen aus. Der Druckablauf im Stamm der Arteria pulmon&lis zeigt 
alle Einzelheiten, die 0. Frank am Aortenpuls beschrieben hat. Das 
Verhalten des kleinen Kreislaufs hat für die Dynamik des Herzens er¬ 
heblieh geringere Bedeutung als das des grossen Kreislaufs. Zinn. 


Therapie. 

A. Falk-Berlin: Zur Behandlung des Tetanus mit subcutanea 
Mignesiuminjektionen. Kurzer Beitrag im Hinblick auf die kriegs¬ 
chirurgische Verwendung der Methode. (D.m.W., 1914, Nr. 35.) Verf. 
behandelt einige Fälle von Tetanus neonatorum mit subcutanen In¬ 
jektionen von Magnesiumsulfat, die etwa 14 Tage gemacht wurden. Bei 
den schweren Fällen wurde täglich 0,35—4,0 g bzw. 0,45—5,0 g Magn. 
sulf. appliziert. Bei diesen beiden Fällen trat Atemstillstand ein, der 
aber durch Injektion von 5 ccm einer 5proz. Calciumchloratlösung 
prompt behoben wurde. Sehr gut bewährte sich bei einem dritten 
Kranken die kombinierte Behandlung von Magnesiumsulfat mit Chloral. 
Verf. glaubt, dass sich die Magnesiumbehandlung des Wundtetanus auch 
im Kriege durchführen lässt. 

E. Meyer - Frankfurt a. M.: Klinische and experimentelle Unter¬ 
suchungen über die Wirkung des Salrarsans auf die kongenitale 
Syphilis des Fötus bei Behandlung der Matter. (M.m.W., 1914, Nr. 33.) 
Der Arsengehalt der Placenta entspricht dem Arsengehalt des in der 
Placenta kreisenden mütterlichen Blutes. Eine nicht erkrankte Placenta 
ist für Arsen nicht durchgängig. Bei syphilitischer Erkrankung der 
Placenta kann Arsen durch die Placenta hindurchgehen. Die Erfolge 
bei der Behandlung der kongenitalen Lues des Kindes durch Salvarsan 
müssen wohl in der Hauptsache der primären Beeinflussung der mütter¬ 
lichen Lues zugescbrieben werden. Die Wirkung ist wahrscheinlich eine 
prophylaktische bzw. hemmende in bezog auf die Erkrankung der 
Placenta. Von 37 in der Schwangerschaft kombiniert mit Quecksilber 
und Salvarsan Behandelten, das gut von Mutter und Fötus vertragen 
wird, wurden in 97,4 pCt. lebende Kinder geboren. Von sämtlichen 43 
mit Salvarsan und Quecksilber in der Schwangerschaft behandelten 
Müttern sind nach den ersten zehn Lebenstagen noch 86 pCt. der Kinder 
am Leben, 15,8 pCt. weisen bei der Geburt einen positiven Wassermann 
auf. Je intensiver die Behandlung, am so besser die Aussicht auf ein 
lebendes, gesundes Kind. Kinder syphilitischer Mütter müssen auch 
ohne klinisohe oder serologische Zeichen der Syphilis antiluetisch be¬ 
handelt werden. 

Pasini - Mailand: Toxische Nebenwirknng des Embarins. (M.m.W., 
1914, Nr. 33.) Auch Verf. sah nach Embarin urticariaähnliche Er¬ 
scheinungen. 

W. Fornet - Berlin: Fortschritte in der Schntzimpfsng gegen 
Typhns md Cholera. (D.m.W., 1914, Nr. 35.) Verf. empfiehlt die 
Impfung. 

Cb. Müller-Immenstadt: Operation oder Bestrahlung? (M.m.W., 
2914, Nr. 33.) Eine Erwiderung zur kritischen Betrachtung des gleich¬ 
namigen Aufsatzes in Nr. 30 der M.m.W. durch L. Heidenbain. 


F. D es saue r - Frankfurt a. M.: Die technisch erzeugte y-Strahlnng. 
(M.m.W., 1914, Nr. 33.) II. Mitteilung, die als Ergänzung der I. Mit¬ 
teilung anzusehen ist. Dünner. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

C. Hueter-Altona: Ueber angeborene Broiekiektasien nid an¬ 
geborene Wabenluge. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 3.) Die Bronchi- 
ektasien entwickeln sich nach der Geburt infolge kongenitaler Aplasie 
einzelner LungenteiLe. Daduroh erhält die Lunge das cystische Aus¬ 
sehen , das für die Wabenlunge charakteristisch ist. 

G. B. Gruber - Strassburg: Nebenlangenbildug bei kongenitalem 
Zwerchfelldefekt. (Ziegler’a Beitr., Bd. 59, H. 3.) Beschreibung eines 
Falles. Die Nebenlungenbildung kommt in sehr frühen Stadien der 
Embryonalentwicklung durch Abschnürung zustande. 

K. Motzfeldt-Christiania: Angeborene Missbildingen der Nieren 
und Uarnwege. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 3) Statistische Uebersicht 
der wichtigsten Missbildungen des uropoetischen Apparates nach ihrem 
Vorkommen unter dem Material des pathologischen Instituts zu Christiania. 

M. Kusunoki-Basel: Lipoidsnbstaazen in der Mili und im 
Leichenblut. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 8.) Die Untersuchungen 
wurden an zahlreichen Milzen von Menschen angestellt, die an den ver¬ 
schiedensten Krankheiten gestorben waren; Verf. bediente sich stets 
anatomischer Methoden. Die zahlreichen Ergebnisse müssen im Original 
nachgesehen werden. 

S. Schönberg-Basel: Lebercirrhose nnd Tnberkalose. (Ziegler’s 
Beitr., Bd. 59, H. 3.) Verf. hat bei seinen Untersuchungen an zahlreichen 
Fällen folgende Ergebnisse gefunden: 1. Bei chronischer Tuberkulose des 
Körpers kommen alle Grade von Lebercirrhose vor. 2. Manche Leber- 
cirrhosen kann man als primär tuberkulös betrachten. 3. Selbst bei 
negativem Befunde der mikroskopischen und bakteriologischen Unter¬ 
suchung kann man einen Teil der Cirrhosen als tuberkulös ansehen. 
4. Beim tuberkulösen Rinde findet man den menschlichen entsprechende 
Verhältnisse, ebenso bei der experimentellen Tuberkulose des Meer¬ 
schweinohens. 

E. Leupold-Würzburg: Das Verhalten des Blites bei steriler 
Antolyse mit besonderer Berücksichtigung der Entstehung von fl&BO- 
siderinpigment. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 3.) Steril aufgefangenes 
Blut wurde im Wasser bade bei 37° der Autolyse überlassen und bis zur 
Eintrocknung täglich untersucht. Die roten Blutkörperchen halten sich 
dabei verhältnismässig lange und zerfallen zuletzt infolge von Schädigung 
der Lipoidhülle, die aber keine Anzeichen von Verseifung aufweist. Da 
die roten Blutkörperchen seheinbar keine autolytischen Fermente ent¬ 
halten, findet sich bei der Autolyse von Blut allein niemals Fehaltiges 
Pigment; dagegen tritt ein solches auf, wenn das Blut bei der Autolyse 
mit Organsubstanz versetzt wird, und Verf. erklärt das durch Einwirkung 
von Fermenten der Organe, die den Erythrocyten fehlen. Das Pigment 
gibt die Reaktionen des Hämosiderins, Hämatoidin war nicht nachweisbar. 

F. v. Werdt-Innsbruck: Ueber die Oranilosaxelltnmorea des 

Ovarinms. (Ziegler’« Beitr., Bd. 59, H. 3.) Die genannten Tumoren 
bestehen aus Zellen, die den Granulosazellen der Eifollikel sehr ähnlich 
sind, und weisen follikelähnliche Bildungen auf. Sie sind zu unter¬ 
scheiden von den Cystomen des Eierstocks, die ihren Ursprung in dem 
Oberflächenepithel und den Pflüger’schen Schläuchen nehmen oder aus 
Resten des WolfFschen Körpers entstehen. A. W. Pinner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

S. Weiner-Davos: Praktische Erfahrungen über die granaiire Form 
des Tnberknloseriras. (M.m.W., 1914, Nr. 34.) Bei einem grossen 
Prozentsatz der tuberkulösen Erkrankungen ist das granuläre Virus der 
einzige darstellbare Erreger, den man mit Hilfe der Doppelfärbungs- 
metboden einfach darstellen kann. Stellt sich im Laufe der Erkrankung 
eine Heilungstendenz ein, so sieht man die Umwandlung der anfangs 
säurefesten Bacillen in die granuläre Form. Das granuläre Virus scheint 
auf den Organismus weniger toxisoh einzuwirken und ist im ganzen 
klinisch und prognostisch als eine günstige Form zu betrachten. Io 
progredienten Fällen und bei Recidiven kann das granuläre Virus unter 
allgemeiner Verschlimmerung des klinischen Bildes seine Säurefestigkeit 
wieder aufnehmen. Es scheint imstande zu sein, Tuberkel zu bilden, 
und ist ansteckungsfähig. Dünner. 

R. de Nunno: Ueber die Wirkung des Micrococcns von Brucei 
(Veliteisfa) und seiner Toxine auf das periphere und eentrale Nerven¬ 
system (experimentelle Untersuchungen). (D. A. f. kl. M., 1914, Bd. 116, 
H. 34.) Ia den Tierversuchen an Kaninchen entwickelten sich im Central- 
nervensystem Veränderungen sowohl am Gefassapparat wie an den Nerven¬ 
zellen, in den peripheren Nerven Schädigungen der Markscheiden und 
Achsencylinder (ToxinWirkung). 

R. H. Major: Ueber den Einfluss der Anaphylaxie auf den Stick¬ 
stoff Stoffwechsel bei Kaninchen. (D. A. f. kl. M., 1914, Bd. 116, H. 84.) 
Bedeutender Einfluss der Anaphylaxie auf den Stickstoff-Stoffwechsel. 
Herabsetzung der N-Ausscheidung, Gewichtsverlust. Tod oft erst mehrere 
Tage nach dem anaphylaktischen Shock, während dieser Zeit Vermehrung 
I der N-Aussebeidnng. Zinn. 


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UNIVERSUM OF IOWA 






14« September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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M. Roh de-Jena: Beitrag zur Bewertung der Wassermann'sehen 
Reaktion. (D.m.W., 1914, Nr. 35.) Man soll mit 2 Extrakten (einem 
nichisyphilitischen Organextrakt und einem alkoholisch syphilitischen Ex¬ 
trakt) arbeiten. Der Laboratoriumsarbeiter muss über den klinischen 
Verlauf orientiert sein, um einen positiven Wassermann mit dem syphi¬ 
litischen Extrakt, der eine Lipoidreaktion darstellt, richtig beurteilen zu 
können; eine solche Lipoidreaktion kommt sehr leicht zustande, wenn es 
sich um nichtluetische Erkrankungen des Centralnervensystems mit 
frischen Nachschüben handelt, bei denen Lipoide frei werden. Beispiele 
für diese Auffassung. _ Dünner. 


Innere Medizin. 

E. Romberg - München: Die Diagnose der form der Lungentuber¬ 
kulose. (Im Vortragscyklus über die Erkennung und Behandlung der 
Lungentuberkulose am 2. VIL 1914.) (M.m.W., 1914, Nr. 35.) R. plä¬ 
diert, um eine möglichst exakte Prognose zu stellen, eine Einteilung der 
Lungentuberkulose nach der Form und Intensität des anatomischen Ver¬ 
laufs. Er unterscheidet die schrumpfende-cirrhotische, die proliferierende 
und die käsige bronchopneumonische Form, die jede, wenn sie rein auftritt, 
ein bestimmtes klinisches Bild gibt, das er schildert. Misch/ormen sind 
natürlich möglioh. Er erwähnt die bei Kindern vorkommende, vom 
Lungenhilus sich ausdehnende Lungentuberkulose. Dünner. 

Land6: Ueber die Palpabilität der Arterien. (D. Arch. f. klin. 
M., 1914, Bd. 116, H. 3 u. 4.) Die fühlbare Rigidität nicht weniger 
Arterien findet durch den anatomischen Befund keine Erklärung. Es ist 
dem fastenden Finger unmöglich, zu scheiden zwischen einer durch 
Arteriosklerose bedingten Verdickung der Gefässwand, abgesehen von 
den Gänsegurgelarterien, deren Kalkplatten deutlich fühlbar sind. Die 
Sphygmographie ergiebt deutliche Unterschiede. Die so einfache klinische 
Tatsache der Arterienrigidität entspricht demnach keineswegs gleich ein¬ 
fachen anatomischen und funktionellen Verhältnissen. 

A. W. Hewlett: Reflexionen der primären Pnlswelle im mensch- 
lieben Arme. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 3 u. 4.) Beim 
Registrieren der Masse dos Blutstroms in dem Arme des Menschen findet 
sich in vielen normalen Kurven eine negative Rückbewegung des Blutes 
in der Art. brachialis sofort nach der primären Pulswelle. Diese Rück¬ 
bewegung tritt in gewissen pathologischen Zuständen besonders deutlich 
hervor, und zwar im Nitroglycerinpuls, in dem Pulsus celer der Aorten¬ 
insuffizienz und dem dikrotischen Puls von akuten Infektionen. Die 
Rückbewegung ist von einer Reflexion der primären Pulswelle im Arme 
verursacht. Zinn. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

O. Goebel - Hirschberg: Amnsie nnd Aphasie. (D.m.W., 1914, 
Nr. 35.) Die Anlage verschiedener Erinnerungs- und Vorstellungscentren 
einmal für Musik, dann für die Sprache ist letzten Endes veranlasst 
durch die Existenz verschiedener Aufnahmeapparate einerseits für Töne, 
d. h. für regelmässige Schallwellen, andererseits für Geräusche, d. h. für 
regellose, komplizierte Schallbewegung. 

C. Happich-St. Blasien: Schlafstörungen. (M.m W., 1914, Nr. 34.) 
Die Störungen des Schlafes sind letzten Endes im Gehirn zu suchen, 
sie können dort cellularer oder vasomotorischer Natur sein oder auf 
einer Alteration der Beziehungen zwischen HirnrindeDzelle und Gefässen 
beruhen. Zum Eintritt und Fortführung des Schlafes ist ein ganz be¬ 
sonderes Verhalten der Gehirngefässe nötig, dessen Bildung durch Impulse 
von den Hirnrindenzellen aus oder durch Erregung oder Alteration des 
Gefässsystems selbst verhindert werden kann. Unsere Behandlung muss 
darauf hinzielen, einen Zustand von Reizlosigkeit psychisch und somatisch 
zu schaffen und so vor allem das Gefässsystem in die zum Schlafeintritt 
günstige Verfassung zu bringen, oder wir müssen die verloren gegangene 
Automatie wieder berstellen. Dünner. 


Kinderheilkunde. 

P. Tobias: Recidivierende Nabelkoliken der Kinder. (M.m.W., 
1914, Nr. 33.) T. glaubt, dass die Symptome auf Ulcus ventriculi zu 
beziehen sind. Daher soll auch die Ulcus ventriculi-Therapie inkl. Atropin 
Erfolg bei solchen Zuständen haben. 

E. Köck-Freiburg i. B.: Schwere nicht diphtherische Kehlkopf- 
Stenose bei Kindern. (M.m.W., 1914, Nr. 33.) Kasuistik. Atypische 
Form des Pseudokrupps. Pyogene Infektion der Kehlkopfschleimhaut 
vermag scheinbar so ganz verschiedene Krankheitsbilder wie atypische 
Form des Pseudokrupps und Laryngitis phlegmonosa auszulösen. Eiter¬ 
erreger schädigen die Kehlkopfschleimhaut stärker als Diptberiebacillen. 
Es empfiehlt sich daher, beim Nachweis der Eitererreger und Fehlen der 
Diphtheriebacillen von Intubation abzuseben und zu tracheotomieren. 

Dünner. 


Chirurgie. 

L. Schliep-Berlin: Blasenspalten. (D.m.W., 1914, Nr. 35.) Vor¬ 
trag in der Berliner Gesellschaft für Chirurgie. Cf. Gesellschaftsbericht 
der B.kl.W., Nr. 27. 

Hosemann-Rostock: Schädeltrauma nnd Lombalpnnktion. (D.m.W., 
1914, Nr. 35.) H. zeigt, dass die Lumbalpunktion, wenn sie nicht zu 


früh (nicht vor 3 Tagen) vorsichtig gemacht wird, nicht nur diagnostischen, 
sondern auch therapeutischen Wert besitzt, z. B. zur Entlastung bei 
sekundärer Meningitis serosa. Dünner. 


Röntgenologie. 

Rigler-Darmstadt: Der Qnadratograph. Ein Röntgenhilfsapparat. 
(M.m.W., 1914, Nr. 33.) Dünner. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

W. Wechsel mann-Berlin: Kritische Bemerkungen zur Pathogenese 
eines „Salvarsantodesfalles*. (M.m.W., 1914, Nr. 34.) Die Bemerkungen 
beziehen sich auf einen von anderer Seite mitgeteilten Todesfall, der 
eine Gravide betraf, bei der keine FunktioDsprüfung der Nieren vor der 
Infusion gemacht war. Die Funktionsprüfung hält Weeh9elmann für 
dringend erforderlich. Dünner. 


Augenheilkunde. 

F. Schanz-Dresden: Die Entstehung der Weitsichtigkeit und des 
Stars. (M.m.W., 1914, Nr. 34.) Zahlreiche Untersuchungen haben ge¬ 
zeigt, dass die kolloidalen Eiweissstoffe, aus denen die Linse besteht, 
durch Lichtwirkung coaguliert werden. Die intensivste Liebteinwirkung 
ist die durch Blitz; es entsteht der Blitzstar. Der Altersstar wäre dann 
als durch eine Summation vod Lichteinwirkung entstanden aufzufassen. 
Sch. führt ferner aus, wie der Durchgang der Lichtstrahlen, insbesondere 
der unsichtbaren, die Absplitterung des Lichtes usw. den Star ent¬ 
stehen lassen. Dünner. 


Technik. 

W. Stern b erg-Berlin: Heizbare Oesophagessonde (Oesophago torus) 
zur Behandlung von Stenosen. (M.m.W., 1914, Nr. 33.) 

Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Laryngologische Gesellschaft za Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 19. Juni 1914. 

(Schluss.) 

2. Hr. West; 

Resultate der iotranasalen Eröffnung des Tränensackes (Rhino 
Dakryocystostomie). 

Im Laufe der letzten 2 l / 2 Jahre, durch das wissenschaftliche Inter¬ 
esse von Geheimrat Silex und mit wesentlicher Unterstützung von 
Dr. Mühsam, dem Leiter der Hirschberg’schen Klinik, habeich Gelegen¬ 
heit gehabt, über 500 Fälle von allen den verschiedenen Erkrankungen 
des Tränenapparates genau zu untersuchen, und habe bei Dakryostenose 
über 220 intranasale Eröffnungen des Tränensackes ausgefübrt. Unter 
meinen Fällen waren 13 Phlegmonen, 14 Fisteln, 2 Phlegmonen mit 
Fistelbildung, 17 Ektasien. In einer Reibe von Fällen habe ich beide 
Tränensäcke in einer Sitzung eröffnet. Der jüngste Patient war 6 Jahre 
alt, der älteste 73 Jahre. Bei einer Frau von 69 Jahren habe ich beide 
Tränensäcke in einer Sitzung geöffnet. Alle Fistelfälle, mit einer Aus¬ 
nahme, wurden gleich geheilt. Dieser einzige Misserfolg war auf einen 
technischen Fehler zurückzuführen, der hervorgerufen wurde durch den 
Mangel des nötigen Instrumentariums. In einem Phlegmonenfalle, in dem 
die Patientin schon beim Gocainisieren dreimal ohnmächtig geworden ist, 
und wo ich die Operation nicht saebgemäss ausführen konnte, habe ich 
ein Recidiv erlebt. Einige meiner geheilten Fistelfälle sind vorher ohne 
Erfolg von aussen ausgekratzt worden. Eine Patientin, die an einer 
Tränenfistel litt und vorher von sehr bekannten Ophthalmologen 
von aussen schon 7 mal ohne Erfolg operiert worden war, ehe sie zu 
Geheimrat Silex in Behandlung kam, habe ich durch die intranasale 
Operation gleich geheilt. Auch in einer Reihe von Fällen, wo nach der 
Exstirpation des Tränensackes voq aussen die Eiterung weiter bestand, 
habe ich ein gutes Resultat durch die intranasale Operation erzielt. 

Bei Fällen mit einfacher Dakryocystitis oder Epiphora ist selbst¬ 
verständlich auf photographischen Platten nichts zu sehen. Aber ich 
möchte Ihnen meine Resultate bei Phlegmonen, Tränenfisteln, bei Ektasie 
des Sackes hier an einer Reihe von Photographien, welche vor und 
einige Tage nach der Operation aufgenommen worden sind, demonstrieren 
(Demonstration). Die meisten von diesen Photographien nach der Operation 
sind nur 5 Tage nach dem Eingriff aufgenommen worden. Wie diese 
Bilder zeigen, ist von Phlegmonen, Fisteln oder Ektasien nichts mehr zu 
sehen. Wenn man bedenkt, dass die bisherige Behandlung der Tränen- 
sackphlegmone in einer Inzision von aussen besteht, mit nachherigem 
Tamponieren auf 2—3 Wochen mit dem Endresultat, dass manchmal 
eine Tränenfistel bleibt, und wenn man ferner bedenkt, dass die Behand¬ 
lung der Tränenfistel durch lange Durchspülungen, eventuell durch Aus¬ 
kratzen von aussen unzuverlässig ist, dagegen aber mit meiner Methode 
die Fisteln in 1—3 Tagen zu heilen, so glaube ich den Beweis erbracht 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1634 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


zu haben, dass wir eine bessere Behandlung der Dakryostenose gefunden 
haben. 

leb möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen anatomischen Irrtum, 
der in der Literatur erschienen ist, lenken, da es hier von Wichtigkeit 
ist. Im internationalen Kongress in London im vergangenen Jahr hat 
Polyak behauptet, dass ich im Irrtum bin, betreffend der anatomischen 
Lage des gemeinsamen AusführungsgaDges der Ganaliculi in den Tränensack. 
Polyak sagt folgendes wörtlich 1 ): »Seine (West’s) Argumentierung, 
dass eine durch den Canaliculus horizontal eingeführte Sonde der beste 
Beweis lür die totale Resektion der nasalen Sackwand ist, beruht auf 
einem Irrtum, denn bekanntlich mündet der vereinte Canaliculus im 
unteren Drittel oder höchstens in der Mitte des Sackes.“ M. H. Die 
anatomische Lage der Ausmündung der Canaliculi ist gerade das Gegen¬ 
teil von dem, was Polyak behauptet, denn die Ausmündung liegt beinahe 
am Fornix des Tränensackes, wie man in jedem Lehrbuch der Anatomie 
lesen kann. Ich möchte aber hier nurOnodi citieren. Onodi schreibt 
(Beziehungen der Tränenorgane zur Nasenhöhle usw. S. 4): »Der Tränen¬ 
sack hat eine Länge von 12 mm.“ Weiter schreibt er: »Die Einmündung 
der Tränenröhrchen befindet sich an der lateralen Seite des Tränen¬ 
sackes etwas mehr nach hinten in der Gegend der transversalen 
Halbierungslinie des Ligamentum palpebrale mediale, 2 mm vom Fornix 
des Tränensackes entfernt“, d. h. ungefähr nur 2 mm vom Tränensack 
liegen oberhalb des gemeinsamen Auslührungsganges der Tränenröhrchen, 
dagegen aber ungelähr 10mm vom Tränensack unterhalb der Ausmündung. 

Wenn der grösste Teil des Sackes oberhalb der Ausmündung der 
Canaliculi läge, wie Polyak glaubt, dann würden alle diese Fisteln, 
Phlegmonen und Ektasien, die ich hier abgebildet gezeigt habe, oberhalb 
der horizontalen Axe des Auges sein. Aber wie Sie, m. H., an diesen 
Bildern gesehen haben, macht eine Träoensackerkrankung, die bis an 
die Haut kommt, ihre Haupterscheinung unterhalb der horizontalen 
Axe. Gerade hierdurch macht man eine Differentialdiagnose zwischen 
einer Tränensack- und einer Siebbeinerkrankung (z. B. Mucocele des 
Siebbeins). Tränensackerkrankungen machen Hauterscheinungen 
unterhalb des Ligamentum mediale, dagegen aber zeigt sich eine 
Siebbeinerkrankung, die bis an die Haut kommt, oberhalb des 
Ligamentum mediale. 

Mit der Bakteriologie der Dakryocystitis habe ich mich auch be¬ 
schäftigt. Ich habe zuerst in einem privaten bakteriologischen Labora¬ 
torium in Berlin bakteriologische Kulturen einen Tag vor der Operation 
und einen Tag nach derselben machen lassen. Bei diesen Probeversucben 
waren die Kulturen nach der Operation gewöhnlich steril und für 
Pneumokokken immer negativ. Dann durch das wissenschaftliche Interesse 
von Prof. Morgenroth veranlasst, habe ich in seinem Laboratorium mit 
Burake eine bakteriologische Arbeit über den Bakterieninhalt des Binde- 
hautsaokes nach der intranasalen Eröffnung des Tränensackes gemacht. 
Wir finden, dass die pathogenen Bakterien gewöhnlich 1 oder 2 Tage 
nach der Operation vollkommen verschwunden sind. Dagegen hat 
Mattice in Axenfeld’s Klinik Pneumokokken in 43 pCt. der Fälle nach 
der Exstirpation des Tränensackes gefunden. Die Ergebnisse unserer 
bakteriologischen Untersuchungen sprechen meiner Ansicht nach sehr 
für die allgemeine Einführung der intranasalen Eröffnung des Tränen¬ 
sackes bei Dakryostenose, d. h. selbstverständlich nur, wenn die Operation 
indiziert ist. 

Besonders bei Tränensackeiterungen, wo später eine intrabulbäre 
Operation (z. B. bei Star) gemacht werden muss, ist, wegen der Gefahr 
einer Iofektion, die intranasale Eröffnung des Tränensackes der Exstir¬ 
pation von aussen vorzuziehen. Auch bei Ulcus serpens, wo die Pneumo¬ 
kokken schleunigst beseitigt werden müssen, ist die intranasale Operation 
vorzuziehen, und in Verbindung mit der Anwendung von Morgenroth’s 
spezifischem Mittel gegen Pneumokokken. Bumke und ich werden später 
unsere Resultate ausführlich veröffentlichen. 

Zum Schluss möchte ich zusammenfassen, dass die Vorteile meiner 
Operation, die intranasale Eröffnung des Tränensackes, unter Schonung 
des Ductus und auch der unteren Muschel (Rhino-Dakryocystostomie) 
folgende sind: 1. die physiologische Funktion des Tränenweges wird 
wiederhergestellt, so dass nicht nur eine Dakryocystitis, eine Dakryo- 
blennorrhoea, eine Phlegmone oder eine Fistel ausgeheilt wird, sondern 
nachher die Tränen wie normalerweise durch die Nase abfliessen und 
das Auge trocken bleibt; 2. durch den physiologischen Abfluss ver¬ 
schwinden die pathogenen Bakterien (sehr wichtig für intrabulbäre Ope¬ 
rationen); 3. eine sogenannte Sondenkur wird vermieden; 4. die Tränen¬ 
drüse wird geschont; 5. ein Hautscbnitt wird vermieden. 

Durch meine verschiedenen Veröffentlichungen (u. a. Mai 1910, Amer. 
ophth. society, 7 Fälle; Juli 1912, Berlin, ophth. Ges., 30 Fälle; 
Februar 1913, Berlin, laryng. Ges., über 90 Fälle; April 1913, Berlin, 
med. Ges., 119 Fälle) glaube ich zuerst den Beweis erbracht zu haben, 
dass die intranasale Chirurgie des Tränenweges überhaupt einen 
Zweck bat. 

Diskussion. 

Hr. Halle: M. H.! Ich glaube, das Material des Herrn West ist 
ein so ungewöhnlich grosses und interessantes, dass es kaum ein anderer 
von uns erleben kann. Denn so viele ganz grosse Kliniken hat nicht 
jeder zur Verfügung wie z. B. Herr West. Seine Erfolge sind auch aus¬ 
gezeichnet. Wir können ihm nur gratulieren. 

Ich habe infolge der Freundlichkeit einer Reihe von Ophthalmologen 

1) Verhandlungen des XVII. internationalen Kongresses, London 
1913, Sektion XV, S. 238. 


die intranasale Tränensaokoperation an 82 Fällen ausführen können mit 
durchweg glänzendem Resultat. Ich habe keine solchen Ektasien ge¬ 
sehen, wie die von West demonstrierten Bilder zeigen. Dooh sind meine 
Erfolge im ganzen ausgezeichnete. 

Ganz trifft das nicht zu, was Herr West Herrn Polyak zum Vor¬ 
wurf macht. Da ich mit ihm persönlich eingehend gesprochen habe, so 
muss ich ihn in diesem Punkte verteidigen. Polyak sagt, er habe den 
Tränensack zuerst operiert und will das auch literarisch beweisen. Auf 
diesen Streit will ich nicht eingehen. Dann sagt er über das Hindurch¬ 
führen der Sonde: Wenn Herr West seine Sonde durch den Tränensack¬ 
kanal durchführt und sie horizontal liegt, so ist es nicht nötig, dass er 
den Sack schon eröffnet hat. Denn wenn die Sonde zuerst ein wenig 
schräg nach unten eingefübrt wird, so kann sie, wenn sie nachher innen 
gehoben wird, auch horizontal liegen, ohne dass der Sack teilweise oder 
gar vollkommen eröffnet zu sein braucht. Doch das sind Fragen, die 
Herr Polyak mit Herrn West abmachen mag. Sicher ist aber, dass 
ich in dem ersten Fall, den ich nach dem Vortrag des Herrn West 
über Ductusoperation im Jahre 1910 in dieser Gesellschaft im Jahre 1911 
operierte, sogleioh auf den Sack eingegangen bin. leb habe hier in der 
Laryngologischen Gesellschaft im Jahre 1911 einen doppelseitig ope¬ 
rierten Fall vorgestellt, wo nicht allein der Sack operiert war, sondern 
wo ich gleichzeitig betont habe, dass man nicht die Nasenscbleimhaut 
opfern, sondern zweckmässig einen Lappen bilden soll, um den breiten 
Knochendefekt, den mau notgedrungen schaffen muss, zu decken. Wenn 
ioh also will, dano kann ich einwandfrei beweisen, dass ich der erste 
war, der überhaupt den Tränensaok von innen operiert hat. Ich habe, 
dann lange Zeit keinen Fall gehabt und hielt es nicht für angebracht, 
eine grössere Publikation über diesen einen Fall zu machen. Als ich 
später mehr Patienten hatte, arbeitete West, der nach Berlin zurück- 
gekehrt war, in der Klinik von Silex an einem grossen Material und 
hat mehrfach darüber berichtet, damals aber noch an dieser Stelle meine 
Lappenbilduog für unnötig erklärt. 

Ueber die Technik der Operation ist aber hier noch wenig gesagt 
worden. Wenn es noch angenehm ist, so will ich gern an einigen Licht¬ 
bildern erläutern, in welcher Weise die Operation am besten ausgefübrt 
wird. (Demonstration an Lichtbildern.) 

Hr. West (Schlusswort): Herr Halle hat die Frage der Technik 
eröffnet, auf welche ich gar nicht eingegangen bin. Die perforierte 
Lappenbildung, die Herr Halle beschreibt, halte ich für unzweckmässig 
und zwar aus folgenden Gründen: Ein durcblochter LappeD, wie er ihn 
macht, kann sehr leicht rutschen, und in diesem Falle würde der 
Scbleimhautrand des Loches die Ausmündung des Canaliculus verlegen 
(Demonstration). Ausserdem ist es nicht leicht, ein rundes Stück Schleim¬ 
haut in der Tiefe der Nase zu entfernen, wie Herr Halle vorschlägt. 
Ich entferne ein viereckiges Stück und passe genau auf, dass sich die 
vier Schleimhautinzisionen kreuzen (Demonstration). Ein auf diese Weise 
mit überkreuzten Inzisionen herausgeschnittenes Stück Schleimhaut lässt 
sich leicht mit irgendeinem Rasparatorium heraushebeln. Wenn ich 
aber einen perforierten Lappen machen wollte, wie Herr Halle be¬ 
schreibt, würde ich zuerst die unperforierte Lappen nach unten klappen, 
und dann zum Schluss der Operation würde ich die lospräparierten 
Lappen mit einer Zange mit einem Schlag durchlochen, gerade wie der 
Beamte au der Eisenbahn eine Fahrkarte durchlocht. Ich finde, Herr 
Halle’s perforierte Lappen erschweren die Technik und gefährden das 
Resultat. 

Die Idee, die Nasenschleimhaut zu benutzen, um den Rand des 
ausgemeisselten Knochenfensters zu bedecken, habe ich schon im ver¬ 
gangenen Jahr publiziert. Und wie ich es tue, mit kleinen LappeD, 
einer nach oben, einer nach hinten und einer nach unteö, habe ich mit 
einer Abbildung in Finder’s Archiv beschrieben. Meine Lappenbildung, 
um den Rand des Knochenfensters zu decken, können die AusmünduDg 
des Canaliculus nie verlegen. 

Die grossen Schleimhautlappen, die ich bei der Operation nach unten 
klappe, mache ich zu Beleuchtungszweoken, um Platz zu bekommen. 
Der erste, der von Lappenbildung zum Beleuchtungszweck gesprochen 
hat, ist Bryan. loh bin zu spät auf diese Arbeit aufmerksam geworden, 
um sie zu erwähnen. Bryan hat beide Tränensäcke bei derselben 
Patientin operiert in zwei Sitzungen. Bei der ersten Operation hat er 
einen Lappen nach unten geklappt; bei der zweiten Operation aber hat 
er keine Lappen gemacht. Deshalb nehme ich an, dass er nicht viel 
Wert darauf gelegt bat. Die Hauptsache einer Lappenbildung zum Zweck 
der Beleuchtung und zur Erweiterung des Operationsfeldes hat Bryan 
aber nicht erwähnt, nämlich der vordere Rand des Lappens sollte der 
Apertura pyriformis entsprechen. Das heisst, die Apertur sollte frei¬ 
gelegt werden, weil hinter ihrem Rand das Naseninnere breiter ist als 
an der Apertur selbst. Die enge Passage zwischen Apertur und Septum 
sollte durch Herunterklappen der Schleimhaut erweitert werden. Ausser 
mir ist Bourguet der einzige, der von Apertura pyriformis spricht, 
und er hat meine Abbildung in dem Archiv nachzeichnen lassen und in 
den „ Annales des maladies de l’oreille usw.“ publiziert, ohne die Quelle 
anzugeben (Demonstration der Abbildung des Vortr. und auch der von 
Bourguet). 

Herrn Halle’s Behauptung, dass alle seine Fälle »einwandsfrei“ 
sind, ist ein Irrtum, weil ich selbst vor 6 Wochen einen seiner operierten 
Fälle zugeschickt bekommen habe, wo die Oeffnuog vollkommen zuge¬ 
wachsen war, und das Auge eiterte weiter. So etwas kann uns allen 
passieren, ich möchte nur hier aufmerksam machen, dass Herrn Halle’s 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1635 


14. September 1914. 

Fälle, wo er seine perforierte Lappenbildung gemacht hat, nicht alle 
„einwandsfrei“ sind, wie er glaubt. 

Herr Halle sagt, er ist der erste, der den Tränensack intranasal 
eröffnet hat. Das stimmt nicht, weil Strazza schon im Jahre 1904 l ) 
deu Ductus eröffnet, nach oben verfolgt und endlich den Sack aufgemacht 
hat. Das war 7 Jahre, bevor Herr Halle überhaupt eine intranasale 
Operation an dem Tränenwege gemacht hat. 


Die Kriegsseuchen. 

Vortragsreihe über ihre Erkennung und Behandlung unter 
besonderer Berücksichtigung der ersten Diagnose, veranstaltet 
vom Zentralkomitee für das ärztliche FortbilduDgswesen in Preussen. 

I. 

Ministerialdirektor Prof. Kirohner: Ueber Verhütung und Be¬ 
kämpfung der Seuchen im allgemeinen. 

Welohe Rolle die Seuchen in allen Zeiten während des Krieges ge¬ 
spielt haben, erhellt aus den Zahlen, die die Geschichte überliefert hat. 
Die Opfer, die die Seuchen schon in Friedenszeiten forderten, verviel¬ 
fältigen sich, sobald in einem Staat Krieg ausbricht. Und mancher 
Krieg und damit das Schicksal eines Volkes wurde weniger durch die 
Waffen, als durch den Ausbruch einer Seuche entschieden. So war der 
Ausbruch der Pest in Athen während des peleponesischen Krieges vom 
Jahre 430—425, der Syphilis im Heere Karl v. Anjou’s vor Neapel von 
entscheidendem Einfluss. Und im Feldzug Napoleon’s gegen Russland 
fielen trotz aller seiner sonstigen Schrecken mehr Soldaten dem Kriegs¬ 
und Lagertyphus zum Opfer als den übrigen verheerenden Einflüssen. 

Freilich muss man die Daten, die uns über Kriegsseuchen aus 
früheren Zeiten übermittelt sind, mit einiger Vorsicht aufnehmen, so ist 
z. B. alles, was früher Kriegstyphus genannt wurde, sicherlich nicht 
immer dieser Typhus gewesen. Die feinere Differenzierung der ein¬ 
zelnen Krankheiten war erst späterer Zeit Vorbehalten, und es ist noch 
gar nicht so sehr lange her, dass wir gelernt haben, Recurrens, Fleck¬ 
typhus und Typhus abdominalis genau zu diagnostizieren. Der Vor¬ 
tragende selbst konnte vor nicht allzu langer Zeit mit Sicherheit ermitteln, 
dass alle die Todesfälle an Typhus, die die französische Armee im Jahre 
1870 erlitten haben soll, und die von Lehrbuch zü Lehrbuch der 
Nachwelt überliefert werden, absolut nicht der Wahrheit entsprechen. 
Nur das eine weiss man, dass der Typhus zahlreiche Opfer während des 
Feldzuges sowohl auf deutscher wie auf französischer Seite gefordert hat. 

Während des Krieges dehnte sich eine Pockenepidemie über 
Deutschland, Frankreich und England aus. Deutschland allein hat durch 
sie 127 000 Menschen verloren. 

Auch die Ruhr forderte während des Krieges 1870/71 insbesondere 
in der Umgebung von Metz viele Opfer. Es sollen im ganzen etwa 
88000 Menschen an ihr gestorben sein. Auch der Feldzug in Südwest¬ 
afrika brachte zahlreiche Ruhrerkrankungen. 

Merkwürdig ist das Verhalten der Pest, von der man glaubte, dass 
sie seit zwei Jahrhunderten so gut wie erledigt sei, bis sie plötzlich im 
Jahre 1897 sieh in Bombay wieder bemerkbar machte, um von da ab 
in Indien nicht mehr zu verschwinden. Für uns in Deutschland ist von 
grosser Bedeutung, dass gerade jetzt und schon vor Ausbruch des 
Krieges au der Wolgamündung in Russland Lungenpestfälle festgestellt 
worden sind. 

Die Gründe, dass gerade während des Krieges Seuchen um sich 
greifen, sind darin zu suchen, dass die vortrefflichen Maassnahmen, die 
während des Friedens zur Unterdrückung einer ansteckenden Krankheit 
gleich im Beginn getroffen werden können, hier fortfallen müssen. So be¬ 
stehen dann nicht mehr die Kontrollstationen an den Grenzen, die eine so¬ 
fortige Isolierung von verdächtigen Kranken ermöglichen, und es besteht 
auoh nicht mehr die Quarantäne an den Seehäfen, die jedes Schiff unbe¬ 
dingt passieren mnss. Dadurch ist dem Einbruch von Seuchen aus fremden 
Ländern Tür und Tor geöffnet. Auch dass in den Truppenteilen selbst 
Infektionen leiohter zum Ausbruch kommen können, ist nicht weiter ver¬ 
wunderlich, wenn man bedenkt, dass die Disposition zur Aufnahme von 
Infektionskeimen bei den Soldaten durch das nicht immer hygienische 
Zusammenleben im Felde, die manchmal unvermeidlichen Mängel der 
Verpflegung und die seelischen Einflüsse erhöht ist. 

Immerhin sind wir durch die enormen Errungenschaften der Bakterio¬ 
logie und der Hygiene imstande, Seuchen sowohl der Zivilbevölkerung 
wie auch der Truppenteile mit Erfolg zu bekämpfen, und man kann mit 
Zuversicht annehmen, dass die Vorsichtsmaassregeln, die hier wie dort 
getroffen sind, Erfolg haben werden. 

Vortr. geht auf die vortreffliche Einrichtung von Untersuchungs¬ 
stationen in allen Teilen des Reiches eiD, erwähnt, dass jetzt der 
Führer jedes Armeekorps einen konsultierenden Hygieniker zur Seite 
“ Ä \ zu dessen Aufgaben es gehört, die Bacillen träger, die im Kriege 
natürlich eine viel grössere Gefahr für die Umgebung bedeuten, ausfindig 
zu machen und zu isolieren, dann Vornahme der Desinfektion, die Unter¬ 
suchung des Trinkwassers und endlich die Beseitigung der Abwässer 
und der Leichen. 

Am Schluss seines Vortrages geht Redner auf die vorbeugenden 
Maassnahmen ein, insbesondere die Schutzimpfungen. Er zeigt am Bei- 

1) Zbl. f. Laryngol., 1905, S. 461. 


spiel von 1870, wo die Zivilbevölkerung Deutschlands von Pocken heim¬ 
gesucht wurde, während die geimpfte Armee nahezu freigeblieben war, 
die segensreiche Wirkung der Pockenimpfung. Auch die Erfolge mit 
Typhusimpfungen sind nach ausländischen und unseren Erfahrungen 
im Feldzug in Südwestafrika sehr gute. Die statistischen Erhebungen 
zeigen einwandfrei, dass 1. bei den Geimpften ein bedeutend geringerer 
Prozentsatz überhaupt erkrankt ist, und dass 2. bei den Typbuskranken, 
die geimpft worden waren, der Krankheitsverlauf ein viel leichterer war. 
Darum hält es K. für durchaus wünschenswert, dass im Bedarfsfälle 
Impfungen mit Typhusvaccin vorgenommen werden, und es bestehen auch 
für Aerzte und Pflegepersonal nach den letzten Verfügungen entsprechende 
Vorschriften. Die Impfung selbst wird mit 0,5 ccm des Vaocins subcutan 
unter derClavicula vorgenommen; nach acht Tagen spritzt man abermals, 
und zwar l,0ccm, und nach weiteren acht Tagen eventuell nochmals. Irgend¬ 
welche bedrohlichen Nebenerscheinungen sind mit dieser Impfung nicht 
verknüpft, es kann höchstens einmal eine geringe lokale Reaktion und 
leichtes Fieber auftreten. Der Impfstoff selbst kann aus dem Institut 
für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ und aus dem Kaiserlichen Ge¬ 
sundheitsamt bezogen werden, wo gleichzeitig auch immer die Anwen¬ 
dungsvorschriften mitgegeben werden. 

Choleraimpfungen sind ebenfalls in Griechenland während des 
Balkankrieges praktisch erprobt und. leistungsfähig. Da ihr Schutz aber 
nur kurze Zeit vorhält, so sei damit zu warten, bis Choleragefahr vorliegt. 

Gegen Pest ist speziell von russischer Seite ein Serum angegeben 
worden; seine Herstellung ist aber mit grosser Gefahr für die Umgebung 
verbunden. Der Vortragende hatte vor einigen Jahren Gelegenheit, die 
Laboratorien in Kronstadt zu besuchen, und sah drei Urnen in den 
Laboratorien stehen, die die Asche der drei letzten Direktoren enthielt, 
die sich auf die genaunte Weise infiziert hatten. Da ausserdem die 
Wirksamkeit des Serums absolut nicht sicher steht, soll man lieber 
davon Abstand nehmen. 

Ruhrserum ist ebenfalls wirksam; darüber Näheres im Vortrag Nr. 3 
in der nächsten Nummer dieser Wochenschr. 

Das Tetanusserum ist wirksam, doch wird es selten in Frage 
kommen, da die Tetanusinfektion durch die grossen Errungenschaften 
der Asepsis und Antisepsis, die jetzt Allgemeingut im Felde geworden 
sind, sehr selten ist. 

II. 

v. Wassermann: Ueber Typhus. 

Vortr. berücksichtigte weniger die klinische als die bakteriologisch¬ 
biologische Seite der Typhusfrage, die aber für die Klinik, Prophylaxe 
und Therapie von einschneidender Bedeutung ist. Der Typhusbacillus 
gehört, so führte der Vortragende aus, zu der grossen Familie der Coli¬ 
bacillen, von denen er sich morphologisch absolut nicht unterscheidet. 
Doch besitzt er andere Eigenschaften, die seine Diagnose ermöglichen. 
Man weiss, dass der Typhusbacillus eine sogenannte obligate Eingangs« 
pforte hat, d. h. er muss unbedingt auf dem Wege durch den Mund in 
den Darmkanal gelangen und kann nicht etwa durch Wunden in den 
Körper kommen, wenn er eine Infektion erzeugen soll. Vom Darmepithel 
aus kommt er iu die Lymph- und Blutbahn, vermehrt sich aber nicht 
in der Blutbahn, sondern diese ist für ihn lediglich ein Transportmittel, 
auf dem er io die verschiedenen Organe gelangen kann. Man kann also 
nicht eigentlich von einer Typhusseptikämie sprechen. Vom Blut weiter¬ 
transportiert, wird er in den verschiedenen Organen (Haut, Milz, Darm) 
deponiert, um hier krankhafte Veränderungen auszulösen. 

Für die Diagnose ist also daran festzubalten, dass die Bacillen 
zu allererst im Blut nachweisbar sind; denn in den Fäces sind Bie zu 
sehr vermengt mit anderen Goliarten. In der ersten Woche schon sind 
sie in fast allen Fällen im Blut zu finden. Es empfiehlt sich dabei, 
das Blut in sterile Rindergalle zu übertragen, um sie darin schon während 
des Transports zur Untersuchungsstelle sich anreicbern zu lassen. Doch 
geht es auoh ohne die Galle. Ist danach auch die Stuhl Untersuchung bei 
Patienten, die unter unbestimmten fieberhaften Symptomen erkrankt 
sind, kein sehr geeignetes Mittel zur Sicherung der Diagnose, so ist sie 
doch unbedingt notwendig bei Bacil len trägem; bei ihnen wäre die 
Untersuchung des Blutes zwecklos, denn sie haben ihre Bacillen 
I lediglich im Darm und nicht im Blut Würden sie auoh hier sein, so 
i wäre der Bacillenträger eben schon ein Typhuskranker. 

Die bakteriologische Diagnose beruht unter anderem auf der Fähig¬ 
keit der Colibacillen, aus Milchzucker Säure zu bilden, während die 
Typhusbacillen daraus keine Säure bilden können. Setzt man also z. B. 
einem milobzuckerhaltigen Agarnährboden Lakmus zu (Conrad-Dri- 
galski) oder Neutralrot (Endo), so tritt bei Wachstum von Colibacillen 
infolge von Säurebildung ein Umschlag des blauen Tones in rot ein, 
während der Nährboden um die Typhusbacillen unverändert bleibt Bei 
Traubenzucker und anderen Zuckerarten liegen dieDinge anders, und gerade 
dieses verschiedene Verhalten wird zur Diagnose weiter herangezogen. 

Das Wachstum allein genügt jedoch nicht zur Diagnose, es werden 
dazu die spezifischen Abwehrstoffe, die das Blut gegen die eindringenden 
Typhusbacillen bildet, in Form der Agglutination (Widal) zu Hilfe 
genommen. 

Für die Entstehung einer Epidemie spielt, wie man beute weiss, im 
Frieden die Aufnahme der Bacillen durch das Wasser und die Nahrungs¬ 
mittel im allgemeinen nicht mehr die Rolle wie früher. Gewiss treten 
.durch eine Typhusbacilleu enthaltende Wasserquelle oder durch eine 
Molkerei, die Milch mit Typhnsbaoillen liefert, explosionsartig an 
verschiedenen Stellen Krankheitsfälle auf, aber sie gehen bald nach Auf- 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1636 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 87. 


deckung und Verstopfung der Infektionsquelle zurück; dann folgen die 
durch Kontaktinfektion entstandenen Fälle nach, die in geringerem Grade 
aber längere Zeit hindurch die Epidemie unterhalten. Für das Feld 
aber würde die Kontaktinfektion wohl eine grosse Rolle spielen. 

Die Infektion mit Typhusbacillen ist im Grunde eine Infektion mit 
Colibacillen, indem, wie oben ausgeführt, der Typbusbacillus ein Glied 
der Colifamilie ist. Die Colibacillen im allgemeinen sind für unseren 
Darm deshalb harmlos, weil sie von frühester Jugend an in unserem 
Organismus Vorkommen und das Darmepitbel sich an sie adaptiert hat. 
Sobald aber ein bisher fremder Stamm von Colibacillen in den Darm 
gelangt, also z. B. der seltene Stamm der Typbusbacillen, so kann eine 
Infektion entstehen. Aber auch sonst harmlose Colibacillen können eine 
Infektion erzeugen; denn nicht in alleD Teilen der Erde sind die Coli- 
starame gleich, und wenn z. B. Deutsche nach Italien kommen, so sind 
sie der Infektion mit den dort üblichen Colistämmen viel leichter zugäng¬ 
lich als die Italiener, die an sie gewöhnt sind. Damit ist auch die grosse 
Bedeutung der Colivertreter in Kriegszeiten ohne weiteres verständlich, 
da die Soldaten in Gebiete kommen, in denen Coiistämme, an die ihr 
D-irm nicht adaptiert ist, zu Hause sind. 

Gegen den gefährlichsten Colistamm, den Typhusbacillus, steht uns 
ein Schutzmittel in der Impfung mit Typhusbacillen zur Verfügung 
(s. o. Vortrag I). 

Die jetzt oft gestellte Frage, ob man die Impfung gegen Typhus 
gleichzeitig mit anderen ImpfungeD, etwa gegen Pocken, vornehmen 
kann, ist so zu beantworten, dass dies ohne Beeinträchtigung der biologi¬ 
schen Wirkung wohl möglich wäre, dass es sich aber doch nicht empfiehlt, 
um nicht durch Summation der Ileaktionsbegleiterscheinungen stärkeres 
Krankheitsgefühl auszulösen. Also deshalb erst eine Impfung nach Ab¬ 
schluss der andern. Therapeutisch leistet Vaccin und Serum bei Typhus 
nichts. Das liegt in der Natur der Sache begründet, denn die Vaccine kann 
unmöglich den Körper zur Bildung von noch mehr Abwehrstoffen ver¬ 
anlassen, als dies die Typbusbacillen tun, die den Körper infiziert haben. 
Will man eine Therapie anwenden, so müsste sie sich iü ganz anderer 
Richtung bewegen. Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen ja 
weniger die Erscheinungen, die von den Bacillen direkt kommen, als die 
Symptome einer Vergiftung mit ihren Toxinen, und es müsste deshalb 
das Ziel der Therapie sein, Antitoxine dem Körper zuzuführen. K. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die Verwendung von Aerzten in der Feuerlinie, mehr aber 
noch die Barbarei der feindlichen Zivilbevölkerung fordert unter unseren 
Kollegen manches Opfer. Unter anderen ist in den letzten Tagen der 
liebenswürdige Kollege Wieck in ßerlin-Grunewald als Oberarzt auf dem 
Schlachtfelde gefallen, desgleichen Unterarzt M. Neumeister, Stabs¬ 
arzt d. lies. Fr. Lauk, Arzt in Ellingen, Ritter v. Boxberger, Marine- 
Stabsarzt d. Res., Arzt in Kissingen, auf S. M. S. „Ariadne“, Karl Wolf, 
Zahnarzt, v. Blomberg, cand. med. aus Eberswalde, P. Dietl, 
cand. med. aus München, L. Goppelt, cand. med.; Unterarzt L. Jacobi 
wurde schwer, einige andere leicht verwundet. 

— Geh.-Rat Prof. Hubert Sattler, der hervorragende Leipziger 
Ophthalmologe, beging am 9. d. M. seinen 70. Geburtstag. 

— Bisher waren in der deutschen Armee nur Chirurgen und 
Hygieniker als konsultierende Aerzte vorgesehen, neuerdings sind dazu 
auch Internisten getreten und demzufolge Herr Geh.-Rat Kraus und 
Geh.-Rat Krebl für die Dauer des mobilen Verhältnisses zu General¬ 
ärzten, Geh.-Rat His zum Generaloberarzt ernannt worden. 

— Den Völkerrechtsverletzungen, die unsere Gegner geradezu mit 
Raffinement ausbecken, reiht sich auch würdig die englische Erfindung 
der Dum-Dum-Geschosse an, die wegen der Schwere der durch sie ge¬ 
setzten Verletzungen ärztliches Interesse beansprucht. Es sind bei zahl¬ 
reichen französischen und englischen Verwundeten und Gefangenen 
staatlich abgestempelte Pakete dieser teuflischen Geschosse und endlich 
in den eroberten Festungen Longwy und Montraedy Maschinen zu ihrer 
Herstellung aufgefunden worden. Demgegenüber darf es uns zu einiger 
Genugtuung gereichen, dass die französischen Chirurgen Del bet, Ray¬ 
mond, Tuffier, Doyen auf Grund ihrer Erfahrungen in den grössten 
Lazaretten erklären, dass die Schusswunden der französischen Ver¬ 
wundeten, falls nicht Lebensorgane getroffen, stets sehr gutartig sind 
und schnell heilen. Damit ist die von unseren Gegnern aufgestellte Be¬ 
hauptung, dass wir uns ihre Scheusslichkeiten zu eigen gemacht hätten, 
hinfällig geworden. 

— Die auf 15. September d. J. angesagte Versammlung deutscher 
Polizeiärzte in Stuttgart findet nicht statt. 

— Wir werden am die Veröffentlichung der folgenden Zeilen 
ersucht: Unter dem Protektorate des kaiserlich deutschen Generalkonsuls 
Grafen Fürstenberg-Stammheim hat sich in Budapest ein Komitee 
gebildet zur Unterstützung der Familien derjenigen Reichs¬ 
deutschen, die in Ungarn leben, und die zur Verteidigung des 
Vaterlandes eingerückt sind. Die gesamte ungarische Kultur, insbesondere 
aber die ungarische medizinische Wissenschaft ist der mächtigen, blühen¬ 
den deutschen Wissenschaft vielen Dank schuldig. Von Jahr zu Jahr 
schicken wir unsere Söhne, unsere Schüler nach Deutschland, um ihren 
Gesichtskreis zu erweitern und aus der unerschöpflichen Quelle deutscher 


Wissenschaft zu schöpfen. Wir glauben unsere Pflicht zu tun, wenn 
wir, dem Aufrufe des Komitees folgend, die Sammlung eröffnen und 
unsere Landsleute, in erster Linie unsere Kollegen bitten, unserem Bei¬ 
spiele zu folgen, (iutt segne unser Bündnis, welches nun mit blutiger 
Waffenbrüderschaft befestigt, für ewig befestigt ist. 

Prof. Baron Koloman Müller. Prof. Leo v. Liebermann. 

Prof. Baron Alexander v. Koranyi. Prof. Emil v. Grösz. 

— Die von der Berliner Dozentenvereinigung für den Oktober an¬ 
gekündigten Ferienkurse fallen aus. 

Hochschulnachriohten. 

Halle a. S. Geh.-Rat Weber, der frühere Direktor der medi¬ 
zinischen Klinik, starb im Alter von 85 Jahren. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 8. Kl. mit der Schleife 
und Schwertern am Ringe: Geh. San.-Rat Dr. Elias in Breslau: 

Roter Adler-Orden 4. KL: Geh. San.-Rat Dr. Ulrich in Berlin. 

Niederlassungen: Dr. 0. Klemp in Altona, Dr. H. Steffensen 
in Kiel. 

Verzogen: Dr. A. Grünewald von Frankfurt a. M. nach Dornholz¬ 
hausen, Dr. A. Schacht von Berlin und Dr. A. Rehm von Neuhausen 
b. Königsberg i. Pr. nach Wiesbaden, Dr. H. Chop von Tilsit, Dr. 
E. M. Oette von Reisen und Sao.-Rat Dr. P. Th. Schwarz von 
Luschwitz nach Cöln, L. Ullrich von Cüln nach Heidelberg, Dr. M. 
Jörrens von Lindlar nach Ensen, Dr. G. Keysselitz von Marburg 
nach Aachen, Dr. V. Rom ahn von Molthainen nach Bartenstera, 
Stabsarzt Dr. A. Ziaja von Spandau nach Köslin, Dr. H. E. Feder 
von Dresden nach Kolberg, Oberstabsarzt Dr. 0. Hellmer von Pots¬ 
dam nach Stolp, Dr. H. Leidholdt von Weimar nach Kronprinz 
Wilhelm Heilstätte bei Obornik, E. Hornoy von Frankfurt a. M. nach 
Sprottau, Dr. F. Stolzenberg von Luisenhain nach Hirschberg i. Schl., 
Dr. S. Hoff von Leipzig nach Liegnitz, Dr. L. Gross von Liegnitz 
nach Bad Kissingen, Dr. A. Schüppel von Altona nach Chemnitz, 
Dr. E. v. Schubert von Altona nach Kiel, Dr. A. Sommer von 
Breslau nach Altona, Dr. F. W. Götze von Dresden nach Jevenstedt, 
Dr. M. Kastens von Tondern nach Glückstadt, Dr. H. Rath von 
Königstein i. T. nach Ahrensburg. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. W. Strauch 
von Altona, Dr. K. Rothemann von Vienenburg, Aerztin Dr. F. Leuss 
von Bendorf. 

Gestorben: Dr. E. Goepel in Wandsbek. 


Zeichnet die Kriegsanleihen! 

Wir stehen allein gegen eine Welt in Waffen. Vom neutralen Aus¬ 
land ist nennenswerte finanzielle Hilfe nicht zu erwarten, auch für die 
Geldbeschaffung sind wir auf die eigene Kraft angewiesen. Diese^ Kraft 
ist vorhanden und wird sich betätigen, wie draussen vor dem Feinde, 
so in den Grenzen des deutschen Vaterlandes jetzt, wo es gilt, ihm die 
Mittel zu schaffen, deren es für den Kampf um seine Existenz und seine 
Weltgeltung bedarf. 

Die Siege, die unser herrliches Heer schon jetzt in West und Ost 
errungen, berechtigen zu der Hoffnung, dass auch diesmal wie einst 
Dach 1870/71 die Kosten und Lasten des Krieges schliesslich auf die¬ 
jenigen fallen werden, die des Deutschen Reiches Frieden gestört haben. 

Vorerst aber müssen wir uns selbst helfen. 

Grosses steht auf dem Spiele. Noch erwartet der Feind von unserer 
vermeintlichen finanziellen Schwäche sein Heil. Der Erfolg der Anleihe 
muss diese Hoffnung zerstören. 

Deutsche Kapitalisten! Zeigt, dass Ihr vom gleichen Geiste beseelt 
seid wie unsere HeldeD, die in der Schlacht ihr Herzblut verspritzen. 
Deutsche Sparer! Zeigt, dass Ihr nicht nur für Euch, sondern auch für 
das Vaterland gespart habt! Deutsche Korporationen, Anstalten, Spar¬ 
kassen, Institute, Gesellschaften, die Ihr unter dem mächtigen Schutze 
des Reichs erblüht und gewachsen seid! Erstattet dem Reiche Euern 
Dank in dieser schicksalsschweren Stunde! Deutsche Banken und 
Bankiers! Zeigt, was Eure glänzende Organisation, Euer Einfluss auf 
die Kundschaft zu leisten vermag! 

Nicht einmal ein Opfer ist es, was von Euch verlangt wird- ® an 
bietet Euch zu billigem Kurse Wertpapiere von hervorragender Sicher¬ 
heit mit ausgezeichneter Verzinsung! 

Sage Keiner, dass ihm die flüssigen Mittel fehlen! Darcb die Knegs- 
darlehnskassen ist im weitesten Umfang dafür gesorgt, dass die nötigen 
Gelder flüssig gemacht werden können. Eine vorübergehende kleine 
Zinseinbusse bei der Flüssigmachung muss heute jeder vaterländisch ge¬ 
sinnte Deutsche ohne Zaudern auf sich nehmen. Die deutschen Spar¬ 
kassen werden den Einlegern gegenüber, die ihr Sparguthaben für diesen 
Zweck verwenden wollen, nach Möglichkeit in weitherzigerWeise auf die 
Einhaltung der Kündigungsfristen verzichten. 

Näheres über die Anleihen ergibt die Bekanntmachung unseres Reicbs- 
bank-Direktoriums, die heute an anderer Stelle dies es Blattes erscheint. 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Han# Kobn, Berlin W., BayreotberStrasse4*. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




Oii- 


ml: 

St 


: ecs r. 


Die Berliner Kliniselie Wochonsehrift erscheint jeden 
Uontex 1« Nummorn von ca. 5—6 tlogon gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellnns;on nehmen 
»He BuchhamlUmgen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die Redaktion and fexpedit/oii 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinal Verwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. üaiis Kohn. August üirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin. 


Montag, den 21. September 1914. M 38 . Einundfünfzigster Jahrgang. 


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n t: 
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INHALT. 


OrigiD&lien*. Melchior: Ueber den sogenannten arterio-mesenterialen 
Duodenalverschluss (Atonia gastro-duodenalis acuta). (Aus der 
Breslauer chirurgischen Klinik.) (lllustr.) S. 1637. 

Neckarsulmer: Ueber Begieren. (Aus dem pathologischen In¬ 
stitut des städtischen Krankenhauses im Friedrichshain zu Berlin.) 
(lllustr.) S. 1641. 

Lublinski: Silbernitrat oder Silbereiweiss. S. 1643. 

Boeder: Ein Hilfsmittel für sportliche Diätetik und Truppen¬ 
hygiene. S. 1643. 

Jeger: Der gegenwärtige Stand der Blutgefässchirurgie. (Sammel¬ 
referat.) (Aus der Kgl. chirurgischen Klinik der Universität 
Breslau.) S. 1645. 

Bücherbesprechnngen: Marx: Die experimentelle Diagnostik, Serum¬ 
therapie und Prophylaxe der Infektionskrankheiten. S. 1648. (Ref. 

Morgenroth.) — Schrijver: Das Ulcus duodeni. S. 1648. Weber: 

On means for the Prolongation of life. S. 1649. (Ref. Ewald.) — 


Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor: 
Geh.-Rat Prof. Dr. H. Küttner). 

Ueber den sogenannten arterio-mesenterialen 
Duodenalverschluss (Atonia gastro-duodenalis 
acuta). 1 ) 

Von 

Dr. Eduard Melchior, Assistent der Klinik. 

M. H.! Wenn der junge angehende Mediziner zum ersten 
Male das komplizierte Bild der geöffneten Bauchhöhle vor sich 
sieht, da hat sich wohl mancher schon mit bangem Staunen die 
Frage vorgelegt, ob in diesem scheinbar regellosen Gewirr von 
Darmschlingen nicht leicht einmal die Inhaltspassage eine Störung 
erleiden kann. Die Furcht des Laien vor einer „Darmverschlingung“ 
entspringt ähnlichen Motiven. —- Mit der Zeit und mit zunehmender 
Erfahrung pflegen derartige Vorstellungen wieder abzublassen und 
jenem Vertrauen auf die präzise Funktion des Organismus Platz 
zu machen, mit dem etwa der Chirurg nach einer operativ not 
wendig gewordenen Eventration die Därme ohne die eigentliche 
Möglichkeit einer Rücksicht auf die normalen Lagerungsverhält¬ 
nisse wieder in die Bauchhöhle reponiert, einen Murphyknopf 
den mäandrischen Gängen der Darmpassage überlässt, die kom¬ 
pliziertesten Anastomosen anlegt — immer von dem Bewusstsein 
getragen, dass es der Vis medicatrix naturae schon gelingen 
wird, die Sache zum guten Ende zu führen. — Immerhin bleibt 
aber auch für den minder unbefangenen Betrachter eine Stelle 
des Intestinaltraktus übrig, welche bezüglich des Problems der 
Inbaltspassage ein gewisses aktuelles Interesse bewahrt hat; es 
ist dies die Stelle, wo das unterste Duodenum vor der 
Flexura duodeno jejunalis unter der Gekrösewurzel wie 1 
unter einer Unterführung hindurchzieht. 

Die genaueren anatomischen Verhältnisse sind ohne 
weiteres aus der vorstehenden Abbildung 1 ersichtlich: Der 
untere Duodenalschenkel zieht quer vor der Wirbelsäule resp. 
zunächst der Aorta und Vena cava her; die noch weiter nach 

1) Vortrag, gehalten in der medizinischen Sektion der schlesischen 
Gesellschaft für vaterländische Gultur zu Breslau am 17. Juli 1914. 


Schwalbe: Therapeutische Technik für die ärztliche Praxis. 
S. 1649. (Ref. Dünner.) 

Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1649. — Pharmakologie. S. 1649. — 
Therapie. S. 1650. — Innere Medizin. S. 1650. — Chirurgie. 
S. 1651. — Röntgenologie. S. 1651. — Geburtshilfe und Gynäko¬ 
logie. S. 1651. — Soziale Medizin. S. 1651. — Gerichtliche Medizin. 
S. 1651. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Medizinische Sektion 
der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 
zu Breslau. S. 1G51. — Verein deutscher Aerzte zu Prag. 
S. 1652. 

Die Kriegsseuchen. (Vortragsreihe über ihre Erkennung und Be¬ 
handlung unter besonderer Berücksichtigung der ersten Diagnose.) 
(Schluss.) S. 1653. 

Münzer: Kriegsskizzen. S. 1655. 

Tagesgeschichtliche Notizen. S. 1656. 


oben an die hintere Bauchwand hinaufreichende, meist nicht sehr 
breite Fett- und Bindegewebsplatte der Radix mesenterii mit den 
in ihrer Duplikatur verlaufenden Vasa mesenterica superiora 
bildet mit der Wirbelsäule einen spitzen Winkel, in den die Pars 
horizontalis inferior duodeni gleichsam wie in die etwas ge- 


Abbildung 1. 



Ansicht des Duodenums mit der Haftlioie des Mesocolon transversum 
und der Ueberkreuzungsstelle durch das Dünndarmmesenterium dicht 
vor dem Uebergang in die Flexura duodeno-jejunalis (nach Zucker- 
kandl). 

öffneten Branchen einer Klemme eingelagert ist (vgl. namentlich 
den Sagittalschnitt in Abbildung 2). — Dass in der Tat auf 
diese Weise die Ausdehnungsfähigkeit des unteren 
Duodenums im Vergleiche zu den übrigen Abschnitten des 
Zwölffingerdarms eine gewisse Beeinträchtigung erleidet, 


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Original frn-m 

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1638 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


lässt sich einwandsfrei dadurch demonstrieren, indem man an einer 
gehärteten Leiche einen Ausguss des Duodenums mit Wachs, Gips 
oder dergl. vornimmt. Man findet dann in der Regel an dieser 
Stelle eine relative streifenförmige Enge, welche auf den Gegen¬ 
druck des Mesenteriums einschliesslich der in ihm verlaufenden 
oberen Gekrösearterie bezogen wird. 

Eine andere Frage ist jedoch die, ob diese relative Be¬ 
schränkung der Ausdehnungsfähigkeit des Zwölffingerdarms — 
wie sie ja auch sonst in manchen Teilen des Intestinaltraktus in 
ähnlicher Weise vorkommt, ich erinnere z. B. an die relative 
Oesophagusenge beim Durchtritt durch das Zwerchfell — auch 


Abbildung 2. 



Die topographischen Beziehungen des unteren horizontalen Duodenal- 
scbenkeis zur Mesenterialüberkreuzung. Schematischer Querschnitt (nach 
Leccne). 

klinisch zu selbständigen pathologischen Erscheinungen Ver¬ 
anlassung geben kaon. Codman 1 ), einer der AutoreD, welche 
diese Fragestellung ohne weiteres bejahen, sieht hierin sogar den 
Ausdruck einer habituellen Passageerschwerung, welche nach 
seiner Ansicht in die Gruppe derjenigen Schädigungen 
gehört, mit denen das Menschengeschlecht das Vorrecht 
des aufrechten Ganges hat erkaufen müssen. In welcher 
Weise sich dies Codman vorstellt, zeigt in drastischer Form 
die nachstehend reproduzierte Abbildung eines Schweines, bei 
dem sich das Mesenterium in der normalen Körperhaltung recht¬ 
winklig zum Duodenum einstellt, jegliche Kompression dieses 
Darmabschnittes also ausgeschlossen ist, die Folge ist: „eine 
ideale Verdauung“. 


Abbildung 3. 



Das „horizontale Tier“ mit idealer Verdauung; die Mesenterialwurzel kom¬ 
primiert das Duodenum nicht (nach Codman). 

Diesem glücklichen Vierfüssler stellt Codman den Homo 
erectns gegenüber, bei dem in der aufrechten Stellung das berab- 
häogende Mesenterium sich spitzwinklig zur Wirbelsäule einstellt 
und auf diese Weise unter Mithilfe der Bauchmuskulatur (KorsettI) 
das Duodenum komprimiert. Störungen der normalen Verdauung, 
ja sogar die Entstehung von Geschwüren im oberen Duodenum 
sollen die Folge dieser emanzipierten Haltung bilden. (Abb. 4.) 

Aehnliche Gedankengänge sind auch schon früher, z. B. von 
Glönard 2 ) — dem Schöpfer der Lehre von der Enteroptose — 

1) Boston med. and surg. journal, 1908, vol. 158, p. 503. 

2) Lyon mddioal, 1885. 


ausgesprochen worden; L. Landau, welcher den Eintritt dieser 
Kompression besonders bei leerem Duodenum für möglich erklärt, 
hält es sogar nicht für ausgeschlossen, dass gewisse den Hanger¬ 
zustand bei manchen Menschen begleitenden Unlastsensationen 
auf eine derartige Zerrung des Mesenteriums zurückzuführen sind. 

Wir wollen jedoch einstweilen von diesen chronischen, 
z. T. überhaupt au der Grenze des Physiologischen sich bewegen¬ 
den Zuständen von supponierter Mesenterialkompression des Duo¬ 
denums absehen und uns jenen akuten Störungen zuwenden, 
für die zuerst der Name des arterio-mesenterialen Duodenal¬ 
verschlusses geschaffen wurde. 


Abbildung 4. 



Kompression des Duodenums beim „vertikalen Weibe“ (nach Codman). 

Das Zustandekommen dieses akuten Dnodenalilens, wie 
eine andere synonym gebrauchte Bezeichnung lautet, wird im 
allgemeinen so aufgefasst, dass man davon ausgebt, dass zu¬ 
nächst der Dünndarm in das kleine Becken herabsinkt, 
und die Mesenterialwurzel hierdurch so gespannt wird, 
dass aus der quasi physiologischen Duodenalkom- 
pression ein eventuell stabiler kompletter Duodenal- 
verschluss mit der ganzen Tragweite eines hoch¬ 
sitzenden Ileus sich entwickelt. 

Wie es scheint, bat Wunderlich 1 ) (1856) zuerst auf der¬ 
artige Zustände bingewiesen. Bei einem Typhusrekonvaleszenten 
fand er „infolge der ins kleine Becken herabgesunkenen Dünn¬ 
därme eine Abschnürung des unteren Duodenalendes durch Druck 
des Mesenterialstiels und, hierdurch bedingt, eine kolossale Aus¬ 
dehnung am Magen mit akuter Sarcinebildung und tödlichem 
Ende“. Rokitansky gedenkt in der dritten Auflage seines Lehr¬ 
buches der pathologischen Anatomie (1861) der gleichen Möglich¬ 
keit; die Serie der genauer mitgeteilten Einzelbeobachtungen wird 
eingeleitet durch eine sonst in der deutschen Literatur durchweg 
übersehene Mitteilung von Nicaise 2 ) aus dem Jahre 1885. Zur 
allgemeineren Kenntnis dieser Zustände haben die Arbeiten von 
Kundrat und Schnitzler Anlass gegeben; unter den zahlreichen 
neueren Publikationen mögen hier nur die von P. A. Albrecbt, 
P. Müller, Stieda, Landau (Rosentbal), Borcbardt, 
Lfecene 8 ), Braun und Seidel, Laffer 4 ), A. Payer, 
v. Hab er er 8 ) u. a. genannt sein. 

1) Handb. d. Path. u. Ther., 1856, Bd. 3, S. 176. 

2) Revue de chir., 1885, S. 310. 

3) Journ. de chir., 1908, S. 781. 

4) Annals of surgery, 1908 (I), S. 390 und 532. 

5) Auf die Arbeit von v. Haberer (Erg. d. Chir. usw., 1918, Bd. 5) 
sei namentlich bezüglich des Literaturverzeichnisses hingewiesen; nur die 
hierin nicht aufgeführten Publikationen sind in der vorliegenden Mit¬ 
teilung besonders zitiert. 



Original from 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1630 


21. September 1914. 

Das klinische Bild des sogenannten skaten arterio mesen¬ 
terialen Duodenal Verschlusses ist zumeist ein recht einförmiges. 
Nehmen wir einmal den häufigsten Modus als konkretes Beispiel 
an, so handelt es sich etwa um einen bettlägerigen Patienten, 
bei dem wenige Tage vorher eine Baucboperation in Narkose vor¬ 
genommen wurde. Die ersten ein- oder zweimal 24 Stunden nach 
dem Eingriff sind ohne jede Störung verlaufen, der Leib ist 
weich, eine Peritonitis, die gefährlichste Komplikation nach 
abdominellen Operationen, ist nicht mehr zu befürchten. Da erzählt 
uns vielleicht der Patient ganz sorglos bei der Visite, dass er vor 
kurzem erbrechen musste, der Arzt sieht sich das Erbrochene an 
und ist erstaunt über die grosse Menge der auf diesem Wege ent¬ 
leerten intensiv gallig gefärbten, wässrigen Flüssigkeit. Exami¬ 
niert man, hierdurch aufmerksam gemacht, nun den Kranken etwas 
genauer, so erscheint vielleicht der Gesichtsausdruck etwas 
weniger lebhaft, der Puls zeigt gegenüber der normal gebliebenen 
Temperatur einen relativen Anstieg. Das Abdomen ist zwar im 
ganzen weich, doch erscheint das Epigastrium etwas aufgetrieben 
und Sitz eines Spannungsgefübls, der Durst ist vermehrt. 

Schenkt nun unter solchen Umständen der behandelne Arzt 
diesen Prodromalsymptomen nicht die nötige Aufmerksamkeit 
und zögert er mit der Einleitung der in diesem Stadium absolut j 
indizierten Therapie, nämlich der Ausheberung und Spülung des 
gefüllten Magens — denn darum handelt es sich hierbei in erster 
Linie —, dann pflegt sich dieser zunächst oft noch recht harmlos 
erscheinende Zustand meist schnell in bedrohlicher Weise zu ver- 
schlimmem: gussweise in grossen Massen wiederholt sich in 
immer kürzeren Intervallen das Erbrechen von anfangs noch 
rein galliger, später aber schnell eine bräunlich-bluthaltige 
Färbung anuehmender Flüssigkeit; die anfangs zunächst nur auf 
das Epigastrium beschränkte Auftreibung dehnt sich nach und 
nach über das ganze Abdomen aus und gewinnt die Form eines 
gigantisch dilatierten Magens; der Puls wird kleiner und 
frequenter, das Gesicht spitz und eingefallen, die Extremitäten 
kühl. Singnltus stellt sich ein; Abgang von Stuhl und Winden 
zessiert entweder gänzlich oder erfolgt nur in unzureichender 
Weise, der Patient ist teilnahmslos, verfallen, dabei von furcht¬ 
barstem Durste gepeinigt, mitunter auch exzitiert, will aus dem 
Bette; das klinische Bild entspricht schliesslich immer mehr dem 
der allgemeinen Peritonitis, um dann nach wenigen Tagen — 
meistens etwa 4—6 —, in protrahierten Fällen eventuell aber 
auch erst nach einem Verlaufe von 2 Wochen zum Tode zu 
führen. 

Der Befund, den der pathologische Anatom bei der 
Sektion derartiger Fälle erhebt, ist zunächst in negativer 
Weise dadurch charakterisiert, dass eine Peritonitis, wie sie 
namentlich früher zumeist vom Kliniker diagnostiziert wurde, 
fehlt. Der markanteste und zunächst in die Augen springende 
Befand ist vielmehr der einer ganz enormen Dilatation des 
Magens, welcher für sich allein den grössten Teil des Bauch- 
raumes aasfüllt. Io der io der Berliner klinischen Wochenschrift, 
1908, S. 1594, mitgeteilten Beobachtung Borchardt’s findet sich 
eine charakteristische Abbildung hierfür. „Zwei gewaltige arm¬ 
dicke Schläuche liegen nebeneinander, von der Gardia geht der 
linksseitige bis zum Ligamentum Poupartii sinister hinunter, um 
dort unter spitzem Winkel in den rechtsseitigen überzugehen, der 
fast in sagittaler Richtung nach oben zum Pylorus verläuft; 
zwischen beiden liegt in extremer Weise ausgespannt das kleine 
Netz“ (Riedel). Auch der Pylorus ist weit dilatiert und in¬ 
suffizient, so dass sein Antram sich fast unvermittelt in das 
enorm geblähte Duodenum fortsetzt, dessen Auftreibung in 
den sogenannten typischen Fällen einen deutlichen Ab¬ 
schluss genau an jener oben beschriebenen Stelle 
findet, wo dieser Darmteil von der Radix mesenterii 
uberkreuzt wird. 

Der hier im Auszug wiedergegebene Sektionsbefuod einer der Fälle 
von Kundrat mag dieses Verhalten im einzelnen illustrieren: „Der 
Ragen enorm ausgedehnt . . schwappend, wie das auf Vorderarm¬ 
dicke erweiterte Duodenum mit galliger Flüssigkeit gefüllt. Fast der 
ganze übrige Dünndarm kontrahiert im kleinen Becken gelagert. Nur 
einige der Jejuoumschlingen, hinter dem Mesocolon transversum vor der 
linken Niere herablaufend, wenig ausgedehnt. Das normal gelagerte 
Coecum mit dem Golou ascendens und das entsprechend tief gelagerte 
Qtieroolon massig von Gas gebläht. Colon descendens, Flezura sigmoidea 
und Rectum kontrahiert, normal verlaufend. Das Duodenum bis in die 
Höhe des vierten Lendenwirbels herabreichend, biegt scharf in seinen 
aQ der rechten Seite der Wirbelsäule aufsteigenden Schenkel um, 
der, wo er in das Jejunum nach links hin übergeht, duroh 
die Wurzel des Dünndarmgekröses an einer fast zwei Quer¬ 


finger breiten Stelle bis zur Undurchdringlichkeit kom¬ 
primiert ist. Erst wenn man das Mesenterium lüftet, lässt 
sich Inhalt aus dem dilatierten Duodenum in das Jejunum 
pressen.“ 

Nur in den seltensten Fällen, und dies ist für die 
Frage der Aetiologie bedeutungsvoll, tritt das im Vor- 
anstebenden geschilderte Krankheitbild des akuten 
mesenterialen Duodenal Verschlusses bei bis dahin 
völlig gesunden Menschen in die Erscheinung. Fast regel¬ 
mässig werden vielmehr solche Individuen betroffen, die bereits 
unter den Zeichen einer akuten oder chronischen, die körperliche 
Widerstandskraft herabsetzenden Schädigung stehen. Vorausge¬ 
gangene in Narkose vorgenommene operative Eingriffe stehen 
hierbei — wie bereits bemerkt — weitaus an erster Stelle. Die 
Art der Operation als solche kann sehr mannigfach sein, doch 
ist das Ueberwiegen von Bauchoperationen unverkennbar; eine 
gewisse Prädisposition scheinen hierbei namentlich Eingriffe am 
Gallensystem zu besitzen. Ein Unterschied je nach Art des an¬ 
gewandten Narkotikums — Chloroform oder Aetber — ist nicht 
ersichtlich. Eine ähnliche, wenn auch praktisch erheblich znrück- 
tretende Bedeutung kommt vorausgegangenen schweren Infektions¬ 
krankheiten zu; es gehört hierher das schon eingangs erwähnte 
Auftreten dieser Komplikation in der Rekonvaleszenz des Typhus 
abdominalis (Wunderlich). Dass auch durch gastritische mit 
starker Gasbildnng einhergehende Gärungsprozesse ein ähnliches 
Krankheitsbild entstehen kann, wird durch mehrere Beobachtungen 
der Literatur (Kirch, Kundrat, Broadbent u. a.) wahrschein¬ 
lich gemacht. Im übrigen möchte ich hier auf Einzelheiten 
verzichten und nur so viel hervorheben, dass die über¬ 
wiegende Mehrzahl aller Fälle von arterio-mesen¬ 
terialem Duodenalverschluss bei bettlägerigen, also in 
horizontaler Ruhelage befindlichen Patienten eintrat. 
Für die später zu besprechende Theorie dieser Erkrankung ist 
diese Feststellung von Wichtigkeit. 

Ex juvantibus bat jene Auffassung, dass der Verschluss 
des Duodenums in diesen Fällen durch das Herabsmken des 
Dünndarms in das kleine Becken und infolge einer dadurch be¬ 
wirkten Straffung der Mesenterialwurzel eintritt, durch die von 
Schnitzler inaugurierte Lagerungstherapie dieser Erkrankung 
eine besondere Stütze erhalten. — Es besteht diese Therapie in 
der Anwendung der Baach- resp. der Knie-Ellenbogenlage. Der 
hierbei für Schnitzler leitende Gedanke war der, dass, wenn 
es der in das kleine Becken herabgesankene Dünndarm sei, der 
durch 8eiuea Zug den Mesenterial Verschluss des Duodenums be¬ 
wirkt, es durch Anwendung der Bauchlage gelingen müsse, den 
Dünndarm wieder nach oben zu befördern und damit den fatalen 
Zug am Mesenterium aufzuheben. Mag nun diese Theorie zu¬ 
treffen oder nicht — wir kommen hierauf später zurück — richtig 
ist jedenfalls, dass in einem derartig behandelten Falle Schn itzler’s 
nach mehrstündiger Durchführung der Bauchlage die Erscheinungen 
des arterio mesenterialen Darm Verschlusses prompt zurückgingen. 
Ueber ähnliche günstige Erfahrungen haben später H. Albrecht, 
Weinbrenner, Lichtenstein, Landau (Rosenthal) u. a. 
berichtet. 

Schien hiermit die oben skizzierte Lehre des sog. arterio- 
mesenterialen Duodenal Verschlusses gleichsam ihren Schlussstein 
zu erhalten, so blieb doch — von den theoretischen Grundlagen 
dieses Krankheitsbildes einstweilen ganz abgesehen — in der 
Interpretation dieser eigentümlichen Ileusform eine wesentliche 
Lücke bestehen, welche den kritischen Beobachtern auch niemals 
entgangen ist. Es besteht dieses Dilemma in folgendem: 

Nach der vorgetragenen Auffassung gilt der akute arterio- 
mesenteriale Duodenal Verschluss als ein Strangulationsileus, wobei 
die schmale Radix mesenterii ganz ähnlich wirken soll wie etwa 
der schnürende Bruchring bei der Hernienincarceration. Zu den 
kardinalen anatomischen Folgeerscheinungen eines derartigen 
Strangulationsileus gehört nun, wie allgemein bekannt, der Ein¬ 
tritt einer progredienten Ernährungsstörung des Darmes an der 
Schnürstelle, d. h. der Befund einer Schnürfurche, die, von ge¬ 
ringer Intensität in frühen Stadien, bei anhaltender Incarceration 
und zumal iu den tätlich endenden Fällen bis zur lokalen Gangrän 
und Perforation des Darmes zu führen pflegt. Durchmustern wir 
indessen von diesem Gesichtspunkte aus die autoptiscb mitgeteilten 
Fälle von arterio-mesenterialem Duodenalverschluss, so finden wir 
in der grossen Majorität der Fälle auch nicht die geringsten 
lokalen Läsionen vermerkt, nicht einmal eine umschriebene In¬ 
jektion, eine Fibrinanflagerong oder dergleichen an der angeblich 
strangulierten Partie des Duodenums. Als einzige Ausnahme von 

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UMIVERSITY OF IOWA 



1640 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 88. 


dieser Regel figuriert in der Literatur ein aus diesem Grunde 
häufig citierter Fall voo Bäumler, bei dem, wie v. Haberer 
augibr, „das Duodenum an der Strangulatioossteile eine Nekrose 
aufwies“. 

Sehen wir uns aber diesen vielgenannten Fall Bäumler’s 
einmal etwas genauer an: Es handelte sich hier um ein 
25 jähriges Mädchen, bei dem die Erscheinungen der Mesenterial- 
incarceration in der Rekonvaleszenz eines Typhus auftraten und 
in protrahierter Weise innerhalb von 14 Tagen zum Tode führten. 
Bei der Sektion fand sich der Magen und das Duodenum bis zur 
Mesenterialkreuzung stark dilatiert. Da, wo das letztere „unter 
der Mesenterialfalte in das Jejunum übergebt und woselbst es 
offenbar durch den Zug des gespannten Mesenteriums und den 
gefüllten Magen gegen die Wirbelsäule angedrückt war, ist die 
übrigens glatte Serosa in einer Ausdehnung von etwa 2 cm 
durch eine mehr hellrote, gleichmässige Färbung scharf ab¬ 
gegrenzt. Dieser Stelle entsprechend findet sich in der Schleim¬ 
haut eine fast ringförmige, oberflächliche Nekrose von 
1,5 cm Breite, die Umgebung ganz reaktionslos 1 }.“ 

Wir hätten es also in diesem Falle mit einem 
14tägigen, letal endenden StrangulatioDsileus zu tun, 
der anatomisch zu nichts weiter geführt hätte, als zu 
einer strichförmigen Injektion der Serosa mit einer 
oberflächlichen, ringförmigen Schleimhautnekrose — 
das ist aber, verglichen mit den sonstigen Erfahrungen 
über Darmincarceration, ein unlöslicher Widerspruch! 
Epikritisch aufgefasst können diese Veränderungen vielmehr nur 
als sekundäre und vor allem rezente gelten — worauf auch 
das völlig reaktionslose Verhalten der Umgebung hinweist —; 
hier aber eine primäre, 2 Wochen lang bestehende Strangulation 
anzunehmen, erscheint unhaltbar. 

Nun zur theoretischen Seite der Lehre von arterio- 
mesenterialem Duodenalverschluss. Dieselbe gipfelt in der 
Frage, was für Kräfte überhaupt innerhalb des Orga¬ 
nismus disponibel sind, um eine derartige Strangulation 
des Duodenums durch die Mesenterialwurzel herbeizu- 
führen. Zu ihrer Bestimmung sind von P. A. Albrecht, 
P. Müller u. a. folgende Ueberlegungen angestellt worden: Damit 
der Dünndarm in das kleine Becken herabsinken und dadurch 
eine StraffuDg der Mesenterialwurzel herbeiführen kann, muss er 
leer oder nur minimal gefüllt sein, wie es auch den Sektions- 
befunden dieser Fälle entspricht. Als Maass der Zugkraft kommt 
also in optimo das Eigengewicht des leeren Dünndarms in Be¬ 
tracht; dasselbe ist nach den übereinstimmenden Angaben von 
P. Müller und Glänard auf etwa 500 g anzonehmen. Da nun 
aber weiterhin, wie P. A. Albrecht und Neck hervorgehoben 
haben, ein derartig leerer Dünndarm gar nicht selten bei 
Sektionen mehr oder weniger vollständig im kleinen Becken an¬ 
getroffen wird, ohne dass gleichzeitig eine Mesenterialkompression 
besteht, bat dies fernerhin die Annahme ganz bestimmter Längen- 
verbältnisse des Mesenteriums als notwendig ergeben. Es müsste 
dasselbe nämlich, damit ein derartiger Duodenal Verschluss über¬ 
haupt nur denkbar wäre, nach der Formulierung Borcbardt's 
gerade so lang sein, „dass die Dünndärme unter Straffung der 
Mesenterial wurzel im kleinen Becken fixiert werden können“. — 
Immerhin wird aber auch bei dieser Annahme, welche das Eigen¬ 
gewicht des Darmes ohne weiteres im Sinne einer Zugwirkung 
an der Mesenterialwurzel zur Geltung gelangen lässt, dieses nicht 
total als komprimierende Komponente auf das Duodenum in 
Betracht kommen können, sondern stets nur zu einem Bruchteile. 
Es wird dieser Quotient — wie etwa ein Blick auf Abbildung 4 
lehren dürfte — nm so grösser sein, je ausgesprochener die 
Lendenlordose ist und je mehr die Lage des unteren queren 
Duodenalschenkels dem Scheitelpunkt dieser Lordose entspricht, 
d. h. je tiefer die dritte Doodenalpartie gelegen ist. 

Zur Veranschaulichung der Möglichkeit eines auf den genannten 
Faktoren beruhenden Duodenalverschlusses sind von einigen Autoren 
Experimente am menschlichen Kadaver angestellt worden. So hat 
Albrecht angegeben, dass, wenn er bei einer mit dem Becken auf den 
Tischrand gelegten — also stark lordosierten — Leiche einen mit 2 kg 
beschwerten, zum Becken hinausgeleiteten Bindfaden an das Mesenterium 
nach Abtrennung des Dünndarms befestigte, ein „recht starker Druck“ 
der mit dem Duodenum verbundenen Wasserleitung nötig war, um die 
Flüssigkeit unter Ueberwindung des durch die Mesenterialkreuzung ge¬ 
gebenen Widerstandes bis in das Jejunum zu treiben. 

Conner’s Experimente wurden in ähnlicher Weise angestellt; die 
Füllung des Magens geschah mittels eines Rohres vom Oesophagus aus; 


1) Im Original nicht gesperrt. 


ein mit demselben kommunizierendes Manometer ergab die zur Ueber- 
winduog der Duodenalkompression notwendigen Druckhöhen. 

Die auf diesem Wege gewonnenen Resultate waren indessen wenig 
einheitlich. Ia sieben Fällen wurden bei Anhängen eines Gewichtes von 
500 g Druckwerte benötigt, die zwischen 10 und 48 mm Hg (13,6 bis 
65,3 cm H,0) schwankten; in drei Fällen schien überhaupt nur der 
direkte Druck des sich füllenden Magens eine Erschwerung der Duo¬ 
denalpassage zu bewirken, da, wenn dieser etwas angehoben wurde, 
selbst durch ein Gewicht von 1 kg eine wesentliche Kompression des 
Zwölffingerdarms nicht erzielt werden konnte. 

Einige eigene Versuche, die ich mit freundlicher Erlaubnis von 
Herrn Prof. Henke im hiesigen pathologischen Institute anstellen konnte, 
ergaben eine Bestätigung der letzteren Beobachtung, denn wenn man den 
Wasserstrom unter Umgehung des Magens direkt in den oberen Duodenal¬ 
schenkel einleitete, wurde bei 40 cm Wasserdruck auf den Duodenal¬ 
querschnitt ein Zug von 1,5—2 kg am Mesenterium notwendig, um die 
Darmpassage aufzuheben. Im übrigen hatte auch schon Rosenthai 
angegeben, „dass keineswegs ein geringer Zug genügt, um das Duodenum 
fest zu verschHessen, vielmehr muss man schon recht kräftig am Mesen¬ 
terium ziehen“. Aehnlich lautet das Urteil von Braun und Seidel. 

Alle derartigen Experimente, die meinen nicht aus¬ 
genommen, haben indessen nnr einen höchst relativen 
Wert, nämlich allein den, dass sie zeigen, dass die 
nach der obigen Theorie beim Lebenden am Mesenterium 
einwirkend gedachten Zugkräfte von 500g nicht sehr 
geeignet erscheinen, um eine erhebliche Kompression 
am Duodenum zu erklären. Der eigentliche Kernpunkt 
der Frage wird aber von diesen Versuchen gar nicht 
berührt. Dieser besteht vielmehr in dem Problem, ob 
überhaupt am Lebenden derartige Zugkräfte als wirk¬ 
sam angenommen werden dürfen. 

Wir kommen hiermit zu einer Frage, die weit über das Ge¬ 
biet des arterio-mesenterialen Duodenal Verschlusses binansfübrt 
zu den Problemen der Enteroptose und zur Statik der Bauchhöhle, 
nämlich zur Frage, wodurch überhaupt bei der vertikalen 
Körperhaltung die einzelnen Bauchorgane in ihrer nor¬ 
malen Lage gehalten werden. 

Die ältere Anschauung, mit der die eingangs vorgetragene 
Theorie des arterio-mesenterialen Doodenalverschlnsses untrennbar 
verbunden ist, ist die, dass beim aufrecht stehenden Men¬ 
schen der Darm an seinem Mesenterium schwebt, ebenso 
wie die übrigen Organe an ihren sogenannten Aufhängebändern, 
nicht anders etwa — um einen krassen Vergleich zu gebrauchen 
— als wie man im Fleischerladen die herausgenommenen tieri¬ 
schen Eingeweide aufgehängt sieht. 

Diese ältere Theorie, die sonst namentlich noch für die 
chirurgischen Organopexien ptotischer Eingeweide bewusst oder 
unbewusst das Leitmotiv abgibt, ist aber offenbar höchst unzu¬ 
länglich. In Wirklichkeit schweben nämlich die Organe 
in der Bauchhöhle nicht, sondern ihre Statik ist io der 
Weise gesichert, dass sie auf ihrer Unterlage, d. h. den 
jeweiligen benachbarten Organen sowie den Bauch¬ 
wandungen einschliesslich des Beckenbodens anfruhen, 
also gleichsam schwimmen. 

Dass dies sieb in der Tat so verhält, ergibt sich zunächst 
aus den von Ke Hing festgestellten manometrischen Druckverhält¬ 
nissen der Bauchhöhle, indem der höchste Druck stets dem je¬ 
weilig tiefsten Punkte der Bauchhöhle entspricht. Das Lasten 
der einzelnen Organe aufeinander geht daraus unmittelbar hervor. 
Der gleichzeitige Druck, den die Organe auf die Bauch¬ 
wandungen ausüben, lässt sich ferner ohne weiteres für die musku¬ 
lären Bestandteile derselben demonstrieren. Fällt hier nämlich 
die statische Arbeit, welche sie zu leisten haben, um die Baucb- 
organe bei vertikaler Körperstellung in situ zu erhalten, fort — 
also etwa infolge einer poliomyelitischen Lähmung —, so wölbt 
sich die gelähmte Partie sofort bernienartig vor, und zwar am 
stärksten, je weiter nach unten dieser gelähmte Bezirk gelegen 
ist. In den oberen Baucbpartien braucht dagegen der Eintritt 
einer umschriebenen, elektrisch nachweisbaren Muskelparese oder 
Lähmung noch nicht unbedingt zum Eintritt einer Hernie zu 
führen, wie dies namentlich aus den von Wiese 1 ) an der 
K üttner’ßchen Klinik angestellten Untersuchungen über den Kehr- 
schen Wellenschnitt hervorgeht. Oeffnet man ferner an einer 
stehenden Leiche das Abdomen, so stürzen die Eingeweide heraus; 
bei einer Hiebverletzung des Bauches, bei dem klassischen „Hara¬ 
kiri“ der Japaner kann es Vorkommen, dass der Darm bis auf 
die Erde fällt — alles dies würde jedoch nicht möglich sein, 
wenn die Suspension seitens der sogenannten Hängebänder die 


1) Inaug.-Diss., Breslau 1913. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




21. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1641 



Organe wirklich in der Schwebe hielte. Ganz die gleichen Ver¬ 
hältnisse machen sich auch in der Brncbpathologie geltend: ist 
s. B. beim Leistenbrach die Brachpforte weit genug, geschieht 
nichts, um dieselbe künstlich zu verschliessen, so kann allmäh¬ 
lich fast der ganze Bauchinbalt, ja selbst der Magen in eine 
solche Hernie eintreten — die postulierte Suspension der Bauch- 
organe versagt hier also vollständig. Vermag der Beckeoboden 
seine Aufgabe, die auf ihm lastenden Eingeweide zurückzuhalten, 
wegen muskulärer Insuffizienz, stattgefundener Verletzungen usw. 
nicht zu erfüllen, so sind damit, wie Tandler und Halban 
unter Ablehnung der älteren Auffassung von der Fixation des 
Uterus durch die Hängebänder nacbweisen konnten, die Bedin¬ 
gungen zum Eintritt des Genitalprolapses bei der Frau erfüllt; 
auch bei der Entstehung des Prolapsus recti spielt die Insuffizienz 
des Beckenbodens eine integrierende Rolle. - 1 - Das letzte Argu¬ 
ment wird aber der Suspensionstheorie der Bauchorgane entzogen, 
wenn man mit Wiedhopf 1 ) — dessen kürzlich erschienene Studie 
über die Splanchnoptose ganz wesentlich zur Klärung dieser Ver¬ 
hältnisse beigetragen hat — einmal die anatomische Beschaffen¬ 
heit der sogenannten Hängebänder kritisch mit Rücksicht auf ihre 
Funktion betrachtet. Es fällt hierbei zunächst die Uuscheinbar- 
keit dieser Ligamente auf — so erscheint die Annahme, dass 
etwas das spiftowebendünne Lig. bepatogastricum ein im gefüllten 
Zustande so mächtiges Organ, wie es der Magen darstellt, in der 
Schwebe halten solle, geradezu paradox. Aber auch die histo¬ 
logische Struktur der sogenannten Hängebänder spricht entschieden 
gegen eine solche Auffassung. „Betrachtet man das Gewebe im 
tierischen Körper, das auf Zug beansprucht wird, so findet man 
überall, dass es Sehnenfasern entwickelt. Gerade diese aber sind 
nirgends in den Mesenterien vorhanden.“ 2 * ) * 

Ziehen wir aus diesen Tatsachen das Fazit für die Lehre 
vom arterio mesenterialen Duodenal Verschluss, so ergibt sich, 
dass jene durch das Gewicht des leeren Dünn¬ 
darms dargesteliten Zugkräfte in Wirklichkeit beim 
Lebenden höchstens nur als Bruchteile, wahrschein¬ 
lich verschwindender Art, auf die Mesenterialwurzel 
einwirkend gedacht werden können. Natürlich werden 
diese Kräfte relativ noch am grössten sein, wenn der Patient 
steht, während bei horizontaler passiver Rückenlage die Niveau¬ 
differenz zwischen Beckenboden und Mesenterialansatz sich ver¬ 
ringert, also auch der ausgeübte Zug weniger beträchtlich sein 
wird, und zwar um so mehr, als auch die Lendenlordose — deren 
Bedeutung für das Zustandekommen einer Duodenalkompression 
wir oben gewürdigt haben — bei dieser Körperlage wesentlich 
nachlässt bzw. verschwindet. Es batte ja auch, wie einleitend 
erwähnt, Co dm an eine mesenteriale Duodenalkompression nur 
bei vertikaler Körperhaltung angenommen, während bei horizon¬ 
taler Ruhelage nach diesem Autor eine Entspannung eintritt. 
Ganz anders dagegen beim akuten mesenterialen Duodenal Verschluss, 
der, wie oben ausgeführt, fast ausnahmslos nur bei bereits bett¬ 
lägerigen Patienten vorkommt. Es findet sich also hier ein 
weiterer Widerspruch zwischen den Tatsachen und den 
theoretischen Voranssetzungen. 

(Schluss folgt.) 


Aus dem pathologischen Institut des städt. Kranken¬ 
hauses im Friedrichshain zu Berlin (Prosektor Prof. 
Dr. L. Pick). 

Ueber Beinieren. 

Von 

Dr. Karl Neckarsnlmer, Volontärarzt. 

Als Doppelniere wird von den Autoren diejenige Nierenmiss 
bildung bezeichnet, bei der — sei es auf einer Seite oder auf 
beiden — in der äus*erlich scheinbar in die Länge gezogenen 
Niere auf dem Durchschnitt zwei vollständig getrennte Nieren¬ 
becken nebst zugehörigen Ureteren vorhanden sind und die Trennung 
der doppelten Nieren durch einen gemeinsamen breiten Parenchym¬ 
bezirk bewirkt wird. Diese Anomalie stellt keinen sehr seltenen 
Sektioasbefuud dar and wird sogar zu den häufigsten Nierenmiss¬ 
bildungen gerechnet [Orth 8 )]. Im Gegensatz zu dieser Doppel¬ 

1) D. Zschr. f. Chir., 1914, Bi. 128, H. 1. 

2) Wiedhopf, 1, c. 

8) Orth, Lehrbuch der spez. path. Anat., II, S. 25ff. 


niere steht die sogenannte überzählige Niere, die in voll¬ 
kommener Selbständigkeit und meist beträchtlicher räumlicher 
Entfernung von den beiden normalen Nieren liegt und eine 
äusserste Rarität darstellt. Wie überall in der Morphologie der 
Missbildungen eines Organs, so kann auch hier durch ein mehr 
oder weniger ausgesprochenes Heranrücken der überzähligen Niere 
an eine der beiden normalen Nieren eine mehr oder minder starke 
Annäherung an die Gruppe der Doppelnieren erfolgen. Dennoch 
lässt sich die Existenz der überzähligen Nieren im striktesten 
Sinne des Wortes nicht bezweifeln und verdient bei ihrer Selten¬ 
heit nnd der ganzen Merkwürdigkeit des anatomischen Befundes 
eine Sonderstellung. 

In der älteren Literatur fiaden sich nach einer Zusammenstellung 
von Palma 1 ) drei einwandfreie Beobachtungen von überzähligen Nieren: 
in dem ersten Falle, von Blasius, wurden links zwei Nieren mit ge¬ 
sonderten Gefässen und gesondertem Ureter getroffen, im zweiten Falle 
(Thielmann) lag die linke, normal geformte Niere an normaler Stelle, 
die rechte Niere lag ebenfalls normal, war aber nur halb so gross wie 
die linke, und weiter abwärts, auf der Arteria iliaca commun. dextra lag 
eine dritte Niere, deren Ureter in den der oberen Niere mündete. Der 
dritte Fall stammt von Hyrtl: rechts und links neben der Lendenwirbel- 
säule je eine Niere von normaler Grösse und Gestalt, und vor der linken 
Articulatio sacro-iliaca eine dritte Niere von Hübnereigrösse, vom Peri¬ 
toneum überzogen, deren Ureter selbständig neben dem linken Ureter 
in die Harnblase mündete. 

Diesen drei Fällen schliesst sich ein weiterer Fall von Hanse- 
mann 2 ) an: bei einem 57jährigen Mann fand sich rechts eine normale 
Niere, links an entsprechender Stelle eine kleinere Niere und becken¬ 
wärts von ihr eine weitere. Die Ureteren — die untere Niere besass 
zwei — vereinigten sich auf dem Wege zur Blase. Da die untere linke 
Niere einen accessorischen Arterienast aus der rechten Iliaca commun. 
empfing, so betrachtet Hansemann sie als ein Aequivalent des Ver¬ 
bindungsstückes bei Hufeisenniere, das ja häufig grössere Selbständigkeit 
besitzt und deshalb auch manchmal als dritte Niere bezeichnet wird. 
So deutet dieser Fall die Möglichkeit einer Beziehung zwischen den über¬ 
zähligen Nieren und der Hufeisenniere an. 

Der fünfte Fall endlich wird von chirurgischer Seite beschreiben: 
hei einer Frau mit Wandernierensymptomen fand Cheyne 8 ) bei der 
Operation auf der Beckenschaufel, dicht neben der Wirbelsäule, eine 
wohlentwickelte Niere mit eigenem Ureter und eigenen Gefässen, während 
er sich im übrigen davon überzeugen konnte, dass zu beiden Seiten der 
Lendenwirbelsäule die beiden normalen Nieren lagen. 

In allen diesen Fällen stellt also die überzählige Niere ein 
ansehnliches Organ dar, das schon makroskopisch keinen Zweifel 
Hess, dass es sich nm eine Niere bandelte. Leider lassen sämt¬ 
liche Fälle eine mikroskopische Beschreibung vermissen, es ist 
aber anzunebmen, dass es sich sowohl in histologischer als in 
funktioneller Beziehung jedesmal um vollwertige Organe ge 
handelt hat. 

Dieser Gruppe von Fällen soll nun hier eine weitere Gruppe 
angegliedert werden, bei der es sich ebenfalls um das Vorhanden¬ 
sein einer selbständigen dritten Niere neben den normal 
geformten beiden anderen Nieren bandelt, wobei aber im 
Gegensatz zu den vorbeschriebenen Fällen diese dritte 
Niere nur in rudimentärer Form ausgebildet ist und funk¬ 
tionell keine Bedeutung hat 

Wenn für die accessorischen Nebennieren, die allerdings von 
den beiden Komponenten des Hauptorgans nur die Rindensubstanz 
führen, die Bezeichnung alsBei-Nebenieren [Poll 4 )] eingeführt worden 
ist, und wenn in gleichem Sinne abgesprengte kleine Partien der 
Hauptschilddrüse im Gegensatz zu den Nebenschilddrüsen (Para- 
thyreoid Körperchen) als Bei Schilddrüsen bezeichnet werden, so 
lässt sich diese Gruppe überzähliger, accesso risch er rudimentärer 
Nieren passend als „Beinieren“ charakterisieren. 

Den Anlass zu einer Untersuchung in dieser Richtung bildet 
ein Fall, der im August 1912 im pathologischen Institut des 
städt. Krankenhauses im Friedrichshain zu Berlin von Herrn 
Prosektor Prof. Dr. L. Pick beobachtet und mir von Herrn Pro¬ 
fessor Pick freundlichst zur Bearbeitung überwiesen wurde. 

Ein neun Mouate altes Mädchen kam mit der klinischen Diagnose 
Masern und Lungenentzündung zur Soktion. Die pathologisch-anato¬ 
mische Gesamtdiagnose des Falles, der im übrigen bei der Sektion nichts 
Bemerkenswertes bot, lautete: Oberflächliche Abschuppungen an der 
Gesichtshaut. — Parenchymatöse Degeneration des Herzmuskels. Hyper¬ 
trophie des linken Ventrikels. — Katarrhalische Pneumonie im rechten 
Mittel- und Unterlappen. Katarrhalische Bronchitis. — Infektiöser Milz- 

1) Palma, Pr.m.W., 1891, Bd. 16. 

2) Hansemano, B.k.W., 1897, H. 4. 

3) Cheyne, The Laneet, 1899, Vol. 1. 

4) Poll, 0. Hertwig’s Handbuch der Entwicklungsgeschichte, Bd. 3, 


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UNIVERSUM OF IOWA 





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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 38. 


tiirnor. — Derbe VergrÖsserung der mesenterialen Lymphdrüsen. — 
Parenchymatöse Degeneration der Leber. — Akute Nephritis. Ver¬ 
doppelung des linken Ureters. Kleine tumorartige Auflagerung. Auf¬ 
lagerung über dem oberen Pol der linken Niere. 

Die genauere Präparation der Harnorgane ergab nun folgenden Befund: 
Die Nebennieren liegen beiderseits an gewöhnlicher Stelle, ebenso die 
rechte Niere, deren Form normal ist. Ihre Grösse beträgt: 6 : 3,5 : 2,5 cm, 
ihre Oberfläche ist fötal gelappt. Das aufgeschnittene Organ zeigt Rinden¬ 
substanz und Markpyramiden in der üblicheu Anordnung und Abgrenzung, 
und aus dem ebenfalls normal geformten Nierenbecken steigt der 10,5 cm 
lange Ureter zur Blase hinab und mündet an gewöhnlicher Stelle in sie. 
Die linke Niere liegt als Ganzes 2 cm tiefer als die rechte und ist 



kürzer und plumper gebaut. Ihre Maasse betragen: 4,5:2,5:2,5cm. 
Auch sie ist im übrigen von normaler Gestalt, mit fötaler Lappung 
der Oberfläche und bietet auf dem Durchschnitt das übliche Bild. Der 
Ureter ist, der tieferen Lage der Niere entsprechend, nur 8,5 cm lang 
und mündet symmetrisch zum rechten Ureter in die Blase. Dem oberen 
Pol dieser Niere nun sitzt wie eine Kappe, die hiluswärts etwas tiefer 
herabgezogen ist, ein Gebilde auf, das etwa die Form eines in dorso- 
ventraler Richtung platt gedrückten spitzen Kegels besitzt. Dieser Kegel, 
der in der Höhe 1 cm und im Durchmesser seiner Grundfläche etwa 
2 cm misst, schmiegt sich mit dieser Grundfläche eng der oberen Nieren¬ 
kuppe an, doch so, dass eine schmale Furche überall eine durchaus 
scharfe Grenze gegen lie bedingt. Die Oberfläche des Körpers ist durch 
feine Furchen in winzige Felder geteilt, die an die fötale Nierenlappung 
erinnern. Auch auf dem Durchschnitt erkennt man eine Einteilung in 
kleine Parenchymbezirke, die durch schmale Bindegewebsziige von ein¬ 
ander getrennt werden. Stellenweise ist eine Abgrenzung rudimentärer, 
etwas hellerer und gegen die Oberfläche radiär streifiger Pyramiden 
gegen eine überlagernde Rinde deutlich genug, um das Gebilde schon 
für das blosse Auge sicher als Niere zu charakterisieren. Auch auf dem 
Durchschnitt wird die Grenze gegen das Parenchym der linken Niere 
deutlich kenntlich gemacht durch ein grauweissliches, dünnes, binde¬ 
gewebiges Septum. In diesem Septum endet anscheinend blind ein 
zweiter Ureter, der parallel dem andern -zur Blase hinabsteigt und dicht 
neben und medianwärts von ihm in der Bla«enwand blind endigt. Auf¬ 
fallend ist an diesem Harnleiter die ungleiche Dicke: der mittlere und 
der nach oben an diesen angrenzende Teil ist gegenüber dem atretischen 
obersten und dem distalen Abschnitt verdickt und spindelig aufgetrieben. 
Die Länge des zweiten Ureters beträgt 10,5 cm. 

Zur mikroskopischen Untersuchung wurde von dem in natürlichen 
Farben nach L. Pick makroskopisch konservierten Objekt eine Scheibe 
abgeschnitten, die den ganzen Körper in seiner Hauptebene, das erwähnte 
Bindegewebsscptum, und ein Stück des oberen Poles der linken Niere 
enthielt. Das Material wurde in Paraffin eingebettet, die Schnitte mit 
Hämalaun-Eosin, nach van Gieson und nach Weigert (Elasticafärbung) 
gefärbt. Das mitexzidierte Stück der Hauptniere bot ausser den akuten 
Veränderungen infolge der Maserninfektion, bei denen reichliche Rund¬ 
zelleninfiltrate sehr im Vordergrund standen, keinen auffallenden Befund.— 
Der kleine, auch mikroskopisch von der Hauptniere durch die Binde- 
gewebsbarriere unbedingt gesonderte Körper lässt schon bei Lupen- 
vergrösserung ein bindegewebiges Stroma erkennen, in das zahlreiche, 
im allgemeinen gut abgegrenzte, meist rundliche Parenchyminseln einge¬ 
bettet sind. Das Bindegewebe ist zellarm und ordnet sich mit seinen 
Fasern meist zirkulär um die Inseln herum an. Es führt in mittlerer 


Menge Blutgefässe, elastische Fasern und vereinzelt glatte Muskelfasern. 
Die Parenchyraherde sind in ihrer Zusammensetzung verschieden, je 
nachdem sie näher nach der freien Obe» fläche oder nach der Grenze zur 
Niere hin gelegen sind. Die oberflächlichen Herde bestehen in der 
Hauptsache aus NiereDglomerulis und Harnkanälchen. Die Gloineruli 
entsprechen meist dem normalen Typus, doch finden sich auch einzelne, 
die durch ihre geringere Grösse und durch ihre plumpen Gefässchlingen 
eine geringere Ausbildung zeigen. Die Harnkanälchen lassen teilweise 
einen kurzen geschlängelten Verlauf erkennen; ihr Epithel besteht aus 
blassen, meist gekörnten, niedrigen Zellen mit hellem, rundem Kern. 
Ihr Lumen ist mit einer homogenen, oder auch körnigen Masse erfüllt. 
Zwischen den Harnkanälchen und Glomerulis findet sich ein lockeres 
Bindegewebe mit Blutkapillaren und Rundzelleninfiltraten. 

Ein wesentlich anderes Aussehen bieten die mehr septumwärts 
gelegenen Parenchymläppchen. Gloineruli fehlen hier, die Harnkanälchen 
sind auch hier in Quer- und Längsschnitten sichtbar, doch zeigen die 
läogsgetroffeneu einen gestreckten Verlauf, einzelne sind auch U-lörmig 
gebogen nach Art der Henle’schen Schleifen. Das Lumen der meisten 
Harnkanälchen ist eng und leer, ihre Epithelien sind schmal und dunkel 
getönt. Auch hier sind die Kanälchen in Bindegewebe eingebettet. 
Seine Faserrichtung entspricht ihrem Verlauf und liefert ihnen so eine 
bindegewebige Scheide. In einigen Läppchen finden sich ausserdem weit 
grössere, buchtige und im Vergleich zu den sonstigen Harnkanälchen 
riesenhafte Hohlräume, die mit einem mehrschichtigen Uebergangsepithel 
ausgekleidet sind. 

Die beiden Arten von Gewebsinseln sind im allgemeinen durch 
Bindegewebsstrassen getrennt und gegeneinander abgegrenzt. Doch ist 
auch an einer Stelle in den angefertigten Schnitten ein Läppchen der 
erstbeschriebenen Art unmittelbar zentralwärts mit einem der anderen 
Art verbunden. — Das mehrfach erwähnte Septum zwischen dem Tumor 
und dem oberen Nierenpol besteht aus Bindegewebe mit elastischen 
Fasern, Blutgefässen und glatten Muskelfasern und enthält gleichfalls 
mehrere weite, mit Uebergangsepithel ausgekleidete buchtige Hohlräume. 
Für einen Zusammenhang dieser grossen Hohlräume mit dem Harn¬ 
leiter zeigt sich kein Anhalt. Elemente von Nierenparenchym finden 
sich hier nicht. 

Ueberblickt man den ganzen Befund, so sitzt also der linken Niere 
ein Gebilde auf, an dem sich makroskopisch wenigstens stellenweise eine 
Nierenpyramiden' und -rindenzone andeutet, und an dem sich mikro¬ 
skopisch eine Rindenzone mit Glomerulis und gewundenen Harnkanälchen 
und eine mehr zentrale (Mark-)Zone mit vorwiegend geraden Kanäl¬ 
chen und Henle’schen Schleifen unterscheiden lässt. Daran schliesst 
sich eine Bindegewebsschicht mit nierenbecken- bzw. kelchähnlichen 
Hohlräumen, wie diese auch in dem angrenzenden Teil der Markzone 
zu finden sind. Aus dem Gebiet des rudimentären Nierenbeckens ent¬ 
springt, blind beginnend und blind in der Harnblase endend, ein Ureter. 

Das ganze Gebilde ist überall scharf gegen die linke Niere abge- 
greuzt. 

Das Gebilde erweist sich also als eine überzählige linke 
Niere, die bei der unvollkommenen Art ihrer Ausbildung als Rudi¬ 
mentärorgan sich darstellt. Bemerkenswerterweise ist nur an einer 
Stelle des Präparates, wie erwähnt, ein unmittelbarer Uebergang 
eines Läppchens mit Glomerulis und Tubulis contortis, also corti- 
calen Elementen, in ein solches mit Tubulis rectis, also aus¬ 
führenden Kanälen sichtbar, während im übrigen beide Arten 
durch Bindegewebszüge voneinander geschieden sind; es hat also 
den Anschein, als ob diese kleine dritte Niere im allergrössten 
Teil auf einer frühen Stufe ihrer embryonalen Entwicklung stehen 
geblieben wäre, noch ehe es allgemein zu einer Verschmelzung 
des exkretorischen und ausführenden Anteils, wie sie sich nor¬ 
malerweise nach der dualistischen Lehre von der Nierenentwicklung 
[Felix 1 )] vollzieht, gekommen ist. Auch die Bilder unreifer 
Glomeruli sprechen für einen solchen Stillstand in der Entwicklung. 

Funktioniert kann diese Niere jedenfalls nicht haben, da es 
sonst bei der unvollkommenen Ausbildung des ableitenden Kanal¬ 
systems notwendig zur Cystenbildung hätte kommen müssen. 
Doch beweisen die Rundzelleninfiltrate, dass das Gewebe der 
rudimentären Niere imstande war, auf bestimmte Vorgänge im 
Gesamtorganismus, wie die Maserninfektion, in der gleichen Weise 
wie das Hauptorgan zu reagieren. 

Dass sich auf dieser Bobachtung, wie oben ausgeführt wurde, 
eine gesonderte Gruppe der Beinieren begründen lässt, lehren 
zwei im wesentlichen gleichartige Fälle, die ich in der Literatur 
finden konnte. 

Vor kurzem hat Schönberg 2 ) eine Beiniere in unserem Sinne be¬ 
schrieben als „rechtsseitige Nieren- und Ureterverdoppelung mit Hyper¬ 
plasie und Adenom der überzähligen Niere“. Bei einer 40jährigen Frau 
fand sich oberhalb der rechten Niere, die selbst stark verkleinert und 
beckenwärts verlagert war, ein 7:7:3,5 cm grosser, lappig gebauter 
Tumor (mikroskopisch: Adenom), und zwischen diesem Tumor und dem 
oberen Nierenpol bestand in scharfer Abgrenzung gegen den letzteren 


1) Felix, Handbuch der Entwicklungslehre. 1906. 

2) Schönberg, Frankf. Zeitscbr. f. Path., Bd. 14, H. 2. 


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21. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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eine 3 cm lange, 2 om weite Gewebsbrücke, aus deren Mitte ein zweiter 
Ureter entsprang und zur Blase hinabstieg. Diese Gewebsbrücke zeigte 
mikroskopisch eine entschiedene Aehnlichkeit mit der hier beschriebenen 
Rudimentärniere. Es ergab sich ein bindegewebiges Stroma mit zweierlei 
Parenchymherden, nämlich solchen, die aus dünnwandigen Hohlräumen 
mit einschichtigem, kubischem Epithelbelag bestanden, und anderen, die 
ausser diesen Hohlräumen auch dickwandige mit Cylinderepithelauskleidung 
enthielten, ausserdem zeigten sich gegen den Ureter bin noch weite, un¬ 
regelmässige Hoblräume, die stellenweise mit mehrschichtigem Uebergangs- 
epithel ausgekleidet waren. Giomeruli fanden sich nirgends. Schönberg 
erblickt daher in seinem Präparat „eine bypoplastiscb angelegte über¬ 
zählige Niere, bei der nur die abführenden Kanälchen und das Nieren¬ 
becken teilweise ausgebildet sind“. 

Dieser Fall ist, wie leicht ersichtlich, in der Ausbildung der 
Beiniere als eine Vorstufe zu dem hier beschriebenen aufzufassen, 
insofern bei Schönberg lediglich die ausföhrenden Kanälchen, 
in unserm Fall ausserdem auch die sekretorischen (corticalen) 
Elemente zur Ausbildung gelangt sind. Daneben würde dann als 
noch etwas höher entwickelte Form einer Beiniere der zweite von 
mir in der Literatur gefundene Fall anzureihen sein, der von 
Palma beschrieben wurde. Er fand bei einem 6jährigen Knaben 
am oberen Pol der linken Niere, die selbst wohl gebildet and 
etwas grösser als die rechte war, eine 1 cm hohe, gegen die 
Niere fast überall gut abgegreuzte Protuberanz. Sie bot auf dem 
Durchschnitt das Bild einer Miniaturniere mit Rinde und Mark¬ 
substanz, in der sich drei unvollkommene Malpighi’sche Pyramiden 
abhoben. Mikroskopisch bot diese rudimentäre Niere mit zahl¬ 
reichen obliterierten und verdickten Glomerulis, diktierten und 
cystiscb entarteten Harnkanälchen und reichlich entwickeltem 
Bindegewebe das Bild einer hochgradigen Atrophie, die Palma 
auf die „Unmöglichkeit der Sekretentleerung“ zurück führt. Aus 
der Niere ging, wiederum ohne Bildung eines Nierenbeckens, ein 
stark erweiterter überzähliger Ureter hervor, der in die linke 
Samenblase einmündete. 

Es liegt also auch iu diesem Falle eine rudimentäre über¬ 
zählige Niere vor, die mit der auch makroskopisch schon erkenn¬ 
baren Aehnlichkeit ihrer Gesamtstruktur mit einer ausgebildeten 
Niere darauf bindeutet, dass, wie von den überzähligen Nieren 
zu den Doppelnieren, so auch nach der andern Seite von den 
überzähligen Nieren zu den Beinieren hiu Zwischenformen zu 
finden sind. 

Es besteht aber jedenfalls nach den bisherigen tatsächlichen 
Beobachtungen ein markanter Unterschied zwischen den Beinieren 
und den voll entwickelten funktionstüchtigen überzähligen Nieren, 
von denen einleitend die Rede war. Während die letzteren ihre 
Selbständigkeit auch durch ihre von den andern beiden Nieren 
meist weit entfernte Lage dokumentieren, bleiben die rudimen¬ 
tären Nieren in topographischem Zusammenhang mit der gleich¬ 
seitigen Niere. Hierin, sowie in der Tatsache, dass sie jedesmal 
dem oberen Pol aufsitzen, während die vollkommenen überzähligen 
Nieren stets beckenwärts gelegen sind, könnte eine besondere 
Gesetzmässigkeit liegen. 

ln Uebereinstimmung mit der bekannten Fähigkeit missge¬ 
bildeter überzähliger Rudimentärorgane, Tumoren zu erzeugen, ist 
in der Beiniere von Schönberg ein nicht unerhebliches Adenom 
entstanden, ein Beweis, dass die Beiniere trotz ihrer rudimen¬ 
tären Ausbildung unter Umständen auch klinische Bedeutung er¬ 
langen kann. 

Silbernitrat oder Silbereiweiss. 

Eine therapeutische Frage. 

Voo • 

San.-Rat Dr. W. Lublinski. 

Wenn man die Emsigkeit sieht, mit der die chemischen 
Fabriken Ersatzpräparate für das Silbernitrat herstellen, ich nenne 
nur Albargin, Argentamin, Argonin, Itrol, Protargol, und nach 
dem Grunde dieses Eifers fragt, so wird man allgemein hören, 
dass dem Silbernitrat in Folge seiner Eiweiss coagulierenden 
Eigenschaft die notwendige Tiefenwirkung abgeht. Diese hätten 
aber die erwähnten Ersatzpräparate, weil ihre wässrige Lösung, 
wenn sie auch weniger Ag enthalte, nicht durch Eiweiss gefällt 
*ürde. Dazu trete ihre Reizlosigkeit. 

Dieser Gedankengang macht einen logischen Bindrnck, und 
nun müsste sich demselben fügen, wenn die Prämisse richtig wäre. 
Wie steht es aber damit? Um zunächst mit der Erfahrung in der 
"razis zu beginnen, so bebe ich hervor, dass bei meiner lang¬ 


jährigen Tätigkeit in der Behandlung der Schleimhaut der oberen 
Wege mich die Wirksamkeit des Höllensteins befriedigte. Aber 
der Schmerz und besonders der sehr bittere unangenehme metallische 
Geschmack veranlassten die von wichtigen Autoritäten empfohlenen 
Silbereiweisspräparate auch für meinen Zweck anzuwenden. Das 
geschah durch längere Zeit vornehmlich mit dem Protargol. Und der 
Erfolg? Reumütig kehrte ich zum Silbernitrat zurück. 

Es erhebt sich die Frage: Was wirkt in demselben? Ist es das 
Silber allein, wie bei den verschiedenen Verbindungen des Queck¬ 
silbers. Das scheint nicht der Fall zu sein. Ein Analogon, soweit 
man überhaupt von einem solchen sprechen kann, haben wir im 
Salvarsan. Nicht das Arsen allein ist die wirksame Substanz; 
es Ist die Kombination mit den aromatischen Körpern; selbst 
seine kleinste Gabe überragt bei weitem die sonst als toxische 
Dosis geltende Arsenmenge und wird vertragen. Man kann wohl 
auch vom Silber annebmen, dass in seiner NitratverbinduDg diese 
Komponente eine Rolle spielt ond nicht als unwesentlich auszu¬ 
schalten ist. Es ist richtig, dass unter seiner Einwirkung auf die 
Schleimhaut die Albnminate ausgefällt werden. Dabei wäre aber 
zu bemerken, dass sich der vom Silbersalpeter in Eiweiss erzeugte 
Niederschlag durch Zusatz von Kochsalzlösung wieder löst (De- 
lioux), was therapeutisch durch Gurgeln mit Kochsalzlösung nach 
der Aetzung ausgenutzt wird. Der dann noch zurückbleibende Nieder¬ 
schlag, dessen weisse Farbe in Violett spiegelt, besteht aus Chlor¬ 
silber. Dieses, durch Einwirkung auf die in allen Schleimhäuten 
vorhandenen Chloride entstehend, ist nicht löslich, wie man sich 
überzeugen kann, wenn man es einer Flüssigkeit, welche Eiweiss 
und Chloralkalien enthält, zusetzt. Es ist nicht von der Hand 
zu weisen, dass diese Entziehung von Chlor auf die erkrankte 
Schleimhaut einen Einfluss ausüben kann. 

Dass dieser Niederschlag eine Tiefenwirkung verhindert, 
hat niemand bisher nachgewiesen, Im Gegenteil, wenn man die 
vielfache Anwendung des Silbersalpeters in der experimentellen 
Pathologie sieht, um am lebenden Tier gerade die in der Tiefe 
sich abspielenden Vorgänge zur Anschauung zu bringen; wenn 
man in der Histologie durch die Versilberung viele Dinge, wie 
die Saftkanäle des Bindegewebes, die Grenzen des Schleimhaut¬ 
epithels und manches anderes erst genauer erkennen kann, dann 
fällt es schwer, eine Tiefenwirkung auszuschHessen. Wie ist 
fernerhin in der Therapie der Nachscbmerz zu erklären, der 
kaum auftreten könnte, wenn der Niederschlag eine tiefere Ein¬ 
wirkung des Silbersalpeters verhindert. Gerade dieser, der sich meist 
erst einigeZeit nach der Anwendung — etwa nach 10—20&linnuten — 
einstellt, zeigt, dass es sich nicht um eine oberflächliche Wirkung 
„primärer Schmerz“, sondern um einen in der Tiefe entstehenden 
„sekundären Schmerz“ handelt. Ich sehe dabei von den sehr 
konzentrierten Lösungen oder dem Lapisstift ab, mit denen man 
die Schleimhaut eventuell vernichten kann. Solche Excesse der 
Therapie, die mit den heftigsten Schmerzen einhergehen und meist 
anerlaubte„Tiefenwirkungen“zeitigen, sind natürlich im allgemeinen 
verpönt, zeigen aber die nicht oberflächliche Macht des Lapis 
infernalis. 

Alle diese Erwägungen haben mich bestimmt, dem alten 
Medikament treu zu bleiben. Die Ersatzpräparate haben nicht 
seine Kraft, verderben ausserdem bei längerem Stehen in Lösung 
und sind im allgemeinen als minderwertige Surrogate anzuseben. 


Ein Hilfsmittel für sportliche Diätetik und 
Truppenhygiene. 

Von * 

Dr. H. Boeder -Berlin, 

Stabsarzt dc*r Reserve. 

Der Eintritt gewaltiger kriegerischer Ereignisse veranlasst mich, 
heute schon ein Hilfsmittel sportlicher Diätetik, dessen Wert ich 
durch längere Beobachtungen studieren konnte, auch von dem Gesichts¬ 
punkt seiner Verwendbarkeit für die Truppen im Felde hier zum 
Gegenstand einer Betrachtung zu machen. Die deutsche Heeresleitung 
hat von jeher allen Fragen der Fürsorge für die Armee im Frieden und 
im Kriegszustand und dem Ausbau des gesamten Feldsanitätswesens die 
sorgfältigste Beachtung geschenkt. Insbesondere hat die Medizinal- 
abteilung des Kriegministeriums unter anderem für die Hygiene 
und Ernähruog der Truppen eine glänzende Organisation geschaffen 
und durch Zusammenstellung einer zweckmässigen Tageskost, ferner 
einer eisernen Ration und einer angemessenen Versorgung aus nach¬ 
geführten Feldküchen die der Ernährung der Massenheere entgegen¬ 
stehenden Schwierigkeiten in vortrefflicher Weise beseitigt. 

ln dem Rahmen dieser ausgezeichneten sanitären Fürsorge hat aber 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 38. 


die Medizinal Verwaltung des Kriegsministeriums bis vor einigen Jahren 
überdies eine Reihe interessanter 'wissenschaftlicher und praktischer 
Untersuchungen über die Verwendbarkeit einfacher Kohlehydrat¬ 
nahrung, wie des Zuckers auf dem Marsch anstellen lassen. An 
die Ergebnisse dieser Untersuchungen möchte ich mit meinen heutigen 
Ausführungen anknüpfen und voranschicken, dass es sich bei dem von 
mir geprüften Hilfsmittel sportlicher Diätetik um ein Kohlehydrat 
handelt, welches noch dazu mit einem Körper anregender Wirkung 
(Tee-Alka)oid) kombiniert ist. Es scheint mir nicht ebne Bedeutung, 
im Interesse der Ernährung und Leistung der Truppen auf die Vorzüge 
des von mir erprobten Hilfsmittels sportlicher Diätetik hinzuweisen. In 
einfacher Weise würde das neue Präparat die dem einzelnen Mann aus- 
gegebene eiserne Ration ergänzen und bei langen Eisenbahnfahrten, 
Truppentransporten, auf dem Marsche sowie bei der Labung 
von Verwundeten unseren Soldaten gute Dienste leisten können. 

Die Beobachtungen, die ich während längerer Zeit bei der An¬ 
wendung eines mit einem Teealkaloid kombinierten Kohlehydrates 
Maltyl) gesammelt habe, habe ich namentlich angestellt an Kindern in 
der Privatpraxis, ferner bei Kindern des Entwickluogsalters, die 
unter dem Einfluss einer leichteren sportlichen Leistung sich befanden, 
nämlich einer methodisch durchgeführten Muskelarbeit bei 
kurzfristigen Wanderungen, endlich bei einer Terrainkur herzkranker 
Kinder in ebenem Gelände und im Mittelgebirge. 

Bei der Terrain kur herzkranker Kinder, bei der klinische und ex¬ 
perimentelle Untersuchungen des Herzens vor und nach der Bewegung 
vorgenommen wurden, hatte ich, um alle speziellen Einwirkungen anderer 
Art auszuscbalteD, von dem mit einem Teealkaloid kombinierten Malz¬ 
extrakt (Maltyl-Mate) keinen systematischen Gebrauch machen könneD, 
wohl aber habe ich eine eiserne Ration auf die Exkursion mitgenommen, 
um sie eventuell bei Scbwäcbeerscheinungen eines Kindes zur Anregung 
des Nervensystems, insbesondere des Herzens, verwenden zu kennen. 

Die Yerba Mate (Yerba spanisch Kraut) steht nach den Angaben 
mehrerer Autoren nach Zusammensetzung und Alter dem chinesischen 
Tee sehr nabe. Wichtig ist schon nach den Feststellungen der Phar¬ 
makologen der nicht zu hohe Alkaloidgehalt, vor allem aber, dass äthe¬ 
rische Oele nur in Spuren Vorkommen. Dadurch bat der Mafö-Tee 
gegenüber dem chinesischen den Vorteil, nicht narkotisch zu wirken. 
Was das Alter anlangt, wurde Yerba Mate, aus der das mit dem Matz 
kombinieite Teealkaloid gewonnen wird, in Gräbern gefunden, die wahr¬ 
scheinlich aus der Blütezeit der Inkaberrscbaft stammeD, also aus dem 
Anfang dieses Jahrtausends. Die ersten Nachrichten von Matö-Tee, die nach 
Europa gelangten, stammen von den „frommen Vätern e societate Jesu“. 
Erst gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts taucht die Yerba Mate 
in Europa wieder auf. Vermöge seines Dicht allzuhohen Alkaloidgehalts 
gilt es bisher bereits als ein mildes Excitans für das Nervensystem. 

Bei meinen Beobachtungen war es mir nun von hohem Interesse, 
diese leicht anregende Wirkung auf das Nervensystem und auf das 
Stimmungsleben schon bei blutarmen, nervösen und in der Entwicklung 
zurückgebliebenen Kindern meiner Praxis erproben zu können und sie 
bestätigt zu sehen. Um über die Einwirkung auf das Verhalten, 
auf das subjektive Befinden der Kinder hier eine Vorstellung zu geben 
und namentlich die Steigerung der Verdauuogsleistung der verdauenden 
Organe verständlich zu machen, möchte ich hier vorausschicken, was 
andere Autoren über die physiologischen Eigenschaften des 
Matc-Tee gesagt haben. Schon aus diesen Angaben ist bereits zu 
entnehmen, dass das neue mit dem Tee-Extrakt kombinierte Malzpräparat 
für die günstige Beeinflussung der Schwächezustände des Jugend¬ 
alters, aber auch bei vorübergehender Abnahme der Kräfte 
nach anstrengenderen Leibesübungen und sportlichen Lei¬ 
stungen wohl verwendbar ist und vielleicht als ein wichtiges Hilfs¬ 
mittel für sportliche Diätetik betrachtet werden kann. Bei den 
weiteren Darlegungen müssen wir in erster Reihe den Matc-Tee als 
solchen betrachten, um alsdann die Bedeutung seiner Kombination mit 
einem Malz für die Anregung und Belebung ermüdeter Nerven und 
Muskeln für die Sporthygiene und sportliche Diätetik sowie für die 
Erhöhung der körperlichen Leistung aller Art, also eventuell für die 
Steigerung der Leistung des marschierenden Soldaten würdigen zu können. 

„Ich habe stets gefunden“, sagt Bibra, „dass durch den Genuss 
des Mate -Tees die Lebensgeister angeregt werden und, dass sich eine 
gewisse Heiterkeit einstellte. Man hat behauptet, dass dieser Körper 
auf die Nieren einwirke und die Bewegung des Darmkanals beschleunige.“ 
Er sowohl wie Meyen erblicken aber in dem io Form eines warmen 
Getränkes genossenen Mate-Tee ein Mittel zur Erfrischung und An¬ 
regung; nur einige Züge brauche man davon zu nehmen, und man ist 
nach der schlaflosesten Nacht wie neugeboren. Prof. Dr. Kohlstock 
hebt in erster Linie die durststillende und beruhigende Wirkung 
hervor, eine Eigenschaft, die bei der Fortdauer ansteigender körperlicher 
Leistungen, also in turnerischen und sportlichen Kreisen ganz besondere 
Beachtung finden dürfte. Auch Mansfeld, Mai, Kemmerich, 
Kaerger u. a haben neben der anregenden besonders die durst¬ 
stillende Wirkung hervorgehobeo. Siedler und Lösner empfehlen 
den Peruaner Tee als diätetisches Mittel. Fast sämtliche Aerzte und 
Naturforscher, die sich mit diesem alterprobten Matc-Tee beschäftigten, 
unter anderem auch Katz, Makendrick beben die nervenanregende 
Wirkung hervor und betonen besonders, dass derselbe infolge seines 
geringen Gehaltes an ätherischen Oelen nicht so stark nervenanregend 
sei wie der chinesische Tee. 

Die von den genannten Autoren erwähnten Eigenschaften dieser 


Teeblätter aus Peru und Paraguay habe ich also auch bei den Kindern, 
bei denen ich den Tee in der Kombination mit dem Maltylpräpar&t 
verordnete, in deutlicher Weise bestätigen können. Es bandelte sich 
um Kinder meiner Praxis, Knaben und Mädchen verschiedener Alters¬ 
stufen von 6—9, 10 —12 Jahren. Es waren Kinder, bei denen duroh 
Ueberlastung im Schulbetrieb, ferner infolge unzulänglicher Fürsorge im 
Haus sowie infolge mangelnder körperlicher Bewegung eine nervöse Ab¬ 
spannung bestand und die schlechte Durchblutung des Herzens und der 
übrigen Organe den gesamten Stoffwechsel beeinträchtigte, bei denen 
vor allem die bekannte Störung der nervösen Regulation des 
Nahrungsbedarfes zustande gekommen war. Bei diesen Kindern 
wurde das Maltyl-Mat^ 1 ) aus therapeutischen Gründen angewandt, näm¬ 
lich zur Hebung ihres Kräfte- und Ernährungszustandes. Die Kinder 
waren Wochen und Monate vorher bei geringem Appetit, verweigerten 
die Nabrung vorübergehend vollständig und reagierten bei Angebot der¬ 
selben mit Uebelsein und Erbrechen. Bereits bei voller Nüchternheit 
bei Tagesbeginn vor der ersten Mahlzeit trat bei diesen grossenteüs 
neuropathiseben Kindern Würgreiz und Erbrechen ein. Bei diesen Kindern, 
bei denen die nervöse und psychische Abspannung sich insbesondere 
in einer funktionellen Schwäche der Verdauungsorgane äusserte, bat sich 
das Maltyl-Mate bei gleichzeitiger Anordnung gieicbmassigerer körper¬ 
licher Bewegung vortrefflich bewährt. Die Kinder erhielten 3 mal 
täglich 1 Tablette oder 2 mal täglich 2, nabmen dieselben gern 
und zeigten mehrfach nach nur wenigen Tagen bereits eine leichte 
Besserung. Vor allem fiel auf die schnelle Besserung der Stimmung 
und des subjektiven Befindens, das Schwinden der vorange* 
gangenenen Depression, die Kinder fingen an gleichmässig und 
mit normalem Appetit die verordnete Kost zu nehmen und zu ver¬ 
tragen. Nachdem bei diesen Kindern die Störungen der nervösen Regu¬ 
lation des Nahrungsbedarfes gehoben wareD, nahmen dieselben an Ge¬ 
wicht zu und erreichten in 6—8 Wochen einen Gewichtsansatz von 
2—3—5—6 Pfund. Es kann gar kein Zweifel sein, dass der als mildes 
Excitans wirkende Einfluss des Tee-Extraktes zuerst im Vordergründe 
stand und sodann für den kalorischen Nutzeffekt des mit demselben 
kombinierten Malzextraktes „Maltyl“ sowie für die Anregung der Peri¬ 
staltik von entscheidender Bedeutung war. 

Die therapeutische Wirkung des Mate-Tee bzw. des Maltyl-Mate 
vollzog sich also in erster Linie auf dem Wege, dass die Kinder vor 
allem in ihrem Stimmungsleben günstig beeinflusst wurden. So war das 
Teealkaloid Mate vor allem imstande, bei den anämischen, bleichsüchtigen, 
überreizten und in der Ernährung zurückgebliebenen Kindern die de- 
pressoriseben Zustände zu mildern und durch Anregung des psychischen 
Anreizes die sekretorischen, motorischen und resorptiven Funktionen 
der Verdauungsorgane zu steigern und den normalen Ablauf der nervösen 
Regulation der Nahrungsaufnahme wiederherzustellen. 

Nach diesen günstigen Resultaten entschloss ich mich im Sommer 
1913, das Maltyl-Mate auch bei Kindern, die sich ja am Anfang eines 
einfachen Trainings befanden, bei etwaigen Ermüdungser¬ 
scheinungen, zur Anregung der ermüdeten Nerven und Muskeln zu 
verwenden, um eventuell auf diesem Wege die Brauchbarkeit des mit 
einem Malz kombinierten Teealkaloids für die Sportbygiene und sport¬ 
liche Diätetik überhaupt zu erweisen. Seit mehr als 5 Jahren habe ich 
mich beschäftigt mit der ärztlichen Untersuchung von blutarmen und 
unterernährten Kindern des Entwicklungsalters, die zu mehrtägigen in 
leichtem Training veranstalteten Wanderungen (Bewegungskur) nach 
Brandenburg, Mecklenburg, Thüringen, Sächsische Schweiz, Riesengebirge 
oder an die See binausgeschickt wurden. Die Kinder wurden vorher 
und auch in der Zeit nach der Rückkehr mehrere Monate gemessen und 
gewogen und die Einwirkung der geleisteten Muskelarbeit auf diese Weise 
auch in der Nacbperiode mittels exaktester Feststellung geprüft. Bei 
diesen Kindern waren mehrfach begreiflicherweise ErmüdUDgssymptome 
und leichte Schwächeerscheinungen bemerkt worden, die, ohne eine ernste 
Bedeutung zu habeD, immerhin sorgfältig beobachtet werden mussten. 
Es schien mir daher von grosser Wichtigkeit, für derartige unvorher¬ 
gesehene Ermüdungszustände nach stärkeren körperlichen Leistungen 
ein angenehmes, leicht bekömmliches Anregungsmittel in der Hand zu 
haben. Gerade die Frage der Verwendung eines geeigneten Anregungs¬ 
mittels bei den verschiedenen Arten der körperlichen Betätigung bei 
Leibesübungen bzw. überhaupt für sportliche Zwecke ist neuerdings 
aktuell, seitdem die diätetischen Vorschriften für methodische körper¬ 
liche Leistungen, für Turner und Sporttreibende eine eingehendere wissen¬ 
schaftliche Begründung erfahren und eine Reihe von maassgebenden 
Autoren, wie Caspary, Albu, Rosemann, Willner, Mallwitz, 
Nicolai und Frey speziell die Stellung der Sporttreibendeo zum 
Alkohol einer Prüfung unterzogen haben. Wenn nach längerer an¬ 
strengender Arbeitsleistung Ermüdung eintritt, aber, um an das Ziel zu 
gelangen, noch eine kurze KraftanstreDgung notwendig ist, kann eine 
massige Dosis Alkohol, wie Caspary in seinem im „Reichsausschuss 
für wissenschaftliche Erforschung des Sportes und der Leibesübungen 
gehaltenen Vortrag, Januar 1913, hervorhob, durch den Einfluss auf das 
Nervensystem einer ermüdeten Muskulatur Erholung bringen. Das Er¬ 
müdungsgefühl wird überwunden und die Arbeit geht wieder leicht und 
besser vor sich. Gerade in letzterem Sinne ist nach Zuntz und Caspary 
oft auf Bergtouren und ähnlichen Dauerleistungen mit Erfolg vom Alkohol Ge- 

1) Das Maltyl Mate wird hergestellt von der Firma Gehe 4 Co. in 
Dresden. Dort ist auch die Literatur über Herstellung und über die 
Eigenschaften des Peruanischen Tee „Mate“ zu erfahren. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




21. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1645 


brauch gemacht worden. Dennoch aber ist dies, wie Oaspary betont, 
immerhin gefährlioh. Auf die vorübergehende Erholung folgt nämlich bald 
eine um so intensivere Erschlaffung. Tritt diese vor Erreichung des Zieles 
ein, so kommt es zuweilen zu einem vollständigen Zusammenbruch. Daher 
tut man wohl am besteo, den Alkohol bei Leibesübungen jeder Art über¬ 
haupt zu meiden. Auch die Militärverwaltung und die Medizinal - 
abteilung des Kriegsministeriums hat diese Frage längst in dem gleichen 
ffinne gelöst. Viel besser ist es, sagt Caspary, sich in derartigen 
fällen der milden anregenden Wirkung eines Tees zu bedienen. 
Einen gewissen Nährwert könne man diesem Getränk leicht verleiben, 
indem man ihn stark mit Zucker versetze. Halt genossen wirkt soloh 
stark gesüsster Tee ungemein belebend und etfriaohend. Dabei soll im 
Interesse des Wasserhaushaltes des Organismus die Flüssigkeitszufuhr 
auch nicht zu gross werden. Wird ein Ueberschuss an Wasser zage* 
führt, so wird derselbe bald wieder ausgeschieden. Das bedeutet eine 
Mehrarbeit für Herz und Nieren. Aber die Ausfuhr ist nicht vollständig. 
Es ist kein Zweifel, dass bei laDgdauernder übermässiger Flüssigkeits- 
Zufuhr der Organismus Über das normale Maass mit Wasser gesättigt 
Wird. Für sportliche Tätigkeit ist ein solcher Körper im allgemeinen 
Wenig geeignet« weil sein Gewicht durch unnötigen Ballast beschwert 
wird. Ein solcher Mensch schwitzt auch übermässig stark. Nach Cas¬ 
par^ ist es daher wichtig, wenn bei der Vorbereitung zu grösseren 
sportlichen Leistungen und während ihrer Ausübung die Flüssigkeits¬ 
zufuhr nach Möglichkeit beschränkt wird. Schon die Griechen wählten 
eine Trockendiät zur Vorbereitung für ihre Wettkämpfe. Hieraus sehen 
wit deutlich, dass für jede Art von Training, sowohl bei unseren zu 
kurzfristigen Wanderungen hinausgeschickten schwächlichen Hindern des 
Entwioklungsalters, ferner bei allen Leibesübungen der Jugendlichen 
ünd endlich bei den sportlichen Leistungen der Erwachsenen und den 
Marschleistungen der Soldaten die Einführung eines anregenden Tee¬ 
alkaloids, welches ohne gleichzeitige Flüssigkeitzufubr das Durstgefühl 
zu löschen imstande ist, ein grosser Fortschritt wäre. Was aber gerade 
bei dem mit einem trockenen Malzpräparat kombinierten Matö-Tee be¬ 
sonders günstig wirkte und die Empfehlung für sportliche Zwecke als 
berechtigt erscheinen lässt, ist niöbf nur die von den obengenannten 
Autoren gerühmte und von mir an blutarmen und nervösen Kindern 
meiner Privatpraxis bestätigte Ermunterung und Anregung des Nerven¬ 
systems, namentlich seiner vegetativen Sphäre, sondern auch die von 
Kohlstook u. a. besonders hervorgebobene durststillende Wirkung. 
Diese durststillende Wirkung des Teealkaloids Mat<$ ist aber um so grösser, 
als es mit einem trockenen Malzpräparat kombiniert ist und zwar, weil 
bei der Verdauüng trockener, wenig wasserhaltiger Nährstoffe 
/ eine ausserordentlich starke Speichelsekretion einsetzt. DieSpeicbel- 
' drüsen entleeren bei der Aufnahme trockner Nährstoffe wie Schokolade, 
Malz u. &. aussergewohn liehe Speichelmengen. Es handelt sich nach den 
experimeotell-biologischen Untersuchungen von A. Bickel, P. Sommer¬ 
feld und H. Boeder um Sekretmengen von 60—80—120 ccm Speichel. 
Hier wird also durch die erhöhte Tätigkeit bestimmter Drüsen dem Ver- 
daüungskanal in Form des Speichelsekretes Flüssigkeit zugefübrt, deren 
Zufluss in den Magen bezw. deren Aufnahme in die Gewebssäfte zweifel¬ 
los in gewissem Sinne das Gefühl der Durststillung erweckt. Deshalb 
also erhöht sich bei der Verbindung des Teealkaloids mit 
einem trockenen Malzpräparat aus biologisohen Gründen die 
durststillende Wirkung des Mat6. 

So erfüllt daher der mit dem trockenen Malz verbundene Matö-Tee 
alle die Bedingungen der Sporthygiene und sportlichen Diätetik, nament¬ 
lich auch die von Caspary aufgestellten Forderungen. Das Maltyl 
Matö schafft also eine angenehme Anregung der ermüdeten 
Nerven und Muskeln, es macht den Alkohol entbehrlich und 
stillt endlich den Durst, ohne eine Steigerung der Flüssig- 
keitszufubr. 

Bei jenen schwächlichen blutarmen und in der Ernährung zurück¬ 
gebliebenen Kindern des 12.—14. Lebensjahres leistete die methodische 
in leichtem Training durchgeführte Muskelarbeit auf mehrtägigen 
Wandeningen unter dem gleichzeitigen Einfluss des neuen Milieus und 
der klimatologischen Reizwirkungen geradezu Wunder. Waren selbst¬ 
verständlich die Förderung der Gesamtentwicklung und die Beseitigung 
der vorhandenen Entwicklungshemmungen namentlich in der Nachperiode 
neben dem Einfluss des Milieus und der klimatologischen Reize in aller¬ 
erster Reihe durch die mit der Bewegung geleistete Muskelarbeit und 
ihre sachgemässe Dosierung erreicht worden, so war ich im Sommer 1918 
erfreulicherweise in den Stand gesetzt, die bei dieser segensreichen Art 
körperlicher Betätigung hier und da unvermeidlicherweise eintretenden 
Ermüdungserscheinungen mittels des vereinzelt angewandten Maltyl Mat6 
in einfacher Weise zu beseitigen und gleichzeitig durch Zufuhr eines 
Nährstoffes in konzentrierter Form die ermüdeten Nerven und Muskeln 
wieder zu kräftigen. 

Zusammenfassung. 

Fassen wir das Gesagte hier zusammen, so besitzt das mit dem 
trockenen Mals verbundene Teealkaloid des altbewährten Peruaner Tees 
Eigenschaften, die aus den genannten Gründen seine Verwendung für 
die Organisationen der heutigen Jugendpflege, ferner bei 
Turnern und in sportlichen Kreisen vielleicht unentbehrlich 
machen könnten. Ja auch bei der Medizinalabteilung des Kriegs- 
ministeriums sowie überhaupt in militärischen Kreisen durfte 
das neue dem praktischen Bedürfnis erhöhter Muskelarbeit augepasste 
Maltyl Mate Beachtung finden, Ppr ßojdat suoht nach grossen An¬ 


strengungen auf dem Marsch bei Beginn der Ermüdung durch seinen 
Priemtabak in analoger Weise seine Lebensgeister anzuregen und aueb 
seinen Durst zu löschen. Da der Mat6-Tee gleichzeitig mit einem 
trockenen festen Nährstoff kombiniert ist, wird ein eiserner Bestand 
eines derartigen Nährmaterials dem marschierenden Soldaten neben 
der Zufuhr eines leieht ausnntzbaren Nährstoffes auch eine 
anregende und durststillende Wirkung ermöglichen. 

Wir können somit sagen, dass die Herstellung des Maltyl Mate 
einem praktisch wichtigen Bedürfnis entspricht und die Kombination 
eines Teealkaloids mit einem trockenen Nährstoff wie dem 
Malzextrakt unsere Hilfsmittel für die Zweoke und für eine 
Verbesserung der sportlichen Diätetik bereichert hat. 


Aus der Kgl. chirurgischen Klinik der Universität 
Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Küttner). 

Der gegenwärtige Stand der Blutgefäss¬ 
chirurgie. *) 

Sammelreferat. 

▼on 

Dr. Enit Jeger, Assistent der Klinik. 

M. H.1 Kaum eia zweiter Abschnitt der Chirurgie dürfte in den 
letzten 10 Jahren das Interesse des experimentell wie des praktisch 
tätigen Chirurgen in höherem Maasse in Anspruch genommen haben als 
die Blntgefässchirurgie. Handelte es sich doch um Erschliessung eines 
prinzipiell neuen Gebietes, hoffte man doch allgemein auf eine bislang 
ungeahnte Erweiterung unserer therapeutisoben Hilfsmittel. Freilich, 
der grösste Teil der Hoffnungen — die Heilung chronischer Erkran¬ 
kungen der Nieren und anderer Organe durch bomoioplastische Ver¬ 
pflanzung gesunder Organe mit Hilfe der Gefässnaht — ist enttäuscht 
worden. Die ersten diesbezüglichen Berichte, die sehr optimistisch 
lauteteD, haben leider einer Nachprüfung nicht stand gehalten. Es hat 
sioh gezeigt, dass selbst zwischen blutsverwandten Individuen derartige 
biologische Unterschiede bestehen, dass ein homoioplastisch von einem 
derselben auf das andere verpflanztes Organ wohl vorübergehend ein¬ 
wandfrei funktionieren kann, schliesslich aber doch der Degeneration 
anheimfällt. Welcher Art diese biologischen Unterschiede sind, wissen 
wir nicht; vielleicht werden Untersuchungen über Abwehrfennente nach 
Abderhalden in dieser Beziehung weiterführen. Versuche, diese bio¬ 
logischen Unterschiede durch Parabiose u. dgl. auszugleichen, sind viel¬ 
fach gemacht oder wenigstens beabsichtigt worden, bisher ohne Resultat. 
Es stände io dieser Beziehung der experimentellen Forschung noch ein 
weites Gebiet offen. 

Trotz der genannten Misserfolge hat die Blutgefässchirurgie jedoch 
nicht aufgehört, die Chirurgen in weitgehendstem Maasse zu beschäftigen. 
Es hat sich eben gezeigt, dass die Blutgefässchirurgie auch auf anderen 
Wegen weitgehenden Nutzen zn stiften vermag. Wir werden auf die 
bisherigen praktischen Resultate weiter unten des genaueren einzugehen 
haben, und es wird bei dieser Gelegenheit immer wieder darauf 
hinzuweisen sein, dass die Anwendungsmöglichkeiten der Blutgeiässnaht 
noch bei weitem nicht erschöpft sind, dass in dieser Richtung noch eine 
Fülle schwierigster, aber auch interessantester Probleme noch ihrer 
Lösung harrt Gerade die ungewöhnliche Schwierigkeit dieser Aufgaben 
mag es sein, die immer wieder zu ihrer Bearbeitung anregt. 

Zunäohst ein Wort über die Technik der Blutgefässnaht. Ich muss 
mich hier mit kurzen Andeutungen begnügen. Eine Besprechung der¬ 
selben, die nur einigermaasseu auf alle wiohtigen Punkte eingehen 
wollte, würde den Rahmen dieses Referates bei weitem überschreiten. 
Ich muss in dieser Beziehung auf mein vor Jahresfrist erschienenes 
Werk: „Die Chirurgie der Blutgefässe und des Herzens 8 hin weisen, das 
hoffentlich jedem, der sich mit diesem Gebiet zu beschäftigen wünscht, 
genügende Aufschlüsse gibt. 

Die ersten Berichte über Versuche der Blutgefassuaht stammen aus 
der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts von Lambert, Hallowel und 
Ass mann. 1891 gelang Dur ante die Naht einer Schlitzwunde der 
Arteria axillaris. Schede berichtete 1882 über eine gelungene seitliche 
Naht der Vena femoralis, 1879 erfand Eok seine unter dem Namen der 
„Eck’schen Fistel 8 bekannte Technik der Herstellung einer Seit-zu-Seit- 
anastomose zwischen Vena cava und Vena portae, die als der erste 
Versuch einer Herstellung von Seit-zu-Seitanastomosen zu betrachten 
ist. Gluck konnte 1883 mit Hilfe einer Elfenbeinklemme einen seit¬ 
lichen Schlitz der Arteria iiiaoa ohne sekundäre Thrombose versohliessen. 
v. Horooh berichtete 1888 über die ersten erfolgreichen Versuche der 
End-zu-Endanastomose der Vena jugularis und Vena femoralis des Hundes. 
Grössere experimentelle Arbeiten über seitliche Arteriennaht lieferten 
um 1890 Jassinowski, Burei, Tansini, Ce-ccherelli, Muscatello 
und Lampiasi. Aus dem Jahre 1897 stammen die ersten erfolgreichen 
End-zu-Endanastomosen an Arterien von Briau und Jaboulay einer¬ 
seits, Mnrpby andererseits. Letzterem gebührt auch das Verdienst, 
als erster eine End-zu-Endnaht einer durchschnittenen Arterie am 

1) Vorgetragen in der Sitzung der medizinischen Sektion der schlesi¬ 
schen Gesellschaft für vaterländische Cultor am 12. Jnoi 1914. 

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UNIVERSUM OF IOWA 







1646 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 38. 


Menschen ausgefübrt zu haben. Seine Methode beruht darauf, dass das 
eine Ende der Arterie in das andere bineingeschoben und durch Nähte 
in dieser Stellung befestigt wird. Weit besser -war in technischer Be¬ 
ziehung das Verfahren von Briau und Jaboulay, die die beiden 
Ge/ässenden durch eine Reihe von ü-Nähten miteinander vereinigten. 
Es folgten weiterhin experimentelle Arbeiten von Gluck, Dörfler, 
Jakobsthal u. a. 1900 publizierte Payr seine Methode der End-zu- 
Endvereinigung von Blutgefässen mit Hilfe von Magnesiumprothesen, auf 
die noch einzugehen sein wird. 1903 berichtete Jensen über aus¬ 
gedehnte Versucbsserien, die zu den besten Arbeiten über Blutgefäss- 
cbirurgie zu rechnen sind, und im gleichen Jahr begann Carrel seine 
Versuche, durch die die Blutgefasschirurgie zu einem neuen selbständigen 
Zweig der Chirurgie ausgebaut wurde. Seither ist die Literatur über 
Gefässnaht ausserordentlich angewachsen. 

Unter den Methoden der End-zu-Endanastomose haben nur diejenigen 
von Payr und von Carrel ausgedehnte Verbreitung gefunden. Ersteres 
Verfahren beruht bekanntlich darauf, dass das eine Ende des betreffenden 
Gefässes durch einen dünnen Cylinder oder besser durch einen dünnen 
Ring aus Magnesium geschoben und über letzteren nach rückwärts um¬ 
gestülpt wird, worauf das andere Kode darüber gezogen und beide Enden 
auf dem Magnesiumcylinder festgebunden werden; das Magnesium wird 
sekundär resorbiert und durch festes Bindegewebe ersetzt. Die Methode 
von Payr ist von vielen Seiten, so von Jensen, Hopfner, Fleig u. a. 
modifiziert worden. Ich selbst habe eine Zange angegeben, mit der man 
die Ringe leicht fassen und dirigieren kann, was die Ausführung der 
Operation sehr erleichtert. Die Resultate sind im ganzen nicht sehr 
befriedigend, es kommt sehr häufig zur Thrombose. Weit besser sind 
die Resultate der Carrel’scben Methode, die heute allgemein verwendet 
wird. Sie beruht bekanntlich darauf, dass die Gefässenden an drei 
Punkten ihrer Circumferenz mit Haltefäden gefasst werden, worauf je 
zwei derselben angespannt und die dazwischen liegenden Partien der 
Gefässränder durch eine fortlaufende, die ganze Wanddicke fassende 
Naht vereinigt werden. Auf die zahlreichen, zum Teil sehr zweck¬ 
mässigen Modifikationen, die die Carrel’sche Methode durch Danis, 
Zaaijer, DobrowoIskaja, Dorrance, Eden und Leier, Verfasseru.a. 
erfahren hat, kann hier aus Raummangel nicht eingegangen werden. 
Ebensowenig auf zahlreiche andere Methoden der End-zu-Endanastomose, 
die fort und fort angegeben werden, jedoch keinen wesentlichen Fort¬ 
schritt darstellen. 

Die Carrel’sche Methode und ihre Modifikationen leisten Ausser¬ 
ordentliches. Freilich — darauf mag hier mit aller Schärfe hingewiesen 
werden — ganz befriedigend sind auch diese Methoden noch nicht. Es 
ist richtig, dass sie in den Händen Carrel’g und einiger anderer tech¬ 
nisch ungewöhnlich geschickter und mit diesen Methoden besonders ver¬ 
trauter Operateure bei einfacheren Aufgaben — z. B. Wiedervereinigung 
einer glatt durchschnittenen, oberflächlich liegenden grösseren Arterie — 
fast mit Sicherheit gute Resultate zeitigen. Für die Bedürfnisse der 
praktischen Chirurgie jedoch — also in den Händen eines nicht speziell 
darauf eingeübten Operateurs — sind unsere bisherigen Methoden jedoch 
entschieden noch zu schwierig und unsicher, um eine weitergehende 
praktische Anwendung der Gefässnaht zu ermöglichen. Bei schwierigeren 
Aufgaben, also bei besonders kleinen, tiefliegenden, unter starker 
Spannung stehenden, leicht zerreisslicben Gefässen sind Misserfolge selbst 
in den Händen der besten Spezialisten durchaus keine Seltenheit. 

Die Hauptschwierigkeit, die wir noch nicht in genügendem Maasse 
beherrschen gelernt haben, ist die Vermeidung der Thrombose an der 
Nahtstelle. Diese beruht auf der bekannten Tatsache, dass das Blut 
in Berührung mit jeder Art von Fremdkörper, mit Ausnahme von Fetten 
und Paraffinen, wie auch unter Einwirkung des von jeder Zelle u. a. 
auch in hohem Maasse von den Gefässwandschichten mit Ausnahme der 
Intima selbst gelieferten Gewebsaftes leicht gerinnt und nur durch das 
intakte Endothel der Blutgefässwaodung daran verhindert wird. Auf die 
Details dieser Dinge, wie auch auf die theoretischen Fragen der Ge¬ 
rinnung und Thrombose kann hier nicht eingegangen werden. Die 
Schlussfolgerungen aus dem Gesagten lauten dahin, dass jeder Fremd¬ 
körper im Innern des genähten Gefässes, wozu also auch die zum Nähen 
verwendeten Fäden gehören, jedes Gerinnsel, jede Verengerung der 
Nahtstelle, jede Schädigung des Endothels, jede Verunreinigung der 
Intima mit Gewebssaft die Prädisposition zur Thrombose schafft. Ein 
gewisses Minimum dieser Schädlichkeiten ist natürlich unvermeidlich und 
wird dadurch kompensiert, dass das gerinnuDgshemmende Endothel kleine 
Fremdkörper und Thromben rasch überzieht und so unschädlich macht. 
Die Aufgabe der Nabttecbnik ist es eben, dieses Minimum an Schädlich¬ 
keiten zu erreichen, was durch Verwendung allerfeinsten Nahtmaterials, 
sorgfältige Isolierung des zu nähenden Gefässstückes gegen das um¬ 
liegende Gewebe, Vermeidung jeder Verengerung beim Naben, minimale 
Verwendung von PinzetteD, reichliche Anwendung von Vaseline, die, 
wie oben erwähnt, die Gerinnung erschwert und gleichzeitig eine Art 
Isolierschicht um die Fäden, etwaige endothelentblösste Gefässwand- 
stellen usw. bildet, geschieht. Es ist leicht verständlich, dass bei dieser 
Fülle der zu beachtenden Details Fehler selbst in den Händen des 
Geübtesten möglich und bei schwierigen Aufgaben fast unvermeidlich sind. 

Zum centralen und peripheren Abklemmen verwende ich im all¬ 
gemeinen eine von Hellmuth, Joseph und mir eingeführte Doppel¬ 
klemme, deren Hälften auf einer Schiene gegeneinander beweglich sind; 
die Klemmen selbst sind Modifikationen der bekannten Höpfner’scben 
Klemmen, deren eine Branche im Durchschnitt konvex, die andere konkav 
ist. Bei Verwendung dieser Klemmen ist jede Läsion der Gefässe aus¬ 


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geschlossen, auch unter starker Spannung stehende Gefässenden können 
exakt miteinander vernäht werden. 

Als Nahtmaterial verwende ich meist die allerfeinste, in Lyon unter 
dem Namen „Lepine Plaquette Soie Carrel“ hergestellte Sorte. Wo 
starke Spannung usw. die Benutzung stärkerer Seide unumgänglich nötig 
macht, empfehle ich, letztere nur zu den Haltefäden zu benutzen, die 
fortlaufende Naht jedoch mit der feinsten Seide auszuführen. Die besten 
Nadeln sind die von Kirby in London gelieferten geraden Sorten Nr. 14 
bis 16; gekrümmte Nadeln verwende ich fast nie. Die Nadeln werden 
vor der Operation eingefädelt, auf kleinen Papierstüoken befestigt und 
durch halbstündiges Erhitzen in gelber amerikanischer Vaseline auf dem 
Wasserbad sterilisiert. 

Neben der bisher besprochenen Technik der seitlichen Naht wie der 
End-zu-Endanastomose kennt die Blutgefässnaht noch eine ganze Reihe 
anderer Methoden. Man könnte zunächst kurzerhand sagen, dass jede 
Operation, die am Darm moglioh ist, in analoger Weise auch an Blut¬ 
gefässen ausgeführt werden kann, so Seit-zu Seit-, End-zu-Seitanasto- 
mosen usw. Im Prinzip ist die Technik dieser Operationen dieselbe wie 
bei'End-zu-Endnähten. So wird z. B. eine End-zu-Seitnaht io der Weise 
ausgeführt, dass ein entsprechend grosses Stück aus der Seitenwand des 
einen Gefässes exzidiert und nun der Rand der so gesetzten Wunde 
durch Haltefäden mit dem Ende des zu implantierenden Gefässes ver- 
bunden und hierauf wie bei einer End-zu-Endnaht fortlaufend genäht 
wird. Um bei der End-zu-Seitimplantation kleiner Gefässe keine Gefahr 
durch Thrombose oder Nahtverengerung zu laufen, hat Carrel seine 
„patohiog method“, zu deutsch „Flickmethode“ angegeben. Sie besteht 
darin, dass mit dem zu implantierenden Gefäss auch ein Lappen aus 
der Seitenwand desjenigen Gefässes, dem es entstammt, mit übertragen 
wird, so dass also die Naht entfernt von der Mündung des Gefässes 
selbst zu liegen kommt, so dass etwaige kleine Thromben das Resultat 
nicht zu beeinträchtigen vermögen. Demselben Prinzip entspricht auch 
die ebenfalls von Carrel angegebene „Transplantation en masse“; diese 
besteht z. B. bei Nierentransplantationen darin, dass dem Spender mit 
den Nierengefässen auch dasjenige Segment der Aorta und Vena cava 
entnommen wird, dem die Nierengefässe entstammen. Die Verpflanzung 
geschieht nunmehr in der Weise, dass die Aorta und Vena cava des 
Empfängers durchschnitten und die Segmente der entsprechenden Gefässe 
des Spenders nunmehr End-zu-End implantiert werden. 

Dass man auch mit entsprechend modifizierten Payr’soben Prothesen 
End-zu-Seitimplantationen erfolgreich durchführen kann, habe ich in Ge¬ 
meinschaft mit Hans Lampl und später mit Wilhelm Israel be¬ 
wiesen. 

Seit-zu-Seitanastomosen bat Carrel als erster in der Weise zu 
machen gelehrt, dass aus der Wand beider Gefässe entsprechend grosse 
Stücke excidiert, die Ränder mit Haltefäden verbunden und dann fort¬ 
laufend vernäht werden. Er bat dieses Prinzip zuerst zur Herstellung 
von Seit-zu-Seitanastomosen zwischen Hohlvene und Pfortader — also 
der bereits genannten Eck’scben Fistel — verwendet und so die älteren 
unzweckmässigen Methoden durch eine neue und verhältnismässig ein¬ 
fache ersetzt. 

Alle die bisher besprochenen Methoden sind nur für solche Gefässe ver¬ 
wendbar, in denen der Blutstrom ohne Gefahr längere Zeit hindurch 
unterbrochen werden darf. Um die Blutgefässchirurgie auch auf diejenigen 
Blutgefässe ausdehnen zu können, die wie die Aorta thoracica oder 
Arteria pulmonalis eine auch nur vorübergehende Unterbrechung des 
Blutstromes überhaupt nicht gestatten oder wie die Vena portae oder 
Vena cava ernstliche Gefahren zeitigen, mussten Methoden erfunden 
werden, um Operationen an Blutgefässen ohne Unterbrechung des Blut¬ 
stromes während der Operation zu ermöglichen. Ich habe dieser Aufgabe 
eine mehrjährige experimentelle Arbeit gewidmet, auf Grund deren das 
genannte Problem als gelöst zu betrachten ist. Es sei gestattet, auf 
diese Methoden etwas genauer einzugehen: 

Die erste Aufgabe, die ich mir stellte, bestand darin, Eck’sche Fisteln 
— also Seit-zu-Seitanastomosen zwischen Cava inferior und Vena portae — 
ohne Unterbrechung des Blutstromes berzustellen. Es muss erwähot 
werden, dass schoD die Methode von Eck selbst, wie auch verschiedene 
Modifikationen derselben — so z. B. die neuerdings von Fischler an¬ 
gegebene — dieser Forderung entsprechen. Doch sind diese Methoden 
alle so schwierig und mit so zahlreichen anderweitigen Fehlerquellen be¬ 
haftet, dass sie nicht als einwandfreie Lösung des genannten Problems 
zu betrachten sind. Die oben genannte Carrel’sche Methode leidet an 
dem Uebelstand, dass sie eine (ängerwäbreode Unterbrechung des Blut¬ 
stromes erfordert, dessen Schädlichkeit für das Urspruogsgebiet Vena portae 
von mehreren Forschern erkannt und neuerdiDgs von Burdenko besonders 
hervorgehoben wurde. Ich vermochte nun dieser Aufgabe in der Weise ge¬ 
recht zu werden, dass ich eine feinste dreiteilige Klemme ähnlich den be¬ 
kannten dreiteiligen Gastroenterostomieklemmen konstruierte, die in der 
Weise angewendet wird, dass je ein Zipfel aus der Seitenwand beider Ge¬ 
fässe zwischen die mittlere und je eine der seitlichen Branchen so ein¬ 
geklemmt wird, dass die letzteren ohne Blutung eröffnet und durch eine 
circulare Naht miteinander vereinigt werden können, während der grösste 
Teil des Lumens beider Gefässe während der Operation für den Blutstrom 
durchgängig bleibt. Dieses Verfahren hat sich mir und zahlreichen 
Nachprüfern ausgezeichnet bewährt und dürfte, was Einfachheit und 
Sicherheit betrifft, allen anderen überlegen sein. 

Dasselbe Prinzip benützte ich in Gemeinschaft mit Wilhelm Israel 
zur Ausführung von End-^u-Seitimplantationen der Vena renalis an andere 


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21. September 1914. 


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Stellen der Vena eava ohne Unterbrechung des Blutstromes in der letzteren. 
Auch diese Versuche führten zu einwandfreien Resultaten. 

Schliesslioh ist es mir neuerdings in Gemeinschaft mit Leland auch 
gelungen, eine brauchbare Methode zum Operieren am Aortabogen zu 
schaffen. Carrel ging zu diesem Zweck in der Weise vor, dass er eine 
Vene in die Herzspitze einerseits, in die Aorta descendens andererseits 
implantierte, so dass Blut aus dem Herzen durch diese Vene in die 
Aorta gelangen konnte, worauf er die Aorta ascendens central und 
peripher abklemmte und zwischen beiden Klemmen eröffnen konnte, 
Dieses zwar genial erdachte, aber ausserst schwierige und unphysiologische 
Verfahren führte*begreiflicherweise nur ganz selten au Erfolgen. Gulecke 
versuchte die Nabt der Aorta ascendens in der Weise, dass er eine den 
bekannten Ovarialzangen ähnliche Klemme an die Aorta so anlegte, dass 
ein Teil der Seiten wand abgeklemmt wurde, den er nunmehr eröffnete 
und wieder vernähte. Die Methode war insofern unbefriedigend, als 
die Klemme bei schwachem Druck leicht abglitt, was natürlich zu fast 
oder ganz unstillbaren Blutungen führte, bei stärkerem Druck jedoch 
die äusserst brüchige Aortenwand zerfetzte. Leland und mir gelang es 
sohliesslich, diese Operation in der Weise zu vereinfachen, dass wir drei 
feinste Nadeln durch das Lumen des Ge/ässes führten und dahinter eine 
feinste Klemme legten, die nur soweit zugedrückt wurde, dass sie das 
Gefasslumen eben verschloss und somit die Gefässwand nicht schädigen 
konnte, während die Nadeln ein Abgleiten deT Klemme verhinderten. Durch 
dieses Verfahren ist die Nabt des Aortenbogens zu einer relativ einfachen 
Operation geworden. 

Ueber die histologischen Vorgänge bei der Heilung von Gefasswunden 
ist ganz kurz folgendes zu sagen. Es entsteht immer zunächst an Ort 
und Stelle ein minimaler Thrombus, der die Vene und den Wundspalt 
überzieht und sehr rasch von der Umgebung her von normalem Endothel 
überzogen wird. Sekundär wird der Thrombus durch Granulationsgewebe 
ersetzt, das siob allmählich in derbes Bindegewebe um wandelt. Eine 
Regeneration von Muskel' und elastischen Fasern findet nicht oder nur 
in minimalem Maass statt. 

Von grösster Bedeutung für die weitere Entwicklung der Blutgefäss- 
cbirurgie war der schon frühzeitig von Hopfner erkannte Umstand, 
dass Blutgefässe sich wie wenige andere Gewebe des Organismus zur 
freien Transplantation eignen. Es ist also möglich, ein Blutgefässstück 
irgend einer Stelle des Organismas zu entnehmen und, sei es an Ort und 
Stelle, sei es in ein anderes Blutgefäss, zu implantieren. Man hat dabei 
verschiedene Arten der Transplantation zu unterscheiden, nämlich zu¬ 
nächst einmal Autotransplantation, Homoiotransplantation und Hetero¬ 
transplantation. Weiterhin hat man wieder zu unterscheiden, ob man 
ein Blutgefässstück der gleichen Art transplantiert, also z. B. ein Arterien- 
stück durch eine andere Arterie ersetzt, oder ob man zum Ersatz ein 
verschiedenartiges Gefässstück verwendet, also z. B. zum Ersatz eines 
Arterienstückes ein Stück einer Vene. Alle diese Operationen sind 
technisch möglioh. 

Die einfache Autotransplantation eines gleichartigen Gefässstückes 
liefert die besten Resultate, und man kann auf das Gelingen einer solchen 
Operation annähernd mit der gleichen Sicherheit rechnen, wie auf das¬ 
jenige einer Gefässnaht im allgemeinen. Etwas weniger günstig steht 
es beim Ersatz eines Arterienstückes durch ein Stück einer Vene. Auch 
in dieser Beziehung haben zahlreiche Autoren, so z. B. Carrel, Watts, 
Yamanouchi, Borst und Enderlen, Fischer undSohmieden sehr 
gute Resultate erzielt. Von hohem praktischen, wie auch wissenschaft¬ 
lichem Interesse ist der Umstand, dass sich dabei die dünne Venenwand 
den veränderten Bedingungen (erhöhter Blutdruok) adaptiert und durch 
eine starke Hypertrophie ihrer sämtlichen Wandscbichten sich in ihrer 
Struktur einer Arterie nähert. 

Homoio- und Heterotransplantationen gelingen bei Blutgefässen im 
anatomischen Sinne ebensowenig wie solche anderer Organe, d. h., die 
Gefässwand wird allmählich durch körpereigenes, vom Wirt geliefertes 
Gewebe ersetzt. In funktioneller Beziehung jedoch können derartige 
Operationen zu einwandfreien Resultaten führen, indem die Substitution 
des fremden Gewebes ganz allmählich und ohne jede Funktionsstörung 
unter Erhaltenbleiben der Durchgängigkeit des betreffenden Gefässes vor 
rieh geht. E 9 kann behauptet werden, dass das Studium der homoio- 
und heteroplastisch transplantierten Gefässe die allgemeine Lehre 
von der Transplantation wesentlich gefördert hat. Selbstverständlich 
geben Homoio- und Heterotransplantationen unverhältnismässig ge¬ 
ringere Chancen als Autotransplantationen, doch sind solche in einer 
ganzen Reihe von Fällen mit Erfolg ausgeführt worden, so von Stioh, 
Borst und Enderlen, Carrel, Yamanouchi, Ward u. a. Dass 
es auch gelingt, ziemlioh lange ausserhalb des Organismus aufbewahrte 
Blutgefässe erfolgreich zu implantieren, hat zuerst Carrel bewiesen, 
dem es gelang, Blutgefässe, die bis zu 85 Tagen in physiologischer 
Kochsalzlösung, Blutserum oder Vaseline bei niedriger Temperatur auf- 
oevabrt waren, erfolgreich zu transplantieren. Nach ihm haben noch 
andere Autoren derartige Versuche gemacht und seine Resultate bestätigt, 
öass selbst abgetötete Gefässe in funktioneller Beziehung erfolgreich 
transplantiert werden können, hat zuerst Guthrie, dann Levin uad 
Larkin, Bode und Fabian, Yamanouchi gezeigt, die in Formalin 
nrierte, ferner in Sublimat gekochte Arterien mit gelegentlichem guten 
Resultat transplantierten. Weiterhin hat Carrel, später Jianu gezeigt, 
dass es möglich ist, Stücke der Gefässwand auch durch andersartige 
Gewebe, z. B. durch Peritoneum zu ersetzen. Schliesslich konnte Carrel 
nachweisen, dass selbst kleine Stücke eines nicht organisierten Gewebes, 
*• B. von Kautschuk, mit Erfolg zum Ersatz von Wanddefekten von 


Arterien verwendet werden können. Aehnliohe Versuche konnten auch 
Watts, Yamanouchi und Verfasser mit Erfolg ausführen. 

Ein mehr theoretisches Interesse haben neuerliche Versuche von 
Carrel, Stücke der Aorta thoracica durch Röhren aus Metall oder Glas 
zu ersetzen. Es zeigte sich, dass solche längere Zeit für den Blutstrom 
durchgängig bleiben können,, doch trat schliesslich immer, in einem Fall 
allerdings erst am 97. Tag nach der Operation Thrombose ein. 

Soviel über die Technik und die allgemeinen Resultate der Blut? 
gefasschirurgie. 

Es soll nunmehr zum zweiten Teil dieses Vortrages übergegangen 
werden, nämlich zur Verwertung der Blutgefässnaht für die Lösung 
wissenschaftlicher, wie praktisch chirurgischer Probleme. Auch hier muss 
natürlich eine kurze Uebersicht genügen. 

Wir haben schon oben angedeutet, in wie hohem Maasse die Blut¬ 
gefässnaht die Kenntnis der Physiologie und Pathologie der Blutgefässe 
selbst gefördert hat. Weiterhin ist sie zunächst einmal ein ausgezeichnetes 
Mittel, um die unter dem Einfluss der veränderten Blutversorgung auf¬ 
tretenden Erscheinungen zu studieren. Carrel und Guthrie, weiterhin 
v. Oppel, Cottard und Villandre, Danis, Halsted haben sich mit 
dieser Frage beschäftigt. Es sei hier nur ganz kurz auf folgende Punkte 
hingewiesen: Wenn man eine Anastomose zwischen dem zentralen Teil 
einer durchschnittenen Arterie und dem peripheren Teil einer durch¬ 
schnittenen Vene herstellt, so wird auf diese Weise eine mächtige Stauung 
innerhalb des Kapillargebietes der Vene resultieren, indem nicht bloss 
der Abfluss des Blutes aus dem Capillargebiet verhindert, sondern ausser¬ 
dem noch Blut in die Capillaren retrograd hineingepresst wird. Es ist 
klar, dass auf diese Weise eine weit stärkere passive Hyperämie in dem 
Capillargebiet hervorgerufen wird, als durch einfache Ligatur der be¬ 
treffenden Vene. Umgekehrt wird z. B. die Anastomose zwischen dem 
zentralen Teil einer durchschnittenen Vene und dem peripheren Teil 
einer durchschnittenen Arterie zu einem höheren Grad von Anämie in 
dem von der Arterie versorgten Kapillargebiet führen, als die einfache 
Ligatur der betreffenden Arterie, indem das dem Capillargebiet durch 
etwaige Kollateralen zufliessende Blut durch den peripheren Teil der 
Arterie und der Vene zum Herzen zurückgeleitet wird, ohne die Capillaren 
durchströmt zu haben. Sehr interessant und kompliziert sind die Ver¬ 
änderungen, die bei Herstellung einer seitlichen Anastomose zwischen 
grossen Arterien and Venen auftreten, und die auch für die Frage der 
Wieting’schen Operation (über die noch weiter unten zu sprechen sein 
wird) von grosser Bedeutung sind. Fernerhin kann man durch End-zu- 
Seitimplantation einer Arterie in eine zweite eine aktive Hyperämie in 
dem Capillargebiet der letzteren hervorrufen usw. Es braucht kaum 
darauf hingewiesen zu werden, welche Fülle interessanter biologischer 
Probleme sich mit Hilfe dieser und ähnlicher Methoden eingehen lassen; 
Es sei nur auf die hier in Europa wenig bekannten Versuche von Carrel 
und Guthrie über Beeinflussung von Strumen durch veränderte Blut- 
ciroalation hingewiesen. Es wurde in der Weise vorgegangeu, dass bei 
Hunden, die mit Kröpfen behaftet waren, teils die Schilddrüsenarterie 
und -vene unterbunden, teils jedoch durch Anastomosierung des peri¬ 
pheren Endes der durchschnittenen Vena jugularis interna mit dem 
centralen Ende der durchschnittenen Arteria carotis der anderen Seite 
eine stärkste passive Hyperämie in der Struma erzeugt wurde. Es zeigt 
sich nun, dass im Anschluss an derartige Operationen zunächst eine 
kolossale ödematöse Schwellung der Struma auftrat, die sekundär unter 
Schrumpfung zum Rückgang der Struma führte. Es mag bei dieser Ge¬ 
legenheit kurz darauf hingewiesen werden, dass man in Amerika puch 
schon Versuche gemacht hat, diese Operation an Stelle der einfachen 
Ligatur der Scbilddrüsenarterie bei Basedow zu verwenden. Hierher ge¬ 
hören auch die berühmten Versuche Halsted’s, ferner von Matas und 
Allan, grosse Blutgefässe durch Aluminiumringe zu verengern. Es 
zeigte sich, dass eine Kompressionsdauer von 72 Stunden keine patho-» 
logischen Veränderungen in der Gefässwand hervorruft. Dieses Prinzips 
bediente sich Tiegel, um durch Verengerung der Lungenvenen eine 
passive Hyperämie in dem betreffenden Lungenlappen zu erzeugen. Er 
konnte nachweisen, dass auf diese Weise behandelte Lungenlappen gegen 
eine tuberkulöse Infektion weniger empfänglich waren als andere. Des 
weiteren gibt uns die Blutgeiässnaht ein Mittel an die Hand, durch Her¬ 
stellung von Anastomosen zwischen Blutgefässen neue Beziehungen 
zwischen zwei Organen herzustellen, indem man entweder beide Organe 
dadurch, dass man dem einen Blut, das mit Sekretions- und Stoffwechsel¬ 
produkten des anderen beladen ist, zuführt, in eine enge, normalerweise 
nicht vorhandene Beziehung zueinander setzt, oder umgekehrt durch 
Ausschaltung einer derartigen normalerweise bestehenden Verbindung 
zwischen zwei Organen dem einen derselben die Möglichkeit nimmt, auf 
das andere in gewohnter Weise einzuwirken. Das klassische Beispiel 
einer derartigen Operation ist die Eok’sche Fistel. Man versteht darunter 
bekanntlich die Herstellung einer Seit-zu-Seitanastomose zwischen Vena 
portae und Vena oava inferior mit sekundärer Unterbindung der Vena 
portae central von der Anastomosenstelle, derart, dass nunmehr alles 
aus den Abdominalorganen stammende Blut unter Umgehung der Leber 
durch die Veöa cava inferior zum Herzen gelangt, so dass also die Leber 
bis zu einer gewissen Grenze aus dem Kreislauf äüsgeschaltet ist. Ueber 
die Technik dieser Operation wurde schon oben einiges gesagt. Auf diä 
zahlreichen Resultate, die diese Operation in biologischer Richtung er¬ 
geben hat, kann hier leider nicht näher eingegangen werden, es must 
genügen, hier auf die zahlreichen, ausserordentlich wertvollen Arbeiten 
Fischler’s über Leberfunktion und ihre Beziehungen zum Pankreas 
hinzuweisen. Ich selbst habe im Verein mit Prof. Woblgemuth Ver- 

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Nr. 88. 


raebe gemacht, eine sosnsagen umgekehrte Eck’ache Fistel herzustellen, 
die darin bestand, dass nicht die Yena portae, sondern die Vena cava 
central von der Anastomosenstelle ligiert wurde, um so eine stärkere 
funktionelle Inanspruchnahme der Leber seiteos des Blutes zu erzielen. 

Sehr interessant sind neuerliche Versuche von London und Dobro- 
wolskaja, die darin bestehen, dass ein Schlauch in die Milzvene ein¬ 
genäht, zur Laparotomiewunde nach aussen geleitet und letztere zur 
Verheilung gebracht wird. Man hat es nunmehr durch einfache Oeffoung 
des im allgemeinen durch einen Glasstopfen verschlossenen Schlauches 
in der Hand, sich während irgend welcher Stoffwechsel versuche jederzeit 
Blut aus der Vena portae bei dem sonst vollkommen normalen Tier zu 
verschaffen. Es ist vorauszusetzen, dass diese Methode wissenschaftlich 
wesentliche Bedeutung gewinnen wird. Ich selbst habe kürzlich eine 
ähnliche Methode verwendet, um täglich intravenöse Injektionen in be¬ 
stimmten Venen ausfübren zu können, ebne die betreffende Vene jedes¬ 
mal freilegen zu müssen. Carrel und später London versuchten, 
Pfortaderblut in der Weise direkt in die Niere abzuleiten, dass sie eine 
Anastomose zwischen Milzvene und Arteria renalis herstellten. 

Weber versuchte eine aktive Hyperämie der Leber dadurch zu 
erzielen, dass er eine Mesenterialvene End-zu-Seit in die Aorta implan¬ 
tierte, so dass Blut aus der Arterie unter einem Druck, der den normaler¬ 
weise in der Vene herrschenden weit überschreitet, in die Vena portae 
einströmte. Ich selbst habe Versuche darüber gemacht, die Circulations- 
bedinguogen in einer Lunge in der Weise zu verbessern, dass ich End- 
zu-Endanastomosen zwischen dem peripheren Ende einer durchschnittenen 
Arteria pulmonalis und dem oentraten Ende der ebenfalls durchschnittenen 
Arteria anonyma hersteilte, derartig also, dass die betreffende Lunge 
nunmehr nioht mehr das veDöse, aus der rechten Herzkammer stammende 
Blut zugeführt erhielt, sondern arterielles aus der linken Herzkammer 
stammendes. 

Fernerhin habe ich in Gemeinschaft mit Wilhelm Israel Versuche 
darüber aogestellt, durch End-zu-Endanastomosen zwischen dem Ureter und 
einer Vene den Harn der einen Niere dauernd ins Blut zurückzuleiten. 

Von wesentlicher Bedeutung sind die Versuche von End er len, 
Floercken und Hotz, Tiere in dieser Weise parabiotisch zu machen, 
dass das oentrale Ende der durchschnittenen Arteria oarotis und Vena 
jngularis des einen Tieres mit dem peripheren Ende der entsprechenden 
Gefässe des anderen Tieres anastomosiert wurde, so dass also durch die 
Carotiden dem einen Tier Blut- des zweiten zuströmte und in umgekehrter 
Richtung durch die Jugularvene zu dem zweiten Tier zurück floss. Die 
Hoffnungen Enderlen’s, auf diese Weise die biologischen Unterschiede 
zwischen zwei Tieren so auszugleichen, dass bomoiopiastische Transplan¬ 
tationen zwischen beiden möglich wurden, gingen leider nicht in Er¬ 
füllung; doch konnte z. B. gezeigt werden, dass die Injektion von Phlo¬ 
ridzin bei dem einen Tier, bei beiden Tieren su Diabetes führte. In 
analoger Weise zeigte anoh neuerdings Hödon, dass naoh einer Pan¬ 
kreasexstirpation bei dem einen von zwei parabiotiscben Tieren bei 
beiden Diabetes auftrat. 

Von hoher wissenschaftlicher Bedeutung sind schliesslich die Ver¬ 
suche, Organe in der Weise künstlich zu durchbluten, dass man ibre 
Gefässe an diejenigen eines anderen lebenden Tieres anschliosst. Auf 
diese Weise hat z. B. Guthrie die Frage studiert, welche Gehirnfunk¬ 
tionen durch Wiederherstellung der Blutcirculation im Kopf eines ge¬ 
töteten Tieres wieder auftreten können, wobei in der Weise vorgegangen 
wurde, dass der abgescbnittene Kopf eines Tieres an die Halsgefässe 
eines anderen lebenden Tieres angeschlossen wurde, wobei durch eine 
sinnreiche Versuchsanordnung, auf die hier nicht näher eingegangen 
werden kann, dafür gesorgt wurde, dass die Blutcirculation in dem Kopfe 
keinen Augenbliok unterbrochen wurde. Es konnte auf diese Weise 
tatsächlich gezeigt werden, dass eine Reihe von Gehirnfunktionen noch 
einmal vorübergehend auftraten. Hierher gehören schliesslich noch die 
neuerdings so berühmt gewordenen Versuche Carreis, die gesamten 
Organe in toto zu exstirpieren und durch Herstellung einer künstlichen 
Ciroulation und einer künstlichen Atmung ausserhalb des Körpers und 
dementsprechend auch abgetrennt vom Centralnervensystem zu erhalten. 
Es ist zweifellos, dass diese Versuchsanordnung noch su zahlreichen 
biologisch sehr interessanten Resultaten fuhren wird. 

(Schluss folgt.) 


Bücherbesprechungen. 

E. Marx: Die experimentelle Diagnostik, Senmtherapie und Prophy¬ 
laxe der Infektionskrankheiten. IIL Auflage. Berlin 1914, 
Verlag von August Hirschwald. 486 S. Brooh. 12 M., in Lein¬ 
wand gebunden 13 M. 

Die dritte Auflage des vortrefflichen Buches, welohes den 11. Band 
der Bibliothek von Coler-von Scbjerning bildet, erschien gerade bei 
Ausbruch des Krieges und damit für einen weiten Kreis von Interessenten 
nur rechten Zeit. 

In ausgezeichneter Weise kommt das Buch von Marx den Bedürf¬ 
nissen zahlreicher Bakteriologen und Aerzte entgegen, die zur eigenen 
Belehrung und für Unterrichtszwecke eines Ueberblioks über die wich¬ 
tigsten Seuchen, ihre bakteriologische Diagnose und ihre hygienische und 
immunisatorische Bekämpfung bedürfen. Es ist in gleicher Weise zur 


zusammenhängenden Lektüre, als Grundlage für Kurse der Bakteriologie 
und Seuchenbekämpfung, und als Hilfsbuch bei der bakteriologischen 
Arbeit geeignet. 

Es dürften jetzt besonders die Kapitel Cholera, Typhus, Dysenterie, 
Pest interessieren. In klarer und knapper Weise ist die Diagnostik 
zusammeDgestellt, die wichtigen Nährböden werden erschöpfend und 
kritisch behandelt; die amtlichen Vorschriften sind an geeigneter Stelle 
eingefügt. Von besonderem Interesse ist die ausgezeichnete Darstellung 
der Schutzimpfung, die durch gut ausgewäblte statistische Tabellen 
illustriert ist. 

Den Verhältnissen im Kriege ist ganz besonders Rechnung 
getragen, entsprechend der ursprünglichen Bestimmung des Werkes, 
welches sioh vornehmlich an die Sanitäts-Offiziere wendet. Das 
Buch bietet wirklich, wie Verfasser bei der L Auflage ankündigte, ge- 
wisserm&assen „den eisernen Bestand“ unseres bakteriologischen Wissens 
und darf der allgemeinen Anerkennung und weitester Verbreitung 
sicher sein. Morgenroth. 


J. Sehrijve« Dm Uleu dtadeii. Mit 16 Abbildungen auf 2 tafeln. 

Berlin 1914, Karger. 184 S. gr. 8. 

Eine auf Grund eigener, offenbar nicht geringer Erfahrungen tlod 
eines umfassenden Studiums der einschlägigen Literatur verfasste Mono¬ 
graphie, die Ref. nicht ansteht neben den grundlegenden Arbeiten der 
amerikanischen und englischen Chiturgen, in specie des Buches von Moyni- 
han (On Duodenal Ulcer) für die beste bisher erschienene Bearbeitung 
und Darstellung des obigen Themas tu erklären. Nicht als ob tfc&h 
allen Anschauungen des Verf. rückhaltlos zustimmen könnte. Wenn 
derselbe z. B. über die Beziehungen pathologisch-anatomischer Erfahrungen 
zu klinischen Daten sagt, sie könnten nicht ohne weiteres und ohne 
unbilliges Urteilen und Verurteilen in Vergleich gesogen werden, so 
scheint uns dies nicht gerechtfertigt. Wie anders sollen klinische Beob¬ 
achtungen geprüft und bewahrheitet werden als an der Hand des patho¬ 
logisch-anatomischen Materials, zu dem selbstredend auch die bei der 
Autopsie in vivo gewonnenen Ergebnisse zu rechnen sind? Den Vor¬ 
wurf einer sohiefen Beurteilung diagnostischer Angaben, den mir der 
Verf. (S. 15, Anmerkung) diesbezüglich macht, kann ich deshalb nicht 
gelten lassen. Auch möchte ich dem Verf. nicht in der unbedingten 
und rückhaltlosen Zustimmung zu allen Paradoxen und Üebertreibungeh 
Moynihan’s Gefolgschaft leisten. Meiner Üeberzeugung nach ist es 
zweifellos, dass Moynihan, so gross sein Verdienst in bezug auf die 
bessere Kenntnis des Ulcus duodeni und die Tatsache ist, dass er 
dasselbe in den Brennpunkt des allgemeinen Interesses gerückt bat, in 
vieler Hinsicht viel zu schematisch und etwas zu obeiflächlich verfährt 
Boas hat in einer kritischen Besprechung des Moynihan’sehen Buches 
auf folgendes bingewiesen: M. gibt an, in einer aufeinanderfolgenden 
Serie von 100 Operationen, wo er die Diagnose auf Ulcus duodeni 
schriftlich niedergelegt hatte, nur in 3 Fällen eine unrichtige Diagnose 
gestellt zu haben. Dazu bemerkt Boas mit Recht: „Mir ist ein Internist, 
der sich hätte rühmen können, in 9? pCt., d. h. fast unfehlbar, die Diagnose 
Ulcus duodeni gestellt zu haben, noch nioht begegnet. Ich persönlich 
würde mit der Hälfte dieses diagnostischen Triumphes schon reichlich 
zufrieden sein 1 ).“ Die Berechtigung dieses Satzes wird man nicht_be¬ 
zweifeln können. Daraus allein folgt schon, dass Moynihan sich über 
die Diagnose vielfaoh keine scharfe Rechenschaft gibt und bona Öde 
eine Anzahl von Fällen als Duodenalgeschwüre anspriebt, die es de facto 
nicht siod, d. h., dass der von ihm aufgestellte diagnostische und be¬ 
sonders anatomische Symptomenkomplex auch diagnostische Irrtümer 
nicht ausschliesst. Wenn Schrijver S. 92 seines Buches erklärt, dass 
er sich als Internist voll und ganz der Lehre Moynihan’s anschliesst, 
so dürfen wir das wohl so verstehen, dass er, wie wir alle, sich die Er¬ 
fahrungen und die ausgezeichnete Conoeption des verdienstvollen Chir¬ 
urgen zunutze macht, dass er aber auoh die Irrtümer und Fehldiagnosen 
nicht übersieht, die das juraie in verba magistri mit sich bringen 
müsste. — Es würde zu weit führen, in eine auch nur oberflächliche 
Besprechung der einzelnen Abschnitte, in die sioh das Buch von 
Schrijver gliedert — Geschichtliches, Statistisches, Aetiologie und 
Pathogenese, Symptom und Diagnose, Erklärung der Erscheinungen, 
Verlauf und Behandlung, Krankengeschichten —, an dieser Stelle ein- 
zutreteu. Er gibt, wie schon eingangs gesagt, eine vortreffliche und 
erschöpfende Darstellung, in der alle zurzeit über das Duodenalgeschwür 
bekannten Tatsachen und Ansichten besprochen und durch eigene 
Krankengeschichten und Röntgenbilder bereichert sind. Nur was den 
Wert der radiologischen Untersuchung betrifft, mag schliesslich der Aus¬ 
spruch des Verf. angeführt werden, dass er in den diesbezüglichen Publi¬ 
kationen der Radiologen schon längst „eine erhebliche Ueberscbätzung 
der Röntgendiagnostik“ gefunden habe. Die von mir auf dem inter¬ 
nationalen Kongress in London 2 ) gegebene Zusammenfassung, »Aus¬ 
schlaggebend sind die Röntgenbilder für sich allein betrachtet nicht. 
Es ist unstatthaft, die Diagnose allein aus dem Röntgenbilde, auch wenn 
Serienaufnahmen gemacht werden, stellen zu wollen, weil ähnliche Bilder 
auch bei entzündlichen und adhäsiven Prozessen an der Gallenblase, 
ja auch bei Appendicitis chronica zustande kommen u. s. f.“, dürfte 
zeit wohl der allgemeinen Auffassung entsprechen. 


1) Arch. f. Verdauungskr., Bd. 19, H. 5. 

2) B.kl.W., 1913, Nr. 39. 


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Alles in allem genommen darf das Buch Schrijver’s nioht nur 
dem Spezialisten, sondern zufolge der grossen Bedeutung seines Themas 
jedem Arzte zu eingehender Kenntnisnahme empfohlen werden. 


Sir Her* ann Weber: Os means for the Prolongation of life. Fourth 
enlarged edition. London 1914, Bale, Sons & Danielsson. 

Das Buch Hermann Weber’s über die Kunst, alt zu werden, 
welches jetzt in vierter Auflage vorliegt, hat einen Weltruf erlangt. Es 
ist neben Cicero’s „De senectute“, Hufeland’s „Makrobiotik“ und 
Jacob Grimm’s „Rede über das Alter“ eins der hervorragendsten 
Werke auf diesem von jeher mit Vorliebe gepflegten Grenzgebiete, auf 
dem sieh bedachtsamer Menschenverstand, medizinisches Wissen und 
philosophische Lebenabetrachtnng die Hand reichen. Weber’s Buch 
spiegelt vom Anfang bis zum Ende den liebenswürdigen Charakter und 
die abgeklärte Lebensweisheit seines Verfassers wieder, der jetzt in 
seinem 91. Jahre in voller geistiger Frische und bewundernswerter 
körperlicher Verfassung seine Lehren und Erfahrungen aufs heue vor¬ 
legt. Mit berechtigtem Stolz weist er darauf hiD, dass ihm trotz seines 
Alters die Lust am Leben, die Anteilnahme an dem Lauf der Welt und 
der Wissenschaft, die Freude an der Natur und an dem Verkehr mit 
seinen Familienmitgliedern und Freunden nicht geschmälert sei. Die 
Lehren, die er in seinem Buch niedergelegt hat, die sieb, wie er selbst 
sagt, innerhalb des bekannten Rahmens halten und durch die Worte: 
körperliche und geistige Hygiene umgrenzt sind, hat er mit Beständig¬ 
keit die letzten 50 Jahre durchgeführt und bei sich und anderen die 
schönsten Erfolge gesehen. Leider pflegen solche Bücher nicht von der 
Jugend, der sie eigentlich als Richtschnur dienen sollten, sondern erst 
von dem Alter beachtet, gewürdigt und — befolgt zu werden!. Manche 
erreichen ja auch das, was gemeiniglich als ein grosses Glück betrachtet 
wird, ein gesundes und frisches Alter, was über die uns vom Propheten 
gesetzte Zeit nooh weit hinausragt. Meinen Vortrag über „Altern und 
Sterben“ 1 ) habe ich mit den Worten geschlossen: Ist es denn aber 
wirklich ein so hohes Glück, alt zu werden, dass wir alle mit allen 
Kräften danach streben, oder wenn wir doch nichts dazu tun, so doch 
wünschen, alt zu werden? Dem Alter sind zu allen Zeiten Lobredner 
erstanden, aber damit sind die vielen Schattenseiten des Alterns, das 
Nachlassen der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, das Abfallen der 
welken Blätter und Blüten vom Lebensbaum, die uns früher grünten, 
blühten und beglückten, nicht aus der Welt geschafft, und nicht jedem 
ist es gegeben, sich mit Behagen in die neue Lage der Dinge zu 
schicken.“ Mori nolo, sed me mortuum esse, nihil curo. Glücklich der, 
dem die Parze den Faden bis an sein Lebensende stark und fest und 
ungeschmälert abwickelt! Aber das sind doch, trotz aller Makrobiotik, 
nur die Ausn&hmefälle, denen auch unser verehrter Kollege Hermann 
Weber zugehört. Wünschen wir ihm, dass er auch noch eine 5. und 
6. Auflage seines Lieblingsbucbes berausgeben möge und sich die schone 
Frische bewahre, die wir noch letzten Sommer an ihm in London zu 
bewundern Gelegenheit hatten. Ewald. 


Jalins Schwalbe-Berlin: Therapeutische Technik für die ärztliche 
Praxis. Ein Handbuch für Aerzte und Studierende. Vierte, 
verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig 1914, Verlag von 
Georg Thieme. Preis 24 M. 

Innerhalb 7 Jahren war eine viermalige Auflage des Schwalbe¬ 
sehen Handbuches notwendig. Der Blick für das Bedürfnis des prakti¬ 
schen Arztes, das Schwalbe 1907 zur Herausgabe des Werkes veran¬ 
lagte, hat sich glanzend bewährt. Mit den Neuauflagen wurden zahl¬ 
reiche Verbesserungen und Ergänzungen vorgenommen, die das Buch 
nur noch wertvoller machten. Auch die vierte weist als Erweiterungen 
folgende Abschnitte auf: „Diathermie“ und „Behandlung naoh Ber- 
goniö“ von Rieder, „Technik der Ernährung des gesunden und 
kranken SäugliDgs“ von Koppe, „Allgemeine Technik der Laparotomie“ 
und „chirurgische Behandlung der Peritonitis“ von Werner. An Stelle 
des verstorbenen Eversbusch haben v. Hess und Lohraann den Ab¬ 
schnitt „Technik der Augenheilkunde“ übernommen. Die anderen 
Kapitel haben entsprechend den neueren Forschungen und Erfahrungen 
Ergänzungen erfahren. Das Gesamtwert umfasst nunmehr 1033 Seiten 
(die erste Auflage 789). Es bedarf heute keines besonderen Lobes mehr, 
nachdem es sich so vorzüglich eingeführt hat. Noch zahlreiche Neuauflagen 
sind ihm sicher. Dünner. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

L. Michaelis und A. Kramsztyk: Die Waaserstoffionenkonzen- 
tration der Gewebssäfte. (Biochem. Zschr., Bd. 62, H. 3 u. 4, S. 180.) 
Der aus den Organen extrabierbare Saft reagiert nicht wie das Blut 
alkalisch, sondern fast ganz genau neutral. Der Wert für die [H j lonen- 
konzentration ganz frischer Gewebssäfte dürfte 1,5 10— 7 sein. Durch 
postmortale Säurebildung wird in den überlebenden Organen die Re- 

1) C. A. Ewald, Ueber Altern und Sterben. Wien und Leipzig 
1913, Alfred Holder. 


aktion ganz leicht sauer, am stärksten im quergestreiften Muskel. Auch 
in den Extrakten sofort gekochter Organe ist die Reaktion niemals 
alkalisch. 

P. Rona und G. G. Wilenko*. Beiträge zur Frage der Glyko¬ 
lyse. IV. (Biochem. Zschr., Bd. 62, H. 1 u. 2, S. 1.) Höhere H’-Ionen- 
konzentration hemmt die Glykolyse. So ist z. B. bei einer H'- Ionen¬ 
konzentration von etwa 4 bis 6T0— 7 die Zuckerzerst&rung gänzlich auf¬ 
gehoben, bei einer 2 bis 310~ 7 bereits stark abgeschwächt. Wird die 
H'-Ionenkonzentration nachträglich auf die des Blutes gebracht, so ent¬ 
faltet das Ferment seine Wirkung wieder uDgeschwäcbt. Diese Befunde 
sprechen dafür, dass bei der diabetischen Acidosis ein Zusammenhang 
besteht zwischen erhöhter H’-Ionenkonzentration in den Geweben und 
vermindertem Zuokerverbraucb. Auch die Zuckerkonzentration ist von 
Einfluss auf die Glykolyse. Bis zu etwa 0,5 pCt. nimmt die Zucker¬ 
zerstörung zu, bei etwa 1 pCt. ist die Glykolyse stark gehemmt. 

Kj. 0. af Klerker: Untersuchungen über die Einwirkung der 
Oplnmalkaloide auf gewisse Hyperglykämie». (Biochem. Zschr., Bd. 62, 
H. 1 u. 2, S. 11.) Auf die Hyperglykämie und Glukosurie nach 
AdrenaliuiDjektion und Piqüre konnte keine sichere Einwirkung der 
Opiumalkaloide konstatiert werden. Eine alimentäre Hyperglykämie 
kann dagegen durch Opiumalkaloide mehr oder weniger gehemmt werden. 
Und zwar sind von der Tinctura opii so grosse Dosen erforderlich, die 
an sich schon eine Steigerung des Blutzuckers bewirken. Besser noch 
ist die Wirkung des Pantopons, das schon in so geringen Mengen wirkt, 
dass durch sie eine Aenderung des Blutzuckers nicht zustande kommt. 
Die Beeinflussung der alimentären Glukosurie durch die Opiumalkaloide 
hat man sich so zu erklären, dass unter dem Einfluss des Opiums die 
Entleerung des Magens eine Verzögerung erfährt und der Darm nicht 
wie bei normalen Tieren innerhalb kurzer Zeit die ganze Nahrungsmenge 
zur Verarbeitung bekommt, sondern nur langsam und in kleinen Portionen. 

S. Sakai: Zur Pathogenese der Lipämie. (Biochem. Zschr., Bd. 62, 
H. 5 u. 6, S. 387.) Während normale Kaninchen selbst nach Ver- 
fütterung grosser FettmeDgen keine oder nur eine ganz schwach an¬ 
gedeutete Lipämie bekommen, gelingt es bei anämisch gemachten Tieren 
beispielsweise durch Verabfolgung von Milch stets eine starke Lipämie 
hervorzurufen. Gleichzeitig zeigt das Serum dieser Tiere eine erhebliche 
Abnahme seines lipolytischen Vermögens. Die chemische Analyse eines 
solchen lipämisehen Serums ergab einen Fettgehalt von mitunter über 
5 pCt. und gleichzeitig auch eine Vermehrung des Cholesterins. Diese 
Vermehrung des Cholesterins dürfte eine mehr sekundäre sein und sich 
so erklären, ‘dass die grosse FettmeDge eine giössere Menge Cholesterin 
in LösuDg zu halten vermag. 

Th. E. Hess Thayseu: Beiträge zur physiologischen Chemie des 
Cholesterins and der Cholesterinestergehalt normaler Organe an 
Cholesterin und Cholesterinestern. (Biochem. Zschr., Bd. 62, H. 1 u. 2, 
S. 115.) Entgegen den bisherigen Befunden kommt Verf. auf Gruod 
sorgfältiger Analysen zu dem Resultat, dass mit Ausnahme der roten 
Blutkörperchen alle von ihm untersuchten Organe (Nebennieren vom 
Pferd und Rind, Leber vom Schaf, Herz vom Schaf und Hund, Serum 
vom Rind) ausserordentliche Schwankungen im Cholesterin- uud Chol- 
esterinestergehalt zeigen. 

E. v. Czyhlarz und A. Fuchs: Ueber die Bedeutung des Chol¬ 
esterins für die Vorgänge bei der pathologischen Verfettung. (Biochem. 
Zschr., Bd. 62, H. 1 u. 2, S. 131.) Man hat bei den echten Ver¬ 
fettungsvorgängen neuerdings unterschieden die Cholesterinesterverfettung 
von der Glycerinesterverfettung. Für eine solche Scheidung liegt aber 
kein Grund vor. Denn die Untersuchung zahlreicher Proben von patho¬ 
logisch verfetteten Lebern und Nieren bat keine ausserhalb der normalen 
Schwankungsbreite gelegene Verschiebung der Relation zwischen Chol¬ 
esterin und hohen Fettsäuren ergeben. 

E. Haffner und A. Nagamachi: Zur physiologischen Wirksam¬ 
keit von Organextrakten. (Biochem. Zschr., Bd. 62, H. 1 u. 2, S. 49.) 
Die wässerigen Extrakte aus Schilddrüsen und Ovarien vom Rind übeu 
auf den isolierten Uterus von Meerschweinchen und Ratten eine tonus¬ 
steigernde, koutraktionserregende Wirkung aus; die gleiche Wirkung 
üben sie auf ausgeschnittene Arterienstreifen vom Rind und auf die 
Gefässe des durebströmteu Kaninchenohres aus. Werden die wässerigen 
Extrakte io eine ätherische und wässerige Fraktion geteilt, so zeigen die 
ätherischen die gleiche Wirkung wie das ursprüngliche wässerige Extrakt. 
Diese Wirkung des ätherischen Extraktes beruht auf dessen Gehalt an 
Fettsäuren bzw. Seifen. Ein organspeziflsoher Unterschied liess sich 
nicht erkennen. Die wässerigen Extrakte zeigten nach der Behandlung 
mit Aether eine entgegengesetzte Wirkung, nämlich eine Tonusherab- 
setzuDg und Kontraktionshemmung. Wohlgemuth. 


Pharmakologie. 

B. Rewald: Ueber die physiologische Wirkung ftinfwertigen Anti¬ 
mons (Lenkonin bzw. Natriummetaotiraoniat). (Tber. d. Gegenw., 
August 1914) Verf. fasst seine Untersuchungen dabin zusammen, dass 
das Leukonin in den Mengen, wie sie physiologisch in Betracht kommen 
dürften, keinen schädlichen Einfluss auf deu Organismus ausübt. Es 
wurde ferner naebgewiesen, dass alle Speisen, die in Leukonintöpfen zu¬ 
bereitet waren, einen schädlichen Einfluss selbst bei Kindern nicht hatten. 

B. Fabian. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1660 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 38. 


V. Erdt - Manchen: Vergiftangstod durch Chineontl. (M.m.W., 
1914, Nr 35.) Chineonal ist eine Verbindung von Chinin und Yeronai. 
Ein 2V2jähriges Kind hatte 9 Pillen genommen = 0,648 Veronal. Es 
starb. Dünner. 


Therapie. 

J. Vasiljevid - Wien: Zur Therapie der tuberkulösen und tuberkulo- 
toxisohen Diarrhöen mit Tannismat. (Ther. d. Gegenw., August 1914.) 
Günstige Erfahrungen mit dem Tannismut. Dosis 4 mal 0,5 g. 

J. Pick - Charlottenburg: Chronische Kreislaofinsafßzienz. (Ther. 
d. Gegenw., August 1914.) Verf. berichtet über günstige Erfolge in der 
Behandlung der Kreislaufinsuffizienz durch die Anwendung der Unter- 
druokatmung (Wulff’sche Flasche). Besonders die nervösen Störungen 
werden schnell beseitigt. R. Fabian. 

A. Schnöe - Frankfurt a. M.: Therapeutische Erfolge mit dem De- 
gressator nach Dr. Schnee. (M.m.W., 1914, Nr. 35.) Kasuistik. 

Dünner. 


Innere Medizin. 

Determann: Ueber das Wüstenklima. (Zschr. f. pbysik. diät. 
Ther., Juni-August 1914.) D. bespricht das Nähere des Klima der 
Wüste sowie die Gesamtwirkung desselben, die Wirkung auf Herz, Ge- 
fässe und Nervensystem, sowie die Indikation des Wüstenklirnas. „Die 
Analyse der Wirkungen des Wüstenklirnas erlaubt mangels positiven 
Forschungsmaterials meistens keine bestimmten Schlüsse, sondern nur 
Voraussetzungen und Vermutungen. Einen wissenschaftlichen Anhalt 
zur Stellung exakter Indikationen haben wir nicht.“ Das Wüstenklima 
ist indiziert bei rheumatischen Muskel- und GelenkerkrankungeD, bei 
Nephritikern, bei Stoffwechselkrankheiten, wie Gicht und Diabetes, bei 
gewissen Herz* und Gefässstörungen und Lungen- und Bronchialerkran¬ 
kungen. Bei Keblkopftuberbulose ist Wüstenklima wegen des Staubes 
nicht zu empfehlen; auffallenderweise fehlt unter den Indikationen, wie 
D. betont, die chirurgische Tuberkulose. Als KrankeDniederlassungen 
kommen vor allem Heluan, Assuan und auch Luxor in Betracht. 

Becker und Papendieck: Die Behandlnng der chronisch-rheu¬ 
matischen Gelenkerkranknngen nach den Gesetzen der Funktion nnd 
der Statik. (Zschr. f. pbysik. diät. Ther., August 1914.) B. und P. 
definieren das, was im täglichen Leben als Rheumatismus bezeichnet 
wird, als „einen Zustand chronischer Gelenkreizung aus mannigfachen 
Ursachen mit einem Befunde, der ausser in seinem Eodstadlum entweder 
negativ ist oder jedenfalls in einem gewissen Missverhältnis steht zu 
den Beschwerden, die er verursacht“. Aetiologisch spielen Traumen 
eine Rolle, vor allem auch der Druck des Körpergewichts, gewisser- 
maassen ein ununterbrochenes chronisches Trauma. Von besonderer 
Bedeutung sind dann die Momente der Funktion und der Statik, welche 
für die Therapie wichtige Gesichtspunkte geben. Die Therapie verlangt 
die Resorption pathologischer Gelenkprodukte, die Wiederherstellung der 
Funktion des Gliedes und die Beseitigung des statischen Insultes. 

E. Tobias. 

W. Zinn: Ueber die Pnenmothoraxbehandlung von Bronchiektasien. 

(Ther. d. Gegenw., August 1914.) Nach Erörterung der bisherigen 
Therapie bei Bronchiektasien (Quinke’sche Lagerung, methodische Ein¬ 
schränkung der Flüssigkeitszufuhr, eingreifende operative Maassnahmen) 
behandelt Verf. ausführlich die Lungencollapstherapie, die eine Verödung 
und Schrumpfung der Bronchiektasie bezwecken soll. Es werden zu¬ 
nächst die verschiedenen Fälle aus der Literatur angeführt, dann drei 
eigene Fälle. In den beiden ersten Fällen zeigte sich ein sehr guter 
Erfolg; bei einer Nachuntersuchung nach 5 / 4 Jahren völlige Heilung. 
Bei dem dritten Falle handelte es sich um eino schwere, chronische 
Erkrankung, bei der eine erhebliche Besserung der kränkeren Seite ge¬ 
schaffen wurde. Die Behandlung soll hier fortgesetzt und eventuell 
später auch auf der anderen Seite zur Anwendung kommen. Verf. 
empfiehlt die Pneumothoraxbehandlung, wenn irgend möglich, bei Bronchi¬ 
ektasien, besonders mit putrider Zersetzung, anzuwenden. 

R. Fabian. 

G. Hafermann - Beringhausen: Eiweissgehalt im Sputum Tuberku¬ 
löser. (D.m.W., 1914, Nr. 36.) H. bringt durch seine Untersuchungen 
die Bestätigung anderer Autoren, dass aus einem einmaligen positiven 
Eiweissbefuud sich keine sicheren Schlüsse ziehen lassen, dass einmaliger 
negativer Befund Tuberkulose ausschliesst. Enthält das Sputum kein 
Eiweiss, so sind keine Bacillen da, enthält es Bacillen, so ist auch Ei- 
weiss vorhanden. Dünner. 

Fischer und Katz: Zur röntgenologischen Bestimmung der Ver¬ 
weildauer von vegetabiler und Knhmiich im Magen nebst einer Kritik 
der Kapselmethode. (Zschr. f. physik. diät. Ther., August 1914.) Die 
Total Verweildauer der vegetabilen Milch im Magen ist nicht unerheblich 
kürzer als die Verweildauer der Kuhmilch, eine Differenz, welche auf 
den fundamental verschiedenen Gerinnungsvorgang und Abbau der Ei¬ 
weisskörper der Kuh- und Pflanzenmilch zu beziehen ist. 

E. Tobias. 

E. Weiser: Eine Mitteilung über Störungen der Herzantomatie. 
(D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 3 u. 4.) Beobachtungen über 
Arhythmien, die auf Schwankungen in der Reizbildung im Keith-Fiack- 
schen Knoten beruhen: Pulsus irregularis respiratorius. Bei den Fällen 
W.’s handelt cs sich nicht um organische Grundkrankheiten, sondern um 


ausgesprochene Nervosität. Der Entstehungsort der Störungen liegt im 
Sinusgewebe, sie beruhen auf Veränderungen im Zustande des reizbilden- 
den Organs (neuropathische Konstitution). 

Morawitz und Zahn*. Untersuchungen überden Coronarkreislaif. 
(D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 3 u. 4.) Die mitgeteilte Methode 
der Sondierung des Coronarsinus am lebenden Tier gestattet es, ein zu¬ 
treffendes Bild von der Durchblutung des Herzens in situ zu erhalten. 
Es wird durch die Coronarkanüle zwar nicht alles Blut gewonnen, das 
durch das Herz strömt, sondern nur 60 pCt. Da aber dieses Verhältnis 
auch bei verändertem Druck und veränderter Durchblutung fcstgebalten 
wird, ist die Methode zum Studiom solcher physiologischer und pharma¬ 
kologischer Fragen, die sich am isolierten Herzen nicht beantworten 
lassen, gut brauchbar. Die Durchblutung des Herzmuskels ist vom 
arteriellen Druck abhängig. Steigerung des arteriellen Druckes durch 
Abdominalkompression, Infusion von Blut oder Kochsalzlösung und Ad¬ 
renalin vermehrt die Ausflussmenge aus den Kranzgefässen. Adrenalin 
wirkt ausserdem noch direkt dilatierend auf die Coronargefässe. Es ist 
das wirksamste Mittel, eine Vermehrung der Durchlutung des Herz¬ 
muskels zu erreichen. Trotzdem scheint es bei der menschlichen Angina 
pectoris unwirksam zu sein. Stark beschleunigte Herztätigkeit schafft 
ungünstige Bedingungen für die Durchblutung des Herzens. Pituitrin 
und Nikotin verengen die Coronargeiässo. Die Vasokonstriktion ist bis¬ 
weilen trotz erhöhten Blutdrucks deutlich nachweisbar. Zinn. 

0. Hess-Cöln a. Rb.: Unsere Erfahrungen (bit der Phenolsnlfo- 
phthaleiimethode als Prüfungsraittel der Nierenfnnktion. (M.m.W., 
1914, Nr. 34 u. 35.) Die Methode ist brauchbar. Dünner. 

J. Goldberg und R. Hertz: Ueber den Einfluss von Natriombiear- 
bonat auf die Ausschelding der Chloride und des intraveiös ein- 
geführten Milchzuckers. Ein Beitrag zu den Untersuchungen der 
Nierenfunktionen. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 116, H. 3 u. 4.) 
Natriurabicarbonat übt eine ausgesprochene Wirkung auf die Dauer der 
Zuckerausscheidung aus, und zwar durch Herabsetzung des Ausscheidungs 
Vermögens der Nieren. Die früher erwiesene Herabsetzung der Kochsalz¬ 
konzentration im Harn unter dem Einfluss von Natriumbicarbonat ist 
auch von einer Herabsetzung der Nierentätigkeit abhängig. 

Borelli und Girardi: Versuche über den Kochsalz- und Wasser¬ 
wechsel beim gesunden Menschen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, 
H. 8 u. 4.) Der Organismus braucht bei einer bestimmten konstanten 
Diät, unabhängig von ihrem NaCl- und H 2 0-Gehalt, drei bis vier Tage 
Zeit, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Das erreichte Gleich¬ 
gewicht ist nie ein vollständiges, sondern, je nach den Tagen Schwan¬ 
kungen im Sinne grösserer und kleinerer Ausscheidungen unterworfen. 
Es ist somit für H 2 0 und NaCl keine tägliche, sondern nur eine Gesamt¬ 
bilanz vorhanden, die von Individuum zu Individuum, und je nach der 
Diät veränderlich ist. Es folgen eine Reihe von Einzelangaben über 
die H 2 0- und NaCl-Ausscheidung unter Verschiedenen Bedingungen. 

Zinn. 

J. Tschertkoff-Charlottenburg: lndikanämie nid Urämie (Azot- 
äraie). (M.m.W., 1914, Nr. 36.) Bei Gesunden und Kranken ohne 
Niereninsuffizienz findet sich unabhängig von der Diät niemals Harnstoff 
noch Indikan im Serum, lndikanämie findet sich regelmässsig bei den¬ 
jenigen Nierenkranken, die eine erhebliche Harnstoffretention im Serum 
haben. Sie wurde bei einem Harnstoffgebalt von 1,5 pM. ab nie ver¬ 
misst. lndikanämie bei chronischen Nephritiden ist ein ebenso un¬ 
günstiges prognostisches Zeichen wie eine Harnstoffretention von 1,5 pM. 
und darüber. Sie zeigt eine schwere und irreparable Veränderung der 
Nieren an. Bei den akuten Nephritiden mit Niereninsuffizienz gibt die 
lndikanämie ebenso wie die Harnstoffretention nur ein Bild des augen¬ 
blicklichen Zustandes der Niere. Sie hat hier nicht die ominöse pro¬ 
gnostische Bedeutung wie bei den chronischen Fällen. lndikanämie 
bleibt als einziges Zeiohen der Niereninsuffizienz auch in solchen 
Fällen bestehen, wo die Azotämie infolge äusserer Einflüsse bis auf das 
normale Niveau herabgedrückt ist. Dünner. 

M. Fritz-Bad Wildungen: Pyelitis chronica und ihre Behandlung. 
(Ther. d. Gegenw., August 1914.) Verf. behandelt zunächst ausführlich 
die Aetiologie und Pathologie der Pyelitis. Die Behandlung besteht in 
akuten Fällen neben Regelung der Darmtätigkeit und etwaigen anti¬ 
febrilen MaassnahmeD, in der Bekämpfung der Infektionsquelle, Verab¬ 
reichung grösserer Flüssigkeitsmengen. Urotropin und ähnliche Harn- 
antiseptica können versucht werden. Verf. hat günstige Erfahrungen 
mit der Lokalbebandlung gemacht (Spülung des Nierenbeckens mit einer 
Lösung von Hydrarg. oxycyan. 1 :2000). R. Fabian. 

C. Funk, Ueber Nährschäden Erwachsener. (Boas’ Arch., Bd. 20, 
H. 4, S. 482.) Funk macht hinsichtlich der Einführung von Flüssig¬ 
keiten in den Darm durch die Duodenalsonde Prioritätsansprüche gegen 
Einhorn und Gross geltend. In der Tat findet sich in seinem Auf¬ 
satz „Beiträge zur Kausaltherapie bei Glykosurie und Diabetes“ (DmW., 
1911, Nr. 27) in einer dort mitgeteilten Krankengeschichte die Be¬ 
merkung: „Ein Gummischlauch von 1 mm Lumen wird nach Art einer 
Schlundsonde bis in den Zwölffingerdarm eingefübrt und durch die 
Sonde eine Lösung von .... gegeben.“ In der heutigen Arbeit wird 
versucht, „ohne äussere Ursache anscheinend idiopathisch oder krypto¬ 
genetisch entstehende Funktionsstörungen des Stoffwechsels und der den 
Stoffwechsel beherrschenden Organe, soweit nicht einzelne von ihnen 
durch uns noch unbekannte äussere Ursachen (z. B. Infektionen) hervor¬ 
gerufen werden“, durch das Vorhandensein einer Koeffizientenuntüchtig- 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1651 



21. September 1914, 


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keit (Hering) zu charakterisieren und zu erklären. Dieser Gedanke 
wird, gestützt auf die Untersuchung des Blutzuckerspiegels, des Ver¬ 
haltens des Blutbildes (Lymphocytose) und der Zuckerausscheidung,* an 
mehreren Fällen von Diabetes durcbgeführt und der Uebergang von art¬ 
fremden, uoabgebauten Eiweissarten in das Blut damit in Verbindung 
gebracht. Die stundenlang fortgefübrte „permanente Drainage“ des 
Darms mit hypotonischen oder isotonischen Lösungen mit Hilfe des 
Duodenalrohrs haben eioen günstigen therapeutischen Einfluss in solchen 
Fällen. Leider schreibt Verf. einen Stil, der sich in unendlichen Sätzen 
und eingescbachtelten Relativsätzen ausbreitet und das Lesen seiner 
Arbeiten (s. a. frühere Produktionen) erschwert und stört. Da sollte er 
einmal die bessernde Hand anlegen. Trotzdem sei auf das Original, 
das sich schlecht im Auszug wiedergeben lässt, hingewiesen. 

J. Kossinsky: Magengeschwür in Bayern. (Boas’ Arch., Bd. 20. 
H. 4, S. 511.) Eine Statistik, zusammengestellt aus den „General¬ 
berichten über die Sanitätsverwaltung im Königreich Bayern“ vom Jahre 
1879—1910. Alle Krankheitsfälle 4 282 333. Darunter Fälle mit Magen¬ 
geschwür 25 513 (0,6 pCt.). Alle Todesfälle 163 451 (3,82 pCt.). 
Darunter Todesfälle wegen Magengeschwür 882 (0,54 pCt.). Mortalität 
der Magengesohwürkranken 3,46 pCt. Im allgemeinen wiesen 10 000 
Kranke beiderlei Geschlechts 60 Falle mit Magengeschwür auf; auf 
10 000 Gestorbene überhaupt kommen 54 tödliche Fälle wegen Magen¬ 
geschwürs; die Mortalität der Ulcuskranken ist fast so gross wie die 
allgemeine Mortalität in sämtlichen Anstalten Bayerns, d. h. 3,46 pCt. 
gegen 3,82 pCt. 

V. Plitek: Ueber das familiäre Auftreten des Ulcus ventriculi. 
(Boas’ Arch., Bd. 20, H. 4, S. 461.) Verf. beobachtete eine Familie, in 
der ein Bruder wegen perforierten Magengeschwürs operiert wurde, ebenso 
ein Cousin väterlicherseits und endlich ein Bruder des letzteren. Die 
betreffenden Krankengeschichten werden mitgeteilt. „Der Vater des 
einen Patienten litt in seinen letzten Jahren häufig au Attacken von 
Herpes zoster; der Bruder bzw. Onkel des Kranken wurde noch als 
junger Mann ein Krüppel; ein anderer Bruder bzw. Onkel, ein unver¬ 
besserlicher Säufer, starb im Irrenhause.“ Verf. meint, dass in dem 
zweitgenannten B’all jedenfalls auch eine nervöse Grundlage bestand, 
und verwertet diese dürftigen Angaben im Sinne der neurogenen Ent¬ 
stehung des Ulcus. 

E. Wo losch in: Ulcus rotundnm et Carcinoma ventrieuli. (Boas’ 
Arch., Bd. 20, H. 4, S. 444.) Statistische usw. Angaben, die aus dem 
Sektionsmaterial des Marinehospitals in Kronstadt gezogen sind. Wieviel 
Fälle im ganzen verwendet sind, ist nicht angegeben. Die Lokalisation 
der Geschwüre wird an 11, des Carzinoms an 51, Metastasenbildung an 
59 Fällen angegeben. Das sind so genüge Zahlen, dass sie gar nicht 
in Betracht kommen. 

J. de Groot: Zwei Fälle von Ulcus duodeni. (Boas’Arch., Bd. 20, 
H. 4, S. 478.) Auch de Groot findet in Holland, dass das Ulcus ven¬ 
triculi viel häufiger vorkommt als das Duodenalgeschwür, selbst wenn 
man die — übrigens durchaus nicht konstante — Pylorusvene zur Ab¬ 
grenzung zwischen Magen und Darm in Betracht zieht. Er teilt zwei 
Fälle von Ulcus duodeni mit, in denen der von Moynihan als typisch 
angegebene Symptomenkomplex gänzlich fehlte. In beiden wurde durch 
die Operation ein Geschwür, d. h. eine umschriebene weisse Narbe in 
der Wand des Duodenums, die als Ulcusnarbe gedeutet wird, gefunden. 
Sehr beweisend sind diese Fälle aber, wie Referent an anderer Stelle 
(C. A. Ewald, Ueber das Ulcus duodenale. B.kl.W., 1913, Nr. 39) von 
dergleichen Befunden hervorgehoben hat, nicht. Ich habe ebendaselbst 
sc »°? betont, dass das Moynihan’schen Syndrom keine durchgreifende 
Gültigkeit hat, und de Groot’s Fälle sprechen, wenn man sie gelten 
lässt, in demselben Sinne, 

F. Niklas: Ueber Diekdarmmelanose. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 4, 
S. 423.) Beschreibung zweier hierzugehöriger Präparate. Interessant 
ist der vom Verf. durch sterile Autolyse eines kleinen Stückcherffc des 
frischen Pigmentdarms geführte Nachweis einer Pigmentvermehrung, die 
.aller Wahrscheinlichkeit nach auf fermentative Prozesse zurückzuführen 
ist. Versuche, welche Verf. zur Aufhellung dieser Verhältnisse anstellte, 
hatten allerdings kein positives Ergebnis, immerhin gelang es bei einer 
an Magenkrebs gestorbenen Frau, die ausserdem an chronischer Obsti¬ 
pation gelitten hatte, eine Oxydase nachzuweisen, die auf Tyrosin ein¬ 
wirkte. Ein typischer Fall von Addison zeigte bei der Autolyse eines 
Stückchens Coecum ein dem obigen entsprechendes Verhalten. 

_ Ewald. 


Chirurgie. 

D. Kuhlenkampf - Zwickau: Neuere Fortschritte auf dem Gebiete 
der Inhalationsanästhesie. (D.m.W., 1914, Nr. 36.). Dünner. 

H. Matti - Bern: Kombinierte Behandlung der Varicen der unteren 
Extremität. (Schweiz. Korr. Bl., 1914, Nr. 28.) Verf. kombiniert die 
hone Ligatur der Vena saphena mit der Exzision grösserer varicöser 
Venenplexus, unter gleichzeitiger Anwendung von Carboiinjektionen zur 
Thrombosierung der Zwischenstücken und Anastomosen. Die Erfolge 
waren befriedigend. R. Fabian. 

Röntgenologie. 

J- Glaubermann - Moskau: Experimentelle Untersuchungen über 
die Wirkung von röntgenisiertem Sernm (X-Serum) auf das Blut. 


(M.m.W., 1914, Nr. 35.) Die subcutane Injektion von X-Serum ruft bei 
Kaninchen nach kurzdauernder Leukocytose eine schnell vorübergehende 
Leukopenie hervor, die ihren Höhepunkt nach 1— \ X J 2 Stunden erreicht und 
vor Ablauf von 24 Stunden verschwindet. Gleichzeitig Lymphopcnie. Die 
selben Resultate erhält man bei direkter Bestrahlung, nur langsamer. 
Die Wirkung des röntgenisierten Serums besteht aus zwei Faktoren: die 
Leukocytose hervorrufende des Serums, dem die im Serum ein¬ 
geschlossene Röntgenenergie entgegengesetzt ist. Darum erhält man 
nicht mit grossen Serummengen entsprechend stärkere Röntgen Wirkung. 

0. Zuckerkandl - Wien: Cystographie. (M.m.W., 1914, Nr. 35.) 
Z. bringt Bilder bei infiltrierendem Blasenkreb9, bei gestielten, die Basis 
nicht infiltrierenden Blasengeschwülsten und bei Prostatabypertrophie. 

Dünner. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

K. A. Essen - Dornum: Ueber Extrauteringravidität, unter Belicht 
eines Falles mit glücklichem Ausgang für Mutter und Kind. (Ther. d. 
Gegenw., August 1914.) Kasuistische Mitteilung mit zusammenfassen¬ 
der Darstellung der Symptome der Extrauteringravidität. 

R. Fabian. 


Soziale Medizin. 

F. Koelscb - München: Ueber neuartige gewerbliche Erkrankungen 
in Kalk8tiekstoffbetrieben. (M.m.W., 1914, Nr. 35.) Kalkstickstoff 
hat bei der Herstellung von künstlichen Düngemitteln eine grosse Be¬ 
deutung. K. sah bei Arbeitern, die damit zu tun hatten, Vergiftungs- 
erscheinungen, aber nur dann, wenn sie Alkohol getrunken hatten: 
Hitzegefühl, Schüttelfrost, Kurzatmigkeit, Herzklopfen, scharlachähnliches 
Exanthem am Hals und Teil des Rumpfes. Dünner. 


Gerichtliche Medizin. 

A. Hellwig - Berlin: Moderne Mediumforsehung. (Aerztl. Sachverst. 
Ztg., 1914, Nr. 14.) Polemische Kritik der Publikation Schrenk- 
Notzing’s über „Materialisationsphänomene“. S. Kemnitz und 
v. Gulat-Wellenburg haben in einer Broschüre bereits scharfe Kritik 
an der Versuchsanordnung Schrenk-Notzing’s geübt. 

A. L epp mann-Berlin: Zur Begutachtung mystischer Heilmethoden. 
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Mitteilung eines interessanten 
Gutachtens über einen Kurpfuscher, der unter dem Deckmantel religiöser 
Veranstaltungen für sich und seine Heilmethode Reklame machte. Zum 
kurzen Referat nicht geeignet. 

Kionka: Die Begriffe „Mineralquelle nnd Heilquelle“ in den 
Augen des Sachverständigen. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) 
Als Mineralquellen sind durch ihren höheren Mineraltsationsgrad aus¬ 
gezeichnete Quellen- und Brunnenwässer anzusehen. Der Grenzwert ist 
1 g in 1 kg Wasser. Zu gelösten Stoffen gehören auch Gase. Heil¬ 
quellen sind solche, deren Wasser nachgewiesenermaassen zu Heilzwecken 
gebraucht wird, gleichviel wie hoch ihr Gehalt an mineralischen Bestand¬ 
teilen ist. 

Puppe - Königsberg: Ueber Priorität der Schädelbrttehe. (Aerztl. 
Sachver&t. Ztg., 1914, Nr. 15.) Verf. hat früher gezeigt, dass man aus 
dem Verlauf der Rnoohensprünge bei Schädelbrücben feststellen könne, 
welcher von ihnen zuerst entstanden ist. Unter Beibringung von Ab¬ 
bildungen beschreibt er jetzt zwei neue Fälle, in denen sich die Ver¬ 
wertbarkeit seiner Angaben erweisen Hess. Dieses gesetzmässige Ver¬ 
halten neönt Verf. die Priorität multipler Schädelbrücbe. Ebenso wie 
der Schädelknochen verhält sich Glas. H. Hirschfeld. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬ 
ländische Cnltnr zn Breslan. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 10. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Part sch. 

Hr. Kfittner: 

Ueber tierische Gifte, giftige Tiere nnd deren Bekämpfung. 

Der Vortragende, früherer Zoologe, schildert an der Hand experi¬ 
menteller Studien und seiner in drei Erdteilen während seiner Kriegs¬ 
züge gemachten Erfahrungen die giftigen Tiere aus allen Klassen des 
Tierreiches, ihre Gifte und Giftwirkungen. Ferner werden die ver¬ 
schiedenen Mittel zur Bekämpfung der namentlich in einigen tropischen 
Ländern sehr beträchtlichen Giftschlangenplage besprochen und die 
Maassnabmen zur Behandlung der Verletzungen durch giftige Tiere 
kritisch betrachtet. Der Vortrag war begleitet von zahlreichen Licht¬ 
bildern und Demonstrationen der grossen Sammlungen des Vortragenden, 
sowie zahlreicher lebender Gifttiere (Giftschlangen, giftiger Amphibien, 
giftiger exotischer Insekten). 

Diskussion. Hr. Pohl: Zu den ausgezeichneten lichtvollen Aus¬ 
führungen des Herrn Köttner nur eine kurze Bemerkung. Man ist noch 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 38. 


immer vielfach geneigt, das Bienengift als mit Ameisensäure identisch 
anzusehen. Mit Unrecht! Aus den wässerigen Lösungen desselben lässt 
es sich mit Ammoniak auslällen, ist somit eine Base (nach Langer). 
In Versuchen in meinem Laboratorium ist ferner festgestellt worden, 
dass das Bienengift momentan durch Pepsin -f- Salzsäure zerstört wird. 
Digeriert man die Giftlösuog mit aufgestellter saurer Pepsinlösung, so 
bleibt seine hämolytische, seioe Reizwirkung erhalten. 


Sitzung vom 17. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Uhthoff. 

Schriftführer: Herr Part sch. 

Hr. Melchior: Ueber arteriomesenterialeo Duodeoalvembloss. 

(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.) 

Diskussion. 

Hr. Asch: So grundsätzlich, wie der Herr Vortragende, möchte ich 
mich der Bedeutung der Bandapparate gegenüber nicht aussprechen: 
wohl stehe auch ich auf dem Standpunkte, dass die Bauchorgane des 
aufrechtgehenden Menschen im wesentlichen an dem Muskelapparate der 
Bauebdecken ihre Stütze finden, und noch mehr an der Schlussmusku¬ 
latur des Beckenbodens; aber es darf nicht vergessen werden, wie häufig 
gerade bei Frauen, und nicht nur bei solchen, die geboren haben, diese 
Stützapparate versagen; dann treten die Peritoneatduplikaturen in 
Aktion und die vorzügliche Verankerung der weiblicheu Genitalorgane 
z. B. hindert diese auch bei Husserst mangelhafter Stütze durch den in 
seinem Zusammenhänge zerstörten Beckenboden oft Doch jahre-, ja jahr¬ 
zehntelang am Heraustreten. Wesentlich werden die als Aufhäogebander 
dienenden Peritonealduplikaturen durch das eingelagerte Fett in ihrer 
Funktion unterstützt. Daher die' Ptose bei Abmagernden. 

Die Auffassung von der wesentlichen Beteiligung des MageDS und 
deren Bedeutung für das Zustandekommen des klinischen Bildes des 
sogenannten Duodenalverschlusses vermag ich durch eine von mir vor 
einigen Jahren gemachte Beobachtung zu stützen: Eine, während ihres 
ganzen Lebens in ihrer Ernährung und Entwicklung körperlich äusserst 
zurückgebliebene 50 jährige Virgo musste wegen eines Kolossaltumors 
laparotomiert werden; im Anschluss an die ganz glatt verlaufene Ent¬ 
fernung der Ovarialcyste entwickelte sich das Bild des arterio mesen¬ 
terialen Duodenal Verschlusses; Magenausspülungen brachten immer nur 
vorübergehend Besserung; Patientin, die an einer alten, eitrigen Bronchitis 
mit Ektasen litt, ging an einer Pneumonie zugrunde, und bei der Ob¬ 
duktion fand sich als Grund für die immense Auftreibung des völlig 
atonischen Magens eine angeborene Stenose des Pylorus, in dessen 
Lumen kaum die Kuppe des kleinen FiDgers Platz fand; von Narben 
nirgends eine Spur. Vielleicht lag in dieser Anomalie ein gut Teil des 
Grundes für den ganzen Habitus der kleinen, dürftigen Person; aber 
erst nach Entleerung des ungeheuer ausgedehnten Bauchraumes mit 
seinen erschlafften Decken trat die beängstigende Magenauftreibung ein 
und brachte das klinische Bild des arterio mesenterialen Duodenal¬ 
verschlusses in täuschender Weise zustande, ohne dass von einer der¬ 
artigen Aetiologie die Rede sein konnte. Es fand sich auch keine Spur 
einer Peritonitis. 

Die glatte Bauchlage ersetzt wohl io den meisten Fällen die etwas 
bedenklichere Knie-Ellenbogenlage; zu der an sieb wesentlichen Ver¬ 
änderung des Wasserspiegels des Mageninhalts kommt die vorteilhafte, 
rein mechanisch besser ausnützbare Unterstützung der Bauebpresse, die 
ja hier für die mangelnde Kontraktion des insuffizienten Magens ein- 
treten muss. 

Hr. Rosenfeld erinnert an einen Fall vod akuter Gastratonia aus 
dem Buche von Küttner und Lindner, der durch eine Ueberladung 
des Magens hervorgerufen war und nach längerer Zeit geheilt wurde, 
während andere ähnliche nach denselben Autoren tödlich endeten, und 
macht auf das gastratonisebe Moment in vielen Fällen mit Pylorus- 
spasmus, das mit und ohne Hyperacidität bestand, aufmerksam. 

Hr. Reite: Beitrag zur Angenmigrlne. 

Vortr. macht Mitteilung über 52 Fälle von Augenmigräne aus der 
Uhthoff’schen Privatklinik. Es zeigten sich beide Geschlechter in 
gleichem Maasse befallen. Da9 erste Auftreten des Fiimmerskotoms fiel 
meist in das zweite Dezennium, Beginn der Erkrankung nach dem 
40. Lebensjahr war seltener. Gelegentlich kamen lange Pausen, einmal 
bis zu 40 Jahren vor. Aetiologisch fand sich nichts Besonderes, in 
12pCt. der Fälle bestand auch allgemeine Migräne, beobachtet wurden 
ferner schwere psychopathische Belastung, Hysterie, Epilepsie, Tabes, 
nicht selten auch Störungen des Gefässsystems. In 6 pCt. wurde Erb¬ 
lichkeit der Migraine ophthalmique nachgewiesen. Das typische Flimraer- 
skotom ist stets doppelseitig, Berichte über einseitiges Auftreten be¬ 
ruhen auf mangelhafter Selbstbeobachtung, oder es können auch Ver¬ 
wechselungen z. B. mit den Sehstörungen bei Glaukom vorliegen. Nicht 
ganz selten bleibt nach Ablauf des Anfalls ein Gesichtsfelddefekt be¬ 
stehen. Vortr. teilt fünf derartige Fälle mit und demonstriert die 
Gesichtsfelder. Bei dreien trat im Laufe der Zeit Besserung ein, zwei 
waren nach Jahren noch unverändert, ohne sonst Herdsymptome zu 
zeigen. Als Eotstehungsort des Flimmerskotoms wird der Occipitallappen 
angenommen. Auf die Art der dasselbe bedingenden Gefässstörungen 
weist ein Fall von Verengerung eines Retinalarterienastes hin, die unter 
Flimmererscbeinungen zu einem lange stationär bleibenden Gesichtsfeld¬ 
defekt entsprechend dem von der Arterie versorgten Netzhautbezirk 


führte. Vortr. glaubt, dass man ähnliche Veränderungen in den Ge- 
fässen des Gehirns für das Zustandekommen des Flimmerskotoms in An¬ 
spruch nehmen muss. 

Diskussion. Hr. Rosenfeld bemerkt, dass für die Aetiologie 
und die Therapie es wichtig sei, dass nach einer Bemerkung des früheren 
Klinikers R. Förster das Tabakrauchen eine grosse Bedeutung für die 
Entstehung der Augenmigräne hätte. Die Krankengeschichte des Redners 
selbt, der wegen Augenmigräne das Rauchen aufgegeben hätte, sie ver¬ 
loren, und sie dann nach zwei Rauchrecidiven jedesmal wrederbekommen 
hätte, sprächen aufs deutlichste dafür. Beim Redner sei sonst nur 
seltene Male duroh intensive Blendung Augemnigräne aufgetreten. 


Verein deutscher Aerste zu Prag. 

Sitzungen im Mai und Juni 1914. 

Hr. W. Altscbal berichtet über seine RffntgemotemcliiBgei hei 
Ei«r«is noctuna. Im ganzen kamen 25 Fälle zur UutersuchuDg, in 
5 Fällen war nur eine Verkümmerung der Dornfortsätze und Ver¬ 
schmälerung der Wirbelbogen vorhanden und 10 mal konnte die Miss¬ 
bildung nicht klar gedeutet werden. 

Hr. Loitsch zeigt die Leiche eines totgeborenen Kindes, mit einer 
Reibe von Missbildungen, Krötenkopf mit einem kindskopfgrossen Sack 
am Ocöiput, eine Encephalocele occipitalis. In der Kreuzbeingegend eine 
Richischisis mit schön entwickelten 3 ZoneD, darüber ein mit einem 
Haarkranze umgebenes Grübchen. An der Vorderseite der Brust in 
deren Mitte eine ziemlich tiefe Grube, die linke untere Extremität fehlt 
vollständig ebenso die linke Beckenhälfte, äusseres Genitale und Anus 
normal und an normaler Stelle. Im Abdomen unregelmässig gelappte 
Leber, Magen und Enddarm sind im Bauchraume, während der übrige 
Darm durch eine Zwerchfellhernie in die linke Brusthöhle eingetreten 
ist. Uterus unicornis dexter mit gut ausgebildetem Ovariura und eben¬ 
solcher Tube, von dem Uterushorne zieht sich nach dem linken ein 
Ligament, an dem sich ein Ovarium und eine rudimentäre, proximal 
blrnd endigende Tube findet. Dieselbe Missbildung konnte der Vortr. 
vor kurzem an der Leiche einer erwachsenen Frau zeigen, hei der 
ausserdem ein Defekt der linken Niere bestand, bei vollständigem Fehlen 
einer Tubenanlage. 

Hr. Kramer bespricht an der Hand eines Falles von genuiner Epi¬ 
lepsie die Wirkung der Aatoseramiijektionei. Es handelt sich um 
einen 24jährigen Mann, der während seiner Militärzeit seinen ersten 
Anfall bekommen, seither Häufung der Anfälle bis 30 im Laufe von 
24 Stunden, am Tage meist petit mal, in der Nacht grosse Anfälle mit 
Zungenbissen und Bettnässen. Erfolglosigkeit aller Therapie. Auf 
Rat eiues französischen Arztes Dr. Dupuy begann Kramer mit Autoserum- 
iDjektionen. Dirch Abstehenlassen und Zentrifugieren des durch Venae- 
punktion gewonnenen Blutes wurde ein Serum gewonnen, das frei von 
alleü Formelementen war. Begonnen wurde mit 16 g Serum (ad nates) 
und gestiegen bis 80 g. Anaphylaktische Erscheinungen traten nach der 
2. Injektion auf (Pulsacceleration auf 120 Schwindel, Kopfschmerz, 
Schweissausbruch), die aber nach 24 Stunden ohne weitere Wiederholung 
zurückgingen. Dabei wurde Brom, 4 g täglich, weiterg^geben. Nach 
Auslassen des Broms trat sofort ein Anfall auf. Gegenwärtig (Juli) keine 
weitere Wiederholung bei Fortsetzung der Therapie, indem Patienten in 
regelmässigen Intervallen immer grössere Serumdosen injiziert werden. 
An eine Wunderkur oder eine Dauerwirkung des Verfahrens glaubt 
Hr. K. nicht, hält aber den Erfolg für wichtig zur Nachprüfung. 

Hr. Kalmus spricht über die Kremation vom hygienischen, volks¬ 
wirtschaftlichen und gerichtlich-medizinischen Standpunkt. Die Feuer¬ 
bestattung bietet überall da hygienische Vorteile, wo für ein einwandfreies 
ErdbfgräbDis nichtgesorgt werden kann, besonders bei Infektionskrankheiten, 
deren Erreger im Erdboden noch lange virulent erhalten bleibt (Pest, 
Cholera usw.). Es würde eine obligatorische Feuerbestattung grosse Vorteile 
bringen, wenn ein Modus gefunden werden könnte, sie auch auf dem 
Schlaehtfelde zu verwenden. Vom wirtschaftlichen Standpunkte könnte 
nur die Feuerbestattung in Betracht kommeD, wenn sie an einem grossen 
Prozentsatz von Leichen st&ttfinden würde. Die Kremation hat aber 
den grossen Nachteil, dass das Material, welches die Leiche als Objekt 
der gerichtlich-medizinischen und gerichtlich-chemischen Untersuchung 
bildet, nahezu vollends unbrauchbar gemacht wird. Sie bedarf daher 
viel strengerer Kautelen als das Erdgrab, die nach dem Erachten des 
Vortr. vor allem in einer viel strengeren obligatorischen ärztlichen 
Leichenbeschau durch einen beamteten Arzt, dem vorher eine ausführliche 
Krankengeschichte des behandelnden Arztes vorzulegen wäre, bestehen 
müsste. Iq allen Fällen von angeblichen Selbstmorden und in allen 
nicht absolut einwandfrei aufgeklärten Todesfällen, müsste obligatorisch 
eine sanitätspolizeiliche Obduktion vorgenommen werden, während die 
Fälle, bei denen die äussere Besichtigung der Leichen oder die sanitäts- 
polizeiliche Obduktion die geringsten Verdachtsmomente ergeben würde, 
unbedingt der gerichtlichen Onduktiou zugeführt werden müssten. Dem¬ 
gemäss müssten die Leicbenteile bei Verdacht auf Vergiftung obligatorisch 
vom gerichtlichen Chemiker untersucht werden. Unerlässlich sei die 
Feststellung der Identität der Leiche unmittelbar vor der Einäscherung. 
Internationale Abmachungen müssten die Umgehung der angeführten 
Vorsichtsmaassregeln beim Transporte der Leiche ins Ausland unmöglich 
machen. 


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21. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Hr. Marx: Schnssverletzimgeii durch Flanbert. 

Im Anschlüsse an einen Fall — Einschuss in die rechte Brustseite 
im 5. Zwischenrippenraum, Perforation der rechten Herzkammer, Durch¬ 
setzung des rechten Unterlappens, die Kugel war an der 11. Rippe ab¬ 
geprallt und durch die Ausschussöffnung in der rechten Lunge wieder 
in dieselbe zurückgeprallt — bespricht Herr M. die vielfach verbreitete 
Ansicht, dass Flaubertwaffen als ungefährliche Waffen zu betraohten 
sind. Er beweist die Unrichtigkeit dieser Ansicht auf Grund der in der 
Literatur mitgeteilten tödlichen Fälle von Flaubertschüssen und der im 
gerichtlich-medizinischen Institute in Prag obduzierten 7 Fälle, von denen 
2 Scbädelsohüsse waren. In demselben Institute hat seinerzeit Beckert 
Schiessversuche gegen ein 6 mm starkes Schädeldach aus einer FJaubert- 
pistole von 18 cm langen Lauf und 6 mm Kaliber angestellt und aus 
einer Entfernung von »/z m noch vollständiges Durchschlagen erzielt. 
Die kleinste Waffe, mit der ein erwachsener Mensch sich eine tödliche 
Schussverletzung beibrachte, welche im Institute aufgehoben ist, ist eine 
Flaubertpistole von 6 cm Lauf und 6 mm Kaliber (Herzschuss). In dem 
vom Vortr. demonstrierten Falle war von der Oberfläche des Projektiles 
ein Stückchen abgesprengt und in dem dadurch entstandenen Spalt ein 
kleiner Knochensplitter eingekeilt. Herr M. kommt zu dem Schlüsse, dass 
vom gerichtsärztlichen Standpunkte Flaubertwaffen als lebensgefährliche 
Instrumente ftm Sinne des Gesetzes) angesehen werden müssen. 

Hr. Schmidt demonstriert a) einen Fall von cardiovaskalarer In- 
süffliisnz auf thyreotoxischer Grundlage. Hochgradige Schwellung im 
Bereiche der oberen Extremitäten, Brust, Rücken, Bauch und Oberschenkel, 
Ascites und beiderseitigem Hydrothorax bei geringem Oedem der Unter¬ 
schenkel. Abnorm weite rechte Lidspalte mit deutlichem Gräf’schen 
Symptom, ohne sonstige SympathicusorscheinungeD. Keine Vergrösserung 
der Schilddrüse. Vor 5 Jahren unter plötzlicher Anschwellung der 
Schilddrüse ähnliche Symptome wie heute, die nach V 2 Jahre zurück* 
gingen, worauf eine Periode durch 2*/^ Jahre vollkommener Genesung 
folgte. HerrSoh. weist darauf hin, dass sehr häufig bei Basedowschen 
Erkrankungen Symptome schwerster Art oft ohne Operation zurückgehen, 
und legt andererseits den Gedanken nahe, bei ätiologisch nicht genügend 
fundierten Fällen von Myocarditis die Möglichkeit thyreotoxischer Ein¬ 
flüsse in Erwägung zu ziehen; 

b) einen Fall von Jod-Basedow. Nach Gebrauch von lOpCt. Jod- 
vasogen und innerlich Jodeisen; 

c) ein Fall von Tetanieäqaivalenten bei gleichzeitigem Bestehen 
von Trouseau’schem, Erb’schem und Chvostek’schem Phänomen, 
seit Jahren Ziehen in den Extremitäten mit Parästhesien, nach Resektion 
einer Struma echte Tetanieanfälle. Es handelt sich um eine parathyreo- 
prive Tetanie. Auffallend ist eine besonders hohe eingestellte Kohle¬ 
hydrattoleranz, auch werden durch Adrenalin keine Krämpfe ausgelöst. 
Eine konstitutionelle Minderwertigkeit der Kranken ergibt sich auch aus 
dem Symptom des Irisschlottern, dementsprechend wird die bestehende 
Linsentrübung als nicht zur Tetanie gehörig, sondern als kongenital an¬ 
gesprochen. 

d) einen Fall von Langenaktinomykose; 

e) einen Fall von Aorteninsnfflzienz nach Herzschnss. Vor dem- 
selben keinerlei Herzbeschwerden. Bald nachher Zeichen einer gestörten 
Herztätigkeit im Sinne von OederaeD, Dyspnoe und Herzpalpitationen. 
Die RÖntgenuntersuohung zeigt das Projektil lebhaft pulsierend hinter 
dem linken Vorhof. Bei der Annahme eines gradlinigen Weges liegt es 
nahe, an die Möglichkeit eines Aortenklappenrisses zu denken. 

Hr. Ghon demonstriert Präparate einer 37jährigen Frau mit einem 
tareitton der rechten Mamma, Metastasen in der linken Mamma und in 
den axillaren Lymphknoten beider SeiteD, in den Nebennieren und para¬ 
aortalen Lymphknoten, im Knochensystem und im Centralnervensystem. 

Schloff« stellt eine 24jährige Patientin mit einer, wenigstens 
vorläufig, geheilten postoperativen Tetanie im Anschluss an Kropfoperation 
wegen Basedow vor. Paratbyreoidalpräparate ohne Erfolg, erst Verabrei¬ 
chung getrockneter Pferdeepithelkörperchen (0,02—0,06 pro Tag) brachte 
die Anfälle zum Schwinden, die jedoch nach Aussetzen der Therapie 
wieder einsetzten, um seither nach Beibehaltung derselben, seit 8 Wochen 
verschwunden zu sein. 

2. Freie Antoplastik. a) Demonstration eines Jungen, bei dem die 
oberen 2 / a des Humerus durch eine Tibiaspange ersetzt wurden (guter 
erfolg), und Demonstration der Röntgenbilder eines zweiten gleichartigen 
r alles, wo später eine traumatische Fraktur in der Mitte des Implan- 
ta * ,ea ^ u f8 e tacten ist, die mit normalem Callus abgeheilt ist. 

_ Ankylosis mandibolae bei einem 20jährigen Manne nach einem 
Fall auf den Kiefer in der Kindheit. Nach Ausmeisselung der breiten 
Knocheomassen, welche den Kiefer mit der Schädelbasis verbanden, wäre 
ein so grosser Muskellappen zur Zwischenlagerung nötig gewesen, wie 
er nicht 2 ur Verfügung stand, daher Einpflanzung grosser, vorwiegend 
aus Knorpel bestehender dünner Scheiben aus den Rippenknorpeln. 
Guter Erfolg. 

0 ) Freie Fascientransplantatioii nach Wilna, zur Ausschaltung des 
Fylorus bei Geschwüren desselben und des Duodenum. 

. /U Wieting’scbe Operation bei arteriosklerotischer Gangrän, welche 
insofern Erfolg brachte, als die Schmerzen nach der Operation wesentlich 
geringer wurden. Der Fuss war bereits vorher gangränös, so dass die 
Amputation nicht verhütet werden konnte. Bemerkenswert ist, dass 
l an * nnense ft© des Kniegelenks eine subkutan verlaufende, 
Kräftig pulsierende Arterie za fühlen ist. 0. Wiener. 


[ Die Kriegsseuchen. 

Vortragsreihe über ihre Erkennung und Behandlung unter 
besonderer Berücksichtigung der ersten Diagnose, veranstaltet 
vom Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen in Prenssen. 

III. 

Hr. Lentz: a) Dysenterie. 

Die Dysenterie oder Ruhr dehnt sich überall da aus, wo viel Schmutz 
herrscht. Es gelingt, ihrer Herr zu werden, sowie man den Schmutz be¬ 
seitigt hat. 

Sie hat eine Inkubationszeit von 3 Tagen, nach deren Ablauf sich 
Leibschmerzen einslellen, die typisoherweise um den Nabel herum 
lokalisiert werden und nach dem Colon descendens ausstrahlen. Dann 
stellt sich schleimiger Stuhl ein, dem blutige Streif en beigemengt 
sind. Es ist wichtig, auf die Art der Blutbeimengung zu achten, denn 
bei der Amöbendysenterie enthält der Stuhl reichliche Blutmengen, 
während bei der bacillären Dysenterie nur feine Blutstreifen gefunden 
werden. Dann stellen sich schmerzhafte Tenesmen ein, die die Kranken 
zu fortwährendem Stuhlgang veranlassen. Man hat bis zu 150 Stühle, 
selbstverständlich nur von geringem Umfang beobachtet. Die Dysenterie¬ 
kranken verfallen sehr schnell, sie machen einen schwer infektiösen 
Eindruck. Man kann objektiv das Colon descendens als einen empfind¬ 
lichen kontrahierten Strang deutlich fühlen. Reotoskopiert man die 
Patienten, so sieht man im Beginn der Krankheit die Sobleimbaut wie 
mit Kleie bestreut. An diesen Stellen bilden sich in den nächsten 
Tagen Geschwüre, die ganz oberflächlich liegen und sich durch 
dieses Verhalten von den Ulcerationen der Amöbendysenterie unter¬ 
scheiden, die tiefer sind und unterminierte Ränder haben. Nach Ablauf von 
etwa 6 Tagen bessert sich dann der Zustand, uod es beginnt die Rekon¬ 
valeszenz. Aus dem akuten Verlauf kann sich in seltenen Fällen ein 
chronischer entwickeln, auch Recidive gelangen des öfteren zur Beob¬ 
achtung. Kompliziert wird das Krankheitsbild gelegentlich durch Ent¬ 
zündungen der serösen Häute, durch multiple Leberabscesse und in 
späterer Zeit durch DarmstriktureD. 

Besonders gefährlich für die Ausdehnung einer Epidemie sind die¬ 
jenigen Ruhrfälle, die einen so gutartigen Verlauf haben, dass man gar 
nicht auf den Gedanken kommt, dass es sich um eine Dysenterie handelt, 
das trifft besonders für die Darmerkrankungen der Kinder zu, wie sich 
Vortr. durch eigene ausgedehnte, bakteriologische Untersuchungen in 
Berlin überzeugen konnte. 

Die Dysenteriebacillen sehen den Colibacillen sehr ähnlich, und 
ohne auf ihre morphologischen und biologischen Eigenschaften des näheren 
einzugehen, sei nur erwähnt, dass man vier Arten unterscheidet: 
1. Typus Shiga-Kruse-, 2. Typus Flexner-, 3. Y-Bacillen und 4. Strong- 
bacillen. Man muss den verdächtigen Stuhl möglichst schnell unter¬ 
suchen, weil die Dysenteriebacillen sehr wenig resistent sind und 
eventuell durch lange Transporte usw. absterben können. Es empfiehlt 
sich also, das Untersuchungsmaterial auf dem schnellsten Wege dem 
Bakteriologen zuzusenden, der es dann sofort verarbeiten muss, und 
auch eventuell am Krankenbett wenigstens ein Ausatrichtrockenpräparat 
herzustellen. Die Untersuchung des Blutes auf Bacillen kommt nicht in 
Frage, weil die Bacillen niemals ins Blut gelangen. Die Entscheidung 
der bakteriologischen Diagnose liefert die Agglutination, die bei einer Ver¬ 
dünnung von 1:50 bei Shiga-Kruse und bei den anderen Stämmen bei 
einer Verdünnung von 1: 100 getroffen werden kann. Man weiss, dass 
der Shiga-Krusestamm eia Toxin bildet, welches sohwere klinische 
Symptome verursacht. Das von ihm gebildete Antitoxin hat bisher 
merkwürdigerweise wenig Verwendung in der Praxis gefunden. Vortr. 
empfiehlt es auf das Wärmste und verspricht sich von ihm 
die gleichen Erfolge wie vom Diphtherieserum. Die klinischen 
Symptome sollen sich schon wenige Stunden nach der Injektion eklatant 
bessern. 

Gegen die drei anderen Stämme besitzen wir kein spezifisches Heil¬ 
mittel, da sie ja, wie gesagt, kein Antitoxin produzieren. 

Die weitere Infektion erfolgt bei der Dysenterie durch Berührung; 
insbesondere ist die Uebertragung durch die Verunreinigung, die bei den 
zahlreichen Entleerungen der Kranken erfolgt, sehr erleichtert. Man 
kennt auch Infektionen, die von Brunnen ausgehen. So hat sich vor 
mehreren Jahren eine solche Infektion in Döberitz entwickelt. Auch 
Fliegen, die auf den Fäoes gesessen haben, können die weitere Ver¬ 
schleppung besorgen. 

Die Therapie erfordert zunächst, sobald die Diagnose sioher ge¬ 
stellt ist, Isolierung und Desinfektion von allen Gegenständen, die mit 
dem Kranken in Berührung gekommen sind. Die Dysenterie unterliegt 
der Anzeigepflicht. Handelt es sich um Shiga-Kruse, so wende man das 
Serum an. Man hat besonders auf Bacillenträger und Rekon¬ 
valeszenten zu achten, die sonst sehr leicht die Krankheit verschleppen 
können. Prophylaktisch ist dringend Reinlichkeit erforderlich Ins¬ 
besondere müssen Frauen, die die Nahrung für den Haushalt herstellen 
zum reichlichen Waschen der Hände angehalten werden. Zur Pro¬ 
phylaxe empfiehlt sich auch die Impfung, und zwar entweder 
mit antitoxischem Serum bei Typ Shiga-Kruse oder von Vaocin, welches 
mit Serum vermischt ist. Bei diesem letzteren Modus macht man dann 
später noch eine zweite Injektion mit Vaccin allein. 

b) Cholera. 

Die Cholera ist eine der häufigsten Kriegsseuohen. Im Jahre 1866 
war die preussisohe Armee von ihr ergriffen, und die Truppen mussten 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1654 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 38. 


nach Beendigung des Krieges erst noch eine Quarantäne in Schlesien 
durchmacben; trotzdem sind von der Zivilbevölkerung in Preussen 
120 000 Menschen an ihr gestorben, ehe sie in die Heimat entlassen 
werden konnten. Und im Balkankrieg ist Bulgarien nicht den Serben, 
sondern der Cholera erlegen. Mit der Entdeckung der Cholera¬ 
vibrionen durch Koch sind uns Abwebrmaassregeln gegeben, die sich 
schon verschiedentlich bei den Epidemien glänzend bewährt haben. 
Nicht zum wenigsten sind die dabei erzielten Resultate darauf zurück¬ 
zuführen, dass man, worauf Koch besonders aufmerksam gemacht hat, 
den Bacillenträgern besondere Berücksichtigung schenkt, die sich 
bei jeder Epidemie in grosser Zahl finden. Beherrscht wird das kli¬ 
nische Bild durch die Toxine, die bei der Cbolerainfektion entstehen. 
Man hat die Krankheit in drei Stadien geteilt; das erste ist wenig cha¬ 
rakteristisch, es treten Diarrhöen und heftige Koliken ein. Das zweite, 
Stadium algidum, wird durch plötzliches Erbrechen und starke Durch¬ 
fälle, die wie Reiswasser aussebeD, eingeleitet. Die Entleerungen sind 
manchmal so klar, dass man sie nicht von dem Erbrochenen unter¬ 
scheiden kann. Durch die grossen Wasserverluste, die der Körper er¬ 
leidet, entstehen Wadenkrämpfe, zurücksinkende Bulbi, Herzschwäche usw. 
Dieses Stadium ist das gefährlichste. Trotzdem soll man sich nie ver¬ 
leiten lassen, selbst bei den bedrohlichsten Symptomen, die Diagnose 
infaust zu stellen, selbst vollständig verfallene Kranke hat man sich 
wieder erholen sehen. Das dritte Stadium hat mau wegen der typhus- 
ähnlichen Symptome als Choleratypboid bezeichnet. Man beobachtet in 
dem Verlauf des öfteren sekundäre Infektionen der Darmschleimhaut mit 
Colibakterien und anderen. Während einer Epidemie Dehmen viele Leute 
Cholerabacillen auf, ohne zu erkranken. Sie sind aber ebenso, wie die¬ 
jenigen Patienten, die noch längere Zeit Dach der Erkrankung Cholera- 
bacillen beherbergen, für ihre Umgebung eine grosse Gefahr. Sie während 
der ganzen Zeit der Bacillenausscheidung genau zu beobachten und ihnen 
genaue Verhaltungsmaassregeln zu geben ist wegen der Gefahr einer 
Weiterinfektion dringend erforderlich. 

Was die Bakteriologie betrifft, so haben die Choleravibrionen 
Geissein, mit denen sie sich fortbewegen können. Durch diese Geissein 
unterscheiden sie sich von anderen Vibrionen, die im Stuhl Vorkommen. 
Sie wachsen besonders gut auf alkalischen Nährböden. Da sie streng 
aerob sind, so gehen sie in flüssigen Nährböden immer dabin, wo sich 
der meiste Sauerstoff befindet. Sie setzen sich also im Kulturröhrchen 
oben, im hängenden Tropfen am Rand an, wo der Luftzutritt erfolgt. 
Sie wachsen bekanntlich sehr gut in Peptonwasser, von dem sie schon 
nach einigen Stunden abgenommen werden können. Viel benutzt zu 
ihrem Nachweis wird das Dieudonne’sche Verfahren. Sichergestellt wird 
die Diagnose durch die Agglutination und durch das Pfeiffer’scbe Ver¬ 
fahren, das darauf beruht, dass das Serum von Menschen, die Cholera 
durcbgemacht haben, Cholerabacillen in der Bauchhöhle von Meerschwein¬ 
chen auflöst. 

Die Cholerabacillen halten sich nicht lange in Leichen. Man kann 
also unter gewissen Einschränkungen den Transport von an Cholera Ver¬ 
storbenen gestatten. 

Die Therapie erfordert zunächst reichliche Kochsalzinfusionen und 
Analeptica. Spezifische Sera besitzen wir nicht. Während des letzten 
Balkankrieges hat Stumpf gute Erfolge durch die Verabreichung von 
grossen Mengen von Bolus alba per os gesehen. Die Frage, ob Cholera¬ 
impfungen gegen Infektion schützen, ist noch nicht definitiv entschieden. 
Immerhin hat die Heeresverwaltung vorgesehen, die Truppen, die nach 
dem Osten kommen, zu impfen. 

IV. 

Hr. Ncufeld: Die Pest. 

Obwohl die Pest lange nicht als Kriegsseuche aufgetreten ist, so 
muss man doch mit der Möglichkeit einer Einschleppung aus dem Aus¬ 
land rechnen. Es sind Fälle bekannt, die ganz unerwartet eingetreten 
sind. So hat man eigentlich nur durch einen Zufall im Jahre 1910 in 
einem kleinen Ort Irlands eine leichte Epidemie von Lungenpest ent¬ 
deckt, deren Ursprung einige Jahre zurückdatierte. Eingeschleppt war 
damals die Krankheit durch ein Schiff, auf dem sich pestkranke Ratten 
befunden hatten. 

Man unterscheidet zwei Arten von Pest, nämlich die Lungen- 
und die Drüsenpest, die so sehr voneinander abweichen, dass man 
früher meinte, es handelte sich um zwei verschiedene Krankheiten. 
Beiden ist eine Inkubationszeit von 2—3 Tagen gemeinsam. Die Drüsen¬ 
pest nimmt ihren Weg durch die Haut. Dabei sieht man manchmal 
nichts von einem primären Affekt, und die Drüsenschwellungen sind oft 
die ersten klinischen Zeichen. Sie sind meist ganz klein, spontan nicht 
schmerzhaft, dagegen auf Druck. Ueberall können sich diese Bubonen 
entwickeln, man beobachtet sie aber besonders in der Schenkelbeuge 
und in den Achselhöhlen. Bald stellt sich dann kleiner Puls bei sonst 
kräftigem Herz, Fieber und sonstige Allgemeinersoheinungen eiu. Die 
Sprache wird manchmal so lallend, dass man den Eindruck hat, der 
Kranke sei betrunken. Typisch ist das Missverhältnis zwischen den 
lokalen Erscheinungen und dem sohweren Krankheitsbild. Es gibt viele 
Fälle, die ganz leicht verlaufen, und die dadurch natürlich der Diagnose 
ganz besondere Schwierigkeiten bereiten. Sie sind für die Weiterver¬ 
breitung nicht sehr gefährlich. Die viel infektiöseren sind die Lungen¬ 
pestkranken, die das klinische Bild einer schweren Pneumonie darbieten. 
Sie imponieren zunächst als Pneumonien und oft geben erst die ge¬ 
häuften Todesfälle dieser Pneumonien den Anlass, auf Pest zu fahnden. 
Zur bakteriologischen Untersuchung eignet sich sowohl das Sputum als 


auch bei deu Drüsenkranken das Punktat aus den Bubonen. Ist einmal 
die Diagnose gestellt, ao ist es dringend erforderlich, sofort auf tote 
Ratten zu fahnden, die fast immer die Schuld an der Infektion tragen* 
oder besser gesagt, es sind Flöhe, die auf den Ratten leben und die 
die Weiterübertragung besorgen. Eine Ansteckung von Mensch zu 
Mensch ist sehr selten. Allerdings kennt man auch Epidemien, bei 
denen dieser Infektionsmodus besteht, z. B. ist sicherlich in der Man¬ 
dschureiepidemie von Lungenpest die Uebertragung von Mensch zu Mensch 
erfolgt, das lag aber, wie N. ausführt, an den besonderen klimatischen 
Verhältnissen. Es herrschte nämlich eine furchtbare Kälte, bei der die 
Infektion durch „Sputumtröpfchen“ erfolgte, ähnlich wie die Tuberkulose- 
infektion nach Flügge vor sich geht. Die Maassnahmen, die man gegen 
diese Art der Infektion ergriff, nämlich das Tragen von dicht abschliessen¬ 
den Masken, erwies sich als erfolgreich. Mit Beginn der wärmeren 
Jahreszeit ist dann die Epidemie auch erloschen. Die Tätigkeit des 
praktischen Arztes kommt bei der Behandlung der Pest weniger in 
Frage, weil sofort nach Feststellung des wahren Krankheitscharakters 
von seiten der Behörden Isolierung usw. vorgenommen wird. 

Hr. Friedberger: Pocken. 

Aus zahlreichen interessanten Tabellen ergibt sich einwandsfrei der 
grosse prophylaktische Wert der Schutzimpfungen. Man ersieht aus 
ihnen, dass diejenigen Staaten, die ein Impfgesetz haben, fast vollkommen 
von den Pocken verschont bleiben, wenn das Gesetz wirklich durch¬ 
geführt wird, was von England mit seiner „Gewissensklausel“ nicht gilt. 
Frankreich hat seit 1902 gesetzlich die Impfung eingeführt, Es ist so¬ 
gar eine dreimalige Impfung in diesem Gesetz vorgesehen. Belgien und 
Oesterreich haben einen indirekten Impfzwang insofern, als nur diejenigen 
Kinder in die Schule aufgenommen werden, die geimpft sind und in 
Oesterreich auch von den Staatsbeamten der Nachweis der Impfung ver¬ 
langt wird. Russland hat ein ausgezeichnetes Impfgesetz, freilich — nur 
auf dem Papier. Von hier aus droht uns bzw. dem Heer besonders die 
Gefahr der Pockeneinschleppung. Darum sind alle Soldaten bei Aus¬ 
bruch des Krieges nochmals geimpft worden, sofern sie nicht in den 
letzten 3 JahreD eine Impfung durcbgemacht hatten. Das gleiche gilt 
für Aerzte und Pflegepersonal. 

V. 

Hr. Jochmann: a) Das Fleckfieber. 

Das Fleckfieber wird mit Unreoht Flecktyphus genannt, denn es 
hat mit dem Unterleibstyphus nichts wie das eine Symptom der Be¬ 
nommenheit gemeinsam (rü^oog Rausch, Umnebelung). Aetiologisch 
ist das Fleckfieber vom Unterleibstyphus vollkommen getrennt, aber man 
kennt seine Ursache noch nicht. In napoleonischen Zeiten war das 
Flectfieber eine Kriegsseuche, die ganz Europa überzog. In Preussen 
wurde es zuletzt 1877—1882 beobachtet, seitdem ist es so gut wie ver¬ 
schwunden. Den eigentlichen Erreger kennt man bislang zwar noch 
nicht, hingegen ist der Entstehungsmodus wohl bekannt. Die Infektion 
erfolgt nämlich durch Kopf- und Kleiderläuse und man konnte 
durch Uebertragung von LäuseD, die auf Fleckfieberkranken gesessen, 
auf Affen bei diesen Fleckfieber erzeugen. So wird es auch verständlich, 
dass die Krankheit überall da entstehen kann, wo viel Schmutz ist. 
Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ohne Vermittlung der Läuse 
dürfte nicht stattfioden. Das Contagium, das wir nicht kennen, hält 
sich ungefähr ein halbes Jahr in Stroh und Wäsche. Das einmalige 
Ueberstehen der Krankheit verleiht Immunität. Diese Tatsache hat mau 
sich besonders in Russland zu nutze gemacht, indem man zum Pflege¬ 
personal speziell Leute wählte, die die Krankheit schon einmal über¬ 
standen haben. 

Nach etwa neuntägiger Inkubation treten hohes Fieber, Puls- 
beschleunigung, schwere Allgemeinerscheinangen, massige Benommenheit 
des Sensoriums und Leberschwellung ein. Zwei Tage später bricht ein 
roseolenartiger Ausschlag aus, der auch Handflächen und Fusssohlen er¬ 
greift und der nur das Gesicht verschont. Diese Roseolen erfahren nach 
zwei Tagen eine sogenannte petechiale Umwandlung. In der Mitte der 
Roseolen entsteht eine Blaufärbung. Dann steigt im Gegensatz zu 
anderen Exanthemen das Fieber weiter, der Kranke wird noch mehr 
benommen. In diesem Stadium kann leicht der Tod erfolgen. Am 
12. Tage kommt dann gewöhnlich der Umschlag. Die Patienten ver¬ 
sinken in einen tiefen Schlaf und die Temperatur fällt dann in rascher 
Lysis zur Norm. Nunmehr sohilfert die Haut kleienförmig ab und 
um diese Abschilferung, wo sie noch nicht vorhanden, zu erzeugen, ge¬ 
nügt nach Brauer das Darüberstreiohen mit dem Finger über die Haut; 
der sich bildende rote Streifen ist wie mit Kleie bestäubt („Radiergummi¬ 
phänomen“). 

10—14 pCt. aller Kranken sterben. Eine gute Prophylaxe lässt 
sich nur erreichen, wenn man für unbedingte Sauberkeit, insbesondere 
für Beseitigung der Läuse sorgt (Sabadülaessig oder Xylol). Das dürfte 
aber im grossen, besonders bei den unglaublich verlausten russischen 
Gefangenen, mit grossen Schwierigkeiten verknüpft sein. Jochmann 
empfiehlt zur Desinfektion der Kleider das ältere Verfahren mit Schwefel¬ 
dämpfen. Fleckfieberkranke behandelt man symptomatisch. 

b) Rückfallfieber. 

Das Rückfallfieber ist eine Krankheit, die last ausschliesslich in den 
ärmsten Proletarierkreisen vorkommt. 1908 kamen in Petersburg allein 
etwa 8000 Fälle vor, von denen etwa 35 pCfc. Gäste in Nachtasylen und 
ähnlichen Aufenthaltsorten waren. Deutschland ist seit dem Jahre 1880 
so gut wie vollkommen verschont. In England, Russland, Herzegowina 
und Bosnien werden noch Fälle beobachtet. Der Erreger des Rückfall- 


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UNIVERSUM OF IOWA 


21. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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fiebere ist die im Jahre 1868 von Obermeier entdeckte Spirille, deren 
Uebertragung in den Tropen nach R. Koch durch Zecken erfolgt, bei 
bei uns jedoch durch Läuse. Die Krankheit setzt nach einer Inkubation 
von 5 bis 7 Tagen ganz akut mit Milz- und Leberschwellungen, Fieber, 
Schlaflosigkeit, Kreuzschmerzen usw. ein. Einige Tage darauf erfolgt 
die Entfieberung. Damit kann in etwa 18 pCt. der Fälle das Rückfall¬ 
fieber sein Ende erreicht haben. In vielen Fälle dagegen treten Rück¬ 
fälle, „Relapse“ auf. Es erfolgt wieder ein Fieberanstieg mit denselben 
klinischen Symptomen, nur dauert die Attacke beim zweitenmal nicht 
so lange wie beim erstenmal; und so wird bei weiteren Relapsen die 
freie Pause immer länger, die Fieberperiode immer kürzer. Seitdem wir 
in dem Salvarsan ein ausgezeichnetes Specificum haben, ist die Pro¬ 
gnose als gut zu bezeichnen. Nach intravenösen Injektionen von 0,8 
bis 0,4 ccm Salvarsan ist die Krankheit mit einem Schlage beseitigt. 

c) Meningitis epidemica. 

Während einer Epidemie im Jahre 1895/96 erkrankten in Deutsch¬ 
land etwa 3000 Personen. Der Erreger ist der Meningococcus, der sich 
in freier Natur nicht hält. Die Ansteckung erfolgt von Mensch zu 
Mensch. Es ist aber nicht unbedingt erforderlich, dass die Uebertragung 
durch einen Kranken erfolgt, sie kann auch durch einen Bacillenträger 
von statten gehen. Das beweisen die Beobachtungen in Kohlenrevieren, 
wo die Kinder von Vätern erkrankten, die zusammen im Schacht unter 
unhygienischen Verhältnissen mit Kranken gearbeitet hatten, und diese 
selbst nicht erkrankten. Zum Ausbruch der Krankheit gehört eine ge¬ 
wisse Disposition, und es sind anscheinend Leute mit lymphatischem 
Habitus besonders gefährdet. Die Inkubation der Meningitis dauert 
3 Tage, dann setzen die bekannten meningitischen Symptome ein. Die 
Diagnose wird erhärtet durch die Lumbalpunktion bzw. die bakterio¬ 
logische Untersuchung des Punktates. Therapie. Man soll sobald 
wie möglich nach Erkennung der Krankheit das spezifische Meningo¬ 
kokkenserum injizieren, das den Zweck hat, die Phagocytose anzu¬ 
regen. Man geht dabei in der Weise vor, dass man durch Lumbal¬ 
punktion ungefähr 25 com des Liquor cerebrospinalis ab lässt und dann 
die gleiche Menge sofort mit derselben Kanüle, die zur Punktion gedient 
hat, in den Lumbalsack injiziert. Damit das Serum überall hingelangen 
kann, ist es zweckmässig, nachher das Fussende des Bettes hochzu¬ 
stellen. Man soll an drei aufeinanderfolgenden Tagen diese Injektion 
wiederholen, eventuell noch öfter. Manchmal tritt der Erfolg schon nach 
einer Injektion ein. 

VI. 

Hr. Flügge: Ueber Desinfektion. 

Sowohl während des Bestehens ansteckender Krankheiten als auch 
nach deren Ablauf muss eine Desinfektion stattfinden. Die Mittel, die 
zur Abtötung von Keimen in den Krankenzimmern in Betracht kommen, 
sind Sublimatlösung, Carbollösung, Kalkmilch, Chlorkalkmilch und 
Formalinlösung. Kleinere Gegenstände, die keinen grossen Wert reprä¬ 
sentieren, sollen verbrannt werden. Andere Gegenstände müssen wieder 
in Wasser, dem eventuell 2 pCt. Soda zugesetzt wird, gekocht werden. 
Dies gilt besonders für Ess- und Trinkgeschirre. Schmutzige Wäsche 
hingegen soll man nicht kochen, weil dadurch festhaftende Flecke ent¬ 
stehen, sondern in DesinfektionslösuDgen ein legen. Ueber die Frage der 
Desinfektion nach Ablauf der Krankheit besteht seit langem eine leb¬ 
hafte Diskussion. Man hat die verschiedensten Mittel und Wege vor¬ 
geschlagen, die alle von demselben Prinzip ausgehen, nämlich entweder 
mit Wasserdämpfen, trockener Hitze oder Formaldehyd zu desinfizieren. 
Am wichtigsten wäre natürlich ein Verfahren, zu dem kein grosser 
Apparat notwendig ist. Ganz ohne Apparat geht es mit dem Paraform¬ 
verfahren und dem Autan. Von den verschiedenen Verfahren ist prak¬ 
tisch die Einwirkung von Kaliumpermanganat auf Formaliulösung; doch 
ist dies für den Betrieb im grossen zu kostspielig. Das Formaldehyd 
hat die Eigenschaft, weniger in die Tiefe der Gegenstände hineinzudriDgen; 
man hat deshalb Versuche mit Dämpfen bei 100° angestellt. Bedingung 
aber ist, dass dieser Dampf konstant bei einer Temperatur von 100° 
10 Minuten lang einwirkt. Wenn auch die Desinfektoren, die den Dampf¬ 
apparat zu bedienen haben, gut geschult sind, so kann doch leicht durch 
nicht genügende Achtsamkeit der Fall eintreten, dass die Forderung 
der 10 Minuten langen Einwirkung bei 100° nicht erfüllt ist. Es sind 
einige Methoden vorgeschlagen worden, die eine Kontrolle gestatten. Sie 
sind aber alle nicht unbedingt zuverlässig. Nur ein Apparat, der aus 
dem Flügge’sehen Institut stammt, scheint allen Anforderungen zu 
genügen. 

Die Dampfdesinfektion lässt sich aber nicht bei allen Gegenständen 
anwenden. Papier und Lederwaren werden durch sie unbrauchbar ge¬ 
macht. Infolgedessen ist man auf den Gedanken gekommen, Dampf von 
geringer Hitze, also von 50° anzuwenden. Da dieser allein nicht schnell 
genug wirkt, so sucht man das Formaldehydverfahren mit der Dampf¬ 
desinfektion zu vereinigen, indem man Dampf von 50° einwirken lässt 
und gleichzeitig Formaldehyd appliziert. Solchen Dampf von 50° erhält 
uian im luftverdünnten Raum, weshalb man den Desinfektionsapparat 
uiit einem Vacuum zu kombinieren hat. Im Laufe der Zeit hat man die 
Erfahrung machen müssen, dass es sehr schwer ist, diese Apparate richtig 
zu bedienen und man bat weiterhin gesehen, dass man auf den Dampf 
überhaupt verzichten kann; es genügt, die Formaldehyddämpfe auf 50° 
zu erhitzen und sie so auf die Gegenstände einwirken zu lassen. 


Kriegsskizzen. 

Von 

Dr. Arthar Münzer, zurzeit im Felde. 

I. „Mobil“. 

Es ist ein eigen Ding um das Wort. „So manche Worte klingen — 
Ans Ohr uns ohne Plan, — Und während sie verklingen, — Ist alles 
abgetan“, heisst es in einem Gedicht von Platen. Aber andere Worte 
gibt es, die unser Innerstes bis in die tiefsten Tiefen aufrühren. Da 
sitzest du in deinem Zimmer und bist mit irgendeiner Arbeit beschäftigt. 
Plötzlich erklingt dir ein Wort. Und du wirst hinweggetragen von 
deinen Gedanken, weit, weit; mit seltsamen Bildern füllen sich deine 
Sinne, die Wirklichkeit ist vergessen, du lebst in einer anderen Welt. 

Da war ein Wort, das wir Jüngeren nur aus der Geschichte und 
von der theoretischen Ausbildung während unserer Militärdienstzeit her 
kannten. Wir wussten wohl, dass diesem Worte eine gewaltige Be¬ 
deutung znkam. Wussten, dass es eine machtvolle Umwälzung der 
Zeitläufte herbeiführte; dass es die Segnungen des Friedens beendete 
und der Kriegsfurie Tür und Tor öffnete. Dies Wort hiess „Mobil¬ 
machung“. Aber es verklang vor unseren Ohren „ohne Plan“. Jedoch 
es kamen Tage, in denen herrschte eine Unruhe in unserem Volke. In 
allen Ecken raunte und flüsterte es. Eine stille Erregung erfasste die 
Menschen. Das Flüstern ward zum Brausen. Auf den Strassen ballte 
sicb’s zusammen. Eine gleichmässige Spannung hielt alle Gemüter ge¬ 
fesselt. Vergessen waren des Tages Last und Mühen, vergessen der Arbeit 
Beschwerden. Nur eine Frage blieb zu lösen. Und eines Tage9 kams. 

Es war am 1. August 1914. Wir alle warteten in fieberhafter 
Erregung, Harrten nur noch der Bestätigung dessen, was wir längst 
geahnt und im Innern gefühlt. 6 Uhr abends. Klingt das nicht von 
fern wie Sturmeswehen? Immer näher und näher kommts, wälzt sich 
heran wie die Meeres wogen zum nahen Strand. Und endlich, da ists 
bei uns, da wissen wirs: „Mobilmachung, Krieg!“ 

Wie eine Befreiung klingt das Wort. Zu gross war auch die Spannung 
der letzten Tage gewesen, bis endlich sie sich losen konnte. Mit Windes¬ 
eile verbreitete sich die Nachricht bis in die entferntesten Winkel des 
Deutschen Reiches, und bald ward überall kundgetan, dass unserem Vater¬ 
lande der Krieg aufgezwungen war. Und wenn auch allenthalben helle 
Tränen flössen, wenn auch des Abschieds bitteres Weh manch Herz durch¬ 
zuckte, so überwog bei weitem die flammende Begeisterung, und der 
heilige Ernst der Stunde hielt alles in seinem Bann. 

Wir aber, die der König gerufen, wir eilten zu unseren Fahnen. 
War das ein Leben und Treiben in den Kasernen! Wo noch vor einigen 
Tagen die gleiobmässige Arbeit des Dienstes geleistet wurde, dorthin 
schwärmten nun von allen Seiten die Reservisten kofferbeladen herbei. 
In langen Zügen eilten sie zu ihren Truppenteilen, frohen Mutes, vater¬ 
ländische Lieder singend, ln den Kasernen wird eiogekleidet. Da ent¬ 
falten sich lustige Bilder. Dem einen passt der Rock nicht, dem ist 
die Hose zu lang, der findet keine Stiefel. Manch Scherzwort fliegt hin¬ 
über und herüber. In kurzer Zeit ist die schwierige Arbeit beendet. 
Alles klappt wie am Schnürchen. Da kommen täglich in laugen Reihen 
die beigetriebenen Pferde, Wagen, und nicht lange dauerts, bis auch sie 
in ihre Kolonnen eingereiht sind. 

Interessant sind die ärztlichen Untersuchungen der Reservisten und 
Landwehrleute. Diesmal gibts kaum irgendwelche „Drückeberger“. Alles 
will mit hinaus ins Feld. Und werden selbst irgendwelche Schäden 
gefunden, so heisst es gleich: „Es wird schon gehen“, das schadet nicht 
viel“, „ich halte schon aus“ usw. Alles ist nur von dem einen Wunsche 
beseelt, die Ehre des Vaterlandes zu schützen. Es ist seltsam, zu sehen, 
wie alles Kleine vom Menschen abfällt. Arbeit, Beruf, Familie, alles 
tritt in den Hintergrund, hier gilt nur noch das eine Ziel, das Vaterland 
zu schirmen. 

Eine Freude war’s, die Truppen hinausziehen zu sehen. Frohen 
Herzens marschierten sie von dannen, blamengeschmückt, begeistert, 
gegrüsst von Alt und Jung. War das ein Abschied! „Wir müssen 
siegen“, so lag’s klar in aller Munde. Und wie sie dann hinaus¬ 
marschierten, mit Sang und Klang, in festem Schritt, da wussten wir; 
„die uns da verlassen, die kehren sieggekrönt zurück“, und die Rosen, 
die jetzt an den Gewehren blühten, die würde der Schlaehtengott binnen 
kurzem in Lorbeeren wandeln. 

II. Die Fahrt. 

Um 3 Uhr nachmittags marschierten wir von unserer Kaserne in 
Spandau ab. Es war ein heisser Tag. Die Sonne gab uns ibre besten 
Wünsche mit auf den Weg. Nach einer halben Stunde waren wir auf 
dem Güterbahnhof Charlotten bürg angelangt. Da hatte sich sohon eine 
grosse Menschenmenge angesammelt, um unserer Abfahrt beizuwohnen. 
Ein buntes Treiben entfaltete sich. Zunächst wurden die Wagen unserer 
Feldlazarette verladen. Dann ging’s an die Pferde, das schwierigste 
Stück Arbeit. Viele Tiere sind zunächst nicht hineinzubringen, und vielen 
Wartens, vielen Zusprechens bedarf es, bis auch sie verladen sind. 

In buntem Gewimmel eilen Herren und Damen umher, Zigarren, 
Schokolade und Getränke anbietend. Jeder bekommt etwas, niemand 
wird vergessen. Froh und lustig tummelt sich unsere Strassenjugend 
zwischen den Soldaten umher; für sie ist unsere Abfahrt ein Fest. Auch 
von den Jungen möchte jeder noch gern den Soldaten etwas Liebes er¬ 
weisen; jeder bringt noch irgend eine kleine Gabe, ist schon beglückt, 
wenn er nur für einige Minuten einmal ein Pferd halten darf. Alles ist 
guter Dinge; das Siegesbewusstsein ist fest in uns gegründet. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1656 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 38. 


Immer näher rückt die Zeit der Abfahrt. Pferde und Wagen sind 
verladen; jetzt heisst’s auch für Mannschaften und Offiziere eiosteigen. 
Die Leute draussen drängen an die Kupeetüren. Schon fliessen die 
Tränen; Taschentücher irerden bereit gehalten. Um 7 Uhr 8 Minuten 
ertönt das Signal zur Abfahrt. Der Zug setzt sich in Bewegung. Da 
wehen die Tücher, Mützen werden geschwenkt, brausende Hoch- und 
Hurrarufe erschallen, donnernd erklingt die Wacht am Rhein. Langsam 
entgleiten die Hänser, zum letzten Male grüssen wir unsere alte, liebe 
Vaterstadt Berlin. Es ist wohl ein eigenes Gefühl, das einen beschleicht. 
Hinaus gehtfs jetzt ins Feld, das bald des Krieges Schrecken erfüllen 
werden. Vor unseren Augen tauchen Gewehre, Maschinengewehre und 
Kanonen auf. Durch die weiten Fluren braust das Schlachtgetümmel, 
Soldaten marschieren, Rosshufe stampfen, Gewehrfeuer knattert, Ge¬ 
schütze donnern, und in endlosem Siegesjubel löst sich schliesslich das 
Traumbild, das unsere Augen geschaut. Wir fahren; das monotone 
Klingen des Eisenbahnzuges passt so recht hinein in die Abschiedsstimmung. 
Mancherlei wird erzählt, die Aussichten auf den kommenden Krieg 
erörtert. Bald herrscht eine fröhliche Stimmung und man beginnt all¬ 
mählich, sich auf die nicht allzu kurze Fahrt einzurichten. Wir haben 
es uns in unserem Kupee bequem gemacht, gerade als wollten wir eine Welt¬ 
reise unternehmen. In den Mannschaftswagen erschallen vaterländische 
Lieder, „Deutschland, Deutschland über alles“ und „die Wacht am Rhein.“ 

Ein reges Leben entwickelt sich auf den einzelnen Stationen. Zahl¬ 
reiche Damen und Herren der Gesellschaft sind anwesend, um den 
Soldaten Speisen und Erfrischungen zu reichen. Was gabs da nicht 
alles zu essen, zu trinken, zu rauchen! Alles bemüht sich um die 
Wette, es uns so angenehm wie möglich zu machen, und wir hatten nur 
Mühe abzuwehren, um nicht mit Liebesgaben überschüttet zu werden. 
Jeder ist bestrebt, für das Wohl des Vaterlandes sein Bestes herzugeben. 

Wir fuhren 36 Stunden, verbrachten zwei Nächte im Eisenbahn¬ 
wagen. Und doch wars eigentlich kaum zu merken. Die Fülle der 
wechselnden Eindrücke, die innere Spannung, die frohe, siegessichere 
Stimmung, der muntere Sang unserer Soldaten, das alles brachte uns 
schneller über die Stunden dahin, als wir gedacht. An einem schönen 
Morgen kamen wir über den Rhein. Da lag er nun da, der Vater Rhein, 
in seiner ganzen majestätischen Grösse. Still und ruhig fliesst er dahin, 
das Sinnbild deutscher Stärke. Alte, längst verklungene Sagen er¬ 
wachen in uns, die Geschichte des deutschen Volkes, die so eog mit 
dem Rhein verwoben, wird uns lebendig. Du schöner, alter und ewig 
junger Rhein, da, den Diohtersmund so oft besungen, du mit deinen 
Rosen und Reben, mit deinen Bergen und Burgen, du konntest in diesen 
schweren Zeiten wieder einmal erleben, wir sehr wir an dir hängen. 
Konntest hören, dass wir treu und fest wie ehedem zu dir stehen und 
dich schirmen als unser teuerstes Kleinod. Deine Wellen wandern 
rastlos weiter und weiter und werden es bald in alle Meere tragen, wie 
Deutschland sich erhoben gegen seine Feinde und sie niedergeworfen 
nach heissem Ringen. Langsam passiert der Zug die Rheinbrücke, bald 
entschwinden die Flussufer unseren Blicken und die Sinne werden 
wieder der Wirklichkeit zugelenkt. Wir kommen durch Crefeld, wo wir 
noch einmal die Gastfreundlichkeit und Liebenswürdigkeit der Ein¬ 
wohnerschaft in vollstem Maasse gemessen. Und nun nähert sich unsere 
Fahrt bald ihrem Ende. Nach kurzer Zeit sind wir an den Ausgangs¬ 
punkt der Reise gelangt. Man reckt die etwas steif gewordenen Glieder, 
und dann gehts fort in eiligem Marsch: des Feindes Land ist unser Ziel. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Wie nunmehr amtlich mitgeteilt wird, hat der König zu 
ordentlichen Professoren der Universität Frankfurt a. M. ernannt in der 
medizinischen Fakultät: den Direktor des neurologischen Instituts in Frank¬ 
furt a. M., Prof. Dr. Ludwig Edinger; den Direktor des Königlichen 
Instituts für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M., Wirklichen 
Geheimen Rat Prof. Dr. Paul Ehrlich; den Direktor des städtischen 
chemisch physiologischen Instituts in Frankfurts. M., Prof. Dr. Gustav 
Embden; den Direktor des Senckenbergisohen pathologischen Instituts 
am städtischen Krankenbause in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Bernhard 
Fischer; den ausserordentlichen Professor in der medizinischen Fakultät 
und Abteilungsvorsteher am anatomischen Institut der Universität in 
Marburg, Dr. Ernst Göppert; den Direktor der Klinik für Haut- und 
Geschlechtskrankheiten am städtischen Krankenhause in Frankfurt a. M., 
Prof. Dr. Karl Herxheimer; den Direktor des städtischen hygienischen 
Instituts in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Max Neisser; den Direktor der 
chirurgischen Klinik am städtischen Krankenhause in Frankfurt a. M., 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ludwig Rohn; den Direktor der Augenklinik 
am städtischen Krankenhause in Frankfurta.M., Dr. Otto Sohnaudigel; 
den Direktor der medizinischen Klinik am städtischen Krankenhause in 
Frankfurt a. M., Prof. Dr. Alfred Schwenkenbecher; den Direktor 
der städtischen Irrenanstalt in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Emil Sioli; 
den Direktor der Hals- und Nasenklinik am städtischen Krankenhause 
in Frankfurt a. M., Geh. San.-Rat Prof. Dr. Gustav Spiess; den 
Direktor der medizinischen Poliklinik und des Instituts für physikalische 
Therapie am städtischen Kranken hause in Frankfurt a. M., Prof. Dr. 
Julius Strasburger; den Direktor der Ohrenklinik am städtischen 
Krankenhause in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Otto Voss; den Direktor 


der Frauenklinik am städtischen Krankenhause in Frankfurt a. M., 
Prof. Dr. Max Walthard. 

— Die Kurse für Kriegsärzte, die das Zentralkomitee für das 
ärztliche Fortbildungswesen veranstaltete, haben nunmehr ihren 
vorläufigen Abschluss gefunden. Die einzelnen Kurse — allgemeine 
Orientierungskurse; topographisch-anatomischer Kurs; Kurse über Kriegs¬ 
chirurgie; Erkennung und Behandlung der Kriegsseuchen — hatten wir 
in den vorhergegangenen Nummern dieser Wochenschrift schon an¬ 
gekündigt; jetzt nach ihrer Beendigung darf ein Wort lebhafter An¬ 
erkennung für die ganze Anlage und Durchführung der Kurse nicht 
unterlassen werden. Sie erfreuten sich auch einer ausserordentlichen 
Teilnahme, so wurde der erste Kurs, der doppelt gehalten werden musste, 
von etwa 1100 Aerzten besucht, der topographisch-anatomische von 
etwa 400 und die Kurse über Kriegschirurgie von etwa je 700 Kollegen. 
Als eine Art Fortsetzung sind die „kriegsärztlichen Abende“ 
gedacht, die gestern ihren Anfang nahmen und schon über 600 Teilnehmer 
aufweisen konnten. Es wäre dabei zu wünschen, dass die sonst von 
medizinischen Gesellschaften anscheinend leider unzertrennliche Bericht¬ 
erstattung in der Tagespresse, die hier in besonderem Maasse un¬ 
zuträglich erscheinen müsste, in Wegfall käme. Denn es würde durch 
manche Vorträge das Publikum unnötigerweise beunruhigt, die Aerzte 
aber werden aus ihren Fachblättern genügend orientiert werden, und 
auch wir beginnen mit dem Bericht über die kriegsärztlichen Abende in 
der nächsten Nummer. 

— Der Central-Krankenpflege-Naehweis (Schillstrasse 181, 
Fernsprecher: Amt Lützow 2849) ersucht uns mitzuteilen, dass er nicht 
nur für die Krankenpflege in Lazaretten geprüftes Pflegepersonal zur 
Verfügung hält, sondern auch eine Sonderliste ausgestellt hat, in die 
zahlreiche Krankenpflegerinnen aufgenommen sind, die bereit sind, 
während der Kriegszeit Krankenhausvertretungen und erforderlichenfalls 
Epidemiepflege zu übernehmen. Auch für die Berliner Privatpflege sind 
reichlich tüchtige Pflegekräfte vorhanden. — Auch in der Berufs¬ 
organisation der Krankenpflegerinnen sind noch zahlreiche er¬ 
fahrene Schwestern für Kriegszwecke zur Verfügung und es wäre dringend 
zu wünschen, dass die berufsmässigen Krankenpfleger und -pflegerinnen 
in ausgiebigstem Maasse seitens des Roten Kreuzes verwendet werden, 
aber nicht unentgeltlich oder gar zu der unglaublich klingenden 
Bedingung, sich neben der unentgeltlichen Leistung auch noch seihst 
zu beköstigen. Ein Reich, das sich 5 Milliarden für Kriegszwecke 
leisten kann, hat wahrlich auch noch das Geld, um seine Verwundeten 
abwarten zu lassen ohne Ausnutzung des auch im Frieden nicht auf 
Rosen gebetteten Krankenpflegepersonals. Die freiwillige Hilfe unserer 
„Damen“ ist an vielen Stellen brauchbar, nur nicht im Krankensaal. 
Dorthin gehört nur die Berufs-Krankenpflege. Mit der Erfüllung dieser 
im Interesse des Krankendienstes gelegenen Forderung entspricht man auch 
dem gegenwärtig leider so vielfach vernachlässigten, volkswirtschaftlich 
überaus wichtigen Grundsatz: Arbeit, nicht Almosen! H. K. 

— Weitere Opfer des Krieges: Dr. Max Stamer-Neresheim 
(Württbg.), Ulanen-Reg. 19: gefallen (Kopfschuss durch Franktireurs). 
Dr. Hermann Paulssen - Dresden, Stabsarzt d. R.: Tod durch Sturz 
vom P/erde. San.-Rat Dr. R. Gottschalk aus Ginsheim bei Frank¬ 
furt a. M. fiel einem tückischen Ueberfall belgischer Einwohner zum 
Opfer. Dr. Oluf Riis-Tingleff i. Schleswig-Holstein, Oberarzt d. R.: 
Tod durch Hitzschlag auf dem Marsche. Dr. Rohfleisch - Kiwitten, 
Kreis Heilsberg, Stabsarzt d. R.: leicht verwundet. Dr. Liebermeister- 
Tübingen, Stabsarzt d. L., Landwehr-Inf.-Reg. 121, 9. Komp.: verwundet 
Dr. Schulze, Stabsarzt, Füsilier-Reg. 90, 8. Komp.: vermisst. Dr. Deh- 
mel, Stabsarzt im Inf. Reg. 30. Dr. Gutbier, Oberarzt d. R. im sächs. 
Inf.-Reg. 105. E. Hellmuth, stud. med., 9. bayer. Inf.-Reg. Dr. W. 
Kern -Windsbacb, Oberarzt d. R. Dr. Xylander, Stabsarzt, in seiner 
Funktion als kons. Hygieniker heimtückisch erschossen. Dr. Siegbert 
Frost, Unterarzt, an Pneumonie gestorben. Dr. Felix Rosenberger- 
Mülheim (Ruhr), im freiwilligen Sanitätsdienst. Dr. Otto Suchsland, 
Oberarzt d. R. im 3. Garde-Grenadier Reg. Dr. Eduard Müller, Stabs¬ 
arzt im 13. bayer. Inf.-Reg. Dr. Oskar Schmidt, Oberstabsarzt, 
Germersheim. A. Zenetti, cand. med., Vizewachtmeister, München. 
Dr. J. Kramer - Berlin, Oberarzt d. R. Dr. W. Meyer, Stabsarzt d. L., 
gestorben im Felde an Blinddarmentzündung. Dr. Seyberlich, Marine- 
Oberassistenzarzt, gestorben auf Helgoland. Dr. A. Scherschmidt, 
Stabsarzt. Dr. Strassner, Marioestabsarzt auf S. M. S. „Köln“. 
Dr. K. Schrödl, Oberarzt d. R., 16. bayer. Inf.-Reg. Dr. Raven, in 
Togo verwundet. Dr. Boas, Rischeim, Kr. Mülhausen i. E., gefangen. 

— Volksseuchen. Spinale Kinderlähmung in Preussen 
(30. VIII.—5. IX.) 7 und 2 f, und zwar Reg.-Bez. Aachen 1, Schleswig 
6 (2 f). — Genickstarre. Preussen (30. Vm.—5. IX.) 4 und 4f, und 
zwar Reg.-Bez. Arnsberg 2 (2 f), Münster — (2 f), Schleswig 1 (11)> 
Lüneburg 1 (1 f). 

Hochschulnachriohten. 

Berlin. Geheimrat Busch, der frühere Direktor des zahnärztlichen 
Instituts, feierte seinen 70. Geburtstag. — Königsberg. Privatdozent 
Dr. Nippe wurde zum a. o. Professor für gerichtliche Medizin in Erlangen 
ernannt. — Lemberg. Der Privatdozent Dr. Mazurkiewicz wurde 
zum a. o. Professor der Pharmakologie ernannt. — Wien: Habilitiert: 
DDr. v. Reuss (Kinderheilkunde) upd R. Müller (Dermatologie). 

Pur die Bedaktion verantwortlich Prof. Dr. Ha na Kohn, BerUn W., Bayreuther Strasse«. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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BERLINER 


Di® Berlin«! Klinische Wochenschrift erscheint Jeden 
MonUg In Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


Alle Einsendungen für die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinal Verwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen« 

Redaktion: Expedition: 

fiel. Med.-R&t Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. ingiist Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 28. September 1914. JI2 39. Emundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Originaliei: Loewy: Zar Frage nach dem Effekt der manuellen künst¬ 
lichen Atmung beim Menschen. (Illustr.) S. 1657. 

Melchior: Ueber den sogenannten arterio-mesenterialen Duodenal- 
Verschluss (Atonia gastro-duodenalis acuta). (Aus der Breslauer 
chirurgischen Klinik.) (Schluss.) S. 1660. 

Fuld: Die Behandlung der Colitis gravis mittels Spülungen von 
der Appendicostomie aus. S. 1664. 

Brettner: Der Kriegssanitätsdienst in Berlin. S. 1665. 

Jeger: Der gegenwärtige Stand der Blutgefässchirurgie. (Sammel¬ 
referat.) (Aus der Kgl. chirurgischen Klinik der Universität 
Breslau.) (Schluss.) S. 1667. 

Blcherbesprechungen : Krause und Hey mann: Lehrbuch der chir¬ 
urgischen Operationen. S. 1669. (Ref. Borchardt.) — Jesionek: 
Praktische Ergebnisse auf dem Gebiete der Haut- und Geschlechts¬ 


krankheiten. S. 1670. (Ref. Bruhns.) — Blumenfeld: Jahres¬ 
bericht über die Fortschritte der Laryngologie, Rhinologie und ihrer 
Grenzgebiete. S. 1670. Kassel: Geschichte der Nasenheilkunde 
von ihren Anfängen bis zum 18. Jahrhundert S. 1670. (Ref. 
Haike.) — Graefe - Sämisch - Hess: Handbuch der gesamten 
Augenheilkunde. S. 1670. Rosmanit: Anleitung zur Feststellung 
der Farbentüchtigkeit S. 1670. (Ref. v. Sicherer.) — Guttmann: 
Lexikon der gesamten Therapie. S. 1670. (Ref. Fromherz.) 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner Gesellschaft 
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1670. Natur- 
historisch-medizinisoher Verein zu Heidelberg. S. 1673. 

Kriegsärztliche Abende. S. 1674. 

Tagesgeschiohtliche Notizen. S. 1676. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1676. 


Zur Frage nach dem Effekt der manuellen 
künstlichen Atmung beim Menschen. 

Von 

Prof. Dr. A. Loewy-Berlin. 

In einer im Skandinavischen Archiv für Physiologie, Bd. 29 
erschienenen Arbeit von Liljestrand, Wollin und Nilsson 1 ) 
„über die Ventilation bei künstlicher Atmung beim Menschen“, 
sowie in einer znsammenfassenden Uebersicht von Liljestrand 2 ): 
„Ueber künstliche Atmung“ ist die Frage über Art und Bedeutung 
der künstlichen Atmung beim Menschen einer neuen Erörterung 
unterzogen worden, wobei weniger das häufig bearbeitete Thema 
nach der besten Methode im Vordergründe stand, als vielmehr 
das, inwieweit die manuelle künstliche Atmung über¬ 
haupt als wirksam zu erachten ist. 

Während die meisten früheren Autoren zwar je nach den 
Methoden wechselnde, aber doch immerhin hohe Ventilationswerte 
pro Minute bzw. pro Atemzug erreichten, geben Liljestrand, 
Wollin und Nilsson als wirklichen Effekt der künstlichen Ven- 
tilierung der Lungen ausserordentlich niedrige Zahlen an und 
meinen, dass die von anderen Autoren gefundenen hohen Werte 
nicht auf Rechnung der künstlichen Atmung zu setzen, viel¬ 
mehr dadurch zustande gekommen seien, dass die Versuchsindi¬ 
viduen unbewusst und unwillkürlich im Tempo der künstlichen 
Atmung mitgeatmet hätten. 

re ' ne Wirkung der künstlichen Atmung zu er- 
lafaren, gingen Liljestrand, Wollin und Nilsson so vor, dass 
sie ihre Versuchspersonen in apnoischen Zustand versetzten 
und während dieses die künstliche Atmung Vornahmen. Die 
werte, die sie dabei fanden, betrugen pro Atemzug nach der Sil- 
yester’schen Methode 190 ccm, nach der Schäfer’schen 170 ccm 
im Mittel. 

Diese Werte, die Liljestrand in seiner oben an zweiter Stelle 
genannten Arbeit (S. 481) bereits als gesichert ansieht und als 
wahre Ventilationswerte zugrunde legt, sind in jeder Hinsicht auf¬ 


fallend; erstens im Hinblick auf die an Nicbtapnoischen ge¬ 
wonnenen Werte, die bis zum 15 fachen Volumen pro Atemzug 
angegeben werden, sodann im Vergleich mit den an Leichen er¬ 
wachsener Menschen erzielten, endlich hinsichtlich des Erfolges, 
den eine so «niedrige Ventilation überhaupt haben kann. 

Was den ersten Punkt betrifft, so fand ich in gemeinsam 
mit G. Meyer 1 ) ausgeführten Versuchen, dass die Ätemtiefe bei 
dem nach Brosch modifizierten Silvester’schen Verfahren 1 bis 
2 Liter betragen kann, wenn ein Retter die Atmung ausführt, 
bis zu 3 Litern, wenn zwei tätig sind. Wir gaben damals an, 
dass die Versuchspersonen, zu denen ich selbst gehörte, sich ganz 
passiv verhalten hätten, dass nach 3—4 künstlichen Atmungen 
ein Zustand von Apnöe einzutreten und das Bedürfnis zu natür¬ 
licher Atmung fortgefallen sei. 

Wenn das auch zutrifft, so ist Liljestrand, Wollin und 
Nilsson doch Recht zu geben, dass auch ohne Notwendigkeit 
zu eigener Atmung eine dem Rhythmus der künstlichen Atmung 
folgende unbewusste aktive Tätigkeit der Atemmuskeln eintreten 
kann. Dass das in den an mir selbst angestellten Versuchen in 
einem ins Gewicht fallenden Maasse der Fall gewesen ist, möchte 
ich allerdings nach dem subjektiven Empfinden, das ich dabei 
hatte, abgesehen von dem Bestreben, die Atmungsmuskeln nicht 
zu innervieren, nicht glauben. Immerhin mag bei LaieD, an denen 
die Atmung ausgeführt wird, selbst nach vorgängiger Einübung, 
diese Mitatmung zuweilen Vorkommen, und darauf mögen die 
Differenzen in den von uns seinerzeit gefundenen Atemvolumina, 
deren Maxima um 50—90 pCt. die Minimal werte übertreffen 
können, mit zurückzuführen sein. 

Während der Ausführung der Silvester-Brosch’schen Atmung 
gelingt es, wenn auch mit Austrengung, die Atemmuskeln in 
einem von der künstlichen Atmung abweichenden Rhythmus zu 
innervieren, bezüglich der künstlichen Atmung einen Widerstand 
seitens der Atmungsmuskulatur zu setzen. In Versuchen, die ich 
— wieder zusammen mit Herrn G. Meyer — ausführte, und die 
anderenorts ausführlich veröffentlicht werden sollen, setzten wir 


. Liljestrand, G. Wollin und J. 0. Nilsson, Skandinav. 

A V' ****** 1913, Bd. 29, S. 149. 

2) G. Liljestrand, Mitt. Grenzgeb., 1913, Bd. 29, S, 470. 


1) A. Loewy und G. Meyer, Ueber die manuelle künstliche 
Atmung Erwachsener. B.kl.W., 1908, Nr. 24, und ebenda, 1909, Nr. 5 
u. 21. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1658 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCH RIFT. 


Nr. 39. 


nun absichtlich der Silvester-BroscVschen Atmung Widerstand 
durch aktive Anspannung der Atmungsmuskeln entgegen, um den 
unwillkürlich fördernden Faktor des Mitatmens sicher auszuschalten. 

Dabei ergab sich in Versuchen an mir — trotz des Versuches 
willkürlich die Wirkung der von Herrn G. Meyer nach Sil* 
vester - Brosch ausgeführten künstlichen Atmung abzuschwächen 
dadurch, dass ich während der künstlichen Inspiration meine 
Exspirationsmuskeln und umgekehrt meine Inspirationsmuskeln 
während der künstlichen Exspiration inner vierte — doch noch 
ein Minutenvolumen von 10*1 Liter bei 10 Atemzügen, das ist 
ein Liter pro Atemzug. 

Liljestrand, Wo Hin und Nilsson vergleichen in ihrer 
Arbeit mit der manuellen künstlichen Atmung die mit einem von 
Fries angegebenen Atmungsapparat, der auch bei uns (unter dem 
Namen Inhabad) in den Handel kommt. Bei einer Prüfung, die 
wir mit diesem Apparat zu anderen Zwecken Vornahmen, stellten 
wir nun auch wieder den Ventilationseffekt, einerseits bei vor¬ 
sätzlicher Ruhe der Atemmuskeln, andererseits bei willkürlichem 
Widerstand gegen die künstliche Inhabad-Atmung (die übrigens 
nur eine mittels des Apparats erzeugte Silvester’sche Atmungs¬ 
form darstellt) fest. 

Bei mir fanden sich im ersteren Fall einmal 8 Liter, ein¬ 
mal 5,7 Liter pro Minute, bei einer Frequenz von 10 1 / 2 , im 
zweiten Falle, d. b. bei willkürlichem Widerstand gegen die 
künstliche Atmung in zwei Versuchen gleichmässig 6,3 Liter. 
Daraus dürfte hervorgeben, dass ich imstande bin, meine Atmungs¬ 
muskeln während der künstlichen Atmung ausser willkürlicher 
Innervation zu lassen. 

Bei einem jüngeren, noch nicht genügend eingeübten Menschen 
betrug die Ventilationsgrösse bei der Inhabad Atmung einmal 
12,9 Liter, einmal 15,5 Liter pro Minute; bei willkürlichem 
Widerstand gegen sie sank sie auf einen dem meinigen ana¬ 
logen Wert, nämlich auf 5,6 Liter. 

Bei einem aussergewöhnlich kräftigen Manne war die durch 
den Inhabad erzeugte Atemgrösse pro Minute 5 Liter; aber bei 
kräftigem Widerstand dagegen sank sie je nach der Befestigung 
auf dem Iohabadapparat, worauf an dieser Stelle nicht näher 
eingegangen werden soll, auf 2,3—3,5 Liter pro Minute. 

Die Atemfrequenz betrug in allen Versuchen 10—11 pro 
Minute. 

Aus den vorstehenden Ergebnissen geht hervor, dass selbst 
in Versuchen, in denen ein unbewusstes und unwillkürliches Mit¬ 
atmen im Takte der künstlichen Atmung ausgeschlossen ist, weit 
grössere Atemvolumina erzielt werden, als sie Liljestrand, 
Wollin und Nilsson bei ihren Apnoischen zustande brachten. 

Spricht das schon in dem Sinne, dass die Werte der ge¬ 
nannten Verfasser aus irgendeinem Grunde nicht zutreffend sein 
können, so noch mehr das Resultat der Atmungsversuche an 
Leichen, mit denen sich Liljestrand, Wollin und Nilsson 
zu wenig auseinandergesetzt haben. Es ist klar, dass man an 
Leichen ganz erhebliche Differenzen erhalten muss, je nach der 
Elastizität des Thorax (was übrigens beim Lebenden gleichfalls 
ins Gewicht fällt), je nach dem Grade der Leichenstarre und je 
nach dem Zustand der Bronchien und der Lungen, ein Punkt, der 
bei Versuchen an Leichen weit mehr Bedeutung hat als in Ver¬ 
suchen am Lebenden 1 ). 

Es kommt deshalb bei der Beurteilung dieser Versuche im 
wesentlichen darauf an, welche Maximalwerte erreicht werden 
können. Liljestrand, Wollin und Nilsson haben die in Be¬ 
tracht kommenden Werte zusammengestellt, und da zeigt sich, 
dass man auch an Leichen weit höhere Werte mit künstlicher 
Atmung erreichen kann, als sie an ihren apnoischen Menschen 
erzielt haben. So fand das englische Komitee*, das 1862 zur 
Prüfung der Silvester’schen Methode eingesetzt war, bei der Unter¬ 
suchung von sechs Leichen einmal eine Ventilation pro Atemzug 
von 148 ccm, einmal von 164 ccm; dagegen in vier anderen 
Fällen: 410 ccm, 426 ccm, 467 ccm und 689 ccm. 

Ploman fand einmal sogar 1,7 Liter pro Atemzug. G. Meyer 
und ich haben ans nun gleichfalls von der Wirksamkeit der 
Silvester-Brosch’schen Atmung an Leichen überzeugen wollen. 
Die Versuchsanordnung war ähnlich wie beim Lebenden, d. h. 
die Trachea der Leiche wurde nach Einbindung einer Kanüle 
unter Zwischenschaltung vou Darmventilen mit der Gasuhr ver¬ 
banden und die Grösse jeden Atemzuges an ihr abgelesen. Wir 
fanden ähnliche Werte wie die englische Kommission, nämlich 


1) Vgl. dazu die Auseinandersetzungen von Liljestrand, Wollin 
und Nilsson, a. a. 0., S. 209 ff. 


bis zu 400 ccm pro Atemzug an der Leiche eines älteren, im 
Zustande mässiger Starre befindlichen Mannes. 

Auch die Versuche an Leichen ergeben also, dass in den 
Apnöeversuchen von Liljestrand, Wollin und Nilsson ein 
Moment vorhanden gewesen sein muss, das ihre Ventilationswerte 
abnorm herabdrückte. 

Betrachten wir sie nun vom allgemein physiologischen 
Standpunkte, so müssen wir sagen, dass, falls sie zutreffend 
wären, über die manuelle künstliche Atmung eigentlich der Stab 
gebrochen wäre; sie müsste dann als gänzlich wirkungslos be¬ 
trachtet werden; sie könnte gar nichts nützeo, da während ibrer 


Ausführung sehr bald Erstickung eintreten müsste. -I 

Nehmen wir den höheren der von Liljestrand, Wollin ' Si 

und Nilsson angegebenen W r erte, nämlich 190 ccm pro Atemzag. f £ 

Diese 190 ccm gelangen nun nicht in die Alveolen, vielmehr 31 

bleibt der grössere Teil in dem durch Mundhöhle, Trachea und 3 

Bronchien gegebenen sogenannten schädlichen Raum, der, wie 
ich fand, etwa 140 ccm — ein Wert, mit dem jetzt allgemein ' 

gerechnet wird — ausmacht 1 ), ln die Alveolen kommen also # 

nur 50 ccm mit etwa 10,5 ccm Sauerstoff, das wären bei «i 

10 Atemzügen, wie sie höchstens pro Minute nach Silvester fl 

bequem ausgeführt werden können, 105 ccm Sauerstoff pro f 

Minute. Bei 15 Atemzügen pro Minute, die übrigens nach I'i 

Silvester kaum durchführbar sind, würden es 157 ccm sein, h 

während der Sauerstoff verbrauch pro Minute 200—250 ccm $ 


ausmacht! Nehmen wir selbst an, der Verbrauch wäre, was bei 
Ertrinkenden möglich wäre, herabgesetzt und betrüge auch 
nur noch 157 ccm, also soviel, wie bei einer kaum erreichbaren 
Frequenz nach Silvester eingeführt wird, so würde auch dies 
nichts helfen, da zur Ueberführung des Sauerstoffs ins Blut ein 
erheblicher Ueberscbuss an Sauerstoff in den Luogenalveolen vor- T 

banden sein muss, und da das Hämoglobin bei der bestehenden j 

niedrigen alveolaren Sauerstoffspannung sich so wenig mit Sauer- » 

stoff sättigen könnte, dass dauernder Sauerstoffmangel der Gewebe 
bestände. 

Dazu kommt, dass aach die Kohlensäurespannung schnell 
einen das Leben bedrohenden Grad erreichen müsste. 

Bei der Unwirksamkeit, die eine derartige künstliche Atmung 
hätte, müsste man annehmen, dass in allen oder wenigstens in 
einer grossen Zahl derjenigen Fälle, in denen eine Wiederbelebung 
bei künstlicher Atmung noch nach Stunden erfolgte, auch ohne 
letztere, also spontan, Erholung hätte eintreten können. Das * 

widerspricht jedoch der Erfahrung, wenn auch einzelne in der 
Literatur vorliegende Fälle übrig bleiben, für die man dies, falls 
der Scheintod wirklich genügend sicher festgestellt war, gelten 
lassen müsste. 

Angesichts der vorstehend zusammengestellten Bedenken # 

gegen die Richtigkeit der von Liljestrand, Wollin und 
Nilsson angenommenen Werte für den Umfang der künstlichen 
Ventilation muss man versuchen, die Ursache festzustellen, aus 
der bei der Apnoe die Lungenventilation so abnorm gering 
ausfällt, und sich fragen, ob die während des apnoischen Zu¬ 
standes gewonnenen Werte als normale Ventilationswerte be¬ 
trachtet werden bzw. mit den an nicht apnoischen Individuen 
erhaltenen Werten direkt verglichen werden können und als 
Basis zur Beurteilung der Wirksamkeit der künstlichen Respiration - 

im allgemeinen angenommen werden dürfen. 

Das dürfte nun nicht der Fall sein. Denn der Atmungs¬ 
stillstand in der Apnöe stellt etwas ganz anderes dar als der bei 
Scheintoten. Was wir als Apnöe bezeichnen, ist kein passiver 
Zustand, vielmehr befinden sich die inspiratorischen Atmungs- 
muskeln in tonischer Kontraktion, also nicht im Zustand 
der Ruhe, sondern in dem der Tätigkeit. 

Schon vor längerer Zeit hat He ad 2 ) in Versuchen an 
Kaninchen gefunden, dass — wenn auch nicht in allen Fällen . 

das Zwerchfell in der Apnöe einen Tonus aufweist; es steht in ] 

einer mässigen Inspirationsstellung. Ebenso fand später Kostin 8 ), « 

dass in der Apnoe das Zwerchfell tonisch kontrahiert ist, und 
auch bei Mosso 4 ) finden sich Kurven abgebildet, aus denen dieses 
Verhalten auch für den Menschen hervorgeht. 

1) A. Loewy, Ueber die Bestimmung der Grösse des „schädlichen 
Luftraumes“ im Thorax usw. Pflüg. Arch., 1894, Bd. 58, S. 416. 

2) Head, On the regulation of respiration. Journ. of physiol., 

1889, Bd. 10, S. 1. 

3) S. Kostin, Zur Frage nach dem Zwerchfelltonus. Zbl. f. Physiol., 

1903, Bd. 17, S. 617. 

4) A. Mosso, La Physiologie de 1’apnöe etc. Arch. ital. de biolog., 

1903, Bd. 12 , S. 1. 


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28. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1669 


T 


Später bat dann Dittler 1 ) den Tätigkeitszustand des Zwerch- | 
felis während der Apnöe direkter durch den Nachweis von 
Aktionsströmen, die er in allen Fällen fand, nacbgewiesen. 

Ich selbst habe zunächst die Dittler’schen Versuche an 
Kaninchen wiederholt und weiter am Menschen Versuche ange- 
stellt, die gleichfalls das Vorhandensein eines inspiratorischen 
Tonus, beim Menschen auch für die thorakalen Muskeln, be- 
stätigten. 

Meine Versuche wurden im physiologischen Institut der tier¬ 
ärztlichen Hochschule ausgeführt mit der Apparatur und unter 
Anleitang und Hilfe von Prof. Cremer und Dr. Wiedemann, 
denen beiden ich für ihre liebenswürdige Bereitwilligkeit bestens 
zu danken habe. Es wurden die Aktionsströme des Zwerchfells 
an Kaninchen untersucht bei normaler Atmung und während einer 
auf Lufteinblasen mit einem Blasebalg entstandenen Apnöe. Ab¬ 
geleitet wurden die Ströme mit Gelatinepinselelektroden, die 
Cremer für diesen Zweck besonders gestaltete, und deren eine 
mit der Bauchfläch© des Zwerchfells, deren zweite mit dem Pro¬ 
cessus xiphoideus des Brustbeins in Verbindung stand. Die 
Ströme wurden verzeichnet sowohl mit dem Saitengalvanometer 
von Edelmann, wie mit dem Siemens’schen Oscillographen. 
Das Kaninchen, dessen Zwerchfellaktionsströme auf den folgenden 
Karven wiedergegeben sind, war mit Chloralhydrat narkotisiert. 
(Abbildung 1—4.) 

Abbildung 1. 


und 3 ); in der exspiratorischen fehlen sie auf der ersteren, sind 
jedoch auf der letzteren ganz schwach angedeutet. 

Während der Apnöe sieht man dagegen dauernde Aktions¬ 
ströme, deren Intensität geringer, aber nicht viel geringer ist 
als während der normalen Inspirationsphase. 

ln der Apnöe besteht danach ein Tetanus des Zwerch« 
felis. 

In meinen Versuchen an Menschen ging ich zunächst 
ganz einfach so vor, dass ich den Brustumfang über den Mamillen 
und den Bauchumfang in Nabelhöhe während passiver Exspiration 
und während apnoischen Atemstillstandes maass. 


Person 

Körperteil 

Umfang in 

normaler 

Exspiration 

cm während 
Apnöe 

Dr. J. L. 

Brust 

98 V, 

98«/ 2 


Bauch 

95 

95 

S. M. 

Brust 

80 l A» 

8 H /4 


Bauch 

71V» 

72 

R. M. 

Brust 

90 

91V 2 


Bauch 

79 V* 

80 

L. M. 

Brust 

83 

82 V* 


Bauch 

79 

74«/o 

Dr. R. 

Brust 

94 3 /* 

96 


Bauch 

94>/4 

94 , / 2 


Inspiration Exspiration 

* & 



Normale Atmung. Edelmann’s Saitengalvanometer. 
Abbildung 2. 



Apnöe. Saitengalvanometer. Zeitmarken 2 Sekunden. 


Abbildung 3. 



.1 O ä*|j 

Exspiration Inspiration Exspiration Inspiration 

Normale Atmung. Oscillograph. 

Abbildung 4. 



Apnöe. Oscillograph. 

Ablaufgeschwindigkeit des Papiers: 35 mm pro Sekunde. 


Meine Ergebnisse bestätigen vollkommen die Dittler’schen 
Angaben. Während der normalen Atmung finden sich in der 
inspiratorischen Phase stark ausgeprägte Aktionsströme auf der 
aiten galvanometer- wie auf der Oscillographenkurve (Abbildung 1 

Uel)er die Innervation des Zwerchfells usw. Pflüg. 
Arch., 1909, Bd. 130, S. 400. 


| Im Bauch umfang war, wie die vorstehende Tabelle zeigt, 
I ein Unterschied nicht deutlich erkennbar; der Brustumfang war 
jedoch bei drei von den fünf untersuchten Personen deutlich 
i während der Apnöe grösser als auf der Höhe ruhiger Ex¬ 
spiration. 

Die Differenzen sind nicht sehr gross, sprechen aber an drei 
Personen dafür, dass der Brustkorb sich in der Apnöe in 
mässiger inspiratorischer Erweiterung befindet. 

Die Methode gibt jedoch hinsichtlich der Messung des 
Thoraxumfanges für die normale exspiratorische Stellung unsichere 
Ergebnisse. 

Ich habe deshalb im ortbodiagraphischen Röntgen verfahren 
die Stellung von Zwerchfell und Thorax bei exspiratorischer und 
apnoischer Stellung an drei Personen aufgenommen und hier er¬ 
gab sich nun ein deutlicherer Unterschied 1 ). 

Die Ergebnisse werden durch die folgenden Abbildungen 5 
bis 7 illustriert. 


Abbildung 5. 



1 ) Die Aufnahmen geschahen im Röntgenkabinett des Herrn Prof. 
Levy-Dorn. Auch diesem möchte ioh dafür an dieser Stelle danken. 
Das Verfahren ist genau beschrieben in dem Aufsatz von G. Meyer 

tq i -1 L i°QA^ y kt ü «^ er ^ ie manue l le künstliche Atmung Erwachsener. 

B.kl.W., 1908, Nr. 24. 


1 * 


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Original frn-m 

UNIVERSITY OF IOWA 













1660 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 39. 


die normale Exspiration mit Ziffern, für die Apnöe mit Buch¬ 
staben bezeichnet. 

Man sieht, dass die Lage sowohl des Zwerchfelles wie des 
Thorax in den einzelnen Versuchen Schwankungen zeigt. Das 
ist für die normale Exspiration nicht weiter wunderbar; aber 
auch während der Apnöe sind sie, wenn auch im allgemeinen 
weniger ausgesprochen, vorhanden. 


Abbildung 6. 



S. M. 

Ein Vergleich der Stellungen lässt nun erkennen, dass bei 
allen drei Personen das Zwerchfell in der Apuöe tiefer 
steht als bei der Exspiration, d. h. eine mehr inspira¬ 
torische Stellung einnimmt. Der Thorax steht io den Versnchen 
an zwei Personen höher während der Apnöe, d. h. auch 
wieder mehr inspiratorisch, bei der dritten ist der Unterschied 
nicht in allen Bestimmungen ausgesprochen. 

Aus den vorstehenden Versuchen, muss man den Schluss 
ziehen, dass der Zustand der Apnöe, wie es beim Tiere der 
Fall ist, so auch beim Menschen ein aktiver Zustand ist, 
währenddessen das Zwerchfell und meist auch die inspiratorisch 
wirkenden Thoraxmuskeln sich im Zustand der Kontraktion be¬ 
finden. 

Wenn das aber so ist, so ist der apnoische Zustand nicht 
geeignet, als Ausgangspunkt für Respirationsversuche zu dienen, 
welche Aufklärung über deren Ventilationseffekt am erschlafften 
Körper geben sollen. 

Der Tonus der Inspirationsmoskeln muss Widerstände für 
ihre Beweglichkeit und Bewegungsfähigkeit abgeben und damit 


den Effekt der künstlichen Atmung abnorm vermindern. Er ist 
meiner Ansicht nach die Ursache für die unmöglich niedrigen 
Werte, die Liljestrand, Wollin und Nilsson gefunden haben. 

Für die Feststellung des Ventilationseffektes einer künst¬ 
lichen Atmung scheint mir ihre Vornahme an Apnoischen am 
wenigsten zweckmässig, besser noch Versuche an der Leiche, am 
besten aber ihre Vornahme an genügend instmierten and in 
der Stillstellaog ihrer willkürlichen Atmung geübten lebenden 
Menschen. 


Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor: 
Geh.-Rat Prof. Dr. H. Küttner). 

Ueber den sogenannten arterio-mesenterialen 
Duodenalverschluss (Atonia gastro-duodenalis 
acuta). 

Von 

Dr. Eduard Melchior, Assistent der Klinik. 

(Schluss.) 

Wir kommen nun zu einem Punkte, der bisher in den ganzen 
Diskussionen über die Frage des arterio-mesenterialen Duodenal- 
Verschlusses offenbar übersehen wurde, der aber gerade für die 
theoretische Beurteilung dieser Verhältnisse von ganz fundamen¬ 
taler Bedeutung ist. Ich meine den folgenden: 

Wenn wirklich die Mesenterialwurzel auf das Duodenum 
unter diesen Umständen eine nennenswerte Kompression aasüben 
soll, so muss natürlich auch umgekehrt auf das Mesenterium selbst 
eine entsprechende reciproke Druckwirkung angenommen werden. 
Nun verläuft aber gerade — gleichsam wie ein Manometer ein¬ 
geschaltet — an dieser Stelle im Mesenterium ein Gebilde, 
welches wohl geeignet erscheint, anch selbst geringe änssere 
Druckeinwirkungen unverkennbar anzuzeigen, nämlich die Vena 
mesenterica superior. Der Veoendruck an dieser Stelle ist hier 
nämlich sehr gering — bei tiefer Inspiration wahrscheinlich so¬ 
gar unter den Nullwert sinkend —, jedenfalls wissen wir aus 
sonstigen Erfahrungen, wie leicht der Darm bei Druck auf das 
Mesenterium mit dem Eintritt einer Staunng reagiert; man siebt das 
ohne weiteres bei Bauchoperationen, wenn man Darmschlingen aus 
einer kleinen Inzisionsöffnung vorlagert; auch bei der Incarceration 
von Hernien bildet wahrscheinlich die bei enger Bruchpforte so 
leicht eintretende venöse Rückflusshemmung eine der wichtigsten 
Ursachen dafür, dass der ausgetretene Darm nicht wieder zurück- 
schlüpfen kann. 

Die bereits oben erwähnten Experimente, die ich 
an Leichen angestellt habe, dienten mir daher haupt¬ 
sächlich zur Untersuchung der Frage, ob wirklich durch 
Zug am Mesenterium eine wirksame Kompression des 
Duodenums möglich ist, ohne dass gleichzeitig die 
venöse Zirkulation des Mesenteriums eine Störung er¬ 
leidet. Ich ergänzte also die oben skizzierte Versuchsanordnuug 
durch Herstellung eines unter bestimmten Druck stehenden Wasser¬ 
stromes durch das Gebiet der Vena mesenterica superior. Es 
zeigte sich nun hierbei, dass bei einem positiven Venendruck 
von 10 cm Wasser und einem Darminhaltsdruck von 40 cm 
durch Zug am Mesenterium die Darmpassage nur unter gleich¬ 
zeitig, eventuell sogar bereits vorher eintretender 
Stromunterbrechung im Gesamtgebiete oder wenigstens — bei 
hoher Teilung des Stammes — in den Hauptabschnitten des Circu- 
lationsbereiches der Vena mesenterica superior möglich war. Ebenso 
fand ich bei der narkotisierten und künstlich lordosierten Katze, 
dass ein Zug am Mesenterium stets nur unter Eintritt einer 
Venenstase eine irgendwie erhebliche Kompression des Duodenums 
gestattet. 

Absolute Uebertragungen derartiger relativ roher Versuche 
auf das Verhalten am Lebenden sind natürlich nicht möglich. 
Doch wird man aus ihnen wenigstens so viel entnehmen können, 
dass ganz ohne Rückwirkung auf den Venenkreislauf 
der Meseraica superior eine Mesenterialkompression 
des Duodenums nicht möglich ist. Nehmen wir selbst nur 
eine graduelle Erschwerung des Rückflusses an, so würde dies 
bei tagelangem, eventuell wocbenlangem Bestehen der Kompression 
doch schliesslich zu ausgedehnter Stase, Thrombose und damit 
zur Gangrän des Dünndarms und Peritonitis führen müssen, also 
die gleiche Erscheinung zeitigen, wie es dem bekannten Krank¬ 
heitsbilde der Mesenterialvenenthrombose entspricht. 




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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ii- 


I 


k 

§ 




28. September 1914. 

Aber auch io dieser Beziehung versagt bei den autoptisch 
untersuchten Fällen der anatomische Befand den theoretischen 
Voraa8setzungrn gegenüber vollständig; es wird vielmehr fast 
durchweg noch besonders darauf hingewiesen, dass eine venöse 
Hyperämie bzw. Cyanose des im kleinen Becken befindlichen 
Dünndarms nicht bestand. 

Vereinzelte Angaben wie die in Albreohts Fall 2: „Dünndarm 
leicht venös-hyperämisch“ oder im Falle 8: „das Jejunum zeigt im oberen 
Teil und stellenweise auch im unteren etwas cyanotische Injektion) 
ebenso auch das Ileum und Colon* wird dabei wohl niemand iür den 
Ausdruck einer allgemeinen venösen Stauung im Gebiete der Vena 
mesenterica superior ansehen, zumal das Colon überhaupt zu einem 
anderen Gefässbezirk gehört. Als wirkliche Ausnahme figuriert vielmehr 
allein die Beobachtung von Nicaise, bei der der Dünndarm eine 
„violette, schwärzliche“ Verfärbung zeigte. 

Weiterhin fehlt aber auch, wie Braun und Seidel, 
Kayser u. a. hervorgehoben haben, in sämtlichen bisher beob¬ 
achteten Fällen der Befund einer Transsudation in die Bauchhöhle, 
wie er sonst regelmässig im Gefolge von akuten Circulations- 
störungen im Darmtractus beobachtet wird. Selbst in dem oben¬ 
genannten Falle von Nicaise wird das Fehlen jeglichen Ergusses 
besonders betont. Wie demgegenüber Rosenthal von einer In- 
carceration des Dünndarms sprechen kann, ist nicht verständlich 1 ). 

Ein letzter Punkt, an dem die kritische Betrachtung des 
arterio-mesenterialen Duodenalverscblusses nicht vorübergehen 
kann, ist folgender: 

Wie zuerst Lennander nacbgewiesen bat, sind die Bauch¬ 
organe bzw. das viscerale Peritoneum im gewöhnlichen Sinne 
nicht schmerzempfindlich, während das parietale Peritonealblatt 
sich im Gegenteil durch eine ganz besonders gesteigerte Sensi¬ 
bilität auszeichnet. 

In den Mesenterien gehen die Nervenfasern des parietalen 
Bauchfells bis auf 2—3 cm an den Darm heran (Wilms, Wied¬ 
hopf). Es ist nun eine jedem Chirurgen sozusagen in Fleisch 
und Blut übergegangene Erfahrung, dass sich zwar am Darme 
selbst ohne jegliche Anästhesie schmerzlos für den Patienten 
operieren lässt, wird aber nur der geringste Zug am Mesenterium 
ausgeübt, so bäumt sich auch der sonst resistenteste Mensch da¬ 
gegen auf; es sind dies offenbar Schmerzen von so intensiver, 
unerträglicher Art, dass jede Willenskraft ihnen gegenüber völlig 
versagt. Wie qualvoll müsste also ein Zustand sein, bei dem 
stunden- und tagelang ein so starker kontinuierlicher Zug am 
Mesenterium ausgeübt wird, dass das Duodenum dadurch verlegt 
wird. Den Schmerzen einer akuten Perforationsperitonitis, einer 
schweren Bruchincarceration würde diese Form der inneren 
Strangulation jedenfalls nichts nachgeben. 

Der an sogenanntem arterio-mesenterialen Duodenal Verschluss 
erkrankte Patient würde wahrscheinlich diesen theoretischen 
Ueberlegungen recht wenig Verständnis entgegenbringen. Es sind 
zwar ganz vereinzelte Fälle beschrieben worden, z. B. die von 
Schmorl-Kelling, Brown, wo der Beginn ein akuter mit 
heftigen Schmerzen war, in der übergrossen Mehrzahl der Fälle 
fehlt jedoch eine derartige Phase vollkommen; im Gegenteil, sehr 
häufig lässt gerade das relativ ungestörte subjektive Befinden 
anfangs die Schwere der Situation völlig verkennen. Man denke 
z. B. an Zweifelt Patientin, die gewaltige Mengen „nicht ohne 
einen gewissen Humor“ erbrach; bei einer wirklichen mesen¬ 
terialen Strangulation würde das Bild sich sicher ganz anders 
darstelien. Die im Spätstadium gelegentlich vermerkten schmerz¬ 
haften Sensationen, die meist der Gegend der lokalen Auftreibung 
entsprechen, lassen sich dagegen wohl ungezwungen auf den 
schmerzhaften Druck der Magenblähung beziehen, ein Phänomen, 
wie man es auch bei der zu diagnostischen Zwecken erfolgenden 
künstlichen Aufblähung des Magens beobachten kann. 

Ziehen wir nunmehr das Fazit der bisherigen Dar¬ 
legungen, so ergibt sich, dass einerseits die für einen 
primären mesenterialen Duodenalverschluss notwen¬ 
digen Kräfte beim Lebenden fehlen, weiterhin hat aber 
die klinische Analyse gezeigt, dass auch die Symptome 
dieser Erkrankung nicht denen entsprechen, wie man 
sie nach den obigen theoretischen Voraussetzungen er¬ 
warten sollte. Es erhebt sich also die Frage: was liegt 
in Wirklichkeit bei den als mesenterialer Duodenal- 
erscbluss rubrizierten Fällen vor? — Die Antwort hierauf 
ist eigentlich längst gegeben, indem seit Stieda eine Reihe von 

1) Aus ähnlichen Erwägungen heraus ist vielleicht auch bei der 
Annahme der Entstehung von flydronephrosen durch Kompression seitens 
abnorm verlaufender Blutgefässe eine gewisse Vorsicht geboten. 


Autoren in dem sogenannten arterio-mesenterialen Duodenal¬ 
verschluss — allerdings ohne völlig ausreichende Beweisführung — 
nichts anderes erblickt haben, als höchstens eine Sonder¬ 
form der sogenannten akuten Magendilatation; klinisch 
und anatomisch überaus gleichartige Krankheitszustände sind — 
man kann sagen unterschiedslos — unter diesen beiden differenten 
Benennungen beschrieben worden. 

Der Begriff der akuten Magendilatation selbst ist ein 
nach der klinischen wie experimentellen Seite gut fundierter; das 
ihr zugrunde liegende Moment bildet eine, wahrscheinlich in 
erster Linie auf dem Nervenwege vermittelte, motorische 
Parese bzw. Paralyse dieses Organs. 

Die wichtigste Ursache für den Eintritt einer derartigen 
Lähmung bildet, wie Braun und Seidel im Anschluss an frühere 
Versuche von Kelling überzeugend nachweisen konnten, die 
Narkose, also ganz entsprechend der klinischen Aetiologie des 
arterio-mesenterialen Duodenalverschlusses. Es verliert nämlich, 
wie sich aus den Experimenten jener Autoren ergibt, der Magen 
des narkotisierten Hundes die im wachen Zustande vorhandene 
Fähigkeit, sich bei künstlicher Aufblähung durch Ructus oder 
Erbrechen zu entleeren; man kann ihn bis zum Bersten auf- 
bläben, ohne dass dieser Reflex eintritt. Da nun die Durch- 
schneidung der Vagi 1 ) sowie eioe hohe — oberhalb des 6. Brust¬ 
wirbels vorgenommene — Durchtrennung des Rückenmarks einen 
ähnlichen Effekt zeitigt, darf man also annehmen, dass das Ver¬ 
sagen des Brechreflexes in der Narkose auf einer centralen 
Lähmuog beruht. Auch beim Menschen tritt, wie die tägliche 
Erfahrung des Operationssaales lehrt, in tiefer Narkose eine Auf¬ 
hebung des Brechreflexes ein. Gewöhnlich wird nun diese 
Areflexie mit dem Aufhören der Narkose von einem vorüber¬ 
gehenden Stadium der gesteigerten Erregbarkeit — Narkosen¬ 
erbrechen! — abgelöst. „Dann tritt meist Rückkehr der normalen 
Magenfanktion ein, oder aber in seltenen Fällen tritt an Stelle 
der Erregung das Stadium herabgesetzter Erregbarkeit (Ermüdung) 
oder Lähmung des ermüdeten Organs ein. Mit Eintreten dieses 
Stadiums sind die Bedingungen für die akute Dilatation beim 
Menschen geschaffen.“ (Braun und Seidel.) Tatsächlich fand 
Payer in einer grösseren klinischen Untersuchungsreihe, dass 
sogar fast regelmässig nach Narkosen eine Atonie des Magens 
festzustellen ist, die sich jedoch gewöhnlich innerhalb von 12 bis 
24 Stunden wieder zurückzubilden pflegt. 

Die eigentliche Dilatation des atonischen Magens selbst kann 
natürlich erst bei Gegenwart von Mageninhalt — speziell flüssiger 
und gasförmiger Art — zustande kommen. Es braucht sich hier¬ 
bei nach Braun nnd Seidel mitunter vielleicht nur um eine 
vermehrte Magensekretion zu handeln, verursacht „durch eine 
gleichzeitige starke Alteration des sekretorischen Apparates“. 
Ferner findet bei atonischer Insuffizienz des Pylorus leicht ein 
Einströmen von Galle — resp. von Duodenalinhalt überhaupt — 
statt. Es genügt unter solchen Umständen aber auch die wieder¬ 
holte Aufnahme von selbst geringen, unter normalen Umständen 
unschädlichen Flüssigkeitsmengen, um hier — infolge der durch 
die motorische Paralyse bedingten Anstauung — allmählich zur 
Ueberfüllung zu führen. Schwerwiegender sind natürlich direkte 
Diätfehler; speziell scheint das Trinken gashaltiger Flüssigkeiten, 
wie Selterwasser, Bier u. dergl. eine besonders ominöse Bedeutung 
zu besitzen. Dass ein übermässiges Luftschlucken, „Aerophagie“, 
im gleichen Sinne wirken kann, ist Bicher; ob man es aber als 
alleinige Ursache der hier in Frage stehenden Zustände ansehen 
darf — wie es Leriche*) annimmt — mag fraglich sein. 

Handelt es sich nm eine vorausgegangene Bauchoperation, 
speziell um Eingriffe am Magen resp. seiner Umgebung, so wird 
das Zustandekommen der Atonie bekanntlich begünstigt durch 
längeres Manipulieren an diesen Organen; das gleiche gilt von 
lokalisierten, eventuell auch nur ganz geringgradigen peritoniti- 
schen Prozessen, wie sie namentlich nach Operationen an infizierten 
Gallenwegen wohl selten ganz ausbleiben. 

Gröbere mechanische Momente, wie der Druck eines 
Tampons auf das Duodenum (v. Hab er er), Anwesenheit von Ad¬ 
häsionen, mögen vielleicht ebenfalls gelegentlich eine Bedeutung 
für das Zustandekommen der paralytischen Magendilatation be¬ 
sitzen, leiten aber bereits über za Zuständen, die, streng ge- 

1) Hüttner verlor eine wegen Lungenfistel und Pyopneumothorax 
operierte Patientin an einer enormen, akuten Dilatation des Magens. 
Der Vagus fand sieh bei der Sektion in entzündliche Schwielen ein¬ 
gebettet. (Chirurgenkongress 1908.) 

2) Revue de medeoine, Oktober 1911, und Lyon ohirurgical, 1. März 
1914. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 39. 


nommen, nicht mehr in dieses Gebiet gehören. Aach hat Ax* 
hausen darauf hingewiesen, dass das klinische Bild in 
Fällen von wirklicher mechanischer hoher Dünndarm* 
Verlegung durchaus nicht dem als akuten mesenterialen 
Duodenalverschluss bezeichneten Krankheitsbilde ent¬ 
spricht 1 ). 

Für die Fälle, in denen erschöpfende — zumeist infektiöse — Er¬ 
krankungen vorausgegangen sind, ist nach dem Vorgänge von B rin ton 2 3 * ) 
vielleicht eine toxische Schädigung des Centralnervensystems als Ursache 
der Magenparalyse anzunehmen. 

Die Rolle, welche die Magenmuskulatur primär bei diesen 
Zuständen spielt, wird verschieden beurteilt; dass jedenfalls 
sekundär bei maximaler Dilatation des Magens leicht eine nach¬ 
haltige schädliche Ueberdehnung derselben eintreten kann, ist 
wohl ohne weiteres anzunehmen. — 

Der nächstliegende Einwand gegen eine Identifizierung der 
akuten Magenblähung mit dem als arterio-mesenterialem Duodenal¬ 
verschluss bezeichneten Krankheitszustande wird natürlich der 
sein müssen, dass im ersteren Falle die Dilatation nur den 
Magen betrifft, während beim sogenannten Mesenterialverschluss 
auch das Duodenum an dieser Blähung partizipiert. 

Dieser Einwand ist jedoch nur ein scheinbarer. In Wirk¬ 
lichkeit kommen nämlich zwischen jenen Grenzfällen 
alle möglichen Uebergänge vor. So begegnen wir — vgl. 
z. B. die bei Kayser gegebene Zusammenstellung — neben autopti- 
schen Befunden von annähernd reiner Magenbläbung anderen mit 
partieller Beteiligung des Duodenums und schliesslich auch 
noch solchen, in denen selbst noch das obere Jejunum 8 ) jenseits 
der Mesenterialkreuzung gebläht ist, ohne dass im einzelnen Falle 
ein Anhalt für ein grob-mechanisches Passagehindernis zu be¬ 
stehen braucht. 

So fand sich z. B. in einem Falle von Kirch „das Duodenum 
stark erweitert, ebenso die oberen Dünndarinabschnitte“; ähnlich 
lautete der Befund in einer von Hood mitgeteilten Beobachtung. 
Der üebergang von dilatierten zu kollabierten Darmscblingen ist 
dabei häufig ein ganz allmählicher, wie es Wiehern in einem 
Falle von akuter Magendilatation nach Typhus fand: Die Weite 
der Pars descendens duodeni war fast armdick, um dann allmäh¬ 
lich abzunebmen; „am üebergang der Pars horizontalis inferior 
in das Jejunum fehlte jede Einschnürung 11 . 

Besonders interessant erscheint in dieser Hinsicht ein von 
Kausch mitgeteilter Fall von akuter Magendilatation, wo der 
üebergang von geblähtem Duodenum in das Jejunum zwar ein 
plötzlicher war, aber gar nicht der Mesenterialkreuzung entsprach, 
sondern vielmehr 2—3 cm hinter dieser Stelle gelegen war. Man 
nehme nun an, dass dieser kritische Punkt zufällig einige Centi- 
meter höher gelegen wäre, und die Versuchung, einen mesen¬ 
terialen Duodenalverschluss zu konstruieren, würde natürlich recht 
nahe liegen. 

Im übrigen ist aber doch das gelegentlich konstatierte Auf¬ 
hören der Blähung des Duodenums au der Mesenterialkreuzung 
vielleicht nicht immer ein rein zufälliges. Wenn man nämlich 
bedenkt, dass schon nach den Feststellungen der normalen Ana¬ 
tomie (s. oben) das Duodenum sich an dieser Stelle durch eine 
Einschnürung markiert, so wird man sieb vorstellen können, dass 
bei fortschreitender paralytischer Dilatation des Zwölffingerdarms 
dieser Kreuzungspunkt leicht eine gewisse zeitweise 
Etappe darstellen mag. Ich meine also: nicht der Mesen¬ 
terialdruck bewirkt die Blähung des Zwölffingerdarms, 
sondern vielmehr umgekehrt, infolge der Blähung des 
oberen Duodenums tritt jene relative Duodenalenge 
deutlicher in die Erscheinung. Die im Falle Bäumler 
gefundenen oberflächlichen anatomischen Läsionen des Duodenums 
liessen sich also ungezwungen durch den Druck des geblähten 
Zwölffingerdarms gegen diese relative Barriere erklären, wie dies 
auch schon Braun und Seidel angenommen haben. 

Leider scheinen Untersuchungen darüber, ob nicht auch bei länger 
bestehendem, tiefem Dünndarmileus mit allgemeiner Blähung der oberen 


1) Die in Bäumler’s Fall von Zeit zu Zeit beobachteten „schwachen“ 
peristaltischen Wellen über der Magengegend — in anderen Fällen 
wurde meines Wissens ein ähnlicher Befund nicht erhoben — dürften 
im übrigen wohl kaum als Ausdruck einer wirklichen Magensteifung 
oberhalb eines mechanischen Hindernisses aufzufassen sein. 

2) Lectures on diseases of stomach, 1853 (s. speziell S. 245). 

3) Klinisch weist auf diese Beteiligung das gelegentliche Auftreten 

von fäkulentem Erbrechen hin. 


Darmabschnitte ähnliche Veränderungen an der Mesenterialkreuzung Vor¬ 
kommen, nicht vorzuliegen. 

Wenn v. Hab er er gegen die Identifizierung der beiden zur 
Diskussion stehenden Krankheitsformen den Einwand geltend macht, 
dass „in einer ganzen Reihe von Beobachtungen“ beim mesenterialen 
Duodenalverschluss der Magen nicht dilatiert gefunden wurde, so 
sind mir selbst derartige Beobachtungen nicht bekannt geworden; 
speziell beziehen sich auch die von v. Haberer zitierten Sektions- 
befunde von P. A. Albrecht beide auf solche mit hochgradiger 
Magenektasie. Im übrigen würde man aber bezüglich dieses Ein- 
wandes noch berücksichtigen müssen, dass, wie oben ausgeführt, 
das Primäre bei der sog. Magendilatation die Lähmung darstellt, 
die Dilatation dagegen in ihren höheren Graden nur als 
sekundärer Vorgang aufzufassen ist, bedingt dnreb die Gegenwart 
von flüssigem oder gasförmigem Mageninhalt. Wenn es nun gelingt, 
diese Inbaltsmassen mit der Sonde zu eotleeren, so kann damit 
die Dilatation z. T. beseitigt werden, während die Atonie trotz¬ 
dem weiter zu bestehen vermag. Es dürfte daher prinzipiell 
richtiger sein, jene Erkrankung nicht als akute Dila¬ 
tation, sondern als Atonie des Magens zu bezeichnen; 
für die mit Beteiligung des Zwölffingerdarms einher¬ 
gehenden Fälle möchte ich dementsprechend den Namen 
der Atonia gastro-duodenalis acuta vorschlagen. 

Es ist nun vielfach der Versuch gemacht worden, die Theorie 
des arterio- mesenterialen Duodenal Verschlusses — wenigstens 
partiell — dadurch zu retten, dass man zwar als das primäre 
Moment die akute Magenatonie gelten lässt, weiterhin aber an¬ 
nimmt, dass infolge der zunehmenden Magendilatation der Dünn¬ 
darm in das kleine Becken gedräDgt wird, die Mesenterialwurzel 
sich strafft und somit aus dem vorübergehenden Zustande der 
Atonia gastrica der definitive mesenteriale Duodeoalilens sich 
entwickelt (Lecene u. a.). 

Mir erscheint aber auch diese Auffassung nicht viel für sieb 
zu haben; denn wenn wirklich die Mesenterialstraffaog eine 
erheblichere, praktisch in Frage kommende Komponente dieses 
Krankheitsbildes darstellte, so müsste man auch hier anatomisch 
die Zeichen der Strangulation, Störungen der Darmcircnlation 
sowie klinisch die Symptome der peritonealen Zerrung sich ent¬ 
wickeln sehen, wovon aber in Wirklichkeit keine Rede ist. — Dass 
dagegen überhaupt mechanische Momente bei hochgradiger Dila¬ 
tation des Magens komplizierend die Sitnation erschweren können, 
soll damit nicht ohne weiteres bestritten werden. So ist es z. B. 
sehr wohl möglich, das9 schon der direkte Druck eines maximal 
gefüllten Magens auf das Duodenum den Abfluss erschweren kann 
(L. Meyer u. a), auch sind Abknickungen des Darmes, die in 
ihrer Lokalisation allerdings ein recht variables Verhalten bieten 
können, unter diesen Umständen beobachtet resp. angenommen 
worden (Kelling u. a.). 

Der Versuch ex juvantibus eine Unterscheidung 
zwischen der einfachen Magenparalyse und dem sog. 
arterio - mesenterialen Duodenalverschluss zu kon¬ 
struieren darf wohl ebenfalls als missglückt bezeichnet werden. 
Man ist dabei von der Voraussetzung ausgegangen, dass es sich 
in den Fällen, wo allein die Magenausheberung zum Ziele führt, 
um die idiopathische Dilatation handelt, während da, wo erst 
mit Anwendung der beschriebenen Lagerungstherapie der kurative 
Erfolg eintritt, die Annahme einer mechanischen mesenterialen 
Occlusion zu Recht bestehen soll. 

Ein zwingender Beweis für die Richtigkeit dieses Unter¬ 
scheidungsprinzips fehlt indessen. 

So kann bei der akuten Magendilatation, wie Borchardt 
auf Grund einer autoptisch kontrollierten Beobachtung erfahren 
musste, die Entleerung des Magens mittels der Sonde schon ein¬ 
fach deswegen versagen, weil bei hochgradigster Mageuer Weiterung 
der Flüssigkeitsspiegel eventuell so tief liegt, dass ihn ein vom 
Munde aus eingeführter Magenschlaucb von gewöhnlicher Länge 
nicht mehr erreicht. Andererseits blieb in dem Falle Nicaise, 
der auf Grund des Sektionsbefundes als Typus der mesenterialen 
Duodenalocclußion gelten könnte, die von dem Patienten spontan 
angewandte Knieellenbogenlage ohne jeden Einfluss auf den 
weiteren Verlauf. Ueberbaupt wird man ja, worauf schon 
Kelling hingewieseD hat, wohl kaum annehmen können, dass 
in solchen Fällen der Dünndarm bei der Anwendung der Bauch¬ 
lage aus dem kleinen Becken „herausrutscht“; bei wirklich 
vorhandener starker Ausdehnung des Magens würde der Raum 
dazu fehlen. Der Effekt dieser Lageveränderung dürfte vielmehr 
oft genug einfach dadurch bedingt sein, dass, wie auch Payer 


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- 28. September 1914. 

vermutet, die Flüssigkeit — deren Spiegel bei maximaler Magen- 
bläbung sich weit unter dem Niveau des Pylorus befindet — 
infolge der Bauchlage in den Bereich des Magenausgangs ge¬ 
bracht wird und somit leichter abfiiessen kann. Ein ähnliches 
Verhalten mag vielleicht gelegentlich auch hinsichtlich der Lage¬ 
beziehungen zur Cardia gelten. So berichten Mayo Robson 
und Moyniban 1 ) über einen Fall, bei dem sofort nach Ein¬ 
nahme der Bauchlage copiöses Erbrechen eintrat. Auch etwaige 
Knickungen könnten möglicherweise durch einen derartigen Lage- 
Wechsel zum Ausgleich gebracht werden. Ausserdem vermag 
unter Umständen, wie es z. B. Walzberg beobachtete, schon die 
einfache Seitenlage — die doch wohl kaum von entsprechendem 
Einfluss auf die Lagerung des Dünndarms im kleinen Becken sein 
kann — den gleichen therapeutischen Effekt wie die Bauchlage zu 
zeitigen. — Ich möchte schliesslich noch darauf binweisen, dass auch 
nach Magenresektionen Billroth II — also unter Verhältnissen, wo 
eine Mesenterialkompression des Duodenums jedenfalls unwirksam 
bleiben wurde, da dieses supponierte Hindernis bereits mit der 
Gastrojejunostomie umgangen wäre — gelegentlich ganz ähnliche 
Zustände beobachtet werden, die nur als atoniscbe aufgefasst 
werden können, und die ebenfalls durch Anwendung der Bauch- 
bzw. Seitenlage sich günstig beeinflussen lassen 2 ). 

Die theoretische Seite der Atonia gastro duodenalis acuta 
können wir hiermit verlassen, um zum Schlüsse die Frage der 
Therapie kurz zu erörtern. 

Ganz an erster Stelle steht hierbei die Prophylaxe und 
zwar gilt dies besonders für die postoperativen Fälle. Wir wissen 
heute, dass zartes Manipulieren am Magendarmtraktus, möglichste 
Vermeidung von Eventrationen, Zurückhaltung mit der Einlegung 
von Tampons sowie tunlichste Kürze des ganzen Eingriffes und 
der Narkose die besten Mittel sind, um der Entwicklung post- 
operativer Atonien vorzubeugen. Dass eine allzu ausgiebige ener¬ 
gische Entleerung des Intestinaltraktus, wie sie früher meist zur 
Vorbereitung von Operationen geübt wurde, ebenfalls nach dieser 
Richtung hin nicht ohne Gefahr ist, hat namentlich Landau 
betont. 

Weiterhin ist prinzipiell zu verlangen, dass bei jedem 
Operierten — also auch nach nicht-abdominellen Eingriffen — 
unbedingt die Magendarmtätigkeit strikte kontrolliert 
wird. Eine alte wichtige Regel besteht hierbei darin, dass den 
Patienten niemals vor Eintritt bzw. Aufhören des postnarkotiscben 
Erbrechens zu trinken erlaubt wird; ist doch nach den genannten 
Versuchen von Braun und Seidel anzunehmen, dass bis dahin 
der Magen sich in einer kritischen Phase befindet, die bei hinzu¬ 
tretender Belastung leicht zur Dilatation mit allen ihren Folge¬ 
erscheinungen führen kann. 

Die Notwendigkeit, anfangs immer nur kleine Nahrungs¬ 
und Flüssigkeitsmengen auf einmal zuzuführen, die Vermeidung 
moussierender Getränke ergibt sich aus den gleichen Gesichts¬ 
punkten. 

Ebenso scheint die frühzeitige Anregung der Darmperistaltik 
durch Einlegung eines Darmrohres, Clysmata usw. auch den 
Tonus des Magens günstig zu beeinflussen. 

Ganz in der gleichen Weise sollte aber auch bei internen 
Patienten, die durch langwierige infektiöse Erkrankungen an das 
Bett gefesselt waren, das Verhalten der motorischen Magen¬ 
funktion Gegenstand einer besonderen ärztlichen Kontrolle bilden; 
es gilt dies namentlich für Typhnsrekonvaleszenten, bei denen 
leicht infolge des um diese Zeit meist eintretenden erhöhten 
Hungergefühls der geschwächte Magen überlastet wird. 

Kommt es trotz Beobachtung dieser Vorsichtsmaassregeln 
doch einmal zu einer Stagnation im Magen, worauf in der Regel 
eia prolongiertes, namentlich auch galliges Erbrechen hindeutet, 
so bildet die frühzeitige Einführung der Magensonde — eventuell 
mit nachfolgender Spülung — das souveräne Mittel, um einer 
stärkeren Dilatation des Magens im Sinne des sogenannten 
Mesenterialverschlasses vorzubeugen; wenigstens sprechen die von 
Körte, v. Haberer, sowie auch die an der Küttner’schen 
Klinik gewonnenen Erfahrungen durchaus in diesem Sinne. 

Irgendeine Gefahr scheint diese Ausheberung mit dem 
Schlauche bei regelrechter Ausführung nicht zu besitzen. Selbst 


1) Diseases of the stomach, 2. ed., 1904 (p. 389 ff). 

2) Ich möchte im übrigen glauben, dass auch der sogenannte Cir¬ 
culus nach Gastroenterostomien häufig nichts anderes darstellt, als^ eine 
akute Magenatonie, wie aus dem guten Erfolge bei frühzeitiger Spülung 
und Anwendung der Seiten- oder Bauohlage hervorgeht. 


nach Magenresektionen mit Knopfanastomose haben wir ans 
niemals gescheut, gegebenenfalls selbst schon vor Ablauf der 
ersten 24 Stunden die Sonde einzuführen, ohne schädliche Folgen 
hiervon zu sehen. 

Die weitere Flüssigkeitszufuhr per os ist dann für einige 
Zeit — also in der Regel 12—24 Stunden, eventuell aber auch 
noch länger — zu sistieren und mittels subcutaner Infusionen, 
Nährklystieren usw. zu ersetzen. 

Dass ausser der Sondenbehandlung Lageveränderungen, 
speziell die Anwendung der Bauchlage, selbst bei bereits ein¬ 
getretener Dilatation mitunter — wenn auch keineswegs regel¬ 
mässig — von eklatantem Nutzen sein können, wurde bereits 
oben ausgeführt. 

Immerhin darf dieses Verfahren nicht als ganz indifferent 
angesehen werden. Wenn man sich vergegenwärtigt, welche 
enormen Dimensionen der Magen unter diesen Umständen ge¬ 
winnen kann, so wird die von Borchardt gemachte Erfahrung, 
dass anf diese Weise ein erhöhter Druck auf das Zwerchfell und 
damit eine sekundäre Beeinträchtigung der Herztätigkeit eintreten 
kann, durchaus begreiflich. 

Für denjenigen, der die Vorstellung vertritt, dass bei diesen 
Zuständen ein echter, mechanischer Ileus vorliegt, müsste natürlich 
das nächstliegende sein, das Hindernis — da man begreiflicher¬ 
weise nicht das Mesenterium wie einen beliebigen Strang einfach 
durchtrennen kannn — durch eine Anastomose zwischen Magen 
und Jejunum zu umgehen. Die traurigen Erfolge, welche 
derartige Operationen gezeitigt haben, hätten eigent¬ 
lich allein schon zu einer Ablehnung jener Theorie 
führen müssen. In Wirklichkeit wird nämlich durch eine 
solche Operation der bereits atonische Magen noch mehr geschwächt, 
und ein Funktionieren der Gastroenterostomie ist unter solchen 
Verhältnissen ausgeschlossen. Wir wissen ja, namentlich auf 
Grund der Versuche von Stieda, dass eine „rein mechanische, 
gewissermaassen drainierende Wirkung“ der Gastroenterostomie 
keineswegs zukommt, sondern hierzu stets die erhaltene muskuläre 
Funktion des Magens die Voraussetzung bildet. — Auch die mehr¬ 
fach versuchte Anlegung einer Magenfistel hat in diesen Fällen 
bisher versagt. Ob vielleicht eine Jejunumfistel mehr nützen 
würde, wäre zu erwägen, doch wollen wir die Mahnung 
Borchardt’s nicht vergessen, dass es sich nicht darum handelt, 
„den richtigen chirurgischen Eingriff zu wählen, sondern durch 
frühzeitige Diagnose jeden chirurgischen Eingriff überflüssig zu 
machen“. 

Zum Schlüsse noch einige Worte über die chronische 
Form des sog. arterio-mesenterialen Duodenal Verschlusses. 

v. Haberer hat eine intermittierende Form dieses Leidens 
bei der Trägerin einer grossen Nabelhernie beobachtet; Bircher 
hat kmrz eine Reihe weiterer Fälle mitgeteilt, wobei allerdings 
anffällt, dass gleichzeitig eine Hyperacidität bestand, während 
zum Bilde der tiefen Duodenalstenose gewöhnlich eine durch 
Regurgitation von Galle und Pankreassaft bedingte Anacidität 
resp. alkalische Reaktion des Mageninhalts gehört. Bloodgood 1 ) 
berichtet über mehrere Fälle, bei denen er die Anspannung des 
Mesenteriums auf ein Herabsmken des habituell gedehnten Blind¬ 
darms in das kleine Becken zurückfübrt. Entsprechend dieser 
Theorie heilte Verf. dieselben „durch Resektion der rechten Hälfte 
des Dickdarms“ (!). 

Wer sich jedoch die Mechanik dieser Vorgänge auf Grund 
der obigen Darstellung vergegenwärtigt, wird von vornherein 
anch der chronischen Form des sog. mesenterialen Duodenal- 
Verschlusses mit einer gewissen Skepsis gegenübersteben. 

Es gilt dies um so mehr, als z. B. Lane 2 ) und Jordan über 
klinisch sonst ganz gleichartige Fälle berichtet haben, in denen 
die Erscheinungen von den genannten Autoren — zumal auf 
Grund von Röntgenbeobachtungen — nicht auf eine Mesenterial¬ 
kompression des Duodenums, sondern vielmehr auf eine Abknicknng 
an der Flexura duodeno-jejunalis zurückgeführt wurden. Zu einer 
endgültigen Beurteilung dieser Verhältnisse reicht indessen das 
vorliegende Material vielleicht noch nicht aus. 


1) Ref. Centralbl. f. Chir., 1912, S. 1525. 

2) Ref. Centralbl. f. Chir., 1911, S. 1075. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1664 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89, 


Die Behandlung der Colitis gravis mittels 
Spülungen von der Appendicostomie aus. 

Von 

Dr. E. Faid. 

(Vortrag gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 8. Juli 1914.) 

M. H. Ich möchte Ihnen an zwei Patienten eine Behand¬ 
lungsart demonstrieren, die zwar nicht neu ist, die jedoch 
seit Jahren in dieser Gesellschaft keine Erwähnung gefunden 
hat und, wie ich mich im Gespräch mit geschätzten Kollegen 
überzeugt habe, wenig bekannt ist oder, wie mir scheint, nicht 
nach Gebühr gewürdigt wird. 

Es ist dies die Behandlung des Dickdarms mittels Spülungen 
von der Appendicostomie aus. 

Hinsichtlich der Technik nur die Bemerkung, dass mein 
Vorschlag nach Analogie mit dem Dastre’schen Vorgehen die 
Appendix neben der Laparotomiewunde zu einem Troicartstich 
herauszuleiten sich als vorteilhaft erwiesen hat. 

Bei der Häufigkeit der Appendicectomie ist es von Wert, dass neben 
der Appendicostomie eventuell die valvuläre Coecostomie nach Gibson 
zur Verfügung steht. 

Ein langes, eventuell dauerndes Offenlassen der Fistel 
betrachte ich nicht als Ausnahme, sondern als Erfordernis für 
ein Dauerresultat. 

Dabei sei ausdrücklich und gleich von vornherein vorgehoben, 
dass es sich wesentlich um eine interne Behandlung handelt, und 
dass der minimale chirurgische Eingriff weiter keinen Zweck 
hat als den, eine erfolgreiche interne Behandlung zu gewährleisten. 
Diese Methode ist dem Geiste des bekannten amerikanischen Arztes 
Weir entsprungen. 

Die Indikation zu dem skizzierten Vorgehen wurde in 
beiden Fällen gebildet von einer Colitis. Dnd zwar handelte 
es sich nicht um den gewöhnlichen Dickdarmkatarrb, die Colitis 
mucosa — diese kann nach meiner Ueberzeugung mit dem gewöhn¬ 
lichen Rüstzeug der internistischen Behandlung in allen Fällen 
erfolgreich bekämpft werden, so dass wir denen nicht zu folgen 
brauchen, die die Appendicostomie auch bei dieser Erkrankung 
einführen wollten. 

Vielmehr gehört die Colitis, welche bei den beiden vor¬ 
gestellten Patienten besteht, einer andern Form an, welcbe wesent¬ 
lich grössere Schwierigkeiten macht, Schwierigkeiten, welche 
schon bei der Definition und Namengebung beginnen. Diese 
Krankheit wurde von Herrn Boas zuerst beschrieben, während 
wir ihre genaue Schilderung Herrn Rosenheim verdanken, der 
sie mit dem Namen Colitis gravis versehen hat, einer indifferenten 
Bezeichnung, bei der man -meines Erachtens ruhig bleiben könnte 
— andere Bezeichnungen sind Colitis ulcerosa, Colitis granulosa, 
Colitis suppurativa u. s. f. 

Das Krankheitsbild der Colitis gravis ist demjenigen der 
echten Dysenterie ausserordentlich ähnlich; es bestehen Störungen 
der Stuhltätigkeit meistens im Sinne einer Diarrhöe, blutige Bei¬ 
mengungen beim Stuhl, auch wohl isolierte Abgänge einer 
blutigen Flüssigkeit, Tenesmen. 

Der Krankheitsverlauf ist ausserordentlich wechselnd, 
grosse Schmerzen pflegen nicht vorhanden zu sein, dafür ist der 
Kräfte- und Gewichtsverfall häufig erschreckend. Die Differen¬ 
tialdiagnose gründet sich lediglich auf Ausscbliessung anderer 
Krankheiten — positive Momente für die Diagnose Colitis 
gravis besitzen wir noch nicht, da ihr Erreger und ihr Wesen 
noch völlig ungeklärt sind. Einigermaassen typisch ist der all¬ 
mähliche Beginn des Leidens. Wahrscheinlich werden sich mit der 
Zeit verschiedene Krankheitsbilder aus ihm berausscbälen, ähnlich 
wie dies hinsichtlich der echten Dysenterie schon geschehen ist. 

Auf all diese Punkte gehe ich nicht weiter ein, nachdem 
die Colitis gravis erst vor Kurzem ein Hauptthema auf der 
Tagung der Magen-, Darm- und Stoffwecbselärzte gebildet hat. 

Was aber scharf hervorgehoben zu werden verdient, das 
ist die Notwendigkeit einer genauen lokalen Untersuchung 
jedes Falles von Colitis mit Blutabgängen, auch dann, wenn 
Stuhlverstopfung besteht. 

Es ist ja so naheliegend in solchen Fällen einfach zu sagen: 
der Mann ist verstopft, natürlich bat er auch Hämorrhoiden. 
Bei einem der Fälle, den ich vorstelle, wurden von ärztlicher 
Seite auch auf Hämorrhoiden geschlossen. 

Das Gegenbeispiel erlebte ich vor nicht langer Zeit bei 
einer Frau, die wegen vermeintlicher Colitis gravis monatelang 
innerlich behandelt war, während ein einziger Blick ins Rectoskop 


zeigte, dass diese Behandlungsart gar keinen Erfolg haben konnte, 
da es sich um eine diffuse Polyposis bandelte. 

Ich lasse sogleich die Schilderung der Symptome bei 
dem ersten Patienten folgen. 

Es handelt sich um einen Bl jährigen Sohutzmann, der mich am 
15. 11. 12. aufsuobte. Seit längerer Zeit litt er an Obstipation, seit 
fast einem Jahr batte er bemerkt, dass Knoten aus dem After austraten 
und seit fünf Monaten waren Blutungen aufgetreten; ausserdem litt er 
an Tenesmen und Dysurie. 

Bei der Aufforderung zu pressen, einer Untersuchungsart, die man 
bei Affektionen des unteren Dickdarms stets ausführen sollte, da sie 
oft mehr zeigt als Digitalexploration und Skopie zusammen, entleert 
sich ziemlich reichlich sanguinolent gefärbte dünne Flüssigkeit. Digital 
werden zahlreiche kleine Knötchen festgestellt. 

Bei der sogleich angeschlossenen Rectoskopie gelang e9, das 
Rectoskop bis zu einer Tiefe von 18 cm einzuführen — allenthalben er¬ 
blickte man eine stark geschwellte, hochrote eitrig belegte, also 
schwer veränderte Schleimhaut — einzelne Geschwüre gelang es 
nicht zu entdecken. 

Ebensowenig war dies in dem nächsten Fall möglich, wie es denn 
überhaupt nicht in jedem Fall verlangt werden darf, besonders, wenn 
wie hier, der Eiter offenbar von höher gelegenen Stellen herunterkommt. 

Da der Patient, in der Meinung, mit Hämorrhoiden behaftet zu sein, 
eine operative Beseitigung seines Leidens wünschte, fiel es mir nicht 
weiter schwer, ihn zur Aufnahme in eine Privatklinik zu bewegen, wo 
nach weiterer Untersuchung eine Behandlung von der Appendicostomie 
in Aussicht genommen war. Bei dieser Untersuchung kam weiter nichts 
besonderes zutage, da ich es nicht wagte, bei der höchst vulnerabeln 
Beschaffenheit der Schleimhaut die Rectoskopie irgendwie zu forcieren. 
Auf ein positives Ergebnis der Wasserraann’schen Reaktion vermag 
ich kein grösseres Gewicht zu legen, um so weniger, als die Untersuchung 
nur einmal ausgeführt war. 

Ende November 1912 wurde nun die Appendixfistel von 
Herrn Katzenstein angelegt, nachdem während der Ruhe in der 
Klinik eine bemerkenswerte Besserung nicht erreicht war. Maass¬ 
gebend für die Wahl der Behandlung waren folgenden Erwägungen. 

Der Patient war darauf angewiesen, von dem Ertrag seiner 
Arbeit zu leben, die Vorteile einer langen fortgesetzten eventuell 
zu wiederholenden Ruhe und Schonungsdiät konnten ihm daher 
nicht zugute kommen. Auf der andern Seite lehren zahlreiche 
Erfahrungen, dass deren Erfolge durchaus nicht sicher sind und 
später oft genug von schweren Rückfällen zu Schanden gemacht 
werden. Auch ich selbst hatte den Verlust eines derartigen 
Falles nach anfänglich ausgezeichnetem Resultat zu beklagen. 

Aus diesem Grunde war ich entschlossen, bei all den KrankeD, 
die auf meinen Rat hören würden, das appendikuläre Sicherheits¬ 
ventil zu schaffen um gegebenenfalls eine direkte Einwirkuog 
auf den Krankheitsherd aasüben zu können. 

Es ist gewiss richtig, dass die grosszügigen Operations¬ 
methoden der Krankheit viel direkter zu Leibe gehen — so 
kann man mittels einer Coecostomie den Dickdarm vor der Be¬ 
rührung mit den irritierenden Kotmassen schützen; in geeigneten 
Fällen mit geringerer Beteiligung des Rectums, wie etwa den 
unsrigen, könnte auch eine IleoBigmostomie in Frage kommen, 
und endlich wäre auch eine Totalexstirpation des Dickdarms 
denkbar. Allein abgesehen von der Schwere all dieser Eingriffe, 
bestehen gegen jeden von ihnen Bedenken: die Kotfistel schafft 
einen höchst lästigen Zustand, der nur vorübergend ertragen 
werden kann — wird sie geschlossen, so droben die Gefahren 
des Recidivs; bei der lleosigmostomie wird der Dickdarm in 
Wahrheit nicht ausgeschlossen, da ein retrograder Transport 
dort durchaus physiologisch ist; die Totalexstirpation endlich ist 
an einem entzündeten Darm noch bedenklicher als sonst. 

Die Appendicostomie, das möchte ich Ihnen vor allen Dingen 
zeigen, ist absolut keine Kotfistel; es ist eine Ventilfistel, aus 
der nichts herauskomrot, und die den Patienten durchaus nicht 
belästigt, an die er sich mit der Zeit so völlig gewöhnt, dass er 
aufhört, ihren Verschluss zu verlangen, welcher übrigens sehr 
leicht herzustellen ist. 

Ihr Vorzug ist der, eine wirkliche Säuberung des Dickdarms 
zu ermöglichen. Eine wirkliche Leerspülung vom After her halte 
ich für kaum ausführbar, gegebenenfalls kann aber eine Reinigung 
der unteren Dickdarmpartien vom Anus her zuhilfe genommen 
werden, besonders dann, wenn es sich um narbige Stenosen handelt 

Die zahlreichen Anhänger der Reinspülung des Darmes sollten 
dahersich dieses wirksamen und unbedenklichen Hilfsmittels bedienen. 

Im Ganzen allerdings wird sehr wenig Gebrauch davon ge¬ 
macht, und wenn ich mir erlaube, Ihnen zwei derartig behandelte 
Fälle vorzustellen, so geschieht es, nachdem ich mich überzeugt 
habe, dass dies eine relativ sehr grosse Zahl ist. 


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28. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1665 


Die Wirksamkeit der Durchspülung ist indessen für eine 
ganz analoge Krankheit, die Dysenterie, der gegenüber die 
Differentaldiagnose gelegentlich sogar recht schwierig sein kann, von 
den amerikanischen Aerzten an einem erdrückenden Material 
bewiesen worden, so dass einzelne Versager, wie sie in Homburg 
erwähnt wurden, mit grosser Wahrscheinlichkeit auf einer Ver¬ 
nachlässigung der Hauptsache, der regelmässigen lange Zeit hin¬ 
durch fortgesetzten Spülung, beruhen dürften. 

Denn hier kommt es, wie der Fall des vorgestellten Patienten 
lehrt, sehr auf den Modus an. So lange er in der Klinik lag, 
ging es ihm einigermaassen leidlich, mit einem Gewicht von 127 Pfund 
wurde er entlassen. Aber zu Hause versagte die bisherige Be¬ 
handlung völlig, nachdem es ihm schon in der letzten Zeit vorher 
weniger gut gegangen war. Die Stühle gingen unbemerkt ab, 
Appetit und Befinden verschlechtern sich dauernd, er konnte das 
Bett nicht verlassen und hatte auch Temperatur. Die Frau des 
Patienten sowohl wie der Chirurg, welcher die Nachbehandlung 
geleitet hatte, betrachteten den Fall für verloren und bezweifelten 
die Diagnose. Nunmehr bestand ich darauf, dass die Trocken¬ 
behandlung des Colons (auch sie zählt ihre Anhänger), welche 
bis dabin mit Hilfe von Oel mit Bismuth durchgeführt war, einer 
Spülbehandlung Platz machte. Und zwar spülte ich mit der 
wässerigen Auflösung eines organischen Kupfersalzes, einem Gemenge 
von Natriumcitrat und Kupfersacbarat mit dem Handelsnamen 
Beniform, wovon eine Lösung von I : 1000 benutzt wurde. Meine 
Erfahrungen mit diesem Präparat sind gut, und ich bin über¬ 
zeugt, dass es bei entzündlichen Prozessen manchmal mehr leistet 
als indifferente Spülungen. 

Wie dem auch sei: der Umschwung war ein höchst ein¬ 
drucksvoller, von dem Tage an (6. II.) ging es aufwärts. Der 
Stuhl warde gut, Appetit kehrte wieder; daneben stellten sich 
spontane Abgänge von weissem Eiter ein. Wenn ohne Zusatz 
gespült wurde (11. III.), wurde eine Zunahme der Eiterung ver¬ 
zeichnet. Die Stühle waren noch blutig, bis im Juni auch dieses 
Symptom verschwand — es bestand nur noch etwas Stuhldrang 
und feuchte Flatus. Das Gewicht war auf 142 Pfund gestiegen, 
und vom 15. VI. 12 tat er ohne Unterbrechung Dienst. 

Der rectoskopische Befund hielt durchaus nicht Sehritt 
mit diesen Fortschritten; am 23. 6. war die Schleimhaut noch 
immer hochrot, bei 15 cm erschien Eiter, weiteres Vordringen 
bewirkte Schmerzen und einen Eiterstrom. Am 8. VII. stellte der 
Patient sich völlig schmerzfrei vor, weniger Eiter und Blut gingen 
ab, der Stuhl nach der Spülung (es wurden deren stets zwei 
pro die gemacht) oder spontan war normal. 

Rectoskopisch dagegen gleicher Befund. 

Die Krankheit hatte ihren wetterwendischen Charakter 
insofern nicht völlig verloren, als während der kalten Jahreszeit 
Verschlimmerungen binzutraten, die sich aber innerhalb enger 
Grenzen hielten. 

Der Kranke tat seinen Dienst — ich sah ihn nicht, sondern 
er Hess nur von Zeit zu Zeit sein Beniform bei mir abholen, 
bis er sieb auf Aufforderung am 1. V. dieses Jahres vorstellte 
mit einem Gewicht von 144 Pfund und diesmal einem gebesserten 
rectoskopischen Befund: nirgends Geschwüre, nirgends Eiter oder 
Blut — seine Spülungen machte er mittlerweile mit Kamillentee 
alle Woche oder noch seltener. Die durch die Verschiebung 
seiner Mitteilung verstrichenen Monate hat er benutzt, um weitere 
3 Pfund anzusetzen. Dass es sich hier um ein einfaches post 
hoc handelt, wird niemand glauben, der den Patienten wiederholt 
zu sehen Gelegenheit hatte. Ausserdem widerspricht dem der 
ruhige fortschreitende Gang der Besserung — von Heilung zu 
reden halte ich allerdings für zu kühn —, aus diesem Grunde 
bin ich auch der Ansicht, dass man nicht das Recht bat, mit 
den Spülungen aufzubören oder gar die Fistel zu sch Hessen. 

Ganz kurz möchte ich Ihnen noch einen zweiten Fall vor¬ 
zeigen, dessen Behandlung aber noch nicht abgeschlossen ist. 

Es handelt sioh um eine 38 jährige Frau, die am 2. V. 1913 folgende 
Angaben maohte: Seit fünf Vierteljahren bestanden Blutabgänge aus dem 
Darm, seit einiger Zeit auch Schleimabgänge, der Stuhlgang erfolgte 
niemals spontan; nur durch Klystier. Sie hatte an Gewicht stark ab¬ 
genommen und war nicht imstande, selbst ihren Haushalt zu führen. 
11 Jahre vorher hatte sie die Exstirpation eines Ovariums durchgemacht. 

Die digitale Untersuchung ergab kleine Knötchen im Rectum, das 
Rectoskop zeigte besonders oberhalb von 10 cm Blut und Eiter. 

Nachdem die Operation am 11. IX. 1913 ebenfalls von Katzenstein 
ausgeführt war, wurden zweimal täglich Spülungen mit der gleichen 
Lösung vorgenommen mit dem Effekt, dass die subjektiven Erscheinungen 
stark gebessert wurden, die Patientin versieht dauernd ihre Wirtschaft 
selber, hatte anfangs gelegentlich, jetzt sogar alltäglich spontane Stuhle. 


Blut- und Eiterabgänge erfolgen seltener, wenn sie sich auch von Zeit zu 
Zeit bemerkbar machen; seit dem letztenmal sind ihrer Angabe nach sechs 
Wochen verstrichen. Da der Heilungsprozess bei ihr mit starker Neigung 
zur Narbenbildung einhergeht, muss diese Patientin ihre Spülungen 
auch durch den Darm besorgen; ausserdem wird das Rectum regelmässig 
bougiert, anfangs häufiger, jetzt noch allwöchentlich. 

Rectoskopisch ist der Befund im wesentlichen unverändert 
— noch immer sieht man etwas oberhalb von 10 cm einen Eiterstrom in 
das Gesichtsfeld einschiessen. Eine wesentliche Gewichtszunahme ist 
bei dieser Patientin nicht zu verzeichnen, aber immerhin ein Gewichts- 
Stillstand. 

Wie gesagt, betrachte ich die Behandlung als nooh nicht 
entfernt beendet und erwarte auf Grund der Erfahrungen in dem vorigen 
Fall weitere, schliesslich vielleicht sogar im Rectoskop zu konstatierende 
Fortschritte. Das wesentliche Resultat der Behandlung jedoch besteht 
weder im rectoskopischen Befund noch sogar in der Wiederherstellung 
der Arbeitsfähigkeit und der Abnahme resp. dem Verschwinden der sub¬ 
jektiven Symptome, sondern in der relativen Sicherheit davor, dass 
keine plötzliche Wendung zum Schlimmen eintreten wird. 

Zusammenfassung. 

Demonstration eines geheilten Falles von blutig-eitriger Colitis 
und eines sehr weitgehend gebesserten Falles, dessen Behandlung 
noch fortgesetzt wird. 

Im Gegensatz zu den chirurgischen Behandlungsmethoden 
stellt die Appendicostoroie einen sehr geringfügigen Eingriff dar, 
der anders als die Kotfisteln einen durchaus haltbaren Zustand 
schafft; die Appendixfistel kann übrigens leicht geschlossen 
werden. 

Ihr Zweck ist der, eine erfolgreiche Spülbehandlung zu er¬ 
möglichen. 

Als Spülflüssigkeit bewährte sich ein Kupfersacbaratpräparat, 
das sogenannte Beniform. Die Spülbehandlung muss viele Monate 
lang durchgefüfart werden, gegebenenfalls bei Neigung zur Stenosen¬ 
bildung kombiniert mit rectalen Spülungen und Bougierung. 

Die gewählte Behandlungsweise gewährt im Gegensatz zu der 
üblichen Form der internen Behandlung eine erhebliche Sicher¬ 
heit gegen das Eintreten überraschender Verschlimmerungen mit 
profusen Abgängen, Uebergreifen anf die tieferen Schichten und 
Intoxikation, die oft unaufhaltsam zum Tode führen würden 1 ). 


Der Kriegssanitätsdienst in Berlin. 

Von 

Generaloberarzt Dr. Brettner. 

I. 

Die Berliner klinische Wochenschrift Nr. 39 vom 
26. September 1870 brachte den ersten Bericht über Gliederung 
des Kriegssanitätsdienstes in Berlin, dem sich weitere Veröffent¬ 
lichungen über Einrichtung und Tätigkeit der Lazarette, über 
praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Beobachtungen an¬ 
schlossen. Jetzt ist es zeitgemäss, den dringenden Wünschen der 
Aerztewelt in gleicher Weise zu entsprechen. 

An Stelle der früheren Heere sind Armeen von Millionenzahl 
getreten. Wie auf allen Gebieten des modernen Staatslebens 
Einzelkräfte vor der Zersplitterung bewahrt werden, indem sie 
durch den Zwang besserer Einsicht sich zum Ganzen, im Kleinen 
und Grossen, fügen, so ist es auch im Bereich unserer kriegs¬ 
ärztlichen Organisation geschehen. 

Das Bild, welches in der Berliner klinischen Wochenschrift 
gegeben ist, lässt in kennzeichnender Weise die Fehler der ärzt¬ 
lichen Vorbereitung für die früheren Kriege erkennen. Im Jahre 
1866 war für Berlin eine Immediat-Lazarettkommission 
instituiert. Die revidierenden Mitglieder dieser Kommission 
entfalteten je nach ihrem Spezialfacbe ihre Tätigkeit, so dass der 
Geheime Regiernngsrat Esse sein Augenmerk lediglich auf 
Lazaretteinricbtungen richtete, dass der Geh. Ober-Medizinalrat 
Prof. Dr. Frerichs seine Aufmerksamkeit den inneren Krank¬ 
heiten, der Behandlung und Verhütung zur Weiterverbreitung von 
Epidemien, wie Typhus, Cholera, Dysenterie zuwendete, dass Prof. 
Dr. Esmarch seine Aufmerksamkeit und Tätigkeit vorzugsweise 
auf die chirurgischen Krankheitsfälle resp. die Belehrung der 
Aerzte über Behandlung der Wunden und Ausführung von Ope¬ 
rationen richtete, während der Generalarzt der Marine Dr. Stein- 


1) Anmerkung bei der Korrektur (18. IX.): Die erwartete weitere 
Besserung bei der Patientin ist tatsächlich eingetreten. Dem ersten 
Patienten geht es fortgesetzt gut. 

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UNIVERSIT7 OF IOWA 



1666 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 39. 


berg den militärärztlichen und sanitätspolizeilichen Standpunkt 
vertrat.“ 

Da diese Vielköpfigkeit zu erheblichen Reibungen und Dienst¬ 
störungen infolge des Ineinandergreifens der einzelnen Gebiete 
geführt hatte, wurde 1870 unter dem Generalstabsarzt der Armee 
eine General-Lazarett-Direktion für Berlin und Charlotten- 
burg gebildet, bestehend aus dem Marinegeneralarzt Dr. Stein- 
berg und dem Ober-Lazarettinspektor Fetter. Ihnen lag die 
Einrichtung und Beaufsichtigung der staatlichen Reservelazarette, 
der Vereinslazarette und Privatpflegestätten ob. Zunächst wurden 
auf dem Tempelhofer Felde 15 Baracken zur Isolierung der 
Schwerverwundeten, Pyämischen, Brandigen usw. erbaut und im 
Anschluss an sie 20 Baracken seitens der Stadt errichtet, an 
welche sich weitere 15 Baracken des Berliner Hilfsvereins 
anschlossen, so dass im ganzen 50 Baracken auf dem Tempel¬ 
hofer Felde für Schwerverwundete in Angriff genommen wurden. 

Ad Stelle der General-Lazarett-Direktion ist jetzt der stell¬ 
vertretende Korpsarzt des Gardekorps mit fünf Generaloberärzten 
als Reservelazarettdirektoren getreten. 

Sämtliche Herren waren bereits ausser Dienst und sind wieder 
in die Armee eingetreten. 

Als Chefärzte der Reservelazarette sind Oberstabs- und Stabs¬ 
ärzte a. D., die früher aktiv waren oder der Reserve angehört 
hatten, als aktive Sanitätsoffiziere angestellt. 

Als behandelnde Aerzte versehen Zivilärzte, die entweder 
ganz militärfrei oder landsturmpflichtig sind, den Dienst gegen 
vertragsmässiges Tagegeld von 15 M.; jedem Arzt sind durch¬ 
schnittlich 60—80 Betten zugeteilt. Ausserdem beteiligen sich 
an der Behandlung Aerzte, die der Wunsch, für die Armee tätig 
zu sein, und das wissenschaftliche Interesse in das Lazarett führt. 

Eine grosse Zahl von Reservelazaretten ist eingerichtet. 
Ferner haben sämtliche Krankenhäuser und andere Heil¬ 
anstalten eine bedeutende Anzahl Betten mit Soldaten belegt. 
Die im Frieden zeitweise überfüllten Häuser haben jetzt reichlich 
Platz, da der grösste Teil der männlichen Bevölkernng zum 
Heeresdienst eingezogen ist. Diesen Krankenstätten reihen sich 
zahlreiche nen eingerichtete Vereins- and Privatlazarette an. 

II. 

Reservelazarett Brauerei Königstadt. 

Die Fertigstellung des Lazaretts mit 149 Betten war für den 
1. September vorgesehen. In Rücksicht auf den schnellen Beginn 
der kriegerischen Operationen, schon vor Beendigung des Auf¬ 
marsches der Armeen, sind die Bauarbeiten beschleunigt worden, 
so dass am 23. August, dem 22. Mobilmachuogstage, 130 Betten 
zur sofortigen Belegung bereit standen. 

Die ersten Verwundeten und Kranken trafen am 24. August, 
abends, ein nach Räumung des Garnisonlazaretts All enstein, 
unter ihnen zahlreiche Friedenskranke, im ganzen 128 Mann. 

Die Stätten der Musik und des Tanzes sind umgewandelt 
zum Lazarett, in welchem trotz Leid und Schmerz, trotz Wunden 
und Krankheit das Gepräge der Behaglichkeit geblieben ist. Die 
vorderen Eingänge sind geschlossen. Durch die Auffahrt zum 
Brauereihof gelangt man zur Eingangstür, an welcher ein Polizei- 
Unteroffizier im Ordonnanzanzug, ein stattlicher früherer Garde 
du Corps, von Beruf Versicherungsbeamter, seines Dienstes waltet, 
Ein- und Ausgang überwacht. Zu ebener Erde liegt das Zimmer 
für die beiden sich ablösenden Unteroffiziere. Zar anderen Seite 
eine halbe Treppe tiefer liegen die Stuben der 14 Ersatzreserve¬ 
krankenwärter. Es sind Leute, die wegen massiger Körper- 
entwickluDg oder wegen Fehler nicht felddienstfäbig sind, ln 
14 tägiger Ausbildung sind sie äusserlich zu Soldaten umgebildet. 
Sie gehören den verschiedenartigsten Berufszweigen an (1 Ver¬ 
sicherungsbeamter, 1 Handlungsgehilfe, 3 Maler, 1 Maurer, 
1 Schmied, 1 Buchdrucker, 1 Schlosser, 1 Kutscher, 1 Weichen¬ 
steller, 1 Laboratoriumdiener, 1 Hausdiener, 1 Arbeiter). In täg¬ 
licher Unterrichtsstunde and am Krankenbett werden sie von den 
Aerzten und dem aufsichtsführenden Sanitätsfeldwebel in der 
Krankenpflege ausgebildet. Wir treten in den Saal. Wohltuende 
Ruhe herrscht in dem luftigen, hohen Raum. In 6 Reihen stehen 
90 Betten, in denen Verwundete ermüdet von dreitägiger Fahrt 
ausruhen, oder freie Betten, wohl geordnet von Leichtverwundeten 
und Genesenden. 

Weichteilwunden durch Gewehrschüsse heilen in etwa zehn 
Tagen, ebenso leicht Schrapnell- und Granat Verletzungen; leichte 
Knochenbrüche durch Gewehrschüsse in etwa 4 Wochen. Bei 
der Verwundung werden Schmerzen nicht empfanden, es entsteht 
nur das Gefühl eines Schlages, welcher in der Erregung des Ge¬ 


fechts oft gar nicht beachtet wird, so dass der Verletzte erst 
durch das rot sickernde Blut auf die Verwundung aufmerksam 
wird. Unter etwa hundert Verbänden, die auf dem Trnppen- 
oder Hauptverbandplatz angelegt sind, befindet sich einer, unter 
dem Entzündung entstanden ist, die in ganz vereinzelten Fällen 
Fieber veranlasst hat. Allgemeine Infektionen und Wandkrank¬ 
heiten sind nicht vorgekommen. 

Ohne Uebertreibung, in sachlicher Ruhe erzählen die Einzelnen 
anschaulich ihre Gefechtserlebnisse, sie erzählen, wie sie lange 
in Schützengräben gelegen, sich dann unter der kleinsten Deckung 
vorgeschoben haben oder sprungweise vorgegangen sind und im 
letzten freien Anlauf mit aufgepflanztem Seitengewehr den Gegner 
geworfen haben, oder wie sie, im Nacbtgefecbt verwundet, sich 
im Keller versteckten und erst bei Rückkehr der siegreichen 
eigenen Truppe sieb bervorgewagt haben. Alle Anstrengungen, 
alle Leiden, Hanger, Durst und Hitze gehören der Vergangenheit 
an, nur ein Wunsch herrscht bei allen: Geheilt zur Front! 

Ein Sanitätsfeldwebel, ein Sanitätsgefreiter, 14 Militärkranken¬ 
wärter, 4 Zivilkrankenpfleger, 5 Schwestern vom Märkischen Haus 
für Krankenpflege, vorübergehend unterstützt von Helferinnen, 
unter denen jeder Unterschied von Stand und Bernf geschwunden 
ist. Durch das deutsche Pflichtbewusstsein ist es in kurzer Zeit 
möglich gewesen, ans dem mannigfaltigen Personal eine Arbeits¬ 
gemeinschaft zu bilden. 

Vier behandelnde Aerzte sind angestellt. 

Im Tag68raum oder im Garten versammeln sich die 
Kranken, um Scbafskopf und Skat, Mühle, Dame oder Schach 
zu spielen. Die Zeitungen liefern als Liebesgaben ihre Blätter. 
Eine Bücherei von 930 Bänden ist von den Umwohnenden ge¬ 
stiftet. In Anerkennung des guten Willens sind verstaubte Zeit¬ 
schriften, Mord- und Totschlagromane sowie Lieder nach dem 
Takte der englischen Heilsarmee mit Dank angenommen und 
ad acta gelegt. 

Am Ende des Saales befindet sich eine geräumige Garderobe, 
deren Haken den Montierungsstücken dienen und anf deren Tische 
Tausende spitzkngeliger Patronen friedlich rnhen. 

Im Baderaum, früher Damentoilette, stehen fünf Warmen 
mit Dusche neuester Einrichtung. 

Als abends 9 Uhr das gesamte Garnisonlazarett Allenstein 
eintraf, fand eine Massenwäsche statt. Fünf Mann wuschen sich 
zu gleicher Zeit innerhalb fünf Minuten in einer Wanne. Neue 
Füllung der Wannen. In einer halben Stunde lagen sämtliche 
Kranken im Bett, erhielten Suppe und Brot und schliefen um 
10 Uhr den wohlverdienten Schlaf. 

Wir machen Kehrt. Die grosse Bühne ist mit Liebesgaben 
der umliegenden Gärtnereien und der Stammgäste der Königstadt- 
Brauerei in einen Garten verwandelt. Efeuwände bilden den 
Hintergrund zur Büste des Kaisers, den englische Zeitungen als 
Friedensstörer Europas nach Elba und St. Helena versetzen wollen. 

An der Südseite des Saales treten wir durch einen neuein¬ 
gebauten Windfang in den Tageraum, wo an Schänktischen Mittag- 
und Abendmahlzeiten verteilt werden. Dort lagen zeitweise Kuchen¬ 
stapel, Aepfel und Birnen aus Laubenkolonien, die jeder Süd¬ 
fruchthandlung in der Friedricbstrasse Ehre machen würden, Zigarren 
guter Sorte, Batterien von Wein, die nur bei unzweckmässiger Be¬ 
dienung tödliche Wirkung entfalten. Selbst Kaviar fehlt nicht. 

Während ich schreibe, spielen Musiker des 4. Garde-Regi¬ 
ments z. F. im Garten. An den Tischen sitzen die Verwundeten 
im Kreise ihrer Angehörigen, die Liebeszigarre rauchend. Ein 
Landwebrmann trägt seinen Jungen auf dem Arm. Frieden im Krieg. 

Ob sie das zweite Mal auch wieder als Leichtverwundete 
zurückkehren werden? 

Von hier geht es ins Geschäftszimmer. Der Oberinspektor —- 
Amtsgerichtssekretär — hat schnell gelernt, seine Stellung aus- 
zufüilen — ebenso der Inspektor, Inhaber eines optischen Ge¬ 
schäftes; ein freiwilliges Schreibfräulein tippt Maschine, eine 
Dame klebt Deckblätter in die Kriegssanitätsordnung. 

Nächste Tür. — Leider hat der Baumeister des Vergnügongs- 
lokals den notwendigen langen Seitenflur nicht vorgesehen — 
Chefarztzimmer. 

Daneben liegt der mit Linoleum belegte, allen neuzeitlichen 
Anforderungen entsprechende Operati-onssaal. 

Im Anschluss daran das Zimmer des wachthabenden Arztes. 

In dem Ausgangsflur ist ein Abschlag für Verband Vorräte 
angebracht, und ausserdem durch eine Abschlagwand ein Zimmer 
für den Sanitätsfeldwebel hergestellt. 

Zwei offene Gartenhallen sind durch Wände geschlossen, mit 
Oefen versehen, für 16 bzw. 18 Betten eingerichtet. An der 


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28.-September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1667 


Strasse ist eine winterfeste, beheizte typische Kriegsbaracke für 
BO Betten erbaut. 

Die ganze Verpflegung ist vertragsmftssig dem Oekonom des 
Vergnügungslokals übertragen. 

Nur eins fehlt zurzeit in Berlin: Die Verwundeten, da die 
Etappenwege noch anderweitig besetzt sind. Eine sehr grosse 
Anzahl Betten stehen leer. Die Sanitätseinrichtungen stehen in 
Bereitschaftsstellung. 

Aber besser der wartende Ueberfloss, als der Mangel ärzt~ 
licher Vorbereitung bei plötzlichem Andrang. 

Weitere Mitteilungen folgen. 


Aus der Kgl. chirurgischen Klinik der Universität 
Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Küttner). 

Der gegenwärtige Stand der Blutgefäss¬ 
chirurgie. 

Sammelreferat. 

Von 

Dr. Ernst Jeger, Assistent der Klinik. 

(Schluss.) 

Die Transplantation mit Hilfe der Gefässnaht wurde zu Anfang 
dieses Vortrages mit einigen Worten gestreift, und es wurde darauf 
hingewiesen, dass die Hoffnungen, die praktische Chirurgie durch erfolg¬ 
reiche homoioplastisohe Transplantationen weiter zu bringen, sich nicht 
erfüllt haben. Es mag jedoch darauf hingewiesen sein, dass kein Grund 
besteht, die Hoffnungen aufzugeben, in dieser Beziehung mit der Zeit 
weiter zu kommen. Lehren uns doch die ausgezeichneten Untersuchungen 
zahlreicher Forscher, von denen nur Born, Loeb und Addison, Harri- 
son. Braus u. a. genannt sein mögen, dass homoio- und selbst hetero¬ 
plastische Transplantationen bei niedriger stehenden Tieren keineswegs 
unmöglich sind, dass ihr Misslingen bei höheren Tieren somit nicht in 
der Natur der Lebewesen an sich begründet ist. Auch haben experi¬ 
mentelle Untersuchungen, wie auch klinische Beobachtungen von Schöne, 
Leier u. a. gezeigt, dass auch bei höher stehenden Individuen homoio- 
plastische Transplantationen um so später zu Misserfolgen führen, je 
näher die betreffenden Individuen miteinander verwandt sind. Es ist 
infolgedessen durchaus berechtigt, das Studium der Transplantations¬ 
methoden mit unvermindertem Eifer fortzusetzen, um so mehr, als diese 
Methoden bislang keineswegs genügend ausgebildet sind, um ein er¬ 
folgreiches Experimentieren mit Hilfe derselben zu gestatten. Wenn 
man die ungeheuren Schwierigkeiten bedenkt, die derartigen Operationen 
entgegenstehen, so kann es nicht wundernehmen, dass selbst in den 
Händen der allerbesten Experimentatoren die guten Resultate nur sehe 
spärlich sind. Diese Schwierigkeiten bestehen zunächt einmal darin, dass 
jedes transplantierte Organ durch Durchtrenuung seiner Nerven immer 
unter abnormen Bedingungen steht; allerdings geht aus den Versuchen 
verschiedener Experimentatoren, denen sich neuerdings Lobbenhofer 
»geschlossen hat, hervor, dass parenchymatöse Organe nach kompletter 
Durchtrennung ihrer Nervenverbindungen immer noch funktionieren 
können. Fernerhin ist bei Ausführung solcher Operationen eine rasche 
Wiederherstellung der ursprünglichen Emährungsbedingungen sehr schwer. 
Fügt man hinzu, dass diese Operationen die denkbar schwierigsten tech¬ 
nischen Aufgaben darstellen, dass eine Unterbrechung der Zirkulation, 
eine Abkühlung der Organe nicht zu vermeiden ist, dass viele dieser 
Operationen nooh komplizierte Nebenoperationen, z. B. die Nierentrans¬ 
plantation die Uretereinpfianzung erfordern, so kann man sieb von der 
ungeheuren Schwierigkeit einer solchen Operation ein Bild machen. 

Man hat, wie schon oben besprochen, Auto-, Homoio- und Hetero¬ 
transplantationen von Organen versucht. Bei Autotransplantationen hat 
man die Reimplantatioo des betreffenden Organes an Ort und Stelle 
oder die Transplantation an einen anderen Körperteil zu unterscheiden, 
lieber die Methoden kann hier nur wenig gesagt werden. Die Trans¬ 
plantation der Nieren wurde zuerst von Ullmann im Jahre 1902 aus* 
geführt. Weiterhin haben von Decastello, Einer, Charles Beck, 
Floresco und schliesslich Carrel und Guthrie, ferner Stich, Unger, 
Borst und Enderlen, Villard und Tavernier, sowie Zaaijer 
solche Versuche ausgeführt. Die Methoden bestanden im wesentlichen 
darin, dass die Niere entweder an die Halsgefässe, also Arteria carotis 
und Vena jugularis angeschlossen wurde oder dass die Reimplantation 
durch einfache Wiedervernähung der durchschnittenen Arteria und Vena 
renalis an Ort und Stelle stattfand, ferner durch Anschluss an die Vasa 
iiiaca, an die Milzgefässe und schliesslich nach dem Prinzip der oben 
besprochenen Transplantation eu masse. 

Die weitaus besten Erfolge auf diesem Gebiet hat Carrel zu ver¬ 
zeichnen. Es gelang ihm, wie auch später Villard und Tavernier, 
Unger, sowie Zaaijer, Tiere mit exstirpierten und reimplantierten 
Nieren so lange Zeit am Leben zu erhalten, dass an der technischen 
Ausführbarkeit der Operation kein Zweifel möglich sein kann. Homoio- 
plastische Transplantationen sind hingegen nie gelungen, wohl aber trat 
w einzelnen Fällen die Degeneration der homoioplastisch implantierten 


Nieren so spät auf, dass ein Dauerresultat vorgetäa9cht wurde. Auf 
diese Fälle ist das ungeheure Aufsehen, das die Carrel’schen Unter¬ 
suchungen seinerzeit in Aerzte-, wie in Laienkreisen gemacht haben, in 
erster Linie zurückzuführen. Versuche der Transplantation der Nieren¬ 
vene an andere Stellen der Vena cava, um im Falle einer Obliteration 
der Vena oava infolge von Zerreissung oder Thrombose die Funktion 
der betreffenden Niere retten zu können, habe ich in Gemeinschaft mit 
Wilhelm Israel ausgeführt und konnte mich überzeugen, dass die 
Tiere, denen beide Nierenvenen in dieser Weise transplantiert oder 
denen eine Nierenvene transplantiert und die andere Niere vollständig 
exstirpiert worden war, dauernd am Leben bleiben konnten, dass ihre 
Nieren absolut normal funktionierten, und die schliesslichen autoptisohen 
Untersuchungen ergaben (bis zu 400 Tagen post operationem) normale 
anatomische Verhältnisse an den Nieren. 

Homoioplastische Transplantationen der Nebennieren nach dem 
Prinzip der Transplantation en masse wurden von Garrel und Guthrie 
versucht, jedoch ohne Erfolg. 

Die Schwierigkeit der Schilddrüsentransplantation besteht darin, 
dass eine Naht der ausserordentlich feinen Venen technisch fast unmög¬ 
lich ist. Trotzdem gelang es Stich, ferner Borst und Enderlen, 
solche mit Erfolg auszufübren, und Stich konnte das normale Funktio¬ 
nieren der mit Hilfe der Gefässnaht reimplantierten Schilddrüse in der 
Weise nachweisen, dass er einem Tier die eine Schilddrüsenhälfte ex- 
stirpierte, die andere reimplantierte. Das Tier befand sich naoh der 
Operation vollkommen wohl und zeigte keinerlei Erscheinungen von 
Tetanie. Als er jedoch nach längerer Zeit die reimplantierte Schild¬ 
drüsenhälfte exstirpierte, ging das Tier rasch unter den Erscheinungen 
einer typischen Tetanie zugrunde. 

Fernerhin sind auch noch die Ovarien, ferner das Herz und der 
Darm homoioplastisch mit Hilfe der Gefässnaht transplantiert worden, 
sämtlich natürlich ohne dauernden Erfolg. Reimplantationen ganzer 
Gliedmaassen sind von Carrel und Guthrie wiederholt versucht 
worden und sind technisch unzweifelhaft möglich, doch hatten diese Ex¬ 
perimentatoren durch Wundkomplikationen verschiedener Art schliess¬ 
lich immer Misserfolge; dagegen berichtet Jianu neuerdings über die 
erfolgreiche Reimplantation eines Beines bei einem Hund. 

Noch wenig ist bisher über die autoplastischen und homoioplasti- 
schen Transplantationen der Milz gearbeitet worden, trotzdem in dieser 
Beziehung sicher wichtige Resultate io bezug auf Blutbildung usw. zu 
erzielen wären. Die Versuche Guthrie’s, Kopf und Hals eines Tieres 
auf ein zweites zu implantieren, wurden oben schon kurz erwähnt. 

Wir kommen nun schliesslich zu dem wichtigsten Teil meines Vor¬ 
trages, nämlich zur Verwendung der Gefässnaht in der klinischen Chirurgie. 

In rein praktischer Beziehung besteht das wichtigste Resultat der 
Gefässnaht bislang darin, dass sie es möglich gemacht hat, verletzte 
Gefässe durch Naht zu erhalten, statt sie wie früher durch Ligatur zer¬ 
stören zu müssen. Wie gross die Bedeutung dieses Fortschritts ist, geht 
gerade aus einigen neuesten Untersuchungen, z. B. von v. Frisch, her¬ 
vor, der nachweisen konnte, dass auch die Ligatur selbst kleiner 
Arterien, welche man früher ziemlich unbedenklich gemacht hat, doch 
nachträglich zu schwerwiegenden Störungen Veranlassung geben kann. 
Heute ist die Gefässnaht in der praktischen Chirurgie so allgemein ver¬ 
breitet, dass Schmieden vor kurzem in dieser Beziehung mit Recht 
den Grundsatz aufstellen konnte: 

„Jede Unterbindung eines für das Leben oder für die Erhaltung 
eines Gliedes unentbehrlichen Blutgefässes muss als Kunstfehler be¬ 
zeichnet werden, sobald die technische Möglichkeit vorliegt, den durch 
Verletzung oder Erkrankung entstandenen Defekt, durch die seitliche 
oder circulare Naht oder ein gleichwertiges Verfahren zu schliessen und 
dadurch den Blutkreislauf wieder herzustellen.** 

Es ist dementsprechend im Laufe der letzten Jahre eine sehr grosse 
Zahl von Blutgefässnähten nach Verletzungen ausgeführt worden. Schon 
1900 konnte Dörfler über 9 erfolgreiche Arteriennähte am Menschen 
berichten. Eine Gefässtransplantation am Menschen hat als erster Leier 
im Jahre 1907 ausgeführt. 

Man geht in der praktischen Chirurgie im allgemeinen so vor, dass 
man das verloren gegangene Stück einer Arterie durch eine demselben 
Individuum entnommene entbehrliche Vene (im allgemeinen die Vena 
saphena) ersetzt. Doch wurden gelegentlich auch homoioplastisch trans¬ 
plantierte Gefässe verwendet, so z. B. von Doyen und von Del bet. 
Verf. hat zuerst in Gemeinschaft mit Israel darauf hingewiesen, dass 
es möglich ist, den deletären Folgen der Zerstörung eines grösseren Blut¬ 
gefässes dadurch zu begegnen, dass mau den Defekt durch ein viel 
kleineres Blutgefäss ausfülit. So gelang es uns, resezierte Stücke der 
Vena cava inferior durch Stücke der Vena jugularis externa desselben 
Tieres erfolgreich zu ersetzen, wodurch natürlich der Blutstrom wenig¬ 
stens soweit wiederhergestellt wurde, dass es zu keiner übermässigen 
Stauung in der unteren Körperhälfte kam. Es ist klar, dass dies eine 
wesentliche Vereinfachung bedeutet, da natürlich bei Verletzungen 
grosser Gefässe, z. B. der Aorta oder der Vena oava, ein gleichwertiges 
Ersatzmaterial nicht ohne weiteres zur Verfügung steht. 

Ueber erfolgreiche Näbte der Arteria pulmonalis berichten v- Eisels- 
berg und Martin. Braun gelang es, bei der Exstirpation eines 
Ganglioneuro ms, das die Resektion eines Stückes der Aorta abdominalis 
notwendig machte, die Kontinuität durch End-zu-Endnaht nach Carrel 
wiederherzustellen. Die seitliche Naht der Hohlvene, wie auch der 
Vena portae, ist wiederholt mit Erfolg ausgeführt worden. 

( Sehr interessant ist eine neuerdings von Burdeuko publizierte 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 39. 


Operation, der die durchschnittene Vena cava in die Vena portae End- 
zu-Seit zu implantieren versuchte, um auf diese Weise das Blut durch 
die Vena portae und die Leber zum Herzen zurückzu leiten. Diese Ope¬ 
ration endete tödlich, da Burdenko zwecks Ausführung der Operation 
die Vena portae längere Zeit komprimierte, ein Vorgehen, das, wie aus 
den Untersuchungen zahlreicher Autoren hervorgeht, schon nach relativ 
kurzer Zeit zum Tode führt. Es wäre vielleicht nicht ausgeschlossen 
gewesen, dass Burdenko seine Operation mit Erfolg hätte ausführen 
können, wenn er sich der vom Verf. angegebenen Methode zur Aus¬ 
führung von Seit-zu-Seitanastomosen ohne Unterbrechung des Blutstroms 
in der Vena portae bedient haben würde. 

Die Statistiken über die Blutgefässnähte am Menschen lauten bis¬ 
lang nicht sonderlich günstig, um so mehr, als der Verdacht aus¬ 
gesprochen werden muss, dass viele von den angeblich gelungenen Ge- 
fässnahten in Wirklichkeit Misserfolge waren. Man hört und liest immer 
wieder von angeblich gelungenen Gelässnähten, bei denen der Puls in 
den peripheren Arterien sich schon „bald naoh der Operation wieder 
hergestellt und binnen wenigen Tagen die alte Höhe erreicht habe“. 
Es erscheint unter diesen Umständen unbedingt nötig, die selbstver¬ 
ständliche Tatsache noch besonders zu betonen, dass jede Gefässnaht 
als missglückt zu betrachten ist, bei der der Puls nicht augenblick¬ 
lich wieder seine alte Höhe erreicht uüd dauernd behält, ja, dass auch 
letzterer Umstand keinen strikten Beweis für die Durchgängigkeit des 
genähten Gefässes abgibt, da die Collateralen bei allmählich einsetzen¬ 
dem Verschluss des Gefässes den Blutdruck in den peripheren Enden 
derselben hochbalten können. 

Trotzdem dürfte es berechtigt sein, im grossen ganzen die Ansieht 
auszusprechen, dass die Gefässnaht gegenwärtig bereits beim Menschen 
in viel ausgedehnterem Maasse zur Anwendung gelangen sollte, als es 
gegenwärtig der Fall ist. So sei z. B. darauf bingewiesen, dass man 
gegenwärtig noch gaoz allgemeine Krebsmassen, welche mit Blutgefässen 
stark verwachsen sind, von letzteren abzulösen versucht, trotzdem dies 
selbstverständlich fast nie eine radikale Operationsraethode darstellt. Es 
wäre wünschenswert, dass Dach dem Beispiel von Enderlen in solchen 
Fällen an Stelle des genannten Vorgehens die Exstirpation der betreffen¬ 
den Gefässstücke samt den Krebsmassen und Ersatz durch frei trans¬ 
plantierte Gefässstücke eingeführt würde. 

Weiterhin wäre z. B. bei Verletzungen von NiereDgefässen, die bei 
Nierenoperationen selbst in den Händen der geübtesten Operateure Vor¬ 
kommen, die Rettung des Organa durch Gefässnaht zu versuchen. 

Noch weitere Fortschritte der praktischen Blutgefässchirurgie aller¬ 
dings werden erst dann zu erzielen sein, wenn die Technik der Gefäss- 
nabt selbst weiter ausgebildet sein wird. So wäre es z. B. bei versehent¬ 
licher Verletzung irgendeiner grossen Darmarterie durchaus wünschens¬ 
wert, an die Stelle der Resektion des betreffenden Darmstückes die Naht 
des verletzten Gefässes zu setzen. Solange jedoch in einem solchen 
Fall mit der Möglichkeit des Misslingens der Gefässnaht gerechnet werden 
muss, ist ein solches konservatives Vorgehen leider nicht möglich. Es 
sei dem Verfasser gestattet, bei dieser Gelegenheit darauf hiuzuweisen, 
dass die meisten Blutgefässoperationen am Menschen bisher Improvisa¬ 
tionen gewesen sind uod mit einem nicht geeigneten Instrumentarium 
ausgeführt wurdön. Es sollte unbedingt bei jeder Operation ein kom¬ 
plettes Instrumentarium zur einwandfreien Durchlührung von Gefässnähten 
bereit liegen. 

Sehr wichtig ist die Frage, welche Bedeutung die Gefässnaht im 
Kriegsfall besitzt. Die reichen Erfahrungen der Balkankriege haben ge¬ 
lehrt, dass die primäre Gefässnaht im Kriege keine sehr grosse Rolle 
zu spielen berufen ist, da bei den jungen Leuten die Anpassungsfähigkeit 
der Collateralen eine derartige ist, dass in der Mehrzahl der Fälle eine 
doppelte Unterbindung genügt. Gerade in denjenigen Fällen, bei denen 
die Gefässnaht etwas leisten könnte (Verletzung der ganz grossen Ge¬ 
lasse), dürfte es bei den primitiven Verhältnissen auf dem Schlachtfeld 
gar nicht möglich sein, die betreffende Operation rechtzeitig und erfolg¬ 
reich auszuführen. 

Sehr interessant und bedeutungsvoll sind die neuerlichen Versuche, 
Gefässembolie durch Oeffuung der betreffenden Gefässe zu entfernen. 
Es ist bereits über eine ganze Anzahl diesbezüglicher erfolgreicher 
Operationen berichtet worden, so von Monod und Dumont, ferner von 
Key. Auf die hervorragendste Leistung in dieser Richtung kann Bauer 
zurückblicken, dem die erfolgreiche Entfernung eines Embolus der Aorta 
abdominalis gelang. 

Zur Embolieoperation gehört auch die allgemein bekannte Trendelen- 
burg’sche Operation der Lungenembolie, welche bekanntlich nach Tren- 
delenburg’s Vorschlag in der Weise ausgeführt werden soll, dass man 
einen Schlauch um die Arteria pulmonalis legt, durch Zuziehen desselben 
die Arterie verschliesst, sie durch eine seitliche Inzision eröffnet, den 
Embolus rasch entfernt, die Wunde durch eine seitliche Klemme wieder 
verschliesst und durch Entfernen des Schlauches den Blutstrom freigibt, 
worauf der Schlitz in der Arteria pulmonalis genäht werden kann. Bis¬ 
her ist eine erfolgreiche Trendelenburg’sche Operation nicht bekannt 
geworden; doch ist ein Fall von Krüger erst sekundär an Komplikationen 
zugrunde gegangen, so dass die Hoffnung auf ein gelegentliches Gelingen 
der Operation nicht von der Hand zu weisen ist. Vogt kommt auf 
Grund seiner Untersuchungen zu dem Schluss, dass von 12 Fällen von 
Lungenembolie, die er untersuchte, bei 8 die Operation möglich gewesen 
wäre. Einige wenig zweckmässige Vorschläge zur Verbesserung der 
Technik haben Giordano und Rodano gemacht. Annähernd gleich¬ 
zeitig haben Laeven und Sievers einerseits und Verfasser andererseits 


den Vorschlag gemacht, statt der Kompression der Lungenarterie eine 
Kompression der beiden Hohlvenen auszuführen, da auch letzteres Vor¬ 
gehen eine ziemlich blutleere Oeffnuug der Arteria pulmonalis gestattet, 
dabei aber vom Herzen viel länger vertragen wird als eine Kompression 
der grossen Herzarterien. 

Organtransplantationen mit Hilfe der Gefässnaht sind am Menschen 
bislang nicht ausgeführt worden. Enderlen meinte, dass man z. B. 
eine Niere bei hoch sitzender Ureterfistel nach unten verlagern und ihre 
Gefässe mit der Vasa iliaca anastomosieren könnte, um das Ende des 
verkürzten Ureters in die Blase implantieren zu können. 

Ueber eine erfolgreiche Reimplantation des Vorderarmes bei Menschen 
berichtet Jianu. Es handelte sich um einen Arbeiter, bei dem der 
Vorderarm so weit durcbtreDnt war, dass er mit dem Oberarm nur 
mehr durch eine schmale Hautbrücke in Verbindung stand, in dem sich 
eine subcutane Vene befand. Es wurden Knochen, Muskulatur, Nerven, 
Haut und die Arteria radialis geDäht. Der Arm blieb „mit manchen 
Störungen der Sensibilität, motorischen und vasomotorischen Störungen, 
die im Rückgang begriffen sind“, erhalten. Nähere Details über diesen 
brillanten Erfolg, die ein genaueres Urteil gestatten würden, gibt Jianu 
sehr bedauerlicher Weise nicht. 

Halsted sowie Matas und Allan haben ihre bereits oben be¬ 
sprochene Methode, Blutgefässe durch Alumioiumbänder zu verengen, 
dafür verwendet, um Aneurysmen grosser Blutgefässe durch Verringerung 
der Blutzufuhr zu verkleinern. Neuerdings empfiehlt Halsted anstelle 
der Aluminiumbänder die Verwendung von Fascienstreifen, die um die 
Gefässe so fest herumgelegt werden, dass das Lumen derselben teilweise 
verengt wird. Hierher gehören auch die schon früher inaugurierten Ver¬ 
suche, Blutgefässe, deren Unterbindung bei irgendwelchen Operationen 
erforderlich ist, deren Ausfall jedoch zu bedrohlichen Erscheinungen 
führen könnte, vor der Operation provisorisch abzuklemmen, einerseits 
um sich von der Gefahr dieser Erscheinungen zu überzeugen, anderer¬ 
seits jedoch, um die Entwicklung des collateralen Kreislaufes vorzu¬ 
bereiten. Von deutschen Chirurgen haben namentlich Jordan, ferner 
Doberauer und neuerdings Smoler sich mit dieser Frage beschäftigt, 
und letzterer hat eine sehr zweckmässige Klemme angegeben, um ein 
Blutgefäss ganz allmählich im Laufe einer längeren Zeit zu verschliessen 
und so die Entwicklung der Collateralen ohne Störungen vorzubereiten. 
Iu Amerika haben Matas und Allan, ferner Crile grosse Verdienste 
in dieser Sache. 

Sehr interessant ist die Verwendung der Gefässnaht zur Wieder¬ 
herstellung der Kontinuität des verletzten Ductus thoracicus. Solche 
Operationen sind von Keen, Cu sh in g, Porter, Lotsch mit Erfolg 
ausgeführt worden. Deanesly stellte eine Anastomose zwischen Vena 
jugularis externa und dem durchschnittenen Ductus thoracicus her. 

Interessant und möglicherweise für die Zukunft von weitgehender 
Bedeutung sind Versuche von Bleichröder und Unger, von einem 
kleinen Blutgefäss aus durch eine kleine Inzision einen Katheter nach 
einem bestimmten Punkt eines grösseren Gefässes hin vorzuführen, sei 
es, um daselbst Blut zu entnehmen, sei es, um daselbst eiu Medikament 
zu deponieren. Es ist klar, dass es auf diese Weise möglich sein muss, 
mit ein und derselben Menge eines bestimmten Pharmacons eine fiel 
konzentriertere Wirkung auf ein bestimmtes Organ zu erzielen, als es 
z. B. durch einfache intravenöse Injektion der gleichen Dosis möglich 
wäre. Auch insofern konnten diese Versuche von Wichtigkeit sein, als 
es, wie Bleichröder und Unger zeigten, möglich ist, von der Arteria 
femoralis aus einen mit einem Ballon versehenen Katheter in die Aorta 
vorzuschieben und durch Aufblähen desselben die Blutversorgung des 
anderen Beines hintanzuhalten, so dass an letzterem blutleer operiert 
werden kann. 

Weiterhin ein Wort über die Verwendung von Blutgefässen zum 
Ersatz anderer röhrenförmiger Organe. So gelang es z. B. Tietze, 
Becker, Stettiner, König, Tandon, Cantas, v. Eiseisberg, 
Mühsam, Stücke der Urethra durch frei transplantierte Venen zu er¬ 
setzen. 

Stropeni und Giordano behaupten, Stücke des Choledochus 
durch Venenstücke mit Erfolg ersetzt zu haben. Jianu berichtet, er 
habe Stücke des Harnleiters durch ein Stück der Arteria hypogastrica, 
ferner ein Stück des Ductus stenonianus und ein solches des Vas 
deferens durch Blutgefässe ersetzt, und zwar mit „wunderbarer 
Leistungsfähigkeit“. 

Sehr interessant und bedeutungsvoll sind die Fortschritte, die die 
chirurgische Behandlung des Ascites in jüngster Zeit gemacht hat 
Nachdem schon die Talma’sche Operation und ihre verschiedenen Modifi¬ 
kationen einen wesentlichen Prozentsatz der mit Ascites behafteten 
Patienten zur Heilung brachten, ist man neuerdings daran gegangen, 
weitere therapeutische Versuche mit Blutgefässoperationen auszuführen. 
Am bekanntesten dürften die Versuche der Heilung des Ascites hei 
Lebercirrhose durch die bereits mehrfach erwähnte Eek’sche Fistel sein. 
Der Ascites bei Lebercirrhose wird bekanntlich, wenigstens zum Teil* 
dadurch hervorgerufen, dass das Blut aus der Vena portae nicht mehr 
durch die obliterierenden LebercapiHaren hindurch zum Herzen gelangen 
kann. Die Talma’sche Operation geht bekanntlich darauf hinaus, dem 
Pfortaderblut durch Herstellung von Anastomosen mit anderen Venen 
neue Abflusswege zu verschaffen. Es lag nun der Gedanke nahe, diese 
Anastomosen direkt durch Geiässnaht herzustellen, ,und es wurde daher 
schon mehrfach versucht, Anastomosen zwischen der Vena cava und der 
Vena portae zu diesem Zweck auszuführen, so von Vidal, Lenoir, 
Tansini und neuerdings von Rosenstein. Dass eine solche Operstio 


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UMIVERSITY OF IOWA 




28. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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theoretisch rolle Berechtigung besitzt, geht unter anderem aus einem 
hochinteressanten Falle von Meursing hervor, bei dem sich in einem 
Fall von Lebercirrbose eine sozusagen natürliche Eck’sche Fistel, nämlich 
eine Anastomose zwischen Vena lienalis und Vena renalis gebildet hatte. 
Die Eck’sche Fistel hat am Menschen bisher zu keinem guten Resultat 
geführt, was jedoch wohl der Hauptsache nach auf die ungenügende 
Methodik surückzuführen war. Mit Hilfe der neueren vom Verfasser 
und anderen angegebenen Methoden der Eck’schen Fistel dürften die 
Chancen in dieser Beziehung wesentlich bessere sein. Gegen diese Ope¬ 
ration spricht nur der Umstand, dass sie einen technisch sehr schwierigen 
Eingriff darstellt, dem die geschwächten Patienten nicht immer ge¬ 
wachsen sein dürften. Dementsprechend sind auch mehrere Verein¬ 
fachungen empfohlen worden, so von Villard und Tavernier die 
Herstellung einer Kommunikation zwischen Vena mesenterica superior 
und Vena ovarica, von Bogoras eine Anastomose zwischen Vena mesen- 
terioa superior und Vena cava. Letzterer konnte bei einem so operierten 
Patienten eine gewisse Besserung konstatieren. Eine ausgedehnte Auf¬ 
nahme derartiger therapeutischer Versuche wäre dringend erwünscht. 

Eine andere Art der Operation des Ascites ist die sogenannte 
Ruotte’sche Operation, die schon mehrfach mit ziemlich gutem Erfolg 
ausgeführt wurde und von Dobbertin ohne Berücksichtigung der bisher 
darüber existierenden Literatur neuerdings empfohlen wurde. Sie be¬ 
steht darin, dass der zentrale Stumpf der durchschuittenen Vena saphena 
End-zu-Seit ins Peritoneum transplantiert wird, so dass die Ascites¬ 
flüssigkeit direkt ins Venensystem abströmen kann. Auf demselben 
Prinzip beruhen auch die von Payr und Mao Clure empfohlenen 
Methoden zur Drainage der Ventrikelflüssigkeit der Hydracephalus in 
einen Gehirnsinus oder in eine Halsvene. 

Ueber die Wieting’sche Operation besteht eine so ausgedehnte 
Literatur, dass hier wohl nicht näher darauf eingegangen zu werden 
braucht. Bemerkt mag nur das eine werden, dass die absprechenden 
Urteile über diese Operation, die sich in der letzten Zeit mehr und mehr 
gehäuft haben, nach den allerneuesten Berichten doch nicht so ganz 
berechtigt zu sein scheinen. Auf die Theorie dieser Operation kann hier 
nioht eingegangen werden. Auch wäre die letztere ziemlich gleichgültig, 
wenn nur die praktischen Resultate brauchbar wären. Nun ist es auf¬ 
fallend, dass in der letzten Zeit einige Autoren, deren souveräne Be¬ 
herrschung der Geiässnaht durch ihre sonstigen Arbeiten sichergestellt 
ist, speziell Bernheim und Goodman, auoh über auffallend gute 
Resultate bei der Wieting’schen Operation berichten, so dass der Ver¬ 
dacht naheliegt, dass zahlreiche der in der Literatur angegebenen schlechten 
Resultate auf fehlerhafte Ausführung der Gefässnaht zurückzuführen sind. 

Auf die direkte Bluttransfusion, die bekanntlich vielfach mit Hilfe 
der direkten Gefässnaht ausgeführt wird, soll hier nicht eingegangen 
werden. Einen ausführlichen Bericht hierüber bat kürzlich Dreyer in 
den Ergebnissen der Chirurgie und Orthopädie geliefert, auf den hier 
verwiesen werden kann. 

Die unzweifelhaft grossartigste Leistung auf dem Gebiet der prak¬ 
tischen Blutgefässohirurgie ist die ideale Aneurysma-Operation, die von 
Goyanes und von Lex er angegeben worden ist. Sie besteht darin, 
dass bei Entfernung von Aneurysmen die Kontinuität des Blutstromes 
durch entsprechende Operation wiederhergestellt wird, während man 
bei den früheren Operationen auf die Wiederherstellung de9 Blutstromes 
verzichten musste, wodurch selbstverständlich bei Aneurysmen gewisser, 
ganz grosser Gefasse eine Operation überhaupt nicht möglich war, bei 
kleineren jedooh, z. B. bei solchen der Arteria poplitea mit einem grossen 
Risiko verbunden war. Dass die ideale Aneurysmaoperation heute ganz 
allgemein bei den Aneurysmen der grossen Gefasse angewendet wird, 
bei denen es sich um grosse Gefasse bandelt, ist selbstverständlich. 
Eine Frage kann nur darüber bestehen, ob und in welchen Fällen die 
ideale Aneursymenoperation die obliterierenden Methoden bei kleineren 
Gefässen zu ersetzen hat. Es sind in dieser Beziehung neuerdings von 
Korotkow, v. Oppel, Leier, Henle, Coenen, v. Frisoh 
Methoden angegeben worden, welche darauf hinausgehen, in jedem 
speziellen Fall herauszubekommen, ob die Kollateralen genügend ent¬ 
wickelt sind, um eine Obliteration der betreffenden Gelasse zu gestatten. 
Da jedoch aus Untersuchungen von v. Frisch hervorgeht, dass auch in 
Fällen, bei denen die Obliteration eines grösseren Gefässes zunächst 
scheinbar ohne Schaden vertragen wurde, sekundär doch Störungen auf- 
treten können, dürfte es richtig sein, bei allen einigermaassen grösseren 
Gefässen die ideale Aneurysmaoperation, wenn irgend möglich, auszuführen. 
Welcher Art nun die ideale Aneurysmaoperation zu sein hat, hängt von 
dem speziellen Fall ab: 

Bei sackförmigen Aneurysmen, welche nur durch eine schmale 
OeffnuDg mit den Blutgefässlumen in Verbindung stehen, kann die Ent¬ 
fernung und seitliche Vernähung des Sackes genügen. Bei denjenigen 
Fällen jedoch, bei denen es sich um spindelförmige Erweiterung der 
gesamten Gefässwand handelt, kommt nur eine komplette Resektion des 
betreffenden Gefässstückes und Wiederherstellung der Kontinuität, sei 
es durch End-zu-Endnaht, sei es durch Implantation eines anderen Ge¬ 
fässstückes, in Betracht. 

Matas hat eine unter dem Namen Endoaneurysmorapbie bekannte 
Methode angegeben, die darin besteht, dass man spindelige Aneurysmen 
über einem Katheter so durch Nähte zusammen faltet, dass ihr Lumen 
die Weite des Katheters reduziert. Allerdings bat es sich gezeigt, 
dass nach solchen Operationen meist ein Rezidiv oder eine komplette 
Obliteration eintritfc. Dagegen hat sich das von Matas angegebene 
Verfahren, Aneurysmasäcke in der Weise zu obliterieren, dass man sie 


öffnet, alle Gefassmünduogen von innen her vernäht und dann durch 
Nabte um sich selbst zusammen faltet, ausgezeichnet bewährt. Wie er 
im Internationalen medizinischen Kongress 1913 in London berichten 
konnte, wurde das Verfahren bislang in 225 Fällen verwendet, unter 
denen 19 starben, bei 11 Gangrän eintrat, bei 3 Rezidiv und bei 
3 sekundäre Hämorihagie. Die übrigen wurden geheilt. 

Die ideale Aneurysmenoperation ist nach einer Zusammenstellung 
von Tscherniachowski bislang in 31 Fällen ausgeführt worden. 
Besondere Bedeutung besitzt ein neuerlicher Fall von Leier, bei dem 
ein 18 cm langes Stück der Arteria femoralis erfolgreich durch eine 
Vena saphena ersetzt wurde. 

Ein Gebiet, das bislang fast vollkommen dem Messer des Chirurgen 
entzogen war, war das Aortenaneurysma. Die Methoden, deren man sich 
bislang zur Besserung — von Heilung konnte hier gar nicht die Rede 
sein — bediente, sind allgemein bekannt (Gelatine-Injektionen, Injektion 
koagulierender Substanzen usw.). Eine gewisse Besserung vermochten die 
von Halsted ausgeführten Verengerungen des zuführenden Teiles der 
Aorta durch Alurainiumringe, die er neuerdings durch Fascienstreifeu 
ersetzen will, herbeizuführen. Das eigentliche ideale Ziel wäre jedoch 
selbstverständlich auch beim Aneurysma der Aorta die Exstirpation des 
Aneurysmasackes und Wiederherstellung der Kontinuität durch eine 
entsprechende Blutgefässoperation. Tatsächlich sind in dieser Beziehung 
in allerjüngster Zeit eine ganze Reibe von experimentellen Arbeiten 
ausgeführt worden, welche die Möglichkeit einer derartigen Operation 
unzweifelhaft ergeben haben. 

Bei Aneurysmen der Aorta abdominalis könnte man natürlich nach 
denselben Prinzipien vorgehen, wie bei Aneurysmen anderer Blutgefässe, 
d. h. Exstirpation des Sackes und Ersatz durch eiu frei transplantiertes 
Blutgefässstück anderer Art. 

Die besten bisher auf diesem Gebiet erzielten -Resultate dürften 
diejenigen vom Verf. io Gemeinschaft mit Helmut Joseph erzielten sein, 
die darin bestehen, dass durch entsprechende plastische Operationen aus 
der Carotis desselben Tieres ein genügend weites Gefässstück geformt 
und letzteres als Ersatzstück für eiD exstirpiertes Stück der Aorta ab¬ 
dominalis verwendet wurde. Es gelang mit Hilfe dieses Verfahrens 
Dauerresultate zu erzielen, und die nach vielen Monaten den Tieren 
entnommenen Präparate bewiesen die tadellose Brauchbarkeit dieses 
Verfahrens. In einer jüngst publizierten Arbeit spricht Matas die 
Ueberzeugung aus, das9 es durch Kombination dieses Verfahrens mit 
den vom Verf. in Gemeinschaft mit Lampl und Israel angegebenen 
Methoden der End-zu-Seit-Implantation voraussichtlich möglich sein wird, 
Aneurysmen der Aorta abdominalis zu exstirpieren und durch Reim- 
plautation der Darmgefässe in das implantierte Ersatzstüok normale 
Zirkulationsbediogungen wiederherzustellen. 

Unverhältnismässig schlechter steht es bisher mit der Frage der 
operativem Behandlung von Aneurysmen der Aorta thoracalis. Matas 
hat neuerdings Versuche unternommen, seine oben beschriebene Methode 
der Endoaneurysmoraphie auch beim Aortenbogen anzuwenden. Es zeigte 
sich, dass eine ziemlich weitgehende Verengerung des Aortenbogens 
durch Zusammenfalten der Wand möglich ist, eine komplette Oblite¬ 
ration des Aortenbogens jedoch — auch wenn sie in mehren Sitzungen, 
die monatelang voneinander abstehen, ausgeführt wird — tödlich endigt. 

Da jedoch bei Aortenaneurysmen schliesslich eine komplette Oblite¬ 
ration nicht nötig wäre, sondern nur eine entsprechende Verkleinerung 
des Sackes und Verdickung seiner WanduDg, sind die Versuche von 
Matas nach Ansicht des Verf. keineswegs aussichtslos. In allerjüngster 
Zeit habe ich mich selbst der Frage zugewendet, ob es nicht möglich 
wäre, auch am Aortenbogen die ideale Aneurysmenoperafcion, also Ex¬ 
stirpation desselben und Implantation eines fremdem Gefässstückes — 
ich verwendete entweder die Vena jugularis desselben Tieres oder die 
Aorta eines andern — zu ersetzen. Die Schwierigkeit bestand darin, 
dass diese Operation selbstverständlich ohne Unterbrechung des Blut¬ 
stromes am Aortenbogen ausgeführt werden musste. Ich ging nach 
demselben Prinzip vor, nach dem ich, wie zu Anfang des Vortrages er¬ 
wähnt, in Gemeinschaft mit Lei and den Aortenbogen ohne Unterbrechung 
des Blutstromes eröffnete und wieder vernähte. Nach diesem Prinzip 
wurde das Gefäss End-zu-Seit erst zentral, dann peripher von der Aneu¬ 
rysmenstelle implantiert, dann der Blutstrom in dem neu implantierten 
Gefäss frei gegeben und der dazwischen liegende Teil des Aortenbogens 
exstirpiert. 

Dauerresultate habe ich mit dieser Operation noch nicht erzielt, 
wohl aber gelang es mir, Tiere nach derselben mehrere Tage am Leben 
zu erhalten, und die schliesslich gewonnenen Präparate erwiesen in ein¬ 
wandfreier Weise die technische Möglichkeit solcher Operationen, so dass 
nach entsprechender Weiterausbildung der Methodik die Hoffnung auf 
Dauerresultate bei solchen und ähnlichen Operationen besteht. 


Bücherbesprechungen. 

Lehrbach der chirurgischen Operationen von Prof. Dr. Fedor Kranse 
und Dr. Emil Heymann. II. Abteilung. 1914, Verlag Urban & 
Schwarzenberg. Preis 15. K. 

Die zweite Abteilung des gross angelegten Lehrbuchs von Krause 
und Hey mann ist erschienen. In diesem Teil werden auf ca. 400 Druck¬ 
seiten mit über 300 Abbildungen die chirurgischen Eingriffe am Ober¬ 
und Unterkiefer, die Operationen in der Mundhöhle, an der Zunge, am 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1670 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 39. 


Pharynx, an den Speicheldrüsen, ferner die Chirurgie des nervus facialis, 
der Occipi talnerven und das grosse Kapitel der Chirurgie des Gehirns 
abgehandelt. Es ist keine gewöhnliche Operationslehre, die uns hier ge¬ 
boten wird, es werden vielmehr dem Leser in lebendiger Darstellung 
selbsterlebte klinische Bilder vor Augen geführt, epikritisch beleuchtet 
und dann die für den speziellen Fall besten chirurgischen Maassnahmen 
durch Wort und Bild trefflich illustriere. In allen Kapiteln siebt man 
die Arbeit des vielseitigen klinisch und anatomisch gebildeten Chirurgen, 
der es mit Recht verschmäht hat, ein kleines Gebiet zu seiner Spezialität 
zu machen. Es sind nur wenige und unbedeutende Kapitel, in denen 
sich die Verfasser auf andere Autoren stützen müssen, und wo das not¬ 
wendig war, geschieht es überall mit der Sachkenntnis und gründlichen 
Kritik des erfahrungsreichen Klinikers. Wenn auch die eignen Operations¬ 
methoden überall im Vordergrund stehen, was ja ein Vorteil des Buches 
ist, so sind doch in jedem Kapitel auch die anderen erprobten Methoden, 
die älteren und die neuesten soweit berücksichtigt, dass sich das Buch 
von jeder Einseitigkeit fernhält. So wird es dem jüngeren sowohl wie 
dem älteren Chirurgen ein treuer Ratgeber sein! Besonders gelungen 
sind die Kapitel über die Chirurgie der Kiefer, der Nerven und des 
Gehirns, Gebiete, welchen ja durch Krause’s Arbeiten besonders ge¬ 
fordert und bereichert worden sind: namentlich das Kapitel der Gehirn¬ 
chirurgie ist eine Fundgrube nicht nur für weniger erfahrene Chirurgen, 
die verhältnismässig selten auf diesem Gebiete zu tun haben, sondern 
auch für den erfahrenen. Sind doch in ihnen die neuesten Anschauungen 
Krause’s über Indikation und Technik aller Gehirnerkrankungen nieder¬ 
gelegt. Wir zweifeln nicht, dass das interessante, von einer Fülle von 
Wissen und Können und von erstaunlichem Fleiss zeugende Lehrbuch 
sich in der Bibliothek eines jeden Chirurgen finden wird. 

Die Ausstattung des Buches durch die rühmlich bekannte Verlags¬ 
buchhandlung ist vorzüglich. M. Borchardt-Berlin. 


Jesionek: Praktische Ergebnisse anf den Gebiete der flant- und 
Geschlechtskrankheiten. Dritter Jahrgang. Wiesbaden 1914, 
J. F. Bergmann. 27 M. 

Der dritte Jahrgang enthält nach einer kurzen, interessanten Ueber- 
sicht über unsere Kenntnisse von dem Einfluss der inneren Sekretion 
auf die Haut und deren Adnexa von A. Cedercreutz, nur zwei sehr 
grosse Hauptabschnitte, die Hauttuberkulose und Tuberkulide, und die 
Salvarsantherapie der Syphilis. Den ersten dieser zwei Abschnitte bat 
Zieler, dem wir ja auf diesem Gebiete schon sehr wertvolle, besonders 
experimentelle Studien verdanken, bearbeitet. Es liegt hier eine unge¬ 
mein eingehende und reichhaltige monograpbieartige Abhandlung über 
das ganze Gebiet vor, die Literaturzusammenstellung, die der Autor 
selbst als nicht vollständig bezeichnet, umfasst allein 2423 Nummern. 
Es ist hier nicht möglich, auf die einzelnen Kapitel einzugehen, Z. hat 
den grossen Stoff gegliedert in einen allgemeinen und einen besonderen 
Teil, letzterer zerfällt in sichere Hauttuberkulose und in Erkrankungen, 
deren Zugehörigkeit zur Tuberkulose nicht erwiesen oder fraglich ist. 
Es ist ja keine kleine Zahl von Dermatosen, die mit mehr oder weniger 
Berechtigung schon mit der Tuberkulose in Verbindung gebracht sind. 
Für die Salvarsantherapie der Syphilis wollen Meirowsky und Kretzmer 
nur die Grundlagen aus der ungeheuren Literatur der letzten drei Jahre 
geben. Die Verff. haben die vorliegenden Arbeiten sehr sorgfältig ge¬ 
sichtet und die wesentlichen Grundzüge erschöpfend dargelegt, zu den 
verschiedenen Controversen, der Frage der Neurorecidive u. a. immer 
selbst möglichst objektiv Stellung genommen. Der vorliegende dritte 
Band der praktischen Ergebnisse reiht sioh durch sein reiches und wert¬ 
volles Material den vorangegangenen zwei Bänden ebenbürtig an. 

C. Bruhns-Berlin. 


F. Blamenfeld: Jahresbericht über die Fortschritte der Laryogo- 
logie, Rhinologie and ihrer Grenzgebiete. Bd. 1. Würzburg 1914, 
C. Kabitzsch. 204 S. Preis 6 M. 

Der Herausgeber der Zeitschrift für LaryDgologie, Rhinologie und 
ihre Grenzgebiete will diese Jahresberichte als Ergänzung jener er¬ 
scheinen lassen, und unter sorgfältiger Auswahl der Mitarbeiter auch aus 
den hier in Betracht kommenden ausländischen Sprachgebieten eine 
kritische Zusammenfassung der jüngsten Literatur des Gebietes geben, 
das nicht nach engen spezialistischen Gesichtspunkten abgegrenzt werden 
soll, sondern den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin weitgehend 
berücksichtigen wird. Dieses Unternehmen wird ebenso sehr den Be¬ 
dürfnissen des Praktikers wie des literarisch Arbeitenden entgegenkommen. 


K. Kassel: Geschichte der Nasenheilknnde von ihren Anfängen bis 
zum 18. Jahrhundert. Band I. Würzburg 1914, 0. Kabitzsch. 
476 S. Preis 10 M. 

Als Ergebnis mühevoller tiefgründiger Arbeit bringt uns Verf. in 
seiner Geschichte der Nasenheilkunde eine willkommene Ergänzung der 
Geschichte der Medizin. Er verfolgt die ersten Anfänge bis etwa ins 
Jahr 2000 v. Chr. zu den alten Aegyptern, Indern und Juden, über die 
ihm die Werke über die Papyri und die Aufschriften auf Steinmälern 
Aufschluss gegeben haben. Schon hier finden wir neben den bizarr an- 
mutenden therapeutischen Vorschriften manches Krankheitsbild scharf 
charakterisiert und lernen Bescheidenheit, wenn wir sehen, dass z. B. 
bei der Ozaena jetzt nach Jahrtausenden unsere allermodernste Therapie 
auch noch keine zuverlässigeren Erfolge und unsere Forschungen die 


Erkenntnis von dem Wesen der Erkrankung noch immer nicht gebracht 
hat. Wie beute, so weist auch damals die Massenhaftigkeit der vorge- 
schlagenen Medikamente auf den Mangel von wirksamen hin. In der 
Besprechung der Nasenheilkunde der Griechen und Römer nimmt das 
Werk des auch hier bahnbrechenden Hippokrates den gebührenden 
breiten Raum ein, dessen scharfe Beobachtungen über die Pathologie 
hinaus schon den häufigen Zusammenhang vieler Nasenerkrankungen 
mit Allgemeinerkrankungen erfasst hat. Verf. führt uns dann mit inte¬ 
ressanten Hinweisen über die Beziehungen der medizinischen Anschauungen 
der Völker des Altertums zueinander hinüber ins Mittelalter, zunächst 
zu den in allen Zweigen der Medizin grundlegenden Arbeiten der Araber, 
die neben jedem Tempel ein Hospital errichteten. Hier werden die Aus¬ 
führungen des Verf. vertieft durch die Beleuchtung der Beziehungen 
der Medizin zur Kultur ihrer Zeit. Dazu geben die Schriften der Mönchs¬ 
medizin und die Zeit der Reformation vielfältigen Anlass. Später sehen 
wir mit den Fortschritten der anatomischen Forschung besonders die 
Chirurgie der Nase sich entwickeln, in der auch die schon im frühesten 
Altertum gepflegte Rhinoplastik ihren Platz hat. Mit dem 17. Jahrhundert 
schliesst dieser Band, der uns nach bald spärlicheren, bald reichlicheren 
Quellen die gewundenen Wege der Forschung auf einem Sondergebiete 
der Medizin klar beleuchtet. H. Haike. 


Graefe-Sämisch-Hess: Handbach der gesauten Angenhellkude. 

2. Auflage. 231.—236. Lieferung. Die Krankheiten der Netzbaut. 

Von Prof. Th. Leber. Preis 18 M. 

Von dem umfangreichen Werke Leb er’s über die Erkrankungen 
der Netzhaut liegen nunmehr 6 Lieferungen vor. 

Im ersten Abschnitt werden die Krankheiten und Anomalien des 
Blutgefässsystems der Netzhaut besprochen; der zweite, noch nicht ab¬ 
geschlossene Teil enthält die Cireulationsstörungen der Netzhaut und 
ihre Folgen. Am Ende jeder Unterabteilung finden sich eingebende 
Literaturverzeichnisse. Der Text ist mit einigen Hundert Abbildungen, 
teils ophthalmologischer, teils mikroskopischer, meist nach Originalpräpa¬ 
raten gezeichneter Befunde, versehen. 


J. Rosmanit: Anleitung znr Feststellung der Farbentüchtigkeit. 

Leipzig und Wien, Verlag von Franz Deuticke. 193 Seiten. Preis 
7 M. 

Im ersten Teil (theoretische Einführung) werden die dichromatischen 
Systeme, das normale und das anormale trichromatisehe System be¬ 
handelt, sodann die beiden Modelle des Nagel’schen Anomaloskops 
genau beschrieben, woran sich die praktische Diagnostik der angeborenen 
FarbensinnstöruDgen und die spezielle Methodik ihrer Prüfung am Ado* 
maloskop anschliessen. Die praktische Beurteilung der Farbensinn- 
Störungen werden in einem eigenen Kapitel nochmals zusammeDgefasst 
und zum Schluss die Tafeln von Stilling und Nagel besprochen, wo¬ 
bei erfreulicherweise der in der letzten Zeit von verschiedenen Seiten 
angefochtene Wert der Nagel’schen Tafeln gebührend gewürdigt wird. 

Wenn auch in den letzten Jahren mehrere zum Teil ausgezeichnete 
Leitfäden über dasselbe Schema erschienen sind, so dürfte doch gerade 
denen, die sich eingehender mit dieser sehr schwierigen Materie zu be¬ 
schäftigen haben, das vorliegende, sehr klar geschriebene Buch will¬ 
kommen sein, da er die Erfahrungen eines viel beschäftigten Praktikers 
widerspiegelt und nur durch das Studium neuer Beobachtungen ist es 
möglich, uns auf diesem zum Teil noch dunklen Gebiete immer mehr 
Klarheit zu schaffen. v. Sicherer - München. 


Lexikon der gesamten Therapie. Herausgegeben von Dr. Walter 
Gnttmann. Lieferung 1 (vollständig in 20 Lieferungen zum Preise 
von M. 2,50 pro Lieferung). Berlin und Wien 1914, Verlag von 
Urban & Schwarzenberg. 

Das Buch ist für Aerzte mit allgemeiner Praxis zur raschen Orien¬ 
tierung über alle in der täglichen Praxis nötigen therapeutischen Ein¬ 
griffe bestimmt. Durch diese Bestimmung ist eine Kürze der einzelnen 
Artikel unvermeidlich, aber auch erwünscht und erforderlich. Trotzdem 
erscheint, soweit nach der ersten Lieferung zu beurteilen, der Zweck der 
leichten und raschen Orientierung des praktischen Arztes erreicht und 
wird damit sicher vielfach ein Bedürfnis ausgefüllt werden. Für die Güte 
auch der weiteren Lieferungen bürgen die Namen zahlreicher hervor¬ 
ragender Mitarbeiter. Fromherz. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 13. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Bonhoeffer. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

1. Hr. H. Oppenheim: 

Erfolgreiche Geschwnlstoperationen am oberen Halsmark. (Kranken- 
deraonstration.) 

Dieser 34 jährige Herr wurde mir vor etwa 4 Wochen vom Kollegen 
Giese aus Petersburg unter der Diagnose Geschwulst im Bereich des 
Cervicalmarks (ohne genaue Lokalisation) überwiesen. Beginn der Er- 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 





28 . September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1671 


krankung im August 1912 mit Schmerzen in der linken Nackenschulter¬ 
gegend, allmähliche Steigerung, besonders beim Hustea, Niesen. Anfang 
1913 Besserung unter Diathermie und Massage. Februar dieses Jahres 
Parästbesien im linken Arm, dann auch im rechten Arm und Bein. 
Bald darauf zunehmende Schwäche im linken Arm und Bein, schliess¬ 
lich in allen 4 Extremitäten, dazu Ataxie, besonders im linken Arm, 
Harnbesohwerden. Aus dem Gies e’sehen Befunde hebe ich die Hyper¬ 
ästhesie im linken Supraclavicu largebiet hervor. Ich habe den Patienten 
zuerst im Hotel (im Verein mit Goldscheider), dann im Augusta- 
hospital untersucht mit folgendem Ergebnis: Kopf ziemlich frei beweg¬ 
lich. Keine Lähmung des Cucullaris und Phrenicus. Auch röntge¬ 
nologisch Zwerchfell frei beweglich, allenfalls links eine Spur geringer. 
Anästhesie in der Fossa supraclavicularis. Spastische Parese aller vier 
Extremitäten, besonders aber der linksseitigen, doch kann Patient noch 
ausgiebige Bewegungen in einer Reihe von Muskeln ausführen. Bewegungs¬ 
ataxie in beiden Armen, mehr im linken, auch etwas im linken Bein. 
Leichte Atrophie der kleinen Handmuskeln, links ohne Veränderung der 
elektrischen Erregbarkeit. Anästhesie an der linken Hand und besonders 
Hemianalgesia und Thermanästhesia an den rechten Gliedmaassen und 
der rechten Rumpfbalfte. Blasenstörung. Ich diagnostizierte einen extra¬ 
medullären Tumor am oberen Halsmark links im Ursprungsgebiet der 
3. und eventuell 4. Cervicalwurzel. Bei der von F. Krause am 19. Juni 
ausgeführten Operation fand sich der Tumor an der erwarteten Stelle 
in der Höhe des 3. und 2. Halswirbels, ein kleines Fibrom (Demon¬ 
stration), das von einigen Wurzeln überlagert war; unterhalb desselben 
Liquorstauung. Bei der sehr vorsichtig ausgeführten Enucleation stellten 
sich interessante motorische Reizerscheinungen im linken Accessorius, 
dann auch im linken Arm und in den Beinen ein. Obgleich seit der 
Operation noch nicht 4 Wochen verflossen sind, kann ich Ihnen heute 
den Patienten als praktisch geheilt — er reist morgen in seine Heimat 
— demonstrieren. Bei genauer Untersuchung finden sich natürlich noch 
einige Ausfallserscheinungen, besonders auf sensiblem Gebiet; so besteht 
noch die Anästhesie in der linken Fossa supraolavicularis (Wurzeldurch¬ 
schneidung) und die rechtsseitige Thermbypästhesie. Auch besteht noch 
eine Schwäche im linken Deltoideus. Aber sonst sind alle Störungen 
zurückgegangen, und Patient ist jeder Leistung fähig. Ich bezweiflle 
nicht, dass auch die Hemihypästhesia dextra bald zurückgehen wird, 
während es wohl möglich ist, dass die Anästhesie der linken Fossa 
supraclavioularis bestehen bleiben wird. 

Abgesehen von dem schönen Heilerfolg veranlasst mich das Ver¬ 
halten des N. phrenicus Ihnen den Krankheitsfall zu demonstrieren. 
Ich habe schon in meiner Abhandlung über die Hemiplegia spinalis 
darauf hingewiesen, dass das Verhalten des Zwerchfells bei den Ge¬ 
schwülsten am oberen Cervioalmark auffallend häufig nicht dem ent¬ 
spricht, was wir nach der Lehre von seiner Innervation erwarten sollten. 
In diesem Jahre hatte ich dreimal Gelegenheit, Fälle von Tumor am 
oberen Halsmark mit operativer Behandlung zu beobachten, zwei mit 
F. Krause, einen mit Borchardt. In dem ersten lag eine Kompli¬ 
kation mit Diabetes vor, hier folgte der Tod bald auf die gelungene 
Operation, in den beiden anderen ist der Verlauf ein glücklicher ge¬ 
wesen und zwar in dem heute vorgestellten und dem besonders schweren 
(seit Jahren Tetraplegie) mit Borchardt, der noch unter Beobachtung 
steht. In allen hat es mich überrascht, wie wenig von Phrenicus- 
symptomen nachweisbar, obgleich der Sitz der Geschwülste dem Ursprungs- 
gebiet dieses Nerven entsprach oder der Tumor unmittelbar oberhalb 
desselben sass mit Liquorstauung unterhalb. Das Verhalten bedarf 
entschieden noch der weiteren Aufklärung. Mir ist die Annahme der 
rein-spinocervicalen Innervation des Zwerchfells unwahr¬ 
scheinlich geworden. Von Interesse ist noch die Erscheinung, wie Patient 
die Deltoideusschwäche zu kompensieren versucht. Er beugt den Unter¬ 
arm ad maxiraum, dann gelingt ihm die Abduktion des Oberarms viel 
leichter. Neben der Verkürzung des Hebelarms spielt hier offenbar der 
Umstand eine Rolle, dass die Beuger des Unterarms (Biceps und Coraco- 
brachialis) bei Annäherung ihrer Insertionspunkte zu Schulterhebern 
werden können. (Eine ausführliche Publikation hoffen wir folgen zu 
lassen.) (Autoreferat.) 

2. Hr. Otto Maas: Demonstration eines Falles von Aehondroplasie. 

Zwergwuchs* kann aus verschiedenartigen Ursachen entstehen, so in¬ 
folge von angeborenem Herzfehler, schlechter Ernährung in der Kindheit, 
Lues oder Alkoholismus der Eltern, Myxödem, Rachitis und Achondro- 
plasie. 

Bei der Patientin, die ich zunächst zeige, ist der Zwergwuchs auf 
Rachitis zurückzuführen, daneben kommt vielleicht in Betracht, das9 
Patientin eine Frühgeburt ist. 

Sie ist 58 Jahre alt und ist 123 cm gross. 

Wir sehen starke Verkrümmung der Oberschenkel, sehen und fühlen 
starke Auftreibung der Tibien, fühlen rosenkranzartige Verdickungen an 
der Knorpel knochengrenze der Rippen und sehen eine leichte Kyphose 
der oberen Dorsalwirbelsäule. Das Beckeu ist platt rachitisch, Hände 
und Finger sind normal geformt, und es reicht die Spitze des Mittel¬ 
fingers, wenn Patientin die Arme gestreckt herabhängen lässt, weiter 
als normal herab, fast bis zur Patella. 

Ein völlig anderes Bild bietet die 28 Jahre alte Patientin, die neben 
ihr steht, die 119 cm gross ist. 

Diese Patientin gibt an, dass von ihren 14 Geschwistern eins eben¬ 
falls ungewöhnlich klein, noch kleiner als sie selber sei; die übrigen 
Geschwister und der Vater sollen normal gross sein, auch die bei einer 
Entbindung gestorbene Mutter sei von normaler Grösse gewesen. 


Sie selbst habe im Alter von 2 Jahren laufen gelernt, es infolge 
von englischer Krankheit wieder verlernt, und im 4. Lebensjahre wieder 
zu laufen begonnen. 

Sonst sei sie stets gesund gewesen, speziell sollen nervöse Störungen, 
wie Doppeltsehen, Störung des Urinlassens und unsicherer Gang niemals 
vorgekommen sein. 

Seit dem 16. Lebensjahr treten die Menses auf, anfangs unregel¬ 
mässig, später regelmässig. Sexueller Verkehr seit dem 23. Lebensjahr, 
kein Partus, kein Abort. 

Die Untersuchung des Nervensystems ergibt normalen Befund, auch 
die Pupillen-Lichtreaktion ist normal, am Augenhintergrund finden sich 
aber, was von augenärztlicher Seite, Herrn Kollegen Steindorff, be¬ 
stätigt wurde, ausgedehnte markhaltige Nervenfasern. 

Die Patientin ist nicht ungewöhnlich fett, die Haut hat überall 
völlig normale Beschaffenheit. 

Die oberen Extremitäten sind auffallend kurz; lässt Patientin 
sie herabbängen, so reicht die Spitze des Mittelfingers nur wenig über 
den Trochanter maior herab. Der Oberarm ist 18 cm lang, also länger 
als der Unterarm, dessen Länge 14 cm beträgt. Es ist das erwähnens¬ 
wert, weil häufig bei Aehondroplasie der Oberarm kürzer als der Unter¬ 
arm ist. 

Ganz auffallend kurz sind die Finger und es fehlen die charakte¬ 
ristischen Grössenunterschiede zwischen den einzelnen Fingern. Die 
Nägel sind sehr kurz und breit. 

Beiderseits besteht Andeutung von main en trident. 

Die Kraft des Händedrucks ist sehr gering, was im Gegensatz zu 
vielen Beobachtungen anderer Autoren steht. 

. Die -Epiphysen von Ellenbogen- und Handgelenk sind beiderseits 
stark verdickt. 

Der Rumpf ist im Verhältnis zu den Extremitäten gross. 

Es besteht deutliobe Lordose der Lendenwirbelsäule. 

Auch die unteren Extremitäten sind sehr kurz; der Oberschenkel 
noch kürzer als der Unterschenkel, ersterer 24, der letztere 27 cm lang. 
Auftreibungen der Tibien sind nicht zu fühlen, Verkrümmungen der 
Beine bestehen nicht. 

Der Kopf ist gross und breit. 

Die Zunge ist gross und steht für gewöhnlich etwas zwischen den 
Zahnreihen hervor. 

In bezog auf die Psyche ist ein ganz leichter Grad von Debilität 
nachweisbar, doch ist Patientin imstande, als Händlerin ihren 
Lebensunterhalt zu verdienen. 

Bei manchen Fällen von Aehondroplasie ist bemerkt worden, das9 
die Sexualität besonders stark entwickelt war. Bei unserer Patientin 
hat sich das nicht feststellen lassen. 

Die röntgenologische Untersuchung, für deren Ausführung ich dem 
leitenden Arzt der Röntgenabteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses, 
Herrn Prof. Levy-Dorn, sowie dem Assistenten des Instituts, Herrn 
Dr. Ziegler, sehr zu Dank verpflichtet bin, hat eine Reihe von Ab¬ 
normitäten ergeben, von denen ich die folgenden besprechen will. 

Die Metacarpal- und Fingerknocben sind sehr kurz und es sind die 
Epiphysen dieser Knochen stark aufgetrieben. 

Das Röntgenbild der Finger dieser Patientin ist völlig verschieden 
von demjenigen des Falles von Aohondroplasie, den ich auf der Ver¬ 
sammlung deutscher Nervenärzte im Jahre 1910 demonstrierte. 

An Radius und Ulna sind am distalen Ende starke unregelmässige 
Verdickungen zu sehen, am Radius auch nicht weit vom proximalen 
Ende desselben. 

Am Schulterblatt, das häufig auffallend klein gefunden wurde, ist 
hier nichts Pathologisches zu sehen, und es ist auch keine abnorme 
Grösse des Humeruskopfes nachweisbar. 

An der Tibia und Fibula sind nahe ihrem oberen Ende unregel¬ 
mässige Verdickungen zu sehen. 

An den Füssen ist die auffallende Kürze des Metatarsus und der 
Zehen bemerkenswert. 

Auch hier starke Verdickung der Epiphysen. 

Die Zehen sind für Röntgen strahlen ungewöhnlich durchlässig. 

An der Schädelbasis sind die vordere sowohl wie die hintere Wand 
der Sella turcica verdickt, und es ist ein ungewöhnlich starkes Ansteigen 
der vorderen Schädelgrube nachweisbar. 

An einzelnen Rippen sieht man an der Knorpelknochengrenze Kalk¬ 
ablagerungen. 

Die Diagnose Aohondroplasie kann hier mit Sicherheit gestellt 
werden. 

Das genannte Leiden ist zwar anatomisch bei Föten schon früher 
von Virchow, Müller, Kaufmann und Parrot studiert worden, 
klinische Beachtung hat es aber erst seit den von Marie im Jahre 1900 
publizierten Beobachtungen gefunden, und es sind seitdem ein Reihe von 
Fällen publiziert worden, die aber untereinander in manohen Punkten 
verschieden sind. (Autoreferat.) 

Diskussion. 

Hr. Rothmann fragt, wie es mit der Zahnbildung bei der vorge¬ 
stellten Patientin ist. Er sah zwei Fälle; in dem einen waren die Zähne 
früh entwickelt und gingen bald verloren, in dem anderen entwickelten 
sich die zweiten Zähne gar nicht. 

Hr. Oppenheim findet bei der Patientin die „main en trident“ 
sehr ausgesprochen. Wie ist es mit der Neigung der Patientin zur 
Komik ? 

Hr. Maas (Schlusswort): Von Andeutung von „main en trident“ 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1G72 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 39. 


habe ich gesprochen, weil ich in der Literatur Abbildungen gesehen I 
habe, bei denen dieser Zustand entschieden noch ausgeprägter war. | 

Abgesehen von der schon genannten ganz leichten psychischen De¬ 
bilität habe ich bei der hier vorgestellten Patientin keine sicheren 
psychischen Abnormitäten feststellen können, während die Patientin, die 
ich vor 4 Jahren demonstrierte, allerdings insofern bemerkenswert war, 
als bei der damals schon 69 Jahre alten Patientin sich noch alle Ge¬ 
danken um sexuelle Dinge drehten. 

Was die Frage der Zahnbildung betrifft, so hat die gezeigte Patientin 
ihre Zähne infolge von Caries früh verloren und trägt infolgedessen ein 
Gebiss. 

3. Hr. Simons: Raynaud oder Endarteriitis obliterans oder Embolie? 

Vortr. stellt einen 43 jährigen Kellner vor, der in der Kindheit 
Masern, vor 21 Jahren einen Lungenspitzenkatarrh und vor 5 Jahren 
Gelenkreissen gehabt hat, aber sonst stets gesund war. Er bestreitet 
entschieden Lues, Alkohol- und Nikotinabusus. Andere Berufssohädtich- 
keiten liegen nicht vor, ein Trauma ist nicht vorausgegangen. Für die 
Wahrheit dieser Angaben des Patienten sprechen: 1. das Fehlen von 
Eiweiss (auch mikroskopisch) und Zucker im Urin bei wiederholter 
Untersuchung. Auch das spezifische Gewicht des Barns und die Harn¬ 
menge ist normal; 2. der negative Wassermann im Blut und ein voll¬ 
kommen normales Lumbalpunktat; 3. die genauere Untersuchung des 
Herzens, die noch von spezialistischer Seite (Herr Rehfisch) nach 
mehreren Richtungen ergänzt wurde. Röntgenbild der Aorta und des 
Herzens; Elektrogramme sind normal; die Funktionsprüfung des Herzens 
durch Kompression beider Crurales (Katzenstein’sche Methode) ergab 
„ein noch durchaus funktionstüchtiges Herz“. Die Höhe des Blut¬ 
drucks — palpatorisch gemessen — beträgt 145. Der Puls ist normal. 
Ueber der Herzspitze und der Aorta ist der erste Ton etwas unrein, es 
handelt sich nach dem Befund wohl um eine beginnende Arterio¬ 
sklerose. Dieser Mann erkrankte vor einem Jahre plötzlich mit Kribbeln 
und Jucken in allen Fingern der rechten Hand, besonders im Zeige¬ 
finger. Zeitweise auch heitige Schmerzen. Einen Monat nach Beginn 
der Krankheit wird die Spitze des Zeige- und Mittelfingers weiss und 
kalt, manchmal bestand auch eine bläuliche Sohwellung des zweiten 
Fingers mit Blasenbildung an der Spitze, er arbeitete unter Schmerzen 
bis Anfang März d. J. Da kommt es zum Brand des zweiten Fingers 
und er lässt sich in die chirurgische Klinik (Geheimrat Bier) aufnehmen. 
Dort wurde Mumifikation des Eudglieds des linken Zeigefingers und blau¬ 
rote Flecken an den Enden der übrigen Finger festgestellt. Ferner be¬ 
standen leichte Sensibilitätsstörungen an den Fingern. Die Temperatur 
war normal. Der Kranke wird mit Heissluft behandelt und nach einiger 
Zeit zur Poliklinik entlassen. Mitte Mai fühlt der Patient, als er auf 
seinen Verband wartet, plötzlich einen Schmerz; wie ein elektrischer 
Schlag, der von den Fingern der rechten Hand über die Schulter bis 
zur linken Hand zog. Rechte Hand ist gefühllos, auch die linke Hand 
wie gelähmt; bald darauf wird ihm schwarz vor den Augen, er stolpert, 
bleibt aber bei vollem Bewusstsein. Nach 1 ! / 2 Stunden Besserung, 
aber es „flimmert“ noch vor den Augen; der Gang ist etwas unsicher, 
trotzdem die Beine kräftig sind. Einen Tag später wird die Hand wieder 
warm, die Augenbeschwerden verschwinden. Wiederaufnahme in die 
Klinik. Jetzt wird festgestellt, dass die Nagelphalanx des linken Zeige¬ 
fingers schwarz und demarkiert ist, die übrigen Finger sind blau, be¬ 
sonders der dritte Finger. An der Radialis und Brachialis kein und in 
der Axillaris schwacher Puls. Eine Embolie wird vermutet. Einige 
Tage später erste neurologische Untersuchung. Es fanden sich *chon 
die vom Chirurgen festgestellten Veränderungen an der Hand, aber die 
Radialis und Brachialis war wieder deutlich, wenn auch schwächer als 
rechts zu fühlen. Am übrigen Nervensystem nicht die geringsten Ab¬ 
weichungen. Alle vier Fusspulse deutlich, beiderseits gleich; periphere 
Arterien nicht geschlängelt. Diagnose unter Berücksichtigung der 
früheren Anamnese. Morbus Raynaud, trotz der Einseitigkeit und 
des mehrere Tage lang fehlenden Radial- und Brachialpulses. Die er¬ 
wähnten vorübergehenden Augenstörungen, der unsichere Gaog wurden 
auf entsprechende Gefässkrämpfe bezogen. Die weitere Beobachtung in 
der Klinik ergibt fortschreitende Gangrän der Finger und dauerndes 
Verschwinden des Radial-, Brachial- und Axillarpulses am rechter Arm 
(Subclavia-Carotispulse beiderseits gleich und kräftig). Zweite neuro¬ 
logische Untersuchung bestätigt durchaus den Befund des Chirurgen und 
stellt wieder sonst vollkommen normale Verhältnisse am Nervensystem 
fest. Mit Rücksicht auf das dauernde Fehlen des Armpulses wird jetzt 
die Diagnose: progressive obliterierende Arteriitis gestellt. Der Patient 
wird Mitte Juni entlassen, nachdem ihm die Endglieder der Finger, wo 
nötig, amputiert sind. Anfang Juli wird plötzlich die rechte Hand eis¬ 
kalt, nachdem er die Finger einige Zeit bewegt hatte, gleichzeitig furcht¬ 
bare Schmerzen, die auch heute noch bestehen, im Handteller, Daumen, 
5 Finger und Hand-Vorderarmgrenze. Gleichzeitig bemerkt er eine 
starke Schwäche der linken Hand, die schon einige Zeit vor der letzten 
Entlassung aus der Klinik in leichter Form begonnen hatte, dem be¬ 
handelnden Chirurgen Herrn Manuel aufgefallen war und auf Gefass- 
krämpfe bzw. ähnliche Prozesse in der Gefässwand des rechten Armes 
bezogen wurde. Die dritte neurologische Untersuchung (Prof. H. Oppen¬ 
heim) ergab ausser dem von Simons früher erhobenen Befund noch 
eine beiderseitige Hemiparese (leichte VH-Parese, Steigerung des Sehnen¬ 
phänomens am linken Arm, grobe diffuse Parese am rechten Arm ohne 
Atrophie und sichere elektrische Veränderungen, Fehlen des Bauch- 
reflexes, Andeutung von Fussclonus, Kniephänomen rechts > links, Spur 


Schwäche im linken Bein, kein Babinski, nur geringere PJantarflexion 
wie links. Oppenheim diagnostiziert ebenfalls Raynaud’sche Krankheit 
oder progressive obliterierende Arteriitis mit analogem Prozess in der 
Hemisphäre. Der Kranke wird weiter vom Chirurgen beobachtet. Der 
Zustand bessert sich in keiner Weise, daraufhin Freilegung der Radialis 
oberhalb des Handgelenks (Herr Manu ei); ohne Blutleere, auch zur 
Feststellung, ob ein entfernbarer Thrombus vorliegt. Bei der Operation 
blutet es fast gar nicht. Die Radialis ist in der Handgelenkgegend etwa 
3—4 cm aufwärts stark geschlängelt und fühlt sich ziemlich hart an; 
die Begleitvenen sind sehr stark collabiert, etwa 2 mm dick. Umfaog 
der Radialis normal. An der harten Stelle wird inzidiert, es findet sich 
ein weicher dunkelroter Thrombus, der sich unter das Liga¬ 
mentum transversum scheinbar fortsetzt, oberhalb des Thrombus wird 
die zusammengefallene Radialis durchtrennt; auch nach Ausstreifen des 
distalen Gefässendes entleert sich kein Tropfen Blut, man sieht 
die weisse Intima. Exzision eines Teils des tbrombosierten Teils; Unter¬ 
bindung. Die histologische Untersuchung (Demonstration) ergibt in zahl¬ 
reichen Schnitten eine vollkommen normale bzw. nicht erheb¬ 
lich veränderte Gefässwand; keine Spur von Arterio¬ 
sklerose, Endarteriitis oder Veränderungen in der Media 
und Adventitia. Nur an einer Stelle ist die Intima um das Doppelte 
verdickt, aber nach Ansicht des Pathologen nicht anders, als dem Alter 
des Patienten entspricht. Aus dem Operationsbefund ergibt sieb, dass 
der Verschluss nur oben sitzt; die histologische Untersuchung macht es 
unwahrscheinlich, dass oben ein endarteriitischer Prozess vorliegt (s. die 
eingehende Arbeit Todyos: „Beitrag zur Pathogenese der sogenannten 
spontanen Gangrän“, Arch. f. Chir., 1912); denn dann würde wohl sicher 
die Radialis arteriosklerotisch bzw. endarteriitisch verändert sein. Da 
nun der klinische Befund höchstens Zeichen von Präsklerose bei durch¬ 
aus funktionstüchtigem Herzen ergibt, Schrumpfniere, Lues und ein die 
Axillaris komprimierender Tumor auszuschliessen sind, muss man, worauf 
Herr Westenhöfer auf Grund seiner Sektionserfahrung hinwies, 
auch mit der Möglichkeit einer paradoxen Embolie (offenes Formen 
ovale ist nicht selten und kann Symptom los sein) rechnen. Der Ope¬ 
rationsbefund (distaler frischer Thrombus) würde sich so erklären können, 
dass nach allmählich entstandenem, völligem Verschluss der Axillaris 
die bis dahin noch in die Radialis geströmte geringe Blutmenge durch 
Kontraktion der Brachialis und Radialis nun ganz in die Peripherie ge¬ 
presst wurde. Sicheres ist nicht zu sagen. Die weitere Aufklärung 
kann nur die hohe Amputation (histologisches Verhalten der Gelasse) 
bzw. die Obduktion ergeben. (Autorefer&t.) 

Diskussion. 

Hr. M. Roth mann: Will man bei diesem eigenartigen Fall ver¬ 
suchen, die Symptome auf eine einheitliche Affektion zurückzuführen, so 
weist doch alles auf den Aortenbogen hin. Die völlige Blutleere der 
rechten Art. radialis oberhalb des am Unterarm gefundenen Thrombus, 
die Affektion des rechten Arms in Verbindung mit den cerebralen 
Lähmungserscheinungen an den linksseitigen Extremitäten lässt doch an 
einen atheromatösen Prozess am Abgang der rechten Atr. anonyma mit 
teilweisem Verschluss der Arterien denken. Selbst wenn das Röntgen¬ 
bild jetzt noch keine Veränderung am Arcus aortae erkennen lässt 
(Aneurysma usw.) und nichts auf den häufigsten ätiologischen Faktor, 
die Syphilis hinweist, halte ich diese Lokaldiagnose für die wahrschein¬ 
lichste. (Autoreferat.) 

Hr. M. Bernhardt richtet an den Vortr. die Frage, ob der Kranke 
vielleicht ein Trauma erlitten. Er denkt dabei an eine von ihm im 
Jahre 1881 *) mitgeteilte Beobachtung, welche einen sonst gesunden, 
auch nicht herzkranken 27jährigen Mann betraf, der nach Verletzung 
der rechten Schulter und Fall auf die gespreizte rechte Hand einen dem 
hier gezeigten ähnlichen Zustand an der rechten Hand darbot. 

Weder an der Art. radialis noch an der Art. ulnaris, auch nicht 
an der Art. brachialis war ein Puls fühlbar. Gedacht wurde damals an 
eine durch das Trauma bervorgerufene Zerreissung und Aufrollung der 
Gefässintima an der Art. braohialis. (Autoreferat.) 

Hr. Simons (Schlusswort); Es bestand kein Trauma, nichts sprach 
für Lues, nichts für Schrumpfniere. Am Herzen oder Aortenbogen war 
nichts Krankhaftes nachweisbar. 

4. Hr. Bonhoeffer demonstriert: a) den anatomischen Befund eines 
in der Julisitzung 1912 gezeigten Kranken, der damals einen ecrebelle- 
bilbären Sy «pto men komplex dargeboten hatte. Ueber den klinischen 
Befund vgl. das Sitzungsprotokoll vom 12. Juli 1912 2 ). Aus dem Ver¬ 
lauf der damaligen Demonstration wird noch hervorgehoben, dass vor¬ 
übergehend eine leichte Neuritis optica zu beobachten war, die später 
wieder verschwand. Es kam schliesslich zu völliger SprechunZähigkeit, 
die Spasmen nahmen zu, vereinzelte unklare Temperatursteigerungen 
traten auf. Bei dem dauernden Fehlen ausgesprochener Hirndruck¬ 
erscheinungen wurde an der Diagnose einer infiltrierenden substituieren¬ 
den Neubildung festgehalten. Der anatomische Befund ergab einen ver¬ 
breiteten encephalitischen Prozess. Bei Markscheidenfärbung 
fanden sich im Stirnhirn im Nucleus caudatus, Linsenkern und Mark¬ 
lager der Centralwindungen grosse herdförmige Ausfälle. Dementsprechend 
zeigen van Gieson-Schnitte deutliche Gliawucherungen. Die Gefässe sind 
überall innerhalb des Herdes von sehr starken Infiltraten eingescheidet. 


1) Arch. f. Psych., Bd. 12, S. 499. 

2) Zbl. f. Psych., 1912, S. 1048. 


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JNIVE RSITY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1673 


28. September 1914. 

Das Gehirn ist noch nicht vollständig geschnitten, es ergibt sich aber, 
dass anoh in dem Pons encephalitische Herde mit starken Infiltraten in 
den Gefässscheiden sich befinden. Im Rückenmark zeigt die Pyramiden¬ 
bahn ausgesprochen sekundäre Degeneration, doch geht an einzelnen 
Stellen das Bereich der Degeneration über das Areal der Pyramiden¬ 
bahn hinaus. 

Vortr. betont die auffallende Aehnlichkeit des Befundes mit den 
Befunden, wie sie neuerdings vonFrenkel und Jakob bei sogenannter 
akuter Sklerose erhoben worden sind. Ueber den Grad der Vernichtung 
der Achsencylinder werden noch genauere Untersuchungen anzustellen 
sein, dooh scheint es nach dem Befund der sekundären Degeneration im 
Pyramidenstranggebiet, dass sie zum grossen Teil vernichtet worden sind. 
Ueber die Lokalisation des Prozesses und die Beziehungen zum klini¬ 
schen Befund ist vor Abschluss der Untersuchung der übrigen Hirn¬ 
gebiete, insbesondere des Kleinhirns und des Pons, nichts Sioheres zu 
sagen. 

b) Der in der Märzsitzung dieses Jahres demonstrierte Knabe mit 
linksseitig«! eorliealen Anfällen mit Dauerclonus im linken Facialis 
mit Störungen der Lageempfindnng und der Stereognose links 1 ) ist 
inzwischen auch zur Obduktion gekommen. Es war seinerzeit wegen des 
Fehlens von allgemeinen Hirndruckerscheinungen an einen chronisch 
enoephalitischen Prozess gedacht worden. Der Kranke ist kurz naoh 
der Demonstration von den Angehörigen nach Hause genommen worden, 
und am 19. Juni neuerdings wieder mit massenhaften linksseitigen corti- 
calen Anfällen eingeliefert worden. Der Status hemiepilepticus liess ein 
chirurgisches Eingreifen erforderlich erscheinen. Die Trepanation wurde 
von Herrn Hildebrand gemacht. Es ergab sich kein Hirndruck, nor¬ 
male Pia- und Rindenverhältnisse, bei der Punktion kein Hydrocephalus 
und keine abnormen Hirnbestandtteile. Nach der Trepanation sistierten 
die Anfälle nur kurze Zeit; sie traten dann wieder gehäuft auf. 4 Tage 
nach der Operation erfolgte der Exitus. 

Makroskopisch fand sich bei der Obduktion des Gehirns in Frontal- 
sohnitten nirgends ein Herd. Mikroskopisch sind vorläufig nur wenig 
Schnitte gemacht worden, nach denen es scheint, dass in der ent¬ 
nommenen Partie aus der Gegend der hinteren Centralwindung alte 
Ganglienzellenveränderungen mit stärkerer Gliawucherung vorliegen. Die 
Gefässe erscheinen an einzelnen Stellen auffallend deutlich und wie in¬ 
filtriert, doch zeigt es sich, dass es sich nicht um eigentliche Infiltrate, 
sondern anscheinend zumeist um Anhäufung von Gliakernen in der Nähe 
der Gefässe handelt. 

Es handelt sich hier um einen der unklaren Fälle von corticaler 
Epilepsie mit Herdsymptomen, bei denen der erwartete makroskopische 
Befund ausbleibt. Vortr. hat einen derartigen Fall vor Jahren mit 
v. Mikulicz zusammen operiert, und von Henneberg sind schon 
früher ähnliche Fälle aus der Charite berichtet worden. Ueber die 
Natur des Prozesses wird zweckmässigerweise eine Aeusserung erst nach 
der mikroskopischen Durchforschung erfolgen. (Autoreferat.) 

Diskussion. 

Hr. Henneberg weist auf die nahe Verwandtschaft der im ersten Falle 
vorliegenden Encephalitisform mit der multiplen Sklerose hin. Die Unter¬ 
schiede sind nur gradueller Art. Der Achsencylinderzerfall ist bei der in 
Rede stehenden Encephalitisform ein stärkerer, daher kommt es zu sekun¬ 
därer Degeneration. An der Narbenbildung kann sich das Bindegewebe in 
beschränktem Maasse beteiligen. Kleine Erweiohungscysten kommen auch 
bei multipler Sklerose vor. Zwisohen der Encephalitis und typischen 
Sclerosis multiplex kommen Uebergangsformen vor. Die Sclerosis 
multiplex ist eine besondere Form der Encephalomyelitis, bei der die 
entzündlichen Veränderungen wenig hochgradig sind und sich rasch 
zurückbilden. Die in dem zweiten Falle Vorgefundenen Veränderungen 
sind vielleicht erst durch die Trepanation hervorgerufen worden. 

Hr. Oppenheim betont, dass sich nach seinen früheren und den 
moderneren Erfahrungen der Forscher die disseminierte Myeloencephalitis 
nicht scharf von der multiplen Sklerose trennen lässt, und dass der be¬ 
sprochene Fall voraussichtlich in die Gruppe der sogenannten akuten 
multiplen Sklerose gebracht werden kann. Er wird diese Frage auf dem 
Berner internationalen Kongress für Neurologie und Psychiatrie ein¬ 
gehender erörtern. Auf den zweiten Fall dürfte nach dem bisherigen 
Untersuohungsergebnis die Bezeichnung „Pseudotumor cerebri“ An¬ 
wendung verdienen. (Autoreferat.) 

Hr. Kroll-Moskau erwähnt, dass der Fall völlig das Bild der Epi- 
lepsia partialis continua (Koschewnikoff) bot; diese Fälle zeigten bei 
der Autopsie Veränderungen der Pyramidenzellen. 

Hr. 0. Maas weist auf einen von ihm beobachteten Fall hin, der 
anfangs als Encephalitis pontis diagnostiziert wurde, später eine typische 
multiple Sklerose darstellte. 

Hr. Bonhoeffer (Schlusswort): Was zunächst den letzten Fall an- 
langt, so spricht gegen die Auffassung, dass lediglich eine Erkrankung 
der Beetz’schen Zellen zugrunde liege, schon die Tatsache, dass Lage- 
empfindungs- und stereognostische Störungen bestanden haben. Dass die 
Ganglienzellenveränderungen Trepanationsfolgen sind, ist im Hinblick 
auf die Gliawucherung, die doch wohl älteren Datums ist, nicht wahr¬ 
scheinlich, doch wird die weitere Untersuchung abzuwarten sein. Den 
Ausdruck „Pseudotumor“ für den Fall anzuwenden, habe ich absichtlich 
unterlassen, weil gerade das Fehlen der Hirndruckerscheinungen mir den 
Tumor unwahrscheinlich gemacht hatte. 


1) Zbl. f. Payoh., 1914, S. 474. 


Der anatomische Befund des ersten Falles zeigte eine Multiplizität 
des P/ozesses auch in den bis jetzt untersuchten Stücken, insofern im 
Marklager des Stirnhirns neben dem grossen ein kleinerer Herd lag und 
insofern auch im Opticus und Pons herdförmige Ausfälle zu konstatieren 
waren. Auf die Aehnlichkeit des Befundes insbesondere auch hinsicht¬ 
lich der starken Gefässinfiltration mit den Fällen akuter multipler 
Sklerose, wie sie Fränkel und Jakob beschrieben haben, habe ich 
bingewiesen. Leider bin ich nicht in der Lage, Aohsencylinderbilder 
zeigen zu können, da sie augenblicklich nicht auffindbar sind. 

(Sohluss folgt.) 


Natarhistorisch-medlzini&cher Verein zu Heidelberg* 

Sitzung vom 7. Juli 1914. 

Hr. Brnos berichtet über Defekt versuche an der offenen MednJIar- 
platte der im Neurulastadium befindlichen Unkenembryonen, die zu dem 
Zwecke unternommen wurden, zu untersuchen, welche Ausfallser¬ 
scheinungen solche in bestimmter Lokalisation und Ausdehnung an¬ 
gelegten Defekte im später ausgewachsenen Rückenmark zurücklassen. 
Im Gegensatz zum geschlossenen Medullarrohr hat die offene Meduilar- 
platte für die Absteckung regionärer Grenzen verschieden determinierten 
Anlagematerials den Vorzug, dass noch alles oberflächlich und neben¬ 
einander liegt. Ist eine Determination schon vorhanden, so müssen sich 
operativ gesetzte Defekte im späteren Verlauf der Entwicklung durch 
das Ausfallen von Teilen in verschiedenen Etagen des Rückenmarks 
äussern. Diese Annahme hat sich als richtig erwiesen. Es ist deshalb 
das Neurulastadium ein sehr günstiges Objekt, um solche Teile des 
Rückenmarks zu exstirpieren, welche später in die tiefen Lagen sich 
begeben und denen dann um so schwieriger beizukommen ist, je weiter 
die Entwicklung fortgeschritten ist. Durch die Art und Weise, wie der 
angelegte Defekt von wechselnder Grösse bald die ventrale Anlage allein, 
bald die dorsale und ventrale zusammen in mannigfachen Abstufungen 
und wechselnden Höhen traf, war es möglich eine celluläre Topographie 
der Rückenmarksanlage anzubahnen, entsprechend der Rindentopographie 
des Gehirns. Im Gegensatz zum entwickelten Rückenmark, an dem die 
graue Substanz erst durch Zerstörung des Markmantels sichtbar wird, liegt 
im Stadium der Medullarplatte noch alles oberflächlich nebeneinander, wie 
beim Gehirn. Im grossen und ganzen ist die anfängliche Verschiedenheit 
der Zellterritorien noch eine ultramikroskopische und wird erst in der 
folgenden Entwicklung sichtbar. Dies zeigt sich daran, dass durch deu 
Defekt bestimmte Territorien ausfallen, andere aber nicht, d. h. es bleiben in 
dem durch den Defekt isolierten Stück der Rückenmarksanlage bestimmte 
Gebiete allein übrig. Die Kombination dieser beiden Operationsfolgen 
wird in zweckmässiger Anwendung der Methode zu einer genauen Analyse 
der zellulären Topographie des Rückenmarks führen können. Obgleich 
zur Zeit der Operation noch nichts von einer segmentären Einteilung 
des Ektoderms der Medullarplatte oder des Mesoderms (spätere Ursegmente) 
zu sehen ist, ist trotzdem das Material beider Keimblätter schon segmental 
determiniert und zwar sind bis zu 20 Segmente im Neurulastadium vor¬ 
gebildet; diese sind um so kürzer, je weiter sie nach hinten, dem Ur- 
mund zu, liegen. Ihre Form und Position ist gut rekonstruierbar. 
Ebenso lässt sich die Form der Materialdepots für die motorischen 
Neuroplasten in der Medullarplatte genau umgrenzen, sowohl lateral 
nach den sensiblen Zellen zu, als auch medial nach der Kernsäule der 
andern Körperseite zu. Die Beziehungen der Zellen zu dem Nervenverlauf 
der gleichen und entgegengesetzten Körperseite liess sich unter Benutzung 
dieser Feststellungen präzisieren, ebenso die Beziehungen eines Segmentes 
zu anderen Segmenten der gleichen Körperseite. Die Ependymzellen für 
den Zentralkanal scheinen ebenfalls in bestimmten Regiouen zu liegen, 
doch sind die Grenzen zur Zeit nicht genau zu präzisieren. Die Rücken¬ 
marksanlage, welche nach Setzung eines Defektes übrig bleibt, regeneriert 
nicht zu einem ganzen Rückenmark von entsprechend verringerter Di¬ 
mension, sondern es bildet sich nur ein Teil dieses Rückenmarks aus, 
welches sich durch eine Membran nach aussen abschliesst. Diese Membran 
enthält keine Ganglienzellen, verdickt sich jedoch später durch Wucherung 
von Gliazellen und Einwanderung von zentralen Nervenbahnen. Durch 
dieses Ergebnis war die Möglichkeit gegeben, zu sondern zwischen solchen 
Anlagen, welche nur für die eine Körperseite Verwendung finden sollen, 
und solchen, welche für beide Seiten verwendbar sind. Die motorischen 
Neuroplasten gehören zur ersten, die sensiblen zur zweiten Kategorie. 
Bei der Zerstörung der einen Hälfte der im Neurulastadium befindlichen 
Medullarplatte (Halbseitenläsion) können deshalb nicht die motorischen 
Zellen für die verletzte Seite vicariierend eintreten, wohl aber die sensiblen, 
d. h. es können sich beiderseits Spinalganglien bilden, und auch die 
Kette der Dorsalzellen entsteht in normaler Weise. Die Versuche wurden 
in der Weise ausgefübrt, dass die Läsionen mit Hülfe ganz feiner gebogener 
Glasnadeln gesetzt wurden. Das Aussehen der infolge der Defekte in 
veränderter Weise entwickelten Rückenmarke wird an der Hand von 
mikroskopischen Präparaten und Modellen erläutert. 

Hr. Bittrolff: 

Ueber die Einwirkung von Bakterienfennenten anf konserviertes 
Gewebe. 

Lässt man Filtrate älterer Bouillonkulturen gewisser Bakterien auf 
tierisches oder menschliches, konserviertes Gewebe einwirken, so erhalt 
man histologisch nachweisbare Veränderungen; diese bestehen vor allem 
in einer weitgehenden Schädigung der Kerne des Organparenchyms bis 


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UNIVERSITY OF IOWA 




1674 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 30. 


zum völligen Kernsehwund (die bei dieser Kernschädigung erhaltenen 
Bilder gleichen ganz deneD, die man auch sonst bei Karyolysis und 
Karyorrhexis sieht); etwas widerstandsfähiger sind die Kerne der Herz¬ 
muskulatur, sehr resistent die Bindegeweb-skerne. Die Herzmuskulatur 
ist gequollen schlecht färbbar, in Primitivfibrillen aufgespalten, die Quer¬ 
streifung vielfach geschwunden. Auch das Protoplasma von Nieren- und 
Leberzellen zeigt leichte Schädigungen. Man erhält so histologische Bilder, 
besonders von Niere und Leber, die völlig dem Bild der Nekrose gleichen. 

Die genannten Veränderungen werden mit grosser Wahrscheinlichkeit 
durch die proteolytischen Fermente der betreffenden Bakterien erzeugt, 
aus folgenden Gründen: 1. Die Gewebeschädigungeu erhält man nur 
mit den Filtraten der Bakterien, die Gelatine verflüssigen (z. B. Proteus, 
Prodigiosus, Pyocyaneus, Staphylokokken); die nicht verflüssigenden 
Bakterien greifen die konservierten Gewebe nicht an (Pneumokokken, 
Streptokokken, Tuberkelbazillen, DiphtheriebazilleD). 2. Von den Filtraten 
wird nur das durch Kochen in Wasser fixierte Organeiweiss angegriffen, 
während das in Formol fixierte Gewebe durch die Filtrate keine nach¬ 
weisbaren Veränderungen erfährt. (Formollixiertes Eiweiss ist nach 
Literaturangaben gegen Trypsinverdauung resistent.) 3. Die wirksamen 
Filtrate werden durch Erhitzen auf 100° unwirksam gemacht. 

Diese Befunde lassen daran denken, dass auch im lebenden Körper 
die histologischen Veränderungen, die unter Einwirkung von Bakterien 
entstehen (z. B. Nekrose), z. T. durch solche fermentartige, von den 
Bakterien gebildete Stoffe erzeugt werden. 


Sitzung vom 21. Juli 1914. 

Hr. Elze spricht über die typische Verlaufsanomalie des Nervös 
Uryngens inferior dexter, mit Bemerkungen über die Schridde’schen 
Aortennarben. — An der Hand des Präparates eines Falles der von 
Brenner genau untersuchten und mit allen Varianten entwicklungs¬ 
geschichtlich erklärten Varietät, bei welcher der Nervus laryngeus inf. 
dexter infolge der abnormen Entstehung der Arteria subclavia dextra 
aus dem distalen Ende der Aortenwurzel nicht rückgängig ist, sondern 
unmittelbar vom Stamme des N. vagus zum Kehlkopf zieht, werden die 
zugrunde Hegenden Entwicklungsvorgänge der Kiemenarterienbügen be¬ 
sprochen. Dabei wird die Kaudalwärtsverlagerung des Herzens und der 
Derivate der Kiemenarterienbögen besprochen, und besonders die Ver¬ 
schiebung, welche nicht nur die Art. subclavia sin., bzw. der Ductus 
Botalii längs der Aortenwand erfährt, sondern vor allem die abnorm sich 
entwickelnde Art. subclavia dextra, die beim Erwachsenen als letzter 
Ast des Aortenbogens an dessen dorsaler Wand gegenüber der Insertion 
des Ligamentum Botalii entspringt. Im Anschluss daran kommt der 
Vortragende auf die von Schridde und seinem Schüler Kroemer be¬ 
schriebenen Aortennarben zu sprechen. Es handelt sich dabei um eine 
streifenförmige Verdickung der Intima der ventralen Wand der Aorta 
unterhalb des Lig. Botalii. Genaueres über die Lage des Streifens ist 
aus den Beschreibungen nicht zu entnehmen, da kein Uebersichtsbiid 
beigefügt ist und man sich nach den Angaben, dass er „rechts von den 
Intercostalarterien“ liege, und mit „versprengten“ Intereostalarterien, 
womit offenbar Art. bronchialis und oesophageae gemeint sind, in Be¬ 
ziehung steht, kein rechtes Bild machen kann. Schridde und Kroemer 
geben der Meinüng Ausdruck, dass dieser Streifen als die „Narbe“ der 
rechten Aortenwurzel zu betrachten sei. Wäre diese Meinung richtig, 
so müsste man, wie die Autoren selbst sagen, diese Narbe am deutlichsten 
bei Embryonen kurz nach der Obliteration der rechten Aortenwurzel 
ausgeprägt finden. Sie geben jedoch selbst an, dass sie bei dem jüngsten 
von ihnen untersuchten Stadium, dass freilich mit Rücksicht aut die in 
Rede stehenden Entwicklungsvorgänge schon sehr alt ist, einem Fötus 
aus dem sechsten Monat, von den „Narben“ keine Spur haben entdecken 
können. Vor allem spricht gegen diese Meinung der Umstand, dass, 
wenn die rechte Aortenwurzel, statt wie gewöhnlich zu obliterieren, als 
Anfangsteil der Art. subclavia dextra erhalten bleibt, ihre Vereinigungs¬ 
stelle mit der linken Aortenwurzel, also der Ursprung der abnormen 
rechten Subclavia aus der Aorta, nicht caudal vom Ligamentum Botalii 
am ventralen Umfang der Aorta descendens, sondern gegenüber dem 
Ligamentum Botalii am dorsalen Umfange des Arcus aortae gefunden 
wird. Einen strikten Gegenbeweis könnte freilich nur die auf den in 
Rede stehenden Streifen verdickter Intima gerichtete Untersuchung einer 
Aorta liefern, welche die erwähnte Varietät der Art. subclavia dextra 
aufweist. 

Br. Emst Kränke] gibt einen Beitrag zur Theorie und Praxis 
der Wassermann’schen Reaktion. In der serologischen Abteilung des 
Heidelberger Krebsinstituts wurden in ca. 1500 Fällen alkoholische Ex¬ 
trakte aus Lueslebern und Alkoholextrakte aus Rinderherzen mit und 
ohne Cholestearinzusatz (Sachs), sowie methylalkoholische Acetonextrakte 
aus Meerschweinchenherzen parallel als Antigen verwendet. Ausser den 
individuellen Differenzen, die jeder Extrakt je nach dem Komplement 
insbesondere bei den schwach positiven Sera zeigen kann, wurden keine 
prinzipiellen Unterschiede in der Brauchbarkeit der verschiedenen Extrakt¬ 
arten gefunden. Die Extrakte aus normalen Organen erwiesen sich als 
gleichwertig mit denen aus Lueslebern und wurden später in einer Anzahl 
von Fällen (ca. 900) mit gutem Erfolg allein verwendet. Die verschiedenen 
Extraktarten zeigten nach den von Klein vorgenommenen Untersuchungen 
annähernd übereinstimmende Analysenzahlen. Die Antigenwirkung beim 
alkoholischen Rinderherzenextrakt war im wesentlichen an den äther¬ 
löslichen, acetonunlöslichen Teil gebunden, der die Phosphatide enthält. 
Verstärkt wird die Antigenwirkung durch Cholestearin, sowie durch einen 


aus dem Alkoholextrakt ausfallenden, jecorinähnlichen, seifenartigen 
Körper (Klein und Fränkel), der eine stark hemmende Wirkung auf 
die Komplementhämolyse hat und auch die Antigenwirkung des Lecithins 
ab ovo verstärkt. Welche Substanzen sonst noch an der AntigenwirkuDg 
beteiligt sind, ist unsicher. Eine Einwirkung des Serums direkt auf 
den Extrakt ist wahrscheinlich vorhanden. Ob man mit Much die Ab¬ 
bauprodukte, speziell die Aminosäuren im Serum für die Reaktion ver¬ 
antwortlich machen kann, scheint zweifelhaft, da eine Anzahl derselben 
(Tyrosin, Alanin, Leucin) mit und ohne negatives Serum die Komplement¬ 
hämolyse erst in Dosen hemmen, welche bei der Reaktion gar nicht in 
Betracht kommen. Vielleicht ist näherliegend, an Zustandsänderungea 
der Kolloide zu denken, wie sie auch bei der Umwandlung negativer 
Sera in Wassermann-positive nach ChloroformvorbebandluDg anzunehmen 
sind (Fränkel). Die klinischen Resultate entsprachen den auch ander¬ 
wärts gemachten Erfahrungen mit der Reaktion. „Paradoxe“ Sera kommen 
nur ausnahmsweise einmal vor. Hier lag die Schuld am Komplement, 
wie sieb bei der Verwendung eines andern Komplementes herausstellte. 
Bei 374 Carcinomfällen war die Reaktion im ganzen 34mal positiv oder 
schwach positiv (ca. 9pCt.), und zwar wohl immer auf Grund einer durch¬ 
gemachten Lues. Davon entfallen auf 23 ZuDgencarcinome allein 9 posi¬ 
tive und 2 schwach positive Reaktionen (45pCt.). Dies deutet darauf 
hiD, dass eine luetische Erkrankung wohl ausserordentlich oft den Boden 
vorbereitet, auf dem sich das Carcinom später entwickelt. 


Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.) 

Sitzung vom 15. September 1914 im Laügenbeckhause. 

Die Ziele und Aufgaben der „Kriegsärztliehen Abende“. 

Der Vorsitzende, Herr Geheimrat Prof. Dr. Treidelenburg, begrüsst 
die zahlreiche Versammlung, insbesondere die Vertreter der Behörden, 
und erinnert an den Paten dieses Hauses, Bernhard v. Langenbeck. 
Dieser begründete 1870 in Orleans eine Gesellschaft, in der die Militär¬ 
ärzte ihre Erfahrungen austauschten; er gedenkt v. Graefe’s, Stroh- 
meyer’s, Esmarch’s und vor allem v. Bergmann’s. Dieser lehrte 
zuerst in der Kriegschirurgie das Prinzip des Nil nocere. Nicht mehr 
wird aus dem ledernen Handbesteck, aus dem Rocke die Sonde geholt 
und nach der Kugel gesucht oder gar eine komplizierte Fraktur mit un¬ 
gereinigtem Finger auf lose Splitter untersucht. Die feinen und fried¬ 
lichen Züge Jos. Lister’s blicken auf uns herab; wir wollen uns den 
Blick nicht durch politische Leidenschaften verdunkeln lassen. 

Wir wollen aber alle Zwecke der kriegsärztlichen Wissenschaften im 
weitesten Sinne umfassen. Die grosse Bedeutung der Hygiene, die 
R. Koch schuf, und die 1870 erst in den schwachen Anfängen stand, 
drückt sich in der Kriegshygiene aus. Kriegsseuchen finden sich in 
jedem längerdauernden Kriege. Ausser der Kubpockenimpfung, die 1870 
unsere Soldaten vor den Blattern schützte, fehlte es damals an jedem 
Schutzmittel. Erschreckend war die Zahl der Opfer. Im Krimkriege 
verloren die Westmächte an Krankheiten viermal soviel Mannschaften als 
durch Verwundungen. Das beste Mittel war der Abmarsch aus den 
Seuchengegenden nach dem Fall der Festungen. Unsere Kruppgeschütze 
werden auch wirksame Seuchenbekämpfung üben, indem sie längere Be¬ 
lagerung verhüten. 

Eine wichtige Aufgabe bleibt es, die Schutzsera zu erproben. Ge¬ 
legenheit dazu haben wir im Osten. Noch manche andere Krankheit ist 
wichtig. Bei den starken Ansprüchen der modernen ausgedehnten Kriegs- 
führuDg weiden die Ermüdungszustände und Erschöpfungskrankheiten 
sich körperlich und psychisch besonders geltend machen. Dazu kommen 
die mannigfachen physiologischen und ärztlichen Fragen hinsichtlich der 
Ernährung der Armee und der heimischen Bevölkerung unter den Kriegs¬ 
verhältnissen. 

Das Arbeitsfeld ist umfangreich, eine gute Ernte nur durch das Zu¬ 
sammenarbeiten vieler zu erzielen; gegenseitige Belehrung zum Wohle 
der Kranken und Verwundeten, Förderung der kriegsärztlichen Wissen¬ 
schaft durch Sammlung der Erfahrung sei unser Ziel. 

Hr. Adam: Das Kaiserin Friedrich-Haus wird seine Röntgen- 
einrichtung denjenigen Reservelazaretten, die keine besitzen, kostenlos 
zur Verfügung stellen. Für die Platte soll 1 M. zu wohltätigen Zwecken 
erhoben werden. 

Aerztliche Friedenstätigkeit im Kriege. 

Hr. Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner*. Millionen der kräftigsten 
Männer sahen wir hinausziehen, von Vaterlandsliebe erfüllt, desgleichen 
Tausende von Aerzten und Schwestern, die unsere kranken und ver¬ 
wundeten Brüder versorgen sollen, und da will Vortr. von Friedenstätig¬ 
keit sprechen. Es handelt sich um die Schicksalsstunde für Deutsch¬ 
land. Die Feinde wollen unseren Handel zerstören, unsere Güter rauben 
und uns aus der Landkarte streichen. Darum müssen wir, die leider 
Zurückbleiben, eine bedeutungsvolle Sorge übernehmen, nämlich die, dass 
unser heimkehrendes Heer ein Land wiederfindet, das blühend und 
fruchtbar, gesund und ohne Krankheiten ist. Die Familienväter sollen 
Weib und Kind gesund wiederfinden. Wir müssen während des Krieges 
trotz der Erregung und Sorge um unsere Heere ruhig und ernsten Auges 
wachen, dass unser Volk gesund bleibt. 

Dank den Leistungen Koch’s und seiner Mitarbeiter haben wir in 


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UNIVERSUM OF IOWA 




28. September 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1675 


Deutschland einen Gesundheitszustand, der sioh mit anderen Ländern 
messen kann, den besten, den es geben kann. Denn unsere Aerzte 
bildeten sich mit Ernst und Eifer fort. Dank der Initiative Koch's, 
durch das Impfgesetz von 1874, das Reichsseuchengesetz von 1900 und 
das preusaische Seuchengesetz von 1905 haben wir Waffen gegen alle 
Seuchen. 

Das Deutsche Reich ist von einem Netz von Untersuchungsanstalten 
überzogen, welche der Feststellung der übertragbaren Krankheiten 
dienen; in sämtlichen Apotheken stehen Gefässe, welche jeder Arzt mit 
Prüfungsmaterial füllen und an eine Anstalt senden kann. Ebenso gibt 
es zahlreiche Desinfektorenschulen, die unentgeltlich Personal ausbilden; 
in Preussen sind das bisher 4000 Personen. Für die Schutzpockenimpfung 
sind Anstalten errichtet, welche die Lymphe produzieren und unentgelt¬ 
lich abgeben; bisher sind es 20. Die Herstellung ist verbessert; denn 
man lernte die Lymphe länger zu konservieren und keimfreier als bis¬ 
her zu machen. 

Weiterhin wird die Grenze durch am Meere gelegene Quarantäne- 
Anstalten geschützt, welche die Zugänge zu unseren grösseren Strömen 
bewachen. Ausserdem bestehen Kontroll3tationen für die russischen 
Auswanderer, welche alle Fremden überwachen. Zum Abfangen der 
Krankheitskeime machen wir die Bacillenträger unschädlich. Am Niemen, 
Weichsel und Warthe bestehen Untersuchungsstellen für Schiffer, die 
aus Russland kommen. Wir haben 1910 zuerst an zwei Stellen der 
Grenze Laboratorien eingerichtet, wo sämtliche Schiffer auf Cholera¬ 

bacillen untersucht wurden; dreimal wurden solche gefunden. 

Infolge der Fortschritte haben wir eine grosse Abnahme der 
Seuchensterblichkeit zu verzeichnen. Von 1816 bis 1880 war 
die jährliche Sterblichkeit die gleiche; nur von Zeit zu Zeit gab 
es Steigerungen infolge von Epidemien; 1829/31 herrschte die Cholera, 
später die Pocken (1871/72). Dann ist unter Koch’s Einfluss 

die Sterblichkeit bis zu einem Tiefstand, wie nie zuvor, zurückgegangeu. 
Es sind nicht alle Krankheiten, sondern hauptsächlich die Infektions¬ 
krankheiten beteiligt. Auch bei den nicht übertragbaren Krankheiten 

ist in den letzten Jahren dank den Fortschritten der Chirurgie und 

Hygiene eine Abnahme erfolgt; aber diejenige der übertragbaren Krank¬ 
heiten duldet keinen Vergleich. Wir haben keine Sterblichkeit mehr an 
Pocken und Diphtheritis. Vor der Einführung des Diphtherieheilserums 
starben 40000—50000 Kinder, jetzt nur 10000—11000 daran jährlich. 
Typhus ist die schwerste Infektionskrankheit jetzt; von 7 auf 10000 im 
Jahre 1876 ist die Sterblichkeit dieser Krankheit auf wenige Bruchteile 
1912 gefallen. 

Der gute Gesundheitszustand gilt auch von den chronischen In¬ 
fektionskrankheiten, auch von der Tuberkulose. Sie hat leider weniger 
abgenommen, da keine Anzeigepflicht besteht. An ihr haben wir 1876 
330, 1910 nur 155 von 10000 Lebenden verloren; das ist eine Abnahme 
um mehr als 50 pCt. Die Abnahme der Kindertuberkulose ist minimal; 
günstiger steht es mit dem versicherungspflichtigen Alter. 

Im ganzen sind also die Gesundheitszustände ira Deutschen Reiche 
ausgezeichnet. Deswegen wollte Vortr. über die „ärztliche Friedens¬ 
arbeit im Kriege“ sprechen. Die Zahl der im Felde befindlichen Aerzte 
ist sehr gross. Nicht nur jeder Truppenteil braucht eine Anzahl, ein 
mobiles Regiment 6, ein Armeekorps weit über 100 Aerzte. Unsere 
20 Armeekorps brauchen 3000—4000 Aerzte. Dann führen wir bei 
jedem Korps 12 Lazarette und 3 Sanitätskompagnien mit; dazu kommen 
Kriegslazarette mit ärztlichem Personal, Sanitätszüge und -Schiffe fahren 
hin und her zur Evakuierung der Verwundeten. Bei Seuchenausbruch 
im Etappengebiet sind Seuchenlazarette vorgesehen. Es findet also 
während des Krieges ein enormer Abfluss von Aerzten statt, der niemals 
so gross wie jetzt war. Nun haben wir viel Aerzte, weit über 30 000, 
wenn auch in manchen Gegenden ein Mangel besteht; im ganzen ist 
kein Mangel. Die Aerzte könnten noch viel mehr in Anspruch ge¬ 
nommen werden, wenn die Bevölkerung von der Bedeutung des Arztes 
und seiner Tätigkeit völlig durchdrungen wäre. Gegenwärtig sind aber 
weniger Aerzte vorhanden als nötig ist. 

In Deutschland haben wir 149 Lungenheilstätten für Erwachsene, 
32 für Kinder, 108 für scrofulöse und erholungsbedürftige Kinder mit 
20000 Betten, in einer grossen Reihe von Krankenhäusern besondere 
Abteilungen für Tuberkulöse; im Frühjahr 1913 hatten wir 1819 Aus- 
kunfts- und Fürsorgestellen, die erst 1903 begründet worden waren, 
115 Walderholungsstätten mit Tag- und teilweise Nachtaufenthalt, 
19 grosse Anstalten für Knochen- und Gelenktuberkulose mit 1496 Betten. 
Die Sterblichkeit an Tuberkulose hat ja auch dank der sozialen Gesetz¬ 
gebung, die grosse Mittel frei machte, abgenomraen. Kaum weniger 
wichtig ist die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit. Auch hier wurde 
Hervorragendes geleistet, Krippen- und Säuglingsheime, Auskunfts- und 
Fürsorgestellen für Säuglinge, Stillprämien für Frauen. Unsere Kinder 
werden nicht mehr dezimiert. Die Säuglingssterblichkeit tötete früher 
den 4.-5. Teil der Kinder; jetzt sterben kaum zwei Drittel dessen, viel¬ 
mals noch weniger. 

Zur Erforschung des Lupus wurden Anstalten getroffen; mindestens 
16000—20000 Kranke sind vorhanden. Ein Sonderausschuss des Zentral¬ 
komitees gegen die Tuberkulose schloss Verträge mit Krankenanstalten und 
beschaffte Finsen-Apparate. Ueberall findet eine mühselige Behandlung 
statt. Schon nimmt die Zahl der neugemeldeten Fälle ab. Vielleicht 
gelingt es auch, den Lupus einzudämmen. Andere Staaten, z. B. Oester- 
rach, haben schon eigene Lupusheime, die den Kranken ein lebenswertes 
Dasein verschaffen. 

Die Bekämpfung chronischer Krankheiten umfasst auch die Krebs¬ 


frage ; ein Komitee wurde zur Untersuchung und Heilung der Kranken 
gegründet; überall wird mit Eifer gearbeitet. Die Ursache ist noch 
nicht gefunden, aber die Zahl der Arbeiten ist enorm. 

Zahnärzte haben gezeigt, dass die Zahncaries in weiten Kreisen 
eine Volkskrankheit ist. Auch auf dem Lande haben die Kinder schlechte 
Gebisse und die Ernährung leidet. Ein Komitee wurde gegründet und 
schuf Schulzahnkliniken. Schon bessern sich die Verhältnisse in der 
Bevölkerung. 

Vor einigen Jahren erkannte man, dass unsere Jugend geschützt 
werden muss; so entwickelte sich die Schulhygiene. Viele Städte haben 
Schulärzte, welche die Schulrekruten und andere Schüler nicht nur regel¬ 
mässig untersuchen, sondern durch die ganze Schule geleiten und Rat¬ 
schläge zur Berufswahl geben. Auch die moralischen Seuchen, die 
Geschlechtskrankheiten haben wir angegriffen. Ein Komitee besteht zu 
ihrer Bekämpfung und zur Belehrung über ihre Schäden. Diese Krank¬ 
heiten sind nicht nur der Moral und ihrer Gesundheit schädlich, sondern 
untergraben auch die geistigen Leistungen. Die Zahl der erblich syphi¬ 
litischen Kinder und der rüstigen Männer, die plötzlich in geistige Nacht 
versinken, ist riesengross. 

Alle diese hochwichtigen Dinge sind jetzt gefährdet? Weil das 
Interesse unseres Volkes und der Aerzte auf die einzige grosse Frage 
gerichtet ist, die Erhaltung unserer Bedeutung in der Welt. Wir denken 
an unsere Jugend im Felde, wir stellen Aerzte und Mittel der Armee bereit. 
Aber es gibt eine Kehrseite. Wir müssen auf sie binweisen. Bei jedem 
Kriege muss man au den Frieden, bei jedem Frieden daran denken, wie 
der Friede uns findet! Unser Export und Import liegt darnieder. Unsere 
Fabriken stehen still. Unsere Industrie leistet nichts. 

Aber im Inlande sind Menschen, welche ebenso wie in Friedens- 
Zeiten Krankheiten unterworfen sind. Wird die Gesundheit der Heim¬ 
gebliebenen geschädigt, so ist der Schaden nie wieder gut zu machen. 
Unsere Pflicht ist es, das zu verhüten. Das Heer muss ein gesundes 
Haus wiederfinden Wie? ist schwer auszuführen, aber befriedigend zu 
beantworten. 

Das Personal der Aerzte und Krankenschwestern wurde gleich bei 
Beginn des Krieges vermehrt. Das praktische Jahr wurde für die Kriegs¬ 
zeit abgeschafft, die Notprüfung am ersten Mobilmachungstage eingeführt. 
Die Zahl dieser jungen Aerzte dürfte etwa 2000 betragen. Ebenso ver¬ 
fuhren wir mit den Pflegepersonen. Bisher wurde mindestens ein Jahr 
Tätigkeit und Prüfung verlangt; während des Krieges wird die Bildung 
auf 6 Monate verkürzt und eine Notprüfung eingeführt. Noch immer 
sind es zu wenig! Das merken wir daran, dass bei Ausbruch des Krieges 
fast sämtliche Lungenheilstätten und Fürsorgestellen für Lungenkranke 
und Säuglinge geschlossen wurden, weil die Anstalten der Armee zur 
Verfügung gestellt wurden und die Aerzte und Schwestern ohne Ersatz 
ins Feld gingen. Nicht alle Anstalten eignen sieh zur Pflege von Ver¬ 
wundeten. Man sollte nicht jede Anstalt dem Heere geben, sondern auf 
ihre Eignung prüfen. Lungenheilstätten sind vielleicht ungeeignet, weil 
infiziert. Sie sind zwar zu desinfizieren, aber man muss wählen. 
Säuglingsheime und Krippen zu benutzen, erscheint merkwürdig! Sie 
sind wenig geeignet zur Behandlung von Schwerverletzten. Es ist 
wichtig, hier kritisch zu sein. Vielleicht klagen manche Aerzte, dass 
ihre Lazarette nicht belegt werden; das ist ein Beweis dafür, dass die 
Zahl der Unterkünfte im Reiche enorm ist, ein Zeichen des hohen 
Standes der Medizin und der Wohlhabenheit des Volkes. Soviel Ver¬ 
wundete, wie nötig wären, alle Spitäler zu füllen, sind nicht vorhanden. 

Daraus folgt, dass es nicht richtig ist, alle Anstalten ohne Prüfung 
dem Heere zu übergeben. 

Wenn wir alle Lungenheilstätten und Krippen plötzlich räumeD, 90 
ist das bedenklich. Die Tuberkulösen sind zwar vielfach nicht an¬ 
steckend; aber ein Teil, der offene Tuberkulose hat, verbreitet die 
Keime. Werden die Anstalten geschlossen, so ist die Gefahr der Aus¬ 
breitung gross. Dann steigt die Sterblichkeit der Tuberkulose wieder. 
Die gesunden Kinder werden angesteckt. Dem ist entgegengetreten 
worden. Die Präsidenten des Reichsgesundheitsamtes, des Reichsver- 
sicheruDgsamtes und der Angestelltenversicherungsanstalt, die Herren 
Bumm, Kaufmann und Roch, traten zusammen. Die Wohlfahrts¬ 
pflege soll auch während des Krieges getrieben werden. Das Reichs¬ 
versicherungsamt hat das sämtlichen Landesversicherungsanstalten ans 
Herz gelegt. Sie haben Mittel zur Verfügung gestellt. Der Minister 
des Innern hat alle nachgeordneten Behörden aufgefordert, der Fürsorge 
für Tuberkulöse und Säuglinge auch weiterhin ihre volle Aufmerksamkeit 
zuzuwenden. Viele Lungenheilstätten wurden wieder geöffnet. Das 
Kriegsministerium benutzt die Heilstätten nur für tuberkulöse Soldaten; 
in den Heilstätten dürfen in Sonderabteilungen Zivilpersonen Unterkunft 
finden. Die Fürsorgestellen haben wir mit Aerzten, Schwestern und 
Geld versorgt. Genau so wurde mit der Säuglingsfrage verfahren. Die 
Herren Bumm und v. Behr-Pinnow haben sich der Frage ange¬ 
nommen. Fürsorgestellen und Krippen sind wieder in Tätigkeit. 

Und noch eins geschah, die Einrichtung der Kriegspatenschaft; für 
Säuglinge, deren Väter im Felde stehen, sollen Kinder aus wohlhabenden 
Familien sorgen. 

Wichtig ist die Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten. Die 
Zahl der Versicherten ist in Berlin von 500 000 auf 135 000 gesunken. 
Dazu hat eine Reihe von Krankenkassen die Familienversorgung auf¬ 
gegeben. Ein Teil der Aerzte ist nicht mehr so beschäftigt wie bisher 
und wie es wünschenswert ist. Um so mehr haben die Aerzte Zeit, die 
Fälle sorgfältig zu versorgen. Wir haben jetzt eine Diphtherieepidemie. 
Sorgen wir, dass das Heilserum eingespritzt wird. Die Stadt liefert es 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1676 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 89. 


gratis. Wir haben in Russland Cholera und Pest, in Belgien Ruhr, in 
Südpolen desgleichen, in Frankreich die Pocken. Die Pariser Be¬ 
völkerung soll zwangsweise geimpft werden. Das mahnt uns, aufzupassen 
auf den ersten Fall, z. B. von Cholera und Pocken; auf Pest muss man 
bei besonders schwerer Lungenentzündung fahnden. Ein Verdacht muss 
gemeldet werden. 

Infolge des Krieges besteht grosse Arbeitslosigkeit, die den Kampf 
gegen Krankheit schwächt. Das gilt nicht bloss von den niederen 
Ständen; für sie zu sorgen, sie an die richtigen Stellen zu weisen, dazu 
ist zuerst der Arzt berufen. Wird auoh die Zahl der Aerzte immer ge¬ 
ringer, so ist jetzt die Zeit, ein solches Verhältnis wieder anzubahnen. 
Der Arzt soll den Familien auch in Fragen, die über das rein Aerztliche 
hinausgehen, in der Kriegswohlfahrtspflege helfen, soll den von Elend 
Verfolgten Hilfe leisten, ihre Schmerzen rechtzeitig erkennen und heilen. 
So sorgen wir, dass unser Volk gesund und stark bleibt. Mode. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Generaloberst v. Hin den bürg, der Befreier Ostpreussens, 
wurde wie von den übrigen, so auch von der medizinischen Fakultät 
der Universität Königsberg zum Dr. honoris causa ernannt. 

— Der bekannte Wiesbadener Ophthalmologe Pagen Stecher feierte 
am 16. September seinen 70. Geburtstag. 

— Generalarzt Korsch, Korpsarzt des V. Armeekorps, ist gefallen. 

— Dr. Max Kirsohner aus München, zuletzt Assistent an der 
Katzenstein’schen Privatklinik in Berlin und jetzt Assistenzarzt der 
Reserve in der 3. bayerischen Feldpionierkompagnie, erhielt das eiserne 
Kreuz. Wir beglückwünschen den liebenswürdigen, bescheidenen, jungen 
Kollegen aufs herzlichste zu dieser grossen Ehre. I 

— Gegenüber dem hier auftretenden Gerücht, in Königsberg und 
benachbarten Gebieten Ostpreussens sei die Cholera ausgebrochen, wird 
von zuständiger Seite festgestellt, dass bis jetzt weder in der Stadt 
noch im Regierungsbezirk Königsberg Fälle von Cholera vorgekommen 
sind. Auch in den an den Kreis Memel angrenzenden russischen Be¬ 
zirken herrscht keine Cholera. 

— Die ostpreussische Aerztekammer gibt bekannt, dass ein be¬ 
sonderer Notstand dadurch eingetreten ist, dass es in den kleinen Provinz¬ 
städten Ostpreussens an Aerzten mangelt. Es wird als dringend 
notwendig bezeichnet, dass sich Aerzte finden, die bereit sind, für die 
Zeit der Not dort ihre Praxis auszuüben. 

— Eine grössere Anzahl von Firmen der chemisch-pharmazeutischen 
Industrie verwahrt sich gegen eine aus Apothekerkreisen herrührende 
Behauptung, dass sie für ihre Produkte eine starke Preiserhöhung ein¬ 
geführt habe. Es seien für die meisten Präparate die alten Preise bei¬ 
behalten und nur für einige wenige geringe Erhöhungen eingeführt worden, 
bedingt durch eine Erhöhung der Rohpreise. 

— Nachdem die „pneumatischen Kammern“ mit der Uebersiedeluug 
des Krankenhauses der israelitischen Gemeinde in das neue Heim auf¬ 
gelassen worden, ist es vielleicht für gewisse Fälle von Interesse, dass 
der langjährige Leiter obiger therapeutischen Abteilung, Herr E. Aron, 
neben seiner Tätigkeit am genannten Krankenhaus die Leitung der 
„pneumatischen Kuranstalt“ in der neuen Winterfeldtstrasse 20 über¬ 
nommen hat. 

— Volkskrankheiten. Genickstarre in Preussen (6.—12. IX.) 

2 und 1 +, und zwar im Reg.-Bez. Arnsberg 1, Posen 1 (1 +)• — Spinale 
Kinderlähmung (6.—12. IX.) 6, und zwar im Reg.-Bez. Aachen 1, 
Arnsberg 1, Liegnitz 1, Schleswig 2, Landespolizeibezirk Berlin 1. — 
Pest in Italien im Hafen von Catania am 5. IX. 3 und am 6. IX. 4 
pestverdächtige Fälle, von denen 3 tödlich. Aegypten (8.-28. VIII.) 
10 (3 f). Schweden und Norwegen ist das Gouvernement Podolien 
als choleraverseucht erklärt worden. 

Hochsohulnachrichten. 

Freiburg i. B. Privatdozent W. Hildebrandt erhielt den Titel 
ausserordentlicher Professor. — Königsberg. Prof. Hallervorden, 
Privatdozent für Psychiatrie, ist gestorben. — Marburg. Privatdozent 
Dr. 0. Veit wurde zum Abteilungsvorsteher am anatomischen Institut 
ernannt. — Prag. Habilitiert: an der tschechischen Universität für 
Pharmakologie Ottokar Rybak. — Wien. Habilitiert: Otto Sachs 
für Dermatologie und Syphilis, Erh. Glaser für Hygiene, Rieh. 
Wasicky für Pharmakognosie. 

Verlustliste. 

Dr. A. Eis en heim er - Mannheim-Lindenhof, Assistenzarzt d. R., 
schwer verwundet. Dr. E. Glömme-Hamm i. W., Stabsarzt d. R., 
schwer verwundet. Fritz v. Ewald - Darmstadt, cand. med., gefallen. 
Dr. H. Riehardt-Hünfeld, verwundet. Dr. H. Eicke - Breslau, Unter¬ 
arzt, gefallen. Dr. Jacobi - Hirschberg, Unterarzt, gefallen. Dr. H. 
Weltz, Unterarzt, gefallen. Dr. Molkenbuhr, eiDjährig-freiwill. Arzt 
der Marine, gefallen. Dr. K. Zirkel, Oberarzt d. R., gestorben in 
Landau Pf. E. Gläsl, stud. med., 19. bayer. Inf.-Reg., gefallen. 
Dr. F. Seiler- Gersheim, Stabsarzt d. R., gefallen. Dr. B. Hamp- 
Soimenberg, Stabsarzt d. L., verwundet. Dr. E. Wiedersheimer - 
Aschhausen, Assistenzarzt, verwundet. E. Boltz, cand. med., gefallen. 


Dr. E. H ei man n - Duisburg, Assistenzarzt d. R. im 2. bad. Inf.-Reg., 
gefallen. Sao.-Rat Dr. Jacke - Fürstenwalde, Stabsarzt d. R., an Pneu¬ 
monie gestorben. Dr. W. Kern - Windsbach, Oberarzt d. R., gefallen. 
Dr. E. Overhof - Kiel, Unterarzt, gefallen. Dr. Pauly -Neidenburg, 
Stabsarzt im 18. L.-Reg., gefallen. Dr. K. Schrödl - Tann, Oberarzt 
d. R. im 16. Inf.-Reg., verwundet. Dr. H. Brumby - Liebenwerda, Ober¬ 
arzt, schwer verwundet. San.-Rat Dr. E. Romberg• Braubaeb, Stabs¬ 
arzt d. L, Inf.-Reg. Nr. 60, gestorben infolge eines Unfalles. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Königl. Krone zum Roten Adler-Orden 
4. Kl.: Marine-Oberstabsarzt Dr. Bensen vom Stabe S. M. Linien¬ 
schiffs „Kaiser“. 

Roter Adler-Orden 4. KI.: Geh. San.-Rat Dr. v. Kühlwetter in 
Düsseldorf. 

Rote Kreuz-Medaille 3. KL: Oberarzt am städt. Krankenhause in 
Solingen, Stabsarzt d. R. Dr. Everts. 

Ernennung: Privatdozent an der Universität Marburg Dr. 0. Veit, 
2. Prosektor am anatomischen Institut der genannten Universität, zum 
Abteilungsvorsteher an demselben Institut. 

Weitere Ernennungen an der neuen Universität Frankfurt a. M. 
siehe unter „Tagesgeschichtliche Notizen“ der vorigen Nummer dieser 
Wochenschrift, Seite 1656. 

Versetzung: ordentl. Prof. Dr. A. Ellinger von Königsberg i. Pr. 
in gleicher Eigenschaft in die medizinische Fakultät der Universität 
Frankfurt a. M. 

Niederlassungen: Dr. E. Dresel und Dr. R. Kaiser in Berlin, Dr. 

E. Böhme und A. van Oyen in Brandenburg a. H., A. Frenzei 
und Aerztin Dr. J. Müller geb. Ebsen in Berlin-Schmargendorf, Dr. 

F. K oester ia Berlin-Lankwitz, Dr. E. Weiss, San.-Rat Dr. E. 
Möser, Dr. A. Harbig und Dr. W. Schulemann in Breslau, 
Aerztin M. Helbig in Halle a. S., Dr. E. Euers in Crefeld, Dr. R. 
v. Scheven, Dr. J. Quante und Dr. P. P. Wolff in Elberfeld, 
A. Sardemann und Dr. F. Berningbaus in Essen (Ruhr), Dr. P. 
Hoffmanns in Issum, Dr. 0. Lürick in Alpen, Dr. A. R. G. Sie¬ 
laff in Remscheid, Dr. F. Gläsel in Sigmaringen, Dr. F. Wagner in 
Borbeck-Dellwig. 

Verzogen: Stabsarzt Dr. R. Blaschy von Goslar naoh Offenbarg 
i.Baden, Generalarzt a. D. Dr. St. v.Milecki von Goslar nach Braun¬ 
schweig, Dr. L. A. Harriehausen von Berlin nach Koblenz, Dr. M. 
Krisowski von der Riviera nach Boppard, Dr. N. Hess von Beilstein 
nach Bruttig, Prof. Dr. A. Machol von Bonn nach Erfurt, Dr. H. 
Rösch von Bonn nach Mühlhausen i. Thür., Dr. J. Christoffers von 
Stade nach Hamburg, Dr. K. Lubenau von Ober-Mookstadt nach 
Stotel, Dr. K. Petersen von Oldenburg (Grossh.) naoh Lehe, Dr. A. 
Norpoth von Essen nach Gladbeck, Dr. E. Schmidt von Magde¬ 
burg, Dr. H. Bayer von Freiburg i. B., Aerztin Dr. G. Schmidgall 
von Stuttgart, Dr. Tb. Tosetti von Neuss und Dr. E. Aschenheim 
von Dresden nach Düsseldorf, Dr. H. Roser von Bremerhaven und 0. 
Kiess von Leipzig nach Elberfeld, Dr. Th. Kaiser von Ebsdorf und 
Dr. 0. Berkenkamp von Cöln nach Rheydt, Dr. E. Lippert von 
Holthausen nach Mülheim-Saarn, Dr. E. Lübs von Göttingen, Dr. W. 
Dünkeloh von Leipzig und Dr. A. Rittershaus von Düsseldorf 
nach Remscheid, Dr. H. Depenthal von Bedburg nach Crefeld, Dr. 
K. Landen von Düsseldorf nach Brüggen (Kreis Kempen), Dr. F. W. 
Vorbrodt von Düsaeldorf-Grafenberg nach Galkhausen, Dr.O.M.Lange 
von Barmen nach Grootfontein (Südwestafrika), San.-Rat Dr. M. Bern¬ 
stein von M.-Gladbach nach Kanada, Dr. F. Burghoff von Conradstein 
nach Könitz, Stabsarzt Dr. Judenfeind - Hülsse von Frankfurt a. 0. 
nach Stuhm, Dr. A. Druoker von Dortmund, P.Dzialas von Breslau, 
Dr. S. Engel von Düsseldorf, Dr. F. Hacker von Göttingen, Dr. F. 
Jacobs von St. Petersburg, W. Königsberger von Berlin-Lankwitz, 
Dr. J. Kohlmann von Posen, Dr. W. Kremer von Aachen, 
K. Meyer von Stettin, Dr. E. Rosenberg von Südafrika und Dr. W. 
Wegener von Rostock nach Berlin, Dr. J. Hartl von Cassel, Dr. H. 
Wienskowitz von München und Dr. M. Zetkin von Augsburg nach 
Berlin-Schöneberg, Dr. R. Scharff und Dr. P. Graiohen von Jeu» 
naoh Barmen, Dr. L. Schmidt von Recklinghausen nach Düsseldorf, 
J. Bartscherer von Jena nach Elberfeld. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. M. Barin- 
baum von Berlin, Dr. E. Glass, Dr. G. Lenz, Dr. Levin, Dr. H. 
Marxen und Dr. Chr. Rowe von Charlottenburg, M. Unglaub, 
0. Schlüter und Dr. F. Wagenhäuser von Elberfeld, Dr. R. 
Knöner von Stotel. 

Gestorben: Geh. Med.-Rat Dr. Dahlmann in Magdeburg, Kreisarzt, 
Geh. Med.-Rat Dr. Többen in Recklinghausen, San.-Rat Dr. ü. 
Quehl in Mülheim (Ruhr), Dr. E. Reber in Barmen, San.-Rat Dr. 
A. Löwenstein in Elberfeld, San.-Rat Dr. Th. Feld mann io 
M.-Gladbach, Kreisarzt, Geh. Med.-Rat Dr. P. Finger in Münster¬ 
berg, Dr. E. F. v. Bernstorff in Zerpenscbleuse, Dr. H. Altenburg 
in Bebra. _ , 

Für dl« Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Ha na Sohn, Berlin W., Bayren eher Strasse 41 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Die Berliner Kliniaclio Wochenschrift erscheint Jeden 
Monte« in Nninmorn von ca. b —6 Bogon gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen 
eile Buchhandlungon und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die Redaktion nnd Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August llirscliwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WÖCHENSCffRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. August üirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


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Montag, den 5. Oktober 1914. •M40. Eimmdfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Originalton: Virchow: Ueber den Situs der Thoraxeingeweide bei spitz¬ 
winkliger Kyphose. (Illustr.) S. 1677. 

Kohnstamra: Schizothymie und Zyklothymie. S. 1680. 

Marcuse: Der röntgenologische Nachweis von Dünndarmstenosen. 
(Aus der Privatklinik von Prof. Dr. Karewski und dem Röntgen¬ 
laboratorium von Dr. Marcuse.) S. 1682. 

Unna jun.: Neue Erfahrungen über Pockennarbenbehandlung. S.1685. 
Bücherbespreehungen: Cemach: Chirurgische Diagnostik in Tabellen¬ 
form für Studierende und Aerzte. S. 1686. (Ref. H. Kohn.) — 
Hirt: Das Leben der anorganischen Welt. S. 1686. Hofmeister: 
Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht der Mediziner. 
S. 1687. v. Tappeiner: Anleitung zu chemisch-diagnostischen 
Untersuchungen am Krankenbette. S. 1687. Bernthsen: Kurzes 
Lehrbuch der organischen Chemie. S. 1687. (Ref. Wohlgemuth.) — 
Hirschfeld: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes. 
S. 1687. (Ref. Pinkus.) 


Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1687. — Therapie. S. 1687. — 
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1688. — 
Diagnostik. S. 1688. — Parasitenkunde und Serologie- S. 1688. — 
Innere Medizin. S. 1688. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1688. — Kinderheilkunde. S. 1689. — Geburtshilfe und Gynäko¬ 
logie. S. 1689. — Unfallheilkunde und Versicherungswesen. S. 1689. — 
Gerichtliche Medizin. S. 1689. — Technik. S. 1689. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner Gesellschaft 
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1689. — Medi¬ 
zinische Gesellschaft zu Kiel. S. 1691. 

Kriegsärztliche Abende. S. 1692. 

Kriegsmedizinische Abende des naturhistorisch - medizini¬ 
schen Vereins zu Heidelberg. .S. 1694. 

Münzer: Kriegsskizzen. S. 1695. 

Tagesgeschichtliche Notizen. S. 1696. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1696. 


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Ueber den Situs der Thoraxeingeweide bei 
spitzwinkliger Kyphose. *) 

Von 

Hans Virchow. 

Nachdem ich mich bei früheren Gelegenheiten mit der Unter¬ 
suchung des nach Form aufgestellten skoliotischen und kypho- 
skoliotischen Thorax und der Rückenmuskeln desselben be¬ 
schäftigt hatte, war allmählich der Wunsch bei mir immer 
lebhafter geworden, auch die Lage der Eingeweide bei Deformi¬ 
täten des Brustskelettes genauer kennen zu lernen. Ich hatte 
schon in jenen und in einigen anderen Fällen die Veränderungen 
der inneren Organe beachtet, aber um ein präzises Bild zu ge¬ 
winnen, musste die Präparation in strengerer topographischer 
Weise durchgeführt und schon die Vorbehandlung dem Zwecke 
angepasst, d. h. eine erstarrende Injektion mit Formalin und 
Alkohol vorgenommen werden. Dies ist im vorliegenden Falle 
geschehen, und ich spreche die Hoffnung aus, dass die An¬ 
schauungen, welche auf diesem Wege gewonnen sind, sich er¬ 
gänzend einreihen werden in die Vorstellungen des Klinikers und 
des pathologischen Anatomen. Das nach topographisch-anatomi¬ 
schen Regeln hergestellte Präparat lässt eine Anzahl von Ver¬ 
hältnissen mit unmittelbarer Anschaulichkeit sehen, von welchen 
sicher einige nicht mit dieser Klarheit und Deutlichkeit zum Be¬ 
wusstsein der Praktiker gekommen sind, obwohl man gewiss im 
selben Augenblick, wo man sie am anatomischen Präparat sieht, 
sagen wird: „Es konnte ja gar nicht anders sein!“ 

Die Präparation mit ihren aufeinander folgenden Akten wurde 
zugleich verwertet, um den Schülerinnen der photographischen 
Lehranstalt des Lette-Vereins eine Uebungsaufgabe darzubieten, 
und ich befinde mich dadurch in der erfreulichen Lage, sämtliche 
Phasen der Präparation sowohl in vorzüglichen 13/18-Aufnahmen 
wie in ebenso scharfen Stereos zu besitzen. Nach ersteren hat 
Fräulein GertrudKriegerdieDiapositiveausgeführt. (Abbildungl.) 

Konstitution. Wir haben einen sehr kräftigen und trotz 
der Deformität des Thorax stämmigen Körper vor uns, wovon die 
Muskelfülle sowohl der Arme wie der Beine Zeugnis gibt. 

■}} Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 
20. Juli 1914. 


Thoraxskelett. Die Deformität des Skeletts ist eine völlig 
symmetrische, d. h. rein kypbotische und gar nicht skoliotische. 
Das Brustbein hat die für solche Fälle typische vorwärts ge¬ 
richtete Konvexität. Die Kyphose ist nicht so spitzwinklig, nicht 
so scharf geknickt wie in manchen anderen Fällen, sondern 


Abbildung 1. 



Thorax eines symmetrisch kyphotiseben sehr kräftigen Mannes, nach 
Formalin-Alkohol-Injektion für Aufstellung nach Form und photogra¬ 
phische und stereographische Aufnahmen. 

1. Aufnahme: Aufnahme in Haut, rein seitlich. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


immerhin noch gerundet. Der Abstand von der Vorderseite des 
Sternums bis zur Rückseite des Buckels beträgt 30,5 cm. Der 
obere Rand des Brustbeins liegt 9,5 cm über dem höchsten Punkt 
des Zwerchfells. Der Scheitel des Gibbus liegt im Bereich dez 
8. Brustdorns. Hier ist der Abstand von der Hinterwand des 
Wirbelkanals bis zur Rückseite der Wirbelgräte nur 5 mm. Die 
erste Rippe steht vollkommen horizontal, in Seitenlinie tiefer als 
die zweite und dritte. Geheilte Brüche finden sich auf der linken 
Seite an der 2., 5., 6., 7., 8., 9 und 10. Rippe; auf der rechten 
Seite finden sich deren ebenfalls. (Abbildung 2.) 


Abbildung 2. 



2. Aufnahme: Präparation der linken Seite. Freilegung des Lungenrandes. 
Die Präparation durch pleuritische Adhäsion erschwert, deswegen auch 
Pleurarand nicht festzustelten. Die erste Rippe steht vollkommen hori¬ 
zontal, in Seitenlinie tiefer als die 2. und 3. Geheilte Brüche an der 
2., 5., 6., 7., 8., 9. Rippe links. Der Lungenrand ist vom schon im 
2. Intercostalraum einen Finger weit vom Sternumrande entfernt, im 3. 
Intercostalraum biegt er stark nach der Seite ab und ist unten durch 
einen Fettlappen verdeckt. In Höhe des 1. Intercostalraumes ist der 
Abstand zwischen Pleurarand und Lungenrand 12 mm, der Abstand des 
Lungenrandes von der Mittellinie 31 mm. In Höhe des Ansatzes der 
5. Rippe ist der Abstand der Pleura von der Mittelebene 14 mm. Der 
Abstand des Lungenrandes von der Mittelebene 92 mm. Demgemäss die 
Breite des Sinus praecardiacus an dieser Stelle 78 mm. Die Pleuragrenze 
lässt sich vorn von Höhe der 1. Rippe bis zur S. Rippe und dann noch 
im Bereiche des Sinus praecardiacus horizontal erkennen. Das untere 
Ende der Incisura interlobaris liegt 97 mm hinter dem vorderen Rande 
der Lingula. Die linke Lunge hat einen sagittalen Durchmesser (in 
Projektion) von 23 mm und eine Höhe von 13 mm. Sie springt nach 
hinten in den Gibbus mit einer unteren Spitze vor, an welche sich eine 
Verwachsung durch eine dicke Schwiele anschliesst. Nach oben erhält 
die Lunge eine horizontale Fläche, welche ihre grösste Ausdehnung in 
sagittaler Richtung hat. Das Zwerchfell ist ausserordentlich kräftig. 

Zwerchfell. Der Ursprung des Zwerchfells an der Wirbel¬ 
säule steht höher als der Processus ensiformis. Die sagittale 
Entfernung beider Stellen beträgt 23,8 cm. Der hinter dem 
Centrum tendineum gelegene Teil (Pars vertebralis) steht fast 
horizontal, nur ganz wenig nach vorn ansteigend, aber nicht in 
einer gewölbten, sondern in einer ebenen Fläche. Das Centrum 
tendineum ist nach vom hin abschüssig. Die sagittale Aus¬ 
dehnung des Herzbeutels auf dem Centrum tendineum beträgt 
13,5 cm. Die Entfernung vom Mittelpunkt des Foramen venae 
cavae bis zur Mitte des Hiatus aorticus beträgt 92 mm. Die Pars 
costalis des Zwerchfells ist ausserordentlich kräftig. 

Rückenmark. DasRückenmark ist gezwungen, die nach hinten 
gerichtete Konvexität raitzumachen, sucht sich aber der Gestalt¬ 
veränderung so sehr als möglich zu entziehen, indem es sich im 
Bereich des Gibbus der Vorderwand des Wirbelkanals anschmiegt, 
so dass hier zwischen ihm und der Hinterwand des Kanals ein 
Abstand von 8 mm entstanden ist. (Abbildung 3.) 


Linke Lunge (die rechte wurde nicht freigelegt, um das 
Präparat zu schonen). Die berausgenomroene Lunge hat auf deo 
ersten flüchtigen Blick eine ähnliche Gestalt wie eine normale 
Lunge. Jedoch ist in Wahrheit die Gestalt derselben gänzlich 
verschieden: ihre Spitze ist nicht nach obeD, sondern nach hinten 
gewendet und in den Gibbus hineingebildet; dort, wo normaler- 


AbbilduDg 3. 



3. Aufnahme: Sternum medial halbiert. Rippen exartikuliert, wobei 
jedoch im Bereiche des Gibbus die Wirbel durchsägt und abgestemmt 
werden mussten. In der Lunge einige Verletzungen, Zwerchfell zum Teil 
abgetragen. Pleuraumschlag vorn und vorn unten erhalten. 

weise die Spitze liegt, besitzt sie eine horizontale Fläche, auf 
welcher nur eine schwache Erhebung die Spitze andeutet. Der 
sagittale Durchmesser ist 23 cm, die Höhe 13 cm. Die Incisura 
interlobaris trifft den unteren Rand sehr weit hinten, nämlich 
97 mm hinter dem vorderen Rande der Lingula. 

Pleuraumschlag. Da nicht nur die Lunge der Thorax¬ 
wand überall adhäriert, sondern auch unterhalb der Lunge das 
Zwerchfell mit der Wand verwachsen ist, so lässt sich der untere 
Pleuraumschlag nicht feststellen. Dagegen ist der vordere Um¬ 
schlag der Pleura von der 1. bis zur 8. Rippe frei; er ist in 
Höhe des 1. Intercostalraums 19 mm und in Höhe des Ansatzes 
der 5. Rippe 14 mm von der Mittelebene entfernt. 

Sinus pleurae. Die Höhe des Sinus phrenico costalis lässt 
sich wegen der erwähnten Verwachsung von Zwerchfell und Brust* 
wand nicht genau bestimmen, jedoch ist aus der Lage der Rippen 
und des Lungenrandes zu entnehmen, dass er eine bedeutende 
Höhe bat, nicht geringer als an normal gestalteten Brustkörben, 
was bei der Niedrigkeit des Thorax höchst auffallend wirkt. Der 
Sinus mediastino-costalis ist dagegen in ganzer Ausdehnung klar. 
Er hat bereits in Höhe des 1. Intercostalraumes, wo man an 
normalen Brustkörben niemals einen Sinus findet, eine Breite von 
12 mm, in Höhe des Ansatzes der 6. Rippe, also vor dem Herzen 
— ich schlage vor, diesen Abschnitt des Sinus als „Sinus prae¬ 
cardiacus“ zu bezeichnen — eine solche von 78 mm. (Abbildung 4.) 

Herz. Das Herz zeigt ausser der von Kyphotischen bekannten 
Hypertrophie, welche sowohl den linken wie den rechten Ventrikel 
betrifft, mehrere beachtenswerte Eigenschaften, welche erst bei 
dieser Art der Präparation hervortreten: Am auffallendsten ist 
dabei die Krümmung des Herzens in sagittaler Richtung, welche 
sich daraus erklärt, dass dasselbe, dem Sternum angelagert, die 
Krümmung des Knochens mitmacht. Die Hinterwand des rechten 
Vorhofes ist fast horizontal gestellt, so dass die Vena cava inferior 
fast unter rechtem Winkel in den Vorhof einmündet. (Abbildung 5.) 

Aorta. Die Aorta ist, dem Gibbus entsprechend, scharf 
nach hinten gebogen, fast geknickt. Der sagittale Abstand dieser 
Stelle von der Mitte der Aortenklappe beträgt 16 cm. 


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5. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Linker Bronchus. Der Bronchus ist dort, wo er von der 
Aorta gekreuzt wird, eingedruckt. (Abbildung 6.) 

Oesophagus. Der Oesophagus macht die Biegung nach 
hinten mit, jedoch lange nicht in so hohem Grade wie die Aorta. 


Abbildung 4. 



4. Aufnahme: Linke Lunge entfernt. Herzbeutel entfernt, jedoch so, 
dass über dem Zwerchfell ein Streifen stehen geblieben ist; vorn bis an 
die Mittellinie entfernt. Vom Phrenicus ein Stumpf stehen geblieben. 
Aorta und Vagus freigelegt. 


Abbildung 5. 



f ’ • U i n , a J. me: Thymus freig6legt mit Verlust einer unteren Spitze. Ao 
Vaif 6 r k lsz mn Bogen. Arteriaanonyma,Carotissinistra, Subclaviasinist 
„• hf a- a , I 7 D £ eus ’ ^ ena anonyma sinistra, Fenster in der Pulmonalis. M 
A rtpria 0 Tasche, jedoch etwas nach vorn gewendet. Im Hilus < 
feil an* urc b|chnitt, 2 Venendurchschnitte (einer davon an das Zwer 
ohr nn i e ?9 und ein Durchschnitt des Bronchus (der engste). He 

des oberen e p Zt, Mi LlDker , Ventrikel eröffoet ’ man sieht die Sehnenfäc 
Papillarmuskels und den unteren Papillarmuskel mit seii 
Fäden. 


Er ist dort, wo er von der Aorta gekreuzt wird, eingedrückt, 
oberhalb dieser Stelle sehr eng, unterhalb erweitert. (Abbildung 7.) 

Schlussbetrachtungen. Unter den vielerlei Anregungen, 
welche dieses Präparat bietet, finden sich nicht nur solche, welche 
den Nutzen der topographischen Präparierweise für die klinische 
und pathologisch-anatomische Auffassung dartun, sondern auch 
solche, welche umgekehrt den Vorteil des Studiums abnormer 
Verhältnisse für Anatomie und Physiologie zeigen. Von solchen 
seien vier genannt: Krümmung des Rückenmarks, Herzgestalt, 
Lungengestalt, Sinus pleurae. 


Abbildung 6. 



6. Aufnahme: Fenster in der Aorta, man sieht die rechte Tasche der 
Pulmonalklappe, die rechte Tasche der Aortenklappe, die Basis der 
rechten Hälfte der vorderen Aortenklappe. Die Scheidewand der 
Ventrikel ist entfernt. Man sieht im rechten Ventrikel den vorderen 
Papillarmuskel, das vordere Segel der Tricuspidalklappe und die Stärke 
der vorderen Wand. Vor der Aorta sieht man die Pericardialhöhle auf¬ 
wärts steigen bis an die Arteria anonyma. 

1. Rückenmark. Es liegt auf der Hand, dass durch eine 
starke Deformität der Wirbelsäule das Rückenmark und damit 
die nervöse Leitung aufs Schwerste in Mitleidenschaft gezogen 
werden kann. Dies ist indessen, so wichtig es auch für die Praxis 
sein mag, doch weit weniger interessant und beachtenswert, als 
das Gegenteil, nämlich die Erfahrung, wie stark die Deformierungen 
der Wirbelsäule sein können, ohne dass dadurch die Leitung im 
Rückenmark unterbrochen wird. Im vorliegenden Falle hat ganz 
sicher die Leitung nicht gelitten, wie die kräftige Konstitution 
und speziell der gute Zustaud der Muskulatur in den unteren 
Extremitäten beweist. 

2. Herzgestalt. Das Herz als ein Pumpwerk ist, wie man 
meinen sollte, aufs strengste darauf angewiesen, seine Gestalt bei¬ 
zubehalten. Trotzdem sehen wir, dass auch dieses Organ, ver¬ 
änderten räumlichen Verhältnissen entsprechend, seine Gestalt 
ändert. Eine gewisse Analogie bietet die vergleichende Anatomie: 
das Herz der Schildkröte ist breit und kurz, das der Schlange, 
der gestreckten Körpergestalt entsprechend, lang und schmal. 

8. Lungengestalt. Angesichts des Baues der Lunge als 
eines mit Luft erfüllten Hohlraumsystems könnte man meinen, 
dass dieses Organ ohne Veränderung seiner eigentlichen Gestalt 
sich jeder Gestaltsveränderung des Brustraumes einpasse. Das 
ist indessen durchaus nicht der Fall. Die Lunge nimmt ebenso 
gut wie etwa die Leber bei Veränderung des für sie bestimmten 
Raumes eine andere Gestalt an. In dieser Hinsicht ist der Ver¬ 
gleich der Lungenform bei kyphotischem und bei skoliotischem 
Thorax sehr lehrreich. Ich fand bei hochgradiger Skoliose, wo 
die nach rechts gewendete Brustwirbelsäule die Rippen berührte, 
nicht nur den ganzen hinteren Abschnitt der rechten Lunge ge 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


schwunden, sondern auch die linke Lunge hinter dem Herzen in 
den durch die Skoliose gewonnenen Raum hineingebildet. 

4. Siuus pleurae. Angesichts der in senkrechter Richtung 
stark verkürzten Gestalt des Thorax hätte man erwarten können, 
den Sinus phrenico costalis von der Lunge ausgefüllt zu finden. 
Das ist indessen nicht eingetreten; die Lunge hat vielmehr den 
Sinus ebenso leer gelassen, wie wir es bei der anatomischen 
Untersuchung normal gebauter Brustkörbe regelmässig finden. 
Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf die Frage nach der Bedeutung 
des Sinus. 


Abbildung 7. 



7. Aufnahme: Das Zwerchfell ist zum grössten Teil fortgeschnitten, 
so dass man die bedeutende Dicke desselben, besonders hinter dem 
Centrum tendineum sieht. (Das Centrum tendineum ist nach vorn ab¬ 
schüssig.) Vom Herzbeutel ist der Abschnitt auf dem Centrum tendineum 
stehen geblieben. Man sieht im rechten Ventrikel das hintere Segel der 
Atrio-Ventricularklappe. Im rechten Vorhof sind die Musculi pectinati 
ausserordentlich schön sichtbar. Die Mündung der Vena cava inferior 
liegt auf einer schiefen Ebene, welche mehr horizontal wie senkrecht ist. 
Die Valvula Eustachii ist sichtbar. Auf der Grenze beider Ventrikel ist 
das Septum senkrecht durcbgescbnitten. Aus der Aorta ist ein Stück 
herausgeschnitten, um die Trachea und den Oesophagus sehen zu lassen. 
Der linke Bronchus und der Oesophagus sind durch die Aorta einge¬ 
drückt. Der Oesophagus ist oberhalb dieser Stelle sehr dünn, unterhalb 
weit. Man sieht die Mündungen der beiden rechten Venae pulmonales. 
Querschnitt der Vena anonyma sinistra am oberen Rando des Sternums. 

Die physiologische und klinische Bezeichnung „Complementär- 
räume“ für die von der Lunge nicht ausgefüllten Abschnitte der 
Brusthöhlen, welche der Anatom „Sinus pleurae“ nennt, weist 
auf die Vorstellung hin, dass diese Räume dazu bestimmt seien, 
der Lunge bei der Inspiration den nötigen Spielraum für ihre 
Ausdehnung zu bieten. Diese Vorstellung wird man aber doch, 
wenn man eine grössere Anzahl von Leichen, insbesondere auch 
solche mit ganz gesunden Lungen und gesunden Pleuren streng 
topographisch, d. h. nach Formalin-Alkohol-Härtung, präpariert 
hat, nur mit Einschränkung gelten lassen können. Der Anatom 
bat ja allerdings in dieser Frage nur ein bedingtes Urteil, inso¬ 
fern als er immer nur die Leichen-Exspirationsstellung zu sehen 
bekommt. Aber ein gewisses Urteil bekommt er mit der Zeit 
doch, welches ihn berechtigt, der physiologischen und klinischen 
Auffassung kritisch gegenüber zu treten. Nach dem Gerhard- 
sehen Lehrbuch der Auskultation und Perkussion wird der phrenico 
costale Complementärraum nur dann von der Lunge vollständig 
ausgefüllt, wenn zwei Bedingungen Zusammentreffen: tiefste In¬ 
spiration und Lagerung auf der entgegengesetzten Seite; d. h. 
also, für gewöhnlich wird der Complementärraum nicht vollständig 
in Anspruch genommen. Es geht ferner aus den anatomischen 
Befunden hervor, dass einer dieser Räume, der Sinus praecardiacus, 
überhaupt nicht dazu bestimmt ist, normalerweise jemals von der 
Lunge erfüllt zu werden. Er ist spaltförmig und von Fettlappen 


Nr. 40. 


besetzt. Solche Fettlappen finden sich auch auf der rechten Seite 
an dem Uebergange des Sinus mediastino costalis in den Sinns 
phrenico costalis und zuweilen im Grunde des Sinus phrenico- 
costalis. Sie sind vergleichbar den Synovialzotten an denjenigen 
Abschnitten der Gelenke, welche von den sich berührenden Knochen 
nicht in Anspruch genommen werden. 

Es ist in diesem Zusammenhänge an eine Tatsache aus der 
vergleichenden Anatomie zu erinnern, an das Fehlen der Pleura¬ 
höhle beim Elefanten. Eine gewisse Analogie hierzu findet man 
manchmal an menschlichen Leichen, deren Lungen gesund oder 
fast völlig gesund, aber trotzdem durch eine ausgedehnte gleicb- 
mässige zarte fibröse Neubildung mit der Pleura verwachsen, und 
deren Sinus pleurae durch das gleiche Gewebe verschlossen sind. 

Man erhält in diesen Fällen den Eindruck, dass bei solchen 
Menschen in Folge ihrer Lebensweise nur eine unbedeutende 
Verschiebung der Lunge gegen die Wand stattzufinden pflegte, 
sodass es selbst einem leichten Krankbeitsprozess möglich war, 
eine so ausgedehnte Verwachsung herbeizuführen: ebenso wie an 
Gelenken durch lramobilisation Verwachsungen begünstigt werden. 

Wir gewinnen dadurch Raum für eine andere von der Frage I 

der Respiration unabhängige Betrachtung, nämlich für die Be- I 

traebtung, dass es für die Gestaltveränderungen, denen der Thorax j 

bei den Bewegungen eines gesunden kräftigen Körpers aasgesetzt j 

ist, beim Biegen und Bücken usw. wo die Rippen bald zusammen- 
gedrängt, bald aus einander gespreizt werden, wichtig ist, dass 
die Brustwand nicht nur gegen die Lungen, sondern vor allem j 

auch gegen das Zwerchfell gleitend bewegt werden könne. „ 

. li 

- F 

l 

Schizothymie und Zyklothymie. 1 ) j< 

Von 

0. Kohnstamm-Königstein im Taunus. 

Unter schizothymen Erscheinungen verstehe ich solche, die se 

auf Dissoziation im Sinne von Pierre Janet beruhen. Man wird pi 

aber aus dem Folgenden erkennen, dass mit der neuen Bezeichnung k 

der Vorteil einer näheren Bestimmung des krankhaften Vorgangs oc 

und die Möglichkeit gegeben ist, ihn gegen andere neurotische ai 

Erscheinungen abzugrenzen. eil 

Der einfachste schizothyme Tatbestand ist folgender: ich ir 

suggeriere jemandem in tiefer Hypnose, dass beim Erwachen ei 

sein einer Arm gelähmt sei. Die alsdann auftretende Lähmung di 

ist ein Beispiel dessen, was wir schizothym nennen. Charakteri- .j 


stisch für das Schizothyme ist dabei die Amnesierung, von ki 

der wir insofern sprechen, als der Suggestionierte nichts über den st 

Ursprung seiner Lähmung weiss. Alles, was mit der Unterbrechung Z 

der seelischen Kontinuität zusammenhängt, ist in diesem Wort 
einbegriffen. Es gehört übrigens auch zu unserer Begriffsbestimmung tl 

der Suggestion, dass für diese irgendeine Art oder ein Grad 
der Amnesierung unerlässlich ist. In verwandter Weise, wie 
durch hypnotische Suggestion können schizothyme Symptome 
durch körperliche und seelische Erschütterungen, sowie durch 
andere Mechanismen erzeugt werden, die u. a. in der Arbeit von 


Friedemann und Kobnstamm ausführlich dargelegt sind 2 ). 

Die Wiederherstellung des seelischen Zusammenhangs für 
das schizothyme Symptom, sei es nun, dass sie durch psycho 
therapeutische Maassnahmen oder spontan bewirkt wird, nennen 
wir die Palinmnese. 

„Schizothym“ ist etymologisch dem Bleuler’schen „schi¬ 
zophren“ nachgebildet. Bleuler wollte mit seiner Wortbildung 
ausdrücken, dass bei der Schizophrenie Spaltungsvorgänge, wie 
wir sie eben gekennzeichnet haben, auf dem Boden eines invaliden 
Gehirns den wesentlichen Faktor darstellen. Ueber die Beziehungen 
der schizophrenen und der schizothymen Spaltungen soll durch 
unsere Terminologie nichts präjudiziert werden. 

Schizothyme Krankheitserscheinungen werden nach dem bis¬ 
her herrschenden Sprachgebrauch der Hysterie zugezählt. ir 
halten dies für unzweckmässig and für verwerflich. Denn, wenn 
wir uns „phänomenologisch“ vergegenwärtigen, was wir im Innersten 
meinen, wenn wir von Hysterie sprechen, so erkennen w,r » 
es das ist, was ich „defektesGesundheitsgewissen“ oder„Nosopbi ie 


1) Nach einem Vortrag, gehalten auf der Badener Wanderversamm S 

südwestdeutscher Neurologen und Irrenärzte 1914. ,, l 

2) Zur Pathogenese und Psychotherapie beiBasodow scher 
heit, zugleich ein Beitrag zur Kritik der psychanalytischen rorsc t> 
richtung. Zschr. f. d. ges. Neurol., Bd. 23, H. 4 u. 5. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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genannt habe. Nosophilie kann mit Schizothymie verbunden sein, 
ja gehört häufig zu den Vorbedingungen schizotbymer Bildungen. 
Im Grunde aber sind es zwei Wesens verschiedene Dinge, von 
denen jedes Anspruch auf einen besonderen Namen hat. Welches 
von beiden Hysterie heissen soll, ist an sich Sache der Konvention. 
Da aber mit dem Wort Hysterie die nosophile Nuance für immer 
unzertrennlich verbunden sein wird, halte ich unsere Terminologie 
für die bessere und für die, der die Zukunft gehört. 

Unseren Patienten gegenüber sprechen wir antatt von scbi- 
zothymen auch von „Sandbanksymptomen“. Denn die Affekt¬ 
komponente oder ein anderer Anteil des schizotbymen Komplexes 
ragt aus unzugänglichen seelischen Tiefen wie eine Sandbank in 
die Oberfläche des Normalbewusstseins hinein. An dieser mit der 
Sankbank verglichenen Oberflächenkomponente greifen nun die 
Erlebnisse des Tages an und führen durch Assoziation zu krank¬ 
haften Symptomen, deren Art durch den schizothymen Komplex 
bestimmt ist. Eine Patientin von uns hatte vor vielen Jahren im 
November ein seelisches Trauma erlitten, indem zwei Dienst¬ 
mädchen infolge eines Defektes der Gasleitung nachts erstickten. 
Seit diesem Ereignis war die Nachtruhe der Patientin durch die 
Sorge um die Gasleitung gestört. Die Schlafstörung verschlimmerte 
sich immer bisher im November jeden Jahres und führte zu all¬ 
gemeinen Erregungszuständen, die wegen ihres periodischen Auf¬ 
tretens als Cyklothymie erscheinen mussten. 

Ich glaube, dass viele periodische Seelenstörungen und 
Neurosen, die jetzt mit Vorliebe der Zyklothymie zugerechnet 
werden, in dieser Weise psychologisch abgeleitet und verständ¬ 
lich gemacht werden können. Diese differentialdiagnostiscbe 
Frage muss bei allen Störungen aufgeworfen werden, die zu 
gleichen Jahreszeiten oder in gleichen Lebenslagen auftreten, z. B. 
jedesmal während der Schwangerschaft oder dem Wochenbett. Es 
soll damit durchaus nicht gesagt sein, dass nicht auch endogen 
bedingte Phasen, die zu einer wirklichen Zyklothymie führen, an 
bestimmte Abschnitte des Jahres oder des Lebenslaufes gebunden 
sein könnten. Es gibt vielmehr zweifellos periodische De¬ 
pressionen, denen die Neigung zukommt, sich gerade im Wochen¬ 
bett oder anderen physiologisch charakterisierten Lebenslagen 
oder zu bestimmten Jahreszeiten zu wiederholen. Es ist dabei 
aber immer zu untersuchen, inwieweit das assoziative Moment 
eine Rolle spielt, das mit der erstmaligen Bindung der Psychose 
an eine bestimmte Lebenslage gegeben ist. Doch ist das nur 
ein anderer Ausdruck für die bekannte Tatsache, dass Störungen, 
die ihrer Art nach periodisch oder zyklothym oder schlechthin 
„psychopathisch“ sind, auf psychischem Wege ausgelöst werden 
können. Für die zyklothyme Natur einer Erkrankung wird es 
stets anzuführen sein, wenn neben den depressiven auch manische 
Züge oder Phasen im Krankheitsbilde nachzuweisen sind. 

Es gibt noch eine andere Art der Verbindung von Schizo¬ 
thymie und Zyklothymie. Gar nicht selten nämlich scheint es 
vorzukommen, dass eine depressive Phase von zyklothymer Art 
Gelegenheit zur Entbindung von schizothymen Symptomen gibt. 
Diese letztereu können dann die Hauptmasse der Krankheits¬ 
symptome darstellen. Mit ihrer Beseitigung, die nicht ausserhalb 
der ärztlichen Möglichkeiten liegt, wie wir gleich sehen werden, 
wird dann der Verlauf der Depression gemildert und abgekürzt. 

Gegen die Schizothymie besitzen wir in der von uns Palin- 
mnese genannten Form psychanalytischen Vorgehens eine Methode 
kausaler Therapie, die durch Janet, Breuer - Freud, 0. Vogt 
begründet worden ist. Wir bringen die schizothymen Zusammen¬ 
hänge zum Bewusstsein in tiefer Hypnose, nach der Frank’schen 
Methode 1 ) oder durch eingehende wache Aussprache. Zu letz¬ 
terem entschliesst sich der Patient häufig erst, nachdem er 
während einer langen Behandluugsdauer Vertrauen zum Arzt ge¬ 
wonnen hat. Die eigentliche Freud’sche Methode halten wir aus 
vielen Gründen für ungeeignet, beurteilen sie also hinsichtlich 
jbrer therapeutischen Bedeutung fast ebenso wie ihre radikalen 
Kritiker. Durch die Palinmnese erhält der Patient die Orientierung 
m seinem Seelenleben wieder, so dass er nicht mehr den Krank- 
heitserscheinungen verwirrt und hilflos gegenübersteht. So wird 
gleichzeitig der diagnostischen Erfassung des Krankheitsbildes und 
“^ therapeutischen Beeinflussung gedient. Während wir in rein 
zyklothymen Fällen bis jetzt kaum etwas anderes tun können, als 
ihnen günstige äussere Bedingungen des Ablaufs zu sichern — eine 
glückliche Schicksalswendung kann übrigens auch, die zyklothyme 
renodik unterbrechen oder ganz aufbeben —, haben wir bei der 
cnizothymie und bei der schizothymen Komponente der Zyklo- 

1) L. Franck, Affektstörungen. Berlin 1918, J. Springer. 


tbymie die Möglichkeit eines erfolgreichen kausalen Eingreifens 
in der Hand. Umgekehrt belastet die Behandlung schizotbymer 
(„hysterischer“) Verwirrungszustände auf den Wachsälen der 
Irrenanstalten die unglücklichen Kranken mit neuen tiefwurzeln- 
den und folgenschweren Komplexen. 

Es wird uns deshalb zur dringenden Aufgabe, bei den atypi¬ 
schen und vermeintlich larvierten Formen der Zyklothymie aufs 
eingehendste danach zu forschen, ob nicht eine Schizothymie vor- 
liegt. Ich meine hier besonders die Fälle von periodischer 
Hysterie (sensu nostro strictiori), von Angst- und Zwangsneurosen, 
Dyspepsie (Dreyfuss), Neuralgien, die alle im Rahmen der 
Zyklothymie Vorkommen, aber im Sine einer hente um sich 
greifenden Mode allzu schnell in das zyklothyme Schubfach ge¬ 
worfen werden. Alle diese Fälle müssen auf schizothyme Kom¬ 
ponenten untersucht werden. 

Die plötzliche Heilung, die als charakteristisch für Zyklo¬ 
thymie angesehen wird, kann gerade so gut auch durch irgend¬ 
eine dem Beobachter unter Umständen undurchsichtige seelische 
Umstimmung bei der Schizothymie bewirkt werden. Die Dar¬ 
stellung der nosologischen Beziehung von „Schizothymie“ und 
Zyklothymie wird uns nur dadurch ermöglicht, dass wir die 
scharfe Scheidung der Schizothymie von der Hysterie (des defekten, 
nosophilen Gesundbeitsgewissens) durcbgefübrt haben. 

Es wird wohl nötig werden, in Sachen der Nosophilie zu 
unterscheiden zwischen aktiver und passiver Nosophilie. Die 
aktive Nosophilie entspricht unserer eigentlichen Hysterie des 
defekten Gesuudheitsgewissens, bei der es an dem Ernst zum 
Gesundwerden fehlt und die Neurose oder deren Anschein mehr 
oder weniger zielbewusst erstrebt wird. Es. ist klar, dass die 
Grenze zur Simulation fliessend ist. Passive Nosophilie bedeutet 
ein „sich in die Neurose hineingleiten lassen“. Es wird dann 
krankhaften Einflüssen nicht der hinreichende Widerstand ent¬ 
gegengesetzt. Die passive Nosophilie charakterisiert die Krank¬ 
heitsbilder, für die mit Recht von einer Flucht in die Neurose 
oder Psychose gesprochen werden darf. Sie bildet die hysterische 
Komponente der Fälle, die in der Hauptsache der Schizothymie 
oder anderen Neurosen angebören. Nur in unserem Sinne ist 
Hysterie eine phänomenologisch reine Krankheitswesenheit. Die 
uns in der Wirklichkeit entgegentretenden neurotischen Krankheits¬ 
bilder sind Resultanten aus Komponteo, unter denen die Hysterie 
nur selten ganz fehlt. Auch Zwangsneurosen und Phobien haben 
häufig ihre hysterische Komponente. 

Es gibt unter den Zwangsneurosen eine Gruppe, die als 
masochistisch-masturbatorisches Aequivalent zu bezeichnen wäre. 
Die Zwangsvorgäoge brauchen dabei Dicht nachweisbar aus der 
Masturbation direkt hervorzugehen. Sie folgen aber deren Ge¬ 
schehenstypus der maasslosen Steigerung bis zur Erschöpfung. 
„Ein junges Mädchen zerkratzt sich — trotz erheblicher Eitel¬ 
keit — allnächtlich das Gesicht, wobei es sich recht tiefe, 
schmerzende und blutende Kratzwunden beibrachte. Schläft da¬ 
durch spät ein und wacht morgens erschöpft auf. Heilung durch 
Anlegen passender, verschliessbarer Handschuhe.“ 1 ) ln anderen 
Fällen meiner Beobachtung lag die zwangsmässige Selbstquälerei 
auf psychischem Gebiet, ln dieser Neigung zur maass- und 
grenzenlosen Steigerung („Amplificatio“), die auch bei den meisten 
Fällen von Reinigungszwang, von Maladies des tics usw. zu beob¬ 
achten ist, liegt ein hysterischer Zug im Sinne der passiven 
Nosophilie. Auf dem Boden eines invaliden Gehirns treten Ueber- 
gänge zur Katatonie auf. 

Ich unterscheide neben diesen noch zwei Haupttypen der 
Zwangsneurosen: den eigentlich (konstitutionell oder habituell) 
psychastheuischen Typus, bei dem es au psychischer Kraft fehlt, 
das einzelne seelische Erlebnis, das vielleicht eine primäre 
Tendenz hat, zu perseverieren, am richtigen Knotenpunkte abzu- 
schliessen. Die dritte Hauptform ist die affektive, überwertige, häufig 
ausgesprochen schizothyme Idee. Dahin gehört ein Patient von 
mir, der in der Lektüre durch den Zwangsgedanken verhindert 
wurde, es könne einem Angehörigen etwas zustosseu. Als Wurzel 
dieses „Sandbanksymptoms“ liess sich in Hypnose feststellen, dass 
Patient vor vielen Jahren in einer spannenden Lektüre durch eine 
Feuersbruust gestört wurde, die das Leben der Eltern zu be¬ 
drohen schien. 

Diese Gruppe von Zwangsvorstellungen hat sowohl in der 
Art, wie sie erlebt wird, als auch nach ihrem ursächlichen und 

1) Vgl. mein „System der Neurosen vom psycho-biologischen Stand¬ 
punkte“. Erg. d. Inn. M., 1912, Bd. 9, S. 410. 

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1682 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


verständlichen Zusammenhang eine nahe Verwandtschaft zur post¬ 
hypnotischen Suggestion. 

Meine Dreiteilung trifft nahe zusammen mit Friedmann’s 
Einteilung 1 ). Uusere schizothymen Fälle fallen unter Fried¬ 
mann’s überwertige IdeeD; die ausgesprochen psychasthenischen 
Formen übernehmen wir ohne weiteres. Unser masochistisch- 
masturbatorischer Typus ist ein Repräsentant von Friedmann’s 
eigentlicher Zwangsvorstellung, bei dem die psychasthenische 
Anlage auch niemals ganz fehlt. 

Es sei hier darauf hingewiesen, dass es neuerdings Mode ge¬ 
worden ist, den Psychastheniebegriff Pierre Janet’s zu ver¬ 
wässern, und das Wort einfach mit Neurasthenie als gleich¬ 
bedeutend zu gebrauchen. Im Gegensätze zu dieser Unklarheit 
empfiehlt es sich, von Neurasthenie weiter zu sprechen, wenn 
man ausdrücken will, dass eine reizbare Schwäche, krankhafte 
Erschöpfbarkeit des physischen oder psychischen Anteils des 
Nervensystems dem Krankheitsbild zugrunde liegen. 

Die schizothymen Symptome treten uns hauptsächlich bei 
Personen entgegen, für deren geistige Art sie so charakteristisch 
sind, dass man zweckmässig von „schizothymen Persönlich¬ 
keiten“ spricht. Sie sind durch dieselbe Spaltbarkeit der Psyche 
ausgezeichnet, durch die allein auch die tiefe Somnambul-Hypnose 
ermöglicht wird. Deshalb ist diese ein geradeso ausDahmsweises 
Vorkommnis wie die exquisit schizothyme Anlage, auf deren Boden 
die schizothymen Amnesierungen und Dämmerzustände entstehen. 

Es finden sich unter den Schizothymen im Gegensätze zur 
Hysterie tief angelegte Naturen von starkem Wahrheitssion und 
hoher Begabung, besonders auch nach der künstlerischen Seite. 
Sie erscheinen vielfach schon dem Laien als „romantische Naturen“. 
Nicht nur das Naturell der Frauen, von dem Goethe dieses be¬ 
hauptet, sondern auch das Naturell der „Schizothymen“ ist ganz 
nahe mit Kunst verwandt, besonders mit der romantischen. 
Andererseits trifft man grade unter den Künstlern nicht selten 
ausgesprochen zyklothyme Konstitutionen. Von Schizothymen 
erfährt man oft, dass sie seit der frühen Kinderzeit zum Wach- 
träumen geneigt haben. Sicher verstärkt dieses die Anlage zur 
schizothymen Spaltung oder begründet sie überhaupt erst. 

Die meisten Schizothymen — weiblichen Geschlechts — er¬ 
mangeln mehr oder weniger der lustvollen Einschnitte in das 
Dasein, die dem Gesunden durch die Ess- und Geschlechtslust 
gewährt werden. „Nicht irdisch ist des Toren Drang und Speise“. 
Sie essen nur aus Gewohnheit oder aus Pflichtgefühl und werden 
in Hinsicht der Sexualität durch geringfügige Anstösse nach der 
Seite der Homosexualität oder Frigidität getrieben. Letztere 
konnte ich in einem Falle nach 17jähriger frigider Ehe durch 
hypnotische Palinmnese zur Heilung bringen. 

Der mit diesen Strichen skizzierte Typus der schizothymen 
Persönlichkeit ist von dem hysterischen Charakter scharf unter¬ 
schieden, wie er z. B. kürzlich von Jaspers 2 ) in klassischer 
Prägnanz gezeichnet wurde. Deshalb haben die Schizothymen, die 
zu den am schwersten Leidenden und Bedauernswertesten unserer 
Kranken gehören, auch ein praktisches und wissenschaftliches 
Recht, von den Trägern des hysterischen Charakters termino¬ 
logisch abgetrennt zu werden. 

Zusammenfassung. 

Schizothyme oder Sandbank-Symptome sind solche, die nach 
Art der posthypnotischen Suggestion entstehen. Sie sind cha¬ 
rakteristisch für die schizothyme Persönlichkeit und für das 
Krankheitsbild der Scbizothymie, die von der Hysterie des defekten, 
nosophilen Gesundheitsgewissens scharf abzutrennen ist. 

Es wird zwischen einer aktiven und passiven Nosopbilie 
unterschieden. Die letztere als „ein sich Hineinsinken lassen in 
die Krankheit“, bildet eine Komponente im Gesamtbild vieler 
andersartigen Neurosen. 

Schizothyme Erkrankungen können, durch psychische Mecha¬ 
nismen ausgeJöst, nur periodisch auftreten und Zyklothymie Vor¬ 
täuschen. Auch können zyklothyme Zustände Veranlassung zum 
Aufflackern gchizothymer Symptome bieten. (Kombination von 
Scbizothymie und Zyklothymie.) 

Die Unterscheidung der Schizothymie von der Zyklothymie 
ist von hoher praktischer Bedeutung, weil die schizothymen 


1) Zur Auffassung und zur Kenntnis der Zwangsideen und der 
isolierten überwertigen Ideen. Zsehr. f. d. ges. Neuro!., Bd. 21. 

2) Allgemeine Psychopathologie. Berlin 1913, Springer, Seite 249 
bis 250. 


Symptome durch Aufdeckung ihrer seelischen Verursachung 
(Palinmnese) geheilt werden können. Unter den Zwangs Vorgängen 
kann man solche vom schizothymen, vom masochistisch-mastur- 
batorischen und vom psycbiatheoischen Typus hervorbeben. 


Aas der Privatklinik von Prof. Dr. Karewski und dem 
Röntgenlaboratorium von Dr. Marcuse. 

Der röntgenologische Nachweis von Dünndarm¬ 
stenosen. 

Von 

Dr. Ernst Marense. 

Der röntgenologische Nachweis von Stenosen des Magens ist 
oft gelungen und ist überaus leicht. Ein Füllungsdefekt, Ver¬ 
änderungen der Form und des Tonus, anormale Peristaltik und 
Verzögerung der Entleerung sichern die Diagnose. Ebenso ist auch 
die Erkennung von Stenosen des Dickdarms durch die Röntgen¬ 
untersuchung wesentlich gefördert werden. Dagegen sind Düdd- 
darmstenosen verhältnismässig selten und spät Gegenstand der 
röntgenologischen Untersuchung gewesen und doch ist ihr Nach¬ 
weis im Röntgenbild nicht schwieriger als die Diagnose einer 
Stenose an irgendeiner anderen Stelle des Digestionstractus. Am 
häufigsten sind noch Stenosen des Duodenums beschrieben worden; 
das ist ja auch nicht zu verwundern zu einer Zeit, wo die 
Diskussion des Ulcus duodeni im Mittelpunkt des Interesses von 
Internisten, Chirurgen und Röntgenologen steht. 

Holzknecht 1 ) war wohl der erste, der das röntgenologische Bild 
der DuodenalsteDOse beobachtete und ihre charakteristischen Verände¬ 
rungen beschrieb. Dilatation des Duodenums, das oral vom Hinder¬ 
nis dauernd gefüllt ist, lebhafte Peristaltik, die aber efiektarm oder 
gar eflektlos bleibt, Retention im Duodenum auch nach Entleerung 
des Magens; bei längerem Bestehen der Stenose Dilatation des 
Magens selbst, das sind die Symptome, die als charakteristisch für die 
Verengerung des Duodenums zu gelten haben, und seit Holzknecht’s 
erster Veröffentlichung ist eine ganze B«ihe von Duodenalstenosen 
durch Röntgenbild nacbgewieaen worden. 

Auch ich habe in einem Falle von operativ bestätigter Narben- 
striktur des Duodenums die Diagnose auf Grund der Röntgen¬ 
untersuchung bereits vor der Operation stellen können. 

Es handelte sich um einen 50 Jahre alten Mann, der seit mehreren 
Jahren an Magenschmerzen litt, die in Intervallen von mehreren Monaten 
auftraten. Jetzt seit 4 Monaten heftige Schmerzanfälle rechts von der 
Mittellinie, die etwa eine Stunde nach der Mahlzeit beginnen und mehrere 
Stunden anhalten. Kein Hungerschmerz. Die chemische Untersuchung 
des Magensaftes ergab Hyperacidität, auch bestand eine beträchtliche 
motorische Störung. Röntgenologisch war eine sehr starke Erweiterung 
des Bulbus duodeni sowie der Pars descendens nachzuweisen. Auch be¬ 
stand eine dauernde Füllung dieses Darmabschnittes, die nach unten 
zu spitz auslief, wie der Ausguss einer Stenose. 8 Stunden nach der 
Mahlzeit waren noch Rückstände im Magen und Duodenum vorhanden. 
Bei der Operation fand man eine harte Schwiele im Duodenum, deren 
genaue Natur nicht zu erkennen war. Nach Gastroenterostomie hörten 
die Schmerzen wie mit einem Schlage auf, und Patient konnte klinisch 
geheilt entlassen werden. 

Die gleichen Erscheinungen, die wir bei der Stenose des 
Magens and des Duodenums auf dem Röntgenschirm und der 
Platte wahrnehmen, können wir a priori auch bei der tiefen 
Dünndarmstenose vermuten und schon rein theoretisch folgendes 
Symptomenbild konstruieren: 1. Füllungsdefekt entsprechend 
dem Sitz der Stenose, 2. Verzögerung der Dünndarm- 
passage durch das Hindernis, 3. Veränderung der Dünn* 
darmperistaltik, 4. Veränderung der Form der Dünn¬ 
darmschlinge. Von vornherein aber müssen wir uns darüber 
klar sein, dass wir Frühdiagnosen hier ebensowenig wie 
in der Magenradiologie stellen können. Kleine Hinder¬ 
nisse wird eine normale Darmmuskulatur überwinden können, 
ohne dass es zu Retention im Dünndarm kommen wird, und ohne 
dass die zuführende Schlinge diiatiert wird. Ebensowenig wird 
anch ein kleiner Tnmor einen Füllungsdefekt im Röntgeobild 
ergeben, wie ja überhaupt bei der meist diskontinuierlichen Füllung 
der Darmschlingen die Diagnose des Füllungsdefektes am 
Dünndarm — und das gleiche gilt auch für den Dickdarm — 
noch vorsichtiger zu stellen ist als am Magen. Eine 
Schattenaussparung im Bereich einer sonst gut gefüllten Dünn- 


1) Holzknecht, Die Duodenalstenose darch Füllung und Peristaltik 
röntgenologisch erkennbar. D. Zschr. f. Chir., Bd. 105. 


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6. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1683 


darmschlinge mag verdächtig sein, besonders wenn wir sie bei 
wiederholten Untersuchungen stets an der gleichen Stelle finden, 
beweisend für einen Tnmor wird sie erst dann sein, wenn gleich¬ 
zeitig Symptome vorhanden sind, die für eine Erschwerung der 
Darmpassage sprechen, oder auch palpatorisch ein Tumor nach¬ 
weisbar ist. 

Das war der Fall bei einer von Kienböck 1 ) mitgeteilten Beob¬ 
achtung. Er fand 6 Stunden naoh der Kontrastmahlzeit den untersten 
Teil des Ileum nioht gefüllt oder gerade nur angedeutet, entsprechend 
einem dort palpablen Tumor; die oralwärts davon gelegenen Ileum- 
schlingen waren dagegen prall mit Wismut gefüllt; Colon ascendens 
und transversum wiesen normale Füllung auf. Die Operation ergab ein 
Caroinom der Bauhin’schen Klappe. Hier war es die Uebereinstimmung 
der klinischen und der röntgenologischen Untersuchung, die die Diagnose 
bereits zu einer Zeit ermöglichte, wo Stauungserscheinungen im Darm 
noch kaum naobzuweisen waren. 

Dagegen ist die Diagnose WendfeTs 2 ) ungenügend begründet, 
der in einem Fall sehr deutlich verschiedene Dünndarmschlingen 
durch Einschnürungen voneinander getrennt fand und darauf die 
Diagnose multipler Dünndarmstenosen stützte. Wenn auch die 
Operation seine Diagnose bestätigte, so darf man daraus noch 
lange nicht die Berechtigung ableiten, aus einer Schattenaus- 
sparung am Dünndarm, ohne sonstige Symptome der erschwerten 
Darmpassage, die Diagnose der Dünodarmstenose zu stellen. 

Auch die Beobachtung der Retention in den Dünndarm¬ 
schlingen allein erlaubt uns noch nicht, die Diagnose 
einer Stenose daselbst zu stellen, wie dies Bacher 8 ) tut, 
der auf Grund einer Retention in der untersten Ueumscblinge bis 
zu 6 Stunden nach der Mahlzeit eine Stenose in der Ileocoecal- 
gegend annahm. Denn auch ohne dass eine Verengerung am 
Dünndarm vorliegt, kann nach 6 Stunden sich noch Wismut im 
Ileum finden. Schwarz 4 ) hat bei Fällen von Enteroptose noch 
nach 9 Stunden den Kontrastbrei in den untersten Dünndarm¬ 
schlingen angetroffen. Auch bei der sogenannten Insuffizienz der 
Valvnla ileocoecalis wird eine verlangsamte Entleerung des Dünn¬ 
darms gefunden, die nach Groedel’s 6 ) Ansicht auf dem retro¬ 
graden Transport ans dem Goecum beruht. Auch hier kommen 
Retentionen bis zu 9 und 10 Stunden vor. Ausserdem kann 
natürlich auch ein weiter analwärts gelegenes Hindernis, wie 
z. B. eine Colonstenose, eine Verzögerung der Dünndarmentleerung 
znr Folge haben. Vor einer Fehldiagnose kann ans die genaue 
Untersuchung des Dickdarms mit Zuhilfenahme des Kontrast- 
einlaufe8 schützen, der uns den wahren Sitz des Hindernisses 
aufdeckt. 

Der Nachweis einer Retention des Kontrastbreies im Dünn¬ 
darm bis zu 12 Stunden genügt allein also noch nicht zur Dia¬ 
gnose einer Dünndarmstenose, wenn nicht ausserdem noch andere 
Anzeichen bestehen, die auf ein Hindernis für die Darmpassage 
hinweisen, wie die Beobachtung der effektarmen oder 
effektlo8en Peristaltik. Man sieht bei der Röntgendurch¬ 
leuchtung eine auffallend lebhafte Peristaltik einer Dünndarm¬ 
schlinge, die sich in den tiefen Einschnürungen der Schatten¬ 
konturen za erkennen gibt. Man sollte also erwarten, dass eine 
derartige Schlinge sich ihres Inhaltes sehr bald entledigt haben 
sollte; doch solange man auch beobachtet, die Schlinge bleibt 
gleichmässig gefüllt, und ihr Inhalt wird nicht weiterbefördert. 
Diese Stenosenperistaltik ist beim Dünndarm von Levy- 
Dorn 4 ) beobachtet worden in einem Fall von tuberkulöser 
Stenose; Stierlin 7 ) sah sie in vier Fällen von tuberkulösen 
Striktnren der Ueocoecalgegend, auch Novack 8 ) berichtet von je 
einem Fall von mehrfachen Ileumstenosen infolge tuberkulöser 
Striktur und bei mehrfacher Strangulation des Dünndarms in¬ 
folge peritonitiscber Adhäsionen, in denen er diese Stenosen¬ 
peristaltik fand. 


1) Kienböck, Verh. D. Röntgenges., 1911. 

2) Wendel, Multiple Strikturen des Dünndarms. M. Ges. zu 
Magdeburg, 7. Nov. 1912. Ref. M.m.W., 1913, Nr. 6. 

3) Bacher, Kasuistik zur Frühdiagnose der Darmstenose mittels 
RöntgenBtrahlen. W.kl.W., 1909, Nr. 29. 

4) Schwarz, Die Erkennung der tieferen Düondarmstenosen mittels 
des Röntgenverfahrens. W.kl.W., 1911, Nr. 40. 

, 5) Groedel, Die Insuffizienz der Valvula ileocoecalis im Röntgen- 

bild. Fortschr. d. Rontgenstr., Bd. 20, H. 2. 

6) Levy-Dorn, Verh. D. Röntgenges., 1911. 

*0 Stierlin, Die Radiographie in der Diagnostik der Ileocoecal- 
Nr 23 086 und anderer Erkrankungen des Dickdarms. M.m.W., 1911, 

5) Novaok, Zur radiologisohen Diagnose der Dünndarmverengung. 
W.kl.W., 1911, Nr. 52. 


Wenn aber so die gesteigerte Peristaltik im Verein mit 
Retentionserscheinungen ein sicheres Zeichen der Darm Verengerung 
ist, so spricht doch andererseits das Fehlen der Peristaltik 
durchaus nicht dagegen. Auf die Periode der gesteigerten 
Peristaltik folgt, wie die Magenradiologie lehrt, die Erschlaffung 
der Muskulatur und die Atonie derselben. Die erschlaffte Darm¬ 
schlinge wird durch den Inhalt, den sie nicht austreiben kann, 
gedehnt. Diese Erweiterung der Dünndarmscblinge findet nach 
Schwarz 1 ) in leichteren Fällen ihren Ausdruck dadurch, dass 
die Schlingen, anstatt ihre normale Knäuelform zu zeigen, ge¬ 
streckter verlaufen, breiter sind als normal und die 
durch die Kerkring’schen Falten verursachten Einkerbungen stärker 
ausgeprägt sind. 

Schwarz fand in einem Falle 8 Stunden nach der Kontrastmahl- 
zeit girlandenartige Schattenbänder, welche von der rechten bis zur 
linken Spina iliaca anterior superior zogen und sich in der Mittellinie 
bis zur Symphyse senkten. Naoh 24 Stunden war das Bild noch unver¬ 
ändert; die Operation ergab eine Narbenstenose nabe der Einmündung 
des Ileums in das Coecum wahrscheinlich tuberkulöser Natur. Eine 
ähnliche Beobachtung machte Stierlin 2 ), der 8Stunden nach der Mahl¬ 
zeit stark dilatierte, stellenweise tief eingesohnürte Dünndarmschlingen 
fand; nach 24 Stunden waren noch immer zwei massig dilatierte Dünn- 
darmschlingen durch die Röntgenuntersuchung nachzu weisen. Es 
handelte sich hier, wie die Operation zeigte, um multiple tuberkulöse 
Stenosen des Ileums. Ferner hat Hinz a ) einen operativ bestätigten 
Fall von Carcinom des Anfangsteiles des Jejunums beschrieben. Unter¬ 
halb des Magenschattens und mit diesem zusammenfiiessend fand er 
einen grossen breiten Schatten, der sich nach links unten als kinder¬ 
armbreiter, etwa 10 cm langer Schatten fortsetzte und dem Anfangsteil 
des Jejunums entsprach. 

Diese Dilatation der zuführenden Schlinge kann bei langem 
Bestehen der Stenose sehr hochgradig werden. Durch die 
Stauung des Darminbalts und sich einsteilende Zersetzungsprozesse 
kommt es allmählich zu ampullenartigen Erweiterungen 
der Darmschlingen. Wir finden in diesem Stadium bei der 
Röntgenuntersuchung je nach der Zahl der Stenosen eine oder 
mehrere stark aufgeblähte Dünndarmschlingen, in deren 
unterer Hälfte sich ein intensiver Wismutschatten be¬ 
findet, der nach oben hin horizontal abgegrenzt ist, 
und über ihm ist eine Gasblase, die die obere Hälfte der 
ampnllenartig erweiterten Schlinge einpimmt. Durch Erschüttern 
des Abdomens können wir uns von dem flüssigen Zustande des 
Darminhalts leicht überzeugen, indem wir die Wellenbewegungen 
wie beim Pyopneumothorax auftreten sehen. Durch Lagewechsel 
können wir feststellen, dass sich der Flüssigkeitsspiegel stets 
wieder mit horizontaler oberer Begrenzung einstellt 

Schwarz 4 ) beschreibt einen Fall von stenosierendem Ileumcaroi- 
nom, bei dem er im Epigastrium 8 Stunden nach der Mahlzeit eine grosse 
Gasblase mit darunter befindlicher Flüssigkeit und zwei kleinere etwas 
tiefer unten fand. Die Gasblasen warea nach 24 Stunden verschwunden, 
dagegen noch geringe Metallniederschläge in den Dünndärmen nachzu¬ 
weisen. Io einem anderen Falle konnte Schwarz diese Stagnation 
noch nach 72 Stunden nachweisen; hier war die Darmstenose verur¬ 
sacht durch Caroinommetastasen, die den Dünndarm am Netz fixierten. 
Bei tuberkulösen Darmstenosen beobachteten Czyhlarz und Selka 4 ) 
24 Stunden nach der Mahlzeit kugelig erweiterte Düuodarmsohlingea 
mit teils flüssigem, teils gashaltigem Inhalt; auch Schmidt 6 ) fand bei 
einer tuberkulösen Darmstriktur am Tage nach der Kontrastmahlzeit 
zwei derartige Luftblasen in erweiterten Dünndarmschlingen. 

Ich selbst habe in letzter Zeit dieses Symptom in zwei 
Fällen gesehen, die mir von Herrn Prof. Karewski zur Röntgen¬ 
untersuchung zugewiesen waren. 

Fall 1. Frau A. war im Herbst 1911 von einem Gynäkologen 
wegen einer geplatzten Ovarialcyste operiert worden. Seit dem Herbst 
1912 waren Schmerzen in der rechten Unterbauchgegend aufgetreteo, 
verbunden mit Anfällen von Stuhl- und Windverhaltung und Erbrechen. 
Es handelte sich aber zweifellos um Ileusattacken, um so mehr, als 
während eines in der Klinik beobachteten Anfalles Darmsteifungen be¬ 
merkbar waren und später — nach der Röntgenuntersuchung — auch 
Kotbrechen auftrat. Es handelte sich nur noch darum, eventuell den 


1) Schwarz, I. o., und ferner Zur Röntgendi&gnose der Dünn- und 
Diokdarmstenosen. Verb. D. Röntgenges., 1912. 

2) Stierlin, Zur Röntgendiagnostik der Dünndarmstenose und des 
Dünndarmileus. M. Kl., 1913, S. 983. 

3) Hinz, Ueber den primären Diinndarmkrebs. Aroh. f. klin. Cfair., 
Bd. 99. 

4) Schwarz, 1. o. 

5) Czyhlarz und Selka, Beitrag zur radiologischen Diagnostik 
der Dünn- und Dickdarmstenosen. W.kl.W., 1912, Nr. 9. 

6) Schmidt, Bemerkungen über Düondarmstenosen. M.m.W., 
1913, Nr. 17. 

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1664 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Sitz und die Art des Hindernisses festzustellen. Die zu diesem Zwecke 
von mir vorgenommene Röntgenuntersuchung ergab nach 7 und in ziem¬ 
lich unveränderter Weise auch noch nach 24 Stunden eine ganze Anzahl 
ampullenartig erweiterter Dünndarmschlingen, in denen sich eine Gas¬ 
blase oberhalb einer horizontal begrenzten wismuthaltigen Flüssigkeit 
befand. Damit war die Diagnose multipler Passagehindernisse gegeben. 
Die Lokalisation der Gasblasen, die zwar überall im Abdomen vor¬ 
handen, jedoch in der Nähe der Ileocoecalgegend am grössten und stärk¬ 
sten waren, sprach dafür, dass dort die meisten Hindernisse sitzen 
würden. Ueber die Art derselben gab die Röntgenuntersuchung keinen 
Aufschluss. Klinisch waren adhäsive Prozesse angenommen worden. Die 
Operation zeigte, dass die untersten Schlingen des Ileum tatsächlich in 
grosser Ausdehnung nicht nur untereinander, sondern auch mit der 
vorderen Bauchwand verwachsen waren. Durch Enteroanastomose wurden 
die am stärksten verwachsenen Schlingen ausgeschaltet und Heilung 
erzielt. 

Fall 2. Herr T. litt an einer Tuberkulose des Oberlappens der 
rechten Lunge und klagte seit etwa 2 Jahren an heftigen Unterleibs- 
Schmerzen. Diese waren unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Er¬ 
brechen hatte nie bestanden. Im Stuhlgang, der regelmässig gewesen 
sein soll, war Blut nicht nachzuweisen. Der Kranke war stark abge¬ 
magert; die Bauchdecken waren eingezogen und stark gespannt, sodass 
die Palpation kein Resultat ergab. Eine abnorme Dämpfung war über 
dem Abdomen nicht nacbzuweisen, Ascites bestand nicht. Bei der 
Röntgenuntersuchung fand ich 6 und 9 Stunden nach der Koutrastmabl- 
zeit eine pralle Füllung der untersten DünndarmscblingeD, die jedoch 
nicht dilatiert waren und auch keine abnorme Peristaltik aufwiesen. 
Daneben fanden sich im Abdomen zerstreut und regellos angeordnet 
zahlreiche ampullenartig erweiterte Dünndarmschlingen mit teils flüssigem, 
teils gashaltigem Inhalt. Das Colon ascendens war bei beiden Unter¬ 
suchungen leer, dagegen enthielt das Colon transversum nach 9 Stunden 
vereinzelte Wismutschatten. Nach 24 Stunden war das ganze Colon 
völlig entleert, doch fand ich in den erweiterten lufthaltigen Dünndarm- 
scblingen noch geringe Wismutreste. Die Diagnose multipler Hindernisse 
im Verlaufe des Dünndarmes stand somit fest; ausserdem ergab der 
Kontrasteinlauf das typische Bild der Colitis ulcerosa im Bereich des 
Coecum, Colon ascendens und des Anfangsteiles des Transversums, sowie 
eine Insuffizienz der Valvula Bauhini, die hier wohl auf einer ulcerösen 
Zerstörung der Klappe beruhen dürfte. Ueber die Natur der Hindernisse 
für die Darmpassage gab die Röntgenuntersuchung auch hier keinen 
Aufschluss. Nach dem ganzen klinischen Bilde konnte es sich nur um 
multiple tuberkulöse Strikturen oder um Adhäsionen handeln. Die 
Probelaparotomie ergab ausser einer weit vorgeschrittenen Peritoneal¬ 
tuberkulose, einer starren Ipfiltration der Wand des Colou ascendens 
und des Anfangsteiles des Transversums zahlreiche fibröse Verwachsungen 
der Darmschlingen. 

Bei sehr hochgradigen Stenosen kann die Stauung and Zer¬ 
setzung im Dünndarm derart werden, dass selbst ohne Verab¬ 
folgung der Kontrastmahlzeit die Röntgendurchleuchtung 
des Abdomens das Vorhandensein von Gasblasen in 
abnormen Hohlräumen erkennen lässt. Es bedarf dann 
nur noch eines Kontrasteinlaufes, um zu zeigen, dass die Gasblasen 
nicht dem CoIod, sondern einer ampullenartig erweiterten Dünn- 
darmsehiinge aogebören; damit ist dann die Diagnose einer Dünn¬ 
darmstenose gesichert. Stierlin 1 ) führt bereits aus, welchen 
Vorteil dieses Untersuchungsverfahren für Ueuskranke bedeutet, 
die die Kootrastmahlzeit nicht bei sich behalten können. Ab¬ 
gesehen davon, dass man ihnen viel Quälerei erspart, wird auch 
viel Zeit gewonnen, ln einem Falle von Adhäsionsileus konnte 
Stierlin durch ein Baryumklystier zeigen, dass die gashaltige 
Schlinge dem Dünndarm angehört, und so der Sitz des Hinder¬ 
nisses im Ileum zu suchen war. 

Wir haben also in dem Nachweis von Gasblasen in einer 
Dünndarmscblinge ein sicher zu verwertendes diagnostisches Zeichen 
für die Diagnose der Dünndarmstenose. Eine Verwechslung mit 
der Luftblase im Fundus ventriculi, im Bulbus duodeni 
oder im Colon ist bei einiger Aufmerksamkeit ausgeschlossen, 
und ebenso wird es stets möglich sein, die Gasblase von der bei 
Ulcus penetrans ventriculi oder duodeni und bei manchen 
subphrenischen Abscessen zu unterscheiden. Das Fehlen 
der anderen Symptome, die bei Darmstenose Vorkommen, sowie 
der Nachweis der Symptome, die für die anderen differential- 
diagnostisch in Betracht kommenden Leiden charakteristisch sind, 
lassen eine Verwechselung aasgeschlossen erscheinen. Eher wäre 
eine Fehldiagnose möglich bei einem von Haudek 2 ) mitgeteilten 
Fall von Spindelzellensarkom des Pankreas, das in den 
Dünndarm durchgebrochen war und eine mit Gas und Darminhalt 
gefüllte Zerfallshöhle enthielt. Die Röntgenaufnahme ergab 


1 ) 1. o. 

2) Haudek, Die Röntgeodiaguose 
Abdomen. W.kl.W., 1910, Nr. 1. 


eines abnormen Hohlraumes im 


hier ganz ähnlich wie bei der Dünndarmstenose im Abdomen 
einen abnormen Hohlraum, der eine grosse Luftblase über einem 
horizontalen Flüssigkeitsniveau enthielt. Die Beobachtung der 
Darmmotilität ergab aber, dass der Dünndarm sich in völlig 
normaler Zeit entleerte und der Hohlraum unverändert bestehen 
blieb. Er konnte also dem Darm selbst nicht angeboren. 

Die Röntgenuntersuchung ist somit ein sicheres Hilfsmittel 
für die Diagnose einer Stenose im Bereich des Dünndarmes. Da¬ 
gegen gibt sie uns über die Art des Hindernisses nur in 
den seltensten Fällen Aufschluss. Wenn es gelänge, anf 
der Röntgenplatte die Stelle der Verengerung so darzustellen, wie 
es zum Beispiel bei dem Oesophagus möglich ist, so könnten wir 
auch beim Dünndarm aus der Schattenaussparung unsere Schlösse 
in bezug auf die Natur der Stenose ziehen. Dies ist aber nur in 
seltenen Fällen möglich, so bei Duodenalstenosen (HoWknecht), 
bei Stenosen im Anfangsteil des Jejunum (Hinz) und vielleicht 
auch bei manchen Verengerungen in der Nähe der lleocoecalklappe 
(Kienböck). Io allen anderen Fällen aber, die wir besprochen 
haben, konnte man die stenosierte Stelle selber nicht auf der 
Platte nachweisen und die Diagnose der Verengerung nur auf 
Grund der Folgeerscheinungen stellen. Wir sehen dann auch das 
gleiche Bild sich entwickeln, einerlei, ob ein maligner Tumor 
oder eine Narbenstenose das Lumen verengen oder Adhäsionen 
oder Tumoren von aussen den Darm komprimieren. Die einzelnen 
Bilder der Darmstenose, die wir geschildert haben, entsprechen 
nicht etwa jedes einer bestimmten Art der Verengerung, sondern 
nur dem Grad und der Dauer des Leidens. 

Ebenso unbefriedigend ist die Röntgenuntersuchung zur 
Feststellung des Sitzes der Stenose. Auch hier nimmt das 
Duodenum, der Aufangsteil des Jejuoums sowie die unterste 
lleumscblinge wegen der Nachbarschaft des Magens bzw. Colons 
eine Ausnahmestelle ein. Die Verengerungen der mittleren Däon- 
darmschlingen sind indessen wegen der wechselnden Lage der¬ 
selben schwer zu lokalisieren. Man sieht es der Schlinge auf 
dem Röntgenbild nicht an, wie weit sie von der Plica duodeno- 
jejunalia entfernt ist, nnd die stenosierte Schlinge hat bei wieder¬ 
holten Röntgenuntersuchungen ganz verschieden gelegen. Deshalb 
hat David 1 ) empfohlen, eine weiche Sonde analog der Duodenal¬ 
sonde einzufübren, sie bis an das Hindernis vorzuschieben und 
nun die Kontrastflüssigkeit einlaufen tu lassen. Auf diese Weise 
könnte man in der Tat die Entfernung des Hindernisses von der 
Zahnreibe feststellen. Doch scheint mir ein derartiges Vorgehen 
überflüssig zu sein, da uns mit dieser Angabe nicht viel genützt 
wird. Eine Dünndarmstenose erfordert in jedem Falle einen 
operativen Eingriff; oft wird schon die klinische Untersuchung 
durch den Nachweis des palpablen Tumors oder die Beobachtung 
von Darmsteifungen dem Chirurgen zeigen, an weicher Stelle er 
die Laparotomie vorzunehmen hat. Und wenn die klinische 
Untersuchung ihm keinen Anhaltspunkt gibt, wo das Hindernis 
sitzt, dann ist ihm auch mit der Angabe nichts genützt, dass es 
in einer bestimminten Entfernung von der Zahnreibe sich be¬ 
findet. Es gilt dann, das Abdomen zu eröffnen, und die geblähten 
Darmschlingen werden ihm selbst zeigen, wo er das Hindernis 
zu suchen hat. Eher wohl mag das Verfahren angebracht sein, 
um die Art der Stenose festzustellen, aber auch hier erscheint 
es fraglich, ob wir wesentlich weiter mit der Diagnose kommen. 
Man wird wohl die Narbenstenose erkennen können; ob es aber 
möglich sein wird, ein circuläres Carcinom von einem ring¬ 
förmigen tuberkulösen Geschwür zu unterscheiden, ist zweifelhaft 
un'd im übrigen auch gar nicht unbedingt erforderlich, da beide 
Leiden den gleichen sofortigen Eingriff indizieren. 

Zusammenfassung: Die Röntgenstrahlen sind ein wert¬ 
volles diagnostisches Hilfsmittel für die Erkennung der Dünn¬ 
darmstenose; die charakteristischen Symptome sind; 1. Füllungs- 
defekt, 2. Retention in den zuführenden Schlingen, 3. veränderte 
Peristaltik der zufübrenden Schlinge, 4. Dilatation derselben, die 
im Anfangsstadium sich in Verbreiterung und Streckung der 
Schatten äussert, später zur Bildung ampullenartiger Hohlräume, 
die halb mit Flüssigkeit, halb mit Gas gefällt sind. Die Hohl¬ 
räume können in vorgeschrittenen Fällen schon ohne Kontrast- 
mablzeit zu erkennen sein. Nicht alle Symptome müssen gleich¬ 
zeitig vorhanden sein. Füllungsdefekt oder Retention allein be¬ 
weisen nichts für Stenose. Fehlen der Peristaltik spricht nicht 
dagegen. Stenosen des Duodenums, der oberen Jejunumschlingen, 
der untersten Ileumschiingen sind durch die Röntgenuntersuchung 

1) David, Zur Röntgendurchleuchtung des Dünndarms. Verein d. 
Aerzte in Halle, 21. Mai 1913. M.m.W., 1913, Nr. 82. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



6. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1685 


genau zu lokalisieren, auch kann es gelingen, die Art der Stenose 
zu bestimmen. Bei Stenosen der mittleren Dünndarmpartien ist 
eine Lokalisation der Stenose oder die Bestimmung ihrer Natur 
meist nicht möglich, aber auch nicht unbedingt erforderlich. 


Neue Erfahrungen über Pockennarben¬ 
behandlung. 

Von 

Dr. P. Unna jun. 

In einem im Jahre 1912 in der Medizinischen Klinik er¬ 
schienenen Artikel berichtet Louis Merian aus unserer Klinik 
über gute Erfolge bei der Behandlung von Pockennarben. In¬ 
zwischen haben sich unsere Erfahrungen um einige Fälle vermehrt, 
weshalb es lohnend erscheint, auf diese Art der Behandlung 
zurückzukommen, um auch andere zu Versuchen mit derselben 
anzuregen. 

Es herrscht bei den praktischen Aerzten und auch vielfach 
bei Dermatologen und Chirurgen die Meinung, dass man gegen 
Narben und Atrophien gar nichts tun könne, dass dieselben irre¬ 
parabel seien. Und doch lehrt uns die gewöhnlichste Erfahrung 
an Narben von Schnittwunden, dass selbst grössere und ent¬ 
stellende Narben mit derZeit unansehnlicher werden, „verwachsen“ 
wie der Volksausdruck sagt. Wenn man z. B. öfter Akademiker¬ 
versammlungen mitmacbt, kann man sich leicht davon überzeugen, 
wie selbst sehr unschöne Mensurnarben mit der Zeit grösstenteils 
resorbiert werden. Anders dagegen scheinen sich die Pocken¬ 
narben zu verhalten, bei denen im spätesten Alter noch die 
Diagnose selbst von jedem Laien mit Leichtigkeit gestellt werden 
kann. Es ist klar, dass derart Gebrandmarkte sieb immer wieder 
bemühen, diese Verunstaltung des Gesichts los zu werden, sei es 
aus allgemeinen Schönheitsgründen, oder weil sie zu heiraten 
wünschen oder in eine neue soziale Stellung übergehen. 

Hier ist ein dankbares Gebiet für den praktischen Arzt wie 
für den Spezialisten. Denn diese Patienten sind selbst für jede 
geringfügige Verbesserung äusserst dankbar. 

Fragt man sich, warum die Pockennarben so auffällig sind, 
so findet man, dass bei den Pocken, die zwar meist dicht an¬ 
einander gelagert sind, aber selten konfluieren, unmittelbar Er¬ 
höhung an Vertiefung sich anscbliesst: ein dichtes Mosaik von 
beschatteten Vertiefungen und kreideweis aufleuchtenden Erhaben¬ 
heiten. Hierin unterscheiden sich die Variolanarben und die im 
kleinen sie naebahmenden Acnenarben von sämtlichen übrigen 
Vernarbungsprozessen (Verbrennungen, Lupus, Syphilide). Bei 
starker Ausdehnung der Pockennarben reiht sich ganz regelmässig 
Hügel an Tal. An einzelnen Stellen kommt es zu keloidartigen 
Vorwölbungen, zumal in der Gegend der grossen G*-sichtsfalten. 
Besonders auffällig wird der Anblick noch dadurch, dass die 
natürlichen Hautporen in vielen Fällen sehr viel deutlicher werden, 
sei es, dass die Poren durch Narbenzug erweitert sind, oder dass 
die Follikeltrichter durch die besonderen Verhältnisse der Licht¬ 
reflexion auf dem maximal gespannten Hautterrain deutlicher 
sichtbar werden. Besonders tief pflegen die Pockennarben zu 
sein an den Drüsenregionen des Gesichts: an der Nase, den 
medialen Stirnpartien, den Wangen, dem Kinn. Veränderungen 
an der Nase können unter Umständen solche Grade erreichen, 
dass weitgehende Verunstaltungen und Zerstörungen der Form 
eintreten, wenn nämlich die Vernarbung bis auf den Knorpel 
geht. 

Die Behandlung besteht darin, die Haut möglichst zu ebnen, 
die Vorsprünge abzutragen und die Löcher auszufüllen. Die ein¬ 
fachste Methode hierfür ist die Poliermethode, die schon vor 
vielen Jahren von Ellinger und meinem Vater 1 ) eingeführt 
wurde und sich wegen ihrer konstant guten Resultate einen be¬ 
scheidenen, aber dauernden Platz in unserem kosmetischen Arznei¬ 
schatz erworben bat. Die Poliermethode feiert ihre Triumphe 
zwar hauptsächlich bei der Behandlung von Acoeoarben und bei 
der Hypertnchosis virginum 2 ), spielt aber auch bei der Pocken- 
narbeotherapie, besonders zur Nachbehandlung eine grosse Rolle. 

Je nach dem Zustande der Gesichtsbaut, der Grösse und 
Härte der Narben, ist eine schwächere oder gröbere Polierung 
erforderlich. Zum Polieren braucht man einerseits Poliersteine, 


1) Ellinger, W.m.W., 1876. — Unna, Ueber Behandlung von 
Narben. Mitt. V. Schlesw.-Holst., 1881, Nr. 10. 

2) Vgl. K. Unna, Die Entfernung des Frauenbartes. M.ra.W., 1914. 


Polierpulver oder Polierpasten, andererseits Polierseifen. Am 
einfachsten liegen die Verhältnisse beim Polieren mittels Polier¬ 
steins. Louis Merian, der sich mit dieser Behandlung viel 
beschäftigte, hat zu diesem Zwecke verschiedene Formen eines 
künstlichen gepressten Bimsteins angegeben; ein gewöhnlicher 
Bimstein wird im Notfall auch genügen. Verschiedene Versuche, 
Steine herzustellen, welche nach Art des Radiergummis das Polier¬ 
material abgeben, führten zu dem Ergebnis, dass die barten 
Steine bei Pockennarben den bröckligen, verreibbaren Steinen 
bedeutend vorzuziehen sind. Ebenso günstige Erfolge wie mit 
dem Stein erzielt man mit dem Pulver, das schon vor Jahren 
von meinem Vater als Pulvis cutifricius in die Dermatologie 
eingeführt wurde. Vor dem Stein hat es den Vorzug, dass die 
Politur mit Pulver ebenso energisch, aber .weniger schmerzhaft 
ist. Etwas weniger wirksam ist Polierseife, Sapo cutifricius, wo¬ 
zu man übrigens auch die gewöhnliche Sandseife verwenden kann. 
Unter Umständen empfiehlt es sich, mit irgendeiner eintrocknenden 
Paste, z. B. Zinkpaste, zu polieren, der man zweckmässigerweise 
etwas Kreide zusetzt, um ihr eiue weichere Konsistenz zu geben. 
Dies kommt z. B. in Frage, wenn zwischen vernarbten Inseln 
relativ viel normale, weiche Haut vorhanden ist, welche durch 
den Polierstein ohne Paste zu sehr angegriffen würde, oder bei 
Patienten, deren Haut leicht blutet. Die Resultate, die mit der 
Politur erzielt werden, sind dauernde und gute. Man reibt jede 
Stelle einige Minuten, bis die Haut anschwillt, sich lebhaft rötet 
und die ersten Serumtröpfchen erscheinen. Die so behandelte 
Haut wird entweder mit einer Kühlsalbe bedeckt oder weiteren 
narbenerweicbenden Maassnabmen unterzogen. Die Grenzen dieser 
Methode liegen einerseits in zu starker Dicke der Narben, anderer¬ 
seits in einem zu unebnen Terrain, wo relativ normale Hügel 
durch sehr enge vertiefte Narben abgegrenzt werden, ln diesem 
Fall verursacht man dem Patienten unnötige Schmerzen, ohne viel 
zu nützen, da man gar nicht bis auf den Narbeogrund gelangt, 
man muss in solchen Fällen die Narbenvertiefungen heben, was 
durch physikalische und chemische Mittel möglich ist (s. unten). 

leb gehe über zu den chirurgischen Methoden, welche 
im Anfang der Behandlung anderer Narben eine Hauptrolle spielen, 
wie Totalexstirpation und primäre Naht, oder Transplantationen. 
Derartige Maassnahmen wird man bei den Pockennarben wegen 
ihrer Ausdehnung nur selten in der Lage sein anzuwenden. Man 
wird sich hier darauf beschränken, gleich im Anfang der Behand¬ 
lung grössere Partien oder sogar die ganze Fläche zu scarifiziereo, 
wodurch die anämische Pockenhaut besser durchblutet wird 
(Quadrillage nach E. Vidal). Die Inzisionen, die am besten mit 
den feinen Discisionsmessern der Augenärzte gemacht werden, 
müssen die ganze Dicke der Narbe dnrehtrennen. Man braucht 
sich nicht ängstlich vor einem Zuviel zu scheuen, da die Ein¬ 
schnitte bei der Nachbehandlung unsichtbar werden. 

Auch mit dem Paquelin sowie mit dem Kaltkauter lassen 
sich besonders dicke Narbenzüge zerstören. Doch würde ich 
diese Behandlung für besonders hartnäckige kleine Hügelcben 
reservieren, da die Schmerzhaftigkeit gross ist und gerade nach 
der Kaustik in einigen Fällen hypertrophische Narben entstehen. 

Auch Massage, insbesondere Vibratiousmassage leistet in 
leichten Fällen Gutes; jedoch ist die Massage lediglich als er¬ 
weichende und die Circnlation anregende Vorbehandlung anzu- 
seben nnd wird hierin von der Poliermethode bei weitem über¬ 
troffen. 

Es folgen nun die elektrischen Methoden, besonders die 
Elektrolyse. Wie allgemein bekannt, leistet die Elektrolyse 
bei Zerstörungen von Fibromen in vielen Fällen Vortreffliches. 
Bei der Behandlung von Pockennarben kommt sie hauptsächlich 
in Frage zur Zerstörung der Erhöhungen, welche von hyper¬ 
trophischen Bindegewebsmassen eingenommen werden. Man 
sticht mit einer ziemlich dicken Platin-Iridiumnadel ein and lässt 
den negativen Pol bei 3—5 Milliampere mehrere Minuten ein¬ 
wirken. Auch hier bildet zu grosse Schmerzhaftigkeit die natür¬ 
liche Grenze der Anwendbarkeit. Besonders an der Nase werden 
diese Operationen häufig sehr unangenehm empfunden. Auch die 
deprimierten Hautpartien kann man, wie es für vertiefte Acne¬ 
narben empfohlen ist, mit dem positiven Pol anszufüllen ver¬ 
suchen. Ich habe jedoch bisher nicht viel gute Resultate damit 
erzielt. 

Ganz besonders gute Erfolge erreicht man noch mit 
der Kataphorese (Jontopborese) mit Thiosinamin, über welches 
Verfahren weiter unten bei der Besprechung dieses Heilmittels 
berichtet wird. 

Endlich wären noch zu erwähnen die Strahlenmethoden. Mit 

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UMIVERSITY OF IOWA 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Röntgenstrahlen and Radi am haben wir bei Pockennarben 
keinerlei gute Resultate gesehen. Auch die Resultate anderer 
Aerzte scheinen nicht besser zu sein. Rotlicht wirkt im wesent¬ 
lichen durch Erweichung der Narben. In ähnlicher Weise, d. h. 
durch eine oberflächliche Dermatitis erweichen die ultravioletten 
Quarzlampenstrahlen das Narbengewebe, sind also nur unter¬ 
stützende Faktoren der Behandlung, aber nicht geeignet, wie bei 
der Acnebehandlung, die Haut wieder zu glätten. Ueber Finsen- 
licht und Sonnenbehandlungen, die ja bekanntlich bei 
Lupusnarben ausgezeichnete kosmetische Resultate liefern, stehen 
mir ausreichende klinische Erfahrungen nicht zu Gebote. 

Die Standardbehandlung jeder Variolanarbentherapie bildet 
aber nach meiner Meinung die Koblensäureschneebehand- 
lung. Der Kohlensäureschnee entspricht zwei Forderungen. In 
geringer Dosierung angewandt, bringt er das behandelte Gewebe 
zur Anschwellung, die geeignet ist, 1. atrophische und vertiefte 
Stellen zu heben und Niveaudifferenzen auszugleichen, 2. das 
Gewebe für seine Resorption geeigneter zu machen. In starker 
Dosis dagegen fuhrt er selbst zur Verschorfung und Vernarbung. 
Die letztere Eigenschaft ist natürlich weniger erwünscht und 
ausserdem nur für vorspringende Narben verwendbar. Daher kam 
ich bald darauf, immer geringere C0 2 -Schneedosen zu geben. Es 
kommt hinzu, dass die einzelnen Häute in recht weiten Grenzen ver¬ 
schieden reagieren. Daher muss man jede Haut erst prüfen, wie¬ 
viel Sekunden Kohlensäureschneeapplikation sie verträgt, ohne 
dass es zur Bildung grösserer Blasen kommt. Für die meisten 
Variolanarbenpafienten lag das Optimum zwischen 5 und 
10 Sekunden, bei einzelnen genügten jedoch schon 3 Sekunden. 
Diese Daten beziehen sich auf feine Narben der Mund¬ 
falten. An anderen Stellen und bei dicken Narben kann 
man meist höher, selbst bis etwa 20 Sekunden geben. Auch 
werden die Zeiten im Verlauf der Behandlung allmählich grösser, 
da sich die Haut an den Kältereiz offenbar gewöhnt. Die Ge¬ 
winnung des C0 2 -Schnees setze ich als bekannt voraus. Das 
Instrumentarium ist ausserordentlich einfach, und die Operation 
kann von jedem praktischen Arzte mit Leichtigkeit ausgeübt 
werden. Die Schneestückchen müssen allerdings genau den Ver¬ 
tiefungen oder Vorsprüngen entsprechend gestaltet werden, was 
durch Zuspitzen mit dem Taschenmesser bei einiger Uebung ohne 
Schwierigkeit gelingt. Zur Behandlung von stecknadelkopf¬ 
grossen vertieften grubigen Narben gehören stecknadelkopfdicke 
Enden von Koblensäureschneestückchen. In vielen Fällen wird 
man zuerst grössere Flächen mit breiten Schneestücken en bloc 
behandeln, ohne auf Details Rücksicht zu nehmen, und erst 
später die vertieften Narben im einzelnen vornehmen. Die guten 
Resultate bei vertieften Narben werden von keiner 
anderen Methode erreicht. Sie ist relativ schmerzlos, und 
der Patient wird sich ihr gern zu wiederholten Malen unterziehen, 
da er nach jeder Anwendung eine sofortige Verringerung der 
Vertiefungen bemerkt. Eine stärkere Dosierung passt für die 
Vertiefungen nicht, da man damit höchstens eine Nekrose der 
Cutis erzielt, während es sich nur darum handelt, an der Stelle 
der Vertiefung die Circulation zu verbessern und das Hautniveau 
zu erhöhen. Dieses Ziel erreicht man am besten durch recht 
häufige, kurze Applikationen von Kohlensäureschnee. Man wird 
jedoch bei der Ausdehnung der Pockennarben zunächst davon 
absehen, alles auf einmal mit Kohlensäureschnee zu behandeln, 
da tägliche Operationen die Nerven der Patienten, wenn auch die 
Schmerzen relativ gering sind, doch angreifen. 

Hier treten die chemischen Methoden ergänzend ein, die 
etwas langsamer, aber auch sicher und vor allem schmerzloser 
arbeiten und sowohl tags als nachts angewandt werden können. 

Zunächst die sogenannten Specifica. Als solches präsentiert 
sich uns das Thiosinamin und seine lösliche Doppel Verbindung 
mit Natrium salicylicum, das Fibrolysin. 

Thiosinamin wurde bekantlich von Hans Hebra in die derma¬ 
tologische Behandlung eingeführt und scheint in der Tat eine ganz 
spezifische Einwirkung auf Bindegewebe, besonders Narbengewebe, 
zu besitzen. Bei der Sklerodermie, der Morphaea, sowie bei 
narbigen Atrophien hat es uns und anderen gute Dienste geleistet. 

Das Thiosinamin wird als Pflaster, als Salbe, percutan als 
Thiosinamin-Kataphorese und subcutan als Fibrolysininjektion an¬ 
gewandt. Wir geben die letzteren subcutan in die Glutäen und 
erwarten vor der 20. Spritze noch keine genügende Wirkung. 
Jedoch tritt dieselbe ziemlich regelmässig und deutlich erkennbar 
gegen Ende dieser Zeit auf. Rascher sichtbar sind die Erfolge 
mit dem Pflaster, das wir bei Variolanarben nur als Guttaplast 
von Beiersdorf anwenden und zwar in stärkster Dosierung (60g). 


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Die behandelte Haut wird auffällig mattweiss, sehr weich und 
abgeflacht. Derselbe Effekt ist noch rascher mit der Kataphorese 
zu erreichen. Man stellt sich mit Thiosinamin (lOpCt.) und 
Natrium salicylicum (76pCt.) eine Lösung her und setzt einen 
mit der Lösung aogefeucbteten Wattebausch als positiven Pol auf 
die erkrankte Stelle. Die indifferente Elektrode, die man gross 
wählt, halte man möglichst nahe an die Behandlungsstelle. 
Thiosinamin in Salbenform eignet sich mehr für die ambulante 
Behandlung. 

Die Tbiosinaminbehandlungen erweichen das hypertrophische 
Bindegewebe und bringen es zur Resorption. Diese Forderungen 
werden aber nicht nur von Thiosinamin, sondern auch von der 
Salicylsäure und dem Quecksilber erfüllt, die man am besten in 
Form von Salicyl-Kreosot- oder Quecksilber-Kreosot-Guttaplast 
auwendet. 

Scbälkuren mit Resorcin, Salicylsäure und Seifen scheinen 
auf den ersten Blick bei Pockennarben ja recht indiziert zu sein, 
haben aber doch nicht den erhofften Erfolg. Im Anfänge aller¬ 
dings sind sie häufig nicht zu umgehen, um die ganze Oberhaut 
zu verdünnen, und auch als Nachbehandlung spielen sie eine 
nicht unbedeutende Rolle. Aber im Verlauf der Behandlung 
sind sie eher schädlich als nützlich, da die Narben nur deutlicher 
sichtbar und die Nerven des Patienten allzu stark gereizt werden. 
Dagegen kann die Salicylsäure, circumscript angewandt, jederzeit 
günstig wirken, da auch sie die Depressionen, wenn auch nicht 
so kräftig wie der Kohlensäureschnee, hebt und unter Salicylschale 
die Epidermis zur Wucherung angeregt wird. Hierfür eignet sich 
indessen allein die Form des Scbälcollodiums 1 ). Mit diesen 
chemischen Mitteln hat man immer sofort da einzugreifen, wo 
die physikalischen Mittel zu wirken nacblassen. 

Fassen wir alles zusammen, so wird man zuerst chirurgisch 
mit Scarifikationen nach Vidal die gröbsteD Entstellungen ent¬ 
fernen, durch Elektrolyse einzelne besonders auffällige Erhebungen 
beseitigen und eventuell durch eine Salicylschälung die Hornscbicbt 
im ganzen verdünnen. Dann setzt die Hauptbehandlung ein: die 
Hauptmasse der Vertiefungen wird durch Kohlensäureschnee ge¬ 
hoben, wobei die Erhöhungen gleichzeitig erweichen. Zur selben 
Zeit wird durch Fibrolysin-Injektionen eine ständige Resorption 
in Gang gehalten. Die Nachbehandlung mit Pflastern von Salicyl¬ 
säure und die akuter wirkende und sehr zu empfehlende Thiosinamin- 
Kataphorese beschleunigen die eiogeleitete Resorption. Bei den 
Resten des erweichten, abgeflachteu Gewebes tut die Poliermethode 
das ihrige, um die letzten Ungleichheiten zu ebnen. Den Schloss 
bilden daher am besten abwechselnd Salicylscbälungen, Thiosinamin- 
Kataphorese und Polituren. Mit dieser Behandlung sind selbst 
die schlimmsten Pockennarbenfälle einer bedeutenden Verbesserung 
fähig. 


Bücherbesprechungen. 

J. Cenacb: Chinrgisehe Diagioatik ia Tabelleifarn für SUdieitnie 
and Aerzte. München, F. Lehmann. Preis 14 M. 

Der Verf. der „differentialdiagnostischen Tabellen der inneren Krank¬ 
heiten“ hat jetzt auch die wichtigsten chirurgischen Erkrankungen in 
übersichtlichen Tabellen nach diagnostischen Gesichtspunkten zu¬ 
sammengestellt und durch zahlreiche, sehr instruktive Abbildungen er¬ 
läutert. Es ist staunenswert, was alles in das Buch hineingearbeitet 
wurde, und der Verlag verdient alle Anerkennung für die ausserordent¬ 
liche Zahl von vortrefflichen ein- und mehrfarbigen Abbildungen. 
Tabellen wollen kein Lehrbuch und können nicht einmal ein Kompendium 
ersetzen; sie dienen bloss dem Bedürfnis nach rascher Orientierung. In 
dieser Begrenzung wird das Buch gerade jetzt, wo mancher die ihm un¬ 
gewohnt gewordene Kunst der Chirurgie wieder betreiben muss, ein oft 
willkommener Nothelfer sein. Hans Kohn. 


W. Hirt: Das Lehen der anorganischen Welt. München 1914, Ernst 
Reinhardt. 150 S. Preis 3 M. 

Die vielfachen Versuche, den Begriff „Leben“ zu definieren, sind 
allgemein bekannt. Von allen bisher gegebenen Definitionen dürfte die 
von Verworn die treffendste sein. Nach V. besteht der Lebensvorgang, 
kurz gesagt, in dem Stoffwechsel von Eiweisskörpern. Gegen alle diese 
Definitionen, besonders aber gegen letztere, wendet sich Verf. und sucht 
den Nachweis zu erbringen, dass es auch einen Stoffwechsel ohne Eiweiss¬ 
körper gibt. Als Beispiel für seine Behauptung führt er an, dass der 
zerbrochene Knochen wieder zusammenwächst, indem sich die »aus 
eiweisslosen Lamellen bestehende Knochensubstanz regeneriert“; ferner 


1) Collodium mit je lOpCt. Salicylsäure und Anaesthesin. — P.Unna 
jun., Ueber traDspellikulare Behandlung, insbesondere mit Schälcollodmm. 
B.kl.W. 1911, No. 40. 


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5. Oktober 1914. 


„im jugendliches Alter wächst die Knochensubstanz“, „ebenso wachsen 
Nägel, Hufen, Klauen, Geweihe, Haare und leben“. Wie ein Mediziner 
behaupten kann, dass alle diese Vorgänge ohne Mithilfe von Eiweiss¬ 
körpern vor sich gehen, ist unverständlich. Eine Regeneration oder ein 
Wachstum ist doch nur unter Mitwirkung von Zellen möglich, zur Zell¬ 
tätigkeit gehört aber doch Eiweisssubstanz. Von einer Widerlegung der 
Verworn’schen Hypothese kann also gar keine Rede sein. — Will man 
den Begriff „Leben“ nicht eng umgrenzen, sondern, wie Verf. dies tut, 
ganz verallgemeinern, so kommt man natürlich zu ganz mystischen 
Vorstellungen, wie z. B., dass die flüssigen Kristalle „leben“, ein Eisenstab 
„denkt“ usw. — Immerhin ist das Büchelchen recht anregend. Es 
bringt in klarer Uebersicht alles das, was bisher über den Begriff 
„Leben“ geschrieben wurde, und gestattet eine schnelle Orientierung 
auf diesem nicht ganz leicht zu übersehenden Gebiet. 


f. Hofmeister.- Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht 
der Mediziner. 5. neu durchgesehene und vervollständigte Auf¬ 
lage. Braunschweig 1914, Fr. Vieweg & Sohn. 156 S. Preis 
4 M. 

Der bekannte Leitfaden liegt nunmehr in seiner 5. Auflage vor. 
Wenn man von einigen unwesentlichen Veränderungen absieht, hat sich 
an dem Charakter und dem Umfang desselben nichts geändert. Er 
kann nach wie vor für die ersten physiologisch-chemischen Arbeiten im 
Laboratorium wärmstens empfohlen werden. Die kurze und prägnannte 
Darstellung macht ihm dazu ganz besonders geeignet. 


H. y. Tappeiner: Anleitung zu chemisch - diagnostischen Unter¬ 
suchungen am Krankenbette. 10. Auflage. München 1914, 
M. Rieger. 146 S. Preis 2,20 M. 

Weicher Beliebtheit sich dieses Büohelchen erfreut, beweist, dass es 
nunmehr in 10. Auflage erscheint. Zur schnellen Orientierung und zum 
Nachschlagen am Krankenbett ist es sehr geeignet und bringt in wenigen 
Worten alles im Moment Wissenswerte. 


0. Bernthsen: Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie. 12. Auf¬ 
lage, bearbeitet in Gemeinschaft mit A. Darapsky. Braun¬ 
schweig 1914, Vieweg & Sohn. 672 S. 

Dieses Lehrbuch ist so bekannt, dass es sich erübrigt, es noch be¬ 
sonders zu empfehlen. Es ist eines unserer besten Lehrbücher der 
organischen Chemie. Erhebliche Neuerungen sind in der vorliegenden 
Auflage nicht durchgeführt, doch hat die neueste Literatur eingehendste 
Berücksichtigung gefunden. Wohlgemuth. 


Magnus Hirschfeld: Die Homosexualität des Mannes und des Weihes. 

Handbuch der gesamten Sexualwissenschaft in Einzeldarstellungen. 

Bd. 3. Berlin 1914, Louis Marcus-Verlagsbuchhandlung. 12 M. 

Wie belehrend und umfassend der erste Band dieses Handbuches 
der gesamten Sexualwissenschaft, in welchem der Herausgeber der Sammlung, 
Iwan Bloch, die Geschichte der Prostitution im Altertum und Mittel- 
alter abhandelte, ist, habe ich in meiner Besprechung des Werkes aus¬ 
führlich darzulegen mich bemüht. Dieser dritte Band ist ein würdiger 
Nachfolger von Bloch’s grossem Werk. Auch dem mit der Materie 
der Homosexualität nicht Unvertrauten gibt dieses Buch eine staunens¬ 
werte Fülle der Erkenntnis. Hirschfeld, der vielgesuchte Berater und 
ärztliche Anwalt dieser geschlechtlich Abnormen, bat hier in umfassender 
Weise die Erfahrungen niedergelegt, die ihm seine langjährige intensive 
Beobachtung an einem runden Tausend von Homosexuellen beiderlei 
Geschlechts gebracht hat. Die Voraussetzung seiner Anschauung ist das 
Angeborensein der homosexnellen Natur, die am kürzesten 
Ulrichs mit den Worten ausgedrückt hat: Anima muliebris virili 
corpore inclusa (und umgekehrt für die homosexuelle Frau). Diese 
Natur ist nicht anerzogen, nicht durch einen Zufall in einem normalen 
Menschen entstanden, nicht durch Verderbtheit oder Uebersättigung 
bedingt, sondern sie ist angeboren. Ein Homosexueller ist von vorn¬ 
herein homosexuell. Nur von dieser Auffassung aus, die Hirschfeld 
seit dem Beginn seines Wirkens vertritt, und für deren Richtigkeit er 
ein erdrückendes uud für immer klassisches Beweismaterial beibringt, 
kann das Verständnis erfolgen. In objektivster Darstellung führt Hirsch- ] 
feld den Leser, bei dem er gewissermaassen die gegenteilige Ansicht vor¬ 
aussetzt, zu der Klarheit hin, dass hier ein ganz bestimmter, andersartiger 
Trieb anzutreffen sei. Der Sexualtrieb neigt von seinem frühesten Er¬ 
wachen zum gleichen Geschlecht hin, und die Regungen des normalen 
Liebesbedürfnisses, der Anziehung des Mannes durch die Frau, der Frau 
durch den Mann ist nicht in Spuren vorhanden. Der Geschlechtstrieb 
ist dem der andern Menschen völlig analog in seinem körperlichen Ver¬ 
langen und in seinen seelischen Begleiterscheinungen, aber er richtet 
sich stets nur auf gleichgeschlechtliche Genossen. Er besitzt in aus- 
geprägtestem Grade den Abscheu gegen jedwede andersartige Betätigung. 
Der normale Mensch fühlt sich ganz instinktiv nur zum anderen Ge¬ 
schlecht© hingezogen, empfindet Widerwillen bei der blossen Vorstellung 
einer geschlechtlichen Berührung mit einem Menschen gleichen Geschlechtes; 
der Homosexuelle, der durch seine abnorme Natur zu intensiverer geistiger 
rt ra l b ® UuDg se ' aer Gefühle gezwungen ist, dessen oft grosse Geistes- 
fabigkeiten zu einem Sichselbstklarwerden über seine merkwürdige Ver¬ 
schiedenheit von dem Gros der Menschen zwingen, scheint nicht nur 
unbewusst, sondern auf Grund einer für ihn zwingenden Beweisführung 


zu einem ganz besonders tiefen Abscheu vor andersgeschlecbtlicher Be¬ 
rührung zu gelangen. Zudem scheint es sich bei diesen Menschen, wenn 
man aus den ausführlichen Beschreibungen Hirschfeld’s und nach den 
Zitaten aus den schriftlichen Ausführungen und Lebensläufen der Be¬ 
troffenen sich ein Urteil bilden darf, vielfach um übersensible Naturen 
zu handeln. 

Es ist unmöglich, auch nur annähernd eine Uebersicht über den 
Inhalt dieses Lebens Werkes Hirschfeld’s zu geben, das mit überragendem 
medizinischen Wissen und so leidenschaftslos geschrieben ist, wie es 
bei einem Forscher und Arzte nur möglich ist, der mit fühlenden 
Herzen alles Elend erkannt hat, das die Verschiebung dieser wichtigsten 
somatischen und psychischen Funktion in der Geschichte der Menschheit 
bervorgebraebt hat und in Zukunft immer weiter erzeugen wird, der der 
Ueberzeugung ist, dass alle Verfolgung dieser unabänderlichen Abnormität 
ungerecht und schuldlosen, oft geistig sehr hochstehenden Menschen 
verderblich ist. Einen Begriff von der Fülle des Gebotenen gibt es 
vielleicht, wenn wir nur kurz anzudeuten suchen, wie der Verfasser 
seinen Stoff eingeteilt hat. Er bespricht in zwei etwa gleich grossen 
Teilen die Homosexualität als biologische und als soziologische Erscheinung. 
Im ersten Teile bestimmt er den Begriff, bespricht die Diagnose und 
schildert an vielen Beispielen das ganze Gebaren der homosexuellen 
Menschen, bringt uns ihren Geisteszustand plastisch aus ihren eigenen 
Worten vor Augen und unterscheidet scharf all die pseudohoraosexuellen 
Vorgänge von der wahren Homosexualität, deren Träger ebensogut sittlich 
reine Charaktere wie Wüstlinge sein können wie es bei den Normalen 
— Heterosexuellen — der Fall ist. Er trennt von den Pseudohomosexuellen, 
aus denen die männliche Prostitution und das Erpressertum sich grössten¬ 
teils rekrutiert, die bisexuellen Menschen, deren Empfindung neben dem 
normalen Verhalten auch das konträre nicht unangenehm ist. Ein 
grosser Abschnitt bezieht sich auf das Verhältnis der homosexuellen 
Psyche zu der Körperbildung, wobei sich ergibt, dass die körperlichen 
Zwischenstufen (bermaphroditische Bildungen) keine weitere Beziehung 
zu dieser abnormen Veranlagung aufweisen. Im Anschluss an diese 
Betrachtungen gibt Hirschfeld die maoigfaltigen Erklärungsversuche 
über die Bedeutung der Homosexualität wieder. Besonders ausführlich 
wird die Therapie besprochen. Der soziologische Teil handelt die 
Geschichte, die Statistik, vergleichende Biologie, soziale Stellung und 
namentlich die juristischen Fragen ab. Das Buch wird ja nach dem 
Interesse, welches die besprochene Frage in allen Kreisen der Bevölkerung 
auslöst, ohne Zweifel eine sehr grosse Verbreitung finden. Der sittliche 
Ernst, der es durchweht, das hilfsbereite Eingehen auf diese den ihnen 
Unterworfenen in so vielen Beziehungen schädigenden Vorgänge, die 
grosse MeDge dem wissbegierigen Leser sich aufdrängender ernster 
Probleme sichern dem Werke die Gewissheit, dass es keine Lektüre der 
Frivolen werden wird. Dem Arzte kann es nicht warm genug empfohlen 
werden. Es wird manche schwankende Auffassung auf die Wahrheit 
hinwei3en, und es wird auch hoffentlich in der kommenden Gesetzgebung 
nicht nur vor der drohenden Verschärfung der einschlägigen Bestimmungen 
bewahren, sondern auch dazu beitragen, dass die bisher mit dem wissen¬ 
schaftlichen Stande nicht ganz kongruierenden Strafbestimmungen anderen, 
die Unglücklichen nicht verderbenden sondern sie schützenden Platz 
machen. Pinkus. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

J. Bauer*. Die Beziehungen der Hypophyse zar Wärmeregulation. 
(W.m.W., 1914, Nr. 25.) Extrakt aus dem Hypophysenhinterlappen 
macht Temperaturherabsetzung. Fälle von hypophysärer Dystrophie mit 
subnormalen Körpertemperaturen gehen fast regelmässig mit Polyurie 
und Polydipsie einher. Beschreibung von 5 Krankengeschichten. Die 
Ursache der Polyurie bei hypophysären Affektionen kann sein: 1. Reiz¬ 
zustand bzw. Ueberfunktion der Pars intermedia resp. des Hinterlappens. 
2. Irritation der im Hirnstamm gelegenen nervösen Gentren. 8. Nervöse 
Verbindung zwischen diesen Gentren und dem HinterlappeD. Die gleichen 
Möglichkeiten haben auch für die Genese der hypophysären Hypothermie 
Geltung. Die Wirkung des Extraktes aus dem Hypophysenhinterlappen 
auf die Temperatur beruht entweder auf einer ReizuDg des autonomen 
(parasympathischen) „Kühlcentrums“ oder auf einer LähmuDg des sym¬ 
pathischen „Wärmecentrums“. Eisuer. 


Therapie. 

H. BechhoId-Frankfurt a.M.: Halbspeiiflsche Desinfektion. (M.m.W., 
1914, Nr. 37.) B. fand, dass Halogennaphthole zum Teil eine halb¬ 
spezifische Desinfektion bestimmten Bakterien gegenüber entfalten. Er 
stellte mit einem der Halogennaphthole, dem Tribromnaphthol, besondere 
Versuche an, deren Ausfall ihn zum Ausprobieren des Mittels in der 
Praxis veranlassten. Hierüber berichten die beiden folgenden Arbeiten. 

Leser-Frankfurt a.M.: Chirurgische Erfahrungen mit Providoform. 
(M.m.W., 1914, Nr. 37.) Unter dem Namen „Providoform“ kommt das 
Tribromnaphthol durch die Providol-Gesellschaft, Berlin NW., Alt 
Moabit 104, in den Handel als Pulver, Tinktur und Mull. Es wirkt 
günstig bei eiternden Wunden, Gesohwüren, langsam heilenden Abscessen 
und regt die Bildung von Granulationen an. Leider halten sich die 
Lösungen nicht länger als 24 Stunden. 

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UNIVERSITÄT OF IOWA 



1688 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


J. Ziegler - Kiefersfelden: Meine Erfahrungen mit Providoform. 
(M.m.W., 1914, Nr. 37.) Auch die Erfahrungen von Z. sind gut. An 
Stelle der Grossich’sohen Hautdesinfektion mit Jodtinktur empfiehlt er 
5 proz. Providoformtinktur. Das Pulver und die Tinktur sind bei allen 
eitrigen Prozessen wirkungsvoller als die bisher bekannten Streupulver. 
Insbesondere OhreiteruDgen werden günstig beeinflusst. Es übt, wenn 
chemisch rein, in Substanz keinerlei Aetzwirkung auf Wunden aus. 

Dünner. 

Markl: Untersuchungen über Eositin, ein neues Mittel zur Be¬ 
kämpfung des Hungergefühls bei Behandlung der Fettsucht. (W.m.W., 
1914, Nr. 22.) Das Eusitin ist unschädlich, setzt die Empfindlichkeit 
der Schleimhaut für Reize herab und ist infolge dessen als Milderungs- 
raittel gegen Hungergefühl bei Entfettungskuren zu verwerten. 

E i s n e r. 

H. Müller-Mainz: Darf bei weichen Scbankergeschwiiren pro¬ 
phylaktisch Salvarsan angewandt werden. (M.m.W., 1914, Nr. 36.) 
Erwiderung auf den Artikel von Erich H offm an n - Bonn. Müller 
bleibt bei seinem Standpunkt, dass eine überflüssige Salvarsaninjektion 
eher in den Kauf genommen werden soll als eine unbehandelte Lues. 

Dünner. 


Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie. 

Pohrt-Hamburg: Todesursachen bei Aortenaneurysmen. (M.m.W., 
1914, Nr. 36.) Von 50 Aortenaneurysmen starben an Ruptur 12, Kom¬ 
pression der Organe der Brusthöhle 9, Krankheiten der Kreislauforgane 
17, Lungenerkrankungen infolge Stauung im kleinen Kreislauf 3, Embolie 
aus Aneurysraenthromben 0, intercurrenten Erkrankungen 9. 

Dünner. 

Diagnostik. 

M. Clausz-München: Diagnostische Versuche mit Lnetin-Nognchi. 
(M.m.W., 1914, Nr. 37.) Noguchi’s Intracutaureaktion ist für die 
Syphilisdiagnose sehr brauchbar, indem-positiver Ausfall beweisend ist, 
während negativer nicht unbedingt gegen Lues spricht. Es ist eine über 
2 Wochen währende Beobachtungsdauer erforderlich. Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

W. Rullmann - Müuchen: Die Differenzierung der drei Genera 
Cladothrix, Streptothrix und Aktinomyces. (M.m.W., 1914, Nr. 36.) 

E. Abderhalden-Halle a. S.: Die experimentellen Beweise für das 
Vorkommen von Abwehrfermenten unter verschiedenen Bedingungen. 
(M.m.W., 1914, Nr. 36.) (Vortrag, gehalten in der 6. ordentlichen Sitzung 
des Vereins der Aerzte zu Halle a. S. am 8. Juli 1914.) A. gibt einen 
kurzen Bericht über die Theorie seiner Reaktion und die verschiedenen 
Methoden zum Nachweis der Abwehrfermente. Das von P. Hirsch 
jüngst eingeführte Verfahren des Nachweises mit dem Interferometer von 
Löwe halt A. für sehr gut. Auch berichtet A. andeutungsweise über 
ein Serum gegen Carcinora. 

H. Rollett-Salzburg: Ueber den Nachweis der Wirkung spezifischer 
Abwehrfermente im histologischen Schnitt. (M.m.W., 1914, Nr. 37.) 
R. untersuchte Plazenten, die mit Serum von Nichtgraviden und Graviden 
behandelt waren, mikroskopisch. Dabei fand er bei dea Placenten, 
die in Gravidenserum gelegen hatten, stellenweise Schwund der Kerne 
bzw. der Kerofärbbarkeit im Zottenektoderm und im Syncytium sowie 
in den Proliferationsinseln, also im spezifischen Gewebe der Placenta 
naebzuweisen war. Die Placenten waren, wie R. erwähnt, nicht entblutet. 

W. Sagel - Dresden: Nachweis spezifischer Fermente im Harn. 
(M.m.W., 1914, Nr. 37.) II. Mitteilung. Die weiteren Untersuchungen 
von S. scheinen dafür zu sprechen, dass im Urin spezifische Fermente 
enthalten sind. Dünner. 


Innere Medizin. 

F. Pin ei es: Der sogenannte chronische Gelenkrheumatismus und 
die Gicht. (W.m.W., 1914, Nr. 23 u. 24.) Verf. unterscheidet folgende 
Krankheitsbilder: 1. den chronischen Gelenkrheumatismus, 2. die pro¬ 
gressive Arthritis, 3. die deformierende Gelenkentzündung, 4. die 
Heberden’schen Knoten, 5. die Gicht. Er geht auf die einzelnen Er¬ 
krankungen näher ein. Am Schluss einige therapeutische Bemerkungen. 

M. Engländer: Hochradiger Meteorismus bei einem Falle mit 
Aortitis lnetica. (W.m.W., 1914, Nr. 23.) Hochstand des Zwerchfells 
infolge von hochgradigem Meteorismus; dadurch bedingt Querlagerung 
des Herzens. Gleichzeitiges Bestehen einer Aortitis luetica. Anfall von 
Stenocardie. _ Eisner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

L. Hirschlaff*. Ein neuer Ermüdangsmesser. (Neurol. Zbl, 1914, 
Nr. 15.) Vgl. Sitzungsbericht der Berliner Gesellschaft f. Psych. u. 
Nervenkrkh. der B.kl.W., 1914, Nr. 20. 

Lapinskv: Ueber mechanische Bäder in der neurologischen 
Praxis (hydraulische Massage). (Neurol. Zb!., 1914, Nr. 12—15.) L. be¬ 
zeichnet als hydraulische Massage ein Verfahren, bei dem der zu 


massierende Körperteil der Wirkung von 35° bis 45° warmen Wasser¬ 
strahlen ausgesetzt und gleichzeitig von der Hand des Masseurs be¬ 
arbeitet wird. Die Behandlung erfolgt in einer eigens lür die hydrau¬ 
lische Massage konstruierten Badewanne. Hydraulische Massage wirkt 
schmerzstillend, z. B. bei Schmerzen und Reizzustäoden in den peri¬ 
pheren Nerven ischämischen Ursprungs; durch sie kann die Blutverteilung 
! örtlich und allgemein beeinflusst werden; sie ist besonders bei visceralen 
Prozessen wirksam, ferner bei Exsudaten, Infiltraten, Adhäsionen usv. 
Zum Schluss bespricht L. die Wirkung bei Affektionen des Central¬ 
nervensystems. (Und die Duschemassage? Der Referent.) 

E. Tobias. 

Bunnemann - Ballenstedt: Physikalische Anschainngsweise iu 
neurologisch-psychiatrischer Literatur, ein Kapitel zur Leibscelenfrsge. 
(Mschr. f. Psych., August 1914.) Atomistisch-pbysikalische Abhandlung 
über Materie und Psyche, die sich hier nicht genauer wiedergeben lässt. 
Beachtenswert sind seine Folgerungen, dass „die Funktion des Gehirns 
den Funktionen anderer Organe sich durchaus gleichartig an die Seite 
stellt, insofern bei der Funktion des Nervenplasmas wie bei allen anderen 
Plasmaarten die Reaktion als eine formale Veränderung der Richtung 
sich einheitlich auffassen lässt und nicht direkt als eine Aeusserung des 
Bewusstseins im Gegensatz zu rein formalen Funktionen anderer Organe, 
der Konstruktion der Muskelfaser uüd der Sekretion des drüsigen Organs. 
Der Unterschied liegt nur in der Art der Betrachtung. Die Funktion 
bedeutet an sich nie objektiv Zweck, sondern ist immer subjektiv auf 
einen zu verfolgenden Zweck abgestimmt“. Loewy. 

A. Hellwig: Zur Lehre vom psychopathischen Aberglaube*. 
(Neurol. Zbl., 1914, Nr. 15. Vom psychopathischen Aberglauben muss 
der Aberglauben von Psychopathen abgezweigt werden, bei denen es 
sich nicht um eine Untergruppe des Aberglaubens, sondern um eine 
solche der Psychopathen handelt. Volkskundlich hinreichend gesdratte 
Psychiater sollten sich mit dem normalen und dem psychopathischen 
Aberglauben intensiver beschäftigen. 

Bychowki: Zur chirurgischen Behandlung der Lcptoacailgitis 
pnrnlenta (?) circnmscripta. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 15) Leptomeuin- 
gitis purulent« circumscripta nach Schlag auf den Kopf. Die Operation 
ergab in der Mitte der psychomotorischen Zone auf einer zweimarkstück- 
grossen umgrenzten Fläche die Pia getrübt, ödematös, hier und da mit 
Fibrin, durch das kleine graue Pünktchen hindurchschimmerten, bedeckt, 
stark gefüllte und erweiterte Gefasse. Hirnpunktionen ergaben keinen 
Eiterherd. Die Entfernung der veränderten Weichhaut führte zur 
Heilung. Genaue Schilderung und Epikrise. E. Tobias. 

0. Sittig-Prag: Ein Fall von taberknlä’ser Meningitis bei 
bitemporalhemianopischer Popillenreaktioi. (Mscbr. f. Psych., August 
1914.) Im Cbiasma fand sich kein Tuberkel, der die Pupillenreaktion 
erklären konnte, sondern nur eine besonders stark entzündliche Infil¬ 
tration der Meningen, die besonders intensiv an der Stelle der Cbiasma- 
kreuzung war. Eine Degeneration der Sehbahn wurde nicht gefunden. 
Die Lokalsymptome bei der graviden Frau wiesen auf die Hypopbysen- 
i gegend hiü. E. Loewy. 

Besgmark - Upsala: Zur Symptomatologie der cerebrales Läh¬ 
mungen. (D. Zscbr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 1 u. 2.) In 7 von 8 Fällen 
fand sich auf der gelähmten Seite eine Einschränkung der Zwerchfell¬ 
bewegungen ohne Veränderung der Mittelstellung. Die Analyse eines 
Falles spricht für einen Einfluss der linken Hemisphäre auch auf gewisse 
sensible Funktionen. Störungen innerhalb der der Stereognosie zugrunde 
liegenden Funktionen können eine Analysestöruog verursachen. 

Panski-Lodz: Ueber einige oBgewöhnliche EmheiBingei bei 
Hemiplegie. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. I u. 2.) Verf. rechnet 
eine Reihe von Symptomen, die bei Hemiplegie beobachtet werden, nicht 
zu den Komplikationen, sondern zu den gewöhnlichen Begleiterschei¬ 
nungen, da sie gleichzeitig und infolge derselben Ursache auftreten. 
Dies sind unter anderem Bulbärsymptome, wie Speichelfluss, Sprach-, 
Schluck-, Kaustörungeo, Siogultus, Blasen- und Mastdarmstörungen, 
Zwangslachen und -weinen. Für die Ausbildung dieser sogenannten 
Begteitsymptome ist die Monakow’sche Diaschisis von besonderer Be¬ 
deutung. Das mehrfach beobachtete Verschwinden von Zucker nach 
Hemiplegien erklärt Verf. durch eine Reihe von Faktoren, von denen 
namentlich die Nabrungseinschränkung wichtig ist. 

M. Völsch - Magdeburg: Zur Diagnose und Therapie der Gescbwfthto 
des Scheitellappens. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 1 u. 2.) Als 
eigentliche Scheitellappensymptome waren in den beobachteten Fällen 
besondere Störungen der tiefen Sensibilität (des Lagegefühls) zu be¬ 
trachten. Wichtig ist ferner das Vorkommen einer spastischen Hemi¬ 
parese mit Vorwiegen der spastischen Komponente ohne Jacksonanfälle. 
Zu achten ist ferner auf das Eintreten einer dissoziierten Hemiparese. 

Hoestermann - Heidelberg: Ueber reenrrierende Polyneuritj«. 
(D. Zscbr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 1 u. 2.) Das typische Krankheitsbild 
(schlaffe Lähmung der Extremitäten, Gefühlsstörungen, Fehlen der Sehnen- 
reflexe, EaR, Verdickung und Druckeropfindlichkeit der Nervenstämme, 
Freibleiben der Sphincteren) war in allen Fällen deutlich ausgeprägt- 
Ausgang stets in Heilung; ein Kranker wurde sechsmal befallen. Verf. 
nimmt eine alimentäre Aetiologie an (Fehlen oder mangelnde Ausnutzung 
von Nabrungsschutzstoffen, der sogenannten „Vitamine“). 

K. Kroner. . 

H. F. Wolf; Ein Vergleich der Ataxiebehandlung nach Frenkel und 
» Maloney. (Zscbr. f. phys.-diät. Ther., August 1914.) Wolf zieht die 


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5 Oktober 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. _1689 


Methode von Maloney den FrenkePschen Uebungen vor. Die Frenkel- 
schen Ataktiker lernen im allgemeinen die Regulierung ihrer Be- 
vegungen mit Hilfo der Angen; von der Maloney’schen Methode ziehen 
auch blinde Ataktiker Nutzen. Maloney, der besonders Erschlaffungs¬ 
und Widerstandsübungen macht, bemüht sich vor allem, das Gefühl der 
Furcht im Patienten zu beseitigen, wodurch er die Muskeln besser in 
der Gewalt behält. E. Tobias. 

A. Kutzinski -Berlin: LiminalbehandUiig bei Epilepsie. CMschr. 
f. Psych., August 1914.) K. hat ohne irgendwelche schädlichen Neben¬ 
wirkungen bei Epilepsie Luminal mit dem Erfolge gegeben, dass die 
Zahl der Anfälle schwand oder auf ein Minimum sank. Bei infantiler 
Epilepsie war die Wirkung nicht so günstig. Bei Aussetzen des Mittels 
traten die Anfälle sofort oder nach einem mehrtägigen Intervall in alter 
Form wieder auf. Die psychischen Störungen wurden nicht beeinflusst. 

_ E. Loewy. 

Kinderheilkunde. 

F. Hamburger: Ueber Psychotherapie im Kindesalter. (W.m.W , 
1914, Nr. 24.) Die psychogenen Erkrankungen der Kinder lassen sich 
leicht in ein Schema einfügen. Zwei Faktoren spielen eine Rolle: Die 
Disposition = Labilität des Nervensystems und Lebhaftigkeit des 
Vorstellens und krankmachender Reiz = psychisches Trauma. Je 
grösser die Disposition, desto kleiner braucht der Reiz zu sein und um¬ 
gekehrt. Die Therapie kann sein: 1. ätiologisch — Beseitigung des 
Reizes, 2. prophylaktisch — Herabsetzung der Disposition, 3. sympto¬ 
matisch. Besonders wichtig ist die ätiologische Behandlung. Die sympto¬ 
matische Behandlung ist im Wesen nichts anderes als eine Behandlung 
durch Ablenkung. Beschreibung einzelner Kraukheitsbilder von seiten 
der verschiedenen Organe und ihre spezielle Behandlung. Eisner. 

K. Kassowitz-Wien: Beitrag zur Methodik der Diphtherie¬ 

prophylaxe. (M.m.W., 1914, Nr. 37.) Man muss bei Ausbruch eines 
Diphtheriefalles in einer Schule usw. alle Personen, Kinder wie Er¬ 
wachsene, die mit dem Kranken zu tun hatten, bakteriologisch unter¬ 
suchen, Bacillenträger der Intracutanprüfung mit Ditoxin unterwerfen, 
und falls diese positiv ausfällt, 50 I.-E. pro Kilogramm Körpergewicht 
injizieren. _ Dünner. 

Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Gfoerer-Würzburg: Erfahrungen mit Lumbalanästhesie. (M.m.W., 
1914, Nr. 86.) In der Würzburger Frauenklinik wird die Anästhesie 
mit 5 proz. Tropacocain in 0,6 proz. NaCl-LösuDg ohne Adrenalinzusatz 
mit gutem Erfolge gemacht, nachdem eine Stunde vor der Anästhesie 
eine Morpbium-Scopolaminipjektion gemacht worden ist. Bei insgesamt 
1223 Fällen war kein Todesfall zu beklagen, der der Methode zur Last 
gelegt werden könnte. Ab und zu traten während oder nach der Ope¬ 
ration unangenehme Nebenerscheinungen vorübergehender Natur auf. 

Dünner. 

Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

Florschütz-Gotha: Lebensversicherongsmedizin. (Aerztl. Sacb- 
verst. Ztg., 1914, Nr. 15.) In den ersten Zeiten der Lebensversicherung 
wurden nur Atteste des Hausarztes verlangt, später erst kam die An¬ 
stellung von Vertrauensärzten, noch später die der RevisioDsärzte. 
Hauptaufgabe der letzteren ist es, zu entscheiden, mit welchem Risiko 
nicht ganz Gesunde noch versichert werden können. Das Ziel der 
Lebeu8versicherungsmedizin ist es, auf statistischem Wege festzustellen, 
welchen Einfluss bestimmte Krankheiten, Krankheitsanlagen, Erblichkeit, 
Beruf usw. auf die Lebensdauer ausüben. 

Radtke: Dio Frage der Verpflichtung Unfallverletzter zur Duldung 
vo> Operationen. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Das Reichs¬ 
versicherungsamt hat den Grundsatz aufgestellt, dass Verletzte Opera¬ 
tionen, die in den Bestand und die Unversehrtheit des Körpers ein- 
greifeD, oder die, wie jede Chloroformierung oder ähnliche Betäubung 
erfordernder Eingriff, nicht ohne Lebensgefahr vorgenommen werden 
können, an sich vornehmen zu lassen nicht verpflichtet sind. Allmäh¬ 
lich beginnt man an der Berechtigung dieser Auffassung zu rütteln. 
R. führt aus, dass es Sache der medizinischen Wissenschaft ist, die Ge¬ 
fahren der chirurgischen Eingriffe und der Narkose so herabzumindem, 
dass sie nicht mehr als das Leben gefährdend angesehen werden können. 

H. Engel - Berlin: Fingierter Unfall und Simulation schwerer 
Unfallfolgen. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 16.) Mitteilung eines 
ausführlichen Gutachtens über einen Fall von Simulation. 

L. Becker-Berlin: Der Missbrauch der Diagnose „Arteriosklerose“ 
bei der Begutachtung der Invaliden. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, 
Nr. 14.) Auffallend häufig begegnet man nach B. der Diagnose „Arterio¬ 
sklerose“ in ärztlichen Gutachten über Invalidenrenten, ohne dass ob¬ 
jektive Belege dafür beigebraoht werden. Vielmehr sind es lediglich 
subjektive Beschwerden, wie sie tatsächlich auch bei dieser Krankheit 
Vorkommen, die hierzu Veranlassung geben. Der Nachweis einer Ver¬ 
härtung der peripherem Schlagadern genügt nicht einmal, bei Leuten 
über 50 Jahre ohne weiteres auf eine Arteriosklerose der inneren Schlag¬ 
adern, besonders der des Gehirns zu schliessen. Naoh B. hat der Nach¬ 
weis einer Sklerose der äusseren Arterien nur dann einen Sinn und Be¬ 
deutung für die Verwertung dieses Zustandes für die Beurteilung der 


Leistungsfähigkeit, wenn sie besonders stark über das normale Maass 
hinaus entwickelt ist. 

H. Mohr-Bielefeld: Myositis ossificans traumatica der Oberschenkel¬ 
streckmuskulatur als Unfallfolge. (Aerztliohe Sachverst. Ztg.,^ 1914, 
Nr. 14.) Beschreibung eines Falles. Die Behandlung soll möglichst 
konservativ sein, da spontane Rückbildungen Vorkommen. Nur wenn 
sich der entstandene Knoohen nicht zurückbilden will und Funktions¬ 
störungen macht, kommt operative Entfernung in Frage. 

F. Leppmann-Berlin: Die Begutachtung der Tabes dorsalis in 
der Invalidenversicherung. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) 
Tabes bedeutet nicht ohne weiteres Invalidität, da es Fälle mit 9ehr 
protrahiertem und mildem Verlauf gibt. Am schwersten zu beurteilen 
sind die Fälle mit Schmerzen und Magenkrisen. Hier kommt es darauf 
aD, dass der behandelnde Arzt Anfälle beobachtet hat. Unter dem 
Material der Landesversicherungsanstalt Berlin sah L. selten die Kom¬ 
bination mit Aortenaneurysma, oft die mit Psychosen. Häufig wird die 
Tabes von den behandelnden Aerzten verkannt. Ein Heilverfahren 
empfiehlt sich nicht, da eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit zu 
den Ausnahmen gehört. H. Hirschfeld. 

Gerichtliche Medizin. 

v. Liszt - Berlin: Ein sonderbarer Abtreihnngsfall. (Aerztl. 
Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Ein 17 jähriges Mädchen behauptete im 
Mai 1912 vor dem Leiter der Universitätsklinik zu X., seit Oktober 1911 
schwanger zu sein; seit Januar 1912 habe die Schwangerschaft keine 
Fortschritte gemacht. Nach 3 wöchiger Beobachtung wurde eine Aus¬ 
kratzung vorgenommen, die eine 2 Monate alte lebende Frucht ergab. 
Das voq einem Mediziner geschwängerte und instruierte Mädchen hatte 
also durch falsche Angaben die Herbeiführung eines künstlichen Abortes 
durchgesetzt. Verf. erörtert die Frage, wer hier als der Täter in Frage 
komme. Seiner Ansicht naoh sei der Mediziner der Anstifter und straf¬ 
rechtlich Verantwortliche, das Mädchen nur das Werkzeug, 

_ H. Hirschfeld. 

Technik. 

A. T. Jurasz - Leipzig: Eine Cardiaahseklnsssonde. (M.m.W., 
1914, Nr. 37.) Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 13. Juli 1914. 

(Schluss.) 

5. Hr. Seelert demonstriert einen 7jährigen Kranken zur Differeil- 
tialdiagnose der Hysterie und des progressiven Torsinsspasatas. 

Jetzt liegt der Kranke fast dauernd mit angezogenen Beinen im 
Bett, Ober- und Unterschenkel sind meist soweit flektiert, dass die Füsse 
mit den ganzen Sohlen oder auch nur mit den Zehen und dem vorderen 
Teil des Fusses aufgestellt sind, manchmal werden sie in dieser Haltung 
fest auf die Unterlage aufgedrückt. Zeitweise treten eigenartige Bewe¬ 
gungen des Rumpfes auf, die sich zusammen setzen aus Drehungen um 
die Längsachse, lordotiscbe Krümmungen und Biegungen der Wirbelsäule 
nach der Seite. Die Drehungen um die Längsachse erfolgen meistens 
nach rechts. Infolge der lordotischen Krümmung der Wirbelsäule wird 
aus der Rückenlage die Lendengegend von der Unterlage hochgehoben. 
Mitunter geht die Krümmuog soweit, dass auch das Becken und der 
Brustteil der Wirbelsäule gehoben wird und der Körper dann nur 
auf den aufgestemmten Füssen und den gegen das erhöhte Kopfende 
des Bettes angestemmten Schultern ruht. Bald tritt mehr diese Krümmung 
der Wirbelsäule, bald mehr die Drehung um die Längsachse hervor. Bei 
der Drehung wird das linke Bein aus der Beugestellung straff gestreckt. 

Während der Körper diese abnorme Stellung einhält, zeigen die 
Muskeln, die sie bewirken, nicht eine konstante gleichmässige Anspannung, 
sondern fast rhythmisches Anschwellen und Abschwellen der tonischen 
Spannung, was stossweise, klonischen Zuckungen ähnliche, Lokomotion 
der Körperteile zur Folge hat 1 )- Der Rhythmus ist dabei langsamer, 
als er beim klonischen Krampf zu sein pflegt. Vorwiegend beteiligt an 
dieser tonisch-klonischen Muskelunruhe sind die Rückenmuskeln und die 
Muskeln der Oberschenkel, aber auch die Muskeln der oberen Extremitäten, 
die Beweger des Kopfes und die distalen Muskeln der Beine sind nicht 
unbeteiligt, nur tritt an ihnen die abnorme Innervation nicht so häufig 
und nicht so stark in Erscheinung. Während man sich mit dem Kranken 
beschäftigt, sich mit ihm unterhält oder ihn untersucht, pflegt sich die 
Intensität der Unruhe zu steigern. Sich selbst überlassen, liegt er mit 
angezogeuen Beinen im Bett oder bevorzugt auoh oft eine hockende 
Stellung, dabei besteht die Tendenz, durch Fixation der Arme die unge¬ 
wöhnliche und unbequeme Körperhaltung zu siohern. 

Spontanversuche zum Stehen und Gehen macht der Junge nicht und 

1) Die Abbildungen wurden naoh Momentphotographien mit 7w>Sek. 
Belichtung angefertigt. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


hat sie auch, solange er in der Klinik ist, nie gezeigt, obwohl er jetzt 
ganz munter, vergnügt ist, verlässt er nie spontan sein Bett. Auf die 
riisse gestellt, kann er aufrecht stehen. Bei den ersten Schritten oder 
auch schon ohne diese tritt auch dann eine Verbiegung und Verdrehung 
der Wirbelsäule auf. Zur Zeit tritt die Körperunruhe bei Rückenlage 
stärker hervor als beim Stehen und Gehen. Im Schlaf liegt der Kranke 
mit mehr oder weniger angezogenen Beinen, in letzter Zeit zeigte er 
auch im Schlaf die Krümmungen der Wirbelsäule mit Abbiegung des 
Kopfes nach hinten. Die Körperunruhe tritt im Schlaf nicht auf; einmal 
wurden, während der Kranke schlief, ein anhaltender Tremor im linken 
Oberarm und einzelne durch Pausen getrennte Kontraktionen in den 
linken Gesichtsmuskeln mit Verziehen des Mundes nach links beobachtet. 


Abbildung 1. 



Abbildung 2. 



Abbildung 3. 



Die Kraftleistungen der Extremitäten sind gut. Die Patellar- und 
Acbillessehnenreflexe sind lebhaft, auf beiden Seiten Andeutung von 
Fussclonus. Die Zehenreflexe sind normal, es bestehen keine sicheren 
Symptome von PyramidenbahnerkrankuDg. Des Muskeltonus an den 
Beinen ist wechselnd, bei passiven Bewegungen in Hand- und Kniege¬ 
lenken fühlt man zeitweise einen erhöhten Widerstand, es kommt vor, 
dass wenige Minuten später normaler Tonus vorhanden ist. Es besteht 
keine Ataxie. Manchmal zeigen die vorgestreckten Hände einen leichten 
Tremor. Bauchdecken- und Cremasterreflexe sind vorhanden. Störungen 
der oberflächlichen Sensibilität bestehen nicht, auch die Bewegungs- 
empfindung in Zehen- und Fingergelenken ist nicht gestört. Im Gebiet der 
Hirnnerven nichts Pathologisches. Die elektrische Erregbarkeit an Unter¬ 
schenkeln geprüft, ergab normalen Befund. Wassermann im Blut negativ. 

Die intellektuelle Veranlagung des Kranken ist gut. Bei der Prüfung 
nach Binet entsprechen seine Leistungen den Anforderungen für sein 
Alter. Sein psychischer Habitualzustand ist dadurch auffällig, dass der 
Patient seiner Erkrankung gegenüber effektiv indolent ist. Er klagt nie | 
über seine Unruhe, ist freundlich, vergnügt. Vor kurzem wurde, nach 
einer schweren Angina, während der der Kranke körperlich sehr ber- 
unterkam, ein kleiner Erguss im rechten Hüftgelenk festgestellt, der in 
Residuen auch wohl jetzt noch besteht; während dieser Zeit klagte der 
Kranke öfter weinend über Schmerzen in der Hüfte, dadurch, dass er 
beim Gehen das rechte Bein zu schonen suchte, was auch jetzt noch zu 


erkennen ist, wurde der Gang modifiziert. Auffallend ist ferner an dem 
Kranken noch, dass er wenig spricht, sowohl spontan, wie auch reaktiv 
das Sprechen selbst zeigt nichts Pathologisches. 

So wie der Krankheitszustand jetzt ist, lässt er wohl keinen Zweifel 
dass es sich um einen Fall von progressivem Torsionsspasmus handelt' 
wie er von Ziehen, Oppenheim, Flatau und anderen beschrieben 
worden ist. 

Schwieriger war die Diagnose, als der Kranke vor 10 Wochen in die 
Klinik kam. Wenn auch damals schon die Möglichkeit angenommen 
wurde, dass es sich um einen Fall von Torsionsspasmus handeln könnte 
so gab damals doch sowohl Zustandsbild wie Anamnese Anlass, die 
Differentialdiagnose gegenüber der Hysterie in Frage zu ziehen. ’ Das 
Zustandsbild insofern, als die für den Torsionsspasmus charakteristische 
Körperunruhe nicht mit der Gleichförmigkeit in Erscheinung trat wie 
später und wie bei den bisher beschriebenen Kranken, sondern ab¬ 
wechselte mit andersartigen Körperhaltungen und Bewegungen, die viel¬ 
mehr den Charakter des willkürlich Produzierten hatten. Auch damals 
traten die drehenden, krümmenden Bewegungen des Rumpfes mit der 
Ueberextension auf, die damals viel exzessiver war als in den letztes 
Wochen. Dazwischen, auch tagelang, hatte der Kranke damals eine 
ganz andere Körperhaltung beim Stehen und Gehen. Er stand nach 
vorn gebückt mit Beugung in Hüft- und Kniegelenken da, stützte seinen 
Rumpf durch Aufstemmen der Hände auf seine Oberschenkel. Bald ging 
er mit kleinen, bald mit grossen Schritten, hüpfte und spraDg da¬ 
zwischen, lief mitunter nach vorn, bis er an die Wand anprallte. Die 
ganze Art der motorischen Betätigung beim Stehen und Gehen batte, 
ausser häufigem Wechsel io der Form, nichts nach irgendeiner Richtung 
hin Charakteristisches. Wenn motorische Leistungen von ihm verlangt 
wurden, z. B. Hineinklettern in das Bett, so pflegte er zunächst zu er¬ 
klären, er könne das nicht, fing auch mal dabei an zu weinen. Er 
stöhnte, wenn er den Versuch machte, durch Anstemmen mit den Füssen 
und Ziehen mit den Händen auf sein Bett hinaufzukommen, bis er 
schliesslich mit einem geschickten Sprung auf das Bett hinaufsprang. 
Dem entsprach auch sein Verhalten bei der psychischen Untersuchung; 
wenn irgendwelche einfache Leistungen von ihm verlangt wurdeD, so er¬ 
klärte er zunächst, das könne er nicht, und gab seine AbneiguDg zu er¬ 
kennen, auf die Prüfung einzugehen, auch bei Versuchen, deren Er¬ 
füllung ihm nachher keine Schwierigkeiten machte. 

Da nun noch die Anamnese, die wir von der Mutter erhielteD, so 
war, dass uns bei der Entstehung der Gangstörung ein psychogenes 
Moment mit fixierter Wunschvorstellung mitzuwirken schien, so waren 
wir anfangs mehr geneigt, die eigenartigen Motilitätserscheinungen für 
hysterische zu halten. 

Der Beginn der Erkrankung war so, dass der Kranke kurz vor Weih¬ 
nachten 1913 über Schmerzen im rechten Arm klagte und behauptete, 
den Arm nicht bewegen zu können. Auffällig war der Mutter damals, 
wie er mit dem rechten Arm nach Gegenständen griff, er bewegte den 
Arm etwas vor und fasste dann mit einem Ruck zu. 

Im Februar fing er an zu hinken, krumm zu gehen und über 
Schmerzen in der rechten Hüfte zu klagen. Es war zu jener Zeit, als 
viel in seiner Gegenwart davon gesprochen wurde, dass er nächstens 
zur Schule gehen werde, als er von der Mutter zum Schuleintritt ange¬ 
meldet worden war. Es kam dabei auch öfter vor, dass ihm drohend 
gesagt wurde: „Warte mal, wenn du zur Schule kommst, dann wirst du 
schon artig werden.“ Er pflegte darauf zu erklären: „Nein, zur Schule 
gehe ich nicht.“ Die Gangstörung, die er ein paar Tage nach seiner 
Anmeldung zur Schule im Februar zuerst gezeigt hat, blieb dann monate¬ 
lang bestehen. Er wurde ärztlich behandelt und dabei schwand, wie 
uns vom Arzt mitgeteilt wurde, bei Anwendung des faradischen Stromes 
die Gangstörung für zwei Tage gänzlich; dann trat sie wieder in der 
gleichen Weise wie vorher auf. 

Andere Symptome sind damals und auch noch Anfang Mai, hier in 
der Klinik, nicht aufgetreten. Der Junge hat sich im allgemeinen 
Körperzustand nicht geändert, hat auch nachts gut geschlafen mit 
ruhiger Körperlage. Auch die körperliche Untersuchung ergab damals 
normale Verhältnisse. Seine Stimmung zeigte nichts Auffälliges. In der 
Klinik wurde versucht, die Gangstörung therapeutisch zu beeinflussen 
durch Einwicklungen und Isolierung. 

Auffällig wurde aber schliesslich, dass auch bei längerer Fortdauer 
der Isolierung, die doch bei Kindern die hysterischen Symptome in den 
meisten Fällen recht schnell zum Schwinden bringt, gar keine Besse¬ 
rung eintrat, auch gar keinen Erfolg hatte; die Packungen, die dem 
Kranken recht unangenehm waren, und denen er sich mit aller seiner 
Kraft zu entziehen suchte, wobei er sich einmal derartig anstrengte, 
dass er einen ernsten Collaps bekam. Im Gegenteil, der Zustand wurde 
immer schwerer. Der Ernährungszustand wurde schlechter, der Kranke 
schlief schlecht, manche Nacht gar nicht. Dabei bestanden leichte Tem¬ 
peraturerhöhungen. 

Durch anhaltende motorische Unruhe, die mehr den Rumpf als 
Extremitäten betraf, rieb Patient sich die Haut rot und wund. 
Durch kleine Dosen von Scopolamin. hydrobrom. gelang es vorüber¬ 
gehend, die Unruhe ein wenig abzuschwächen. 

Aus der Vorgeschichte ist noch zu erwähnen, dass der Patient, ab¬ 
gesehen von einigen akuten Kinderkrankheiten, Scharlach, Masern, Keuch¬ 
husten, gesund gewesen ist. Seine körperliche Entwicklung in der ersten 
Kindheit soll normal gewesen sein. Ein Jahr alt lernte er geheD, aber 
erst mit 2V 2 Jahren sprechen. Als kleines Kind soll er gelegentlich 
recht eigensinnig, wütend geworden sein. Eine 3 jährige Schwester is 


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UMIVERSITY OF IOWA — 











6. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1691 


gesund. Vater und Matter sind ebenfalls gesund und stammen aus 
deutscher, nicht jüdischer Familie. 

Das Anhalten der abnormen Bewegungserscheinungen über eine 
Zeit toq einem halben Jahre, ihre Unbeeinflussbarkeit durch suggestive 
therapeutische Maassnahmen, der häufig schlechte Schlaf, die jetzt vor¬ 
handene Gleichförmigkeit der Unruhe nach Art des bei anderen Fällen 
beschriebenen Torsionsspasmus veranlassen jetzt zu der Annahme, dass 
auch bei diesem Kranken ein Fall von progressivem Torsionsspasmus 
vorliegt. 

Das einzige, wodurch sich dieser Fall von den bisher beschriebenen 
unterscheidet und was besonders hervorgehoben werden muss, ist die 
deutsche, nicht jüdische Abstammung des Kranken. (Autoreferat.) 

Diskussion. 

Hr. Oppenheim vermisst in diesem Falle eine Erscheinung, die 
bei seinen Patienten im hohen Maasse ausgeprägt war, dass nämlich der 
Drehkrampf, der in der Ruhe wenig ausgesprochen war, gerade beim 
Stehen und Gehen in prononzierter Weise hervortrat, so dass 0. auch 
die Bezeichnung Dysbasia lordotica progressiva vorgeschlagen hat. Das 
Fehlen dieses Moments macht den vorgestellten Fall zu einem un¬ 
sicheren, ohne dass jedoch mit dieser Bemerkung etwas Positives über 
die Diagnose ausgesagt werden soll. 0. plädiert für die von ihm ge¬ 
wählte Bezeichnung Dystonia deformans gegenüber der des Torsions¬ 
spasmus. Er hat in seiner Arbeit über das Leiden — das er übrigens, 
wie au 9 seinen Ausführungen im Centralblatt, 1911, Nr. 19, hervorgeht, 
ganz unabhängig von Ziehen abgegrenzt hat — auch schon auf die 
diagnostischen Schwierigkeiten gegenüber der Hysterie und der Athetose 
hingewiesen. Entschieden bestreiten muss 0., dass die hier angeführte 
Indolenz in psychischer Beziehung etwas Charakteristisches sei. Im 
Gegenteil, es sind seine Patienten sehr unglücklich über ihren Zustand 
gewesen; so beobachtet er noch jetzt ein 14jähriges Mädchen, das — 
besonders intelligent — wegen dieses Leidens alle erreichbaren Aerzte 
konsultiert und in seiner Verzweiflung mit Selbstmord droht. Da die 
von 0. beschriebenen Fälle einen grossen Teil der bisher bekannt ge¬ 
wordenen ausmachen, müssen die hervorgehobenen Kriterien in jedem 
neuen Falle geprüft und beachtet werden. (Autoreferat.) 

Hr. M. Roth mann hat den kleinen Patienten längere Zeit poli¬ 
klinisch beobachtet und die klinische Beobachtung veranlasst. Der 
Knabe, der von der Mutter stets gefahren wurde, lief in unglaublichen 
Verrenkungen mit naoh rechts und vorn gebeugtem Oberkörper, die 
einen absolut gekünstelten Eindruok machten, ohne jemals binzufallen 
oder sich zu beschädigen. Auf einen Stuhl gestellt, stand er gerade 
und sprang sicher hinunter. Es gelang auch, auf mehrere Tage den 
Zustand so gut wie ganz zu beseitigen; dann trat er, sehr unterstützt 
durch die übergrosse Aengstliohkeit der Mutter, weiter auf. Auch wenn 
der Zustand sehr hartnäckig ist, ja in letzter Zeit sich verschlechtert 
hat, halte ich, vor allem bei dem ätiologischen Faktor der Furcht vor 
der Schule, an dem funktionell-hysterischen Charakter der Affektion fest. 
Gerade die Störung der Synergie von Rumpf- und Extremitätenmusku- 
latur findet sich ja in der mannigfaltigsten Ausgestaltung bei der 
Hysterie nicht selten. R. berichtet über einen zweiten ähnlichen Fall 
bei einem Mädchen, das der Zwangsbewegungen wegen, die nach einer 
Exostoseoperation am Bein auftraten, kaum stehen und absolut nicht 
gehen konnte, aber sicher durch die ganze Stube hüpfte. In diesem 
Fall sind verschiedene orthopädisch - chirurgische Eingriffe gemacht 
worden; das Krankheitsbild hat sich zweifellos verstärkt. Ein dritter 
Fall betrifft einen 12 jährigen, sehr intelligenten Jungen, bei dem ein 
chirurgischer Eingriff geplant wurde wegen einer rechtwinkligen Ab¬ 
biegung der Wirbelsäule nach vorn mit athetoiden Bewegungen der 
Arme. Es konnte mit Sicherheit die Diagnose Hysterie gestellt werden; 
nach einem Aufenthalt auf Wyk trat Heilung ein. Gerade wenn man 
nicht alle Symptome der Hysterie für rein psychische, irritierbare 
Phänomene ansieht, wird man Störungen auch im Bereich der cerebellaren 
Innervationskomponenten bei dieser proteusartigen Krankheit nicht un¬ 
verständlich finden. 

Hr. Bonhoeffer: Ich kann Herrn Rotbmann nicht zugeben, dass es 
sich bei dem Knaben doch um etwas Funktionelles handelt. Nach dem 
bisherigen schweren Verlauf des Prozesses, wie er sich unter unseren 
Augen abgespielt hat, kann man an der nicht hysterischen Natur der 
Erkrankung nicht mehr zweifeln. So sehr im Anfang das Bild zeitweise 
hysterieähnlich aussah, so sehr veränderte es sich in der Klinik. Die 
Bewegungsunruhe wurde immer stärker, gewaltsamer und führte in Folge 
der monotonen Wiederkehr derselben Bewegungsformen zu starken Haut¬ 
abschürfung. Differential-diagnostisch konnte in gewissen Zeiten der Er¬ 
krankung an eine choreatische Bewegungsstörung gedacht werden. Die 
innere Verwandtschaft des Torsionsspasmus der Kinder mit choreatischen 
Störungen ergibt sich meines Erachtens auch aus den von dem Vortr. 
betonten psychischen Begleiterscheinungen. Dieser Kranke, ebenso wie 
ein früher von mir in der psychiatrischen, ein anderer von Herrn Haenisoh 
in der neurologischen Gesellschaft demonstrierter Fall zeigte eine eigen¬ 
tümliche Euphorie und einen gewissen Mangel an spontanem Sprech¬ 
bedürfnis, ganz ähnlich wie das von den schweren choreatischen Prozessen 
bekannt ist Dass die Lordose hier mehr in der Rückenlage sich be¬ 
findet als im Stehen, kann differential-diagnostisch nicht dazu führen, 
die Diagnose Torsionsspasmus abzulehnen. Die Symptomatologie der 
Zustände ist gewiss noch nicht völlig abgeschlossen. Man trifft Varianten 
nach der einen und nach der andern Richtung. 

Was die von Herrn Oppenheim angeregte Nomenklaturfrage angeht, 
so stehen ja 3 Namengebungen in Konkurrenz: Ziehen, der den Er¬ 


krankungsprozess zuerst beschrieben hat mit dem Namen tonisohe Tor¬ 
sionsneurose, Oppenheim mit dem Namen Dystonia deformans und 
Flat au mit dem Namen progressiver Torsionsspasmus. Wir haben uns 
der letzteren Bezeichnung angeschlossen, weil sie uns die im Krankheits¬ 
bilde augenfälligsten Erscheinungen des Torquierenden und Spastisohen 
am besten zum Ausdruck zu bringen scheint und auch gegenüber der 
Ziehen 1 sehen Nomenklatur den Vorzug hat dass sie nicht von einer 
Neurose, um die es sich doch wohl nioht handelt, spricht sondern den 
progressiven Charakter betont. 

Hr. Förster: Die Ziehen’sehen Fälle boten durohaus das gleiche 
Bild wie der vorgestellte Fall: beim Liegen besonders starke Torsions¬ 
bewegungen im vorgeschrittenen Stadium des Leidens. 

Hr. Schuster: Ich halte es nicht für richtig, wenn Herr Rothmann 
wegen der anscheinenden psychischen Beeinflussbarkeit des Krankheits¬ 
bildes eine Brücke zu den hysterischen Bildern zu schlagen sucht. Es 
scheint mir im Gegenteil ein grosser Gewinn, dass wir gelernt haben, 
eine Reihe motorischer Erscheinungen — unter ihnen den Torsionsspasmus — 
trotz ihrer Aehnlichkeit mit hysterischen Erscheinungen von diesen zu 
trennen. 

Was den von Herrn Rothmann erwähnten Patienten von Prof. Körte 
angeht, so habe ich den Knaben seinerzeit gleichfalls gesehen und mit 
Herrn Kollegen Rothmann — sowiel ich mich erinnere — auch über 
den Knaben gesprochen. Als ich den Kranken sah, bestand eine zweifel¬ 
lose hysterische Hüftgelenkskontraktur, und es bestanden ausserdem 
ticartige Bewegungen mit den Händen (Greifen nach den Strümpfen und 
dergl.). Der sicher rein hysterische Charakter der Affektion offenbarte 
sich auoh später in der Art und Weise, wie der Patient bei einem 
Kurpfuscher zur Heilung kam. 

Ich halte es somit nicht für möglich, von jenem Kranken auf den 
des Herrn Vortragenden zu exemplifizieren. 

Hr. Rothmann: Herr Schuster hat R. nicht verstanden. Er ist 
nicht gegen eine Abtrennung organischer Krankheitsbilder von der Hysterie, 
wie dies ja bei der echten Torsionsneurose der Fall zu sein scheint. 
Er möchte nur davor warnen, hierin zu weit zu gehen und damit die 
Vortäuschung organischer Krankheitsbilder durch Hysterie zu erleichtern. 


Medizinische Gesellschaft zu Kiel. 

Sitzung vom 16. Juli 1914. 

Hr. Zoeppritz demonstriert eine Patientin mit einem gestielten 
nelanotisehen Tanor am Oberschenkel. Der Tumor hatte sich seit 
einem Jahr aus einem Pigmentfleck entwickelt und Metastasen in der 
Leistengegend und im Munde gemacht. 

Hr. Brandes demonstriert ein Kind mit kongenitalen multiplen 
Deformitäten. Arme und Beine sind in Kontraktionsstellung fixiert; 
beiderseitige Klumpfussbildung; an der Stirn ein Hämolymph&ngiom. — 
Die Deformitäten sind dadurch entstanden, dass infolge von Frucht- 
wassermaDgel die Extremitäten in Zwangsstellung erstarrt sind. 

Hr. Anschütz demonstriert 1.den schonam 19.Februard.J.besprochenen 
Fall von Akromegalie; bei der Patientin war eine operative teilweise 
Zerstörung der Hypophyse vorgenommen worden. Der Erfolg der Ope¬ 
ration ist deutlich; die akromegalischen Erscheinungen, Verdickung der 
Nase, Lippen, Zunge und distalen Enden der Extremitäten sind zurück¬ 
gegangen. Die Menses, die ausgeblieben waren, kehrten wieder. 

2. berichtet A. über einen weiteren Patienten, bei dem die Hypo- 
physenoperation ausgeführt wurde. Der Patient bemerkte seit 1918 
eine beginnende Erblindung auf dem rechten Auge. Links wurde eine 
temporale Hemianopsie festgestellt. Das Röntgenbild zeigte eine starke 
Verbreiterung der Sella turcica. Symptome von Akromegalie fehlten 
dagegen vollkommen. 

Vor vier Woohen wurde in Leitungsanästhesie vom Ganglion 
Gassen aus die Operation vorgenommen. Aufklappen der Nase, Er¬ 
öffnung der Siebbein- und Keilbeinhöhlen, Auskratzung eines Teils der 
Hypophyse, die sioh als adenomatös erkrankt erwies. Der Erfolg war 
gut, die Sehkraft besserte sich auf beiden Augen. 

Diskussion: Hr. Lu barsch. 

Hr. Lnbarsch: Uebt? die Atherosklerose der Schlagadern. 

Um das Wesen und die Lokalisation der Atherosklerose in der Be¬ 
nennung besser zum Ausdruck zu bringen, schlägt Vortr. statt der 
Virchow’sehen Bezeichnung Endarteriitis chronica nodosa deformans 
vor, die Erkrankung „Endatheropathia chronica nodosa deformans* zu 
nennen. Die Fragen über die Atherosklerose sind immer verwickelter 
geworden. Ob der Zerfall der Intima das Primäre ist oder ob ihm eine 
bindegewebige Wucherung voraufgeht, ist auoh heute noch Gegenstand 
der Erörterungen. Nach Virohow handelt es sich nur um regressive 
Prozesse, Verfettung der normalen Intimazellen, aber ohne Wucherung. 

Vortr. demonstriert Präparate von jungen Kindern, die an Infektions¬ 
krankheiten gestorben waren, und bei denen an der Mitralis kleine 
Intimaverfettungen zu konstatieren sind. Auch hier handelt es sich 
aber schon um eine Wucherung von Bindegewebe. Die Tatsache, dass 
bei älteren Individuen mit der Abnahme der Elastizität der Gefässwand 
eine Bindegewebsveränderung eintritt, ist nicht als pathologischer, sondern 
physiologischer Vorgang aufzufassen. Marchand und Aschotf sahen 
als Ursache der Atherosklerose Blutdruckerhöhungen und -Schwankungen. 
Für diese mechanische Theorie schien die Lokalisation an den typischen 
Stellen höchsten Blutdrucks, den Aortenklappen und dem Arcus, sowie 
die bekannten Versuche mit Adrenalineinspritzungen bei Kaninchen zu 


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UNIVERSITY OF IOWA 



1692 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


sprechen. Jetzt ist jedoch die Mehrzahl der Forscher überzeugt, dass 
es nicht das mechanische Moment allein ist. sondern — wie weitere 
experimentelle Arbeiten ergeben haben — dass die Einwirkung be¬ 
stimmter Gifte auf den Organismus und Störungen im Stoffwechsel 
Atherosklerose hervorrufen können. 

Vortr. erinnert an seine Versuche mit fleischernährten Kaninchen, 
wo es schliesslich — sogar bei gemischter Kost — in kurzer Zeit gelang, 
eine der menschlichen Atherosklerose durchaus ähnliche Arterienerkrankung 
zu erzeugen. 

Vortr. demonstriert dies an zahlreichen Präparaten. 

Diskussion Hr. Höher. 

Br. Doehle. 

a) Ueber Aneurysmen und Syphilis der Lnngenschlagader. 

Demonstration eines Präparates von einem 36jährigen Patienten 
mit Myocarditis und Mesaortitis luetica. In der Wand der Pulmonal¬ 
arterie fanden sich einige Verbuckelungen, nirgends war die Intima 
durchbrochen; an den Klappen einige gummöse Herde, die auf die Ar- 
teria übergreifen. 

2. Ein Präparat einer Aortensyphilis mit gleichzeitiger Mitralstenose. 
Dadurch war es zu einer starken Erweiterung der Pulmonalis und auch 
zu entzündlichen Veränderungen gekommen. An einer Stelle eine typi¬ 
sche syphilitische Narbenbildung. 

3. Ein Präparat ähnlich wie 2. 

Die Syphilis der Pulmonalis ist äusserst selten und in der Literatur 
sind nur wenig Fälle beschrieben. Wahrscheinlich ist die bessere Er¬ 
nährung der Pulmonaliswand durch die Vasa vasorum gegenüber der 
Aorta die Ursache der seltenen Erkrankung. 

b) Ueber ungewöhnliche Formen von Lymphknoten- nnd Milz- 
tnberknlose. 

Bericht über einen Fall von multiplen Lymphdrüsenschwellungen. 
Die mikroskopische Untersuchung von probeexcidierten Drüsen und der 
exstirpierten enorm vergrösserten Milz ergab das Vorhandensein massen¬ 
hafter atypischer Tuberkelknötchen. 

Diskussion Hr. Lubarsch. E. Richter. 


Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klin. Wochensehr.) 

Sitzung vom 22. September 1914. 

Vor der Tagesordnung. 

Die Ortsbestimmung des Fremdkörpers im Körper des Verletzten. 

Hr. Immelmann: Die Röntgenuntersuchung gestattet nur einen un¬ 
gefähren Anhalt für den Sitz des Projektils. Fürsteüow’s Methode 
vermag den Sitz genau anzugeben; ein Zirkel bat eine untere Skala mit 
einer zweiten und dritten parallelen Skala. Durch den Zirkel können 
wir auf der Skala die senkrechte Entfernung des Geschosses von der 
Rörperoberfläche bzw. von der Platte messen; das Kontrollkreuz wird 
mit dem Zirkel gemessen und gestattet, durch eine einfache Subtraktion 
die Entfernung des Körpers von der der Rühre zugewandten Körperseite 
anzugeben. Die seitliche Entfernung von dem Kontrollpunkt erhält man 
durch Vergleichung des Mittelpunktes des Kreuzes mit dem des Fremd¬ 
körpers. Die Skala des Zirkels gibt in Millimetern dieser Entfernung an. 
Zu jeder Tieflage gehört eine Konstante; multipliziert mit der notwendigen 
Oeffnung des Zirkels, ergibt sie die seitliche Entfernung. 

Perforierender Magensehnss. 

BHr. Adler und Tngendreich: Der Füsilier bekam am 20. August 
bei Gumbinnen aus 200 m Entfernung einen Gewehrschuss in die linke 
Brustseite. Der Einschuss lag zwischen 7. und 8. Rippenknorpel. Er 
ging eine halbe Stunde zum Truppen- und dann noch weiter zum Haupt¬ 
verbandplatz; weiterhin wurde er 5 Stunden auf einem von 8 russischen 
Gefangenen gezogenen Kutschwagen gefahren und übernachtete in der 
Kaserne. Es folgte ein Transport im Leiterwagen bis Insterburg und 
eine zweitägige Bahnfahrt bis Berlin. Auf den zahlreichen Stationen 
bekam und nahm er reichlich Brötchen und Würstchen und ist in guter 
Verfassung hier eingetroffen. R. fand am 24. d. M. keine Ausschuss- 
Öffnung. Es bestand kein Fieber, kein Erbrechen, nur leichter Schmerz 
beitiefer Einatmung. Er bekam Bettruhe und entsprechende Diät. Am 
21. Tage ist das Geschoss per vias naturales hinausgegangen. 

R. demonstriert noch eine im Körper geplatzte Schrapnellkugel. 

Tagesordnung. 

Krieg8S&nitätsdien8t im Heimatsgebiet. 

Hr. Generalarzt Dr. Grossheim: Nicht auf die Schlachtfelder schweift 
heute der Blick. Wir bleiben in der Heimat. Da ist das Bedürfnis, ge¬ 
geben, die Dinge genau kennen zu lernen, die von der militärischen und 
freiwilligen Krankenpflege zum besten der verwundeten und kranken 
Krieger geleistet werden. 

Auf gutem Transport, Zerstreuung und Verteilung beruht das 
wesentliche Gelingen des Sanitätsdienstes. Jede Anhäufung an Unrechter 
Stelle würde der Armee und den Kranken Nachteile bringen. Daher ist 
dieser Zweig in die Hand unserer ersten Militärbehörden gelegt. Der 
Chef des Feldsanitätswesens und die Medizinalabteilung des Kriegs¬ 
ministeriums regeln den Rücktransport; sie stehen mit dem Chef des 
Feldeisenbahnwesens in Verbindung. In der Heimat funktioniert die 


Linienkommandantur. Der Stabsarzt dieser Behörde muss immer wissen, 
wo leere Lagerstellen vorhanden sind, und welchem Lazarett bestimmte 
Krankheitsfälle zugewiesen werden können. Diese Meldungen sine sehr 
wertvoll. 

In der Heimat müssen gute Einrichtungen bestehen, um den Kranken- 
ström aufnehmen zu können. Die Sanitätsämter und die Korpsintendan- 
turen müssen alljährlich die Räume prüfen, welche zur Aufnahme von 
Kranken und Verwundeten des Heeres geeignet sein würden. Dabei ist 
es nötig, dass Kontrakte schon im Frieden geschlossen werden, dass 
alles ins Auge gefasst wird, was zur Ausstattung notwendig ist. Es 
werden daher Kontrakte mit Fabrikanten von Verbandstoffen und 
Lazarettbedarf abgeschlossen. Im Sanitätsdepot wird Vorrat an Zeug ge¬ 
halten, das schwerer zu beschaffen ist. 

Schon in früheren Kriegen, 1864 und 1870, wurden hier in Berlin 
grosse Einrichtungen zur Aufnahme getroffen. In der Charite wurde 
1866 eine grosse Station eingerichtet, in der im wesentlichen Oester- 
reicher und Ungarn Aufnahme fanden. In der Garde-Ulanenkaserne 
stand ein grosses Lazarett unter Virchow's Leitung. Ebenso hatten 
verschiedene Krankenhäuser, auch Privathäuser die Tore geöffnet. Auf 
dem Tempelhofer Felde waren ausser den 8000 Lagerstellen der eigent¬ 
lichen Stadt noch 50 Baracken mit 1500 Betten teils vom Militärfiskus, 
teils von der Stadt und teils von den Vereinen erstellt worden. Sie 
standen unter Oberleitung des militärischen Chefarztes; doch war die 
Verwaltung der einzelnen Gruppen selbständig und hatte auch besondere 
konsultierende, leitende und assistierende Aerzte und Chirurgen. Es 
fanden 2400 Mann Aufnahme in 198000 Verpflegungstagen. Also schon 
damals leistete Berlin Hervorragendes. 

Auch die heutige Zeit steht nicht zurück. Der Einzelne kann aber 
nur wirken, wenn er sich der allgemeinen Organisation einfügt, und das 
ist der militärische Sanitätsdienst. Der mobile Teil des Heeres umfasst 
das Feldheer und die Etappe, der immobile die Ersatz- und Besatzungs- 
truppen; entsprechend sind die Sanitätsabteilungen vorgesehen. Alles 
steht unter der Leitung des Chefs des Feldsanitätswesens. 

Den ersten Beistand leisten die Truppensanitätsoffiziere mit den 
Sanitätskompagnien und Krankenträgern sowie die Feldlazaretts. Zur 
Etappe gehört besonderes Personal und Material. 

Für den Heimatsdienst bei Ersatz- und Besatzungstruppen sind die 
Friedensdiensteinrichtungen und -Vorschriften mit einigen Aenderungen 
in Kraft. Die oberste Behörde ist die Medizinalabteitung des Kriegs¬ 
ministeriums in Verbindung mit dem Chef des Feldsanitätswesena 
(Generalstabsarzt der Armee im Frieden). Hinzu kommt die mühevolle 
Aufgabe, für den ganzen Naobschub zu sorgen, allen Bedarf für neue 
Formationen zu schaffen, der zum normalen Sanitätsdienst gehört, sowie 
in der Heimat den ganzen Sanitätsdienst zu leiten und zu überwachen. 
Als Provinzialbehörden unterstehen ihr die Sanitätsämter der Korps 
und die stellvertretenden Intendanturen. An der Spitze der Aemter 
steht der stellvertretende General- oder Korpsarzt. Die Ausübnng des 
Sanitätsdienstes bei den Truppen liegt bei den reaktivierten Herren des 
Beurlaubtenstandes. Zur Unterstützung in der Krankenbehandluog 
werden hervorragende Fachärzte verpflichtet; zur Deckung des Bedarfs 
an Aerzten im Inlande werden die aktiven Sanitätsoffiziere, aber auch 
Zivilärzte herangezogen. 

Die Militärlazarette haben Chefärzte; für den Wirtscbaft9betrieb be¬ 
stehen Direktoren und Inspektoren; dazu kommt ein Stabsapotheker; 
für den niederen Dienst sind Mannschaften, Krankenwärter, Schwestern, 
Pflegerinnen bestellt, für die Zubereitung der Speisen Köchinnen, ferner 
Heizer und Hausdiener. Werden in einem Orte mehrere Reservelaza¬ 
rette errichtet, so werden für sie Direktoren bestellt, meist ältere frühere 
Sanitätsoffiziere. Zur Versorgung der Lazarette besteht ein Haupt¬ 
sanitätsdepot, in jedem Armeekorps ein Depot. Dazu kommt die Aus¬ 
rüstung, die sich beim Traindepot befindet. Bei jedem Korps befinden 
sich Untersuchungsämter. Der Dienstbetrieb in den Reservelazaretten 
geschieht nach der Friedenssanitätsordnung, mit einigen Ausnahmen in 

bezug auf die Listenführung und Erstattung von Berichten und Rapporten. 

Welche Leistungen leisteten die Reserve- und Vereinslazarette 
1870/71? In der Zeit des höchsten Bedarfs standen zur Unterbringung 
im Oktober in Preussen 96805, in Bayern 13345, in Sachsen 6645, in 
Württemberg 3611, in Baden 5806, zusammen 125542 Betten zur Ver¬ 
fügung in den staatlichen Lazaretten Deutschlands. Ausserdem verfügte 
die freiwillige Krankenpflege nach und nach über 32196 Betten ausser 
denen in Sachsen und Hessen. Verpflegt wurden 69115 Deutche und 
1164 Franzosen. Zusammen wurden damals ärztlich versorgt 250000 
Deutsche und 175000 Franzosen. Davon wurden in Gross-Berlin 
91090 Mann verpflegt; darunter 29442 mobile, 11618 immobile Mann¬ 
schaften; dazu kamen in den staatlichen Anstalten 4806 und privat 
2708 Betten. ., 

Wie wird es in diesem Kriege sein? Die leeren Betten werden sich 
bei grösseren Zugängen bald füllen; hoffen wir aber, dass unsere Zahlen 
sich möglichst niedrig halten! Durch gute Behandlung und Hana* 
habung des Gesundheitsdienstes besonders auf den Eisenbahnen können 
wir viel zur Verminderung der Kranken zahl beitragen. Sache der Aente, 
die auf den Eisenbahn-Erfrischungsstationen tätig sind, ist es, besonders 
darauf zu achten. Jede ansteckende Krankheit muss ausgeschlossen, 
möglichst jeder erste Fall gemeldet werden. 

Wichtig ist die Führung der Listen, des Krankenjournals für 
Berichterstattung; pünktliche Eintragung wertvoll. Die scbnftlic 
Aufzeichnungen haben nicht nur wissenschaftlichen Wert, sondern auc 
Bedeutung für etwaige Rentenansprüche der Invaliden. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



5. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1693 



Nioht selten haben die Zivilärzte die Militärdiensttauglichkeit fest- 
zustellen, venn auch einzelne aktive Sanitätsoffiziere hier bleiben. Zu 
beachten sind die amtlichen Bekanntmachungen und Vorschriften über 
den Gegenstand. Bei der Untersuchung verfolge man im allgemeinen 
dieselbe Reihenfolge, wie bei der Aufnahme des klinischen Status. Das 
Urteil ist laut mit Angabe der Ziffer der Vorschriften abzugeben. Die 
frühere Anlage lo heisst jetzt lz (zeitig), ld jetzt 11 (Landsturm), le 
jetzt lu untauglich zu jedem militärischen Dienst. 

Zivilarzte werden auch zur Musterung und Aushebung, zur Aus¬ 
stellung von Attesten für Unterbringung in Kur- und Badeorten in 
Betracht kommen; hierfür gelten die „Kurvorschriften“ des Kriegs¬ 
ministeriums. 

Aufopfernd ist die Bevölkerung 1866 und 1870 dem Rufe des Vater¬ 
landes gefolgt und durch reiche Spenden aller Art das Los der Kranken 
zu lindern bestrebt gewesen. Diese dem innersten Gefühl entsprungene 
Hingabe hat reichen Segen gebracht. Der Sinn dafür ist im Frieden 
unermüdlich gepflegt worden. Alle Stände wetteifern. So haben wir 
ein dichtes Netz von Vereinen in Deutschland; 1912 waren es 5851 Ver¬ 
eine, in den Sanitätskolonnen wirkten 64 808 Mann als Krankenträger 
ausser 10 822 freiwilligen Krankenträgern. Der Gesamtbestand aller 
Schwestern vom Roten Kreuz betrug 4066. Diesem gewaltigen Orga¬ 
nismus haben mehr als 1587 Aerzte das rechte Leben eingehaucht. 

Alle diese Kräfte können sich nicht richtig entfalten, wenn keine 
straffe Organisation besteht. Nach den Dienstvorschriften darf die frei¬ 
willige Krankenpflege keinen selbständigen Körper bilden neben der 
staatlichen, sie wird vielmehr in die staatliche eingefügt und von der 
Behörde geleitet. Sie arbeitet im Heimat- und Etappengebiet, stellt 
Krankenpfleger, Verwaltungspersonal für die Krankenanstalten, Personal 
für die Beförderung und Einrichtung von Verband-, Verpflegungs- und 
Sammelstellen, Vorbereitung von Beförderungsmitteln, Unterstützung der 
Reservelazarette, Uebernabme der Wäsche, Verwaltung und Lieferung 
eigener Einrichtungen und Anstalten, Sammlung von freiwilligen Gaben 
und Vermittlung von Nachrichten an die Angehörigen der Verwundeten. 

Zur Anlage von Krankenpflegestätten und Genesungsheimen ist die 
Genehmigung des Generalkommandos nötig; sie ist nur im lnlande ge¬ 
stattet. Sie werden von Vereinen, Ritterorden und Privatpersonen er¬ 
richtet und unterstehen der gesundheitspolizeilichen Aufsicht des Chef¬ 
arztes eines Reservelazaretts. Für die Manneszucht in diesen Anstalten, 
die wenigstens 20 Betten haben sollen, sorgt der Chefarzt; ihre Leitung 
wird einem Arzt übertragen, dessen Anordnungen maassgebend sind; er 
weist die Stationen den Aerzten zu, verteilt das Personal und teilt 
diesem die Geschäfte zu. Neben der Aufsicht durch den Chefarzt unter¬ 
stehen diese Anstalten der Ueberwachung durch den Territorial- 
Delegierten. 

Die Organisation der freiwilligen Krankenpflege untersteht dem 
kaiserlichen Kommissar und Militär-Inspekteur, der im Kriege im Haupt¬ 
quartier des Kaisers weilt, und zu Hause einen stellvertretenden Kommissar 
hat. Zu ihm kommen die Vorstände der vaterländischen Vereine. Er 
verkehrt direkt mit dem Kriegsministerium. Zur weiteren Leitung 
kommen die Territorial-Delegierten, in der Regel die Oberpräsidenten in 
Betracht. Dann gibt es Korpsbezirks-, LieferuDgs-, Reservelazarett-, 
Linien-Delegierte; ferner Delegierte bei der Annahmestelle der freiwilligen 
Krankenpflege, Lazarett-, Begleitungs-, Depot- und Personal-Delegierte. 

Die Aerzte der freiwilligen Krankenpflege bedürfen der Bestätigung 
durch das Kriegsministerium. Ein Unteroffizier führt im Lazarett die 
Polizeiaufsicht und die schriftlichen Arbeiten aus. Wenn die Unter¬ 
bringung der Kranken in einem schon bestehenden Krankenhause erfolgt, 
so gilt dessen Hausordnung auch für die Soldaten. Zweckmässig ist es, 
bestimmte Bedingungen zum Ausdruck zu bringen. Dem V^reinslazarett 
geben die Kranken durch den Chefarzt zu. Die Aufnahme erfolgt durch 
den Aufnahmeschein. Der Kranke bringt Anzug und 2 Unterjacken mit. 

Die Kost der Kranken regelt sich in Zivilanstalten nach den dortigen 
Vorschriften; in neu eingerichteten Anstalten ist die Vorschrift der 
Friedens-Sanitätsordnung nicht ausser acht zu lassen. Die Kost umfasst 
1. Frühstück mit Kaffee, Milch und Semmeln, 2. Frühstück mit Roggen¬ 
brot, Schinken, Wurst und kaltem Braten, Mittag mit Suppe, Braten 
und Gemüse, Vesper mit Kaffee oder Milch und Abendbrot wie zweites 
Frühstück. Starke Esser bekommen mehr, selbst die doppelte Ration. 
In besonderen Fällen werden Krfrischungs- und Kräftigungsmittel, Geflügel, 
Preissei beeren usw. gewährt. 

Die Arzneiverordnungen werden in das Arzneibuch eingetragen. 
Nach der Herstellung werden die Dienstfähigen durch Vermittlung des 
Generalkommandos zum Feldheer oder zum Ersatztruppenteil entlassen. 
Das Vereinslazarett überweist sie dem Reservelazarett. Der behandelnde 
Arzt bestimmt den Zeitpunkt der Entlassung und gibt ein Verzeichnis 
der Habe dem leitenden Arzte. Für jeden Todesfall wird eine Zählkarte 
angelegt. 

Zur Bestreitung der persönlichen Ausgaben der Staatskasse wird 
das Geld von dem zuständigen Reservelazarett abgegeben. Pfleger usw. 
können neuerdings bei Bedürftigkeit bis zu 30 M. Zuschuss im Monat 
erhalten. 

Alle unsere Gedanken wenden sich zuerst den gewaltigen Ereignissen 
des Kriegsschauplatzes zu. Aber auch im In lande gilt es das Beste für 
die heimkehrenden Helden zu leisten und unsere volle Kraft einzusetzen, 
auf dass unter den ruhigen Verhältnissen der Heimat gute Bedingungen 
gestatten, dem Vaterlande seine besten Söhne zu erhalten und 
manchem Mutterherzen Trost und Freude zu bringen. 


Ueber WnidinfektionskrankbeiteB. 

Hr. Jochn&BB: Die Wundinfektionskrankheiten werden in diesem 
Kriege nicht die Rolle wie 1870 spielen, als schlechte Wundbehandlung, 
Hospitalbrand, Sepsis, Tetanus, Erysipel erschreckend viele Opfer forderten. 
Der Schleier ihrer Aetiologie ist gehoben, die antiseptische Wund¬ 
behandlung eingeführt. Trotzdem werden noch viele Wundkrankbeiten, 
weniger nach Gewehrschüssen als bei grossen Zertrümmerungen durch 
Schrapnell- und Granatfeuer Vorkommen, wo Erde, Staub und Kleider¬ 
fetzen hineingerissen werden. Heute kann Vortr. nur über Tetanus 
sprechen. Er ist eine akute Infektionskrankeit, welohe die motorischen 
Ganglienzellen durch ein Toxin schädigt und gesteigerte Erregbarkeit 
der motorischen Centren, sowie tonische Starre hervorruft. Der Erreger 
ist ein schlankes Stäbchen. Es hat drei Eigenschaften: Sporenbildung, 
Anaerobiose und ToxinbilduDg. Die Sporen sitzen endständig und geben 
ihm die Form der Trommelschlägel. Tetanusbacillen finden sich, wo die 
Sporen mit der Luft hingelangen, in Staub und Erde; die Sporen sind 
gegen Sonne und Luft resistent, sie entstammen den Abgängen unserer 
Haustiere, in deren Darm sie leben, sind also im Dung und auf der 
Strasse zu finden. Trotzdem ist die Infektion selten; denn es ist der 
Sauerstoffabschluss zur Entwicklung nötig. Gelangt der Keim in eine 
Wunde, so wird die Infektion dadurch begünstigt, dass zugleich Eiter¬ 
erreger hineingelangen und den 0 an sich reissen. Die Tetanusbacillen 
müssen auch vor den Schutzkräften des Körpers, der Pbagocytose, ge¬ 
schützt sein; wenn nämlich mit ihnen kleinste Fremdkörper, z. B. Holz¬ 
splitter, in die Wunde gelangen, stürzen sich die Leukocyten auf diese 
und versuchen sie festzunehmen. 

Der Bacillus geht nicht selbst ins Blut; nur sein Toxin dringt vor. 
Der Weg ist zum Nervensystem im Axencylinder zum Centrum. Die 
Ursache ist die chemische Verwandtschaft. Gehirn von Meerschweinchen 
vermag das Toxin fest zu binden. 

Der Tetanus beginnt in der Regel klinisch mit Krämpfen der Kau¬ 
muskeln. Denn der Weg ist hier der kürzeste. Die Muskeln, welche 
die kürzeste Nervenbahn vom Gehirn haben, erkranken am schnellsten. 
Die Inkubationszeit beträgt 6—14 Tage. Je kürzer die Inkubationszeit, 
desto schlechter die Prognose. Denn virulentes Toxin gelangt schneller 
zum Centralnervensystem. Zuerst besteht Spannung der Kaumuskeln, 
schlechte Sprache und Ernährung. In wenigen Tagen, selbst Stunden 
dehnt rieh die toxische Starre auf die gesamte Muskulatur aus. Das 
Gesicht zeigt breites schmerzliches Lächeln (Risus sardonicus); dann geht 
das Leiden über Nacken, Rücken, Bauch und Glieder, bald sind die 
Strecker der Beine ergriffen. Frei bleiben meist nur Fuss- und Hand¬ 
muskeln. Ständiger Opisthotonus wird nur durch ruckweise auftretende 
Exacerbationen dieses Tonus unterbrochen. Lichtreize und Geräusche 
lösen sie aus; vermehrter Tonus und Cyanose sind die Folge. Zwerch¬ 
fellkrämpfe können den Tod herbeiführen, desgleichen Glottiskrampf. 
Auch Schlingkrämpfe kommen vor. Die Kranken verweigern aus Angst 
dann jede Nahrung. Dazu kommt starke Schweisssekretion. Die Dauer 
der Anfälle schwankt von Sekunden zu Minuten. Die Qualen werden 
durch die Freiheit des Sensoriums und Mangel an Schlaf vermehrt. Die 
Sensibilität ist nur wenig gestört, die Temperatur sehr unregelmässig. 
Meist ist die Temperatur zunächst nur gering gesteigert, dann wird die 
Steigerung stärker, und kurz vor dem Tode gibt es Hyperpyrese, 40 bis 
42°, die lange nach dem Tode anhält. Die Atmung ist oberflächlich; 
es kommt zu Bronchitis und Pneumonie. Der Verlauf ist oft in wenigen 
Tagen letal. Dauert es länger als eine Woche, 90 kommt es zur Besse¬ 
rung. Meist erfolgt der Tod an Asphyxie, Herzschwäche oder Lungen¬ 
entzündung. Auch Rückfälle kommen vor. 

Die Diagnose ist bald leicht, bald schwer; besonders wenn nur 
Trismus besteht, denkt man an Angina, Parotitis, Meningitis und Lyssa, 
auch an Strychninvergiftung. Aber das Fehlen von Coma und der starke 
Tonus ist typisch. Zur bakteriologischen Diagnose impft man Stückchen 
der Wunde mit einem Fremdkörper Mäusen ein. Sie bekommen dann 
in 2—3 Tagen Anfälle. Erhitzt man das Wundsekret selbst auf 60°, 
so wachsen nur die Tetanussporeu auf der Kultur aus. 

Die besten Erfolge gibt die Prophylaxe. Das antitoxische Serum 
neutralisiert das Tetanustoxin. Besonders sollte man im Kriege die mit 
Erde und Pferdemist infizierten Leute impfen. Gute Resultate gab es 
in China, wo die deutschen Krieger vorbehandelt wurden mit 20 ccm, 
sowie im russisch japanischen Kriege, wo die Japaner regelmässig impften; 
sie hatten fast keine, die Russen sehr viele Falle. 

Die Therapie soll möglichst viele Bakterien zerstören, verhüten, 
dass viel Toxin eindringt, und die motorische Erregbarkeit herabsetzen. 
Die Bacillen dringen nicht in das gesunde Gewebe ein, daher ist eine 
umfangreiche Exzision der Wunde nicht nötig. Sodann injiziert man 
Antitoxin subcutan, intramuskulär, lumbal oder endoneural. Letzteres 
ist wenig zu empfehlen. Die intramuskuläre Injektion längt das Toxin 
auf, die lumbale neutralisiert es in den Ganglienzellen. Die Kombination 
beider Methoden mit Mengen von 20 ccm jeden zweiten Tag ergab 
günstige Resultate Dach 8—5 Injektionen. Aber die Mortalität ist immer 
noch hoch; sie ist von 90pCt. auf 45pCt. gesunken. 

Die Erregbarkeit setzt Magnesiumsulfat herab. Melzer-New York 
gibt es intraspinal; es erzeugt Anästhesie und Schlaf und bringt die 
tonischen Muskeln zur Erschlaffung. Eine grosse Gefahr besteht. Nach 
wirksamen Dosen stirbt der Kranke an Atemlähmung. Kocher empfahl 
O-Inhalationeo während des Schlafes und Atropininjektiooen. Aber es 
ist durchaus möglioh, es subcutan zu geben, ohne grosse Gefahr! Der 
Erfolg ist gut. Der Muskeltonus legt sich; die Dauerstarre sohwindet. 


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Original frn-m 

UNIVERSITÄT OF IOWA 




1694 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Am besten ist die Kombination von Serum mit Magnesium. Von 10 bis 
25proz. Lösung werden täglich 6—8 g injiziert. Calcium ehloricum in 
5 proz. Lösung in Mengen von 5 ccm ist ein Gegengift. 

Altbewährt ist die Isolierung, nicht so sehr wegen der Gefahr der 
Ansteckung als wegen der Ablenkung von störenden Reizen. Das 
Zimmer ist zu verdunkeln, die Bettpfosten auf Filz zu stellen, laute 
Geräusche zu vermeiden. Die Ernährung soll kräftig sein, aus Flüssig¬ 
keit bestehen, am besten durch einen Gummipfropfen vor sich gehen. 
Bei Schlingkrampf ernährt man nur per cly9ma und gibt Kochsalz¬ 
infusionen. Dazu kommen Narcotica, Chloralhydrat in grossen Dosen (2,0) 
oder Morphium 0,02 mehrmals täglich. 


Demonstrationsabend vom 29. September 1914. 
Demonstration von Knochenpräparaten mit einleitenden Bemerkungen 
znr Pathologie der Wundinfektion. 

Hr. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Orth: Wir stehen noch im Anfänge 
des Krieges; daher kann Vortr. nicht neue Beobachtungen aus dem 
jetzigen, sondern Erfahrungen aus früheren Kriegen (1813/14, 1848, 1864, 
1866, 1870/71) vortragen. Eins haben wir aus dem jetzigen Kriegeschon 
erfahren, nämlich, dass die Gewehrschüsse — abgesehen von Dumdum — 
Wunden setzen, die ziemlich rasch und glatt heilen. Das hängt davon 
ab, dass die Geschosse jetzt kleinkalibrigcr, die Wundflächen kleiner, 
die Geschwindigkeit und Durchschlagskraft der Geschosse grösser, die 
Quetschung der Gewebe geringer sind, vor allem dass die Kugel weniger 
leicht Stücke von Kleidern und Wäsche mit sich reisst, die ja besonders 
Träger der Ansteckung sind. 

Immer aber sind es Wundinfektionen, welche die Heilung der Wunden 
verzögern. Aueh 1870 bestand schon der Gedanke eines Contagium 
vivum, welches diese Erkrankungen verursacht. Die Lehre, dass die 
Keime durch chemische Substanzen wirken, die „Zyraose“, dass eine 
Gärung besteht, war bereits aufgestellt. Heute können wir die einzelnen 
Formen der Infektionskeime scharf unterscheiden, sie künstlich züchten, 
ihre chemischen Produkte und Wirkungen nachweisen. Billroth schuf 
die schroffe unitarische Anschauung über die Entstehung aller dieser 
Infektionen durch einen Erreger, das Coccobacterium septicum. Aber 
schon Kleba hat eine Gruppe von Mikrobien zusammengefasst, die wir 
heute in einzelne Abteilungen zu zerlegen gelernt haben. Er sprach vom 
Microbium septicum. 

Der Begriff „Sepsis“ bat im Laufe der Zeit verschiedenartige Be¬ 
deutung erlangt. Sie bedeutet eigentlich Fäulnis; man hat auch an 
chemische Verunreinigung des Blutes gedacht (Vogel), wie sie bei 
Resorption von Brandjauche vorkommt. Viel weniger ist der Begriff der 
Pyämie geändert worden. Sie neigt zur Bildung multipler lokaler Abscesse. 
Schmiedeberg und von Bergmann isolierten aus Hefe eine Substanz, 
das Sepsin, die bei Tieren septische Krankheitserscheinungen hervorruft. 

Zwei wesentlich verschiedene Gruppen bestehen, die eine, die mit 
Fäulnisvorgängen verläuft, die andere, die mit Fäulnis gar nichts zu tun 
hat. Faulige Vorgänge spielen bei feuchtem Brand, Gangraena bumida, eine 
Rolle. Die abgestorbenen Gewebe zerlliessen unter Einwirkung von Fäulnis¬ 
bakterien zu Jauche, die durch Resorption im Blute schwere Erschei¬ 
nungen auslöst. Das wäre eigentlich Septikämie. Aber gerade für die 
faulige putride Infektion bat man Ichorrhämie (Virchow) oder Puträmie 
gesagt. Der Name Septikämie blieb Vorbehalten den Wundinfektions¬ 
krankheiten ohne faulige Vorgänge. In dieser Gruppe der eitrigen Wund¬ 
erkrankungen kann man klinisch und pathologisch zwei Gruppen unter¬ 
scheiden: a) wiederholte Schüttelfröste und eitrige Metastasen besonders 
in der Lunge — Pyämie; b) gleichmässiges Fieber ohne Metastasen. 
Ersteres ist nur eine besondere Art der Sepsis, die thrombophlebitisehe 
Form derselben. Daneben bestehen auch toxische Blutveränderungen, 
früher Septikämie genannt. Auch bei Septikämie fanden sich körper¬ 
liche Verunreinigungen des Blutes durch Mikroben. Für Pyämie und 
Septikämie nahm man besondere verunreinigende Mikroben an. Da- 
vaine und R. Koch trennten die fauligen Vorgänge von den septischen 
vollständig. Septikämie ist danach Wundinfektion ohne Metastase und 
Pyämie eine solche mit Metastase. Ohne Wunde gab es keine Septik- 
amie. Auch Vortr. wies hierauf schon vor 42 Jahren in seiner Disser¬ 
tation hin. K och’s Nachfolger verliessen diesen Standpunkt. Sie nennen 
Septikämie jede Erkrankung, bei der Mikroben im Blute sind und — 
sich vermehren. Auf letzterem liegt der Nachdruck. Das ist nur eine 
Infektionsform. Die Art der Infektionswege ist gleichgültig (Wasser¬ 
mann). Die verschiedensten Krankheiten, Malaria, Pest, Recurrens sind 
septikäraische. Es gibt auch Typhus-, Coli- und Diphtherieseptikämie. 
Leider wurde damit die Sepsis verwechselt. Die Aerzte fassen letztere 
weiter. So sind also ärztlicher und bakteriologischer Begriff der Sepsis 
verschieden. Sie werden einander nicht mehr verstehen. 

Es ist nicht unbillig, zu verlangen, dass die Bakteriologen sich in 
bezug auf den Begriff der Sepsis dem allgemeinen Sprachgebrauch an- 
schliessen, der darunter eine purulente Wundinfektion versteht, und voll¬ 
ständig auf das Wort Septikämie verzichten. Bakteriämie und Toxin- 
ämie sollten je nach der Beschaffenheit des Blutes gewählt werden. 
Beide Zustände können bald rein, bald zusammen vorhanden seiD, bald 
primär, bald sekundär auftreten. 

Obenan steht die septische purulente Infektion, die Wundeiterung 
mit ihren Folgezuständen der Pyämie, welche durch Eindringen pyogener 
Kokken (Orth) im wesentlichen entstehen. Man muss auch auf putride 
Wundinfektion gefasst sein; „Fäulnisorganismen“ ist ein Sammelname; 


putride Infektion ist keine bestimmte Krankheit, sondern eine Gruppe 
von Krankheiten, deren jede für sich studiert werden muss; es gibt 
Wundinfektion neben Fäulnis, Gasphlegmone, Nekrose, akutes Oedem. 
Hierher gehört auch die früher meist gefürchtete Krankheit, Hospital- 
brand, Gangraena nosocomialis, auch Wunddiphtherie genannt. 

Man sah gleichzeitig nebeneinander oder bei demselben Menschen 
Rachendiphtherie und Hospitalbrand. Der Diphtheriebacillus kann sich 
auoh auf Wunden ansiedeln; solche Wunddipbtherie hat aber mit der 
Gangraena nosocomialis nichts zu tun. Es sind andere Bakterien, die 
anaerob sind, im Spiele. Es fand sich auch eine Pseudomembran, die 
auch gelbweiss oder graugelb beschrieben wird; aber der erhebliche Be¬ 
fund ist gegenüber dem bei Diphtherie erheblich verschieden. Vor¬ 
wiegend handelt es sich um schwarzbraune Massen. 

Zum Schluss demonstriert Vortr. im Lichtbild zahlreiche Präparate, 
zunächst von Wasserkrebs (Noma), der als identisch mit Hospitalhrand 
gilt; sodann von Knochen- und Gelenkverletzungen durch scharfe und 
flache Säbelhiebe, ferner durch Schüsse mit Langblei, aber auoh ge¬ 
hacktem Blei. Die flachen Hiebe setzten oft Sprünge und Brüche. Der 
Schädelbruch heilt nie mit Wiederherstellung des früheren Zustandes, 
da die Callusbildung sehr gering ist im Vergleich zu der an den gut 
beweglichen Röhrenknochen. Den Kolbenhieben folgen Streif- und Prell¬ 
schüsse, Einschüsse des Schädels. An einem Projektil finden sich die 
Zahnabdrücke beider Kieferreiben; der österreichische Jäger biss die 
Zähne augenscheinlich im Kampfe fest zusammen, als ihn die Kugel 
traf; das Geschoss sohlug quer auf den Mund. Interessant ist eine in 
die rechte Orbita eingeheilte Kugel, die in die linke Orbitalwaod ein¬ 
gedrungen war. Es folgen Schüsse ins Darmbein, die Knocheoneubildung 
am Rande der eiterigen Prozesse aufweisen. Schon Dach 3 Monaten 
konnte Amyloidosis festgestellt werden. Den Beschluss machen ein ge¬ 
heilter Brustschuss, der beide Lungen durchbohrt hatte, wobei ein Stück 
des Geschosses in eine Rippe einheilte, das andere unter der Scapula 
entfernt wurde, und ein geheilter Bauchschuss, bei dem das Geschoss in 
das Netz einbeilte und wie eine Appendix epiploica imponierte. 

Mode. 


Kriegsmedizinische Abende 

des uaturhistori8ch*medixtni8chen Vereins za Heidelberg, 
Sitzung vom 15. September 1914. 

Einleitender Vortrag über Kriegschirnrgie. 

Hr. V. Czerny: Je 50 Verwundete sollten auf dem Transporte von 
einem Heilgehilfen und einer Krankenschwester begleitet werden. In 
jedem Zug sollte sich ein Arzt befinden. Es wäre anzustreben, dass 
man D-Züge zum Verwundetentransport benutzt. Die Güterwagen 
•könnte man vielleicht mit Uebergangsplattformen versehen, damit der 
Arzt die Verwundeten in allen Wagen besuchen kann, während sich der 
Zug in Bewegung befindet. 

In den Heidelberger Lazaretten wurden bisher 17 Fälle von Wund¬ 
starrkrampf behandelt. 13 mal handelte es sich um Granatsplitter¬ 
verletzungen, 4 mal um Verwundungen mit Infanteriegeschosseu. 9 Fälle 
leben noch, 3 sind genesen. In einigen Fällen wurde bei der Behand¬ 
lung Magnesiumsulfat angewandt. Nach Empfehlung von Exzellenz 
v. Behring wird das pulverförmige Tetanusantitoxin in die Wunden ein- 
gestreut. 

Hr. Kürz: Man muss die Anregung geben, den Güterwaggons ge¬ 
nügende Aborteinrichtungen beizugeben, die Wagen erst nach gründ¬ 
lichster Desinfektion und Herrichtuog, tunlichst nach dem Modell Lini- 
weiler, weiter zu benutzen, durch Beizug bester Personenwagen, zumal 
bei fortschreitender Kälte und bald eintretender Heizungs- und Be¬ 
leuchtungsnotwendigkeit, mehr eigentliche Lazarettpersonenzüge zu ge¬ 
winnen. Die Tatsache, dass die meisten Verwundeten während des 
Transportes auf Stroh, selten auf Bahren, Strohsäcken und Matratzen 
liegen, und dass in den Güterwagen keine Aborte vorhanden sind, ist 
der Grund, weshalb ein grosser Teil der Verwundeten in ungünstigem 
Zustand in 'den Lazaretten an kommt. 

Hr. Jagemann: An den Hauptstationen sollte man Uebernaobtungs- 
räume für Leichtverwundete einrichten sowie die Aufenthaltszeit der 
Züge verlängern, um schmutzige Verbände erneuern zu können. 

Hr. Hoff mann: Es besteht ein grosser Personalmangel (Aerzte und 
Sanitätsmannschaften) an den Plätzen, wo der Uebergang vom Fuss- 
und Bahrentransport zum Bahntransport stattfindet. 

Hr. Schmidt: Es wäre* vielleicht mögliob, die Dauer der Trans¬ 
porte abzukürzen, indem man die Geschwindigkeit der Züge erhöht^ und 
die Aufenthalte an den kleineren Stationen auf das Minimum beschränkt 

Hr. Dilger: Es wäre eine bessere Sortierung der Verwundeten in 
Schwer- und Leichtverletzte in den Etappen zu empfehlen. Durch Ein¬ 
richtung und Vermehrung der fliegenden Baracken könnte man den 
Leichtverwundeten grössere Transporte ersparen. 

Hr. Völcker: Von den verschiedenen Applikationsweisen des 
Tetanusantitoxins scheinen die subduralen Injektionen am erfolgreichsten 
zu sein. Zu stark oder zu lange fortgesetzte AntitoxinbehandluDg kann 
unter Umständen schwere Symptome hervorrufen. Die Behandlung mit 
Magnesium sulfuricum kann zu unangenehmen Komplikationen, beson¬ 
ders zur Störung der Tätigkheit des Atemcentrums führen. Baceln 
hat vor einigen Jahren zur Bekämpfung des Tetanus Carboiinjektionen 
empfohlen, welche sedativ und reflexhemmend wirken sollen. Man macht 


Digitij d by^ Gouole 


Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 




5. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1695 


10 suboutane Injektionen pro die, und zwar je 1 cem von der 2 proz. 
Aqua carbolisata, also 0,2 pro die, und steigt mit der Tagesdose bis 
auf 1,0. Symptome einer Garboivergiftung sollen bisher nicht beob¬ 
achtet worden sein. Baoelli berichtet über derart günstige Resultate, 
dass seine Methode eine Nachprüfung verdient. Bei zwei Patienten, 
welche mit Antitoxin- und Carboiinjektionen behandelt werden, ist eine 
wesentliche Besserung zu konstatieren. 

Hr. Gottlieb: Einzig rationelle Methode der Anwendung des 
Tetanusantitoxins ist die intraneurale oder subdurale Injektion, wenig¬ 
stens nach dem Resultat des Tierexperiments. Suboutane Injektionen 
sind als Verschwendung des Materials zu bezeichnen, da ja das Tetanus¬ 
gift in den Nerven hinaufwandert. 

Hr. Rost: Steckschüsse durch Granatsplitter und zwar besonders 
bei trockenem Wetter (Staub!) begünstigen die Entstehung von Starr¬ 
krampf. Schrapnellsplitter scheinen weniger gefährlich zu sein. Bei 
Granatsplitterverletzungen empfiehlt sich eine breite Freilegung der 
Wunden, Entfernung der Splitter und Tamponade mit Wasserstoffsuper¬ 
oxyd oder übermangansaurem Kalium, um auf diese Weise die anaeroben 
Tetanussporen zu vernichten. 

Hr. Heddaeus: Die von mehreren Seiten empfohlene Behandlung 
der Wunden mit Jodtinktur schützt nicht vor dem Tetanus. Bei sechs 
Fällen wurden intralumbale Einspritzungen Yon Antitoxin gemacht und 
nach einigen Tagen intraarterielle nach der Freilegung der Art. carotis 
int. Auf diese Weise erreicht das Antitoxin auf kürzestem Wege das 
Centralnervensystem, ohne vorher in der Blutbahn abgebaut zu werden. 
Die Erfolge scheinen ausserordentlich günstige zu sein, die Beobachtungs¬ 
zeit ist jedoch zu kurz, um ein abschliessendes Urteil fällen zu können. 

Hr. Kossel empfiehlt ebenfalls die Kombination von subduralen 
und intraarteriellen Antitoxineinspritzungen. Halpern-Heidelberg. 


Kriegsskizzen. 

Von 

Dr. Arthur Münzer, zurzeit im Felde. 

III. In Feindesland. 

Wir waren in zwei Tagesmärschen bis nach Aachen gelangt. Die 
alte Kaiserstadt glich einem wahren Kriegslager. Ueberall durchziehende 
Truppen aller Waffengattungen. Die ganze Bevölkerung war auf den 
Beinen. Galt es dooh, den ins nahe Feindesland marschierenden Sol¬ 
daten die letzten Abschiedsgrüsse aus deutschen Landen zuzurufen! Am 
Spätnachmittag kommen wir ins Quartier. Leider war keine Zeit mehr, 
die alte, interessante Stadt zu besichtigen, wie wir so gern gewollt. Die 
Nacht hindurch wurden unaufhörlich durch das Telephon Nachrichten 
und Befehle übermittelt. Am frühen Morgen gings weiter. Heute sollte 
der grosse Tag sein, an dem die Grenze üerschritten würde. Wir mar¬ 
schieren ab. Unser Weg führt durch waldiges, unebenes Gelände. Da 
sehen wir schon an den Bäumen mit Blaustift geschriebene Wegweiser, 
die die Aufschrift trugen: Nach Belgien. Plötzlich erscheint in nicht 
allzu weiter Ferne am Wege ein Grenzstein, vor dem eine Wache postiert 
ist. Das also ist die Grenze zwischen Deutschland und Belgien. Noch 
ein kurzes Stück, und wir sind hinüber — Feindesland. Unwillkürlich 
setzt man sich im Sattel zurecht, als sollte nun gleich die Schlacht be¬ 
ginnen. Es ist doch ein eigenartiges Gefühl, welches sich in diesem 
Augenblick wohl in jedem Soldaten regt. Nun hast du also dein Vater¬ 
land verlassen. Hier folgt dir kein liebevoller Blick mehr, grösst dich 
nicht der frohe Jubel des Volkes. Fortab bist du der Feind, den man 
hasst und auf jede Weise zu verderben sucht. 

Ruhig ziehen wir unsere Strasse. Alles erscheint so selbstverständ¬ 
lich. Dass wir plötzlich als fremde Soldaten durch fremdes Land mar¬ 
schieren, dass wir so unbehelligt von dannen ziehen, man wundert sich 
kaum noch darüber. Vergebens sucht das Auge belgische Soldaten. Die 
sind längst zurückgegangen und haben das Feld dem stärkeren Gegner 
geräumt. So können denn ungehindert unsere Kolonnen ihren Weg fort¬ 
setzen. Wir nähern uns dem ersten belgischen Dorf, G., nicht weit von 
der Grenze gelegen. Die Einwohner grüssen zum Teil noch freundlich. 
Aber schon machen sich die ersten Zeichen des Krieges bemerkbar: vor 
uns liegen verlassene, zum Teil leergebrannte Häuser. Hier hat die 
Zivilbevölkerung auf unsere braven Soldaten geschossen. Der Lohn ist 
nicht ausgeblieben, die Schuldigen wurden dem Tode überliefert, ihre 
Häuser den Flammen. Und nun stehen die Trümmer als drohendes 
Wahrzeichen inmitten der fruchtbaren Landschaft. Auf der Weide treibt 
sich herrenloses Vieh in Mengen umher. Weiter geht der Weg durch 
grüne Fluren und anmutiges Hügelland. So friedlich und ruhig siebts 
da draussen auf den Feldern aus! Als hätte hier nie der Krieg sein 
blutiges Banner wehen lassen. Und doch, je weiter wir vorrücken, um 
jo deutlicher wird der Kriegszustand. Da liegen schon die ersten Pferde¬ 
kadaver; die treuen, unentbehrlichen Begleiter des Soldaten im Felde 
sind das erste Sinnbild des Todes, welches uns entgegentritt. Als wir 
jn das Dorf W. einrücken, sehen wir ganz zerstörte Dorfteile. Auch hier 
hatte die Einwohnerschaft sich zu gewaltsamem Vorgehen gegen die Sol¬ 
daten hinreissen lassen und dafür büssen müssen. In W. hatten wir 
unser erstes Quartier auf belgischem Boden; wir wurden freundlich und 
liebenswürdig aufgenommen. In der Nacht gings weiter. Es war stock¬ 
finster. Da plötzlich sehen wirs in der Ferne aufleuohten, glutig rot. 
Ewe mächtige Feuersäule steigt gen Himmel. Ein schauerlich-schöner 


Anblick! Wie sich das Blutrot abhob gegen die finstere Nacht, wie 
es sich weiter und weiter emporstreckte, immer drohender seine Flügel 
ausbreitete und bald die ganze Gegend beherrschte, das senkte sich tief 
in unsere Seele ein. Es gibt kaum ein grandioseres Schauspiel als 
Feuer in der Nacht. Nirgends treten die Kontraste „hell“ und „dunkel“ 
so scharf in die Erscheinung, nirgends drückt sich packender die unbe¬ 
strittene Gewalt des Feuers aus. Es war das kleine Städtchen V., das, 
weil hier die Einwohner besonders scharf gegen Soldaten vorgegangen 
waren, in Brand gesetzt worden war. 

Als wir bei Morgengrauen durch den Ort rückten, da fand sioh kein 
Haus mehr erhalten. Aus vielen Häusern sohlugen die hellea Flammen 
empor, in anderen qualmte und schwelte es. Schutt und Geröll be¬ 
deckten den Boden. Die Kirche des Städtchens, aus der ebenfalls ge¬ 
schossen worden, stand in lichten Flammen; hier wütete das Feuer noch 
mit besonderer Heftigkeit, und prasselnd fielen die Balken nieder. Die 
Pferde waren nur mit Mühe an den vielfaoh noch glühenden Trümmer¬ 
haufen vorbeizubringen. 

So recht konnte einem hier die Kleinheit und Nichtigkeit mensch¬ 
lichen Schicksals zum Bewusstsein gelangen. „Seele des Menschen — 
Wie gleichst du dem Wasser — Schicksal des Menschen — Wie gleichst 
du dem Wind.“ Wie ein Sturmwind war hier das Schicksal über die 
Wasser hinweggesaust und hatte sie aufgerührt bis in die tiefsten 
Gründe. Wo ehemals der Wohlstand geblüht, dorthin kam jetzt der 
Tod gezogen und schwang sein grausames Szepter. Und binnen kurzem 
schwand Menschenwerk und -leben dabin . . . 

Wir kamen über die Maasbrücke. Zwar batten vor wenigen Tagen 
die Belgier die eigentliche Brücke gesprengt, aber dank der Arbeit 
unserer braven Pioniere war bald eine Kriegsbrücke errichtet worden, 
über die hinweg die Regimenter ohne Mühe den Fluss überschreiten 
konnten. Wir gingen tiefer ins Innere. Ueberall die gleichen Szenen, 
die sich uns schon von Anfang an dargeboten hatten: viele Häuser 
waren zum Teil verlassen, leer gebrannt, zum Teil standen sie noch in 
Flammen. Oft sahen wir von fern die Rauchwolken in die Luft steigen 
und wussten wohl, dass hier wieder einmal ein Strafgericht vollzogen war. 

Noch einmal wiederholten sich die Eindrücke, die sich uns in V. 
schon eiDgeprägt, in A. Der ganze Ort war völlig zerstört und von der 
Einwohnerschaft verlassen. 

Die Bevölkerung dort, wo sie sich nicht zu Tätlichkeiten hinreissen 
liess, verhielt sich meist ruhig. Neugier trieb sie zu sehen, und ich 
glaube, dass wohl in manchem eine stille Bewunderung für die mächtige 
deutsche Armee aufgekeimt sein mag. Es war aber auch wirklich im¬ 
posant zu sehen, wie durch manche Orte hindurch Tag und Nacht un¬ 
aufhörlich Regimenter marschierten. Tag und Nacht hörte man den 
monotonen Klang marschierender Soldaten und Pferde und das gleich- 
massige Rollen der Wagen, Geschütze und Fahrzeuge, es hörte nicht 
auf. Die Riesenmassen machten auf die Belgier den stärksten Eindruck. 
„Gibt es in Deutsehland überhaupt noch Männer?“ hörte ich wieder¬ 
holt fragen. 

Im ganzen wurden wir von den gebildeten Kreisen Belgiens freund¬ 
lich und zuvorkommend aufgenommen. In den zahlreichen Schlössern, 
die in der Umgebung Brüssels liegen, wurde auch verwöhnten An¬ 
sprüchen Genüge geleistet. 

Natürlich war seit Beginn des Krieges im Lande, zumal in kleineren 
Städten und Dörfern, fast jede Arbeit eingestellt worden, und so sah 
man vielfach die Einwohner eines Ortes auf der Strasse in erregten Dis¬ 
kussionen beisammenstehen. Zeitungen, Post usw. gabs nicht mehr, und 
daher waren sie einzig auf das, was sie durch Hörensagen wussten, an¬ 
gewiesen. Viele biederten sich bald mit den Soldaten an und lebten 
mit ihnen im besten Einvernehmen. 

Durch systematische Hetzereien waren auch in Belgien die schlimmsten 
Gerüchte über die grausamen „Prussiens“ in Umlauf gesetzt worden. 
Mir selbst erzählte eine Dame, in deren Haus ich dinquartiert war, dass 
sie geglaubt habe, als ihr die Besetzung mehrerer Zimmer durch Offiziere 
angekündigt wurde, es sei so ungefähr ihre letzte Stunde gekommen. 
Die „Prussiens“, wie sie auch hierzulande meist genannt wurden, gelten 
noch immer als die schlimmsten Barbaren. 

In buutem Durcheinander verliefen unsere Tage. An einem frühen 
Morgen donnerten mächtig die Kanonen. Gegen Abend wurde es wieder 
ruhiger, da um 10 Ubr wieder Maschinengewehrfeuer. Es hat einen gaDz 
besonderen Klang, dieses Maschinengewehrfeuer, das regelmässige, ab¬ 
gehackte, periodisch wiederkehrende Knattern. Man vergisst ihn nicht, 
den Klang, wenn man ihn einmal gehört, und besonders im Dunkel der 
Nacht, wenn alles andere ringsum still und ruhig, prägt er sich mit 
einer wahrhaft erschreckenden Deutlichkeit aus. Alles andere, Kanonen, 
Gewehrfeuer, verklingt mehr in der Ferne, nur das Maschinengewehr¬ 
feuer bewahrt stets seine nie versagende Präzision. 

Ein anderes Bild: Durch ein Dorf zieht ein französischer Gefangenen¬ 
transport, etwa 700 Soldaten und Offiziere, darunter 1 General. Sie 
machen durohweg einen schlechten Eindruck, die Uniformstücke sind 
verbraucht, die Leute sehen zum Teil gänzlich heruntergekommen aus, 
es fehlt jede Frische und Freudigkeit. Sie wurden im Dorf, wo sie Halt 
machten, reichlich gelabt, und man konnte wohl merken, mit wieviel 
Hingebung sich hier die Belgier ihren Freunden, die sie so schmählich 
im Stich gelassen hatten, widmeten. 

Kaum könnte ich diese kurze Skizze besser schliessen, als indem ich 
auf das innige Band hinweise, welches die draussen im Felde Weilenden 
mit der Heimat verknüpft. Davon weiss die Feldpost ein Lied zu singen. 
Wie haben wir uns über die im Anfang so spärlich einlaufenden Lebens- 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1696 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 40. 


Zeichen aas der Heimat gefreut! Wie wurden die Postsäcke gestürmt, 
und wie gross war der Jubel, wenn man einen Brief oder eine Karte 
gefunden hatte! Und mit der Freudigkeit im Herzen wurde der Dienst 
noch einmal so leioht, und im Verein mit unseren Lieben in der Ferne 
wurden wir immer mehr von dem endlichen Siege unserer Waffen durch¬ 
drungen. Und wenn die Schatten der Nacht sich dann über die Felder 
herniedersenkten, dann hörte man in der Ferne singen und klingen: 
„Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein“. Und summte sich mit der alten 
Weise ganz sacht in den Schlaf hinein . . . 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Ueber die von Franzosen und Belgiern gegen unsere Ver¬ 
wundeten und Aerzte begangenen Grausamkeiten drang ja bisher schon vieles 
in die Oeffentlichkeit, was triftigeren Anlass zu Protesten in den neutralen 
Staaten geboten hätte, als die angeblichen Zerstörungen von Bauwerken 
durch deutsche Soldaten. Eine Scheusslichkeit jedoch, wie sie ira nach¬ 
folgenden Bericht aus Frankreich der Welt zur Kenntnis gebracht wurde, 
hätte man doch wohl für unmöglich gehalten, wenn sie nicht auf amt¬ 
lichem Wege durch das WolfFsche Telegr.-Bureau am 30. September aus 
dem grossen Hauptquartier verbreitet worden wäre. Danach hat der 
Generalstabsarzt der Armee und Chef des Feldsanitätswesens von 
Schjerning Seiner Majestät folgende Meldung erstattet: 

»Vor einigen Tagen wurde in Orchies ein Lazarett von Frank¬ 
tireurs überfallen. Bei der am 24. September gegen Orchies unter¬ 
nommenen Strafexpedition durch das Landwehrbataillon 35 stiess dieses 
auf überlegene feindliche Trappen aller Gattungen, musste unter Verlust 
von 8 Toten und 35 Verwundeten zurück. Ein am nächsten Tage aus¬ 
gesandtes bayerisches Pionierbataillon stiess auf keinen Feind mehr und 
fand Orchies von Einwohnern verlassen. Im Orte wurden 20 beim 
Gefecht am vorhergehenden Tage verwundete Deutsche grauenhaft ver¬ 
stümmelt aufgefunden. Ohren und Nasen waren ihnen abgeschnitten, 
und man hatte sie durch Einführen von Sagemehl in Mund und Nase 
erstickt. Die Richtigkeit des darüber aufgenommenen Befundes wurde 
von zwei französischen Geistlichen unterschriftlich bestätigt. 
Orchies wurde dem Erdboden gleicbgemacht.“ 

Es werden sich hoffentlich Gegenmaassnahmen ausfinden lassen; 
dass sie etwa von der Art sein könnten, wie sie von den Angehörigen 
der „grande nation“ geübt wurden, dafür braucht keinem bange zu 
sein. Der deutsche Soldat ist Gott sei Dank nicht so vertiert, wie 
jenes zuchtlose Gesindel. Man darf sich freilich nicht wundern, von 
Freischärlern Bestialitäten verübt zu sehen, wenn selbst die französische 
Regierung es nicht verhindert, dass ein so viel gelesenes Blatt, wie der 
„Matin“, öffentlich empfehlen darf, die gefangenen deutschen Soldaten 
„wie Schweine abzuschlachten“ oder „wie Verbrecher zu erdrosseln“. 

H. K. 

— In der M.m.W. regt Herr Kolb an, dass die für die Gesundheit 
unserer Truppen jetzt so notwendigen warmen Unterkleider nicht dem 
Einzelnen, auch nicht der privaten Liebestätigkeit überlassen bleiben. 
Diese Dinge seien, gleiohwie auch Seife u. ä., vom Staate zu beschaffen; 
es könne dies angesichts der ungeheuren Summen, die das Reich der 
Militärbehörde zur Verfügung stellte, finanziell nicht ins Gewicht fallen, 
um so mehr aber für die Gesundheit und Schlagfertigkeit unserer Heeres. 
Damit schlägt K. in die gleiche Kerbe wie wir mit unserer Notiz in 
Nr. 38 über die Krankenpflege. 

— Im Kriegsmedizinischen Abend des Naturhistoriscb-medizini- 
schen Vereins zu Heidelberg wurden zwei Themata von besonderer 
Wichtigkeit verhandelt: die Einrichtung der Lazarettzüge und die 
Behandlung des Wundstarrkrampfs. Dass die Lazarettzüge noch in 
mancher Hinsicht verbesserungsbedürftig und verbesserungsfähig sind, 
wurde dargelegt, und es wurden in dankenswerter Weise dahinzielende 
Vorschläge der Versammlung unterbreitet. Es wäre sehr erfreulich, 
wenn diese Anregungen recht bald ein geneigtes Ohr fänden, damit noch 
in diesem Krieg das Los unserer braven Verwundeten nach Möglichkeit 
erleichtert werden kann. Ein etwas ausführlicherer Bericht über diese 
Sitzung findet sich in dieser Nummer unserer Wochenschrift. Auch werden 
wir in der nächsten Nummer über die Behandlung des Tetanus von 
berufener Seite eine Abhandlung zu bringen in der erfreulichen Lage sein. 

— Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge¬ 
schlechtskrankheiten hat in Erkenntnis der grossen Gefahren, welche 
erfahrungsgemäss in Kriegszeiten sowohl der Zivilbevölkerung wie der 
ganzen Nation durch das ungeheure Anwachsen der Geschlechtskrank¬ 
heiten drohen, mit Unterstützung des „Gesamtausschusses zur Verteilung 
von Lesestoff für die Soldaten im Felde und in den Lazaretten“ viele 
Tausende ihrer Flugschriften zur Verteilung bringen lassen. Ausserdem 
hat sie noch ein Merkblatt für Soldaten ausgearbeitet, das durch den 
oben genannten Gesamtausschuss verteilt werden soll; andererseits aber 
wird es Aufgabe der im Felde, in den Garnisonen und Lazaretten tätigen 
Kollegen sein, selbst zur Verteilung des Merkblattes beizutragen. Die 
Geschäftsstelle Berlin W., Wilhelmstr. 48, gibt jede gewünschte Anzahl 
kostenlos ab. , 

— Unter den Aerzten, die bisher mit dem Eisernen Kreuz de¬ 
koriert wurden, sind mehrere Herren zu nennen, die als konsultierende 
Chirurgen der Armee beigegeben sind; so die Herren Körte, Garrc, 


Rinne, Mü II er-Rostock, Martens-Berlin. Ferner Herr Kollege Rudolf 
Lennhoff, Oberstabsarzt und Chefarzt eines Feldlazaretts und Herr Stabs¬ 
arzt Prof. J o 11 y -Berln; auch Herr Kollege P. Un n a jun., aus dessen Feder 
wir in dieser Nummer einen zeitgemässen, aber hoffentlich in Deutschland 
nicht allzu aktuell werdenden Artikel bringen, wurde als Oberarzt im 
II. bayerischen Armeekorps, 17. Inf.-Reg., mit dem Eisernen Kreuz de¬ 
koriert. Fernersind als dekoriertzu melden: Oberstabsarzt Bock, 2. Gardereg. 
z. F. Oberstabsarzt Guttmann - Berlin-Wilmersdorf, Prof. v. Drigalski- 
Halle, Stabsarzt Jos. Langheld, Oberstabsarzt Joh. Langheld, Stabs¬ 
arzt Mendelsohn-Berlin-Friedenau, Prof. Roemer-Strassburg, Stabsarzt 
San..-Rat Wachsen - Britz, Kreisarzt Fromm - Frankfurt a. M., Bezirks- 
arzt in München Dr. Becker, Stabsarzt im 2. Inf.-Reg., Dr. Böck- 
MüneheD, Oberstabsarzt d. R. Koenlgsberger, Stabsarzt Kurt Man- 
drowsky. 

— Weitere Opfer des Krieges. Es fielen: Assistenzarzt 
Angermann, sächs. Res.-Ulanenreg. Assistenzarzt W. Arnold aus 
Leisnig i. Sa, sächs. Karabin.-Reg. Stud. med. A. Chüden aus Gifhorn, 
Maat d. R. Rud. Dorn, Stabsarzt d. R. aus Saarlouis. Cand. med. 
W. Elbs aus Freiburg i. B. Chr. Gollwitzer, einjähriger Unterarzt 
im 9. bayr. Inf.-Reg. Assistenzarzt Wilh. Hammer, 166. Inf.-Reg. 
Stud. med. J. Hesselt, Einj.-Freiw. im 9. bayer. Inf.-Reg. Assistenz¬ 
arzt Heussner, bad. Iuf.-Reg. Nr. 142. Cand. med. Einj. A. Kierzeck. 
Stabsarzt d. L. Werner Meyer, Arzt in Starzwedel, gefallen bei einem 
Angriff auf sein Lazarett. Stabsarzt d. R., San.-Rat H. Mai weg, Res. 
Feldart.-Reg. Nr. 14, aus Langendreer. Stabsarzt Myslowitzer, 49. Inf.- 
Reg., aus Schneidemühl. Stud. med. Aug. Puls, Vizefeldwebel d. R, 
aus Pfalzburg. Cand. med. Scheffler, Student der Kaiser Wilhelms- 
Akademie. — Es starb: Oberarzt d. L. I. W. Bartsch aus Breslau im 
6. Armeekorps. — Es werden vermisst: Marinestabsarzt Fritz Bau¬ 
mann aus Passau (S. M. S. Mainz). Stabsarzt C. Becker aus Saarlouis, 
San.-Komp. Nr. 3 des XVI. Armeekorps. Oberarzt d. R. Callenbacb, 
Iof.-Reg. Nr. 41. Stabsarzt Engmann, Gren.-Reg. Nr. 100. Marine¬ 
assistenzarzt d. R. H. Grimm aus Schwerin. Stabsarzt Guttzeit, Feldart. - 
Reg. Nr. 35, aus Deutsch- Ey lau. Ch. Hoepffner, Schiffsarzt auf einem 
Lloyddarapfer. Assistenzarzt d. R. Jarnik, 5. Pionierbat., aus Glogau. 
Einjfrei w. Marinearzt ArnoKirscheaus Thüssdorf i. Sa. (S. M. S. Mainz). — 
Verwundet wurden: Oberarzt F. Conzen, 7. Inf.-Reg. Nr. 106, aus 
Köln. Stabsarzt d. R. Dransfeld, Res.-Ulanenreg. (Kgl. Sächsisches). 
Oberarzt d. R. E. Dünzelmann, Pionierbat. Nr. 26, aus Bremen. 
Stabsarzt Gross, Feldart.-Reg. Nr. 80, Ers.-Abt. Stabsarzt W. Klemm, 
Feldart.-Reg. Nr. 16, aus Stettin. Reg.-Arzt v. Korff, Res.-Feldart.- 
Reg. Nr. 24. Stabsarzt d. Res. und Reg.-Arzt R. Müllerheim aus 
Berlin durch Ueberfahrenwerden beim Bemühen, durchgehende Pferde 
aufzuhalten. Stabsarzt Neumann, Res.-Jägerbat. Nr. 14, aus Colmar. 
H. Reichardt aus Hünfeld. Oberarzt d. R. G. Wiedemann aus 
Groltkau, 3. Feldkomp. Pionierbat. Nr. 5 Glogau. 

— Infolge Einberufung zur Armee hat Herr Geheimrat v. Krehl- 
Heidelberg die Redaktion des Archivs für klinisohe Medizin, 
Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig, an Herrn Professor v. Romberg* 
München, Richard Wagner-Strasse 2, übergeben, wohin alle zur Aufnahme 
für das Archiv bestimmten Arbeiten einzureichen sind. 

~ Hofrat Dr. Turban’s Sanatorium in Davos, welches soeben sein 
25jähriges Jubiläum gefeiert hat, bleibt unter Leitung des Kaiserl. Rates 
Dr. v. Voornveld weiterhin offen; der Begründer und bisherige Leiter 
bat sich in Maienfeld (bei Ragaz) niedergelassen und wird von dort aus 
Konsultativpraxis ausüben. 

— Volkskrankheiten. Die Cholera soll sich in Serbien in be¬ 
drohlicher Weise ausdehnen, auch in Ungarn sind nach den Veröffent¬ 
lichungen des Kaiserl. Gesundheitsamtes eine Anzahl von Fällen vor¬ 
gekommen, nämlich im Dorfe Tokod 4, in Debreczin 2, in Budapest und 
Gomonna je 1, auch in den Gefangenenlagern in Esstergom, Dunasserda- 
hely und Somorja (Kr. Pressburg) wurden Cholerafälle ermittelt. Feiner 
melden die Tageszeitungen einen Fall in Brünn, und das k. k. öster¬ 
reichische Sanitätsdepartement meldet 1 Fall bei einem Offizier in Wien 
und 2 in Lisko (Galizien). 

Hochschulnachriohten. 

Frankfurt a. M. Zum Professor am anatomischen Institut wurde 
H. Buntschli - Zürich berufen. — Giessen. Habilitiert: Dr. Göring 
für Psychiatrie. — Halle. Zum Nachfolger v. Hippel’s wurde Sohieck- 
Königsberg ernannt. — Königsberg. Privatdozent für Psychiatrie 
‘Hallervorden im 62. Jahre gestorbeD. — Lemberg. Habilitiert: 
E. Loth für Anatomie. — Prag. Hofrat Pawlick gestorben. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: prakt. Arzt und 
polizeilicher Bezirksarzt Dr. Schroeter in Hamburg. 
Versetzungen: ordentl. Prof. Dr. F. Schieck von Königsberg nach 
Halle a. S., Kreisarzt Dr. Liedke von Gerdauen nach Woblau. 
Pensionierung: Kreisarzt, Med.-Rat Dr. G. Mühlenbach in Wohlau. 
Gestorben: Dr. P. Kühl in Wolgast, San.-Rat Dr. H. J arm er m 
Lüben, Dr. F. J. Droeder in Borgentreich. __. 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Han» Hohn, Berlin W., Bajrrenther8tras»«• 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSITV OF IOWA 



Dl« Berlin« Klinisch« Wochonschrifi erscheint jcdflä 
Uoatee in Nummern tob ca. 5—6 Bogon gr. 4, 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen 
«Ile Buchhandlungen und Poatanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die Redakiivn and Expedition 
volle mau portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen« 

Redaktion: Expedition: 

Gei. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Haus Kohn. August üirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin. 


Montag, den 12. Oktober 1914. JM 41. Einundfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Origlnaliei: Göppert: Beitrag zur Behandlung der Ruhr. S. 1697. 
Brettner, Levy und Froehlich: Der Kriegssanitätsdienst in 
Berlin. (Fortsetzung.) (IUustr.) S. 1698. 

Nagel: Ueber einen Fall von geheilter Uterovesicalfistel mit ab¬ 
dominaler Exstirpation des Uterus. S. 1703. 

Kretschmer: Ueber wahren Knochen im Auawurf. (Aus dem 

poliklinischen Institut für innere Medizin der Universität Berlin.) 
S. 1704. 

Bftcherbesprechnigeik : Körner: Lehrbuch der Ohren-, Nasen- und 
Kehlkopfkrankheiten. S. 1705. (Ref. Beyer.) — Kraemer: Aetio- 
logie und spezifische Therapie der Tuberkulose, nach vorwiegend 
eigenen Erfahrungen. S. 1706. (Ref. Samson.) — Ribbert: Ge¬ 
schwulstlehre für Aorzte und Studierende. S. 1706. Heck und 
Hilzheimer: Brehm’s Tierleben. S. 1706. (Ref. v. Hansemann.) 


Beitrag zur Behandlung der Ruhr. 

Von 

Prof. F. Göppert-Göttingen. 

Zu den Infektionskrankheiten, die einen Krieg zu begleiten 
pflegen, gehört vor allen Dingen die Ruhr. Der Krieg von 
1870/71 hat gezeigt, welche Ausdehnung diese Krankheit zu 
nehmen vermag. So liegt der Gedanke nicht allzu fern, dass wir 
auch diesmal nicht verschont bleiben werden. Mir scheint daher 
erlaubt, in Kürze die Gesichtspunkte anzugeben, die sich in der 
Behandlung der einheimischen Ruhr während der letzten 14 Jahre 
dem Kinderarzt ergeben haben. Sache der Praxis muss es sein, 
za prüfen, welche Bedeutung diesen Erfahrungen für die Behand¬ 
lung des Erwachsenen zukommt. 

Seit dem Jahre 1900 habe ich wiederholt grössere Epidemien von 
ansteckenden ruhrartigen Darmkatarrhen beobachten können, und zwar 
sowohl in Schlesien 1 ) wie in Göttingen. Eine grössere Epidemie dieser 
Art ist 1911 von E. A. Frank 2 ) aus meiner Klinik beschrieben worden. 
Die bakteriellen Untersuchungen hatten zum Teil durch Verspätung der 
Aussaat negative Resultate ergeben. Seit 1912 und 1913 ist jedoch in 
ganz Deutschland und auch bei uns der Nachweis erbracht worden, dass 
diese Epidemien durch den Flexner’achen Bacillus bzw. durch den Typus 
Y und Verwandte erzeugt wurden 8 ). Neuerdings ist auch auf die Be¬ 
deutung der Krankheit bei Erwachsenen von Mayer 4 ) hin gewiesen 
worden. 

Hierzu gesellen sich die Erfahrungen einer recht grossen Epidemie, 
die wir in diesem Frühling und Hochsommer in Süd-Hannover beobachten 
konnten. Gerade diese letztere Epidemie bietet, vereint mit früheren 
Beobachtungen an der russischen Grenze soviel Parallelen mit den 
Formen der Ruhr, wie sie früher in Deutschland beobachtet wurden, 
dass ieh mich berechtigt glaube, wenigstens die Vermutung auszusprechen, 
üass hier gewonnene Erfahrungen auch bei der Behandlung Erwachsener 
Berücksichtigung verdienen. 

Es herrscht im allgemeinen eine etwas optimistische An¬ 
schauung über die Behandlung mit Adsorbentien. Das zweifellos 
wirksamste Mittel dieser Art, die Merck’sche Tierblutkohle, 


1) Göppert, Ueber Behandlung von Darmkatarrhen. M. KL, 1911. 

2) E. A. Frank, Jb. f. Kindhlk., Bd. 76. 

8) Blühdorn, Mschr. f. Kindhlk., Bd. 13, Nr. 1. 

4) Mayer, M.m.W., 1914, Nr. 36. 


ALT. 

Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1707. — Therapie. S. 1708. — 
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1708. — 
Innere Medizin. S. 1708. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1708. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1708. — Geburts¬ 
hilfe und Gynäkologie. S. 1709. — Unfallheilkunde und Ver¬ 
sicherungswesen. S. 1709. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaftea: Laryngologische Gesell¬ 
schaft zu Berlin. S. 1709. — Hufelandische Gesellschaft 
zu Berlin. S. 1712. — Aerztlicher Verein zu München. 
S. 1713. 

Jacoby: Ernst Salbowski zum 70. Geburtstage. S. 1714. 

H. Kohn: Pan-germanism In Medicine — Tho WhatWill It Lead? S. 1715. 

Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 1715. 
j Amtliche Mitteilungen. S. 1716. 


hat den grossen Nachteil, eben auch die Verdauungsfermeute zu 
adsorbieren. Die Folge davon ist schwere Appetitlosigkeit und, 
da der Hunger, wie später auszufübren, eine deletäre Bedeutung 
auf die Dauer ausübt, so könnte man höchstens daran denken, 
dieses Mittel iu den allerersten Tagen der Krankheit zu ver¬ 
wenden. 

Per rectum angewandt, leistet die Kohle nicht mehr und nicht 
weniger als der Ton (gehäufter Esslöffel Kohle auf je 1 1 warmer 
Kochsalzlösung. 1—21 als hohes Klystier). Wie der Ton be¬ 
wirkt er in vielen Fällen ein Nachlassen der Tenesmen und eine 
Verringerung der Stuhlzahl. Auch das subjektive Befinden wird 
mitunter günstig beeinflusst (jeden 2. Tag ein Klystier). 

Ausser dieser rectalen Anwendung (eine Handvoll Bolus 
alba, 1 Teelöffel voll Salz auf 1 Liter Wasser) wird der Ton 
vielfach als innerliches Mittel begeistert gepriesen, aber doch nur 
von denen, die dies Mittel bei den so häufigen leichten Ruhr¬ 
fällen älterer Kinder und Erwachsener anwenden. Denn es ist 
festzuhalten, dass selbst schwer toxische Fälle innerhalb 1 bis 
2 Tagen unter einfacher Wasserdiät heilen können. Wenn dies 
aber nicht der Fall ist, ist auch nur die Beeinflussung der Stubl- 
zahl oder gar des Allgemeinbefindens beim ernst kranken Kinde 
durch grössere innere Tongaben unmöglich. Alle Adstrin¬ 
gen tien sind wirkungslos im akuten Stadium. Als einziges 
nicht appetitverderbendes Mittel käme die alte Biermer’sche 
Mischung in Betracht, die imstande ist, die bereits in ihrem Ver¬ 
laufe abgeschwächte Ruhr schneller zur Heilung zu bringen. 
Decocti Ratanhiae (50,0) 450,0 
Extr. Campechiani 5,0—8,0 
Sir. Cinnamoni ad 500,0 
6—6 mal täglich 20—30 g. 

Trotz dieser bescheidenen Wirkungsweise ist diese Arznei 
oder ihre Komponenten der Anwendung wert. 

Das wichtigste Arzneimittel scheint immer noch das 
Ricinusöl zu sein. Ob seine fortgesetzte Anwendung aber zu 
empfehlen ist, ist fraglich, ln den ersten Erkrankungstagen oder 
wenn der Patient bisher unzweckmässige Kost zu sich genommen 
hat, ist dieses Mittel unersetzlich und wird durch einen hohen 
Toneinguss zweckmässig unterstützt. 

Nach nicht reichlichen Erfahrungen möchte ich das Opium 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1698 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 4L 


oder auch Uzara nicht ganz aus der Behandlung der Rahr ent¬ 
fernen. Bei starken schmerzhaften Tenestnen, wenn dauernd Eiter aus 
dem Mastdarm ausgepresst wird, ist Opium per os oder als Stuhl¬ 
zäpfchen und wohl ebenso Uzara und Uzarazäpfchen durchaus nützlich. 
Namentlich sollte man sich nicht davon abhalten lassen, diese Mittel 
gelegentlich, wenn auch nicht regelmässig und prinzipiell zu 
verwenden. Erfahrungen alter Aerzte lehren uns auch, dass die 
Kombination von Opium und Rieinusöl zweckmässig sein kann. 
Dass ein paar Opiumtropfeo bei p>ssageren leichten Rubrformen 
ganz ausgezeichnet wirken können, hat wohl jeder auf einer 
Reise schon erfahren. Dass dauernde Opiumgaben meist recht 
unzweckmässig sein dürften, spricht nicht gegen die Anwendung 
zum Zweck der Zügelung übermässiger Reaktion. 

Die alimentäre Behandlung der Ruhr ist gewiss bei 
einem grossen Teil der Fälle, soweit es sich um Erwachsene 
handelt, nicht von derselben Wichtigkeit wie bei Kindern. Es 
ist aber fraglich, ob wir die Erfahrungen der Friedenszeit auf die 
Patienten der Kriegszeit ausdehnen dürfen. Handelt es sich doch 
vielfach um durch Wunden oder Anstrengung geschwächte Indi¬ 
viduen. Für die alimentäre Behandlung der Dysenterie ergeben 
sich aber folgende Anhaltspunkte: 

1. Im allerersten Anfang ist strengstes Fasten notwendig, 
und auch später ist jedes Zuviel und alles Unzweckmässige in 
der Nahrung imstande, den Krankheitsverlauf bösartiger zu ge 
stalten. 

2. Hunger, auch partieller Hunger bei einseitiger Kohlen¬ 
hydratkost verschlimmert im weiteren Verlaufe den Zustand, sie 
ist oft mit schuld an der verlängerten Dauer desselben. 

3. Nach Beseitigung der akuten Ruhr sind vielfach die Ver¬ 
dauungsorgane so labil, dass sekundäre Störungen, z. B. auch 
motorische Insuffizienz des Magens, den Heilungsverlauf unter¬ 
brechen. 

Die ersten I—2 Tage mögen daher der alten Schleimdiät 
gewidmet sein, die man jedoch durch Analeptica, wie Fleisch¬ 
suppe (Fleischextrakt, guten Tee usw.), erträglicher gestalten 
kann. Beim Kinde sind nur die ersten 24 Stunden der Teediät 
gewidmet, und zwar auch dann nur solange, wenn das Kind nicht 
vorher ausgehungert ist. Dann aber verliert die Inanitionskur 
jeden Heilwert, und die Ernährung muss beginnen. 

Schädlich für den Verlauf der Ruhr ist alles, was einen 
langsameren Ablauf der Verdauung verschulden könnte, d. h. 
ausser gröberen Nahrungsbestandteilen das Fett. Ferner ist ein 
Uebermaass von gärungsfähigem Material, und zwar Zucker voll¬ 
ständig, von anderen Kohlenhydraten nur eben das Uebermaass, 
zu vermeiden. 

Als Nahrung aber braucht der Patient: 

1. die Mineralstoffe, die nötig sind, um die Verluste des Körpers 

zu decken. 

2. dasEiweiss in einer möglichst schnell zu absolvierenden Form, 

3. als Grundlage, aber nicht so ausschliesslich wie vielfach ge¬ 
schieht, die Kohlenhydrate. 

Die Salzzufuhr 1 ), die beim Säugling oft das Allerwichtigste 
der ganzen Behandlung ist, kann gedeckt werden durch die Molke 
der Milch, z. B. 500—GOO g Molke mit 300—400 g dickem Hafer¬ 
schleim, auf 4—5 Mahlzeiten verteilt. Dazu noch einmal Schleim 
oder gut gerührte Kartoffelsuppe mit Fleischextrakt oder Fleisch¬ 
suppe. Sehr zweckmässig ist auch die Buttermilch, namentlich 
bei den Mageninsuffizienzen des späteren Verlaufs, ln letzteren 
Fällen zweckmässig in 2—3 stündlichen kleinen Gaben, sonst in 
4—5 Mahlzeiten zu etwa 500 - 800 g pro die. Auf den Liter sind 

1 _ii/ 2 gehäufter Esslöffel Mehl oder am besten je 1 Esslöffel 

MehLund Näbr-Maltose oder Nährzucker hinzuzufügen. Ob Rohr¬ 
zucker ebenso harmlos ist, weiss ich noch nicht. Nicht zu ver¬ 
achten ist ferner mit der Fleisch presse frisch ausgepresster Fleisch¬ 
saft (2 mal täglich 50 g) und bei längerer Dauer der Krankheit, 
besonders bei Neigung zu Stomatitis etwas frisch ausgepresster 
ungezuckerter Fruchtsaft, z. B. Apfel- oder die Wormser unge- 
gorenen Traubensäfte 3 mal täglich 10—15 g. Unterstützt wird 
die Salzzufuhr sehr zweckmässig durch alkalisch-muriatiscbe 
Säuerlinge, aber namentlich auch durch den Wiesbadener Koch¬ 
brunnen (V* 1 pro Tag). Auch vergesse man nicht die Salzung 

der Speisen. , . 

Das Ei weiss ist in der Buttermilch, im Fleischsaft, ja auch 
in der Molke soweit genügend vorhanden, dass Zusatz von künst- 


1) Dosen für Erwachsene berechnet. 


liehen Präparaten den übrigen Bedarf zweckmässig decken kann. 
Es ist selbstverständlich, dass wir hierzu Dicht kostbare Präparate 
wählen. Uns liegt Plasmon am nächsten (1—2 gehäufte Teelöffel 
pro Mahlzeit), doch ist auch Tropon gewiss sehr brauchbar. Ich 
möchte aber hervorheben, dass fein zerschnittenes oder zermahlenes, 
fettfreies Fleisch auch beim jungen Kinde bei schwerer Rohr 
2 mal täglich in Dosen von 30 g einer Gries- oder Kartoffelsappe 
oder später dem Kartoffelbrei zugefügt, durchaus vertragen wird 
zu Zeiten, wo jede Milchzulage Störungen auslöst. Am 4. bis 
5. Tage kann man es fast jedem älteren Kinde gern gestatten. 

Von Kohlenhydraten verdient der Haferschleim, die Kar¬ 
toffel (selbstverständlich in feinst verteilter Form) und schliesslich 
der Weizen- oder Hafergries vor den chemisch reineren Mehlen 
wohl den Vorzug. Sobald Hunger- und Essbedürfnis eiotritt, ist 
der Zwieback, der möglichst trocken zu kauen ist, als Zulage zur 
Nahrung in recht langsam ansteigenden Dosen zu empfehlen. Wie 
erwähnt, ist der Kartoffelbrei als Zusatz zum Mittagessen (2 bis 
4 Esslöffel voll) sehr am Platze. 

Das Fett ist in genügenden Resten in der Buttermilch ent¬ 
halten. Auch die Molke ist in Wirklichkeit nicht absolut fett¬ 
frei. Die erste Fettzulage erfolgt zweckmässig als ein Teelöffel 
voll brauner, sorgfältig in Kartoffelbrei verrührter Butter. Doch 
hat man keine Veranlassung, sich in dieser Beziehung zu beeilen. 

Das Gleiche gilt vom Gemüse. Bei schwerer Rekonvaleszenz 
mag man sich des Friedentbal’scben Gemüsepulvers erinnern. 
Sonst warte man den Eintritt des normalen Stuhles ab. Gestattet 
ist jedoch das Mitkochen von 1 / 2 Pfund Mohrrüben auf 11 Fleisch¬ 
brühe. Die Mohrrüben werden nicht verabfolgt. 


Der Kriegssanitätsdienst in Berlin. 

(Fortsetzung.) 

III. 

Kriegsgefangenenlazarett Alexandrinenstrasse. 

Von 

Generaloberarzt Dr. Brettner. 

Am Eingang der alten Dragonerkaserne weht die Flagge des 
roten Kreuzes im weissen Feld. Hohe Akazien schauen über die 
Mauer, auf Pfeilern des Tores halten altersgraue Panter Wacht. 
Schutzleute mit Karabinern sperren den Bürgersteig. Die Fenster 
sind zur Hälfte weiss getüncht. Ein Garde-Landwehrmann mit 
aufgepflanztem Seitengewehr steht Posten. Statt der Garde- 
Dragoner Eskadron, die ins Feld gezogen ist, bewegen sich auf 
dem geräumigen Kasernenhof, einem Millionengrundstück Alt- 
Berlins, abgeschlossen vom Getriebe der Welt, Russen in bräun¬ 
lichen Felduniformen mit hoher schrägsitzender Mütze ohne 
Kokarde, io tadellosen hohen Schaftstiefeln; einzelne mit umge¬ 
hängten braunen Mänteln. Sie tragen Verbände am Kopf, den 
Arm in der Binde oder gehen auf Stöcke gestützt. 

Ein Kriegsgefangenenlazarett für 500 Verwundete. 

Im Jahre 1780 wurde die Kaserne unter Friedrich dem 
Grossen nach den neuesten Erfahrungen erbaut. Ein Mittelbau 
mit zwei Flügeln, im Erdgeschoss die Ställe, im Obergeschoss 
Mannschaftsräume und Unteroffizier-Familien Wohnungen, welchen 
sich an der Strasse Offizier- und Verwaltungszimmer, Wachtstube, 
Küche und Schmiede anschliessen. 

Durch den Torweg ritt der alte Zieten als Chef der 3. Husaren 
aus und ein. Die Familie von Zieten vermachte dem Staat das 
Grundstück bis zn dem Tage, an welchem die militärische Be¬ 
nutzung nicht mehr stattfinden würde. 

Am 26. August, 9 Uhr vormittags, erging der Befehl, die alte 
winklige Kaserne in ein modernes Lazarett umzuwandeln. 

In der Wachtstube, in welcher noch drei Dragoner a 
Kasernenwache lagen, befand sich das Telephon. Zunächst wur e 
die Unteroffizierfamilien veranlasst, sofort auszuziehen, dann 
Ersatzeskadron ersucht, Dunghaufen und lagernde Montierung® 
stücke abzufahren. Vom Arbeitsnachweis wurden 60 
frauen mit Besen und Eimern angefordert. Kasernenbettste 
blieben stehen. Inzwischen wurde die in der Nähe befind ic 
Volks-Speisehallen-Gesellschaft veranlasst, innerhalb 24 bwn 
für Verpflegung zu sorgen. Die Garnisonverwaltung l|? e 
250 Betten mit Strohsäcken und Bettzeug. Zur Vervollständigen g 
worden 150 Strohsackbezüge von der Firma Grünfeld angefor 


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12. Oktober 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1699 


und mit Dragonerstroll gestopft. Die sechs zur Behandlung be¬ 
stimmten Zivilärzte wurden einberufen, ebenso 24 Ersatzreserve¬ 
krankenwärter, die noch nie im Sanitätsdienst beschäftigt waren. 
Zur völligen Sicherstellung des Dienstes wurden Aerzte und 
Personal aus dem Reservelazarett Königstadt abkommandiert, 

Meldung an das Sanitätsamt: Am 27. August, 6 Uhr abends, 
steht das Lazarett für 500 Verwundete bereit. — — 

Wir schreiten über den geebneten Reitplatz, auf welchem vor 
kurzem noch der Sand in Staubwolken auf wirbelte, und von 
welchem Hürde und Sprunggraben verschwunden ist. Im süd¬ 
westlichen Flügel sind zu ebener Erde in dem Raum, in welchem 
sich vier Duschen befanden, vier neue Badewannen eingesetzt, in 
welchen an einzelnen Tagen 150 Bäder durch einen Bademeister 
der freiwilligen Krankenpflege verabreicht worden sind. Die 
übrigen Räume des Erdgeschosses, in denen sich Bozen und Ab- 
8onderungsställe befanden, waren zu Lazarettzwecken unbrauchbar. 
Nur ein Leichenöffnungsraum konnte dort eingerichtet werden. 
Die Treppe mit ausgetretenen Holzstufen führt zum Obergeschoss. 
Ein- und zweifenstrige kleine Stuben liegen an der Hofseite und 
münden in einem breiten Flur, der durch die hohen Wände der 
Nachbargebäude verdunkelt ist. 

Mit grosser Mühe ist es gelangen, ein Zimmer ausfindig zu 
machen, welches geeignet war, zum modernen Operationssaal um¬ 
gewandelt zu werden. Der vierfenstrige Raum hat einen weissen 
Emaillefarbanstrich der Wände und Decke erhalten und ist mit 
Linoleum belegt. Zwei Waschbecken, ein Ausguss, Gasglühlicht 
über dem Operationstisch ist angebracht. Das Zimmer war am 
fünften Tage vollständig fertig eingerichtet. 

In diesem Flügel sind Schwerverwundete, die noch transport¬ 
fähig waren, untergebracht, unter ihnen vier Offiziere, deren 
Zimmer ebenso ausgestattet sind wie die Mannschaftsräume. 
Ausser den schon vorhandenen Flurklosetts sind drei Klosetts 
neu eingebaut. An einem Ende des Flurs befindet sich ein 
grösseres Eckzimmer mit 30 Betten, welches unter dem Zwang 
der Verhältnisse während der ersten Wochen stark überlegt war. 
Doch hat der für den einzelnen Mann gering bemessene Luftraum 
keine Schädigung gebracht. Das andere Ende des Flurs war 
durch eine Montierungskammer gesperrt, so dass die militärische 
Bewachung unübersichtlich war. Erst nach Eingewöhnung der 
Gefangenen konnte die Wache von 42 Mann auf 6 Mann ver¬ 
mindert werden. 

Das Obergeschoss des gegenüberliegenden nordöstlichen 
Flügels hat die gleichen Räume, von denen drei kleine Zimmer 
als Verbandzimmer, ein viertes als Röntgenzimmer eingerichtet 
ist. Die Ställe sind hell, da ein Garten angrenzt. Durch die 
145 X 100 grossen Drehfenster an beiden Seiten ist sehr gute 
Lüftung zu erzielen. Es lag daher nahe, auch diese Räume zu 
Krankensälen zu benutzen. 

Nachdem der Dung entfernt war, reinigten Scheuerfrauen 
den Augiasstall. Durch starke Chlorkalkberieselung des Bodens, 
durch Zementausfüllung der Fugen zwischen den roten Ziegel¬ 
steinen, durch Tünchen der Wände, Decken und Pfosten wurde 
die Desinfektion so gründlich durchgeführt, dass nicht der leisteste 
Ammoniakgeruch mehr vorhanden war. Durch die gute Gegenlüftung 
und Belichtung während der sonnigen Tage war auch der Chlor¬ 
geruch sehr schnell beseitigt. Der Boden wurde im ganzen ge¬ 
dielt, nur in dem Stall rechts vom Eingang blieb wegen der 
hohen Kosten der Mittelgang umgedielt. Kammern und Vorrats¬ 
räume an beiden Enden des Flures wurden durch eine Bretter¬ 
wand abgeschlossen. Sechs Klosetts waren vorhanden, eiserne 
Oefen wurden anfgestellt. 

In Ermangelung von Bettstellen wurden die Leichtverwundeten 
auf Strohsäcken und Strohschüttung gelagert und mit Decken ver¬ 
sehen. Eine gesundheitliche Schädigung ist in keinem Falle 
entstanden. Die Leute fühlten sich sehr bald so behaglich, dass 
man den Eindruck hatte, dass die Mehrzahl von ihnen während 
ihres ganzen Lebens nicht so gut untergebracht war. Ein Unter¬ 
offizier hat den Wunsch ausgesprochen als Deutscher naturalisiert 
zu werden. 

Die Räume des Mittelbaues weichen nicht von denen der 
Seitenflügel ab. 

Die links vom Haupteingang liegende Küche mit vier Senking- 
schen Kesseln ist mit Hinzunahme eines Nebenraumes durch zwei 
Kessel ergänzt worden. Den Küchenbetrieb hat die Gesellschaft 
der Volksspeisehallen endgültig übernommen. 

Vier heizbare Kriegsbaracken mit je 30 Betten sind auf dem 
Hofe fertiggestellt. Die Anssenwände sind mit Teerpappe, die 
Innenwände sind mit grauer Pappe belegt, Wände und Decken 


weiss gestrichen. Ausser dem Krankensaal enthalten die 
Baracken einen Wärterraum, einen Baderaum mit einer Wanne 
und einen Anbau mit zwei Spülklosetts. 

Im ganzen sind 72 Oefen täglich zu heizen. 

Die Verwundeten waren von vier Feldschern, die unseren 
Sanitätsunteroffizieren entsprechen, begleitet. Sie trugen sehr gut 
eingerichtete Verbandtaschen und waren gut geschult. 

Die Verständigung mit den Russen war ohne Schwierigkeit 
herzustellen. Es fanden sich unter ihnen Leute aus den Ostsee¬ 
provinzen und jüdische Handlungsgehilfen, die neben russisch 
und polnisch auch deutsch verstanden. Ferner sind drei deutsche 
Herren als freiwillige Dolmetscher in dankenswerter Weise dauernd 
tätig. 

Die Mehrzahl der Gefangenen sind kräftige, ebenmässige 
Gestalten, blond mit blauen Augen, mit natürlicher Intelligenz, 
die wenig ausgebildet ist, und mit gutmütigem Gesichtsausdruck. 
In der Minderzahl tritt der schwarze Typus auf, der polnische, 
der russische Jude und der Südrusse. Vereinzelt finden sich 
Armenier, Grusinier und Tscherkessen. Sie sind sämtlich Infante¬ 
risten, unter ihnen nur ein Feldwebel und sechs Unteroffiziere. 
Das Alter schwankt zwischen 19—45 Jahren. Ihr Verhalten 
war dauernd ordnungsmässig. 


IV. 

Die ersten Wochen kriegschirurgischer Tätigkeit. 

Von 

Dr. William Levy. 

Am 3. September d. J. habe ich den Auftrag erhalten, den 
ordinierenden Aerzten des Kriegsgefangenen-Lazaretts Alexandrinen- 
strasse als Chirurg zur Seite zu stehen. In den wenigen Wochen 
unserer Tätigkeit haben Eindrücke auf uns eingewiikt, die kaum 
einer von uns vergessen wird. 

Zunächst die Erinnerung daran, wie das Lazarett eingerichtet 
und die Organisation seines umfangreichen und vielgestaltigen 
Dienstes geschaffen wurde. Dem Reservelazarettdirektor und dem 
Chefarzt war hier die nicht leichte Aufgabe gestellt, in Verbindung 
mit Zivilärzten, die aus ihrer Friedenstätigkeit plötzlich abgernfen 
waren und deren Arbeitsgebiet zum Teil der Chirurgie sehr fern 
lag — von unseren Kollegen ist der eine Neurologe, einer Derma¬ 
tologe, einer Histologe — in einem bisher als Kaserne benutzten 
alten Bau in wenigen Tagen ein Krankenhaus für 600 chirurgische 
Kranke einzuricbten. Und diese Anstalt konnte nicht allmählich 
| belegt werden; der grösste Teil unserer Kranken kam in zwei 
grossen Schüben. Zum Teil waren sie bereits in anderen Kranken¬ 
häusern versorgt; aber wenigstens die Hälfte kam unmittelbar 
vom Schlachtfelde mit dem ersten Verband; in der Kleidung, 
welche noch die Spuren des Blutes und der überstandenen 
Strapazen trug. 

Es waren unter diesen russischen Gefangenen Burschen von 
wildem trotzigen Aussehen, denen man wohl die Schandtaten an 
der Ostgrenze Zutrauen konnte; eine Auslese von all den Stämmen, 
welche den Koloss des Zarenreiches bilden: Armenier, Tartaren, 
Leute mit den vorstehenden Backenknochen und den schlitzförmigen 
Augen der Mongolen. Dem einen war das wollige schwarze Haar 
genau auf der einen Kopfhälfte mit der Maschine ganz kurz ge¬ 
schoren; die Grenze bildete die Pfeilnaht. Aus der Baderstube 
war er zum Militärdienst geschleppt, zum Kampf geführt und aus 
der Gefangenschaft zu uns gebracht worden. Wir sahen aber 
auch kräftige Menschen mit strammer soldatischer Haltung; be¬ 
trachtete man ihr kurz geschnittenes blondes Haar, sah man in 
die treuen blauen Augen — man konnte glauben, es wären Söhne 
unserer Mark. 

Und diese ganze aus vielen Stämmen zusammengebrachte 
Schar musste zunächst auf die Räume verteilt werden; sie musste 
gereinigt, gekleidet und ärztlich versorgt werden. Die Schwer¬ 
kranken mussten von den Leichtverletzten gesondert, die Verbände 
nacbgeseben werden. Sprechen konnten wir mit unseren Patienten 
kaum; nur wenige von uns verstauden einige russische Brocken. 
Es war ein Glück, dass unsere Verwaltung für die genügende 
Anzahl von Dolmetschern gesorgt hatte. 

Jetzt verläuft unsere Tätigkeit allmählich in ruhigeren 
Bahnen. Es muss einer späteren Zeit Vorbehalten bleiben, die 
Erfahrungen zu sichten, welche wir hier zu sammeln so reichlich 
Gelegenheit haben; die ärztlichen Beobachtungen wissenschaftlich 
zu verwerten und auch — was unserer Ansicht nach nicht ohne 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


Interesse sein wird — zu zeigen, in welcher Weise Aerzte und 
Verwaltung zusammen wirkten. 

Zunächst nur eine kleine Zahl kasuistischer Mitteilungen und 
einige kurze Bemerkungen über den ersten Verband. 


Abbildung 1. 



Abbildung 3 a. 



Ich sah Verwundete, denen die Verbände nach allen Regeln 
der Kunst angelegt waren. Reichlich Tupfer auf den Wunden, 
darüber die Verbandwatte und zuletzt die Binden. Ein Teil der 
Verbände war gelockert und verschoben, einige Wunden waren 
ungeuügend bedeckt und eiterten. 


Und dann sah ich Verwundete — nun, ich batte von ihren 
Verletzungen in kriegschirurgischen Schriften schon so manches 
gelesen, aber doch — ich war zunächst überrascht. 


Abbildung 3 b. 



Vor mich hin tritt in strammer Haltung Arsen W. (Kapers g • > 
aufgenommen am 31. August 1914. Auf Abbildung 1 wt^bei 
durch Kohlenstriche die rechte und linke 12. Rippe bezeichn , 
der rechte Darmbeinkamm, bei d siebt man die Wunde, aie ^ 
zuvor durch einen Bajonettstich erhalten hat; sie ist nur 


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Nr. 41. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


V. 

lieber Schussverletzuiigcn von (»ehirnnerven. 

Von 

Dr. E. Froehliih, 

Stationsarzt am Kriogsgofangenenlnzarett Alexandrinenhlrasse. 

Das moderne, kleinkalibrige Geschoss setzt auch an einem 
so empfindlichen Teil wie das Gehirn heute in vielen Fällen nicht 
mehr so schwere Verletzungen, wie man in früheren Kriegen be¬ 
obachtet hat. Es ist keine Seltenheit, dass durchdringende 
Schädelschüsse genau so reaktionslos verlaufen wie durchdringende 
Brust- und Bauchschüsse. Eine Verbesserung hat die Prognose der 
Gehirnverletzungen durch Geschosse auch noch durch die früh¬ 
zeitige Trepanation erfahren: Drucksteigerung und Haematome 
werden dann eben nach den neueren Prinzipien behandelt, die 
man bei Betriebsunfällen den Kopftraumen gegenüber zur An¬ 
wendung bringt. Wenn auch die danebengehende Chokwirkung 
hier wie dort die gleiche ist, ist man doch im Felde zu be¬ 
sonders schnellem Handeln verpflichtet und kaun oft nicht 
warten, bis der Kranke in das nächste grössere Lazarett gelangt 
ist. Gewehrschüsse werden freilich etwas seltener Drucksteige¬ 
rung verursachen als Betriebsunfälle, es sei denn, dass sie eine 
grössere intracranielle Blutung gesetzt haben. Im Gewerbebetriebe 
pflegt die Wucht des Anpralls seitens desjenigen Gegenstandes, 
welcher das Trauma setzt, ein ungleich heftigerer zu sein. Darum 
gehört auch bei Schädelschüssen die Spätapoplexie entschieden 
zu den Seltenheiten, Häufiger hingegen finden sich Brüche des 
Schädelgrundes, welche durch ihren Sitz und die ausgelösten 
Folgen einiges Interesse beanspruchen. 

Herr Geheimrat Settegast hatte die Freundlichkeit, in den 
drei unten beschriebenen Fällen die Röntgenaufnahmen zu machen. 

Die beobachteten Fälle bieten bei erheblich voneinander ab¬ 
weichenden Schusskanälen einen ähnlichen Syraptomenkoraplex. 

Fall 1 betrifft einen 27 Jahre alten russischen Infanteristen. Ueber 
den Hergang der Verletzung vermag er nichts weiter anzugeben, als 
dass ihn beim Laufen ein Gewehr- oder Scbrapnellschuss aus ihm unbe¬ 
kannter Entfernung von vorn in die rechte Backe traf (Abbildung 1). 


Abbildung 1. 



Er fiel sofort um und will etwa b Minuten bewusstlos gelegen haben. 
Die Wunde soll sehr stark geblutet haben, und er bemerkte sofort, dass 
er auf dem rechten Auge nicht sehen konnte. Auf dem Felde vom Feld¬ 
scher verbunden, kam er nach dreitägiger Bahnfahrt mit diesem Verband 
in ein Berliner Lazarett, wo der Verband erneuert wurde; nach 4 Tagen 
kam er mit diesem Verband zu uns. Bei seiner Aufnahme 9 Tage nach der 
Verletzung erhob ich folgenden Befund, der bis auf die PupillenstöruDg un¬ 
verändert geblieben ist: Die rechte Pupille warmittelweit, rund, licbtstarr; 
die Bindehaut stark geschwollen und gerötet, eitrig belegt. Die Bindehaut¬ 


entzündung schwand bald, die Pupillenreaktion ist jetzt regelrecht. 
Bindehaut- und Hornhautrefiex sind aufgehoben. Die Untersuchung mit 
dem Augenspiegel ergibt rechts eine völlig weisse Papille. Finger¬ 
zählen ist nicht möglich. Die Augenbewegungen sind frei. Zeitweise 
tränt das Auge stark. Bei der Aufnahme klaffte die Oberkieferhöhle 
weit, aus der Tiefe quoll reichlich Eiter, eine Fortsetzung des Schuss¬ 
kanals war nicht zu sehen. In der Folge schloss sich das Antrum, 
unter Nachlassen der Eiterung, auffallend schnell. Die Zahnreihen 
konnten anfangs etwa nur 2 cm auseinander gebracht werden; auch dies 
ist mit der Zeit besser geworden. Unverändert hingegen sind Verände¬ 
rungen im Gebiete des 7. und 8. Gehirnnerven, betreffs deren sich 
beute wie damals folgendes ergab: Der rechte Facialis ist in allen 
drei Aesten völlig gelähmt, Lidschluss unmöglich, der Augapfel 
geht in typischer Weise nach oben. Das Zäpfchen steht gerade, die 
Zunge wird gerade herausgesteckt. GescbraackempfioduDg an sich ist 
auf der Zunge vorhanden, nur wird sauer und süss verwechselt. Die 
Sensibilität ist an der Zunge, wie auch sonst an der rechten Kopfseite, 
intakt. Der Geruch ist links fast aufgehoben, rechts normal, links er¬ 
folgt bei dieser Prüfung Augentränen, rechts nicht. Flüstersprache wird 
rechts nur nahe dem Ohr und undeutlich wahrgenommen, links in nor¬ 
maler Weise. Der Processus mastoideus ist nicht klopfempfindlich. 
Stimmgabelprüfung ergibt eine Aufhebung der Knochenleitung nach links. 
Der Kranke hat wenig Beschwerden, er klagt nur über etwas Ohren¬ 
sausen. 

Das Röntgenbild zeigt einen kleinen Granatsplitter, der in der Höhe 
der Orbita liegt, anscheinend nach hinten zu an der Schädelbasis. 

Wir finden also eine einseitige Verletzung des gleichseitigen 
Opticus, Facialis, Acusticus (Olfactorius?). Ich hatte klinisch 
angenommen, dass das Geschoss durch die Orbita in den Schädel 
eingedrungen ist, hierbei den Opticus durchtrennt hat und dann an 
der Basis Acusticus und Facialis streifte. Das Röntgenbild stützte 
diese Auffassung. Ein operativer Eingriff dürfte in funktioneller 
Hinsicht somit wenig erfolgversprechend sein. 

Fall 2 und 3 betreffen Bruchschüsse des Felsenbeins. 

Fall 2 hat den Einschuss an der liuken Oberlippe in Hphe des 
Mundwinkels, den Ausschuss dicht hinter der Ohrmuschel. (Abbildung 2.) 
Es handelt sich um einen Gewehrschuss, Patient wurde in liegender 

Abbildung 2. 





Stellung aus 200 m getroffen. Er hatte keine Ohnmacht, nur sofort ein 
Rauschen im Kopf, das so stark war, dass er den Lärm der Schlacht 
nicht mehr hörte. Die Wunde blutete stark, ob auch eine BlutuDg aus 
dem Ohr erfolgte, vermag er nicht anzugeben. Das heftige Ohrgeräusch 
hielt 24 Stunden an, die linke Backe schwoll unförmlich. Nach Anlegung 
eines Notverbandes durch den russischen Feldscher erhielt er schon 
x /< Stunde darauf einen festen Verband auf dem deutschen Verbandplatz. 
Mit diesem Verband kam er nach 3 tägiger Bahnfahrt nach einem Berliner 
Lazarett, der Verband wurde dort gewechselt und nach weiteren 5 Tagen 
kam Pat. zu mir. Bei seiner Aufnahme, 9 Tage nach der Verletzung, 
konnte Pat. den Mund nur ganz wonig öffnen. Er klagte über links¬ 
seitigen Kopfschmerz und Schwindelgefübl beim Bücken. Die Pupillen 
waren reizfähig, Conjunctival- und Corneralreflexe erhalten. Der Ui- 
Schluss war links bedeutend besser wie rechts. Der erste Ast aes 


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32. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Facialis war ein wenig schwächer wie rechts, die vom zweiten Ast ver¬ 
sorgten Muskeln blieben unbeweglich, der linke Mundwinkel hängt, die 
Nasolabialfalte ist verstrichen. Die Sensibilität ist links an der Stirn 
erhalten, an Backe und Nase aufgehoben, am Kinn herabgesetzt. Der 
Geruch ist links deutlich herabgesetzt, rechts normal. Der Geschmack 
ist ungestört, die Zunge wurde gerade herausgesteckt. Laute Sprache 
wird links in 1 m Entfernung gehört, Flüstersprache gar nicht. Rechts 
sind die Verhältnisse normal. Die Knochenleitung ist links aufgehoben. 
Auch dieser Fall blieb während der Beobachtung unverändert, nur hört 
Patient heute auch laute Sprache nicht mehr mit dem linken Obr. Am 
Röntgenbild ist der Verlauf des Schusskanals nicht zu erkennen. 

Klinisch nehmen wir an, dass der Schuss schräg durch das 
Felsenbein gegangen ist und Facialis und Acusticus in ihrem 
Verlauf direkt verletzt hat. Somit bietet auch dieser Fall keine 
Aussicht auf Besserung. 

Fall 3 betrifft eine Gewehrschussverletzung, der Einschuss befindet 
sich direkt unter dem rechten Processus mastoideus, ein Ausschuss ist 
nicht vorhanden (Abbildung 3). Der Patient bekam den Schuss im 
Liegen aus ihm unbekannter Entfernung. Er wurde sofort ohnmächtig, 


Abbildung 3. 



die Ohnmacht soll eine Stunde angebalten haben. Es erfolgte eine 
Blutung aus dem rechten Nasenloch, Mund und Ohr, Patient bekam 
heftigen Schwindel, kein Erbrechen. Die Wunde wurde vom russischen 
Feldscher nicht verbunden, weil Pat. noch eine andere Wunde hatte 
und das Verbandmaterial nicht ausreichte. Nachdem Pat. 2 Tage auf 
dem Feld verbracht hatte, erhielt er im Feldlazarett einen Verband, 
mit dem er nach 3 tägiger Eisenbahnfahrt zu uns kam. Bei seiner 
Aufnahme 5 Tage nach der Verletzung hatte Patient kaum Klagen, 
erst nach weiteren 10 Tagen stellte sich Kopfschmerz und Ohrensausen ein. 

Die Untersuchung ergibt Lähmung aller drei Aeste des Facialis, 
Unvermögen, das rechte Auge zu schliessen, zu pfeifen usw. Die Sen¬ 
sibilität ist intakt. Das Gehör auf dem rechten Ohr ist völlig auf¬ 
gehoben, Geruch und Geschmack sind normal vorhanden, ebenso be¬ 
stehen keine Störungen seitens des Auges, des Conjunctival- und Cor- 
nealreflexes. 

Das Röntgenbild zeigt ein Gewehrgeschoss in Höhe des Warzen¬ 
fortsatzes im knöchernen Schädel. 

Klinisch wurde ein Schuss quer durch das Felsenbein mit 
direkter Verletzuung von Facialis und Acusticus angenommen, 
das Geschoss an einer Stelle, wo lebenswichtige Organe nicht in 
Frage kommen. Das Röntgenbild stützte diese Annahme. Auch 
hier trat während der Beobachtung keine Aenderung im Befinden 
und im Symptoraenkomplex auf. Wie die beiden andern Fälle 
ist auch dieser in funktioneller Hinsicht als prognostisch un¬ 
günstig anzusehen. Ein chirurgischer Eingriff war nicht ange- 
*e!gt. Ueber periphere Nervenverletzungen wird später berichtet. 


Ueber einen Fall von geheilter Uterovesicalfistel 
mit abdominaler Exstirpation des Uterus. 

Von 

Dr.’med. W. Nagel, 

a. o. Professor an der König!. Universität zu Berlin. 

(Nach einem am 10. Juli 1914 in der geburtshilfl. Gesellschaft zu Berlin 
gehaltenen Vortrage.) 

Am 29. November 1913 suchte die 48jährige Frau X. mich auf und 
machte folgende Angaben: 

Sie hat viermal geboren, zuletzt am 13. Juli 1913, während die 
vorletzte 6 Jahre vorher stattfand. Zwölf Stunden nach Wehenbeginn 
spraDg die Fruchtblase, 24 Stunden später erfolgte die Geburt. Während 
der Geburt wurde ein Fibrom gefühlt, und da dasselbe nach Ansicht des 
Arztes ein Hindernis bildete, wurde die Geburt mittels Zange beendet. 
Das Kind war vorher abgestorben. Ueber den Stand des Kopfes zur 
Zeit der Operation vermag ich nichts anzugeben. Das Becken ist jedoch 
nicht verengt, indem die Dist. spin. 26 cm, Dist. crist. 28 cm, Dist. 
troebant. 30 cm, die Conjugata externa 20 cm betragen. 

Der Verlauf des Wochenbettes war fieberfrei und Patientin stand 
am 14. Tage auf. 

Sechs Tage post partum fing Patientin an, viel Flüssigkeit durch 
die Scheide zu verlieren, während sie gleichzeitig die Fähigkeit verlor, 
Urin auf natürlichem Wege zu entleeren. Der Harnfluss hielt die ganze 
Zeit ununterbrochen an und bestand noch, als ich die Patientin zum 
ersten Male am 29. November 1913 sah. Ich fand den oberen Teil der 
Scheide voll ausgedehnter narbiger Schwielen und ringförmig verengt. 
Dicht hinter dieser Stenose, welche die Fingerspitze gerade durchliess, 
fühlte man den äusseren Muttermund. Der Uterus lag leicht antevertiert, 
war vergrössert, derb und zeigte oben rechts am Fundus einen pflaumen¬ 
grossen Knollen. Es erwies sich als ganz unmöglich, die Fistel zu Ge¬ 
sicht zu bekommen. Da die Blase vorübergehend sich genügend anfüllen 
liess, gelang indes die cystoskopische Untersuchung. Man sah deutlich 
unterhalb beider Uretermüodungen, die etwa 5mm weite, trichterförmige 
Oeffnung, durch welche ein Ureterkatheter geschoben wurde, bis er auf 
Widerstand stiess. Von der Scheide aus war der Katheter weder sicht¬ 
bar noch fühlbar. Durch Einführung der Uterussonde bis zum Fundus 
uteri überzeugte ich mich, dass der Katheter im Cavum uteri lag: 
somit war die Diagnose Uterovesicalfistel gesichert. 

Uterovesicalfisteln sind nach Neugebauer 1 ) nicht selten. 
Er stützt sich dabei auf eine Serie von 165 Fällen, welche er 
teils mit seinem Vater beobachtet, teils aus der Literatur gesammelt 
hat. Da diese 165 Fälle aber über ca. 100 Jahre und über die 
ganze Welt sich verteilen, so muss man, im Gegensatz zu Neu- 
gebauer die Läsion als ziemlich selten betrachten, zumal mehrere 
von seinen Fällen Blasen Cervix-Scbeidenfisteln sind. Hiermit 
steht im Einklang, dass grosse Sammelwerke der Gynäkologie 
die Uterinfisteln nur ganz beiläufig erwähnen, und dass die Ver¬ 
öffentlichung neuer Fälle nur spärlich und in grossen Zwischen¬ 
räumen erfolgt. 

Seit der grossen Arbeit von Neugebauer sind von Knipe 2 ), 
Weber 3 ) und Elischer 4 ) je einer, von v. Herff 5 ) zwei, von 
Young 6 ) drei Fälle beschrieben. Uterovesicalfisteln mögen in 
Wirklichkeit etwas häufiger Vorkommen, werden aber, wie 
Michaelis 7 ) und Litzmann 8 ) bereits betont haben, nicht dia¬ 
gnostiziert und heilen spontan im Wochenbett. Unter Neu- 
gebauer’s Fällen kam Selbstheilung 12mal vor. 

Die Ursache ist am häufigsten in einer Quetschung der 
vorderen Weichteile während einer lang dauernden Geburt bei 
nicht genügend retrahierter Cervix zu suchen, viel seltener, wie 
in dem einen Fall von Knipe und in den 3 Fällen von Young, 
in einer Zerreissung infolge künstlicher Entbindung. Die meisten 
Uterovesicalfisteln werden ursprünglich eine viel grössere Aus¬ 
dehnung gehabt haben; Emm et erklärt sie als unvollkommen 
geheilten Rest ausgedehnter Blasenscheidencervixrisse. Zugunsten 


1) Neugebauer, F. L., Kasuistik von 165 Vesicouterinfisteln usw. 
Arch. f. Gynäk., Bd. 33, 34 u. 35. 

2) Knipe, Vesico-Uterinfisteln. American Journal of Obstetrics, 1908. 

3) Weber, Diagnose und Therapie der Harnblasen-Cervixfisteln. 
Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in 
St. Petersburg, 1899; siehe: Mschr. f. Geburtsh. u. Gynäk., Bd. 10. 

4) Elischer, Fistula vesico-utero-vaginalis. Mschr. f. Geburtsh. u. 
Gynäk., Bd. 11. 

5) v. Herff, Zur Behandlung der Blasen-Gebärrautterfisteln. Zschr. 
f. Geburtsh. u. Gynäk., Bd. 22, u. mediz. Gesellschaft zu Basel, 5.März 1903. 
Mschr. f. Geburtsh. u. Gynäk., Bd. 18. 

6) Young, Three cases of uterine vesico-vaginal fistula. Boston 
medic. and surgic. Journal, 24th Oct. 1912. 

7) G. A. Michaelis, Das enge Becken. Herausgegeben von Litz¬ 
mann, 2. Aufl., Leipzig 1865. 

8) C. C. Th. Litzmann, Die Geburt bei engem Becken. Leipzig 1884. 

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UMIVERSITY OF IOWA 







1704 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


dieser Ansicht spricht das reichlich feste Narbengewebe, welches 
man, wie auch in meinem Falle, im oberen Teil der Scheide 
findet. 

Die dorch Quetschung mit nachträglicher Gewebsnekrose 
entstandenen Fisteln machen sich erst nach einigen Tagen be¬ 
merkbar, die durch Zerreissung entstandenen aber sofort. Weil 
der Harnfln8s erst am 6. Tage eintrat, und mit Rücksicht auf 
die ausgedehnten Vernarbungen führe ich in meinem Fall die 
Entstehung der Fistel auf Gewebsnekrose und nicht auf die 
Zangenoperation zurück. 

Da man im Wochenbett selbstredend jede eingehende Unter¬ 
suchung vermeidet, so ist die Diagnose der Uterinfistel zunächst 
unmöglich. Nach Ablauf des Wochenbettes geschieht der Nach¬ 
weis der Fistel, dank der Cystoskopie, heutzutage bedeutend 
leichter als früher, wo man auf die Milcheinspritzung allein an¬ 
gewiesen war, und dürfte keine Schwierigkeit bereiten. 

Was die Therapie betrifft, so kommt, obwohl Neugebauer 
über 15 Heilungen nach ein- oder mehrmaliger Aetzung berichtet, 
wohl heute nur die operative Behandlung in Betracht. Bei 
Zerreissungen infolge künstlicher Entbindung kann man n&Qh 
dem von Michaelis gegebenen Beispiel die Oeffnung sofort ver¬ 
nähen. Knipe operierte mit Erfolg 24 Stunden nach der Gehört. 
Bei den infolge Drucknekrose entstandenen wartet man, bis die 
Vernarbung sich vollzogen hat, aber nicht länger, damit keine 
Schrumpfung der Blase eintrete. 

Von den operativen Eingriffen wurden früher 3. der blutige 
Verschluss des Muttermundes und 2. die Anfrischung und 
Naht der Fistel mit oder ohne Spaltung des Collum bevorzugt. 

In Neugebauer’s Fällen ist das erstgenannte Verfahren, 
die Metrokleisis, 48mal angewendet mit 37 Heilungen, die 
blutige Nabt 58mal mit 48 Heilungen. 

Die Metrokleisis ist heute gänzlich verlassen; in ver¬ 
zweifelten Fällen von Blasen-Cervix-Scheidenfisteln, wie in dem 
von Elischer, mag jedoch die Kolpokleisis angebracht sein. 

Die unmittelbare Anfrischung des Fistelrandes und Nabt, die 
von dem älteren Neugebauer weiter auRgebildet und besonders 
geübt wurde, findet noch ihre Verteidiger, sie bat aber dem von 
Follet 1 ) (1886), Wölffler 2 ) (1887) und Champneys 3 ) (1888) 
unabhängig voneinander angegebenen Verfahren den Platz räumen 
müssen. Von den jüngeren Autoren operierten Knipe, Weber, 
Yonng (in einem Fall) und v. Her ff in dieser Weise und zwar 
mit Erfolg. 

Die Champneys-Follet’sche Operation besteht darin, dass 
die Blase in ähnlicher Weise wie bei vaginaler Exstirpation des 
Uterus von der Cervix abpräpariert wird, bis die Fistel gut zu- 
gängig geworden. Hiernach werden beide Oeffnungen für sich 
vernäht. 

Follet erweiterte mit einem Dilatator die Harnröhre, um 
einen Finger in die Blase einzufübren behufs Hervordrängens der 
Fistel; infolgedessen litt die Patienten 7 Wochen lang an In- 
continenz. Die Scbeidenwunde liess er offen. 

Wölffier operierte in ähnlicher Weise wie Follet, jedoch 
betraf sein Fall eine Blasen-Cervix-Scheidenfistel; die Scheiden¬ 
wunde liess er ebenfalls offen. 

Champneys zog mittels Hakenzange die Portio abwärts 
und trennte die Blase von der Cervix bis jenseits der oberen 
FistelgreDze; er näbte beide Oeffnungen mit Silber, empfahl jedoch 
für die Zukunft Seide oder Catgut. Die Scheidenwunde wurde 
in ihrer alten Lage vereinigt, indem die Scheide au die Portio 
angenäht wurde, und deshalb bedeutet die Methode Champneys 
• einen Fortschritt. 

v. Herff hat Champneys Methode modifiziert, indem er, 
um eine Nekrose der Blasenwand zu vermeiden, eine dünne 
Schicht Cervixgewebe an der Blase sitzen liess. Die Cervixwnnde 
wurde sowohl von dem Cervicalkanal wie von der Scheide aus 
genäht. Die Scheidenwunde nähte v. Herff nicht an ihrer alten 
Stelle, sondern vereinigte sie näch Art der Kolporrhaphia anterior. 

Erwähnen möchte ich noch, dass Herrn an 4 ) rät, die Oeffnung 
in der Cervixwand nicht zu schliesseD; in dieser Weise hatte 
Wölf fl er schon operiert. 

Im Gegensatz zu Young glaube ich, dass das Verfahren von 
Champneys den Vorzug verdient, und englische und amerikanische 


1) Follet, Revue de Chirurgie 1886, citiert bei Neugebauer. 

2) Wölffier, Oest. Aerztl. V. Ztg. 1887, citiert bei Neugebauer. 

3) Champneys, A new Operation for the eure of vesico-uterine 
listula. Transact. of the Obstetrical Society, London, 3. Oct. 1888. 

4) G. E. Herrn an, Diseases of women. London 1903. 


Autoren, wie Herman und Howard Kelly 1 ) empfehlen es als 
rationell. 

In meinem Fall war es des ausgedehnten und festen Narben- 
gewebea wegen absolut unmöglich, irgendeinen Heilnngsversuch 
der Fistel von der Scheide aus zu machen. Ich wäre, wenn ich 
von nnten operiert hätte, auf die Kolpokleisis angewiesen gewesen 
und hielt 69 deshalb für rationell, den Uterus per laparatomiam 
zu entfernen und die Fistel von der Bauchhöhle aus zu vernähen. 
Sollte die Heilung der Fistel misslingen, so würde man sie 
später doch ganz sicher von der Scheide ans erreichen können. 
Das kleine Fibrom beeinflusste mein Handeln nicht, es war ledig¬ 
lich mit Rücksicht auf die Schliessung der Fistel, dass ich den 
Uterus zu exstirpieren vorschlug. Ich war mir der Gefahr der 
Laparatomie wohl bewusst, aber ich hielt es »für möglich, die 
Bauchhöhle während der Operation gut abzuschHessen, so dass 
eine Ueberschwemmung mit Urin vermieden werden konnte. Nach 
mehrtägiger desinfizierender Spülung von Scheide und Harnblase 
führte ich am 9. Dezember 1913 die abdominale Totalexstirpation 
in typischer Weise aus. Die Loslösung der Blase von der Cervix 
geschah zuletzt, das Narbengewebe im Scheidengewöibe wurde 
nachträglich exzidiert, die Fistelöffnung mit Jodcatgut vernäht 
and die Blasenwand, ebenfalls mit Jodcatgut, über die Fistelnaht 
zusammengerafft. Die beiden Peritoneal lappen wurden hierauf 
sorgfältig miteinander vernäht, nachdem Doch ein Gazestreifen 
nach der Scheide bin als Drain eingelegt worden war, und so¬ 
dann die Bauchwunde in üblicher Weise geschlossen. 

Der Dauerkatheter verursachte grosse Beschwerden, die Patientin 
lag sehr unruhig, so dass es unmöglich war, die Blase za drainieren. 
Bald nach Entfernung des Gazestreifens (am 4. Tag Dach der 
Operation) fing der Harnfluss wieder an. Nach Verheilung der 
Wunde, die ohne sonstige Störung von statten ging, war die jetzt 
bedeutend kleiner gewordene, etwa zwei Millimeter weite Fistel 
gut zugängig, oben in der Scbeidennarbe, etwas nach links von 
der Mittellinie. Am 17. Februar dieses Jahres habe ich die typische 
Fisteloperation gemacht, indem ich den Rand anfrischte und die 
Oeffnung mittels Silkwormgut vernähte. Diesmal hielt die Naht, 
die Fistel heilte per primam. Vier Wochen nach der Operation 
entfernte ich die lang gelassenen Silkwormfäden; die Blase funk¬ 
tioniert regelrecht, der Urin ist klar and von normaler Beschaffen¬ 
heit, so dass die Patientin jetzt vollkommen gesund ist. 


Aus dem poliklinischen Institut für innere Medizin 
der Universität Berlin (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. 
Goldscheider). 

Ueber wahren Knochen im Auswurf. 

Von 

Dr. Kretschmer, 

Assistent des Institutes. 

Das Vorkommen wahren Knochens im Sputum dürfte nach 
der mir vorliegenden Literatur änsserst selten sein. Io Eulen- 
burgs Realenzyklopädie IV. Auflage ist erwähnt: „Knorpelstuck- 
chen und Knochenstückeben im Sputum bei Caries des knorpeligen 
und verknöcherten Gerüstes der Trachea und des Kehlkopfes“. 
Sonst dürfte Fried reich 2 ) der einzige sein, der bisher über 
körpereigenen wahren Knochen im Auswurf berichtet bat. Er 
sagt in seiner Mitteilung, dass Biermer in der Lehre vom Aus¬ 
warf 1855 nichts davon erwähnt. Ich habe die mir zugängliche 
Literatur auf weitere Berichte über Knochen im Auswurf durch¬ 
gesehen, aber weder in medizinischen noch in chirurgischen Werken 
einen weiteren Fall seit Fried reich gefunden. Zu Verwechslungen 
mit echten Knochen könnten expektorierte Lungensteine führen, 
die bekanntlich dnreb Verkalkung von fibrös verhärtetem Lungen- 
gewebe oder von eingedicktem Cavemeninbalt entstehen. Nach 
Aschoff können die Lungensteine auch Verknöcherungen zeigen. 
Im allgemeinen wird es sich bei der Expektoration von ver¬ 
knöcherten Lungensteinen nur um ein vereinzeltes Vorkommnis 
bandeln, während in dem Falle von Friedreich und dem nach¬ 
her zu beschreibenden Falle die Expektoration von Knochenstück¬ 
chen wochenlang andauerte. 

In dem Falle Friedreichs handelte es sich um ainen 
14jährigen Knaben, der seit 7 Jahren kyphotisch war und seit 

1) Howard Kelly, Operative Gynecology. London 1898. 

2) Virchow’s Arch., Bd. 30. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




12. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1705 



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4 Jahren an zunehmender Abmagerang and Husten litt. In dem 
schleimig-eitrigen mitunter blutigen Auswurf sollten häufig Knochen- 
stfickchen gewesen sein. Die Untersuchung ergab eine grosse 
Caverne im rechten überlappen, rechtsseitiges pleuritiscbes Ex¬ 
sudat, in der linken Lungenspitze Infiltration und Bronchitis. 
Ausserdem Nachtschweisse und Durchfall. Kyphose der letzten 
Halswirbel und der 4 ersten Brustwirbel, die bei Druck schmerz¬ 
haft war. Während des Aufenthaltes im Spital wurden häufig 
bis erbsengrosse spongiös-cariöse Knochenbröckel ansgehustet, die 
sich auch mikroskopisch als echter Knochen erwiesen. 

Ein im poliklinischen Institut kürzlich beobachteter Fall 
dürfte wegen der grossen Seltenheit allgemeines Interesse ver¬ 
dienen. 

K. W., Handelsmann, 31 Jahre. Pat. stellte sich zum ersten Male 
Mitte April d. J. in der Poliklinik vor und zeigte mehrere kleine Stücke 
spongiösen Knochens, die er seit längerer Zeit ausgehustet habe. 

Vorgeschichte: Keine Kinderkrankheiten, verlor durch einen Un¬ 
fall an einer Dreschmaschine als Kind den rechten Arm. Mit 18 Jahren 
Gonorrhoe, durch Infektion am rechten Auge erblindet. Mitte Oktober 
1913 erkrankte er mit Fieber, Schwäche und Schmerzen im Rücken. 
Er wurde am 21. X. 13 in das Krankenhaus Moabit aufgenommen und 
dort bis 26.1. 14 behandelt. 

Nach der mir vorliegenden dortigen Krankengeschichte wurden bei 
ihm zunächst die Symptome einer rechtsseitigen Pleuritis, Dämpfung und 
abgeschwächtes Atmen rechts hinten unten festgestellt. Eine Punktion 
am 23. X. ergab leicht getrübtes seröses Exsudat. Wegen des stark 
remittierenden Fiebers entstand der Verdacht auf ein Empyem-, noch¬ 
malige Punktion an verschiedenen Stellen war ohne Erfolg, Bald darauf 
trat massenhaftes rein eitriges geballtes Sputum auf, in dem elastische 
Fasern nachgewiesen wurden. Pat. klagte bald darauf über Schmerzen 
in der Wirbelsäule. Am 27. XI. wurde in der Gegend des 11.—12. Brust¬ 
wirbels eine gibbusartige Vorwölbung festgestellt, die allmählich stärker 
hervortrat. Am 17.1. wurden zum ersten Male einige Knochenstückeben 
ausgebustet. Mikroskopisch erwiesen sich dieselben als Spongiosa mit 
geringen entzündlichen Veränderungen. Seit dem 28. XII. wurde Pat. 
mit Glisson'scber Schlinge behandelt und am 26.1. auf Wunsch ent¬ 
lassen. Die Diagnose wurde auf Lungenabscess mit Usur von Wirbel¬ 
körpern gestellt. 

Wegen dauernder Schmerzen und blutigen Auswurfs, mit dem häufig 
kleine Knochenfragmente entleert wurden, suchte er die Poliklinik auf 
und liess sich dann auf unseren Rat am 1. V. d. J. in die stationäre 
Abteilung aufnehmen. 

Status: Mittelgrosser kräftiger Manu in gutem Ernährungszustand. 

Amputationsstumpf des rechten Armes. Rechtes Auge erblindet. 

Haut blass, Schleimhäute gut durchblutet. 

Spitzwinkliger Gibbus der Wirbelsäule entsprechend dem 12. Brust- 
and 1. Lendenwirbel, bei Druck und Beklopfen schmerzhaft. ' 

Lungen: rechts hinten unten ca. handbreite Dämpfung und ab¬ 
geschwächtes Atmen, keine Rasselgeräusche. Die übrigen Lungen¬ 
teile o. B. 

Geringer eitriger geballter Auswurf. Tbc. o. 

Herz nicht vergrössert, Töne rein. 

Bauohorgane o. B. 

Nervensystem: Motilität und Sensibilität intakt. Patellarreflei leb¬ 
haft, kein Babinski, Bauohdeckenreflex nicht auszulösen (schlaffe Bauch¬ 
decken). 

Urin: Alb.-Spuren. Sacch. o. 

Röntgenaufnahme: Schatten in den untersten Abschnitten der rechten 
Lunge. Die Wirbelsäule ist in den fraglichen Teilen vom Zwerchfell 
bezw. Leberschatten verdeckt, so dass über Ausdehnung der Wirbelcaries 
kein Urteil zu gewinnen ist. 

5. V. Im Sputum ab und zu etwas Blut und kleine Knochenfragmente. 
Mikroskopisch Spongiosa mit Kokken und leichten Entzündungserscbei- 
nungen. 

Therapie: Streckung in Glisson’scher Schwebe. 

10. V. Ab und zu starkblutiges Sputum mit Knochenstückchen, 
dabei starke Schmerzen. 

30. V. In der letzten Nacht Haemoptoe. Es wurden ca. IV 2 Sputum¬ 
gläser flüssiges hellrotes Blut entleert, dabei ein grösseres Knochen¬ 
stückchen. 

2. VI. Kein Blut mehr im Auswurf. 

12. VI. Der Gibbus ist etwas flacher und nur noch wenig schmerz¬ 
haft. Pat. hat IV 2 Kilo zugenommen. Auf Wunsch entlassen, soll ein 
orthopädisches Korsett tragen. 

Anfang Juli stellte sich Pat. wieder vor. Das Korsett war ihm von 
der Armenverwaltung noch nicht geliefert worden. Aeussere Umstände 
zwangen ihn etwas zu arbeiten, er hustete seitdem wieder Blut und 
häufig Knoohenstüokchen aus. 

Während unserer Beobachtung hustete er im ganzen ca. 20 Knochen¬ 
stückchen aus von der Grösse eines Stecknadelkopfes bis zur Grösse 
einer kleinen Erbse. Zum Teil waren es soharfraodige Lamellen und 
Bälkchen, zum Teil mehr rundliche Stücke von Spongiosa. . 

Wir stellten die Diagnose auf eine tuberkulöse Wirbelcaries mit 
Durchbruch des Abscesses in die Lunge. 


Ein Lungenabscess mit Usur der Wirbelsäule, wie von uns 
diagnostiziert wurde, dürfte wegen der kurzen Dauer der Er¬ 
krankung vom Auftreten der Erscheinungen des Lungenabscesses 
bis zur Entdeckung des Gibbus nicht vorliegen. Ausserdem 
pflegen Abscesse in der Regel in der Richtung des schwächsten 
Widerstandes durchzubrechen, und es würde daher bei Annahme 
eines Lungenabscesses eher ein Empyem der Pleura zu erwarten 
gewesen sein als ein Uebergreifen der Eiterung auf die Wirbel¬ 
säule. Ferner würde durch Schwarten und Verklebungen der 
beiden Pleurablätter bei einem an der Lungen Oberfläche liegenden 
Abscess dem Uebergreifen des Abscesses auf die benachbarten 
Thoraxwandungen oder auf die Wirbelsäule ein wirksamer Wider¬ 
stand entgegengesetzt werden. Andererseits fehlt nach der 
Anamnese auch jeder Anhaltspunkt für einen primären Eiterherd, 
von dem aus der Lungenabscess entstanden sein könnte. 

Es liegt vielmehr nahe, anzuoehmen, dass die Rückenschmerzen, 
über welche der Kranke schon einige Zeit vor der Krankenhaus¬ 
aufnahme klagte, durch die latent bestehende Wirbelcaries ver¬ 
ursacht waren, und dass der Gibbus sich allmählich während der 
ersten Zeit des Krankenhausaufentbaltes entwickelte, während sich 
gleichzeitig ein geringer pleuritischer Erguss mit nachfolgenden 
Verklebungen ansbildete. Der wachsende Wirbelabscess schlug 
nun den verhältnismässig seltenen Weg durch die Lunge ein und 
brach unter dem Bilde eines Lungenabscesses durch. Von den 
cariösen Wirbelkörpern stiessen sich nach und nach die kleinen 
Knocbenstückchen ab, welche beim Passieren durch die Lunge 
stets starke Schmerzen und durch Verletzung von Gefässen und 
Lungengewebe kleinere Blutungen, einmal einen starken Blutsturz 
verursachten. Die Abstossung von Knochen bei Wirbelcaries, 
die an und für sich eine allmähliche Einschmelzung der Knochen¬ 
substanz herbeiführt, dürfte in unserem Falle zum Teil durch die 
Unruhe des Pat. hervorgerufen sein, welcher sich nur schwer im 
Bett halten liess und auch bei uns, sobald sich sein Zustand 
etwas gebessert hatte, um seine Entlassung bat. Die Folge war 
erneute und vermehrte Expektoration von Knocbenstückchen 
und Blut. 

Die Prognose ist eine günstige unter Voraussetzung eines 
saebgemässen Verhaltens des Pat.; bei genügend langer Ruhig- 
stellung der Wirbelsäule in Glisson’scher Schlinge oder einem 
Korsett ist eine Ausheilung der Wirbelcaries und damit auch des 
Lungenabscesses zu erwarten. Das Passieren der kleinen und 
scharfrandigen Knochenstückchen durch die Lunge ist natürlich 
stets mit der Gefahr einer Verletzung von Gefässen verbunden, 
und solange die Expektoration des Knocheos besteht, kann es 
daher auch zu lebensbedrohenden Blutungen kommen. 


Bficherbesprechungen. 

0. Körner: Lehrbuch der Ohren-, Nasen- and Keblkopfkrankheiten. 

Nach klinischen Vorträgen für Studierende und Aerzte. Vierte 
und fünfte, umgearbeitete und vermehrte Auflage mit 251 Text¬ 
abbildungen, davon 34 in Farben und 1 Tafel. Wiesbaden 1914, 
J. F. Bergmann. 444 S. 

In der kurzen Zeit von 2 Jahren ist nun die vierte und 
fünfte, verstärkte Auflage des Lehrbuches erschienen, ein Zeichen dafür, 
wie sehr Verf. darin dem Bedürfnis der Studierenden und Aerzte ent¬ 
sprochen hat. Einerseits liegt das an der Vereinigung der drei Disziplinen 
in einem alles zusammenfassenden Lehrbuch, andererseits in der knappen, 
leicht fasslichen und alles praktisch Wesentliche besonders betonenden 
Darstellung. 

Nach einem auch die Nichtspezialisten fraglos interessierenden Ueber- 
blick über die geschichtliche Entwicklung der drei Fächer wird der 
Leser durch topographisch-anatomische Bilder und durch Abbildungen 
praktiseh wichtiger Handgriffe mit der Technik vertraut gemacht. Dabei 
ist neben der gewöhnlichen Oto-Rhino-Laryngoskopie nunmehr auch den 
neueren Untersuchungsmethoden, der Hypopharyngoskopie, der direkten 
und Schwebelaryngoskopie sowie der Tracheo-, Broncho- und Oesopha- 
goskopie Rechnung getragen, letzteren Methoden allerdings, der Tendenz 
des Buches entsprechend, nur soweit, als es zur praktischen Auffassung 
und zum Verständnis des Lesers für spätere Uebungen notwendig er¬ 
scheint. Es folgt dann eine kurze aber erschöpfende Beschreibung der 
Anästhesie bei chirurgischen Eingriffen sowie der Verbandlehre. 

Bei der Behandlung der Nasenkrankheiten erläutern prägnante Ab¬ 
bildungen die selteneren Erkrankungen und vor allem wichtige topo¬ 
graphische Bilder der für die Nichtspezialisten schwierigen anatomischen 
Verhältnisse der Nebenhöhlen in ihrer Beziehung untereinander und zu 
den Nachbarorganen und praktische Hinweise für die Diagnose ihrer Er¬ 
krankungen. 

In dem Kapitel über die Erkrankung des Schlundes ist zweckent¬ 
sprechend der Behandlung von Erkrankungen des lymphatischen Ringes, 
besonders der Rachen- und Gaumenmandeln ein weiterer Raum gegeben. 

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UNIVERSITÄT OF IOWA 



1706 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


In der Beschreibung der praktisoh besonders interessierenden Krank¬ 
heiten des Kehlkopfs, der Luftröhre und Bronchien, wie Tuberkulose, 
Syphilis, Carcinom und Sarkom ist besonderer Wert gelegt auf die 
Wiedergabe der Bilder, wie sie sich beim Spiegeln darbieten, sowie vor 
allem von pathologisch-anatomischen Präparaten, wodurch das Verständ¬ 
nis der Entwicklung der Krankheiten wesentlich erleichtert wird. 

Den grössten Umfang erreicht die Behandlung der Krankheiten des 
Ohres, einmal durch die Einfügung der zahlreichen Textfiguren, Ab¬ 
bildungen anatomischer, pathologisch-anatomischer Präparate, Bilder 
wichtiger äusserer Erkrankungen und Einführung von Instrumenten, 
Kurven usw.; dann aber auch durch die eingehende Besprechung aller 
dem Praktiker besonders wissenswerten Erkrankungen, ihrer Diagnose, 
des Verlaufs und der Bewertung. Besonders willkommen werden ihm 
dabei die einzelnen wichtigen Winke in betreff Differentialdiagnose und 
Therapie sein, die Verf. aus dem reichen Schatz seiner Erfahrungen in 
seine exakten Abhandlungen eiostreut. 

Somit wird auch weiter die neueste Auflage des Buches, dessen Aus¬ 
stattung vor allem in den zahlreichen und buntfarbigen Abbildungen eine 
ausgezeichnete zu nennen ist, den Studierenden und Aerzten, aber auch 
den Spezialisten sowohl für Studien, wie für Orientierungszwecke in ein¬ 
schlägigen Fällen ein wertvoller Ratgeber sein. H. Beyer-Berlin. 


C. Kraemer: Aetiologie and spezifische Therapie der Tnherknlose, 
nach vorwiegend eigenen Erfahrungen. Stuttgart 1914, Ferdinand 
Enke. Zweite Hälfte, Tuberkulin als Heilmittel der Tuberkulose. 
XII und 350 S. Preis 10,40 M. 

Kraemer erweist sich in seinem Buche als eie warmer Freund des 
Tuberkulins, und sohon deshalb muss sein Werk als willkommen gelten. 
Die übertriebenen Hoffnungen, die man anfangs auf das Mittel setzte, 
und die naturgemäss enttäuscht werden mussten, haben dazu geführt, 
dass man die guten, wenn auch bescheideneren Wirkungen des Mittels 
gern zu übersehen pflegte. Zum grossen Schaden der Kranken tritt 
leider noch hier und da die Ansicht auf, dass das Tuberkulin ein ziem¬ 
lich wertloses Mittel sei, da9 einen Einfluss auf die Tuberkulose nicht 
auszuüben vermag. Geradezu als bedenklich aber muss es gelten, was 
Kraemer mit Recht hervorhebt, wenn heute noch Aerzte vor der An¬ 
wendung des Mittels warnen. So wertvoll nun auch jeder Beitrag zur 
Vertiefung der Theorie und der Methodik des Tuberkulins ist, so haben 
bisher gerade alte diejenigen Arbeiten über das Tuberkulin mit zu hoch 
geschraubten Erwartungen und Versprechungen dem Mittel mehr geschadet 
als genützt. Von Hoffnungen und von Erwartungen kann man allerdings 
bei dem Kraemer’scben Buche nicht sprechen, da der Verfasser seine 
Schlüsse vorwiegend aus seinen Erfahrungen gezogen hat, die er bereits 
in der Praxis gemacht zu haben glaubt. Es ist aber daran zu erinnern, 
dass gerade bei dem Tuberkulin als Mittel bei einer der chronischsten 
Infektionskrankheiten, die wir kennen, jede Deutung eines Erfolges oder 
Misserfolges unvermeidlicherweise etwas stark Subjektives an sich hat. 
Je ruhiger und objektiver man die unendlich komplizierten Wirkungen 
des Tuberkulins im Verlaufe einer Tuberkulose zu beobachten versucht, 
um so mehr wird man von jener einseitigen Ueberschätzung des Mittels, 
wie sie von einzelnen Autoren geübt wird, abrücken müssen. Gerade 
viele derjenigen von uns, die das Tuberkulin als ein wertvolles Mittel 
in der Praxis in vielen Fällen anwenden und nicht mehr entbehren 
möchten, werden diesen extremen Anschauungen Kraemer’s nicht folgen 
können. Aus diesen Deutungen seiner Erfolge heraus ergibt sich auch 
sein therapeutischer Leitsatz: „Mehr Tuberkulin hilft mehr.“ Nicht in 
der Unzulänglichkeit des Mittels liegt der Grund dafür, dass so viele 
Tuberkulöse trotz der Anwendung des Tuberkulins an ihrer Tuberkulose 
zu Grunde gehen, nein, sie haben nur zu wenig Tuberkulin bekommen, 
sie hätten statt 100 mg 1000 mg oder statt 1000 mg mehrere 1000 mg 
bekommen müssen, um zu dem ersehnten Ziele zu gelangen. Tuberku¬ 
linimmunität ist Tuberkuloseimmunität, das Tuberkulin ist das Heil¬ 
mittel der Tuberkulose. Wenn das wirklich wahr wäre, wäre es dann 
nicht ein Jammer, dass die bösen Tuberkulintberapeuten so viele un¬ 
glückliche Kranke an ihrer Tuberkulose sterben lassen, nur weil sie zu 
wenig Tuberkulin geben wollen? 

Aus dem Buche spricht eine ungeheure Belesenheit und eine aner¬ 
kennenswerte Literaturkenntnis. Aber gerade diese haben leider den 
Verfasser verführt, bei der Begründung seiner theoretischen Anschauung 
über das Tuberkulin und über Tuberkulinwirkungen sehr vieles anzu¬ 
nehmen, was doch noch sehr der Nachprüfung und der Bestätigung be¬ 
darf. Wenn man an eine so heiss umstrittene Frage, wie die Tuber¬ 
kulintheorie, herangebt, so muss man sich sehr davor hüten, Arbeiten 
zu zitieren und als Stütze anzuführen, die zwischen der Drucklegung und 
dem Erscheinen des Buches bereits vielfach widerlegt worden sind. Auch 
gerade nach den letzten Jahren, die bezüglich der Phthisiogenese wieder 
durch viele sehr mühsame und zuverlässige Untersuchungen die An¬ 
schauung von der Inhalationsinfektiosität der Tuberkulose zur Geltung 
gebracht haben, müsste man doch sehr vorsichtig sein mit so apodyktisch 
gebildeten Sätzen wie: „Erst ist die Bronchialdrüsentuberkulose, dann 
die Phthise“. Das trifft doch nur einen Teil der ganzen Frage und wird 
in dieser Allgemeinheit kaum Anerkennung finden. Das gleiche gilt von 
den Anschauungen über die Disposition, die der Verfasser entwickelt. 

Hoffen wir, dass das Buch imstande serin wird, den Wunsch des 
Verfassers zu erfüllen, nämlich dem Tuberkulin neue Freunde zu erwer¬ 
ben, ohne allzugrosse Enttäuschungen in den Reihen der Praktiker her¬ 
vorzurufen. J. W. Samson-Berlin. 


H. Ribbert: Gesebwulstlehre für Aerzte iad Stidiereade. 2. Auf¬ 
lage. Bonn 1914. Preis 24 M. 

Wenn Ribbert das vorliegende Buch, das 710 Seiten stark ist, 
als die zweite Auflage seiner „Geschwulstlebre“ bezeichnet, so geschieht 
das, wie er selbst in der Vorrede andeutet, nicht vollständig mit Recht. 
Denn das Buch ist so vollkommen umgearbeitet und mit Ausnahme 
zahlreicher Abbildungen so wenig von der ersten Auflage übrig ge¬ 
blieben, dass das Werk als eine vollständige Neuschöpfung bezeichnet 
werden muss. Das Wesentliche dabei ist auch, dass die Carcinome fast 
ganz aus dem Werk herausgenommen sind, und dass das inzwischen ge¬ 
sondert erschienene Buch über die Carcinome gewissermaassen als be¬ 
sonderer Teil seiner Geschwulstlehre zu gelten hat. Der grösste Wert 
des Werkes kommt dem zweiten Teil, der speziellen Geschwulstlehre 
zu, der bei weitem den grössten Teil des Werkes einnimmt, denn er 
beginnt schon bei Seite 114. In dem ersten Abschnitt vertritt Ribbert 
so sehr seine eigenen, im wesentlichen nur von wenigen anerkannten 
Anschauungen, dass die stark subjektiv gefärbte Richtung für ein Lehr¬ 
buch, das es doch schliesslich sein soll, als nicht sehr günstig be¬ 
zeichnet werden darf. Aber in dem zweiten Teil ist so ausgedehnt die 
reiche Erfahrung Ribbert’s auf dem Gebiete der Geschwülste nieder¬ 
gelegt, dass dieser Teil von ganz besonderer Bedeutung sowohl für den 
Unterricht als für das Studium sich erweist. Die Einteilung der Ge¬ 
schwülste ist im allgemeinen die heut übliohe. Immerhin erscheint es 
gewissermaassen auffällig, dass Ribbert unter die Geschwülste der 
Stützsubstanzen die Fibrome, Lipome, Chondrome, Chordome, Osteome, 
Angiome, Endotheliome uud Sarkome unterbringt, während er dann 
gleichwertige besondere Abschnitte macht für die Rundzellengeschwülste 
und die Myome. Besonders eigentümlich ist seine Anordnung der Rund¬ 
zellengeschwülste, unter welcher Gruppe er die Lymphoblastome, die 
Plasmocytome, die Myelome, die Chlorome und die Leukämie unter- 
bringt. Die Geschwülste des Nervensystems sind wieder in einer be¬ 
sonderen Gruppe vereinigt, was zweifellos als vorteilhaft anzusehen ist, 
da ja die Gliome immer zu den Bindesubstanzgescbwülsten gerechnet 
wurden, obwohl sie entwicklungsgeschichtlich von der äusseren Keim- 
Schicht abstammen und manche derselben auch tatsächlich epithelialen 
Bau haben. Eine weitere Gruppe umfasst fibroepitheliale Tumoren. 
Unter diesen versteht Ribbert diejenigen Geschwülste, die früher als 
organoide Geschwülste bezeichnet wurden. Hier bringt Ribbert auch 
das Carcinom unter, stellt es aber den fibroepithelialen Tumoren gleich¬ 
wertig, indem er eine Ueberordnung macht, Geschwülste aus Epithel 
und Bindegewebe, und es erscheint deswegen nicht berechtigt, dass eine 
Unterabteilung sich besonders als fibroepitheliale Tumoren abhebt. Dass 
aber dann schliesslich das Chorionepitheliom hier eingereiht ist, ist voll¬ 
kommen unberechtigt. Denn diese Geschwulst ist ja gerade dadurch 
charakterisiert, dass sie kein bindegewebiges Stroma enthält. Die letzte 
Abteilung umfasst die zusammengesetzten Geschwülste, die Teratome. 
Auch hier ist wieder etwas Auffälliges, nämlich die Unterbringung der 
Cystome des Orariums, die eigentlich mit viel grösserer Berechtigung 
unter die fibroepithelialen Geschwülste zu setzen wären. 

Was'die Abbildungen betrifft, so haben dieselben den Vorteil, der 
früher schon wiederholt hervorgehoben wurde, dass sie vom Autor selbst 
gezeichnet sind, der also jedesmal am besten versteht, was er in der 
Abbildung zum Ausdruck bringen will. Aber manche derselben sind 
doch etwas gar zu skizzenhaft und schematisch. Man sieht freilich 
immer daran, was gezeigt werden soll. Aber wenn ein Schüler viele 
dieser Abbildungen mit einem Original vergleicht, so wird es ihm doch 
wohl manchmal schwer fallen, das im Original wiederzufinden, was die 
Zeichnung darstellt. Das betrifft aber immerhin nur einen geringen 
Teil der Abbildungen, während die meisten in ausgezeichneter Weise 
das darstellen, was von ihnen verlangt werden kann. Wenn sich das 
Werk als ein Lehrbuch für Aerzte und Studierende bezeichnet, so 
dürften sich unter den Studierenden heutzutage doch wenige finden, die 
in dem sowieso schon überlasteten Studium die Zeit haben, ein so um¬ 
fangreiches Werk durchzustudieren. Sollte es Ribbert gelingen, das 
zu erreichen, so würde er sich ein grosses Verdienst erwerben. Der 
Fortgeschrittene aber, der sich in Ruhe dem Studium eines solchen 
Werkes hingeben kann, wird im weitesten Maasse Belehrung und Auf¬ 
klärung darin finden. 


Brehm’s Tierleben. 11. Band. 2. Band der Säugetiere. Neu be¬ 
arbeitet von Heck und fiilzheimer. Leipzig und Wien 1914. 

Der erste Band der „Säugetiere“, der vor etwa 2 Jahren erschien, 
wurde in dieser Wochenschrift schon ausführlich referiert und seine 
ausserordentlichen Vorteile speziell auch für den Nichtzoologen hervor¬ 
gehoben. Der nunmehr erschienene zweite Band schliesst sich dem 
ersten vollwertig an. Unter möglichster Wahrung des alten Brehm- 
schen Textes sind die Neuerfahrungen und zahlreichen Erweiterungen, 
die durch die fortschreitende Wissenschaft notwendig entstehen müssen, 
in gleichwertiger Weise eingetragen. In weitgehendstem Maasse ver¬ 
bessert gegenüber dem alten Brehm sind die Abbildungen und spexiell 
diejenigen, die auf direkt photographischem Wege hergestellt worden. 
Der Band umfasst seiner Hauptsache nach die Nagetiere, die von Heck 
bearbeitet wurden, ferner die Robben und Flossenfüsser, von Hil*‘ 
heim er bearbeitet. Wir möohten auch hier wieder allen Freunden der 
Natur dieses Werk empfehlen. Aber auch, der Mediziner findet manches 
Interessante für seine Wissenschaft in dem Brehm. Wenn schon früher 


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UNIVERSUM OF IOWA 



12. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1707 


über mancherlei Krankheiten der Tiere nirgendwo so gut Auskunft ge¬ 
geben wurde wie im Brehm, so sind auch jetzt in der neuen Auflage 
solche Dinge mehrfach berücksichtigt. v. Hansemann. 


Literatur-Auszfige. 

Physiologie. 

R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Die akuten und die 
dauernden Folgen des Ansfalles der tonischen Hals- und Labyrinth¬ 
reflexe. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4—6.) Die Körperstellung wird bei 
Hund, Katze, Kaninchen u. a. beherrscht von der Stellung des Kopfes 
im Raume (Labyrinthreflex) und seiner Stellung zum Rumpfe (Hals¬ 
reflex). Um die Bedeutung letzterer zu studieren, haben die Verff. ihr 
Zustandekommen ausgeschaltet durch Durchscbneidung der Hinterwurzeln 
der obersten drei Cervicalnerven (an Katzen und Kaninchen). Bei 
Katzen bleiben nach dieser Operation nur geringe Störungen, da der 
Ausfall von den Labyrinthen aus kompensiert wird. Wird nun ein 
Labyrinth exstirpiert, so sind die Störungen geringer als bei nor¬ 
malen Katzen mit einseitiger Labyrinthexstirpation, da alle die¬ 
jenigen Symptome des Labyrinthverlustes fortfallen, die sekundär durch 
Vermittlung von Halsreflexen eintreten. Nach Fortnahme auch des 
zweiten Labyrinthes sind alle Hals- und Labyrintbreflexe aufgehoben. 
Trotzdem sind die allgemeinen Bewegungsstörungen auffallend gering. 
Auch an Tieren, die nach Fortnahme der Labyrinthe und Durch¬ 
schneidung der obersten cervicalen Hinterwurzeln decerebriert werden, 
tritt die sogenannte Entbirnungsstarre auf. Aenderung der Kopfstellung 
ändert nichts an ihr. 

A. de Kleijn: Zur Analyse der Folgeznstfinde einseitiger 
Labyrinthexstirpation beim Froseh. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4—6.) 
Nach einseitiger Labyrinthexstirpation kommt es beim Frosch zu eigen¬ 
tümlichen Verdrehungen des Kopfes und der Wirbelsäule mit ver¬ 
änderter Haltung der Extremitäten. Um die Frage zu ent¬ 
scheiden, ob letztere eine direkte Folge des Labyrinthausfalls oder 
eine indirekte unter Vermittelung von Halsreflexen sei, die durch die 
abnorme Kopfstellung ausgelöst werden, hat Verf. die Halsreflexe durch 
Durchschneidung der cervicalen Hinterwurzeln ausgeschaltet. Danach 
bleibt zwar die durch die einseitige Labyrinthentfernung entstandene 
Kopf- und Wirbeldrehung bestehen, aber die Beine werden nun normal 
gehalten. Die abnorme Extremitätenstellung war also indirekt durch 
tonische Halsreflexe verursacht. 

R. Magnus: Welche Teile des Centralnervensystems müssen für 
das Zustandekommen der tonischen Hals- nnd Labyrinthreflexe auf 
die Körpermnsknlatnr vorhanden sein? (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4 
bis 6.) Durch Durchschneidungsversuche am Centralnervensystem suchte 
M. die Frage zu entscheiden, von welchen Hirnteilen die tonischen Re¬ 
flexe auf Extremitäten- und Nackenmuskeln, welche durch Kopfdrehung 
zustande kommen, ausgehen. Sie bleiben unverändert, wenn die Tiere 
decerebriert werden, ferner auch, wenn Kleinhirn und Vierhügol entfernt 
und der Hirnstamm bis vor den Ursprung der Nn. octavi abgetrennt 
wird. Die Labyrinthreflexe hören auf, wenn die Eintrittsstelle der 
Nn. octavi entfernt wird, aber die Halsreflexe, die auf Drehen und 
Wenden des Kopfes an den Beinen beobachtet werden, bleiben erhalten. 
Sie werden erst nach Entfernung des obersten Cervicalsegmentes ge¬ 
schwächt, am nach Entfernung des zweiten Halssegmentes zu erlöschen. 
In einer Nachschrift wenden sich Beritoff und Magnus gegen eine 
Angabe von Weed, wonach die sogenannte Enthirnungsstarre durch Klein¬ 
hirnentfernung schwinden soll. Das ist nach B. und M. nicht der Fall. 

Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: Ueber den Einfluss 
der Kopfstellnng anf phasische Extremitätenreflexe. (Pflüg. Arch., 
Bd. 159, H. 4—6.) Die Versuche betreffen das Verhalten der Beuge- 
bzw. StTeckwirkung isolierter Muskeln der Vorder- bzw. Hinterextremi¬ 
täten decerebrierter Katzen unter der Wirkung von Aenderungen der 
Kopfstellung. Letztere vermögen die (Beuge- und) Streckreflexe an den 
Eitremi täten muskeln, die durch elektrische Reize erzeugt werden, zu ver¬ 
ändern, und zwar meist nach bestimmten Regeln, die danach verschieden 
sind, ob durch die Veränderung der Kopfstellung sichtbare Tonusschwan¬ 
kungen im isolierten Streckmuskel bedingt werden oder nicht. Treten 
sichtbare Tonusänderungen auf, so sind die reflektorischen Hemmungen 
des isolierten Triceps bei gestreckter Extremität stärker als bei ge¬ 
beugter. Umgekehrt sind die reflektorischen Kontraktionen bei ge¬ 
beugtem Glied stärker als bei gestrecktem. Beim Fehlen von sichtbaren 
Tonusveränderungen waren die Erfolge nicht ganz eindeutig. Verände¬ 
rung der Kopfstellung bat also einen deutlichen Einfluss auf die Reflex- 
erregbarkeit der Extremitätenmuskeln. 

W. Storm van Leeuwen: Quantitative pharmakologische Unter- 
snchangei über die Reflexfnnktionen des Rückenmarks an Warm¬ 
blütern. II. Mitteilung. Chloroformgehalt des Blutes während 
^ N^koselaufbewegungen der Katze. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4—6.) 
Wahrend ganz leichter und ganz tiefer ChlorofoTmnarkose können bei 
Katzen Laufbewegungen der Extremitäten auftreten. Der Chloroform¬ 
gehalt des Blutes lag, wenn sie bei leichter Narkose auftraten, bei 
0,013pCt.; wenn bei tiefer: bei 0,019—0,036 pCt. Die Narkose kann 
oabei so tief sein, dass keine Reflexe mehr auslösbar sind und auch die 
Narkosestarre geschwunden ist. 


K. Schreber: Der Wirknngsgr&d der Mnskelmaschine. (Pflüg. 
Arch., Bd. 159, H. 4—6.) Verf. bespricht zunächst die Definition des 
Wirkungsgrades einer Maschine vom Standpunkte des Technikers und 
vergleicht damit die Definition der Physiologen. Letztere sind, wie er 
durch mathematische Ableitungen zu erhärten sucht, fehlerhaft, ins¬ 
besondere durch unzutreffende Auffassung des Begriffes der sogenannten 
Leerarbeit. Nach Sehr, würde der Wirkungsgrad der Muskelmascbine 
viel kleiner sein, als allgemein von physiologischer Seite angenommen wird. 

T. Kato Drnckmessnngen im Mnskelmagcn der Vögel. (Pflüg. 
Arch., Bd. 159, H. 1—3.) Nach Einführung einer Ballonsonde in den 
Magen von Hühnern konnte der durch die Kontraktionen der Magen¬ 
wand zu erzeugende Druck manometrisch bestimmt werden. Im Durch¬ 
schnitt einer sehr grossen Zahl von Versuchen betrug er 138 mm Hg 
bei einer durchschnittlichen Dauer von 25 Sekunden. Bei Gänsen betrug er 
257 mm Hg für 17 Sekunden, bei Enten 178 mm durch 19 Sekunden. 
Die Druckhöhen sind dabei abhängig von der Konsistenz der Nahrung, 
indem sie um so höher sind, je härter die Nahrung; ferner von dem 
Stadium der Verdauung, indem sie im Hunger besonders hoch sind. 
Von Bedeutung ist weiter die Magenwandspannung: je höher der er¬ 
zeugte intrastomachale Druck, um so energischer die Kontraktionen; 
endlich sind sie von Innervationsverhältnissen abhängig. Vagusreizung 
machte nur halb so starke Kontraktion wie in der Norm. 

Tb. E. ter Kuile: Konsonanz und einfaches Zaklenverhältnis. 
(Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1—3.) K. versucht eine Erklärung der 
Empfindung der Konsonanz mehrerer Töne zu geben, ohne die Theorie 
der Obertöne mit heranziehen zu müssen. Er bildet dazu eine Reihe 
neuer Begriffe, wie: mittlere Tonhöhe des Akkords, mittlere Tonperiode, 
Akkordfrequenz und Akkordperiode. Konsonanz ist gleich dem Ver¬ 
hältnis von mittlerer Tonperiode zu Akkordperiode; je grösser letztere 
im Verhältnis zu ersterer ist, um so weniger kommt das Gefühl der Kon¬ 
sonanz zustande. Bezüglich der mathematischen Ableitungen sei auf 
das Original verwiesen. Verf. kommt zu genau derselben Rangordnung 
für die Konsonanzen gebenden Ton Verbindungen wie Helm hol tz mit 
Hilfe seiner Theorie der Obertöne. 

J. v. Kries: Zur Theorie allorhytbmiflcher Herztätigkeiten. 
(Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1—3) v. Kries hatte früher gezeigt, dass, 
wenn man durch Abkühlung eines Teiles des Froschherzeos Allorbyth- 
mieen erzeugt derart, dass die Schlagfrequenz der Kammer nur einen 
Bruchteil derjenigen der Vorhöfe zeigt, das Verhältnis der Schlag¬ 
frequenzen immer einer Potenz von 2 entspricht, v. Kries hatte eine 
theoretische Erklärung dafür gegeben. Am Säugetierherzen finden sich 
aber nun andere Verhältniszahlen (z. B. 1:3 u. a.), und hier ist eine 
andere Erklärung nötig, v. Kries versucht diese mit Hilfe der ver 
schiedenen Dauer der Refraktärphase zu geben, wobei er die ver¬ 
schiedenen Möglichkeiten, die in Betracht kommen, zwischen denen jedoch 
noch nicht entschieden werden kann, berücksichtigt. 

E. Goldmann: Ueber die Beeinflussung des Blutdrucks in den 
Capillaren der Haut durch verschiedene Temperaturen. (Pflüg. Arch., 
Bd. 159, H. 1—3.) Verf. hat seine Versuche an sich selbst mit Basler’s 
Ochrometer, zum Teil auch mit desselben Verf’s. Hautmanometer an¬ 
gestellt. Er findet, dass der geringste Capillardrück des linken Zeige¬ 
fingers 70—90 mm Wasser beträgt. Mittelwert etwa 85 mm. Durch 
Wasser von 25—30° C wurde der Druck nicht geändert. Er stieg, 
wenn man Wasser über 30° auf den Zeigefinger einwirken Hess, ebenso 
wenn die Wässertemperatur unter 25° C lag. Je stärker der Tempe¬ 
raturreiz war, eine um so längere Nachperiode fand sich. Thermische 
Einwirkungen auf Ellbogen und Vorderarm hatten den gleichen Effekt 
auf den Capillardrück im Finger. 

J. W. Golowinski: Ueber die Wirkung des Cholins anf den 
Circnlationsapparat warmblütiger Tiere. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1—3.) 
Verf. stellt die vielen einander widersprechenden Angaben zusammen, 
die über die Wirkung des Cholins auf die Herztätigkeit bestehen. Seine 
eigenen Versuche am Warmblüterherzen führen Verf. zu dem Ergebnis, 
dass dieses sich wie das Froschherz gegenüber Cholin verhält. Das 
Cholin ist imstande, auf verschiedene intracardiale Centren zu wirken: 
aut die hemmenden Endiguugen des N. vagus, auf die beschleunigenden 
(Acceleranteg) und auf die Endigungen der sogenannten Aktionsnerven. 
Von äusseren Bedingungen hängt es ab, ob das Cholin sich über¬ 
wiegend auf das eine oder andere Centrum äussert und so eine 
Wirkung bald in der einen, bald in der anderen Richtung sichtbar wird. 

Fr. Mares: Ueber die Natur des Winterschlafes. Bemerkungen 
zur Antwort Polimanti’s. (Pflüg. Arcb., Bd. 159, H. 4—6.) Polemi¬ 
sches. M. wendet sich gegen eine falsche Wiedergabe seiner Ansichten 
durch Polimanti. 

A. Loewy: Bemerkungen zu der Arbeit von A. Reprew: Das 
Spernin als Oxydalionsfermeat. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1-3.) 
Reprew hatte das Spermin ohne genügende experimentelle Unterlage 
als Oxydations- und synthetisches Ferment aufgefasst. L. zeigt nun, 
dass die Fähigkeit des Spermins, in vitro Oxydationen und oxydative 
Synthesen zustande zu bringen, sich sehr einfach demonstrieren lässt 
durch Farbenreaktionen, die durch seinen Zusatz stark beschleunigt 
werden. So tritt die unter Rotfärbung vor sich gehende Oxydation einer 
Lösung von Dimetbylparaphenylendiamin bei Sperrainzusatz erheblich 
schneller ein als ohne dieses, ebenso die oxydative Indolphenols;nthese 
aus Dimetbylparaphenylendiamin und a-Naphthol und ebenso auch die 
Synthese des Toluylenblaus. 

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UMIVERSITY OF IOWA 



1708 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 4L 


G. Woker-. Ueber den Einfluss von Salzlösungen auf Colpoden- 
eyiies. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4—6.) Nicht nur im Serum treten 
Formänderungen der aus Heuinfus gewonnenen Colpoden auf, sondern 
auch zahlreiche Salzlösungen wirken analog, so dass also beim Serum 
die Serumsalze das wirksame Moment wären. Es handelt sich um eine 
allgemeine Salzwirkung; ist die Lösung hypertonisch, so lost sich der 
Inhalt der Colpoden von der Membran ab, schrumpft, und es entstehen 
sporenartige Massen, deren Umfang von der Konzentration der Salzlösung 
abhängig ist. Bemerkenswert ist, dass die Salzlösungen die Neigung der 
Colpoden zur Conjugation (Copulation) beförderten. 

G. Woker und S. Pecker: Ueber den Einfluss des Blitsemms 
anf Colpoden und deren Cysten. Vorläufige Mitteilung. (Pflüg. Arch., 
Bd. 159, H. 4—6.) Die aus Heuinfus gewonnenen Colpoden vermögen 
sich an Serum zu gewöhnen, so dass sie in einem Gemisch von 9 / 10 Serum 
+ Vio Heuinfus erhalten bleiben. Dabei gehen eigentümliche morpho¬ 
logische Veränderungen mit ihnen vor, indem sporenartige Gebilde in 
ihnen auftreten. Auch amöboide Veränderungen finden sich. Ebenso 
ändert sich auch das Verhalten der Dauercysten von Colpoden im 
Serum. Auch in ihrem Protoplasma treten Inhomogenitäten und endo- 
sporenartige Gebilde auf. Letztere möchten die Verff. auf Retraktionen 
des Plasmas von der Hülle, also auf plasmolytische Vorgänge zurück¬ 
führen. 

B. Bocci: Die Harnblase als Expulsivorgau. Die glatte Muskel¬ 
faser. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1—3.) B.’s Versuche sind an der 
freigelegten Meerschweinchenharnblase ausgelührt. In die Urethra bzw. 
in das Blaseninnere wurde ein Katheter eingeführt, der mit Manometer 
und Schreibapparat verbunden wurde und den in der Blase herrschenden 
Druck, sowie die Bewegungen der Btasenmuskulatur feststellen Hess. 
B. untersuchte das Vorhandensein eines glatten Blasensphinkters, den 
Tonus des äusseren Sphinkters, den der Harnblase und seine Schwan¬ 
kungen, die atypischen und typischen Blasencontraktionen und damit 
zusammenhängend den Mechanismus der Harnretention und Harnent¬ 
leerung. A. Loewy. 


Therapie. 

P. Korb-Liegnitz: Erfahrungen mit Jod-Proth&emin. (D.m.W., 
1914, Nr. 38.) Ein neues Jodpräparat, mit dem K. gute Erfolge sah. 

Dünner. 

E. Freund-Triest: Erfahrungen mit Merlusan. (Derm. Wschr., 
1914, Bd. 59, Nr. 34.) Verf. findet, dass Merlosan ebenso günstig auf 
die Syphilis wirke, wie andere Hg-Präparate. 

C. Philip-Hamburg: Die Behandlung des Ekzems mit heissen 
Bädern. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 35.) Besonders Hand- und 
Fingerekzeme werden täglich morgens Yz Stunde lang mit heissem Seifen¬ 
wasser behandelt. Nach dem Abtrocknen werden die Hände mit Upgt. 
Resorcin. compos. Unna verbunden. Nach 4—8 Tagen wird nur noch 
abends l j 4 Stunde gebadet, und mit Zinkpaste mit 01. Ruxi-Zusatz ver¬ 
bunden. 

M. Mondschein-Stanislau (Galizien): Cavillentherapie der Gonor¬ 
rhöe. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 33.) Verf. hält die Cavillen- 
tberapie für eine sehr gute antigonorrhoische Methode. Die Durchschnitts¬ 
dauer des Trippers bei Cavillenbehandiung beträgt nur 16—22 Tage. 

Rohr-Kiel: Ueber Arthigon. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, H. 36.) 
Das Arthigon ist ein für Gonorrhöe spezifisches Mittel, das aber nur auf 
abgeschlossene gonorrhoische Krankheitsherde wirksam ist. Epididymitis 
und Arthritis werden sehr günstig beeinflusst, günstig auch die Prosta¬ 
titis; Prostataabscesse werden zum Teil in sehr kurzer Zeit resorbiert. 
Das intravenöse Iojektionsverfahren ist dem intramuskulären in bezug 
auf die Nebenerscheinungen vorzuziehen. Bei Urethritis posterior ist das 
Arthigon contraindiziert. 

A. Strauss-Barmen: Die Kupferchemotherapie der Schleimhaut- 
tuberkulöse der oberen Luftwege mit Lekutyliuhalationen. (Derm. 
Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 34.) Am besten bewährte sich folgende 
Lekutylemulsion: Ungt. Lecutyl (Bayer) 20,2, Tinct. Foeniculi 3,0, 
Saccharin 0,1, Paraffin liquid, ad 50,0. Immerwahr. 

0. Leonhard: Ein mit „Ulsanin“ (Hydrojodoborat) geheilter Fall 
von Gesichts- und Naseulupus. (W.m.W., 1914, Nr. 26.) „Ulsanin“, 
ein hellgelbes, stark hygroskopisches, ungiftiges Pulver entwickelt, auf 
feuchte Haut gebracht/sofort Jod mit Oiygen in statu nascendi. Es ist 
also ein starkes Desinfizienz und Antisepticum und, da es nicht ätzt, 
auch auf den zartesten Schleimhäuten anwendbar. Seine Wirkung auf 
torpide Geschwüre, tuberkulotische Haut- und Schleimhauterkrankungen 
ist eine so günstige, dass es fast als Specificum gegen solche Erkran¬ 
kungen gelten kann. Eisner. 

Lethaus-Hamm i. W.: Die Injektiousbehandlung der Ischias. 
(D.m.W., 1914, Nr. 38.) Vortrag, gehalten in der Versammlung des 
Bezirksvereins der Aerzto des Regierungsbezirks Arnsberg in Dortmund 
am 7. Juni 1914. Die Injektion in den Ischiadicus (100 ccm 1 prom. 
Eucainlösung) hat eklatanten Erfolg nur bei genuiner Ischias. Oft sind 
Wiederholungen notwendig. Führen diese nicht zum Ziel, so empfiehlt 
sich die epidurale Injektion von 10—20 ccm physiologischer Kochsalz¬ 
lösung nach Sicard und Chatelin. 

F. Glaser-Schöneberg: Salvarsaninfnsionen bei Scharlach. (D.m.W., 
1914 Nr. 38.) Das Salvarsan heilt in vielen Fällen das Scharlach- 


diphtheroid ab. Auoh das Fieber und die Benommenheit werden oft 
günstig beeinflusst. Auf die toxischen Fälle übt das Mittel keinen Ein¬ 
fluss aus. Die Scharlachkomplikationen werden nicht verhütet. In über 
der Hälfte der Fälle traten bei einer Dosierung des Mittels von 0,1 g 
auf 10 kg Körpergewicht Schüttelfrost, Erbrechen und Durchfall auf.' 

_ Dünner. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

D. v. Hansemann-Berlin: Ueber Krebsprobleme. (D.m.W., 1914, 
Nr. 38.) Vortrag in der Berliner Gesellschaft für Chirurgie am 27. VII. 19u! 
Siehe Gesellsohaftsbericht der B.kl.W., Nr. 31. Dünner. 


Innere Medizin. 

F. Turan: Ueber die neuralgische Form der Aigiua pectoris, 
(W.m.W., 1914, Nr. 25.) Bei der neuralgischen Form der Angina 
pectoris ist durch Palpation eine Hyperästhesie der Haut und Muskulatur, 
sowie ein erhöhter Spannungszustand der letzteren oft nachweisbar. 
Ausser den Schmerzen werden die Kranken durch andauernde Parästhesien 
in den verschiedensten Körpergebieten geplagt. Das Allgemeinbefinden 
ist stets gestört. Trotz der vielen subjektiven Beschwerden ist keine 
anatomische und funktionelle Veränderung des Herzens nachzuweisen. 
Man findet eine wesentlich erhöhte Druckschmerzhaftigkeit an allen 
jenen Stellen, wo der Kranke über Schmerzen klagt. Auffallend ist in 
den schmerzhaften Gebieten die von der Norm abweichende Beschaffen¬ 
heit des Haut- und Muskelgewebes (feinere oder gröbere Körner, Knöt¬ 
chen und spitze, scharfkantige, krepitierende Einlagerungen, Verdickungen, 
Schwielen, exsudatartige Infiltrationen oder Auflagerungen). Diese 
Hautveränderungen reizen die Nervenästchen und deren Endapparate 
während der Atmung und bei körperlichen Bewegungen fortwährend 
durch Druck oder Zerrung. Das Leiden findet seine Erklärung weder 
in der Annahme einer organischen Herzerkrankung noch einer Neurose, 
sondern kann als eine durch die peripheren Einlagerungen hervor¬ 
gerufene Thorakal-Neuralgie betrachtet werden, die ihren höchsten 
Grad in einer dem echt anginösen Anfall ähnlichen, aber von ihr grund¬ 
verschiedenen Exacerbation erreicht. Die Entstehung der erwähnten 
Hautgebilde hängt möglicherweise mit gichtiger Diathese zusammen. 
Die anginoide Verschlimmerung ist aber kein typischer Gichtanfall mit 
akuten Entzündungserscheinungen, sondern eine Summation vou auf 
gichtiger Basis bestehenden Neuralgien und Myalgien. Die Prognose ist 
gut; die Behandlung besteht in der Entfernung der Ablagerungen durch 
Wärme usw. Eisner. 

Ri sei-Halle a. S.: Die Diagnose der Blatterl. (D.m.W., 1914, 
Nr. 38.) Nach einem den Medizinalbeamten des Regierungsbezirkes 
Merseburg gehaltenen Vortrag. R. betont hauptsächlich das Auftreten 
der Blattern an den Körperstellen, die einem mechanischen Druck aus¬ 
gesetzt und infolgedessen stärker vascularisiert sind. Besprechung der 
Differentialdiagnose gegenüber Windpocken. Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

P. Liebesny: Elektrophysiologische Studien zur Therapie kr 
Lähmungen. (W.m.W., 1914, Nr. 26.) Bisher konnten mit den üblichen 
elektrischen Apparaten durch Oeffnen und Schliessen eines konstanten 
Stromes Einzelzuckungen ausgelöst werdeD, die freilich nur zu diagnostischen 
Zwecken dienten. Zur Therapie wurde Galvanisieren und Faradisieren 
verwendet. Grosse Vorteile in der Behandlung von Lähmungen konnten 
nun mit den „Schwellung«strömen“ erzielt werden, die mit den 
„Zeitreizen“ identisch sind (im Gegensatz zu Momentreizen — Oeffnen 
und Schliessen eines konstanten Stromes). Es werden konstante und 
schwellende Schwellungsströme unterschieden. Konstante Schwellungs¬ 
ströme steigen von Null bis zu einem Maximum an und schwellen 
wieder auf Null ab. Unter schwellenden Schwellungsströmen versteht 
man Serienreize von Sohwellungsströmen, bei welchen jeder nach einer 
Strompause einsehende Stromimpuls in seiner Intensität höher ist als 
der unmittelbar vorhergegangene. Die bisherigen klinischen Erfahrungen 
des Verf. mit diesen Strömen sind sehr günstig. Das Technische ist 
im Original nachzulesen. Verf. sieht diese Art der Elektrotherapie als 
eine wesentliche Bereicherung unserer physikalischen Heilmethoden an. 

Eisner. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

W. Kopytowski-Warschau*. Ueber die durch SulfoforB hervor¬ 
gerufenen anatomisch-pathologischen Veränderungen in der £«*«**■ 
Haut. (Denn. Zbl., August 1914.) Die Sulfoformwirkung ist der Wir¬ 
kung des Schwefels sehr ähnlich, nur ist sie milder. Besonders 
Scabies und bei Seborrhoea sicca capillitii hat sich das Sulfoform g« 
bewährt. 

A. Tryb-Prag: Herpes zoster generalisatas. (Derm. Wschr., 1914» 
Bd. 59, Nr. 33.) Fall von Herpes zoster generalisatas bei einem 
60 jährigen Mann. Besonders hervorzuheben ist, dass die Bläschen nie 
gleichen Alters waren, und dass zahlreiche Stellen Erscheinungen 
Nekrose zeigten. Nach interner Medikation mit Chinin und lokalindifferen 
Behandlung heilten die gesamten Bläschen ab mit Hinterlassung v* 
einigen Narben nach den nekrotischen Bläschen. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1709 


12. Oktober 1914. 


J. Roedner*Strassburg i. E.: Beitrag zur Frage nach der prakti¬ 
schen Verwertung der PallidiireaktioB. (Denn. Wschr., 1914, Bd. 59, 
Nr. 35.) R. kann die Pallidinreaktion als ein „für tertiäre Lues spezi¬ 
fisches Diagnosticum“ nicht anerkennen. Immerwahr. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

F. Schauta: Blutungen während der Gestation. (W.m.W., 1914, 
Nr. 25 u. 26.) Fortbildungsvortrag. Es werden im einzelnen die Mög¬ 
lichkeiten, die zu Blutungen während der Schwangerschaft führen können, 
besprochen. Zum kurzen Referat nicht geeignet. Eisner. 

E. Opitz-Giessen: Gefahren des Intranterinstiftes. (Zbl. f. Gyn., 
1914, Nr. 37.) Als eine Art Entgegnung auf die Mitteilungen von 
Rieck in Nr. 30 des Centralblattes über die Verwendung des Intra¬ 
uterinstiftes und im Gegensatz zu der warmen Empfehlung von Rieck 
teilt der Verf. zwei Fälle mit, in denen er die denkbar übelsten Folgen 
nach Anwendung des Fehling’schen Röhrchens gesehen hat. In einem 
Falle war ein faustgrosser, entzündlicher Adnextumor auf der einen 
Seite entstanden, welcher nur durch den Reiz, den der Stift ausgeübt 
hatte, hervorgerufen sein konnte. Im zweiten Falle war sogar im An¬ 
schluss an das Tragen des Stiftes eine allgemeine Peritonitis entstanden, 
welche zu einer Cholecystitis, Cholangitis und endlich sogar zum Exitus 
führte. Siefart. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

E. Franck-Berlin: Die Verheimlichung länger bestehender Ohren¬ 
leiden und ihre Bedeutung für die Unfallversicherung. (Aerztl. Sachverst. 
Ztg., 1914, Nr. 15.) Dissimulation von Ohrenleiden ist ziemlich häufig, 
da Verletzte ein Interesse daran haben, alte Ohrenleiden auf einen 
später acquirierten Unfall zurückzuführen. Daher ist eine eingehende 
Ohrenuntersuchung möglichst bald nach dem Unfall von ausserordent¬ 
licher Bedeutung. 

St enger-Königsberg: Ueber die Grnndziige der ohrenärztliehen 
Begitaehtung. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Bemerkenswerte 
Ausführungen über die Wichtigkeit der Ohruntersuchung bei Unfall- 
verletzen. „Jede begutachtliche Beurteilung einer Unfallverletzung, bei 
der das Gehörorgan mit in Betracht kommt, ist ohne rechtzeitige vor- 
genömmene Untersuchung und Berücksichtigung dieses Organs bei Ab¬ 
gabe des Endurteils als völlig unzureichend anzusehen.“ 

Weber-Chemnitz: Geistesstörung — Invalidität, Entmündigung? 
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) 

Für b ringer -Berlin: Zur Würdigung des Hitzschlages als Unfall¬ 
folge. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Sechs vor 4 Jahren in 
dieser Zeitschrift publizierten Gutachten über Hitzschlag als Unfallfolge 
fügt F. jetzt 4 weitere interessante casuistische Beiträge hinzu. Ira 
ersten Falle handelt es sich um die Entscheidung, ob Epilepsie oder 
Hitzschlag anzunehmen ist, im zweiten um die Differentialdiagnose 
zwischen Apoplexie und Hitzschlag, im dritten wurde eine Aeusserung 
über den Zusammenhang von Tod und Unfall verlangt und im vierten 
hatte weder eine ärztliche Beobachtung noch eine Sektion stattgefunden, 
so dass man allein auf Zeugenaussagen und auf die Feststellungen der 
meteorologischen Station angewiesen war. H. Hirschfeld. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Laryngologlsche Gesellschaft zu Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 17. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Killian. 

Schriftführer: Herr Gutzmann. 

Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt. 

Antrag des Vorstandes: 

Die Laryngologisehe Gesellschaft zu Berlin wolle den Vor¬ 
stand beauftragen, bei dem Exekutivkomitee des nächsten inter¬ 
nationalen medizinischen Kongresses ihren Wunsch nachdrücklich 
zur Geltung zu bringet): „dass die Abteilungen für Laryngologie 
und Otologie bei den internationalen medizinischen Kongressen 
wie bisher als selbständige Sektionen bestehen bleiben.“ 

Vorsitzender: Wir haben das letzte Mal schon über dies Thema 
gesprochen; es ist auch sonst oft erörtert worden. Der Haupt¬ 
grund, weshalb der Vorstand für die Trennung ist, liegt darin, dass es 
i? ä a . r nicht möglich ist, das otologische und laryngo-rhinologische 
Material in der gegebenen Zeit aufzuarbeiten. Dieser Umstand hat dazu 
geführt, dass die Sektionen getrennt wurden. Wenn wir sie jetzt wieder 
vereinigen, wird nur die Hälfte der angekündigten Vorträge erledigt 
werden, und ein grosser Teil von Otologen sowohl wie Laryngologen 
wird unglücklich sein, dass er Verzicht leisten muss. Ich glaube auch 
S 1C H’ < *. ass se ^ s t der eifrigste Besucher einer solchen Versammlung das 
Bedürfnis hat, jeden Vortrag zu hören. Es gibt meist in der einen 
oder m der anderen Sektion etwas Interessantes, und so wird hin und 
her gegangen. 


Hr. Finder: M. H.! Ich möchte Ihnen die Resolution, die der Vor¬ 
stand vorgeschlagen hat, dringend zur Annahme empfehlen. Ueber die 
Gründe, die einer Vereinigung der beiden Fächer entgegenstehen, ist ja 
schon so viel gesprochen und geschrieben worden, dass es schwer sein 
dürfte, noch Neues anzuführen. Ich bin der Ueberzeugung, dass, wenn 
es zu der Vereinigung der beiden Fächer auf den Kongressen, im aka¬ 
demischen Unterricht usw. kommen sollte, dies für beide Fächer, sowohl 
für die Laryngologie wie für die Otologie, nur von Schaden sein würde. 
Beide haben sich durchaus selbständig nebeneinander entwickelt, die 
Otologie aus der Chirurgie heraus und die Laryngologie aus der inneren 
Medizin, und sie haben ein halbes Jahrhundert hindurch nebeinander 
bestanden, ohne eigentlich ihre Kreise gegenseitig zu stören. Der Ruf 
nach einer Vereinigung dieser beiden Fächer auf den Kongressen ist 
einfach aus äusseren Gründen laut geworden, nämlich deswegen, weil 
ein grosser Teil der Spezialisten aus Rücksichten einer besseren Erwerbs¬ 
möglichkeit es heute für zweckmässiger hält, in der Praxis beide Fächer 
gleichzeitig zu betreiben. Dagegen lässt sich auch gar nichts sagen; 
aber damit ist noch kein Grund gegeben, diese beiden Fächer auch als 
Wissenschaften aneinanderzuketten. 

M. H.! Ich möchte, abgesehen von den inneren Gründen, die der 
Vereinigung entgegenstehen, nochmals ganz nachdrücklichst das unter¬ 
streichen, was Herr Geheimrat Killian hier schon eben vorgebracht hat. 
Wer öfters internationale medizinische Kongresse mitgemacht hat, der 
weiss, dass es nur einer ganz besonderen Taktik, ich möehte beinahe 
sagen, einer Jonglierkunst des Vorsitzenden gelingt, innerhalb der zur 
Verfügung stehenden Zeit das Material an Vorträgen und Referaten in 
jeder der beiden Sektionen aufzuarbeiten, und wir erinnern uns alle, 
dass in den letzten Tagen die Verhandlungen immer etwas zu einer 
Hetzjagd ausarteten, damit nur alles, was auf der Tagesordnung stand, 
erledigt werden konnte. Nun bitte ich Sie, sich einmal vorzustellen, 
wie es werden soll, wenn dasselbe Arbeitspensum, das bisher auf zwei 
Sektionen verteilt war, im Rahmen einer Sektion aufgearbeitet werden 
soll; das ist nur möglicb, wenn darunter die Qualität der Verhandlungen 
leidet, und das wollen wir doch alle nicht. Ich glaube, das muss ver¬ 
mieden werden ebenso im Interesse der Otologen wie der Laryngologen. 
M. H.! Ich glaube, Sie sind es den Traditionen unserer Gesellschaft 
schuldig, die Resolution des Vorstandes anzunebmen. Sie haben vor 
kurzer Zeit das 25 jährige Stiftungsfest dieser Gesellschaft gefeiert, und 
während der ganzen Dauer ihres Bestehens bat die Gesellschaft keine 
Gelegenheit vorübergehen lassen, ohne nachdrücklichst dafür einzutreten, 
dass Laryngologie und Otologie als akademische Lehrfächer und auf den 
Kongressen getrennt blieben. 

Hr. Reichert: Ich stehe vollkommen auf dem Standpunkt der ver¬ 
ehrten Herren Kollegen, die vor mir gesprochen haben. Ich habe der¬ 
artige internationale Kongresse auch wiederholt mitgemacbt und habe es 
dabei erlebt, dass diejenigen Kollegen, die an dem Orte ansässig waren, 
an dem der Kongress tagte, freiwillig auf ihre Vorträge verzichteten, weil 
die Zeit dafür nicht mehr zur Verfügung stand. 

Nur eine Verwahrung sozusagen oder einen Vorbehalt möchte ich 
machen:'ich möchte nicht, wenn wir bei dem Exekutivkomitee des inter¬ 
nationalen Kongresses einen derartigen Antrag nicht durchsetzen sollten, 
dass daraus die Folgerung gezogen würde, dass wir dann gewissermaassen 
die Verpflichtung hätten, den internationalen Kongress nicht zu besuchen. 
Eine derartig weitgehende Verpflichtung aus unserem Kreise heraus 
möchte ich damit nicht zum Ausdruck bringen. Sonst aber ist mir der 
Antrag in jeder Weise sympathisch, und ich glaube, wir können wohl 
einmütig dafür stimmen. 

Vorsitzender: Wir kommen zur Abstimmung. (Geschieht.) Der 
Antrag ist einstimmig angenommen. 

Hr. Finder: Noch eine geschäftliche Bemerkung dazu! Ich möchte 
vorschlagen, diese Resolution nicht nur an den Arbeitsausschuss des 
Organisationskomitees in München zu schicken, sondern auch an das 
Komitee für die internationalen medizinischen Kongresse, die sogenannte 
permanente Haager Kommission. 

Vor der Tagesordnung. 

1. Hr. Graeffner: 

Homolaterale Rekurrenslähmung hei Gehirntumor. 

M. H.! Sie sehen hier in dor linken Fronto Parietalgegend eine 
ellipsenförmige Narbe, welche eine mächtige Hervorragung umgrenzt. 
Dieser Hervorragung entspricht ein Defekt der Knochen, welcher anläss¬ 
lich der Exstirpation eines Gehirntumors gesetzt ist. Es besteht rechts¬ 
seitige Hemiplegie, wohl charakterisiert durch verstärkten Patellarreflex, 
Babinski, Fussclonus usw. 

Wenn Sie in den Kehlkopf hineinblioken, so finden sie eine erheb¬ 
liche Störung des linken Rekurrens. Das Stimmband steht etwas höher 
und ist kürzer als das sehr bewegliche rechte. Wenn man aber genau 
hinschaut, so sieht man immerhin eine gewisse Mitbewegung der gesamten 
linken Kehlkopfhälfte, was besonders deutlich in die Erscheinung tritt, 
wenn man nur die Aryknorpel zur Besichtigung einstellt. 

Ich habe geglaubt, dass dieses Syndrom Sie interessieren dürfte, 
zumal ich bereits die Ehre hatte, vor drei Jahren zwei ähnliche Fälle, 
wenn auch mit anders gearteter Anamnese, hier vorzustellen. 

Diskussion. 

Hr. Killian: Ich habe den Patienten vorhin untersucht und 
nicht allein gesehen, dass die Arygegend die Bewegung mitmacht, wio 
das bei Rekurrenslähmungen ja die Regel ist, sondern dass auch die 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1710 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


linke Stimmlippe sieh bewegt, bald etwas mehr, bald weniger. Also 
um eine komplette Rekurrenslähmung kann es sich hier nicht handeln. 
Der Rand der Stimmlippe ist auch nicht deutlich excaviert. Nun müssen 
wir überlegen: der Patient ist auf der linken Hirnseite operiert und 
hat auf der linken Seite eine Rekurrenslähmung, die Hemiplegie ist 
auf der rechten. Es ist also gar nicht zu verstehen, weshalb er auf der 
rechten Seite die Hemiplegie haben soll und nicht gleichzeitig auch eine 
rechtsseitige Rekurrenslähmung. Wir wissen allerdings durch die 
Untersuchungen von Semon und Horsley, dass der Kehlkopf doppel¬ 
seitig repräsentiert ist. In jeder dritten Stirnwindung ist ein Centrum, 
und es gehen Bahnen nach beiden Seiten. Semon und Horsley haben 
daraus geschlossen, dass, wenn das Centrum einer Seite ausfällt, über¬ 
haupt keine Störungen im Kehlkopf auftreten können, und nur wenn zu¬ 
fällig beide zerstört sind, könnten sich Störungen im Kehlkopf bemerk¬ 
bar machen. Es ist also in unserem Fall keine einseitige Rekurrens¬ 
lähmung möglich. Wäre sie es, dann müsste sie doch wohl rechtsseitig 
sein. Ich glaube deswegen, dass der Fall anders gedeutet werden muss. 
Die Idee, die Herr Graeffner mir privatim ausgesprochen hat, dass 
ein zweiter Herd in der Medulla bestehen könnte, scheint mir auch nicht 
plausibel. Denn dann müsste ja der Herd auf der anderen Seite sitzen, 
also in der Medulla im linken Nucleua arabiguus und nicht ira rechten. 
Ich glaube vielmehr, dass es sich in diesem Falle um ein zufälliges Zu¬ 
sammentreffen handelt. Wir wissen ja auch nicht, wie der Patient vor¬ 
her in seinem Kehlkopf beschaffen war, ob er nicht vielleicht schon 
früher Störungen der Bewegung des linken Stimmbandes gehabt hat. 

Hr. Graeffner: HerrKillian hat Semon und Horsley angezogen. 
Ich will in der Zitierung noch etwas weiter gehen und bemerken, dass 
Semon in seinem klassischen Beitrage für Heymanns Handbuch über¬ 
haupt das Zustandekommen von Stimmbandlähmung durch Grosshirn¬ 
einfluss in Abrede stellt. Er führt dafür nicht nur die Beweislosigkeit 
aller jener Arbeiten an, welche damals unter dem Rubrum als Stimm¬ 
bandlähmungen vom Grosshirn veröffentlicht waren, sondern bekanntlich 
auch den Schrei der akephalen Monstra, bei denen man also doch auf 
einen beiderseitigen Funktionsausfall rechnen muss. Ich möchte aber 
hier zur Stütze meiner Vermutung — dass die Stimmbandläbmung auf 
eine bulbäre Veränderung sich stützt — auf die Auseinandersetzungen 
bezug nehmen, die ich hier vor drei Jahren gemacht habe, als ich meine 
200 Apoplektiker laryngoskopisch untersucht hatte. Damals hat sich 
ergeben, dass nur ein ganz kleines Kontingent dieser Leute überhaupt 
Stimmbandstörungen zeigte. Unter den wenigen Fällen aber, die da in 
Betracht kamen, haben die meisten an Pseudobulbärparalyse gelitten 
infolge mehrfacher apoplektischer Blutungen. Und die Fälle von uni¬ 
lateraler Lähmung, die ich damals vorzeigte, waren sämtlich auf der 
linken Seite. Das scheint mir im Einklang mit den Beobachtungen 
Koerners, der ja das Prävalieren linksseitiger Rekurrenslähmungen 
längst betont hat, aus zu zeitigem Erliegen einer Neigung des linken 
Nucleus ambigus hervorzugehen. Auch damals dürften kleine apoplektische 
Herde in dem Bulbus es verursacht haben, dass wir genau die gleichen 
Fälle sahen: rechtsseitige Hemiplegie mit linksseitiger Rekurrenslähmung. 
Ich bin es übrigens dem Andenken unseres Grabower schuldig, bei 
dieser Gelegenheit zu bemerken, dass beide Fälle noch nicht zur Autopsie 
gekommen sind. 

2. Hr. Killian: 

a) Eine eigentümliche Erscheinung bei der Rekurrenslähmung. 

M. H.l Da gerade von Rekurrenslähmungen die Rede ist, so will ich 
zuerst einen Fall vorstellen. Sie haben bei dieser alten Frau eine 
linksseitige Rekurrenslähmung, und sie sehen die typischen Erscheinungen 
sehr ausgeprägt, weil die Patientin einen sehr zierlichen Kehlkopf hat 
und sehr schöne weisse Stimmbänder. Was mir bei der Patientin auffiel, 
das war etwas, was man sonst nicht so leicht zu sehen bekommt. Sie 
hat, wenn sie nur leicht phoniert, die Erscheinung, dass die gelähmte 
Stimmlippe in Kadaverstellung steht, excaviert ist, und dass die gesunde 
Stimmlippe leicht über die Mittellinie geht. Wenn sie kräftig phoniert, 
so geht die gesunde noch eine Strecke weiter über die Mittellinie, und 
man hat den Eindruck, als drückte sie die gelähmte ein wenig nach 
aussen. Etwas derartiges habe ich noch nie gesehen. Ausserdem ist 
sehr sonderbar, dass bei der leisen Phonation die Excavation nur den 
gewöhnlichen Grad besitzt; wenn die Patientin aber stark phoniert, so 
wird die Excavation kolossal. Offenbar ist der Druck der gesunden 
Stimmlippe mit daran schuld. Ausserdem scheint mir aber auch der 
Druck der Exspirationsluft die schlotternde linke Stimmlippe stark nach 
aussen auszubuchten. 

Wir haben nun noch einen zweiten Fall von Rekurrenslähmung 
mit sehr sonderbaren Erscheinungen draussen. Bei diesen könnte mancher 
glauben, es handle sich um einen kleinen Tumor an der hinteren 
Larynxwand; dabei ist es weiter nichts als wie die Spitze des Aryknorpels, 
die vorspringt. Der Santorinische Knorpel ist offenbar mir lose mit 
dem Aryknorpel verbunden und macht die starke Vorwärtsneigung des 
Aryknorpels nicht mit. Wenn man den Fall bei vorgebeugter Kopf¬ 
haltung untersucht, kann man sich von dem Sachverhalt noch besser 
überzeugen. 

b) Ein unter Schwebebronchoskopie extrahiertes, von einem 10 Monate 
alten Kinde aspiriertes Knochenstück. 

M. H.! Diesen Fall trage ich Ihnen nur deswegen vor, weil hier 
ein Fremdkörper mit der Schwebebronchoskopie entfernt wurde. 
Es gibt ja mit diesen im ganzen erst drei Fälle, die derartig behandelt 
worden sind. 


Unter Schwebebronchoskopie verstehen wir die Kombination der 
Schwebelaryngoskopie mit der Bronchoskopie. Die Aufnahmen der 
Situation, wie sie sich bei dem Kinde ergeben hat, werden Sie sofort 
im Röntgenbilde sehen. (Demonstration.) 

Das Kind hat am 19. Juni mit seinen zwei Scbneidezähnchen im 
Unterkiefer an einem Schweinsknöchelchen herumgenagt, und da ist es 
ihm geglückt, ein Stück Spongiosa von dem Knochen abzubeissen. Das 
hatte aber üble Folgen, den dies Knöchelchen wurde alsbald aspiriert. 
Das Kind bekam heftigen Husten und einen Erstickungsanfall. Tempera¬ 
turensteigerungen sind eingetreten, aber nur ganz massige, und erst am 
siebenten Tage, am 25. Juni kam es durch den Kollegen Feilchenfeld 
zu uns. Wir haben von dem Kinde kaum den Eindruck gewonnen, 
dass es krank war; so vergnügt wie jetzt war es natürlich nicht Es 
hatte etwas frequenteres Atmen, aber keine Atemnot. Es hatte keinen 
Stridor, man hörte nur wenig Rbonchi. Wenn man klopfte und horchte 
und den Stimmfremitus bei dem unruhigen Kinde prüfte, so glaubte 
man, der Fremdkörper müsse auf der linken Seite sitzen. 

Das Röntgenbild ist bei dem unruhigen Kinde etwas schräg aus¬ 
gefallen und befriedigte nicht. Ein zweites zeigt eine umfangreiche 
Verdichtung des Lungengewebes in der rechten Hilusgegend. (Demon¬ 
stration.) 

Wir haben das Kind chloroformiert, in die Schwebe gebracht und 
dann die Bronchoskopie ausgeführt. In diesem Falle handelte ec sich 
darum, das anzuwenden, was ich vor einigen Jahren über Bronchoskopie 
bei kleinen Kindern gesagt habe. Wie Sie wissen, ist es immer eine 
missliche Sache, durch einen so kleinen Kehlkopf, und namentlich einen 
so engen und empfindlichen subglottischen Raum ein Rohr durchzu¬ 
führen. Ich habe deshalb besondere Kinderrohre mit Mandrins kon¬ 
struiert, deren Durchmesser der KÖrperlänge angepasst ist. Bei der Be¬ 
stimmung des Durchmessers bin ich so vorsichtig gewesen, dass ich 
immer noch l [ 2 mm hinter dem, was zulässig war, zurückblieb. Die 
Rohre sind daher etwas eng ausgefallen. Neuerdings betrachte ich mir 
den subglottischen Raum zuerst in der Schwebe und wähle dann das 
passende Rohr. Bei unserem 68 cm grossen Kinde konnte das Rohr 
Nr. 5, das eigentlich für Kinder von 71—85 cm bestimmt ist und einen 
Durchmesser von 6 cm hat, unbedenklich benutzt werden. Mit diesem 
Rohr bin ich in den linken Bronchus eingegangen und habe den 
Bronchialbaum vollständig frei gesehen. Dann ging ich in den rechten 
Bronchus und sah ungefähr 1 Vs cm von der Bifurkation entfernt einen 
weissen Fremdkörper. Mit einer feinan Zange, die gerade für diese 
Kinderrohre konstruiert ist, wurde der Fremdkörper gefasst und heraus¬ 
gezogen. Ich zeige ihn hier in natura und hier im Projektionsbilde auf 
Millimeterpapier, damit Sie auch aus der Entfernung seine Grösse richtig 
beurteilen können. 

Das Kind hat diesen Eingriff auffallend gut ertragen. loh konnte 
es schon nach zwei Stunden so vergnügt, wie es jetzt ist, iu der klini- 
schen Stunde vorführen. 

c) Ein unter Schwebelaryngoskopie entfernter grosser subglottischer 
Tumor. 

M. H.! Ich gebe Ihnen nun einen kurzen Bericht über einen Fall, 
bei dem ein grösserer Eingriff mittels Schwebelaryngoskopie gemacht 
wurde. 

Es handelte sich um einen 39jährigen Russen, der mir von Herrn 
Brühl überwiesen wurde. Man sah mit dem Kehfkopfspiegel im sub¬ 
glottischen Raum einen Tumor, etwas rötlich, von verhältnismäsßig 
glatter Oberfläche, von der vorderen Wand ausgehend und etwas von 
der rechten Seite. Ich habe das Spiegelbild malen lassen. (Demon¬ 
stration.) Der Tumor war so gross, dass er den subglottischen Raum 
mindestens zu zwei Dritteln ausfüllte. Der Fall schien mir besonders 
geeignet für eine Behandlung in Schwebelaryngoskopie. Ich ersparte es 
mir, ein Probestück zu entfernen und vorher zu untersuchen. Ich fasste 
den Plan, den Tumor gleich radikal zu beseitigen und dann mikro¬ 
skopisch zu bestimmen. Ich habe auch von dem Larynxinnern Bilder 
malen lassen, welche die Situation bei der Schwebelaryngskopie wieder¬ 
geben. (Demonstration.) 

Es war nicht schwer, mit einer kalten Schlinge um das ganze Ding 
berumzugehen. Es bestand nur die Gefahr, dass das abgeschnittene 
Stück aspiriert werden könnte. Deswegen habe ich den Tumor gleich¬ 
zeitig mit einer feinen Zange gefasst, also mit beiden Händen im Kehl¬ 
kopf gearbeitet. Die Basis wurde ausgekratzt. Der Tumor war sehr 
weich. 

Unter dem Mikroskop zeigt die Geschwulst einen sarkomatösen Bau. 
Man sieht Bindegewebszüge und dazwischen grosse sarkomatöse Zellen. 
Die pathologischen Anatomen waren der Meinung, dass es sich hier um 
Fibrosarkom handelt. Nun, muss ich sagen, passt mir das klinisch gar 
nicht recht; denn ich habe vom klinischen Standpunkt aus den Ein¬ 
druck, dass es sich da gar nicht um eine bösartige Geschwulst 
handelt. Es erinnert mich dieser Fall an ein Sarkom der Trachea, das 
ich mit Galvanokaustik dauernd heilen konnte. Es ist bekannt, dass es 
Geschwülste von sarkomatösem Bau in der Trachea gibt, die ganz gut¬ 
artig verlaufen sind. Hoffen wir hier dasselbe. 

3. Hr. Weingärtner: Ein latentes Osteom der Stirnhöhle. 

42jähriger Mann, der seit etwa Jahr Kopfschmerzen in 

massigem Grade in beiden Stirnhöhlen hat. Wegen dieser Beschwerden 
ist er in die Nervenklinik gekommen und von da zu uns gesobickfc 
worden zwecks Erhebung eines genauen Nasenbefundes. Wir fanden in 
der Nase nichts Besonderes, vor allem keine Zeichen von Erkrankung 


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UNIVERSUM OF IOWA 





12. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1711 


der Nebenhöhlen. Nur bei der Diaphanoskopie fiel uns auf, dass ein 
schwacher Schatten in der Stirnhöhle war. Infolgedessen haben wir die 
Röntgenaufnahme gemacht, die uns sofort die Diagnose sicherte. Man 
sieht in der Stirnhöhlengegend einen sehr dichten, scharf begrenzten 
Tumorschatten, der seiner ganzen Konfiguration und Schattendichte nach 
wohl nichts anderes sein kann als ein Osteom. Um sicher zu gehen, 
dass es sich wirklich um einen Tumor in der Stirnhöhle handelt, haben 
wir noch zwei stereoskopische Aufnahmen gemacht, und zwar in oecipito- 
froutaler und in transversaler Richtung. Danach handelt es sich um 
ein Osteom der Stirnhöhle, das die Grenzen derselben noch nicht über¬ 
schritten hat. Unter den bis jetzt veröffentlichten Fällen ist ein der¬ 
artiger Fall, soweit meine Kenntnisse reichen, nicht vorhanden; es sind 
meistens schon Verdrängungserscheioungen, die der Tumor auf die Um¬ 
gebung der Stirnhöhlen ausgeübt bat, vorhanden gewesen, während bei 
unserem Patienten die Diagnose nur auf Grund des Röntgenbildes zu 
stellen war. Ich hoffe, Ihnen bald über das Ergebnis der Operation be¬ 
richten zu können. 

Tagesordnung. 

Hr. H. Gntzmann: 

Vorstellung eines Patienten mit Störungen der Stimme und Sprache 
bei infantiler Psendobulbärparalyse. 

Dieser 21jährige Patient, von Beruf Schreiber, kam vor einigen 
Tagen in das Universitätsambulatorium für Stimm- und Sprachstörungen 
und klagte, dass ihn die Leute nicht recht verstehen könnten. Er ist 
Oesterreicher, stammt aus Mähren und spricht mit Dialekt; er selbst 
schiebt aber das Nichtverstandenwerden nicht allein auf seinen Öster¬ 
reichischen Dialekt, sondern vorwiegend darauf, dass er den Laut R nicht 
richtig sprechen kann. Er setzt dafür eine Art J oder G ein. Ganz 
besonders stark tritt das hervor, wenn er Doppelkonsonanten z. B. br, 
dr, gr usw. sprechen muss (Demonstration). Sie hören, dass er zwischen 
dem Verbindungslaut und diesem J, das er für R spricht, einen unbe¬ 
stimmten Vokal einsetzt. Aehnliches findet man sehr häufig bei Kindern, 
die das R noch nicht sprechen können; die sagen auch z. B. „Boraten“ 
statt Braten. Die Chinesen können das R überhaupt nicht aussprechen; 
sie setzen für R L und können auch Konsonanten Verbindungen mit L 
nicht sprechen, sie setzen stets einen Vokal dazwischen und sagen z. B. 
statt „Christus“: Kilissetu. So setzt auch unser Patient immer einen 
Vokal dazwischen. 

Nun sind aber auch noch andere Sprachfehler bei ihm zu hören. 
Zum Patienten: Lesen Sie uns einmal vor, was Sie uns selbst geschrieben 
haben. (Geschieht.) — Sie böreD, dass die Sprache sehr stark nasal 
klingt: Rhinolalia aperta. Sieht man das Velum an, während er 
intoniert, so steigt das Gaumensegel zwar im ersten Moment, wird aber 
gleich darauf schlapp und fällt herunter. Es ist also zwar Innervation 
vorhanden, aber sie ist ungenügend, das Velum ist paretisch. Man 
findet nun, wenn man solche Patienten in der Kindheit zur Beobachtung 
bekommt, neben auffallend schwerfälligem Sprechenlernen meistens auoh 
Dysphagie: Verschlucken, Festsetzen der Speisen in den Backentaschen, 
so dass mit den Fingern nacbgebolfen werden muss u. a. m. 

So ergibt sich ein Bild, das ich als eine geringste Form der in¬ 
fantilen Pseudobulbärparalyse ansehe, ein Symptomenbild, das Oppen¬ 
heim zuerst aus den vielgestaltigen Formen der cerebralen Kinderlähmung 
abgesondert hat. Oppenheims erste Fälle sind allerdings kaum ge¬ 
eignet, mit diesem Bilde hier verglichen zu werden, weil es sich bei 
jenen um die spastische Form handelte. Wir haben nämlich zwei Formen 
der infantilen Pseudobulbärparalyse zu unterscheiden: die paralytische 
und die spastische Form; daneben gibt es Mischformen. Peritz bat 
eine grössere Anzahl von Beobachtungen in einem ausgezeichneten Werke 
zusammengestellt, auf das ich hiermit verweise. 

Nun sind aber alle jene Krankheitsbilder so unverkennbar, dass man 
an der Diagnose nicht zweifeln kann. Bei diesem Patienten dagegen 
würde man bei der Geringfügigkeit der Symptome zunächst zweifeln 
können, ob es sich wirklich um infantile Pseudobulbärparalyse handelt. 
Der Patient spricht jedoch von frühester Jugend auf so, und Diphtherie 
hat niemals bestanden. 

Ich habe auf der Königsberger Naturforscherversammlung vor vier 
Jahren in einer gemeinschaftlichen Sitzung der inneren Mediziner, der 
Kinderärzte und der Neurologen und Psychiater diese schwerer erkenn¬ 
baren Fälle von infantiler Pseudobulbärparalyse geschildert. König, 
der bekannte Neurologe, hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, 
dass man, wenn man genauer nachsiebt, viel mehr hierher gehörige 
Fälle findet, als man gewöhnlich annimmt. 

Die Fälle, welche die geringsten Symptome haben, findet man nun 
vorwiegend bei Erwachsenen. Sie dürfen nicht vergessen, dass Symptome 
der infantilen Pseudobulbärparalyse, die zu Anfang bei dem Kinde sehr 
stark sind, z. B. die Dysphagie, im Laufe des Lebens verschwinden. 

. 6 Patienten lernen allmählich, die Pharynxmuskulatur beim Schluckakt 
vicariierend einzusetzen, so dass sie die Bissen leichter herunterbekommen. 
Ls bleibt schliesslich oft nur eine Störung zu beobachten und nachzu¬ 
weisen, das ist die Störung der feinsten Koordination, die der Mensch 
besitzt, nämlich die der Sprache. Hier bleiben die Spuren meist bis in 
das spätere Alter nachweisbar. Nur denkt man oft nicht an jenen Zu¬ 
sammenhang, wenn man, wie in diesem Falle, einen 21jährigen Menschen 
vor sich hat. 

Ich habe im vorigen Jahre von Herrn Pfaundler in München, der 
ate ausgezeichneter Kinderarzt bekannt ist, eine Patientin mit ähnlicher 
Störnng überwiesen bekommen. Es bandelte sich um eine 28 jährige 
junge Dame, die mit dem Sprechen Schwierigkeiten habe; sie sprach 


nicht so flott, wie sie gern wollte; sie wollte obendrein Schauspielerin 
werden. Nun schilderte mir Herr Pfaundler die sprachlichen Sym¬ 
ptome zunächst brieflich und bemerkte dabei, es sei auffällig, dass 
neben den Sprachstörungen auch Schreibstörungen eigentümlicher Art 
bestünden. Die Dame trieb allerlei Sport mit vortrefflichem Erfolge. 
Später sagte sie mir, dass sie im Tanzen stets einige Schwierigkeiten 
habe. Tanzen ist nun aber eine wesentlich feinere Muskelkoordination 
als jede sportliche Uebung, was so viel Uebung erfordert. Auch 
unserem Patienten fällt Tanzen so schwer, dass er gleich nach dem 
ersten Versuch davon Abstand nahm. 

Entsprechend meiner Erfahrungen glaubte ich auch in dem Pfau ndl er¬ 
sehen Falle infantile Pseudobulbärparalyse auf Grund der schriftlichen 
Schilderung diagnostizieren zu müssen. Ich bat aber nachzufragen, ob 
die Dame in der Jugend Schluckbeschwerden gehabt hätte. Darauf er¬ 
hielt ich die Nachricht, die Dame hätte tatsächlich in der Kindheit 
Schluckbeschwerden gehabt, hatte als Kind immer mit dem Finger nach¬ 
helfen müssen, um den Bissen herunterzubringen. Dies und die spätere 
persönliche Untersuchung bestätigte meine Diagnose. 

Ueber Dysphagie in der Kindheit habe ich nun bei unserem 
Patienten nichts in Erfahrung bringen können. Was die Schreibstörung 
anbetrifft, so würde man sich zunächst daran stossen, dass es sieb um 
einen Berufsschreiber handelt; auch ich war zunächst etwas zweifelhaft. 
Aber es stellte sich heraus, dass er nicht Schreiber im gewöhnlichen 
Sinne war, sondern nur die Schreibmaschine bediente. 

Ich werde Ihnen zur Ergänzung des Gesagten eine Reihe von 
Schriftproben bei infantiler Pseudobulbärparalyse Erwachsener vorführen. 

Bei den Patienten, von denen diese Proben stammen, fand sich 
auch stets Sprachstörung mehr oder minder schwerer Art, vor allem Rhino¬ 
lalia aperta und Bradyarthrie, unvollkommene schwerfällige Sprechweise, 
verwischtes Aussprechen einzelner Laute, Ersetzen mancher schwierig 
fallender Laute durch andere. Neben der Sprachstörung bestand meist 
auch eine Schreibstörung. Sie hatte im wesentlichen den Charakter des 
Infantilen. Die Schreibstörung zeigt sich bei unserem Patienten vor¬ 
wiegend darin, dass er nicht schnell genug schreiben kann. Schreibt er 
langsam, dann schreibt er ziemlich gut; aber zum Schluss werden die 
Buchstaben zittrig, es tritt bald Ermüdung ein. Man sieht der Schrift 
an, wie mühselig sie ihm von der Hand ging. Er braucht z. B. um 
23 Buchstaben zu schreiben, 45 Sekunden, also fast für jeden Buch¬ 
staben 2 Sekunden! 

Alle Erscheinungen der gestörten Koordination hängen also eDg zu¬ 
sammen: die Störungen der feineren Extremitätenbewegungen, die 
Störungen im Velum, die Störungen in der Artikulationsmuskulatur. 
Meistens lernen derartige Patienten als Kinder spät laufen; das Tanzen 
wird von ihnen fast immer gemieden, die Sprache hat den geschilderten 
und demonstrierten bradyartbrischen und meist näselnden Charakter. 

Betrachten wir nun die Schriftproben. Die erste stammt von einem 
Patienten, der längere Zeit bei uns in klinischer Behandlung war. Der 
junge Mann war damals zwischen 16 und 17 Jahre alt, sehr intelligent; 
er hat inzwischen das Abiturium gemacht und studiert jetzt. Seiner 
Schrift sieht man das nicht an; sie sieht aus, als ob sie von einem 
kleinen Kind herrührt, sie hat ausgesprochen dysarthrographischen, in¬ 
fantilen Charakter. 

Die zweite Probe hat derselbe junge Mann geschrieben. Die erste 
Reihe mit Stütze des Armes, die zweite ohne Stütze des Armes, bei der 
dritten hat er die linke Hand zur Stütze genommen. Man sieht, dass 
die Schrift ohne Stütze recht schlecht gebt; manches kann man gar 
nicht lesen. 

Die folgende Probe hat ein 22 jähriger Landwirt geschrieben, der, 
um dieses kleine Stückchen zu schreiben, an 20 Minuten gebraucht hat. 
Er war ein sonst ganz intelligenter Mann, Sohn eines sehr bekannten 
Kollegen. Er hatte ebenfalls die typischen Sprachstörungen. 

Die nächste Schriftprobe rührt von einem 17 jährigen jungen Manne 
her, damals Obersekundaner, jetzt Student. Es ist ein Stück aus seinem 
Diarium, teils französisch, teils englisch, ln der nächsten Probe hat 
derselbe Patient eine mathematische Reinschrift geliefert. Sie sehen, wie 
er sich dabei Mühe gegeben hat, und doch würde man nicht glaubeD, 
dass das ein 17jähriger Mensch geschrieben hat; es siebt genau so aus, 
wie ein kleines Kind schreibt. 

Gelegentlich kommt der infantile Charakter noch mehr zum Vor¬ 
schein. Hier sehen Sie z. B. eine Postkarte, die derselbe junge Mann 
geschrieben hat. 

Endlich zeige ich Ihnen hier die Schrift von diesem jungen Manne. 
Man sieht dem Geschriebenen die grosse Mühe an; er setzt mitten im 
Buchstaben ab, er verschreibt sich; hier fangen die Buchstaben an, 
zittrig zu werden usw. 

Die Symptome der allgemeinen körperlichen Ungeschicklichkeit, die 
sich auf die feineren Koordinationen, besonders das Sprechen beziehen, 
sind demnach als Restsymptome einer infantilen Pseudobulbärpara¬ 
lyse anzusehen. 

Ich freue mich, dass ich noch vor meinem ausführlichen Vortrage 
Gelegenheit gehabt habe, Ihnen einen solchen Fall zu zeigen. 

Die übrigen Einzelheiten, die noch auszuführen wären, würden hier 
bei der kurzen Demonstration nicht eingehend besprochen werden können. 
Ich werde dies lieber in meinem Vortrage tun und Ihnen dann auch 
die einzelnen Unterlagen in bezug auf den genaueren Befund an der 
Stimme, an der Artikulationsmuskulatur usw. unterbreiten können. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


1712 


llufelandische Gesellschaft zu Berlin. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 9. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Bumm. 

Schriftführer: Herr J. Ruhemann. 

Hr. Bumm: 

Erfahrungen über die Bestrahlung tief liegender Carcinome. 

Zweijährige Beobachtungen erweisen es, dass Behandlung mit Meso¬ 
thorium und Radium 2—3 cm tief sitzende Carcinome prompt aushcilt, 
ohne dass Schädigungen bedingt wurden. Bei fortgeschrittenen und 
metastasierenden Krebsen heilt die Oberfläche gut aus; aber der maligne 
Process schreitet unter der fibrösen Narbe in der Tiefe weiter; so siebt 
man bei Collumcarcinomen keinen Fluor, keine Blutung mehr, während 
der Krebs in der Tiefe weiter geht. Verlängerung der Strahleneinwirkung 
und Verwendung grösserer Dosen ('500—^700mg—1,0g) erzeugt Ver¬ 
brennungen im gesunden Gewebe, so dass Nekrosen und Jauchungen 
entstehen, an denen nach Wochen und Monaten Exitus erfolgt. Anders 
gestaltet sich dagegen die Verwertung der Röntgenstrahlen. Bei grosser 
Quantität derselben kann ein weiterer Abstand (22 cm) gewählt werden, 
der die Gefahr stärkerer oberflächlicher und tiefer Gewebsschädigungen 
vermeidet bei Erzielung genügend tiefer Einwirkung. Diese lässt sich 
durch photochemische Prüfung (Einlegung von Kienböckstreifen in das 
Scheidengewölbe carcinomkranker Frauen, die von der Bauchwand aus 
bestrahlt werden) deutlich erweisen, im Gegensatz zu dem negativen 
Effekt bei einer gleich langen Bestrahlung mit 200 mg Mesothorium. 
Mit Hilfe des Elektroskops und Ionoquantimeters lässt sich zeigen, dass 
bei Abstand der Röhre = 22 cm, der Mesothoriumkapsel = 2 cm von der 
Oberfläche in 10 cm Gewebstiefe das Verhältnis der Wirkung der 
Itöntgenstrahlen zu der Mesothoriumstrahlung wie 921 : 1 ist. Es wären 
also 921 rag x 100 = 92g Mesothorium notwendig, um in der Tiefe von 
10cm eine gleiche Strahlungsintensität zu erreichen wie mit der Röhre. 
Man nahm an, dass die härtere /--Strahlung besser und elektiver wirke 
als die Röntgenbestrahlung. Das ist indes nicht der Fall; es kommt 
bei der Krebsheilung alles auf die Quantität der Strahlen aD, welche 
die Gewebe treffen. Um 2 cm dicke Carcinomwucherungen zu zerstören 
gehören bei direkter Bestrahlung 300—500 X. Da bei einer Tiefe von 
10cm etwa ein Siebentel der Strahlen absorbiert wird, bedarf man also 
einer 7 fachen Vermehrung der Röntgenstrahlen, also 3000—3500 X, die 
aus harten Strahlen bestehen, die von verschiedensten Seiten aus ein¬ 
fallen müssen, also von den Bauchdecken, der Seite, dem Rücken von 
dem Damm her. Bei so grosser Einwirkung ist es gelungen (z. B. bei 
6 Collumcarcinomen bei mageren Frauen) klinische und anatomische 
Ausheilung zu erzielen. E 9 entsteht hierbei oft ein blasenförmiges 
Erythem der Haut, das sich indes in 6 Wochen überhäutet, falls man 
alleinige harte Strahlen ein wirken lässt. Das fällt gegenüber der Er¬ 
zielung des therapeutischen Resultats nicht ins Gewicht, wenn man an 
die dauernden' Schädigungen der weichen Röntgenstrahlen denkt. Gewisse 
Grenzen sind dieser Therapie gesetzt, weil dadurch Allgemeinstörungen, 
Herzalterationen, Anorexie, Erbrechen, starke Diarrhöen usw. bedingt 
werden können, Dinge, die auch bei der Behandlung anderer Carcinome 
des Magens, Darms, Kehlkopfes usw. berücksichtigt werden müssen. 
Bezüglich der erzielten Tiefenwirkung erinnert Vortr. an den Fall eines 
Ovarialcarcinoms. Nach der Operation desselben zeigten sich Metastasen 
im Peritoneum und Netz. Es wurde vom Stuhl bis zur Symphyse die 
Bestrahlung vorgenommen, nach 7—8 Monaten war Erguss im Bauchfell 
vorhanden. Laparotomie erwies das Freisein des Peritoneum unter¬ 
halb des Nabels, während oberhalb desselben in der nicht bestrahlten 
Region die Recidive sassen. 

2 . Hr. Warnekros: 

Durch Röntgenbestrahlung geheilte tiefliegende Carcinome. 

Vortr. demonstriert die therapeutische Tiefenwirkung der hoben 
Röntgendosen an gynäkologischen Fällen und bei extragenitalen Krebsen; 
in letzterer Beziehung wurden sehr instruktive Fälle von Gesichts-, 
Lippen- und Lungeocarcinomen an Bildern und Röntgenogrammen gezeigt. 

Diskussion. 

Hr. Franz erkennt das grosse Verdienst der Bumm’schen Klinik 
an, die grossen Röntgendosen verwertet zu haben. Es handelt sich 
wirklich um klinische Heilung und anatomische Beweise der restlosen 
Beseitigung; indes ist die Frage, ob alle für die Verbreitung und 
Recidivierung des Krebses in Betracht kommenden Vorposten vernichtet 
werden. Die Wahl zwischen Operation und Bestrahlung wird jetzt 
zweifelhaft. Bei dem grossen Kostenaufwand und der Mühewaltung, 
welche die letztere Therapie erfordert, bedarf es der Notwendigkeit der 
Behandlung in der Klinik. 

Hr. Paul Lazarus: M. H.! Mit vollem Recht haben die Herren 
Vortragenden die starke Dosierung als den Kernpunkt der Strahlen- 
tiefeDtherapie bezeichnet. Die Betonung dieses Moments ist um so not¬ 
wendiger, als neuerdings von verschiedenen Seiten die Anschauung 
vertreten wird, dass man mit schwächeren Dosen strahlender Materie die 
gleiche Carcinombeeinflussung erreichen könne, wie mit stärkeren Dosie¬ 
rungen, wenn man erstere mit andersartigen „Krebsheilmitteln“ z. B. 
AutolysateD, Antimeristem und dergl. kombiniert. Diese Auffassung 
bedeutet eine Gefahr, denn die Wirkung der strahlenden Energie ist je 
nach ihrer absorbierten Menge eine grundverschiedene. Wir können 
im Ausdehnungsgebiete der Strahlen 4 Zonen unterscheiden: Zerstörung, I 


Wachstumshemmung, Wachstumsreizung und Indifferenz. 
Schwachbestrahlte Geschwülste wachsen rascher als unbestrahlte. Es 
ist deshalb unbedingt erforderlich ein möglichst grosses Strahlenquantum 
dort zur Absorption zu bringen, wo man zerstören will. 

Zwischen den ^-Strahlen und den härtesten Röntgenstrahlen besteht 
kein grundsätzlicher physikalisch-theoretischer Unterschied, wenn auch 
nach den Erfahrungen mehrerer Strahlentherapeuten biologische Differenzen 
bestehen sollen. Wir besitzen in den radioaktiven Stoffen und in der 
Röntgenröhre 2 gleichzielig gerichtete Waffen, jede mit ihren besonderen 
Vorzügen und Nachteilen. Io den radioaktiven Stoffen ist in kleinster 
Masse das stärkste, dabei konstante und selbsttätige Energiequantum 
konzentriert, das in seiner Intensität und Lokaliaation bequem dosierbar 
und in seiner Anwendungsdauer zeitlich nicht so beengt ist wie die 
Röntgenstrablen. Es lässt sich direkt an den Erkrankungsherd bringen 
und wirkt im ersten Gewebscentimeter mindestens 100 mal so stark wie 
eine gleicbaktive Strahlenquelle in 10 cm Entfernung. Mittels der ultra¬ 
penetrierenden Röntgenstrahlen können wir, wie die von den Herren 
Vortragenden dargestellten glänzenden Resultate zeigen, ausreichende 
grossfläehige Tiefenheilwirkungen erzielen bei relativ ungefährlicher Mit- 
Beeinflussung der oberflächlichen Ge websschichten. 

Als das richtigste Verfahren erscheint mir die kombinierte An¬ 
wendung von stark aktiven StrahlenrÖhrohen möglichst 
direkt am Krankheitsherde und die Bestrahlung von aussen, 
sei es durch eio oder zwei Röntgenröhren (Kreuzfeuer) oder eventuell durch 
eine Kette von hochaktiven, radioaktiven Dauerstrahlern, was freilich 
sehr kostspielig ist. 

Das nähere über meine Methodik habe ich in der B.kl.W. 1914, 
No. 5 u. 6 und in den diesjährigen Verhandlungen des Deutschen Kongresses 
für innere Medizin, S. 208 l ) ausgeführt. Daselbst berichtete ich auch 
über 10 lediglich durch Mesothorbestrahlung erfolgreich behandelte 
Fälle, deren Demonstration ich mir anzuschliessen erlaube. Fall 1. 
Fibrosarkom des Kleinhirns, Fall 2. Lymphosarkom der Ton¬ 
sille, Fall 3. Speiseröhrenkrebs, Fall 4. Magenkrebs, Fall 5. 
Mediastinalsarkom, Fall 6 u. 7. Lymphogranulom des Halses, 
Lymphogranulom des Halses und des Mediastinums, Fall8, 
9u. 10. Beeinflussung leukämischer Milz-, Leber- und Drüsen- 
sch wellungen. 

Manche dieser Fälle waren bereits vorher erfolglos mit Röntgen- 
strahlen behandelt worden (s. Original). Die Gefahren der Strahlen- 
therapie sind nicht geringe, z. B. der konträre Effekt: Reizwachstum. Gerade 
gegen diese Gefahren schützt am ehesten eine Verbindung dercentri- 
fugalen, intratumor&len Radiumbehandlung mit der centri- 
petalen Röntgenbehandlung von aussen, die auf ganze Körper¬ 
regionen ausgedehnt werden kann. Daduroh geraten die Geschwulst- 
pheripberie und benachbarte Metastasen iDS Strahlen-Kreuzfeuer. So 
habe ich auch bei den dargestellten Fällen von Speiseröhren- und 
Magenkrebs ein an einem Faden befestigtes Mesothorröhrchen bis ins 
Niveau der Erkrankung schlucken lassen und gleichzeitig von aussen den 
Krankheitsherd durch ein Reihe von 8 Mesothor- und Radiumträgern 
umzingelt. 

Hr. Levy-Dorn: Das grosse Verdienst des Herrn Bumm, in seiner 
Klinik bisher unerhört grosse Dosen angewandt und damit überraschende 
Erfolge bei Krebs erzielt zu haben, überhebt uns nicht der Pflicht, 
nachzudenken, ob und wo wir mit weniger gefährlichen Dosen auskommen. 
Allerdings heilten ja nach den vorliegenden Mitteilungen selbst die 
Itöntgendermatitiden 2. Grades, welche man durch die harte gefilterte 
Strahlung hervorgerufen hatte, ohne dauernden Schaden für den Patienten. 
Aber ganz abgesehen davon, dass man nicht weiss, was noch nachkommt, 
wäre es ohne Zweifel besser, wenn man ohne jegliche Gefahren dasselbe 
erreichen könnte, was uns heute mitgeteilt und vorgeführt wurde. 

Von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich an die erhebliche Ver¬ 
schiedenheit in der Radiosensibilität verschiedener Tumoren erinnern. 
Die Demonstration des Herrn Lazarus zwang uns einen solchen Ge- 
dankengang besonders eindringlich auf. Seine mehr oder weniger ge¬ 
heilten Lymphsarkome und Mediastinalgeschwülste z. B. gehören za den 
Affektionen, die schon unter einer lür heutige Begriffe geringen Be¬ 
strahlung schwinden. Schon in den Anfängen der Röntgentherapie 
wurde von zahlreichen Autoren, auch von mir selbst, über Erfolge auf 
diesem Gebiete berichtet. Wir müssen uns also von dem Gedanken 
frei halten, alle Geschwülste mit gleich grossen Dosen behandeln zu 
müssen und im Interesse der Kranken im Auge behalten, mit möglichst 
kleinen Dosen auszukommen, selbstverständlich ohne das günstige Er¬ 
gebnis zu gefährden. 

Hr. A. Fraenkel erkennt ganz besonders die Wirknng der Tiefen¬ 
bestrahlung in dem vom Vortr. demonstrierten Fall von Lungenoar- 
cinom an, zu dessen erfolgreicher Behandlung der Arzt io gleichem 
Maasse wie der Patient zu beglückwünschen ist. Er weist aber darauf 
hin, dass die in dem Diapositiv sichtbare Verschathmg des ganzen linken 
Lungenfeldes vor der Bestrahlung nicht auf Rechnung von Tumorbildung 
gesetzt werden darf, und ebensowenig die naoh der Bestrahlung sichtbare 
Aufhellung als Folge von Tumoreinschmelzung zu deuten ist. Die primären 
Lungencarcinome gehen meist vom Bronchus aus und führen zur Kom¬ 
pression bzw. zur Verlegung grösserer Luftröhrenäste durch Hineinwuchern 
in dieselben. Die Folgen sind ausgedehnte Atelektasen des Lungen- 

1) Die Radium-Mesothoriumanwendung bei inneren Erkrankungen 
einschliesslich der Neubildungen. 


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12. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1713 


gewebes, sowie entzündliche Ausschwitzungen in die Alveolen, so dass 
weder der physikalische Befund, insbesondere die Ausbreitung der 
Dämpfung, noch die Undurchlässigkeit der Lunge bei der Durchleuchtung 
Aufsohluss über die wahre Grösse des Tumors geben. 

Hr. Evler** loh möchte mir die Frage erlauben, wie sich die Wuud- 
heilungstendenz der mit hohen Dosen bestrahlten Gewebe bei späteren 
Operationen gestaltet. Bei Operationen nach vorhergegangenen Röntgen¬ 
bestrahlungen mit mittleren Dosen, fand ich den Wundverlauf auffallend 
verzögert und sohmerzhaft. 

Hr. Hessmann lenkt die Aufmerksamkeit auf die beim Verabreichen 
hoher Röntgendosen gar nioht selten eintreteoden Nebenerscheinungen 
— allgemeine starke Mattigkeit, Uebelkeit und Erbrechen. Praktisch 
wichtig sind sie deshalb, weil sie bei Patienten mit labilem Nerven¬ 
system die Durchführung einer Röntgenbehandlung gefährden können. 
Da sie meist schon während oder nach der ersten Bestrahlung auftreten, 
können sie nicht als eiue spezifische Röntgenwirkung angesehen werden. 
Vielmehr werden elektrische Erscheinungen — Ionisation der Luft und 
Aufladung des Körpers —, die besonders stark gerade bei harten Röntgen¬ 
strahlen hervorgerufen werden, zur Erklärung der Nebenwirkungen her¬ 
angezogen werden müssen. Um diese zu beseitigen, ist daher auch der 
Patient zu erden und nicht nur wie bisher das Röhrenstativ. Die 
praktische Probe dieses einfachen Mittels glückte gleich beim ersten Fall. 

Hr. Bucky-Berlin: M. H.! Unstreitig müssen wir den Gynäkologen 
dankbar dafür sein, dass durch ihre intensive Arbeit auf dem Gebiete 
der Strahlungstherapie ein Aufschwung in diesem Zweige der Wissen¬ 
schaft zu verzeichnen ist, der das Interesse aller Aerzte erweckt hat. 
Nur ist die Entwicklung dieser neuen Therapie etwas zu stürmisch ver¬ 
laufen. Die klinischen Erfolge mit ihren überraschenden Resultaten und 
erheblichen technischen Verbesserungen Hessen die Gynäkologen die 
wohlgemeinten Ratschläge von seiten erfahrener Röntgenologen etwas zu 
gering achten, so dass heute manches eingetroffen ist, was den Gynäko¬ 
logen von röntgenologischer Seite vorausgesagt worden ist. Es ist eine 
alte Erfahrung, dass Kinder in den Entwicklungsjahren die Ratschläge 
der Eltern nicht beachten; genau so war das Verhältnis zwischen 
Gynäkologen und Röntgenologen. Nach meiner UeberzeuguDg ist es 
nunmehr an der Zeit, dass die Gynäkologen gemeinsam mit erfahrenen 
Röntgenologen und vor allem mit Physikern zu arbeiten beginnen. 
Diese Einsicht beginut sich bereits bei den Gynäkologen merkbar zu 
machen, denn sowohl an der Bumm’schen Klinik als auch an der 
Heidelberger sind Physiker zur Mitarbeit herangezogen wordeD. 

Wie wichtig diese Forderung ist, kann ich Ihnen an einem Beispiel 
aus dem Vortrage von Herrn Geheimrat Bumm erläutern. Herr 
Geheimrat Bumm führte an, dass die harten Strahlen zwar Erytheme 
und Verbrennungen zweiten Grades mit Blasenbildung verursachen 
könnten, dass er aber bezweifle, dass schwere Verbrennungen dritten 
Grades mit Uloerationen durch harte Strahlung hervorgerufen werden 
könnten. Wir wollen dahingestellt sein lassen, ob diese Annahmen in 
jedem Falle zutreffen, zweifellos geht aber aus dem Angeführten und 
aus unseren sonstigen Erfahrungen hervor, dass die biologische Wirkung 
der weichen und der harten Röntgenstrahlen wesentlich different ist. 
Um wieviel mehr wird der Unterschied bei einfachen chemischen Pro¬ 
zessen hervortreten! Trotzdem wird dieser Umstand stets vernachlässigt, 
wenn es sich um Messung der Strahlenmengen handelt. Hier wird von 
vornherein angenommen, dass weiche und harte Strahlen gleiche Wirkung 
hatten. Wie könnte sonst Bumm die Zahlen miteinander vergleichen, 
die er am Kienböck’schen Dosimeter einmal durch Bestrahlung mit 
Röntgenstrahlen und das andere Mal durch Bestrahlung mit den un¬ 
gleich härteren Radiumstrahlen erhalten hat. Ganz abgesehen davon, 
dass das Kienböck’sche Verfahren wesentliche Mängel aufweist (ich 
verweise diesbezüglich auf die klaren Ausführungen von Grossmann 
auf dem letzten Röntgenkongress), wäre es ein schwerer Fehler, aus 
diesen Zahlen Rückschlüsse auf biologische Wirkungen zu ziehen. Das¬ 
selbe gilt von den anderen bisher gebräuchlichen Dosimetern, z. B. auch 
den im Handel befindlichen Ionometern; auch hierüber kann das Wesent¬ 
liche in dem Grossmann’schen Vortrag nachgelesen werden. Auf 
keinen Fall ist es aber angängig, Radium- und Röntgenstrahlen in dieser 
Weise zu vergleichen. Wir haben eben bis heutigen Tages noch kein 
absolutes Dosimeter; das Ideal wäre natürlich ein biologisches Dosi¬ 
meter im Gegensatz zu den physikalischen und chemischen Instru¬ 
menten; ob wir aber jemals ein solches besitzen werden, darüber lässt 
sich zurzeit nichts aussagen. Wenn die Bumm’sehe Klinik heute ein¬ 
fach bis zum Erythem der Haut in jedem Falle geht, so benutzt sie 
dabei in der Tat ein biologisches Dosimeter, nämlich die Reaktion der 
Haut^auf die Strahlung, dann ist es natürlich einfach, die „Erythem¬ 
dosis“ festzustellen; man bestrahlt eben, bis eine Verbrennung zweiten 
Grades Auftritt. Ob sich aber alle Radiotberapeuten zu eiuem solchen 
Vorgehen entschlossen werden, ist doch wohl zweifelhaft. 

Da die Herren Gynäkologen bei Angabe der Dosen mit enorm 
grossen X-Zahlen zu operieren gewohnt sind, wäre es wünschenswert, 
wenn einmal Klarheit geschafft würde, inwieweit dabei von absoluten 
Zahlen gesprochen werden kann. In der richtigen Erkenntnis, dass die 
Dosimetrie der Röntgenstrahlen noch sehr im Argen liegt, hat Levy- 
Dorn auf dem letzten Röntgenkongress die Schaffung einer Dosimeter¬ 
kommission angeregt. 

Es ist hier nicht der Ort, des näheren auf diese speziellen Fragen 
fiinzugehen. Gelegenheit zur Aussprache bietet sich für die Gynäkologen 


und die Röntgenologen in der Berliner Röntgengesellsobaft, die sich jetzt 
auch mit der Radiumtherapie befasst. 

Nur noch einen Punkt möchte ich erwähnen. Wenn Herr Geheimrat 
Bumm als Ziel der Strahlentherapie die Erhöhung der Strahlendosis 
ansiebt, so kann ich ihm darin nicht ohne weiteres beistimmeo, und 
zwar aus folgenden Gründen. Die Heilwirkung der Röntgenstrahlen be¬ 
ruht auf der verscbiedeneu Radiosensibilität des normalen und des 
pathologischen Gewebes. Nur dem Umstande, dass das pathologische 
Gewebe radiosensibler ist, verdanken wir ja die Möglichkeit, patho¬ 
logische Zellen zu zerstören, während die normalen Zellen dem Einflüsse 
der Strahlung standbalten. Dass aber auch die normale Zelle ge¬ 
schädigt wird, sehen wir am deutlichsten aus dem Verhalten der nor¬ 
malen Haut. Je grösser die Dosis, um so stärker wird zwar das patho¬ 
logische Gewebe angegriffen, aber um so mehr werden dann auch die 
normalen Zellen geschädigt werden. Deshalb muss e9 eine Grenze der 
Strahlenapplikation geben, die wir nicht überschreiten können, ohne den 
Orgauismus schwer zu schädigen. Auf diesem Wege kommen wir also 
nicht weiter. Vielmehr muss es nach meiner UeberzeuguDg unsere Auf¬ 
gabe sein, Mittel und Wege zu finden, die Radiosensibilität des patho¬ 
logischen Gewebes zu erhöhen. Dann werden wir mit relativ geringen 
Dosen auskoramen, die das normale Gewebe nicht schädigen. Da3S 
dieses Ziel erreichbar ist, hoffe ich Ihnen noch im Verlaufe des kommenden 
Winters zeigen zu können, da ich mich bereits seit Jahren mit dieser 
Frage beschäftige. 


Aerztllcher Verein zu München. 

Sitzung vom 16. September 1914. 

(Kriegschirurgischer Abend.) 

1. Hr. v. Stubenrauch: 

a) Allgemeine Gesichtspunkte bei der Behandlung der 8ehnss- 
verletzugen. 

Bei der Behandlung der Schusswunden gehen wir zuerst von der 
allgemeinen Wundbehandlung aus. Die Wunden möglichst rasch und 
schonend zu behandeln, ist der fundamentale Grundsatz. Wenn wir 
vom Truppenverbandplatz ausgehen, handelt es sieb um rasche Versorgung 
der Wunden mit keimfreiem Material. Wie geschieht das? Die Gefahr 
tritt hauptsächlich von der Nachbarschaft aus auf. Deshalb grosser 
Nutzen der Arretierungsmethoden: entweder fixieren oder mit Des¬ 
inficienten bestreichen oder gummieren. Am besten ist der Mastisol- 
verband. Die Nachbarschaft der Wunde wird mit Mastisol bestrichen, 
dann die Wunde mit Kompressen bedeckt und darüber Watte. Der 
Wert des Oettingen’schen Verbandes liegt auch in der Richtung der 
Fixation. Die Entzündungserscheinungen gehen oft über Erwartung 
rasch zurück, uüd neuer Reiz durch mechanisches Reiben wird verhindert, 
was ein grosser Vorteil ist. Die Wunden weder desinfizieren noch 
mechanisch reizen. Als Konkurrent des Mastisols kommt die Jodtinktur 
in Betracht, gegen die nur eingewendet werden kann, dass sie nicht 
fixiert, und die Einwirkung von nicht so langer Dauer ist. Vortr. zieht 
Mastisol auch dem Heftpflaster vor, da man es fast an allen Körper¬ 
stellen anbringen kann. Mastisol soll zwar auch Ekzeme der Haut 
machen, St. hat aber nie grössere als bei Heftpflasterverbänden beobachtet. 
Man hat gesagt, dass man strikte vermeiden soll, die Umgebung der 
Wunde mit Seife zu waschen, zu rasieren oder vom Blut zu reinigen. 
Es gibt aber Fälle in denen die Wunden so beschmutzt sind, dass man 
mit Mastisol nicht mehr auskommen kann. In solchen Fällen soll man 
die Umgebung in schonendster Weise reinigen. Am besten ist das 
Benzin; man kann dann von Seife absehen. Auch Verletzungen, die 
grob mit Erde verunreinigt sind, soll man nicht spülen. In solchen Fällen 
ist es gut, die Wunde mit Jod zu behandeln und trocken zu verbinden. 
Feuchte Verbände sind zu vermeiden. Eine andere Frage ist, ob wir 
sehr verunreinigte Wunden nicht spezifisch gegen Tetanus behandeln 
sollen. Deshalb hat die bayerische SanitätsverwaltuDg die Sanitätszüge 
mit Tetanusantitoxinen ausgestattet. 

Falsch ist es, Wunden zu berühren oder zu sondieren. Auch darf 
man niemals für 2 Patienten das gleiche Instrument verwenden, ohne 
es dazwischen auszukochen. Es in Desinficientien zu legen hat keinen 
Wert. 

Auch bei der Tamponade werden grobe Fehler gemacht. Scbuss- 
verletzungen mit kleinen Kanälen dürfen nicht tamponiert werden, 
denn es wird einerseits dadurch der Wundkanal verlegt, andererseits 
werden Keime von aussen in die Wunde hereingebracht. Die Tampo¬ 
nade ist nur bei grossen Kanälen und bei Blutungen erlaubt. Der 
Mastisolverband verhindert auch nicht die Blutstillung. Einen ent¬ 
standenen Schorf soll man nicht zu lösen versuchen. Nur wenn Klei¬ 
dungsstoffe daran kleben, soll man ihn vorsichtig entfernen. Bei granu¬ 
lierenden Wunden recht fleissig Salbenverbände machen, z. B. Peru¬ 
balsam mit Vaselin. Das Allerwichtigste ist die Fixation der grob 
verletzten Glieder. Sie ist so wichtig wie die Wundbehandlung. 
Verbandwechsel möglichst lange hinausschieben und dann so schonend 
als möglich verfahren. 

b) Daran anschliessend DemonstratioBei ?oi Lichtbilder! einzelner 
VerMitmgsfonnen. 

Vortr. stellt dabei noch folgende Grundsätze auf: 

Hämatome soll man nur dann inzidieren, wenn sie vereitert sind 
oder grosse Störungen hervorrufen (in den Waden, der Glutäalgegend, 


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Original fro-m 

UMIVERSITY OF IOWA 




1714 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 41. 


bei Druck auf einen Nervenplexus). Geschosse dürfen nur entfernt 
werden, wenn sie zu grossen Beschwerden führen, Eiterungen hervor- 
rufen, sogenannte „Gefassschüsse“ darstellen oder wo sie direkt unter 
der Haut liegen und ganz leicht entfernt werden können. Kiefer- 
verletzungen-soll man rasch zum Zahnarzt bringen. 

2. Hr. Krecke: Beobachtungen über Schnssverletznngen. 

Yon den Transporten kamen manche Verwundete in einem sehr 
schlechten Zustand zu uns. So haben z. B. von den Oberschenkel¬ 
frakturen die 5 ersten nicht, die 5 letzten stark geeitert. Die ersten 
waren nicht sehr gut geschient. Der eine davon war 30, ein anderer 
32 Stunden im Felde gelegen und doch waren sie gut. Sie sind am 
3. Tage gekommen. Die anderen waren oft hin- und hertransportiert 
worden und kamen am 8. Tag. Eine Ursache für den veschiedenen Zu¬ 
stand dieser Oberschenkelfrakturen konnte Yortr. nicht finden. 

Bei Schädelschüssen ist Trepanation angezeigt; dasselbe gilt für 
alle Tangentialschüsse. 

Die Rückenmarksverletzungen stellen das traurigste Kapitel dar, 
da sie fast alle tödlich enden: durch schweren Decubitus oder Cystitis. 

Bei Rüekenmarksscbüssen soll nur dann eine aktive Therapie ein- 
treten, wenn nur ein Einschuss vorhanden ist und das Geschoss im 
Rückenmarkskanal sitzt. In den übrigen Fällen, besonders wenn ein 
Ausschuss vorhanden ist, nichts unternehmen. Nervenverletzungen 
wurden viele beobachtet. Alle Nervenverletzungen machen sehr starke 
neuralgische Schmerzen. In den ersten 6 Wochen nichts tun. Von 
Aneurysmen sah Vortr. zwei: eines der Poplitea und eines der 
Brachial is. 

Blasen- und Harnröhrenverletzungen: Eine schwere Verletzung der 
Pars membranacea konnte durch Operation geheilt werden. Blasen¬ 
verletzungen waren zustande gekommen, indem bei einem Mann ein Ge¬ 
schoss in der Gesässgegend, bei einem anderen eines am Tuber ossis 
ischii eiDgedruugen war. Sie machten die Erscheinungen von Blasen¬ 
steinen: In der Rückenlage keine Beschwerden, aber beim Aufrecht¬ 
stehen. Es wurde die Sectio alta in Lokalanästhesie gemacht. 

3. Hr. Fessler.- Ueber Qnerschlägerverletznngen. 

Vortr. sprach über die Wirkung des deutschen und französischen 
Spitzgeschosses. Die Versuche, ein steil zugespitztes Geschoss, das ver¬ 
möge der Spitze am leichtesten die Luft und das Ziel durchdringt, zu 
konstruieren, gehen auf viele Jahre zurück, scheiterten aber an der 
ballistischen Schwierigkeit, dieses Spitzgescboss sicher mit seiner Längs¬ 
achse in der Flugbahn zu erhalten. Erst durch innigere Führung im 
Lauf und ausserordentlich gesteigerte Anfangsgeschwindigkeit konnte dies 
erreicht werden. Will man nun die Anfangsgeschwindigkeit (v = 860 m-Sek. 
beim deutschen, 730 m-Sek. beim französischen Spitzgeschoss) be¬ 
deutend steigern, so muss das Geschoss im gleichen Verhältnis leichter 
werden. 

Nach dem japanisch-russischen Kriege trat Frankreich mit einem 
Solchen Spitzgeschoss hervor, das so lang war, als der Lademechanismus 
eines Gewehrs überhaupt gestattete, vielleicht auch in der Absicht, das 
Querschlagen des Geschosses zu erleichtern; denn mit der Geschoss¬ 
länge wächst die Neigung zur Querlage (anfangs 39,9, jetzt 39,0 mm). 
Dieser neue französische „bal D“ musste aus einem spezifisch leichteren 
Metall sein (90 pCt. Kupfer, 6 pCt. Zink, 4 pCt. Nickel), um eine er¬ 
höhte Geschwindigkeit zu erreichen. Deutschland führte 1906 ein 
kürzeres Spitzgeschoss (27,8 mm lang) ein, das aus Hartblei mit nickel¬ 
plattiertem Stahlmantel besteht. Weil das deutsche Spitzgeschoss leichter 
als das französische ist (10,0 g gegen 13,2 [jetzt 13,0]), verliert es 
rascher seine Energie und lebendige Kraft. Das deutsche Spitzgeschoss 
hat aber den ballistisch-taktischen Vorteil, dass es eine grössere Rasanz 
hat, wodurch in 700 m Schussweite — der gewöhnlichen Zielweite im 
Infanterieentscheidungskampf — noch Ross und Reiter unter das gleiche 
Visier fallen. Des verringerten Gewichts wegen kann auch dem einzelnen 
Mann mehr Munition mitgegeben werden. Diese Vorteile und die grössere 
Treffsicherheit (verminderte Streuung) des S-Geschosses waren die 
Gründe, welche die deutsche Heeresverwaltung bei Einführung des neuen 
Geschosses leiteten. 

Beide Geschosse treffen als Ersttreffer in allen Entfernungen mit 
der Spitze auf, wie ich durch Versuche mit dem deutschen Spitzgeschoss, 
der „S“-Munition nach dem deutschen Ausdruck 1 ), festgestellt habe; 
daher die auffallend glatten Durchschüsse durch schwammige Knochen, 
Gelenke usw. Sobald aber diese Spitzgeschosse einseitig einen härteren 
Widerstand finden, oder wenn sie nach Durchbohrung oder Berührung 
härterer Knochen wieder in weichere Körperteile gelangen oder diese 
Widerstände rasch wechseln, weicht ihre steile Spitze ab, das Geschoss 
beginnt zu pendeln, legt sich quer, behält allerdings die Rotation um 
die Längsachse bei, so dass es zu allen möglichen Formen von Quer- 
Schieflagen kommt. Vortr. bat Versuche mit Durchschüssen an Pappen¬ 
deckeln mit Sägemehlzwischenlagen angestellt. Id menschlichen Körper¬ 
teilen kommt diese Schief- und Querlage sehr deutlich zum Ausdruck: 
1. Man erkennt es schon an den Hauteinschüssen, ob das Geschoss nach 
vorherigem Anstreifen als Schief- oder Querschläger aDkommt. Der 
Hauteinschuss ist oval, schlitzförmig. Dem entspricht im Körper eine 
grössere Weite des Schusskanals; in den Weichteilen ein grösserer Blut¬ 
erguss, starke Knochenzertrümmerung, vergrösserter Ausschuss und 
manchmal auch mehrfache Ausschüsse (durch Knochensplitter). 2. Das 

1) Vgl. E. Stahl, Wirkung des deutschen Spitzgescbosses. München 
1909, Verlag dor Leutner’schen Buchhandlung. 


Geschoss wendet sich, nachdem es als Spitztreffer die Haut klein durch¬ 
schlagen hat, im Körper. Es verursacht dort grössere Trümmerhöhlen, 
macht die merkwürdigsten schiefen Bahnen und zeigt bei Streifschüssen — 
auch Gehirn- — nicht immer ein Ausweichen innerer Organe. 

Behandlung der Querschlägerverletzungen: Die vergrösserten Ein- 
und Ausschüsse sezernieren stärker, neigen sehr zur Infektion und 
müssen deshalb öfters und sehr reinlich verbunden werden. Grösseren 
Notverband mit Dauerantisepticum anlegen. Die sehr beweglichen 
Knochenbrüche müssen gut fixiert werden. Die vielen Knochensplitter 
dürfen nur entfernt werden, wenn sie schon nekrotisch sind, weil sie 
trotz der starken Zertrümmerung auch bei infizierten Wunden einheilen. 
Keine Tamponade. Salbenverband oder trocken. Bei Infiltration Alkohol- 
umscbläge. Im Anfang die Wunde möglichst in Ruhe lassen. 

(Autoreferat; gekürzt.) 

4. Hr. Gebele: Demonstrationen. 

Vortr. sprach über Merkwürdigkeiten des Schusskanals. 

a) Einschuss rechte Glutäatgegend. Kein Ausschuss. Dagegen 
grosse Iufiltrationszone des linken Oberschenkels. Das ist also eine 
Art Konturschuss. 

b) 30 jähriger Infanterist. Einschuss in der linken Lendengegend in 
Höbe des zweiten Lendenwirbels. Kein Ausschuss. Ueber der ganzen 
Brust ausgedehnte Sugillationen und Hautemphysem. Auscuitatorisch 
Bronchialatmen. Also Hämatothorax, Pneumonie. Linke Taiileniinie 
verstrichen und Dämpfung. Im Urin Eiweiss positiv, kein Blut, viele 
Leukocyten: also Niere getroffen. Es fand sich eine Scbrapnellkugel 
ira M. pectoralis. Es handelte sich also um einen Steilschuss. Das 
Schrapnell muss am Boden aufgeprallt sein; der Mann war in Marsch¬ 
kolonne. 

c) 22 jähriger Infanterist. Auf der rechten Halsseite kleine Ein¬ 
schussöffnung und in der linken Axilla eine grössere Aussohussöffnung. 
(Querschläger.) Aufnahmebefund: Patient sehr anämisch, stark be¬ 
nommen. Schwere Besinnlichkeit. Starke Pupillendifferenz. Facialis- 
parese links. An der Einschussstelle Carotis lädiert, Kopfhaltung steif, 
Kopfbewegungen schmerzhaft. Linke Clavicula frakturiert. Linker Arm 
schlaff gelähmt. Radialpuls nicht vorhanden. Arm nicht geschwellt, 
seine Temperatur nicht erhöht gegenüber dem rechten. Patient bekam 
Nachblutung. Die V. subclavia war verletzt und thrombosiert, wie die 
Operation zeigte. Also der Schuss hat getroffen: Sympatbicus, Carotis, 
Halswirbel, Clavicula und Plexus brachialis. Nicht geklärt ist die 
Facialisparese links. Die ist sicher central. Patient gibt nun an, dass 
er zusammengefallen und lange Zeit bewusstlos liegen geblieben ist. 
Vielleicht ist sie also die Folge einer Coramotio cerebri, und es hat der 
Fall auch den Bruch der Clavicula herbeigeführt. 

5. Hr. Sielmann: Oberschenkelfraktnren. 

Vortr. hat im Reservelazarett B. auffallend viele Oberschenkelfrakturen 
zu Gesicht bekommen. Er zeigt röntgenologische Aufnahmen von diesen 
und deren Umgebung und zwar sehr schwere Fälle. Die grosse Zahl der 
Oberschenkelfrakturen führt Vortr. darauf zurück, dass die Leute in den 
Schützenlinien gekniet haben. 

6. Hr. v. Hoesslin*. Lungenschitsse. 

Vortr. sprach über die Folgen von 18 Lungenschüssen. Bei allen 
Lungenschüsseu war die erste Geschosswirkung die gleiche. Die Ge¬ 
troffenen stürzten im Stehen, Knien oder im Sprung zusammen. Nur 
zwei konnten sich mit eigener Kraft noch fortbewegen. Manche wurden 
bewusstlos. Ein Schmerz trat so gut wie gar nicht auf, dagegen mehr 
oder weniger grosse Atemnot, teilweise mit Erstickungsgefühl. Sehr be¬ 
deutend war stellenweise die Blutung. Viele Kranke batten Blut im 
Munde; nur bei zweien fehlte Blut im Auswurf. Bei einer grossen An¬ 
zahl war eine sehr bedeutende Blutung aus der Wunde in den Thorax- 
raum erfolgt. Auch die auskultatorischen Erscheinungen waren überall 
die gleichen. Die Resorption der Blutergüsse war eine ziemlich lang¬ 
same. Manchmal fand sich eine Verdrängung des Herzens nach der 
anderen Seite. Therapie: keine Punktion, nur exspektative Behandlung. 
Der Pneumothorax hatte sich gewöhnlich schnell resorbiert. 

Komplikationen fand Vortr. bei 3 Fällen: 1. Empyembildung, 
2. Empyema necessitatis auf der RückeDfläche, 3. Blasenblutung, weil 
gleichzeitig eine Niere durchschossen war. Ungefähr 15 Patienten sind 
schon Rekonvaleszenten. Ungünstig wirken sehr grosser Ein- oder Aus¬ 
schuss, welcher eine langdauernde Kommunikation mit aussen ergibt. 
Daran anschliessend einige Demonstrationen. Nobiling. 


Ernst Salkowski zum 70. Geburtstage. 

(11. Oktober 1914.) 

Am 11. Oktober vollendet Geheimrat Ernst Salkowski das sieb¬ 
zigste Lebensjahr. Vor 10 Jahren haben die Freunde und Schüler des 
hochverehrten Mannes seinen sechzigsten Geburtstag durch eine Feier 
festlich begangen, die allen Teilnehmern wohl für immer unvergesslich 
bleiben wird. Es kam dabei auf das Klarste zum Ausdruck, welchen 
Schatz von Dankbarkeit sich Salkowski durch sein segensreiches Wirken 
erworben hat. Wenn heute die ernsten Zeiten auch nicht den Gedanken 
an eine Feier autkommen lassen, so darf doch der Ehrentag nicht vor¬ 
übergehen, ohne dass die Glückwünsche treuer Freunde und dankbarer 
Schüler ausgesprochen werden. 

Salkowski hat sich in gleicher Weise als Lehrer wie als Forscher 


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UNIVERSUM OF IOWA 



12. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1716 


ausgezeichnet. Seit vielen Jahrzehnten hat er ganze Generationen von 
jungen Medizinern in die Anfangsgründe der Laboratoriumsarbeit einge* 
führt und Vorgeschrittene bei ihren mehr oder weniger selbständigen 
Arbeiten mit seinem Bat und seiner Hilfe unterstützt. Ich bin über¬ 
zeugt, dass namentlich die, welche längere Zeit in Salkowski’s Labo¬ 
ratorium gearbeitet haben, die dort verlebten Stunden der Arbeit zu 
ihren schönsten Erinnerungen zählen werden. Es besteht in dem Bann¬ 
kreis seiner Forschungsstätte in der Tat ein ideales Verhältnis zwischen 
Lehrer und Schüler. Die Schüler blicken in grösster Ehrfurcht zu dem 
schlicht vornehmen und liebenswürdigen Manne auf, der immer bereit 
ist, aus seinem unerschöpflichen Reichtume von theoretischen Kenntnissen 
und praktischen Erfahrungen freigebig zu spenden. Sein edler, wissen¬ 
schaftlicher Ernst und die völlig unbestechliche Exaktheit seiner Denkungs- 
weise wirkt als stets ermahnendes Beispiel auf die jungen Forscher. 
Die unbedingte Sachlichkeit, die mit gleich strenger Kritik eigener wie 
fremder Arbeit gegenübertritt, hat sich bei ihm als ein hervorragendes, 
erzieherisches Prinzip bewährt. Alle diese grossen und schönen Lehrer¬ 
eigenschaften sind aber nicht nur den zahlreichen Laboratoriumsschülern 
zugute gekommen, die persönlich bei ihm gearbeitet haben. Da die 
Eigenart Salkowski’s auch in seinen Lehrbüchern durchaus zur Geltung 
kommt, ist der Kreis seiner dankbaren Schüler ein unbegrenzter. Nach 
einer Vorschrift Salkowski’s kann man immer arbeiten; nie fühlt sich 
der Leser unsicher, und niemals muss er es als misslich empfinden, dass 
der Leitfaden über die Schwierigkeiten der Aufgabe mit einigen allge¬ 
meinen Wendungen hinweggleitet. Der Schülerkreis Salkowski’s hat 
denn auch wirklich überallhin in der Welt, wo wissenschaftliche Medizin 
getrieben wird, seinen Ruhm verbreitet und dankbar arbeiten in allen 
Kulturstaaten Physiologen und Kliniker auf der Grundlage weiter, die 
sie sich bei Salkowski erworben haben. 

Ebenso hoch wie die Lehrtätigkeit ist die Forscherarbeit Sal¬ 
kowski’s zu bewerteo. Seine Studien begannen uuter günstigen 
Auspicien, er widmete sich der physiologischen Chemie in der Periode, 
da dieses Arbeitsfeld anfing, eine eigene Wissenschaft zu werden. Sal¬ 
kowski gehörte zu den ältesten Schülern Hoppe - Seyler’s und war 
Assistent von W. Kühne und E. v. Leyden. Seine Publikationen 
zeigen immer neben der exakten chemischen Methodik die biologische 
Fragestellung und das Interesse für die Aufgaben der klinischee Medizin. 
Es ist natürlich unmöglich, in diesem Glückwunsch einen Ueberblick 
über den Inhalt der zahllosen Arbeiten zu geben, welche wohl auf allen 
Gebieten der Biochemie die Erkenntnis wesentlich gefördert haben. Es 
seien nur einige Entdeckungen herausgreifend genannt, die besonderes 
Aufsehen erweckt und sich als sehr anregend erwiesen haben. Der 
Kliniker dankt ihm z. B. die Silbermethode zur quantitativen Bestim¬ 
mung der Harnsäure, die Entdeckung der Pentosurie, jener Anomalie 
des Kohlehydratstoffwecbsels, deren Bedeutung für die Pathologie des 
intermediären Stoffwechsels vielleicht heute noch gar nicht vollständig 
übersehen werden kann. An seine grundlegenden Untersuchungen über 
das Wesen der SäuTevergiftung haben andere Forscher mit Erfolg ange¬ 
knüpft, die Autodigestion wurde von Salkowski zuerst aufgefunden 
und ausgezeichnet bearbeitet. Zahlreich sind Salkowski’s Arbeiten 
über die Fermente, ein Forschungsgebiet, dessen Methodik er durch Ein¬ 
führung des Chloroforms als Antisepticum sehr gefördert hat. Zum Teil 
zusammea mit seinem Bruder hat Salkowski die biologisch und che¬ 
misch interessante Chemie der Fäulnis bearbeitet. Besonders freuen wir 
uns, dass auch die neuere Zeit uns eine Reihe wertvoller Salkowski- 
scher Arbeiten gebracht hat als ein Zeichen, dass sein Forschungseifer 
unverändert rüstig und frisch ist. So hat er in den letzten Jahren an¬ 
scheinend recht brauchbare Eisenmittel und Nährpräparate dargestellt, 
die Harnzusammensetzung bei Krebskranken studiert in der Hoffnung, 
dass sioh hier vielleicht diagnostische Fortschritte erreichen lassen 
könnten, die Ausscheidung wichtiger Arzneimittel wie Arsen und Queck¬ 
silber bearbeitet, deren Interesse im Hinblick auf die moderne Lues¬ 
therapie ja einleuchtet. Wir hoffen und wünschen, dass sein Forscher¬ 
geist noch recht lange zum Nutzen der Wissenschaft sich betätigen 
möge und er an der historischen Arbeitsstätte am pathologischen In¬ 
stitut der Universität Berlin noch viele Jahre segensreich wirken möge. 
Hier arbeitet Salkowski jetzt seit einem Jahrzehnt in dem neuen, 
schönen Laboratorium, in das er aus den bescheidenen Räumen über¬ 
gesiedelt ist, die Virchow in der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit 
weitem Blick der physiologischen Chemie eingeräumt hatte und in denen 
Hoppe - Seyler, Kühne und Liebreich vor Salkowski tätig waren. 

So wünschen wir denn, dass der hochverehrte Jubilar noch recht 
JW® lehren und forschen möge und seinem Lebensabend ungetrübtes 
Gluck beschieden sein möge. Martin Jacoby. 


Pan-germanism In Medicine — To What Will 
It Lead? 

d* ^ er e * nes °ff enen Briefes des Dr. H. P. Greeley an 

k j 0n des »Boston medical and surgical journal“ vom 10. Sep- 
'!r '' ^ ’ • Un ^ ^ er Ueberschrift bei uns eine Saite berührt 

Wird, dm zurzeit auf den leisesten Anstoss schon in Schwingungen gerät, 
so sahen wir uns den Inhalt etwas näher an. 

li^ re ® 1 6 F — uns leider sonst völlig unbekannt — sagt: Es sei 
• alI 8 em eine Annahme, dass die Ausbildung der Aerzte in Europa, 
8Desondere in Deutschland besser sei als in Amerika. Dies sei eine 


Folge der Höhe unseres ganzen Schulwesens, der nahen Verbindung von 
Vorlesung und Krankensaal und der gesetzlichen Bestimmungen über die 
Sektionen. Aber der klinische Unterricht sei zugestandenermaassen 
unsere (Deutschlands) schwache Seite. Daher — nicht bloss von der 
Kurierfreiheit — komme in Deutschland die grosse Zahl der Kurpfuscher, 
die mehr als ein Drittel aller ärztlichen Tätigkeit an sich rissen. Und 
damit den Amerikanern, die ihre Methoden so „rapidly germanizing“ 
sind, die Kurpfuscher nicht ebenso über den Kopf wachsen möchten, er¬ 
hebt Verf. seine warnende Stimme. 

Der medizinische Unterricht habe eine doppelte Pflicht, die eine 
gegenüber der Wissenschaft, die andere gegen das Publikum; die erstere 
verlange Pflege und Förderung der Wissenschaft, die letztere, dem 
Publikum tüchtige Praktiker zu liefern. Diese letztere Aufgabe sei aber 
höher einzuschätzen, denn 90pCt. aller Aerzte müssten Praktiker sein 
und weniger als lOpCt. Männer der Wissenschaft, und auch von diesen 
seien nur ein oder zwei für höhere Leistungen begabt. In Deutschland 
aber seien die Verhältnisse völlig umgekehrt: 90pCt. der Aerzte 
tändeln (are dawdling) mit der Wissenschaft, und von diesen 90 
verschwenden volle 75 pCt. geradezu ihre Zeit, wenn man die Lebens¬ 
dauer ihrer Resultate berücksichtigt. Tausende von Forschern 
publizieren alljährlich Tausende von Arbeiten, aber nur 
ein paar von ihnen überstehen die Prüfung der Zeit. Der 
scharfe Wettkampf erwecke ein so heisses Verlangen nach „Priorität“, 
dass die leiseste Ahnung eines neuen Gesichtspunktes eiligst in die 
Druekerei geschickt wird, um doch bald wieder schmählich abgetan zu 
werden. Die grosse Bedeutung des theoretischen Unterrichts und die 
geringe der klinischen Ausbildung bringe einige wenige Männer der 
Wissenschaft hervor, eine grosse Zahl von Pseudowissenschaftlern und 
nur ein paar gute Praktiker. Jeder Amerikaner, welcher praktische 
Erfahrung mit deutschen Aerzten oder Krankenhäusern gemacht hat, 
werde dies bestätigen; sie können nicht kranke Individuen be¬ 
handeln, sie diagnostizieren einzig und allein die Krankheit. Sie 
haben kein Interesse für das Behagen des Kranken; deshalb gehe es mit 
der Entwicklung der Krankenpflege nicht vorwärts. Die grosse Armut 
der Bevölkerung und das altvaterische System der Kranken¬ 
versicherung fülle die öffentlichen Krankenhäuser. Aber diese seien lieblos 
und düster und die Patienten liessen den grössten Mangel an Sorgfalt 
erkennen. Intercurrente Krankheiten seien in den Krankensälen ganz 
allgemein. Dies alles sei eine Folge des „German medical Standard“, 
dessen Nachahmung in Amerika den Gegenstand ernster Besorgnis bilden 
müsse. Verf. hält zwar Verbesserungen der Gesetzgebung und Appro¬ 
bationsbedingungen auch in Amerika für wünschenswert, aber die Ent¬ 
wicklung der Medizin als einer reinen Wissenschaft mit dem 
Stempel „made in Germany“ wäre höchlichst zu beklagen. 

Soll man dagegen etwas sagen? Lohnt es sich, den Verf. darüber zu 
belehren, dass die Quintessenz seiner ärztlichen Erziehungspläne, Kranke 
behandeln, nicht Krankheiten, schon Jahrzehnte vor ihm von deutschen 
Klinikern, einem Kussmaul, einem Leyden gepredigt worden sind? 
Kommen die Patienten aus der ganzen Welt nach Deutschland, um das 
Letzte zu ihrer Rettung zu versuchen, oder pilgern sie nach Amerika? 
Sollen wir eine Aufzählung dessen machen, was die deutsche medizinische 
Wissenschaft der Menschheit geschenkt, und damit vergleichen, was 
Amerika bei aller Anerkennung seiner Leistungen — die aber zu allermeist 
aus der deutschen Methodik erwachsen sind —, dem gegenüberzustellen 
hat? Sollen wir den in Amerika blühenden, gerade auf die mangelhafte 
wissenschaftliche Bildung eines Teiles seiner Aerzte sich stützenden 
Schwindel der „Patentmedizinen“ vergleichen mit den gewaltigen, welt- 
beherrschenden Leistungen der deutschen Pharmakologie und chemisch- 
therapeutischen Industrie? All dies und noch vieles andere, ja alles, 
um desscntwillen uns jetzt die Neidhammel der ganzen Welt umtoben, ist 
erwachsen auf der deutschen Methode, die eben auf allen Gebieten in 
wunderbarer Weise Wissenschaft und Praxis zu vereinen weiss. 
Wir sind nioht blind gegen Auswüchse; auch wir bedauern die Vielschrei¬ 
ber ei und die damit verknüpfte Kräftevergeudung, und auch wir wissen, 
dass von den vielen, die sich zur wissenschaftlichen Arbeit berufen 
fühlen, sich ein Teil nur zu den Auserwählten rechnen darf —, aber 
das deutsche Volk verfügt eben über eine solch urwüohsige Kraft, dass 
es sich gestatten kann, in der verschwenderischen Art, wie sich das 
Walten und Werden der Natur vollzieht, seine Geisteskeime auszustreueu: 
Tausende geringerer Keime müssen verwelken und den Boden düngen, 
auf dem ein Virchow, Helmholtz, Koch erblühen. 

Aber es lohnt wohl nicht, auf Dr. Greeley’s Ausführungen noch 
weiter einzugehen; denn man kann nicht glauben, dass in einem Lande, 
das Iustitute von dem Glanze des Rockefeiler Instituts in New York, der 
Forschirngsstätten an John Hopkins und so mancher anderer welt¬ 
berühmter Hospitäler aufzuweisen hat, seine Worte grossen Eindruck 
machen werden, noch weniger, dass sie der Meinung der mit deutschen 
Zuständen wirklich vertrauten Aerzte seines Vaterlandes Ausdruck geben. 

Hans Kohn. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Als vor 10 Jahren Ernst Salkowski die Feier seines 60.Ge¬ 
burtstages beging, vereinigten sich zahlreiche Freunde und Schüler, um 
dem trefflichen Gelehrten ihre Sympathie und Hoohschätzung zu bezeugen; 
unsere Wochenschrift, die ihn seit über 43 Jahren zu ihren treuesten 


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UMIVERSITY OF IOWA 




1716 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 4L 


Mitarbeitern zählen darf, widmete ihm eine besondere Festausgabe, in 
deren Inhalt das vielseitige Wirken des Gefeierten zu lebhafter Erschei¬ 
nung kam. Die gegenwärtige Stunde ist wenig geeignet zu Jubiläums¬ 
feiern; sie gestattet kaum genügende Sammlung, um das Lebens¬ 
werk eines Mannes wie Salkowski nach Gebühr zu würdigen. So 
bringen wir denn nur im Anschluss an den Begrüssungsartikel aus 
Martin Jacoby’s Feder, auch unsererseits die Versicherung unwandel¬ 
barer Verehrung und Anerkennung für alles, was Salkowski forschend, 
lehrend und durch seine Persönlichkeit geleistet hat, zu erneutem 
Ausdruck! Red. 

— Die Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärzt¬ 
liche Fortbildungswesen teilt mit, dass im nächsten Semester keine 
Vorlesungen stattfinden werden, da sämtliche Studierende — bis auf die 
zur Wahrnehmung des Unterarztdienstes in die Charite kommandierten — 
im Felde stehen. 

— Für die nichtgedienten Aerzte, die sich für den Kriegsfall der 
Militärbehörde zur Verfügung stellen, ist jetzt eine Uniform neu be¬ 
stimmt worden: eine im Offiziersschnitt gehaltene graue Litewka, an der 
Stelle des Kragens, wo bei den Sanitätsoffizieren der blaue Spiegel an¬ 
gebracht ist, ein Aeskulapstab ohne Dienstgradabzeichen, am Arm die 
Genfer Binde. Die Kopfbedeckung bildet die Mütze der Sanitätsoffiziere. 
Beinkleider lang oder kurz. Als Waffe wird die kleine Mauserselbst¬ 
ladepistole gestattet. 

— In der Kolonie Grunewald haben mehrere hundert Villenbewohner 
Räume zur Verfügung gestellt, wo Offiziere, Offiziersdienst tuende Militär¬ 
personen und Einjährige unentgeltlich aufgenommen und verpflegt werden, 
um sich nach Verwundungen oder Krankheiten zu erholen. Es besteht 
auch die Möglichkeit einer medico-mechanischen, elektrischen und baineo¬ 
therapeutischen Nachbehandlung. Die Einrichtung ist besonders dazu 
geeignet, Krankenhäuser von Rekonvaleszenten und Leichtverwundeten 
zu entlasten. Aerztliche Behandlung steht ebenfalls unentgeltlich von 
den in der Kolonie ansässigen Aerzten zur Verfügung. Die Verteilung 
in die einzelnen Räume erfolgt durch die Centrale des Erholungsheims 
der Gemeinde Grunewald beim Geheimen Medizinalrat Prof, vod Hanse¬ 
mann, Grunewald, Winklerstr. 27 (Fernsprecher Amt Pfalzburg 527), bei 
dem die Anmeldungen zu erfolgen haben und der auch sonst bereit ist, 
über die Einrichtung jede Auskunft zu erteilen. Mannschaften können 
nicht aufgenommen werden, weil bei der Verteilung in den einzelnen 
Villen der Kolonie Grunewald eine disziplinäre Aufsicht nicht möglich 
ist. Die Herren Aerzte, denen die Behandlung geeigneter Militärpersonen 
obliegt, werden gebeten, dieselben auf diese Einrichtung hinzuweisen und 
selbst zu ihrer Entlastung davon Gebrauch zu machen. 

— Volkskrankheiten. Cholera. Oesterreich-Ungarn. Wien 
2 bei Militärpersonen. Bekescabe, Munkucz, Puspökladany je 1 und in 
Ungvar 2. Das österreichische Sanitätsdepartement macht noch bekannt, 
dass am 7. X. in Wien und Graz je I, in Gross-Niemtschitz (Mähren) 2, 
in Jägerndorf und Teschen je 1, in Picztkowe (Galizien) 2 Falle und in 
Gorlice (Galizien) bei Militärpersonen 20 Fälle von Cholera bakteriologisch 
siohergestellt. — Genickstarre. Preussen. 20.—26. IX. 3 Erkran¬ 
kungen und 2 Todesfälle, und zwar Berlin 1, Hadersleben 2. — Ruhr 
wird jetzt in ziemlicher Anzahl gemeldet, vorwiegend allerdings bei Kriegs¬ 
gefangenen; in der Woche vom 20.—26. IX. kamen 924 Erkrankungen 
(und 9 Todesfälle) zur Anzeige, nämlich Aachen Stadt 1, Düren 1, 
Malmedy 1, Bochum Land 14 (1), Dortmund Stadt 1, Gelsenkirchen 
Stadt 3, Hagen Land 1, Witten 8, Breslau Stadt 1, Breslau Land 1, 
Frankenstein 71, Militzsch 53, Steinau 35, Wohlau 0 (1), Hohensalza 1, 
Schubin 2, Fulda 1, Gelnhausen 42, Kreuznach l, Cöln 32, Danzig 1 (1), 
Hameln 0 (1), Hoya 1, Liegnitz 1, Halle a. S. 4, Saalkreis 6 (1), 
Höxter 1, Cosel 1, Kattowitz Stadt 395 (1), Kattowitz Land 1, Kreuz¬ 
burg 175, Lublinitz 4 (1), Pless 1, Ratibor Stadt 12 (2), Tarnowitz 6, 
Oberbarnim 1, Rotenburg i. Hann. 2, Stettin 6, Saarbrücken Stadt 20, 
Saarbrücken Land 10, Saarlouis 6. 

Hochschulnachrichten. 

Freiburg. Der Privatdozent Dr. Hildebrandt erhielt den Titel 
eines a. o. Prof. — Greifswald. Habilitiert: Dr. von Möllendorff 
für Anatomie. — Leipzig. Geheimrat Till man ns, Direktor der 
chirurgischen Abteilung des Kinderkrankenhauses, feierte am 3. Oktober 
seinen 70. Geburtstag. — Prag. Privatdozent Dr. Samberger wurde 
a. o. Prof, für Dermatologie an der böhmischen, Privatdozent Luksch 
a. o. Prof, für pathologische Anatomie an der deutschen Universität. 

Verlustliste. 

I. Gefallen: Cand. med. W. Elbs, Freiburg i. B. Unterarzt 

E. Gortan, ReB.-Inf.-Reg. Nr. 3. Unterarzt d. R. Heimann, Gren.- 
Reg. Nr. 110. Unterarzt Kahler. Oberarzt d. R. Walter Kern. 
Stabsarzt d. Res. Prof. Kirchheim, Marburg, Jäger-Bat. 11. Oberarzt 
d. R. Hanns Kögel, Inf.-Reg. Nr. 55, 3. Bat. Einj.-Freiw. Stud. med. 

F. Löbnitz. Einj.-Freiw. Stud. med. Joachim Melles. Oberarzt 
d. R. Privatdozent F. Meyer-Betz, 4. württbg. Füsil.-Reg. Nr. 122. 
Stabsarzt Müller, 13. bayer. Inf.-Reg. Stabsarzt d. R. Mugrowski, 
4. Garde-Reg. z. F. Off.-Stellvertr. W. Mulsow, Assistent am Kgl. In¬ 
stitut f. Iufektionskrankh. Robert Koch in Berlin. Stabsarzt d. R. Paul 


Schmidt. Oberstabsarzt Oscar Schmitt. — II. Gestorben: Unter¬ 
arzt Paul Kühl. San.-Rat V. Volkwein io Tübingen an den Folgen 
einer Blutvergiftung. — III. Verwundet: Assistenzarzt d. R. Karl 
Eskuchen, bayer. Inf.-Leib-Reg. Oberarzt d. R. H. Glatzel, Feldart.- 
Reg. Nr. 21. Stabsarzt Hoffmann, Gren.-Reg. Nr. 110. Oberarzt d. R. 
Krautwurst, Feldart.-Reg. Nr. 11. Oberarzt d.R. Rolf Lutz, bayer. 
Inf.-Reg. Nr. 16. Oberarzt J. Mittag, II. Armeekorps, San.Komp. 
Nr. 2. Stabsarzt Rädisch, Feldart.-Reg. Nr. 40. Unterarzt Schloss¬ 
berger, Fe!dart.-Reg. Nr. 11. Oberstabsarzt Schnütgen. General¬ 
oberarzt Wagner, Stab d. J9. Ers.-Div. — IV. Vermisst: Stabsarzt 
Lehrmann, Inf.-Reg. Nr. 41, 3. Bat. Oberassistenzarzt d.R. W. Olt¬ 
mann, 3. Matrosen-Div. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien» 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. £1.: Geh. San.-Rat 
Dr. Bonnekamp in Düsseldorf. 

Ernennungen: Oberarzt an der städtischen Irrenanstalt in Frankfurt 
a. M., Prof. Dr. J. Raecke, Direktor des städtischen Siechenhauses 
in Frankfurt a. M., Prof. Dr. A. Knoblauch und Direktor der Kinder- 
klink am städtischen Krankenhause in Frankfurt a. M. Dr. H. Metten- 
heim er zu ausserordentl. Professoren in der medizinischen Fakultät 
der Universität in Frankfurt a. M.; Kreisassistenzarzt Dr. E. Moebius 
in Zeven zum Kreisarzt in Putzig. 

Pensionierung: Kreisarzt, Geh. Med.-Rat Dr. E. Prawitz in Branden¬ 
burg a. H. 

Niederlassungen: Dr. W. v. Möllendorff, A. Hartmann, E. La- 
disch, E. Schröder, Aerztin 0. Opitz, H. Kersten, H. Pohler 
und Dr. E. Atzler in Greifswald, Oberstabsarzt a. D. Dr. 0. A. K. 
Wittrock in Nimbsch (Kr. Sagan), G. A. K. Bosselmann in ßeo- 
gersdorf (Kr. Rothenburg), Dr. K. Seggelke in Altona, W. Titschack 
in Eddelak, F. Brunk und Dr. H. Rehder in Kiel, Dr. K. Mayr¬ 
hofer in Harburg, H. Feldheim in Barmen, L. Lurz in Bedburg, 
0. Paus, Dr. K. Kötter und Aerztin Dr. E. Pielsticber in Essen, 
Dr. V. W. M. Thal mann in Elberfeld, Dr. B. W. Mevissen in 
St. Hubert, Prof. Dr. 0. Dragendorff, Aerztin Dr. G. Seligmann, 

J. Hoeren, H. Neu und F.'Pollaok in Bonn, A. Bolten in Beuel, 

E. Hoischen in Wesseling, Dr. 0. Weidemann, E. Merscheim, 
W. Eliassow, E. Gabbe, H. Th. Sanders, M. Claesen, 0. 
Grünewald, G. Frank, Aerztin Dr. J. Hartung und Dr. E. Weh- 
ner in Cöln. 

Verzogen: Dr. F. Jantzen von Ober-Kaufungen und H. Enscher von 
Bonn nach Essen (Ruhr), Dr. H. Borgel von Neuss nach Weeze, 
Stabsarzt Dr. E. Zwicke von Wiesbaden nach Geldern, F. H.Rütten 
von Trier nach Galkhausen, Dr. K. Kleinschmidt von Düsseldorf 
nach München, Dr. J. Schäfer von Remscheid nach Darmstadt, Dr. 
M. Müller von Elberfeld nach Remscheid, Dr. F. Hackländer von 
Essen nach Bredeney, Dr. A. Strangmeyer von Bad Landeck nach 
Zerpenschleuse, M. Manassse von Berlin nach Fredersdorf, Dr. E. 
Ense von Berlin nach Berliu-Reinickendorf, M. Markus von Berlin 
nach Franz.-Buchholz, Dr. R. Hirz von Allenstein nach Lungenheil¬ 
stätte BurgDaber b. Wittstock, E. Schanke von Berlin nach Lungen¬ 
heilstätte Bel zig, Dr. W. Heine von Charlottenburg nach Berlin- 
Schmargcndorf, Dr. E. Loewy von Berlin nach Berlin-Lankwitz, Dr. 

F. Goldberg von Breslau nach Zittau, Dr. H. Voss von Breslau nach 
Hamburg, L. Gretschel von Breslau nach Scheibe (Kr. Glatz), Dr. 
E. Pelz von Breslau nach Dresden, Dr. B. Leichten tritt von Ham¬ 
burg, F. Knauth von Lichtenrade b. Berlin, Dr. W. Hülse von 
Königsberg und Aerztin Dr. L. Cohn von Stettin nach Breslau, 
Aerztin Dr. E. Kauffmann von Nieder-Wüstegiersdorf und Dr. E. 
Ruediger von Konstanz nach Waldenburg, Dr. E. Hoffmann von 
Schweidnitz nach Dittmannsdorf (Kr. Waldenburg), Dr. H. Schneider 
von Albertsberg (Bad) nach Görbersdorf, G. Gensert von Breslau 
nach Leubus, Dr. K. Schütz von Neapel und Dr. 0. Köhler von 
Leipzig nach Greifswald, Dr. W. Klemm von Dresden nach Rothen¬ 
burg O.-L., Aerztin Dr. M. L. Höllisch von Berlin nach Altona, Dr. 

K. H. E. K. Scharff von Neu-Rablstedt nach Niendorf, H. Stier 
von Hamburg und Dr. W. Kaeseler von Hohenwiese b. Schmiedeberg 
nach Kiel, Dr. H. Cornberg von Düsseldorf und Dr. J. Westmeyer 
von GöttiDgen nach Bielefeld, Dr. W. Busch von Heidelberg nach 
Bendorf, Dr. R. Dübüse von Reisen nach Anderacb, Dr. M. Stein 
von Saarbrücken nach VölklingeD, Dr. M. Lösment von Karlsruhe 
nach Torgelow, Dr. J. Glau von Osterwieck (Harz) nach Swinemüode, 
Dr. Chr. Wölflinger von Weiden b. Cöln, C. Lembeck von Duis¬ 
burg, Dr. J. Weiss von München, Dr. G. Hahn von Berlin-Wilmers¬ 
dorf nach Düsseldorf. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Aerztin Dr. E. A. 
Frank und S. Federmann von Heilstätte Beelitz, K. Jessner 
und Dr. E. Dieckmann von Breslau auf Reisen, Dr. R. Oster von 
Nimbsch (Kr. Sagan). 

Gestorben: C. Meltzing in Duisburg, Geh. San.-Rat Dr. Chr. 
Le Blanc in Opladen, San.-Rat Dr. G. Schmitz in Cöln.____ 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., BayreutherStrass««• 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Sohumacher in Berlin N. 4. 


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BERLINER 


ölo Berliner Klinisclio WochonsHirift erscheint Je<lea 
Montag ln Nummern von ca. 5 — 6 Uogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Poatanstalten an. 


Alle Einsendungen für die Redaktion nnd Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Met-Rat Frof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Bans Kohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 19. Oktober 1914. Mi'l. Einundfünftigster Jahrgang. 


INHALT. 


Originaliei : Weintraud: Zur Behandlung des Tetanus mit besonderer [ 
Berücksichtigung der Magnesiumsulfat-Therapie. S. 1717. i 

Unger-. Zur Behandlung des Tetanus. S. 1721. ' 

Hirsohfeld: Die Kost der Arbeiter und die Grundsätze der Er¬ 
nährung. S. 1721. 

Wienskowitz: Ueber die angeborene Wassersucht. (Aus dem 
pathologischen Institut des städtischen Krankenhauses in Wies¬ 
baden.) S. 1725. 

Alexander: Die modernen Methoden der Lupusbehandlung. (Aus 
der dermatologischen Abteilung des Charlottenburger städtischen 
Krankenhauses.) S. 1728. 

Bitaherbespreehuigeii: Leier: Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie; 
zum Gebrauch für Aerzte und Studierende. S. 1732. Klemm: Die 


akute und chronische infektiöse Osteomyelitis des Kindesalters; 
auf Grund eigener Beobachtungen und Untersuchungen. S. 1732. 
(Ref. Adler.) — Brühl: Die Funktioosprüfuüg des Gehörorgans. 
S. 1732. (Ref. Sonntag.) 

Literatar-Anszüge: Therapie. S. 1733. — Diagnostik. S. 1733. — 
Parasitenkunde und Serologie- S. 1733. — Innere Medizin. S. 1733. — 
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1733. — Röntgenologie. S. 1733. 
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner ophtbalmo- 
logische Gesellschaft. S. 1733. 

Kriegsärztliche Abende. S. 1734. 

Münzer: Kriegsskizzen. S. 1755. 

Tagesgeschiohtliche Notizen. S. 1736— 

Amtliche Mitteilungen. S. 1736. 


Zur Behandlung des Tetanus mit besonderer 
Berücksichtigung der Magnesiumsulfat- 
Therapie. 1 ) 

Von 

W. Weintrand -Wiesbaden. 

Die Therapie des Wundstarrkrampfes verlangt an dieser 
Stelle eine etwas ausführlichere Erörteruug. Schon in den 
wenigen Wochen seit dem Ausbruch des grossen Krieges haben 
die Erfahrungen auch hier am Orte 2 ) uns bewiesen, dass es 
berechtigt ist, den Tetanus im Zusammenhang mit den Kriegs¬ 
seuchen za besprechen. Auf das Kapitel seiner Behandlung ganz 
speziell einzngehen, liegt aber um so mehr Grund vor, weil im 
Gegensatz zu den anderen besprochenen Infektionskrankheiten 
kaum einem der vielen Aerzte, die jetzt vor die ernste Aufgabe 
gestellt werden, Tetanusfälle zu behandeln, eine grosse eigene 
Erfahrung darüber zur Verfügung steht. 

Die Erfahrungen anderer, soweit sie publiziert sind, sich 
im gegebenen Falle zunutze zu machen und aus der medizinischen 
Fachliteratur sich ein Urteil über die beste Behandlungsart des 
Tetanus zu bilden, ist aber auffallend schwer. Wenn auch un¬ 
zählige kasuistische Mitteilungen vorliegen, so fehlt es doch ganz 
an der Beobachtung grosser Reihen gleichartig behandelter 
Fälle. Eigentliche Tetanusepidemien — der Tetanus puerperalis 
nnd neonatorum in den Anstalten ist überaus selten geworden — 
kommen ja nicht vor. Erfahrungen bei der Behandlung einer 
genügend grossen Anzahl gleich schwerer Fälle konnten des¬ 
halb nirgends gesammelt we'rden; besonders nicht mehr in den 
letzten beiden Jahrzehnten, unter Verwertung aller von der mo¬ 
dernen Experimentalforschung gegebenen Richtlinien für eine 
wirkungsvolle Therapie. 

. 1) Aus einem Vortragscyklus „Ueber die Kriegsseuchen“ gehalten 

in Wiesbaden vom 26. August bis 4. September. 

2) In Wiesbaden sind, soweit ich in Erfahrung bringen konnte, bis- 
ner bereits acht Tetanuserkrankungen vorgekommen, die sich auf fünf 
ieillazarette verteilen. Fünf der Kranken sind gestorben. Bei den 
drei Kranken, bei denen die Genesung fortschreitet, ist Magnesiumsulfat 
^gewendet worden. In Limburg a. L. sind aoht Tetanuserkrankungen 
out sieben Todesfällen vorgekommen. In Weilburg sind von acht 
dort an Tetanus Erkrankten sechs gestorben. 


Der Krieg mit seinen unzähligen Verwundungen nnd mit 
der, wie es scheint, recht häufigen Komplikation der Wund¬ 
infektion mit Tetanuskeimen, wird die bisher fehlende Gelegenheit 
zum Sammeln solcher Erfahrungen geben, aber nur, wenn die 
Aerzte das Rüstzeug, das ihnen dazu in die Hand gegeben ist, 
auch richtig verwenden, wenn sie gut unterrichtet und wohl 
vorbereitet, bestimmte Wege der Therapie von vornherein ziel¬ 
bewusst einschlageo und konsequent genug verfolgen. 

Das ist nur möglich, wenn sich niemand von dem drama¬ 
tischen Verlauf, den die Tetanusfälle gewöhnlich nehmen, über¬ 
raschen lässt. Dazu kommt es aber sehr leicht. Viele Fälle 
sehen zu Beginn überaus harmlos aus. Viel häufiger, als man 
bisher annahm, wird die Szene eröffnet durch Beschwerden, 
die sich auf die verletzte Extremität lokalisieren, Ziehen, 
Steifigkeit, gelegentliches Zucken in dem verletzten Arm. 
Sie heben sich von den Beschwerden, die von der Ver¬ 
wundung als solcher ausgehen, oft so wenig ab, dass man 
diesen „lokalen Tetanus 11 oft übersehen nnd lange Zeit gar nicht 
gekannt hat. Als Vorspiel des furchtbaren Krankheitsbildes, 
das sieb bald hinterdrein entwickelt, verdienen sie aber gewiss 
alle Beachtung; ebenso andere Frühsymptome, wie auffallend 
starke Schweisse, Schwindel, Erschwerung des Wasserlassens. 

^Aber selbst die Spannung in der Kaumnskulatur, die späterhin 
zum Trismus führt, und die Kontraktion der Nackenmuskulatur, 
der Vorläufer des Opisthotonus, ja sogar die kurz dauernden 
Krämpfe in der Brustmuskulatur und im Zwerchfell, die als 
pleuritische Schmerzen imponieren, werden vom Patienten und 
vom Arzt vielfach nicht genügend gewürdigt, weil der Verwundete 
in seiner rührenden Geduld und ohne Kenntnis der schrecklichen 
Gefahr, die ihm droht, nicht viel Wesens daraus macht und nur 
an die Heilung seiner Verletzung denkt. 

So erfährt der Arzt in der Tat oft genug zn seiner Ueber- 
raschung, dass mit einem Male ein schwerer allgemeiner Krampf¬ 
anfall seinen Kranken geschüttelt hat, oder zu seinem Entsetzen 
findet er ihn eines Morgens in der qualvollen Situation, die durch 
die Starre der gesamten Körpermuskulatur charakterisiert ist, 
und in der die von Zeit zu Zeit auftretenden Krampfaüfälle das 
Leiden des armen Menschen auf das Aeusserste steigern. Dass 
er am Bett eines Tetanuskranken steht, wird ihm mit einem 
Schlage klar. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRlfrT. 


Nr. 42. 


Und jetzt erinnert er sieb der Antitoxinbehandlung des 
Tetanus, unterrichtet er sich über die Dosierung, telegraphiert er 
nach Serum und verwendet es nach Vorschrift, in gutem Ver¬ 
trauen auf die zu erwartende Wirkung. Dabei geht es in ein¬ 
zelnen Fällen, aber doch nur in ganz wenigen, gut, namentlich 
wenn die Seruminjektion in genügend grosser Dosis, häufig genug 
wiederholt wird, und wenn neben der subcutanen Injektion auch 
mehrfach grosse Mengen des Serums intralumbal eingespritzt 
werden. Die Krampfanfälle werden seltener, die allgemeine 
Muskelstarre lässt nach, und die Krankheit klingt langsam ab. 
Welche Dosieruug dazu erforderlich ist, darüber lässt sich gar keine 
bestimmte Angabe machen 1 ). Die Bezeichnung von 100 Anti¬ 
toxin-Einheiten als „Heildosis“ darf nicht zu dem Missverständnis 
führen, als ob diese 100 Einheiten zur Heilung der Krankheit 
genügten. Es muss vielmehr diese Dosis Tag für Tag subcutan 
und daneben, wenigstens in den ersten Tagen, mehrfach noch 
eine ebenso grosse Menge intralumbal eingespritzt werden. Aber 
selbst dann versagt die Antitoxinbehandlung häufig, und nur zu oft 
erlebt der Arzt die schwere Enttäuschung, dass ohne jede Unter¬ 
brechung, oder höchstens nur nach kurzer Pause, die Krampf¬ 
anfälle wiederkehreD, sich immer mehr häufen und durch Ueber- 
greifen auf die Atemmuskulatur dem Leben des Unglücklichen 
rasch ein Ende setzen. Mit der Entschuldigung, dass das Serum 
wohl zu spät, dass es infolge des schnell eingetreteneu Todes 
auch noch nicht in genügender Menge zur Anwendung gekommen 
sei, versucht sich der Arzt den traurigen Ausgang zu erklären. 

Es wäre besser, wenn er statt dessen von vornherein über 
die Grenzen der Antitoxin-Behandlung des Tetanus genau unter¬ 
richtet wäre und sich keiner Täuschung über ihre Unzulänglichkeit, 
die leider für die meisten ganz schweren Fälle zugegeben werden 
muss, hingäbe. 

Die vielfachen Analogien, die zwischen der Tetanus- und 
der Diphtherie-Infektion bestehen, verführen aber dazu, die Heil¬ 
wirkung des Tetanusserums derjenigen des Diphtherieserums, von 
der wir überzeugt sind, gleichzusetzen, obwohl die Verhältnisse 
in wesentlichen Punkten anders und ungünstiger liegen. 

Das Tetanusgift wird so überaus rasch und vollständig an 
das dafür bo empfindliche Nervensystem verankert, dass, wenn 
nach dem Ausbruch der Krankheit Antitoxin auch im Ueberschuss 
injiziert wird, bereits soviel Gift an die Nervenbahnen gebunden 
nnd für das einverleibte Antitoxin unzugänglich geworden ist, 
dass der fatale Verlauf der Krankheit nicht mehr abgewendet 
werden kann. 

Der unbestrittene grosse Wert des Tetanusserums liegt deshalb 
in seiner prophylaktischen Anwendung. So lange genügende 
Mengen des damit einverleibten Antitoxins im Körper kreisen, 
wird das aus der infizierten Wunde resorbierte Tetanusgift un¬ 
schädlich gemacht, und so bietet die prophylaktische Ein¬ 
spritzung tatsächlich einen weitgehenden Schutz. 

Mit allem Nachdruck muss deshalb empfohlen werden, bei 
Verletzungen, die einer Tetanusinfektion verdächtig sind, namentlich 
also bei Granatsplitterverwundungen, die mit Erde verunreinigt 
sind, eine Schutz-Dosis des Serums (von 20A.-E) prophylaktisch 
zu injizieren, und diese Dosis, bis die Wunde geheilt ist, etwa 
alle 8—10 Tage zu wiederholen, eingedeuk der Tatsache, dass 
bei jeder passiven Immunisierung der Impfschutz infolge der 
rasch erfolgenden Ausscheidung des einverleibten Antitoxins nur 
ein vorübergehender sein kann. 

Die Erfahrungen von Rosthorn auf der Prager Frauenklinik, 
wo Tetanus epidemisch war und mit einem Schlage aufbör^, 
als jede Frau bei der Aufnahme prophylaktisch eingespritzt wurde; 
die Erfahrungen von Martens, der im Krankenhaus Bethanien 
die Serumprophylaxe bei Verletzten mit dem Erfolge durchführte, 
dass in 3 l / 2 Jahren nar ein einziger TetanusfaÜ bei einem Kranken 
vorkam, dem versehentlich kein Serum injiziert worden war; die 
umfangreichen Erfahrungen aus der tierärztlichen Praxis schliess¬ 
lich fordern einstimmig dazu auf, von dem Tetanusserum zu 
prophylaktischen Zwecken in diesen Zeiten jetzt einen aus¬ 
giebigen Gebrauch zu machen. 

Zur Heilung der ausgebrochenen Krankheit aber ist die 
rein ätiologische Therapie nicht ausreichend, die mit der An¬ 
wendung des Serums das in den Organismus aufgenommene 
Tetanusgift unschädlich machen soll. 

Deshalb muss um so grösseres Gewicht auf die sympto- 


1) Osten (Ther. d. Geg., 1912, S. 575) hat 500 A.-E.; Everling 
(Ther. d. Geg., 1911, S. 109) in einem Fall 920, in einem andern sogar 
1300 A.-E., Weber (M.m.W., 1913, Nr. 40) 1400 A.-E. angewendet. 


matische Behandlung gelegt werden, die die bereits eingetretene 
Wirkung des Giftes auf das Nervensystem und auf die Muskulatur, 
(Muskelstarre und Krämpfe) auszuschalten versucht. 

In diesem Sinne, als Mittel die gesteigerte Erregbarkeit von 
Centralnervensystem und von Muskulatur herabzusetzen, sind von 
jeher die Narkotika beim Tetanus ausgiebig verwendet worden, 
und ihrer konsequenten Anwendung haben viele Kranken nicht 
nur eine Linderung ihrer Qualen, sondern sicher auch ihre Heilung 
verdankt. Wiederholte Injektionen von dreisten Morphiomdosen 
(2cg), fortgesetzte Darreichung massiver Dosen von Cbloralhydrat 
(6 mal 2—3 g in 24 Stunden) und ebenso die modernen Pharmaka, 
wie Urethan, Veronal, Pantopoo, deren narkotische Eigenschaften 
allen Aerzten geläufig sind, sind deshalb bei der Tetanus-Therapie 
als wirksam erprobt worden. Es ist dabei immer wieder erstaun¬ 
lich, zu sehen, wie gut die Tetanuskrauken ungewöhnlich grosse 
Dosen all dieser Narkotika vertragen, und es kann angesichts 
der furchtbaren Beschwerden der Kranken gar nicht genug empfohlen 
werden, nicht mit ihnen zu kargen. 

Sie reichen aber, wie es scheint, in ihrer Wirksamkeit beim 
Tetanus nicht heran an die eines pharmakologischen Mittels, 
dessen narkotische Eigenschaft den meisten Aerzten überhaupt 
noch kaum bekannt ist, und vielfach, wenn sie davon kören, 
auch von ihnen bezweifelt wird, nämlich des Magnesiumsulfates. 
Das gewöhnliche Bittersalz, dessen abführende Wirkung bei interner 
Darreichung jeder genügend kennt, entfaltet bei subcutaner, 
intramuskulärer, iotralumbaier und intravenöser Verabfolgung, 
wie durch die grundlegenden Arbeiten von Meitzer und Auer 
erwiesen ist, eine ungewöhnlich starke depressive Wirkung auf 
das Nervensystem. Dank dieser über alles Erwarten mächtigen 
Hemmungswirkung genügt schon eine ganz kleine Dosis des Salzes, 
intravenös eingespritzt, um beim Kaninchen in wenigen Minuten 
die Atmung zum vollständigen Stillstand zu bringen, die Reizbarkeit 
der Nn. vagi für die Respiration vollständig aufzuheben und alle 
willkürlichen und unwillkürlichen Körperbewegungen 
komplett zu hemmen. Ohne künstliche Atmung stirbt das 
Versuchstier, ohne ein Schmerzenszeichen von sich zu geben und 
ohne Erstickungskrämpfe. \Das Tier liegt vollkommen relaxiert 
da, ohne jedwede Lebensäusserung, mit Ausnahme von Herzschlag 
und Blutdruck, die bei kleinen Dosen fast normal bleiben. Künst¬ 
liche Atmung stellt deshalb das Tier wieder voll¬ 
ständig her. 

Bei subcutaner Einspritzung oder bei sehr langsamer In¬ 
jektion in die Vene entwickelt sich eine ziemlich lange an¬ 
dauernde tiefe Narkose mit Anästhesie und mit kompletter 
Muskelerschlaffung, und es bedarf grosser Dosen, um bei dieser 
Einverleibungsmethode den Tod der Versuchstiere durch Atmungs¬ 
lähmung herbeizuführen. 

Direkt auf den Nervenstamm appliziert vermag eine 26proz. 
Magnesiumsulfatlösung die Erregbarkeit und Leituogsfäbigkeit des 
Nerven vollständig aufzuheben. Wie Cocain verursacht es einen 
Leitungsblock. 

In den Lumbalsack eingespritzt bewirkt das Magnesiumsulfat 
infolge seiner Wirkung auf die vorderen und hinteren Nerven¬ 
wurzeln fast unmittelbar eine Lähmung und Anästhesie der ab¬ 
hängigen Körperpartien, also speziell der hinteren Extremitäten. 

Alle diese hemmenden und lähmenden Wirkungen der Mag¬ 
nesiumnarkose können wieder vollständig verschwinden und 
hinterlassen an dem Tier nicht den geringsten Schaden. Sie 
können ausserdem, wie Meitzer und Auer naebgewiesen haben, 
durch Einspritzung von Kalksalzen glatt aufgehoben werden. 

So sind beim Tetanus, wo der aufs äusserste gesteigerte Er¬ 
regbarkeitszustand des Nervensystems die Szene beherrscht, die 
Magnesiumsalze, dank ihrer eminent hemmenden Wirkung auf 
das Nervensystem, die idealen NarkosemitteL 

Aber nur die letzten Jahrgänge unseres medizinischen Nach¬ 
wuchses haben während ihres Universitätsstudiums von dieser 
bedeutsamen pharmakologischen Eigenschaft der Magnesiumsalze 
etwas gehört. Die Entdeckung von Meitzer und Auer ist kaum 
8 Jahre alt. 

Die meisten Aerzte, die jetzt Tetanusfälle zu behandeln be¬ 
kommen, werden noch keine Kenntnis davon haben, dass man 
dabei „Bittersalz“ als Narkosemittel verwenden kann. 

Darum sollte jetzt in jedem Aerzteverein das Grundexpen- 
ment einmal demonstriert werden: Einem Kaninchen werden von 
einer 25proz. Magnesiumsulfatlösung pro Kilogramm Körper¬ 
gewicht 7 ccm subcutan eingespritzt. Eine halbe Stunde später 
fällt das Tier in den Zustand tiefster Narkose. Es besteht voll¬ 
ständige Unempfindlichkeit und eine vollkommene schlaffe Län- 


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19. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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muDg des ganzen Körpers. Der Lidreflex ist erloschen, die 
Atmung ist ganz oberflächlich und kaum sichtbar, Herztätigkeit 
und Blutcirculation sind aber nicht beeinträchtigt. Werden jetzt 
von einer 5proz. Chlorcalciumlösung etwa 6—10 cmm lang¬ 
sam in die Ohrvene des Kaninchens eingespritzt, so ändert sich das 
Bild in verblüffender Weise. Nach 20 Sekunden atmet das Tier 
wieder tiefer, nach einer Minute erwacht es, erhebt sich, und 
nach einer kurzen Spanne Zeit ist es von einem gesunden Kanin¬ 
chen überhaupt nicht mehr zu unterscheiden. *■ 

Wer das einmal gesehen und sich dadurch überzeugt hat, 
wie man mit dem gewöhnlichen Bittersalz eine so vollkommene 
und dabei so harmlose Narkose hervorrufen kann, der ist für 
einen Versuch der Magnesiumnarkose beim Tetanus gewonnen; 
denn man lechzt ja geradezu nach einem solchen Mitte), am Bett 
eines solchen armen Menschen, der mit brettharter Muskulatur 
ln Streckkontraktur hilflos daliegt und von Zeit zu Zeit bei 
der plötzlichen Steigeruug seiner tonischen Krämpfe gequält auf¬ 
schreit. 

Und wer erst an einem von schwerstem Opisthotonus be¬ 
fallenen Tetanuskranken die Wunderwirkung einer einzelnen Mag- 
nesiumsulfatiojektioD erlebt hat, wer beobachtet hat, wie die 
Steifigkeit sich löst, wie die Atmung freier und tiefer wird, wie 
Cyanose und Schweissausbrüche aufhören und wie der von 
Schmerzen erschöpfte Patient mit einem Male in erquickenden 
Schlaf verfällt, aus dem ihn nicht immer wieder schmerzhafte 
Krämpfe aufschütteln, der wird sich angelegen sein lassen, sobald 
Muskelstarre und Krampfanfälle wiederkehren, die grossartige 
Waffe dagegen, die ihm mit der Magnesiuminjektion in die Hand 
gegeben ist, immer wieder zu verwenden und in ihrer Handhabung 
Meister zu werden. 

Hier aber liegt die grosse Schwierigkeit, die gewiss nicht 
unterschätzt werden soll. Die Handhabung der Magnesiumnarkose 
verlangt ein grosses Maass von Aufmerksamkeit und Hingabe, wie 
überhaupt die ganze Tetanusbehandlung ohne besondere Konzen¬ 
tration des Arztes auf den einzelnen Fall nicht erfolgreich durch¬ 
zuführen ist. 

Jede Narkose ist eine Kunst und will deshalb gelernt sein. 
Bei der Verwendung des Magnesiumsulfates als Narcoticum, bei 
der wir — im Vergleich zur Chloroform- und Morpbiumnarkose 
z. B. — alle noch Anfänger sind, liegt die Schwierigkeit in der 
Dosierung. Zu wenig nützt nicht, ruft keine genügende 
Muskelerschlaffung hervor. Zn viel führt durch Uebergreifen 
der Lähmung auf die Atemmuskulatur an die Gefahr des Er¬ 
stickungstodes nahe heran. Wechselnde individuelle Empfindlich¬ 
keit dem Mittel gegenüber steigert noch die Schwierigkeiten der 
Dosierung. So gilt es, in jedem einzelnen Falle zielbewusst und 
doch tastend zu beginnen und bis zum Optimum der Wirkung 
yorzugehen. Auch hier muss die eigene praktische Erfahrung 
jedem ein Lehrmeister sein. 

Dazu kann im folgenden nur eine Anleitung gegeben werden. 
Eine scharf formulierte Anweisung, die der Behandlung eines 
jeden Falles schematisch zugrunde gelegt werden dürfte, gibt es 
hier nicht. 

Meitzer 1 ) batte die Magnesiumnarkose zuerst für opera¬ 
tive Eingriffe empfohlen. Wenn man dem Menschen für jede 
9—10 kg Körpergewicht 1 ccm einer 25 proz. Lösung von Mag- 
nesiumsulfat intraspinal einspritzt, so tritt schon nach etwa einer 
Stunde eine Lähmung der Beine und der Beckengegend ein, be¬ 
gleitet von einer Analgesie, die erlaubt, jede Operation in den 
genannten Regionen auszuführen. Nach 3—4 Stunden kann man 
auch an den höher gelegenen Körperteilen ohne Zuhilfenahme von 
Chloroform operieren. 

Die Behandlung des Wundstarrkrampfes verlangt eine Nar¬ 
kose von viel längerer Dauer, als sie für einen operativen 
Eingriff nötig und erwünscht ist. Sie verlangt deshalb die mehr¬ 
malige Wiederholung der intraspinalen Injektion, und tatsächlich 
hat Meitzer bereits in seiner ersten Publikation vom Jahre 1906 
von einem Falle berichtet, der durch zweimalige Einspritzung in 
den Lumbalsack geheilt worden ist. 

Inzwischen sind mehr als 50 Tetanusfälle in dieser Weise 
behandelt worden. Stadler 2 ), der an meiner Abteilung bei 
zwei Kranken gegen den ausgbrochenen schweren Wundstarr¬ 
krampf intralumbale Magoesiumsulfateinspritzungen angewendet 


1) Meitzer, Die hemmenden und anästhesierenden Eigenschaften 
aer Magnesiumsalze. B.kl.W., 1906, S. 73. 

lSH^Nr* 3 ’ ^^ nes ’ un,su ^ at ^ e ^ an ^ un ? !? es Tetanus. B.kl.W-, 


bat, bat zu Beginn d. J. in dieser Wochenschrift die ganze 
Kasuistik zusammengestellt und bat dabei darauf hingewiesen, 
dass die an sich schon günstige Mortalität von nur 35 pCt. bei 
einem weiteren Ausbau der Methode gewiss noch weiter herab¬ 
gedrückt werden kann. Ihre wirkliche Leistungsfähigkeit will er 
nach den Erfolgen, die Kocher damit erzielt bat, beurteilt wissen, 
der das grosse Verdienst hat, die Methode als erster in Europa 
konsequent und mit vollendeter Technik zur Tetanusbehandlung 
verwendet zu haben, und der von seinen 6 Fällen nur einen und 
diesen an einer Sinusthrombose verlor. 

Nun ist in der Tat der Erfolg der intralumbalen Magnesium- 
Sulfatbehandlung des Tetanus von der Beherrschung der Technik 
abhängig. Diese Technik ist nicht ganz einfach. Der Arzt, der 
die Spinalpunktion noch nie ausgeübt hat, wird sieb schwer dazu 
enischliessen, sie zum ersten Male bei einem Kranken auszu¬ 
führen, bei dem sie, wie beim TetanuskrankeD, infolge des Opistho¬ 
tonus oft besonders schwer ausführbar ist. Es setzt Uebung und 
setzt genügende Hilfe seitens des Pflegepersonals voraus. Davon 
abgesehen, schreckt der praktische Arzt wohl auch vor der Tat¬ 
sache zurück, dass in einer zu weitgehenden Wirkung des in¬ 
jizierten Magnesiumsulfats eine direkte Lebensgefahr für den 
Kranken besteht. Mit schweren Zufällen (Collaps, beginnende 
Atemlähmung) muss man rechnen. Die genaueste Ueberwachung 
des Patienten und die Möglichkeit zu sofortigen, auf pharmako¬ 
logischem Verständnis der Magnesiumwirkung beruhenden Gegen¬ 
maassregeln ist also unbedingt erforderlich. Und so* werden im 
allgemeinen nur Kliniken und Krankenhäuser, in denen Aerzte 
dauernd anwesend sind, die Stätte sein, wo die verbeissungsolle 
intralumbale Magnesiumsulfatbehandlung des Wundstarrkrampfes 
erfolgreich durchgeführt werden kann. 

Wir müssen Kocher dankbar dafür sein, dass er die Durch¬ 
führbarkeit in einer gut geleiteten Klinik an einer ganzen Anzahl 
von Fällen dargetan bat 1 ). Als auf meiner Abteilung Stadler 
die beiden Tetanusfälle in der geschilderten Weise behandelte, 
den einen mit achtmaliger Lumbalinjektion innerhalb 8 Tagen, 
habe ich mich davon überzeugt, dass es einer ungewöhnlichen 
Aufmerksamkeit, Hingabe, Konzentration und Anstrengung seitens 
der Aerzte (einer allein reicht dazu gar nicht aus) bedarf, um 
eine solche intralumbale Magnesiumnarkose so lange fortzusetzen, 
bis die durch jede Lumbalinjektion prompt beseitigten Krämpfe 
und der immer wieder auftretende Opisthotonus schliesslich 
dauernd fortbleiben. Darum sei hauptsächlich an die Kranken¬ 
häuser und Kliniken die Aufforderung gerichtet, diese Behandlungs¬ 
methode des Tetanus jetzt aufzugreifen und auszubauen. Das 
Beispiel Ko eher’s steht leuchtend vor uns. 

Der praktische Art aber wird, wenn er unter den be¬ 
scheidenen Verhältnissen kleiner Teillazarette arbeitet, der sub- 
cutanen Anwendung des Magnesiumsulfats sich zuwenden 
sollen. Auch von dieser sind schon glänzende Heilerfolge beob¬ 
achtet, und an sie kann jeder ohne alles Zaudern herantreten, 
sobald unter seinen Verwundeten ein Wundstarrkrampf vorkommt. 
Eine technische Schwierigkeit existiert nicht. 

Dass es grösster Sorgfalt und Aufmerksamkeit auch hier be¬ 
darf, soll aber genügend hervorgehoben «ein. Ohne solche gibt 
es aber überhaupt keine Tetanustherapie. Auch bei der sub- 
cutanen Anwendung des Magnesiumsulfats handelt es sich um 
eine Narkose. Wie bei jeder anderen Narkose hat sich der Arzt 
also auch hier dauernd darüber zu unterrichten, einmal ob sie 
tief genug ist, um den gewünschten Effekt zu geben, und dann 
ob nicht durch ein Uebergreifen der Lähmung auf lebenswichtige 
Funktionen der Kranke in Gefahr kommt. Die Gefahr einer 
Lähmung der Atmungsmuskulatur steht obenan. 

Die Atmung ist also, wie bei der Chloroformnarkose, genau 
zu überwachen. Sie soll infolge der wohltätigen Lösung der 
Muskelstarre durch die Magnesiuminjektion freier und ruhiger 
werden. Sie darf nicht oberflächlicher werden oder gar sistieren. 
Man hat auf die Atembewegungen selbst zu achten. Auf 
das Aussehen des Kranken, auf die cyanotische Färbung seiner 
Wangen kann man nichts geben. Die Tetanuskranken sind ja 
gewöhnlich im Gesicht stark kongestioniert. Infolge der dauern¬ 
den Kontraktur ihrer Bauch- und Thoraxmuskulatur, infolge der 

1) Kocher empfiehlt anstatt der von Meitzer angegebenen 25 proz. 
Lösung eine 15 proz. und hält auch die 10 proz. noch für ausreichend. 
Beim erwachsenen Menschen werden von der 15 proz. Lösung 5—10 ccm 
nach vorherigem Ablassen von ebensoviel Kubikzentimeter Liquor langsam 
eingespritzt. Die wohltätige Wirkung trat bei dieser Dosierung in unseren 
beiden Fällen schon in der ersten halben Stunde ein. Mehrfach fiel der 
Patient schon nach 5 Minuten in erquickenden Schlaf. 

1 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


furchtbaren Schmerzen auch, unter deDen sich die Krämpfe in 
den Atemmuskeln und namentlich im Zwerchfell abspielen, atmen 
sie vielfach nur ganz oberflächlich und sind deshalb oft cyano- 
tisch, ohne dass die Narkotica schuld daran sind. So kommt 
es, dass das Pflegepersonal wohl auch von dem * blauen Aus¬ 
sehen“ der Kranken berichtet, wo infolge der zu geringen 
Dosierung überhaupt noch keiue Magnesiumsulfatwirkung auf die 
Muskulatur eingetreten ist. Eine solche zu geringe Dosierung 
muss aber unter allen Umständen vermieden werden. Ebenso¬ 
wenig wie der Chirurg bei der Chloroform- oder Aethernarkose 
das Messer ansetzt, bevor nicht die beabsichtigte Analgesie ein- 
getreten ist, sollen wir uns bei der Magnesiumbehandlung des 
Tetanuskranken mit einer ungenügenden Narkose zufrieden geben, 
die keine Muskelerschlaffung zustande brachte. Dazu bedarf es 
einer dreisten Dosierung bei vollem Verantwortlichkeitsgefühl, 
dass man möglicherweise eine Atemlähmung damit riskiert. 

Für diese Gefahr hat man sich zu rüsten. Ist bei einer 
intraspinalen Verabfolgung des Magnesiumsulfates die Wirkung zu 
stark ausgefallen, so kann man von neuem lumbalpunktieren und 
mit Erfolg den Duralsack mittels physiologischer Kochsalzlösung 
auswascben. Bei der subcutanen Darreichung ist die Möglichkeit 
einer nachträglichen Entfernung verschlossen. Da wird man sich 
daran erinnern, dass die Caiciumsalze antagonistisch wirken, und 
dass die Magnesiumnarkose des Kaninchens durch eine Cblor- 
calciurainjektion prompt zu beseitigen ist. Droht also ein Atem¬ 
stillstand und kommt die Respiration bei künstlicher Atmung 
nicht sogleich wieder in Gang, so versuche man durch eine In¬ 
jektion einer 5 proz. Chlorcalciumlösung (5 ccm, eventuell mehr¬ 
mals) am besten intramuskulär, die Magnesiumwirkung abzu¬ 
schwächen. 

Als ein zweites wirksames Mittel gegen die unerwünschte 
Magnesiumwirkung auf die Atemmuskulatur steht sodann das 
Physostigmin zur Verfügung. Nach den experimentellen Unter¬ 
suchungen von Joseph und Meitzer hebt es die am autonomen 
Nervensystem gesetzte Lähmung auf und bringt dadurch die 
durch das Magnesium gelähmte Atmung wieder in Gang, ohne 
dass es die centrale allgemeine Narkose beeinträchtigt. Wenn 
also nach der Magnesiumsulfatinjektion wirklich Atemlähmung 
droht, so kann man auch eine Injektion von 1 mg Physostigmin, 
salicyl. zu ihrer Beseitigung anwenden. 

Aber auch das physikalische Rüstzeug zur Bekämpfung der 
Respirationsiäbroung nehme man zu Hilfe. Als erstes die künst¬ 
liche Atmung. Sie führt allein schon in manchen Fällen zum 
Ziel. Wenn nicht, so mache man sich die grossartige Entdeckung 
von Meitzer zunutze, dass auch ohne Atembewegung eine 
genügende Sauerstoffaufnabme in den Lungen statthaben kann, 
wenn nur Sauerstoff bis zur Bifurkation der Trachea in die Luft¬ 
wege eindringt. Die Technik der sogenannten Meltzer’scben In¬ 
su fflation ist wirklich nicht so schwer, dass dieser lebenrettende 
Eingriff, wenn er nötig geworden, nicht von jedem versucht 
werden könnte. Er gelingt am sichersten, wenn man zuerst rasch 
die Tracheotomie ausführt. Dann lässt man mittels eines durch 
die Kanüle eingeführten Nelatonkatbeters einen vorher richtig ab¬ 
gestuften Sauerstoffstrom aus einer Bombe in die Luftröhre ein¬ 
strömen. Beim Fehlen von Sauerstoff genügt es wohl auch, mit 
einem gewöhnlichen Blasebalg einen Luftstrom zu erzeugen. Wer 
mit der Intubation vertraut ist, kann bei genügend tiefer Narkose 

, des Patienten die Tracheotomie umgeben. 

r Sobald gleichmässig Luft in die Trachea bis zu ihrer Bifur¬ 
kation einströmt, verliert der wie im tiefen Schlaf daliegende 
Patient seine cyanotische Farbe, und die Gefahr der Erstickung 
ist beseitigt, wenn auch der Atemstillstand noch andauert. Dass 
die Atmung und nicht etwa Herztätigkeit und Kreislauf von der 
Magnesiumnarkose gefährdet werdeo (iro Gegensatz zum Herztode 
bei der Chloroformnarkose), sei nochmals hervorgeboben. Da¬ 
durch wird natürlich nicht ausgeschlossen, dass in einzelnen 
Fällen im Anschluss an die Magnesiuminjektion auch einmal ein 
Collaps infolge von Herzschwäche vorkommt und die Anwendung 
von Campherinjektionen notwendig macht. Da die eigentlichen 
tetanischen Krämpfe in der Atemmuskulatur das Herz überaus 
stark in Mitleidenschaft ziehen, so ist das Versagen der Herz¬ 
funktion im Verlauf schwerer Tetanusfäile ja leider oft maass¬ 
gebend für den unglücklichen Verlauf. 

Mit den Gefahren wohl vertraut, mit denen die Magnesium- 
Narkose beim Tetanuskranken verbunden ist, gehe man dann 
aber auch zuversichtlich ans Werk und nicht mit ungenügenden 
Dosen. Die Mengen von Magnesium sulfur., die notwendig sind, 
um bei subcutaner Anwendung eine vollständige Muskelerschlaffung 


beim Tetanuskranken zuwege zu bringen, sind nicht geringe. Das 
muss man wissen, um nicht eine ganz unwirksame Therapie ein- 
zuleiten, an der man bald die Freude verliert. 3—4g 1 ) pro dosi, 
also 15—20 ccm einer 20 proz. oder 12—16ccm einer 25 proz. 
Lösung sind für den erwachsenen Menschen meist erforderlich, 
oft mehr. Parker hat 7 g (28 ccm einer 25 proz. LösuDg) auf 
einmal injiziert. Mielke berichtet, dass bei einem 5 8 / 4 Jahr 
alten kräftigen Mädchen Dosen von 3g (in 20proz. Lösung) die 
Abnahme der Musßelstarre und das Nachlassen der Krämpfe am 
besten bewirkten. Sie wurden oft 3 mal innerhalb 24 Stunden 
wiederholt. Im ganzen wurden 24 Einspritzungen gemacht und 
61g Magnesium gebraucht Die Wirkung der einzelnen Injektion 
muss für den Arzt wie für den Patienten überzeugend sein. Ob¬ 
wohl der Einstich selbst, wie jeder — auch der kleinste — Ein¬ 
griff wegen der dabei auftretenden Krampfanfälle, von dem 
Tetanuskranken gefürchtet wird, wird er alsbald danach verlangen, 
weil ihm die wohltuende Erschlaffung der Muskulatur und das 
Aufhören der Krämpfe den lange entbehrten Schlaf gebracht haben. 
So lange ist also, innerhalb der oben angegebenen Grenzen, die 
Einzeldose der Injektion za steigern. Die Wiederholung der In¬ 
jektion richtet sich ganz nach der Vollständigkeit und nach der 
Dauer der erziSlten Wirkung. Parker hat am ersten Tag 2 stünd¬ 
lich 7g injiziert bis zum Aufhören der Krämpfe. 3—4 Injektionen 
von 3 bis 5 g werden innerhalb 24 Stunden meist genügen. Immer 
wird man versuchen, mit der kleinsten, aber wirksamen Dosis 
auszukommen. Den Schmerz, den 20—26 proz. Lösungen bei 
subcutaner und intramuskulärer Einspritzung verorsachen, schildern 
die Kranken nicht als beträchtlich. Durch eine vorhergehende 
Morphium- oder Pantopon-Injektion wird man ihn ebenso wie die 
unangenehme Reaktion auf den Einstich selbst abschwächen 
können. Auch ein nasser Umschlag um den Oberschenkel, an 
dem man die Injektion aasgeführt hat, lässt den lokalen Schmerz 
rascher abklingen, den die Kranken, wie schon gesagt, gern in 
Kauf nehmen, wenn sie erst die Wohltat der Magnesium Wirkung 
kennen gelernt haben. Dass den armen Menschen diese Wohltat 
wirklich zuteil wird, ist der Zweck dieser etwas ausführlich ge¬ 
wordenen Darlegung. 


Ob neben der Magnesinmsulfat-Behandlung des Tetanus, für I 

die ich aus eigener Erfahrung eintrete, auch die Baccellische Carbol- 1 

säurebehandlung noch empfohlen werden soll, vermag ich nicht 4 

zu entscheiden, da ich sie nie verwendet habe. Baccelli 2 ) hat s 

in dieser Wochenschrift eingehend darüber berichtet und ihre ; 

grossen Erfolge gerühmt. Seiner Statistik wird man entgegen 
halten können, dass darin eine grosse Zahl von Beobachtungen 
von einzelnen Fällen zusammengefasst sind, dass bei der Publikation 
kasuistischer Einzelbeobachtungen aber die glücklich verlaufenen 
Fälle erfahrungsgemäss bevorzugt werden, und dass in Italien 
anscheinend überhaupt häufiger leichte Tetanuserkrankungen vor¬ 
zukommen scheinen, leichter, als leider unsere Tetanusinfektionen 
in diesem Kriege verlaufen. In dem experimentellen Nachweis, 
dass Carbol in vitro die Toxizität des Tetanusgiftes (Tizzoni und 
Cantani) vernichtet, soll dieBegründungderCarbolsäurebehandlung 
des Tetanus gegeben sein. Ausserdem soll die Carbolsäure eine 
hemmende oder wenigstens stark herabsetzende Wirkung auf das 
Reflexvermögen des Rückenmarks besitzen, das durch die tetanische 
Infektion so ungewöhnlich gesteigert ist. Die Dosierung hält sich 
nicht an die Vorschriften der Maximal Verordnungen (0,1 pro dosi, 

0,3 pro die). Man nimmt eine 3proz. Lösung von Acid. carbol. 
liquefact in Wasser und injiziert beim Erwachsenen 3—5—lOccm 
davon, also 0,1 —0,15—0,3 g Carbolsäure und diese Dosen sogar 
2—3 mal innerhalb 24 Stunden. Die sorgfältige Ueberwachung 
des Urins (Carbol-Nepbritis!) unterrichtet darüber, ob das Mittel 
gut vertragen wird. Ist es der Fall, so können ohne allzu grosse 
Vorsichtsmaassregeln Tagesdosen von 1 bis l V 2 g, ja, bei schweren 
Tetanusfällen von 3g durch wiederholte subcutane Injektionen 
verabfolgt werden. Anstatt der 3 proz. wässrigen Lösung ist auch 
eine 5proz. in Olivenöl brauchbar. Die grösseren Dosen sind nar 
bei schweren und sehr schweren Fällen und allmählich vorschreitend 
zu empfehlen; weniger als lg Carbolsäure pro Tag soll aber bei 
schweren Fällen nicht verwendet werden. 

Der Bericht von Baccelli ist so enthusiastisch, dass er 
jeden, der jetzt eine grössere Anzahl von schweren Tetanusfällen 
zu behandeln berufen ist, auffordern muss, auch die Carbolsäure 


1) Magnesium sulfuricum Ph. g. (Kristallwasser inbegriffen). 

2) Baccelli, Statistische Resultate der Behandlung des Tetan 
mit subcutanen Carbolsäureinjektionen. B.kl.W., 1911, S. 1021. 


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19 Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1721 


daza heranzuziehen. Wer sich dazu entschliesst, der tue es 
energisch und konsequent. Denn dies ist ja der Zweck meiner 
ganzen Ansföhrungen, dass, trotz der mangelnden Erfahrung des 
einzelnen von uns, bei der Tetanusbebandlung kein Dilettantismus 
Platz greife, wenn jetzt allerorten verwundete Krieger mit der 
furchtbaren Wundkomplikation in unsere Behandlung kommen. 

Dies scheint mir ganz festzusteben, dass gegenüber einer 
Mortalität von etwa 90 pCt., wie sie die ungenügend behandelten 
Fälle darbieten, Sterbeziffern von höchstens 50 pCt. in den 
schwersten und von 15 bis 20 pCt. in den leichteren Fällen zu 
erreichen sind. Hier sind also viele Menschenleben von der 
Initiative, der Umsicht und der Tatkraft ihrer Aerzte abhängig. 

Deshalb wiederhole ich das folgende: 

1. Prophylaktische Schutzimpfung mit Tetanusserum bei allen 
Verwundungen, die einer Verunreinigung mit Erde besonders ver¬ 
dächtig sind. 

2. Aufmerksame Beobachtung der Verwundeten auf die Fruh- 
symptome und auf „lokalen Tetanus 14 . 

3. Keine Unterschätzung der Schwere der Krankheit, auch 
nicht, wenn die Krankheitserscheinungen nur angedeutet sind, 
und auch nicht, wenn sie erst nach längerer Inkubation 
aufgetreten sind. Beides können günstige Momente darstellen. 
Aber auch bei den geringsten Andeutungen von lokaler Muskel- 
Spannung kann sich daraus noch das Krankheitsbild des schwersten 
Wundstarrkrampfes entwickeln und selbst wenn seit der Ver¬ 
wundung Wochen vergangen sind, bis die Tetanussymptome auf¬ 
getreten sind, kann es sich um einen foudroyant verlaufenden 
Tetanusinfektionsfall handeln. Es haben dann eben die Keime, 
ohne sich weiter zu entwickeln, in der Wunde gelegen, bis eines 
Tages durch irgendwelche neuen Bedingungen ihr Wachstum 
möglich geworden ist (Abschluss der Wunde von der Luft durch 
Vernähen, Mischinfektion mit Eitererregern, die zu ihrem Wachs¬ 
tum soviel Sauerstoff beanspruchen, dass in der Wunde die für 
die Tetanusbacillen günstigen anaeroben Wachstumsbedingungen 
nachträglich erst bergestelit werden usw.). 

4. Sachgemässe Wundbehandlung (breites Offenlassen, keine 
Verschorfung, Anwendung flüssiger Desinficientien, lokale Appli¬ 
kation von Tetanusantitoxin). Bei der bekannten Eigenschaft der 
Tetanusbacillen, nur bei Sauerstoffabschluss zu gedeihen, wäre 
ein ansgiebiger Versuch der Wundbehandlung mit Wasserstoff¬ 
superoxyd und namentlich mit den festen Wasserstoffsuperoxyd¬ 
präparaten zu empfehlen (z. B. mit Ortizoustäbchen von Beyer 
& Co.). 

5. Nach Auftreten der ersten Tetanussymptome umgehende 
Anwendung einer Heildosis des Tetanusserums (100 A.-E.) und 
Wiederholung dieser Dosis in den nächsten Tagen, eventuell 
intralumbale Anwendung von 50 bis 100 A.-E. Tetanusserum. 

6. Sofortiger Beginn mit konsequenter Magnesiumsulfat' 
anwendung intralumbal oder subcutan, mit Dosen, die im Sinne 
einer Narkose dem Patienten prompt Erleichterung durch Muskel¬ 
erschlaffung bringen, unter Berücksichtigung der erwähnten Vor- 
sicbtsmaassregel n. 

7. Verwendung von Narcoticis (Chloral, Morphium, Pantopon) 
in freigebiger Weise. 


Zur Behandlung des Tetanus. 

Von 

Emst (Jager-Berlin. 

Die bisherigen Resultate der Behandlung des Tetanus 9ind noch 
keineswegs befriedigend, ganz gleich, welches Medikament und welche 
Art seiner Einführung man auch wählt. Zu den in jüngster Zeit vor¬ 
geschlagenen Methoden erlaube ich mir zwei kurze Bemerkungen: 

1. Auf dem kriegschirurgischen Abend zu Heidelberg 1 ) berichtete 
Heddaeus folgendes: 

„Bei sechs Fällen von Tetanus wurden intralumbale E nspritzungen 
von Antitoxin gemacht und nach einigen Tagen intracranielle nach der 
Freilegung der Art. carotis interna. Auf diese Weise erreicht das Anti¬ 
toxin auf kürzestem Wege das Centralnervensysfera, ohne vorher in der 
Blutbahn abgebaut zu werden.“ 

Bleichröder, Löb und ich haben vor einigen Jahren ein Verfahren 
angegeben 2 ), das es ermöglicht, Arzneistoffe in die arterielle Blutbabn 
zu bringen und dem gesamten arteriellen Kreislauf oder einzelnen 
Arterienbezirken einzuverleiben. 

Wir hatten damals besonders die Behandlung der puerperalen Sepsis 

1) Vgl. B.kl.W., 1914, Nr. 40, S. 1695. 

2) B.kl.W,, 1912, Nr. 32. 


im Auge und gingen so vor: in «einen kleinen Seitenast der Arteria 
femoralis, dicht unter dem Leistenband oder in diese selbst wurde eine 
kleine Inzision gemacht, duroh diese ein Ureterkatheter berzwärts in die 
Aorta binaufgeführt bis etwas oberhalb der Teilungsstelle, und durch 
den Katheter ein Medikament, z. B. Collargol, injiziert. Die injizierte 
Flüssigkeit wird durch dea Blutstrom in die ganze untere Rumpfhälfte, 
oder wenn man beide Arteriae femorales komprimiert, vor allem in die 
Beokenorgane hineingeschleudert. 

Entsprechend der Beobachtung des Herrn Heddaeus liesse sich 
unser Verfahren beim Tetanus in Anwendung bringen: Die Art. ulnaris 
(wohl besser als die Art. radialis) wird freigelegt, eine kleine Inzision 
gemacht und ein Ureterkatheter (in Dampf sterilisiert, mit Kochsalz 
durcbspült) so weit hinaufgeführt, dass seine Mündung im Aortenbogen 
etwa liegt. Der Katheter ist vorher mit einer Spritze, die das Tetanus- 
antitoxin enthält, armiert; spritzt man jetzt dasselbe ein, so wird das 
Antitoxin durch die Carotiden ins Gehirn, durch die Aorta desoendens 
und ihre Aeste ins Rückenmark geschleudert. Die IozisionsÖffnung der 
Ulnaris lässt sich durch eine einzige Gefässnaht seitlich schiiessen. Die 
Einführung des Katheters in die Blutbahn, Venen wie Arterien, haben 
wir oft ohne jeden Schaden für den Kranken gemacht. Vielleicht ist 

das Verfahren gerade beim Tetanus einfacher als die Injektion in die 

freigelegte Carotis interna, wie Heddaeus empfiehlt. 

In einem Falle konnte ich das Verfahren anwenden: 

Leutnant, 30 Jahre alt, verwundet am 18. IX., Streifschuss am 
Kopf. Danach Parese des linken Armes und linken Beines; 23. IX. 
spannendes Gefühl in beiden MassetereD, in den folgenden Tagen im 
ganzen Körper. Transport 5 Tage lang nach Berlin, Aufnahme im 

Krankenhaus am 7. X.: Kopfschmerzen, Krampf in den Kaumuskeln, 
Nackensteifigkeit, Facialis: Chvostek -{-, Sprache verlangsamt, massiger 
Patellar- und Fussclonus, Schmerzen der linken Brustseite (Präcordial- 
angst?). Der innere Consiliarius Dr. Glaser erklärt den Fall für mittel¬ 
schweren Tetanus. Nach obiger Technik injiziere ich in den Aorten¬ 
bogen 20 ccm Tetanusantitoxin. Nach 24 Stunden leichte Besserung, 
Mund wird besser geöffnet, Kopfschmerzen verschwunden; noch einmal 
100 A.-E. intravenös. Nach 48 Stunden alle Muskelkontrakturen fast 

völlig geschwunden. Der Kranke ist heute 4 Tage nach der Injektion 
bereits wesentlich gebessert. Ein einziger Fall allerdings beweist nichts. 

2. Von Meitzer ist das Magnesiumsulfat als Mittel gegen den 
Tetanus angegeben worden, weil es die Erregbarkeit der Muskeln berab- 
setzt. Bei den hohen Dosen aber, die notwendig sind, besteht die Ge¬ 
fahr der Atemlähmung; im Tierversuch hilft folgendes: kleinste Tracheo¬ 
tomiewunde, Einführung eines Seidengespinnstkathethers von Kleinfinger- 
dicke bis zur Teilung der Trachea. Der Katheter wird mit einer Sauer¬ 
stoffbombe verbunden und unter geringem Druck (6—8 mm Quecksilber) 
lässt man Sauerstöff einströmen, den Strom in der Minute durch Ab¬ 
drehen des Hahns au der Bombe sechsmal etwa für 1—2 Sekunden unter¬ 
brechend. 

Beide Vorschläge erlaube ich mir, weil auch heute noch die Mor¬ 
talität an Tetanus recht hoch ist und wir leider für die nächste Zeit ein 
häufigeres Auftreten des Tetanus zu erwarten haben. 


Die Kost der Arbeiter und die Grundsätze 
der Ernährung. 

Von 

Prof. Felix Hirschfeld-Berlin. 

Die genaue Kenntnis der Arbeiterernährnng erscheint vor 
allem deshalb wichtig, weil wir hierdurch ein Bild der Ernährungs¬ 
weise des grössten Teils des Volks gewinnen und daraus Schlüsse 
über Einzelheiten, namentlich über die Notwendigkeit einer be¬ 
stimmten Eiweisszufuhr bei freigewählter Kost unter beschränkten 
äusseren Verhältnissen ziehen können. Zur Erreichung dieses 
Ziels ist jedoch vor allem notwendig, bei der Sammlung solcher 
Erfahrungen genau zu prüfen, welche Klassen von Arbeitern unter¬ 
sucht werden, wie deren Lohn Verhältnisse beschaffen sind, damit 
eine gewisse Sicherheit gegeben ist, dass wir wirklich die 
Schichten der Bevölkerung vor uns haben, die genötigt sind, bei 
kräftiger Muskelarbeit sich doch möglichst einfach zu ernähren. 
Dieser wichtige Punkt scheint mir in einer eben erschienenen 
Arbeit von A. Gigon 1 ) über die Arbeiterkost nicht genügend be¬ 
rücksichtigt zu sein. So wertvolle Einzelheiten diese an einer 
Reihe von Baseler Arbeitern bei freigewäblter Kost gewonnenen 
Beobachtungen bringen — ich erwähne noch besonders die 
grosse Anzahl von Analysen tischfertiger Speisen —, so scheinen 
mir doch die Schlüsse des Verfassers irrig. Die Darlegung dieser 
Verhältnisse würde über den Rahmen eines Referates, zu dem ich 
von der Leitung dieser Wochenschrift -aufgefordert bin, hinaus¬ 
geben; deshalb möchte ich an der Hand eigener, früher von mir 

1) Alfred Gigon, Die Arbeiterkost nach Untersuchungen über die 
Ernährung Baseler Arbeiter bei freigewäblter Kost. Berlin 1914, Verlag 
von J. Springer. 


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1722 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


ausgefübrter Untersuchungen und der Erfahrungen aus der Lite¬ 
ratur darauf eingehen, zu welchen Schlössen die bis jetzt fest¬ 
gestellten Tatsachen berechtigen. 

Gigon untersuchte die Kost von 8 Arbeitern während im ganzen 
62 Tagen; bei den einzelnen Versuchspersonen betrug die Dauer der 
Beobachtuogsperiode bei gleichbteibendem Körpergewicht zumeist 7 bis 
9 Tage. Mit einer Ausnahme waren alle verheiratet, die Kinderzabl der 
7 Ehepaare war jedoch nur 11! Das Alter der Versuchspersonen 
schwankte zwischen 18 und 50 Jahren, im Mittel 33 Jahre, das Körper¬ 
gewichtsmittel war 68,9 kg. Die Arbeitszeit war 8—10 Stunden. Der 
Lohn schwankte bei den verheirateten Arbeitern zwischen 6—7,90 Frank 
täglich. Der unverheiratete junge Färber erhielt 4 Frank für den Tag. 
Die Kosten der Ernährung sind von Gigon nicht mitgeteilt. 

Der Verbrauch an Nahrungsmitteln pro Tag in Gramm war im Mittel: 


Fleisch (in gekochtem Obst.20,5 g 

und gebratenem Zu- Zucker.34,9 g 

stand).187,3 g Brot. 334,8 g 

Fisch. 7,2 g Suppe. 472,4 g 

Kartoffel.171,6 g Milch. 509,2 g 

Gemüse und Mehlspeisen 275,2 g Kaffee. 625,1 g 

Eier und Eierspeisen . . 17,9 g Wein.172,5 g 

Butter. 3,6 g Bier.415,3 g 

Käse.22,4 g Schnaps. 5,3 g 


Auffallend ist der sehr hohe Fleischgenuss von 187 g gekochtem 
oder gebratenem Fleisch, wozu noch allerdings geringe Mengen von 
Fischen kommen. Wenn auch ein Teil des Fleisches in Form von 
Würsten, also bisweilen doch in rohem Zustand genossen wurde, so hebt 
Gigon andererseits wiederum hervor, dass bei seinen Zahlen noch die 
Abfallstoffe abgezogen sind, während dies bei den meisten anderen 
Autoren, die nur das Rohgewicht berücksichtigten, nicht der Fall ist. 
Man wird daher den Fleischverbrauch bei Gigon wohl im Mittel auf 
300 g Rohgewicht täglich nicht zu niedrig veranschlagen, einen Wert, 
der alle bisherigen Annahmen weit übertrifft. 

Der Brot- und Kartoffel verbrauch erscheint sehr niedrig. Be¬ 
merkenswert ist hierbei noch, dass das Brot fast ausschliesslich als 
Weissbrot oder „Halb weissbrot“ genossen wird. Schwarzbrot wird da¬ 
gegen von Arbeitern kaum gebraucht. Leider hat Gigon nicht an¬ 
gegeben, ob unter dem „Halbweissbrot“ ein aus Weizen und Roggen 
gemischtes Brot verstanden wird. Es wäre ausserordentlich auffallend, 
wenn so nahe an Deutschland und Baden, wo das Roggenbrot in der 
Kost vorherrscht und nach den Mitteilungen Wörishoffers 1 ) s / 4 oder 
»/jo des gesamten Brotverbrauchs bei den Arbeitern ausmacht, in Basel 
nur Weizenbrot von der Bevölkerung verzehrt würde. 

Gigon hebt als Eigenart der Kost noch den reichlichen Suppen- 
genuss hervor, der neben dem aus verschiedenen Gemüsen be¬ 
stehenden Mittagbrot, dem hohen Mi Ich verbrauch und der grossen Ab¬ 
wechselung in den Gerichten die Ernährung der Baseler Arbeiter als 
sehr günstig erscheinen lässt. 

Die mittlere chemische Zusammensetzung der Kost betrug für den 
69 kg schweren Aibeiter 106,7 g Eiweiss, 93 g Fett, 402 g Kohle¬ 
hydrate und 33 g Alkohol = 3181,5 g Calorien. 

Die Menge des resorbierten Eiweisses war im Mittel = 85,6 g. 

Gigon kommt zu folgenden Schlüssen 2 ): 

„Da weiter die Versuchspersonen keine Luxusausgaben 
sich gestatten konnten, kann man sagen, dass ihre Kost der 
hiesigen normalen Arbeiternahrung entspricht. Dieses Er¬ 
gebnis ist von Wichtigkeit. Man kann daraus mit Sicher¬ 
heit schliessen, dass die Durchschnittszahlen für die che¬ 
mische und calorische Zusammensetzung dieser Kost der 
Normalkost des Menschen entsprechen müssen.“ Und weiter: 

„Bei genügender Zufuhr an Fett und Kohlehydraten 
(siehe später) und bei gemischter Kost soll die Nahrung des 
Arbeiters bei mittlerer Arbeit 110—130 g Eiweiss enthalten, 
wenn dieses Eiweiss nur zu Vs aus dem Tierreich entstammt. 
Besteht das Gesamteiweiss zur Hälfte oder mehr als zur 
Hälfte aus animalischem Eiweiss, so genügt eine Gesamt¬ 
eiweisszufuhr von 90—110 g. Als Durchschnitt möchte ich 
die Forderung aufstellen, dass ein erwachsener Mann bei 
mittlerer Arbeit 1,5 g Eiweiss pro Kilo und Tag mit seiner 
Nahrung erhalten muss.“ 

Gigon kehrt mit diesen Schlussfolgerungen wieder voll¬ 
ständig auf den Voit’schen Standpunkt zurück, den man bis vor 
kurzem wohl als allgemein aufgegeben wähnte. 118 g Eiweiss 
sollten hiernach in der täglichen Kost für einen erwachsenen 
kräftigen Mann bei mittelscbwerer Arbeit zur Erhaltung not¬ 
wendig sein. Neuerdings bat nun Rubner 3 ) in einer vor kurzem 
erschienenen Arbeit ähnliche Anschauungen geäussert. In dieser 
Broschüre werden keine neuen Versuchsergebuisse mitgeteilt, nur 
im wesentlichen gegen Chittenden und.Hindhede polemisiert. 


1) F. Wöriahoffer, Die soziale Lage der B’abrikarbeiter iu Mann¬ 
heim. Karlsruhe 1891. 

2) 1. c., S. 15 u. 34. 

8) Max Rubner, Ueber moderne Ernährungsreformen. München 

und Berlin 1914, Verlag von R. Oldenbourg. 


Die Vorwürfe Rubner’s gegen Chittenden sind wohl als be¬ 
rechtigt anzuerkennen, da dieser Forscher nicht allein zu ein¬ 
zelnen Bedenken in seiner Versucbsanordnung Anlass gab, sondern 
vor allem deshalb, weil er die Frage des Eiweissbedarfs auch 
mit der der sogenannten Luxuskonsumption zusammen warf. 
Naturgemäss ist aber die Lösung beider Probleme, wohl der 
wichtigsten der modernen Ernährungslehre, durch eine solche 
summarische Behandlung nicht zu erreichen. 

Weniger berechtigt erscheinen die Angriffe Rubner’s gegen 
Hindhede. Wenn sich Rubner vor allem darüber beklagt, dass 
ihn Hindhede für die Voit’schen Normen gewissermaassen ver¬ 
antwortlich gemacht habe, so zeigt er in dieser neuesten Arbeit 
am deutlichsten, dass er richtig verstanden wurde. Rhetorisch 
ruft Rubner am Schluss aus 1 ): 

„Hier muss Farbe bekannt und eine Zahl genannt werden. 
Wenn 118 g falsch ist, so müssen wir wissen, was an deren 
Stelle zu setzen ist. Das ist aber leider von den Reformatoren 
nicht gesagt worden.“ 

Solche Auffassungen habe ich von jeher energisch bekämpft 
und will dies auch wiederum tun, weil gerade unter den gegen¬ 
wärtigen Verhältnissen irrige Anschauungen über die Zusammen¬ 
setzung einer Kost die grösste Verwirrung schaffen. Nicht nur 
wegen des Krieges ist eine zeitweilige eiweissärmere 
Ernährung hinzunehmen, sondern wir müssen uns den 
wissenschaftlich feststehenden Satz einprägen, dass 
dies auch dauernd noch keinen Nachteil für den Orga¬ 
nismus bedeutet. 

Die Berechtigung zu diesem Vorgeben leite ich, abgesehen 
von meinen an mir selbst angestellten Laboratoriumsversucben, 
vor allem von Beobachtungen her, die ich bei der Unter¬ 
suchung der Kost von landwirtschaftlichen Arbeitern auf einem 
Gut bei Bromberg gemaebt habe, und die ich seitdem noch durch 
weitere Beobachtungen auf einem ostpreussischen Gut bei Oster- 
rode ergänzt habe*). Gerade diese Untersuchungen sind bisher 
kaum beachtet worden, und nur meine fiüheren werden zwar er¬ 
wähnt, aber als Laboratoriumsversuchen wird ihnen nur ein be¬ 
dingter Wert zugebilligt. 

Die landwirtschaftlichen Arbeiter sind wobl deshalb 
am geeignetsten für die Beantwortong der Frage, wie unter den 
heutigen Verhältnissen nach freier Wahl am wohlfeilsten eine Kost 
zusammengesetzt werden kann, weil bei verhältnismässig niedrigem 
Lohn kräftige Muskelarbeit geleistet werden muss. Während der 
in die Erntezeit fallenden Beobachtungsperiode konnte ich mich 
von der kräftigen Körperkonstitution der Arbeiter und ihrer Kinder 
überzeugen. Meine Resultate entsprechen einigen in der Literatur 
zerstreuten Angaben, so der von Meinert 8 ) über die Kost eines 
sächsischen Landarbeiters und der von Hultgren und Lander- 
gren*) über die eines schwedischen Landarbeiters. Gerade hier¬ 
bei kann man auch den Fehler Gigon’s erkennen, wenn bei Be¬ 
nennung der Kost der ärmeren Bevölkerungsscbichten diese als 
„Arbeiter“ im allgemeinen bezeichnet werden. Hultgren und 
Landergren untersuchten die Ernährung von 12 schwedischen 
Arbeitern, deren täglicher Verdienst zwischen 1 und 3 Kronen 
schwankte! Dementsprechend gestaltete sich auch die Ernährung 
verschieden und der zumeist in der Literatur und auch von Gigon 
benutzte Mittelwert kann keinesfalls als Beweis dafür gelten, 
wie man sich auch unter beschränkten äussern Verhältnissen 
ernähren muss. Für diesen Zweck erscheint eher ein Einzel¬ 
beispiel geeignet, die Versuchsperson 4, ein 28 jähriger, 73 kg 
schwerer, 1,74 cm grosser Landarbeiter mit einem sehr niedrigen 
Tagelohn. 

Die Resultate sind am besten aus folgender Tabelle er¬ 
sichtlich. 

Der Kartoffel- und Brotverbrauch ist bei diesen Arbeitern 
annähernd gleich und am über das Doppelte höher, als Gigon 
ihn bei Basler Arbeitern gefunden batte, während der Fleisch¬ 
verbrauch weit zurückbleibt. Trotzdem waren diese Arbeiter 
ebenso wie ihre Kinder körperlich gesund und leistangsfähig. 
Dabei ist noch besonders bemerkenswert, dass ich kinderarme 
Familien untersucht hatte. In kinderreichen Familien tfurde von 


1) 1. o., S. 74. 

2) F. Hirschfeld, Pflüg. Arch., Bd. 41 u.44; Virch. Arcb„ Bd.ln; 

D. Vrtljschr. f. Gesdhtspfl., 1903. q 

3) C. A. Meinert, Armee und Volksernährung. Berlin 1880, Bd. J, 
S. 190 u. f. 

4) E. 0. Hultgren und Ernst Landergren, Untersuchungen über 
die Ernährung schwedischer Arbeiter, Stockholm 1891, S. 5, S. 18 

S. 29. 


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19. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1723 


den Erwachsenen oder Halberwachsenen zumeist mehr Kartoffeln 
und mehr Schmalz, dagegen noch weniger Fleisch und 
weniger Milch verzehrt. Der gesamte Eiweissumsatz solcher 
Personen würde dadurch wahrscheinlich noch geringer ausfallen. 
Es wnrde mir auch versichert, dass die Ernährung der Arbeiter 
auf andern Gütern und der kleinen Bauern durchaus nicht fleisch - 
und ei weissreicher wäre. 


Es stellte sich der Verbrauch der wichtigsten Nahrungs¬ 
mittel bei den landwirtschaftlichen Arbeitern 



Prov. Posen 
(nach F. Hirsch¬ 
feld) Mittelwert 
s 

Prov. Sachsen 
(C. A. 
Meinert) 
g 

Schweden 
(Hultgren und 
Landergren) 
g 

an Brot. 

650 

700 

698 

Kartoffeln .... 

800 

600 

— 

Fleisch und Fisch 

70 ! 

20 

74 

Müoh. 

500 , 

70 

634 

Eiweissverbrauch 

1 



im ganzen . . 

92 1 

88 

114 

davon verdaulich . 

70 ij 

1 

69 

77 


Die Berechtigung, diese Befunde weiter zu verallgemeinern, 
gewähren folgende Tatsachen. Erstens konnte ich noch auf die 
ähnlichen Resultate von Wörishoffer, der die badische Arbeiter- 
bevülkerung untersucht batte, binweisen. Die so häufig gemachte 
Annahme, dass es sich hierbei um eine schlecht bezahlte und 
wenig leistungsfähige Arbeiterschicht handelte, konnte hier 
sicher nicht erhoben werden. Ferner erinnerte ich daran, dass 
diese Einzelbeobachtungen sich vorzüglich mit den bekannten 
Weiten der Nationalökonomen über den Verbrauch an Getreide 
und den wichtigsten Nahrungsmitteln in Deutschland deckte 1 ). 

Die Erklärung für den hohen Brot- und Kartoffel verbrauch 
io einem grossen Teil unserer Arbeiterbevölkeruug wird man 
leicht finden, wenn man einen Blick auf die nachstehende Tabelle 
über den Nährwert und den Preis unserer gebräuchlichsten 
Nahrungsmittel wirft. Um die Umrechnung zu erleichtern, habe 
ich die Zahlen möglichst abgerundet. 



Preis von 

1 kg 

M. 

Um 1000 Galorien 
zu liefern sind 
notwendig 
kg 

Der Geldwert 
von 1000 Calorien 
beträgt 
tf. 

Schwarzbrot . . . 

030 

0,435 

0,13 

Weissbrot .... 

0,50 i 

0,395 

0,20 

Kartoffel .... 

0,06 

1,18 

0,07 

Schweineschmalz . . 

1,80 

0,107 

0,19 

Zucker. 

0,60 I 

0,25 

0,15 

Rindfleisch .... 

1,60 j 

0,91 

1,45 


Das billigste Nahrungsmittel ist demnach die Kartoffel. 
In dieser Zahl kommt die Ergiebigkeit unseres Bodens zum Aus¬ 
druck, der uns gerade von diesem Nahrungsmittel weit mehr 
liefert, als von der gegenwärtigen Bevölkerung Deutschlands ver¬ 
zehrt werden kann. 

Es ist daher als ein grosser Vorzug anzusehen, dass von Kar¬ 
toffeln erfahrungsgemäss noch mehr genossen werden kann, 
als obigen Zahlen entspricht. Hindhede 2 ) und seine Versuchs¬ 
personen verzehrten dauernd meist weit über ein Kilo. Die 
oberschlesische Grubenbevölkerung, die nach den Mitteilungen 
Kuhna'g*) sich gegenwärtig so ernährt wie etwa der mittlere 
Bürgerstand dieser Provinz vor 50 Jahren, verbraucht an Kar¬ 
toffeln täglich 1100 g. Nach Selbstversuchen kann ich versichern, 
dass diese Menge von einem kräftigen Mann bequem bewältigt 
werden kann, auch wenn mau nicht von Jugend her an einen so 
reichlichen Kartoffelgenuss gewöhnt ist. Die Kartoffel besitzt vor 
dem gewöhnlichen Roggenbrot den Vorteil, dass sie besser im 
Darm ausgenützt wird. Während von grobem Roggenbrot, 

1) Wenn mir seinerzeit hei der Diskussion von Grotjahn entgegen¬ 
gehalten wurde, dass diese Konsumstatistiken nur bedingt zuverlässig 
seien, gebe ich dies zu; als Beweise für die Zuverlässigkeit von Einzel¬ 
beobachtungen und deren Verallgemeinerung dürfen sie jedoch dienen. 
(Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheits¬ 
pflege 1903. Hyg. Rdscb., 1904, Nr. 16.) 

2) M. Hindhede, Skandinavisches Arch. f. Phys., 1913, Bd. 30, 
▼gl. auch die früheren Arbeiten dieses Autors. 

3) Kuhna, Die Ernährungsverhältnisse der industriellen Arbeiter- 
bevölkerung in Oberschlesien. Leipzig 1894. S. 67 u. 44. 


dem 15 pCt. Kleie entzogen wird, etwa 13 pCt. der 
Trockensubstanz unbenutzt im Darm entleert wird 1 ) und 
diese Zahl dann entsprechend dem geringeren Kleien¬ 
gebalt beruntergeht und bei dem feinsten Weizenbrot, 
dem 30 pCt. Kleie entzogen sind, noch etwa 4 pCt. aus¬ 
macht, beträgt der Verlust im Kot bei der Kartoffel 
nach den neuen zahlreichen Bestimmungen Hindhede's 
nur etwa 3 pCt.l 

Wie wichtig dieser Punkt bei der Ernährung einer Bevölke¬ 
rung ist, die infolge vorausgegangener ungenügender Ernährung 
zu Darmkatarrhen neigen wird, leuchtet wohl ohne weiteres ein. 
Zu den Vorzügen der Kartoffel kommt noch, dass sie mit den 
verschiedensten Mengen von Fett verzehrt werden kann. Aus 
diesen Gründen ist daher jeder Versuch, die Kartoffel in Form 
neuer schmackhafter Gerichte auf den Tisch zu bringen und der 
Plan, Kartoffelmehl etwa als Zusatz von 10 bis 20 pCt. zur Brot- 
bereitung heranzuziehen, als zweckmässig auch von medizinischer 
Seite anzuerkennen. Ein Kartoffelzusatz wäre daher auch dem 
| Gerstezusatz zu dem Roggen vorzuziehen. 

i Bei der Broternährung wird, eben wegen der schlechten Aus¬ 
nützung des groben Roggenbrotes, man sich lieber unter den 
mitgeteilten Zahlen halten dürfen, namentlich dann, wenn nicht 
neben dem kleienreicheren Roggenbrot wenigstens etwas 
Weizenbrot zur Verfügung steht. Das Weizenbrot stellte sich 
aber bisher schon als kein billiges Nahrangsmittel und dies wird 
sich voraussichtlich in der nächsten Zukunft kaum ändern. 

Beachtenswert ist der niedrige Geldwert des Zuckers als 
Nahrungsmittel, der voo vielen überhaupt nur als Genussmittel 
oder Luxusnahrungsmittel betrachtet wurde. Auch wenn der 
Zuckerpreis etwas höher läge, würde der Zucker, der doch immer¬ 
hin nur in geringen Mengen verzehrt wird, noch immer ein wohl¬ 
feiles Nahrungsmittel sein, das jede Ernährungsform schon zu 
verbessern vermag. Interessant ist hierbei, dass einzelne Be- 
völkeruugsscbichten dies schon zeitig erkannt haben. So war 
1891 bei der oberschlesischen Grubenbevölkerung der Zucker¬ 
verbrauch nach dem Zeugnis Kuhna’s schon ein hoher, etwa 60 g 
auf den Erwachsenen gerechnet, während er noch im übrigen 
Deutschland in der Arbeiterernäbrung sich kaum Eingang ver¬ 
schaffen konnte. Mit Recht wird daher jetzt wiederum zur Ver¬ 
besserung der Massenernährung der Zucker empfohlen, wo 
er zusammen mit Obst, mit Getränken wie Kaffee, Tee, 
Kakao und auch wohl mit einzelnen anderen Gerichten in be¬ 
trächtlichen Mengen verbraucht werden kann. Die Gefahr des 
Uebertritts von Zucker in den Harn besteht nur, wenn auf ein¬ 
mal grosse Mengen, etwa 100 g, genossen werden. Eine solche 
Ueberschwemmung des Organismus wird bei halbwegs ver¬ 
nünftiger Regelung der Ernährung aber kaum in Betracht kommen, 
ebensowenig ist für die Allgemeinheit als Nachteil anzuseben, 
dass sich einzelne erblich zum Diabetes veranlagte Personen vor 
zu reichlicher Zuckernahrung hüten müssten. 

Der Fleischverbrauch schwankte bei den landwirtschaft¬ 
lichen Arbeitern zwischen 20 und 75 g. Dieser Wert entspricht an¬ 
nähernd der Zahl, die ich als Mittel aus den voo P. Mombert mitge¬ 
teilten Zahlen über den Fleischverbrauch verschiedener Arbeiter¬ 
kreise Deutschlands ausrechnete, der sich zwischen 15 und 100 g 
bewegte 2 ). Selbstverständlich bedeuten die niedrigenWerte nur, dass 
Fleisch nicht alle Tage auf den Tisch kommt. In den wohlhabenden 
Klassen hingegen beträgt der tägliche Fleischverbrauch zumeist 
800—400 g bei Männern, bisweilen ist er sogar noch viel höher, 
während der tägliche Kartoffel- und Brotverbrauch zumeist 
bis auf je 100—200 g heruntergeht. Die kiuderarmen Arbeiter 
Gigon’s weisen daher einen Typus der Ernährung auf, der sich 
jedenfalls sehr der Lebensweise der wohlhabenden Klassen nähert, 
obgleich sie sich nach der Mitteilung dieses Autors keine Luxus¬ 
ausgaben gestatten konnten. 

Es liegt mir fern, einfach die Ernährung der landwirtschaft¬ 
lichen Arbeiter als die Normalkost zu empfehlen. Bei Regelung 
der Ernährung komme ich vielmehr auf die Sätze zurück, die ich 
schon vor einer Reihe von Jahren verfochten habe und die ich 
etwas verkürzt wiedergebc 3 ). 

Sorgt man bei der Festellung bestimmter Kostsätze nur für 


1) Plagge und Leb bin, Untersuchungen über das Soldatenbrot. 
Berlin 1897. 

2) F. Hirschfeld, Ueber den Verbrauch au den wichtigsten Nah¬ 
rungsmitteln unter den verschiedenen sozialen Verhältnissen in Deutsch¬ 
land. Mscbr. f. soz. Med., 1903, Bd. 1 u. Hyg. Rdsch., 1904, Nr. 16. 

3) F. Hirschfeld, Pflüg. Aroh., Bd. 44, S. 466, und B.kl.W., 
1891, Nr. 26. 

2 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


die Deckung des Gesamtstoffverbrauchs, für ein ange¬ 
messenes Gewicht und Volumen and für Verdaulichkeit, 
so wird hierbei der Eiweissbedarf des Körpers vollständig be¬ 
friedigt werden, auch wenn die in der Nahrung enthaltene Stick¬ 
stoffmenge beträchtlichen Schwankungen unterworfen ist. Der 
Eiweissbedarf des Menschen ist ebensowenig genau bestimmt, als 
etwa der Chlor- oder Kalkbedarf. 

Eine ähnliche, aber schwankende Auffassung zeigt Tigerstedt, da 
er in seinem Vortrag über da9 Eiweissminimum auf dem 14. Kongress 
für Hygiene und Demographie 1907 sich dahin ausspricht, dass für das 
Eiweiss dasselbe gelten dürfte wie für die Aschebestandteile, sie würden 
schon in genügender Menge in der Kost Vorkommen, wenn die an die 
Ernährung in bezug auf die Quantität und die qualitative Beschaffenheit 
zu stellenden Anforderungen nur erfüllt werden. In demselben Vortrag 
teilt Tigerstedt übrigens Kostmaasse mit grosser Calorieozufuhr mit, 
bei denen der Eiweissumsatz nach Abzug des Kotstickstoffs nur 54—76 g 
betrug und bemerkt hierzu, dass hieraus geschlossen werden könne, 
dass ein kräftiger Arbeiter mit den betreffenden N.-Mengen 
aushalten könne; allerdings beziehen sich diese Angaben zum grössten 
Teil auf Menschen in einer ungünstigen ökonomischen Stellung. Kurz vor¬ 
her sagt aber Tigerstedt: „Wenn es also als notwendig erachtet wird, 
eine bestimmte Menge von Eiweiss in normalem Kostmaass anzugeben, so 
wollte ich immer noch die Voit’ sehen Zahlen als maassgebend betrachten 1 ).“ 
Mit diesem Zugeständnis gab Tigerstedt Rubner das Recht, in dem 
Buch über moderne Ernäbrungsformen (S. 56) zu dem Schlüsse zu kommen, 
dass Tigerstedt ebenso wie Förster der Meinung gewesen wären, in 
den praktischen Fragen der Volksernährung es bei den bisherigen Normen 
zu belassen 2 3 * ). ■ 

Die Aufstellung einer solchen Zahl halte ich aber ebensowenig für 
berechtigt al9 etwa die Forderung von 13,5 g Kochsalz in der Kost oder 
die Festsetzung, jede menschliche Wohnung müsste mindestens 2,5 m 
hoch sein. Mögen auch alle guten Wohnungen dieser Anforderung ge¬ 
nügen, so wird man doch wohl Bedenken tragen müssen, eine nur 
empirisch gefundene Zahl als Norm binzustellen, an die sich die Laien 
allzusehr anklammern, um darüber Wichtiges zu vernachlässigen. 

Im Gegensatz zu den Beobachtungen von Tigerstedt wie von 
mir sagt Rubner in dem neuesten Werk (S. 29): 

„Fälle mit niedrigen Eiweiss werten sind fast immer nur bei Berufs¬ 
klassen von anerkannt schlechter sozialer Lage mit ausgeprägten Er¬ 
scheinungen der Unterernährung gefunden worden.“ 

Je nach den individuellen, sozialen, nationalen und 
sogar provinzialen Gewohnheiten der zu Ernährenden wird 
man daher bei der Regelung der Ernährung verschieden ver¬ 
fahren müssen. Wird körperliche Arbeit im Freien von 
kräftigen, hieran von Jugend an gewohnten Personen geleistet, 
so vertragen diese auch meist die voluminöse vegetabilische Kost. 
Bei sehr starken körperlichen Anstrengungen gelingt es 
allerdings der Mehrzahl der Menschen, namentlich bei mangelnder 
Gewöhnung, kaum, den Stoffbedarf anders als durch reichlich 
animale Nahrungsmittel zu decken. Ebenso wichtig ist eine solche 
Ernährungsform dann, wenn es sich darum handelt, körperlich 
heruntergekommene Personen reichlich zu ernähren. 

Das gleiche Hindernis bereitet der Aufnahme der vorwiegend 
vegetabilischen Nahrung auch ungenügende Muskeltätigkeit, 
namentlich bei andauerndem Zimmeraufentbalt. So musste 
v. Rechenberg 8 ) eine Kost, die der der landwirtschaftlichen 
Arbeiter ziemlich ähnlich war, bei den Handwebern als ungenügend 
erklären, da diese bei einseitiger Tätigkeit — Bedienen des Web- 
stubls — und schlechter Stubenluft, sowie allgemeinen hygieni¬ 
schen Missständen infolge mangelnder Esslnst von der vor¬ 
wiegenden Kartoffel- und Brotkost nicht genügend Nahrung 
zu sich nahmen, um den Bedarf eines kräftigen Organismus zu 
genügen. Unter solchen Umständen kann man allerdings von den 
Nachteilen einer zu eiweissarmen Kost reden, aber keinesfalls ist 
diese allein für alle Schädigungen verantwortlich zu machen und 
die schwächliche Körperbeschaffenheit würde kaum mit einer Auf¬ 
besserung der Ernährung verschwinden. Die Beseitigung aller 
übrigen durch die grosse Armut der Weber bedingten Missstände 
ist von gleicher Bedeutung. 

Bestimmte Zahlen über den Fl ei sch gebalt einer Kost zu 
geben, möchte ich daher ablehnen. Ich halte dies ebenso für 
unmöglich, wie die Menge der Genassmittel und die Art der 
Abwechslung der Gerichte festzulegen. Dies muss sich nach 
den wechselnden Umständen und den Gewohnheiten der zu Er¬ 
nährenden regeln. Dass immer etwas Fleisch, ebenso wie andere 
animale Nahrungsmittel, in der Kost sein sollen, ist schon gesagt 
worden. Jede Fleischbeigabe scheint mir im Gegensatz zu den 

1) Verhandle Bd. 2, S. 349. 

2) Vgl. auch Verb. d. Kongresses, Bd. 4, S. 206. 

3) Carl v. Rechenberg, Die Ernährung der Handweber in der 

Amtsbauptmannsehaft Zittau. Leipzig 1890. 


Anschauungen der Vegetarier und einiger Autoren geeignet, die 
Kost zu verbessern. Bei beschränkten Mitteln wird aber 
in der Praxis die Verabreichung von Fleisch oft damit 
erkauft, dass nicht hinreichend für die Deckung des 
Gesamtstoffbedarfs, also des ersten und wichtigsten 
Grundsatzes, jeder Ernährung gesorgt wird. So wird 
nach einigen mir vorliegenden Mitteilungen bei der Zubereitung 
der Mittagsmablzeiten nicht genügend Fett verwandt und auch 
die Menge der Vegetabilien, namentlich der Kartoffeln sowie 
des bisweilen nebeoher verabreichten Brotes, möchte ich als zu 
niedrig ansehen. 

Als Beispiel für die landläufigen Irrtümer nenne ich einen Aufsatz 
von Prof. Albert Albu „Ueber Maasenernährung in Kriegs¬ 
zeiten“ 1 ). Nach Albu erscheint ein tägliches Quantum von 100g 
Fleisch unbedingt wünschenswert, um die Gefahr der Unterernährung im 
Volke hintaDzuhalten. Mit gesperrtem Druck findet sich dann folgender 
Satz in dieser Arbeit: „Die vegetabile Beikost befriedigt das 
Hungergefühl, die FJeischration das wirkliche Nahrungs¬ 
bedürfnis des Körpers“. Es ist tief zu bedauern, dass die wichtige 
Frage der Volksernäbrung durch solche Soblagworte verwirrt wird, über 
die sich wissenschaftlich überhaupt nicht diskutieren lässt. Die Brot- 
mengeD, die Albu empfiehlt, scheinen mir viel zu niedrig; er rät „bei 
starkem Hunger“ als Zulage in der Mittagskost 80—40 g trooknes Schwarz¬ 
brot zu geben. 

Die Forderung nach einem hohen Eiweissgehalt der Kost 
führt auch leicht zu einer Bevorzugung der jetzt zur Konserven¬ 
fabrikation besonders gebrauchten und darum teuren eiweiss- 
reicheren Hülsenfrüchte vor der billigen ei weissärmeren, 
leichter verdaulichen Kartoffel. Ferner konnten sieb die Hersteller 
der eiweisshaltigeu Nährpräparate darauf berufen, dass dadurch 
der Eiweissbedarf des Organismus billiger als durch Fleisch ge¬ 
deckt werden könnte. Solange man von der Notwendigkeit 
einer bestimmten hohen Eiweisszufubr redet, die von einzelnen 
Bevölkerungsschicbten bei gewöhnlicher Ernährung nickt erreicht 
wird, kann man diesem Schluss eine Berechtigung nicht abspreeben. 
Diese Tatsache zeigt aber am deutlichsten, wie die klare Fest¬ 
stellung der physiologischen Grundsätze unbedingtes Erfordernis 
bei der Regelung der Ernährung sein muss. Nicht weil das 
Fleisch ein stickstoffhaltiges Nahrungsmittel ist, sondern weil es 
ein wohlschmeckendes, wenig voluminöses Nahrnngs- und Genuss- 
mittel ist, wünschen wir eine Verwendung bei der Massenernährung. 

Irrtümlich ist daher häufig von Aerzten ebenso wie von 
Nationalökonomen und Politikern eine Unterernährung mit 
allen ihren nachteiligen Folgen für die Volksgesundheit ange¬ 
nommen worden, wenn in der Kost von Erwachsenen weniger als 
die von Voit geforderten 230 g Fleisch gefunden wurden. 

Schliesslich wird von Gigon ebenso wie auch von anderen 
Hygienikern wieder betont, dass die Widerstandsfähigkeit gegen 
Krankheiten, namentlich gegen die Tuberkulose bei den sich 
eiweissreich ernährenden Schichten grösser ist als bei den 
sich eiweissarm ernährenden Bevölkerungskiassen. Dies mag 
zutreffen, aber die eiweissreicher lebenden Personen sind die wohl¬ 
habenderen und darum vielen anderen Schädlichkeiten weniger ans¬ 
gesetzt. Wie leicht in dieser Beziehung alte Irrtümer immer wiederholt 
werden, lehrt die in einer eben erschienenen Arbeit von Kisskalt über 
die Gefangenenernährung ausgesprochene Ansicht, dass dort sich zwar 
die Sterblichkeit erst mit jeder Verbesserung der Ernährung verringert 
habe, trotzdem aber noch durch eine abnorm grosse Häufigkeit der 
Tuberkulose charakterisiert sei 2 ). 

Für die Notwendigkeit einer bestimmt hohen Eiweisszufuhr ist 
dies jedoch nicht zu verwerten. In ausführlichen zusammen mit dem 
Strafanstaltsarzt A. Leppmann ausgeführten Untersuchungen konnte 
ich den Nachweis führen 8 ), dass in den letzten Jahrzehnten die 
Ernährung in den Zuchthäusern kaum eiweissreicher geworden 
ist, wenn Bie auch in anderen Beziehungen eine Reihe von Verbesse¬ 
rungen erfahren hat und dadurch sohmaokhafter geworden ist. Der 
Gehalt an verdaulichem Eiweiss war 1874 68,4 g und 20 Jahre später 
71,9 g. Obgleich also die Kost noch weit unter der Voit’schen Norm 
liegt und man früher nur irrtümlicherweise annahm, dass den Anforde¬ 
rungen Voit’s entsprochen sei, ist infolge der zahlreichen allgemeinen, 
hygienischen Verbesserungen sowohl die gesamte Sterblichkeit wie 
die an Tuberkulose erheblich geringer geworden. Während noch um 
1870 in den Strafanstalten annähernd doppelt soviel Menschen starben 
als unter der gleichalterigen freien Bevölkerung, besteht gegenwärtig 
keinerlei Unterschied mehr. Die Tuberkulose ist innerhalb der Zucht- 


1) Vossische Zeitung 1914, Sonntagsbeilage Nr. 88. 

2) Kisskalt, Eiweissbedarf und Fleiscbnabrung. M.m.W., 1914, 
Nr. 20, S. 1120. 

3) F. Hirschfeld, Zsohr. f. physik. diät. Ther., 1900, Bd. 4, und 
Abschnitt über „Ernährung in ihrem Einfluss auf Krankheit und Sterb¬ 
lichkeit“ in dem Handbuch von M. Mosse und G. Tugend reich, 
Ueber Krankheit und soziale Lage, S. 189. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




19. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1726 


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häuser ebenso wie ausserhalb derselben in den letzten Jahrzehnten er¬ 
heblieh gesunken 1 ), und einzelne andere Krankheiten, die früher als die 
Geissei der Gefängnisse galten, wie der Scorbut, sind jetzt vollständig 
geschwunden. Man wird hieraus den Schluss ziehen dürfen, dass 
unter günstigen hygienischen Verhältnissen allein der in 
niobt zu weiten Grenzen schwankende Eiweissgehalt der 
Kost keinen Einfluss auf die Entwicklung der Tuberkulose 
ausübt; ob aber ungünstige’hygienische Verhältnisse durch eine eiweiss¬ 
reichere Kost ausgeglichen werden können, lässt sich im allgemeinen 
überhaupt nicht beantworten. 

Die Ergebnisse dieser Arbeit möchte ich in folgenden Sätzen 
zusammenfassen: 

Die Notwendigkeit einer bestimmt hohen Eiweissmenge io 
der täglichen Nahrung ist auch durch die neueste Arbeit von 
Gigon nicht erwiesen. 

Sorgt man bei der Feststellung bestimmter Kostsätze nur für 
Deckung des Gesamtstoffverbrauches, für ein angemessenes Ge¬ 
wicht und Volumen und für Verdaulichkeit, so wird hierbei der 
Eiweissbedarf des Körpers vollständig befriedigt werden. 

Diesen Anforderungen kann man bei kräftigen Gesunden 
unter günstigen äusseren Bedingungen genügen, wenn auch nur 
geringe Mengen von Fleisch zur Verfügung stehen. Ein gänz¬ 
licher Verzicht auf Fleisch ist entsprechend der Erfahrung, dass 
es auch unter den ärmlichsten Verhältnissen sehr vermisst wird, 
zu vermeiden. Sind die zu Ernährenden körperlich herunter¬ 
gekommen und ist sehr kräftige Muskelarbeit za leisten, so wird 
reichlichere Verwendung von Fleisch und geringere der volumi¬ 
nösen Vegetabilien namentlich bei Personen, die nicht von jeher 
an die gröbere Kost gewöhnt sind, zur Notwendigkeit. 

Unter den pflanzlichen Nahrungsmitteln ist die reichliche 
Verwendung von Kartoffeln besonders zu empfehlen, da diese ein 
billiges, leicht verdauliches und im Darme gut resorbierbares 
Nahrungsmittel ist und mit ihr beliebig grosse Mengen Fett ge¬ 
nossen werden können. Auch die Verwendung von Kartoffeln zur 
Brotbereitung ist darum als zweckmässig anzuerkennen, mag hier¬ 
durch auch der Eiweissgehalt der Kost verringert werden. 

Wie die Erfahrungen bei der Gefangenenernährung zeigen, 
sind die früher der ei weissarmen Kost zugeschriebenen nachteiligen 
Folgen beseitigt worden, ohne dass der Gesamteiweissgehalt der 
Kost nennenswert geändert wurde, nur durch eine zweckraässigere 
Ernährungsweise, konzentriertere Form der Gerichte, grössere Ab¬ 
wechselung, Verwendung von Genussraitteln und die auf anderen 
Gebieten liegenden hygienischen Verbesserungen. 


Aus dein pathologischen Institut des städtischen 
Krankenhauses in Wiesbaden (Prof. Dr. Herxheimer). 

Ueber die angeborene Wassersucht 

Von 

Dr. Hans Wienskowitz. 

Der angeborene Hydrops ist keine so seltene Erscheinung, 
wie man früher annahm. Ballantyne 2 ) konnte bis zum Jahr 1895 
71 Arbeiten zusammenstellen, die derartige Fälle behandelten und 
io der Literatur der letzten Jahre finden sich eine Reihe von 
diesbezüglichen Veröffentlichungen. Nicht so häufig dagegen sind 
Fälle von habituellem Hydrops, d. h. solche, iu denen eine Mutter 
mehrere hydropische Kinder gebar. Zu dieser Kategorie gehört 
unser Beftfud, den ich nachher ausführlich wiedergeben will. 

Während die älteren Aatoren lediglich Beschreibungen der 
von ihnen beobachteten Fälle geben, ohne oder mit nur unge¬ 
nügenden Mitteilungen über Aetiologie und pathologisch-anato¬ 
mische Befunde, beziehen sich die Arbeiten neuerer Forscher 
gerade darauf. Man bat die verschiedensten Krankheiten der 
Mutter oder des Kindes als ätiologische Faktoren für da 9 Zu¬ 
standekommen des kongenitalen Hydrops heranziehen wollen. 
Ballantyne 8 ) versucht eine Einteilung dieser Momente zu geben 
und kommt dabei zu folgenden vier Gruppen: 

1. Fälle, in denen die Uebertraguog des Krankheitskeimes 
darch das väterliche Spermatozoon auf das Ei stattfindet. 

. F^he, iq denen eine pathologische Veränderung im Fötus 
allein vorliegt. 


1) Vgl. hierüber noch die Arbeit von Schwandner, Blätter für 
Gefengniskunde, Bd. 45, S. 170 u. 172. Heidelberg 1911. 

2) Ballantyne, The diseases and deformities of the foetu 9 . 1895. 

3) Ballantyne, Manual of antenatal pathology. Edinburgh 1902. 


3. Fälle, in denen eine Erkrankung der Mutter allein zu¬ 
grunde liegt. 

4. Fälle, in denen eine krankhafte Veränderung bei Mutter 
und Fötus zu suchen ist. 

Ballantyne weist selbst darauf hin, dass Fälle, in denen 
der Krankheitskeim darch das Spermatozoon übertragen worden 
sein könnte, zu den grössten Seltenheiten gehören müssen. 

Häufiger sind schon jene Fälle, in denen Anomalien des 
Fötus zur Erklärung des allgemeinen Hydrops herangezogen 
werden. Es sind hier z. B. die Fälle za nennen, in denen Ent¬ 
wicklungshemmungen oder Missbildungen im fötalen Kreislauf 
gefunden werden. So sahen verschiedene Autoren Herzmissbil¬ 
dungen mit fast völligem Verschluss des Foramen ovale und 
Offenbleiben des Ductus arteriosus Botalli. Jatho 1 ) erklärt dann 
den Hydrops der Frucht und der Placenta folgendermaassen: 
„Infolge des Verschlusses oder der Verengerung des Foramen 
ovale muss das Blut versuchen, durch die Valvula tricuspidalis 
in den rechten Ventrikel sich einen Weg zu bahnen. Diesem 
Bestreben wird aber ein Ziel gesetzt durch die Valvula Eustacbii, 
weshalb der Blutdruck im rechten Vorhof wächst, der Druck 
wird noch vermehrt durch den Zufluss von Blut durch die Vena 
cava superior. Dieser Umstand hat weiter zur Folge ein Wachstum 
des Blutdruckes in den Gefässbezirken, die ihr Blut in die Venae 
cavae abführen, d. s. der ganze Körper und die Placenta. ln 
letzterer wird zunächst eine seröse Transsudation Platz greifen, 
welche sich dem fötalen Kreisläufe mitteilt, um dann auch auf 
den ganzen Körper des Kindes überzugehen. Diese Theorie erklärt 
auch das Offenbleiben des Ductus arteriosus Botalli, da der grösste 
Teil des Blutes durch ihn in die Aorta getrieben werden muss.' 4 
Als Grund für diese Herzanomalie nimmt Ballantyne eine 
lokale Endocarditis unbekannten Ursprungs an. Des weiteren 
gehören hierher jene Fälle, in denen die Wassersucht des Kindes 
auf eine Behinderung des Kreislaufes ausserhalb des Herzens zu- 
rückzuführen war. Von mehreren Autoren stammen Berichte über 
Fälle von kongenitaler Wassersucht, in denen sich eine interstitielle 
Hepatitis fand. Beim Embryo muss fast das ganze Blut durch die 
Leber hindurch passieren; durch die Wucherung des interstitiellen 
Bindegewebes in ihr kommt es zur Kompression und teilweisen 
Verödung der Gefässe und zur Stauung der Blutmenge, die, unter 
erhöhtem Druck stehend, ins rechte Herz und in den gesamten 
Körper gelangt. Der seröse Austritt in alle Gewebe ist unter 
diesen Bedingungen leicht erklärlich. In all diesen Fällen wäre 
ein Hydrops als auf mechanischer Grundlage entstanden zu denken. 

Relativ oft sind Erkrankungen der Mutter für den Hydrops 
des Kindes verantwortlich gemacht worden. Eine grosse Rolle 
spielte die Nephritis (s. auch unten). Sitzenfrey 2 ), Strauch 8 ), 
Cohn, Weber, Lieven 4 ), Betschier usw. berichteten solche 
Fälle. Mau ist aber heute ziemlich allgemein der Ansicht, dass 
eine Nephritis oder Schwangerschaftsniere der Mutter nicht ohne 
weiteres für die Erkrankung des Fötus heranzuziehen ist. Lange 
Zeit hat man auch Syphilis der Mutter als ätiologisches Moment 
für den Hydrops des Kindes angeführt (Osiander, Cruveilhier 
u. a.). Im Gegensatz dazu betonen fast alle neueren Aatoren 
ausdrücklich, dass in den von ihnen berichteten Fällen keine 
Syphilis der Mutter vorlag, und dass eine solche ätiologisch auf 
jeden Fall nicht direkt herangezogen werden darf. 

In der vierten Gruppe fasst Ballantyne die Fälle zusammen, 
in denen pathologische Veränderungen bei Mutter und Kind vor¬ 
handen sind. Es ist immerhin nicht ausgeschlossen, dass, wie 
Kreisch 5 ) meint, dasselbe Virus, das bei der Mutter eine Erkrankung 
hervorrief, dies auch beim Kinde tut, oder dass toxische Stoffe, 
die während der Erkrankung der Mutter gebildet worden, auf den 
Fötus übergehen. So wurden die Fälle gedeutet, in denen die 
Mutter an einer chronischen Nephritis oder einer Schwangerschafts¬ 
niere litt und man beim Neugeborenen eine fötale Nephritis 
gefunden haben will. Ferner suchte man hier die Fälle nnter- 
znbringen, in denen eine Bluterkrankung der Mutter vorlag. 
Ballantyne neigt der Ansicht zu, dass solche auf biochemischem 


1) Jatho, Ueber universelles Oedem der Neugeborenen. Diss., 
Marburg 1902. 

2) Sitzenfrey, Oedem der Placenta und kongenitale akute Nephritis 
mit hochgradigem universellen Oedem bei Zwillingen, die von einer an 
akuter Nephritis leidenden Mutter stammen. Zbl. f. Gyn., 1910, Nr. 43. 

3) Strauch, Ueber fötalen Hydrops universalis. Diss., Berlin 1880. 

4) Lieven, Zur Pathologie des Hydrops foetu 9 universalis. Zbl. 
f. Gyn., 1911, Nr. 22. 

5) Kreisch, Geburtskomplikation infolge Hydropsie des Fötus. 
M.m.W., 1901, Nr. 35. 

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1726 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


Wege auf die Fracht einwirkeo und Krankheitsprozesse in ihr 
erzeugen, die den Hydrops bedingen. Viele Autoren haben die 
causa peccans in einer Bluterkrankung der Mntter, wie Leukämie, 
Anämie, Hydrämie gesucht, um so mehr, als man in neuerer Zeit 
daran ging, das Blut und die blutbildenden Organe des hydropischen 
Fötus zu untersuchen, wobei sich Befunde ergaben, die man im 
Sinne der Bluterkrankung von Mutter und Kind gedeutet bat. 
So nahmen Jakesch 1 ), Labs 5 *), Sänger 8 ), Siefart 4 ), Klebs 
eine fötale Leukämie an. 

ln eine neue Aera trat die ganze Frage der angeborenen 
Wassersucht mit der von Scbridde 5 ) im Jahre 1910 veröffentlichten 
Arbeit. Er fand in drei Fällen — und bald darauf in einem 
vierten — von hochgradigem kongenitalen Hydrops ein Krankheits¬ 
bild, das er als Wassersucht bei hochgadiger Anämie des Kindes 
auffasst und scharf gegen die früher beschriebenen Bilder von 
Leukämie abgrenzt. Schridde konnte schon das von ihm auf 
Grund seiner Fälle gekennzeichnete Bild dieser Erkrankung als 
durchaus typisch binstellen, und das konnte weiterhin in den 
letzten Jahren mehrfach bestätigt werden. Fischer 8 ) 7 ), Loth 8 ), 
Kaufmann 9 ), Himmelheber 10 ), Pfreimbter 11 ), Labs 2 ), ver¬ 
öffentlichten Berichte über eigene Fälle, welche ganz in das von 
Schridde aufgestellte Krankbeitsbild hinein gehören und dies 
nicht mehr wesentlich modifizierten. Eine Hauptfrage bleibt 
noch, wie gross der Prozentsatz der angeborenen Wassersuchts¬ 
fälle überhaupt ist, welcher hierher gehört. Fischer glaubt bei 
Kontrolle der älteren Literatur noch zwanzig Fälle hierher rechnen 
zu können. Bei der noch sehr spärlichen Kasuistik und da noch 
einige sehr wichtige Punkte der Erkrankung zur Diskussion 
stehen, will ich den wenigen bekannten Fällen dieser Rubrik 
zwei neue anreihen. Diese sind insofern besonders beachtenswert, 
als es sich um eine Frau bandelt, die in zwei aufeinander folgen¬ 
den Jahren hydropische Kinder gebar und beim zweiten Kinde 
an den Folgen der Geburt starb. Da beide Kinder und die 
Mutter zur Autopsie kamen und so makroskopische Inspektion 
und eingebende mikroskopische Untersuchungen in seltener Voll¬ 
kommenheit ermöglicht wurden und infolgedessen Befunde erhoben 
werden konnten, die bestimmte Schlüsse über Aetiologie und 
Deutung der pathologischen Veränderungen zulassen, ist unser 
Fall wohl der Veröffentlichung wert. Ueber unseren ersten Fall 
ist bereits auch von klinischer Seite berichtet worden (Fleisch 
mann und Wolff 12 ). 

Ich möchte zunächst einige klinische Daten vorausschicken 
Die 28jährige Frau L. E. war in den letzten zwei Jahren mehrfach 
im hiesigen Krankenhaus. Zum ersten Mal wurde sie im Mai 1911 
aufgenommmen mit der Angabe, dass sie zu Hause eine Hämoptoe ge 
habe. Sie hatte damals einen leichten Lungenbefund. Im Oktober des¬ 
selben Jahres sollte sie ebenfalls Bluthusten gehabt haben. Sie kam 
wieder zur Aufnahme. Die klinische Diagnose lautete auf Chlorose. 
Im Sommer 1912 war sie etwa 4 Woeben auf der inneren Abteilung, 
weil sie wieder hellrotes Blut gehustet hatte. Am 3. XI. 1912 kam die 
Frau auf der geburtshilflichen Abteilung nieder. Es war ihre vierte 
Geburt. Die bei dieser Gelegenheit vorgenommene Wassermann’sche 
Reaktion fiel positiv aus. Das erste Kind war eine Frühgeburt gewesen, 
das zweite vier Tage post partum gestorben und das dritte Kind eine 
Fehlgeburt. 

Das vierte Kind wurde mit starkem Hydrops geboren und 
lebte nach Punktieren des Ascites (200 ccm) 12 Stunden. Die Leiche 


1) Jakesch, Ein Fall von Hydrops universalis der Frucht und 
Hydrops placentae. Zbl. f. Gyn., 1878, Nr. 26. 

2) Lahs, Ueber leukämische Erkrankung des Fötus unter dem Bilde 
des allgemeinen Hydrops. Diss., Kiel 1898. 

3) Sänger, Geber Leukämie bei Schwangeren und angeborene 
Leukämie. Arcb. f. Gynäk., 1888, Bd. 33. 

4) Siefart, Oedem der Placenta und fötale Leukämie. Mschr. f. 
Geburtsh., 1898, Bd. 8. 

5) Schridde, Die angeborene allgemeine Wassersucht. M.m.W., 
1910, Nr. 8. 

6) Fischer, Die angeborene allgemeine Wassersucht. D.m.W., 
1912, Nr. 9. 

7) Fischer, B.kl.W., 1912, Nr. 51. 

8) Loth, Zur Lehre von der Schridde’scben allgemeinen 
borenen Wassersucht D.m.W., 1912, Nr. 35. 

9) Kaufmann, Ueber Blutbildung bei fötaler allgemeiner Wasser¬ 
sucht. Zieglers ßeitr, 1912, Bd. 54. 

10) Himmelheber, Oedem der Placenta und kongenitaler Hydrops. 
Mschr. /. Geburtsh., 1910, Bd. 32. 

11) Pfreimbter, Ueber sogenannte angeborene Wassersucht. 
M.m.W., 1913, Nr. 17. (Naturwissenschaftliche med. Gesellschaft Jena, 
27. Februar 1913.) 

12) Fieiscbmann und Wolff, Angeborene Wassersucht. Arch. 

/. Kindhlk., 1913, Bd. 62, H. 1/2. 


ange- 


wurde am 4. XI. 1912 von Herrn Prof. Herxbeimer seziert. Das 
Sektionsprotokoll lautet folgendermaassen: Männliche Kindesleicbe, 
43 cm lang, 2350 g schwer. Die Haut des Kindes zeigt in ausser¬ 
ordentlich grosser Ausdehnung kleinste bis stecknadeikopfgrosse Blutungen, 
so dass ein sehr buntes Bild zu Tage tritt; besonders dicht, etwas 
dunkler und grösser erscheinen die Blutungen im Bereich des ganzen 
Kopfes und besonders des Gesiobtes, während sie, ebenfalls sehr zahl¬ 
reich, aber kleiner und heller rot gefärbt über Brust und Bauch zu 
sehen sind. Am Rücken sind sie der Totenflecken wegen weniger sicht¬ 
bar, während sie auch an der unteren Extremität, besonders am Ober¬ 
schenkel sowohl an der Beuge — wie an der Streckseite — deutlieh 
hervortreten. 

Die Haut, besonders an den beschriebenen Steilen bekommt hier¬ 
durch ein ausserordentlich buntes, gesprenkeltes Aussehen. 

Der Bauch ist stark aufgebläht, zeigt beim Betasten Fluktuations¬ 
erscheinungen, ebenso erscheint die Haut des gesamten Körpers teigig 
geschwollen. Fingereindrücke bleiben stehen. Ein stärkeres Oedem tritt 
besonders am Kopf, im Gesiebt, hier besonders links, am Hals, sehr 
stark aber auch an den Armen und den BeiDen beiderseits hervor. 
Beim Einschneiden entleeren sich grosse Mengen klarer Flüssigkeit. 

Beim Schnitt vom Kinn zur Symphyse entleeren sich aus der Bauch¬ 
höhle noch ziemlich reichliche Massen einer hellen, gelben, klaren 
Flüssigkeit. Die beiderseitigen Brusthöhlen weisen nur mässige Mengen 
klarer Flüssigkeit, die Pericardböhle fast gar keine solche auf. Die 
Lungen sind bluthaltig und schwimmen. Die Unterlappen erscheinen 
beiderseits dichter und etwas dunkler. Ueber beiden Lungen zeigt die 
Pleura zahlreiche feine, kleine Blutungen. Solche treten auch auf dein 
Pericard (viscerales und parietales Blatt) zutage. Das Herz selbst ent¬ 
spricht den Grössenverhältnissen des Kindes. Die Klappen sind voll¬ 
ständig iütakt. Die Ventrikelwände uüd -höhlen entsprechen der Norm. 
Keinerlei Defekte od. dgl. Nur finden sich kleine und grössere an der 
Atrioventrikulargrenze links gelegene subendocardiale Blutungen. Die Hals¬ 
organe weisen keinerlei Abweichungen auf. Die Milz ist dunkelblaurot, 
massig derb und besonders im Böhendurchmesser sehr gross. Ebenso er¬ 
scheint die Leber ziemlich gross, von gleichmässig braunroter Farbe ohne 
ausgesprochene Zeichnung, von massig derber Konsistenz; keinerlei Herd¬ 
erkrankung. Die beiden Nebennieren gut erhalten, sind intakt, ebenso 
die Ureteren und Harnblase. Die Nieren zeigen sehr deutliche Renculi- 
zeichnung, aber weder an ihrer Oberfläche, noch sonst irgendwelche Be¬ 
sonderheiten. Die Geschlechtsorgane weisen ausser gerioger Hypospadie 
ebenfalls nichts Abweichendes auf. Der Darm ist sehr stark collabiert, 
mit Meconium gefüllt, überall leicht durchgängig. Magen ohne Besonder¬ 
heiten. 

Das Schädeldach zeigt nach Abziehen der Kopfhaut an seinem 
äusseren Periost sehr zahlreiche hellrote, kleine Blutungen. Die Nähte 
und Fontanellen ziemlich weit. Die Pia mater ist sehr stark ödematös 
geschwollen, ebenso ist das Gehirn sehr stark durchtraokt, vorquellend 
und weich. Es zeigt auf seinem Durchschnitt und ebenso an der freien 
Oberfläche der Ventrikelwandungen eine ausserordentlich grosse Zahl 
kleiner, dicht gedrängt stehender, hellroter Blufpunkte. Die Seiten¬ 
ventrikel sind massig weit, mit leicht vermehrter Flüssigkeit. Das 
Gehirn zeigt sonst keinerlei Besonderheiten. Die Knorpel kn ocheD grenze 
beider Oberschenkel ist vollständig scharf, nicht verbreitert oder ver¬ 
waschen. 

Die Placenta war überaus gross und zeigte hochgradiges Oedem. 
Die mikroskopische Untersuchung der einzelnen Organe 
ergab folgende Befunde: 

Io der Leber beherrscht die grosse Zahl und Ausdehnung der Blut- 
bildungsherde das Bild so vollkommen, dass die Leberzellen völlig 
zurücktreten und jede Leberstruktur verloren ist. Kontrotlpräparate 
von anderen Neugeborenen und Föten auch früherer Zeiten zeigen 
nirgends eine auch nur entferntest ähnliche Ausdehnung der Blutbildungs¬ 
herde. Ist auch die ganze Leber von solchen grösseren und kleineren 
Herden durchsetzt, so treten sie doch in der Umgebung der Centren der 
Acini am stärksten hervor und werden gegen die Peripherie zu etwas 
spärlicher. Bei schwacher Vergrösseruog sind Leberzellbalken, mit Aus¬ 
nahme der an der Peripherie gelegenen Partien, kaum zu erkennen. Die 
Leberzellen enthalten viel braunes Pigment, welches deutliche Hämo¬ 
siderinreaktion gibt. Zumeist sieht man in den Blutbildungsherden 
Zellen mit einem dunkelge/ärbten kleineren Kern, deren Protoplasma¬ 
saum sich zum Teil mit Eosin leuohtend rosa färbt; es sind dies hämo¬ 
globinhaltige, zum anderen Teil auch basophile (Pappen heim- 
Unn&’sche Methode) Erytbroblasten. Die Oxydasereaktioo fällt bei 
ihnen negativ aus. In den Blutbildungsherden herrschen ferner grosse 
Zellen vor, die einen grossen runden, helleren, gewissermaassen blasigen, 
in der Mitte gelegenen Kern haben, dessen Gerüst sich im van Gieson- 
Apparat schwarzbraun, im Methylenblau-Eosinpräparat blau gefärbt bat. 
Die Zellen haben reichliches Protoplasma, welches bei der Schridde- 
schen und entsprechenden spezifischen Färbungen keine Granulierung 
aufweist. Bei der Oxydasereaktion zeigen diese Zellen in ihrem Proto¬ 
plasma sehr zahlreiche feine, blaue Granula. Wir haben sie nach ihrem 
ganzen Verhalten und der letztgenannten positiven Reaktion als Myelo¬ 
blasten anzusprechen. Des weiteren finden sich auch kernlose rote 
Blutkörperchen, einzelne neutrophile und eosinophile Leukocyten und 
entsprechend granulierte Zellen mit rundem Kern, also Myelocyten. Die 
Capiliaren sind, besonders die unter der Kapsel, prall mit roten Blut¬ 
körperchen gefüllt, unter denen man auch kernhaltige wahrnimmt. Die 


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UNIVERS1TY OF IOWA 





19. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1727 


Färbung mit Fettponoeau bot nichts Besonderes. Anhaltspunkte für 
Lues finden sich nicht. Die Gefasst sind normal, die Untersuchung auf 
Spiroobäten nach Levaditi batte ein negatives Resultat 

Das mikroskopische Bild der Milz ist ähnlich wie das der Leber 
ebenso von der Blutbildung beherrscht. Die Follikel sind nur sehr 
wenig ausgebildet, auch das eigentliche Pulpagewebe nur wenig. In 
den Herden der Milz überwiegen die weissen Zellen, unter diesen wieder 
die Myeloblasten. Kernhaltige Tote Blutkörperchen (Erythroblasten) sind 
hier in etwas geringerer Anzahl vorhanden. Ganz spärlich liegen da¬ 
zwischen Pulpazellen. Eisenhaltiges Pigment war nicht naohzuweisen. 

In der Lunge liegen entfaltete Alveolen neben atelektatischem Ge¬ 
webe; keine Besonderheiten. 

Die Nieren zeigen embryonalen Typus, haben deutliche Renculi- 
zeichnung; an der Peripherie sieht man Bildung von Glomeruli. Die 
Epithelien sind überall tadellos erhalten, frei von Fett oder Pigment, 
die Kerne soharf gefärbt. An der Grenze zwischen Mark und Rinde 
finden sich Blutbildüngsherde, die denen in Leber und Milz gleichen 
und besonders um die Gefässe herum liegen. Auffallend ist die grosse 
Zahl der Erytbrocyten. 

Die Nebennieren sind ohne pathologische Veränderungen. 

Im Herzen findet sich kein Fett oder lipochromes Pigment. Blut¬ 
bildungsherde sind nirgends wahrzunehmen. 

Das Knochenmark zeigt in Schnittpräparaten sehr zahlreiche kern¬ 
haltige, rote Blutkörperchen. Leukocyten und Myelocyten sind nur 
spärlich vorhanden, dagegen finden sich auch hier wieder Myeloblasten 
in sehr grosser Zahl vor, die ebenso wie in Leber, Milz und Nieren 
deutlich mit ihrem grossen, hellen Kern hervortreten und sich bei den 
verschiedenen Färbungen ebenso wie dort verhalten. 

Am Gehirn war mikroskopisch kein besonderer Befund zu erheben. 
Nur fällt in den auf dem Durchschnitt getroffenen Getässen die grosse 
Zahl der kernhaltigen roten Blutkörperchen auf. 

An der Placenta ist ausser Oedera nichts zu bemerken. 

Die Knorpelknochengrenze am Femur zeigt keine Verbreitung der 
Verkalkungszone, die auch gradlinig abschliesst. Es spricht nichts für 
Osteochondritis syphilitica. 

Nun zu unserem zweiten Fall. Es ist das 5. Kind der Frau L. E. 
Sie wurde am 1. Oktober 1913 auf die geburtshilfliche Abteilung des 
städtischen Krankenhauses gebärend eingeliefert. Tags zuvor will sie 
noch Kindsbewegungen gespürt haben. Nach der BlasenspreDgung — es 
handelte sich um eine erste unvollkommene Fusslage — wird die Ex¬ 
traktion langsam vorgenommen. Am Rücken des herausragenden Füss- 
ohens war die wasserkissenähnliche Schwellung deutlich erkennbar. Die 
Entwicklung des Bauches gelang nur nach stärkerem Zug, da er stark 
aufgetrieben war. Die Placenta, die 1310 g wog und deren Maasse über 
die materne Fläche 26 x 22 cm betrugen, wurde nach einer halben 
Stunde auf Crede hin geboren. Sie ist stark ödematös. Die Sektion 
des Kindes, die sofort vorgenommen wurde, erfolgte wie die der Mutter, 
die noch in der folgenden Nacht ad exitum kam, durch Herrn Prof. 
Reinke. 

Ich lasse zunächst das Sektionsprotokoll des Kindes folgen: 

Weibliche Kindesleiche von 2130 g und 42 cm Länge. Brustumfang 
30 cm, der des Bauches 32 cm. Der gesamte Körper enorm stark hydro- 
pisch. Die Baut ist überall mit Oedemflüssigkeit prall gefüllt, die beim 
Einschneiden unter starkem Druck hervorquillt. Dort, wo im Subcutan- 
gewebe bindegewebige Barrieren liegen, ist die Haut eingeschnürt, z. B. 
an den Gelenken der langer, der Hand, des Ellbogens und ebenso an 
der unteren Extremität. (Arme und Hände erinnern daher, wie Fischer 
treffend verglichen hat, an das Bild eines Fechthandscbuhes.) Im Ge¬ 
sicht liegt eine quere Einschnürung, die beide Lidspalten und die Nasen¬ 
wurzel verbindet. Nase und Mund erscheinen dadurch stark vorspringend. 
Am Dorsum der Hand und des Fusses, wo die Haut besonders prall ge¬ 
spannt ist, finden sich multiple hellrote Blutungen, sonst aber nur 
punktförmige und kleine, wenn auch deutlich über den ganzen Körper 
verbreitet. Kein Exanthem, Handteller und Fusssohlen ohne Befund. 
Nabelschnurrest iu 10 cm Entfernung abgebunden, bietet makroskopisch 
nichts Pathologisches. 

Am Kopf, namentlich am hinteren und oberen Teil ungefähr dem 
Sektionsschnitt entsprechend, besteht zwischen Schädeldach und Galea, 
diese abhebend, ein starkes Transsudat (80 ccm) bernsteinfarben, ganz 
leicht blutig gefärbt. Die Knochen des Schädeldaches zeigen an ihrem 
bindegewebigen Belag sehr ausgebreitete, teils diffuse, teils punktförmige 
dunkelrote Blutungen. Nach Eröffnung des Schädels fliessen 20 ccm 
klare, gelbliche Flüssigkeit ab. Die Dura ist glatt und spiegelnd, sitzt 
am Schädeldach. Die Pia ist stark ödematös und sieht sulzig aus. Die 
Windungen und Furchen sind auffallend flach und namentlich an den 
Frontallappen wenig entwickelt. Die graue und weisse Substanz sehr 
▼eich, fast zerfliesslich und stark ödematös. Geringer Hydrocephalus 
internus. 

Beim Ausführen des Medianschnittes fliessen aus der Bauchhöhle 
180 ccm bernsteingelbe, klare Flüssigkeit aus. Im subcutanea Gewebe, 
das prall gefüllt ist, zahlreiche kleine Blutungen. Durch das Oedem 
treten die traubenförmigen Läppchen des subcutanen Fettgewebes auf¬ 
fallend deutlich hervor. Nach Eröffnung der Brusthöhle findet sich rechts 
in der Pleurahöhle 10 ccm leicht blutig gefärbte Flüssigkeit, in der 
linken Pleurahöhle etwa 5 ccm. Im Herzbeutel ist die Flüssigkeit nicht 
vermehrt. An den Pleuren zahlreiche punktförmige Blutungen. Die 
Lungen sind vollkommen atelektatisch und sinken im Wasser unter. 
Sonst ohne Besonderheiten. Das Herz entspricht in seiner Grösse der 


Faust der Leiche. An den Herzhöhlen alles durchaus normal gebildet, 
am Herzmuskel makroskopisch nichts Besonderes. 

Der Thymus ist gross, stark ödematös und von sulziger Konsistenz. 
Auf dem Durchschnitte sieht man eine eigentümliche gefleckte Zeichnung, 
wohl von Blutbildungsherden und Blutungen herrührend. 

Zunge, aryepiglottische Falten, Rachen und Keblkopfeingang stark 
ödematös. Im Kehlkopf selbst multiple kleine Blutuogen. Das raediasti- 
nale Bindegewebe stark ödematös mit grösseren Blutungen. 

Leber vergrössert, prall elastisch. Auf dem Durchschnitt dunkel* 
braunrot, ohne deutliche Differenzierung, höchstens stellenweise hellere 
Punktierung. Milz ziemlich stark vergrössert, prall, dunkelrot. In den 
Nebennieren, die mehr als halb so gross wie die zugehörigen Nieren 
sind, zahlreiche grössere und kleinere rotgefärbte Herde, namentlich in 
der Rinde und unter der Kapsel. 

Nieren von normaler Grösse zeigen Renculi-Zeichnung. Rotgraue 
Herde (Blutungen?) zwischen Mark und Rinde. 

Muskulatur des ganzen Körpers extrem blass und sehr stark öde¬ 
matös. 

An den Geschlechtsteilen nichts Besonderes. 

Der Beschreibung der mikroskopischen Präparate möchte ich 
voransschieken, dass die Untersuchung von Lunge, Leber, Mils, 
Niere und Nebenniere auf Spirochäten nach Levaditi ohne posi¬ 
tives Resultat verlief. 

Bei der Sektion des Kindes (wie der der Mutter) wurden Ausstrich- 
Präparate von Blut und Knochenmark gemacht. Bei Färbung 
nach May-Grünwald sieht man im Blut des Kindes äusserst zahlreiche 
Erythroblasten, oft 12 im Gesichtsfeld, darunter viel Megaloblasten, zum 
Teil mit verfärbtem Protoplasma, auch manchmal mehrere Kerne in 
einer Zelle. Die Kerne der Erythroblasten zeigen oft Zerfallserschei¬ 
nungen. Leukocyten sind nur in relativ kleiner Zahl vorhanden, spär¬ 
liche neutrophile, fast gar keine eosinophile. Mitunter findet man Myelo¬ 
cyten und Uebergänge in Leukocyten. Ueberaus zahlreich erscheinen 
Zellen mit einem grossen, rundeD, hellen Kern und ziemlich reichlichem, 
verschieden massig entfaltetem granulafreien Protoplasma, Myeloblasten. 
Diese geben positive Oxydasereaktion, die Erythroblasten nicht. Lyrapho- 
cyten sind nur spärlich vorhanden. 

Dieselben Zellen finden sich in Ausstrichen vom Knochenmark. Auf¬ 
fallend ist die kolossale Zahl kernhaltiger roter Blutkörperchen, unter 
diesen zahlreiche Megaloblasten. Relativ spärlich sind Leukocyten vor¬ 
handen, ebenso MyelocyteD, unter denen man nur sehr vereinzelte Eosino¬ 
phile sieht, ln grösserer Anzahl imponieren wieder Myeloblasten. 

Das histologische Bild der Leber des zweiten Kindes weicht 
etwas von dem des ersten ab. Während im ersten Fall die Blutbildung 
mehr in Form einzelner Herde heTvortrat, ist das hier nicht zu bemerken. 
Vielmehr ist das ganze Lebergewebe diffus von Blutzöllen übersät. Nur 
hier und da sieht man um die Centralvenen eine stärkere Anhäufung. 
Die Leberzellen liegen in dünnen, sich verästelnden Bälkchen dazwischen. 
Sie sind zumeist ganz atrophisch; nur mancherorts sieht man Nester 
mit grösseren Leberzellen. Schon bei schwacher Vergrösserung fällt 
ausserdem eine leichte Vermehrung des intraacinösen Bindegewebes auf. 
Fetteinlagerung war in den Leberzellen nicht nachweisbar. Unter den 
Blutzellen sind Erythroblasten in grosser Zahl vertreten, des öfteren 
Megal.oblasten und Zellen mit zwei und drei Kernen. Polymorphkernige 
Leukocyten sind in grösserer Zahl, jedoch weniger zahlreich als rote 
Blutzellen vorhanden. In fast ebensolchen Mengen sieht man dagegen 
grosse Zellen mit granulafreiem Protoplasma, die sich durch einen 
grossen hellen Kern auszeiebnen. Bei Vornahme der Oxydasereaktion 
zeigen diese Zellen feine hellblau gefärbte Granula, während die Körne- 
lung der Leukocyten viel kräftiger hervortritt. Die Zellen sind Myelo¬ 
blasten. Die Leberzellen enthalten gelbbraunes Pigment, das die Ber¬ 
linerblaureaktion gibt. 

Die pathologischen Veränderungen der Milz sind ebenfalls sehr aus¬ 
gesprochen. Man sieht zwar deutlich die Struktur der Trabekel, indessen 
sind Malpighi’sche Körperchen kaum zu entdecken. Vielmehr ist das 
ganze Organ, ähnlich wie die Leber, von myeloischen Herden durchsetzt, 
in denen wir dieselben Zellen wiederfinden. Pulpazellen liegen nur 
spärlich dazwischen. 

Die Lungen zeigen das Bild der fötalen Atelektase, sind sonst ohne 
pathologischen Befund. Auch der Herzmuskel zeigt durchaus normale 
Verhältnisse. 

Wie in Leber und Milz, so finden wir auch in der Niere zahl¬ 
reiche BlutbilduDgsherde. Sie sitzen in der Rinde, teils um die Gefässe 
herum, teils umgeben sie die Glomeruli. Besonders mit der Oxydase¬ 
reaktion Hessen sich auch hier Myeloblasten in grösserer Anzahl nach- 
weisen. Sonst findet man hauptsächlich Erythroblasten. Im Mark sind 
die Capiliaren prall gefüllt. Eine grosse Anzahl roter Blutkörperchen 
liegt auch ausserhalb der Gefässe. Unter diesen fällt wieder die grosse 
Zahl kernhaltiger Zellen auf. Die Epithelien sind überall gut erhalten, 
die Kerne deutlich gefärbt. Zeichen der Entzündung sind nirgends zu 
bemerken. Fett war nicht nachzuweisen. In diesem Falle konnte, frei¬ 
lich erst nach längerem Suchen, in den gewundenen Harnkanälchen das 
von Schridde beschriebene Pigment in Form kleiner braungelber Körn¬ 
ohen nachgewiesen werden. Ebenso waren in den Tubuli contorti rote 
Blutkörperchen zu sehen, zum Teil Poikilocyten, die die Zeichen der 
Schädigung deutlich an sich trugen. 

Einige myeloische Herde fanden sich auch im Mark der Nebennieren. 
Wieder waren auch hier Erythroblasten und Myeloblasten am stärksten 

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UNIVERSITY OF IOWA 






1728 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


vertreten, dagegen nur wenig polymorphkernige Leukooyten. Freilich 
muss hervorgehoben werden, dass die Herde bei weitem nicht so zahl¬ 
reich sind wie in der Milz oder gar in der Leber. 

In Schnittpräparaten vom Knochenmark finden wir wieder das Bild 
der gesteigerten Hämatopoese. Bei weitem vorwiegend sind kernhaltige 
rote Blutkörperchen, auch öfters Megaloblasten. Myelocyten und Myelo¬ 
blasten liegen stellenweise in Anhäufungen dicht beieinander. Eosino¬ 
phile Zellen sind nur spärlich. 

Die Knorpelknochengrenze am Femur war scharflinig und bot keine 
Anhaltspunkte für die Diagnose einer Osteochondritis syphilitica. 

Wie schon oben erwähnt, starb die Mutter in der der Ge¬ 
burt folgenden Nacht. Ich gebe im folgenden das Sektions¬ 
protokoll wieder: 

Die Leiche zeigt ein massig gut erhaltenes Fettpolster. Verletzungen 
sind nicht vorhanden, in der Haut beider Unterschenkel kleine Blut- 
sugillationen. Oedeme fehlen. Schon beim 4 bpräparieren der Haut 
nach dem Medianschnitt fällt die Blässe der Körpermuskulatur auf. Das 
Herz ist ziemlich klein und erreicht an Grösse nicht die Faust der 
Leiche. Die Aorta ist im absteigenden Teil eng, die Klappen zart. Der 
Herzmuskel ausgesprochen blass. Unterhalb der Pulmonalis finden sich 
eine Menge punktförmiger subendocardialer Blutungen. Der Anfaogsteil 
der Aorta ist etwas oberhalb der Klappen massig erweitert und zeigt 
eine feine cbagrinierte Zeichnung mit einer oder zwei kleinen gelblichen 
Schwieleu. Im unteren Teil der Aorta sind keinerlei Veränderungen zu 
konstatieren. Zungengrund ohne auffallende Veränderung. 

Beide Lungen sind fast blutleer, beiderseits ohne Verwachsungen, 
die Pleura unverändert. An beiden Spitzen alte Narben mit frischer 
Aussaat miliarer Tuberkel, die jedoch nur auf einen Raum von wenigen 
Kubikzentimetern beschränkt sind. 

Die Milz misst 14 X 9 X 2 1 / 2 cm. Sie ist blass rötlich, von sehr 
weicher Konsistenz, fast zerfliesslich. Milzsubstanz mit dem Messer 
leicht abzustreifen. An der Schleimhaut des Magens und des Darms 
fällt wieder die starke Anämie auf. 

Auch die Leber sehr blass, nicht vergrö3sert, lässt die Zeichnung 
deutlich erkennen. 

Auch die Nieren haben fast ihre Eigenfarbe. Sie besitzen deutliche 
Renkuli-Zeichnung. Die Kapsel ist bis auf einige Stellen, wo oberflächliche 
Narbenbildung besteht, leicht abziehbar. Die Rinde ist von normaler 
Breite und tritt mit ihrer gelbgrauen Farbe sehr auffallend gegen die 
blasse Marksubstanz hervor. 

Blase ohne Besonderheiten. 

Der Uterus ist kindskopfgross und ziemlich fest, ragt eine Handbreit 
über die Symphyse hervor. Die Achse des Fundus ist schief gestellt, 
die Kuppe des Fundus liegt mehr nach links. Der rechte Tubenwinkel 
ist auffallend verdickt und dunkelrot gefärbt, entspricht einer horn- 
förmigen Ausbuchtung des Uterus (U. arcuatus). In der Vagina liegt 
ein grösseres Blutgerinnsel. An der Hinterwand des Uterus sitzen ausser 
Coagula noch ziemlich bedeutende Piacentareste, die sich ohne Anstrengung 
nur unvollkommen lösen lassen. Der Placentaransatz reicht ziemlich 
tief nach unten hinab. Die bornförmige Ausbuchtung zeigt keine Placenta. 
Tuben sehr lang und eng. Ovarien normal gross, links ein älteres 
corpus luteum. Unterhalb der Serosa des Uterus hinten nach dem 
Douglas zu drei kleine grauweisse Knötchen (Fibro-Myorae). 

Das Knochenmark des Oberschenkels ist dunkelrot. 

Während der Sektion wurden Ausstriche vom Blut und 
Knochenmark gemacht, die folgende histologischen Bilder boten: 

Im Blut (tfay-Grünwald Färbung) sind die farblosen Zellen in toto 
nicht auffallend vermehrt. Leukocyten mit neutrophilen Granula sind 
relativ spärlich, eosinophile nur ganz vereinzelt. Myelocyten und Lympho- 
cyten sind nur in geringer Zahl vorhanden. Hingegen sieht man wieder 
relativ viel granulafreie Zellen mit grossem runden Kern und ziemlich 
viel Protoplasma mit positiver Oxydasereaktion, offenbar Myeloblasten. 
Die roten Blutkörperchen lassen ziemlich zahlreiche kernhaltige solche 
feststellen. Ueber Formveränderungen der Erythrocyten lässt sich — am 
Leichenblut — nichts sicheres mehr aussagen. Im Ausstrichpräparat 
vom Knochenmark herrschen Myelocyten und Myeloblasten vor, die sich 
bei der — positiv ausfallenden — Oxydasereaktion von den weniger 
zahlreichen Leukocyten dadurch unterschieden, dass bei ihnen die Granula 
zarter sind. Ferner finden sich Erythroblasten und rote Blutkörperchen 
in grosser Zahl. 

Die histologische Untersuchung von Herz und Lungen ergab 
nichts besonderes. Auch die Leber zeigte im van Gieson-Präparat normale 
Verhältnisse. Bei der Färbung mit Fett-Ponceau zeigte sich diffuse 
Verfettung der Leberzellen in Form kleinster Tröpfchen sowie solche 
der Kupfferschen Sternzellen. 

Unbedeutend sind auch die Veränderungen an der Niere. Leuko¬ 
cyten- bzw. Rundzellenansammlungen oder Zylinder fehlen vollkommen, 
auch zeigen die Epithelien nicht eine Spur von Verfettung. Von einer 
Nephritis der Mutter kann also gar keine Rede sein. 

Schnittpräparate des Knochenmarks zeigen vor allem eine Vermehrung 
der Leukocytenvorstufen. Besonders deutlich zeigt sich dies bei der 
Oxydasereaktion, welche überaus zahlreiche Zellen geben. Dabei ist 
zu bemerken, dass viel mehr Myeloblasten im Präparat zu sehen waren 
als fertige Leukocyten. Auch an van Gieson- und Eosinpräparaten liess 
sich die Vermehrung der Myelocyten und Myeloblasten konstatieren. 
Aber auch die Vorstufen der roten Blutkörperchen sind zahlreich und 
in verschiedenen Formen vertreten. So sieht man viele kernhaltige 


rote Zellen mit mehreren Kernen, ein Zeichen für die intensive Blut¬ 
zellenneubildung. Oefters trifft man auf Megaloblasten. Ausgebildete 
rote Blutkörperchen sind dagegen spärlicher. Auch Riesenzelleo, Mega- 
caryocyten, sind reichlich vorhanden. Das Fettgewebe des Knochenmarks 
ist vermindert, gewissermaassen von dem hyperplastischen blutbildenden 
Gewebe überdeckt. 

Die Milz ist recht zellreich. Mitunter sind in der Pulpa Erythro- 
blasten zu sebeu, auch vereinzelt Zellen mit grossem runden hellen 
Kern, die mit der Oxydasereaktion feine Körnelung zeigen: MyeloblasteD. 

Nach dem Sektionsbefund und der mikroskopischen — aller¬ 
dings nur noch au der Leiche möglich gewesenen — Blut- und 
Organuntersucbung wurde die Diagnose auf schwere Anämie 
gestellt, womit auch die klinische Geschichte des Falles gut 
harmoniert. 

Wenn wir unsere Ergebnisse überblicken, so ist ohne weiteres 
klar, dass die beschriebenen beiden Fälle von angeborener Wasser¬ 
sucht zu jenen gehören, die Scbridde zuerst beschrieben hat, 
dessen Angaben dann in den letzten Jahren von Fischer, Loth, 
Himmelheber, Rautmann, Pfreimbter und Lahs bestätigt 
wurden. Wir haben vor allen Dingen in unseren zwei Fällen 
neben den Erscheinungen des hochgradigen allgemeinen Hydrops 
und zahlreichen Blutungen auch die stark gesteigerte fötale 
Hämatopoese, die extramedullären ausgedehnten Blutbildungsherde 
in Leber, Milz und Nieren. Wir baben in beiden Fällen Häroo- 
siderose in der Leber, im zweiten Fall auch das von Schridde 
beschriebene eigentümliche Pigment in den Tubuli contorti der 
Nieren. Fischer legt auch Gewicht darauf, dass die Kinder 
stets nicht völlig ausgetragen sind. Auch das Oedem der Placenta 
fand sich, wie in allen anderen Fällen. 

(Schluss folgt.) 

Ans der dermatologischen Abteilung des Charlotten¬ 
burger städtischen Krankenhauses. 

Die modernen Methoden der Lupusbehandlung. 

Von 

Dr. Arthur Alexander-Charlottenburg. 

Wenn wir die modernen Methoden der Lupusbehandlung in 
den folgenden Zeilen kurz Revue passieren lassen, so dürfen wir 
nicht nur den rein ärztlichen MaassDahmen unsere Aufmerksamkeit 
zuwenden. Ebenso wichtig, ja für ein zusammenfassendes Referat 
eigentlich noch wichtiger, weil sie weniger bekannt sind, sind die 
sozialen Bestrebungen, die darauf abzielen, neben der Heilung 
des lokalen Prozesses, vor allem auch dem Patienten selbst, der 
gewöhnlich mehr als andere chronisch Kranke dessen bedarf, 
Rat und Unterstützung angedeihen zu lassen. Dazu gehört vor 
allem die Sorge für geeignete Unterkunft der von allen gemiedenen 
und zurückgestosseneo Kranken, der Nachweis von Arbeits¬ 
gelegenheit, da der allgemeine Arbeitsmarkt ihnen fast völlig 
verschlossen ist, schliesslich die Aufbringung der für die Be¬ 
handlung notwendigen Geldmittel. Der letztgenannte Punkt ist 
um so wichtiger, als ja, wie allgemein bekannt, gerade die Lupus- 
kranken zu allermeist den ärmsten Volksschichten entstammen. 

Der erste, der sich in der angedeuteten Weise der Lupösen 
annahm, war Finsen in Kopenhagen, ihm folgte in Oesterreich 
Lang, der bereits 1902 für die Unterbringung und Verpflegung 
der Lupösen in besonderen, ausschliesslich der Lupusbebandlung 
dienenden Heilstätten eintrat. Es gelang ihm, durch unablässige 
planmässige Agitation weitere behördliche und private Kreise 
derart für seine Idee zu interessieren, dass im Frühjahr 1913 
eine mit allen modernen Hilfsmitteln und Apparaten reich aus¬ 
gestattete, für 70 Betten, insbesondere auch für Kinder bestimmte 
Heilstätte in Wien eröffnet werden konnte. 

Auch in Deutschland batte inzwischen, wohl indirekt beein¬ 
flusst durch Finsen’s und Lang’s erfolgreiches Wirken, der 
Gedanke intensiverer Fürsorge für die Lupuskranken greifbarere 
Formen angenommen. Nachdem Nietner dem „Deutschen Zentral¬ 
komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose“ die Anregung gegeben 
hatte, auch die Lupusbekämpfuug mit in sein Programm aufzu- 
nehmen, wurde zunächst, um eine brauchbare Unterlage für etwa 
zu ergreifende Maassregeln zu gewinnen, eine Zählung sämtlicher 
im Deutschen Reich vorhandenen Lupuskranken in die Wege ge¬ 
leitet. Dieselbe ergab am 1. November 1908 das Vorhandensein 
von 11354 Kranken. Diese Zahl entspricht jedoch, wie 


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10. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1729 


Nietner 1 ) hervorhebt, keineswegs der Zahl der wirklich an 
Lupus leidenden Individuen. Letztere sind vielmehr, wenn man 
berücksichtigt, dass ein grosser Teil der Initialfälle, die noch 
nicht, sowie der unheilbaren Fälle, die nicht mehr, weil aus 
der Behandlung ausgeschieden, von der Zählung erfasst wurden, 
auf etwa 33 OOO zu beziffern. 

Bedenkt man, dass der allergrösste Teil dieser Patienten den 
allerärmsten Elementen angehört, und dass sie eben ihres Leidens 
wegen meist oder wenigstens vielfach der Krankenkasse bzw. der 
Invalidenversicherung nicht angehören, so ergibt sich, dass hier 
für die Hilfsaktion des Zentralkomitees bzw. der von ihr ein¬ 
gesetzten Lupuskommission ein weites Feld fruchtbringender 
Tätigkeit gegeben war. Von der Errichtung eines grossen Zentral¬ 
instituts sah man bei uns in Deutschland aus verschiedenen 
Gründen ab, dagegen griff das Lupuskomitee durch Gewährung 
von Beihilfen an schon bestehende, mit der Behandlung des 
Lupus sieb beschäftigende Kliniken bzw. durch Beteiligung an den 
Kosten der Beschaffung von Lichtheilapparaten unterstützend ein. 
Das Schwergewicht der Tätigkeit des Lupuskomitees lag natur- 
gemäss in der persönlichen Fürsorge für die Kranken, insbesondere 
in der Zuweisung derselben an geeignete Institute und in der Er¬ 
mittelung derjenigen öffentlichen und privaten Faktoren, die zur 
Tragung der Kosten mit herangezogen werden konnten. 

Die Schaffung besonderer Unterkunftsstätten war, wie eine 
Umfrage ergab, nur an einzelnen Orten, wie in Graudenz und 
Giessen, notwendig, hier wurden kleinere Lupusheilstätten er¬ 
richtet, von denen die erstere zurzeit von Dr. Lautsch geleitet 
wird, die letztere — mit 30 Betten — dem Direktor der dermato¬ 
logischen Universitätsklinik, Prof. Jesionek, unterstellt ist. 
Neben dieser praktisch sozialen Tätigkeit hat das Zentralkomitee 
auch die wissenschaftliche Förderung der auf die Lupustherapie 
gerichteten Bestrebungen fördern zu sollen geglaubt, zumal die 
Behandlung des Lupus trotz der zahllosen ans zur Verfügung 
stehenden Methoden doch immer noch recht verbesserungsbedürftig 
erscheint. Es veranstaltete daher am 12. Mai 1910 in Berlin 
eine Sachverständigenkonferenz zur Beratung der Be¬ 
handlungsmethoden des Lupus 2 ), deren Hauptthemata die 
chirurgische Behandlung des Lupus (Ref. Lang-Wien), 
die Finsenbehandlung (Ref. Zinsser-Cöln), die Behandlung 
des Lupus nach anderen Methoden (Ref. Gottschalk- 
Stnttgart) waren, und bei der eine sehr anregende und ausgedehnte 
Diskussion jedem Teilnehmer und Leser der Verhandlungen reiche 
Belehrung bot. 

ln gleicher Weise fruchtbringend und wichtig verdienen die 
Verhandlungen der IV. Sitzung der L'ipuskommission genannt 
zu werden, in denen (27. X. 1913) auf Veranlassung des Zentral¬ 
komitees die modernsten Behandlungsmethoden auf Grund be¬ 
sonderer, weiter unten zu erwähnender Referate besprochen wurden. 
Hier wurde vor allem auch die so sehr wichtige Frage der Pro¬ 
phylaxe eingehend erörtert. 

Ausser dem Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose 
haben dann auch noch die Landesversicberungsanstalten, soweit 
die betreffenden Kranken in ihr Bereich fielen, zur tatkräftigen 
Bekämpfung wesentlich mit beigetragen, insbesondere verdient 
hier die Hanseatische Anstalt in Hamburg, die schon seit vielen 
Jahren unter Wichmann’s Mitwirkung sich die Lupusaustilgung 
zur Aufgabe gemacht hat, rühmend hervorgehoben zu werden. 

Alles in allem erhellt aus dem Gesagten, dass speziell bei 
uns in Deutschland die Bestrebungen erhöhter Fürsorge für die 
bisher so stiefmütterlich behandelten Lupuskranken in erfreulichem 
Fortschreiten begriffen sind, and dass durch energisches Weiter¬ 
arbeiten auf dem eingeschlageuen Wege manches Elend gelindert 
und manche Arbeitskraft erhalten bleiben kann. 

Wenn ich mich nach dieser kurzen Uebersicht über die 
sozialen und charitativen Gesichtspunkte in der Lnpusbekämpfung 
nunmehr der Besprechung der rein ärztlichen Methodik zu¬ 
wende, so kann es nicht meine Aufgabe sein, einen Abriss der 
gesamten Lupusbehandlung za geben. Dazu ist das Gebiet viel 
zu gross und desgleichen die Gefahr, Bekanntes zu wiederholen. 
Ich möchte vielmehr, entsprechend meinem Thema, nur über die 
neueren Methoden, soweit sie wirkliche Fortschritte ent¬ 
weder schon jetzt darstellen oder in Zukunft zu ver¬ 
sprechen scheinen, kurz berichten. 

Wenn wir zunächst die chirnrgische Therapie des Lupus 
besprechen, so ist hier vor allem der bereits erwähnte Lang und 


1) Strahlenther., Bd. 2, H. 1. 

2) Cfr. D.m.W,, 1910, Nr. 25. 


sein leider vor kurzem dahingegangener Schüler Jungmann zu 
nennen, die in den letzten Jahren immer wieder in Publikationen 
und ärztlichen Demonstrationen für das von dem erstgenannten 
Autor systematisch ausgebildete operativ-plastische Verfahren ein¬ 
getreten sind. 

Die Methode 1 ) 2 ) stellt grosse Anforderungen an das persön¬ 
liche Geschick, and man möchte fast sagen künsterisches Ver¬ 
ständnis des Chirurgen, es scheint aber, dass tatsächlich die Er¬ 
folge, und speziell die Dauererfolge ausserordentlich günstig 
sind. Natürlich ist das Verfahren nur für solche Fälle anwend¬ 
bar, wo man im Gesunden operieren kann, d. h. für Fälle mit 
circumscripten Herden [Jungmann 3 )], aber man erhält hier, 
wie Jungmann hervorhebt, mit einer solchen Sicherheit Erfolge 
wie sonst mit keinem anderen Mitte). 

In der Tat muss man zugeben, dass die Lang’schen Fälle, 
die er z. B. anlässlich der obenerwähnten Sachverständigensitzung 
von 12. Mai 1910*) und des letzten Kongresses der Deutschen 
dermatologischen Gesellschaft im September 1913 in Wien de¬ 
monstrierte bzw. durch Jung mann demonstrieren Hess, wie Ref. 
sich persönlich überzeugen konnte, in kosmetischer und kura¬ 
tiver Beziehung gleich günstig beurteilt werden müssen, und dass 
dem Lang’schen Excisionsverfahren wegen seiner Schnelligkeit 
und Promptheit, wie auch Nietner 5 ) betont, die weiteste Ver¬ 
breitung zu wünschen wäre. Dass dies, wenigstens auf dermato¬ 
logischer Seite, bisher nicht überall in dem vielleicht wünschens¬ 
werten Maasse geschehen ist, liegt eben nur an der Schwierigkeit 
der Methodik, die einen chirurgisch und dermatologisch gleich 
gut geschulten Meister erfordert. Man wird eben mehr als bis¬ 
her auf systematisches Zusammenarbeiten von Dermatologen und 
Chirurgen, wie die? z. B. in Hamburg bei Wichmann und König- 
Altona 5 ) der Fall ist, Wert zu legen haben. König spricht sich 
übrigens gleichfalls sehr energisch für die chirurgische Therapie 
des Lupus aus, die er bei einigermaassen tiefgehenden Fällen für 
die einzig mögliche hält. 

Auch die interne Behandlung des Lupus ist in aller- 
neuster Zeit Gegenstand lebhafter Diskussion gewesen. Was 
zunächst den Wert des Tuberkulins in therapeutischer Be¬ 
ziehung anbetrifft, so waren anf der schon erwähnten Lupus¬ 
konferenz 1910 die Meinungen über den Wert desselben geteilt. 
Während 'Gottschalk 7 ) keine besonderen Erfolge sab, halten 
Blaschko*) sowie Doutrelepont 9 ) es immerhin für ein gutes 
Unterstützungsmittel anderer energischer Methoden, N ei sser l0 ) sogar 
für ein unentbehrliches Hilfsmittel der Therapie. Scho Uz- Königs¬ 
berg 11 ) will dasTuberkulin nur neben derPyrogallussäure und grossen 
Röntgendosen als hyperämieerzeugendes Mittel gelten lassen, ähn¬ 
lich urteilt Jungmann 12 ), der die „umstimmende“ Wirkung des 
Koch’scben Mittels hervorhebt, die das erkrankte Gewebe für 
spätere lokale Prozeduren empfänglicher macht.. Im ganzen muss 
man, glaube icb, sich dahin präzisieren, dass das Tuberkulin 
nicht berufen sein dürfte, eine irgendwie erhebliche Rolle in 
der Lupustherapie zu spielen. 

Dagegen scheint es, als ob die Aera der chemotherapeu¬ 
tischen Methoden, die soeben erst im Salvarsan einen glänzenden 
Triumph erlebte, uns auch für die erfolgreiche Behandlung der 
Tuberkulose, und zwar speziell gerade der Hauttuberkulose, neue 
Wege in Gestalt chemischer Mittel weisen sollte. Das eine dieser 
Präparate ist das Kupfer. Gräfin Linden 18 ) in Bonn hatte ge¬ 
zeigt, dass die genannte Substanz, intravenös injiziert, sich an 
das Protoplasma der Tuberkelbacillen kettet und diese abtötet, 
ohne den Organismus der betreffenden Versuchstiere za schädiget). 
Strauss 14 ) fand nun durch Versuche am Menschen, dass das 
Kupfer, extern angewendet, einmal eine elektive, die Lupus- 


1) Lang, Der Lupus und dessen operative Behandlung. Wien 1898, 
J. Safer. 

2) D.m.W., 1910, Nr. 25 und an vielen anderen Orten. 

3) Strahlenther., Bd. 1, S. 21. 

4) D.m.W., 1910, Nr. 25. 

5) Strahlenther., Bd. 2, H. 1, S. 10. 

6) Vgl. D.m.W,, 1910, Nr. 25. 

7) D.m.W., 1910, Nr. 25. 

8) Ebenda. 

9) Ebenda. 

10) Ebenda. 

, 11) Ebenda. 

12) Strahlenther., Bd. 2, H. 1. 

13) Vgl. Verhandlungen der IV. Sitzung des Lupus- Ausschusses, Berlin 
1913, W. 9, Linkstr. 29 (Verlag des Deutschen Centralkomitees). 

14) Ebenda und Strahlenther., 1913, Bd. 3, H. 2, ferner D.m.W., 
1918, Nr. 11, M. Kl., 1914, Nr. 2. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1730 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


knötchen zerstörende Wirkang — wie die Pyrogallussäure — bat, 
dass es aber ausserdem — und das ist das Wichtige und Inter¬ 
essante —, seihst durch die intakte Haut hindurch oder auch 
von der Blutbabn aus eine Resorption der lupösen In¬ 
filtrate einleitet. 

Das Kupfer wirkt also, wenn wir Strauss folgen dürfen, 
direkt spezifisch resorbierend und abtötend auf die 
Bacillen. Gesteigert konnte diese KupfeiWirkung noch dadurch 
werden, dass bei externer Applikation die Cu-Salze statt mit den 
üblichen Fetten mit Lecithin verarbeitet wurden. Strauss be 
zeichnet diese Cu-Lecithinverbindpng als Lecutylsalbe (Bayer 
& Co., Leverkusen bei Cöln) und hat sie seit kurzem für den 
allgemeinen Gebrauch freigegeben. Ihr Kupfergehalt beträgt 
IV, pC*. 

Gemäss Strauss 1 soeben ganz kurz skizzierten Anschauungen be¬ 
steht nun seine Behandlung der äusseren Tuberkulose 1. aus einer ört¬ 
lichen, 2. entsprechend seiner Auffassung 1 ) von der meist endogenen 
Natur des Lupus, der übrigens auch Wichmann 2 * ) im Gegensatz zu 
Jadassohn 8 ) zuneigt, aus einer allgemeinen. 

1. Die örtliche Therapie wird so durchgeführt, dass die betreffenden 
Stellen mit der Lecutylsatbe täglich einmal verbunden werden, eventuell, 
da die Behandlung sehr schmerzhaft ist, mit !0proz. Cykloformzusatz 
oder Aufstreuen von reinem Cykloform auf die Wunde. 

Die spezifische Reaktion, die zu einer Zerstörung der kranken Herde 
führt, vollzieht sich meist schon in den ersten 3 Tagen, dann Verband 
mit Scharlachöl oder 5 proz. Protargolsalbe bis zur Vernarbung, worauf 
dann, falls R»ste zurückgeblieben sind, die Kur von neuem begonnen 
wird. 

2. Die allgemeine Behandlung setzt sich aus einer Innunktions- 
kur mit derselben Salbe nach Art der gewöhnlichen Schmierkur und 
der inneren Verabreichung des Lecutyls in Pillen (3 mal täg¬ 
lich eine Pille ä 0,005 Cu) zusammen. Beide Arten des Vorgehens ge¬ 
statten eine langdauernde milde Zufuhr des Präparates in kleinen 
Dosen ohne schädliche Neben- und Nachwirkungen. Eine Injektions¬ 
behandlung hat Strauss zwar mit den verschiedensten Cu-Ver- 
bindungen versucht, vorläufig jedoch wegen deren grosser Schmerzhaftig¬ 
keit nicht systematisch durchführen können. 

Strauss selbst berichtet über gute, wenn auch, wie er selbst 
hinzusetzt, bei der chronischen Natur des Lupus nur vorläufige 
Resultate, und Ref. konnte sich anlässlich der letzten Lupus¬ 
konferenz selbst an einigen vorgestellten Fällen von der Güte 
von Strauss’ Resultaten überzeugen. Von anderer Seite liegen 
Nachprüfungen zurzeit bis auf die von Dr. Eggers ebenfalls auf 
der Lupuskonferenz gezeigten Kranken noch nicht vor, doch be¬ 
richtet Strauss selbst, dass eine Bestätigung seiner Erfolge ihm 
privatim bisher von 30 Seiten zugegangen sei 4 ). Da die be¬ 
treffenden Präparate jetzt dem freien Verkehr übergeben sind, so 
werden ja wohl bald Mitteilungen von anderen Autoren folgen 5 ). 
Man wird ihnen insofern mit Interesse entgegenseben dürfen, als 
ja in der Tat Strauss’ Vorgehen durch die experimentellen 
Arbeiten der Gräfin Linden genügend fundiert erscbeiut. Aller¬ 
dings müsste in Zukunft — darin muss man Bruck und Glück 6 ) 
unbedingt beistimmen — aus prinzipiellen Gründen sowohl 
wie aus praktischen Motiven heraus noch schärfer als bisher 
die Frage zur Beantwortung gelangen, inwieweit die von 
Stranss bei Lnpus erzielten Erfolge lediglich durch eine 
allgemeine, d. b. von innen heraus angreifende Behand¬ 
lung, nicht aber dnrch allerlei äussere Maassnahmen, 
erzielt wurden resp. erzielt werden können. 

Ueber ein solches Präparat, d. h. eine Substanz, die ledig¬ 
lich von der Blutbahn aus spezifische Wirkungen bei äusserer 
Tuberkulose — und übrigens auch bei Lues, nur in geringerem 
Grade — auszuüben vermag, berichteten Bruck und Glück 
gleichfalls auf der erwähnten IV. Lupuskonferenz 7 ). Es ist 
dies das Aurum-Kalium cyanatum, welches die genannten 


1) 2) 3) Vgl. Verh. d. IV. Lupuskonferenz. 

4) M. Kl., 1914, Nr. 2. 

5) Anmerkung bei der Korrektur. Das ist inzwischen ge¬ 

schehen. Lautsch (Arcb. f. Derm., Bd. 115, S. 855) konnte wenigstens 
in einigen Fällen durch lokale Einreibungen geschlossene subcutane 
tuberkulöse Abscesse mit noch nicht verdünnter Haut zur Resorption 
bringen, auch Oppenheim (IV. Sitzung des Lupus-Ausschusses, S. 79) 
glaubt an eine spezifische Wirkung des Kupfers überall da, wo es mit 
dem tuberkulösen Gewebe in Berührung kommt. Demgegenüber schreiben 

andere Autoren, wie Stern (M. Kl., 1914, Nr. 11), Mentberger (D.W., 
Bd. 58, Nr. 6), Schönfeld (D. W., Bd. 58, Nr. 21), die Erfolge der 
Kupferbehandlung der Aetzwirkung des Präparates zu und konnten einen 
Vorzug gegenüber der altbewährten Pyrogallusbehandlung nicht kon¬ 
statieren. Man wird weitere Berichte abwarten müssen. 

6) M.m.W., 1914, Nr. 2. 

7) Vgl. auch M.m.W., 1913, Nr. 2. 


Autoren auf Grund älterer Versuche von Koch und Behring, 
dass besonders die'Goldcyanverbindungen noch in millionenfacher 
Verdünnung eine desinfizierende Wirkung auf Tuberkelbacillen 
ausüben, für geeignet hielten, die Tuberkelbacillen wenn auch 
nicht direkt abzutöten, so doch im Organismus wesentlich zq 
schädigen. 

Praktische Versuche am Menschen ergaben in der Tat, dass 
das Goldcyan eine spezifische Wirkung auf lupöse Herde 
hat, die sich iu einer lokalen Reaktion nach Art der 
Tuberkulinreaktion änssert. Der therapeutische Effekt tritt 
manchmal schon nach der 2. bis 3. Infusion (Bruck und Glück 
injizierten 0,01—0,05 ccm, im ganzen gewöhnlich 12 Einspritzungen 
jeden 2.—3. Tag), manchmal erst später ein. Von einer Heilung 
lupöser Herde will Bruck — das hebt er ausdrücklich hervor — 
nicht sprechen, sondern nur von der Möglichkeit, Krankheits¬ 
rückgänge lupöser Herde rein vom Blutwege aus her* 
vorzuru fen. 

Diese Bruck’schen Versuche sind nun, wie dies bei der 
prinzipiellen und praktischen Wichtigkeit des Gegenstandes nicht 
anders zu erwarten war, im Laufe des letzten Jahres teils bei 
Lungen teils bei Hauttuberkulose nachgeprüft worden. Nur 
über die Erfahrungen bei der letzteren möchte ich kurz referieren. 

Poor 1 ) spritzte 12 Fälle, er fand, dass das Präparat den Lupus 
entschieden günstig beeinflusst, schlägt jedoch statt 10—12 Iofusionen 
die doppelte Anzahl mit einer dazwischen geschobenen Pause von 2 bis 
3 Wochen vor. Zieler 8 ) sah gleichfalls eine wenn auch nur schwache 
Einwirkung des Mittels. 

Einige Autoren bedienten sich von vornherein einer übrigens auch 
von Bruck und Glück bereits angewandten Kombination des Tuber¬ 
kulins mit dem uns interessierenden Präparate. Ruete-Bonn 8 ) (eff. 
auch Hoffmann-Bonn auf der IV. Lupuskonferenz) sah fast nur negative 
Resultate, ausgenommen einen Fall von Lupus erythematodes, der vorher 
auf Tuberkulin allein eine sehr schwere Reaktion gezeigt batte. Ein 
jweiter Fall von Lupus erythematodes blieb unbeeinflusst. Bett¬ 
mann-Heidelberg 4 ) bediente sich der gleichen Kombination. Erfand 
einen Heileffekt, der den des Goldpräparates allein übertraf. Allerdings 
müsse man auf schwere Tuberkulinreaktionen gefasst sein. 

Leider ist nun trotz der Kürze der Zeit, die das Gold in Anwendung 
steht, bereits ein Todesfall zu verzeichnen, den man ihm zur Last legen 
muss. Hauck 6 ) berichtet über Goldbehandlung eines sehr ausgedehnten 
LupU9falles bei einem Zuchthäusler. Der betreffende Patient giDg im 
Anschluss an die 11. Infusion unter den Erscheinungen der Blut¬ 
schädigung (Herabsetzung der Zahl der roten Blutkörperchen) zugrunde. 

Allerdings bemerkt Bruck bei Besprechung dieses Unglücks¬ 
falles, wohl mit Recht, dass es sich um ein schwer tuberkulöses, 
durch den Aufenthalt im Gefängnis ohnehin geschwächtes Indi¬ 
viduum handelt, und dass durch das Freiwerden zahlreicher Endo¬ 
toxine eine Summation ungünstig wirkender toxischer Faktoren 
stattfand, die der heruntergekommene Organismus nicht mehr 
überwinden konnte, aber man wird doch, wenn man den Fall 
ganz objektiv sine ira et Studio betrachtet, die Tatsache nicht 
binwegdisputieren können, dass der betreffende Kranke nicht oder 
nicht so schnell ad exitum gekommen wäre, wenn er nicht mit 
Aurum-Kalium cyanatum behandelt worden wäre. Man wird daraus 
die Folgerung ableiten müssen, in Zukunft bei der Auswahl 
der zu injizierenden Patienten ganz besondere Vorsicht walten zu 
lassen und auch in der Dosierung noch zurückhaltender zu sein 
als bisher. 

Wenn wir uns nun den physikalischen Heilmethoden 
des Lupus zuwenden, so sei hier an erster Steile des Radiums 
bzw. Mesothoriums gedacht. 

Im Gegensatz zu dessen neuerdings so ausgedehnter An¬ 
wendung bei Cervixcarcinomen ist seine therapeutische Verwertung 
bei Lupus nicht sehr bekannt, hauptsächlich wohl deswegen, 
weil es für den Lupus andere leichter zu beschaffende und 
billigere Mittel gibt, und weil man doch immer nur relativ kleine 
Herde bestrahlen kann oder vielmehr konnte. Denn in dieser 
Hinsicht ist in neuester Zeit insofern eine wesentliche Verbesserung 
eingetreten, als man das Radium nicht mehr nur in kleine 
Kapseln einschliesst, sondern auf relativ grosse, etwa 4—6 qcm 
haltende Steinfiächen verteilen and so grössere Bezirke auf ein¬ 
mal der Einwirkung des Mittels aassetzen kann. 


1) D.m.W., 1913, Nr. 47. .. ,. 

2) Verh. d. IV. Lupuskonferenz, S. 78. Vgl. auch Scbönfela, 
D. W., Bd. 58, Nr. 21, und Mentberger, D. W., Bd. 58, Nr. 6, 
sich beide mehr als zurückhaltend äussero. 

3) D.m.W., 1913, Nr. 36. 

4) M.m.W., 1913, Nr. 15. 

5) M.m.W., 1913, Nr. 33. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



19. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1731 


In Deutschland ist besonders Wich mann für die Radiumbehandlung 
des Lupus eingetreten und berichtete schon 1910 in der Sachveratandigen- 
konferenz über 30 auf diese Weise geheilte Fälle, wobei er insbesondere 
auf die Notwendigkeit hinweist, die weiohen /LStrahlen durch geeignete 
Filter auszuschalten und nur die härteren ß Strahlen bzw. die ganz 
harten ^-Strahlen in Anwendung zu ziehen. Auch Jungmann 1 ) hat 
günstige Erfahrungen mit der Radiumbehandlung gemacht. 

In neuester Zeit präzisiert insbesondere Lautsch 2 ) in 
Grandem seine in der Lupusheilstätte daselbst gesammelten Er¬ 
fahrungen und stellt folgende Indikationen auf: 1. bei einzeln 
stehenden, insbesondere aber den in Narbengewebe eingebetteten 
Knötchen, die sonst sehr leicht jeder Behandlung trotzen, 2. bei 
Lupus homidas, vornehmlich der Ohrmuschel, bei dem bekanntlich 
Aetzprozeduren dnrch andere Mittel (Pyrogallus, Quarzlampe) sehr 
schmerzhaft sind, 3. bei den kleinen oft hartnäckig auf alten 
Lupnsherden und -narben immer wieder an den verschiedensten 
Stellen auftretenden Ulcerationeo, die oft recht lange von Borken 
bedeckt sind, 4. bei Schleimhautlupus. 

Sehr wichtig und interessant, weil ein Analogon zu den 
Röntgenstrahlen bildend, ist die anästhesierende Wirkung der 
radioaktiven Substanz, die sich oft bereits am nächsten Tage 
nach deren Applikation bemerkbar macht, nnd die auch Ref. in 
einem Falle sehr deutlich bemerken konnte. 

Üeber die Unterschiede des Mesothorium und Radium hatte Sticker 8 ) 
die Beobachtung gemacht, dass letzteres mehr nekrotisierend, ersteres 
mehr exsudativ wirke. Lautsch 4 5 ) konnte das nicht bestätigen, doch 
schien ihm die Radiumreaktion manchmal längere Zeit zur Abheilung 
zu brauchen als die durch Mesothorium erzeugte. Letzteres zeigte 
immer ein Früherythem am selben Tage, das oft mit einem Oedem der 
betreffenden Stelle einherging und meist in 24 Stunden verschwunden 
ist. Beim Radium wurde dagegen nur zuweilen ein Früherythem, 
niemals ein Oedem beobachtet. 

Ueber die Finsen- bzw. Quarzlampenbehandlung des Lupus 
sind nur ganz wenige Worte zu sagen. Die Erfolge der ersteren 
in kosmetischer und kurativer Hinsicht sind ja zu bekannt, als 
dass es notwendig wäre, sie noch besonders zu betonen; nicht 
ganz entschieden ist aber die Streitfrage, ob die Quarzlampe in 
bezug auf Tiefenwirkung der Kohlenbogenlampe (Finsen bzw. 
Finsen-Rheyn) gleichwertig ist oder nicht. 

Während von manchen Seiten, z. B. Klingmüller 6 ), A. Neisser 8 ) 
diese Frage bejaht wird, verneinen sie andere, z. B. Gottschalk 7 ) 
energisch; letzterer will das Quecksilberlicht nur als vorbereitende 
Methode bei verrucösen und krustösen Lupusfällen, gewissermaassen als 
eine in Lichtform und Lichtwirkung umgesetzte „Schälpaste“ aufgefasst 
wissen. Auch Jungmann 8 ) hält es dem Finseulicht seiner geringeren 
Tiefenwirkung wegen für unterlegen. 

Vorläufig steht demnach in dieser für die Praxis doch Immer¬ 
hin recht wichtigen Frage Ansicht gegen Ansicht, doch scheint 
es Ref. speziell auch auf Grund eigener Erfahrungen, dass die 
Quarzlampe immerhin ein recht brauchbarer Ersatz für das Finsen- 
licht darstellt. Theoretische Erwägungen und experimentelle Er¬ 
fahrungen werden in dieser Hinsicht wohl weniger zur Entscheidung 
berangezogeo werden können als die Praxis. Wie sehr aber 
auch hier die Anschauungen auseinandergehen, dafür sei als Bei¬ 
spiel Jacobi-Freiburg 9 ) angeführt, der auch die fast von allen 
anderen Seiten, insbesondere von Finsen und seiner Schule selbst 
als vollwertiger Ersatz der grossen Kohlenbogenlampe anerkannte 
Finsen-Rheynlampe für minder brauchbar hält. 

Von den physikalischen Heilmethoden ist dann schliesslich 
noch die Diathermie zu erwähnen, die in neuester Zeit be¬ 
sonders durch Jacobi’s Referat auf der IV. Lupuskonfereoz 
empfohlen worden ist. Bereits 3 Jahre vorher hatte Nagel- 
Schmidt 10 ) die Diathermiebehandlung des Lupus, d. h. die 
Elektrocoagulation der Iupösen Herde durch die von Strömen 
sehr hoher Frequenz erzeugte Joule’scbe Wärme empfohlen, 
Jacobi-Freiburg bat nun an einem grösseren Materiale das Ver¬ 
fahren, für das jetzt von den verschiedensten Firmen geeignete 


1) Slrahlenther., Bd. 1, H. 1, und Protokoll der k. k. Ges. d. Aerzte 
in Wien vom 28. März 1911. 

2) IV. Lupuskonferenz. 

3) B.kl.W., 1912. 

4) 1. c. 

5) D.m.W., 1910, Nr. 25. 

6) Ebenda. 

7) Ebenda. 

8) Strahlenther., Bd. 1, S. 46. 

9) D.m.W., 1910, Nr. 25. 

„ 10) D.m.W., 1910, Nr. 25, und Zschr. f. pbysik. diät. Ther., 1909/10, 

Bd. 13. 


Apparate geliefert werden, naohgeprüft und bekennt sich gleich¬ 
falls als warmer Anhänger desselben. 

Es wud so ausgeführt, dass man mittels einer kleinen, auf den 
Krankheitsherd aufgesetzten Elektrode, auch Kaltkauter oder Forest’sche 
Nadel genannt, durch die die Ströme hindurchpassieren, eine Coagulation 
der betreffenden Stelle bewirkt. Hierdurch werden alle Ausläufer des 
Iupösen Gewebes, mögen sie noch so tief reichen, getroffen und zerstört, 
im Gegensatz zu den sonst gebräuchlichen Methoden der Zerstörung des 
Lupus durch Hitze, wie Paquelin, Galvanokauter usw., bei denen die 
Wirkung kaum 1 mm über die Stelle der Anwendung hinaus sich 
erstreckt. 

Die Vorteile des Verfahrens liegen, wenn wir Jacobi folgen, 
einmal darin, dass infolge der Coagulation eine Metastasenbildung 
auf dem Lymph- oder Blutwege vollkommen ausgeschlossen ist, 
ausserdem wiid um die coagulierten Partien herum eine starke 
arterielle Hyperämie und vermehrte Lymphabsonderung hervor¬ 
gerufen, die, wie Jacobi glaubt, einmal die Resorption infektiösen 
Materiales verhindert, andererseits eine Anhäufung der im Blute 
enthaltenen natürlichen Schutzstoffe bewirkt, so dass die zurück- 
gebliebeueo Erreger zum Absterben gebracht werden. Bemerkens¬ 
wert ist ferner die Schnelligkeit in der Anwendung und Wirkung 
des Verfahrens, bei dem relativ grosse Herde ziemlich rasch zer¬ 
stört werden. Ferner die Tatsache, dass auch der sonst so schwer 
beeinflussbare Schleimhautlupus mit dem Kaltkauter der thera¬ 
peutischen Einwirkung wesentlich leichter erreichbar ist als mit 
anderen Mitteln. Der hauptsächlichste Nachteil der Forest’schen 
Nadel ist der, dass sie keineswegs im eigentlichen Sinne elektiv 
wirkt, da ja gesundes und krankes Gewebe in gleicher Weise ge¬ 
troffen und zerstört wird. Dieser Mangel macht sieb natürlich 
am störendsten da bemerkbar, wo es peinlich genau darauf an¬ 
kommt, wirklich nur das erkrankte Gewebe zu verseborfen, alles 
gesunde möglichst zu schonen: Im Gesicht. Das Diathermie- 
verfahren eignet sich daher auch weit mehr für den 
Lupus des Stamms und der Extremitäten, d. h. für die 
Teile, bei denen es auf kosmetisches Vorgehen nicht so sehr an¬ 
kommt. 

Die Technik der Diathermie ist nicht einfach, und es bedarf orien¬ 
tierender Versuche am Tier, um genau die Methodik zu beherrschen und 
nicht durch unvorsichtige Handhabung schwere Zerstörungen zu setzen. 
Auch dieser Umstand muss, ebenso wie die Notwendigkeit lokaler An¬ 
ästhesie, bei grösseren Herden sogar Allgemeinnarkose, immerhin als 
ein gewisser Nachteil des Verfahrens angesehen werden. 

Hei vorgehoben werden muss auch noch eine Unstimmigkeit in der 
Beurteilung der Wirkung der Kaltkaustik. Wie bereits oben erwähnt, 
rühmt Jacobi als Vorzug des Verfahrens seine relativ weitreichende 
Wirkung auf alle Ausläufer des Lupus, während umgekehrt Meyers- 
Berlin, einer der ersten Autoren, die über die Anwendung der Forest- 
schen Nadel berichtet haben, es ganz neuerdings gerade als deren Vorzug 
gebucht wissen will, dass keine irgendwie erhebliche Leitungs- und 
Ausstrahlungswärme bei der Nadel vorhanden ist und dass daher nur 
die Stelle des Gewebes, die direkt getroffen wird, der Hitzewirkung 
und momentaner Nekrose ausgesetzt ist. 

Diese gerade für die Lupustherapie wichtige Differenz in der 
Beurteilung wird wohl bei häufiger Anwendung des Verfahrens, 
das ja jetzt wohl bald auch von anderen Beobachtern naebgeprüft 
werden wird, in dem einen oder anderen Sinne entschieden 
werden. 

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort über den Schleim¬ 
hautlupus sagen, dessen frühzeitige Erkennung nnd Behandlung 
von der allergrössten Wichtigkeit für die Prophylaxe und damit 
auch für die allmähliche Austilgung des Lupus ist. 

Es ist ja bekannt, dass der allergrösste Teil aller Lupus¬ 
fälle überhaupt solche des Gesichtes sind, dass dieser meist seinen 
Ursprung von der Nasenschleimhaut nimmt und dass erst nach 
mehr oder weniger langem Bestehen der Schleimbauterkrankung 
die Affektion an der äusseren Nase klinisch in Erscheinung tritt. 

Die von verschiedenen Untersuchern angegebenen Zahlen über die 
Häufigkeit des Nasenschleimhautlupus schwanken etwas; Finsen und 
Forchhammer 2 ) fanden seinerzeit bei einer Statistik von 800 Fällen, 
von denen 95 pCt. im Gesiebt sassen, 72 pCt. Beteiligung der Nasen¬ 
schleimbaut, Jungmann 3 ) 42pCt. (unter 1800 LupÖsen), Jadassohn 4 ) 
41 pCt. (unter 300 Fällen), Pbilippson 6 ) 21 pCt. (unter 125 Fällen), 
Wich mann 6 ) 56,7 pCt. (unter 500 Fällen), wobei übrigens von Inter¬ 
esse ist, dass in weiteren 31,8 pCt. ein lupöser Herd in der Nasen- 


1) Max Joseph, Handbuch der Kosmetik, S. 347. 

2) Mitt. aus Finsens Lichtinstitut, 1904, H. 5 u. 6. 

3) Strahlenther., Bd. 1, S. 19. 

4) IV. Lupuskonferenz. 

5) Der Lupus. Berlin 1911. 

6) Strahlenther., Bd. 2, S. 26. 


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1732 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


Schleimhaut als Nebenbefand bei Gesiohtslupns zu beobachten war, so 
dass also hier, allerdings in einem auffällig hohen Prozentsatz, der um¬ 
gekehrte Weg der Verbreitung des Lupus, wie sonst üblich, stattgefunden 
hatte. Gerber 1 ) teilt mit, dass bei seinem Lupusmaterial von 218 Fällen 
— Gerber ist Laryngologe — bei mehr als 77 die äussere Nase 
überhaupt keine Anzeichen einer Erkrankung dar bot. Seiffert-Würz¬ 
burg 2 3 ), der ebenfalls Laryngologe ist, fand bei einem Material von 
63 Fällen in 96pCt. eine Miterkrankung von Nase, Nasenrachenraum, 
Mundrachenhöhle, in 62pCt. eine solohe des Naseninneren allein. 

Für die Prophylaxe des Lupus, insbesondere für die Ver¬ 
hinderung der die Lupuskranken so viel und schwer schädigen¬ 
den Zerstörung der äasseren Nase spielen die genannten Zahlen 
eine ausserordentlich wichtige Rolle. Denn wenn es gelingt, alle 
diese so zahlreichen Fälle von Schleimhautlupus in weiterem 
Sinne rechtzeitig, d. h. bevor die Haut ergriffen wird, zu er¬ 
kennen und — natürlich nur mit Hilfe der Laryngologen — zu 
behandeln, so wird damit natürlich ein grosser Teil der oben¬ 
erwähnten äusseren Verunstaltungen von vornherein verhindert. 
Es kommt also darauf an, diese Fälle möglichst frühzeitig zu er¬ 
kennen, oder mit anderen Worten: schon im Kindesalter — denn 
da beginnen die allermeisten Lupusfälle — zu fassen. Emen 
solchen Versuch bat wohl in systematischer Weise zuerst Wich- 
mann in Hamburg angestellt. Mit Hilfe des Vereins für Lupus- 
fürsorge lässt er regelmässig alle 14 Tage in der Arbeiterpresse 
kurze Artikel erscheinen, die das Publikum aufmerksam machen, 
bei verdächtigen Symptomen ihre Kinder in die Sprechstunde des 
Vereins zu schicken. Dnter 60—70 Kindern sind dann, wie er 8 ) 
berichtet, zuweilen 8—10 mit frischen Lupusberden zu finden, und 
Wichmann ist daher infolge dieser jahrelang systematisch durch- 
geführten Untersuchungen in der Lage, über zahlreiche von Lupus 
geheilte Kinder verfügen zu können, Kinder, von denen sicherlich 
ein grosser Teil ohne das planmässige Vorgehen Wichmann’s 
der Gefahr schwerer Erkrankung bzw. irreparabler Nasendiphtberie 
ausgesetzt gewesen wäre. 

Ueber die Behandlung des Lupus cavi nasi möchte ich im 
Rahmen dies Referates nicht sprechen, weil dieser Teil der Lupus 
behandlung — darüber sind sich wohl heute alle Dermatologen 
einig — ausschliesslich vor das Forum des Laryngologen gehört. 
Ich möchte nur für jeden, der sich für das Gebiet interessiert, 
auf die Arbeit von Wich mann’s Mitarbeiter Albanus 4 ) hin- 
weisen, der die neueren Methoden der Schleimhautbehandlung, 
unter anderem z. B. auch die PfanDenstiel’sche Methode (Jod 
innerlich, Wasserstoffsuperoxyd äusserlich), über deren Wert sich 
noch jüngst eine lebhafte Polemik zwischen Ove Strandberg 5 ) 
und James Strandberg 6 ) entsponnen bat, eingebend bespricht. 


Bücherbesprechungen. 

Erich Leier: Lehrbuch der allgemeinen Chirnrgie. Zum Gebrauch 
für Aerzte und Studierende. Zwei Bände mit 185 bzw. 226 teils 
farbigen Textabbildungen. Siebente unbearbeitete Auflage. Stutt¬ 
gart 1914, Ferd. Enke. 470 bzw. 487 S. Preis 24,40 M. 

Im März 1904 ist Lexer’s allgemeine Chirurgie zum ersten Male 
erschienen. In dem Geleitwort, welches Ernst v. Bergmann damals 
dem neuen Werke mitgab, hob er hervor, dass die allgemeine Chirurgie 
nicht als festgefügter Bau dastehe, welchen man nur zu beschreiben 
brauche, vielmehr noch in fortwährender Umwandlung begriffen sei. 
„Alles, was v. Volkmann einst über Lister’s epochemachende Erfindung 
geschrieben hat, ist hinfällig geworden, seit Ko ob’s Eutdeckung die 
spezifische Aetiologie der Wuodkrankheiten bewies. Ja eben erst ist 
die Bestimmung des Viruienzgraies ein und derselben Bakterienart fast 
von gleicher Bedeutung geworden, wie kurz vorher die Feststellung der 
besonderen Art.“ So schrieb v. Bergmann vor 10 Jahren, und wenn 
man den gegenwärtigen Stand der Disziplin mit dem damaligen ver¬ 
gleicht, so erkennt man, dass diese fortwährende Umwandlung zehn 
Jahre hindurch angehalten hat und auch heute noch nicht still steht. 

Sieben Auflagen hat Lexor’s Buch binnen 10 Jahren erlebt. Ein 
beispielloser Erfolg! Er erklärt sich aus der überaus glücklichen An¬ 
lage des Buches, welches, aus der grossen Erfahrung des klinischen Lehrers 
heraus geboren, den Bedürfnissen des Arztes und des Studierenden auf 
Schritt und Tritt Rechnung trägt. Nicht minder aber ist der grosse 
Erfolg darauf zurückzuführen, dass Verf. bei jeder Auflage sichtlich 
bemüht war, den Wandlungen unserer Anschauungen auf dem immer 


1) IV. Lupuskonferenz, S. 29. 

2) IV. Lupuskonfereriz, S. 33. 

3) IV. Lupuskonferenz, S. 33. 

4) Strahienther., Bd. 2, H. 1. 

5) Strahienther., Bd. 1, H. 4. 

6) Strahienther., Bd. 2, H. 2. 


grösser werdenden Gebiete allenthalben zu folgen, um sein Werk auf 
der Höhe zu halten. Die Durchsicht der Literaturnachweise lässt 
unschwer erkennen, dass hier keine wesentliche Errungenschaft unbe¬ 
rücksichtigt geblieben ist. Kurz und klar ist die Darstellung und stets 
objektiv, wenngleich Verf. mit eigener Erfahrung und Kritik nicht zu- 
rückbält. Die mustergültige Ausstattung des Werkes ist bekannt 
Einige Drucke und Farbphotographien, sowie mannigfache Aenderuogen 
und Ergänzungen sind hinzugekommen, ohne dass der Umfang des Ganzen 
dadurch angewachsen ist. 

Einer besonderen Empfehlung bedarf Lexer’s allgemeine Chirurgie 
nicht mehr! 


Paal Klemm: Die skate aad chronische infektiöse Osteomyeliti 8 
de« Kindesalters. Auf Grund eigener Beobachtungen und Unter 
suchungen. Mit 7 Abbildungen im Text und 1 Kurventafel- 
Berlin 1914, S. Karger. 261 S. Preis 9 M. 

Auf Grund eines äusserst umfangreichen, in lOjähriger Arbeit ge¬ 
sammelten Materials von 320 Fällen gibt Verf. eine monographische 
Darstellung der Aetiologie und Pathogenese der Osteomyelitis. Er geht 
dabei von der Anschauung aus, dass die Osteomyelitis in die Gruppe 
der Erkrankungen des lymphatischen Gewebes gehört. Dieses Gewebe 
ist im wachsenden Individuum in reichem Maasse im Zustande grösster 
Vitalität vorhanden und zeichnet sich durch besondere Eigentümlichkeiten 
vor anderen aus, vor allem durch seine grosse Beweglichkeit. Wo 
bakterielle Infektion droht, häufen sich die Lymphocyten an („Abwehr- 
bewegung des lymphatischen Gewebes“). Auch das Knochenmark als 
Ganzes gehört trotz der spezifischen Artverschiedenheit der einzelnen 
Markzellen in die Reihe der lymphatischen Gewebe. Das jugendliche 
Alter ist durch das starke Vorwiegen der Infektionskrankheiten charak¬ 
terisiert; bei den engen Beziehungen, welche zwischen den Bakterien 
und den lymphatischen Geweben bestehen, ist es klar, dass diese Ge¬ 
webe häufig erkranken müssen. K. weist überzeugend nach, dass das 
Wesentliche bei der Osteomyelitis die Erkrankung des lymphatischen 
Gewebes ist; sie verläuft genau so, wie die Erkrankung dieses Gewebes 
an anderen Stellen. Das Einzigartige, für die Osteomyelitis scheinbar 
Spezifis.he wird nicht durch die Spezifizität des erkrankten Markgevebes 
bedingt, es findet vielmehr seine Erklärung in dem Umstande, dass das 
lymphatische Gewebe hier von starren Knochenwänden eingescblossen 
ist, welche von dem erkrankten Mark in ganz bestimmter Weise ver¬ 
ändert werden. Das Kraukheitsbild der Osteomyelitis in toto wird durch 
die Reaktion des Knochengewebes auf das erkrankte Mark erzeugt. Die 
meisten Darstellungen der Osteomyelitis berücksichtigen das Verhalten 
des Markes zu wenig und beschäftigen sich ausschliesslich oder doch 
vorwiegend mit den Knochenveränderungen. 

Die originellen Anschauungen des Verf., das ungewöhnlich reich¬ 
haltige Material und die sehr anschauliche Darstellung nach neuen 
Gesichtspunkten verdienen in' jeder Hinsicht das Iüteresse der Fach¬ 
genossen und Praktiker. Adler-Berlin-Pankow. 


6. Brühl : Die Fanktionsprüfang des Gehörorgais. Handbuch der 
speziellen Chirurgie des Ohres uDd der oberen Luftwege. (Katz- 
Preysing-Blumenfeld.) 1914, Bd. 2, Lieferung 2. 

Angesichts der Bedeutung der Funktionsprüfung des Gehörorganes 
für die Beurteilung der chirurgisch zu behandelnden Krankheiten des 
Ohres verdient das Kapitel eine so eingehende und exakte Bearbeitung, 
wie sie der Verf. diesem Thema in dem Handbuche hat zu Teil werden 
lassen. 

In dem ersten Abschnitt, der Hörprüfung, werden nach ausführlicher 
Besprechung der Prüfung mit der Spraehe die verschiedenen Stimmgabel- 
untersuchungeD, illustriert durch zahlreiche Abbildungen, eingehend und 
übersichtlich abgehandelt, ebenso die Diagnose der einseitigen Taubheit 
Im Anhang folgt neben einer instruktiven schematischen Uebersicht der 
Funktionsergebnisse der einzelnen Formen der Schwerhörigkeit eine Dar¬ 
stellung eines auf der Brühl’scheo Klinik üblichen Hörschemas, dem 
wegen seiner Klarheit und alles Wichtige berücksichtigenden Sachlichkeit 
weite Verbreitung zu wünschen wäre. 

Im zweiten Teil, der statischen Prüfung, werden die Nystagmus- 
erscheinuogen, die KörpergleicbgewichtsprüfuDgen und die Kleinhirn¬ 
funktionen besprochen. 

Sehr instruktiv und das Verständnis dieser schwierigen und wichtigen 
Untersuchungsmethoden recht erleichternd sind meines Erachtens die 
beiden schematischen ganzseitigen Abbildungen, welche den Zusammen¬ 
hang des Ampullarapparates mit dem Bewegungsmechanismus beider 
Augen und Arme und die Darstellung der Reaktionsbewegungen bei 
Reizung der Vestibularis Endstellen zeigen. Nach Besprechung der 
Barany sehen Zeigeversuche folgt zum Schluss eine schematische Tabelle 
zur Erklärung der Kleinhirnfunktionen, die aus dem Lehrbuch des Verf. 
übernommen ist, und welche die Reaktionen bei den in Betracht kommen¬ 
den Erkrankungen in übersichtlicher Weise nebeneinander stellt. 

Im Interesse einer weiteren Verbreitung der Abhandlung ist es 
zu bedauern, dass einzelne Lieferungen des Handbuches nicht käuflich 
Sln ' A. Sonntag - Berlin. 


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19. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1733 


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Literatur-Auszüge. 

Therapie. 

E. Bayer - Wien: Behandlung tuberkulöser Luogenprozesse mittels 
Vibroinhalation. (W.m.W., 1914, Nr. 27.) Durch die Yibroinhalation 
ist sowohl eine medikamentöse Beschickung der Luftwege möglich, als 
auch werden durch den rhythmisoh unterbrochenen Luitstrom die Atem¬ 
wege einer zarten Vibrationsmassage unterworfen. Als Medikament für 
chronische Tuberkuloseprozesse gebrauchte Yerf. ein Metbylglykokoll- 
säureester des Guajakols. Es ist möglich, dass Infiltrate zum Zerfall, 
Cavernen zum Schrumpfen gebracht werden können. Neben der anti- 
katarrhalischen Guajakolwirkung ist die mechanische Wirkung der Vibro- 
inhalation Ursache des Heilerfolges. Massage des Lungenparenchyms, 
Kräftigung der muskulösen Elemente, Lockerung und Lösung von Ver¬ 
wachsungen, Entfernung von Sekreten, Eiter, Blut usw. aus der Lunge. 
Verbesserung der Blutcirculation. Während der Exspirationsphase wird 
das Sekret, der Eiter und der Detritus aus dem Infiltrat wie durch einen 
Schröpfkopf aus den Lungen in die Luftwege überführt; es findet also 
eine mechanische Säuberung der Lungen statt. Auch an eine Auto- 
tuberkulinisierung des Organismus infolge der Vibroinhalation ist zu 
denken. _ Eisner. 


Diagnostik. 

H. Li pp - Waldstetten: Eine einfache Probe zum Nachweis von 
Galleifarbstoff und Hämoglobin im Harn. (M.m.W., 1914, Nr. 38.) 
Man bringt auf eine auf einem Teller ausgebreitete Schicht möglichst 
weissen Sandes etwas Urin. War im Harn Farbstoff, so bleibt in dem 
Sand ein Fleck zurück, der bei Hämoglobingehalt braun, bei Gallen¬ 
farbstoff mit einem Stich ins Grünliche ausgezeichnet ist. 

Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

N. Blumenthal und E. Fränkel - Heidelberg: Untersuchungen 
mit der Meiostagminreaktion (Ascoli und Izar). (M.m.W., 1914, Nr. 39.) 
Die besten diagnostischen Resultate erhielten die Verff. mit Graviden¬ 
sera. Theoretische Ausführungen über das Wesen der Reaktion. 

H. Beumer - Halle a. S.: Zur Bewertung des Thymus- and Lymph- 
drüsenabbaues bei Abderhalden’» Dialysierverfahren. (M.m.W., 1914, 
Nr. 39.) Aus der Thymus lässt sich kein den Anforderungen für die 
Abderhaldenreaktion gerecht werdendes, von Blutelementen freies Sub¬ 
strat herstellen. Der positive Ausfall der Reaktion mit Thymusgewebe 
ist demnach nicht ohne weiteres im Sinne einer Funktionsstörung der 
Thymus zu verwerten. Der Abbau von Lymphdrüsen ist nicht als 
spezifischer Organabbau anzusehen. Durch Parallelversuche unter gleich¬ 
zeitiger Anwendung von Thymus- und Lymphdrüsensubstrat lässt sich 
vielleicht der Nachweis eines spezifischen Abbaues von Thymusgewebe 
ermöglichen. 

W. Ammenhauser - Meschede: Untersuchungen mit dem Abder- 
halden’sehen Dialysierverfahren bei Lungentuberkulose. (M.m.W., 
1914, Nr. 39.) Sputumeiweiss ist zum Teil auch Tuberkelbacillen- 
eiweiss. Bei der Lungentuberkulose enthält das Blut spezifische Fer¬ 
mente, die Lud ge und Tuberkelbacilleneiweiss ab bauen. In ganz vor¬ 
geschrittenen Fällen sollen nach Yerf. diese Fermente wieder ver¬ 
schwinden, was auf eine ungünstige Prognose schliessen lässt. Bei 
nichtspezifisohem LuDgenkatarrh wird nach Verf. nur Lunge abgebaut. 
Bei tuberkulösen DrüsenerkraDkungen wird auch stets tuberkulöses 
DrüseDgewebe abgebaut. Im Blutserum Gesunder befinden sich gewöhn¬ 
lich keine spezifischen Abwehrfermente. Zur Frühdiagnose von Lungen¬ 
affektionen kann in Zweifelsfallen das Dialysierverfahren ein wichtiges 
diagnostisches Hilfsmittel sein. Dünner. 


Innere Medizin. 

M. Caudius - Kopenhagen: Die kolorimetrische Eiweissbestim- 
■nng als exakt analytische Methode und ihre Verwendung für Auten- 
rieth’s Kolorimeter. (M.m.W., 1914, Nr. 38.) Technische Mitteilung. 

E. Magn us - Als leben - Würzburg: Zur Entstehung der Oedeme 
bei der Nephritis. (M.m.W., 1914, Nr. 38.) Für die Versuche des 
Verf. bildete die Volhard’sche Lehre den Ausgang, dass zur Bildung von 
Oedemen eine Funktionsstörung der Capillaren notwendig sei, dass eine 
NierenstÖruDg nur eine Hydrämie bedinge, die bei CapillarstÖrung frei¬ 
lich mit Oedemen verknüpft sein kann. Wenn man also Flüssigkeit 
per os zuführt, und es wird ein Teil des Wassers retiniert, dahingegen 
bei intravenöser Injektion der entsprechenden Quantität die Injektions- 
menge ausgesebieden, so ist damit bewiesen, dass keine Störung der 
Aussoheidungs/ähigkeit der Nieren vorliegt; nur wenn es in beiden 
4allen retiniert wird, darf man die Störung in die Nieren verlegen. 
Solche Beobachtungen konnte Verf. in der Tat machen. 

/fN Hoene- Mainz: Ein seltener Fall von Bechterew’seher Krankheit. 
(D.m.W., 1914, Nr. 37.) 

W. Glaser - Augsburg: Zur Pathologie des Paratyphus abdomi¬ 
nalis. (M.m.W., 1914, Nr. 38.) Zwei Fälle, die letal verliefen. 

Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

C. F. Engelhard-Utrecht: Zur Frage der gehäuften kleinen An¬ 
fälle. (Mschr. f. Psych., 1914, August- und Septemberheft.) An Hand 
zahlreicher, genau untersuchter Fälle kommt E. zu folgenden Schlüssen: 
Die genuine Epilepsie kann zwar in Form von jahrelang täglich in grosser 
Zahl sich wiederholenden ausschliesslich kleinen Anfällen auftreten, 
doch sind diese Fälle seltene Ausnahmen. Gerade die gutartigen 
Fälle verlaufen in symptomatologischer Hinsicht sehr verschieden, die 
Bewusstseinsstörung bei epileptischem petit mal kann auch sehr leicht 
sein, sogar ganz fehlen, sie kann bei den gutartigen Fällen entweder ganz 
schlafähnlioh oder als Absence isoliert, aber auch verbunden mit 
motorischen Ausfalls- oder Reizerscheinungen auftreten. Auch können 
die Bewusstseinsstörung und die motorischen „Hemmungs“-Erscheinuogen 
in getrennten Anfällen auftreten. Das Anfallsbild kann sich während 
des Verlaufs ändern. Unwillkürlicher Urinabgang und Pupillenstarre 
wurden auch bei gutartigen Fällen beobachtet, nicht Zungenbiss. Ein 
plötzliohes Ausbrechen der kleinen Anfälle in grosser Zahl spricht im 
allgemeinen Dicht für Epilepsie, ein schleichender Anfang beweist nicht 
ohne weiteres Epilepsie. Das Ausbleiben psychischer Veränderungen 
nach längerem Bestehen der Krankheit kann schon an sich auf die gut¬ 
artige Natur hinweiseu. 

W. Grzywo-Dybrowski-Lodz: Die Wirkung des Lumiials bei 
epileptischer Demenz. (Mschr. f. Psych., 1914, Septemberheft.) Verf. 
fand in Uebereinstimmung mit anderen Autoren [ist ihm denn eine der 
ersten Arbeiten über Luminal, die von Juliusburger (B.kl.W-, 1912) 
entgangen ?], dass Luminal auch bei weitvorgeschrittenen Fällen die Zahl 
der Anfälle mindert. Auf den psyohischen Zustand hatte es in kleinen 
Dosen keinen Einfluss. Besonders gut wirkte es bei angeborener oder 
erworbener Demenz mit epileptiformen Anfällen. Auch er findet keinerlei 
Kontraindikationen. 

W. Misch und A. Lotz-Berlin: Muskel aktionsstrb'me bei organi¬ 
schen nnd funktionellen Erkrankungen des Centralnervensystems. 

(Mschr. f. Psych., 1914, Septemberheft.) Die bei organischen wie funk¬ 
tionellen Läsionen vorkommenden Veränderungen der motorischen Funk¬ 
tionen waren in 8 Fällen nicht von entsprechenden Veränderungen der 
Aktionsströme der Muskeln begleitet. 

A. Kutzinski - Berlin: Stauungspapille bei cerebralen Gefäss- 
erkrankungen. (Mschr. f. Psych., 1914, Septemberheft.) In einem Falle 
handelte es sich um eine Hirnblutung oder Erweichung nach einer künst¬ 
lichen Entbindung. Zuerst trat nur eine Neuritis optica auf, später 
deutliche Stauungspapille. Vielleicht handelte es sich um einen sich 
allmählich entwickelnden sekundären Hydrocephalus oder um eine 
stärkere seröse Durchtränkung des Hirngewebes, eine Hirnschwellung im 
Sinne Reichardt’s. Im zweiten Falle handelte sich um eine jugend¬ 
liche Arteriosclerotica, bei der es im Verlaufe von 10 Tagen zu einer sich 
steigernden Stauungspapille kam. Hier wurden die Drucksymptome 
durch die seröse Durchtränkung und Füllung alter Cysten hervorgerufen. 
Lues war auszuschliessen, die Nervi optici zeigten einen Schwund der 
Markfasern. 

K. Singer-Berlin: Atypische Schlaf-Drucklähmugen. (Mschr. f. 
Psych., 1914, Septemberheft.) S. bespricht erst die typische Form der 
Schlaflähmung, die Radialislähmung und betont, dass meist akuter oder 
chronischer Alkoholismus die Basis hierfür bietet. Ferner beschreibt er 
einige Fälle von Medianus-, Ulnaris- und Peronaeus-Schlafdrucklähmung, 
alle mit ziemlich schwerem Mechanismus zu deuten. E. Loewy. 


Röntgenologie. 

Holzknecht-Wien und Lippmann - Chicago: Vereinfachung der 
klinischen Duodenalscblaachnntersuchang. (M.m.W., 1914, Nr. 39.) 
Der Kranke schluckt nüchtern die Olive des eingeölten Schlauches in 
sitzender Stellung bis zur Marke 45 und klemmt ihn dann mit den 
Lippen fest. Hierauf besteigt er, sich vornüberneigend, sozusagen auf 
allen Vieren den Tisch und legt sich in rechter Seitenlage mit erhöhtem 
Oberkörper. Nun schiebt man den Schlauch sachte mehr dem Gewicht 
der Olive und den Atemzügen folgend bis zur Marke 70, aspiriert 
Sekret und bekommt sauren Mageninhalt. 5 Minuten Hegen lassen. 
Dann legt sich Patient auf den Rücken, Beckenhochlagerung und nach 
5 Minuten wird der Schlauch bis 80 eingeschobeu. Nach 5 Minuten 
kann man nun alkalisches Sekret gewinnen. Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner ophtlialmologlsche Gesellschaft* 

Sitzung vom 23. Juli 1914. 

1. Hr. Kirseh: Vorstellung einer Trachompatientin mit ausserge- 
wöhnlicher Neigung zur Schrumpfung der Bindehaut und zur Pannus¬ 
bildung. Die Therapie war fast machtlos, die Trichiasis gelang es, 
einigermassen zu beherrschen. Da es nie zur Blasenbildung kam, 
ist Pemphigus auszuschliessen, eine Ansicht, der sich in der Diskussion 
Herr Greeff anschliesst. 

2. Hr. Levinsohn: Zur Technik der intraokularen Druckmessug. 

(Erscheint in extenso i. d. Klin. Mbl. f. Aughlk.) 


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1734 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 42. 


3. Hr. W. Cornberg: 

Demonstration nur ränmlichen Ausmessung von stereoskopischen 
Röntgenbildern. 

C. hat ein eigenes Verfahren zur räumlichen Ausmessung stereo¬ 
skopischer Röntgenbilder ausfindig gemacht. Da die Justierung der Platten 
automatisch durch Andrücken der Ränder an drei Zapfen geschieht, die sowohl 
in Kassette wie im Messapparat an gleicher Stelle liegen, und die Tiefen¬ 
werte aller Objektpunkte an einem im Raum verschieblichen Skalenbilde 
unmittelbar abgelesen werdeü, gestaltet sich dieser erste Akt der Messung 
sehr einfach. Die Ausmessung aller beliebigen Distanzen im Objekt 
wird mit dem Lineal vorgenommen, nachdem über einer Messfläche die 
Stellen der beiden je in Betracht kommenden Objektpunkte markiert sind. 
Die räumliche Rekonstruktion eines Objektpunktes wird durch Markierung 
des Tiefenwertes an dem zugehörigen Strahl einer der benutzten Projektions¬ 
büschel erzielt. Die Distanzen zwischen solchen Marken sind direkt 
messbar. Für Fremdkörperlokalisation am Auge wird deren Lage durch 
besondere Prothesen mit Marken für Limbus und Meridiane (in Anlehnung 
an bekannte Verfahren) angegeben und die Lage des Fremdkörpers zu 
den Marken durch das Resultat der Tiefenmessung genauer bestimmt. 

Kurt Steindorff. 


Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.) 

Sitzung vom 6. Oktober J 914. 

Vor der Tagesordnung. 

Lokalanästhesie in Massen. 

Hr. Knien demonstriert einen Apparat, der eine kleine Luftpumpe 
mit Windkessel enthält; ein Druck bis zu 4 Atmosphären, d. h. der 
Druck einer Spritze kann hergestellt werden; fast alles ist auskochbar: 
der Apparat erlaubt ganze Serien von Lokalanästhesien vorzunehmen. 
Den kontinuierlichen Strom kann man durch Unterbrechungszuckungen 
in seiner Menge messen. 

Tagesordnung. 

Behandlung von Kieferfraktnren und Schnssverletznngen des 
Gesichtes. 

Hr. Warnekros demonstriert eine Gelatinemasse, die sich wie Buch¬ 
druckermasse im Wasserbade schmelzen und lärben lässt, zum Ersatz 
von Nase und Ohr; die Kranken können die Masse nach einem Gips¬ 
modell selbst formen und mit Mastix befestigen. 

Bei Kieferverletzungen muss die Hilfe des Zahnarztes auch im Frieden 
herangezogen werden. (Verordnung des Kriegsministeriums.) Die Knochen¬ 
naht wird nur noch selten angewandt. Denn sie kann bei grösserem 
Verlust an Substanz nicht genügend die gebrochenen Teile feststellen. 
Die HeiluDg wird verzögert; der Verband verhindert die Kautätigkeit; 
der Muskelzug verschiebt die gebrochenen Teile. Drahtverbände und 
Kautschukverbände stehen nun einander gegenüber. Eine wesentliche 
Unterstützung hat die Methodik durch Einspritzung von Betäubungs¬ 
mitteln in die Nähe der Bruchstelle erhalten. Auch durch die Leitungs¬ 
anästhesie ist Schmerzlosigkeit zu erreichen. Nun können die vorge¬ 
schobenen Teile redressiert und z. B. durch Draht festgelegt werden. 
Vortr. vertritt die Suerssen’sche Methode, weil die Kautschukschiene 
humaner und von jedem Zahnarzt zu benutzen ist. Der Hauptvorteil 
ist der, dass oft nur durch die Kautschukschiene mit Guttapercha- 
einlage der Kiefer zu erhalten ist. Die volle Kautätigkeit ist möglich. 

Daher muss der Arzt wissen, dass durch den Bruch Kieferklemme 
entsteht, auch das Sprechen verboten ist; eine Cocaineinspritzung ge¬ 
nügt, um nach 20 Minuten mit dem Mundsperrer die Kieferklemme auf- 
zuheben uud die Fragmente ohne Schmerzen zu redressieren. Der Zahn¬ 
arzt muss in der gleichen Lage die Beseitigung der Schmerzen erzielen 
und ohne Schmerzen den Abdruck des Unterkiefers, oftmals in zwei 
Teilen vornehmen. Auf dem Modell des Unterkiefers wird die Kautschuk- 
platte angefertigt; während ein Assistent die Teile des Unterkiefers 
redressiert, wird die Schiene, die über einer Flamme erweicht worden 
ist, in den Mund geschoben uuu die zerbrochenen Teile in die ge¬ 
wünschte Stellung hineingedrückt. Die auf beiden Seiten festgehaltene 
Schiene wird, so weit wie möglich, vom Assistenten mit kalten Wasser¬ 
bäusoben umgeben, bis die Platte erstarrt ist. Wenn nötig, muss ein 
zweites Modell hergestellt werden. 

Vortr. behandelte 20 Verwundete mit schweren Verletzungen des 
Kiefers zum Teil im Lazarett, oft bei Fieber im Bette. Die Methode 
kommt auch den Verwundeten zu statten, die keinen weiteren Transport 
aushalten können. Sie ist schon in der Bergraann’schen Klinik immer 
zur Anwendung gekommen. Suerssen hat 1870 diese segensreiche Be¬ 
handlung eingeführt. Es folgen zahlreiche Erläuterungen im Film, so 
eine äusserst schwere Verletzung durch einen Franktireurschuss aus 
nur 40 m Entfernung mit zahlreichen Kiefertrümmern. Der Verletzte 
musste vor dieser Behandlung mit der Schlundsonde ernährt werden und 
bot ein Bild des Jammers dar. Der Kranke bekam eine Schiene und 
ist schon entlassen, kann ein Butterbrot usw. essen. 

Ueber Erysipel and Sepsis. 

Hr. Joehmann: Unter Sepsis versteht man alle durch Eiterkokken 
und ähnliche Bakterien entstandenen Allgemeinerscheinungen, die zu¬ 
sammen mit der Blutinfektion oder -intoxikation im Vordergründe stehen. 


Wir sprechen auch von metastasierender Sepsis. Die einfache Anwesen¬ 
heit von Bakterien im Blute ist keine Sepsis, sondern Bakteriämie. 
Bakterien gelangen sehr häufig in den Kreislauf, z. B. bei Typhus, bei 
Pneumonie (in 70pCt. der Fälle), bei Tuborkulosc, auch bei örtlichen 
chirurgischen Infektionen, Phlegmonen. Der Befund von Bakterien ist 
nur ein Zeichen der Krankheit. Erreger der Sepsis sind vor allem 
Streptokokken, Staphylokokken, Pneumo- und Gonokokken, dann Proteus, 
der Friedländer’sche und der Gasbacillus. Sie können lange Zeit als 
Saprophyten auf Haut, Schleimhäuten und im Darm leben; die Infektion 
entsteht durch besondere Umstände autoebthon; besonders schlimm ist 
es, wenn schon einmal Infektion stattgefunden hat. Der Widerstand des 
Körpers ist sehr verschieden, tm allgemeinen besteht keine Immunität 
gegen Wiedererkrankung; das Gegenteil scheint sogar die Regel zu sein. 
Die Prädisposition ist bei Furunkulose, die durch Staphylokokken be¬ 
dingt, bekannt. Die äusseren Momente für die Infektion sind sehr ver¬ 
schieden, meist mechanischer, aber auch thermischer Art. Das wichtigste 
ist die Wundenbildung; je grösser die Wunde, desto grösser die Wahr» 
scheinlichbeit der Infektion; gefürchtet sind die Quetschwunden bei 
Granatfeuer; Schnitt- und Gewehrschusswundeö sißd harmloser. Denn 
reichliches nekrotisches Gewebe bietet den Bakterien bessere Lebens¬ 
bedingungen. Dazu kommt die Stauung von Sekreten, z. B. in Schuss¬ 
kanälen. Erkältung und Abkühlung können zu Angina und Oystitis 
führen. Meist findet sich an der Eintrittspforte Entzündung; manchmal 
dringen auch ohne Veränderungen an der Eintrittspforte die Erreger 
schneit ein und erzeugen schwere Krankbeitsbilder. An der Haut ist 
der Weg der Infektion durch Lympbangivitis gekennzeichnet; es folgt 
die Infektion der Lympbdrüsen. Oder die Bakterien driDgen direkt in 
geöffnete kleine Lymphgefässe oder auf dem Wege der Infektion der 
Thromben ein, z. B. bei der otogenen und puerperalen Sepsis. Dann 
können die Keime auch aus dem primären Eiterherd durch die Gefäss- 
wand hinein wuchern. Sind sie in der Blutbahn, so kommt es zum 
Kampf mit den Abwehrkräften des Blutes. Vermehrung der Keime 
findet ira Blute nicht statt. Das Blut tötet die Bacillen ab. 

Vielmehr findet entweder dauernd oder schubweise der Eintritt der 
Keime ins Blut von der Eingangspforte oder den Metastasen her statt. 
Das gilt besonders von der Thrombophlebitis. Besonders gefährlich ist 
in dieser Hinsicht die septische Endocarditis. Das Bild der Sepsis ist 
sehr wechselvoll. Plötzlich beginnt hohes Fieber, Krankheitsgefühl, dem 
oft ein Schüttelfrost vorausgeht; es gibt aber auch einen schleichenden 
Verlauf. Die Dauer ist sehr verschieden. Manche Kranke gehen, tie 
vergiftet, in 24 Stunden zugrunde; mit Cyanose, fliegendem Pulse, be¬ 
schleunigter Atmung, Erbrechen, spontanem Stuhl und Harn, unter Un¬ 
ruhe und Delirien oder Coma erfolgt der Tod. Manche Fälle dauern 
2—3 Wochen, andere sogar mehrere Monate. Die Streptokokken be¬ 
dingen meist unregelmässige, remittierende Temperatur, das Fieber bei 
Staphylokokkeninfektion ist mehr intermittierend, bei Colibacillen steil 
intermittierend, ebenso bei Gonokokken. Die initialen Schüttelfröste 
finden sich auch bei Allgemeininfektionen ohne Eiterung. 

Die septischen Erkrankungen der Haut sind sehr mannigfaltig. 
Toxisch sind die Blutungen, die bald Stecknadel kopfgross, bald linsen¬ 
gross, bald flächenhaft sind; die Schädigung der Gefässwand gestattet 
den Austritt des Blutes. Der höchste Ausdruck ist die hämorrhagische 
_ Diathese. Die Metastasen der Haut sind linsengrosse Infiltrate bei 
Streptokokkensepsis oder hämorrhagische Exantheme bei Pyocyaneus; sie 
sitzen in ArterienästeheD oder es kommt zu Embolien. 

Es können zwar alle septischen Organ Veränderungen durch jeden 
Erreger verursacht werden. Aber sie besitzen eiue bestimmte Vorliebe 
für manche Organe. Streptokokken siedeln sich in Lunge, Endocard, 
Staphylokokken in der Niere, Pneumokokken in den Meningen an; 
letztere gelangen in die Lungen, der Pneumonie folgen dann meist In¬ 
farkte und Abscesse; aus den Infarkten entwickelt sich die sekundäre 
Pleuritis, die primäre durch Embolie,. Dann kommt es zu Endocarditis, 
besonders wenn alte Veränderungen vorausgiugen. 

Bei V; aller Fälle findet sich Endocarditis. Dazu kommen Ver¬ 
änderungen der Coronargefässe und toxische Schädigungen des Myocards. 
Besonders bedeutsam ist die Verminderung des Gefässtonus durch cen¬ 
trale Vasoraotorenlähmung. Wichtig ist die Thrombophlebitis, z. B. bei 
der Furunkulose der Oberlippe mit Thrombose der Hautvenen, die zum 
Gehirn laufen. Weniger häufig ist eine Erkrankung der Arterien¬ 
wandungen, die zu Embolien führt. Gangrän ist die Folge; zuweilen 
setzt sie kleine Aneurysmen im Gehirn. Im Auge kommt es zu Oph¬ 
thalmie und zu Vereiterung des ganzen Auges. Toxisch sind die Netz- 
hautveränderungen, Netzhautblutungen, ferner weisse miliare Flecke in 
der Netzhaut nahe der Papille- Am Ohr kann es zu centraler Taub¬ 
heit kommen. Besonders häufig sind die Gelenke gesobädigt; die Gelenk¬ 
schwellungen sind teils serös, teils eitrig; aber es gibt auch Gelenk¬ 
schmerzen ohne nachweisbare Veränderungen. In den Moskeln finden 
sich oft Eiterungen bei Staphylomykose, auch das Knochenmark wird 
durch diese Kokken leicht geschädigt; das zeigt sich regelmässig durch 
Schmerzen ira Rücken und in den Gliedern an. ToxinvergiftuDg erzeugt 
Benommenheit, Kopfschmerzen, nervöse Erregung und Meningismus. 
Eitrige Meningitis findet sich bei otogenen und Pneumomykosen, Gehirn- 
abscesse nach septischer Endocarditis. Weniger bekannt sind die durch 
Erkrankung der Gefässwand bedingten Aneurysmen des Gehirns. 1® 
Bauche werden namentlich Milz, Leber und Niere geschädigt. Eine 
Toxinwirkung ist die Zerstörung der roten Blutzellen in der Milz, die 
Neubildung von weissen Zellen; dazu kommt die massenhafte Anhäufung 
von Mikroben. Oefter gibt es Druckschmerzen in der Milz. D* 211 


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19. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1735 


kommen Infarkte und Perisplenitis. Die Leber zeigt parenchymatöse 
Schwellung und Icterus; derselbe ist hepatogen; denn im Harn sind 
Gallensäuien. In der Niere finden sich Schädigungen der Glomeruli, 
parenchymatöse Nephritis, Hämorrhagien. Auch im Darm kommt es zu 
Metastasen in der Mucosa, ferner toxischen Durchfällen. Auch die Art 
de 9 Erregers färbt das Krankheitsbild. 

Die Streptokokkensepsis befällt am häufigsten die Gelenke, Endo- 
eard und Lungen; zu unterscheiden sind hier der Str. baemolyticus (in 
den Wochenbetten), Str. viridans (Endocarditis), putridus und mucosus. 
Die zweite Form der Sepsis ist schleichend. 

Der einfachste Einfallsweg ist die Blutbahn, dann die Schleimhäute 
des Rachens, der Ohren, der Genitalien, ferner Wunden jeder Art. 

Bei Stapbylococcus (pyogenes aureus und albus) liegen Ver¬ 
letzungen der Haut vor; dazu kommen die Schleimhäute der Harn¬ 
wege usw. Hier können eitrige Entzündungen nach Operation an der 
Harnröhre, Bougieren usw. agents provooateurs sein. Aber auch von 
den Mandeln und Genitalien kann die Sepsis entspringen. Charakte¬ 
ristisch ist die Bildung eitriger Metastasen; hier finden sich in 95 pCt. 
Staphylokokken, in 2—3 pCt. Streptokokken. 

Die Gasbacillensepsis nach Wunden ist nicht selten. Sie bildet die 
Gasphlegmone. Man fühlt deutlich das Knistern der Gasblasen unter 
der Haut. Die Erreger sind die dicken plumpen Stäbchen Fränkel’s. 
Die Körperhaut wird bronzegelbbraun; dazu kommt Cyanose, in zwei 
Tagen erfolgt unter Kurzluftigkeit der Tod. Auch Hämoglobinämie und 
-urie findet sich. Nach dem Tode sieht man Schaumorgane, Leber, 
Niere und Herz sind durch Gasblasen durchlöchert. 

Für die Therapie ist wichtig die Verstopfung der Quellen der Blut¬ 
infektion; Eiterbeutel sind zu entleeren, Phlegmonen zu eröffnen, ganze 
Glieder abzusetzen. - Auch bei eitrigen Metastasen in Gelenken und 
Lungen sind durch Entfernung der Eiterung die Quellen zu verstopfen. 
Nur bei septischer Endocarditis ist nichts zu machen. Gute 
Pflege ist nötig; desgleichen gute Ernährung. Io der Frage des Alko¬ 
hols tritt Vortr. für massige Mengen ein; er liefert beträchtliche Mengen 
Calorien, hebt den Appetit und die Stimmung. Reichliche Zufuhr von 
Flüssigkeit verdünnt die Toxinmenge, steigert die Diurese; bei be¬ 
nommenen Kranken sind subcutane Infusionen von physiologischer NaCl- 
Lösung zu empfehlen. Man gibt 1 Liter, auch intravenös ist die An¬ 
wendung indiziert, desgleichen die Tröpfchen-Einläufe von NaCl-Lösung 
(Katzenstein). Keine Antipyretica. Denn das Fieber ist eine Ab¬ 
wehrbewegung. Nur bei Störung des Sensoriums gebe man kühle 
Packungen und Bäder. Innere Desinfektion ist erfolglos. Collargol- 
infusionen und Clysmen, desgleichen von Elektrargol, die Erzeugung 
steriler Abscesse durch Terpentinölinjektionen in den Oberschenkel, 
Agatoxyl, spezifische Serumbehandlung haben sich in der Hand des 
Vortr. bisher nicht nachweisbar bewährt. Mode. 


Kriegsskizzen. 

Von 

Dr. Arthur Münzer, zurzeit im Felde. 

IV. Abend. 

Ein heisser Tag war zu Ende gegangen. Wir waren tüchtig 
marschiert und erst spät in die Quartiere gerückt. Verschiedene unserer 
Kolonnen hatten draussen Biwak bezogen. Flugs wurde das leckere 
Mahl bereitet, das nach des Tages Last und Mühen noch einmal so gut 
mundete. Der Himmel war klar und erstrahlte in dunklem Blau. 

Am fernen Westen ging die Sonne unter, und die Abendröte über¬ 
zog das Firmament. Goldigrot sohimmerte die Erde. Auf den Feldern 
lagerten rings umher die Mannschaften; die Pferde standen ruhig bei¬ 
sammen. Alles war still und lautlos — tiefster Friede. 

Da zog nun allmählich der Mond herauf, und die Sterne erschienen 
einer nach dem anderen. Es wurde immer dunkler. Nach kurzer Zeit 
war am Himmel das ganze weite Sternenzelt erbaut, und der Mond 
strahlte drüber hinweg. Ueber die Erde aber breitete sich der samt- 
weiohe Schleier des Helldunkel, dessen Zauber wir so oft in sternen¬ 
klaren Sommernächten geniessen. Nun werden die Lagerfeuer ent¬ 
zündet, hier und da leuchtet’s auf und loht bald empor zur hellen 
Flamme. Ueberall sprüht’s und knistert’s. Die Mannschaften lagern sich 
um die Feuer. 

Wir schauen von einem höher gelegenen Standort hinaus auf die 
weite Ebene, sehen den Mond blinken, die Sterne funkeln, die Feuer 
flammen. Und träumen — von der fernen Heimat, von unseren Lieben, 
von Schlachten, Kriegsgetüinmel. Und denken und sinnen . . . Hier 
draussen bei uns herrscht heute abend tiefer Friede, und doch ist Krieg. 

Da plötzlich fängt’s in der Ferne an zu singen: „Es braust ein Ruf 
*ie Donnerhall.“ Ganz leise beginnt’s, noch weit weg, immer näher 
und näher kommt’s, immer mehr schwillt’s an. Und sie alle, wie sie da 
um die Feuer lagern, im Abenddunkel, stimmten begeistert mit ein in 
den alten Sang. Wie ein Schwur klang’s zum Himmel. Viele Lieder 
noch tönten hinaus in die klare Nacht, und die Stimmung wurde immer 
freudiger. 

Wie sie geendet, da begann ein einzelner. Es war ein Tenor mit 
m? e - r J e * neu » weichen Stimme. Die alten Soldatenlieder: „Stolzenfels am 
’ .»^® ure Heimat, sei gegrüsst“ usw. Wir alle hörten in Er- 
pifienheit die altbekannten Weisen; so einfach sie auch sind, sie packen 


doch immer wieder. Wie unser Tenor da draussen sang in der Stille 
der Naoht, beim Schein der Wachtfeuer, das war ein wahrer Zauber. 
Er hatte uns aus dem Grau des Alltags entführt in sonnige Höhen. Als 
er geendet, lohnte rauschender Beifall dem wackeren Sänger. 

Wir alle, die wir dabei waren, wir werden jene Naoht im Felde 
mit dem Mond und den Sternen, mit ihrem samtweichen Schleier, mit 
den Wachtfeuern und den Liedern — wir werden sie nicht vergessen. 

V. Im Kloster. 

Das Abendbrot war beendet. Nachdem wir noch einige Zeit mit 
Plaudern und Erzählen verbracht, legen wir uns zur Ruhe nieder. Im 
Schloss, in dem wir einquartiert waren, ist alles ruhig. Schon mehrere 
Stunden mochte ich wohl in tiefem Schlummer gelegen haben, als plötz¬ 
lich ziemlich unsanft an meine Tür gepocht wird. Schlaftrunken fahre 
empor, und da höre ich auch schon meinen Barschen rufen, es sei eine 
Schwester aus dem Dahen Kloster da, die um Hilfe für einen schwer 
Verwundeten bitte. Nach wenigen Minuten bin ich unten. Eine Ordens¬ 
schwester, begleitet von einem deutschen Soldaten, begrüsst mich in 
unverfälschtem, rheinischem Dialekt. War das eine Freude, einmal 
wieder unser geliebtes Deutsch zu hören! Für den in der Fremde 
Weilenden klingt es wie die schönste Musik. 

Wir maohen uns auf den Weg. Die Schwester erzählt mir, es 
handle sich um einen schwer Verwundeten mit Schulterschuss. Der 
belgische Arzt, der sonst im Kloster behandelt, ist am Tage nicht mehr 
durch die deutsche Postenkette gekommen, und da der Mann durchaus 
nach einem Arzt verlangte, ist sie schnell in das Schloss geeilt. 
„Früher“, so plaudert sie weiter, „war alles hier so schön und ruhig; 
unser Kloster war eine Stätte des Friedens. Wer hätte je geglaubt, 
dass es so kommen könnte!“ 

Wir sind unterdessen durch das ganz ruhige Dorf zum Kloster ge¬ 
langt. Die Glocke wird gezogen, eine Schwester erscheint und geleitet 
uns freundlich in das Krankenzimmer. Es ist 4 Uhr nachts. Da lagen 
ungefähr 8 Verwundete; einzelne schlafen; andere liegen wach und 
schauen still vor sich hin. Der Mann, dessentwegen ich geholt worden 
war, hatte einen schweren Sohulterschuss mit nachfolgendem Pneumo¬ 
thorax, der ihm wohl starke Beschwerden verursachte. Seine erste Frage 
war, ob er wohl durchkommen würde. Erst ein halbes Jahr sei er ver¬ 
heiratet und wolle doch so gerne seine Frau noch Wiedersehen. Und 
jetzt habe er so starke Schmerzen, und ob er nicht etwas zur Linderung 
bekommen könne? Es gelang schnell, den Mann zu beruhigen, eine 
Morphium inj ektion nahm ihm seine Schmerzen, und bald lag er in 
tiefem Schlummer. 

Ich sah mich ein wenig im Zimmer um und sprach mit den ein¬ 
zelnen Verwundeten, die unterdessen erwacht waren. Auf ihren Ge¬ 
sichtern prägte sich kein Schmerz; sie alle waren vielmehr stolz, mit 
dabei gewesen zu sein. Voll innerer Erregung erzählten sie von den 
Gefechten, an denen sie teilgenommen und wie sie kampfbegeiatert vor- 
gegangen, bis die Kugel sie getroffen. Die Schwestern lächelten milde, 
beruhigten mit ein paar gütigen Worten die Helden, und bald waren 
sie alle wieder eingeschlafeo. Ich machte mich still davon and dachte 
unterwegs an das eben Gehörte. An unsere Helden, die so todesmutig 
in den Kampf gezogen und so stolz darauf waren, sich fürs Vaterland 
geopfert zu haben. An meinen Verwundeten, ob er wohl wieder gesund 
werden und heimkehren würde zu seiner jungen Frau. An die Schwestern, 
wie sie so ruhig und milde ihres schweren Amtes walteten. An das 
kleine Zimmer, in dem sie nun alle lagen mit ihren Schmerzen and 
sehnsüchtig der Genesung harrten. Und das alles verwob sich zu einem 
einzigen Bilde, das, so winzig es auch im Rahmen der Gesamtheit er¬ 
schien, für sich allein doch als ein eigenes wirkte. Und so manches 
Mal, wenn wir am frühen Morgen ins Feld binauszogen, entsinne ich 
mich jener Bilder, und ich sehe wieder das Krankenzimmer, von trübem 
Lampenschein erhellt, die Verwundeten mit ihren leuchtenden Gesiohtern, 
die Schwestern, milde für ihre Pflegebefohlenen sorgend. Und ganz zum 
Schluss höre ich meinen Schützling fragen: „Herr Doktor, ob ioh wohl 
durchkomme? Ob ich wohl meine Frau Wiedersehen werde?“ . . . 

VI. Brüssel. 

Als eines Tages der Befehl erteilt wurde, Quartier in Schaerbeek zu 
beziehen, war unsere Freude gross. 

Schaerbeek ist ein Vorort Brüssels, und von hier aus war es leicht, 
die schöne Hauptstadt Belgiens kennen zu lernen. Ein Quartier war 
schnell gefunden, und nachdem wir uns daselbst eingerichtet, ging’s fort 
nach Brüssel. Unser Weg führt zunächst durch kleinere Strassen, die 
ihr normales Aussehen durchaus bewahrt hatten. Erst auf der Strasse, 
die zum „Gare du Nord“ führt, wird’s lebhafter: hier sieht man sohon 
die Leute in Gruppen zusammenstehen und lebhaft miteinander diskutieren. 
Einzelne deutsche Soldaten begegnen uns. Der Bahnhof selbst bietet 
ein seltsames Bild: dort ist unser Militär Alleinherscher. Draussen 
stehen eine Reihe Posten mit aufgepflanztem Seitengewehr, auf den 
Bahnsteigen wimmelt es von Soldaten, Militärautomobilen und sonstigen 
Fahrzeugen. Auch die Feldpost ist hier untergebracht. Gerade war einer 
der Züge aus Deutschland, die ja jetzt schon bis Brüssel durchfahren, ange¬ 
kommen und hatte eine Anzahl deutscher Schwestern mitgebracht. Die 
standen nun in ihrer schmucken Tracht da und harrten der Erfüllung 
ihrer Aufgaben. Auf dem Platz vor dem Bahnhof geht’s lebhaft zu, ein 
reges Kommen und Gehen, das echte Treiben der Grossstadt. Auf ein¬ 
zelnen der ersten Hotels am Bahnhof weht die Flagge des roten Kreuzes; 
sie sind zum Teil als Ambulanzen bzw. als Lazarette eingerichtet. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHE NSCHRI FT. 


Nr. 42. 


Durch den am Bahnhof beginnenden Boulevard du Nord fluten mächtige 
Menschenrassen, und besonders in den Abendstunden herrscht hier ein 
lustiges Getriebe. Mitten unter den Belgiern bewegen sieb unsere 
Soldaten, alle Waffengattungen sind vertreten. Man ist hier im fremden 
Land, gerade als müsste es so sein, als gehörten wir hierher. Wir 
waren recht schnell in der Stadt vertraut geworden. Natürlich erregte 
das deutsche Militär unter der Bevölkerung gewaltiges Aufsehen, und 
wenn die Regimenter rum Teil mit Musik durch die Strassen zogeD, so 
sammelten sich die Menschen in hellen Haufen und sahen voller Staunen 
unsere Truppen vorübermarschieren. Auf den Strassendämmen rasten 
unsere Autos, Motorräder und Radfahrer dahin; eine besondere Freude 
war's auch zu sehen, wie keck und frohgemut unsere jungen Pfadfinder 
auf ihren Rädern den Weg durch die Strassen Brüssels fanden. 

An den Anschlagsäulen bzw. Mauern und Zäunen werden die kurzen 
und präzisen Mitteilungen des deutschen Militärgouvernements in 
deutscher, französischer und flämischer Sprache veröffentlicht. In ihrer 
schmucklosen, rein sachlichen Form üben sie eine doppelt starke 
Wirkung aus, und man sieht daher auch allenthalben zahlreiche 
Menschen in die Lektüre der Veröffentlichungen vertieft. 

Vom Boulevard du Nord führt der Weg gerade herunter in den 
'Boulevard Anspach, eine der Hauptstrassen Brüssels. Hier ist Laden an 
Laden, und unsere Soldaten, sowohl Offiziere wie Mannschaften, sind 
recht eifrige Käufer. Es gab soviel zu ergänzen und neuanzuschaffen, 
und besonders wenn man einmal auf deu Kalender schaute und den 
Herbst bedenklich näher rücken sab, da biess es: Vorsorge tragen für 
die kältere Jahreszeit. 

Wir konnten uns im allgemeinen über das Wetter nicht beklagen. 
Am Tage hatten wir meist schönen Sonnenschein uDd blauen Himmel; 
und dann kamen die sternenklaren Nächte. So wundersam ruhig war’s 
in solchen Nächten, dass man sich weit, weit hinwegträumen konnte. 
Und dann, wenn am Morgen wieder die Geschütze donnerten, die Regi¬ 
menter marschierten, da waren wir wieder in der Wirklichkeit, da stand 
der Krieg in seiner ehernen Grösse vor uns. Und wieder eilten durch 
die Strassen Brüssels unsere Soldaten, die Automobile rasten, uud eine 
verhaltene Erregung durchzitterte die Stadt. 

Am Ende des Boulevard Anspach gelangt man zur Place de la 
Bourse, einem Verkehrsmittelpunkt. Wir schwenken Dach links ab, um 
zum Rathausmarkt zu gelangen. Ich sah das Rathaus zum ersten Male 
gegen Abend. Im Schein der Dämmerung leuchtete der Turm in einem 
seltsamen Bläulichweiss. Auf dem Platz selbst war alles in ein geister¬ 
haftes Halbdunkel gehüllt, in welchem die Schönheit des Rathauses so¬ 
wie der umliegeuden Gildehäuser nur noch magischer erschien. 

Noch mancherlei gab’s in Brüssel für uns zu sehen. Da bewunderten 
wir den machtvollen Justizpalast, der, auf einer Anhöhe gelegen, die 
Stadt beherrscht. Vor ihm sind mehrere Geschütze aufgefahren, um bei 
eintretenden Unruhen eine sofortige Besohiessung Brüssels zu ermög¬ 
lichen. Wir waren in dem vornehmen Schloss Laeken, Sommerresidenz 
des Königs, die jetzt verlassen daliegt. Ein Nachmittagsspaziergang 
führt uns ins Bois de la Cambre, einer der beliebtesten Treffpunkte für 
die Brüsseler Welt. Und doch, unser Sinnen haftet nicht an äusseren 
Eindrücken. Immer wieder wandern wir in Gedanken dorthin zurück, 
wo die Geschütze donnern und unsere braven Jungen für Gut und Blut 
kämpfen. Und leise spricht wohl mancher vor sich hin: „Vater, ich 
rufe dich!“ 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In einem unserer Standesorgane war kürzlich die Verleihung 
des Eisernen Kreuzes an zwei Kollegen angezeigt mit dem Zusatz 
in Fettdruck „am schwarzweissen Baude“. Diese Fassung der Notiz 
lässt vermuten, dass ihr Verfasser das schwarzweisse Band bei Ver¬ 
leihung des Eisernen Kreuzes an Aerzte für eine Ausnahme gehalten hat. 
Das war im Jahre 1870 so; da erhielten nur die Kombattanten, zu 
denen die Aerzte damals nicht gerechnet wurden, das schwarzweisse 
Band, die Aerzte hingegen das weisse. In diesem Kriege ist der obige 
Unterschied nicht gemacht worden, sondern für Verdienste auf dem 
Kriegsschauplatz wird das eiserne Kreuz am schwarzweissen Bande, für 
solche ausserhalb des Kriegsschauplatzes und im Heimatgebiet am weissen 
Bande verliehen. Im übrigen haben diese Auszeichnung bisher 120 aktive 
Aerzte erhalten; von Mitarbeitern dieser Wochenschrift sind weiterhin 
darunterzu nennen Generalarzt Prof. Kümmel 1-Hamburg undProf. Rehn- 
Frankfurt, Stabsarzt Hans Posner, Oberarzt der Reserve Bruno 
Glaserfeld und Oberarzt der Reserve Martin Hirschberg; ferner 
Stabsarzt d. L. Braun-Solingen, Dr. G. Seefisch-Berlin und Stabs¬ 
arzt d. R. Möllenberg-Lützen. 

— Am 22. Oktober 1914, abends 8 Uhr, hält Herr M. Rothmann 
im Beethoven-Saal zum Besten der Kämpfer in unseren Kolonien und 
ihrer Hinterbliebenen einen Demonstrationsvortrag über die Forschungs¬ 
station für Menschenaffen auf Teneriffa. 

— In den Orten Ostpreussens, wo wegen des herrschenden Aerzte- 
mangels Aerzte vorübergehend angestellt werden, erhalten diese von den 
Behörden die Erstattung der Reisekosten, freie Wohnung u-nd 
25 M. tägliche Entschädigung. Dafür müssen die Zahlungsunfähigen 
umsonst behandelt werden. Die fraglichen Orte sind behördlich fest¬ 


gestellt. Es bleibt Vorbehalten, dass während der Dauer der Beschäfti¬ 
gung ein Wechsel des Aufenthalts eintritt. Auskünfte durch Medizinal¬ 
rat So lbrig-Königsberg. 

— Volkskrankheiten. Pest. In Saloniki ist den Blättern zu¬ 
folge die Pest ausgebrochen; auch die Veröffentlichungen des Kaiserlichen 
Gesundheitsamtes berichten vom 12. IX. 7 Pestfälle. In Smyrna warde 
am 1. IX. 1 Fall angezeigt, auch Catania ist seitens Norwegen iiir 
pestverseucht erklärt. In Niederländisch-Indien sind zahlreiche 
Fälle zur Anzeige gelangt. — Cholera. Vom 20. bis 26. IX. wurden 
in Oesterreich 26 Erkrankungen und 2 Todesfälle gemeldet, durchweg 
beim Militär; in Ungarn vom 25. IX. bis 1. X. 183 Fälle. Russland. 
In Kiew ist die Cholera ausgebrochen. — Genickstarre. Preussen. 
Vom 27. IX. bis 3. X. 5 Erkankungen und 1 Todesfall, und zwar Landes¬ 
polizeibezirk Berlin 2 (1), Reg.-Bez. Königsberg 1, Magdeburg 1, Stettin 1. 
ln Oberösterreich 3 Erkrankungen. — Spinale Kinderlähmung. 
Vom 27. IX. bis 3. X. I Fall im Kreise Pinneberg (Schleswig). Für 
20. bis 26. IX. noch 2 Fälle für Reg.-Bez. Düsseldorf nachzutragen. — 
Ruhr. Preussen. Vom 27. IX. bis 3. X. 617 Erkrankungen und 
24 Todesfälle. 

Hochschul nach richten. 

Bonn. Habilitiert: DDr. Gerhartz für innere Medizin und Yeszi 
für Chirurgie. — Kiel. Privatdozent Behr wurde zum 1. Assistenten 
an der Universitäts-Augenklinik mit dem Titel Oberarzt ernannt. 

Verlustliste. 

I. Gefallen: Einj.-Freiw. W. Bestehorn, Zahnarzt, 1. Garde- 
Reg. Oberarzt Dr. 0. Brian, 8. rhein. Pion.-Bat. Stabsarzt d. R. 
Dr. A. Dessauer, 1. bayer. Feldart.-Reg. FelduDterarzt Dr. R. Fuchs, 
lies. Inf.-Reg. Nr. 7. Stabsarzt Dr. K. Grillmeier, 2. bayer. Inf.-Reg. 
Kriegsfreiwill. K. Knopf, caad. med., Inf.-Reg. Nr. 110. Stabsarzt 
Dr. K. Koch, Res.-Inf.-Reg. Nr. 102. Oberarzt d. R. Dr. C. Lembach, 
Inf.-Reg. Nr. 67. Oberarzt d. R. Dr. M. Lichtenberger. Einj.-Freiw. 
W. Niefanger, cand. med., bayer. laf.-Reg. Nr. 1. Freiw. Bataillons¬ 
arzt Dr. E. Schwarz, Res.-Inf.-Reg. Nr. 17. A. Wernich, stud. med., 
bayer. Inf.-Reg. Nr. 19. Dr. R. Zorn. 

II. Gestorben: Stabsarzt d. L. Dr. Hey er. Stabsarzt d. R. 
Dr. W. Bausch. Oberarzt d. R. E. H. Wolf aus Nieder-Saulheim. 

III. Verwundet: Stabsarzt d. R. Anschütz, Füs.-Reg. Nr. 90. 
Feldunterarzt Dr. Brandt, Feldlaz. Nr. 44 des 9. Res-Korps. Stabs¬ 
arzt d. R. Dr. Friese, Feldart.-Reg. Nr. 23. Stabsarzt Dr. Hensel, 
5. sächs. Inf.-Reg. Nr. 104. Oberarzt d. R. Dr. Kross, Feldlaz. des 
9. Armeekorps. Unterarzt Dr. K. Lange, Inf.-Reg. Nr. 63. Stabsarzt 
d. R. Dr. Paderstein, Elisabeth-Garde-Gren.-Reg. Stabsarzt d. R. 
Dr. L. Rocke. 

IV. Gefangen: Unterarzt Dr. Holstein. Oberarzt d. R. Dr. David- 
sohn. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Niederlassungen: Aerztin E. Greizen und Aerztin E. Thiel in 
Berlin, Dr. R. Rief in Erfurt, H. Lange in Hannover, Dr. F. Port 
in Göttingen, Dr. K. Matthiae in Hildesheim, Dr. A. Loeb, 
J. Schweitzer, A. Vögele, H. Becher und W. Ebertsheim in 
Frankfurt a. M. 

Verzogen: Dr. J. Reeploeg von Mülheim (Ruhr), A. Scotti und Dr. 
0. K uff ler von Cbarlottenburg sowie L. P. Dithmer von Reisholz 
nach Düsseldorf, H. Schülke und W. Schmidt von München nach 
Barmen, Dr. F. Hoevel von Posen nach Duisburg, Dr. F. Thom 
von Frankfurt a. 0. und Dr. A. Kesseler von Bonn nach Hamorp, 
Dr. J. Topp von St. Hubert nach Büderich b. Neuss, Dr. K. Phi¬ 
lipp von Düsseldorf nach Cöln, Geh. San.-Rat Prof. Dr. K. Hopmann 
von Cöln nach Godesberg, Dr. F. Karl von Charlottenburg, Aerztin 
Dr. J. Freiin v. Kittlitz von Bad Elster, Dr. H. Vehsemeyer von 
Berlin-Schmargendorf und Dr. P. Zander von Frohnau nach Berlin, 
Dr. S. Gottschalk, Aerztin Dr. J. Lewy, Dr. M. Rothenberg 
und Dr. M. Weyl von Berlin, Dr. L. Hirsch von Breslau sowie Dr. 
L. Schloss von Brunshaupten nach Charlottenburg, Dr. E. Kegel 
von Charlottenburg nach Metz, Dr. J. Lach mann von Charlottenburg 
sowie Dr. L. Löwenstein und San.-Rat Dr. Pb. Nast von Berlin 
nach Berlin-Schöneberg, Dr. J. Levi von Berlin-Schöneberg nach 
Offenburg, Dr. H. Wolfram von Berlin nach Saargemüod, Dr. F- 
Kunigk von Schweslin nach Kolberg, _R. Erdmenger von Sollsteat 
nach Bleicherode, Dr. F. Rahlff von Überreifen berg i. T. nach Soll¬ 
stedt, Dr. J. Hopfner von Wrisbergholzen nach Göttingen, A. Dorr 
von Würzburg und Dr. H. Schröder von Lüneburg nach Hildesheini. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. F. Raether 
von Berlin. 

Gestorben: Dr. D. Riesen feid in BerliD, San.-Rat Dr. R. Got - 
schalk in Frankfurt a. M.-Ginnheim, San.-Rat Dr. V.VoIkwein m 
Sigmaringen. _ _ 

Fßr die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kehn, Berlin W., BayreutherStrass« U- 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSITY OF IOWA 



BERLINER 



Dio Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Montaj? In Nummern von ca. 5—6 Rogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstaiten an. . 


Alle Einsendungen flir die Redaktion and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
Angust Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 20. Oktober 1914. 


JV2 43. 


Einundfünfzigstor Jahrgang. 


INHALT. 


Originaliea: Lichtwitz: Zur Behandlung der Cholera. S. 1737. 

du Bois-Reymond: Ueber die Anwendbarkeit des Gesetzes der 
korrespondierenden Geschwindigkeiten auf die Gangbewegung von 
Menschen und Tieren. S. 1738. 

Newmark: Ueber im Anschluss an die Lumbalpunktion eintretende 
Zunahme der Kompressionserscheinungen bei extramedullären 
Rückenmarkstumoren. S. 1739. 

Mandler: Uteramin in der Praxis. (Aus dem Kaiser Franz Josef- 
Ambulatorium Wien VI.) S. 1740. 

Kern: Ueber die Anwendung der epifascialen (bzw. intramuskulären) 
Neosalvarsaninjektiooen nach Wechselmann im Kiudesalter. (Aus 
dem Grossen Friedrichs-Waisenhaus der Stadt Berlin.) S. 1742. 
Wienskowitz: Ueber die angeborene Wassersucht. (Aus dem 
pathologischen Institut des städtischen Krankenhauses in Wies¬ 
baden.) (Schluss.) S. 1743. 

Coenen: Der Pfeil als Fliegerwaffe. (Illustr.) S. 1745. 

BBcherbesprechnngei: Strümpell: Lehrbuch der speziellen Pathologie 
und Therapie. S. 1745. (Ref. Hirsch.) — Gregor: Lehrbuch der 
psychiatrischen Diagnostik. S. 1745. Margulies: Diagnostik der 
Nervenkrankheiten. S. 1745. (Ref. König.) — Heller: Päda¬ 


gogische Therapie für praktische Aerzte. S. 1745. — Neumann 
und Mayer: Atlas und Lehrbuch wichtiger tierischer Parasiten und 
ihrer Ueberträger. S. 1746. (Ref. Tilp.) 

Literatur-Auszüge : Physiologie. S. 1746. — Therapie. S. 1746. — 
Innere Medizin. S. 1747. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1747. — Kinderheilkunde. S. 1747. — Chirurgie. S. 1747. — 
Röntgenologie. S. 1747. — Urologie. S. 1747. — Haut- und Geschlechts¬ 
krankheiten. S. 1748. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1749. — 
Augenheilkunde. S. 1749. — Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten. 
S. 1750. — Kriegsmedizin. S. 1750. — Unfallheilkunde und Ver¬ 
sicherungswesen. S. 1750. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Forensisch-medizinische 
Vereinigung zu Berlin. S. 1750. — Medizinische Gesell¬ 
schaft zu Leipzig. S. 1751. — Naturwissenschaftlich¬ 
medizinische Gesellschaft zu Jena. S. 1752. — Aerztlicher 
Verein zu Essen-Ruhr. S. 1752. — Gesellschaft für Morpho¬ 
logie und Physiologie zu München. S. 1753. 

I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zu 
Bad Homburg y. d. H. S. 1753. 

Tagesgeschichtl. Notizen. S.1756. — Amtl. Mitteilungen. S.1756. 


Zur Behandlung der Cholera. 

Von 

Prof. Dr. L. Lichtwitz-GöttiDgen. 

Die Cholera asiatica ist der Mehrzahl der deutschen Aerzte 
unbekannt. Auch der Verfasser dieser Zeilen kennt sie nicht. 
Gerade darum beschäftigt man sich, wenn der Ausbruch dieser 
Seuche viel näher gerückt ist als sonst, mit der Frage der Be¬ 
handlung. 

Der Choleraanfall, das Stadium algidum, führt nach Grie¬ 
singer in etwa 80 pCt. der Fälle zum Tode. Dieser gefährlichste 
Zustand im Verlaufe einer Cholerainfektion bedeutet eine mit 


man an der Kanüle die einzelnen Tropfen eben noch erkennen, aber 
nicht mehr zählen kann. Ein Tropfenzähler kann wegen der Gefahr der 
Luftembolie nicht verwandt werden. Der Schlauch wird mit den Fingern 
abgeklemmt, die Kanüle von dem Conus abgenommen und in die Vene 
eingestossen. Sobald aus der Kanüle Blut tropft, wird der Conus mit 
der Kanüle verbunden. Der Irrigator wird aufgehäogt, Schlauch und 
Kanüle mit Heftpflasterstreifen am Vorderarm befestigt. Die Dauer der 
Infusion eines halben Liters soll 2—3 Stunden betragen. Wenn die 
Wirkung einer solchen Dauerinfusion abklingt, wird die zweite angesetzt. 
Das Adrenalin, das auf diese Weise dem Organismus zugeführt wird, hat 
keine schädigende Wirkung, so dass der Eingriff so oft wie notwendig 
wiederholt werden kann. 

Wer den Einfluss einer intravenösen Adrenalinkochsalzinfusion 


heftigem Erbrechen, gehäuften Durchfällen, Wasser Verarmung, 
Harnversiegung einhergehende schwerste Kreislaufschwäche; die j 
Dauer dieses Zustandes ist relativ kurz. Das Mittel, das bei einer j 
Kreislaufschwäche dieser Art am schnellsten und am sichersten 
wirkt, ist das Adrenalin (Suprarenin) in Form der intravenösen j 
Adrenalinkochsalzinfusion. Die intravenöse Injektion von 1 ccm j 
der Adrenalinstammlösung 1:1000 führt zu einer heftigen und gaüz I 
flüchtigen Gefässkrise und ist als gefährlich und unausgiebig zu 
verwerfen. Auch die intravenöse Adrenalinkochsalzinfusion ist 
von recht kurzer Wirkung. Man kann aber für viele Stunden 
und wahrscheinlich auch für zwei Tage eine Hebung des Kreis¬ 
laufes erzielen, wenn man sieb streng an die Ergebnisse des Ex¬ 
periments hält (W. Straub und seine Schüler). Wenn man 
das Adrenalin in demselben Tempo zuführt, als es aus dem Blute 
verschwindet, so ist mit kleinen Mengen eine langdauernde Wirkung 
zu erzielen. Es erscheint daher in dem Stadium algidum der 
Cholera eine intravenöse Adrenalinkochsalzdauerinfusion, 
wie sie besonders von Chirurgen bei peritonitischem Shock ange¬ 
wandt wird, als besonders empfehlenswert. 


und auch einer solchen Dauerinfusion bei schwerster Kreislauf¬ 
schwäche gesehen hat, wird nicht im Zweifel sein, dass sicher 
im Choleraanfall und vielleicht auch beim Choleratyphoid gute 
Erfolge mit dieser Methode zu erzielen sind. 

Das Prinzip, die Adrenalinzuführung über eine möglichst 
lange Zeit auszudehnen, wird in der Praxis nicht immer durch¬ 
führbar sein. Der Eingriff selbst ist zwar einfach; aber bei un¬ 
ruhigen Kranken gehört zu jeder Dauerinfusion ein Wärter. Bei 
vielen Kranken und wenigen Helfern wird man sich begnügen 
müssen, mit einer möglichst grossen Spritze 100 ccm der oben¬ 
genannten Lösung so langsam zu injizieren, als es eben möglich 
ist, und die Injektion öfter zu wiederholen. 

Durch die Bemühungen von Stumpf ist bei den enterogenen 
Infektionen die uralte Bolustherapie wieder zu Ehren gekommen. 
Die Wirkung der Bolus ist eine physikalische: das feinkörnige 
Pulver hat eine sehr grosse Oberfläche, an der Gifte und andere 
Stoffe adsorbiert werden. Wie Bolus wirken auch andere unlös¬ 
liche Pulver, und dem gleichen Zweck wie Bolus dienten und 
dienen Tier- und Pflanzenkohlen. Mit Kohle haben Wiechowski 


Die Ausführung ist sehr einfach. Die notwendigen Instrumente sind: 
Irrigator aus Glas, Gummischlaucb, Klemmschraube, kleiner Metallconus, 
der in die Kanüle einer Pravazspritze passt. Als Injektionsflüssigkeit 
verwendet man eine 0,7—0,9 proz. Kochsalzlösung oder eine Riogerlösung 
von 40 bis 42°, für deren Warmhaltung man Sorge trägen muss. 500 cem 
der Lösung werden mit 1 ccm der Adrenalinstammlösung 1:1000 ver¬ 
setzt. Ausführung: Das System wird zusammengesetzt, die Luft aus dem 
Schlauch verdrängt und die Ausflussgeschwindigkeit so eingestellt, dass 


und Adler eine grosse Zahl von per os vergifteten Menschen 
gerettet. Zur Bolustherapie kommt also die Kobletherapie. Es 
erscheint praktischer, die Anwendung dieser Mittel unter dem 
Begriff der Adsorptionstherapie zu vereinigen. Wenn man 
sich nun die Frage vorlegt, welcher der io Betracht kommenden 
Stoffe der beste sei, so kann es Dach allen experimentellen Er¬ 
fahrungen nicht zweifelhaft sein, dass die Blutkohle alle Ad- 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 





1738 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


sorbentien weit übertrifft. Am meisten möchte ich die mit Säure 
gereinigte Blutkohie von Merck empfehlen. Es ist möglich, dass 
andere Fabriken ein ebenso gutes Präparat hersteilen; das 
Merck’sche ist mir aber allein vom Laboratorium und von der 
therapeutischen Anwendung her bekannt. Io früherer Zeit kamen 
wiederholt Pflanzenkob len zur Anwendung. Einer mündlichen 
Mitteilung von Herrn Geheimrat Penzoldt entnehme ich, dass 
diese Mittel immer wieder verlassen wurden, weil sie sehr scharfe, 
die Darmwand reizende Teilchen enthielten. 

Die Anwendung der Adsoibentien bedarf einiger Bemerkungen. 
Vor allem ist wichtig, dass durch diese Mittel der Appetit in 
sehr unangenehmer Weise geschädigt wird. Die Salzsäure des 
Magens wird zu einem nicht unbeträchtlichen Teile und zu einem 
noch grösseren werden die Fermente des Magendarmkanals von 
dem Adsorbens aufgenommen. Inwieweit die Ausnutzung der 
Nahrung dadurch behindert wird, bedarf noch der Untersuchung. 
Für die therapeutische Anwendung aber folgt, dass man niemals 
vor der Nahrung, am besten eine Stunde nach derselben das 
Mittel reichen soll. Weiter folgt daraus, dass eine prophylaktische 
Anwendung der Adsorbeutien nicht ratsam erscheint. Wenn man 
in Zeiten der Seuchengefahr seinen Magendarmkanal in Ordnung 
halten will, so muss man als wichtiges Schutzmittel auch den 
Appetit bewahren, der durch die adsorbierenden Mittel Not leidet. 

Die wichtigen Untersuchungen und Beobachtungen von 
Wiechowski und Adler haben in Uebereinstimmung mit früheren 
Befunden ergeben, dass Gifte, auch Alkaloide, selbst in toxischer 
Dosis von Koble völlig unschädlich gemacht werden. Daraus ist 
mit Sicherheit zu schliessen, dass Arzneistoffe in therapeutischer 
Dosis, ganz gewiss Opium, Morphin u. a. ihre Wirksamkeit ver¬ 
lieren. Das muss bei gleichzeitiger Anwendung dieser Mittel und 
der Adsorbentien berücksichtigt werden. 


Ueber die Anwendbarkeit des Gesetzes der 
korrespondierenden Geschwindigkeiten auf die 
Gangbewegung von Menschen und Tieren. 

Von 

R. da Bois-Reymond. 

(Nach eioem Vortrag in der physiologischen Gesellschaft zu Berlin 
am 10. Juni 1914.) 

Für viele Fälle, in denen die Bewegungen verschieden grosser, 
aber sonst einander ähnlicher Massen verglichen werden, gilt das 
sogenannte Gesetz der korrespondierenden Geschwindigkeiten, das 
z. B. in der Anwendung auf Schiffsgeschwindigkeiten in folgender 
Form ausgesprochen werden kann: Ist der Widerstand, den ein 
mit der Geschwindigkeit v durch das Wasser getriebenes Schiffs- 
modell von der Grösse 1 erfährt, gleich r, so ist der Widerstand, 
den ein Schiff von der Grösse nl erfährt, gleich n 3 r 3 , also dem 
Rauminhalt proportional, wenn das Schiff mit der Geschwindig¬ 
keit vVn durch das Wasser getrieben wird. Elen diese Be¬ 
ziehung der Geschwindigkeit zur Grösse, dass nämlich die Ge¬ 
schwindigkeit proportional der Wurzel aus dem Längemnaasse sein 
muss, wenn die wirksamen Kräfte im gegebenen Verhältnis stehen 
solleD, kehrt bei vielen Gelegenheiten wieder, unter anderem 
beim einfachen freien Fall, und ebenso bei der Pendelbewegung. 

Man könnte demnach geneigt sein, zu vermuten, dass auch 
bei der Ortsbewegung des Menschen und der Tiere dieselbe Be¬ 
ziehung bestehen würde, und dass daher, bei gleicher Muskel- 
anstrengung, die Gaoggescbwindigkeiten grosser und kleiner 
Menschen oder Tiere zueinander in dem Verhältnis der Wurzeln 
aus den Längenmaassen des Körpers stehen würden. 

Prof. Otto Fischer in Leipzig hat in seiner Arbeit über 
den Gang des Menschen 1 ) Messungen veröffentlicht, die es ge¬ 
statten, obige Vermutung auf ihre Richtigkeit zu prüfen. 

Die Messungen wurden an 103 Soldaten und 8 Studenten 
vorgenommen, die eine bestimmte Versuchsstrecke von einem 
Kilometer Länge hin und zurück in ungezwungenem „Wander¬ 
schritt“ zu durchgehen hatten. Es wurden die Körperlänge, die 
Beinlänge, die Schrittlänge, die Schrittdauer, die Zahl der Schritte 
in der Minute und die Ganggeschwindigkeit festgestellt. 

Ich habe die von Fischer angeführten Zahlen nach der 
Körperlänge in 9 Gruppen geteilt, wobei ich einige, die von den 
übrigen stark abwichen, fortgelassen habe. Für jede Gruppe 

1) Abh. d. math.-nat. Kl. d. Kgl. sächs. Ges. d. Wissensch-, 1903, 
Bd. *28. 


habe ich die Mittelzahlen berechnet und so folgende Zusammen¬ 
stellung erhalten. (Siehe Tabelle 1.) 

Tabelle 1. 


Mittlere Maasse der Gruppen für: 


ja 

öu 

o 

d 

Maass 

er Gruppen 

Körper- 
läoge 
in cm 

Beinlänge 
in cm 

Schritt¬ 
länge 
in cm 

Schritt¬ 

dauer 

100U 

[ Geschwin¬ 
digkeit 
| in cm: sec. 

10 

178,5—172,0 

173,7 

93,2 

87,2 

515 

169,8 

12 

171,5—170,0 

170,5 

91,6 

85,3 

502 

170,8 

12 

169,5-168,0 

168,3 

90,1 

84,8 

505 

168,0 

12 

167,5-167,0 

167,125 j 

88,4 

| 84,6 

489 

172,7 

9 

166,5-166,0 

166,2 ! 

87,9 

85,7 

487 

175,2 

10 

165,5-164.5 

165,0 

86,9 

84,3 

496 

175,3 

13 

164,0-163,0 

163,5 

87,3 

84,6 1 

501 

169,6 

u. 

1 162,5—161,0 

161,7 

85,8 

83,8 1 

485 

173.0 

11' 

160,0-155,5 

158,7 

82,1 

82,3 

483 

170,1 


Um die Uebersicht beim Vergleichen der Zahlen zu er¬ 
leichtern, habe ich weiter die Mittelzahlen auf die Zahlen der 
ersten (grössten) Gruppe berechnet in Promille ausgedrückt, wo¬ 
durch folgende Zusammenstellung entsteht. (Siehe Tabelle 2.) 


Tabelle 2. 



A 

B 1 

c 

D 

es’. 


Körperlänge 

L . 1 

j Beiolange | 

1 1 

Schrittlänge j 

Schrittdauer 

Geschwindig¬ 

keit 

1 

1000 

1000 

1000 

i 

1000 

1000 

2 

983 

984 

978 

976 

1 1006 

3 

967 

966 

972 

981 

989 

4 

96*2 

948 

970 

950 

1017 

5 

057 

943 

984 

946 

1032 

it 

949 

932 

966 

963 

1 1034 

7 

945 

944 

970 

97t 

, 999 

8 

934 

921 

961 

942 

; 1002 

9 

888 

SSO 

944 

938 

1 

j 1002 


Es zeigt sich, dass, während die Körpergrösse von Gruppe 1 
bis 9 im Verhältnis von 1000:888 abnimmt, die Geschwindig¬ 
keiten eine ganz unregelmässige Folge bilden und für die Gruppen 
mit kleiner Körperlänge im Vergleich zu denen mit grosser 
Körperlänge eher höher als niedriger sind. 

Es darf vorausgesetzt werden, dass wenigstens die meisten 
der Personen ihren natürlichen Schritt gegangen sind, ohne weder 
zu eilen noch zu trödeln. Dies dürfte daraus folgen, dass nach 
den von Fischer gegebenen Originalzablen bei sehr vielen 
Schrittlänge, Schrittdauer und Geschwindigkeit beim Hinwege und 
Rückwege genau gleich sind. Folglich darf man auch annehmen, 
dass die Versuchspersonen im allgemeinen mit demselben Grade 
von Anstrengung gegangen sind, d. h., dass zwischen der Arbeits¬ 
leistung der Kleinen und der Grossen das ihrer Körpergrösse ent¬ 
sprechende Veibältnis bestanden hat. Hätte also das Prinzip der 
korrespondierenden Geschwindigkeiten für die Gehbewegung des 
Menschen Gültigkeit, so müsste die Geschwindigkeit der Grossen 
sich zu der der Kleinen verhalten haben wie die Wurzeln aus 
den LäDgenmaassen. Die mittlere Körperlänge der ersten beiden 
Gruppen zusammen beträgt 172,1, die der letzten beiden 
Gruppen zusammen 160. Das Verhältnis der Wurzeln dieser 
Zahlen ist 1000:962. Die tatsächlich gemessenen Geschwindig¬ 
keiten der betreffenden Personen stehen aber im Verhältnis 
1003: 1002. 

Soweit die vorstehenden Zahlen als beweiskräftig gelten 
können, zeigen sie also, dass das Gesetz der korrespondierenden 
Geschwindigkeiten auf die Ortsbewegung des Menschen nicht 
passt, sondern dass grosse und kleine Menschen bei gleicher An¬ 
strengung gleich schnell gehen. 

Dies steht im Einklang mit der täglichen Erfahrung, dass 
auch für verschieden grosse Tiere die Laufgescbwindigkeit im 
ganzen nahezu gleich ist. Zwar holt der Jagdhund den Fuchs 
oder Hasen eio, und das Jagdpferd den Jagdhund, aber dazu be¬ 
darf es nur eines im Verhältnis zu den Grössenunterschieden ganz 
geringfügigen Unterschiedes an Schnelligkeit. 

v. Hoesslin 1 ) hat es sogar als ein Postulat der Zweck- 

1) Ueber die Ursache der scheinbaren Abhängigkeit des Umsatzes 
von der Grösse der Körperoberfläche. Arch. f. Anat. Pbys., Pbys. Abt., 
1888, S. 323. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





20. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1739 


mässigkeit hiogestellt, dass kleinere Tiere verhältnismässig 
schneller laufen können als grosse. Diese Betrachtung ist aber 
überflüssig und führt ihn sogar zu einem Widerspruch gegen sich 
selbst. Er will den grösseren Stoffumsatz der kleineren Tiere 
durch die verhältnismässig grössere Bewegungsgescbwindigkeit 
erklären. Aus dem Verhältnis der Muskelkraft zur Körpergrösse, 
die ich in einer früheren Abhandlung 1 ) erörtert habe, lässt sich 
aber ableiten, dass kleine und grosse Tiere schon bei gleicher 
Arbeitsleistung gleich schnell laufen. Dies gibt Hoesslin selbst 
an einer anderen Stelle zu 2 ). 

Betrachtet man zunächst den einfachen Fall, dass ein Muskel 
ein gegebenes Gewicht um eine gegebene Höhe bebt, und denkt 
sich dann denselben Vorgang io n fachem Maassstab vergrössert, 
so wird der n mal grössere Muskel das n 3 -fache Gewicht um eine 
n mal grössere Strecke zu beben haben, also die n 4 fache Arbeit 
leisten müssen. Bei der Zusammenziehung des n mal grösseren 
Muskels wirkt die Kraft eines n 2 mal grösseren Querschnittes auf 
einer n mal grösseren Verkürzungsstrecke. Bei gleicher absoluter 
Kraft leistet also der n mal grössere Muskel n 3 mal soviel Arbeit, 
wie der kleinere Muskel. Da das Gewicht, das er beben soll, 
n 3 mal so gross ist, wie das. das der kleine Muskel hebt, reicht 
seine Arbeit nur aus, das Gewicht ebenso hoch zu beben, wie 
der kleine das kleine Gewicht gehoben bat. 

Diese Betrachtung lässt sieb auf die Ortsbewegung der Tiere 
ausdebnen, indem man die Ortsbewegung nur als eine Summe 
vieler Einzelkontraktioneo gegen Gewicbtswiderstände auffasst. 
Sie zeigt, dass es vom Standpunkt der Muskelmechanik nicht 
nur möglich, sondern sogar selbstverständlich ist, dass einander 
ähnliche Tiere von verschiedener Grösse gleiche GaDggeschwindig- 
keit haben. 

Man könnte hiergegen ein wenden wollen, dass, wenn dieser 
Satz aus allgemeinen mechanischen Grundsätzen abgeleitet wird, 
ihm auch eine ganz allgemeine Geltung zukommen müsse, während 
er io Wirklichkeit offenbar nur innerhalb gewisser Grenzen gültig 
sei. Es sei z. B. keine Frage, dass ein Hund schneller laufe als 
eine Maus. Hierauf ist zu antworten, dass die allgemeine Geltung 
des aufgestellten Satzes durch diese Einschränkungen nicht auf¬ 
gehoben wird. Es wird dadurch nur bewiesen, dass ausser dem 
Verhältnis von Muskelkraft und Gewicht auch noch andere Ein¬ 
flüsse der Körpergrösse auf die Geschwindigkeit der Gangbewegung 
einwirkeo. Bei einem sehr bedeutenden Grössen unterschied muss 
zum Beispiel die Scbrittzahl des kleineren Tieren übermässig 
gross werden, wenn es die gleiche Geschwindigkeit erreichen soll, 
wie das grössere. Offenbar kann aber die Zahl der Schritte in 
der Zeiteinheit nicht über denjenigen Wert gesteigert werden, 
bei dem die Muskelkontraktionen zum Tetanus verschmelzen. 
Ausserdem hat auch die blosse Bewegungsgeschwindigkeit ihre 
Grenze in der Zuckungsgescbwindigkeit des Muskels. Innerhalb 
dieser Grenzen muss ein Optimum gelegen sein, bei dem die 
höchste Geschwindigkeit relativ zur Körpergrösse bei gegebener 
Arbeitsleistung der Muskeleinheit erreicht wird. Es wäre sehr 
zu wünschen, dass ähnliche Beobachtungsreihen, wie die hier 
besprochene von Otto Fischer, in noch grösserem Umfang 
wiederholt würden. 


Ueber im Anschluss an die Lumbalpunktion 
eintretende Zunahme der Kompressionserschei¬ 
nungen bei extramedullären Rückenmarks¬ 
tumoren. 

Von 

Dr. L. Newmark, Sau Francisco. 

Vor vier Jahren drückte Professor H. Oppenheim in dieser 
Wochenschrift 3 ) sein Bedauern darüber aus, dass die ungünstigen 
Erfahrungen mit der Lumbalpunktion nicht immer zur allgemeinen 
Kenntnis gebracht werden. Bei aller Anerkennung der Fortschritte, 
welche wir dem Verfahren verdanken, sträubte er sich nämlich 
gegen die Ansicht, dass die Lumbalpunktion einen für die Gesund¬ 
heit irrelevanten Eingriff darstelle, und führte zur Rechtfertigung 
seines Verhaltens mehrere Fälle an, in welchen nach der Punktion 
eine Verschlimmerung eintrat. Unter diesen war auch ein Fall 


1) Körpergrösse und Muskelkraft. Abh. d. Kais. Leop. Carol. Deutschen 
Akad. d. Naturforscher, Halle 1912, Bd. 97, Nr. 14. 

2) a. a. 0., S. 357. 

3) Zum „Nil nocere“ in der Neurologie. B.kl.W., 1910, Nr. 5. 


von extramedullärem Tumor des Rückenmarks; hier hätte die von 
einem anderen ausgeführte Lumbalpunktion eine derartige Zunahme 
der Ausfallserscheinungen bewirkt, dass der vorher nur paretisebe 
Patient völlig paraplegisch wurde und die Herrschaft über Blase 
und Mastdarm ganz verlor. 

Zur Bekräftigung der Lehre, dass bei Verdacht auf kompri¬ 
mierende Rückenmarksgeschwulst die Lumbalpunktion nicht ohne 
zwingenden Grund vorgenommen werden sollte, kann ich zwei 
eigene Fälle heranziehen, in welchen im Anschluss an den Lenden¬ 
stich die Lähmungen eine erhebliche Zunahme erfahren. Ich bin 
allerdings mit dem Schrecken davongekommen und habe die 
Patientinnen, ebenso wie Oppenheim in dem erwähnten Falle, 
schliesslich einer vollkommenen Genesung zuführen können. Im 
Verein aber mit einem Fall von Nonne 1 ), in welchem die Lum¬ 
balpunktion den Tod des Patienten verschuldete, gewinnen die 
meinen eine erhöhte Bedeutung. Mein zweiter Fall ist vielleicht 
deswegen besonders interessant, weil nach der Punktion die Symp¬ 
tome vermehrter Kompression eintraten, obgleich kein Tropfen 
Flüssigkeit nach aussen abgeflossen war! 

Fall 1, weil bereits an anderer 2 ) Stelle veröffentlicht, soll hier nur 
eine kurze Darstellung erfahren. Bei der Patientin hatten sich seit zehn 
Monaten motorische und sensible Störungen entwickelt. Wegen positiver 
Wassermann’scher Reaktion im Blutserum hatten meiue Vorgänger in 
der Behandlung die Frau einer gründlichen, aber unwirksamen spezifischen 
Kur unterworfen. Wenige Tage nachdem sie in meine Behandlung ge¬ 
treten war, führte ich am 18. Juli 1911 die Spinalpunktion aus. Ohne 
Schwierigkeit gelangte ich in den Duralsack und liess ca. 6 ccm Cere¬ 
brospinalflüssigkeit langsam, unter ziemlich niedrigem Druck, ab/liessen. 
Vor der Punktion hatte die Patientin in der rechten unteren Extremität 
noch genügend Kraft, um stehen und auch mit Unterstützung, obwohl 
mühsam, gehen zu können; die Kraft der linken war nicht merklich 
herabgesetzt. Nach der Punktion, und zwar noch am selben Tage, 
schwand der Rest des Bewegungsvermögens aus dem geschwächten Gliede, 
womit Stehen und Gehen unmöglich wurden. Auch in der Cerebrospi- 
nalllüssigkeit wurde positive Wassermann’sohe Reaktion beobachtet. Es 
wurde trotzdem operiert. Unter dem zweiten Dorsal wirbelbogen fand 
sich ein Psammom, nach dessen Entfernung die Patientin allmählich 
volle Herrschaft über ihre Glieder wiedererlaDgte. 

Es war also in diesem Falle durch die Lumbalpunktion kein 
irreparabler Schaden verursacht worden. Wie unheilvoll aber die 
Folge hätte sein können, wurde mir später durch die Veröffent¬ 
lichung des Non ne’sehen Falles zuerst durch Raven 3 ), erst 
nachher von Nonne selbst, recht nahe gelegt. 

Bei seinem Patienten, welcher Zeichen der Kompression des unteren 
Halsmarks darbot, trat plötzlich am Abend desselben Tages, an dem 
die Lumbalpunktion vorgenommen worden war, schlaffe LäbmuDg aller 
vier Extremitäten ein, mit Verlust der Sehnenreflexe und Ausbreitung der 
Anästhesie. Trotz baldiger Entfernung der komprimierenden Geschwulst, 
eines gefässreichen Myxoms, erlag der Kranke. Bei der Erörterung dieses 
Unglücks erwähnt Nonne mein Erlebnis bei der Spinalpunktion und 
billigt meine Aeusserung, dass man durch ein solches vereinzeltes Vor¬ 
kommnis sich von der Anwendung eines so wertvollen Verfahrens nioht 
abschrecken lassen sollte. Nichtsdestoweniger zog er aus seinem Falle 
die Lehre, bei der Diagnose „Tumor am Halsmark“ die Lumbalpunktion 
nur dann vorzunehmeD, wenn nur von ihrem Ausfall die Frage, ob operiert 
werden soll oder nicht, abhängt. Ich selbst hatte übrigens auf Grund 
meiner unliebsamen Erfahrung mir vorgenommen, bei begründetem Verdacht 
auf Rückenmarksgeschwulst die Lumbalpunktion zu unterlassen, gleich¬ 
gültig ob der Tumor am Halsmark oder sonstwo vermutet würde; ich bin 
aber dennoch wieder in die peinliche Lage geraten, mich wegen rasch 
einsetzender Lähmung und Anästhesie im Anschluss an eine von mir 
veranlasst« Punktion verantworten zu müssen. 

Fall 2. Diesmal handelte es sich um ein zwanzigjähriges Mädchen, 
welches über eine seit etwa acht Monaten bestehende Schwäche des linken 
Fusses klagte. Die Kranke gab an, dass sie Abnahme der Kraft im 
Fussgelenk gegenüber dem vier Monate vorher bestehenden Zustande 
wahrnebmen konnte; innerhalb der letzt vergangenen zwei Monate aber 
hätte sich nichts geändert. Sie ging ohne Mühe umher und machte 
gewisse moderne Tänze mit. Vage, unbedeutende Schmerzen wurden in 
der linken Leistengegend empfunden; sonst hätte sie nicht zu klagen. 

Bei der mehrfach wiederholten Untersuchung in der ersten Hälfte 
des Dezembers 1913 zeigte sich mehr oder weniger Parese in allen 
Segmenten der linken unteren Extremität; am meisten herabgesetzt war 
die Dorsalflexion im Fussgelenk und die Bewegung der Zehen. In der 
rechten unteren Extremität wurden alle Bewegungen mit normaler Kraft 
ausgeführt. An dem Gange des Mädchens konnte man für gewöhnlich 
kaum eine Störung wahrnehmen. Sichere Sensibilitäts9töruDgen irgend¬ 
welcher Art waren nirgends festzustellen; doch behauptete die Kranke, 


1) D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 46-48. 

2) Dem deutschen Leser freilich nioht leicht zugänglich. California 
State Journal of Medicine, März 1913. 

3) Raven, D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 44, S. 386. 

1 * 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 


1740 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


sie empfände die verschiedenen angewandten Reize stets etwas deutlicher 
an dem gesunden als an dem geschwächten Beine. Die Babinski’sobe 
Zehenextension war links deutlich ausgesprochen, rechts war normaler 
Plantarreflex. Die Acbillesreflexe waren beiderseits gleich stark, lebhaft, 
aber kein Fussclonus. Die Kniereflexe waren entschieden pathologisch 
gesteigert, rechts und links fast von gleicher Stärke, nur konnte man 
links einen ganz geringen Patellarclonus hervorrufen. Kein Ataxie. 
Abdominalreflexe sicher verschwunden. Die iibrigeneurologische Exploration 
ergab ganz normale Verhältnisse, ebenso Röntgenbilder der Wirbelsäule 
und des Beckens. 

Der Symptomenkomplex setzte sich also aus linksseitiger Parese 
der unteren Extremität mit Babinski, beiderseitig gesteigerten Sehnen¬ 
reflexen und Schwund der Abdorainalreflexe zusammen. Eine von links 
her wirkende Kompression des Rückenmarks konnte dieses Bild hervor¬ 
rufen; es fehlten aber Schmerzen, Wurzelsymptome, Andeutung von 
Brown-Sequard, und ich muss gestehen, dass ich mir noch gar keine 
diagnostische Vorstellung gebildet batte, als ein erfahrener Serologe mir 
berichtete, dass die Wassermann'sehe Reaktion in der entnommenen 
Blutprobe positiv wäre. Wir beruhigten uns aber nicht hierbei und 
Hessen die Reaktion von einem zweiten, nicht minder erfahrenen Serologen 
anstellen. Dieser meldete ein negatives Resultat. Der erste wurde 
darauf veranlasst, an einer neuen Portion Blutes die Untersuchung zu 
wiederholen; auch dieses Mal war die Reaktion positiv. Da der zweite 
darauf bestand, dass der Wassermann negativ wäre, wurde beschlossen, 
die Entscheidung durch Untersuchung der Cerebrospinalflüssigkeit zu 
treffen. Zum Zwecke der Lumbalpunktion begab ich mich daher mit 
einem der Serologen am 15. Dezember in die Wohnung der Patientin. 
Der Kollege punktierte mehrere Male an verschiedenen Stellen, ohne 
einen Tropfen Flüssigkeit zu erhalten. Weder die Seitenlage noch 
sitzende Stellung der Kranken änderte hieran etwas, so dass wir schliess¬ 
lich unverrichteter Sache abzieben mussten. 

Am nächsten Tage wurde uns telephonisch gemeldet, dass die 
Patientin an Kopfschmerzen leide. Da wir keine Flüssigkeit abgelassen 
hatten, befremdete uns diese Nachricht. Am übernächsten Tage wurde 
weiter mitgeteilt, dass das Mädchen nicht mehr allein stehen könne, 
und als wir sie am IS. wiedersaben, fanden wir fast vollständige Lähmung 
der linken unteren Extremität, ausgesprochene Parese der rechten, 
Schwache der Baucbmuskulatur, und beiderseits Babinski und Patellar- 
elonus. Die Blasenentleerung war verlangsamt. Diese Verschlimmerung 
sollte allmählich eingetreten sein. 

Man konnte es den Angehörigen nicht verdenken, wenn sie 
den Verdacht hegten, wir hätten bei der Lumbalpunktion einen 
„wichtigen Nerven aDgestochen“. Wir aber kamen auf Grund 
der Beobachtung des ersten Falles und der Veröffentlichung 
Nonne’s sofort zu der Ueberzeugung, dass ein Tumor vorlag, 
und dass dieser Tumor sich infolge der durch die Lumbalpunktion 
bewirkten AenderuDg der Druckverbältnisse verschoben und so 
die vorher geringe Kompression des Rückenmarks verstärkt hatte. 
Das Eigentümliche an dem Ereignis war freilich, dass gar keine 
Cerebrosinalflüssigkeit zutage befördert worden war. Während 
wir diesen Misserfolg zuerst darauf zurückfübrten, dass der 
Trokart gar nicht in den Duralsack eingedrungen wäre, nahmen 
wir nach Wahrnehmung des angerichteten Schadens an, dass die 
Geschwulst eine derartige Stauung oberhalb bewirkt batte, dass 
der unterhalb bestebeode Druck nicht mehr genügte, um die 
Flüssigkeit aus der Kanüle berauszubefördern. 

Wie auch der Mechanismus gewesen sein mag, die Kompressions¬ 
erscheinungen fuhren noch fort, sich zu verstärken. Die Blase allerdings 
erholte sich bald. SensibilitätsstöruDgen stellten sich früh ein; zunächst 
fing die Herabsetzung der BerübruDgsempfindung, von oben nach unten 
hin geprüft, vorn links 2 1 /*—3 cm unterhalb des Processus xiphoideus, 
rechts ein wenig unterhalb der Höhe des Nabels an; die Schmerz¬ 
empfindung fand sich am 21. Dezember hinten erst unterhalb der Crista 
ilei, vorn links ein paar Centimeter unterhalb des Processus xiphoideus, 
rechts dagegen erst vom Rippenbogen ab gestört. Am 22. Dezember 
glioh sieb die Unregelmässigkeit der oberen Begrenzungslinie der Hyp- 
ästhesie aus, indem diese Linie nun für alle angewandten Reize in der 
Höhe von etwa 2 cm unterhalb des Processes xiphoideus horizontal um 
den Rumpf verlief; nach weiteren 8 Tagen war die Grenze der Hyp- 
ästhesie weiter nach oben bis dicht an den Processus xiphoideus heran¬ 
gerückt und blieb nun stationär. 

Die Wahrnehmung passiver Bewegung der Zehen fand sich gleich 
bei der ersten Untersuchung nach der Lumbalpunktion beiderseits ab¬ 
gestumpft, während das Lagegfühl dort zunächst erbalten blieb; beide 
versohwanden innerhalb der nächsten 14 Tage, zuerst links, erst später 
rechts. 

Die geringe nach der Lumbalpunktion übriggebliebene moto¬ 
rische Kraft der linken unteren Extremität schwand ebenfalls 
gänzlich innerhalb dieses Zeitraums; rechterseits nahm die Läh¬ 
mung zusehends von Tag zu Tag zu, so dass am 8. Januar 1914 
die Dorsalflexion des Fusses und am 13. die Beugung im Hüft¬ 
gelenk unmöglich geworden war. Der Verlauf war ganz 
schmerzfrei. 

Die Erlaubnis zur Operation wurde erst gewährt, als die 


Eltern die Unwirksamkeit der energisch durchgefübrten spezi¬ 
fisches Behandlung erkannten. Die Kompressionsursacbe wurde 
auf Grund der Hypästhesie am 7. Dorsalsegment vermutet und 
der Operateur, Dr. Harry M. Sherman, angewiesen, den Wirbel¬ 
kanal im Bereich der 4., 5. und 6. Wirbeibögen za eröffnen. 
Nachdem dies geschehen, erkannte man, dass der Duralsack ober¬ 
halb einer gewissen Stelle prall gefüllt, unterhalb derselben schlaff 
war. Auf Inzision der Dura erfolgte ein starker Erguss von 
Flüssigkeit von kopfwärts her, während aus dem kaudalen Ende 
des Einschnittes nur sehr wenig floss. Fest eingekeilt zwischen 
Dura und Rückenmark kam nun links eine Geschwulst von etwa 
27 z cm Länge zum Vorschein; diese konnte erst gelockert und 
entfernt werden, nachdem ein Stückchen aus der Mitte exzidiert 
worden war. Es wurde darauf klar, dass der Tumor nicht nur 
seitlich, sondern auch von vorn auf das Rückenmark gedruckt 
hatte. Nach Herausnahme der Geschwulst blieb ein starker Ein¬ 
druck im Rückenmark zurück. 

Schon am Tage nach der Operation, welche am 15. Januar 
stattfand, war ein Zeichen beginnender Rückkehr der Motilität 
sichtbar. Nach wenigen Wochen konnte die Kranke wieder gehen 
und ist schliesslich vollständig geheilt worden. 

Laut Bericht des Prof. Op hüls, Pathologen an der Stanford 
Universität, war der Tumor ein Psammom, welches ziemlich arm 
an Blutgefässen, frei von Hämorrhagien und Nekrosen war. Hier 
lag also „die Tücke des Objekts“, die Nonne in seinem Falle 
in der „hämorrhagischen Diathese“ des Tumors findet, nicht in 
der Beschaffenheit der Geschwulst. 

Will man keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen 
Punktion, und Verschlimmerung sugeben, so könnte man auf 
Fälle hinweisen, in welchen, wie in dem von Ewald und 
Winckler 1 ) beschriebenen, schwere Lähmung plötzlich ohne er¬ 
kennbaren äusseren Grund einsetzte; es wäre dann das zeitliche 
Verhältnis zwischen beiden nur Sache des Zufalls. Oder man 
könnte die zur Erleichterung des Eingangs in den Wirbelkanal 
bei der Punktion notwendige Flexion der Wirbelsäule beschuldigen 
und sich hierbei auf einen Fall von Friedrich Scbultze 2 ) be¬ 
rufen, welcher allerdings einen extraduralen Tumor betraf, wo 
nach Einnebmen der Bauchlage schon eine rasche Verschlimmerung 
der Lähmungserscheioungen eintrat. Ich glanbe aber, dass beim 
Betrachten meines letzten Falles im Verein mit meinem früheren 
und mit denen von Oppenheim und Nonne man nicht leicht 
die Lumbalpunktion wird freisprechen können. Die nach der 
Punktion eintretenden Kopfschmerzen erinnern auch an eine 
häufige Folge der Aenderung der Druckverbältnisse durch diesen 
Eingriff. 

Wäre nicht der Nonne’sehe Fall mit seinem fatalen Aus¬ 
gang da, so könnte man ans den übrigen Fällen dieser kleinen 
Gruppe folgern, dass die Punktion höchstens eine durch die 
Therapie leicht wieder gutzumachende Verschlimmerung zu be¬ 
wirken imstande ist. Ja, man kann sogar in ihrer Wirkung bei 
meiner zweiten Kranken einen Nutzen erblicken, denn ohne die 
auf solche Weise hervorgerufenen Ausfallserscheinungen bälte es 
jedenfalls noch ziemlich langer Zeit bedurft, ehe die Lokalisation 
genügend Sicherheit erlangt hätte, um die Operation zu recht- 
fertigen; die Patientin hätte vielleicht heute noch nur eine 
geringe Parese, aber auch ihren Tumor. Wenn man es aber nicht 
in der Hand bat, zn bestimmen, ob man durch ein Verfahren dem 
Patienten helfen oder ihn töten wird, ist es nicht überflüssig, bei 
dessen Anwendung Vorsicht anzuraten. 


Aus dem Kaiser Franz Josef-Ambulatorium Wien \ 1 
(Abteilung Prof. Dr. Ludwig Mandl). 

Uteramin in der Praxis. 

Von 

Dr. Viktor Maidler. 

Hei mann 3 ) erwähnt nach der Besprechung von 208 geburts¬ 
hilflichen Fällen, die er mit Uteramin Zyma behandelt bat, dass 
er dieses Präparat bei gynäkologischen Patienten wenig erproben 
konnte, und setzt hinzu: „Ich hoffe, dass in nächster Zeit eine 
Klinik, die über ein grösserses gynäkologisches Material verfügt, 

1) B.kl.W., 1909, S. 529. 

2) M.m.W., 1907, Nr. 28. 

3) M.m.W., 1912, Nr. 25. 


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UMIVERSITY OF IOWA 






26. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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sich dieser dankbaren Arbeit unterziehen wird.“ Er begnügte 
sich mit der Feststellung der günstigen Resultate, ohne auf die 
Wirkungsweise des Uteramin Zyma näher einzugehen. 

Das Uteramin Zyma stellt das salzsaure Salz des Paraoxyphenyl- 
äthylamio dar, eines Hauptvertreters der wirksamen Substanzen des 
Mutterkorns. Die Anwendung einer chemisch reinen Substanz mit kon¬ 
stanter Wirkung verspricht gegenüber der alten üblichen Secaleanwen- 
dung mancherlei Vorteile. Abgesehen davon, dass diese Base in den 
Seoalepräparaten gemäss dem alljährlich schwankenden Gehalt an wirk¬ 
samen Bestandteilen in sehr verschiedenen Quantitäten vorhanden ist, 
muss ferner in Betraoht gezogen werden, dass alle Zubereitungen aus 
dem Mutterkorn in sehr hohem Maasse unnützliche und toxische Ballast¬ 
stoffe besitzen. Diese Toxizität beschränkt die Anwendung des Secale 
cornutum; bei Uteramin Zyma dagegen, dessen äusserst geringe Giftig¬ 
keit (nach der bisherigen Literatur) für den Therapeuten gleich Null 
gesetzt werden kann, ist man in der Lage, das Präparat in genügend 
grosser Dosis gefahrlos anzuwenden, sowohl per os als auch in Form 
von Injektionen. 

Das Uteramin Zyma ist ein chemisch reiner Körper, dessen kristalli¬ 
sierte Verbindung in physiologischer Kochsalzlösung haltbar und unver¬ 
änderlich ist, eindeutig bestimmt, als synthetisches Produkt genau 
dosiert und nach einem speziellen Verfahren von der Chem. Fabrik 
Zyma A. G. (St. Ludwig i. Eis. und Aigle, Schweiz) in den Handel ge¬ 
bracht wird. 

Anschliessend an die oben citierte Bemerkung Heimann’s 
erproben wir seit einigen Monaten die Wirkung des Uteramins 
Zyma, und zwar fast ausschliesslich bei gynäkologischen Fällen. 
Wir wenden dasselbe bei Menorrhagien and Metrorrhagien in¬ 
folge verschiedener Ursachen an, für die sonst die verschiedenen 
Secalepräparate in Betracht kämen. Wir gaben Uteramin Zyma 
sowohl in Tropfen als auch in Tablettenform, ohne einen auf¬ 
fallenden Unterschied in der Wirkung beider Darreichungsformen 
finden zu können. 

Die gewonnenen Resultate — es bandelte sich dabei grössten¬ 
teils am ambulatorische Kranke — lassen den Schluss zu, dass 
das Uteramin Zyma eine dem Secale ähnliche Wirkung ent¬ 
faltet. 

Das Präparat wurde angewendet bei Endometritis post ab- 
ortum, bei Metropathieo, Retroversioflezio uteri, Adnextumoren, 
Sabinvolutio uteri, nach Curettement wegen Abortus usw. Dabei 
trat schon nach den ersten Gaben die gewünschte Wirkung ein, 
manchmal aber erst am ersten, längstens am zweiten bis dritten 
Tage. 

Allerdings gab es auch Fälle, die auf Uteramin Zyma nicht 
reagierten, die aber auch durch hinterher verabreichtes Secale 
unbeeinflusst blieben. 

Einige Fälle aus unserer Behandlung sollen das oben Ge¬ 
sagte erläutern: 

1. M. R., 22 Jahre alt, Schneiderin. Vor 5 Wochen Curettement 
wegen Abortus (Gravidität von 3 Monaten). Nach 10 Tagen Beginn einer 
Blutung, die bis jetzt anhält. Erystypticum Roche erfolglos. Periode 
unregelmässig, schmerzhaft, 8—10 Tage. Schmerzen im Bauche beider¬ 
seits. Befund: Uterus spitzwinklig anteflektiert, beweglich, nicht schmerz¬ 
haft, nicht vergrössert Adnexe und Parametrien zeigen normalen 
Befund. 

Dreimal täglich 25 Tropfen Uteramin Zyma. 

Der blutige Ausfluss weicht nach fünfmal 25 Tropfen innerhalb 
36 Stunden einem gelben, in weiteren zwei Tagen einem weissen Aus¬ 
fluss. 

2. A. B., 30 Jahre alt, Köchin. Vor 2 Monaten Entbindung. Nor¬ 
males Wochenbett. 3 Wochen post partum Blutung von fünftägiger 
Dauer. Vor 14 Tagen trat wieder eine Blutung auf mit viertägiger 
Dauer. Jetzt wieder seit 4 Tagen Blutung. Keine Schmerzen. Schwäcbe- 
gefühl. Vor der Entbindung angeblich gesund. Periode war früher 
regelmässig, 4—5 Tage dauernd, vierwöchentlioh. 1 Partus. Kein Ab¬ 
ortus. 

Status: Uterus vergrössert, derb, etwas unregelmässig geformt. 
Muttermund geschlossen. Adnexe und Parametrien frei. Diagnose: Sub- 
involutio uteri. Dreimal täglich 20 Tropfen Uteramin Zyma. Bettruhe. 
Heisse Spülung. Befund zwei Tage später: Uterus erscheint nicht mehr 
so gross. Die Blutung hat nach 36 Stunden aufgehört. 

3. L. A., 36Va Jahre alt, Handarbeiterin. Erste Menses mit 

I* Früher regelmässig, stark. Während früher die Periode in 

dreiwöchigen Intervallen sich zeigte, dabei sehr stark war, treten die 
Blutungen seit einigen Monaten in kürzeren Intervallen auf, und zwar 
sehr intensiv. Die jetzige Blutung dauert bereits 15 Tage. Dabei be¬ 
stehen keine Schmerzen. Kein Partus. Kein Abortus. Status: Uterus 
anteflektiert, normal gross, derb j Adnexe und Parametrien zeigen 
normalen Befund. Dreimal täglich 30 Tropfen Uteramin Zyma. Am 
ersten Tage bedeutendes Nachlassen der Blutung. Nur nach den 
Spülungen geringer Blutabgang. 

4. Frau J. H., 32 Jahre alt. Da Patientin mit Klage über habi¬ 
tuellen Abortus (8) unsere Ambulanz aufsucht, wird die Blutunter- 


l suchung naoh Wassermann gemacht, die positiv ausfällt. Darauf 
unterzieht sich Patientin einer Quecksilberkur. Nach 5 Injektionen Ver¬ 
spätung der sonst regelmässigen Periode um 14 Tage. Menses sehr 
stark, mit Abgang von Stücken. Die Blutung dauerte 14 Tage, pausierte 
3 Tage und trat darauf wieder ein, verbunden mit Schmerzen im Bauche. 
Menses früher regelmässig vierwöchentlich. 3—4 Tage. Partus 0. Uterus 
klein, anteflektiert. Linkes Ovarium vergrössert. 3 Tabletten Uteramin 
Zyma täglich bewirken, dass die Blutung am 2. Tage sistiert. 

5. Frau G. N., 33 Jahre alt. Vor 7 Wochen Abortus, Curette¬ 
ment. Ungestörte Rekonvalesoenz. Keine Schmerzen. Kein Fieber. 
Seit 3 Wochen wieder Blutung, bis jetzt anhaltend. Periode seit 
15 Jahren regelmässig, vierwöchentlich, 3 Tage dauernd. 6 Partus. 

3 Abortus. Der zweite Abortus vor einigen Jahren war fieberhaft, führte 
zu Peritonitis puerperalis, wegen deren die Patientin laparotomiert 
wurde. Mediane Bauchnarbe nach Laparotomie. Uterus weiob, höckerig, 
vergrössert, gestreckt. Muttermund geschlossen. Subinvolutio uteri. 
Dreimal täglich 25 Tropfen Uteramin Zyma. Am 2. Tage lässt die 
Blutung bedeutend nach. Abgang blutigen Schleimes durob einige Tage. 
Uterus derb, etwas kleiner. 

6. Frau A. L., 32 Jahre alt, verwitwet. Patientin gibt an, immer 

unregelmässige, lang andauernde Blutungen gehabt zu haben, so dass sie 
nie einen bestimmten Termin ihrer Periode angeben kann. Seit 4 Wochen 
blutet Patientin ziemlich stark, ohne dass sie mit verschiedenen Medika¬ 
menten die Blutungen stillen könnte. Auf Secacornin und Calcium 
lacticum steht die Blutung. Nach kurzer Pause trat 4 Wochen hindurch 
geringe Blutung auf; dann wieder starke Blutung, die nach zweitägiger 
Dauer plötzlich 4 Tage sistiert, um wieder verstärkt einzusetzen. Seca¬ 
cornin und Calcium lacticum helfen diesmal nichts. Darauf Uteramin 
Zyma (4 Tabletten täglich) und Calcium, ohne dass die Blutung ganz 
aufhört. Schon seit vielen Jahren ist die Patientin sehr korpulent. 
Voriges Jahr wegen dieser lange andauernde Blutungen Curettement 
ohne Erfolg in einem Krankenhause. Patientin bekommt nun täglich 
0,1 Thyreoidin zur Beeinflussung dieser ovariellen Blutung, denn um 
eine solche handelt es sich. Status: Nullipara deflorata. Uterus ante¬ 
flektiert, normal gross, beweglich, Adnexe und Parametrien nicht ver¬ 
ändert. Kein Fluor. Nach ungefähr 8 Tagen hört die Blutung auf und 
zessiert 14 Tage, ein in der letzten Zeit noch nie beobachtetes Intervall. 
Da danach wieder eine Blutung auftritt, die bereits etwa 3 Wochen 
anhält, wird Uteramin Zyma wieder in Tropfen verabreicht. Die Blutung 
wird schwächer, hält aber an. Es werden nun 2 Thyreoidintabletten täg¬ 
lich verabreicht. Bis jetzt keine Gewichtsabnahme, weil die Patientin 
die vorgesehriebene Diät nicht einhält. S 

7. T. F., 26 Jahre alt, Dienstmädohen. Die Periode früher 
immer regelmässig, 4 wöchentlich 5—6 Tage dauernd. Die im August 
erwartete Periode trat zur richtigen Zeit ein, dauerte aber 8 Wochen. 
Nach einmonatlioher Pause Beginn einer Blutung, die bis jetzt bereits 
5 Wochen anhält. Keine Schmerzen. Seit längerer Zeit Ausfluss. 1 Par¬ 
tus. 1 Abortus. Uterus anteflektiert, normal gross. Adnexe und Para¬ 
metrien normal. Nachdem die Patientin 3 mal täglich 30 Tropfen Ute¬ 
ramin Zyma genommen bat, hört die Blutung am 3. Tage ganz auf. 

8. A. W., 16 Jahre alt, Hilfsarbeiterin. Kindheitsanamnese belang¬ 
los. Erste Menses mit 15 Jahren. Die Periode dauert 14 Tage und setzt 
naoh 8tägigem Intervalle wieder ein. 3—4 Tage vor Eintritt der Blu¬ 
tung Schmerzen krampfartiger Natur, die mit Einsetzen der Blutung auf¬ 
hören. Genitalbefund: Virgo. Bei rectaler Untersuchung Uterus normal 
gross, antevertiert, flectiert beweglich. 3 mal täglich 1 Uteramintablette 
Zyma. Die Blutungen werden in günstigem Sinne beeinflusst (bezüglich 
Dauer und Stärke). 

9. Frau A. P., 26 Jahre alt. Erste Menses mit 17 Jahren, immer 
regelmässig, 4 wöchentlich, dauert 8 Tage, sehr stark. Keine Schmerzen. 
Vor 4 Jahren ein Abortus (6 Wochen). Curettement. Seitdem zeitweise 
Schmerzen im Bauche. Letzte Periode 3. IX. um drei Tage verfrüht, 
8 Tage dauernd. Am 24. IX. wieder Eintritt einer Blutung, die bis 
jetzt (9. X.) anhält. Befund: Genitale einer Nullipara deflorata. Mutter¬ 
mund geschlossen. Retroversioflezio uteri fixata. Dreimal täglich 1 Tablette 
Uteramin Zyma. Nach 4 Tabletten hört die Blutuog auf. 

10. Frau E. K., 33 Jahre alt. Vor 3 Monaten consultierfe 
Patientin uns wegen „grossen Bauches“. Periode damals regelmässig, 

4 wöchentlich, anteponierend um einige Tage, 8 Tage dauernd, stark, 
schmerzlos. Befund: Adipositas. Genitalbefund normal. Jetzt kommt 
Patientin wegen einer starken, seit 14 Tagen dauernden Blutung. Abgang 
von Stücken. Der Bauch ist kleiner geworden. Erste Menses mit 14 Jahren, 
regelmässig um 5 Tage früher. 4 Entbindungen, zuletzt vor 5 Jahren. 
Abortus 0. Genitale einer Multipara. Uterus teigig, nicht vergrössert, 
anteflektiert, beweglich, nicht schmerzhaft. Sonst aormaler Genitalbefund. 

Diagnose: Metropathia uteri. Thyreoidintabletten a 01 und 3 mal 
täglich 30 Tropfen Uteramin Zyma. Die Blutung hört am 2. Tage auf. 

11. Frau L. P., 39 Jahre alt. Periode war früher immer regel¬ 
mässig 4 wöchentlich, von 8 tägiger Dauer. Letzte Periode vor 3 Wochen. 
8 Tage danach Einsetzen einer starken Blutung mit Abgang von Stücken, 
die bis jetzt anhält. Schmerzen in der linken Unterbauofagegend und im 
Kreuze. Vor 5 Jahren Adnextumoroperation in Leipzig. Kein Partus. 
Kein Abortus. Befund: Anteversioflexio uteri. Uterus normal gross. Ad¬ 
nexe beiderseits nicht tastbar. Schmerzhafte Adhäsion links. 3 mal täglich 
30 Tropfen Uteramin Zyma bringt die Blutung am 2. Tage zum Stillstand. 

2 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1?42 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


12. Frau F. S., 36 Jahre alt. Patientin leidet seit langer Zeit 
an Ausfluss. Bis zum August immer regelmässige Periode in vier¬ 
wöchigem Intervalle, 4—6 Tage dauernd, seit dem 19. Lebensjahre. 
Statt am 15. IX. 1913 tritt die Periode am 1. IX. ein und dauert 
14 Tage sehr stark. Ara 29. IX. erscheint wieder die Periode und bleibt 
sehr stark bis 7. X. Die "Wasche ist ganz durchblutet. Schmerzen im 
Bauche bestanden nur bei der Blutung am 1. IX. Partus 0. Abortus 0. 
Befund: Uterus anteflectiert, normal gross. Links und rechts (hinten) 
von ihm beiderseits weiche, schmerzhafte Adnextumoren. Patientin be¬ 
kommt 3mal täglich 30 Tropfen Uteramin Zyma. Die Blutung lässt 
bereits am 1. Tage nach und sistiert am 3. Tage vollständig. 

Auf Grund dieser Resultate kommen wir zu dem Schlüsse, 
dass das Uteramin Zyma auch in den gynäkologischen Fällen 
ein brauchbares Stypticum darstellt. 

Unter den Vorzügen des Uteramin Zyma gegenüber den Secale- 
präparaten mochten wir hervorheben die wasserbelle Durchsichtig¬ 
keit der Lösung, den leicht salzigen Geschmack, die Ungiftigkeit. 
Bei Injektionen des dünnflüssig beschaffenen Ampulleninhaltes 
fallen die Schmerzlosigkeit, das Fehlen aller Reiz- oder Nach¬ 
wirkungen an der Injektionsstelle auf. 


Aus dem Grossen Friedrichs-Waisenhaus der Stadt 
Berlin in Rummelsburg (Chefarzt: Prof. Erich Müller). 

Ueber die Anwendung der epifascialen (bzw. 
intramuskulären) Neosalvarsaninjektionen nach 
Wechselmann im Kindesalter. 

Von 

Dr. Hans Kern. 

Auf der Luesabteilung unserer Anstalt, die seit Sommer 1009 
besteht, und die 22 Betten umfasst, haben wir seit einiger Zeit 
das Prinzip der gemischten Behandlung eingeführt, d. h. in eine 
der üblichen Quecksilberkuren werden eine Anzahl, meist 4 bis 6, 
Neosalvarsaninjektionen eingeschoben. Von reinen Neosalvarsan- 
kuren sind wir abgekommen, da nach unserer Erfahrung die 
Wirkung reiner Salvarsankuren bei der Lues congenita nicht nach¬ 
haltig genug war. Zu einem Urteil über den Erfolg bei Lues 
acquisita reichen unsere Beobachtungen bisher nicht aus. Das 
Prinzip der gemischten Kur haben wir festgehalten, wenn auch 
die Art und Weise der Anordnung der Spritzen innerhalb der 
einzelnen Kur gewechselt hat. Ueber die jetzt bei uns übliche 
Methode der Therapie wird an anderer Stelle berichtet werden. 

Bei der grossen Anzahl der Neosalvarsaninjektionen, die sich 
bei der genannten Art der Kuren ergibt, kommen wöchentlich 
eine stattliche Anzahl von Injektionen zusammen. In erster Linie 
versuchen wir das Neosalvarsan intravenös zu verabreichen. Das 
geht in vielen Fällen anstandslos, vor allem bei Säuglingen in 
die Schädelvenen, dann wieder bei älteren Kindern in die Cubital- 
venen. Aber gerade bei den Kindern im 2.—7. Lebensjahre ist 
es vielfach nicht möglich, eine passende Vene zu bekommen. 
Wir haben deshalb die intramuskuläre oder richtiger epifasciale 
Methode nach Wechsel mann 1 ) mit Freuden aufgenommen. 

Nachdem ich durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Professor 
Wecbselmann die Methode in seiner Klinik persönlich kennen 
gelernt habe — wofür ich ihm an dieser Stelle bestens danken 
möchte —, haben wir ans ihrer seit August 1913 in ausgedehntem 
Maasse bedient, und wenn wir auch nicht über sehr viele Fälle 
verfügen, so sei der Bericht über unsere Erfahrungen im Kindes¬ 
alter doch gestattet, zumal wir, um es gleich vorauszunehmen, 
mit der Methode sehr zufrieden sind. 

Die epifasciale Methode, wie sie Wechselmann verlangt, 
erfordert eine gewisse Technik, die aber bei einiger Uebuog und 
Geduld unschwer gelernt werden kann. Es kommt darauf an, 
das Depot durch die Spritze genau auf die Fascie, aber auch nur 
auf die Fascie zu bringen. Wir haben uns zunächst streng an 
die Anweisungen des Autors gehalten; unsere eigenen Erfahrungen 
zeigen folgendes, speziell für das Kindesalter Bemerkenswerte: 
Das rauhe Gefühl der über die Fascie hinweggleitenden Nadel¬ 
spitze ist typisch, ist aber bei weitem nicht überall zu bekommen. 
Das hängt wohl mit der noch geringen Entwicklung der Fascie 
bei kleinen Rindern zusammen. Regelmässig dagegen fanden wir 
freie Beweglichkeit der Nadelspitze, sehr leichte Entleerbarkeit 

1) Wechselmann, Ueber 1000 subcutane Neosalvarsaninjektionen. 
ii.m.W., 1913, Nr. 24. 


der Spritze, Regurgitieren der probeweise injizierten Kochsalz- 
lösung ans der dicken Kanüle sowie freie Beweglichkeit der Nadel 
nm ihre eigene Längsachse 1 ). 

Die Injektionsflüssigkeit bestand aus frisch sterilisierter Koch¬ 
salzlösung oder neuerdings nur frisch sterilisiertem Leitungswasser 
als Vehikel. Wir haben von einfachem Leitungswasser nie Nach¬ 
teiliges sehen können. Die Konzentration haben wir im Laufe 
der Zeit immer mehr gesteigert. Die bei uns üblichen Dosen von 
0,015 g Neosalvarsan pro Kilogramm Körpergewicht lösten wir 
anfangs in 2, sehr bald dann in 1 ccm Flüssigkeit auf, mehr und 
mehr aber benutzten wir unter dem Einfluss von Wechselmann 
selbst 2 ) noch konzentriertere Lösungen, und schon Mitte März 1914 
sind wir zu 100 proz. Lösungen bei älteren Kindern übergegasgen. 

Bei den Säuglingen, die im allgemeinen dem Gewicht entsprechend 
nur Dosen von 0,03 bis 0,1 g Neosalvarsan erhalten, werden diese 
Mengen in 0,2 bis 0,3 ccm gelöst. Wir benutzen dabei gern 
Rekordspritzen von 0,5 ccm Inhalt, die in 10 Teile eingeteilt sind. 

Wir haben von August 1913 bis Juni 1914 148 epifasciale ! 

Injektionen bei 50 Kindern gemacht. Die intravenösen Injektionen ‘ 

gingen daneben her. Der jüngste Patient war 2 Monate, der j 

älteste 17V 2 Jahre alt. * 

In den ersten Wochen bekamen wir anfangs doch einige In- j 

filtrate, die später mit einer gewissen Sicherheit sich vermeiden ,! 

Hessen. Unsere letzten, speziell mit hochkonzentrierten Lösungen 
gespritzten Kinder blieben mit vereinzelten Ausnahmen frei von [ 

Infiltraten. Wenige unserer ersten Infiltrate sind etwas stärker 
geworden, aber alle haben sich nach einiger Zeit spontan zarück- 
gebildet. Seit Mitte März, dem Uebergang zn hochkonzentrierten P 

Lösungen, haben wir unter 88 Gespritzten nur noch 3 Infiltrate 
und dazu noch ganz unbedeutender Art gehabt, so dass wir den f 

Nachdruck auf ©ine hohe Einengung der Neosalvarsan- ; 

lösung (100 proz. Lösung) bei guter Technik legen. Dass dieser j“ 

letzteren eine ziemliche Bedeutung zukommen muss, gebt daran« J 

hervor, dass die verschiedenen Kollegen unserer Anstalt bei sonst 1 

gleicher Methode durchaus nicht den gleichen Prozentsatz an In- 
filtrationen hatten. 

Beim Kind hat die Methode gegenüber dem Erwachsenen H 

eine Schwierigkeit, die nicht ansser acht zu lassen ist und die Lr j 

an unseren ersten Infiltraten mit Schuld gewesen sein mag: Die 
Injektion ist etwas schmerzhaft; während nun die Erwachsenen 
und vielleicht auch das ältere Kind ruhig liegen bleiben und den {>; 

massigen Schmerz verbeissen, verhalten sich gerade die kleinen .• 

Kinder natürlich stark abgeneigt gegen die Injektion. Sie ent- ■ 

wickeln mit ihrer gesamten Beckengegend eine grosse Kraft, so “ 

dass die Nadel, selbst wenn sie richtig sitzt, wovon man sich 
durch die erwähnten Kautelen überzeugt hat, durch einen kleinen 
Ruck wieder aus ihrer richtigen Lage gebracht werden kann, j f 

was hie und da den Injizierenden auf eine harte Geduldsprobe - 

stellt. Oft hatten wir dabei, und besonders bei Säuglingen, den 
Eindruck, dass aus der geplanten epifascialen eine intramuskuläre 
Injektion geworden war. Trotzdem blieb aber eine Infiltrat¬ 
bildung fast immer aus, so dass bei den kleinen Kindern an 
die Stelle der epifascialen gut die intramuskuläre Iojektion 
treten kann, was die Einführung in die Praxis natürlich wesent¬ 
lich erleichtert. 

Einen Unterschied der Wirkungsweise gegenüber den intra¬ 
venösen Injektionen konnten wir klinisch nicht feststellen, da es ja 
meist Kinder in chronischer Behandlung waren. Durch die In¬ 
jektion wird im Körper ein Depot geschaffen, von dem aus in 
langsamer, kontinuierlicher Dosis Salvarsan an die Spirochäten 
in den Geweben des Körpers herangeführt wird. Es kommt, wie 
schon von anderer Seite im Urin nachgewieseo, za einer lang¬ 
samen Salvarsan Verbreitung im Organismus, während eioe stürmische 
Ueberflutung desselben vermieden wird, ein Vorteil, der gegen¬ 
über der intravenösen Verabreichung nicht zu unterschätzen ist. 

Alles zusammengefasst sind wir also mit dieser epifascialen 
oder intramuskulären Methode änsserst zufrieden. Sie ermöglicht 
uns oft überhaupt erst die Anwendung des Neosalvarsans. Dar 10 
sehen wir ihren grossen Wert für das kindliche Alter. Wir be¬ 
nutzen sie, wenn intravenöse Injektionen nicht am Platze sied 
oder aus technischen Gründen nicht gemacht werden können. D>® 

Bildung von Infiltraten lässt sich bei einiger Uebung fast im® er 
i vermeiden. Die Technik ist nicht ganz einfach, lässt sich aber 

1) Wechselmann und Eicke, Zur Technik und Wirkung Wb- 
cutaner Neosalvarsaninjektionen. M.m.W., 1914, Nr. 10. 

2) 1. c. 


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26. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1743 


erlernen. Wir glauben die Methode allgemein und speziell auch 
den Kinderärzten aufs wärmste empfehlen zu können. 

Zum Schluss möchte ich Herrn Dr. Ewer, der mir bei der 
Sammlung des Materials behilflich war, meinen besten Dank aus¬ 
sprech en. 


Aus dem pathologischen Institut des städtischen 
Krankenhauses in Wiesbaden (Prof. Dr. Herxheimer). 

Ueber die angeborene Wassersucht. 

Von 

Dr. Hans Wienskowitz. 

(Schluss.) 

Bleiben wir zunächst noch etwas bei der Morphologie, 
vor allem der mikroskopischen Befunde der angeborenen 
Wassersucht, so bestätigen unsere zwei Fälle, wie alle bisher 
veröffentlichten, dass Schridde auf Grund seiner ersten drei 
Fälle durchaus berechtigt war, diese typisch zu nennen. Der 
starke allgemeine Hydrops zusammen mit den ganz excessiven 
Blntbildungsherden, deren Zusammensetzung aus Erythroblasten 
und Myeloblasten, die Verteilung der Herde auf Organe usw., 
die starke Hämosiderose, das Fehlen oder Zurücktreten des folli¬ 
kulären Apparates der Milz sind allen diesen Fällen mit nur 
geringen quantitativen Schwankungen eigen. Die geringen 
Unterschiede in deu morphologischen Befunden sollen 
noch kurz gestreift werden. 

So treten die multiplen kleinen Blutungen in unseren beiden 
Fällen ebenso wie in den Fischers und Rautmanns weit 
schärfer hervor als in Schnödes Schilderung oder im Falle 
Loths; aber auch dieser Puqkt spricht dafür, dass es sich hier 
um eine Bluterkranknng handelt. Die Hämosiderose wurde in der 
Leber von allen Antoren beobachtet; der Hämosideringehalt der 
Milz schwankt und war bei Schridde ausgesprochen, fehlt hin¬ 
gegen in unserem Falle, wie in dem Rautmanns und auch wohl 
Loths. Während Schridde auf Grund seiner drei Fälle ein 
gewisses Gewicht auf die von ihm stets gefundene Herzbyper- 
tropbie legt, wurde diese dann aber von Fischer, Rautmann, 
Loth vermisst und fand sich auch in unseren beiden Fällen 
nicht; sie ist wohl nur eine Folge der Blutveränderung und des 
Hydrops und offenbar keine unbedingte Teilerscheinung der in 
Rede stehenden Fälle, sondern nur eine Erscheinung von sekun¬ 
därem Charakter, die auftreten oder fehlen kann, eventuell ab- 
hängig von Dauer und Ausbildung der Erkrankung. Ebenso eine 
sekundäre Bedeutung hat offenbar die von Fischer wie von uns 
gesehene Bindegewebsvermehrung der Leber, welche Schridde 
für seine Fälle nicht erwähnt. Sie ist wohl auf eine Schädigung 
der Leberzellen durch Anämie und Blutbildungsherde zurückzu¬ 
führen. Das eigentümliche schmutzig grüngelbe Pigment, welches 
Schridde in den Nierenepithelien fand, scheint zu schwanken. 
Loth fand dasselbe auch, Rautmann vermisste es. Fischer 
konnte es in mehreren Fällen nicht finden, hingegen in seinem 
4. Fall. Wir vermissten es und fanden es je einmal. Nach 
Fischers Untersuchungen und Reaktionen gehört das Pigment 
einerseits zu den lipofuscinen fetthaltigen Abnutzungspigmenten, 
andererseits möchte er es in irgendeinen Zusammenhang mit der 
Blutveränderung bringen. Die genaue Natur dieses Pigmentes 
ist noch völlig unbekannt, aber Fischer mag Recht haben, wenn 
er an ein ähnliches Pigment in den Nierenzellen bei gewissen 
Vergiftungen erinnert, denn wie mir Prof. Herxheimer mitteilt, 
war ein im hiesigen Institut in einem Vergiftungsfalle in der 
Niere beobachtetes Pigment dem in dem einen Falle des ange¬ 
borenen Hydrops gesehenen sehr ähnlich. 

Ein sehr wichtiger Punkt ist die Natur der io dem Blut- 
bildongsherd gefundenen Zellen. Schridde fand ganz über¬ 
wiegend Erythroblasten nnd Myeloblasten, ebenso alle Nach¬ 
untersucher, uud damit stimmen unsere Beobachtungen völlig 
überein. Nur Rautmann spricht von dem, was alle anderen 
Autoren als Myeloblasten auffassen, als grossen lympboiden 
Zellen und hält sie für „basophile lymphoide Mutterzellen von 
Erythroblasten“. Ich glaube nun, dass diese Ansicht keineswegs 
genügend begründet ist. Diese Gruppe von Zellen weicht gar 
*u sehr von den Erythroblasten, auch den basophilen, in Kern- 
Struktur wie sonst ab, als dass man da eine Linie ziehen könnte; 
8ie entsprechen ganz den Zellen, welche man je nachdem trotz 
feinster Unterschiede als Myeloblasten oder Lymphoblasten auf¬ 
fassen könnte. Da ist nun der Ausfall der .Oxydasereaktion 


äusserst wichtig, und diese fiel in unseren beiden Fällen stets 
durchaus positiv aus, in Ausstrichen wie in Schnittpräparaten. 
Auch Rautmann fand bei seinen grossen lymphoiden Zellen, 
allerdings aber nur bei einer ganz geringen Zahl dieser, positive 
Oxydasereaktion. Mir scheint diese vor allem bei ans so aus¬ 
gesprochen positiv ausgefallene Oxydasereaktion entschieden da¬ 
gegen zu sprechen, dass es sich hier um Erythroblasten oder 
problematische Vorstufen solcher handelt und unbedingt für 
den Myeloblastencharakter der Zellen zu sprechen; auch der Be¬ 
fund von Myelocyten im Blut steht damit im Einklang. Zum 
Ueberfiuss kontrollierten wir noch Erythroblasten io einem 
anderen Falle, wo sie sich zahlreich fanden, auf die Oxydase¬ 
reaktion and fanden diese stets negativ. Wir glauben daher 
nach alledem, dass die Auffassung Rautmanns unrichtig ist, 
und dass jene grossen Zellen Myeloblasten sind, wo¬ 
für sie auch Schridde und die anderen Autoren hielten, und 
dass sie in den Blutbildungsherden an Zahl dicht hinter den 
Erythroblasten kommen. Quantitativ finden sich natürlich aller¬ 
hand Schwankungen in den Zahlenverhältnissen der Blutzellen. 
So fehlten in einem Falle Schriddes die Leukocyten überhaupt 
Besonders stark zn schwanken scheint der Anteil der eosinophil 
gekörnten Zellen. Schridde fand sie in einem Falle zahl¬ 
reich, in den anderen nicht. Auch Fischer fand sie häufig; 
Rautmann spricht von zahlreichen eosinophilen Myelocyten. 
ln unseren Fällen fanden sich die eosinophilen Zellen nirgends 
in grosser Zahl. 

Damit dürfte das Wichtigste der Morphologie der Erkrankung 
erschöpft sein. Aber es fragt sich nun, unter welchem Bilde 
lassen sich diese Erscheinungen zusammenfassen, um eine Er¬ 
krankung welcher Art handelt es sich? Offenbar ähnliche 
Befunde waren früher öfters (so von Lahs, Siefart usw.) als 
Leukämie gedeutet werden. Das wies nun Fischer mit gutem 
Recht zurück und fasste die Blutveränderungen als Anämie auf. 
Myelocyten, hochgradige extramedulläre Blutbildnngsherde, die 
Hämosiderose sprächen dafür. Fischer spricht sich weniger 
bestimmt aus, nimmt aber auch eine vermehrte Zerstörung von 
Blut an und darauf einsetzende reparatorische vermehrte extra¬ 
medulläre Blntbildnng. Als Ursache liege eine toxische Schädigung 
vor, die wahrscheinlich aus dem mütterlichen Organismus stamme 
und auch die Schwangerschaftsnephritis der Matter (s. unten) 
bedinge. Rautmann andererseits bezweifelt die Anämie und 
fasst die Erythroblasten Wucherung „also nicht als reparatorisch, 
sondern als rein pathologisch“ auf und spricht daher von einer 
„Erythroblastose“; aber wir h£ben oben schon die Auffassung 
Rautmanns, dass es sich hier nur um Erythroblasten handle, 
zurückgewiesen. Ich glaube, dass wir auf jeden Fall die Blut- 
bildungsherde als einen übertriebenen reparatorischen 
Prozess auf fassen müssen als Folge einer Bluterkrankung 
bezw. Blutbildungserkrankung des Embryo, die wir sehr 
gut als Anämie bezeichnen dürfen, wenn auch bisher 
lebendiges Blut der Kinder noch nicht untersucht ist. Auch 
mögen die Verhältnisse hier bei der fötalen Erkrankung nicht 
ganz dem entsprechen, was wir vom extrauterinen Leben her 
gewöhnt sind. Der Hydrops erklärt sich wohl mit der Anämie. 
Ob die Anämie durch toxische Substanzen bewirkt wird, oder ob 
es sich um einen Bildungsfehler im Sinne der Unterentwickelung 
bezw. Differenzierung des hämatopoetischen Systems handelt, auf 
welche dann erst die besonders hochgradige Entwickelung der 
extramedullären ßlutbildungsherde folgt — die zu den bei Anämie 
zu findenden in Analogie steht, beim Fötus aber naturgemäss 
weit hochgradiger einsetzt — ist schwer zu entscheiden. Gerade 
unsere Fälle (s. unten) könnten auf das erstere hin weisen. Dass 
die Ursache im mütterlichen Organismus zu suchen ist, dafür 
führt Fischer wohl mit Recht an, dass die M&tteT manchmal 
habituell abortieren, manchmal habituell Kinder mit angeborener 
Wassersucht gebären. Gerade unsere Fälle sprechen gar sehr in 
diesem Sinne. 

Welche ätiologischen Momente können nun für die fötale 
Bluterkrankung ins Feld geführt werden? Syphilis sicher nicht, 
darin stimmen alle neueren Autoren mit Recht überein. Die 
Organe des Neugeborenen wiesen nie luetische Veränderungen 
auf, auch insbesondere nie Osteochondritis. Auf Spirochäten 
wurde vielfach, aber stets vergeblich gesucht. So war es auch 
in unseren Fällen. Auch die Wassermann-Reaktion war bei 
den Kindern, wenn ausgeführt, stets negativ; auch in keinem 
Falle fand sich sichere Syphilis der Mutter; allerdings waren 
zuweilen in der Anamnese Fehl- oder Frühgeburten zu verzeichnen, 
aber diese sind offenbar anders zn erklären (s. unten). Die be- 

2 * 


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1744 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


lastendste Anamnese in diesem Sinne hat besonders unser Fall, 
und er gab wie ein Fall Fischer’s auch positive Wasser¬ 
mann-Reaktion der Mutter, aber Fischer lehnt mit Recht für 
seinen Fall trotzdem ab, dass es sieb um Syphilis handelte, und 
so ist es auch in unserem Falle, da nicht nur die Kinder nichts 
von Lues aufwiesen, sondern auch die Mutter zur Sektion kam 
und keinerlei Anzeichen einer syphilitischen Erkrankung bot. 
Aber selbst wenn die Mutter syphilitisch gewesen, würden wir 
die Syphilis als direkte Ursache der kindlichen Erkrankung nicht 
anerkennen können. Syphilis an sich ist aus der Aetiologie 
dieser auszuscheiden. Ganz neuerdings stellte allerdings 
Labs (Gynäkologische Gesellschaft in Dresden 19. Februar 1914) 
einen Fall von angeborenem Hydrops der Schridde’schen Form 
vor, in welchem das Kind luetisch war. Mit Recht hält aber 
auch Lahs die Erkrankung für eine Anämie und sieht in der 
Lues wie sonst in anderen toxischen Momenten nnr die Grund¬ 
lage dieser. 

Viel umstritten ist die Frage nach der Nephritis des 
Kindes einerseits, der Mutter andererseits. Was zunächst 
erstere angeht, so konnten Schridde, Fischer, Loth, Raut- 
raann eine solche mit Sicherheit negieren, und das können wir 
auch für unsere Fälle mit Bestimmheit tun. Nnr Sitzenfrey 
(für Zwillinge mit angeborener Wassersucht) und Lieven be¬ 
haupten, bei den Kindern eine Nephritis festgestellt zu haben. 
Es ist schwer zu sagen, ob diese Fälle zu der Schridde’schen 
Form der Wassersucht mit Anämie gehören — der Sektionsbericht 
dieser Fälle spricht dafür, aber die histologische Beschreibung 
ist zur Entscheidung nicht genau genug —, allein es ist auch 
sehr unwahrscheinlich, dass in diesen Fällen überhaupt Nephritis 
vorlag. Sitzen frey und Lieven berufen sich nur auf Trübung 
und Geschwollensein der Nierenepithelien, Nichtfärbbarkeit der 
Epithelien und Zellinfiltration mit Blutungen; dass diese Angaben 
nicht stichhaltig sind, darauf wiesen schon mit Recht Fischer 
und Ludwig 1 ) (dessen eigener Fall mangels Blutbildungsherde 
usw. nicht hierher zu zählen ist) hin. Die erstgenannten Er¬ 
scheinungen können postmortal oder durch das Oedem der Niere, 
welches Lieven ausdrücklich vermerkt, bedingt sein, die Zell¬ 
infiltration und Blutungen aber Blutbildungsherde darstellen. Sei 
dem wie es wolle, das absolute Fehlen irgend einer fötalen 
Nephritis in den typischen Fällen, so auch den unseren, 
lässt eine Bedeutung derselben für Anämie und Hydrops 
der Kinder mit Sicherheit ausschliessen. 

Schwieriger zu beurteilen ißt eine Nephritis, oder vielmehr 
die sogenannte Schwangerschaftsnephritis der Mutter. 
Sie findet sich in einem relativ grossen Prozentsatz der Fälle. 
Schridde sah sie in zwei Fällen, Fischer in wenigstens drei, 
ferner RautmanD, Sitzenfrey, Lieven und auch ältere Autoren. 
Aber auf der anderen Seite stehen zwei Fälle von Schridde, 
der Loth’sche, Fall wie der unsrige. Hier war von Nephritis 
der Mutter nicht die Rede. Wir waren in der für die Entscheidung 
dieser Frage glücklichen Lage, die Sektion auch der Mutter vor¬ 
nehmen zu können und konnten so eine Nephritis mit Sicherheit 
ausschliessen. Fischer, welcher dieser Nephritis mehr Bedeutung 
wie Schridde beilegen möchte, hält die Schwangerschaftsnephritis 
wie den Hydrops der Kinder eventuell für coordiniert als Folgen 
einer toxischen Infektion der Mutter während der Gravidität. 
Aus alledem ist zu schliessen, dass die fötale Erkrankung 
auf jeden Fall nicht an die mütterliche Nephritis ge¬ 
bunden ist, sondern dass es sich um einen toxischen Zustand 
handelt, der die Anämie bewirkt und der höchstens in Beziehungen 
zur mütterlichen Scbwangerschaftsnepbritis stehen könnte. 

In unserem Falle nun — und gerade das macht ihn so 
interessant — steht ein anderes ätiologisches Moment im Vorder¬ 
grund, und das ist die hochgradige Anämie der Mutter. 
Sie ist wohl sekundär und auf Tuberkulose, und wenn solche 
wirklich vorhanden war, eventuell auch auf die Syphilis zu be¬ 
ziehen. Diese mütterliche Anämie steht nun wohl sicher 
in Beziehung zur Anämie der Kinder — es ist auch an 
eine ähnliche Coincidenz, die in älteren Fällen öfters beobachtet 
wurde, zu erinnern — und auch hier ist offenbar eine toxische 
Einwirkung die Vermittlerin. Die hochgradige Anämie der 
Mutter ist klinisch und anatomisch festgestellt, auch sie geht 
mit Myelocyten- und vor allem MyeloblastenausschwemmuDg ein¬ 
her und besteht schon seit längerer Zeit. Ob die Ursache, welche 
die mütterliche Anämie bewirkte, auch für die fötale anzu- 


1) Ludwig, Zur Lehre der allgemeinen angeborenen Wassersucht. 
Schweiz. Korr. Bl., 1912, Nr. 25. 


schuldigen ist oder, was wohl wahrscheinlicher ist, infolge der 
mütterlichen Anämie ein toxisches, schädigendes, bzw. die fötale 
Blutbildung hinderndes Moment die kindliche Anämie bewirkte, 
ist nicht sicher zu entscheiden. Auf jeden Fall weist diese auf¬ 
fallende Coincidenz darauf hin, dass die toxische Substanz, 
welche die fötale Blutbildung schädigt, in letzter In¬ 
stanz im Stoffwechsel der Matter bedingt ist, von welcher 
ja der fötale Stoffwechsel überhaupt abhängig ist. Hierfür spricht 
auch ein zweiter Punkt, der nnsern Fall auszeichnet, das ist die 
Tatsache, dass die von ans beschriebene Frau im Verlaufe 
eines Jahres zwei Kinder bekam, die beide dieselbe 
Form des angeborenen Hydrops aufwiesen und daran starben. 
Dies ist selten und in den typischen Schridde’schen Fällen 
noch nicht, wohl aber früher bei angeborener Wassersucht sebon 
von Gierse, Krieger, Barton, E. Gohn, Rüge, Ribemont- 
Desaignei, Ballantyne, Nachtigäller 1 ), Lahs beobachtet 
worden. Bei Sitzenfrey waren es Zwillinge. Die schwere 
Anämie der Matter bestand in unserem Falle während der ganzen 
Zeit, und dieser Zustand war es somit, welcher offenbar die reci- 
divierende Wassersucht bewirkte, also ein weiterer Hinweis anf 
die Abhängigkeit dieser vom mütterlichen Zustand. Auch aaf 
die toxische Substanz im Stoffwechsel der Matter ist wohl die 
Tatsache zu beziehen, dass in unserem Falle, wie in relativ zahl 
reichen der Literatur (z. B. Fischer, Rautmann, Loth) Tot¬ 
geburten und Frühgeburten den Geburten hydropischer 
Kinder vorangegangen waren; ein solcher Zusammenhang 
ergibt sich aus den einzelnen Fälleo als wahrscheinlicher, als 
etwa eine syphilitische Aetiologie anzunehmen. 

Ziehen wir aus alledem eineu Schluss, so handelt es sich 
bei der zuerst von Schridde beschriebenen Form von ange¬ 
borenem Hydrops mit fötaler Anämie, von der wir ein sehr 
typisches Beispiel recidivierender Art beschreiben konnten, 
offenbar um die Folgen einer toxischen Einwirkung 
auf die* fötale Blutbildung, höchstwahrscheinlich von 
Seiten der Mutter. Die Art dieser toxischen Substanz ist 
völlig unbekannt und vielleicht auch komplexer Natur. Ob hier 
Nephritis oder Schwangerschaftsnephritis eine Rolle spielt, ist 
nicht sicher auszuschliessen, aber nicht sehr wahrscheinlich. 
Unser Fall weist darauf bin, dass die toxische Substanz mit 
einer schweren Anämie der Matter in Zusammenhang 
stehen kann; ob dies öfters der Fall, kann erst eine grössere 
Statistik ergeben. Spezifisch für die fötale Anämie ist die Anämie 
der Mutter naturgemäss nicht. 

Dass diese Auffassung, dass allerhand schädigende Einflüsse 
Anämie und Hydrops der Neugeborenen bewirken, richtig ist, 
dafür sprechen, wie zum Schlüsse bemerkt sei, auch sehr inter¬ 
essante ältere Versuche. Dareste 2 ) ist es nämlich gelangen, am 
Hühnerembryo einen allgemeinen Hydrops mit Anämie hervor- 
zurufen; indem er die verschiedensten schädigenden Einflüsse, 
wie zu hohe oder zu niedere Temperatnr, Ueberziehen des Eies 
mit Firniss, Umdrehen der Eipole usw. einwirken liess, erzengte 
er verschiedene Missbildungen, und ausser Anencephalie, Spina 
bifida usw. sab er öfters universellen Hydrops auftreten, zugleich 
mit Anämie. Dareste meint, dass die Anämie einfach darauf 
zurückzuführen sei, dass zur Zeit der Blutinseln in der Area vas- 
culosa infolge der von aussen gesetzten Schädigungen keine Ver¬ 
bindung der Gefässzone mit dem fötalen Organismus zustande 
komme. Infolgedessen sei das embryonale Blut farblos und könne 
auch infolge des Eiweissmangels alle Organe und Gewebe darch- 
dringen. Mangels näherer Angaben von Dareste war @8 mir 
leider nicht möglich, die Versuche neu zu wiederholen, sie sind 
aber auch in Hinblick auf die ätiologische Seite der allgemeinen 
Wassersucht von Interesse. 

1) Nachtigäller, Ein Fall von habituellem Hydrops foetus. Diss., 
Berlin 1896. 

2) Dareste, Recherches sur 1& production artificielle des mon- 
struositös. Deuxieme editiou, Paris 1891. — Ausserdem siehe noco: 
Kleba, Ueber Hydrops der Neugeborenen. Prag. m. Wschr., 1®78. “■ 
Mattersdorf, Allgemeines Oedem der Frucht und der Placenta. Dim*» 
Breslau 1891. — Gärtner, Beitrag zur Kasuistik des Hydrops foetalis. 
Diss., Leipzig 1905. — Gruss, Zwei Fälle von fötalem Ascites, üiä. 
Strassburg 1908. — Brookhuizen, Hydrops foetus universalis. F)iss., 
Groningen 1908. — Schridde, Die angeborene allgemeine Wassersucn. 
D.m.W., 1911, Nr. 9. (Freiburger med. Gesellschaft, 6. Februar 

v. Pieverling, Ueber fötale Wassersucht. Diss., München 191L 
Teuf fei, Zur Pathologie des Hydrops universalis foetus et pl* centa ' 
Zbl. f. Gyn., 1911, Nr. 10. — Nyhoff, Zur Pathologie des Hydrops 
universalis foetus et placentae. Zbl. f. Gyn., 1911, Nr. 22. 


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26 Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Der Pfeil als Fliegerwaffe. 

Von 

Prof. Coenen, 

Oberarzt der Kooigl. chirurgischen Klinik in Breslau, kommandiert zur 2. Sanitfus- 
kompagnij des VI. Armeekorps. 

Im jetzigen Kriege haben die französischen Flieger sich mit 
einer neuen Waffe ausgerüstet, die dem Vernehmen nach schon 
einige Verletzungen zur Folge gehabt hat. Es sind kurze Pfeile 
aus Eisen, die die feindlichen Flieger auf unsere Soldaten herab- 
werfen. Ein solcher Pfeil hat ungefähr die Form und Grösse 
eines angespitzten Bleistiftes. Das untere Drittel ist zugespitzt 
und massiv, während die oberen zwei Drittel der Länge nach in 
Quadranten ausgestanzt sind, so dass der Durchschnitt von oben 
gesehen kreuzförmig ausfällt. Durch diese Bauart erreicht der 



Französische Fliegerpfeile. (% natürl. Grösse.) 

eiserne Pfeil die Schwere der Spitze, die Leichtigkeit des hinteren 
(= oberen) Endes und die Führung in der Luft in ähnlicher 
Weise, wie der gefiederte Pfeil des Indianers. Da diese Waffe 
aus dem Flugzeug nur herausgeworfen zu werden braucht, um sofort 
unter dem Gesetze der grössten Kraftquelle der Erde, der Schwer¬ 
kraft, sich einzustellen und in beschleunigtem Tempo durch die 
Luft zu zischen und mit der Spitze aufzuschlagen und zu ver¬ 
letzen, so ist die Anwendung ausserordentlich einfach. Es ist 
ohne Zweifel die geistreiche Anwendung einer uralten Waffe in 
einer neuen technischen und kriegerischen Aera. Ob aber die 
Erwartungen, die die Franzosen au diese neue Waffe knüpfen, 
sich erfüllen werden, ist' zweifelhaft, denn nur der Zufall 
kann mal das Ziel treffen, zumal die Streuung fehlt, wie 
sie bei der Handgranate, die unsere Flieger führen, möglich ist. 
Auf eng zusammenliegende Truppen im Biwak, auf gesammelte 
Kavallerie, Protzensammelstellen u. dgl. könnten die eisernen 
Fliegerpfeile aber vielleicht Verletzungen erzeugen, wenn sie in 
grosser Menge herabgeschleudert werden. Dies setzt aber wieder 
einen grossen Ballast voraus. 

In der letzten Nacht wurden eine Anzahl derartiger Pfeile 
auf eine Pionierkompagnie herabgeworfen. Verletzt wurde nie¬ 
mand. Die Soldaten gaben an, dass man beim Einschlagen in 
die Erde ein dumpfes Geräusch höre, einige wollen auch das 
Zischen der durchschnittenen Luft bemerkt haben. Es wurden 
etwa 50 solcher Pfeile am anderen Morgen gefunden, die etwa zu 
zwei Dritteln in der Erde staken und teilweise gekrümmt waren. 
Das Gewicht eines Pfeiles beträgt 20 g, die Länge ist 12 cm, der 
Durchmesser 0,8. Sollten wir Gelegenheit haben, so werden wir 
über die von den Fliegerpfeilen gesetzten Verletzungen berichten. 

Beine b. Reims, den 30. September 1914. 


Bücherbesprechungen. 

Adolf Strümpell, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie. 

2 Bände, 19. vielfach verbesserte Auflage. Leipzig 1914, 
F. C. W. Vogel. 

Wenn von irgend einem Buch das Wort gilt: dass es das Lehrbuch 
seiner Zeit geworden sei, so gilt dies von dem alten, nunmehr zum 

18. Male verjüngten Strümpell. Auch die neue Auflage trägt allen 
wesentlichen Fortschritten der inneren Medizin Rechnung. Es ist auf 
solider klinischer und pathologischer Erfahrung aufgebaut. Es ist mir 
stets ein Genuss, der anschaulichen Darstellung der Nervenkrankheiten 
in dem Strümpeil’schen Buch zu folgen. In einer früheren Besprechung 
des Buches habe ich schon einmal hervorgehoben, dass ein Buch aus 
der Feder eines Mannes gewisse unbestrittene Vorzüge besitzt gegen¬ 
über den Eindutzendmänner-Büchern unserer Zeit. Das persönliche, 
subjektive, das sich durch das Buch eines Autors zieht, verleiht der 
Darstellung eine eigenartige Frische. Ein Buch beim Erscheinen der 

19. Auflage besonders zu empfehlen, hiesse Eulen nach Athen tragen. 
Ein solches Buch bedarf keiner weiteren Empfehlung. 

C. Hirsch Göttingen. 


Lehrbuch der psychiatrischen Diagnostik von Privatdozent Dr. 

Adalbert Gregor, Oberarzt an der Kgl. Heilanstalt Dösen-Leipzig. 

Mit 7 Abbildungen. Berlin 1914, S. Karger. 240 S. Preis brosch. 

4,80 M., geh. 5,80 M. 

In Anbetracht der zahlreichen, z. T. ganz ausgezeichneten heute 
vorhandenen durchaus modernen Leitfäden und Diagnostiken in der 
Psychiatrie erscheint es einigermaassen zweifelhaft, ob ein Bedürfnis nach 
einem neuen derartigen Werk vorlag. Das vorliegende, das unter Berück¬ 
sichtigung vielleicht allzu vieler Detäilfragen zusammengestellt ist, er¬ 
scheint mir für seinen Zweck zu umfangreich und enthält im einzelnen 
eine Reihe von sehr anfechtbaren Behauptungen. 


A. Margulies-Prag: Diagnostik der Nervenkrankheiten. Erster Band. 
Allgemeiner pathologischer Teil. Mit 13 Abbildungen. Berlin 
1914, S. Karger. 124 S. Preis brosch. 3 M., geb. 4 M. 

Das Buch bringt in seinem ersten vorliegenden Teil, der nach dem 
Plan des Autors, dem er im Vorwort Ausdruck gibt, mehr für den Ge¬ 
brauch von Studenten bestimmt sein soll, in gedrängter Form alles zur 
Stellung einer neurologischen Diagnose Wünschenswerte und Notwendige. 
Es ist in übersichtlicher Weise in zehn Kapitel gegliedert, die die Stö¬ 
rungen der Motilität, Sensibilität, der Reflexe, die Erkrankungen des 
Grosshirns, des Kleinhirns, der Hirnnerven und des Rückenmarks, des 
Sympatbicus, die Untersuchungen des Liquor cerebrospinalis und schliess¬ 
lich auch die neuesten Forschungen berücksichtigen, die Störungen der 
inneren Sekretion und ihren Einfluss auf das Nervensystem behandeln. 
Man kann dem Buch im Interesse der besseren neurologischen Ausbildung 
von Studierenden nur eine ausgedehnte Verbreitung wünschen. 

König - Kiel. 


Th. Heller: Pädagogische Therapie für praktische Aerzte. Berlin 
1914, Jul. Springer. 223 S. 

Der bekannte Direktor der Grinzinger Heilanstalt für schwachsinnige 
Kinder, der schon vor 20 Jahren in Wien bei der Naturforscherversammlung 
die pädiatrische Sektion durch die Demonstration seelentauber Kinder 
interessierte, bat, obwohl selbst nicht Arzt, mit dem vorliegenden Buche 
dem ärztlichen Praktiker ein sehr nützliches Geschenk gemacht. 

Es ist als ein Band der von Langstein, v. Noorden, v. Pirquet 
und Schittenhelm herausgegebenen Enzyklopädie der klinischen 
Medizin erschienen. 

Die Beobachtung und Beurteilung psychisch abnormer Kinder gehört 
im allgemeinen noch unter die schwachen Seiten des ärztlichen Unter¬ 
richtes und ganz besonders der beruflichen Wirksamkeit des Mediziners. 
Sie stehen in oft noch recht unerquicklichem Gegensatz zu der unge¬ 
meinen Häufigkeit ihrer Inanspruchnahme seitens des Publikums. So 
begegnet man denn nur allzuoft recht starken diagnostischen und nament¬ 
lich prognostischen Jrrtümern auf diesem Gebiete. Diesem Uebelstande 
abzuhelfen, erscheint Helleres Buch recht geeignet. Es gliedert sich 
in die Schilderung der geistigen Schwächezustände (Idiotie, Imbecillitat, 
Debilität, Dementia infantilis und praecox und epileptischer Schwachsinn) 
und in die Besprechung der nervösen und psychopathischen Konsti¬ 
tutionen. 

Dass der Verf. nicht klinisch geschult ist, lässt sich vielleicht an 
den nicht gerade sehr scharfen uod plastischen Definitionen und Ab¬ 
grenzungen der einzelnen genannten Formen entnehmen: ein freilich um 
so entschuldbarerer Mangel, als hier auch die Kunst des erfahrenen 
Klinikers es noch keineswegs zur Vollkommenheit gebracht hat, wie 
schon aus den Citaten, die Verf. hier beibringt, ersehen werden kann. 

Aber dass er ein trefflicher Beobachter ist, geht aus einer Menge 
feiner Züge hervor, mit denen er die einzelnen Krankheitsbilder aus¬ 
stattet, z. B. bei der Darstellung des Verhaltens der Sinnesfunktionen 
beim Idioten, des Trieblebens des Debilen. 

Das Hauptgewicht des Buches liegt aber, wie ja schon sein Titel 
besagt, auf dem Gebiete der Therapie. Und hier entfaltet nun der 
Verf. eine solche Fülle, man möchte sagen Ueberfülle, von Gesichts¬ 
punkten in wohlgeordneter methodischer Betrachtung, wie sie einem 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


taleotierten Pädagogen nur in jahrzehntelanger Erfahrung haben Besitz 
werden können, ein Besitz, der auch durch die Beschäftigung mit den 
Ergebnissen der experimentellen Psychologie bereichert erscheint. 

Es wird bei jedem Abschnitt ein besonderes Kapitel der Erziehung 
und ein zweites dem Unterricht gewidmet und hier jedesmal alles Er¬ 
denkbare zusammeDgetrageD, was zur Hebung und womöglich Heilung 
des betreffenden krankhaften Zustandes geleistet werden kann. 

Eindringlich finden sich die zahllosen Irrtümer und Fehler aufge¬ 
deckt, die noch alltäglich in der Pädagogik psychisch anomaler Kinder 
von seiten der Eltern, Lehrer und man kann wohl hinzufügen auch Aerzte 
begangen werden. Jedem ärztlichen Berater von Familien, die das Un¬ 
glück haben, solche psychisch minderwertige Kinder erziehen zu müssen, 
möchte ein Studium dieses Buches geraten werden. Es ist freilich 
richtig, dass schliesslich alle die Maassnahmen und Methoden, deren 
Entwicklung und Vervollkommnung der heilpadagogiscben Anstalten zu 
verdanken ist, zu ihrer erfolgreichen Ausübung eben auf diese Austalten 
angewiesen sind. Aber die Einführung in die Prinzipien, von denen 
diese Methoden beherrscht werden, wird den Arzt doch auch in solchen 
Fällen, wo eine Ueberlührung eines psychisch anomalen Kindes in eiue 
Anstalt nicht, oder nicht sogleich zu ermöglichen ist, zu manchem guten 
Rat an die Eltern befähigen und jedenfalls vor Missgriffen schützen. 
Ja, es dürfte sogar statthaft sein, nachdem die Diagnose eines krank¬ 
haften Zustandes richtig gestellt ist, den Eltern oder Erziehern das 
Heller’sehe Buch zum Studium in die Hand zu geben und auf das 
betreffende Kapitel hinzuweisen. Ein Register gestattet die rasche 
Orientierung in dem gut ausgestatteten Werke. 

Ich habe es mit Vergnügen gelesen. Hbr. 


R. 0. Nenmann und Martin Mayer: Atlas and Lehrbuch wichtiger 
tierischer Parasiten und ihrer Ueberträger. Mit besonderer 
Berücksichtigung der Tropenpathologie. (Lehmann’s medizini¬ 
sche Atlanten). Bd. 11. Mit 1300 farbigen Abbildungen auf 45 
lithographischen Tafeln und 237 schwarzen Textfiguren. München 
1014, J. F. Lebmann’s Verlag. 580 Seiten Text des Lehrbuchs 
und 93 Seiten erläuternder Text des Atlas. Preis geh. 40 M. 

Das Werk ist in 2 Abschnitte gegliedert, in den textlichen Teil 
und in deu illustrativen, zwischen welche das Sehlagwörterverzeichnis 
eingeschaltet ist. Ein kurzes Inhaltsverzeichnis und eine Uebersicht über 
den luhalt der Tafeln ist an die Spitze des Buches gesetzt. Dem Zwecke 
desselben entsprechend, der medizinischen Praxis zu dienen und 
zwar als Lehrbuch für Studierende und als Nachschlagewerk für den 
Praktiker ist die Anordnung des Stoffes durchaus übersichtlich und klar 
gehalten, und es werden lediglich den Spezialforscher interessierende 
Fragen nur gestreift. Die praktisch wichtigen Kapitel dagegen sind aus¬ 
führlich behandelt, z. B. nimmt die wichtige Materie der Spirochäten den 
breiten Raum von 38 Druckseiten ein. Jedem Kapitel ist die wichtigste 
Literatur vorausgeschickt, dann folgt meist eine kurze historische Notiz, 
an welche sich die Morphologie und Biologie, die geographische Ver¬ 
breitung des betreffenden Parasiten, die Klinik, pathologische Anatomie, 
Sektionsbefunde, histologische und mikroskopische Details anreihen. Jedes¬ 
mal wird auf die Biologie und Anatomie, auf FaDg und Zucht, Präpara¬ 
tion, Versand und Konservierung der für die Parasitenforschung so 
wichtigen Ueberträger eingeheud eingegaogen. Auch die allerneuesten 
Ergebnisse sind, wie man sich durch Stichproben leicht überzeugen kann, 
bereits berücksichtigt. Einen breiten Raum nimmt die Technik eiD, 
die gerade für den selbsttätigen Praktiker von besonderer Bedeutung ist. 

Die Auslührung der farbigen Tafeln des Atlas entspricht durchaus 
dem hohen Stand unserer modernen Illustrationstechnik. Wer die grossen 
Herstellungskosten farbiger Lithographien kennt, wird über den billigen 
Preis des Werkes bei dieser Fülle von vorzüglichen Abbildungen erstaunt 
sein. An Naturtreue und Reichhaltigkeit übertriilt der Neu mann- 
Mayer’sche Atlas meines Erachtens den ausgezeichneten Atlas de para- 
sitologie von Deschiens. Weniger begeistert darf man von einzelnen 
schwarzen Abbildungen des Textes sein. Beispielsweise könnte die Text¬ 
figur 190, S. 483, ebensogut ein Stück Schweizerkäse, wie einen Echino¬ 
coccus multilocularis darstellen. Zu einem drastischen Vergleich fordert 
auch die Figur 226 heraus, die so wenig instruktiv ist, dass sie ruhig 
weggelassen werden könnte, ohne den Wert dieses vorzüglichen Buches 
zu schmälern. Ich betrachte es als Recht und Pflicht der Besprechung, 
auf derartige Mängel hinzuweisen, die übrigens in keiner Weise geeignet 
sein könneo, den Gesamtwert dieser wissenschaftlichen Leitung irgendwie 
herabzusetzen. Als Lapsus calami möchte ich die unrichtige Schreib¬ 
weise einzelner Autorennamen, z. B. Uhlenhut, auffassen. Ob die 
Schreibweise Spirochaete schaudinni, Plasmodium kochi usf. sprachwissen¬ 
schaftlich begründet ist, will ich nicht entscheiden. Bei der Wandel¬ 
barkeit philologischer Anschauungen wäre es immerhin möglich. 

Tilp-Strassburg i. E. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

E. Brezina und H. Reichel: Der Energieumsatz bei der Geh¬ 
arbeit. I. Ueber den Marsch auf horizontaler Bahn. (Biochem. Zschr., 
Bd. 63, H.2 u. 3, S. 170.) Beim Horizontal marsch hängt der Umsatz pro 
Kilogramm Gesamtgewicht und Meter Weg bei massigen Geschwindig¬ 


keiten von der Geschwindigkeit nicht ab, und er variiert mit der Last 
in der Weise, dass er für mittlere Lasten am geringsten ist und dass 
der Zuschlag für andere Lasten als die optimale etwa dem Quadrat der 
Lastdifferenz proportional ist. Jenseits der ökonomischen Maximal- 
geschwindigkeit, die für alle Belastungen, mindestens für die praktisch 
in Betracht kommenden, als gleich zu gelten hat, wächst der Umsatz 
pro Kilogramm und Meter Weg mit arithmetisch wachsender Geschwindig¬ 
keit geometrisch, und zwar um so stärker, je grösser die Belastung ist. 
Bei nicht forciertem (ökonomischem) Marsch also geht der Mann mit 
mittleren Lasten (um 20 kg) am sparsamsten. Der Unbelastete darf 
aber den Marsch mit dem geringsten Verlust forcieren, während jeder 
Belastete für höhere Geschwindigkeit mehr büsst. 

John C. Hemraeter-. VagnBhemmung und die anorganischen 
Salze des Herzens. I. Mitteilung. Untersuchungen am Herzen von 
Elasraobranehier. (ßioebern. Zschr., Bd. 63, H. 2 u. 3, S. 118.) Io einem 
gereizten oder vagusgehemmten Herzen des Hundehaies bleibt der CaO- 
Gehalt so gut wie unverändert, die MgO-Menge ist etwas erhöht und die 
NaCI-Menge deutlich verringert. Der Gehalt des gereizten und ge¬ 
hemmten Herzens an KCl ist minimal gesteigert, die Steigerung betrug 
in dem einen Falle 0,08 pCt., im andern 0,12 pCt. 

John C. Herameter: Zur Biochemie des Vagnsproblems. II. Mit¬ 
teilung. Wechselseitige oder gekreuzte Circulation zwischen zwei Selachier- 
herzen zur Entscheidung der Frage, ob Vagushemmung des einen Herzens 
Verlangsamung oder Aufhebung der Funktion des andern durch Leitung 
des Biutes von „A“ nach „B“ verursachen kann. (Biochem. Zschr., 
Bd. 63, H. 2 u. 3, S. 140.) Zwei Selacbierherzen wurden mittels Canülen 
so miteinander verbunden, dass das Blut aus dem Herzen „A“ in das 
Herz „B“ strömte und zunächst die Coronararterien von „B“ speiste. 
WeriD man nun den Vagus von A reizte, so dass die Schlagfolge wesent¬ 
lich verlangsamt war oder gar Herzstillstand eintrat, schlug das Herz 
„B“ im gleichen normalen Rhythmus weiter. Es wird also aus einem 
gehemmten Herzen in das durebfliessende Blut nichts ausgeschieden, 
was die Tätigkeit eines zweiten Herzens derselben Spezies verlangsamt 
oder zum Stillstand bringt. Hiernach dürfte die Theorie, welche die 
Vagushemmung durch Abspaltung von KCl aus dem Myocardium der 
Tiere zu erklären versucht, nicht zutreffend sein, sondern die An¬ 
schauung von Luciani zu Recht bestehen, dass der Vagus die Herz¬ 
muskelfasern zum Stillstand bringt und sie in einen Zustand völliger 
Erschlaffung versetzt. 

A. Kr ei dl und E. Lenk: Der Einfluss des Fettgehaltes der Milch 
auf ihre Labungsgeschwindigkeit. (Biochem. Zschr., Bd. 63, H. 2 u. 3, 
S. 151.) Trotz gleicher Versuchsbedingungen schwankt die Labungszeit 
verschiedener Milchsorten gaoz erheblich. Sie ist im wesentlichen ab¬ 
hängig vom Fettgehalt, und zwar labt eine Milch desto später, je fett¬ 
reicher sie ist. Wohlgemuth. 


Therapie. 

L. Halberstaedter-Berlin: Radinmtherapio äusserer Erkran¬ 
kungen. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 3) Günstige Er¬ 
folge ergab die Radiumbehandlung bei Ekzemen der verschiedensten Art, 
bei Psoriasis und Lieben ruber planus, und zwar mit sehr schwachen 
Bestrahlungen. Viel stärkere Dosen muss man bei Angiomen bzw. 
Carcinomen und bei Keloiden anwendeD. Nicht sehr befriedigend waren 
die Erfolge bei Lupus vulgaris, dagegen sehr gut bei Cancroiden und 
Carcinomen der Haut und bei Verruca senilis, während die gewöhnlichen 
Warzen nicht gleichmässig auf die Radiumstrahlen reagieren. Leucoplakie 
wird mitunter günstig beeinflusst, während Carcinome der Wangen¬ 
schleimhaut und der Zunge sich nicht besserten. Geschwülste der Ton¬ 
sillen werden zum Teil günstig beeinflusst; Drüsenaffektionen aller Art 
aber sehr gut. Immerwahr. 

0 eh l er - Freiburg i. B.-. Zur Röntgentietentherapie bei chirurgischen 
Krankheiten, mit besonderer Berücksichtigung der chirurgischen Tuber¬ 
kulose. (M.m.W., 1914, Nr. 40.) Die Wirkung der Röntgenstrahlen bei 
chirurgischer Tuberkulose isb eklatant. Ein Fall von Kieferaktinomykosö 
wurde ebenfalls günstig beeinflusst. Von operablen Tumoren wurden 
nur die Cancroide des Gesichts mit gutem Erfolge bestrahlt. Bei vier 
Mammacarcinomrecidiveu verschwanden die Knoten. Ein Sarkom, das 
von der Fascie ausging, wurde vollständig zum Schwinden gebracht. I® 
übrigen vertritt die chirurgische Klinik in Freiburg, aus der die Arbeit 
hervorgegangen ist, im Gegensatz zu der doatigen gynäkologischen den 
Standpunkt, dass operable Tumoren unbedingt operiert werden müssen. 
Die Erfolge der Bestrahlung bei Strumen sind nicht befriedigend; das 
Parenchym reagiert auf die Strahlen, nicht aber die Knoten. 

Dünner. 

Eder-Berlin: Zur Kenntnis der Eigenschaften der radinaktifen 
Substanzen und ihrer Anwendung. (Msohr. f. Geb. u. Gyn., August 
1914.) Es wurden Röhrchen mit 50 mg Radiumbromidaktivität ange¬ 
wandt und dabei nie Schädigungen beobachtet, wie vorher bei An¬ 
wendung grösserer Dosen. Grössere Tumoren werden 8 Tage lang täg¬ 
lich 8—12 Stunden bestrahlt, dann mehrere Wochen pausiert. Die 
a-Strahlen kommen für therapeutische Zwecke nicht in Betracht, werden 
auch schon durch die Glas- oder Silberhülle des Präparates absorbiert. 
Die ^-Strahlen dringen nur 6—8 mm ins Gewebe ein, kommen also 
hauptsächlich für die Behandlung von oberflächlichen Hautkrankheiten 
I in Betracht und dürfen wegen ihrer stark zerstörenden Wirkung nur 


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26. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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kurze Zeit, 1—2 Stunden, einwirken. Will man nur die ^-Strahlen 
wirken lassen, so wendet man Messingfilter von 1—1,5 mm, Aluminium¬ 
filter von 3—4 mm an. Die therapeutische Wirkung der ^-Strahlen 
dürfte kaum weiter als 3—4 cm tief auf das Gewebe zerstörend ein¬ 
wirken. _ L. Zuntz. 


Innere Medizin. 

Koetzle-Str&ssburg: Herzblock und Herzschnss. (M.m.W.,. 1914, 
Nr. 41.) Mitteilung eines sehr interessanten Falles von Herzschuss, bei 
dem man annehmen muss, dass eine Verletzung des His’schen Bündels 
erfolgte. Die verschiedenen Untersuchungen sprachen entschieden in 
diesem Sinne. Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

R. Mohr-Königstein: Zur Kenntnis der Beeinflussung vegetativer 
Centren durch die Hypnose. (M.m.W., 1914, Nr. 40.) Mitteilung eines 
sehr interessanten Falles, bei dem durch hypnotische Suggestion einige 
vegetative Centren beeinflusst werden konnten. Es gelang, durch Hypnose 
beträchtliche Temperaturen hervorzurufen wie auch zum Verschwinden 
zu bringen. Ebenso erzielte man bei der vorher anaciden Patientin 
recht hohe Säurewerte des Magensaftes, und schliesslich bildeten sich 
starke katarrhalische Symptome der Nasenschleimhaut zurück. Die 
Patientin gehört zu der nach Kohnstamm bezeichnten Schizotbymie. 

Dünner. 


Kinderheilkunde. 

R. Bieling: Der Einfluss von Extrakten endocriner Drüsen auf 
den Mineralstoffwechsel und das Blutbild rachitischer Säuglinge. 
(Biochem. Zscbr., Bd. 63, H. 2 u. 3, S. 95.) Die Injektion von Hamrael- 
parathyreoideaextrakt bedingte beim Säugling deutliche Verbesserung der 
Retention von P, Ca und Mg, die nach dem Aussetzen der Injektion 
sich wieder rasch verlor. Gleichzeitig machte sich eine massige Lympho- 
cytose mit Verminderung der neutrophilen Leukocyteu und der Mouo- 
cyten bemerkbar. Kälbertbymus war ohne Einfluss auf die P-, Ca- und 
Mg -Bilanz; im Blute aber wurde eine starke Vermehrung der Monocyten 
auf Kosten der neutrophilen Leukocyten beobachtet. Durch die Injektion 
von Hypophysenvorderlappenextrakt wurde die P-Biianz zwar günstig, 
die Ca- und Mg -Bilanz dagegen ungünstig beeinflusst; im Blute zeigte 
sich Monocytose und relative Leukopenie. Wohlgemuth. 

R. Isenschmid und W. Schemensky - Frankfurt a. M.: Die Be¬ 
deutung der von Doehle beschriebenen Lenkocyteneinschlüsse für die 
Scharlachdiagnose. (M.m.W., 1914, Nr. 39.) Das Fehlen der Doehle- 
schen Körperchen bei einem fiebernden Kranken schliesst frischen 
Scharlach aus. Der positive Befund von Körperchen schliefst Röteln 
aus und macht Masern unwahrscheinlich. Diphtherie und lakunäre 
Angina macht der positive Befund nur dann unwahrscheinlich, wenn sich 
typisch geformte Einschlüsse in sehr grosser Zahl vorfinden. 

A. Uffenheimer-Müncben: Gibt es einen „schädlichen Nahrangs¬ 
rest“ beim Säugling? (M.m.W., 1914, Nr. 40 u. 41.) Nach einem Vor¬ 
tag» gehalten in Stuttgart auf der gemeinsamen Taguög der Vereinigung 
südwestdeutscher Kinderärzte und der Münchener Gesellschaft für Kinder¬ 
heilkunde. Das Kasein findet sich in den Stühlen mit Kuhmilch er¬ 
nährter Säuglinge, sowohl gesunder wie kranker, in den „Kaseinbröckeln“. 
Es ist sogar noch einige Tage, nachdem zur Frauenmilchverabreichung 
übergegangen ist, nachweisbar. Andererseits kann man in den Stühlen 
grösserer Kinder und sogar Erwachsener in einem grossen Prozentsatz 
Kasein finden. Der „Nahrungsrest“ ist also vorhanden. Ob er aber 
„schädlich“ ist, bedarf noch weiterer Prüfung. Man kann vielleictat an¬ 
nehmen, dass das Kasein aus der unverdauten Nahruog stammt und 
dass durch deren Fäulnisprozesse im Darm sich akute Ernährungs¬ 
störungen entwickeln. Es mag vielleicht noch andere Möglichkeiten 
geben, wie der Nahrungsrest schädlich wirkt. Dünner. 


Chirurgie. 

A. Brentano -Berlin: Die Behandlung der Knochen- and Ge- 
lenksehüsse. (D.m.W., 1914, Nr. 37.) Kurze Uebersicht. 

v. Gaza-Leipzig: Ueber die sekundären Veränderungen (trauma¬ 
tische Malacie) nach Fr&ktnren des Os lunatum and Os navicalare 
Wpi. (M.m.W., 1914, Nr. 41.) Vortrag, gehalten in der Medizinischen 
Gesellschaft zu Leipzig am 21. Juli 1914. Die als traumatische Malacie 
(ohne primäre Fraktur) am Os lunatum und am 03 uaviculare be¬ 
schriebene Erkrankung ist eine Infraktion oder Fraktur dieser Knochen, 
hei der entweder primär durch Zermalmung der Knochenbälbchen um 
die Bruchlinie herum oder sekundär durch Resorptions- und Appositions- 
vorgänge der Kalksubstanz auf dem Röntgenbild eine fleckig lakunäre 
Aufhellung zu sehen ist. Die Frakturlinie geht beim Os lunatum in der 
Regel durch die Mitte des sichelförmigen Knochens. Die schweren 
Knochenveränderungen in späteren Stadien der Mondbeinfrakturen sind 
sekundärer Natur. 

H. Schöppler-München: Myositis ossiflcans traumatica. (M.m.W., 
1914, Nr. 40.) Mitteilung eines Falles, bei dem sich nach einer Ellen¬ 
bogenluxation im Brachialis internus eine Myositis ossificans entwickelte. 


Verf. glaubt, dass es sich in allen derartigen Fallen um Schädigungen 
in den Weichteilen, in denen sieb der Prozess abspielt, handelt, welche 
dazu führen, dass ein Teil dieses Gewebes zugrunde geht. Es entwickelt 
sich nun auf Grund dieser Läsionen junges zellreiches Bindegewebe, 
durch das der Verkalkungsprozess seine Bedingungen findet. Das Kalk¬ 
material stammt aus dem Kalkbestand des Skeletts. Dünner. 

0. Hirsch: Operative Behandlung der Hypophysentnmoren. 

(W.m.W., 1914, Nr. 37.) Es gibt drei Gruppen von Hypophysentumoreu: 
1. Intrasellare solide Tumoren. 2. Intracranielle solide Tumoren, die 
aus der Sella hinauswachsen. 3. Cystiscbe Tumoren (iDtrasellare oder 
intracranielle). Macht ein Hypophysentumor Sehstörungen, muss er 
über den Sellaeingaug hinausgewachsen sein und auf das Cbiasma 
drücken. Auch das Röntgenbild gibt Aufschluss über den Sitz des 
Tumors. Es wird sodann eine Reihe von Operationsmethoden angegeben. 
Die endonasalen Methoden liefern betreffs Mortalität die günstigsten Re¬ 
sultate. Die nasalen Methoden sowie die intracraniellen geben nicht 
die Möglichkeit der radikalen Entfernung der intracranielleu Tumoren. 
Eine radikale Behandlung gestatten nur die intrasellaren und cystischen 
Tumoren. Da also die intracraniellen Hypophysentumoren für keine 
Methode radikal entfernbar, die intrasellaren und cystischen Tumoren 
lür alle Methoden gleich leicht entfernbar sind, wird die in Lokal¬ 
anästhesie ausführbare endonasale Methode als die ungefährlichste am 
meisten zu empfehlen sein. Ei an er. 


Röntgenologie. 

L. Moses-Frankfurt a. M.: Zum Schatze des Arztes bei Rüotgen- 
darchlenchtang. (M.m.W., 1914, Nr. 40.) Angabe einer Durchleuchtungs¬ 
schutzwand. Dünner. 


Urologie. 

Orlowski-Berlin: Verursachen sterile Tripperfäden weissen Floss? 
(D.m.W., 1914, Nr. 37.) Es ist wahrscheinlich, dass gonokokkeufrtie 
Tripperfäden einen bakterienfreien Cervixkatarrh verursachen. 

A. Arnold und H. Holzel-Leipzig: Ueber den Wert intravenöser 
Arthigoninjektionen bei gonorrhoischen Prozessen. (M.m.W., 1914, 
Xr. 38.) Bericht über 84 Fälle sicherer, zweifelhafter und bestimmt 
nicht gonorrhoischer Natur. Im grossen und ganzen ist die Methode 
diagnostisch verwertbar. Vorsicht bei Herzfehlern. 

Renisch: Collargol und Arthigon. (M.m.W., 1914, Xr. 38.) 
Collargol und Arthigon haben ihre bestimmten Indikationen. Collargol 
bewährt sich bei akuten Komplikationen der Gonorrhöe sehr gut (8 bis 
14 Tage hintereinander 5—10 ccm der 1 proz. Lösung intravenös). Na<'h 
Abklingen der akuten Erscheinungen ist Arthigon intramuskulö-i (.in 
4 tägigen Intervallen 0,25 steigend bis 2,0) oder intravenÖ3 (0,025 auf 
0,2, im ganzen höchstens 5 Injektionen) indiziert. 

0. Boeters - Zittau: Die Vaccinebehaodlnng der Gonorrhöe und 
gonorrhoische Komplikationen. (D.m.W., 1914, Nr. 39.) Die Gor.o- 
kokkenvaccinebebandlung ist sicherlich eine Bereicherung der Therapie, 
nicht nur bei den direkten lokalen gonorrhoischen Komplikationen, 
sondern auch bei der Behandlung der gonorrhoischen Metastasen. Ob 
sie auch Einfluss auf die gonorrhoische Nephritis und Endocarditis hat, 
ist noch nicht klinisch erwiesen. Auch diagnostisch sind Vaccine¬ 
injektionen zu verwerten. Dünner. 

Pousson - Bordeaux: Ueber die chirurgische Behandlung der Hypo¬ 
spadie. (Zschr. f. Urol., 1914, Bd, 8, H. 6.) Bei den Bemühungen um 
Rekonstruktion der Urethra bei perineoscrotaler Hypospadie gibt von 
den in Betracht kommenden Methoden der Urethroplastik durch Tun¬ 
nelierung und der Urethroplastik durch Hautlappen Verf. der letzteren 
den Vorzug. Was hauptsächlich die chirurgische Behandlung der Hypo¬ 
spadie in die Länge zieht, ist das Redressement des Penis durch Ab¬ 
trennung des Bandes, welches den Penis nach dem Scrotum hin ge¬ 
krümmt hält. Erst nach Gradstellung des Penis und vollständiger Ver¬ 
heilung der Narbe, die geschmeidig geworden sein muss, kann man an 
die Wiederherstellung des Kanals gehen. Hierzu fügt Verf. noch ein 
Redressement der Glans, die nach unten geneigt ist, durch Resektion 
eines keilförmigen Segments aus dem vorderen Teil des Corpus caver- 
nosum und tiefe Naht der die Lücke bildenden Wundränder. Erst dann 
wird durch Ausschneidung von doppelten Hautlappen auf jeder Seite 
neben der Ufethralrinne die neue Urethra gebildet. Die Methode bildet 
eine Modifikation nach Duplay und Marion. 

A. Al ex eie ff-Petersburg: Zur Diagnose der Ennresis nocturna. 
(Zschr. f. Urol., 1914, Bd. 8, H. 6.) Bei den cystoskopischen Unter¬ 
suchungen der an Enuresis nocturna leidenden erwachsenen Patienten 
fiel Verf. ein ganz bestimmtes, immer wiederkehrendes Symptom auf, das 
auf eine bestehende Schwächung des Sphincters hinweist. Beim An¬ 
nähern des Cystoskopschnabels an den Sphincter, ohne einen Druck aus¬ 
zuüben, können folgende Erscheinungen beobachtet werden: es erscheinen 
die Gefässe parallel zueinander verlaufend, und an Stelle des scharf um¬ 
schriebenen Sphincters mit Längsstreifung erblicken wir eine schräge 
Abflachung, auf der rote Faserbündel verlaufen, die sich nach vorne zu 
verjüngen und durch ganz dünne weisse Zwischenschichten voneinander 
getrennt sind, häufig sieht man drei scharf hervortretende Bündel, über 
denen sich der Samenhügel erbebt, der wie ein herabhängender Kegel 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


aussiebt mit einer leichten Einsenkung (Atriculus masculinus) auf dem 
spitzen Winkel. Bei Druck des Cystoskops an dieser Stelle ziehen sich 
die Muskelbündel zusammen, der Colliculus nimmt an UmfaDg zu und 
die cavernösen Körper des Gliedes schwellen an, das cystoskopiscbe 
Gesichtsfeld verdunkelt sich, es bleibt nur noch der Colliculus. Das 
Vorhandensein dieses Symptoms, den Colliculus zu sehen, fasst Verf. als 
eine Bestätigung für eine bestehende Enuresis nocturna auf. 

Legneu - Paris: Die Grenzen der Nepbrektonie. (Zschr. f. Urol., 
1914, Bd. 8, H. 6.) Bei der Feststellung, ob bei Entfernung einer Niere 
die zurüokbleibende imstande ist, das Leben zu erhalten, waren mehrere 
Methoden, die drei verschiedenen Epochen entsprachen, von denen jede 
einen Fortschritt gegenüber deD anderen darstellt, von Bedeutung. Zu¬ 
erst stützte man sich allein auf die Konzentration des Harns, später 
legte man Gewicht auf Anregung von Alberran auf den Harnstoff¬ 
umsatz, d. h. auf die Harnatoffmenge, die die Niere in zwei Stunden ab¬ 
scheidet. Später berechnete man die Abscbeidungen, die aus der Wasser¬ 
menge und der Konzentration sieb ergeben, und zwar mit Hilfe der ex¬ 
perimentellen Polyurie, indem man nicht die Summe des Wasserumsatzes 
während zweier Stunden berücksichtigt, sondern die höchste Ziffer, die 
man in einer halben Stunde erhält. Schliesslich ist die Frage der 
Nephrektomie von dem Zahlenwert der Konstante und der Maximal¬ 
konzentration abhängig. 

F. Kidd- London: Zwei neue Gesichtspunkte in der Frage der 
Nephrektomie wegen Nierentnberknlose. (Zschr. f. Urol., 1914, Bd. 8, 
H. 6.) Wenn in Fällen von Nierentuberkulose Cystoskopie und Katheteri- 
sation der CJreteren unmöglich sind, so ist es nichtsdestoweniger mög¬ 
lich, durch Freilegung eines oder beider Ureteren im Becbenteil festzu¬ 
stellen, welche Niere infiziert ist. Das Geheimnis, wie man eiterlose 
Heilung nach Nephrektomie wegen Tuberkulose erzielt, besteht darin, 
die Niere intakt mit dem perirenalen Fettgewebe und der Fascie zu ent¬ 
fernen. L. Lipman-Wulf. 

Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

Lalajanz - Berlin-. Ueber Pari um, «in nenes Steinkohlenteer- 
präparat. (Derm. Zbl., Sept. 1914 ) Das Purium ist ein vorzügliches 
und schnellwirkendes Mittel bei akuten, subakuten und chronischen 
Ekzemen aller Art und Lichen chronicus simplex. Es mildert den 
quälenden Juckreiz, beseitigt die fast immer vorhandene, mehr oder 
weniger ausgesprochene Rötung und Schwellung, wirkt keratoplastisch 
bei Erosionen und Rhagaden, löst die Verhornungen bei tylotiformen 
Ekzemen und bringt die Lichenifikationen zur Resorption. Es erreicht 
demuach im allgemeinen die Wirkungen des unverdünnten Steinkohlen¬ 
teers, ohne die unangenehmen Nebenwirkungen desselben (Geruch und 
Farbe') zu entfalten. Die Anwendung geschieht in 2—lOproz. Salben, 
PasteD, Lacken oder Linimenten. 

P. Unna jun. - Hamburg: Pasta kalichlorici eam creta. (Derm. 
Wscbr., 1914, Bd. 59, Nr. 39.) Verf. empfiehlt die „Pebecozahnpaste“ 
gegen Folliculitis staphylogenes des Rachens, die Acne pustulosa, papulo¬ 
pustulosa und folliculäre Ekzeme des Rumpfes auf fettreicher Haut, so¬ 
dann gegen alle Arten von Folliculitiden. Bei Acne und hartnäckigen 
Folliculitiden setzt man der Paste zweckmässig noch 5—10 pCt. 
Schwefel zu. 

F. S. Adler-Frankfurt a. M.: Pigmentierte Urticaria. (Derm. 
Zschr., Sept. 1914.) Der Fall des Verf. hatte klinisch sehr viele Aehn- 
lichkeiten mit der Urticaria pigmentosa. Diese Diagnose musste aber 
ausscheideD, da die histologische Untersuchung das Fehlen der für die 
Urticaria pigmentosa charakteristischen Mastzellen ergab. Das klinische 
wie auch das histologische Bild des vorliegenden Falles passt aber in 
die Gruppe der Urticaria chronica cum pigmentatione. 

A. Takahasbi-Tokio: Ekthyma gangraenosum im Verlauf von 
Masern. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 3.) Klinisch kann 
man vier verschiedene Formen des Ekthyma gangraenosum unterscheiden: 
a) die gewöhnliche Form, bei der sich besonders an der Hinterfläche 
der Beine, dem Fuss- und Handrücken, aus Bläschen Pusteln und Ge¬ 
schwüre entwickeln; b) die hämorrhagisch-nekrotische und c) die 
phlegomonöse Form mit ihrem Namen entsprechenden primären Affektionen 
der Haut, vorzugsweise des Unterleibes und der Genitalgegend, und 
d) die furunkulöse Form mit der Lieblingslokalisation an Rumpf und 
Kopf. Die Krankheit befällt fast nur Kinder in den ersten beiden 
Lebensjahren, etwa 75pCt.; kann aber sehr selten auch noch in hohem 
Alter Vorkommen. Die pathologisch-anatomischen Befunde gleichen 
denen nach akuten Infektionskrankheiten; man findet ausser den typi- 
sohen Hautgeschwüren eine septische Milz, degenerative Veränderungen 
an den parenchymatösen Organen, bronchopneumonische Herde, Schwel¬ 
lungen des lymphatischen Apparates, gelegentlich subcutane Blutungen 
und Darmgeschwüre. Die Veränderungen der Haut scheinen nach den 
histologischen Bildern an den Schweissdrüsen zu beginnen. Die bakterio¬ 
logische Untersuchung ergab Streptokokken, Staphylokokken und ver¬ 
schiedene Diphtheroidbacillen, diese auch im Blut. Alle vom Verf. be¬ 
obachteten Fälle traten im Verlauf von Masern auf, durch welche eine 
Ueberempfindlichkeit des kranken Organismus gegenüber bakteriellen 
Infektionen hervorgerufen wird. Die Geschwüre selbst entstehen duroh 
anaphylaktische Vorgänge in der Haut. 

N. Anitschkow - Freiburg i. B.: Experimentelle Untersuchungen 
über die Ablagerung von Cholesterinfetten im sibentanen Bindegewebe. 


(Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 8.) Bei der künstlichen 
Erhöhung .des Cholesteringehaltes im Organismus findet eine reichliche 
Ablagerung von anisotropen Fetttropfen in den Makrophagen des Binde¬ 
gewebes statt, die sich dabei in typische Xanthomzellen verwandeln. 
Wenn dabei infolge eines lokalen entzündlichen Reizes eine Anhäufung 
von Makrophagen stattfindet, so wandeln sich auch diese Makrophagen 
auf gleiche Weise, d. h. infolge einer Infiltration mit Cbolesterinfetten 
in Xanthomzellen um, und es kommt zu bedeutenden Ansammlungen 
dieser sehr charakteristischen Zellformen; ein Prozess, den man morpho¬ 
logisch und pathogenetisch in Parallele zu den Xanthelasmen des Menschen 
stellen kann. 

Prytek-Bern: PI asm ai eilen bei Epitheliomen der flati (Arch. 
f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 3.) Bei Hautcarcinomen der ver¬ 
schiedensten Art, wenn sie ulceriert, aber auch wenn sie das nicht sind, 
kommen Plasmazellen ausserordentlich häufig und oft in sehr grossen, 
selbst tumorartigen Ansammlungen vor, ohne dass man bisher bestimmte 
Regeln aufstellen könnte über ihre Beziehungen zu bestimmten Formen 
der Epitheliome oder zu ihrer Wachstums- bzw. RückbilduDgstendenz. 

Inga Saeves - Christiania: Ueber einen Fall von Ulcus perfsraai 
mit Nenrinom am Nervus tibialis. (Arob. f. Derm. u. Syph., 1914, 
Bd. 120, H. 3.) Bei einem Fall von Ulcus perforans fand sich am 
Nervus tibialis ein Tumor, der pathologisch-anatomisch als Neurinom zu 
diagnostizieren war. 

C. Lennhoff - Bern: Beitrag zur Genese der weichen Filrtif, 
nebst Bemerkungen über das Vorkommen von elastischen Fasern im 
Epithel. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 8.) Die isolierten 
Fibrome können aus einer Hyperkeratose des Follikels mit Vorstülpung 
des parafollikulären Gewebes hervorgehen, wobei sich häufig elastisches 
Gewebe im Epithel des Follikels findet. 

H. Boas und J. Stürup-Kopenhagen: Untersuchungen über CltM- 
reaktionen mit Organextrakten bei Syphilitikern. (Arch. f. Derm. u. 
Syph., 1914, Bd. 120, H. 3.) Eine positive Cutanreaktion mit syphiliti¬ 
schem Organextrakt ist nach den Untersuchungen der Verff. bei tertiärer 
Syphilis konstant. Die Versuche zeigen zugleich, dass man mit Extrakten 
gewöhnlicher Bubonen nach Ulcera venerea dieselben Resultate erreichen 
kann, wie mit syphilitischen Extrakten. Die Cutanreaktion wird vermut¬ 
lich von einer veränderten Empfänglichkeit („Umstimmung“) der flaut 
der Syphilitiker und nicht von einer spezifischen Immunitätsreaktion 
herrühren. 

M. Michael-Berlin: Der Ieterift syphilitieis praecox unter be¬ 
sonderer Berücksichtigung der dabei auftretenden akuten gelbe* Leber- 
atrophie. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 3.) Im primären 
und sekundären Stadium der Lues, in seltenen Fällen bereits vor Aus¬ 
bruch des Primäraffektes tritt mitunter Icterus auf. Dieser Icterus ist 
als durch die Lues bedingt anzusehen, wenn andere ätiologische Momente 
fehlen, wenn in seinem Gefolge Exantheme und Drüsenscbwellungen auf- 
treten und der Icterus schlecht, oder gar nicht auf die gewöhnliche 
diätetische, dagegen gut auf antisyphilitische Therapie reagiert In etwa 
10 pCt. der Fälle tritt im Verlauf des syphilitischen Icterus eine akute 
gelbe Leberatrophie auf, die mit vier Ausnahmen bisher zum Tode ge¬ 
führt hat. Die bisherigen hauptsächlichen Theorien über die Entstehung 
des Icterus syphiliticus genügen nicht prinzipiell zu seiner Erklärung. 
Es bandelt sich vielmehr, entsprechend der Auffassung Buschke’s, 
wohl meist um eine durch eine syphilitische Affektion bedingte toxische 
parenchymatöse Hepatitis, die alle Uebergänge von rein funktionellen 
Leberzellzerstörungen bis zu vollständiger Zerstörung des Leberparen¬ 
chyms, der akuten gelben Leberatrophie aufweisen kann. Therapeutisch 
kommt das Quecksilber in Form von Schmierkur und neben anderen 
Hg-Präp&raten das Ealomel in Betracht. 

U. J. Wile und J. H. Stokes-Michigan: Untersuchungen über den 
Liquor cerebrospinalis in bezug auf die Beteiligung des Nervensystems 
bei der seknndären Syphilis. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 87, 38 
u. 39.) Ein grosser Teil, nämlich 68 pCt. aller im sekundären Stadium 
der Syphilis befindlichen Patienten der Verff., bot an dem Liquor An¬ 
zeichen einer Affektion des Centralnervensystems dar. Wenn man diesen 
hohen Prozentsatz der frühzeitigen Erkrankungen vergleicht mit dem 
relativ geringen Prozentsatz der späteren Affektionen unter der Gesamt¬ 
zahl der Syphilitiker, muss man notwendigerweise zu dem Schlüsse^ge¬ 
langen, dass diese frühzeitigen Prozesse in der Regel von nu *‘* 0 J 1 !* 
dauernder Art sind. Vorwiegend bei Fällen mit papulösen und folü- 
kulären Hautläsionen neigt das Centralnervensystem besonders zur früh¬ 
zeitigen Beteiligung. Ausgesprochene subjektive Symptome, wie Köpft», 
Schlaflosigkeit und nervöse Reizbarkeit lassen in erster Linie einen posi¬ 
tiven Befund im Liquor erwarten. Im grossen und ganzen zeigten die* 
jenigen Fälle, welche ungenügend oder gar nicht behandelt worden 
waren, einen höheren Prozentsatz der Beteiligung, als diejenigen, welche 
eine energische Behandlung durcbgemacht hatten. Affektionen des 
Centralnervensystems fanden sich in relativ grosser Anzahl bei den¬ 
jenigen Fällen, die auch eine erheblichere Störung des Allgemeinbefindens 
aufwiesen. Das häufigste Merkmal einer meningealen Reaktion war d 
Steigerung des Gehalts an Albumin und Globulin, während die Wasser* 
mann’scbe Reaktion an zweiter Stelle stand und die Lymphocytose den 
letzten Platz einnahm. Als ein diagnostisches Hilfsmittel und gelegen 
lieh als ein Anhaltspunkt in prognostischer Hinsicht kann der Wert ‘J« 
Lumbalpunktion bei Fällen von sekundärer Syphilis kaum übersenat» 
werden. Immerwabr. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



26. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1749 


A. Blumenfeld: Zur AbortiYbehandlnng der Syphilis. (W.m.W., 
1914, Nr. 27.) 1. Verschorfung des spirochätenhaltigen Primäraffektes 
mit galvanokaustisoher Schlinge. 2. Salvarsankur. 3. Queoksilbertherapie. 
Die Dauer der gesamten Behandlung erstreckte sich auf 2 V 2 —3 V 2 Monate. 
Die Hauptrolle bei der Abortivbehandlung der Syphilis scheint das 
Salvarsan zu spielen. In 12 Fällen von primärer Syphilis konnte durch 
die kombinierte Behandlung völlige Symptomlosigkeit in klinischer und 
serologischer Beziehung für 3 Jahre erreicht werden. Eisner. 

E. Hoffmann-Bonn Zweimalige Abortivheiling der Syphilis bei 
Reinfektion nach zwei Jahren. (M.m.W., 1914, Nr. 41.) Kasuistik. 

Dünner. 

C. Rasch - Kopenhagen: Fall von hämorrhagischer Encephalitis, 
hervorgerufen durch Neosalrarsan. (Denn. Zschr., Sept. 1914.) Ein 
20jähriges Mädchen,.welches drei Schmierkuren durchgemacht hatte, er¬ 
hielt erst 0,06 und nach 8 Tagen 0,075 Neosalvarsan. 9 Tage nach 
der zweiten Infusion trat der Tod infolge Encephalitis haemorrhagica 
ein. Allerdings litt das Mädchen an Imhecillität, von welcher Anomalie 
Verf. erst 2 Tage vor dessen Tode unterrichtet wurde, was sonst für den 
Verf. eine Kontraindikation gegen den Gebrauch von Salvarsan io voller 
Dosis darstellt, da er ein imbeoilles Gehirn als locus minoris resistentiae 
betrachtet. 

A. Oettinger - Berlin: Herpes noster und Herpes zoster gangrae- 
nosus nach Salvarsan. (Denn. Zsohr., Sept. 1914.) Der Herpes zoster 
entsteht direkt im Anschluss an eine Salvarsaninfusion oder -injektion, 
er kann sowohl nach der ersten, als auch nach jeder erneuten Sal- 
varsandarreichung entstehen; ist er einmal enstanden, so kann nach 
einer erneuten Salvarsandarreichung ein neuer Zoster sich an einer 
anderen Körperstelle entwickeln. 

Th. Fahr - Hamburg: Ueber einen Fall von tödlich verlaufener 
Meningitis lnica neun Wochen nach dem Primäraffekt. (Derm. Wschr., 
1914, Bd. 59, Nr. 38.) Kasuistische Mitteilung. Immerwahr. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Santi - Aroszo: Vergleichendes Studium über die Wirkung des 
Hypophysenextraktes von trächtigen und nichtträchtigen Tieren auf die 
glatte Muskelfaser. (Arch. f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) Die Versuche 
wurden an der Oesophagusmuskulatur des Frosches angestellt, die 
Kurven mittels Kymographion aufgeschrieben. Es liess sich einwandfrei 
eine grössere Wirksamkeit des Hypophysenextraktes von einem trächtigen 
Weibchen gegenüber jenen eines nicht trächtigen feststellen; dies zeigte 
sich z. B. darin, dass der Oesophagus, der sich im Hypophysenextrakt 
des nichtträchtigen Tieres infolge Ermüdung nicht mehr zusammenzog, 
nach Zusatz des Extraktes eines trächtigen Tieres sich erneut kon¬ 
trahierte. L. Zuntz. 

A. Hamm - Strassburg i. E.: Resorptionsfieber oder Reteitions- 
Heber. (Nach einem in der Mittelrheinischen Gesellschaft für Gynäko¬ 
logie zu Frankfurt a. M. am 3. Mai 1914 gehaltenen Vortrag.) (M.m.W., 
1914, Nr. 38.) Sowohl die klinisch-bakteriologische Beobachtung als 
auch die Tierexperimente fordern, dass der Begriff „Resorptionsfieber“ 
fallen gelassen werden muss; experimentell kann man zeigen, dass eine 
Resorption auch unter normalen Verhältnissen in der Scheide erfolgt. 
Darum erscheint es zweckmässig, für die Entstehung von Fieber nicht, 
wie bisher üblich, die Resorption, sondern die Retention verantwortlich 
zu machen. Nachdem der klassische Begriff des Resorptionsfiebers mit 
der Vorstellung verknüpft war, dass es sich um Resorption von Stoff¬ 
wechselprodukten nichtpatbogener Keime handle, während wir heute 
wissen, dass jene sogenannten Saprophyten zu den pathogenen Mikro¬ 
organismen gehören, andererseits selbst aus echten Saprophyten giftige 
Abbauprodukte des körperfremden Bakterieneiweisses gebildet und resor¬ 
biert werden können, ist der Terminus Resorptionsfieber falsch. 

Dünner. 

S. Recasens- Madrid: Die totale tiebärmntterabtragang als Er¬ 
satz für den Kaiserschnitt in Fällen von Infektion. (Zbl. f. Gyn., 1914, 
Nr. 39.) Die vollständige Abtragung des Uterus muss sehr schnell er¬ 
folgen, und es muss dafür gesorgt werden, dass von dem infizierten In¬ 
halt nichts in die Bauchhöhle gelangt. Dies gilt auch für den carci- 
nomatosen schwangeren Uterus. Verf. beschreibt zwei solcher Fälle, in 
denen er mit Hilfe der Wertheim’schen Klemmen, die eine wesentliche 
Verbesserung der Technik mit sich bringen, einen infizierten und einen 
carcinomatösen Uterus so schnell abgetragen hat, dass es möglich war, 
aus dem abgetragenen Organ noch ein lebendes Kind zu entfernen. 
Beide Fälle verliefen günstig für die Mutter. Siefert. 

Beckmann-St. Petersburg: Ueber vorgeschrittene und ausgetragene 
Extrauteringravidität. (Mschr. f. Geb. u. Gyn, August 1914) Be¬ 
schreibung eines Falles von 7monatiger und eines von ansgetragener 
Gravidität; in letzterem Falle wurde ein lebendes Kind mit ziemlich 
starken Deformitäten erzielt, das aber 4 Wochen post partum starb; die 
Mütter gingen beide an Peritonitis zugrunde. Der zweite Fall war 
durch Ruptur einer interstitiellen Schwangerschaft entstanden und zeigte 
eine weite Kommunikation zwischen Uterushöhle und Eihöhle. Für die 
Diagnose der vorgeschrittenen Extrauteringravidität ist ein wichtiges 
Zeichen starke Leibschmerzen. Therapeutisch empfiehlt es sich, sofort 
nach gestellter Diagnose zu operieren, ohne Rücksicht auf die Lebens¬ 


fähigkeit des Kindes, das meist doch stark missbildet ist, *und prinzipiell 
das ganze Schwangerschaftsprodukt zu entfernen. Nur in seltenen 
Fällen, besonders bei Sitz der Placenta auf der Darmwand und Gefahr 
von umfangreichen Darm Verletzungen soll die Placenta zurückgelassen 
und der Fruchtsack in die Wunde eingenäht werden. 

Olow-Lund: Ueber die Behandlung der in den früheren Monaten 
anterbrochenen Extrauteringravidität. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., Juli 
u. August 1914.) Es gibt zwar Fälle, bei denen man mit konservativer 
Therapie zum Ziele kommt; aber es ist ausserordentlich schwierig, die 
Fälle richtig auszuwählen, und die Behandlungsdauer ist eine lange. 
Daher ist die konsequent operative Behandlung vorzuziehen. 

Betke - Berlin: Die Couveusenbehandliing der Frühgeborenen und 
Lebensschwaohen. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., August 1914.) Von 98 in 
den Couveusenzimmern der Charite behandelten Fällen wurden nur 43 
lebend entlassen; von den 55 gestorbenen starben aber 39 in der ersten 
Woche. Vergleicht man diese Zahlen mit der relativ grossen Sterblich¬ 
keit, die bei dem Charitematerial auf Grund seiner kümmerlichen Zu¬ 
sammensetzung überhaupt herrscht, so zeigt sich, dass die Mortalität 
sich etwa auf derselben Höhe hält, wie bei den sonst eingelieferten 
Kranken. Von grosser prognostischer Bedeutung ist die Einlieferungs¬ 
temperatur. Die Verhütung der initialen Abkühlnng gehört zur Aufgabe 
des die Üeberweisung ins Krankenhaus veranlassenden Arztes. Der Auf¬ 
enthalt in der Couveuse dauert bis zu dem Zeitpunkt, wo die Körper¬ 
temperatur sich ziemlich gleichmässig um 37° hält, hei einer durch¬ 
schnittlichen Tageszunahme von 20 bis 30 g und einem Gesamtgewicht 
von 2500 bis 3000 g. Dieser Zustand ist meist naoh ungefähr 2 Monaten 
erreicht. Die Nahrung besteht, wenigstens in der ersten Zeit, aus ab¬ 
gezogener Ammenmilch; meist wurde mit 7—8 Mahlzeiten pro Tag be¬ 
gonnen. Bei den überlebenden Kranken ergaben spätere Nachunter¬ 
suchungen keinen Anhalt für irgendwelohe Unterwertigkeit. 

Schmauch - Chicago: Ziele und Zwecke einer sachgemässen 
Schilddrüsenbehandlung. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., August 1914.) Die 
Schilddrüse produziert ein Sekret, das durch Erhöhung des Stoffwechsels, 
durch Aktivierung der normalen Lebensprozesse sämtliche Organe und 
das Nervensystem anzuregen imstande ist. Durch Krankengeschichten 
wird der Erfolg der Schilddrüsentherapie bei Insuffizienz der Drüse er¬ 
läutert. Durch gleichzeitige Verabreichung von Schilddrüse gelingt es 
leicht, den Körper mit den zum Leben notwendigen Erdsalzen anzu¬ 
reichern. Verwandt wurde hauptsächlich das Thyraden Knoll, daneben 
auch das stärkere Merck’sohe Thyreoidin. Während die seltenen Fälle 
von reinem Hypothyreoidismus grössere Dosen verlangen, kommt man 
bei der Anreicherung des Körpers mit Erdsalzen mit 1—3 Tabletten 
pro die aus. Schädigungen wurden bei diesen Dosen nie beobachtet. 

Zweifel-Jena: Dauererfolge nach Recidivoperationen bei Utenu- 
careinomen. (Arch. f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) An 20 Frauen wurden 
insgesamt 31 Recidivoperationen ausgeführt, bis zu 5 an einer Patientin. 
3 Frauen starben im Anschluss an die Operationen; von den Testierenden 
17 sind noch 5 am Leben und recidivfrei, und zwar 10—4 1 /* Jahre nach 
der letzten Operation, 90 dass man von einer Dauerheilung spreohen 
kann. Diese relativ günstigen Erfolge mahnen, Recidivoperationen mehr 
als bisher auszuführen. Um dies zu ermöglichen, müssen die an 
Carcinom operierten Patientinnen regelmässig und häufiger als bisher 
nachuntersucht werden, am besten während der ersten 2 Jahre alle 
3 Monate. L. Zuntz. 


Augenheilkunde. 

L. K. Wolff - Amsterdam: Ein neues Mittel zur Behandlung der 
Diplobaeillenconjunctivitis. (M.m.W., 1914, Nr. 39.) Nach einem Vor¬ 
trag in der Niederländischen ophthalmologischen Gesellschaft in Arnheim 
am 14. Juni 1914. Verf. hat eine Fluorescinzinkverbindung hergestellt, 
die sich bei Diplobaoillenconjunctivitis sehr gut bewährt hat. 

Dünner. 

Dutoit-Montreux: Augenstörungen bei einem Fall von Myxödem. 
(Zschr. f. Aughlk., August 1914.) Ein 25 jähriger Patient mit ausge¬ 
sprochenem Myxödem litt ausserdem nooh an Oedem der Conjunotiva, 
Cataracta polaris posterior, Chorioretinitis und Sehnervenatrophie. Alle 
drei Erkrankungen sollen koordinierte und auf den gestörten Stoffwechsel 
zurückzuführen sein. Da bei Myxödem häufig eine Vergrösserung der 
Hypophyse auftritt, könnte man an eine Druckwirkung von seiten dieser 
Drüse auf den Nervus opticus denken. Aber eine Röntgenaufnahme 
ergibt keinen Anhaltspunkt hierfür. Eine fünfmonatige Kur mit 
Thyreoidintabletten besserte den Allgemeinzustand, nicht dagegen die 
Augensymptome. 

Schieck - Königsberg: Kann die Keratitis parenehymatosa anf 
anaphylaktischen Zuständen beruhen? (Z9chr. f. Aughlk., August 1914.) 
Verf. kommt in seinem auch allgemein interessanten Vortrag zu dem 
Schluss, dass die Keratitis parencbymatosa eine degenerative Erkran¬ 
kung, recht gut als eine ins Gebiet der Anaphylaxie fallende Erschei¬ 
nungsform betrachtet werden kann. Die Stoffwechselprodukte bzw. die 
Körpersubstanzen der Mikroorganismen bilden die Antigene, also erst die 
eigentliche Ursaohe der Keratitis parenobymatosa. Die Entzündung wird 
mit dem Augenblick ausgelöst, wo die im Körper gebildeten Antikörper 
mit dem Antigendepot in innige Berührung gelangen. Auslösende 
Momente sind Traumen, andere Augenentzündungen, der gesteigerte 
Säfteaustauscb während der Pubertät. G. Erlanger. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1750 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


H. Chalupeohy: Die Wirkung verschiedener Strahlungen auf die 
Augenlinse. (W.m.W., 1914, Nr. 27.) Verf. liefert einen Beitrag zur 
Entscheidung der Frage über das Wesen der Entstehung der Linsen¬ 
trübung nach Einwirkung mächtiger Elektrizitätsquellen und über den 
Einfluss verschiedener Arten von Strahlungen auf die Augenlinse. Die 
ultravioletten Strahlen üben einen schädlichen Einfluss auf die Linse 
aus, indem sie Kataraktbildung hervorrufen. Für Röntgenstrahlen be¬ 
steht ausgesprochene Undurchgäugigkeit. Selbst nach intensiver Be¬ 
strahlung ist keine chemische Veränderung in der Struktur der Augen¬ 
linse nachzuweisen. Auch nach Bestrahlung mit Radium konnten keine 
chemischen Veränderungen der Linse festgestellt werden. Ebenso wirkte 
Mesothorium nicht schädigend. Eisner. 

Barth: Untersuchungen über die Häufigkeit und Lokalisation von 
beginnenden Linsentrübungen bei 302 über 60 Jahre alten Personen. 
(Zschr. f. Aughlk., August 1914.) Die sorgfältige, in Mydriasis vor¬ 
genommene Untersuchung ergab folgendes: 96 pCt. aller über 60 Jahre 
alter Leute zeigen Linsentrübungen, die im Beginn nicht direkt unter 
der Kapsel, sondern auf der Kernoberfläche oder in den tieferen Rinden¬ 
schichten liegen. Wenn subkapsuläre Trübungen vorhanden sind, be¬ 
stehen solche auch in den tieferen Rindenschichten. Cataracta senilis 
mässigen Grades ist eine physiologische Alterserscheinung. Man soll 
also mit der Diagnose Star vorsichtig sein. 

Trappe - Berlin: Sogenannte Embolie einer cilioretinalen Arterie. 
(Zschr. f. Aughlk., August 1914.) Eine 16 jährige mit chronischer 
Nephritis behaftete Patientin bemerkt plötzlich, dass ihr ein grosser, 
dunkler Fleck auf dem rechten Auge die Gegenstände verdecke. 
Ophthalmoskopisch fand sich ein Bild, das der Autor als Embolie einer 
cilioretinalen Arterie deutet. Das Gesichtsfeld ergab central ein ab¬ 
solutes Skotom, temporal bis 20°, sonst bis 15° sich erstreckend. Eine 
Besserung des Zustandes stellte sich allmählich heraus und liess sich 
auch mit dem Augenspiegel verfolgen. Aetiologisch kommt wohl eine 
Thrombose infolge von Veränderung der Blutbeschaffenheit (es bestand 
auch leichte Chlorose) in Betracht. 

Perlmann -Iserlohn: Ueber die Gewöhnung an die Einängigkeit 
und ihren Naohweis. (Zschr. f. Aughlk., August 1914.) 

G. Erlanger. 

Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

R. Hoffmann-München: Zur Lehre und Behandlung der soge¬ 
nannten Medianstellung der Stimmlippe bei Recurrensnenritis. (M.m.W., 
1914, Nr. 40.) Bei einer Patientin hatte ein entzündlicher Prozess, der 
von der Speiseröhre ausgegangen war, auf den Recurrens übergegriffen 
und zu einer Kontraktur der Glottisschliesser geführt. Es bestand 
Medianstellung der Stimmlippen. In Anlehnung an die von Zuntz und 
v. Mehring vertretene Ansicht, dass nach Durchschneidung des Nervus 
laryngeus superior oder nach Cocainisierung der Larynxmucosa diese 
doppelseitige Medianstellung zu beseitigen sei, liess Verf. die Patientin 
Menthol und Carapher zur Larynxanästhesierung inhalieren. Der Erfolg 
trat prompt ein. Die benutzte Lösung bestand aus Menthol 1,0, 
Campber 3,0, Aether 4,0. Dünner. 


Kriegsmedizin. 

M. Rubn er-Berlin : Die Volksernührong im Kriege. (D.m.W., 
1914, Nr. 40.) Ohne auf die Einzelheiten der nationalökonomisch wie 
medizinisch bedeutungsvollen Arbeit einzugehen, sei nur hervorgehoben, 
dass eine verschiedentlich ausgesprochene Gefahr des Aushungerns 
für Deutschland bei ökonomischer Wirtschaft ausgeschlossen ist. 

Fr. Croner: Trinkwassersterilisation im Felde. (D.m.W., 1914, 
Nr. 87.) Als stationäre Apparate haben sich grosse * Arraeefilter* be¬ 
währt, die pro Stunde 75—125 l Wasser liefern. Die Wassersterilisierung 
durch Zusatz von Chemikalien lässt sich nicht durchführen. Die sicherste 
Methode ist das Abkochen. Die grossen Trinkwasserbereiter, in 
denen das Wasser abgekocht wird, werden von allen grösseren Truppen¬ 
verbänden mitgeführt. 

A. Blaschko-Berlin: Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten 
im Kriege. (D.m.W., 1914, Nr. 40.) B. vertritt den Standpunkt, dass 
ein strenger Erlass für die Soldaten, während des Krieges sich des Ge¬ 
schlechtsverkehrs zu enthalten, durchführbar sei. Die Deutsche Gesell¬ 
schaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hat ein Merkblatt 
für Soldaten verfasst, das die nötigen Verhaltungsmaassregeln enthält. 
Die Gefahr der Infektion für die Soldaten ist im Felde sowohl wie in 
den Garnisonen eine grosse, da neben den Prostituierten auch noch 
zahllose Frauen sich finden, die, ihres gewöhnlichen Berufes beraubt, 
sich einen anderen „Erwerb“ verschaffen. B. selbst hatte schon Gelegen¬ 
heit, viele frische Geschlechtskranke unter den jungen, eingezogenen 
Soldaten zu behandeln. 

Grober-Jena: Zur Klinik der Bacillenrnhr. (D.m.W., 1914, Nr. 40.) 
Auf Grund eigener Erfahrungen entwirft G. das Krankheitsbild der Ruhr, 
von dem besonders die Therapie interessiert. Er empfiehlt Serum¬ 
injektionen, bis zu 20 ccm, eventuell an drei aufeinanderfolgenden 
Tagen. Von Tanninpräparaten sab er nichts Wesentliches; leichter Rot¬ 
wein wird ganz gern von den Kranken genommen. Opium, eventuell 
kombiniert mit Belladonna. Versuche mit Bolus alba ergaben keine 


eindeutigen Resultate. Herzmittel! Neuerdings ist G. mit der Verab¬ 
reichung von Nahrungsmitteln nicht mehr so ängstlich, wie es bislang 
üblich war. 

V. Czerny-Heidelberg: Einleitung in die Kriegsehirurgie. (D.m.W., 
1914, Nr. 40.) Vortrag, gehalten am 15. September im medizinisch- 
naturwissenschaftlichen Verein in Heidelberg. Vgl. Bericht der B.kl.W., 
Nr. 40. 

E. Lexer-Jena: Die Grundlagen der heutigen Kriegschinrgie. 
(D.m.W., 1914, Nr. 40.) 

Hoffmann - Berlin: Einiges über das Marine - Saiititswesen. 
(D.m.W., 1914, Nr. 40.) 

Th. Axenfeld -Freiburg i. B.: Kriegsophthalmelogizehe und 
organisatorische Erfahrungen. (D.m.W., 1914, Nr. 39.) (Vortrag, ge¬ 
halten am 30. August 1914 in der Freiburger .kriegsärztlichen Ver¬ 
einigung.) Verf. weist darauf hin, dass Augenverletzte unbedingt 
schnellstens in eine Augenklinik verbracht werden müssen. Schwere 
Verletzungen und teilweise Zerstörung des Bulbus birgt die Gefahr der 
Ophthalmie. Kasuistik aus seinem Material. Zum Schluss fordert er 
die Bildung einer vollkommenen augenärztlichen Lazarettabteilung, die 
mit bzw. hinter dem vorrüokenden Heere ziehen soll. 

K. Bonhoeffer-Berlin: Psychiatrie and Krieg. (D.m.W., 1914, 
Nr. 39.) Bei der Gefahr, die ein geisteskranker Soldat für seine Um¬ 
gebung bedeutet, und der Schwierigkeit der Behandlung im Felde, ist die 
sorgfältigste Untersuchung bei der Einstellung erforderlich. Belastete In¬ 
dividuen werden durch die verschiedenen auf sie einstürmenden Ereignisse 
geisteskrank. Dabei handelt es sich, wie B. sich schon bisher seit Aus¬ 
bruch des Krieges überzeugen konnte, nicht etwa um neue Krankbeits- 
bilder, sondern um die bekannten, die er einzeln bespricht; nur manisch- 
depressive Fälle sind ihm nicht begegnet. Therapeutisch empfiehlt er 
zur Beruhigung Morphium, Scopolamin und Rücktransport. 

Dünner. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

Ledderhose-Strassburg: Zur Beurteilung der Fingerverletznngei. 
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) L. gibt eine Uebersicht über die 
modernen Anschauungen bezüglich der Beurteilung von Fingerverletzangen 
und der durch sie bedingten Erwerbsbeeinträchtigung. Die Frage der 
Gewöhnung spielt eine grosse Rolle, ebenso die persönlichen Eigenschaften 
der Verletzten. Bei alten Leuten tritt schwer Gewöhnung ein. Bei Frauen, 
die mehr auf Geschicklichkeit als Kraftanwendung angewiesen sind, be¬ 
einflussen Fingerverletzungen die Erwerbsfähigkeit in besonders hohem 
Grade. Gerade bei der Begutachtung der Folgen von Fingerverletzungen 
ist streng individualisierendes Vorgehen unbedingt erforderlich. Es müssen 
hier ebenso die ärztlichen Beobachtungen wie die Erfahrungen des prak¬ 
tischen Lebens und die Entscheidungen der obersten Spruchinstanzen 
gewissenhaft berücksichtigt werden. 

J. Ko eh ler-Berlin: Ein Beitrag zur Beurteilung des Zusammen¬ 
hanges zwischen Trauma und Tabes dorsalis. Bewilligung der Unfall- 
rente — Ablehnung der Hinterbliebenenrente. (Aerztl.Sachverst.Ztg ,1914, 
Nr. 15.) Der traumatischen Tabes steht die Mehrzahl der modernen 
Autoren äusserst skeptisch oder direkt ablehnend gegenüber. K. teilt 
einen Fall mit, in dem von autoritativer Seite die traumatische Aetiologie 
der Tabes anerkannt wurde. Es handelte sich um einen Unfall, der 
dadurch zustande kam, dass der Verletzte beim Tragen eines zwei Centner 
schweren Sackes hinfiel und mit der rechten Körperseite aufschlug. 
Hierbei zog er sich einen eingekeilten Schenkelhalsbruch zu. Für die 
traumatische Aetiologie sprach besonders das Fehlen von Zeichen einer 
früheren Syphilis. Nun ergab aber gerade in diesem Falle die Sektion 
ganz besonders schwere syphilitische Veränderungen, eine syphilitische 
Narbe im rechten Stirnbein, Narbenbildung am Zungengrund, syphilitische 
Erkrankung der grossen Brustscblagader, syphilitische Erkrankung der 
Gefässe der Gehirnbasis. Mithin war in diesem Falle die Tabes nicht 
traumatischer, sondern syphilitischer Aetiologie. H. Hirschfeld. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Forensisch-medizinische Vereinigung zn Berlin» 

Sitzung vom 17. Juli 1914. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Frank stellt einen Unfallverletzten vor, der ganz kurze Zeit 
nach dem Unfall, der von einem heftigen Erschrecken begleitet war, alle 
Haare, Augenbrauen, Wimpern eingescblossen, verlor. Der Verletzte 
klagt nun auf Gewährung der Mittel für eine Perücke. 

In der Diskussion berichten HHr. Krohn und Friedemann von 
ähnlichen Erfahrungen. 

Hr. Friedrich Leppmann zeigt einen schwer verstümmelten älteren 
Mann mit folgender Krankengeschichte: Nach einer bei einem Unfall er¬ 
folgten Hodenquetschung traten eine Reihe von Eiterungen am Körper, 
eine Gesichtsrose und schwere Ernährungsstörungen an Händen und 
Füssen auf. Besonders die Hände, aber auch die Zehen der Füsse wurden 
brandig; von den Händen blieben nur unförmige Stümpfe übrig, an den 


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26. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Füssen gingen die Zehen zum grossen Teil verloren. Der Fall ist 
schliesslich von den Untersuchern als eine schwere Form der Raynaud- 
sehen Krankheit erkannt worden. Da beim Raynaud Lues und Arterio¬ 
sklerose eine Rolle spielen, wurde danach gefahndet und tatsächlich für 
beides der Beweis erbracht. Daraufhin lehnte ein Teil der Gutachter 
den Zusammenhang ab, während Yortr. und andere Neurologen schon 
auf Grund des zeitlichen Zusammenhanges für den Zusammenhang der 
Trophoneurose mit dem Unfälle ein traten. Der Verletzte hat schliess¬ 
lich seine Rente erhalten. 

Tagesordnung. 

Hr. P. Fraenckel: Ueber Arsenikesser and Arsenvergiftnng. 

Der Vortr. geht von einem Kriminalfall aus, in dem jetzt ein 
Wiederaufnahmeverfahren schwebt. Eine Ehefrau war wegen Giftmordes 
an ihrem Ehemann verurteilt worden. Sie sollte ihm Arsen beigebracht 
haben. Leider ist der Fall klinisoh sehr lückenhaft beobachtet worden 
und erst nach dem Tode des Mannes wurden Verdächtigungen laut. Die 
nach längerer Zeit erfolgte Untersuchung der Leichenteiie ergab 25 mg 
Arsen. Es kam zum Verfahren gegen die Ehefrau, das mit ihrer Ver¬ 
urteilung endete, obwohl die Verteidiger den Einwand erhoben, es 
handle sich um einen Arsenesser, der offenbar sich in der Dosis ver¬ 
griffen und seine tödliche Erkrankung selbst verschuldet habe. Die 
Wiederaufnahme kam in Gang auf Grund eines Lewin’schen Gutachtens, 
das die Verhältnisse beleuchtete und auf Grund eines schlüssigen Zeugen¬ 
beweises für den Arsengebrauch des Ehemannes. 

Der Fall hat wieder einmal die Frage aufgerollt, ob klinisch und 
anatomisch Unterschiede bei dem Verlauf von Erkrankungen der Arsen¬ 
esser und bei kriminellen Vergiftungen zu finden sind. F. schildert die be¬ 
kannten 4 Hauptformen der Vergiftung: die akute, kurzdauernde, cholera¬ 
ähnliche Form, der die mit schweren nervösen Erscheinungen einher¬ 
gehende Variante gleichwertig ist, die subakute Form, die subchronische 
und endlich die chronische Form. Wichtig ist besonders die sub¬ 
chronische Form, unter die die geschickten kriminellen Vergiftungen mit 
zufällig arsenhaltigen Nahrungsmitteln (Bier!) und die medikamentösen 
fallen. Charakteristisch für sie ist, dass es immer wieder zu Magendarm¬ 
störungen plötzlich einsetzender Art kommt; daneben stellen sich Haut- 
Veränderungen und Lähmungen ein, 

Ueber die Gesundheitsstörungen der Arsenesser ist trotz der grossen 
Verbreitung der Arsenesser wenig bekannt. Der Arsengenuss geschieht, um 
die Potenz zu heben, ein gesteigertes Kraftgefühl zu erleben und um 
Schutz vor ansteckenden Krankheiten zu finden. Die erreichten Dosen 
sind enorm, 1,18 g pro Tag und mehr. Plötzliches Aussetzen soll schweren 
Schaden stiften, zuweilen hingegen soll unerwartet ein Tod erfolgen, als 
wenn doch eine richtige Gewöhnung nicht eingetreten wäre, unter stür¬ 
mischen Vergiftungserscheinungen bei kaum merklicher Steigerung der 
Dosis. Obduktionsbefunde liegen kaum vor. Krattfer glaubt wenig¬ 
stens die akute einmalige Vergiftung auf Grund seiner Erfahrungen über 
die Verteilung des Giftes in der Leiche diagnostizieren zu können. Nach 
ihm finden sich bei der akuten Vergiftung grosse Giftmengen in den 
ersten, geringe in den zweiten Wegen. Bei einem längeren Giftgebrauch 
soll es zur Ablagerung des Giftes in der Sohwammsubstanz der kleinen, 
platten Knochen kommen, was also schliesslich für die Annahme eines 
Arsenikessens verwertet werden kann, während man einen kürzeren 
Arsengebrauch annehmen darf, wenn man das Gift bei der Untersuchung 
der Knochen nur in der Compacta der Röhrenknochen findet^ ein Um¬ 
stand, der also gegen gewohnheitsmässiges Arsenessen spricht. Da aber 
das Arsen in der Leiche sich schliesslich immer mehr verlagert, so ist 
auf den Leichenbefund kein sicherer Schluss zu bauen. Am wichtigsten 
ist es immer noch, den Verlauf der Krankheit genau festzulegen. Werden 
immer wieder plötzlich einsetzende Magendarmstörungen, Erbrechen und 
Durchfälle bezeugt, so spricht das von Zuführung von Dosen, an die das 
Individuum nicht gewöhnt ist, für ein von ihm nicht gewolltes, eventuell 
kriminelles Zuführen und gegen gewohntes massiges Arsenessen. Dabei 
ist aber zu beachten, dass solche Störungen auch im Anfang beim 
Arsenesser erwiesenermaassen Vorkommen, und dass sie auch nach 
langem Gebrauoh einmal Vorkommen, da nach dem Tiereiperiment eine 
eigentliche Gewöhnung an das Gift nicht einzutreten scheint, sondern 
nur eine Resorptionsunempfindlichkeit der Darmwand. Hatte doch ein 
Herr Cloettass, der schliesslich grosse Dosen Arsen per os vertrug, 
steigende Mengen Arsen im Kot, und starb schliesslich, als er eine viel 
kleinere Dosis als die gewohnte subcutan erhielt. 

Diskussion. 

Hr. v. Liszt stellt einige Fragen, die mit dem eingangs erwähnten 
Fallo im Zusammenhang stehen. 

.Hr. Fraenckel (Schlusswort) betont nochmals die Wichtigkeit des 
klinischen Bildes, besonders das mehrfache Auftreten von Magendarm¬ 
storungen bei geschickter krimineller Darreichung, das beim Arsenesser 
kaum vorkommt. 

Wegen der vorgerückten Zeit konnte Herr Schilling seinen Vor¬ 
trag über Telephonunfälle nicht mehr halten. 

Felix Dyrenfurth. 

Medizinische Gesellschaft zn Leipzig. 

Sitzung vom 9. Juni 1914. 

1. Disksision über Mesothorinmbehandlnng. 

_ Hr. Littauer bespricht, ohne nähere Angaben über seine eigene 
Behandlungsmethode zu machen, die Indikation, die für die Strahlen¬ 


behandlung der Caroinome für ihn maassgebend sind. Vor allem wünscht 
er messerscheue Patienten mit operablen Carcinomen, alle stark jauchen¬ 
den und blutenden Caroinome zur Einleitung der Operation und alle in¬ 
operablen Carcinome zu bestrahlen. In diesen Fällen hat er wiederholt 
recht befriedigende Resultate gehabt. Zur Nachbehandlung operierter 
Krebse und bei Recidiven hält er Radiumbestrahlung oder Röntgen¬ 
bestrahlung für durchaus erforderlich. Trotzdem er warm für Krönig 
und Do derlei n ein tritt, möchte er vorläufig noch nicht davon abgehen, 
operable Krebse zu operieren. 

Hr. H ei necke hält vom Standpunkte des Chirurgen daran fest, 
operable Carcinome so frühzeitig als möglich zu operieren. Zur Nach¬ 
behandlung empfiehlt er die Behandlung mit grossen Dosen. Von den 
sogenannten Reizwirkungen ist nach seinen Erfahrungen nicht viel zu 
fürchten. 

Hr. Thiess berichtet über zwei Fälle, bei denen sich im Anschluss 
au Mesothoriumbestrahlung ausgedehnte Absoesse im kleinen Becken ge¬ 
bildet hatten. Er hält die Röntgenbestrahlung für aussichtsvoller als 
die Wirkung des Mesothoriums, da die Strahlen nicht weit genug in die 
Tiefe gehen. 

Hr. Payr berichtet von einem 64 Jahre alten Manne, der ein Sar¬ 
kom am Fuss hatte und sich mit einem eigenen Röntgenapparat in¬ 
tensiv bestrahlen liess. Anfangs war der Erfolg gut, der Tumor ging 
zurück und das äussere Geschwür überhäutete sich. Doch war die 
Besserung nicht von langer Dauer. Innerhalb 5 1 /* Wochen entwickelte 
sich trotz wieder aufgenommener Bestrahlung das Sarkom zu einer 
mächtigen Grösse und metastasierte in die Inguinaldrüsen. P. musste 
Fuss und Unterschenkel amputieren. Es handelte sich um ein Rund¬ 
zellensarkom. Im weiteren Verlaufe seiner Bemerkungen macht P. be¬ 
sonders auf eine Statistik von Steintal aufmerksam, nach derMamma- 
carcinome von der Grösse einer Pflaume, nirgendwo verwachsen und mit 
gut verschieblicher Haut zu 73—78 pCt. aller Fälle durch Operation 
dauernd geheilt wurden, in fortgeschrittenen Fällen sinkt der Prozent¬ 
satz auf 20—22 pCt. Es kommt eben darauf an, dass die Kranken so 
früh als möglich zur Operation kommen. 

Hr. v. Gaza: Allgemeine Bemerkungen. 

Hr. Zweifel ist der Ansicht, so frühzeitig als möglich zu operieren, 
und warnt davor, bei operativen Krebsen Zeit mit der Bestrahlung zu 
verlieren. 

Hr. Schweitzer berichtet zu dem von Herrn Virse in der Sitzung 
vom 26. Mai demonstrierten Falle, dass die Frau mit dem inoperablen 
Portiocarcinom nur unvollständig behandelt worden ist. Sie hat 8960 mg- 
Stunden in zwei Serien erhalten und musste dann wegen Lungenentzün¬ 
dung ins Krankenhaus gelegt werden. 6 Wochen nach der letzten Be¬ 
strahlung erfolgte der Exitus. Das Portiocarcinom war äusserlich gut 
verheilt, es fanden sich Carcinomknoten im Cervix. In diesem Falle 
waren übrigens anfangs 2 mm dicke Bleifilter und erst später 1 mm 
dicke Aluminiumfilter verwendet worden. 

2. Hr. Mülner: 

Zwei Beiträge zar kombiaierten Behandlung „inoperabler“ Careinom- 
kranker. 

Vortr. begründet seinen Standpunkt, heute noch operable maligne 
Tumoren im allgemeinen zu operieren, dann zu bestrahlen. Er begründet 
die Sorge vor Spätschädigungen, auch Carcinomen des Darmkanals in¬ 
folge der Riesen-Tiefendosen der Freiburger und Berliner Frauenklinik. 

Im ersten Fall hat Vortr. ein inoperables hochsitzendes Oesophagus- 
carcinom mit Einbruch in die Wirbelsäule, beide Thyreoideae und 
Trachea unter Lokalanästhesie soweit wie möglich exstirpiert unter Mit¬ 
nahme des Larynx und 4 Traohealringen. Er hebt die relative Leichtig¬ 
keit der Operation hervor, die viel zu selten gewagt worden ist. In 
seinem Fall jetzt 5 Monate nach der "Operation Recidive in beiden Thy- 
reoideis, die bei den Bestrahlungen nach der Operation aus übergrosser 
Vorsicht zum Schutz besonders der Parathyreoideae mit Blei abgedeckt 
waren. 

Im zweiten Fall wegen unerträglicher Intercostalneuralgien bei un¬ 
sichtbarem Brustwandrecidiv eines Mammacarcinoms nach Versagen jeder 
anderen Behandlung Resektion des 4. bis 12. Intercostalnerven neben 
der Wirbelsäule. Andauerndes sehr befriedigendes Resultat gegen die 
Neuralgien noch nach 5 Monaten. Jetzt Versuch mit Massenbestrahlung 
zur Heilung des versteckten Carcinoms berechtigt. Bei ungenügendem 
Operationsresultat und Verdacht auf Beteiligung der Zwerchfellgegend 
käme auch Phrenicusresektion in Betracht. Kritik der Operation. 

3. Hr. Payr: 

Ela neues Verfahren znr Verkürzung der Ulia bei der Operation 
schlecht geheilter Radiasbrüche, „Radiaspsendarthrosen“. 

P. hat in einem ungünstigen Fall von Pseudarthrose des Radius 
anfangs die blutige Naht vorgenommen. Es kam zwar nicht zur 
knöchernen Heilung, aber der Silberdraht hielt die Bruchbänder etwa 
zwei Jahre gut zusammen, so dass die Hand gut gebrauchsfähig war. 
Dann riss der Draht, es trat eine schwere Deformität der Hand ein. 
Einen Knoohenersatz aus der Tibia lehnte der Patient ab. Der Ver¬ 
such, die Knochenenden durch einen Elfenbeinstift zusammenzuhalten, 
misslang, obwohl eine Konsolidierung nachweisbar war. Schliesslich 
opferte der Mann ein 12 cm langes Knochenstück von seinem Darmbein¬ 
kamm, mit dem die Fraktur ineinander gebolzt wurde. Die etwa 2 cm zu 
lange Ulna wurde dadurch verkürzt, dass das oentrale verachmächtigte 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


Ende in die Hohle des peripheren Stückes eingepflanzt wurde. Keine 
Knochennaht, kein Schienenverband. Wie Röntgenbilder erkennen 
liessen, war der Erfolg recht befriedigend. Rösler. 


Naturwissenschaftlich-medizinische Gesellschaft zu Jena. 

(Sektion für Heilkunde.) 

Sitzung vom 16. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Leier. 

Schriftführer: Herr Berger. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Berger: Ueber Gehirnfieber. 

Bei einer 26jährigen, bis dahin gesunden Frau trat nach einer 
wegQn Verdachts auf Tumor cerebri ausgeführten Hirnpunktion ein kon¬ 
tinuierliches Fieber in Höhe von durchschnittlich 38,8° ohne jegliche 
meningitische oder sonstige körperliche Symptome auf. Vortr. nimmt 
als Ursache an, dass auf der rechten Seite der Nucleus caudatus ge¬ 
troffen worden ist, und erinnert daran, dass ein Tiereiperiment, der so¬ 
genannte Wärmestioh — eine Punktion des Nucleus caudatus — Gehirn¬ 
hyperthermie hervorruft. 

Bei der Patientin sank die Temperatur am 6. Tage rasch zur 
Norm zurück. Folgeerscheinungen wurden nicht beobachtet. j 

Tagesordnung. 

1. Hr. Werner: Ueber den facialen Typus der Leukämie. 

Vortr. berichtet über einen Fall von einseitigem Exophthalmus, der 
sich im Laufe von 4 Wochen entwickelte und bedingt war durch einen 
von der linken Tränendrüse ausgehenden Tumor. Das Blutbild zeigte 
das typische Bild einer akuten lymphatischen Leukämie: 40 pCt. Hämo¬ 
globin; 1648000 Erythrocyten; 33400 weisse Blutkörperchen, davon 
92 pCt. Lymphocyten, 6 pCt. polynucleäre Leukocyten, 2 pCt. Ueber- 
gangsformen. Die Lymphocyten waren meist sehr grosse atypische Zell¬ 
formen. Sonst keine Drüsenschwellung nachweisbar; Milz und Leber 
nioht vergrössert. Der histologische Befund des exstirpierten Tumors 
ergab: in einem Teil normales Drüsengewebe mit starker Hyperplasie 
des lymphatischen Gewebes, während der eigentliche Tumor das Bild 
des Epitheloidzellensarkoms bot. 

Diskussion. Hr. Stock: Wenn man das Krankheitsbild der 
Leukosarkomatose (Sternberg) anerkennt, so gehört dieser Fall ganz 
sicher in die Kategorie. Es liegt sehr nahe, anzunehmen, dass das Sar¬ 
kom in die Blutbahn eingebrochen ist und zu einer Sarkomatose des 
Blutes geführt hat. 

2. Hr. Hiltmanu: Ueber Vergiftungen durch Nitrosedämpfe. 

(Der Vortrag erscheint als ausführliche Arbeit an anderer Stelle.) 

3. Hr. Eden: % ^ 

Neuere Versuche nur biologischen Wirkung der Rontgenstrahlen. 

a) Vortr. bespricht die neueren Versuche zur Klärung der biologi¬ 
schen Wirkung der Strahlentherapie und geht besonders auf die Arbeit 
Wermel’s ein, der aus seinen Versuchen schloss, dass Blutserum und 
Blutkörperchen Röntgenenergie aufnehmen können und diese durch Photo¬ 
aktivität verraten. Vortr. hatWermel’s Versuche zusammen mit Herrn 
Dr. Pauli, Privatdozenten der Physik, in erweiterter und physikalisch 
einwandfreier Weise nachgeprüft. Es ergab sich, dass den Röntgen¬ 
strahlen ausgesetztes Blut gegenüber dem nicht bestrahlten ein nur sehr 
geringes, graduell verschiedenes Vermögen zeigt, photographische Platten 
zu schwärzen. Diese Eigenschaft ist auf eine chemische, durch die Be¬ 
strahlung beschleunigte Reaktion zurückzuführen, welche ein Gas ber- 
vorbringt, das unter der Einwirkung des Blutes mit dem Sauerstoff der 
Luft sich bildet. 

b) Vortr. berichtet sodann 'über Untersuchungen an bestrahlten 
Menschen und Tieren mit dem Abderhalden’schen Verfahren, um 
Aufsohluss zu gewinnen einmal über den Vorgang des Zerfalls direkt 
bestrahlten Gewebes, bzw. über sich dabei abspielende fermentative Pro¬ 
zesse, sodann über Allgemeinwirkung der Bestrahlung, d. h. wie sich 
dem Orte der Bestrahlung ferner liegende Organe bezgl. des Abbaues ver¬ 
halten, speziell Keimdrüsen, Leber, Gehirn. Vortr. hat die Versuche 
zusammen mit Nie den gemacht, der anschliessend darüber referiert. 
Charakteristische Aenderungen der Abderhalden’schen Reaktion ergaben 
die Versuche nicht. 

c) Vorstellung eines durch Röntgenbestrahlung geheilten Falles von 
Aktinomykose des Gesichts. 11 Bestrahlungen mit zusammen etwa 
200 X. Behandlungsdauer 4 1 /* Monate. 

Diskussion. 

Hr. Nieden geht noch weiter auf die mit Eden ausgeführten Ver¬ 
suche mit dem Abderhalden’schen Verfahren ein- Untersucht wurden 
10 Fälle (3 recidivierte Mammacarcinome, 1 Struma und 6 chirurgische 
Tuberkulosen). Die Methodik hielt sioh an die von A. gegebenen Vor¬ 
schriften. Es ergab sich: Die Carcinomsera blieben durch die Be¬ 
strahlung in ihren abbauenden Eigenschaften unverändert. Die Tuber¬ 
kulosen zeigten teilweise schon vor der Bestrahlung Abbau gegenüber 
einzelnen Organen. Eine konstante Veränderung des Fermentgehalts 
unter Röntgenbestrahlung war nicht nachweisbar. Bei 3 Versuchs¬ 
hunden, bei denen die Keimdrüsen mit hohen Dosen bestrahlt waren, 
trat Abbau von Gehirn auf, was jedoch wohl auf die angewandte Nar¬ 
kose zu beziehen war. Ein Serum, das Fermente gegen Placentarpepton 


enthält, zeigte bei optischer Untersuchung vor und nach der Bestrahlung 
dieselbe Kurve. 

4. Hr. Stromeyer: Zur Behandlung chirurgischer Tuberkulose. 

Vortr. hat bis jetzt an der chirurgischen Klinik in Jena 120 Fälle 
von chirurgischer Tuberkulose mit Röntgenstrahlen behandelt. 

. Die Resultate sind äusserst befriedigend und erlauben, die Indi¬ 
kation zur konservativen Behandlung so zu erweitern, dass Reaktionen 
nur in den seltensten Fällen nötig werden (Demonstrationen). Die Re¬ 
sultate sind sowohl funktiouell (Gelenke usw.) wie kosmetisch (Fisteln) 
gut. Röntgenschädigungen hat Vortr. bei seiner vorsichtigen Dosierung 
und starker Filtrierung nicht beobaohtet. Sorgfältige chirurgische Be¬ 
handlung und fortwährende Kontrolle durch das Röntgenbild muss mit 
der Bestrahlung Hand in Hand gehen. 

Diskussion. Hr. Leier warnt vor kritikloser Anwendung der 
Bestrablungsbehandlung der chirurgischen Tuberkulose. Chirurgische 
Ueberwachung der Fälle ist stets notwendig. 


Aerztlicher Verein za Essen-Ruhr. 

Sitzung vom 5. Mai 1914. 

Vorsitzender: Herr Schüler. 

1 . Hr. S. Loewenstein: Zur Diagnostik der Hirntumoren. 

Eingehendes Referat unter Mitteilung eigener Fälle. (Für kurze 
Wiedergabe nicht geeignet) 

2. Hr. Rubia bespricht einen Fall, der klinisch unter dem typischen 
Bilde einer Jaekson’schen Epilepsie auftrat und bei der Operation, die 
wegen zunehmender Anfälle und einer nicht ganz unwidersprochenen 
Neuritis optica vorgenommen wurde, nur ganz unbedeutende Verklebungen 
auf der Dura, sonst aber ein völlig negatives Resultat ergab. Die An¬ 
fälle sind auch nach der Operation, wenn auch milder, wieder aufgetreten. 

(Selbstbericbt) 

3. Hr. Hücker weist auf die Bedeitaig der Schädelperkussioa, 

auf die der Tumorseite eigene stärkere Stauungspapille, auf die lokalisti- 
scbe Unzuverlässigkeit einseitiger Gangstörungen und charakteristischer 
Röntgenbefunde hin. Er empfieht die „Selbstentwicklung“ der Hirn¬ 
tumoren nach Inzision und bei Kleinbirngesohwülsten die Freilegung 
beider Hemisphären. Als Palliativoperation zieht er die Entlastungs- 
trepanation dem Balkensticb vor. 

4. Hr. Hessberg gibt eine Differentlaldiagiose zwischen Neuritis 
optica und Stauungspapille, hebt die topische Bedeutung einseitiger 
Augenverändenrngen und genauer Gesichtsfeldprüfungen hervor. 

Rubin. 


Sitzung vom 9. Juni 1914. 

Vorsitzender: Herr Morian. 

Schriftführer: Herr Schüler. 

Tagesordnung. 

Krankheitsbilder aus der heissen Jahreszeit 

1. Hr. Bröfz: Aus der Säuglings- and Kinderheilkunde. 

Nach eingehender Würdigung der einzelnen Symptome des Brech¬ 
durchfalles im Säuglingsalter, bespricht Vortr. die ursächlichen Momente 
und weist hauptsächlich auf die Einwirkung der Hitze bin sowie auf das 
häufigere Vorkommen der Erkrankung in der ärmeren Bevölkerung i® 
Zusammenhang mit der nicht einwandfreien Milch. Sodann bespricht er 
die Behandlung der Erkrankung mit besonderer Berücksichtigung der 
Prophylaxe (Nahrungshygiene, Aufklärung des Publikums). 

2. Hr. Rubin: Ans der inneren Medizin. 

Erörterung an der Hand von Kurven und Bildern der vom Wechsel 
der Jahreszeiten abhängigen Schwankungen einzelner Krankheitsgruppen 
lür Essen und Berlin. Schilderung von Verlauf und Behandlung des 
Hitzschlages, der Vergiftungen durch pflanzliche und tierische Nahrungs¬ 
mittel, sowie der wichtigsten hierher gehörenden Infektionskrankheiten. 

3. Hr. Bering: Aus der Dermatologie. 

Besprechung der häufigsten Hautkrankheiten der heissen Jahreszeit 
(Säuglingsekzem, intertriginöse Ekzeme, Scrofulus, Erythema solare, Xero¬ 
derma pigmentorum), der Therapie und Prophylaxe. 

4. Hr. Hessberg: Ans der Augenheilkunde. 

Besprechung der Augenkomplikationen bei Ernährungsstörungen der 
Säuglinge, ferner der durch Ekzeme entstehenden Schwellungskatwrhe 
und Keratitiden, der Heufiebererscheinungen, der durch Sonnenblendüng 
entstehenden Affektionen und der durch Hitze entstehenden Conjuncti¬ 
vitiden. 


Sitzung vom 15. August 1914. 

(Kriegsmedizin, 1. Abend.) 

Vorsitzender: Herr Morian. 

Schriftführer: Herr Schüler. 

1. Hr. Morian gibt an der Hand der in den Bruns’schen Beiträgen 
zur Chirurgie aus den Balkankriegen erschienenen Arbeiten einen Ueber- 
blick über die Tätigkeit des Chirurgen in der vordersten Reihe, so¬ 
wie in den Heimatlazaretten. Er berührt kurz die Therapie der 
Scbädelschüsse, der Kieferschüsse, der Halsschüsse, der Brust- ob« 


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UNIVERSUM OF IOWA 



20. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1753 


Bauchschüsse, der Rückenmarks- und Nervenschüsse, der Extremitäten¬ 
schüsse mit besonderer Berücksichtigung der Weichteilschüsse (Hämatome 
und Aneurysmen). Er erwähnt dann die allgemeinen Kontusionen und 
die Nässegangrän der Füsse. 

2. Hr. Ribii gibt eine Uebersicht der allgemeinen Senebealehre 

in Anlehnung an die Abhandlung von Gottschlich im Handbuch der 
Hygiene. __ 

Sitzung vom 26. August 1914. 

(Kriegsmedizin, 2. Abend.) 

1 . Hr. Hampe sprioht über die Organisation der Armeen mit 
besonderer Berücksichtigung der Organisation des Sanitätskorps. Er 

geht besonders ein auf den Heeressanitätsdienst im Operationsgebiet, bei 
der Etappe und im Heimatsgebiet. 

2 . Hr. Hessberg: Ueber Angenyerletznngen im Kriege. 

8 . Hr. Leers bespricht die nervösen nnd psychischen Störungen 
im Kriege. Er schildert die pathologisch gesteigerte Erregbarkeit der 
konstitutionellen Psychopathen, ferner Formen und Falle krankhaft ge¬ 
steigerter Willensschwäche, neurasthenischer Bewusstseinsstörungen, 
stuporartige Zustände, sowie Selbstbeschädigungen der Psychopathen und 
Degenerierten. _ 

Sitzung vom 14. September 1914. 

(Kriegsmedizin, 3. Abend.) 

Hr. Rubin: 

Ausführliche Besprechung der Pocken and der Cholera. 

Schüler. 


Gesellschaft für Morphologie und Physiologie zu München. 

Sitzung vom 14. Juli 1914. 

Hr. W. Hneck: (Jeher die Bedeutung des Cholesterins, besonders 
für den Fettstoffwechsel, die endokrinen Drüsen udü die experimentelle 
Atherosklerose. 

Die „Trübung“ des Serums nach Nahrungsaufnahme wird vielfach 
als Maassstab für die Güte der Fettverdauung angesehen. Nach Fütte¬ 
rung mit reinem Neutralfett zeigt das Serum nur schwache Trübung 
und kaum eine Erhöhung des Gehaltes an ätherextrahierbaren Substanzen; 
dagegen ist das Serum stark trüb, wenn mit Neutral fett gleichzeitig 
Cholesterin verabreicht wird. Cholesterin scheint nicht den Zufluss des 
Fettes zu erhöhen (etwa durch Verbesserung der Resorption), sondern 
den Abfluss von Fett an die KÖrperzellen zu hindern. Nach gleich¬ 
zeitiger Zufuhr von Fett und Cholesterin sind mikroskopische Verände¬ 
rungen zu beobachten: Die Capillarendothelien sind übermässig beladen 
mit Fett; in der Leber sieht man Bilder wie bei Lebercirrbose; die Aorta 
zeigt bei Kaninchen, weniger bei Katzen und Hunden, Veränderungen 
wie bei menschlicher Atherosklerose. Die Nebenniere greift erheblich in 
den Cholesterinstoffwechsel ein. 

Hr. P. Büchner: Die Bestimmung der Keimbahn bei Wirbellosen. 

Bericht über Fortsetzung und Erweiterung früherer Versuche des 
Vortr. über die Entwicklung von Sagitta. Auch bei Insekten und 
Crustaceen ist der Nährzellapparat an der Entstehung der Keimbahn 
beteiligt. K. Süpfle - München. 


I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechsel¬ 
krankheiten zu Bad Homburg v. d. H. 

vom 23. bis 25. April 1914. 

(Berichterstatter: Dr. K. Reicher, Bad Mergentheim.) 

I. Sitzung am 24. April 1914. 1 ) 

Zur Einführung in die Tagung ergreift der Altmeister der Magen- 
uud Darmspezialisten, Geh.-Rat Ewald-Berlin das Wort. Die ersten 
Grosstaten auf unserem Gebiete stammen von Männern, denen niemand 
nachsagen wird, dass sie Spezialisten gewesen sind. Aber in dem Masse, 
als die Medizin mehr und mehr ihren Schwerpunkt auf die Pathologie 
der Funktiou verlegte, und im Laufe der letzten Jahre eine Fülle neuer 
Kenntnisse erworben wurde, hat sich immer deutlicher gezeigt, dass das 
alte Haus zu eng werde. Wenn auch in der ärztlichen Praxis eine zu 
weit gehende Spezialisierung nicht immer wünschenswert ist, die wissen¬ 
schaftliche Arbeit gewinnt sicherlich durch die Beschränkung auf ein 
kleines Gebiet. 

Und wenn Ewald selbst vor 15 Jahren die Mitarbeit an Boas’ 
Archiv mit der Begründung ablehnte, dass ihm eine weitere Zersplitterung 
der Publikationsorgane bedenklich erschien, so ist er heute einer der 
eifrigsten Förderer der Homburger Tagung geworden, die nur eine Fort- 
setzung des Gedankens bildet, der seinerzeit zur Gründung des Archivs 
ubrte. Es soll sich aber hier nicht um eine Versammlung von 
en Spezialisten handeln, sondern alle, deren praktische 
Tätigkeit über das gesamte weite Feld der inneren Medizin führt, und 

1) Vom Berichterstatter verspätet eingeliefert. 


die Interesse an den zur Diskussion stehenden Fragen nehmen, auch 
Anatomen, Physiologen' und Chemiker mögen sich uns anschliessen. 

Unsere Verhandlungen, die wir absichtlich auf die Besprechung von 
3 Thematen besohränkt haben, sollen beweisen, dass ein sachlicher 
Anlass sie ins Leben gerufen, nämlich der Umstand, dass der Rahmen, 
indem sich die Erörterung ans speziell interessierender DiDge auf anderen 
Vereinen und Kongressen bewegt, für die Fülle des Stoffes nicht mehr 
ausreicht. 

1 . Referat. 

Hr. Ad. Schmidt-Halle a. S.: Die schweren entzündlichen 
Erkrankungen des Dickdarmes. 

Die entzündlichen Erkrankungen des Colon zeichnen sich durch ver¬ 
schiedene klinische Momente aus. Während sich Dünndarmkatarrhe 
meist in absteigender Richtung ausbreiten, kommt umgekehrt ein auf¬ 
steigender Prozess vom Dickdarm über die Baubin’sche Klappe sehr 
selten vor. Die Colitis ist ferner im Gegensätze zur isolierten Dünn¬ 
darmentzündung oft auf gewisse Abschnitte des Lumens beschränkt, 
welche durch eine schärfere Knickung charakterisiert sind. An dritter 
Stelle ist die Neigung der Colitiden auf tiefere Abschnitte und auf die 
Umgebung der Darmwand (Pericolitis) überzugreifen, die Tendenz zu 
Rückfällen und zum Chronischwerden hervorzuheben, wobei offenbar die 
langsamere Passage des Kotes im Dickdarme, besonders aber an den 
Krümmungen eine gewisse Rolle spielt. Die Schwierigkeiten der Diagnose 
werden erhöht durch die mangelhafte Kenntnis der schweren Formen 
von Colitis und die verschiedenen Namen, unter denen die Autoren die 
Krankheiten publizierten. Bei der Nomenklatur dürfen nebensächliche 
Momente wie lokalistische Gesichtspunkte nicht zu sehr in den Vorder¬ 
grund gerückt werden, so kommen die der Sigmoiditis (Rosenheim) 
zugrundeliegenden Veränderungen auch an anderen Stellen des Colon 
vor, höchstens ist man berechtigt von einer Typhlitis und Appendicitis 
einerseits und einer Proctitis andererseits zu sprechen. Eine ätiologische 
Einteilung der Colitiden ist leider heute noch nicht strikte durch¬ 
führbar, jedenfalls sind die spezifischen infolge von Dysenterie und 
Merkurialismus von der heutigen Betrachtung ausgeschlossen. Von den 
unspezifischen scheidet für heute die Colitis mucosa, die ober¬ 
flächliche, leichte Entzündung der Darmschleimhaut mit vorwiegender 
Schleimproduktion, aus, so dass nur die Colitis suppurativa oder 
exulcerans und die C. infiltrativa übrig bleiben. 

1 . Colitis suppurativa oder exulcerans, ulcerosa (Boas) 
gravis (Rosenheim). Die Darstellung stützt sich auf 86 gut beschriebene 
Fälle, darunter 12 eigene. Ihr Wesen besteht in einer schweren, häufig 
mit schwürigem Zerfall einhergebenden, nicht spezifischen Erkrankung 
der Darmschleimh&ut. In 1 ( 4 der Fälle tritt sie akut mit hohem Fieber, 
meist subakut oder chronisch auf. Sie erstreokt sich entweder auf das 
ganze Organ oder auf die distalen Abschnitte. Es kommt zu fortschreitender 
Abmagerung und Anämie; gefährlich wird die Krankheit weniger durch 
Uebergreifen auf die tieferen Schichten als durch Blutinfektion. Die 
Mehrzahl der Fälle betrifft jugendliche Personen im 2.-3. Decennium, 
doch bleiben ältere nicht verschont. Das weibliche Geschlecht erscheint 
etwas bevorzugt (20:16). Sehr häufig wechseln Perioden der Besserung 
und Verschlimmerung ab, sehr oft fühlen sich die Patienten in den 
Zwischenzeiten ganz frei von objektiven und subjektiven Beschwerden. 
Von akuten Formen ist nur dort die Rede, wo das Leiden plötzlich 
einsetzt und in gemessener Zeit in Heilung oder Tod übergeht. Albu 
und Oh ly haben je 1 Fall publiziert, der in kurzer Zeit in Heilung 
überging. Einer der akuten Fälle starb nach 8 Monaten, Müller verlor 
einen Fall trotz operativen Eingriffs, den 2. Fall von Albu mit inter¬ 
kurrenter Pneumonie muss man ausschalten. Die überwiegende Zahl 
der Fälle verläuft chronisch, es werden 1—2 oder 6—10 dünne Stühle 
täglich abgesetzt, Tenesmus und Koliken fehlen, abgesehen von den 
akuten Exacerbationen und von Komplikationen. 

In mehr als der Hälfte der Fälle besteht mehr oder weniger hohes 
Fieber von remittierendem Charakter. Die Kranken magern allmählich 
bis zu den extremsten Graden von Macies ab. 40—50pCt. Hämoglobin 
sind keine Seltenheit. 

Das wichtigste Lokalsymptom ist die Entleerung von Eiter allein 
oder in Verbindung mit Stuhlmassen. Bei Ergriffensein der höheren 
Colonpartien wird mehrmals am Tage ein dünnbreiiger Stuhl abgesetzt 
und die Entzündungsprodukte sind dem Stuhl beigemischt; bei Er¬ 
krankung der unteren Partien pflegt die Konsistenz des eigentlichen 
Stuhles normal zu sein, der Eiter ist dann aufgelagert. Bei Probediät 
zeigen sich keine mikro- oder makroskopischen Reste von Nahrungsmitteln. 
Sind die unteren Dünndarmabschnitte mitbetroffen, dann kann allerdings 
durch längere Zeit sauere Reaktion der hellgefärbten, flüssigen Stuhl¬ 
massen mit reichlichen Stärkeresten und granulosehaltigen Bakterien, 
auch mit makroskopischen Kartoffelresten beobachtet werden (Schmidt, 
Baumstark). Iq diesen Fällen kann man auch gelegentlich auf patho¬ 
logische Fieischreste (mikroskopisch: Muskelfasern) sowie auf einen 
abnormen Fettreichtum des Stuhles stossen. Eiter kann auch ohne ge- 
schwürigen Zerfall reichlich in die Fäces gelangen, bei inniger Ver¬ 
mengung mit dem Stuhle könnte er übersehen werden. Je mehr Schleim 
beigemengt ist, desto geringer ist der Entzündunpsprozess. Die oft 
reichlich vorhandenen eosinophilen Leukocyten und die Charcot-Leyden- 
schen Kristalle bilden keinen charakterischen Befund. 

Der Blutgehalt der Fäces herrscht oft vor, vielfach sieht man einen 
direkten Blutstuhl. Je höher die Entzündung sitzt, desto mehr Zer¬ 
setzung erfährt der Eiter, desto fauliger daher der Geruoh. Der Prozess 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1 


1764 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


reicht mit wenigen Ausnahmen bis an den Sphincter ani, die Einführung 
des Rektoskops ist daher meist besonders schmerzhaft. Man sieht eine 
stark gerötete, gewulstete, von eitrigem Sekret bedeckte Schleimhaut, 
die übrigens nicht immer leicht zu entdeckende Geschwürsbildung ist 
kein konstantes Symptom, ebensowenig Spasmus des Enddarms und des 
Sphincter. Die Untersuchung des Magens ergibt nichts Bemerkenswertes, 
meist besteht guter Appetit und Neigung zu Diätfchlern; der Leib ist 
häufig etwas gespannt, Druckempfindlichkeit ist in stärkerem Grade bloss 
beim Uebergreifen der Entzündung auf die Darmwand oder Serosa vor¬ 
handen, doch kommt es nicht zu tumorartiger, umschriebener Verdickung 
einzelner Darmabschnitte. 

Hier und da findet man einen schlaffen Leib mit eingesunkenen 
Bauchdecken. Stierlin hat die affizierten Stellen im Röntgenbilde in¬ 
folge ihrer Neigung zu Spasmus bis auf fein marmorierte Schatten in- 
haltsfrei gesehen (ebenso Schmidt). Als Komplikationen sind 4mal 
Thrombosen der Vena femor., 2 mal Polyarthritis, je lmal Lungenembolie 
und Tetanie, eine Durcbwanderungsperitonitis, eine Peritonitis nach 
scheinbar völliger Ausheilung und eine allgemeine Sepsis beschrieben. 
Niemals sind circumscripte Peritonealabscesse angegeben. 15 mal unter 
36 Fällen bestand lediglich distale Affektion, die sich aber periodisch 
auf höhere Abschnitte ausdehnen kann. 7 unter 36 Fällen, also 19,4 pCt. 
sind gestorben, in Wirklichkeit ist aber das Verhältnis ein ungünstigeres. 
14 Fälle wurden geheilt, die geheilten und gebesserten verhalten sich 
zu den gestorbenen wie 22: 14. 

Therapie: Die Hälfte der Fälle wurde lediglich mit inneren Mitteln 
behandelt, davon wurden 8 geheilt und 2 gebessert. Deutlichen Ein¬ 
fluss der diätetischen Therapie kann man nur in den Fällen wahrnehmen, 
wo ein Abgang unverdauter Speisenreste auf Beteiligung des Dünndarms 
hin weist; so erzielt man mit Kohlebydratentziehung manchmal eine be¬ 
merkenswerte Besserung. Salzsäure, PankreoD, Magenspülungen, grosse 
Dosen von Calomel, Sauerstoff als Gas oder besser als Wasserstoffsuper¬ 
oxyd, Stomacbica, Bolus alba u. a. können zur Unterstützung herange- 
zogeu werden. Subcutane Injektionen von Emitin haben auch bei 
spezifischer Colitis entschieden günstige Einwirkung. Vorübergehend 
deutlichen Nutzen stiften Jodoform, Dermaiol, Protargol, H 2 0 2 -Lösungen, 
Chininlösungen, Paraffin usw. Zweckmässigerweise fügt man bei den 
Rectalapplikationen etwas Opium hinzu. Von den operativ Behandelten 
wurden 6 geheilt, 6 gebessert und 3 starben. 4 mal wurde mit günstigem, 
4mal mit ungünstigem Erfolg ein künstlicher After am Coecum angelegt. 
Die Anlegung eines Anus praetern. am Quercolon oder descendens ist 
nur dort angebracht, wo die Beschränkung des Prozesses auf den unteren 
Colonteil angenommen werden kann. Coecalfistel und Appendicostomie 
ist, da nur eiue medikamentöse Durchspülung von oben möglich ist, 
die Kotmassen aber weiter mit der Darmwand in Berührung bleiben, 
kaum nachzuahmen. Ileo-Colostomie wurde lmal mit, lmal ohne Erfolg 
ausgeführt. Nach Anlegung des künstlichen Afters müssen so lange 
Spülungen mit antiseptiscben oder adstringierenden Lösungen vorge¬ 
nommen werden, bis der durch die Fistel abfliessende Kot wieder nor¬ 
male Beschaffenheit zeigt und der Wiederverschluss erfolgen kann. 
Dennoch muss man auf Rückfälle gefasst sein. Abgesehen von Fällen 
dringender Lebensgefahr soll der chirurgische Weg erst dann beschritten 
werden, wenn die innere Behandlung erfolglos geblieben ist. 

Abgesehen von rektoskopischen und bei Operationen erhobenen 
Befunden liegen sehr wenige anatomische Ergebnisse vor (Stierlin, 
Müller, Oh ly u. a.). An zwei eigenen, durch Sektion gewonnenen Prä¬ 
paraten erläutert Schmidt die charakteristischen Befunde, nämlich die 
ausserordentlich hochgradige Zerstörung der Schleimhaut, von der nur 
stellenweise einzelne Inseln in vorgeschrittenen Fällen übrigbleiben, und 
die mässige Verdickung der Muscularis auf dem Geschwürsgrunde. Der 
Prozess beginnt ursprünglich als ein entzündlicher und erst allmählich 
kommt es durch Nekrosen zu Geschwürsbildung mit ausgesprochener 
Tendenz zur Ausbreitung in der Fläche. Die Frage, ob so starke 
Schleimhautzerstörungen gänzlich ausheilen können oder Narben zurück¬ 
lassen, ist noch nicht gelöst. In letzterem Falle wäre eine Heilung in 
klinischem Sinne ausgeschlossen. 

Die Aetiologie ist vollständig ungeklärt, die Differentialdiagnose 
meist gegen spezifische Entzündungen ausgeführt worden, wie Pseudo- 
und Paratyphus, Amöbendysenterie usw. In der Anamnese reichen die 
ersten unbeachteten Erscheinungen schon viele Jahre zurück, gelegent¬ 
lich bis in die hübe Jugend, vorangegangene Blinddarmentzündung, 
Diätfehler, Verstopfung, Typhusinfektion usw. werden als ursächliches 
Moment angeführt. Eine Reihe von Fällen beginnt als akuter infektiöser 
Katarrh nach Magenoperationen (Anschütz) oder sonstigen Laparotomien 
(Riedel). Schmidt hat auch ähnliche Beobachtungen gemacht; hier 
hat die künftige Forschung einzusetzen. 

2. Colitis infiltrativa oder Pericolitis, Sigmoiditis. 

An dem Ausbau des Krankheitsbildes beteiligten sich Graser, 
Rosenheim und Bittorf. Der Darstellung liegen 35, darunter 
5 eigene, nicht publizierte Fälle zugrunde, weitere 55, vorwiegend chir¬ 
urgisches Interesse bietende Fälle wurdeu von Eisenberg zusammen¬ 
gestellt. Eine kurze Charakteristik ist fast unmöglich, manchmal findet 
man eiDe tumorartige umschriebene Anschwellung des Darmes mit den 
klinischen Symptomen fortschreitender Stenosierung, bald umschriebene 
Verdickungen, welche von Verstopfung, Durchfällen oder Tenesmus be¬ 
gleitet werden, bald umschriebene, mehr oder weniger peritomtische 
Symptome unter Zurücktreten der eigentlichen Affektion. Die Mehrzahl 
der Fälle betrifft Männer jenseits der dreissiger Jahre. Von den akuten 
Fällen, die zwei Drittel ausmachen, entwickelt sich ein grosser Teil aus 


Nr. 43 ^ 

völliger Gesundheit heraus ohne Vorboten, andere nach längerer Zeit 
bestehender Verstopfung oder Durchfällen oder beiden abwechselnd 
Eine nicht geringe Zahl wurde irrtümlich als Carcinom behandelt. Bei 
langsamer Entwicklung des Leidens stehen die Stuhlgangsbeschwerden 
im Vordergrund, bei plötzlicher Erkrankung dagegen Leibschraerzen, 
welche in der Gegend der erkrankten Darmteile lokalisiert sind und kolik¬ 
artig anschwellen können. 

Das Allgemeinbefinden ist erheblich beeinträchtigt, wiederholt ist 
Milzschwellung, Icterus, IndicanVermehrung, auch geringe Albuminurie 
vermerkt. Das Abdomen ist wenig oder erheblich aufgetrieben, letzteres 
besonders, wenn eine allgemeine Peritonitis im Anzuge ist; man sieht 
gesteifte und dabei geblähte Darmstücke ohne Druckempfiodlichkeit, erst 
beim tiefen Palpieren gelingt es oft, als entscheidendes Merkmal eine 
mehr oder weniger lange, wurstförmige, exquisit druckschmerzhafte Be- 
sistenz zu tasten, welche dem Sitze der Schmerzen entspricht und als 
entzündlich verdicktes Colon aogesprochen werden kann. Die Oberfläche 
des Tumors ist rundlich und glatt, an den Enden gebt er in normalen 
Dickdarm über, die Grösse schwankt zwischen Daumen- und Kleinfaust¬ 
dicke, die Beweglichkeit der betreffenden Darmabscbnitte ist in der 
Regel vermindert. Rosenheim legt auch Wert auf die geringe Nach¬ 
giebigkeit der Wände bei Aufblähung vom Anus her. Wichtig ist das 
An- und Abschwellen des Tumors entsprechend dem Fieber und dem 
Verlauf. Nach dem Uebergreifen des Prozesses auf die Serosa werden 
die Grenzen der Geschwulst unscharf, und es kann zu einer lokalen 
Vorwölbung der Baucbwand kommen. In der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle (26 mal unter 35) war die Sigmascblinge betroffen, 7 mal das 
Colon descendens allein oder mit dem Sigma. 

Der eigentlichen Krankheit geht eine längere Periode der Ver¬ 
stopfung voraus, welche viele Autoren als Unsache der ganzen Affektion 
ansehen. Der Stuhl zeigt lediglich Bleistift- oder Schafkotform. Manch¬ 
mal findet sich Schleim-, Blut- oder — sehr selten — EiterbeimischuDg. 
Die Spiegeleinführung gestaltet sich sehr schwierig, die Schleimhaut ist 
hyperämisch und geschwollen, blutet leicht, Geschwüre werden mit 
wenigen Ausnahmen vermisst. Die Funktion des Magens zeigt keine 
auffallende Störung. Andauerndes Erbrechen erweckt Verdacht auf 
Peritonitis- oder Iteuskomplitation. Durch das häufige Uebergreifen der 
Entzündung auf das Peritoneum entstehen lokale, abgekapseite Exsudat¬ 
bildungen, welche zu mehr oder weniger ausgedehnten Verwachsungen 
führen. Sie kommen häufiger beim Colon ascendeos und transversum 
als an tieferen Abschnitten vor. Die Flexura sigmoidea soll dagegen 
geschützt sein, Schmidt kann dies jedoch nicht bestätigen. Es kann 
gerade dort zu Fistelbildungen "zwischen Darm und Blase oder äusserer 
Haut kommen. Allgemeine Peritonitis kann durch Perforation von Diver¬ 
tikeln entstehen. Die Diagnose wird meist per exclusionem geste’l 
werden müssen; es kommen mehrfach Verwechslungen mit einfacher Ob¬ 
stipation, Carcinom, Appendicitis, Lues oder Tuberkulose vor. Pro¬ 
gnose. Fast alle akut entstehenden Fälle kommen zur Heilung, die 
Behandlung besteht in Bettruhe, Eisbeutel oder heissen Kompressen, 
je nach dem Stadium der Krankheit, strenger Diät, Abführmitteln, 
evakuierenden und medikamentösen Einläufen. Ein chirurgischer Ein¬ 
griff kann nur ausnahmsweise wegen Verdachts auf einen lokalen ad- 
scess empfohlen werden. T . 

Die chirurgischen Resultate sind ira ganzen unerfreulich, vie 
pathologische Anatomie ergibt in typischen Fällen starke, durcü 
entzündliche Schwellung verursachte Wandverdickung, wesentlich im 
Bereich der Muscularis, während die Schleimhaut wenig beteiligt er 
scheint. , ... , , 

Interessant ist die Beziehung zwischen multiplen Divertikeln 
Darmschleimbaut (sogenannte Diverculitis), welche auffallend häutig 
der Flexura sigmoidea Vorkommen (allerdings auch im Colon trams\er- 
sum, Processus vermiformis und im Dünndarm) und der infiltrieren 
Colitis. Graser und Hansemann haben sich mit dieser £jago «i 
gehend befasst. Es bandelt sich um falsche oder erworbene Divertiwi, 
die durch Ausstülpung der Schleimhaut durch die Musculans hinau 
entstehen. Graser fand unter 28 im Leben mit Stauung henaf 
älteren Leuten 10 mal, Succi unter 50 Leichen 14mal üivern ■ 
Jedenfalls muss betont werden, dass die gewöhnliche diffuse Schleim 
entzündung für die Aetiologie der infiltrierenden Colitis nicht oder u 
ausnahmsweise in Betracht kommt. 

Uebergangsfälle und Fälle anderen Ursprungs. 

Es gibt in der Literatur eine Anzahl von schweren Golitiaen, ve c 
sich in obige Einteilung nicht glatt einfügen lassen, so z. o. at 
schwere Schleimhauterkrankungen mit Infiltrationen der Wand und ® 
legentlicher Mitbeteiligung der Serosa, Fälle, bei denen es zw®»® 
ist, ob die Wandinfiltration oder die Schleimhauterkrankung das wesi 
liehe Moment bildet. Zweitens sind Fälle bekannt, bei denen poiyp'- 1 * 
Wucherungen der Schleimhaut mit schweren Katarrhen verbunden si < 
ob letztere primär oder sekundär auftreten, ist schwer zu entscnei • 

Endlich gibt es akute Entzündungen des Sigma im P<J e T er * ' 
Trotz der vielfach betonten Selbständigkeit des Prozesses besteht 
starker Verdacht, dass es sich da um exogene, von den Genitalien u 

greifende Entzündungen handelt. Eine DurchwanderuDgsperitoDitis n 

schwere Erkrankung der Schleimhaut oder der Dannwand ist durch 
Auftreten von tödlioben Peritonitiden lange Zeit nach suppurativen 
tiden erwiesen. 

Diskussion. . ... , n 

Hr. Rosenheim - Berlin gibt zu, dass entgegen seiner 
Meinung infiltrierende Prozesse ausser im Sigma auch an anderen ot® 


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UMIVERSITY OF IOWA 



26. Oktober 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1755 


dos Colon Vorkommen: jedoch besteht ira Sigma eine gewisse Prädis 
Position für derartige Erkrankungen. Bei der Colitis suppurativa oder 
gravis sollte die Eiterung nicht zu sehr in den Vordergrund gerückt 
werden, das beherrschende Moment sind vielfach Blutungen schwerster 
Art ohne nennenswerte Eiterung. Es können, was für die Indikations¬ 
stellung der Chirurgen wichtig ist, selbst schwere Fälle mit den Hilfs¬ 
mitteln der inneren Medizin zu vollkommener Heilung gebracht werden, 
wie zwei Fälle des Vortr. beweisen, von denen einer, der achtjährige 
Sohn eines Kollegen, nach zweijähriger völliger Gesundheit einer Menin¬ 
gitis tuberculosa erlag. Die schwere Colonaffektion war vollständig aus¬ 
geheilt, an der Colonschleimbaut fanden sich nur ganz minimale leder¬ 
artige Infiltrate mit gut erhaltenem Epithel, ohne nennenswerte Narben¬ 
bildung. Von 20 Fällen, die R. gesehen, sind 7 operiert worden, einer 
der letzteren ist an Ileus gestorben, 3 tragen (8—9 Jahre nach der Ope¬ 
ration) noch heute einen Anus praeternaturalis, bei 3 wurde eine ein¬ 
fache Fistel rechts angelegt, nach Schliessung derselben können 
schwerste Recidive auftreten, die Resultate der Chirurgie sind also nicht 
gerade glänzend. Bei der inneren Behandlung sind wir aufs Versuchen 
angewiesen. Bei gesundem Magen und Dünndarm eignet sich leichte, 
gemischte, lacto-vegetabilische Kost zur Behandlung am besten. Das 
Wichtigste ist die regelmässige Reinigung des Dickdarms mittels Kamillen- 
klystiere, zur Lokalbehandlung eignet sich ein Stärkeklystier für sich 
allein oder in Verbindung mit Tannin oder Desinlicientien. 

Hr. Stark - Karlsruhe demonstriert folgende interessante Präparate: 
eine Sublimatvergiftung mit totaler Zerstörung der Dickdarmschleimhaut, 
eine schwere septische Colitis, einen Fall von allerschwerster Proctitis 
mit primärer Polyposis des untersten Darmabschnittes, der Vagina und 
der Umgebung des Afters bei gleichzeitiger Lues und Gonorrhöe, wobei 
letztere ätiologisch angesichts des Fehlschlagens einer spezifischen Be¬ 
handlung in Betracnt kommt, endlich ein Präparat von Colitis exulcerans. 
St. befürwortet die chirurgische Therapie. 

Hr. Günzburg - Frankfurt a. M. bat einen Fall von Colitis suppu¬ 
rativa unter Einblasungen von pulverförmigem Wismut ausheilen sehen. Die 
Anlegung eines künstlichen Afters ist bloss bei vermutlicher Intaktheit 
des Dünndarms angezeigt, in diesen Fällen soll man aber schon im An¬ 
fänge der Erkrankung sich zur Operation entschliessen. 

Hr. Strauss - Berlin musste zwei Fälle von Colitis suppurativa, die 
ursprünglich als unspezifisch angesehen wurden, als merkurielle infolge 
von alter Lues und einer Schmierkur, einen weiteren als Paratyphus B 
agnoszieren. Rectum und S romanum möchte St. doch eine gewisse 
Sonderstellung einräumen-, viele Fälle nehmen ihren Ausgang vom 
Rectum, die Rectoskopie klärt uns erst auf, ob der Prozess das Rectum 
allein oder noch höhere Darmpartien ergriffen hat. Ein gut Teil der 
Erkrankungen ist infektiösen Ursprungs, daher auch die Komplikation 
mit Venenthrombosen, Rheumatoiden, eiteriger Iritis usw. Die endo¬ 
skopische Lokalbehandlung ist nur für die Fälle geeignet, bei denen der 
Entzündungsprozess auf das Rectum beschränkt erscheint. Die Frage 
der chirurgischen Intervention ist eine sehr heikle. Man kann keinem 
Fall ansehen, was aus ihm nach der Operation wird. Unter 5 operierten 
Fällen haben 3 einen Anus praetern.; derselbe muss am Coecum oder 
am Ileum aogelegt werden. Alle 3 Fälle sind noch nicht geschlossen. 
St. ist kein warmer Anhänger der Frühoperation. Divertikel scheinen 
als Ursache für Perforationsprozesse in Frage zu kommen. 

Hr. Schorlemmer - Godesberg: Ein Fall von Sigmoiditis ohne 
Reotumbefund war als Coliseptikämie anzusehen, in anderen bestanden 
Staphylo- und Streptokokkensepsis, Eiterungen der Highmorshöhle, Gingi¬ 
vitis mit Angina und anderen Erscheinungen, welche auf eine von aussen 
stattgefundene Infektion hindeuten. Bei luetischen Infektionen wird 
beim Einsetzen der Darmattacke die Wassermann’sche Reaktion in der 
Regel positiv, Salvarsan erweist sich in diesen Fällen als sehr vorteilhaft. 

Hr. Albu-Berlin hat 23 Fälle von Colitis suppurativa beobachtet, den 
Fall mit interkurrenter Pneumonie will A. nicht ausgeschaltet wissen. 
Bei der Colitis suppurativa handelt es sich um eine schwere Darm-, wahr¬ 
scheinlich Nahrungsmittel- oder Trinkwasserinfektion. Der Name Colitis 
ulcerosa sagt A. am meisten zu, da die Blutung als Folge des ulcera- 
tiven Prozesses nie fehlt, wohl aber mitunter der Eiter. Die Ulcera- 
tionen, welche in inselförmigen Haufen auftreten und oft stecknadelkopf¬ 
gross oder noch kleiner sind, kann man bei der ersten oder zweiten 
Untersuchung leicht übersehen. Geradezu charakteristisch ist das Fehlen 
der Düondarmbeteiligung. Die innere Therapie ist machtlos, alle Fälle 
recidivieren trotz chirurgischer Eingriffe. Am besten eignet sich noch 
Trockenbehandlung, wenn die Rectoskopie durchführbar ist. 

Hr. Disque - Potsdam unterstützt die innere Behandlung mit 
hydrotherapeutischen Prozeduren, wie Priessnitz’sehen Umschlägen, 
Elektrophoren, Diathermie, Heissluftdusche, kühlen Klystieren (18°), 
wechselwarmen Spülungen (30° auf 15°) usw. Die Speisen müssen aufs 
feinste zerrieben werden, Friedenthal’sches Gomüsepulver leistet gute 
Dienste. 

Hr. Schütz-Wiesbaden macht darauf aufmerksam, dass häufig 
schwere Colitiden von Magendyspepsien ihren Ausgang nehmen. 

Hr. Boas-Berlin tritt für den von ihm aufgestellten Namen Colitis 
ulcerosa ein, weil es sich keineswegs immer um suppurative Fälle 
handelt, vielmehr häufig reine Blutstühle auftreten. B. legt grossen 
Wert auf die Lokalisation auf rectoskopischem Wege. Unter 40 Fällen 
von Colitis fand sich vielfach eine ausgesprochene Beschränkung des 
Prozesses auf die untersten Partien des Sigma, bzw. das Rectum. In 
diesen Fällen empfiehlt sich die Anlegung des Anus praetern. auf der 
linken Seite. Im Gegensätze zu Rosenheira hält B. die Fälle mit 


reinen, fast eiterfreien Blutstühlen für prognostisch günstiger. Ver¬ 
wechselungen mit Carcinom sind auch Boas häufig vorgekommen, 
speziell Carcinom in der Flexura sigmoidea kann ganz unter dem Bilde 
einer Colitis ulcerosa verlaufen. Auf dem Boden der Colitis ulcerosa 
können sich schwere Nervenleiden, z. B. multiple Neuritiden mit aus¬ 
gedehnten Kontrakturen oder tabische Symptome entwickeln. Von ope¬ 
rativen Eingriffen sind wenig Erfolge zu erwarten. In der Diät sind 
alle Reizmittel zu vermeiden, von Dauereinläufen mit Levurinose hat B. 
Besserungen gesehen. 

Hr. Plönies - Hannover hebt den Wert der perkutorischen Druck¬ 
empfindlichkeit für die Diagnose hervor. 

Hr. Singer-Wien berichtet über einen Fall von ausgedehnter 
Colitis ulcerosa, welcher bis vor karzem ganz symptomenlos verlief und 
vor der rectoskopisohen Untersuchung für ein Magencarcinom gehalten 
wurde. Bei einem Falle von Colitis infiltrativa, für die S. den Namen 
Sigmoiditis beizubehalten wünscht, bestand eine Stenose, welche durch 
konsequente Bougierung und FibrolysiniDjektionen bedeutend gebessert 
wurde. 

Hr. Pariser - Homburg ist bei seinen 7 Fällen von Colitis ulcerosa 
im Gegensätze zu Albu die Häufigkeit der Mitbeteiligung des Dünn¬ 
darms aufgefallen und die Umwandlung einer Colitis mucosa in eine 
suppurative. Auf letzteren Umstand ist auch der vielfach schleichende 
Beginn der Erkrankung zurückzu/ühren. Wenn man auch mit richtiger 
Diät keine entscheidenden Erfolge erzielt, so können andererseits durch 
nicht sachgemässe Ernährung bedeutende Verschlimmerungen entstehen. 

Die Rectoskopie muss zur Sicherung der Diagnose und der Lokali¬ 
sation der Behandlung vorausgehen. Reicht der Prozess höher herauf, 
so rectoskopiere man möglichst selten. P. befürwortet gleich Albu die 
Trockenbehandlung, wendet aber auch I—2 proz. Anästbesinöl in Mengen 
von 100 bis 125 g morgens und abends nach vorangehender Reiniguogs- 
klystiere an. Sehr empfehlenswert ist ausgedehnte Bettruhe, namentlich 
prämenstruell, und Anwendung des elektrischen Glühlichtapparates 
im Bette. 

Hr. Kampmann - Strassburg will unter die infiltrativen Entzün¬ 
dungen des Colons eine phlegmonöse Entzündung der Flexura sigmoidea 
und des Colon descendens eingereiht wissen, welche sekundär bei ulee- 
rösen Prozessen, aber auch bei Appendicitis und als postoperative Kom¬ 
plikation derselben in der Submucosa und Muscularis unter Fieber und 
Schmerzen ohne peritonitische Reizerscheinungen auftritt. Die Konsistenz 
des tumorartig geschwollenen Colon ist die eines dicken Guramischlauches. 
Der Prozess kann in wenigen Tagen abklingen oder aber zu Resektion 
der betroffenen Colonabschnitte nötigen. 

Hr. Fuld-Berlin empfiehlt, die Appendicostomie zum Zwecke einer 
ständigen gründlichen Reinigung des Colon vorzunehmen. Wismutöl¬ 
spülungen eignen sich weniger als wässerige mit einem nicht ätzenden 
Kupferpräparat. 

Hr. L. Kuttner - Berlin: Die Colitis gravis — K. hält an dieser 
Noraenclatur fest — scheint durchaus keine seltene Erkrankung zu sein. 
Die Colonschleimhaut kann bei der Obduktion ganz normale Verhält¬ 
nisse aufweisen. Hervorzuheben ist der intermittierende Charakter der 
Erkrankung, zu bestimmten Zeiten können Blutungen, zu anderen Eiter- 
stüble wie bei Durchbruch eines Abscesses das Krankheitsbild be¬ 
herrschen. Eine Anzahl von Patienten fühlt sich im Sommer beschwerde¬ 
frei, im Winter tritt ein Recidiv mit Eiterabgang auf. Bei Colitis gravis 
hat K. wohl Besserungen, niemals aber Heiluogen gesehen. Die in¬ 
filtrierenden Formen von Colitis zeigen alle Divertikel. Nach K.’s Er¬ 
fahrungen neigen die Divertikel um so mehr dazu, der Ausgangspunkt 
einer Colitis zu werden, in je tieferen Darmabschnitten sie liegen. Im 
Vordergründe steht immer die interne Therapie. 

Hr. Michael-Wiesbaden hat bei einem seit 4 Jahren erkrankten 
Fall von Colitis und Proctitis eine Gewichtszunahme von 20 Pfund 
erzielt. 

Hr. Alexander - Berlin hat 5 Fälle von Colitis suppurativa beob¬ 
achtet, zweimal war Gelenkrheumatismus, einmal Angina und einmal 
schwere Fleischvergiftung vorangegangen. Grosse Salicylgaben, Urotropin 
und lokale Behandlung mit Borsäurelösungen und Oel brachten die 
Krankheit in den beiden ersten Fällen zur völligen Heilung. Zweimal 
bestand Gastritis anacida, einmal Achylie. Ein Fall wurde innerlich 
und operativ ohne jeden Erfolg behandelt. Die rectoskopische Unter¬ 
suchung des geheilten Falles ergab ganz normale Schleimhaut bis auf 
einige sich durch ihre helle Farbe von der Umgebung abhebende Narben. 

Hr. Wandel-Kiel wendet sich dagegen, dass die infektiösen 
(bakteriellen und infusorieilen) Colitiden, die lange Zeit kryptogenetisch 
verlaufen können, sowie die toxischen (merkuriellen) aus der Gruppe 
der Colitis gravis a priori ausgeschlossen werden sollen. Vor fest¬ 
gestellter Aetiologie könne man sie ohnehin oft gar nicht voneinander 
unterscheiden, andererseits entstehen ähnlich wie die merkuriellen sicher¬ 
lich auch andere Ausscheidungscolitiden, indem nioht nur Queck¬ 
silber, sondern auch Eisen, Biutzerfallsubstanzen, Lipoidverbindungen der 
Kresole, soweit sie nicht bei Vergiftungen durch Schwefelsäure- und 
Glucuronsäurepaarung unschädlich gemacht und durch die Nieren 
eliminiert werden, im untersten Teil des Dickdarms zur Ausscheidung 
gelangen und dort eine Reizung der Schleimhaut hervorrufen. Vielleicht 
spielen ähnlich diese akuten exogenen Vergiftungen die endogenen Gifte 
des Stoffwechsels io chronischer Form eine gewisse Rolle bei der Genese 
der Colitis ulcerosa und infiltrativa. 

Hr. Reitter-Wien: Die Versuche, die Aetiologie der Colitis suppu¬ 
rativa bakteriologisch festzustellen, sind bisher fehlgeschlagen. Bacterium 


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UNIVERSUM OF IOWA 







1756 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 43. 


coli kommt jedenfalls nicht in Frage, denn das Blut der Kranken agglu- 
liniert weder die eigenen uoch fremde Colistämme. Bei don grossen 
Eitermengen wäre das Misslingen jeder Züchtung, wenn es sich um be¬ 
kannte aerobe Bakterien handelte, unverständlich. Anaerobe Züchtung 
wurde allerdings noch nicht systematisch durchgeführt. 

Hr. Knud Faber- Kopenhagen ist ein Gegner von medikamentösen 
Spülungen bei Colitis, da sie bloss den Darm irritieren. Von Bakterien 
wurden Shiga - Kruse’sche Bacillen, Pseudodiphtherie- und Pseudo¬ 
dysenteriebacillen gefunden. 

Hr. Dehio - Dorpat: Ulceröse Colitiden können auch durch Amöben 
und Infusorien hervorgerufen werden, z. B. in Livland durch Balantidium 
coli, ebenso in den anderen um das Ostseebecken gelegenen Ländern. 
Die Infusorien sind nur im frisch entleerten, warmen Stuhl nachweisbar, 
die Prognose ist schlecht. 

Hr. Winternitz - Halle a. S. rühmt den guten Effekt von relativ 
grossen, intermittierend verabreichten Chiningaben. 

Hr. Schmidt (Schlusswort) ist von der Unzweckmässigkeit seiner 
Bezeichnung nicht überzeugt worden. Blutungen kommen auch bei 
schleimigen Colitiden vor, maassgebend ist die Eiterausseheidung. In 
den Fällen von angeblich vorangegangenem Gelenkrheumatismus möchte 
Sch. annehmen, dass die Colitis latent schon vorher bestanden hat. 

(Fortsetzung folgt.) 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der LWV. hatte mit Rücksicht auf den an vielen Orten her- 
vorgetretenen Aerztemangel eine Eingabe an das preussische Kriegs- 
mioisterium gerichtet, worin ersucht wird, die dem Landsturm angehörigen 
Aerzte und nicht approbierten Mediziner von der Landsturmpflicht 
zu befreien. Diesem Antrag konnte jedoch nicht stattgegeben werden, 
da das Gesotz zu einer allgemeinen Regelung dieser Art keine Hand¬ 
habe biete. Für den Einzelfall sei in den §§ 103,6 und 9, sowie 
122,1 c der WebrordnuDg die Möglichkeit einer Befreiung gegeben. 

— Der Tuberkuloseausschuss der Zentralstelle für Kriegswohlfabrts- 
pflege des Roten Kreuzes vermittelt Arztstellen in Lungenheilstätten. 
Zurzeit sind 6 bis 8 offene Assistenzarztstellen zu besetzen. Meldungen 
an den Tuberkuloseausschuss im Reichstagsgebäude. 

— Geheimrat Körte, konsultierender Chirurg beim 3. Reserve- 
Armeekorps, ist mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet worden. 

— Verlustliste. I. Gefallen: Unterarzt Dr. Heinrich Barth- 
BerliD. Assistenzarzt d. R. Dr. J. Diebitsoh, 5. Jäger-Bat. Feldunterarzt 
Dr. G. Herrenschneider. Stabsarzt Dr. Hermann. Eioj.-Freiw. W. 
Kösel, stud. med. Stabsarzt d. R. Prof. Dr. Oswald Löb, Privatdozent 
f. Pharmakologie in Göttingen. Einj. Freiw. W. Magnus, 3. Garde-Feld- 
art.-Reg. Assistenzarzt d. R. Dr. Paradies. Oberstabsarzt d. L. Dr. 
Sauberzweig. Unterarzt Dr. Haos Schultz - Berlin. Stabsarzt d. L. 
Dr. Timmermann. Feldunterarzt Dr. Werth ei m. — 11. Verwundet: 
Feldunterarzt Dr. A. Auer. Stabsarzt d. R. Dr. G. Bräutigam. Gen.- 
'•berarztDr. Bussenius. Assistenzarzt d. R. Dr. R. Cahn. Assistenz¬ 
arzt d. R. Dr. W. Drewke. Stabsarzt d. R. Dr. Elörsheim. Stabs¬ 
arzt d. R. Dr. Jochims. Assistenzarzt d. R. Dr. Kwoczek, Feldart.- 
Reg. Nr. 12. Stabsarzt d. R. Dr. S. Laserstein, lof.-Reg. Nr. 48. 
Stabsarzt Dr. Starke, Feldart.-Reg. Nr. 5. 

— Der älteste im Felde tätige Arzt dürfte wohl der Stabsarzt 
Dr. Franz Hertwig aus Wilmersdorf sein, der dieser Tage seinen 
80. Geburtstag feierte. ! 

— Die Gesellschaft für chemische Industrie in Basel, Bureau ] 
BerlinSW.il, Kleinbeerenstrasse 4, erklärt sich bereit, den Herren i 
Aerzten im Felde und Lazaretten gefüllte Vioformzerstäuber, Coagulen 
Kocher-Fonio, Digifolintabletten und -Ampullen, Dial-Ciba (Beruhigungs¬ 
und Schlafmittel), Phytin, Chinin-Phytin, Lipojodin und Peristaltin, Sälen 
und Salenal (Antirheumatica) kostenfrei zur Verfügung zu stellen und 
bittet hiervon Gebrauch zu machen. 

— Volkskrankheiten. Pest. Portugal. In Lissabon nach 
Bericht vom 9. X. 8 Fälle von Lungenpest. Brasilien einige Fälle, in 
Peru eine grössere Zahl dieser Krankheit. — Cholera. Oesterreich. 
Vom 27. IX. bis 3. X. 92 Erkrankungen (und 32 Todesfälle), bis auf einen 
Fall alles bei Militärpersonen auf dem Kriegsschauplatz. Ungarn. 
Vom 27. IX. bis 3. X. 231 Erkrankungen. — Genickstarre, ln 
Preussen vom 4. bis 10. X. 3 Erkankungen und 1 Todesfall, und zwar 
im Landespolizeibezirk Berlin 1, Reg.-Bez. Breslau 1, Münster 1. — 
Spinale Kinderlähmung. Vom 4. bis 10. X. 5 Erkrankungen, und 
zwar Reg.-Bez. Danzig und Düsseldorf je I, Schleswig 3. — Ruhr. In 
Preussen vom 4. bis 10. X. 142 Fälle, 12 Todeställe (darunter 81 bzw. 

5 bei Militärpersonen). Oesterreich. Vom 13. bis 26. IX. 33 Fälle. 

Hoch sch ulnachrichten. 

Berlin. An Stelle von Geheimrat Bier wird Geheimrat Sonnen- 
bürg die chirurgischen Vorlesungen in der Königlichen Klinik halten. — 
Bonn. Habilitiert: Dr. Eis für Chirurgie. — Halle. Prof. Igers- 
heimer wurde die interimistische Leitung der Augenklinik übertragen. — 
Zürioh. Habilitiert: D. v. Gonzenbach für Hygiene. 


Zur Hygiene im Felde. 

Herr Prof. A. Loewy schreibt uns: „Lra Gegensatz zu unserer 
alkoholfreien Mobilmachung 4 tritt jetzt mit dem Eintritt der kälteren 
Jahreszeit das Bestreben hervor, unsere Truppen reichlich mit Alke- 
holicis zu versehet). In der Tagespresse finden sich von Aerzten ge¬ 
schriebene Artikel, in denen dieses Bestreben unterstützt und der 
Alkohol seiner anregenden und nährenden Eigenschaften wegen als un¬ 
entbehrlich für einen Winterfeldzug empfohlen wird. 

Von seinen theoretisch vorhandenen nährenden Eigenschaften 
kann man wohl ganz absehen; denn bei dem in jedem Falle gebotenen 
Maasshalten (das in praxi allerdings schwerlich stets wird kontrolliert 
und durchgeführt werden können) lassen sich nicht so grosse Mengen 
zuführen, um eine nährende Wirkung zu erzielen. Es bleiben also 
höchstens seine anregenden Eigenschaften. Aber auch in dieser Be¬ 
ziehung stellt er sich gerade im Winter als ein zweifelhafter Freund 
dar. Er soll in erster Linie Wärmespender sein. Nun fördert er 
zwar unzweifelhaft das Wärmegefühl. Aber da dieser Effekt durch 
eine Erweiterung der Hautgefässe und davon abhängige Erwärmung der 
Haut zustande kommt, so geht damit eine starke Wärmeabströmung an 
der Körperoberfläche einher. Der Körper kühlt sich darum schnell ab, 
und daher kommt es ja, dass Menschen, die im Rausche in der Winter¬ 
kälte einschlafen, weit leichter dem Erfrieren ausgesetzt sind als 
Nüchterne. 

Wenn daher unsere Krieger, die in den Schützengräben liegeu oder 
sonst in ungeheizten Räumen die Nacht verbringen müssen, ihr Wärme¬ 
gefühl durch Alkohol erkaufen sollen, so werden sie zwar leichter Schlaf 
Anden, aber die Erquickung, die er geben soll, wird mit folgender Kraft¬ 
losigkeit, wie sie durch Senkung der Körpertemperatur zustande kommt, 
und mit der nähergerückten Gefahr des Erfrierens bezahlt werden. Mao 
sollte deshalb mit der Darreichung von Alkohol gerade in einem Winter¬ 
feldzug besonders vorsichtig sein und streng individualisieren, damit er 
nicht durch die Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Energie 
und Schlagfertigkeit mehr schadet, als er vorübergehend zu nützen 
vermag. 

Abgesehen von der Kälte wird von unseren Kriegern, besonders 
denen im Osten, über ein zweites Uebel geklagt, das nicht, wie diese, 
als etwas Naturnotwendiges hingenommen werden muss, das ist die in 
einem grossen Teil der Quartiere bestehende Verseuchung mit Unge¬ 
ziefer. 

Bis jetzt gibt es kein Mittel, das sich als ausreichend wirksam da¬ 
gegen erwiesen hätte. Sollte das seidene Unterzeug die ihm nachgerühmte 
Ungezieferprophylaxe erfüllen, so würde das doch nur einem sehr kleinen 
Teil der Heere zugute kommen. 

Ich hörte nun von einem alten Krieger, den ich übrigens in Jahr¬ 
zehnte langer Bekanntschaft als guten Beobachter kennen gelernt habe, 
dass er 1864 in Schleswig-Holstein gleichfalls unter der Ungeziefernot 
zu leiden hatte. Er wandte dann ein Mittel an, das seiner Angabe nach 
ihm mit ziemlicher Sicherheit die ungebetenen Gäste vom Leibe hielt, 
nämlich die Asa foetida. Mit dem zerkleinerten Harz streute er sein 
Unterzeug ein und war, solange es wirkte, d. h. roch, frei von Ungeziefer. 

So wenig empfehlenswert das Mittel seines üblen Geruches wegen 
in Friedenszeiten sein mag, im Kriege würde dieser jedenfalls nur 
eines der kleinsten Uebel darstellen und, wenn die Asa foetida sonst 
ihren Zweck erfüllte, wohl gern in Kauf genommen werden. Ein Ver 
such damit würde Bich bei ihrer sonstigen Unschädlichkeit wohl lohnen/ 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Ernennungen: Wissenschaftl. Mitglieder des Königl. Instituts für ex¬ 
perimentelle Therapie in Frankfurt a. M., Professoren Dr. Apolant 
und Dr. Sachs zu ausserordentl. Professoren in der medizinischen 
Fakultät der Universität in Frankfurt a. M. 

Niederlassungen: Dr. H. Stiehler in Marienburg, Aerztin Cbarl. 
Schönlein und Dr. P. Neumann in Danzig, J. Parlac in Pots¬ 
dam, M. Sass in Frankfurt a. 0., Dr. 0. Brändlein und G. Schäfer 
in Breslau, J. Kupferberg in Dittmannsdorf (Kr. Waldenburg). 
Verzogen: Aerztin Dr. J. Hertz und Aerztin Dr. J. Ullmann von 
Heidelberg, Aerztin H. Oelrichs von Bonn sowie Dr. L. Draudt 
von Darmstadt nach Frankfurt a. M., W. Berres von Freiburg nacn 
Winkel, Dr. E. Auer von Ahrweiler und Generaloberarzt a. 9. 
A. Schulz von Hanau nach Wiesbaden. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: A. Lüdkert von 
Zoppot, Dr. A. Rudolphi vod Breslau auf Reisen, Dr. B. Martens 
von Frankfurt a. M. . 

Gestorben: Dr. P. Wieczorek in Danzig, Dr. M. Lilienthal 111 
Neuteich, Dr. 0. Du Mesnil in Frankfurt a. 0., San.-Rat Dr. j - 
Jacke aus Fürstenwalde a. Spree im Feldzuge, Dr. 0. Scbroct 1 
Landsberg a. W., Dr. W. Bartsch in Breslau, Geh. San.-Rat Dr. 
Körner in Trebnitz. . -a. 

Im Felde gefallen: Dr. 0. Wieck aus Berlin-Dahlem, Dr. P. Scnm 

aus Berlin-Treptow, Dr. R. Dorn aus Saarlouis. _ _ 

| Für di« Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Sohn, Berlin W., Bayreurtier Strwe 


Vorlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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BERLINER 


Dl* B*rlia*r Klinische Wochenschrift erscheint Jeden 
Montag ln Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4, — 
Preis vierteljährlich 6 Merk. Bestellungen nehmen 
•Jle Buchhandlungen und PosUnstalten an. 


All* Kinsendungen för die Bedaktioa nnd Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 66, adressieren. 




Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung nnd Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geb. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posoer und Prof. Dr. Haas Koho. August Oirscbwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin. 

Montag, den 2. November 1914. M 44. Einundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origtlftliei: Lehnert: Ueber Ekzem und Neurodermitis im Kindesalter. 
(Aus der Hautklinik des städtischen Krankenhauses zu Frank¬ 
furt a. M.) S. 1757. 

Dünner: Zur Frage der diagnostischen Bedeutung hämoglobin¬ 
reicher Megalocyten. (Aus der I. medizinischen Abteilung des 
städtischen Krankenhauses Moabit in Berlin.) S. 1759. 

Froehlich: Der Kriegssanitätsdienst in Berlin. (Illustr.) S. 1761. 

Hen8zelmann: Eine einfache Aufnahmetechnik zur Röntgenunter¬ 
suchung der Baucheingeweide. (Aus der I. medizinischen Klinik 
in Budapest.) (Illustr.) S. 1764. 

Makrocki: Ein Beitrag zur Atoxylamaurose. S. 1765. 

Lieske: Aerztliche Rechtsfragen zur Kriegszeit. S. 1766. 

BfteherbespreellMge! : Spalteholz: Anatomie des Menschen. S. 1769. 

Sobotta: Descriptive Anatomie des Menschen. S. 1769. (Ref. 

Klaatseh.) — Nissl: Beziehung zwischen klinischem Verlauf und 

anatomischem Befund bei Nerven- und Geisteskrankheiten. S. 1769. 

(Ref. Rothmann.) — Lewandowsky: Die Hysterie. S. 1769. 

Sommer: Psychische und nervöse Krankheiten. S. 1769. (Ref. 

Seiffer.) — Bettmann: Einführung in die Dermatologie. S. 1769. 

Ikonographia dermatologica. S. 1769. (Ref. Joseph.) — Volkelt: 

Vorstellungen der Tiere. S. 1770. (Ref. Butlersack.) — Mangold: 


Fortschritte der Tuberkulosebekämpfung in Preuasen während der 
Jahre 1909—1911. S. 1770. Peltzer: Militarärztliche Kriegs¬ 
erinnerungen an 1866 und 1870/71. S. 1770. Velde: Die Kranken¬ 
trage 1913. S. 1770. (Ref. Schnütgen.) 

Literatur-Aaslüge: Anatomie. S. 1770. — Therapie. S. 1770. — 
Parasiten künde und Serologie. S. 1770. — Innere Medizin. S.1771. — 
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1771. — Geburtshilfe und 
Gynäkologie. S. 1772. — Augenheilkunde. S. 1773. — Hygiene und 
»Sanitätswesen. S. 1773. — Gerichtliche Medizin. S. 1773. — Unfall¬ 
heilkunde und Versicherungswesen. S. 1773. — Militär-Sanitäts¬ 
wesen. S. 1773. 

Verhandliige* ärztlicher Gesellschaft«! : K. k. Gesellschaft der 
Aerzte zu Wien. S. 1774. 

Kriegsärztliohe Abende. S. 1774. 

Kriegsmedizinische Abende des naturhistorisch - medizini¬ 
schen Vereins zu Heidelberg. S. 1775. 

I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zu 
Bad Homburg v. d. H. (Fortsetzung.) S. 1776. 

Ein „heisser“ Tag. S. 1778. 

Die neue Frankfurter Universität. S. 1779. 

Tagesgesohichtl. Notizen. S.1780. — Amtl. Mitteilungen. S.1780. 


Aus der Hautklinik des städtischen Krankenhauses zu 
Frankfurt a. M. (Direktor: Prof. Dr. Karl Herxbeimer). 

Ueber Ekzem und Neurodermitis im Kindes¬ 
alter. 

Yon 

Dr. Alton Lehiert, zurzeit Volontärassistent. 

(Im Sommer dirigierender Bede- und Brunneuerzt in Bad Dürkheim.) 

Es ist das Verdieost Vidal’s 1 2 ), die Krankheit, die wir 
heute als Neurodermitis bezeichnen, von den Ekzemen ge¬ 
trennt za haben. Wie jedoch ans den Arbeiten Brocq’s 3 ) und 
Jaquet*s 3 ) her vor geht, war diese Krankheit auch schon älteren 
französischen Dermatologen, u. a. Hardy, Cazenave, Chausit, 
Ba*in, nicht unbekannt gewesen. So beschrieb Hardy einen 
Lichen circomscrit, der den von Vidal geschilderten Plaques ent¬ 
spricht, nnd auch schon Cazenave und Chausit verwandten 
gerade für diese Affektionen das Wort Lichen. Entgegen den 
Ansichten Hebra’s und Wilson’s, die als Lichen nur den 
Lichen ruber und den Lieben planus ansehen wollten, versuchte 
Vidal die neugeschaffene Krankheitsform in die alten Einteilungen 
anfznnehmen, stellte eine neue Klassifizierung der Lichenformen 
anf und bezeichnete die von den Ekzemen getrennte Krankheit 
als Lichen chronique circomscrit. Es handelt sich hierbei um 
Krankheitsherde, die mit Papeln beginnen, welche später zu 
Plaques konfluieren. Die betroffenen Hautstellen jucken stark, 
sind trocken, zeigen bestimmte Lokalisation, mehr oder minder 
regelmässige Hantfelderung und schuppen oft leicht. Der Name 
Lichen chronicus circumscriptus wurde jedoch von auswärtigen 
Autoren nicht anerkannt, und auch bereits Brocq, der Schüler 


1) Vidal, Du liehen. Ann. de denn, etsyph., 1886. — Derselbe, 
Da liehen simple. Ann. de denn., 1891, p. 326. 

2 ) Brocq, Növrodermite aigue diffuse chez nne malade atteinte etc. 
Ann. de denn., 1891, p. 397. 

. 8) Brooq et Jaquet, Note pour servir ä l’histoire des n^vroder- 
mites. Ann. de denn., 1891, p. 97 et 198. 


Vidal’s, und Jaquet wählten die Bezeichnung „Nevrodermite 
circomscrite chronique u . Sie stützten sich dabei auf eingehende 
Untersuchungen über das Wesen der Krankheit und entwarfen in 
ihren Arbeiten ein klares Bild von ihr. Zu den bereits erwähnten 
Symptomen machen sie darauf aufmerksam, dass der Typus der 
Krankheit, der nicht immer in allen Punkten gleich ausgebildet 
ist, aus drei konzentrischen Zonen besteht. Diese gehen in¬ 
einander Ober, entwickeln sich anch öfter aus anderen und unter¬ 
scheiden sich durch den Grad ihrer Veränderungen. Die äussere 
Zone ist hellbraun pigmentiert, zeigt enge Felderung und besitzt 
dnreh die schwach angedeutete Papillarbypertrophie ein samt¬ 
artiges Aussehen. Die mittlere Zone besteht aus grossstecknadel¬ 
kopfgrossen Papeln, die granrosa bis braunrot oder rot, zngespitzt, 
abgerundet oder abgeplattet, meist glänzend und zuweilen mit 
Schoppen bedeckt sind. Sie scheinen einem höheren Grad der 
Papillarbypertrophie zu entsprechen. Die dritte centrale Zone 
besteht aus den Lichenplaques, die eine blaurosa bis bräunliche 
Farbe, deutliche Verdickung und Infiltration, vergröberte Haut- 
felderung, absolute Trockenheit und Öfter dünne Schüppchen 
zeigen. Das subjektive Hauptsymptom ist das Jucken, das der 
Hautaffektion vorausgeht und dann anfallsweise und heftig auf- 
tritt. Schon Brocq, dem wir ja die genaueste Beschreibung des 
Krankheitsbildes verdanken, unterschied, was wir auch heute 
noch tan, die leichter za erkennende Neurodermitis circumscripta 
von der schwerer vom Ekzem zu unterscheidenden Neurodermitis 
diffusa. Histologisch fanden Brocq und Jaquet Hyperplasie der 
Papillen, Anhäufung lymphoider Zellen in dem Bereich der 
Papillen nnd der Umgebung der Haarfollikel sowie der Gefässe, 
starke Verbreiterung des Rete Malpighii, verschieden hochgradige 
„Alteration cavitaire“ einzelner Retezellen (Vaknolenbildung nach 
Leloir) and Verdickung eines Nervenbündels auf dem Querschnitt. 
Da die beiden Autoren die Krankheit meist bei neuropathischen 
Personen feststellteu und sie keine anderen ätiologischen Anhalts¬ 
punkte fanden, so bezeichneten sie das Krankheitsbild mit dem 
Namen Neurodermitis. 

Die Frage nach der Abgrenzung dieser Krankheitsgruppe hat 
dann oft auf der Tagesordnung der speziellen Fachkongresse ge- 


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UMIVERSITY OF IOWA 








BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


1*758 


standen und ist in einer Reihe von Arbeiten erörtert worden. 
Allgemein wird auch in Deutschland heute anerkannt, dass das 
Krankheitsbild der Neurodermitis nicht unter den Ekzemen und 
den Lichenformen eine Sonderstellung einnimmt, sondern von 
diesen überhaupt zu trennen ist. 

Die Bezeichnung Neurodermitis wird jedoch nicht von allen 
Seiten anerkannt. Von den deutschen Dermatologen hat sich 
namentlich Touton 1 ) mit dieser Krankheit beschäftigt und ist der 
Ansicht, dass diese Affektion weder ein Ekzema chronicum noch 
ein Lichen ist, sondern „ein Pruritus localis mit konsekutiver 
Verdickung der Haut (Lichenifikation) und zur Prurigo (Hebra) 
zu rechnen ist w . 

Gegen die von Brocq und Jaquet gewählte Bezeichnung 
ist vor allem auch Neisser 2 3 * ) aufgetreten, der unter allen Um¬ 
ständen die Krankheitsgruppe nach dem cutanen Bild beurteilt 
und rubriziert wissen will. Er stellte auf dem Dermatologen¬ 
kongress in Rom 1894 in seinem Referat über Lichen als erste These 
auf, dass der Name Lichen einzig und allein für die als Lichen ruber 
benannte Hautkrankheit beizubehalten sei. Wie Hebra und 
Kaposi definiert er Lichen als eine Krankheitsform, „bei der 
Knötchen gebildet werden, die in typischer Weise bestehen und 
im ganzen chronischen Verlauf keine weitere Umwandlung zu 
Effloreszenzen höheren Grades erfahren, sondern als solche sich 
wieder involvieren“. Neisser vermisst den Beweis, dass der 
Pruritus oder sonstige nervöse Alterationen als Ursache des 
ganzen Symptomen Vorganges aufzufassen seien, und kann sich 
nicht damit befreunden, „das Jucken, wenn es auch das störendste 
und wesentlichste Symptom im klinischen Bilde darstellt, heraus 
zugreifen und es als oberstes Prinzip für die Bildung einer grossen 
Krankheitsgruppe anzuerkenoen“. Er kommt in seiner zehnten 
These zu dem Schluss, dass der Lichen chronicns circumscriptus 
am besten als eigene Gruppe in die Ekzemklasse einzuordnen sei, 
und befürwortet, die Krankheit so lange wenigstens bei den ekzema¬ 
tösen Dermatitiden unterzubringen, bis der roycotische Charakter 
dieser Dermatose erwiesen sei. Die Erkrankung jedoch zu den 
Mycosen zu rechnen, dagegen sprechen wohl alle klinischen 
Symptome, besonders aber der Verlauf der Krankheit. 

Da die Aetiologie der Affektion noch keineswegs geklärt ist, 
so mag es dahingestellt sein, welche Bezeichnung die richtigere 
ist. Alle Autoren sind sich jedoch über das charakteristische 
klinische Bild der Neurodermitis klar. Subjektiv ist sie be¬ 
sonders durch das intensive Jucken gekennzeichnet, das meist 
primär ist und später in heftigen Anfällen auftritt. Prädilektions¬ 
stellen sind der Hals, der Nacken und die obere Schultergegend, 
die Ellen- und Kniebeugen, die Innenfläche der Oberschenkel, die 
Haut des Genitale, der Achselhöhlen und der Analgegend. 
Weniger häufig ist das Vorkommen auf dem behaarten Kopf, den 
Händen, Fingern und Füssen. Ueber drei Fälle von Neurodermitis 
chronica des Gesichts bat Hoffmann 8 ) berichtet. In einem dieser 
Fälle fand Hoffmann auch eine Beteiligung des Lippenrotes und 
der Conjunctiven. Eine Beteiligung der Schleimhaut der Geni¬ 
talien bei Frauen batte Hoffmann auch früher schon erwähnt. 
Wir sehen hier die Neurodermitis faciei öfter. 

Im Anfangsstadium der Neurodermitis finden wir kleine 
Knötchen, die im weiteren Verlauf der Krankheit zu Plaques 
konfluieren. Diese, variierend von der Ausdehnung eines Pfennig¬ 
stücks bis zur Flachhandgrösse, haben eine mattrote bis bräun- 
1 ich rote Grundfarbe, sind infiltriert und zeigen Erhebungen von 
den konfluierten Stecknadelkopf-bis banfkomgrossen, flachen, grauen 
bis graurötlichen Knötchen. Dieselben haben meist lichenoiden 
Glanz, zeigen stellenweise feine kleienartige Schüppchen und 
sind von tiefen und schmalen Furchen nach Art von Chagrinleder 
in polygonale Felder geteilt. Nässen ist recht selten und findet 
sich mehr noch bei den diffusen Formen, gewöhnlich nach irri¬ 
tierender Behandlung. rT _ _ 

Zuweilen beobachtet man an den Handflächen und Fuss- 
sohleü, auch an den Fingern und Unterschenkeln eine verrucöse 
Form der Neurodermitis. Diese ähnelt sehr dem Licbeö ruber 
verrucosus, ist aber von ihm durch die mehr graue Farbe, das 
Fehlen der echten Lichen ruber Knötchen, besonders aber durch 
das in Anfällen auf tretende Jucken unterschieden. 


1) Touton, Ueber Neurodermitis chronica circumscripta (Brocq) 

= Lichen simplex chronicus circumscriptus (Cazenare-Vidal). Arch. 
f. Derm. u. Syph., 1895, Bd. 33, S. 109. , 

2) Neisser, Ueber den gegenwärtigen Stand der Lichenfrage. Arch. 

f. Derm. u. Syph., 1894, Bd. 28, S. 75. ........ 

3) Hoffmann, Ueber Neurodermitis chronica faciei (Lichen Sim¬ 

plex chronicus faciei). Derm. Zschr., 1913, S. 117. 


Auch eine ganze Anzahl Fälle, in denen die Krankheit lineär 
auftrat, fioden wir in der Literatur mitgeteilt (vgl. Vignolo 
Lutati 1 ), Jadassohn*), Ehrmann, Mibelli, Markuse 8 ), 
Touton U8w.). Die Streifenform dieser Affektionen und ihre 
Topographie entspricht meist den Grenzlinien von Voigt, welche 
durch Bolk eine embryonale Deutung erfahren haben. 

Auf die Unterscheidung der Neurodermitis circumscripta und 
der Neurodermitis diffusa haben wir oben hingewiesen. 

Die Erkrankung kommt öfters bei Psychopathen vor, auch 
hat man beobachtet, dass sie leicht durch psychische Erregungen, 
fortgesetzte geistige Tätigkeit, Verstimmung und Aerger ungünstig 
beeinflusst wird. 

Was das Lebensalter anbelangt, in welchem die Neuro¬ 
dermitis vorkommt, so betreffen die in der Literatur verzeiebneten 
Fälle fast ausschliesslich Erwachsene. Nach Brocq’s Erfahrung 
tritt die Erkrankung besonders im mittleren Alter auf, und auch 
Touton behauptet, dass die Krankheit nur zwischen dem 20. und 
50. Lebensjahre vorkomme. Neuerdings bat jedoch genauere 
Beobachtung gezeigt, dass die Neurodermitis im Kindesalter 
keineswegs etwas seltenes ist. Hoffmann hat kürzlich auf die 
oft scrofulöse Kinder befallende Neurodermitis universalis hin¬ 
gewiesen. In vielen Fällen ist die Neurodermitis bei Kindern 
wohl nicht diagnostiziert worden, da sie häufig mit Ekzem kom¬ 
pliziert ist, mit welcher Krankheit sie ja auch heute noch viel¬ 
fach verwechselt wird. Durch das Kratzen der juckenden Neuro- 
dermitisstellen oder durch unzweckmässige irritierende Behandlung 
kommt es leicht zur Ekzematisation Andererseits beobachtet 
man auch das Uebergehen eines Ekzems in eine Neurodermitis. 
Für die Stellung der Prognose ist die Differentialdiagnose der 
Neurodermitis gegenüber dem Ekzem von Wichtigkeit. Ist doch 
die Neurodermitis im Vergleich zum Ekzem viel hartnäckiger 
und leichter zu Recidiven neigend. Nur eine genau zu eruierende 
Anamnese kann eventuell differentialdiagnostisch zum Ziel führen. 

Es ist daher in den letzten Jahren bei den Ekzemen und 
Neurodermitiden bei Kindern in der hiesigen Hautkinik besonders 
auf die hier differentialdiagnostisch bei Feststellung der ersten 
Krankheitserscheinungen in Betracht kommenden Gesichtspunkte 
Gewicht gelegt. Das Ekzem setzt akut ein unter den Zeichen 
der Entzündung. Hauteruption und Jucken geben Hand in Hand. 
Es kommt zum Nässen, zur Schwellung, zum „Katarrh“. Die 
Neurodermitis beginnt dagegen mit Jucken, das zuweilen lange 
Zeit vor Erscheinung der Hauteffloreszenzen besteht. Es bilden 
sich trockene, derbe, flache, schmntzigrote bis grauweissliche 
Papelchen, die im weiteren Verlauf der Krankheit zu den typi¬ 
schen, erhabenen, infiltrierten Plaques konfluieren. Man sieht 
keine entzündlichen Vorgänge, es besteht absolute Trockenheit, 
äusserste Hartnäckigkeit. 

An der hiesigen Hautklinik sind in den letzten zwei Jahren 
293 Kinder, die an Ekzem oder Neurodermitis oder an beiden 
Krankheiten zu gleicher Zeit litten, behandelt. Soweit nnter 
anderem auch die anamnestischen Anhaltspunkte die Diagnose 
gestatteten, konnte man bei 222 Kindern ein Ekzem feststellen 
und bei 71 Fällen eine Neurodermitis, während bei 12 Kindern 
die Diagnose, ob Ekzem oder ob Neurodermitis, offen gelassen 
werden musste, da Symptome beider Krankheiten vertreten waren. 
Von den 222 Ekzemen waren 8 akute Erkrankungen, während 
214 Fälle chronische waren. Diese Zahlen sind jedoch für das 
Verhältnis des akuten zum chronischen Ekzem betreffs der Fre¬ 
quenz nicht maassgebend, da die meisten akuten Ekzeme ausser¬ 
halb der Klinik behandelt werden und Ekzemkraoke meist erst 
dann in die Klinik kommen, wenn die Krankheit in das chro¬ 
nische Stadium übergegangen ist. Vergleichen wir die Zahl der 
Fälle des chronischen Ekzems mit der Zahl der Fälle der Neuro¬ 
dermitiden, so haben wir 214 chronische Ekzeme and 71 Neuro¬ 
dermitiden, d. h. das Verhältnis 3:1. Man sieht also, dass die 
Neurodermitis auch bei Kindern sehr oft vorkommt. 

Ueber die Aetiologie der Neurodermitis bei Kindern können 
wir ebensowenig Bestimmtes sagen wie über die Entstehung der 
Erkrankung bei Erwachsenen. Ein nervöser Ursprung ist nie 
bestimmt naebzuweisen. Inwiefern Intoxikationen von seiten es 
Darms vorliegen, kann man erst nach eingehenden Untersucbunge 


1) Vignolo Lutati, Neurodermitis linearis psoriasiforme. Arch. f. 

Derm. u. Syph., 1912, Bd. 111, S. 747. , . . . 

2) Jadassohn, Ueber Neurodermitiden. Zschr. f. prakt. Ae » 

1905, Nr. 3, 4 u. 5. v n 

3) Marouse, Ueber Lichen simplex chronicus. Arcb, f. 

Syph., 1901, Bd. 56, S. 381. 


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2. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1759 


beurteilen. In zwei Fällen von Neurodermitis lag zugleich eine 
Seborrhoe vor, in einem Fall Pediculosis. Wir sehen, dass diese 
beiden Momente bei unserem Material ätiologisch keine wesent¬ 
liche Rolle spielen. 

Bei den zwölf Fällen, bei denen nicht bestimmt festgestellt 
werden konnte, welche Krankheit vorlag, handelte es sich in 
7 Fällen um Komplikationen von Neurodermitis mit Seborrhoe 
und Ekzem, in 2 Fällen von Neurodermitis mit Acne und Ekzem, 
in 3 Fällen von Neurodermitis nnr mit Ekzem. Wenn man in 
solchen Fällen auch zunächst nicht gleich die Diagnose sichern 
kann, so kann man doch durch richtige Behandlung die Kompli¬ 
kationen, besonders das Ekzem, bald zur Heilung bringen, wenn 
diese sich auf der Neurodermitis entwickelt haben, da die Er¬ 
fahrung gelehrt hat, dass gerade die Haut Neurodermitiskranker 
schwer zur Ekzematisation neigt und Ekzeme, die auf neuroder- 
mitischer Haut entstanden sind, verhältnismässig leicht zur Heilung 
zu bringen sind. , 

Die Lokalisation der Neurodermitis bei Kindern ist im all¬ 
gemeinen wie bei Erwachsenen. Etwas häufiger als bei diesen ist 
das Gesicht befallen. Auch wurde in 8 Fällen eine Neuroder¬ 
mitis universalis beobachtet. Bei 6 von diesen und 4 anderen 
Fällen waren die Kinder mit Scrofulose behaftet. Wir können 
daher wohl Hoffmann beistimmen und der Scrofulose besonders 
bei der diffusen generalisierten Neurodermitis der Kinder eine 
gewisse Bedeutung beilegen. 

Die Diagnose der Neurodermitis bei Kindern stützt sich wie 
bei Erwachsenen auf die oben angegebenen Momente. Die Haupt- 
cbarakteristika der Neurodermitis sind also der meist primäre, 
äusserst heftige Juckreiz, sowie sein krisenartiges Auftreten, der 
objektive Hautbefund, nämlich die Neurodermitisplaques, das 
eventuelle Vorhandensein der Lichenknötchen, die Chronicifät. 
Histologisch finden sich nach Scholtz als Unterschiede: bei 
Ekzem ein intercelluläres Oedem in der Stachelschicht mit folgen¬ 
der spongoider oder vesiculärer Umwandlung des Rete, bei der 
Neurodermitis eine Verlängerung der Papillen, herdförmige In¬ 
filtrate im Corium und Verbreitung des Rete. 

Ein Moment, das von einigem differentialdiagnostischen Wert 
sein sollte, hat Touton noch erwähnt, nämlich das Verhalten 
beider Affektionen gegenüber der Teerbehandlung, mit der Touton 
nur bei Ekzemen gute Erfolge erzielte, während sie ihn bei 
Neurodermitis im Stich liess. Hierüber sind die Erfahrungen an 
der Frankfurter Hautklinik andere. K. Herxheimer hat darauf 
hingewiesen 1 ), dass jedes Teerpräparat seine besonderen Indi¬ 
kationen hat und man, wenn man tiefer in die Geheimnisse der 
Teerbehandlung der Hautkrankheiten eindringt, kaum eins missen 
möchte. Das Carboneol hat sich bei einer ganzen Reihe von 
Hautaffektionen konsequent gut bewährt. Es ist dies eine 
glänzende, schwarze, dünne Flüssigkeit von nicht unangenehmem 
Geruch, die durch Verdampfen einer Lösung von Steinkohlenteer 
in Tetrachlorkohlenstoff (CCI 4 ) gewonnen wird; der Rückstand 
hat den Namen Carboneol erhalten und wird konzentriert, in 
Spiritus gelöst oder mit Pasten, Salben usw. vermischt angewandt. 
Das Carboneol bat den grossen Vorteil, dass es selten Irritationen 
auf der Haut hervorruft. Es hat sich deshalb bei Ekzemen und 
Neurodermitiden gleich gut bewährt und wird besonders auch bei 
Kindern gut vertragen. Sobald man etwa vorhandene intensive 
Entzündungserscheinungen mit einem Liniment oder einer Paste 
beseitigt bat, ist die Carboneolbehandlung angezeigt. Man pinselt 
gewöhnlich das Carboneol täglich zweimal in dünner Schicht auf. 
Am Schluss der Behandlung kann man es dann mit einer in¬ 
differenten Salbe leicht wieder entfernen. Nebenbei hat man auch 
bei der Therapie des Ekzems und der Neurodermitis auf eine all¬ 
gemeine und diätetische Behandlung in besonderen Fällen Ge¬ 
wicht zn legen, eventuell auch eine roborierende Arsenkur ein- 
xuleiten. Bei Kinderekzem hat sich besonders die Dürkheimer 
Maxquelle bewährt. Insbesondere bat man einen etwa vorhan¬ 
denen Darmkatarrh zu beseitigen. Empfohlen sind auch lokal 
Tumenol-Ammonium-Paste, Sol. lithrantbracis acetonica und 
Röntgenbehandlung. Wir sind an unserer Klinik mit dem Car¬ 
boneol völlig zufrieden gewesen, es wird selbst bei nässenden 
Ekzemen von der Haut gut vertragen und kürzt die Behandlungs- 
däuer erheblich ab. 


1) B.kl.W., 20. Januar 1908. 


Aus der I. medizinischen Abteilung des städtischen 
Krankenhauses Moabit in Berlin (Geheimer Medizinalrat 
Prof. Dr. G. Klemperer). 

Zur Frage der diagnostischen Bedeutung 
hämoglobinreicher Megalocyten. 

Von 

L. Dünner. 

Die Schwierigkeit, eine sekundäre Anämie von einer per- 
niciösen abzugrenzen, ist im Laufe der letzten Jahre dank den 
Fortschritten unserer hämatologiscben Kenntnisse mehr und mehr 
beseitigt worden. Es haben sich allmählich differential-dia¬ 
gnostische Symptome ergeben, die in fast allen Fällen eine exakte 
Diagnose gestatten. Ohne auf die immer noch nicht zur all¬ 
seitigen Befriedigung gelöste Frage über die Einteilung der An¬ 
ämien einzugehen, sei diese Ausführung der Diagnostik der akuten 
posthämorrhagischen Anämie und ihrer Unterscheidung von der 
perniciösen gewidmet. Dabei braucht man nur — von nur prak¬ 
tischen Gesichtspunkten geleitet — die üblichen Untersuchungs- 
metboden der Klinik, wie Bestimmungen des Hämoglobins, der 
Erythrocyten- und Leukocytenzahlen und Morphologie zu erörtern 
und kann auf Methoden, die der Kliniker selten verwendet, wie 
z. B. Viscositätsbestimmungen des Blutes usw. verzichten. Mit 
dieser Einschränkung erleidet die hämatologiscbe Diagnostik direkt 
keine Einbnsse, denn man darf die erwähnten Untersuchungs- 
metboden als vollkommen ausreichend ansehen, um die Ent¬ 
scheidung za treffen, ob sekundäre oder Biermer’sche Anämie vor¬ 
liegt. Darüber herrscht wohl bei der sonst vielleicht zu sehr 
ausgeprägten Meinungsverschiedenheit im Kreise der Hämatologen 
Einigkeit. 

Einfache und perniciöse Anämie haben die starke Verminde¬ 
rung der Erythrocyten gemeinsam, die sehr oft bis unter eine 
Million sinken kann. Mit dieser Verminderung der roten Blut¬ 
körperchen Hand in Hand geht eine Herabsetzung des Hämo¬ 
globingehaltes, die aber in ihrer Intensität bei jeder der Er¬ 
krankungen durchaus verschieden ist; darin ist ein wichtiges 
Unterscheidungsmerkmal gegeben: Während nämlich der Hämo¬ 
globinverlust entsprechend dem grossen Defizit an Erythrocyten 
bei der Anämie nach schweren Blutungen ein sehr starker ist, 
weist der Hämoglobingehalt bei der Perniciosa nicht, wie man 
a priori erwarten sollte, geringe, sondern im Verhältnis zu der 
Anzahl der roten Blutkörperchen relativ hohe Werte auf. Aus 
dieser Tatsache hat sich das wichtige Characteristicum des niedrigen 
Färbeindex für die sekundäre und des erhöhten Index für die 
Biermer'sche Anämie ergeben. Der niedrige Färbeindex bei der 
sekundären Anämie erscheint uns verständlich, wenn wir bedenken, 
dass nach Blutverlusten der Organismus das Bestreben hat, den 
entstandenen Verlust an Erythrocyten möglichst rasch zu decken. 
Das Knochenmark produziert möglichst schnell und viele Erythro¬ 
cyten. Zorn nicht geringen Teil gelangen nun rote Blutkörperchen 
in den Kreislauf, die an Hämoglobingehalt noch nicht vollwertig 
sind. So findet man in der Tat sehr viele hämoglobinarme 
Körperchen. Im auffallenden Kontrast hierzu zeichnen sich die 
roten Blutkörperchen bei der perniciösen Anämie durch ihren 
abnorm hohen Hämoglobingebalt aus. Es ist das eine Erfahrung, 
die sich immer und immer wieder bei der Biermer’schen Anämie 
bestätigt findet, und die im Verein mit der abnormen Grösse der 
Erythrocyten zu einem der wichtigsten diagnostischen Mittel dieser 
Krankbeit geworden ist. 

Der starke Knochenmarksreiz nach akuter Blutung doku¬ 
mentiert sich noch in anderer Weise: Mit der sozusagen über¬ 
hasteten Ausschwemmung der Erythrocyten erfolgt gleichzeitig 
eine vermehrte Ausfuhr von Lenkocyten, die zum Teil ebenfalls 
wie die Erythrocyten als Jugendformen auftreten. Man findet oft 
als Symptom einer posthämorrhagischen Anämie eine Leukocytose, 
die verschieden stark auftreten kann, je nach dem Grade des 
Blutverlustes. Im Gegensatz zur einfachen besteht bei der per¬ 
niciösen eine Leukopenie. 

Vielfach findet man bei sekundärer Anämie eine Vermehrung 
der Blutplättchen, die bei der Perniciosa auf ein Minimum re¬ 
duziert, manchmal sogar überhaupt nicht nachzuweisen sind. Man 
bat dies Verhalten der Blutplättchen auch zu diagnostischen 
Zwecken verwendet. 

So gewährt schon die einfache Blntkörperchenzählung und 
Hämoglobinbestimmung wichtige differential-diagnostische Momente, 
indem hoher Hämoglobingehalt bzw. ein Index über 1, Leuko- 

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Nr. 44. 


penie and Verminderung der Blutplättchen für Biermer'sche, 
andererseits niedriger Index, Leukocytose und zahlreiches Auf¬ 
treten der Blutplättchen für sekundäre Anämie sprechen. 

Was die Blutmorphologie an belangt, so bietet sie für beide 
Anämieformen sowohl gemeinsame wie auch verschiedene Symptome. 
Sie ergibt jedenfalls fast immer den Ausschlag bei der Diagnose. 
Bei jeder schweren Anämie, mag sie nun perniciös oder sekundär 
sein, kann man Blutkörperchen von den verschiedensten Formen 
beobachten. Auch die Grösse der einzelnen Blutkörperchen ist 
bei beiden Erkrankungen Schwankungen unterworfen, ueben auf 
fallend kleinen roten Blutkörperchen, normal grossen, finden sich 
über das gewöhnliche Maass hinausgehende und sehr grosse. Als 
Ausdruck einer Knocbenmarksreiznng muss man das Vorkommen 
von kernhaltigen Erythrocyten auffassen, die sich in der Folge 
einer jeden Anämie erstellen können, und die keineswegs, wie 
man erine Zeitlang annabm, den Schluss auf perniciösen Charakter 
zulassen. Erwähnen wir noch die Polycbromatophilie, die Punk¬ 
tierung der Erythrocyten, so sind damit wohl die beiden An¬ 
ämien gemeinsamen morphologischen Symptome genannt. Die 
Unterscheidungsmerkmale für sekundäre und perniciöse Anämie 
betreffen den Hämoglobingehalt der roten Blutkörperchen: Durch 
grosse Blutverluste erfolgt eine starke Verdünnung des Blutes, 
die sich neben der Verminderung der roten Blutkörperchen durch 
eine dieser parallel gehenden Herabsetzung deB Hämoglobingehaltes 
kundtut. Der Anforderung, den entstandenen Verlust vollkommen 
zu decken, kann das Knochenmark nicht ganz nachkommen. Die 
produzierten Erythrocyten gelangen in den Kreislauf mit einem 
Hämogiobingehalt, der unter der Norm liegt. Man findet infolge¬ 
dessen bei sekundärer Anämie äusserst blass aussehende Erythro¬ 
cyten. Dabei mag vielleicht der Hämoglobingebalt nicht bei allen 
Blutscheiben vollkommen gleich sein. Aber man kann doch im 
allgemeinen die Regel aufstellen, dass eine wesentliche Differenz 
in der Färbbarkeit der an und für sich schon blassen Blut¬ 
körperchen nicht besteht, und dass, je grösser (gequollener) die 
Zelle ist, um so ärmer ihr Gehalt an Hämoglobin. Man hat, seit 
dem man darauf aufmerksam geworden ist, diesem Symptom des 
Hämoglobingehaltes die grösste Bedeutung zugemessen, weil es 
oft den entscheidenden Ausschlag bei der Differentialdiagnose ge¬ 
stattet gegenüber der Biermer’schen Anämie. Denn hier findet 
man neben kleinen und normalen Erythrocyten grosse Zellen, die 
alle gerade durch ihre satte rote Farbe sich auszeichnen, und die 
dem Untersucber durch ihren Hämoglobinreichtum sofort in die 
Augen springen. Es sind nicht nur die normal grossen Blut- 
scheiben, die diese Eigenschaft besitzen, sondern, was noch viel 
mehr verwunderlich ist, die über die Norm grossen Zellen, die 
Makrocyten bzw. Gigantocyten. Diese Erythrocyten machen den 
erhöhten Färbeindex, von dem oben die Rede war, bei ver¬ 
minderter Blutkörperchenzabl verständlich. Hämoglobinreiche 
Makrocyten im Verein mit erhöhtem Färbeindex sind die haupt¬ 
sächlichsten diagnostischen Hilfsmittel in der Klinik der per¬ 
niciösen ADämie znr Unterscheidung gegen andere Anämieformen 
geworden. Dadurch ist ein anderes Symptom mehr in den Hinter¬ 
grund gedrängt worden, das man früher als äusserst wichtig an¬ 
gesehen hatte und das zum Teil auch heute noch eine gewisse 
Bedeutung hat: nämlich das Auftreten von Megaloblasten. Gewiss 
lassen sie sich auch heute noch für die Diagnose verwerten, aber 
sie haben doch insofern ihren Wert verloren, als ihr Fehlen keine 
Schlussfolgerungen zulässt. Tatsächlich finden sich beim Circa- 
lieren hämoglobinreicher Megalocyten im Blute Megaloblasten 
regelmässig im Knochenmark, so dass das Vorkommen dieser 
bämoglobinreichen Megalocyten auf jeden Fall beweist, dass der 
Regenerationstypus des Knochenmarks ein megaloblastischer ist. 
Dazu kommt, dass Beobachtungen von sekundärer Anämie mit¬ 
geteilt worden sind, bei denen Megaloblasten gefunden sind, 
und dass es sich in diesen Fällen nicht um Perniciosa handelte, 
beweist die Genesung der betreffenden Patienten. 

Jedenfalls sind wir in der Diagnostik der Anämien so weit, 
dass wir bis auf ganz verschwindende Ausnahmen auf Grund der 
Blutuntersuchung die Rubrizierung des Falles vornehmen können. 
Die Summe der einzelnen Symptome macht die Differential¬ 
diagnose leicht. Die Unterscheidungsmerkmale sind so charakte¬ 
ristisch, dass ein Fehlschluss nur selten vorkommt. Immerhin 
weist die Literatur Fälle auf, die sich nicht ganz io das Schema 
der betreffenden Krankheiten einfügen lassen. Diese Fälle sind 
besonders selten bei der sekundären Anämie, bei der die Blut¬ 
veränderungen geradezu stereotyp zu nennen sind, aber es gibt 
nun einmal Ausnahmen, und sie beanspruchen um so mehr unser 
Interesse. 


Ich selbst hatte Gelegenheit, bei einer Patientin mit sekon- 
därer Anämie Untersuchungen anzostellen, die einen aussergewöhn- 
lichen Befund, wie er Bich sonst in der Literatur nicht findet, 
ergaben. 

B. B., 23 Jahre alt, wurde am 1.1.1913 in stark ausgeblutetem Zu¬ 
stand eingeliefert Die Patientin hatte sioh bis zwei Tage vor der Kranken¬ 
bausaufnahme vollständig gesund gefühlt. Dann stellten sich uner¬ 
wartet ohne jede Vorboten heftige Durchfälle ein, die am 31. XII. 1912 
teerschwarz wurden. In den letzten 24 Stunden hatte sich nach ihrer 
Schilderung andauernd schwarzer Stuhl entleert. Nach dem klinischen 
Befund, dessen Ausführung sich wohl erübrigt, im Verein mit der 
späteren Röntgenuntersuchung musste die Diagnose auf Ulcus duodeni 
gestellt werden. Die zwei Tage nach der Einlieferung vorgenommene 
Blutuntersuchung ergab nun: 25 pCt. Hämoglobingehalt, 1 600000 Ery¬ 
throcyten, 34000 Leukocyten. 

Im Blutaustrich fiel, wie dies nach der Blutzählung zu erwarten war, 
die grosse Zahl der Leukocyten auf. Höchst bemerkenswert gestaltete sich 
der Befund der roten Blutkörperchen. Neben hochgradiger Poikilocytose, 
starker Polychromatophilie, punktierten Erythrocyten fiel die abnorme 
Grösse und der abnorme Hämoglobingehalt einzelner Erythrocyten auf. 
In einem Gesichtsfeld fanden sioh Mikrocyten, Normo- und Makrocyten, 
deren Färbbarkeit ganz verschieden war, d. h. nicht alle Zellen batten 
das gleiche blasse Aussehen, sondern man traf ausser den blassen 
Scheiben auch solche mit recht intensiver Färbung. Insbesondere im¬ 
ponierten viele Megalocyten mit ihrem Hämoglobinreiohtum. Dieser 
merkwürdige Biutbefund gab selbstverständlich Anlass zu weiteren regel¬ 
mässigen Blutuntersuchungen, aus deren Protokoll nur das wesentliche 
herausgegriffen sei: 

Im Laufe der nächsten Wochen sank die Zahl der Leukocyten zur 
Norm, die der Erythrocyten stieg nur langsam auf 4 Millionen and der 
Hämoglobingehalt auf 35 pCt. Sahli (17. III. 1913). Die Morphologie der 
Erythrocyten batte sich innerhalb dieser Zeit nur relativ wenig geändert 
Allerdings war die Poikilocytose nicht mehr so stark und die Poly- 
cbromatopbilie Hass sich überhaupt nicht mehr nachweisen. Die himo- 
globinreicben Makrocyten neben bämoglobinarmen waren aber, wenn 
auch nicht mehr so zahlreich wie sofort nach der abundanten Blutung, 
immer nooh vorhanden. Sie verschwanden nur ganz langsam. Ich selbst 
fand noch am 28. V. bei der letzten Untersuchung ganz vereinzelte, bei 
55 pCt. Hämoglobingeb alt und 4000000 Erythrocyten. Dann hatte ich 
selbst keine Gelegenheit mehr, die Patientin weiter zu beobachten, da 
sie in ihre Heimat nach Christiania zurückkehrte. Herr Prof. S. Laache 
hatte die grosse Liebenswürdigkeit, am 27. IX. eine Blutuntersuchuug 
vorzunehmeD, deren Resultat er mir mitteilte. Ich bin Herrn Professor 
Laache für sein freundliches Entgegenkommen zu grossem Dank ver¬ 
pflichtet, weil durch seine Untersuchung die Beurteilung des Falles erst 
endgültig ermöglicht wurde. Am 27. IX. fand Herr Prof. Laache: 
5000000 Erythrocyten, 6400 Leukocyten, 95 pCt. Hämogiobingehalt. 

Im Blutausstrich (Herr Prof. Laache sandte mir einige gefärbte 
Präparate) fanden sich nur normale Zellen. Insbesondere konnte ioh 
selbst nach laDgem Durchmustern der Präparate keine hämoglobinreichen 
Makrocyten konstatieren. Der Hämogiobingehalt der Erythrocyten war 
durchweg ein gleichmässiger. Das Befinden der Patientin war, wie sie 
mir zur gleichen Zeit schrieb, sehr gut x ) 

Damit dürfte wohl die (sekundäre) Anämie in diesem Falle 
als definitiv geheilt angesehen werden. Irgendwelche Zweifel 
an der Natur der Anämie sind wohl kaum möglich. Die Diagnose 
war eigentlich nach den beiden ersten Untersuchungen, die einige 
Tage nach der profusen Blutung vorgenommen wurden, gesichert, 
obwohl sich im Blatausstrich hämoglobinreiche Makrocyten fanden. 
Nach den einleitenden Ausführungen sind wir diese Art von 
Zellen nur bei der perniciösen Anämie zu finden gewohnt. Ueber 
ihr Vorkommen bei sekundärer Anämie konnte ich in der Literatur 
keinerlei Angaben finden. Trotzdem musste die Diagnose in 
meinem Fall aof sekundäre Anämie gestellt werden. Man darf 
das Auftreten der hämoglobinreichen Zellen nur als eine grosse 
Rarität bei dieser Form von Anämie auffassen und ist nicht be¬ 
rechtigt, sich auf Grund dieses einen für Perniciosa charakteristi¬ 
schen Symptomes sich für sie entscheiden. Denn dieses eine 
Symptom konnte nicht in Uebereinstimmung gebracht werden 
mit einem anderen Characteristicum, das bei der Differentiai- 
diagnose zwischen sekundärer und Biermer’scher Anämie den Ab¬ 
schlag gibt, nämlich mit dem Färbeindex, der bei allen vorge¬ 
nommenen Bestimmungen nicht erhöht war. Die hämoglobin- 
reichen Erythrocyten bei der perniciösen Anämie sind, wenn man 
so sagen darf, die Probe auf das Exempel des hohen Färbeindex, 
der besagt, dass in dem Blut des Kranken mehr Hämoglobin sich 
befindet, als wir nach der Zahl der Erythrocyten erwarten sollten. 
Darum muss ein Teil der Erythrocyten bei der perniciösen Anämie, 


1 ) Während der Krankenhausbehandlung hatten die versohiedent- 
liohen Untersuobungen der Fäces auf Würmer, insbesondere Botriocepbalus, 
niemals ein positives Resultat ergeben. Auch die Wassermann’sche Re¬ 
aktion war negativ. 


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bei der der erhöhte Index zum Standardsymptom der Diagnostik 
geworden ist, mehr Hämoglobin aufweisen als das Gros der 
Zellen. Wenn nun in unserem Falle mit seinem nicht erhöhten 
Index sich trotzdem eine gewisse Zahl von hämoglobin reichen 
Makrocyten nachweisen liess, so war zwischen den beiden 
Symptomen ein Gegensatz konstruiert, bei dem dem Färbeindex, 
als dem umfassenderen, die grössere Bedeutung zugesprochen 
werden muss. 

Dazu kam, dass die hyperchromen Erythrocyten bei weitem 
in der Minderzahl waren. Abgesehen von den einzelnen Exem¬ 
plaren boten die übrigen roten Blutkörperchen, sowohl die grossen 
wie die kleinen mit ihrem geringen Hämoglobingehalt ein Bild, wie 
es der sekundären Anämie eigen ist. So blieb denn für den 
Verdacht der perniciösen Anämie, den bei Beginn der Unter¬ 
suchungen die gut gefärbten Makrocyten erweckt hatten, kein 
Argument übrig. Hyperchrome Makrocyten, losgelöst von den 
sonstigen Ergebnissen der Blutuntersnchungen, durften also nicht 
den Ausschlag geben; denn erst bei der Zusammenfassung der 
einzelnen Symptome ergab sich der so wichtige Widerspruch 
zwischem nicht erhöhtem Färbeindex und den bämoglobinreichen 
Makrocyten, zu dem sich dann, wenn auch nicht als unwiderleg¬ 
licher Beweis, so doch als für sekundäre Anämie sprechend, die 
Leukocytose und Häufung der Blutplättchen gesellten. 

Abgesehen davon liess die klinische Beobachtung keinen 
Zweifel an der sekundären Anämie. Allerdings müsste man, 
wenn man sehr kritisch sein wollte, eine Einschränkung insofern 
machen, als die Blutung auch als Folge einer bereits bestehenden 
perniciösen Anämie aufgefasst werden konnte. Denn Nasen¬ 
blutungen, Uterusblutungen usw. treten nicht so sehr selten bei 
Blutkrankheiten auf und sind sogar manchmal das erste Zeichen 
derselben. Wir verfügen unter dem grossen Material von Blut krank- 
beiten in unserem Krankenhause über einige recht eklatante Fälle. 
Z. B. batte ich vor einigen Jahren Gelegenheit, eine Patientin zu 
beobachten, die von anderer Seite wegen Unterleibsblutungen zwei 
Tage ohne Erfolg tamponiert worden war. Der Verdacht, dass bei 
dieser Frau vielleicht eine Blutkrankheit Ursache der unstillbaren 
Blutung sei, wurde durch die Untersuchung, die eine grosse Milz 
ergab, und die Blutuntersuchung zur Gewissheit. Zwei Tage 
später starb die Frau an ihrer Leukämie. Solche Ereignisse 
sind gewiss keine Alltäglichkeit und können von dem behandeln¬ 
den Arzt um so eher falsch gedeutet werden, wenn er den 
Patienten früher nicht kannte und nun plötzlich wegen einer 
Blutung konsultiert wird, für die er im allgemeinen eine andere 
Aetiologie anzunehmen gewohnt ist. Man muss an solche Even¬ 
tualitäten denken, sobald, wie in unserem Fall, das morphologi¬ 
sche Blutbild dem der perniciösen ähnlich ist. Von diesem 
Gesichtspunkt ausgehend wäre die Ueberlegung berechtigt ge¬ 
wesen, ob nicht vielleicht bei unserer Kranken ß. schon längere 
Zeit eine Perniciosa bestanden bat, der jetzt eine sekundäre 
Anämie durch die Magenblutung aufgepfropft wurde. Wenn man 
die Entstehungsmöglichkeit einer solchen Blutung auf dem Boden 
einer primären Blutkrankheit erwägt, so müsste bei unserer 
Patientin die Konstatierung der hämoglobinreichen Makrocyten 
den Verdacht erwecken, dass die Kranke schon längere Zeit, ohne 
es zu wissen, an einer Biermer’schen Anämie litt, die sich erst 
durch eine abundante Blutung klinisch bemerkbar machte. (Dass 
Patientin keine dementsprechenden anamnestischen Angaben 
machte, spricht nicht ohne weiteres dagegen.) Dann wäre aller¬ 
dings die Kombination der Symptome von primärer und sekun¬ 
därer Anämie eventuell zu verstehen, und dann bestünde auch 
kein Gegensatz zwischen dem nicht erhöhten Färbeindex, der sich 
dann erst infolge der Blutung aus dem bislang (supponierten) 
erhöhten herausgebildet hätte, und den hämoglobinreichen Makro¬ 
cyten, die sich als Symptom der primären Perniciosa in dem 
jetzt als sekundär imponierenden Blutbilde erhalten hatten. Der 
übrige Blutbefund erklärt sich — immer natürlich jene Vermutung 
vorausgesetzt — leicht. Die Entscheidung hierüber konnte nur 
der weitere Krankheitsverlauf erbringen, der eindeutig besagt, 
dass es sich nur um sekundäre Anämie handelt. 

Die Bedeutung der hämoglobinreichen Makrocyten für die 
Erkenntnis der Perniciosa ist durch unseren Fall keineswegs er¬ 
schüttert. Wie epikritisch ausgeführt wurde, kommt ihr in 
unserem Falle kein diagnostischer Wert zu. Bei der Diagnostik 
der peraiciösen Anämie muss man die Forderung aufstellen, dass, 
wenn auch nicht alle Symptome vorhanden sind (es sei an die 
Megaloblasten erinnert), zum wenigsten kein Befund erhoben 
werden darf, der gegen Perniciosa und für eine andere Anämie¬ 
form spricht. Nur die positiven Momente beim Fehlen von nega¬ 


tiven besitzen Wert. Allerdings bät man bisher das Auftreten 
von hyperchromen Makrocyten für ausreichend erachtet, um die 
Erkrankung für perniciös zu erklären. Das geschah bislang aber 
nur deshalb, weil man von ihrem Vorkommen im sekundären 
Blutbild nichts wusste. Mit der Erfahrung unseres Falles er¬ 
scheint es nunmehr notwendig, die untrügliche Unfehlbarkeit der 
hämoglobinreichen Makrocyten etwas in Zweifel zu ziehen, so¬ 
lange das Gesamtbild nicht für Perniciosa spricht. Diesem Um¬ 
stand hat Naegeli Rechnung getragen, der „ganz gewöhnlich 
nach dem ersten Blick ins Mikroskop richtig entscheidet“; er 
fügt vorsichtigerweise hinzu „bei vollständig durcbgeführter 
Untersuchung“. Diese Einschränkung ist in der Tat nötig. 

Die nach unseren bisherigen Kenntnissen über die Morpho¬ 
logie der sekundären und perniciösen Anämie überraschende Be¬ 
obachtung, die der Fall bietet, ist noch für eine Frage von Inter¬ 
esse: ob nämlich die Perniciosa sich aus einer sekundären 
Anämie direkt ohne weiteres entwickeln kann. Zurzeit lehnen 
namhafte Hämatologen, wie H. Hirschfeld, A. Lazarus, 
Naegeli usw., Blutverluste als Ursache der ßiermer’schen Anämie 
strikte ab. Als Beweis für diese seine Anschauungen führt 
Naegeli u. a. die Krankengeschichte einer Hämophilen an, 
die schwere Blutungen durchmachte und deren Blutbild 
niemals dem der perniciösen Anämie entsprechend gewesen 
wäre, sondern stets dem der sekundären. Es wäre unberechtigt, 
aus unserem Falle die Berechtigung herzuleiten, den Zusammen¬ 
hang zwischen beiden Anämieformen nunmehr proklamieren zu 
dürfen, nachdem es gelungen sei, ein typisches Symptom der 
Perniciosa bei einer posthämorrhagischen Anämie zu finden. 
Wenn man diese Schlussfolgerung ziehen wollte, so müsste man 
in dem Auftreten der hyperchromen Makrocyten, im Beginn 
einer Blutung ein besonders ominöses Zeichen erblicken, und man 
sollte dann zum mindesten die sofortige Entwicklung der unheil¬ 
baren Biermer’schen Anämie erwarten, dann müssten die Zellen 
das direkte Bindeglied zwischen sekundärer und peruiciöser 
Anämie darstellen. Dass dem nicht so ist, beweist der Ausgang 
des Falles in Heilnng. 

Die Beobachtung an meiner Kranken B. gab mir Veran¬ 
lassung, bei anderen Patienten, die schwere Blutungen über¬ 
standen hatten, auf bämoglobinreiche Makrocyten bei sonst sekun¬ 
därem Blutbefunde zu fahnden. Es gelang mir in der Tat bei 
einer zweiten Patientin, bei der es sich höchstwahrscheinlich auch 
um eio Ulcus duodeni handelte, einen gleichen Befund, wenn 
auch nicht so ausgesprochen wie bei B., zu erheben. Daher 
erscheint es wünschenswert, in Fällen von sekandärer Anämie 
Blutuntersnchungen anzustellen und zu eruieren, ob bypercbrome 
Makrocyten bei sekundärer Anämie nur als Kuriosum angesehen 
werden müssen, oder ob sie in die Symptomatologie der sekun¬ 
dären Anämie, wenn anch als Seltenheiten aufgenommen werden 
dürfen. 


Der Kriegssanitätsdienst in Berlin. 

VI. 

Ueber Scliussvcrletzungen der Armnerven. 

Von 

Dr. E. Froehlieh, 

Stationsarzt aiu Krio^sgofangenenlazarott Aioxamliiiieiistrasse. 

Wir haben im hiesigen Lazarett eine grosse Anzahl von 
Durchschüssen der oberen Gliedmaassen beobachtet, hierbei aber 
nur wenige Nervenverletzungen gesehen. Wie die Gefässe, so 
weichen anscheinend auch die Nervenstränge oftmals dem Ge¬ 
schoss aus. Sehen wir doch Ein- und Ausschuss sehr häufig an 
Stellen, an denen da9 Geschoss einen Nerven seiner Lage nach 
hätte treffen oder wenigstens streifen müssen. Schädigungen 
eines Nerven nach Knochenbrüchen, direkt oder durch Einbettung 
in den Callus, haben wir nicht beobachtet; es ist wohl aber mit 
Sicherheit anzunehmen, dass spätere Lähmungen auf letzterer 
Grundlage noch zur Beobachtung kommen werden. Ebenso selten 
sind regelrechte Nervenentzündungen an Nerven, in deren Nähe 
Verletzungen.stattgehabt haben. Ich habe einen derartigen Fall 
in einem hiesigen Reservelazarett deutscher Verwundeter gesehen. 

Es handelt sieb um einen Infanteristen, der angibt, am 8. IX. 1914 
bei Barten durch Gewehrschuss aus unbekannter Entfernung in den 
linken Oberarm verwundet zu sein. Der Einschuss befand sich innen 
im oberen Drittel, ein Ausschuss ist nicht vorhanden. Die Wunde soll 
stark geblutet haben; Pat. will beim Verbinden gesehen haben, dass das 
Geschoss ein so tiefes Loch gerissen hätte, dass er seinen Danmen hätte 

2 


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sechs Tage lang einQ P J? lUrnoiDS P ri tzuDgen Ll> de f ersten Zeit mit 
«'»reibungen undbeL'^ bl ? nen '-«'' b aüd aorew “ P Ä s P äter »"de 
be,sa « Armbädet unHr»® mMh,s «« anitmnSrf elterbm «enlbol- 

ru 0g die Rede sein i Kom P res sen. Wen/ ühp r > . zurzeit ^hält Pat. 
richtet dass e i n . kann > so ist diese p 1n , ub ® rba upt von einer Besse 
»(«TitSk \t d achte * ut aeien de3 8 mnL Unb l^ utend - D « Pat be- 
»adeln stechen Unt“ 36 Scbmer2en io der Hohlbnnd“ Et , wachen beginnen 
der Beugeseite’des Dnt Mi ° bera ™ »ind frei yo„ s** ° b ibn Steck ’ 

“Afejswi.'fcsj _ 


J . --____^r. 44. 

BeobacbT U ng nd baf e difrh bme " Gefühl aat8 rii ngen']~u7f7dlr 

? le elektrische Prüfung mftteU °rf merk,ich nachgelassen 

J iedig ' iCh 8eitens Addnctor S pofncis' S träge 

Abbildung 1 a. 


atösst us, ’DtC“" 4 en> P fi “dlicb „V W ,"„ V n° ü er ihm bezeich- 

Winkel gebeugt, eine passt™ Str^t Am , im ElleQ hogen im rechtet 
find\ U ‘°v! möglich. Die Hand ma^MelcM* 8 E J| eDb °g en gelenks ist bis 
findet sich m leichter Beugestelhina M Zltterb ewegungen, sie be¬ 
händ ist deutlich abgellacht ebenso’der* dle Finger - Die Hohl- 

kulatur des Unterarms. Eine auseesDrü^n UC A°K polhcis und die Mus- 
lnterossei ist nicht festzustellen Di^Han^h! Abmage ; un S der Muscnli 
hchkeit sehr beschränkt, das HandLw d \ g6r S ! D ? 10 ibrer Heweg- 
Der Gefiihlssinn ist ungestört, elektrische VriU^ w V - bcwfgt wer den. 
Herabsetzung der Erregbarkeit bei den ITan^h g bat 61ne quantitative 

Entartungsreaktionen. An der uLren SeUel?p D aber keln * 

dem Capitulum humeri befindet sieh ein* r e r^ eUg f^ <lcbe ’ 3 cm unter 
Verdickung des Nervenstränge' ^Druck'* fh!“ ^ g ' ei " e 

solche Anschwellung 5 cm unterhaih w ^ r schmerzt, eioe eben- 
Schon die leiseste g Bertthrnng dies r be den 1t ,!“ Su '? us “*»«»«•. 
Untersuchung löst solche Schmerzen aus! dass P^ das'oeSt W ^ 

da, Fehlen eine!"Gmb« b’ZwZui^T T* 
wies nirgends eine Scbadigigung auf. Man muss danach rin™ Nerve™ 
eutzundung im Gebiete des Medianus und Ulnaris (?) annehmen 

Einen ähnlichen Fall beobachtete ich auch im hiesigen Lazarett am 
Bern. Der Einschuss befand sich hinten im Oberschenkel, ein Ausschuss 

’imVntol 2 h t ne V et , Ktank « batte unerträgliche, reissende Schmerzen 
im Unterschenkel, die einen längeren festen Verband erforderten, ehe 
sie sich losten. Auch hier war im Röntgenbild nichts zu seheD. 

Rin Aneurysma war in beiden Fällen nicht festzustellen. 

Was nun einzelne Armnerven anlangt, so kamen Lähmungen 
des Nervus musculocutaneus bisher nicht zur Beobachtung. 

Eine Medianuslähmung sah ich einmal. Dieser Nerv ist be¬ 
kanntlich vor allem an der Beugeseite des unteren Drittels des 
Unterarms gefährdet, ln meinem Falle befand sich der Einschuss 
an dieser Stelle, der Ausschuss an der Gegenseite, in gleicher 
Höhe. Der Patient ist leider schon entlassen, so dass eine Ab¬ 
bildung der Verletzung sich nicht mehr ermöglichen Hess. Die 
Störungen im Gebiet des Medianusnerven waren die üblichen, 
bei der Entlassung waren sie aber zum grössten Teil wieder ge¬ 
schwunden. 

Ulnarislähmungen, besonders als Bescbäftigungserkrankungen 
bekannt, können auch durch Geschosswirkung leicht zustande 
kommen, da der Ulnaris durch seine Lage Verletzungen wie Druck 
leicht ausgesetzt ist und neuritische Vorgänge im Gefolge haben 
kann. Die Gegend des Humerushalses, des Ellenbogen- und des 
Handgelenks kommen bei Verwundungen als häufigste Stelle in 
Frage. Einen Fall ersterer Art behandelte ich (Abbildung 1 a 
und b). Es handelt sich um einen aus grosser (?) Entfernung 
abgegebenen Gewehrschuss in den linken Oberarm, der Patienten 
im Vorwärtslaufen traf. Den ersten Verband erhielt er von einem 
deutschen Sanitätssoldaten auf die stark blutende Wunde. Nach 
dreitägiger Reise vom Kriegsschauplatz nach Berlin kam Patient 
in ein hiesiges Lazarett, wo der Verband gewechselt wurde, 
sieben Tage;(nacb der Verletzung kam er zu uns. Patient be¬ 
merkte bei der Verletzung sofort, dass er die Hand schlecht be¬ 
wegen könne. Bei der Aufnahme fand ich reizlose Wunden, einen 
Weichteilschuss im oberen Drittel des Oberarmes, schräg über 
die mediale Vorderseite verlaufend, einen Schusskanal von 7 cm 
Länge, den Einschuss an der inneren Präzipitalfurche, zehn 
Pfennigstück gross, den Ausschuss an der Insertionsstelle des 
Pectoralis major am Oberarm. Ich fand leichte Krallenstellung, 
Abmagerung am Kleinfingerballen, dem Adductor pollicis, den 


Abbildung lb. 



Abbildung 2. 



pm 


L - ■ 




Einen gleichen Befund (Abbildung 2) erhob ich bei einem Manne, 
der einen Schuss aus 300 tn Entfernung in den liuken Unterarm er¬ 
halten hatte. Hier ging der Schusskanal im oberen Drittel etwas schräg 
in der Seitenebene von Mitte zu Mitte. Nach Anlegung des ersten Ver¬ 
bandes der stark blutenden Wunde durch ihn selbst (er benutzte dazu 
sein Hemd) wurde Patient dann vom russischen Feldscher regelrecht 
verbunden, nach dreitägiger Bahnfahrt kam er in ein hiesiges Lazarett, 
wo der Verband gewechselt wurde und nach weiteren drei Tagen zu uns. 
Bei seiner Aufnahme konnte Patient die Finger nicht bewegen, er hatte 
kein Gefühl in der Hand, die vom Ulnaris versorgten Muskeln waren 
abgemagert und ergaben bei elektrischer Reizung träge ZuckuDgeD. Die 
Strecker und Beuger der Hand gaben elektrisch einen normalen Befund. 
Faustschluss war erschwert, Opposition nicht möglich. In der Folge hat 
sich das Bild insofern verändert, als die Opposition wiedergekommen ist 
und die Abflachung der Muskulalur etwas nachgelassen bat, es sind aber 
weiterhin träge Zuckungen festzustellen. , 

Ein dritter Fall (Abbildung 3) betraf einen Infanteristen, der den 
Gewehreinschuss aus unbekannter Entfernung an der Beugeseite des 
rechten Unterarms erhielt, 10 cm über dem Handgelenk, 1 cm neben 


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2. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1763 


der Aussenseite, deu Ausschuss 12 cm über dem Handgelenk. Trotz 
starker Blutung musste Patient eine Stunde ohne Wundversorgung bleiben, 
dann wurde er im deutschen Feldlazarett verbunden und kam nach zwei 
Tagen direkt zu uns. Die Wunden heilten glatt in acht Tagen. Patient 
bemerkte im Anschluss an die Verletzung sofort eine Schwäche in der 
linken Hand. Heute kann Patient die Finger unvollkommen beugen, aber 
keine Faust bilden. Er hat kribbelnde Schmerzen auf dem Handrücken, 
Abmagerung des Adductor pollicis, die Hohlhand ist leicht abgeflacht, 
die Finger sind in leichter Beugestellung. Die Gefühlsstörungen sind 
die bei Ulnarislähmungen üblichen. Die Prüfung mittels des galvanischen 
Stromes ergibt träge Zuckungen des Adductor pollicis. 


Abbildung 3. 



Die Radialislähmung, im beruflichen Leben die häufigste der 
Armnervenlähmung (durch Druck, durch Bleivergiftung usw.), ist 
als Verletzungslähmung etwas seltener zu beobachten. Die hier 
gesetzten Lähmungen weisen grosse Aehnlichkeit mit den Druck- 
läkraungen auf. 

Ich sah z. B. in einem hiesigen Reservelazarett einen deutschen 
Verletzten, der aus 600 m Entfernung einen glatten Durchschuss am 
Oberarm erlitten hatte, den Einschuss 2 cm über dem Ellenbogen, den 
Ausschuss parallel an der Aussenlläche. Die Hand hing schlaff herunter, 
konnte nicht gestreckt werden. Der Gefühlssinn war ungestört. Die 
Prüfung mittels des galvanischen Stromes ergab jedoch blitzartige 
Zuckungen und sicherte mithin eine günstige Prognose, der Nerv konnte 
nicht ernstlich verletzt sein. 

Im Gefangenenlazarett beobachtete ich den Fall eines Infanteristen, 
der einen Gewehrschuss aus unbekannter Entfernung iu den linken 
Unterarm erhalten hatte (Abbildung 4). Der Einschuss befand sich 
S cm unterhalb des Ellenbogengelenks auf dem Wulst des Flexor carpi- 


Abbildung 4. 



radialta, ein Ausschuss war nicht vorhanden. Die stark blutende Wunde 
war von einem russischen Sanitätssoldaten versorgt worden, nach drei¬ 
tägiger Bahnfahrt wurde der Verband in einem hiesigen Lazarett ge¬ 
wechselt, nach weiteren 4 Tagen kam Pat. zu uns. Er hatte nach 
der Verwundung sofort die Hand nicht heben können. Dies ist auch 
jetzt der Fall, sonst bestehen keine Funktionsstörungen, auch keine 
Schmerzen, nur etwas Kribbeln. Die Hand hängt schlaff herab, Pat. 
kann sie nicht strecken, die Finger kann er ein wenig bewegen. Faust¬ 
schluss ist möglich, nur ohne Kraft. Muskelabmagerungen sind nicht 
vorhanden. Bei der Röntgendurchleuchtung wurde ein Geschoss ge¬ 
funden. Die galvanische Prüfung ergibt blitzartige Zuckungen, so dass 
auch hier mit einer Heilung gerechnet werden kann 1 ). 

Gelenkschüsse in das Schultergelenk hatte ich verschiedent¬ 
lich in Behandlung, die meisten mit starken Schwellungen, so 
dass längere Ruhigstellung sich als nötig erwies. Eine Lähmung 
des Nervus axillaris habe ich bisher nicht beobachtet, ich fand 
nur häufig die uns geläufige Abmagerung des Deltamuskels. 
Hingegen sah ich einmal eine vollkommene Plexuslähmung, nach 
Art der Erb’schen Lähmung. Diese kommt bekanntlich gewöhn- 

1) Anmerkung bei der Korrektur: Dieser Fall ist inzwischen 
von Herrn William Levy operiert worden, unsere Annahme, dass eine 
direkte Verletzung des Nerven nicht vorliege, fand sich bestätigt: das 
Geschoss lag quer vor dem unteren Ende des Humerus, dicht oberhalb 
der Eminentia capitata unter dem Nervus radialis, der bis zu seinem 
Eintritt in den Supinator freigelegt wurde und sich als unverletzt er¬ 
wies. Die Schnittführung erfolgte längs des vorderen Randes des Mus- 
culus brachio-radialis. 


lieb so zustande, dass der Plexus durch Druck zwischen Schlüssel¬ 
bein und erste Rippe geschädigt wird, z. B. bei nach oben ge¬ 
schlagenem Arm in der Geburt, in der Narkose usw. 

Ich fand in meinem Falle (Abbildung 5a und b) den Einschuss in 
Höhe der 6. Rippe, handbreit vom Dornfortsatz auf der Untergräten¬ 
grube des linken Schulterblattes, 1,5 cm vom Innenrande entfernt, 3 cm 
oberhalb der Spitze. Der Ausschuss lag an der Vorderseite der Schulter, 
vier Finger breit unter dem Schlüsselbein am äusseren Rande der 
Mobrenheim'scben Grube. Pat. hatte den Schuss im Laufen aus 50 m 
Entfernung auf der Flucht erhalten, die Wunde blutete sehr stark. 


Abbildung 5 a. 



Abbildung 5 b. 



Pat. war längere Zeit ohnmächtig und konnte sofort den Arm nicht er¬ 
heben. Die Wunde wurde von deutschen Sanitätssoldaten verbunden, 
nach dreitägiger Eisenbahnfahrt kam Pat. direkt zu uns. Ich fand 
trotz dieser kurzen Zeit bereits eine deutliche Abmagerung des Musculus 
deltoideus, des Supraspinatus, eine schlaffe Lähmung des Biceps. Seit¬ 
lich konnte Pat. den Arm bis zur halben Höbe heben, Bewegungen 
nach vorn waren gar nicht möglich, nach hinten ins Kreuz erschwert. 
Die Hand hing schlaff herab. Die Finger sind -leicht gebeugt, den 
dritten bis fünften Finger konnte Pat. bewegen, die übrigen nicht. 
Faustschluss war unmöglich, der Gefühlssinn am Daumen, Zeigefinger 
und Teilen des dritten Fingers aufgehoben, am Unterarm herabgesetzt. 
Die Muskeln des Daumen- und Kleinfingerballens, ebenso die Interossei 
waren nicht abgemagert. Supination ist unmöglich. Im Ellenbogen 
kann der Arm etwa um 30° gebeugt werden. Das Handgelenk kann 
Pat. nicht strecken, den Daumen weder abduziereD, noch opponieren. 
Der Coraco brachialis wird leicht angespannt, der Biceps ist völlig 
schlaff, der Triceps zeigt ganz geringe Anspannung. Die galvanische 
Prüfung ergibt blitzartige Zuckungen im Pectoralis, träge Zuckung des 
vorderen Teils des Deltamuskels, blitzartige in seinem mittleren und 
hinteren Abschnitt, der Triceps zieht sich blitzartig zusammen, der 
Biceps reagiert überhaupt nicht, ebenso nicht die oberflächlichen Beuger, 

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Tr, '"TT"--- ***“"* rum» .. 

vedeutn'N 116 PrÖf ™S wilständigrZir <!hSC l ! lneidun 6 en ' w «,n Abbildung 1. 

dieEX and £ ^N e r.T b *K hat ’ ger " d *" 

einen Fall “t 'V ^ , T ' v ™ h,nen > 

“> F> Sä.,''V*S 

»erdei> W ' e ^ er ■ ^»‘“"gefähig 6 '“rifriirl.; und der 

vöTlt h W 'ü jedoch lieber abwarten S ? h “ ssv erlet*ungen 

'«ll'g beendeten Wundbehandlung n min,| esten bis zur 

durchtrennt, sondern nur dürÄn " Nm oft nicht gl«tt 
Fasern übrig geblieben hi» « • 0 l ssen >. es sind leitungsfähige 
Nerven wohl durchbohrt d^ übrC 1" Geschoss ' 8 ^ & 
seitlich zurück; bei Gefässen i., 6 F- asern I0 S en eich aber 
läufiges, Wir sehen « u j 1,1 ““ d,eses Bild ein ganz ge- 
Wir sehen bei verletzten »? n ^ ers bei s P äter er Aneurysmabildung 

wiederholt genaue eleUtrL^ eae . rkehl 1 Es ist eben wichtig, 

Frfnll? : 8 !» • l8gern > wed wir ebe " wissen, dass die 

sofort im TlcbT Zelträu “ en gcn: , lu die gleich guten werden, wie 
' m Anschluss an die Verletzung; nur ganz besonders 
starke Muskelabmagerung würde einen frühzeitigen Eingriff recht- 
fertigen Sonst genügt es, vorläufig die Gliedmaassen baden zu 
lassen, Nerven und Muskeln durch elektrische Maassnahmen an- 
zuregen, gegebenenfalls auch leichte Massage anzuwenden. 


Aus der 1. medizinischen Klinik in Budapest (Direktor¬ 
stellvertreter: Prof. Baron Dr. Ladislaus v. Ketly). 

Eine einfache Aufnahmetechnik zur Röntgen¬ 
untersuchung der Baucheingeweide. 


Dr. Aladiar Henszelmann, 

Assistenzarzt der Klinik. 

Zweierlei Mittel haben wir zur Erzeugung kontrastreicher 
Bilder bei der Röntgenuntersuchung der BaucbeiDgeweide. Das 
eine ist Bucky’s Wabenblende, die vorläufig nur als Versuch 
gelten kann, über den ich keine persönliche Erfahrungen habe, 
das andere ist Holzknecht’s „Bucky-Effekt“ 1 ), den ich selbst 
oft mit grossem Nutzen angewendet habe. 

Er ist ein conischer Kompressor, dessen Aufgabe es ist, die 
bei der Durchleuchtung im Körper erzeugten Sekundärstrahlen 
aufzunehmen. Er komprimiert unter dem Leuchtschirm und dient 
als Diaphragma. Sein grösster Vorteil besteht darin, dass wir 
mit barten Strahlen arbeiten könuen, dass wir die grosse Quantität 
von intensiven, weichen Strahlen nicht anzuwenden brauchen. Die 
Haut wird nicht alteriert, und die Röntgenröhre nicht überhizt. 
Je härter die Röntgenröhre ist, ein desto schärferes Bild erhalten 
wir, das nebenbei auffallend kontrastreich ist. 

Fei der Anwendung des Bucky-Effekts musste ich aber 
immer die Mangelhaftigkeit desselben fühlen, wenn ich die 
— und das muss ich hervorheben — mit grosser Muhe und 
nötigem Verständnis ausgesuchte, fixierte oder gefüllte 
Partie festhalten und photographieren wollte. 

Den ausgesuchten und beobachteten Teil darf ich nicht einen Moment 
aus dem Druckgebiet loslassen, sonst setze ich mich der Möglichkeit aus, 
dass die einmal gefundene Gegend verschwindet, deren Wiederhnden dann 
oft viel Zeit und Mühe kostet; den Kranken darf ich nicht liegen lassen 

und kann keine nachträgliche Kompressionsaufuabmc machen. Ein jeder 
Röntgenologe weiss, was die Bewegung, Körper- und Platzwechsel, in be¬ 
zug auf die radiologisch wichtigen Verhältnisse der mit Kontrastmaterial 
gefüllten Organe bedeuten. Ich muss die Aufnahme mit der 
Durchleuchtung gleichen Zeit verfertigen Um dieses Ziel 
ZU erreichen, habe ieh den oonischen Kompressor mit folgenden hinzu- 

11 Holzknecht, Kleine Vorrichtung zur Erzeugung überaus deut¬ 
licher Durchleucbtungsbilder. M.m.W., 1913, Nr. 49. - Durchleucbtungs. 
kompressorium mit Bucky -Effekt; Bemerkungen zum Artikel von Holz- 
knecht, von Dr. Bucky usw. M.m.W-, 1914, Nr. 1. 


Abbildung 2. 



Kasten selbst, der sehr massiv ist, ist links eine 
mit Verstärkungsschirm versehene Plattenkasette 
Conus des Bucky-Effekts habe ich kleiner entworfen 

1) Zu beziehen bei „Asklepios“, Egressi Zoltäo, 
üt 31, Elektrotechnische Instrumentenfabrik. 


leicht einschiebbare, 

(13X18 cm). Ben 
, seine beiden Durch- 

Budapest IX., üellöi 


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2. November 1914. _ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1765 


Abbildung 3. 



_ ) _ ■ 


messer verkleinert, doch die von Bucky und Holzknecht für die beste 
angenommene Proportion, 1 : 2,5, durchaus berücksichtigt. Er ist ohne 
hölzernes Gestell, rein aus Eisenblech verfertigt, leicht und geschweift. 
Mein Ziel mit dieser Aenderung war hauptsächlich, dass er leicht sei, 
klein und geschweift, dass beim Halten meine Hand nicht müde werde, 
dass ich nötigenfalls tiefer eindringen, die nötige Kompression entwickeln 
und eventuell Massage üben könne. Ich habe diese Form des hölzernen 
Griffes (Abbildung 1 und 2) am praktischsten gefunden. Anstatt des 
im kleinen Maasse schattengebenden harten Gummi (Bucky-Effekt) habe 
ich am Ende des Kompressors einen Lufahschwamm, der das RÖutgen- 
licht nicht zurückhält, angewendet. Mit Ausnahme der Kasette bilden 
die sämtlichen Bestandteile ein unbewegbares Ganze, wodurch es den 
Bucky-Effekt ebenfalls übertrifft, denn bei diesem kann der Conus, in 
seinem Verhältnis zu dem Leuchtschirra, eine Verschiebung erleiden. 

Der eigentliohte Vorteil meines Apparates aber besteht darin, dass 
er den bis jetzt mit Erfolg angewendeten conischen Kompressor 
zu Aufnahmezwecken dienlich macht. In einer Sitzung, zur 
gleichen Zeit mit der Durchleuchtung, mit derselben Röntgenröhre, also , 
mit harten Strahlen, eben mit einer zur tiefen Therapie angewendeten j 
Röntgenröhre fertige ich die Aufnahmen an. Sie sind natürlich Moment- 
bzw. Blitzaufnahmen (Weife, Blitz-Reform). Bei der Anwendung des 
„Kompressionsexponators“ nehme ich auch die Hinterblende in 
Anspruch. Diese erhöht die Schärfe des Bildes (Holzknecht). 

Ich will mich nicht in Details einlassen, in welchen Fällen ich 
meinen Apparat anwende*, ich müsste alles das wiederholen, was 
Holzknecht in bezug auf den Bucky-Effekt gesagt bat. Hinzuzufügen 
habe ich nur, dass die Anwendbarkeit und der grosse praktische Wert 
meines Apparates in zwei Punkten besteht: ich mache mit ihm jetzt 
auch Aufnahmen, wo ich ihn früher nur zum Durchleuchtungszwecke an¬ 
gewendet habe, also vom diagnostischen Standpunkte. Ich habe aber 
auch viele Aufnahmen von Veränderungen an den Baucheingeweiden ge¬ 
macht, die sehr interessant zu sein schienen, z. B. die verschiedenen 
Arten des Magenkrebses, die Beobachtung der Füllungsdefekte, die Fest¬ 
stellung der Grösse des schrumpfenden Magenraums, die Bilder der 
Magengeschwüre, die Beobachtung der Pyloruskonfigurationen und die 
des Duodenums, das Suchen der Dünndarmstenosen, die Beobachtung 
des Coecms, des Wurmfortsatzes, des S roraanura. Interessant schienen 
bei der Durchleuchtung, und der Erwartung haben jene Aufnahmen ent¬ 
sprochen, welche sich auf die peristaltischen Gestaltungen des Magen- 
konturs beziehen. 

Abbildung 3. Interessanter Fall eines geschrumpften Magens. 
Eine 40 jährige Patientin, die aus Irrtum aus einer zur Irrigation ange¬ 
wendeten 50 proz. ZnCl-Solution getrunken hat und 3 Wochen nach dem 
Falle einer Röntgenuntersuchung unterzogen wird. Das Schlucken ist 
ungestört, der Oesophagus ist frei. Die Pars cardiaca des Magens scheint 
gefunden zu sein, die anderen Teile haben sich rohrartig gestaltet. 
Dieses Bild gleicht sehr dem Scirrhus ventriculi. Wenn man den 
inneren Raum der geschrumpften Magenpartie, ihre maximale Dehnungs¬ 
fähigkeit wissen will, so drückt man den Kompressionsexponator an der j 
Grenze der Pars cardica und der Pars media durch die Bauchwand, i 


Abbildung 4. 


L 



Abbildung 5. 



während man mit dem distalen Ende des Eiponators einen stärkeren 
Druck ausübt. In kurzer Zeit füllt sich diese Mageupartie in der Grösse 
eines Querfingers und dieser Zustand bleibt dann länger (Abbildung 4). 
Die Patientin starb nach der Operation (Gastroenteroanastomosis). Bei 
der Sektion gleioht der Raum der fraglichen Magenpartie der Röntgen¬ 
aufnahme. Abbildung 5 zeigt die kleinen, interessanten, peristaltischen 
Wogen der Pars pylorica; sie sind fein zackig. 


Ein Beitrag zur Atoxylamaurose. 

Von 

Sanitätsrat Dr. Makrocki, Augenarzt in Potsdam. 

Die Anwendung des Atoxyls bei Krankheiten, deren Behandlung den 
Gebrauch eines Arsenpräparates erfordern, bat glücklicherweise in den 
beiden letzten Jahren erheblich nachgelassen, ist sogar, soweit sieb meine 
Kenntnisse der Literatur erstrecken, hier bei uns gaDz fallen gelassen 
worden, nachdem die deletäre Wirkung dieses Mittels auf den Sehnerven 
bekannt geworden war. Ob die Behandlung der Schlafkrankheit dieses 
Mittel noch erfordert, konnte ich nicht feststellen. Jedenfalls hat auch 
Koch bei 1633 mit Atoxyl behandelten, an Schlafkrankheit leidenden 
Negern 1,5 pCt. Erblindung beobachtet. 

Es gibt jedoch auch Aerzte, die bei umfangreicher Anwendung dieses 
Mittels keine trüben Erfahrungen gemacht haben; so teilte mir Herr 
Kollege Kasack-Potsdam mit, dass er unter 500 mit Atoxyl Gespritzten 
nie eine schädliche Wirkung gesehen habe. 

Die Veröffentlichung eines Falles von hochgradiger Amblyopie uach 
Atoxyl durch Steinebach in dieser Wochenschrift, 1914, Nr. 24 brachte 
mir wieder einen Fall in Erinnerung, den ich im August 1902 beobachtet 
hatte. Die Veröffentlichung desselben würde ich auch jetzt wie damals 
unterlassen, wenn die Erwähnung Steinebach’s, „hochgradige Amblyopie, 
die nach einer so geringen Atoxyldosis eiügetreten ist, wie bisher noch 
nicht bekannt ist , mich dazu veranlassen würde, da die in iheinem 
Fall angewandte Dosis noch um ein Erhebliches geringer war und völlige 
Amaurose zur unmittelbaren Folge batte. 

3 


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1766 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


Am 9. August 1902 konsultierte mich die 63 jährige Frau K. Die 
Frau wird in mein Sprechzimmer geführt und macht den Eindruck einer 
völlig erblindeten Person. Die Untersuchung ergab Fehlen jeden Licht¬ 
scheins, die Pupillen waren weit und reaktionslos, die Sehnervenpapillen 
blass, die Gefässe dünn; Diagnose: Atrophia papillae nerv. opt. o. u. 
Ut aliquid fiat wurde Jodkali verordnet. Anamnestisch lässt sich fest¬ 
stellen, dass sie Atoxyl-Einspritzungen bekommen hatte. Die ersten 
6 Spritzen wurden gut vertragen, dann hatte sie noch einige Spritzen 
einer stärkeren Lösung erhalten. Nach der dritten — also im ganzen 
9 Spritzen — wären heftige Leibsohmerzen aufgetreten, vor den Augen 
wäre es wie Wolken gewesen, jedoch besserte^äicb das Sehen wieder; 
nach der vierten, am Donnerstag, den 31. Juli 1902, wieder sehr heftige 
Schmerzen im Leib, so dass die Angehörigen dachten, es gehe zu Ende. 
Eine Morphiumeinspritzung beseitigte die Schmerzen nicht. Das Sehen 
wurde allmählich schlechter. Montag, den 4. August, war der letzte 
Lichtschein weg. Nach den letzten Einspritzungen Trockenheit im Halse, 
Frost, Kälte der unteren Extremitäten, Hitze und Schweiss der oberen 
vom Geschoss aufwärts, das Gesicht stark schwitzend, keine Durchfälle, 
Schwindel. Der behandelnde Arzt, Herr Sanitätsrat Dr. Neumann, 
hatte die Güte, mir die Krankengeschichte dieses Falles zu uberlassen, 
wofür ich ihm hier meinen besten Dank ausspreobe. 

Aus der Anamnese interessiert uds, dass die 63 jährige Patientin 
14 mal geboren, vom 6.—21. Lebensjahr alljährlich an Malaria tertiana 
gelitten, im 50. Lebensjahr Sehbeschwerden (Presbyopie) gehabt hat. 
Sonst ist sie immer gesund gewesen. Vor allem wird Syphilis und 
Abusus spirituos. strikt in Abrede gestellt, sind auch unwahrscheinlich. 
Ihr Allgemeinbefinden, Schlaf und Appetit sind gut. Am Halse hatte sie 
ein kolossales Lymphom. Die Länge vom Scheitel am Ohr vorbei zum 
Hals betrug 68 cm, normal höchstens 40 cm. Bis jetzt nur am Anfang 
des Leidens Solutio Fowleri angewandt. Als Ultimum refugium wurde 
zur Atoxyleinspritzung gegriffen. Es wurde gemacht am 22., 23., 24. Juli 
je eine Pravatzspritze einer l { 2 proz. Atoxyllösung in die Glutaeen und 
zwar am Trochanter innen oben, also 3X0,005 = 0,015. Diese 3 Ein¬ 
spritzungen wurden gut vertragen. 

Am 27. Juli früh zeigt sich eine Markstück grosse, stark blutig ge¬ 
färbte Fläche auf der Kniescheibe. Trotzdem 2 Spritzen der 0,5 proz. 
Atoxyllösung = 0,01. 

.26. Juli. Die Einspritzungen waren gut vertragen worden; keine 
Nebenerscheinungen. Nun i j 2 Spritze einer 20 proz. Lösung = 0,1 Atoxyl. 
Pat. schläft gut, ist bei gutem Appetit, hat keine Kopfschmerzen. 

30. Juli bis zum 30. August einschliesslich täglich V 2 Spritze der 
20 proz. Lösung = 0,4 Atoxyl. Nur nach der letzten der 5 starken 
Einspritzungen hat Pat. über starke Leibschmerzen zu klagen gehabt. 

Von dem Vertreter — Herr Kollege Neumann verreiste — wurden 
dann noch 1—2 weitere Injektionen gemacht. Nach der letzten heftig¬ 
ster Brechdurchfall, Prostration, welche die Anwendung von Campher- 
injektionen nötig machte. Darauf völlige Erblindung. 

Es wurden also im ganzen 0,725 Atoxyl verbraucht. Dieses ist die 
bis jetzt bekannte geringste Menge Atoxyl, nach der Erblindung erfolgte. 
Steinebach hat 0,12 verbraucht, und als Folge eine hochgradige 
Amblyopie — Fingerzählen bis auf 1 m — gesehen. 

Die absolut geringste Menge hat bis jetzt v. Krüdener 1 ) ange¬ 
wandt, 0,03 in 10 Tagen, der auch nur eine Erkrankung der Sehnerven, 
kenntlich durch eine temporale Gesiohtsfeldeinengung, beobachtete, die 
in HeiluDg überging. Auch die grösste Menge hat dieser Autor (1. c.) 
verabfolgt, und zwar etwa 50,0, allerdings in 7 Monaten, wonach auf dem 
einen Auge eine Sehschärfe von */ 8 bei konzentrischer Gesichtsfeldein¬ 
engung erhalten blieb. Steinebach (l. c.) ist wie andere Autoren der 
Ansioht, dass toxische Wirkungen des Atoiyls besonders dann zu er¬ 
warten sind, wenn mit einer latenten oder objektiv nachweisbaren 
Schädigung des Nervensystems gerechnet werden kann, und als solche 
Schädigungen führt er an: Autointoxikationen, chronische Infektionen 
des Nervensystems (Lues cerebri, Tabes) und chronische Intoxikationen, 
vor allem die chronische Alkoholintoxikation. Keines dieser ätiologischen 
Momente ist für unseren Fall zutreffend. Handelt es sich doch um eine 
rüstige Frau von 63 Jahren mit gutem Allgemeinbefinden, Appetit, Schlaf, 
ohne Kachexie, Intoxikationen und Infektionen. Man muss also nach 
anderen Gründen für diese schädliche Wirkung des Atoxyls suchen. In 
Betracht kommen 1. die Ueberschreitung der Maximaldosis für arsenige 
Säure; 0,1 Atoxyl enthält das doppelte derselben, 2. die kumulative 
Wirkung bei täglicher Injektion 2 ), 3. eine gewisse Idiosynkrasie gegen 
Arsen 8 ). Nur so lässt es sich erklären, dass eine kleine Dosis, 
jedoch täglich, in einem kurzen Zeitraum angewandt — 0,725 Atoxyl in 
9 Tagen — einen bei weitem schädlicheren Einfluss ausübt, als die etwa 
30 fache Dosis auf einen längeren Zeitraum verteilt*). 

Im Falle jedoch, dass trotz vorsichtiger Anwendung des Mittels in 
grösseren Intervallen, wie bei Steinebach, eine mehr oder weniger be¬ 
deutende Schädigung des Sehvermögens eintritt, wird man nach weiteren 
Schädlichkeiten suchen müssen, und dann kommen die bereits vorher er¬ 
wähnten, von Steinebach angegebenen, ätiologischen Momente in Frage. 

Jedenfalls kann man sich der Nr. 1 seiner Zusammenfassung an- 
schliessen, dass toxische Wirkungen des Atoxyls, insbesondere schwere 


1> Zschr. f. Aughlk., 1906. Festschrift für Kuhnt. 
2) Vgl. Koch, D.m.W., 1907, Nr. 46. 

3 Paderstein, B.kl.W., 1906, Nr. 22. 

4) Fehr, D.m.W., 1907, Nr. 49. 


dauernde Sehstörungen, selbst bei vorsichtiger therapeutischer Anwendung 
nicht ausgeschlossen sind. 

Zur Erzielung der Arsenwirkung haben wir andere unschädliche 
Mittel (Kakodylpräparate) und mit Recht hat man von der Anwendung 
eines Medikamentes abgesehen, dessen Wirkung eine so unberechenbareist. 


Aerztliche Rechtsfragen zur Kriegszeit. 

Von 

Dr. Haas Lieske-Leipzig. 

Die Wirkungen des Krieges auf das Rechtsleben werden in 
sämtlichen darüber handelnden Artikeln als prinzipiell von 
minderer Bedeutung geschildert. Diese Illustration pflegt man 
dabei gemeiniglich auf der au sich zweifelsfrei richtigen These 
aufzubauen, wonach Kriegswirren grundsätzlich nicht am Vertrags- 
mässigen oder gesetzlichen Zwang zum Einhalten von Verbind¬ 
lichkeiten rütteln. So müssen wir unsere Schulden am Fällig¬ 
keitstermine zahlen, so müssen wir unsere Dienste zur zugesagten 
Zeit leisten, so müssen wir ferner beispielsweise ein von uns zu 
Zwecken eines Sanatoriumbetriebes ermietetes Haus nach Ablauf 
der Vertragsfrist räumen. Kurzum, wir haben zu tun, was wir 
schuldig sind, jetzt genau so wie zu Friedenszeiten. Andererseits 
aber bedingt der wuchtige Umschwung, den die Not der Zeit 
über uns gebracht hat, vom Standpunkt weitschauender, das 
Volkswobl nach Kräften fördernder Gerechtigkeit bestmögliche 
Berücksichtigung. Diese Rücksicht, die einerseits eben durch 
Aufrechterhaltung des Grundprinzips, welches Wahrung der Rechts¬ 
ordnung und Vertragstreue auch im Kriege fordert, bewiesen 
werden muss, verlangt aber naturgemäss auf der anderen Seite 
einen durch Gesetzesworte bezeugten Respekt vor den unver¬ 
schuldet geschaffenen Ausnahmezuständen. Auf diesem Wege 
sind wir zu einer Zahl von Notgesetzen und Verordnungen ge¬ 
kommen, die — je länger der Krieg andauert — allmählich um 
so mehr die Ausnahmen zur Regel stempeln müssen. Denn je 
tiefer die Schäden langaodauernder Kriegsführung in das Wirt¬ 
schaftsleben des Einzelnen ihre Sparen graben, um so grösser die 
Zahl derer, die endlich hinter den Wohltaten jener Notgesetz- 
gebnngen Hilfe suchen müssen. Es dürfte darum auch für den 
Arzt von einigem Interesse sein, zu hören, wie sich das Gesetz 
der Kriegszeit anzupassen strebt. 

Zuvörderst sei aber noch mit einem kurzen Worte der 
mancherorts sich regende Aberglaube zerstört, es möchte der 
Krieg wenigstens da und dort zu einem absoluten Gerichtsstill¬ 
stande führen. An sich wäre das, theoretisch betrachtet, natür¬ 
lich denkbar. Aeussere Einflüsse, die der Krieg im Gefolge bat, 
and die der Möglichkeit, zu Gericht zn sitzen, abgetan sind, 
könnten vorübergehend io manchen Gegenden allerdings fühlbar 
werden. Der Gerichtsstillstand würde dann eine Unterbrechung 
jeglichen Verfahrens zur Folge haben. Indessen ist’s regulär 
nicht die Furcht vor einer derartigen Einwirkung des Feindes — 
etwa durch Einbruch in deutsches Gebiet — auf die Ausübung 
der Rechtspflege; man glaubt vielmehr, es möchte die hohe Zahl 
der einberufeuen richterlichen Beamten einen Gerichtsstillstand 
bewirken. Gerade die letztgenannte Furcht aber erscheint im 
Hinblick auf die vornehmlich in Preussen in so grosser Zahl vor¬ 
handenen Hilfsrichter und Unterbeamte vorläufig absolut unbe* 
gründet. Verlangsamungen im Verfahren und ein Verschieben der 
Verhandlungen gewisser Dinge — z. B. der Ehesachen — werden 
aber natürlich unvermeidbar bleiben. 

Doch nun zu den Bestimmungen des vom Kriege geänderten 
Rechts, soweit sie für den Arzt sonderlich bedeutsam sind. 

Die Praxis sieht in dem Vertrage, den ein Arzt etwa durch 
Eingehung eines Assistenzverhältnisses oder dadurch, dass er 
seine Dienste entgeltlich einer Heilanstalt widmet, abscbliesst, 
einen Dienstvertrag. Ein Dienstvertrag wird seitens der Gerichte, 
vielseitiger Anfeindung znm Trotze, allerdings auch in dem Ver¬ 
hältnisse des Arztes zum Patienten erblickt. Gedacht sein möchte 
hier, als gegenwärtig wohl allein in Frage kommend, des Hans- 
arztvertrages. Der Arzt wird da zum Angestellten. Wie steht 
es nun mit der Lösung des Vertragsverhältnisses bei Einberufung 
des angestellten Arztes? Die Einberufung, gleichsam vis major, 
unterbindet zweifellos jegliche weitere Dienstleistung und befreit 
sonach von der zu Friedenszeit vertraglich übernommenen Pflicht¬ 
erfüllung, sei es nun gegenüber dem Sanatorium, sei es gegen¬ 
über dem einzelnen Patienten. Mit dieser Ohnmacht, weiter 1® 
Sinne des Vertrages zu arbeiten, entfällt* aber sofort auch jeg¬ 
licher Anspruch auf ärztliches Honorar Über den Zeitpunkt hinaus, 


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UMIVERSITY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1767 


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2. November 1914. 


mit dem die tatsächlichen Leistangen des Arztes ihr Ende ge¬ 
funden haben. Nicht ohne Zweifel ist indes die Frage, wie es 
am die Erlaubnis beschaffen ist, den übernommenen Dienst im 
Augenblicke zu quittieren, weil sich der Arzt, der ihn zu leisten 
vertraglich übernahm, dem Vaterlande freiwillig zur Verfügung 
stellte. Kann da etwa der engagierende Sanatoriumsleiter wegen 
sofortiger Diensteinstellung mit dem Begründen Schadenersatz¬ 
ansprüche erheben, sein Angestellter sei ja gar nicht einberufen, 
die Dienste desselben seien also gar nicht zwangsweise unmöglich 
gemacht worden, vielmehr beruhe der Engagementsbruch auf 
freiwilligem Entscheid des Arztes und erwecke damit alle an den 
Vertragsbruch geknüpften Schadenersatzfolgen zum Leben. Die 
Antwort hierauf wird, wie gesagt, je nach der Auffassung der 
Richter bald so, bald gegenteilig lauten. Man könnte vielleicht 
auch den sich freiwillig meldenden Aerzten zubilligen, dass ihnen 
die Fortsetzung der Dienste de facto unmöglich geworden sei, 
weil sie sich bei der hehren Aufgabe, nach bestem Vermögen 
ihrem Vaterlande zu dienen, moralisch dem unbeugsamen Zwange 
gegenüber befunden hätten, dem Rufe nach freiwilliger Hilfe¬ 
leistung unbedingt zu folgen. Die grosse Zeit, die kleinlichem 
Geiste und bureankratischer Auffassung Feind ist, scheint solchem 
IdeeDgang gewisslich zugeneigt. Und ob der kategorische Im* 
perativ, dem Heere zu folgen, nun basiert auf einem strikten 
Diktat der Militärbehörde oder auf moralischem Zwange, das 
kann man gegenwärtig gewiss mit gutem Rechte identifizieren. 
Hieraus ergebe sich das Resultat, wonach selbst freiwillige Kriegs- 
teilnahme des Arztes ihn vor Schadenersatzansprüchen wegen 
nicht zu Ende geführter Dienste ebenso behüten würde als die 
Einberufung. Mindestens wird man doch hinter dem Ausbruch 
des Krieges und dem daraus geborenen Wunsche, sich in Heeres- 
gefolgscbaft zu begeben, einen wichtigen Grund zur Lösung des 
Vertrages suchen dürfen. Jegliches Dienstverhältnis aber kann 
laut Gesetz von jedem Teile fristlos gekündigt werden, sofern ein 
solcher wichtiger Grund vorhanden. Statt des angestellten, gegen 
Brot und Lohn arbeitenden Arztes mag nun einmal der Leiter 
der Krankenanstalt zu den Fahnen berufen worden sein. Darf 
dieser jetzt vielleicht seinerseits die vertraglichen Beziehungen, 
die ihn mit dem engagierten Arzt verbinden, im Hinweis anf die 
geschehene Einberufung einfach brechen? Rechtfertigt die Ein¬ 
berufung zu des Arztes sofortiger Kündigung? Die Antwort lautet 
hier weder auf Ja noch auf ein striktes Nein. Denn an sieb löst 
nicht einmal der Tod des Arbeitgebers alias Anstaltsinbabers ein 
Dienstverhältnis ohne weiteres anf. Bleiben also im Sana¬ 
torium, auch nachdem sein Leiter ein berufen, noch genügend 
andere Kräfte übrig, die einen ordnungsmässigen Fortbestand der 
Anstalt gewährleisten, nun so liegt eben in der dem Leiter zu- 
gemnteten Pflicht zur Heeresstellung kein wichtiger Grund zur 
fristlosen Entlassung, also kommt es bei der Beantwortung der 
aufgerollten Frage darauf an, sich das Gepräge des Einzelfalles 
vor Augen zu halten und aus dem Gesamtbilde abzulesen, ob unter 
gerechter Berücksichtigung aller Begleitumstände und Interessen 
dem Leiter eine Fortführung seines Betriebes auch zu Kriegszeiten 
angesonnen werden darf, oder ob der Krieg im speziellen Falle 
einen wichtigen Grund und darin eine erlaubte Handhabe bot, 
den engagierten Arzt ohne Kündigung zu entlassen. 

Ein anderes Bild. Nehmen wir einmal an, ein Arzt sei in 
einen kostspieligen Haftpflichtprozess oder in einen Prozess wegen 
grösserer von einem Patienten geschuldeter Honorarbeträge ver¬ 
wickelt. Er möchte der Prozessführung aus diesen oder jenen 
Gründen persönlich beiwohnen, sei aber durch Ableistung von 
Sanitätsdiensten im Heere daran verhindert. Hier verbeisst ein 
unter dem 4. August 1914 geborenes Notgesetz diesem Wunsche 
unbedingtes Gehör. Jegliches Prozessverfahren wird nämlich, 
jenem Gesetz zu Dank, dann unterbrochen, wenn eine Partei ver¬ 
möge ihres Dienstverhältnisses (als Soldat, als Militärbeamter) 
oder ihres Amtes (als Beamter der Militärbehörde oder der Marine¬ 
verwaltung ohne Militärrang) oder ihres Berufes (als Heizer, 
Marketender, freiwilliger Krankenpfleger) zu den mobilen oder 
gegen den Feind verwendeten Teilen der Land- oder Seemacht 
oder zur Besatzung einer armierten oder in der Armierung befind- 
liehen Festung gehört. Der freiwillige Arzt oder der Sanitäts¬ 
offizier, der infolge des Krieges an der Wahrnehmung seiner 
Rechte verhindert ist, hat ob solcher Behandlung also nicht das 
Mindeste zu fürchten. Sein Verfahren ist bis nach Friedensschluss 
unterbrochen, keine Rechtshandlungen haben bis dahin für ihn 
irgendwelche nachteiligen Folgen. Verschont von allen bösen Kon¬ 
sequenzen aus einem Prozess ist er im übrigen auch dann, wenn er 
sich etwa als Kriegsgefangener oder Geissei in Feindesgewalt be¬ 


findet. Möglicherweise ist manchem Arzte aber ein Hinscbleppen 
des Prozessverfahrens bis zu seiner immerhin auf unabsehbare 
Zeit verschobenen Rückkehr höchst unerwünscht, möglicherweise 
möchte er gerade im Gegenteil, wenn er heimkommt, den lang¬ 
wierigen Prozess, zu dessen Weiterführung ihm persönliche Mit¬ 
wirkung gäozlich unnütz erscheint, beendet finden. In solchem 
Falle wird das citierte Notgesetz nicht etwa zum Danaergeschenk. 
Die Prozessunterbrechnng tritt vielmehr dann nicht ein, wenn der 
in Feindesland weilende Arzt dorch Bestellung eines Prozess- 
bevollmächtigten für sattsam gute Vertretung seiner Sache Sorge 
getragen hat. Es liegt also der Entscheid darüber, ob sein Prozess 
bis zum Frieden Jänft oder stillsteht, ganz im freien Belieben des 
Arztes. Doch auch der Arzt, welcher derweilen zuhause weiter 
seiues Amtes waltet, soll, braucht er sie, die Gaben einer an den 
Feuern der Kriegsflamme geschmiedeten Gnadengesetzgebung ver¬ 
spüren. Wir kommen damit zu einem Thema, das wir „Kriegs¬ 
notstand und Zahlungsfristen“ nennen möchten. Aus mannig¬ 
faltigen Gründen und infolge trüber Erfahrung werden ja Dienste 
höherer Art jederzeit schon im Frieden mit Unpünktlichkeit ver¬ 
golten. Und die sich so oft wiederholenden Uebersendungen von 
Quartalsabrechnungen wegen dieser oder jener ärztlichen Hilfe¬ 
leistungen bilden für die meisten Aerzte ein trauriges Dokument 
bezüglich der Saumseligkeit behandelter Patienten. Was Wunder, 
wenn die vom Kriege erschaffene Geldkrise im Momente die be¬ 
klagte Kalamität zu einer wahren Not gesteigert hat. Was Wunder, 
dass die Aerzte, die in ungezählten Fällen ä conto der Kriegs¬ 
wirren vergeblich auf den Eingang ihrer Honorare warteD, während 
sie andererseits zur Erfüllung selbsteigener Verbindlichkeiten 
härter denn früher angehalten werden, hier nnd da die Not der 
Zeit am eigenen Säckel fühlen und mit der Zahlung ihrer eigenen 
Rückstände gern auch eine gewisse Rücksicht beanspruchen 
würden. Hierin kommt ihnen ein weiteres Notgesetz vom 
7. August d. J. zu Hilfe. Generelle, der Allgemeinheit geltende 
Moratorien kennen wir im Gegensätze zu unseren Feinden aller¬ 
dings nicht. Wer indessen als Einzelner der Stundung bedarf, 
der soll sie auch erhalten. Wem blüht also ein Moratorium? 
Lediglich dem, der darum bittet. Aus eigener Machtvollkommen¬ 
heit darf also ein Richter selbst den Bedürftigsten nicht damit 
beschenken: nnr der Antrag darauf erweckt die Zahlungsfrist 
zum Leben. Die Bitte darum, der Antrag allein tut’s aber noch 
ganz und gar nicht; zwei gewichtige Faktoren müssen das Gesuch 
stützen helfen; misslingt es, ihre Existenz glaubhaft zu macbeo, 
so ist damit der Stundungsbitte von vornherein abschlägiger Be¬ 
scheid gewiss. Und welches sind jene unerlässlichen Fundamente 
jedes Gesuches? Es muss, antwortet die Verordnung vom 
7. Angust d. J., die Zahlungsfrist einmal der Lage des Schuldners 
entsprechen, und sie darf zum zweiten dem Gläubiger keinen un- 
verhältnismässigen Nachteil bringen. Man sieht, wie sehr sich 
diese Satzungen von einem allgemein gehaltenen, jedermann ge¬ 
schenkten Moratorium fernfaalten, fernhalten durch die Erforder¬ 
nisse der Bitte darum für jeden Einzelfall, durch die Erörterung 
der Bedürftigkeit auf seiten des Bittstellers und der Tragfähigkeit 
auf seiten des Gläubigers. Dem Richter bleibt nach alledem in 
seinem billigen Ermessen ein weitef Spielraum. Kommt er aber 
bei der Prüfung der Bedingungen zu einem dem Bittsteller ge¬ 
wogenen Entscheid, so darf er eine mit der Verkündung des 
Urteils beginnende Zahlungsfrist von längstens drei Monaten 
in dem Urteil bestimmen. Auch bleibt es dem Befinden des Ge¬ 
richts unbenommen, nur einen Teil zu stunden oder, ganz nach 
freiem Ermessen, die Stundung von einer Sicherheit abhängig zu 
machen. Daraus ergibt sich etwa folgender Beispielsfall: Dr. B. 
muss dem X. am 1. Juli ein Darleho von 6000 M. zurückgeben. 
Im Prozesse darum glückt es ihm jetzt, dem Richter seine un¬ 
verschuldete Notlage, die ihn an pünktlicher Zahlung hindert, 
glaubhaft zu machen. Infolgedessen bittet er um ein zweimonatiges 
Zahlungsziel. X. widerspricht jedoch mit dem Hinweis, dass ihm, 
hat er nicht wenigstens die Hälfte am Fälligkeitstage, ein 
glänzendes Geschäft entgeht. Hier könnte der Richter, wenn er 
es für gut befindet, dem Dr. B. 3000 M. stunden and diese 
Stundung eventuell obendrein an eine Sicherheitsleistung knüpfen. 
Dem freien Ermessen des Gerichts setzt eben die Verordnung 
keinerlei Schranken. Aehnliche Befugnisse hat übrigens auch der 
Vollstreckangsrichter. Unter den geschilderten Voraussetzungen 
kann nämlich auch die Zwangsvollstreckung in das Vermögen 
des Schuldners auf Antrag für die Dauer von längstens drei 
Monaten eingestellt werden. 

Freilich besieht sich jene wohlwollende Verordnung bloss auf 
Rechtsbändel, die vor dem 81. Juli d. J., vor Kriegsausbruch also, 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1768 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


geschlossen worden sind. Wer nach dem Krieg noch derlei 
Verträge, also etwa Mietverträge, Kaufverträge, Dahrlehnsverträge, 
Pachtverträge, eingegangen ist, verdient besondere Schonung um 
deswillen nicht, weil er sich bei einiger Ueberlegung die bösen 
Folgen des Krieges rechtzeitig hätte vor Augen halten können. 
Wurden aber beispielsweise Verträge unter dem 1. April er. ge¬ 
schlossen, in denen ein Arzt Räumlichkeiten zur Ausübung seiner 
Praxis oder zu privaten Wohnzwecken gemietet hat, und die ihn 
am I. Oktober die Zahlung des Mietzinses zur Pflicht machen, 
so erblüht ihm, falls er unverschuldete Bedürftigkeit nachweist, 
jene geschilderte Rechtswohltat. Der Richter darf also eine 
Stundung seiner fälligen Mietzinsverbindlichkeiten bis auf drei 
Monate hinaus beschliessen und also erklären, dass der Arzt erst 
am 1. Januar 1916 zu zahlen brauche. Die böse Lage eines Teils 
in unverschuldete finanzielle Misere geratener Aerzte aber darf 
noch obendrein insofern auf eine weitere Ausnahme spekulieren, 
als wir selbst dann, wenn wir verurteilt sind zu zahlen — und 
etwa eine von uns ermietete Wohnung zu räumen —, das Schlimmste 
alsbald immer noch nicht zu fürchten brauchen. Denn das Voll¬ 
streckungsgericht bat es jetzt laut Gesetz in seiner Hand, die 
Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners auf Antrag 
wiederum für die Dauer von längstens drei Monaten — gerechnet 
von der Bekanntmachung des Beschlusses an den Schuldner — 
einzustellen. Voraussetzung dafür ist natürlich ebenfalls Be¬ 
dürftigkeit und Schuldlosigkeit an der finanziellen Klemme, Vor¬ 
aussetzung ist ferner, dass der Kläger dadurch nicht selber allzu 
hart mitgenommen werde. Im übrigen aber ist der Arzt nicht 
einmal darauf angewiesen zu warten, bis ihn sein Gläubiger ver¬ 
klagt. Er kann vielmehr seinerseits den Gläubiger, mit dem er 
sich in Güte auseinanderzusetzen nicht vermochte, jederzeit einfach 
vor das zuständige Gericht zur Verhandlung über die Stundung 
vorladen. Hier erkennt er, der Arzt, dem Richter gegenüber das 
Bestehen seiner Schuld an und macht dabei gleichzeitig in dem¬ 
selben Verfahren seine Bedürftigkeit, eine Stundung anlangend, 
glaubhaft. Der Richter verurteilt dann, dem Anerkenntnisse ent¬ 
sprechend, zu der schuldigen Zahlung, spricht aber, wenn die 
Umstände das gutbeissen, in jenem Urteil zugleich mit ans, dass 
diese Zahlung, soundsolange (längstens drei Monate) ganz oder 
teilweise, gegen oder ohne Sicherheit, gestundet wird. Schliess¬ 
lich verhilft der 18. August d. J. in bedeutsamer Verordnung be¬ 
drängten Schuldnern noch zu besonderer dringend nötiger Ver¬ 
günstigung. Zwei Beispiele hierfür, in denen der Arzt einmal 
den Mieter, dem momentane Zahlung der Mietzinsrate wenig ge¬ 
nehm ist, ein andermal den Hausbesitzer, der die fälligen Hypo¬ 
theken nicht beisammen hat, vorstellen soll. Das Gesetz erlaubt 
bekanntlich den Vermietern, dem, der mit zwei aufeinander 
folgenden Zinsraten rückständig bleibt, fristlos zu kündigen, ihn 
mit andern Worten also einfach auszuquartieren. Die meisten 
Mietverträge aber lauten sogar dahin, dass dieses Recht dem 
Vermieter schon aus einmaliger Unpünktlichkeit in der Zinszahlung 
erwächst. Das zweite Beispiel führt uns den Arzt als Hauswirt 
und Hypothekenschuldner vor. Bekanntlich ist es auch bei 
Hypothekendarlehen herkömmlich, dass das Schuldigbleiben einer 
Zinsrate für den Gläubiger das Recht nach sich zieht, sofort das 
ganze Kapital zu fordern. Diese beiden, dem Mieter wie dem 
Vermieter aus der Unpünktlichkeit erwachsenden schweren Folgen 
können laut der genannten ßundesratsverordnung beseitigt werden. 
Das Gericht kann also erklären: die Folgen gelten als nicht ein¬ 
getreten. Eine Erklärung, die — auf unsere Beispiele gemünzt 

_ nichts anderes sagt, als: Du darfst wohnen bleiben, oder zu 

dem Vermieter: Die Fälligkeit der ganzen Hypothekendarlehns 
schuld ist nicht gegeben. Weiter darf das Gericht die hier 
skizzierten üblen Konsequenzen, sobald das geboten erscheint, 
aber auch vom Ablauf einer auf längstens drei Monate berechneten 
Frist abhängig machen. Natürlich ist dieses begreiflicherweise 
erzwungene Entgegenkommen der Gläubiger erschaffen unter der 
Diktatur des Krieges mitsamt seiner Gefolgschaft von Not, Armut 
und Elend. Wer nicht ohne Schuld in die Bedrängnis geriet, 
wer ferner keine Gewähr dafür bietet, später einmal seinen Ver¬ 
pflichtungen zu genügen, wer bei bestem Willen schliesslich auch 
gegenwärtig seine Verbindlichkeiten erfüllen könnte, an den wendet 
sich das Wohlwollen des Richters natürlich nicht. Vielmehr 
muss das Gericht hier immer stets prüfen, ob der Schuldner der 
Geschenke auch würdig ist, und ob er ihrer auch bedarf. 

Wir kehren danach mit einem Worte zurück zu den Aerzten 
auf dem Felde, denen die jähe Schnelle des Aufbruchs verbot, 
auch nur das Nötigste daheim für ein längeres Fernsein einiger- 
maassen zu ordnen. Solch hartes Los ruht naturgemäss am 


schwersten auf den am Kriege teilnehmenden Aerzten, denen es 
nicht vergönnt ist, gleich den anderen Kriegsteilnehmern nach 
Friedensschluss wieder dem heimatlichen Herde zuzusteuern, die 
vielmehr ein widriges Geschick in Feindesland als Kriegsgefangene 
festhält. Was wird da unterdessen wohl aus Weib und Kind, 
aus Hab und Gut? Nun, einen kleinen Trost vermag ihnen das 
Recht bei der Antwort darauf immerhin zu spenden, ein wenig 
will es ihnen die Sorge um die irdischen Besitztümer verscheuchen 
helfen. Es verspricht nämlich dem Arzte, die Dauer seiner Ge¬ 
fangenschaft lang bis zur Rückkehr sein Vermögen zu „pflegen“. 
Erscheinen die Vermögensangelegenheiten der Fürsorge bedürftig, 
so bekommt der in Feindesland schmachtende gefangene Arzt 
unterdes von Rechts wegen einen Abwesenheitspfleger. Zur Bestellung 
solcher Pflegschaft genügt als Voraussetzung Abwesenheit vom 
Wohnort und Unbekanntsein des Aufenthalts. Freilich wird man 
bei Kriegsgefangenen nicht seiten wissen, wo sie sich befinden. 
Indes hindert das nicht, ihnen den Genuss der Pflegschaft trotz¬ 
dem zu bescheren. Wen Dämlich ein herbes Los an der Heim¬ 
kehr bindert, so dass er zu Hause seine Vermögensangelegen¬ 
heiten nicht regeln kann, den erklärt das Gesetz ebenfalls für 
bedürftig der Pflegschaft, obgleich man seinen gegenwärtigen 
«Aufenthaltsort genau kennt; ist es doch auch ihm ein Ding der 
Unmöglichkeit, sich um den Stand seiner Finanzwirtschaft ge¬ 
hörig zu kümmern. Könnte aber da unter Umständen nicht 
Wohltat Plage werden? Nein, solche Furcht braucht dem ge¬ 
fangenen Arzt nicht noch obendrein den Schlaf zu rauben. Da¬ 
für bürgt ihm das Gesetz durch zweierlei Garantien. Es fordert 
nämlich einmal ein Schutzbedürfnis, ehe es eine Abwesenheits¬ 
pflegschaft erlaubt. Nur der Abwesende, dessen Vermögens- 
Verhältnisse der Fürsorge tatsächlich bedürftig sind, erhält einen 
Abweseoheitspfleger. Bedürftig solcher Sorge um sein Hab nnd 
Gut ist aber ein gefangener Arzt sonder Zweifel anch dann, wenn 
er gänzlich vermögenslos ist; ist’s ja leicht denkbar, dass gerade 
dem in der Fremde Weilenden irdische Güter winken, um den 
Armen in die Reihen der Besitzenden zu erheben. Solch ein 
Anfall von Geld aber macht unter Umständen eine vermögens¬ 
rechtliche Vertretung notwendig. Sie beschert nun unser Gesetz 
dem in fremder Gefangenschaft Schmachtenden in Gestalt des 
Abwesenheitspflegers. Nicht dem Fürsorgebedürfnis entspräche 
dagegen eine Abwesenheitspflegschaft, die allein den Schutz der 
Gläubiger im Auge hätte. Deshalb fremdes Vermögen zq 
„pflegen“ widerstritte darum dem Gesetz und darf also nicht an¬ 
geordnet werden; Gläubigerschutz und Fürsorge für den Fernen 
sind zwei einander fremde Begriffe, die sich kaum je vertragen. 
Mag der Schuldner bei seiner Heimkehr den Strauss mit den 
Gläubigern ausfechten; sein Vermögen aber wird dadurch gewiss 
nicht „gepflegt“. 

Damit mag das Kapitel über die Abwesenheitspflegscbaft 
ferner Aerzte beschlössen sein zugunsten einer verwandten Materie 
über die Kriegsverschollenheit und ihrer rechtlichen Folgen. 
Im Interesse der Angehörigen eines Arztes liegt es selbstverständ¬ 
lich, dass bei längerem Ausbleiben jeglicher Nachricht noch lange 
über den Friedensschluss hinaus die Ungewissheit über Sein oder 
Nichtsein des seit der Kriegsteilnabme spurlos verschwundenen 
Arztes nicht jede Entschlussfreiheit der Angehörigen lahmgelegt 
wird. Denn unter den das Leben bedrohenden Fährnissen wartet 
unser an erster Stelle die Feldschlacht. Deswegen die den 
Kriegsteilnehmern geschriebenen Sondergebote. Nach ihnen können 
Kriegsverschollene bereits drei Jahre nach Friedensschluss für tot 
erklärt werden. Hat aber ein Friedensschluss nicht stattgefunden, 
dann beginnt der dreijährige Zeitraum mit Abschluss des 
Jahres, mit dem der Krieg beendet wurde. Kriegsteilnehmer im 
Sinne dieser Satzungen aber sind alle, die als Angehörige ew® r 
bewaffneten Macht an einem Kriege teilgenommen haben. Dar¬ 
unter zählt auch, wer sich in einem Amts- oder Dienstverhältnis 
oder zwecks freiwilliger Hilfeleistung bei der bewaffneten Macht 
befindet, vornehmlich also der Sanitätsoffizier, der freiwillige Arzt, 
der Krankenpfleger. Kehrt also ein während des Krieges ver¬ 
misster und seither verschollener Kriegsteilnehmer, kehrt ein frei¬ 
williger Arzt oder ein Sanitätsoffizier nach einem Kampfe nicht 
zu seinem Truppenteil zurück, gibt weder Lazarett noch Schlacht¬ 
feld Aufschluss über seinen Verbleib und erhält auch später nie¬ 
mand irgendwelche Kunde von dem Vermissten, nun dann gilt der 
Vermisste als verschollen, und es genügt der Ablauf dreier Jahre, 
ihn von Rechts wegen totsagen zu lassen. Ihm gegenüber treten 
also die gewaltigen rechtlichen Folgen ein, die sich für die Hinter- 
bliebenen an jeden Todesfall knüpfen. Eine Todeserklärung ab* r 
setzt nun einen darauf zielenden Antrag der Interessenten voraus, 


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UNIVERSITf OF IOWA 



2. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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und zwar beträgt bei der Kriegsverschollenheit die Aufgebotsfrist 
mindestens zwei Wochen, während sie sonst mindestens sechs 
Monate lang läuft. 

Hiermit mag zugunsten einer zweiten kleinen Skizze gegen¬ 
wärtig die Schilderung vom Einfluss des Krieges auf das Rechts- 
leben geschlossen sein. 


Bücherbesprechungen. 

W. Spalteholz: Handatlas der Anatomie des Menschen. 3. Baud. 
Eingeweide, Gehirn, Nerven, Sinnesorgane. 7. Aufl. Preis ge¬ 
heftet 21 M., gebunden 22 M. 

Das prächtige Werk hat in der vorliegenden neuen Auflage wiederum 
manche Verbesserung erfahren. Die wichtigste beruht darin, dass 
Flechsig der Bitte des Verfassers entsprochen und die Darstellungen 
der Bindenfelder der Grosshirnhemisphären nach dem gegenwärtigen 
Stand seiner Untersuchungen neu zeichnen Hess. Die Figuren 755 und 
756 sind so entstanden. Die motorische Zone ist mit einer so grossen 
Anzahl von Punkten versehen, die die Stellen der elektrischen Erregung 
nach F. Krause wiedergeben, dass es fast wünschenswert erscheint, 
eine vergrösserte Darstellung dieser Partien künftigen Auflagen beizu¬ 
fügen, Besonders interessant ist die Spezialisierung in der Erregung 
der Mundteile: Mundwinkel nach oben, stark nach unten, Unterlippe 
direkt seitlich, Kinn stark seitlich usw. 

Sehr willkommen wird auch die Darstellung der Markreifung der 
Bindenfelder der Grosshirnhemisphäre nach Flechsig sein, Figur 756a 
und 756 b. 

Prof. Eisler-Halle hat an der schematischen Zeichnung des Plexus 
lumbosacralis eine Ergänzung angebracht. 

Die Nebenschilddrüsen oder Epithelkörperchen haben eine besondere 
Darstellung gefunden auf Figur 632 a in Verbindung mit den Arterien. 
Damit ist einem dringenden Bedürfnis abgeholfen in Anbetracht der 
hohen praktische Bedeutung dieser merkwürdigen Derivate des Kiemen¬ 
systems, die eine so auffallend wichtige Rolle im Organismus spielen. 
Auch sonst sind manche Vervollkommnungen vorhanden, namentlich in 
der farbigen Ausführung einiger Figuren. 

Die hohe künstlerische Vollendung des Werkes kann nicht genug 
betont werden. Namentlich auf dem Gebiete der Sinnesorgane zeigt 
sich die Verbindung von Anschaulichkeit und Wohl gef älligkeit der bild¬ 
lichen Darstellung, in der Spalteholz’ Atlas von keinem anderen 
Werke dieser Art erreicht wird. 

Mit Freude können wir die neue Auflage den Studenten warm 
empfehlen. Der Preis ist im Verhältnis zu der wunderbaren Aus¬ 
stattung gering. _ 


J. Sobotta: Atlas der descriptiven Anatomie des Menschen. 2 . Ab¬ 
teilung. Die Eingeweide des Menschen, einschliesslich des Herzens. 
Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. München 1914, Leh- 
mann’s medizinische Atlanten. Preis geb. 16 M. 

Die Aenderungen, die diese neue Auflage bringt, betreffen besonders 
den Ersatz der lithographierten Tafeln teils durch solche in Dreifarben¬ 
druck, teils durch Reproduktion mittels mehrfarbigen Autotypiedrucks. 
Auf manchen Gebieten wurden ganz neue Bilder angefertigt, so bezüg¬ 
lich des Situs der Baueheingeweide und der weiblichen Genitalien. Diese 
neuen Bilder sind zum Teil wirklich prachtvoll, so die Tafeln 6, 7, 8, 
9, 15. 

Manche anderen Abbildungen stechen dagegen ab durch eine ge¬ 
wisse Steifigkeit und unnatürliche Derbheit, so Figur 363, 364, 365, 
366, 367, 368. Sie haben dieselben Mängel wie die Muskelbilder des 
ersten Teiles. Darunter leidet jedoch das Instruktive der Bilder nicht. 
Sehr geeignet sind auch für den Selbstunterricht die schematischen 
Darstellungen, die in manchen anderen anatomischen Bildwerken etwas 
zu ängstlich gemieden werden. 

Auch mit dieser neuen Auflage wird sich das Sobotta’sche Lehr¬ 
buch als eines der auf dem Präpariersaal am meisten beliebten Werke 
bewähren. H. Klaatsch. 


Franz Nissl: Beiträge znr Frage nach der Beziehung zwischen 
klinischem Verlauf and anatomischem Befand bei Nerven- nnd 
Geisteskrankheiten. Bd. 1. Heft 2. Zwei Fälle von Katatonie 
mit Hirnschwellung. Mit 48 Figuren. Berlin 1914, J. Springer. 

Von den beiden mitgeteilten Fällen von Katatonie betrifft der erste 
einen 35jährigen Mann mit typischer Dementia praecox mit hebephrenem 
Beginn und anschliessender akuter Psychose mit den Symptomen eines 
katatonischen Erregungszustandes und Stupors. Tod am 10. Tage der 
akuten Psychose. Die Sektion ergibt ausgesprochene Reichardt’sche 
Hirnschwellung, die möglicherweise die Todesursache war. Es ist sehr 
wahrscheinlich, dass Beziehungen zwischen den naebgewiesenen Rinden- 
veränderuDgen und der akuten katatonischen Psychose bestehen. Jeden¬ 
falls hat die Rindenerkrankung schon längere Zeit angedauert. Be¬ 
ziehungen zwischen der Hirnschwellung und den histologischen Verände¬ 
rungen lassen Bich nicht feststellen. Der zweite Fall betrifft gleichfalls 
eine Dementia praecox bei einem 24jährigen Mann mit Tod im katatoni¬ 
schen Erregungszustand. Es bestand auch hier ein beträchtliches Miss¬ 


verhältnis zwischen Gehirnmasse und Schädelkapazität, das für die Er¬ 
klärung des Todes heranzuziehen ist. Dass Beziehungen zwischen 
dem histopathologischen Befund der Hirnrinde und dem katatonischen 
Erregungszustand bestehen, ist sehr wahrscheinlich. Bemerkenswert sind 
schwere Veränderungen im Aromonsborngebiet. Besonders hervorzuheben 
sind auch diesmal wieder die wundervollen histopathologischen Bilder, 
die durch normale Vergleiohspräparate leichter verständlich gemacht 
werden. Als Referenten zeichnen für den ersten Fall Stefan Rosen¬ 
thal, für den zweiten Schultheis und Ronkel. 

M. Rotbmann. 


M. Lewandowsky: Die Hysterie. Berlin 1914, Verlag von Julius 
Springer. 192 Seiten. Preis 6 M. 

Die Aerztegeneration, deren Ausbildung vor etwa 10—20 Jahren 
bereits abgeschlossen war, batte eine von der heutigen wesentlich ver¬ 
schiedene Anschauung über Hysterie; sie musste sich abfinden mit dem 
damals in Hörsälen und Lehrbüchern vorgetragenen Lehren, welche im 
grossen ganzen auf die schematische und heute zu einem grossen Teil 
als falsch erkannte Darstellung Charcot’s und seiner Schule zuriiek- 
gingen. Die Bearbeitung der Hysterie von Lewandowsky, welche aus 
dem vom selben Verf. herausgegebenen „Handbuch der Neurologie“ (mit 
nur geringen technischen und Druckfehleränderungen) entnommen ist, 
zeigt aufs neue, wie die fortschreitende Erkenntnis mit der Charcot- 
schen Lehre aufgeräumt hat. 

L.’s Darstellung baut sich induktiv auf einer kritischen Prüfung 
der Tatsachen auf, indem er zunächst (I. Teil A) die hysterische Einzel¬ 
reaktion beschreibt, woran sich gemeinsam mit der Psychopathologie die 
Definition der Hysterie schliesst (I. Teil B). Trotz des induktiven Vor¬ 
gehens kann er sich als moderner Neurologe von vornherein nicht frei 
machen von der psychogenetischen Auffassung, und er verzichtet deshalb 
mit Recht darauf, auf die unendliche Fülle aller symptomatischen Einzel¬ 
erscheinungen detailliert einzugehen, was der abgerundeten 75esamt- 
darstelluog entschieden zum Vorteil gereicht. Als „hysterophile Er¬ 
krankungen“ werden einige psychogene Neurosen abgetrennt, deren Er¬ 
scheinungen zuweilen (nicht immer) durch psychische Einflüsse hervor¬ 
gerufen werden können, z. B. Tics, Beschäftigungskrämpfe, Stottern, 
flüchtiges Oedem usw. Der II. Teil behandelt dann „die hysterische 
Konstitution und die anderen Bedingungen der hysterischen Reaktion“, 
Teil III die Differentialdiagnose, Teil IV die Prognose, Therapie und 
Prophylaxe, sowie anhangsweise kurz die forensische Bedeutung der 
Hysterie. 

Vom wissenschaftlich-theoretischen Standpunkt aus ist zu bemerken, 
dass dem Verf. in dieser Hinsicht, z. B. bezüglich seiner Anschauungen 
über die Bedeutung der Suggestion und Affekte, Phantasie und Halluci- 
nation, Unterbewusstsein und Bewusstseinsspaltung usw. die meisten 
Faohgenossen zustimmen werden. 

Der Leser, dem nur diese Monographie, nicht das ganze Handbuch 
zur Verfügung steht, möchte vielleicht in dieser Fassung manches 
genauer ausgefübrt sehen, was L. mit oder ohne Hinweis auf andere 
Kapitel des „Handbuchs“ nur andeutet. Indessen kann und will die 
Arbeit keine propädeutische sein, sie findet ihre volle Würdigung nur 
im Rahmen der heutigen Neurologie und ihrer letzten Gesamtdarstellung 
in dem erwähnten Handbuch. 


Robert Sommer: Klinik für psychische und nervöse Krankheiten. 

Bd. VIII. Heft 4. Halle a. S. 1913, Carl Marhold, Verlags¬ 
buchhandlung. 

Das angezeigte Heft dieser Zeitschrift enthält eine Preisarbeit von 
W. Stoeckenius über „die motorische, speziell sprachliche Reaktion 
auf akustische Reize bei Normalen, Nervösen und Geisteskranken“, sowie 
den Vortrag Sommer’s auf der letzten Naturforscherversammlung über 
„elektrochemische Therapie“. W. Seiffer. 


S. Bettmann: Einführung in die Dermatologie. Wiesbaden 1914, 
Bergmann. 182 S. Preis 6 M. 

Der bekannte Heidelberger Dermatologe bat dieses Buch aus seinen 
praktischen Erfahrungen beim dermatologischen Unterricht als Ergänzung 
für jedes systematische Lehrbuch geschrieben, in welchem naturgemäss 
weniger Raum für die allgemeineren zusammenfassenden Besprechungen 
übrig bleibt. Das vortreffliche Buch mit seinen 5 Kapiteln (normale 
und pathologische Anatomie der Haut, Physiologie der Haut, Diagnostik, 
Aetiologie, praktische Bedeutung der Hautkrankheiten) ist in jeder Hin¬ 
sicht dazu geeignet, den klinischen Hörer nicht nur auf den Besuch der 
Klinik vorzubereiten, sondern es wird ihm auch behilflich sein, die Fülle 
der im Unterricht erwarteten Einzelkenntnisse besser zu einem Gesamt¬ 
bilde abzurunden. 


Ikonographia dermatologica. H. 7. Tab. 52—59. Berlin 1914, 
Urban & Schwarzenberg. Preis 8 M. 

Das neueste Heft zeichnet sich wieder durch eine grosse Reihe 
prachtvoller Abbildungen aus. Neben einer Xanthoerythrodermia 
(F. Bering) ist das Bild eines Cylindroma .(multiple Endotheliome), 
wie es de Beurmann beschreibt, bemerkenswert. Ein Naevus anaemicus 
(Bruner) und der Lichen ruber framboesiformis (Lipsohütz) gehören 
zu den Seltenheiten. Der von Jacobi veröffentlichte Fall eines Vaseliooma 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


soleroticum bei einer SO jährigen Dame, welche in einem Institut de 
beautö eine Anzahl Paraffininjektionen erhalten hatte, bietet einen 
geradezu erschreckenden Anblick dar. Zwei Sklerodermiefälle von 
Meirowsky und Ruete, ein Fall von Striae distensae et heloideae 
(0. Rosenthal) vervollständigen den wertvollen Inhalt. 

Max Joseph-Berlin. 


Hans Volkelt: Ueber die Vorstellungen der Tiere. Arbeiten zur 
Entwicklungspsychologie. Herausgegeben von Professor Felix 
Krueger in Halle. 1. Band, Heft 2. Leipzig-Berlin 1914, Verlag 
von W. Engelmann. Preis 4 M. 

Der biologische Gedanke der Entwicklung bat allmählich so ziemlich 
alle Disziplinen durchdrungen. Nur die Psychologie stand ihm kühl 
gegenüber. Die Seelenvermögen erschienen ihr etwa wie Platon’s 
ewige Ideen als unveränderliche Grössen, und in ihrem experimentellen 
Zweig feiert sie ein Analogon zu der anatomischen Periode in der 
Medizin. 

Da ist es denn eine historische Notwendigkeit, dass auch die 
Psychologie einmal entwicklungsgeschichtlich angefasst wird, und Pro¬ 
fessor F. Krueger will diesbezüglichen Studien in besonderen Heften 
eine Stätte bereiten. Wir begrüssen das neue Unternehmen, weil es 
einen gesunden Kern hat und weil es berufen erscheint, neues Lioht in 
das psychische Getriebe zu werfen. 

Gleich die erste Arbeit der neuen Zeitschrift ist geeignet, unser 
volles Interesse zu erwecken. Sie erörtert die Frage: Wie erscheinen 
dem Tier die Dinge seiner Umgebung? Der Verf. setzt mit Geschick 
auseinander, dass die Tiere die Gegenstände keineswegs so klar, deut¬ 
lich, abgegrenzt erkennen wie wir, dass ihr analytisches Vermögen nicht, 
wie bei uns, zum Auftreten gewissermaassen atomistischer Sinnesquali¬ 
täten entwickelt ist. Vielmehr fassen die Tiere ihre Umgebung als 
komplexes Ganzes auf, ohne innere Struktur, als einen ungegliederten, 
diffusen Eindruck, und richten demgemäss ihr Handeln nicht nach den 
einzelnen Komponenten, sondern nach dem Ganzen, der Komplex¬ 
qualität. Analog verhalten wir Menschen uns etwa vor einem ver¬ 
schlungenem Teppichmuster oder einem Akkord, Dinge, welche nur ver¬ 
einzelte sofort in ihre Strukturelemente aufzulösen imstande sind, während 
die meisten sie nur als Gesamteindrüoke auffassen. Vielleicht lässt sich 
das Verhalten der Verliebten heranziehen, die ja ebenfalls gegen noch 
so ausgesprochene Spezialmomente blind und taub sind und nur die 
Gesamtkomplexqualität im Auge haben. 

Man sieht: es besteht ein fundamentaler Gegensatz zwischen dieser 
Anschauungsweise und der üblichen. Bemüht sich die letztere an sich 
und oft ohne Erfolg, die zahlreichen, von scharfsinniger Analyse ge¬ 
lieferten Bruchstücke oder Elemente in einer Assoziationspsychologie 
wieder zusammenzuschweissen, so rückt Volkelt die Erkenntnis nahe, 
wie zunächst auf die Tierwelt und den primitiven Menschen die Gesamt¬ 
eindrücke eingewirkt und von ihnen als solche aufgenommen wurden, 
wie erst bei fortschreitender Entwicklung die einzelnen Momente mehr 
oder weniger scharf heraustraten, und warum noch heute Leute mit 
klarem Blick sich so schlecht mit Leuten mit verschwommenen Vor¬ 
stellungen zureohtfinden können. Buttersack-Trier. 


militärärztlich gesprochen — der eine Feldzug nicht von dem andern 
getrennt werden kann, vielmehr die Erfahrungen von 1870/71 erst durch 
die von 1866 in das rechte Licht gerückt werden. Die drei Typen sind: 
Horsitz io Oesterreich (Böhmen), Mannheim in Deutschland (Baden) und 
Nancy in Frankreich (Lothringen). 

In Horsitz (1866) befand sich Verf. bei dem 1. schweren Feld¬ 
lazarett des 3. Armeekorps. Es bestätigte sich damals wieder die alte 
Erfahrung, dass der sohlimmste Feind des Feldsoldaten nicht das Ge¬ 
schoss oder die blanke Waffe des Gegners, sondern Krankheiten oder 
Kriegsseuchen (Zahlenangaben) sind. 1870/71 war dies jedoch umge¬ 
kehrt, woran nicht den kleinsten Anteil der Dienst als Etappenarzt hatte. 
Durch die Gegenüberstellung von Horsitz, Mannheim und Nancy werden 
die Fortschritte, die 1870/71 im Vergleich zu 1866 besonders auf dem 
Gebiete des Krankentransportwesens zu verzeichnen waren, klar. 

1870/71 war Verf. zunächst bei der Kommandantur des Etappen- 
bauptortes der 3. Armee in Mannheim, später in Nanoy tätig. Genaue 
Schilderung der Tätigkeit im Gebiet der Etappe, namentlich des Ab¬ 
transportes in Sanitätszügen — die 1866 noch fehlten — in die rück¬ 
wärts gelegenen Lazarette usw. Lobend wird auch hervorgehoben, was 
die freiwillige Krankenpflege leistete. 

Am Schluss gibt Verf. einige heitere Episoden und andere Inter¬ 
mezzos zum besten. 


Velde-Berlin: Die Kraikeitrage 1918. Veröffentlichungen aus dem 
Gebiete des Militärsanitätswesens. Herausgegeben von der Medi- 
zinalabteiluog des Kgl. preuss. Kriegsministeriums. Heft 60. Mit 
6 Abbildungen. Berlin 1914, Verlag von. August Hirsobvald. 
50 S. Preis 1,60 M. 

Seit längerer Zeit war die Notwendigkeit erkannt, an Stelle der bis¬ 
her im Heere vorhandenen 5 Arten von Krankentragen ein einheitliches 
Muster einzuführen. Deshalb wurde 1908 von seiten des Kgl. preuss. 
Kriegsministeriums, Medizinalabteilung, eine Umfrage nach einem ver¬ 
besserten Muster einer Krankentrage eingeleitet. Die hiernach eioge- 
gangenen Entwürfe und Proben wurden von einer Kommission von 
Sanitätsoffizieren einer Sichtung unterzogen, und so wurden die Unter¬ 
lagen gewonnen, die zu der „Krankentrage 1913“ überleiteten. Von 
der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums wurde ihre Einführung 
1913 angeordnet. Verf. unterzieht die einzelnen Teile, aus denen sich 
die Krankentrage zusammen setzt, einer eingehenden Erörterung und führt 
dabei alles au, was im Laufe der Verhandlungen bezüglich der Trage¬ 
stangen, Holzgriffe, Querverbindungen, Kopflehne, Fussbügel, Verbin¬ 
dungen der Eisenteile, des Bezuges und des Gewichts der Trage ge¬ 
ändert und beobachtet wurde. Dann gibt Verf. Gesichtspunkte für die 
Abnahme von Krankentragen 1913. ln einer Anlage folgt die Be¬ 
schreibung von 52 eingegangenen Mustern, von denen die Mehrzahl an- 
gekauft und der Sammlung der Kaiser Wilhelms-Akademie io Berlin 
überwiesen wurde. Scbnütgen. 


Literatur-Auszüge. 

Anatomie. 


Mangold: Die Fortschritte der Tuberkulosebekämpfung in Prenssen 
während der Jahre 1909—1911. Veröffentlichungen aus dem 
Gebiete der Medizinal Verwaltung, herausgegeben von der Medizinal¬ 
verwaltung des Ministeriums. III. Band, 5. Heft, der ganzen 
Sammlung 30. Heft. Berlin 1913, Verlag Riohard Sohoetz. Preis 
0,80 M. 

Die gesteckten Ziele: Aufklärung der Bevölkerung über das Wesen 
der Tuberkulose, Verhütung der Krankheit durch Schutz der Gesunden 
gegen Ansteckung und Heilung und Pflege der Kranken haben wesent¬ 
liche Aenderungen nicht erfahren. Die Aufklärung geschieht durch 
Massen- und Einzelunterricht, durch Selbstunterricht: Studium eines 
Tuberkulose-Merkblattes, durch Tuberkulose-Wandermuseen, Tuberkulose- 
Ausstellungen. Verhütung wird erzielt durch Erhöhung der Widerstands¬ 
kraft des Organismus, Vermeidung von Schädlichkeiten, welche diese 
Widerstandskraft berabsetzen und Beseitigung der Gelegenheiten zur Auf¬ 
nahme der Krankheitskeime, durch das System der Ferienkolonien, 
Kinderheime, Waldschulen, Schlafpavillons, Walderholungsstälten, Bereit¬ 
stellung gesünderer Wohnungen, Staubbekämpfung, Scbulgesundheits- 
pflege, Sport, bessere Ernäbrungsverhältnisse, Bekämpfung des Alkohol¬ 
missbrauchs, Isolierung Kranker in Anstalten, Auffindung Lungenkranker 
beim Heeresersatzgeschäft, auf dem Lande durch die Gemeindeschwestern, 
im übrigen durch Vertrauenspersonen, Ortsausschüsse, Anzeige der 
Tuberkulosetodesfälle, Desinfektionen. Für leichte Krankheitsformen war 
die Tuberkulinbehandlung gut, für vorgeschrittenere Heilstättenbehand¬ 
lung, für die schwersten Stadien Behandlung in Sonderabteilung der 
Krankenhäuser. In einem Anhang wird die segensreiche Tätigkeit der 
Auskunfts- und Fürsorgestellen für Lungenkranke beleuchtet. 


Peltner-Berlin -Steglitz: Militärärztliche Kriegserinnerungen an 1866 
nnd 1870/71. Mit einer Karte. Berlin 1914, Verlag von Aug. 
Hirschwald. 41 S. Preis 1 M. 

Verfasser, einer der ältesten noch lebenden militärärztlichen Kriegs¬ 
teilnehmer an beiden Feldzügen, hat humoristisch und lichtvoll seine 
Erinnerungen in drei typischen Bildern derartig bearbeitet, dass _ 


W. von Müllendor ff-Greifswald: Vitalfärbing mit sauren Farb¬ 
stoffen und ihre Abhängigkeit vom Lösnngsznstand der Farbstoffe. 
(D.m.W., 1914, Nr, 41.) Ausscheidungsgescbwindigkeit und Speicberongs- 
intensftät sind einander umgekehrt proportional; beide bangen auf das 
Innigste mit dem Dispersitätsgrade der Farbstoffe zusammen. 

Dünner. 


Therapie. 

Kowarschik und Keitler-Wien: Die Diathermie bei gynäkolo¬ 
gischen Erkrankungen. (W.kl.W., 1914, Nr. 4L) Günstige Erfahrungen 
mit der Diathermie bei gynäkologischen Affektionen, besonders bei ent¬ 
zündlichen Erkrankungen der Naohbarschaft der Gebärmutter und der 
Adnexe. Das Verfahren ist aber nur in ehronischen Fällen am Platze, 
bei akuten kontraindiziert. Entweder wird eine Elektrode am Kreuzbein, 
die andere oberhalb der Symphyse appliziert, oder man führt in die 
Vagina eine cylindrisohe Metallelektrode ein. Die Diathermie wirkt 
schmerzstillend und resorptionsbefördernd. Sie greift den gesamten 
Organismus nicht so an, wie die Heissluftbehandlung. 

H. Hirsoh/eld. 

M. Kauffmann - Halle a. S.: Die Behandlung der Fottsneht mit 
kolloiden Platinmetallhydroxyden (Leptynol). (M.m.W., 1914, Nr. 42.) 
III. Mitteilung. K. bringt eine Reihe von Krankengeschichten, die die 
gute Wirkung des Leptynols bei der Behandlung der Fettsucht darlegen 
sollen. Ausserdem hat er das Präparat noch bei Gicht und bei einem 
Fall mit Basedowsymptomen mit Erfolg angewandt. K. erwidert auf 
einige von anderer Seite gegen das Leptynol erhobene Einwände. Er 
empfiehlt zum Schluss einen Versuch bei Diabetes inkl. Coma. 

Dünner. 


t-arasueiuainae und Serologie. 

.i.-« J *+ Sch ? r . esoliewsk 3 r ' Marl)Ur B : Primäraffekt und Keratitis pirei- 
bei “ Kaninchen, bewirkt durch Reilkni tnren von 8ypWlfo- 
spirochäten. (D.m.W., 1914, Nr. 41.) Die Scheresohewsky’schen 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Spirochätenkulturea bewirken am Hoden und Auge von Kaninchen 
syphilitische Veränderungen in einer dem Gewebsvirus gleichen Weise. 
Die Kulturen lassen sich viele Wochen bei 37° und nachträglich bei 
Zimmertemperatur virulent und rein erhalten. Eine Exzision von 
Kaninchensklerose hat das Auftreten einer neuen Sklerose zur Folge 
gehabt. Das Sperma dieses Tieres enthielt dauernd Spirochäten vom 
Pallidatypus. 

E. Frankel und F. Thiele - Heidelberg: Ueber die Gerinnnngs- 
hemmangen durch Lnessera (Hirschfeld und Klinger) und die chemische 
Natur des Cytocyms. (M.m.W., 1914, Nr. 42.) In Uebereinstimmung 
mit Hirsoh/eld und Klinger fanden die Verff. mit der von H. und K. 
angegebenen Methode in 70 Fällen bei positivem Wassermann auch 
eine Verzögerung oder Ausbleiben der Gerinnung. Als Zytozym ver¬ 
wandten die Verff. an Stelle des Merk’scheu Meerschweinohenextraktes 
alkoholischen Rinderherzextrakt (1 g und 10 ccm Alkohol). Als Wesen 
der Zytozymwirkung stellte sich die ätherlösliche Fraktion bzw. die 
darin enthaltene, jekorinähnliche Substanz heraus. 

Fetzer und Nippe - Königsberg: Zum Nachweis der Blutfreiheit 
der zur Abderhalden’schen Reaktion verwendeten Substrate und Seren. 
(M.m.W., 1914, Nr. 42.) Die Verff. fanden, dass sich zum Nachweis 
der Blutfreiheit der Organe und Seren die Leukobase des Malachitgrüns 
ausgezeichnet eignet, das die Fähigkeit hat, bei Anwesenheit von Blut 
das eine Sauerstoffatom einer Wasserstoffsuperoxydlösung, welche durch 
das Hämoglobin katalytisch abgeschieden wird, aufzunehmen und dann 
als stark färbender Stoff, in diesem Falle eben als Malachitgrün zu 
wirken. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Fehlerquelle, die 
in Verunreinigung der Seren und Substrate durch Hämoglobin zu suchen 
ist, in einer grösseren Anzahl von Fällen vorhanden ist, als es wohl 
viele Untersucher anzunehmen geneigt waren. 

R. Otto und G. Blumenthal-Berlin: Erfahrungen mit dem Abder- 
halden’sehen Dialyaierver fahren. (D.m.W., 1914, Nr. 41.) Graviden - 
sera bauen fast regelmässig Placenta ab. Dem positiven Ausfall der 
Reaktion kann aber nur eine beschränkte diagnostische Bedeutung zu- 
gesproohen werden, da auch andere Sera, speziell die von Carcinom- 
kranken, mit Placenta eine positive Ninhydrinreaktion ergeben. Der 
negative Ausfall der Reaktion spricht mit grosser Wahrscheinlichkeit 
gegen bestehende Gravidität. Das Serum von Dementia praecox-kranken 
gibt ziemlich regelmässig mit Testes, oft mit Gehirn, aber stets 
auch mit Placenta eine positive Reaktion. Testes werden auch von 
anderen Krankensera und von dem Serum Gravider abgebaut. Der 
positive Ausfall der Reaktion mit Hodensubstrat ist deshalb nur von 
beschränkter diagnostischer Bedeutung, wenngleich er unter Umständen 
vielleicht differentialdiagnostisch verwandt werden kann. Eine Spezifität 
der Abwehrfermente im Sinne Abderhalden’s Hess sich nicht nach- 
weisen. 

A. Eder-Berlin: Die Abderhalden'sche Sehwangerschaftsreaktion. 
(D.m.W., 1914, Nr. 41.) E. fand ebenso, wie die Verff. in dem vor¬ 
stehenden Referate, dass man bei negativem Ausfall der Abderhalden- 
sohen Reaktion mit allergrösster Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft 
ausschliessen kann. Eine positive Reaktion kann dagegen auch durch 
pathologische Zustände, nach den vorliegenden Fällen durch Carcinom, 
Lues und eitrige Prozesse, hervorgerufen werden. Dünner. 


Innere Medizin. 

Rose: Eine Grundursache derHarnsänreübersättlgnng beimMenschen. 
(Zschr. f. phys. diät. Ther., September 1914.) Röse hat Untersuchungen 
über die Notwendigkeit genügender Erdsalzzufuhr angestellt und ge¬ 
funden, dass sowohl die Menge der ausgeschiedenen Harnsäure wie das 
Harnsäurelösungsvermögen in einem ganz innigen Wechsel Verhältnis zum 
Basengehalt der Nahrung steht, wobei es ganz gleichgültig ist, ob es 
sich dabei um tierische oder pflanzliche Nahrungsmittel handelt. 

E. Tobias. 

H. E. Hering-Köln: Rhythmische Vorhoftacbysystolie undPnlsns 
irregnlaris perpetnus. (M.m.W., 1914, Nr. 41 u. 42.) Zum Referat 
nicht geeignet Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

B. Pfeifer: Experimentelle Untersuchungen über die Funktion des 
Thalamns opticus. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Verf. be¬ 
spricht die Ergebnisse experimenteller Untersuchungen über die Funktion 
des Thalamus opticus. Man kann annehmen, dass für die Erweiterung 
der Pupillen und Lidspalten der mediane Thalamuskern, für die Pupillen¬ 
verengerung der caudale Anteil dieses Kernes, für die Haltungsanomalien 
des Körpers und die Laufbewegungen der caudal-ventrale Sehhügelanteil 
von besonderer Bedeutung ist. 

M. Rothmann: Demonstration zur Rindenexstirpation des Kiein- 
kins. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 16 u. 17.) Vgl. Sitzungsbericht der 
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten in der B.kl.W., 
1914, Nr. 81. 

K- Reichardt: Iitravifale and postmortale Hirnsehwellnng. 
St. Rosenthal: Eine Erwiderung auf die Ausführungen Reiohardt’s. 
(Neurol. Zbl., 1914, Nr. 18.) Polemik über die Behauptung von 
Rosenthal, dass die Hirnschwellung vorläufig nur ein physikalischer 
Sektionsbefund ist. 


M. S. Margulis: Zur Frage der pathologisch-anatomischen Ver¬ 
änderungen im Gehirn hei bösartiger Malaria. (Neurol. Zbl., 1914, 
Nr. 16 u. 17.) In einem Falle von bösartiger Malaria erhob Verf. einen 
Befund, der das Bild der bereits in der Literatur beschriebenen Ver¬ 
änderungen bei bösartiger Malaria durch folgende Einzelheiten vervoll¬ 
ständigt: stark ausgeprägte Erscheinungen einer Stasis, perivaskuläre 
nekrotische Herde der Himsubstanz und sie ersetzende Gliaherde um die 
stasierten Gefässe, diffuse, der Sklerose in anderen parenchymatösen 
Organen analoge Gliaproliferationen in der Rinde und in der subcorti- 
calen weissen Substanz. 

Eskuchen: Bemerkungen zu der Arbeit von A. Glaser: Zur klini¬ 
schen Brauchbarkeit der Laage’schea Goldsolreaktion in der Psychiatrie. 
(Neurol. Zbl., 1914, Nr. 16 u. 17.) Eskuchen nimmt gegen die 
Skepsis Glaser’s in der Frage der Goldsolreaktion Stellung. Der Wert 
der Goldsolreaktion ist ganz unzweifelhaft ein sehr hoher. 

M. Nonne: Ueber die Bedeutung der Liquoruntersuchung für die 
Prognose von isolierten syphilogenen PapiUenstörungen. (D. Zschr. 
f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3 — 6.) Eine jahrelang fortlaufende Beobachtung 
zeigt, dass bei isolierten Pupillenstörungen der weitere Verlauf des 
Falles sich sehr verschieden gestalten kann, dass sie einerseits isoliert 
bleiben, dass andererseits sich weitergehende syphilogene Nervenleiden 
anschliessen können. Die Kontrolle des Liquor spinalis ist für die Be¬ 
urteilung der Dignität der Pupillenanomalien von Wichtigkeit. Sie 
zeigt, dass diese Störungen bei normalem Liquor Reste eines ausgeheilten 
oder stets rudimentär gewesenen Prozesses am Centralnervensystem dar¬ 
stellen, aber andererseits, dass sie auch bei pathologischen Reaktionen 
im Liquor dauernd unverändert bleiben können. Daraus ergibt sich, 
dass die Prognose bei isolierten Pupillenanomalien auf luetisoher Basis 
nicht lediglich nach dem Ausfall der „vier Reaktionen“ gestellt werden 
darf, und dass man sich deshalb hüten muss, den prognostischen Wert 
positiver Liquorreaktionen im ungünstigen Sinne zu überschätzen. 

Hauptmann: Die Diagnose der „frÜlilQetischen Meningitis“ aus 
dem Liquorbefund. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Die 
Wassermannreaktion im Liquor kommt mit wenigen Ausnahmen nicht 
zustande durch Filtration der syphilitischen Antikörper aus dem Blute; 
ihre Bildungsstätte ist das Centralnervensystem selbst. Die Liquor¬ 
veränderungen im sekundären Stadium der Lues sind hervorgernfen 
durch eine frühluetische Meningitis. Als Ausdruck des leichtesten 
Grades dieser Meningealaffektion ist die Lymphocytenvermehrung (viel¬ 
leicht noch früher das Vorhandensein von Spirochäten) anzusehen, zu 
welchen sich bei schwereren Formen Eiweissvermehrung und schliesslich 
positive Wassermannreaktion hinzugesellen. Klinische Symptome seitens 
des Centralnervensystems können in solchen Fällen vollständig fehlen, 
vielfach sind nur geriugfügige subjektive Beschwerden vorhanden. Der 
Liquor jedes Syphilitikers muss untersucht werden, und die Behandlung 
ist durchzuführen, bis der Liquor wieder völlig normal ist. 

M. Nonne: Klinische und anatomische Mitteilung über einen aus¬ 
schliesslich auf Grund der Liqaorreaktionen diagnostizierten Frühfall 
von Paralyse. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 18.) In einem Falle, in dem 
die klinische Diagnose auf Neurasthenie mit depressiver Stimmungslage 
(in der Anamnese war Lues +) gestellt werden musste, ergab die sero¬ 
logische Untersuchung: Wassermannreaktion im Blut +++, Wasser¬ 
mannreaktion im Liquor 0,2 bis 1,0 ccm +++. Lymphocytuse S3 / 3 , 
Phase I -f~{-. Danach änderte Verf. die Diagnose anf beginnende Para¬ 
lyse. Der Patient machte aus anderen Gründen seinem Leben ein Ende. 
Die Sektion ergab beginnende Paralyse. 

Raven: Serologische and klinische« Untersaehaogea hei Syphi- 
lUikerfamilien. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Unter 117 
untersuchten Syphilitikerfamilien war in 77 pCt. die Familie in Mitleiden¬ 
schaft gezogen. Der primär infizierte Gatte erkrankte häufiger an einem 
syphilogenen Nervenleiden als der sekundär infizierte. Gleichartige Er¬ 
krankungen beider Gatten wurden sehr selten beobachtet. Die sekundäre 
Infektion erfolgte meist latent, wenn der primär infizierte Gatte syphi- 
logen nervenkrank war. Mit manifesten Symptomen verlief die sekundäre 
Infektion relativ häufig dann, wenn der primär infizierte Gatte kein 
syphilogenes Nervenleiden hatte, was für eine Virulenzabnahme der Lues 
bei Passage durch das Nervensystem spricht. Von den Ehehälften der 
primär infizierten Gatten wurden 46,15 pCt. syphilogen nervenkrank, 

24.6 pCt. hatten Wassermann -f- im Blut, und nur 29,25 pCt. blieben 
gesund. Von den Kindern der untersuchten Syphilitikerehen starben 

47.7 pCt. klein oder waren Aborte und Frühgeburten; die übrigen waren 
zu fast Va gesund, über 2 / a krank. Erkrankung der Mutter gefährdet 
die Nachkommenschaft viel mehr als Erkrankung des Vaters. Je schwerer 
die Eltern unter der Lues zu leiden hatten, desto weniger waren die 
Kinder gefährdet und geschädigt. Die zuerst geborenen Kinder sind am 
meisten gefährdet. Bis zu 16 Jahren nach der primären elterlichen In¬ 
fektion wurden geschädigte Kinder gezeugt. Einige Male konnte ein 
syphilogenes Nervenleiden bei der Zeugung geschädigter Kinder als bereits 
vorhanden angenommen werden. 

Meggendorfer: Ueber Syphilis io der Aseendenc tob Deoieatia 
praecox-Kraaken. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Lues ist 
bei den Eltern von Dementia praecox-Kranken ein viel häufigeres Vor¬ 
kommnis, als bisher angenommen wurde. 

Hasche-Klünder: Ein Fall von degencrativer Hysterie im engeren 
Zusammenhänge mit dem Geschlechtsleben und vor allem der Men- 
strnation. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. B—6.) Verf. schildert die 


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1772 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Krankengeschichte eines defekt veranlagten Individuums. Die Genital¬ 
sphäre, vor allem die Menstruation, ruft bei demselben pathologische 
Einwirkungen auf die Psyche und schwere geistige Störungen hervor, die 
in allen Einzelheiten näher beschrieben werden. Die Seelenstörung ist 
als degenerative Form der Hysterie zu deuten. 

A. Saenger: Ueber EusnchoidiBinns. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, 
H. 3—6.) Verf. teilt eine Reihe von Fällen von Eunuchoidismus mit, 
die er ia einem Jahre beobachtet hat. Ausser Veränderungen an den 
Genitalieo war an ihnen keine Alteration der Drüsen mit innerer 
SekretioD, mit Ausnahme eines Akromegaliefalles, festzustellen; ebenso¬ 
wenig bestand ein familiäres Auftreten. Der Eunuchoidismus beruht 
nicht lediglich auf einer Veränderung der Keimdrüse, wahrscheinlich 
spielen dabei Veränderungen der Hypophyse eine Rolle. Die Abder- 
halden’sche Untersuchung lieferte widersprechende Resultate. 

Eichelb erg-Hedemünden: Zur Diagnostik und Therapie der Ge¬ 
hirntumoren. (D. Zscbr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Bericht über 
43 Fälle von Gehirntumoren. In 70—80 pCt. der Fälle ist eine richtige 
Lokaldiagnose zu stellen. Die Zahl der Gehirntumoren, die gut lokalisiert 
werden können, dem operativen Eingriff zugänglich sind und operativ 
radikal entfernt werden können, ist nur sehr gering und höchstens auf 
5 pCt. einzuschätzen. Die meisten Gehirntumoren sind Sarkome und 
Gliome. Sobald eine Lokaldiagnose gestellt werden kann und der Tumor 
zugänglich ist, muss die radikale Entfernung versucht werden. In allen 
übrigen Fällen ist erst interne Therapie (Quecksilber, Jod) zu versuchen. 
Tritt dabei eine Verschlimmerung ein und nimmt die Stauuugspapilie 
zu bzw. die Sehschärfe ab, so muss zur Palliativtrepanation geschritten 
werden. Spezifisch syphilitische Neubildungen sind zunächst mit Queck¬ 
silber und Jod zu behandeln. In den weoigeu Fällen, in denen man 
damit nicht zum Ziele kommt, muss auch hier operativ eingegriffen 
werden. 

Stertz: Die klinische Stellung der amnestischen und transcorti- 
calen motorischen Aphasie und die Bedeutung dieser Formen für die 
Lokaldiagnose, besonders von Hirntumoren. (D. Zscbr. f. Nervhlk , Bd. 51, 
H. 3—6.) Zwischen der Wortamnesie als Symptom und der amnestischen 
Aphasie besteht kein prinzipieller Unterschied. Allgemeine Störungen 
der Hirnfunktion (Benommenheit, Merkiäbigkeits- und assoziative Stö¬ 
rungen) vermögen die amnestische Aphasie nicht hervorzubringen. Die 
letztere ist vielmehr als unabhängig von dergleichen Störungen anzu¬ 
sehen. Sie hat als Lokalsymptom einer Läsion des Sprachgebietes zu 
gelten, und zwar des sensorischen Anteils desselben, und ist lokali- 
satorisch für das Bestehen eines Herdes in der Nachbarschaft der Wer- 
nioke’schen Stelle zu verwerten. Die transcorticale motorische Aphasie 
ist von der amnestischen Aphasie zu trennen und gibt in lokalisatorischer 
Beziehung einen Anhalt für einen Herd in der Umgebung der Broka¬ 
schen Stelle. Beide sind in der Mehrzahl der Fälle nicht als selbständige 
Aphasieformen anzusehen, sondern als Verlaufsstadien von motorisch- 
bzw. sensorisch-aphasischen Störungen. 

Harms: Ueber HypophysengesehwüUte. Ein kasuistischer Beitrag. 
(D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Verf. schildert einen nicht 
operierten Fall von Hypophysengangtumor. Es handelt sich um eine 
anatomisch benigne, cystisch - papilläre Plattenepithelgeschwulst, die 
offenbar von Epithelresten in dem „Fortsatz“ des Hypophysengewebes, 
der am Infundibulum hinaufzieht, ausgegangen ist. Die Hypophyse 
selbst zeigte sich bei der Sektion als intakt. Symptomatisch bestanden 
die Erscheinungen, wie sie bei Tumoren der Kleinhirnbrückenwinkel¬ 
gegend bestehen. 

R. Fleischmann: Zur Lehre von der Myelitis fnnienlaris. Ueber 
heilbare und abortive Formen von Myelitis funicularis. (D. Zschr. f. 
Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Die Myelitis funicularis ist eine Erkrankung 
sui generis, hervorgerufen durch verschiedene Toxine, seien es idio¬ 
pathische, seien es von einem Erreger produzierte. Es kann sich dabei 
um exogene Gifte handeln, wie den Alkohol, oder um endogene Gifte, 
wie lipoide Stoffe, nach Magen- und Darmstörungen, oder Toxine im 
Verlauf von schweren Anämien nach chronischen Kohlenoxydver- 
giftungen usw. Cerebrale Symptome sind dabei als toxische Reizerschei¬ 
nungen ohne organische Veränderungen oder als Erschöpfungserschei- 
' nungen aufzufassen. Differentialdiagnostisch kommt besonders die 
multiple Sklerose in Betracht. Die Prognose der abortiven Formen, die 
besonders nach Alkoholabusus Vorkommen, ist gut. Es kommen weit¬ 
gehende Remissionen vor. 

Luce: Beitrag zur Klinik der Hodenneuralgie. (D. Zschr. f. Nervhlk., 
Bd. 51, H. 3—6.) Verf. bespricht zunächst allgemein die Klinik der 
Hodenneuralgie und schildert dann eine eigene Beobachtung. Wegen 
schwerer Hodenneuralgien war zunächst mit Erfolg die Kastration vor¬ 
genommen worden. 7 Jahre später setzten erneut rasende Schmerzen 
ein mit dem Sitz im Scrotum, Penis und im Bereich der Hinter- und 
Innenfläche der Oberschenkel bis zum Knie. Die Schmerzen führten zu 
Abmagerung und zu Morphinismus. Eine Resektion der rechtsseitigen 
Nn. ileo-hypogastricus und spermaticus externus blieb ganz erfolglos, so 
dass der Verdacht eines Rückenmarktumors entstand. Der Patient ging 
zugrunde, und die Autopsie ergab vor allem eine schwielige Pachy- 
meningitis durch Caries superficialis des 2. bis 4. Lendenwirbelkörpers. 
Tuberkulöse Veränderungen fehlten vollkommen, es müssen die chronisch- 
toxische Reizung der Nervenfasern und die Lvmpbstauung innerhalb der 
Nervenscheiden die Ursache der neuralgischen Zustände gewesen sein. 
Auf den sehr instruktiven Fall sei wegen des nachgewiesenen anatomi¬ 
schen Hintergrundes besonders hingewiesen. 


Nr. 44. 


Handmann: Ptosis und Cataracta neiilin« Bemerkungen über die 
Pathogenese der Cataracta senilis. (D. Zsohr. f. Nervhlk., Bd. 51 H. 3 
bis 6.) Beim subkapsulären Rindenstar nehmen die ersten Linsen¬ 
trübungen in der unteren Linsenbälfte, und zwar in der hinteren Rinde 
unten nasal ihren Anfang, wofür Verf. zwei Erklärungsmöglichkeiten an¬ 
gibt. Ptosis hindert nicht die Entwicklung einer Cataracta senilis in- 
cipiens. Der Lichtwirkung aufs Auge kommt danach kaum ein ausschlag¬ 
gebender Anteil bei der Entstehung des Altersstares zu. Vielleicht spielt 
aber bei diesem eine präformierte oder eine im Alter erworbene anato¬ 
mische oder funktioneile Differenz zwischen oberer und unterer Irishälfte 
eine Rolle. 

Duge: Ein Beitrag zur Kenntnis der Psychosen hei der mlfiplen 
Sklerose des Gehirns und Rückenmarks. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, 
H. 3—6.) Bei der multiplen Sklerose werden ganz besonders das Er¬ 
innerungsvermögen und die Ideenassoziatiouen in Mitleidenschaft gezogen. 
Die SlÖruDgen gehören durchaus zum Symptomenkomplex der Krankheit 
Die multiple Sklerose verursacht eine eigenartige Demenz, die man als 
polysklerotische Demenz bezeichnen kann. 

Trömner: Kleiner Anschluss-Handapparat und Schutzschild für 
Elektroden. (Neurol, Zbl., 1914, Nr. 16 u. 17.) Kleiner Anscblus 9 - 
apparat für Gleichstrom, der die Untersuchung und Behandlung im Hanse 
des Patienten gestattet. Die zweite vom Verf. empfohlene Verbesserung 
kommt der stabilen Galvanisation hautempfindlicher Personen, speziell 
bei überhäDgenden Teilen (Mamma, Scrotum) zugute; ein entsprechend 
geknicktes und gebogenes Zelluloidschildcben ist auf die üblichen Elek¬ 
troden aufgeschraubt. E. Tobias. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

A. Calmann - Hamburg: Zur Anwendung und Erleichterung der 
Laminariadilatation. (Zbl. f. Gyn., 1914, No. 4L) Nach kurzer Ein¬ 
leitung kommt Verf. zu dem Resultat, dass sowohl die brüske, als auch 
die langsame Dilatation ihre Nachteile hat, dass aber die letztere zu be¬ 
vorzugen sei, vorausgesetzt, dass nicht irgendwelche Infektionsgefahren 
vorliegen, welche zu sekundären Infektionen führen können. Endlich isF 
eine rein technische Schwierigkeit zu erwäbneD, nämlich die Frage, wie 
der Stift, wenn er sich einmal in das Innere verkrochen hat, zu ent¬ 
fernen ist. Dies geschieht am besten, indem man den Stilt mit einer 
Klemme und die vordere Muttermundslippe mit einem Muzeux ergreift, 
und letzteren dazu benutzt, um das Uterusgewebe über den Stift zurück¬ 
zuschieben, indem man zugleich an der Klemme zieht. 

K. F. L. Kais er-Amsterdam: Kurzer Rückblick auf die Geschichte 
des Krankheitsbildes der Asthenie- Enteroptose. (Zbl. f. Gyn., 1914, 
No. 41.) Verf. gibt eine Uebersicht über die Literatur, welche darin 
gipfelt, dass die kürzlich von Rovsing vertretene sogenannte chirur¬ 
gische Ansicht die richtige in der weitaus grösseren Anzahl der Fälle sei 
gegenüber der internistischen von Fab er und der alten rein mechanischen 
von Auvard vertretenen. Danach müsse sich auch die Therapie richten, 
auf welche er entsprechend dem Wortlaut seines Themas aber nicht 
näher eingehen will. 

Deppe*. Franenärztliches ans Dentsch-Ostafrika. (Zbl. f. Gyn n 
1914, No. 40.) Im allgemeinen gilt es als feststehend, dass die Frauen¬ 
krankheiten im Tropenklima bei den europäischen Frauen häufiger, bös¬ 
artiger und hartnäckiger sind, als im europäischen Klima. Auch die 
Geburten verlaufen schwerer und sollen mehr durch Blutungen kompli¬ 
ziert sein, wie denn überhaupt alle Arten von Blutungen schwerer und 
häufiger, namentlich mehr durch Anämie und Malaria kompliziert sein 
sollen. Für diese Behauptung werden Daten aus der Literatur angeführt. 
Verf. lebt als Regimentsarzt seit einem Jahr in Tanga, welches sich 
durch ein besonders ungünstiges Klima und durch besonders grosse Ver¬ 
breitung der Malaria auszeiebnet, er kann aber die vorbezeichnete trübe 
Beobachtung nicht bestätigen; er steht vielmehr auf dem Standpunkt, 
den bisher nur wenige Autoren vertreten, dass die Toleranz und An¬ 
passung gegenüber dem Tropenklima eine ziemlich bedeutende, jeden¬ 
falls bei den Frauen keine geringere ist als bei den Männern, auch 
namentlich gegenüber der Malaria nicht, und dass kein Grund besteht, 
dass die Frauen weniger als die Männer in die Tropengegenden ein¬ 
wandern. Diese Tatsache sucht er auf dreierlei Art zu erhärten: Erstens 
bringt er eine Zusammenstellung aller in den letzten 8 Jahren über¬ 
haupt dort bei Frauen vorgekommenen Todesfälle, zweitens gibt er die 
in den Hospitälern von Tanga und Daressalaam beobachteten Frauen¬ 
krankheiten bekannt, und drittens stellt er die iD den letzten 3 Jahren 
stattgebabten Geburten zusammen. Das Resultat der ersten Tabelle ist 
folgendes: Bei einer Durchschnittssterblichkeit von 2,4 pCt. der weissen 
Gesamtbevölkerung besteht nur eine Sterblichkeit der Frauen von 1,6 pCt., 
während sich bei den Männern 2,8 und bei den Kindern 2,6 pCt. ergibt 
In einer zweiten Tabelle werden die 496 Todesfälle nach Häufigkeit und 
Art der Todesursachen, die wieder in Tropen-, kosmopolitische Krank¬ 
heiten, gewaltsame und unbekannte Ursachen eingeteilt werden, zu- 
sammengestellt, mit demselben Resultat, dass nämlich bei den Frauen 
diese nur 10,5 pCt., bei den Männern 76,3 und bei den Kindern J3,2t>Ct. 
ausmachen. Sehr bemerkenswert ist dabei, dass 43,5 pCt. ohne ärztliche 
Behandlung waren. Mit dem Gesamtdurchschnitt der Todesfälle an 
Tropenkrankbeiten bleiben die Frauen um ein Geringes zurück, über¬ 
schreiten dagegen gerade den Prozentsatz ad kosmopolitischen Krank¬ 
heiten. Was speziell die Frauenkrankheiten anlangt, so verhalten sich 


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2. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1773 


die mit Geburten in Zusammenhang stehenden zu den eigentlichen, wie 
5:1. Es starb je eine Frau an Eklampsie, Uterusruptur, Wochenbett- 
Heber, und zwei an Verblutung. Von den letzteren waren 4 ohne Be¬ 
handlung, was deutlich beweist, dass die ärztliche Versorgung in den 
Tropen unzureichend ist. Was die Frauenkrankheiten betrifft, so wuchs 
ihre Zahl in den 8 Jahren zwar um das Sechsfache, es ist dies aber 
durchaus der Zahl der Zuwanderung entsprechend. Es lässt sich weder 
von diesen, noch von den geburtshilflichen Fällen beweisen, dass sie be¬ 
sonders schwer waren. Wenn die Zahl der Aborte erschreckend hoch 
war, so ist das nur darauf zurückzuführen, dass alle in das Krankenhaus 
kamen, die Geburten aber nicht alle. Durch genauere Ausführungen 
wird nun bewiesen, dass im allgemeinen die Zahl und Art der Frauen¬ 
krankheiten nicht anders ist als in europäischen Ländern, nur eine Er- 
scheinuug scheint öfter als in anderen Gegenden vorzukommen, das ist 
der vorzeitige Blasensprung. Es ist dies darauf zurückzufübren, dass die 
Tropenkinder im allgemeinen übertragen sind, wie Verf. näher ausführt. 
Das beruht wiederum auf der grösseren körperlichen Ruhe, welche, wie 
auch Pinard angibt, ganz entschieden die Uebertragung begünstigt, und 
auf einer, in der Mitte der Schwangerschaft auftretenden, gar nicht zu 
stillenden Esslust. Trotzdem werden die Tropenkinder leicht geboren, 
es ist, als ob die überreifen Früchte sich leichter vom Baum pflücken 
lassen. Siefart. 


Augenheilkunde. 

L. Heine-Kiel: Die Höhe des Hirndrnekes bei einigen Angen- 
krnnkheiten. (M.m.W., 1914, Nr. 42.) 1IL Mitteilung. Uvea und 
Meningen (Lumbaldrucksteigerung bei Iritis und Chorioiditis). Fasst man 
die Netzhaut als vorgelagerten Hirnteil auf, so entspricht den Meningen 
die Uvoa. Eine Reizung der Uvea müsste danach auch eine Meningoal¬ 
reizung zur Folge haben, die sich dann in erhöhtem Lumbaldruck äussern 
würde. H. hat nun eine Reihe Patienten mit Uveitis lumbalpunktiert 
(30 Iridooyclitis-, 33 Chorioditisfälle). Von diesen hatten 43 einen 
Lumbaldruck über 150. Dabei zeigten die akuten Prozesse einen 
höheren Druck. Die auffallende Parallelität in den Druckhöhen bei 
Iritis und Chorioiditis sprechen nach H. dafür, dass es sioh um regel¬ 
mässige Wechselbeziehungen zwischen Uvea und Meningen handelt. 

Dünner. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

Pickenback-Berlin: Beitrag zur Milzbranderkranknng in der 
Lederbranehe. (Aerztl. Sachverst.-Ztg., 1914, No. 18.) Verf. benutzte 
das Material der Sektion I der Lederindustrieberufsgenossenscbaft. Von 
1907—1913 wurden daselbst 34 Fälle von Anthrax gemeldet. Vorwiegend 
geben südamerikani9che Schaffelle Veranlassung zur Infektion. Die In¬ 
kubationsdauer betrug in den meisten Fällen etwa 24 Stunden. Am 
häufigsten sitzen die Milzbrandkarbunkel an der linken Hals- bezw. 
Nackenseite. Zum Teil kamen schwere Allgemeininfektionen vor. 
19 Fälle wurden ganz gesund, 15 starben. Ueber die Behandlung herr¬ 
schen verschiedene Ansichten. Einige Autoren sind mehr für exspektative 
Behandlung, andere für energisches chirurgisches Vorgehen. Am wichtig¬ 
sten ist die Prophylaxe. Leider werden von den Arbeitern gewöhnlich 
die geforderten Vorsichtsraaassregeln ausser acht gelassen. 

H. Hirschfeld. 

Gerichtliche Medizin. 

Gabbi-Parma: Ueber die Untersuchung der Spermatozoon in 
den Samenflecken auf dunklen Geweben und im allgemeinen auf dichten, 
kompakten Substraten. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 19.) Die 
Methode beruht darauf, dass nach einer besonderen Präparierung des 
Fleckens ein kleines Stückchen weisser Kattun auf diesen gedrückt wird, 
der etwa vorhandene Spermatozoen ansaugt, die dann nach Färbung 
durch direkte mikroskopische Untersuchung des Kattunstückchens nach¬ 
gewiesen werden können. 

P. Fraenkel-Berlin: Arsenikesser and Arsenvergiftang. (Aerztl. 
o&chverst. Ztg., 1904, Nr. 17.) An der Hand der Literatur erörtert 
Verf. die Frage, inwieweit es möglich ist, eine objektive Unterscheidung 
zu treffen zwischen der Vergiftung oder dem Tode eines gewohnheits¬ 
massigen Arsenessers und denen eines Gesunden infolge Arsens. Ein 
absolut verlässliches Merkmal zur Prüfung des Einwandes chronischen 
Arsengenusses gibt es nicht. 

V. Sury- Basel: Abtreibmgsversneh mit Safrantinktnr. (Aerztl. 
aachverst. Ztg., 1914, Nr. 20.) Dass das Trinken von Safrantinktur ge¬ 
legentlich zu Aborten führen kann, wird behauptet. Die Frage, ob diese 
Droge sich zur Abtreibung eignet, kann nur von Fall zu Fall, unter 
eingehender Berücksichtigung der Krankheitssymptome und des benutzten 
Präparates annähernd entschieden werden. In dem beschriebenen Fall 
wurde der Zusammenhang des Aborts mit der vorher getrunkenen 
oafrantinktur in Abrede gestellt, da alle Vergiftungssymptome fehlten. 

H. nirschfeld. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

#JU . Le PP®ann: Der Krieg ®ud die ärztlichen Sachrerständigen- 
latigkeit. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, No. 19.) Die Sachverstän¬ 
digentätigkeit ruht infolge des Kriegsausbruches fast ganz. Renten¬ 


herabsetzungen oder Aufhebungen sollen auf die Dauer von 3 Monaten 
nicht stattfinden. Aus den Krankenkassen sind zahlreiche Mitglieder 
ausgeschiedeD, die Zahl der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist eine 
geringe. Dagegen hat die Sachverständigentätigkeit des Kriegsarztes 
einen Aufschwung genommen. Für die Unfallheilkunde wie für die 
praktische Hygiene wird der Krieg eine grosse Ausbeute an neuen Er¬ 
fahrungen bringen. 

Meitzer - Freiberg: Die Schätzung der Erwerbsunfähigkeit bei 
Hysterie und den sogenannten traimatischen Nearosen. (Aerztl. 

I Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 19.) Die Beurteilung der Erwerbsbeschränkung 
Hysterischer ist stets nur nach längerer Beobachtung, am besten in 
einer Klinik, vorzunehmen. Es erscheint nicht gerechtfertigt, funktionelle 
Störungen bei Hysterischen eo ipso ebenso hoch zu bewerten wie die 
gleichen organisch bedingten. Als Voraussetzung für eine nach Unfällen 
entstandene Hysterie oder Neurasthenie muss stets ein Unfallereigois 
feststehen, welches als solches eine nachhaltige körperliche oder seelische 
Einwirkung bedingte. Fehlt ein solches Ereignis, so ist die Beschränkung 
der Erwerbsfähigkeit nicht als durch den Uofall, sondern als durch die 
Begehrungsvorstellungen des Kranken herbeigeführt anzusehen und von 
einer Rentenbewilligung abzuraten. 

Haenisch - Stettin: Ist der Schlaf eine Bewusstseinsstörung ? 
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 20) Die meisten Versicherungs¬ 
gesellschaften lehnen die Entschädigung für Unfälle, die während des 
Schlafes passieren, ab. H. hält dieses Verfahren für unzulässig, da der 
Schlaf niemals eine krankhafte Bewusstseinsstörung ist und vertrat diesen 
Standpunkt in einem Gutachten. 

K. Ruhemann - Berlin: Ueber angebliche Beziehungen der 
Rückenmarksschwindsueht mit einer Handverletznng. (Aerztl. Sachverst. 
Ztg., 1914, Nr. 18.) Ein ursächlicher Zusammenhang wurde abgelehnt. 
Die syphilitische Aetiologie in diesem B’alle war offensichtlich. 

H. Hirschfeld. 

MUitär-Sanitätswesen. 

v. Hase-Berlin: Federnde Tragbahre für Bauernwagen und Sanitäts¬ 
automobile. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 15.) Schilderung der Trage, 
der Federfüsse der Trage, des Beladens der Trage, der Beförderung 
mittels derselben auf Bauernwagen, Krankentransportwagen und Sanitäts¬ 
automobilen. 12 Abbildungen. 

Brunzlow-Bonn: Der deutsche Pfadfinderband and die Sanitäts¬ 
offiziere. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 15.) Mitteilungen darüber, wie 
nach zweijähriger Tätigkeit des Verf. für den Pfadfinderbund Weg und 
Ziel sich darstellen zur Mitarbeit der Sanitätsoffiziere im Pfadfinderbund. 

Strauss-Berlin: Ueber Röntgenuntersuchungen in Garnisonlaza¬ 
retten. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 15) Soll der Röntgenuntersuoher 
in den Garnisonlazaretten allen notwendigen Ansprüchen genügen, müssen 
ihm genügend Röhren zur Verfügung stehen. Schilderung der Anforde¬ 
rungen an eine Röntgenröhre. Auslassungen über den Brennfieck auf 
der Antikathode (je grösser der Brennfleck, um so schlechter die Zeich¬ 
nung der Röhre). Zum Röntgenbetrieb sollen stets 7 Röhren zur Hand 
sein; Angaben über die Verwendung der einzelnen. Um ein Durch- 
schmelzen, was bei Röhren mit kleinem Brennfleck leicht vorkommt, zu 
verhüten, wird die Wolfram-Antikathode empfohlen. Mitteilungen über 
das Fernhalten des Schliessungslichtes von der Röhre; am besten ist die 
Glimmlichtröhre zu diesem Zwecke. — Neben den 7 Röhren muss also 
in den Lazaretten mit grösserem Betrieb eine Glimmlichtröhre, ferner 
auch noch eine Drosselröhre, eine Walther- oder Wehnelt-Skala und ein 
Milliamperemeter vorhanden sein. Verf. geht dann auf die Durchleuch¬ 
tungen ein und sagt, dass die Radioskopie und die Radiographie 
zwei absolut gleichwertige UntersuchuDgsmethoden sind, die sich gegen¬ 
seitig ergänzen müssen Betrachten mit offener Blende und mit stärkster 
Abblendung! Anwendung eines Metallfilters oder eines Ziegenlederfilters 
bei Durchleuchtungen! Es folgen Mitteilungen über Röntgenapparate, 
Gleichrichter oder Induktor (zwei völlig gleichwertige Apparate), Ex¬ 
positionszeit, Schnell- und Momentaufnahmen, Anwendung des Ver¬ 
stärkungsschirms, des Orthodiagraphen und über Lehrbücher. 

Schuütgen. 

A. Fraenkel-Wien: Einige allgemeine Bemerkungen zur modernen 
Kriegschirnrgie. (W.kl.W., 1914, No. 39 u. 40.) 

H. Hirschfeld. 

E. v. Behring-Marburg: Indikationen für die serumtherapeutiscbe 
Tetanisbekämpfnng. (D.ra.W., 1914, No. 4L) Die Indikationen für 
die Therapie und Prophylaxe ergeben sich aus der Erkenntnis über die 
Entwickelung des Tetanus. Das Tetanusgift muss auf dem Wege der 
motorischen Nerven zum Rückenmark gelangen. Das Toxin kann dabei 
allerdings den Umweg über die Blut- und Lymphbahn nehmen; d. h. 
an der Stelle der Infektion und deren Umgebung bildet es sich und 
geht nun unter der Benutzung der nächsten Blutwege zum Nerven. 
Wird in dieser Zeit oder sogar noch vorher das Antitoxin subcutan in¬ 
jiziert, so kann es das Toxin, ehe es zum Nerven gelangt, entgiften. 
Daraus ergibt sich, dass subcutane Einspritzungen nur prophylaktisch 
in Frage kommen. Wandert das Gift schon im Nerven, so käme nur 
eine Injektion in den Nerven in Betracht. Einen solchen Fall hat v. B. 
beobachten können, bei dem die neurale Injektion tatsächlich half. — 
Verf. empfiehlt für die Behandlung der Wunden mit übelriechendem Sekret 
Jodoform in grobkristallinischer Gestalt, und für gutartig aussehende 


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1774 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


Wunden die Irrigation mit Jodtrichloridlösung (0,1—-0,5 pCt.). — Analog 
dem Diphtheriserum wird jetzt ein antitoxisches Tetanusserum hergestellt. 

Groenouw-Breslau: An gen er Kränkungen im Kriege. (D.m.W., 
1914, No. 41.) Therapeutische Anleitung zu den alltäglich vorkommenden 
Augenerkrankungen. Grössere Verletzungen sollen womöglich unan¬ 
getastet, mit einem Notverband versehen, einem Ophthalmologen über¬ 
wiesen werden. 

Dieck-Berlin: Die Aufgabe der Zahnärzte im Felde. (D.m.W., 
1914, No. 41.) Dünner. 

Heu sch-Strassburg i. E.: Der Einiluss des Alkohols im Balkan¬ 
kriege. Sammelbericht. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 16u.l7.) Aus dem, 
was an einwandfreien Berichten vorliegt, kann der unbefangene Forscher 
auf dem Gebiete des Alkohols die dringende Notwendigkeit der Enthalt¬ 
samkeit von alkoholischen Getränken für den Soldaten von heute als 
eine Vorbedingung für den Erfolg in einem künftigen Kriege zur Genüge 
dartun. Zum mindesten ist es im Kriege selbst ratsam, ganz auf den 
Alkohol zu verzichten. Besser noch ist es freilich, mit abstinent er¬ 
zogenen Truppen ins Feld ziehen zu können. Es konnte festgestellt 
werden, dass abgesehen von den streng nach dem Koran lebenden Türken 
auch unter den anderen Balkanvölkern eine Abstinenzbewegung im 
Werden begriffen ist, besonders bei den Serben. 

Tichy-Lissa a. d. Elbe: Militärärztliche Literatur in den Jahren 
1750—1850. Beitrag zur Geschichte der Medizin. (D. militärztl. Zschr., 
1914, H. 16 u. 17.) Verf. übergibt ein Verzeichnis zahlreicher Werke aus 
dem Gebiete der Militärmedizin aus dem genannten Zeitraum der Oeffent- 
lichkeit, für dessen Vollständigkeit er nicht garantieren kann. Es sind 
grösstenteils Werke, die in Deutschland und Oesterreich erschienen sind. 

Schnütgen. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. 

Sitzung vom 16. Oktober 1214. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Gatscher stellt einen russischen Kriegsgefangenen vor, welcher 
Lähmungen infolge einer im Schädel sitzenden Kugel zeigt, die vom 
Rücken in den Schädel eingedrungen ist. 

Patient erlitt am 8. September im Gefecht zunächst einen leichten 
Streifschuss am linken Oberarm, hierauf einen Schuss in den Rücken. 
Er bekam sofort heftigen Schwindel und blieb V 2 Stunde bewusstlos. 
Als er ins Garnisonspital gebracht wurde, klagte er über Schwindel¬ 
gefühl und dumpfen Kopfschmerz, er hatte Erbrechen und Bradycardie 
von 50 Pulsen, Abduceosparese und eine leichte Lähmung des Mund- 
facialis auf der rechten Seite, motorische und sensible Störungen am 
linken Arm, ziemlich hochgradige Stauungspapille mit retinalen Blutungen 
auf der linken Seite. Das Projektil wurde durch die Röntgenaufnahme 
in der linken hinteren Schädelgrube, dem Basalteil anliegend und mit 
der Spitze gegen die Flugrichtung gerichtet, festgestellt. Am Schädel 
war nirgends eine Einschussöffnung zu konstatieren, man muss daran 
denken, dass das Projektil vom Rücken, unter der Haut verlaufend, in 
die Schädelhöhle eingedrungen ist. Die Erscheinungen von seiten des 
Facialis und Abducens sind etwas zurückgegangen, die Störungen am 
Arm bestehen noch, ebenso die Stauunpspapille, die links bestehende 
Hemianopsie hat an UmfaDg zugenommen. Es besteht die Gefahr einer 
Senkung der Kugel gegen die Medulla oblongata. Bei dem Patienten 
wird in einigen Tagen die Kugel extrahiert werden. 

Hr. v. Eiseisberg stimmt zu, dass eine Indikation zur Operation 
vorliegt, da die Gehirnsymptome eine Progredienz zeigen. Um solche 
Projektile bildet sich io der Mehrzahl der Fälle ein Erweichungsherd 
und später ein chronischer Abscess. 

Hr. Schwarzwald demonstriert Röntgenaufnahmen eines Falles, bei 
welchem eine Schrnpnellkngel in der Blase liegen blieb. 

Pat. wurde in der rechten Lendengegend durch einen Schuss ver¬ 
letzt, er hatte nur eine einmalige Hämaturie, und die Blasen Verletzung 
wurde übersehen. Erst später traten Blasenbeschwerden auf. Die 
Röntgenuntersuchung ergab, dass die Kugel sich in der Blase befindet. 
Sie wird operativ entfernt werden. Vortr. erinnert an einen analogen 
Fall, den er im Vorjahre demonstriert hat. Es handelte sich um eine 
Schrapnellkugel, welche in die Blase eingedrungen war, und Hämaturie, 
sowie Harn beschwerden verursacht hatte. Die wahre Natur der Ver¬ 
letzung wurde erst nach längerer Zeit erkannt und die Kugel extrahiert. 
Patient ist seither gesund. 

Hr. v. Eiselberg bemerkt, dass die Blase offenbar stark muskulös 
und kontrahiert war, so dass die Kugel im Ianern liegen blieb. Er 
hat einen ähnlichen Fall beobachtet, bei welchem ein Projektil durch 
die Bauchdecken in den Mastdarm eindrang und mit den Fäees entleert 
wurde. _ 

Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.) 

Sitzung vom 20. Oktober 1914. 

Vor der Tagesordnung. 

Zur Behandlung des Aneurysmas. 

Hr. Unger berichtet über 4 Fälle von Aneurysma der Femoralis 
bzw. Brachialis, in denen es ihm glückte, durch Resektion des Sackes, 


Ersatz des Defektes durch die Vena saphena oder durch Gefässnäbte die 
Extremität zu erhalten und die Brauchbarkeit derselben wiederherzu¬ 
stellen. Der letzte Fall (Aneurysma der A. brachialis) ist noch in der 
Heilung begriffen. 

Tagesordnung. 

Psychosen and Krieg. 

Hr. Bonhoeffer: Nach Ansicht der Laien bringt der Krieg eine Zu¬ 
nahme der geistigen Störungen mit sich; das soll sich sowohl auf das 
Heer wie auf die mit Sorgen erfüllte heimische Bevölkerung beziehen. 
Diese Laienansicht ist bedingt richtig. Die starken Affektstösse waren 
nicht ohne Wirkung auf die Psyche des Volkes; letztere geriet zeitweise 
in eine fast pathologische Tätigkeit. Man denke an die Spionenfurcht 
und die Sage vom Goldschatz. Zweifellos muss die Volkserregung neben 
dem Grossen, das sie hervorbringt, bei grosser Steigerung über die Grenze 
des Normalen hinwegfluten. 

Die Stimmung auf der Strasse zeigte, was man „überwertige Ideen“ 
nennt. Die Folge ist gesteigerte Hervorhebung der Eigenbeziehungen 
und Erinnerungsfälschung. Es resultiert eine Fülle von Missdeutungen 
der harmlosesten Erscheinungen. Der Zustand erinnert an Beziehuogs- 
wahn. Von drei „Spionen“ war der erste entsprecherd behandelt worden, 
weil er auf eine Mauer geklettert war, um in einen Kasernenhof zu 
schauen; er war imbecill; der zweite war ein harmloser polnischer 
Jude, der im Auto festgehalten wurde, weil er die grösste Angst zur 
Schau trug. Ein dritter war viel auf Reisen und trug viel Geld bei 
sich. In dasselbe Gebiet gehört die Leichtigkeit, mit der sich im Publikum 
Gehörtes bald umgestaltet und einen der herrschenden Idee entsprechen¬ 
den, mit dem ersten kaum verwandten Inhalt annimmt. Zum Beispiel 
die Niederlage der Franzosen bei Mülhausen führte zu dem Falle 
Beiforts. 

Der Affekt verdrängt leicht altes und fügt neues zu; er fälscht 
negativ und positiv. Die Verdrängung erklärt auch die fremdländische 
Berichterstattung, ohne dass man an bewusste Lügen zu denken braucht. 

Diese Einwirkung des Krieges auf das Affektgleichgewicht der Masse 
zeigt sich auch beim Heere. Auch die Einzelreaktionen der Menschen 
sind auf Desequilibrierung zurückzuführen. Vortr. sah bisher 75 Soldaten 
mit psychischen Symptomen. Davon handelte es sich bei 53,3 pCt. um 
psychopathische Konstitution, weniger um chronischen Alkoholismus, weit 
weniger um Schizophrenie, progessive Paralyse, Epilepsie, symptomatische 
Psychosen und organische Hirntraumen. Dass Epilepsie und Delirien 
durch die Kriegsunruhen ausgelöst werden können, erscheint begreiflich. 
Bemerkenswert sind aber die Alkoboldelirien der Reservisten und Land¬ 
wehrleute; aus dem Zivilberuf herausgerisseD, duroh die laDge Eisen¬ 
bahnfahrt erregt und plötzlich des Alkoholkonsums beraubt, geraten sie 
leicht in Delirien. Das war in den ersten Tagen der Mobilmachung. 
Seither kam nur ein einziger hinzu. Kein aktiver Soldat wurde ein¬ 
geliefert. Der chronische Alkoholismus tritt eben erst im Iandwebr- und 
laodsturmpffichtigen Alter auf. Bei Epilepsie waren zum Teil gar keine 
Anfälle vorausgegangen. Die „Feldzugsepilepsie“ ist auch im russisch- 
japanischen Kriege von Attokratow beschrieben worden. Die Fälle 
haben gute Prognose. Es ist Affektepilepsie« Stieda glaubt, dass der 
Krieg einen beschleunigenden Einfluss auf die progressive Paralyse habe. 
Hier bestanden die Fälle schon durchweg. 

Wichtig ist vor allem das Ueberwiegen der psychopathischen Kon¬ 
stitution. Es sind nicht eigentliche Geisteskranke, sondern Menschen, 
die auf Grund endogener Anlage die normale Anpassungsfähigkeit ver¬ 
missen lassen. Affekte, Wünsche, Befürchtungen, Traumen, Erkrankungen 
und die Nötigung in einen neuen sozialen Rahmen erzeugen dann leicht 
pathologische Reaktionen. Immerhin waren es Leute, die bisher gröbere 
Erscheinungen nicht gezeigt hatten, deren Vorleben aber von vornherein 
die Kriterien der psychopathischen Konstitution ergab. Manchmal ge¬ 
nügte schon die LoslösuDg aus den gewohnten Verhältnissen oder die 
Einreihung in das Heer, manchmal der Anblick eines Verwundeten¬ 
transportes, Märsche, Verwundungen, die Erregung der Schlacht, Alkohol¬ 
exzesse, Verweise der Vorgesetzten, Uebernahme einer neuen verantwort¬ 
lichen Stellung; die Reaktion besteht in hysterischen Anfällen, Läh¬ 
mungen, Schmerzen ohne Befund oder hysterischen Delirien mit phan¬ 
tastischen Erlebnissen von Verletzungen, Ueberfällen, Betäubungen; dann 
kommen epileptoide Wut-, Angstzustände, Dämmerzustände, pathologische 
Verstimmung vor. Sie sind meist nur von kurzer Dauer. 

Der Krieg bringt die psychopathische Konstitution schnell zur Aus¬ 
scheidung. Das ist nichts Neues. Schon im Frieden scheidet die 
Heeresverwaltung solche Instablen, deren Anamnese belastet ist, gern 
aus. Die Feststellung der psychisoh Labilen liegt einem hervorragenden 
Spezialisten unter den Militärärzten ob. Diese schärfere Auslese kenn¬ 
zeichnet sich auch durch den Anstieg der Kurve der Geisteskranken im 
Heere; im Oktober und November verdoppelt sich ihre Anzahl, weil die 
Rekruten eingestellt werden. 

Die Entwicklung der Reaktion steigt mit der Stärke der Strapazen. 
Der Krieg bringt die im Frieden noch anpassungsfähigen Individuen aus 
dem Gleichgewicht. Schlafentziehung, dauernde Affektspannung u. a. 
wirken auch ohne Disposition der psychopathischen Konstitution ähnlich. 

Zu denken ist auch an die Wesensveränderung im Anschluss an 
Kopfverletzungen. Die stärkere Anhäufung solcher Fälle gleich im An¬ 
fänge des Krieges findet auch darin eine Erklärung, dass die Mobil¬ 
machung eine grosse Zahl der Strapazen entwöhnter Menschen ins Feld 
bringt, die dann bei Anstrengungen leichter versagen. Daher hatte 
Vortr. bisher nur 5 aktive Soldaten unter seinen Fällen. 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 




2. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1776 


Hit dem Fortgänge des Krieges werden sich die Zahlen verschieben. 
Die symptomatischen Psychosen sind toxischen Ursprungs nach Infek¬ 
tionskrankheiten. Begleitdelirien sah Yortr. bis jetzt in geringem Ma&sse 
bei septischen Delirien. Noch sah er keine Psychosen nach Kopfver¬ 
letzungen, keine Amentiabilder. Sie kommen erst in späteren Stadien 
in die Reservelazarette. Vielleicht bleiben die Seuchenpsycbosen uns 
überhaupt erspart. Auch schwere Erschöpfungszastände sah Yortr. bis¬ 
her nicht. 

Immerhin wird bestätigt, dass den Chirurgen mehr als bisher Fälle 
mit Ueberempfindlichkeit gegen Licht und Geräusche, mit emotioneller 
Weichmütigkeit gegen kleine Maassnahmen, starker Unlust und Gereizt¬ 
heit, die mit schlechtem Schlafe verbunden sind, zugehen. Dazu kommen 
lebhafte Träume, die in den wachen Zustand mitgenommen werden. 

Gibt es Kriegspsychosen? Eine spezifische Einheit bilden sie nicht. 
Aber der Inhalt ist im Kriege mit Kriegsvorstellungen erfüllt. In einer 
Richtung ist charakteristisch das Auftauchen der psychopathischen Kon¬ 
stitution. Das Leben im emotiven Moment, die Erschöpfungen werden 
die Krankheitsbilder als Kriegspsychosen zum Vorschein bringen. Atto- 
kratow beschrieb neurasthenische Psychosen, die mit unruhigem Schlaf 
beginnen und zu Depression mit starkem Ausfall an Initiative, Angst¬ 
gefühlen führen. Kriegserlebnisse, Stöhnen der Verwundeten, Anblick 
der Granaten und andere nächtliche Sinnestäuschungen werden als 
Träume erkannt; manchmal geht die Kritik verloren. Nach 8 Tagen 
erfolgt Besserung, nach 4 Wochen Heilung. Vortr. sah nur einen Kranken 
der Art bisher; er war belastet, erkrankte auf dem Marsche mit Krämpfen. 
Er zeigte Angst, Drängen ohne Desorientierung, keine Benommenheit, 
aber Denkhemmung und Schlaflosigkeit, Zittern und Zucken bei der 
Prüfung der Reflexe. Nach 4 Tagen Bettruhe nahm die Angst ab, das 
Gewicht zu. Die Rückerinnerung war gut. Nach 19 Tagen war er ge¬ 
heilt. Aber solche Bilder werden auch im Frieden beobachtet. 

Die hysterischen Syndrome haben alle eine gute Prognose im Ver¬ 
gleich zur Rentenhysterie. Es fehlen eben die Momente, die für eine 
lange Dauer des Leidens wirksam sind. 

Während des Krieges ist ein grosser Teil der Männer im Heere; 
1,5 pM. der Soldaten sind in der bayrischen, preussischen und öster¬ 
reichischen Armee geistig gestört; das ist weniger als bei der Gesamt- 
bevölkerung mit 2,3 pM. Die französische Armee steht nur scheinbar 
günstiger. Denn wesentlich ist bei uns die scharfe Auslese, weil wir 
einen grossen Ueberschuss haben. Die Franzosen schieben alle Straf¬ 
soldaten usw. nach Afrika ab. 

Eigentümlich ist dio englische Kurve; sie zeigt während des Buren¬ 
krieges einen starken Anstieg. Seitdem besteht dauernder Rückgang. 
Aehnlich ist das Verhalten der Statistik der Geistesstörungen im deutsch- 
französischen Kriege bei uns. Die höchste Ziffer fand sich 1872 nach 
dem Kriege; zum gleichen Ergebnis kommt Stier für den Feldzug der 
Amerikaner gegen Spanien. Der russisch-japanische Krieg brachte nach 
Attokratow eine Zunahme von 0,7 pM. auf 1,9 pM. Der Anstieg scheint 
erst gegen Ende des Krieges zu beginnen. Die Ursachen sind wohl ver¬ 
schieden. Das Ausbleiben der Steigerung im Kriegsbeginn liegt wohl 
daran, dass viele Reaktionen nicht unter ihrer Rubrik geführt werden. 
Sie gehen als Kontusion, Prellschuss, während der somatische Befund 
nur gering ist. 

Im Aufmarsch werden die Störungen von den Aerzten nicht genau 
gebucht; denn die Verwundungen stehen gebieterisch im Vordergrund. 
Am Kriegsende wirken aber steigende Erschöpfung und UeberanstreDgung 
mit. Dann wird nicht mehr mit der peinlichen Auswahl vorgegangen, 
so dass mehr Labile eingestellt werden. Der Anstieg nach dem Krieg 
beruht wohl auf den Faktoren der Erschöpfung und findet sich auch 
bei der heimischen Bevölkerung. Der Verminderung während des Krieges 
folgt hier der Anstieg nach dem Kriege. Hier sind wohl äussere Gründe für 
ersteres maassgebend, wie Einschränkung der Aufnahme Geisteskranker 
in die Anstalten wegen der Inanspruchnahme des Personals durch den Krieg, 
dann finanzielle Momente, zuweilen Entdeckung erst nach der Rückkehr. 
Die feinere Diagnostik tritt gegenüber den Notwendigkeiten des Krieges 
zurück. Sicher hat eine Zunahme statt, wahrscheinlich ist sie nicht 
gross. Die Mobilmachung bringt zunächst einen Anstieg über den 
Durchschnitt; es folgt eine kurze Senkung und mit der Einziehung der 
älteren Jahrgänge eine Steigerung, die sich nach dem Kriege noch 
fortsetzt. 

Die Behandlung ist im Kriege praktisch wichtig bei dem grossen 
Material. Fast ausnahmslos sind es kurzdauernde Fälle : daher sollen sie 
nicht zu weit von der Front entfernt werden. Es ginge zu weit, jede 
Krise, jeden Weinkrampf allzuernst und als pathologische Reaktion zum 
Anlass der Dienstunbrauchbarkeit zu nehmen. Ausschlafenlassen bringt 
die Leute wohl meist in Ordnung. 

Wo aber Kranke schon auf die ersten Vorgänge stark reagieren 
und eine psychopathische Konstitution mit Willensschwäche zeigen, ist 
aie Sache anders. Hier wird die Rückkehr zur Front neue Zufälle zur 
Folge haben. Sie müssen schnell heimgesandt werden, auch wenn man 
einmal einen Simulanten unterstützt. Sie sind fast ausnahmslos zu¬ 
gleich Psychopathen; schwer ist die Unterscheidung, was sie Vortäuschen 
uod was Autosuggestion ist. Der Menge nach spielen sie nur eine ge¬ 
ringe Rolle; 1910 kam auf 100 000 Mann ein Fall, der kriegsrechtlich 
wegen Simulation bestraft wurde. 

Bedeitnng md Verhütung der Geschlechtskrankheiten im Felde. 

• . ^ r .‘ k® 88 «: Die Zahl der geschlecbtskranken dienstunfähigen Soldaten 
lst gering. Ihre Bedeutung ist aber nicht gering. Jeder Mann gilt im 


Kriege. Diese Gefahr besteht in jedem Kriege; ihre Beseitigung ist 
wichtig. Vor allem die akut entzündlichen Erscheinungen an den 
Genitalien heben die Marschfähigkeit auf, Gonorrhöe und Ulcus molle; 
die Syphilis nur so weit, als Erkrankungen an den Genitalien vorhanden 
sind, Primäraffekt, nässende Papeln an Genitale und After. Tripper 
und Ulcus molle kommen häufiger vor und machen den Mann regel¬ 
mässig marsch unfähig; bei Gonorrhöe besteht die Gefahr der Steigerung 
der Harnröhrenentzündung und der Komplikationen an der Pars posterior, 
Blase, Prostata und Nebenhoden. Letzteres lähmt bei hohem Fieber 
selbst die grösste Energie. Seltener sind gonorrhoisohe Allgemein- 
infektion, Tripperrheumatismus und Conjunctivalblennorrhöe. Auch bei 
Ulcus molle kann entzündliche Phimose, Paraphimose und gar Bubo 
marschunfähig machen. Auch bei Syphilis können der Primäraffekt 
sowie nässende Papeln wegen der Unmöglichkeit der Säuberung zu Ent¬ 
zündung und Schwellung führen. Auch die nässenden Papeln zwischen 
den Zehen können den Soldaten dienstunfähig maohen. Dazu kommt 
besonders hier die Gefahr der Uebertragung auf die Kameraden durch 
Trinken aus demselben Gefäss; Lippenaffekte folgen. 

Sind die Geschlechtskrankheiten bei den Kriegern häufig? Das 
deutsche Heer hatte 1870/71 einen Zugang von 33 538 Geschlechts¬ 
kranken; das ist ein Armeekorps, das während einiger Wochen, zum 
Teil länger marsch- und kampfunfähig ist. Der Zugang betrug 3,7 pM. 
im Monat oder 44,3 pM. im Jahre. Im ganzen Feldzuge betrug er 
45,9pM.; im Frieden, 1872, 43,3pM. Von da an hat die Erkrankungs- 
sahl durch Belehrung und Warnung abgnommen; 1907 betrug der Zu¬ 
gang nur 18 pM. 

Besondere Umstände beeinflussen die Frequenz. Die Ostasien- 
Expedition von 1900/1901 brachte den Deutschen einen erheblichen Zu¬ 
gang von 140 pM.; beobaohtet wurden 58,7 pCt. Tripper, 27,4 pCt. 
Ulcus molle, 4,2 pCt. Bubo und 7,9 pM. Syphilis. Bubo und Ulcus 
machten zusammen ein Drittel der Gesamtheit aus. Die Frequenz des 
Ulcus molle wechselt sehr. Die Steigerung beruht oft auf dem Zuzug 
vieler Menschen zu den Städten. 

Die einzelnen Phasen der Infektion 9ind jm Kriege zu sondern. 

Im Beginne fördern Aufregung und Alkohol die sexuelle Erregbarkeit; 
die Eingezogenen kommen vom Lande in die Städte zu den Prostituierten. 
Die Verordnung des Berliner Polizeipräsidenten betreffs Entfernung der 
Kellnerinnen aus den Kneipen innerhalb 24 Stunden ist mit Freuden zu 
begrüssen; sie kam aber zu spät; sie hätte zugleich mit der Mobil¬ 
machung erlassen werden müssen. Im Feldzuge ist die Versuchung für 
den Soldaten da, wo er im Quartier liegt, vor allem in den grösseren 
Städten des In- und Feindeslandes, gegeben; sie ist zuweilen sehr gross. 

In Ostasien lagen in der Nähe der Tientsiner Kaserne der Deutschen 
20 Bordelle, die fast alle mit Europäerinnen besetzt waren. Daher be¬ 
trug der Zugang an Geschlechtsleben 140 pM.! 

Vortr. beobachtete in der Charite im August und September d. J. 

44 Soldaten; 11 waren aktiv, 83 eingezogen. Von den Aktiven waren 
7 vor dem 30. Juli erkrankt, von den Eingezogenen 16 vor, 16 nach 
diesem Tage. Also die Hälfte der letzteren zog sich infolge der oben 
bezeichneten Gefahren die Infektion innerhalb 5—6 Wochen zu. Von 
ihnen hatten sich 10 bei Dirnen infiziert; 6 hatten sich in Berlin, 8 in 
anderen grossen, 6 in kleineren Orten infiziert; also die meisten Infek¬ 
tionen finden in grossen Städten statt. 

Ist es möglich, bei Kriegern eine Behandlung durohzufübren? 
Neisser bat das bejaht und die Behandlung der Lues mit Mercinol 
und Neoaalvarsan empfohlen; bei Tripper sei sie bedenklich. Immerhin 
sei eine Abortivkur zu erstreben. Vortr. stimmt dem nicht zu. Bei 
Leuten, die lange in einer Stadt liegen, ist die Kur durchführbar, aber 
nur im Lazarett. Aber auf dem Marsch und im Gefecht ist das alles 
unmöglich. Richtig allein bleibt, die Kranken ins Lazarett zurückzu¬ 
schicken. Das ist bei der grossen Zahl der Kranken nicht bedeutungs¬ 
los. Die Behandlung kann sie nur schnell verkleinern. 

Die Prophylaxe ist das einzige Mittel, diesen Schaden zu ver¬ 
mindern, sowohl die persönliche wie die allgemeine. Belehrung und % 
Warnung nützt nicht viel; wichtiger sind lokale Maassnahmen. Das 
Kondom, das beste, aber nicht absolute Schutzmittel, sollte trotz ethischer 
Bedenken den Leuten von den Lazarettgehilfen verabreicht werden. 
Denn im Kriege kommt es auf jeden Mann an. Scbjerning sagte noch 
im Frieden: „Die Einzelprophylaxe hat nooh keine Erfolge zu verzeichnen, 
ist aber im Auge zu behalten.“ Wieviel mehr gilt das Wort im Kriege? 
Allgemeine Prophylaxe muss sofort bei der Mobilmachung einsetzen. 
Ueberall, in den grossen Städten ist bei Anhäufung von Soldaten die 
Provokation durch Dirnen zu verbieten; die Animierkneipen sind auf¬ 
zuheben. Wie weit das Ausgehen aus der Kaserne zu untersagen ist, 
ist noch strittig; jedenfalls sollte es in den Abendstunden und in den 
letzten Tagen vor dem Ausmarsoh verboten werden; strenge Ueber- 
wachuDg der Dirnen in den grossen Städten und bei grösseren Truppen¬ 
massen ist im In- und Feindeslande vonnöten. Die bestehende zivil¬ 
ärztliche Ueberwaohung soll weiter geführt werden. Mode. 

Kriegsmedizinische Abende 

des naturhistorlsch-medlzlnischen Vereins so Heidelberg* 
Sitzung vom 14. Oktober 1914. 

Hr. Dilger: Gefttssverletzungen im Kriege ud ihre Beh&ndliig. 

Durch kleiokalibrige Gesohosse hervorgerufene Verletzungen der 
Gefässe erfordern in der Mehrzahl der Fälle kein Eingreifen am Haupt- 


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Original frn-m 

UNIVERSITÄT OF IOWA 



1776 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


Verbandplatz, denn die anfängliche Blutung steht im allgemeinen von 
selbst. Durch sekundäre Folgen — Aneurysmen und SpätblutuDgen — 
wird man häufig zum Eingriff gezwungen. Was die Diagnose des Aneu¬ 
rysmas anbetrifft, so können das Schwirren und das Fehlen des Pulses 
in den peripheren Partien im Stich lassen; oft legt erst die Auscultation 
den Verdacht eines Aneurysmas nahe. Unter Umständen bietet das 
Aneurysma das klinische Bild eines Abscesses und wird erst während 
der Operation erkannt. Einige französische Chirurgen empfehlen die 
konservative Behandlung der Aneurysmen mittels Kompression; die 
Mehrzahl der Chirurgen verlangt ein operatives Eingreifen, und zwar 
Ligatur oder Gefässnaht. Ein russischer Autor hat eine Probe zur 
Prüfung des Collateralkreislaufs angegeben: wenn der Blutdruck, ge¬ 
messen nach Riva-Rocci, nach einer provisorischen Kompression des 
zuführenden Gefässes nicht unter 30 heruntergeht, so ist das ein 
Zeichen, dass der Collateralkreislauf genügend ausgebildet ist und in¬ 
folgedessen nach der Ligatur des Gefässes, an welchem sich das Aneu¬ 
rysma gebildet hat, keine Gefahr einer Gangrän der betreffenden Ex¬ 
tremität droht. Dieses Zeichen ist nicht absolut zuverlässig, denn es 
wurde Gangrän auch in solchen Fällen beobachtet, wo der Blutdruck 
höher als 30 war. Ueber den Zeitpunkt der Operation gehen die An¬ 
sichten der Autoren auseinander. In den ersten Tagen nach der Ver¬ 
letzung ist die Ausbildung des Collateralkreislaufs noch ungenügend. 
Wenn die Venen verletzt sind, dann kann bei zu langem Zuwarten die 
enorme Stauung zu Gangrän führen. Die besten Resultate werden er¬ 
zielt, wenn man 3—4 Wochen nach der Verletzung eine doppelte Unter¬ 
bindung des verletzten Gefässes ausführt und die Exstirpation des 
aoeurysmatischen Sackes anscbliesst. Die Gefässnaht ist im allgemeinen 
entbehrlich; am meisten Berechtigung hat sie bei Verletzungen der 
Arteria poplitea und der Arteria tibialis posterior, da in diesen Fällen 
nach der Unterbindung der genannten Gefässe häufig Gangrän beob¬ 
achtet wird. 

Hr. Yoelcker: Praktische Erfahrungen über Ge fassVerletzungen. 

Spätblutungen bei Aneurysmen entstehen dadurch, dass der primäre 
Thrombus oder das primäre, das verletzte Gefäss umgebende Hämatom 
allmählich resorbiert wird. Bei eiternden Wunden kommt die Arterien¬ 
naht nicht in Betracht. Für die Unterbindung in loco besteht dasselbe 
Bedenken wie für die Gefässnaht: infolge der Eiterung kann sich die 
Naht loslösen und auf diese Weise eine erneute Blutung hervorrufen. 
Bei Spätblutungen, also in Fällen, in welchen es sich meistens um 
eiternde Wunden handelt, ist daher die Unterbindung am Orte der 
Wahl den anderen Methoden vorzuziehen. 

Diskussion. 

Hr. Schmidt berichtet über einen Fall von Aneurysma der Arteria 
brachialis, in welchem die Gefässnaht mit Erfolg ausgeführt worden ist. 

Hr. Schneider demonstriert ein Aneurysma der Halsgefässe. Dieses 
stammt von einem Soldaten, welcher durch ein Schrapnell an mehreren 
Stellen verletzt worden ist. Einige Wochen nach der Verletzung stellten 
sich Blutungen aus dem Munde ein, bald darauf machte sich eine Vor¬ 
wölbung ober- und unterhalb der gebrochenen rechten Clavicula be¬ 
merkbar. Zugleich wurden Temperatursteigerungen und Heiserkeit fest- 
gestellt. Der Tod erfolgte plötzlich. Die Obduktion ergab, dass die 
rechte Art. vertebralis vollständig abgerissen war und an der Wand der 
Art. tbyreoidea inf. sich ein Aneurysma spurium gebildet hat. 

Hr. Czerny berichtet über einen Fall von Varix aneurysmaticus 
zwischen der Art. carotis und dem Bulbus venae jugularis, entstanden 
durch einen Schrapnellschuss. Bei der Operation gelang es, den Sack 
zu isolieren, er platzte aber und die profuse Blutung konnte nur müh¬ 
sam gestillt werden. Es wurden Ligaturen ober- und unterhalb der 
Kommunikationsstelle angelegt und die blutende Stelle mit Seidennaht 
umstochen. Nach 8 Tagen stellten sich wieder Blutungen ein, weil die 
Ligatur abgerutscht ist; sie musste nochmals angelegt werden. In An¬ 
betracht der extremen Anämie wurde eine Bluttransfusion angeschlossen. 
Die anfangs deutlich ausgesprochenen Symptome einer Encephalomalacie 
gehen allmählich zurück. 

Sekundäre Nachblutungen sind im Jahre 1870 viel häufiger beob¬ 
achtet worden als in dem jetzigen Kriege, was wohl hauptsächlich auf 
die mangelhafte Asepsis während des damaligen Feldzuges zurückzu¬ 
führen ist. 

Hr. Kümmel berichtet über einen Fall von Aneurysma der Art. 
femoralis, in welchem die Blutung nach der Ligatur ober- und unter¬ 
halb des Sackes nioht aufbörte; wie es sich nachträglich herausstellte, 
stammte sie von der Art. circumftexa ilei. Heftige neuralgische Schmerzen 
können das einzige Symptom eines Aneurysmas sein und sollen daher 
den Verdacht einer Gefäss Verletzung nahelegen. 

Hr. Ernst: Naeh den Gefässverletzuogen bildet sich ein primäres 
perisaculares Hämatom, welches sekundär duroh den Blutstrom aogebohrt 
wird; auf diese Weise entsteht ein Fibrinbelag an der Innenseite des 
Sackes, es handelt sich also um einen sogenannten Absoheidungsthrombus. 
Durch dauerndes Nachbohren wird die schlecht ernährte Intima nekro- 
tisoh, und so entstehen die sekundären Nachblutungen. 

Halpern. 


I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechsel¬ 
krankheiten zu Bad Homburg v. d.H. 

vom 23. bis 25. April 1914. 

(Berichterstatter: Dr. K. Reicher, Bad Mergentheim.) 

(Fortsetzung.) 

2. Sitzung am 24. April 1914. 

II. Referat. 

Hr. G. Rosenfeld - Breslau: Wandlungen in der Behandlung 
des Diabetes. 

Vortr. bespricht zunächst die Frage der Alkoholaufuhr bei Keton- 
urie. Nach seinen Versuchen wirkt der Alkohol nicht spezifisch, sondern 
bloss indirekt antiketonuriscb, indem er den Menschen ein gewisses 
Quantum Kohlehydrat erspart. Durig zeigte schon, dass der Respi¬ 
rationsquotient nach Zuckergaben auf 1 steigt, aber auf die Hohe der 
Fettei Weissverbrennung sinkt, sobald neben Zucker auch Alkohol verab¬ 
reicht wird, d. h. der sehr leicht oxydable Alkohol verdrängt den Zucker 
aus der OxydatioD. Der Blutzucker sinkt auch nach Alkobolgaben bei 
zuckergelütterten Kaninchen (von 0,27 pCt. auf 0,18 pCt.), steigt anderer¬ 
seits nach weiterem AlkobolgeDuss z. B. von 0,18 auf 0,306. Das Phä¬ 
nomen der Nierendichtung erklärt diese Erscheinung nicht restlos. 

Bei der Beschränkung der dem Diabetiker zugeführteu Kohlehydrat¬ 
mengen kann man ausser den nativen auch die indirekt ans Eiweiss 
entstehenden Kohlehydrate vermindern. Scheidet ein Diabetiker bei 
110 g Eiweiss 56 g Zucker aus und verabreicht man ihm nun bloss 
60 g Eiweiss, so hat man ihm indirekt 24 g Zucker weniger gegeben. 
Tatsächlich kann so der Urinzucker z. B. um 19 g zurückgehen, also 
fast um die Differenz der Einfuhr, oft wird aber sogar bedeutend mehr 
Zucker gespaart (Phänomen der Eiweissempfindlichkeit), ln einem 
solchen Falle wurden bei 150 g Hafer + Fleisch 248 g Zucker in zwei 
Tagen ausgeschieden, bei 150 g Hafer und Ersatz des Fleisches durch 
Eier mit der gleichen N-Meüge wurden 145 g Zucker gespart. 

Auf der anderen Seite muss man versuchen, dem Diabetiker Hilfs¬ 
stoffe zuzuführen, welche er im Gegensatz zum Traubenzucker zu oxy- 
dieren vermag. Das Wort „Oxydation“ ist dabei nicht im genauen che¬ 
mischen Sinne aufzufassen, denn wir wissen von dem Abbau des Zuokers 
erstaunlich wenig, nicht einmal, ob der Abbau über eine erste Stufe der 
Synthese vor sich geht, ferner nicht, ob Glykogen die notwendige Vor¬ 
stufe für die Oxydation des Zuckers bildet. Kein Forscher hat mehr 
als 40 pCt. des verfütterten Zuckers als Glykogen wiedergefunden, und 
dies erst viele Stunden nach der Zuckerverabreicbung. Auch lauten 
unsere Erfahrungen mit Glykogenverwendung beim Diabetiker durchaus 
ungünstig. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Galaktose und auch die 
Lävulose in Glykogen vor der Verbrennung übergehen müssen, und diese 
können als Testobjekte für die Glykogenfunktion der Leber berangezogen 
werden. Als erste Synthese vor der Oxydation käme nach Gärungs- 
versueben ein Phospborsäureglukoaeester in Betracht, das Calciumsali 
desselben wird glatt vom Diabetiker unter Verminderung der Glykosurie 
verbrannt. Andere Möglichkeiten wie den Weg über Methylglukosid und 
Brenztraubensäure haben die Versuche von Neuberg sowie den 
über Glycerinaldehyd und Dioxyaeetylen Embden eröffnet. Wieder 
andere sahen Glycerin als Zwischenstufe der Zuckerverbrennung an und 
verabreichten es dementsprechend Diabetikern, andere endlich Kohle¬ 
hydratsäuren wie Mono-, Dicarbonsäuren, Zuckersäure, Schleimsäure, 
Glykuronsäure usw. Sie sind zwar alle für den Diabetiker oxydabe), 
wegen ihres hohen Preises und ihrer stark abführenden Wirkung jedoch 
nicht brauchbar. Die eigentlichen Hilfsstoffe liegen in den Körpern der 
C 6 *Gruppe. Mannit und Lävulose wurden vielfaoh als völlig unschädlich 
für Diabetiker bezeichnet, doch erhoben sich viele Stimmen dagegen, 
namentlich wurde eine nachträgliche bedeutende Zuckerausscheidung 
nach mehrtägiger Lävulosedarreichung beobachtet. Dagegen hat Strauss 
mit Lävulose und Inulin ganz vorzügliche Kohlehydratkuren durch¬ 
geführt. Auch über die Anwendung von Milohzucker ist man nicht 
einig. Manchmal wird eine grössere Zuckeraussscheidung beobachtet, als 
der Milchsäurezufuhr entspricht, andere verbrennen ihn teilweise, wieder 
andere ganz. Jedenfalls bedarf es einer sorgfältigen Kontrolle, um durch 
Milchzucker nicht nach leidlicher Besserung eine langdauernde Ver¬ 
schlechterung der Gesamtkonstitution zu erleben. Die Wirkungsweise 
der Haferkuren ist noch nicht einwandfrei geklärt, zumal andere Mehle 
wie Weizen-, Gersten-, Roggenmehl und selbst Traubenzucker (Ktem¬ 
pere r) entzückernd wirken. Vielleicht gestatten die Mehle die Umlage¬ 
rung zu Lävulose und können dann verbrannt werden. Eine Haferkur 
kann trotz Fleischgenusses ausgezeichnet wirken, nur soll die Eiweiss¬ 
menge an diesen Tagen gering sein. Auch muss der Hafer nicht als 
einziges Kohlehydrat verabreicht werden, vielmehr hat Rosenfeld 
L.-B.-H.-Tage mit Lävulose, Bananen und Hafermehl eingeführt, wo¬ 
bei er die Toleranz dieser drei Stoffe vorher festgestellt und dann jß 
ein Drittel davon verabreicht. Die Patienten nehmen diese Tage viel 
lieber als reine Hafertage. 

Vortr. hat nun einen Stoff aus der C 7 -Reihe als Hüfsstoff eilige- 
führt, die «-Glykoheptonsäure, Hediosit genannt. Mehrere Versuchsreihen 
zeigen seine Wirkungsweise. ... 

Hediosit wird meist von Diabetikern gut oxydiert, vermehrt nicn 
die Glykosurie, im Gegenteil, es vermindert den aus anderen Quellen 
stammenden Zucker. Auch entfaltet es eine vorzügliche antiketonunscM 
Wirkung (von 5,3 Aceton auf 2,2 Aceton, von 2,1 / 9 -Oxybuttersäure auf ü;- 


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2. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1777 


Unsere Aufgaben bei der Behandlung des Diabetikers sind demnach 
Entzuckerung und damit Verbesserung der Toleranz, Verhütung einer 
Verschlechterung und Verabfolgung einer kalorisch ausreichenden Nah¬ 
rung Letzteres fällt bei Diabetikern schwerster Art sehr schwer. Wenn 
sie die Kohlehydrate des Eiweissmoleküls zum grössten Teile nicht ver¬ 
arbeiten, dann ist auch die Fettverbrennung verschlechtert, und es 
kommt über kurz oder lang zum Coma, das man am besten mit den 
Koblebydrathilfsstoffen in möglichst grosser Menge bekämpft. Von der 
Alkalitherapie in jeder Form wird man zweckmässigerweise dabei nicht 
absehen, wenn sie auch vielleicht bloss als Excitans wirkt. Gute 
Wirkung erzielt man auch mit Traubenzuckerklystieren, namentlich in 
Form der Tropfklystiere. Man kann auf diese Art bis 150 g pro Tag 
zuführen, wobei es sicher zu teilweiser Oxydation des Zuckers kommt, 
wenn auch die antiketonurische Wirkung eine geringe ist. Endlich ist 
die intravenöse Injektion einer 10—20proz. Traubenzuckerlösung empfohlen 
worden. 

Starke körperliche Arbeit, speziell Bergsteigen, ist vielfach Dia* 
betikern angeraten worden, die Zuckerausscheidung wird danach zwar 
geringer, indem ein Teil der aufgewendeten Calorien von Zucker be¬ 
stritten wird, was auch aus dem Ansteigen des respiratorischen Quotienten 
(Salomon) hervorgeht, gleichzeitig wird aber auch der für den Dia¬ 
betiker sehr wertvolle Fettbestand eingescbmolzen. Eher ist leiohte, 
behagliche Arbeit mit dem Myoroborator anzuempfehlen. Antiketon- 
urische Wirkungen kann man durch dieses Eintreten der Kohlehydrate 
in den Stoffwechsel nicht hervorrufen. Eine Reihe von Fällen wurde 
von Salomon als Diabetes innocens bezeichnet. Es sind durchaus 
jugendliche Individuen, welche auf 200 g Kohlehydrate 5—6 g Zucker 
ausscheiden, normalen Blutzucker aufweisen und als renaler Typ gelten. 
Sie können in Versicherungen aufgenommen werden und den Heirats- 
konsens erhalten. Von der Heilwirkung der Karlsbader und ähnlicher 
Brunnen bei Diabetes ist Ref. nicht überzeugt. 

Hr. v. Noorden - Frankfurt: Ueber die Behandlung bei 
gleichzeitiger Erkrankung an Gicht und Diabetes. 

Gicht und Diabetes finden sioh häufig bei dem gleichen Individuum 
vereint und wechseln manohmal die Intensität, so dass einmal die 
Glykosurie, das andere Mal die Gicht im Vordergründe der Erscheinungen 
steht. Nur selten sind jedoch wirklich schwere Gicht und schwerer 
Diabetes bei einer und derselben Person vereint, naoh der Statistik des 
Vortr. bloss 12 mal unter 6000 Diabetikern. In der überwiegenden 
Mehrzahl handelte es sioh um leichte Gicht mit leichtem Diabetes. 
Höchst unangenehm ist bloss die Neigung der Kombinationsfälle zu 
Komplikationen, wie Erkrankungen des Herzens, der Gelasse, der Nieren, 
der Augen, Neuralgien und Neuritis. Namentlich die beiden letzteren 
überwiegen an Häufigkeit und Intensität der Schmerzen und führen 
fast immer zu dem Schluss, dass die Hyperurikämie die entscheidende 
Rolle spiele. 

Tatsächlich kann aber viel häufiger Hyperglykämie die gleichen 
Beschwerden ohne alle Gicht hervorrufen. Nun ist erstere bei den 
Kombinationsfällen stets besonders hoch. Vortr. fand Werte von 0,13 
bis 0,38 pCt. Blutzucker bei 0,1 pCt. Urinzucker und 2 Wochen nach 
Verschwinden der Glykosurie noch 0,09—0,15 pCt. Blutzucker, also eine 
hartnäckig anhaltende Hyperglykämie, welche oft erst 4—5 Wochen 
nach völligem Verschwinden des Hainzuckers beseitigt ist. Vortr. schiebt 
daher im Gegensatz zu den alten Traditionen die Behandlung des Dia¬ 
betes im Vordergrund und beschränkt mit Rücksicht auf die Gicht bloss 
die Fleischzufubr und schaltet die purinreichen inneren Organe aus. 
Dadurch gelang es oft, monate- und jahrelang bestehende hartnäckige 
Neuralgien, besonders Ischias in wenigen Wochen zu heilen. Die 
spezifisch gichtischen Erscheinungen verschlimmern sich bei dieser Kost¬ 
ordnung ebensowenig wie etwa bestehende Nierensymptome. In zweiter 
Linie sind auch physikalische Heilkräfte heranzuziehen. Sind einmal, 
was die erste Aufgabe bildet, Glykosurie und Hyperglykämie beseitigt 
und damit die Kohlebydrattoleranz gehoben, dann muss man durch Be¬ 
schränkung der Kohlehydrate auch fernerhin die Glykosurie dauernd 
fernbalten, was ja bei diesen leichteren Diabetesfällen anstandslos ge¬ 
lingt, und allwöchentlich einen purin- und gleichzeitig kohlehydratfreien 
Tag (Gemüse-Eiertag) einschalten. Jeden zweiten Monat wird eine je 
zweiwöchige purinfreie Periode verordnet mit leichter Vermehrung der 
Kohlehydrate. In Fällen mit starker Gicht und schwererem Diabetes 
wechselt man am besten alle 2 Wochen mit der Kostordnung, indem 
man 2 Woohen antidiabetische Diät mit wenig Fleisoh und 2—4 Gemüse- 
Eiertagen ablösen lässt von 2 Wochen fleischloser Kost mit 60—100 g 
Kohlehydrate und 2—4 Gemüsetagen. Gichtiker, die gleichzeitig dia¬ 
betisch sind, vertragen erfahrungsgemäss alle Colchicumpräparate schlecht. 

Diskussion. 

Hr. Hirschfeld - Berlin hebt den hohen Blutzuokergehalt (0,3 pCt.) 
bei Greisendiabetes und das Herabdrücken desselben durch Eiweiss¬ 
nahrung hervor. Im grossen und ganzen ist sonst jede Behandlung des 
Greisendiabetes abzulehnen. Hediosit bewährte sich H. bei mittleren 
und leiohten Formen, versagte dagegen ganz bei schweren Fällen. 

Hr. Umber - Berlin-Charlottenburg: Die Eiweissempfindlichkeit wird 
besouders bei schweren Diabetikern angetroffeD, gilt aber durchaus 
nicht mehr oder weniger für alle Diabetiker. Die niedrige N-Zufuhr ist 
hei eiweissempfindlichen Fällen sicher ein Faktor, der bei den Kohle¬ 
hydratkuren in Betracht kommt. So enthält Hafer 2,2 pCt. N, Reis 
M pCt. N, die Sojabohne über 6 pCt. N. Man kann bei Versuchsreihen 
sehr oft in der Reisperiode den tiefsten und in der Sojazeit den höchsten 


Stand der Zuckerkurve finden. Die Sojabohne ist daher für Kohlehydrat¬ 
kuren ganz unbrauchbar. Die Lavulose, in grösseren Mengen per os 
verabreicht, schädigt die Toleranz, bei comatösen Diabetikern eignet sie 
sich aber als Kombination mit den Alkaliinfusionen. 

Das Hediosit bringt unstreitig bezüglich Beschränkung der Glykos¬ 
urie und Ketonurie grössten Nutzen, wird aber nur in beschränktem 
Maasse resorbiert. SOpCt. und mehr werden im Urin als a-Glykohepton- 
säurelaoton wieder ausgeschieden. Dieser Prozentsatz wird noch ver- 
grössert durch Urin- und Stuhlaussoheidung bei Durchfällen, welche 
manche schon naoh 15—20 g bekommen, während andere bis zu 100 g an¬ 
standslos vertragen. In einem Falle mit Diarrhöen wurden von 300 g 
Hediosit, die in 8 Tagen verabreicht wurden, 82 g im Urin und 116,9 g 
im Stuhl, also 66 pCt. wiedergefundeo, in einem anderen von 180 g noch 
120 g. In der Regel werden jedooh bloss 40pCt. ausgeschieden, der 
Rest wird nützlich verwertet. Mehrfach hat U. Hediositdarreichung mit 
Bouillon-Fettagen verbunden. In 50 proz. Lösung, intravenös verabreicht, 
wird Hediosit zunächst fast ganz wieder ausgeschieden (von 0,8 g z. B. 
0,6 g). Wird die Injektion nach 6 Tagen wiederholt, so wird nichts 
mehr infolge einer Art Gewöhnung des Organismus eliminiert. 

Unter 270 Gichtfällen hat U. 15 Diabetiker gesehen, darunter be¬ 
fand sich kein schwerer Fall. 

Hr. Kuttner - Berlin: In den Fällen von leichtem Diabetes gelingt 
es verhältnismässig schnell, den Blutzucker zur Norm herabzudrücken, 
schwerer bei mittleren und schweren Formen. Diese stellen sich ge¬ 
wöhnlich auf ein oberhalb der Norm stehendes Niveau ein trotz rigo¬ 
rosester Einschränkung der Diät. Es bleibt mithin zweifelhaft, ob man 
dann berechtigt ist, die Diät noch weiter einzuschränken. An Fett- 
Gemüsetagen ging in diesen Fällen wohl der Urinzucker, nicht aber oder 
kaum der Blutzucker herunter. Hafermehltage steigerten in der Regel 
den Blutzucker. Im Coma steigt der Blutzucker. Bei Kombination von 
Diabetes und Nephritis empfiehlt sioh Verabreiohung von eiweiss- und 
kocbsalzarmer Kost bei reichlicher Kohlehydratzufuhr, sonst treten leicht 
urämische Erscheinungen auf. 

Hr. Ewald-Berlin: Die Haferkuren erzielen viel bessere Resultate 
bei vorhergehender KH-Karenz. Klotz führt ihre Wirksamkeit darauf 
zurück, dass der Hafer nicht resorbiert, sondern durch Gärungsprozesse 
abgebaut wird. Plötzlich verordnete absolute Kolehydratkarenz kann 
schweres Coma auslösen. Von Hediosit hat E. keine guten Erfolge 
gesehen. 

Hr. Weintraud-Wiesbaden: Bei der Gicht ist in erster Linie die 
Alkobolvermeidung, in zweiter Linie erst Mässigkeit im Fleischgenuss 
anzuraten. Die Hilfssubstanzen haben W. bei schwerem Diabetes sämt¬ 
lich im Stiche gelassen. Ein schwerer Diabetiker muss entschieden mit 
weniger als 130 g Eiweiss Auskommen, knappe Eiweisszufuhr ist für alle 
Fälle wichtig. 

Hr. Re ich er-Mergentheim hat auch bedeutende Hyperglykämie im 
Coma gefunden. Auf Grund seiner gasanalytischen Untersuchungen ist 
R. von der Verbesserung der Zuckerverbrennung beim Diabetes im Ver¬ 
laufe von Trinkkuren überzeugt. Seine Versuche beziehen sich auf 
Karlsbader Mühlbrunnen und Mergentheimer Karlsquelle. 

Hr. Knud Faber hat im Gegensatz zu Kuttner in den Fällen, in 
welchen Fett-Gemüsetage auf die Glykosurie günstig wirkten, auch einen 
guten Einfluss auf den Blutzucker gesehen. In 5 Fällen von Coma fand 
sich sehr hoher Blutzucker (bis 8 pro Mille). Dabei kann die Glykosurie 
ganz unverändert sein. F. hält die Hyperglykämie für prognostisch be¬ 
deutungsvoller für das Herannahen des Coma als die Acetonurie. 

Hr. Albu-Berlin: Bei allen schweren Diabetikern, bei denen man 
diätetisch nichts mehr erreichen kann, kommt man weiter, wenn man 
die Eiweissmenge auf 65—70 g beschränkt, also vegetabilische Diät ver¬ 
abreicht. Derartige Kuren lässt man 3—4 mal im Jahre wiederholen. 

Hr. v. Noorden (Schlusswort): Grosse Eiweissempfindlichkeit kommt 
sicher im wesentlichen den schweren Diabetikern zu. Die Eiweissarmut 
der Haferdiät und anderer Kohlehydratkuren steht mit dem Erfolge der¬ 
selben gewiss in einer Beziehung, aber das Wesen des Effektes macht 
sie nicht aus. Speziell bei üaferkuren hat N. keinen wesentlichen Unter¬ 
schied gesehen, ob nun Hafer mit oder ohne Butter oder mit oder ohne 
80—100 g Pflanzeneiweiss verabreicht wurde. Dabei kommt es merk¬ 
würdigerweise trotz ansehnlicher Eiweisszufuhr (bis 20 g N) zu einer 
langdauernden N-Retention (Ausscheidung von 3—4 g N pro Tag) und 
dann plötzlich zu einer riesenhaften Ausschwemmung von 80 g N und 
nooh mehr. Hediosit hat N. bei- der Bekämpfung der Ketonurie in einem 
schweren Falle im Stiche gelassen, doch will er nach den günstigen Er¬ 
gebnissen von Rosenfeld die Versuohe damit wieder aufnehmen. Länger 
fortgesetzte Kohlehydratkuren hält N. für vollständig verfehlt, bloss 
einzelne (2—3) Hafer- bzw. Kohlehydrat tage bat er selbst empfohlen. 
Hunger drückt den Blutzucker jmanchmal auf die Hälfte*'des^ Wertes 
herunter. Bei Coma ist absoluter Hunger indiziert, dagegen darf man 
den Patienten nicht dürsten lassen, vielmehr verabreiche man ihm 
Alkohol bis zur Betrunkenheit (bis 250 g pro Tag). Eine Besserung bei 
vergleichender Untersuchung vor und während einer Trinkkur ist nicht 
beweisend, denn sie kann auf die Dauerwirkung der diätetischen Therapie 
zurückzu führen sein, da jedes vernünftige Regime einer gleichmässigen 
Fortsetzung durch mehrere Woeben bedarf, um das Maximum des Effektes 
zu erreichen. Man müsste umgekehrt zuerst im Kurorte und dann in 
der Stadt die Untersuchung anstellen. 

Die Bedeutung der Eliminationskraft der Niere in bezug auf die 


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1778 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


Harnsäure für die Gicht wird übertrieben. Ein Gichtiker ist doch kein 
Uramiker. Bei chronischer Urämie findet man die maximalsten Harn- 
säurewerte im Blute, trotzdem sind das keine Gichtiker. Charakteristisch 
für Gicht ist vielmehr eine vergrösserte Adsorption der Harnsäure im 
Körper duroh Kräfte, die wir noch nicht kennen. 

Hm. Rosenfeld (Schlusswort) haben gerade protrahierte gemischte 
Kohlehydratkuren gute Dienste erwiesen. Unterernährung ist beim 
Diabetiker zu vermeiden, unter 100 g Eiweiss braucht man gewöhnlich 
nicht herunterzugehen. 

(Schluss folgt.) 


Ein „heisser“ Tag. 

Einer freundlichen Anregung, von meinen Erlebnissen im Kriege 
etwas mitzuteilen, komme ich gerne nach. Im muss dabei aber einige 
persönliche Bemerkungen vorausschioken. 

Als Truppenarzt bin ich einer selbständigen Kompagnie der tech¬ 
nischen Truppen zugeteilt. Ich kann dabei in voller Selbständigkeit 
handeln mit eigener Verantwortung und bin direkt dem Divisionsarzt 
unterstellt. 

Verleiht dieser Umstand meiner Tätigkeit schon einen grossen Reiz, 
so erhöht sich derselbe noch dadurch, dass ich, einem kleinen Verbände 
angehörend, immer in engster Fühlung mit ihm bleiben muss. Dadurch 
hatte ich öfter Gelegenheit und den eigenartigen Genuss, mitten ins 
Schlachtgewühl zu kommen und Stunden höchster Nervenspannung mit¬ 
zuerleben. 

Heute will ich nun einen einzigen Tag herausgreifen, der mir, wie 
wohl allen Teilnehmern, unvergesslich bleiben wird, einen kleinen Aus¬ 
schnitt aus dem vieltägigen gewaltigen Ringen — genannt die Schlacht 
in Lothringen. 

Am 24. August abends marschierten wir aus M ... um 8 Ubr abends 
ab, nachdem bereits seit 4 Uhr morgens bei ziemlich grosser Hitze ge¬ 
arbeitet worden war. Müde und matt schlich unsere Abteilung dahin, 
bis endlich um 1 Uhr nachts in der Nähe einer Ortschaft die Mitteilung 
kam: Hier wird biwakiert. Weithin leuchten die Lagerfeuer der bereits 
eingetroffenen Truppen, gespenstisch heben sich die Schatten der sich 
hin- und herbewegenden Personen ab, ein kaum entwirrbares Durchein¬ 
ander in der magischen Beleuchtung der Nacht. 

In Eile werden nun die Zelte aufgeschlagen, zum Strohholen nimmt 
man sich nicht mehr die Zeit, denn nur kurz ist die Dauer der Ruhe 
bemessen. Drum schell ins Zelt gekrochen, in den Mantel gewickelt 
und geschlafen. 

Um 4 Uhr schon heisst es wieder aufstehen; die Zelte werden ab¬ 
gerissen; wir trinken Kaffee aus der Feldküche — eine ganz herrliche 
Einrichtung —, krank hat sich keiner gemeldet. Da kommt auch schon 
der Befehl zum Abmarsch. 

Vorwärts geht’s dem Feinde entgegen. Bei zunehmender Helligkeit 
sehen wir auf den Nachbarstrassen auch Kolonnen im Vormarsch, Melde¬ 
reiter sprengen an uns vorbei, Artillerie fährt vor, und als wir um eine 
Anhöhe biegeD, da hören wir auch schon Infanteriefeuer. 

Wie ein Ruck geht’s durch die Mannschaft: Heute scheint es auch 
bei uns ernst zu werden, deren eigentliche Aufgabe ja das Kämpfen 
nicht ist. 

In gedeckter Stellung wird Halt gemacht. Alles legt sich platt auf 
den Bauoh; in der Nähe sind Feldgeschütze aufgefabreD, die mächtig zu 
feuern beginnen. Drei Stunden liegen wir so und warten. Das In- 
fanteriefeuer hat an Ausdehnung und Stärke bedeutend zugenommen. 
Eine gewaltige Symphonie von Geräuschen hebt an. Das taktmässig, 
rasend schnelle Knattern der deutschen Maschinengewehre, das langsame 
Schlagen der französischen, das Schützenfeuer der deutschen Truppen, 
das salvenartige Feuer der Franzosen, das bildet einen gewaltigen Grund¬ 
ton, über dem sich das Singen des Artilleriefeuers auf baut, da9 hohe 
Pfeifen der Schrapnells mit ihrem kurzen scharfen Knall beim Platzen, 
das dumpfere Sausen der Granaten mit ihrem gewaltigen Krachen beim 
Aufschlag — das ist Musik, die die Nerven aufpeitscht. 

Rechts hinter uns, gedeckt durch einen steilen Abhang und Busch¬ 
werk, sind die Sanitätswagen des vor uns kämpfenden Regiments auf¬ 
gefahren. Die Tragen werden zurechtgelegt, die Krankenträger sind ge¬ 
sammelt, Stroh wird herbeigeschafft als Lager für die zu erwartenden 
Verwundeten, Instrumente und Verbandstoffe werden bereit gelegt. So 
ist man gerüstet auf das, was kommen mag. 

Meine Kompagnie aber, die als Reserve gedacht ist, erhält den Be¬ 
fehl vorzugehen. Vorsichtig ziehen wir die Höhen hinan, jede Deckung 
ausnützend. Ich bin vom Pferde gestiegen, mein Sanitätsunteroffizier ist 
bei mir, wie auch die wenigen Krankenträger mit der einen Trage, die 
mir zur Verfügung steht. Mit 50 Schritt Abstand folgen wir der Truppe. 

Die Höhe ist erreicht; wir überblicken vor uns das Karapffeld, das 
begrenzt wird von einem der fast undurchdringlichen lothringischen 
Wälder, in dem sich anscheinend bereits ein heftiger Kampf abspielt, da 
nur noch wenige Schützenlinien auf freiem Felde sichtbar sind. 

Vorwärts geht’s, sprungweise, in Gruppen geteilt — und da sind 
wir auch schon mitten im feindlichen Artilleriefeuer, das mit erneuter 
Wucht und Wut einsetzt. Hatten wir vorher alles mehr von ferne mit¬ 
erlebt, so sind wir jetzt mitten drin. Ein förmlicher Regen von Schrapnells 
ergiesst sich über das Feld; die Luft ist erfüllt von den eigenartig 


dichten, weissen, geballten Wölkchen, die sich beim Platzen der Schrap¬ 
nells bilden, erfüllt aber auch von ihrem Pfeifen und Knallen; ein 
Krachen und Knattern rings umber. 

Gar bald hat man da etwas Neues gelernt: die Distanz von Tönen 
ungefähr zu schätzen, und bald auch weiss man, dies Geschoss geht 
vielleicht fünfzig Meter links, das mehr nach rechts; und hat man dies 
erkannt, dann ist man schon beruhigt. Klingt’s aber doch ein bisschen 
näher, dann wirft man sich schleunigst platt auf den Boden, jede Acker¬ 
furche als Deckung ausnutzend, in der Hoffnung, dass es diesesmal noch 
vorübergehe. 

Wir kommen an eine Heoke, etwa zwei Meter hoch, aus dünnem 
Strauchwerk; auch die soll uns Deckung sein — eine Verblendung zwar, 
ein Wahnsinn, denn der gesunde Menschenverstand sagt uns natürlich) 
dass so ein dünnes Blätterwerk absolut nicht schützen kann. Und doch, 
man glaubt daran, will daran glauben und fühlt sieb sicherer. 

Vom tiefblauen Himmel sendet die Augustsonne die ganze Fülle 
ihrer Wärmestrahlen; schon lastet die drückende Hitze auf Mensch und 
Tier. Auf schattenlosen Feldern liegen die Soldaten, der festbepackte 
Tornister drückt auf den Rücken, beim Marschieren geht’s über holprige 
Getreidefelder, Wasser gibt’s gar keines, alles ist dazu angetan, die Be¬ 
schwerden des Tages zu erhöhen. 

Kaum liegen wir an unserer Hecke, da kommen schon die ersten 
Verwundeten, wankend und schwankend, einander stützend und helfend, 
so gut es geht; die einen blass, matt, erschöpft und gebrochen, die 
anderen frisch und frohen Mutes, so billigen Kaufs davongekommen 
zu sein. 

Da kein Arzt in der Nähe ist, errichte ich hinter der Hecke — dem 
gewaltigen Schutz! — einen kleinen Verbandsplatz: Der Sanitätstornister 
mit seinem Verbandmaterial ist alles, was mir zur Verfügung steht. 

Weit hinter uns, mehr als einen Kilometer, sehe ich die Rote Kreuz- 
Fahne eines Infanterie-Sanitätswagens wehen. Ihn denke ich als Stütz¬ 
punkt zu nehmen, zu ihm hin will ich alle Verwundeten schicken. Die 
ersten sind bei mir angelangt. Ein Teil ist in der Front schon ver¬ 
bunden, von Kameraden oder Krankenträgern. Wenn der Verband nur 
einigermaassen seinen Zweck erfüllt, fürs erste die Wunde zu verschliessen, 
vor Verunreinigung zu schützen, schicke ich die Leute sogleich weiter, 
denn schon kommen schwerer Verletzte, von zwei Kameraden gestützt, 
fast getragen und das erste Wort, das man aus ihrem Munde hört, lautet: 
Durst. 

Ja der Durst, der erhöht an diesem Tage gewaltig die Leiden der 
Verwundeten und Gesunden, zum Wasserfassen war am Biwakplatz keine 
Gelegenheit, in der Nähe gab’s auch keines; die Anstrengungen sind 
gross an diesem glühend heissen Tage. 

Der Vorrat in meiner Feldflasche ist bald verbraucht. Wer irgend 
etwas Trinkbares hat, wird aufgeforderi^ zugunsten der Verwundeten 
darauf zu verziohten; aber nur Wenigen wird die Wohltat zu teil, ihre 
Lippen etwas anzufeuchten, denn bald ist nichts mehr aufzutreiben. 

Hier liegt ein Reservist, Ende 20, durch die Bru9t geschossen. Bei 
jedem Atemzug hört man das Pfeifen der Luft in der Wunde; blass ist 
der Mann und matt, leise wimmernd und sein nahes Ende beklagend, 
gedenkt er seiner Frau und seiner zwei kleinen Kinder, die zu Haase 
auf ihn warten. Und wider besseres Wissen muss man ihm Trost zu¬ 
sprechen ; dabei wird schnell der Rock aufgemacht, das Hemd zerschnitten 
und der Notverband angelegt, 2 cg Morphium injiziert und dann muss 
der Mann liegen bleiben, bis er von einer Sanitätsformation abgeholt wird. 

Leute mit Bauchschüssen sind da, die Glück gehabt haben; denn 
tangential ging das Geschoss nur durch die Muskulatur, die Bauchhöhle 
blieb verschont. Zerfleischte Arme, durchschossene Beine, teils mit 
Ausscbusskanal, teils steckt das Geschoss noch im Fßiscb, und deutlich 
kann man oft die runden Schrapnell kugeln, die einen Durchmesser von 
10—12 mm haben, unter der Haut fühlen. Möglichst schnell bekommt 
jeder seinen Verband. Von Asepsis keine Spur. Wo nicht einmal 
Wasser zum Laben der Kranken vorhanden ist, da gibt’s erst recht keines 
zum Waschen der Hände — und mit denen ist man schon den ganzen Vor¬ 
mittag am Boden herumgekrochen. Und doch: Trotz Mangel an Asepsis, 
ja oft nur der „gesellschaftlichen“ Sauberkeit, heilen die Wanden gut, 
soweit ich bis jetzt schon wieder Geheilte zu Gesicht bekam. 

Allmählich haben sich ungefähr dreissig Verwundete angesammelt. 
Einem abgefertigten Trupp will ich eben den Weg zum Sanitätswagen 
zeigen — aber von der Flagge ist nichts mehr zu sehen. Das Artillerie¬ 
feuer, das während der ganzen Zeit auch bei uns mit unverminderter 
Heftigkeit angehalten hatte, so dass rings um uns Granaten und Schrapnells 
zerplatzten, da9 war der Sanitätsformation wohl zu nahe gekommen, sie 
muss zurückgegangen sein. Aber wohin? Ich hatte also nichts mehr 
als die ungefähre Richtung des alten Verbandplatzes — „gebt darauf 
diesen Baum im Hintergrund zu, da werdet ihr schon etwas finden — 
mit diesem Trost musste ich sie entlassen. 

Vorbeikommende Radfahrer und Reiter hatte ich aufgefordert, Kranken¬ 
träger mir zu senden — ob sie es bestellt haben, ich weiss e 9 nicht , 
nichts kam. Und als ich nun von meiner Kompagnie die Mitteilung er¬ 
hielt, dass es wieder weiter geht, da musste, ich die Verwundeten allem 
zurücklaasen. 

Wir gingen nicht weit, denn vor uns lag ein dichter Wald von 
grosser Tiefenausdehnung, in den die feindlichen Geschütze mit einer 
wahren Wut hineinschossen. Das bewirkte einen kleinen Rückschlag < 
die Infanterie ging zurück — aber nicht lange; dann kam schon der 
Befehl zum Sammeln und mit ihm die Meldung, dass die feindliche 
Infanterie geschlagen, der Wald frei sei. Also wieder vorwärts! 


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2. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1779 


Ich sehe auf die Uhr — es ist zwölf, seit 6 Stunden stehen wir 
nun im Gefecht; die Sonne bat den Höhepunkt ihrer Kraft erreicht; 
nichts zu trinken, kein Brot mehr da — seit 2 Tagen fand uns der 
Verpflegungswagen nicht —; müde treten wir den Vormarsch an. 

Kaum hatten wir eine Waldlichtung nach einem ^viertelstündigen 
Harsch erreicht, als mir unser Hauptmann mitteilt, im Walde lägen un¬ 
zählige Verwundete, kein Arzt sei vorhanden. Da nehme ich denn 
wieder meine paar Leute zusammen, der Revolver wird hervorgeholt, 
entsichert, denn noch ist der Wald nicht rein von versprengten Fran¬ 
zosen. Wir gehen die grosse Waldstrasse entlang, Trupps Verwundeter 
kommen uns entgegen. 

Seitlich vom Wege eine Gruppe. Ein Offizier liegt schwerverwundet 
da, bewusstlos, ein Kopfschuss. Sein Hauptmann ist bei ihm, bemüht 
zu helfen, wo nicht mehr zu helfen ist. Ich mache einen Verband, 
gebe eine Spritze, verspreche, sobald als möglich Krankenträger zu 
senden — da ertönt vor uns ein gewaltiges Krachen und Prasseln, 
schnell werfen wir uns alle zu Boden — Kugeln, Aeste, Blätter, Holz¬ 
splitter fallen über uns her —, ganz nahe vor uds war ein Schrapnell 
geplatzt, aber getroffen wurde niemand. 

Weiter, immer weiter auf einem grundlosen Wege, bis wir zu einer 
Strassenkreuzung kommen; eine Waldkapelle steht hier; diese hatten 
sich einige Verwundete als Schutzdach ausgesucht. Hier will auch ich 
bleiben und lasse alle vorbeikommenden Verwundeten hierher weisen. 

Wieder beginnt die blutige Arbeit. Schwer- und Leichtverletzte 
liegen durcheinander: Schwere Kopfverletzungen; durch Granatsplitter 
sind Knochenstücke abgerissen, das Hirn prolabiert; Bauchverletzungen, 
bei denen Darmschlingen hervorquellen, zerschmetterte Unterkiefer, tiefe 
Fleischwunden an Hüfte und Gesäss, hervorgerufen durch Granaten, das 
sind die schwereren. Arm- und Beinverletzungen durch Schrapnells, 
Gewehrgeschosse und kleine Granatsplitter: diese bilden das Gros. 

Hosen, Aermel, Röcke, Hemden, Stiefel, alles wird zerschnitten, 
zum Ausziehen fehlt die Zeit und die Unterstützung. So gut es geht, 
wird jeder verbunden, wenn der schon angelegte Verband selbst ge¬ 
ringsten Ansprüchen nicht genügt; denn sparsam muss ich mit meinen 
Mitteln umgehen, die nur sehr beschränkt sind — eben nur da9 ist 
vorhanden, was in einem Tornister unterzubringen ist. 

Bei der grossen Zahl, bei der Aufregung, in der sich alle Ver¬ 
wundeten befinden, da die Beschiessung des Waldes in ihrer Schwere 
noch in keiner Weise nachgelassen hat, bleibt keine Zeit zur ein¬ 
gehenden Untersuchung des einzelnen. Schnell muss jeder abgefertigt 
werden, um möglichst vielen beistehen zu können. Die Leichtver¬ 
wundeten werden oft vor den schwereren verbunden, denn sie können 
schneller ihre Dienste wieder dem Vaterlande weihen, sauber und schnell 
soll ihre Heilung von statten gehen. Soldaten, mit deren baldigem Ende 
gerechnet wird, bekommen zur Linderung ihrer Leiden nur eine Spritze, 
sonst lässt man sie ruhig liegen. Das Utilitätsprinzip beherrscht 
eben alles. 

Es ist 4 Uhr vorbei. Etwa 50 Verwundete liegen auf dem Platze, 
fast ebensoviele habe ich bereits zurückgeschiokt. Sie gehören zwei Er¬ 
satzbrigaden und zwei aktiven Regimentern an, deren Aerzte noch nicht 
hierher gekommen sind. Durch Krankenträger und Sanitätspersonal ist 
Hilfe noch immer nicht zu erlangen gewesen — trotz aller Meldungen, 
die vielleicht ihren Bestimmungsort nicht erreichen konnten. Wimmern, 
Stöhnen und Klagen erfüllt den Platz: Wann werden wir abtransportiert? 
wann bekommen wir Wasser? dieser Ruf kehrt immer wieder. Nur etwas 
Regenwasser aus einer Pfütze wurde gebracht und gierig getrunken; 
Grabungen nach Grundwasser waren vergeblich. Endlich gegen 5 Uhr 
kommen zwei Aerzte vom . . . Regiment. 

Körperlich ermattet, abgespannt durch das unaufhörliche Krachen 
der Geschosse, das Knacken der Aeste und Schlagen der Steine, ergriffen 
von den grauenvollen Bildern des Jammers und Elends, die hier auf 
einem winzigen Fleckchen Erde gehäuft lagen, übergebe ich den Aerzten 
die weitere Fürsorge für den Platz und gehe auf die Suche nach meiner 
Kompagnie, die ich endlich nach halbstündigem Umherirren in der ent¬ 
gegengesetzten Waldecke fand. 

Froh war ich, wieder bei meinen Leuten zu 9ein; ein wenig Zwiebak 
aus dem eisernen Bestand gab’s noch zu essen, dann schlief ich ein, 
trotz Kanonendonner und Granatenkraohen, nach 12 ständiger intensivster 
Anspannung. M. K., Assistenzarzt d. R. 


Die neue Frankfurter Universität. 

In den ersten Tagen des Krieges hat Seine Majestät den Entschluss 
gefasst, einem grossen Friedensakt die Schlussweihe zu erteilen. Der 
Kaiser hat am 2. August die Stiftungsurkunde der Universität Frankfurt 
unterschrieben und an dem Tage, der seiner Abreise nach dem Kriegs¬ 
schauplatz vorausging, liess er sich die Ernennungen der ordentlichen 
Professoren zur Unterschrift vorlegen. Das war ein schöner und grosser 
Abschluss desWerkes, das der Frankfurter Oberbürgermeister Dr. Adickes 
in schwerer Arbeit geschaffen hat. Er war dabei unterstützt und freudig 
gefördert worden von den zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen, 
deren sich Frankfurt wie keine andere Stadt Deutschlands seit bald 
einem Jahrhundert erfreut. Wissenschaftlicher Sinn und Bürgertugend 
haben in dieser Stadt Vereine erstehen lassen, die an reich gepflegten 
Lehrstätten und in herrlichen Sammlungen und Bibliotheken das Wissen 
von den beschreibenden Naturwissenschaften und von den Geistes- 


wissensohaften zu verbreiten suchen. Allzeit gefördert von der 
Dr. Senckenberg’schen Stiftung haben in Frankfurt die Sencken- 
berg’sche Naturforschende Gesellschaft, später der Physikalische Verein, 
dann der Aerztliche Verein und viele andere vorbildlioh gewirkt. Dem 
Aerztlichen Vereine und der erwähnten Stiftung speziell war die Be¬ 
rufung Karl Weigert’s zu verdanken, mit deren Datum gerade die 
medizinischen Studien einen erneuten Aufschwung nahmen. Als die 
Stadt ihr Krankenhaus ausbaute und vortreffliche Aerzte von überallher 
an dasselbe berief, waren für eine naturwissenschaftliche und eine medi¬ 
zinische Fakultät die Grundlagen im wesentlichen gegeben. Und als sich 
daneben die Akademie für Sozial- und Handelswissenschafteo, gefördert 
durch sehr reiche Stiftungen aus der Bürgerschaft immer mehr ent¬ 
wickelte, da lag der Gedanke, alles zu einer Universität zusammenzu¬ 
fassen, natürlich bald in der Luft. Aber es bedurfte, wie sich zeigte, 
sehr viel grösserer Mittel, ein solches Werk zu gründen, als irgend jemand 
geahnt hatte. Reichen Stiftungen, besonders derjenigen des Ehepaares 
Georg und Franziska Speyer, dann aber der nie ruhenden, alle 
Schwierigkeiten beseitigenden, überaus weisen und vorsorgenden Tätig¬ 
keit ihres Oberbürgermeisters verdankt es die Stadt, dass die Universität 
zustande kam. Die Frankfurter Universität ist so ihrer Zusammensetzung 
gemäss eine Stiftungsuniversität. Die einzelnen Vereine und Stiftungen, 
welche hier zusammentraten, wussten, trotzdem sie dem Ganzen alles 
hingaben, dessen dieses bedurfte, doch mit Stiftungsverträgen sich viel¬ 
fach ihre Individualität so weit zu sichern, dass sie die populäre Lehr¬ 
tätigkeit, die Museumsptlege usw., die so vielen Bürgern wichtig ist, zu 
wahren wussten. Der Stiftungsvertrag ist unterzeichnet von dem Magistrat 
der Stadt, welche ihre Krankenanstalten, ihr hygienisches Institut und 
ihr physiologisch-chemisches Institut einbringt; von der Jügel-Stiftung, 
die den Universitätsbau errichtet hat, der Akademie für Sozial- und 
Handelswissenschaften und dem Institut für Gemeinwohl, welche in 
diesem Gebäude ihre Lehrtätigkeit ausüben werden. Dazu treten die 
Vorstände der Georg und Franziska Speyer-Studienstiftung und des 
Theodor Stem’scben medizinischen Instituts, deren erster zahlreiche Lehr¬ 
stühle zu verdanken sind, während letztere Bau und Betrieb des physio¬ 
logischen Instituts und die Stiftung einer physiologischen Lehrkanzel 
übernommen hat. Der physikalische Verein, die Dr. Senckenberg’sche 
naturforschende Gesellschaft, ebenso wie die Administration der 
Dr. Senckenberg-Stiftung bringen die reichen Schätze ihrer Museen und 
Laboratorien und die von ihnen gegründeten Lehrstühle ein. Dazu 
kommt noch die Stiftung Karolinum, welche für den Unterricht in der 
Zahlheilkunde sorgen wird, und das neurologisohe Institut. 

Aerztliche Kreise wird speziell die Struktur der medizinischen 
Fakultät interessieren. Die Fakultät hat von vornherein neben der 
Ausbildung der Studierenden als besondere Aufgabe die Fortbildung 
der Aerzte und die Ausbildung der Spezialisten in ihr Programm 
aufgenommen. Dementsprechend zerfällt ihr erstes Vorlesungsver¬ 
zeichnis schon in: a) Vorlesungen und Uebungen für Studierende, 
b) Fortbildungskurse und Vorträge und c) Vorlesungen und Uebungen 
in den Osterferien. Die Zahl der durch Ordinarien vertretenen Fächer 
ist, weil eben dem Unterricht in den Spezialitäten eine besondere 
Rolle eingeräumt ist, grösser als an den bisherigen Fakultäten. 
Frankfurt besitzt Ordinariate für Ohrenheilkunde, Laryngologie, 
Haut- und Geschlechtskrankheiten, Orthopädie. Von den beiden, der 
Neurologie gewidmeten Extraordinariaten, ist der Inhaber des einen 
Ordinarius geworden. Dem Ordinariat für pathologische Anatomie ist 
ein Extraordinariat für experimentelle Pathologie beigegeben. Die 
Pharmakologie ist von der experimentellen Therapie getrennt. Jede hat 
ein Ordinariat, die letztere dazu noch ein Extraordinariat; ebenso steht 
neben dem Ordinarius für Psychiatrie noch ein Extraordinarius. Bei 
dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass auch die Physiologie in zwei Ordi¬ 
nariate geteilt ist, etwas, was ja schon laDge gewünscht wird. Für die 
gleiche Teilung der Anatomie, die ebenso notwendig wäre, sind bisher 
noch keine Mittel vorhanden. Es ist aber nicht zu zweifeln, dass sie 
gefunden werden. 

Zahlreiche Neubauten wurden natürlich für diese medizinische 
Fakultät notwendig, von denen namentlich die Prachtbauten der Dr. 
Senckenberg’schen Anatomie und des Theodor Stern-Hause9 für 
Physiologie und Pharmakologie hervorzuheben sind. Schon vor Abschluss 
der Universitätspläne waren die Bauten der pathologischen Anatomie, 
die für die Hygiene und die physiologische Chemie errichtet und im 
Krankenhaus selbst alle Kliniken wohl ausgebaut, war eine therapeuti¬ 
sche Station mit allen Hilfsmitteln errichtet, waren die teils staatlichen, 
teils privaten, von Ehrlich geleiteten Institute für Serumforschung, 
experimentelle Therapie usw. erbaut und im Betrieb. Die sehr umfang¬ 
reiche und oft ausserordentlich schwierige VeTwaltungsarbeit, welche 
hier und überhaupt bei der Einrichtung der medizinischen Fakultät ge¬ 
leistet werden musste, hat in treuer Fürsorge und mit weitschauendem 
Blick der Frankfurter Stadtrat Dr. Wöll geleistet. 

Der Lehrkörper, der nun im wesentlichen ernannt ist, 9etzt sich wie 
folgt zusammen: Anatomie usw. wird Prof. ord. Göppert, unterstützt 
von Bluntschli als Prosektor, lesen; die Physiologie vertreten die 
Proff. ord. E mb den und Bethe; die pathologische Anatomie Prof. ord. 
B. Fischer mit dem Prosektor Edgar Goldschmid; einzelne Teile 
der allgemeinen Pathologie liest Prof, extraord. H. Apolant, Hygieniker 
ist Prof. ord. M. Neisser, für Immunitätslehre, Serumlehre usw. ist 
Prof, extraord. H. Sachs da; in die experimentelle Therapie und 
Pharmakologie teilen sich die Proff. ord. Ehrlich undEllinger. Ver¬ 
treter der inneren Medizin sind die Proff. ord. Schwenkenbecher als 


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Gck igle 


Original fro-rri 

UNIVERSUM OF IOWA 



1780 


BERLINER KLINISCHE WO CHENSCHRIFT. 


Nr. 44. 


Kliniker, Strassburger als Polikiiniker und Prof, extraord. ?. Metten- 
heimer als Kinderarzt. Der Geburtshelfer ist Prof. ord. Walthard. 
Pur die chirurgische Klinik treten mit einem grossen Stab von Assistenten, 
Dozenten usw. Proff. ord. Rehn und Lu dl off ein. Ordinarius der 
Psychiatrie ist Sioli, neben ihm wirkt als Extraordinarius Raecke. 
Der Neurologie steht das grosse Siechenhaus zur Verfügung, das von 
Prof, extraord. Knoblauch geleitet wird, und das neurologische Institut, 
dem Prof. ord. Edinger vorstebt; der letztere wird zu seinen Samm¬ 
lungen und Laboratorien nooh eine klinische Abteilung erhalten, welche 
Dr. Dreyfuss übernehmen wird. Augenheilkunde liest Prof. ord. 
Schnaudigel, Ohrenheilkunde Prof. ord. Voss, Nasen-, Rachen- und 
Kehlkopfkrankheiten Prof. ord. Spiess, Krankheiten der Haut und Ge¬ 
schlechtsorgane behandelt Prof. ord. K. Herxheim er. Die Organisation 
der Abteilung für Zabnheilkunde ist noch nicht vollständig abgeschlossen, 
der Krieg hat hier störend eingegriffen. Auch die gerichtliche Medizin 
hat noch keinen definitiven Vertreter gefunden. 

Im Moment, wo die medizinische Fakultät in das Leben tritt, hat 
ihr die Pflicht gegen das Vaterland sehr wichtige Lehrer genommen, an 
deren Stelle nicht, wie bei den alten Schwesternanstalten, andere Kräfte 
eintreten konnten. Aber allen Schwierigkeiten zum Trotz wird es ge¬ 
lingen, fast den gesamten Unterricht aufzunebmen. Hier, wie überhaupt 
während der ganzen Entwicklung der Universität und speziell der medi¬ 
zinischen Fakultät, bat die Regierung mit grosser Sorgfalt und Liberalität 
vorangeholfen. Unter den Kräften, die für die Universität Frankfurt 
wirkten, gebührt ihr besonderer Dank für weitsichtige Sorgfalt und 
grösste Fürsorge. _ X. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Aus einem Feldpostbrief vom 3. Oktober von Geheimrat 
Körte, Berlin, der zurzeit als beratender Chirurg bei einem General¬ 
kommando im Felde steht, an seine Angehörigen: 

„Die Klagen über Aerzte sind sehr mit Vorsicht aufzunebmen! 
Ein zerschossenes Bein kann brandig werden im Verband, ohne dass 
es zu hindern ist. Der Schluss, dass der Verband den Brand verschuldet 
bat, ist sehr gewagt! — Hier aus meinem Bereich — und ich sehe 
ziemlich viel — kann ich nur sagen: ich bin überrascht und erfreut 
zu sehen, was die Kollegen leisten! Nooh in jedem Lazarett oder 
Sanitäts-Kompagnie habe ich mindestens einen, oft auch mehrere 
chirurgisch gut ausgebildete Aerzte gefunden, und freue mich zu 
sehen, was sie unter schwierigsten Umständen leisten. — Die Auf¬ 
gabe, ein paar Hundert Verwundete in Verband und Bettung (Lagerung 
auf Stroh) zu bringen, mit geringster Beihilfe — die will geleistet sein. 
Steigen die Verwundungen in die Tausende, dann übersteigt es mensch¬ 
liche Kräfte. Da können nicht alle Forderungen erfüllt werden, aber es 
war nicht anders möglioh. — Was menschenmöglich ist, das wird in 
schwerer Arbeit geleistet. Kritisieren zu Hause ist leicht! Besser macheu 
schwer!! Ich lasse nichts auf unsere Aerzte im Felde kommen — das 
mag jedem gesagt sein!! Wir haben hier keine leichte Aufgabe — es 
gehören eiserne Nerven dazu. — In bezug auf die Frage der belgischen 
Aerzte kann ich nur Lobenswertes berichten und habe viel gesehen und 
kontrolliert. Die Chefs, z. B. Depage, tadellos. Jedoch kommt kein 
deutscher Verwundeter mehr in belgische Hände, nur in deutsche Kriegs¬ 
lazarette, davon haben wir jetzt fünf in Brüssel und Umgegend.“ 

— Das kgl. bayrische Kriegsministerium gibt bekannt, dass der 
König einen neuen Orden, den „Militär-Sanitätsorden“ gestiftet hat, 
der an die Stelle des im Jahre 1812 gestifteten Militärsaoitäts-Ehren¬ 
zeichens treten soll. Der Orden wird für hervorragende Dienste im 
Kriege verlieben, und zwar für bayrische und ausserbayrische Aerzte, die 
sich um Angehörige der bayrischen Armee verdient gemacht haben. 
Erstere müssen die Verleihung selbst bei einer Kommission beantragen, 
für letztere muss er auf Vorschlag der Korps- usw.-Aerzte durch den 
kommandierenden General beantragt werden. Der Orden wird in zwei 
Klassen verliehen. In der Regel soll die Verleihung der 1. Klasse durch 
den Besitz der 2. Klasse bedingt sein. Bei Verleihung der 1. Klasse 
wird der Orden der 2. Klasse zurückgegeben. Mit dem Orden ist eine 
lebenslängliche Zulage von 600 bzw. 300 M. jährlich verbunden. Die 
bisherigen Inhaber des Militärsanitäts-Ehrenzeichens tragen dieses un¬ 
verändert fort. 

— Auf eine Eingabe des Verbandes der Aerzte Deutschlands an 
das Auswärtige Amt und das preussische Kriegsministerium, einen Aus¬ 
tausch der gefangenen oder in England zurückgehaltenen 
deutschen Aerzte in die Wege zu leiten, ist seitens des Auswärtigen 
Amtes folgende Antwort vom 9. Oktober eingelaufen: Durch Vermittlung 
der hiesigen Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika ist der 
grossbritannischen Regierung vorgeschlagen worden, den beiderseitigen 
Aerzten, auch wenn sie sich im wehrpflichtigen Alter befinden, die 
Abreise nach der Heimat zu gestatten. 

— Die Gesellschaft deutscher Nervenärzte hat dem Roten 
Kreuz den Betrag von dreitausend Mark für die Hilfslazarettzüge über¬ 
wiesen- Der deutsche Kongress für innere Medizin stiftete 5000 M. für 
Kriegswohlfahrtspflege. 

— Am 27. Oktober beging Wilhelm Erb sein 50jahnges Doktor- 
jubiläum. 


— Geheimer Medizinalrat Dr. Wilhelm Sander, der wie schon 
gemeldet, die Leitung der städtischen Irrenanstalt in Dalldorf seines 
hohen Alters wegen niedergelegt hat, ist durch Verleihung des Kronen- 
ordens II. Kl. ausgezeichnet worden. 

— Verlustliste. I. Gefallen: Stabsarzt d. R. Dr. Brockmann- 
Tilsit. Einj.-Freiw. F. Janzon, stud. med. Unterarzt Dr. Karl 
H. Müller-Cöln. Unterarzt Dr. Rettich. Oberarzt d. R. Dr. Schmidt- 
gall - Potsdam, Garde du Corps. Oberarzt d. R. Dr. Wachsner. 
Assistenzarzt d. R. Dr. Wiech mann-Hannover. Unteroffizier d. E. 
H. Zech, cand. med., Feidart-Reg. Nr. 89. — II. Verwundet: Ober¬ 
arzt d. R. Dr. Birk, Privatdozent für Pädiatrie in Kiel. Stabsarzt Dr. 
Brettschneider. Stabsarzt Dr. Engelmann. Oberarzt d. L. Dr. 
Hahmann. Oberarzt Dr. Meyer. Oberarzt d. R. Dr. Peitzsch. 
Assistenzarzt d. R. Dr. Schapals. Oberarzt d. R. Dr. Skrodzki. 
Stabsarzt Dr. Spackeier. Stabsarzt Dr. Wasserfall. Stabsarzt Dr. 
Wex. — III. Gestorben: Regimentsarzt Dr. Starke, Res. Inf.-Beg. 
Nr, 78. 

— Volkskrankheiten. Pest. Griechenland (22. VII.—4.IX.) 
9. Niederländisch - Indien (23. IX’.—-6. X.) 878 und 897 f- — 
Cholera. Oesterreich (4.—10.X.) 160 und 22 f. Ungarn (4.—10X.) 
238. Slavonien (4.—10. X.) 11- Bosnien (4. —10.X.) 1. — Genick¬ 
starre. Preussen (11.—17.X) 1 und 1 f. Oesterreich (27. JX. 
bis 3.X.) 2. — Spinale Kinderlähmung. Preussen (11.—17.X.) 
3. Oesterreich (27. IX.— 8. X.) mehrere Fälle, darunter Militärpersonen. 
Schweiz (4.—11. X.) 3. — Ruhr. Preussen (II.—17. X.) 300 and 
19 f. Oesterreich (27. IX.-8. X.) 2067 und 74+. — Mehr als ein 
Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Königsberg, Königs¬ 
hütte, Zabrze, Diphtherie und Krupp in Bottrop, Gotha, Lübeck, 
Typhus in Frankfurt a. 0. 

Hochschulnaohrichten. 

Bonn. Der Privatdozent für innere Medizin, Prof. Joseph Esser, 
dirigierender Arzt des St. Josephsbospitals, ist im Alter von 41 Jahren 
gestorben. Habilitiert: Dr. G. A. Rost für Laryogologie. — Breslau. 
Prof. Dr. L. Brieger, Primararzt der Abteilung für Hals-, Nasen- und 
OhrenkrankheiteD, ist gestorben. — Heidelberg. Prof. Job. Hoff¬ 
man n hat die etatmässige ausserordentliche Professur für Neuropathologie 
erhalten. — Zürich. Habilitiert: Dr. Otto Steiger, I. Assistent der 
medizinischen Klinik, für innere Medizin. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Pensionierung: Kreisarzt, Geh. Med.-Rat Dr. A. Erdner in Görlitz. 
Niederlassungen: Aerztin R. Hoffmann, Aerztin Dr. G, Bry, 

F. Gareis und Dr. R. Sandheim in Stettin, K. Tietze in Alt¬ 
scherbitz, E. KlÖpzig, U. Löbner, Dr. W. Budde, H. Pfeifer, 
A. Reingardt, M. Wolff, Dr. 0. Stein und B. Kamenz in Halle 
a. S., J. Deupmann in Recklinghausen, Dr. A. Dyckerhoff in 
Gelsenkirchen, H. E. Kreckwitz in Marburg, G. H. Schmitt in 
Hanau. 

Verzogen: Dr. 0. Knorer von Conradstein nach Neustadt (Wpr.), Dr. 

G. Hantel von Neustadt (Wpr.) nach Conradstein, Dr. M. Gumz von 
Joachimsthal i. M. nach Zoppot, Dr. H. Mellin von Altona, Dr. J. 
Hensen von Berlin und H. Reuter von Berlin-Wilmersdorf nach Dan¬ 
zig, Dr. H. Löpp von Wiesloch b. Heidelberg nach Tiegenhof, Dr. P. 
Zepf von Schwerin nach Jungfer, W. Regen von Berlin nachBerlin- 
Oberscböneweide, Aerztin Dr. E. Loewy von München nach Berlin- 
Steglitz, Dr. 0. Samuely von Franzensbad nach Niemegk, Aerztin 
T. Cohn von Cöpenick, Aerztin M. Willieh geb. Kressmann von 
Jena und Dr. P. Schuster von Charlottenburg nach Frankfurt a. 0., 
Dr. P. Baltzer vou Frankfurt a. 0. nach Zöblitz i. Erzgebirge, P. 
Neukirch von Breslau nach Reichenbach i. Schl., Dr. 0. Jaenicke 
von Cöln nach Wilhelmsburg a. E., A. Vögele von Frankfurt a. M. 
nach Schönthal b. Künzelsau, K. 0. Sohücke von Berlin nach Frank¬ 
furt a. M.-Heddernheim, Geh. San.-Rat Dr. F. Haeber von Bad Hom¬ 
burg v. d. H. nach München, A. Dientz von Boppard nach Pfalzfeld, 
Dr. 0. Kaendler von Dresden, Dr. W. Hammer von BerUn-Schone- 
berg und Dr. R. Michaelis von Bremerhaven nach Stettin, Dr. J. 
Kalkhof von Hohenmölsen nach Mainz, E. Jungmann von 
Lichterfelde und Dr. H. Brandt von Cuxhaven nach Halle a. S., n* 
Bleckmann von Wilhelmshaven nach Mannheim. Dr. K. Ganter von 
Kiel nach Bocholt, J. Nolte von Herne, Dr. H. Bertlioh von Magdß- 
bürg und Dr. W. Wessels von Potsdam nach Recklinghausen, v • 

H. Guericke von Salzuflen nach Dahle, C. Obremski von ro > 
Dr. P. Stöber von Dresden und Dr. J. Hermanns von Bonn na 
Dortmund, Dr. R. Bouvier von Bonn nach Ihmert, Dr. w. * 
von Reisen als Sohiffsarzt nach Bischofsheim (Landkr. Hanau;, 
Berres von Winkel a. Rh. nach Ahrweiler. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: K. Hiey 
Dortmund. 

Gestorben: San.-Rat Dr. K. Grahlmann in Esens. « 

Im Felde gefallen: Dr. 0. Suchsland aus Eisleben, rr 
L. Kirchheim ans Marburg. - - 

Für die Redaktion verantwortlich Prot Dr. Hans Kohn, Berlin W., B«yr eot ^ er ^_ 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSITY OF IOWA 



BERLINER 


Oie Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4. — 
Preia vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Bachhandlungon und Postanstalten an. 


Alle Büniendungen für die ftedaktlm und !sp#4Wei 
vrolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschvald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prot Dr. Hans Kohn. Augiist Hirschwald, Verlagsbachhandluog io Berlin 

Montag, den 9. November 1914. JK 45. Einnndfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Originaliea : Adler: Beitrag zu den perforierenden Schussverletzungen 
des Magens. (Illustr.) S. 1781. 

Mühsam: Beitrag zur Behandlung des Tetanus. (Aus dem Reserve- 
Lazarett II Berlin-Tempelhof, bakteriologisches Laboratorium und 
Seuohenabteilung.) S. 1784. 

Froehlich: Der Kriegssanitätsdienst io Berlin. (Illustr.) S. 1786. 
Steindorff: Die Kriegsohirurgie des Sehorgans. S. 1787. 
Bernhardt: Beitrag zum Symptomenkomplex der Brown-Sequard- 
schen Lähmung. S. 1790. 

de Langen: Beitrag zur Kasuistik des renalen Diabetes. (Aus der 
medizinischen Universitätsklinik in Groningen.) S. 1792. 

Fidler: Ein Beitrag zur Entstehung der Hernia diaphragmatica und 
Dilatation des Zwerchfells. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu 
Göttingen.) S. 1795. 

Bleherbesprechangen : Eulenburg: Real-Encyclopädie der gesamten 
Heilkunde. S. 1796. (Ref. Witte.) — Stern: Theorie und Praxis 
der Blutentziehung. S. 1796. (Ref. Klieneberger.) — Cohn: Die 
organischen Geschmacksstoffe. S. 1796. (Ref. Rona.) — Abend- 
roth: Das bibliographische System der Naturgeschiohte und der 


Medizin. S. 1797. (Ref. Roth.) — Klein*. Die Myelogonie als Stamm- 
zelle der Knochenmarkzellen im Blute und in den blutbildenden 
Organen und ihre Bedeutung unter normalen und pathologischen 
Verhältnissen. S. 1797. (Ref. Hirschfeld.) — Uhlenhuth und 
Dold: Hygienisches Praktikum. S. 1797. (Ref. Möllers.) 

Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1797. — Therapie. S. 1798. — 
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1798. — 
Parasiten künde und Serologie. S. 1798. — Innere Medizin. S.1798. — 
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1798. — Kinderheilkunde. 
S. 1799. — Chirurgie. S. 1799. — Urologie. S. 1799. — Haut- und 
Geschlechtskrankheiten. S. 1799. — Geburtshilfe und Gynäkologie. 
S. 1799. — Augenheilkunde. S. 1799. — Hals-, Nasen- und Ohren¬ 
krankheiten. S. 1800. 

Verhaudlugea ärztlicher fleselisehaftea: Aerztlicher Verein zu 
München. S. 1800. 

Kriegsärztliche Abende. S. 1800. 

[.Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zu 
Bad Homburg v. d. H. (Schluss.) S. 1801. 

Tagesgeschichtl. Notizen. S.1804. — Amtl. Mitteilungen. S.1804. 


Beitrag zu den perforierenden Schuss¬ 
verletzungen des Magens. 1 ) 

Von 

Dr. Adler-Berlin-Pankow. 

Die Angaben über die Häufigkeit der perforierenden Bauch- 
schus8verletzungen im Kriege haben insofern nur einen bedingten 
Wert, als die sichere Feststellung, ob ein oder mehrere Bauch¬ 
organe wirklich perforiert sind, und welche, selbst bei Zuhilfe¬ 
nahme der Röntgenuntersuchung mannigfachen Schwierigkeiten 
begegnet, wofern nicht operativ eingegriffen wird und hauptsäch¬ 
lich insofern, als bei den zahlreichen auf dem Schlachtfelde letal 
verlaufenen Fällen eine genaue Ermittelung der Todesursache durch 
Autopsie in der Regel überhaupt nicht möglich ist. 

Die vorhandenen kriegsstatistischen Angaben beziehen sich deshalb 
im wesentlichen auf die in Lazarettbehandlung gelangten Falle. Die 
Kriegsstatistik der Bauchschuss Verletzungen von H. Fischer berechnet: 


Schussverletzungen des Darmes.60,9 pCt. 

„ der Leber.16,1 „ 

„ des Magens.7,3 „ 

„ der Niere.7,3 „ 

„ des Mesenteriums und der Blutgefässe 5,0 „ 

„ der Milz.2,7 „ 

des Pankreas.0,4 „ 


Im deutschen Kriegsanitätsbericht sind unter 194 genau diagnosti¬ 
zierten perforierenden Bauchschüssen 16 = 8,2pCt und bei Stevenson 
unter 161 Fällen 13 = 8,1 pCt. Magenverletzungen angegeben. 

Bewegt sich somit die Häufigkeit der Magenschüsse im Kriege ziem¬ 
lich übereinstimmend zwischen 7,3 und 8,2 pCt., so ergibt die Statistik 
der Friedensverletzungen weit höhere Ziffern. Nach einer Zusammen¬ 
stellung der Mikulicz’sehen Klinik, welche 146 Bauchschusswunden 
umfasst, war in 24 pCt. der Fälle der Magen verletzt und Siegel be¬ 
rechnet gar unter 225 penetrierenden Schuss- und Stichwunden des 
Bauches 33 pCt. (71 Schüsse) des Magens. Kausch nimmt an, dass 
diese auffallende Differenz der Häufigkeit der Magenverletzungen im Kriege 
und im Frieden darauf zurückzuführen sei, dass der Magen im Frieden 
häufiger i n gefülltem Zustand getroffen wird, als im Kriege. Ohne die 

1) Abgekürzt vorgetragen in der Sitzung der „Kriegsärztlichen 
Abende“ vom 22. September 1914. 


grosse Bedeutung des Füllungszustandes des Magens für das Zustande¬ 
kommen und den Verlauf der Magenperforatiou unterschätzen zu wollen, 
möchte ich doch eher annehmen, dass in erster Linie die unsichere Er¬ 
mittelung der unmittelbar auf dem Schlachtfelde letal verlaufenen Bauch¬ 
schüsse diese auffallend niedrige Ziffer der perforierenden Magenschüsse 
im Kriege erklärt. 

Die Schusswunden des Magens sind in der Regel perforierend. 
Streifschüsse, welche nur die Serosa und Muscularis treffen, werden 
selten beobachtet and können unerkannt zur Heilung kommen. 
Trifft das Projektil annähernd senkrecht mit seiner Spitze den 
Magen, so kann der kleine Einschuss glatt, rund oder schlitz¬ 
förmig seio, ebenso die meist grössere Ausschussöffnung. Dies 
trifft jedoch nur zu für Fernschüsse kleinkalibriger Vollmantel¬ 
geschosse, welche mit hoher lebendiger Kraft durchschlagen, nicht 
für Teilmantelgeschosse, Bleikugeln grösseren Kalibers und so¬ 
genannte Querschläger. Letztere erzeugen grosse unregelmässige 
Wunden mit gequetschten und zerrissenen Rändern. Bei den aus¬ 
gedehnten schweren Zerreissungen durch Artilleriegeschosse, ins¬ 
besondere durch Granatsplitter, lassen sich bestimmte Typen über¬ 
haupt nicht aufstellen. Fast nie beobachtet man hierbei isolierte 
Magenverletzungen, sondern meist gleichzeitig Zerreissungen an 
Darm, Leber, Milz, Netz, Mesenterien und den grossen Gefässen. 
Nur beim kleinkalibrigen Vollmantelgeschoss und bei einiger- 
maassen leerem Magen kann man hoffen, dass die prolabierende 
Magenschleimhaut ähnlich wie bei Dünndarmschusswunden die 
kleine Oeffnung verschliesst und hierdurch den Anstritt von Magen¬ 
inhalt in die freie Bauchhöhle verhindert. Während von den drei 
Schichten des Magendarmkanals am Darme Muscularis und Mucosa 
meist einen geringeren Defekt zeigen, als die Serosa, verhält sich 
nach den Untersuchungen von Goler und Scbjerning die resi¬ 
stentere Magenschleimhaut in der Regel umgekehrt: sie wird meist, 
zumal am Ausschuss, in grösserer Ausdehnung verletzt gefunden 
als die Serosa des Magens. Hämorrhagien in der Umgehung der 
Schusswunde, zumal in der Submucosa, fehlen fast nie und er¬ 
leichtern beim Absuchen der Bauchhöhle das Auffinden der kleinen 
Wunden. Diese Tatsache ist von Bedeutung, weil hei der häufigen 
Multiplizität der Wunden leicht eine solche übersehen werden 
kann. Besonders gefürchtet sind in dieser Hinsicht die Schüsse, 


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Nr. 45. 


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welche in querer oder schräger Richtung das Abdomen durch¬ 
setzen. Dent fand in einem solchen Palle 36 durch einen Schuss 
erzeugte Darmperforationen. 

Die perforierenden Verletzungen des Magens durch Artillerie¬ 
geschosse und grosskalibrige Gewehrprojektile, nicht minder die 
durch Nahschösse kleinkalihriger Waffen erzeugten Magendarm- 
ver letz sagen verlaufen in der Regel ungünstig und die grosse 
Mehrzahl dieser Verwundeten bleibt auf dem Schlachtfelde infolge 
von Verblutung aus den Mesenterialgefässen, oder sie erliegt bald 
der septischen Perforationsperitonitis, den Folgen des Darmprolapses 
uod der komplizierenden Verletzungen der Nachbarorgane. Aber 
auch bei diesen schweren Verletzungen können vollkommene Hei¬ 
lungen Vorkommen. Wird dagegen der Magen durch kleinkalibrige 
Geschosse aus grösserer Entfernung perforiert, so zeigt sieb, wenn 
auch leider nicht immer, bei geeigneter Behandlung eine unver¬ 
kennbare Tendenz zu mehr oder weniger reaktionsloser Spontan¬ 
heilung und zwar noch in höherem Grade als wir dies von den 
perforierenden Darmschusswunden wissen. Der Moment der Ver 
letzung wird von dem Soldaten oft kaum empfunden, sie führt oft 
nicht einmal zur sofortigen Kampfunfäbigkeit, nur durch Blutung 
oder leichten Wundscbmerz macht sich später die Verwundung 
bemerkbar. Binnen weniger Tage ist die kleine Wunde vernarbt 
und der Mann ist wieder vollkommen dienstfähig. Aber keineswegs 
immer beobachtet man einen derartig glatten Verlauf. Zwischen 
den geschilderten Extremen leichtesten und schwersten Verlaufes 
finden sich alle Gradunterschiede: shockartige Symptome im Mo¬ 
mente der Verletzung, später reflektorische Spannung der Bauch¬ 
decken, Fieber, Pulsbeschleunigung, erschwerte schmerzhafte Re¬ 
spiration mit costalem Typ, Schmerzen im Epigastrium bei leichtem 
Druck und tiefer Inspiration, Erbrechen von Blut und Galle, 
blutige Stühle. Das Schicksal des Verletzten ist mehrere Tage 
Tage hindurch ungewiss. Ein Teil dieser Fälle verläuft unter 
dem Bilde der progredienten Peritonitis letal, der andere Teil 
gelangt bei geeigneter Behandlung dank der Bildung zunächst 
fibrinöser Verklebungen und später von Verwachsungen der Per¬ 
forationsstelle mit Netz, Peritoneum oder benachbarten Darm¬ 
schlingen zur Heilung. Aber selbst nach ursprünglich gutartigem 
Verlauf durch mehrere Wochen können subphrenische und intra¬ 
peritoneale Abscesse, sowie sekundäre Perforationen den Verlauf 
komplizieren oder den günstigen Ausgang vereiteln. 

Die Prognose der perforierenden Magenschusswunden ist 
nach alledem stets eine zweifelhafte. Scheinbar desolate Fälle 
sieht man zuweilen noch in Genesung übergehen, während ur¬ 
sprünglich reaktionslos verlaufende Fälle — zumal bei unzweck¬ 
mässiger Behandlung — letal enden. Die Mortalität der Bauch¬ 
schüsse beträgt, wenn man die auf dem Schlacbtfelde verbliebenen 
miteinrechnet, nach Hildebrandt schätzungsweise mindestens 
70 pCt., die der in Behandlung gelangten Fälle bei konservativer 
Therapie 40 pCt. Stevenson berechnet die Mortalität der Dünn- 
darmschüsse auf 62,8 pCt, der Dickdarmscbüsse auf 32,2 pCt. 
und der Magenschüsse auf 15,3 pCt. Diese günstige Ziffer bei Magen¬ 
schüssen stützt sich indessen nur auf ein Beobacbtungsmaterial 
von 13 Fällen! Im amerikanischen Sezessionskriege waren von 
den Darmschüssen 80,3 pCt, von den Magenschüssen 75,9 pCt. letal. 

Die Diagnose der perforierenden Magen Verletzung kann 
leider häufig nicht mit Sicherheit gestellt werden. Die Praxis 
ist deshalb längst dazu übergegaogen, jeden Bauch¬ 
schuss in dubio als perforierenden anzusehen und dem¬ 
entsprechend zu behandeln. Denn durch vielfache Er¬ 
fahrungen ist erwiesen, dass Schusswunden des Magens und 
Darmes ohne klinische Symptome verlaufen können, and dass die 
klassischen Symptome der Perforation gar nicht oder erst so spät 
auftreten können, dass sie für eine wirksame Behandlung nicht 
mehr von ausschlaggebender Bedeutung sind. Unter den Unter- 
suebungsmethoden steht bei Steckschüssen an Bedeutung obenan 
das Röntgenverfahren, welches sich mit grösster Vorsicht auch 
bei Bettruhe durchführen lässt. Allerdings verbietet sich bei Ver¬ 
dacht auf perforierende Magenverletzung die Darreichung einer 
Kontrastspeise in den ersten Tagen nach der Verletzung von selbst. 
Die Röntgenuntersuchung wird häufig entscheiden, ob eine Ver¬ 
letzung der Brust- oder Baucheingeweide, oder ob beides gleich¬ 
zeitig vorliegt — eine sehr wichtige und häufig zur Entscheidung 
stehende Frage. Die röntgenologisch ermittelte Lage des Pro¬ 
jektils, die Anwendung der verschiedenen Verfahren zur Tiefen- 
bestimmung, die Lage der Einschussöffnung und bei Darcbschüssen 
die Verbindungslinie zwischen Ein- und Ausschuss werden in 
manchen Fällen eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose ermöglichen, 
aber auch nicht mehr. Denn die topographischen Magen¬ 


grenzen unterliegen je nach dem Füllungszustande desselben 
recht erheblichen Schwankungen. 

Wenn wir uns die Grenzen des in mittlerem Füllangszustande 
befindlichen Magens auf die vordere Bauch wand projizieren, so 
liegt der Magen nach der Darstellung von Rauber-Kopscb 
zu 3 /a im linken Hypocbondrium and zu 1 / 4 im Epigastrium. Die 
Cardia befindet sich in der Höhe des XL Brustwirbels und in der 
Höhe des VI.—VH. Rippenknorpels am linken Sternalrande. Der 
Pylorns Hegt meist rechts vom XII. Brustwirbel. Der linke Rand 
und das UDtere Ende des Processus xipboideus entsprechen der 
Lage der kleinen Kurvatur. Der rechte Rippenbogen zieht mit 
dem VIII. Rippenknorpel an dem von der Leber bedeckten rechten 
Ende des Magens herab, während der linke Rippenbogen den 
Magen in schräger Richtung in eine grössere linke und eine 
kleinere rechte Hälfte halbiert. Der Magenfundus reicht bis zur 
Höhe des V. linken Rippenknorpels aufwärts. Vergegenwärtigen 
wir uns ferner, dass die untere Pleuragrenze, d. h. die Umschlag- 
stelle der Pleura diaphragmatica auf die Pleura costalis leicht 
abwärts gebogen vom Sternalrande des Vl. Rippenknorpels über 
die Knorpelknochengrenze der VII. Rippe hinweg bis zum Halse 
der XII. Rippe zieht, wobei die linke Pleuralinie stets etwas tiefer 
steht als die rechte, so leuchtet es ein, wie leicht ein Einschnss, 
welcher unterhalb des V. Rippenknorpels die vordere Brustwand 
trifft, gleichzeitig Pleura und Magen verletzen kann. Diese ana¬ 
tomischen Daten versagen nun aber leider bei den durch die Ge¬ 
fechtsart bedingten besonders zahlreichen Fällen, in welchen das 
Geschoss den Körper in liegender Stellung in mehr weniger 
schräger Richtung von oben nach unten durchsetzt, und somit 
sind auch die anatomischen Grundlagen für die Diagnose nicht 
immer entscheidend. 

Was nun die klinischen Symptome anbetrifft, so ist der 
primäre Wundschmerz für die Diagnose der Magenperforation nnr 
wenig zu verwerten, da er zuweilen vollkommen fehlt, zuweilen 
in allen möglichen Variationen vorkommt. Mauche Soldaten be¬ 
merken die Verletzung gar nicht und kämpfen weiter, manche 
stürzen shockartig schwer getroffen um und sind nicht imstande, 
sieb wieder zu erheben. Auch in dem unten zu besprechenden 
Falle wurde der in knieender Stellung getroffene Mann nach der 
rechten Seite umgeworfen, aber augenscheinlich nur deshalb, weil 
das Projektil zunächst in eine Mauer einschlug und gleichzeitig 
mit dem Geschoss ein Stück Mauerstein den linken Rippenbogen 
traf. Erholen sich die Verwundeten nicht rasch vom primären 
Shock, so ist anzunehmen, dass eine komplizierte Verletzung eines 
oder mehrerer Bauchorgane bzw. eine innere Blutung vorliegt 
Frühzeitiges Erbrechen von Blut und Galle, bluthaltige Stühle 
sprechen sehr für Magen- oder Darmverletzung; tritt das Erbrechen 
erst im weiteren Verlauf und im Verein mit reflektorischer Bauch- 
deckenspannung auf, so ist es ein wichtiges Zeichen der Peri¬ 
tonitis. Im Frühstadium aber, insbesondere unmittelbar nach der 
Verletzung muss man mit der Verwertung der reflektorischen 
Bauchdeckenspannung vorsichtig sein, da sie auch bei pene¬ 
trierenden Thoraxschüssen ohne Magendarm Verletzung vorkommt. 
Wiederholt haben Laparotomien, welche auf dieses Symptom bin 
ausgeführt worden, ergeben, dass die Bauchhöhle gar nicht ver¬ 
letzt war. Umgekehrt beobachtet man auch erschwerte schmerz¬ 
hafte Respiration bei penetriereuden Bauchschüssen ohne jede 
Verletzung der Brustorgane. Das Verschwinden der Leberdämpfong 
ist zwar bei positivem Befund ein wertvolles Symptom der Per¬ 
foration, sein Fehlen spricht jedoch in keiner Weise gegen eine 
solche. Diese Erfahrung konnten wir auch bei perforierten Magen¬ 
geschwüren wiederholt bestätigen. 

Somit sehen wir, dass auch alle diese klinischen Symptome 
unsicher sind, und dass vor allem die sichere klinische Fest¬ 
stellung, welcher Abschnitt des Magendarmtractus perforiert ist, 
nur selten möglich ist. Ich sehe dabei ab *von den mit grösseren 
Bauchwanddefekten und Eingeweideprolaps einhergehenden Ver¬ 
letzungen, bei welchen die Entleerung von Magen- oder Darm¬ 
inhalt durch die Bauch wunde einen ziemlich sicheren Hinweis bildet. 

Die guten Resultate der operativen Behandlung der pene¬ 
trierenden Magendarmverletzungen, welche unter den günstigen 
Bedingungen der Friedenspraxis erzielt werden, sind bekannt. 
Leider lassen sich die Erfahrungen der Friedenspraxis nicht auf 
die äusserst ungünstigen Verhältnisse im Kriege übertragen. Die 
Erfahrungen der letzten Kriege haben vielmehr gelehrt, dass nur 
ganz ausnahmsweise die Möglichkeit besteht, aseptische Laparo¬ 
tomien systematisch, wie im Frieden, durchzuführen. Im 
afrikanischen Kriege und im amerikanischen Kriege auf Km* 
und den Philippinen ergaben die Laparotomien eine Mortalität* 


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9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Ziffer von 69—88 pCt.! Hält man diesen Zahlen die bereits oben 
erwähnte Tatsache gegenüber, dass von den Bauchverletzungen 
im Kriege im ganzen vielleicht 70 pCt., von den in Lazarettpflege 
gelangten, bei konservativer Behandlung nur etwa 40 pCt. starben, 
so wird es verständlich, dass die Laparotomie bei Bauschschüssen 
im Kriege grundsätzlich verlassen worden ist, wofern nicht in 
besonderen Fällen die Bedingungen ebenso günstig liegen sollten 
wie im Frieden, oder eine innere Blutung bei noch leidlich gutem 
Allgemeinzustand rasches Handeln erheischt. Im Frieden ergibt 
die Laparotomie, wenn sie in den ersten Stunden nach der Ver¬ 
letzung ausgeführt wird eine Mortalität von 15,2 pCt., nach 
5—8 Stunden beträgt sie 44,4 pCt., nach 9—12 Stunden 63,6 pCt. 
und noch später 70 pCt. (Siegel). Hier zeigt sich evident die 
Bedeutung der Frühoperation! Die Verhältnisse des Krieges 
werden nur selten eine Frühoperation unter günstigen Bedingungen 
zulassen. Die exspektative Behandlung der penetrierenden Magen¬ 
wunden baut sich auf der Erfahrung auf, dass den serösen 
Flächen die Tendenz zu rascher und fester Verklebung in hohem 
Grade eigen ist. Beruhen doch, streng genommen, auf dieser 
Eigenschaft alle die glänzenden Erfolge unserer Magendarm- 
chirurgie. Die Therapie hat also die Aufgabe, die Bildung dieser 
Verklebungen auf jede Weise zu unterstützen und alles zu ver¬ 
meiden, was diesen Vorgang beeinträchtigen könnte. Jede Schuss¬ 
verletzung des Abdomens ist demgemäss in dubio als perforierende 
anzusehen und zu behandeln. Vielfache Erfahrungen beweisen, 
dass mehrstündiges ruhiges Liegenbleiben auf dem Schlachtfelde 
unter absoluter Nahrungsenthaltung für den günstigen Ausgang 
von grösster Bedeutung ist. Selbst der Genuss von Wasser ist für 
die ersten 2 —3 Tage strengstens zu verbieten. Soldaten und 
Sanitätspersonal sind hierüber schon in Friedenszeiten zu instru¬ 
ieren. Je später der Transport vom Schlachtfelde erfolgt, desto 
besser. Der Verletzte ist mit grösster Vorsicht in das nächst¬ 
gelegene Lazarett zu transportieren, ein weiterer Transport mit 
der Bahn ist in der ersten Woche tunlichst zu vermeiden. Opiate 
sorgen für Ruhigstellung des Magens und Darmes. Der Durst 
wird durch Rectaleinläufe oder subcutane Kochsalinfusionen be¬ 
kämpft. Kompakte Nahrung wird vor Ablauf von 14 Tagen 
nicht gereicht. Innere Abführmittel sind zu vermeiden. Bilden 
sich im weiteren Verlaufe abgekapselte Abscesse zwischen den 
Adhäsionen, so sind sie nach den bekannten Regeln operativ zu 
behandeln. 

Wir sehen somit, dass die kriegschirurgische Behandlung der 
penetrierenden Bauchschüsse nach den ungünstigen Erfahrungen, 
welche die primäre Laparotomie in den letzten Kriegen gezeitigt 
hat, sich heute noch auf den altbewährten Grundsätzen aufbaut, 
welche Stromeyer in seinen „Maximen der Kriegsheilkunst“ 
schon vor mehr als einem halben Jahrhundert treffend ge¬ 
zeichnet hat. 

Ein von uns beobachteter Fall von perforierendem Magen¬ 
schuss möge das oben Gesagte illustrieren: 

Der 25 jährige Füsilier des 1. ostpreussischen Grenadier-Regiments 
„Kronprinz“, F. B., erhielt am 20. August 1914 in der Schlacht bei 
Gumbinnen aus etwa 200 m Entfernung einen Gewehrschuss in der 
Gegend oberhalb des linken Rippenbogens. Nach Angabe des Verletzten 
ist das Geschoss erst auf eine in der Nähe stehende Scheune auf¬ 
geschlagen, hat einen Mauerstein an deren Wand zertrümmert; ein 
Stück dieses Steins traf ihn mit dem Geschoss, während er in knieender 
Stellung feuerte. Er wurde nach der rechten Seite hin umgeworfen, 
konnte sich aber alsbald wieder erheben. Die Verwundung erfolgte um 
10 Uhr vormittags. B. hatte 4 Stunden zuvor 2 Cakes, sonst aber 
keinerlei Nahrung oder Getränk zu sich genommen. Er glaubte an¬ 
fänglich, nur von dem Stein getroffen zu sein. Erst durch den leichten 
Wundschmerz und den Blutfleck am Waffenrock wurde er auf die Ver¬ 
wundung aufmerksam. Er konnte anfangs nur leicht gebückt gehen, 
legte aber den Weg zu dem l / 2 Stunde entfernten Truppenverbandplatz 
allein zu Fuss zurück und marschierte dann nach Anlegung eines Ver¬ 
bandes noch 1 Stunde weiter bis zur Sanitätskompagnie, von wo er auf 
einem von russischen Gefangenen gezogenen Kutschwagen sitzend nach 
5 stündiger Fahrt nachts Gumbinnen erreichte. Von hier wurde B. am 
folgenden Tage auf einem Leiterwagen sitzend in 10 stündiger Fahrt 
nach Insterburg befördert. Von Insterburg nach Berlin war B. dann 
2 Tage und 2 Nächte unterwegs und verbrachte die Zeit auf der Holz¬ 
bank eines Güterwagens teils sitzend, teils liegend. Auf der langen 
Reise bat er von den auf vielen Stationen in Form von belegten 
Brötchen, Würstchen, Obst, Limonade und Zigarren reichlich dargebotenen 
Liebesgaben ausgiebigen Gebrauch gemacht. 

Ich erwähne diese Vorgänge, weil sie zeigen, dass alle wohl¬ 
durchdachten Bestimmungen der Kriegssanitätsordnung und die 
bewährten Grundsätze der Kriegschirurgie über den Haufen ge¬ 
worfen werden können, wenn der Feind in grober Missachtung 


der Bestimmungen der Genfer Konvention die Lazarette nicht 
schont. So wird berichtet, dass in diesen kritischen Tagen der 
Chef des grossen Insterburger Reservelazaretts mit sämtlichen 
Verwundeten, dem Personal und Inventar sich zurückziehen musste 
und 3 Tage unterwegs war (Kanzow). Da ist es begreiflich, 
dass infolge derartiger elementarer Ereignisse mancher Schwer¬ 
verletzte, welcher grundsätzlich vor einem weiten Transport hätte 
bewahrt werden sollen, möglichst schnell und möglichst weit 
wegtransportiert werden musste und die grosse Zahl der zu 
transportierenden Verwundeten brachte es mit sich, dass nicht 
alle, bei welchen es angezeigt erschien, in wohleingerichteten 
Sanitätszügen liegend transportiert werden konnten. 

Am 24. August traf der Verwundete in Berlin ein, und wir 
erhoben folgenden Befund: 

Gutes Allgemeinbefinden. B. hat den weiten Transport gut über¬ 
standen. Erbrechen oder Aufstossen waren unterwegs nicht aufgetreten 
und bestanden auch bei der Aufnahme nicht. Der Verwundete klagte 
nur über leichte Schmerzen im Epigastrium bei Druck und tiefer Inspi¬ 
ration. Temperatur 37,1°. Puls 68, kräftig, regelmässig. 2 cm langer 
schrägovaler Einschuss mit handtellergrosser sugillierter Umgebung, 
zwischen 7. und 8. linken Rippenknorpel 2 cm einwärts von der linken 
Mamillarlinie und 3 cm oberhalb des Rippenbogens. Ausschussöffnung 
nicht vorhanden. Herz, Lungen, Pleura intakt. Atmung regelmässig, 
costo-abdominal. Abdomen weich, keine Dämpfung der abhängigen 
Teile. Stuhl regelmässig, frei von Blut. 

Trotz des guten Allgemeinbefindens und des Fehlens ausgesprochener 
abdomineller Reizerscheinungen haben wir auf Grund der anatomischen 
Lage der Einschussöffnung die Verletzung als penetrierende Bauchwundo 
angesehen und zunächst mit strenger Diät und Bettruhe behandelt. Die 
Heilung der Einschussöffnung nahm einen normalen Verlauf. Bei an¬ 
dauernd gutem Allgemeinbefinden hat dann unser Röntgenologe 
Dr. Tugendreich am 28. August die erste Röntgenuntersuchung vor¬ 
genommen. Hierbei wurde festgestellt, dass das an der Spitze gestauchte 
Vollmantelgeschoss etwa 7 cm unterhalb der linken Zwerchfellkuppe 
lag. Die deformierte Spitze war etwa 1,5 cm vom linken Rande des 
ersten Lendenwirbelkörpers entfernt. (Abbildung 1.) 


Abbildung 1. 



a = Projektil, b = Körper des ersten Lendenwirbels, c = linke 
Zwerohfellkuppe. 

Die Durchleuchtung ergab ferner, dass das Zwerchfell gut beweg¬ 
lich und die Pleurahöhle frei von Exsudat war. Diese Feststellung war 
wichtig, weil nach der anatomischen Lage der Einschussöffnung eine Ver¬ 
letzung der Pleura sehr wohl möglich war. 

Die zweite, am 4. September nach Einnahme einer Wismutmahlzeit 
vorgenommene Röntgenaufnahme hatte das unzweifelhafte Ergeb¬ 
nis, dass das Projektil frei im Magen lag. (Abbildung 2.) Es 
befand sich am untersten Pol der grossen Kurvatur rechts von der 
Wirbelsäule in der Pars praepylorica, deren konvex geschwungene Linie 
im Schattenbild durch das am tiefsten Punkt liegende Projektil hervor¬ 
getrieben und bei a und b winklig unterbrochen wird, während die 
Strecke a—b annähernd geradlinig verläuft. Pylorus und Pars prae¬ 
pylorica sind rechts gelagert. Am Fundus zeigt die grosse Kurvatur bei 
c eine unregelmässige Auftreibung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass 
diese Stelle der Einschussöffnung im Magen entspricht und dass hier 
bereits perigastritische Verdichtungen und Adhäsionen (Netz?) sich ge¬ 
bildet haben. Das Geschoss liegt in der Höhe des 3.—4. Lendenwirbels 
und hebt sich mit dem Magen bei aktiver Einziehung des Leibes. 

Bei der am 7. September vorgenommenen Röntgenuntersuchung 
fand sich das mit der Spitze nach rechts und oben gerichtete Projektil 
scheinbar dicht über dem Acetabulum des rechten Hüftgelenkes. Es 
bewegte sich bei der Atmung, hob sich bei aktiver Einziehung des Ab¬ 
domens und lag augenscheinlich im Coecum. (Abbildung 3.) 

Jeder Zweifel wurde dadurch beseitigt, dass wir bei der am folgenden 
Tage (8. September) vorgenommenen Untersuchung das mit der Spitze 
nach links unten gerichtete Geschoss in der Mittellinie vor dem Körper 
des 5. Lendenwirbels, offenbar im Colon transversura liegend vorfanden. 


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1784 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


Auch jetzt war es verschieblich bei der Respiration und Einziehung der 
Bauchwand. (Abbildung 4.) 

Bei sorgsamer Durchsuchung der Abgänge wurde das 
1 rojektil 3 Tage später, am 11. September im Stuhlgang 
gefunden. (Abbildung 5.) 


Abbildung 2. 



a—b 

a—b — Lage des Projektils an der grossen Kurvatur, c = Auftreibung 
am Fundus (Perigastritis?). 


Abbildung 3. 



a = Lage des Projektils über dem Acetabulum des rechten Hüftgelenks. 


Abbildung 4. 



a = Lage des Projektils vor dem Körper des 5. Lendenwirbels. 


Abbildung 5. 



Ein derartiger spontaner Abgang des Projektils scheint, so¬ 
weit aus der Literatur ersichtlich, ziemlich selten vorzukommen, 
relativ am häufigsten noch bei Steckschüssen des Dickdarms und 
Mastdarms. Möglich ist immerhin, dass der Vorgang öfters über¬ 
sehen wird, wenn die Abgänge nicht täglich durchsucht werden. 

Unser Fall zeigt die grosse diagnostische Bedeutung einer 


vorsichtigen, systematisch durchgeführten Röntgenuntersuchung. 
Mag auch bei Erbrechen blutiger Massen, bei manifesten oder 
okkulten bluthaltigen Stühlen die Diagnose der perforierenden 
Magenverletzung ohne Röntgenverfahren möglich sein, so erlaubt 
uns doch kein anderes Verfahren in gleich schonender und exakter 
Weise, den Sitz und eventuell die Wanderung des Projektils fest¬ 
zustellen. Alle die übrigen, oben besprochenen diagnostischen 
Hilfsmittel, insbesondere die klinischen Symptome, haben in 
unserem Falle versagt. Ausser der etwas erschwerten und schmerz¬ 
haften Inspiration und Druckempfindlicbkeit im Epigastrium waren 
klinische Symptome, welche auf eine Perforation der Bauch- 
eingeweide hindeuteten, überhaupt nicht vorhanden! Der günstige 
Ausgang ist in unserem Falle wahrscheinlich darauf zurückzu¬ 
führen, dass der Magen in leerem Zustand verletzt wurde und die 
Perforation nach der anatomischen Lage des Einschusses und dem 
Röntgenbefunde am oberen Abschnitt des Fundus oder im cardialen 
Teil erfolgte, an welchem ein Austritt von Mageninhalt nicht so 
leicht zustande kommen kann. Wahrscheinlich haben sich sehr 
rasch die schützenden Verklebungen und Adhäsionen gebildet, so 
dass die nachher ziemlich reichlich genossene kompakte und 
flüssige Nahrung dem Verletzten nicht zum Verhängnis geworden 
ist. Es wäre aber gewiss nicht gerechtfertigt, auf Grund der¬ 
artiger — zumal vereinzelter — Erfahrungen an den oben er¬ 
örterten bewährten Grundsätzen der Behandlung: RubigstelluDg 
des Magendarmkanals, absolute Nabrungsentziehong für die ersten 
Tage, Vermeidung frühzeitigen Transportes rütteln zu wollen. Im 
Gegenteil scheinen mir solche Fälle, welche die grosse Tendenz 
zur Spontanheilung bei perforierenden Wunden des Magendarm¬ 
kanals illustrieren, ein weiterer Ansporn zu sein, diese Tendenz 
mit allen uns zu Gebote stehenden therapeutischen Maassnahmen 
zu unterstützen. 


Aus dem Reserve-Lazarett II Berlin-Tempelhof (Dir.: 
Generaloherarzt Dr. Kaether). Bakteriologisches Labo¬ 
ratorium und Seuchenabteilung. 

Beitrag zur Behandlung des Tetanus. 

Vou 

Dr. Hans Mühsam-Berlin. 

Systematisch gehört der Tetanus zu den Toxämien. Wie 
hier durch die Resorption giftiger Produkte von eng umschriebenen 
Distrikten (z. B. des Dysenterietoxins, aus dem Darm, oder auch 
toxisch wirkender Produkte bei lang dauernder Obstipation 
putrider Massen bei stagnierendem Lochialfluss usw.) schwere 
Allgemeinerscheinungen hervorgerufen werden können, die nach 
Beseitigung des lokalen Krankheitsherdes von selbst verschwinden, 
so würde auch, nach Vernichtung der Bacillen, der Starrkrampf 
beseitigt sein, wenn nicht das Tetanusgift eine so innige Ver¬ 
wandtschaft zum Centralnervensystem besässe. Dieser Umstand 
allein zwingt uns, über die Ausrottung des Feindes hinaus auch 
noch die Spuren seiner früheren Anwesenheit hinwegzuräumen. 

Unter den Vorschlägen zur Behandlung des Tetanus be¬ 
schäftigen sich die meisten mit der Art der Applikation des 

Tetanusserums. So wichtig diese Frage auch ist, stellt ihre Be¬ 
antwortung doch nur die Lösung eines Teilproblems dar. 

Durch die Einspritzung des Antitoxins wird zwar das Tetanus¬ 
gift mehr oder weniger neutralisiert und seine Wirkung auf den 
Organismus ausgesehaltet. So lange aber die Tetanusbacillen im 
Körper bleiben, produzieren sie immer neue Mengen von Toxin, 
und schliesslich ist es nicht mehr möglich, alles Gift unwirksam 

zu machen. Es ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben einer 

rationellen Tetanusbehandlung, die Neubildung von Toxin zu ver¬ 
hüten. 

Dazu gibt uns nun die Kenntnis der Biologie der Starrkrampf¬ 
bacillen eine sehr gute Handhabe. Der Bacillus tetani ist ein 
strenger Anaerobier. Nur bei völligem Fehlen von Sauerstoff 
vermag er sich zu entwickeln. In der künstlichen Kultur können 
wir das dadurch erreichen, dass wir die Zufuhr von Loft ab¬ 
sperren und eventuell an ihre Stelle ein anderes Gas bringen, 
oder aber dadurch, dass wir den Sauerstoff der Luft durch redu¬ 
zierendes Material von den Tetanusbacillen ablenken. 

Welche Bedingungen gestatten nun dem nur bei Sauerstoff- 
abschluss gedeihenden Bacillus sich im menschlichen Körper zu 
entwickeln, der doch beständig vom sauerstoffhaltigen Blute durch- 
strömt wird? Die erstgenannte Möglichkeit der künstlichen Kulti* 


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UMIVERSITY OF IOWA 










0. November 1014. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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vierung, die Unterbindung der Saaerstoffzafuhr, würde voraus¬ 
setzen, dass der Bacillenherd an einer Stelle liegt, wo er vom 
Blute und Gewebssaft nicht umspült wird. Im unverletzten Körper 
wird diese Bedingung nirgends hinlänglich verwirklicht; im ver¬ 
letzten aber dort, wo Gewebe aus ihrem natürlichen Zusammen¬ 
hänge gerissen, aus der Circulation ausgeschaltet sind. Hier 
finden die Tetanusbacillen einen günstigen Nährboden. Das von 
diesem Herde produzierte Gift gelangt entlang einer unzerrissenen 
Nervenfaser auf Nervenbahnen fortschreitend in das Centralnerven¬ 
system. Es wäre auch denkbar, dass das Gift durch Diffusion 
aus dem abgestorbenen Gewebe in das gesunde hineingelangt und 
von hier aus entlang einer peripheren Nervenbahn das Central¬ 
nervensystem erreicht. 

Aber auch das zweite der von uns zu Züchtungszwecken be¬ 
nutzten Verfahren hat sein Analogon im menschlichen Körper. 
Gleichzeitig mit dem Tetanuserreger geraten andere Bakterien in 
die Wunde, die sich im Körper entwickeln und im Gegensatz zum 
Starrkrampfbacillus sehr viel Sauerstoff gebrauchen. Diese spielen 
die Rolle der Reduktionsmittel und geben den Tetanusbacillen die 
Lebensmöglichkeit, indem sie sie vor dem Zutritt des Sauerstoffs 
schützen. 

Aus diesen Kenntnissen ergibt sich nun leicht das Verfahren, 
um die Tetanusbacillen zu beseitigen oder unschädlich zu machen: 

1. Es werden alle mit der Circulation nicht mehr 
io ausreichendem Maasse zusammenhängenden Gewebe 
entfernt. Dabei ist zu beachten, dass die keimhaltigen Gewebs- 
fetzen nur sehr klein zu sein brauchen, um einer Bacillenkolonie 
zur Brutstätte zu dienen, die bei der ungeheuren Giftigkeit des 
Tetanusgiftes hinlängliche Toxindosen zu produzieren vermag, um 
den Verwundeten zu töten. Aus diesem Grunde soll bei be¬ 
ginnendem Kinnbackenkrampf nicht nur die vielleicht schon makro¬ 
skopisch beschmutzte Einschussöffnung Umschnitten und mit Schere, 
Scalpell und eventuell scharfem Löffel gesäubert werden, sondern 
auch der Schusskanal. Wenn irgend möglich, soll beim Auftreten 
von Trismus Ein- und Ausschussöffoung durch den Kanal hindurch 
nach aussen gespalten und so eine weit offene Wunde hergestellt 
werden. Da der Tetanusbacillus nicht tief in das Gewebe ein¬ 
dringt, so kann man durch Entfernung der oberflächlichen 
Schichten mit ziemlicher Sicherheit auf Beseitigung des Io- 
fektionsstoffes rechnen. Die weit offene Wundbehandlung und die 
nicht zu schüchterne Entfernung der zertrümmerten und der ober¬ 
flächlichen gesunden Gewebsschichten sind der Angelpunkt der 
rationellen Tetanustherapie. Damit ist meist auch die 

2. Forderung erfüllt: die Beseitigung reduzierenden 
Materials, das dnrch Sauerstoffabsorption den Tetanusbacillen 
die Entwicklungsmöglichkeit verschafft, die Beseitigung von Eiter¬ 
erregern und anderem — auch sapropbytischem — Material. 

3. Um aber trotzdem im Körper verbliebene Tetanusbacillen 
unschädlich zu machen, durchtränken wir die ganze Wunde, 
so stark wir können, mit Sauerstoff. Von allen dazu io Be¬ 
tracht kommenden Mitteln lässt sich — so weit ich es übersehen 
kann — nur das Wasserstoffsuperoxyd dazu verwenden. In die 
möglichst weit offene Wunde wird der flüssige H 2 0 2 eingegossen, 
der sich entwickelnde Schanm einige Male weggewischt und dann 
die Wunde mit mit H 2 0 2 getränkten Kompressen ausgefüllt. Alle 

1— 2 Stunden wird das Wasserstoffsuperoxyd nachgegossen und 

2— 3 mal am Tage werden die Kompressen gewechselt. Der sich 
unter dem Biofluss der Gewehskatalase entwickelnde gasförmige 
Sauerstoff diffundiert durch die Schaumwände hindurch in das 
Gewebe, von dem er begierig aufgenoramen wird. Das häufige 
Nachgiessen ist notwendig, am Austrocknen zu vermeiden. Durch 
die trockene Kruste hindurch findet keine Sauerstoffaufnahme in 
die Gewebe statt; wohl aber entwickeln sich in ihr die Bacillen. 

Für Schusskaoäle, die nicht nach aussen gespalten werden 
können, eignet sich das Wasserstoffsuperoxyd in fester Form, das 
als Perhydrit von Merk in den Handel gebracht wird und als 
Stifte oder Pulver zur Verwendung gelangt. In dieser Form ist 
es auch für Knochen wunden sehr brauchbar. 

Von der Verwendung anderer Superoxyde wird man wohl ab- 
sehen müssen, weil die nach Abspaltung des Sauerstoffs mit dem 
Gewebssaft sich bildenden Hydrate teils ätzende, teils giftige 
Wirkung haben (NaOH, Mg(0H) 2 usw.). 

Ebenso dürfte die direkte Durchleitung von — natürlich 
feuchtem — Sauerstoff, die besondere Vorrichtungen notwendig 
machen würde, kaum praktisch durchführbar sein. 

Es muss aber ausdrücklich davor gewarnt werden, durch 
ein weissfällende Mittel, wie man sie sonst in der Wundchirurgie 
anweudet (Höllenstein, essigsaure Tonerde usw., ferner Kauteri- 


1785 


sierung), eine Kruste zu schaffen, die den Zutritt von Sauerstoff 
nur zurückhält uod das Wachstum der Tetanusbacillen begünstigt. 

Ist die Wunde in allen ihren Teilen hinlänglich frei gelegt, so 
dass das Wasserstoffsuperoxyd überall binkommen kann, so werden 
die grössten Mengen von eitererregenden Bakterien nicht imstande 
sein, den gesamten frei werdenden Sauerstoff mit Beschlag zu be¬ 
legen, und in kurzer Zeit gehen die Tetanusbacillen in dem 
sauerstoffdarchtränkten Gewebe zugrunde. Diese Sättigung mit 
Sauerstoff ist sofort bei der Betrachtung der Wunde an ihrem 
intensiv hellroten Aussehen erkenntlich. Sind die tetanischen 
Erscheinungen geschwunden, so kann die sonst übliche Behand¬ 
lung eiternder Wunden — mit Chlorkalk, Seifenbädern, Jod¬ 
tinktur usw. — einsetzen. 

Es ist selbstverständlich, dass ausserdem von Tetanusserum, 
intralumbal und intramuskulär abwechselnd angewandt, und von 
Narcoticis (Chloroform, Chloral, Magoesiumsulfat) ausgiebiger 
Gebrauch gemacht wird. 

Die frühzeitige Inangriffnahme einer solchen Behandlung er¬ 
scheint um so wichtiger, als der Trismus genügt, um den 
Kranken zu töten. Wenigstens habe ich einen Verwundeten, bei 
welchem die Krämpfe niemals allgemein geworden waren, an einer 
Schluckpneumonie zugrunde gehen sehen, die — wie ge¬ 
wöhnlich — dadurch entstanden war, dass er das nach Ver¬ 
schlucken in den Mund entleerte Sekret nicht auswerfen konnte 
und aspirierte. Ich habe deshalb die Absicht — glücklicher¬ 
weise habe ich sie noch nicht auszuführen brauchen —, sobald 
ein Verwundeter mit Trismus Anzeichen einer Bronchitis mit Tem¬ 
peraturanstieg zeigt, ihm eine genügend grosse Zahnlücke 
zu schaffen, damit er durch sie hindurch expektorieren kann. 
Wer einmal gesehen hat, wie solch ein armer Kranker mit ge¬ 
waltigen Anstrengungen, blaurot, spärliches zähes Sekret durch 
die festgeschlossenen Zahnreihen hervorspritzt und die grössere 
Menge immer wieder zurückzieht, wird das Opfer einiger gesunder 
Zähne nicht für zu gross halten. 

Der Kinubackenkrampf pflegt noch lange, wenn sonst nichts 
mehr an die furchtbare Zeit der allgemeinen Krämpfe erinnert, 
anzubalteo. Ohne weitere Zufuhr von Tetanusserum verschwindet 
er allmählich, beschleunigt durch lokale Wärme, die auch sub¬ 
jektiv angenehm empfunden wird. 

Bei den Krankengeschichten tritt der Nutzen der ätiologischen 
antibakteriellen Therapie aus dem Grunde nicht hinlänglich klar 
hervor, weil sie notwendig mit der symptomatischen antitoxischen 
verbunden sein muss. Nur die Schnelligkeit, mit der die schweren 
Vergiftungserscheinungen verschwinden, und das Ausbleiben von 
Rückfällen lässt den Schluss zu, dass nach der Neutralisierung 
des einmal von der infizierten Wunde in den Körper gelangten 
Toxins neues Gift nicht mehr produziert wurde. 

Als Beispiel der Wirkung kombinierter ätiologischer und 
symptomatischer Behandlung mag folgender Auszug aus einer 
Krankengeschichte dienen: 

Engländer J. Cr. wird am 9. Oktober mit heftigsten Krampfanfällen, 
Opistotonus, Atemstillstand auf der Höhe der Krämpfe, eingeliefert. Kurze 
anfallsfreie Pausen. Heftige Schmerzen in allen Muskeln. Soll vor 
25 Tagen verwundet worden sein, seit 14 Tagen Schmerzen in den Beinen, 
seit mindesten 4 Tagen ausgesprochenen Tetanus haben. Patient lässt 
dauernd dünnen Stuhl und Urin unter sich, ist bleich cyanotiscb, stöhnt 
beständig. Genauere Untersuchung nicht möglich, weil jede Berührung 
heftigste Krämpfe auslöst. In der Gegend des rechten Tuberculum tibiae 
von schmutzigen Granulationen bedeckte zweimarkstückgrosse Wunde, 
rechts davon ebensolche. Um beide bläulichroter entzündlicher Hof. 
Die Gegend des Metatarso-Pbalangealgelenkes vom linken grossen Zeh 
ist ein mit schmierigen Granulationen gefüllter fünfmarkstückgrosser 
Defekt. Umgegend bläulichrot geschwollen. Temperatur 38,4°. Puls 
klein, frequent. In Chloroformnarkose werden die Granulationen 
entfernt, die Schienbeinwunde bis tief ins Knochenmark ausgelöffelt, 
wobei übelriechende Massen entleert werden. Wunden bis ins Ge¬ 
sunde erweitert. Links liegt nach EntfernuDg der Granulationen das 
Gelenk vollständig frei. Verband und mehrmaliges Uebergiessen des 
Verbandes mit H 2 0 2 . Tetanusserum intralumbal und intramuskulär. 
Morphium, Chloralhydrat. 10. X.: Krämpfe etwas weniger heftig und 
seltener, in das Knochenmark Stäbchen von Perhydrit, links Bestäuben 
des Gelenkes mit Perhydritpulver; darüber Mullkompresseo mit H 2 0 2 , 
die beständig wieder damit übergossen werden. Eine intramuskuläre In¬ 
jektion von Tetanusserum. Morphium 0,06, Chloral 4,0 pro die. 11. X.: 
Krämpfe gar nicht mehr, nur bisweilen schmerzhafte Zuckungen. Für 
die Schmerzen der Kaumuskulatur heisse Kompressen. 12. X.: Weder 
Krämpfe noch Zuckungen. Gestern und heute noch Tetanusserum intra¬ 
muskulär. Weiter dauernde Durchträokung der gut sich reinigenden 
Wunden mit H 2 0 2 , flüssig und fest. 14. X : Mund kann schon halb ge¬ 
öffnet werden. Tetanussymptome traten im weiteren Verlauf nicht mehr 
auf. Patient geht es jetzt (2. XI.) ausgezeichnet. Die Beseitigung des 

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1786 


ganz schweren Krankheitsbildes nahm in diesem Falle nicht mehr als 
drei Tage in Anspruch. 

Länger hat die Beseitigung der Tetanussymptome bei gleicher 
Behandlung in keinem Falle gedauert. Nur einer starb an einer 
Schluckpneumonie. 


Nr. 45. 


sind am Oberschenkel blitzartige Zuckungen festzustellen, an der Wade 
ausgesprochene E.A.R., die Fussstrecker ziehen sich blitzartig zusammen, 
die Musculi interossei sprechen wenig an und träge. 

Cremaster- und Baucbsebnenreflexe sind in normaler Weise aus¬ 
lösbar, die Haut am Bauch ist ohne Getüblsstörungen. 

Abbildung 1. 


BERLINER KLINISCHE WOC HENSCH RIFT 


Der Kriegssanitätsdienst in Berlin. 

VII. 

l>ber einen Fall von Riickenmarksverlelzung. 

Von 

Dr. E. Froehlich, 

Stationsarzt am Kriegsgefangenen-Lazarett Alexandrinenstr. 

In einem der ersten kriegschirurgischen Vorstellungsabende 
hat Herr Prof. M. Rothmann einen Fall von Rückenmarks¬ 
verletzung vorgestellt und hervorgehoben, wie die anatomisch¬ 
physiologischen Verhältnisse bei Verletzungen mit bestimmter 
Lokalisation eine verhältnismässig günstige Prognose sowohl hin¬ 
sichtlich des allgemeinen Verlaufs wie des funktionellen End 
ergebnisses ergäben. Die Verletzungen dieser Art sind nicht so 
besonders häufig, so dass sich die Beschreibung eines ähnlichen 
Falles wohl rechtfertigt, der wie der Rothmann’sche Fall gute 
Aussichten auf Besserung hat. 

Ein russischer Infanterist wurde am 10. September aus unbekannter 
Entfernung durch einen Schrapnellschuss in den Rücken verwundet. Er 
lag seitlich auf der Ackererde, nicht im Schützengraben. Die Wunde 
blutete wenig, der Kranke konnte aber sofort nicht aufsteheD, er rutschte 
auf den Knien zum Feldscher, der ihn verband. Ein Kamerad trug ihn 
dann auf dem Rücken zum deutschen Feldlazarett, wo er 4 Tage ver¬ 
blieb. Nach 3 tägiger, gut überstandener Fahrt, in Berlin angelangt, 
wurde er eine Nacht in einem anderen Berliner Lazarett aufgenommen 
und dann hierher übergeführt. Er berichtet, dass er im Feldlazarett die 
Beine noch gar nicht hatte bewegen können, aber schon auf dem Trans¬ 
port hätte sich eine geringe Bewegungsraöglichkeit eingestellt; diese ist 
in der Folge immer ausgiebiger geworden, so dass Patient sich jetzt 
mittels Stockes ganz gut fortbewegen kann. Die Wunde war schnell 
und ohne Störungen verheilt. Blasen- und Mastdarrastörungen waren 
anfangs sehr erheblich vorhanden, jetzt kann Patient Urin und Kot halten 
und willkürlich entleereu. Im allgemeinen fühlt er sich auch wohl. 

Der Einschuss befindet sich in Höhe des 3. Lendenwirbels, an 
jener Stelle, wo wir die Lumbalpunktion zu machen pflegen, 1 cm Irnks 
von der Wirbelsäule, 6 cm oberhalb der Darmbeinscbaufel. Ein Aus¬ 
schuss ist nicht vorhanden. Das Röntgenbild ergibt sehr deutlich das 
Vorhandensein einer Schrapnellkugel, der Schatten liegt mitten auf dem 
Wirbelkörper. Die Aufnahme erfolgte von vorn Dach hinten, eine seit¬ 
liche ergab mit dem uns zur Verfügung stehenden transportablen Appa™* 
kein Resultat, so dass es nicht sicher ist, ob das Geschoss im W irbel- 
kanal steckt oder bereits im Wirbelkörper. 

Der heutige Befund ist folgender: Der GaDg ist spastisch paretisch, 
der linke Fuss fällt beim Gehen schlaff herunter, schleift mit der Spitze 
auf der Erde, bis das Fussgewölbe ganz aufliegt, dabei fällt auf, dass 
der Fuss nach aussen gerollt wird. In der Hauptsache stützt sich Pa¬ 
tient auf das rechte Bein, das mit leichtem Schleudern aufgesetzt wird, 
mit einer nicht erheblichen, aber deutlich wahrnehmbaren Steifigkeit im 
Kniegelenk. Im Liegen ist es dem Patienten möglich, beide Berne von 
der Unterlage ohne Schleudern emporzuheben. Der Schenkelscbluss zeigt 
wenig Kraft. Die Beine übereioanderzulegen, ist Patient gleichfalls, frei¬ 
lich in ungeschickter Weise, imstande. 

Den linken Fuss bann Patient gar nicht bewegen, das Bein hangt 
schlaff herab. Bei Bewegungen im Kniegelenk fällt leichte Spannung auf. 
Die Oberschenkelmuskeln sind flach, ebenso der Glutaeus, der nicht an¬ 
gespannt werden kann und sehr abgemagert ist. Ebenso ist die Wade 
stark abgemagert und fühlt sich weich an. Der Gefühlssinn für Nade - 
stiche und Berührungen ist normal vorhanden, ebenso das Lagegefubl. 
Der Kniescheibenreflex ist lebhaft gesteigert, der Achillessehnenreflex 
schwach auslösbar. Die Haut fühlt sich warm an, bis auf den huss, 
dessen Haut bläulich verfärbt ist. Die elektrische Erregbarkeit am Ober¬ 
schenkel ist leicht herabgesetzt und nicht blitzartig. Die Wade zeigt 
ausgesprochen träge ZuckuDgen. Der Extensor pohois und Tibialis ant. 
hat keine deutliche E.A.R., die Erregbarkeit ist auffallend verlangsamt. 
Die Interossei ziehen sich träge zusammen. 

Das rechte Bein zeigt einen gut gespannten Glutaeus, aber auch 
er ist leicht abgemagert. Die Oberschenkelmuskulatur ist nicht be¬ 
sonders kräftig, jedoch nicht auffallend abgemagert Die Unterschenkel¬ 
muskulatur ist entschieden abgeflacht, freilich nicht so erheblich wie 
links. Der Fussrücken ist stark abgemagert die Raume zwischen den 
Mittelfussknochen sind stark eingezogen, es besteht deutliche Krallen- 
“g d« Zehen. Die Soble ist stark abgeflacht Der Gefühlssion 
f.f , m ß ffa n zeu BeiD wie links, normal. Das Kniegelenk zeigt bei Be- 
wegiingen leichte Spannung, das Fussgelenk normale Beweglichkeit; 
die Zehen können nur wenig bewegt werden. Der Kn.escheibenreflei ist 
gesteigert der Achillessehnenreflex schwach, Babinski positiv. Elektrisch 



Abbildung 2. 



Fassen wir das Ergebnis der Untersuchung und Beobachtung 
zusammen, so hat eine ausgedehnte Zertrümmerung im Rücken 
mark Vorgelegen, die aber doch nicht alle leitungsfäbigen Ba inen 
zerstört bat. Das Bild ähnelt im grossen und ganzen dem fl e 
Myelitis transversa. Der Sitz der Verletzung befindet sich mjene 
Gegend, welche das Centrum für Blase und Mastdarra, sowie i 
zu den unteren Gliedmaassen ziehenden Stränge betrifft. U^ s 
fangs schwere Krankheitsbild mit völliger Lähmung von hem > 
Blase und Mastdarm ist allmählich geschwunden, die vo g 
Wiederherstellung des Blasen- und Mastdarmschlusses, sowie 

wiedergekehrte Bewegungsfähigkeit beweisen, dass sich z ® rs 
Rückenmarksteile teils erholt haben, teils, dass andere * 
ersetzend für die zerstörten eingetreten sind. Die E.A.K. un 


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9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1787 


einseitige positive Babinski deuten aber andererseits darauf bin, 
dass wesentliche Leitungsbaboen im Centrum wie nach der Peri¬ 
pherie noch erheblich gestört sind. Es ist nach unseren Erfah¬ 
rungen jedoch zu erwarten, dass auch hier in einem grossen Teil 
der zerstörten Bahnen ein Ausgleich eintreten wird. Am wenigsten 
werden wir dies nur an denjenigen Nervenbahnen erwarten 
können, deren zugehörige Muskeln stark abgemagert sind. Jeden- 
falls beweist auch dieser Pall, wie selbst schwere centrale Nerven¬ 
verletzungen Aussicht auf Besserung bieten und die Prognose 
durchaus nicht ungünstig stellen lassen, wie es im Anfang leicht 
scheinen möehte. Eine besondere Behandlung ist in Fällen, wie 
dem beschriebenen, kaum anzuwenden, da ja die sensiblen Fasern 
Reizerscheinungen von Anbeginn an nicht boten. Es ist überhaupt 
wenig wahrscheinlich, dass das Geschoss im Wirbelkanal steckt, 
da sonst die Erscheinungen kaum zurückgegangen wären, eher 
hätten sie dann noch Fortschritte machen müssen. Auch aus 
diesem Grunde ist von einer Operation vorläufig abzusehen. 
Wieting hat in seinen kriegschirurgischen Erfahrungen diesen 
Standpunkt gleichfalls präzisiert und hervorgeboben, wie ungleich 
gefährlicher Schüsse für das Mark sind, die von hinten die Wirbel¬ 
säule treffen, wie die von vorn. 


Die Kriegschirurgie des Sehorgans. 

Von 

Dr. Kurt Steindorff- Berlin. 

Die Kriegschirurgie des Auges beschäftigt sich mit der Häufig¬ 
keit, dem Mechanismus, der Symptomatologie und Behandlung der 
im Felde durch KriegswafFen auf direktem oder indirektem Wege 
verursachten Verletzungen des Auges. „Es bedarf zurzeit keiner 
Erörterung mehr, dass innerhalb der Kriegscbirurgie überhaupt 
den Verwundungen des Auges ein eigenartiger Platz gebührt; 
nötiger ist es zu betonen, dass gegenüber den Augenverletzungen 
durch Unglücksfälle im Frieden den Verwundungen des Sehorgans 
durch Kriegswaffen eine abweichende nnd selbständige Bedeutung 
zukommt.“ Diese im „Sanitätsbericht über die Deutschen Heere 
im Kriege gegen Frankreich 1870/71“ *) ausgesprochenen Worte 
erkennen die selbständige Stellung an, die die Kriegschirurgie des 
Sehorgans beanspruchen darf. Die Unterschiede der Kriegs- von 
den Friedensverletzungen des Auges beruhen auf der „Eigenartig¬ 
keit der verwundenden Gewalten und ihrer Wirkungen, der andern 
Verwundungsentfernung, dem mannigfaltigen Wechsel der Stellung 
der Augen gegenüber der Angriffsrichtnng“. 

Die Kriegschirurgie des Auges, in der sich zwei Sondergebiete 
ärztlicher Wissenschaft zu einer wissenschaftlich und praktisch 
gleich wertvollen Einheit wieder Zusammenschlüssen, nimmt in 
den Sanitätsberichten über die verschiedenen Kriege einen nicht 
unbeträchtlichen Ranm ein. Von besonderem Werte sind die im 
„Sanitätsbericht“ niedergelegten Erfahrungen, weil sie die ersten 
sind, die sich auf eine allgemeine Anwendung des Augenspiegels 
stützen, und weil sie, 18 Jahre nach Friedensschluss erscheinend, 
den Endausgang zahlreicher Verletzungen berücksichtigen konnten. 

Der „Sanitätsbericht* 1 stützt sich auf 860 Fälle von ärztlich 
behandelten Augenverletzungen, die auf deutscher Seite durch 
Kriegswaffen hervorgerufen wurden; das sind 0,86 pCt. sämtlicher 
99 566 ärztlich behandelten Verwundungen und 8,5 pCt. der Kopf¬ 
traumen. In 74 Fällen waren die Sehstörungen nach Gehirn- 
bzw. Schädelverletzungen eingetreten, 786 Verwundungen betrafen 
das Auge allein. Beim Vergleich der Oberfläche des Auges mit 
der des gesamten Körpers ergibt sich, dass die Verwundungsziffer 
nur 0,2 betragen dürfte, da sich die Trefffläche des Auges zur 
Gesamtkörperoberfläche wie 0,15 : 100 verhält. Die exponierte 
Lage des Kopfes und die leichte Verwundbarkeit des Auges im Kriege 
erklären die hohe Verwundungsziffer. Dass das linke Auge öfter 
als das rechte getroffen wurde (374:317), ist sowohl durch die 
Stellung des Infanteristen bei der Schussabgabe, wie auch durch die 
Deckung des rechten Auges zu erklären, die ihm das Gewehr gegen 
indirekte Geschosse (Sand, Stein usw.) gewährt. Im amerikanischen 
Rebellionskrieg waren die Verletzungen des rechten Auges ebenso 
häufig wie die des linken (523:624). Die Verletzungen beider Augen 
gibt der „Sanitätsbericht“ mit 9,7 pCt. aller Augenverletzungen an. 
Die überwiegende Mehrzahl der im „Sanitätsbericht“ besprochenen 
Verletzungen wurde durch Schüsse(Gewehr und Granaten) verursacht 
(709 = 96,2 pCt,), während Hieb- und Stichverletzungen verschwin¬ 
dende Ausnahmen bilden (3,8 pCt.). Es waren 313 Gewehrschüsse, 

1) HI. Bd., 2. Kap., S. 157. 


197 Granatschüsse, und bei 199 fehlen nähere Angaben. Von den 
510 Schuss Verletzungen, bei denen man die Art des Projektils ge¬ 
nauer kannte, waren 61,4 pCt. durch Gewehr-, 197 = 38,6 pCt. 
durch Artilleriegeschosse erzeugt, also gefährden Sprenggeschosse 
das Auge mehr als andere Körperteile, sie sind aber ungefährlich, 
denn es verliefen: 

durch Gewehrschuss 37,6 pCt. \ mit Erhaltung 

„ Granatschuss 64,1 „ I des Augapfels, 

„ Gewehrschuss 62,4 „ \ mit Zerstörung 

„ Granatschuss 35,9 „ / des Augapfels. 

Diese auffallende Tatsache ist so zu erklären, dass die 
grösseren Sprengstücke von der knöchernen Umgebung des Aug¬ 
apfels zurückgebalten werden, während die Gewehrprojektile den 
Bulbus von vorn oder durch die Augenhöhle hindurch leicht zer¬ 
stören. So waren nach den Angaben des „Sanitätsberichts“ unter 
110 einwandfrei bekannten Fällen von Vernichtung des Bulbus 
die Kugeln 38 mal von vorn und 72 mal nach Zerschmetterung 
der Orbitalwand eingedrungen. Die spezifische Vulnerabilität des 
Auges ist, wie schon kurz erwähnt, eine so grosse, weil im Felde 
der Kopf und zumal das Gesicht des Soldaten dem feindlichen 
Geschoss besonders ausgesetzt sind; dabei gefährden die Orbital- 
knocben das Auge mehr, als sie es schützen. Dazu kommt, dass der 
Augapfel eine Kugel darstellt, deren wenig elastische Hüllen einen 
inkompressiblen Inhalt umschliessen. Die Häufigkeit der Schuss¬ 
verletzungen des Auges in den verschiedenen Feldzügen wird durch 
folgende Zusammenstellung erläutert, die dem „Sanitätsbericht“ 
entnommen ist: 



Zahl der 
Augenver- 
wundungen 

Auf 100 
aller Ver¬ 
wundungen 

Auf 100 
der Kopfver¬ 
wundungen 

Krimkrieg, englische Armee 

49 

0,65 

3,28 

„ , französische „ 

Amerik. Rebellionskrieg. . 

595 

1,75 

11,30 

1190 1 

0,50 

5,50 

Krieg gegen Dänemark, 



| 7,70 

preussisohe Armee . . . 

21 

1,07 

Deutsch-französischer Krieg, 




deutsche Armee .... 

860 

0,86 

1 8,50 

französische Armee . . . 

672 

0,81 

1 8,70 


Das Sehorgan wird nicht nur direkt getroffen, sondern auch 
indirekt durch Massen, die das Geschoss in Bewegung setzt, wie 
Sand, Glas-, Stein-, Metall- oder Holzsplitter, Stücke von Brillen¬ 
gläsern und-gestellen usw. (7,7 pCt. im „Sanitätsbericht“). Auch 
eine Fernwirkung kommt bei Erschütterungen des Bulbus vor, 
die von Schädel-, Gesichts- oder sogen. Luftstreifschüssen oder 
von Streifschüssen der Lider ausgelöst werden. 

Eine Besprechung der Augenverletzungen durch Unglücksfälle 
im Kriege, z. B. durch Zerplatzen von Geschützrohren oder Ge¬ 
wehren, Hufschlag, Ueberfahrenwerden usw., erübrigt sich an 
dieser Stelle, da sie nicht in das Gebiet der eigentlichen Kriegs¬ 
chirurgie des Sehorgans gehören. 

Ein Vergleich der im „Sanitätsbericht“ gesammelten Erfahrungen 
mit den in den seither geführten Kriegen gewonnenen ergibt, dass 
die Häufigkeit der Augen Verletzungen sowohl absolut wie auch 
relativ im Verhältnis zu den übrigen Verwundungen und zu den 
Schädelverletzungen bedeutend zugenommen hat. Aus dem russisch- 
türkischen Kriege (1877/78) liegen Mitteilungen von v. Oettingen 1 ) 
und Reich 2 ) vor. Der erstere berichtete über 42 Fälle von ein¬ 
seitiger und über 2 Fälle von doppelseitiger Vernichtung des Seh¬ 
organs. Reich veröffentlichte 97 Fälle von Schussverletzungen 
des Auges = 0,74 pCt. aller von ihm untersuchten Verwundeten 
der kaukasischen Armee. Er schätzt die Gesamtzahl der Augen¬ 
läsionen auf 2 j / 2 pCt. aller Verwundeten und auf etwa 18 pCt. 
aller Kopfverletzungen. 

v. Merz 8 ) berechnet die Zahl der im russisch-japanischen Kriege 
(1904/05) vorgekommenen AogenVerletzungen auf 2pCt. aller Kriegs¬ 
verwundungen; denn von den 2196 Verwundeten, die in den Hospi¬ 
tälern des Roten Kreuzes in Irkutsk lagen, hatten 45 Mann Augen¬ 
schüsse. Von den Gefallenen einer Division der 2. japanischen Armee 
wiesen 54,2 pCt. Kopf-Halsschüsse auf. In diesem Kriege bedienten 
sich beide Parteien der modernen kleinkalibrigeD Gewehre; die 
Russen hatten Mantelgeschosse von 7,6 mm, die Japaner solche 


1) v. Oettingen, Die indirekten Läsionen des Auges bei Schuss¬ 
verletzungen der Orbitalgegend. Stuttgart 1879. 

2) Reich, Kl. Mbl. 1879, Bd. 17, S. 96. 

3) v. Merz, Kl. Mbl. 1907, Bd. 45, Beilageh., S. 238. 

2 * 


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1788 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45. 


von 6,5 mm Kaliber. Oguchi 1 ) gibt die Zahl der Augenver- 
letzungen auf japanischer Seite mit 3093 an, von denen 1605 Ge¬ 
wehr' und 771 Geschosswunden waren.. Es machen demnach 
die Augenverletzungen 2,22 pCt. sämtlicher Verwundungen und 
21,01 pCt. der Kopftraumen aus. Die erhebliche Zunahme der 
Schusswunden des Auges beruht darauf, dass die Soldaten im 
modernen Krieg, wie es auch der gegenwärtige Feldzug zeigt, viel 
mehr in liegender Stellung kämpfen, so dass natürlich der Kopf 
durch feindliche Geschosse besonders bedroht wird. 

In unseren Kolonialkriegen betrugen nach Nicolai 2 ) die Ge¬ 
samtresultate: tot 676, vermisst 76, verwundet 907. Ausser 2 
durch Unglücksfälle bedingten Augenverletzungen kamen 15 Schuss¬ 
wunden des Auges zur Beobachtung = 1,8 pCt. Diese Zahl 
stimmt also mit den in anderen Kriegen notierten gut überein. 
In Südwest-Afrika liess sich auch die Sprengwirkung unserer 
Projektile bei Nahschüssen gut beobachten, wo der mit unseren 
Gewehren ausgerüstete Feind aus 50—200 m Entfernung feuerte 
und unseren Soldaten sehr schwere Verwundungen beibrachte. In 
einzelnen Fällen, in denen die Augenhöhle zertrümmert war, 
mussten später in der Heimat noch grössere plastische Operationen 
vorgenommen werden. 

Das moderne Kleiokaliber-Mantellanggescboss besitzt eine 
grosse lebendige Kraft mit erheblicher Feruwirkung und Ver¬ 
drängung der dem Schusskanal benachbarten Teile. Hilde¬ 
brandt 3 ) weist darauf hin, dass die Mantelgeschosse dadurch eine 
viel grössere Gefahr für das Auge bilden als die alten Blei¬ 
geschosse. Vorausschauend sagt er: es werden zweifellos 

in künftigen Kriegen mit ihrer voraussichtlichen Zunahme der 
Kopfverletzungen überhaupt die Scbussverletzungen des Auges 
noch ein grosses Beobacbtungsmaterial abgeben.“ 

Die Wirkung der Kugel bängt ab von ihrer lebendigen Kraft, 
die ein Produkt aus Masse und Geschwindigkeit darstellt, von der 
Art und den physikalischen Eigenschaften des Geschosses, von 
dem Ort des Eindringens und der Flugrichtung. 

In einer Statistik der Kriegsverletzungen des Sehorgans 
scheiden natürlich die tödlich verlaufenden Kopfschüsse aus, bei 
denen das Auge mitbeteiligt war Bei den nicht tödlichen Kopf¬ 
verwundungen, die das Auge mitgetroffen haben, tritt selbstver¬ 
ständlich die Läsion des Sehorgans mehr in den Hintergrund. 
Die Erhaltung des Lebens ist weit wichtiger als die Sorge für 
eine Rettung des Sehvermögens. Die erste Aufgabe ist der Ver¬ 
band und Transport des Verwundeten, zu einer eingehenden 
fachärztlichen Untersuchung des Auges ist weder Zeit noch Ge¬ 
legenheit. Es kann bei leichteren Verletzungen des Sehorgans 
auch Vorkommen, dass manche Symptome, wie Blutungen in die 
vordere Kammer oder die milchige Trübung der Netzhaut durch 
Erschütterung, schon wieder verschwunden sind, wenn im Etappen¬ 
oder Heimatsgebiet die erste genaue Untersuchung vorgenommen 
wird. 

Wenn das Geschoss den Bulbus unmittelbar oder durch die 
Lider hindurch trifft, so wird er zertrümmert, durch das in die 
Bulbuskapsel geschlagene Loch tritt der halbflüssige Inhalt aus. 
Der Augapfel kann bei Verletzungen der Umgebung durch Fern¬ 
wirkung gefährdet werden. Orbitale Quetschschüsse zertrümmern 
den Bulbus und den Orbitalinhalt direkt oder indirekt. Tangen¬ 
tiale Streifschüsse, die den Bulbus in der Frontalebene treffen, 
führen zu oberflächlichen, relativ leichten oder zu tiefen, schweren 
Verletzungen der Lider und des Augapfels. Bei Orbitaleingangs¬ 
schüssen, die von vorn her kommen, kann das Projektil ausnahms¬ 
weise, wenn es sich um matte Kugeln handelt, zwischen Bulbus 
und Orbitalwand eindringen, ohne dabei den Bulbus zu zer¬ 
trümmern. Das Bild der Orbitalwandschüsse, die im Frieden oft 
Vorkommen, ist ein so vielgestaltiges, dass eine Schilderung im 
Rahmen dieser Arbeit zu weit führen würde. Wenn die Kriegs¬ 
waffen und ihre Geschosse den Bulbus nicht zerstört haben, so 
wirken sie, wie der „Sanitätsbericht“ mit Recht hervorhebt, fast 
immer nur durch Quetschung; „die etwa gleichzeitigen Ver¬ 
letzungen der Oberfläche sind gegenüber den Folgen der Quet¬ 
schung im allgemeinen belanglos“. Der quetschende Gegenstand 
führt zu Gewebszerreissungen, die am Orte der Gewalteinwirkung 
durch Dehnung, an entfernteren Stellen, durch das Bindeglied der 
intraocularen Drucksteigerung entstehen. 

Es können so die verschiedenartigsten Krankbeitsbilder durch 
Schussverletzungen verursacht werden. Eine Symptomatologie 

1 ) Oguchi, Graefe’s Areh., 1912, Bd. 89, S. 353. 

2) Nicolai, D. militärztl. Zschr, 1910, Bd. 39, S. 529. 

3) Hildebrandt, Die Verwundungen durch die modernen Kriegs¬ 
waffen usw., 1907, Spez. T. S. 186. 


der Kriegsverletzungen des Auges geben wollen, hiesse einen 
Abriss der Verletzungen des Anges überhaupt geben. Wir be¬ 
gegnen all den mannigfaltigen im Frieden und durch andere 
Schädlichkeiten hervorgernfenen Bildern. Es ist leicht einzuseben, 
dass der vordere Buibnsabschnitt am häufigsten getroffen wird. Es 
kommt, falls die Hüllen des Augapfels nicht sofort durchbohrt 
wurden, zu Blutungen in die verschiedensten Teile des Anges 
(Bindehaut, vordere Kammer, Glaskörper, Netzhaut). Die Horn¬ 
haut zeigt oberflächliche Substanzverluste. Bindehaut, Lederbaut 
und Aderbant werden infolge der Quetschung zerrissen. Die 
Raptaren der Sclera sitzen mit Vorliebe an ihrer dünnsten Stelle 
in der Gegend des Corpus ciliare, parallel dem Hornhautrande 
und höchstens 5 mm von ihm entfernt. Der Endausgang der 
Berstungen der Sclera, bei denen stets ein Teil des Augapfelinhalts 
verloren geht, ist fast immer Schrumpfung des Organs. In der 
Hornhaut stellen sich darch Platzen ihrer inneren Schichten mehr 
oder weniger dichte Trübungen ein; wir haben gewissermaassen 
ein Analogon zu den Sprüngen der Tabnla vitrea des Schädel- 
knochens nach Streifschüssen. Die Regenbogenhaut prolabiert bei 
ErÖffuung der Wandungen oder sie löst sich von ihrem Ansatz am 
Corpus ciliare teilweise oder ganz ab, bei vollkommener Abreissuug 
liegt sie als unförmige Masse am Boden der blntgefüliten vorderen 
Kammer. Die Linse wird durch Reissen ihres Aufhängebaudes 
subluxiert oder in die vordere Kammer oder den Glaskörper ver¬ 
lagert und wird so Ursache schwerer, die Sehkraft ernstlich ge¬ 
fährdender Komplikationen, wie Glaukom und Netzhautablösung. 
Die häufigste Ursache der Netzhautablösung sind subretinale Blut¬ 
ergüsse oder Einreissen der Membran. Durch EinreisseD der 
Linsenkapsel kann das Kammerwasser in das Innere der Linse 
eindringen; die Linsenfasern verfallen dann der Quellung and 
teilweiser, meist aber vollkommener Trübung. Hier wären auch 
der durch das Trauma hervorgerufene Krampf bzw. Lähmung der 
Akkommmodation zu erwähnen. 

Kompression des Sehnerven durch Blutung in seine Scheideo 
oder Zerreissung durch das Geschoss oder durch Knochensplitter 
werden der Sehkraft schwere Gefahren bringen. Neben der Eio- 
bnsse an Sehvermögen kommen auch Störungen des Gesichtsfeldes 
in Betracht. Die Schussverletzungen des intrakraniellen Sehnerven- 
abschnittes und der centralen Sehbahnen gehören mehr iu das 
Gebiet der Hirnchirurgie. Von grosser Bedeutung für die Pro¬ 
gnose und Behandlung der Verletzung des Augapfels ist die Frage, 
ob nach Perforation der Hüllen im Augeninnern Fremdkörper stecken 
geblieben sind. Es kann sich am Geschosspartikel oder um 
die schon erwähnten indirekten Geschosse handeln. Dass sie 
eine grosse Gefahr für das verletzte Auge bedeuten und das un¬ 
verletzte mit sympathischer Entzündung bedrohen, ist einleuchtend. 
Ihre Diagnose ist heute gegen früher durch die Anwendung der 
Röntgenphotographie erheblich erleichtert EiseDsplitter lassen 
sich mittels des Sideroskops bald feststellen, ihre Entfernung wird 
durch Maguetoperation meist gelingen. Auf diesem Gebiete der 
Kriegschirurgie des Sehorgans ist sowohl die Diagnostik wie auch 
die Therapie erheblich leichter als zur Zeit des Krieges von 1870/71. 

Ein Wort über die PulverVerletzungen des Auges. Ihre 
Ursache ist die Explosion von Sprengladungen, z. B. bei MineD- 
arbeit, von Granaten in nächster Nähe des Verletzten, von 
Patronentaschen durch Schuss u. a. Die mechanische Wirkuog 
der Pulverkörner äussert sich in einem mehr oder weniger tiefen 
Eindringen dieser Fremdkörper in die Hüllen oder in das Innere 
des Augapfels. Die bei der Explosion entwickelten glühenden 
Pulvergase üben einen thermischen Reiz aus. Der plötzlich er¬ 
höhte Luftdruck wirkt auf den Bulbus im Sinne einer Quetschung. 

Nicht selten fehlen bei Explosionsverletzungen äussere Spuren 
einer Fremdkörpereinwirkung, und die schweren Verwundungen 
des Bulbus sind lediglich eine Folge der durch die Explosion er¬ 
zeugten enormen Steigerung des Luftdrucks. Dieser Verdichtung 
folgt eine stark ansangende Lnftverdünnung, die zur Zerreissung 
der Lider und Herauszerrung des Bulbus aus der Augenhöhle 
führen kann. 


Die Schädigung des Auges durch den gesteigerten Luftdruck 
kommt ausser durch Explosion von Sprenggeschossen auch hei 
Schüssen aus grosser Nähe vor infolge des Zurückprallens der 
Pul vergase. So erwähnt der „Sanitätabericht“ einen Fall von 
Glaskörperblutungen mit sekundärer Netzbautablösung infolge 
eines vom Hintermann dicht neben der Schläfe abgefeuerten 
Schusses. Artilleriegeschosse können den Luftdruck so vermehren, 
dass die Leute zu Boden stürzen, wobei sie sich Kopfverletzungen, 
eventuell mit sekundärer Verletzung des Sehnerven zuzieheD. 

Dass es „Luftstreifschüsse“ gibt, bei denen ein vorbei- 


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UMIVERSITY OF IOWA 



9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1789 


fliegendes Geschoss durch Verdichtung des Luftdrucks das Auge im 
Sioue einer Kontusion schädigt, wird von manchen Autoren bestritten. 
Der „Sanitätsbericht“ gibt an, dass von den 11 als „Luftstreif¬ 
schüsse“ angesehenen Augenverletzungen nur eine einer ernsthaften 
Kritik standhält. Es wäre interessant, festzustellen, ob die Ge¬ 
schosse unserer, so berechtigtes Aufsehen erregenden 42 cm-Mörser 
derartige Kontusionen her vorrufen. 

Welche therapeutischen Aufgaben hat nun der im Felde 
stehende Chirurg zu lösen? Die nach grösseren Gefechten auf 
ihn einstürmende, oft übermenschliche Arbeitsfülle macht natür¬ 
liche feine und eingehende diagnostische Untersuchungen unmög¬ 
lich. Die eigenartigen Verhältnisse auf dem Truppenverbandplatz 
und dem Hauptverbandplatz lassen operative Eingriffe an einem 
so zarten Organ, wie es das Auge ist, untunlich erscheinen. Die 
Feldbehandlung sdl zunächst die Erhaltung des Auges sichern, 
die nicht zerstörten Teile nach Möglichkeit erhalten, und die 
Nachbehandlung vorbereiten. Die Ausbildung, die die deutschen 
Hochschulen dem jungen Arzte in der Augenheilkunde zuteil 
werden lassen, die grosse Zahl der zu weiterem Studium an die 
Universitäts-Augenkliniken kommandierten Sanitätsoffiziere bietet 
uns eine sichere Gewähr für die sachgemässe Behandlung der 
Augenverletzungen. 

Der auf dem Hauptverbandplätze arbeitende Arzt soll die 
Augenwunden reinigen, vorgefallene oder völlig zertrümmerte 
Gewebsteile abtragen, oberflächlich sitzende Fremdkörper ent¬ 
fernen, in den Fällen, die es erfordern, durch Atropineinträufelungen 
die Pupille erweitern, damit so die weitere Nachbehandlung vor¬ 
bereitet wird, und soll durch einen gut sitzenden aseptischen 
Verband das verletzte Auge verschliessen. 

Den Feldlazaretten und stehenden Kriegslazaratten bleibt 
die Vornahme der unbedingt notwendigen Operationen Vor¬ 
behalten, vor allem die Enukleation und Exenteration, die Punk¬ 
tion der vorderen Kammer zur Beseitigung vorquellender Linsen¬ 
massen, Eiteransammlungen, eingedrungenen Fremdkörpern, der 
Verschluss offener Wunden der Cornea und Sclera durch eine 
Bindebautplastik nach Kuh nt, die Exstirpation des eiternden 
Tränensacks, — kurz alle die Eingriffe, deren Aufschub eine Ge¬ 
fahr für das verletzte oder auch für das gesunde Auge bietet. 

Die wichtigste Operation, die der Feldchirurg ohne Auf¬ 
schub am Auge vorzunehmen hat, ist die Enukleation; sie 
kommt in Betracht für alle die Fälle, in denen Funktion und 
Form des Auges nicht zu retten sind. Es kann nicht laut 
genug betont werden, dass die rechtzeitige Enukleation das beste, 
wenn nicht das einzige Mittel ist, der sympathischen Erkrankung 
des anderen Auges vorzubeugen. Abgesehen davon, dass die Er¬ 
satzoperationen, die für die Enukleation vorgeschlagen worden 
sind, eine geschulte Technik erfordern, so ist auch der von ihnen 
gewährte Schatz des anderen Auges bei weitem nicht so sicher 
wie der, den die frühzeitige Enukleation leistet. Die gleich¬ 
zeitigen schweren Verwundungen des Schädels, Gesichts and 
Halses dürfen unter keinen Umständen dazu verleiten, die Augen- 
wunden als nebensächlich anzusehen und dementsprechend zu 
behandeln. Auch die zertrümmerten Augäpfel, von deren Hüllen 
nur noch formlose Fetzen stehen geblieben sind, ja gerade diese 
bedürfen schleuniger Entfernung. Denn es können sich in ihnen 
schleichende Entzündungen festsetzen, die die Gefahr sympathi¬ 
scher Entzündung io sich tragen. Ist eine regelmässige Enuklea¬ 
tion infolge der Schwere der Zerstörung nicht möglich, so ist 
der Inhalt der Bulbuskapsel zu exenteriereu und zwar so voll¬ 
kommen, dass keine Gewebsreste Zurückbleiben. 

Im nordamerikanischen Rebellionskriege waren unter 
254 Augenverletzungen 41 von sympathischer Ophthalmie gefolgt. 

Der „Sanitätsbericht“ hat 99 Fälle von sympathischer 
Ophthalmie zusammengestellt, von denen freilich nicht alle dia¬ 
gnostisch einwandfrei sind. Es wurden, um die sympathische 
Entzündung zu verhüten oder zu heilen, 23 Bulbi enukleiert. 
Von diesen blieben 6 gesund, und zwar 5 in den ersten 10 Tagen 
und ein 7 Monate nach der Verletzung Operierter; bei 5 Patienten 
besserte sich der Zustand; in 12 Fällen blieb der Erfolg aus. 
Von den Schussverletzungen, die Verlust oder Schrumpfung des 
Auges oder Cyclitis hinterlassen hatten, sollen 56,6 pCt. zur 
sympathischen Affektion des gesunden Auges geführt haben. Der 
„Sanitätsbericht“ gibt an, dass etwa ebenso oft, wie die anderen 
Verletzungen, die Panophthalmie sympathische Erkrankung aus¬ 
gelöst habe. Schleichende Entzündungen, die den Baibus langsam 
zum Schwinden brachten, sollen nur in 33 pCt., den Bulbus völlig 
und unmittelbar zerstörende Verletzungen dagegen in 62,7 pCt. 
sympathische Ophthalmie nach sich gezogen haben. Diese Tat¬ 


sache ist die stärkste Stütze für die Forderung, einen ohnedies un¬ 
brauchbaren Stumpf zu opfern, nm das andere Auge nicht in 
Gefahr za bringen. 

Es ist selbstverständlich, dass die für die übrige Chirurgie 
geltenden Regeln auch für die des Auges peinlicbst zu beobachten 
sind. Sondierung von Augapfel- und Orbitalwunden, Entfernung 
von eingedrungenen Fremdkörpern dürfen nur dann vorgenommen 
werden, wenn die Instrumente und soweit möglich auch das 
Operationsfeld keimfrei sind. Der erste Verband soll tunlichst 
aseptisch sein. Es muss dafür gesorgt werden, dass die nach 
rückwärts transportierten Soldaten mit Augen Verletzungen nicht 
tagelang denselben Verband tragen. Ein regelmässiger Verband¬ 
wechsel ist unbedingt anzustreben, sonst kann man durch In¬ 
fektion, entzündliche oder andere Komplikationen einen pro¬ 
gnostisch an sich nicht ungünstigen Fall sicherer Vernichtung 
überantworten. 

Die Schwierigkeiten, die sich für den Feldchirongen bei der 
Behandlung von Augenverletznngen einerseits, die Notwendigkeit 
schneller und sachkundiger Hilfe andererseits ergeben, lassen 
den Vorschlag von Oettingen’s (I. c.), Augenärzten als Kon¬ 
siliarien eine grössere Anzahl von Lazaretten des Kriegsschau¬ 
platzes zuzuweisen, als der Durchführung wert erscheinen. 
Kern 1 ) hält diese Maassnahme für unausführbar und für 
nutzlos: für unausführbar, weil bei der relativ geringen Zahl 
von Augenscbusswunden — auf 116 Verwundete 1 — ein 

Gonsiliarius zu viele Verbandplätze bzw. Lazarette bereisen müsse. 
Daraus folge auch die Nutzlosigkeit des v. Oettingen’schen 
Vorschlags: Der beratende Augenarzt würde, da die Verletzungen 
des Sehorgans durch Kriegswaffen ein schnelles therapeutisches 
Eingreifen erfordern, die Verwundeten nur selten recht¬ 
zeitig zu Gesiebt bekommen. Diese Einwendungen Kern’s sind 
aber nicht stichhaltig. Wir haben gesehen, dass die Zahl 
der in den letzten Kriegen beobachteten Augen Verletzungen er¬ 
heblich zugenommen bat. In dem augenblicklich wütenden 
Weltkriege wird das in um so erhöhterem Maasse der Fall sein, 
als er weit grössere Truppenmassen einander gegenüberstellt, als 
je ein Krieg zuvor. Wir verfügen über eine so grosse Zahl treff¬ 
lich ausgebildeter Augenärzte, dass für eine kleinere Anzahl 
räumlich voneinander nicht zu entfernter Verbandplätze bzw. 
Lazarette je ein beratender Augenarzt leicht verfügbar sein wird. 
Die Beweglichkeit dieser Sanitätsformationen dürfte kaum durch 
die Schaffung einer solchen Stellung leiden, die trotz der bereit¬ 
willigst anerkannten Leistungsfähigkeit unserer Militärärzte im 
Interesse unserer Truppen dringend geboten erscheint. 

Die von Axenfeld 2 ) jüngst empfohlene Schaffung besonderer 
augenärztlicher Lazarettabteilungen dicht hinter dem vorrücken¬ 
den Heere dürfte, wenigstens im jetzigen Kriege, kaum Aussicht 
auf Verwirklichung haben. Dass sie das Ideal augenärztlicher 
Versorgung darstellt, muss allerdings zugegeben werden. 

Die transportfähigen Augenkranken evaeuiere man auf dem 
kürzesten Wege, eventuell auf Kraftwagen, und zwar soll der 
Transport so geleitet werden, dass die Verwundeten in Lazarette 
oder Kliniken kommen, in denen ausreichende fachärztliche Hilfe 
zur Verfügung steht. Die unseren Grenzen benachbarten Univer¬ 
sitätskliniken und die in allen grösseren Städten an der Grenze 
vorhandenen Augenkliniken erleichtern die Durchführung dieser 
Forderung. Hier verbleiben die Verwundeten bis zur völligen 
Heiluog und Beseitigung jeder Gefahr. Hier wird sich Zeit und 
Ruhe für exakte Funktionsprüfungen und Augenspiegelunter¬ 
suchungen finden. Alle operativen Maassnahmen, die die opti¬ 
sche Leistungsfähigkeit des Sehorgans wiederberstellen sollen 
(Staroperation, Pupillenbildung), alle plastischen Operationen, die 
eine längere Heilung beanspruchen, die Extraktion intraoeularer 
Fremdkörper, soweit sie nicht bereits im Feldlazarett vorgenommen 
wurde, die Behandlung entzündlicher und anderer Komplikationen 
fallen den Reservelazaretten im Etappen- und Heimatgebiet zu. 

Wir dürfen hoffen, dass die Fortschritte der Wissenschaft, 
die gute Ausbildung unserer Aerzte und die umsichtige Fürsorge 
unserer Sanitätsorganisation mehr Soldaten vor dem traurigen 
Schicksal der Erblindung bewahren werden, als es in früheren 
Kriegen möglich war 8 ). 

1) Kern, Kriegschirurgie des Sehorgans. Beilage zur D. militär- 
ärztl. Z., 1890, Bd. 19, H. 8. 

2) Axenfeld, D.m.W., 1914, Nr. 89. 

3) Ausser der angegebenen Literatur wurde benutzt: 1. Prann, 
Die Verletzungen des Auges. Wiesbaden 1899. — 2. Wagenmana, 
Die Verletzungen des Auges usw. Graefe-Saemisch, 2. Aufl., Bd. 9, Abt. 5. 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 





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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45. 


Beitrag zum Symptomenkomplex der Brown- 
Sdquard’schen Lähmung. 

Von 

Prof. N. Bernhard t-Berlin. 

Im Nachfolgenden übergebe ich eine Mitteilung der Öffent¬ 
lichkeit, die durch die lange Dauer der Beobachtung des be¬ 
treffenden Kranken, sowie durch die Schwierigkeit der Diagnosen¬ 
stellung das Interesse der Herren Kollegen, wie ich hoffe, mit 
Recht in Anspmch nehmen darf. 

Vor nunmehr 6 Jahren, im Juli 1908, hatte ich den damals 39 Jahre 
alten Pat. Gr. zum ersten Male untersucht. 

Der seit 9 Jahren verheiratete Mann hatte angeblich niemals eine 
syphilitische Infektion erlitten; ein Tripper wurde zugegeben. Die Frau 
hat in der Ehe nie fehlgeboreu; es leben zwei aus der Ehe hervor- 
gegangene gesunde Kinder. Pat. will erst im Juni des Jahres 1908 er¬ 
krankt sein. Als erstes Zeichen wurde ein starkes Hitzegefühl im rechten 
Knie angegeben, welcher Erscheinung nach etwa 8 Tagen ein Verlust 
des Gefühls im ganzen rechten Bein folgte. Während sonst das All¬ 
gemeinbefinden gut war, klagte der Kranke über einen früh beim Auf¬ 
stehen auftretenden Schmerz in der linken oberen Brusthälfte, der nur 
vorn empfunden wurde. Seit dieser Zeit besteht auch eine Behinderung 
in der Blasenentleerung, namentlich zu Beginn. Uebrigens kann der 
Urin gehalten werden; die Stuhlentleerung ist sehr erschwert; während 
die Libido coeundi noch vorhanden, ist die Potenz erloschen. 

Weiter ist eine Schwäche der Beine vorhanden, besonders bemerkt 
mau eine Schwäche und Steifigkeit des linken Beines, dessen Fuss den 
Boden streift. Die Patellarrellexe sind beiderseits vorhanden; Dorsal- 
clonus links angedeutet. Der Babiuski’sche Reflex ist rechts nur un¬ 
deutlich, links deutlich nachzuweisen. Die Sensibilität ist an dem 
motorisch schwächeren linken Bein, sowie am Rumpf links vorhanden; 
auch rechts fühlt der Kranke selbst leichte Pinselberührungen am Bein 
und der rechten Bauchseite, immerhin deutlich schwächer, als dies links 
der Fall ist. Im deutlichsten Gegensatz zu den entsprechenden Regionen 
liDks werden aber rechts am Bein und am Rumpf (Bauchhaut und Haut 
in der unteren rechten Thoraxgegend), bis etwa zur 6. Rippe hin, Nadel¬ 
stiche und starke Kälte nicht als solche oder als schmerzhaft empfunden. 
Auf der Hinterseite geht diese Störung der Sensibilität nicht ganz so 
hoch hinauf, wie vorn am Thorax. Während noch am 6. Juli rechts 
ein deutlicher Cremasterreflex wahrgenommen wurde, fehlte derselbe am 
8. Juli beiderseits; desgleichen konnten beiderseits keine Bauchreflexe 
naebgewiesen werden. 

Pat. hatte sich beim Duschen mit beissem Wasser rechts oberhalb 
des Trochanter eine Hautverbrühung zugezogen, die er wegen fehlender 
SchmerzempfioduDg überhaupt nicht wahrgenommen hat. Die schmerz¬ 
haften Empfindungen, über die Pat. des Morgens beim Aufstehen klagt, 
sitzen links vorn etwa 4 Querfinger breit unterhalb der Mammilla. 
Werden bei geschlossenen Augen des Kranken Zehenbewegungen vor¬ 
genommen, so werden diese und ihre Richtung sowohl rechts wie links 
erkannt. Auf der Haut der linken Kniescheibe befindet sich ein alter 
psoriatischer Fleck. Die Arme sind beiderseits frei beweglich und ohne 
Sensibilitätsstörungen. Die linke Pupille ist eine Spur weiter als die 
rechte; Licht- und Akkommodationsreaktion ist an beiden Pupillen vor¬ 
handen. 

Dieser Status vom 9. Juli 1908 wurde am 13. und 22. Juli ergänzt 
und vervollständigt. Am 13. Juli hatte sich der rechtsseitige Cremaster¬ 
reflex wieder eingestellt, links nicht. Die Muskeln der Beine reagieren 
auf den faradischen Strom beiderseits gut; Pat. fühlt das Einbrechen 
des elektrischen Stromes prompt, immerhin links etwas besser als rechts. 
Auch die Bauchmuskeln reagieren beiderseits in normaler Weise. Der 
faradische Pinsel (stärkerer Strom) 'löst an der Bauchhaut rechts und 
an der ganzen rechten unteren Extremität keine schmerzhafte Empfindung 
aus. Der Babinski'sche Reflex ist links nur undeutlich zu erzielen; die 
Bauchreflexe fehlen beiderseits. Links besteht oberhalb der Brustwarze, 
etwa zwischen der 4. und 6. Rippe, deutliche Hypästhesie, dasselbe ist 
auf der Rückseite der Fall. Die Anästhesie beginnt rechts 3 Querfinger 
breit unterhalb der Brustwarze. Am linken Fuss besteht deutlicher 
Dorsalclonus, rechts nicht. 

Es würde wohl zu weit führen, wollte ich alle Untersuchungs¬ 
protokolle, die ich über den Zustand des Kranken innerhalb der folgen¬ 
den 5 Jahre geführt habe, hier reproduzieren. Ich werde mich be¬ 
gnügen, etwaige Veränderungen oder sonst auffällige Symptome, die sich 
im Laufe der Jahre eingestellt haben, mitzuteilen. Im September 
1908 erschienen die Bewegungen des linken Beines im Hüft- und Knie¬ 
gelenk ziemlich frei; weniger gut kommen sie im linken Fussgelenk zu¬ 
stande. Die grobe Kraft des linken Beines ist gegen die des rechten 
erheblich herabgesetzt. Das rechte Bein ist in bezug auf seine Be¬ 
wegungsfähigkeit normal. Sehr erhöht sind links die Patellar- und 
Fersenreilexe (Dorsalclonus) im deutlichsten Gegensatz zu rechts. Die 
Untersuchung des Babinski’schen, Oppenheim’schen, Mendel’schen Re¬ 
flexes ergeben links nur undeutliche Resultate. Das motorisch intakte 
rechte Bein fühlt auch Berührungen und Druck, immerhin nicht so deut¬ 
lich wie links. (Die Bauchreflexe sind beiderseits unsicher.) Besonders 
deutlich ist der Unterschied der Sensibilität zwischen reohts und links 
in bezug auf Schmerz (Nadel, elektrischer Pinsel, Kälte- und Wärme¬ 
unterscheidungsvermögen). Dies betrifft die ganze rechte untere Ex¬ 


tremität, die Bauchbaut vorn und hinten. Diese hintere im obenge¬ 
nannten Sinne anästhetische Zone liegt wie vorn in einer Gegend, die 
3 Querfinger unterhalb der rechten Mamilla beginnt. Links findet man 
1 Querfinger oberhalb und 1 Querfinger unterhalb der Brustwarze eine 
hypästhetische Zone; die früher an dieser Stelle des Morgens beim Auf¬ 
stehen vorhanden gewesenen Beschwerden sind zurzeit (September 1908) 
nicht mehr vorhanden. Rechts findet sich an der entsprechenden Stelle 
keine Zone der Hyp- oder Hyperästhesie. Besonders bemerkenswert er¬ 
scheint heute (19. September 1908) die Angabe und der Befund, dass 
die rechte Penishälfte, ebenso die rechte Scrotalhälfte und 
die Perinealgegend rechts gegen Nadelstiche, Kälte und Hitze ebenso 
unempfindlich sind, wie das ganze rechte Bein und die rechtsseitige 
Rumpfhaut; es steht dieser Befund im deutlichsten Gegensatz zu der 
durchaus normalen Sensibilität der linken Penis-, Scrotal- und Damm- 
bälfte. 

Von besonderer Wichtigkeit erscheint nun der vom serologischen 
Laboratorium der Lassar’schen Klinik am 8. Dezember 1908 erhobene 
Befund: er ergab, dass bei der Blutnntersuchung des Patienten die 
Wasserrnann’sche Reaktion schwach positiv ausfiel. Ich 
hatte den Kranken trotz seiner Versicherung, nie syphilitisch infiziert 
gewesen zu sein, dennoch zur eben erwähnten Untersuchung geschickt. 

Eine nach der Feststellung dieses Befundes eingeleitete anti¬ 
syphilitische Behandlung (Schmierkur, Schwefelbäder) hatte zwar in bezug 
auf die Motilität, nicht aber in bezug auf die Störungen der Sensi¬ 
bilität einen günstigen Erfolg. Pat. konnte etwas besser gehen; aber 
die eigentümlichen oben beschriebenen Störungen der Empfindung blieben 
unverändert. 

Im März 1909 wurde eine massige Abmagerung der Muskeln des 
linken Beines in ihrer Gesamtheit bemerkt. Bei sich einstellendem 
Stuhldrang muss derselbe schnell befriedigt werden, wenn nicht un¬ 
willkürliche Kotabgänge eintreten sollen. 

Im Juni stellte ich beiderseits, besonders aber links, einen leichten 
Tremor manuum fest; der Händedruck ist links schwächer als rechts. 
Weiter sah ich jetzt zum ersten Male deutlich eine Abflachung 
des ersten linken Zwischenknochenraumes an der Hand bei 
sonst durchaus freier Beweglichkeit der linken Finger. 

Im Dezember 1909 zeigte sich an den oberen Partien des Kreuz¬ 
beines eine auf Druck schmerzhafte Schwellung. Auch die untersten 
Lendenwirbel schmerzen auf Druck, wohingegen an den Dorsalwirbeln 
weder bei Druck noch beim Beklopfen Schmerzempfindungen ausgelöst 
werden können. Pat. teilt ausgangs des Jahres 1909 mit, dass er dann 
und wann über Schwindel zu klagen habe. Weiter wäre noch zu be¬ 
merken, dass die elektrische Erregbarkeit der linksseitigen Mm. interossei 
an der Hand gut erhalten ist Lageveränderungen der Zehen (geprüft 
natürlich bei Augenschluss des Kranken) werden links wie rechts gleich 
gut wahrgenommen. 

Ausgangs des Jahres 1910 konnte man eine deutliobeSchwäche 
der linken oberen Extremität feststellen, ebenso geringes Zittern der 
Hände, besonders links, und eine gewisse Ataxie, z. B. beim Versuch 
die Nasenspitze mit dem linken Zeigefinger zu berühren. Der dynamo- 
metrische Druck ist rechts 105, links 60. Ausser dem ersten Spatium 
interosseum ist links keine Atrophie der kleinen Hand- und Fingermuskeln 
(auch nicht des Daumenballens) zu beobachten; die elektrische Erreg¬ 
barkeit der Muskeln im ersten Zwischenknochenraum ist für beide 
Stromes&rten herabgesetzt; es besteht aber keine Entartungsreaktion. 

Aus den Aufzeichnungen Ende des Jahres 1910 sei noch hervor¬ 
gehoben, dass Pat. oft von eigentümlichen Rucken spricht, welche die 
linke untere Extremität durchfliegen; ferner dass auch eine genaue Unter¬ 
suchung die Sensibilität der oberen Extremitäten als normal feststellen 
konnte, und dass von den Bauchreflexen nur der links im oberen Ab¬ 
schnitt auftretendo deutlich war, während die unteren sowohl rechts wie 
links nicht nachweisbar waren. 

Die Sensibilitätsverhältnisse am Penis, Scrotum, Perineum sind 
dieselben wie oben beschrieben; Pat. gibt an, er habe sich neuerdings 
die rechte Wade durch einen heissen Stein verbrannt, ohne es gemerkt 
zu haben. Die schmerzhaften Empfindungen in der Brust und die 
geklagten Schwindelerscheinungen sind zurzeit vollkommen verschwunden. 
Das Allgemeinbefinden ist gut; nur klagt er noch über ein Gefühl von 
Jucken in den Fusssohlen. 

Bei einer erneuten Untersuchung im Jahre 1911, also im dritten 
Jahre der Krankheit, konnten eben nur wieder dieselben Verhältnisse 
festgestellt werden; die Dorsalflexion des linken Fusses war sehr gering, 
so dass Pat., wenn er nicht sehr aufpasste, bei selbst nur geringen 
Hindernissen leicht zu Fall kam. 

Im September 1911 fühlte sieb Pat. seiner Aussage nach subjektiv 
durchaus wohl (er hatte inzwischen wieder etwas Jod ge¬ 
nommen); der Babinski’sche resp. der Oppenheim’sche Reflex fehlt 
auch heute links wie früher. 

Auch im Mai 1912 war der objektiv im ganzen unveränderte Zu¬ 
stand des Kranken ein subjektiv für ihn wohl befriedigender. I® 
November 1912 wurde wieder mehr über Schwindelersebeinungen ge¬ 
klagt. Als bemerkenswert notierte ioh ausgangs des Jahres 1912 die 
vollkommen normale Sensibilität der rechten oberen Extremität 

Im Laufe des Jahres 1913 habe ich den Kranken nicht wieder 
zu Gesicht bekommen; der letzte Status wurde von mir am 6. Job 1 
1914 aufgenommen. Ich teile ihn, da er den Abschluss einer sioh 
über 6 Jahre erstreckenden Beobachtung bildet, m 5 * 
führlioh mit: 


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UMIVERSITY OF IOWA 




9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1791 


Das Allgemeinbefinden des Patienten ist gut: Schlaf und Appetit 
lassen nichts zu wünschen übrig. Er tut seinen nicht gerade leichten 
Dienst auf der Eisenbahn nach wie vor, hat auch, wie ich hier beb 
fügen will» diesen Dienst im Verlaufe seiner nunmehr schon 
6 Jahre währenden Krankheit niemals unterbrochen. Die 
Potenz ist geschwunden; dem Drange, Blase oder Mastdarm zu entleeren, 
muss er schnell Folge leisten, da sonst die Gefahr besteht, sich zu ver¬ 
unreinigen. Der Gang ist eher besser als vordem, nicht mehr so spastisch; 
das Hinaufgehen von Treppen geht leidlich, beim Absteigen hält er sich 
gern am Geländer fest. Das rechte Bein ist kräftig; alle Bewegungen 
dort frei; kein Dorsalclonus; Berührungen und selbst leichter Druck 
werden dort gut gefühlt. Kälte, Hitze, Stiche werden aber rechts bis 
etwa zwei Querfinger unterhalb des Nabels nicht, resp. nicht als schmerz¬ 
haft wahrgenommen. Während das linke schwächere und stärkeren 
Widerstand nicht überwindende Bein beim Ausstrecken in Zittern gerät, 
ist das bei dem motorisch kräftigen rechten Bein nicht der Fall. Die 
Sensibilität des linken Beins ist normal. 

Weder links noch rechts ist ein Babinski’soher oder Oppenheim’scher 
Reflex auszulösen. Links besteht Dorsalclonus, rechts nicht. 

Die Bauchreflexe sind heute (10. Juni 1914) beiderseits auszulösen: 
der Gremasterreflex aber nur rechts deutlich, links kaum nachzuweisen. 
Die linkere obere Extremität ist schwächer als die rechte. Dynamo¬ 
metrischer Druok rechts 95, links 45. Neben dem atrophischen liöken 
ersten M. interosseus erscheint heute auch die linke Daumenballen¬ 
muskulatur weniger deutlich ausgeprägt als die rechte. Uebrigens sind 
links alle Bewegungen, auch die der Finger, durchaus leicht ausführbar, 
nur leichter zu unterdrücken als rechts. Wie zu Beginn der Unter¬ 
suchungen ist auch heute die linke Pupille grösser als die rechte: beide 
aber reagieren sowohl auf Lichtreiz wie bei Konvergenz. Schliesslich 
wäre noch zu bemerken, dass rechts unten die vorderen Backzähne, ohne 
dass Schmerzen bestanden hätten, locker geworden und ausgefallen sind. 
Die Unempfindlichkeit der Haut der rechten Penishälfte, des rechten 
Scrotums und der rechten Dammhälfte für schmerzhafte Reize, Kälte, 
Hitze, besteht fort. 

Die Untersuchungsresnltate bei dem im Vorhergehenden be¬ 
schriebenen Kranken Hessen es von Beginn an nicht zweifelhaft 
erscheinen, dass man es hier mit dem Symptomenkomplex der 
Brown-Söqnard’schen Lähmung zu tun habe. Eine halbseitige Er¬ 
krankung des Rückenmarkes lag sicher vor, aber welcher Natur 
die offenbar in der linken Hälfte des dorsalen Markes sitzende 
Schädigung war, blieb anfangs unsicher. Da der Kranke jede 
syphilitische Infektion leugnete, dachte ich zunächst an die An¬ 
wesenheit einer von den Meningen oder den Wurzeln ausgehenden, 
die linke Hälfte des Markes zusammenpressenden extramedullären 
Geschwulst, deren Sitz zwischen dem 4. und 6. Dorsalsegment zu 
lokalisieren war. Ich will, was den eben erwähnten Sitz des etwa 
vorhandenen Tumors betrifft, nur auf die Daten verweisen, die 
ich wiederholt and des längeren in den ausführlich mitgeteilten 
Untersnchungsergebnissen gegeben habe. Diese meine Ansicht 
musste ich aber ändern, als durch die serologische Untersuchung 
mindestens die Möglichkeit einer einst stattgehabten syphilitischen 
Infektion nacbgewiesen schien and eine antisyphilitische Behand¬ 
lung eine gewisse Besserung in dem Befinden des Patienten her¬ 
beiführte. 

Für die Annahme einer syphilitischen Affektion der Rücken- 
markshänte bei unserem Patienten sprach auch die Tatsache, dass 
sich das Bestehen verschiedener Symptome kaum aus der An¬ 
wesenheit nur eines Herdes erklären liess. Wollte man nicht 
das Vorhandensein multipler Geschwülste im Wirbelkanai an- 
nebmen, wofür gar kein Symptom sprach, so konnte man die 
linksseitige PapillenerweiteruDg und die später auftretende Atrophie 
des ersten linken Spatium interosseum und vielleicht auch des 
linken Daumenballens eher durch die Anwesenheit eines syphili¬ 
tischen Produktes erklären, das die unterste Cervikal- und die 
erste Dorsalwurzel komprimierte und so eine gewisse Aehnlich- 
keit mit dem Dejerine-Klumpke’schen Symptomenkomplex herbei¬ 
führte. Ein weiteres Argument für die Annahme einer syphili¬ 
tischen spinalen Meningitis schien mir der im Laufe der Jahre 
eingetretene Wechsel einzelner Reflexe (Bauch , Cremasterreflex, 
Babinski’sches Zeichen) zu bilden, wie dies ja nach der ein¬ 
geleiteten antisyphilitischen Behandlung und den zu verschiedenen 
Zeiten gegebenen Jodgaben unschwer zu erklären war. 

Auch das Vorkommen von vorübergehenden Schwindel¬ 
gefühlen bei dem Kranken, das Zittern der Hände, besonders der 
linken und die wenn auch nur eben angedeutete Ataxie beim 
Zeigefinger-Nasen versuch sprachen eher für als gegen die An¬ 
nahme, dass das Hirn nicht ganz unbeteiligt und seine Häute bei 
der anzunehmenden syphilitischen Affektion mit betroffen waren. 
Da ferner die Psyche des Kranken während der gesamten langen 
Zeit der Beobachtung nie beeinträchtigt erschien, da nystagmus- 
artige Bewegungen der Augen sowie eine Sprachstörung (skan¬ 


dierende Sprache) fehlten und die Symptome des Zitterns nnd 
der Ataxie nur sehr anbedeutend hervortraten, konnte auch an 
das Vorhandensein einer fleckweisen Degeneration des Markes und 
des Hirns kaum als Ursache der pathologischen Erscheinungen 
gedacht werden. 

Schliesslich war auch die Frage, ob es sich in diesem Falle 
vielleicht um eine Syringomyelie handle, geprüft worden. Ich 
batte im Jahre 1892 im 24. Bande des Archivs für Psychiatrie usw. 
einige Fälle von Syringomyelie mit atypischem Sitz veröffentlicht, 
von denen namentlich der zweite eine gewisse Aehnlichkeit mit 
dem Krankheitsfall bei unserem Patienten zeigte. Ra bestand da 
bei einer 44 jährigen Frau eine Parese der linken Extremitäten 
und eine partielle Empfindungslähmung (für Schmerz, Tempe¬ 
raturunterschiede) auch an der linken Schultergegend und am 
oberen Teil der vorderen linken Rumpfbälfte. Die rechtsseitigen 
Extremitäten waren beide motorisch vollkommen frei; die Sensi¬ 
bilitätsverhältnisse waren hier so, dass die vordere und hintere 
rechte Rumpfhälfte vom Schlüsselbein ab bis zur 5. Rippe hin 
und die ganze rechte obere Extremität in normaler Weise emp¬ 
fanden, während von der 5. Rippe etwa ab die rechte Rumpf¬ 
hälfte nach abwärts hin mitsamt der rechten motorisch kräftigen 
unteren Extremität für Temperaturunterschiede und Schmerz- 
empfindnngen durch Nadelstiche z. B. unempfindlich war gleich 
der linken oberen Extremität, mit dem Unterschied immerhin, 
dass diese Verhältnisse am rechten Unterschenkel bedeutend 
weniger klar nachznweisen waren, wie am rechten Oberschenkel. 

Ich erlaube mir, hier die Bemerkungen, die ich im Anschluss 
an diese Beobachtung von atypischer Syringomyelie gemacht habe, 
zu reproduzieren. 

Ist, wie das Fehlen von atrophischen Zuständen an den Muskeln 
der linken oberen Extremität und das Vorhandensein von trophischen 
Störungen an der Haut der linken Schultergegend beweist (lange 
strahlige Narben), der pathologische Prozess im Mark vorwiegend auf 
die Region der grauen Hintersäule beschränkt, so scheint er nach ab¬ 
wärts hin, vom 5. Dorsalwirbel ab, die hinteren Partien der grauen 
Substanz verlassen und mehr auf die sensible Fasern führenden links¬ 
seitigen Partien der Seitenstränge hinübergegrifien zu haben. Dann 
würden sich die beobachteten Symptome, soweit sie die sensiblen und 
motorisohen Verhältnisse der unteren Rumpfhälfte betreffen, wohl er¬ 
klären. Abstrahiert man für einen Augenblick von den tatsächlich an 
an der linken oberen Rumpfhälfte und der linksseitigen oberen Ex¬ 
tremität beobachteten Zuständen, so hätten wir es, was die gesamte 
untere Rumpfhälfte und beide unteren Extremitäten betrifft, mit einem 
9ehr an die sogenannte Brown-Sequard’sche Lähmung er¬ 
innernden Symptomenkomplex zu tun: an der Seite des in der Höhe des 
Ursprungs des 5. oder 6. Dorsalnervea gelegenen Krankheitsherdes 
(links) ist die Sensibilität jedenfalls nicht beeinträchtigt, die Motilität 
aber entschieden vermindert: rechts besteht, wie bei der Brown- 
Sequard’schen Lährnuogsform, Sensibilitätsstörung und intakte Motilität. 
Die oben beschriebenen Sehnenphänomene (Knie- und Fussphänomen 
links erhöht, reehts kaum nachzuweisen) entsprächen durchaus der An¬ 
nahme. 

Dabei verkenne ich nicht, fuhr ich damals fort, dass dieselben Er¬ 
scheinungen, welche den Brown-Sequard’schen Symptomenkomplex dar¬ 
zustellen scheinen, auch dann zustande gekommen sein können, wenn 
man neben dem linksseitigen noch einen rechtsseitigen Krankheitsherd 
anniramt. Derselbe würde rechts vom 4. oder 5. Dorsalsegment ab in 
den hinteren Abschnitten der rechten grauen Substanz zu suchen sein. 
Der Krankheitsprozess würde in dieser Höhe von der linken auf die 
rechte Seite übergegriffen haben mit der Verschonung der oberen Dorsal- 
und unteren Cervicalpartien rechterseits. Da eine ausgesprochene Hyper¬ 
ästhesie an der linken unteren Rumpfhälfte und an der linken unteren 
Extremität fehlte, so wäre die Erklärung der beobachteten Erschei¬ 
nungen nach der zweiten Annahme fast noch plausibler als nach der 
ersten. 

Ich habe nun auch in dem hier mitgeteilten Fall an die 
Möglichkeit des Vorhandenseins einer atypischen Syringomyelie 
gedacht. Da aber Sensibilitätsstörungen an der linken oberen 
Rumpfhälfte und der linken oberen Extremität fehlten ebenso wie 
trophische Störungen an der Haut, und da der so verschieden 
lokalisierte Sitz einer syringomyelitischen Affektion (einmal im 
oberen Dorsalteil der einen Seite und, mit Uebergehung der 
tieferen Markpartien derselben Seite, das Ueberspringen auf die 
tiefer gelegene Partie der anderen Rückenmarksseite) offenbar der 
Annahme eine viel grössere Schwierigkeit bietet, als die einer 
syphilitischen Affektion des Rückenmarks und seiner Häute an 
der LäDgsausdehnung nur einer Seite des Marks, so glaube ich 
mit der Annahme einer, wie nunmehr mehrfach aaseinander¬ 
gesetzt ist, hauptsächlich einseitig sich erstreckenden syphili¬ 
tischen Rückenmarksaffektion, natürlich mit Beteiligung der sie 
umkleidenden Meningen, diagnostisch das Richtige getroffen zu 
haben. 


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Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 




1792 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45. 


Schliesslich mache ich noch auf eine Besonderheit in meinem 
hier mitgeteilten Fall aufmerksam, nämlich auf die Sensibilitäts¬ 
störung in der rechten Penis , Scrotal- und Dammhälfte, die sich 
genau so verhielt wie die Sensibilitätsstörung im rechten motorisch 
intakten Bein. Es fehlte die Schmerzempfindung für Stiche, 
elektrischen Pinsel, für Kälte und Hitze wie oben beschrieben. 
Derartige Beobachtungen sind, soviel ich weiss, zuerst von 
Wernicke und Mann 1 ) gemacht worden. Nach Wernicke’s 
Erklärung kann man erwarten, dass für diese, unterhalb der 
Lendcnanschwellung gelegenen Gebiete (es würde sich um die 
zweite bis vierte Sacralwurzel bandeln) die centralen Bahnen der 
Sensibilität noch in der entgegengesetzten Rückenmarkshälfte 
enthalten sein würden. 

Wenden wir diese Ueberlegungen Wernicke’s auf unseren 
Fall an, so würden wir neben den vorausgesetzten zwei Herden 
im unteren linken Cervical- und obersten Dorsalroark und dem 
Herde in der Höhe des vierten bis fünften Dorsalsegments links 
noch einen dritten Herd in der Gegend des linken Sacralmarks 
anzanehmen haben, welch letzterer Herd dann für die ungewöhn¬ 
liche partielle Empfindurgslähmung im Bereich der zum Plexus 
pudendalis gehörigen Nerven verantwortlich zu machen wäre. 

Schliesslich noch eine Bemerkung. Wenn ich oben sagte, 
dass die Symptome an der linken Pupille meines Patienten und 
an einzelnen kleinen linksseitigen Handmuskeln an die Klumpke- 
sche Lähmung erinnerten, so weiss ich wohl, dass dabei nicht 
von einer Vergrösserung der Pupille der entsprechenden Seite 
die Rede ist, sondern neben einer Verengerung der Lidspalte von 
einer Verkleinerung der Pupille. Immerhin weiss man, dass bei 
einer Affektion sympathischer Fasern neben Lähmungs- auch mit 
etwaigen Reizznständen gerechnet werden kann, die in meinem 
Falle von der pathologischen Veränderung im Bereich des unteren 
linken Cervicalmarks auf die benachbarten sympathischen oculo- 
pupillären Fasern ausgeübt würden. 

Aus der medizinischen Universitätsklinik in Groningen 
(Direktor: Prof. A. A. Hijmans v. d. Bergh). 

Beitrag zur Kasuistik des renalen Diabetes. 

Von 

C. D. de Langen, Assistenten der Klinik. 

In der letzten Zeit ist das Wesen des renalen Diabetes wieder 
mehr und mehr in den Vordergrund getreten, und auf dem neulich 
abgehaltenen Kongress für innere Medizin (15.—18. April 1913) 
wurde diese Frage von Frank wieder angeregt und ausführlich 
besprochen. Seit Klemperer am 18. Mai 1896 in dem Berliner 
Verein für innere Medizin und um dieselbe Zeit etwa auch 
Lepine die Frage aufwarfen, ob in der Glykosurie bei Diabetes 
vielleicht ein renales Element eine Rolle spielen könne, sind, 
wie sich auf dem Kongress in Wiesbaden erwies, in den folgenden 
Jahren nur vereinzelte kasuistische Mitteilungen erschienen,während 
hingegen theoretisch und experimentell viel gearbeitet ist, um die 
Wahrscheinlichkeit dieser besonderen Art der Zuckerausscheidung 
darzutun. 

Und obschon man heute wohl anerkennt, dass es wahrschein¬ 
lich einen klinischen renalen Diabetes gibt, welcher sich hin¬ 
sichtlich der Ursache, des Verlaufs und der Prognose scharf 
unterscheidet von dem Diabetes mellitus, so ist die Anzahl genau 
beobachteter Fälle, die den klinischen Bedingungen für einen 
renalen Diabetes genügen, sehr gering, und es wird noch eine 
ganze Reihe zuverlässiger Beobachtungen nötig sein, um über diese 
Frage Klarheit zu gewinnen. 

Klemperer, der zuerst die Bedingungen formulierte, forderte 
für die klinische Diagnose des renalen Diabetes: 

1. dass die Glykosurie in sehr hohem Grade unabhängig von 
der Kohlehydratzufohr sei; 

2. dass der Blutzuckergehalt in keinem Falle gesteigert, sondern 
sogar (wie auch bei dem typisch renalen Phloridzin-Dia¬ 
betes) infolge des Zuckerabfiusses aus den Nieren geringer 
sei als normal; 

3. dass das Entstehen einer Nephritis der Zuckerausscheidung 
entgegen wirke. 

Lüthje, der 1901 die für die Diagnose eines Nierendiabetes 
notwendigen Bedingungen formulierte, war mit den unter 1 und 2 
geforderten einverstanden, sagte aber statt Nr. 3, die Glykosurie 

1) D. Zschr. f. Nervhlk., 1897, Bd. 10, S. 35. 


solle vor der Nierenerkrankung fehlen und erst nach der Krankheit 
auftreten. 

Die erste Forderung wird jedermann als selbstverständlich 
richtig ansehen. Nur brauchen Glykosurie und Kohlehydratzufohr 
nicht in jedem Falle ganz unabhängig zu sein, da auch die Grösse 
der Pbloridzin-Glykosnrie bis zu einem gewissen Grade von der 
Kohlehydratzufuhr abhängig ist. 

Fast allgemein nimmt man an, dass der Phloridzin-Diabetes, 
und analog damit auch die klinische Form, ein rein renaler Prozess 
ist. Lepine ist einer etwas anderen Meinung. In den Capillaren 
der Niere spiele sich unter Einfluss des Phloridzins ein Prozess 
ab, durch welchen der Zucker aus seinen Verbindungen frei ge¬ 
macht wird, indem er vom „sucre virtual“ zum „sucre libre“ 
werde. Zugleich fand Löpine, dass nicht nur die Nieren diese 
Eigenschaft, in ihren Capillaren den Zucker frei zu machen, 
besitzen, sondern dass die Blutgefässe der Lungen dies auch ton 
können. Er fand nämlich nach einer Phloridzininjektion, dass 
das Blut der Carotis mehr „sucre libre“ enthielt als das Blut 
des rechten Herzens. Lange Zeit war die grösste Schwierigkeit, 
zuverlässige Beobachtungen zu bekommen, die, dass man keine 
präzise Methoden, den Blutzucker zu bestimmen, znr Verfügung 
batte. Dass jedoch in den letzten Jahren viel und vorzüglich 
hierüber gearbeitet worden ist, beweist Bang’s ausführliches und 
schönes Werk: „Der Blutzucker.“ Zahllose mehr oder, weniger 
komplizierte Methoden stehen uns jetzt zur Verfügung. Der fol¬ 
gende Fall von renalem Diabetes wurde in der Klinik in Gro¬ 
ningen beobachtet und darf meiner Meinung nach mit Recht 
registriert werden als einer, der völlig den gestellten Bedingungen 
für einen renalen Diabetes entspricht. 

Patient X., 22 Jahre alt, Lehrer. Die beiden Eltern leben; der 
Vater befindet sich in einer Irrenanstalt, die Mutter ist gesund. 
Vier Schwestern und ein Bruder sind gesund. Zwei der Schwestern 
sind bisweilen etwas überspannt. Weiter gibt es keine hereditären Mo¬ 
mente. Stoffwechselkrankheiten sind in der Familie nicht bekannt. 
Patient ist Totalabstinenzler, hat niemals geraucht. Als Kind hat er 
Masern, Keuchhusten und später vermutlich auch Typhus gehabt. Ferner 
hat er in seinen Kinderjahren öfters an Nasenbluten gelitten, später nicht 
mehr. Er machte mit 19 Jahren ein sehr gutes Lehrerexamen. Kur* 
zuvor erschien er etwas überange9treDgt; fiel auch zweimal in Ohnmacht. 
In dieser Zeit hatte er oft Kopfschmerzen. Nach zwei Jahren machte 
er das Hauptlehrerexamen, während ihm inzwischen wegen Ueberan- 
streDgung für sieben Monate das Studium von einem Spezialisten ver¬ 
boten wurde. Während dieser Zeit gab er wohl Stunden in der Schule, 
wobei er öfters von Kopfschmerzen und Schwindel gequält wurde. 
Sowohl vom Spezialisten wie einige Monate später bei einer ärztlichen 
Untersuchung ist der Urin untersucht und normal befunden worden. 
Bei der Aushebung hat er sich freigelost. Er fühlte sich gegen das 
Examen hin wieder gesund. Nach diesem Examen fing er sofort an, für 
das französische Examen zu arbeiten; er studierte immer sehr angestrengt 
Ausser etwas Kopfschmerzen fühlte er sich aber sonst wohl. Er hatte guten 
Appetit und ist nicht abgeraagert, litt nie an Durst usw. Als er im März 
1912 bei einer Bewerbung um eine sehr gute Stelle als erster beraten 
wurde, wurde er jedoch abgewiesen, da der Arzt, der ihn untersuchte, 
Glykose im Urin fand. Dieser verwies ihn zur näheren Untersuchung 
und Behandlung an die interne Klinik in Groningen. Das erste Mal 
wurde er hier aufgenommen vom 24. April bis 14. Mai (vgl. Tabelle 1). 

Status praesens: Der Patient ist ein junger Mann von kräftiger 
Gestalt mit gut entwickeltem Knochen- und Muskelsystem und Fettpolster. 
Die Farbe der Haut ist normal. Keine Oedeme, Drüsenschwellungen 
oder Furunkel. Die Hirnnerven sind ungestört. Gesicht, Gehör, 
Geruch und Geschmack sind gut. Das Herz ist nicht vergrosserfc, 
die Töne rein, der Puls ist gut gefüllt, nicht frequent (70—80), äqual, 
regelmässig. Der Blutdruck, bestimmt nach Riva-Rocci, beträgt 128. 
Ueber den Lungen rechts hinten in der Spitze etwas rauhes Atmen mit 
einigen knackenden Rhonchi, welche dort wiederholt gefunden werdet. 
Auf der Röntgenplatte war in der rechten Spitze kein Schattenbild zu 
sehen. (Pirquet schwach positiv.) Im Bauche ist nichts Besonderes. 
Sensibilität, Muskelkraft usw. sind gut; Reflexe etwas gesteigert. Patient 
macht einen sehr intelligenten, etwas überspannten Eindruck. 

Das Körpergewicht, das beim Eintritt 68 kg betrug, stieg während 
seines Aufenthaltes im Krankenhause auf 73 kg. Bei einer erneuten 
Untersuchung nach mehr als einem Jahre befindet er sich gut, und das 
Gewicht ist auf 75 kg gestiegen. Der Urin war immer klar, reagierte 
meist sauer, enthielt ein einziges Mal einige Phosphate. Niemals wurde 
Eiweiss gefunden. Mikroskopisch keine Cylinder, weiase oder rote Blut¬ 
körperchen. Der Urin enthält immer Zucker. Die Phenylbydrazinprobe 
bewies uns, dass es sich um Glykose handelte. Durch das Eigen¬ 
tümliche der Zuckerausscheidung hinsichtlich der gebrauchten Kohle¬ 
hydrate wurde unsere Aufmerksamkeit darauf gelenkt, ob wir es Mer 
nicht mit einer Form von renalem Diabetes zu tun hätten. Eine Be¬ 
stimmung des Blutzuckergehaltes wies auch darauf hin. Auf unsere 
Bitte liess er sich drei Wochen später zur nochmaligen Untersuchung 
wieder aufnehmen (vgl. Tabelle 2). 


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Original fro-m 

UMIVERSITY OF IOWA 




9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1793 


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Tabelle 1. 


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1500 g Milch, 35 g Zwieback, 
225 g Weissbrot, 450 g Grütze, 
15 g Zucker, 200 g Gries, 

3 Eier, 1200 g Milch, 450 g 
Buttermilch. 

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250g Weissbrot, 40g Zwieback¬ 
brei, 100 g Fleisch, 900 g 
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_ 3 ) 

30. 4. 

150g Weissbrot, 4 Eier, 1500g 
Milch, 20 g Zucker, 100 g 
Kartoffelo, 50g Gries, Butter, 
Käse, Spinat. 

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1020 

0,23 

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5 

1600 

1026 

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— 

— 

4. 5. 

6 Eier, Fleisch, Käse, y 4 1 
Rahm, Tee, Spinat. 

10 

1100 

1027 

0,53 

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— 

5.5. 

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1250 

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1,27 

15,7 

— 

— 

12. 5. 

* „ 4. 5. 


1020 

1020 

0,84 

16,4 


— 


1) Im Urin wurde niemals Eiweiss nacbgewiesen. — 2) Tag von 
8 Uhr morgens bis 8 Ubr abends. — 3) Nacht von 8 Uhr abends bis 
8 Uhr morgens. — 4) Blutzuckerbestimmung 0,054. 


Aus diesen Tabellen ersieht man, dass der Urin niemals zuckerfrei 
war. Die Quantität des ausgeschiedenen Zuckers schwankte zwischen nur 
4 und 19 g in 24 Stunden. Die kleinste Quantität bekam man bei einer 
Kohlehydratzufuhr von 184 g, die grösste bei 503 g (inkl. 150 g reine 
Glykose). Demgegenüber steht jedoch, dass bei kohlebydratfreier, wenig¬ 
stens ungefähr kohlehydratfreier Diät der kleinste Wert 5,8 und der 
höchste 16,4 g ist. Alle anderen Werte schwankten dazwischen ohne 
jeden Zusammenhang mit der Kohlehydratzufubr. Wir sehen also, 
dass die geringste Zuckerausscheidung nicht bei einer kohle¬ 
hydratfreien Diät, sondern bei einer ziemlich grossen Zu¬ 
fuhr wahrgenommen wurde. Der höchste Wert bei Enthaltung von 
Kohlehydraten ist wenig verschieden von derjenigen Diät, wo 503 g 
Kohlehydrate zugeführt wurden, bei welcher sogar 150 g reine Glykose 
miteinbegriffen sind. Die Zuckerbestimmungen wurden polarimetrisch 
sowie titrimetrisch gemacht [nach Katz’ Methode] Q, wobei wir zugleich 
die Gelegenheit hatten, festzustellen, dass diese Methode wirklich einfach 
und sehr zuverlässig genannt werden darf. 

Bei der Untersuchung, ob Tages- oder Nachturin sich verschieden ver¬ 
hielten, hatte der Tagesurin den höchsten Wert. Tage, an denen der Patient 
viel spazieren ging und arbeitete, verhielten sich nicht anders als solche 
von absoluter Ruhe; der Einfluss auf die Zuckerausscheidung war 
negativ. Eine absolute Ruhekur mit strenger Milchdiät, um die Nieren 
so wenig wie möglich zu reizen, ergab ebensowenig positives Resultat. 
Einnehmen von Diuretin, das nach einigen Autoren Einfluss auf die 
Zuckerausscheidung ausübt, hatte nicht das mindeste Resultat. Meiner 
Meinung nach ist es denn auch ohne Zweifel, dass in diesem Falle ein 
tf 6 ki hoher Grad von Unabhängigkeit der ZuckerausscheiduDg von der 
Kohlehydrataufnahme besteht. Der ersten Forderung wird also völlig 
genügt. 

Was nun den Blutzuckergehalt betrifft, so sind wir bei unserem 
Patienten in der Lage gewesen, vier derartige Bestimmungen zu machen. 
Alle vier Male wurde das Blut nachmittags um 4 Uhr (Hauptmahlzeit 1 Uhr) 
aus der Armvene des Patienten entnommen. Wie wir aus den Tabellen 
sehen, fanden wir immer einen Wert unter dem normalen. Bei diesen 
Bestimmungen ist natürlich die äusserste Genauigkeit erforderlich. Immer 
wurde der Wert des Blutes im ganzen genommen und nicht besonders 
aer des Serums und der roten Blutkörperchen bestimmt. Hauptsächlich 
üaben wir bei unseren Bestimmungen nach der Methode gearbeitet, wie 
. an 8 8 \ e angegeben hat. Da ich die chemischen Bestimmungen 
immer mit meinem Kollegen Chem. Dr. A. W. Visser gemacht habe und 
unsere Bestimmungen bei gesunden Personen und anderen Patienten, 
lab etikern und Nichtdiabetikern, immer Werte ergaben, die grösser waren 

1) Nederl. Tijdschr. v. Geneesk., 1912, I, No. 20. 


als diese, so glaube ich, dass ich die Zuverlässigkeit dieser Ziffer nicht 
zu bezweifeln brauche. Es ist in unserem Falle klar, dass die Nahrung 
auch auf den Zuckergehalt des Blutes keinen Einfluss ausübt. (Die erste 


Tabelle 2. 


a 

3 

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Diät 

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Urin 

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2 1 Milch, 100 g Zwieback 

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1027 

0,87 

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- 

7.6. 

300 g Weissbrot, 50 g Zwieback, 

1 1 Milch, 100 g Kartoffeln, 

2 Eier, 50g Butter, 50 g Reis, 
150 g Zucker, 200 g Fleisch, 
100 g Gemüse. 

442,5 

1350 

1027 

0,97 

13,10 



8.6. 

ungefähr wie 7. 6. 

427,5 

1500 

1026 

0,79 

11,80 

— 


9.6. 

„ „ 7. 6. 

442,5 

1200 

1029 

0,77 

9,20 

10,30 

— 

— 

10. 6. 

„ „ 7. 6. 

447,5 

1000 

1030 

1,03 

— 

— 9 

11.6. 

„ * 7. 6. 

442,5 

1400 

1028 

1,04 

14,60 

— 

— 

12.6. 

„ „ 7. 6. 

442,5 

1250 

1028 

1,18 

14,75 

— 

— 

13.6. 

* * 7. 6. 

439,0 

1100 

1030 

1,30 

14,30 

— 

— *) 

14.6. 

„ „ 7. 6. 

442,5 

1400 

1027 

0,85 

11,90 

— 

— 

15. 6. 

„ „ 7. 6. 

442,5 

1650 

1025 

1,05 

17,30 

— 

— 

16.6. 

1 1 Milch, 260 g Brot, 50 g 
Zwieback, 120 g Kartoffeln, 
50 g Butter, 100 g Fleisch, 
100 g Gemüse, 150 g Glykose, 
50g Gries, 75g Zucker, 300g 
Wein. 

503,0 

1600 

1025 

0,76 

12,20 


- S ) 

17. 6. 

ungefähr wie 16. 6. 

503,0 

1950 

1020 

0,98 

19,10 

— 

— 

18. 6. 

* 16. 6. 

580,5 

2200 

1016 

0,73 

16,06 

— 

— 

19. 6. 

„ „ 16. 6. 

444,5 

1900 

1017 

0,90 

17,10 

— 

— 

20. 6. 

* „ 16. 6. 

450,0 

1550 

1019 

0,85 

13,17 

— 

— 

21.6. 

* * 16. 6. 

434,5 

1400 

1020 

1,19 

16,66 

— 

— 

22. 6. 

r „ 16. 6. 

466,0 

1350 

1021 

0,87 

11,75 

— 

— 0 

23. 6. 

ungefähr wie 16. 6., ohne 150 g 
Glykose. 

313,0 

1450 

1026 

1,07 

15,12 

— 

— 

24.6. 

5 1 Milch, 45 g Mehl, 50 g 
Zwieback, 150 g Rahm. 

318,5 

3150 

1010 

0,27 

8,39 

— 

— 

25. 6. 

Dieselbe Diät. 

342,5 

3250 

1010 

0,35 

11,38 

— 


26. 6. 

„ V 

342,5 

3000 

1010 

0,34 

10,20 

— 

— 

27. 6. 

4 1 Milch, 150 g Rahm, 30 g 
Maizena, 50 g Zwieback. 

252,5 

3700 

1010 

0,40 

14,80 

— 

— 

28.6. 

wie 27. 6. 

252,5 

2650 

1011 

0,28 

7,42 

— 

— 

29. 6. 

„ 27. 6. 

252,5 

2500 

1009 

0,40 

9,97 

— 

— 

30.6. 

„ 27. 6. 

252,5 

2800 

1010 

0,40 

11,17 

— 

— 

1. 7. 

„ 27. 6. 

252,5 

2750 

100S 

0,28 

7,83 

— 

— 

2. 7. 

* 27. 6. 

252,5 

3000 

1007 

0,34 

10,20 

— 

— 

3. 7. 

wie 27. 6. und 3 g Diuretiu. 

252,5 

3150 

1007 

0,27 

8,54 

— 

— *) 

4. 7. 

wie 3. 7. 

252,5 

3140 

1008 

0,33 

10,46 

— 

-0 

5. 7. 

* 3. 7. 

252,5 

2860 

1007 

0,44 

12,50 

— 


6. 7. 

100 g Butter, 30 g Zwieback, 
150g Fleisch, 220gKartoffeln, 
435g Salat, 60g Brot, 1200g 
Milch. 

167,5 

2600 

1010 

0 45 

11,62 



7. 7. 

Speisen erbrochen. 

Hier\ 

on ist 

keine Bestimmung gemacht. 

8.7. 

5 Eier, 125 g Butter, 150 g 
Fleisch, 200 g Rahm, 100 g 
Endivie, 50g Käse, 50g Kar¬ 
toffeln, 30 g Zwieback, 200g i 
Wein. 

51,0 

1200 

1030 

0,37 

4,42 



9.7. 

ungefähr wie 8. 7. 

51,0 

1500 

1030 

0,65 

9,70 

— 

— 

10.7. 

„ „ 8. 7. 

51,0 

1000 

1031 

0,71 

7,13 

— 

- ,0 ) 

11. 7. 

* „ 8. 7. 

51,0 

1000 

1032 

0,75 

7,50 

— 

— 

12. 7. 
13.7. 

„ „ 8. 7. 

„ „ 8. 7. 

51,0 

51,0 

950 

1032 

nie 

0,74 1 7,03 
3t bestimm 

t. 

— 

14. 7. 

• 8. 7. 

31,0 

950 

1032 

0,82 

7,80 

— 

— 

15. 7. 

„ 8. 7. 

20,0 

1400 

1031 

0,62 

8,68 

— 

— 

16. 7. 

6 Eier, 100g Käse, 200g Wein, 
270g Fleisch, 400g Gemüse, 
175 g Rahm, 100 g Butter. 

0 

1200 

1029 

0,88 

10,56 


— U ) 

17.7. 

ungefähr wie 16. 7. 

0 

1160 

1030 

0,89 

10,32 

— 

— 

18.7. 

„ „ 16. 7. 

0 

1500 

1025 

0,95 

14,25 

— 

_ 

19.7.1 

* » 16. 7. 

0 

1200 

1028 

1,03 

12,36 

— 

— 

20. 7. | 

„ „ 16. 7. 

Entlassen. 

0 

1450 

1026 

0,98 

14,21 

— 

— 


1) Viel spazieren und arbeiten gelassen. — 2) Blutzuckerbestimmung 
0,056. — 3) 150 g Glykose extra. — 4) Blutzuckerbestimmung 0,073. 
Mit Glykosezufuhr aufgehört. — 5) Angefangen mit Milchkur und 
absoluter Liegekur. — 6) 3 g Diuretin pro Tag. — 7) 3 g Diuretin pro 
Tag. — 8) 3 g Diuretin pro Tag. — 9) Allmählich Kohlehydrate ent¬ 
zogen. — 10) Bewegung im Freien. — 11) Viel spazieren und arbeiten 
gelassen. — 12) Blutzuckerbestimmung 0,06. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





1794 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


der drei letzten Bestimmungen wurde während einer sehr reichlichen 
Kohlehydratzufuhr gemacht, die zweite, nachdem der Patient überdies 
noch während einer Woche täglich 160 g Glykose eingenommen batte, 
und die dritte nach mehreren Tagen kohlebydratfreier Diät.) Der Blut¬ 
zuckergehalt des normalen Menschen wird von verschiedenen Unter¬ 
suchern sehr verschieden angegeben. Die verschiedenen Untersuchungs¬ 
methoden spielen dabei eine ziemlich grosse Rolle. Auch hat man 
genau untersucht, ob grosse Unterschiede bestehen zwischen dem Zucker¬ 
gehalt des Gesamtblutes und dem des Plasmas allein. Bei gleich- 
massiger Nahrung ist der Gehalt der Blutkörperchen und des Plasmas 
ungefähr derselbe, so dass die Bestimmungen des ganzen Blutes im 
allgemeinen ein richtiges Bild geben. Bei starker Zuckerzufuhr und 
starkem Zuckerverbrauch scheinen die Schwankungen sich eher und 
intensiver in dem Zuckergehalt des Plasmas als in dem des Gesamtblutes 
zu zeigen. Claude-Bernard nahm 2—4 pM. als den normalen Wert des 
Blutzuckers an. Er hat dabei den wirklichen Gehalt weit überschätzt. 
Später fand man Werte zwischen 0,09 und 0,12 pCt. Auch diese müssen 
wir als zu hoch betrachten. Stein und Liefmann fanden den normalen 
Wert schwankend zwischen 0,065 und 0,1 pCt. Auch die systema¬ 
tischen Untersuchungen von A. Hollinger, E. Frank und W. Weiland 
ergaben als Durchschnittswert 0,085 pCt. Tachau, der eine sehr schöne 
Methode angab, nennt als Durchscbnittsziffer 0,083 pCt. Der Durch¬ 
schnittswert der von uns gemachten Bestimmungen ist noch etwas 
kleiner und betragt ungefähr 0,08 pCt. Die Ziffern von 8 Diabetikern 
waren viel höher als jene, einen Fall ausgenommen, auf den ich nachher 
zurückkommen werde. Wenn wir jetzt die bei unserem Patienten er¬ 
haltenen Werte mit jenen vergleichen, so sehen wir, dass alle vier 
Bestimmungen unter der Norm bleiben, und wir können mit Gewiss¬ 
heit von einer Hypoglykämie sprechen. Auch die zweite Forderung 
ist also erfüllt. 

Was die dritte Forderung anbetrifft, so können wir, da bei dem 
Patienten keine Nephritis aufgetreten ist, schwer entscheiden, wie der 
Patient eventuell darauf reagieren würde. Dass der Zustand der Nieren 
auf die Zuckerausscheidung Einfluss ausüben kann, ist schon lange 
bekannt. 

Klinisch weiss man, dass, wenn bei Diabetes chronische 
Nephritis als Komplikation auftritt, die Nieren bisweilen weniger 
Zucker durchlassen und die Ausscheidung bedeutend ab¬ 
nimmt. Auch experimentell fand P. P. Richter, dass Nieren 
komplikationen (Chromsäurevergiftung usw.) die Glykosurie der 
ihres Pankreas beraubten Hunde verminderten, unter gleichzeitigem 
Steigen des Blutzuckergehaltes. Ebenso wie der Diabetes bei 
Hyperglykämie sollte sich auch der Phloridzin Diabetes ver¬ 
halten, da nach den Untersuchungen von Klemperer kleine 
Quantitäten Phloridzin bei normalen Menschen noch zur Zucker¬ 
ausscheidung führen, bei Nepbritikern aber nicht. Man muss dem 
gegenüberstellen, dasB die Ursachen, welche das Verschwinden 
der Glykosurie bei einer sich entwickelnden Nephritis zur Folge 
haben, nicht dieselben zu sein brauchen als die, welche das Zu¬ 
standekommen des Phloridzin-Diabetes bei einem an Nephritis 
Erkrankten verhindern. Naunyn und Lüthje forderten sogar, 
dass ein Nephritisprozess dem Auftreten der Glykosurie voran- 
gehen müsse. 

Mit Naunyn müsste man annehmen, dass eine Nephritis auf 
das Nierenepithel gerade solch einen Einfluss ausüben könute, 
dass die Zellen den Zucker anstatt schwerer, leichter durchlassen. 
Hierbei muss natürlich die Anwesenheit von Eiweiss vor der des 
Zuckers in dem Urin festgestellt worden sein, da, wie bekannt 
ist, bei Diabetes Albuminurien aus verschiedenen Gründen öfters 
auftreten. Solche Beobachtungen sind gemacht worden von Bence- 
Jones,Dickinson, Küchenmeister, und auch Naunyu bat drei 
ähnliche Fälle beschrieben. Bei keiner der sechs Beobachtungen 
ist aber eine Blutzuckerbestimmung gemacht worden, so dass wir 
über die Möglichkeit des Bestehens einer Hyper- oder Hypo¬ 
glykämie im Ungewissen sind. Zwar besteht in diesen Fällen 
eine gewisse Unabhängigkeit der Zuckerausscheidung von der 
Kohlehydratzufuhr; es ist aber bekannt, dass eine grosse Toleranz 
für Kohlehydrate oft auch bei einem wirklichen Diabetes auftritt, 
wenn dieser kompliziert ist mit einer schweren Organ krank heit. 
Id der Tat sind von den sechs angeführten Fällen vier nach kurzer 
Zeit zur Sektion gekommen, wobei andere schwere Organverände- 
rangen festgestellt wurden. 

Die Bright’sche Krankheit muss wohl als nicht notwendig 
für die Diagnose des renalen Diabetes angenommen werden, denn 
bei der Pbloridzinglykosurie sehen wir ja doch auch kein einziges 
Symptom dieser Krankheit auftreten, während die Anwesen¬ 
heit eines renalen Prozesses feststeht. 

Eine sehr wichtige Tatsache, welche hier angeführt werden 
darf, ist die bisweilige Glykosurie nach einer NierenblutuDg. 
Naunyn nennt drei solche Fälle, wo geringe Zuckerausscheidung 
nach der Blutung auftrat, welche wenig mit der Diät schwankte, 
einige Zeit anhielt und zuletzt ohne Diätbeschränkung ver¬ 


schwand. Auch die Glykoseausscheidungen, welche während 
Schwangerschaft und Wochenbett bisweilen wahrgenommen werden 
sind von mehreren Untersuchern einem wahrscheinlich renalen 
Prozesse zugeschrieben worden. Löpine nennt noch einige 
andere Fälle, wo bei an Hysterie erkrankten Patienten Glykosurie 
ohne Hyperglykämie auftrat. Hier wechselten Perioden mit 
Eiweissausscheidnng mit solchen von Glykosurie ab. Dies würde 
von Veränderungen in der Nierenzirkulation abhängig sein können, 
und deshalb würde ein Grand zur Annahme eines renalen 
Elementes bestehen. 

Sehr richtig verlangt v. Noorden von dem klinischen Ver¬ 
lauf, dass die als renaler Diabetes diagnostizierten Fälle nicht nur für 
einige Wochen oder Monate, sondern auch auf die Dauer sich anders 
verhalten als die gewöhnlichen Fälle von Diabetes. Er macht 
uns darauf aufmerksam, dass öfters leichte Fälle von Diabetes 
im Anfang noch eine grosse Toleranz für die Koblehydratmfahr 
zeigen, sich aber dann später als gewöhnliche Fälle von Diabetes 
mellitus erkennen lassen. Jedoch gehen diese Fälle schon sehr 
früh mit Hyperglykämie einher. 

Io unserem Falle konnten wir nach der Entlassung des Patienten 
noch viermal in einem Jahre den in 24 Stunden entlassenen Urin auf 
seinen Zuckergehalt untersuchen, wobei die Diät auch genau fest¬ 
gestellt wurde. Die Zuckerausscheidung verhielt sich folgenderm&assen: 

20. IX, 1912. Ganz wenig Kohlehydrate (25 g) in der Diät; 
1850 ccm Urin. Spezifisches Gewicht 1024; Zuckergehalt 0,49 pCt; 
totale Quantität ausgeschiedenen Zuckers 9,25 g. 

18. XII. 1912. Diät mit ungefähr 200 g Kohlehydrate; 
1350 ccm Urin. Spezifisches Gewicht 1026. Gehalt 0,34 pCt. Ausge¬ 
schiedene Quantität 4,36 g. 

10. II. 1913. Diät mit viel Kohlehydraten; 1450 ccm Drin, 
Spezifisches Gewicht 1025; Gehalt 0,60pCt. Ausgeschiedene Quantität 8,8g. 

1. V. 1918. Gemischte Diät mit iy 2 Liter Milch; 1600 ccm Urin. 
Spezifisches Gewicht 1022; Gehalt 0,43 pCt. Ansgeschiedene Quantität 7 g, 

Also mehr als ein Jahr später besteht noch dieselbe Toleranz für 
die Quantität Kohlehydrate; spätere Blutzuckerbestimmungen sind nicht 
gemacht worden. Das subjektive Gefühl des Mannes hat sich eher ge¬ 
bessert; er arbeitet tüchtig, das Körpergewicht hat sich gesteigert. 
Unsere Beobachtung erfüllt also die Forderung von v. Noorden. 

Beim Nachsuchen der wenigen in der Literatur als renale 
Formen beschriebenen Fälle fand ich die meisten von deutschen 
Klinikern mitgeteilt. 

Der von Klemperer vor 18 Jahren angeführte Fall zeigte uns 
wohl eine ziemlich grosse Unabhängigkeit der Zuckerausscheidung m 
der Kohlehydratzufubr, aber der Blutzuckergehalt betrug 0,18, was 
I unseren gegenwärtigen Ansichten nach entschieden als Hyperglykämie 
[ aufzufassen ist. Dass K icmperer den Fall dennoch als renal betrachtete, 
ist darin begründet, dass er die obere Grenze des Zuckerwertes bei 
normalen Menschen bis 0,2 fand; aus diesem Grunde sprach er analog 
mit dem Gefundenen bei dem Phloridzin-Diabetes über einen nicht ge¬ 
steigerten Blutzuckergehalt. Auf dem letzten Kongress für innere 
Medizin (15.—18. IV. 1913) in Wiesbaden, wo das Problem des renalen 
Diabetes wieder besprochen wurde, wurde der früher als sicherer renaler 
Diabetes angeführte Fall auch nicht mehr als stichhaltig anerkannt 
Klemperer besprach noch einmal den renalen Diabetes als eine Stoff* 
wecbselanomalie, welche durch normalen Zuckergehalt und die Unab¬ 
hängigkeit der Zuckerausscheidung von der Kohlehydratzufuhr charak¬ 
terisiert ist. Dieses Krankheitsbiid sollte seiner Meinung nach einen 
grossen praktischen Wert haben, da es mit dem wirklichen Diabetes 
nichts zu tun habe und keiner Behandlung bedürfe. Er hatte es ab 
und zu auch bei alten Arteriosklerotikern wahrgenommen. Eine ähnliche 
Beobachtung wurde auch in der Klinik in Groningen gemacht 

Ein alter Mann mit Arteriosklerose und Myooarditis war schon einmal 
vor einem Jahre in der Klinik gewesen. Er hatte damals weder Kiews 
noch Zucker im Urin. Bei seiner zweiten Aufnahme schied er täglich 
ein paar Gramm Glykose aus. Von Eiweiss oder Formelementen v*r 
im Urin keine Spur. Die Quantität zugeführter Kohlehydrate hatte 
keinen nennenswerten Einfluss auf die Zuokerausscheiduug, absolute 
Kohlehydrate-Enthaltung ebensowenig. 

Nach etwa 14 Tagen verschwand die Glykose von selbst ohne ■ 
Diätbeschränkung. Eine Blutzuckerbestimmung, einen Tag nachdem der j 
Urin zuckerfrei geworden war, gab 0,066 pCt., also eine wirkliche Hypo; 
glykämie. Nach dieser Zeit blieb Patient immer zuckerfrei und ist * fel 
Monate später seiner Myocarditis erlegen. Bei der Autopsie wurißB 
Nieren und Pankreas normal gefunden. Auch in diesen Fällen ist 
Voraussetzung eines renalen Elementes nicht sofort abzulehneu. 

Die Zahl wirklich zuverlässiger und den gestellten Anfor¬ 
derungen entsprechender Fälle, welche ich aus der Literatur habe 
zusammenbringen können, darf wohl sehr gering genannt werden- 
Dass unser Fall zu einem der besten gerechnet werden darf, 
geht meines Erachtens genügend aus der Beschreibung herror. 

Zu welchem Schluss hinsichtlich der Rolle der Nieren hei® 
Diabetes und besonders über die Frage, ob wir eine renale Form 
scharf vom gewöhnlichen Diabetes trennen dürfen, werden wir 


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UN1VERS1TY OF IOWA 



9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1795 


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nun auf Gruod der gegenwärtigen Beobachtungen und An¬ 
schauungen gelangen? Dass diese Frage für viele Patienten von 
grösster Wichtigkeit ist, erwähnte ich schon in meiner Einleitung. 
Die Behandlung solcher Patienten würde eine ganz andere werden; 
die oft so schwer durchzuführende strenge Diät, welche ausser¬ 
dem bei weniger Bemittelten schon der grossen Kosten wegen 
schwer zu erreichen ist, würde fortfallen. Diese Menschen brauchten 
sich nicht Jahre lang bestimmte, besonders gern genossene Speisen, 
welche ihren Zustand gar-nicht schaden, zu versagen und die 
Anwesenheit als Zuschauer bei der gemeinschaftlichen Mahlzeit 
brauchte für sie nicht länger eine Tantalusqual zu sein. Darf man 
diesen Menschen verweigern, eine Lebensversicherung zu scbliessen 
und sie vielleicht unnötig von der immer wachsenden Anzahl 
sozialer Stellen ausschliessen, für welche eine ärztliche Untersuchung 
erfordert wird und wobei die Urinuntersuchung oft eine bedeutende 
Rolle spielt? Gibt es vielleicht nicht zahlreiche Menschen, bei 
welchen eine lange dauernde oder zeitliche Zuckerausscheidung 
niemals entdeckt wird? Und gehören vielleicht nicht mehrere 
der in der allgemeinen Praxis für leichten Diabetes behandelten 
Patienten zur renalen Form? Gerade wegen der wenigen Sym¬ 
ptome, des gutartigen Verlaufes und vielleicht des spontanen 
Verschwindens des Zuckers werden solche leichte Fälle niemals 
in die Klinik aufgenommen, so dass eine genaue Kontrolle hin¬ 
sichtlich der Kohlehydrattoleranz und des Blutzuckergehaltes nie 
erfolgt. 

Alles dies sind Fragen, auf welche ich nicht einigermaassen 
entscheidend zu antworten wage. Weitere genaue Beobachtungen 
werden diese Sache klären und uns lehren müssen, wie wir künftig 
zu handeln haben. 

Zusammenfassend meine ich, die Frage, ob in der diabetischen 
Glykosurie auch ein renales Element eine Rolle spielt, folgender- 
maas8en beantworten zu müssen: 

1. Es gibt Nierenkrankheiten, welche die Durchlässigkeit 
der Nieren für Zucker erschweren. 

2. Es gibt einen experimentellen, auf abnorme Durch¬ 
lässigkeit der Nieren begründeten Diabetes. Hierzu gehört gewiss 
der Phloridzin-Diabetes, vielleicht auch gehören einige andere 
toxogene Glykosurien hierzu. 

3. Es gibt meines Erachtens einen klinischen renalen Dia¬ 
betes, der sich, was Ursache, Verlauf und Prognose betrifft, 
scharf von dem Diabetes mellitus unterscheidet. Aber die Zahl 
genau beobachteter Fälle, welche Klemperer’s Forderungen ge¬ 
nügen, ist noch sehr gering, und es werden zuverlässige Beob¬ 
achtungen nötig sein, um hierüber Klarheit zu bringen. 


Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Güttingen 
(Direktor: Prof. F. Göppert). 

Ein Beitrag zur Entstehung der Hernia dia- 
phragmatica und Dilatation des Zwerchfells. 

Von 

Franz Fidler. 

In der Berliner klinischen Wochenschrift 1 ) wurde von Scholz 
„Ein Beitrag zur Kenntnis der Hernia diaphragmatica u aus der 
Göttinger Kinderklinik veröffentlicht. Der Beitrag behandelte 
zwei Fälle: der erste derselben wurde damals auf Grund des 
physikalischen und radiologischen Befundes als Hernia dia- 
phragmatica gedeutet. Später starb das Kind; der Sektionsbefund 
ergibt einige nene Gesichtspunkte für die Entstehung der Hernia 
diaphragmatica, die ein Zurückkommen auf den Fall rechtfertigen. 
Wir lassen zunächst die damalige Krankengeschichte im Auszug 
folgen. 

Margaret© W., 8 Monate alt, 8090 g Gewicht, linke Thoraxhälfte 
etwas vorgewölbt; tympanitischer Perkussionsschall auf der linken Seite 
vom zweiten Intercostalraum abwärts, auf der ganzen linken Seitenwand 
und links hinten unten, etwa bis zum Angulus scapulae. Atemgeräusch 
nur vorn oben unterhalb der Clavicula; und links hinten bis zur 
10. Rippe ein, wenn auch leiser werdendes, doch deutliches Vesiculär- 
atinen. Atmung ist etwas foroiert, grau eyanotische Verfärbung des 
Gesichts. Das Röntgenbild zeigt, dass der grösste Teil der linken 
Brusthöhle durch eine Blase eingenommen ist, die nach oben scharf 
bogenförmig begrenzt ist. Das Kind hat in den nächsten Monaten ver¬ 
schiedene Lungenerkr&nkungen durchzumachen und stirbt an einer akut 

1) Jahrgang 1911, Nr. 8. 


einsetzenden Pneumonie im Alter von einem Jahre und 11 Monaten 
am 11. XII. 1911. 

Am 12. XII. wurde auf Wunsch der Eltern die Sektion vorgenommen; 
sie fand in einem kleinen Zimmer bei ungenügender Beleuchtung statt. 
Da ausserdem die Eltern eine Sektion nur teilweise gestatten wollten, 
bediente man sich einer besonderen Technik. Von einem kleinen Bauch- 
schoitt aus werden nach Abbinden der Halsgefässe die sämtlichen Ein¬ 
geweide der Brust- und Bauchhöhle hepausgeschält; um den Zwerchfell¬ 
ansatz zu erhalten, entfernt man die linken unteren Rippen. Bei Er¬ 
öffnung der rechten Brusthöhle entleeren sich 3—4 Esslöffel eiterig 
trüben Exsudates. Der Oberlappen und ein Teil des Unterlappens sind 
stark pneumonisch infiltriert. 

Die linke Brusthöhle wird fast ganz eingenommen von einer unten 
näher zu beschreibenden Ausstülpung des Zwerchfells, die das Herz nach 
rechts verdrängt hat. Infolgedessen ist die linke Lunge anf einen kleinen 
Raum beschränkt und nur etwa */a des rechten Oberlappens gross. 
Dabei geht die Grösse der rechten Lunge durchaus nicht über die Norm 
hinaus und überschreitet auch an keiner Stelle die Mittellinie. Der 
linke Unterlappen ist an seiner vorderen Spitze teilweise mit dem 
Zwerchfell verwachsen, in seinen hinteren Partien schwach lufthaltig. 
Der linke Oberlappen erscheint ebenfalls sehr luftarm; vom oberen und 
hinteren Teile, der die Grösse einer Walnusshälfte hat, geht ein herz¬ 
förmiges, vom ganzen Lappen durch eine Einziehung soharf getrenntes 
Läppchen nach vorn, bis über die grossen Gefässe hinaus. Endlich er¬ 
streckt sich nach unten und vorn ein länglicher, etwa 3 cm langer 
Lappen, der sich keilförmig nach hinten zwischen Herz und Bruchsack 
schiebt. Bei mikroskopischer'Untersuchung zeigt sich der linke Ober¬ 
lappen und seine zwei Appendioes stark hyperämisob, mit vielen 
mehr oder weniger katarrhalisch pneumonischen Herden durch¬ 
setzt. Der Uebergang zum vorderen Lappen weist keine erhebliche 
Vermehrung der interstitiellen Septen und keine Verdickung der Pleura 
auf, welch letztere überhaupt an keiner Stelle schwielig verdickt ist. 
Am vorderen oberen Lappen ist das interstitielle Bindegewebe stärker 
entwickelt. Aus dem mikroskopischen Befunde geht daher hervor, 
dass die eigentümlich lappige Form der linken Lunge nicht durch 
Narbenzüge bedingt ist, also eine kongenitale Missbildung vorliegt. Die 
zuführenden Trachealäste erweisen sich frei. Beide Hauptbronchien, so¬ 
wohl links wie rechts, sind gleich weit. Der linke ist etwa 2 cm lang, 
der rechte 1 cm. Aber schon an der ersten Teilungsstelle werden links 
die Lumina sehr eng. 

Der Magen liegt in der oben bezeichneten Ausstülpung, lässt sich 
aber leicht herausziehen. Die Pars costalis der linken Zwerchfellhälfte 
ist normal gebildet und von gleicher Dicke wie rechts. Etwa 2—3 cm 
vom freien Rippenrande setzt sie sioh scharfrandig gegen die Aus¬ 
stülpung ab. Auf diese Weise werden 2 / 3 der Umrandung der Aus¬ 
stülpung gebildet. Der hintere, dorsale Teil des Zwerchfells jedoch 
steigt direkt in die Oeffnung hinein. So füllt die Ausstülpung, die wir 
im folgenden mit Bruchsack bezeichnen wollen, 2 / a — s / 4 der linken 
Brusthöhle aus. An seiner hinteren Partie zeigt dieser Bruchsack eine 
vollständige Muskelplatte, die an Dicke etwa */s Drittel des normalen 
Zwerchfells erreicht. Von hier aus strahlen Muskelfasern in fortlaufender 
Verdünnung bis über die Kuppe des Sackes hinüber, um sich an der 
Vorderfläche zu verlieren. Der innere und vordere Teil des Sackes ist 
rein membranös gebildet. 

Es handelt sich somit um eine kongenitale Miss¬ 
bildung (Aplasie) der linken Lunge und eine Ent- 
wicklnngsstörung des Zwerchfells, die nnr den dorsalen 
Teil und das Centrum, das in seiner Entwicklung wohl 
zum grossen Teil von ihm abhängig ist, betroffen hat. 
Daher erscheint an den vorderen zwei Dritteln der 
Uebergang in den Brachsack scharfrandig als echte 
Bruchpforte, hinten als Dilatation eines schwach ent¬ 
wickelten Zwerchfells. Dementsprechend ist auch der 
Bau des Sackes vorn ganz der eines echten Brachsackes, 
hinten der eines dilatierten Zwerchfells. 

Aus der Entwicklung des Zwerchfells 1 ) sei mitgeteilt, dass 
es in seiner ursprünglichen Anlage, als Querfalte oder Septum 
transversum, eine unvollständige Scheidewand zwischen der primi¬ 
tiven Pericardial- und Pleuroperitonealhöhle bildet. Dieses Septam 
transversum ist der spätere ventrale Abschnitt des Zwerchfells; 
zuerst trennt sich der Herzbeutel ab. „Nach Abschluss — wir 
citieren hier wörtlich Hertwig (I. c.) — des Herzbeutels hängen 
die engen, röhrenförmigen Brusthöhlen noch eine Zeitlang nach 
hinten mit der Bauchhöhle zusammen. Die Lnngenanlagen wachsen 
während dessen weiter in sie hinein and treffen schliesslich mit 
ihren Spitzen auf die obere Fläche der grösser gewordenen Leber. 
An dieser Stelle erfolgt dann auch der Verschluss. Er wird 
herbeigeführt dnreh Falten, welche von der seitlichen nnd dorsalen 
Rumpf wand ausgehen nnd sich ventral wärts mit dem Septum 
transversum sowie medianwärts mit der mesenterialen Scheide¬ 
wand verbinden. Die Falten sind zuerst von Uskow als Pfeiler, 

1) 0. Hertwig, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte. Jena 1910. 
Verlag von G. Fischer. 9. Aufl. 


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UMIVERSITY OF IOWA 






1796 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45. 


von Brächet und Sw&en als Hembr&nes pleuroperitoneales be¬ 
schrieben worden. Durch Verwachsung der Pleuroperitonealfalten 
entsteht das Septum pleuroperitoneale. Man kann daher zu 
dieser Zeit* am Zwerchfell zwei Abschnitte unter¬ 
scheiden, einen ventralen, welcher sich früher bildet 
(Septum transversum), und einen dorsalen, welcher viel 
später entsteht (das Septum pleuroperitoneale).“ 

Sehen wir ab von den Fällen, wo kleinere Hernien an den 
physiologischen Löcken entstehen oder, wie im Falle Broman 1 ), 
durch einen Locus minoris resistentiae hervorgerufen werden, so 
ergeben sieb, auch aus den entwicklungsgeschichtlichen Tatsachen, 
die bekannten drei Formen von Zwerchfellhernien: 

1. Hernia spuria, entstanden zu denken zu einer Zeit, wo 
noch keine Trennung zwischen Bauch und Brustraum vor¬ 
handen war. 

2. Hernia vera, die entstanden ist zu einer Zeit, wo die 
membranöse Trennung vollständig, die Muskelanlage aber noch 
nicht ausgebildet war. 

3. Hochstand des Zwerchfells durch Dilatation, die das 
Zwerchfell betrifft zu einer Zeit, wo die Muskelanlage schon voll 
ständig entwickelt ist. 

Unser Fall zeigt nun, ebenso wie der zweite Fall 
von Scholz, besonders deutlich, dass die Pars ventralis 
(costalis) sich anders verhält Vie die Pars dorsalis. 
Dies stimmt mit der Ontogenese überein, da, wie oben erwähnt, 
der costale Teil des Zwerchfells früher gebildet wird als der 
ventrale, also‘vielleicht zu einer Zeit, wo die Entwicklungs¬ 
störung noch nicht eingesetzt hat. 

Wir können demnach für diesen und den zweiten Scholz- 
schen Fall die gute Entwicklung des ventralen Teiles des Zwerch¬ 
fells gegenüber dem Zustand des dorsalen Teiles dadurch er¬ 
klären, dass die Entwicklungshemmung zu einer Zeit einsetzte, 
wo bereits der zuerst entstehende ventrale Teil des Zwerchfells 
gebildet war. 

Würden wir nun als Grund der Missbildung eine primäre 
Hemmung der Zwerchfellbildung annehmen, so scheint ein Ein¬ 
wand gegen diese ontogenetische Entstehungsweise undenkbar. 
Wie auch Scholz erwähnt, ist aber wahrscheinlicher, dass die 
Hemmung primär oder wenigstens gleichzeitig die Lunge betrifft. 
Speziell in unserem Falle weist die Missbildung der Lunge, die 
nur kongenital gedacht werden kann, auf diesen Entstehungsmodus 
hin. Dann wäre noch zu prüfen, wie weit mechanische Momente 
die bessere Ausbildung der Pars costalis erklären könnten. Man 
könnte nämlich einwenden, dass der Teil des Zwerchfells, auf 
dem das Herz ruht, nicht in die Hemmung einbezogen sein muss; 
dass das Herz im späteren Leben nicht mehr die linke Zwerch¬ 
fellhälfte berührte, kann als Gegengrund nicht augeführt werden; 
denn dieser Zustand kann auch sekundär während des extra- 
uterinen Lebens durch Dilatation des Bruchsackes eingetreten sein. 
Da aber im vorliegenden Falle nicht nur der Teil der Pars costalis, 
welcher von der Herzspitze hätte berührt werden können, sondern 
die gesamte Pars ventralis des linken Zwerchfells, bis weit über 
die Herzgrenze hinaus, gut entwickelt ist, so fällt diese mecha¬ 
nische Erklärung fort. Es bleibt also nur die Erklärung aus der 
Ontogenese übrig, die uns lehrt, dass die Störung im wesentlichen 
erst eingesetzt bat, als das Schicksal der Pars costalis entwick¬ 
lungsgeschichtlich schon entschieden war. 

Die Form unseres Falles ist entwickluDgsgeschichtlich wohl 
begründet. Daher dürfen wir annebmen, dass, in grossen Zügen, 
diese Form sich immer wiederholen wird, oder mit andereu 
Worten: die vordere Circumferenz wird sich immer mehr oder 
weniger von der gut erhaltenen Zwercbfellplatte in Form eines 
Bruchringes absetzen, während in der hinteren Partie mehr da9 
Bild der Dilatation herrscht. Beim überwiegend grossen Teil der 
kongenitalen Hernien ist es daher, abgesehen vielleicht von der 
Hernia spuria, selbst bei der Sektion nicht möglich, allzu scharf 
zwischen den beiden Formen der Missbildung, Hernia und Dila¬ 
tation zu unterscheiden. Beide sind, wie augenscheinlich auch in 
unserem Fall, Entwicklungshemmungen, die gleichzeitig oder 
wohl sekundär mit Störungen der normalen Lungenentwicklung er¬ 
folgen. Dabei wird die zeitlich später sich entwickelnde Lumbal¬ 
partie besonders von der Hemmung betroffen. Von der Zeit, in 
welcher die Entwicklungshemmung einsetzt, ob früh oder spät, 
wird es im einzelnen abhängen, ob eine Hernia diapbragmatica, 
eine Dilatatio diapbragmatica oder eine Mischform beider entsteht. 

1) J. Broman: Muskulöses Diaphragmadivertikel als wahrscheinliche 
Folge eines Lipoms. Beitr. z. path. Anat, 1900, Bd. 27. 


BQcherbesprechungen. 

A. Enleiburg: Beal-Encyclopädie der gesagten Hellkaide. Unt«r 
Mitredaktion von Th. Brugsch. 4. Auflage. Bd. XIV: 910 S 
und Bd. XV (Schlussband): 946 S. 

Der Band XIV umfasst die Stichwörter: Sterilität des Weibes bis 
Urticaria.“ Abgesehen von dem ausführlichen Eingangsartikel, von 
Kisch bearbeitet, finden wir in diesem Bande noch folgende besonders 
bemerkenswerte Artikel: Stottern (Gutzmann), Strabismus (Heine), 
Syphilis (Finger), Tabes dorsalis (H. Vogt), Tetanus (Blumenthal), 
Tripper (Wossidlo), Tubenkrankheiten (A. Martin), Unfallnervenkrank- 
beiten (Edinger und S. Auerbach) und Unterschenkel (Köhler). 
Die farbigen Tafeln sind vorzüglich reproduziert, eine Fülle von Text¬ 
bildern erleichtern die. Verarbeitung des reichen wissenschaftlichen 
Materials. 

In Band XV imponiert eine 114 Seiten umfassende Bearbeitung des 
Stichwortes Uterus von A. Martin. Vagina und Vulva ist von Koblanck 
besprochen, Variola von Hetsch. Corte hat die Verbände und Ver¬ 
bandmittel eingehend und mit vielen instruktiven Bildern versehen be¬ 
schrieben. Ueber die Wanderniere hat C. A. Ewald einen Artikel 
verfasst, über Wasser und Wasserversorgung Carl Günther. 

Die Zahnkapitel sind von Dieck beschrieben. Eaohle liefert über 
Zurechnungsfähigkeit und Zwangsirresein sehr schöne Beiträge. Im 
Nachtrag finden wir nooh eine zeitgemässe Abhandlung über die 
Abderhalden’seheAbwehrfermentreaktion von Lampö, sowie über Strahlen¬ 
therapie von Otto Strauss. Plaut liefert hier noch einen Artikel 
über Mikrosporie und Trichophytie. 

Ein 160 Seiten umfassendes Generalregister schliesst den Band. 

Wir stehen somit vor der vollendeten 4. Auflage, und der Referent 
möchte es nicht unterlassen, allen Beteiligten, dieses Standardwerkes 
Dank und höchste Anerkennung zu zollen. Ist die Ausstattung und 
technische Bearbeitung der Neuauflage über jedes Lob erhaben, so gibt 
der wissenschaftliche Inhalt des Werkes einen klaren, zuverlässigen 
Ueberblick über den jetzigeu Stand unseres Könnens, im raschen Weiter¬ 
streben der „Heilkunde“ einen kurzen Ruhepunkt für den Forscher und 
an allen Ecken und Winkeln hoffnungsvolle Ausblicke für eine noch 
höher- und tieferstrebende Zukunft. Witte. 


Beilrieh Stern-New York: Theorie iad Praxis der Blateitnekiig. 

Würzburg 1914, Verlag von Curt Kabitzscb. 144 S. Preis 

broschiert 3,50 M. 

Verf. versucht die Beziehungen des Aderlassens zur theoretischen 
und praktischen Medizin umfassend darzustellen. Verf. bezeichnet sich 
als bedingten Anhänger des Aderlassens und stellt diesem Allheilmittel 
der alten Zeit eine neue Blüteperiode in Aussicht. Die Broschüre zer¬ 
fällt in zwei Teile. Im ersten Teil ist der geschichtlichen Einleitung 
ein ganzes Kapitel gewidmet, die entsprechend dem Ansehen, das der 
Aderlass in der alten Zeit hatte, einen kleinen Abriss der ganzen Ge¬ 
schichte der Medizin bedeutet. In der Abhandlung über die Funktions- 
ändorung im Gefolge der Biutentziehung ist manches doktrinär schema¬ 
tisch, und man vermisst experimentelle Beweisführung. Die Angabe, 
dass die Vermehrung der Erythrocyten und die Konzentrationszunahme 
des Blutes in der verdünnten Höhenluft eine scheinbare sei, ist be¬ 
stritten. In dem zweiten Teil der speziellen Pathologie der örtlichen 
und allgemeinen Blutentziehung sind summarisch die Erkrankungen, bei 
denen der Aderlass in Frage kommt, eingehender abgehandelt. Verf. 
bezeichnet den Aderlass bei der Pneumonie in allen Fällen, wo der 
Patient sich in gutem Zustand befindet und bedrohliche Symptome 
(Dyspnoe und Cyanose) vorhanden sind, als indiziert. Es käme dieses 
also bei einem grossen Teil aller Lungenentzündungen in Frage. (Mit 
den meisten Klinikern möchte ich den Aderlass bei Pneumonie nur in 
Ausnahmefällen empfehlen. Ref.) So bricht Verf. auch weiter eine 
Lanze für den Aderlass bei der Rippenfellentzündung, bei Emphysem, 
bei der trockenen Bronchitis, bei hämorrhagisoher Lungenphthise, bei 
Kreislaufstörungen, insbesondere Aneurysma, bei Vergiftungen (besonders 
Urämie, Gasvergiftung). Er hebt die Bedeutung des Aderlasses bei der 
Chlorose, bei der Apoplexie, bei gewissen Haut- und Frauenkrankheiten, 
ja sogar bei der Neurasthenie hervor. Wenn Verf. allerdings bei der 
prophylaktischen Anwendung des Aderlasses diesen bei Gewohnheits- 
säufern, Sittlichkeitsverbrechern usw. empfiehlt, weil die Blutentziehung 
beruhigt und schlaff maoht, so ist das ein sehr persönlicher Standpunkt. 
Erwähnen möchte ich noch, dass in einem Nachtrag der günstige Ein¬ 
fluss der Biutentziehung auf den Verlauf des Unterleibstyphus (Blu¬ 
tungen) betont wird. Die moderne Therapie wird gewiss in einzelnen 
Fällen von dem öfters souverän wirkenden Aderlass Gebrauch machen, 
ohne Verf.’s Begeisterung und weitgehender Empfehlung beizupflichten. 
Das kleine Schriftchen mit seinem ausführlichen Literaturverzeichnis 
orientiert recht gut über die Frage der Anwendung der Biutentziehung. 

Carl Rlieneberger-Zittau. 


Georg Cohn: Die organischen Geschmaeksstoffe. Berlin 19H, 
Fr. Siemenroth. XII und 936 S. . . , 

Die Beziehungen der Geschmacksempfindungen zur Konstitution fl 
die Empfindung auslösenden Körper ist zusammenfassend noch nie 
dargestellt worden. Verf. unternahm die mühselige Aufgabe derSamm ung 
und der Sichtung des in dieser Richtung vorliegenden Materials. *wei 


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UNiVERSITY OF IOWA 



Ü. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1797 







fr fett¬ 


los wird man die in dem Werke niedergelegten zahlreichen Daten bei 
allen in dieser Richtung gelegenen Problemen berücksichtigen müssen; 
sie werden bei dem Ausbau dieses noch wenig geklärten Gebietes ihre 
guten Dienste tun. P. Rona. 


Robert Abendroth: Das bibliographische System der Naturgeschichte 
and der Medizin. (Mit Einschluss der allgemeinen Naturwissen¬ 
schaft.) Nach den Fachkatalogen der Universitätsbibliothek zu 
Leipzig dargestellt, historisch-kritisch eiDgeleitet und erörtert. 
Borna und Leipzig 1914, Rob. Noske. 8°. 280 Seiten. Preis 
4,50 Mr 

Seit dem altbekannten Schema des Realkataloges der Königlichen 
Universitätsbibliothek zu Halle a. S., das 0. Hartwig 1888 als 3. Bei¬ 
heft zum Centralblatt für Bibliothekswesen veröffentlichte und das un¬ 
zähligen Katalogen zum Muster gedient hat, haben wir ähnliche Auf¬ 
stellungen nur recht selten gehabt, aber noch nie mit einer historisch- 
kritisohen Einleitung, die viel mehr ist als ihr bescheidener Titel. Dass 
Verf. sich an die Leipziger als Beamter der dortigen Universitätsbiblio¬ 
thek anlehnt, ist begreiflich, zumal deren Realkataloge erst um die Mitte 
des 19. Jahrhunderts angelegt waren, in der Zeit des grossen Auf¬ 
schwunges der Naturwissenschaften und der mit ihnen eng verbundenen 
Medizin. 

Vor allem ist Abendroth glücklicherweise ein abgesagter Feind 
des Dewey’schen Systems, das mit seinen Ziffern einmal die ganze Welt 
zu überschwemmen drohte. Hervorzuheben ist, dass sich das Leipziger 
System auf die in der Bibliothek vorhandene Literatur gründet; die Dar¬ 
stellung beschränkt sich nicht auf die systematische Gruppierung, 
sondern auch noch darüber hinaus auf die alphabetische Ordnung nach 
Materien. Wissenschaftliche Namen werden stets in lateinischer Sprache 
benutzt (nicht die deutschen Vulgärbezeichnungen). Auch in der Ortho¬ 
graphie herrscht der konservative Ton, und die Schreibung Kruziferen usw. 
wird man also vergeblich suohen. 

Für die Medizin kommt je nach derHeilwissenschaft oder Heilkunst 
mehr der theoretische oder praktische Standpunkt zur Geltung, dabei 
wird die Zusammenfassung der Literatur nach ihrer Verwandtschaft zur 
Hauptrichtschnur erhoben. Leider ist hier nicht der Platz, auf die Vor¬ 
züge der Abendroth’schen Veröffentlichung im einzelnen einzugehen, 
aber bei der Umordnung grösserer medizinischer Büchersammlungen 
wird man mit Recht und Erfolg sich dieses trefflich ausgearbeiteten 
Führers bedienen, der mutatis mutandis überall anwendbar ist, nament¬ 
lich aber das ausgezeichnete Inhaltsverzeichnis die richtige Eintragung 
so gut wie verbürgt. Die allgemeinen Ausführungen sollten aber von 
recht vielen gelesen werden! E. Roth-Halle a. S. 


Stanislaus Klein-Warschau: Die Myelogonie als Stammzelle der 
Knochenmarkzellen im Blute und in den blutbildenden Organen 
nnd ihre Bedeutung unter normalen und pathologischen Ver¬ 
hältnissen. Mit 10 farbigen Tafeln. Berlin 1914, Julius Springer. 
140 Seiten. 

Diese Monographie, die ein schwieriges und vielumstrittenes Kapitel 
in der Histogenese der Knochenmarkelemente behandelt, wendet sich 
ausschliesslich an den Fachmann auf diesem Gebiete,. Auf Grund von 
Studien bei Leukämien, aber auch am gesunden Blut und an gesunden 
Blutbildungsorganen kommt Verf. zu dem Schluss, dass die eigentliche 
Stammzelle der Koochenmarkselemente bisher unbekannt war. Er be¬ 
schreibt eingehend die feinere Struktur dieser von ihm entdeckten und 
„Myelogonie“ benannten Zelle, die aus sich sowohl die farblosen Ele¬ 
mente des Knochenmarks, einschliesslich der Megacaryocyten, wie die 
hämoglobinführenden Zellen hervorgehen lässt. Unter pathologischen 
Verhältnissen, besonders bei akuten Leukämien, findet man viel Myelo- 
gonien im Kreislauf. Es gibt auch eine Myelogonienleukämie, die wahre 
Stammzellenleukämie. Im normalen Blut erscheinen nur degenerierte 
und pyknotische Kerne der Myelogonien und der Megacaryocyten.! Zahl¬ 
reiche Abbildungen illustrieren die interessanten Darlegungen des Ver¬ 
fassers, die eingehendste Nachprüfung verdienen. Zur Färbung bedient 
sich Klein eines von ihm angegebenen, bei Grübler erhältlichen Farb¬ 
stoffes, des Polychrom. H. Hirschfeld. 


P. Uhlenhnth und H. Dold- Strassburg: Hygienisches Praktiknm. Ein 
Taschenbuch für Studierende, Aerzte und Kreisarztkandidaten. 
Berlin-Wien 1914, Verlag von Urban & Schwarzenberg. 272 S. 
Preis 5 M. 

Das vorliegende Büchlein gibt eine erweiterte Darstellung des in 
den hygienischen Kursen gebotenen Lehrstoffes; es bietet den Studierenden 
der Medizin sowie Aerzten und Kreisarztkandidaten eine anschauliche, 
dabei aber doch knappe Anleitung zur praktischen Ausführung der 
wichtigsten Untersuchungsmethoden. Durch zahlreiche Abbildungen, 
welche die Beschreibungen der Methoden anschaulich machen, wird das 
Verständnis der Technik wesentlich unterstützt. Besonders wertvoll ist 
auch die Anordnung, dass bei jedem Kapitel kurz die als Normen geltenden 
Werte und die wesentlichen Gesichtspunkte, auf die es bei den Unter¬ 
suchungen ankommt, hervorgehoben sind. Möllers-Strassburg. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

0. Weiss: Ueber die Belegzellen im Magen der Schildkröte. 
(Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 7 u. 8.) Entgegen der Angabe von Kahle 
zeigt W. an einer farbigen Abbildung, dass auch bei der Schildkröte 
(Emys europaea) durch Osmium die Belegzellen der Magendrüsen ge¬ 
schwärzt und dadurch kenntlich gemacht werden. 

M. Takahashi: Quantitative experimentell-therapeutische Versuche 
zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opinm. (Pflüg. Arch., 
Bd. 159, H. 7 u. 8,) Hesse und Neukirch hatten gefunden, dass die 
stopfende Wirkung des morphinfreien Pantopons im wesentlichen auf 
seinem Codeingehalt beruht. T. zeigt nun in dieser umfangreichen 
Untersuchung, dass die stopfende Wirkung des Codeins durch Morphin¬ 
zusatz erheblich gesteigert werden kann. Es handelt sich um Rontgeu- 
beobachtungen an Katzen, bei denen durch Coloquintenextrakt Durchfall 
erzeugt war. Die Stopfwirkung von Codein -}- Morphin trat noch auf, 
wenn 1 U der kleinsten wirksamen Morphindosis mit V 40 — 1 Uoo der klein¬ 
sten wirksamen Codeindosis kombiniert wurde. Eine Potenzierung der 
Morphinwirkung auf das Centralnervensystem trat dabei durch Codein¬ 
zusatz nicht ein. Die Verstärkung der Darmwirkung durch Morphin 
+ Codein war auch bei normalen Katzen zu erkennen, jedoch ist bei 
diesen der Darm erst durch viel höhere Dosen zu beeinflussen als der 
durch Coloquinten gereizte. Die grösseren Dosen, die auf den nor¬ 
malen Darm wirken, verzögern auch die MagenentleeruDg, nicht aber 
die kleineren, die den Coloquintendurchfall stopfen. Im Opium und 
Pantopon sind Morphin und Codein nicht in dem für die Stopfwirkung 
günstigsten Verhältnis gemischt. Die Stopfwirkung des Pantopons ist 
stärker als die des Morphins, aber schwächer als die der Opiumtinktur; 
im Opium sind Substanzen enthalten, welche die stopfende Wirkung von 
Morphin -f- Codein vermindern. Ausser letzteren beiden scheinen im 
Opium keine weiteren Alkaloide vorhanden zu sein, welche stopfend 
wirken. Die von T. benutzten Dosen waren so gering und so wenig 
toxisch, dass man seine Ergebnisse wohl auch zur Erklärung der stopfen¬ 
den Wirkung des Opiums beim Menschen verwerten darf. 

M. Takahashi: Die Abhängigkeit der Magenentleernng vom All¬ 
gemeinzustand des Nervensystems. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 7 u. 8.) 
Gelegentlich der im vorstehenden Referat wiedergegebenen Unter¬ 
suchungen — die sich auf mehr als 300 Einzelversuche beziehen —, bat 
T. Beobachtungen über den Einfluss des psychischen Verhaltens der 
Katzen auf die Magenentleerung anstellen können. Er fand, dass bei 
zahmen Katzen, die sich durch die Gegenwart von Menschen nicht im 
Fressen stören Hessen, der Magen sich schneller entleerte als bei wilden 
oder ängstlichen. Bei ersteren war er in 2— 2 1 f 2 Stunden leer, bei letz¬ 
teren noch zum grössten Teil gefüllt. Im Röntgenbild war dabei ein 
Stillstand der peristaltischen Bewegungen im Pylorusteil wahrzunehmen. 

F. Blum und A. V. Marx: Zur Physiologie der Schilddrüse und 
der Epithelkörperchen. I. Mitteilung. Schilddrüse, Epithelkörperchen 
nnd Adrenalinglykosarie. (Pflüg. Arch, Bd. 159, H.7 u. 8.) Nach 
Angabe von Eppinger, Falta, Rudinger sollte bei Tieren, denen 
die Schilddrüse entfernt, aber die Epithelkörperchen erhalten waren, die 
Injektion von Adrenalin keine Glykosurie zuwege bringen. Danach 
sollte die Schilddrüse fördernd, die Epithelkörperchen sollteu hemmend 
auf die Nebennieren bzw. deren Produkt wirken. Bl. und M. zeigen 
nun, dass es sich nicht so verhät, dass vielmehr auch bei thyreopriven 
Tieren mit erhaltenen Epithelkörperchen Adrenalin Hyperglykämie und 
Glykosurie bewirkt. Die Ergebnisse von E., F. und R. 9ind zustande 
gekommen durch Benutzung toxischer Adrenalindosen auf intraperi¬ 
tonealem Wege und durch Nichtbeachtung der Tatsache, dass die meisten 
Versuchstiere sich individuell und temporär verschieden gegenüber dem 
Adrenalin verhalten. 

Yas Kuno uüd E. Th. v. Brücke: Nachtrag zu unserer Arbeit 
über den funktionellen Nachweis des N. depressor beim Frosch in Pflüger’s 
Archiv, 1914, Bd. 157, S. 114. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 7 u. S.) Die 
Verff. geben -an, dass vor ihnen schon Nikiforowski die Existenz de- 
pressorisch wirkender Fasern im Vagus des Frosches beobachtet habe. 

A. Katz und R. Lichtenstern: Experimentelle Untersuchungen 
über Autoimplantation von Nierengewebe. (Pflüg. Arch., Bd, 159, 
H. 7 u. 8.) K. und L. implantierten die aseptisch entnommenen und 
zerkleinerten Nieren einer Katze ins Peritoneum einer zweiten und Hessen 
sie dort zur Resorption kommen. Die Tiere zeigen dann mehr oder 
weniger schwere, aber reparable Stoffwechselstörungen, wenn man die 
Substanz von 1—2 Nieren implantiert. Bei Einbringung von 4 Nieren 
tritt schnell der Tod ein. Die Stoffwechselstörung aussert sich in regel¬ 
losen Schwankungen in der Ausscheidung des Stickstoffs, des Ammoniaks, 
der Chloride. Vorübergehend tritt Albuminurie auf. Die Niereu zeigen 
das Bild der Nephritis. Wird zuvor durch Uraneinspritzung Nephritis 
erzeugt und dann Nierengewebe implantiert, so erweist es sich bei weitem 
toxischer als gegenüber normalen Nieren. Das resorbierte NiereDmaterial 
scheint elektiv auf die Nieren zu wirken. 

W. Lange: Ein praktisches Volomenometer für physiologische und 
klinische Zwecke (Körperdichte-, Lungenvolumenbestimmung). (Pflüg. 
Arch., Bd. 159, H. 7 u. 8.) Der Lange’sehe Apparat besteht aus 
einem luftdicht zu schHessenden Kasten, in den der Körper, dessen 
spezifisches Gewicht man bestimmen will, hineingebracht wird. Vorher 
wird bestimmt, wieviel man in den Kasten Flüssigkeit einlaufen lassen 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1798 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45. 


muss, damit der an einem Manometer ablesbare Ueberdruck in ihm eine 
gewisse Hohe erreicht. Dann stellt man nach Einbringen des zu unter¬ 
suchenden Körpers (Mensch, Tier) fest, wieviel Flüssigkeit nun erforder¬ 
lich ist, um denselben Druck zu erzeugen. Mit Hilfe einer einfachen 
Formel lässt sich das Volumen aus der Differenz der Flüssigkeitsmengen 
ermitteln. _ A. Loewy. 


Therapie. 

P. G. Unna-Hamburg: Die Sauerstoff mittel in der Dermatologie. 
(Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 40 u. 41.) Unna empfiehlt bei 
Psoriasis folgende Paste: Kalium hypermangan. 1,0, Zinci oxydati, Aqua 
destill. ää 10,0; ferner die Pernatrol-Stückseife bei Psoriasis und psoriasi¬ 
formen EkzemeD, bei allen Lichenformen, bei Pruritus, Ichthyosis und 
endlich auch bei Follikulitiden und Furunkulose. Schliesslich ist die 
Pernatrolseife auch als Cosmeticum zu empfehlen. 

Chajes-BerliD-Schöneberg: Ueber Parium, einem neuen Steinkohlen¬ 
teerester. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 42) Das Puriura erreicht 
unter allen bekannten Teerpräparaten die Wirkung des unverdünnten 
Steinkohlenteers am ehesten, ist geruch- und farblos und nicht teuer. 

W. Li er-Wien: Embariu. (Derm. Zbl., Oktober 1914.) Das Embarin 
ist ein gutes Antisyphiliticum, dessen Hauptvorzüge in einer bequemen 
und schmerzlosen Applikation und seiner geringen Reizwirkung auf 
Zahnfleisch und Nieren gelegen sind. 

A. Waller-Budapest: Behandlung der Lues mit Embarin. (Derm. 
Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 40 ) Das Embarin ist wegen seiner Schmerz¬ 
losigkeit und des Fehlens der unangenehmen Nebenwirkungen empfehlens¬ 
wert. Immerwahr. 

0. Juliusburger - Lankwitz: Zur Thiocoltherapie. (D.m.W., 
1914, Nr. 42.) J. empfiehlt das Thiocol als Antidiarrhoicum. 

R. Sielmann - München: Kasuistischer Beitrag zur Behandlung der 
Basedowschen Krankheit mittels Röntgenbestrahlung. (M.m.W., 1914, 
Nr. 43.) Nach den Erfahrungen von 21 Fällen soll man Basedowkranke, 
falls die medikamentöse und sonstige Behandlung versagt, der Röntgen¬ 
therapie zufübreD, die bei einer grossen Reihe von Kranken zum Ziele 
führt. Einige bleiben allerdings unbeeinflusst; sie sollen operiert werden. 
Tritt nach der Operation keine Besserung ein, so empfiehlt sich ein noch¬ 
maliger Bestrahlungsversuch, der dann vielleicht zum Ziele führt. S. sah 
bei seinem Material keine unangenehmen Nebenerscheinungen der Rönt¬ 
genbestrahlung. 

K. John - Tübingen: Zur Frage der Bromtherapie. (M.m.W., 1914, 
Nr. 43.) J. empfiehlt die von Dr. Haas & Cie. in Stuttgart-Cannstatt 
hergestelltes Brornpräparat Sasedanwürze, das nach dem gleichen Prinzip 
wie Sedobrol besonders bei Epilepsie die therapeutische Bromwirkung 
entfaltet und als Ersatz für Kochsalz als Würze zu Speisen gereicht 
wird, ohne dabei Iatoxikationserscbeinungen hervorzurufen. Es kann 
ausser bei Epilepsie bei psychisch Kranken angewandt werden. Die 
von Bürgi empfohlene Arzneikombination von Brom und Opium zur 
Erreichung einer potenzierten therapeutischen Gesamtwirkung, hat bei 
den Versuchen des Verf. keinen über die summierte Wirkung hinaus¬ 
gehenden Erfolg gezeitigt. 

W. Nonnenbruch-Würzburg: Durstkur hei Oedemen nicht 
renal -cardialer Katar. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) Kurze Mitteilung. 
N. weist an Hand von Krankengeschichten auf die bekannte Tatsache 
hin, dass es manchmal mit Einschränkung der Flüssigkeitszufubr gelingt, 
Oedeme nicht renal-cardialer Natur, z. B. pleuritische Exsudate, zum 
Verschwinden zu bringen. Dünner. 

Arneth-Münster: Ueber die Behandlung des Erysipels. (Ther. d. 
Gegenw., September 1914.) Zusammenfassende Uebersicht an der Hand 
von eigenen Erfahrungen und im Anschluss an die therapeutischen Be¬ 
strebungen der letzten 10 Jahre. Verf. empfiehlt 3—4 mal 5 proz. 
Carboiöl mit einem Haarpinsel auf die erkrankten Partien und Um¬ 
gebung zu pinseln. K* Fabian. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

Mathias und Blohmke - Königsberg: Beitrag zur Pathologie und 
Klinik des menschlichen Milzbrandes. (D.m.W., 1914, Nr. 42.) 

Dünner. 

Ed. Koeehlin: Eine seltene Erkrankung des Oesophagus. (Schweiz. 
Korr. Bl. Nr. 12.) Es handelte sich um eine oberflächliche Abstossung 
der Öesophagusschleimhaut (Oesophagitis dissecans superfic.) bei einer 
30jährigen Patientin. R. Fabian. 


Parasitenkunde und Serologie. 

E. G. Dresel - Heidelberg: Zur Aetiologie und klinischen Diagnose 
der Aktinomykose. (D.m.W., 1914, Nr. 42.) Die Aktinomykose beruht 
auf Infektion mit einem anaeroben Trichomyceten. In manchen Fällen 
besteht eine Mischinfektion mit einer aeroben Streptothrixart. Ausser der 
echten Aktinomykose gibt es beim Menschen ein klinisch der Aktino¬ 
mykose ähnliches Krankbeitsbild, bei dem im sezernierten Eiter aus¬ 
schliesslich aerobe Streptothricheen als Erreger gefunden werden. In 
diesen Fällen können im Eiter drüsenähnliohe, makroskopisch siohtbare 
Körnchen vorhanden sein, die aber nur aus Knäueln verfilzter Strepto- 


thrixfäden ohne Kolben bestehen. Andererseits könnten in frischen 
Fällen von echter Aktinomykose, besonders bei frühzeitiger Einschmelzung 
der Gewebe, Drusen im sezernierten Eiter zunächst völlig fehlen. Die 
Frage, ob es sich um echte Aktinomykose oder um eine Streptothrichose 
handelt, kann nur durch die bakteriologische Untersuchung unter An¬ 
wendung des aeroben und anaeroben Kulturverfahrens entschieden 
werden. 

H. Jaffe und E. Pribram - Wien: Experimentelle Untersuchungen 
über die Spezifität der Abwehrfermente mit Hilfe der optisches 
Methode. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) Den Verff. lag besonders daran, 
im Tierversuche durch die optische Methode die eventuelle Spezifität 
der Abwehrfermente zu prüfen. Sie stellten Versuche an Kaninchen an, 
aus deren Ablauf sie den Schluss ziehen, dass die von Abderhalden 
festgestellte Organspezifität eindeutig nachweisbar ist. 

M. Kastan - Königsberg: Die Bedeutung der caseimspalteidei 
Fermente. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) Es scheint, dass sich im Serum 
puerperaler und laktierender Frauen caseinspaltende Fermente nach- 
weisen lassen. Sie sind bei Männern und normalen Frauen nicht zu 
finden. Auch ein Zusammenhang mit Psychosen liess sich nicht fest- 
steilen. 

E. v. Behring - Marburg: Experimentelle Analyse und Theorie der 
anaphylaktischen und apotoxisehen Vergiftung. (D.m.W., 1914,Nr.42.) 
Aus der Arbeit soll nur das Endergebnis aller Untersuchungen mit¬ 
geteilt werden. Der Mechanismus der perakuten anaphylaktischen Er¬ 
scheinung ist in physikalischen Vorgängen zu suchen, bei denen die 
Blutplättchen die Hauptrolle spieleD. Dünner, 


Innere Medizin. 

0. Steiger-Zürich*. Pathologie der Leherfnnktioien und moderne 
funktionelle Prüfungsraethoden. (Schweiz. Korr. Bl., Nr. 33 u. 34.) 
Verf. behandelt in einem Vortrage, gehalten in der Gesellschaft der 
Aerzte der Stadt Zürich am 21. Februar 1914, ausführlich die Bedeutung 
der alimentären Galaktosurie, Lävulosurie, Urobilinurie und den Ausfall 
der positiven Campber-Glykuronsäureprüfung für die Diagnose: Leber¬ 
insuffizienz. R. Fabian. 

V. Baar: Asthma bronchiale und Luftdruck. (W.m.W., 1914, 
Nr. 29 u. 30.) Verf. zeigt an der Hand mehrerer Krankengeschichten, 
dass ein Zusammenhang zwischen Luftdruck und Asthmaanfall besteht, 
und zwar scheint sich der deutlichste Einfluss bei plötzlichem Herunter- 
gehen des Luftdrucks zu finden. Eisner-Beriin. 

E. Rüdiger - Konstanz: Ueber isolierte Pericbondritis des Prs- 
eessus ensiformis. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) Kasuistik, die nach Meinung 
des Ref. zum Teil keine Perichondritis ist. Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

A. S. Scholomo witsch - Kasan: Heredität und physische Ent¬ 
artung bei Geisteskranken und geistig Gesunden. (Mschr. f. Psych., 
Oktoberheft 1914.) Nach Massenuntersuchungen des Verf. ist die all¬ 
gemeine hereditäre Belastung bei Geisteskranken um 10 pCt. höher als 
bei Gesunden (69,1 pCt. gegen 59,8 pCt.), auch die Heredität in der 
direkten Linie war im selben Sinne. Das Studium der sogenannten 
physischen Entartungsmerkmale an 1000 Kranken und Gesunden ergab, 
dass deren Anzahl und Ausgeprägtheit bei Geisteskranken und Gesunden 
nahezu gleich ist, sowohl in bezug auf Belastete wie auch auf Nicht- 
belastete. 

I. H. Schultz-Jena: Psychoanalyse in geriehtsärstlicher Be¬ 
ziehung. (Mschr. f. Psych., Oktoberheft 1914.) Verf. gibt einen recht 
ausführlichen Abriss der Geschichte der Psyohoanalyse und ihrer ver¬ 
schiedenen Richtungen und Zweige, zeigt die verschiedenen Beziehungen 
zur gerichtsärztlichen Tätigkeit und versucht der Psychoanalyse als 
diagnostischem Hilfsmittel gerecht zu werden. Die Tatbestands¬ 
diagnostik als regelrechtes kriminalistisches Werkzeug lehnt er ab, er¬ 
kennt den Wert mancher Katharsie an, eifert aber nicht mit Unrecht 
gegen „wilde“ Psychoanalysen und kindliche Seiualanalyse, die er 
auch für zwecklos hält. Besondere Strafbestimmungen dagegen lehnt 
er ab. 

H. Seelert - Berlin: Paranoische Erkrankung auf naiiseb- 
depressiver Grundlage. (Mschr. f. Psych., Oktoberheft 1914.) Im vor¬ 
liegenden Falle war die Grundlage der paranoischen Erkrankung nacn 
Ansicht des Verf. das manisch-depressive GrundleideD. Elementare 
Gebörstäuschungen bestanden nicht, nur Umdeutungen von Gehörtem. 

A. Kutzinski und Marx - Berlin: Hirnabscess als Folge peripherer 
Körpereiterung nach einem Unfall. (Mschr. f. Psych., Oktoberheft 19I4J 
Verff. beschreiben einen sehr merkwürdigen Fall, wo 2 Monate nacn 
einer reaktionslos geheilten Fingereiterung unter psychischer Veränderung 
sich epileptoide Anfälle einstellten, die nach einem Vierteljahr zum loae 
führten. Die Obduktion ergab einen Abscess des linken Stirnlappens, 
das Fehlen sonstiger Veränderungen, insbesondere arteriosklerotischer. 
Daher musste man einen Zusammenhang des Abscesses mit der trau¬ 
matischen Fingereiterung annehmen. E. Loewy 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 



9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1799 


Kinderheilkunde. 

G. Rohm er - Marburg: Zur Kenntnis des Asthma eardiale beim 
Kinde. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) (Nebst einem pathologisch-anatomi¬ 
schen Beitrag von Prof. L. Jores.) Kasuistik eines typischen Asthma 
eardiale bei einem 6jährigen Kinde. Dünner. 


Chirurgie. 

A. Neumann: Eioe seltene Form von Epistrophensfraktnr mit 
tödlichem Ausgang. (W.m.W., 1914, Nr. 30.) Ein herabfallender Heu¬ 
ballen von etwa 50—60 kg Gewicht führte mit seinem Angriffspunkt 
am linken Scheitelbein eine Contusio cerebri und einen tiefgreifenden 
Sprung des zweiten Halswirbelkörpers mit Abbruch des Zahnfortsatzes 
herbei. Der Tod erfolgte höchstwahrscheinlich durch ein extramedulläres 
Hämatom mit Kompression des Halsmarkes. 

A. Lorenz: Ueber die Lnxationsfraktnren der Pfanne und ihre 
Behandlung. (W.m.W., 1914, Nr. 80.) Bericht über fünf einschlägige 
Fälle und deren Behandlung. Die Therapie hat nach jenen Prinzipien 
zu erfolgen, die für die kongenitalen Hüftgelenksverrenkungen allgemeine 
Geltung haben. Die Schwierigkeit besteht weniger in der Reposition als 
in der Retention. Es ist, um die Reposition stabil zu machen, nötig, 
den Schenkel so einzustellen, dass der Schenkelkopf gegen die intakte 
Nisohe der Pfanne angepresst wird, die dem traumatischen Defekt des 
Pfannenrandes diagonal gegenüber gelegen ist. Für den häufigsten Fall 
(Ausbruch des hinteren oberen Randes) ist dies die forcierte, über¬ 
streckte Abduktion. Die Korrektur zur annähernden Normalstellung er¬ 
folgt etappenweise und wird schliesslich den spontanen Bestrebungen 
des Kranken überlassen. Jede Uebereilung kann schädlich sein. 

Eisner. 


Urologie. 

E. Freund: Fortschritte in der Harndiagnostik. (W.m.W., 1914, 
Nr. 29.) Besprechung einzelner neuer Harnreaktionen. Die Ausein¬ 
andersetzungen zeigen, dass die systematische Urinuntersuchung für die 
Diagnosenstellung wertvolle Fortschritte gemacht hat, wenn sie auch 
keinen vollkommenen Aufschluss über die normale bzw. pathologische 
Funktion der Organe zulässt. Eisner. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

C. Cronquist-Malmö: Ueber die Prinzipien der Syphilistherapie. 
(Derm. Zschr., Oktober 1914.) Die Behandlung muss aus freistehenden 
kräftigen Kuren bestehen. Das Mittel darf womöglich nicht im Körper 
remanieren, sondern muss so schnell wie möglich von demselben wieder 
ausgeschieden werden. Keine Lokalbehandlung ausser einer einfachen 
Sauberhaltung der affizierten Teile hat stattzufinden. Die normale 
Hydrarg. salicyl.-Injektionskur besteht aus 10 Einspritzungen von 0,06 
bis 0,1 Hg. salicyl. und wird in 4 Wochen ausgeführt. Der Zwischen¬ 
raum zwischen der ersten und zweiten Kur darf 3 Wochen nicht über¬ 
schreiten. Danach wird jedes Intervall um eine Woche verlängert, bis 
man ein solches von 2 Monaten erreicht hat. Die ganze Bebandlungs- 
zeit beträgt 3 Jahre. Salvarsan verwendet Verf. nur intravenös, und 
zwar Neosalvarsan 0,6 bei Männern und 0,45 bei Frauen. Für die 
kombinierte Behandlung mit Quecksilber und Neosalvarsan stellt er ein 
Schema auf, nach welchem nach der 4 wöchigen Hg-Kur und der drei¬ 
wöchigen Pause eine Neosalvarsaninjektion folgt, dann wieder 2 Wochen 
Pause mit 4 Wochen Hg. usw. mit entsprechender Verlängerung der 
Pausen. 

E. Cohen-Frankfurt a. M.: Ueber einen Fall von Parapsoriasis. 
(Derm. Zschr., Oktober 1914.) Klinisch erschien der Fall als Para¬ 
psoriasis en plaques, während er histologisch sich als Parapsoriasis 
lichenoide erwies. Es handelt sich also um einen sogenannten Ueber- 
gangsfall, wie sie auch schon von Brocq beschrieben sind. Die Be¬ 
handlung mit Pilocarpinum bydrochloricura-Injektionen erwies sich als 
erfolgreich. Immerwahr. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

R. Schröder-Rostock: Ueber Anatomie und Pathologie des Men- 
struationscyklus. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 42.) Verf. kommt zu dem 
Schluss, dass der Cyklus nicht in der Basalis, sondern nur in einer von 
ihr immer wieder neu gebildeten Schicht sich abspielt. Er geht dann 
auch des weiteren auf pathologische Verhältnisse ein und beschreibt 
genauer das Aussehen der Drüsen in den verschiedensten Formen. Inter¬ 
essant daran ist z. B., dass er glaubt, dass viele pathologische Blutungen 
darauf zurückzuführen sind, dass der nicht platzende, sondern per¬ 
sistierende Follikel weiterhin seine proliferierende Wirkung ausübt, und 
so zu der pathologischen Proliferation in Gestalt der Hyperpla9ia mucosae 
führt, wobei es allerdings immer noch unbekannt bleibt, weshalb in 
diesem oder jenem Falle der Follikel nicht platzt. Diese Bemerkung 
ist deshalb wichtig, weil sie uns erklärt, warum die Anwendung der 
Röntgenstrahlen in manchen Fällen bei Blutungen eine so ausgezeichnete 
Wirkung aufweist. Man ist also danach berechtigt, bei Blutungen, für 
welche man keinen anderen Grund findet, nicht die Schleimhaut, sondern 
die Ovarien dem Einflüsse der Strahlen auszusetzen. Einen Beweis bleibt 


Verf. in dieser allerdings sehr kurzen Arbeit schuldig, denn, dass die 
auf Anwendung der Strahlen sich zeigende Atrophie schliesslich auch 
eine Verminderung der Blutungen zur Folge haben muss, ist wohl von 
vornherein zuzugeben. Genauere Informationen können allerdings nur 
die ausführlicheren Arbeiten geben. 

A. Goenner-Basel: Zur Frage der lntrautorinstifte. (Zbl. f. Gyn., 
1914, Nr. 42.) Im Gegensatz zu der von Opitz in Nr. 37 des Central¬ 
blattes vertretenen Ansicht hält Verf. die Anwendung der Intrauterin¬ 
stifte für erlaubt und segensreich bei gewissen Formen von Sterilität, 
Dysmenorrhöe und Amenorrhoe infolge schlechter Eotwicklung der Geni¬ 
talien, und wendet dieselben in Form der Metallstifte mit Seitenöffnungen 
an. Er hat noob keine Nachteile davon gesehen und glaubt, dass die 
schlechten Resultate nur eintreten, wenn man die Stifte zu bald nach 
grösseren Operationen einlegt. Man soll in solchen Fällen immer 10 
bis 14 Tage damit warten. 

A. May er-Tübingen: Gekurtsmeehauismns bei durch traumatischen 
Pfannenbruch des Oberschenkelkopfes verengtem Becken. (Zbl. f. Gyn., 
1914, Nr. 43.) Verf. bat 2 Fälle beobachtet, bei denen es trotz starker, 
durch einen früheren Pfannenbruch hervorgerufener Verengerung des 
Beckenraumes zur Spontangeburt kam, indem der Schädel sich so drehte 
und konfigurierte, dass die sich wie ein Tumor stark vorwölbende Pfanne 
der einen Beckenhälfte kein Hindernis ergab. Er hält es für günstig, 
wenn der Rücken auf der dem Pfannenbruch entgegengesetzten Seite 
steht, wieder für besser, wenn das Hinterhaupt in der weiten Becken- 
bälfte sich befindet, für ungünstiger, wenn der Rücken auf der Seite der 
Luxation liegt. Io diesem Falle ist es gerade umgekehrt, als im erst¬ 
genannten, denn hierbei ist es besser, wenn das Hinterhaupt in der 
durch den Tumor verengten Hälfte sich befindet. Ganz ungünstig ist 
die Geburt mit nachfolgendem Kopf. Siefart. 

Asch: Ein neues Ventilsehutzpessar. (W.m.W., 1914, Nr. 29.) 
Beschreibung eines neuen, elastischen Ventilschutzpessars. Vorzüge: 
1. Es hält sich, einmal angelegt, an der Cervix, an welche es sich mit 
leichtem Federdruck anlegt und festsaugt, unverschieblich fest. 2. Es 
kann ohne Gefahr für die Trägerin den ganzen Monat liegen bleiben, 
weil das am vorderen Ende befindliche Rückschlagventil allen Sekreten 
des Uterus Abfluss gestattet. Eisner-Berlin. 


Augenheilkunde. 

Kocbmann und Römer: Experimentelle Beiträge zum pathologischen 
Flässigkeitsweehsel des Auges. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 3). Die intra¬ 
venöse Einspritzung des Serums von Individuen, die an Coma diabeticum 
erkrankt sind, erniedrigt den intraocularen Druck des Kaninchenauges 
und verhindert den Druckanstieg nach subconjunctivaler Injektion hyper¬ 
tonischer Salzlösungen, ohne dass dabei der Aorteodruck wesentlich ge¬ 
ändert wird. Der intraoculare Druck geht nicht parallel dem Aorten¬ 
druck; der Augendruck kann z. B. nach Bariumchlorid bei steigendem 
Blutdruck sinken und bei sinkendem Aortendruck (Amylnitrit) steigen. 
Der Binnendruck des Auges hängt ab vom Füllungszustand der Augen- 
gefässe und dieser von der Blutverteilung im Gefässsystem, bei der die 
Augengefässe aktiv oder passiv mitwirken. Der Kochsalzreiz ist kein 
Reflexvorgang (Wessely), sondern er beruht auf einem osmotischen oder 
klinischen Reiz, den die in den Bulbus übertretende hypertonische 
NaCl-Lösung auf die Kammerwasserproduktion im Sinne einer Vermehrung 
ausübt. Der Uebertritt von NaCl, der mit Bang’s Mikrometer deutlich 
nachweisbar ist, wird auch durch die Gefässalteration gekennzeichnet, 
die sich in einer Eiweissvermehrung anzeigt, deren Maximum nicht mit 
dem Höhepunkt der intraocularen Drucksteigerung zusammenfällt. Durch 
experimentell-therapeutische Massnahmen gelingt eine Beeinflussung des 
Kochsalzreizes vom Kreislauf aus und zwar ohne wesentliche Aenderung 
des allgemeinen Blutdrucks. Die Versuche lassen eine medikamentöse 
Behandlung der glaukomatösen Drucksteigeruog vom Kreislauf aus als 
nicht aussichtslos erscheinen. 

Schanz: Ueber die Entstehung der Altersweitsichtigkeit and des 
Altersstars. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H: 3.) Altersweitsichtigkeit und 
Altersstar werden auf chemische Wirkung der ultravioletten Strahlen 
zurückgeführt. 

Levinsohn: Ueber den histologischen Befund kurzsichtig gemachter 
Affenaugen und die Entstehung der Kurzsichtigkeit. (Graefe’s Arch., 
Bd. 88, H. 3.) Vgl. den Sitzungsbericht der Berliner ophthalmologischen 
Gesellschaft vom 19. März 1914 in der B.kl.W., 1914, Nr. 19. 

Kugel: Ueber die Beseitigung der ungenügenden Adaptation nach 
der Operation der Knorpelansschälnng. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 3.) 
Nach der zur Beseitigung des Ektropium senile angegebenen Knorpel¬ 
ausschälung ist das Lid mitunter dauernd vom Bulbus abstehend, und 
zwar infolge einer ungleichmässigen Verdickung der Bindehaut und des 
Stehenlassens eines breiteren Knorpelstreifens am freien Lidrande. Zur 
Beseitigung der mangelhaften Adaptation des Lides lasse man einen 
möglichst kurzen Knorpelstreifen stehen und exzidiere einen Bindehaut- 
Streifen; in Fällen von hochgradigem Ektropium wird von vornherein die 
ganze hintere Lidplatte ausgeschnitten. 

R. Salus: Ueber Infektion und Immunität des Glaskörpers. 
(Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 3.) Bei der Untersuchung der natürlichen 
Schutzkräfte des Organismus uod ihres Verhaltens zum Auge ergab sich, 
dass im Zustande hochgradiger eiteriger Entzündung die Hämolysine 
bzw. allgemein die Antikörper des Serums in reichlicher Menge in den 


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5 MO BERLINER KLINISCHE 

Glaskörper übertreten. Die Menge der Antikörper übertrifft bei stärkster 
Entzündung noch die des neugebildeten Kammerwassers und ist der des 
Blutserums fast gleich. Um die Antikörper in grösserer Menge zum 
Uebertritt zu bringen, genügen nicht die gewöhnlichen Reize, die eine 
passive Hyperämie hervorrufen, es ist vielmehr der gleiche aktive Reiz 
nötig, der die Leukocyten zur Infektionsstelle lockt. Weitere Ueber- 
legungen zeigen, dass die Immunität des Glaskörpers von der des 
übrigen Organismus nicht prinzipiell verschieden ist, auch in ihm be¬ 
kämpfen Serum und Leukocyten die eingedrungenen Keime. Versuche 
von Glaskörperimpfung mit saprophytischen und pathogenen Keimen er¬ 
gab einen ziemlich gleich und anscheinend gesetzmässigen Infektions- 
verlauf. Nach Einbringung einer nicht zu grossen Keimmenge erfolgt 
ausser beim Bac. subtilis, eine noch nach 6 Stunden deutliche Keim¬ 
abnahme, die keinen Immunitätsvorgang darstellt und auch beim 
Reagenzglasversuch nachweisbar ist; an ihr sind nichtspezifische, rein 
physikalische (osmotische) Kräfte beteiligt, die zu der Widerstandsfähig¬ 
keit der Keime in Beziehung stebeD. Das Maass der Keimabnahme ist 
ein Ausdruck für die Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft der 
Keimart. Auf das Stadium der Keiraabnahme folgt stets eine Ver¬ 
mehrung. Art und Menge der Keime bestimmen den Zeitpunkt des 
Eindringens der Schutzstoffe in den Glaskörper. Die VermehruDgs- 
intensität der Keime beeinflusst den Verlauf der Infektion. Der Kampf 
zwischen Keimen und Schutzkräften bängt ab vod der Wirksamkeit der 
letzteren gegenüber den Keimen und von der Fähigkeit der Keime, sich 
der tötenden Kraft der Antikörper zu erwehren. Im Tierkörper ist die 
Leukocytenbaktericidie etwa 1200 mal so stark wie im Reageuzglase. 
Virulente Keime werden von den Leukocyten gar nicht, avirulente da¬ 
gegen stark beeinflusst. Die Resistenz der Keime wird noch durch die 
Aggressine erhobt, die im Glaskörper aber nicht das Zustandekommen, 
sondern nur den Verlauf der Infektion beeinflussen. Eine schnell ein¬ 
setzende, stürmisch verlaufende Entzündung spricht nicht für die 
Virulenz, sondern für die Vermehrungsfähigkeit der Keime. 

Lindner: Zur Frage der Verhütung postoperativer Infektionen. 
(Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 3.) In der Klinik von Fuchs werden unreife 
Stare dann operiert, wenn der Pat. nicht mehr arbeitsfähig ist. Reife Cata- 
racte werden auch dann operiert, wenn das andere Auge noch normale 
Sehschärfe hat. Wenn die Bindehaut blass und normal ist, wird ohne 
vorherige bakteriologische Untersuchung und ohne Probeverband operiert. 
Bindehauterbrankungen werden vorher behandelt, bei Tränensackleiden 
wird die Exstirpation des Tränensackes und Verschorfung der Tränen¬ 
röhrchen vorhergeschickt. Vor der Extraktion werden die zu langen 
Brauen gestutzt, 15—20 Minuten lang 3 proz. Cocain gegeben, die äusseren 
Häute mit Benzin, lprom. Sublimat und neutraler Augenseife gewaschen, 
die Bindehaut mit physiologischer NaCl-Lüsung abgerieben und zum 
Schluss mit derselben Flüssigkeit Bindehautsack und Conjunctiva bulbi 
irrigiert (bei unreinen Fällen mit Sublimat 1 : 2500). Nach der Operation 
werden beide Augen 24 Stunden verbunden. Leute mit starkem Bart 
oder solche mit Neigung zu Ekzemen bekommen Fuchs’sche Gitter oder 
Silber- oder Aluminiuraschalen. Eiuen Tag Bettruhe; am nächsten Tage 
werden die Patienten aufgesetzt. 8 Tage täglicher Verbandwechsel, dann 
dunkle Schutzbrille. Bei normalem Wund verlauf Entlassung nach 14 Tagen. 

Das Einträufeln von Atropin wird von der Injektion, den Schmerzen, der 
Menge der zurückgebliebenen Starreste usw. abhängig gemacht. Meist 
wird mit Iridektomie, event. nach Hess-Pflüger, besonders bei Kom¬ 
plikationen operiert. Vom I. 1. 07 bis 31. 12. 10 wurden 1943 Lappeu- 
extraktionen gemacht. Je geübter der Operateur, um so geringer die 
Infektionsgefahr. Die bakteriologische Untersuchung des Keimgehalts der 
Bindehaut ist praktisch nicht von Wert. Der Nachweis von Staphylo¬ 
kokken ist ohne Bedeutung, weil sie nur selten Infektionen nach Star¬ 
operationen verursachen, und weil sie nicht wegzubringen sind. Auch 
Diplobacillen rufen keine intraokularen Infektionen hervor. Die Diffe¬ 
renzierung der gefundenen Streptokokken gelang nicht. Von 228 er¬ 
wiesenen StreptokokkeDträgern wurden 210 operiert, ausserdem 260, die 
keine Streptokokken enthielten. Von 470 bakteriologisch untersuchten 
Staren bekamen 6 Iridocyclitis, die gut ausging, 3 Hypopyouiritis bei 
negativem Streptokokkenbefund, 3 Panophthalmie (Pneumokokkeninfektion 
bei allen, 2 mal positiver Streptokokkenbefund). Nachweisliche Strepto¬ 
kokkenträger unterliegen einer etwas höheren Infektionsgefahr, als Leute 
ohne diese Keime (1,0:0,4 pCt,), Der positive Befund bei einem und 
demselben Patienten schwankt sehr. Eine sichere Methode, die Binde¬ 
hautstreptokokken für unsere Kulturboden sicher zum Verschwinden bringt, 
gibt es nicht. Die Vorbehandlung von Streptokokkenträgern mit klinisch 
reiuer Bindehaut steigert leicht die durch Herabdrücken der Keimzahl 
verminderte Infektionsgefahr. Kurt Steindorff. 


Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 

J. Ros n er: Die Eröffnnng des Kehlkopfes in der ersten Hilfe. 

(W.m.W., 1914, Nr. 28.) Beschreibung der Intercricothyreotomie mit 
einem Instrumentarium, welches den Vorteil hat, dass das Messer ver¬ 
schieden gross eingestellt werden kann, und dass vier verschieden grosse 
Kanülen an einem gemeinsamen Griff angebracht werden können. Das 
Instrument ist daher für Rettungsanstalten usw. sehr geeignet. 

Eisner. 


WOCI^NSCHRIFT. _______ _ Nr. 45. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Aerztlicher Verein zn München. 

Sitzung vom 7. Oktober 1914. 

(Kriegschirurgischer Abend.) 

1 . Hr. G. Klein: 

Röntgenuntersuchungen bei Schusswunden. (Mit Demonstrationen.) 

Vortr. teilt mit, wie gross der Nutzen der Röntgenphotographie ist, 
da mit den übrigen Methoden oft absolut nicht festzustellen ist, ob in 
einer Wunde noch ein Geschoss steckt oder nicht. Des weiteren zeigt 
Vortr. die Schwierigkeiten, die den Anfängern in der Röntgenphotographie 
sich entgegenstellen, die Fehler, die gemacht werden, und wie sich diese 
beseitigen lassen. An Hand von Demonstrationen gibt Vortr. wertvolle 
Ratschläge. 

2 . Hr. A. Sehmitt: Ueber Gehirn- nad Nervenverletungen. 

Die letzten Wochen haben viel Verletzungen des Rückenmarks und 
des peripheren Nervensystems gebracht. Unter den Gehirnschüssen be¬ 
fand sich keiner, bei denen die Kugel im Gehirn stecken geblieben war. 
Die Tangentialscbüsse boten teils sehr schwere Erscheinungen: Gleich¬ 
gewichtsstörungen, Zertrümmerung des Warzenfortsatzes und Trommelfell¬ 
schädigungen ; sie heilten aber alle gut. Die TangentialschussverletzuDgen 
sind deshalb besonders interessant, weil sich aus den Ausfallserscheinungen 
die lädierte Stelle genau lokalisieren lässt. Vortr. operierte einen Fall, 
indem er ihm ein Stück Hirnrinde entfernte und erzielte einen glatten 
Heilungsverlauf. Ein anderer Mann wurde operiert, es ging ihm so gut, 
dass er spielte und scherzte. Plötzlich bekam er heftige Krämpfe. 
6 Stunden vorher war zum ersten Mal ein trockener Verband gemacht 
worden. Es wurde sofort wieder ein feuchter Verband angelegt, die 
Krämpfe besserten sich und hörten allmählich wieder vollständig auf. 
Vortr. fehlen weitere Erfahrungen, doch glaubt er, dass ein trockener 
Verband bei Hirnverletzungen als Reiz wirbt UDd deshalb besser durch 
einen Kochsalzverband zu ersetzen wäre. 

Was die peripheren Nervenverletzungen betrifft, so ist Vortr. die 
grosse Häufigkeit dieser Verletzungen im Kriege, gegenüber der relativ 
geringen im Frieden, aufgefallen. Am meisten betroffen wird der 
N. radialis, durch ungeschickt angelegten Verband oder Callusbildung 
mit sekundärem Druck auf den Nerven; in zweiter Linie beobachtet man 
die Peroneuslähmung und an dritter Stelle die Plexuslähmung. Mit der 
Prognose muss man selbst bei partieller oder kompletter Entartungs¬ 
reaktion sehr vorsichtig sein. Sehr viele bilden sich rasch, langsam 
oder doch teilweise zurück. Vortr. stellt einige Fälle vor, bei denen 
Radialis und Medianus verletzt waren, und bei denen fast völlige Heilung 
auftrat. Ein weiterer Fall: komplette Lähmung des N. ischiadicus. Es 
tritt vollständige Heilung des N, tibialis auf, während die Peroneus¬ 
lähmung noch fortbesteht. Vorläufig noch keine Naht, da die Tibialis¬ 
lähmung so gut geworden ist. Zur Vornahme einer Nervenresektion mit 
folgender Naht soll man 3—7 Monate warten. 

3. Hr. Krecke: Ueber Anenrysmen. 

Nach Ansicht des Vortr. sind die Aneurysmen viel häufiger geworden. 
Im Jahre 1870 waren es 44 bei der preussischen Armee; im russisch- 
japanischen Krieg 88. Vortr. hat bis jetzt 6 gesehen. Ein Geschoss, 
das eine starke Rassanz hat, ist zur Verursachung von Aneurysmen sehr 
geeignet, besonders nachdem die Hautverletzung gewöhnlich eine sehr 
geringe ist. Es gibt Fälle, in denen Pulsation und SchwirreD, die zwei 
Hauptsymptome, fehlen. Wenn ein Hämatom bei Ruhebebandlung in 
14 Tagen nicht zurückgeht oder grösser wird, handelt es sich um ein 
Aneurysma. Es gibt 3 Arten: verum, spurium, arterioso-renosum. 
Unter Krecke’s Fällen befand sich ein A. arterioso-venosum der Art. 
brachialis. Hier war das Schwirren gut zu hören. 

Die Therapie besteht darin, das Arterienrohr oberhalb des Aneu¬ 
rysmas abzukleramen und zu unterbinden. Es ist wichtig zu wissen, 
ob die Unterbindung der Arterie keinen Schaden für das betroffene Glied 
bringt, und ob dann nicht die Arterienplastik am Platz wäre- Deshalb 
gibt es Proben, die feststellen sollen, ob ein Collateralkreislauf vor¬ 
handen ist. Die eine Probe besteht darin, den centralen Teil der 
Arterie zu schliessen und dann zu sehen, ob es aus dem peripheren 
Ende blutet. Ein weiteres Zeichen ist folgendes: Man unterbindet die 
Arterie ober- und unterhalb des Aneurysmas und beobachtet, ob die 
Vene beim Abklemmen anschwillt. Diese Probe wird von J nan ®“ e , n 
Autoren angefochten. Wann soll man operieren? Nicht schon im Feld¬ 
lazarett, sondern 3 —5 Wochen nach der Verletzung. Bis dahin ist auch 
ein Collateralkreislauf hergestellt. , 

Mit gutem Erfolg setzte Vortr. in einem Fall ein 5 cm langes btuc 
der V. saphena in die Arteria radialis ein. . 

4. Hr. Oberndorfer: Pathologisch anatomische Demonstration«** 

Vortr. demonstrierte Schädel- und Oberschenkelverletzungen. 

Nobiling- 


Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klio. Wochenschr.) 

Sitzung vom 27. Oktober 1914. 

Vorstellung von Verwundeten. 

Hr. Unger: 1. Die Schussverletzung der Halswirbelsäule führte zu 
Splitterung eines Wirbels; ein Splitter lag auf der Dura; das begleiten 
Hämatom führte zu einer Armlähmung. Sie wurde durch die Operati 


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9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1801 


beseitigt. 2. Einschuss in den Schädel und zwar in der Scheitelgegend 
von 2 Markstückgrösse hatte Lähmung des rechten Armes und Beines 
bewirkt. Die Wunde eiterte; es war ein Tangentialschuss; wenig Kopf¬ 
schmerz. Der Verdacht auf Knochensplitter im Gehirn wurde durch die 
Operation bestätigt; 15 Splitter von Erbsen- bis Markstückgrösse lagen 
bis zur Tiefe von 5 cm im Armcentrum; die Entfernung war mühelos. 
Schon 4 Tage später konnte er die bisher gelähmte Hand bewegen. Der 
stereognostische Sinn fehlt aber noch vollständig; ein leichtes Lagegefühl 
besteht schon. Die Sensibilität ist intakt. Die Neuritis optica ist fast 
geschwunden. 3. Das Geschoss lag nach dem Röntgen bilde in der Mitte 
der hinteren Schädelgrube; es bestand starke Benommenheit, Erbrechen, 
Fieber. Anscheinend saas der Fremdkörper im Sinus longitudinalis 
posterior oder transversus. Er legte das Kleinhirn frei. Man soll nach 
dem Geschoss nur suchen, wenn Entzündungserscheinungen z. B. des 
Sehnerven, Eiterung und Hirndruoksymptome bestehen. Auch dann fragt 
es sich: Soll man das Geschoss oder die Eiterung angehen? Der 
Sitz beider ist oft nicht identisch. Sonst ist das Suchen nach Ge¬ 
schossen überall am Körper unnötig. Wegen des zunehmenden Hirndrucks 
entfernte Vortr. das Geschoss; es lag in der Wand des Sinus longitudi¬ 
nalis; es gab keine Blutung; es bestand also Thrombose. Die Dura war 
eitrig belegt. Einige Tage später Exitus. Die Sektion ergab Thrombose 
beider Sinus, eitrige Meningitis und Encephalitis: das hält der stärkste 
nicht aus. Wahrscheinlich war der ganze Schusskanal infiziert. 4. Schuss 
durch den rechten Oberarm mit Splitterung. Der Gipsverband umfasst 
die gesamte Extremität von der Hand bis zur Schulter. Die Binden 
gehen circulär über den ganzen Arm; an der Wände findet sich ein 
Fenster. Der Verband setzte auch die Temperatur erheblich herab. 
5. Ein Fall von Schädelschuss trägt die Kugel mitten im Gehirn, ist völlig 
beschwerdefrei und wird bald naob Hause entlassen werden. 6. Ein 
Schuss durch den Oberschenkel führte zu Splitterung und zeigte Eiterung 
und Jauchung. Er war schlecht verbunden. Vortr. legt ober- und unter¬ 
halb Gipsbinden und legt nach den ersten Touren Aluminiumschienen 
unter Polsterung zur Verbindung beider Teile. Rings herum wurden 
dann Gipsbinden gewickelt. Der Knochen lag zuerst in 12 cm LäDge 
frei: unter dem extendierenden Verband hat er sich vollkommen zurück¬ 
gezogen; er batte zwei Tage im Gelände liegen müssen (die Franzosen 
gestatteten kein Auflesen von Verwundeten und Toten), der Hauptmann 
hatte ihm einen Verband angelegt 20 m vor dem Feinde. Auf einer 
Tragbahre war er endlich weggebracht worden. Der Gips-Aluminium¬ 
verband soll 4—5 Wochen liegen. Versteifung des Gelenks ist nicht zu 
befürchten. Dann legt man einen Druckverband oder einen grossen 
Gipsverband mit Fenster an. 7. Der Beinschuss führte ebenfalls zu 
Eiterung mit Senkung; er bekam ebenfalls Gipsverband mit Beckengürtel 
und Aluminiumschienen. Auch hier ist die Behandlung konservativ. 
Keine Tamponade. Ein dünner Streifen Vioformgaze wird eingelegt. 
Nur bei grossen Eiterungen wird Jodoform benutzt. Tamponade bewirkt 
Verhaltung, und die Gaze saugt nicht vollständig auf. Watte saugt eben¬ 
falls nicht auf. Weit besser sind Zellstoff, Mooskissen oder Spreukissen. 
Sehr gut sind die Zellstofflagen und -rollen. Selbst die schwersten Dis¬ 
lokationen soll man nicht zu früh einrichten, sonst ist Mobilisierung von 
Keimen und Eiterung die Folge. 8. Nur einmal nahm Vortr. bisher eine 
Amputation vor. Es bestand hohes Fieber, Zertrümmerung des Knochens 
dicht oberhalb des Kniegelenks; von anderer Seite war die Wunde frei¬ 
gelegt, um dem Eiter Abfluss zu schaffen, Sequester entfernt, die 
Reste mit dem scharfen Löffel abgekratzt worden. Es folgte Zunahme 
des Fiebers, der Eiterung und Sepsis. Die Eiterung reichte bis zum 
Poupart’scben Bande und bis zum Trochanter major. Nichts ist schlechter, 
als die Wunde anzurühren oder den Knochen anzugreifen. Vortr. ist kon¬ 
servativ bis zum Aeussersten. Auf die Dauer des Krankenlagers kommt 
es nicht an. Die schweren Zertrümmerungen werden doch ein Bein 
zurück lassen, mit dem die Verletzten gehen können. Ein Kranker kann 
schon nach 8 Wochen bei einer Verkürzung von 1 cm wieder gehen; es 
ist ein Offizier, der wieder felddienstfäbig wird. 9. Der Einschuss sass 
an der rechten Mamille; es bestanden Schmerzen unter dem rechten 
Rippenbogen; dortselbst war ein Pleuraerguss nachweisbar. Es wurde 
nichts gemacht. Pat. musste liegen bleiben. Er ist jetzt fieberfrei. Die 
Kugel liegt in der Lebergegend. Der Erguss schwindet. Die konserva¬ 
tive Behandlung ist ihm gut bekommen. Es können Eiterungen ent¬ 
stehen, Galle in die Pleurahöhle treten; dann ist immer noch Zeit ein¬ 
zugreifen. Nicht eingreifen soll man, auch wenn der Leib aufgetrieben 
ist. Nur bei grosser Lebensgefahr ist ein Eingriff indiziert. Diese kräftigen 
Leute vertragen viel mehr, auch wenn mehrere innere Organe beschädigt 
sind, als unsere Civilbevölkerung. JO. Einsohuss oberhalb der 
rechten Spina soapulae, Ausschass in der linken vorderen Axillar¬ 
linie. Das Geschoss, dicht unter der Haut fühlbar, wurde herausge¬ 
nommen, da es dauernde Beschwerden machte. Eine Indikation bieten 
alsdann auch subfebrile Temperaturen und kleine Abscesse, in denen 
das Geschoss sitzt. Diese Abscesse sind in der Hälfte der Fälle steril. 
Weiter wurde hier nichts gemacht. Pat. ist jetzt völlig fieberfrei. 
11. Schass durch die rechte Lunge. Der Einschuss sass rechts 
neben dem Dornfortsatz des 3. Brustwirbels; der Ausschuss auf der 
rechten Mamille; der Schuss hat sicher die Lunge durchsetzt. Es wurde 
nichts gemacht. Kein Fieber, keine Beschwerden; auch wenn die Aus¬ 
schüsse eitern und Gewebsfetzen heraushängen, selbst Rippenfragmente, 
soll man nicht daran rühren. 12. Lähmung des Fusses. Der Kranke 
jlio Fussspitze nicht heben; es ist der Peroneus und ein Teil des 
Tibialis gelähmt. Also ist der Stamm des Ischiadious getroffen. Der 
Einschuss (Sohr&pnellkugel) sitzt am oberen Anfaog der Rima ani auf 
der gelähmten Seite. Die Kugel sitzt in der Höhe des linken Hüft¬ 


gelenks; hier ist kein Nervenstamm verletzt; es besteht vermutlich eine 
Schädigung der Wurzeln des Ischiadicus, da wo er den Wirbelkanal ver¬ 
lässt. Dort bestanden auch zuerst lebhafte Schmerzen. 13. Auch der 
andere Kranke lässt die Fussspitze fallen; er kann nur die Zehen massig 
beugen. Der Schuss sitzt im rechten Oberschenkel an der Innenseite. 
Getroffen wurde neben den grossen Gefässen vorbei der Stamm des Ischia¬ 
dicus. Diese Verletzungen sind jetzt sehr häufig. Zu unterscheiden sind die 
Verletzungen im Wirbelkanal, an der Peripherie und in den feineren 
Verzweigungen; im letzten Falle wird nichts gemacht. Auch sonst 
meinten die Neurologen bisher abwarten zu müssen, weil noch nach 
Monaten spontan Besserung eintritt. Jetzt sind sie anderer Meinung. 
Wartet man so lange, so gibt es totale Degeneration der Achsenoy linder 
distalwärts; man soll daher früher eingreifen. Bei einer Aralähmung 
nach Schussverletzung legte Vortr. den Radialis frei; er war völlig 
intakt, aber an der Beugeseite, nahe dem Ausschuss, in Sohwarten ein¬ 
gebettet. Diese drückten ihn, zumal beim Strecken, platt. Witing, 
türkischer Generalstabsarzt, sagt in seinem Lehrbuch: „Es sind Seiten¬ 
neurome, die Schmerzen machen und die Funktionsuntüchtigkeit be¬ 
dingen. Es können die Aohsencylinder vom Centrumstumpf her schnell 
durch den Wundkanal nach aussen wachsen. Bei Bewegung entstehen 
heftige Schmerzen. Spontan ist keine Heilung möglich.“ Man soll die 
NerveDstümpfe freilegen und adaptieren. Bei Radialiserkrankungen soll 
man noch abwarten. Sind durch Schrägschüsse oder Verlagerung der 
Nerven grosse Distanzen geschaffen, so hilft man dem durch Naht in 
Beugestellung oder Ersatz von Hantnerven oder durch Einheilung eines 
Stückes z. B. der V. saphena ab; die Achsenoylinder wachsen an der 
Wand der Vene entlang und finden so ihren Weg. Vortr. würde heute 
wagen, mit feinster Seide die Enden aneinander zu nähen. Die Seiden¬ 
fäden allein genügen nicht. Sind die Gefässe mit getroffen, so ist es 
schwer, die Nerven aus der Gefässscheide herauszuschälen. Trotzdem 
kommt es dann schneller als beim abwartenden Verhalten zur Wieder¬ 
herstellung der Funktion. 

14. Schwerer liegen die Verhältnisse bei völliger Plexuslähmung. 
Die Folgen sind schwere Schmerzen und Funktionsstörungen. Bei einem 
Fall von Einschuss an der rechten Scapula und Ausschuss auf der 
rechten Glavicula war die Operation unnötig; lediglich Elektrisieren, 
Heissluftbebandlung und Massage genügten. 15. In des nächsten Kranken 
Nähe ist eine’Granate geplatzt; ausser einer geringen Excori&tion auf 
der Streckseite des Vorderarms war nichts zu sehen. Er kann die 
Hand nicht schnell bewegen. Durch die Erschütterung bzw. den Luft¬ 
druck ist es zur Parese der Hand gekommen. Diese Wirkung ist in 
Friedenszeiten unbekannt. Ohne äussere Verwundung zeigen die Kranken 
am ganzen Körper Zittern. Es ist keine Neurasthenie, sondern eine 
Erschütterung des Nervensystems. Lumbalpunktion brachte einmal 
Besserung des Zustandes. Sie ist auch bei Gehirnerschütterung nach 
Schädelfrakturen nützlich. 

Bei Epilepsie empfiehlt Vortr., in Lokalanästhesie das kranke 
Gentrum zu unterschneiden. 

Ein Röntgenbild zeigt einen gut verlaufenen Fall, wo das Geschoss 
unterhalb der Schädelbasis sitzt, ein anderes einen Längsschuss durch 
den Trochanter major. 

Tetanus ist an der Front häufig. Daher will man alle Verletzten 
sofort mit Serum impfen, wenn sie auf der Erde oder im Heu gelegen 
haben. Doch sollen sich keine Erfolge gezeigt haben. Trotzdem ist 
Vortr. für die prophylaktische Impfung auf Grund amerikanischer Be¬ 
obachtungen. Je später der Tetanus eintritt, desto leichter verläuft er. 
Wundbehandlung ist zwecklos. Hedaeus empfiehlt die Injektion des 
Serums in die Carotis iDterna; das Serum dringt so sofort ins Gehirn. 
Vortr. führte einen Ureterkatheter in die Brachialis ein und schob ihn 
bis an den Hals vor. Der Kranke, dem so das Serum infundiert wurde, 
wurde geheilt. Eine neue Methode ist das Verfahren Meltzer’s aus 
New York mit Magnesium sulfurioum-Injektionen (10—20 pCt.). Zur Be¬ 
kämpfung der Nebenwirkung (Lähmung der Atmung bis zum Exitus) 
empfiehlt er die Tracheotomie und Einführung eines Katheters, der 0 
führt, bis 1 l /z—2 cm oberhalb der Bifurkation in die Trachea. 

Bei Erysipel nimmt man Pinselungen von Ichthyol und Tot. jodi 
m 25,0 und 01. camphor. 50,0 vor. Nach 2—3 Tagen erfolgt Ab¬ 
schuppung; ferner wird Diphtberieserum empfohlen. 

Von Gefässverletzungen erwähnt Vortr. einen Fall, Sohuss in die 
Mitte der Brachialis; kein Puls; aber die Hand war beweglich, blau. 
Es fand sich eine kirschgrosse Anschwellung. Verautlioh batte sioh 
die Intima aufgerollt und den Blutstrom aufgebalten. 

Bei den traumatischen Aneurysmen, besonders den arteriovenösen, 
der Beine soll man möglichst durch Gefässnaht den normalen Kreislauf 
wiederherstellen. Denn die Exstirpation des Sackes allein schafft auf 
die Dauer keine idealen Verhältnisse. Mode. 


I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechsel¬ 
krankheiten zu Bad Homburg v. d. H. 

vom 28. bis 25. April 1914. 

(Berichterstatter: Dr. K. Reicher, Bad-Mergentheim.) 
(Schluss.) 

8. Sitzung. (III. Referat.) 

Hr. G. v. Bergmann - Altona: Die Bedeutung der Radiologie 
für die Diagnostik der Erkrankungen des Verdauungskanals. 
Vor 15 Jahren äusserte sich der Chirurg E. v. Bergmann auf der 


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1802 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45. 


Naturforscherversammlung zu München in seinem Vortrage über die Be¬ 
deutung der Köntgenstrahlen folgendermaassen: „Die Domäne der 
Rontgenstrahlen ist sGhon aus physikalischen Gründen im wesentlichen 
auf die Darstellung von Knochen und Fremdkörpern beschränkt, die 
innere Medizin enthält nichts wie schemenhafte Nebel- und Trugbilder, 
welche der Phantasie den weitesten Tummelplatz bieten. Die Hoffnung, 
den Stein in der Niere zu finden, ist schon eine aufgegebene. Noch 
immer gelingt es der Perkussion besser, die Grenze des Herzens zu um¬ 
schreiben, als dem Röntgenverfabren.“ Welche Fülle von Kenntnissen 
wurde seit dieser Zeit gesammelt! Imponierend ist vor allem die 
Schnelligkeit und Sinnfälligkeit der Ergebnisse der Röntgenuntersuchung. 
Der Nachweis einer Nische ermöglicht z. B. im Augenblick die Diagnose 
Ulcus ventriculi. Ueber das diagnostische Schlagwort hinaus gestattet 
aber das Schirmbild auch einen vertieften Einblick in pathologisch¬ 
anatomische und funktionelle Einzelheiten, die mit anderen Methoden 
nicht zu gewinnen sind. Röntgenirrtümer sind ebenso erklärlich wie 
Irrtümer in der Auscultation eines Spezialisten für Herzkrankheiten, 
doch darf der Irrtum des Einzelnen nicht der Methode zur Last gelegt 
werden. 

Es soll nun zunächst die Form und Grösse des Magens an sich als 
auch die Lage zu seiner Umgebung, und endlich seine Eigenbewegung 
als Status ohne Rücksicht auf die spezielle Pathologie zur Darstellung 
kommen, dann erat die spezielle Röntgendiagnostik des Magens. Die¬ 
selbe Anordnung wird der Besprechung des Darmes zugrunde gelegt 
werden. 

Auffallend war zunächst, dass der Magen im Röntgenbilde eine 
vertikale Stellung einnimmt, während, ihn die meisten Anatomen ganz 
anders gelagert beschrieben hatten. Und doch hatte Luschke schon 
1868 angegeben, „dass der Magen normalraässig nicht in dem Grade 
sohief von links nach rechts gestellt ist, wie es gemeinhin angenommen 
wird, sondern das Organ erscheint vielmehr so aDgeordnet, dass der 
grösste Teil seiner kleinen Curvatur links neben der Wirbelsäule und 
ihr parallel herabzieht“. Stiller wollte die Divergenz der Befunde 
durch eine spezifische Wirkung der Metallmahlzeit erklären, seine Ein¬ 
wände wurden aber durch die Versuche von Hesse mit geschabten 
Knochen und die von Groedel mit Silberkugeln widerlegt. Die Brei¬ 
mahlzeit ist sicher eine physiologischere Art der Prüfung als die Luft- 
aufbläbuDg, welche mit der Gefahr der Dehnung von Innen her ein¬ 
hergeht. 

Um in das Verständnis der verschiedenen Magenformen, wie sie das 
Röntgenbild uns zeigt, näher eindringen zu können, müssen wir uns mit 
den Arbeiten von Forssel eingehender befassen. 

F. sagt, man soll nicht die zufällige Form des Magens studieren, 
sondern suchen, inwieweit sie von der Beschaffenheit der Magenmusku¬ 
latur, von dem Konstruktionsplan des Magens abhängt. Forssel bat 
gezeigt, dass ein Teil der Muskulatur zu Stütz- und Verstärkungappa- 
rafcen der Wand differenziert ist, um welche die Muskelbündel zu einer 
typischen Architektur verbunden sind. Während wir bisher gewohnt 
waren, den Magen als Ganzes zusammengezogen oder ausgedehnt anzu¬ 
sehen, wissen wir nun, dass die einzelnen Partien sich verschieden ver¬ 
halten können und dass die glatte Muskulatur durch eigene Aktivität 
(nicht durch Belastung) ähnlich wie beim Scrotum gelängt oder verkürzt 
sich einzuztellen vermag. So erscheint der Magen in der Ruhe durch 
Kontraktion seiner circularen Fasern darmäbnlicb, röhrenförmig zu¬ 
sammengezogen. Die herabfliessenden Speisen müssen sich erst allmäh¬ 
lich ihren Weg bahnen, denn der Magen zieht sich vermöge seiner peri- 
stolischen Funktion aktiv um den Speisebrei zusammen. Die Stier- 
hornform des Magens (Holzknecht) ist in diesem Sinne als die am 
stärksten kontrahierte Magenform anzusehen, bei der aber die unteren 
Schlingen (die Siouspartien) stärker kontrahiert sind als die anderen 
Teile. Die vertikalen Stützapparate sind verkürzt, der kaudale Magen¬ 
pol steht über dem Nabel. 

In diesen Fällen veranlasst ein Heraufdräogen des Magens, wie es 
bei vermehrtem Baucbinbalt, Fettleibigkeit, Ascites, Meteorismus, Gra¬ 
vidität, bei weiten Thoraxaperturen daher vorwiegend bei Männern der 
Fall ist, die Muskelschichten mit einer aktiven Dauerkontraktion zu ant¬ 
worten. 

Der Rieder’sche Normalmagen oder Angelhaken (Siphon)- 
Form entspricht wieder einem in allen Muskelpartien massig kontra¬ 
hierten Magen. Er findet sich bei enger oberer Brustapertur, bei 
schlaffen Bauohdeoken, beim Habitus astbenicus (Stiller) und zeigt alle 
Uebergänge bis zum Magen mit tiefstehendem kaudalen Pol. 
Derselbe braucht aber gar nicht als pathologisch angesehen zu werden, 
sofern er sich nur rechtzeitig entleert. Die Ansicht von Emmo Schle¬ 
singer, welche Holzknecht begeistert aufgegriffen hat, es gäbe einen 
byper-, ortho-, bypo- und atonischen Magen mit dementsprechend abge¬ 
stufter Intensität der Peristaltik, lässt sich nicht halten. Sämtiche 
Stützapparate des Magens haben ausserhalb desselben ihren Halt, die 
vertikalen an der Gardia und durch diese am Oesophagus und an dem 
Ligam. phrenioo-gastricum, am kaudalen am Pylorus durch das Ligam. 
hepato-duodenale und den Muscul. suspens. duodeni, so dass eine Ver¬ 
bindung mit Leber und hinterer Bauchwand gesichert ist. 

Der Magen kann sich nun in einzelnen Abschnitten je nach den 
Aenderungen in der Stütze der Unterlage aktiv hoch oder tief einstellen. 
Das Herabsinken des Pylorus ist nicht ohne weiteres ein Zerrungs¬ 
phänomen, sondern es vermag in vertikaler und seitlicher Richtung ver¬ 
möge seiner Stütz- und Aufhängeapparate aktiv seine Stellung zu regu¬ 
lieren. Ein gesunder Magen, der nicht mehr bei gewöhnlicher Länge 


auf seiner Unterlage zu ruhen imstande ist, übt eine aktive Regulation 
dahin aus, dass er die Muskulatur des Pylorus und des Muscul. suspens. 
duodenale entspannt und damit längst und so von neuem auf die Unter¬ 
lage stützt. Der „ptotische Magen“, der Langmagen oder Magen mit 
tiefstehendem caudalen Pol verliert dadurch den Begriff des Passiven, 
der Gedehntheit, und wird in das Kapitel der noch normalen Magenform 
eingereibt. Soviel über das Ptosenproblem! Beim atoniscben Magen 
ist die peristolische oder Umfassungsfunktion des Magens, die 
Fähigkeit des Magens, sich um grosse wie kleine Inhaltsmengen zu- 
sammenzuzieben, herabgesetzt. Während sonst der Magen bestrebt 
ist, dauernd das gleiche Niveau zu halten, sinkt hier der Brei schneller 
als in der Norm hinab, die Bissen fallen geradezu hinunter, das Niveau 
sinkt tiefer, am caudalen Pol sammelt sich ein Kreissegment meist von 
grösserem Radius als in der Norm, darüber können sich die Magenwände 
taillenartig wieder berühren, so dass eine Verwechslung mit Pseudo- 
sanduhrmagen nahe liegt. Von „atoniacher Ektasie“ zu sprechen, hält 
v. B. für Unfug, weder die einfache Atonie und noch weniger der Lang- 
magen darf als Ektasie bezeichnet werden; gerade das Röntgenverfabren 
sollte das Bestreben aller guten Magenspezialisten unterstützen, dass 
die Magendiagnosen der Magenerweiterung endgültig beseitigt werden. 
Alle echten Magenektasien sind auf Stauungsdilatation zu¬ 
rückzuführen und sind durch Pylorospasmus oder eineorga- 
nisohe Pylorusstenose bedingt. 

In bezug auf Lageveränderungen durch Verdrängung oder Ver¬ 
zerrung zeigt je ein instruktives Bild die Verlagerung des Magens nach 
rechts und nach links durch das geblähte Colon, die Verdrängung des 
Magens nach links und oben durch einen riesigen bydronephrotischen 
Sack, vermehrte Rechtsdistanz mit Rechtsfixation infolge perichoiecysti- 
tischer Adhäsionen, Verdrängung des Magens durch einen grossen Galleo- 
blasentumor, einen eigenartigen Füllungsdefekt des Magens an der 
grossen Curvatur, bedingt durch Kyphoskoliose und Kompression des 
Magens von rückwärts usw. 

Wir gelangen nunmehr zur Besprechung der Magenbewegungen. 
In bezug auf die Tatsache, dass der caudale Magenteil mit seinen 
mächtigen peristaltischen Bewegungen die Speisen im wesentlichen zum 
Darm hin zu entfernen hat, die übrigen Magenpartien der Retention und 
damit der Digestion dienen, herrscht Uebereinstimmung. Unentschieden 
ist die Frage, ob diese beiden funktionell verschiedenen Teile wirklich 
durch einen anatomisch präformierten Sphincter antri getrennt sind oder 
ob es sich um eine offen fortschreitende, einfache Ringwelle (Forssel) 
handelt? Die Röntgenkineraatograpbie (Rieder-Kästle-Rosentbal) 
hat die erstere Auffassung bedenklich erschüttert, wie sie überhaupt 
wertvolle physiologisch-funktionelle Aufschlüsse gebracht hat. Für die 
Diagnostik dagegen hat, wie v. B. aus reicher eigener Erfahrung weiss, 
die Kinematographie keine wesentlichen Bereicherungen gezeitigt. Bei 
dem Magenearcinom wurden vielleicht durch sie auffällige Bewegung»- 
typen aufgedeckt, doch sind Trugschlüsse auf diesem neaen Gebiete 
noch sehr naheliegend. 

Bei Pylorusstenose und bei Pylorospasmus sieht man häufig ganz 
besonders tiefe peristal tische Wellen gegen den Pylorus andräugen 
(Stenosenperistaltik) oder sogar schon von den oberen Partien des 
Magens eine gesteigerte Peristaltik beginnen. Es gibt aber alle Ueber¬ 
gänge von normaler lebhafter Peristaltik bis zur pathologischen Hyper- 
kinese. Bei rein motorischen Magenneurosen und bei beginnender Tabo- 
paralyse kann man auch ohne jeden Pylorospasmus lebhafteste Magen¬ 
bewegung sehen. Solange kein 6-Stundenrest vorhanden ist, kann aus 
vertiefter Peristaltik nicht auf Pylorusstenose geschlossen werden. Es 
kann sich höchstens um eine kompensierte P.-Stenose handeln, ähnlich 
wie ein Vitium cordis durch Muskelhypertrophie und verstärkte Muskel¬ 
kontraktion kompensiert werden kann. Beweisend für Stenosierung des 
Pylorus ist erst Magensteifung oder echte Antiperistaltik (Jonas), 
bei welcher eme echte Welle nach links abläuft. Zur Prüfung der 
motorischen Funktion kann man sich des einzeitigen Doppelm&hlzeit- 
verfahrens von Haudek oder einer zweizeitigen Untersuchung bedienen. 

Die sogenannte Prüfung auf „rohe Motilität“ ist so gut wie erledigt, 
im übrigen ergänzen sich die klinischen und röntgenologischen Motilitäts- 
prüfungen in sehr glücklicher Weise. 

Zur Pylorusprüfung kann man mit Vorteil 0,04 Papaverin sub- 
outan injizieren, um einen etwaigen Spasmus aufzuheben (Lal-Holz- 
knecht). Die Hypersekretion als Begleiterscheinung des Ulcus pepticum 
kann mitunter zu Täuschungen bezüglich der motorischen Funktion des 
Magens führen, indem sich immer neue Sekretmengen mit dem W ismut- 
brei mengen. Wir kommen damit zur speziellen Röntgendiagnostik. 
Im Gegensatz zu Haudek, nach dem bei Ulcus ventriculi stets Pyloro¬ 
spasmus auftritt, und zu Faulhaber, dem Pylorospasmus ein Ulcus 
ad pylorum beweist, hält ihn v. B. als eine wichtige, wenn auch keines* 
wegs regelmässige Begleiterscheinung des Ulous pept., als einen Point 
mehr, der bei der Diagnose hilft. Es kann jedenfalls auch ein fern- 
sitzendes Ulcus ventriculi oder duodeni mit oder ohne Hyperacidität 
Pylorospasmus auslösen, und endlich ein Ulcus pept. überhaupt fehlen* 
Analoges gilt vom Cardiospasmus, der beim Ulcus der Pars cardiaca 
häufig nacbgewiesen ist, aber auch bei pylorischem Ulcus und ohne Ulcus 
vorkommt. Ausserdem sind unter den gleichenVerhältnissenSandubr- 
spasmen bekannt, welche durch Kontraktion einer circularen Fadeo- 
, schlinge entstehen und innerhalb weniger Minuten auf benachbarte über¬ 
greifen und gelegentlich bis auf eine Strasse an der kleinen Kurvatur 
oder vollständig den Magen in 2 Säcke abschnüren können. Auch diese 


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9. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1803 


Spasmen sind einwandfrei ohne Ulcus bei Tabes, Hysterie and anderen 
Neurosen nachgewiesen worden, ebenso bei Ulcus duodeni. In mehreren 
Pallen von Ulcus praepyloricum sieht man einen totalen Antrum¬ 
spasmus, der zu völligem Füllungsdefekt der ganzen Partie führt, er 
findet sich aber wieder auch gelegentlich ohne Ulcus ventrieuli. Unge¬ 
mein häufig ist die Kombination von Sanduhrspasmus mit Pylorospasmus. 
Es kommen daher beim Sanduhrmagen Retentionen von 24 Stunden ohne 
anatomische Veränderungen des Pylorus vor. Das Nischensymptom 
(Haudek, Faulhaber) ist in Kombination mit Spasmus der gegen¬ 
überliegenden Wand auf Ulcus sehr verdächtig. Der Brei entleert sich 
aus der Nische entweder mit der übrigen Nahrung oder bleibt längere 
Zeit in ihr liegen, was auoh eher für Ulcus spricht. Von den Nischen 
gibt es fliessende Uebergänge bis zu den penetrierenden Uleera, bei 
denen sich ein richtiger Recessus mit Breiniveau mit stets darüber¬ 
liegender Luftblase nachweisen lässt. Diese oft ganz kleinen Höhlen 
geben die absolute Indikation zum operativen Eingriff. Bei der Diagnose 
des penetrierenden Duodenalulcus muss neben duodenaler Magen- 
motilität darauf geachtet werden, ob die Nische abseits vom sichtbaren 
Duodenum liegt und ein horizontales Niveau besitzt. Wichtig sind auch 
für die Lokalisation die Chole’sohen Füllungsdefekte. Perigastritische 
Verwachsungen mit oder ohne Zaoken kommen bei Ulcus, peritonealen 
Prozessen, Pankreassklerose, Perioholecystitis, Periduodenitis usw. vor. 
Bei den parapylorischen Ulcera (pylori und duodeni) kann man 
den hyperperistaltisohen Typ und den mazimalsekretorischen 
beim gleichen Fall abwechseln sehen. Bei letzterem findet man ent¬ 
sprechend dem nächtlichen Hangerschmerz mittels schwimmender und 
sinkender Kapsel kolossale Sekretmengen (vermehrte Intermediärschioht 
nach Schlesinger) mit Lokalisation des Schmerzes am Pylorus infolge 
des Pylorospasmus. Dauerbulbus und Zapfen sprechen nicht eindeutig 
für Ulcus duodeni, bloss im Zusammenhang mit Anamnese und gesamtem 
klinisohem Syndrom kann die Diagnose des Ulcus ventrieuli und duodeni 
mit Sicherheit gestellt werden, sie ist aber durch das Röntgenverfahren 
bedeutend erleichtert, verschärft und kann sich bei diesem auf sonst 
nicht eruierbare lokale Details stützen. 

Beim Carcinom lassen sich grosse medulläre Tumoren ohne Röntgen¬ 
bild meist leicht diagnostizieren, wichtig ist dagegen der Typ des 
skirrhösen Schrumpfmagens, der in extremen Fällen vollkommen 
unter dem linken Rippenbogen verborgen liegt. Der Pylorus ist dann 
nach links und oben verzerrt, offenstehend, der Magen hat Röhrenform, 
jegliche Peristaltik fehlt; die vorher häufig unklare oder falsche Diagnose 
kann auf den ersten Blick im Röntgenbild gestellt werden. Für die 
Diagnose von Cardiacarcinomen hat das Röntgenverfahren wegen der 
Unmöglichkeit ihrer direkten Palpation auch grosse Wichtigkeit, Insuffi¬ 
zienz der Cardia verrät sich durch fehlende Luftblase. Die Differential¬ 
diagnose zwischen callösem und carcinomatösem Sanduhrmagen gestaltet 
sich oft schwierig. Wichtig sind die Form (die gezackten Ränder) und 
die Lage der Füllungsdefekte. Auch zu einem carcinomatösen Infiltrat 
kann sich ähnlich wie beim Ulcus ein Antrumspasmus hinzuaddieren und 
ebensogut wie ein präpylorisches Ulcus können kleinste Scirrhen am 
Pylorus schwerste Stenosenerscheinungen hervorrufen. 

Während man bei negativem Röntgenbefund ein Ulcus ventrieuli 
oder duodeni nicht ausschliessen kann, ist ein vollkommen- normaler 
Röntgenbefund bei vorhandenem Magencarcinom eine grosse Seltenheit. 
Eine Frühdiagnose des Magencarcinoms gestattet allerdings das Röntgen 
nicht. Mit dem Röntgen verfahren können endlich die funktionellen 
Operationserfolge kontrolliert werden. 

Bei der Erkennung des Rektumcarcinoms leistet uns das Röntgen¬ 
verfahren in den Fällen gute Dienste, die durch Palpation und Rekto- 
skop nicht zugänglich sind. Man findet dann merkwürdig geformte 
Füllungsdefekte oder beim Einlaufen des Wismutklysmas ein absolutes 
Hindernis an einer Stelle, während von oben her keine hochgradige 
Stenose vorhanden zu sein scheint (ventilartige Verengerung). 

An instruktiven Bildern erläutert dann v. B., wie man bei Füllungs¬ 
defekten des Darmes infolge von Spasmen zu diagnostischen Trugschlüssen 
gelangen kann. Ein gefüllter Appendix ist ein Zufallsbefund, die Be¬ 
nutzung des Distinktors bringt uns gegenüber den bisherigen Methoden 
nicht viel weiter. Bei Colitis ulcerosa findet man Füllungsdefekte oder 
kleine Schattenreste (Stier 1 in). Verwachsungen sind erst bei wieder¬ 
holter Feststellung im Röntgenbilde anzunehmen (Fall von Verwachsung 
des Colon transversus mit Ligamentschlinge), ein rechtsseitiger hydro- 
nephrotischer Sack kann das Colon nach links und unten drängen. 

Die Radiologen haben versucht, das Obstipationsproblem restlos 
aufzuklären; nicht das eupeptische, sondern das motorische Moment sollte 
▼on ausschlaggebender Bedeutung sein. Doch kommen sie immer mehr 
von ihrem Standpunkt wieder zurück. Wir haben verschiedene neue Tat¬ 
sachen durch die Röntgenologie des Darmes kennen gelernt, die grossen 
und die kleinen Darmbewegungen, dass die Haustren nicht präformiert, 
sondern vom Reizungszustande des Darmes abhängig sind, durch einzelne 
Pharmaka hervorgerufen, durch andere zum Verschwinden gebracht werden 
können. Spastische und atonische Partien wechseln unter Umständen 
am Darm ab, alle diese neuen Tatsachen werden einmal bei der Lösung 
des Obstipationsproblems Verwendung finden, es ist aber verfrüht, schon 
jetzt eine Einteilung in hyper-, hypo- und dyskinetische Formen vorzu- 
nehmen oder nach rein lokalistisohen Gesichtspunkten eine proktogene 
Obstipation oder Dyschezie, einen Ascendens- und einen Descendenstypus 
*u unterscheiden. Je reicher unsere Erfahrung hier wird, desto zurück¬ 
haltender müssen wir in unseren Schlüssen sein. 


Diskussion. 

Hr. Boas-Berlin hebt hervor, dass v. Bergmann mit wohltuender 
Zurückhaltung vom Standpunkte des abwägenden Klinikers die Probleme 
behandelt hat. 

Hr. Ewald-Berlin möchte noch einmal ganz besonders unter¬ 
streichen, mit welch kühler, überlegener Kritik v. Bergmann die Resul¬ 
tate der Röntgenforsohung unseren bisherigen klinischen Erfahrungen 
gegenübergestellt hat. Auf dem internst. Kongress in London und im 
Verein für innere Medizin in Berlin hat E. eine Reihe von Beobachtungen 
mitgeteilt, welche eine deutliche Disorepanz zwischen dem alten Ver¬ 
fahren und dem Röntgenbefund zeigen, und hat Nutzen und Irrtum, die 
dem letzteren anhaften, hervorgehoben. 

Hr. Bauermeister-Braunschweig will den Ausdruck Sanduhrmagen 
nur für die Fälle mit echter anatomischer Stenosenbildung (sog. Bagger- 
sackphänomene) reserviert wissen. 

Hr'. Schütz-Wiesbaden bringt Kasuistisches vom Oesophaguskrampf 
und zur luetischen Duodenalstenose. 

Hr. Singer-Wien findet durch seine und Holzkneoht’s Unter¬ 
suchungen einen grossen Teil seiner schon früher als charakteristisch für 
spastische Obstipation bezeichneteo Befunde bestätigt, nämlich die dabei 
vorhandene Hypermotilität im proximalen und die Hypertonie im distalen 
Darmabschnitt. Die Tete der Kotmassen steht 6 Stunden nach der Mahl¬ 
zeit bereits an der Flex. lienalis. Ferner konnte S. zeigen,* dass das 
Maximum des Schmerzes der Lage nach genau dem Appendix entspricht, 
wenn man die schmerzhafteste Stelle mit einer Bleimarke versieht und 
unter Zuhilfenahme des Distinktors im Trochoskop nachkontrolliert. 
(Demonstration mehrerer lehrreicher, durch Operation verifizierter Fälle.) 

Hr. Lenz-St. Moritz lässt den Patienten mittels eines eigens kon¬ 
struierten Distinktors mit Bleiknopf selbst palpieren. Die Vorwärts¬ 
bewegung der Kotmassen wird durch eine Art Spritzschlauchmechanis¬ 
mus im Darm besorgt. Der retrograde Transport im Colon erfolgt passiv. 

Hr. Kraus - Semmering hält den Spasmus beim Sanduhrmagen für 
den Ausdruck einer Defense musculaire. 

Hr. Ad. Schmidt - Halle a. S. demonstriert einen durch Divertikel¬ 
bildung hervorgerufenen Sack des Duodenums, der die klinischen Sym¬ 
ptome einer recidivierenden Pancreatitis bot, das Röntgenbild wurde 
mittels direkter Füllung nach einer von David angegebenen und von 
Holzknecht aufgegriffenen Methode dargestellt, die vielleicht berufen 
ist, uns noch wichtige Aufschlüsse durch Darstellung von Teilen zu 
geben, welche bisher von dem Colon verdeckt wurden. Sehr dankenswert ist, 
dass v. B. sich in bezug auf das Obstipationsproblem mit so grosser 
Reserve ausgesprochen hat. Durch die Röntgenologen ist dabei das 
Hauptgewicht auf die motorischen Störungen verlegt worden, sioher ist 
aber, dass neben den Einflüssen des vegetativen Nervensystems auch 
der Inhalt des Darmes als veranlassendes Agens bei den verschiedenen 
Bewegungserscheinungen in Betracht kommt. Eine scharfe Trennung 
der atonischen von der spastischen Obstipation und der verschiedenen 
anderen Typen dürfen wir noch nicht vornehmen. 

Hr. L. Kuttner- Berlin: Durch die Einführung neuer Bezeichnungen 
haben die Röntgenologen die schon bestehende Verwirrung in der 
Nomenklatur noch gesteigert. Für die Diagnose der Magencarcinome 
leistet die Röntgenologie nicht viel mehr wie die klinische Unter¬ 
suchung. Bei der wichtigen Differentialdiagnose Gastritis anacida 
benigna oder Carcinom hat K. viele Fehldiagnosen erlebt, indem die 
Röntgenologen entweder einen Tumor sahen, der bei der Operation nicht 
vorhanden war, oder sicher palpable Tumoren übersahen. Bezüglich der 
Unterscheidung zwischen benigner und maligner Pylorusstenose reicht 
das Verfahren auch nicht aus. Ebensowenig ermöglichen die für die 
Differenzierung von Ulcus und Carcinom angegebenen Röntgenmerkmale, 
die beginnende maligne Umwandlung eines benignen Ulcus zu konsta¬ 
tieren. Die Frage der Operabilität ist durch das Röntgenverfahren auoh 
nioht zu entscheiden. Die Diagnose des Ulcus ventrieuli und duodeni 
wird in vielen Fällen durch das Röntgenverfahren gar nicht gefördert, 
ein normaler Befund schliesst sie aus, ihr Vorhandensein kann sich in 
den verschiedenartigsten Bildern äussern. Fälle von mir, die die 
Röntgenologen sioher als Ulcus duodeni diagnostizierten, stellten sich 
bei der Operation unter anderem als eiterige Appendicitis, Cholelithiasis 
oder als normales Duodenum heraus. In einem anderen Falle täusohte 
ein Ulcus duodeni im Röntgenbild ein Magencarcinom vor. Fälle von 
Carcinom der Sigmoidea wurden lange als Colitis ulcerosa angesehen, 
weil sie das angeblich charakteristische Bild nach dem Röntgenverfahren 
gaben. 

Fälle, die Röntgenologen als Darmcarcinome, Darmstenosen und 
Divertikeln feststellten, ergaben bei der Operation und Sektion nichts 
dergleichen. Aus diesen Erfahrungen sollen wir die Lehre ziehen, dass 
man bei der Deutung der Röntgenbilder viel vorsichtiger und kritischer 
Vorgehen soll, als es heute geschieht, und die Röntgenuntersuchung nioht 
in den Vordergrund stellen darf. Namentlich soll den Röntgenologen 
nicht die Diagnose allein überlassen und noch weniger nach oberfläch¬ 
licher klinischer Untersuchung bloss auf Grund eines zweifelhaften 
Röntgenbildes den Patienten der ernste Rat zu einer Operation gegeben 
werden. Deckt Bich die klinische Untersuchung nicht mit dem Röntgen¬ 
bild, so ist man nicht berechtigt, den klinischen Befund zugunsten des 
letzteren aufzugeben. Grosse Bedeutung beansprucht hingegen das 
Röntgenverfahren bei dem Studium der Magen- und Darmbewegungen 
unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen. Eine tatsäch¬ 
liche Bereicherung unserer Kenntnisse haben wir nur dann zu erwarten, 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1804 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 45. 


wenn kritisch denkende und erfahrene Kliniker und routinierte Röntgen¬ 
spezialisten sich zu gemeinsamer Arbeit miteinander verbinden. 

Hr. Hausmann - Rostock glaubt auf Grund umfangreicher Pal¬ 
pationsuntersuchungen, dass die spastische Obstipation nicht existiert. 

Hr. Rosenfeld - Breslau: Bei der Schaffung des Namens Gastro- 
ptose hat man die Vorstellung gehabt, dass der horizontale Magen als 
Ganzes heruntergefallen sei; das gibt es aber gar nicht, denn der Fundus 
bleibt ruhig in seiner Lage, und es verlängert sich nur vorübergehend 
der untere Teil des Magens. 

Hr. Jakob ist geneigt, schon einen 4 Stundenrest als pathologisch 
anzusehen. Nach Papaverin gaben verringerte sich die Austreibungszeit 
bei Pylorospasmus von 6 auf 3 Stunden. 

Hr. v. Bergmann (Schlusswort) ist über das ihm gespendete Lob 
etwas erschrocken, denn sein kritisches Bemühen ist offenbar von allen 
konservativen Seiten so aufgefasst worden, als ob man mit dem Röntgen¬ 
verfahren nichts erreiohen könne. Dagegen muss sich Ref. energisch 
wenden. Für den Begriff der Ektasie wird von Boas immer die Kom¬ 
bination von Ptose mit motorischer Insuffizienz postuliert. 

Hr. Ewald: Unser Programm ist erschöpft. Ich brauche nicht zu 
sagen, welchen erfreulichen Verlauf unsere Tagung genommen hat. 
Glänzend ihn zu nennen, wäre etwas Aeusserliches. Sie hat uns aber 
innerlich weiter gebracht und unsere Kenntnisse bedeutend gefördert; 
sie hat uns praktisch und theoretisch genützt, und so glaube ich, dass 
jeder das Gefühl vollster Befriedigung mit sich fortnehmen wird. Auf 
Wiedersehen im nächsten Jahre! 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die Akademie für praktische Medizin in Köln be¬ 
steht mit dem Oktober 1914 zehn Jahre. Es war eine besondere Feier 
geplant, die aber in Hinsicht auf den Krieg selbstverständlich unterblieb. 
Eine Festschrift, die im Oktober erscheinen sollte, wird, wenn auch mit 
Verzögerung, noch herausgegeben werden. An den Kursen der Akademie 
haben im ganzen 3221 Aerzte teilgenommen. Mit ihr ist eine Kranken¬ 
pflegeschule verknüpft, an der in einjährigen Kursen bisher 167 Schülerinnen 
ausgebildet wurden. Kurse für Missionare und Missionarinnen wurden 
von 114 Personen besucht. 

— Die Vereinigung mitteldeutscher Neurologen und Psychiater hat 
ihre Tagung auf das nächste Jahr verschoben. 

— Prof. Sigmund Gottsohalk, der Leiter der gynäkologischen 
Abteilung am jüdischen Krankenhause zu Berlin, ist nach längerem Leiden 
verstorben. Gottsohalk war am 21. Oktober 1860 zu Königsfeld in der 
Rheinprovinz geboren; seine spezielle Ausbildung als Frauenarzt ver¬ 
dankte er besonders Carl Schröder und Leopold Landau; er habi¬ 
litierte sich in Berlin 1889. Unter seinen zahlreichen Arbeiten sind be¬ 
sonders die histologischen Untersuchungen über die von den Piacentar- 
zotten ausgehenden bösartigen Neubildungen (Chorion-Epitheliome) 
allgemein bekannt und beachtet worden. 

— Eine Trauerfeier für den Generalarzt des V. Armeekorps, General¬ 
arzt Dr. Korsch, dessen Tod wir vor kurzem meldeten, fand am 5. d. M. 
auf dem Dahlemer Friedhofe statt. 

— Verlustliste. I. Gefallen: Einj.-Freiw. Bollerboff, stud. 
med. Stabsarzt Dr. Eberling, Inf.-Reg. Nr. 18. Oberarzt d. L. 
Dr. Hildenstab. Einj.-Freiw. W. Hösel, stud. med. Kriegsfreiw. 
F. Jahn, stud. med., Inf.-Reg. Nr. 106. Unterzarzt G. Link, Inf.-Reg. 
Nr. 112. Oberarzt Dr. R. Schlüter, 5. Bayr. Res.-Korps. Einj.-Freiw. 
W. Servatius, stud. med., Inf.-Reg. Nr. 113. Leutnant d. R. Dr. 
W. Steudell, Leutnant d. R. Prof. Dr. R. Stumpf, Privatdozent für 
Pathologie in Breslau. Assistenzarzt d. R. Dr. Weichsel, Inf.-Reg. 
Nr. 102. Offizierstellvertr. Wenzel, cand. med. Einj.-Freiw. B. Ziegler, 
stud.med. — II. Verwundet: OberstabsarztDr.Fülleborn. Assistenzarzt 
d. R. Dr. P. Hönsch. Oberarzt d. R. Dr. v. d. Kamp. Assistenzarzt 
Dr. Koopmann. Oberarzt d. R. Dr. Maicher. Unterarzt Dr. H. Müller. 
Oberarzt Dr. Noeske. Stabsarzt d. R. Dr. Rinteln. Assistenzarzt d. R. 
Dr. Rosenbäum. Stabsarzt Dr. Sehlem minger. Oberarzt d. R. Dr. 
Siebenhaar. Unterarzt Dr. Tietz. Assistenzarzt d. R. Dr. Beiss. 
Generaloberarzt Dr. Ziem an n. — III. Gestorben: Stabsarzt d. R. 
Dr. E. Ehrle-Freiburg i. B. 

— Volkskrankheiten. Pest. Türkei (30. IX.) 1. Brasilien 
(1.—15. VIII.) 2f. — Cholera. Oesterreich (11.—17. X.) 175 und 
104 f- Ungarn (11.—17.X.) 281. Kroatien-Slavonien (11.—17. X.) 
4. — Genickstarre. Preussen (18.—24. X.) 5 und 1 +. — Spinale 
Kinderlähmung. Preussen (18.—24. X.) 4. Schweiz (11.—17. X.) 1. 

— Ruhr. Preussen (18.—24. X.) 774 und 10 f. Oesterreich 
(4.—10. X.) 2581 und 92f- — Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen 
starb an Scharlach in Bottrop, Buer, Gleiwitz, Thorn, Zabrze, Masern 
und Röteln in Beuthen, Diphtherie und Krupp in Bottrop, Gera, 
Hamborn, Lehe, Wilhelmshaven, Typhus in Kattowitz. 

Hooh sch ulnachrichten. 

Bonn. Prof. Thomsen, Privatdozent für Psychiatrie, ist gestorben. 

— Halle a. S. Privatdozent Dr. W. Schürmann aus Bern, der zu 


diesem Winterhalbjahr nach Halle an das Hygienische Institut über¬ 
siedeln wollte, ist durch den Ausbruch des Krieges an der Verwirk¬ 
lichung dieser Absicht verhindert worden und kann daher erat smh 
Beendigung des letzteren seine neue Stellung antreten. — Zürich. 
Habilitiert: Dr. von Gonzenbach für Hygiene. 


Aufruf zur Errichtung einer Hilfek&sse. 

Kollegen in Stadt und Land! 

Das Vaterland hat gerufen. Millionen wehrfähiger Deutscher stehen 
jenseits unserer Grenzen in Ost und West, den heimischen Herd za 
schirmen und dem Feinde das Betreten des deutschen Bodens zu wehren. 
In seltener Einmütigkeit wetteifern Regierungen und Volksvertretung 
Öffentliche und private Körperschaften in den Werken der Nächstenliebe 
und der Fürsorge für unsere tapferen Brüder im Felde, und zur Ab¬ 
wehr der wirtschaftlichen Nöte, die der furchtbare Krieg über alle 
Schichten der Bevölkerung gebracht hat. In glänzendem Lichte erstrahlt 
der Opfersinn und die Gebefreudigkeit aller, ob vornehm oder gering, ob 
reich oder arm, aller, die daheim geblieben sind, daheim bleiben müssen. 
Wir deutschen Aerzte stehen wahrlich nicht abseits. Viele Tausende 
von uns sind mit binausgezogen in Feindesland, um draussen auf der 
Walstatt den sterbenden Helden Linderung ihrer QualeD, den Blutenden 
Hilfe, und den Kranken Beistand zu bringen, Tausende wirken in der 
Beimat in den LazaretteD und den Krankenhäusern im Dienste des 
Roten Kreuzes. Nicht wenige starben den Heldentod fürs Vaterland, 
gar viele mussten Weib und Kind verlassen, ohne weiter für sie sorgen 
zu köaoen. Zwar hat schon mancherorts kollegialer Zusammenhalt und 
ärztlicher Gemeingeist Vorsorge getroffen, vorübergehende Not zu lindern. 
Es handelt sich aber um mehr, es handelt sich darum, einzutreten für 
die, welche ihr Leben für ihr Vaterland dahingegeben und ihre Familien 
nun in Kummer, Sorgen und Entbehrungen zurückgelassen haben. Dazu 
brauchen wir grosse Mittel. Die vorhandenen, wenn auch mit gutem 
Erfolge arbeitenden örtlichen Einrichtungen genügen nicht; wir brauchen 
eine gut ausgestattete Hauptkasse, um allenthalben mit vollem Nach¬ 
druck eingreifen zu köonen. Darum haben wir beschlossen, eine Hilfs- 
kasse zur Linderung der Kriegsnot in Aerztekreisen zu er¬ 
richten und wenden uns nun an alle Kollegen in Stadt und Land mit 
der Aufforderung: Gebt alle und gebt reichlich! Wir wenden uns aber 
auch au alle Aerztekammern und die ärztlichen Vereine. Viele Kammern, 
aber auch die vielen wissenschaftliche und gesellige Zwecke verfolgenden 
Vereine werden in diesem Kriegsjahre ihre Einnahmen nicht verbrauchen 
und werden ansehnliche Beträge aus ihrem Vermögen spenden können. 

Denkt aber auch an die Witwengabe des Leipziger Ver¬ 
bandes! Auch hier hat der Krieg Not und Sorgen vermehrt, auch 
hier müssen wir in diesem Jahre mit voller Hand geben können. Gar 
manche Witwe, die sich bisher aus eigener Kraft eine bescheidene Existenz 
hat schaffen können, hat der Krieg um die Erwerbsmöglichkeit gebracht, 
sie wenden sich jetzt um Hilfe an die Witweogabe. Und die Hilfs¬ 
bedürftigen, welche wir bisher regelmässig haben bedenken können, sind 
bei der jetzigen Teuerung mehr denn je auf unsere Hilfe angewiesen. 

Darum gebt, gebt alle — zu allem anderen — auch noch zur Er¬ 
füllung dieser heiligen Pflicht, zur Linderung der Not in unseren eigenen 
Kreisen. Tretet einer für den anderen ein! Treue um Treue! 

Leipzig, im Oktober 1914. 

Der Vorstand des Leipziger Verbandes 
Hartmann. 

Der Vorsitzende des deutschen Aerztevereinsbundes 
Dippe. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: San.-Rat Dr. 
Knipping in Neuwied. 

Königl. Kronen-Orden 2. Kl: dem bisherigen Direktor der Irrenanstalt 
Dalldorf, Geh. Med.-Rat Dr. Sander in Cbarlottenburg. 

Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: ordentl. Professor in der medizinischen 
Fakultät der Universität in Marburg, Geh. Med.-Rat Dr. Tuczek. 

Niederlassungen: Dr. W. Thiede und Dr. J. Kaotak in Bromberg, 
Dr. S. Wolf in Gnesen, Dr. H. H. Berg in Altona, Dr. E. Naef in 
Wandsbek, H. Dorner und W. Freise in Gadderbaum, B. Tem¬ 
ming und W. Krone in Bonn, Dr. E. Heuser, A. Binbol<L 
H. Burkard und K. L. Pesch in Cöln, Dr. H. von Holtum und 
H. A. Rieping in Cöln-Deutz. _ 

Verzogen: Dr. Th. Weynerowski von Königsberg i. Pr. nach hrom- 
berg, Dr. J. Ipland von Freiburg i. B. nach Apenrade, m. 
A. Schreiber und Dr. 0. Beyse von Berlin nach Altona, u* 
H. Wodrig von Stuttgart nach Kiel, Dr. K. Finkh von Dortm 
nach Esslingen, Dr. H. Kaufmann von Bonn nach CöId. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: San.-Kat 
P. Schwarz von Cöln. 

Gestorben: San.-Rat Dr. L. Wolf in Gnesen. _. 

Fßr die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bsyrenth«Straasa 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



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l>f < «1 la^Bue hh »nd Iu tigon und Po«an»Llten an. 


berliner 


Alle Einsendungen für die Redakti^ and Expedition 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hlrachwaid in Berlin NW., Unter den Undou 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgehung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

finli Med.-R»t Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hass Rohn. August üirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 16. November 1914. 


M 46 . 


Einundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Originalien: Melchior: Zur Kasuistik der Verwundungen durch in¬ 
direkte Projektile. (Aus der Breslauer chirurgischen Klinik.) 
(Illustr.) S. 1805. 

Döllken: Heilung der Neuralgie und Neuritis durch Bakterien¬ 
toxine. S. 1807. 

Finder und Rabinowitsch: Experimentelle Versuche über den 
Einfluss behinderter Nasenatmung auf das Zustandekommen der 
Inhalationstuberkulose. (Aus dem pathologischen Institut der 
Universität Berlin.) S. 1809. 

Münzer: Die Grenzen der Organtherapie. S. 1812. 

Hesse: Beeinflussung der Wassermann’schen Reaktion durch Em- 
barin und Merlusan. (Aus der Grazer dermatologischen Klinik.) 
S. 1814. 

Scharff: Zur Prophylaxe und Therapie der Geschlechtskrankheiten 
im Felde. S. 1816. 

Fulri: Ueber die Behandlung der Durohfälle im Felde. S. 1818. 

Bttehertesprechnngen: Bacmeister: Die Entstehung der menschlichen 

Lungenphthise. S. 1819. (Ref. Rabinowitsch.) — Bleuler, Freud 


Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor: 
Geheimrat Prof. Dr. H. Küttner, Generalarzt a Ia suite 
der Marine, zurzeit im Felde.) 

Zur Kasuistik der Verwundungen durch 
indirekte Projektile. 

Von 

Dr. Edi&rd Melchior, Assistent der Klinik. 

Von indirekten Projektilen wird gesprochen, wenn irgendein 
beliebiger, fester, in der Nähe des Zieles befindlicher Gegenstand 
von einem anftreffenden Geschoss oder der Sprengwirkung explo¬ 
dierender Körper mit lebendiger Kraft begabt seinerseits zu einer 
selbständigen Geschosswirkung gelangt. Objekte der äusseren 
Umgebung der Kämpfenden, wie Steine, Mauer werk, Holz, Glas 
kommen in dieser Hinsicht in Betracht; häufig sind es aber auch 
Teile der eigenen Ausrüstung — wie Knöpfe, Helmbeschlag, feste, 
in den Taschen getragene Gegenstände —, die in dieser Hinsicht 
für den Träger verhängnisvoll werden können. 

Dem Bestreben, sich nach Möglichkeit gegen indirekte Pro¬ 
jektilwirkung aus der äusseren Umgebung zu schützen, sehen 
wir am augenfälligsten im Seekampfe Rechnung getragen, zu 
dessen Vorbereitung es gehört, dass das Oberdeck von allen ent¬ 
behrlichen, leicht zerschellenden Gegenständen freigemacht wird 
unter ausgiebiger Verwendung von Scbutzbekleidungen durch 
Torpedonetze, Segeltücher usw. Hinsichtlich der indirekten Pro¬ 
jektilwirkung seitens der unmittelbaren, eigenen Ausrüstung ist 
uatnrgemäss eine entsprechende Prophylaxe nicht durchführbar, 
doch sollte es wenigstens vermieden werden, ausge¬ 
sprochen 8plitterungsfähige und nicht unumgänglich an 
Ort und Stelle erforderliche Gegenstände an besonders 
exponierten Teilen des Körpers zu tragen. 

Ich meine hiermit speziell das nicht nur bei den Truppen- 
führern, sondern auch bei den Mannschaften sehr beliebte Tragen 
der Uhr am linken Handgelenk. 

Bekanntlich ist nämlich beim Infanteriegefecht im Schützen¬ 


und Jung: Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische 
Forschungen. S. 1819. v. Scbrenck-Notzing: Der Kampf um 
die Materialisationspbänomene. S. 1819. Harter: Das Rätsel der 
denkenden Tiere. S. 1819. (Ref. Seiffer.) 

Literatir-Anszüge: Therapie. S. 1819. — Innere Medizin. S. 1820. — 
Kinderheilkunde. S. 1820. — Chirurgie. S. 1820. — Röntgenologie. 
S. 1821. — Militär-Sanitätswesen. S. 1822. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische 
Gesellschaft. Frank: Ein Fall von totaler Alopecie nach Unfall. 
S. 1822. Virchow: Situs der Thoraxeingeweide bei spitzwinkliger 
Kyphose. S. 1823. Krusius und Borchardt: Ein neuer Apparat 
zur Refraktionsbestimmung bei Schulkindern. S. 1823. Skalier: 
Die Untersuchung des Magens mittels Sekretionskurven. S. 1823. — 
K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. S. 1824. 

Kriegsärztliche Abende. S. 1825. 

Münzer: Kriegsskizzen. S. 1827. 

Tagesgeschiohtliche Notizen. S. 182S. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1828. 


graben oder in liegender Stellung, neben dem Kopfe ganz be¬ 
sonders die linke obere Extremität, und zwar namentlich in den 
distalen Partien, der Feuerwirkung des Gegners ausgesetzt. 

So fanden Coenen und seine Mitarbeiter, die neuerdings 
hieraaf besonders bingewiesen haben, unter dem Material des von 
ihnen in Saloniki während des zweiten Balkankrieges versorgten 
Lazaretts gegenüber 12 Frakturschüssen der rechten Mittelhand 
38 links lokalisiert; 7 Schussfrakturen des rechten Unterarms 
standen 24 der linken Seite gegenüber. 1 ) 

Es muss demnach a priori als unzweckmässig erscheinen im 
Gefechte gerade an so hervorragend für Geschosstreffer dispo¬ 
nierter Stelle einen Gegenstand zu tragen, der, leicht zerschellend 
wie die Uhr, ein überaus gefährliches indirektes Projektil dar¬ 
stellt, das zu Verletzungen Anlass geben kann — ganz ähnlich 
wie ein Schrotschuss aus nächster Nähe — von ausgesprochen 
explosivem Charakter. 

Es lehrt dies folgende persönliche Beobachtung: 

K. D., Unteroffizier, 39 Jahre alt, verwundet am 15. X. 1914 in 
Russisch-Polen durch Schrapnell. Eine Kugel traf den linken Oberarm, 
eine andere gleichzeitig die Streckseite des linken Handgelenks und zwar 
gerade die hier getragene Uhr, die völlig zerschmettert wurde. Erster 
Verband mit Wundpäckchen 3 Stunden später. Trifft, Dach Breslau 
evakuiert, hier am 18. X. ein. Befund (vgl. Abbild. I): Stark jauchig 
durchtränkter Verband. Vorderarm bis über den Ellenbogen erheblich 
geschwollen. Ueber dem Handgelenk auf der Rückseite grosse unregel¬ 
mässige Wunde — in die man bequem 2 Finger legen könnte —, das 
stark zertrümmerte vordere Radiusende liegt darin frei, ebenso die 
proximale Gelenkfläche der Handwurzel. Weichteile völlig zerfetzt, an 
den Rändern gangränös, Wunde dabei völlig trocken. An der linken 
Beugeseite des Oberarms im oberen Drittel ein kleiner Einschuss. Um¬ 
gebung unverändert (Scbrapnellsteckschuss). 

Das Röntgenbild (Abbild.2) zeigt die hochgradige Zertrümmerung 
des vorderen Radiusendes sowie mehrerer Handwuraelknochen; die Weich¬ 
teile der Umgebung sind wie gespickt mit Metallsplittern verschiedenster 
Grösse und Form. 

Der Verlauf war bisher fieberhaft; eine Demarkierung der Gangrän 


1 ) Bruns’ Beitr., 1914, Bd. 91, H. 1 und 2. 


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1806 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 



Abbildung 1. Abbildung 2. 



Abbildung 3. 

A. W., Schussverletzung des Handgelenks mit Fraktur des Naviculare, wahrscheinlich durch Infan¬ 
terieprojektil. Verwundet am 9. LX. 1914 in Russisch-Polen. Vollkommene Wiederherstellung inner¬ 
halb von 6 Wochen bis auf geringe Beeinträchtigung der aktiven Streckfähigkeit. — Zum Vergleiche! 

Aus den oben angeführten Gründen halte ich nun 
aus schwere Verletzung für eine nicht rein zufällige, son ß 
war nach den gegebenen Voraussetzungen unter einem gro 
Verwundetenmaterial zu erwarten. Von einer zwel . e or ; T ate 
letzung durch diesen Mechanismus erfuhr ich durcd p 

werden. 


hat noch nicht stattgefunden, einige Knochensplitter — Metallsplitter 
eines Uhrgehäuses sowie ein kleines Fragment einer Schrapnell- 
kueel — haben sich ausgestossen. Auch wenn es gelingen wird die 
' Rand zu erhalten, kann ein befriedigendes funktionelles Resultat — 
bei der hochgradigen Zerstörung des Streckapparates — nicht erwartet 


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- ür i g ii ~i l fron 

UNIVERSITY OF IOWA 





















16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1807 


Mitteilung. Ich iweifle nicht, dass sich auch an anderen Laza¬ 
retten ähnliche Beobachtungen wiederholen werden. Ich möchte 
daher, so bequem auch för den sonstigen Heeresdienst das Tragen 
der Uhr am linken Handgelenk sein mag, för das Gefecht 
selbst davor warnen 1 ). 

Wenn man vergleicht, wie günstig die gewöhnlichen, durch 
Infanterieprojektil oder Schrapnell verursachten Schussverletzungen 
der Handgelenksgegend zu verlaufen pflegen (s. Abbildung 3), 
so durfte diese Mahnung sicherlich nicht unberechtigt sein; jeden¬ 
falls erschien es geboten, eine derartige Beobachtung der allge¬ 
meinen Kenntnisnahme nicht vorzuenthalten. 


Heilung der Neuralgie und Neuritis durch 
Bakterientoxine. 

Von 

Prof. Dr. Dö'llken- Leipzig. 

Interkurrente Eiterungen an irgend einer Körperstelle haben 
im allgemeinen auf den Verlauf einer Neuritis und Neuralgie keinen 
erkennbaren Einfluss. Doch habe ich in den letzten Jahren einige 
wenige Fälle gesehen, die lange Zeit jeder Therapie getrotzt 
hatten und dann unter der Einwirkung eines Eiterungsprozesses 
in wenig Tagen zar Heilung kamen. 

1. F., Kaufmann, 52 Jahre alt. Neuritis nervi cutanei femoris late¬ 
ralis sinistri. Schmerzen und Anästhesie im Gebiet des befallenen Nerven 
seit 4 Monaten. Massige Besserung durch Chinin und Galvanisation. 
Naoh 4 monatlicher Behandlung grosser Furunkel im Nacken. Heilung 
der Schmerzen und fast völliges Verschwinden der Anästhesie in 6 Tagen. 

2. Frau B., 32 Jahre alt. Neuralgia nervi supraorbitalis sinistri. 
Seit 5 Wochen jeden Abend 8—10 Uhr sehr heftige Sohmerzanfälle. 
Chinin und Galvanisation bringen geringe Besserung. Nach 3 wöchentlicher 
Behandlung infizierte Wunde am rechten kleinen Finger. Gleich nach 
Beginn der Eiterung bessern sich die neuralgischen Schmerzen und sind 
nach drei Tagen dauernd geheilt. 

Es lag nahe, der Hyperleukocytose und den Leukocyten- 
produkten die heilende Wirkung zuzuschreiben, zumal die häufig 
günstig wirkenden heissen Bäder und heissen Umschläge Leuko- 
cytose verursachen. 

Versuche mit chemischen Mitteln, die neben kräftiger Stoff¬ 
wechselanregung Leukocytose bedingen, brachten in keinem Fall 
einen deutlichen Erfolg. Ich verwandte innerlich oder snbcutan 
Jod präparate, Pilocarpin, nukleinsaures Natrium. Zweimal beob¬ 
achtete ich, dass durch Jodnatrium eine beträchtliche Verschlim¬ 
merung der Neuralgie hervorgerufen wnrde. 

3. Frau LÖ., 75 Jahre alt. Arteriosklerose. Schwere Intercostal- 
neuralgie. Bedeutende Besserung durch Chinin und Oxychinothein, die 
nach Aussetzen der Medikation anhielt. Zweimaliger Versuch zu ver¬ 
schiedenen Zeiten Jodnatrium 2,0 täglich zu verabreichen, brachte jedes¬ 
mal eine sehr heftige Exacerbation der Neuralgie, die dem Chinin bald 
wieder wicb. 

4. Frau La., 68 Jahre alt Arteriosklerose. Schwere Trigeminus¬ 
neuralgie seit vielen Jahren. Entfernung des II. Trigeminusastes durch 
Herausdrehen ohne Erfolg. Auf Jodnatrium, Jodtropon und Sajodin jedes¬ 
mal heftige neuralgische Anfälle, besonders schwer und andauernd, als 
die Jodnatriumtherapie 8 Tage lang fortgesetzt wurde. 

Den Kolloidmetallen Elektrargol, Elektroplatinol kommt neben 
der Lenkocytose verursachenden auch noch baktericide Wirkung 
zu. Sie leisteten mir recht gute therapeutische Dienste bei den 
häufigen Gelenkneuralgien des Schalter- und Kniegelenks, die mit 
geringer oder fehlender Schmerzhaftigkeit des Gelenks einbergehen. 
Wirkung auf die primäre Affektion günstig. 

Nach meinen Versuchen musste es als ausgeschlossen gelten, 
dass durch Leukocytose allein mit oder ohne Fieber Neuralgie 
und Neuritis geheilt werden kann. Die Leukocytose vermag nicht 
einmal die in gewissen Fällen reizende Wirkung des Jod zu 
mindern. 

Bei meinen therapeutischen Studien bei Tabes hatte ich 
1912/13 festgestellt, dass gewisse Bakterienprodukte eine energische 
Wirkung auf erkrankte periphere Nerven haben. 

Vaccine ans abgetöteten Bakterien. 

Zuerst versuchte ich in Anlehnung an meine Beobachtungen 
von der Heilwirkung interkurrent aufgetretener Furnnkel auf 

1) Bei einem in ambulanter Behandlung der Klinik befindlichen 
Kommilitonen F. L., dem am 22. August vor Longwy ein Granat¬ 
splitter an der gleichen Stelle von der Streckseite aus das Handgelenk 
durchschlagen hatte, war glücklicherweise die dort getragene Uhr nach 
oben geratscht, so dass nur das Lederband zerrissen wurde. — Günstiger 
Wund verlauf. 


Nenritis polyvalente Streptokokkenvaccine und auch polyvalente 
Stapbylokokkenvaccine zu injizieren. Wiederholte Subcutan- 
injektionen von kleinen Dosen, etwa 20—50 Millionen Keimen, 
hatten keine therapeutische Wirkung. Grössere Dosen von 100 
bis 500 Millionen Keime führten nnr zu wenig besseren Resultaten. 

Ebenso unbrauchbar erwiesen sich die Vaccine von Psendo- 
diphtheriebadllen. 

Etwas stärker wirksam waren die Vaccine des Bacillus pro- 
digiosus und die des Bacillus pyocyaneus, noch besser die des 
Dysenteriebacillns (Shiga-Kruse). -Die beiden letzten Vaccine 
hatten den recht unbequemen Uebelstand, dass sie bei jüngeren 
Individuen stets eine allzu heftige Lokalreaktion verursachten. 

Die Darstellung der Vaccine war die übliche aus frischen 
Kulturen. Die Abtötung der Bakterien geschah durch Hitze oder 
durch Pbenolzusatz. 

Jedenfalls konnte ich mich bei diesen Versuchen überzeugen, 
dass die Vaccine der Bakterien, welche überhaupt eine stärkere 
nenrotoxische Wirkung haben, auch den grösseren therapeutischen 
Einfluss auf neuritiscbe und neuralgische Prozesse ausüben. 

Autolysierte Vaccine. 

Frische (24 Stunden) abgetötete Kulturen verschiedener Bak¬ 
terien wurden mit Kochsalzlösung 0,8 pCt. abgeschwemmt und in 
der Wärme einer verschieden lange dauernden Autolyse unter¬ 
worfen. 

Alle verwandten Präparate hatten einen günstigen Einfluss 
auf die neuralgischen und neuritiseben Erscheinungen. 

Am schwächsten wirkte das wiederholt injizierte Antolysat 
der PseudodiphtberiebaciUen, etwas besser das des Ba¬ 
cillus prodigiosus, noch besser in gradueller Stufenfolge die 
Autolysate des Staphylococcns, des Bacillus pyocyaneus, 
Bacillus Shiga-Kruse. Mit den letzten gelang es in wenigen 
Fällen rasch Erfolge bei Neuralgie zu erzielen. 

Das Staphylokokkenautolysat bat den grossen Nachteil 
der relativ raschen Vergänglichkeit. Von der Verwendung des 
Antolysats des Dysenteriebacillns, welches auch noch 
sonstige schätzenswerte therapeutische Eigenschaften besitzt, 
musste ich bald Abstand nehmen, weil die Patienten infolge der 
heftigen, lange dauernden Lokalreaktionen auch bei deutlichstem 
Erfolg Aenderung der Therapie verlangten. 

Bakterienextrakte. 

Sehr verdünnte Pyocyanase, 1 : 300—1:100 ccm, hatte noch 
einen gewissen Erfolg, der aber in den wenigen Versuchsfällen 
nicht nachhaltig genug war. 

Alttuberkulin (Koch) wirkte in Dosen von 0,00005 bis 
0,002 bei einigen Neuralgien des Trigeminus nicht tuberkulöser 
Individuen günstig. Die Attacken wurden milder and seltener. 
Das Tuberkulin bat jedoch die Schattenseite, dass allzu schnell 
Immunität gegen das Mittel eintritt, wenn die Dosen nicht stärker 
gesteigert werden. Mit der Immunität gegen die betreffende Dosis 
lässt bald die Wirkung auf die erkrankten Nerven erheblich nach. 
Grössere Dosen, bei denen auch die Hyperleukocytose als wichtiges 
Hilfsmittel für die Heilung hinzugekommen wäre, habe ich der 
anangenehmen Allgemeinreaktionen wegen nicht verwandt, da mir 
bequemere Mittel zur Verfügung standen. Bei geeigneten Tuber¬ 
kulöse» mit Neuralgien oder Neuritiden habe ich das Mittel bis¬ 
her nicht verwenden können. 

Toxine (Sekretionsprodukte der Bakterien). 

a) Dysenterietoxin. Ansgezeichnet in seiner energischen 
Wirkung auf den neuralgischen Krankheitsprozess war in 2 Fällen 
ein DysenteriebaciLlustoxin (Shiga-Kruse) nach Horimi. Leider 
eignet es sich nor für heroische Naturen, denen länger dauernde, 
sehr schmerzhafte Schwellungen gleichgültig sind. 

h) Staphylokokkentoxin. Dagegen erwies sich ein Sta- 
pbylokokkentoxin als sehr wertvoll. Es gelang, aus älteren 
Kulturen im flüssigen Nährboden ein ziemlich gleichmässiges Prä¬ 
parat herzustellen, welches etwa 4 Monate haltbar ist. Die Ge¬ 
winnung erfolgt durch einfache Filtration. Zusatz eines Kon¬ 
servierungsmittels ist unnötig. 

Injiziert habe ich es bei schweren Trigeminnsneuralgien, 
Neuritis ischiadica, Neuritis plexus brachialis, Facialislähmung. 

Die erste Versuchsinjektion von 1 / 1QQ — 1 ( 60 ccm der Stamm¬ 
lösung verläuft fast immer reaktionslos. Dosen von 1 / 30 — V 20 ccm 
verursachen nach der 2.—4. Injektion eine stärkere oder geringere 
Infiltration und Rötung an der Injektionsstelle, die bis zu 5 Tagen 
andauern kann und anfangs etwas schmerzhaft ist. Dann hören 
die Reaktionen anf, wenn die Dosis nnr bis V 10 oder l / 8 ccm ge- 

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1808 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


steigert wird. Herdreaktionen im erkrankten Nerven sind bei den 
therapeutischen Dosen meist deutlich und charakteristisch. 

Grosse Dosen, weiche für die Therapie nicht mehr in Frage 
kommen, bedingen sehr starke Lokal-, Herd- und Allgemein¬ 
reaktionen. 

Während ich bei allen andern versuchten Bakterienpräparaten 
eine wirklich deutliche negative Phase Wright’s nur ‘ausnahms¬ 
weise feststellen konnte, nur Dysenterie lässt sie selten vermissen, 
fehlt bei Stapbylokokkentoxin die negative Phase schon nach 
untermittleren Dosen kaum jemals. Ihre Dauer beträgt bei mitt¬ 
leren Dosen von l /io ccm an 2 Tage. Sie äussert sich klinisch 
in Abgescblagenheit, Schmerzen im Krankheitsherd, protrahierter 
Temperaturerhöhung. Injiziert man während der Phase, so kann 
mau ein glattes Recidiv der Neuralgie erleben (Fall Nr. 6). Da¬ 
gegen wirkt die Injektion einer nicht zu grossen Dosis gleich nach 
Ablauf der negativen Phase günstig, obwohl sofort wieder eine 
negative Phase erscheint. Weniger guten Erfolg erzielte ich, wenn 
ich nach dem Abklingen noch 2—4 Tage wartete, um eine posi¬ 
tive Phase mit höherem opsonischen Index zu haben. Es er¬ 
scheint daher fraglich, ob den Opsoninen eine wesentliche Rolle 
in diesem Heilungsprozess der Neuritis und Neuralgie zukommt. 

Nebenwirkungen. Schon mittlere Dosen von Vio ccm er_ 
höben oft die Körpertemperatur für die ganze Dauer der Kur und 
noch für 1 — 3 Wochen nachher um 0,3—0,5° C. dauernd. Diese 
Temperaturerhöhung hat nichts mit der negativen Phase Wright’s 
zu tun. Erwähnung verdient noch der Einfluss des injizierten 
Staphylokokkentoxins auf die Darmtätigkeit im Sinne einer leichten 
Hemmung. Die resultierende Obstipation ist unschwer zu heben. 

Geeignet für die Therapie mit Stapbylokokkentoxin sind die 
schweren Fälle von Neuralgie und Neuritis, zumal die auf in¬ 
fektiöser Basis entstandenen. 

Zur Kur injiziere ich in die Strerkmuskulatur der Oberarme 
oder in die Glutäen zweitägig in steigender Dosis von 1 /ioo'— Vio> 
seltener bis Vs ccm der Stammlösung. Im ganzen 12, seiten 15 
bis 20 Injektionen. Nach 2—8 Injektionen beginnt der thera¬ 
peutische Erfolg fast immer deutlich zu werden. 

Unbequem ist die oft starke Lokalreaktion, Schwellung und 
Rötung für 4—5 Tage, nach der 3. bis 6. Injektion. Die Be¬ 
schwerden lassen sich mit kalten Umschlägen wirksam bekämpfen. 

Die kleinen Dosen bis zu */io ccm genügen für fast alle Fälle. 

Es gibt aber Individuen, deren Organismus von vornherein 
in besonders geringem Maasse geeignet ist, der neuritischen und 
neuralgischen Noxen ohne Therapie Herr zu werden. Diese Orga¬ 
nismen zeigen meist conform eine besonders hohe Toleranz gegen 
Staphylokokkentoxin (wie gegen andere Bakterienpräparate). Rasch 
auf V 5 ccm gesteigerte Gaben verursachen dann weder Lokal-, 
noch Herd-, noch Allgemeinreaktion. Aber während Dosen von 
Vio ccm nur vorübergehende Besserung der Schmerzen bringen, 
eine Reihe Injektionen von Vs ccm beseitigen sie rasch und min¬ 
destens für längere Zeit. Es bandelte sich um allerschwerste 
Trigeminu8neuralgien, die trotz operativer Entfernung der be¬ 
fallenen Aeste bald wieder in heftigen Anfällen auftraten. 

5. Frau U., 37 Jahre alt. Neuralgia ischiadica dextra seit 
6—7 Jahren. Zahlreiche vergebliche Kuren. Beständig Schmerzen. Kann 
höchstens 10 Minuten zu Fü9s gehen. 10 Injektionen je Vio ccm. Vom 
3 . III. 1914 an Injektionen zweitägig von Vioo bis Vio °cm steigend in die 
Muskulatur der Oberarme bzw. in die Glutäen. Nach der 3. Iojektion 
erhebliches Nachlassen der Schmerzen. Kann 1 Stunde ohne Beschwerden 
gehen. Von der 8. Injektion an schmerzfrei. Druckpunkte im rechten 
Nervus iscbiadicus geschwunden. Jetzt nach 5 Monaten wird das rechte 
Bein nach etwa zweistündigem Gehen müde, bleibt aber schmerzfrei. 

6 . Frau La., 55 Jahre alt. Schwere Trigeminusneuralgie. Voi 

2 Jahren operative Entfernung erst des 1., dann auch des 2. Trigeminus¬ 
astes. 1 U Jahr später wieder sehr schwere neuralgische Attacken fast 
ohne Aufbören. 15. V. 1914 Staphylokokkentoxin Vioo, Vbo> Vao, Vib, 
i/ ccm und so fort in die Streckmuskulatur des Oberarms 2 tägig. 
Die neuralgischen Anfälle werden geringer, schwinden aber nicht. Keine 
Sour einer nachweisbaren Lokal-, Herd- und Allgemeinreaktion. Die 7., 
8 9. Injektion je Vio ccm erfolgen am 28., 29., 30. V., also an drei 

aufeinander folgenden Tagen. Die einsetzende negative Phase zeigt sich 
in einer dreitägigen Temperaturerhöhung von 37,2 bis 37,6° (sonst 
36 5° C) vom 30. V. an und gleichzeitig in einer recht schweren neural¬ 
gischen Attacke für 5 Tage. Sofort nach Ablauf der Phase ab 6. VI. 
Injektion je % ccm dreimal in der Woche. Sofort Aufhören der Schmerzen. 
Im ganzen 11 Injektionen je VßCcm. 

14 Tage nach Beendigung der Kur 2 tägige mittelsohwere Attacke. 
Seitdem anfallsfrei. 

7 We Kaufmann, 35 Jahre alt. Facialisparese auf infektiöser 
Basis Anfang Mai 1914 kleine Geschwulst am rechten Ohr, die in 
14 Tagen zurückging. Seit Mitte Mai „Reissen“ in der rechten Gesichts¬ 


hälfte und hinter dem rechten Ohr. Am 2. VI. kann er die rechte Ge¬ 
sichtshälfte schlechter bewegen. Am 6. VI. erste Untersuchung. Ohr 
knorpel rechts oben am Anthelix minimale reizlose Verdickung. Sensi¬ 
bilität ohne Störung. Keine Druckpunkte. Linker Mundwinkel, überhaupt 
linke Facialismuskulatur in Wange und Stirn wird mit Mühe bewegt, 
reohtes Auge nur beim Zukneifen geschlossen. 8. VI. Lähmung der ge¬ 
samten rechten Facialismuskulatur vollständig, Auge kann auch beim 
Zukneifen nicht geschlossen werden. Quantitative erhebliche Herab¬ 
setzung der galvanischen und faradischen Reizbarkeit der Muskulatur 
vom Nerven aus. Keine Entartungsreaktion. Leise Schmerzgefühle iu 
der Ohrgegend. Nach Galvanisation am 9. VI. keine Aenderung. Vom 
10. VI. ab 14 Injektionen von Staphylokokkentoxin Vbo, V 20 » 12 mal 
Vio ccm 2 tägig in die Streckmu9kulatur des Oberarms. Ziemlich starke 
Lokalreaktion und geringe Herdreaktion (Ziehen, Schmerzen in der Ohr¬ 
gegend) nach der 2.—5. Injektion. 

Schon nach der ersten Injektion beginnt eine minimale willkürliche 
Bewegung der Muskulatur um das Auge und 5 Tage später, 15. VI., 
kann das rechte Auge etwas besser geschlossen, die Muskulatur um das 
Auge willkürlich etwas bewegt und der Mundwinkel minimal in die 
Höhe gezogen werden. 

22. VI. Willkürliche Bewegungen viel besser. Rechter Mundwinkel 
wird etwas gehoben. 

25. VI. Rascher Fortschritt. 

28. VI. Bewegung mit einiger Anstrengung fast normal. 

3. VII. Alle Bewegungen der vom obern und untern Ast versorgten 
Muskeln ohne Anstrengung fast normal. Dagegen bleibt beim Lachen 
der rechte Mundwinkel deutlich zurück. Die Muskeln rechts sind 
schlaffer. 

8 . VII. Stillstand seit 5 Tagen, nirgends ein Fortschritt. Daher 
noch 6 Iojektionen Vaccineurin Vio com 2 tägig. 

11. VII. Weitere Besserung deutlich. Mundwinkel besser nach 
rechts gezogen. Lachen gebessert. 

18. VII. Sehr geringer Unterschied in der faradischen Erregbarkeit 
der rechten und linken Faoialismuskulatur vom Nerven aus. Doch sind 
die Zuckungen rechts etwas langsamer. 

Sensibilisierung von Bakterienpräparaten. 

Es ist bekannt, dass die Entwicklung und die Wirkung 
lebender Bakterien in einem Organismus eine Aenderung erfahren 
kann, wenn gleichzeitig bestimmte andere Bakterien eingeführt 
werden und zwar im Sinne einer Förderung oder Hemmung 
ihrer Lebensbedingungen. Vorbedingung dafür muss sein, dass 
durch die eine Bakterienart der Nährboden für die andere in 
Blot oder Organen günstig oder ungünstig beeinflusst wird, leb 
hielt es daher für wahrscheinlich, dass auch die nicht spezi¬ 
fisch wirkenden Stoffe der Bakterienprodukte sich nicht anders 
verhalten würden. Es mnssten unter bestimmten Umständen 
Produkte der einen Bakterienart Blut und Nervengewebe so be¬ 
einflussen, dass Produkte anderer Arten nun günstigere Angriffs¬ 
punkte in dem erkrankten Nerven fanden. 

Ein solcher Sensibilisiernngsprozess gelingt sehr leicht 
für eine ganze Anzahl verschiedener Vaccine und andere Produkte. 
Ich werde in anderem Zusammenhang über die Studien berichten. 

Für die vorliegende therapeutische Frage handelte es sich 
besonders darum, ein schwach wirkendes Präparat durch ein 
anderes von ebenfalls schwacher Wirkung zu sensibilisieren. 
Es kam mir daranf an. Lokal- und Allgemeinerscbeinnngen auf 
ein möglichst geringes Maass zu beschränken und aoeb die Herd¬ 
reaktion sollte nicht erheblich sein. 

Vaccinenrin. 

Nach vielfachen minder gelungenen Versuchen fand ich in 
einer Mischung von an sich schwach wirkenden Autolysaten des 
Bacillus prodigiosus und des Staphylococcus 1 ) ein Produkt, 
welches meinen Anforderungen entsprach. Dem Präparat, welches 
den Namen Vaccineurin führen soll, kommt bei recht geringer 
Lokal- und Allgemeinreaktion eine kräftige therapeutische Wirkung 
zu. Das Sächsische Serum werk 2 ) hat mir Vaccineurin, wie meine 
übrigen Präparate, in sehr dankenswerter Weise dargestellt ond 
erhebliche Versuchsmengen davon überlassen. 

Die Herstellung eines gleichmässig wirkenden Vaccinenrin 
hat zahlreiche mühselige Versuche gekostet. Schon anschemen 
sehr geringe Aenderungen in den Mischungsverhältnissen der 
beiden Autolysate, ferner jede kleine Abweichung in der Art der 
Bebrütung der Kulturen, in der Dauer ihres Wachstums, im Nähr¬ 
boden bedingen eine völlige Aenderung der pharmakologischen 
Wirkung und zwar anscheinend stets in einem ungünstigen oinne- 


1) Es lassen sich auch stark wirkende Stapbylokokkenautolrs 

leicht darstellen. . . { 

2) Sächsisches Serumwerk und Institut für Bakteriotherapi 
Dresden. 


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16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1809 


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Brauchbar zur Herstellung der Vaccineurine sind Labo¬ 
ratoriumstämme des Bacillus prodigiosus und frische Stämme des 
Staphylococcus. Die Bebrütnug der Agarkultureu erfolgt in der 
Wärme. Die Kulturen werden abgetötet und dann in physio¬ 
logischer Kochsalzlösung autolysiert. 

Das fertige Präparat ist 8—10 Monate haltbar. 


Wirkungsweise des Vaccineurin. 

Injiziere ich einem Gesunden intramuskulär entweder 1 Uo bis 
Vao ccm des Staphylokokkenautolysats oder des Prodigiosus- 
autolysats allein, oder der Mischung beider, so kommt es nicht zu 
nachweisbaren Erscheinungen. 

Positive Herdreaktion. Erhält aber ein Individuum, 
welches zu Neuralgien disponiert ist und früher schon an Neuralgie 
gelitten hat, entweder Vao ccm Stapbylokokkenautolysat oder 
Vsd ccm Prodigiosusautolysat, erfolgt ebenfalls nichts. Gibt man 
ihm aber Vao ccm Staphylokokkenautolysat und am gleichen 
Tage oder 1 Tag später V 30 ccm Prodigiosusautolysat (auch in 
umgekehrter Reihenfolge) subcutan oder intramuskulär, so können 
sich als einziges Symptom Herderscheinungen, leicht ziehende 
Schmerzen in den früher erkrankt gewesenen Nerven oder auch 
in umschriebenen Nervenabschnitten einstellen. Im Effekt ist es 
kein Unterschied, ob die beiden Substanzen gesondert oder ge¬ 
mischt und gleichzeitig injiziert werden. 

8 . G., 52 Jahre alt. Vor 4 Jahren 5 monatliche rechtsseitige Ischias, 
vor 1 Jahr 8 Wochen lang Trigeminusneuralgie links. Staphylokokken- 
Autolysat Vso ccm intramuskulär ohne Erscheinung. Am nächsten Tag 
Prodigiosusautolysat Vso ccm intramuskulär. Vier Stunden nach dieser 
Injektion unangenehm ziehende Schmerzen im rechten Nervus ischiadicus 
und in der linken Stirngegend bis zur Nacht. (Pat. hatte keine Ahnung 
vom Zweck der Injektion.) 

9. Frau Ge., 60 Jahre alt. Ischias. Heftige Schmerzen im Verlauf 
des ganzen rechten Nervus ischiadicus bis zum äusseren Fussrand. 
Marz 1913 Kochsalzinfiltration nach Lange. Acht Tage lang völlige 
Schmerzfreiheit. Dann wieder andauernd Schmerzen nur in der rechten 
Hüftgegend. Bis zum Juni Abmagsrnng um 8 kg. 2. VI. Vaccineurin 
V 30 ccm intramuskulär. 3y 2 Stunden später Schmerzen auch im Nervus 
peroneus rechts und im äusseren Fussrand für eine Reihe von Stunden. 

10. Da., 31 Jahre alt, hat sehr oft „Reissen“ in Stirn, Hinterkopf, 
Nacken, rechtem Arm, rechtem Schulterblatt gehabt, ist jetzt seit 
Monaten schmerzfrei gewesen. 

Vaccineurin V 20 ccm intramuskulär. Nach etwa 5 Stunden kommt 
er zurück in die Sprechstunde, weil er den Ausbruch eines „Rheuma¬ 
tismus“ befürchtet. Hat ziehende Schmerzen in der rechten Schulter 
und im rechten Arm, ferner im ganzen Kopf. Auf der rechten Seite 
sind im Gegensatz zum Vormittag empfindlich N. supraorbitalis, 
N. ocoipitalis major, N. occipitalis minor, N. cervicalis, N. subcutaneus 
colli, Plexus brachiaiis, N. medianus, N. ulnaris. Schlaf in der Naobt 
nicht gestört, Schmerzen am nächsten Tage nicht mehr gefühlt. 


Noch stärker ausgesprochen ist die Herdreaktion in den 
meisten Fällen manifester Neuralgie und Neuritis, sowohl in 
akuten wie in chronischen Fällen. 3—4 Stunden nach der In¬ 
jektion des Vaccinenrin V 50 bis V 20 ccm zeigt sich eine deutliche, 
jedoch nie besonders starke Vermehrung der Schmerzen in den 
befallenen Nerven. Gewöhnlich behaupten die Patienten, dass 
die Reaktionschmerzen einen anderen Charakter haben als die 
neuralgischen Schmerzen. Die Druckempfindlichkeit ist meist ein 
wenig vermehrt. In akuten Fällen von Supraorbitalneuralgie 
nabe ich dabei öfter Rötung der Stirnhaut über dem befallenen 
Nerven gesehen. Nach weiteren 4—6 Stunden ist die Herd¬ 
reaktion abgeklongen, die neuralgischen Schmerzen sind geringer 
als vorher oder auch sie schwinden für kurze Zeit. 

Negative Herdreaktion. Es gibt noch eine andere Art 
der Reaktion des erkrankten Nerven, ln etwa 1 / 5 aller Fälle 
* ei js te sich auf Injektion von Vaccineurin l J 50 ccm keine deut¬ 
liche Erscheinung. Gab ich aber V 20 oder gar V 10 ccm als erste 
oder zweite Dosis, so trat schon nach 1—2 Stunden ein starker 
Nachlass oder ein völliges Aufhören der neuralgischen oder 
neuritischen Schmerzen für 10—20 Stunden ein. Lokalreaktionen 
fehlten stets. 

Ir Ich w habe zwe * te Art der Reaktion schwerer und leichter 
a ater. Neuralgie, bei chronischer Neuralgie uad bei chronischer 
Neuritis beobachtet. 

h 0 Kr S u hr 0 a “ 8 ^ e8 P roclieue P 08 itive Herdreaktion mit er¬ 
nennten Schmerzen in den kranken Nerven für 8 bis 12 Stunden 
aten 1 auf nach der Erstinjektion von V 10 ccm bei 4 Monate alter 
“ ,s 18 chiadica diabetica, von V 20 ccm bei schwerer Inter- 
nJ* Akk a i S,e n * ch Her P es Z08ter (2 Fälle), 3 und 6 Monate 
B a „. .^ e ‘ lu “8 des Herpes, Neuritis brachiaiis auf infektiöser 
asis seit 6 Monaten (1 Fall), Alkoholneuritis (1 Fall). 


Die zweite Reaktion, die sich direkt als negative Herd¬ 
reaktion bezeichnen lässt, war immer in den Fällen schwerster 
Trigeminusneuralgie und Ischias vorhanden, in denen der Körper 
nie erheblich wirksame Antikörper produziert hatte, die bisher 
auch jeder Therapie getrotzt und auf Medikamente kaum einen 
augenblicklichen Nachlass der Schmerzen erfahren hatten. 

Dosierung. 

Als kleine Dosen Vaccineurin können die von Vbq — 1 / 15 ccm, 
als mittlere V 10 —Vs ccm, als grössere die über 1 / 2 ccm gelten. 

Lokalreaktion erfolgt auf subcutaue oder intramuskuläre 
Injektion von Vso—V 20 ccm fast nie. Mittlere Dosen, V 10 —Vs ccm, 
als Erstinjektion erzeugen bei Gesunden und Kranken meist eine 
leichte Rötung und Schwellung in der Umgebung der Injektions- 
stelle von 24 bis 48 Stunden Dauer und eine geringe Hyperleuko- 
cytose. Das succulente Gewebe junger Individuen antwortet 
wesentlich leichter mit einer Lokalreaktion als das Gewebe älterer 
Leute. 

Vs ccm als erste Dosis verursacht ausserdem meist Allge- 
meinerscheinungen, Eingenommensein des Kopfes, mässige 
Temperaturerhöhung bis etwa 37,8° C, Unbehagen. 

(Schluss folgt.) 


Aus dem pathologischen Institut der Universität Berlin. 

Experimentelle Versuche über den Einfluss 
behinderter Nasenatmung auf das Zustande¬ 
kommen der Inhalationstuberkulose. 

Von 

Georg Finder und Lydia Rabinowitsch. 

Es ist ein in allen Lehrbüchern der Rhinologie wieder¬ 
kehrendes Axiom, dass eine der hauptsächlichsten und wichtigsten 
funktionellen Aufgaben der Nase als Respirationsorgan darin be¬ 
steht, die mit der eingeatmeten Luft eindringenden Keime zurück- 
znhalten, so dass ein Eindringen von solchen in die tieferen Luft¬ 
wege verhindert oder wenigstens auf ein Minimum beschränkt 
wird. G. Hildebrandt 1 ) hat durch interessante experimentelle 
Untersuchungen bewiesen, dass Nase und Nasenrachen einen sehr 
ausgiebigen Schutz gegen schrankenloses Eindringen von Mikroben 
in die tieferen Luftwege gewähren, dass jedoch dieser Schutz im 
umgekehrten Verhältnis zu der Dichtigkeit, in welcher die Mikro¬ 
organismen in der Atmungsluft enthalten sind, stetig abnimmt, 
bis schliesslich eine Grenze erreicht wird, wo dieser Schutz gleich 
Null wird. Wir müssen uns vorstellen, dass die mit der Atmungsluft 
eindringenden Keime ebenso wie der in ihr enthaltene Staub und 
andere corpusculäre Elemente teils schon durch die Vibrissae 
zurückgehalten werden, teils sich an den Wänden des einen engen 
und vielfach gewundenen Kanals darstellenden Naseninnern nieder- 
scblagen. Dazu kommt noch die von einigen Forschern nach¬ 
gewiesene baktericide Eigenschaft des Naseoschleims, so dass wir 
in der Nase einen der mächtigsten Schutzmechanismen des Orga¬ 
nismus gegen eine Infektion auf dem Inhalationswege erblicken 
können. 

Man müsste nun schon a priori annehmen, dass wenn die 
Nase infolge irgendwelcher pathologischer Veränderungen ihre 
Fähigkeit, als Bakterienfilter zu wirken, eingebüsst hat und so 
ein wesentlicher Schutz gegen das Eindringen von Keimen in 
Wegfall kommt, dass dann eine vermehrte Aufnahme von Mikro¬ 
organismen in die tieferen Luftwege stattfände und auf diese 
Weise eine gesteigerte Gefahr der Infektion auf dem Inhalations¬ 
wege gegeben ist. Wir müssen also erwarten, bakterielle Er¬ 
krankungen der Lungen ganz besonders häufig da zu finden, wo 
die Nase infolge pathologischer Veränderungen nicht mehr im¬ 
stande ist, ihrer Funktion in normaler Weise gerecht zu werden. 
Gewisse klinische Erfahrungen scheinen zugunsten einer solchen 
Annahme zu sprechen. So fand A. Alexander») gelegentlich 
seiner Untersuchungen über den Zusammenhang von Lungentuber¬ 
kulose uud Ozaena bei 80 Phthisikern, deren Nasen er systematisch 
untersuchte, 58 mal pathologische Prozesse in der Nase und in 
22 Fällen Atrophie bzw. Ozaena und in 36 Fällen hyperplastische 
Veränderunge n. Solly») fand bei 200 Patienten mit Lungen- 

1) Beitr. z. path. Aoat. u. Physiol. von Ziegler u. Nauwerck. 1888. 
Bd. 2. 

2) Arch. f. Laryng., Bd. 14. 

3) Journ. amer. med. assoc., 1894, S. 427. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1810 


tuberkulöse 56 mal Nasenkrankhoiten. In einer kürzlich er¬ 
schienenen Arbeit aus der Prager oto-rhinologischen Universitäts¬ 
klinik sacht Wotzilka 1 ) ebenfalls den Nachweis zu führen, dass 
Nasenkrankheiteu bei Lungentuberkulose viel häufiger seien als 
bei Gesunden und andersartig Erkrankten. Er fand unter 
100 Phthisikern 45 mit Nasenkrankheiten, und zwar waren es 
32 mal solche Veränderungen, die zu einer Behinderung der Nasen¬ 
atmung führten, während unter 100 Nichtphthisikern nur 13 waren, 
bei denen sich pathologische Prozesse in der Nase fanden. 

Zu Resultaten, die mit der Annahme eines ätiologischen Zu¬ 
sammenhanges zwischen Nasenkrankheiten und Lungentuberkulose 
nicht übereinstimmten, gelangte Fleischer-Ingals. Auf Grund 
einer sehr sorgfältigen Analyse einer grossen Zahl von Fällen 
und durch Vergleiche mit den Nasenbefunden bei Gesunden und 
bei andersartig Erkrankten kam er zu dem Ergebnis, dass Nasen¬ 
erkrankungen bei Phthisikern nicht nur nicht häufiger sind als 
bei Gesunden, sondern sich bei ihnen sogar seltener finden als 
bei diesen. Dieser auf den ersten Blick sehr auffallende Gegen¬ 
satz erklärt sich sehr leicht, wenn man bedenkt, dass der Begriff 
der „Nasenkrankheit“ in vielen Fällen verschiedene Deutungen 
zulässt. Es gibt Veränderungen im Naseninnern, die der eine Unter¬ 
sucher vielleicht schou als pathologisch bezeichnet, während ein 
anderer sie als solche noch nicht bezeichnen würde. Insbesondere 
gilt dies von den Leisten und Verbiegungen der Nasenscbeide- 
wand, die sich bald mehr, bald weniger ausgesprochen bei einer 
sehr grossen Anzahl von Menschen finden, die niemals von seiten 
ihrer Nase irgendwelche Beschwerden gehabt haben, insbesondere 
in ihrer Nasenatmung völlig unbehindert sind. Es sei daran er¬ 
innert, dass Zuckerkandl unter 263 Europäerschädeln 140 mit 
asymmetrischer Nasenscheidewand, d. h. etwa 60 pCt., fand. 

Wenn auch die Autoren, die einen ätiologischen Zusammen¬ 
hang zwischen Nasenstenose und Lungenerkrankung annehmen, 
eine Hauptursache dieses Zusammenhanges in der durch die Ver¬ 
legung der Nase bedingten Mundatmung und ihren Folgen, wie 
mangelhafter Lüftung der Alveolen, Neigung zu Bronchitiden, 
Deformationen des Thorax usw. erblicken —- auch die Krönig’sche 
nichttuberkulöse Coliapsinduration der rechten Lungenspitze ge¬ 
hört hierher —, so vergessen sie doch nicht, darauf hinzuweisen, 
dass jener ätiologische Zusammenhang auch dadurch mit bedingt 
wird, dass die Nase nicht mehr hinreichend imstande ist, den 
Organismus gegen die bakterielle Invasion zu schützen. Auf den 
begünstigenden Einfluss, den beim Lupus die Aufhebung der Nasen¬ 
atmung auf die Entwicklung einer descendierenden Tuberkulose 
hat, ist von E. Holländer 2 ) in verschiedenen Publikationen auf¬ 
merksam gemacht worden. 

Experimentelle Untersuchungen darüber, welchen Einfluss 
eine Behinderung bzw. Aufhebung der Nasenatmung auf das Ein¬ 
dringen von Keimen in die tieferen Luftwege hat, ob eine bak¬ 
terielle Invasion der Lunge leichter bei verlegter als bei offener 
Nase stattfinden kann, liegen bisher nur in sehr geringem Um¬ 
fange vor. Im Verlaufe seiner experimentellen Untersuchungen 
über die Eintrittswege der Tuberkelbacillen, bei denen er Meer¬ 
schweinchen zerstäubte Tuberkelbacillen inhalieren liess, hat 
H. Reichenbach 3 ) auch ein paar Versuche an Tieren gemacht, 
denen er die Nase zugestopft hatte. Er tat dies, um den Inhalations¬ 
strom vom Nasenrachen auszuschalten und so den von den Gegnern 
der Inhalationstheorie gemachten Einwand zu entkräften, dass die 
Tuberkelbacillen „durch die Schleimhaut des Nasenrachenrings 
hindurch in die Lympbgefässe des Halses und von da aus in den 
Thoraxraum und in die Lungen gelangen“ können. Die Frage¬ 
stellung war also bei Reichenbach eine ganz andere als die 
von uns formulierte; auch war die von ihm angewandte In¬ 
halationsdosis eine sehr geringe und die Zahl der von ihm ange- 
stellten Versuche zu klein, als dass sie für die Beantwortung der 
uns interessierenden Frage in Betracht käme. 

Die Frage, deren experimentelle Prüfung wir uns zur Auf¬ 
gabe gestellt hatten, ob nämlich eine Infektion der Lungen durch 
Inhalation von Mikroorganismen leichter zustande kommt bei auf¬ 
gehobener Nasenatmung als bei normaler Durchgängigkeit der 
Nase, interessierte uns besonders im Hinblick auf die Tuberkulose. 

Als Versuchstiere benutzten wir Meerschweinchen. Die An¬ 
ordnung unserer Versuche entsprach in der Hauptsache der von 
Reichenbach befolgten. Wir bedienten uns dazu des von ihm 


1) M. Kl., 1914. 

2 ) U. a. B.kl.W., 1902, Nr. 14. 

3) Zschr. f. Hyg., Bd. GO. 


Nr. 40. 


konstruierten Apparates, des sogenannten Inhalationsturmes 5 ) 
mittels dessen es ermöglicht wird, dass die Versuchstiere ihre 
Atmungsluft einem langsam mit konstanter Geschwindigkeit auf¬ 
steigenden Luftstrom entnehmen, dessen Bakteriengehalt während 
der Dauer des Versuches stets auf derselben Höbe erhalten wird 2 ). 
Der Apparat besteht in der Hauptsache aus einem 30 cm hohen 
Turm aus Eisenblech; dicht über dem Boden des Turmes mündet 
ein Buchnerspray, in dem mittels einer kräftigen Fabrradluft- 
pumpe der bakterienhaltige Nebel erzeugt wird. Diese bakterien- 
haltige Luft steigt langsam im Turm in die Höhe und wird oben 
durch eine an die Wasserleitung angeschlossene Wasserstrahlluft¬ 
pumpe abgeführt. Im oberen Drittel des Turmes befinden sich 
einander gegenüber zwei Behälter, in die je ein Meerschweinchen 
so eingesetzt werden kann, dass sein Kopf einige Zentimeter in 
das Lumen des Turmes hineinragt. 

Die Wasserstrahlluftpumpe wurde so eingestellt, dass in dem 
Turm ständig ein Unterdrück herrschte, der an einem Manometer 
kontrolliert wurde, andererseits wurden die Rolbenstösse der 
Fahrradluftpumpe im Takt nach den Schlägen eines Metronoms 
ausgeführt, so dass die durch den Spray zugeführte Luftmenge 
in der Zeiteinheit stets die gleiche blieb und damit auch der 
Bakteriengehalt konstant gehalten wurde. 

Bei allen unseren Versuchen sind wir so vorgegangen, dass 
in die beiden im oberen Drittel des Turms befindlichen, zur Auf¬ 
nahme der Versuchstiere bestimmten Behälter je ein Meer¬ 
schweinchen mit offener und eins mit verstopfter Nase gesetzt 
wurde. Der Verschluss der Nase geschah durch Wattebäusche, 
über die noch eine dicke Schicht Collodium aufgetragen wurde. 
Durch den im Collodium enthaltenen Aether wurden die Versuchs¬ 
tiere einige Augenblicke betäubt, erholten sich aber ausnahmslos 
sehr bald wieder. Der Wattecollodiumverband war völlig un¬ 
durchlässig und sass oft tage- und wochenlang fest, ohne dass es 
den Tieren gelang, ihn abzureissen. 

Nachdem die Tiere in die Behälter gesetzt waren, wurde der 
Spray in Gang gesetzt, und sie atmeten nun die von unten im 
Turm ansteigende bakterienhaltige Luft ein. 

Bevor wir zu den Versuchen mit Tuberkelbacillen schritten, 
haben wir eine Reihe von Vorversuchen mit versprayten Auf¬ 
schwemmungen von Prodigiosus und Pyocyanenskulturen gemacht. 
Es kam uns zunächst darauf an, uns auf diese Weise auf die 
Handhabung des Apparates einzuüben, was um so wichtiger 
schien, als bei Versuchen mit Tuberkelbacitien die nicht sach- 
gemässe Bedienung des Apparates für den Experimentator doch 
wohl gewisse Gefahren hätte bringen können. Diese Versuche 
mit Prodigiosus und Pyocyaneus haben wir an je 12 Paar Meer¬ 
schweinchen gemacht. Wir begannen mit einer Aufschwemmuog 
von 8 mg Kultur in 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung und 
schritten allmählich zu grösseren Verdünnungen (6 mg, 4 mg, 
2 mg zu 20 ccm; 8 mg, 4 mg, 2 mg zu 40 ccm Kochsalzlösung). 
Die Dauer der Versuche betrug 5, 6, 8 Minuten. Nach Beendi¬ 
gung des Versuches wurden die Tiere sofort getötet und nun von 
beiden Lungen unter allen Kautelen je ein Stückchen aus dem 
Ober- und Unterlappen entnommen und auf Gelatine- resp. Agar¬ 
platten übertragen. Wir glauben auf eine detaillierte Wiedergabe 
der bei diesen Versuchen erzielten Resultate verzichten zu dürfen 
und beschränken uns darauf, zu konstatieren, dass irgendwelche 
Gesetzmässigkeit, auf die sich Schlüsse hätten aufbauen lassen, 
in ihnen nicht zu erkennen war. Die Kulturen fielen bald positiv, 
bald negativ aus, ohne dass der Ausfall irgendwie dadurch be¬ 
einflusst schien, ob das Tier mit verstopfter oder offener Nase 
geatmet hatte und ohne Rücksicht auf die zur Inhalation be¬ 
nutzte Bakterienmenge und auf die Zeitdauer des Versuches. 

Unsere Versuche mit Inhalation von zerstäubter Aufschwem¬ 
mung von Tuberkelbacillen bestehen aus 5 Reihen, wobei wir die 
zur Aufschwemmung benutzten Gewichtsmengen der Kultur vari¬ 
ierten; die Zeitdauer war bei allen Versuchen die gleiche, sie 
betrug 5 Minuten. Im übrigen befolgten wir dieselbe Versucbs- 
anorduung, wie wir sie oben für die Inhaltionen mit Prodigiosus 
und Pyocyaneus geschildert haben. Um eine ungefähre Vorstel¬ 
lung von den bei unseren Versuchen zur Inhalation gelangten 
Mengen von Tuberkelbacillen zu gewinnen, haben wir die an¬ 
nähernde Menge der mit einem Liter Atemvolumen in die Lungen 
der Versuchstiere gelangenden Bacillen nach den Zahlen berechne, 

1) Herr Geheimrat Flügge war so liebenswürdig, uns den i® 

Hygienischen Institut befindlichen Apparat für unsere Versuche zur\e- 
fügung zu stellen, bei dessen Handhabung uns Herr Prof. Bruno Her¬ 
mann freundliebst unterstützte. r7 

2) Beschrieben in der Arbeit von H. Findel, Zschr. f. Hyg-, ' 


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UMIVERSITY OF IOWA 



16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


die H. Findel bei seinen mit dem Inhalationstarm vorgenommenen 
experimentellen Untersuchungen gefunden hat. 

Da man immer wieder der Behauptung begegnet, dass ge¬ 
sunde Meerschweinchen, die mit tuberkulös gemachten Meer¬ 
schweinchen denselben Stall oder Käfig teilen, ungemein leicht 
ebenfalls tuberkulös werden, eine Behauptung, die übrigens nach 
den Erfahrungen der einen von uns weit übertrieben wird, so 
haben wir ein paar Mal zu den Tieren, die dem Inbalations- 


( versuch unterworfen waren, Kontrolltiere gesetzt. Die Kontroll- 
j tiere lebten zum Teil über ein Vierteljahr lang; sie erwiesen sich 
sämtlich als frei von jedweden tuberkulösen Veränderungen, 
i Die Versuchstiere wurden, soweit sie nicht spontan eingingen, 
nach verschieden langer Zeit getötet und obduziert. War Tuberkulose 
vorhanden, so zeigte sich dieselbe in erster Linie an den Submaxillar- 
und Bronchialdrüsen und den Lungen lokalisiert, in den weiter vor¬ 
geschritteneren Fällen waren sämtliche innere Organe befallen. 


0,02 g Tuberkelbacillen in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten 

in die Lunge ca. 2500 Tuberkelbacillen. 


Laufende 
Nummer 
des Tieres 

Dauer der 
Inhalation 
in 

Minuten 

Nase frei 

Nase 

verstopft 

Getötet (get.) 
od. gestorben 
(f) nach wie¬ 
viel Tagen 

„ , Weiter geimpfte 

Befund | _ 

' Tiere 

Befund 

Meerschw. 41 

5 Min. 

frei 

_ 

t 72 T. 

Hochgradige allgemeine Tuberkulose, | — 

_ 

* 42 

5 * 

— 

verstopft 

t 3 T. 

Darm stark aufgebläht. Sonst ohne Besonderheiten. Lunge v.Meerschw.42 

Beide starben n. 

„ 43 

5 „ 

frei 

— 

t 77 T. 

Hochgradige allgemeine Tuberkulose mit vereinzelten jsubcutan veiimpftauf 
kleinen Höhlen in der Lunge. I Meerschw. 42 a 

79 T. ohne eine 
Spur tuberkulöser 

* 44 

5 „ 


verstopft 

f 77 T. 

Abgemagertes Tier. Broncbialdrüsen vergrossert, sonst [ „42b. 

völlig frei von Tuberkulose. 

Veränderungen 
zu zeigen. 


0,01 g Tuberkelbacillen in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten 

in die Lunge ca. 1250 Tuberkelbacillen. 

Meerschw. 45 5 Min. frei — get. 88 T. Hochgradige, von den oberen Luftwegen ausgehende ' — ' — 

Tuberkulose. Besonders stark sind die Bronchialdrüsen 

(bis walnussgross), Lunge und Milz befallen. j 

w 46 5 „ — verstopft + 6 T. Magen und Darm leer: stark aufgebläht. Sonst keine — | — 

j Veränderungen sichtbar. 

„ 47 5 „ frei — I get. 88 T. Derselbe Befund wie bei Meerschweinchen 45. — j — 

„ 18 5 , — verstopft j f 38 T. Maxillardrüsen vergrossert. Broncbialdrüsen stark ver- — — 

--grössert, zum Teil verkäst. Im oberen Lungen lappen I 

zwei hirsekorngrosse, glasige Knötchen. Milz von zahlreichen Knötchen durchsetzt. (Tu- I 

berkelbacillen in den Aus9tricbpräparaten). | 

Kontrollversuch. Meerschw. 49—52 sassen im gemeinschaftlichen Käfig mit Meerschw. 45—48, haben aber keine Tuberkelbacillen inhaliert. 


get. 88 T. 
f 38 T. 


Meerschw. 49 | 


nicht 

inhaliert 

do. 

do. 

do. 


frei j — | f 45 T. Enteritis. Keine Spur tuberkulöser Veränderungen. 

— verstopft j f 2 T. Darm leer, aufgebläht. Sonst ohne Besonderheiten, 

frei — + 93 T. Enteritis. Sonst ohne Besonderheiten. 

— verstopft get. 98 T. Normal. 


„ 52 1 do. [ — | verstopft [ get. 98 T. | Normal. — I — 

0,01 g Tuberkelbacillen in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten 

in die Lunge ca. 1250 Tuberkelbacillen. 

Meerschw. 53 5 Min. | frei f — | f 52 T. , Hochgradige Tuberkulose der Lungen. Dieselben sind — 1 — 

- 1 -- von derber Konsistenz; völlig durchsetzt von kleineren ) 

und grösseren, zum Teil miteinander konfluierten Herden. Bronchialdrüsen stark vergrossert 
und verkäst. Milz bedeutend vergrossert, von einzelnen Herden durchsetzt. Vereinzelte 

-t - Herde in der Leber. Drüsen sämtlich vergrossert. 

leerschw. 54 5 Min. — verstopft j f 12 T. Maxillardrüsen scheinbar vergTÖssert. (Keine T.-B. im — — 

Ausstricbpräparat.) Darm aufgebläht. Sonst o. B. I 

„ 55 5 , frei , — get. 63 T. Hochgradige allgemeine Tuberkulose. In der LuDge — j — 

zwei stecknadelkopfgrosse Cavernen. Bronchialdrüsen I ) 

haselnussgross. I : 

* 56 5 „ — , verstopft f I T. Todesursache ? V — | — 

Kontrollversuch. Meerschw. 57—58 sassen im gemeinschaftlichen Käfig mit Meerschw. 53—56, haben aber keine Tuberkelbacillen inhaliert, 
leerscbw. 571 nicht I frei I — | get. 107 T. j Ohne Besonderheiten. — I — 


Meerschw. 54 I 


Meerschw. 57 nicht 

inhaliert 

* 58 do. 


I verstopft 


0,005 g Tuberkelbacillen in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten 

in die Lunge ca. 626 Tuberkelbacillen. 


Meerschw. 59 
* 60 


Meerschw. 61 


Meerschw. 62 


* 63 

sass in dem¬ 
selben Käfig 
wie Meerschw. 

59—62 


5 Min. j frei: — + 10 T. Lunge pneumonisch. Sonst ohne Besonderheiten. 

5 „ | — verstopft get. 31 T. Bronchialdrüsen um das Doppelte vergrossert, deutlich 

-i beginnende Verkäsung zeigend. Linker Oberlappen der 

Lunge derb, grau, ganz durchsetzt von hirsekorngrossen,, glasigen Knötchen. In den anderen 
Teilen der Lunge vereinzelt zerstreute, stecknadelkopfgrosse, graue Knötchen. In der Leber 
mehrere, miliare, graue Knötchen. Milz um das Doppelte vergrossert, von stecknadelkopf- 
-j-— j- grossen Knötchen durchsetzt. 

5 Min. frei — + 31 T. Maxillardrüsen vergrossert. Keine Verkäsung zeigend. 

-- Bronchialdrüsen um das Doppelte vergrossert, völlig 

verkäst. Lunge durchsetzt, sowohl im Ober- wie Unterlappen von zahlreichen stecknadcl- 
kopf- bis hirsekorngrossen Knoten, die grau und glasig erscheinen. In der Leber zahlreiche 
Stecknadel kopfgrosse, gelbe Knötchen. Milz vergrossert, von kleineren und grösseren 
- —:-,-,-: Knötchen durchsetzt. 

5 Min. — j verstopft | get. 75 T. Hochgradige, von den oberen Luftwegen ausgehende 
; j I Tuberkulose. Besonders stark sind Bronchialdrüsen, 

j 1 ; | Lunge und Milz befallen, 

nicht frei — eet. 98 T.! Normal. 


Lunge verimpft sub- [ Beide Meerschw. 
cutan auf j verendeten nach 
Meerschw. 59 a 40 bzw. 50 Tagen 
,, 59 b. an allgemeiner 

1 Tuberkulose. 


5 Min. | — j verstopft ! 

1 ! 

get. 75 T. 

i . | i 

nicht frei J — 1 

get. 98 T. 

inhaliert J 

1 

! 


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1812 

0,01 g Tuberkelbacillen in 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten 
m die Lunge ca. J 250 Tuberkelbacillen. « uiacu gelangten 



Wenn uns das Sektionsergebnis nach dem makroskopischen Be¬ 
fund zweifelhaft schien, haben wir von den Lungen, ein paar Mal 
auch von den Submaxillar- resp. Bronchialdrüsen und dem Herz¬ 
blut auf Meerschweinchen weiterverimpft. 

Wenn wir an unsere Arbeit in der Erwartung herangegangen 
waren, auf experimentellem Wege eine Bestätigung für die An¬ 
nahme zu erlangen, dass durch Ausschaltung der Nasenatmung 
das Zustandekommen einer Inhalationstuberkulose erleichtert 
wird, so sahen wir uns in dieser Erwartung durch den Ausfall 
unserer Versuche enttäuscht. Wie aus der vorstehenden Tabelle 
ersichtlich ist, war einige Male der Sektionsbefund bei dem Tiere 
mit verstopfter Nase derselbe wie bei dem Paralleltier mit frei 
gelassener Nase, entweder gleich negativ (Mrs. 66 und 67, 68 
und 69, 70 und 71) oder gleich positiv (47 und 48, 61 und 62). 
Denjenigen Fällen, in denen das Tier mit verstopfter Nase eine 
ausgesprochenere Inhalationstuberkulose zeigte als das Tier mit 
offener Nase (Mrs. 59 und 60), steht eine grössere Zahl von Fällen 
gegenüber, in denen gerade das gegenteilige Verhältnis zu kon¬ 
statieren ist (Mrs. 41 und 43, 42 und 44, 45 und 47, 53 und 55, 54 
und 56). Wenn es also überhaupt erlaubt wäre, aus diesen Ver¬ 
suchen einen Schluss zu ziehen, so musste er dahin lauten, dass 
eine Inbalationstuberkulose leichter zustande zn kommen scheint, 
wenn die Nasenatmung frei ist, als wenn sie aufgehoben ist. 

Zum Schluss möchten wir ausdrücklich hervorbeben, dass es 
uns fern liegt, aus unseren Versuchen Rückschlüsse auf den 
Menschen machen zn wollen; denn weder entspricht unsere Ver- 
suchsanordnung den natürlichen Verhältnissen, unter denen der 
Mensch der Möglichkeit einer Infektion auf dem Inhalationswege 
ausgesetzt ist, noch ist die totale Aufhebung der Nasenatmung, 
wie wir sie bei unseren Versuchstieren herbeigeführt haben, ohne 
weiteres in Parallele zu setzen mit dem Grade der behinderten 
Nasenatmung, mit dem wir gewöhnlich unter pathologischen Ver¬ 
hältnissen beim Menschen zu rechnen haben. Wir möchten viel- 
mehr unsere Versuche nur als einen experimentellen Beitrag zu 
dem Kapitel der Inhalationstuberkulose aufgefasst wissen, der j 


vielleicht anderen bei Untersuchungen, die sich in derselben 
Richtung bewegen, von einigem Nutzen sein könnte. 

Die Mittel zu unseren Untersuchungen wurden uns aus der 
Gräfin Bose-Stiftung zur Verfügung gestellt. 


Die Grenzen der Organtherapie. 

Von 

Dr. Arthur Münzer- Berlin-Charlottenburg. 

Der Gedanke einer Organtherapie reicht, wie kürzlich noch 
Höfler 1 ) im Lehrbuch der Organotherapie auseinandergesetzt, 
bis in frühe Jahrhunderte zurück, doch waren die Vorstellungen, 
unter denen eine solche Behandlung inauguriert wurde, noch recht 
verworren. Erst neuzeitlichen Forschungen verdanken wir eine 
rationellere Begründung der Organbebandlung. Der Ideengang, 
der zu einer Organtherapie — ich spreche hier nur von der 
essentiellen, nicht von der symptomatischen — führte, ist eigent¬ 
lich ein recht einfacher; man versucht, das erkrankte Organ 
Xiurch ein gleiches gesundes, welches dem Körper auf verschiedene 
Weise zugeführt werden kann, zu ersetzen und macht dabei die 
stillschweigende Voraussetzung, dass die zugeführte Substanzmasse 
die Funktion des lebenden Organs vollauf oder teilweise zu über¬ 
nehmen imstande ist. 

Mögen auch auf den ersten Blick unsere Deduktionen zu¬ 
treffend erscheinen, es kann dem unparteiisch Urteilenden doch 
nicht entgehen, dass wir uns auch heute noch in Kombinationen 
von recht grober Natur bewegen. Es soll die Arbeitsleistung 
eines lebenden, durch den Blutstrom gespeisten und von feinsten 
Nervenmechanismen regulierten Organs ersetzt werden durch ein 
totes, artfremdes und mangelhaft dosiertes Präparat. Wird das 
letztere oral verabreicht, so unterliegt es weiterhin dem uro* 

1) Lehrbuch der Organotherapie. Herausgegeben von Wagner, 
v. Jauregg und Bayer. Leipzig 1914. 


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16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1813 


formenden Einfluss der Verdauungssekrete. Auch kann die Quan- 
titätszufuhr nicht in der feinen Abstufung bewirkt werden, wie 
sie der Organismus vermittelst der nervösen Regulation zustande 
bringt. Wir köonen nur zu bestimmten Zeiten unser Substitutions¬ 
präparat dem Körper einverleiben und wissen dabei noch nicht 
einmal, ob gerade der optimale Zeitpunkt der Darreichung er- 
reicht ist, oder ob nicht sogar die momentane Einstellung der 
übrigen Organfunktion einer durchgreifenden Wirkung des Ersatz- 
präparates hindernd in den Weg tritt. 

Diese theoretischen Ueberlegungen zeigen schon von vorn¬ 
herein, welche Schwierigkeiten überwunden werden müssen, bis 
mit der Organbehandlung ein Erfolg erzielt wird. Scheint es bei 
alledem nicht geradezu wunderbar, dass die Schilddrüsentherapie 
bei Myxödem und Cretinismus so überraschend gute Resultate er¬ 
gibt? Die krassesten Symptome werden hier durch eine sorgsam 
durcbgeführte Kur beseitigt. Aber leider sind für kein anderes 
Organ die Wege der Therapie so geebnet wie für die Thyreoidea; 
keine andere ßlutdrüsenerkrankung wird durch organotherapeu- 
tische Maassnahmen so günstig beeinflusst wie Schildrüsen¬ 
erkrankungen. In der Lösung dieser Disharmonie liegt meines 
Erachtens, wie ich noch kürzlich in eioem Referat 1 ) über das 
citierte Lehrbuch von Wagner und Bayer betonen konnte, ein 
K&rdiaalproblem der Organtherapie. 

Wenn wir versuchen, etwaige physiologische Eigenschaften 
der Thyreoidea zu eruieren, die ihr hohes organ therapeutisch es 
Vermögen erklären, so könnte man auf den Gedanken kommen, 
die Drüse produziere viel Sekret, sei also ganz besonders reich 
an aktiven Substanzen. Es könnten demnach grosse Mengen bei 
interner Verabreichung verloren gehen bzw. zerstört werden, und 
dennoch würden die Testierenden Substanzmengen zur Heilung 
ausreichen. 

Für diese Anschauungen fehlen uns indessen bindende Argu¬ 
mente. Eine breitere Basis für die Aufstellung diesbezüglicher 
Hypothesen hat die neue Lehre Abderhaldens geschaffen, die, 
so kurze Zeit sie auch erst besteht, doch schon weite Kreise ge¬ 
zogen hat. Bekanntlich waren wir in der Blutdrüsenpathologie 
bis vor kurzem noch ganz in den Ideen einer Hyper- bzw. Hypo¬ 
funktion befangen; die Dysfunktion spielte neben diesen beiden 
Begriffen eine mehr untergeordnete Rolle. Hier haben die Ab- 
derhalden’schen Forschungen reformierend gewirkt. Sie haben 
gezeigt, dass es sich keineswegs immer um eine vermehrte oder 
verminderte Abscheidung von Drüsensekreten handelt, sondern 
dass io der Mehrzahl der Fälle die Drüse in fehlerhafter Weise 
funktioniert. Sie vermag nicht mehr ihre spezifischen Produkte 
in korrekter Weise zu verarbeiten, sondern übermittelt sie bereits 
dem Blut8trom, ehe sie vollkommen abgebaut sind, und liefert 
hiermit dem Circulationssystem ein blutfremdes Material. Dieses 
Verhalten der Blutdrüse kann durch den Nachweis der sogenannten 
Abwehrfermente demonstriert werden. Der Begriff der Dys¬ 
funktion, des fehlerhaften Funktionieren« der Drüse, wird hier¬ 
mit an eine hervorragende Stelle gerückt. Es ist heutzutage nicht 
mehr möglich, die Erkrankungen der endokrinen Organe aus 
Hyper- und Hypofunktionszuständen herzuleiten; immer muss auch 
die von der Norm abweichende Funktion berücksichtigt werden. 

Jetzt soll folgender Fall erwogen werden: Es sei ein Krank¬ 
heitszustand gegeben, der durch Dysfunktion einer bestimmten 
ßiutdrüse bedingt werde. Wenn wir nunmehr das betreffende 
Organersatzpräparat geben, was wird dann eintreten? Hier muss 
zwischen zwei Möglichkeiten unterschieden werden. Wenn man 
der Ansicht ist, dass der betreffende Krankheitszustand auf einer 
primären Erkrankung der Blutdrüse beruht, dass also die krank¬ 
machende Noxe die Drüse direkt trifft, so kann man sich gut 
vorstellen, dass die Therapie Nutzen bringen wird. Denn der 
Körper besitzt ja nun wieder normales Drüsengewebe, welches er 
für seinen Bedarf verwerten kann. Wenn mau aber annimmt, 
dass die Erkrankung der Blutdrüsen nur der erste sichtbare 
Ausdruck einer Organismusschädigung ist, deren Grund¬ 
ursache wir an ganz anderen Orten, z. B. am Nervensystem, zu 
suchen haben, so liegen die Verhältnisse bedeutend komplizierter. 
Dann kann man dem Körper noch so viel normales Drüsen¬ 
gewebe zuführen, er wird es immer wieder in falscher Weise 
verarbeiten. Der Krankheitszustand kann sich unter diesen Be¬ 
dingungen gar nicht bessern. Ja er wird sich eher wieder ver¬ 
schlimmern; denn durch die vermehrte Drüsenzufuhr wird das 
Kreislaufsystem mit blutfremdem Material überschwemmt und der 
Körper andauernd den schwersten Schädigungen ausgesetzt. 


I) Diese Wochenschrift, 1914. 


In der Tat wird nun beute in einer Reihe von Fällen die 
Erkrankung der Blutdrüsen keineswegs als primäre Ursache des 
Leidens betrachtet; vielmehr werden als ätiologische Momente 
gerade in erster Linie — wie ich schon andeutete — Alterationen 
des Nervensystems in Betracht gesogen. Es mögen auch andere 
Faktoren, deren Wesen wir noch nicht kennen, eine Rolle spielen. 
Dass in diesen Fällen organtherapeutische Maassnahmen ver¬ 
schlimmernd ein wirken, hat z. B. Leschke 1 ) hervorgehoben; er 
berichtet, dass frischer Pankreasextrakt bei diabetischen Tieren 
die Zuckerausscheidung steigere. 

Resümieren wir die oben angesteilten Ueberlegungen, so 
müssen wir sagen, dass die Organtberapie nur bei Quantität¬ 
veränderungen .der Blutdrüsensekretion von Bedeutung sein 
kann. Hier liegt eine Grenze. Unsere Behandlungsmethoden werden 
also vorzugsweise bei Hyper- bzw. Hypofunktion der Blutdrüsen 
anwendbar sein. Bei verringerter Absonderung ist die Sachlage 
ziemlich klar. Wenn dem Körper bestimmte Organstoffe fehlen, 
dann wird die Zufuhr solcher Substanzen dem Mangel abhelfen. 
So haben wir uns den Gang der Dinge beim Myxödem vorzustellen. 

Bei den Hyperfunktionszuständen sind, soweit ich sehe, noch 
weniger Versuche mit der Organtherapie angestellt worden, und 
doch scheint die Möglichkeit von Erfolgen nicht ausgeschlossen. 
Die Blutdrüsen wirken, wie wir das aus zahlreichen Untersuchungen 
wissen, zum Teil als Antagonisten aufeinander, hemmen sich 
also gegenseitig in ihrer Tätigkeit. So wäre es nur natürlich, 
bei Hyperfunktion einer Blutdrüse ihre Antagonisten dem er¬ 
krankten Organismus zuzufübren. lu diesem Sinne könnte man 
bei Akromegalie die Sekretsteigerung der Hypophyse durch eine 
konträr wirkende Opotherapie (z. B. Schilddrüse -f- Keimdrüse) 
bekämpfen. Diese Form der Organtberapie ist eventuell auch dort 
brauchbar, wo es sich um Dysfunktionszustäode bandelt, 
denn auch hier ist es von Bedeutung, die Absonderung der er¬ 
krankten Drüse auf ein Minimalmaass berunterzudrücken. Gewiss 
lohnte es den Versuch, beim Basedow eine Hypophyse^-Keim- 
drüsentherapie zu instruieren. Natürlich kann diese Therapie, 
die die von uns gezogene Grenze bereits überschreitet, nur eine 
symptomatische sein; denn es kann vermittels derselben — wenn 
überhaupt — nur gelingen, die Sekretion der Thyreoidea auf ein 
gewisses Maass zurückzudämmen. Die Erkrankung bleibt dabei 
bestehen. 

Die moderne Organtherapie ist aus den Fortschritten unserer 
Kenntnisse über das Wesen der inneren Sekretion heraus ent¬ 
standen, sie ist eine notwendige Folge der aus Klinik und Ex¬ 
periment sich ergebenden Lehren. Nun, da wir schon eine ganze 
Reihe von Erfahrungen über die Organtherapie gesammelt haben, 
ist es doch vielleicht einmal an der Zeit, umgekehrt zu fragen: 
Berechtigen nicht die bisherigen Ergebnisse der Organtberapie zu 
gewissen Rückschlüssen auf das Wesen der inneren Sekretion? 
Zweifellos werden wir durch den heutigen Stand der Dinge zu 
gewissen Hypothesen gedrängt; die erste und wichtigste ist diese: 
Die Schilddrüse nimmt, wie es scheint, im polyglandulären System 
eine Ausnahmestellung ein; sie erscheint mit Eigenschaften aus- 
gestattet, die den anderen Drüsen mangeln. Diese können ent¬ 
weder, wie ich schon anfangs betonte, physiologischer Natur sein, 
d. h. auf gewissen noch unergründeten Eigenheiten der Quantität 
und Qualität der Sekretion beruhen. Oder aber die Schilddrüse 
ist, was ihre Pathologie anbelangt, vor den anderen Blutdrüsen 
dadurch ausgezeichnet, dass bei ihr reine StÖrangen der Mengen- 
sekretion (Myxödem) Vorkommen, während bei fast allen andern 
Blutdrüsen im Erkrankungsfall auch die Qualität verändert wird. 
Myxödem wäre demnach die einzige echte Hypofunktions¬ 
störung, die im polyglandulären System vorkäme. — Gewiss 
sind das alles Hypothesen. Aber es ist nicht eiazusehen, warum 
nicht auch die Erfolge bzw. Misserfolge der Organtherapie ganz 
bestimmte Richtlinien für die Erkenntnis der Blutdrüsenfunktion 
liefern können. 

In dem bereits zitierten Lehrbuch der Organotherapie von 
Wagner und Bayer finden wir auch die Heilversuche mit 
nicht innersekretorischen Organen zum ersten Male zusammen¬ 
hängend besprochen (Bayer). Wo hier eine Grenze liegt, lässt 
sich nicht feststellen; nach dieser Richtung führt der Weg ins 
Uferlose. Dass eine Berechtigung zu diesem Vorgehen gegeben 
ist, kann nicht bezweifelt werdeo. Liegt es denn nicht nahe 
genug, die Funktionen eines erkrankten Organs durch die Leistung 
eines gleichen gesunden zu ersetzen? Warum sollte das bei einem 
nicht innersekretorischen Organ nicht ebenso gut möglich sein 


1) Leschke, Die P&nkre&9ther&pie des Diabetes. M.m.W., 1911. 

3 


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1814 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


wie bei einer Blutdrüse? Man kann nur — und an diesem Mangel 
krankt unseres Erachtens der Gedanke der Organtherapie über- 
haupt — folgendes schwerwiegendes Bedenken geltend machen: 
Ein bestimmtes Organ arbeitet in unserem Körper nicht nur für 
sich allein, sondern auch als Glied eines grossen Arbeitsver¬ 
bandes. Als solches übt es eine mehr oder minder ausgeprägte 
Wirkung auf die Tätigkeit aller anderen Organe des Körpers aus 
und unterliegt seinerseits dem Einfluss aller seiner Konkurrenten 
bis zu einem gewissen Grade. Nie kann eiu totes Präparat diese 
Stellung eines Organs ausfüllen. Die einzig wahre Organtherapie 
ist die Transplantation eines gesunden Organs an Stelle des er¬ 
krankten. Alles andere ist ein Notbehelf und kann unter keinen 
Umständen dem Körper vollkommen einen Ersatz bieten für das, 
was ihm durch Krankheit genommen. 


Aus der Grazer dermatologischen Klinik (Vorstand: 
Prof. Matzenauer). 

Beeinflussung der Wassermann’schen Reaktion 
durch Embarin und Merlusan. 

Von 

Dr. Max Hesse, 

Assistent der Klinik und Leiter der 8erodiagiu>*tisclien Untersm-luin^-station. 

Der Wert uod die Brauchbarkeit eines antiluetischen Mittels 
geht wohl am besten daraus hervor, in welchem Maasse die be¬ 
stehenden Syphiliserscheinungen zum Verschwinden gebracht 
werden und wie lange der Patient recidivfrei bleibt (Dauerwirkung). 
Als zweiten Maassstab für die Wirksamkeit können wir heute 
auch die Wassermann’sche Reaktion gelten lassen, die doch von 
den meisten Mitteln im günstigen Sinne beeinflusst wird. Ueber- 
einstimmend geben die verschiedenen, zahlreichen Antoren an, 
dass die Wassermann’scbe Reaktion durch eine antiluetiscbe Kur 
eine Abschwäcbung erfährt oder ganz zum Verschwinden gebracht 
werden kann. Doch sind die Zahlen, die hier angeführt werden, 
sehr verschieden. Die folgende Tabelle 1, die ich aus dem Buch 
von Boas: „Die Wassermann’scbe Reaktion 11 entnommen 
habe, gibt uns ein beiläufiges Bild, in welchem Maasse die Re¬ 
aktion beeinflusst wird, sie zeigt uns aber auch, zu welch ver¬ 
schiedenen Resultaten die einzelnen Autoren gekommen sind. 


Tabelle 1. 



Anzahl der 
Fälle 

Geschwunden oder abgenommen 
während der Behandlung 

Blaschko.... 

90 

1 

76 

84.4 pCf. 

Hoehne .... 

200 

m 

55,5 * 

Lesser . 

22 

20 

90,9 „ 

Müller. 

48 

18 

37.5 „ 

Pürckhauer . . 

1G5 

86 ( 

52,1 „ 

Boas. 

435 

434 

99,8 * 


Inwieweit an diesen Differenzen die Wahl des Mittels, die 
Stadien der Syphilis und die längere oder kürzere Beobachtungs¬ 
dauer schuld sind, soll hier nicht untersucht werden, soviel steht 
fest, dass io einer grossen Anzahl von Fällen die Wassermann’sche 
Reaktion durch eine Kur geändert werden kann. Wichtig ist, 
dass von den meisten Autoren ein Parallelismus zwischen dem 
Zurückgehen der Syphiliserscheinungen und dem Schwächer werden 
und Verschwinden der Wassermann’schen Reaktion konstatiert 
wird. Boas, der wohl die günstigsten Resultate zu verzeichnen 
hat, fasst seine Erfahrungen in folgenden Schlussworten zusammen: 
Eine positive Wassermann’scbe Reaktion wird in fast 
allen Fällen von einer antiluetischen Kur beeinflusst . . . 
Wenn auch nicht alle Ergebnisse so günstig sind wie diejenigen 
Boas’ — er führt dies auf die quantitative Untersuch ungsmethode 
zurück, die er übt —, so kann doch immerhin von einem anti- 
luetischen Mittel eine entsprechende Beeinflussung der Wasser- 
mann’schen Reaktion verlangt werden, und geradeso wie sich 
herausgestellt hat, dass alle Mittel, welche die Symptome der 
Syphilis zum Schwinden bringen, auch die Wassermann’sche Re¬ 
aktion, die ja auch nur ein Symptom der Syphilis ist, abschwächen 
oder negativ machen, so kann man wohl umgekehrt erwarten, 
dass ein Mittel, welches auf die Wassermann’sche Reaktion günstig 
wirkt, auch die klinischen Erscheinungen im günstigen Sinne be¬ 
einflussen wird. Es scheint nur, dass iu Bezug auf die Dauer¬ 


wirkung weder die rasche Aenderung der Wassermann’schen Re¬ 
aktion, noch aber anch das momentane Schwinden der Syphilis¬ 
symptome maassgebend ist. 

Ausser dieser günstigen Wirkung einer Kur auf die Wasser- 
maon’sche Reaktion gibt es aber auch eine ungünstige — eine 
vorübergehende oder auch länger andauernde Verschlechterung. 
Diese Verhältnisse sind wohl noch nicht vollständig geklärt und 
in ihrer Beurteilung eindeutig. Gennerich 1 ), R. Müller*), 
Boas u. a., die sich mit dieser Frage befasst haben, führen die 
vorübergehende Verstärkung auf ein Freiwerden von Endotoxinen 
zurück und bezeichnen es als eine Art Herxbeimer’sche Re¬ 
aktion. Wenn diese Ansicht za Recht besteht, so wäre eine 
solche Verschlechterung der Wassermann’schen Reaktion durch 
ein Mittel nicht im abfälligen Sinne für dieses Mittel aaszulegen; 
im Gegenteil zeigt auch diese amgekehrte Beeinflussung der 
Wassermann’schen Reaktion, dass das betreffende Mittel tatsäch¬ 
lich die Fähigkeit besitzt, die Spirochäten zu vernichten. Boas 
nimmt aber für einen Teil solcher Fälle (mit längerdauernder 
Verschlechterung) nicht die sogenannte Herxheimer’sche Reaktion 
als Grund an, sondern meint, dass besonders im Frühstadium die 
Tendenz zum Ansteigen besteht, die anch durch eine antiluetiscbe 
Kur nicht aufgehalten werden kann. Die sogenannte Herxheimer- 
sche Reaktion (Provokation) lässt er nur für Salvarsan gelten, 
für Quecksilber schliesst er sie theoretisch nicht aus, hält sie 
aber noch nicht für erwiesen. Er sagt im Anschluss an die oben 
citierte Stelle: „ . . . Die Reaktion kann sich in Fällen, wo sie 
früher nicht vorhanden war, einfinden und wo sie früher schwächer 
war, stärker werden, trotz einer eingeleiteten merkuriellen 
Therapie, nicht wegen derselben . . . “ Somit wäre auch in 
diesem Sinne diese Beeinflussung kein Nachteil eines speziellen 
Mittels, sondern eine Eigenschaft, die allen Hg-Mittelo anhaftet 
und die sich nicht vermeiden lässt. 

Wenn man alle diese Verhältnisse berücksichtigt, so muss 
man sich wundern, wenn man in einer Publikation Förth’s 3 ) 
liest, dass das Embarin, eiu Mittel, welches von den verschiedensten 
Autoren [Polland 4 ), Salomensky 6 ), Gappisch 6 ) u. a.] und 
auch von dem Genannten selbst als ein sehr günstig und prompt 
wirkendes beschrieben wird, die Wassermann’sche Reaktion in 
keinem der Fälle beeinflussen konnte. Da der Verfasser ausser¬ 
dem in dieser Arbeit auch das Merlusao im Gegensatz zu anderen 
Autoren als ein unbrauchbares, unwirksames Antilueticum verwirft, 
müssen unwillkürlich Zweifel gegenüber seinen Darlegungen auf¬ 
steigen. 

Ich habe es daher unternommen, die beiden genannten Mittel 
auf ihre Wirkung gegenüber der Wassermann’scben Reaktion ein¬ 
gehend zu prüfen. Bevor ich auf meine Resultate näher eingebe, 
muss ich vorausschicken, dass erst vor kurzem mit dem Merlusan 
von Stabsarzt Majevski 7 ) ähnliche Versuche angestellt wurden. 
Er spricht sich, was die Beeinflussung sowohl der Krankheits- 
erscheinnngen als auch der Wassermann’scben Reaktion anlangt, 
im günstigen Sinne aus. Von 40 Patienten trat bei 25, also in 
62 pCt. ein Umschlag der positiven Reaktion in eine negative 
ein — ein Resultat, was also ungefähr in der Mitte zwischen den 
im Anfang mitgeteilten Ergebnissen steht. 

Unsere Untersuchungen erstreckten sich auf Embarin und 
Merlusan und zum Vergleich auf Salvarsan allein und Sal¬ 
varsan ~\- Embarin. 

Von Embarin gaben wir 10—12 Injektionen jeden zweiten 
Tag, vom Merlusan womöglich etwa 100 Pillen langsam ansteigend 
von 3 Stück auf 6 Stück täglich, vom Salvarsan 3—4 Injektionen 
intravenös in Intervallen von 6—6 Tagen (die erste Injektion 
meist 0,3, die folgenden 0,4) und endlich bei der kombinierten 
Behandlung 8 Salvarsan- und 10 Embarininjektionen. Der Turnus 
war ungefähr der folgende: 

1. Embarin Injektion 


1) Gennerich, Vöff. MarineSanitätsw., 1911, H. 3. 

2) R. Müller, Die Serodiagnose der Syphilis. Verlag von Urban 
und Schwarzenberg. 

3) Fürth, Ueber Embarin und Merlusan. Derm, Wscbr., 191*> 

Nr. 12. . 

4) Poll and, Syphilisbehandlung mit Embarin. Ther. d. Gegen*., 
1914, H ‘ 4 ‘ 

5) Salomensky, Erfahrungen mit Embarin. D.m.W., 1913, Nr-oo. 

6) Gappisch, Ueber Behandlung der Syphilis mit Embarin. M. Kl., 
1913, Nr. 48. 

7) Majevski, Militärarzt, 1914, Nr. 9. 


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16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1816 


I. Salvarsaninjektion 0,3 

4. Embarininjektion 

5 . 

II. Salvarsaninjektion 0,4 

6. EmbariniDjektion 

7 . 

III. Salvarsaninjektion 0,4 

8. Embarininjektion 


Die Blutantersuchnng wurde za Beginn der Kur, ungefähr in 
der Mitte, am Ende und wenn möglich ein Monat nach Beendigung 
der Kur gemacht. Letztere Untersuchung stiess oft auf Schwierig¬ 
keiten, da viele Patienten teils aus Unverstand, teils aus unver¬ 
schuldeten Hindernissen nicht zur Blutentnahme kamen. 

Die Resultate zeigen die nachfolgenden Tabellen. 


Tabelle 2. 



Zahl der 
untersuchten 
Fälle 

Während oder nach der Kur 
negativ geworden 

Zahl | pCt. 

Embarin. 

69 

17 

24,6 

Merlusan .... 

57 

13 

22,8 

Salvarsan .... 

37 

10 

27 

Salvarsan -{- Embarin 

20 

4 

20 


Tabelle 3. 



Zahl der 

Während oder nach der Kur 


untersuchten 

schwächer geworden 


Fälle 

Zahl 

pct. 

Embarin. 

69 

20 

28,9 

Merlusan .... 

57 

18 

31,6 

Salvarsan .... 

37 

12 

32,4 

Salvarsan -f- Embarin 

20 

5 

25 


Tabelle 4. 



Zahl der 
untersuchten 
Fälle 

Während oder nach der Kur 
gleich stark positiv geblieben 

Zahl | pCt. 

Embarin. 

69 

18 

26 

Merlusan .... 

57 

17 

l 29,8 

Salvarsan .... 

37 

10 

27 

Salvarsan -f- Embarin 

20 

7 

35 


Der besseren Uebersicht halber habe ich in der folgenden 
Tabelle 5 die beiden ersten zusammengezogen. 


Tabelle 5. 



Zahl der 
untersuchten 
Fälle 

Während oder nach der Kur 
schwächer positiv oder 
negativ geworden 

Zahl | pCt. 

Embarin. 

69 

37 

53,5 

Merlusan .... 

57 

31 

54,4 

Salvarsan .... 

37 

22 

59,4 

Salvarsan -{-Embarin 

20 

9 i 

i 

45 


Die hier angeführten Zahlen bedürfen keiner weiteren Er¬ 
klärung, sie sprechen für sich selbst. Ich will nur kurz er¬ 
wähnen, dass in der Tabelle 4 die Fälle als unbeeinflusst nicht 
aufgenommen wurden, die vor, während und nach der Kur negativ 
waren, was bei Patienten mit latenter Lues, die trotzdem eine 
Kur machen wollten, beim Embarin 3 mal, beim Merlusan 6 mal, 
beim Salvarsan 3 mal und bei Salvarsan + Embarin I mal 
vorkam. 

Wir sehen, dass die Ergebnisse im Mittel denen in der ein¬ 
gangs gebrachten Tabelle nicht viel nachstehen. Dass die Zahlen 
bei manchen Autoren höhere sind, mag wohl darin liegen, dass 
die Beobachtungszeit bei uns eine sehr kurze ist — hauptsäch¬ 


lich erstreckte sie sich nur während der Kur und nur bei einem 
geringen Teil konnte auch nach einem Monate nach der Kur die 
Untersuchung angestellt werden — nnd ausserdem mag es auch 
eine Rolle spielen, dass wir bei der Behandlung der einzelnen 
Fälle keine sorgfältige Wahl trafen, sondern ziemlich wahllos die 
einzelnen Mittel zur Behandlung verteilten, um gerade dadurch 
der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen. Es ist doch all¬ 
gemein bekannt, dass es Fälle gibt, bei denen durch die eine 
Behandlungsmethode mehr zu erreichen ist, als dnrch die andere. 
Oft schwinden durch eine Scbmierkur die Erscheinungen rascher, 
als durch eine Injektionskur nnd umgekehrt. Oft ist in dem 
einen Fall Salvarsan dem Quecksilber vorzuziehen usw. Die 
Wahrscheinlichkeit der besseren Wirkung lässt sich oft voraus¬ 
sehen, so dass wir bei Beobachtung dieser Verhältnisse gewiss 
unsere Zahlen um einiges hätten verbessern können. 

Soviel sehen wir, dass die Resultate mit Embarin 
nnd Merlusan im Vergleich zu Salvarsan und Salvarsan 
-{-Embarin gewiss keine schlechten sind, sie hätten sicher 
noch besser werden können, wenn man nicht mit dem Unverstand der 
Leute rechnen müsste. Leider nur zu oft geschieht es, dass die 
Patienten nicht mehr im Spitale zu halten sind, wenn ihre Krank¬ 
heitserscheinungen beseitigt sind. Da nun sowohl bei Embarin 
als auch bei Merlusan — was wohl für die Güte der beiden 
Mittel spricht — meist schon nach 10—14 Tagen die Symptome 
der Syphilis verschwunden oder wenigstens bedeutend in Rück¬ 
bildung begriffen waren, konnten wir selten mehr als zehn 
Embarininjektionen machen bzw. die vorgeschriebene Zahl von 
mindestens 100 Merlusanpillen erreichen. 

Ausser diesen in den Tabellen festgelegten Ergebnissen muss 
ich noch einige Dinge gesondert erwähnen. 

Die Tatsache, da?s durch eine Salvarsaninjektion eine Ver¬ 
stärkung der Wassermann’schen Reaktion eintreten kann, konnten 
auch wir konstatieren. In 5 Fällen bei Salvarsan und in 2 Fällen 
bei Salvarsan -f- Embarin zeigte die Untersuchung nach der 
ersten Salvarsaninjektion eine Verstärkung der Reaktion, die bei 
der Untersuchung nach der zweiten Injektion wieder verschwunden 
war. Wir konnten die Erscheinung aber auch bei 
Quecksilber beobachten. Einen besonders typischen Fall 
möchte ich hier erwähnen. (Tabelle 6.) 


Tabelle 6. 




Embarin 

Vor der 
Kur 

Nach der 
5. Injekt. 

Nach der 

1 Kur 

B. J. 

Leukoderm, Lues latens 

10 Injek¬ 
tionen 

0 

+ 

0 


Aehnliche Fälle, nur nicht so ausgesprochen, beobachteten 
wir sowohl bei Embarin (7 mal) als auch bei Merlusan (1 mal) 
mehrmals. 

Ob es sich hier um eine Erscheinung bandelt, die dieselbe 
Erklärung verdient, wie die sogenannte Herxheimer’sche Reaktion 
bei Salvarsan, oder ob diese Fälle in diejenige Gruppe gehören, 
von denen Boas sagt, dass sie eben trotz der Behandlung stärker 
positiv geworden sind, lasse ich dahingestellt. Tatsache ist, dass 
es sich bei den erwähnten Fällen, insbesondere bei dem an¬ 
geführten Beispiel um eine vorübergehende Verstärkung der 
Wassermann’schen Reaktion handelt, die bei Salvarsan als 
Herxheimer’scbe Reaktion (durch „Endotoxinsturm w hervorgerufen) 
bezeichnet wird. Diese Fälle sind doch gewiss ein Beweis dafür, 
dass ein vorübergehendes Positivwerden anch durch Quecksilber 
erzeugt werden kann, was Boas, wie schon früher erwähnt, als 
nicht erwiesen erachtet, und nach dem Grundsatz, was dem einen 
recht, ist dem anderen billig, muss doch für dieselbe Er¬ 
scheinung auch dieselbe Erklärung gelten, ist sie nun 
durch Salvarsan oder Quecksilber bedingt. Es fragt sich 
nur, ob diese Erklärung auch die richtige ist. 

Ich führe hier noch weitere vier Beispiele an, bei denen die 
Wassermann’sche Reaktion anch schlechter wurde und während 
der Kur auch schlechter geblieben ist. (Tabelle 7.) 

Diese Fälle sind gewiss trotz der Kur schlechter geworden, 
doch kann ich der Ansicht Boas 1 nicht beistimmen, dass hier 
die Tendenz zum Ansteigen der Reaktion schon vorher bestanden 
hat, was dann durch die einsetzende Kur auch nicht verhindert 
werden konnte. Vielmehr macht es mir den Eindruck, besonders 
bei dem ersten nnd zweiten Fall, dass das Einsetzen der Behand¬ 
lung das auslösende Moment gewesen sei. 


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Gck igle 


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UMIVERSITY OF IOWA 









1810 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 46. 


Tabelle 7. 




Salvarsan 

Vor der 
Kur 

Nach der 
2. Iojekt. 

Nach der 
Kur 

E. 

Gumma pal. dur. 

0,2, 0,3, 0,4 

0 

+++ 

+4”f 




Merlusan 

i 

Vor der 
Kur 

Nach 

44 Stück 

Nach der 
Kur 

F. R. 

Lues latens 
(Spätlatens) 

111 Pillen 

0 

+ 

+++ 




Salvarsan -f- 
Embarin 

Vor der 
Kur j 

|Nach d.2. 

[ Salv.-Inj. 

1 Nach der 
Kur 

G. A. 

Pap. ad genit. 
in ore, ad anum, 
Alopecia specif. 

2 Emb. 0,3 Salv. 
2 m 0,4 „ 

5 Embarin 

0 

+ i 

: 

++ 

l 



1 

| Embarin 

| Vor der 
Kur 

Nach der 1 
6. Injekt. 

Nach der 
Kur 

M. M. 

Sclerosis 

12 Injektionen | 

0 

++ 

++ 


Es scheinen also durch die Kur Reagine mobilisiert 
worden zu sein, die eben dann durch die Wassermann- 
sche Reaktion nachgewiesen werden können. Ich sehe 
zwischen der sogenannten Herxheimer’schen Reaktion, i. e. dem 
vorübergehenden Stärkerwerden der Reaktion und der läöger an¬ 
dauernden Verschlechterung keinen prinzipiellen Unterschied, 
sondern nur einen graduellen, zumal bei längerer Beobachtungs¬ 
zeit wahrscheinlich auch in den angeführten Fällen ein Zurück¬ 
geben zu erwarten ist. Es ist überhaupt verwunderlich, dass 
man für die Verstärkung der Wassermann’schen Reaktion, welche 
Reaktion für Syphilis ja gar nicht spezifisch, sondern nur cha¬ 
rakteristisch ist, da sie mit syphilitischen Reaktionskörpern gar 
nichts zu tun hat, die Endotoxine aus den Spirochäten als Grund 
annimmt, wie dies viele Autoren bei der Jarisch-Herxheimer- 
schen Reaktion tun. Die beiden Erscheinungen —^ Ver¬ 
stärkung der Wassermann’schen Reaktion und Herxheimer’schen 
Reaktion — haben doch nur ein äusseres Zeichen ge¬ 
meinsam, nämlich das vorübergehende Aufflammen der Sym¬ 
ptome; bei der Wassermann’schen Reaktion kann dies daher un¬ 
möglich auf' gleiche Weise erklärt werden wie bei der Herx¬ 
heimer’schen Reaktion, es sei denn, dass man auch für diese 
letztere eine andere Ursache annimmt als den Endotoxinsturm. 

Aehnliche Verschlechterungen wie in der angeführten Tabelle 
konnten wir beim Embarin dreimal, beim Merlusan viermal, beim 
Salvarsan zweimal und bei der kombinierten Behandlung zweimal 
beobachten. 

Von anderen Zufälligkeiten, die während dieser Kuren vor¬ 
kamen, und die eigentlich nichts Neues bieten, will ich nur kurz 
berichten. 

Die von den meisten Autoren beobachteten Allgemein- 
erscheinungen nach Embarin konnten auch wir konstatieren. 
In 12 Fällen traten nach der 4.-6. Injektion Temperatursteige¬ 
rungen bis 40® auf, einmal mit Erbrechen, dreimal mit Erythem, 
zweimal mit Durchfall (davon einmal sogar mit blutiger Diarrhöe), 
immer aber mit einer bedeutenden, wenn auch nur kurzdauernden 
Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens begleitet. Durch unsere 
eigene und auch durch die Erfahrungen v. Plano er’s 1 ), 
Fried’s 2 ) und anderer vorsichtig gemacht, haben wir io den 
meisten Fällen gar nicht versucht, die Kur mit Embarin 
fortzusetzen, sondern haben sofort (allerdings ohne die 
Kur zu unterbrechen) zu einem anderen Quecksilbermittel 
gegriffen, nur in 4 von den 12 Fällen haben wir die Kur mit 
Embarin zu Ende geführt; bei einem war allerdings nur eine ge¬ 
ringe Temperatursteigerung bis über 87°, bei einem anderen trat 
das Fieber erst am Schluss der Kur auf, einmal setzten wir 
einige Zeit mit den Injektionen aus, worauf sie dann anstandslos 
vertragen wurden, und beim vierten wurden die Injektionen irr¬ 
tümlich weitergemacht, ohne dass sich das Fieber wiederholte. 
Im allgemeinen lässt sich wohl sagen, dass es klüger ist, das 
Embarin wegzulassen, wenn es einmal schlecht vertragen wird, 

1) v. Planner, D.ra.W., 1913, Nr. 40. 

2) Fried, D.m.W., 1918, Nr. 4. 


da sich die unangenehmen Erscheinungen fast immer von neuem 
wiederholen. 

Bei dem Merlusan konnte ausser Beschwerden von seiten 
des Magendarmkanals nichts Nachteiliges konstatiert werden. 
Diese Beschwerden (Bauchschmerzen, Durchfall) traten allerdings 
ziemlich oft ein (von 57 Fällen 29mal), also in der Hälfte der 
Fälle), und zwar meistens am 3.—4. Tag, sie dauerten gewöhn¬ 
lich aber nur kurz (einige Tage), ohne dass dagegen etwas an¬ 
gewendet werden musste. Auch die'Kur brauchte deshalb nicht 
unterbrochen zu werden. 7 mal Dessen die Beschwerden auch 
während der ganzen Kur nicht nach. Der Durchfall wiederholte 
sieb, wurde mit Tannalbin bekämpft, erreichte aber nie eine 
solche Stärke, als dass sich der Patient vor der Fortsetzung der 
Kur mit Merlusan weigerte. Es fragt sieb nur, ob es nicht besser 
wäre, in solchen Fällen nicht auf Merlusan zu bestehen, da ja 
das Aufnahmeorgan — der Darm — mehr oder weniger ge¬ 
schädigt ist and dadurch die Resorption des Quecksilbers gewiss 
eine beeinträchtigte ist. 

Bezüglich der Wirkung auf die bestehenden Syphiliserschei- 
nnngen lässt sich im Vergleich zu den anderen Mitteln für das 
Merlusan nur Günstiges sagen, es wirkte fast immer 
prompt und rasch, was ja nach den Berichten von Matzenauer- 
Buchtala 1 ), insbesondere über dieResorptionsVerhältnisse, apriori 
zu erwarten war. 

Ueber Salvarsan habe ich uur zu sagen, dass sich viermal 
nach der ersten Injektion Temperaturen bis zu 39,6° einstellten, 
in welchen Fällen es Bich immer um Primäraffekte vor Ausbruch 
der Sekundärerscheinungen bandelte und dass dreimal nach der 
zweiten Injektion Erbrechen ohne Fiebererscheinungen auftrat 
(alle drei waren Weiber). 

Aus unseren Untersuchungen gebt wohl hervor, dass die 
beiden neuesten antiluetischen Mittel Embarin und Merlusan 
imstande sind, die Wassermann’sche Reaktion in einer 
grossen Anzahl von Fällen im günstigen Sinne zu be¬ 
einflussen, welche Resultate in bezug auf die vergleichenden 
Befunde bei Salvarsan and Salvarsan -f- Embarin sehr 
günstige zn nennen sind, die aber anch so ziemlich den bekannten 
Zahlen anderer Autoren im Durchschnitt entsprechen. Sie zeigen 
aber auch, dass die Zweifel, die wir in die Untersuchungen 
Furth’s gesetzt haben, nur zu berechtigt waren. Er fand in 
keinem Fall eine Beeinflussung der Wassermann’schen Reaktion 
durch Embarin, sowie er dem Merlusan, intern genommen, jede 
Wirkung auf die Syphiliserscheinungen abspricht, welchen Be¬ 
funden wir auf Grund der vorliegenden Untersuchungen aof das 
Entschiedenste widersprechen müssen und können. 

Das Embarin hat sich in der Privatpraxis sehr gut be¬ 
währt und wird von uns fast als ausschliessliches Injektionsmittel 
verwendet, während wir das Merlusan hauptsächlich zur kombi¬ 
nierten Behandlung verschreiben, wenn aus äusseren Gründen eine 
andere QuecksilberbebandluDg unmöglich ist. 


Zur Prophylaxe und Therapie der Geschlechts¬ 
krankheiten im Felde. 

Von 

Sanitätsrat Dr. P. Scharff-Stettin. 

Die Aufgaben des Arztes, durch fürsorgenden Rat die Ge¬ 
schlechtskrankheiten möglichst za verhüten und einmal geschehenes 
Uebel möglichst schnell und sicher zu beseitigen, gewinnt unter 
den ganz besonderen Verhältnissen, wie sie der Felddienst mit 
sich bringt, ein ganz neues Aussehen. Der Krieg erfordert vor 
allen Dingen ein schlagkräftiges Heer, deshalb spielt die Pro¬ 
phylaxe für dasselbe eine hervorragende Rolle. Natürlich können 
im Felde keine ärztlichen Vorträge mehr gehalten werden. M& n 
muss sich darauf beschränken, die Mannschaften unter Androhung 
strenger Bestrafung dazu anzuhalten, sich 3 Tage nach jedem 
Geschlechtsakte dem Arzt vorzustellen. Gleichzeitig muss aller¬ 
dings die Furcht der Mannschaft, für die Acquisition einer der¬ 
artigen Erkrankung Strafe erwarten zu müssen, vollständig be¬ 
seitigt werden. Wird solches Verfahren durchgesetzt, so kann jede 
Gonorrhöe sofort in den mittels Platinöse aus der Fossa na?i- 
cularis entnommenen Schleimfädchen mikroskopisch erkannt und 
durch einen einzigen therapeutischen Akt so gut wie sicher im 
Keime erstickt werden. Ein erprobtes Abortiv verfahren besteht 

1) Matzenauer-Buchtala, W.m.W., 1913, Nr. 38 u. 39. 


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16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1817 


in der Irrigatorausspülung der Pars anterior urethrae vermittels 
einer warmen Lösung von Arg. nitr. 1,0:600,0 und nachfolgender 
mittels kleiner stumpfer Spritze applizierten Injektion von 5,0 
einer 5proz. Arg.-Lösung. Diese hält man etwa 30 Sekunden 
zurück, dann kann man sicher sein, auch auf die am tiefsten 
getroffene Fossa navicularis und die dahinter liegenden Schleim¬ 
hautpartien hinreichend epithelzerstörend eingewirkt zu haben. 
Die Fallhöhe der Irrigation sei etwa 1 m; gleichzeitig muss der 
Patient angewiesen werden, während der Dauer der Irrigation die 
Hinterbacken fest zusammenzupressen, um durch den so erzeugten 
Schluss des Compressors ein Ueberlaufen der Flüssigkeit in die 
Posterior zu verhüten. Lassen die Umstände eine mikroskopische 
Feststellung der Diagnose nicht zu und ist mikroskopisch nur ein 
kleiner Scbleimfluor zu beobachten, so ist es gut, den betreffenden 
Patienten zu fragen, ob der Ausfluss wirklich erst am dritten 
Tage post coitum aufgetreten sei. Gibt er an, dass der¬ 
selbe schon am Morgen nach dem suspecten Coitus aufgetreten 
sei, und dass er schon seit längerer Zeit hier und da einen 
solchen Schleimfluss, der aber nie in ein continuierliches Laufen 
ausartete, beobachtet habe, so besteht der Verdacht, dass ledig¬ 
lich eine Urethritis simplex symptomatica vorliegt, eine für das 
Vorhandensein eines in der Urethra posterior bestehenden Reizungs¬ 
zustandes symptomatische Entzündung, wie solche nach lange 
geübter Masturbation und Coitus interruptus häufig aufzotreten 
pflegt. Schon eine einfache Pollution ist dann von einem er¬ 
neuten Auftreten eines rein schleimigen, nur manchmal von einem 
aus Epithel len und ganz vereinzelten Leukocyten bestehenden Aus¬ 
flosse gefolgt. Jedenfalls schadet auch im Zweifelsfalle die Vor¬ 
nahme des oben geschilderten Abortivverfahrens durchaus nicht. 
Zweckmässig wird man vorher und nachher eine Spritze von 
etwa 8 ccm einer lproz. Cocainlösung applizieren. Zur Nach¬ 
behandlung gibt man dem Patienten Capsulae 01. ligni Santali 
und Natrium bicarbonicum. Von letzterem sind zur Alkalisierung 
des Harnes 3mal täglich Va—1 Teelöffel auf ein Glas Zucker¬ 
oder gewöhnlichen Wassers zu nehmen. Der durch die Abortiy- 
reizung gesetzte Reizzustand — ein wenig Blut, das eventuell in 
den ersten Tagen sich beim Urinieren zeigen kann, hat nichts zu 
bedeuten — klingt unter solcher Behandlung in weiteren 5 bis 
6 Tagen wieder ab. Der Soldat bleibt während der ganzen Zeit aber 
dienstfähig. Zur Vorsicht verbiete man absolut den Alkoholgenuss 
bis zur Entlassung aus der ärztlichen Behandlung. War die eine 
Vorbedingung für das Gelingen der Abortivkur die genaue Ein¬ 
haltung des dritten, höchstens Anfang des vierten Tages post coitum, 
an welchem sich zuerst eine Spur des schleimigen, nicht eitrigen 
gonokokkenhaltigen Ausflusses zeigte, so ist die zweite die, dass 
in dieser Incubationszeit der ersten 3 Tage kein zweiter Coitus, 
kein Excess in baccho stattgefunden haben darf, auch keine be¬ 
sonders grosse Anstrengung, keine andauernd kalten Füsse. Bei 
den meisten Individuen genügt eines dieser erwähnten Momente, 
um die Infektion sofort auf die Prostata übergreifen zu lassen. 
Deshalb empfiehlt es sich, vor Beginn des Abortivverfahrens die 
Drüse vom Rectum, wenigstens auf Schmerzhaftigkeit hin, die 
Verdacht erregen und zur mikroskopischen Untersuchung des ex- 
primierten Sekrets auffordern muss, zu palpieren. Kernchromo- 
philie der gefundenen Leukocyten spricht sicher für Prostatitis. 

Somit hätten wir nun 8 Bedingungen für die Abortivkur: 
1. den richtigen Zeitpunkt, die weitaus wichtigste, 2. schleimigen 
Ausfluss mit Gonokokken, 3. die Abwesenheit von Schmerzhaftig¬ 
keit der Prostata, wozu sich als 4. noch die Klarheit der ersten 
Harnportion gesellen muss. Man lässt durch den ersten Harnstrahl 
ein einfaches Wasserglas zur Hälfte füllen, dann ein zweites Glas 
ebenso, in welchem höchstens einige Schleimfädchen schwimmen 
dürfen. Vollständige Unklarheit der ersten Harnportion ist Contra¬ 
indikation. 

Die Prognose für das Gelingen ist eine gleich gute für den erst¬ 
maligen wie für einen zum wiederholten Male acquirierten Tripper. 

Auch eine misslungene Abortivbehandlung hat keine bösen 
Folgen. Man fängt dann sofort an weiter zu behandeln, wie man 
cs bei jedem Tripper älteren Datums auch tun würde. Ist der 
richtige Termin für eine Abortivbehandlung schon verpasst, so 
tritt die gewöhnliche Behandlung mit den sogenannten spezifischen 
Silberpräparaten und antiseptischen Lösungen ein, von denen sich 
etwa folgende Reihenfolge bewähren dürfte: 

Protargoli 1,0 ad 200,0, Sol. Ichtbargani 0,1 : 300,0. 

Protargol 1,0, Albargani 0,3 ad 200; daneben immer 

Gapsul. OJ. ligni Santali a 0,5 innerlich. 3 mal täglich 2 Stück. 

Ein sonst zweckmässiger Ersatz von Wasser, Tee und Kakao 
durch einen von dem Patienten selbst herzustellendes Infus von i 


Fol. Sennae sine resina 10,0 
Fol. uv. Ursi 100,0 
Flores Tiliae ad 200,0. 

D. S. 3 mal täglich von 1 gehäuften Teelöffel V 2 Liter Tee (10 Mi¬ 
nuten ziehen lassen) zu kochen, ist, wenn irgendmöglicb, dringend an- 
zuraten. 

Sehr zu empfehlen ist etwa von der dritten Woche an die 
seit 30 Jahren erprobte Formel Unna's: 

Zinci sulfocarbolioi 1,0 
Resorcini resublimati alhissimi 4,0 
Aq. destill. ad 200,0. 

Unna lässt diese Lösung von Anfang an benutzen und zwar 
nicht allein 3 mal täglich, sondern auch 2—3 mal nächtlicherweise. 
Diese Lösung kommt in baktericidem Werte dem Sublimat un¬ 
gefähr gleich, ist dabei reizlos; ich kann sie auf Grund 24 jähriger 
Erfahrung dringend empfehlen. 

Da die Verhältnisse eines Winterfeldzuges durch die Gefahr 
der kalten Füsse nur zu leicht den Uebergaug der Entzündung 
auf die Posterior und Blase, wie die Adnexe hervorrufen, wird es 
sich empfehlen, dieser Komplikation von vornherein entgegen¬ 
zuarbeiten, indem man gleichzeitig mit dem Beginne der Injektion 
prophylaktisch die von Unna und seinen Schülern in erster Linie 
als wirksamst erkannten sogenannten Cystitismixtur, bestehend aus 
Kalii chlorici 5,0 
Natrii salieyl. 10,0 
Aq. dest. ad 200,0 

dreimal täglich, bei schon eingetretener Trübung der ersten 
Harnportion aber 5 mal täglich, 1 Esslöffel auf 1 Glas Wasser 
nehmen lässt. 

Bestehen Tenesmen oder tritt gar terminale Blutung auf, so 
kann man dieser Mixtur bequem Tinct. Belladonna 10,0, Tinct. 
Opii simplicis 6,0, resp. Extr. Belladonna 0,15 oder Opii puri 
0,3 zufügen. 

Soldaten, die unter Einwirkung eines Opiates stehen, sind 
aber unfähig, etwa auf Vorposten zu stehen, deshalb dürfte es 
besser sein, gegen Tenesmen Snppositorien zu geben von 
Atropin 0,0005 
Icbthyoli Ammon. 0,1 

01. Caoao ges. pro dosi 3 mal täglich 1 Suppositorium, 
die gleichzeitig durch den Ichthyolgehalt günstig auf die fast 
immer in diesen Fällen schon vorhandene Prostatitis einwirken. 

Einfache chronische Gonorrhoe der Pars anterior wird ambulant 
behandelt werden können mit den gleichen Mitteln zur Injektion 
wie die akute, nur mit dem Unterschiede, dass man die Konzen¬ 
tration der Injektionen etwas verstärkt. Chronische Gonorrhoe 
der Pars anterior kann man, da so gut wie immer chronische 
Prostatitis mit ihr verbunden ist, vielfach so lange mit Ichthyol- 
Atropin- Suppositorien hinhalten, bis die Zeit es erlaubt, mit 
Massage und grossen Spülungen durch den ganzen Tractus uro- 
genitalis dem Uebel vom Grund aus zu begegnen. Solche Total¬ 
irrigationen durch die ganze Harnröhre bis in die Blase hinein 
werden am reizlosesten ohne Katheter gemacht. Nachdem man 
mit einigen kurzen Spritzen die Anterior gereinigt hat, lässt man 
den Patienten den Mnnd öffnen, nm hierdurch eine Entspannung 
des Kompressors zn bewirken und drückt nun unter sanfter 
Stempelbewegung, Dicht brüsk und gewaltsam, den Inhalt der 
mit einem weichen konischen Gummiansatz armierten Spritze 
durch die Urethra in die Blase. Am besten ist es jedoch, zehn 
Minuten vorher den Kompressor durch eine Füllung der Anterior 
mittels einer 1 proz. Kokainlösung zu erschlaffen. Als Spül¬ 
flüssigkeit dienen am besten hellweinrote Lösungen von Kalium 
hypermanganicum in abgekochtem, lauwarmem Wasser. Besteht 
eine Cystitis mit häufigem, unwiderstehlichem Tenesmus, Schmerzen 
vor und besonders nach dem Harnen, so ist der Patient unbedingt 
in das Lazarett zu überführen. Milchdiät, wenn angängig heisse 
42—43gradige Sitzbäder von 1 Stunde, dann Fol. Uv. ursi, 
Flores Tiliae, ana in Infusen mit eventuellem Zusatze von Fol. 
SenDae sine resina bei verstopfender Wirkung werden in erster 
Linie in Anwendung kommen müssen. Von dem genannten Tee 
muss täglich eine Menge von 2 Esslöffeln trockener Blätter auf 
l 1 /2 Liter Wasser verbraucht werden. Zu gleicher Zeit empfiehlt 
es sieb, Capsulae 01. ligni Santali 3 mal täglich 2 ä 0,5 zu geben 
und erst nach einigen Tagen die im allerakutesten Stadium bis¬ 
weilen reizende, dann aber schnellstens helfende Cystitismixtur 
Unnae: Kalii chlorici 6,0, Natrii salicylici 10,0, Aq. ad 200,0, 
3 stündlich einen Esslöffel auf ein Glas Citronen- oder gewöhn¬ 
lichen Wassers. Entstandene Tenesmen verlangen zuerst neben 
den frühen prolongierten Sitzbädern, die auch bei Prostatitis, 
Epididymitis vorzügliche Dienste tun, im Felde aber wohl viel- 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1818 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


fach einen unerreichbaren Luxus bilden dürften, Suppositorien- 
behandlung mit Extr. Beilad. 0,02, Opii pari 0,03 pro dosi. Nur 
wenn die Not jeden Mann auf das äusserste im Schützengraben 
verlangt, wird man dieses Ziel auch ohne Lazarettbehaudlung 
allein durch Suppositorien erreichbar zu machen suchen. Aller¬ 
dings fallen nicht alle Bedenken dabei fort, da das Opium und 
seine Derivate den Mann schläfrig und unaufmerksam machen 
können. Doch dürfte dieser Gefahr zunächst die Aufregung des 
Kampfes begegnen, ferner wird man dann lieber die Belladonna- 
Wirkung überwiegen lassen, indem man 
Atropini sulf. 0,001 
Morphium muriat. 0,01 
pro suppositorio, 

verschreibt, wobei die Möglichkeit zu reichlichem Trinken vorhanden 
sein muss wegen der manchmal auftretenden Trockenheit im Rachen. 
Unumgänglich notwendig ist es, bei einer Cystitis, die sich nicht 
unmittelbar an eine relativ frische Gonorrhöe anschliesst, eine 
Untersuchung mit dem Explorateur Guyon, der leicht biegsamen 
Knopfsonde, auf vorhandene Strikturen vorzunehmen. Ergeben 
sieb solche, so muss nach Beseitigung der akuten Erscheinungen 
neben den Spülungen eine Bougiekur vorgenommen werden. 

Die Verwendung eines erkrankten Menschen für den Posten¬ 
dienst ist dagegen streng kontraindiziert. 

Immer wird man in solchen Fällen individuell beurteilen 
müssen, was zu tun ist. Der eine macht z. B. ein ganzes Manöver 
mit trotz doppelseitiger Epididymitis, der andere fällt schon ab 
bei einer Gonorrhoea anterior. Jedenfalls vermag die Energie 
des Einzelnen viel. 

Gegen Epididymitis ist sofort eine Spritze Arthigon zu machen, 
die nach 3 Tagen zu wiederholen ist. Hochbinden des Scrotums 
durch ein gutes Susponsorium nach vorheriger Einpinselung mit 
lauwarmem Ichthyol, Watte und Gummipapierverband. Innerlich 
Unna’sche Cystitismixtur zweistündlich einen Esslöffel. Je nach 
dem Verlauf und der Schwere des Falles wird sich auch hier 
über die Dienstfähigkeit eine Entscheidung treffen lassen. 

Meldet sich ein mit den Bacillen des weichen venerischen 
Geschwürs infizierter Soldat, so wird ein Ulcus molle am besten 
mit Acid. carbol. liquef. geätzt, etwas Jodoform darauf gepulvert 
und ein Bäuschchen Watte und 10 proz. Teervaseline (Oleum 
cadinum 10,0, Vaselini flavi ad 100) darüber gelegt; durch letztere 
Prozedur wird zugleich jeder Jodoformgeruch (der übrigens, neben¬ 
her bemerkt, ein gutes Ersatzmittel des Insektenpulvers dar¬ 
stellt) unterdrückt. Diese Prozedur wird noch zwei Tage lang 
wiederholt, also im ganzen dreimal vorgeDommen. Dann kann 
man dem Patienten eine 1 proz. Resorcinlösung gebeD, mit welcher 
er Gaze befeuchtet und 2—3 mal täglich auf die von den Ducrey- 
Unna’schen Bacillen gereinigte Wundfläche, welche jetzt zu einem 
Ulcus simplex geworden ist, auflegt. 

Da eine Mischinfektion mit Spirochaeta pallida niemals von 
vornherein ausgeschlossen werden kann, so ist die Untersuchung 
auf Spirochäten von vornherein, ehe noch irgendein therapeutischer 
Eingriff unternommen wurde, sehr wünschenswert. Wo die Ver¬ 
hältnisse diese Untersuchung verbieten, muss der Patient wenigstens 
ungehalten werden, sich eine Woche und zwei Wochen nach der 
gewöhnlich in 8—10 Tagen erfolgenden Abheilung des Ulcus 
molle wieder vorzustellen. Dann zeigt sich nämlich im Infektions- 
falle, dass aü Stelle des abgeheilten Ulcus molle eine Induration 
Platz gegriffen bat. Ist diese konstatiert, so werden 3 Salvarsan- 
infusionen h 0,2—0,3 alle 3—6 Tage genügen, um diese syphi¬ 
litische lufektion abortiv zu beseitigen. Um eine reine Infektion 
mit Lues rechtzeitig zu erkennen, muss sich ein Soldat, bei dem 
die Möglichkeit zur Infektion gegeben war, in den auf den Coitus 
folgenden ersten 20 Tagen, etwa am 12. und 20., zur Untersuchung 
stellen. 

Es ist ein Verdienst Unna’s, unter anderem darauf hinge¬ 
wiesen zu haben, dass es vollständig genügt, ein durch Kochen 
gründlich desinfiziertes Wasser zur Herstellung der Salvarsan- 
lösung zu benutzen. 

Auf die Induration wird man zweckmässig ein Quecksilber- 
Carbol-Guttaplastpflaster (Beiersdorf) kleben. 

Kommt ein spezifischer Primäraffekt schon im ulcerösen 
Stadium zur Vorstellung, so wird derselbe mit einer Salz¬ 
sublimatlösung (ein halber Teelöffel Salz auf eine Tasse der ge¬ 
wöhnlichen Sublimatlösung genügt) abgewaschen und Calomel 
aufgepudert. Zu gleicher Zeit muss die Salvarsantherapie ein¬ 
geleitet werden, beginnend mit 0,2 (um den Patienten nicht 
durch zu starke Reaktion kampfunfähig zu machen), der dann in 
Abständen von je 5 Tagen noch 3 ä 0,3 zu folgen haben. Wenn 


angängig, ist darauf noch eine 4 wöchige Hydrargyrumkar am 
besten mit 40 pCt. 01. cinereum vorzunehmen, die der Inunbtionskur 
unter den gegebenen Umständen wohl in jeder Beziehung vorzu- 
ziehen ist. Dieses erprobte Medikament übertrifft das mit Un¬ 
recht so beliebte Hydr. salicylicum bei weitem an Intensität und 
Nachhaltigkeit der Wirkung und ist ancb lange nicht so 
schmerzhaft wie jenes. In Ermangelung einer besonderen Spritze 
für die 01. cinereum-Injektionen füllt man ein für allemal eine 
gewöhnliche Pravazspritze und infiziert jeden 4. Tag einen Teil¬ 
strich, von dem man der geringeren Schmerzhaftigkeit wegen 
(sie ist übrigens ohnehin bei weitem geringer als diejenige der 
Hyd. salicylicum Injektionen) die eine Hälfte in die linke, die 
andere Hälfte in die rechte Glntäalmuskulatur injiziert. Nadel 
und Spritze werden am besten mit Benzin desinfiziert, ebenso die 
Haut vor dem Einstiche. Die Spritze kann unter der Voraus¬ 
setzung der jedesmal vor Benutzung neu erfolgenden Benzin- 
reinigung in Gaze oder Watte eingewickelt transportiert werden. 
Sonst ist Aufbewahrung in Paraffin, liquidum zu empfehlen. Vor 
der Injektion muss das Oel erwärmt werden, indem man die 
Spritze einige Augenblicke durch eine Spiritusflamme zieht. 

Da erfahrungsgemäss das Feldzugsleben dem Soldaten den 
Luxus des Zähneputzens nicht zu gestatten pflegt, so gibt man 
demselben zweckmässig eine Tube Pebeco mit; unter Umständen 
genügt der Finger an Stelle der Zahnbürste oder wohl noch 
wirksamer unter den beschränkenden Umständen des Feldlebens 
eine 5 proz. Acid. chromicum Lösung zu 8 mal täglichem Ge¬ 
brauche. So oft es angängig, soll der Patient auch die Ge¬ 
legenheit wahrnehmen, mit einer einfachen Kochsalzlösung (ein 
Teelöffel auf ein Glas Wasser) gehörig die Mundhöhle zu spülen. 
Schliesslich kann auch gelegentlich ein im Munde längere Zeit 
mit dem Zahnfleisch in Berührung gehaltener Schluck Kognak, 
Arac, Rum, Schnaps gute Desinfektioasdienste leisten. 


Ueber die Behandlung der Durchfälle im Felde. 

Von 

Dr. E. Faid. 

Es existiert ein Verfahren, Darchfälle ohne Anwendung von 
Opiaten und ohne diätetische Einschränkungen (abgesehen von 
einer Einschränkung der kalten Getränke) rasch und wirksam zu 
behandeln. . 

Diese Tatsache ist selbstverständlich von der grössten Wichtig¬ 
keit für die Behandlung der so ausserordentlich häufigen Durch¬ 
fälle unserer Soldaten im Felde. Da diese Therapie auch sonst 
grosse Vorzüge vor allen anderen in Frage kommenden besitzt, 
so muss sie in jedem Falle zu allererst versucht werden. 

Da aus der Literatur über dieses Thema hervorgeht, dass sie 
noch nicht allgemein bekannt ist, so stehe ich nicht, an, noch 
einmal im folgenden mit allem Nachdruck für sie eiozutreten, 
was ich in friedlicheren Zeitläuften gern anderen überlassen 
haben würde. 

Uebrigens stelle ich fest, dass die Autoren, welche sich über 
das neue Verfahren überhaupt geäussert haben, ausnahmslos mit 
den Erfolgen zufrieden waren, während ein Widerspruch nicht 
laut geworden ist. 

Es ist jetzt nicht der Moment, die theoretischen Grundlagen 
des Verfahrens auseinanderzusetzen, wen diese interessieren, der 
findet sie in meinen früheren Veröffentlichungen oder in derjenigen 
von Henius, der über einige 40 einschlägige Beobachtungen be¬ 
richtet hat. 

Wie bereits HeniuS erwähnt hat, bin ich dazu übergegangen, 
die wirksame Substanz, das Kokain, in fester, dosierter Form xn 
reichen. Die Dosis ist dreimal täglich */a e * ne Viertelstande 
vor den Hauptmahlzeiten. Dies wird erreicht durch Kinnebmen 
von je drei Stück der sogenannten Gelonida neurenterica, 
welche mit Hilfe eines kleinen Schluckes Wassers heruntergespült 
werden. Diese Tabletten sind bequem in der Tasche zu tragen, 
haltbarer und leichter zu dosieren als die sonst verwendeten 
Tropfen. Ausserdem gelingt es mit ihrer Hilfe leicht, die un¬ 
bequeme Anästhesierung der oberen Speisewege nebst Parästhesie 
und Gescbmacksverlust zu verhüten und zu erreichen, dass bei 
der leichten Zerfallbarkeit der Geloniden die Lösung in hoher 
Konzentration an die zu beeinflussende Stelle, die Magenschleim¬ 
haut, gelangt. Endlich ist es kein Nachteil, dass das Kind non 
einen Namen hat, noch dazn einen, der den Wirkungsmodus ziem¬ 
lich glücklich bezeichnet. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1819 


Die Wirkung tritt überraschend schnell ein, oft schon nach 
der ersten Dosis, gelegentlich aber auch erst am zweiten Tag. 
Sicherheitshalber ist es indessen richtig, mit der Medikation drei 
bis vier Tage fortzufahren. Das Aussetzen des Mittels bringt 
keinerlei Störungen mit sich. 

Persönlich habe ich keine Gelegenheit gehabt, das Verfahren 
bei im Felde stehenden Mannschaften anzuwenden, bin jedoch 
überzeugt, dass es dort ausserordentlich wirksam und willkommen 
sein wird, genau wie es sich auch in den Tropen bewährt bat. 

Diese Geberzeugung gründet sich auf eine ausgebreitete Er¬ 
fahrung in Friedenszeiten, sowie auch auf die Bitte eines Kollegen, 
welcher an sich die Wohltaten dieser Behandlung gespürt und 
sie darauf anderen bat angedeihen lassen, um Ueberlassung einer 
Anzahl von Röhrchen an die Apotheke seines Regiments. Da die 
Fälle von anderer Seite zur Publikation vorgesehen sind, so gebe 
ich kein Detail. 

Bei einem aus dem Felde zurückgekehrten Kollegen habe ich 
binnen 24 Stunden Durchfälle zum Stehen bringen können, welche 
seit einer Woche in der Anzahl von sieben im Tage bestanden 
hatten. Der betreffende Herr hatte Temperaturen von 38°, Milz¬ 
schwellung und positiven Widal. Ein Typhus war es trotzdem 
nicht, wurde auch von mir nicht dafür gehalten: die Temperatur 
und wohl auth der Milztumor erklärte sich aus einem pararektalen 
Abscess, der Widal aus einem früher durchgemachten Typhus. 

Vergleiche ich mit der von mir eingeführten Therapie durch 
Anästhesie der Magenschleimhaut die sonst jetzt empfohlenen, so 
muss ich sagen, es gibt kaum eine Zeit, wo diätetische Berau¬ 
bungen weniger am Platze sind als während eines Feldzuges — man 
soll froh sein, weno die Diarrhoiker etwas zu essen haben. Die 
Adsorptionsbebandlung ist wegen der Bindung der Salzsäure und 
der Fermente durchaus nicht indifferent, ganz abgesehen von den 
Massen, die die Kranken mitschleppen und schlucken müssen 
(vgl. Stumpf). 

Was die Kur bei echter Dysenterie leistet, weiss ich nicht, 
hoffe es aber im Verlauf meiner Tätigkeit am Reservelazarett auf 
dem Tempelhofer Felde zu erfahren. Die grosse, überwiegende 
Mehrzahl der Durchfälle im Felde ist aber glücklicherweise, wie 
ich im Gegensatz zu den Ausführungen eines bekannten Bakterio¬ 
logen in den Fortbildungsvorträgen hervorheben muss, nicht in¬ 
fektiöser Natur, und die Gefechtsfähigkeit solcher Patienten wird 
bestimmt durch kein anderes Verfahren so gut erhalten bzw. 
wieder hergestellt, wie durch die Anästhesiebehandlung, auf welche 
daher nachdrücklich hingewiesen sei 1 ). 


BQcherbesprechungen. 

A. Baemeister: Die Entstehung der menschlichen Lnngenphthise. 

Berlin 1914, Julius Springer. 80 S. 

Verf. bezweckte in der vorliegenden Broschüre eine zusammenfassende 
Darstellung der ganzen Entstehungsgeschichte der menschlichen Phthise 
nach unseren heutigen Kenntnissen und Erfahrungen zu geben. Nur um 
die typische Lungenphthise handelt es sich bei seinen Ausführungen. 
Der alte begrenzte Begriff der tuberkulösen Lungenschwindsucht, der in 
der Lungenspitze beginnt und sich chronisch weiter entwickelt, wird 
nicht nur von Laien, sondern auch in ärztlichen Fachkreisen häufig durch 
das Wort Lungentuberkulose ersetzt. Dadurch ist eine gewisse Ver¬ 
wirrung in der Bezeichnung differenter Krankheitsbilder entstanden. Die 
Manifestationen des Tuberkelbacillus in der Lunge sind sehr vielseitig. 
Es ist das Verdienst v. Hansemann’s, die chronische stets in der 
Spitze beginnende und sioh nach unten ausbreitende Volkskrankheit der 
Erwachsenen als „Lnngenphthise“ von den Formen akut verlaufender 
„Lungentuberkulose“ und den „Atypischen Phthisen“ scharf getrennt zu 
haben. Verf. beschäftigt sioh aber in seiner Abhandlung nur mit der 
typischen chronischen Phthise, ihrer Genese, welche er in ihren ätiolo¬ 
gischen Ursachen, in ihrem Charakter und ihrem Sitz verfolgt. Auf 
Grund eigener Anschauungen und Erfahrungen zeichnet Baemeister, 
dessen eifrige und tätige Mitarbeit in der Tuberkuloseforscbung bekannt 
ist, die Grundlinien, aus denen sich die Entstehungsgeschichte der Phthise 
ergibt. Dem 1. Kapitel „Die Tuberkelbacillen und ihr Eindringen in 


1) Anmerkung bei der Korrektur. Soeben erfahre ich von 
drei Patienten, bei welchen mit Fieber einhergehende heftige Durchfälle 
nebst Blutabgängen durch eine einzige Dosis in der oben angegebenen 
Höhe „wie abgeschnitten waren“, dies der Ausdruck eines der Patienten, 
welcher von dem östlichen Kriegsschauplatz zurückgekebrt ist. Auch 
die fünf Falle von Durchfall, welche ich mit dem ersten Verwundeten¬ 
transport zur Behandlung erhielt, reagierten ganz ebenso prompt auf das 
Mittel, von welchem sie infolge eines Missverständnisses nur eine Dosis 
erhalten hatten. 


die Lungenspitzen“ folgt „Die Bedeutung der tuberkulösen Infektion im 
Kindesalter für die Entstehung der Phthise“. 

Der dritte Abschnitt „Die Bedeutung der Disposition für die Ent¬ 
stehung der Lungenphthise“ beschliesst die übersichtlich geschriebene 
Broschüre, deren klare Darstellung auch dem der Tuberkuloseforschung 
Fernstehenden Anregung und Nutzen gewähren dürfte. 

Lydia Rabinowitsch. 


Jahrbuch für psychoanalytische and psychopathologische For¬ 
schungen. Herausgeg. von E. Bleuler und S. Freud, redigiert von 
C. 6 . Jung. V. Bd., II. Hälfte. Leipzig u. Wien 1913, Franz Deuticke. 

Die den V. Band des Bleuler-Freud-Jung’schen „Jahrbuches für 
psychoanalytische und psychopathologische Forschungen“ abschliessende 
II. Hälfte enthält folgende Aufsätze: Mensendieck, Zur Technik des 
Unterrichts und der Erziehung während der psychoanalytischen Behand¬ 
lung; Sadger, Die Psychoanalyse eines Autoerotikers; Marcinowski, 
Die Heilung eines schweren Falles von Asthma durch Psychoanalyse; 
Weiss fei d, Freud’s Psychologie als eine Transformationstheorie; 
Maeder, Ueber das Traumproblem; Bjerre, Bewusstsein contra Unbe¬ 
wusstsein: Lang, Ueber Associationsversuche bei Schizophrenen und den 
Mitgliedern ihrer Familie. Am Schluss des Bandes teilen Bleuler und 
Jung ihren Rücktritt als Herausgeber bzw. Redakteur mit. Der nächste 
Band wird als „Jahrbuch der Psychoanalyse* unter Freud’s Leitung 
von K. Abraham und E. Hitschmann redigiert erscheinen. 


v. Schrenck-Notzing: Der Kampf um die Materialisationsphänomene. 

Eine Verteidigungsschrift. Mit 20 Abbildungen und S Tafeln. 

München 1914, Ernst Reinhardt. 147 S. Preis 1,60 M. 

Das im vorigen Jahr erschienene Buch v. Schrenck-Notzing’s 
„Materialisationsphänomene“ hat sehr viele Gegner gefunden. Literarisch 
sind aber nur wenige an die Oeffentlichkeit getreten und ausführlicher 
nur zwei. Gegen diese hauptsächlich und ganz im allgemeinen gegen 
die „Ruminationshypotbese“ wendet sich der Verf. ausführlich in der 
obengenannton Verteidigungsschrift, ebenso gegen die viel besprochene 
Annahme, ein Teil der bildartigen Materialisationen seines Mediums ent¬ 
spreche Reproduktionen aus der französischen Zeitschrift „Le Miroir“. 
Verf. versucht zu zeigen, dass seine Gegner in Wirklichkeit nichts bewiesen, 
nichts erklärt, vor allem keinerlei Betrug seines Mediums aufgedeckt haben, 
und dass sie sieb in ihrer Gegenbeweisführung schwere Fehler zuschulden 
kommen Hessen. Er deduciert weiter, dass für den an den Sitzungen 
nicht Beteiligten, für den auf diesem Gebiet nicht praktisch Erfahrenen 
eine wirkliche Kritik über die Materialisationspbänomene so gut wie uft-' 
möglich, und dass auch dem Skeptiker nur ein „Non liquet“ erlaubt sei. 
Die in dem angegriffenen Werk „Materialisationsphänomene“ publizierten 
Feststellungen erhält er in vollem UmfaDge aufrecht und nimmt niohts 
davon zurück. 


Gustav Harter: Das Rätsel der denkenden Tiere. Wien u. Leipzig 
1914, Wilhelm Braumüller. 76 S. Preis 1,40 M. 

Es ist an der Zeit, dass sich denkende Menschen dem „Rätsel der 
denkenden Tiere“ zuwenden. Denn die Verwirrung, welche die Elber- 
felder Pferde und der Mannheimer Hund bei der Gattung Homo sapiens 
anzurichten beginnen, ist sehr gross. Gegen diesen uns verwirrenden 
Tierverstand hilft vielleicht nur gesunder Menschenverstand. Kritische 
Ueberlegung und Selbstbesinnung sollten schon genügen, um den Menschen 
gegen die „übermenschliche“ Intelligenz dieser Vierfüssler skeptisch zu 
machen, selbst wenn wissenschaftliche Erklärungen jener Tatsachen noch 
ausstehen oder nicht befriedigen. Die vorliegende Arbeit von G. Harter- 
Wien versucht in durchaus plausibler Weise eine solche wissenschaftliche 
Erklärung des „Rätsels der denkenden Tiere“ durch die Wirkung des 
menschlichen Unterbewusstseins und der aussersinnlieben Gedankenüber¬ 
tragung (Telepathie) auf das Versuchstier, welches lediglich dem klopfenden 
Tisch der Spiritisten entspreche. Danach sind alle Produktionen jener 
Pferde usw. nur Spiegelungen menschlichen Wissens, nicht Ausdruck 
tierischen Könnens. Die „Offenbarungen der Tierseele sind nur das Echo 
der eigenen Gedanken, das uns aus den rhythmischen Tritten der 
denkenden Tiere entgegenschallt“. Dies gilt auch für die fabelhaften 
Rechenaufgaben und alle frappanten Leistungen der Tiere, Leistungen, 
von denen das Oberbewusstsein des Experimentators keine Ahnung bat. 
Der Erklärungsversuch Harter’s erscheint uns wohl plausibel, und 
er befriedigt jedenfalls mehr als alle anderen bisher gehörten Theorien, 
besonders mehr als diejenigen der Anhänger Krall’s. Die Formulierung 
der möglichen Einwäude kann man ruhig den Krallisten überlassen und 
sich vorläufig damit begnügen, dass der Verf. die allgemeine Skepsis 
gegenüber der Deutung jener gewiss neuen Tatsachen (durch Krall und 
seine Anhänger) sehr anerkennenswert weiter fundiert hat. Die Schrift, 
ebenso anregend wie aktuell, verteidigt gleichzeitig die Wichtigkeit der 
Funktion des Unterbewusstseins und der Telepathie. W. Sei ff er. 


Literatur-Auszüge. 

Therapie. 

Grossmann-Charlottenburg: Seknndärstrablen und Sekundär¬ 
strahlentherapie. (Fortschr. d. Röutgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. bespricht 
zunächst die physikalischen Eigenschaften der Sekundärstrahlen und die 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1820 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


Gesetze der Absorption der Röntgenstrahlen. Er erwähnt die zerstreuten 
Strahlen, deren physikalische Eigenschaften denjenigen der Primärstrahlen 
gleichkommen, die charakteristischen der E’luorescenz-Röntgenstrahlen, 
die ein für den bestrahlten Körper charakteristisches Penetrationsver¬ 
mögen besitzen, ferner die /9-Strahlen. Dann lässt er sich über die Ent¬ 
stehung der Sekundärstrahlen und die physiologische Wirkung der Röntgen¬ 
strahlen aus. Darauf werden vom physikalischen Standpunkt aus die 
Fragen erörtert, ob in tiefliegenden Organen mittels Sekundärstrahlen 
eine nennenswerte therapeutische Wirkung erzielt werden kann, und 
welche Stoffe sich hierzu am besten eignen. Es erfolgt Besprechung der 
massiven Sekundärstrahlensender und der in Form feinverteilter Massen. 
Verf. sagt, dass in der Tiefentherapie als Stoffe für massive Sekundär¬ 
strahlensender nur die schweren Elemente in Betracht kommen (Angabe 
der Elemente), dass ferner bezüglich der Sekundärstrahlensender in Form 
feinverteilter Massen die Wirkung der colloidalen Stoffe lediglich in einer 
solchen der von ihnen ausgehenden ^-Strahlung besteht und nennens* 
werte therapeutische Wirkungen sich vermutlich damit nicht erzielen 
lassen. Will man mit Sekundärstrahlen in den Körper injizierter Stoffe 
therapeutische Wirkungen hervorbringen, so muss man sie in Form von 
Suspensionen anwenden, deren Teilchen Durchmesser von einigen fi haben. 

Schönfeld-Wien: Tiefentherapie mit dem Hochspannnngsgleich- 
riehter. (Fortsohr. d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. trachtete den 
Hoohspannungsgleichrichter so einzurichteD, dass er den Bedingungen, 
die ihn für die Tiefentherapie geeignet machten, wohl entspricht, die 
Nachteile der Induktorapparate nicht besitzt, dabei aber seine universelle 
Anwendungsmöglichkeit nicht verliert. Dies gelang. Schilderung des Vor¬ 
gehens. Mit dieser Einrichtung kann man bei gleicher Oberflächendosis 
bei der erforderlichen Betriebsweise mit 25 Stromimpulsen die dreifache 
Tiefendosis gegenüber normalem Betrieb mit 50 Impulsen erhalten. Die 
Zeitersparnis zur Erzielung derselben Oberfläcbendosis bei gleicher 
Röhrenbelastung beträgt ausserdem unter 3 mm Aluminiumfilter noch 
20 pCt. Der Betrieb ist ruhig und gleicbmässig, und die Röhren halten 
sich gut. Dasselbe Prinzip wurde bei einem Apparat dazu verwendet, 
um 2 Röhren gleichzeitig zwecks Tiefentherapie zu betreiben. 

Rieder: Zur Röntgentherapie der bösartigen Nenbildnngen. 
(Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 22, fl. 4.) Mitteilungen von zwei Fällen 
(myelogenes Sarkom des Humeruskopfes und Carcinoma ventriculi der 
Pars media), welche unter Anwendung stark gefilterter, harter Röntgen¬ 
strahlen günstig beeinflusst wurden. Auftretende Recidive werden ver¬ 
hütet durch prophylaktische Nachbestrahlungen. 

Schnütgen-Arco. 

K. Unna-Hamburg: Die Entfernung des Franenbarteg. (M.m.W., 
1914, Nr. 44.) Die angegebene Methode setzt sich aus zwei Faktoren 
zusammen: 1. Entfärben der Haare durch Natronsuperoxydseife (Per- 
natrolseife). 2. Polieren der Haare mit einem Polierstein, der für diese 
Zwecke auf Anregung von Unna sen. hergestellt wird und durch die 
Schwanapotheke in Hamburg bezogen werden kann. Einzelheiten müssen 
im Original nachgelesen werden. 

H. Epstein-Prag: Foligan „Henning“. (D.m.W., 1914. No. 43.) 
Das Präparat ist hergestellt aus Orangeblättern, die eine sedative Wir¬ 
kung ausüben. Dünner. 

Schmidt-Berlin: Zur Dosierung in der Röntgentherapie. (Fortschr. 
d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Das Quantimeter von Kienböck zeigt meist 
grössere Dosen an als das Radiometer von Sabouraud-Moirö. Aus zehn¬ 
jähriger Erfahrung kann Verf. sagen, dass das richtige Radiometer, 
welches wirklich eine Oberflächendosis misst, das Sabouraud-Moirö’sche 
ist. Verf. hat das auch durch Versuche festgestellt. Seit er dieses zur 
Aicbung seiner Röhren verwendet, hat er eine Verbrennung nicht mehr 
erlebt. Dosieren kann man sowohl bei mittelweicher unfiltrierter, als 
auch bei harter filtrierter Strahlung; diese Dosis muss immer etwas 
unter der Erythemdosis liegen. Das Radiometer müsste noch bei einer 
konstanten Lichtquelle abgelesen werden, die das Tageslicht ersetzt 
(50kerzige Osramlampe mit Blauglasfilter von bestimmter Dicke und 
Färbung. _ Schnütgen-Arco. 

Innere Medizin. 

F. Schotten-Mainz: Tödliche Filixvergiftnng bei einem klinisch 
latenten Morbus Addisonii. (M.m.W., 1914, Nr. 44.) Es handelt sich 
bei dem mitgeteilten Fall um die Kombination des Filixextraktes mit 
Ricinusöl, vor der in der Literatur schon verschiedentlich gewarnt 
wurde. Verf. fordert daher, dass aus dem „Helfenberg’schen Mittel“ 
das Ricinusöl ein für allemal entfernt wird. In dem speziellen Fall 
fand sich bei der Autopsie die schon in vivo vermutete Addison’sche 
Krankheit. Immerhin hatte die Patientin bis zur Vergiftung noch 
arbeiten können, so dass Verf. geneigt ist, die Frage, ob ein Zusammen¬ 
hang zwischen Tod und Vergiftung besteht, zu bejahen. Dünner. 


Kinderheilkunde. 

H. Opitz-Breslau: Ueber Wachstum und Entwickelung unter¬ 
gewichtiger ausgetrageuer Neugeborener. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, 
Bd. 18, H. 9.) Verf. berichtet über die Entwickelung von 73 unter¬ 
gewichtigen ausgetragenen Kindern. Weder spielten erbliche Belastungs¬ 
momente wie Krankheiten der Eltern, noch besondere Kleinheit derselben 
eine bemerkenswerte Rolle. Die Mehrzahl der Kinder wies eine, dem 
Normalgewichtigen parallele, Wachstumskurve auf, manche erzielten sogar 


ein Wacbstumsplus, näherten sioh also im Laufe der Zeit der Norm. 
Ein Drittel blieb in beiden Wachstumsqualitaten zurück. Die körper¬ 
liche und geistige Entwickelung schien sich wie beim normalen Kind so 
verhalten. Ueber Rachitis liess sich Sicheres nicht sagen. Mehr als bei 
normalen Kindern scheinen vorzukommen: exsudative Diathese und Er¬ 
nährungsstörungen, die aber milde verliefen, da die Mortalität nicht er¬ 
heblich grösser zu sein schien als für Normalgewichtige. 

E. Lövegren-Helsingfors: Weitere Blntbefunde bei Meinem neo¬ 
natorum. (Jb. f. Kindhlk., Bd. 79, H. 6, S. 700.) Weitere Beispiele 
für die Ansicht des Verf.’s, dass die Melaena neonatorum eine Störung 
in der Funktion des Blutes sei. ln einem Fall war die Koagulation 
des Blutes während der Blutung verlängert. Die Erythrocyten zeigten 
keine Rollenbildung, sehr früh traten verschieden grosse Stechapfelformen 
auf. Beide Erscheinungen schwanden nach Aufhörea der Blutung. 

A. Book mann-New York: Der Stoffwechsel bei Osteogenesis imper¬ 
fecta mit besonderer Berücksichtigung des Kalkumsatces. (Mschr. f. 
Kindblk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Die mangelnde Calciumretention, die 
in aktiven Fällen besteht, wird anscheinend günstig durch Phosphor- 
lebertran und noch stärker durch Caloiumlactat beeinflusst. 

Hans Bernhardt. 

H.Schridde-Dortmund: Der angeborene Status thymo lymphatieis. 
(M.m.W., 1914, Nr. 44 ) Um die Frage zu entscheiden, ob es einen ange¬ 
borenen Status thymo-lymphaticus gibt, stellte Verf. an einer grossen Zahl 
Neugeborener Untersuchungen an, um Normalbefunde zu eruieren. Aus 
dem Rahmen des von ihm konstatierten Physiologischen fieleh einige heraus. 
Es handelte sich um sehr grosse Kinder, die eine starke Ausbildung 
des Unterhautfettgewebes und zum Teil eine auffallend zarte Haut 
batten. Der Thymus war bei ihnen wesentlich schwerer als üblich (bis 
zu 26 g) und bot mikroskopisch Markbyperplasie. In der Milz waren die 
Lymphknötchen deutlich erkennbar. Zweimal waren im Darme auch 
Lymphknötchen. Die Untersuchungen erweisen also einen angeborenen 
Status thymo-lymphatious. Interessant ist, dass es sich in einem Fall 
um einen hereditären Status thymo-lymphaticus handelte, den die 
gleichzeitig sezierte, an Eklampsie verstorbene Mutter auch hatte. 

* 6 Dünner. 

M. Masslow-Petersburg: Ueber Veränderungen der Aturnngsknrvei 
bei Kindern mit spasmophilen Symptomen unter dem Einfluss von 
äusseren Reizen und die Bedeutung dieser Veränderungen für die Dia¬ 
gnose der latenten Tetanie. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 2.) 
Verf. erhielt bei spasmophilen Kindern auf geringfügige Reize charakte¬ 
ristische Kurven mit Apnoe in der Ja- und Exspiration (bei gesunden 
Kontroilkindern erhielt er Atmungsausschläge ohne Pausen bei In- und 
Exspiration). Dieselben Kurven erhielt er bei Fällen, bei denen nur das 
Erb’sche Phänomen bestand und bei mehreren Kindern mit normaler 
elektrischer Erregbarkeit, die erst im Verlauf von Infekten nach einigen 
Wochen übererregbar wurden. 

J. P eis er: Zur Therapie des Pylorospasmus bei Säuglingen. 
(Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Erfolge bei Pylorospasmen 
durch systematische Sondenernährung (Ammenmilch -f- 1—2 pCt. Narr, 
bicarb.). Erbrechen trat nur vereinzelt auf und Heilung trat ein ohne 
Körpergewichtsverluste. 

E. Freudenberg-Heidelberg: Beitrag zur Frage des Barlowschntl- 
Stoffes. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Erfolgreiche Behand¬ 
lung zweier Kinder mit Barlow’scher Krankheit mit alkoholischem Ruben- 
extrakt. (10 kg gelbe feingeschabte Rüben mit 10 Liter 96 proz. Alkohol 
übergossen. 12 Stunden maschinell geschüttelt. 8 Tage stehen gelassen. 
Kotierung des Auszugs und Abdestillieren des Alkohols.) 

G. van ’tHoff-Berlin: Diphtheriebacillenträger. (Mschr. f. 
Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Untersuchungen auf Diphtheriebacillen- 

träger bei Kindern der Heubnerischen Klinik, die von dort klinisch ge¬ 
heilt entlassen waren. Verf. fand weniger als 5 Monate nach der bot- 
lassung fast immer noch Bacillen. Doch fand er auch noch welche nacn 
7 bis zu 10 Monaten. Fast alle Kinder sind also 5 Monate Baculen- 
träger. 

R. Weigert-Breslau: Kasuistische Beiträge zur VerbreitUDgfcWflM 
des Scharlachs. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Zwei Bei¬ 
spiele, die die wichtige Tatsache betonen, wie lange das Scharlacbgift an 
Gegenständen virulent bleiben kann. In einem Fall infizierten 
Kinder in einem jahrelaeg von Scharlach freigebliebenen Orte dadurch, 
dass sie in einem Kinderwagen lagen, in dem vor 8 Jahren ein Kmd an 
schwerem Soharlach gelegen hatte. 

R. Weigert-Breslau: Ein Fall von Meningocolc, eine seltene Kol- 
plikation des Keuchhustens. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. i-i 
Im Verlauf eines Keuohhustens im 4.-5. Lebensmonat entstand eine 
fast die ganze Stirnfontanelle ausfüllende fast haselnussgrosse Geschwulst: 
eine Meningocele. Schwinden bei Fontanellenverkleinerung im späteren 
Alter. Hans Bernhardt 


Chirurgie. 

v. d. Porten: Narkosennaskc für Operationen in Bauchlage. (ZW. 
f. Chir., 1914, Nr. 29.) Die Sudeck’sche Ventilmaske wurde in sinn¬ 
reicher Weise modifiziert, indem Mundstück und Tupferhalter aus ihrer 
Verbindung gelöst und durch* einen 30 cm langen Schlauch verbunden 
wurden. So wird es ermöglicht, dass das Mundstück am Kopf «es 


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Original fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 




16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1821 


Patienten befestigt wird, während der Tupferhalter abseits auf einem 
kleinen Tisoh bedient werden kann. 

Frank- Kasehau: Die Desinfektion der Haut mit Sterolin bcw. 
Jod-Sterolin. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 80.) In 270 Fällen konnten mit 
einem zweimaligen Sterolinanstrich die besten aseptischen Resultate er¬ 
zielt werden. Das Mittel eignet sich auoh vorzüglich für die Desinfektion 
der Hände des Operateurs. Die Zusammensetzung ist folgende: Balsam 
peruv. 4,0, 01. rioini 2,0, Terebinth. 2,0, Glycerini 1,0, Spirit, vini 
ad 100,0.’ 

Mombürg: Anskochbwe Messer. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 32.) 
Messer aus Chrom-Wolframstahl vertragen das Auskochen 10—12 mal, 
ohne stumpf zu werden. 

Lüken: üeber Trikotsehlaneh-MastisoI Extensionsverbände. (Zbl. 
f. Chir., 1914, Nr. 31.) Eine ausgezeichnete Methode, deren Ref. sich 
wiederholt mit bestem Erfolge bedient hat. Für die Finger bzw. Hand 
werden Trikothandschuhe, für die übrige Extremität Trikotschlauch be¬ 
nutzt, die man mit Mastisol befestigt. Einzelheiten der Technik vgl. 
Abbildungen des Originals. 

R. Klapp: Besondere Formen der Extension. (Zbl. f. Chir., 1914, 
Nr. 29.) K. behandelte eine frische suprakondyläre Fraktur des Arms 
mit Seidenfadenextension durch die Fingerspitzen des 2.—5. Fingers und 
sab mit bezug auf die Fraktur derartig günstigen Erfolg, dass er die 
Beschwerden an den Fingern und einen längere Zeit bestehenden leder¬ 
artigen Zustand der Haut gern mit in Kauf nimmt. Dann empfiehlt K. 
auf Grund seiner Erfahrungen während des Balkankrieges eine Draht¬ 
extension am Unterschenkel, die sich ihm an Stelle der Steinmann’sohen 
Nagelextension gut bewährt hat. 

Nussbaum: Ein billiges Hilfsmittel zur Redression kindlieber 
Klnmpfösse. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 29.) Beim Redressement wird 
der Fuss über einen etwa 15 cm langen, cylindrischen, mit Watte um¬ 
wickelten Holzstab (Besenstiel) gehebelt. 

Gelinsky: Die Drahtextension an Caleanens. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 34.) Der Ansatz der Achillessehne wird durchbohrt und der 
Draht mit einem Fussbrettchen, welches am Yorderfuss durch Heftpflaster 
fixiert ist, in Verbindung gebracht. Auf diese Art kann der Zug am 
Calcaneus und dem Vorderfuss gleichzeitig angreifen. 

Hans: Zur Operationsteebnik der doppelseitigen Hasenseharte. 
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 33.) Neue Methode zur operativen Beseitigung 
der doppelseitigen Hasenscharte, die von dem meist sehr beweglichen 
Hautteil des Zwischenkiefers Gebrauch macht. Hierdurch soll das doggen- 
massige Aussehen der Nase der anderen Verfahren vermieden werden. 

Helbing: Zur Frage des Heftpflasterverbandes bei Hasenseharten¬ 
operationen. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 34.) Die auch nach Ansicht des 
Ref. durchaus beherzigenswerte Devise lautet: „Fort mit allen Heft¬ 
pflasterverbänden bei der Hasenschartenoperation!“ 

Matti: Zweckmässiger Verband naeh Hasensehartenoperation. 
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 34.) Ablehnung des Hagemaßn’schen Verbandes 
unter Empfehlung eines eigenen Verfahrens. Hay ward -Berlin. 

F. Cahen - Cöln: Eine neue Methode der Transplantation bei Nerven- 
defekten. (D.m.W., 1914, Nr. 43.) (Nach einer Demonstration in der 
Vereinigung niederrheinisch-westfälischer Chirurgen im März 1914.) C. 
deckte den 10—12 cm grossen Defekt des Ulnaris, indem er den sensiblen 
N. cutaneus antibrachii medialis in der Höhe des peripheren .UInaris¬ 
stumpfes durchschnitt. Das centrale Ende des sensiblen Nerven wird 
mittels perineuraler Naht auf das periphere Ende des Ulnaris aufgepflanzt 
und das centrale Ende des Ulnaris mit einigen Nähten an den Stamm 
des Cutaneus angelegt. Der Ulnaris erhielt wieder seine Funktion. 

• Dünner. 

Wideröe- Kristiania: Mobilisation der Bauch wand bei grossen 
Ventralhernien. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 31.) Bei einer wiederholt 
recidivierenden Hernie der Inguinalgegend verwendete Verf. den unteren 
Abschnitt des M. rectus abdominis zur plastischen Deckung. Dieser 
Muskel und der M. pyramidalis werden samt dem Periost von der Sym¬ 
physe abgetrennt und dann seitlich nach aussen verschoben. Es resul¬ 
tiert natürlich eine Rectusdiastase, die aber von der Patientin ohne 
Beschwerden ertragen wurde. Der operative Erfolg war im übrigen gut. 

W. Meyer-New York: Zur Resektion des Oesophagnscarcinoms 
im cardialen Abschnitt. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 32.) Verf. hat früher 
folgenden Gang der Operation vorgeschlagen: 1. Laparotomie, 2. Schräg¬ 
schnitt am Rippenbogen, 3. Thorakotomie. Es hat sich als zweckmässig 
erwiesen, die 2. und 3. Phase miteinander zu vertauschen, da hierdurch 
eventuell eine Palliativoperation möglich wird. 

Wilmans: Zur Freilegung des Brnstabsehnittes der Speiseröhre. 
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 32.) Den von Dreyer ausgesprochenen Zweifel, 
ob man ohne Schaden beim Menschen die Vena azygos unterbinden 
kann, vermag Verf. zu beheben, da er bei dem Versuch der Operation 
eines Oesophaguscarcinoms das Gefäss ohne Schaden ligiert hat. 

Hay ward-Berlin. 

zur Werth: Arbeiten über Appendicitis und verwandte Gebiete 
aus den Jahren 1912 und 1913. Sammelreferat. (D, militärärztl. Zeitschr., 
1914, H. 18 u. 19.) Verf. stellte die Arbeiten über Anatomie und Physio¬ 
logie des Wurmfortsatzes, Vorkommen und Ursache der Wurmfortsatzent¬ 
zündung, Diagnose, Krankheitserscheinungen, Behandlung, Folgezustände, 
chronische Appendicitis, Coecum mobile und Typblitis, endliqh die über 


spezifische Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Aktinomykose), Ge¬ 
schwülste und Divertikel des Wurmfortsatzes zusammen. Genaue An¬ 
gabe der Literatur. Schnütgen-Aroo. 

v. Lichtenberg: Zur Technik der Pyelographie. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 33.) Technische Einzelheiten. Hayward-Berliu. 


Röntgenologie. 

C. Breuer-Berlin-Friedenau: Die Durchschreibpackung für Rönt- 
gen-Negativpapier. (D.m.W. 1914, Nr. 48.) Dünner. 

Sch lenk-Dresden: Ein Beitrag zur Röhren-„Regulieruig“. (Fortschr. 
d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. schuf eine Regulierung, welche 
mittels einer federnden Arretierung wahlweise auf den Kathodenhals 
aufgeschoben werden kann. Er nannte diesen Zusatzapparat „Röntgen¬ 
röhrenregler“; dieser ist ein Aluminiumhohlkörper, der mit dem hitze¬ 
beständigen Oxyd eines Alkalierdmetalls ausgegossen ist; in diese Guss¬ 
masse ist eine Spirale eingebettet, die in 2 Anschlussklemmen endet. 
Durch den Betriebsstrom des Röntgenapparates wird diese Spirale an 
Hand eines Regulierrheostaten feingradig erhitzt. Die Verbindung 
zwischen Rheostat und Regler stellen Lichtleitungsschnüre her (Abbil¬ 
dung). Diese Regulierung erlaubt nur ein Weichermaohen, worauf es ja 
meistens ankommt. Vorteile für Aufnahmen und Therapie: man kann 
ohne Vacuumveränderung den Härtegrad vor und während des Betriebes 
ändern; für Durchleuchtungen: man kann vor und während des Betriebs 
durch Anpassen der Durchdringungsfähigkeit der X-Strahlen die aller¬ 
feinsten Dichtigkeitsunterschiede wahrnehmen. 

Eden und Pauli-Jena: Ueber die vermeintliche Eigenstrahlnog 
des Blotes nach vorausgegangener Röntgenbestrahlung. (Fortschr. d. 
Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Bestrahltes und unbestraftes Blut können 
photographische Platten schwärzen; dem mit Röntgenstrahlen behan¬ 
delten Blut kommt die grössere Fähigkeit zu. Die Schwärzung der 
photographischen Platte, die als eine Folge einer Eigenstrahlung des 
Blutes angesehen wurde, ist auf eine chemische — durch die Bestrah¬ 
lung beschleunigte — Reaktion zurückzuführen, welche ein Gas hervor¬ 
bringt, das unter der Einwirkung des Blutes mit dem Sauerstoff der 
Luft sich bildet. Schnütgen-Arco. 

W. Gerlach - Tübingen: Die vergleichende Messung der Wirkung 
von RÖntgenstrahlen und y-Strahlen. (M.m.W., 1914, Nr. 44.) 

Dünner. 

Lilienfeld - Leipzig: Erwiderung auf die Veröffentlichung von 
Dr. Coolidge: Röntgenröhre mit reiner Elektronenentladnng (vgl. 
Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 22, H. I, S. 18) (Fortschr. d. Röntgenstr., 
Bd. 22, H. 4). Im ersten Abschnitt erfolgen Prioritätsbemerkungen. Verf. 
hatte 2 Jahre vor Coolidge die vom Gasdruck unabhängig arbeitende 
Röhre geschaffen, welche auch eine auf hohe Temperatur geheizte Elek¬ 
trode zu diesem Zweok benutzte. Verschieden war nur die Art, wie 
Coolidge und Verf. die Glübelektrode anwenden. In einem zweiten 
Abschnitt widerlegt Verf. die Behauptung, sein Vacuum wäre unzuläng¬ 
lich, und ferner, dass das Arbeiten mit seiner Röhre auf die Anwesen¬ 
heit von Ionen gegründet wäre. 

Weingärtner-Berlin: Wismnt im Bronchialbaim bei Oesophagus- 
carcinom ohne Perforation nach den Luftwegen. (Fortsohr. d. Röntgenstr., 
Bd. 22, H. 4.) Verf. teilt 3 Beobachtungen mit, welche beweisen, dass 
das Hineindringen von Kontrastspeisen in den Bronchialbaum bei Oeso- 
phaguscarcinomen durchaus nicht charakteristisch ist nur für eine 
Oesophagus-Tracheal- bzw. Bronchialfistel. Besonders in den Fällen, 
in denen neben bzw. infolge des Oesophaguscarcinoms eine Kehl¬ 
kopfmuskellähmung vorhanden ist, besteht die Möglichkeit des Ein- 
fliessens von Wismut in den Tracheo-Bronchialbaum durch den Larynx 
hindurch. 

Freud-Wien: Gastrospasmus bei Urämie. (Fortschr. d. Röntgenstr., 
Bd. 22, H. 4.) Verf. berichtet über die erste einwandfreie Beobachtung 
von Gastrospasmus bei Urämie. Es bestand in diesem Falle Achlor- 
rhydrie im Gegensatz zu den Fällen von Holzknecht und Luger, in 
denen freie Salzsäure gefunden wurde. Der auf Grundlage der radio- 
logischen Beobachtungen sich ergebende Begriff des Gastrospasmus ist 
enger als der klinische. Eine Wertung der Anschauung Waldvogel’s 
über die weite Verbreitung des Gastrospasmus ist erst nach Sammlung 
anderer Beobachtungen am Platze. 

Cohn-Berlin: Die Gastrostomie im Röntgenbilde. (Fortschr. d. 
Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. hat an 3 gastrostomierten Patienten 
ausgedehnte Untersuchungen angestellt und darauf geachtet wie der* 
Fistelkanal verläuft, wie der Schlauch im Magen selbst Hegt, wie die 
Gestalt des Magens ist. Er untersuchte, ob die Motilität erhalten oder 
durch die Operation beeinflusst wurde, wie der Magen auf funktionell 
anregende Agentien (Salzsäure) und retardierende (Olivenöl) reagiert. 
Als fundamentales Ergebnis dieser Untersuchungen wurde gefunden, dass 
durch Anlegen einer Kanalfistel im Magen das radiologiscbe Bild des 
Sanduhrmagens hervorgerufen wird. Der Schlauch muss genügend tief in 
den Magen vorgeschoben werden, damit die Speisen nicht hinausfliessen, 
andrerseits darf er nicht zu tief eingeführt werden, damit die Speisen 
nicht sogleich in den Darm gelangen. Die Speisen verlassen den Magen 
so rasch, wie man es nur bei den höchsten Graden der Achylie zu sehen 
gewohnt ist, oft nach l U— l l 2 Stunde; motorische Funktionen am Magen 
sah man dabei nicht. Man muss annehmen, dass der gastrostomierte 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 



1822 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 4ü. 


Magen penstaltische Bewegungen nicht aufweist, dass er freie Salzsäure, 
auch nach Verabfolgung von Salzsäure, nicht absoheidet. Olivenöl wirkte 
retardierend auf die Kontrastspeise. Mitteilungen über die 3 Fälle. 

Strub eil-Dresden: Zur Rüntgendiagose der Hirntumoren der 
Hypophysengegend. (Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. be¬ 
schreibt einen Fall eines vom Hypophysen gang ausgehenden, mehr- 
kammengen, cystischen Dermoids der Hirnbasis. Er stellte dabei die 
Tatsache fest, dass zu einer Zeit, wo die klinischen Erscheinungen sich 
erst im Anfänge einer Entwicklung befanden, die später für den Pat. 
verhängnisvoll wurden, die Anwendung des Röntgenverfahrens (Ab¬ 
dachung der Sella turcica) in Verbindung mit dem Habitus (Typus adi- 
poso-genitalis) und einer Sehstörung (linksseitig homonyme Hemianopsie) 
die Diagnose mit Sicherheit auf die Gegend der Hypophyse hinlenkte, 
..^* 3S ^ ese objektive diagnostische Feststellung durch die Sektion 
bestätigt wurde und dass andere Raisonneraents, die von gewiegter 
neurologischer Seite aufgestellt wurden, das chirurgische Handeln abge¬ 
lenkt haben. Verf. geht auf die Röntgenuntersuchung der Schädelbasis 
am Lebenden ein und würdigt ihre klinische Bedeutung. 

Schnütgen-Arco. 


Militär-Sanitätswesen. 

Kühn-Schöneberg: Feld* und Lazarettnpparat für Lokalanästhesie 

in Massenanwendung. (D.m.W., 1914, Nr. 43.) Dünner. 

v. Ger gö-Budapest: Neue Type eines FeldrÖntgenantomobils. 
(Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Beschreibung des Feldröntgen¬ 
automobils, der Dunkelkammer und des eigentlichen Höntgenraums nebst 
Inhalt mit Angabe der wichtigsten Neuheiten. Abbildungen. Während 
man bei der Einrichtung der Feldröntgenwagen wegen der angeblichen 
Transportschwierigkeiten sich auf die einfachste RÖntgeneinrichtuog be¬ 
schränkte, stehen in dem neuen Typ die technisch vollkommensten Mittel 
zur Verfügung. Schnütgen-Arco. 

Moraburg-Bielefeld: Ersatz vonVerbandmittelnim Kriege, (1) m.W., 
1914, Nr. 43.) M. empfiehlt 1. Soharpie, 2. Leinenbinden von 5 m Länge 
und 7 und 15 cm Breite. 

G. Ledderhose - Strassburg i. E.: Sparsame und beschleunigte 
Wundbehandlung im Kriege. (D.m.W., 1914, Nr. 44.) 

Schuster-Berlin: Die Marschkrankheiten, ihre Entstehung, Ver¬ 
hütung und Behandlung. (D.m.W., 1914, Nr. 43.) I. Zur Verhütung des 
Wundlaufens dient der in jüngster Zeit eingeführte Fussschoner. Sorge 
für Sauberkeit, Beseitigung der Hühneraugen mit Salicylpflaster, Be¬ 
kämpfung der Scbweissfüsse durch Pinselung mit 10—20proz. Formalin¬ 
lösung. 2. Die sog. Fussgeschwülste sind oft Mittelfussknoehenbrüche. 
3. Gegen Sehnenscheiden- und Knochenhautentzündung verordnet man 
Bettruhe und Jodpinselung. Nach der Genesung soll man den Kranken 
langsam ans Gehen wieder gewöhnen. 4. Zur Verhütung des Hitz- 
schlags kann der Sanitätsoffizier viel beitragen, indem er die ersten 
Symptome richtig erkennt. 

Jochmann-Berlin: Wundinfektionskrankheiten*Tetanus. (D.m.W., 
1914, Nr. 43.) Klinischer Vortrag. 

V. Czerny - Heidelberg: Zur Therapie des Tetanus. (D.m.W., 
1914, Nr. 44 u. 45.) Die Behandlung des Tetanus im Kriege gibt Verf. 
nochmals Anlass, auf den Transport der Verwundeten zurückzukommen, 
der seiner Meinung nach schneller vor sich gehen kann und muss, um 
den Kranken frühzeitig genug in Behandlung zu bringen und ihn so vor 
dem Ausbruch des Tetanus zu bewahren. Die Zahl der bisherigen 
Wundstarrkrämpfe ist erschreckend hoch. Verf. bespricht kurz die 
Symptome und die Therapie, die in der letzten Zeit in einigen Originalien 
der ß.kl.W. ausführlich erörtert worden sind. 29 Fälle. 

A. Falk - Berlin: Einige Beobachtungen bei Behandlung von 
Tetanus Verwundeter mit subcutanen Magnesiumiojektionen. (D.m.W., 
1914, Nr. 44.) Die Arbeit enthält nichts prinzipiell Neues. 

A. Schmidt-Halle a. S.: Ueber Lungenscbässe. (D.m.W., 1914, 
Nr. 44.) Man muss bei Lungenschüssen besonders auf eventuelle 
Knochenverletzungen (Rippe, Schulterblatt) achten, darum Röntgen¬ 
aufnahme! Merkwürdigerweise tritt nur selten Pneumothorax auf, da¬ 
gegen fehlt Hämatothorax nur selten. Verf. empfiehlt die Probepuuktion 
des Hämatothorax, die ungefährlich ist. Unter den Verdichtungen im 
Lungeogewebe unterscheidet man zweckmässig solche ohne Fieber und 
ohne katarrhalische Erscheinungen, die Verf. als interstitielle Ent- 
zündungsvorgäage reparatorisoher Natur anspricht, und echte Ent¬ 
zündungen, die sehr wahrscheinlich von Rippen- oder Weichteilver- 
letzungen infiziert und so eitrig werden. Bei ihnen ist sorgfältige Wund¬ 
versorgung nötig. 

E. P. Friedrich - Kiel: Die ohrenärftlichen Aufgaben im Kriege. 
(D.m.W., 1914, Nr. 44.) Verf. bespricht die Verletzungen des äusseren 
Gehörorgans, des Mittelobres und des inneren Ohres. Für den Feldarzt 
kommt noch die Behandlung Furunkulose des Gehörganges in Frage. 
Nicht inzidieren! Tamponade mit Salicyl- und Borvaseline. Ferner 
Otitis media, Tubenkatarrh usw. 

W. Kümmel - Heidelberg: Obrenerkrankangen im Felde. (D.m.W., 

1914, Nr. 44.) Kasuistik. Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliuer medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 22. Juli 1914. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Sohriftlübrer: Herr Israel. 

Vorsitzender: Ich habe mitzuteilen, dass auch von Herrn His 
eine Einladung zu dem dritten internationalen Kongress für Radioakti¬ 
vität und Elektronik eingelauftn ist mit einer grösseren Anzahl von 
Programmen, die ich hier zur gefälligen Benutzung ausgelegt habe. 

M. H., ich habe Ihnen dann mitzuteilen, dass zwei unserer ältesten 
Mitglieder abberufen worden sind, der eine schon seit etwas längerer 
Zeit. Es ist mir jetzt erst zur Kenntnis gekommen: Herr Geheimer 
Sanitätsrat Dr. A. Jung, der seit 1874 Mitglied gewesen ist, und in den 
letzten Tagen ein noch älteres Mitglied, nämlich seit 1870: Herr Ge¬ 
heimer Medizinalrat Professor Dr. Fasbender, der bekannte Gynäkologe. 
Ich bitte Sie, zu Ehren dieser Herren sich zu erheben. (Geschieht.) 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Erwin Frank: Ein Fall von totaler Alopecie nach Unfall. 

Ein 47jähriger Arbeiter steigt 1V 2 m tief herab und erleidet dabei 
Brüche dreier Rippen der rechten Körperhälfte nahe dem Brustbein. 
Abheilung in 4 Monaten, kompliziert durch dazwischentretende Herz¬ 
schwäche, die längere Krankenhausbehandlung notwendig machte. Etwa 
8 Tage nach dem Unfall beginnender Haarausfall, der strich- oder 
büschelweise auftritt und in 3 Monaten zu völligem Verlust des 
Haares führt. Es fehlen nicht allein die Haare der Kopfhaut, sondern 
auch die Wimpern, Augenbrauen, Achsel- und Schamhaare sowie die 
gesamte Behaarung des Stammes und der Extremitäten. Selbst in den 
Ausgängen der Nase und OhreD blieb kein Haar stehen. Schweissab- 
sonderung erhalten, Nägel unverändert, nervöse Erscheinungen nicht 
vorhanden, Potenz und seelisches Verhalten ohne Abweichung von der 
Norm. Dieser Zustand dauert Dunmehr bereits 10 Monate an, ebne dass 
erneuter Haarwuchs an einer Stelle zu bemerken wäre. Versicherungs¬ 
rechtlich wurde der ursächliche Zusammenhang zwischen Unfall und 
Haarausfall anerkannt. Da der Verletzte infolge fehlender Behaarung 
des Kopfes angeblich Erkältungen häufiger ausgesetzt ist als früher, er¬ 
hält er durch einige Monate die Vollrente, um dadurch die Anschaffung 
einer Perrücke zu ermöglichen. 

Während früher die Alopecie für eine parasitäre Erkrankung ge¬ 
halten wurde, steht es nunmehr fest, dass sie auf einer Störung im 
Gebiet der trophischen Nerven beruht und als solche von den verschie¬ 
densten Reflexzentren ausgelöst werden kann. Ungemein häufig ist die 
Alopecia ereata, für die sieh recht oft ein traumatischer Ursprung nacb- 
weisen lässt. So hat Joseph ihren Zusammenhang mit dem 2. Hals¬ 
nerven experimentell erwiesen, und es mehren sich die Fälle, in denen 
Erkrankungen der Kiefer oder Operationen in diesem Gebiet den um¬ 
schriebenen Haarausfall bewirken. 

Seltener sind die Fälle totaler Alopecie, der sogenannten Alopecia 
neurotica. Auch hier spielt das Trauma eine grosse Rolle; es sei be¬ 
sonders auf die Arbeit von Wechselmann (1908) verwiesen. Insgesamt 
konnte ich 9 sichere Fälle Dabezu totaler A lopecie in der Literatur aus¬ 
findig machen. Als Ursachen fanden sich angegeben: Morbus Basedow, 
Schreck oder Shockwirkung und Trauma. Besonders die Schreckwirkuug 
muss hervorgehoben werden, da sie ohne körperlich wahrnehmbare Ver¬ 
letzung imstande ist, zu totaler Alopecie zu führen. Im Jahre 1913 
wurde von Rock aus der Klinik Nobl-Wien ein recht instruktiver Fall 
beschrieben. Hier handelt es sich um einen Motorwagenführer, der 
gelegentlich eines Zusammenstosses einen schweren Nervenshock erlitt, 
auf den alsbald nahezu totaler Haarausfall folgte. Es blieben allerdings 
einige Wimperhaare sowie die Haare des Hinterhauptes und einige Haare 
an den Gliedmaassen stehen, so dass von totaler Alopecie in jenem 
Falle nicht gesprochen werden kann. Der heute vorgestellte Fall ist 
somit ein Unikum und meines Wissens hier in Berlin in dieser prägnanten 
Form noch nicht beobachtet worden. Unzweifelhaft handelt es sich auch 
hierbei um eine Reflexwirkung, also um Alopecia neurotica, die durch 
das allerdings recht schwere Brusttrauma wohl genügend erklärt wird. 
Die Zukunft wird lehren, ob ein Nachwachsen der Haare eintritt, oder, 
wie die9 für die meisten Fälle der Literatur zutrifft, es bei der totalen 
Alopecie verbleibt. 

Diskussion. 

Hr. L. Landau: Ich wollte fragen, ob auch Veränderungen in der 
Schweisssekretion bei dem Manne beobachtet worden sind, wie in ana¬ 
logen Fällen, die Herr Wechselmann hier gezeigt hat. 

Hr. Krusius: Bei der engen Verbindung der Haare mit den ekto- 
dermalen Horngebilden und der Augenlinse wäre es erwünscht zu wissen, 
ob an den Gebilden, das heisst an den Nägeln, den Zähnen und der 
verhornten Epidermis Veränderungen nachweisbar und namentlich auc , 
ob an der Augenlinse Störungen zu finden sind. Es wäre das im Hm- 
blick auf die Unfallgesetzgebung ganz wichtig, denn wenn sich lrgcn 
welohe Linsentrübungen entwickelten, so würde man nach unserer heutigen 
Kenntnis es nicht von der Hand weisen können, dass ein eausaler au* 
saromenhang zwischen auch diesen fraglichen Störungen und dem Un¬ 
fälle bestände. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




BER LINER KLIN ISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1823 


10. November 1914. 


Tagesordnung. 

11 r. Virchow: 

Situs der Thoraxeingeweide bei spitzwinkliger Kyphose. 

(Int in Nr. 40 dieser Wocbenscbrilt bereits abgedruckt.) 

HHr. Krusiüs und Borehardt: 

Ein neuer Apparat zur Refraktionshestinmung hei Schulkindern.. 

(Kurze Demonstration.) 

Hr. Krusius demonstriert einen neuen Apparat, der dazu bestimmt 
ist, ohne Verwendung von Leseproben bei Massenuntersuchungen in 
Schulen, bei Musterungen und bei der Nachprüfung von verordneten 
Augengläsern rasch und fehlerfrei qualitativ jegliche sphärische oder 
astigmatische RefraktionsanomaHe festzustellen. 

Der Apparat, ein Patentschutz der Firma Nitsche u. Günther in 
Rathenow 1 ), ist nach dem Prinzip der Prisraenoptometer konstruiert, das 
als aus dem zu untersuchenden Auge entstammend gedachte Strahlen¬ 
büschel wird durch zwei mit der Kante aneinander stossende Prismen 
längs des Achsenstrahlers in zwei in sich nicht veränderte, einander 
aber nunmehr divergierende Teilstrahlenbüschel zerlegt. Eine von diesem 
Auge durch das Doppelprisma fixierte Marke erscheint also verdoppelt. 
Bei bestimmtem Prismenwinkel und Abstand der Marke wird der Ab¬ 
stand dieser Verdoppelung einzig von der Vergenz des dem untersuchten 
Auge entstammenden Strahlenbüschels abhängen, so dass bei ent¬ 
sprechender Einstellung ein emraetropes Auge die Marken sich gerade 
berühren, ein myopes dieselben sich überdecken und ein hyperopisches 
dieselben durch einen Zwischenraum getrennt sieht. Je nach der Richtung 
der zusammenstossenden geraden Prismenkanten lässt sich die Refraktion 
der dazu senkrechten Meridianschnitte des Auges bestimmen, wodurch 
auch jeder Unterschied derselben als Astigmatismus qualitativ feststellbar 
ist. Wahrend bei früheren Konstruktionen eine Myopiediagnose durch die 
Ueberdeckung der beiden Markenbilder zu einem einzigen schon bei 
mittleren Ametropien versagen musste, da die Patienten das gesehene 
Markenbild nicht als aus 2 Einheiten bestehend erkennen konnten, 
werden bei diesem neuen En-Gee-Optometer durch Koraplementfärbung 
der Prismen die Markendoppelbilder ebenfalls komplementär gefärbt und 
bleiben trotz Ueberdeckung und Zerstreuungskreisen als zwei verschieden¬ 
farbige und nur im Bereiche der Ueberdeckung weisse Bilder kenntlich, 
so dass auch die befangendsten und ungeübtesten Beobachter wie jüngere 
Kinder an Hand eines Modells mit 2 Farbplättchen zeigen können, wie 
ihnen die Bilder erscheinen. 

Durch das richtige Augenglas werden auch am Optometer die 
Doppelbilder zu der der Emmetropie entsprechenden Berührung ge¬ 
bracht, es kann daher damit sowohl ein früher verordnetes Augenglas 
nacbgeprüft, wie auch ein solches quantitativ bestimmt werden. 

Hr. Borchardt berichtete anschliessend über sehr günstige Er¬ 
fahrungen, die er in seiner Tätigkeit als Schularzt bei Charlottenburger 
jüngeren Schulkindern mit diesem Apparate und dem erwähnten Farb- 
kreismodell gemacht hat. 

Es konnten die präcisen optometrischen Befunde, die jeder, auch 
der nicht spezialisierte Arzt, ja selbst der intelligente Laie leicht er¬ 
heben kann, in vielen Fällen an den schon verordneten Brillen auf das 
genaueste nachgeprüft werden. 

Beide Vortragende betonen, dass dieser Apparat für den beamteten 
Arzt, den Schularzt und den Militärarzt eine ganz ausserordentliche Er¬ 
leichterung und Vereinfachung der sonst so langwierigen qualitativen 
Refraktionsbestimmung bedeute, die auch bei dem primitivsten Menschen - 
material nicht versage. Da zumal in der Neuzeit die Aufgabe, aus 
grösseren Menschenreihen rasch zuverlässig die Emmetropen von den 
Ametropen zu scheiden, immer brennender geworden ist, so stelle dieser 
handliche Apparat für zum Teil ja von Staats wegen verlangten Massen¬ 
untersuchungen in Heer und Schule das geeignetste und fast einzige 
Hilfsmittel dar. (Autoreferat.) 

Hr. Max Skalier: 

Die Untersuchung des Magens mittels Sekretionsknrven. (Kurzer 
Vortrag.) 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

Diskussion. 

Hr. Fuld: Ich freue mich, an die Schlussworte des Herrn Redners 
anknüpfen zu können, laut deren er die von ihm geübte Methodik als 
noch im Prüfungsstadium befindlich betrachtet und uns auffordert, mit- 
zuarbeiten, um nachzusehen, was dabei herauskommt. Für meine Person 
bin ich überzeugt, dass wir die Methode nicht so, wie sie uns vor¬ 
getragen worden ist, unverändert beibehalten können. Das wird ja 
auch der Herr Vorredner gar nicht verlangen wollen. Soviel aber — 
glaube ich — kann man schon Voraussagen, dass die Zeit der Allein¬ 
herrschaft des Probefrühstücks zwar noch nicht zu Ende ist, vielleicht 
aber zu Ende geht. Gegen das Probefrübstück sind von den ver¬ 
schiedenen Seiten her, besonders auf Grund der Pawlow’schen Ideen, 
Angriffe unternommen worden. Doch haben die Vertreter desselben 
sich bisher mit Recht auf die tausendfältigen vorliegenden Erfahrungen 
berufen, welche ihm eine Ueberlegenheit gegenüber allen Neuerungen 
zusichern. 

Ich gehe auf diese Punkte nicht im einzelnen ein und verweise 
auf meine demnächst erscheinenden Ausführungen in dem Lehrbuch von 
Kraus-Brugsch. 


1) Preis 30 M., für den Grossisten 24 M. 


Herr Skalier also hat auf das Talma’sche Bouillonfrühstück 
zurückgegriffen, und dieses besitzt iu der Tat einen grossen Vorzug: 
man braucht sich nicht um die sogenannte kombinierte Salzsäure zu 
kümmern, d. h. die Salzsäure, die keine Salzsäure ist, denn der Eiweiss¬ 
gehalt des Ausgeheberten ist unter diesen Versuchsbedingungen minimal. 
Immerhin enthält auch diese Probemahlzeit Eiweissverdauungsprodukte, 
Peptone usw., deren Abwesenheit für mancherlei moderne Untersuchungs¬ 
methoden gerade hinsichtlich der Krebsdiagnose wünschenswert er¬ 
scheint. Ich bin daher persönlich zu einem ganz eiweissfreien Caramel- 
frühstück übergegangen: ein Esslöffel Caramel aus Rohrzucker, bereitet 
nach den Vorschriften des Kochbuchs, auf 200 Wasser wird von den 
Patienten ohne Schwierigkeit getrunken. Der Färbungsgrad nach einer 
halben Stunde lässt auf das Verdünnungsergebnis schliessen. Wahr¬ 
scheinlich von ähnlichen Erwägungen ausgehend hat übrigens Kollege 
Ehrmann ein 5 proz. Alkoholprobefrühstück angeführt. 

Was aber den wesentlichsten Punkt anbelangt, so scheint es, dass 
Herr Skalier von dem ja sehr begreiflichen Wunsch beseelt ist, die 
durchsichtigen Ergebnisse vom Studium des Pawlow’schen Magenblind- 
saokhundes auf den Menschen zu übertragen. Aber das gerade ist ein 
unerreichbares Ziel. Denn wir haben keinen kleinen Magen, sondern 
einen im Zusammenhang mit dem Darm stehenden grossen Magen, und 
nun ist der Darm so unfreundlich, die Sekrete in den Magen hinauf zu 
schicken. Dadurch wird nicht etwa bloss — wie Herr Skalier hervor¬ 
hebt — die Färbung des Mageninhalts beeinflusst, darüber könnte man 
sich leicht trösten. Vielmehr wird die Acidität verändert, und zwar 
nach der neuesten Arbeit Boldyreff’s in durchaus gesetzmässiger 
Weise. Sowie ein gewisser Schwellenwert der Acidität erreicht ist, 
sendet der Darm seine alkalischen Sekretionen durch den Pylorus auf¬ 
wärts, so dass man von hier den Regulationsmechanismus für die Kon¬ 
stanz der Wasserstoffionenkonzentrationen im Mageninhalt hätte. Von 
allen diesen Vorgängen zeigt uns die Methode des Herrn Vortragenden 
nichts. Wenn übrigens Herr Skalier gegen das Probefrühstück dessen 
Schichtung anführt, so muss man ihm doch die Frage Vorhalten, ob bei 
seinem eigenen Vorgeben etwa die Schichtbildung ausgeschaltet ist! 
Ganz im Gegenteil muss dieselbe von allergrösstem Einfluss sein, da ja 
die Tantalkugel dauernd in dem tiefsten Punkte des Magens liegen 
bleibt. Im übrigen habe ich mich persönlich beim Probefrühstück nie¬ 
mals von dem Bestehen different acider Schichten überzeugen können, 
und ebensowenig konnte z. B. Koritschan die Untersuchungen von 
Prym usw. bestätigen. Aber zugegeben, dass Schichten bestehen, so 
heisst das doch nicht, dass wir sie auch respektieren müssen. 

Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, mit welcher Leichtigkeit es 
mit Hilfe von ein paar Luftblasen geliogt, eine gleichmässige Durch¬ 
mischung im Magen herbeizuführen. 

Nun noch ein wesentlicher Punkt: Wir haben keinen kleinen Magen 
vor uns, der aus einer Fistel den Inhalt von selbst vollständig entleert, 
Ebenso wenig kann Herr Skalier den Magen alle paar Minuten voll¬ 
ständig auspumpen oder einen aliquoten Teil entnehmen. Wir bleiben 
daher über die wesentlichste Frage der Inhaltsmenge in jedem Moment 
wie dauernd vollständig im unklaren. Vielleicht lässt sich dieser Mangel 
durch Kombination mit einem röntgenologischen Verfahren, z. B. der 
Zweikapselmethode, teilweise abstellen, aber zur Zeit ist er sehr störend. 
Ueberhaupt bin ich der Ansicht, dass wir hier erst am Anfang eines 
Weges, keinesfalls aber etwa am Ziel stehen. Wenn Herr Skalier als 
Indikation für die motorische Leistung die Zeit benutzt, innerhalb deren 
eine gewisse Menge Phenolphthalein den Magen vollständig verlassen 
hat, so erinnere ich daran, dass wir beim gewöhnlichen Probefrühstück 
ganz ähnlich Vorgehen, da wir diesem ja ein Probeabeüdessen voraus¬ 
schicken und nachsehen, ob dieses vollständig befördert ist. Ob man 
Phenolphthalein oder irgend eine andere unschädliche Substanz benutzt, 
ist nach den grundlegenden Untersuchungen Jaworki’s über Magen¬ 
resorption usw. ziemlich gleichgültig. 

In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit ziehe ich es vor, einige 
weitere Bemerkungen, zu denen die Ausführungen des Redners an sich 
Anlass geben, zu unterdrücken. 

Hr. Bickel: Man kann über Verwendbarkeit in der Praxis, wie 
über die Zweckmässigkeit der Zusammensetzung des Skaller’schen Probe¬ 
frühstücks verschiedener Meinung sein, ebenso wie über den Wert seiner 
Art der Motilitätsprüfung, oder besser gesagt, der Prüfung der Ent- 
leerungsfäbigkeit des Magens. Aber vom Standpunkte der Theorie der 
Sekretionsstörungen betrachtet, bieten doch die Kurven, die Herr Skalier 
gegeben hat, nach zwei Richtungen ein grösseres Interesse. Sicherlich 
kann man, wenn man in Intervallen den Magen aushebert, auch wenn 
man nur einen aliquoten Teil nimmt, sehen, ob man es mit einem an¬ 
nähernd reinen Saft zu tun hat oder ob der Saft durch zurückgeflossenen 
Duodenalinhalt verunreinigt ist. Dann ist nämlich in der Regel eine 
Gelbfärbung da, weil sich etwas Galle dem Magensaft beimischt. Nun 
lehren die Skaller’schen Kurveo, dass dann, wenn wir nach dem Ewald- 
Boas’schen Probefrühstück eine Hyperchlorbydrie annehmen, es sich nie¬ 
mals um eine Steigerung des prozentualen Salzsäuregehaltes des reinen 
Saftes handelt, weil in keiner von den Kurven die Gesamtaoidität über 
diejenige Grenze hinausging, die für den prozentualen Salzsäuregehalt 
des reinen Saftes die normale ist. Also ich meine, auch diese Methode 
der Untersuchung hat keinen Beweis gegen die Annahme gebracht, dass 
eine echte Hyperchlorhydrie duroh Steigerung des prozentualen Sals- 
säurgehaltes beim Menschen nicht vorkommt. Es könnte überflüssig er¬ 
scheinen, dass ich das hier besonders betone. Aber ich möchte doch 


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Original frn-m 

UMIVERSITY OF IOWA 



1824 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


die Gelegenheit benutzen, hier erneut meine Auffassung von der Patho¬ 
logie der sog. Hyperchlorhydrie zu unterstreichen. 

Es ist eigentlich in der letzten Zeit nur ein ernsthafter Einwand 
gegen diese Auffassung vorgebracht worden, und zwar von Cohn heim, 
der behauptet hatte, dass durch die Injektion von Magnesiumsulfat in 
den Darm eine echte Hyperchlorhydrie durch Steigerung des prozentualen 
HCl-Gehaltes des reinen Saftes erzeugt werden könne. Er glaubte das 
durch Berechnungen, also indirekt gefunden zu haben; aber ich konnte 
auch hier wieder durch den direkten Versuch am Blindsack nachweisen, 
dass es sich nicht um eine prozentuale Steigerung des Salzsäuregehaltes 
des reinen Saftes handelt, sondern dass es sich nur um Veränderungen 
der zur Abscheidung gelangenden Saftmenge handelt. Diese Versuche 
finden sich in einer Arbeit meines Schülers Sato (Zschr. /. physiol. 
Cfaem., 1914, Bd. 91, H. 1). 

Dann aber haben die Kurven von Herrn Skalier noch ein anderes 
Interesse. Ich hatte früher auf Grund von Beobachtungen am Blindsack 
die Behauptung aufgestellt, dass beim Menschen Sekretionsstörungen 
Vorkommen, die dadurch charakterisiert sind, dass eine Supersekretion 
besteht bei herabgesetztem prozentualen HCl-Gehalt des Saftes. 

Die bekannten klinischen Beobachtungen, die nach der Gabe des 
Ewald’scben Probefrühstücks grosse dünnflüssige Mageninhaltsmenge bei 
niedrigem Säuregehalte zeigen, sind bekanntlich deshalb nicht beweisend 
dafür, weil diese Erscheinungen durch verlangsamte Austreibung des 
flüssigen Inhalts, mit einer einfachen Subsekretion mit normalem oder 
herabgesetztem Säuregehalt des Saftes, wie auch mit einer normalen 
Sekretion bei subacidem Safte, wie endlich, ganz abgesehen von alledem, 
durch gesteigerte Transsudation bei beliebiger Sekretion ebensogut er¬ 
klärt werden können, wie durch eine Supersecretio hypohydrochloriea. 
Nun, dass es die letztere wirklich gibt, dafür sprechen, glaube icb, 
doch gerade einige dieser Kurven, die Herr Skalier hier demon¬ 
striert hat. 

Hr. Ullmann: Ich möchte bei ähnlichen Gelegenheiten Gesagtes 
heut wiederholen: Es kommt darauf an, welche Zwecke man mit solchen 
Untersuchungsmethoden verfolgt. Will man aus rein wissenschaftlichen 
Gründen auf Grund von Untersuchungen am Menschen damit den Verlauf 
der Sekretionskurve im Magen feststellen, so ist nichts dagegen zu sagen, 
vorausgetzt, dass die experimentellen Bedingungen, unter denen man 
arbeitet, wirklich invariable und konstant sind. Das sind sie aber nicht, 
und sie sind auch nicht immer kontrollierbar. Herr Fuld hat schon 
etwas darauf hingewiesen. Solche Bedenken habe ich auch damals im 
Verein für innere Medizin gegen die neue Boas’sche Chlorophyll-Methode 
geltend gemacht. Also als über ein wissenschaftliches Experiment kann 
man vielleicht darüber reden, aber für die Praxis kann ich solche Me¬ 
thoden nicht gelten lassen. Denn wir wollen doch nicht nur eine Dia¬ 
gnose stellen, sondern auch einen Heilplan aufstellen. Für die Diagnose 
der Magenerkrankungen geben diese Kurven keinen Aufschluss über ein 
Mehr oder Weniger von Sekretion, also über quantitative Unterschiede. 
Für das Aufstellen des Heiiplanes kommt das kaum in Betracht, denn 
um diätetisch-therapeutisch einzuwirken, dazu wird man auf Grund von 
Untersuchungen mit einer solchen einseitig zusammengesetzten Flüssig¬ 
keit nicht imstande sein. 

Herr Skalier sagt, diese seine Kurven wären „Arbeitskurven“, er 
meint also, es wäre die echte Funktionsprüfung, die echte Funktions¬ 
diagnostik des Magens. Dem miiss ich entschieden widersprechen. Das 
ist sie eben nicht. Denn unsere Patienten leben nicht von Wasser mit 
Fleischextrakt, sondern sie leben vod gemischter Nahrung, und wir 
müssen deshalb wissen: erstens: wie ist die chemische Verdauung der 
verschiedenen Bestandteile der gemischten Nahrung, und zweitens: wie 
verhält sich die Motilität des Magens den verschiedenen Bestandteilen 
der Nahrung gegenüber. Was Herr Skalier also, wenn ich ihn recht 
verstanden habe, als Nachteil des Probefrühstücks erwähnt hat, nämlich 
die nicht genügende Sonderung von festen und flüssigen Bestandteilen, 
das halte ich gerade für einen Vorzug. Man hat dabei eben auf einen 
Blick eine Uebersicht darüber, wie verhält sich der Magen gegenüber 
festen Bestandteilen, wie gegenüber flüssigen Bestandteilen, wie kann 
ich deshalb meine diätetischen Vorschriften einrichten. 

Ich habe die Empfindung, als wenn man in der letzten Zeit sich 
wieder immer mehr sozusagen auf die Säuresekretion verbeisst. Ich bin 
auch ein alter Schüler von Boas, und als ich vor mehr als 20 Jahren 
bei ihm zu arbeiten anfing, da war auch die ganze Literatur immer nur 
erfüllt von den Salzsäurebestimmungen. Dann kam glücklichweise eine 
Zeit, wo man sich endlich davon losriss. Nun scheint man immer und 
immer wieder darauf zurückzukommen. Wir wissen doch alle, die wir 
eine grössere praktische Erfahrung habeD, dass es auf ein paar Säure¬ 
grade mehr oder weniger bei der Magensekretion nicht ankommt. Es 
kommt darauf an, das gesamte Krankbeitsbild in sich zu bestimmen. 
Mit der Diagnose „nervöses Magenleiden“ ist sehr wenig getan, wenn 
man nicht an die Grundursache des Leidens heranzugehen und diese 
Grundursache, die eben dieses nervöse Magenleiden hervorruft, zu be¬ 
seitigen sucht. Die Therapeutik ist ja auch zum grossen Teil abhängig 
von der Subjektivität des Patienten. 

Ich habe ferner nicht die Empfindung, als wenn die Schleimdiagnostik, 
die Herr Skalier so hervorgehoben hat, ausserordentlich wichtig wäre. 
Auch für die Unterscheidung — ich spreche immer nur vom praktischen 
Standpunkt aus, nicht von dem sogenannten wissenschaftlichen — zwischen 
Uebersekretion, also Abscheidung von Sekretionsflüssigkeit in den Magen 
hinein, und zwischen Ueberausscheidung von Salzsäure, der sogenannten 


Hyperchlorhydrie, kann die Anlegung solcher Kurven nicht so sehr iu 
Betracht kommen. 

Also das sind die Bedenken, die ich habe. Ich bin mir wohl be¬ 
wusst und habe in Privatunterbaitungen oft genug Gelegenheit, zu er¬ 
fahren, dass über solche Bedenken, wie ich sie vorgebracht habe, leicht 
mit Achselzucken hinweggegangen wird, als wenn man nicht genügend 
auf der Höhe der Wissenschaft schwebte. Aber damit helfen wir unseren 
Patienten nicht, obwohl es sich vielleicht um eine wissenschaftlich ganz 
interessante Sache handelt. Man kann vielleicht bis zu einem gewissen 
Grade einen Rückschluss ziehen über einzelne physiologische Erschei¬ 
nungen des Magens, wie z. B. den Einfluss eines einseitig zusammen¬ 
gesetzten Ingestums auf die Sekretion, aber für die Praxis kommt die 
Sache nach meiner Meinung nicht in Betracht. 

Hr. Ehr mann. (Manuskript nicht eingegangen.) 

Hr. Mosse: Nur wenige Worte. Ich möchte nur meiner Verwunderung 
darüber Ausdruck geben, dass es heute als ein Novum hiDgestellt ist, 
dass Supersekretion vorkommt ohne gleichzeitige Superaoidität. Ich muss 
bekennen, dass ich derartige Fälle, bei denen es sich um gesteigerte 
Magensaftsekretion auch im nüchternen Zustande ohne Steigerung der 
Säurewerte handelt, gar nicht selten sehe. 

In therapeutischer Hinsicht werden diese Fälle genau so behandelt, 
als ob eine Supersekretion mit Superacidität vorhanden ist, das heisst 
mit Atropin und neuerdings auch mit Papaverin. Ob man im übrigen 
rohe Eier gibt oder ein anderes säurebindendes Mittel, halte ich für 
nicht sehr wesentlich. 

Hr. Skalier (Schlusswort): Nur einige Worte. 

Im Liebig-Extrakt ist kein Pepton enthalten. Der Liebig-Extrakt 
besteht aus Polypeptiden und erzeugt eine sehr starke Sekretion, was 
ein Vorzug vor dem Caramel ist, das Herr Fuld angewandt hat. 

Er hat bemängelt, dass auch bei Liebig-Bouillon eine Schichtung 
eintritt. Liebig-Bouillon ist aber im Gegensatz zum Probefrübstück eine 
gelöste, keine gemengte Nahrung. Ich habe in der Arbeit, die ich er¬ 
wähnt habe, sehr ausführlich gezeigt, wie man die Schichtung vermeidet, 
und dabei spielen auch die von Herrn Fuld so lobend erwähnten Luft¬ 
blasen eine Rolle. Herr Fuld wird die Freude haben, das nachträglich 
doch beachtet zu finden. 

Wenn ich Herrn Ullmann antworten wollte, müsste icb den ganzen 
Vortrag wiederholen. Ich wollte ja gerade zeigen, dass gerade für die 
Praiis die empfohlene Untersuchungsmethode erheblich grössere Vorteile 
bietet als das Probefrühstück. 

Ich freue mich, mit Herrn Ehrmann in seinen Resultaten überein¬ 
zustimmen, vielleicht in einem nicht, das ist, dass er die Kurve so 
zeichnet, dass die Kurve nach einer gewissen Zeit zum Nullpunkt läuft. 
Das habe ich im allgemeinen nicht gesehen. Sie werden gesehen haben: 
meine Kurven schneiden fast auf der Höhe der Sekretion ab. Ich be¬ 
halte immer nur noch so geringe Mengen im Saft, dass ich sagen kann: 
die Sekretion ist hier beendet, es sind meist noch Spuren ganz reinen 
Saftes. Die Neutralisation des Saftes durch Magenschleim ist noch nicht 
eingetreten. Ich glaube aber, dass das eine Differenz ist, über die wir 
leicht eine Einigung herbeiführen werden. 

Vorsitzender: Wir haben aufgearbeitet was für den Sommer vor¬ 
bereitet war, und ich glaube, der heutige Besuch zeigt, wie nötig es ist, 
dass wir Schluss maehen. Ich wünsche Ihnen recht vergnügte Ferien 
bis Ende Oktober. 


• K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. 

Sitzung vom 23. Oktober 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Ranzi bespricht die Behandlung der Hirnschfisse auf der Klinik 
Eiseisberg. 

Es wurden auf die Klinik 33 Hirnschüsse eingeliefert, von welchen 
29 operiert wurden. Es waren 19 Tangentialsobüsse, 10 Steckschüße 
und 4 Durchschüsse. Von den Tangentialschüssen wurden 2 nicht 
operiert, 2 sind schon im Felde operiert worden und wurden auf der 
Klinik zum zweitenmal operiert; in dem einen Falle handelte es sich 
um einen Hirnprolaps, der sich vergrösserte und abgetragen wurde; es 
erfolgte Exitus. 

Im 2. Falle wurde der Schusskanal aufgemacht und es wurden 
Knochensequester entfernt; der Pat. ist gebessert, die anfangs vorhandene 
Hemiplegie und Aphasie sind zum Teil zurückgegangen. 

Von den übrigen primär operierten 15 Tangentialschüssen hatten . 
einen Hirnabscess, von diesen starben 2, die anderen sind gebessert. 

Von den Steckschüssen wurden 9 operiert, das Projektil lag m 
6 Fällen oberflächlich. In 5 Fällen war ein Hirnabscess vorhanden, von 
diesen starb 1 Fall, 3 Fälle mit tiefsitzendem Projektil sind alle ge¬ 
storben. Die Indikation zum chirurgischen Eingriffe gaben Hirnabscess 
und sich steigernder Hirndruck. 

Die Durchschüsse waren alle infiziert, von ihnen worden 3 operiert, 
1 Fall starb. 

In einer grossen Zahl der Fälle bildete die Infektion die Indikation 
zur Operation; die Schusswunde soll möglichst weit aufgemacht werden. 
Am besten beugt mau dem Hirnprolaps vor, wenn man vorhandene 
Abscessö möglichst gut ausräumt. Unter den Fällen der Klinik kam es 
nur einmal zu einem Prolaps, welcher sich gebessert hat. Die zwoAe 


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UNIVERSUM OF IOWA 






16. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1826 


Komplikation der Hirnsohüsse ist die Liquorfistel, es ist immer ge¬ 
lungen, die Infektion derselben zu verhüten, und die Fistel hat sich 
geschlossen. 

Hr. Narbarg bespricht die nenrologisehen Fragen bei den Sehädel- 
sebfiBsen. 

Fast alle Fälle haben eine Commotio cerebri erlitten, die Bewusst¬ 
losigkeit hat 1—2 Stunden angedauert. Die Allgemeinerscheinungen 
sind merkwürdigerweise gering gewesen, wenig Kopfschmerz, kein Er¬ 
brechen, in wenigen Fällen Stauungspapille. Bei Abscessen waren die 
Hirnerscheinungen deutlich ausgesprochen. Die Lokalsymptome der Ge¬ 
hirnschüsse waren von denen bei anderen Hirnaffektionen wenig ver¬ 
schieden. Während sonst bei Hirnabscessen Temperatursteigerung beob¬ 
achtet wird, kam es in einigen Fällen zu einem Absinken der Temperatur, 
der Puls war verlangsamt, ausserdem waren die eigentümlichen typischen 
Störungen vorhanden. 

Die Indikation zum Eingriff wurde gestellt, wenn die Erscheinungen 
eine Progredienz oder ein langes Stationärbleiben zeigten. Gegenindi¬ 
kationen bildeten ein initialer grosser Hirnprolaps, weil er mit einer 
schweren Infektion oder mit einer schweren Allgemeinschädigung des 
Gehirns einhergeht, und zweitens tiefsitzende Steckschüsse, letztere des¬ 
halb, weil die sich hinter dem Projektil befindenden Absoesse gewöhn¬ 
lich in den Ventrikel durchbrechen und den Tod herbeiführen. 

Die Lähmungen und die Aphasien besserten sich auffallend rasch, 
aus der schlaffen Lähmung wurde im weiteren Verlauf eine leioht spas¬ 
tische. Am langsamsten wichen die SensibilitätsstörungeD, sie geben jedoch 
eine günstige Prognose. Wichtig ist es, dass der Pat. ruhig im Bette 
bleiben muss. Eine unangenehme Komplikation ist die Liquorfistel, 
weil mit dem Liquordurchbruch stets eine Temperatursteigerung bis 40° 
verbunden war. 

Hr. Robinsohn: 

Zwei neue einfache Methoden der röntgenologischen Tiefenmessung, 
besonders hei Fremdkö'rpern. 

Bei der Lokalisation eines Fremdkörpers in einem Körperteile handelt 
es sich darum, festzustellen, in welcher Richtung, Tiefe und Lage sich 
der Fremdkörper befindet. Zur Lokalisation von Fremdkörpern sind 
zahlreiche Methoden ausgearbeitet worden, von welchen sich nur wenige 
eingebürgert haben, eine von diesen ist die Lokalisation mittels der 
Orthodiagraphie. Da diese Methode umständlich ist, hat sie der Vortr. 
vereinfacht. Das Prinzip der Verbesserung ist die Bestimmung der Tiefe 
mit Zuhilfenahme eines Stabes mit verschiebbarem Index. Das Prinzip 
einer neuen Methode, welche Vortr. ausgearbeitet hat, beruht auf der 
schon früher bekannten Anwendung der bifokalen Durchleuchtung zur 
Festellung des Sitzes des Fremdkörpers. Vortr. bat dazu einen einfachen 
Apparat konstruiert, bei welchem das Rohr bei den beiden Aufnahmen 
um eine bestimmte Grösse verschoben wird. Der Apparat kann an 
jedem Röntgenapparat angebracht werden. Die Berechnung der Tiefe, in 
welcher das Projektil sitzt, erfolgt in einfacher Weise. 


Sitzung vom SO. Oktober 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Adler stellt einen Soldaten mit einer arteriovenö'sen Anastomose 
am linken Oberschenkel nach Schnssverletzung vor. 

Patient erhielt einen Weichteilschuss am Oberschenkel, die Wunde 
verheilte gut. Nach 14 Tagen spürte er ein Schwirren in der Gegend 
der Verletzung, daselbst ist keine Schwellung und keine circumscripta 
Pulsation zu bemerken. Der linke Unterschenkel ist hellrot verfärbt 
und die Venen treten stark hervor, der Oberschenkel ist etwas atrophisch. 
Wahrscheinlich handelt es sich um eine Anostomose zwischen der Arterie 
und der Vene. 

Hr. Weiser demonstriert mehrere in Behandlung befindliche Fälle 

von Kiefersehnssfraktnren. 

Die Behandlung derartiger Frakturen hat den Zweck, das Kauen zu 
ermöglichen und ein tunlichst gutes kosmetisches Resultat zu erzielen. 
Zum Zusammenhalten der Frakturstelle werden verschiedene Apparate 
verwendet. Der älteste ist der Sauer’sche Verband, welcher bei ein¬ 
fachen Frakturen anwendbar ist und aus einem dem Kiefer entsprechend 
gebogenen Draht besteht. Bei Schussfrakturen ist dieser Apparat nicht 
verwendbar. Es gibt eine Modifikation dieses Verfahrens, bei welchem 
der Draht nach einem guten Modell gebogen wird. 

Einen wichtigen Fortschritt bedeutet die Verwendung der Vulkanit- 
schiene, welche über einem Modell geformt und dann über das Gebiss 
gelegt wird. Dieser Apparat ist bei kurzen Zähnen nicht anwendbar. 

Die Knochennaht des frakturierten Kiefers kann selten zur Aus- 
führuog kommen, ausserdem ist es nicht sicher, ob nicht die Nahtstelle 
nekrotisch wird. Die Naht ist ferner bei Splitterbruch nicht möglich. 

Bei der Methode von Engel wird der intakte Oberkiefer als Fixations¬ 
stelle für den gebrochenen Unterkiefer benutzt. Die Methode hat den 
Nachteil, dass der Kranke den Mund nicht aufmachen kann und durch 
eine Zahnlücke ernährt werden muss. Bei einer Modifikation des Ver¬ 
fahrens wird der Unterkiefer in eine Spange eingespannt und der Ober¬ 
kiefer besitzt eine Gleitschiene. 

Wenn der Unterkiefer doppelt fraktnriert ist, so muss ein Extensions¬ 
verband angewendet werden. Dieser besteht aus einem fixierenden Reif 
um den Kopf, von welchem entweder eine Feder (Spencer) oder eine 


starre Schiene (Nauenburg) ausgeht, mittels weloher die Extension 
ausgeübt wird. Bei Oberkieferfrakturen ist die Behandlung schwieriger. 

Unter der Einwirkung einer stumpfen Gewalt kommt ein Bruch ge¬ 
wöhnlich an drei Stellen vor: Es wird der Alveolarfortsatz vom Ober¬ 
kiefer abgebrochen, eine niobt komplizierte Fraktur dieser Art kann 
ohne Behandlung heilen; eine andere Frakturstelle ist die Gegend der 
Fissura orbitalis inferior und die Verbindung des Jochbeins mit dem 
Oberkieferbein; die dritte typische Stelle ist am Nasenfortsatz, am Stirn¬ 
fortsatz des Jochbeins und am Jocbbogen. Für diese Frakturen wird ein 
von Nauen bürg angegebener Fixationsapparat benutzt. 

Hr. Werner stellt eine Frau mit exzessiver Kürze der Unter¬ 
sehenkel vor. 

Die Frau sieht wie eine Zwergin aus, ist aber mit Ausnahme des 
Unterschenkels normal gewachsen, wenn auch von kleiner Statur. Die 
Tibien sind ganz kurz, die Fibulae sind verkrümmt, gedreht und hoch¬ 
gradig verdickt, die Kniescheiben nach oben luxiert. Pat. hat an jeder 
Hand 6 Finger, an einem Fusse 7, am anderen 8 Zehen. Es handelt 
sich um eine angeborene Missbildung. 

Hr. Lotheissen führt eine 28jähr. Frau vor, bei welcher er eine 
Oesophagoplastik aus dem Magen vorgenommen bat. 

Die Patientin batte eine impermeable Striktur des Oesophagus, 
welche schon in der Höhe des Jugulums begann. 

Vortr. hat den Oesophagus aus der grossen Kurvatur gebildet, diesen 
nach Abtragung des Processus xiphoideus unter der Haut bis über die 
Clavicula hinauf geleitet und dort mit dem oberen Stumpf der Speise¬ 
röhre vernäht. Es kam zur Nekrose eines Stückes des Oesophagus, die 
so entstandene kleine Diastase wurde durch einen Hautlappen gedeckt. 
An der Vereinigungsstelle des Oesophagus mit der aus dem Magen oder 
dem Darm gebildeten Röhre bilden sieb meist Fisteln aus, wie das auch 
in diesem Falle vorbam. Die Fistel ist jetzt geschlossen und Patientin 
kann jetzt gut schlucken. H. 


Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.) 

Sitzung vom 3. November 1914. 

Vor der Tagesordnung. 

Anssergewöhnliche Waffen ans Feindesland. 

Hr. Brettner demonstriert 1. ein Stockgewehr. Diese Gewehr¬ 
stöcke sind eine heimtückische Waffe und in Deutschland verboten; die 
Waffe wurde in Nordfrankreich von einem verwundeten Landwehrmann 
gefunden; er erwehrte sich mit ihr durch Stoss eines Zuaven, der ihm 
den Schädel mit dem Gewehrkolben einschlagen wollte. Zum Laden 
wird der Griff abgeschraubt; nach dem Einsetzen der Patrone wird der 
Griff aufgeschraubt, gespannt, der „harmlose* Ring zurüekgeschoben und 
nach links gedreht; ein leichter Druck auf den Ring nach der anderen 
Seite entladet den Schuss. 

2. ein englisches Seglermesser, das auffallend kräftig gebaut 
ist und einen sehr starken Dorn trägt, der imstande ist, einen Schädel 
zu durchbohren. Es wird von den englischen Offizieren im Felde benutzt. 

3. einen Fliegerpfeil; er saust dureh die eigene Schwerkraft 
herunter, ist zu zwei Dritteln der Länge vierkantig ausgefräst. Der 
Schwerpunkt liegt im unteren Drittel; er wird in Massen von den Fahr¬ 
zeugen herabgeworfen. Die Endgeschwindigkeit soll einem Drittel der 
Anfangsgeschwindigkeit eines Gewehrgeschosses entsprechen bei 1500 bis 
2000 m Wurfhöhe. Die Flugzeuge, die ja auch Bomben tragen, werden 
dadurch wenig belastet. Immerhin sind es nur Zufallstreffer; Volk- 
mann sah bei seinem Bataillon 14 Verletzungen; bis auf eine tödliche 
(Sobädelwunde) heilten sie glatt. Auch Pferde wurden getroffen und 
durchbohrt. Ein Unteroffizier bekam einen Stich in die Schulter; der 
Pfeil war über dem Schlüsselbein eingedrungen, hatte Lunge und Leber 
durchbohrt, war in die Bauchhöhle gedrungen; es folgte Cyanose und 
binnen 36 Stunden der Tod. 

Tagesordnung. 

Ueber Volksernährnng im Kriege. 

Hr. Rnbner: Kriegsernährung heisst gemeinhin die Ernährung der 
Soldaten im Felde. So war es auch 1870. Eine besondere Lage ent¬ 
stand dadurch, dass sich jetzt etwas besonderes gegen früher vollzieht; 
zumal nach Englands Eintritt in den Krieg. Sofort trat die Befürchtung 
auf, Deutschland solle ausgehungert werden. Schon im Juni d. Js. ist 
das Thema von Chauxtemps behandelt worden. Namentlich in Italien 
hielten der Elsässer Weiss und der angebliche, auch uns bekannte 
Friedensfreund Eichet überall Vorträge, um gegen uns zu wettern und 
zu behaupten, dass wir nach 4—5 Monaten nicht mehr imstande wären, 
uns zu ernähren; wir wären nicht sehr geeignete Bundesgenossen. 

Deutschland führt eine Reihe von Nahrungsmitteln ein. Aus Russ¬ 
land nehmen wir Brotgetreide auf. England selbst wäre nicht in der 
Lage, hei Absperrung der Grenzen, auch nur einige Monate durchzuhalten; 
z. B. die Milch kommt aus dem Ausland (Holland), Käse aus Kanada, Brot¬ 
getreide aus der ganzen Welt, das (gefrorene) Fleisch ebenfalls. Noch 
andere Staaten haben grosse Einfuhren, Belgien, Frankreich, die Schweiz, 
die nordischen Länder und Holland. Sie brauchen viel Getreide; nur 
zwei brauchen keins, Russland und Rumänien. 


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Original frn-m 

UMIVERSITY OF IOWA 



182G 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 46. 


Za sagen, dass wir nicht in der Lage wären, uns zu ernähren, ist 
falsch. Der Henker irrt, der uns erdrosseln wollte. Deutschland ist 
zwar ein erster Industriestaat; das ist auch ein Qrund des englischen 
Krieges. Aber es hat die Landwirtschaft und Bodenkultur nicht ver¬ 
nachlässigt. Für den Bauernstand wurden viele Maassregeln getroffen, 
die unter den politischen Parteien grosse Kämpfe hervorriefen. Es waren 
die Zölle und die Agrarpolitik. Niemand dachte, dass das Ausland unser 
Feind werden könnte. An der Landwirtschaft war es, nachzuweisen, 
dass sie allein in der Lage ist, uns zu ernähren. So hat die wissen¬ 
schaftliche Landwirtschaft sich bemüht, die Kenntnisse der Landwirt¬ 
schaft, die Lehre von der Viehzüchtung zu verbreiten. Nur Belgien, das 
einen guten Boden besitzt, ist pro Hektar noch ertragreicher. So war 
es möglich vieles aus dem Boden zu erzielen und die Viehzucht zu heben. 

Was haben wir? Wir kennen die Ernteerträgnisse, die Bestände 
der Viehzucht und den Aussenbandel genau. Was muss für die Ernäh¬ 
rung des ganzen Volkes ausgegeben werden? Das zu beantworten ist 
nur möglich, wenn unsere Mittel in diesem Jahre genau so gross wie 
sonst sind. Zu bedenken ist aber, was von einem Volk verzehrt wird. 
In grossen Zügen hat Vortr. den „Nationalbedarf“ aus den vielen Haus- 
haltungsrecbnungen zusammengestellt. 

Die Erträgnisse der Milchwirtschaft sind wichtiger als die aus dem 
Fleisch und der übrigen Viehzucht. Aus der Miloh gewinnen wir über 
60 pCt. Eiweiss mehr, das sind 152 pCt. Oalorien mehr. Wir müssen also 
alles daran setzen, die Milchproduktion, vor allem den Kuhbestand auf 
der Höhe zu halten. Wir haben 91 Millionen Kühe, die Milchproduktion 
ist bedeutend. Davon wird nur ein Teil — 30 pCt. — getrunken. 
Alles andere wird in Rahm, Butter, Käse verwandelt; die Molke und 
Magermilch dient in der Hauptsache, d. b. ein Drittel des ganzen Nähr¬ 
werts, zur Viehfütterung. Die Hälfte der Gesamtmilch dient zur 
Butter-, ein kleinerer Teil zur Käsebereitung. Letzterer ist noch kein 
Volksnahrungsmittel geworden. Der Deutsche isst davon täglich nur 8 g, 
der Butterverbrauch beträgt 18 g, der an Milch 847 ccm täglich auf 
den Kopf der Bevölkerung; der „Kopf der Bevölkerung“ entspricht in 
Deutschland einem Durchschnittsgewicht von nur 45 kg. Wir ver¬ 
schwenden also sehr viel von der Milch. Um 1 g Butter zu gewinnen, 
gehen 30 Teile Milch verloren; es ist also besser, zur Milch als zur 
Butter zu greifen. Käse sollten wir mehr verbrauchen. 

„Die Eier werden teurer.“ Das gilt als schlechte Vorbedeutung. 
Der Verlust, den wir durch die Nichteinfuhr aus Russland haben, be¬ 
trägt täglich 2,8 g Eiweiss; der andere Import, d. h. 6,3 g ist gedeckt; 
es würde also jedem von uns alle 18 Tage ein Ei aus Russland fehlen, 
im anderen Falle alle 8 Tage. 

Das Fleisch gilt als Kernpunkt der Ernährung. Die Küche ist zwar 
ganz auf Fleischspeisen gestimmt. Wer im Wirtshaus keine bestellt, 
gilt als Sonderling. Alles ist auf den Fleischton eingestellt. Nun ist 
es unwahr, dass fleisch teuer sei. Verfolgt man den Fleischverbrauch 
in vielen Jahrzehnten, so steigt er gesetzmässig- Seit 1816 ist er auf 
das Vierfache des Gewichts pro Kopf der Bevölkerung gestiegen. So sind 
wir in der Stufenleiter der Völker von Italien vor 5 Jahren in die Nähe 
Englands gekommen. Ja, wir verbrauchen noch mehr. Kein Volk nutzt 
— infolge der Erfindung der Wurst — das Fleisch so aus wie der 
Deutsche. Unser Viehbestand, nach und nach abgeschlachtet, würde 
1 Jahr 7 V 2 Monate ausreichen. Das wäre ein Unding. Wir verbrauchen 
von Jahr zu Jahr mehr Fleisch. Das ist im Kriege nicht notwendig. In 
einem Jahre wurden 3 l /g Millionen Schweine mehr gezüchtet. So könnte 
man an der Fleischerzeugung sparen. Haben wir genug Mittel, das Vieh 
zu füttern? In vielen Teilen Deutschlands findet Import von Viehfutter 
statt. Namentlich aus Russland kommen über 3 Millionen Tonnen Gerste, 
daneben Oelkuchen und Kleie. Das bleibt jetzt aus. Wir können Er¬ 
satz schaffen. Es lässt sich von Grund und Boden mehr als bisher ge¬ 
winnen. Etwas von dem Viehbestand wird reduziert werden müssen; 
eine Einschränkung ist nötig. Dann ist die Seefischerei nicht mehr so 
ergiebig wie früher. Die englische Küste ist nicht mehr zu erreichen. 

Auch beim Geflügel fehlt etwas, die russischen Gänse. Jeder von 
uns isst also nur 0,1 Gans im Jahre weniger. Etwas knapper ist der 
Vorrat an Fett. Der grosse Fettverbrauch in den letzten Jahren stiess 
bei uns, namentlich der an Butter, auf Schwierigkeiten; 7 /io alles ge¬ 
nossenen Fettes ist Butter. 

Eine Hauptsorge ist die um das tägliche Brot. Ein Drittel unserer 
Bedürfnisse entstammt den animalischen, zwei Drittel den pflanzlichen 
Nahrungsmitteln. Wir müssen letztere voll in unseren Haushalt ein- 
setzeo. Ein Land mit Viehzucht und Getreidebau ist besser als das¬ 
jenige, das nur Getreide baut; denn das Vieh verbraucht Dinge, die wir 
nicht gebrauchen können, und wandelt sie in Fleisch um. Unsere Brot¬ 
getreideernte war diesmal weniger gut als die berühmte vorjährige. Bis¬ 
her bezogen wir über 2 Millionen Tonnen Weizen aus Russland. Aber 
wir führten auch sehr viel Getreide, namentlich Roggen, aus. An Weizen 
und Roggen zusammen ist so viel vorhanden, dass es einer mittleren 
Ernte sehr, wenn auch nicht ganz, nahe kommt. Die mittlere Ernte 
umfasst, was der Mensch, das Tier und die Industrie gebraucht. Wir 
brauchen also nur Tier- und Industriebedarf etwas zu mindern. Dann 
reicht das Brot sicher aus. Die Industrie lässt sich einschränken; denn 
das Getreide dient zur Herstellung von W'eizenstärke und in Brennereien. 
Beim Roggen ist es ähnlich. Aber er geht nicht mehr ins Ausland; er 
darf nicht mehr für alkoholische Produkte verwendet werden. Der Be¬ 
darf an Gerste ist ausreichend für den Menschen gedeckt. Er ist nicht 
gross. Wir bekommen noch Zuschüsse. Doch wird die Tierproduktion 
etwas zurückgehen, um etwa 15pCt.; denn es wird nicht mehr exportiert. 


Schlimm steht es mit den Erbsen und Linsen, fast alle Leguminosen 
kommen aus dem Ausland; ihrer hat sich die Landwirtschaft zu wenig 
angenommen. Das decken wir anders; es ist nicht bedenklich. 

Die Kartoffelernte war nicht so glänzend, wie man anfangs annabm. 

Aber dafür war sie gehaltvoller an Stärkemehl; es besteht also ein Aus¬ 
gleich. Aus der Kartoffel schöpft die Industrie, das Vieh, der Mensch, 
letzterer nur 25—28pCt. Ein beträchtlicher Teil wandert in die 
Brennerei, die Hälfte zur Viehverfütteruog. Die Spiritusbrennerei ist 
denn auch auf 6 /»o der früheren Produktion beschränkt worden; es bleiben 
also mehr Kartoffeln zur Verfügung. — Die Befürchtung, dass wir bis 
zur nächsten Ernte nicht durchhalten können, besteht nioht zu Recht 
Aber es muss hausgebalten werden. 

Es muss alles durchgeführt werden, damit wir genügend versehen 
sind. Der Arzt hat mannigfache Gelegenheit einzuwirken. Er kaue den 
Leuten klar machen, wo man angreifen kann, damit der Koosum an den 
Stellen znrückgeht, wo es erwünscht ist zu sparen. Der Konsum an 
Nahrungsmitteln ist nicht so gross wie früher. Ein Teil der Armee 
steht ausser Landes, das sind die esskräftigsten Menschen. Dann stellt 
der Mann den grössten Anspruch an das Geld. Die Frau kommt leichter 
aus; sie läuft nicht, statt zu Hause zu essen, ins Wirtshaus. Es fallen 
die Fremden weg, der Gasthausverkehr ist viel geringer. Er stieg über¬ 
haupt seit Jahren stark an. Das Essen ausser dem Hause ist immer l 
teurer und verbraucht mehr Animalien, als nötig ist. i 

Weissbrot steht nicht so zur Verfügung wie bisher. Es fehlt reich¬ 
lich Weizenmehl; aber wir haben reichlich Roggenmehl. Seit Jahren 
isst man nur Weissbrot. Wo isst man hier noch vom Laib Brot? Ueber- 
all sieht man Knüppel, Schrippen, Kleinbrot; es stammt aus dem weissen 
Teile des WeizeDkorns. So ist der Verbrauch von Roggen zurÜGk- 
gegaogen. Wir wurden vom Auslande abhängig. Also ist eine Re¬ 
duktion nötig. 

Was ist der Unterschied zwischen Schwarz- und Weissbrot? In physio¬ 
logischer Hinsicht gar keiner! Das Roggenmehl liefert wenig Kleie and 
wird weit ausgemahlen; beim Weizen wird dagegen nur der innere 
Mehlkern genommen. Das Kleinbrot ist eine künstliche Brotmasse, wo 
das Verhältnis der Kruste zur Krume sehr gross ist. Beim Laib Brot 
ist das Verhältnis anders. Also könnte man auch aus Roggenmehl oder 
einer Mischung mit Weizenmehl dasselbe herstellen. Physiologisch be¬ 
dingt das gut ausgenutzte Weissbrot die Verstopfung, die vielfach darauf 
beruht, dass die Därme leer sind. Roggenbrot, zumal ab und zu mit 
Kleie vermahlenes, würde diese Sorge vertreiben; denn es bewirkt Kot- 
bildung. Dieser Missbrauch ist auch in Arbeiterkreisen eingerissen. Die 
armen Leute kaufen diese Brötchen; sie sind dreimal so teuer wie der 
Laib Brot. 

Die Ausdehnung des Bedürfnisses an Butter und Rahm macht 
Schwierigkeit. Der Rahm ist viel teurer als Milch; zu Rahm sind 7 bis 
8 mal soviel Teile Milch nötig. Bei der Butter wird in hohem Maasse 
Fettverschwendung getrieben, weil die Leute trockenes Brot nicht mögen. 

Wer das tut, imponiert als tiefstehender Proletarier. Welche Unsummen 
gehen so verloren! 5 g Butter aufs Brot ist nichts! Beide Hälften 
werden gestrichen aufeinander geklappt. Das deutsche Volk verzehrt 
im Jahre 25 Milliarden Nabrungsportionen. Eine ganz geringe Ersparnis 
bringt einen immensen Einfluss auf die ganze Milchwirtschaft. Sehr 
wichtig ist der übermässige Fleichkonsum. Immer klagt man über 
Fleischnot, und doch findet man starken Verbrauch. Er ist falscherweise 
dadarch gestiegen, dass die „kalte Küche“ mehr als zuvor zugenommen 
hat, zumal das „belegte Brot“ und die Wurst. Kein Volk isst mehr 
Schweinefleisch (50 pCt. des Konsums) als die Deutschen! Das Schweine¬ 
fleisch verschwindet als Wurst. Isst jeder ein belegtes Brötchen mehr, 
so resultieren grosse Zahlen. So ging in den letzten Jahren alles sprung¬ 
weise in die Höhe. 

Zu beseitigen ist das „englische Frühstück“. Dazu kommt die 
Sparsamkeit im Einkauf, Kochen und bei Tisch, Viele Frauen kaufen 
zu viel ein; das Ganze wird verkocht, das Gemüse schlecht geputzt und 
viel zu viel dafür ausgegeben. Viel zu viel bleibt auf dem Teller liegen. 

Selbst in Zuchthäusern sah Vortr. 3—15 pCt auf dem Teller Zurück¬ 
bleiben; in den Familien ist diese Verschwendung noch viel grösser. 

Jeder kann mitwirken. 

Wir müssen uns mehr den Vegetabilien zuwenden. Zu ersetzen ist 
das Fleisch durch Suppen oder Mehlspeisen. 

Auch der Staat soll was tun, wird verlangt. Das ist in diesem 
Falle zuzugeben. Schwer ist es, die Menschen zu belehren. Die Leute 
hören alles an, tuD es aber nicht. Der Pessimist klagt, isst aber weiter, 
und der Optimist denkt überhaupt nicht daran, sich zu ändern. Mü I 

Vorschlägen muss man bei sich selbst anfaogen, dann kann man mit | 

innerer Ueberzeugung auftreten. Der Staat tat schon manches. Vieles j 

steht in den Verordnungsblättern, die wir nicht lesen. Zu denken »* 1 

an die Ausfuhrverbote, die Aufhebung der Einfuhrsperre, die Erleich¬ 
terung des Handels, die Ausnahmetarife, Anregung zur Futtermittel-, 
besebaffang, Einrichtung zur Hebung der Fleischversorgung, Hebung der 
Viehhaltung, Verhütung des Frühschlachtens der Kälber, Maassnahoen 
zur Bearbeitung des Bodens, Beschaffung von Motorpflügen und Dünger, 
Kulturarbeiten in Oedländereien, Kartoffeltrocknung. Das ist nicht nur 
für den augenblicklichen Zustand wichtig, sondern soll auch für die Zu¬ 
kunft helfen. 

Die Regulierung des Preises der Nahrungsmittel ist gefordert worden. 

Sie hat lange auf sich warten lassen. Die Folge war, dass in der 
Zwischenzeit viel Roggen und anderes mit zur Viehfütterung vertan 
wurde. Die Schweiz ging rascher vor; schon am 27. August d. J. erliess 


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Gougle 


Original frum 

UNIVERSUM OF IOWA 



IG. November 1014. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1827 


sie zum Schutze der menschlichen Nahrung Verbote gegen die Ver¬ 
wendung von Brotgetreide für das Vieh. Wir haben erst am 29. v. M. 
dasselbe getan. Ohne Zwang geht es nicht ab. Der Bundesratsbeschluss 
hat das Weizenmehl gestreckt. Wir verfügen über 8 pCt. Roggenmehl 
mehr als nötig und über 21 pCt. zu wenig Weizenmehl. Man könnte 
den Ueberschuss zum Weizenmehl mischen oder das Weizenmehl mehr 
ausmahlen. Es fällt Kleie ab, die bald holzig und wertlos ist oder viel 
Eiweissstoffe hat. Ist das Getreide teuer, so mahlen die Mühlen weit 
aus. Das können wir auch jetzt tun. Das Defizit kann man duroh Aus¬ 
mahlen ersetzen oder die Ausmahlung nur bis zur Hälfte steigern und 
Roggenmehl zusetzen. Letzteres tat die Regierung. Wir bekommen 
(ausser für die Konditoreien) Weizenmehl mit 10 pCt. Roggenmehl; das 
ist gleichgültig für die Ernährung und die Küche. Der Ausmahlungs¬ 
grad soll bei den grösseren Mühlen höher als bei den kleineren sein 
dürfen (?). So bleibt vom Roggen etwas übrig. Das Roggenmehl soll 
einen Zusatz von trockener Kartoffel bekommen. Letztere verdirbt 
leicht; im Winter können 50 pCt. der Stärke durch Selbstatmung ver¬ 
loren gehen. Trocknet man aber die Kartoffel, so hält sie sich jahre¬ 
lang; man trocknet die Schnitzel. Aber die technischen Einrichtungen 
fehlen uns, so wird man nur das 10 fache gegen früher trocknen köonen. 
Die Bäcker dürfen dem Roggenmehl bis zu 20 pCt. Kartoffelmehl zu¬ 
setzen, müssen das Brot aber mit „K“ bezeichnen. Das istVortr. nicht 
sympathisch. Viele werden sich daran stossen, andere werden ein Stück 
unterhalb des „K“ bekommen, ohne es zu wissen usw. Zudem besitzen 
wir von den Nahrungsmitteln keine Methode, die angibt, wie gross 
der Zusatz ist, denn auch der N-Gehalt der einzelnen Bestandteile 
schwankt sehr. 

Bis jetzt wurden nur Preise für das Getreide festgesetzt. Auch die 
Kartoffel bedarf des Schutzes, sie kann billig bleiben. Es ist besser, 
statt des Kartoffelbrotes 4 /s Brot und Vs Kartoffeln zu nehmen; das ist 
billiger; man kann Bratkartoffeln usw. machen und variieren. Nötig 
wird auch die Feststellung des Preises der Milch, besonders der Magermilch. 

In anderen Staaten steht es nicht besser. Die Schweiz lässt schon 
seit dem 27. August d. J. nur ein Mehl tunlichst ohne einige Prozent 
Kleie ausmahlen; die Pensionats haben die Menus um 2 Gänge gekürzt; 
die Preise blieben dieselben. 

Für das Ernährungswesen besitzen wir keine Organisation. Schon 
1907 hat Vortr. für eine Centrale zur wissenschaftlichen Kontrolle und 
Bearbeitung der Volksernährungslehre gesprochen; hier müssten die 
Kenntnisse über die Nabrungsmittelgewinnung, die Vorräte, den Import, 
den Stand der Volksernährung überhaupt Zusammenflüssen und ver¬ 
breitet werden. Nur in Amerika gibt es eine Teileinrichtung in Gestalt 
von Veröffentlichungen, mit denen das landwirtschaftliche Staatsinstitut 
in Washington das Land überschwemmt. Die Masse wird rationell er¬ 
zogen. Das Wesentliche bleibt aber, alles zu sammeln, was die Volks- 
ernährung betrifft. Hätten wir das schon, so hätte die Volksernährungs- 
saohe nicht durch den Krieg überrascht werden können, und wir hätten 
unsere äussere Wehr gestützt. Jetzt sind Improvisationen nötig für 
Material, das man längst hätte haben können. Das ist auch heute noch 
nicht zu spät. 

Die Tendenz Englands, uns durch Hunger auf die Kniee zu ringen, 
ist nicht begründet. Wir können beruhigt in die Zukunft blicken. Helfen 
wir hier in der Reserve raitwirken für das Vaterland, während die Masse 
draussen steht. Mode. 


Kriegsskizzen. 

Von 

Dr. Arthur Münzer, zurzeit im Felde. 

VII. Ausblick. 

Unsere Artillerie war den ganzen Sonntagvormittag über tüchtig an 
der Arbeit gewesen. Heute gab’s keine Sonntagsruhe; Schuss fiel auf 
Schuss. — Am Nachmittag hielt’s uns nicht länger mehr im Quartier; 
auch wir wollten hinaus, nach vorn, um zu sehen, wie unsere Sache stand. 
Die Pferde werden schnell gesattelt, und im Trab geht’s vorwärts. Wir 
reiten in der Richtung, aus der das Geschützfeuer kommt und sind bald 
auf dem richtigen Weg. Schon kommen uns die ersten Leichtverwundeten 
entgegen. Die meisten haben Arm- oder Kopfschüsse. Sie marschieren 
nach der befohlenen Sammelstelle und sind alle guter Dinge. Wir fragen 
sie, wie es vorne stände, und voller Stolz wird uns berichtet, die Belgier 
seien zurückgedrängt, unsere Infanterie gehe vor. Beim Weiterreiten 
begegnen wir zunächst einer Marine-Sanitätskompagnie, die gerade nach 
vorne gezogen wird. Rechts und links von uns stehen je eine Batterie, 
die in regelmässigen Zwischenräumen feuern. Jetzt kommen wir an das 
Dorf E., das völlig zerschossen und von Einwohnern verlassen ist. Im 
Ort wimmelt es von Militär; Meldereiter und Radfahrer jagen durch die 
Dorfstrasse. — An der Kirche halten wir. Der Kirchturm war durch 
Artilleriefeuer glatt rasiert worden. Oben war jetzt ein deutscher Beob¬ 
achtungsposten stationiert. Wir machen uns an die Besteigung der 
Turmruine. Zunächst auf schmalen Treppen, dann auf Leitern geht’s 
etwas mühsam aufwärts. Endlich sind wir oben angelangt und melden 
uns beim wachthabenden Offizier. Wir schauen nun nach vorn und ge¬ 
messen den Ausblick ins Land; der Himmel war wolkenlos und klar. 
Einige Kilometer vor uns liegt die Stadt, deren Einnahme erstrebt wurde; 
stolz ragt die Kathedrale in die Höhe. Rings umher war fruchtbares 
Land, am Horizont hoben sich scharf einzelne Dörfer ab. Von unserem 


Standort war deutlich zu übersehen, wie weit unsere Truppen schon 
vorwärts gedrungen waren. Heute abend noch sollte die Stadt gestürmt 
werden. Dumpf grollend klang das Geschützfeuer zu uns herüber. — 
Wie klein nahm sich alles von hier oben aus, und dooh wie Grosses 
spielte sioh dort unten ab! Dort unten kämpft der deutsche Soldat 
um seine heiligsten Güter, dort unten ringt ein Volk um seine Freiheit! — 
Wir wissen es wohl, wir fühlen es immer wieder, für unsere Truppen 
kann es kein Hindernis geben. Unaufhaltsam stürmen sie voran. Die 
eiserne Notwendigkeit zwingt uns zum Siege. 

In immer gleich massigem Takt feuern die Batterien, weiter vorn 
knattert Gewehrfeuer. „Die Stadt wird im Laufe der nächsten 24 Stunden 
genommen werden“, meint der wachhabende Offizier. Er steht von oben 
in ständiger telephonisoher Verbindung mit den feuernden Batterien und 
dirigiert von seinem Posten aus, der ihm eine ungehinderte Fernsicht 
erlaubt, die Aktion der Geschütze. ' 

Wir verabschieden uns und steigen herunter; das Gefecht gebt 
weiter. Man muss über die Präzision, mit der unsere Armee arbeitet, 
immer von neuem staunen und empfindet immer wieder die höchste Be¬ 
wunderung für die Leistungen, deren unsere Truppen fähig sind. 

Das eben Geschaute still für uns überdenkend, ritten wir heim¬ 
wärts. Das Feuern währte bis spät in die Nacht hinein. — Der wach¬ 
habende Offizier auf dem Kirchturm hatte sich nicht getäuscht: am 
nächsten Morgen war die Stadt in unseren Händen. 

„Feuerzauber.“ 

Irgendwo im Lande steht hier eine Batterie. Aber es ist keine ge¬ 
wöhnliche Batterie wie die andern alle, deren Geschütze wir längst 
kennen; es ist eine Märchen-Batterie. Und doch ist es wieder keine 
Märohen-Batterie, denn sie existiert wirklich. Immerhin, es hat mit ihr 
eine besondere Bewandtnis; in ihr ruht ein Zauber. — Die Kunde von 
unserer Batterie hat sioh bald im ganzen Lande verbreitet, und so eilen 
auch wir, das Wunder zu schauen. Ein kurzer Ritt führt uns nach 
dem Standplatz. Da sind, auf einer nicht eben weiten Fläche fest ein¬ 
gebaut, zwei Geschütze aufgestellt, die an eine Art Panzerturm ange¬ 
schlossen sind, in welchem sich die Bedienungsmannschaft befindet. 
Nicht weit davon liegen die mächtigen Geschosse, von denen gerade 
eines mit spielender Leichtigkeit hocbgewunden wird. Das sind also die 
berühmten Krupp’schen 42 cm-Geschütze, die „grossen Brummer“, wie 
sie allgemein genannt werden. Wir sind gerade in einer Feuerpause 
angekommen und harren gespannt der Entwicklung der Dinge. — Zu¬ 
nächst haben wir Müsse, den Aufbau der Geschütze zu bewundern. 
Vielleicht hatten wir uns nach dem, was uns schon zu Obren gekommen, 
alles noch viel mächtiger, noch riesiger vorgestellt. Nun, als wir das 
Wunder schauten, kam es uns fast natürlich vor. Nur der starr nach 
oben ragende Lauf sohien auf kommendes Unheil binzuweisen, drohte 
Tod und Verderben. — Auf dem Platz eilten geschäftig eine Anzahl 
höherer Offiziere hin und her. Mannschaften sind mit dem Ausladen 
von Munition beschäftigt. Ein Hauptmann führt uns in liebenswürdiger 
Weise umher und gibt die notwendigen Erklärungen. In vorsorglicher 
Weise werden wir auch mit Watte versehen, mit der das Ohr gegen den 
allzu lauten Knall geschützt werden soll. 

Voller Interesse waren wir den Erläuterungen unseres Führers ge¬ 
folgt und warten nunmehr mit Spannung auf das grosse Ereignis. Wir 
stehen in etwa 20 m Entfernung von dem zunächst feuernden Geschütz. 
Plötzlioh kommt’s! Ein Unteroffizier kommandiert „Schuss“, ein Mann 
auf der Plattform des Geschützes hebt die Hand — der Moment der 
Spannung wächst aufs höohste — „Fertig“ — „Feuer“! Und dann ge¬ 
schieht das Wunder, das Unfassbare. Aus dem Geschützrohr heraus 
springt eine mächtige Feuersäule, die einen kurzen Moment ins Riesen¬ 
hafte zu wachsen scheint, ein gewaltiger Knall, eine starke Erschütterung 
für die in der Nähe Stehenden, und dann ein Zischen und Sausen in 
der Luft, das fast wie eine Ewigkeit zu währen scheint, — der Lauf des 
Geschützes senkt sich zur Erde, aus dem Rohr qualmt und raucht es.- 

Man steht zunächst stumm, wie vor etwas Unbegreiflichem. All¬ 
mählich weicht die Spannung. Wir wissen, dass sich inzwischen ein 
tragisches Schioksal erfüllt. Längst hat das Geschoss unter der Gewalt 
der treibenden Kräfte den Lauf verlassen, hat sich davoneilend den Weg 
durch die Lüfte gebahnt und ist in furchtbarem Aufprall niedergesaust 
im feindlichen Lager; Tod und Zerstörung sind seine Weggenossen. Wir 
aber, die wir vor dem Geschütz stehen, wir sehen nichts davon. Uns 
trennt eine ganze Reihe von Kilometern von dem Zielpunkt des Ge¬ 
schosses. Man steht in Bewunderung versunken vor dem Menschengeist, 
der das Werk erdacht. Gewiss denkt man in solchen Augenblicken 
nicht daran, dass es nur zur Vernichtung menschlichen Schaffens be¬ 
stimmt ist, man sieht nur das Grosse, Gewaltige das in dieser Schöpfung 
seinen Ausdruck gefunden. 

Alles geht seinen gewohnten Gang weiter. Nach 12 Minuten fällt 
der Schuss aus dem zweiten Geschütz. Immer wieder beginnt das Spiel 
mit dem tödliohen Ernst, und rein automatisch geht hier ein Schicksal 
seinen schweren Gang. 

Den Belgiern war die Aufstellung der grossen Geschütze nicht un¬ 
bekannt geblieben, durch ihre Flieger waren sie über die drohende Ge¬ 
fahr vermutlich genau orientiert. Um ihr zu entgehen, bedienten sie 
sich einer von ihnen neuerdings mehrfach gewählten Taktik: sie Hessen 
zwei mit Sand beladene Züge in wilder Fahrt los, um hierdurch die 
Schienenwege zu versperren bzw. zu zerstören und so den Transport 
der Munition zu verhindern. Dem deutschen Vorpostenkommando war 
indessen die Ankunft der Züge signalisiert worden, und durch über die 


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1828 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 46. 


Schienen gelegte Holzschwellen wurden sie zur Entgleisung gebracht. 
Ein Trümmerhaufen kennzeichnet jetzt die Stätte. Die Wagen sind zum 
Teil umgestürzt, zum Teil zerschmettert. Eine Lokomotive ist völlig 
auf die Seite gelegt, die andere bäumt sich schräg in die Höhe. Mehrere 
Wagen sind direkt ineinander geschachtelt. Der Anprall muss fürchter¬ 
lich gewesen sein. 

So liegt nun beides, das Zerstörende und Zerstörte, dicht neben¬ 
einander. Beides wirkt grandios durch die Masse, die Gewalt, die in 
ihm charakterisiert ist. Im Kriege überhaupt kann nur das Machtvolle, 
das grosse Ganze wirken, während individuelle Werte an Bedeutung ver¬ 
lieren. Der Krieg rafft alles Einzelne in sich zusammen und schweisst 
daraus ein Allumfassendes. Nirgends als im Kriege kommt das Be¬ 
wusstsein der einigen, in sich geschlossenen Nation klarer zum Ausdruck. 

Das Dorf. 

So manches Bild ist an uns in diesem Kriege vorübergezogen, dessen 
Konturen sich uns tief eingeprägt haben. Wir sind auf dem Marsch; 
der Befehl zum Abrücken ist plötzlich gekommen. Unser Ziel ist ein 
einige Kilometer weit entferntes Dorf. Bald ist der Weg zurückgelegt, 
und schon nähern wir uns den ersten Häusern. Unser an düstere Dinge 
schon gewöhntes Auge sieht sofort: Das Dorf ist tot. Hier haben des 
Krieges Schrecken gehaust, hier hat die Artillerie ihre schwere Arbeit 
getan, und nach hartem Kampf ist das Dorf — gestorben. Von der Be¬ 
völkerung ist niemand mehr zu sehen, nur Soldaten eilen die Strassen 
herauf und herunter. Alles ist öde und leer. Jedes Haus ist zerschossen. 
Von dem stehen noch die Umfassungsmauern, von dem fehlt das Dach, 
ein drittes ist völlig niedergelegt. Tiefe Löcher haben die Granaten in 
die Mauern geschlagen. Trümmerhaufen kennzeichnen ihren Weg. Weit 
offen stehen die meisten Haustüren und stellen die kahlen ungeordneten 
Wohnräume bloss. Alles ist hier erstorben, und von dem warmen Hauch, 
der einst diese Stätten belebt, ist nichts mehr zu spüren. Nur noch 
ein wirres Durcheinander von armseligen Dingen starrt uns entgegen. 

Die Kirche des Ortes ist gesprengt; die Grundmauern stehen noch, 
alles übrige ist Schutt und Geröll. Der weite Marktplatz liegt leer und 
verlassen; die Häuser ringsum sind meist zerstört. Aus irgendeinem 
Hause klingt die Melodie: „Am Brunnen vor dem Tore“ — ein Soldat, 
der in der Fremde die uns so lieben Weisen spielt. 

Auf der Strasse liegen belgische Tornister, Kochgeschirre, Uniform¬ 
stücke umher, Ueberreste der letzten Gefechte. — Vor dem Ausgang des 
Dorfes ziehen sich auf den Feldern unsere Schützengräben hin, wahre 
Meisterstücke der Verschanzung; es sind zum Teil richtige unterirdische 
Höhlen, die mit bewundernswerter Kunstfertigkeit ausgebaut wurden. — 
Am Wegrande sind vereinzelte Soldatengräber. Hier haben brave Helden 
die letzte Ruhe gefunden. Kameraden haben Blumen auf den Gräbern 
gepilanzt und einfache Kreuze errichtet. — Jetzt fegt schon der Herbst¬ 
wind darüber hinweg und zaust an den Blumen. Bald wird vielleicht 
die Spur der Ruhestätten verweht sein; im Frühjahr wird der Pflug 
darüber hinweggeheu, und aus der Stille des Todes wird Deues Leben 
erwachsen. 

So schaut uns mit seinem tiefernsten Auge überall der Krieg an. — 
Wir haben uns allmählich an sein Antlitz gewöhnt, und das leise Grauen, 
das einen jeden von uns zunächst erfüllt, ist nach und nach gewichen. 
Man darf nicht nur die Zerstörung und die Vernichtung, welche der 
Krieg mit sich gebracht, sehen. In dem Drama, das vor uns sich jetzt 
abrollt, schlummert schon der Keim des neuen Werdens. Was jetzt 
untergegangen, wird in vollkommenerer Weise wiedergeschaflen, und 
schöner wird erblühen, was jetzt zu schnell dahingewelkt. Demjenigen, 
der bis zu dieser Höhe gekommen, wird auch das Trostlose in milderem 
Licht erscheinen. Ihn hebt die Hoffnung auf neues Werden über die 
Schrecken des Todes hinweg. 

„Und so lang’ du das nicht hast, 

Dieses Stirb und Werde, 

Bist du nur ein trüber Gast 
Auf der dunklen Erde.“ 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. In der Sitzung der Berliner medizin. Gesellschaft 
vom 11. November demonstrierten vor der Tagesordnung: 1. Herr 
Holländer: Falle von Ektopia visoerum; 2. Herr Rothmann: Fried- 
reich’sche Ataxie mit Myxödem; 3. Herr Ewald: Verätzung des Dick¬ 
darmes mit Ammoniak (Diskussion: Herr J. Israel). Hierauf hielt Herr 
Morgenroth den angekündigten Vortrag: Die Chemotherapie der 
Pneumokokkeninfektion. 

— In einer kürzlich gehabten Sitzung des Aerzteausschusses von 
Gross-Berlin, welcher der derzeitige Leiter der Medizinalabteilung des 
Kriegsministeriums, Generalarzt Paalzow, beiwohnte, wurden die näheren 
Bedingungen, unter denen Civilärzte bei dem Heeressanitätswesen zur¬ 
zeit Verwendung finden, des Näheren bekannt gegeben, und dadurch 
manche Unsicherheit beseitigt. Es wurde zunächst mitgeteilt, dass schon 
durch eine im vorigen Jahr erlassene Kabinettsordre den Aerzten für 
die Kriegszeit der Offiziersrang verliehen worden ist — bekanntlich 
wurde ihnen ja jetzt auch neuerdings für ihre Uniform das Offiziers¬ 
seitengewehr bewilligt —, ferner wurde ein ernstes Bedenken, das manchen 


Kollegen bisher von der Betätigung im Felde abhalten konnte, beseitigt 
durch die Angabe, dass ihm im Falle einer Verwundung oder des Todes 
Pension bzw. Hinterbliebenenversorgung zugestanden ist. Tritt die Er¬ 
krankung oder der Tod nicht im Felde, sondern im Heimatgebiet ein, so 
ist es dem Ermessen der Sanitätsbehörde überlassen, auf Antrag die 
genannte Vergünstigung zu gewähren. Die Einzelheiten dieser bedeutungs¬ 
vollen Bestimmungen sind aus der Berliner Aerzte-Correspondenz Nr. 45 zu 
ersehen. 

— Der Hamburger ärztliche Verein richtet einen offenen Brief 
an die Aerzteschaft Englands, worin gegen die Behandlung der 
Gefangenen im allgemeinen und der Aerzte im besonderen in den Kon¬ 
zentrationslagern Verwahrung eingelegt und verlangt wird, dass die 
Aerzte wenigstens in Krankenhäusern beschäftigt werden. Die Behand¬ 
lung widerspreche den Grundsätzen der Genfer Konvention und aller 
Menschlichkeit. Der ärztliche Verein fordert von den englischen Aerzten 
bei ihrer Regierung auf Freilassung der deutschen Aerzte, Schaffung hygie¬ 
nischer, menschenwürdiger Lebensbediogungen in den Lagern hinzuvirken, 
und es wird von den britischen Aerzten eine Erklärung vor der gesamten 
Welt erwartet. Die Einzelheiten dieses, von den Herren Brauer, 
Deneke, Marben, Marr, Nocht, Oehrens, Rumpel und Sim- 
monds Unterzeichneten Protestes sind aus der Tagespresse wohl bekannt. 

— Den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes vom 
11. November ist eine Anweisung zur Bekämpfung des Fleckfiebers bei¬ 
gegeben. 

— Eine Ausstellung für Verwundeten- und Kranken¬ 
fürsorge im Kriege zu Berlin ist für die nächste Zeit geplant. 
Ehrenpräsident des Arbeitsausschusses ist Se. Durchl. Herzog zu 
Trachenberg, Fürst zu Hatzfeld, stellvertretender Militärinspekteur 
der freiwilligen Krankenpflege. Dem Arbeitsausschuss gehören an: Prä¬ 
sidium: Frau General Wild v. Hohenborn. Dr. Buram, Präsident 
des Kaiserl. Gesundheitsamts, Dr. Grossheim, Generalarzt. Prof. Dr. 
Kirchner, Ministerialdirektor im Ministerium des Innern. Dr, Lewald, 
Direktor im Reichsamt des Innern. Dr. Paalzow, Abteilungschef im 
Kriegsministerium. Dr. Pannwitz, Geh. Sanitätsrat und Professor. 
Dr. Schmidt, Generalstabsarzt der Marine. Dr. Schmidt, Ministerial¬ 
direktor. Die Ausstellung soll im Dezember im Reichstagsgebäude eröffnet 
werden. Ihr Hauptziel ist, den weitesten Kreisen einen Ueberblick 
über die Vorkehrungen zu geben, die seitens des Feldsanitätswesens 
sowie der freiwilligen Organisationen (Rotes Kreuz, Ritterorden) getroffen 
sind, um für die im Kampf Verwundeten zu sorgen: das Schicksal der¬ 
selben „vom Schützengraben bis zum Genesungsheim“ wird in Modellen, 
plastischen Darstellungen, Tabellen usw. anschaulich gemacht werden. 
Ausserdem soll natürlich auch die Seuchenprophylaxe und Behandlung 
gebührend berücksichtigt werden. Es ist geplant, die Ausstellung später 
auch in anderen deutschen Städten zugänglich zu machen. 

— Die Irrenanstalt Friedrichsberg in Hamburg begeht am 18. No¬ 
vember d. J. den Tag ihres 50 jährigen Bestehens. Sie wurde ton 
Ludwig Meyer gegründet als die erste deutsche Anstalt nach dem 
Prinzip zwangloser Behandlung. Zurzeit ist ein durchgreifender Umban 
und Reorganisation der Anstalt im Gang. 

— Geheimrat Weismann in Freiburg ist im Alter von 80 Jahren 
gestorben. 

— Geheimrat Alb. Eulen bürg beging am 11. November das 
50jährige Dozentenjubiläum. 

— Verlustliste. I. Gefallen: Einj.-Freiw. E. Boltz, cand. med. 
Einj.-Freiw. Flottring, cand. med. Unterarzt Dr. Hassencamp, 
Jäger-Reg. Nr. 6. Stabsarzt d. R. Dr. E. Henzen. Dr. Lippe. Stabs¬ 
arzt d. R. Dr. Lembach. Offizierstellvertr. Siegrist, cand. med. — 
II. Verwundet: Stabsarzt d. R. Dr. Biese. Assistenzarzt d. R. Dr. 
Hauke. Unterarzt Dr. Lischke. Oberarzt d. R. Dr. Marenbach. 
Oberarzt d. R. Dr. Rademacher. Assistenzarzt d. R. Dr. Riess. 
Stabsarzt Dr. J. Schmidt. Assistenzarzt Dr. Schneller. 

— Volkskrankheiten. Pest. Niederländisch-Indien (7. bis 
20. X.) 737 und 847 f- Ecuador (1.-31. VIII.) 8 und 1Cholera. 
Oesterreich (18.—24. X.) 413 und 142 f- Ungarn (18.-24.X.) 844. 
— Pocken. Deutsches Reich (1.—7. XI.) 3. — Genickstarre. 
Preussen (25.—31. X) 2 und 2 t- — Spinale Kinderlähmung. 
Preussen (25.-31.X.) 2. — Ruhr. Preussen (25.—31- X.) 27» 
und 11 f. Oesterreich (11.—17. X.) 2834 und 75 f. — Mehr als ein 
Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Recklinghausen, Zabrze, 
Masern und Röteln in Herne, Diphtherie und Krupp in Bottrop, 
Gera, Pforzheim. ... * 

— Hoohaohulnachrichten. Rostock. Habilitiert: Dr. pbii. e 
med. Wegner für Anatomie. __ 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Königl. Kronen-Orden 3. Kl: Kreisarst Ge. 

Med.-Rat Dr. W. Schlütter in Pyritz. 

Niederlassungen: Dr. F. Zydek in Rudahammer, Dr. F. _ 
in Laurahütte, St. Skiba und E. St. Botzian in Neu-Heiduk, • 
0. Kosch in Ratibor, M. Kräh in Bielschowitz, 0. Berger 
Aerztin Dr. M. Sohulz geb. Plaut in K iel. _ 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. De. Haas Kohn, Berlin W-, BayrentherSuva» 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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BERLINER 


Dia Berliner Kllnfocho Wochenschrift erscheint Jeden 
Montag in Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4. — 
Preis vierteljährlich 6 Hark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


Alle Einsendungen für die Redaktion and Expedition 
wolle man ponofroi an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW,, Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 



Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen« 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Rohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 23. November 1914. J|o 47» 


Einundfünfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origiialtai: Morgenroth: Die Chemotherapie der Pneumokokken- 
infektion. (Aus der bakteriologischen Abteilung des Patho¬ 
logischen Instituts der Universität Berlin.) S. 1829. 

Kats: Nervöse Störungen bei Kindern. S. 1835. 

Isaac: Pilzerkrankuog der Haut, infolge des Gebrauches wollener 
Unterwäsche. S. 1835. 

Lichtenstein: Ueber die Differenzierung einzelner Hefearten mit 
Hilfe spezifischer Agglutinine. (Aus dem physiologischen Institut 
der Universität Berlin.) S. 1836. 

van Herwerden: Ueber die Nucleinsäureverbindungen in den 
Nisslkörnern der Ganglienzellen. (Aus dem physiologischen 
Laboratorium der Universität Utrecht.) S. 1837. 

Benz: Zur Klärung der Embarinfrage. S. 1838. 

Görl: Ueber RÖntgensterilisierung. S. 1839. 

Döllken: Heilung der Neuralgie und Neuritis durch Bakterien¬ 
toxine. (Sohluss.) S. 1841. 

BücherbesprechtiigeH: Kuthy und Wolff-Eisner: Die Prognosen¬ 
stellung bei der Lungentuberkulose. S. 1845. (Bef. Cornet,) — 
Bockenheiraer: Allgemeine Chirurgie. S. 1846. (Ref. Adler.) — 
Kuiper: Die funktionellen und hirnanatomischen Befunde bei der 


japanischen Tanzmaus. S. 1846. (Ref. Röthig.) — Liepmann; 
Grundriss der Gynäkologie. S. 1846. (Ref. Zuntz.) — Dessauer: 
Radium, Mesothorium und barte X-Strahlung und die Grundlagen 
ihrer medizinischen Anwendung. S. 1846. (Ref. Gudzent.) — 
Berliner: Der Einfluss von Klima, Wetter und Jahreszeit auf das 
Nerven- und Seelenleben. S. 1846. (Ref. Loewy.) 

Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1846. — Pharmakologie. S. 1847. — 
Therapie. S. 1847. — Parasitenkunde und-Serologie. S. 1847. — 
Innere Medizin. S. 1847. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1848. — Röntgenologie. S. 1849. — Haut- und Geschlechts¬ 
krankheiten. S. 1849. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1849. — 
Technik. S. 1849. 

Verbaudlnugei ärztlicher Gesellschaften: Aerztlicher Verein zu 
Hamburg. S. 1849. — Gesellschaft für innere Medizin und 
Kinderheilkunde zu Wien. S. 1850. 

Erb: Ueber Rückenmarksverletzungen. (Bemerkungen zu der Mitteilung 
von Dr. E. Froeblich in Nr. 45 d. W.) S. 1850. — Froehlich: 
Erwiderung zu vorstehenden Bemerkungen. S. 1851. 

Münzer: Kriegsskizzen. S. 1851. 

Tagesgeschichtl. Notizen. S.1852. — Amtl. Mitteilungen. S.1S52. 


Aus der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen 
Instituts der Universität Berlin. 

Die Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion. 

Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft 1 )* 

Von 

J. Morgenroth. 

M. H.! Nachdem ich bereits im Frühjahr 1912 2 ) über den 
von mir in Gemeinschaft mit meinen Mitarbeitern R. Levy 
und weiterhin M. Kaufmann durchgeführten Versuch einer 
experimentellen Chemotherapie der Pneumokokken- 
infektion in diesem Kreise berichten konnte, darf ich wohl von 
neuem auf Ihr Interesse rechnen, wenn ich nnn eine gedrängte, 
wegen der knappen Zeit nicht lückenlose Uebersicht über die 
Vertiefung und Erweiterung, welche dieses neu begründete For¬ 
schungsgebiet seitdem erfahren hat, zu geben versuche. 

Die. weitere Erkenntnis hat in der Zwischenzeit zwar nicht 
stürmische, aber stetige Fortschritte gemacht. Eine Anzahl Forscher 
haben sich dieser experimentellen Richtung angeschlossen und sie 
wesentlich gefördert; ich darf mit Genugtuung sagen, dass 
unsere Ergebnisse vielfach bestätigt und in wertvoller Weise 
erweitert wurden. Die Kliniker und Aerzte folgten der nahe¬ 
liegenden, auch von unserer Seite mit angemessener Zurückhaltung 
des öfteren ausgesprochenen Anregung, die neue Therapie auf die 
Pneumokokkeninfektiou des Menschen zu übertragen, zunächst 
zögernd und in spärlicher Zahl. Um so mehr fühle ich mich 
denjenigen Aerzten zu Dank verpflichtet, welche schliesslich doch 
dieser ätiologischen Therapie in der Praxis Bahn zu brechen 
unternommen haben und in der Augenheilkunde wie in der 
inneren Medizin das Aethylhydrocuprein, oder, wie jetzt sein 


einfacherer Name lautet, das Optoch in 1 ) systematisch zur An¬ 
wendung brachten. 

Für die An wendungsweise eines neuen Arzneimittels 
kann und darf der Experimentator dem Arzt keine bindenden 
Vorschriften machen; er ist nur imstande, gewisse Konstanten zu 
ermittelu, welche als Grundlage für die Therapie beim Menschen 
beachtet werden müssen. So erwächst dem ärztlichen Wirken aus 
der chemotherapeutischen Forschung eine besondere Aufgabe, 
die nur am Krankenbett bearbeitet werden kann. Diese 
Aufgabe, das Optimum der Wirkung mit dem Minimum von 
Nachteilen zu erreichen, hat die Klinik schon oft genug unter 
den schwierigsten Verhältnissen gelöst. Die Anwendung der Digitalis 
ist am Menschen und nicht am Frosch erlernt, und sie ist nicht 
in wenigen Wochen gemeistert worden. Die Salvarsantherapie 
bei Syphilis und Framboesie ist trotz grösster Schwierigkeiten, 
wie sie im Falle des Optochin nicht im entferntesten vorhanden 
sind, durchgeführt und ausgearbeitet worden. In unserem Fall 
ist die experimentelle Basis nicht minder zuverlässig; weshalb 
sollte die ärztliche Kunst unter den viel einfacheren Bedingungen 
nicht das Gleiche leisten können? 

Als dieser Vortrag im Sommer aDgemeldet wurde, hatte ich die Ab¬ 
sicht, mich eines Eingehens auf die klinisch-praktischen Erfahrungen und 
Fragen völlig zu enthalten und, beschränkt auf mein eigenes Gebiet, 
Ihnen im wesentlichen die weiteren Fortschritte der theoretischen und 
experimentellen Forschung vorzutragen. Da einige, die Einführung der 
neuen Therapie fördernde klinische Arbeiten über die Behandlung der 
Pneumonie in Aussicht standen, so war zu erwarten, dass endlich mit 
dem Eintritt der diesjährigen Pneumoniesaison dem Mittel der gebührende 
Platz auch io der praktischen Therapie angewiesen würde. Nun kam 
der Krieg, die Publikationen blieben stecken und auch über gute Er¬ 
folge, die unter besonders günstigen Verhältnissen und mit vorsichtigster 
Dosierung bei der Pneumoniebehandlung in Lazaretten erzielt 
wurden, konnte nioht mehr, wie beabsichtigt war, berichtet werden. 


1) Sitzung vom 11. November 1914. 

2) Sitzung der Berliner med. Gesellschaft vom 20. März 1912. Diese 
Wochenschrift 1912, Nr. 14, S. 663. 


1) Das Optochin, das von den Vereinigten Chininfabriken Zimmer 
& Co., Frankfurt a. M.-Süd, hergestellt wird, befindet sich als salzsaures 
Salz (Optochin bydroohloricum) und als freie Base (Optochin basic.) im 
Handel. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




1830 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 47. 


Was von der Behandlung der menschlichen Pneumonie mit 
Optochin bekannt ist, soll, soweit es in der Literatur niedergelegt 
oder mir auszuführen ausdrücklich gestattet ist, kurz mitgeteilt und be¬ 
sprochen werden; vor allem soll auch die wichtige, heute erheblich ge¬ 
klärte Frage der Dosierung und der Nebenwirkungen erörtert 
werden. Ich kann nun auch die Verwendung des Optochins in der 
Augenheilkunde nicht übergehen, deren Erfolge, speziell bei Ulcus 
serpens, auch für die Behandlung der Pneumonie anregend wirken dürften. 

Nachdem ich der UeberzeuguDg bin, dass die spe¬ 
zifische chemotherapeutische Behandlung der Pneu¬ 
monie mit Erfolg und ohne Nachteile durchgeführt 
werden kann, dass sie besonders in dem beginnenden Winter¬ 
feldzage zahlreichen Angehörigen des Heeres das Leben 
retten, die Dauer der Krankheit verkürzen und Erleichterung 
schaffen kann, halte ich es für geboten, heute mit Nachdrack 
dafür einzutreten, dass dieselbe bei der fibrinösen Pneumonie 
allgemein zur Anwendung kommt. 

Die fibrinöse Pneumonie spielt schon im Frieden als 
Heereskrankheit keine geringe Rolle. Im Durchschnitt der 
Jahre 1908/9 betrugen die Pneumonien in der preussischen Armee 
5,6 pM. der Kopfstärke; den etwa 3000 Erkrankungen im Jahre 
entsprechen etwa 120 Todesfälle. Diese Mortalität von 4 pCt. 
erscheint, z. B. verglichen mit der Typhusmortalität, nicht so 
gering, wenn man bedenkt, dass es sich um jugendliche Menschen 
mit kräftigem Herzen und ohne Potatorium handelt, die frühzeitig 
in sorgfältige Pflege kommen. 

Die Bedeutung der Pneumonie als Todesursache ist ja bei uns 
offenbar nicht so gross als in anderen Ländern, aber immerhin erheblich 
genug. Nach den Mitteilungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes kamen 
1909 auf 10 000 Lebende 9,3 Todesfälle an Pneumonie, gegen 21,9 an 
Tuberkulose und 0,5 an Typhus. Dagegen starben nach einer Angabe 
vod Still in New York in den Jahren 1898—1907 auf 10 000 Lebende 
jährlich 27 an Pneumonie und 22 an Tuberkulose, so dass dort die 
Pneumonie die häufigere Todesursache darstellt. Nach einer Aufstellung 
von Fülleborn bildet unter den Angestellten beim Bau des Panama¬ 
kanals seit Jahren die Pneumonie die verhängnisvollste Erkrankung, 
nicht etwa, wie man annehmen sollte, die Malaria. 

Von einschneidender Wichtigkeit ist die fibrinöse Pneumonie als 
Erkrankung der Farbigen. Eine Zusammenstellung der Sektionsergeb¬ 
nisse in Kamerun von Külz zeigt die Pneumonie als die häufigste 
Todesursache unter den Eingeborenen. Besonders verheerend wütet sie 
unter den Raffern des südafrikanischen Minengebietes, wo alle erdenk¬ 
lichen Anstrengungen zu ihrer Bekämpfung gemacht wurden. Auch die 
Ovambos in Südwestafrika sind Pneumonien mit hoher Mortalität be¬ 
sonders ausgesetzt. Ihre grosse Bedeutung für die malayiscbe Bevölke¬ 
rung hat als einen der ersten Baermann in Sumatra veranlasst, sich 
der neuen Chemotherapie auf das kräftigste und mit gutem Erfolg an¬ 
zunehmen. 

I. Chemische Vorbemerkungen. 

Ueber Gesetzmässigkeiten im Zusammenhang zwischen 
chemischer Konstitution zahlreicher Chinaalkaloide 
und ihrer Wirkuug auf Pneumokokken liegen umfangreiche 
Versuche vor, die ich gemeinsam mit meinen Mitarbeitern Dr. Kauf¬ 
mann und Dr. Bumke ausgeführt habe. Von den Ergebnissen 
können hier nur ganz kurz einige fundamentale Prinzipien an¬ 
geführt werden. 

Alle unsere Versuche, deren systematische Durchführung 
durch die ungemein dankenswerte chemische Mitarbeit der Herren 
Direktor Dr. Weller, Prof. Dr. P. Rabe, Dr. Thron ermöglicht 
wurde, führten zu dem übereinstimmenden Resultat, dass die 
Grundlage einer baktericiden Wirkung auf Pneumo¬ 
kokken das intakte Vorhandensein der beiden, für das 
Molekül des Chinins und seiner Abkömmlinge charakte¬ 
ristischen Kerne, des Chinolinkerns und des soge¬ 
nannten Loiponkerns, sowie der diese beiden Kerne 
verbindenden CarbiDolbrücke bildet; in einem — höchst 
wichtigen — Gegensatz zu der Wirkung auf Trypanosomen setzt 
also die Pneumokokkenwirkung nach unseren bisherigen Kennt¬ 
nissen den gesamten komplizierten Aufbau des Chininmoleküls 
voraus, nur dass entsprechend dem Verhalten gegen Protozoen 
die Hydrierung der am Loiponrest befindlichen Vinylgruppe zur 
Aethylgruppe die Wirkung begünstigt. 

Die spezifische Pneumokokkenwirkung ist streng ab¬ 
hängig, und zwar in einer so spezifischen Weise, wie es die 
chemotherapeutische Forschung bis jetzt nicht erfahren hat, von 
einer ganz bestimmten Beschaffenheit einer einfach 
konstituierten Seitenkette. Während nämlich dem Chinin 
und dem Hydrochinin eine Methoxygruppe am Chinolinkern in 
p-Stellung zu dessen Stickstoffatom zukommt, wird diese im 


Optochin durch die um ein Kohlenstoffatom und zwei Wasser 
stoffatome reichere Aethoxygruppe ersetzt. 

An diese an und für sich geringfügige chemische Veränderung 
des Moleküls ist das Auftreten der Pnenmokokkenwirkang ge¬ 
bunden, höhere Homologe zeigen bald ein Sinken und völliges 
Schwinden dieser Funktion. 

Wir haben die gleiche Erfahrung auch an anderen homologen 
Reihen der Chiningruppe gemacht und festgestellt, dass das 
Gesetz von dem sprunghaften Auftreten der spezifischen Wirkung 
auf Pneumokokken mit dem Ersatz der Methoxygruppe durch 
die homologe Aethoxygruppe in weitem Umfang — bis jetzt ohne 
Ausnahme — Geltung hat. Unter allen untersuchten Verbin¬ 
dungen dieser Art wird nach den bisherigen Untersuchungen das 
Optochin (Aethylhydrocuprein) von keiner an Wirk 
samkeit übertroffen. 

11. Versnobe an Mäusen und Wirkungsweise des Optochin. 

Ueber die grundlegenden Tierversuche, die an Mäusen an¬ 
gestellt sind, kann ich mich um so kürzer fassen, als schon 
früher an dieser Stelle darüber berichtet wurde. Die Injektion 
wässeriger Lösungen von Optochin hydrochloricum, die gleich¬ 
zeitig mit der peritonealen Infektion mit einem Multiplum der töd¬ 
lichen Dosis einer hocbvirulenten Pneumokokkenkultur ausgefübrt 
wurde, rettete in den ersten Versuchen einen gewissen Prozent¬ 
satz der Tiere (25—50 pCt.), während sämtliche unbehandelten 
Kontrollen binnen 2 Tagen der fortschreitenden Infektion er¬ 
lagen. Auch Heilwirkungen waren in ziemlichem Umfang fest¬ 
zustellen, wenn die Behandlung einige Stunden nach der Injektion 
erfolgte. 

Eine erhebliche Verbesserung bedeutete dann die zuerst von 
mir und Halberstaedter bei Trypanosomeninfektion erprobte 
Verwendung öliger Lösungen der Optochinbase. (Morgenroth 
und Kaufmann.) Hier gelang es schliesslich, 90—lOOpCt. der 
Tiere zu retten, wenn die Behandlung ungefähr gleichzeitig 
mit der Infektion begonnen und, wie dies in den meisten Ver¬ 
suchen der Fall war, noch weitere 2—3 Tage in ähnlicher Weise 
fortgesetzt wurde. Derartige Versuche sind als prophylaktische 
zu bezeichnen. 

Die Pneumokokken, deren Vermehrung und Uebergang aus 
der Bauchhöhle in das Blut gehindert wird, gehen ohne Be¬ 
teiligung der Phagocyten unter Auftreten vod Degene¬ 
rationsformen zugrunde. Diese wichtige Feststellung, die in 
voller Uebereinstimmung mit dem Ergebnis des später zu be¬ 
sprechenden Reagenzglasversuches die direkte desinfizierende 
Wirkung des Mittels erweist, wurde zuerst von Nenfeld und 
Eng wer gemacht, dann von Kaufmann in meinem Laboratorium 
bestätigt. Bekanntlich wirkt im strengen Gegensatz hierzu das 
spezifische Pneumokokkenserum nach den Untersuchungen von 
Neufeld und Haendel in ganz anderer Weise. Es enthält 
spezifische Antikörper, Bakteriotropine, welche von den Pneumo¬ 
kokken gebunden werden und dann deren Aufnahme und Ver¬ 
nichtung durch Phagocyten bedingen. 

In den hier geschilderten prophylaktischen Versuchen an 
Mäusen liegt die gewöhnlich angewandte wirksame Dosis der 
öligen Lösung der Optochinbase sehr nahe der Dosis toxica, die 
von gewissen, besonders durch die Jahreszeit bedingten Schwan¬ 
kungen in der Empfindlichkeit der Versuchstiere abhängig ist. 
Bei etwas protrahiertem Verlauf der Infektion, wenn 
etwa der Tod der Kontrollen nicht am zweiten Tag, sondern — 
mit absoluter Sicherheit — am dritten oder vierten Tag eintritt, 
genügen erheblich geringere Mengen des Mittels, und 
in meinen und Kaufmannes Versuchen wurden in solchen Fällen 
mit der Hälfte und sogar mit fast einem Viertel der Dosis tolerata 
ausgezeichnete Resultate erzielt. 

Diese Verminderung der Dosis efficax im Tier¬ 
versuch bildet ein recht wichtiges Moment, denn sie 
spricht von vornherein dafür, dass die Aussicht be¬ 
steht, bei der Pneumonie des Menschen mit Dosen aus¬ 
zukommen, die im Bereich der Dosis tolerata liegen, 
besonders wenn man die Differenz in dem zeitlichen 
Verlauf der Infektion bei Maus und Mensch und die 
Reserven an natürlichen Schutzkräften bei dem letz¬ 
teren bedenkt. 

Eine wesentliche Beteiligung aktiver Immunität, d. n 
der Neubildung von Antikörpern, die durch die Antigene auf¬ 
gelöster Pneumokokken ausgelöst würde, spielt bei dieser Ver¬ 
suchsanordnung keine Rolle. Wohl lassen sich nach eioiger 
Zeit Antikörper bei geretteten, mit einer reichlichen Pneamo- 


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23. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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kokkenmenge infizierten Tieren nachweisen, aber deren Bildung 
erfolgt nicht so rasch, um für den therapeutischen Effekt Be¬ 
deutung zu gewinnen. Auch die Tatsache, dass es sowohl uns 
wie auch Boehncke gelungen ist, durch eine einmalige In¬ 
jektion die Versuchstiere zu retten, spricht dafür, dass 
<lie chemotherapeutische Wirkung als solche allein maassgebend 
ist. Anders können die Dinge unter Umständen bei der mensch¬ 
lichen Pneumonie liegen, die in dieser Hinsicht noch be¬ 
sonders betrachtet werden soll. 

Endlich seien nooh die Versuche mit dem Salicylsäureester des 
OptochiD, dessen Wirkung im Tierversuch von mir und Kaufmann 
untersucht wurde, angeführt. Es handelt sich hier um eine dem Salo- 
chinin analog constituierte Verbindung des Aethylhydrocuprein mit 
Salicylsäure, die sehr gut in der Hitze in Oel, dagegen noch weniger 
als die Optochinbase in Wasser löslich ist. Der Teilungscoelficient 
zwischen Oel und Wasser ist im Vergleich zur Optochinbase noch er¬ 
heblich zuungunsten des Wassers verschoben, und damit häDgt es zu¬ 
sammen, dass weit höhere Concentrationen der öligen Lösung zur sub- 
cutanen Injektion benutzt werden können. Der Ester kommt im pro¬ 
phylaktischen Versuch an der Maus der Optochinbase mindestens gleich; 
er ist ihr offenbar insofern etwas überlegen, als mit der erheblichen Ver¬ 
minderung der Giftigkeit der öligen Lösung die Herabsetzung der Wirk¬ 
samkeit nicht ganz parallel geht, sondern dass eher eine gewisse günstige 
Verschiebung des Wirkungstaktors eintritt. Der Optochin-Salicy 1- 
säureester, der jetzt auch praktisch erprobt wird, dürfte gewisse Vor¬ 
züge besitzen. Auch mit diesem Präparat gelang uns die vollständige 
Heilung durch eine einzige Injektion. 

Bei dem ungemein raschen Verlauf der von dem 
Bilde der Bakteriämie beherrschten Pneumokokken¬ 
infektion der Maus gehört der Heilversuch im eigent¬ 
lichen Sinne zu den schwierigsten Aufgaben. Es ge¬ 
lang uns aber, noch 20 Stunden nach der Infektion, 
28 Stunden vor dem Tode der Kontrolliere, sogar mit verhältnis¬ 
mässig kleinen Dosen, die wegen der erhöhten Empfindlichkeit 
der kranken Tiere angewandt werden mussten, die Mäuse 
dauernd zu heilen. Die bakteriologische Untersuchung des 
Blutes bei Beginn der Behandlung hatte gezeigt, dass in einer 
Oese Blut schon unzählige Pneumokokken vorhanden waren, die 
also durch das Mittel vernichtet wurden. 

Hiermit ist die experimentelle Grundlage gegeben für die 
wohl berechtigte Annahme, dass es auch beim Menschen gelingen 
muss, die Pneumokokken durch Optochin allein in der 
Blutbahn abzutöten oder wenigstens in ihrer Entwick¬ 
lung zu hemmen. 

III. Versuche bei experimenteller Pneumonie der 
Meerschweinchen. 

Im prophylaktischen und in gleicher Weise im therapeutischen 
Versuch werden Pneumokokken in der Bauchhöhle der Maus 
durch Optocbin, das nur auf dem Wege durch die Blutbahn an 
den Ort seiner Wirkung gelangen kann, geschädigt und abgetötet. 
Deshalb beanspruchen diese Versuche eine prinzipielle Bedeutung; 
sie beweisen nämlich ohne weiteres, dass lokale Infektions¬ 
herde durch Allgemeinbehandlung getroffen werden, 
dass das chemotherapeutische Agens in ausreichender Concen- 
tration und andauernd genug aus dem Blut durch Kapillarwand und 
Endothel in den Peritonealraum gelangen kann, um dort seine 
Wirkung auszuüben. 

In demselben Sinne sprechen die Versuche von Neufeld und 
Engwer, die zugleich eine ungemein wichtige, für die Be¬ 
handlung der menschlichen Pneumonie bedeutungsvolle Frage auf¬ 
werfen und beantworten, die Frage nämlich, ob Pneumokokken, 
die innerhalb der Alveolen gelegen sind, von der Blut¬ 
bahn aus durch das Mittel beeinflusst werden können. 

Den Untersuchern gelang es, durch Injektion von Pneumo¬ 
kokken, die durch Meerschweinchenpassagen einen ganz bestimmten 
Grad von Virulenz erlangt hatten, direkt in die Lunge dieser Ver¬ 
suchstiere lobuläre Pneumonien zu erzeugen; bei unbehandelten 
Tieren dehnen sie sich rasch aus und führten schliesslich zur 
Allgemeininfektion und zum Tode. Durch gleichzeitige In¬ 
jektion öliger Lösungen von Optochinbase konnten 
diese Pneumonien verhütet werden. Damit ist für den 
lokalen Prozess auch bei der Pneumonie des Menschen 
eine Beeinflussung höchst wahrscheinlich gemacht, die 
sich allerdings — das muss hervorgehoben werden — immer nur 
auf das pathogene Agens, nicht aber auf ein Rückgängigmachen 
im Ablauf begriffener pathologisch-anatomischer Veränderungen be¬ 
ziehen kann. 


IV. Verhalten verschiedener Pneumokokkenstämme 1 ). 

Unsere sämtlichen Versuche wurden zunächst mit einem ein¬ 
zigen bochvirnlenten Pneumokokkenstamm ausgeführt, da die Ver¬ 
wendung verschiedener Stämme die Beurteilung der Ergebnisse nur 
unnötigerweise kompliziert hätte. Es war aber eine der not¬ 
wendigsten Aufgaben, wenn man überhaupt eine breite Grund¬ 
lage für die praktische Anwendung des Mittels schaffen wollte, 
in möglichst grossem Umfange festzustellen, ob das Optocbin 
auf möglichst viele, bakteriologisch als solche sicher¬ 
gestellte Pneumokokkenstämme einwirkt, so dass man 
zu der Annahme berechtigt ist, dass generell jeder 
Pneumococcus von dem Mittel getroffen wird. 

Dass dies keineswegs eine selbstverständliche Voraussetzung ist, ist 
Ihnen aus den Forschungen über das Pneumokokkenserum bekannt. 
Hier zeigten besonders die ausgezeichneten Untersuchungen von Neufeld 
und Haendel, dass ein durch Vorbehandlung von Tieren mit einem 
bestimmten Pneumokokkenstamm gewonnenes hochwirksames Pneumo¬ 
kokkenserum zwar auf diesen Stamm und eine Anzahl anderer in typi¬ 
scher Weise einwirkt, dass dagegen eine nicht unbeträchtliche Zahl 
anderer Stämme, die sich sonst in nichts von diesen unterscheiden, von 
dem Serum in keioer Weise beeinflusst werden. Immunisiert man Tiere 
mit diesen „atypischen“ Pneumokokken, so wirkt das Serum auf die 
atypischen Stämme ein, bleibt aber den andern gegenüber wirkungslos. 
Neufeld und Haendel haben neben einer besonders zahlreich vor- 
kommenden Klasse von serumresistenten Pneumokokken noch zwei 
weitere atypische Stämme festgestellt, die sich in bezug auf die Wirkung 
spezifischer Sera so verhalten, als ob sie einer besonderen Art aogehören. 
Erwähnt sei auch, dass die für Pneumokokken spezifische, auflösende 
Wirkung der Gallensalze gleichfalls nicht unter allen Umständen ein¬ 
tritt, sondern nur dann mit Sicherheit, wenn der betreffende Stamm 
durch Tierpassage hochvirulent geworden ist. 

Das Ergebnis der von ons und von anderen Untersuchern 
angestellten vergleichenden Versuche kann dahin zusammengefasst 
werden, dass sich unter einer grossen Zahl verschiedener Pneumo¬ 
kokkenstämme, die von Pneumonien, Sepsisfällen, Erkrankungen 
der Hornhaut und des Tränensackes gewonuen wareD, kein ein¬ 
ziger die typische Reaktion dem Optochin gegenüber 
vermissen liess, ja dass nicht einmal erhebliche Unter¬ 
schiede in der Empfindlichkeit festznstellen waren. 
Versuche, die Dr. Otani in meinem Laboratorium ausgeführt hat, 
ergaben vor allem, dass auch die von dem gewöhnlichen 
Pneumokokkenserum unbeeinflussten atypischen Stämme 
von dem Optochin in ganz normaler Weise angegriffen 
werden. Hierzu kommt noch eine wichtige Ergänzung in 
dem Verhalten der ungemein zahlreichen, mit dem Mittel be¬ 
handelten Hornbautgescbwüre; der Erfolg der Behandlung 
beweist, dass auch hier eine sehr grosse Anzahl von ver¬ 
schiedenen Pneumokokkenstämmen volle Empfindlich¬ 
keit gegenüber dem Mittel besitzt. 

Von praktischer Bedeutung ist es, dass auch der Pneumococcus 
mucosus in derselben Weise von dem Optochin beeinflusst wird 
(R. Levy, Otani). Es beweist dies, dass die von Beitzke und Rosen¬ 
thal, später von mir und R. Levy aufgestellte und durch eingehende 
Untersuchungen gestützte Annahme berechtigt ist, dass diese Unterart, 
welche besonders bei Infektionen im Kindesalter eine Rolle spielt, zu 
den echten Pneumokokken gehört, und dass es durchaus unbe¬ 
rechtigt ist, diesen Coccus als ein Mittelding zwischen Streptococcus und 
Pneumococcus zu bezeichnen. Es handelt sich, da therapeutische 
Konsequenzen in Betracht kommen, nicht mehr um eine rein 
akademische Frage; dem Optochin kommt hier auch für die bakteriologi¬ 
sche Diagnose eine unter Umständen entscheidende Bedeutung zu. 

Die Pneumokokken, welche in den Tierversuchen verwendet 
werden, haben selbstverständlich zur Steigerung und Erhaltung 
der Virulenz eine oft sehr grosse Zahl von Tierpassagen durch¬ 
gemacht. Die Ausgestaltung des ReagenRglasversucbes, die noch 
zu besprechen ist, gestattet es, die Empfindlichkeit von solchen 
Pneumokokken gegenüber dem Optochin festzustellen, die 
frisch aus menschlichen Krankheitsherden gezüchtet 
sind. Bekanntlich können sich auch hier gewisse Komplikationen 
ergeben, ich erinnere nur an die Streptokokkensera, welche aus¬ 
schliesslich auf solche Stämme wirken, die eine Anzahl Mäuse¬ 
passagen hinter sich haben. Versuche von Dr. Otani zeigten, 
dass nicht nur, wie aus den praktischen Erfolgen sich ohne 
weiteres ergibt, eine Beeinflussung derartiger „humaner“ Pneumo¬ 
kokkenstämme durch das Optochin stattfindet, sondern dass die¬ 
selbe — und dies ist meines Erachtens von erheblicher prak¬ 
tischer Bedeutung — eine maximale ist. 

1) Streptokokken — sowohl Streptococcus longus wie Streptococcus 
mitior s. viridans — werden durch Optochin nicht beeinflusst 

1 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


Es ist also nicht in befürchten — wenn natürlich 
einzelne Ausnahmen nicht für alle Zukunft auszu- 
schliessen sind —, dass man gelegentlich der Anwen¬ 
dung des Mittels bei Erkrankungen des Menschen auf 
resistente Pneumokokkenstämme stossen wird, die einer 
richtig geübten Therapie unüberwindliche Hindernisse 
bieten. 

V. Chemotherapie und Serumtherapie im Tierversuch. 
Aussichten einer Kombinationstherapie bei Pneumonie. 

M. H.! Es wird im Verfolg dieser Darstellung bei Ihnen 
bereits die Frage aufgetaucht sein: Wie verhält sich die Chemo¬ 
therapie zur Serumtherapie der Poeumokokkeninfektion? 
Schliesst die eine die andere aus oder besteht die Möglichkeit, 
dass die Kombination beider den therapeutischen Effekt er¬ 
höht 1 )? 

ln dieser Richtung liegen wichtige und für die Frage grund¬ 
sätzlich entscheidende Versucbsergebnisse von Neufeld und 
Engwer, sowie von Boehncke aus Ehrliche Institut vor, 
aus denen bervorgeht — und dies war, wie Engwer mit 
Recht bemerkt, von vornherein nicht als selbstverständlich an- 
zanebmen —, dass Optochin- und Serumwirkung sich 
gegenseitig verstärken. 

Engwer stellte seine Kombinationsversuche bei der schon ge¬ 
schilderten experimentellen Pneumonie der Meerschweinchen an. Es 
zeigte sich z. B. in einer Versuchsreihe, dass eine unsicher wirkende 
Serumdosis (von 6 Tieren überlebten 4) durch gleichzeitige Anwendung 
oiner an sich unwirksamen, die Hälfte der wirksamen Dosis betragenden 
OptochinmeDge in -ihrer Wirkung völlig gesichert wurde, so dass sämt¬ 
liche sechs kombiniert behandelte Tiere am Lebeü bliebeD. 

Io einer zweiten Versuchsreihe wurde eme fast unwirksame Dosis 
des Pneumokokkenserums (von 12 Tieren blieb 1 am Lebeü) durch 
gleichzeitige Behandlung mit einer an sich unwirksamen Menge Optochin 
soweit wirksam gemacht, dass von 10 kombiniert behandelten Tieren 
6 überlebten. 

Boehncke, der seine Versuche in Anschluss an unsere Methodik 
an Mäusen ausführte, legte sich die Frage vor, ob der Schwellenwert des 
Pneumokokkenserums duroh gleichzeitige Behandlung mit Optochin er¬ 
niedrigt würde. Neu fei d und Haendel hatten nämlich auf die Tat¬ 
sache hiogewiesen, dass im Tierversuoh Serumdosen, die unterhalb einer 
bestimmten Menge liegen, auch gegen eine sehr schwache Infektion mit 
Pneumokokken keinen oder nur unsicheren Schutz gewähren, dass da¬ 
gegen, wenn die Serumdosis diesen Schwellenwert übersteigt, sofort eine 
kräftige und sichere Schutzwirkung eintritt, die nioht nur für die schwache 
Infektion, sondern für ungemein starke Infektionen ausreicht. 

Wie in den Versuchen von Engwer tritt nun auch in den 
Experimenten Boehncke’s in klarer Weise die Erniedrigung 
des Schwellenwertes des Serums durch gleichzeitige 
Optochinbehandlung zutage. 

In einem prophylaktischen Versuch wurde durch intravenöse Serum- 
injektion allein 66 pCt. der Mäuse gerettet, durch eine einmalige sub- 
cutane Injektion der öligen Optochinlösung allein 33 pCt., dagegen durch 
die Kombination beider 100 pCt. 

In einem analog ausgeführten Heilversuch wurdpn durch Serum und 
Optochin allein nur llpCt. Erfolge erzielt, dagegen durch die Kom¬ 
bination beider zusammen 83 pCt. 

Boehncke weist bereits auf die Bedeutung dieser Versuche 
für die Heilung der menschlichen fibrinösen Pneumonie durch 
Optochin hin; wir werden später auf diese Zusammenhänge noch 
zurückkomroen. 

Auf alle Fälle geben die Versuche der Anschauung eine feste 
Stütze, dass *die Serumtherapie bei der menschlichen 
Pneumonie sich nicht nur mit der Chemotherapie ver¬ 
trägt, dass vielmehr beide sich wechselweise fördern 
können. Verlangt muss auch hier werden, dass die begleitende 
Serumtberapie, der Forderung von Neufeld und Haendel ent¬ 
sprechend, in ausgiebiger Weise geübt wird. Man kann nur dann 
etwas von ibr erwarten, wenn relativ grosse Serummengen 

_ Neufeld berechnet auf Grund der Tierversuche 7B ccm 

intravenös — injiziert werden; man bat Aussicht, bei Kombination 
mit Optochin auch mit geringeren Mengen etwas zu 
leisten oder die grösseren Mengen besser zu verwerten; 
diese Erwartung lässt sich an das Ergebnis der Tierversuche 
knüpfen. Nur ist immer im Auge zn behalten, dass durch die 
Serumtberapie nicht alle Pneumokokkenstämme ge¬ 
troffen werden. 

Wenn auch die Wirkung des Optochin auf die Pneumo- 

1) Bei Behandlung der Pneumonie hat Lenn6 bereits die Kom¬ 
bination mit dem Neufeld-Haendel’schen Serum, Baermann mit Re- 
konvaleszentenserum versucht (s. unten). 


kokken — wie bereits erwähnt — unter Ausschluss der Phago- 
cytose vor sich gebt, so ergibt sich doch aus der Tatsache des 
Zusammenwirkens von Optochin und Pneamokokkenserom, dass 
die zur Serumwirkung unerlässliche Phagocytose durch die im 
Organismus kreisenden Optochinmengen jedenfalls nicht gehemmt 
wird. Optochin ist als Chininderivat entsprechend den grund¬ 
legenden Forschungen von Binz zweifellos ein Lenkocytengift, ist 
aber beim Versuchstier und noch viel weniger bei dem mit relativ 
geringeren Dosen behandelten Menschen nicht in so hoher Kon¬ 
zentrationen in Blut und Gewebe enthalten, um die phagocytäre 
Tätigkeit der Lenkocyten zu beeinträchtigen. So erleiden die 
natürlichen Schutzkräfte keinen Schaden und können sich, sei es, 
dass sie vom Organismus selbst geliefert, sei es, dass sie künstlich 
zugeführt werden, mit dem chemotherapeutischen Effekt vereinigen. 
Das Zusammenwirken von Chemotherapie und Sernmtberapie, wie 
es von Bi er bäum auch bei der Milzbrandinfektion und der Be¬ 
handlung mit Salvarsan und spezifischem Serum gezeigt wurde, 
eröffnet für die Behandlung bakterieller Infektionen Perspektiven, 
die bei der Chemotherapie der Protozoeninfektionen vor¬ 
läufig verschlossen sind. Hier setzt die rasch eintretende Serum- 
festigkeit eine Schwierigkeit für die Immunotherapie, die erst 
überwunden sein wird, wenn man Mittel findet, das Eintreten der 
Serum festigkeit der Protozoen zu verhindern. 

VI. Das Optochin als spezifisches Desinfiziens. 

Reagenzglas versuche. 

Was die Wirkungsweise des Optochin betrifft, so lassen 
alle Erfahrungen beim Tierversnch unserer ursprünglichen Annahme 
entsprechend nur den einen Schloss zu, dass sie eine direkte ist, 
und dass hier der Vorgang einer echten, spezifischen, 
inneren Desinfektion in Blut und Gewebe vorliegt. 
Wir hatten uns zunächst an den Tierversuch gehalten, aus dem 
Grunde, weil er den direktesten Weg zu praktisch therapeutischen 
Erfolgen bildet, während der naheliegende Reagenzglasversnch 
nnr ein Umweg gewesen wäre; durch die mächtigsten Wirkungen 
im Reagenzglas wäre ja der Tierversuch doch nicht entbehrlich 
geworden, wie die zahlreichen Misserfolge bei Tierversuchen mit 
den unspezifiscben Desinfektionsmitteln beweisen. 

Es ist das Verdienst A. E. Wright’s, zuerst gezeigt zu 
haben, dass der erfolgreichen Chemotherapie der Pneumokokken¬ 
infektion das einfache Prinzip einer gewaltigen, auf den 
Pneumococcus gerichteten, spezifischen Desinfektions- 
Wirkung des Optochin 1 ) in vitro zugrunde liegt, eine 
Desinfektionswirkung — und das ist der springende 
Punkt—, die ihrer Grössenordnung nach für die Erfolge 
im Tierversuch verantwortlich gemacht werden kann. 
Dies ist deshalb in vollem Maasse erlaubt, weil, wie gleichfalls 
Wright nach wies, im Gegensatz zu den stärksten allgemeinen 
Antiseptica, die Wirkung des Optochin durch Gegenwart 
von Serum in keiner Weise beeinträchtigt wird 5 *) also 
in Blut und Gewebe in dem gleichen Umfang statt¬ 
finden kann, wie im Reagensglas. Zu entsprechenden Er¬ 
gebnissen gelangten dann Schiemann und Ishiwara in Nen- 
feid’s Laboratorium und ich Belbst gemeinsam mit Dr. Bumke. 

Die Ueberein8timmung von Reagenzglasversnch und Tier¬ 
versuch lehrt zugleich, dass gegenüber der grossartigen „Para- 
sitotropie“ des Optochin die „Organotropie“ nicht nennenswert 
interferiert, dass also im Sinne der Ehrlich’schen Auffassung 
hier gewissermaassen ein Optimum dieses Verhältnisses vorliegt. 
Von Bedeutung ist auch, dass nach den Untersuchungen von 
Schiemann und Ishiwara die Wirkung der wenig löslichen 
Optochinbase im Reagenzglas mit derjenigen des Optochin- 
Salzes in der Grössenordnang übereinstimmt, auch hier entsprechend 
dem Ergebnis unserer Tierversuche. 

Der Reagenzglasversuch bot mir und Bnmke die Grundlage 
zn vergleichenden Untersuchungen zahlreicher Cbininderivate auf 
breiter Basis, auf die leider nicht näher eingegangen werden 
kann. Hier ist jetzt eine einfache und sichere Methodik gegeben, 
am dem Zusammenhang zwischen chemischer Konstitution un 
der Wirkung auf Pneumokokken nachzuspüren. . 

Die Beobachtungen aller Untersucher stimmen dahin uber- 
eio, dass bei etwa 24 ständiger Einwirkung bei Kö r pei*tempet‘ a J 1 ?^ 
die ausserordentlich starken Verdünnungen von 1:400000 

1 ) Von anderen Bakterienarten wird nach den wichtigen V er8 ' lc J J ie ° 

von Izar nur der Erreger des Maltafiebers durch Optochin in no 
Maasse beeinflusst. .. lhflr 

2) Dasselbe Verhalten hat später Roos für das Salvarsan gege 
dem Milzbrandbaciilus nachgewiesen. 


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28. November 1914._ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1833 


1 ; x—1V 2 Millionen sämtliche bzw. fast alle zugesetzteu Pneumo¬ 
kokken abzutöten imstande sind. Das sind erstaunliche 
Werte, und es darf angesichts dieser Wirkung nicht wunder¬ 
nehmen, dass Wright der für alle therapeutischen Konsequenzen 
fundamentale Nachweis gelang, dass im Serum von Tieren 
und von Menschen, denen Optochin in relativ kleinen 
Dosen einverleibt war, genug von der Substanz ent¬ 
halten ist, um auch in vitro eine ausgesprochene des¬ 
infizierende Wirkung zu entfalten. 

VH. Experimentelles über Arzneifestigkeit der Pneumo¬ 
kokken. 

Bis jetzt haben wir ein Moment von einschneidender Be¬ 
deutung ausser acht gelassen, nämlich die Ausbildung einer 
spezifischen Arzneifestigkeit der Pneumokokken unter der 
Einwirkung des Optochin. Das Prinzip dieser in theoretischer 
und praktischer Hinsicht gleich wichtigen Vorgänge ist Ihnen ja 
aus den klassischen Forschungen Ehrlich’s an Trypanosomen 
bekannt, die uns hier ein neues, ungemein reiches Gebiet der 
Biologie erschlossen haben. 

Die leichte Entstehung einer Festigkeit gegen Chininderivate, 
speziell gegen Optochin, bei den Trypanosomen ist schon von mir und 
Halberstaedter aus gewissen Erscheinungen in chemotherapeutischen 
Versuchen erschlossen und dann von mir und F. Eosenthal in besonderen 
Untersuchungen erwiesen und eingehend studiert worden. 

Bei den ersten Versuchen an Pneumokokken, bei welchen 
durch die wässerigen Lösungen des salzsauren Optochin stets nur 
ein Teil der Tiere gerettet wurde, wiesen diese Unregelmässig¬ 
keiten darauf hin, dass auch hier das therapeutische Bestreben 
durchkreuzt wird durch die Entwicklung einer spezifischen Arznei¬ 
festigkeit. Erst die Benutzung der öligen Lösungen mit ihren 
fast konstanten Heilwirkungen ermöglichte es weiterhin, dem 
Problem im Tierversuch näherzutreten, und in Versuchen mit 
Kaufmann zeigte ich, dass, analog dem Verhalten der Trypano¬ 
somen, bei den Pneumokokken rasch und leicht die 
Arzneifestigkeit sich ausbildet. Es genügt die kurze Zeit 
von etwa 8 Tagen mit S—4 Mäusepassagen, in welchen die In¬ 
fektion vergeblich mit etwas zu geringen Dosen Optochin be¬ 
handelt wird, um einen Pneumokokkenstamm zu erhalten, der 
von Optochin im Tierversuch überhaupt nicht mehr beeinflusst 
wird, eine Eigenschaft, die mindestens viele Monate lang — so¬ 
wohl bei Fortzüchtung wie bei Trockenkonservierung der Pneumo¬ 
kokken — erhalten bleibt. Dagegen gelang es nicht, schon in 
der ersten Tierpassage eine nach Ueberimpfung auf 
neue Versuchstiere nachweisbare Festigkeit zu erzielen. 
Die rasche Ausbildung einer dauernden Festigkeit weist ihr 
einen besonderen Platz zu gegenüber den bisher bekannten Ge¬ 
wöhnungserscheinungen bei Bakterien, entsprechend dem engen 
Zusammenhang zwischen chemotherapeutischer Wirkung einer 
Klasse von Verbindungen und ihrer Fähigkeit, Arzneifestigkeit zu 
erzeugen (Ehrlich). 

Die Tierversuche wurden ergänzt durch Reagenzglas¬ 
versuche, welche meine Mitarbeiter Tugendreich und Russo 
ausführten. Es gelang auch hier, ohne Tierpassagen, mit über¬ 
raschender Schnelligkeit eine sehr hohe Festigkeit der Pneumo¬ 
kokken gegenüber immer höher konzentrierten Optochinlösungen 
zu erzielen; sie macht anscheinend bei einem bestimmten Grade 
Halt, der dem Eingreifen einer nicht spezifischen baktericiden 
Wirkung, die auch anderen Chinaalkaloiden zukommt, entspricht. 

Die Annahme erscheint nach allen bisherigen Erfahrungen 
durchaus statthaft und sie bildet geradezu eine fundamentale 
Maxime der chemotherapeutischen Forschung, dass die 
gleichen biologischen Grundgesetze für Trypanosomen, 
Spirochäten und andere Protozoen einerseits, für 
Pneumokokken und eine mehr oder weniger grosse An¬ 
zahl weiterer Bakterienarten andererseits Geltung be¬ 
sitzen. So gingen wir, wie schon erwähnt, bei unseren Festig¬ 
keitsstudien an Trypanosomen sowohl wie an Bakterien davon 
aus, dass wir aus unregelmässigen Erfolgen bei gewissen Behand¬ 
lungsmethoden auf die rasche Ausbildung einer Arzneifestigkeit 
schlossen. 

Bin von Ehrlich aufgestelltes therapeutisches Prinzip 
von weittragender Bedeutung, dessen konsequente Durchführung 
allerdings ungemein schwierig ist, dass nämlich die erstrebens¬ 
werteste chemotherapeutische Methodik die Therapia sterili- 
san8 magna ist, d. b. die Abtötung sämtlicher Parasiten auf 
einen Schlag durch einen einzigen therapeutischen Akt, ging von 
der richtigen Voraussetzung aus, dass nur auf diese 


Weise Gewähr gegen die Entstehung einer dauernden 
Arzneifestigkeit gegeben wird. Ehrlich hatte hier in 
Zusammenhang mit der experimentellen Gewinnung arzneifester 
Stämme durch wiederholte Behandlung der Recidive, die den 
Protozoeninfektionen eigentümliche Recidivbildung, die jedoch für 
Pneumokokken und andere Bakterien in dieser Weise nicht in 
Betracht kommt, im Auge; bei der Entstehung eines jeden Recidivs 
erhöht sich nämlich die Gefahr, dass der Stamm nun als ein 
arzneifester auftaucht, bekanntlich auch die grösste Erschwerung 
einer erfolgreichen Atoxyltherapie der menschlichen Schlaf¬ 
krankheit. 

VIII. Arzneifestigkeit und Chemoflexion; deren Bedeu¬ 
tung für die praktische Therapie. 

Schon seit einiger Zeit hat sich eine gewisse Wandlung unserer 
Anschauungen vorbereitet insofern, als sich zeigte, dass eine 
Arzneifestigkeit nicht erst im Laufe von Wochen, sondern ziem¬ 
lich rasch entstehen kann, und dass zu ihrer Erzielung bessere 
Wege möglich sind als die ursprünglich allein geübte Behandlung 
der Recidive. Schon von mir und Halberstaedter ist znr Er¬ 
klärung gewisser Unregelmässigkeiten bei der Prophylaxe der 
Trypauosomeninfektion der Maus durch Chininderivate auf die 
frühzeitige Eotstehung einer Festigkeit hingewiesen worden. In 
Versuchen von mir und F. Rosenthal wurde durch eine sehr 
verfeinerte Untersuchungsmethode gezeigt, dass Trypanosomen 
schon durch einmalige Behandlung mit BrechWeinstein einen 
nachweisbaren Grad von Festigkeit erlangen. Versuche in dieser 
Richtung, die von Ehrlich ausgeführt wurden, haben anscheinend 
bis jetzt ebenfalls nicht die verdiente Beachtung gefunden. 
Ehrlich zeigt, dass mit trypanociden Substanzen schon in 
wenigen Tagen eine erhebliche, nach Ueberimpfung 
verbleibende Festigkeit („mutative Festigkeit 11 ) zu er¬ 
zielen ist. Er protrahierte die Behandlung durch eine un¬ 
genügende Dosis in der Weise, dass der Gehalt des Blutes an 
Trypanosomen eine Anzahl von Tagen annähernd konstant 
blieb; verimpfte er diese Trypanosomen schliesslich auf neue 
Mäuse, so hatten sie bereits einen ziemlich hohen Grad von 
Festigkeit erworben. Shiga zeigte dann in Ehr lieh's Labo¬ 
ratorium, dass die Ausbildung einer Festigkeit gegenüber gewissen 
Farbstoffen bei Cboleravibrionen durch Einwirkung während einiger 
Stunden möglich sei. Dass aber tiefgreifende, dauernde 
biologische Umwandlangen bei Trypauosomea in noch viel 
kürzerer Zeit möglich seien, das bewiesen die grundlegenden 
Untersnchnngen Ehrlich’s und seiner Schule über die Entstehung 
der sogenannten Serumfestigkeit (Recidivstämme“) bei Trypano¬ 
somen; hier wurde wohl zum erstenmal gezeigt, dass nur minuten¬ 
langer Kontakt mit dem auslösenden Agens nötig ist, um die 
Serumfestigkeit herbeizuführen. 

In umfangreichen Versuchen, die ich gemeinsam mitDr.Murata 
ausgefübrt habe und deren ausführliche Veröffentlichung noch er¬ 
folgen wird, habe ich nun das Problem der Arzneifestig- 
keit unter recht schwierigen VersuchsbedinguDgen weiter verfolgt 
und vertieft mit Benutzung des immer noch geeignetsten Objektes, 
der Trypanosomen und eines Acridinfarbstoffes sowie des Sal- 
varsans als chemotherapeutisches Agens. Ich muss mich leider 
hier über diese Versuche äusserst kurz fassen und bespreche sie 
überhaupt nur deshalb, weil sie auch für die hier behandelten 
Fragen der Pneumokokkentherapie zu einschneidenden Konse¬ 
quenzen führen. 

Der einfachste Grundversuch ist folgender: Man behandelt eine 
Maus, die im Blut reichlich Trypanosomen enthält, mit deijenigen Dosis 
des trypanociden Agens, welche mit absoluter Sicherheit zu dauernder 
Heilung, also zu einer Sterilisatio magna führt oder mit einem nicht hohen 
Multiplum dieses Quantums. Nach einer Stunde bereits entblutet man die 
Maus und verimpft die noch lebenden Trypanosomen auf neue Mäuse: 
die Trypanosomen werden nun durch die sonst sicher wirk¬ 
same prophylaktische Dosis nicht mehr beeinflusst; sie haben 
bereits einen ziemlich hohen Grad von Festigkeit erlangt, der 
nach den bisherigen Erfahrungen eine oder auch wenige Tierpassagen 
nicht überdauert. Also Trypanosomen, die unbedingt, wenn 
man die Vorgänge nicht willkürlich unterbrochen hätte, dem 
sicheren Untergang verfallen wären, haben trotzdem nach 
nur einstündiger Einwirkung der sicher heilenden Dosis eine 
erhebiiohe Arzneifestigkeit ausgebildet oder aber können 
in sehr kurzer Zeit nach dieser Berührung mit dem chemo¬ 
therapeutischen Agens dieselbe ausbilden. Eine allzu starke 
und allzu rasoh erfolgende Schädigung der Trypanosomen 
duroh übermässig grosseDosen hindert das Zustandekommen 
dieser Reaktion. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 47. 


Es ist vorläufig nicht zu sagen, ob diese Form der Arznei¬ 
festigkeit, die von der bisher beschriebenen durch die ungemein 
rasche Ausbildung und geringere Permanenz 1 ) sich unterscheidet, 
mit der Arzneifestigkeit Ehrlich’s wesensgleich ist, ob sie etwa 
durch längere Einwirkung des betreffenden Agens fixiert wird und 
dann in diese übergeht. 

Für die begriffliche Ordnung dieser Vorgänge wird es jeden- 
„ falls von Vorteil sein, wenn man bis auf weiteres dieses rasche 
Ausweichen der Mikroorganismen, mit der sie sich sozusagen noch 
im letzten Augenblick der Vernichtung entziehen, als einen be¬ 
sonderen Vorgang abtrennt, den ich mit dem Ausdruck 
„Chemoflexion“ bezeichnen möchte. 

Die bisherigen Untersuchungen über das Zustandekommen 
der „Chemoflexion“ führen nun zu einer meines Erachtens ganz 
wesentlichen Modifikation unserer Auffassung chemotherapeutischer 
Wirkungen überhaupt und ich bin auf diese etwas schwierigen 
Dinge deshalb eingegangen, weil man sich den Konsequenzen für 
das hier behandelte Gebiet auch in praktischer Hinsicht nicht 
entziehen kann. 

Ich will diese Hypothese möglichst kurz zusammen fassen: 
Jede chemotherapeutische Wirkung, die wir beobachten, ist die 
Resultante zweier entgegengesetzt wirkender und — 
was ein ungemein wichtiges Moment ist — gleichzeitig 
und zwar augenblicklich ins Spiel tretender Faktoren, 
nämlich der primären spezifischen Parasitergie (Parasitotropie) 
des Mittels einerseits, der Chemoflexion des Parasiten andererseits. 
Beide Faktoren sind je nach der Parasitenart, den Einzelstämmen, 
dem augenblicklichen Zustand der Parasiten, der Konstitution des 
chemotherapeutischen Agens der weitgehendsten Variation fähig. 
Jede chemotherapeutische Wirkung, von der minimalen bis zur 
grössten, kann zerlegt werden in die beiden Funktionen, eine Auf¬ 
gabe, die zu den notwendigsten und dabei schwierigsten der For¬ 
schung gehören wird. 

Die Chemoflexion erscheint dabei als eine Funktion der 
ungestörten Vitalität der Mikroorganismen, wofür unsere 
und ältere Beobachtungen sprechen, und wir möchten unsererseits 
die grosse Bedeutung der Therapia sterilisans magna Ehrlich’s 
nicht so sehr in der Richtung der Verhütung der Recidive und 
Festigung erkennen, sondern vielmehr in dem Niederhalten 
der primären Chemoflexion. Es tritt also an die Stelle 
d^r für die Festigkeit herrschenden „statischen“ Auf¬ 
fassung eine „dynamische“. Eine ihrer Konsequenzen besteht 
auch darin, dass die untere Wirkungsgrenze eines chemothera¬ 
peutischen Agens nicht als diejenige Dosis definiert wird, welche 
unter der Empfindlichkeitsscbwelle der Parasiten liegt, sondern 
als diejenige, welche die Chemoflexion nicht hemmt, also von ihr 
überwältigt wird 2 ). 

Dass es auch besondere Wege geben dürfte, die Chemoflexion zu 
hindern und wirksam zu lähmen, dass vielleicht in gewissen Fällen der 
Kombinationstherapie solche schon angedeutet sind, darauf sei nur kurz 
hiogewiesen. Man könnte mit einem Bilde aus der Lehre vom induzierten 
Magnetismus von einer „Coereitivkraft“ der Mikroorganismen sprechen, 
welche sie den zur Chemoflexion führenden Einflüssen entgegensetzen; 
je stärker diese Coereitivkraft, desto reiner kommt die chemotherapeu¬ 
tische Funktion (Parasitotropie nach Ehrlich) eines Mittels als solche 
zum Ausdruck. Die Beziehungen zwischen chemischer Konstitution 
und chemotherapeutischer Wirkung spalten sich nun auoh in bezug auf 
Parasitergie (Parasitotropie) und Chemoflexion. 

Die Konsequenzen dieser Anschauungen für das chemothera¬ 
peutische Handeln in unserem Falle werden Sie leicht ziehen 
können. Das Ideal einer Sterilisatio magna beim Men¬ 
schen erreichen wir bei der Pneumonie nicht, also 
müssen wir uns mit einer protrahierten Behandlung be¬ 
gnügen. Diese aber hat nach dem Grundsatz zu ge¬ 
schehen, dass die Möglichkeit einer Chemoflexion nach 
Kräften unterdrückt wird, und das wird aller Voraus¬ 
sicht nach erreicht, wenn das Maximum der Wirkung 
auf die Parasiten konstant, möglichst ohne Relaxation 
ausgeübt wird, wenn eine Erholung der Pneumokokken, 


1) Die von mir und Rosenthal untersuchte eigenartige Festigkeit 
der Trypanosomen gegen Brechweinstein gehört offenbar hierher. 

2) Eine Chemoflexion im entgegengesetzten Sinne, eine vitale Re¬ 
aktion, welche also unter spezifischem Einfluss die Empfindlichkeit er¬ 
höh t/wäre übrigens denkbar und gewisse neuere Versuche von Mol do van 
und Ko eh ne wären unter diesen hypothetischen Gesichtspunkt zu bringen. 
Isolierte Chemofleiion liegt vielleicht bei der Einwirkung des Tantal 
vor (Morgenroth und Rosenthal). 


auch nur für kurze Zeit, ausgeschlossen wird, wenn 
diese gleichsam in einer eisernen Umklammerung fest¬ 
gehalten werden, bis sie unschädlich gemacht sind. 

IX. Wirkung des Campbers auf Pneumokokken. 

Auf das engste mit den hier berührten Erscheinungen der 
Arzneifestigkeit und Chemoflexion hängen die Versucbsergebnisse 
zusammen, die bei der Einwirkung des Camphers auf die 
experimentelle Pneumokokkeninfektion erzielt wurden. 
Solche Versuche wurden zuerst auf Veranlassung von Seibert 
von Welch und Rueck unternommen, welche sogar eine Heil¬ 
wirkung des Camphers bei der experimentellen Pneumokokken¬ 
infektion des Kaninchens festgestellt haben wollten, in Versuchen 
allerdings, die durch das Fehlen der unbedingt nötigen gleich¬ 
zeitigen Infektionskontrollen keine Beweiskraft besassen. Die 
Versuche der amerikanischen Autoren wnrden von Boehncke 
nicht bestätigt, wohl aber gelangte er zu dem bemerkenswerten 
Resultat, dass im prophylaktischen Versuch bei Einhaltung 
eines Zeitintervalls von etwa 4 Stunden zwischen Behandlung und 
Infektion, die behandelten Mäuse im Gegensatz zu den 
Kontrollieren am Leben erhalten wurden. 

Bei einer weiteren Ausdehnung dieser Versuche durch 
F. Rosenthal und Stein auf eine Reibe verschiedener Pneumo- 
kokkenstämme zeigten sich nun Verhältnisse, die eher an die 
Erfahrungen mit Pneumokokkenserum als an diejenigen mit 
Optochin erinnern. 

Von sechs untersuchten Pneumokokkenstämmen erwies sich 
nur die Hälfte als beeinflussbar durch Campher in den grössten 
anwendbaren Dosen, die übrigen 3 Stämme waren unempfindlich; 
hierzu kommen nach persönlicher Mitteilung Rosenthal’s noch 
mehrere weitere unempfindliche Stämme. Im Gegensatz hierzu 
erweisen sich alle diese Pneumokokken in vollem 
Maasse beeinflussbar durch Optochin. Wir können Rosen¬ 
thal und Stein Recht geben, dass damit von vornherein die 
Bedeutung des Camphers für eine etwaige Therapie mensch¬ 
licher Pneumokokkeninfektion sehr stark vermindert wird. 

Wir müssen uns nach unseren früheren Erfahrungen an Trypanosomen 
und besonders auf Grund der erwähnten neueren Untersuchungen der 
Ansicht von Rosenthal und Stein anschliessen, dass es sich hier nicht 
um den Ausdruck einer ursprünglichen Festigkeit der Pneumokokken 
gegenüber dem Campher handelt, sondern dass der Fall einer 
raschen spezifischen Festigung vorliegt, wofür besonders das 
Auftreten der früher schon von uns an Trypanosomen studierten „Halb¬ 
festigkeit“ spricht. Offenbar ist gerade dem Campher gegenüber die 
„Coereitivkraft“ der Pneumokokken eine ganz ausserordentlich geringe; 
in diesem Sinn spricht auch die merkwürdige, bisher nur kurz mit¬ 
geteilte Beobachtung Rosenthal’s, dass auch in vitro und zwar durch 
eine nur zehn Minuten dauernde Einwirkung von Campher eine Festigung 
zur Ausbildung kommt. 

Von einer systematischen chemotherapeutischen Forschung kann auf 
diesem Gebiet, obwohl Boehncke eine grössere Anzahl Campherderivate, 

offenbar mit negativem Erfolg, geprüft hat, noch keine Rede sein, es 
ist aber möglich, dass sie mit der Zeit aus den interessanten Beob¬ 
achtungen erwächst. 

Die Wirkung des Optochin wird im Tierversuch durch den Campher 
nach persönlicher Mitteilung von Kaufmann nicht verstärkt, sondern 
eher abgeschwächt. 

X. Ulcus serpens. Grundlage für die Optochintberapie. 

Wenn man eine Gewebssterilisation von der Blutbabn 
aus generell als die schwierigste Aufgabe der experimentellen 
Chemotherapie bezeichnen darf, so liegt anderseits das einfachste 
und übersichtlichste Problem vor, falls es sich Dur darum handelt, 
die lokale Desinfektion eines leicht zugänglichen, um¬ 
grenzten Gewebsbezirks durchzuführen. 

Für die Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion war glück¬ 
licherweise eine derartige Aufgabe gegeben und bot die Möglichkeit, 
die neue Therapie bei einer eminent wichtigen Erkrankung des 
Menschen, bei dem Ulcus serpens der Hornhaut zu erproben. Die 
grosse soziale Bedeutung des Ulcus serpens, dä s als Un¬ 
fall folge für unsere staatliche Versicherung von besonderer Wichtig¬ 
keit ist, ist Ihnen ja bekannt; die ausgezeichneten Darstellungen 
von Cramer und Wagenmann enthalten in dieser Hinsicht al es 
Wesentliche. Ich will hier nur anführen, dass V*“* 2 /« *' e t,, ’ 
fallerkrankungen in landwirtschaftlichen Betrieben auf das Ulcu 
serpens kommen. . 

Eine experimentelle Bearbeitung der sich hier ergeben e 
Fragen durch den Tierversuch stiess aber insofern auf bedeuten 
Schwierigkeiten, als die regelmässige Erzeugung typischer Pi° eu ® 
kokkengeschwüre der Hornhaut bei Versuchstieren bisher nie 


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23. November 1914. 


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gelangen ist. Za ihrer Klärung konnte der Tierversuch immerhin 
beitragen und damit eine wertvolle Vorarbeit leisten. Es konnten 
unter exakten Versucbsbedingungen folgende Fragen beantwortet 
werden: 

1. Durchdringt das Optochin bei äusserlicher An¬ 
wendung das Hornhautgewebe? 

2. Ist es möglich, Pneumokokken, welche sich im 
Gewebe der Hornhaut entwickeln, abzutöten und zwar 
ohne Schädigung des Corneagewebes? 

Das Eindringen eines löslichen Salzes des Optochin aus 
wässriger Lösung oder der Base aus öliger Lösung in das 
Corneagewebe zu verfolgen, wird darch ein besonderes günstiges 
Moment ermöglicht, nämlich durch die anästhesierende Wirkung, 
welche diesem Alkaloid ebenso wie zahlreichen anderen Chinaalkaloiden 1 ) 
zukommt. 

Lässt man auf das Kaninchenauge eine 1 proz. Lösung von salz¬ 
saurem Optochin eine Minute lang ein wirken, so entsteht eine voll¬ 
ständige Anästhesie der gesamten Hornhaut, die 2—8 Minuten nach 
beendeter Einwirkung der Alkaloidlösung ausgebildet ist und nach 
durchschnittlich einer Stunde langsam abzuklingen beginnt. Es geht 
hieraus mit Sicherheit hervor, dass eine 1 proz. Lösung des Alkaloid¬ 
salzes innerhalb weniger Minuten das Corneaepithel und die Dicke der 
Hornhaut durchdringt, und zu sämtlichen Endigungen der sensiblen 
Nerven gelangt. 

Das salzsaure Optochin diffundiert aus Lösungen von 
massiger Konzentration rasch durch die Hornhaut; damit 
ist die wesentlichste Grundbedingung für eine spezifische des¬ 
infizierende Wirkung innerhalb der Hornhaut erfüllt. 
Ebenso verhält sich die Optochinbase, wenn sie in öliger Lösung 
angewandt wird. 

Lösungen bis zu einem Gehalt von 2,5 pCt. bei einer Einwirkungs¬ 
dauer von einer Minute erwiesen sich am Kaninchenauge frei von Neben¬ 
wirkungen. Subconjunctivale Injektion von 0,5 com einer 0,5 proz. 
Lösung wird vom Kaninchenauge ohne Nebenwirkungen vertragen, auch 
nach Wiederholung innerhalb 24 Stunden. Auch hier ist, wie nicht 
anders zu erwarten, Diffusion in die Hornhaut und totale Anästhesie 
die Folge. 

Die zweite Frage ist durch Versuche von Ginsberg und 
Kaufmann in meinem Laboratorium dahin beantwortet worden, 
dass virulente Pneumokokken, die zwischen die La¬ 
mellen der Hornhaut eingebracht werden, bei geeigneter 
Versuchsanordnung ohne Gewebsschädigung durch Op¬ 
tochin abgetötet werden. Besonders die subconjunctivale 
Injektion 0,5 proz. Lösungen des Optochinsalzes erwies sich als 
gut wirksam. 

(Fortsetzung folgt.) 


Nervöse Störungen bei Kindern. 

Von 

Dr. Otto Katz-Gharlotteuburg. 

Die auffallende Häufung einer Anzahl sonst verhältnismässig seltener 
nervöser Störungen bei Kindern, die ich in der letzten Zeit zu beob¬ 
achten Gelegenheit hatte, gibt mir Veranlassung, an dieser Stelle auf 
sie hinzuweisen. 

In erster Linie sind hier „Angstzustände“ zu nennen, deren Bild 
fast völlig den bei Erwachsenen so häufig beobachteten gleicht. In allen 
von mir in den letzten 4 Woeben beobachteten 5 Fällen handelt es sich 
sonderbarerweise um das weibliche Geschlecht, und zwar um Mädchen 
im Alter von 6—10 Jahren, ln zweien dieser Fälle um einzige Kinder. 
Das Krankheitsbild sieht etwa folgendermaassen aus: Die bis zum Beginn 
der Erkrankung nach Angabe der Eltern und auoh meinen eigenen Be¬ 
obachtungen völlig gesunden Kinder fangen plötzlich an schlecht auszu¬ 
sehen. Sie werden blass, schlaff und zeigen einen müden Gesichts¬ 
ausdruck, der auch unzweifelhaft eine leichte „melancholische“ Bei¬ 
mischung hat. Der Appetit liegt danieder. Von Zeit zu Zeit hören die 
Kinder mit Spielen oder ihren sonstigen Beschäftigungen auf und träumen 
vor sich hin oder laufen unruhig hin und her. Nach einiger Zeit, fünf 
Minuten bis */ 4 Stunde oder noch langer, beginnen sie wieder mit ihrer 
Tätigkeit. Eins dieser Kinder, ein sonst sehr viel spielendes Mädchen 
von 6 Jahren, spielte jetzt überhaupt nicht mehr. Zwei der Kinder 
klagten über „Schwindelgefühl“, Irgend welche organische Erkrankungen 
sind nicht nachweisbar. 

In zweien meiner Fälle wurde mir von den Eltern gleich bei der 
ersten Untersuchung mitgeteilt, dass sie die Vermutung hätten, dass die 
Kinder sich sehr über den Krieg erschrocken hätten. Und bei den drei 
anderen gelang es mir nach ganz kurzer Zeit, durch Nachfragen bei den 
Kindern selbst, dieselbe Ursache herauszubekommen, selbstverständlich, 


1) So liegt z. B. in dem Isoamylbydrocuprein eine Verbindung vor, 
welche dem Cocain in bezug auf Stärke und Dauer der Wirkung weit 
überlegen ist, bei minimaler Giftigkeit (Morgenroth und Ginsberg). 


ohne dass ich es in die Kinder hineingefragt habe. Nebenbei bemerkt, 
gelingt es bei Kindern überhaupt leichter, die Quellen der Angstzustände 
herauszubekommen, als das bei Erwachsenen der Fall sein soll. In allen 
5 Fällen ist es nicht der Krieg an sich, sondern es sind Einzelheiten, 
die sie zu hören bekamen, insbesondere Greueltaten, die ihnen direkt 
erzählt wurden, oder die sie mit anhörten. Vier dieser Kinder stammen 
von „nervösen“ Eltern, aber ohne schwerere Belastung. Das lünfte, ein 
Mädchen von 6 Jahren, zeigt eine ernstere Belastung. Die Mutter litt 
vor 2 Jahren, wie sie mir erzählte, an Halluzinationen. Ob es sich um 
eine Paranoia handelt, konnte ich nicht herausbekommen. Lässt man 
sich nun von den Kindern eine genauere Schilderung dessen geben, was 
in ihnen vorgeht, so schildern sie ihre Empfindungen ungefähr folgender- 
maassen: „Ich bekomme plötzlich solche Angst, und wenn das dann 
eine Weile gedauert hat, habe ich dann keine Angst mehr.“ Und fragt 
man, über was sie sich ängstigten, so bekam ich zweimal die Antwort, 
sie müssten an die und die Greueltat denken, die ihnen erzählt worden 
sei. Und als ich sie dann fragte, ob sie immer daran denken müssten, 
da antworteten sie nein, jetzt nicht mehr, jetzt weiss ich oft nicht mehr, 
weshalb ich Angst habe. Sie sohildern dann ein ganz unbestimmtes 
Angstgefühl. 

Alle 5 Kinder entstammen besseren Kreisen, bei vieren ist der Vater 
nicht im Felde. Das letzte MädcheD, das schwerer belastete, dessen Vater 
im Kriege ist, zeigt nun ausser dem oben geschilderten noch folgende 
bedenklichen Zustände. Es bekommt plötzlich jeden Abend, sobald es 
ins Bett gebracht wird, heftige Schreianfälle, wobei es immer ruft: „Ich 
habe solche Angst.“ Ob es hell im Zimmer ist oder dunkel, ob das Kind 
allein ist oder die Mutter dabei sitzt, ist gleichgültig. Erst nach 2—3 
Stunden schläft das Kind ein, um in sehr unruhigem Schlafe die Nacht 
zu verbringen. Es handelt sich nicht um Pavor nocturnus. 

Die Prognose scheint in meinen Fällen gut zu sein, mit Ausnahme 
des letzten Falles, der bis jetzt in 3 Wochen nur eine geringfügige 
Besserung zeigt. Die Behandlung, in erster Linie natürlich eine psychi¬ 
sche, in die aber die Eltern absolut nicht eingreifen dürfen, soll hier 
nicht weiter erörtert werden. Unzweifelhaft hängen die geschilderten 
Zustände mit psychischen Traumen zusammen, die die Kinder durch Er¬ 
zählungen von dem Kriege erlitten haben, und ich glaube wohl sagen 
zu dürfen, dass man in dieser Hinsicht, besonders bei Kindern aus 
„nervösen“ Familien, sehr vorsichtig sein soll, insbesondere bei Schilde¬ 
rungen von Einzelheiten. 

Fernerhin habe ich in der letzten Zeit eine starke Häufung von 
Enuresis nocturna und auch der Pollakisurie, dem Zustande also, wo die 
Kinder so sehr häufig Urin lassen müssen und die uns als Kinder mit 
„schwacher Blase“ zugeführt werden, beobachtet. Es handelt sich hier 
in den gehäuften Fällen um Knaben und Mädchen. 

Inwiefern auch hierbei psychische Momente der oben geschilderten 
Art, vielleicht solche ganz abgeschwächter Natur, mitwirken, wage ich 
bis jetzt nicht zu entscheiden. 

Es war mir für heute nur darum zu tun, die Aufmerksamkeit der 
Kollegen auf diese Zustande zu lenken. 


Pilzerkrankung der Haut, infolge des Ge¬ 
brauches wollener Unterwäsche. 

Von 

Sanitätsrat Dr. Isaac, 

dirigierender Arzt der vorm. Prof. Lsssar sehen Klinik. 

Hierdurch möchte ich die Aufmerksamkeit der Aerzte von neuem 
auf eine Pilzaffektion richten, die gerade in der jetzigen Jahreszeit be¬ 
sonders häufig vorzukommen pflegt und sehr oft zu falschen Diagnosen 
Veranlassung gibt. Es handelt sich um eine dem Herpes tonsurans 
ähnliche Hauterkrankung, die regelmässig auf der Körperhaut auftritt, 
das Gesicht und den behaarten Kopf freizulassen pflegt und auf den 
Gebrauch wollener, oder auch lange gelagerter leinener Unterwäsche 
zurückzuführen ist. Die Hauterkrankung ist bekannt und beschrieben 
unter dem Namen Pityriasis rosea sive Herpes squamosus sive Herpes 
tonsurans maculosus. Aus dieseu Bezeichnungen erübrigt sich eine Be¬ 
schreibung des den meisten Aerzten bekannten Hautleidens, das sicher 
parasitären Ursprungs ist, dessen pathogenetischer Pilzerreger aber 
mikroskopisch bis jetzt noch nicht naebgewiesen werden konnte. Es 
dauert manchmal 2—3 Wochen, bevor sich die ersten Anzeichen des 
Pilzleidens in Form von eiförmigen, oblongen Effloreszenzen auf der 
Haut zeigen, die sich schnell zu vermehren pflegen und auf leichtes 
Ankratzen mit dem scharfen Löffel im Centrum eine deutliche Schuppung 
zeigen (differentialdiagnostisch wichtig, zur Unterscheidung von anderen 
ähnlichen Hautkrankheiten). Oft genug wird die Hautaffektion mit 
Lues vorwechselt, indem die runden, bei grosser Ausdehnung diffus ver¬ 
teilten oblongen Scheiben für ein grossmaculoses Syphilid gehalten 
werden, auch kommt es zu häufigen Verwechselungen mit Psoriasis 
vulgaris. In vielen Fällen pflegt die Pityriasis rosea von selbst auszu- 
beilen, ohne irgendwelche Spuren auf der Haut zurückzulassen. Meistens 
genügen Einsalbungen von Unguentum sulfuratum rubrum, um in kurzer 
Zeit Heilung zu erzielen, besonders hartnäckige Fälle werden mit 
10 proz. Pyrogallussalbe günstig beeinflusst. Der Grund, weshalb ich 

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Nr. 47. 


die Aufmerksamkeit der Aerzte auf diese verhältnismässig harmlose 
Krankheit richte, ist der, dass ich neuerdings in mehreren Fällen diese 
Pilzaffektion auf das Tragen von sogenannten „Sweatern“ zurückführen 
konnte. Es handelte sich hierbei regelmässig um wollene „Sweater“, 
die den Sommer über gelegen hatten und jetzt bei Beginn der kälteren 
Jahreszeit von neuem zur Warmhaltung der Haut dienen sollten. 

Aufgefallen ist mir jedoch, dass die Pilzübertragung in diesen 
Fällen einen etwas anderen Charakter aufweist, wie bei der gewöhnlichen 
Pityriasis rosea. Die Affektion ist isolierter, beschränkt sich auf kleinere 
Bezirke und sind die Pilze randständiger, da die Schuppung mehr 
peripher fortschreitet, während das Centrum freier bleibt, so dass die 
Hauterkrankung dem Ekzem marginatum ähnlich wird. Auch ist der 
Juckreiz ein sehr starker. Im allgemeinen pflegt diese Art der Pityriasis 
rosea schon nach ein paar Einreibungen mit roter Salbe zu weichen. 

Das beste Mittel zur Verhütung dieser verhältnismässig harmlosen, 
aber häufig genug stark juckenden, resp. die ganze Haut einnehmenden 
Pilzaffektion dürfte gründliche Seifenwaschung aller Wollsachen und 
tüchtige Austrocknung vor dem Gebrauche sein. Wollzeug jeder Art, 
das den Sommer über gelagert hat, sollte erst nach sorgfältigster 
Waschung wieder in Gebrauch genommen werden. Vielleicht dürfte die 
von mir gegebene Anregung um so mehr auf fruchtbaren Boden fallen, 
da ja gerade jetzt bei Eintritt der kalten Jahreszeit das Wollthema für 
unsere Krieger eine grosse, aktuelle Rolle spielt. Die Hände der be¬ 
sorgten Frauen und die Aufbewahrungsorte der Wolle mögen so 
sauber sein, wie sie wollen, es ist doch nicht ausgeschlossen, dass 
Bakterien in die Wolle hineingetragen werden, die unter Umstanden zur 
Entstehung von Haut- und anderen Krankheiten führen könnten. 


Aus dem physiologischen Institut der Universität 
Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Kühner). 

Ueber die Differenzierung einzelner Hefearten 
mit Hilfe spezifischer Agglutinine. 1 ) 

Von 

Dr. Stephanie Lichtenstein. 

Die früheren Versuche, einzelne Hefearteu mittels Agglutinine 
zu differenzieren, haben, wie eine Durchsicht der einschlägigen 
Literatur ergibt, sämtlich zu negativen Resultaten geführt. 

So erzielte Defalle 2 ) durch Immunisieren von Meerschweinchen mit 
einer Weinhefe nur ein sehr schwach agglutinierendes Serum vom 
Titer 1:40. Bisserie 3 ) versuchte durch die Agglutination Bierhefe 
und Weinhefe zu differenzieren. Die ImmuDsera agglutinierten aber 
beide Hefearten in derselben Verdünnung 1: 200. 

Dieselben negativen Resultate für eine Wein- und Bierhefe sowie 
für einige pathogene Hefen erhielt auch Malvoz 4 ). Die Sera wiesen 
einen ganz geringen Titer von 1 :40, 1:50 und höchstens von 1 :90 
auf. Auch Schütze 5 ) kam bei seinen Versuchen, obergärige und unter¬ 
gärige Kartoffel- und Getreidehefe zu differenzieren, zu keinem anderen 
Ergebnis. Die Sera, die er durch längere Behandlung von Kaninchen 
mit subkutanen Injektionen von ELefeemulsionen erhielt, agglutinierten 
zwar die entsprechende Hefeart, reagierten aber auf die heterologe Hefe¬ 
art in gleichem SinDe. Ein deutlicher quantitativer Unterschied liess 
sich in keinem der Reagenzröhrchen konstatieren. Nachträglich ist es 
Schütze 6 ) allerdings gelungen, durch das Komplementbindungsverfahren 
ober- und untergärige Bierhefe biologisch zu trennen und diese beiden 
Hefearten wiederum von der Getreide- und Kartoffelhefe, nicht aber 
Getreide- und Kartoffelhefe voneinander zu unterscheiden. Bei diesen 
Versuchen hat Schütze für die Tierbohandlung nicht mehr den sub¬ 
kutanen, sondern den intravenösen Injektionsmodus gewählt. 

In meinen Versuchen sind Kaninchen mit Hefereinkulturen 
genau so, wie es für die Immunisierung mit Bakterienmateria] 
üblich ist, vorbehandelt worden. 

Für die Injektionen, die intravenös und in Zwischenräumen von 
5 bis 6 Tagen vorgenommen wurden, kamen 20 Stunden alte, auf Bier¬ 
würzeagar bei 28° C gezüchtete Kulturen zur Verwendung. Es wurde 
mit einer Oese begonnen und die Impfdosis allmählich gesteigert, bis 
schliesslich eioe Abschwemmung einer ganzen Kultur in physiologischer 
Kochsalzlösung den Tieren eingespritzt wurde. Die Tiere vertrugen die 
Injektionen sehr gut. Am neunten Tage nach der letzten Injektion er¬ 
folgte die Blutentnahme. 

Der eigentliche Agglutinationsversuch wurde in der üblichen Weise 
ausgeführt. In eine Reihe Röhrchen kam je 1 ccm des betreffenden 


1) Nach einem in der Berliner mikrobiologischen Gesellschaft ge¬ 
haltenen Vortrage. Die ausführliche Veröffentlichung erscheint dem¬ 
nächst im Archiv für Physiologie. 

2) Defalle. Ann. de l’institut Pasteur, 1900. 

3) Bisserie, Compt. rend. de la soc. de biol., 1901. 

4) Malvoz, Zbl. f. Bakt., Abt. 1, Bd. 20. 

5) A. Schütze, Zschr. f. Hyg., 1903, Bd. 44. 

6) A. Schütze, Zschr. f. Immun.Forsch., 1911, Bd. 8. 


Kaninchenimmunserums in fallenden Mengen. In jedem Röhrchen wurde 
eine Normalöse einer frischen, gut gewachsenen Hefekultur verrieben. 
Das Gestell mit den Röhrchen kam für 2 Stunden in den Brutschrank 
und für 24 Stunden auf Eis. Die nötigen Kontrollen mit normalem 
Kaninchenserum, sowie mit physiologischer Kochsalzlösung wurden bei 
jedem Versuch angesetzt. 

Durch einen Vorversuch, in dem Kaninchen mit Hefekulturen, die 
sich voneinander morphologisch wie biologisch gut unterscheiden lassen, 
behandelt wurden, konnte ich die Ueberzeugung gewinnen, dass es mög¬ 
lich ist, gegen Hefezellen gut wirksame agglutinierende Sera zu er¬ 
halten, und dass die Sera nur auf die homologen, nicht aber auf die 
heterologe» Kulturen agglutinierend wirken. 

Nach diesen Vorversuchen ging ich dazu über, die Agglutinations¬ 
methode zur Differenzierung der sogenannten untergärigen und ober¬ 
gärigen Hefekulturen zu prüfen. Zu diesem Zwecke wurden Kaninchen 
mit folgenden Reinkulturen behandelt: mit 1. Hefe Saaz (untergärig); 
2. Sacch. Pastorianus (I) (untergärig); 3. Sacch. Pastorianus III 
oderValidus (nach der neueren Benennung von Hansen) obergärig; 
4. Sacch. Turbidans (obergärig). 

Ausser diesen Hefekulturen, bei denen es hauptsächlich auf die 
Unterscheidung zwischen obergärig und untergärig ankam, wurde 
für die AgglutiDalionsversucbe noch eine Torulaart, eine mit dem 
Namen Speckhefe bezeichnet« Kultur herangezogeD, um die Be¬ 
ziehungen zu den Saccharomyceten festzustellen. Die Kaninchenimmun- 
sera wurden auf ihr agglutinierendes Vermögen noch anderen obergärigen 
und untergärigen He/ekulturen gegenüber geprüft. Als solche kamen in 
Betracht: Sacch. Pastorianus II oder intermedius (schwach ober- 
gärig); Sacch. Ellipsoideus II (untergärig) und Sacch. Turbidans 
untergärig. 

Sämtliche Kulturen sind mir von Herrn Prof. P. Lindner-Berlin, 
dem ich auch an dieser Stelle meinen Dank ausspreche, liebenswürdiger¬ 
weise zur Verfügung gestellt worden. 

Die Resultate der Agglutinationsversuche lassen sich kurz, wie 
folgt, zusammenfassen. Die Sera sind mit den Namen der Saccharo- 
mycesarten, mit denen die entsprechenden Kaninchen behandelt wurden, 
bezeichnet. 

Das Serum Saaz wirkt fast bis zur Titergrenze (1:3500) auf die 
untergärigen Saccharomycesarten: Turbidans, Ellipsoideus II und 
Pastorianus (I), lässt aber den schwach obergärigen Iotermedius 
sowie die beiden anderen obergärigen Saccharomyceten: Validus und 
Turbidans kaum beeinflusst. Dieses Ergebnis ist um so interessanter, 
als die Kulturen Ellipsoideus H, Turbidans untergärig und 
Turbidans obergärig nahe zusammengeb Ören. Auf diesen Punkt 
kommen wir noch weiter unten zu sprechen. 

Von den drei Pastorianushefen sind zwei Kulturen, nämlich Pasto- 
rianua (I) untergärig und Validus (obergärig) für die Behandlung der 
Tiere gewählt worden. 

Auch hier finden wir dasselbe Verhalten wie beim Serum Saaz. 
Das Serum Pastorianus (untergärig) agglutiniert fast bis zur Titer¬ 
grenze (1 : 3000) die untergärigen Hefen: Turbidans, Ellipsoideus II 
und Saaz. Das Serum Validus dagegen besitzt entsprechend dem 
obergärigen Charakter des Sacch. Validus ein ausgesprochenes 
Agglutinationsvermögen für die obergärigen Hefekulturen Turbidans 
und intermedius, während die untergärigen gar nicht und der gleich¬ 
falls untergärige Pastorianus, der doch dem Validus näher als 
Turbidans stehen soll, nur ganz schwach beeinflusst wird. 

Ein weiterer Versuch, für den ein agglutinierendes Serum, das durch 
die Behandlung eines Kaninchens mit Turbidans obergärig gewonnen 
wurde, zur Verwendung kam, scheint besonders instruktiv zu sein. Zu¬ 
erst einige Worte über die benutzten Kulturen. 

Im Jahre 1886 hat Hansen über Versuche berichtet, in denen rein 
gezüchtete Unterhefeüformen mit ObergärungserscheinuDgen auftraten, 
die aber nach wenigen Ueberimpfungen wieder verschwanden. Von dieser 
Beobachtung ausgehend hat Hansen ausgedehnte Versuche mit Sacch. 
ellipsoideus II, einer typischen Unterhefe angestellt. Die Kulturen 
wurden bei 0,5° C gezüchtet und nach einem Zeitraum von drei bis 
fünf Monaten untersucht. Dabei erwiesen sieb die meisten Zellen als 
Obergärung8zellen. Weitere Versuche haben ergeben, dass das Auf¬ 
treten der Obergärungszellen nicht auf die Einwirkung der niedrigen 
Temperatur zurückgeführt werden konnte. Bei einer Durchmusterung 
des für die Züchtung bei 0,5° C benutzten Ausgangsraaterials hat sich 
gezeigt, dass die Hälfte der Zellen obergärig, die Hälfte untergärig 
war. Die rein isolierten Oberhefenzellen gaben bei weiterer Züchtung 
konstant Obergärung, während die Unterhefenzellen ihren untergärigen 
Charakter beibehalten haben. Die aus den untergärigen Zellen bestehende 
KulturTarbidans untergärig ist somit mit demSacch.Ellipsoideusil 
identisch, während die obergärige Zellen führende Kultur Sacch. Turbi¬ 
dans obergärig vielmehr als eine Mutation aufzufassen ist. Die Ober¬ 
hefenzellen sind in der Ellipsoideuskultur plötzlich aufgetreten; 
eine bestimmte Ursache dafür war nicht zu eruieren. Von diesen Zellen 
gezüchtete weitere Generationen erweisen sich in ihren Eigenschaften 
durchaus konstant; also alles Merkmale, die für eine Mutation charakte¬ 
ristisch sind. Im Agglutinationsversuch kam das gegenseitige Verhalten 
dieser Kultur sehr deutlich zum Vorschein. . , 

Das Serum Turbidans obergärig agglutinierte ganz io Deber- 
einstimmung mit dem Ergebnis der obigen Versuche, die obergange 
Sacch.-Kultur Validus, schwächer den leicht obergärigen in* 
medius, ist aber auf die untergärigen Hefezellen, auf die Kulture 


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Ürigmal fro-m 

UNIVERSUM OF IOWA 



23 . November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


183? 


Saaz und Pastorianus (I) ohne Wirkung. Eine Mitagglutination be¬ 
züglich der Kulturen Ellipsoideus II und Turbidans untergärig 
ist deutlich ausgesprochen; die Reaktion fällt für beide Kulturen ganz 
gleich in denselben Serumverdünnungen aus, was mit unseren früheren 
Ausführungen über die Identität der beiden Kulturen ganz in Einklang 
steht. Das gleiche ergibt sich auch aus der Wirkungsweise der übrigen 
in Betracht kommenden agglutinierenden Seren der beiden Kulturen 
Ellipsoideus II und Turbidans untergärig gegenüber. So agglu- 
tiniert das Serum Saaz in genau gleicher Weise bis zu denselben Serum¬ 
verdünnungen die beiden Kulturen: Ellipsoideus II und Turbidans 
untergärig. Gleichfalls identisch verhalten sich diese Kulturen dem 
Serum Pastorianus (I) gegenüber. 

Wie bereits zu Anfang erwähnt, habe ich die Agglutinationsversuche 
auch auf eine Torulaart ausgedehnt, um zu sehen, ob es möglich ist 
Torulaoeen auf diesem Wege von den Saccharomyceten zu differen¬ 
zieren. Es ist unter Umständen sehr schwer, die verschiedenen in der 
Literatur teils als Torula, teils als Hefe beschriebenen Sprosspilze, die 
keine Sporenbildung aufweisen, in die eine oder in die andere Gruppe 
einzureihen. In der Mehrzahl der Fälle lässt sich eine Abgrenzung nur 
mit einiger Wahrscheinlichkeit vornehmen. 

Die mit Speckhefe bezeichnete Torulakultur wurde von dem homo¬ 
logen ImmuDserum bis zum Titer 1:2500 gut agglutiniert, nicht aber 
von den anderen mit den verschiedenen Saccharomyceten erhaltenen 
agglutinierenden Seren. Eine Ausnahme bilden die Sera der Unterhofen 
Saaz und Pastorianus (I), von denen das erste die Speckhefe bis 
1:500, das letztere bis 1:200 agglutiniert. Dagegen bat das Speok- 
hefenserum auf keine einzige der Saccharomyceskulturen gewirkt. Ausser 
der Torula Speckhefe sind mir von Herrn Prof. Lindner noch zwei 
andere Kulturen Schlegel und Stolze überlassen worden. Die Kultur 
Schlegel hielt Herr Prof. Lindner für eine Torula mit der Speck¬ 
hefe identisch, während die Kultur Stolze mit Speckhefe nur mor¬ 
phologisch übereinstimmen soll, biologisch aber sich different verhält. 
Im Agglutinationsversuch hat .sich denn auch die Identität der Kulturen 
Sohlegel und Speckhefe deutlich ergeben. 

Fasst noan die Ergebnisse sämtlicher Versuchsreihen zusammen, 
so findet sich folgendes: 

Es ist möglich, durch intravenöse Injektionen von Hefe- 
Reinkulturen beim Kaninchen gut wirksame agglutinierende Sera 
zu erhalten. 

Mit Hilfe der Agglutinationsmethode ist es möglich, nicht 
nur verschiedene Saccharomycesarten zu differenzieren, sondern 
auch den obergärigen oder untergärigen Charakter einer Hefe¬ 
kultur festzustellen. Es ist ferner möglich, mit Hilfe der Aggluti¬ 
nation die Tornlaceen von den Saccharomyceten scharf zu trennen. 


Aus dem physiologischen Laboratorium der Universität 
Utrecht. 

Ueber die Nucleinsäureverbindungen in den 
Nisslkörnern der Ganglienzellen. 

Von 

Dr. M. A. van Herwerden. 

In seinem letzten Aufsatz über „Die Chemie der Zelle“ in dieser 
Wochenschrift 1 2 ) hat Unna in Zusammen Wirkung mit Gans nochmals 
die Albumosennatnr der Nisslschollen der Ganglienzellen betont und die 
Meinung ausgesprochen, ich hätte die Wasserlöslichkeit dieser Körner 
übersehen, was mich zu dem Fehlschluss geführt hätte, dass die Nuclease 
imstande sei, dieselben zur Verdauung zu bringen. 

Neulich habe ich in dieser selben Wochenschrift 5 ) auf Grund der 
Nuoleaseverdauung die Auffassung verteidigt, dass die Nisslsohollen als 
Nucleinsäureverbindungen zu betrachten seien, und weitere Versuche 
haben diese Meinuog nicht zurückgedrängt. Dass, wie Unna angibt, 
auf die Dauer die Nisslkörner aus den in Alkohol fixierten Schnitt¬ 
präparaten durch warmes Wasser gelöst werden können, war auch mir 
schon längst bekannt. Es versteht sich aber, dass ich meine Versuche 
nie ohne Kontrollversuche angestellt habe, am liebsten in gekochter, 
also unwirksam gemachter nucleasehaltiger Flüssigkeit. Sehr schnell 
werden die Nisslkörner in schwachem Alkali gelöst; weil aber die Nuclease 
bei schwachsaurer Reaktion sehr gut wirksam ist, kann man immer eine 
Alkalicität vermeiden; und in meinen späteren Versuchen habe ich 90gar 
ausschliesslich mit schwachsauren statt mit neutralen Versuchsflüssig¬ 
keiten gearbeitet. In schwach mit Essigsäure angesäuertem Wasser 
(1 Tropfen 1 proz. Essigsäure auf 5 ccm Aqua dest.) behielten die in 
Alkohol fixierten Schnittpräparate des Rückenmarks einer jungen Katze 
ihre Nisslkörner nach 40 stündigem Verbleiben auf Körpertemperatur 
noch unverändert bei, während sich in der nucleasehaltigen Flüssigkeit 


1) B. kl.W., 1914, Nr. 10. 

2) B.kl.W., 1913, Nr. 39. 


schon innerhalb 24 Stunden eine Verdauung erreichen liess. Ausserdem 
gelang es mir neulich, mit einem sehr nucleasereichen, wässerigen Extrakte 
der sogenannten Winterschlafdrüse eines neugeborenen Meerschweinchens 
(einem öfters beschriebenen, zwischen den Schulterblättern gelagerten 
Bindegewebs- und Fettknoten) die Nisslkörner innerhalb 3 Stunden 
bei schwachsaurer Reaktion aus den Ganglienzellen des Rückenmarks zu 
entfernen. Von einer Wasserlöslichkeit in derselben Zeit kann absolut 
nicht die Rede sein. 

Ein sehr kräftig wirksames, von Prof. Pekelharing aus dem 
Schweinemagen bereitetes Pepsin, in 0,2 proz. Salzsäurelosung bei Körper¬ 
temperatur, lässt nach mehreren Stunden noch die Nisslschollen deutlich 
erkennbar und färbbar, während das übrige Gewebe des Rückenmarks 
schon grösstenteils verdaut ist. 

Auch dies stimmt schwerlich mit der Unna’schen Auffassung über¬ 
ein, dass es sich um die in Pepsinsalzsäure so leicht verdaulichen 
Albumosen handelt. Es versteht sieb, dass bei sehr langer Pepsin¬ 
verdauung schliesslich auch in meinen Versuchen der ganze Zellinhalt 
zerfällt und zuletzt auch die Nisslschollen nicht mehr nachweisbar sind. 

Eine 0,5 proz. Salzsäurelösung bringt innerhalb zwei Stunden bei 
Körpertemperatur den grössten Teil der Nisslkörner in den von mir 
untersuchten Alkohol-Schnittpräparaten von jungen Meerschweinchen und 
Katzen zum Verschwinden, während eine Pepsinsalzsäurelösung von der¬ 
selben Acidität in dieser Zeitdauer hierzu nicht imstande ist. Dies findet 
seine Erklärung in der bekannten Tatsache, dass Nucleoproteide bei einer 
ähnlichen Salzsäurekonzentration besser gelöst werden als das sofort 
vom Pepsin gebildete Nuclein, welches erst von der Nuclease zum Ver¬ 
schwinden gebracht wird. 

Mit der Pepsinverdauung komme ich an meinem Material also zu 
andern als die von Unna erwähnten Resultaten. 

In dem von Unna für den Nachweis der Nucleinsäureverbindungen 
empfohlenen Methylgrün-Pyroningemisch färben sich die Nisslkörner nach 
der Alkoholfixation bekanntlich ausnahmslos mit der roten Pyroninfarbe 
ungeachtet ihres Nucleinsäuregehaltes, welcher nach der Meinung Unna’s 
überall mit der Methylgrünfärbung zusammenfallen müsste. Wie gefähr¬ 
lich es immer bleibt, auf die Farbstoffaufnahme der Zelle in Färbungs- 
gemischen chemische Diagnosen aufzubauen, vermag ich an einem zweiten 
Beispiele zu demonstrieren. Legt man nämlich die in Alkohol fixierten 
Schnittpräparate der Testes einer Maus, deren Spermaköpfe, Sperm&to- 
cyten- und Spermatogonienkerne sich in dem obengenannten Gemische 
grün färben, während einer halben Stunde bei Zimmertemperatur in 
0,2 proz. Salzsäure, so nehmen diese Teile auch nach sorgtältigem Aus¬ 
waschen ausnahmsweise das rote Pyronin statt des Methylgrüns auf. 
Eine weitgehende Veränderung der chemischen Zusammensetzung dieser 
Elemente kann in dieser kurzen Zeit bei einer Temperatur von höchstens 
16° wohl schwerlich stattgefunden haben, doch tritt nach dieser Behandlung 
eine Umkehr in der Farbenreaktion ein. Andere basische Farbstoffe, 
z. B. das Safranin, werden ebenso kräftig aufgenommen wie zuvor. Es 
scheint also, als ob auch Nucleinsäureverbindungen sich unter Umständen 
in diesem Unna’sehen Farbgemisch mit Pyronin färben lassen. 

Ich gehe hier nicht auf die Frage ein, ob die Nisslkörner in den 
Ganglienzellen präformiert oder erst bei der Fixation gebildet werden, 
wie es von einigen Autoren angenommen wird. Jedenfalls darf man 
sagen, dass die Bausteine der Nisslkörner auch der Lebenden Zelle an¬ 
gehören; die ScholleD, wie sie nach der Fixation dem Beobachter zu¬ 
gänglich sind, deren Quantität bekanntlich mit der Funktion der Zelle 
wechselt, stehen immerhin mit der chemischen Struktur der lebenden 
Zelle in Zusammenhang und deshalb hat es einigen Wert, mit Bestimmt¬ 
heit die Meinung zu äussern, dass dieselben ans Nucleinsäureverbindungen 
aufgebaut sind. 

Ueber die Technik der Nucleasebereitung habe ich mich schon an 
anderer Stelle ausgesprochen x ). Auch wässerige Riodermilzextrakte eignen 
sich für diese Versuche. Und ebenfalls das aus der Darmschleimhaut 
des Schweines bereitete Erepsin, welches bekanntlich auch eine Nuclease- 
Wirkung hat. Leider ist von einer Reindarstellung der Nuclease noch 
nicht die Rede, und es versteht sich, dass man mir entgegenhalteo 
könnte, dass möglicherweise andere proteolytische Enzyme für die von 
mir beschriebenen Veränderungen in der Zelle verantwortlich sind. Diese 
Möglichkeit halte ich jedoch für ausgeschlossen, weil weder Fibrin noch 
Hühnereiweiss (Mett’sche Röhrchen) von den von mir benutzten Ver¬ 
dauungsflüssigkeiten angegriffen wurden, während die Nucleinsäurespaltung 
an einem nucleinsauren Natriumpräparat immer positiv ausfiel. Man 
braucht übrigens nur einen Blick auf die behandelten Präparate zu 
werfen, damit man sich überzeuge, dass von einer Eiweissverdauung, 
wie sie mikrochemisch nach der Pepsin- oder Trypsinwirkung zutage 
tritt, keine Spur zu entdecken ist. Ausser der Lösung der Nisslschollen 
und dem Erblassen oder Verschwinden des Kernchromatins sehen die 
Rückenmarksdurchschnitte vollkommen normal aus, und dasselbe gilt 
für andere Präparate, welche mit den nucleasehaltigen Flüssigkeiten 
behandelt sind. 


1) Arch. f. Zellfor9ch., 1913, Bd. 10, und anat. Anzeiger 1914, Bd. 47. 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 


1838 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nt. 47. 


Zur Klärung der Embarinfrage. 

Von 

Dr. H. Kenn -Berlin. 

Wenn auch die Anzahl der Quecksilbersalze, welche uns bis¬ 
her bei Behandlung der Lues zur Injektion zur Verfügung stehen, 
eine ziemlich grosse ist, so haften doch den vorhandenen Präpa¬ 
raten noch eine solch grosse Anzahl von Nachteilen an, dass die 
Einführung eines neuen Hg.-Salzes, welches die besteheuden Mängel 
ausmerzt, wohl gerechtfertigt ist. Bekanntlich unterscheiden wir 
lösliche und unlösliche Hg.-Salze. Erstere, welche als Haupt¬ 
vertreter das Sublimat, Hg. cyanat. und oxycyanat., auf- 
weisen, zwingen infolge ihrer Giftigkeit, häufig kleine Dosen zu 
geben, was für die genaue Durchführung der Kur meistens er¬ 
schwerend wirkt. Von den unlöslichen Präparaten werden 
Hg. salicylicum und thymolicum häutig, Calomel seltener, Oleum 
cinereum nur von wenigen angewandt. Der Vorteil dieser unlös¬ 
lichen Präparate besteht in der Möglichkeit, auf einmal grosse 
Dosen infolge nicht sofortigen Uebergangs des Hg. in den Blut¬ 
kreislauf geben zu können, also die Anzahl der Einspritzungen 
dadurch im ganzen zu verringern. Die Nachteile, welche sich 
ganz besonders beim Calomel zeigen, sind das Auftreten von mehr 
oder minder schmerzhaften Infiltraten an der Injektionsstelle und 
in zweiter Linie die Intoxikationsgefahr, da natürlich die Abgabe 
des Hg. aus dem Depot ganz verschieden ist und schwer geregelt 
werden. 

Nachfolgende Uebersicht über die gebräuchlichsten Hg.-Salze zeigt 
die Prozentzifler der Lösungen, die Anzahl der Einspritzungen, die Einzel- 
und Gesamtdosen. 




Einzeldosis 

1 Gesamtkur 

Hg. bichlorat. 

1 proz. wäss. Lös. 

2—3 ccmLös. 

60 ccm Lös. = 0,6 ccm 
Hg. bichlorat. 

Hg. oxycyanat. 

fi 

y> 

do. 

Hg. cyanat. . 

» 

„ 

do. 

Hg. chlorat. . 

10 proz. Emuls. 

1 ccm Lös. 

8—10 ccm = 0,8—1,0 ccm 
Hg chlor. 

Hg. salicyl. . 



do. 

Hg. tbymolic. 

„ 


do. 

Embarin . . . 

3 proz. wäss. Lös. 

2—3 ccmLös. 

12—15 Iojekt. = 30 ccm 
Embar. = 0,9 Hg. 


Wir sind also in der Lage, mit dem Embarin dem Körper 
mit einer verhältnismässig geringen Anzahl von Injektionen 
(12—15) eine ebenso grosse Menge Hg. zu verabreichen, wie es 
uns bisher nur bei den unlöslichen Salzen möglich war. 

Nach den Mitteilungen der Fabrik ist Embarin eine 6 3 / 4 proz. 
Lösung von mercuri-salicyl-sulfosaurem Natrium -f- 1 / 2 proz. Acoin. 
Da das salicyl sulfosaure Natrium 40 pCt. Hg. enthält, ist der 
Prozentsatz des Embarins 3 pCt., so dass in 1 ccm Embarin 0,03 Hg. 
enthalten ist. Nach den Untersuchungen von Dr. v. Hayek im 
Physiologischen Institut der Universität Innsbruck vertragen Ver¬ 
suchstiere doppelt soviel Embarin wie andere Hg.-Salze, und neigt 
das Gewebe am wenigsten zur Nekrosenbildung bei Embarin- 
einspritzung. 

Bei der Einverleibung des Mittels sind die örtlichen Schmerzen 
ganz minimal; meistens überhaupt nicht vorhanden. Infiltrate 
habe ich sehr selten gesehen, doch dürften diese wenigen Fälle 
nur auf die falsche Technik zurückzuführen sein. Ausser den 
weiter hinten erwähnten drei Fällen von Idiosynkrasie gegenüber 
Embarin zeigte sich niemals eine wesentliche Temperatursteigerung, 
trat nie Gingivitis in störendem Maasse auf, selbst bei grossen 
Dosen von 3 ccm. Albuminurie wurde nie beobachtet, desgleichen 
keine Darmreizungen. Nur bei drei Patienten traten stärkere 
Störungen nach der Einverleibung von Embarin auf. 

Pat. W. erkrankte nach der ersten Injektion von 1 ccm Embarin 
mit starkem Schüttelfrost, Kopfschmerz, Brechreiz und Schwindelanfällen, 
wozu sich nach einiger Zeit noch heftige Durchfälle gesellten. Pat. er¬ 
holte sich nach zwei Tagen wieder vollständig, reagierte auf die nächste 
nach 8 Tagen vorgenommene Injektion von 1 ccm Hirsch’sche Lösung in 
derselben Weise, worauf von weiteren Hg.-Gaben Abstand genommen und 
Pat. ausschliesslich mit Salvarsan behandelt wurde. 

Pat. D. bekam nach 1,5 Embarin einen starken Uebelkeitsanfall, 
Temperatursteigerung bis 39°. Er erholte sich am nächsten Tage wieder 
vollständig, zeigte bei einer nun begonnenen Schmierkur nicht die ge¬ 
ringsten Nebenerscheinungen. 

Pat. M. vertrug die drei ersten Injektionen yon insgesamt 6 ccm 
Embarin sehr gut, es stellten sich aber bei der vierten und fünften In¬ 
jektion von je 2 ccm Embarin Temperaturerhöhung bis 38° ein, welche 
sich auch bei weiteren Injektionen zeigte, dagegen bei Einspritzung mit 
Hirsch’scher Lösung nicht auftrat. 


In der Literatur wird über eine Anzahl Patienten mit ganz 
ähnlichen Erscheinungen. Gappisch erwähnt das Auftreten eines 
scarlatinaähnlichen Exanthems mit beträchtlicher Temperatur- 
Steigerung. Da die Intoxikationserscheioungen möglicherweise 
auch in dem Acoin ihre Ursache haben konnten, gab der erwähnte 
Autor Injektionen mit Acoin allein, welche reaktionslos vertragen 
wurden. Salomonski konnte derartige Hauterscheinungen nicht 
beobachten, doch kann er die sonstigen oben erwähnten Stigmata 
bestätigen. Einen Fall eines raasernähnlichen Exanthems mit 
Schüttelfrost konnte v. Planner beobachten. Bei der grossen 
Anzahl der mit Embarin behandelten Patienten dürfte den doch 
verhältnismässig recht seltenen unangenehmen Nebenerscheinungen 
kein grosses Gewicht beigelegt werden. Wir erleben so Tempe¬ 
ratursteigerungen, Uebelkeitsanfälle und Darmreizungen doch auch 
hin und wieder bei der Einverleibung der übrigen Hg.-Präparate, 
ohne deshalb diese Mittel nun vollständig aus unserem Arznei- 
schätz zu streichen. 

Zur Technik der Embarininjektionen möchte ich noch Folgen¬ 
des bemerken. Embarin habe ich ausschliesslich intramusknlär 
in die Glutäen gegeben. Die Tagesdosis beträgt 1—3 ccm. Stets 
beginne ich mit 1 ccm uud steige, wenn das Mittel gut vertragen 
wird, bei Frauen und Männern bis 3 ccm; man kann so bei einer 
Knr von 30 ccm mit 12—15 Spritzen gut auskommen. Die In¬ 
jektionen werden in Zwischenräumen von 1—4 Tagen gegeben. 
Besonders ist beim Embarin auf eine äusserst sorgfältige Behand¬ 
lung der Iojektionsinstrumente zu achten. Ich verwende nur 
Glasspritzen mit 2 und 5 ccm Inhalt (Fa. Haertel, Berlin Breslau) 
und bewahre diese Iojektionskanülen trocken in Glasschaleu auf, 
spritze die Kanülen nach Gebrauch zuerst mit Wasser und dann 
mit 96 proz. Alkohol durch. Während das Embarin früher aus¬ 
schliesslich in Packungen von 10 Ampullen zu je 1,2 ccm in den 
Handel kam, lässt jetzt die Fabrik grosse Ampullen zu 6 ccm 
herstelien. Ich halte aber auch diese neuen Packungen nicht 
für zweckmässig. Es dürfte sich empfehlen, grössere Ampullen 
oder Flaschen zu 10—20 ccm Inhalt in den Handel zu bringen, 
aus welchen die Flüssigkeit bequem mit der Kanüle oder Spritze 
entnommen werden kann, was bei der 6 ccm Packung nicht der 
Fall ist. Die ursprünglichen 1,2 ccmAmpullen können ja für 
kleine Praxis beibehalten werden. Bei den grösseren Gefässen 
wird dann auch leicht eine Preisherabsetzung durchzuführen sein, 
was im Interesse der möglichst weiten Verbreitung des Präparats 
und Anwendung in der Spital- und Kassenpraxis nur wünschens¬ 
wert sein dürfte. 

Aus einer grossen Anzahl von Krankheitsfällen, welche mit 
Embarin behandelt wurden, möchte ich nur einige herausgreifen, 
bei denen die Wirkung des Mittels gut ersichtlich ist. 

Herr P., TuberoserpigiDÖses Syphilid auf Arm und Rücken, Wa9ser- 
mann’sche Reaktion positiv, nach 10 ccm Embarin vollständiges Ver¬ 
schwinden des Eianthems, nach 30 ccm Wassermann’sche Reaktion 
negativ. 

Herr K., Lues latens. Wassermann’sche Reaktion positiv. Neo- 
salvarsan 0,9 und 24 ocm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ. 

Fräulein B., Aortenaneurysma. Wassermann’sche Reaktion positiv, 
29 ccm Embarin. Wassermann’sche Reaktion negativ. 

Herr Ga., Lues H, Cephalea. Wassermann’sche Reaktion positiv. 

29 ccm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ. 

Herr K. 0., Lues II, Condylomata lata ani. Wassermann’scne 
Reaktion positiv. 28 ccm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ. 
Erscheinungen verschwunden. 

Frau B. 0., allgemeine Körperscbwäche, Lues III. Wassermann’scne 
Reaktion positiv. 30 ccm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ. 

Herr W. E., Lues II, papulöses Syphilid, noch nicht abgeheiltes 
Ulcus. Wassermann’sche Reaktion positiv. Neosalvarsan 0,3, Embarin 
8,0, Wassermann’sche Reaktion positiv. Neosalvarsan 0,3, 26 ccm Embarin, 
Wassermann’sche Reaktion positiv. 30 ccm Embarin, Wassermann scne 
Reaktion negativ. 

Herr T. E., Lues latens, Sohwindelanfälle. Wassermann’sche Reaktion 
positiv. 20 ccm Embarin, Besserung des Befindens; Wassermann scne 
Reaktion negativ. , , 

Herr K., Tabes incipiens, starke Beschwerden. Wassermann scne 
Reaktion positiv. Neosalvarsan 0,3, Enesol 20 ocm, Wassermann scne 
Reaktion positiv. 25 ccm Embarin, Wassermann’sobe Reaktion positiv. 

30 ccm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ. Vollständig® 3 
Wohlbefinden. 

Wir haben also gesehen, dass das Embarin sowohl was die 
Bekömmlichkeit wie die Wirkung anbetrifft, mit zu den besten 
unserer Hg-Präparate gehört, wenn es nicht bei dem Fehlen der 
den übrigen Salzen anhaftenden Mängel überhaupt den ersten 
Platz einnehmen dürfte. 


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Gougle 


□ ri-gmal from 

UNIVERSITV OF IOWA 




23. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1839 


Ueber Röntgensterilisierung. 1 ) 

Von 

L. Görl-Nürnberg. 

Als ich im Jahre 1906 an dieser Stelle über die ersten 
erfolgreichen Sterilisierungen mit Röntgenstrahlen berichtete — 
Mitteilungen von Deutsch im September 1904 waren sowohl mir 
als auch anderen unbekannt geblieben —, begegneten dieselben 
gerade von gynäkologischer Seite energischem Widerspruch, ob¬ 
wohl ich schon damals betonte, dass die Indikationen für eine 
Röntgenstrahlentherapie nicht der Röntgenologe, sondern der 
Gynäkologe aufstellen müsse und diese neue Behandlungsart nur 
für solche Fälle reserviert wissen wollte, welche bei Operation 
wenig Aussicht auf Erfolg zeigen: Menorrhagien bei Blutern, 
Diabetikern, Herz- und Nierenkranken. 

Nur langsam konnten sich die Gynäkologen damit befreunden, 
dass der operative Eingriff bei Myomblutungen einem unblutigen 
Verfahren weichen sollte, zumal die Operationstechnik so aus¬ 
gebildet ist, dass viele Operateure darauf hinweisen können, dass 
eine Operationsmortalität bei Myomen für sie unbekannt ist. 

Anfangs waren es deshalb nur wenige Patientinnen, und zwar 
meist solche, welche die Operationsstatistik doch vielleicht un¬ 
günstig beeinflusst hätten, die dem Röntgenologen zur Behandlung 
überwiesen wurden. Erst nachdem Halberstädter, Bergoniä, 
Krause usw. die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf weibliche 
Tiere und den Schwund der Graafscben Follikel bei sehr geringen 
Röntgendosen, sowie die Verminderung und Degeneration der 
Primordialfollikel nachgewiesen hatten und diese Befunde von 
Faber und Reifferscheid auch am menschlichen Eierstock er¬ 
hoben wurden, war das Interesse der Gynäkologen für die neue 
Therapie geweckt. Dazu kam, dass durch Aufstellung von Be¬ 
handlungsschemen auch für den mit der Wirkung der Röntgen 
strahlen weniger Vertranten die Röntgentherapie zugängig ge¬ 
macht wurde. Es erschienen hauptsächlich von 1911 an, also 
erst 6 Jahre nach meiner Veröffentlichung, eine reiche Menge 
von Arbeiten, anfangs immer noch zumeist von Röntgenologen 
wie Schmidt, Hänisch, Spöder, Köhler, später auch von 
Gynäkologen, in besonders grosser Zahl von Gauss, die alle die 
günstige Einwirkung auf vorhandene Meno- und Metrorrhagien 
konstatieren konnten und dabei auch Klärung hinsichtlich der 
Iodikatiooen und Kontraindikationen brachten. 

Ueber die Indikation zur Röntgenbehandlung gynäkologischer 
Leiden ist jetzt bei allen Autoren Einigkeit zu finden. Bei der 
Entscheidung, ob Operation oder Röntgenkastration, wird die 
Wahl durch das Alter der Patientinnen ungemein erleichtert. Je 
jünger das Individuum ist, desto besser sind die Operations¬ 
chancen, desto schwerer ist die Sterilisierung mit Röntgenstrahlen 
zu erzielen. Je älter die Patientin ist, desto leichter und in 
relativ kurzer Zeit und mit geringen Strahlenmengen wird völliger 
Stillstand der Blutungen eintreten, desto schlechter sind meist 
auch die Aussichten einer Operation, so dass hier der Weg zur 
Röntgenstrahlentherapie von selbst gegeben ist Wie sehr mit 
dem zunehmenden Alter die Möglichkeit der Sterilisierung wächst, 
ergibt sich aus einer Statistik von Runge, der bei Frauen im 
Alter von 31—35 Jahren bei 43pCt. im Alter von 51—55 Jahren 
bei 85 pCt. Menopause erzielen konnte. Zn bedenken ist dabei, 
dass Runge mit der von der Hauttherapie her übernommenen 
Art der Röntgentherapie, also mit mittelweichen Röhren arheitete, 
nicht mit harten oder gar gefilterten Strahlen. Vor dem 
40. Lebensjahr eignet sich also eine Patientin, wenn man ein 
rasches Resultat erzielen will, besser für einen chirurgischen 
Eingriff, nach dem 40. Jahre besser für Röntgenbehandlung. 

Bezüglich der Krankheitsformen kann die Indikation der 
Röntgentherapie weiter oder enger gestellt werden, wobei noch 
Rücksicht auf die soziale Stellung der Patientinnen za nehmen 
ist. Eine Frau der arbeitenden Klasse, welche im Haushalt fast 
unentbehrlich ist, wird nach Operation rascher ihrem Wirkungs¬ 
kreis wiedergegeben, als wenn sie einer länger dauernden 
Röntgenbehandlung sich unterzieht. Das Intensivverfahren nach 
Gauss — siehe später — scheidet in solchen Fällen wegen der 
Kosten von selbst aus. Stehen dagegen reichlichere Mittel zur 
Verfügung, und ist die Patientin nicht gezwungen, möglichst 
rasch wieder völlig arbeitsfähig zu sein, dann ist das Röntgen- 
verfahren vorzuziehen. 

Die promptesten Erfolge werden bei einfachen klimakte- 

1) Vortrag, gehalten in der Nürnberger medizinischen Gesellschaft 
und Poliklinik am 11. Juni 1914. 


rischen Blutungen erzielt. Verhältnismässig wenige Bestrahlungen 
beseitigen dieselben vollständig, so dass hier die Röntgentherapie 
die Behandlung der Wahl ist. Bei mit Myom komplizierten 
Blutungen, wenn die Myome erst nach dem 40. Lebensjahre zu 
wachsen begonnen haben, sowie bei dem durch Metritis verlang¬ 
samten Eintritt der Menopause werden die Blutungen durch 
Röntgenkastration prompt gestillt, resp. die Menopause rasch 
erreicht. Sind Myome Veranlassung starker Blutung in früheren 
Jahren, so kommt die Frage einer Operation um so eher in Be¬ 
tracht, je jüoger die betreffende Frau ist, wenngleich Krönig 
und Gauss als ausschliessend für die Röntgentherapie nur folgende 
Fälle erachten: Gestielte Myome oder gangrän verdächtige, 
sarkomatöse und carcinomatöse Degeneration, ferner Verände¬ 
rungen, welche sofortiges Eingreifen erforden, wie Stieltorsion 
oder Incarcerationserscheinungen der Blase. 

Da das Myomgewebe als solches auch ohne Röntgenkastration 
bei Einwirkung der Röntgenstrahlen schrumpft, so ist eine Be¬ 
handlung auch dann angezeigt, wenn die Myome nur Anlass zu 
Schmerzen, nicht auch zu stärkeren Blutungen geben. Drei bis 
vier Bestrahlungen genügen nach meiner Erfahrung um das un¬ 
angenehme Druckgefühl im Unterleib zu beseitigen. Ferner 
können auch mit verhältnismässig wenig Bestrahlungen Men¬ 
struationsstörungen in jedem Alter durch Röntgenbestrahlung 
günstig beeinflusst werden und zwar mit oder ohne Sterilisierung, 
so dass auch diese Fälle einer Röntgenbehandlung zugefübrt 
werden sollten. Stark herabgekommene ausgeblutete Frauen 
sollten nach Schmidt, Döderlein usw. von der Röntgen¬ 
behandlung ausgeschlossen werden. Sie eignen sich aber nach 
meiner Erfahrung gauz besonders für diese Behandlung, da die 
roborierende, appetitanregende, schlafmachende und hämoglobin¬ 
bildende Wirkung der Röntgenstrahlen in auffällig kurzer Zeit 
wieder die Patientinnen aufleben nnd verhältnismässig rasch ge¬ 
nesen lässt. 

Das Vorgehen bei der gynäkologischen Röntgenbestrahlung ist bei 
den einzelnen Autoren ein sehr verschiedenes. Um möglichst viele 
Strahlen ohne Schaden in die Tiefe zu bringen, ist es notwendig, wenn 
man von der ungeheuren Radiosensibilität der Ovarien absieht, möglichst 
harte Strahlen zu verwenden. Um diese nun in grosser Menge in kurzer 
Zeit erzeugen zu können, wurden immer stärkere Röhren und Apparate 
gebaut. So wichtig dieser Fortschritt für die Carcinombehandlung ist, 
so fragt es sich doch, ob für die in Frage stehenden Erkrankungsfälle 
die Anschaffung grösserer Spezialinstramentarien notwendig ist, denn in 
diesem Falle müsste wegen der entstehenden Kosten ein grosser Teil 
der Patientinnen die Wohltat der Röntgenbehandlung entbehren, 
während im Falle der Möglichkeit einer Behandlung mit den gewöhn¬ 
lichen Instrumentarien, wie sie jetzt zu Tausenden schon in den Bänden 
von Praktikern sind, jedem, auch dem Aermsten infolge der relativ ge¬ 
ringen Kosten die Röntgentherapie zugängig wäre. 

Bei dem tiefen Sitz der Ovarien ist es rationeller, von der Be¬ 
nutzung der Röhren, welche im Strahlengemisch die meisten physiologisch 
aktiven Strahlen enthalten, abzusehen — 6—7 Wehnelt — und nur 
harte Röhren zu benutzen. Diese enthalten zwar weniger primär physio¬ 
logisch stark aktive Strahlen, aber solche von höherer Penetranz, die 
auf ihrem Wege im Gewebe nicht so leicht absorbiert werden, so dass 
eine grössere Menge in die Tiefe gelangt und dort Dach Umwandlung in 
sogenannte sekundäre Strahlen ihre Wirkung entfalten. Zugleich ist bei 
härteren Röhren von 10 Wehnelt an die Gefahr einer Verbrennung der 
Haut viel geringer, so dass sowohl ich als auch die anderen Röntgeno¬ 
logen von Anfang an nur harte Röhren benutzten, die besonders zu 
jener Zeit, da man in der Röntgentherapie sonst keine Verwendung für 
sie hatte, eigentlich wertlos waren. 

Während ich bei harten Röhren und geringer Belastung bis zu 
1 Milliampere auch heute noch ohne Filter arbeite, weil ich so Erfolge 
mit geringsten Strahlendosen — d. b. auf die billigste Weise — erziele, 
benutze ich bei Strömen über 1 Milliampere Filter. Anfangs wurden 
Leder- oder Aluminiumfilter von 1 mm Stärke, wie Perthes sie bereits 
1902 empfahl, verwendet. Bei Intensivströmen verwende ich jetzt 3 mm 
Aluminiumfilter, wie sie Krönig und Gauss für ihre methodisch 
immer stärker werdenden Röntgensitzungen zur Einführung brachten. 
Diese Filterung ist jetzt allgemein angenommen, und zwar wohl deshalb, 
weil eigentlich nur bei ganz starker Üeberdosierung bei dieser Filter¬ 
methode Röntgenverbrennungen auftreten können. Zudem gestattet das 
Arbeiten mit stark filtrierten Strahlen in Verbindung mit kleinen Be- 
strahlungsfeldern ein mehr mechanisches Vorgehen, so dass diese Therapie 
auch weniger geschulten Hilfskräften überlassen werden kann. 

Wie schon erwähnt, wird die grösste Menge von biologisch wirk¬ 
samen Strahlen von Röhren, die einen Härtegrad von 6 bis 7 Wehnelt 
haben, emittiert. Haben wir also eine recht magere Patientin, dann er¬ 
zielen wir mit solchen Röhren und 2—3 Lagen Waschleder als Filter 
die raschesten Resultate. Freilich gehört zur Behandlung mit solchen 
Röhren eine ziemliche Erfahrung, um Hautscbädigungen zu vermeiden. 

Das9 wir auch mit harten Röhren Resultate erzielen können, haben 
wir vor allem der ungemein grossen Radiosensibilität der Ovarien zu 


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1840 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


verdanken. Diese Radioempfindlichkeit ist bedeutend grösser als die¬ 
jenige der Testikel. Wenn man nun bedenkt, dass bei fast jedem der 
mit Röntgenstrahlen Arbeitenden trotz aller möglichen Schutzmittel 
eine Azoospermie eintritt, dann kann man ermessen, wie wenig Röntgen¬ 
strahlen eigentlich nötig sind, um die Funktionen der Ovarien zu zer¬ 
stören. 

Dazu kommt als besonders wirksames Moment die Umwandlung der 
Primärstrahlen in sogenannte Sekundärstrahlen, deren Anwesenheit man 
auf der photographischen Platte und dem Schirm nachweisen kann. Sie 
geben, wenn nicht möglichst durch Blenden abgehalten, Anlass zu un¬ 
scharfen Bildern, da sie nach allen Seiten diffus zerstreut werden, oder 
man sieht noch ein Aufleuchten des Schirmes an Stellen, welche von 
primären Röntgenstrahlen, die ja Dicht brechbar sind, nicht getroffen 
werden können. 

Diese Sekundärstrahlen treten überall dort auf, wo die Röntgen¬ 
strahlen auf ihrem Wege auf einen Widerstand stosseD, und zwar einer¬ 
seits mit dem Charakter der primären Strahlen — hart oder weich, 
aber diffus zerstreut, wie Licht in einem trüben Medium —, anderer¬ 
seits weicher als die ursprünglichen Röntgenstrahlen und damit bio¬ 
logisch aktiver. 

Diese Sekundärstrahlen sind für die Hautschädigungen verantwort¬ 
lich zu machen, besonders für die Spätschädigungen, wie sie von 
Speder und Iselin mitgeteilt wurden. 

Mit harten Strahlen könnte man ja eigenlich so lange bestrahlen, 
bis die Grundschicht des Epithels, die den Strahlen am nächsten 
liegende, zugleich, weil im Wachstum begriffen, am radiosensibelsten 
alteriert würde. Nun treten aber bei harten Strahlen ohne primäre 
Schädigung des Epithels Geschwüre auf, in welchen maD, wie mit dem 
Locheisen ausgeschlagen, Substanzen Verluste von Erbseogrösse findet. 
Auch ohne mikroskopische Untersuchung kann man bei diesem Aussehen 
sagen, dass sie Folgen von Schädigungen grösserer Gefässe sind. Es 
wird also das Ge/ässendothel stärker beeinflusst in einer tieferen Schicht 
als die darüber liegende Gewebsschicht. Diese Tatsache kann man sich 
nur damit erklären, dass in der eisenhaltigen Blutsäule Sekundärstrahlen 
auftreten, welche vor allem das Endothel beeinflussen. 

Die volle Dosis der S.- und N.-Paatillen, d. h. deren Verfärbung 
bis zum Teint B, oder mit der jetzt meist üblichen Bezeiobung 10 x 
nach Kienböck oder nach der ursprünglichen Bezeichnung 5 H Holz¬ 
knecht ist überall dort, wo nahe unter der Haut Knochen ist, z. B. 
am Kopf, zugleich Erythemdosis, d. h. eine S. N.-Volldosis ruft am Kopf 
nicht nur Haarausfall, sondern zugleich ein Erythem hervor. Die gleiche 
Dosis, in der Achselhöhle gegeben, erzeugt zwar auch Haarausfall, aber 
kein Erythem, und zwar weil am Kopf die im Knocheu auftretenden 
Sekundärstrahlen zu den Primärstrablen sieb hinzu addieren. 

Ferner möchte ich als Beweis für die Wichtigkeit der Sekundär¬ 
strahlen folgendes anführen: appliziere ich 3 Volldosen, alle 8 Tage eine, 
auf ein I—IV 2 cm Durchmesser grosses Hautfeld, so tritt nur stärkere 
Rötung ein. Das gleiche Strahlenquantum, ohne Abdeckung gegeben, 
gibt bei l 1 /* Volldosen schon die gleiche Rötung, "bei 3 Volldosen ein 
Geschwür. Es kann dies nur daher kommen, dass im ersten Fall so¬ 
wohl die vielen zerstreuten primären als auch die zerstreuten und eben¬ 
falls diffusen Sekundärstrahlen wegfallen. 

Bei vielen Patientinnen liegen nun die Ovarien so tief oder sind 
die Bauchdecken so dick, dass auch von den harten, biologisch so wenig 
wirksamen Strahlen nur eine ganz geringe Menge dort antreffen. Trotz¬ 
dem sehen wir auch hier prompte Erfolge, da in den blutreichen Ovarien 
sowie den Beckenknochen, ähnlich wie bei den Schädelknochen, die bio¬ 
logisch wirksamen Sekundärstrahlen auftreten. Da die Härte der 
Sekundärstrahlen einerseits von der Härte der Primärstrahlen abhängt 
(die Sekundärstrahlen sind immer weicher als die Primärstrablen), 
andererseits von dem Atomgewicht fje niedriger das Atomgewicht, desto 
weicher die Sekundärstrahlung) sind die von dem Ovariengewebe und 
dem Beckenknochen ausgehenden Sekundärstrahlen als ziemlich weich 
und leicht absorbierbar zu erachten. 

Wie bringen wir nun am besten die aktiven Strahlen dort 
zur Wirkung, wo wir es wünschen, am Ovarium, so, dass sie den 
gewollten Effekt der Zerstörung der Primordialfollikel bewirken, 
ohne doch dabei zu schaden? Arbeitet man mit mittelweichen 
Röhren wie der Dermatologe, dann erfordert die Behandlung 
äusserste Vorsicht. Die Gefahr einer Verbrennung wird schon 
um ein bedeutendes geringer, wenn möglichst harte Röhren ver¬ 
wendet werden. Eine weitere Gefahrverminderung bedeutet es, 
wenn zwar das Ovarium bei jeder Bestrahlung getroffen wird, 
aber so, das jedesmal eine andere Eintrittspforte, d. h. ein 
anderes Stück der Haut dabei getroffen wird. Ich selbst be¬ 
strahlte von Anfang an und auch jetzt noch, von speziellen Fällen 
abgesehen, mit drei Röhrenstellungen von der Bauchseite aus und 
zwei vom Rücken aus. Ebenso Albers-Scbönberg, nur dass 
er seine Blende verwendet. Krönig und Gauss haben nun, wie 
Ihnen bekannt, zur Schonung der Haut immer mehr Einfalls¬ 
pforten für die Röntgenstrahlen gewählt. Sie teilen den Unter¬ 
leib in ungefähr 20 Felder ein, die infolgedessen nur klein aus- 
fallen, und lassen durch jedes Feld von ungefähr 3 qcm Grösse, 
während die übrigen Felder durch dicken Bleigummi gedeckt sind, 
10 x, unter 3 mm Aluminium gemessen, einfallen. Die Stellung 


der Röhre soll dabei so sein, dass womöglich von jedem Feld 
der linken Seite das linke Ovarium und rechts entsprechend das 
rechte Ovarium getroffen wird. Dabei gehen sie mit der Röhre 
bis auf 16 cm Focushaut heran. Wenn nun auch der Licht¬ 
kegel relativ sehr breit ist, so werden trotzdem die Ovarien, 
deren Lage man ja nie genau kennt, sicher von eher grösseren 
Anzahl Einfallspforten aus nicht getroffen. Dieses Qaantom ist 
also nicht nnr vergeblich erzeugt worden, sondern kann zudem 
auch anderen Organen schaden. Diese Annahme bat Müller 
durch Versuche am Gipsmodell bestätigt. Bei dieser Bestrahlongs- 
art, Kleinfelderbestrahlung, kommt zwar eine grosse Zahl von 
applizierten x heraus, dagegen ist nicht auch die Wirkung der 
applizierten Dosis eine im gleichen Verhältnis erhöhte. Zu be¬ 
merken ist dabei noch, dass bei der Abdeckung selbst die 
Grenzen des bestrahlten Feldes kleiner als 3 cm genommen 
werden müssen, damit nicht bei den Bestrahlungen der Nachbar¬ 
felder die Grenzlinie doppelt getroffen wird. 

Bestrahlt man z. B. eine Fläche 9 X 9 cm mit 10 x, teilt jetzt die 
gleiche Fläche in 9 Felder von je 3 qcm und bestrahlt jedes dieser 
Felder mit je 10 x, so ergeben sich zwar 90 x im zweiten Fall, aber 
trotzdem ist die Wirkung, auoh ohne dass man die Grenzschichten ab¬ 
zieht, nicht 9 mal so gross. Eine 9 om Durchmesser enthaltende Haut¬ 
partie empfängt, wie aus der Hauttherapie als Tatsache sich ergibt, bei 
20 cm Focushautabstand so viel Strahlen, dass ein Erythem am Bande 
nicht viel geringer ausfällt als in der Mitte. 

Eine Hauptursache ist die 15 pCt. betragende Giasstrahlnng 
der Röntgenröhren, die nicht von einem Centrum, sondern diffus 
ausgeht. Wir haben also biologisch fast die gleiche Wirkung, ob 
wir nun einmal die 9 qcm im Ganzen oder in 9 Teilpartien be¬ 
strahlen. Wenn es nun gelänge, bei den 9 Feldern 9mal den 
Centralstrahl auf die Ovarien zu dirigieren, dann wäre die Wirkung 
eine 9 mal so grosse oder in 9mal so kurzer Zeit zu erreichen. 
Da aber der Sitz des Ovariums selten bekannt ist, so ist die 
Centrierung des Centralstrahles anf das Ovarium unmöglich. Des¬ 
halb ist der biologische Effekt bei der Kleinfelderbestrablung 
nicht 9 mal so gross, sondern nach meinen Erfahrungen nur 1% 
bis im günstigsten Falle 2 mal so gross. Die Ausnützung der 
Röhren ist also im Verhältnis eine sehr geringe. Die Dosierung 
nach dem Krönig-Gauss’schen Verfahren selbst ist, von diesem 
Standpunkt aus betrachtet, keine solche horrende, wie sie er¬ 
scheint, wenn Sie in der Literatur Zahlen von 1400— 2000 x lesen. 

Abgesehen von der unökonomischen Ausnützung der von der 
Röntgenröhre emittierten Strahlen verstösst die Kleinfelderbestrah¬ 
lung gegen ein Hauptprinzip der Medizin, von differenten Mitteln 
nie mehr anzuwenden, als zur Erzielung der gewünschten Wirkung 
notwendig ist. Zu der Kleinfelderbestrahlung gingen Krönig 
und Gauss aus zwei Gründen über. Einerseits sollte die Be¬ 
strahlung so intensiv werden, dass die früher öfter beobachteten 
verstärkt au tretenden Blutungen nach Beginn der Bestrahlungen 
vermieden würden, andererseits war es wünschenswert für die 
Bedürfnisse der Kliniker, die Zeit bis zum Eintritt der Menopanse 
möglichst abzukürzen. Ersteres gelang, letzteres bei genauem 
Vergleich mit den Resultaten, die mit grösseren Feldern, also 
weniger x gewonnen wurden, nicht. 

Dem Wunsche der Kliniker, möglichst rasch zu arbeiten, 
kamen die Fabrikanten von Röntgenapparaten und -röhren durch 
Anfertigung von Spezialtypen für intensivste Inansprnchpahme 
entgegen. So gut diese ja auch für Carcinomtherapie in der 
Gynäkologie sein mögen, so wenig nötig sind sie zur Sterili¬ 
sierung. Hier genügt für den Praktiker jeder Apparat, der eine 
harte Röhre zu betreiben gestattet. Ein guter Induktor mit 
Wehnelt- oder Simon-Unterbrecher, für grössere Stromstärken mit 
rotierendem Unterbrecher, genügt hierzu für den Praktiker voll¬ 
ständig. Die Strahlenqualität, besonders der mit 3 mm Atom, 
gefilterten Strahlen kann mit jedem Apparat erzeugt werden, und 
die entsprechende Quantität wird durch Verlängerung der Ex- 
positionszeit erreicht. Es kann also für den Praktiker von der 
Anschaffung von Spezialapparaten, wie sie jetzt angepriesen 
werden, wenigstens für die Gynäkologietherapie abgesehen werden. 
Diese gestatten nur grössere Quantitäten Strahlen in kürzerer Zeit 
zu applizieren, und das auch nur mit besonderen Röhren, die 
selbst wieder zur Konstanterbaltung Mascbinenaggregate verlangen. 

Die Bedürfnisse des Klinikers, der tagtäglich stundenlang 
röntgenisiert, und des Praktikers, der im Jahre nur einige Fäll® 
zu behandeln bekommt, sind eben ganz verschieden. Während 
der Kliniker seine Patientin, besonders wenn sie von auswärts 
zugereist ist, in möglichst kurzer Zeit wieder entlassen möchte, 
genügt es für den Praktiker, die Patientin täglich zu bestrahlen. 


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23. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1841 


Die Zeit der Behandlung bis zum Eintreten der Menopause ist in 
beiden Fällen gleich. 

Wie die Grosafelderbestrablung den Bedürfnissen des Prak¬ 
tikers viel mehr entspricht, besonders wegen der Ersparnis an 
Röhrenmaterial — bei intensivem Gebrauch werden die Röhren 
schneller abgenützt und sind der Durchschlagsgefahr mehr aus¬ 
gesetzt — dürfte Ihnen folgende Zusammenstellungen, von der 
ich besonders betonen möchte, dass den nacherwähnten Autoren 
die Arbeiten von Krönig und Gauss bekannt waren und sie 
ebenso wie ich Vergleichsversuche machten. 

Albers Sohönberg, der mit seiner bekannten Blende bestrahlte, 
benötigte zum Erfolg 17 x im Minimum bei 4—6 Feldern, je nach 
Leibesumfang. 

Reiferscheid gibt von 8 Feldern aus 80 x alle 3 Wochen mit je 
3 mm Aluminiumfiitrierung, spätestens in 4 Monaten tritt Erfolg ein bei 
höchstens 430 x. Zu betonen ist, dass Reiferscheid bei den Fällen, 
die er anfangs ohne Filtrierung mit Grossfelderbestrahlung behandelt, 
140 x im Maximum benötigte, ein direkter Beweis für meine Behauptung, 
dass die Grossfelderbestrabluog die billigere ist. 

Kreuz fuchs braucht bei 6 Feldern jeden Tag eine Bestrahlung, 
dann 6 Tage bis 3 Wochen Pause bei 3 mm Aluminiumfiltrierung 
höchstens 360 x. 

Bordier erreicht bei 3 Bestrahlungsfeldern, je eines für die Ovarien 
und für die Mitte Amenorrhoe mit 80—90 x. 

Laquerriere arbeitet mit 2 vorderen und 2 seitlichen Feldern, 
Dietlen mit 4—6 Einfallpforten, Hänisch mit 2—3. Sie alle brauchen 
höchstens 120 x, um Amenorrhoe zu bewirken. Kästle-München be¬ 
strahlt, wie ich es von Anfang an machte, mit 3 vorderen Feldern und 
2 vom Rüoken, mit 14 cm Durchmesser haltenden Rohrblenden und 
bleibt dabei 26 cm mit dem Focus von der Haut entfernt. Erfolg bei 
120—300 x. Fast mit gleicher Zahl kann Beclaire Amenorrhoe er¬ 
zielen, obwohl er bei gleicher Bestrahlungsart nur 18 cm Focushaut¬ 
abstand einhält. Aber auch aus weiteren Arbeiten von Harr et-Paris, 
Dietrich-Mannheim, Hirsch - München, Dohan-Paris, Berdez- 
Lausanne geht hervor, dass bei Grossfelderbestrabluog, 5—8 Felder 
höshstens, stets ein Erfolg mit relativ geringen Mengen zu erreichen ist. 

Bei meinen hiesigen Patientinnen bleibe ich bei meiner bis¬ 
herigen Methode, 5 Einfallspforten Mitte über der Symphyse, 
rechte, linke Ovarialgegend, 2 Rückenbestrahlungen mit harter 
Röhre ohne Filterung. So erzielte ich z. B. bei einer 42jährigen 
mit wochenlanger Menorrhagie Stillstand der Blutung mit 2 Be¬ 
strahlungen von ungefähr einer Erythemdosis. Nach der gleichen 
Methode erhielt eine andere Patientin 21 Bestrahlungen von un¬ 
gefähr 5 x, also ungefähr 105 x. Die Blutung, die trotz Abrasio 
und kaustischer Behandlung weiter bestanden hatte, sind ver¬ 
schwunden. Mein hartnäckigster Fall von Metrorrhagie bei 
Nephritis brauchte ungefähr 220 x. 

Zur Erzielung des gleichen Effekts wären bei dem Kleinfelder¬ 
verfahren im ersteren Falle 200 x, im letzteren 1600 x ange¬ 
wandt worden, also 4—20 malige Ueberdosierung. Wenngleich 
daraas für die Patientin selbst kein Schaden entspringt, wird um 
dieses Quantum mehr die Röhre rascher abgenutzt, was ja für 
ein staatliches Institut, nicht aber für den Praktiker gleichgültig 
sein kann. Bei Auswärtigen benutze ich, aber ebenfalls nur mit 
fünf Einfallpforten, filtrierte Strahlen; um hiermit die gleiche 
Wirkung zu erzielen, ist »eine viermal so grosse Energiemenge 
nötig. Obwohl es nun möglich wäre, in einer Minute mit meinem 
Apexapparat 10 x unter 3 mm Aluminium zu applizieren, gebe 
ich diese lieber zur Röhrenschonung (Müller nach Radiologie¬ 
röhren) in 10 Minuten. Anders wird dies werden, wenn, wie zu 
hoffen, in kürzester Zeit der von Coolidge augezeigte neue 
Röhrentyp völlig durchkonstruiert herauskommt. Mit diesem, der 
die bisherige beste Röhre, die Amrheinröhre in Einfachheit der 
Bedienung übertrifft, kann man dann höchste Zeitersparnis er¬ 
zielen, was besonders, wie ich betonen möchte, weniger für die 
Gynäkologie als wie für die Carcinomtherapie wichtig ist. 

Auf die Entfernung der Röhre vom Ovarium kommt es bei 
der offenen und Grossfelderbestrahiung weniger an, wie die prak¬ 
tische Erfahrung und theoretische Berechnung ergibt. Die ver¬ 
schiedenen obenerwähnten Autoren, welche die verschiedensten 
Focushautabstände einhalten von 18 bis 30 cm, brauchten trotz¬ 
dem die gleiche x-Zahl zur Erzielung des Erfolges. 

Ist der Focushautabstand 15 cm im eineD, 18 cm im anderen 
Fall, so verhält sich die Intensität der in der Hautoberfläche auf- 
treffenden Strahlen zwar wie 2:3 (umgekehrt dem Quadrat der Ent¬ 
fernung), doch bei 18 bzw. 21 cm ist die Verhältniszahl 3:4, bei 35 
bzw. 38 cm nur noch 6 :7. Um also die gleiche Intensität zu erzielen, 
sind einmal 6, das zweite Mal 7 Minuten Bestrahlungszeiten notwendig. 
Nun ist in den meisten Fällen das Ovarium weiter als 15 cm von der 
Hant entfernt, so dass der Focushautabstand bei der Berechnung der 
Intensität kaum in Betracht gezogen zu werden braucht, zumal dabei 
die Absorption der Strahlen gar nicht berücksichtigt ist. 


Nehmen wir bei harten Strahlen nur 25 pCt. Absorption pro Zenti¬ 
meter Gewebe an, dann erhält der zweite Zentimeter 75pCt. der ur¬ 
sprünglichen Strahlen, der dritte wieder 25 pCt. weniger gleich 75, 
19 gleich 56pCt., der vierte Zentimeter 42 pCt., der fünfzehnte nur 
1,8 pCt. der ursprünglichen Intensität. Die Differenzen sind also bei 
über 15 cm so gering, dass die verschieden starke Radiosensibilität der 
Ovarien der verschiedenen Individuen, die wir aber nicht kennen, der 
bei weitem ausschlaggebende Moment für den Erfolg ist. 

Etwas anders liegen die Verhältnisse bei der Kleinfelder¬ 
bestrahlung. Hier muss der Focushautabstand möglichst klein 
gewählt werden, damit der Strahlenkegel in der Tiefe breit wird, 
und damit einigermaassen die Möglichkeit geschaffen wird, das 
Ovarium wenigstens von einigen Feldern aus sicher zu treffen. 
Dieses Resultat suchte Hans Meier dadurch zu erreichen, dass 
er mit einem Mechanismus die Röntgenröhre so um den Leib 
der Patientin wandern lässt, dass sie centriert zu den Ovarien 
läuft. Der Apparat ist aber sogar für den beschäftigteren 
Gynäkologen im Verhältnis zu den erzielbaren Resultaten zu teuer. 

Noch etwas möchte ich über die Menge der applizierten 
Röntgenstrablen sagen bzw. über die Anzahl x. Wie ich oben 
schon ausgeführt habe, hat die Bezeichnung nach x verschiedene 
Bedeutungen, je nachdem ich mit kleinen oder grossen Feldern 
bestrahle. 9—10 x, auf 9 qcm Fläche verteilt, ist nicht gleich 
einer Wirkung von 90 x. Dazu kommt noch etwas anderes: 
10 x sind wir Röntgenologen gewohnt, die Dosis zu nennen, 
welche bei einer mittelweichen Röhre einen solchen biologischen 
Effekt hat, dass ein leichtes Erythem entsteht und die Haut so 
verändert, dass, um Schädigungen zu vermeiden, erst wieder nach 
3 Wochen bestrahlt werden darf. Werden nun härtere Röhren 
benutzt oder gar mit Aluminium filtrierte Strahlen genommen, 
dann zeigt sich, dass die Haut bedeutend mehr Strahlen verträgt. 
Bei einer Röntgenröhre von 10 Wehnelt Härte liegt nach meiner 
Erfahrung die Erythemdosis bei 12 x. Wird diese Strahlung 
durch 1 mm Aluminium filtriert, dann können ohne Schaden für 
die Haut 16 x appliziert weiden, bei 2 mm Aluminium 20 x, bei 
3 mm Aluminium 30 x. 

Daraus geht hervor, dass der chemische Effekt der harten 
oder gaT mit Aluminium gehärteten Strahlen nicht mehr dem 
biologischen Effekt entspricht. Man muss also andere Bezeich¬ 
nungen wählen. Für mich mache ich die Notizen so: E = Erytbem- 
dosis, EA 1 bzw. EA 2, EA 3 mit 1 bzw. 2, 3 mm Aluminium 
filtriert. Ich eiche meine Röhren mit der S.-N.-Pastille, da die 
von der Gynäkologie zumeist verwendete Eichung mit Kienböck¬ 
streifen Resultate ergibt, die in der gleichen Hand bis zu 50 pCt. 
differieren. In dem einen Falle würden sich also bei 9 Feldern 
z. B. 90 x, im anderen Falle 130 ergeben, bei praktisch tat¬ 
sächlich gleichem Strahlenquantum. 

Aus den vorliegenden Ausführungen kann man demnach 
folgende Schlüsse ziehen: 

Die Röntgentherapie ist auch in der Gynäkologie in ihrer 
Verwendung nicht abweichend von der gewöhnlichen Röntgen¬ 
therapie. Sie erfordert aber, da die Strahlenwirkung in der Tiefe 
eintreten soll, besondere Vorsicht zur Schonong der Haut. 

Diese kann auf zwei Wegen erzielt werden, entweder dadurch, 
dass der Röntgentherapeut die Technik völlig beherrscht und so 
auch ohne Filterung der Strahlen jegliche Schädigung vermeidet, 
oder dass immer mit 3 mm Aluminium filtrierte Strahlen ver¬ 
wendet werden. Letzteres hat den Vorteil, dass die Behandlung 
dann mehr mechanisch vorgenommen werden kann. Am besten 
empfiehlt sich für den Praktiker die Grossfelderbestrahiung, 
5—6 Felder je nach Bauchumfang. Die Erythemdosis kann daun 
je nach Zeit und Geschmack des einzelnen, sowie je nach Stärke 
der Apparatur und Filterung appliziert werden. Spezialtypen 
sind zu dieser Behandlung nicht nötig, so dass der infolgedessen 
erheblich billigeren Behandlung auch die Minderbemittelten teil¬ 
haftig werden können. 


Heilung der Neuralgie und Neuritis durch 
Bakterientoxine. 

Von 

Prof. Dr. Döllken- Leipzig. 

(Schluss.) 

Immnni sie rungs Vorgänge. 

Bei allmählicher Steigerung der Dosen in Injektionsserien 
entsteht eine gewisse Immunisierung des Organismus gegen 
Vaccineurin, viel weniger rasch als auf Alttuberkulio, aber 


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1842 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


rascher als auf Staphylokokkentoxin. Der Immunisationsvorgang 
lässt sich für die Therapie gut benutzen, um Herd-, Lokal- und | 
Allgemeinreaktion ganz oder fast ganz auszuschalten. 

Die relative Immunität des Körpers gegen Vaccineurin J 
schwindet nach 6—8—10 Monaten wieder, so dass dann der 
Organismus auf kleine Dosen wie bei der ersten Injektion reagiert. 

Dass die relative Immunität gegen Vaccineurin schwer er¬ 
worben wird, ist sehr selten. Immerhin verfüge ich über einen 
Fall von Polyneuritis unbekannter Aetiologie, Mann 31 Jahre alt, 
der auf 8 Vaccineurininjektionen von V 10 ccm mit 3, 3, 3, 4, 5, 
7, 8, 6 Tagen Pause jedesmal mit einer Temperaturerhöhung auf 
38,2—38,6 °C reagierte. Andererseits weisen die Individuen mit 
der negativen Herdreaktion eine hohe Immunität gegen Vacci¬ 
neurin auf. Man kann bei ihnen sehr rasch auf Dosen von 1 / 6 
und V 3 ccm steigen, ohne eine deutlich nachweisbare Reaktion 
des Körpers (abgesehen von geringer Leukocytose) zu erhalten. 

5 von ihnen (4 Neuralgien, 1 Neuritis) zeigten dieselbe hohe 
Immunität gegen Staphylokokkentoxin, gegen Pyocyaneusautolysat 
und 2 daraufhin untersuchte Neuralgiefälle auch noch gegen 
Dysenterieautolysat. 

Damit ist noch nicht die negative Herdreaktion erklärt. 

Bei meinen Versuchen wird die Wirkung nicht spezifischer 
Substanzen aus Bakterienprodukten auf das Virus der Neuritis 
und Neuralgie und auf das Nervengewebe selbst ausgenutzt. Die 
Heilvorgänge fallen daher unter den Begriff der Resistenz- 
erhöhnng der Organe oder des Organismus. 

Zu einer positiven Herdreaktion kommt es, wenn das neuro- 
trope Virus der Neuralgie und Neuritis mit unspezifischen neuro- 
tropen Substanzen der Bakterienprodukte in Reaktion tritt. Die. 
meisten Neuritis- und Neuralgiegifte mögen mindestens in der Art 
ihrer Neurotropie (Verankerungsart, Ort der Antikörperbildung) 
eine Gruppe bilden. Die ganze Gruppe vermag in Reaktion mit 
einer grossen Gruppe neurotroper Stoffe aus den verschiedensten 
nicht verwandten Bakterienspezies zu treten. Die benutzten 
Bakterien erzeugen sicher quantitativ, wahrscheinlich auch quali¬ 
tativ, verschiedenartige neurotrope Stoffe. 

Die Bildung der wirksamen Antikörper wird nach der In¬ 
jektion zum Teil im Blut, zum Teil im Nervengewebe vor sich 
gehen. Findet im erkrankten Nervengewebe selbst eine lebhafte 
Antikörperbildung und Antikörperbindung statt, so mögen zuerst 
durch Quellung8- und Resorptionsvorgänge Schmerzen und nach 
Beendigung der Bindung Nachlassen der Schmerzen eintreten: 
Positive Herdreaktion. 

Eine positive Herdreaktion kann daher auch auf 
Einführung nicht spezifisch wirkender Vaccine und 
anderer Bakterienprodukte erfolgen. 

Nach der 3. bis 6. Injektion kommt es zu keiner Herdreaktion 
mehr, wenn immer die gleiche Dosis gegeben wird, wohl aber 
kann ich eine weitere Herdreaktion erzwingen, wenn die Dosis 
gesteigert wird. Etwa von der 12. bis 16. Injektion an verursacht 
auch die Steigerung meist keine Herdreaktion mehr. Damit habe 
ich ein Kriterium, dass die Kur beendet ist. Nun ist die 
Immunisierung des erkrankten Nervengewebes gegen das 
Vaccineurin vollendet. 

Diese Immunisierung schafft gleichzeitig eine so starke, 
Resistenzerhöhung des bestimmten Nerven gegen das Virus der 
Neuralgie und der Neuritis, dass sie einer Immunität gleich¬ 
kommt. 

Nun aber ist eine Immunität gegen das Vaccineurin nach 
einigen Monaten (die Immunität gegen Staphylokokkentoxin noch 
schneller) wieder geschwunden, dje Reaktionsfähigkeit des Körpers 
kehrt wieder. Es kann unter Umständen in dem erkrankt ge¬ 
wesenen Nerven dann wieder auf erneute Injektion einer nicht 
allzu kleinen Dosis eine leichte Herdreaktion auftreten, obwohl 
die Neuralgie oder Neuritis geheilt bleibt. 

Theorie der Resistenzerhöhung. 

Vielleicht kommt die folgende Erklärung für die Wirkung 
des Vaccineurin usw. den wirklichen Vorgängen einigermaassen 
näher: Eine Reihe von Noxen, die den menschlichen Organismus 
befallen, entwickeln in ihm bestimmte Neurotropine, welche 
Neuralgie oder Neuritis erzeugen. Anderseits gibt es eine 
Reihe von Bakterien, die in ihrer Kapsel oder in ihren Stoff¬ 
wechselprodukten Substanzen erzeugen, die im Körper des Men¬ 
schen eine energische neurotrope Wirkung entfalten. Der An¬ 
griffspunkt aller dieser neurotropen Stoffe muss in denselben 
Teilchen der Nervenfasern und des Nervengewebes liegen. 

Besteht eine Neuritis (Neuralgie), so sind ihre ätiologisch 


wirksamen neurotropen Substanzen im Nervengewebe sehr 
fest verankert und schädigen den Nerven dauernd (Reiz, De¬ 
generation). Die vom Gewebe selbst und im Serum gebildeten 
Antikörper vermögen die sehr feste krankmachende Bindung 
nicht zu sprengen, so dass sie unter Umständen Jahre lang be¬ 
stehen und Krankheitssymptome unterhalten kann, ohne dass 
etwa neugebildetes Gift in den Nerven zu gelangen braucht. 

Werden nun gewisse Neurotropine von Bakterien, die 
eine grössere Affinität zum Nervengewebe haben als das Virus 
der Neuritis, in den Säftestrom gebracht, so mag zunächst durch 
neue energische Antikörperbildung die ätiologisch wirksame Ver¬ 
bindung eventuell unter kräftiger Herdreaktion gesprengt werden. 
Nun vermag die neurotrope Substanz des Bakterienprodukts eine 
Bindung mit den gerade frei gewordenen Teilchen des Nerven¬ 
gewebes eiözugehen. Vermöge ihrer grösseren Affinität bleibt sie 
so fest gebunden, dass sie weder von vorhandenem, noch von 
neugebildetem Virus der Neuritis und Neuralgie wieder verdrängt 
werden kann. Die nun bestehende Verbindung schädigt den 
Nerven in keiner Weise, sie macht überhaupt keine klinische 
Erscheinung. 

Es gibt demnach eine Art der Resistenzerböhnng, die 
mindestens in der Hauptsache in einer Veränderung des Gewebes 
ihre Grundlage hat. Vielleicht lässt sich die Ehrlich’sche Lehre 
hier insoweit verwenden: 

Diejenigen Rezeptoren im Gewebe, welche der Aufnahme des 
Neuralgie- und Neuritistoxins allein dienen können, sind im vor¬ 
liegenden Fall ganz oder grösstenteils von den künstlich ein- 
verleibten Bakterienprodukten besetzt worden und mit ihnen so 
fest verankert, dass nun dem Neuritistoxin der Weg verlegt ist. 
Die Verbindung ist wenigstens Monate lang fest. 

Diese Form der Resistenzerhöhung würde durch eine 
lange dauernde Unfähigkeit des Nervengewebes bestimmte 
Gruppen schädigender neurotroper Stoffe aufzunehmen bedingt 
sein. Die Aufnahme Unfähigkeit ist verursacht durch die Be¬ 
setzung der ihnen allein offenen Rezeptoren (Angriffspunkte) im 
Nervengewebe durch unschädliche neurotrope Substanzen 
aus anderen Gruppen mit stärkerer Affinität. 

Das ist ein Weg, auf dem man sich die Resistenzerhöhnog 
des Nerven geschaffen denken kann. 

Nach mehr oder minder langer Zeit — Monate bis Jahre — 
scheint die Verbindung des Bakterienneurotropins von selbst 
gelockert und die körperfremde Substanz eliminiert zu werden. 
Der erkrankt gewesene Nerv wird wieder ein Locus minoris re- 
sistentiae, der mit Vaccineurin (s. o. Immunitätsvorgftnge) nsw., 
aber auch mit dem Virus der Neuralgie und Neuritis wieder 
Herdreaktionen gibt. Der letztere Fall würde ein Rezidiv be¬ 
deuten. 

Analog der beschriebenen Resistenzerböhung im Nerven ist wohl in 
den Versuchen von Pfeifer und Friedberger 1912 die Resistenz¬ 
erhöhung der Versuchstiere gegen Cholera zu setzen, wenn sie mit Typhös 
vorbehandelt waren und umgekehrt. 

Einen andern Mechanismus muss ich für die Fälle annebmen, 
in denen es zu einer negativen Herdreaktion kommt. Es 
handelt sich durchweg um schwere Fälle von Neuralgie und 
Neuritis, in denen der Organismus — das Nervengewebe — eine 
Immunität gegen das Virus der Neuralgie und Neuritis sehr schwer 
oder gar nicht erwirbt. Kurz dauernde Besserungen, dann wieder 
Verschlimmerungen oft durch Jahre hindurch. 

Da in den Fällen negativer Herdreaktion bereits eine Stunde 
nach der parenteralen Einverleibung des Mittels Nachlass oder 
Aufhören der Schmerzen eintritt, kann die Antikörperbildnng 
nicht bedeutungsvoll sein. Direkte Bindungen müssen überwiegen. 
Es kann sein, dass in manchen Fällen die Verankerung des 
Krankheitsvirus zwar eine relativ lose ist, dass aber die Anti¬ 
körperbildung allzu gering ist, als dass sie selbst eine minder 
feste Verankerung lösen könnte. Gelegentlich mag auch ein leb¬ 
hafter Nachschub des Neuralgietoxins stattfinden. 

Alle die Fälle (mehr als 40) zeichneten sich dadurch ans, 
dass eine relativ hohe Immunität gegen Vaccineurin wie Stapby- 
lokokkentoxin bestand, dass auch höhere Dosen ohne jede Reak¬ 
tion lokaler und allgemeiner Art ertragen wurden. 

Möglicherweise wird nur ein kleiner Teil des injizierten 
Stoffes zur Bildung von Antikörpern im Blut verwandt, die 
dann nach Stunden wirksam werden. Der grössere Teil könnte 
mit seiner neurotropen Gruppe direkt an die Nervensubstant 
gelangen und infolge seiner stärkern Neurotropie das Neurotropin 
des Neuralgievirus verdrängen und ersetzen. Nach einer Reine 
von Stunden würden auch die im Blut gebildeten Antikörper znr 


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23. November 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1843 


Bindung verwandt werden, während im erkrankten Nervengewebe 
selbst eine nennenswerte Antikörperbildung überhaupt nicht 
stattfindet. 

Auch die Art der Absättigung des Neuralgietoxins kann für 
den Mechanismus einer mehr direkten Bindung sprechen. Kleine 
Dosen bringen nur Besserung, grössere ein Aufhören der Schmerzen. 

Im Gegensatz dazu ist bei positiver Herdreaktion eine 
stärkere Steigerung der Menge des injizierten Bakterienprodukts 
eher schädlich als nützlich. 

Schliesslich erfolgt in den Fällen negativer Herdreaktion 
wahrscheinlich durch Mitwirkung der im Blut gebildeten spär¬ 
lichem Antikörper noch eine weitere künstliche Immunisierung 
des Nerven gegen das Bakterientoxin und gleichzeitig damit eine 
ResUtenzerhöhung gegen das Toxin der Neuralgie und Neuritis. 
In manchen Fällen hält die ResistenzerhöhuDg lange Zeit an 
(Fall Au), in einigen wenigen lässt sie wieder nach. 

Aufnahmekapazität. 

Die Absättigung eines erkrankten Nerven mit der wirksamen 
Bakteriensubstanz und damit der völlige Schutz gegen das Krank¬ 
heitsvirus der Neuritis und Neuralgie durch eine einzige oder 
zwei Injektionen ist mir niemals gelungen. Eine grosse Menge 
des Bakterienpräparates als Erstinjektion leistet therapeutisch 
nicht mehr als eine kleine. Der Nerv vermag in der Zeit¬ 
einheit nur eine bestimmte Menge des wirksamen Stoffes 
aufzunehmen. Der Ueberschuss wird im Körper unschädlich ge¬ 
macht. 

Die Zeiteinheit beträgt 36—48 Stunden für Vaccineurin und 
48—96 Stunden für Staphylokokkentoxin und hat wohl Beziehungen 
zur Opsoninbildung. 

Nach Ablauf der Zeiteinheit ist die Wirkung des Mittels er¬ 
ledigt, die Schmerzen kommen wieder uDd zwar so oft, bis die 
Resistenzerhöhung einen ziemlich hohen Grad erreicht hat. Es 
ist völlig zwecklos, mehr als die zureichende Dosis zu geben. 
Am leichtesten lässt sich das für die Fälle mit negativer Herd¬ 
reaktion erweisen. Wenn ich in einem derartigen Fall mit Vio ccm 
Aufhören der Schmerzen für 36 Stunden erzielt habe und 
gebe als nächste Dosis i ( 5 ccm, so sistieren die Schmerzen auch 
nur 36 Stunden und auf die dritte Injektion von Vio ccm 
wieder 36 Stunden. Es findet demnach keine nachträgliche 
irgendwie geartete Neutralisation neugebildeten oder wieder wir¬ 
kenden Neuralgiegiftes statt, auch wenn Bakterienstoffe in 
grossem Ueberfluss injiziert worden sind. — Vielleicht ferment¬ 
ähnliche Wirkungen? 

Ich habe mehrfach versucht, auch noch die Hyperleukocytose 
als verstärkendes Heilmittel heranzuziehen und heisse Bäder 
machen lassen oder noch Pyocyaneus-Autolysat injiziert. Ohne 
jeglichen nachweisbaren Erfolg. 

Behandlung der Neuralgie mit Vaccineurin. 

Von mehr als 200 behandelten Neuralgiefällen hat sich bis¬ 
her keiner als refraktär erwiesen. 

Neuralgien der Hysterischen und hysterische Schmerzen sind 
nicht in den Kreis meiner Untersuchungen gezogen worden. 

Unnötig ist es, bei der Vaccineurintherapie der Neuralgie 
den Körper zu einer energischen Reaktion auf das Mittel zu 
zwingen. Der Heilerfolg wird ebenso gut ohne das erreicht. Ich 
injiziere zuerst Vioo - Vso ccm in die Streckmuskulatur des Ober¬ 
arms. Entweder tritt nun nach 3—4 Stunden eine sehr geringe 
aber deutliche Vermehrung der Schmerzen für kurze Zeit in 
dem erkrankten Nerven auf: positive Herdreaktion. Oder weniger 
häufig lässt nach 1 Stunde der Schmerz in dem kranken Nerven 
nach, um nach 24—36 Stunden wieder zu kehren: negative Herd¬ 
reaktion. Lokal- und Allgemeinreaktion zeigt sich nicht. Nach 
2 Tagen wird die nächste Dosis von V 20 ccm in die Streckmusku- 
latur des andern Arms injiziert. Die Reaktion ist dieselbe 
wie bei der ersten Injektion. Die Temperatur geht am Abend 
des Injektionstages um 0,2—0,3° C. in die Höhe, ist aber am 
folgenden Morgen oder spätestens am folgenden Abend wieder 
völlig normal. Wieder nach 2 Tagen eine weitere Injektion von 
V20 ccm und so fort, bis sich keine Reaktion auf V20 ccm mehr 
einstellt. Dann wird die Dosis auf Vio ccm gesteigert. Es kommt 
wieder zu leichter Herdreaktion. Die Dosis l /io ccm wird so lange 
in 2 tägigen Abständen gegeben, bis keine Herdreaktion mehr er¬ 
folgt. Das pflegt nach 10—12 Injektionen der Fall zu sein. In¬ 
jiziere ich nun 1 / 6 ccm, so erhalte ich fast niemals mehr eine Herd¬ 
reaktion. Zeigt sie sich doch, so sind noch 3—4 Gaben von 
Vi ccm nötig. 


Ich bevorzuge zur Injektion die Streckmuskulatur des 
Oberarms, bringe aber die Kanüle möglichst nicht in den Muskel 
selbst, sondern in Gewebslücken. 

In praxi ist es möglich, fast schematisch zu verfahren. 
Drei Injektionen in der Woche. Erste Injektion V 100 oder 
Vso ccm, zweite Vso» dritte bis sechste je V 20 ccm, siebente bis 
zwölfte je Vio ccm. Sollte eine Dosis nicht gut vertragen werden, 
so gibt man das nächste Mal die Hälfte davon. Handelt es sieb 
um Neuralgie grosser Nervenstämme, wie Armplexus oder Ischia- 
dicus, macht man besser 15 Injektionen, die letzten 5 je Vs ccm. 

Von Nebenerscheinungen sind zu erwähnen etwas grössere 
Schlafmüdigkeit abends, oft eine gewisse Besserung des Appetits, 
meist geringe Erleichterunng der Darratätigkeit. 

Frische Erkältungsneuralgien heilen unter Vaccineurin meist 
schon nach 8—14 Tagen ab, auch wenn es sich um schwere 
Formen handelt. 11 Fälle behandelt, alle geheilt. Kein Recidiv. 

11. Frau Sch., 28 Jahre alt. Nach einem Schnupfen Anfang JaDuar 
Sohmerzen in der rechten Kopfhälfte anfallsweise jeden Morgen 9 bis 
12 Uhr. Die zuckenden, stechenden Schmerzen sind so heftig, dass die 
letzten 4 Attacken jedesmal einen Ohnmachtsanfall herbeigelührt haben. 
Ausserdem dumpfer Schmerz im ganzen Kopf. Unfähig zu jeder Arbeit. 
Antipyretica ohne Erfolg, Morphium hat die Anfälle nicht unterdrücken 
können. Schlaf unruhig. Appetit gering. 

22. I. Stirnhöhlen frei, rechte Conjunctiva leicht gerötet. Nervus 
frontalis und Nervus supraorbitalis rechts sind sehr stark druckempfind¬ 
lich. Abends Vaccineurin V20 ccm intramuskulär. Morphium ausgesetzt. 
Nach 3 /i Stunden Aufhören der Schmerzen. 

23. I. Neuralgieattacke viel weniger heftig und weniger lange. 

24. I. Attacke etwas stärker als am Tage vorher. Vaccineurin 
Vio ccm. Schmerzen hören auf nach 1 Stunde. 

25. 1. Attacke unbedeutend, höchstens 10 Minuten lang. Ist 
wieder in ihrer Wirtschaft tätig. Der dumpfe Kopfschmerz besteht un¬ 
vermindert fort. 

26. I. Sehr geringer neuralgischer Anfall von 20—25 Min. Dauer. 
Vaccineurin Vio ccm. 

27. I. Keine Attacke. 

Die neuralgischen Anfälle sistieren und kehren nicht wieder. Es 
wurden noch drei weitere Injektionen je Vio ccm gemacht. Der dumpfe 
Kopfschmerz verschwand völlig am 30. I. 

12. Au., Tischler, 42 Jahre alt. Seit 10 Jahren sehr schwere 
rechtsseitige Trigeminusneuralgie im zweiten Ast. Arbeitsfähigkeit sehr 
gering, beständig unerträgliche Schmerzen. Vor zwei Jahren N. infra- 
orbitalis rechts operativ herausgedreht. Nach einigen Wochen wieder 
schwere neuralgische Anfälle. Medikamente, Elektrizität ohne Erfolg. 
1912 N. infraorbitalis bis zum Ganglion Gasseri operativ entfernt. Nach 
3 Monaten wieder heftige neuralgische Attacken, die ihn arbeitsunfähig 
machen. 

Vom 5. VII. 1913 an 12 Vaccineurininjektionen je Vio ccm. Nega¬ 
tive Herdreaktion. Die Schmerzen lassen erheblich nach, verschwinden 
aber nicht völlig. 

Im September 1913 14 Tage lang massig schwere neuralgische Anfälle. 

Vom l. 10. ab Vaccineurin 3mal l / 10 ccm, dann 17 Injektionen je 
V 5 ccm, Schmerzen geschwunden. Bis jetzt kein Recidiv. 

13. T., 27 Jahre alt, Kaufmann. Seit 4 Monaten Occipitalneuralgie, 
intermittierende Schmerzen. Schwere Attacken von 9—2 Uhr nachts. 
Antineuralgica haben geringen Augenblickserfolg. 

16. II. 1913. Nervi occipitalis minor, major, subcutaneus colli, 
auricularis magnus links sehr stark druckempfindlich. Vaccineurin 
2 tägig Vso» V 20 ccm, 10 mal je Vio ccm. Jedesmal 3 Stunden nach der 
Injektion starke Schmerzen im Bereich der befallenen Nerven, die 
nicht neuralgischen Charakter haben, etwa 4 Stunden dauern und 
langsam abklingen. Nach der ersten Injektion abendliche Attacke ge¬ 
ringer, nach der zweiten V 20 ccm wieder stärker, nach der dritten 
Vio ccm sehr gering, dann anfallfrei; Die positive Herdreaktion bleibt 
bis zur sechsten Injektion, dumpfes anhaltendes Ziehen im befallenen 
Gebiet bis zur zehnten Injektion. Kein Recidiv. 

Eine rasche günstige Einwirkung hat das Vaccineurin auf die sehr 
hartnäckigen subcutanen und chronischen Intercostalneuralgien, die zu¬ 
weilen Monate oder Jahre lang jedem Eingriff getrotzt haben. 5 Fälle 
behandelt, 4 mal Heilung, 1 mal Besserung. Die echte Intercostalneuralgie 
ist selten, relativ häufig durch Herpes zoster erzeugt. 

14. P., 29 Jahre alt. Im Seebade 1912 Schmerzen in der rechten 
Seite, die sehr quälend sind, die Arbeit und den Schlaf stören. An¬ 
strengungen und stärkere Bewegungen verschlimmern die Schmerzen. 
Ist viel mit Medikamenten, Elektrizität, Bestrahlung usw. ohne Erfolg 
behandelt worden. 

21. I. 1913. Schmerzen werden in der Gegend der 7. rechten Rippe 
angegeben, strahlen in die ganze Brust und in die rechte Schulterblatt¬ 
gegend aus. Der 7. rechte Intercostalnerv ist sehr empfindlich. Starker 
Druck auf den Nerven löste einen neuralgischen Anfall aus. 

Vaccineurin V 20 ccm intramuskulär. Ziemlich lebhafte positive Herd¬ 
reaktion, Schmerzen in der Seite nach 4 Stunden bis zum Schlafen¬ 
gehen. 

22. I. Sohmerzen haben nachgelassen. 

23. I. Injektion Vaocineurin Vioccm. Nach 3—4 Stunden ver- 


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1844_ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. - _ Nr. 47. 


stärkte Schmerzen in der Seite, am nächsten Tag werden Schmerzen 
kaum noch empfunden. Von der dritten Injektion Vaccineurin Vio ccm 
geringe Herdreaktion. Dann bleiben die Seitenschmerzen geschwunden 
und treten nicht wieder auf. 

Es werden im ganzen 10 Injektionen gemacht. Die Druckempfind- 
lichkeit des 7. N. intercostalis ist zum Schluss der Kur fast geschwunden, 
völlig aber erst drei Wochen später. — Kein Reoidiv. 

15. Frau L., 55 Jahre alt. Hat früher schon 3 mal an linksseitiger 
Ischias gelitten. 

25. III. 1913. Seit 8 Tagen wieder heftige Schmerzen ira linken 
Bein längs des ganzen Hüftnerven. Schlaf gestört durch die Unmöglich¬ 
keit, das Bein zweckmässig zu lagern. Gehen sehr erschwert. 

N. ischiadicus, popliteus, peroneus, oruralis links sehr empfindlich. 
Lascgue’sches Zeichen positiv. Mit 12 Injektionen Vaccineurin Vbo bis 
Vs ccm Heilung in 4 Wochen. 

16. Schi., Former, 32 Jahre alt. Manifeste Lungentuberkulose. 
Seit einem Jahr neuralgische Schmerzen im linken Nervus ischiadicus, 
die ihn mehrfach zum Aussetzen der Arbeit für Tage und Wochen ge¬ 
zwungen haben. Bäder, Medikamente haben geringe Wirkung. 

November 1913 Tuberkulin in kleinen Dosen. Rasche Besserung 
der Ischias. 

Januar 1914 wieder heftige Schmerzen im Ischiadicus. Husten und 
Auswurf vermehrt. Bronchialdrüsen und tiefe Lungendrüsen stark ge¬ 
schwollen. Schatten über beiden Spitzen bis zur dritten Rippe. Vacci¬ 
neurin Vbo. 3 mal V 20 . 12 mal Vio ccm. Positive Herdreaktion im 
Ischiadicus. Keine besonderen Erscheinungen von seiten der Lungen. 
Die abendliche Temperatur anfangs bis 38,3° C. wie vorher, in der 
letzten Kurwoche und später meist unter 37,2° C. 

Ischias nach 5 Injektionen geschwunden. Nach Beendigung der 
Kur Bronchialdrüsen deutlich verkleinert. 

Sekundäre Neuralgie. 

17. Frau P., 66 Jahre alt. Arthritis deformaos. Arm-, Hand-, 
Finger-, Knie-, Fuss-, Zehengelenke schwer befallen. Seit \ l j 2 Jahren 
nicht mehr ausgegangen, weil das Gehen die Schmerzen unerträglich 
steigerte. Spontane intermittierende Schmerzattacken täglich gegen 
Abend besonders im Gebiet des N. cruralis und popliteus beiderseits. 
Oktober 1912 Vaccineurin Vbo. V 20 » 10 mal V 10 ccm drei Injektionen in 
der Woche. Negative Herdreaktion. Nach der dritten Injektion konnte 
Pat. bis zur Strassenbahn gehen, nach der sechsten Injektion machte 
sie einen zweistündigen Spaziergang, der ihr für einen Tag Knieschmerzen, 
sonst keine Schädigung eintrug. Recidivfrei. 

18. D., 29 Jahre alt, Landwirt Chronischer Rheumatismus, Schwellung 
beider Kniegelenke. Heftige neuralgische Attacken in den Beinen täglich 
um die Mittagszeit. Nervi poplitei und peronei sehr empfindlich. Sep- 
ember 1912 Vaccineurin Vbo. V 20 . lOmal J /io ccm. Positive Herdreaktion. 
Die neuralgischen Schmerzen nach 5 Injektionen geschwunden. Recidiv 
Juni 1914. 

19. Schn., 43 Jahre alt. Bursitis chronica des rechten Schultergelenks. 
Dauernde Schmerzen im rechten Arm bis zum Ellbogen, die jede Be¬ 
wegung hemmen. Plexus brachialis. Nervi radialis, medianus und ulnaris 
sehr empfindlich. Keine Sensibilitätsstörung der Haut, keine Atrophie. 

8. 111. 1914: Injektionen Vaccineurin 3 mal Vjo. 12 mal Vio ccm. 
Starke positive Herdreaktion bis zur 8. Injektion. Von der 6. Injektion 
an neuralgische Schmerzen und Druckpunkte geschwunden. Kein Recidiv. 

Neuritis. 

Sinnfälliger und charakteristischer als die Heilung einer 
Neuralgie muss die rasche, durch wirksame Mittel geförderte 
Heilung einer Neuritis verlaufen. Sind motorische oder ge¬ 
mischte Nerven erkrankt, so lässt sich die Wiederherstellung 
der Funktionen in geeigneten Fällen Schritt für Schritt 
verfolgen. 

Die auffallendste Feststellung, die ich durch meine Studien 
machen konnte, ist, dass zahlreiche Lähmungen, die als Aus¬ 
fallserscheinungen durch Jahre imponiert hatten, doch nur auf 
Reizerscheinungen und nicht auf Degeneration des Nerven 
zurückzufübren waren, da sie auf das geeignete Mittel nach 
wenigen Tagen geschwunden sind. Fast immer wohl jedoch ist 
ein Teil der Nervenfasern degeneriert, eine vollständige Resti¬ 
tutio ad integrum ist in älteren Fällen selten. Der Satz gilt auch 
für Lähmungen motorischer Nerven, bei denen die zugehörigen 
Muskeln seit Jahren Entartungsreaktion zeigen. Der Grund dafür 
ist in einem überaus langsamen Nervenstoffwechsel zu suchen. 
Mindestens ist der Stoffwechsel insofern enorm langsam, als das 
einmal aufgenommene Virus unter Umständen jahrelang fest¬ 
gehalten wird und ununterbrochen dieselbe Störung macht: 
Hypofunktion Schmerzen. Dabei hat es sehr stark den An¬ 
schein, dass die so hartnäckig gleichartigen Krankbeitssymptome, 
die nicht oder nur zum kleinsten'Teil Ausfallserscheinungen sind, 
um so länger andauern und sich ohne therapeutische Nachhilfe 
um so schwerer ausgleicben, je weiter distal der Angriffspunkt 
des Virus im Nerven gelegen ist. Auf der anderen Seite ver¬ 


sprechen gerade distal gelegene Krankheitsherde für die Therapie 
durchweg grösseren Erfolg. 

Die Neurotropine der Bakterienprodukte müssen an 
derselben Stelle des Nerven angreifen, dieselbe Verankerung 
erfahren wie die ätiologisch wirkenden Substanzen. Denn 
fast stets ist am 1.—2. Tage ein therapeutischer Erfolg nach¬ 
weisbar, auch wenn minimale Mengen des Bakteriengiftes einver¬ 
leibt werden. 

Sind die zugehörigen Muskeln atropbiert, so erfolgt auch 
nach Jahren mehr oder minder völlige Regeneration, wenn nicht 
komplette Entartungsreaktion vorlag. Allerdings nimmt die Wieder¬ 
herstellung des Muskels geraume Zeit in Anspruch, oft Monate, 
und ist in älteren Fällen meist nicht vollständig, da wohl immer 
ein Teil der Nervenfasern degeneriert ist. 

Für die Vaccineurintberapie wie überhaupt für die ganze 
Gruppe der zugehörigen therapeutischen Neurotropine ist die 
Aetiologie der Neuritis anscheinend von ganz untergeord¬ 
neter Bedeutung. Ob die Neuritis durch Intoxikation, Infektion, 
Trauma, Aufbrauch (Berufsneuritis) hervorgebracht worden ist, 
die Wirkung des Vaccineurin ist dieselbe. Nur für die Schnellig¬ 
keit des Erfolges, demnach für Nachschub von Krankheitsvirns 
und für die Festigkeit der Bindung im Nerven, lassen sich Unter¬ 
schiede finden. 

Am raschesten zugängig sind manche infektiöse Neuritiden, 
dann die traumatische Neuritis, welche aber oft die böse Schatten¬ 
seite zahlreicher irreparabler Nervendegenerationen bat. Mehr 
Widerstand leistet schon die Berufsneuritis und am meisten die 
Neuritis alcoholica. 

Einen Unterschied in den Heilungsvorgängen eines rein 
motorischen oder eines gemischten Nerven anf die Behandlung 
habe ich bisher nicht gesehen. 

Das Schwinden der Schmerzen und der nachweisbare 
Beginn der Wiederkehr der Funktion zeigen sich gleichzeitig 
und sehr bald nach Beginn der Kur. Der völlige Wiederersatz 
der Leistungsfähigkeit, soweit sie überhaupt möglich ist, bean¬ 
sprucht längere Zeit. Die Regeneration der Muskeln wird man 
nach der Injektionskur noch mit Faradisation, Galvanisation, 
passiven Bewegungen, Koordinationsübungen und sehr vor¬ 
sichtiger Massage unterstützen. 

Die Neuritis eines sensiblen Nerven zeigt auf Injektion von 
Vaccineurin positive oder negative Herdreaktion. 

Behandelt habe ich nach meiner Methode 51 Fälle 1 ), aus¬ 
nahmslos mit gutem Erfolg, wenn auch sehr viele mit Defekt 
geheilt sind. 

Davon waren verursacht durch Trauma 7, Infektion 9, Stoff¬ 
wechselerkrankung B, Intoxikation 8, Beruf 8, unbekannte Aetio¬ 
logie, „Erkältung“ usw. 14 Fälle. 

Neuritiden rein motorischer oder fast rein motorischer 
Nerven waren darunter 4 Fälle (dazu noch Fall We., Kranken¬ 
geschichte Nr. 7). 

Die Behandlungstechnik ist genau dieselbe, wie ich sie oben 
für die Neuralgie angegeben habe. 

20. F., 40 Jahre alt. Neuritis nervi supraorbitalis sinistri nach 
Durchschneiduog des Nerven vor 7 Monaten. Hypästhesie der linken 
Stirnbälfte. Heftige Schmerzen im erkrankten Gebiet. Vaccineurin 
Vbo» V20. 3 mal Vio ccm zweitägig. Positive Herdreaktion. Nach der 
zweiten Injektion Nachlass, nach der dritten Schwinden der Schmerzen, 
nach der vierten Sensibilität in beiden Stirnhälften gleich. 

21. Frau Sch., 35 Jahre alt. Schwere Erb’sche Plexuslähmung(Narkose) 
vor 7 Wochen. Ist bisher täglich elektrisiert und massiert worden. 
Ohne jeden Erfolg. Sensibilität intakt. Kann die Finger unvollkommen, 
den Daumen nur sehr wenig beugen. Jede Streckung der Hand, der 
Finger, des Daumens unmöglich. Am Tage nach der ersten Vacci- 
neurininjektion Vbo ccm kann das Endglied des Mittelfingers 
werden, nach der dritten Injektion V 20 ccm * ir< I ^ er D aumen ^ 
gebeugt und gestreckt, das Endglied des Zeigefingers gestreckt. Ist 
noch in Behandlung. 

22. H., 27 Jahre alt. Abducenslähmung rechts seit 3 Wochen, 
nach Influenza (?). Galvanisation seit der Zeit ohne nachweisbaren Er¬ 
folg. Nach 5 Injektionen Vaccineurin V 10 ccm Doppelbilder dauern 
geschwunden. Erhält noch weiter 5 Injektionen je V, 0 ccm. 

23. Frl. Th., 26 Jahre alt. Neuritis nervi axillaris dextri nach 
Angina und daran sich anschliessender längerer fieberhafter Krankte! 
vor IV 2 Jahr. Hebung des rechten Armes erschwert. Atrophie 
rechten Deltamuskels, partielle Entartungsreaktion. Keine Sensibuita 
Störung. 6 Injektionen je V 20 » 3 je Vto ccm Vaccineurin. Gegen 

1) Gänzlich ausser Ansatz geblieben sind hier die Neuritiden sj|hi 
litischen Ursprungs, die ich in einem anderen Zusammenhang behan e 
werde. 


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23. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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der Kur kam der Arm gut gehoben werden. Nach einigen Monaten 
(Massage, Galvanisation) kein Unterschied im Volumen des rechten und 
linken Deltamuskels. 

24. Frau R., 36 Jahre alt. Seit 4 Jahren Schmerzen, Taubheit, 
Kribbeln in Arm und Hand rechts. Extremität schwach. Muss seit 

2 Jahren, links schreiben. Zahlreiche vergebliche* Kuren. Sensibilität 
der rechten oberen Extremität für alle Qualitäten herabgesetzt, stärker 
im Gebiet des N. medianus und N. ulnaris. Am rechten Unterarm der 
grösste Umfang rechts l 1 /» cm weniger als links. Keine Entartungsreaktion. 
Die Nervenstämme am Arm sehr druckempfindlich. 

Nach 3 Injektionen Vaccineurin je Vio ccm mit positiver Herd¬ 
reaktion sind die Parästhesien, nach 5 Injektionen die Schmerzen ge¬ 
schwunden. Nach 10 Injektionen wird die rechte Extremität wieder 
ohne Beschwerden zum Schreiben gebraucht. Die Heilung hält jetzt 
IVa Jahre an. 

25. L., 32 Jahre alt, Schmied. Neuritis nervi radialis dextri 
(Beschäftigungsneuritis). Seit 2 x /a Jahren Schmerzen und Schwäche im 
rechten Arm. Hat oft längere Zeit die Arbeit aussetzen müssen. 
Oktober 1912 Unfähigkeit zu arbeiten, Schmerzen, Schwäche. Sensi¬ 
bilität im rechten Arm wenig herabgesetzt. Atrophie des rechten 
Musculus deltoides mit partieller Entartungsreaktion. Streckbewegungen, 
Heben des Armes ersehwert. Galvanisation, Dampfbäder, Chinin, Massage 

3 Monate lang ohne Erfolg. Vom 16.1. 1913 ab Vaccineurin V20» 4 mal 
Vio» 3 mal Vs ccm. Negative Herdreaktion. Nach 3 Injektionen schmerz¬ 
frei, nach 8 Injektionen Bewegungen nicht mehr erschwert, Sensibilität 
normal. Beginnt zu arbeiten, arbeitet bis jetzt ohne Beschwerden als 
Schmied. Muskelatrophie ohne weitere Behandlung nach 2 Monaten ge¬ 
hoben. 

26. Se., 50 Jahre alt, Tischler. Polyneuritis alcoholica. Krank 

seit 1 Jahr. Lange Krankenhausbehandlung. Fall ist seit 4 Monaten 

stationär. Heftige Schmerzen in den Beinen, besonders beim Gehen und 
Bücken. Geringe Muskelatrophie im Peroneusgebiet beiderseits. Enorme 
Ueberempfindlichkeit der Nerven der unteren Extremität. 

Schmerzfrei nach 12 Injektionen Vaccineurin V 20 ccm, 6 mal Vio ccm, 
5 mal Vs ccm ab 15. I. 1913. Bleibt schmerzfrei. Beginnt zu arbeiten. 
Die Schwäche in den Beinen ist nicht ganz gehoben. Die aufgehobenen 
Patellarreflexe sind wiedergekehrt. Die geringe Muskelatrophie ist unter 
Massage nach 4—5 Monaten gehoben. 

27. M., 48 Jahre alt, Kaufmann. Polyneuritis alcoholica seit zwei 

Jahren. Heftige Schmerzen in den Beinen, enorme Empfindlichkeit der 

Nervenstämme. Stärkere Atrophie der Muskulatur beider Unterschenkel. 
Nach 8 Injektionen Vaccineurin 4 mal Vio» 4 mal Vs ccm bei 5 maliger 
sehr starker positiver Herdreaktion schmerzfrei. Trinkt aus Freude 
darüber S Tage lang grosse Quantitäten Schnaps. Recidiv und andere 
Erscheinungen, welche Krankeobausbehandlung nötig machen. 

In einer Reibe von Fällen von Neuritis ischiadica ver¬ 
schiedener Aetiologie mit mehr oder minder starker Muskelatrophie 
gelang es stets, durch Vaccineurin die Schmerzen zu beseitigen 
und die Atrophie zu bessern, nicht aber immer die Muskulatur 
völlig zur Norm zurückzuführen, auch nicht, wenn nach der In¬ 
jektionskur noch Badekuren, Massage, Elektrizität mit Ausdauer 
angewandt wurden. 

28. Sch., 67 Jahre alt, Fabrikbesitzer. Neuritis diabetica nerv 1 
ischiadici sinistri. Heftige Schmerzen im linken Bein. Gehfähigkeit sehr 
erschwert. Gehen ohne Stock unmöglich. Besteht seit 8 Monaten. Dia¬ 
betes 1—2 pCt. Zucker. Patellarreflex, Achillesreflex links erlosohen, 
rechts normal. Sensibilität der Haut und tieferen Teile stark herab¬ 
gesetzt. Alle Bewegungen der linken unteren Extremität erschwert. 
Muskulatur des linken Beins im ganzen beträchtlich dünner als die des 
rechten. Partielle Entartungsreaktion. N. ischiadicus, popliteus, peroneus 
links ziemlich empfindlich auf Druck. Ist mit grösseren Dosen Vacci- 
neurin behandelt worden. 

20. X. 1912. Vaccineurin */io com. Ziemlich lebhafte Allgemein¬ 
reaktion, stärkere Schmerzen im Bein bis zum nächsten Tag. 

23. X. Vaccineurin Vs ccm. Abends matt, schlaflos, viel stärkere 
Schmerzen im Bein. Temperatur 38,8° C. Am nächsten Vormittag Ver¬ 
schlimmerung, nachmittags erhebliche Besserung der Schmerzen. 

25.X. Vaccineurin l j 6 wm. Abends 87,9° C. Mattigkeit, nachts 
ohne Schlaf. Schmerzen im Bein erst schlimmer, lassen dann bedeutend 
nach. 

28. X. Vaccineurin Vs 00 m. Abends Temperatur 37,8° C. Positive 
Herdreaktion weniger stark. Am nächsten Tag ist die Gehfähigkeit deut¬ 
lich besser; die Schmerzen sind gering. 

30. X. Vaccineurin Vs ccm. Temperatur 37,5° C. 

2. XI. Vaccineurin */s ccm. Temperatur 38° C. Immer noch 
deutliche positive Herdreaktion. Die Tastempfindung des Beines bessert 
sich. Gehen im Zimmer ist ohne Stock möglich. Schmerzen geschwunden. 
Unter weiteren 6 Injektionen Vaccineurin, Vs ° cm * wird die Sensibilität 
des Beines normal, die Schmerzen sind nicht wiedergekehrt. Patient 
kann auf der Strasse gut gehen, auch ohne Stock Treppen steigen. Mus¬ 
kulatur des Beines noch schwächer als rechts. Behandlung mit Massage. 

29. K., 53 Jahre alt, Schlosser. Neuritis ulnaris. Im 14. Jahre 
Scharlach und schwere Eiterung an den EUbogeD. Inzisionen. Ell¬ 
bogengelenke sind deformiert, konnten nie völlig gestreckt werden. 
34 Jahre später, 1908, Schmerzen im Ulnarisgebiet beiderseits. 1911 


„Schrumpfen“ der Hände. 1912 Operation, um die Ulnarnerven aus ihren 
Verwachsungen zu befreien und besser zu lagern. Dadurch ist wohl 
eine weitere Schädigung der Nerven erzeugt worden, obwohl sie duroh 
die Operation selbst nicht gelitten haben können. Ist nur noch sehr be¬ 
schränkt imstande zu arbeiten. Weihnachten 1912 Hände und Arm 
schlechter beweglich; lässt alles fallen; arbeitsunfähig. 

17. III. 1913. Sehr heftige Schmerzen in den Armen, völlig schlaf¬ 
los. Sehr blass, abgemagert. Die Interossei beider Hände, der Adductor 
beider Daumen, beide Kleinfingerballen atrophisch. Entartungsreaktion. 
Krallenstellung der Finger. Ulnarisgebiet beiderseits bypästhetiscb, an 
den Händen anästhetisch. Nervi ulnares beiderseits sehr stark druck¬ 
empfindlich. Beweglichkeit der Finger hochgradig beschränkt. 

15 Injektionen Vaccineurin von je Vio ccm, drei in der Woohe. 
Negative Herdreaktion. 

25. 111. Fast schmerzfrei. 

8. IV. Schmerzfrei. Beide Mittelfinger im ulnaren Teil und Unter¬ 
arm normale Tast- und Sohmerzempfindung. Die 4. Finger empfinden 
stärkere Berührung. Beweglichkeit der Finger wird besser. N. ulnares 
nicht mebr druckempfindlich. 

17. IV. An beiden 5. Fingern werden stärkere Berührungen emp¬ 
funden. Sonst im ganzen Gebiet des N. ulnaris beiderseits Empfindung 
für Berührung, Schmerz, Temperatur nur wenig herabgesetzt, an den 
Armen normal. Beweglichkeit der Hände und FiDger gut. Krallen¬ 
stellung fast geschwunden. Ist nicht mehr zu halten, geht seit zwei 
Jahren zum erstenmal wieder in das Ausland auf Montage. 

Nach 2 Monaten sind die M. interossei nur nooh wenig atrophisch, 
regenerieren sich dann aber nicht weiter. Hand- und Fingerstellung fast 
normal. Die Adductoren der Daumen bleiben stark atrophiert, 

Juli 1914. Pat. hat bisher normal gearbeitet und verdient. Hei¬ 
lung hält an. 

Auch die hier vorliegenden Untersuchungen haben mir ge¬ 
zeigt, dass die Grenzen der Vaccinetherapie gut erweiterungsfähig 
sind. Nicht nur die spezifischen Kräfte der Bakterienprodnkte, 
sondern ebenso die Ausnutzung nicht spezifisch wirkender Sub¬ 
stanzen, die in ihnen enthalten sind, können wertvolle wissen¬ 
schaftliche und tberapentiscbe Resultate geben. Vorläufig stehen 
wir erst in den Anfängen der Forschung auf dem Gebiet. 
Jedenfalls aber haben wir im Vaccineurin und in einigen verwandten 
Produkten gute und recht zuverlässige Mittel zur wirksamen Be¬ 
kämpfung der Neuralgie uod der Neuritis. 


Bücherbesprechungen. 

D. 0. Knthy-Budapest und A. Wolff-Eisner-Berlin: Die Prognoseo- 
gtellnng bei der Lungentuberkulose. Mit eingehender Berück¬ 
sichtigung der physikalischen und serologischen Befunde und der 
therapeutischen Prognostik. Mit 21 Textabbildungen. Berlin- 
Wien 1914, Verlag von Urban & Schwarzenberg. 572 S. Preis 
geh. 18 M. 

Die beiden Verf. haben sich zur Aufgabe gemacht, eine zusammen¬ 
fassende Darstellung von einem der schwierigsten Probleme der inneren 
Medizin, der Prognostik der Lungentuberkulose, zu geben. Bis 
in jüngster Zeit batte dieses Kapitel eine stiefmütterliche Behandlung 
erfahren, wohl in der Erkenntnis der grossen Schwierigkeiten, die dieses 
Problem in der Lungentuberkulose bietet; selbst in grösseren Werken 
der Tuberkulose wurde es trotz seiner grossen Wiohtigkeit weniger aus¬ 
reichend behandelt. Um so verdienstvoller erscheint das vorliegende 
vortreffliche Werk, das diese sehr delikate Frage eingehend behandelt 
und so eine bisher oft empfundene Lücke in günstigster Weise ausfüllt. 
Vor allem zeichnet dieses Buch eine eingehende, ins Detail ausgeführte 
und erläuternde Darstellung aus, die in meisterhafter Weise die aus den 
zahlreichen diagnostischen Untersuchungsmethoden und deren verfeinerten 
Technik sich ergebenden Stützpunkte für die Prognostik der Tuberkulose 
in mehreren Kapiteln, trotz der Reichhaltigkeit des Stoffes in knapper 
Fassung, behandelt und die sich auf eine vorzügliche Belesenheit und 
eine grosse Summe eigener Erfahrungen beider Autoren stützt. Mit 
grossem Fleisse sind aus der reichhaltigen Tuberkuloseliteratur die ein¬ 
schlägigen Arbeiten und Sätze ausgewählt worden, um bei der Auf¬ 
stellung der prognostischen Stützpunkte beweisbringend eingereiht zu 
werden. Nach einleitenden Kapiteln über die Bedeutung einer möglichst 
genauen Prognosenstellung, über Wesen und Gesichtspunkte der Prognose 
und die allgemeinen Schwierigkeiten der Prognosenstellung, werden die 
besonderen Schwierigkeiten der Prognostik bei Lungentuberkulose er¬ 
läutert. Sodann folgen sehr interessante Kapitel, in denen der Aufbau 
der Stützpunkte zur Prognosenstellung beginnt mit Einteilungsversuchen 
der Lungentuberkulose in Typen — ätiologische, pathologisch-anatomische, 
klinische — und der allgemeinen und besonderen Krankheitsprognose be¬ 
züglich dieser einzelnen Formen. Nach einer Besprechung der allge¬ 
meinen Krankheitsprognose der Lungenschwindsucht werden in erschöpfen¬ 
der Weise die Stützpunkte der Prognostik des einzelnen Krankheitsfalles 
bei Lungentuberkulose behandelt. In wichtigen Kapiteln ist dann dar¬ 
gelegt, welche Bedeutung in prognostischer Hinsioht den anamnestisohen 
Dates, dem Status praesens, dem pbysikalisohen Befund, der Röntgen- 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1840 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


Untersuchung, der Lokalisation des Krankheitsprozesses und seiner Aus¬ 
breitung, den Erscheinungen der Girculationsorgane usw., sowie den 
serologischen Befunden und der Wirkung therapeutischer Eingriffe (Tuber¬ 
kulintherapie, Serumtherapie, physikalisch-diätetischer Therapie, künst¬ 
licher Pneumothorax, Chemotherapie und sonstiger Behandlung) zukommt. 
Durch die Wertschätzung dieser gewinnbaren Daten erfährt die Vorher¬ 
sage in dieser unheilvollen wechselreichen Krankheit eine präzisere 
Fassung. Han findet reichhaltigen Aufschluss aller diesbezüglichen Fragen 
und kann lernen, wie bei genügender Beachtung und Bewertung der uns 
auf dem gewiesenem Weg gewinnbaren Stützpunkte die Prognostik 
festeren Fuss fasst, und dass der Arzt auf Grund des heute schon vor¬ 
liegenden klinischen und wissenschaftlichen Materials in der Lage ist, 
bei der Lungentuberkulose eine Prognosenstellung zu ermöglichen, und 
der Beantwortung dieser Frage nicht mehr so machtlos gegenübersteht, 
als es bisher zu sein schien. Durch seine klare Anordnung und aus¬ 
führlich zusammenfassende Darstellung aller für die Prognostik wichtigen 
wissenschaftlichen Momente sowie die geschickte Verwertung der feinsten 
diagnostischen Stützpunkte und der genauen Beobachtungsergebnisse 
hat dieses Werk den Nachweis erbracht, dass wohl die Möglichkeit ge¬ 
geben ist, bei der Lungentuberkulose, der Krankheit, die einer Vorher¬ 
sage grosse Schwierigkeiten entgegensetzt, richtige prognostische Rück¬ 
schlüsse zu ziehen. 

Jedem praktischen Arzte, an den Tag für Tag die Beantwortung 
der schwierigen Frage der Prognose herantreten kann, dürfte dieses 
inhaltsreiche vortreffliche Buch willkommen und von grossem Nutzen 
sein. . Hans Comet-Bad Reichenball. 


Genitalapparates, sondern nach Gruppen von Krankheiten sind die Kapitel 
zusammengefasst (Lagereränderungen, entzündliche Erkrankungen, Tumo¬ 
ren usw.). Sein praktischer Wert ist dadurch gesteigert, dass es mit weissen 
Blättern durchschossen ist, die eigene Notizen im Kolleg oder auch in 
der Praxis ermöglichen. Immer wieder wird betont, dass bei dem kurzen 
Umfang nur ein „Grübdriss“ gegeben werden könne, auf dem sich die 
Einzelheiten aufbauen müssen. Ein gewisses Bedenken kann allerdings 
Referent nicht dagegen unterdrücken, dass für ausführlichere Belehrung 
immer nur auf die eigenen, wenn auch noch so vortrefflichen Werke 
desselben Verfassers verwiesen wird. L. Zuntz. 


Friedrich Dessauer: Radium, Mesothorium and harte X-Strahlug 
and die Grundlagen ihrer medizinischen Aiwendnng. Leipzig, 
Verlag Otto Nemnich. 156 S. Preis 3 M. 

Der Autor behandelt in elf Kapiteln in allgemeinverständlicher 
Weise die Probleme der Strahlentherapie vom Standpunkte des Physikers. 
In einem Anhang gibt er eine Zusammenstellung praktisch wichtiger 
Daten, die bei Ankauf radiaktiver Substanzen zu beachten sind, uud 
eine Literaturzusammenstellung über Homogenbestrahlung. In einem 
Soblusskapitel entwickelt der Verf. seine Ansicht über die nächste Ent¬ 
wicklung dieses Gebietes. Wird man in manchen Einzelheiten auch dem 
Verf. nicht immer unbedingt zustimmen können, so dürfte es ihm doch 
zweifellos gelungen seiD, dem Arzt eine verständliche Darstellung über 
die Natur und physikalische Wirkungsweise der radioaktiven Substanzen 
und der Röntgenstrahlen und wie etwa die Strahlen in das lebende Ge¬ 
webe eindringen und sich dort verbreiten, gegeben zu haben. 

Gudzent. 


Ph. Bockenheimer: Allgemeine Chirurgie. Drei Bände. (Leitfäden 
der praktischen Medizin, herausgegeben von Ph. Bockenheimer- 
Berlio. Bd. 9, 10 u. 11.) Leipzig 1914, W. Klinkhardt. 855 S. 

, Preis 30 M. 

Das soeben erschienene dreibändige Werk will im Sinne der vom 
Verf. herau 9 gegebenen „Leitfäden der praktischen Medizin“, von 
welchen jetzt 11 Lieferungen vollendet vorliegen, in erster Linie dem 
Studierenden zur Einführung in die allgemeine Chirurgie dienen und es 
ihm ermöglichen, sich auf diesem umfangreichen Gebiete rasch zu orien¬ 
tieren. Es will ferner dem praktischen Arzt Gelegenheit bieten, sich 
über die bewährten Neuerungen in der allgemeinen Chirurgie rasch zu 
informieren, um sie für seine praktische Tätigkeit verwerten zu können; 
es will endlich dem Spezialisten eine übersichtliche Zusammenstellung 
der derzeitigen allgemeinen Chirurgie geben. Zu diesem Zweck hat 
Verf. die verschiedenen bekannten Werke der allgemeinen Chirurgie, der 
Zweig- und Grenzgebiete, sowie die gesamte einschlägige Literatur neben 
seinen eigenen Erfahrungen und dem überaus reichhaltigen Material der 
v. Bergmann’schen Klinik verwertet. 

Zahlreiche Abbildungen entstammen bekannten Werken ünd Verf. 
hat im Interesse des dooh in erster Linie didaktischen Zweckes mit viel 
Gesobiek das Gute aus allen diesen Werken herausgesucht. Der dritte, 
die Geschwülste und Cysten behandelnde Band enthält nur Original¬ 
abbildungen, welche zum Teil den früheren Werken des Verf. entnommen 
sind. Der erste Band enthält die chirurgische Operationslehre, der zweite 
die allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie mit Ausnahme der 
Geschwülste und Cysten. 

Der kurzgefasste klare Text und die zahlreichen Illustrationen lassen 
das Buch in erster Linie für den Studierenden geeignet erscheinen, 
welcher heutzutage erfahrungsgemäss den Hauptwert auf gut nnd reich 
illustrierte Werke legt. Aber auch der Praktiker wird sich desselben 
zur raschen Orientierung gewiss mit bestem Erfolg bedienen. 

A d 1 e r - Berlin-Pankow. 


Taeo Kai per . Die fanktionelleo and hirnanatomischen Befände bei 
der japanischen Tansmans. Mit 44 Tafeln. Rotterdam, W. J. 
van Hengel. 154 S. 

In gross angelegter und eingehender Weise schildert der Verf. in 
dieser schönen Monographie seine funktionellen und hirnanatomischen 
Befunde bei einer Reihe von japanischen Tanzmäusen. Es kann hier 
nicht der Ort sein, im einzelnen auf seine wertvollen Untersuchungen 
einzugehen. Hervorgehoben sei nur, dass sich ein degenerativer Prozess, 
im ganzen Octavussystem, seinen sekundären und tertiären Bahnen, und 
noch vereinzelt in einer Reihe anderer Systeme, auch in der Cortex 
cerebri fand. Nach dem Verf. ist dieser degenerative Prozess im Octavus¬ 
system das Primäre und die von vielen Autoren im inneren Ohr der 
Tanzmäuse nacbgewiesene Degeneration der Stria vascularis als eine 
Aeusserung desselben anzusehen. Durch den genau durchgefübrten Ver¬ 
gleich des Baues vom Tanzmausgebirn mit dem einer normalen Maus, 
gibt seine Arbeit einen sehr zu begrüssenden Beitrag für das Verständ¬ 
nis vieler Verhältnisse auch im normalen Säugergehirn, und gewinnt da¬ 
durch über seine spezielle Fragestellung hinaus allgemeinen Wert. 

Paul Röthig-Charlottenburg. 


W. Liepmann: Grandios der Gynäkologie. Berlin 1914, Siegfried 
Seemann. Preis 3,80 M. 

Als einen Bädeker der Gynäkologie bezeichnet der Verfasser sein Buch. 
Der hübsche Vergleich charakterisiert in ausgezeichneter Weise, was das 
Buch geben will, und zugleich seine Originalität. Schon die Einteilung 
weicht von der sonst üblichen ab. Nicht nach den einzelnen Teilen des 


B. Berliner: Der Einfloss von Klima, Wetter and Jahreszeit anf das 
Nerven- nnd Seelenleben. Auf physiologischer Grundlage dar¬ 
gestellt. Wiesbaden 1914, Verlag von J. F. Bergmann. 56 S. 
Preis 1,80 M. 

B. bespricht auf Grundlage der vorliegenden physiologischen Er¬ 
fahrungen in einem einleitenden Kapitel die einzelnen für unser Nerren- 
leben in Betracht kommenden klimatischen Reize und die Wege, auf 
denen sie zur Wirkung kommen können. Er unterscheidet primäre 
klimatische Erregungen von Hautsinnesnerven, primäre vasomotorische 
und chemische Einwirkungen; sekundäre, durch die primären Erregungen 
ausgelöste vasomotorische, chemische, motorische, sensible Erregungen 
und endlich associative Rückwirkungen der letztgenannten auf seelische 
Vorgänge. .... 

Von diesem Gesichtspunkte aus bespricht B. nun zunächst die ein¬ 
zelnen Klimaelemente (thermische Elemente, Luftdruck, Liebt, Luft¬ 
elektrizität usw.); dann den Einfluss des Wetters (Gewitter, Wind, 
Depressionen), weiter die verschiedenen Klimate (gemässigtes, tropisches, 
Höhen-, Wüstenklima usw.), endlich die Jahreszeiten in ihrem Einfluss auf 
das NervenlebeD, und sucht unser psychisches Befinden, die Stimmungen, 
Lust- und Unlustgefüble, die durch sie bedingt werden, zu erklären. 

Ein letztes Kapitel behandelt das Klima als Heilmittel bei Nerren- 
krankheiten. 

Manche von B. statuierten Zusammenhänge sind noch hypothetisch, 
manches ist mehr empirisch ermittelt als wissenschaftlich festgestellt 
und deutbar; immerhin gibt die B.’sobe Darstellung einen guten lieber- 
blick, um eine Vorstellung von dem Zusammenhang zwischen Klima und 
Nerven leben zu gewinnen. A. Loewy. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

E. Heber - Berlin: Besitzen die Langen Vasomotoren? (Arch. f- 
exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H, 5 u. 6, S. 476.) Der Gegensatz- m 
den Resultaten Weber’s und denen von Cloetta und anderen erklärt 
sich aus der Versuchsanordnung. 

0. Moog-Frankfurt a. M.: Ueber den gegenseitigen Synergismus vod 
■ormalem Herum und Adrenalin am FrosehgefÄss. (Arch. f. «per. 
Patb. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 346-360.) Mengen von Mensch«- 
serum, die an und für sich nicht auf das Gefässsystem des rros 
wirken, vermögen die gefässverengende Wirkung des Adrenalins 
deutend zu verstärken. Ebenso vermögen an sich unwirksame Adrena ■ 
concentrationen den durch Serum zu erzielenden Effekt ganz wesen 
zu erhöhen. Die vasoconstriktoriscben Substanzen des Blutserums u 
das Adrenalin sensibilisieren sich gegenseitig. 

L. Wacker und W. Hueck-Müochen: Chemische und morpho¬ 
logische Untersuchung über die Bedeutung des Cholesterins im yrga 
mus. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 43z ■ 

Die Arbeit stellt die siebente Mitteilung der Untersuchungsreibe • 
0. Kosch berichtet darin über die Beziehung der Nebenniere zum 

bydrat- nnd Cholesterinstoffwechsel. Kaninchen überleben bei zweize g^ 
Operation den Eingriff etwa 2 Tage, bei einzeitiger etwa 9 Stunden. • 
länger das Tier die Operation überlebt, desto mehr schwind 
Glykogengehalt der Leber. Der Blutzucker steigt zunächst M 
Zeit, um dann auf abnorm tiefe Werte zu sinken. Adrenalinzufuhr s 
die Tiere bis zu einem gewissen Grade, aber nicht Traubenzucker. 
Cholesteringehalt des Blutes epinephrektomierter Tiere ist bedeute 


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23. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1847 


höbt, wobei eine Ausreicherung des Cholesterins in einzelnen Organen, 
z. B. in der Leber und Galle, zu beobachten ist. Um freies Cholesterin 
zu esterifilieren, ist die Nebenniere nicht notwendig. 

H. Be um er- Halle: Die Herkunft des Cholesterins bei der Ver- 
daanngslipämie. (Areh. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, 
S. 375—386.) Auch bei der Zufuhr von Fett, das kein Cholesterin bei¬ 
gemengt enthält, steigt der Cholesteringehalt des Serums. Eine Be¬ 
ziehung zwischen dem Cholesteringehalt des Serums und der Blut¬ 
körperchen besteht nicht. Die Zunahme des Serumcholesterins scheint 
aus der Resorption von Gal len Cholesterin zu stammen. Bei der Fett¬ 
verdauung wird bekanntlich viel Galle in den Darm ergossen. Nur ein 
kleiner Teil des darin enthaltenen Cholesterins wird ausgeschieden, der 
Hauptanteil wird resorbiert und bewirkt so Cholesterinämie. Leitet man 
die Galle duroh eine Fistel ab, so steigt bei der Fettzufuhr der Cholesterin¬ 
gehalt des Blutserums nicht, obwohl eine ausreichende Fettresorption 
durch lipämische Serumtrübung erkennbar ist. 

0. Gross und Fr. Vorpahl-Greifswald: Beitrag zur Lehre von der 
Verfettung parenchymatöser Organe. II. Mitt. (Arch. f. exper. Path. u. 
Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 317—325.) ln künstlich körperwarm durch¬ 
spülten Nieren lässt sich eine sichere, absolute Fettvermehrung chemisch 
nachweisen. Das gebildete Neutralfett lässt sich in manchen Fällen 
mikroskopisch nachweisen. Stets ist es der Fall, wenn man der Durch¬ 
spülungsflüssigkeit Glycerin zusetzt. Die Yerff. schliessen aus ihren Ver¬ 
suchen, dass die Zellen aus Eiweiss Fett bilden können. 

0. Loeb und H. Stadler-Göttingen: Aeussere und innere Pan- 
kreasfnnktion. I. Sekretion und Zuckerassimilation. (Arch. f. exper. 
Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 326—-334.) Die innere Funktion 
des Pankreas, gemessen an der Assimilation von intravenös zugeführter 
Dextrose, wird durch Sekretin nicht beeinflusst. Aeussere Sekretion und 
innere Funktion des Pankreas scheinen voneinander unabhängig zu sein. 

M. Jacoby. 


Pharmakologie. 

R. Dietrich: Welche Harzlösungen sind für Verband zwecke 
geeignet? (M.m.W., 1914, Nr. 45.) Die übliche Mastix-Chloroform¬ 
lösung und die nach ihr bereiteten Handelsprodukte entsprechen nicht 
den Anforderungen, die man nach dem Stand der Wissenschaft an eine 
solche Harzlösuog für Verbandzwecke zu stellen berechtigt ist; sie sind 
viel zu teuer und enthalten vor allem zu viel freie Harzsäuren, so dass 
die Gefahr der Reizung auf der Haut besteht. Von den uns bekannten 
Harzen dürften sieh vor allem Dammar, Kolophonium und die Terpentine, 
letztere nur in abgestumpfter Form, für Verband-Harzlösungen eignen 
und zwar unter Verwendung des Benzols als Lösungsmittel. 

Dünner. 

Grumme-Fohrde: Ueber die Gefährlichkeit der innerlichen Jod¬ 
darreichung bei Qnecksilberanwendung am Ange. Besteht ein Unter¬ 
schied für verschiedene Jodpräparate? (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 
Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 448—457.) Die innerliche Anwendung von Jod in 
Form von Jodtropon ist ungefährlicher als die Zufuhr von Jod als Jod¬ 
kalium, wenn man bei örtlicher Applikation von Quecksilber am Auge 
Schädigungen vermeiden will. 

E. Frank und G. Pietru 11a-Breslau*. Blntharnsänre und Atophan, 
nebst Bemerkungen über die Wirkungsweise der Salicylsänre auf die 
Harnsänreansseheidang. (Arch. /. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H.5 u. 6, 
S. 361—374.) Es wird ein neues Verfahren der Harnsäurebestimmung im 
Blut beschrieben, bei dem die Enteiweissung durch Uranacetat geschieht 
und die Harnsäure durch Silber in der Modifikatien von Bass gefällt 
wird. Nach Atophan verschwindet die Harnsäure aus dem Blute, um 
nach Aussetzen des Atophan wieder aufzutreten. Das Atophan er¬ 
leichtert die Ausscheidungsbedingungen der im Blute kreisenden Harn¬ 
säure. Die Atophan Wirkung ist sehr ähnlich der Salicylsäurewirkung. — 
Weiterhin wurde der Einfluss des Atophans auf die Ausscheidung der 
Harnsäure bei Nierenkranken studiert. Auch bei Gichtkranken ver¬ 
mindert das Atophan die Blutharnsäure. M. Jacoby. 


Therapie. 

Lönard: Klinische Erfahrungen mit dem Jod-Eiweisspräparat 
Testijodyl. (W.m.W., 1914, Nr. 33.) Testijodyl, von Wohlgemuth und 
Bewald eingeführt, enthält etwa 81,5 pCt. Eiweissstoffe, 15,3 pCt. Jod, 
0,25 pCt. Eisen. Ausser der Jodwirkung kommt also noch gleichzeitig 
die Eisenwirkung in Betracht. Das Präparat ist frei von unaDgenehmen 
Nebenwirkungen, Jodisraus usw. Es ist besonders bei luetisch-anämischen 
Zuständen und bei anämisch-scrofulösen Kindern zu empfehlen. 

A. Fuchs: Elektrodiagiiostik and Elektrotherapie für praktische 
Amte. (W.m.W., 1914, Nr. 31 und 37.) 

R. Bassenge: Radinmbehandlung des Rheomatismns. (W.m.W., 
1914, Nr. 82.) Zusammenfassung unserer Kenntnisse über die Radiura- 
verwendung und über die Indikationen bei Rheumatismus. Am besten 
scheinen die mittelschweren Falle des chronischen Rheumatismus beein¬ 
flusst zu werden. Ein Allheilmittel ist die Radiumemanation nicht, wohl 
aber eioe wertvolle Bereicherung unseres therapeutischen Rüstzeuges. 

J. Ohrenstein: Beitrag zur Behandlung der Amenorrhoe. (W.m.W., 
1914, Nr. 36.) Empfehlung des Ovaradentriferrin. Gute Erfolge in fünf 


Fällen. Die Menses traten meist bald naoh Gebrauch der Tabletten 
wieder auf uüd kehrten dann regelmässig wieder. 

R. Hofs tat ter: Die Anwendung der Hypophysensabstanzen in 
der inneren Medizin nnd Gynäkologie. (W.m.W., 1914, Nr. 33—35.) 
Sammelreferat über die bestehende Literatur und Bericht über eigene 
Erfahrungen mit Hypophysensubstanzen auf den verschiedenen Gebieten 
der inneren Medizin und Gynäkologie. Zum kurzen Referat nicht ge¬ 
eignet. _ Eisner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

B. Schick: Fortschritte in der Therapie der Diphtherie. (W.m.W., 
1914, Nr. 35.) Verf. berichtet zunächst über Tierversuche. Injiziert 
man geringe Antitoxinmengen, 50 A.-E., so ist die Wirkung des Heil¬ 
serums auf das gleichzeitig injizierte Toxin eine noch relativ geringe. 
Bei Steigerung der A.-E.-Menge auf 100 I.-E. pro 1 kg wurde konsta¬ 
tiert, dass die Wirkung auf das gleichzeitig injizierte Toxin etwa9 besser 
ist (in 32 pCt. vollständige Unterdrückung der Toxinwirkung). Nach 
24 Stunden besitzt der Körper so viel Antitoxin, dass in den meisten 
Fällen keine Toxinwirkung mehr zustande kommt. Toxininjektion nach 
24 und 28 Stunden löst in 80 pCt. der Fälle keine Reaktion mehr aus. 
Erst bei einer Steigerung auf 500 l.-E. pro 1 kg ist eine gewisse Besse¬ 
rung der Erfolge erkennbar. Eine weitere Steigerung auf 100 I.-E. bringt 
keine bessere Wirkung hervor. Für das Vorgehen am Krankenbette 
folgt, dass möglichst frühzeitige SerumiDjektionen zu machen sind. In 
leichteren Fällen sollen mindest 100 I.-E. pro 1 kg injiziert werden, 
sonst 500 I.-E. pro 1 kg. Die Injektionen sollen intramuskulär, nicht 
subcutan erfolgen. Wiederholte Injektionen sind überflüssig, wenn gleich 
genügend I.-E. gegeben sind. Zur Immunisierung genügen 50 I.-E. pro 
1 kg. Verf. empfiehlt die Diphtherietoxin-Hautreaktion als Vorprobe. 
Ist die Hautreaktion negativ, so hat das betr. Individuum genügend 
Schutzkörper gegen Diphtherie. Eine weitere Immunisierung ist über¬ 
flüssig. Die ominöse Schädigung des Circulationsapparates durch das 
kreisende Diphtherietoxin muss möglichst frühzeitig bekämpft werden 
(Digitalis, Adrenalin, Pituitrin usw.) Eisner. 

L. Kirchheim und K. Tuozek-Marburg: Experimentelle Unter¬ 
suchungen über die Wirkung von Denteroalbominose auf gesunde nnd 
tuberkulöse Meerschweinchen. (Arch. f.exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, 
H. 5 u. 6, S. 387—411.) Die Denteroalbumosenvergiftung ist qualitativ 
der Wittepeptonvergiftung sehr ähnlich. Tuberkulöse Tiere zeigen nicht 
nur gegen Tuberkulin, sondern auch gegen Dentalalbumose eine Aende- 
rung der Empfindlichkeit. Jedoch ist die Steigerung nur unbedeutend 
und inkonstant. Tuberkulöse Tiere zeigen nach Denteroalbumose eine 
protrahierte Erkrankung, normale nur geringe Symptome. Dagegen ist 
die Herdreaktion auf Denteroalbumose schwach und unregelmässig. 

L. Kirchheim und H. Re in icke-Marburg: Experimentelle Unter¬ 
suchungen über das Wesen des normalen und immunisatorischen Serin* 
antitrypsiis. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, 
S. 412—431.) Ein Tier ist nicht in dem Maasse gegen die Giftwirkung 
des Trypsins geschützt, wie man es nach dem antitryptischen Verhalten 
des Serums erwarten könnte. Eine massige Steigerung des antitrypti¬ 
schen Serumtiters lässt sich immunisatorisch leicht erreichen, allerdings 
ist sie wechselnd in der Grösse und inkonstant. Sie ist nicht antispezi¬ 
fisch. Auch die Schutzwirkung gegen die Trypsinvergiftung ist nur ge¬ 
ring bei der Immunisierung. Die Erscheinungen sind nicht spezifisch 
und nur als Peptonimmunisierung zu deuten. M. Jacoby. 

H. Nieden - Jena: Zur Methodik des Abderhalden’sehen Dialysier- 
verfahren8, (M.m.W., 1914, Nr. 45.) N. fand eine neue Fehlerquelle 
im Aether, mit dem er seine Reagenzgläser reinigte. Er allein vermag 
zwar keine positive Ninhydrinreaktion hervorzurufen, dahingegen wandelt 
er in äusserst geringen Mengen beim Vorhandensein ninhydrinreagierender 
Stoffe die Reaktion, die sonst negativ ausfallen würde, in eine stark 
positive um. Dünner. 


Innere Medizin. 

E. Freund: Ueber sekundär-chronische Gelenkerkrankungen. 

(W.m.W., 1914, Nr. 32.) Die postinfektiösen Arthritiden unterscheiden 
sich von den übrigen Formen in prognostischer und therapeutischer Be¬ 
ziehung. Deshalb ist die richtige Diagnose wichtig. Besprechung der 
einzelnen hierher gehörigen Formen: 1. die mit dem typischen akuten 
Gelenkrheumatismus zusammenhängenden Erkrankungen (subakuter mit 
sekundär-chronischem Gelenkrheumatismus); 2. chronische Arthritiden, die 
durch einen bestimmten Infektionserreger verursacht werden (Gonorrhöe, 
Lues, Tuberkulose); 3. Fälle, die von einem bestimmten Herd ausgehen 
(Tonsillen, cariöse Zähne usw.). Es werden sodann die objektiven, dia¬ 
gnostischen Merkmale zusammengestellt (Fieber, Herzfehler, Milztumor, 
Lymphdrüsen,Muskelschwielen,Sehnenscheiden, trophischeStörungen usw.). 
Näheres s. Original. Eisner. 

R. Lenel-Charlottenburg-Westend): Die Ausnutzung des a-Glyko- 
heptonsänrelaktons (Hediosit) beim Diabetischen nnd Nichtdiabetischen. 
(Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 335—345). Durch 
den Darm wird das Hediosit nur in sehr geringem Maasse ausgeschieden. 
Durch den Harn wird bei träger Darmtätigkeit wenig, bei Durchfällen 
viel aasgeschieden. Das nicht ausgesohiedene Hediosit wird verbrannt. 
Bisher ist der Nachweis, dass infolge der Zufuhr Fermente im Blute auf- 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 



1848 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


treteD, welche Hediosit zerstören, nicht gelungen. Die kranke Niere 
scheint das Hediosit schlecht durchzulassen. 

E. Greinert-Breslau: Die Diasorcaktion im Atophanhara. (Arcb. 
f. ezper. Path u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 458-475.) Im Ato- 
phanbarn findet sich nicht Urochromogen, das Urochroro-Weiss ist im 
Diazoharn nicht vermehrt. Die Vermehrung des neutralen Schwefels 
weist auf die vermehrte Ausscheidung eines Körpers aus der Protein¬ 
saurefraktion hin. if. Jacoby. 

E. Czyhlarz und R. Neustadl, Untersuchungen mit der neuen 
Boas scheu Blutprobe für Stuhlprüfung. (W.m.W., 1514, Nr. 36.) Die 
Boas’sche Reaktion mit alkalischer Phenolphthaleinlösung und H 2 O 2 ist 
wegen ihrer ausserordentlichen Empfindlichkeit für die Praxis nicht zu 
verwenden. Arzneimittel (z. B. SaliGylpräparate) geben positive Re¬ 
aktion. Aber auch ohne besondere Anhaltspunkte wurden positive Blut¬ 
proben bei streng eingebaltenen Versucbsbedingungen erzielt. 

Eisner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

W. Erb: Was wir erstreben. Gedanken über die Weiterentwick¬ 
lung der deutschen Nervenpathologie. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 21.) 
Der Altmeister der Neurologie führt mit der ihm eigenen jugendlichen 
Beredsamkeit in einer sehr lesenswerten Abhandlung aus, dass für das 
Spezialgebiet der Neurologie dringend „der Platz an der Sonne“ er¬ 
strebt werden muss; er setzt auseinander, wie mangelhaft alles noch 
zurzeit ist, und dass für die Forschung und die wissenschaftliche Weiter¬ 
entwicklung eigene Arbeitsstätten und Forschungsinstitute geschaffen 
werden müssen. Besonders bedeutsam ist auch die Frage des neuro¬ 
logischen Unterrichts. Die Ausführungen seien den medizinischen 
Fakultäten und Unterrichtsverwaltungen dringend empfohlen. 

W. Salomonson: Verknrcnngsreflexe. (Neurol. Zbl., 1914,Nr. 21.) 
Verkürzungsreflex ist eine reflektorische Erscheinung, die in der Form 
einer Muskelzuckung auftritt, wenn die Enden des Muskels passiv 
einander genähert werden. Er besitzt besonders für die Hemiplegie und 
für diffuse, cerebrale Erkrankungen diagnostische Bedeutung. 

Langelaan: Ueber Moskeltonns and Sehnenreflexe im Zusammen¬ 
hang mit der doppelten Innervation quergestreifter Muskeln. (Neurol. 
Zbl., 1914, Nr. 20.) Experimentelle Studien über den Muskeltonus und 
die Sehnenreflexe. 

R. Geigel: Meine „Konpressionsreaktion“. (D. Zschr. f. Nervhlk., 
Bd. 52, H. 1—2.) Kompressionsreaktion ist eine Aenderung des nor¬ 
malen Zuckungsgesetzes, die auftritt, wenn Nerv und Gelasse kom¬ 
primiert werden. Nur Bewegungsänderungen der Ionen reizen den 
Nerven, Beschleunigung am negativen Pol, Verzögerung am positiven. 

F. Quensel: Posthemiplegische Pscndomyotonie. (D. Zschr. f. 
Nervhlk., Bd. 52, H. 1—2.) Fall von pedunkulärer Hemiplegie mit 
myotonischen Erscheinungen mit Diskussion über die Eigenart des bisher 
kaum beschriebenen Krankheitsbildes. 


Szpanbock: Ueber die Beteiligung 
der Nervenapparate am Verlaufe der 
hemiplegischen Lähmungen. (D. Zschr 

In der komplizierten Reihe der Mechanisuiou, wmeue cue Entstehung des 
Prädilektionstypus der Lähmungen und die Entwicklung des Pü- 
dilektionstypus der Restitutionen beeinflussen, muss den dynamischen 
Eigenschaften der Nervenapparate mehr Aufmerksamkeit gewidmet 
werden. 

Gold stein: Einige Bemerkungen zu der Arbeit von Stertz: Die 
klinische Stellung der amnestischen ind transcortiealea Aphasie usw. 
(D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) Nach der Ansicht von g! 
ist die amnestische Aphasie eine klinisch scharf umschriebene Aphasie- 
form, die anatomisch ihre Ursache in einer funktionellen Beeinträchtigung 
des Sprach- und Begriffsfeldes hat, ohne dass in den beiden Feldern 
sonstige schwere Schädigungen vorzuliegen brauchen. Die gleichmässige 
Herabsetzung der Leistungsfähigkeit im Begriffs- und Spracbfeld bedingt 
für die verschiedenen Funktionen des Wiedererkennens und der Wort¬ 
findung eine sehr verschiedene Störung, woraus die Symptomatologie 
der amnestischen Aphasie resultiert. Diese kommt entweder durch 
Affektionen feinster oder diffuser Art oder durch einen Herd — ge¬ 
wöhnlich im Mark des Schläfenlappens — zustande, wenn dieser geeignet 
ist, gleichzeitig eine diffuse Schädigung weiterer Gebiete zu bewirken. 

Rausch und Schilder: Ueber Paeadosklerose. (D. Zschr. f. 
Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) Zwei Geschwister mit Pseudosklerose, 
deren Beobachtung zu folgenden Resultaten führte: Es gibt eineheredo- 
degenerative Erkrankung, die sich in gleichzeitiger Erkrankung der 
Leber und des Gehirns äussert. In einer Reihe von Fällen fiadet sich 
ein eigenartiger grünlichgelber Ring in der Peripherie der Cornea. Ver¬ 
mutlich besteht dabei eine Gesamtschädigung des Gehirns mit besonderer 
Affektion des subcorticalen motorischen Apparats. In einer Sonder¬ 
gruppe, den Wilson’schen Fällen, dominiert die Erkrankung des Linsen¬ 
kerns. Wahrscheinlich ist die Hirnveränderung in bezug auf die Leber¬ 
veränderung sekundär. Die nervösen Symptome bestehen in Hyper¬ 
tonien, einem Schütteltremor, iu Ataxie und Adiadochokinese. Häufig 
sind psychische Störungen. 

Margulies: Ueber pathologische Anatomie und Pathogenese der 
amyotrophischen Lateralsklerose. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 
u. 6.) Drei untersuchte Fälle von amyotrophiseber Lateralsklerose. Sie 
ergaben pathologisch-anatomisch eine chronische hyperplastiscbe Ent¬ 
zündung der weichen Rückenmarkshäute, zuweilen mit Herden akuter 
Entzündung, exsudative entzündliche Veränderungen in den perivasku¬ 
lären Räumen, diffuse degenerative Atrophien der Fasern im Vorder¬ 
seitensegment des Rückenmarkes mit hauptsächlicher Beteiligung der 
Pyramidenbahnen, Atrophie der Vorderhornzellen, sekundäre Atrophie 
der Vorderwurzeln und der Fasern der peripheren Nerven, also einen 
chronisch entzündlichen, pathologischen Prozess. Die Pathogenese der 
amyotrophischen Lateralskerose ist eine infektiös-toxische, die Verbreitung 
eine lymphogene, die Erkrankung ergreift diffus das ganze Vorderseiten¬ 
segment des Rückenmarks. 


der dynamischen Eigenschaften 

motorischen Erscheinungen nach 
. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) 


Hedde: Beitrag zur Kenntnis der Abdominal-, Crema9ter- und 
Plantarreflexe. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1 u. 2.) Nachprüfung 
der Reflexverhältnisse und zwar des Abdominal-, Cremaster- und Plantar¬ 
reflexes bei einigen Nervenkrankheiten. 

A. Bornstein und A. Saenger: Untersuchungen über den Tremor 
und andere pathologische Bewegungsformen mittels des Saitengalvano- 
meters. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1. u. 2.) B. und S. be¬ 
richten über Versuche, die sie mit dem Einthoven’schen Saiten gal vano- 
meter beim Tremor und verwandten Bewegungsarten angestellt haben. 

Jur mann: Zur Differentialdiagnostik der Hysterie. (Neurol. 
Zbl., 1914, Nr. 20.) In der Mehrzahl der Fälle von Hysterie sind die 
Kniesehnenreflexe von einem unangenehmen allgemeinen Gefühl be¬ 
gleitet, welches weder bei Neurasthenie, noch bei Dementia praecox, 
noch bei progressiver Paralyse beobachtet wird. 

Costex und Bolo*. Angioma venosnm racemosnm der linken 
motorischen Region. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) Mit 
Erfolg operierter Fall von Angioma venosum racemosum der linken moto¬ 
rischen Region. 

V. Reichmann: Ueber zwei unter dem Bilde einer Hirngeschwnlst 
verlaufende tuberkulöse Hirnhautentzündungen nebst Bemerkungen zur 
Frage über die Entstehung und Ausbreitung der Meningitis tuberculosa. 
(D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1 u. 2.) Zwei Fälle, die sich insofern 
ähnelten, als klinisch alle charakteristische Zeichen einer tuberkulösen 
Meningitis fehlten und frühzeitig eine Stauungspapille auftrat, al9 
anatomisch der Prozess streng an die Hirnbasis lokalisiert war. In 
beiden Fällen verlief eine tuberkulöse Meningitis unter dem Bilde einer 
Hirngeschwulst. Der erste Fall gibt zudem Anlass zu bemerkenswerten 
Ausführungen über die Entstehung und Ausbreitung der Meningitis 
tuberculosa. 

Rossi: Beitrag zur Kenntnis der Symptomatologie der Balken- 
erweiekung. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) Fall von Balken¬ 
erweichung mit genauem histopathologischen Befund. Unzweideutige 
ausgesprochene amnestische Aphasie. 

Rossi: Angeborene Muskelhyperplasie. (D. Zschr. f. Nervhlk., 
Bd. 52, H. 5 u. 6.) Kind mit angeborener Muskelhyperplasie eines 
Armes. Genaue klinische und histologische Untersuchung. 


Hassin: Beiträge zur Histopathologie der Tabes dorsal». (Vor 
läufige Mitteilung.) (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 20.) Mitteilung über die 
histopathologischen Veränderungen von 14 Fällen von Tabes dorealis, 
und zwar sowohl in bezug auf das Rückenmark wie die zugehörigen 
Nervenpartien. 

Sepp: Ueber die Pathogenese der Tabes. (D. Zschr. f. Nervhlk., 
Bd. 1 u. 2.) Bei der Tabes besteht Grund zur Voraussetzung, dass 
derselben die elektive Wirkung der in der Cerebrospinalflüssigkeit 
existierenden syphilitischen diffusiblen Toxine zugrunde liegt. 

Kaplan: Die „wassermannfeste Tabes“. (Ein serologischer Vor¬ 
läufer der Taboparalyse.) (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1 u. 2.) 
Wassermannfest ist eine Tabes, wo das Serum beständig wassermann¬ 
positiv bleibt, gleichgültig wie spezifisoh das angewandte Mittel wr 
oder wie oft und in welcher Dosis man es verabfolgte. Progressive 
Paralyse ist der Typus der Wassermann festen Nervenerkrankung syphi¬ 
litischen Ursprungs. 

Lapinsky: Ueber Nacken- nnd Schnlterscbmerzen und ihre Be¬ 
ziehungen zu Affektionen der im kleinen Becken liegenden Organe. 
(D. Zschr. f. Nervhlk , Bd. 52, H. 5 u. 6.) L. bespricht an einer grossen 
Reihe von Beispielen den Zusammenhang zwischen den Empfindungen 
im hinteren Halsteil und in der Schultergegend mit dem Zustand der 
Organe des kleinen Beckens. Wenn diese Empfindungen durch die Ge- 
fasse vermittelt werden, ist diese Mitwirkung der Gefässe durch eine 
gewisse „Mitempfindung“ der Blutbahnen des in Rede stehenden Bezirkes 
zu den Apparaten des kleinen Beckeos zu erklären. Der Begriff der 
Mitempfindung wird näher ausgefübrt. 

Morawski: Ein Fall von Kohlenoxydvergiftnng. (D. Zschr. f- 
Nervhlk. Bd. 52, H. 1 u. 2.) Fall von Kohlenoxydvergiftung, hei dem 
dreierlei Krankheiten kombiniert auftreten: Reste einer cerebralen 
Kinderlähmung, Symptome nach einer Kohlenoxydvergiftung und Alcöho- 
lismus chronicus. . 

0. Roth: Zur Kenntnis des Oedema angioneurotica® paroxy*** 1 * 
(Quincke). (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1 u. 2.) R. hat in einem 
Fall von paroxysmalem angioneurotischen Oedem das vegetative Nerven 
System untersucht und konnte dabei eine ausgesprochene isolier e 
Labilität der Nervenversorgung des Herzens wie auch zum Teil der 
Hautgefässe nachweisen. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



23. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1849 


M. Friedmann: Beitrag zur Kenntnis der nichtgewerblichen 
chronischen Quecksilbervergiftung. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, 
H. 1 u. 2.) Friedmann beschreibt mehrere Typen von nichtgewerblicber 
chronischer Quecksilbervergiftung. Dem Quecksilber kommt eine aus¬ 
gesprochene kumulative Wirkung zu. Die prognostische Bedeutsamkeit 
der Intoxikation steigert sich ganz langsam und allmählich, wenn das 
schädliche Moment duroh Jahre fort und fort einwirkt. Ist erst einmal 
das ausgebildete Stadium des Erethismus da, dann hält es auch weiter 
an, auoh wenn jeder toxische Einfluss fortfällt. E. Tobias. 


Röntgenologie. 

Holzknecht-Wien: Fremdkörperlokaiisation. (M.m.W., 1914, 
Nr. 45.) Die vielfach vertretene Ansicht, dass aus zwei in verschiedener 
Riohtung aufgenommenen Röntgenbildern die Lage des Fremdkörpers er¬ 
schlossen werden kann, ist falsch. Um zum Ziele zu gelangen, empfiehlt 
H. zwei Methoden: 1. Die Durchleuchtung bei stetiger Rotation des 
Körperteils zur Ermittlung a) des fremdkörpernächsten Hautpunktes 
oder b) des fremdkörpernächsten Knochenpunktes. 2. Die Durchleuchtung 
in zwei einander schräg kreuzenden Richtungen mit Markierung der vier 
Hautpunkte an der Durchtrittsstelle der fremdkörperabbildenden Strahlen. 

___ Dünner. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

A. Pöhlmann - München: Superinfektion bei Tabes dorsalis. 
(M.m.W., 1914, Nr. 45.) Reinfektion — Neuinfektion nach vollständiger 
Heilung der ersten Erkrankung, Superinfektion = Neuinfektion bei noch 
bestehenden Zeichen der ersten Infektion. Nachdem wir beute wissen, 
dass sich bei Tabes Spirochäten finden, muss man einen Primäraffekt 
bei einem Tabiker als Superinfektion ansehen. P, beobachtete einen 
solchen Fall. Dünner. 

F. Luithlen, Ueber Allgemeinbehandlnng der Hautkrankheiten. 
(W.m.W., 1914, H. 32 u. 33.) Verf. zeigt, dass die meisten auf der Haut 
sich abspielenden krankhaften Vorgänge durch eine Allgemeinbehandlung 
günstig zu beeinflussen sind. Auszunehmen sind ausser einigen ange¬ 
borenen oder erst im späteren Leben auftretenden Anomalien des Pig¬ 
mentes mit den epithelialen Anhangsgebilden eigentlich nur die ober¬ 
flächlichen parasitären Hautkrankheiten. Es ist zu versuchen, der wohl 
ausgebildeten und auf anatomischen Befunden begründeten äusserlichen 
Behandlung der Hautkrankheiten eine Allgemeinbehandlung auf wissen¬ 
schaftlicher Grundlage hinzuzufügen. Eisner. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

P. Zweifel-Leipzig: Ueber das untere Uterinsegment. (Zbl. f. 
Gyn., 1914, Nr. 44.) Verf. schliesst sich im grossen und ganzen der 
Auffassung von Veit an. Da Sternberg selbst zugibt, dass der von 
ihm als Isthmus bezeichnete Teil identisch ist mit dem von anderen als 
unteres Uterinsegment oder besser als unteres Corpussegment benannten 
Teil, so dreht sich die Streitfrage wesentlich um die Benennung und 
lautet: Ist es besser, von Isthmus oder unterem Corpussegment zu 
sprechen? Erschwert wird die ganze Frage nun dadurch, dass man ana¬ 
tomisch unter Isthmus eine gegen die Umgegend engere, ringförmige 
Stelle versteht, in diesem Falle aber die einzelnen Teile eine ganz andere 
Formation haben, je nachdem der Uterus gravid ist oder nicht. Die 
Anatomen bekommen nur den nichtgraviden Uterus für gewöhnlich zu 
sehen, an dem das Segment eine geringe Rolle spielt, wichtig wird es 
aber bei der Gravidität und Geburt. Wenn man sieht, dass dieser Teil 
sich dabei zur Halbkugel erweitert, und wenn man bedenkt, dass er 
zwar eine andere Muskelfaserrichtung, wie C. Rüge gezeigt hat, besitzt 
als der Uteruskörper, aber trotzdem richtige Uterusdrüsen, die auch an 
der Bildung der Decidua teilnehmen, so muss man eben sagen, dass 
dieser Abschnitt eine besondere Zwischenstellung einnimmt, welche uns 
berechtigt, ihm auch einen besonderen Namen zu geben. Verf. beweist 
endlich die Richtigkeit dieser Auffassung durch Aufzählung der bis jetzt 
veröffentlichten Fälle, in denen während des Beginnens oder in den 
ersten Stadien der Geburt der Tod eingetreten war, und welche zur 
Sektion gekommen sind, und seine Anschauungen über das Aussehen 
des unteren Corpussegments in den verschiedenen Stadien in einzelnen 
Punkten, welche alle zu beweisen sich bestreben, dass seine Auffassung 
die richtige ist. 

J. Veit: Das untere Uterinsegment und seine praktische Bedeutung. 
(Zbl. f. Gyn., 1914, No. 44.) Io Hegar’s Beitr. z. Geb. u. Gyn., Bd. 19, 
S. 342 hat Sternberg, ein Schüler von Aschoff, die Behauptung auf¬ 
gestellt, dass der sogen. Isthmus des Uterus sich nur mikroskopisch 
unterscheiden liesse. Verf. hält diese Auffassung für einen bedenklichen 
Rückschritt. Aus anatomischen und klinischen Gründen hält er an der 
früheren Auffassung, der Dreiteilung in Uteruskörper, unteres Uterin¬ 
segment und Cervix fest und erläutert des näheren, weshalb diese 
makroskopische Einteilung in den verschiedenen Stadien der Schwanger¬ 
schaft sowohl, wie namentlich in den Fällen von Ueberdehnung des 
unteren Uterinsegments geboten ist. Auch diese letztere Bezeichnung 
möchte er bewahrt wissen, und hält sie für bezeichnender und besser, 
als die von Waldeyer eingelührte Bezeichnung „Engpass“. Das Ende 
dieses Teiles wird äuserlich zugleich durch den Ansatz des Peritoneums 


charakterisiert. Bringt man nun den Praktikern die Auffassung bei, 
dass es einen solchen Unterschied der einzelnen Uterusabschnitte nicht 
gibt, so birgt das die grosse Gefahr in sieb, dass man verlernt, in den 
Fällen, wo bei der Geburt ein Hindernis auftritt, auf diese bisher als 
unteres Segment bezeichnete und in solchem Falle besonders gefährdete 
Partie zu aohten. Mag man daher weitere Untersuchungen über den 
mikroskopischen Bau ^nstellen, welche man will, diese Auflassung sollte 
man nicht antasten, weil sie für die Praxis von ausschlaggebender Be¬ 
deutung ist. Siefart. 


Technik. 

Kuhn -Schöneberg: Pneumatische Lokalanästhesie. (M.m.W., 
1914, Nr. 45.) Nach Ansicht des Ref. deckt sich der Artikel mit einer 
jüngst in der D.m.W. gemachten Veröffentlichung des Verf. Doppelt 
genäht hält besser. Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Aerztllcher Verein zu Hamburg. 

Sitzung vom 20. Oktober 1914. 

1. Hr. Braner berichtet über einen Fall von Mediastinalahseess. 
Ein Patient klagte nach Ablauf mehrerer Anfälle von Angina über 
Schmerzen im linken Arm und unter dem Sternum. Anfangs bestehendes 
Fieber ging wieder zurück. Die Diagnose schwankte zwischen Neuralgien, 
Aneurysma und Endocarditis. Das Röntgenbild (Haenisch) zeigte 
eigenartigen, dem Herzen aufgelagerten Schatten, der an ein abgesacktes 
Empyem denken Hess. Patient entleerte weiterhin periodisoh Eiter mit 
dem Sputum. Der objektive Lungenbefund war jedoch negativ. Es 
wurden verschiedene operative Eingriffe gemacht. Beim letzten Mal wurde 
durch Prof. Sick die Pleuraumschlagstelle zur Seite gedrängt, worauf 
sich reichlich rahmiger Eiter aus dem Mediastinum entleerte. 
Zurzeit befindet sich Patient in voller Heilung. 

2. Hr. Jacobathai zeigt einen in einer hiesigen Apotheke feil¬ 
gebotenen Wawerfiltrierapparat, der den Truppen mit ins Feld gegeben 
werden soll. Die Untersuchung desselben ergab, dass nicht nur Bac. 
pyocyaneus, sondern auch kleine Algen das Filter passierten. 

Diskussion. Hr. Herold: Im allgemeinen gilt im Felde nur ge¬ 
kochtes Wasser als einwandfrei. Es soll vor dem Filter gewarnt werden. 

3. Hr. Fahr demonstriert das Gehirn eines Kindes mit einer schweren 
Schossverletznng des Stirnhirns. Die Verwundung wurde an sich nicht 
tödlich, erst eine sekundär hinzutretende Meningitis führte nach 15 Tagen 
den Exitus herbei. 

4. Hr. v. Bergmann: Herzbentelschuss. 

Der Verwundete hatte in den ersten 3—4 Tagen eine starke Blu¬ 
tung, war späterhin leidlich besebwerdefrei bis auf ein geringes Oppressions- 
gefühl über der Brust. Die Röntgenuntersuchung ergab ein in einem 
pericarditischen Exsudat freibewegliches Geschoss, die Probe¬ 
punktion des Herzbeutels blutigseröse Flüssigkeit. 

Diskussion. Hr. Haenisch berichtet über einen Fall von Bauch¬ 
schuss, bei dem ebenfalls die Kugel absolut frei beweglich war. 
Da mau hätte aunehmen müssen, dass eine in der freien Bauchhöhle 
gelegene Kugel bald zur Ausbildung von Adhäsionen geführt hätte, so 
war am wahrscheinlichsten, dass das Geschoss sich im Darm befinde, 
eine Annahme, die jedoch durch Röntgenaufnahme unter Bariumfüllung 
als falsch erwiesen wurde. 

5. Hr. Oehlecker demonstriert mehrere Fälle von Nerven¬ 
verletzungen und zwar 

1. einen Fall, bei dem neben isolierter Läsion des unteren Facialis- 
astes eine Parotisfistel entstanden war; 

2. einen Fall von Facialisschuss mit Trommelfellverletzung und 
Otitis media; 

3. einen solchen von etwas weiter central verursachter Facialis- 
lähmung mit Geschmacksstörungen. 

Das Resultat chirurgischer Maassnahmen sieht man erst nach Mo¬ 
naten und Jahren. Der Vortragende zeigt zu diesem Zwecke eine 
15 jährige Patientin, bei der er vor einem Jahr ein den N. radialis um¬ 
wachsendes Sarkom entfernt und die wiedervereinigten Nervenenden mit 
einem Stück der V. saphena umhüllt hat. Zurzeit komplette Heilung. 

6. Hr. Sndeck: 

Ueber Wundinfektion durch den Bae. empb. Fraenkel. 

Als ein scharf umschriebenes Bild hebt sich aus der Reihe der 
Wundinfektionen die durch den Gasbacillus hervorgerufene ab. Ihre Pro¬ 
gnose bat als besonders ungünstig zu gelten. Klinisch charakteristisch 
ist das rapide Eintreten des 0edem3, eine Gewebseinschmelzung ohne 
Eiterung, sowie die schokoladenbraune Färbung des Blutes und eine 
kupferrote Färbung der Haut, endlich das Emphysemknistern. Sehr 
schnell eintretende Gangrän einer ganzen Extremität macht sofortige 
Amputation notwendig. Daneben, in anderen Fällen allein, ist die Be¬ 
handlung mit Sauerstoff — Insufflation in das erkrankte Gewebe aus einer 
Bombe — sehr empfehlenswert. 

Vortr. berichtete über drei Fälle. Beim ersten folgte die Sauer- 
stoffbehandlnng der notwendig gewordenen Amputation; bei den anderen 
genügte breite Spaltung und Sauerstofibehandlung, um eine ziemlich 
rasche Beseitigung der Infektion herbeizuführen. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1850 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


Diskussion. 

Er. Alsberg berichtet über einen nach Inzision in Heilung über- | 
gegangenen Fall von Gasgangrän. 

Hr. Sick behandelt seit 2 Jahren ebenfalls mit Sauerstoff. Wichtig 
sei die breite Inzision; der Verband erfolge am zweckmässigsten mit 
Wasserstoffsuperoxyd. Unter den Kriegsverwundeten hatte S. 2 Fälle, 
von denen der eine eine Amputation notig machte, während der andere an 
Tetanus zugrunde ging. Ein weiterer Fall, der klinisch einem Milz¬ 
brandödem sehr ähnlich sah, erwies sich als eine Infektion mit malignem 
Oedem. 

Hr. Fraenkel: Von einer eigentlichen Phlegmone sei bei der Gas¬ 
gangrän nicht die Rede, gerade das Fehlen von Eiterung sei charakte¬ 
ristisch. In allen typischen Fällen habe er den von ihm endeckten Er¬ 
reger gefunden. F. zeigt Präparate aus der Kriegs- und Friedenspraxis. 
Bei einem derselben handelte es sich um eine Affektion einer isolierten 
Muskelgruppe. F. empfiehlt für die Diagnose das Tierexperiment. 
Beim Meerschweinchen entsteht nach Verbringung eines alfizierten Ge¬ 
websstückchens unter die Haut ein der menschlichen Erkrankung ent¬ 
sprechendes Bild. Das Kaninchen dagegen ist gegen den Erreger völlig 
immun. Demgegenüber verursacht die Infektion mit malignem Oedem 
bei beiden Versuchstieren eine gallertartige Infiltration des Unterhaut¬ 
zellgewebes, während die Gasentwickelung sehr gering ist. Therapeu¬ 
tisch hat F. bei seinen Tierversuchen ebenfalls die gute Wirkung breiter 
Inzisionen, ausserdem die Behandlung mit übermangansaurem Kalium als 
Sauerstoffüberträger erprobt. Eine Immunität wird durch das Ueber- 
stehen der Infektion nicht erlangt. 

Hr. Ringel berichtet über einen Fall von Lungenschuss mit Blut¬ 
erguss in die Pleura, der anfangs völlig rein war und erst bei späterer 
Punktion als mit dem Bacillus der Gasgangrän infiziert sich erwies. Der 
Hergang der Infektion sei in diesem Falle schwer zu verstehen. 

Hr. Schottmüller macht darauf aufmerksam, dass bei puer¬ 
peralen Infektionen mit dem Erreger der Gasgangrän, obwohl ver¬ 
einzelte Keime ins Blut ausgeschwemrat werden, die Mortalität nur 5 pCt. 
betrage. Die so viel schlechtere Prognose bei äusseren Verletzungen sei 
wohl durch die Zertrümmerung des Gewebes bedingt. 

Hr. Simmonds zeigt die Leber eines hierbergehörigen Falles von 
Gasbrand nach Abort. 

Hr. Alsberg. 

Hr. Fraenkel macht noch darauf aufmerksam, dass man durchaus 
zwischen der eigentlichen Gasgangrän und einer Gasbildung vorher be¬ 
reits infizierter Wunden unterscheiden müsse. In letzterem Falle kämen 
auch andere Bakterienarten in Frage. 


Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Wien. 

Sitzung vom 22. Oktober 1914. 

, (Eigener Bericht.') 

Hr. Linker demonstriert mehrere Lnngensteine. 

Sie entstehen durch Kalkablagerung in verkästen Bronchialdrüsen, 
Lungenteüen, in Schleimflocken, Blutgerinnseln: Tumoren und gestielten 
Hydatiden. Ihr Vorkommen beschränkt sich nicht nur auf die Bronchien, 
man findet sie auch in Hohlräumen der Lunge und im Lungengewebe 
selbst. Sie sind manchmal verästelt, ihre Grösse ist verschieden. Am 
Durchschnitt zeigen sie eine geringe Schichtung. Sie bestehen aus 
phosphorsaurem und koblensaurem Kalk, in einem Falle wurde als Be¬ 
standteil kohiensaure Magnesia gefunden. Man hat auch Knochenbildung 
in der Lunge konstatiert. 

Hr. ß&ss führt einen 25jäbrigen Soldaten mit einer Läsion des 
Plexus bracbialis durch Schuss vor. 

Das Projektil drang vor 6 Wochen einen Querfinger unterhalb des 
rechten Auges ein, erzeugte eine Fraktur des rechten aufsteigenden 
Mandibularastes, verletzte die Wange, die Arteria braohialis sowie den 
Plexus bracbialis und erzeugte einen Hämatothorax auf der rechten 
Seite. Das Röntgenbild zeigt die Kugel im rechten Hilusschatten. Von 
seiten der LuDge bestehen jetzt keine Erscheinungen. Früher war an 
der ganzen rechten oberen Extremität kein Puls zu fühlen, und sie war 
schlaff, gelähmt, die Sensibilität zeigte nur geringe Störungen, während 
unmittelbar nach der Verletzung der ganze Arm gefühllos war. Jetzt 
sind Atrophien im Bereich des Schultergürtels, der Vorderarmmuskulatur, 
des Triceps und in geringem Maasse auch am Daumenballen vorhanden. 
Die Motilität ist zum Teil zurückgekehrt, so dass geringe Bewegungen 
möglich sind. Pat. klagt über reissende Schmerzen in der Hand. Es 
liegt eine Läsion des Plexus bracbialis oder seiner Wurzeln vor. 

Ferner führt Hr. Bass einen 24jäbrigen Soldaten mit einer Uln&ris- 
lähmnng Dach Sehnssverletzang vor. 

Pat. erlitt einen Durchschuss durch den linken Oberarm oberhalb 
des Ellbogengelenkes mit einem Splitterbruch des unteren Humerusendes 
und ausserdem einen Durchschuss durch die linke Tboraxhälfte; letzterer 
erzeugte einen massigen Hämatothorax. Pat. zeigte eine typische Lähmung 
des linken Ulnaris mit Sensibilitätsstörung an der ulnaren Seite der 
Hand und des Unterarmes. Die Lähmung ist unter elektrischer Be¬ 
handlung zurückgegaogen, Atrophien sind im Thenar und Antithenar 
bemerkbar, die Phalangen des 4. und 5. Fingers sind ebenfalls atrophisch. 

Hr. Fachs demonstriert einen 30jährigen Soldaten mit einer Spon¬ 
dylitis tranmatica, welche einige Wochen nach einem Zugzusammen- 
stoss entstanden ist. , . . _ , , . 

Pat. verlor das Bewusstsein, und als einziges Symptom blieben ihm 


nach dem Unfall heftige Schmerzen im Rücken, welche zuerst diffus 
waren und sich dann im unteren Dorsalteile der Wirbelsäule lokali¬ 
sierten. Hierzu gesellte sich eine Veränderung des Ganges. Der 
12. Dorsalwirbel ist druckempfindlich, die Haut ist daselbst hyper¬ 
ästhetisch, der Gang ist ähnlich demjenigen bei spondylitischer Lähmung. 
Pat. vermeidet jede Beugung der Wirbelsäule. Durch die Röntgenunter¬ 
suchung wurde eine leichte Veränderung des 12. Brustwirbels bezüglich 
der Struktur und der Form konstatiert, auch ist eine Gibbusbildung zu 
bemerken. Pat. bekam ein Gipskorsett, jetzt ist er etwas gebessert. 

Hr. Gerstmann stellt einen Mann mit Astereognose Bich Seh&del- 
sehiss bei intakter Sensibilität vor. 

Pat. wurde von einem Schrapnellgeschoss auf dem linken Stirn- und 
Scheitelbein getroffen. Er bekam eine Lähmung der rechten oberen Ex¬ 
tremität, einer Gesichts- und Zungenhälfte, war aber nicht bewusstlos 
und ging selbst auf den Verbandplatz. Er zeigte bei der Untersuchung 
eine reine motorische Aphasie, spastische Parese der rechten oberen 
Extremität, des rechten Facialis und Hypoglossus, sowie Atrophie der 
gelähmten Gesichtsmuskeln. Die Lähmungen besserten sich, es trat aber 
Astereognose ein, d. h. Pat. erkannte trotz normalen Tastsinnes durch 
Betasten mit der rechten Hand Dicht die Gegenstände; es sind also ent¬ 
weder die taktilen Erinnerungsbilder verloren gegangen, oder es sind die 
Beziehungen zwischen dem Tastsinn und den anderen Sinnen aufgehobeD. 
Es ist eine Mischform von Astereognose und Wernicke’scher Tast¬ 
lähmung vorhanden. Das Röntgenbild zeigte eine Fissur im Stirnbein 
und einige kleinere Sprünge im vorderen Anteile des linken Schläfen¬ 
beins. Die Lähmungen haben sich weitgehend gebessert. 

Ferner zeigt Hr. Gerstmann einen Soldaten mit Radialislakniij» 
infolge eines Schulterschusses, ferner mit linksseitiger Facialis- and 
Hypoglossnsparese nebst Aphonie nach einer zweiten Scbussverletzuug. 

Die Aphonie ist durch eine Verletzung des Kehlkopfes hervorgerufen. 

Schliesslieh führt Gerstmann einen Soldaten mit einer linksseitigen 
Facialislähmiing nach Schnssverletznng durch die Wange vor. 

Es besteht keine elektrische Entartungsreaktion. 

Hr, Schlesinger stellt einen Soldaten vor, welcher infolge Schuss- 
Verletzungen eine Magenfistel and eine doppelte Darmfistel bekommen 
hat, wozu sich noch Tetanus uud Dysenterie gesellten. 

Der Tetanus wurde erfolgreich mit Magnesiumsulfat be¬ 
handelt. 

Durch 2 Schrapnellkugeln wurden der Magen und der Darm ver¬ 
letzt; die Magenfistel wurde operativ geschlossen, die Darmfisteln wurden 
nicht operiert, da Pat. unterdessen Tetanus bekommen hat. Pat. wurde 
mit einer wässrigen 25proz. Lösung von Magnesiumsulfat behandelt. 
Die sonst angewandte intralumbale oder intravenöse Injektion war bei 
dem Kranken nicht anwendbar, es wurde daher die Lösung subkutan 
bzw. intramuskulär gegeben, die Injektionen wurden anfangs zu 20 ccm 
täglich zweimal, später einmal vorgenoramen. Der Tetanus wurde durch 
die Injektionen sehr günstig beeinflusst. 

Ferner demonstriert Hr. Sehlesinger einen Soldaten, welcher im 
Anschluss an eine Schädelverletzung hysterischen Mltismns gezeigt hat. 

Er bekam allgemeine Körperkrämpfe, welche den Eindruck von 
hysterischen Attacken machten; trotz der kompletten Aphasie benahm 
sich Pat. doch abweichend von dem gewöhnlichen Verhalten der Apbatiker, 
er machte gar nicht einmal den Versuch zu phoniereD. Als dem Pat, 
mitgeteilt wurde, dass ihm „starke Injektionen“ gegeben werden und zu 
diesen Aqua destill. benützt wurde, besserte sich die Sprache und zwar 
merkwürdigerweise zuerst für Deutsch, erst später für Polnisch. 

Schliesslich besprach Hr. Schlesinger den Verlaof des Banal«- 
thorax bei Lnngenscbüssen. 

Vortr. hat ausser den 26 Fällen seiner Abteilung eine grosse An¬ 
zahl von Hämatothoraxfällen auch auf anderen Abteilungen gesehen. 
Von den Fällen mit Hämatothorax hat nur ungefähr die Hälfte ge¬ 
fiebert und auch diese in der Regel nur kurze Zeit nach dem Trans¬ 
port; nach 1— 2 tägiger Bettruhe ist das Fieber verschwunden. _ Die 
Pulsfrequenz war auffallend wenig geztört, bei 18 von den 2G Fällen 
war sie normal; Tachykardie war in 6 Fällen, Bradykardie in 2 Fällen 
vorhanden. Der Hämatothorax war zumeist nur massig gross; auffallend 
war, dass auch bei schweren Verletzungen selten ein Zurückbleiben der 
Thoraxatmung zu konstatieren war, nur in */* ^ er Fälle ^ e .. e f 
krankte Seite bei der Atmung zurück. Dyspnoe war Dur in der Hälfte 
der Fälle vorhanden, schwere Dyspnoe kam nur vereinzelt vor. Eine 
Punktion des Hämatothorax wurde nur zweimal vorgenommen. Eine In¬ 
fektion ist unter den 26 Fällen zweimal eingetreten, und zwar eine 
Lungengangrän bei einem Manne mit 4 Brustschüssen und ein Empyem 
bei einem zweiten Falle. Das Unterlassen der Punktion bat den 
Nachteil, dass der Hämatothorax lang stehen bleibt und sich wenig 
ändert, bei den meisten Fällen ist jetzt, 4—7 Wochen nach der Ver¬ 
letzung, der Hämatothorax nicht sehr viel kleiner als am Anfang. ». 


Ueber Rückenmarksverletzungen. 

Bemerkungen zu der Mitteilung von Dr. E. FroebIicb 
in Nr. 45 der Berliner klin. Wochenschrift. 

Von 

Wilhelm Erb - Heidelberg. 

Der lebhafte Wunsch, die Casuistik der „Rüokenraarksverletiungw > 
die wohl in unserem grossen Kriege sehr erheblich anschwellen ** ’ 


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UNiVERSITY OF IOWA 



23. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1851 


von sicht dazu gehörigen und zu irrtümlichen Schlussfolgerungen 
führenden Beobachtungen frei zu halten, veranlasst mich — sehr gegen 
meine Neigung — zu einigen Bemerkungen über die von Dr. E. Froehlich 
in der vorletzten Nummer (45) dieser Wochenschrift mitgeteilten Be¬ 
obachtung. 

Seine Ansicht, dass es sich bei dieser um eine „ausgedehnte 
Zertrümmerung im Rückenmark“ handle, und dass „das Krankheits¬ 
bild dem der Myelitis transversa ähnele“, ist offenbar nicht zutreffend. 

Die Kugel ist in der Höhe des 3. Lendenwirbels (links) ein¬ 
gedrungen und auch im Röntgenbild daselbst nachweisbar. 

Nun endigt bekanntlich das Rückenmark bereits viel höher oben; 
die Spitze des Conus terminalis liegt gewöhnlich an der Grenze zwischen 
1. und 2. Lendenwirbel. Die Stelle, wo wir die Lumbalpunktion machen, 
liegt meist zwischen 2. und 3. Lendenwirbel oder tiefer, jedenfalls 
unterhalb des Conusendes. 

Das Rückenmark selbst kann also in diesem Falle gar nioht 
getroffen sein; und selbst wenn eine Conusläsion, eine „Zertrümme¬ 
rung“ desselben, vorläge, würde das Symptomenbild ein anderes und viel 
schwereres sein und nicht in ganz kurzer Zeit eine erhebliche Besserung 
erfahren haben. 

Es bandelt sich offenbar um eine Läsion der Caudaequina, 
vorwiegend der linken Seite; es ist überflüssig, dies aus dem Symptomen¬ 
bild noch genauer zu begründen; dasselbe ist klar genug. 

Jedenfalls aber darf dieser Fall nicht den eigentlichen Rücken¬ 
mark sverletzungen zugerechnet werden. 

Heidelberg, 14. November 1914. 


Erwiderung zu vorstehenden Bemerkungen. 

Von 

E. Froehlich. 

Für das Interesse, das Exzellenz Erb meinen bescheidenen Aus¬ 
führungen entgegenbringt, bin ich ihm zu grossem Dank verpflichtet. 
Ich möohte aber doch nicht verfehlen, folgendes zu bemerken; Der 
Patient hatte sofort nach der Schussverletzuog Anfang September eine 
vollständige Lähmung beider Beine sowie von Blase und Mastdarm, die 
sich allerdings in kurzer Zeit weitgehend zurückbildete. Das rechte 
Bein zeigte Wochen hindurch einen sicheren Babinski; ferner bestand 
längere Zeit deutlicher, wenn auch geringer Spasmus in beiden Knie¬ 
gelenken. Jetzt noch, 2 Monate nach der Verletzung, besteht neben 
einer Lähmung und Atrophie der gesamten linken Unterschenkelmusku¬ 
latur eine starke Herabsetzung des Lagegefühls am linken Fuss bei 
sonst intakter Sensibilität. 

Diese Störungen lassen sich wohl nicht allein auf eine Verletzung 
der Cauda beziehen: man muss vielmehr annehmen, dass die Schuss¬ 
verletzung in der Höhe des 8. Lendenwirbels, welche die Caudafasem 
für die linksseitige Unterschenkelmuskulatur schwer verletzt hat, auch 
eine Schädigung des Lumbo Sacralmarks herbeigeführt bat. Ich gebe 
aber unbedingt zu, dass der Ausdruck „ausgedehnte Zertrümmerung“ 
nicht zutrifft. Wahrscheinlich haben wir es, mit einer ausgedehnten 
Blutung in die Rückenmarksbäute zu tun, die auch zu einer Kom¬ 
pression des Rückenmarks geführt hat. 

Herr Prof. Rothmann, der die Freundlichkeit hatte, den Fall jetzt 
mit mir zu untersuchen, hat gerade auf Grund seiner vielfachen Er¬ 
fahrung über spinale Schussverletzuogen in diesem Kriege diese Auf¬ 
fassung vertreten. Vielleicht würde in solchen Fällen eine frühzeitige 
Lumbalpunktion durch den Nachweis blutiger Cerebrospinalflüssigkeit 
die Diagnose sichern und auch einen günstigen therapeutischen Effekt 
haben. 

Wenn ich endlich das Krankheitsbild als ähnlich der Myelitis 
transversa bezeichnet©, so wollte ich damit lediglich den im Anfang sich 
darbietenden Symptomenkomplex kennzeichnen. Jedenfalls bin ich 
Exzellenz Erb zu Dank verpflichtet, dass er durch eine berechtigte 
Kritik zur weiteren Klärung des interessanten Falles beigetragen hat. 

Berlin, den 18. November 1914. 


Kriegsskizzen. 

Von 

Dr. Arthur Münzer, zurzeit im Felde. 

.Nur der Irrtum ist das Leb.'iJ, 
Und das Wissen ist der Tod.* 

In kurzer Zeit war der grösste Teil Belgiens von unseren Truppen 
erobert worden. Harter Kämpfe hatte es zuweilen bedurft, und viel 
Blut war geflossen; aber endlich wurde das Ziel erreicht, und die 
deutsche Flagge wehte fast über dem ganzen Lande. — Nur eins, das 
nichtigste, war noch nicht in unseren Besitz gelangt; Antwerpen. Als 
wir vor 2 V 2 Monaten hierher kamen, wurde naturgemäsk viel über den 
Krieg debattiert. Sobald aber die Rede auf Antwerpen kam, zuckte man 
voller Zweifel die Achseln. Antwerpen, eine der stärksten Festungen 
der Welt, der Stolz seines Erbauers Brialmont! Kaum möglich! Viel¬ 
leicht denkt man auch gar nicht an eine Belagerung! Vielleicht haben 
¥l ? s gar nicht nötig! Sparen unsere Kräfte zu wichtigeren Unter¬ 
nehmungen! So wurde oftmals in unserem Kreise hin-und hergestritten, 


und ein jeder versuchte mit allem Nachdruck seine Meinung zu ver¬ 
teidigen. Schliesslich sprach man nicht mehr darüber; aber im Stillen 
dachten wir alle an die uneinnehmbare Festung, an der auch der stärkste 
Anprall erlahmen sollte. Und die Tage vergingen. — Schnell drangen 
unsere Truppen vor; bald ist Brüssel in unseren Händen. — Aber 
Antwerpen? — Keiner wusste etwas Genaues. 

Sonntag, den 27. September — der Vormarsch wird befohlen. Vor 
Mecheln entwickelt sich ein heftiges Gefecht, die Stadt wird lebhaft be¬ 
schossen, am nächsten Morgen von unseren Truppen besetzt; die Ein¬ 
wohner fliehen. Unsere Infanterie, vereinigt mit der Marinedivision, rückt 
vor. Am 29. September, mittags um 1 Uhr fällt der erste Schuss aus 
den grossen Geschützen. Und nun geht’s Schlag auf Schlag. Unauf¬ 
hörlich donnern unsere Geschütze. Es gibt keine Ruhe mehr. Tag und 
und Nacht hallt’s über die Felder; die Häuser erzittern, die Fenster¬ 
scheiben klirren. Eine besonders machtvolle Erschütterung wird durch 
die „grossen Brummer“ hervorgerufen. In der Nacht wirkt der Geschütz¬ 
donner noch unheimlicher: die tiefe Stille und der plötzlich weithin sich 
fortpflanzende Knall bilden grelle Kontraste; und oft schreckt man, wenn 
jah die friedliche Ruhe durchbrochen wird, aus dem Schlummer empor 
und hört noch den Nachhall des eben abgefeuerten Schusses. 

Schnell erfüllt sich das Schicksal. Nach wenigen Tagen fallen die 
ersten Forts, die Bresche ist geschlagen. — Jetzt gilt’s den schwierigen 
Netheabschnitt zu nehmen. Die Nethe, ein kleines Flüsschen, kann 
durch das zugehörige Ueberschwemmungsgebiet, d. h. durch künstlich 
unter Wasser zu setzendes Gebiet, zu einem der schwersten Hindernisse 
für vorrückende Truppen werden. Auch dieses wird bezwungen. — 
Recht anschaulich hat mir ein Kamerad, der als Offizierstellvertreter mit 
der fechtenden Truppe am Netheübergang teilgenommen hat, diesen ge¬ 
schildert; Es ist tiefe Nacht, sternklarer Himmel. Das Bataillon erhält 
Befehl, über die Nethe zu gehen. In aller Stille wird angetreten. Nur 
ein schmaler, von Pionieren gebauter Steg führt über den Fluss. Im 
Einzelmarsch, mit je 5 Schritt Abstand, zieht das Bataillon hinüber. 
Eine Totenstille herrscht dabei. In den feindlichen Forts rübrt sich 
nichts. Nur der Mond scheint hinab auf unsere Soldaten, wie sie da, 
Mann für Mann, leise, ganz leise, die Augen starr nach vorn gerichtet, 
über die Brücke ziehen. Stundenlang dauert’s, bis sie hinüber sind, 
dann rüsten sie sich zu weiterem Kampf. 

Das Kriegsglück hat uns nicht verlassen. Nach kurzem Kampf 
wird auch der innere Fortgürtel durchbrochen. Der Beschiessung der 
Stadt steht nichts mehr im Wege. Als der Kommandant erklärt, die 
Verantwortung für dieselbe übernehmen zu wollen, beginnt das Bom¬ 
bardement am 7. Oktober. Zwei Tage später wird die Stadt kampflos 
übergeben. 

In dem Verlaufe dieser denkwürdigen Belagerung liegt eine er¬ 
schütternde Tragik. Wieder einmal wird uns offenbar, wie eitel bisweilen 
jede menschliche Voraussicht, wie trügerisch auch die stärkste Hoffnung 
sein kann. — An Antwerpen, der unbezwinglichen Festung, sollte der 
Angriff des Feindes zerschellen, und nur 12 Tage konnte es ihm stand¬ 
halten. Mächtige Forts schirmen den Zugang zur Stadt, und zum Schluss 
wird diese kampflos übergeben. Als die deutschen Truppen in Ant¬ 
werpen einziehen, finden sie keine Militärbehörde, mit der wegen der 
Uebergabe verhandelt werden kann, so dass der Bürgermeister zu den 
Verhandlungen herangezogen werden muss. Gibt es wohl tragischere 
Kontraste? 

Für den, der die Dinge losgelöst aus ihrem Zusammenhang be¬ 
trachtet, scheint es fast, als habe die „ewige Gerechtigkeit“ (Schopen¬ 
hauer) mit dem Fall Antwerpens einen Ausgleich geschaffen, einen Aus¬ 
gleich zwischen unserer gerechten Sache und dem freventlichen Spiel 
unserer Gegner; denn etwas scheinbar Unmögliches ist hier zur Tat¬ 
sache geworden. Darum wird auch der moralische Effekt dieses histo¬ 
rischen Ereignisses ein eminent grosser sein. Wie es auf der Seite 
unserer Gegner zu tiefer Depression führen mus9, so wird es unsere 
Truppen zu weiteren Taten fortreissen. Es wird in uns den eisernen 
Willen zum Siegen stählen und unter seiner Wucht die Kräfte des 
Feindes zertrümmern. 

Die Einnahme Antwerpens bleibt eine Ruhmestat für unsere tapferen 
Truppen und ihren Führer, General v. Beseler. Wenn im Laufe der 
Jahrhunderte viele Schriftzeichen, die der Chronist ins Buch der Zeiten 
eingetragen, sieh verwischt haben werden, dann muss in um so schärferer 
Prägung — wie aus Stein gemeisselt — die Geschichte von der zwölf¬ 
tägigen Belagerung Antwerpens im Jahre 1914 hervortreten. Und späteren 
Geschlechtern noch wird verkündet werden: An Antwerpen, der un¬ 
bezwinglichen Festung, sollte der Angriff des Feindes zerschellen, und 
nur 12 Tage konnte es ihm standhalten. 

XI. Die Geisterstadt. 

Nach der Einnahme Antwerpens wurde auch unser Feldlazarett, das 
bis dahin in H. im Quartier gelegen, wieder in Marsch gesetzt. Gleich 
am ersten Tage galt’s, ein schönes Stück Wegs zu bewältigen. Wir 
waren nicht allzu früh am Morgen aufgebrochen und marschierten einige 
Stunden. Hernach gab’s eine kurze Mittagsrast, und dann ging’s weiter. 
Der Nachmittag war recht schön. Als aber die Sonne untergegangen 
war, wurde es empfindlich kühl. Bald erscheinen Mond und Sterne und 
erhellen unsern Weg. Wir marschieren durch verschiedene Ortschaften 
hindurch, machen aber nicht mehr Halt. Es mochte zwischen 10 und 
11 Uhr sein, als wir uns dem Orte T., einer Stadt von etwa 10 000 bis 
11 000 Einwohnern, nähern. Hier hatten, wie uns lange bekannt war, 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1852 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 47. 


mehrfach erbitterte Kämpfe stattgefunden und mussten sicherlich deut¬ 
liche Spuren hinterlassen haben. — Wir rücken in den Ort ein und 
finden alle, aber auch alle Häuser zerschossen. Von vielen ist nur ein 
Trümmerhaufen geblieben; die übrigen sind auch zum grössten Teil zer¬ 
stört, so dass nur noch eine Hasse von Ruinen in die Luft binausragt, 
der Boden ist von Schutt und Geröll bedeckt. — In der Dunkelheit 
kann man die einzelnen Konturen nicht deutlich erkennen; man sieht 
nur ganz unvermittelt allerhand phantastische, groteske Formen vor 
sich auftauchen. Hie und da bahnen sich durch die zerschossenen 
Fenster die Mondstrahlen ihren Weg und beleuchten die Trümmerstätten. 
Der Ort ist öde und leer. Wir ziehen durch laDge Strassen — kein 
Mensch, kein Tier. Ab und zu huschen Militärautoraobile vorbei, eine 
Sekunde wird’s taghell, und dann fällt alles wieder in tiefe Dunkelheit 
zurück. Wir kommen an grossen, weiten Plätzen vorbei, alles leer, alles 
verlassen. Ueberall starrt uns der Tod entgegen, der Ruin, das Ende. 
In der Dunkelheit wirkt alles noch viel unheimlicher. Wir sind wie in 
einer Geisterstadt, weitab von allem Leben. Ist das vielleicht eine von 
den Städten, die auf den Meeresgrund versunken sind, deren Atem er¬ 
loschen, und die nun dort unten in der Finsternis ihr Totendasein weiter¬ 
führen? Wie ein Geisterzug zieht unser Feldlazarett durch die erstarrte 
Stadt — das einzige Leben in den Trümmern der Vernichtung. Eigen¬ 
artig laut hallt in den verlorenen Strassen das monotone Stampfen der 
Pferde und das Rasseln der Wagen. Alles ist auf den gleichen trüben 
Ton gestimmt. Vorsichtig bahnen wir uns den Weg durch Schutthaufen 
und über die zum Teil aufgebrochenen Strassen. Endlich sind die Tore 
der Stadt erreicht, und es geht wieder hinaus auf die Landstrasse. Wie 
befreit von einem schweren Alp atmen wir auf, als wir die Geisterstadt 
verlassen, und bald liegt sie, in völlige Dunkelheit gehüllt, hinter uns. 
Weiter vorwärts führt unser Weg. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die seltene Auszeichnung des Eisernen Kreuzes I. Klasse 
erhielt Dr. A. Bauer in Rothenfelde für hervorragende Tapferkeit bei 
Behandlung und Versorgung seiner Verwundeten. 

— Prof. Emmerich inMünchen, der bekannte Hygieniker, ist, 62Jabre 
alt, gestorben. 

— In Namur haben die deutsch-belgischen Aerzte einen kriegsärzt¬ 
lichen Abend eingerichtet, der schon wiederholt stattgefunden hat. 

— Warme Unterkleidung für unsere im Felde stehenden Truppen 
zu beschaffen, hat sich ein Kriegsausschuss zur Aufgabe gemacht, in 
dessen Aufträge im Oktober Prof. Martin Fassbender einen „Woll- 
zug“ nach Frankreich begleitete, ln seinen in der Kölnischen Volks- 
zeitung veröffentlichten Schilderungen sucht F. darzulegen, dass die 
Heeresverwaltung die Sorge für solche Unterkleidung nicht in vollem 
Umfange übernehmen kann, da sie sich auf die etatsmässigen Liefe¬ 
rungen beschränken müsse, eine Auffassung, der kürzlich Klotz-Heidel¬ 
berg und auch wir nicht beitreten konnten, und ferner, dass die jetzt 
üblichen Transporte in Autos nicht entfernt ausreichen, um der Not zu 
steuern. Es seien grosse Güterzüge nötig, die in gewissen Zeitabständen 
die Wollsachen auf den Kriegsschauplatz zu bringen haben, und es sei 
hier ein Gebiet gegeben, das in den Aktionsbereich des Roten Kreuzes 
in Zukunft einzubeziehen sei. Ob das Rote Kreuz das hierfür geeig¬ 
netste Organ ist, mag späterer Untersuchung Vorbehalten bleiben; für 
die Gegenwart ist jedenfalls die Bitte des Verf. um reichliche Lieferung 
von Wollsachen und seine Anregung, die unbrauchbar gewordenen zur 
Reparatur zurückzubefördern, in weitestgehendem Maasse zu unterstützen. 

— Der Vorstand der Deutschen Heilstätte in Davos berichtet, dass 
das Deutsohe Haus in Agra im Kanton Tessin, oberhalb des Luganer 
Sees, die neue Anstalt der Deutschen Heilstätte, am 15. November d. J. 
eröffnet wurde. Die 100 Betten des Deutschen Hauses werden für 
die Dauer des gegenwärtigen Krieges zu ermässigten Preisen deutschen 
verwundeten und erkrankten Kriegsteilnehmern und ihren Angehörigen 
zur Verfügung gestellt. 

— Das Kaiserliche statistische Amt teilt eine Reihe von pharma¬ 
zeutischen Produkten mit, die in letzter Zeit von Deutschland nach 
Eogland exportiert wurden. So bezog England im ersten Halbjahr 1914 
51400 kg Brom, 126 200 kg Salicylsäure, Benzoesäure und deren Salze, 
sowie Santonin, 13 200 kg Natron, 537 500 kg Holzessig, Aceton und 
Formaldehyd. Nachdem mit Ausbruch des Krieges alle Handels¬ 
beziehungen zwischen Deutschland und England abgebrochen sind, macht 
sich in England der Mangel an Heilmitteln allmählich bemerkbar, so 
da 9 s die englischen Aerzte, wie eine amerikanische Zeitschrift mitteilt, 
aufgefordert wurden, bei der Verschreibung von Heilmitteln möglichst 
sparsam zu sein und die Umgehung deutscher Patente (Salvarsan z. B.) 
in skrupellosester Weise behördlicherseits empfohlen wird. — Frankreich 
und Russland sind auch zur Einschränkung gezwungen, wenn auch nicht 
in so erheblichem Maasse. 

— Die Gesellschaft für chemische Industrie in Basel erklärt sich 
bereit, den Herren Aerzten im Felde und an Lazaretten „Vioform-Firnis, 
gefüllte Vioform-Zerstäuber, Coagulen Kocher-Fonio, Digifolin-Tabletten 


und Ampullen, Dial-Ciba (Beruhigungs- und Schlafmittel), Phytin, Cbi- 
ninpbytin, Lipojodin, Peristaltin, Sälen und Salenal“ (Antirheumatica) 
kostenlos zur Verfügung zu stellen und bittet hiervon Gebrauch machen 
zu wollen. Man wende sich an das Bureau der Gesellschaft, Berlin S.W. 11, 
Kleinbeerenstr. 4. 

— Verlustliste. I. Gefallen: Stabsarzt Dr. Ebeling. Unter¬ 
arzt Willy Fischer. Stabsarzt d. R. Dr. Lippe. Unterarzt Dr. Steine- 
brunner. — II. Verwundet: Stabsarzt Dr. Fleischmann. Stabsarzt 
d. R. Dr. Hofmann. Oberarzt d. R. Dr. Kettner. Oberarzt Dr. 
Mat - La ei. Stabsarzt Dr. Münob. Stabsarzt Dr. Ritzhaupt. Unter¬ 
arzt Dr. K. Schröder. Stabsarzt Dr. F. Schnlze. Oberarzt d. R. 
Dr. Sonkspiel. 

Hochschulnachrichten. 

Bonn. Prof. Witzei ist gestorben. — Giessen. Die Privat- 
dozenten DDr. Berliner (Psychiatrie und Neurologie) und A. Weber 
(innere Medizin) wurden zu ausserordentlichen Professoren ernannt. - 
Rostock. Habilitiert: Dr. Schröder für Gynäkologie. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personal ien. 

Auszeichnungen: Eisernes Kreuz 2. Kl.: Kreisarzt, Med.-Rat Dr. 

E. Matzdorff in Schmalkalden. 

Niederlassungen: F. Bargmann, Dr. W. Koch und Aerztin Dr. 

A. Lotz in Charlotten bürg, Aerztinnen Ch. Krause und L. Nelki 
in Berlin-Scböneberg, Dr. M. Schellen in Bochum. 

Verzogen: Dr. H. Wolter von Königsberg nach Zinten, Dr. W. F, 
Jakobs von Königsberg nach Brandenburg (Ostpr.), Dr. K. E. Ver¬ 
mehren von Berlin nach Liska-Scbaaken, Dr. K. Heuser von Wuster¬ 
hausen a. D. nach Weh lau, Dr. A. Tassius von Frankfurt a. M. nach 
Greifswald, K. Emnet und 0. Hirsch von Elberfeld nach Beuthen Ü.-S., 
Dr. W. Rinke von Kamerun nach Myslowitz, K. Wiesner von 
Woischnik und Dr. H. Küschner von Posen nach Rybnik, J. Kr&n- 
cioch von Kattowitz nach Woischnik, K. Th. Kandziora von Char¬ 
lottenburg, Dr. J. Kwoczek von Breslan und H. Fischer von Zembo- 
witz nach Oppeln, J. Kalla von Oppeln nach Suoholohna, Dr. 

F. Klinge von Rybnik nach Malapane, Th. Stanowsky von Mala- 
pane und Dr. G. Kalus von Königshütte Dach Petersbofen, Dr. 

B. Koelling von Petershofen nach Pless, E. Burkart von Tarpo- 
witz nach Knurow, Dr. H. Jung von Potsdam nach Gr. Strehlitz, 
A. Stuppe von Beuthen nach Rudahammer, Dr. W. Bantgen von 
Rybnik und Dr. E. Janik von Orzesche nach Zabrze, Dr. R. Geinitz 
von Rostock nach Erfurt, H. Claass von Oedelsheim nach Tingleff, 
Dr. W. Andree von Berlin nach Schleswig, Dr. A. Heinicke von 
Berlin und Dr. R. Wagner von Halle a. S. nach Göttingen, F. Boy- 
mann von Hamburg, W. Friedländer, Geh. Sao.-Rat Dr. W. 
Graeffner und Prof. Dr. A. Plehn von Charlottenburg, Dr. J. 
Grimm von Bährenfeld, Dr. B. Gutkind und Dr. J. Koch von 
Berlin-Scböneberg nach Berlin, Dr. H. v. Bardeleben, Dr. H. Daus, 
Dr. J. Ehrenfried, Dr. E. Eylenburg, Dr. 0. Ihl und San.-Rat 
Dr. M. Rothenberg von Berlin sowie Dr. Chr. Stieda von Magde¬ 
burg nach Charlottenburg, Aerztin M. Thiede von Berlin-Friedenau 
nach Berliu-Schöneberg, Dr. M. Hirschberg von Berlin-Tegel, Dr. 
J. Kohl und Dr. A. Vater von Berlin sowie Dr. 0. Levinstein 
von Charlottenburg nach Berlin-Wilmersdorf, Aerztin Dr. Ch.Wehmer 
von Berlin-Wilmersdorf nach Neukölln, Aerztin Dr. Ch. Bebrend 
von Berlin nach Rostock, L. Cohn von Berlin nach Dresden, Dr. 
0. Griese von Berlin nach Chiemsee, Dr. A. Malinowski und Dr. 

C. Nürnberg von Berlin nach Brüssel, Dr. A. Erl er von Wernige¬ 
rode nach Kolberg, Dr. A. van Ahlen von Derna nach Hordel. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. A. Rudolphi 
von Greifenberg i. d. U.-M., Dr. F. Quetsch von Wilhelmshagen. 
Praxis aufgegeben: Dr. A. Thienel bisher in Gr. Strehlitz, jetzt 
in Schimischow. 

Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. J. Herrnstadt und Dr. F. Domanski 
in Lissa i. Pos., Dr. A. Laurentowski in Kosten, Dr. F. Schle¬ 
singer in Langendorf (Kr. Gleiwitz), Geh. San.-Rat Dr. F. Wottge ui 
Ottmachau, San.-Rat Dr. F. Paul in Berlin, Dr. H. Holtz ^ ^nger- 
münde, San.-Rat Dr. F. Hellweger in Rügenwalde, Sao.-Rat ür. 

G. König in Bergen (Bez. Lüneburg), San.-Rat Dr. K. Haarmann 
in Hordel, Geh. San.-Rat Dr. A. Brunswick er in Bassenheim. 

Im Felde gefallen bzw. gestorben: Dr. Tb. Brockmann aus 
Tilsit, Priv.-Doz. Dr. F. Meyer-Betz aus Königsberg i. Pr, Br. »• 
Weichsel aus Biederitz, Dr. H. Mai weg aus Langendreer, Dr. w. 
Meyer aus Gr. Burgwedel. 


Berichtigung. 

In dem Artikel Fuld: „Ueber die Behandlung der Durchfalle 
Felde“, Nr. 46, S. 1818 dieser Wochenschrift, muss es nicht Vz» sondern 
Wz cg Cocain pro dosi heissen. 

Für die Redaktion TerantworÜich Prof. Dr. Hane Kohn, Berlin W., BayreutherS ums««• 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Original frum 

UNIVERSITY OF IOWA 



Dl. ß.rllö.r Kllotoeh. Woch.nKhrln o^h.ln, j,dM 

r ^Ä. rt oSL‘ 8 Ä “• 


BERLINER 


Alle Einsendungen ftr die fted^ktl^ and Kxp^ tfon 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
Auguat Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion s Expedition: 

Sek. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner and Prof. Dr. Haas Koka. August Hirschwald, Yerlagskackbandlaag ia Berlin. 


Montag, den 30. November 1914 


48 . 


Einimdfüafzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origia&liei: Oppenheim: Zur Kriegsneurologie. S. 1853. 

Kossel: Ueber Typhusschutzimpfung. S. 1857. 

Melchior: Ueber Erfrierungen im Kriege und ihre Behandlung. 
(Aus der Breslauer chirurgischen Klinik.) S. 1858. 

Plehu: Ueber grosse Bluttransfusionen. (Aus dem städtischen 
Krankenhause am Urban.) S. 1862. 

v. Feilitsch: Calmonal, ein neues Sedativum. (Aus den Privat- 
kuranst&lten der Sanitätsräte Dr. James Frankel und Dr. A. Oliven 
in Berlin-Lankwitz.) S. 1864. 

Morgenroth: Die Chemotherapie der Pnenmokokkeninfektion. (Aus 
der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen Instituts der 
Universität Berlin.) (Schluss.) S. 1865. 

Coenen: Ueber einige chirurgische Erfahrungen aus dem II. Balkan¬ 
kriege. (Bemerkung zu der Arbeit von R. Klapp in der Münchener 
medizinischen Wochenschrift, feldärztliche Beilage, 1914, Nr. 7, 
S. 68.) S. 1873. 

BKckerbesprecliMigei: Joch mann: Lehrbuch der Infektionskrankheiten. 

S. 1873. Umber: Ernährung und Stoffwechselkrankheiten. S. 1873. 

Neu fei d: Seuohenentstehung und Seuchenbekämpfung. S. 1874. 


Zur Kriegsneurologie. 

Von 

H. Oppenheim. 

Die Zahl der Soldaten, bei denen es infolge von Verwundungen 
oder anderer Schädlichkeiten zu Erkrankungen des Nervensystems 
gekommen ist, ist eine unverhältnismässig grosse, so dass es ganz 
den Anschein hat, als ob die Neurologie einen der wichtigsten 
Zweige der Kriegsmedizin in diesem Feldzug bilden würde. 

Meine Erfahrungen habe ich nur zum geringeren Teil in der 
Sprechstunde und Poliklinik, zum grössten durch meine Tätigkeit 
als konsultierender Arzt an den verschiedensten Lazaretten und 
besonders als leitender Arzt des Nervenlazarettes im Kunst- 
gewerbemusenm erworben. 

Gleich nach Ausbruch des Krieges stellte ich mich in diesem 
Sinne der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums zur Verfügung 
mit dem Vorschlag, dass eine Krankenabteilung ausschliesslich 
für Kriegs-Nervenkrankheiten gegründet würde. Die Behörde 
ging verständnisvoll auf mein Anerbieten ein, und so ist seit 
Mitte Oktober eine aus etwa 100 Betten bestehende und er¬ 
weiterungsfähige neurologische Abteilung im Kunstgewerbemuseum 
geschaffen, die unter meiner Leitung steht. Damit hat der Krieg 
mir, wenn auch als flüchtigen Besitz, das gegeben, nach dem ich 
26 Jahre lang vergebens gestrebt, und für das ich in den Jahren 
des Friedens vergebens gekämpft habe. 

Wie Sie aus meinen Ausführungen erkennen werden, ist es 
nicht nur die grosse Summe der Erfahrungen, aus welchen die 
Neurologie Gewinn ziehen wird, sondern wir dürfen schon heute 
sagen, dass unser Wissen durch neue Tatsachen bereichert werden 
wird, und dass alte Anschauungen und Lehren eine wesentliche 
Umgestaltung erfahren werden. 

Freilich sind noch wenige unserer Untersuchungen abge¬ 
schlossen, und so dürfen Sie auch im gegenwärtigen Zeitpunkt 
noch auf keinem Gebiete etwas Fertiges und Abgerundetes von 
4er Besprechung erwarten. 

Ich beginne mit den Erfahrungen, die sich auf die Kriegs- 


(Ref. Dünner.) — Friedländer: Nerven- und Geisteskrankheiten 
im Felde und im Lazarett. S. 1874. (Ref. König.) 

Literatur-Auszüge: Therapie. S. 1874. — Allgemeine Pathologie und 
pathologische Anatomie. S. 1874. — Innere Medizin. S. 1874. — 
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1874. — Kinderheilkunde. 
S. 1874. — Chirurgie. S. 1875. — Geburtshilfe und Gynäkologie. 
S. 1875. — Augenheilkunde. S. 1876. — Militär-Sanitätswesen. 
S. 1876. — Technik. S. 1876. 

Verhandlnogei ärztlicher Gesellschaften: Vereinigte ärztliche 
-Gesellschaften. (Berliner medizinische Gesellschaft.) Rolländer: 
3 Fälle von Ectopia viscerum. S. 1877. Roth mann: Ueber 
familiäres Vorkommen von Friedreich’scher Ataxie, Myxödem und 
Zwergwuchs. S. 1878. Ewald: Ein Fall von Verätzung des Dick¬ 
darms durch Ammoniak. S. 1878. Morgenroth: Die Chemo¬ 
therapie der Pneumokokkeninfektion. S. 1878. — Gesellschaft 
für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik zu 
Berlin. S. 1878. 

Kriegsärztliche Abende. S. 1879. 

Tagesgesohichtl. Notizen. S.1880. — Amtl. Mitteilungen. 5.1880. 


Neurosen (und -Psychosen) beziehen; muss aber gleich betonen, 
dass im Gegensatz zu den im Publikum verbreiteten und in 
der Presse hervorgetretenen Anschauungen diese Krankheits¬ 
zustände keineswegs den ersten Platz beanspruchen. Gewiss hat 
der Krieg auf dem Wege des physischen und psychischen Traumas 
auch alle die Neurosen und Psychosen hervorgebracht, wie wir 
sie als Folge entsprechender Schädigungen in Friedenszeiten 
kennen gelernt haben. Aber ich finde nicht, dass sie besonders 
häufig sind. Wenn man bedenkt, wie gross die Strapazen und 
Entbehrungen dieses Feldzuges und wie gewaltig vor allem die 
seelischen Erregungen, die Schrecken und Grauen dieses Krieges 
sind, so kann es eher überraschen, dass die Psychoneurosen einen 
nicht weit höheren Prozentsatz unserer Soldaten ergriffen haben l ). 
Wie ungemein widerstandsfähig muss das Nervensystem dieser 
Menschen sein, dass es im allgemeinen dem Anprall der mächtigen 
Sinnesreize (Geräusche) und Erregungen standhält. 

Und so ist es recht bezeichnend, dass die Neurosen und 
Psychosen auch nach meiner Erfahrung zwar nicht aosschliesslich, 
aber fast durchweg bei Disponierten anftreten. Die Mehrzahl der 
Patienten, die wegen Neurasthenie, Hysteroneurasthenie, Psych- 
asthenie usw. in meine Behandlung traten, waren nach ihrer 
Schilderung schon lange vor dem Kriege bzw. von Haus aus 
Neuropathen oder Psychopathen; einige waren durch chronischen 
Alkoholmissbrauch geschädigt, bei einer anderen kleineren Gruppe 
(Offiziere) waren ein- oder mehreremale in früheren Jahren Kopf¬ 
verletzungen mit Commotio cerebri vorausgegangen. Aber es gibt 
auch Ausnahmen: ich habe bis da anscheinend gesunde, nicht 
belastete Soldaten zu behandeln gehabt, bei denen sich schwere 
Neurasthenie entwickelte, nachdem in ihrer unmittelbaren Nähe 
eine Granate geplatzt war. ln einem Falle dieser Art war es 


1) Ich habe allerdings noch darauf hinzuweiseD, dass auch unter 
den mit traumatischer Nervenlähmung in unsere Behandlung Tretenden 
sich viele befinden, bei denen neben diesem Leiden die Symptome der 
allgemeinen Nervosität, besonders die Schlaflosigkeit, mehr oder weniger 
ausgeprägt sind. 


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1854 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


eine schwere Crampusneurose, die einen wesentlichen Teil der 
Symptomatologie ausmachte. 

Haben nun die Kriegs-Neurosen und -Psychosen einen speziellen 
Charakter, sind es Krankheitsformen sui generis? Das muss 
durchaus verneint werden. Darin decken sich meine Erfahrungen 
ganz mit denen der Herren Bonhoeffer, Wollenberg u. a. Im 
grossen und ganzen sind es dieselben Bilder, wie sie uns auch 
sonst als Folgen von Verletzungen und Erschütterungen bekannt 
sind. Auf einige Besonderheiten ist aber doch hinzuweisen. 

Einmal ist es ein fast durchgehender Zug, dass der Schlaf 
durch wilde Träume gestört ist, in denen die Kriegserinnerungs¬ 
bilder den wesentlichen Inhalt bilden. Bei einem meiner Patienten 
kam es auch am Tage im Mittagsschlaf zu einem derartigen 
Traume, in dem er einem vermeintlichen Kommandoruf folgend 
aufsprang und in blinder Hast vorwärts stürmte, bis er mit dem 
Kopfe an einen harten Gegenstand ansiiess und sich verletzte. 

Weiter treten bei diesen Emotionsneurosen die cardio- 
vaskulären Störungen stark in den Vordergrund. Gewiss 
spielen sie — wie ich in meinen Abhandlungen über die trauma¬ 
tischen Neurosen von vornherein und immer wieder hervorgehoben 
habe — auch bei den Nemosen nach Eisenbahnunfällen usw. eine 
hervorragende Rolle. Aber es scheint mir, als ob bei den durch 
den Krieg hervorgerufenen Formen dieser Erkrankung die vaso¬ 
motorische Sphäre ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen 
würde. Freilich gilt das in erster Linie für einen speziellen 
Typus, der uns noch besonders beschäftigen wird, für die Zu¬ 
stände allgemeiner Nervosität, welche im Geleit der schmerz¬ 
haften Neuritis peripherica traumatica auftreten. 

Auch die spezielle Form des vasomotorischen Symptomen- 
komplexes, wie sie besonders von Friedmann als Folge von 
Kopfverletzungen beschrieben worden ist, ist mir bei den von 
Streifschuss und Schrapnellgeschoss am Kopfe verletzten Soldaten 
auffallend oft entgegengetreten. Aber das sind ja Zustände, die 
aus dem Rahmen der reinen Neurose heraustreten, da ihnen 
sicherlich feinere organische Veränderungen zugrunde liegen. 

Bei dem mechanischen Insult, der durch das Vorbeisausen 
der schweren Geschosse oder durch ihre Explosion verursacht 
wird, ohne dass es zu einer direkten Verletzung kommt, scheinen 
sich ähnlich wie bei den Blitzschlagfolgen gleichzeitig schwere 
Neurosen und organische Veränderungen am Nervenapparat ent¬ 
wickeln zu können. (Vgl. dazu die interessante Mitteilung von 
Harzbecker in der D.m.W., 1914, Nr. 17.) 

Als Kuriosum sei noch der Fall eines Luftscbiffers erwähnt, 
bei dem sich auf dem Boden kongenitaler Anlage eine Psych- 
astbenie mit dem speziellen Symptom der Luftschiffphobie ent¬ 
wickelt batte: er war nicht mehr imstande, seinen Aeroplan zu 
betreten, weil er — früher einer der Kühnsten — sofort von 
einer undefinierbaren Angst befallen wurde. Ich habe anderer¬ 
seits Flieger behandelt, die, nachdem ein Arm oder Bein zer¬ 
schossen war, ihren Motor noch 50—60 km weit dirigierten, um 
im deutschen Truppenbereich zu landen. 

Bei den mit „genuiner Epilepsie“ behafteten Patienten, die 
ich bislang zu behandeln hatte, war das Leiden fast durchweg 
schon viele Jahre vor dem Kriege entstanden. Aber die Kriegs- 
scbädlicbkeiten hatten doch eine Häufung der Anfälle zu Wege 
gebracht. In einem Falle waren Schwindel- und Krampfanfälle 
die Folgen eines „Hitzschlaga“, aber die epileptische Natur der 
Krämpfe schien zum mindesten zweifelhaft. Bei einem durch 
Schrapnellgeschoss in der linken Rumpfgegend Getroffenen stellte 
sich sofort ein Krampfanfall ein, der nach der Schilderung das 
Gepräge des epileptischen hatte, aber das Ergebnis der persön¬ 
lichen Untersuchung war das der schweren Hysteroneurasthenie oder 
Emotionsneurose. 

Bei einem Offizier batten die ungeheuerlichsten Strapazen, Ent¬ 
behrungen und Erregungen durch fortgesetzte Kämpfe die Symptome 
des Morbus Basedowii hervorgebracht — es genügte eine Er¬ 
holung und Allgemeinbehandiung von 6 Wochen in einem Sana¬ 
torium, um die Erscheinungen im wesentlichen zarückzubringen. 

Ich komme nun zur Betrachtung der organischen Ge- 
birnkrankheiten infolge von Schädel- und Gehirnschüssen. 
In diese Gruppe gehört nur ein verhältnismässig kleiner Teil 
meiner Beobachtungen. Natürlich spielt bei diesem Zahlen Ver¬ 
hältnis der Zufall eine Rolle. Ich kann hier die schon von 
anderen gemachte Erfahrung bestätigen, dass Schüsse den Schädel 
in sagittaler und frontaler Richtung durchsetzen können, ohne 
irgendwelche Herdsymptome zu hinterlassen. Immerhin ist das 
die Ausnahme. Es sind mir auch derartige Individuen als „hirn¬ 


gesund“ vorgestellt worden, bei denen die genanere Untersuchung 
partielle Aphasie, Alexie, Hemianopsie, Apraxie oder andere 
Krankbeitserscheinungen ergab, die erst durch eine genauere 
Untersuchung ans Tageslicht gefördert wurden. 

Die Mannigfaltigkeit der Symptomenbilder, wie sie die Ge¬ 
schossverletzungen des Gehirns hervorbringen, ist uns ja aas der 
Friedenszeit einigermaassen bekannt. Aber ich bin doch über¬ 
rascht worden durch die Vielgestaltigkeit der entsprechenden 
Syndrome. Aus der Fülle derselben sei der Kleinhirnbrücken- 
winkelsymptomenkomplex, die corticale Mediannsanästhesie mit 
Stereoagnosis der ersten drei Finger, ferner die corticale Para¬ 
plegie (Streifschuss in der Medianlinie des Schädels, wahrschein¬ 
lich mit meningealem Hämatom über bzw. zwischen den Lobalj 
paracentrales) erwähnt. 

Ich habe die Ueberzeugung gewonnen, dass das im Gehirn 
ruhende Geschoss in der Regel nicht die Herderscheinungen ver¬ 
ursacht. Es ist vielmehr meistens die Zertrümmerung und 
Blutung, die es auf seinem Wege durch das Gehirn erzeugt, 
weiche für die Erscheinungen verantwortlich za machen ist. Ich 
stehe somit auf der Seite der Chirurgen, welche sich nur unter 
besonderen Verhältnissen zur Geschossextraktion entschlossen. 

Von Hiroabscessen habe ich bisher nur eine kleine Anzahl 
gesehen. Bei einem auf meinen Rat im Augastahospital 
(Dr. Hübotter) operierten Patienten fanden sich zwei benach¬ 
barte Eiterherde. Die Operation hatte unmittelbaren Erfolg, doch 
ist das Leiden noch nicht abgelaufen. 

Mit den Angaben des Verletzten, er sei von einem Streif¬ 
oder Prellschuss getroffen, gebe man sich nicht zufrieden. Ich 
habe zwei Fälle dieser Art gesehen, in denen die Röntgenunter¬ 
suchung den Sitz des Geschosses innerhalb der Schädelhöhle 
nachwies. 

Oft genug hinterlässt die Kontusion des Schädels nach Streif¬ 
schuss oder Granatsplitterverletzung nichts als einen heftigen, 
hartnäckigen Kopfschmerz, für den auch die Röntgendurch¬ 
leuchtung keine Erklärung gibt. Da kann es schwer sein, die 
Realität der Beschwerden festzustellen. 

Die dritte Gruppe umfasst die Rückenmarksverletzungen. 
Leider sind uns diese schweren und schwersten Gesundheits¬ 
störungen in recht grosser Zahl begegnet. Zunächst interessiert 
die Frage, wie sie zustande kommen. Ich habe nur ganz ver¬ 
einzelte Fälle gesehen, in deuen das Geschoss selbst im Wirbel- 
kanal sass; eine weit grössere Zahl, in denen der Fremdkörper 
in näherer oder weiterer Umgebung der Wirbelsäule seinen Sitz 
batte oder auch nach aussen gedrungen war. Dabei erweist sich die 
Wirbelsäule röntgenoskopisch intakt oder bietet die Zeichen der 
Fraktur. Man kann sieb das erstere nur so erklären, dass das 
Geschoss von dem Wirbelkörper zurückprallt, ohne ihn in seinem 
Gefüge zu lockern, dass aber dieser Stoss genügt, um Verände¬ 
rungen im Marke her vorzurufen. Es mögen dabei aber auch momen¬ 
tane Verschiebungen der Wirbel eine Rolle spielen. Es sind nach 
unseren Erfahrungen 3 oder 4 Formen der Markläsion, die dabei 
Vorkommen: 1. die meningeale Blutung und dieArachnitisserofibrosa 
spioalis, 2. die Hämatomyelie, 3. die Myelomalacie oder die akute 
traumatische Nekrose des Markes. 

Der letztere Befund, der ein besonderes Interesse beansprucht, 
ist in einem Falle von Gassi rer erhoben worden, und zwar bei 
intakter Wirbelsäule. 

Die Häufigkeit des Operationsbefundes einer Meningitis serosa 
oder serofibrosa spinalis bei Schussverletzungen der Wirbelsäule 
entnehme ich einer brieflichen Mitteilung Marburgs, die sich 
auf das von ihm beobachtete v. Eiselsberg’sche Material bezieht 
Ich selbst habe mich bis jetzt nur in wenigen Fällen za opera¬ 
tiven Maassnahmen entschliessen können und komme aaf diese 
Frage zurück. 

Nach ihrer Nervensymptomatologie lassen sich zwei Typen 
•dieser spinalen Affektionen unterscheiden: der Typus der totalen 
Markläsion und der der Brown-Sequard’schen Halbseitenläsion. Io 
meinem bisherigen Material haben erfreulicherweise die letzteren 
das Uebergewicht. Die erste Form bietet das auch prognostisch 
sehr traurige Bild der totalen Lähmung der unteren Körperhafte 
mit Incontinentia urinae et alvi und rasch sich entwickelndem 
Decubitus. Auch bei hohem Sitz der Verletzung ist die Lähmung 
anfangs oder selbst dauernd eine schlaffe mit ganz oder teilweise 
erloschenen Reflexen etc. 

Ich empfehle aber recht zurückhaltend zu sein mit der Dis* 
gnose einer totalen Zerreissung des Markes. Keines der Kriterien, 
die für die Begründung dieser Annahme angeführt worden sin , 
hat volle Beweiskraft. Vor allem darf man nicht vergessen, dass 


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80. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1855 


es für die Symptomatologie gleichgültig ist, ob die Rückenmarks¬ 
elemente in einer bestimmten Höhe völlig vernichtet und zerfallen 
sind bei erhaltener Kontinuität, oder ob eine wirkliche Mark- 
zerreissung stattgefunden hat. 

Natürlich kommen ausser den genannten Typen auch Fälle 
vor, in denen die Symptomatologie auf eine leichte aber diffuse 
bilaterale Schädigung des Rückenmarksquerschnitts hinweist, so 
dass eine leichte spastische Paraparese das Krankheitsbild darstellt. 

Die Mehrzahl meiner Patienten mit Schussverletzung des 
Rückenmarks hatte unter Schmerzen zu leiden, die bei einigen 
von rasender Heftigkeit waren. Es sind Schmerzen radikulären, 
spinalen und meningealen Ursprungs. Einige Male wurde über 
„ Blasenkrämpfe w von enormer Heftigkeit geklagt. Die Blasen- 
Spülung kann dabei schmerzauslösend wirken. 

Einer meinor Patienten wurde durch Luftdruck einer vorbei¬ 
sausenden Granate zu Boden geworfen nnd erwarb dabei eine 
Haematomyelia cervicalis. 

Von Caudaverletzungen durch Geschosse sah ich eine kleine 
Anzahl. Sie boten in ihrer Symptomatologie nichts von dem Be¬ 
kannten Abweichendes. 

Die Behandlung der Schussverletzungen des Rückenmarkes 
bildet eine der schwierigsten Aufgaben. Insbesondere fehlt es 
noch durchaus au allgemeingültigen Grundsätzen für die chirur¬ 
gische Therapie. Ich habe mich bisher nur in 5 Fällen zur 
Empfehlung derselben entschlossen können und bin auf Grund 
der dabei gemachten Erfahrungen noch nicht in der Lage, etwas 
Definitives aussagen zu können. Der röntgenologische Nachweis 
des Geschosses im Wirbelkanal oder eines Knochenfragmentes 
innerhalb desselben wird noch am ehesten die operative Behand¬ 
lung rechtfertigen. 

Unter diesen Verhältnissen dürfte auch die Tatsache, dass 
die Erscheinungen der Totalläsion vorliegen, keine Kontraindikation 
bedingen, falls sie nicht schon Monate bestehen. 

Die Bogenfraktur wird bekanntlich als ein verhältnismässig 
günstiges Objekt der chirurgischen Therapie betrachtet. Auch bei 
Caudaverletzungen sind die Aussichten der operativen Behandlung 
im allgemeinen günstigere, wenngleich die völlige Zerreissung der 
Wurzeln des Pferdeschweifes die Hoffnung auf völlige Wieder¬ 
herstellung illusorisch macht. 

Ich habe einen Fall von Schussverletzung im Bereich der 
oberen Halswirbelsäule gesehen, in dem es zu einer Subluxation 
gekommen war mit der ungewöhnlichen Symptomatologie einer 
WurzeLläsion der oberen Halsnerven links und einer Brown- 
Söqaard’schen Lähmung der rechten Körperseite (Anästhesie im 
Bereich der linken oberen Cervicalnerven, spastische Lähmung 
des rechten Armes und Beines, dissoziierte Empfindungslähmung 
der linken Rumpfhälfte und der linken Extremitäten). 

Dem steht ein anderer Fall gegenüber von Durchschuss im Be¬ 
reich der mittleren unteren Halswirbelsäule, in welchem die einzige 
Folge dieser Läsion Parästhesien in beiden Ulnargebieten und in 
den Plantae pedis mit geringer Hypästhesie von entsprechender 
Verbreitung waren — also eine ganz geringfügige Schädigung der 
hinteren Wurzeln und Hinterstränge im Bereich des unteren Hals¬ 
markes. 

In einem Falle voö Bajonettstichverletzung des rechten 
oberen Halsmarks bestand eine spastische Hemiplegia cervicalis 
dextra, aber statt der Brown Söquard’schen Lähmung hatte die 
Anästhesie ihren Sitz auf der gleichen Seite. Meine Vermutung, 
dass der Stich in die linke Markhälfte vorgedrungen sei, wurde 
durch die Röntgenaufnahme bestätigt, welche gerade an den linken 
unteren Halswirbeln Veränderungen im Sinne der Fraktur ergab. 

Das Hauptfeld der Kriegsneurologie bilden fraglos die trau¬ 
matischen Neuritiden, die peripherische Nerven - und Plexus¬ 
lähmung. Nach dem, was ich selbst zu sehen bekommen habe, 
|ind auch nach den Erfahrungen anderer Neurologen, mit denen 
ich mich aussprechen konnte, gehören sie zu den häufigsten Folgen 
der Extremitätenverletzungen. 

Im ganzen ist der Arm häufiger betroffen wie das Bein, 
wenngleich diese Differenz wohl keine bedeutende ist. Ent¬ 
sprechend den Erfahrungen der Friedenszeit ist der Radialis 
auch hier der am häufigsten betroffene Nerv. Ich habe schon 
32 Fälle von Schussverletzung des N. radialis zu untersuchen Ge¬ 
legenheit gehabt. Dabei war er in ungefähr gleicher Häufigkeit 
am Oberarm wie im Plexusgebiet bzw. der Axilla betroffen. Es 
kamen aber auch Fälle vor, in denen sich die Läsion auf den 
N. radialis superficialis oder profuDdus oder gar auf einen Haut¬ 
ast wie den N, cutan. poster. inf. des Radialis beschränkte. 


Seltener, aber immer noch oft genug war der N. medianus 
oder ulnaris isoliert befallen. Weit grösser ist die Zahl der Fälle 
von kombinierter Armnervenlähmung durch Schussverletzung des 
Plexus — und es kommen da alle uns auch sonst bekannten 
Gruppierungen vor, wenn auch auf diesem Wegs der Radialis 
(mit Axillaris oder mit N. musculo-cutaneus oder in anderer Ver¬ 
knüpfung) besonders oft ergriffen zu werden scheint. 

Auf die verschiedenen Komplikationen — mit Knochenfraktur, 
Aneurysma- und Tbrombosenbildnng — sei nur flüchtig hin¬ 
gewiesen. Das Aneurysma wird leicht übersehen und sei deshalb 
den Neurologen besonders zur Beachtung empfohlen. 

Gleichzeitig mit der traumatischen Neuritis kann sich eine 
Myositis im weiten Umkreis entwickeln, die die Deutung der Er¬ 
scheinungen erschwert. 

Nicht gar zu oft, aber doch auch in zahlreichen Fällen 
fand ich die untere Extremität befallen, und zwar am 
häufigsten den N. ischiadicus bei Schussverletzungen, die den 
Oberschenkel in sagittaler oder frontaler Richtung durchsetzten. 
Entsprechend den schon bekannten Tatsachen wird dabei be¬ 
sonders oft der N. peroneus ergriffen. Aber ungewöhnlich häufig 
fand ich unter diesen Verhältnissen auch den Tibialis posticus 
— und zwar einige Male selbst isoliert — betroffen. Der Krieg* 
hat uns reichlich Gelegenheit gegeben, die Symptomatologie der 
Neuritis bzw. Lähmung dieses Nerven in den verschiedenen Ab¬ 
schnitten seines Verlaufes zu studieren und dabei, wie das schon 
Cramer demonstriert hat, unsere Erfahrungen zu erweitern und 
zu modifizieren. 

Weniger oft sind mir Schussverletzungen der extracraniellen 
Hirnnerven unter die Augen gekommen, aber es ist doch alles, 
was man sich kombinieren kann, vorgekommen, am häufigsten die 
Läsion des Facialis, dann die des Hypoglossus und Vago- 
Accessorius. 

Auch eine sich auf die unteren Dorsaloerven in ihrem ab¬ 
dominalen Verlauf beschränkende traumatische Neuritis fand ich 
in einem Falle mit der bekannten Symptomatologie der Bauch- 
muskelläbmuog, der Areflexie des Abdomens und der Sensibilitäts- 
herabsetzung in der Unterbauchgegend. Die Erscheinungen waren 
hier so leicht ausgeprägt, dass sie gesucht werden mussten. Und 
so ist es begreiflich, dass der Zustand übersehen bzw. als Peri¬ 
typhlitis (wegen der Schmerzen) missdeutet war. 

Auch eine auf den N. saphenus major sowie eine auf den 
N. ileo-inguinalis und genito-cruralis beschränkte traumatische 
Neuritis konnte ich beobachten. 

Mehrmals sah ich eine im Schützengraben erworbene 
Anästhesie im Bereich des N. plantaris medialis, ein- oder 
doppelseitig. Bald wurde die Einzwängung der Füsse, bald die 
Nässe beschuldigt. 

Gerade auf dem Gebiete der Nervenverletzung bat uns der 
Krieg mit neuen Tatsachen bekannt gemacht, die im wesentlichen 
in der starken Beteiligung des sensiblen Nervensystems 
bestehen. Diese dokumentiert sich: 1. durch die enorme Heftig¬ 
keit der Schmerzen in einem Teil dieser Fälle, 2. durch 
die starke Betonung der Sensibilitätsstörungen, 3. durch die 
Häufigkeit des isolierten Befallenseins der sensiblen Bahnen im 
Stamme des gemischten Nerven, 4. durch den gewaltigen Ein¬ 
fluss dieser traumatischen Neuritis sensibler Bahnen (bzw. der 
Schmerzen) auf die psychische, vasomotorische und sekretorische 
Sphäre. 

Diese vier Tatsachen bedürfen einer weiteren Ausführung, 
bei der ich mich aber kurz fassen muss. 

1. In einer nicht kleinen Zahl meiner Fälle, besonders von 
Plexusverletzung, bildeten die Schmerzen das Symptom, das durch 
die Heftigkeit, Hartnäckigkeit und die Begleiterscheinungen durch¬ 
aus' im Vordergrund stand. Die Vehemenz der Schmerzen kann 
den Kranken bis zur Raserei bringen. Morphium war in jedem 
dieser Fälle erforderlich und brachte erst in grossen Dosen vor¬ 
übergehend Linderung. Es ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, 
wie es kommt, dass nur ein Teil der Verletzten von diesen Qualen 
befallen wird. Welches mögen die Bedingungen dafür sein? Nach 
meiner Erfahrung — und das habe ich auch schon früher fest¬ 
gestellt und an entsprechender Stelle meines Lehrbuchs ange¬ 
führt — sind es vorwiegend die partiellen Schädigungen der 
Nerven, die mit Schmerzen und anderen Reizerscheinungen ein¬ 
hergehen, während sie bei der kompletten Leitungsunterbrechung 
zu fehlen pflegen. Aber das ist nichts Gesetzmässiges. Welche 
Rolle die mechanische Gewalt, die individuelle Disposition und 
andere Faktoren spielen, muss die weitere Erfahrung lehren; 

1 * 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1856 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 48. 


ebenso wird noch die Frage zu beantworten sein, ob die primäre 
Verletzung an sich die Schmerzen verursacht, oder ob eine trau¬ 
matische bzw, infektiöse Neuritis hinzutreten muss, um die Reiz¬ 
erscheinungen hervorzubringen. 

2. Ueberraschender noch ist die Häufigkeit, Verbreitung und 
Intensität der Sensibilitätsstörungen. Wir haben auf Grund unserer 
früheren Kenntnisse immer hervorheben müssen, dass bei den 
traumatischen Schädigungen der peripherischen Nerven die moto¬ 
rische Störung ganz im Vordergrund steht, die sensible nicht nur 
zurücktritt, sondern häufig ganz fehlt. In der Beziehung haben 
uns die neuen Beobachtungen Ueberrascbungen gebracht. Be¬ 
sonders auffallend macht sich das am Radialis bemerklich. Unsere 
Friedenserfahrungen bezogen sich freilich fast durchweg auf die 
Druckläbmung dieses Nerven und auf die bei Humerusfraktur. 
Bei der ersteren vermissen wir die Gefühlsstörung fast immer, 
bei der letzteren häufig, oder sie ist sehr wenig ausgesprochen. 

Bei den Schass Verletzungen des Nerven habe ich sie dagegen 
bislang fast nie ganz vermisst und sie sogar meistens sehr ausgeprägt 
gefunden, wenn auch in der Regel nicht in dem ganzen Ionerva- 
tionsbezirk, sondern auf der Dorsalfläche des ersten und zweiten 
Fingers und dem dazugehörigen Bereich des Handrückens. 

Auch bei den Plexusschüssen zeichnete sich die Anästhesie 
durch ihre Intensität und Hartnäckigkeit aus. 

3. Bemerkenswerter und neuartiger ist noch die Erscheinung, 
dass es bei Verletzungen des Nervenstammes zu einer ausschliess¬ 
lichen Schädigung der sensiblen Fasern kommen kann 1 ), — eine 
Tatsache, die durchaus geeignet ist, den Stoffel’schen Lehren 
eine Stütze zu gebeu. Ich habe das besonders einige Male am 
Ischiadicus beobachtet, d. b. es kam bei einer Schussverletzung 
des Nervenstammes am Oberschenkel zu einer Anästhesie in der 
Planta pedis bei normalem Verhalten der Motilität und elektrischer 
Erregbarkeit. 

4. Von grossem Interesse ist eine kleine Gruppe meiner Be¬ 
obachtungen durch die Kombination der neuritischen Schmerzen 
mit psychischen, vasomotorischen und sekretorischen 
Störungen. 

In erster Linie sind es Erregungs- und Verwirrungszustände 
mit Wutausbrüchen, die die Schmerzanfälle begleiten. Diese Er¬ 
scheinungen treten periodisch auf, während der Patient in der 
Zwischenzeit meist klar und geordnet ist. Dazu kommt die enorme 
Empfiudlichkeit gegen Sinnesreize und Gemütsbewegungen und der 
mächtige Einfluss, der diesen von dem Patienten auf die Intensität 
der Schmerzen zugesebrieben wird. Das kann so weit gehen, 
dass er das Bestreben hat, sich völlig zu isolieren, dass schon 
das Oeffoen der Tür, das Läuten der Klingel usw. einen Schmerz- 
anfall auslöst, mehr noch die Berührung der leidenden Extremität 
und die Befürchtung, dass diese Berührung stattfinden könne. 

Sind das von Hause aus nervöse, hysterische Individuen? 
Hat der Krieg sie durch seine Wirkungen auf Seele und Körper 
nervös gemacht? Oder hat erst die Gewalt der Schmerzen die 
Psyche so geschädigt, dass diese kolossale Ueberempfindlichkeit 
die Folge ist? Alles das mag eine Rolle spielen. Mehr aber 
noch schreibe ich einem anderen Umstand Bedeutung zu: es ist 
der mächtige sensible Reiz, der bei der Verletzung als Erschütte¬ 
rungswelle in das centrale Nervensystem dringt und hier die 
feineren (molekularen?) Veränderungen hervorruft, die ihren Aus¬ 
druck in den geschilderten Allgemeinerscheinungen finden. Es 
ist das die Theorie, die ich schon vor vielen Jahren zur Er¬ 
klärung bestimmter Symptome der traumatischen Neurosen auf¬ 
gestellt habe und die von Goldscbeider u. a. angenommen 
worden ist. Diese Deutung wirft auch ein Licht auf die Tatsache, 
dass sich neben den psychischen Störungen andere Symptome 
centraler Schädigung: vor allem vasomotorische und sekretorische 2 ) 
Anomalien von allgemeiner — nicht auf die verletzte Extremität 
begrenzter — Verbreitung geltend machen. So stellte sich bei einem 
Patienten nach einer Scbussverletzung des Ischiadicus neben den 
gewaltigen Schmerzen im Fuss eine kongestive Rötung des Ge¬ 
sichtes, ein Gefühl lebhaften Brennens und eine Rötung beider 
Hände ein, die beständig zur Faust geballt wurden, weil jede 
Bewegung der Finger mit heftigen Schmerzen im verletzten 
Ischiadicus verbunden war. Dazu gesellte sich in diesen wie in 


1) Es ist ähnliches ausnahmsweise schon früher von Bernhardt 
und mir bei Verletzungen des Medianus über dem Handgelenk beob¬ 
achtet worden. 

2) Diese Tatsache ist auch von Rothmann in einer Diskussion der 
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten beiläufig 
erwähnt worden. 


anderen Fällen eine starke Hyperidrosis universal». Diese 
Zustandsbilder erinnern sehr an die der schweren Formen trau¬ 
matischer Neurose nach Eisenbahn Unfällen. 

Eine andere Tatsache, die mich völlig überrascht hat, be¬ 
zieht sich auf das Verhalten der elektrischen Erregbarkeit io deu 
gelähmten motorischen Nerven. Gewiss haben wir auch hier die 
typischen Befunde der partiellen and totalen Entartungsreaktion. 
Aber was mir in zahlreichen Fällen aufgefallen ist und mein 
Urteil anfangs missleitet hat, ist die Erscheinung, dass 
bei sonst typischer Entartungsreaktion die Entwicklung des 
Stadiums der Zuckungsträgheit bei direkter galvanischer 
Reizung viel länger auf sich warten lässt als man bisher 
angenommen hat. Die Lehre lautet, dass sie sich am Ende der 
ersten oder erst im Beginn der zweiten Woche entwickelt, aber 
ich habe jetzt eine Reibe von Patienten zu untersuchen gehabt, 
bei denen 4—6 Wochen oder ein noch längerer Zeitraum ver¬ 
strich, ehe die Zuckungsträgheit deutlich zum Vorschein kam. 
Anfangs glaubte icb daraus auf die Nichtzerreissung des Nerven 
schlossen zu können — bis ich bemerkte, dass es sich um eine 
verzögerte Ausbildung der Zuckungsträgheit bandelt, die einen 
Rückschluss auf die Beschaffenheit des Nerven nicht zulässt. 

Ich habe noch andere auffallende Erscheinungen beobachtet, 
wie ausgesprochene Zuckungsträgbeit im Danmenbalien bei 
direkter faradiseber Reizung, ferner atrophische Lähmung mit 
normaler elektrischer Erregbarkeit. 

Die Schwierigkeiten, welche der Entscheidung, ob ein Nerv 
zerrissen oder nur erheblich gedrückt, gequetscht ist, entgegen¬ 
stehen, machen sich uns jetzt so recht fühlbar, da wir uns immer 
wieder vor die Frage gestellt sehen, ob eine Nervennaht indiziert 
ist. Wir können immer nur sagen, dass im gegebenen Fall der 
Nerv schwer geschädigt ist, weiter reicht angesichts kompletter 
Lähmung mit totaler Entartungsreaktion unsere diagnostische 
Fähigkeit nicht. Bei einem Patienten mit Ischiadicusverletzung, 
bei dem die Verhältnisse so lagen, glaubte ich in dem Vorbaoden- 
sein des Ischiasphänomens eine Gewähr für die erhaltene Kon¬ 
tinuität des Nerven erblicken zu dürfen. Es zeigte sich ans in 
der Tat bei der Operation (Geh. Rat Bier), dass wenigstens der 
Anteil des N. peroneus keinerlei Unterbrechung seiner Fasern 
erfahren hatte. 

Es bedarf noch vieler Erfahrung und langer Beobachtung, 
ehe wir von Fortschritten in therapeutischer Beziehung sprechen 
können. Besonders dringend macht sich die Forderung nach der 
Bekämpfung der neuritischen Schmerzen geltend. Es ist geradem 
niederdrückend, wenn man den fast unerträglichen Qualen dieser 
tapferen Menschen ohnmächtig gegenübersteht oder immer wieder 
zur Morphiumspritze greifen muss. Oft wirkt Hitze in Form des 
heissen Handbades oder Heissluftbades wenigstens vorübergehend 
wohltuend. In einigen anderen Fällen führte die völlige Ruhig* 
stellung der Extremität durch Gipsverband zum Ziele. Ueberden 
Nutzen der Lange’schen Injektionen in die Nervenbahn haben wir 
noch kein abschliessendes Urteil. 

Gewiss ist es die Regel, dass die Schmerzen allmählich von 
selbst an Iotensität verlieren, aber es können viele Monate ver¬ 
gehen, ehe dieses Stadium erreicht wird. 

Die Wucht und Grausamkeit des modernen Krieges bringt es 
mit sich, dass wir auch vereinzelte Fälle sehen, in denen gleich¬ 
zeitig Gehirn und Rückenmark oder eines dieser Organe zugleich 
mit dem peripherischen Nervensystem von Verletzungen betroffen 
ist, so dass ein vielgestaltiges Bild von Lähmungen bzw. von 
Reiz- und Ausfallserscheinungen entsteht. Es kann dann schwierig 
sein, in der Deutung und Lokalisation jedem Symptom gerecht 
zu werden. 

Die Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrank¬ 
heiten hat den Beschluss gefasst, das Thema der Kriegsverletzungen 
des Nervensystems in einer Reihe von Sitzungen za diskutieren. 
Dort wird sich Gelegenheit finden, auf einzelne Fragen näher ein¬ 
zugehen. Vor allem ist es erwünscht, dass alle therapeutischen 
Erfahrungen zur allgemeinen Kenntnis gelangen, damit jeder von 
uns in die Lage kommt, die Qualen der Verwundeten zu lindern 
und einer möglichst grossen Zahl von Gelähmten ihre Bewegungs- 
tüchtigkeit wiederzugeben. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



80. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1857 


Ueber Typhusschutzimpfung. 1 ) 

Von 

Prof. fl. Rossel, 

Direktor des hygienischen Instituts der Universität Heidelberg. 

Unter den Kriegsseuchen kommt dem Abdominaltyphus eine 
hervorragende Bedeutung zu. In fast allen grösseren Kriegen der 
letzten 100 Jahre sind die Verluste der kämpfenden Heere an 
Typhus schwere gewesen. Es genügt, das Beispiel des deutsch¬ 
französischen Krieges 1870/71 anzuführen, um die Wichtigkeit 
einer energischen Bekämpfung dieser Krankheit in Kriegszeiten 
zu würdigen. 

Bei einer Durchschnittsstärke von 816 000 Offizieren und 
Mannschaften kamen 1870/71 unter den deutschen Truppen 
74 205 Erkrankungen an Typhus mit 8904 Todesfällen vor, d. i. 
eine Erkrankungsziffer von 91 pM. der Iststärke und eine Sterbe¬ 
ziffer von 11 pM. Den 8904 Typhussterbefällen standen gegenüber 
6000 Sterbefälle an anderen Krankheiten; der Typhus also ver¬ 
ursachte 60 pCt. aller Verluste an Krankheiten. 

Die Ursache dieser schweren Verluste ist darin zu suchen, 
dass damals der Typbus io Deutschland sowohl unter der Zivil¬ 
bevölkerung wie im Heere weit verbreiteter war als heute. Es 
kam hinzu, dass bei einzelnen Truppenteilen zur Zeit der Mobil¬ 
machung Typbusepidemien herrschten, und dass die Heere alsbald 
in feindliche Gebiete vorrückten, die Typhusherde darstellten. 

In den letzten Jahrzehnten ist der Typhus in Deutschland in 
stetiger Abnahme begriffen gewesen. Während z. B. im preussiscben 
Heere in den drei dem siebziger Kriege vorausgehenden Jahren 
die Todesfälle au Typhus 1,7 pM. der Iststärke ausmachten, war 
diese Ziffer im Jahre 1896/97 auf 0,1 pM. und im Jahre 1909/10 
auf 0,08 pM. gesunken, ln der Zivilbevölkerung der deutschen 
Städte über 15 000 Einwohner nahm die Ziffer in der gleichen 
Zeit von 0,46 pM. im Jahre 1877 auf 0,04 pM. im Jahre 1910 ab 2 ). 

Diese Abnahme ist zurückzufübren auf die Verbesserungen 
der hygienischen Einrichtungen, besonders der Versorgung der 
Bevölkerung mit einwandsfreiem Trinkwasser und der Beseitigung 
der Abfallstoffe. Die seit den Arbeiten Gaffky’s durchgedrungene 
Erkenntnis von der Entstehung des Typhus durch Infektion mit 
dem Typhusbacillus hat die Bestrebungen zur Bekämpfung der 
Krankheit in neue Bahnen geleitet und sie mächtig gefördert. In 
dem letzten Jahrzehnt ist für die Bekämpfung des Typhus besonders 
viel geschehen durch die von R. Koch veranlassten Maassnahmen, 
die unmittelbar auf die Verhütung der Uebertragung des Krank¬ 
heitskeimes von Kranken und Trägern auf gesunde Personen ab- 
zielten. Gerade die deutschen Militärbehörden haben die Fort¬ 
schritte der hygienischen Wissenschaft nutzbar zu machen ver¬ 
standen und den endemischen Typhus aus dem deutschen Heere 
ausgerottet. 

So sind denn die deutschen Heere ganz anders gegen In¬ 
fektion gerüstet in den Kampf gezogen als vor 44 Jahren. Aber 
da die Kämpfe sich zum Teil in feindlichen Gebieten ahspielen, 
in denen der Typhus noch heute stärker verbreitet ist, so ist das 
Auftreten des Typhus bei unseren Truppen nicht zu verhüten. 
Es ist fraglich, ob die unter den Verhältnissen des Krieges nur 
schwer durchzuführenden, gegen die unmittelbare Ansteckung von 
Mensch zu Mensch und gegen die Uebertragung durch Wasser 
und andere Nahrungsmittel gerichteten Maassnahmen allein aus¬ 
reichen, um die Krankheit einzudämmen. Daher sind die ge¬ 
nannten Maassregeln zu ergänzen durch ausgiebige Anwendung 
der Schutzimpfung. 

Die heutigen Methoden der Typhusschutzimpfung gründen 
sich auf die experimentellen Feststellungen von Pfeiffer und 
Kolle, dass es gelingt, durch Einverleibung abgetöteter Bakterien 
Schutzkörper zu erzeugen. Zur praktischen Verwertung gelangte 
diese Tatsache für Typhus zuerst durch A. Wright, der bei 
den im Burenkriege kämpfenden englischen Truppen nach dem 
Vorbilde von Haffkine’s Choleraimpfungen Schutzimpfungen 
durchführte, indem er die Einspritzung abgetöteter Bouillon¬ 
kulturen des Typbusbacillus vornahm. Nach Wright ist es da¬ 
mals gelungen, die Zahl der Typhuserkrankungen bei den Ge¬ 
impften im Vergleich zu den Ungeimpften auf die Hälfte herab¬ 
zudrücken und auch die Sterblichkeit der trotz vorausgegangener 
Impfung Erkrankten sank auf die Hälfte herab. 

1) Nach einem Vortrag, gehalten vor Lazarettärzten in Heidelberg 
am II. November 1914. 

2) Die Ziffer ist niedriger als in der Armee, weil die Statistik bei 
den Städten die Typhusmortalität aller Altersklassen, auch der wenig 
für Typhus empfänglichen, umfasst. 


Weitere Erfahrungen wurden gesammelt bei den deutschen 
Truppen, die 1904 in Deutsch-Südwestafrika gegen Hereros und 
Hottentotten kämpften. Hier zeigte sich vor allem der günstige 
Einfluss wiederholter Einspritzungen auf die Widerstandskraft 
der geimpften Personen gegen die Typhusinfektion. 

Die Zahl der tödlichen Erkrankungen betrug bei den Un- 
geimpften 12,8 pCt. der Erkrankten, bei den Geimpften 6,47 pCt. 
Bei Ausschaltung der nur einmal Geimpften sank die Sterbeziffer 
anf 4,03 pCt. derjenigen Erkrankten, die 2 oder 3 Injektionen 
erhalten hatten. Diejenigen Personen, bei denen der erzielte 
Schutz nicht ausreichte, um eine Erkrankung völlig zu verhüten, 
hatten demnach immer noch weit grössere Aussicht auf Genesung 
als die Nichtgeimpften. 

War gegen die frühere Art der Bereitung und Anwendung 
des Impfstoffes das Bedenken zu erheben, dass die Reizwirkung 
häufig eine zu heftige sei, so fällt dieser Nachteil bei dem 
heutigen Verfahren fort. Leisbman zeigte, dass man durch die 
Herabsetzung der zur Abtötung der Typhusbacillen gewählten 
Temperatur von 60° anf 53° die Reizerscheinungen wesentlich 
vermindern kann. Während er nach dem Vorgänge von Wright 
mit Bouillonkulturen arbeitete, zeigte Russell, dass der nach 
Pfeiffer und Kolle von Agarknlturen gewonnene Impfstoff 
ebenfalls bei Anwendung der Temperatur von 63° seine Reiz¬ 
wirkung wesentlich verliert, ohne an Schutzkraft einzubüsseu. 

Sowohl Leishman wie Russell sahen nach Anwendung 
ihrer Impfstoffe die Typhusmorbidität und Mortalität bei Ge¬ 
impften stark zurückgehen. Ersterer stellte bei englischen Truppen 
die Morbidität der Ungeimpften auf 3 pCt., die der Geimpften 
auf 0.5 pCt., die Mortalität der Ungeimpften an Typhus auf 
0,5 pCt., der Geimpftea auf 0,05 pCt. fest; letzterer schreibt die 
Abnahme der Typhusmorbidität in der amerikanischen Armee 
von 3—7 pCt auf 0,82 pCt. und der Typhusmortalität von 0,25 
bis 0,9 pCt. auf 0,097 pCt. ebenfalls der Durchführung der 
Schutzimpfung zu. 

ln Deutschland wird die Gewinnung des Impfstoffes aus 
Typhusbacillen, die auf Agar gewachsen sind, der Anwendung 
abgetöteter Bouillonkulturen vorgezogen. 

Die Herstellung des Impfstoffes im hygienischen Institut zu 
Heidelberg schliesst sich an das Verfahren an, das nach freund¬ 
licher Auskunft des Herrn Professor Neufeld im Institut für 
Infektionskrankheiten Robert Koch iu Berlin befolgt wird. 

Die Typhusbacillen werden auf Agar in Kolle’schen Schalen 
gezüchtet und nach 24stündigem Wachstum wird die Bakterien¬ 
masse mit 16 ccm steriler physiologischer Kochsalzlösung ab¬ 
geschwemmt. Die Aufschwemmung wird nunmehr in zugeschmol¬ 
zenen Röhrchen P /2 Stunden lang im Wasserbade des Ostwald- 
scben Thermostaten bei 54° erhitzt. Darauf werden die Röhrchen 
geöffnet und durch Uebertragung geringer Mengen in Bouillon auf 
Sterilität geprüft; dabei zeigt es sich zuweilen, dass die Typhus¬ 
bacillen noch nicht sämtlich abgetötet sind, besonders wenn der 
Nährboden stark bewachsen und die Aufschwemmung dadurch 
ziemlich dickflüssig geworden war. Der Inhalt der Röhrchen 
wird sofort mit je 500—600 ccm physiologischer Kochsalzlösung 
uuter Zusatz von 0,5 pCt. Carbol vermischt. Nach 24ständigen 
Stehen bei Zimmerwärme erweisen sich dann die Typhusbacillen 
ausnahmslos als abgetötet und nach abermaliger Probe auf Keim¬ 
freiheit kann der Impfstoff, der eine leicht getrübte Flüssigkeit 
darstellt, benutzt werden. 

DieVaccine wird von uns jedesmal ans 3 verschiedenen Stämmen 
bereitet, die zu gleichen Teilen in der fertigen Flüssigkeit ent¬ 
halten sind. Wir benutzen je einen Stamm aus Blut und aus 
Fäces eines Typhuskrankeu sowie aus den Fäces eines Typhus¬ 
trägers. 

Der fertige Impfstoff wird erstmals in der Menge von 0,5 ccm, 
d. h. etwa Vs Oese Typhusbacillen eingespritzt, am besten unter 
die Haut der Brust unterhalb des linken Schlüsselbeins in der 
Mitte zwischen diesem und der Brustwarze. Die früher ange¬ 
wandte Einspritzung unter die Haut des Vorderarms empfiehlt 
sich nicht wegen der dabei beobachteten starken Örtlichen Reiz¬ 
erscheinungen. Nach 6—10 Tagen wird die Einspritzung mit 
1,0 ccm des Impfstoffs auf der gegenüberliegenden Brustseite vor¬ 
genommen und nach weiteren 6 — 10 Tagen an einer anderen Haut¬ 
stelle der Brust wiederholt, so dass jeder Impfling 3 mal Ein¬ 
spritzungen erhält. Die günstigste Tageszeit ist der frühe Nach¬ 
mittag, damit die Reaktion in die Nachtstunden fällt. 

Vor der Oeffnung ist der Inhalt der Flasche gut durchzu- 
schütteln, da die Bakterienleiber, auf deren Einverleibung es an¬ 
kommt, sich beim Stehen zu Boden gesenkt haben. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1858 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


Die Einspritzung muss unter den Vorsichtsmaassregeln der 
Reimfreiheit erfolgen; für jeden Impfling muss eine frisch aus¬ 
gekochte Kanüle benutzt werden, was leicht durchzufübren ist, 
wenn man mehrere Kanülen zur Verfügung hat und ein Gefäss 
mit siedendem Wasser neben sich stehen hat. 

Die Reaktion auf die Impfung ist örtlich und allgemein. 
Die Örtliche Reaktion besteht in einer Rötung und Druckempfind¬ 
lichkeit an der Impfstelle, die sich nach einigen Stunden ein¬ 
stellt and nach 24—48 Stunden abgelaufen ist, die allgemeine 
kann völlig fehlen oder in Temperatursteigerungen leichten Grades 
bestehen, die meist nach etwa 24 Stunden abgeklungen sind. 
Nach Fornet befördert Alkoholgenuss am Tage der Impfung die 
Reizwirkung und ist daher zu vermeiden. Der Grad der Reaktion 
schwankt bei verschiedenen Personen, die mit dem gleichen Stoff 
geimpft sind. 

Der Impfstoff wird in Fläschchen von 5, 10, 15, 30, 50, 70 
und 100 ccm Inhalt abgegeben, die mit Gummistopfen und Paraffin¬ 
überzug des Stopfens verschlossen sind. Am besten wird der 
Inhalt eines Fläschchens auf einmal aufgebraucht. Soll der 
Impfstoff nach Oeffnung der Flasche aufgehoben werden, so muss 
der Stopfen sorgfältig vor Berührung mit nicht keimfreien Gegen¬ 
ständen (Tischplatte) geschützt werden. Bis zur Verwendung 
müssen die Flaschen kühl und dunkel, vor Staub geschützt auf¬ 
bewahrt werden. (Gläser und Gummistopfen sollten möglichst 
dem Institut zurückgesandt werden.) 

Wie lange der Impfschutz gegen Typhusinfektion anbält, ist 
nicht leicht zu ermitteln. Man rechnet mit einer Dauer von etwa 
einem Jahre. Manche nehmen eine Schutzwirkung von zwei 
Jahren und mehr an. 


Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor: Geh.- 
Rat Prof. Dr. H. Köttner, Generalarzt ä la suite der 
Marine, zurzeit im Felde). 

Ueber Erfrierungen im Kriege und ihre 
Behandlung. 

Klinischer Vortrag. 

Von 


im Sinne der geweblichen Vereisung 1 ). Es genügt hierzu viel¬ 
mehr das Zustandekommen einer stärkeren Abküblang für ge¬ 
wisse Zeit. Da nun bei wirklichem Frost die Wärmeabgabe der 
lebenden Teile vorwiegend nur durch Strahlung erfolgt, bei Nässe 
dagegen durch die viel wirksamere Leitung, wird es begreiflich 
dass gerade im Kriege Massenerfrierungen häufiger Vorkommen bei 
kaltfeuchter Witterung mit positiven Temperaturen nahe der 
Nullgrenze, wenn die Soldaten eventuell tagelang mit ihren Füssen 
der unmittelbaren Nässe von Schützengräben, aufgeweichten Wegen 
oder gar Wasserläufen ausgesetzt sind, als bei leichteren und 
mittleren Frosttemperatoren, wo die Feuchtigkeit zu einer den 
Boden deckenden festen Eiskruste erstarrt. Zu dieser Erkenntnis 
haben schon die zahlreichen Erfahrungen des Krimkrieges geführt, 
indem man unterschied zwischen den Frostschäden des Winters 
1854/56, der zahlreiche Fasserfrierungen der in den Laufgräben 
stationierten Soldaten durch die kalte Feuchtigkeit („humidite 
frei de“) mit sich brachte im Gegensatz zum folgenden strengeren 
Winter, der erheblich weniger Frostschäden zeitigte; dabei be¬ 
schränkten sich diese nicht auf die Füsse, sondern betrafen auch 
die sonstigen peripheren Gliedabschnitte: Ohren, Nase, Hände, 
selbst den Penis 2 ). In neuester Zeit haben die bereits zitierten 
Publikationen ans den Balkankriegen auf diese Erfrierungen bei 
Temperaturen oberhalb des Nullpunktes („Nässegangrän“ nach 
Dreyer) wieder besonders die Aufmerksamkeit gelenkt; im bosni : 
sehen Feldzuge wurden solche Erfrierungen der Füsse sogar 
während der heissen Sommermonate bei Soldaten beobachtet, die 
längere Zeit in kalten Gewässern stehen mussten, obwohl deren 
Temperatur nicht weniger als -f- 8° betrug 8 ). 

Im Gegensätze zu den lokalen Verbrennungen, wo zwischen 
Ursache und Wirkung sehr einheitliche, leicht zu überblickende 
Beziehungen bestehen, trifft dies bei den Erfrierungen nicht ohne 
weiteres zu. Die individuelle Disposition spielt hierbei eine 
ganz wesentliche Rolle, indem körperlich Reduzierte schon erheb¬ 
liche Erfrierungen erleiden können unter Verhältnissen, wo der 
sonst Gesunde schadlos ausgehen würde. Es ist daher gewiss 
nicht immer durch eine besonders intensive Exponierung der 
Kälte gegenüber za erklären, dass die Erfrierungen in den Friedens¬ 
spitälern mit grosser Regelmässigkeit blutarme oder 
unterernährte, häufig dnreh Alkoholismus oder Er¬ 
krankungen heruntergekommene Menschen betreffen. 


Dr. Eduard Melchior, Assistent der Klinik. 

Der bevorstehende Winterfeldzug rückt die Frage der Erfrie¬ 
rungen — namentlich mit Rücksicht auf die an der östlichen Front 
kämpfenden Heere — besonders nahe. Wohl noch kein kriege¬ 
risches Unternehmen ist in unseren Breiten im Winter oder Spät¬ 
herbst ausgeführt worden, ohne nach dieser Richtung hin gänzlich 
von Opfern bewahrt zu bleiben, ganz abgesehen von den zahl¬ 
reichen als „Erkältungskrankheiten 44 in Erscheinung tretenden 
indirekten Folgen einer rauhen Witterung. 

Unvergesslich sind die Verheerungen, welche die direkte 
Kältewirknng unter der Armee Napoleons auf ihrem Rückzüge aus 
Russland anrichtete. Im Krimkriege wurden in der französischen 
Armee bei einer Effektivstärke von 309 000 Mann 5 290 Er¬ 
frierungen (also fast 2 pCt.!) mit einer Mortalität von 1178 
beobachtet 1 ); allein innerhalb zweier Nächte erfroren vor Sebastopol 
2800 Mann, darunter 900 mit tödlichem Ausgange 2 ). „Ungpheure 
Mengen“ von Erfrierungen zeitigte der russisch türkische Krieg 
1877/78 3 ). Der amtliche „Sanitätsbericht über die deutschen 
Heere im Kriege gegeu Frankreich 1870/71“ verzeichnet 1014 Fälle 
von Erfrierungen schwereren Grades. Die durch Erfrierungen 
bedingten Gliedabsetzungen in der Zahl von 30 entsprechen einem 
Prozent der Gesamtziffer dieser Operationen des Feldzuges. — 
Wie zahlreich in den jüngsten Baikankriegen die lokalen Er¬ 
frierungen auftraten, lehren die zahlreichen Mitteilungen über 
diesen Gegenstand von Dreyer 4 ), Wieting 5 ), Welcker, Geru- 
lanos u. a. Wieting allein spricht von 300 selbst beobachteten 
Fällen. 

Aetiologie. 

Zur Hervorrufung einer Kälteschädignng im Sinne einer 
lokalen Erfrierung — nur von solchen soll im folgenden die 
Rede sein — bedarf es keineswegs einer wirklichen „Gefrierung“ 

1) Vgl. Delorme, Traitö de Chirurgie de guerre 1888, und 
H Fischer, Handbuch der Kriegschirurgie, 1882. 

2) Holmes uüd Hulke, A System of surgery, 3. ed., 1883. 

3) Zbl. f. Chir., 1882, S. 402. 

4) Zbl. f. Chir., 1913, Nr. 42, und D.m.W., 1914, Nr. 14—16. 

5) Zbl. f. Chir., 1918, Nr. 16. 


So sahen wir au der Küttner’sohen Klinik eine Patientin von 
blassem Aussehen und schwächlichem Körperbau, der im Alter tob 
26 Jahren die Zehen beider Füsse beim Marsche auf der Land- 
strasse (im März 1901) abgefroren waren. „Sie war damals sehr elend 
— angeblich brustkrank — und brauchte einen Vormittag zu dem eine 
Meile langen Wege.“ 

Auch bei den Erfriernngen im Kriege tritt dieses Moment 
der individuellen Prädisposition ganz unverkennbar in die Er¬ 
scheinung. Neben der allgemeinen Ernährungsfrage spielen hier 
namentlich gleichzeitige erschöpfende Krankheiten wie 
Typhus, Scorbut, Ruhr, Cholera eine wichtige Rolle. Schon im 
Krimkriege, wo in der französischen Armee die durch Krankheiten 
bedingte Verlustziffer von 76 000 die Zahl der vor dem Feinde 
Gefallenen mit 20 000 weit hinter sich liess, ist dieser Zusammen¬ 
hang klar erkannt worden. 4 ) Auch der jüngste Balkankrieg hat 
weitere Grundlagen für die prädisponierende Bedeutung der ge¬ 
nannten Krankheiten erbracht, wobei allerdings Welcker ent¬ 
schieden zu weit geht, wenn er die beobachteten Fälle von Frost¬ 
brand ohne weiteres unter den Begriff der Cholera- und Typhus- 
gangrän subsummiert. 5 ) 


1) Nach manchen Aeusserungeu der Literatur soheint dies gelegent¬ 
lich angenommen zu werden, wie sioh aus der besonderen Betonung des 
Verhaltens der äusseren Temperatur zum Nullpunkte ergibt. Natürlich 
ist aber selbst bei einer beliebig lange einwirkenden Temperatur roo 
0° ein Gefrieren von Körperteilen ausgeschlossen, da das Gewebe infolge 
seiner Salzspannung erst bei tieferen Temperaturen — einheitücne 
Angaben darüber fehlen (vgl. March and, Handbuch der allgemeine 
Pathologie, 1908, Bd. 1) — gefriert. Aber auch bei stärkerem nos • 
wetter ist ein Gefrieren von Gliedmaassen ausgeschlossen, ehe nicht der 
durch die Blutcirculation gegebene Wärraestrom zuvor völlig erloschen u 

2) Cf. Delorme, 1. o. Bd. 1, S. 299. Die Origin&linitteilungeo uoer 
diese Erfrierungsfälle in Koustantiuopel während des Krimkrieges (bus * 
remau, Leguest, Valette, Maupin), erschienen in dem Becueii 
mömoires de möd,, de chir. etc., 2. Ser. XVI—XIX, waren mir jetzt n 
zugänglich. 

3) Vgl. v. Eiseisberg, W.kl.W., 1914, Nr. 43. 

4) „Les causes günörales debilitaotes qui ötendaient sur 
tous leur action desorganisatrice favoriserent leur (sc. der Erfrierung 
döveloppement et leur terminaison par la gangiene* (Delorme;. 

5) Centralbl. f. Chir., 1918, Nr. 42 und 46, 


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30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1869 


Aas ähnlichen Gründen erklärt es sich, dass auch Ver¬ 
wundete bei geschwächtem Allgemeinzustand und infolge ihrer 
Unbeweglichkeit in schlecht geheizten Feldlazaretten oder auf 
Transporten Frostschäden erleiden können, während das sonst 
unter gleichen Verhältnissen befindliche Begleitpersonal verschont 
bleibt. Delorme hat hierauf mit Rücksicht auf die Erfahrungen 
des Krimkrieges hingewiesen, ebenso Fischer. Auch der Deutsche 
Sanitätsbericbt 1870/71 berichtet über derartige Erfahrungen. 1 ) 

Dass bei sonst gesunden Menschen auch die Gewöhnung 
eine nicht zu unterschätzende Bedeutung besitzt, lehren nament¬ 
lich die Erfahrungen der Polarexpeditionen, während die plötz¬ 
lich einsetzende Kälte stets eine erhöhte Gefährdung mit sich 
bringt. 

Als lokal prädisponierendes Moment, welches den Ein¬ 
tritt der Erfrierungen begünstigt, nennt schon Billroth „eng 
anliegende Kleidungsstücke, welche den Kreislauf ge¬ 
nieren“. 8 ) Von Interesse in dieser Hinsicht erscheint die in der 
Monographie von Sonnenburg (Stuttgart 1879) angeführte Selbst¬ 
beobachtung eines französischen Arztes (Bertrand, Rückzug der 
Bourbaki’schen Armee 1870/71), „dass sein linker Fuss, dessen 
Bekleidung enger wie die des rechten gewesen, erfroren sei“. 

Bekanntlich hat Dreyer neuerdings diesen letzteren Faktor 
besonders in den Vordergrund gerückt, indem er das gehäufte 
Auftreten der Fussgangrän in der türkischen Armee (Balkankrieg 
1912/13) im wesentlichen zurückführt auf die dort getragenen 
Schnürschuhe und Wickelgamaschen, die bei Durchnässung 
leicht eine circulationshemmende, schnürende Wirkung ausüben. 3 ) 

Pathogenese. 

Bei den biologischen Vorgängen, welche zu dem Begriff der 
lokalen Erfrierung fahren, handelt es sich einmal um eine di¬ 
rekte Gewebsschädigung durch die Kältewirkung, sodann aber 
besonders um indirekte Noxen, bedingt durch die Beeinflussung 
der Blutcirculation. 

Eine Vereisung des Gewebes als solche braucht dabei noch 
nicht ohne weiteres zu ernsteren klinischen Symptomen, geschweige denn 
zum völligen Gewebstod zu führen, wie die alltägliche Erfahrung der 
örtlichen Anästhesie mit dem Chlorätbylspray lehrt. Die Endwirkuog 
ist vielmehr wesentlich abhängig sowohl von der Dauer der Gefrieruug 
als auch dem Grade der Kälte. So ist bekanntlich die ebenfalls thera¬ 
peutisch viel verwandte Gefrierung von Kohlensäureschnee eine erheb¬ 
lich intensivere als die mit Aether oder Chloräthyl hervorgerufene, so 
dass es hier auch bei kurzer Applikation leicht zur Blasenbildung kommt. 
Wir müssen uns dabei die Einwirkung der Vereisung auf das lebende 
Gewebe als einen komplexen Vorgang denken, indem neben der reinen 
Kälteschädigung des Protoplasmas auch noch der mechanische Effekt 
der Kristallbildung binzukommt; auch ist anzunehmen, dass die Kon¬ 
zentration der Gewebsflüssigkeit bei dem Vorgänge der Gefrierung wesent¬ 
liche Aenderungen erfährt, indem wahrscheinlich bei der Kristallisierung 
der Umgebung Wasser entzogen wird unter Erhöhung der dort herr¬ 
schenden molekularen Konzentration, während beim Wiederauftauen ent¬ 
gegengesetzt gerichtete Vorgänge Platz greifen und zwar, wie die Klinik 
lehrt, mit um so folgenschwererer Wirkung, je schneller dieses Auftauen 
vor sich geht. Experimentell stimmt dies gut zu der Erfahrung, dass 
die Hämocbromolyse der roten Blutkörperchen — das sogenannte Lack¬ 
farbenwerden des Blutes — besonders intensiv bei schnellem Gefrieren 
und Wiederaaftauen erfolgt. 

Wenn auch bei den lokalen „Erfrierungen'* oberhalb des 
Nullpunktes direkte Protoplasmaschädigungen wohl ebenfalls anzu¬ 
nehmen sind, so steht doch unter diesen Umständen die Wirkung der 
Isohämie weitaus im Vordergründe. Die Blutleere der im Stadium 
direkter Kältewirkung befindlichen Körperteile beruht auf spastischer 
Kontraktion der kleineren und grösseren Gefässe wie es klinisch an dem 
leichenblassen Aussehen erfrierender Gliedmaassen zum Ausdruok kommt. 
Hält diese Blutleere lange genug sd, so führt sie zu schweren, eventuell 
nicht mehr reparablen Zellveränderungen, während andererseits gerade 
erst durch die fehlende, bzw. wesentlich eingeschränkte Circulation eine 
erheblichere, durchgreifende Abkühlung des Gewebes ermöglicht wird. 
Die direkte Kältewirkung und Ischämie ergänzen sich also auf diese 
Weise im Sinne eines Circulus vitiosus 4 * * * ). 

Der ursprünglichen Vasokonstriktion folgt in weiteren Stadien eine 
Lähmung der Vasokonstriktoren unter den Erscheinungen der Stase 
mit Transsudation von Oedemflüssigkeit — die eventuell auch alle Ueber- 
gänge zum entzündlichen Exsudat zeigt — in das umgebende Gewebe. 
Nach Untersuchungen von Laveran wird der Eintritt dieser Stase da¬ 


1) Bd. I, S. 208 und 210 und Bd. lila, S. 91. 

2) Billroth, Allgemeine Chirurg. Pathologie, 3. Aufl. 1868, S. 285. 

3) Chirurgenkongress 1913. 

4) Diese Ausschaltung der lokalen Blutcirculation schützt anderer¬ 

seits den Gesamtwärmehaushalt des Organismus. Die Natur opfert hier 

also gleichsam periphere, für das Leben nicht unbedingt erforderliche 

Teile im Interesse des Ganzen, 


durch begünstigt, dass die kleinen Venen am längsten kontrakt bleiben. 
Halt die Stase lange genug an — zumal wenn sich echte thrombo¬ 
tische Vorgänge hinzugesellen —, so bedeutet dies ein definitives 
Zugrundegehen der ursprünglich geschädigten Zellen. Freilich braucht 
ein solcher histologisch nachweisbarer Zelltod bzw. das Absterben ein¬ 
zelner Gewebsbezirke klinisch durchaus noch nicht ohne weiteres als 
Nekrose oder Gangrän sinnfällig zu werden. Stellt sich nämlich die 
Circulation schliesslich wieder her und sind die ursprünglichen Schädi¬ 
gungen nicht sehr ausgedehnte, so sehen wir — zumal an der Haut — 
das abgestorbene Zellmaterial unter entzündlichen Erscheinungen all¬ 
mählich der Resorption anheimfallen, und zwar entweder mit voll¬ 
ständiger Restitution zur Norm oder aber es bilden sich — zumal bei 
wiederholt einwirkenden Schädigungen — leicht jene chronisch exsuda¬ 
tiven, als Perniones bezeichneten Veränderungen des Integumentes. 
Noch weitergehendere Reparationen sehen wir im Tierexperiment fast 
unmerklich — gleichsam unter der Oberfläche — vor sich gehen, indem 
z. B. „nach dem vollständigen Hartfrieren des Ohres ohne äussere Sub- 
stanzverluste (abgesehen von Abstossung der Epidermis) eine Schrumpfung 
mit Erhaltung der wesentlichen Teile stattfioden kann“. (Marchand, 
l. c.) Bei der therapeutischen Anwendung stärkerer Kältewirkung — 
speziell wenn es sich darum handelt, oberflächliche Naevi oder Häm¬ 
angiome zu beseitigen — rechnen wir ja gerade mit dieser Form der 
successiven, ohne die äusserlichen Zeichen der Nekrose verlaufenden 
Destruktion bestimmter Gewebselemente. 

Symptomatologie. 

Vom klinischen Standpunkte aus werden je nach dem Effekt 
der lokalen Erfrierung — ebenso wie bei den Verbrennungen — 
mehrere Grade unterschieden, nämlich 1. die einfache nur von 
einer Hautrötung oder Perniones gefolgte Erfrierung, 2. Blasen¬ 
bildung, 3. der eigentliche mehr oder weniger ausgebreitete 
Frostbrand, wobei noch Unterabteilungen gemacht werden, je 
nachdem die Gangrän nur die Haut oder auch die tiefer ge¬ 
legenen Teile betrifft. 

Eine derartige Gradeinteilung wird sich praktisch oft genug 
erst nachträglich treffen lassen. Man muss sich nämlich ver¬ 
gegenwärtigen, dass in vielen Fällen durch eine gegebene Kälte¬ 
einwirkung der klinische Endeffekt noch nicht ohne weiteres 
determiniert ist, dieser vielmehr auch noch von späteren Um¬ 
ständen, namentlich auch von der abgeschlagenen Behandlung 
abhängt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass z. B. Blasenbildung 
sowohl als selbständige Frostschädigung — z. B. nach Einwirkung 
von Kohlensäureschnee zu therapeutischen Zwecken — vorkommt, 
wie auch symptomatisch im Gefolge schwerster Erfrierungen. 
Auch ist es praktisch ziemlich belanglos, ob die % primäre Kälte¬ 
nekrose allein die Haut oder auch die tieferen Teile betrifft. 

Ein unter dem Einfluss stärkerer Kältewirkung befindlicher 
Körperteil ist — wie schon oben begründet — gewöhnlich blass 
und gefühllos, nachdem eine erste Periode der Nervenreizung, 
die sich durch heftiges Brennen und Stechen manifestiert, über¬ 
wunden ist. Diese Gefühllosigkeit kann die Schuld daran tragen, 
dass Lente mit erfrorenen Füssen oft noch stundenlang weiter 
in der Kälte umherlaufen und auf diese Weise die Schädigung 
steigern. In den leichtesten Formen der Erfrierung folgt auf 
dieses Stadium der Vasokonstriktion eine stärkere Rötung der 
peripheren Abschnitte, begleitet von heftigem Jucken und Prickeln. 
Der Gliedabscbnitt ist meist geschwollen; namentlich in lockeren 
Gewebsbezirken wie am Handrücken ist der Befund eines prallen 
Oedems nicht selten. Diese Erscheinungen können restlos ab- 
klingen oder aber es schliesst sich hieran die Bildung jener be¬ 
reits genannten Frostbeulen (Perniones), an den Ohren nicht 
selten von einer Abschuppung der Epidermis begleitet. Auch 
sonst wird die Haut leicht rissig — aufgesprungene Hände! —, 
und es können sich dann bei mangelnder Fusspflege an derartige 
Rhagaden hartnäckige erysipelative Entzündungen, eventuell von 
phlegmonösem Charakter anschliessen. 

Bei wiederholt einwirkenden Frostschäden u kommt es 
gelegentlich im Bereiche der ursprünglichen Frostbeulen zur 
Geschwürsbildung von ausgesprochen torpidem Charakter, die 
duchaus an trophoneurotische Ulcerationen erinnern. (Duplay 
und Morat). Man bat hierbei an direkte Schädigungen der 
Nerven gedacht, um so mehr als sowohl experimentell wie 
klinisch direkte Läsionen der peripheren Nerven, ja selbst voll¬ 
kommene Lähmungen unter der Einwirkung von Kälte beobachtet 
worden sind 1 ). Vielleicht stehen hierbei aber endarteriitische 
Veränderungen im Vordergründe, wie sie zuerst v. Wini warter 2 ) 
als Ursache der Spätgangrän nach wiederholten leichteren Er- 


1) Vgl. Römy und Thörese, Travaux de neurologie chirurgicale, 
1899, S. 162. 

2) LaDgenb. Arcb., 1879, Bd. 23, S. 102. 


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1860 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


frierungen beschrieben hat. Auch für die Entstehung der 
Claudicatio iatermittens (Dysbasia angiosclerotica), unter 
deren kausalen Faktoren Erb 1 ) vorausgegangene wiederholte 
Kältetraumen mit an erster Stelle rechnet, spielen derartige end- 
arteriitische Vorgänge eine wesentliche Rolle; mitunter ist ja 
dieser Symptomenkomplex überhaupt nur als Vorläufer der 
Gangrän durch Gefässverschluss anzusehen. 

ln den schwereren Formen der Erfrierung sieht man 
die betroffenen Teile blau, ödematös, gedunsen, gefühllos. Häufig 
finden sich Blasen, gefüllt mit dankler, blutig seröser Flüssigkeit; 
hebt man sie ab, so erscheint darunter die blutig imbibierte 
Cutis. Bleiben die cyanotischen Gliedabschnitte auch nach Ein¬ 
leitung einer entsprechenden Therapie (s. w. u.) und bei um¬ 
gebender Zimmertemperatur kalt, so bedeutet dies — wie es 
Wieting besonders betont hat — den Uebergang in Gangrän, 
während sonst noch eine Restitution möglich ist. 

So sah z. B. Wieting einen derartigen Fall, in dem beide Füsse 
bis zum Mittelfuss tiefblau, aber in der Temperatur nur massig herab¬ 
gesetzt waren, mehrere Falle, wo die Zehen dieses Verhalten zeigten. 
Sie erholten sich völlig. 

Ein anderes prognostisches Kriterium in dieser Hinsicht liefert 
nach Billroth das Verhalten der Sensibilität: „Ist die Cutis 
bei tiefen Einstichen 24 Stunden nach stattgebabter Erfrierung 
noch völlig gefühllos, so erholt sie sich wahrscheinlich nicht mehr“. 

Eine einsetzende entzündliche Rötung proximal von den am 
schwersten geschädigten Partien pflegt dann in der Folge die 
Grenze des Absterbens anznzeigen. Es kommt dann entweder 
zur Mumifikation mit allmählicher Spontanelimination der 
nekrotischen Teile; prognostisch ungünstiger ist die feuchte 
Gangrän, die ja in manchen Fällen nichts anderes darstellt als 
eine gangränöse Phlegmone und als solche namentlich in der 
vorantiseptischen Zeit oft genug den tödlichen Ausgang durch 
Pyämie herbeiführte. Auch Tetanus ist unter diesen Umständen 
mehrfach beobachtet worden. Die früher vereinzelt beschriebenen 
Duodenalgeschwüre nach Erfrierungen (Adams, Foerster) 
gehören wohl in die Kategorie der sogen, septischen Ulcera 
dnodeni 2 ). 

Ueber die Lokalisation der Erfrierungen sei nur noch 
rekapituliert, dass speziell die in den Feldzügen so bedeutungs¬ 
vollen Erfrierungen durch feuchte Kälte geradezu ausschliess¬ 
lich die Füsse betreffen — in der Friedenspraxis stellen hier be¬ 
kanntlich die leichteren Erfrierungsformen an den Händen der in 
kaltem Wasser arbeitenden Wäscherinnen, Fleischer, Schiffer usw. 
das Hauptkontingent —, während bei schwerem Frostwetter auch 
Hände, Nase und Ohren stärker in Mitleidenschaft gezogen werden. 

Am Fuss selbst ist die grosse und kleine Zehe am meisten 
gefährdet — Le Den tu —, wie dies auf Grund der anatomischen 
Situation ohne weiteres verständlich ist. 

Prophylaxe. 

Bei der Bekämpfung der Kälteschädigungen lokaler Art spielt 
im Kriege die Prophylaxe eine ganz wesentliche Rolle. Warme, 
nicht beengende Kleidung — vgl. auch den von Dreyer an¬ 
gegebenen, jede Schnürwirkung ausschliessenden festen Stiefel, , 
abgebildet in der Deutschen med. Wochenschr., 1914, Nr. 16 —, , 
ausreichende Ernährung, Möglichkeit des Wechselns durchnässter 
Kleidungsstücke stehen hier an erster Stelle. Angesichts der 
Prädisposition durch erschöpfende Krankheiten sind es somit 
Fragen der Truppenhygiene im weitesten Sinne, welche hier in 
Betracht kommen, und auf die hier nicht im einzelnen einge¬ 
gangen werden kann. 

Therapie. 

Bei bereits eingetretener Erfrierung gilt von alters her als 
Grundregel — von allen durch den Allgemeinzustand eventuell 
erforderlichen Maassnahmen hier abgesehen —, dass die Wieder¬ 
erwärmung zunächst langsam und allmählich zu erfolgen hat. 
Das Abreiben mit Schnee steht in klassischem Rufe, es genügt 
wohl auch ein Frottieren mit kalten Tüchern. Man kann dann 
die erfrorene Extremität in Watte ein wickeln, so dass erst nach 
und nach unter dem Einflüsse der Bettwärme — keine Wärm¬ 
flaschen! — die lokale Temperatur wieder einen Anstieg erfährt. 

Erscheint dieses Prinzip für die Fälle von wirklicher Ver¬ 
eisung theoretisch schon ohne weiteres begreiflich (s. oben), so 
ist aber auch selbst dann, wenn die tiefste Abkühlung noch einige 
Grade oberhalb des geweblichen Gefrierpunktes Halt gemacht 

1) M.m.W., 1904, Nr. 21, 1910, Nr. 21. 

2) Melobior, Ergebnisse der Chirurgie usw., 1911, Bd. II, S. 223. 


hat, die Differenz zur normalen Körpertemperatur eine so erheb¬ 
liche, dass ein plötzlicher Ausgleich derselben ohne eingreifende 
Störungen im Ablauf der cellulären Lebensvorgänge kaum denkbar 
ist. Jedenfalls ist klinisch an der Schädlichkeit einer 
brüsken Erwärmung nicht zu zweifeln. So gibt z. B. ein 
so erfahrener Beobachter wie Larrey an, dass nach der in strenger 
Kälte ausgefochteuen Schlacht bei Preussisch-ßylau alle diejenigen, 
die sich nach stattgefundener Erfrierung in die Stadt oder an das 
Feuer der Biwaks schleppten, „sehr schlimm davon kamen“ im 
Gegensatz zu denen, die sofort in rationelle ärztliche Behandlung 
gelangten: „Wir Hessen sie sogleich mit Schnee und dann all¬ 
mählich mit Campherspiritus waschen, was dem Brand, wo er 
noch nicht da war, zuvorkam, während er sich fast augenblick¬ 
lich bei denen zeigte, die sich der Wirkung des Feuers aus¬ 
setzten“. In Sonnenburg’s Monographie findet sich die Beob¬ 
achtung eines neunjährigen Knaben, der sich den ganzen Tag bei 
Regen- und Schneewetter im Freien herumgetrieben hatte; als er 
mit vor Kälte starrenden Gliedern nach Hause kam, werden ihm 
die Beine in ein warmes Bad gesteckt; schon am folgenden 
Morgen sind bei dem sonst gesunden, blühend aussebenden Knaben 
beide Füsse bis zu den Knöcheln hinauf kalt und gefühllos; Tod 
an Tetanus. Wir selbst sahen an der Küttner’schen Klinik einen 
sehr kräftigen, robusten, 19jährigen jungen Mann, der bei strenger 
Kälte Schneeschuh gelaufen war, abends noch getanzt hatte, alles 
ohne Schmerzen; auf der Heimfahrt in der Eisenbahn legt er die 
kalten Füsse auf die Heizkästen, es folgte eine rapide Gangrän 
und Spontanabstossung sämtlicher Zehen. — Im übrigen ist wohl 
auch jedem aus eigener Erfahrung — z. B. nach Schlittschuh¬ 
laufen — bekannt, dass, wenn die Erwärmung stärker abgekühlter 
Füsse sehr rasch erfolgt, der auftretende brennende, prickelnde, 
spannende Schmerz sehr viel intensiver ist als bei allmählicher 
Erwärmung (Billroth). 

Es kann hier schliesslich eine fast durch die gesamte 
Literatur sich ziehende, meines Wissens bisher unwider¬ 
sprochene Angabe nicht übergangen werden, dahin 
lautend, dass fest gefrorene Gliedmaassen, bzw. peri¬ 
phere Gliedabschnitte brüchig wie Glas werden können. 
Eine besondere Vorsicht beim Transport von derartig Verletzten 
wird daher namentlich auch in den Vorschriften für erste Hilfe 
in UnglucksfäUen anempfohlen, um ein Zerbrechen der steifen 
Glieder zu verhindern. 1 ) 

Konkrete Beobachtungen dieser Art habe ich indessen in der 
Literatur nicht auffinden können. Wenn es nun auch bekannt 
ist, dass bei extrem niedrigen Temperaturen, wie sie durch Ein¬ 
wirkung flüssiger Luft erzielt werden (also bei etwa —200®) 
Leder, Holz, Pflanzen usw. eine glasartige, homogene Sprödigkeit 
annehmen, so erschien es doch a priori höchst fraglich, ob bei 
weniger intensiven Kältegraden, wie sie praktisch in unseren 
Breiten allein in Frage kommen, ähnliche physikalische Zustands¬ 
änderungen Vorkommen. Zur Klärung dieses Problems dienten 
folgende einfachen Versuche: 

1. Ein an und für sich gesunder Finger, der von einer frisch wegen 
Tuberkulose amputierten Hand eines älteren Mannes stammt, wird für 
eine halbe Stunde in eine Eiskochsalzmischung, deren Temperatur bei 
dauernder thermometrischer Kontrolle minus 16—17° aufweist, gelegt 
Der Fiüger ist vollkommen hart und steif, der Versuch, ihn mit eben¬ 
falls entsprechend abgekühlten kräftigen Metallinstrumenten *u zer¬ 
brechen, misslingt: auch bei kräftigsten Schlägen mit einer schweren 
Eisenstange tritt kein Zerspringen ein. 

2. Ein anderer Banger der gleichen Hand wird ebenso mit wh- 
strömendem Kohlensäureschnee 10 Minuten lang vereist, die erzielte 
Temperatur dürfte hierbei mindestens —30° betragen. Auch hierbei 
gelingt es nicht, den Finger in Stücke zu zerbrechen oder ihn durch 
Verhämmerung zum Zerspringen zu bringen. 

Ich möchte daher annehmen, dass sich jene Angaben von 
der Ablösung erfrorener Gliedabschnitte bei unvorsichtigem Han- 
I tieren usw. nicht auf fest gefrorene Körperteile beziehen, sondern 
darauf zurückzuführen sind, dass bei bereits in Demarkierung be¬ 
griffenen, gangränösen Zehen, Fingern oder dergleichen ein 
entsprechender Vorgang gelegentlich beobachtet werden mag. 

Eine weitere therapeutische Aufgabe erwächst angesichts der 
cyanotischen Stase. Bedeutet sie doch einen wesentlichen 
Faktor für das endgültige Zustandekommen der Nekrose, indem, 


1) Vgl. z. B. den Leitfaden von v. Esmarch, 29. Aufl., Leipzig 
1914, S. 78; Unterrichtsbuch für Sanitätsmannschaften vom 27. Sep¬ 
tember 1902 (Auszug für freiwillige Krankenpfleger, 1903, S. HS). 


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30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1861 


so lange sie besteht, eine wirksame arterielle Ernährung des an¬ 
geschoppten Gewebes ausgeschlossen ist, dieses vielmehr in dem 
reduzierten Blute schliesslich erstickt. Die wirksamste Maass¬ 
regel zur Beseitigung der Stase stellt die von v. Berg¬ 
mann angegebene Suspension dar. Das blaugedunsene Glied 
wird locker auf eine Schiene aufbandagiert und möglichst steil 
aufgebängt. Die hiermit erzielten Erfolge sind nach zahlreichen 
Erfahrungen oft überraschende; die cyanotisch öderaatösen Ex¬ 
tremitäten schwellen ab, RötuDg tritt ein als Zeichen der wieder¬ 
bergestellten Circulation, und es ist sicher, dass manche sonst 
verlorene Extremität auf diese Weise als Ganzes oder wenigstens 
teilweise gerettet worden ist. Hat man im übrigen einmal 
eine solche tiefblaue, kühle Extremität gesehen, aus der bei 
jedem Nadelstich sofort dunkle Blutstropfen vorquellen, so 
liegt der Gedanke nahe, hier die Entleerung des stagnierenden 
Blutes zu begünstigen durch direkte Einschnitte in das Ge¬ 
webe — also jenes Verfahren, das Noesske 1 ) generell für die 
Behandlung der droheuden Gangrän durch Stase angegeben hat. 

In der Tat bat auch Wieting dieser Maassnahme das Wort 
geredet, und wir möchten in schwereren Fällen, wenn sich der¬ 
artige entspannende Inzisionen unter aseptischen Kautelen durch¬ 
führen lassen, wohl dazu raten. Technisch kämen hierzu In¬ 
zisionen auf die Zehenkuppen bis zum Knochen, eventuell auch 
noch an den seitlichen Fussrändern in Betracht. 

Nicht jede erfrorene Extremität lässt sich freilich erhalten. 
In vielen Fällen, namentlich denen, die erst später in die Be¬ 
handlung treten, bildet der Eintritt des Brandes die un¬ 
abweisbare Folge. Unter diesen Umständen bat die thera¬ 
peutische Aufgabe das wichtige Ziel zu verfolgen, den Brand 
möglichst zu einem trockenen zu gestalten. 

Die Wege hierzu sind klar vorgezeichnet, wenn man be¬ 
denkt, dass die Vorbedingung zur Eintrocknung des abgestorbenen 
Gewebes darin besteht, dass eioe ausreichende Flüssigkeitsabgabe 
nach aussen hin erfolgen kann. Bei erhaltener Kontinuität der 
Epidermis, die hier die Rolle einer impermeablen Membran spielt, 
ist dies jedoch ausgeschlossen, zumal die Schweisssekretion in 
den abgestorbenen Bezirken sistiert. Wohl aber kann eine 
ausgiebige Verdunstung stattfinden, wenn es zur Ab¬ 
hebung von Blasen, Berstung derselben und Freilegung 
des Coriums kommt. Es ist ja auch sonst bekannt, wie 
enorm nach Entfernung der Epidermis — also z. B. nach Ver¬ 
brennungen, nach Entnahme Thiersch’scher Läppchen — die 
Flüssigkeitsabgabe der freiliegenden Cutis sein kann. Dass es 
sich hierbei nicht rein um einen biologischen Vorgang handelt, 
lehrt die Erfahrung, dass auch an der hydropischen Leiche nach 
Skarifikation der Epidermis Oedemflüssigkeit abflie9st, und dass 
freiliegende Cutisstellen pergamentartig eintrocknen. Es liegt 
daher nahe, diese Möglichkeit der Gewebseintrocknung 
nicht dem Zufall zu überlassen, sondern dieselbe durch 
frühzeitiges ausgiebiges Abziehen der Epidermis — 
was bei beginnender Gangrän gewöhnlich ohne weiteres 
geht — aktiv herbeizufübren. 

Schon Stromeyer berichtet in seinen „Maximen der Kriegs¬ 
heilkunde“ über den eklatanten Erfolg, den diese Maassnahme 
unter solchen Umständen haben kann: „Mit Hilfe dieser kleinen 
Entdeckung habe ich einem berühmten Chirurgen eine Wette ab¬ 
gewonnen. Es handelte sich um einen Fuss, der infolge einer 
Bombenverletzung abgestorben war. Ich fragte meinen Freund, 
ob dies nach seiner Erfahrung ein feuchter oder trockener Brand 
werden würde. Er bestand darauf, es müsste ein feuchter bleiben. 
Ich liess die Epidermis abstreifen und am folgenden Tage war 
der Brand ein trockener. Das Experiment konnte ich in dem 
gelinden Winter 1852/53 meinen Schülern in der Klinik zeigen 
an einem durch Frost bis ins Tibio-Tarsalgelenk abgestorbenen 
Fusse. Der abscheuliche Gestank hörte ganz auf.“ 

Auch Bill rot h hat in seinem Bericht über die chirurgische 
Klinik zu Wien, 1871—1876, das Abziehen der Epidermis als 
Mittel zur Herbeiführung der Mumifikation angegeben. 

Wenn auch vereinzelt in den Lehrbüchern ähnliche Angaben 
figurieren, so scheint doch, wie ich oft erfahren habe, dieses ein¬ 
fache Prinzip wenig bekannt zu sein. Davon, dass es recht 
wirksam ist, habe ich mich mehrfach überzeugen können; es 
ässt sich dies besonders augenfällig gelegentlich dann demon¬ 
strieren, wenn man an einzelnen Zehen die Epidermis erhält, an 
en übrigen aber abzieht; der Unterschied im lokalen Verlauf der 
Gangrän pflegt dann meist sehr ausgesprochen zu sein. 

1) Chirurgenkongress 1910. 


Wirksam unterstützt wird dieses Verfahren durch verschiedene 
Maassnahmen, die eine weitere Flüssigkeitsverarmung des frei¬ 
gelegten, tieferen Gewebes begünstigen. Es gehört hierher die 
Anwendung gut aufsaugender, trockener Verbände, während 
feuchte Verbände — die man leider immer noch hierbei gelegent¬ 
lich in Anwendung sieht — direkt als fehlerhaft zu bezeichnen 
sind. Die Anwendung austrocknender Wundpul ver, wie z. B. von 
Dermatol, kann hierbei mit Vorteil in Frage kommen, ebenso die 
Applikation von wasserentziebendem absoluten Alkohol (Bill- 
roth). Bei anfänglich starkem Gestank ist die reichliche An¬ 
wendung der feingepulverten Tierkohle sehr zu empfehlen. 

Eine besonders wirksame Austrocknung wird durch pro¬ 
longierte Anwendung der Heissluft erzielt; wir sind bei ein¬ 
getretener Gangrän gelegentlich so verfahren, dass der Fuss 
völlig frei vermittels eines an die abgestorbene grosse Zehe ge¬ 
schlungenen Fadens an eine Reifenbahre suspendiert, das Gestell 
selbst mit dicken Tüchern abgedeckt und hierunter der Ver¬ 
gasungsstrom einer kräftigen Spirituslampe mittels eines Schorn¬ 
steins geleitet wurde. 

Diese auch sonst empfohlene Anwendung der Heissluft 1 ) hat 
neben der austrocknenden Wirkung noch die besondere Be¬ 
deutung, dass sie die aktiven, zur Demarkation führenden Ent¬ 
zündungsvorgänge und Granulationsbildung seitens der er¬ 
haltenen Teile fördert; auch bei der Behandlung chronischer 
Erfrierungsrückstände in Gestalt ödematöser und cyanotischer 
Schwellungen (Lexer) ist ihr Nutzen betont worden. 

Operative Maassnahmen in Gestalt von Frühamputationen 
bleiben im wesentlichen für diejenigen — bei rationeller Behand¬ 
lung jedenfalls nur ganz ausnahrasweisen — Fälle reserviert, in 
denen die Gangrän trotz aller Gegenmaassnahmen feucht bleibt 
und in Gestalt einer fortschreitenden Phlegmone entweder direkt 
oder auf dem Wege der Allgemeininfektiou das Leben bedroht. 
In allen anderen Fällen soll man dagegen die Demar¬ 
kierung und Abstossung wenigstens der Weichteile 
möglichst ab warten. Vorstehende Knochenenden — nament¬ 
lich die Köpfe der Metatarsalia — sind mit der Luer’schen 
Zange abzukneifen oder einzelne Phalangen zu exartikulieren. 
Der grosse Vorteil eines derartigen abwartenden Verfahrens be¬ 
steht darin, dass die Verstümmelungen hierbei gewöhnlich erheb¬ 
lich geringer ausfallen, als es bei frühzeitiger Absetzung durch¬ 
führbar wäre. Es gilt dies namentlich dann, wenn — wie so 
leicht — bei der im infektiösen Stadium vorgenommenen Ampu¬ 
tation die prima reunio ausbleibt und Lappennekrosen oder ähn¬ 
liche Wundstörungen eintreten. Geschieht dies z. B. nach einer 
Lisfranc’schen Absetzung, so lässt sich ein solcher Schaden wohl 
überhaupt nicht mehr gutmachen, und es ist noch ein relatives 
Glück, wenn später wenigstens eine Stumpfbildung nach 
Pirogoff möglich ist. v. Massari und Kronenfels haben im 
letzten Balkankriege Gelegenheit gehabt, sich von den traurigen 
Resultaten derartiger — von anderer Seite vorgenommener — 
vorzeitiger Eingriffe zu überzeugen 2 ). 

In nicht wenigen Fällen gelingt es, auf diese Weise nach 
Entfernung der vorstehenden Knochenenden und nach Reinigung 
des Wundbettes überhaupt ohne eigentlichen operativen 
Eingriff auszukommen, wenn man, wie Gerulanos es 
schildert, die granulierenden Wunden sich ganz selbst überlässt: 
„Gewöhnlich war die Rückenhaut stärker ergriffen, die Plantar- 
hant besser erhalten, infolgedessen zog die Plantarhaut über die 
prominierenden Knochen herauf, und es erfolgte spontane Heilung. 
Wir hatten dadurch die Freude, viele Füsse zu erhalten, bei 
denen durch Operation kaum Pirogoff hätte gemacht werden 
können 3 ). 

Immerhin sind die auf diese Weise entstehenden Narben oft 
sehr gespannt dünn, mitunter schmerzhaft und können noch nach 
Jahr und Tag zu hartnäckigen Ulcerationen führen, so dass eine 
reguläre Stumpfbedeckung doch möglichst von vorn¬ 
herein augestrebt werden sollte. 

Ganz ausgezeichnete Resultate ergibt hierbei die unter diesen 
Umständen oft genug ausführbare Absetzung im Tarso-Metatarsal¬ 
gelenk nach Lisfranc. Derartig operierte Menschen gehen trotz 
Verlust des Mittelfusses häufig kaum anders als normale. Sehr 
schön tragfähige Stümpfe liefert auch die Pirogoff’sche Opera¬ 
tion, zumal in der Modifikation nach Günther, wobei die Fersen¬ 
sohle als Tragfläche weiter funktioniert. Die Brauchbarkeit der 

1) Ritter, M.m.W., 1907, Nr. 19. 

2) W.kl.W., 1913, Nr. 44. 

3) Beitr. z. kliu. Chir., Bd. 93, H. 3. 

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1862 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


Exartikulation im Chopart’scben Gelenk wird durch die Neigung 
zur späteren Spitzfussstellung beeinträchtigt; doch ist sie neuer¬ 
dings wieder von einzelnen Autoren — z. B. Borcbardt 1 ) — 
warm empfohlen worden. 

Erwähnt sei noch, dass in Frankreich nach dem Vorgänge 
von Marion neuerdings die Tendenz besteht, von den typischen 
Exartikulationen am Fuss abzusehen, indem man das Fussskelett 
gleichsam als einen einzigen Knochen ansieht, den man da ab¬ 
sägt, wo man es braucht 2 ;. Eigene Erfahrungen über derartige 
atypische Amputationen stehen mir nicht zu Gebote. 

Auf die Behandlung der nicht zur Nekrose führenden Er¬ 
frierungen braucht hier nicht näher eingegangen zu werden; 
praktisch werden sie hier wesentlich unter den weiten Begriff 
der Fuss- und Marschkrankheiten fallen, wobei Ruhe, Salben¬ 
verbände, Fusspflege ihr Wesentlichstes tun. 


Aus dem städtischen Krankenhause am Urban. 

Ueber grosse Bluttransfusionen. 

Von 

Prof. A. Plehn, 

(Vortrag gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft.) 

Wenn man von der sagenhaften Blutübertragung durch Medea 
auf den alten Anchises und dem nicht viel besser fundierten 
Bericht absieht, nach welchem dem Papst Innocenz VIU. im 
15. Jahrhundert das Blut einiger Knaben — mit allseits tödlichem 
Ausgang — einverleibt worden sein soll, so sind die ersten Blut¬ 
transfusionen in den 60er Jahren des 17. Säculum gemacht worden. 
Grösstenteils handelte es sich um Tobsüchtige und Wutkranke, 
denen man Lammblut in der Idee zuführte, sie durch den 
Lebenssaft dieses sanften Tieres zu beruhigen. Denis soll da 
mals bereits direkte Transfusionen mittels Silberkanüle gemacht 
haben. Im folgte kurz darauf Claud Tardy. Infolge der ab¬ 
lehnenden Stellungnahme der Pariser Fakultät wurde das Ver¬ 
fahren aufgegeben und auch bald in Italien verboten. Allerdings 
wurde es noch im 18. Jahrhundert vielfach theoretisch er¬ 
örtert. Erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts nahmen englische 
Aerzte, sowie in Deutschland Dieffenbach (1828), Burdach, 
Job. Müller, Bischoff die Transfusion wieder auf, nachdem 
Dumas und Prevost 1821 in Paris gezeigt hatten, dass auch 
defibriniertes Blut verwendbar sei. Selbst bei schwer Anämi¬ 
schen wurde vor der Transfusion stets die entsprechende Blut¬ 
menge durch Aderlass entfernt. Die deutschen Autoren erklärten 
das defibrinierte Blut dem „ganzen“ für durchaus gleichwertig, 
nicht ohne dass dem später von anderen Autoren, z. B. Neu- 
dörfer, Gesellius, leidenschaftlich widersprochen wurde. 

Die Angaben von Dumas und Prövost, dass das Blut einer 
Tierart „wie Gift“ auf andere Tierarten wirke, bestritten sie mit 
Brown Sequard und suchten die Ursachen der Schädigungen 
im CO a -Gebalt, in Stoffwecbselscblacken, Fehlen des Faserstoffs usw. 

Als 1868 dann Pannm und etwas später Landois (1867) 
naebgewiesen hatten, dass das Blut einer Tierart im Gefäss- 
system gewisser anderer Arten zugrunde gebt, mussten die Ver¬ 
suche, dem Menschen Tierblut zu infundieren, endgültig auf¬ 
gegeben werden. Landois wies zuerst auf die Gefahren der Gc- 
rinnselbildung und Embolie beim Gebrauch des „ganzen“ (nicht 
defibrinierten) Blutes hin, während Pan um die Entwickelung 
hämorrhagischer Diathese und die (schon früher als „Blutpissen“ 
beobachtete) Hämoglobinurie beschreibt. Ponfick hatte eben¬ 
falls Agglutination und Embolie als Todesursache (bei Injektion 
artfremden Blutes) gefunden. 

Armin Köhler und Alex. Schmidt sahen aber 10 Jahre 
später Kaninchen schon nach Injektion geringer Mengen frischen 
arteigenen, ja selbst individnum-eigenen Blutes rasch sterben. 
Sie fanden, wie Ponfick und neuerdings Moldovan, ausgedehnte 
Gerinnuogen, besonders in den Lungencapillaren, und führen 
den Tod anf Intoxikation mit Fibrinferment zurück. 

Unter dem Eindruck dieser Arbeiten wurden die therapeu¬ 
tischen Transfusionsversuche beim Menschen wieder aufgegeben, 
zumal Traube, Wagner, Möller, Sommerbrodt, Mosler, 
die bei CO-Vergiftnng nach vorausgeschicktem Aderlass trans¬ 


1) Handbuch der praktischen Chirurgie, 1914, Bd. 5. 

2) Vgl. Quenu, Bull, de la Soc. de Chirurgie de Paris, 1. April 
1914. 


fundierten, keinen Erfolg batten. Andere Operateure sahen bereits 
nach wenigen Knbikcenfimetern z. T. sehr schwere Erscheinungen: 
Schüttelfrost mit hohen Temperaturen, kollapsartige Blutdruck¬ 
senkung, Dyspnoe, unwillkürliche Harn- nnd Stublentleerungen, 
Angstzustände, Oedeme, Hämoglobinurie, auftreten, ohne dass 
immer eine günstige Wirkung unmittelbar erzielt wurde. Aller¬ 
dings fiel es schon Quincke anf, dass gerade nach den schweren 
Reaktionen der Zustand sich manchmal wesentlich besserte. Er 
will das damit erklären, dass wenigstens ein Teil des eingeführteo 
Blutes einige Tage erhalten bleibe. In den neueren Publi¬ 
kationen, z. B. von Morawitz, zeigt sich zuweilen ebenfalls 
eine günstige Wendung, nachdem vorher wenigen Kubikcenti- 
metern schwere Erscheinungen gefolgt waren. 

Jedenfalls ist es verständlich, dass man die Transfusion unter 
solchen Umständen fast nur in verzweifelten Fällen, speziell bei 
perniziöser Anämie, wagte, und dass man nur ganz ausnahms¬ 
weise über Mengen von 200 ccm hinausging, meist wesentlich 
dahinter zurückblieb. Eine etwaige Verbesserung der Blut- 
zusammensetzung durch Zuführen so geringer Mengen normalen 
Blutes ist objektiv natürlich nicht nachweisbar. Ausserdem wurden 
seit Hayem immer wieder Stimmen laut, welche erklärten, dass das 
transfundierte Blut alsbald zerstört werde. Meinten doch Förster 
und Müller, die dem eingeführten Serum entsprechenden N-Mengen 
quantitativ im Harn wiedergefunden zu haben, v. Ott verhielt 
sich auf Grund von Tierexperimenten ebenfalls schroff ablehnend. 
Dem stehen seit Panum und Worm-Müller aber auch noch 
neuerlich Autoren mit der entgegengesetzten Meinung gegenüber; 
so neben Morawitz namentlich! Werner Schultz, während 
Hürter die Frage offen lässt. Grawitz selbst freilich, bei dem 
Schultz anfangs arbeitete, und der 180 ccm bereits als „grosse“ 
Blutmenge bezeichnet, sowie Nägeli, der angibt, dass einige 
Perniciös anämische infolge von Hämolyse nach der Transfusion 
rasch gestorben sind, lehnen in ihren bekannten Lehrbüchern die 
Transfusion wiederum ab. Der letzte zasammenfassende Bericht 
Morawitz’ von 1910 klingt ebenfalls nicht sehr enthusiastisch. 
Dagegen ist Hansen ein Freund des Verfahrens. Bei 61 Trans¬ 
fusionen, über die er 1912 auf dem Kongress für innere Medizin 
in Wiesbaden berichtete, hat er sich allerdings 60 mal mit weniger 
als 300 ccm begnügt, und nnr 4 mal ist er über 400, einmal 
über 500 (565) ccm binausgegangen. 

Wenn trotz aller dieser Widersprüche und trotz der meist 
ziemlich problematischen Erfolge bei dem bisherigen Vorgehen, 
die äiztliche Kunst doch immer wieder auf die Transfusion zu¬ 
rückkam, so beweist das wohl am besten, wie gross das Bedürfnis 
ist, dem Menschen sein auf die eine oder andere Weise verlorenes 
Blut möglichst schnell nnd vollwertig zu ersetzen und damit 
die Grundlage für seine gesamten Organfunktionen zu 
verbessern. Ist man doch nenerdings in Amerika bekanntlich 
wieder dazu übergegangen, das Blut durch Vereinigung der Arteria 
radialis des Spenders mit einer Armvene des Empfängers diesem 
direkt zuzuführen, wie es Bayle, Lower und King um 1660 
schon bei Hunden in England, Cassini 1667 bei Lämmern in 
Bologna gemacht hatten, und Denis kurz darauf in Paris beim 
Menschen versuchte — sofern dessen Mitteilungen Glauben ver¬ 
dienen. 

Auf dem Kontinent ist das amerikanische Verfahren in der 
letzten Zeit nur ganz vereinzelt ausgeführt worden. So von Neu¬ 
dörfer, Hotz, Payr, Enderlen. Die Gefahr der Gerinnung, 
Tbrombenbildung und Embolie scheint nicht unbedeutend za sein, 
und Hämolyse and Hämoglobinurie sind noch häufiger — übrigens 
auch in Amerika — gewesen. Erstere hat wiederholt die In¬ 
fusion mechanisch verhindert. Ich kann darauf hier nicht näher 
eingehen. 

Als ich vor 6 Jahren anfing, mich mit Transfusionen defibri- 
nierten Blotes zu beschäftigen, habe ich mich zuerst mit 250 bis 
400 ccm begnügt wie frühere Operateure. Schon deshalb, weil 
ich Gesunden nicht znmuten mochte, mehr herzugeben. Die Er¬ 
folge waren oft recht günstig, konnten in der augenblick¬ 
lichen Wirkung aber doch nicht ganz befriedigen. So gelangte 
ich dann zu Mengen von 600— 800 ccm und mehr. Erst diese 
stellen einen unmittelbaren, unzweifelhaften Nutzen für den Orga¬ 
nismus in Aussicht. Die schlechten Chancen der an pernieiöser 
Anämie Leidenden — um solche handelte es sich anfangs aus¬ 
schliesslich — rechtfertigten eine gewisse Kühnheit. Uod dann 
hatten wir uns überzeugt, dass man einem gesunden, kräftigen, 
vollblütigem Manne 600 — 800 ccm Blut, und selbst mehr, ohne 
Bedenken entziehen kann. Etwa 10 pCt. davon gehen beim 
Defibrinieren und Filtrieren verloren. Wenigstens 90 pCt. Hämo* 


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30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1863 


globin muss der Blutspender haben, nicht nnr, weil er den Ver¬ 
lust dann leicht verschmerzen kann, sondern vor allem, weil der 
Wert des Blutes für den Empfänger natürlich seinem Hämo¬ 
globingehalt entspricht. Selbstverständlich wurde sorgsam auf 
Tuberkulose und Syphilis gefahndet und auch auf die Wasser- 
mano’sche Reaktion geprüft. Auf Hämolysine untersuchten wir 
anfangs noch nicht. 

Der grösste Wert ist auf die Vorbehandlung des Blutes 
zu legen. Wir gewannen es durch Stich in die gestaute Vene des 
sorgfältig desinfizierten Armes. Der Abfiass so grosser Blut¬ 
mengen, wie wir ihrer bedurften, durch die Venenkanule erfährt 
oft Störungen. Aus der angeschnittenen Vene erhält man 700 bis 
800 ccm in 10—20 Minuten. Das ausströmende Blut wird sofort 
durch sanftes, langsames Schlagen oder vielmehr Rühren 
mit sterilem Federbündel oder Draht^pirale defibriniert und das 
Schlagen noch 20 Minuten lang fortgesetzt, nachdem die Venae- 
sectio beendet ist. In letzter Zeit fangen wir das Blut in zwei 
Partien auf, damit die erste Hälfte nicht länger geschlagen zu 
werden braucht, als nötig ist. Danach wird das Blut durch eine 
mehrfache Lage steriler Leinwand filtriert, was weitere 15 bis 
20 Minuten in Anspruch nimmt. Diese Zeit von insgesamt 40 bis 
45 Minuten scheint auszureichen, um die toxischen Fermente 
verschwinden zu lassen, welche schwere Vergiftungserscheinungen 
bervorrufen können (Morawitz-Fuld). Länger zu warten als 
dringend nötig ist wegen möglicher Schädigung der roten Blut¬ 
zellen aber auch nicht zu empfehlen. 

Grosser Wert ist darauf zu legen, dass die Temperatur 
des Blutes möglichst konstant bleibt und sich namentlich 
nicht über 39° erhebt. Wir kontrollieren das, indem wir das 
Blut in einem Wa9serbade von entsprechender Wärme mit einem 
empfindlichen Thermometer umrühren lassen. 

Sind die Vorbereitungen genügend vorgeschritten, so wird 
eine möglichst starke Armvene des Empfängers gestaut 1 ), 
unter Lokalanästhesie auf l 1 ^ —2 cm freigelegt und eine Glas¬ 
oder Silberkanüle eingebunden, aus der während des Einführens 
in die Vene NaCl- oder Ringerlösung strömt, um Luftembolie 
sicher zu vermeiden. Die kleine Operation ist bei einiger Ge¬ 
schicklichkeit des Operierenden absolut schmerzlos. 

Der Kanülenschlauch steht durch T-Rohr einmal mit einer 
Glasflasche in Verbindung, welche sich etwa IV 2 m über dem 
Patienten befindet und 45 grädige isotoniscbe NaCl- oder Ringer¬ 
lösung enthält; andererseits durch den zweiten, bzw. dritten 

Schenkel mit einem Glascylinder, wie wir ihn zur Salvarsan- 
injektion gebrauchen. Er ist zur Aufnahme des Blutes bestimmt 
und wird entweder in der Hand gehalten, damit die Einlaufhöhe 
rasch geändert werden kann, oder ebenfalls von einem Eisen¬ 
ständer getragen, dessen Höhe sich ändern lässt. Wir umgeben 

ihn neuerdings mit einem Glasmantel, der warmes Wasser ent¬ 
hält, um rasche Abkühlung des Blutes zu verhindern. Der Ver¬ 
schluss der Schläuche geschieht durch Klemmen. 

Nachdem sichergestellt ist, dass nirgendwo in der ziemlich 
langen Schlauchleitung sich Luft befindet, wird Blut in den 

Cylinder gegossen und die Verbindung zur Venenkanüle her- 
gestellt. Man lässt stets nur 100—160 ccm Blut auf einmal 
nacbfüllen, um Abkühlung tunlichst zu vermeiden. 

Der freie Arm des Patienten trägt die Recklinghausen’sche 
Manschette, und der Blutdruck wird während der Operation alle 
5 Minuten mit dem Riva-Rocci’schen Apparat gemessen und 
notiert. 

Sehr bald, nachdem das Blut anfängt einzuströmen, äussern 
manche Kranke mehr oder weniger lebhaftes Unbehagen: Kopf¬ 
schmerzen, Husten, Oppressionsgefühl auf der Brust, Schmerzen 
in der Herzgegend oder im Kreuz, Kältegefühl, treten zuweilen 
auf. Sehr selten ist leichter Harn oder Stuhldrang. Zuweilen 
rötet sich das vorher leichenblasse Gesiebt infolge plötzlicher 
Hautcapi 11arer Weiterung; oder es tritt aus demselben Grunde auch 
sonst am Körper eio grossfleckiges oder scarlatinöses Erythem auf. 

Darch solche, manchmal alarmierenden Erscheinungen darf 
man sich nicht verblüffen lassen und muss namentlich eingedenk 
sein, dass es kein stärkeres Reizmittel für das Herz gibt, als eine 
Vermehrung seines Inhalts. Natürlich hat das seine Grenzen, 
and wenn der Puls oder der Herzschlag ganz aussetzt, muss man 
den Zustrom für Bruchteile vou Minuten unterbrechen, damit die 
schlaffen, verfetteten Herzen sich erholen können. 


1) Genügen die Dimensionen der Hautvenen nicht, wie oft, so möge 
man die V. brachialis aufsuchen. Den unmittelbar neben ibr ver¬ 
laufenden Nervus medianus muss man natürlich sorgsam verschonen. 


Nach meinen bisherigen Erfahrungen in einigen 30 Fällen 
nehmen diese primären Störungen im weiteren Verlauf der 
Transfusion nicht zu, sondern pflegen geringer zu werden. Ich 
bin nur einmal genötigt gewesen, die Transfusion bei einer fast 
moribunden Patientin abzubrecheu. Ich komme noch darauf 
zurück. 

Sobald etwa 200—300 ccm Blut eingeflossen sind, findet der 
weitere Blutzustrom zuweilen Schwierigkeiten; besonders, wenn 
man peripherwärts infundiert, die eingebundene Vene etwas eng 
ist, oder das hoehviscöse Blut von Polycythämikern benutzt wird. 
Mau macht den Weg dadurch frei, dass man nach Absperren des 
Blutzustromes die Verbindung mit der Wasserflasche herstellt, 
deren Iuhalt sich aus 1 1 J i m Höhe entleert. Die inzwischen ab¬ 
gekühlte Ringerlösung im Zuleitungsschlauch wird vorher ab¬ 
gelassen (s. weiterhin). Obgleich ich die Verdünnung des Trans¬ 
fusionsblutes für ein Uebel halte und mich bemühe, mit mög¬ 
lichst wenig Zusatzflüssigkeit auszukommen, so wird doch meist 
annähernd die gleiche Menge verbraucht, wie man Blut einführt; 
zuweilen mehr. 

Ausser zur Befreiung der Strombahn ist nämlich die Zu¬ 
mischung höher erwärmter NaCl- oder Ringerlösung nötig, um 
das abkühlende Blut auf annähernd Körpertemperatur zu erhalten. 
Dies ist wegen der langen Schlauchleitungen sehr viel schwieriger, 
als man glauben sollte, weil man den ßlutvorrat nicht zu hoch 
vorwärmen darf. 

Ich benutze zur Regulierung der Temperatur seit einiger Zeit 
eine kleine, von Windler nach meinen Angaben angefertigte Vor¬ 
richtung. Der Strom der Transfusionsflüssigkeit umspült ein rasch 
und fein reagierendes Präzisionsthermometer, das ihre Temperatur 
vor dem Uebertritt in den Körper anzeigt. Ausserdem ermöglicht 
eine zweite Durcbbobiung des Stopfen, der das Thermometer 
durchtreten lässt, etwa während der Operation in die Leitung 
geratene Luftblasen entweichen, resp. in den Schläuchen zu stark 
ahgekühlte Flüssigkeit abfliessen zu lassen (s. oben). 

Die Temperaturkontrolle zeigte uns, dass wir früher Flüssig¬ 
keit von kaum 30° C und weniger infundieit hatten. Nachweis¬ 
baren Schaden hatte das allerdings nicht verursacht; wünschens¬ 
wert ist es jedoch sicher nicht, schwer Anämische innerlich so 
ahzukühlen. Aber seihst mit der Thermometerkontrolle erreichten 
wir bei den letzten Transfusionen nur selten annähernde Tempe¬ 
raturenkonstanz von 37°, sonst höchstens Temperaturen von 35 
bis 36 C, und auch dies nur bei raschem, glattem Verlauf. 

Hier ist die Technik noch verbesserungsbedürftig. 

Die Zumischungsflüssigkeit, resp. das Wasser, scheiden die 
meisten Patienten in den nächsten 24—36 Stunden wieder aus. 
Nur die Perniciös-anämischen scheinen es länger zu retinieren. 

Obgleich im ganzen l 1 ^—2 1 Flüssigkeit — ohne vorauf¬ 
gehenden Aderlass — infundiert werden, steigt der vorher 
bei diesen Kranken gewöhnlich unternormale Blutdruck selten 
bis annähernd zur Norm. Wenn er vorher nicht wesentlich er¬ 
niedrigt war, bleibt er zuweilen ganz unverändert. Unerwünschte 
Erhöhung und damit eine Verstärkung vorhandener 
oder Erneuerung eben beendeter Blutung ist also nicht 
zu besorgen: Das Vasomotorenspiel reguliert hier die Verhält¬ 
nisse bestens, wie beim Aderlass. Wenn es noch eines Beweises 
bedurfte, dass das Blutgefässsystem nicht nur ein elastisches 
Schlauchnetz ist, welches unter der mechanischen Wirkung der 
Herzpumpe steht, sondern ein hochkompliziertes Rörperorgan, so 
würden diese Versuche ihn liefern. 

Unmittelbar nachdem die Transfusion beendet ist — manch¬ 
mal schon gegen Ende derselben, öfter einige Stunden später —, 
beginnen zuweilen Reaktionen, welche ich gegenüber den er¬ 
wähnten primären als sekundäre Störungen bezeichnen 
möchte, obgleich beide ineinander übergehn können. 

Bei grossen Transfusionen gibt es meist einen Fieheranstieg 
von wechselnder Höhe und Dauer, gewöhnlich eingeleitet durch 
Frieren oder selbst Schüttelfrost. Völlig ohne Reaktion verliefen 
die wenigen kleinen Transfusionen von 200—260 ccm au 9 der 
allerersten Zeit. Nach 600 ccm und mehr blieb sie nur selten 
ganz aus. 

Abgesehen von dem Infusionsfieber, welches zuweilen'mit 
Kopfschmerzen und Prostrationsgefühl einherging, aber fast stets 
nach wenigen Stunden vorüber war, habe ich bei den ersten 
18 Transfusionen keinerlei Zufälle beobachtet, welche direkt auf 
die Operation zurückzuführen waren. Speziell fehlten Zeichen 
von Blutauflösnng, wie Hämoglobinurie. Vermehrte' Urobilin¬ 
ausscheidung im Harn, oder Auftreten von Urobilinurie, wo sie 
vorher nicht vorhanden war, wurde ebenfalls vermisst. 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


Allerdings beweist Letzteres nicht ohne weiteres, dass keine Blut¬ 
auflösung stattfand, denn Urobilinurie wurde verschiedentlich selbst dann 
nicht gefunden, wenn Hämoglobinurie die Erythrolyse sicher bewies. 

Die günstige Wirkung war in den meisten Fällen sehr deut¬ 
lich, obgleich es sich zunächst fast ausschliesslich um schwerste 
Formen perniciÖ9er Anämie handelte. Sie äusserte sich in einer 
sofortigen Zunahme des Hämoglobingehaltes, rosp. der Blut- 
körperzabl, die eine Periode der objektiven Besserung des All¬ 
gemeinbefindens einleitete und das Leben mindestens verlängerte. 
In welchem Zustande sich die von uns mit Transfusion behan¬ 
delten Perniciös- anämischen grösstenteils befanden, möge man 
daraus schliessen, dass nicht weniger als fünf in der Nacht vor 
dem für die Transfusion bestimmten Tage starben. 

Die günstige Wirkung ist ja verständlich: Für den Gesunden 
ist es ziemlich gleichgültig, ob sein Blut 95 oder 80 pCt. Hb 
enthält. Für den Anämischen macht es aber einen grossen 
Unterschied, ob er 15 oder 31, 20 oder 35 pCt. Hb hat. Das 
bedeutet für ihn ja eine Zunahme um etwa 100 pCt. seines 
früheren Bestandes! 

Das Beste aber erreichten wir erst, als wir uns entschlossen 
hatten, Polycythämikerblut zu verwenden. Solange man 
noch mit einem Schein von Berechtigung annehmen konnte, dass 
das Hb der Polycythämiker weniger 0 zu binden vermöge als 
das des Normalmenschen, so dass ihr Organismus nun durch 
vermehrte Quantität die ungenügende Qualität ersetzen müsse, 
— solange konnte von dem therapeutischen Gebrauch solchen 
angeblich minderwertigen Blutes natürlich nicht die Rede sein. 

Nachdem systematische Untersuchungen uns aber bewiesen 
hatten, dass das O-Bindungsvermögen des Polycythämikerblutes 
seinem Hb-Gehalt ganz ebenso entspricht, wie — nebenbei¬ 
bemerkt — das O-Bindungsvermögen des Blutes aller Gesunden 
und aller aus welchen Ursachen auch immer Anämischen, — da 
konnten wir es ohne Bedenken für die Transfusion benutzen. 

Dadurch wurde es möglich, dem Empfänger die 
doppelte bis annähernd dreifache Menge roter Zellen 
im gleichen Blutvolnmen zuzuführen; also eine Menge, wie 
sie in 2—2 1 / 2 1 Normalblut enthalten ist. 

(Schluss folgt.) 


Aus den Privatkuranstalten der Sanitätsräte Dr. James 
Frankel und Dr. A. Oliven in Berlin-Lankwitz. 

Calmonal, ein neues Sedativum. 

Von 

Dr. v. Feilitscb. 

Im Hinblick auf die grosse Anzahl guter Schlaf- und Beruhiguogs- 
mittel, welche in den letzten Jahren unserem Arzneischatz neu binzu- 
gefügt werden konnten, bedarf es gewiss zur Empfehlung eines weiteren 
derartigen Medikamentes besonderer Umstände. Wenn wir beute der Ein¬ 
führung des C'almonals das Wort reden wollen, so leiten wir unsere Be¬ 
rechtigung hierzu einmal aus der von uns erprobten Brauchbarkeit dieses 
Mittels her und zweitens aus gewissen Einflüssen, welche die derzeitige 
allgemeine Kriegslage auf den Arzneimittelmarkt ausübt. 

Es ist allgemein bekannt, dass infolge der Stockung des Weltver¬ 
kehrs die Zufuhr gewisser ausländischer Drogen sehr erschwert bzw. 
aufgehoben ist und dadurch schon eine Preissteigerung verschiedener 
Arzneimittel hervorgerufen wurde. Dieser Uebelstand hat dem preussischen 
Herrn Medizinalminister bereits Veranlassung gegeben, die Aerzte in 
einer Verfügung zu ersuchen, in geeigneten Fällen statt der im Preise 
erheblich gestiegenen Arzueien — es handelt sich hauptsächlich um 
Morphium und Opium — entsprechende Ersatzmittel zu verschreiben. 

Als solche Ersatzmittel kommen für uns Aerzte natürlich eine Menge 
Mittet in Frage, deren Herstellung von einer Zufuhr von ausserhalb un¬ 
abhängig ist. Unter diese würden die Brompräparate sowie das Urethan 
zu rechnen sein, die uns um deswillen hier besonders interessieren, weil 
sie zur Darstellung unseres neuen Mittels, des Calmonal, vor allem 
notwendig sind. Kann man ein derart zusammengesetztes Mittel auch 
auf Grund seiner arzneilichen Wirkungen auf den menschlichen Organis¬ 
mus zur Anwendung empfehlen, so wird man in ihm mit Recht ein 
willkommenes Ersatzmittel der unter den jetzigen Verbältnisesn schwer 
zu beschaffenden bzw. teueren Opiurapräparate erblicken. 

Infolge des dankenswerten Entgegenkommens der Firma Gehe u. Co. 
in Dresden, welche das Calmonal jetzt in den Handel bringt, war es 
uns möglich, mit mehr als 3000 Tabletten dieses Mittels an Kranken 
der verschiedensten Art längere Zeit hindurch therapeutische Versuohe 
anzustellen. 

Nach den uns von der Firma Gehe freundlichst zur Verfügung ge¬ 
stellten Notizen ist das Calmoual ein Bromcalciumurethan, dessen 
chemische Formel CaBr 2 .4 CO(NH 2 )OC 2 H ö -j- 2 H a O lautet. Es stellt ein 
weisses Kristallmehl oder prismatische Kristalle mit einem Bromgehalt 


von etwa 27 pCt. dar und ist in Wasser und Alkohol leicht löslich. Sein 
Schmelzpunkt liegt bei 107—107,5° C. 

Auf Grund der bekannten Arbeiten von Bürgi 1 ) und Frey 2 ) 
konnten wir bei dieser Zusammensetzung des Calmonals an die Prüfung 
des Mittels von vornherein mit der bestimmten Erwartung eines günstigen 
Ergebnisses berantreten. Es war anzunehmen, dass die an sich nur 
schwach sedativ wirkenden Bestandteile Brom und Urethan nach dem 
Gesetze der sogenannten Wirkungspotenzierung in ihrer Vereinigung eine 
erheblich stärkere Wirkung entfalten, und dass andererseits infolge des 
Antagonismus des Kalks gegen Brom durch den Eintritt des Calciums 
in diese Verbindung die unangenehmen Wirkungen des Broms auf den 
menschlichen Organismus kompensiert werden würden. Diese theo¬ 
retischen Voraussetzungen sahen wir bei unseren praktischen Versuchen 
vollauf bestätigt, ln keinem einzigen Falle haben wir irgendwelche 
Nebenerscheinungen beobachtet, welche die Verwendung des Mittels be¬ 
denklich erscheinen lassen könnten. Es fehlte insbesondere jede un¬ 
günstige Beeinflussung von Herz und Atmung, und es kamen Affektionen 
der Haut, wie sie bei längerem Bromgebraucb sonst so oft auftreten, 
nitmals vor. Wir sahen auch keine merkliche Beeinflussung der Magen¬ 
tätigkeit, keine Schwindelerscheinungen, kein Gefühl des Eingenommen- 
seins des Kopfes am anderen Tage, keine Störungen der Motilität, wie 
sie durch andere Sedativa — besonders die der Veronalgruppe — leider 
mehrfach hervorgerufen werden. Eine Gewöhnung an das Mittel scheint 
auch bei länger fortgesetztem Gebrauch nicht aufzutreteD, — anderer¬ 
seits haben wir auch in seinem Falle eine unangenehme, kumulierende 
Wirkung beobachtet. Das Mittel wurde im allgemeinen ohne Wider¬ 
streben genommen, — nur einzelne empfindlichere Personen bean¬ 
standeten einen etwas unangenehmen Geschmack oder Geruch. 

Was nun die Verwendung des Mittels selbst anlangt, so versuchten 
wir es bei Zuständen von motorischer Erregung, von Schlaflosigkeit, 
StimmuQgsaQomalien, ängstlicher Erregung und einige Male auch bei 
epileptischen Anfällen 8 ). 

Iq Fällen ven motorischer Erregung versagte das Mittel, sobald die 
Erregung eine erheblichere war. Es zeigte sich, dass die Kombination 
der beiden Mittel Brom und Urethan doch keinen so hohen potenzierten 
Gesamteffekt hat, dass sie auf derartige Erregungszustände intensiv genug 
wirken kann. Es wird das freilich nicht Wunder nehmen, wenn wir 
daran denken, wie oft in solchen Fällen auch ao sich stärker wirkende 
Medikamente oder Arzneimischuogen versagen. Bei leichteren Fällen 
von motorischer Unruhe war dagegen öfter ein beruhigender Einfluss des 
Calmonal9 nicht zu verkennen. 

Als Schlafmittel wirkte das Calmonal in leichten und mittel¬ 
schweren Fällen sehr häufig günstig. Die Kranken schliefen verhältnis¬ 
mässig bald nach dem Einnehmen des Mittels ein, und der erzielte 
Schlaf war ruhig und ausgiebig genug. Als besonderer Vorzug vor so 
manchen anderen Mitteln wurde es von den Patienten empfunden, dass 
nach dem Erwachen der Kopf frei von Beschwerden war. Dieselben 
Kranken, welche sonst mehrfach über eingenommenen Kopf, über Kopf¬ 
druck oder gar Schwindel geklagt hatten, fühlten sich nach diesem 
Schlafmittel in der Frühe frisch und beschwerdefrei. Iq schweren Fällen 
von Schlaflosigkeit erwies sich das Calmonal natürlich oft nicht wirksam 
genug, und es musste da zu anderen, stärker wirkenden Mitteln gegriffen 
werden. Bei älteren Leuten dürfte sich indessen auch in solchen Fällen 
ein Versuch mit unserem Mittel empfehlen, da bei ihm alle unange¬ 
nehmen Nebenwirkungen fehlen, welche bei älteren Kranken nach dem 
Gebrauche von Veronal und ähnlichen Schlafmitteln leider so oft sich 
unliebsam bemerkbar machen. 

Die besten Erfolge erzielten wir mit dem Calmonal in der Be¬ 
handlung von Depressionszuständon und Angstneurosen. Wenn man 
auch in den schweren Fällen von Melancholie, besonders bei ihren 
agitierten Formen, immer wieder wird zum Opium, Luminal oder Dial 4 ) 
greifen müssen, so werden diese bei Fehlen solcher motorischer Erregung 
durch das Calmonal zweckmässig ersetzt werden können. Wir verfügen 
wenigstens über eine nicht geringe Anzahl derartiger Falle, in denen es 
uns gelang, nur durch Anwendung des Calmonal — abgesehen natürlich 
von den sonst üblichen hydrotherapeutischen Maassnahmen — eine 
baldige Besserung und Heilung zu erzielen. Die Gemütsverstimmung 
wurde entschieden ebenso bald günstig beeinflusst und zum Schwinden 
gebracht, als mau es vom Opium erwartet hätte. Vermieden aber 
wurden dabei — und dieser Umstand lässt das Calmonal besonders 
wertvoll erscheinen — die für viele Kranke doch recht unangenehmen 
Folgeerscheinungen des Opiumgebrauches, wie die Verstärkung der an 
sich meist schon vorhandenen Darmträgheit, sowie die narkotische 
Wirkung auf das Gehirn. Patienten, welche früher mit Opium behandelt 
worden waren, hoben diese vorteilhaftere Wirkuhg des Calmonals selbs 
hervor, als sie bei uns einer Behandlung mit diesem Mittel unterworfen 

1) Bürgi, Ueber die pharroakologischo Bedeutung von Arzneikom 

binatiouen. Zschr. f. Balneol., 1910, Nr. 14. , 

2) Frey, Die Vermeidung der Nebenwirkungen bei Brom- und Jo 
kuren durch gleichzeitige Kalkgaben. M. Kl., 1914, Nr. 9. 

3) Es ist mir eine angenehme Pflicht, auch an dieser Stelle den 
Herren Sanitätsrat Dr. Frankel und Sanitätsrat Dr. Oliven für 18 
Erlaubnis zur Veröffentlichung unserer Versuche, sowie Herrn 

Dr. Juliusburger für liebenswürdige Beratung bei Abfassung der Ar ei 
meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. j 

4) Vgl. 0. Juliusburger, Dial-Ciba, ein neues Sedativum uno 
Hypnotieum. B.kl.W., 1914, Nr. 14. 


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30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


18G5 


wurde«. Auch verschiedene Angatneurotiker empfanden eine CalmoDal- 
kur angenehm. Oie innere Unruhe, das quälende Herzklopfen, die auf* 
steigende Hitze und Angstgefühl pflegten ziemlich rasch in ihrer Stärke 
naohzulassen und verloren sich sohliesslich ganz ohne Inanspruchnahme 
weiterer Medikamente. In einigen schwereren Fällen versuchten wir 
erst die gleichzeitige Darreichung von Galmonal und Opium und er¬ 
zielten günstige Resultate. Dabei kamen wir mit merklich geringeren 
Dosen von Opium als sonst aus. 

Hinsichtlich der Behandlung der Epilepsie mit Galmonal verfügen 
wir leider nicht über eine genügend grosse Anzahl von Fällen, um ein 
bestimmtes Urteil aussprechen au können. Immerhin glauben wir darauf 
hinweisen zu sollen, dass uns eine Beeinflussung der Krampfanfälle 
durch das Calmonal zu erreichen zu sein scheint. Wir haben die üb¬ 
liche Brombehandlung wiederholt durch die Darreichung von Calmonal 
ersetzt und konnten dabei einige Male ein Seltenerwerden der Anfälle 
beobachten. Da das Calmonal sicher stärker beruhigend auf die reiz- 
bare Psyche des Epileptikers wirkt als das Brom allein, dabei aber auch 
bei längerer Anwendung der Bromismus vermieden wird, dürften weitere 
Versuche nur zu empfehlen sein. 

Fassen wir unsere bisherigen Ergebnisse nooh einmal kurz zu¬ 
sammen, so zeigt sich uns im Calmonal ein Mittel, welches frei von 
unangenehmen Nebenwirkungen ist und im allgemeinen gern ge¬ 
nommen wird. 

In leichten und mittelschweren Fällen von Schlaflosigkeit kann es 
in Gaben von 1,0 bis 2,0, einige Zeit vor dem Schlafengehen genommen, 
andere Schlafmittel wohl ersetzen. Besonders angezeigt erscheint seine 
Anwendung bei bejahrteren Personen. 

In der Behandlung von Depressionszuständen und Angstneurosen, 
die ohne stärkere Erregungen einhergehen, ist es mit Vorteil an Stelle 
des sonst üblichen Opium zu verwenden. Man gibt es solchen Kranken 
in Mengen von dreimal täglioh 0,5—1,0 und darüber. 

Bei Epileptikern scheint es in Gaben von dreimal 1,0 pro die so¬ 
wohl die Zahl der Anfälle, wie die psychische Reizbarkeit günstig zu 
beeinflussen. Besonders im Hinblick auf das Ausbleiben des Bromismus 
empfehlen sich weitere Versuche mit dem Calmonal bei derartigen 
Kranken. Wir setzen sie auch fort und glauben auf Grund der wenigen 
bisherigen Beobachtungen, dass mit allmählich gesteigerten grossen 
Gaben, gute Erfolge erzielt werden können. 


Aus der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen 
Instituts der Universität Berlin. 

Die Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion. 

Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft 1 ). 

Von 

J. Morgenroth. 

(Schluss.) 

XI. Ulcus serpens. Praktische Erfolge der Optochin- 
therapie. 

Von unserem Vorschlag, das Optocbin zur Behandlung 
des Pnenmokokken-Ulcas der Hornhaut zu verwenden, bis 
zu den ersten Veröffentlichungen über die erfolgreiche Anwendung 
des Mittels durch Goldscbmidt, Schar and Leber vergingen 
etwa zwei Jahre. Nachdem jedoch einmal das Interesse der Oph¬ 
thalmologen geweckt war, gelangte das Optocbin bald in weitem 
Umfang zur Anwendung, und es ist, wenn nicht alles trügt, im 
Begriff, die Therapie dieser Affektion, die bis jetzt nach der 
Ansicht der Fachleute eine recht kümmerliche war, zu beherrschen. 
Römer’s Serumtherapie hat nach dem Urteil wohl fast aller 
Ophthalmologen die Behandlung des Ulcus serpens nicht wesentlich 
gefördert; für die Prophylaxe des Ulcus serpens und der 
Pneumokokkeninfektion des Auges überhaupt, bei der 
die ganz einfache lokale Anwendung des Optochin ge¬ 
boten ist, kommt sie vollends nicht in Betracht, weil hier neben 
der anerwiesenen und schwer erweisbaren Wirksamkeit anch der 
hohe Preis des Serums die Anwendung verbietet. Als Ultima 
ratio bei dem Pneumokokkenulcus blieb also bis jetzt vor allem 
der Galvanokauter, auf dessen mit Gewebszerstörung nnd Narben¬ 
bildung erkaufte Wirkung nicht einmal sicher zu rechnen war. 
In der Tübinger Universitätsaugenklinik (Prof. v. Schleich) hat 
die systematische Anwendung des Optochin zu einer Umgestaltung 
der Therapie geführt, die am besten durch folgende Aeusseruug 
Scbur’s charakterisiert wird: „Seit der Anwendung des Aethyl- 
bydrocuprein kam der Galvanokauter in unserer Klinik bei Ulcus 
serpens corneae (Pneumokokken) nicht mehr zur Verwendung und 
wird wohl auch weiterhin entbehrlich bleiben.“ 

Leber 2 * ) berichtete auf der Heidelberger Ophtbalmologen- 

1) Sitzung vom 11. und 25. November 1914. 

2) A. Leber, Bericht über die 39. Versammlung der Ophthalmolog. 

Ges., Heidelberg 1913, Wiesbaden 1918, S. 148. 


Versammlung 1918 über seine Resultate. Er verwendete Iproz. 
Lösungen von Optochin hydrocbloricum in Wasser oder Iproz. 
Lösungen der Optochinbase in Oel; die Lösungen wurden ent¬ 
weder in den Conjunctivalsack eingetropft oder mittels eines 
kleinen, auf das Ulcus gelegten Wattebausches zur Einwirkung 
gebracht. In etwa % der Fälle trat nach baldiger Reinigung 
des Geschwürs schnelle und dauernde Heilung ein, in anderen 
Fällen verlief die Heilung langsamer. In wenigen Fällen trat 
nach anfänglichem Stillstand sehr spät manchmal eine Exacerba¬ 
tion mit neuer Infiltration auf, die der Behandlung weniger zu¬ 
gänglich war; Leber denkt au die Entstehung einer Festigkeit. 

Die erste ausführliche Veröffentlichong erfolgte von Gold- 
schmidt 1 ), der schon in der Diskussion za Lebert Vortrag 
kurz über seine Erfolge berichtet hatte, aus der Leipziger Uni¬ 
versität®- Augenklinik. 

Goldschmidt berichtet unter Beigabe sehr instruktiver Ab¬ 
bildungen über 31 Fälle von Ulcus serpens, bei denen stündlich 
eine Iproz. wässerige Lösung von Optocbin bydrochloricnm in 
den Conjuncti valsack instilliert wurde; die Hornbant wurde voll¬ 
ständig von der Flüssigkeit bespült, die etwa eine halbe Minute 
im Conjunctivalsack verblieb. Die Behandlung wurde bis zur 
vollständignh Reinigung des Ulcus und bis zur Rückbildung der 
Infiltrate durchgeführt. Stärkere als Iproz. Lösungen erwiesen 
sich bei dieser Art der Anwendung als nicht indifferent; 
schwächere Lösungen waren ohne Wirkung. Subconjunctivale 
Injektion von 1 proz. Lösung (0,5 ccm) verursachte starke Chemosis. 

Die erste Iastillation des Mittels ist ziemlich schmerzhaft; 
bald jedoch tritt eine sehr erwünschte Anästhesie eio, die 
durch die Behandlung dauernd unterhalten wird und 
auch bestehen bleibt, wenn dieselbe während der Nacht unter¬ 
brochen wird. 

Goldschmidt scbliesst aus seinen Beobachtnngen, dass dem 
Optochin sicher eine weitgehende curative Wirkung auf 
die Pneumokokkeninfektion des Auges zukommt. 

Gleichzeitig mit der Arbeit von Goldschmidt erschien eine 
ausführliche Mitteilung von Schur 2 ), der in der Tübinger Augen¬ 
klinik auf Veranlassung von Prof, v» Schleich therapeutische 
Versuche anstellte. 

Schur behandelte im gauzen 14, meist schwere Fälle von 
Ulcus serpens; er bediente sich nicht der Instillationen, sondern 
drückte einen Wattebausch, der mit einer 2proz. Lösung von 
Optochin hydrochloricum getränkt war, möglichst nur in der Aus¬ 
dehnung des Geschwürs auf die Cornea auf; das Betupfen ge¬ 
schah so lange, bis eine leichte Trübung in der Umgebung des 
Geschwürs auftrat. Sein Urteil über die günstigen „vielfach 
erstaunlichen“ Erfolge fasst Schur dahin zusammen, dass das 
Mittel „eine geradezu spezifische heilende Wirkung auf 
das durch Pnenmokokken hervorgerufene Ulcus corneae 
serpens ausübt ohne schädigende Nebenwirkungen“. 
Die Narben erscheinen viel zarter als bei der bisherigen Be¬ 
handlung. 

Ihren ersten Mitteilungen Hessen Gol dscbmi dt 8 ) und Schur 4 ) 
nach etwa Jahresfrist zwei weitere Publikationen folgen. 

Schur hat seine von Anfang an geübte Methode mit bestem 
Erfolg ausgebaut. Er betont mit Recht die Notwendigkeit, durch 
ein Grampräparat vom Progressions wall festzustellen, dass es sich 
tatsächlich om ein Pneumokokkenulcus handelt. Je nach der 
Schwere des Falles lässt er den Wattebausch mit der 2proz. 
Optocbinlösung unter leichtem Druck 1—2 Minuten, auch etwas 
länger, mit dem Geschwür in Berührung. „Ausserdem werden, 
wiederum je nach der Schwere des Falles, stündlich bis zwei¬ 
stündlich Instillationen 2proz. Lösungen in den Bindehautsack 
vorgenommeu und bis zur völligen Reinigung des Geschwürs mit 
abnehmender Häufigkeit fortgesetzt.“ Im Gegensatz zu Be¬ 
obachtungen Goldschmidt’s werden offenbar nach Schur’s Er¬ 
fahrungen auch die 2proz. Lösungen bei öfterer Anwendung ohne 
Schaden vertragen 5 ). 

1) M. Goldschmidt, Klin.Mbl.f.Augblk., 1913, 51.Jahrg., Okt.- 
Nov., S. 449. 

2) M. Schur, ebenda, S.469. 

3) M. Goldschmidt, M.m.W., 1914, Nr. 27, S. 1505. 

4) M. Schur, D.m.W., 1914, Nr. 34. 

5) Schur, neuerdings auch Schwartzkopff, maohten darauf auf¬ 
merksam, dass die wässerigen Lösungen des Optochin hydrochloricum 
bald ihre Wirksamkeit verlieren und nach 2—3 Wochen kaum mehr 
wirksam sind. Es empfiehlt sich also die Benutzung frisch'er 
Lösungen. Bei sterilen, in Ampullen aus Jenaer Glas eingeschmolzenen 
Lösungen habe ich nach Monaten keioe Abschwächung der spezifischen 
Wirkung im Reagensglas feststellen können. 

4 


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Gck igle 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1866 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


Schar ist der Ansicht, dass man in leichteren Fällen mit 
der Instillationsmethode allein auskommen kann, legt aber den 
grössten Nachdruck anf eine erste möglichst energische Be¬ 
handlung, um das Auftreten einer Festigkeit zu vermeiden, 
eine Forderung, der ich mich aus theoretischen Erwägungen nur 
anschliessen kann. 

Er bezeichnet auf Grund seiner wesentlich erweiterten Be¬ 
obachtungen die Wirkung als geradezu erstaunlich. Am 
nächsten Tag nach Beginn der Behandlung ist meist ein Still¬ 
stand der Progression, vielfach sogar ein Rückschritt festzustellen, 
am fünften bis sechsten Tag ist gewöhnlich die Reinigung des 
Ulcus vollzogen. Verzögert sich die Regression oder zeigt sich 
etwa eine Neigung zum Fortschreiten, so wird das Betupfen des 
Geschwürs wiederholt. Er betont auch, dass die Cornea nach 
kurzer Zeit durch das Mittel anästhetisch wird. 

Schur trug seine Ergebnisse in der Vereinigung der Würt- 
tembergischen Augenärzte vor; in der Diskussion wurden seine 
Erfahrungen von allen Rednern bestätigt 1 ;. 

Schur weist mit Recht auf die Notwendigkeit einer 
frühzeitigen Behandlung hin. „Hier kann vor allem der 
praktische Arzt viel Nutzen stiften, der ja von den Patienten 
meist zuerst aufgesucht wird und dann in der Lage ist, die erste 
energische Behandlung mit dem Optochin einzuleiten. u Die 
weitere Behandlung erfolgt dann durch den Spezialisten. 

Ich sehe hierin einen der wichtigsten Fortschritte, der durch 
die neue Behandlungsmethode erzielt wird; verschleppte Fälle 
von Ulcus serpens werden immer seltener werden, wenn der erste 
Arzt, der dasselbe sieht, in der Lage ist, durch die sofortige 
Optochinbehandlung für eine Art „Notverband“ zu sorgen. Das 
Schur’sche Verfahren dürfte hierzu geeignet sein, nicht minder 
die neuerdings von Goldschmidt empfohlene Salbenbehand¬ 
lung. 

Goldschmidt stellt gleichfalls den Leitsatz auf, um die 
Entstehung einer Arzneifestigkeit zu verhindern, „die Behand¬ 
lung von Anfang an möglichst intensiv und zeitlich zu¬ 
sammengedrängt zu gestalten“. Am geeignetsten erwies sich 
folgende Salbe: 

Rp. Optochin. hydrocbloric, 0,1 
Atropin, sulfuric. 0,2 
Amyi. trit. 2,0 

Vaselin, flav. am. Cheseborough. ad 10,0. 

S. Augensalbe. Nur 4 Tage lang benutzbar 2 ). 

Die Salbe wird 5—6mal pro die in regelmässigen zeitlichen 
Abständen in den Conjunctivalsack eingestrichen und unter leichter 
Hornbautmassage verteilt; dann Heftpflasterverband. Da die erste 
Applikation der Salbe meist ziemlich schmerzhaft ist, rät Gold- 
schmidt, vorher mit Cocain zu anästhesieren; weiterhin tritt 
dann die Optochinanästhesie auf. Eine manchmal beobachtete 
geringe Chemosis ist ohne Bedeutung. Die Behandlung wird bis 
zur totalen Reinigung des Ulcus fortgesetzt, wozu gewöhnlich 3 
bis 4 Tage erforderlich sind. Auch ambulante Behandlung ist 
möglich. Fälle mit tiefen Hornhautinfiltraten erfordern längere 
Behandlung. 

Von besonderer Wichtigkeit erscheint nach Goldschmidt der Um¬ 
stand, dass Tränensackerkrankungen, die bei der früher geübten 
Behandlung so ungünstig auf den Verlauf des Ulcus serpens einwirkten, 
bei der Optochintherapie ohne verschlimmernden Einfluss sind, 
da die frisch in den Conjunctivalsack gelangenden Pneumokokken offen¬ 
bar abgetötet werden. 

Günstig wird, wie nicht anders zu erwarten, die katarrhalische 
Pneumokokken Conjunctivitis beeinflusst, sowie die akute Dacryo- 
cystoblenorrhöe. Bei chronischer Dacryocystitis machen die anatomi¬ 
schen Verhältnisse sehr oft Schwierigkeiten, die noch nicht überwunden 
sind, obwohl auch hier neuerdings z. B. Gradle-Chicago über einige 
günstige Erfolge berichtet. 

Mit Recht betont Goldschmidt, wie auch Schur, Kraupa 
u. a., die Bedeutung des Optochin für die Prophylaxe 
vor Operationen, da hier den Pneumokokken der weit¬ 
aus überwiegende Anteil an Infektionen zukommt. In 
der Leipziger Klinik wird jeder Pneumokokkenträger vor einer 
Operation mit der 1 proz. Optocbinsalbe bis zur vollständigen 
Sterilisierung des Conjunctivalsackes behandelt, wozu in der Regel 
12 Stunden mit 3 —4maliger Applikation erforderlich sind. 

Golds cbraidt fasst sein Urteil dahin zusammen: „Das Op¬ 
tochin hydrochloricum stellt somit ein chemotherapeutisches 


1) s Klin.MbU.Aughlk., 1914, Bd. 53, Sept., S. 430. 

2) Nach Goldschmidt ist die Haltbarkeit der Salbe sehr begrenzt, 

was nicht allgemein bestätigt wird. 


Mittel dar, das in streng spezifischer Weise den Pneumococcus, 
den Erreger des Ulcus serpens. und anderer wichtiger Augen¬ 
affektionen, abzutöten imstande ist. Die Spezifität geht so weit, 
dass man bei Versagen der Therapie an einen anderen Erreger 
des Ulcus oder an eine Mischinfektion denken muss. Nur in 
ganz vereinzelten Fällen scheint eine angeborene Giftfestigkeit 
des betreffenden Pneumokokkenstammes vorzuliegen. Ich selbst 
habe unter ca. 100 Fällen nur 2 derartige erlebt.“ 

In ihrer Eigenschaft als Chemotherapie besitzt die Optochin¬ 
therapie noch einige weitere Vorzüge: «Nur die Pneumo¬ 
kokken werden zerstört, das Gewebe selbst erleidet bei 
Anwendung der angegebenen Konzentration keine blei¬ 
bende Schädigung. Es wird daher kein weiterer Defekt 
gesetzt als der zu Beginn der Behandlung bereits vor¬ 
handene, die Narbe wird daher so klein als überhaupt 
möglich. Da überdies die Narbenbildung eine zarte ist, 
bleibt meist ein relativ guter Visus erhalten. Endlich 
ist die Anwendung einfach und die Kosten der Behand¬ 
lung gering.“ 

Vereinzelte refraktäre Fälle, auf die Gold Schmidt hin¬ 
weist, sind ja auch von anderen Autoren veröffentlicht. Auch 
Uhthoff 1 ) berichtet gelegentlich einer Diskussion kurz über das 
Vorkommen resistenter Fälle, /lie mit 1 proz. Lösung behandelt 
wurden. Sein Material war kein grosses und die Fälle tarn Teil 
älteren Datums. Sein Urteil über das Mittel ist „günstig, aber 
weniger enthusiastisch als das anderer Autoren.“ 

Die ausgezeichneten Erfahrungen von Goldschmidt und 
Schur wurden von Cords bei Gelegenheit eines kurzen Referats 
auch für die Bonner Universitäts-Augenklinik bestätigt. Kubnt 2 ) 
bezeicbnete weiterhin in einem Vortrage die Wirkung der 1 proz. 
Lösung als geradezu verblüffend. Nach seiner Ansicht ge¬ 
nügt die einfache Einträufelung nicht, sondern man muss dafür 
Sorge tragen, dass die zu beeinflussende Stelle V 2 —I Minute mit 
der Flüssigkeit betupft wird. „Es bandelt sich um einen 
enormen Fortschritt, da nun auch der praktische Arzt 
bei Abwesenheit von Tränensackleiden das Ulcus ser¬ 
pens erfolgreich bekämpfen kann.“ 

Ho Ith 3 ) in Christiania schloss sich dem günstigen Urteil an, 
von Wiener-NewYork 4 ) liegt eine kleine Mitteilung gleichfalls 
im günstigen Sinne vor, ebenso von Darier-Paris 6 ). 

Kraupa 6 ) wendet in der Prager Universitäts-Augenklinik 
das Optochin zur Desinfektion des Bindehautsackes vor 
Operationen an. Es wurden ^stündliche Spülungen mit0,5proz. 
Lösung vorgenommen; nach 24 Stunden war der Bindehaut¬ 
sack frei von Pneumokokken, die auch an den folgenden 
Tagen nicht mehr nachzuweisen waren. 

Eine sorgfältige Mitteilung von Maggi 7 ) ans der Universitäts- 
Augenklinik in Pisa deckt sich in ihren günstigen Resultaten 
durchaus mit den Erfolgen von Goldschmidt und Schur. Ebenso 
günstig lauten die Berichte von Kandiba und Natanson 8 ) ans 
dem bakteriologischen Institut der medizinischen Gesellschaft in 
Charkow. Gradle 9 ) berichtet in der deutschen medizinischen 
Gesellschaft in Chicago über befriedigende Resultate. 

Aus der Universitäts-Augenklinik in Bukarest (Prof. Stan* 
culeanu), wo das Mittel in ausgedehntem Masse zur Anwendung 
gelangt, liegt bis jetzt eine kurze, gleichfalls günstige Mitteilung 
von Dimitriu 10 ) vor. 

In einem ausführlichen Bericht aus der Universitäts-Augen¬ 
klinik in Erlangen würdigt Kümmell 11 ) die Optochinbehandlung. 
Seine Resultate mit einem Verfahren, das sich an das von Schur 
geübte anscbliesst, sind ausgezeichnet. Kümmel 1 betupft zunächst 
mit einem Wattebausch, der mit 2 proz. Lösung von Optochin. 
hydrochloricum getränkt ist, das Geschwür, so dass das Mittel 
etwa 1 / 2 Minute einwirkt. Von da an wird stündlich eine 1 pro*. 

1) Uhthoff, B.kl.W., 1914, Nr. 15, S. 715. 

2) Kuhnt, ref. in Centralbl. f. d. ges. Opbtbalm., 1914, Bd. 1, 
H. 2, S. 77. 

3) Holth, Norsk Mag. f. Laegev., 1914, No. 2, p. 213. 

4) A. Wiener, Med. rec., 17. Jan. 1914. 

5) A. Darier, La clinique opbthalm., Jan. 1914. 

6) E. Kraupa, Klin. Mbl. f. Aughlk., Januar— Juni 1914, Bd. 0 ., 

S. 177. . . 

7) F. Maggi, La ohemotherapia nelle infezioni pneumococcic 

oculani. Pisa 1914. 0 » 

8) Kandiba und Natanson, Charkower med. Jour., 1914. (Kus ■) 

9) H. S. Gradle, ref. M.m.W., 1914, Nr. 41, S. 276. 

10) E. Dimitriu, Revista stintelor medicale, Bukarest 1914, vo. . 
p. 152. 

11) Kümmel!, M.m.W., 1914, Nr. 24, S. 1326. 





BO. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1867 


Lösung in den Bindebautsack gegeben, wobei darauf geachtet 
wird, dass das Optocbin wirklich längere Zeit mit dem Geschwür 
in Berührang bleibt. Die Anwendung wird fortgesetzt bis zur 
vollständigen Reinigung des Geschwürs. Tritt der Erfolg nicht 
schnell genug ein, so kann nochmals die 2proz. Lösung auf das 
Geschwür aufgetupft werden. Auch Kumme 11 beobachtete unter 
25 Fällen ein Geschwür, welches zunächst zurückgiog, dann aber 
durch Wochen hindurch unbeeinflusst blieb; auch Betupfen mit 
5proz. Optochinlösung brachte keine Veränderung hervor. 

Kummeil weist besonders darauf hin, dass die Belastung 
der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bei 
Angenunfällen, die ja hauptsächlich durch das Ulcus 
serpens bedingt ist, bei den geringen Trübungen, die 
nachOptochinbehandlung Zurückbleiben, eine geringere 
werden wird. Nach seinen bisherigen Resultaten wird die Er¬ 
werbsfähigkeit io den meisten Fällen im Gegensatz zu früher 
nur wenig herabgesetzt, ein wirtschaftlich bedeutsamer 
Faktor. Kümmell schliesst seinen Bericht: „Alles in allem 
dürfen wir, ohne uns unberechtigtem Optimismus hin¬ 
zugeben, das Aethy lhydrocuprein als wertvollste Waffe 
gegen das Ulcus serpens bezeichnen. u 

Endlich trug Schwartzkopff 1 ) in der hiesigen ophthalmo- 
logischen Gesellschaft über die in der Berliner Universitäts-Augen¬ 
klinik bei 27 Fällen beobachteten günstigen Erfolge vor. Hier 
wird neuerdings die von Goldschmidt angegebene Salbe ver¬ 
wendet und zwar nicht länger als 3 Tage hindurch, da dann 
keine Pneumokokken mehr nachweisbar seien und bei längerer 
Anwendung eine Aetzwirkung auf das freiliegende Hornhautparen- 
chym erfolgen könnte. „Man kann behaupten, dass wir in 
der Lage sind, mit diesem Mittel jedes nicht zu weit 
vorgeschrittene Ulcus zum Stillstand und zu befriedi¬ 
gender Heilung zu bringen.“ In der Diskussion sprachen 
sich noch Mühsam, Paderstein, Fehr, Wertheim günstig 
über das Mittel aus, und Krückmann hob io einem Schlusswort 
die Ueberein8timmung der günstigen Resultate hervor. 

Es ist wohl keine tadelnswerte Kühnheit, wenn ich mich zu 
der Ueberzeugung bekenne, dass auch die wenigen refrak¬ 
tären Fälle noch von der therapeutischen Kunst der 
Ophthalmologen bewältigt werden. Der Gesichtspunkt der 
Chemoflexion muss auch hier die theoretische Grundlage bilden; 
meine frühere Annahme, dass die Züchtung und Prüfung der an¬ 
scheinend resistenten Pneumokokkenstämme hier Aufklärung 
schaffen kann, dürfte nicht ganz zutreffen angesichts des unter 
Umständen sehr flüchtigen Charakters dieser Erscheinung 2 ). 

Auf alle Fälle gilt der Grundsatz, wie ihn auch die Ophthalmo¬ 
logen auf Grund ihrer Erfahrungen vertreten: Rasch und fest 
zugreifen und dann kontinuierlich behandeln. 

Nach den Erfahrungen von Peterka 3 ), der mit sehr gutem 
Erfolg die anästhesierende Wirkung des Optochin zur Behand¬ 
lung des Blepharospasmus nach Conjunctivitis eczema- 
tosa der Kinder verwendete, kann man in grösseren Intervallen 
sogar 5proz. Lösungen ohne Gewebsschädigung einträufelo. Also 
auch in dieser Richtung dürfte die Grenze der Einwirkungsmög- 
keit noch nicht erreicht sein. Weiterhin dürfte auch grosser Wert 
darauf zu legen sein, dass die Kontinuität der Behand¬ 
lung während der Nacht nicht unterbrochen wird. 

Wenn die spezifische Therapie und Prophylaxe der 
Pneumokokkeninfektion in der Augenheilkunde völlig 
ausgebildet sein wird — und dieser Zeitpunkt scheint mir sehr 
nahe zu sein —, wird eine der gefürcbtetsten und schwersten In¬ 
fektionen des Auges ihre Schrecken verloren haben. 

XII. Pneumokokkenmeningitis. 

Angesichts der ungemein hohen Desinfektionswirkuug des Optochin- 
chlorhydrat ist die lokale Anweudung des Mittels bei der Pneumo- 
kokkenmeningitis nicht von der Hand zu weisen. Hinreichend ver¬ 
dünnte Lösungen, die ohne Schaden subdural injiziert werden könneD, 
dürften die Pneumokokken im meningitischen Eiter abtöten oder in 
ihrer Entwicklung hemmen. Es liegen hier prinzipiell ähnliche lokale 
Verhältnisse vor wie für die Anwendung des Meningokokkonserums. 

Die Undurchlässigkeit des Plexus chorioideus verhindert das Ein¬ 
dringen nicht nur der Antikörper, sondern ebenso des leicht diffusiblen 

Bd 5*3 ^ ^*1. * Aughlk., Juli/August 1914, 

Q P An die Möglichkeit einer Sekundärin/ektion, besonders mit 
Staphylokokken (s. Schur), ist bei refraktären Fällen zu denken. 

3) H. Peterka, M.m.W., 1914, Nr. 22, g. 1228. 


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löslichen Alkaloidsalzes; iu beiden Fällen kann nur die lokale Appli¬ 
kation die Heilstoffe mit den Bakterien in Berührung bringen. 

Die iutralumbale Injektion grosser Mengen (10—40 ccm); Meningo¬ 
kokkenserums wird trotz seines Gehaltes von 0,5 pCt. Phenol gut ver¬ 
tragen, sogar die Injektion in den Seitenventrikcl 1 ). Ebenso wie für das 
Phenol kann natürlich auch für das Optochin die zulässige Kon¬ 
zentration, zunächst im Tierversuch, ausgewertet werden. Versuche an 
Hunden, die Dr. Bieling begonnen hat, mussten jetzt unterbrochen 
werden. 

Ein erster Versuch bei Menschen wurde im städtischen Krankenhaus 
in Wiesbaden duroh Wolff und Lehmann 2 ) gemacht. Ein 8 Monate 
alter Säugling erhielt in 14 Injektionen zusammen 1,25 g Optochin. 
hydrochloricum, davon 0,07 g intraventrikulär, 0,06 g intralumbal und 
1,12 g subcutan. Der Erfolg war zunächst ein günstiger, das Kind er¬ 
krankte später an Grippe. Eine Punktion des Ventrikels ergab ein 
normales, pneumokokkenfreies Punktat. Die ausführliche Veröffent¬ 
lichung soll noch erfolgen 8 ). 

XIII. Dosierung und Nebenwirkungen des Optochin, 
speziell bei fibrinöser Pneumonie 4 ). 

M.H.! Nach recht schwierigen, mit mancherlei Unsicherheiten 
belasteten Anfängen darf man jetzt erwarten, dass die für die An¬ 
wendung des Optocbin bei inneren Erkrankungen maassgebende 
Frage der Dosierung und der Nebenwirkungen ihrer Lösung ent- 
gegengeht. Unter dem Gesichtspunkt der Dosierungsfrage 
sollen im folgenden zunächst die Erfahrungen, die bisher mit der 
Anwendung des Optochin beim Menschen gemacht wurden, be¬ 
sprochen werden. 

Die Schwierigkeit, für die Dosierung des Mittels bei innerer 
Darreichung die ersten Anhaltspunkte zu gewinnen, wnrde da¬ 
durch erhöht, dass sich bald das Vorkommen einer Neben¬ 
wirkung, und zwar einer Sehstörung zeigte. Hier war man 
aber gerade durch die traurigen Erfahrungen mit dem Atoxyl 
und dem Arsacetin, die Ihnen ja bekannt genug sind, besonders 
ängstlich geworden. Ich möchte es von vornherein mit allem 
Nachdruck hervorheben, dass die Sebstörungen, wie sie bis jetzt 
in geringer Zahl durch das Optochin hervorgerufen wurden, ent¬ 
sprechend der Stellung des Mittels im chemischen System stets 
den Charakter der Chininamblyopie 5 ) zeigten, dass jedes¬ 
mal — auch bei den grössten und für unser therapeuti¬ 
sches Handeln vorläufig nicht in Betracht kommenden 
Dosen — nach Aussetzen der Behandlung eine ganz 
rasche Restitutio ad integrum eintrat; ein Vergleich mit 
der folgenschweren, auch nach Unterbrechung der Be¬ 
handlung rettungslos zur Erblindung führenden Seh¬ 
nervenatrophie nach AtoxyIgebrauch entbehrt demnach 
jeder Berechtigung. 

Es ist deshalb schwer zu verstehen, wie Flexner vor einiger Zeit 
in einem für weitere Aerztekreise bestimmten Vortrag erklären konnte, 
dass das Mittel „wegen seiner hohen Giftigkeit für den Menschen für die 
Behandlung von Pneumokokkeninfektion beim Menschen nicht anwend¬ 
bar sei 8 )“. 

Diese Behauptung erinnert etwas an das beliebte pharmakologische 
Paradoxon, dass alles Gift sei. Es kann sich ja doch scnliesslich nur 
um die Frage handeln, ob das Mittel in wirksamen Dosen giftig 
ist oder nicht. Entscheidend ist hier allein der von Ehrlich mit 
Recht in den Vordergrund gestellte Quotient Dosis toxica: Dosis curativa. 
Die Bemerkung Flexner’s könnte ebensogut für Morphium oder Chinin 
gelten und würde in ihrer Konsequenz zum vollständigen Nihilismus in 
bezug auf jede, vor allem jede ätiologische Therapie führen. Aber 
schliesslich hat eine übertriebene Furcht vor Nebenwirkungen noch keiner 
wirksamen Therapie auf die Dauer den Weg versperren können, und auch 
die Seruratherapie hat sich durch ähnliche Schwierigkeiten, wie sie sich 
aus den anaphylaktischen Erscheinungen ergaben, erst Bahn brechen 
müssen. 


1) Flexner, Journ. of the Americ. medical assoc., 21. Juni 1913» 
Bd. 60. 

2) S. Wolff und W. Lehmann, D.m.W., 1913, Nr. 51. 

3) Anmerkung bei der Korrektur. Siehe Jb. f. Kindhlk., 1914, 
August. 

4) Für die Bronchopneumonie der Säuglinge liegen kaum die 
ersten dosologischen Vorarbeiten vor; doch wenden jetzt einige Pädiater 
der brennenden therapeutischen Frage ihr Interesse zu. 

5) Dass auch dem Chinin selbst gegenüber verhängnisvolle, zu 
dauernder schwerer Sehstörung führende Idiosynkrasien in sehr seltenen 
Fällen Vorkommen können, zeigt eine soeben von v. Spe'yr (Klin. Mbl. 
f. Aughlk., Sept. 1914, S. 393) mitgeteilte Beobachtung. 

6) Hierbei ist natürlich die lokale Anwendung, deren Zulässigkeit 
selbstverständlich ist, übersehen worden. Prof. Flexner hat mir übrigens 
auf meine brieflich gemachten Einwendungen eine entsprechende Richtig¬ 
stellung freundlichst zugesagt. 

4* 


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UNIVERSUM OF IOWA 





>868 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Die wertvollste Belehrung gerade in dosologischer Hinsicht 
verdanken wir einer Mitteilung, die in diesem Frühjahr Izar and 
Nicosia 1 ) aus der Klinik von M. Ascoli in Catania veröffent¬ 
licht haben. Diese ungemein interessanten therapeutischen Ver¬ 
suche sind an Malariakranken angestellt und haben die Erwar¬ 
tung in glänzender Weise bestätigt, dass dem Optochin auch 
gegenüber den Malariaparasiten eine im Vergleich zum Chinin 
ganz erheblich überlegene Wirkung zukorome. 

Unter den 49 Patienten von Izar und Nicosia finden sich 29 Er¬ 
wachsene zwischen 18 und 53 Jahren, welche die Tagesdosis von 1,5 g 
Optoohin hydrochloricum per os drei Tage hindurch und länger bis zu 
6 Tagen, erhalten haben. In Rücksicht auf den Entwicklungsgang der 
Parasiten erfolgte die Medikation zu einer bestimmten Tageszeit und 
wurde das Intervall zwischen den Einzeldosen sehr kurz gewählt, meist 
4 Stunden; die Gaben erfolgten z. B. um 12 Uhr, 4 Uhr, 8 Uhr, in einem 
Fall (4 Tage lang behandelt mit im ganzen 6 g) betrug das Intervall 
2 Stunden und in 4 Fällen nur eine Stunde. 

Bei den 24 Fällen, bei welchen die Tagesdosis von 1,5 g in längeren 
Intervallen gegeben wurde, traten, abgesehen von den bekannten leichten 
Erscheinungen von Taubheit, Ohrensausen und Ohrenklingen, wie sie 
auch beim Chinin beobachtet werden, keine Nebenwirkungen auf, eben¬ 
sowenig bei 3 Fällen mit nur einer Stunde Intervall zwischen den Einzel¬ 
dosen von 0,5 g. 

Es traten also von den 28 Fällen, welche mit der vor¬ 
läufig als maximal anzusehenden Tagesdosis von 1,5g be¬ 
handelt wurden, bei 27 Malariakranken keine erheblichen 
Nebenwirkungen, vor allem keine Sehstörungen auf. 

Nur ein einziger Fall (Nr. 35) zeigte eine Sehstörung, die in hohem 
Maasse lehrreich ist. Es handelt sich um eine 19 jährige Patientin mit 
Tertiana. Am ersten Behänd luDgstag erhielt sie 1,5 g in Pulvern zu 
0,5 g mit nur einer Stunde Intervall, am zweiten Tage dasselbe. Nach 
dem Einnehmen des letzten Pulvers (also 3 g im ganzen) äusserst starkes 
Ohrensausen und Amaurose. Objektiv nichts Bemerkenswertes ausser 
einer ausgeprägten Mydriasis. Die Störungen, die am ersten Tage inten¬ 
siv waren, gehen zurück und sind nach 3 Tagen verschwunden. 

Nach zwei Monaten stellte sich die Patientin, die trotz der so kurzen 
Behandlungsdauer geheilt war, mit einer frischen Malariainfektion (dies¬ 
mal Malaria tropica) vor. Sie erhielt nun sechs Tage lang die gleiche 
Tagesdosis von 1,5 g in Einzeldosen von 0,5 g (zusammen 9 g), jedoch 
diesmal mit einem Intervall von 4 Stunden, ohne irgendwelche 
Störungen. 

DieGefahr der vorübergehenden Sebstörung isthier 
offenbar durch das Aufeinanderdrängen der Einzel¬ 
dosen, durch die Resorption grösserer Mengen und da¬ 
mit durch die Möglichkeit einer allzu hohen, schäd¬ 
lichen Konzentration des Alkaloids im Blut entstanden. 

Zu diesen 28, mit Tagesdosen von 1,5 behandelten Fällen gesellen 
sich weitere 14, bei denen die Tagesdosis 1,0 betrug. Es befinden sich 
hierunter 8 im Alter von 9—16 Jahren, die 3—14 Tage lang ohne 
Schädigung behandelt wurden, so dass die Dosis bei Kindern dieses Alters 
als durchaus zulässig erscheint. 

Bei den übrigen 7 Fällen dauerte die Behandlung teils kürzere Zeit, 
teils wurden kleinere Dosen gegeben. 

Izar und Nicosia haben zur Vermeidung von Nebenwirkungen 
das Intervall von 4 Ständen zwischen den 3 täglichen Einzeldosen 
von 0,6 g Optochin. hydrochloricum beibehalten nnd damit speziell 
für die Erfordernisse der Malariatherapie die dosologische 
Frage bis auf weiteres befriedigend gelöst. Ihre Feststellungen 
lehren, dass die Tagesdosis von 1,6 g im Prinzip als eine erlaubte 
anznsehen ist. 

Diesen Erfahrungen scbliessen sich einige Angaben über 
Sehstörungen bei Pneumoniepatienten an, die nach Mög¬ 
lichkeit hier zusammengestellt werden. 

Es soll vor allem betont werden, dass die Angabe von 
Wright 2 ) über Sehstörungen bei den mit Optochin behandelten 
Raffern in Südafrika, die merkwürdigerweise einen besonders 
starken Anklang und Nacbklang gefunden hat und sogar in 
die englische Tagespresse übergegangen ist, wohl keine volle 
Geltung hat. 

Nach der Mitteilung von Wright sind unter acht Fällen von 
Pneumonie, die mit Optochin behandelt wurden, zwei Fälle von 
Amblyopie vorgekommeD, von denen der eine „za Amaurose ge- 
langt 4 * sei. 

Was diesen Mitteilungen die Beweiskraft nimmt, ist folgende 
Anmerkung WrigbtV. 

„In Anbetracht der Tatsache, dass in diesem speciellen Be* 
zirk (juncture) zwei andere Fälle von Amblyopie in dem Hospital 
der Witwatersrand Native Labour Association vorkamen, in welchem 
wir ohne Anwendung dieses Arzneimittels arbeiteten, besteht ge¬ 


1) G. Izar und R. Nicosia, B.kl.W., 1914, Nr. 9. u. 10. 

2) A. E. Wright, Lancet vom 14. und 20. Dez. 1912. 


Nr. 48. 


rade die Möglichkeit, dass die Fälle nicht in Beziehung za dieser 
standen. 44 

An und für sich ist nicht zu bezweifeln, wie Sie ans dem 
folgenden entnehmen können, dass die Tagesdosis von 2,0 g vor- 
übergehende Sehstörungen machen kann; was aber Wright 
hier mitteilt, ist nicht verwertbar, da der Zusammenhang mit dem 
Mittel zweifelhaft ist 1 ). 

Um so wichtiger ist eine Reihe von Beobachtungen, welche 
Staehelin*) angestellt hat. Staehelin behandelte 4 an Pneu¬ 
monie leidende Patienten mit besonders hohen Dosen voo 
Optochin hydrochloricum per os. Drei von diesen Patienten zeigten 
Störungen von seiten des Auges. 

Ein Patient, 66 Jahre alt, erhielt am fünften Kraokheitstage 
achtmal 0,5 Optochin. hydrochloricum. Ein zweiter Patient, 46 Jahre 
alt, erhielt am sechsten Krankheitstage viermal 0,5 Optochin und 
am folgenden Tage sechsmal 0,5 Optochin; ein dritter Patient 
endlich, 25 Jahre alt, bekam am Abend des vierten Krankheits¬ 
tages 0,6 Optochin, am nächsten Tage sechsmal 0,5. Die Gesamt¬ 
dosen innerhalb etwa 24 Stunden betrugen also bei zwei Fällen 
3,6 — 4,0 g, der dritte Patient batte in zweimal 24 Stunden ins¬ 
gesamt 5 g erhalten, davon 3,0 g am letzten Tage. 

Es trat eine prompte Entfieberung im Laufe der nächsten 
24 Stunden ein, die durchaus den Eindruck einer Krise, beziehungs¬ 
weise Pseudokrise machte. Die Darreichung des Mittels konnte 
nicht länger fortgesetzt werden, weil eine hochgradige Verenge¬ 
rung der Netzbautarterien zu konstatieren war, die das gleiche 
ophthalmoskopische Bild wie die Chininamblyopie aufwies. Das 
Mittel wurde natürlich ausgesetzt, bei zwei Patienten ging die 
Temperatur dann wieder in die Höhe. Ein Patient, bei dem die Ent¬ 
fieberung dauernd blieb, war einige Stunden vollständig erblindet, 
die anderen, bei denen der Fieberzustand keine genaue Prüfung 
der Sehschärfe zuliess, batten gar nicht oder kaum bemerkt, das« 
sie schlechter sahen. Dauernde Störungen blieben nicht zurück. 

Diese Beobachtungen sind ungemein lehrreich. Sie zeigen, 
dass eine Tagesdosis von 3—4 g — zum mindesten bei der 
bisher üblichen Darreichung in Einzeldosen von 0,5g- 
bei Pneumoniekranken nicht gegeben werden soll, da die Wahr 
scheinlichkeit von Nebenwirkungen dann sehr gross ist. Von 
grösster Wichtigkeit erscheint mir aber der Umstand, 
dass selbst bei diesen, für die Praxis nicht in Frage 
kommenden Dosen, eine dauernde Schädigung nicht 
zurückblieb. 

Parkinson 8 ) spricht von „toxischem Effekt“, weil bei dreien seiner 
neun mit Optochin behandelten Fällen kurze Zeit nach der letzten Dosis 
eine starke Erweiterung der Pupillen eintrat. In einem Fall ist nur 
einmal 0,4 g Optochin. hydrochloricum subcutan gegeben worden, in 
einem zweiten, der am Tage vorher 0,25 g erhalten hatte, 0,5 g; ein 
dritter Patient endlich hatte zuerst 0,125 g subcutan, an den beiden 
folgenden Tagen je zweimal 0,5 g, also l,0,g im ganzen, erhalten. Dieser 
Patient zeigte auch etwas Cyanose der Ohren, ausserdem während der 
Krankheit bis zum Tode zunehmendes Delirium. Ueber die Dauer : der 
Pupillenerweiterung, über die Reaktion der Pupillen, über den Befund 
des Augenhintergrundes macht Parkinson keine Angaben, bemerk: 
aber, dass in keinem Fall Amblyopie bestand oder sonstige 
toxische Symptome. Die Dosen sind in den drei Fällen klein, erheblich 
kleiner als diejenigen, bei denen sonst Nebenwirkungen za beobachten 
waren. 

A. Fraenkel 4 ) hat unter 21 Fällen, die er bis zum Früh¬ 
jahr 1912 behandelt hatte, 8mal das Auftreten einer Amblyopie 
beobachtet, bei innerlicher Darreichung der Einzeldosis von 
0,6 g bis zur Tagesdosis von 2,5 g. Die Amblyopien gingen nach 
dem sofort erfolgten Aussetzen des Mittels schnell vorüber. Nach 
2 Tagen waren die Patienten wieder nahezu im Besitz ihres nor¬ 
malen Sehvermögens. Fraenkel weist auf den Zusammenhang 
mit der Chininamblyopie — bzw. Amaurose — bin. Er be¬ 
schränkte sich dann meist auf die maximale Tagesdosis von L I 
und hat neuerdings keine Nebenwirkungen mehr gesehen. 

Lennö 5 ) teilt einen Fall mit. 27jähriger Patient. Ein 
Lnngenlappen befallen. Beginn der Behandlung am 3. Kraokheits- 


1) Ich habe Wright gegenüber, der sich ja selbst um die theore¬ 

tische Begründung dieser Therapie grosse Verdienste erworben bat, ® e,Iie 
Bedenken brieflich geltend gemaoht, und er hat mir in loyaler weise 
zugesagt, sie in seinem nächsten Bericht mitzuteilen. , 

2) Zusammen gefasst in Mobr-Staehelin, Handb. d. iun- ** •’ 
Berlin 1914, Bd. 2, S. 424. Einige Einzelheiten nach freundlicher Mit¬ 
teilung Prof. Staehelins. 

3) Parkinson, Zschr. f. Chemother,, Orig., Bd. 2. 

4) A. Fraenkel, B.kl.W., 1914, Nr. 14. 

5) Lenne, B.kl.W., 1918, Nr. 43. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1869 


tag. Dreimal täglich 0,5 g Optochin bydrochloricum innerlich. 
Nach der Gesamtdosis von 3,0 g Amaurose. Am 5. Krankheitstag 
Entfieberung, geheilt. Die Sehstöiung „heilte vollkommen ab“. 

E. Neisser-Stettin hat nach brieflicher Mitteilung im Lauf 
der letzten Jahre nach Tagesdosen von 1,5—2,5 g gleichfalls 
einige vorübergehende Sehstörungen beobachtet. 

Weintraud und Kaufmann beobachteten eine vorüber¬ 
gehende Amaurose bei 2,0 g pro die. 

Sanitätsrat Bieling sah unter 12 Fällen, die mit einer 
Tagesdosis von 1,5 g behandelt wurden, eine „leichte Sehstörung“. 

Schottmüller erwähnt eine Amblyopie ohne Angabe 
der Dosis. 

Eodlich gehören hierher sehr merkwürdige Beobachtungen 
von Baermann 1 ). Derselbe hat, trotzdem die von ihm behandelten 
Mälayen nur ein durchschnittliches Körpergewicht von 40 kg 
hatten, bei der Darreichung von 2,0 g per os, niemals eine 
Amblyopie gesehen. Seit seiner Veröffentlichung, die am 1. Sep¬ 
tember 1913 abgeschlossen war, hat er, wie ich seiner freund¬ 
lichen brieflichen Mitteilung verdanke, noch zahlreiche Fälle be¬ 
handelt, und zwar so, dass die Tagesdosis von 2,0 bis 2,5 g 
in 10 Einzeldosen möglichst gleichmässig über die 
24 Stunden des Tages verteilt wurde. Er bat auch io 
dieser Zeit keine oder nur vorübergehende Augen- 
erscheinungen beobachtet. 

In einem sehr auffallenden Gegensatz hierzu steht folgende 
Erfahrung: Baermann machte Spülungen bei Dysenteriekranken 
von Appendicostomien aus. Hier sah er nach einer einmaligen 
Spülung mit 1,0 g Chinin io 500 ccm Wasser bzw. 0,75 g 
Optochin in 500 ccm Wasser 3 Tage währende hochgradige 
Amblyopien. Eine Erklärung hierfür fehlt vorläufig. 

Dte Zahl der beobachteten Nebenwirkungen ist im Vergleich 
zu der recht grossen Anzahl behandelter Fälle eine geringe. 
Dauernde Nachteile sind niemals entstanden. 

Erfreulicherweise haben diejenigen Aerzte, die bisher das 
Optochin anwandten, in den beschriebenen Nebenwirkungen 
kein Hindernis für die weitere Anwendung des Mittels 
gesehen; sie gebrauchen auch weiterhin das Mittel, in 
dem Bewusstsein, dass eben hier die fernere klinische 
Arbeit einzusetzen hat. Auf gewisse Gesichtspunkte, die in 
Frage kommen, soll (s. XV.) noch eingegangen werden. 

XIV. Resultate der Optochinbehandlung bei fibrinöser 
Pneumonie. 

Die ersten Versuche einer Behandlung der Pneumonie wurden 
von Wright in Johannesburg an Kaffern angestellt. Die Anzahl 
der Versuche, über die Wright nur summarisch berichtet, ist 
eine geringe, und er gelangt zu dem Resultat, dass das Mittel 
entweder unwirksam oder von zweifelhafter Wirksamkeit ist. 

Die von Parkinson (l. c.) aus dem London Hospital beschriebenen 
9 Falle sind für eine Beurteilung des Mittels nicht zu verwerten. Von 
vornherein kommt einer (Nr. 9) als Empyem ohne Pneumonie in Weg¬ 
fall, ferner 3 Fälle (Nr. 3, 5 und 8), bei denen die Behandlung erst 
ara 6. Krankbeitstag begann; von diesen letzteren starb einer lange nach 
dem Aussetzen der völlig ungenügenden Behandlung mit doppelseitiger 
Pneumonie im Delirium, einer kritisierte am 11. Tag, beim dritten wurde 
nach 2 Tagen die Behandlung wegen Verdachts auf Empyem unter¬ 
brochen, auch die übrigbleibenden 5 Fälle, die überhaupt in Betracht 
kommen, erfüllen nicht die Bedingung frühzeitiger Behandlung. Es 
wurde keiner vor dem 3. bzw. 4. Kraukheitstag und dabei jeder voll¬ 
kommen anders behandelt. Wie soll hier irgendein Vergleich oder 
Urteil möglich sein? Sieht man von einem Fall mit doppelseitiger 
Pneumonie und schon vor der Behandlung im Delirium (Nr. 2) ab, der 
nur am 4. und 5. Krankheitstag genügende Mengen per os erhielt und 
am 6. Tag im alkoholischen Delirium starb, ferner von einem zweiten 
Fall, der vom 4. Tag ab mit immer kleiner werdenden Dosen (1,5—1,0 
bis 0,5 g) subcutan behandelt wurde (Nr. 7) und ara 7. Tag kritisierte, 
so bleiben drei Fälle (Nr. 1, 4 und 6) übrig, bei denen die Krisis 
nach ein- bis zweitägiger Behandlung mit kleinen Dosen am 4. bzw. 
5. Tag eintrat, also auffallend früh. Der günstige Verlauf der einzigen 
in Frage kommenden 4 Fälle von Parkinson (Nr. 1, 4, 6 und 7) 
kann zugunsten des Mittels gedeutet werden. Alles in allem ist 
mit solchen Versuchen, die ungleichmässige Bedingungen 
und stets wechselndes therapeutisches Handeln bieten, nie¬ 
mandem gedient. Ich diskutiere die Mitteilung von Parkinson so 
ausführlich, weil sie, io englischer Sprache in einer wenig gelesenen Zeit¬ 
schrift erschienen, vielen Aerzten nur in kurzen Referaten bekannt wurde, 
die ein schiefes Urteil begründen mussten. 

Mit regem therapeutischem Interesse ergriff dann Schreiber 
die neue und schwierige Aufgabe. Lennö (1. c) teilte über die 

1) Baermann, Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 15. 


ersten Ergebnisse der im Sudenburger Krankenhaus in Magdeburg 
angestellten therapeutischen Versuche bis jetzt folgendes mit (eine 
ausführliche Publikation soll später folgen): 

Die damals in Magdeburg herrschende Pneumonie war, wie 
allgemein beobachtet wurde, durch besonders schweren Verlauf 
ausgezeichnet. 

Es wurden 17 Fälle mit Optochin allein behandelt, welche 
eine Mortalität von 11,8 pCt. aufwiesen. Unter diesen befanden 
sich 14 Patienten, welche über 15 Jahre alt waren. 6 Patienten 
erhielten weniger als 1,0 g täglich, eine Dosis, die nach späteren 
Erfahrungen nicht als ausreichend anzusehen ist. Nur 8 Patienten 
erhielten mehr als 1,0 g im Tag. Die beiden letalen Fälle sind 
ein Kind von 11 Jahren (L—2 mal täglich 0,2 g) und ein 60jähriger 
Patient, bei dem 3 Lappen befallen waren. Er wurde vom zweiten 
Tag ab behandelt und erhielt 8—4 mal täglich 0,4 g, zusammen 
9,2 g innerlich. Er war am sechsten Tage entfiebert und starb 
später. 

Mit Optochin und Pneumokokkenserum kombiniert wurden 
18 Patienten behandelt mit einer Mortalität von 16,5 pCt. Bis 
auf 4 Fälle erbielteu alle weniger als 1,0 g, keiner regelmässig 
mehr als 1,0 g. Von den 3 Todesfällen kam einer auf Meningitis, 
die beiden anderen Patienten hatten 2—3 mal täglich 0,4 g er¬ 
halten. 

Die nicht behandelten Fälle wiesen eine Mortalität von 30 pCt. 
auf, unter ihnen befanden sich 30 im Alter von über 15 Jahren 
mit 11 Todesfällen. 

Lennö betont die Notwendigkeit, die Therapie möglichst 
frühzeitig einzuleiten. Auch er schreibt dem Optochin eine 
eigentliche antipyretische Wirkung nicht zu. Bei vielen Fällen 
beobachtete er Pupillendilatation. 

Lenne fasst seine Anschauungen folgendermaassen zusammen: 
„Dieser Unterschied in der Mortalitätsziffer dürfte doch wohl für 
eine spezifische Behandlung der Pneumonie sprechen. Wir sind 
uns aber wohl bewusst, dass die Gesamtzahlen noch zu gering 
sind, als dass wir daraus einen definitiven Schluss ziehen könnten; 
es war auch nur der Zweck dieser Mitteilung, noch weitere Kreise 
für diese Frage zu interessieren.“ Schreiber’s Gesamtarteil 
auf Grund weiterer Anwendung des Mittels ist dauernd ein 
günstige.s; er ist, wie ich mit seiner Erlaubnis mitteile, von 
der Wirksamkeit des Mittels überzeugt, das er jetzt meist in der 
Dosis von 1,0 g verwendet. 

Eine weitere, sehr wertvolle Mitteilung verdanken wir 
Vetlesen, der im städtischen Krankenhaus zu Christiania dauernd 
Heilversnche anstellt. 

Vetlesen 1 ) hielt sich in Uebereiostimmung mit mir streng an 
den Grundsatz, die Anwendung des Optochin ausschliess¬ 
lich auf frische Fälle zu begrenzen; dadurch erfuhr die Zahl 
der bebandelteu Fälle eine erhebliche Einschränkung, die aber 
durch die höhere Beweiskraft der Versuche mehr als ausgeglichen 
wird. 9 Fälle von croupöser Pneumonie wurden behandelt, sämt¬ 
liche vor dem Ablauf des zweiten Krankbeitstages. Es wurden 
3 mal täglich 0,5 g Optochin hydrochloricum gegeben. Die Gesamt¬ 
dosis betrug bis zu 9,5 g. 

Eine Durchsicht der neun Krankengeschichten und vor allem 
ein Blick auf die Temperaturkurven zeigt „eine gemeinsame 
Eigentümlichkeit, nämlich die Schnelligkeit, womit die 
Krankheit ihren Cyklus bis zu einem kritischen oder 
lytischen Abschluss durchläuft“. 

In 3 Fällen trat Defervescens in kürzerer Zeit als 48 Stunden 
nach Beginn der Krankheit auf, in 2 Fällen nach 2 1 /* Tagen, in 
2 Fällen nach S 1 ^ Tagen, in einem Fall nach 4 Tagen und 
schliesslich in einem Fall nach vollen 8 Tagen (Fall 8). Bei 
diesem letzten Fall ist jedoch zu bemerken, dass es sich hier um 
eine besonders virulente und wahrscheinlich kontagiöse Form von 
Pneumonie handelte, von der gleichzeitig eine 5jährige Tochter 
und ein 4 jähriger Sohn in dem Heim des Patienten ergriffen 
waren. 

Die Fälle waren auch in keiner Weise als besonders gut¬ 
artige aosgewählt. Im Gegenteil — jeder Fall von Pneumonie 
wurde behandelt, wenn er sich nur einigermaassen in initialem 
Stadium, zugänglich für frühe Behandlung befand. Vetlesen 
glaubt, dass hierin ein Hauptpunkt für die ganze Be¬ 
handlung liegt. Wünscht man die Methode zu kontrollieren, 
so darf dieser Punkt nicht ausser acht gelassen werden. 

1) B.kl.W., 1913, Nr. 32. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1870 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


Vetlesen kommt za dem Schloss, dass das Optochin 
einen hemmenden Einflass auf den Verlauf der croupÖsen 
Pneujnonie ausöbt; während dagegen auf Lungeninfektionen 
anderer Art (Tuberkulose oder septische Prozesse) die Wirkung 
fehlt. Eine Bedingung scheint es zu sein, dass die Chemo¬ 
therapie in einem möglichst frühen Stadium der Pneumo- 
kokkeninfektion zur Anwendung gebracht wird. 

Baermann (1. c.), der zu den wärmsten Anhängern dieser 
Therapie gehört, hat eine grosse Anzahl malayischer Arbeiter, 
die, wie schon angeführt, besonders unter Pneumonie zu leiden 
haben, mit Optochin behandelt; seine Dosierung bei innerlicher 
Darreichung ist schon oben erwähnt. Bemerkenswert ist, dass 
Baermann einen Teil seiner Fälle auch mit intramuskulären In¬ 
jektionen von öligen Lösungen der Optochinbase behandelt hat; 
er gab mehrmals täglich 0,5 einer 5 proz. Lösung der Base in 
Sesamöl. Die Injektionen sind im allgemeinen schmerzhaft und 
führen zu Infiltraten, die rasch zurückgehen. In einer Anzahl von 
Fällen kombinierte er mit Injektionen von Rekonvaleszentenserum. 

Das Endurteil Baermann's lautet dahin, dass d as Optochin 
bei der Pneumonie eine unverkennbare heilende Wirkuug 
zeigt. Die mittelschweren und leichten Fälle zeigten 
zum grossen Teil eine vorzeitig einsetzende definitive 
Krisis. 

Alle diejenigen Fälle, die zum Exitus gekommen sind, wiesen 
Besonderheiten und Komplikationen auf, die die Situation 
erheblich erschwerten und auch sonst gewöhnlich rettungslos zum 
Tode führen; gegen sie ist das Optochin absolut machtlos. Hierzu 
kommt eine zweite Gruppe von schweren (zum ganz kleinen 
Teil mit anderweitigen Veränderungen komplizierten) Fällen, die 
sonst, wenigstens teilweise, eine ungünstige Prognose erwarten 
liessen; sie kamen alle zur Heilung, zum Teil mit überraschend 
schnell einsetzender Krisis. Besonders hervorzuheben ist die fast 
stets erfolgte rasche totale Lösung des Infiltrates und die rasche 
Erholung des Patienten. * 

Das Schwergewicht legt Baermann auf die Beeinflussung 
der schweren Fälle*, denn hierunter waren Fälle, deren Rettung 
sowohl von ihm als auch von seinen Mitbeobachtern dem Optochin 
zugeschrieben werden musste. 

A. Fraenkel brachte von Anfang an dem Mittel grosses 
Interesse entgegen und berichtete schon früher über 21 Fälle. 
Nur in 6 Fällen schien ihm eine günstige Einwirkung auf die 
Pneumonie zu bestehen. Die Temperatur fiel innerhalb 12 Stunden 
ab, um nicht wieder in die Höhe zu gehen; bei 2 anderen Fällen 
trat eine Art Lysis ein, und zwar ebenfalls wieder von steilerem 
Verlauf, als man das sonst zu beobachten gewohnt ist. In 
9 Fällen sah A. Fraenkel keine deutliche Wirkung, in 6 Fällen 
war die Wirkung zweifelhaft; bei den letzteren handelt es sich 
zum Teil uro Patienten, die sehr spät zur Behandlung kamen. 

Neuerdings bat A. Fraenkel seine Versuche wieder auf¬ 
genommen und ist dazu übergegaugen, nur frische Fälle zu be¬ 
handeln. Sein Urteil ist jetzt ein wesentlich günstigeres, 
und ich darf mit seiner Erlaubnis eine Zusammenfassung desselben 
veröffentlichen. Seit dem Anfang dieses Jahres wurde das Optochin 
auf seiner Abteilung in einer Anzahl von Pneumonieerkrankungen 
mit bestem Erfolg angewandt. Im Gegensatz zu früheren Ver¬ 
suchen mit demselben Mittel wurde es diesmal ausschliesslich 
im Frühstadium der Erkrankung, d. h. nur in solchen Fällen 
verabfolgt, welche vor beendigtem dritten Krankheitstage 
zur Aufnahme gelangt waren. Die Zahl derartiger Krankheitsfälle 
war zwar bis jetzt nur eine geringe — im ganzen 8 —, aber der Er¬ 
folg eio sehr ausgezeichneter, indem bei 7 die Entfieberung lytisch, 
und zwar vor Ablanf des fünften Krankheitstages, er¬ 
folgte. Der eiozige Fall, in welchem eine Abweichung von diesem 
Resultat beobachtet wurde, stellte eine Wanderpneumonie dar, bei 
welcher am sechsten Tage ebenfalls ein fast kritischer Abfall statt¬ 
fand, dem dann unter Befallen werden des anderen Unterlappens noch¬ 
mals ein viertägiger fieberhafter Zustand, wenngleich mit niedrigeren 
Temperaturen als in der ersten Krankheitsperiode, folgte. In 
einem Drittel der Fälle vollzog sich die lytische Entfieberung in 
einer fast geradlinig zur Norm verlaufenden Fieberkurve. 

Die Tagesgabe des Mittels betrug 3 mal 0,5 g; sie 
wurde in keinem Fall überschritten. Nach Verabfolgung von 
4,5-5,0 g wnrde das Mittel regelmässig ausgesetzt. Von anderen 
Medikamenten kamen ausschliesslich leichte Herzstimulantien 
(Coffein) zur Anwendung. Bemerkenswert war bei allen 
Patienten in subjektiver Beziehung die relati ve Euphorie, 
in objektiver die auffallend geringe Beeinträchtigung 


der Respiration. Eine ungünstige Nebenwirkung werde 
in keinem Falle beobachtet. 

ln ausgedehntem Maass wird von dem Mittel zur Behandlung 
der Pneumonie von Rautenberg (innere Abteilung des Kreis¬ 
krankenbaases des Kreises Teltow) Gebrauch gemacht. Herr 
Prof. Rautenberg ist leider verhindert, ao der Diskussion teil¬ 
zunehmen, ich darf aber Bagen, dass er Anhänger der Optochin- 
therapie ist und teilweise Überraschende Erfolge zn ver¬ 
zeichnen hat. 

Prof. Weintraud (städtisches Krankenhaus Wiesbaden), der 
in Gemeinschaft mit seinem Assistenten, meinem früheren Mit¬ 
arbeiter Dr. Kaufmann, das Mittel auwendet, gestattet mir, 
folgendes über seine Erfahrungen mitzuteilen: 

Es waren bis jetzt im ganzen 13 cronpöse Pneumonien in Be¬ 
handlung, bei denen das Optochin noch vor Ablauf des dritten 
Krankheitstages gegeben werden konnte. Als Dosis wurde ge¬ 
wählt pro die 3 mal 0,5 g in sechsstündigen oder 6 mal 0,25 g 
in dreistündigen Abständen, also zusammen 1,5 g. Im ganzes 
wurde bis 4 g gegeben. Io 2 Fällen (von den 13) wnrde erfolg¬ 
los die intravenöse Darreichung versucht; bei 3 Fällen blieb auch 
die Darreichung per os ohne Dauerwirkung. 

Von den übrigen 8 Fällen entfieberten — zum Teil kritisch: 
am 2. Tage . . 2 Fälle 

n 3. „ • • 3 „ 

r n_ . . 3 „ , 

die dauernd fieberfrei blieben. 

Bei Erkrankungen vom 4. Tage an versagte das Mittel. 

Von Nebenerscheinungen wurde Ohrensausen und Schwer¬ 
hörigkeit — wie sonst bei Chiningebranch — in wechselnder 
Stärke und vereinzelt beobachtet, ebenso Uebelkeit und Erbrechen 1 ). 
Eine vorübergehende Amaurose ist bereits erwähnt. 

„Es kommt also nur eine Frühbehandlung mit Op¬ 
tochin in Betracht, zu der das Material des Krankenhauses 
sich nur selten eignet; meist werden die Pneumoniekranken erst 
eingeliefert, wenn ihr Zustand bedrohlich erscheint. Die Behand¬ 
lungsmethode wird hier am Krankenhaus weiter fortgesetzt und 
es kann inzwischen nach den bisherigen Erfahrungen 
im hiesigen Krankenhaus dem Arzt in der Praiis, der 
frühzeitig zu den Pneumoniekranken kommt, die An¬ 
wendung des Optochin empfohlen werden. Dass neben 
der specifischen Behandlung die Allgemeinbehandlung des 
Patienten, vor allem die Stärkung des Herzens mit Digitalis, 
nicht vernachlässigt werden darf, ist ohne Weiteres einzusehen. 

Auch Stachel in (1. c.) spricht sich neuerdings für die Früh¬ 
behandlung mit Optochin aus; er hat bei initialen Fällen 
mehrmals prompten dauernden Temperatorabfall erzielt, 
dagegen sah er mit der Tagesdosis von 1,5 g bei Pneumonien, 
die schon mehrere Tage bestanden, keine deutlichen Resultate. 

Endlich erscheint es mir bemerkenswert, dass auch unter 
den schwierigen Verhältnissen einer ausgedehnten 
Landpraxis die Anwendung des Mittels sich mit Erfolg 
durchführen lässt. Herr Sanitätsrat Bieling-Gaualgesheim 
bat nach freundlicher brieflicher Mitteilung bis jetzt etwa 12 Fäll« 
behandelt und gute Erfolge erzielt, die ihn veranlassen, das Mittel 
dauernd aozuwenden, und zwar in der schon von Vetlesen ge 
wählten Dosierung. 

Die ErkrankuDgsfälle betrafen das Alter von 9—-04 Jahre. 
Gegeben wurde Optochin hydrochl. in allen Fällen gleich im ersten 
Stadium der Erkrankung, bei einigen Fällen bereits am ersten Tage 
derselben. Der Verlauf der Krankheit war meist derart, dass das 
Fieber sich am 6. bis 7., in einem Falle am 11. Tage lytie« 
löste; in zwei Fällen trat kritische Lösung ein. Die Rekon- 
valescenz war kurz und rasch, und es trat bald wieder die 
Möglichkeit ein, die gewohnte Beschäftigung aufzonebmen, auc 
bei den Erkrankten im höheren Alter. Das AUge® e,D * 
befinden der Patienten war stets gut; es wurden nur 
geringe Beschwerden über Schmerzen, Seitenstechen 
und Atembeklemmung geäussert. . . 

Schottmüller (l. c.) hat, wie er kurz mitteilt, 

Verlauf der Pneumonie irgend einen nennenswerten Einfluss noc 
nicht erkennen können“; bei einem seiner Fälle „führte ^ )e ^ ea 
monie zur allgemeinen Sepsis mit tödlichem Ausgang, nach em 
der Patient so viel Hydrocnprein erhalten batte, dass Erscheinungen 


1) Da9 Optochin hydrochloric. hat einen bitteren Geschma < 
der ungemein lange naobbält und unangenehmer ist, als derjenige 
Chinin. Hierauf muss bei der Medikation Rücksicht genommen ver e0. 


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UNiVERSITY OF IOWA 



30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1871 


von Amblyopie auftrateo.“ Staebelin äusserte in der Diskussion 
hierzu, dass er bedauern würde, wenn sich jemand durch 
Schottmüll er’s Orteil abhalten Hesse, das Mittel bei der be¬ 
ginnenden Pneumonie anznwenden. 

XV. Betrachtungen über den Heilungsmechanismus bei 
Pneumonie. 

Naheliegende, von uns schon öfter angeregte und für die 
Beurteilung und weitere Ausgestaltung der Optochintberapie der 
Pneumonie notwendige klinische Untersuchungen über den Pneu¬ 
mokokkengehalt des Blutes der behandelten Kranken fehlen 
bis jetzt. Dass eine Abtötung der im circulierenden Blut bei 
der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle in grösserer oder geringerer 
Menge vorhandenen Pneumokokken durch die kontinuierliche 
Darreichung des Optochin möglich ist, unterliegt nach den an¬ 
geführten Versuchen keinem Zweifel. Dieser Faktor, zusammen 
mit einer Schädigung und Entwicklungshemmung der Pneumo¬ 
kokken im Lungenherd, die auf Grund der Tierversuche von 
Neufeld und Engwer angenommen werden darf, bildet die 
rationelle Basis einer specifiscben Therapie der Pneumonie. Dass 
dem ersteren Moment, der Befreiung des Blutes von Pneumo¬ 
kokken, eine besondere Bedeutung für das Zustandekommen 
der Krisis zukommt, dafür sprechen Beobachtungen von Roseno w 
und die bisher nur in Kürze auf dem 30. Kongress für innere 
Medizin in Wiesbaden 1913 von Lüdke mitgeteilten Untersuchungen. 
Es ergab sich, dass während der Krise ein Verschwinden der 
Pneumokokken im Blute stattfindet. Hierfür sind bei der 
spontan entstehenden Krisis wohl specifische Antikörper verant¬ 
wortlich zu machen, die wir mit Neufeld und Haendel als 
zur Klasse der Bakteriotropine gehörig ansprechen. Neufeld 
und Haendel haben in Uebereinstimmung mit G. und 
F. Klemperer und P. Römer in exakten Versuchen gezeigt, 
dass das Serum der Kranken nach der Krisis regel¬ 
mässig reichlich Pneumokokkenantikörper enthält. 
Nachdem sie ganz allgemein festgestellt hatten, dass die Pneumo¬ 
kokkenantikörper im Tierversuch unterhalb eines bestimmten 
Schwellenwertes der Konzentration unwirksam sind, sahen sie als 
auslösendes Moment für die Krisis das Ueberschreiten dieses 
Schwellenwertes im Blute der Patienten an; ist dieser wirksame 
Antikörpergehalt erreicht, so werden „die im Blut kreisenden 
und in den Organen wuchernden Kokken im Verlauf kurzer Zeit 
und zwar sicherlich zum allergrössten Teil durch die Pbagocyten 
des Körpers unschädlich gemacht.“ ln Uebereinstimmung mit 
dieser experimentell gut begründeten Anschauung führt auch 
Lüdke Krise und Verschwinden der Pneumokokken aus dem Blut 
auf das rapide, sprunghafte Anwachsen der Antikörper zurück. 
Im Gegensatz hierzu tritt bei letal endigenden Fällen eine immer 
mehr fortschreitende Vermehrung der Pneamokokken im Blut 
ein, was wohl auch Jochmann veranlasst, die Allgemeininfektion 
als hauptsächliche Todesursache anzuseben. Bei der Pneumonie 
des Menschen wird im Einklang mit allen experimentellen Fest¬ 
stellungen die Wirkung des Optochin auf die im Blute kreisenden 
Pneumokokken eine direkte sein. Antikörper sind bei frühzeitiger 
Behandlung zunächst noch gar nicht in genügender Stärke vor¬ 
handen. An die Stelle der Schutzstoffe, welche bei 
spontanem Verlauf die Krisis herbeiführen können, 
kann das Optochin treten. Der Endeffekt ist der gleiche, 
der Mechanismus ein völlig verschiedener. Es ist aber 
in hohem Maasse wahrscheinlich, dass die Entfieberung durch 
Optochinhehandlung oft mit dem Wirken spezifischer 
Schutzstoffe in Zusammenhang tritt. Dem Freiwerden und 
der Wirksamkeit der spezifischen Antigene, welche die Antikörper¬ 
bildung auslösen, wird durch die Behandlung kein Hindernis 
gesetzt; in diesem Sinne sprechen anch Beobachtungen von mir 
and R. Levy über die Entstehung einer Immunität bei Mäusen, 
die prophylaktisch mit Optochin behandelt waren. 

Diesen Schutzstoffen dürfte demnach bei der Behandlung der 
Pneumonie mit Optochin eine nicht zu unterschätzende Bedeutung 
zukommen, und zwar im Sinne der Erniedrigung des wirksamen 
Schwellenwertes, wie sie Engwer nnd Boehncke experimentell 
nachgewiesen haben. Vor allem die zeitlichen Variationen 
in dem Eintreten der entscheidenden Optochinwirknng 
(Krisis, Lysis) können mit den bekannten Differenzen 
in der Bildung der Schatzstoffe zusammen wirken. Die 
Anwendung des Pnenmokokkenserums neben dem Optochin fällt 
unter den gleichen Gesichtspunkt. 

Die Schutzstoffe bleiben dann auch nach der Entfieberung 
wirksam und tragen dazu bei, ein Aufflackern der Infektion zu 


verhüten, sowie Pnenmokokkeo, soweit sie in Blut nod Gewebe 
noch lebens- und entwicklungsfähig sind, zu beseitigen. Unter 
diesem Gesichtspunkt ergibt sich die Forderung, bis zum voraus¬ 
sichtlichen Eingreifen der Antikörper, also etwa bis zum 6. bis 
7. Krankheitstag, den Organismus unter kontinuierlicher Optochin- 
wirkung zu halten 1 ). 

XVI. Gesichtspunkte für die Dosierung des Optochin 
bei fibrinöser Pneumonie. 

Durch die experimentellen Untersuchungen von Druanlt, 
Birch-Hirschfeld u. a. wissen wir, dass man beim Hund eine 
typische Chininamaurose erzeugen kann mit charakteristischer 
Funktionsstörung und ophthalmologischem Befund und mit be¬ 
stimmten histologischen Veränderungen, die durch die Nissl’sche 
Methode dargestellt werden. Hier müssen vergleichende toxi¬ 
kologische Versuche einsetzen. Einzig und allein diese 
Störung, bei der die Ganglienzellen der Retina den An¬ 
griffspunkt bilden, ist für die Frage der Nebenwirkungen 
des Optochin von Interesse. 

Von mir und Dr. Ginsberg sind derartige Versuche unter¬ 
nommen worden; sie sind noch nicht abgeschlossen, die bisherigen 
Befunde sprechen aber in dem Sinne, dass bei normalen 
Hunden dem Optochin gegenüber dem Chinin eine 
höhere Giftwirkung auf die nervösen Elemente der 
Retina nicht zukommt. 

Es ist somit die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass 
das Verhalten der Pneumoniekranken nicht die normale 
Empfindlichkeit gegen Cbinaalkaloide repräsentiert, 
sondern dass hier besondere Bedingungen ob walten, die 
in einer beschränkten Zahl von Fällen die Empfind¬ 
lichkeit erhöhen. Derartige Erscheinungen stünden nicht 
einzig da; man erinnere sich nur au die durch Malaria bedingte 
besondere Disposition der roten Blutkörperchen, die in dem Auf¬ 
treten von Schwarz Wasserfieber nach Chioingebrauch ihren Aus¬ 
druck findet. Besonders bemerkenswert ist, dass Izar nnd 
Nicosia (1. c.) auf die engeren Tolerauzgrenzen gegenüber dem 
Optochin bei Patienten, die an Maltafieber leiden, hin weisen. 

Man muss zunächst daran denken, dass die Anwesenheit 
von Pneumokokken im Organismus, besonders im Blut, 
hier mitwirkt, lu dieser Hinsicht muss auf eine interessante 
Beobachtung von Boehncke verwiesen werden. Boehncke ex¬ 
perimentierte mit einem bestimmten, im übrigen typischen Paeumo- 
kokkenstamm an Mäusen und fand, dass nur die Infektion mit 
diesem Stamm die Giftempfindlicbkeit der Mäuse gegen - 
über dem Optochin weit über die Norm erhöhte; Mäuse, 
die mit dem Stamm inficiert waren, wurden durch eine weit 
geringere Menge von Optochin getötet, als Tiere, deren Infektion 
durch anderePaeumokokkenstämme hervorgerufen war. Boehncke 
nimmt an and stützt diese Annahme durch besondere Versuche, 
dass ein Toxin dieser Pneumokokken die Erhöhung der Giftigkeit 
bedingt. Es könnte demnach also wechselnde und je nach der 
Individualität der Pneumokokken qualitativ verschiedene Toxin¬ 
produktion in den einzelnen Fällen in Frage kommen. Wesen 
und Bedingungen der eigentümlichen Idiosynkrasie harren aber 
noch der Aufklärung. 

Es erscheint mir jedoch durchaus statthaft, zunächst einen 
Zusammenhang zwischen individueller Idiosynkrasie nnd 
Momenten, die durch die Infektion als solche gegeben 
sind, ins Auge zu fassen. 

ln Zusammenhang mit diesen Erörterungen möchte ich nicht 
verfehlen, hier, wenn auch mit aller Reserve, darauf hinzuweisen, 
dass ich den bestimmten Eindruck gewonnen habe, dass Neben¬ 
wirkungen um so seltener sind, je früher die Be¬ 
handlung eingeleitet wird. So hat weder Vetlesen noch 
A. Fränkel, als er prinzipiell nur mehr frische Fälle behandelte, 
solche beobachtet. 

Ob meine Annahme zutrifft, wird sich zeigen, wenn das 
fundamentale Prinzip der Frühbehandlung allgemeine 
Geltung erlangt haben wird. 

Die für die Anwendung des Optochin bei der Behandlung 
der Pneumonie entscheidende Frage, ob bei dem Gebrauch 
zulässiger Dosen das Optochin in wirksamer Concentra- 
tion in Blut und Gewebe gelangt, wie es bei den viel 
höheren Dosen des Tierversuchs zweifellos der Fall ist, 


1) Bekanntlich unterliegt der Pneumococcus in Kulturen in hohem 
Maass der Autolyse; dass dieses Moment bei der chemotherapeutischen 
Beeinflussung mitwirkt, ist nicht ausgeschlossen. 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1872 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


mnss in bejahendem Sinne beantwortet werden. Hierfür 
sprechen vor allem die bereits angeführten Reagenzglasversuclie 
von Wright mit dem Serum behandelter Menschen. 

Den Verbleib des Optochin in der Blutbabn zu unter¬ 
suchen, bildet ein dringendes Erfordernis und es ist zu begrüssen, 
dass Böcker in Neufeld’s Laboratorium unlängst die Bearbei¬ 
tung dieser Frage in Angriff genommen hat; durch die Freund¬ 
lichkeit von Prof. Neu fei d sind mir die Resultate der Versuche 
zugänglich. Zur Prüfung des Optocbingehaltes des Blutes erwies 
sich nur die biologische Methode, die sich der Einwirkung auf 
Pneumokokken bedient, als brauchbar. Kaninchen und Meer 
schweinchen wurde wässerige Lösung von Optocbincblorhydrat 
intravenös injiziert und in bestimmten Intervallen der Optochin 
gehalt des Serums untersucht. Es ergab sich eine ungemein rasch 
erfolgende Verminderung der Konzentration, bei beiden Tierarten 
in ausgesprochen verschiedenem Maasse. Bei Kaninchen war schon 
nach 10 und 45 Minuten weniger als 1 / 40 der injizierten Menge 
vorhanden, während bei Meerschweinchen dieser Erfolg erst nach 
zwei Stunden eintrat. 

Mit dieser Feststellung eines ungemein raschen Ver¬ 
schwindens des injizierten Optochin aus dem Kreislauf 
stehen auch unsere noch unveröffentlichten Beobachtungen in Ein¬ 
klang. Bei vergleichenden Untersuchungen der Salze des Chinin, 
Hydrochinin und Optochin — bei welchen übrigens ein greilbarer 
Unterschied in der akut toxischen Wirkung nicht zutage trat — 
erwies sich eine Konzentration im Blut, die nach einer ganz 
approximativen und gewisse Komplikationen ausser Betracht 
lassenden Berechnung 1 : 3000 —4000 betrug, in wenigen Sekunden 
als tödlich, 1:8000—12000 machte oft noch schwere Ver- 
giftungserscheinungen. Wurden jedoch die sofort beginnenden 
Krämpfe nur ganz kurze Zeit hindurch überstanden, so trat, ähn¬ 
lich dem Verhalten bei Strychninvergiftung, sehr bald völlige 
Erholung ein, ein Beweis, dass auch hier ein ungemein rasches 
Absinken der Konzentration stattfand. 

Dass auch beim Menschen ähnliche Verhältnisse vorliegen, 
ergibt sich aus der Möglichkeit, Mengen von 1,0 g Chininsalz und 
von 0,75 g Optocbincblorhydrat — letzteres sogar bei Malayen 
mit einem Durchschnittsgewicht von nur 40 kg — ohne erheb¬ 
liche Nebenwirkungen zu injizieren. Eine ungefähre Berechnung 
der Konzentration im Blut, wie sie sich bei rascher Injektion er¬ 
gäbe, führt zu Werten, die im Tierversuch zu toxischen 
Wirkungen genügten. Hier muss man also annehmen, dass bei 
der üblichen und auch absolut gebotenen langsamen In¬ 
fusion schon während dieses Aktes eine Entlastung der Blutbahn 
eintritt, welche die berechnete schädliche Konzentration nicht zu 
Stande kommen lässt. 

Es ist sehr bemerkenswert, dass kurzdauernde hohe Kon¬ 
zentrationen, wie sie bei intravenöser Injektion erreicht werden, 
keine Sebstörungen beim Menschen auslösen. Hierzu ist offenbar 
längere Permanenz einer in bezug auf akute toxische 
Störungen unterschwelligen Konzentration nötig, die man 
vorläufig nicht berechnen kann. Nur soviel kann man sagen, 
dass sie höher ist als diejenige Konzentration, die zur baktericiden 
Wirkung ausreicbt, dass sie also praktisch ohne Beeinträchtigung 
des therapeutischen Erfolges vermieden werden kann und muss. 

Die zu einer baktericiden Wirkung im Blut des lebenden 
Tieres erforderlichen Konzentrationen liegen — eine genügend 
laDge Wirkungszeit vorausgesetzt — weit unterhalb der akut 
schädlichen Konzentration, wie alle Reagenzglasversuche und der 
Tierversuch übereinstimmend lehren. Die Neigung eines 
rapiden Absinkens der Konzentration im Blut ist in 
hohem Maasse bestimmend für die Art der Dosierung 
und unterstützt unsere seit langem anfgestellte Forde¬ 
rung, dass für konstante, ununterbrochene Zufuhr des 
Optocbins nach der ßlutbahn gesorgt werden muss. 

Vor allem ergibt sich aus dieser Betrachtung über 
die Grenzen der günstigen Konzentration desOptochins 
im Blut, die durch die Schädigungsschwelle nach der 
einen Seite, durch die wirksame Minimalkonzentration 
nach der anderen Seite gesteckt sind, dass der Verwen¬ 
dung wenig löslicher Verbindongen wie der Optochin- 
base und des Salicylesters des Optochin nichts im Wege 
stebt 1 ). 

Die Löslichkeit beider in der Blutflüssigkeit ist nicht so 


I) Diese haben noch den Vorzug des besseren Geschmacks; der 
Salicylester ist fast geschmacklos. 


gering, dass schädliche Konzentrationen ein für allemal aus¬ 
geschlossen sind; wäre dies der Fall, so müsste es unmöglich 
sein, durch subcutane Injektion Öliger Lösungen, die allmählich 
die gelöste Substanz an das Blut abgeben, Versuchstiere zu ver¬ 
giften oder zu töten, wie es tatsächlich der Kall ist. Es sind 
also auch bei diesen Verbindungen der Dosierung ge¬ 
wisse Grenzen gesetzt. 

Andererseits ergibt sich schon hieraus, dass wirksame Kon¬ 
zentrationen, in Uebereinstimmung mit den Ergebnissen des Tier 
Versuchs, leicht erreicht und auf die Dauer aufrechterhalten werden 
können. Hiermit stehen auch in Einklang die Beobachtungen 
von Giemsa und Schauman, dass die freie, wenig lösliche 
Base des Chinins bei Malaria nicht weniger wirksam ist als die 
leicht löslichen Salze, ebenso die Wirksamkeit unlöslicher Chinin- 
Verbindungen wie das Euchinin, Salochinin und Cbinintannat. 

In bezug auf den Mechanismus der Resorption der Alka¬ 
loide vom Verdauungskanal aus ist noch manches dunkel; 
es ist wahrscheinlich, dass im sauren Magensaft unbestimmbare 
und wechselnde Mengen der Basen als Salz gelöst und dann rasch 
resorbiert werden, wie umgekehrt aus leicht löslichen Salzen, 
wenn sie in den alkalischen Dünndarminhalt gelangen, die Base 
ausgefällt und dann als solche resorbiert wird. 

Auf alle Fälle ist die Konzentration im Blut stets von der 
Konzentration im Magen und Darminhalt abhängig und von diesem 
Gesichtspunkt aus besteht grössere Wahrscheinlichkeit, dass bei 
Einführung der schwer löslichen Verbindungen schäd¬ 
liche Konzentrationen viel leichter vermieden werden, 
ln Betracht zu ziehen ist unter diesem Gesichtspunkte die Mit¬ 
gabe von säurebindenden Agentien und, nach Analogie des Tier¬ 
versuchs, die Verabreichung öliger Lösungen von Base 
oder Ester per os oder per rectum, wie dies Kaufmann 
neuerdings ausführte. Hier liegt noch ein weites Feld für klinische 
Rezeptierkunst. Es wird die lohnendste Aufgabe für den Arzt sein, 
hier einzugreifen und vor allem für eine möglichst gleicbmässige 
Verteilung der Einzelgaben über die 24 Stunden des Tages und, 
nicht zu vergessen, der Nacht zu sorgen. Vielleicht kommt 
hier die beinahe schon obsolete Anweisung „alle Stande ein 
Esslöffel voll“ wieder zu ihrem Recht. 

Nach den bisherigen Erfahrungen soll man auf alle 
Fälle bei der Darreichung des Optochin hydrochloricum 
per os, falls man die Einzeldosis von 0,5g beibehalten 
will, über die Tagesdosis von 1,5 g nicht hinausgebe«; 
schon dadurch dürfte sich die Wahrscheinlichkeit einer vorüber¬ 
gehenden Sebstörung ungemein vermindern, deren Eintritt Unter¬ 
brechung der Behandlung veranlassen wird. 

Das für die Dosierung hier aufgestellte Prinzip ist ein 
einfaches und klares. Der Blutbahn ist kontinuierlich so 
viel von dem Mittel zuzufübren, dass eine Schädigung 
nervöser Organe vermieden wird, die Pneumokokken in 
Blut und Gewebe durch die stäodig vorhaudeue Kon¬ 
zentration abgetötet, zum mindesten aber in ihrer Ent¬ 
wicklung gehemmt und in ihrer Vitalität soweit ge¬ 
stört werden, dass sie auch keine temporäre Festigung 
durch Chemoflexion erreichen können. Die erfolgreiche 
Durchführung dieses Prinzips ist nur eine Frage der Zeit und der 
darauf gerichteten zielbewussten Bemühung. 

Ich habe bei diesen Betrachtungen die Möglichkeit ausser 
Rechuung gelassen, dass der Transport des Alkaloids von der 
Resorptionsstätte durch das Blut zu den verschiedenen Zielen zum 
grösseren oder geringeren Teil durch corpusculäre Elemente 
geschieht. Für die roten Blutkörperchen haben Versuche von 
mir und Ginsberg dies wahrscheinlich gemacht und den Vor¬ 
gang der „Transgression“ kennen gelehrt, der hier aus Mangel 
an Zeit nicht näher besprochen werden kann; auch Böcker neigt 
zu Annahmen, die in diesem Sinne sprechen. Aber auch für 
diesen Fall träfen die aus der vereinfachten Betrachtung ge* 
zogenen Schlüsse in vollem Umfang zu. 

Mag auch bei Pneumoniekranken io gewissen Phasen der 
Erkrankung und unter gewissen Umständen eine erhöhte Empfind¬ 
lichkeit der Retinaelemente bestehen, wie oben ausgeführt wurde, 
so behält auch hier das eben entwickelte Prinzip seine volle 
Geltung. 

Experiment, theoretische Ueberlegung und klinische Erfahrung 
lehren uns Ziele und Möglichkeiten bei der spezifischen Behand¬ 
lung der Pneumonie mit Klarheit erfassen: Befreiung des 
Blutes von Pneumokokken und Hinderung des üeber- 
tritts aus dem Langengewebe ins Blat, Entwicklongs* 


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30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1873 


hemmung oder Abtötung der Pneumokokken im Gewebe 
nnd endlich Zusammenwirken mit den Scbutzstoffen, 
mögen sie nun einer -aktiven oder passiven Immuni¬ 
sierung entstammen. 


Ueber einige chirurgische Erfahrungen aus 
dem II. Balkankriege. 

Bemerkung zu der Arbeit von R. Klapp in der Münchener med. 

Wochenschrift, feldärztliche Beilage, 1914, No. 7, S. 68. 

Von 

Prof. Coenen, 

Oberarzt der Kgl. chirurgischen Klinik in Breslau, zurzeit kommandiert als Stabsarzt 
zur 2. 8anität«kompagnic des VI. Armeekorps. 

Die Ausführungen Klapp’s über das von mir in den beiden Balkan¬ 
kriegen erprobte und von mir „Collateralzeichen“ genannte Phä¬ 
nomen 1 ) sind nioht zutreffend. Klapp stützt sich darauf, dass es nach 
der Ligatur der A. femoralis bei einem Hunde aus dem durchschnittenen 
peripheren Stumpf dieser Arterie unter Pulsation hellrot blutet, und ver¬ 
langt daher bei der Prüfung des Collateralzeichens beim Menschen eine 
Blutung aus dem peripheren Arterienteil, die sich ebenso unter Puls¬ 
schlag entleert. Aber der Vergleich mit der intakten Huüdefemoralis 
ist hier nicht stichhaltig. So stark sind die Coilateralen beim Menschen 
nicht. Bei dem Aneurysma ist die Circulation in der Extremität ausser¬ 
dem noch reduziert. Will man also das Tierexperiment heranziehen, so 
muss man eine reduzierte arterielle Blutzufuhr schaffen und die Coi¬ 
lateralen schwächen. In meinen experimentellen Untersuchungen über 
Wieting’sche Operation 2 * * ) habe ich diese Reduktion der Blutzufuhr zur 
hinteren Extremität eines Hundes dadurch erreicht, dass ich von der 
Kniekehle bis über das Becken hinaus alle Coilateralen der A. femoralis 
abband. Wenn ich nun bei dieser Besohneidung des Collateralkreislaufs 
die A. femoralis unterhalb (distal) einer Ligatur durcbschnitt und wenn 
das periphere Ende kein Blut austreten liess, so folgte nach der Ligatur 
die Nekrose und Gangrän der Extremität 8 ). Wofern aber bei dieser 
Versuchsanordnung aus dem peripheren Stamme hellrotes Blut kontinuier¬ 
lich ausfloss bei längerer Beobachtung, und wenn auch nur tropfenweise, 
so blieb nach der Ligatur der A. femoralis die Extremität vom Brande 
verschont. Diese Verhältnisse sind für die Beurteilung beim Aneurysma 
des Menschen maassgebend. Man darf also nicht zuviel verlangen, son¬ 
dern das Collateralzeichen ist u. E. positiv, wenn der distale Arterien¬ 
stumpf kontinuierlich hellrot blutet; wenn er hellrot spritzt, so ist das 
Zeichen um so sicherer. 

Weiter meint Klapp, dass bei Aneurysmabildung ein Teil des 
Blutes durch das Aneurysma in die peripheren Gefässe gelangt (S. 69). 
Abgesehen von der arteriellen Stromschleife, die im Sack von der Arteria 
gleich in die centrale Vene umbiegt — eine Erscheinung, die ich „Kurz¬ 
schluss“ genannt habe — geht nach Klapp „ein zweiter Blutstrom in 
den peripheren Venenteil“. Dies wäre also eine Analogie mit der 
therapeutisch versuchten Ueberieitung des arteriellen Blutes auf den 
Venenweg (Wieting’sche Operation). Wir können also hier auf unsere 
oben citierte Arbeit verweisen, wenn wir die Ernährung der Eitremität 
auf diesem Wege für bedeutungslos halten. Es ist aber fraglich, ob 
Klapp diesen Venenweg der arteriellen Blutzufuhr meint, denn er fährt 
fort (S. 69): „Man hat also bei vielen Aneurysmen damit zu rechnen, 
dass der periphere Arterienteil durch das Aneurysma hindurch ge¬ 
speist wird. Unterbindet man, legt die Klemmen an und prüft das 
Collateralzeichen, so kommt beim Lüften der Klemme das Blut hellrot 
heraus. Daraus schliesst man, dass das Collateralzeichen positiv ist, 
unterbindet und schneidet damit eine, eventuell noch eine für die Er¬ 
nährung wichtige Blutquelle, nämlich die Passage durch das Aneurysma, 
ab.“ Den Sinn dieser Erwägung kann ich nur so verstehen, dass von 
der Wand des Aneurysmasacks direkt oder indirekt kleine arterielle 
Aeate zu dem peripheren Teil der Arterie, also Coilateralen, führen, die 
die Blutzufuhr zur Extremitätenspitze mit aufrecht halten sollen. Dies 
aber hatte ich in Athen und Saloniki (1912/13) auch bedacht und 
daher verlangt, dass vor der Prüfung des Collateralzeichens der Blut¬ 
sack vollständig frei präpariert wird, denn dann können die Sack- 
collateralen den Versuch nicht mehr stören. Es muss also, um es noch 
mal zu betonen, bei älteren umschriebenen Aneurysmen der Sack nur 
noch an den Hauptgefässen hängen, im übrigen aber ganz aus den Weich¬ 
teilen ausgescbält sein, bei frischen diffusen Aneurysmen muss die Höhle 
völlig ausgeräumt zutage liegen, bevor man das Collateralzeioben an¬ 
wendet. 

Mit Klapp bin ich einverstanden, wenn er entgegen v. Frisch die 
Blutstauung distal der abgeklemmten Hauptvene nicht für beweisend 
hält für eine ausreichende Circulation. Die Venencollateralen sind viel 
zahlreicher, als die Arteriencollateralen; so findet das Venenblut viel 
leichter den Weg zum Herzen und kann die Hauptvene dabei ganz um- 
gehen, zu mal diese meist durch den wachsenden Blutsack komprimiert 

1) Zbl. f. Cbir., 1913, Nr. 50. 

2) Bruns’ Beitr., Nr. 75. 

8) Siehe auch meine „Beiträge der Frage zur Umkehrbarkeit des 

Blutstroms“. M.m.W., 1912, Nr. 29. 


wird. In zweien meiner auf dem griechischen Kriegsschauplatz beob¬ 
achteten Fälle führte daher die Hauptvene am Aneurysma distal fast 
gar kein Blut, dennoch trat keine Nekrose ein, offenbar, weil andere 
Abzugswege für das Venenblut da waren. Das v. Frisch’sche Venen- 
zeicben ist also m. E. unsicher. Dagegen haben wir mit dem von uns 
erprobten Collateralzeichen nicht nur im Kriege, sondern auch später in 
der Friedenspraxis in der Küttner’schen Klinik gute Erfahrungen ge¬ 
macht und können v. Frisch auch nicht recht geben, wenn er be¬ 
hauptet, dass bei unserm positiven Collateralzeichen der Beweis mangele, 
dass „der ganze Gefässbaum wirklich kräftig durchblutet wird“ 1 ). Nach 
den hämodynamischen Gesetzen muss das Blut bei unserem positiven 
Collateralzeichen bis in die Extremitätenspitze strömen, wenn keine 
Thrombose und keine Bildungsanomalie oder Arteriosklerose besteht. 
Bei den gesunden Soldaten im Kriege werden wir damit kaum zu rechnen 
haben, und wir möchten hoffen, dass in den Reservelazaretten, Kriegs¬ 
lazaretten und Heimatlazaretten unser Collateralzeichen eine Richtschnur 
abgeben möge für die Gefässligatur und Gefassnaht. 

Ganz wesentlich ist die Frage nach der Priorität des Zeichens. Ich 
lernte es aus meinen Hunde-Experimenten über die Wieting’sche Operation 
und erinnerte mich daran in den Balkankriegen und gewann so die 
praktische Bedeutung dieses Zeichens beim Aneurysma und bei der Ge- 
fässverletzung. Erst lange später erfuhr ich, dass Henle in einer Dis¬ 
kussion sbemerkuDg auf dem Chirurgen ko ngress (Berlin 1912) auf Grund 
seiner Kriegserfahrungen dasselbe empfohlen und es E. Lexer vor¬ 
geschlagen hatte. Hierdurch wird der Wert unseres „Collateralzeichens“ 
aber erhöht. 

Beine vor Reims, den 18. Oktober 1914. 


Bßcherbesprechungen. 

G. Joch mann- Berlin: Lehrbuch der Infektionskrankheiten. Für 

Aerzte und Studierende. Mit 448, zum grossen Teil farbigen 

Abbildungen. Verlag von Julius Springer in Berlin. Preis ungeb. 
30 M. 

Jochmann gehört sicherlich zu den Klinikern, die die grösste Er¬ 
fahrung auf dem Gebiete der Infektionskrankheiten haben. Langjährige 
Beobachtungen, nicht zum mindesten an seiner jetzigen Wirkungsstätte, 
dem Rudolf Virchow-Krankenhause in Berlin, bilden die Grundlage zu 
dem fast 1000 Seiten starken Werke, das mit ausgezeichneten Ab¬ 
bildungen ausgestattet ist. Deshalb ist der Preis des Werkes nur 
relativ hoch. Wenn auch Spezialisten das Buch ihrer Bibliothek einver¬ 
leiben werden, so wird der Student, für den es auch bestimmt ist, es 
wohl schwerlich kaufen. Für ihn ist es, da es doch nur einen Teil der 
inneren Medizin behandelt, zu teuer. Der Kliniker wird das Werk, 
das in seiner Art das erste in deutscher Sprache darstellt, an- 
schaffen, wenn er über alles, was Infektionskrankheiten betrifft, lesen 
will. Die Anlage des Buches ist grosszügig, wie die angeführten 
Kasuistiken seltener Fälle beweisen. Aus allem spricht die grosse Er¬ 
fahrung JochmanD’s; Verf. hat ja auch fast seine ganze ärztliche und 
wissenschaftliche Tätigkeit diesem Spezialfach gewidmet. Infolgedessen 
sind seine Schilderungen der Krankheitsfälle bis in die kleinsten Details 
erschöpfend. Die Darstellung ist, wie man das auch sonst von Joch- 
mann’s Publikationen gewöhnt ist, klar und verständlich. Die theo¬ 
retischen Fragen werden überall kritisch erörtert. So ist das Buch eine 
Fundgrube für den Arzt, der sich diagnostisch-therapeutisch und lite¬ 
rarisch orientieren will. Hoffentlich wird eine baldige zweite Auflage 
dem Verf. Gelegenheit geben, einige Kleinigkeiten, die in der grossen Zahl 
der Vorzüge fast verschwinden, zu korrigieren. So würde sich viel¬ 
leicht eine genauere Schilderung der Tracheotomie mit Abbildungen 
empfehlen. Die beim Tetanus angegebenen Magnesiumsulfatdosen 
sind, soweit die bisher vorliegende Literatur lehrt, zu klein. Zur Be¬ 
kämpfung der Atemlähmung nach Magnesiumsulfatlösung, die allerdings 
nach den Jochmann’schen Dosen von 2—4mal täglich der 2 ccm der 
10 proz. Lösung wohl schwerlich eintreten wird, kommt ausser dem 
zitierten Pilocarpin noch die Verabreichung von Kalksalzen in Betracht. 

Die Einteilung ist vorgenommen in 1. Infektionskrankheiten, bei 
denen die Infektion des Blutes im Vordergründe des Krankheitsbildes 
steht; 2. bei denen eine bestimmte Organerkrankung den Charakter des 
Leidens bedingt; 3. exanthematische Erkrankungen; 4. Zoonosen; und 
schliesslich wird noch das Desinfektions wesen behandelt. — Man muss 
sich, wenn man die einzelnen Kapitel durchsieht, fragen, ob das Thema 
nicht zu weit oder zu eng gefasst ist. Wenn man den acuten Gelenk¬ 
rheumatismus zu den Infektionskrankheiten rechnet, dann gehört eigent¬ 
lich die lobäre Pneumonie auch dazu. Und was der acuten Miliartuber¬ 
kulose recht ist, ist der Lues billig. Das würde dann freilich zu weit 
und aus dem Gebiete Jochmann’s hinaus führen. 


F. Umher: Ernährung nnd Stoffwechselkrankheiten. Zweite, neu¬ 
bearbeitete Auflage mit 10 Abbildungen, 10 schwarzen und 
11 farbigen Tafeln. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin- 
Wien 1914. Preis 18 M. 

Das ausgezeichnete Buch Umber’s, das in seiner ersten weitver¬ 
breiteten Aullage noch Lehrbuch hiess, liegt nunmehr wesentlich er- 

1) Klapp, S. 68, 1. c. 


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UNIVERSITY OF IOWA 




BERLINER EX INI SC HE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 48. 


1874 


weitert und umgearbeitet vor, so dass es sich, wie Verf. einleitend aus- 
fübrt, zu einer Art Archiv auswächst. Es enthält die Erfahrungen des 
Verf., der auf dem Gebiete des Stoffwechsels sich von jeher besonders 
erfolgreich betätigt. So kommt es, dass viele Kapitel, die ihm besonders 
liegen, den Charakter des Persönlichen des Verf. tragen. Daneben sind die 
Errungenschaften der letzten Jahre eingehend gewürdigt, und auch hier 
handelt es sich nicht um einfache literarische Registrierung der klinischen 
und experimentellen Forschungen anderer Autoren, sondern Verf. kann 
dem Leser mit eigenen Nachprüfungen dienen. Das Werk gibt somit ein 
Bild von der Umber’schen Behandlungsmethode und seinen Labora¬ 
toriumsarbeiten. Wer sich über Stoffwechselkrankheiten orientieren will, 
kann das Umber’sche Buch nicht entbehren, das alles enthält, was 
alte und neue Zeiten dem Kliniker und Experimentator auf dem Gebiete 
der Stoffwechselkrankheiten gebracht haben. 


F. Neufeld: Sencheuentstehung und Seuchenbekämpfung. Kurzer 
Leitfaden für praktische Aerzte und Studierende. Mit 24 Ab¬ 
bildungen. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin-Wien. 
Preis 4,50 M. 

Der 204 Seiten fassende Leitfaden erscheint gerade in einer Zeit, 
in der das Interesse der Aerzte für Seuchen besonders rege ist. Schon 
darum wird das Neufeld’sche Buch mit seinen klaren Ausführungen, 
die sich von allem Allzuspezialistisehen fernhalten, Verbreitung finden. 
Es enthält ausser den Kapiteln über die Seuchen, die besonders in 
Kriegszeiten eine Rolle spielen, Abhandlungen über diejenigen Krank¬ 
heiten, die im Frieden im Vordergrund des Interesses stehen. So wird 
das Buch allen Anforderungen gerecht, und alle, die sich über die 
Seuchenentstehung und Seuchenbekämpfung speziell in der Gegenwart 
unterrichten wollen, werden den Leitfaden später zur Belehrung über 
Diphtherie, Tuberkulose usw. mit Nutzen lesen. Alles in allem ist das 
Neufeld’sche Buch für den Nichtbygieniker, für den es bestimmt ist, 
als willkommen zu begrüsseu. Dünner. 


Friedländer: Nerven- nnd Geisteskrankheiten im Felde und im 
Lazarett. Wiesbaden 1914, Verlag von J. F. Bergmann. 39 S. 
Preis 1 M. 

Mit dankenswerter Schnelligkeit hat der Autor in präziser Kürze 
alles zusammengefasst, was dem im Felde oder im Lazarett tätigen, 
spezialistisch nicht vorgebildeten Arzte in diagnostischer und thera¬ 
peutischer Hinsicht auf dem grossen Gebiet der nervösen und psychischen 
Erkrankungen notwendig zu wissen und zu kennen ist. Im richtigen 
Moment zu Rate gezogen, wird die kleine Schrift über manche Schwierig¬ 
keit hinweghelfen können. König-Kiel. 


Literatur-Auszüge. 

Therapie. 

J. Ruhemann-Berlin: Ortizon-Wundstifte. (D.m.W., 1914, Nr. 45.) 
Ortizon, eine feste Verbindung von Wasserstoffsuperoxyd und Harnstoff, 
ist zum Reinigen und Desinfizieren von Wunden sehr gut. 

D. Chi lat diti-Konstantinopel: Weitere Beiträge zur Behandlung 
der Hypertrichose mit Röntgenstrahlen. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) Durch 
Vorepilation der Haare lässt sich die Röntgenempfiudlichkeit der Papille 
steigern. Je zarter das Haar, je geringer sein Wachstum, um so geringer 
ist die Röntgenempfiodlichkeitssteigerung. Infolgedessen ist die Röntgen¬ 
behandlung des Flaumes undankbar. Bei gut entwickelten Haaren so¬ 
wohl an der Oberlippe wie auch ganz besonders am Kinn beträgt die 
Empfindlichkeitssteigerung unter günstigen Umständen ein Drittel der 
Epilationsdosis. Diese Herabsetzung der Dosis erlaubt die Applikation 
der Röntgenstrahlen in einer Sitzung. Dünner. 

Pass in i -Wien: Ueber Lumbalpunktion bei Chorea infectiosa. 
(W.kl.W., 1914, Nr. 42.) Verf. hat festgestellt, dass bei der Chorea in¬ 
fectiosa ein stark erhöhter Druck der Cerebrospinalflüssigkeit besteht. 
Die mikroskopische Untersuchung der Lurabalflüssigkeit ergab keine 
ätiologischen Anhaltspunkte. In drei Fällen war der therapeutische Er¬ 
folg der durch die Punktion herbeigeführten Druckerniedrigung des 
Liquors ein sehr guter. Daher wird dieser Eingriff für solche Fälle 
warm empfohlen. H. Hirschfeld. 

A. Schn6e-Frankfurt a.M.: Weitere Beiträge zur Fermenttherapie 
des Diabetes mellitus. (D.m.W., 1914, Nr. 46.) S. empfiehlt bei jedem 
Diabetesfall einen Versuch mit Fermocyltabletten (Vial und Uhlmann- 
Frankfurt a.M.), die neben spezifischen, die Kohlehydrate in ihre Ab¬ 
bauprodukte zerlegenden Fermenten die pankreatischen Fermente ent¬ 
halten. Er sah sogar vollständiges Verschwinden des Zuckers aus dem 
Urin. _ Dünner. 


Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 

0. Wied hoff-Heidelberg: Ein Fall von Megacolon sigmoides bei 
einem 70jährigen Manne. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) (Vorgetragen anläss¬ 
lich der Demonstration des Präparates in der Sitzung vom 19. Mai 1914 
im naturhistorisch-medizinischen Verein zu Heidelberg. Vgl. Gesellschafts¬ 
bericht der B.kl.W., 1914, Nr. 25.) Dünner. 


Innere Medizin. 

A. Bittor ff-Breslau: Gastrogene Diarrhöen und das Vorkommen 
von Aehylia panereatica bei Achylia gastrica. (D.m.W., 1914, Nr. 45.; 
Das Auftreten von schwerer Kreatorrböe und geringer Steatorrhöe bei 
den Durchfällen infolge Achylia gastrica ist ein häufiges Vorkommen. 
Die Trypsinmengen im Stuhl und im Magen sind trotzdem vielfach 
normal. Das Bestehen einer (funktionellen) Achylia panereatica wird 
durch diesen abnormen Befund der Fäces nicht bewiesen, die als seltenes 
Ereignis zu gelten hat, während etwas häufiger wohl eine Verminderung 
der Trypsinmenge bei Achylie beobachtet wird. Die ungleichartige Aus¬ 
nutzung der Nahrung, die Analogien unter normalen und pathologischen 
Verhältnissen hat, ist bei Achylie Folge einerseits der beschleunigten 
Peristaltik, andererseits der schlechten (ungenügenden) Magenverdauung. 
Röntgenuntersuchungen ergaben bei diesen Durchfällen bisher durch¬ 
schnittlich nur eine massige Beschleunigung der Magen- und Dünndarm- 
entleerung, dagegen eine stärkere (partielle) Beschleunigung der Dick- 
darmeDtleerung. Die Ursache dieser vermehrten Dickdarmperistaltik ist 
häufig ein Katarrh derselben durch abnorme chemische and bakterielle 
Einflüsse. _ Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

0. B. Meyer-Würzburg: Neue Apparate zur Schreibkranpfbe- 
handlung. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) Nach einem Vortrage in der 
7. Jahresversammlung der Gesellschaft deutscher Nervenärzte in Breslau 
am 30. Sept. 1913. Die Besonderheit der von M. angegebenen Methode 
beruht auf dem Prinzip, Abdrücke mit plastischer Masse von der er¬ 
krankten Hand in Schreibstellung unter entsprechender Formung von 
Widerlagern bzw. hülsenförmigen Vorrichtungen zu nehmen und hier¬ 
nach die Prothesen aus Hautschnitt oder auoh aus einem anderen Stoffe 
wie Celluloid anzufertigen. Dünner. 


Kinderheilkunde. 

Sawidowitsch-Berlin: Einfluss von Eri&hrung nid Erkru- 
kafigen auf das Waehstam des Gehirns im ersten Lebensjahre. (Mschr. 
f. Kindblk., 1914, Bd. 13, H. 5.) Natürliche uad künstliche Ernährung 
beim gesunden Kinde ergab keinen Unterschied. Einseitige Kohlehydrat¬ 
ernährung führte zur Hemmung im Gehirnwachstum. Bei Ernährung 
mit Vollmilch oder kondensierter Milch hatten die Kinder auffallend 
grosse Köpfe. Ernährungsstörungen führten zu Wachstumshemmung. 
Racbitiker haben lange und breite Köpfe bei geringer Höhe. Daher 
scheinen die Köpfe nur gross. 

Conradi - Cöln: Vorzeitiges Auftreten von Knöchel- und eigen¬ 
artigen Verkalkungskernen bei Chondrodystropbia foetalis hypoplastica. 
Histologische und Röntgenuntersuchungen. (Jb. f. Kindblk., Juli 1914, 
Bd. 80, H. 1.) Abnorm frühzeitiges — um Monate, bei einzelnen 
Knochen um Jahre zu frühes — Auftreten von Knochen- and Ver¬ 
kalkungskernen bei einem in der sechsten Woche gestorbenen Kinde 
mit Chondrodystrophie. 

Brüning - Rostock: Experimentelle Studien über die Bntwiekliig 
nengeborener Tiere bei läagerdauernder Treniung voi der säigeidn 
Mutter und naobheriger Verschiedenartiger künstlicher Ernährung. (Jb. 
f. Kindhlk., Juli 1914, Bd. 80, H. 1.) Nach der Trennung von dar 
Mutter gelingt es, neugeborene weisse Ratten am Leben zu erhalten. 
Sie sind leichter und kleiner als die bei der Mutter bleibenden. Später 
einseitig, künstlich ernährt nehmen die Tiere zu, die Eiweiss -f Fett 
bekommen. Die mit Kohlehydrate einseitig ernährten nehmen ab. Die 
Eiweiss- und Fettiere bekamen später fleckigen oder diffusen Haarausfall. 

Müller und Sch 1 oss - Rummelsburg: Die Versuche zur Anpassung 
der Kuhmilch au die Frauenmilch zu Zwecken der Sätgliig*- 
ernährnng. (Jb. f. Kindhlk., Juli 1914, Bd. 80, H. 1) Hauptsächlich 
Polemik gegen Babrdt betreffend Analysen der Friedenthal’schen 
Milch. Bestreiten von Erfolgen mit dieser Nahrung. 

Benestadt - Christiania: Wo liegt die Ursache zur „physiologi¬ 
schen“ Gewichtsabnahme neugeborener Kinder. (Jb. f. Kindhlk., 
Juli 1914, Bd. 80, H. 1.) Die Abnahme, deren Dauer und Höhe vom 
Entwicklungsgrad des - Kindes, seinem Geburtsgewicht und der Milch¬ 
menge der Mutter mit abhängig ist, beruht auf einer Stoifiechsel- 
insuffizienz, besonders des Wasserstoffwechsels. Die Ausscheidung 
grosser Stickstoffmengen im Harn, besonders von Polypeptiden, spnebt 
für mangelhafte Ausnutzung und Spaltung von Eineissstoffen in den 
ersten Lebenstagen. 

Ahrens - Göttingen: Ein Fall von Htagerechädigaug hei h*W 
tueller Unterkieferluxation im Säuglingsalter. (Mschr. f. Kindbu., 
1914, Bd. 13, H. 5.) Fall einer habituellen Kieferluxation - 
Kindes-, besonders Säuglingsalter sehr selten — im Zustande schtere 
Abmagerung. Absichtlich knapp bemessene Nahrung — etwa 45 Lalon 
pro Kilogramm Körpergewicht führten zum Bilde einer leichten low 
kation. Schreien und Fassen der Brust riefen die Verrenkung herv 
Beseitigung der Luxation durch Urethan und Flaschenfütterung. 

Hilliger-Berlin: Ueber periodisches Erbrechen mit Acetoiiai*' 
(Jb. f. Kindhlk., Juli 1914, Bd. 80, H. 1.) Verf. studierte bei einem 
6 jährigen Kinde aus erblich belasteter Familie, welches typisc • 
krankte (plötzliches starkes Erbrechen, schwer gestörtes Auge 


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UNIVERSUM OF IOWA 



80. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1875 


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befinden mit Aoetonarie) die Frage der Entstehung der Aoetonkörper 
und der Wechselbeziehung zwischen Eiweiss und Fett einerseits und 
Kohlehydrate andererseits. Das Kind wurde auf eine Normalkost ein¬ 
gestellt. Bei Fettzulage zur Normalkost kein Ansteigen der Aceton¬ 
kurve. Bei Fettverminderuug und, unbedeutender, Einschränkung der 
Kohlehydrate stieg die Acetonausscheidung, was Verf. mit Iuanition er¬ 
klärt. Bei Kohlehydratbeschränkung und unveränderten Gaben von 
Eiweiss und Fett stieg die Acetonmenge, und in der Folge bot das Kind 
das typische Bild des periodischen Erbrechens mit schwer gestörtem 
Allgemeinbefinden. Als Zeichen für bestehende Aoidose bestand am 
Tage des Erbrechens gesteigerte Ammoniakausscheidung. Nach dem 
Studium der Wirkung von Kohlehydraten, die mit der Nahrung zuge¬ 
führt waren, bestand die Frage, wie die körpereigenen Kohlehydrate 
wirkten und ob sie vielleicht vikariierend für die ausgefallenen Kohle¬ 
hydrate der Nahrung eintreten. Es ergab sich an den Tagen des 
periodischen Erbrechens mit Acetonausscheidung ein Sinken des Blut¬ 
zuckerwertes. Verf. widerlegt seine eigene Annahme, dass die in der 
Leber als Glykogen aufgespeicherten Kohlehydrate vikariierend eintreten 
und schliesslich aufgebraucht werden, so dass man von Leberiosuffizienz 
sprechen könnte. Denn bei Zufuhr von geringen Mengen Kohlehydrat 
erreichte der Blutzuckerwert seine normale Höhe, und zwar bei ge¬ 
ringeren Kohlehydratmengen als man braucht, um das Krankbeitsbild 
hervorzurufen. Verf. hat eine andere Vermutung für das Sinken des 
Blutzuckerwertes. Die Leber wird durch einen bestimmten, von der 
Nebenniere ausgehenden Reiz veranlasst, Glykogen zu mobilisieren. 
Wie nun z. B. bei Addison’soher Krankheit niedrige Werte für den Blut¬ 
zucker gefunden werden, so stellt Verf. sich vor, dass hier ebenfalls 
die Nebennieren nicht in der Lage sind, für die Leber den Reiz abzu¬ 
geben, Glykogen in Form von Zucker ans Blut abzugeben. Thera¬ 
peutisch empfiehlt Verf. Zufuhr von Kohlehydraten, eventuell Trauben- 
zuckerclysmen oder Infusion einer isotonischen Traubenzuckerlösung. 

H. Bernhardt. 

Engel-Berlin: Die Harnabseheidnng des Säuglings. (D.m.W., 
1914. Nr. 46.) Nach einem Vortrage, gehalten am 8. Juni 1914 im Ver¬ 
ein für innere Medizin und Kinderheilkunde in Berlin, s. Gesellschafts¬ 
bericht der B.kl.W., 1914, Nr. 25. Dünner. 

E. Wieland - Basel: Deber Bronchotetanie. (Mschr. f. Kindhlk., 
1914, Bd. 13, H. 5.) Bronchotetanie = tonischer Bronchialmuskelkrampf 
ist ein scharf umschriebener, klinisch und pathologisch-anatomischer 
Symptoraenkomplex im Verlauf besonders schwer verlaufender Spasrao- 
philiefalle. Mitteilung zweier zum Tode führender, an echter unkompli¬ 
zierter Bronchotetanie leidender Fälle. Typischer Atelektasenbefund der 
Lunge. Dieser Befund ist im Leben von einer Pneumonie nur durch 
das Röntgenbild zu unterscheiden (Verschleierung des Lungenfeldes bei 
Atelektasen zum Unterschied schärferer Infiltrate bei Pneumonie). Bei 
kleinsten initialen Lungenveränderungen versagt auch das Röntgenbild. 
Verf. bezweifelt Rietschel’s Meinung, der das Bronchialasthma der 
Säuglinge in ätiologische Beziehung zur Spasmophilie bringen will, und 
hält eher eine Koinzidenz von Asthma und Spasmophilie für möglioh. 
Beschreibung eines solchen Falles. 

Rohm er- Marburg: Ueber die Erzielung von Dauererfolgen bei der 
Calcinmbehandlnng der Spasmophilie. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, 
Bd. 13, H. 5.) Erfolge bei Spasmophilie durch Kombination von 
Phosphorlebertran und Calcium chlor. AdfhÖren der Krämpfe und 
Sinken der elektrischen Erregbarkeit. 

Handrick - Magdeburg: Schutzimpfung bei Varicellen. (Mschr. 
f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 5.) 35 pCt. der Kinder, die mit Blasen¬ 
inhalt von Varicellenkranken vor Ansteckung geschützt werden sollten, 
erkrankten trotzdem an Varicellen. Verf. bestreitet einen durch die 
Impfung erzielten Schutz. H. Bernhardt. 


Chirurgie. 

Danieisen: Zur Behandlung der Luxatio claviculae praesternalis. 
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 41.) Verf. konnte einen Fall dadurch reponiert 
erhalten, dass er die Sohulter nicht nach hinten, sondern nach vorn 
fixierte. Er erhebt den Arm an den Kopf und bandagiert ihn in dieser 
Lage an, so dass Oberarm an die Wange, Unterarm über den Kopf zu 
liegen kommt. 

Levy: Die Ausführung der osteoplastischen Ampntatio supra- 
malleolaris im Kriege. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 41.) Zum Zwecke der 
spateren plastischen Deckung des Stumpfes wird im Sprunggelenk ex¬ 
artikuliert, wobei der Zirkelschnitt 2 cm unterhalb desjenigen Knöchels 
beginnt, der später zur plastischen Deckung Verwendung finden soll. 
Bei der zweiten Operation wird der betreffende Malleolus quer abgetrennt 
und als Haut-Periost-Knochenlappen auf den Stumpf geschlagen. 

Haeberlin-Stuttgart: Zur Symptomatik and Behandlung der 
Patellarfraktar. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 42.) Es wurde das Dreyer- 
sche Verfahren (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 22) mit der Kausch’schen Schlinge 
nach Ausführung der Naht kombiniert. Ein Monat nach der Operation 
¥ar volle Beweglichkeit erzielt. 

Sohoemaker: Zur Technik der Uranoplastik. (Zbl. f. Chir., 1914, 
Nr. 39.) Modifikation der Langenbeck’sohen Methode. Der eine Lappen 
wird nicht zu einem Brückenlappen gestaltet, sondern dessen eine Seite 
wird vollkommen abgetrennt, so dass ein einfacher gestielter Lappen 


entsteht. Es wird hierdurch grössere Beweglichkeit erzielt, ohne dass 
die ErnährungsbedinguDgen des Lappens schlechtere werden. 

Jurasz: Die Paravertebralanästhesie im Dienste der tiallenstein- 
ehirurgie. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 35.) Es wurden an der Payr’schen 
Klinik derart gute Resultate mit der einseitigen Para vertebralan ästhesie 
bei Gallensteinoperationen erzielt, dass Verf. sie vor allem für solche 
Fälle empfiehlt, bei denen die Allgemeinnarkose kontraindiziert ist. Im 
ganzen werden 40 ccm einer 1 proz. Lösung verwandt. Die Einzelheiten 
der Technik sind im Original nachzulesen. 

Gutzeit: Technisches zur Erleichterung der Varicenexstirpation. 
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 35.) Nach Abreiben des Beines mit Alkohol 
werden die sichtbaren Venen an stehenden Patienten mit einem blauen 
Tintenstift angezeiohnet. Pinselt man dann mit Jodtinktur, dann bleiben 
sie als schwarze Striche gut sichtbar. 

Oberst-Freiburg*. Zur Dauerdrainage bei Aseites. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 37.) Es wird ein gedoppelter oder röhrenförmig eingesohlagener 
Hautlappen in die Laparotomieöfiaung eingenäht, der die Ableitung des 
Ascites in das Unterhautzellgewebe garantiert. 

Ziembicki-Lemberg: Beitrag zur Chirurgie des grosse* Netz- 
bentels. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 33.) Verf. lenkt die Aufmerksamkeit 
der Chirurgen auf den grossen Netzbeutel, der öfter der Sitz pathologi¬ 
scher Veränderungen ist. Bekannt sind die Hernien des For. Winslowii, 
perforierte Leberabscesse, Blutergüsse und Phlegmoneu sowie Cysten der 
Bursa oraentalis. Z. beobachtete eine in den Beutel verlagerte Gallen¬ 
blase sowie einen Tumor, der von der Bursa seinen Ausgaog genommen 
hatte. Diagnose und Therapie werden genau besprochen. 

Neugebauer: Zur Technik der Magenresektion. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 40.) Empfehlung der Reichel’schen Methode: Einpflanzung 
des gesamten Querschnitts in das Jejunum eventuell unter Verkleinerung 
der Magenwunde. 

ten Horn: Zur Diagnose der Appendicitis. (Zbl. f. Chir., 1914, 
Nr. 40.) Schmerz bei Zug am rechten Samenstrang konnte in 15 Fällen 
von akuter Appendicitis 12 mal als charakteristisch nachgewiesen werden. 

Kondoleon: Die Lymphableitnng des Scrotnm. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 39.) Nach Amputation des Penis wegen Caroinom und nach 
Ausräumung der regionären Drüsen konnte Verf. ein entstehendes Oedem 
wirksam dadurch bekämpfen, dass er die tiefe Fascie des Scrotums 
spaltete und die Tunica vaginalis nach Art der Hydrocelenoperation 
nach aussen amstülpte. 

Giertz-Stockholm: Ueber Exstirpation von Lungen und Lungen¬ 
lappen mit Versorgung des Broochialstumpfes durch frei transplantierte 
Fascia lata. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 36.) Verf. hat bei seinen Experi¬ 
menten, seitdem er die genannte Versorgung vornimmt, einen Spannungs¬ 
pneumothorax nicht mehr erlebt. Hayward. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Klaatsch - Breslau: Das Problem des menschlichen Hymen. 
(Mschr. f. Geburtsh., Sept. 1914.) Im Gegensatz zu Bolk, der den 
Hymen als eine im Bereich des Sinus urogenitalis entstehende sekundäre 
Faltenbildung ansieht, verteidigt K. die alte Ansicht, dass der Müller’sche 
Hügel zum Hymen wird. Die wesentliche Ausbildung einer noch relativ 
kleinen Falte ist bei Embryonen von ca. 15 cm Länge schon beendet; 
die weiterhin eintretenden Veränderungen beruhen auf Waohstums- 
vorgäogen am Hymen und seiner Umgebung. Die grossen individuellen 
Verschiedenheiten des Hymen erklären sich aas einer ursprünglichen 
Form eines Hymen duplex; von dieser Form finden sieh alle Uebergänge 
bis zur gleicbmässigen Ringklappe. Offenbar besteht eine Abhängigkeit 
der Ausbildung der Hymenteile von der Beschaffenheit der Columnae. 
Vom atavistischen Standpunkt betrachtet, ist der Hymen wahrscheinlich 
kein sinnwidriges Organ. Die tierischen Vorfahren des Menschen haben 
wahrscheinlich den Coitus von hinten vollzogen, und dabei kann 
der Hymen von Bedeutung gewesen sein. 

Anderes - Zürich: Unterbrechung der Schwangerschaft nnd 
Sterilisation anf abdominellen Wege in einer Sitzung. (Mschr. f. 
Geburtsh., Okt. 1914.) Besteht eine Indikation zur Unterbrechung der 
Schwangerschaft, so ist damit meist auch die Indikation zur Sterilisation 
gegeben. In solchen Fällen wird in der Züricher Frauenklinik folgender- 
maassen verfahren: Laparotomie mittels Pfannenstiel’sobem Querschnitt, 
Eröffnung des Uterus durch Querschnitt ira Fundus, manuelle Aus¬ 
schälung des Eies, Curettement durch die Schnittwunde mit grosser 
Curette, Naht des Uterus; dann werden die Tuben beiderseits auf 3 cm 
reseziert. Gibt man vor der Operation Secacornin, so ist die Blutung 
sehr geriDg. 15 so operierte Fälle verliefen ganz glatt. 

L. Zuntz. 

F. Masay-Konstantinopel: Die Infektion des Fötns. (M.m.W., 1914, 
Nr. 46.) Mit einem Stamm Streptobaoterium foetidum, der bei Meer¬ 
schweinchen Sepsis hervorruft, infizierte M. eine Reihe von graviden 
Tieren, um zu eruieren, ob die Mikroben durch die Placenta auf den 
Fötus übergehen können oder nicht. Die Versuche fielen im bejahenden 
Sinne aus. Dünner. 

Graefe - Hamburg: Ueber Tnberknlose des weiblichen Genital’ 
Apparates im Kindesalter. (Mschr. f. Geburtsh., Okt. u. Nov. 1914.) 
Die Genital tuberkulöse wird bei weiblichen Kindern im Verhältnis zu 


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UNIVERSITÄT OF IOWA 



1876 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT» 


Nr. 48. 


der Häufigkeit der Tuberkulose im Kindesalter überhaupt relativ selten 
und auch seltener als bei erwachsenen Frauen gefunden, am häufigsten 
im 1. bis 5. und im 10. bis 15. Lebensjahr. Sie wird .fast immer neben 
Eiteren tuberkulösen Prozessen in anderen Körperteilen angetroffen und 
siedelt sich meist auf dem Blutwege, am liebsten wie bei den Frauen 
im Abdominalteil der Tube und im Uterus, meist in beiden gleich¬ 
zeitig an, während Ovarien, Vagina und Vulva nur selten ergriffen 
werden. Der Prozess beginnt meist von der Scbleimhautoberfläche und 
dringt erst allmählich io die Tiefe ein, wobei er stark zur Verkäsung, 
fast nie zu bindegewebiger Ausheilung neigt. Meist breitet sich die 
Erkrankung zuerst von den Tuben auf die übrigen Teile des Genital- 
tractus aus, doch können diese auch unabhängig voneinander gleich¬ 
zeitig hämatogen infiziert werden. Ein Uebergreifen des Prozesses von 
den Tuben auf das Peritoneum ist weit häufiger als der umgekehrte 
Weg; extrem selten ist ein primärer Beginn in Vagina oder Vulva oder 
eine Fortleitung vom uropoetischen auf das Genitalsystem. 

Ulesko - Stroganowa: Zur Histogenese der Uternsmyome. (Mschr. 
f. Geburtsh., Sept. 1914.) Ein grosses, aus vielen Lappen zusammen¬ 
gesetztes Myom von auffallend blauroter Farbe und feinkörniger Struktur 
wurde mikroskopisch untersucht. Die Farbe erklärte sich durch eine 
übergrosse Gefässentwicklung, weshalb der Tumor zu der seltenen Form 
des Fibromyoma angioektodes zu rechnen ist. Das feinkörnige Aussehen 
ist der Ausdruck des inneren Strukturplanes der Geschwulst. Die Ent¬ 
wicklung der Körner resp. Läppchen kann Schritt auf Schritt verfolgt 
werden aus den kleinsten Läppchen oder Keimen. Diese entstehen aus 
den kleinsten Zellgruppen, welche ihrerseits aus grossen kugelförmigen 
Zellen des Bindegewebes hervorgehen, welches die Räume zwischen den 
Muskelläppchen einnimmt. Die beschriebene Entstehung von Myomen gilt 
nur für einige lappige Formen und kann nicht auf alle Uterusmyome 
ausgedehnt werden. 

G. Schubert - Beuthen: Die Behandlung von Tumoren mit Tnmor- 
extrakten. (Mschr. f. Geburtsh., Okt. 1914.) Nach dem Vorgang von 
Lunckenbein hatVerff. aus exstirpierten Stücken inoperabler Tumoren 
oder Drüsenmetastasen sterile Extrakte hergestellt und diese anfangs 
subcutan, später auch intravenös injiziert. Bei letzterem Verfahren kam 
es in einem Falle zu schweren Collapserscheinungen, so dass vorsichtiges 
Vorgehen unbedingt notwendig ist. Die behandelten Fälle waren derart 
hoffnungslos, dass wirkliche Erfolge nicht zu erwarten waren. Die be¬ 
obachteten günstigen Einwirkungen auf ein Tonsillensarkom, sowie auf 
Drüsenmetastasen bei Mammacarcinomen berechtigen aber zu weiteren 
Vorsuchen. 

Bischoff-Düsseldorf: Zur Differentialdiagnose der Appendieitis 
chronica. (Mschr. f. Geburtsh., Sept. 1914.) Verf. prüfte das von 
Basted’s angegebene Verfahren nach: Bläst man den Dickdarm mit 
Luft auf, so empfindet die PatieotiD, wenn eine Erkrankung der Appendix 
vorliegt, in der Gegend derselben einen lebhaften Schmerz, der manchmal 
zum Nabel ausstrahlt. In 37 Fallen, die nachher durch Laparotomie 
kontrolliert wurden, war das Ergebnis der UntersuchuDgsmethode ein 
durchaus günstiges; in 23 Fällen war das Symptom positiv, die Appendix 
erkrankt, in 14 Fällen negativ, die Appendix gesund. Speziell zur 
Unterscheidung von Erkrankungen der Appendix und der rechten Adnexe 
wird das Symptom wichtig sein. L, Zuntz. 


Augenheilkunde. 

Lohmann: Ueber die Bedingungen des Angenleuchtens bei den 
Tieren. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 4.) Grundbedingung für die Ent¬ 
stehung des Augenleuchtens bei Tieren ist das Tapetum, ferner der 
hypermetropiscbe Bau des Tierauges und eine bestimmte Richtung der 
Lichtstrahlen. 

Ha ab: Ueber den richtigen Gebrauch des Riesenmagneten bei Augen¬ 
operationen. (Arch. f. Aughlkd., Bd. 77, H. 4.) Während der kleine Magnet 
mehr ein die Pinzette ersetzendes Fassinstrument ist, vermag der Riesen¬ 
magnet auf eine seiner Grösse entsprechenden Distanz einen Eisensplitter 
aus dem Augeninneren auszuziehen. Meist gleitet der Splitter um die 
Iri9 herum und tritt durch die Pupille zutage. Die Operation wird sehr 
erschwert, wenn sich der Splitter in die Iris einbobrt; man vermeidet 
dies dadurch, dass man vorher die Pupille erweitert und in dem Augen¬ 
blick, in dem der Splitter hinter die Iris gelangt, sofort den Zug aus¬ 
setzt. Also soll der Patient bei der Operation mit nicht fixiertem Kopf 
sitzen und am Magneten soll eine Vorrichtung angebracht sein, durch 
die der Strom mit dem Fusse geöffoet werden kann. Hat sich der 
Splitter festgehakt, so geht man entweder mit dem kleinen Magneten 
ein oder man extrahiert ihn durch eine künstlich angelegte Iridodialyse. 
Ist er in die vordere Kammer gelangt, so wird er mit dem Riesen- oder 
mit dem Handmagneten entweder durch die Einschlagsstelle oder durch 
eine intracoroeale Oeffnung ausgezogen. Sideroskop und Röntgenstrahlen 
sollen erst dann angewendet werden, wenn der Splitter nicht folgt. 
Kleine Splitter ziehe man möglichst kräftig aus, grosse weniger stark 
und vorsichtiger. Die diasklerale Extraktion, zumal in der Gegend des 
Corpus ciliare, ist tunlichst zu vermeiden. Man extrahiere möglichst früh 
denn je länger der Splitter im Auge verweilt, um so grösser ist die 
Möglichkeit einer von ihm ausgehenden Infektion. 

Falchi: Peripupilläre kombinierte Cystotomie. (Arch. f. Aughlk. 
Bd. 77, H. 4.) Die peripupilläre Cystotomie mit Extraktion des Nach¬ 
stars ergibt sehr gute Erfolge, sie ist dann angezeigt, wenn bei der Star¬ 


operation kein Glaskörper verloren gegangen ist; ist dies der Fall ge¬ 
wesen, so soll die peripupilläre Cystotomie ohne Extraktion des Nach¬ 
stars vorgenommen werden. K. Steindorff. 

Jampolsky-Wien: Sympathische Ophthalmie nach der Enudcttioi. 
(Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 1914.) Bericht über 8 Fälle, wo die 
sympathische Ophthalmie lange Zeit nach der Enucleation des verletzten 
Auges auftrat. Im ganzen sind somit 65 Fälle bekannt. Das Vor¬ 
handensein des sympathisierenden Prozesses ist zweifellos dann fest¬ 
gestellt, wenn die histologische Untersuchung des enuoleierten Auges 
diese ergeben hat. G. Erlanger. 

Wieselink: Ein Fall von Contnsio bnlbi. (Arch. f. Aughlk.,Bd.77, 
H. 4.) Durch Schlag mit einem Spiegelrabmen kam es zu fiypbäma, 
hinterer Synechie, Einriss des Pupillarrandes und Subluxation der Linse; 
die Netzhaut zeigte abnorme Pigmentierung und Oedem, die Aderhaut 
war an zwei Stellen eingerissen; der Sehnerv partiell atrophisch. Offen¬ 
bar war die Sclera partiell eingerissen, und zwar mit dem Schlemm’schen 
Kanal, und ausserdem war eine intraoculare Zerrung mit dem Sehnerven 
eingetreten. K* Steindorff. 

J. Strebei-Zürich: Anosmie und Enophthalmu trauMtieii. 
(D.m.W., 1914, Nr. 46.) Kasuistik. Dünner. 


Militär-Sanitätswesen. 

H. Schridke- Dortmund: Der Betrieb eines Reserrelazsrettes. 
(M.m.W., 1914, Nr. 45.) 

Jochmann-Berlin: Sepsis. (D.m.W., 1914, Nr. 45.) Klinischer 
Vortrag. 

Fried: Technik der Furnnkelbehandlaug, zugleich meine eigene 
Krankengeschichte. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) Empfehlung von Salicyl- 
seifenpfiaster und die Vaccinbehandlung. F. hat im Feldzag einen 
grossen Abscess mit einem glühenden Hufnagel kauterisiert. 

E. Frankel - Hamburg: Gasgangrän. (M.m.W., 1914, Nr. 45.) 
Klinisch besteht bekanntlich das Knistern der Haut, ohne Eiterbildung, 
wenn es sich um reine Infektion handelt. Der anaerobe Erreger ist für 
das Meerschweinchen pathogen, während für das maligne Oedem, was 
diffentialdiagnostisch wichtig ist, das Kaninchen Versuchstier ist. 
Therapie: Breite Spaltung, um die Zufuhr von Sauerstoff zu ermöglichen, 
und Sauerstoff infiltration von der 0 2 -Bombe und Ausstopfen der Wunden 
mit H 2 0 2 -Tampons. 

Franke: Einige Fälle von Gasphlegmonen. (M.m.W., 1514, 
Nr. 45.) 

L. Simon • Mannheim: Die Anaphylaxiegefahr bei der Seriu- 
behandlaag des Tetanus. (M.m.W., 1914, Nr. 45.) S. beobachtete 
zwei Fälle von Anaphylaxie nach Tetanusserum. Zur Vermeidung 
empfiehlt sich: 1. subcutane Injektion von wenigen Kubikcentimetern 
Serum wenige Stunden vor der 2. intravenösen Einspritzung. Oder 
Herstellung von Antitoxin vom Rinde. 3. keine Reinjektion, sondern 
andere Tetanustherapie. 

Pitzner: Zwei Blasenyerletznngen durch Schrapnellkigeli. 

(M.m.W., 1914, Nr. 45.) 

H. Nobiling: Spontaner Abgang eines in die Harnbltte ge¬ 
drungenen Granatsplitters. (M.m.W., 1914, Nr. 45.) 

W. Pöppelmann-Coesfeld: Bis zum 20. Oktober behandelte 
Dam-Dnm-Verletznngen aus dem gegenwärtigen Kriege. (D.m.W, 
1914, Nr. 45.) Mitteilung über drei Verwundete, die in derselben 
Gegend in Frankreich Engländern gegenüber lagen. Alle drei sagen, 
dass Dum-Dum Geschosse von ihnen sowohl auf dem Schlachtfelde als 
auch in den Taschen der verwundeten und gefallenen Feinde gefunden 
seien. Bei einem der Verwundeten fand P. ein solches Geschoss. 

Dünner. 

Meitzer: Die Brotnot unserer Zeit. (Zschr. f. phys.-diät. Ther, 
Nov. 1914,) Verf. gibt im Hinblick auf die Brotnot unserer Zeit einen 
Ueberblick über die bekanntesten Reformbrote. E. Tobias. 

M. Rubner-Berlin: Der Staat und die Volksernährung. (D.m.W, 

1914, Nr. 45.) Dünner. 

Kraus-Wien: Der Zahnarzt im Kriege. (W.kl.W., 1914, Nr. 43.) 
In das Gebiet der zahnärztlichen Fürsorge gehören die Verletzungen des 
Gesichts und der Kiefer. Es sollte ein zahnärztlicher Kriegskasten mit 
orthodontischen Apparaten zusammengestellt und jedem Feldlazarett 
überwiesen werden. Zunächst wird die Behandlung der Verletzung des 
Gesichts besprochen, dann die Luxationen uod Brüche der Kiefer. Die 
bis ins Kleinste ausgearbeitete Technik der Behandlung wird an der 
Hand von Abbildungen ausführlich erläutert. Je früher Kieferfrakturen 
in fachmännische Behandlung kommen, desto rascher und sicherer der 
Erf o l K- H. Hirschfeld. 


Technik. 

"W* Roerdansz -Charlottenburg; Vereinfachte und zuverlässige 
Methode der Blutkörperehenzählung. (D.m.W., 1914, Nr. 46.) 

Dünner. 


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30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1877 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Vereinigte ärztliche Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 11. November 1914. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Schriftführer: Herr v. Hanse mann. 

Vorsitzender: M. H.! Es sind schwere und ernste Zeiten, in 
denen wir unsere Vereinstätigkeit wieder beginnen. Donnernd dröhnen 
ringsum die Kanonen, und Millionen unserer Volksgenossen stehen vor 
dem Feinde, bereit, Gesundheit, Blut und Leben für das Vaterland hin- 
zogeben, und Millionen bangen zu Haus um das Ergehen der Ihrigen 
und um das teure Vaterland. Zwar hoffnungsfreudig und siegesgewiss, 
warten wir doch mit Spannung und mit erregtem Herzen auf die Nach¬ 
richten, die von den Kriegsschauplätzen kommen, wahrlich ein Zustand, 
der für wissenschaftliche Sammlung und wissenschaftliche Tätigkeit wenig 
geeignet ist. 

Aber, wie es ein Erfordernis für das Wohl des Ganzen ist, dass 
alle Mittel aufgewendet werden, um das materielle Leben der Nation, 
um Handel und Wandel, um Ackerbau, Handwerk und Industrie im 
Gange zu erhalten, so darf auch das geistige Leben der Nation nicht 
stille stehen. Ebenso wie die Hochschulen und Universitäten ihre Pforten 
wieder zur Arbeit geöffnet haben, so wollen auch wir wieder an unsere 
wissenschaftliche Arbeit heran treten. 

Freilich sind gerade die ärztlichen Vereine durch die Anforderungen, 
die der im Krieg befindliche Staat an seine Angehörigen stellt, ganz 
besonders getroffen. Zahlreiche unserer Mitglieder stehen im Felde, im 
Auslande, bereit, den kranken und verwundeten Kriegern ihre Hilfe zu¬ 
teil werden zu lassen. Nicht weniger zahlreiche sind im Inlande in 
gleicher Weise im Interesse des Vaterlandes tätig, und auch von den 
anderen, die nicht direkt kriegsärztliche Tätigkeit ausüben, sind sicher¬ 
lich nicht wenige, welche gehäufte Arbeit zu erfüllen haben, in Stell¬ 
vertretungen usw., die auch dem Vaterlande zugute kommt. 

Es wird also die Zahl derjenigen, die noch geneigt wären und im¬ 
stande sind, Vorträge in wissenschaftlichen Vereinen zu halten, nicht 
gross sein, und so hat der Verein für innere Medizin und Kinderheil¬ 
kunde den Anstoss gegeben, dass die wissenschaftlichen Bestrebungen 
obliegenden Berliner ärztlichen Vereine sich mit der Berliner medizini¬ 
schen Gesellschaft als der grössten Vereinigung zusammentun sollten, 
um gemeinsame Sitzungen abzuhalten. 

Der Vorstand der Berliner medizinischen Gesellschaft ist mit Freuden 
auf diesen Vorschlag eingegangen, und es hat sich auch sofort eine An¬ 
zahl Vereine uns angeschlossen; zunächst der Verein für Chirurgie, dann 
die Hufelandisohe Gesellschaft, die Ophthalmologische Gesellschaft, die 
Urologische Gesellschaft, die Laryngologische Gesellschaft, die Dermato¬ 
logische Gesellschaft, die Gesellschaft der Charite-Aerzte, die Gesellschaft 
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, und die Vorstände haben be¬ 
schlossen, dass vorläufig alle 14 Tage eine Sitzung stattfinden soll, und 
zwar immer in derjenigen Woche, in der die Kriegsärztliche Vereinigung, 
die sich als Mittelpunkt für alle direkt auf die kriegsärztlicbe Tätigkeit 
sich beziehenden Fragen gebildet hat, und deren Kreis wir nicht stören 
wollen, nicht tagt. Diese Sitzungen sollen im Anschluss an die Medi¬ 
zinische Gesellschaft, also am Mittwoch, um l / 2 & Uhr abends stattfinden. 

Es ist soeben in einer Sitzung der Vorsitzenden ferner beschlossen 
worden, dass der Einfachheit halber der Vorsitz von der Medizinischen 
Gesellschaft geführt und ebenso die SchriftführuDg von ihr besorgt werden 
soll. Aber es werden die Mitglieder der einzelnen Vereine, die sich uns 
bis jetzt angeschlossen haben, gebeten, die Vorträge, die aus ihrem 
Kreise zur Anmeldung gelangen sollen, an den Schriftführer der be¬ 
treffenden Gesellschaft zu richten. Die Namen der Schriftführer werdeD 
im Roten Blatt bekanntgemacht werden. Manche der Gesellschaften 
hallen Verträge mit Zeitschriften, in die die Vorträge hineingelaogen 
müssen. Das muss gewahrt werden, und das ist möglich, wenn für jeden 
Verein der betreffende Schriftführer deijenige ist, der die Anmeldung ln 
Empfang nimmt. Er wird sie dann an die Medizinische Gesellschaft 
weitergeben, und wir werden sie in den Tagesordnungen der Reihe nach 
berücksichtigen. Das ist das Allgemeine, was ich zunächst mitzuteilen 
hätte. 

Ich habe weiter für die Mitglieder der Medizinischen Gesellschaft 
mitzuteilen, dass den Herren Sanitätsrat Dr. Stern und dem Professor 
Dr. Salkowski zum 70. Geburtstag in üblicher Weise durch ein Tele¬ 
gramm ein Glückwunsch ausgesprochen worden ist. Bei Herrn Geheim¬ 
rat Prof. Schoeler konnte das nicht geschehen, weil uns erst bekannt 
geworden ist, dass er seinen Geburtstag gefeiert hat, nachdem der Tag 
schon vorüber war. Ich darf hier nachträglich ihm die Glückwünsche 
aussprechen. 

Heute feiert unser langjähriges Mitglied, Herr Geheimrat Eulen- 
burg, sein 50jähriges Dozentenjubiläum. Es ist ein Telegramm im 
Namen der Gesellschaft an ihn als Glückwunsch abgesandt worden. 

Ausgescbieden ist aus der Gesellschaft Herr San.-Rat Dr. Weiohardt. 
Durch den Tod ist ausgeschieden Herr Prof. Dr. Gottschalk, Mitglied 
seit 1887, Herr Dr. Leo Heim an n, Mitglied seit 1890. 

Ich darf bitten, zu Ehren der Verstorbenen sich zu erheben. (Ge¬ 
schieht.) 

ln der Sitzung der Aufnabmekommission am 22. Juli 1914 sind 


nachstehende Mitglieder in die Berliner medizinische Gesellschaft auf¬ 
genommen worden: Frl. Dr. Anna Herrmann, die Herren Walter 
Arnoldi, Fritz Hoppe, J. Latte, Hermann Michaelis, Alfred 
Caro. 

Vor der Tagesordnung. 

1. Hr. Holländer: 8 Fälle von Ectopia viscerim. 

Der Nabelschnurbruch, Ectopia viscerum, ist eine der selteneren Miss¬ 
bildungen. Soweit sich das statistisch feststellen lässt, kommt auf 
oa. 6000 Geburten ein solcher Fall. Es sind aber in dieser Zahl auch 
die kleineren Fälle von Kirschengrösse einbegriffen. Mehrfach wird leider 
auch noch der gewöhnliche Nabelbruch damit verwechselt, so dass sich 
das Zahlenverhältnis weiter im ungünstigen Sinne noch steigert. 

Es ist deshalb wohl ein sehr seltener Zufall, wenn in einer Woche 
auf einer Abteilung der Charitö drei solche Fälle zur Beobachtung 
kamen, und ich glaubte, doch Gelegenheit nehmen zu sollen, kurz über 
diese Fälle zu berichten. 

Auf die Entwicklungsgeschichte kann ich hier nicht eingehen. Im 
wesentlichen stimmen wohl alle Autoren jetzt darin überein, dass 
eine Entwicklungshemmung vorliegt. Die Bauchplatten schliessen sich 
nicht und die Eingeweide haben dadurch Gelegenheit, sich vor der 
Bauchhöhle zu entwickeln; es ist demnach auch der Name eines Nabel- 
schnurbruohes falsch. 

Die drei Kinder boten dasselbe Bild. Eine grosse, überfaustgrosse 
Geschwulst nahm die Stelle des Nabels ein. Sie war in den beiden 
Fällen, die frisch nach der Geburt eingeliefert wurden, vollkommen 
durchsichtig. Nur in dem dritten Falle, der überhaupt etwas anders 
liegt, war bereits eine Mortifikatien eingetreten, da das Kind erst 
14 Tage nach der Geburt zur Behandlung kam. 

In dem ersten Falle sah man durch die durchscheinende Bedeckung 
die Leber vorliegen. Meine Versuche, diese zu reponieren, waren voll¬ 
kommen negativ. Es war nicht möglich, die Geschwulst auch nur um 
ein weniges zu verkleinern, und ich machte daher bei dem Kinde am 
ersten Lebenstage die Laparotomie in Chloroformnarkose. Das Kind 
nahm gierig das Chloroform und hat auch die Narkose sehr gut über¬ 
standen. 

Nachdem ich die äussere Bedeckung der Geschwulst abpräpariert 
hatte, zeigte sich nun, dass ausschliesslich die Leber pilzförmig vor der 
Bauchhöhle sich entwickelt und eine vollkommene Drehung um 45° ge¬ 
macht hatte. Es bestanden ausgiebige Verwachsungen der Leberober¬ 
fläche mit der inneren Membran des Bruchsacks. Diese Verwachsungen 
der Organe mit dem inneren Blatt sind häufig beschrieben und auf eine 
fötale Peritonitis bezogen worden; das Ligamentum Suspensorium zog 
als freies Band über die ganze Leberkonvexität, ohne mit dem Zwerch¬ 
fell überhaupt in eine Berührung gelangt zu sein. 

Es war nun sehr schwierig, die Leber in die Bauchhöhle zu placieren. 
Es musste, um das zu erreichen, eine erneute Drehung der Leber er¬ 
folgen, wieder im ungünstigen Sinne; denn der Platz, wo die Leber zu 
liegen hatte, war vollkommen verstrichen, das Zwerchfell war platt, 
ohne die natürliche Konvexität, die Leber hatte ihr Heimatsrecht in der 
Bauchhöhle vollkommen verloren, loh werde nachher die Situation der 
Leber im Röntgenbilde zeigen. 

Der zweite Fall ist noch früher, schon zwei Stunden nach der Ge¬ 
burt, vom Kollegen Haertel in der Charite operiert worden. Auch hier 
waren ähnliche Verhältnisse vorhanden, nur waren hier ausser der Leber 
noch Magen, Milz und Dickdarm in dem Nabelscbnurbruch vorhanden. 

Die Operation dieser Missbildung ist seit ungefähr 20 Jahren häufiger 
gemacht worden, im ganzen, glaube ich, in 50 Fällen. Unsere beiden 
Fälle zeigen, dass die Prognose derartiger Laparotomien, auch wenn sie 
noch so ausgedehnt sind, am ersten Lebenstage der Kinder günstig ist. 
Anders aber verhält es sich mit der Prognose dieser Fälle überhaupt. 
Es ist im ganzen eine Statistik von ea. 73 Fällen vorhanden; von 50 
radikal Operierten starben 17. Wenn man aber die Fälle länger ver¬ 
folgt, so haben wohl die wenigsten das erste Lebensjahr überschritten, 
und der Grund dafür ist an unseren Fällen, die wir hier beobachtet 
haben, deutlich sichtbar. Wenn man nämlich die Kinder genau ansieht, 
so fällt einem sofort eine vollkommen atypische Atmung auf. Die 
Kinder atmen überhaupt gar nicht mit der Brust; der Brustkorb bewegt 
sich kaum (offenbar durch die Anomalie des Zwerchfells) und nur ein 
schnelles Hin- und Herwogen im Epigastrium ist bemerkbar. Die 
Venen des Bauches sind gestaut, und bei dem letzten Kinde, das sich 
bis heute ganz wohl fühlte, sind jetzt auch Oedeme an den unteren 
Extremitäten aufgetreten 1 ). Es scheint mir also wichtig, bei künftigen 
Fällen doch darauf zu achten, ob in ätiologischer Hinsicht nicht viel¬ 
leicht eine primäre Veränderung des Zwerchfells vorhanden ist; Zwerch- 
fellbernien und -defekte sind schon mehrfach notiert worden. 

Die drei Kinder sind weiblichen Geschlechts, und die beiden ope¬ 
rierten, laparotomierten Kinder zeigen äusserlich keine sonstigen Ver¬ 
änderungen. 

Es ist noch die Frage der Olshausen’soben Operation zu besprechen. 
Er hat eine extraperitoneale Operation vorgeschlagen. Der Sack besteht 
nämlich aus dem Amnion, der Gelatina Warthoniana und einer inneren 
Membran. Ueber die Natur der inneren Membran gehen die Meinungen 
auseinander. Aber in praktischer Beziehung ist diese Membran sicher 
dem Peritoneum gleiohwertig. 


1) Anmerkung bei der Korrektur: Das Kind ist mittlerweile ge¬ 
storben (kleiner Zwerchfelldefekt, Verwachsung der Därme mit dem Bruch). 


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Original frn-m 

UNIVERSITÄT OF IOWA 



1878 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 48. 


Es lassen sich extraperitoneale Operationen offenbar nur in seltenen 
Fällen ausführen und dann nur in den ersten 24 Stunden, solange noch 
die Membranen trennbar sind. Später, wenn die Haut pergamentartig 
geworden ist, ist eine Trennung überhaupt nicht mehr möglich. Die 
extraperitoneale Operation scheitert aber auch deshalb meistens, weil 
die innere Membran mit der Leber und anderen Eingeweiden organisch 
verwachsen ist und die Teile gar nicht reponibel sind. 

Es kommen nun gleichzeitig mit dieser Anomalie vielfaoh andere 
Veränderungen durch amniotische Verwachsungen vor, und das dritte 
Kind, welches ich hier auch im Bilde zeigen möchte, zeigt das ganz 
besonders. 

Dasselbe kam auf meine Abteilung mit bereits abgestossenem Nabel; 
nur an einer Stelle der handtellergrossen Granulationsnarbe hing noch 
eingetrocknete Sülze. Den Verschluss hat offenbar teils die granu¬ 
lierende Leberoberfläche, teils die Testierende Primitivmembran gebildet. 
In ganz auffällig kurzer Zeit hat sich von Tag zu Tag die grosse Fläche 
verkleinert; dabei wurde in der umgebenden Haut deutlich das Hervor¬ 
treten des Nabelrioges gefühlt. Das Kind zeigte ausser den Ohrmuscbel- 
anomalien Verstümmelung von Finger und Zehen durch amniotische 
Abschnürung, beiderseits Pes calcaneus und am rechten Bein ein Simonart- 
sches Band, welches beinahe zur Selbstamputation geführt hat. (Demon¬ 
stration des Kindes der Diapositive von Röntgenbildern mit dem Brust- 
und Eingeweidesitus.) 

2. Hr. M. Rothmann: 

Heber familiäres Vorkommen von Friedreich’scher Ataxie, Myxödem 
nnd Zwergwuchs. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

3. Hr. Ewald: 

Ein Fall von Verätzung des Dickdarms durch Ammoniak. 

Es erscheint vielleicht gewagt, wenn ich in diesen Zeiten, wo unser 
ärztliches Denken und Trachten doch wesentlich kriegsmedizinisch ge¬ 
stimmt ist, mit einem „zivilen“ Vorkommnis hierher komme. Aber der 
Fall, über den ich zu sprechen habe, dürfte ein Unikum sein, wenigstens 
ist Aebnliches, wie ich nach flüchtiger Durchsicht der Literatur gefunden 
habe, bisher nicht beschrieben worden. 

Sie wissen, dass wir verschiedene Arten von Ammoniakvergiftungen 
haben. Das Ammoniak kann als Gas auf die Lungen eiowirken. Es 
kommt das vor, wenn grosse Behälter mit Ammoniak, wie sie zum Bei¬ 
spiel bei der Eisbereitung gebraucht werden, platzen. Oder es kommt 
zu Vergiftungen und Verätzungen vom Magen bzw. Schlund und Speise¬ 
röhre aus, wenn das Ammoniak durch Versehen oder absichtlich ver¬ 
schluckt ist. 

Der Fall, von dem ich Ihnen jetzt hier das Präparat herurareichen 
werde, ist aber eine Verätzung des Dickdarms durch Ammoniak, 
und zwar ist das folgendermaasseö gekommen. Ein junges Mädchen 
wollte einer älteren Person von 45 Jahren ein sogenanntes Dicht- 
mann’sches Glycerinfelystier geben, um Stuhlgang hervorzurufen, ver¬ 
griff sich in der Flasche, nahm statt des Glycerins eine Flasche, in 
welcher Liquor ammon. caust. war und spritzte der Frau 10 ccm davon 
in den Mastdarm ein. Die Folge war, dass die Person unmittelbar da¬ 
nach sehr heftige Schmerzen hatte und in der Nacht starke Tenesmen 
mit blutigem Stuhl. In den Tagen darauf war zunächst eine Besserung, 
doch war die Temperatur, die vorher 35,5° war, allmählich auf 37,9° 
heraufgegangen, was bei der ausserordentlich schwächlichen und elenden 
Frau — ich werde gleich noch darauf kommen, weshalb — immerhin 
schon eine febrile Temperatur anzeigen würde. 

Acht Tage später, nachdem dies geschehen war, traten erneute 
Darmblutungen auf, die 3- bis 5 mal täglich erfolgten und mit starken 
Sohmerzen verknüpft waren. Die Blutungen hörten dann auf, nachdem 
— ob deswegen oder nur zufällig — am 9. und 10. Tage Coagulenein- 
spritzungen intramuskulär gemacht worden waren. Ich will in Paren¬ 
these bemerken, dass ich in der letzten Zeit wiederholt recht gute Er¬ 
folge gegen Blutungen — Lungen-, Magen- und Darmblutungen — von 
Coaguleneinspritzungen gesehen habe. 

Dann ging die Patientin aber unter zunehmender Schwäche 3 Tage 
darauf, d. h. gestern, zugrunde. Es war das eine Frau, die eine ziem¬ 
lich lange Leidensgeschichte hinter sich bat. Sie war vor zwei Jahren 
infolge einer psychischen Erregung mit dyspeptischen Beschwerden er¬ 
krankt, die ich hier jetzt nicht weiter schildern will und nur hervor¬ 
heben, dass sie wegen Beängstigungsgefühlen fast keine Nahrung zu sich 
nahm. Sie war daun wegen starker Abmagerung in den Verdacht eines 
Magenoarcinoms gekommen. Man hatte, da ein hiesiger Kliniker die 
Diagnose auf Magencaroinom stellte, im März d. J. eine Laparotomie 
und Gastroenteroanastoraose ausgeführt, hatte danu nachher, weil die 
Beschwerden gar nicht nachliessen und man Verdacht auf Narbenbildung 
batte, nochmals operiert, und so war die Frau mehr und mehr herunter¬ 
gekommen und hatte auch, vielleicht infolge vielen Morphiums, an hart¬ 
näckiger Obstipation gelitten. Deshalb war das besagte Klystier gegeben 
worden. Ich will bemerken, dass ich die Diagnose auf schwere Hysterie 
gestellt batte. 

Die Obduktion zeigte, dass alle Organe, insbesondere Magen und 
Darm, ganz gesund waren, nur der Mastdarm war, wie Sie das hier 
sehen (Demonstration des Präparates) vollkommen verätzt und in eine 
schwarzbraunen Masse verwandelt, Schleimhaut und Muscularis zerstört 
und nur die Serosa übrig geblieben. Ein grosser Teil der Mucosa war 
vollständig von der Muscularis abgelöst und lag in dem Darmlumen. 
Ich lasse dieses fast röhrenförmiges Gewebe in diesem mit Wasser ge¬ 


füllten Glaskolben flottieren. Der Prozess ging ca. 25 cm vom After 
aus in die Höhe. 

Der Fall hat, abgesehen von seiner Eigenart — es wird ja hoffentlich 
sobald nicht wieder Vorkommen, dass jemand einen derartigen Missgriff 
tut — noch einige interessante Besonderheiten. Zunächst ist zu be¬ 
merken, dass im Anfang sehr heftige Schmerzen da waren, die nachher 
nachliessen, und zwar nach wenigen Tagen schon. Die Frau hatte dann 
Stuhlgang, den sie schmerzlos absetzte. Ich schiebe das darauf zurück, 
dass das Ammoniak eine sogenannte Anaesthesia dolorosa verursacht. 
Es ist bekannt, dass Ammoniak zunächst sehr starke Schmerzempfin¬ 
dungen hervorruft, wenn es auf Schleimhäute gebracht wird, dass aber 
nachher ein Nachlassen der Schmerzen bzw. ein vollkommen schmerz¬ 
loser Zustand eintritt. Das mag auch in diesem Falle hier gewesen 
sein, so dass also trotz der hochgradigen Verätzung des Darms eigent¬ 
liche Schmerzen nioht vorhanden waren. 

Der zweite Punkt, den ich erwähnen möchte, ist der, dass keine 
Verfettung der Organe weder der Leber, noch der Niere vorhanden war, 
obgleich nach dem Ereignis im Harn Eiweiss und auch etwas Blot ge¬ 
funden wurde. 

In anderen Fällen, in denen Amraoniakvergiftungen vom Magen ans 
stattgefunden haben, bat man sehr starke Verfettung der Leber, ganz 
ähnlich wie bei Phosphorleber, gefunden, and man hat deshalb eine ge¬ 
wisse Parallele zwischen der Phosphorvergiftung und der Ammomakver- 
giftung nach dieser Richtung hin angestellt. Das ist aber in diesem 
Falle nicht so. Die Leber war makroskopisch so gut wie gar nicht 
verändert; in den Nieren bestand eine leiohte Trübung, wie sie ja in 
solchen Fällen immer vorhanden zu sein pflegt. 

Ich glaube, dass dieses Präparat ein Unikum ist. Ich habe wenig¬ 
stens, wie gesagt, bei einem allerdings nur flüchtigen Durchsehen der 
Literatur, obgleich eine ganze Reihe von Fällen von Ammoniakvergiftung 
bekannt sind, ein derartiges Ereignis nicht auffinden können. Höchst 
verwunderlich ist es, dass die sog. Pflegerin nicht durch den Geruch 
des Ammoniaks auf ihren Irrtum aufmerksam wurde. Ich habe deshalb 
daran gedacht, ob sie nicht an Anosmie litte und eine diesbezügliche 
Feststellung veranlasst. Ein Fehlen des Geruchssinnes liegt aber nicht vor. 

Diskussion. 

Hr. Israel: Der Fall des Herrn Ewald ist zweifellos ausserordent¬ 
lich interessant, und es wird wohl sehr wenige unter uns geben, die 
etwas Aehnliches gesehen haben. Aber ich möchte doch nach den Dar¬ 
legungen des Herrn Ewald und nach dem Ausweise des Präparats den 
Fall nicht als Ammoniakvergiftung bezeichnen. (Herr Ewald: Nein; 
natürlich Verätzung!) Dann sind wir einig, dann ist jedes weitere Wort 
überflüssig. Ich glaube nur, man kann ihn nicht in Parallele stellen 
mit den Ammoniakvergiftungen, die bisher in der Literatur bekannt sind. 

Tagesordnung. 

Hr. Morgenroth: Die Chemotherapie der Paenmokokkeiiifektifti. 

(Ist in Nr. 47 und 48 der Berliner klin. Woohensohrift abgedrackl) 


Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik 
zu Berlin. 

Sitzung vom 29. Oktober 1914. 

Vorsitzender: Herr Gottstein. 

Schriftführer: Herr Crzellitzer. 

Tagesordnung. 

Hr. Mayet; Kriegskrankeokassen. 

Die reichsgesetzlichen Krankenkassen bedürfen in der gegenwärtigen 
Zeit dringend einer Ergänzung durch Kriegskrankenkassen: 1. für die 
Familien der Einberufenen, 2. für die Arbeitslosen und ihre Familien, 
um der Verschärfung der Kriegsnot durch Krankheit vorzubeugen, denn 
die Unterstützungen des Reiches und der Gemeinden an die Familien 
der Kriegsteilnehmer halten nur die elementarste Lebensnot fern. Die 
Kriegskrankenkasse müsste sowohl für die Frauen wie die Kinder Arzt, 
Arznei und kleinere Hilfsmittel und falls es als nötig erachtet wird, 
Hauspflegerin oder Unterbringung in einem Krankenhaus nebst einem 
geringen Kranken- und Sterbegeld gewähren. Für die Frauen, die jetzt 
ihrer Entbindung entgegensehen, sollte als Sonderhilfe eine zweckmässig 
geregelte Wochenhilfe eingerichtet werden, da die Gefahr des Geburten¬ 
rückganges naturgemäss durch den Krieg vermehrt wird. Die Wochen- 
hilfe müsste bestehen in 8 Wochen Wochengeld, etwa 80 Pf. täglich, m 
kostenloser Erweisung der Hebammendienste und der ärztlichen Be¬ 
handlung und einem Stillgeld von 80 Pf. täglich, solange die Wöchnerin 
stillt, bis längstens zur 39. Woche nach der Niederkunft. Die Mit« 1 
hat der Staat aufzubringen, da er als Arbeitgeber die Männer im Kriege 
beschäftigt und es nicht angängig ist, in Analogie der Krankenkassen 
die 2 / a der Beiträge von der Löhnung der Krieger oder den Unter¬ 
stützungen der Familien abzuziehen. , . ,. 

Noch schlimmer als die Familien der Kriegsteilnehmer sind nie 
durch den Krieg Arbeitslosen und ihre Familien daran, besonders wenn 
Krankheit hinzutritt. Eine Ausdehnung der Kriegskrankenlürsorge au 
diese ist daher angezeigt und auch zu erwägen, ob nicht die unte T 
stützungsbedürftigen „Erwerbslosen“ (kleine Handwerker, stellenlose 
Angestellte, Kaufleute, Techniker, Schriftsteller) dieser Fürsorge teil¬ 
haftig werden. Für die Familien und Personen des Mittelstandes muss 
ein höherer Satz des Aerztehonorars angesetzt werden als für die a 
Arbeiterstande angehörigen Arbeitslosen. 


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Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 




30. November 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1879 


Das Gesamterfordernis der Kriegskrankenkasse für 2 Millionen 
Familien wird auf monatlich 8,15 Millionen M. geschätzt, die als Kriegs¬ 
kosten bei einer späteren Kriegsentschädigung mit einbezogen werden 
konnten. Vorerst könnten vielleicht die erforderlichen Summen aus den 
jetzt über 2 Milliarden M. betragenden Rücklagen der Versicherungs¬ 
anstalten der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung vorgestreckt 
werden. Mit den Geschäften der Kriegskrankenkasse könnten die reichs- 
gesetzliohen Krankenkassen betraut werden. 

Diskussion. 

Hr. v. Liszt bekundet seine vollste Sympathie mit dem Gedanken. 

Hr. Flesch hält es für zweifelhaft, ob der Vorschlag während des 
Krieges durchgeführt werden kann, hält ihn aber für wichtig genug, 
um unabhängig vom Krieg durohgeführt zu werden als ein Stück des 
Gebietes, das die Sozialpolitik der nächsten Jahre unter allen Umständen 
bearbeiten muss. 

Br. Hoch begrüsst die angeregten Maasnabmen als wichtigen Fort¬ 
schritt und hält dafür, dass die Mitglieder der Krankenkassen wenigstens 
dieselben Leistungen erhalten, dass die Unterstützungen jedem gewährt 
werden, der sie verlangt, und erst später festgestellt wird, ob der Uuter- 
stützte zur Deckung der Kosten beitragen kann. 

Hr. Molkenbuhr berechnet, dass monatlich 41 000 Geburten in 
Betracht kommen, für die eine Wochenhilfe in Betracht käme. 

Hr. Wurm erörtert die Frage der Aufbringung der Mittel. 

Hr. Albert Kohn hebt das Interesse der Krankenkasse an dem 
Vorschläge von May et hervor. 

Frau Zietz wünscht eine Ernährungsbeihilfe für Schwangere, wenn 
auch nur für wenige Wochen vor der Entbindung. 

Hr. Gottstein vermisst in der Diskussion Tatsachen, die als Unter¬ 
lagen für den Gesetzgeber dienen können, und hält es nicht für zweck¬ 
mässig, ohne solche an den Gesetzgeber heranzutreten und gleichzeitig 
die Fürsorge für die Kranken mit der für die Arbeitslosen zu verbinden. 

Hr. Munter ist gleichfalls gegen die Annahme einer Resolution 
und hebt die Schwierigkeiten hervor, die den Krankenkassen durch die 
die Arbeitslosigkeit entstehen. 

Hr. May et (Schlusswort). 

Folgende Entschliessung wird angenommen: 

„Die verbündeten Regierungen zu bitten, während der Dauer des 
Krieges den Familien der Kriegsteilnehmer sowie den Arbeitslosen, den 
Erwerbslosen und ihren Familien im Falle der Bedürftigkeit (die Be¬ 
dingung der Unterstützungsbedürftigkeit gilt für alle drei Gruppen), unter 
Aufbringung der Mittel durch das Reich oder durch die Gesamtheit 
der Versicherungsanstalten der Invaliden- und der Hinterbliebenen¬ 
versicherung, durch reichsgesetzliche Krankenkassen vermittelt, Kranken¬ 
hilfe, Woobenhilfe und Sterbegeld zu gewähren.“ J. Lilienthal. 


Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.) 

Sitzung vom 17. November 1914. 

Die Orgaiisatioa des Marine-Sanitätsweseiis and die Verwnndeten- 
versorgung aa Bord. 

Hr. Marinegeneraloberarzt Dr. Weber: Die auf dem Lande bestehenden 
sanitären Einrichtungen der Marine weichen nicht wesentlich von denen 
des Landheeres ab; aber die Lazarettschiffe und die Einrichtungen au 
Bord der Kampfschiffe sind der Marine eigentümlich. Ihre Grundlagen 
reichen nicht in jeder Hinsicht aus in bezug auf Sicherheit. Unsere Er¬ 
fahrungen stützen sich auf den russisch-japanischen Seekrieg. Dieser 
wie der spanisch-amerikanische wurde zwischen ungleichen Gegnern 
geführt; diese Erfahrungen haben daher problematischen Wert. 

Für unsere eigene Seekriegsführung werden wir neue Gesichtspunkte 
auf dem Gebiete des Sanitatswesens schaffen müssen. Unter der medi¬ 
zinischen Centralbehörde im Marineamt (Generalstabsarzt der Marine) 
stehen zwei Sanitätsämter für die Nord- und Ostsee; sie unterstehen 
den Stationsärzten, die im Range der Korps-Generalärzte stehen, in 
Kiel und Wilhelmshaven. Den Aemtern beigegeben sind hygienisch- 
chemiscb-bakteriologische Untersuchungsstellen und Gesundheitsaus¬ 
schüsse. Letztere treten in jedem Standort der Marine unter Leitung 
des Garnisonarztes zusammen und überwachen die gesamte Gesundheits¬ 
pflege. Von den Stationsärzten ressortieren die beratenden Chirurgen, 
je einer in Kiel, Cuxhaven, Wilhelmshaven und Hamburg sowie die 
Sanitatsdepots in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Kiel und Danzig. Die Vor¬ 
stände der letzteren sind die Garnisonärzte; ihnen obliegt die feste Aus¬ 
rüstung aller Lazarette ihres Bereiches. Ständige Marinelazarette be¬ 
stehen in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Helgoland, Sonderburg, Friedriohs- 
ort und Kiel. Dazu treten in in Friedenszeiten bereits bestimmten Ge¬ 
bäuden besondere Lazarette, z. B. in den Auswandererhallen in Hamburg 
ist eins für 3000 Betten vorgesehen. Hierzu kommen die Vereinslazarette, 
flie von Privatpersonen und gemeinnützigen Vereinen eingerichtet und 
der Marine zur Verfügung gestellt werden. Auch besteht die Möglich¬ 
st» gewisse Armeelazarette und Genesungshäuser in Anspruch zu 
nehmen; Marinegenesungshäuser bestehen in Augustenburg und bei 
Bremen. Günstige Bahn- und WasserverbinduDgen gestatten den 
Krankentransport zwischen den Anstalten. Dazu dienen Krankentrans¬ 
portabteilungen mit ausgebildeten Krankenträgern der Marine und 
Personal des Roten Kreuzes unter Leitung der Garnisonärzte. Sie 
schaffen Kranke und Verwundete ans den Festungswerken und Sohiffen 


in die Lazarette und ins Binnenland. Die freiwillige Krankenpflege stellt 
daneben noch männliches und weibliches Personal und Wirtschafts¬ 
personal für einen grossen Teil der Lazarette. Sie sammelt auch frei¬ 
willige Liebesgaben. 

Die Lazarettschiffe sollen die Kampfschiffe schnell von Verwundeten 
und Kranken befreien und diese in zweckmässige Bedingungen bringen. 
Erst 1856 erstand für Ostasien das erste, englische Hospitalschiff, Belle- 
Isle; erst die Amerikaner verwendeten diese Schiffe 1860—1865 in 
grösserem Umfange. Früher, schon unter Friedrich II., waren Fluss¬ 
lazarettschiffe benutzt worden. Diese dienen ebenso wie die Hilfs¬ 
lazarettschiffe wesentlioh dem Abtransport; sie fassen 50—100 Betten 
für kurzdauernde Unterbringung Verwundeter, sie sollen längsseit der 
Kriegsschiffe kommen. Die Lazarettschiffe sind meist Personenverkehrs¬ 
dampfer, die sämtliche Erfordernisse der Krankenpflege bergen, schwim¬ 
mende Krankenhäuser; bisher bes&ss nur die englische Marine besondere 
Fahrzeuge. Seit kurzem bauen auch wir solche. Ein guter Entwurf 
stammt von den Gebrüdern zur Verth. Die Betten sind zum Teil fest 
eingefügt, in Längsreihen angeordnet, dann gibt es Schwingekojen, welohe 
bei bewegtem Schiffe die horizontale Lage einhalten. Vorhanden sind 
Röntgeneinrichtungen, Apotheke, Laboratorium, Vorratsräume für Ver¬ 
bandszeug usw., Krankenküche. Schwestern gibt es nur auf einem 
Krankenschiffe. Die Marine verfügt über 6 Lazarett- und 7 Hilfs¬ 
lazarettschiffe. 

Wichtig sind bequeme Vorrichtungen zur schnellen Krankenüber¬ 
nahme und Rettung der Schiffbrüchigen; so haben die Hilfslazarett- 
schiffe Doppeltragen, Aufzüge, Rettuogseiuriohtungen, die aus zwei und 
mehr Rettungsringen bestehen, die durch Leitern und Enden verbunden 
sind; sie sollen Leute retten, die sich noch festhalten können; 
ferner haben sie Flösse. 

Die Hilfsschiffe sind weiss gestrichen mit einem grünen Horizontal- 
stricb, bei den militärischen, und einem roten bei den freiwilligen 
Krankenfabrzeugen und führen die Genfer Flagge neben der Landes¬ 
flagge. Während der Nacht werden die Abzeichen beleuchtet. Diese 
Bestimmungen sind in der Haager Konvention über den Seekrieg von 
1907 festgelegt, wenigstens auf dem Papier. Das Personal der Lazarett¬ 
schiffe umfasst einen Oberstabsarzt, drei Stabsärzte und drei Assistenz¬ 
ärzte, Apotheker, Zahnarzt, Sanitäts-Unteroffiziere und -Mannschaften, 
sowie freiwillige Krankenpfleger. Die Hilfslazarettschiffe haben nur zwei 
Aerzte und weniger Unterpersonal. Der gesamte Dienst der Lazarett¬ 
schiffe wird durch einen älteren Sanitätsoffizier beaufsichtigt. Der ge¬ 
samte Sanitätsdienst des Geschwaders untersteht dem Flottenarzt. Jedes 
grössere Kampfschiff bat einen Schiffsarzt und mehrere Assistenzärzte. 
Mehrere Torpedoboote usw. sind auf einen Arzt angewiesen. Auch 
Spezialärzte für Augen- und Ohren leiden sind vertraglich verpflichtet. 

Die gesamte Mannschaft ist im Sanitätsdienst unterrichtet. Die 
Kriegsschiffe haben Lazarette bis zu 100 und mehr Köpfen; sie sind 
meist auf eine Krankenzahl von IV 2 pCt. berechnet; für eine Schwinge¬ 
koje sind 5 qm vorgesehen; sie besitzt eine Drahtmatratze. Auf grossen 
Schiffen befindet sich ein Operationsplatz mit Sterilisierungs- usw. Ein¬ 
richtungen. 

Die Lazarette liegen bald im Bauche des Schiffes, bald mittschiffs, 
bald unter der Brücke. Baderaum, Spülklosett, Transportmittel, Reini¬ 
gungseinrichtungen und Apotheke sind vorhanden. Liegt das Lazarett 
oben und sonnig, so ist es dem feindlichen Feuer leicht ausgesetzt. 
Daher verzichtet man auf Tageslicht und -luft und 9ucht Schutz hinter 
dem Panzer und unter der Wasserlinie. Auf grossen Schiffen sind ge¬ 
trennt voneinander ein Haupt- und ein Nebenverbandplatz vorgesehen, 
um im Ernstfälle nicht den ganzen Sanitätsdienst lahmzulegen. Die 
Räume in der Nähe der Verbandplätze dienen zur Lagerung für die 
Verwundeten. Die Ausrüstung der Schiffe mit Arzneien usw. ist nach 
langjähriger Erfahrung festgelegt. Jeder Schiffsarzt kann sie ergänzen 
und im Kriege vermehren lassen. 

Um zweckmässige Versorgung und Transport 9ind alle Marinen be¬ 
müht. Der alte Transportstuhl wurde, als zu umfangreich durch die 
„Bretter“ und vor allem die weichere deutsche Hängematte mit Kopf¬ 
kissen, Kopfkappe, Reitgurten und Fusssack verdrängt. Sie gestattet, 
wenn der Kranke ordentlich verzurrt ist, den Transport in der Horizontale 
und Vertikale ohne Zerrung; zweckmässig ist auch eine biegsame Draht- 
matte. Wertvoll ist die Gleitbahn, die an die Treppe gestellt wird und 
dem Kranken das Gleiten gestattet. 

Die Verwundetenfürsorge an Bord der Kampfschiffe i9t nach Zahl 
und Art der zu bewältigenden Fälle verschieden. Die Durchschnittszahl 
beträgt 20 pCt. Verluste, davon sind 4 pCt. tödlich, 8 pCt. schwer Ver¬ 
wundete. Besonders mitgenommen werden die Plattschiffe. Erreicht 
die Verlustgrenze die Hälfte der Mannschaft, dann ist der Dienst meist 
unmöglich und das Schiff schwimmunfäbig. 

Die Art der Wunden wird durch die Kampfmittel Mine, Torpedo, 
Granate bedingt. Erstere ist ein birnenförmiges Metallgefäss mit starker 
Schiessbaumwolle-Ladung, der Torpedo ist 5—6 m lang, 30—50 cm 
breit, zigarrenförmig, aus Stahl oder Bronze und enthält im Kopf den 
Zünder, dahinter die Sprengladung (Schiessbaumwolle), dahinter kompri¬ 
mierte Luft für die Antriebsmasohine und Steuerapparat. Er explodiert 
durch Auftreffen und wird duroh Pulver oder Pressluft abgeschossen. 
Die Sprengladung beträgt 150 kg. Die Granaten sind Spreng- oder 
Panzergranaten. Die eine wirkt durch Gasentwickelung, die andere 
durch Aufschlag; letztere hat hohe Brisanz und ist wenig stossempfiod- 
lich. Im russisch-japanischen Seekriege kamen Schrapnell- und Gewehr¬ 
schüsse, sowie Verletzungen duroh blanke Waffen wenig vor. 


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Gougle 


Original frn-m 

UNIVERSITÄT OF IOWA 




1880 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Die Minenwirkung ist so gründlich, dass die obere Verlustgrenze, 
welche ärztliche Tätigkeit unmöglich macht, meist erreicht wird. Sie 
bedingte 1904/5 75,4 pCt. aller Todesfälle gegenüber 19,1 pCt. Ver¬ 
wundungen. Nicht weniger als 9 Schiffe wurden durch Minen vernichtet. 
Die Erfolge der deutschen Unterseebote stehen nicht zurück. Die Ver¬ 
wundungen werden durch den ungeheuren Gasdruck bew. durch ab¬ 
gerissene Schifitsteile bedingt, seltener ereignen sie sich den Granat¬ 
schüssen ähnlich; daneben setzen sie Verbrennungen und Vergiftungen 
durch Kohlenoxyd. 

Bei der Granatwirkung ist das Verhältnis der Todesfälle geringer, 
23,6 pCt. gegen 76,4 pCt. Verwundungen. Gerade letztere umfasst also 
hauptsächlich die ärztliche Tätigkeit an Bord eines kämpfenden Schiffes. 
Durch die Wucht der Granate abgerissene Schiffsteile sind indirekte Ge¬ 
schosse; sie sind sehr rissig, zackig. Die Wirkungen auf den Menschen 
sind Zermalmungen des Bauches, Abreissung ganzer Körperteile, Ver¬ 
brennungen, Quetschwunden, besonders ist aber die Multiplizität — bis 
120 und 200 kleine Wunden an einem Körper — hervorstechend. Die 
Splitter können auch stecken bleiben. Die Verbrennungen treffen 
zumal Gesicht und Hände. Dazu kommen Gasvergiftungen und Nerven¬ 
erschütterungen. Bei den Japanern maohten Quetschwunden 35 pCt., 
Steckschüsse 15 pCt., Zermalmungen 10 pCt., Verbrennungen 10 pCt., 
Augen-, Ohren- und Trommelfellverletzungen 5 pCt, Eingeweiderisse 
6 pCt., Knochenbrüche 19 pCt. der Fälle aus. Die Russen haben keine 
Aufzeichnungen veröffentlicht. 

Die Seekriegsverletzung ist meist ernster als die im Landkrieg durch 
Gewehrschüsse gesetzte; die Wunden werden leichter infiziert und die 
Heilung ist schwieriger. 

Prophylaktisch schützt man sich gegen das feindliche Feuer durch 
mechanischen Schutz und Verhütung der Wundinfektion. Alle entbehr¬ 
lichen Gegenstände werden von Bord entfernt, damit sie nicht indirekte 
Geschosse werden. Gegen matter gewordene Granaten nützen einfache 
Schutzwehr, Hängematten, Segeltuchbahnen, Decken, und gegen das feind¬ 
liche Feuer schützt Befeuchtung des Holzwerks. Da der Tascheninhalt 
leicht in die Wunde gerissen wird, so ist die Mannschaft fortlaufend zu 
belehren. Einen Schutz gegen die Verbrennung bietet die Kleidung; sie 
muss aus schwer entzündlichen Stoffen bestehen. Augen und Gesicht sind 
mit Masken zu bedecken. Die Gehörgäoge werden mit Watte verstopft. 
Sauberhaltung des Schiffes, Anstrich der Decken, dazu die Seeluft und 
Windbewegung wirken dem Bakterienwachstum entgegen. Dazu kommt 
das enge Zusammenleben des Arztes mit der Besatzung; er vermag die 
Ansteckungsgefahr frühzeitig zu erkennen; hinzukommen regelmässige 
warme Bäder, Mund- und Zahnpflege, sowie saubere Kleidung vor dem 
Gefecht. Die Möglichkeit, die Verwundeten schnell zum Verbandsplatz 
zu schaffen, verringert die Infektionsgefahr. Schon im Gefecht vollzieht 
sich teilweise die Wund Versorgung. Der schnellen Versorgung dienen 
die fertigen Verbandpäckchen. Vorteilhaft ist der Mastisolverband für 
die multiplen kleinen Wunden. Dazu kommen grosse Salbenverbände, 
Sauerstoff-Apparate gegen Gasvergiftungen usw. Sonst bietet hier die 
ärztliche Tätigkeit nichts Besonderes. Auf dem Kampfschiff ist wegen 
der Schwere der Verletzungen nur die Notoperation angängig; endgültig 
erfolgt die Versorgung auf den Lazarattschiffen und am Lande. 

Es gelingt auch im schweren Seekrieg die Wunden zu heilen. Bei 
den Japanern wurden 88,7 pCt. alter Verwundeten wieder dienstfähig, 
60 pCt. waren an Bord ihrer Schiffe verwundet worden, 2 pCt. starben, 
8,9 pCt. wurden invalide. Von Bedeutung war freilich, dass die Japaner 
siegreich waren. Hoffen wir darum auch für uns ein Gleiches! 

Mode. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Deutsche Militärärzte sind in Frankreich wegen 
angeblicher Gewalttaten gegen Einwohner und Nachlässig¬ 
keit bei der Behandlung von Verwundeten zu Gefängnis¬ 
strafen verurteilt! Es genügt, diese Tatsache festzustellen, um sich 
des unerhörten Reohtsbruches bewusst zu werden, der hier begangen 
worden ist — kein französisches Gericht durfte über die Anschuldi¬ 
gungen entscheiden, da Sanitätspersonal nach der Genfer Konvention 
nicht seiner Jurisdiktion unterliegt —, kein Deutscher kann auch nur 
im entferntesten annehmen, dass die Vorwürfe irgendwie begründet 
waren. Wir protestieren, ebenso wie der Leipziger Verband bereits 
getan hat, gegen die Unterstellung, als seien unsere Kollegen der ihnen 
zur Last gelegten Handlungen fähig gewesen. Lebt in dem Stande der 
französischen Aerzte, mit denen wir so laDge Jahre hindurch freundliche, 
wissenschaftliche und kollegiale Beziehungen unterhalten haben und die 
deutsche Art und deutsche Sitte kennen sollten, noch ein Funken von 
Gerechtigkeitsgefühl, so werden sie in ihrer Gesamtheit Schritte tun 
müssen, um einen Makel von ihrer Nation abzuwaschen, der, ungeachtet 
der anerkennenswerten Bemühungen Einzelner, auf ihr für alle Zeiten 
haften bleiben würde! 


Nr. 48. 

— In der Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft 
vom 25. November demonstrierten vor der Tagesordnung: 1. Herr 
Bucky: Lokalisationsmethoden bei Röntgenaufnahmen, Röntgennlcera 
bei gynäkologischer Tiefenbestrahlung; 2. Herr Rothmann: Stirnhirn- 
scbüsse; 3. Herr William Levy: Präparat von Verletzung der Lunge 
durch Gewehrschuss. Hierauf hielt Herr Morgenroth den Schloss des 
angekündigten Vortrags: Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion. 

— Das Eiserne Kreuz I. Klasse erhielt der pr. Arzt Dr. Alfred 
Hardt aus Neustadt a. H., Unterarzt d. L. im 18. bayerischen Infan¬ 
terieregiment, wegen hervorragender Tapferkeit und Pflichterfüllung im 
feindlichen Feuer. 

— Am 25. November jährte sich zum 100. Male der Geburtsteg 
Robert Mayer’s, des Entdeckers des Gesetzes von der Erhaltung der 
Energie und des Begründers der mechanischen Wärmetheorie. 

— Der bekannte Hygieniker Prof. Angelo Celli in Rom ist im 
Alter von 57 Jahren gestorben. 

— Die Königliche Landesanstalt für Wasserhygieoe (Berlin-Dahlem, 
Post: Berlin-Lichterfelde 3, Ehrenbergstrasse 88, 40, 42) hat mit der 
Abgabe von Nährgelatine, die für die Zwecke der bakteriologischen 
Wasseruntersuchung bestimmt ist, begonnen. Der Preis für je ein 
Reagensgläschen mit 10 ccm Nährgelatine (ausschliesslich Verpackung) 
ist, den Selbstkosten der Anstalt entsprechend, auf 18 Pf. festgesetzt. 
Eine Abgabe unter 10 Stuck kann nur in Ausnahmefällen stattfinden; 
für grössere Aufträge muss sich die Landesaustalt eine Lieferzeit von 
etwa 8 Tagen Vorbehalten. 

— Der soeben erschienene Medizinalkalender für das Jahr 1915 
(herausgegeben von Geb. Rat Schlegtendal, Verlag von August 
Hirschwald) entspricht im wesentlichen der Gestaltung, die ihn seit 
langen Jahren den deutschen Aerzten vertraut gemacht hat. Freilich 
macht sich die Kriegszeit in der wiederum von Herrn Geh. Rat Daege 
bearbeiteten Abteilung „Personalien“ recht deutlich bemerkbar. Die ins 
Heer einberufenen Zivilärzte sind allerdings sämtlich an ihrem bisherigen 
Wohnort aufgeführt, io der gewiss berechtigten Annahme, dass diese 
nach Beendigung des Feldzuges zum grössten Teil wieder dorthin zurück¬ 
kehren werden — dagegen ist die Aufnahme der Rang- und Dienst¬ 
alterslisten des deutschen Sanitätaoffizierkorps unterblieben, da die 
Sanitätsoffiziere fast ausnahmslos ihren bisherigen Standort verlassen 
haben und im Felde stehen. Der Abschnitt „Verordnungslehre* ist 
durch ein neues Kapitel „Organotberapeutische Präparate“ (von Apotheker 
Dr. Beckstroem) bereichert worden — ihre Aufzählung ist sehr genau 
und vollständig, mit Angabe der Fabrik; die vom Verf. gemachte Ein¬ 
schränkung, dass diese Aufzählung nebst den vom Hersteller angegebenen 
Heilanzeigen keinerlei Empfehlung bedeuten soll, verdient aber alle 
Beachtung! 

— Verlustliste. I. Gefallen: Unteroffizier Ahnhudt, Zahnarzt 
Leutnant d. R. Dr. K. Abel, Inf.-Reg. Nr. 172. Oberarzt d. R. Dr. 
Abert, 5. Bayer. Feld-Art.-Reg. Unterarzt Dr. Barmbichler. Stabs¬ 
arzt d. L. Dr. Bansch-Breslau. Kriegsfreiw. Blankenhorn, stud. 
med. Kriegsfreiw. W. Caro, stud. med. Kriegsfreiw. Courath, cand. 
med. dent. Kriegsfreiw. Duttlinger, stud. med. Eioj.-Freiw. Ficht- 
bauer, oand. med. Assistenzarzt Dr. Fischbach. Kriegsfreiw. Flott* 
ring. Unterarzt Dr. Freusberg. Unterarzt Dr. Grassmann. Gand, 
med. Helmecke. Unterarzt d. L. Dr. Herkner. Kriegsfreiw. Hocbe, 
stud. med. Marinestabsarzt d. R. Dr. Hobenemser. Unterarzt 
Kimster. Unterarzt Kireher. Stabsarzt d. R. Dr. Langfelder. Cand. 
med. Lohe. Stabsarzt d. R. Dr. Rieh. Möller. Stabsarzt d. L. Dr. 
Plath. Unterarzt Dr. Preussen. Hauptmann Dr. Reich, Privat¬ 
dozent für Zahnheilkunde in Marburg, Inf.-Reg. Nr. 5. Unterarzt Dr. 
Rudhardt. Stud. med. Schmidt. Stud. med. Stange. Stud. med. 
Tiemann. Zahnarzt Vogel. Offizierstellvertr. cand. med. E. Wachs. 
Stabsarzt d. R. Dr. H. Wagner. Stud. med. H. Wagner. Stud. med. 
Wissing. Stabsarzt d. R. Dr. D. Wolff-Hamburg. — II. Verwundet: 
Stabsarzt d. L. Dr. Carney. Assistenzarzt d. R. Dr. K. Neckars- 
ulmer, Inf.-Reg. Nr. 151 (Bauchdeckensohuss). — III. Gestorben: 
Stabsarzt d. L. Dr. Eichholz. Dr. Hildenstab. Dr. Schlesiger. 
Dr. Simon. Oberarzt d. R. Dr. Schlüter. 

Hoohschulnaohrichten. 

Berlin. Geheimrat Bier, Direktor der chirurgischen Klinik in ^ 
Ziegelstrasse, konnte am 23. November auf eine 25 jährige Tätigkeit as 
akademischer Lehrer zorückblicken. — Prag. Den Titel eines ausser¬ 
ordentlichen Professors erhielten die Privatdozenten DDr. W. Anton (Uto- 
Rhinologie) und J. Jansky (Psychiatrie). — Wien. Prof. Hocbenegg 
wurde der Adelstitel verlieffen. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Eisernes Kreuz 2. Kl.: Kreisarzt und Hils 
arbeiter bei der KÖnigl. Regierung in Arnsberg Dr. König. 
Versetzung: ordentl. Honorarprofessor Dr. K. Ludloff aus Breslau 
gleicher Eigenschaft in die medizinische Fakultät der Umversua 
Frankfurt a. M. _ _ 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Rohn, Berlin W., Bsyrsn^w 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Original from- 

UNIVERSITY OF IOWA 




DJ« Berlins Kllnfeel.e Wocho..«cl.rift.erscheint Jedefl 
UnntAir in Nummern roa ca. 5—6 Bogon gr. ♦. 
Preta vlerteijihrlicl. 6 Mark. Beate)),m^n nehmeD 
alle Buchhandlungon und Poatanaialten an. 


BERLINER 


Alle lilnsendungen för die Hedaktivo and Expedition 
wolle man portofroi an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 

Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. August nirsehwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin 

Montag, den 7. Dezember 1914. M 49 . Einundfünfzigster Jahrgang. 


I N H 

Originalien: stutzin: Einige praktische Winke zur Behandlung von 
SchussverletzuDgen. (Aus dem Garnisonlazarett I, Berlin.) (Illustr.) 

S. 1881. 

Zondek: Entfernung einer russischen Maschinengewehrkugel aus 
der Blase durch die Urethra. (Illustr.) S. 1882. 

Wolfsohn: Zur Tetanusfrage. S. 1883. 

Richter: Der Milzbrand als Kriegsseuche. S. 1884. 

Marks: Chemotherapeutische Versuche bei Vogelmalaria. (Aus dem 
Institut für medizinische Forsohung von Dr. L. H. Marks in Frank¬ 
furt a. M.) S. 1886. 

Einhorn: Die direkte Untersuchung des Duodenalinhalts (und der 
Galle) als diagnostisches Hilfsmittel bei Gallenblasen- und 
Paokreasaffektionen. S. 1888. 

Petry: Zur Kenntnis und Bedeutung des Nasenblutens im späteren 
Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in GöttingeD.) 

S. 1890. 

Plehn: Ueber grosse Bluttransfusionen. (Aus dem städtischen 
Krankenhause am Urban.) (Schluss.) (Illustr.) S. 1892. I 


Aus dem Garnisonlazarett I, Berlin (leitender Chirurg: 
Generalarzt Prof. Dr. Küster, Geheimer Med.-Rat, 
Stellvertreter: Dr. Stutzin). 

Einige praktische Winke zur Behandlung von 
Schussverletzungen. 

Von 

Dr. Stutzin. 

I. Weichteilschüsse. 

Es fehlt zweifellos nicht mehr an guter, praktischer Kriegs- 
literatur. Die Balkankriege und auch die drei KriegsmoDate haben 
schon viel Nützliches gezeitigt. Wenn ich trotzdem hier einige 
rein praktische Gesichtspunkte darlege, so geschieht es nicht des¬ 
wegen, weil sie sensu strictiori neu wären, sondern weil sie, wie 
mich manche Beobachtungen der letzten Zeit gelehrt haben, noch 
nicht allen bekannt sein dürften, die sich mit der Behandlung 
Verwundeter befassen. Und für unsere Verwundeten kann es 
doch nur einen Leitsatz geben: Die beste Behandlung ist gerade 
gut genug! 

Ich müchte mich zunächst gegen den zu häufigen Verband¬ 
wechsel wenden. Es ist hoch vielfach Sitte, dass nahezu jeder 
Verwundete bei jeder Durcbgaogsstatiou verbunden wird. Dies aber 
ist nicht nur unzweckmässig, weil schmerzhaft und materialver¬ 
schwenderisch, sondern oft direkt schädlich. Halten wir uns doch 
vor Augen, was ein Verbandwechsel bedeutet: ein Abreissen des 
schützenden Schorfes, ein Freilegen der Wunde, Berührung mit 
der Aussenwelt, und somit die Möglichkeit zu einer neuen In¬ 
fektion und zu einer neuen Blutung. Ich habe häufig die Ver¬ 
wundeten darauf ausgefragt, wie oft sie unterwegs verbunden 
worden sind, und gefunden, dass von den infiziert Ankommenden 
viele drei- bis viermal in kurzen Zeitabständen verbunden worden 
ßind, vielfach wohl auf eigenes, dem Laienverstand natürliches 
Drängen, während ich oft bemerkt habe, dass Wunden, die nur 
mit dem Verbandpäckchen bedeckt und 8—10 Tage lang ohne 
Verbandwechsel geblieben, reaktionslos heilten. 


ALT. 

Bächerbesprechnngeii: Ponfick: Untersuchungen über die exsudative 
Nierenentzündung. S. 1897. (Ref. Ewald.) — Starck: Lehrbuch 
der Oesophagoskopie. S. 1897. (Ref. Strauss.) — Busch: Phantom 
der normalen Nase des Menschen. S. 1898. (Ref. Brühl.) 

Literatnr-Aaszäge: Physiologie. S. 1898. — Therapie. S. 1898. — 
Parasitenkunde und Serologie. S. 1898. — Innere Medizin. S. 1899. — 
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1900. — Kinderheilkunde. 
S. 1900. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1900. — Hygiene 
und Sanitätswesen. S. 1901. — Unfallheilkunde und Versicherungs¬ 
wesen. S. 1901. — Militär-Sanitätswesen. S. 1901. 

Verhaadlaogen ärztlicher Gesellschaften: Aerztlicher Verein zu 
Hamburg. S. 1901. — Aerztlicher Verein zu München. 
S. 1902. — Naturhistorisch-medizinischerVerein zu Heidel¬ 
berg. S. 1902. — K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. 
S. 1903. — Gesellschaft für innere Medizin und Kinder¬ 
heilkunde zu Wien. S. 1903. 

König: Robert Thomsen +• S. 1903. 

Tagesgeschichti. Notizen. S.1904. — Amtl. Mitteilungen. S.1904. 


Ich habe ausgedehnte Kopfweicbteilwunden gesehen, wo das 
Verbandpäckchen direkt über die aus Blut und Haaren gebildete 
geronnene Masse gelegt worden: nach 12—14 Tagen hatte sich 
unter dem Schorf eine Prima Reunio vollzogen. Ich möchte be¬ 
zweifeln, ob der Verlauf gleich günstig gewesen wäre, wenn nach 
früherer Schablone alles schön geseift, rasiert und genäht 
worden wäre. 

Erfahrungen, wie die beschriebenen, lehren uns, die Wunden 
möglichst in Ruhe zu lassen. Wenn nicht eine grössere Blutung 
oder Lappenverschiebung dazu zwingt, tun Sie nichts an der 
Wunde, verbinden Sie sie trocken und steril, weiter nichts. Vor 
allem tupfen Sie nicht, wischen Sie nicht und drücken Sie nicht 
an der Wunde herum. Was sich abstossen will, wird sich später 
von selbst in aller Ruhe abstossen. 

Wie oft soll man nun den Verband wechseln? 

Binden Sie sich nicht an einen Zeitraum, nur Fieber, 
Schmerzen und starke Sekretion geben zu einem Verband¬ 
wechsel Veranlassung, aber lassen Sie sich bitte auch nicht durch 
Fieber und Schmerzen leicht ins Bockshorn jagen. In den ersten 
48 Stunden, namentlich während des Transports, kommt es häufig 
durch vorübergehende Resorption zu einer steileren Fieberzacke 
und zu Schmerzäusserungen. Wenn Mann und Glied zur Ruhe 
gekommen, klingt beides häufig von selbst ab, nur wenn Fieber 
und Schmerzen weiter bestehen, dann sehen Sie nach. 

Häufige Sekretion veranlasst allerdings zu häufigem Verband¬ 
wechsel. Man kann den Kranken nicht nass liegen lassen, das 
auslaufende Sekret reizt die Haut, schafft durch Erweichung neue 
Wundfiächen und somit neue Infektionsmöglichkeiten. Bleibt der 
Verband aber trocken, und bat der Patient weder Fieber noch 
Schmerzen, so lassen Sie den Verband liegen, er kann riechen 
wie er will. Haben Sie nur keine zu feine Nase. Die in die 
Verbandstoffe ausgeschiedenen Eiweisskörper zersetzen sich und 
riechen manchmal bestialisch, tun aber dem Kranken nicht das 
Allergeringste. Bedecken Sie sie soviel Sie wollen, schütten Sie 
auch eventuell Wasserstoffsuperoxyd über die Wunde, um den 
durchdringenden Geruch zu mildern, aber lassen Sie die unterste 


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Original frn-m 

UMIVERSITY OF IOWA 



1882 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


Schicht liegen. Sie werden erstaunt sein, wenn Sie nach 10 bis 
12 Tagen den Verband abnehmen und unter dem von selbst ab¬ 
fallenden Schorfe eine epidermisierte Fläche finden. 

Soweit vorläufig in bezug auf die Weichteilwunden. 

II. Schussfrakturen. 

Ich möchte da scharf trennen zwischen der Behandlung im 
Felde und in der Heimat. Dort wird man sich notwendigerweise 
mit dem behelfen, was man gerade hat: alles was zum Fixieren 
dient, ist gut, jedes Stück Pappe, Holz usw. Man kann in be¬ 
wegliche Formationen doch nur beschränkte Mengen mitnehmen! 
In der Heimat aber steht an erster Stelle der Gips! Jede 
Schussfraktur muss, wenige mit gar zu ausgedehnten Weichteil¬ 
verletzungen verbundene ausgenommen, sofort unter Gips. Mit 
Gips kann man alles machen: Verbände, Schienen, Extension. 
Mit Gips kann man modellieren, während des Erhärtens korri¬ 
gieren und nachkorrigieren. Den Gips kann man auch hinter¬ 
her schneiden, nähen, wie wohl kaum ein anderes Material. 
Gips ist eben die Seele der Kriegschirurgie! Vorbedingung aber 
sind gute Gipsbinden, und dazu ist es nötig, dass man sie sich 
selbst herstellt oder unter eigener Aufsicht hersteilen lässt. Die 
fertig gekauften sind nicht immer zuverlässig. Es ist besonders 
darauf zu achten, dass man nicht zu viel Gips einstreicht, und 
ferner, dass man nicht zu lange Binden nimmt. Längere als 
5 m würde ich nicht empfehlen. Jede sezernierende Stelle, be¬ 
sonders die Ausschussöffnung, wird man natürlich offen behandeln 
durch Ausschneiden eines Fensters, oder Halbmonds, wenn die 
Wunde an einer Ecke sitzt. Man macht das so, dass man mit 
einem Farbstift über den Gips die Wundöffnung ungefähr an¬ 
zeichnet und dann den erhärteten Gips in etwa 2 cm Entfernung 
umscbneidet, erst mit dem Gipsmesser ein kleines Loch ritzt und 
dann mit der Gipshebelschere die gesuchte Umkreisung ausführt. 
Jede Verbandschere tut es natürlich auch, aber mühsetiger. Bei 
stark sezernierenden Wunden soll man die Umschneidung breit 
machen, an den Verbandrändern gründlich abstopfen und die 
umgebende Haut durch schützende Salben besonders pflegen. 

Wer speziell bei Schussfrakturen der oberen Extremitäten es 
gesehen hat, wie die Leute bei wackeligen Draht- oder Holzver¬ 
bänden andauernd unter Schmerzen litten, häufig infolge Furcht 
vor der schmerzhaften Bewegung ans Bett gefesselt waren und 
dazu noch fieberten, und wie sie dann nach Anlage eines geeig 
neten Gipsextensionsverbandes unter Fixation am Thorax wie mit 
einem Schlage von alledem befreit wurden, der wird wohl kaum 
den Gips bei der Behandlung von Schussfrakturen missen wollen. 
Trotzdem tut es noch manch Einer. 



Kurve 2. 


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Kurve 3. 



(V. W r .) reagierte er mit Schüttelfrost und Fieber und zwar meist 
erst am nächsten Tage, zuletzt, am 24. Oktober, stieg die Tempe 
ratur auf 40,6°. Es wurde darauf beschlossen, den Verband 
liegen zu lassen. Das Fieber klang bald ab. Als nach 7 Tagen 
der Verband entfernt wurde, zeigte sich eine fleischrote, gut 
granulierende Wunde 1 ). 


III. Welche Verbandmittel soll man anwenden? 

Als Verbandmittel kommen eigentlich nur zwei Klassen in 
Betracht: desinfektions- und granulationsbefördernde Mittel. Von 
der ersten Klasse brauche ich keine. Jede „Desinfektion“ der 
Wundfläche schafft neue Gewebsnekrosen zu den bereits vorhan¬ 
denen und somit neue Nährböden für die doch nie ganz zu 
tilgenden Infektionskeime. Zur Beförderung der Granulation kann 
man wohl die Perubalsamsalbe oder dergl. anwenden. Ich halte 
sie nicht für unumgänglich notwendig. Sterile Verbände tun es 
auch. Schützen muss man nur die umgebende Haut, damit sie 
nicht von Sekret und Schweiss „augefressen“ wird. Häufige 
Reinigung, Bestreichung mit Bor- oder Zinkpaste verhindert das 
zur Genüge. 

Anders denke ich über die Einwirkung des Sonnenlichtes. 
In der Friedenspraxis habe ich das Sonnenlicht systematisch und 
sehr erfolgreich zu Wundbehandlungszwecken angewandt, beson¬ 
ders im nördlichen Chile, wo mir fast das ganze Jahr eine in¬ 
tensive Sonnenlichtquelle zur Verfügung stand. Im letzten Sep¬ 
tember habe ich auch hier verschiedene Schusswunden der Licht¬ 
behandlung ausgesetzt und, wie ich glaube, mit Erfolg. Die 
Wunden granulieren und reinigen sich schneller. Besonders der 
lästige Pyocyaneus verschwindet häufig bei intensiver Sonnenlicht¬ 
behandlung. Wo aber jetzt im Herbst und Winter schönes 
Sonnenlicht hernebraen? Ueber den Ersatz durch künstliches 
Sonnenlicht habe ich wenig Eifahrung. Ein Versuch damit wäre 
unter geeigneten Verhältnissen nicht zu verwerfen. 

Als Typus eines Falles, bei dem nahezu jeder Verbandwechsel 
mit hohen Fiebertemperaturen reagierte, möchte ich folgende Ge¬ 
schichte anfügeu: K. V., 21 Jahre, verletzte sich am 3. Oktober 
durch Explosion dreier Platzpatronen. Er wurde unterhalb des 
rechten Knies getroffen. Befund: Mehr als fünfmarkstückgrosse, ■ 
tiefe, schmierig belegte Wunde. Der weitere Verlauf ergibt 
sich aus der beigefügten Fiebertafel. Nach jedem Verbandwechsel | 


Entfernung einer russischen Maschinengewehr¬ 
kugel aus der Blase durch die Urethra. 

Von 

Prof. Dr. Zondek. 

So selten wir in Friedenszeiten vor die Aufgabe gestellt 
werden dürften, ein Geschoss aus der Blase zu entfernen — eine 
genauere Durchsicht der einschlägigen Literatur war mir jetzt nicht 
möglich — dürfte dies in der Jetztzeit vielleicht häufiger Vor¬ 
kommen. Ich will daher kurz über einen solchen Fall berichten. 

Anamnese: Der 25jährige Reservist W. E. bekam am 10. IX. 19H 
eine russische Mascbimngewehrkugel in die rechte Seite am Ansatz des 
Penis. An der Einschussöffnung heftige SchmerzeD, Erst nach etwa 
18 Stunden Urinentleerung, stossweise, unter starken Schmerzen; der 
Urin blutig gefärbt. Etwa 3 cm seitlich und nach oben von der Ein¬ 
schussstelle entfernt war in dem stark geschwollenen, blutig gefärbten 
Gewebe in der Tiefe eine Resistenz fühlbar, die nach Ansicht des unter¬ 
suchenden Arztes die Kugel war. Nach 5 Tagen war die Resistenz nicht 
mehr fühlbar. Miktion zunächst alle 5 Stunden, Harn trübe, zuweilen 
blutig; allmählich Urinentleeruog in immer kürzeren Zwischenzeiten, 
schliesslich ein- bzw. halbstündlich, und zwar nur bei linker Seitenlage 
und gebeugten Knien. Mehrfach Harnverhaltung und Entleerung des 
Harns durch den Katheter erforderlich. Am 2. X. 1914 wird Patient 
dem von mir geleiteten Vereinslazarett Nollendorf-Sanatorium zugeführt. 

Die objektive Untersuchung ergibt: Rechts neben dem Penis- 
ansatz die Einschussöffnung vernarbt; Ausschussöffnung nicht sichtbar. 
Harn sehr trübe, schwach sauer, mikroskopisch Leukocyten, Erythro- 
cyten, dementsprechender Albumengehalt. Druck auf die BlaseDgegend 
sehr schmerzhaft. Bei RektaluntersuchuDg nach vorn ein quer ver¬ 
laufender Wulst fühlbar, auf Druck sehr schmerzhaft. , 

Die einfache Röntgenaufnahme zeigt ein Geschoss, das quer un 
anscheinend vor der Symphyse liegt; auf Grund einer stereoskopischen 

1) loh möchte noch nachtragen, dass Pat. längst fieberfrei und ausser 
Bett, mit künstlichem Höhenlicht weiterbebandelt wird. Die Wunde ist z- • 
nooh etwa Fünfzigpfennigstück gross, oberflächlich und frisch granulieren. 


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7. Dezember 1914. 


RRM.INER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 



Abbildung 3. 

Die extrahierte Kugel, 
zum Teil inkrustiert. 


Abb. 2. Cystoskopisch-photographische 
Aufnahme der Kugel. 



__ 

Abb. 4. Kugelfänger. 


Röütgeoaufoabme stellt Herr Kollege Arthur Frankel fest dass das 
Geschoss 4 cm hinter der Symphyse liegt (s. Abbildung l)s cystoskopisch 
finde ich das Geschoss in der Blase (s. Abbildung l). 

An der entzündlich veränderten Blasenwand vorn und seitlich mehrere 
Ulcera von Linsen- bis Erbsengrösse. Ich liess mir nun ein Instrument mit 
der Schlagintweit’schen Griffvorrichtung und der Lohnstein sehen Scbaft- 
lampe von der Firma Louis und H. Löwenstein so hernebten, dass die 
beiden Löffel des Schnabels genau der Form und Grosse eines russischen 
Mascbinengewehrgeschosses angepasst waren (s. Abbildung 4). Der Um¬ 
fang des Schnabels beträgt 28 Charr. Fasst man das Geschoss etwa in 
der Mitte, und zwar so, dass die Basis der Kugel nach dem Orificium 
uretbrae hin gerichtet ist, dreht dann die Zange um einen Winkel von 
ungefähr 135° und bringt nun die Löffel ein wenig auseinander, dann 
gleitet die Kugel, bei geübter Anwendung des Instruments, in den 
Schnabel hinein. Im vorliegenden Falle lag aber die Kugel in einer 
divertikelartigen Ausbuchtung der Blase, und nachdem durch Druck mit 
dem ins Rectum eingeführten Finger die Kugel mobil gemacht worden war, 
gelang es nur, sie so zu drehen, dass ihre Spitze nach der Harnröhren- 
öffuung zu gerichtet war. Ich fasste die Kugel von der Spitze her weit 
nach der Basis hin und, nachdem ich auf Rat des mir freundlich 
assistierenden Herrn Kollegen Lohnstein die Blasenflüssigkeit auf 
300 g vermehrt batte, brachte ich durch leichtes Stossen des Instruments 
auf die Blasenwand die Kugel in ihrer ganzen Ausdehuung in den Schnabel 
des Kugelfängers und entfernte sie bequem durch die Harnröhre (s. Ab¬ 
bildung 3). Nach zwei Tagen stand der Patient auf, und nach vier Tageu, 
nachdem Inkrustationen, die der Kugel angebaftet batten, mit dem Harn 
spontan herausgetrieben waren, war die Entleerung des noch etwas 
trüben Harns bis auf ein mässiges Brennen in der Harnröbro schmerzlos. 

Die 14 Tage nach der Kugelentfernung vorgenomraene Cystoskopie 
zeigte 2 Ulcera von etwa Erbsengrösse an der vorderen Blasenwand, 
ferner ein etwa Fünfpfennigstück grosses Concrement, das ich intra- 
vesical zertrümmerte und entfernte. 


Zur Tetanusfrage. 

Von 

Dr. Georg Wolfsohn, 

\ zurzeit Oberarzt im Kriegslazarett .... 

Die in allen Lehrbüchern erwähnte Tatsache, dass sich 
Tetanusfälle im Kriege häufen, scheint sich in diesem Feldzug 
leider zu bewahrheiten. Wenigstens hört und liest man von den 
verschiedensten Seiten Berichte über diese furchtbare Wund¬ 
infektionskrankheit. Bei der Schwere der Krankheitsbilder und 
der Trostlosigkeit unserer Therapie steht das wissenschaftliche und 
praktische Studium des Tetanus zurzeit recht im Vordergründe 
des Interesses. 

In dem grossen Kriegslazarett . . . ., dem ich als chir¬ 
urgischer Stationsarzt zuerteilt bin, habe ich im Verein mit 
anderen Stationsärzten in der Zeit vom 16. September bis 
21. Oktober nicht weniger als 29 Tetanusfälle beobachtet. Es 
handelte sich stets um Kranke mit mehr oder minder grossen, 
tiefbuchtig unterminierten und schmierig belegten Wunden. Die 
Inkubation, vom Zeitpunkt der Verwundung an gerechnet, 
betrug durchschnittlich etwa 5—8 Tage, doch waren auch 16- und 
18 tägige Inkubationen zu verzeichnen. 

Der Symptomenkomplex wich kaum von dem allgemein 
bekannten ab: Subfebrile Temperaturen, Trismus, Opisthotonus, 
Krämpfe der Pharynxmuskulatur, des Gesichts, des Rumpfs, der 
Extremitäten, schliesslich solche des Zwerchfells und der Herz¬ 
muskulatur bei völlig erhaltenem Bewusstsein kennzeichneten im 
allgemeinen das ganz furchtbare Krankheitsbild. 

Von unseren 29 Fällen sind 27 gestorben, nur 2 Fälle 
mit längerer Inkubation haben die Infektion überstanden. Gewiss 
ein recht deprimierendes Resultat, das uns Aerzte mit schreiender 
Notwendigkeit zwingt, so intensiv als möglich an einer Ver¬ 
besserung der Therapie zu arbeiten. 

Die therapeutische Wirkungslosigkeit des Tetanus¬ 
antitoxins muss nach unseren Erfahrungen leider unumwunden 
zugegeben werden. Wir haben das Serum von Meister Lucius 
& Brüning (Höchst) in 26 Fällen unmittelbar nach Ausbruch 
der ersten Erscheinungen in der Dosis von 100 A. E. injiziert, 
und zwar in einigen Fällen subcutan, in anderen int ^muskulär, 
intravenös, perineural, intralumbal, stets mit gleichem Misserfolg! 
In einem Fall (Phlegmone um den Plexus cervicüis herum) 
brach sogar am Tage nach der intramuskulären Injektion von 
60 A.-E. eiu Tetanus aus, welcher in 36 Stunden zum Tode führte. 

Ob etwa nach Ausbruch der Krankheit das Antitoxin schäd¬ 
lich wirken kann, ist eine Frage, die sich schwer entscheiden 
lassen dürfte. Sehr auffallend ist allerdings, dass die beiden 
überlebenden Fälle kein Antitoxin erhalten haben! Die Zahlen 


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UNIVERSUM OF IOWA 

















1884 


RERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT^ 


Nr. 49. 


sind aber natürlich viel zu klein, um irgendwelche Schlüsse aus 
ihnen ziehen zu können. 

Neuerdings ist das Magnesium sulfuricum zur lb * r *P ,e 
des Tetanus warm empfohlen worden. Wir haben es in 9 Fällen 
angewandt, und zwar haben wir 5 mal täglich 2 g (in 20 pro*. 
Lösung) subcutan einverleibt. Ein deutlicher Vorteil war nie¬ 
mals kenntlich. Die beiden geheilten Fälle haben zwar Magnesium 
sulfuricum erhalten, wir hatten aber, wie gesagt, nicht den deut¬ 
lichen Eindruck einer intensiven Heilwirkung. 

Als Symptomaticum, und vielleicht auch als Therapeuticura, 
kann am ehesten noch das Chloralhydrat in einer Dosis von 
10 g pro die empfohlen werden. Es tritt zwar kein ausge¬ 
sprochener Schlaf bei dieser Behandlung ein, wohl aber werden 
die Patienten ruhiger, die schmerzhaften Krämpfe lassen nach, 
der Allgemeinzustand bessert sich. 

Die prophylaktische Wirkung des Tetannsantitoxins 
(Dosis 20 A.-E.) erscheint nach unseren bisherigen Erfahrungen 
sichergestellt. Immerhin wären aber weitere Untersuchungen 
(Masseaimpfungen) auch auf diesem Gebiete noch erwünscht. 


Der Milzbrand als Kriegsseuche. 1 ) 

Von 

Paul Richter-Berlin. 

Unter den SeucheD, welche unsere herrlichen Truppen bei 
dem jetzigen Weltkrieg bedrohen, scheint der Milzbrand nicht die 
nötige Beachtung zu finden. Kirchner hat ihn in seinem Vor¬ 
trag am 7. September überhaupt nicht erwähnt, nur v. Wasser¬ 
mann hat am 24. August auf die Möglichkeit des Auftretens von 
Milzbrandkarbunkeln bei den in Russland kämpfenden Truppen 
hingewiesen. Es scheint in Deutschland nur wenig bekannt zu 
sein, dass der Milzbrand nicht nur eine örtliche, manchmal zu 
Sepsis führende Erkrankung ist, sondern von vornherein als eine 
pestartig auftretende allgemeine Infektionskrankheit auftreten 
kann, und dass er in früheren Zeiten mehrfach als Kriegsseuche 
aufgetreten ist und die kriegerischen Operationen mehrfach er¬ 
heblich beeinflusst hat. 

Von solchen Milzbrandepidemien ist die bekannteste das im 
II. Buch Mosis, Kap. 9, 10, geschilderte „Auffahren von bösen 
schwarzen Blattern, beides am Menschen und am Vieh u bei den 
Aegyptern, wodurch diese in der Verfolgung der Israeliten auf- 
gehalten wurden. Der hier von Luther gebrauchte Ausdruck 
„schwarze Blatter“ ist der früher statt des modernen Ausdruckes 
„Milzbrandkarbunkel“ gebräuchliche, und die Diagnose Milzbrand 
wird daher für diese Epidemie anerkannt, obgleich weitere Sym¬ 
ptome nicht angegeben sind. Es werden nun in historischen 
Schriften eme ganze Reihe von Kriegsseuchen angeführt, bei 
denen gar keine Krankheitserscheinungen angeführt werden, 
welche sich aber von der orientalischen Pest, wie man heute 
richtiger statt Beuleüpest sagt, dadurch unterscheiden, dass zuerst 
Tiere und erst später Menschen ergriffen werden, und welche ich 
deshalb als Milzbrandepidemien ansehen möchte. Mancher er¬ 
innert sich vielleicht noch der Verse aus Homer’s Ilias I, 50 — 52: 

ouprjag pkv nptbrov irar/sTO xai xuväg aypoüg, 
abzäp £7TS£T’ aÖTOiai fielbg i^s-euxsg ipietg 
ßdXk'. ahi ök -upal >s/.6(ov xaiovxo ÜapsiaL 

was Voss übersetzt: 

Nur Maultiere erlegt er zuerst und hurtige Hunde 
Doch nun gegen sie selbst das herbe Geschoss hin wendend 
Traf er, und rastlos brannten die Totenfeuer in Menge. 

Es handelt sich hier um eine Epidemie während der Be¬ 
lagerung Trojas, also um eine echte Kriegsseuche, und ebenso 
beschreibt der römische Dichter L. Annaeus Seneca in seiner 
Tragödie Oedipus eine unter der Regierung des Königs Laomedon 
von Troas herrschende Kriegsseucbe, welche gleichfalls Menschen 
und Tiere ergriff, und welche so beschrieben ist, dass die Zuge 
des Milzbrandes nicht verkannt werden können. Er sagt unter 

anderem: . , . , *• 

180 0 dira novi facies leti, 
gravior leto: 

piger ignavos alligat artus 
'languor et aegro rubor in vultu, 
maeulaeque cutem sparsero leves 


gehalten io d« Berliner 


Medizin 


am 6. November 1914. 


185 tum vapor ipsam 

corporis arcem flammeus unt 
multoque genas sanguine tendit, 
oculique rigeDt, resonant aures 
stillatque niger naris aduncae 
190 cruor et venas rumpit biantes; 
intima creber viscera quassat 
gemitus stridens, et sacer igois 
pascitur artus jamque amplexu 
frigida presso saxa fatigant; . . . 

Aber er sowohl, als auch Ovid in seinen Metamorphosen, 
Buch VII, Vers 523—660, scheinen als prosaische Unterlage ihrer 
Dichtungen einen Schriftsteller benutzt zu haben, dessen Be¬ 
schreibung schon ein Meer von Tinte zu Erklärungsversuchen bat 
verbrauchen lassen, ich meine Tbukydides mit seiner Be* 
Schreibung der Pest in dem durch die Peloponnesier belagerten 
Athen im Jahre 430 1 ). Kirchner hat diese Pest des Tbukydides 
Pocken aufgefasst, eine Ansicht, welche nach der grund¬ 
legenden Schrift von Wilhelm Ebstein (Stuttgart 1899) als 
endgültig aufgegeben angesehen werden muss. Nur der griechische 
Augenarzt Sp. Ferentinos aus Patras hält die Diagnose Pocken 
noch aufrecht, er gibt aber zu, dass es kein gewöhnliches Pocken- 
bild ist, das uns in der Beschreibung des Tbukydides ent 
gegentritt, sondern er kommt zu der gezwungenen Diagnose der 
„Variola discreta (Varioles anomales)“. Dass die Pocken erst 
im Mittelalter über Arabien nach Europa gekommen sind, das ist 
heute fast allgemein anerkannt, und sie sind dabei als typische 
Kriegsseuche aufgetreten, nach der arabischen Tradition im Jahre 
der Geburt Mubammeds (570 nach Christus) zur Zeit des „Ele¬ 
fantenkrieges“, den der christlich-äthiopische Statthalter Abraha 
gegen die eingeborenen Araber führte, um die Stadt Mekka seiner 
Herrschaft und dem Christentum zu unterwerfen. Dabei worden 
die Araber von einem zu Hilfe eilenden persischen Heere unter¬ 
stützt, und während diese wohl schon zum grössten Teile immunen 
Heere durch die Pocken wenig zu leiden hatten, wurde Abrahas 
Heer durch die Pocken so geschädigt, dass er mit seinen Truppen 
nach Aethiopien zurückgehen musste. Die Pocken kommen also für 
die Diagnose der Pest des Tbukydides nicht mehr in Betracht. 
Gestützt auf die Tatsache, dass der Milzbrand eine sehr gefährliche 
Tierseuche ist, und dass sie auch beim Menschen zu ausgedehnten 
Epidemien geführt bat, wie das grosse Milzbrandwerk von Karl 
Friedrich Heusinger 2 ) ergibt, habe ich diese Kriegsseuche für 
Milzbrand erklärt. Ich habe diese Diagnose aber nicht zuerst 
ausgesprochen, sondern dies bat schon Friedrich Jahn aus 
Meiningen im „Janus“ von 1846, S. 375 getan. Die Diagnose 
Milzbrand ist neuerdings ausser von Ferentinos noch von Her¬ 
mann Schröder in Düsseldorf, welcher sie für die orientalische 
Pest erklärt batte, und von Friedrich Kanngiesser bestritten 
worden. Dieser batte zuerst die Diagnose „mit Dysenterie kom¬ 
plizierter Petechialtyphus“ gestellt, aber schon in einem Nach¬ 
trag bei der Korrektur seiner ersten kurzen Mitteilung den Zweifel 
ausgedrückt, ob die Krankheit nicht doch Milzbrand wäre, und 
ist dann in mehreren ausführlichen Mitteilungen ^wieder zu seiner 
„ersten Liebe“, dem Fleckfieber, zurückgekehrt. In einer aus¬ 
führlichen Monographie werde ich den Beweis zu führen ver¬ 
suchen, dass alle gegen die Diagnose Milzbrand gemachten Ein¬ 
wände hinfällig sind, nnd dass das Bild der von Tbukydides 
geschilderten Seuche mit den in der Literatur der letzten Jahr¬ 
zehnte gegebenen Beschreibungen der Milzbrandseucbe fast restlos 
übereinstimmt. 

Die Seuche soll ihren Anfang in Aethiopien genommen, sich 
dann in Aegypten und Persien ausgebreitet, auch in der Um¬ 
gebung von Lemoos und an anderen Orten gezeigt haben, bis me 
im Beginn des Sommers 430, als die Peloponnesier und ihre 
Bundesgenossen in Attika eingefallen waren, im Piräus, der Hafen¬ 
stadt von Athen, ausbrach. Die Krankheit trat ohne jede or- 
boten auf mit Hitze des Kopfes, Rötung und Entzündung w 
Augen, blutartiger Verfärbung des Rachens und der Zunge. 
Atem war übelriechend, dann trat Niesen und Heiser e * ’ 
ferner starker Husten und quälendes Erbrechen galliger 
mit krampfartigem Schlucken. Die Haut war weder 86 . 

noch blass, sondern mässig gerötet, blauschwarz und mit 
Ausschlag von kleinen Wasser- und Eiterblasen ^ 

aber brannte der Körper so, dass die Kranken bitten, 

decken Hessen und sich am liebsten ins Wasser E e ta ts5cb- 

was viele, welche nicht die nötige Wartung batten, 




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7. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1886 


lieb vollführten, da sie von unerträglichem Durste gequält wurden. 
Aber trotz Unruhe und Schlaflosigkeit magerten die Kranken nicht 
ab, sondern widerstanden den Qualen, bis die meisten am 9. oder 
7. Tage durch die innerliche Hitze, ohne entkräftet zu sein, zu¬ 
grunde gingen. Wenn sie aber durchkamen, dann stieg die Krank¬ 
heit in den Unterleib hinab und verursachte dort heftige Koliken 
und unstillbare Diarrhöe, so dass viele Kranke durch Entkräftung 
starben. Schliesslich wurden auch die Endglieder ergriffen: die 
Krankheit befiel die Scbamteile, die Finger- und Zehenspitzen, 
welche abfielen, manche erlitten den Verlust der Augen. Andere 
aber zeigten, nachdem sie wieder genesen waren, einen vollstän¬ 
digen Verlust des Gedächtnisses, so dass sie weder sieb selbst, 
noch ihre Angehörigen kannten. Auch Vögel und vierfüssige 
Tiere wie Hunde wurden von der Krankheit ergriffen. Ein 
Heilmittel, das allen geholfen hätte, gab es nicht, was dem einen 
half, das schadete dem anderen. Starke wurden ebenso wie 
Schwache von der Krankheit fortgerafft, auch solche, welche eine 
richtige Lebensweise führten. Die allgemeine Mutlosigkeit und Aus¬ 
sichtslosigkeit des Kampfes gegen die Krankheit führte dann zur voll¬ 
ständigen Vernachlässigung aller sittlichen Pflichten. Man liess die 
Erkrankten ohnePflege liegen;denn wenn man sich um sie kümmerte, 
dann wurde man von der Krankheit ergriffen. Nur die von der Krank¬ 
heit Genesenen pflegten die Erkrankten ohne Gefahr, da man die 
Beobachtung gemacht hatte, dass die Krankheit denselben 
Menschen nicht zum zweiten Male befiel, so dass sie ihn auch 
nicht töten konnte. Das Zusammenströmen der von den ein¬ 
gedrungenen Feinden vertriebenen Landleute in die Stadt, wo sie 
keine Wohnung fanden, sondern in stickigen Hütten wohnten, 
vermehrte die Zahl der Toten, die ohne Ordnung auf den Wegen 
und an den Brunnen, wo sie ihren Durst zu löschen versucht 
hatten, sowie in den Tempeln, wo sie Obdach gefunden hatten, 
herumlagen. Leider gibt Thukydides keine vollständigen Zahlen 
über die Einwohner Athens und die Todesfälle an der Seuche. 
Nach der Beschreibung muss die Mortalität in der belagerten 
Stadt eine riesige gewesen sein. Nur zweimal finden sich Zahl¬ 
angaben. Wohl um die Belagerer abzulenken, machten die 
Athener mit ihrer Flotte einen Einfall auf die Halbinsel Chalki- 
dike und belagerten dort die Stadt Potidäa. Da aber unter der 
Geharnischten der Flotte die Seuche ebenfalls ausbrach und von 
4000 innerhalb 14 Tagen 1050 Mann tötete, so mussten die 
Athener ihre Truppen von Chalkidike zurückziehen. Unter den 
Belagerern als über 25 pOt. Todesfälle, wieviel schlimmer muss 
dies unter den Belagerten gewesen sein (1. c., II, 67 u. 58). Die 
«weite Zahlenangabe bezieht sich auf einen späteren Wiederaus¬ 
bruch der Pest. Während die erste Epidemie 2 Jahre angehalten 
and auch dann nie völlig aufgehört hatte, brach sie im Spät¬ 
herbst 427 zum zweiten Male in Athen ans und dauerte jetzt 
1 Jahr, und es starben diesmal 4400 Schwerbewaffnete und 
300 Heiter, von dem übrigen Volk aber eine nicht mit Bestimmt¬ 
heit festznstellende Zahl, welche von Böckh in seiner Staats- 
haushaltung der Athener auf 18 bzw. 25 pCt. bei einer Einwohner¬ 
zahl von 360 000 Menschen geschätzt wurde (1. c., III, 87). 

Ich übergehe die Schilderung, welche Diodor in seiner 
Bibliotheca historica (lib. XII, cap. 58) und T. Lucretius Carus 
in seinem Lehrgedicht „Ueber die Natur der Dinge“ (lib. VI, 
vers. 1146—1229) nach Thukydides von der Pest im belagerten 
Athen geben. Wenn man diese Beschreibung mit dem vergleicht, 
was in den schon nicht mehr ganz modernen Werken über den 
Milzbrand von Wilhelm Koch aus dem Jahre 1886 1 ) und 
F. v. Koränyi aus dem Jahre 1897 2 ) enthalten ist, und beachtet, 
wie viel schlimmer die hygienischen Verhältnisse in dem be¬ 
lagerten Athen waren, als heute selbst in unkultivierten Ländern, 
in denen jeder Milzbrandkarbnnkel sofort behandelt und milz- 
braodk ranke Tiere unschädlich gemacht werden, dann wird man 
begreifen, dass das heute nicht mehr beobachtete Absterben der 
Schamteile and der Finger- and Zehenspitzen, das durch Brand¬ 
formen des sogenannten Milzbranderysipels pathologisch ohne 
Schwierigkeiten erklärt werden können, und der Verlust des 
Gedächtnisses, welcher durch mehrfach beobachtete Erweichungs- 
nerde im Kleinhirn erklärt wird, Thukydides besonders anf- 
flel. Der Verlust der Augen ist durch Karbunkelbildung an den 
Augenlidern ohne weiteres erklärt. Wie dürfen also wohl 
die von Thukydides beschriebene, im belagerten Athen aus- 
brochene Kriegsseuche, welche aber unter den Belagerern nicht 
herrschte, als Milzbrand ansehen. 


1) Deutsche Chirurgie von Billroth und Lücke, Lieferung 9. 
*) Nothnagel’s Handbuch, Bd. 5, Teil 5, Abt. 1. 


Auch bei der von Diodor geschilderten Seuche im Lager 
der Karthager vor Syrakus im Jahre 896 v. Cbr. 1 ) nehme ich an, 
dass es sich um Milzbrand gebandelt hat. Wie bei der Pest des 
Thukydides trat in einem sehr heissen Sommer nach der Ein¬ 
nahme einer Vorstadt von Syrakus durch die Kartbager unter 
diesen in einem engen Raume dicht Zusammengedrängten eine 
Krankheit auf, die mit brennender Hitze und einem Katarrh be¬ 
gann, zu Schwellungen am Halse, Rückenschmerzen und heftigen 
Durchfällen führte und bei der ein Ausschlag von kleinen Bläs¬ 
chen über den ganzen Körper ausgebreitet vorhanden war. Da¬ 
zu kamen Aufregungsznstände und Verlust des Gedächtnisses. 
Der Tod erfolgte am fünften, höchstens sechsten Tage unter grossen 
Qaalen. 160 000 Karthager fielen der Seuche zum Opfer. Wenn 
auch in dieser Beschreibung eine gewisse Aehnlicbkeit mit den 
Pocken za finden ist, so glaube ich doch, dass auch bei dieser 
Kriegsepidemie nicht Pocken, sondern wie bei der Pest der 
Athener Milzbrand vorliegt. Nun wird hier allerdings nichts von 
Erkrankungen der Tiere mitgeteilt, aber die Möglichkeit, dass 
man bei dem riesigen Menschen vertust das Fallen der Tiere als 
etwas selbstverständliches und deshalb gar nicht erst erwähnens¬ 
wertes betrachtete, liegt jedenfalls vor. Ganz eigentümlich sind 
nun die zahlreichen, bei verschiedenen griechischen und römischen 
Historikern erwähnten Epidemien, bei denen es sich um typische 
Epizootien, d. h. um von Tieren auf die Menschen übertragene 
Epidemien handelt, welche öfter die kriegerische Tätigkeit erheb¬ 
lich gestört haben, bei denen aber keinerlei Erscheinungen ansser 
den grossen Verlusten mitgeteilt werden, und die ich deshalb als 
Milzbrandepidemien ansehen möchte, weil bei keiner anderen 
Seuche die Tiere so erheblich mitgenommen werden wie beim 
Milzbrand. Ich nenne hier, ohne auf Vollständigkeit Anspruch 
zu erheben, eine im Jahre 753 in Rom herrschende Seuche bei 
Tieren und Menschen 2 ), welche die Kamenier, einen in der Um¬ 
gebung der nen gegründeten Stadt wohnenden altitalischen Stamm • 
veranlasste, die Römer anzugreifen, da sie glaubten, dass diese 
durch die Seuche in ihrer Verteidigungskraft sehr geschwächt 
wären, aber Romulus schlug den Angriff zurück und tötete 6000 
von ihnen 8 ). Es folgt dann eine im Jahre 488 in Rom herr¬ 
schende Tierseuche, bei welcher allerdings wenige Menschen er¬ 
lagen, die aber durch den Verlust der Zugtiere die kriegerischen 
Operationen hemmte 4 ); dann im Jahre 463 eine grosse Tier- und 
Menschenseuche, deren Schrecken durch die unhygienischen Ver¬ 
hältnisse der in der belagerten Stadt zusammengedrängten Stadt- 
und Landbevölkerung und durch die grosse Hitze vermehrt wurde 8 ), 
eine weitere im Jahre 454, bei welcher die Sterblichkeit unter 
Menschen und Tieren eine ausserordentlich grosse war 8 ), ferner 
im Jahre 434 7 ) und 428 8 ), im Jahre 899, wo ausser dem durch 
die Seuche erzeugten Tier- und Menscbenverlost ein angewöhnlich 
strenger Winter herrschte, in welchem die Wege durch den 
Schnee unwegsam wurden und der Tiber zufror, so dass man die 
Feindseligkeiten einstellen musste und Freund und Feind, Be¬ 
kannte und Fremde in den offen stehenden Häusern Zuflucht 
suchten und fanden, um nur das liebe Leben zu erhalten 9 ). Es 
folgt dann die Seuche im Lager der Karthager vor dem von 
ihnen belagerten Syrakus, das von den Römern unter Marcellus 
verteidigt wurde im Jahre 212, bei welcher von Livins (XXV, 
26, 7) nur von Menschenverlusten die Rede ist, während Sil ins 
Italicus 10 ) auch Tierverluste erwähnt und gleichzeitig Krank¬ 
heitserscheinungen beschreibt, die aber deutlich zeigen, dass 
Lukretias ihnen als Vorlage gedient hat. Besonders wichtig 
ist dann eine 174 in Rom herrschende Seuche, welche im Vorjahre 
als Tierseuche aufgetreten war, bei welcher die meisten Erkrankten 
den 7. Tag nicht überlebten und die Zahl der Gestorbenen so 
gross war, dass sehr viele unbeerdigt bernmlagen und von Vögeln 
und Hunden angefressen wurden [Livins, XLI, 21, 5] 11 ). 


.1) Historische Bibliothek, Buch XIV, Kap. 70—76. 

2) Dionysius von Harlikarnassus, Antiquitates Romanorum, 
Buch II, Kap. 54, 1. 

3) Plutarch, Vita Romuli, Kap. 24. 

4) Dionysius, 1. c. VII, 68, 2. 

5) Dionysius, IX, 67, und Livius, Ab urbe condita lib., III, 6. 

6) Dionysius, X, 53, Livius, III, 32, 2. 

7) Livius, IV, 25, 4. 

8) Livius, IV, 30, 8. 

9) Livius, V, 13, 4. 

10) Punica, XIV, 580-626. 

11) Ich kann diese kleine Mitteilung nicht zum Druck gehen lassen, 
ohne die „Recherches de pathologie compar^e“ von '„Charles Fr6d6ric 
Heusinger 0 (Cassel 1847) zu erwähnen, welche mir die Sammlung der 
Literatur wesentlich erleichtert haben. 

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188Ö 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


Wir kommen dann aber in eine Zeit, wo das gleichzeitige 
Auftreten von Heuschreckenschwärmen und die fehlende Erwähnung 
der Tierseuchen die Diagnose echte orientalische Beulenpest für 
die Kriegsseuchen immer mehr wahrscheinlich macht. Vielleicht 
hatte doch die fortschreitende Erkenntnis der Gefahr der Tier¬ 
seuchen manche Kriegsgelüste unterdrückt, auch wenn man sich 
über die wirkliche Ursache dieser Erkrankungen erst am Ende 
des 19. Jahrhunderts klar geworden ist. 


Aus dein Institut für medizinische Forschung von 
Dr. L. H. Marks in Frankfurt a. M. 

Chemotherapeutische Versuche bei Vogel¬ 
malaria. 

Von 

Dr. L. fi. Marks. 

Die folgenden Versuche sind unter der Anregung von Exz. 
Ehrlich in dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie vor 
etwa 6 Jahren aufgefangen worden und sowohl in dem oben er¬ 
wähnten Institut als auch in meinem Laboratorium fortgeführt 
worden. Die Arbeiten mussten aus technischen Gründen öfters 
unterbrochen werden, da es nicht immer möglich war, die er¬ 
forderliche Menge von Vögeln in allen Jahreszeiten aufzutreiben. 
Besonders hervorheben möchte ich, dass die Versuche in mancher 
Hinsicht nur unvollständig sind und daher lediglich als Vor¬ 
arbeiten auf dem Gebiete der Chemotherapie der Malaria aufzu¬ 
fassen sind. 

Es ist ja bekannt, dass der Mechanismus der Cbininwirkung 
noch nicht hinreichend geklärt ist, eine Frage, über die sich 
v. Wasielewski 1 ) in seiner Monographie folgendermaassen 
äussert: „Man ist bei der Chininbehandlung der tertianen Fieber 
im Unklaren darüber, ob die Chinin-Präparate selbst oder, was 
wahrscheinlicher ist, ob und welche Umwandlungsprodukte der¬ 
selben im Körper dieses bewirken oder, ob das Chinin nur als 
Reizmittel die natürlichen Schutzmittel des Körpers steigert.“ 

Es ist ausserdem aus klinischen Beobachtnngen hinreichend 
bekannt, dass das Chinin nur eine geringe Wirkung auf die 
schweren Formen der Malaria besitzt und sich sogar häufig ter- 
tiane Infektionen finden, die sich dem Chinin gegenüber als 
resistent erwiesen. Aus der Tatsache jedoch, dass in den letzten 
Jahren eine Reihe von Untersuchungen der Therapie der Malaria 
gewidmet waren, erhellt zur Genüge, wie wichtig und notwendig 
die Bestrebungen znr Auffindung eines spezifisch auf das Plas¬ 
modium selbst wirkenden Mittels sind. 

Erst kürzlich hat Bass 2 ) auf Grund seiner umfangreichen 
Erfahrungen mit Malaria und der Cultivierung des menschlichen 
Plasmodiums die Vermutung geäussert, dass das Chinin überhaupt 
keine direkte Wirkung auf das Plasmodium hat, sondern dass es 
die Permeabilität der roten Blutkörperchen steigert, wodurch die 
in den Blutkörperchen enthaltenen Parasiten der Wirkung der 
natürlichen Scbutzkräfte des Serams und der der Leukocyten 
leichter zugänglich würden. Dass die plasmodiumbaltigen Blut¬ 
körperchen durch das Chinin tatsächlich beeinflusst werden, geht 
aus den Arbeiten von Monaco und Panichi 3 ) sowie von An¬ 
schütz 4 5 ) hervor. So haben die erstgenannten Autoren bei ihren 
Untersuchungen als Maassstab für die Wirkung des Chinins das 
veränderte Aussehen und den Austritt bzw. die Loslösung der 
Parasiten vom Erythrocyten ansehen zu können geglaubt 

Für die direkte Wirkung deB Chinins auf die roten Blut¬ 
körperchen sprechen ferner die Angaben von Anschütz, nach 
denen in einem hängenden Tropfen Chininlösung die parasiten¬ 
haltigen Blutkörperchen ihr Hämoglobin schneller abgeben wie 
die normalen Blutkörperchen und daher zu Boden sinken würden. 

Wenn das menschliche Plasmodium nicht weniger empfäng¬ 
lich für den direkten Einfluss von Chinin ist als das Vogel¬ 
plasmodium, dann steht die Vermutnng von Bass mit den mit 
Vogelplasmodium angesteliten Untersuchungen von Wasielewsky, 
Anschütz, Kopanaris*) und auch mit unseren eigenen Unter¬ 
suchungen im Einklang. Die drei erstgenannten Autoren kamen 


1) v. Wasielewski, Pathogene Protozoen. Leipzig 1908, A. Barth. 

2) C. Bass, Am. journ. trop. diseas. and prevent. medic. Feb. 1914. 

3) Monaco und Panichi, cit. bei v. Wasilewski, S. 132 

4) 0. Anschütz, Cbl. f. Bakt., Orig., 1910, Bd. 54, S. 277 

5) Kopanaris, Arch. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1911, Bd. 15 S 586 


alle zu dem Ergebnis, dass eine relativ stark konzentrierte Lösung 
von Chinin bei direktem Kontakt mit dem Plasmodium in vitro 
erforderlich ist, um die Parasiten zu zerstören oder wenigstens 
ihre Infektiosität aufzuheben. Wir haben gefunden, dass eine 
Lösung von 1 zu 2400 bei einstündigem Aufenthalt im Brut¬ 
schrank nicht imstande war, das Plasmodium zu zerstören, sondern 
nur eine geringe Verzögerung der Infektion nm ca. 24 Stunden 
verursachte. Dagegen war eine Lösung von 1 zu 1200 unter den 
gleichen Bedingungen imstande, sämtliche Parasiten innerhalb 
einer Stunde abzutöten oder ihnen wenigstens ihre Infektiosität 
zu nehmen. Wenn daher das Chinin ausschliesslich und direkt 
auf das Plasmodium selbst wirkt, so müsste man notwendigerweise 
eine relativ starke Konzentration des Chinins im Körper als Vor¬ 
bedingung der Wirksamkeit annehmen. Diese Vorstellung ist aber 
nicht angängig, da ja die dem Körper zuführbaren Mengen Chinin 
begrenzt sind und insbesondere die im Blut za erzielende Kon¬ 
zentration nicht im entferntesten an die im Reagenzglasversuch 
als notwendig ermittelte Dosis heranreicht. 

Bei der Divergenz, die zwischen der Wirksamkeit des Chinins 
in vitro und in vivo besteht, ist besonders die Annahme zu dis¬ 
kutieren, dass das Chinin im Körper zu chemischen Verbin¬ 
dungen umgewandelt wird, die auf das Plasmodium stärker ein¬ 
wirken als das Chinin selbst. Analoga für diese Auffassung 
kennen wir namentlich aus einer Reihe chemotherapeutischer 
Entdeckungen, die wir dem Scharfblick Paul Ehrlich’s ver¬ 
danken. Es sei hier nur daran erinnert, dass z. B. Trypanrot nnd 
Atoxyl sich zwar im Reagenzglasversuch als unwirksam erwiesen, 
im Tierversuch jedoch ausgezeichnet trypanosomenabtötend wirken. 

Folgt man jedoch der von Bass entwickelten Anschauung, 
so muss man als Ursache bei den Chinin gegenüber resistenten 
Tertianaformen annehmen, dass entweder die natürlichen Schatz¬ 
kräfte des Körpers fehlen oder nicht in genügender Menge pro¬ 
duziert werden, oder dass zeitweise die roten Blutkörperchen des 
betr. Organismus dem Chinin gegenüber eine gewisse Resistenz 
besitzen, so dass das Chinin nicht wie bei normalen Blutkörper¬ 
chen im Sinne einer Steigerung der Permealität wirken kann. 
Folgt man der ersteren Anschauung, so liegt der Gedanke nahe, 
bei den Chinin gegenüber resistenten Malariaformen entweder die 
Chinintherapie mit einer Behandlung mit Malariarekonvaleszent- 
seram za kombiniereu oder statt dessen den Körper zur Produktion 
natürlicher Abwehrstoffe durch aktive Immunisierung mit einer 
Plasmodiumvaccine anzuregen. Versuche über diese Frage sind 
im Gang. 

Gegen die Anschauung von Bass von der direkten Abtötnng 
der Parasiten durch Serumstoffe scheint jedoch die Tatsache in 
sprechen, dass unseren Erfahrungen nach das Plasmodium meist 
auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen sich befindet, Beob¬ 
achtungen, die den Befunden von Rowiey-Lawson 1 ) entsprechen. 
Die Plasmodinen würden also demnach der Beeinflussung durch im 
Serum enthaltene Schutzstoffe jederzeit leicht und sicher zugäng¬ 
lich sein. Man kann also im Sinne der von Bass entwickelten 
Anschauung den Serumstoffen keinen besonderen Einfluss auf die 
Parasiten zuschreiben, sondern muss vielmehr annebmen, dass 
phagocytären Vorgängen bei der Vernichtung des Plasmodiums 
eine grössere Bedeutung zukommt. 

Bei den Untersuchungen, über die ich mir im Folgenden zu 
berichten erlaube, handelt es sich zunächst um die Beeinflussung 
der Plasmodien durch Chemikalien. 

Bei den Untersuchungen waren die Prinzipien maassgebend, 
die von Ehrlich für chemotherapeutische Arbeiten entwickelt 
worden sind. Vor dem Beginn der eigentlichen Heil- und Schutz- 
versuche wurde bei jedem Präparat die Dosis tolerata festgestellt. 
Natürlicherweise bot die Durchführung experimenteller Versuche 
mit Kanarienvögeln in so grossem Umfang, wie es hier geschah, 
grosse Schwierigkeiten. Denn die Kanarienvögel erwiesen sieb 
gegenüber einer Reibe äusserer Schädlichkeiten, wie z. B. Ein¬ 
spritzungen, Blutentnahme, Temperaturwechsel, Zugluft als änsserst 
empfindlich. Ausserdem kommen, wie schon Wasielewski er¬ 
wähnt hat, bei Kanarienvögeln ziemlich häufig Seuchen ver¬ 
schiedener Art vor, die sich unter den Tieren schnell verbreiten 
und viele Opfer fordern. Um derartigen Vorkommnissen möglichst 
vorzubeugen, haben wir jeden Vogel in einem besonderen Käfig 
gehalten und zwischen den einzelnen Käfigen einen gewissen 
Zwischenraum gelassen. 

Ausserdem haben sich die von uns benutzten Käfige als be- 
Vol. XtX, 0 * le) "" LairSOn ’ Journ ' ei P- m «d., 1913, Vol. XVII; 1914, 


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7. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1887 


sonders gut geeignet erwiesen, da sie vollkommen aus Metall 
bestehen und sich daher bequem sterilisieren lassen. 

Zu unseren Versuchen diente ein Plasmodium-Stamm, der 
uns von Herrn Prof, von Wasielewski in Heidelberg in liebens¬ 
würdiger Weise überlassen worden war, wofür ihm auch an dieser 
Stelle unser verbindlichster Dank ausgesprochen sei. 

Bei der Infektion der Vögel nach dem von v. Wasielewski 
empfohlenen Modus zeigten sich die ersten Parasiten nach 8 Tagen 
im Blut. Da uns dieses Intervall zu lang erschien, versuchten 
wir zunächst durch eine Aenderung des Infektionsmodus die Zeit 
bis zum Erscheinen der Parasiten im Blut abzukürzen. Wir ver¬ 
fuhren deshalb derart, dass wir zur Infektion der Vögel grössere 
Mengen stark parasitenhaltigen Blutes verwendeten. Zur Gerinnung 
des Blutes bevorzugten wir folgende Technik, die sich uns als 
gehr geeignet erwies: 

Ein auf der Höhe der Infektion befindlicher Vogel, dessen Blut¬ 
körperchen in etwa 30 pCt. Parasiten beherbergten, wird mit der linken 
Hand derart gefasst, dass sein Rücken in der hohlen Hand liegt und 
sein Kopf zwischen Daumen und Zeigefinger festgehalten und leicht nach 
rückwärts gebeugt wird. Dann werden die Federn des oberen Brustkorbs 
und der vorderen Halspartie so schnell und vorsichtig wie möglich aus¬ 
gerupft, die jetzt freiliegende Haut mit Alkohol abgerieben und hierauf 
mit steriler Watte abgetrocknet. Durch die dünne Haut sieht man 
nunmehr eine Arterie und eine Vene durchsoheinen, die maD, ohne die 
Traohea und den Oesophagus zu verletzen, mit einem Scherenschlag 
dnrchsohneidet. Das austretende Blut wird in einer 2 ccm sterile 
physiologische Kochsalzlösung enthaltenden sterilen Petrischale aufge- 
fangen, und um Gerinnung zu vermeiden, durch öfteres Aufziehen mit 
einer Spritze gut durchgemischt. Von jedem Vogel erhält man auf diese 
Weise etwa Va com Blut, das durch das Mischen mit der Kochsalzlösung 
etwa 5 fach verdünnt wird. Von dieser Mischung wurden jedem Vogel 
0,5 oom intramuskulär injiziert. 

Nach mehrmaligen Passagen gelaDg es auf diese Weise, die 
Infektiosität der Parasiten derart zn steigern, dass schon am 
zweiten oder dritten Tag sich in einem Ausstrichpräparat mehrere 
Parasiten fanden, während am vierten Tage schon vier oder noch 
mehr Parasiten sich in jedem Gesichtsfeld nach weisen Hessen. 
Die meisten Vögel erlagen der Infektion mit dem derart in seiner 
Wirkung gesteigerten Stamm in 8—10 Tagen. Dieser Infektions- 
modns mit dem stark infizierten Blut diente jedoch nur dazu, den 
Stamm fortzuzüchten und auf der Höhe seiner Infektiosität zu 
halten. 

Bei den eigentlichen Versuchen wurde das Blut nur in etwa 
16 facber Verdünnung injiziert. Bei der dadurch bedingten 
schwächeren Infektion Hess sich erst am 8. Tage bei der Unter¬ 
suchung im Ausstrichpräparat in etwa jedem 6. Gesichtsfeld ein 
Parasit nachweisen, am 4. Tag fanden sich schon etwa 1—2 Para¬ 
siten in jedem Gesichtsfeld. Selbst an dieser relativ schwachen 
Infektion sind jedoch viele unserer Vögel unter dem Blutbild 
einer schweren Infektion ad exitum gekommen. Besonders hervor¬ 
heben möchte ich an dieser Stelle, dass trotz des von uns be¬ 
nutzten grossen Versuchsmaterials von Kanarienweibchen in keinem 
Fall eine natürliche Immunität eines Vogels zu beobachten war. 

Wir haben zur Untersuchung der Parasiten und zur Kontrolle des 
Blutbildes im Anfang sowohl native Deckglaspräparate wie auch nach 
Giemsa gefärbte Ausstriche angewandt, sind aber später ausschliesslich 
zur Benutzung von nach Giemsa gefärbten Ausstrichpräparaten über¬ 
gegangen, da mit dieser Methode nach unseren Erfahrungen vereinzelte 
Parasiten leichter auffindbar sind, als in nativen, ungefärbten Deckglas¬ 
präparaten. 

Man erhält sehr schön gefärbte Ausstrichpräparate, wenn 
man der verdünnten Giemsalösung einige Tropfen einer Lösung 
von Kaliumcarbonat in destilliertem Wasser (1: 1000) zufügt. 

Die Injektion der zu untersuchenden Substanzen erfolgte 
analog derjenigen des zur Infektion dienenden Bluts immer in 
die Brustmnskulatur und zwar derart, dass das infizierende Blut 
in die linke Seite, die Heilsubstanzen in die rechte Seite injiziert 
wurden. 

Dabei wurden die Federn der zu injizierenden .Seite mit Alkohol 
getränkt und beiseite geschoben. Auf diese Weise erhielt man ein leicht 
zu übersehendes iDjektionsfeld. Mit einer gewissen Uebung liess sich die 
Injektion nun derart vornehmen, dass beim Herausziehen der Spritze 
kein Tropfen der injizierten Flüssigkeit herausquillt. Zu diesem Zweck 
ist es ratsam, die Haut über der Injektionsstelle nach der anderen Seite 
hinüberzuziehen und sie nach erfolgter Injektion beim Herausziehen der 
Kanüle wieder loszulasseu, wodurch ein Verschluss des Injektionskanals 
resultiert. Die Injektion wird am besten in der Mitte der Brustmuskulatur 
der gewählten Seite vorgenommen und muss ziemlich tief in die Mus¬ 
kulatur hiueiu erfolgen. Mehr wie V* com au ^ einmal in eine Brustseite 
zu injizieren ist nicht ratsam, da grössere Quantitäten erfahrungsgemäss 
von den Vögeln sohlecht ertragen werden. 


Anfangs gingen wir bei unseren Versuchen so vor, dass wir 
erst nach Erscheinen der Parasiten im Blut die zu prüfenden 
Substanzen intramuskulär injizierten. Da bei diesem Modus der 
Applikation keine unserer Substanzen sich deutlich wirksam er¬ 
wies, änderten wir die Versuchsanordnung dahin, dass wir ent¬ 
weder gleichzeitig mit der Infektion oder einen Tag später mit 
der Therapie begannen und bei einer Reihe von Versuchen die 
Injektionen täglich wiederholten, bis uns die im Blute auftretenden 
Parasiten zeigten, dass die geprüften Substanzen keine Schutz¬ 
oder Heilwirkung besassen. 

Natürlich begannen wir unsere Versuche mit dem Chinin. 
Doch zeigte sich dabei im Gegensatz zu den Angaben von 
Kopanares schon bald, dass das Chinin auf die Parasiten der 
Vogelmalaria -ohne besonderen Einfluss ist, wie dies ja auch schon 
aus den Versuchen und Angaben von Anschütz eigentlich hervor 
geht. Selbst bei täglicher Injektion der maximalen Dosis Chinin 
(0,5 g in Lösung von 1:200 pro 20 g Vogel) traten sowohl im 
Schutz- wie im Heilversuch gleichzeitig mit der Kontrolle die 
Parasiten im Blut auf, und die Infektion nahm ihren gewöhnlichen 
Verlauf. Dasselbe gilt für Methylenblau. 

Trotzdem wir eine ganze Reihe verschiedenartiger Mittel auf 
ihren Schutz- und Heileffekt untersacht haben, konnten wir doch 
keine in irgendwie nennenswerter Weise wirksame Substanzen 
auffinden. Unter anderen wurden folgende Sabotagen besonders 
eingehend geprüft: Thymol, Arsenophenylglycin, Salvarsan, 
Trypanblau, Trypanrot, Tryparosan, Chinolingelb, Crysoidin, Neu¬ 
tralrot, Benzamin, Acridin, Isaninblau, Phenosafranin, Cyanosin, 
Eosin G. G. B., Phenocoll. hydrochlor., Oxazin III, Brechwein¬ 
stein, Thiopyronin, Platin, kalium rodatom, Hydrochinin, hydro- 
chloricum, Atoxyl, arsenigsaures Natrium. 

Erst in der letzten Zeit gelang es uns, mit gewissen Tri- 
phenyImethanfarbstoffen, wie z. B. Brillantgrün und Malachitgrün 
eine, wenn auch nicht sehr ausgesprochene Wirkung zu erzielen. 
So vermochte das Brillantgrün, wenn es gleichzeitig mit der in¬ 
fizierenden Dosis injiziert wurde, die Infektion im Verhältnis zu 
der Kontrolle um 4—6 Tage zu verzögern. Dabei wurde selbst¬ 
verständlich, wie schon in der Einleitung auseinandergesetzt, das 
infizierende Blut in die rechte Seite der Brustmoskulatur, das 
Brillantgrün in die linke Seite injiziert. Wiederholt man die 
Injektion des Brillantgrans am Tage nach der Infektion, so ist 
die Schutzwirkung noch deutlicher ausgesprochen, und es scheint 
sogar, als ob auf diese Weise bei einer Reihe von Fällen das 
Angehen der Infektion überhaupt sich verhüten lässt. Ueber 
diese Versuche, die noch nicht abgeschlossen sind, werden wir 
uns demnächst zu berichten erlauben. 

Die geringgradige Wirknng von Mitteln, wie Chinin und 
Methylenblau, die beim Menschen bekanntlich so gut wirken und 
sogar auch bei Vögeln bei oraler Applikation, wie später gezeigt 
wird, von einem gewissen Effekt sind, könnte unseres Erachtens 
Dach darauf beruhen, dass die betreffenden Mittel bei intra- 
muskulöser Applikation zu rasch resorbiert und infolgedessen zu 
rasch ausgeschieden werden. Man kann nämlich beobachten, 
dass fast sofort nach der Methylenblauinjektion der Schnabel der 
Vögel und die Exkrete bläulich gefärbt, sind und es erscheint uns 
von besonderem Interesse, dass, wenn die Vögel nach der In¬ 
jektion einer etwas die Maximaldosis überschreitenden Methylen¬ 
blauinjektion sofort erbrechen, der erbrochene Mageninhalt schon 
blau gefärbt ist. Doch hält die Blaufärbung nicht sehr lange 
an; schon nach einigen Stunden zeigte sowohl der Schnabel wie 
auch die Exkremente wieder ihre natürliche Farbe. 

Ausgehend von der Annahme, dass gerade diese allzuschnelle 
Resorption einer nachhaltigen Wirkung im Wege stehen könnte, 
sind wir bei den weiteren Versuchen dazu übergegaugen, die zu 
untersuchenden Substanzen teils in öliger Suspension, teils als 
fettsaure Salze zu injizieren, ohne dass jedoch ein besonderer 
Erfolg zu erzielen war. 

Da, wie sich aus diesen Versuchen ergab, die benutzten 
Substanzen bei intramuskulärer Applikation zunächst ohne nennens¬ 
werten Einfluss auf den Verlauf der Infektion waren, gingen wir 
zu einer anderen Applikationsart über und versuchten zunächst, 
die von uns 1 ) für Mäuse angegebene Methode der intrastomachalen 
Einfuhr von Arzneimitteln durch die Magensonderfütterung auch 
bei den Vögeln anzuwenden. Doch erwies sich dieser Weg als 
nicht gangbar, da es einmal nicht immer gelang, mit der Sonde 


1) L. H. Marks, 
H. 4, S. 29. 


Arbeit, aus dem Inst. f. exper. Therapie, 1908, 

2 * 


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1888 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


ia den Magen selbst za gelangen und andererseits die Vögel selbst 
auf den Eingriff oft mit Erbrechen reagierten. 

Wir zogen daher bei anseren weiteren Versuchen die von 
Ehrlich mit so grossem Erfolg benutzte Methode der Verfutte 
rang des Heilsmittels heran und applizierten die gewünschten 
Substanzen prozeDtweise in einer Mischung, die wir folgender- 
maassen bereiteten: 30 g Vogelbisquit, 80 g zerquetschte Rüb- 
samen, 30 g Hafergrütze and 10 g Staubzucker wurden gemischt 
und mit der gewählten und in Alkohol gelösten oder suspendierten 
Substanz getränkt. Hierauf wurde die Mischung in der Sonne 
getrocknet und dann verfüttert. Von den eigentlichen Schutz- 
versüchen wurde natürlich immer die Toleranzdose der betreffenden 
Sabotagen durch Verfüttern der mit der Substanz imprägnierten 
Nährmischung bestimmt. Während die Vögel die Mischung allein 
im allgemeinen gerne frassen, Hessen sie die mit dem Farbstoff 
versetzte Mischung entweder ganz unberührt, so dass eine Reihe 
von Tieren verhungerte, oder sie frassen davon erst nach längerem 
Hungern. Wir waren daher gezwungen, mit der Verbitterung der 
Farbstoff-Näbrgemische schon 2 Tage vor der Infektion zu be¬ 
ginnen, um auf diese Weise die Tiere, die nicht fressen wollten, 
von den Versuchen ausschalten zu können. Die Fütterung führten 
wir 6—8 Tage nach der Infektion weiter. 

Bei dieser Fütterungsmethode zeigte es sich nun, dass von 
den überhaupt wirksamen Substanzen die Triphenylmethanfarb- 
stoffe, wie das Brillantgrün und das Kristallviolett den geringsten 
Einfluss auf die Infektion aufwiesen. Sie waren nämlich nur im¬ 
stande, das Angeben der Infektion gegenüber den Konfrontieren 
um etwa 11 Tage binauszuschieben. Dagegen haben wir mit 
Methylenblau bei der beschriebenen Art der Anwendung im Schutz¬ 
versuch in etwa 50 pCt. das Angehen der Infektion überhaupt 
verhüten können. Da andererseits das Chinin bei gleicher Art 
der Applikation nur imstande war, die Infektion um 17—32 Tage 
zu verzögern, so hat sich also das Methylenblau dem Chinin 
gegenüber als überlegen erwiesen. 

Ungefähr von gleicher Wirksamkeit wie das Chinin erwies 
sich das Hydrochininum hydrochloricum und das Cupreinnm sul- 
furicum. Das letztere schien eher etwas stärker auf die Parasiten 
zu wirken wie das Hydrochinin. 

Das Neumethylenblau war von ungefähr gleich starker Wir¬ 
kung wie das Chinin, aber von schwächerer Wirkung als das 
gewöhnliche Methylenblau. 

Ausser den Schutz- und Heilversuchen haben wir auch Unter- 
SQchangen über die Beeinflussung der Parasiten in vitro durch 
chemische Substanzen, und zwar hauptsächlich durch Farbstoffe 
verschiedener Klassen angestellt. Die Versuche wurden derart 
vorgenommen, dass Aufschwemmungen des parasitenhaltigen Blutes 
mit den za untersuchenden Mitteln eine Stunde im Brutschrank 
(bei 37°) digeriert and sodann mit den Gemischen Vögeln in¬ 
jiziert wurden. Anfangs fielen die Versuche sehr unregelmässig 
aus, bis wir als Ursache dafür fanden, das durch das Lösen der 
zu prüfenden Substanzen in destilliertem Wasser beim Mischen 
mit dem parasitenhaltigen Blut hypotonische Lösungen resultierten, 
was die Plasmodien ebenso wie ein geringer Säuregehalt der Lö¬ 
sung stark schädigte. So genügte z. B. im Brutschrank ein halb¬ 
stündiger Aufenthalt der Plasmodien in 0,42 proz. Kochsalzlösung, 
um sie vollkommen abzutöten. 

Ueber den Einfluss des Chinins anf die Plasmodien in vitro 
haben wir schon oben berichtet. 

Von allen untersuchten Substanzen haben sich in bezug auf 
ihre desinfizierende Wirkung in vitro die Triphenylmethanfarb- 
stoffe, wie Türkischblau B, Viktoriablau 4 R und Sethocyanin am 
wirksamsten erwiesen, da sie befähigt waren, noch in einer Ver¬ 
dünnung von über 1:100000 die Plasmodien nach einstündiger 
Einwirkung ihrer Infektiosität zu berauben. Viel weniger wirk¬ 
sam aus dieser Gruppe erwies sich das Trypanosan, trotzdem es, 
wie die Untersuchung von Roehl 1 ) und Marks 2 ) an dem Ehr- 
lich’schen Institut gezeigt haben, die Trypanosominfektion so spe¬ 
zifisch beeinflusst. 

Das Methylenblau als Repräsentant der Tbiazinfarbstoffreibe 
hob die Infektiosität der Parasiten noch in einer Verdünnung von 
1:10 000 auf; dagegen war eine Verdünnung 1: 20 000 nur noch 
von sehr geringer Wirkung. Es ergibt sich daraus, dass das 
Methylenblau ungefähr % 1 j 2 mal so stark in vitro auf die Plas¬ 
modien wirkt als das Chinin. 

Die Azine, als deren Repräsentanten wir das Neutralrot und 


1) Roehl, Zschr. 1. Immun.-Forsch., 1909, Bd. 1, S. 638. 

2) L. H. Marks, Zschr. f. Immun.Forsch., 1909, Bd. 2, S. 350. 


das Flavindulin prüften, waren nur von ganz geringgradiger Wir¬ 
kung, während die Benzidinfarbstoffe wie das Trypanblau und das 
Trypanrot selbst in den stärksten s überhaupt anwendbaren Kon¬ 
zentrationen sich als unwirksam erwiesen. 

Von besonderem Interesse scheint uns endlich die Tatsache 
zu sein, dass, wenn wir die zu prüfenden chemischen Substanzen 
sowie das parasitenbaltige Blut statt mit Kochsalz- mit physiolo¬ 
gischer Rohrzuckerlösung verdünnten, die desinfizierende Wirkung 
auf die Parasiten erheblich abgeschwächt war. Doch möchten 
wir die Frage offen lassen, ob es sich dabei um eine direkte 
Herabsetzung der desinfizierenden Wirkung oder um eine stärkere 
Vermehrung der Parasiten in dem robrzuckerhaltigen Medium 
bandelt. Für diese letztere Annahme scheinen uns die Angaben 1 
von Baro zu sprechen, dass zuckerhaltiges Milieu das Wachstum 
der Plasmodien begünstigt. 

Zusammenfassung: 

1. Weder Chinin und Methylenblau, noch eine Reibe anderer 
chemischer Substanzen zeigten im chemotherapeutischen Versuch 
bei intramuskulärer Applikation einen Einfluss anf die Vogel¬ 
malaria. 

2. Im Gegensatz dazu vermochte die Verfütterung des Me¬ 
thylenblau mittels eines zu diesem Zweck hergestellten Nähr¬ 
gemisches das Angehen der Infektion in etwa 60 pCt. zu ver¬ 
hüten. 

3. In vitro wirkt das Methylenblau wesentlich stärker auf die 
Plasmodien ein als das Chinin. 


Die direkte Untersuchung des Duodenalinhalts 
(und der Galle) als diagnostisches Hilfsmittel 
bei Gallenblasen- und Pankreasaffektionen. 1 ) 

Von 

Dr. Max Einhorn, 

Professor der inneren Medizin an der N. Y. Poetgraduate Medical 8chooi, New York. 

Die Diagnose von Gallenblasenleiden gründet sich auf den 
physikalischen Befund im oberen rechten Bauchquadranten in Ver¬ 
bindung mit den subjektiven Symptomen und dem objektiven Be¬ 
fund. In typischen Fällen von Gailensteinerkrankung ist keine 
Schwierigkeit vorhanden, die Krankheit zu erkennen. 

Die cbarakterisiiscben Symptome sind folgende: heftige 
Schmerzanfälle in relativ langen Intervallen (Monaten oder Jahren), 
die sich plötzlich im oberen Abdomen einstellen; sie strahlen nach 
dem Rücken und zuweilen auch nach dem rechten Schulterblatt 
aus, sind sehr intensiv, halten einige Stunden an, oder manchmal 
sogar 2—3 Tage, und verschwinden dann ebenso plötzlich, wie 
sie gekommen sind. Häufig muss man Morphin snbcutan geben. 
Während des Anfalls ist die Leber gewöhnlich vergrössert; manch¬ 
mal stellt sich leicht ikterische Verfärbung der Conjunctiva oder 
der Haut ein; manchmal auch ausgesprochene Gelbsucht. In 
manchen Fällen findet man leichte Temperaturerhöhung. Io den 
schmerzfreien Perioden fühlen sich die Patienten vollkommen 
wohl. Häutig jedoch fehlt dieses typische Bild, und in diesen 
Fällen ist es schwierig, das Leiden festzustellen. 

Auf noch grössere Schwierigkeiten stösst man bei der Dia¬ 
gnose der Pankreaserkrankungen. Funktionelle Prüfungen dieses 
wichtigen Organes sind häufig genug auf indirektem Wege, ent¬ 
weder durch Feststellung des Trypsingehaltes des Stuhls oder des 
Magensaftes mit dem regurgitierten Duodenalsaft, nach Einführung 
von Olivenöl in den Magen (Boldyreff’s Methode) aogesteilt 
worden. In keiner dieser Methoden kann der Saft in reinem Zu¬ 
stande gewonnen werden und kann daher nicht in genügender 
Weise studiert werden. Während der letzten 4—6 Jahre habe 
ich mich bemüht, den Duodenalinhalt anf direktem Wege in ge¬ 
eigneten Fällen zu erlangen. Einige dieser Resultate wurden im 
Jahre 1910 publiziert*). Im folgenden möchte ich meine neuen 
Erfahrungen, Gallenblasen- und Pankreasaffektionen betreffend, be¬ 
schreiben. Absichtlich sind nur die Fälle ausgewählt worden, 
wo die Diagnose durch Operation bestätigt wurde, oder wo der 
weitere Verlauf die klinische Diagnose festigte. Der Bequemlich¬ 
keit halber stelle ich die Fälle summarisch in Tabellenform w- 
sammen. 


1) Nach einem vor der American Gastroenterological Association 
am 22. Juni 1914 zu Atlantic City, N. Y., gehaltenen Vortrage. 

2) Max Einhorn, Erfahrungen über den Duodenalinhalt. D.m-Wi 
1910, No. 38. 


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7. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1889 


Fülle von Gallenblasen- und Pankreasaffektionen, in denen der Duodenalinhalt direkt untersucht wurde (1911 bis Mai 1914). 


Nummer 1 

Name 

Diagnose 

Magen- 

Untersuchung des Duodenalinbalts | 

Beschaffenheit 

Mikroskopische 

Bemerkungen 

inhalt 

Datum 1 

kmylopsin 

mm 

Steapsin 

mm 

Trypsin 

mm 

des 

Duodenalinhalts 

Untersuchung des 
Duodenalinhalts 

1. 

M. 

Icterus catarrhalis 


IV. 3. 12. 

+ 

0 

2 

gelb, mit Schleim 







30. 

4* 

10 

0 

vermischt 







28. 

2 

4 

3 




2. 

K. 

Icterus catarrhalis 

HCl -f 

11. 14. 14. 

2 

8 

8 

gelb, trüb, Galle 

Erythrocyten, 





Ac. 46 





erscheint erst nach 

Schleim, Blut- 










gewisser Zeit, Blut- 

pigment, Krist., 










flecken, Schleim 

Bac. pyocyaneus, 
Bac. coli comm. 


3. 

Fr. P. 

Cbolelithiasis, Ulc. 

HCl + 

II. 25. 13. i 

4 

0 

0 

grünlichgelb, trüb, 





duodeni 

Ao. 70 

IV. 4. 13. 

3 

1 

3 

alkalisch 



4. 

L. 

Cholelithiasis, Ulc. 

HCl -f 

IV. 20.13.; 

3 

5 

1,5 

goldgelb, klar 





ventr., Appendicit. 

Ac. 80 






5. 

F. 

Choleoyst., Atonia 

HCl + 

I. 22. 12. 

0 

0 

2 

gelb, trüb, alkalisch 





ventriculi 

Ac. 76 

23. 

10 | 

0 

2 







II. 7. 12. ! 

Spur 

+ 

30 








17. ( 

3 

0 

0 








21. 

12 

4" 

4~ 




6.1 




111. 12.12. 

4~ 

0 

3 





E. 

Cholecyst., Icterus 


II. 10. 12. 

+ 

4- 

4- 




7. 

Fr. F. 

Cholecystitis, Chole- 

HCl + 

XII. 6. 12. 

2 

; i 

0 

gelblichgrün, trüb, 





lithiasis 

Ac. 30 

8. 

4 

5 

2 

grün 







17. 

3 

2 

2 



8. 

D. 

Cholecystitis, Chole- 

HCl + 

IV. 19.13. 

4 1 

4 

2 

etwas trüb 

Mycelien 

operiert 



lithiasis, Atonia 
ventriculi 

Ac. 60 








9. 

Fr. E. 

Cholecystitis 

HCl + 

XI. 6. 12. 

12 

0 

2 

trüb, schleimig, Al- 

Leucin u. Chole- 




Ac. 76 





kalinität = 20,spez. 
Gewicht = 1008 

sterinkristalle 



10. 

Fr. P. 

Eoteroptosis, Chole- 

HCl 0 

IV. 4. 14. 

1 5 

3 

4 

dick,*rüb,(iunkclgolbgrün 

— 




cystitis 

Ac. 26 

7. 

6 

1 

1 

gelb, trüb 

Bacillen 


11. 

Fr. R. 

Cholecystitis 

HCl -f 

I. 17. 14. 

+ 

2 

0,5 

gelbgrün, trüb, al¬ 






Ac. 60 





kalisch 



12. 

Frl. G. 

Dilatatio ventriculi, 

HCl + 

111.30.14. 

20 

1,5 

3 

grauweiss, trüb 





Cholecystitis 

Ac. 70 

3L I 

12 

15 

10 

goldgelb, trüb 



13. 

Frl. S. 

Cholelithiasis, Ulc. 

HCl + 

IV. 3. 14. 

11 

1 

15 

trüb, grünlich 

Boas-Oppler-Ba- 

operiert 



duodeni 

Ac. 80 

4. 

15 

10 

20 

trüb, gelbgrün, 

cillen 










Blut vorhanden 



14. 

Fr. M. 

ülo. ventr., Inanitio, 
Cholelithiasis 


IV. 12.13. 

10 

2 

3 

goldgelb, klar, al¬ 










kalisch 



15. 

Fr. P. 

Echinococcus hepat. 


III. 11.13. 

8 

Spur 

5 

dunkelgrün, trüb, neu¬ 
tral, Blut vorhanden 

Erythrocyten, 

Bakterien 

operiert 

16. 

Fr. W. 

Cholecystitis, Leber- 

HCl 0 

XI. 29.11. 

vorhanden 

0 

vorhanden 

dunkelgrün, Alka- 





vergrosserung 

Ac. = 35 





linität = 25 



17. 

J. B. D. 

Cholelithiasis 

HCl + 
Ac. = 65 

III. 15.11. 

vorhanden 

i vorhanden 

vorhanden 

trüb, gelb, alkalisch 


operiert 

18; 

Fr. B. 

Cholelithiasis, Ic¬ 

HCl + 

II. 17. 14. 

— 

| — 

— 

trüb, blutig, keine 


operiert 



terus 






Galle, alkalisch 



19. 

Fr. J. 

Cholecystitis, Pan- 

HCl 0 

X. 10. 12. 

vorhanden 

1 Spur 

abwesend 

alkalisch 


operiert 



creatitis chronica 

Ac. 20 






20. 

Dr. S. 

Acbylia gastrica, Cho¬ 

HCl 0 

III. 30.13. 

6 

0,5 

, o 

leicht gelb, alka¬ 

Streptokokken 

operiert 



lelithiasis, Icterus, 

Reaktion 





lisch, trüb 



P&ncreatitis 

schwach 




| 







sauer 








21. 

M. Z. 

Tumor bepatis, Pan- 

HCl + 

II. 13. 14. 

4 

2. 

1 

trüb, weiss, keine 
Galle, alkalisch 

Lange, nicht hä- 

operiert, Urin 



creatitis chronica, 

Ac. 40 





molyt. Ketten¬ 

enthält Galle u. 



8eu Neoplasma 




1 

' 


streptokokken, 
Bao. coli comm. 

2pCt. Zucker 

22. 

M. P. D. 

Ulcus ventriculi, 

HCl + 

I. 13. 13. 

0 

12 

1 2 

gelb, etwas trüb 


Urin enthält 



Cirrhosis bepatis, 
Pancreatitis 

Ac. 48 



j 



1 pCt. Zucker 


23. 

Fr. S. 

Achylia gastrica, 

HCl 0 

XI. 9. 13. 

2 

! 2 

0 

goldgelb, blutig 





Pancreatitis chron. 

Ac. = 4 








24. 

W. Z. 

Pankreastumor 

HCl + 
Ac. = 80 

III. 12.13. 

vorhandec 

i vorhanden 

i vorhandec 

gelb, leicht trüb 


operiert 


Gehen wir die Tabelle durch, so ist folgendes beachtenswert: 

Zwei Fälle von katarrhalischer Gelbsucht zeigten die An¬ 
wesenheit von Schleim ira Duodenalinhalt; die Galle war spärlich 
und klar und wies zu Zeiten eine Beimischung von Schleim auf. 

Unter 15 Fällen von Cholecystitis und Gallensteinen war die 
Galle in 13 trübe und in 2 Fällen jedoch klar. In 5 Fällen mit 
trüber Galle fanden sich bei der Operation Gallensteine. In den 
2 Fällen mit klarer Galle gingen in einem Falle zwei kleine 
Gallensteine ab, die sich im Stuhle fanden. In einem Falle von 


Leberechinococcus war die Galle dunkelgrün und trübe mit Blut- 
beimiscbung. 

In 6 Fällen von Pankreaserkrankung zeigte sich in 4 die 
Pankreassekretion gestört, indem Abwesenheit eines oder zweier 
Fermente konstatiert wurde, während bei 2 Fällen von Pankreas¬ 
tumor, die durch die Operationen bestätigt wurden, das Pankreas- 
sekret einige Tage vor der Operation die Anwesenheit aller drei 
Enzyme ergab. In zwei Fällen fand sich Zucker im Urin. 

Aus den, in der Tabelle gewonnenen, Erfahrungen ist man 


8 


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UNIVERSUM OF IOWA 













1890 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


berechtigt, folgende Schlösse zu ziehen. Das makroskopische 
Aussehen der Galle ist von grosser Wichtigkeit. Ist sie goldgelb 
und klar, so weist dies gewöhnlich auf eine normale Gallenblase 
hin. Sieht die frische Galle grünlich gelb aus und gleichzeitig 
trübe, so bedeutet dies eine Erkrankung der Gallenblase, ge¬ 
wöhnlich mit Anwesenheit von Steioen. 

Goldgelbe Galle mit Schleim wird häufig bei katarrhalischem 
Icterus gefunden. Eine klare goldgelbe Galle kann sich jedoch 
manchmal auch bei Anwesenheit von Gallensteinen finden (Fall M.). 

Duodenalinhalte, die Galle und Pankreassekret enthalten, 
erlauben uns, die Pankreasfunktion zu prüfen. Die Anwesenheit 
aller dreier Fermente in genügender Menge spricht für eine 
normale Tätigkeit. Ist eins der Fermente konstant abwesend, so 
deutet dies auf eine chronische Pankreatitis hin. Eine Geschwulst 
des Pankreas kann jedoch bestehen trotz der Anwesenheit aller 
drei Fermente (Fälle M. S und W. Z). Diese anscheinend über¬ 
raschende Tatsache kann man durch den Umstand erklären, dass 
die Geschwulst noch genügend gesundes Gewebe im Pankreas 
zurückgelassen bat, um die Funktion des Organes weiter zu 
fuhren. Aehnliche Verhältnisse findet man bisweilen in anderen, 
von Geschwülsten befallenen, Organen (Magen, Nieren usw.). 

Ein Duodenalinhalt, der konstant weder Galle noch Pankreas- 
sekret aufweist, spricht für ein mechanisches Hindernis gerade 
oberhalb der Vater’schen Papille (gewöhnlich durch Steine be¬ 
dingt) (Fall B.). 

Der klinische Wert der direkten Untersuchung des Duoderial- 
inhaltes bei Gallenblasen- und PankreasafTektionen liegt daher auf 
der Hand. 

Ich möchte noch kurz die Untersuchungsmethode beschreiben. 

Vorbereitung des Patienten. Der beste Weg, den Duo¬ 
denalsaft zwecks Untersuchung auf Galle zu erhalten, ist entweder 
im fastenden Zustande des PatienteD, nachdem derselbe die Sonde 
abends vor dem Schlafengehen genommen hat, oder 1—2 Stunden 
nach der Einnahme von einer Tasse Tee mit Zucker oder klarer 
Bouillon; in letzterem Falle muss der Patient die Sonde früh¬ 
morgens einige Stunden vor der Untersuchung schlucken. 

Für die Untersuchung des Paokreassaftes kann man dieselbe 
Vorbereitung des Patienten treffen, oder irgend einige flüssige 
Diät (Milch, Bouillon, rohe Eier), ungefähr 200 ccm 1—2 Stunden 
vorher nehmen lassen. 

Methode, den Duodenalsaft zu gewinnen. Dies ge¬ 
schieht gewöhnlich durch Aspiration. Diese muss vorsichtig aus- 
gefübrt werden, indem man langsam mit häufigen Unterbrechungen 
aspiriert. Falls man 5—10 Minuten aspiriert hat und nichts 
erschienen ist, kann man auf zwei Weisen verfahren. Die 
eine ist, dass man Secretiu subcutan gibt und nach 3—5 Minuten 
wieder aspiriert; die andere besteht in der Anwendung von Duo¬ 
denalspülung. Letztere wird in folgender Weise vorgenommen. 
Der Stempel der Spritze wird langsam herausgezogen; die leere 
Spritze wird dann mit Wasser gefüllt (Bluttemperatur) und in die 
Höhe gehoben. Sodann fliesst das Wasser gewöhnlich in das 
Duodenum. Fliesst das Wasser nicht ab, so soll man mittels des 
Stempels einen leichten Druck auf die Wassersäule ausüben, um 
den Abfluss zu beschleunigen. Ehe die Spritze ganz ausgelaufen 
ist, senkt man sie schnell, damit die Flüssigkeit wieder zurück¬ 
läuft. Gelingt dies nicht, so wiederholt man die Prozedur. Mit 
dem ausfliessenden Wasser ist gewöhnlich etwas Galle vorhanden, 
die man zur Untersuchung verwenden kann. 

Abwesenheit von Galle. In einem früheren Artikel 1 ) 
findet sich folgender Passus: „Gelegentlich erhält man beim 
Aspirieren von Duodenalinhalt zuerst eine klare, entweder 
wasser- oder leicht bernsteinfarbige Flüssigkeit. Sie gibt 
alkalische Reaktion und enthält die pankreatischen Fermente. 
Für gewöhnlich kommt nach einigem Zuwarten und erneutem 
Aspirieren eine goldgelbe (Galle enthaltende) Flüssigkeit zum 
Vorschein. Das hat keine diagnostische Bedeutung. Wenn jedoch 
bei langem Zuwarten und geduldigem Aspirieren nur pankrea- 
tischer Saft, aber keine Spur von Galle sich gewinnen lässt, so 
kann dies eine gewisse Wichtigkeit erlangen. Und das ganz be¬ 
sonders in Fällen von chronischem Icterus. Ist Galle jedoch im 
Duodenalinhalt vorhanden, so kann kein kompletter Verschluss 
des Ductus choledochus communis existieren. Fehlt die Galle 
vollständig, ist jedoch pankreatischer Saft vorhanden, so weist 
dies auf den Sitz des Hindernisses oberhalb des Ductus com¬ 
munis hin. 11 

Ich möchte noch hinzufügen, dass die Abwesenheit sowohl 


1) 1. c. 


von Galle wie von Pankreassafc, wie schon oben bemerkt, für 
eine mechanische Obstruktion des Ductus communis oberhalb der 
Vater’schen Papille spricht, die den Eintritt von Galle oder 
PaDkreassaft in das Duodenum verhindert (Fall B.). 

In diesen Fällen ist es ratsam, die« Lage der Eodkapsel im 
Duodenum mittels der Milchprobe oder mittels X-Strahlen zu be¬ 
stimmen, da man sonst keinen Anhaltspunkt hat. Io einem, in 
der Tabelle nicht aufgeführten, Falle von wahrscheinlichem 
Pankreastumor mit sekundären Lebermetastasen wurde keine Galle 
im Duodenum gefunden, selbst nach systematischer Aspiration, 
während das Duodenaleimerchen, das über Nacht im Verdaunngs 
tractus verblieb, mit Galle gefüllt war und der Faden auch 
Gallenfärbung für einige Centimeter diesseits des Eimerchens auf¬ 
wies. Gelbsucht war nicht vorhanden, und es ist schwer, hierfür 
eine Erklärung zu finden. Vielleicht verhinderte die Geschwulst 
den Abfluss der Galle im Stehen oder Sitzen, während dies 
Hindernis im Liegen nicht vorhanden war. 


Aus der Universitäts-Kinderklinik in Göttingen 
(Direktor: Prof. F. Göppert). 

Zur Kenntnis und Bedeutung des Nasenblutens 
im späteren Kindesalter. 

Von 

Heinrich Petry. 

Das Nasenbluten hat schon in den ältesten Zeiten die Auf¬ 
merksamkeit der Aerzte auf sich gelenkt. Die hippokratischen 
Schriftsteller 1 ) kannten sein Vorkommen bei Leber- und Milt¬ 
krankheiten und deuteten den Ausfluss von Blut und Schleim 
aus der Nase bei cerebralen Erscheinungen als günstiges Zeichen. 

Späterhin begnügte mau sich meist damit, das Nasenbluten 
im wesentlichen als ein konstitutionelles Zeichen anzuseheD und 
versäumte es, einen Lokalbefund aufzunehmen und eine energische 
lokale Behandlung einzuleiten. 

Zwar war es schon Valsalva 2 ) bekannt, dass die häufigste 
Quelle des Nasenblutens eine Stelle im vorderen Teil des 
knorpeligen Septums sei. Er wusste sogar aus seinen anato¬ 
mischen Beobachtungen, dass „sanguifera vasa intra nares valde 
turgida circa eam sedera, ubi alae nasi digito plus minus trans- 
verso ab imis naribus cum osse committuntur“. 

Diese Prädilektionsstelle für Nasenbluten beschrieben später 
Michel 3 ), Little 4 ) und Hartmann 5 ). 

Aber mit besonderem Nachdrucke lenkte erst Kiesselbacb®) 7 ) 
die Aufmerksamkeit der praktischen Aerzte auf diesen Gegenstand. 

Er untersuchte die Schleimhaut der fraglichen Stelle, den „Locus 
Kiessdbachii“ zuerst histologisch und fand hier stark erweiterte Capil- 
laren und eine Art SchwelIgewebe. Die Lakunen desselben lagen in 
der tiefsten Lage der Schleimhaut, reichten aber in abnehmender Grösse 
bis an die Oberfläche heraD. 

Mihalkovics 8 ) fand bloss sehr weite Venen und dichte, weite 
Capillaren; vorn zu, wo schon geschichtetes Piattenepithel liegt, fand er 
sehr hohe und schmale Pupillen mit sehr weiten centralen Venen, 
ähnlich wie im Zahnfleische. Iq letzteren sieht er den Grund der leicht 
eintretenden Blutungen. 

Donogany®) fand entweder GefasserweiteruDg oder eine Art von 
Corpus cavernosum. 

1) Nach Körner, Lehrbuch der Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrank¬ 
heiten. 3. Aufl. Wiesbaden 1912, S. 9. 

2) Morgagni, Epistola XIV nach Rosenberg, Das Nasenbluten. 
Hey mann, Handbuch der Laryngologie und Rhinologie. Wien 1900, 
Bd. 3, S. 709. 

3) Michel, Die Krankheiten der Nasenhöhle und des Nasenrachen¬ 
raums. Berlin 1876. Nach Rosenberg, 1. o. 

4) Little, Eioe bis dahin noch nicht beschriebene Läsion als Ur¬ 
sache für Epistaxis. Hosp. Gazette N.-Y. 8. März 1879. Nach Rosen¬ 
berg, 1. c. 

5) Hartmann, Ueber Nasenblutung, Nasentamponade und deren 
Beziehungen zu Erkrankungen des Gehörorgans. Zschr. f. Ohrhlk., 
1881, Nr. 10. 

6) Kiesselbaoh, Ueber spontane Nasenblutuog. B.kl.W., 1884, 
Nr. 24. 

7) Kiesselbach, Ueber Nasenbluten. Tagebl. d. 58 . Versammlung 
deutscher Naturforscher und Aerzte in Strassburg, 1885. 

8) Mihalkovics, Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Nase 
und ihrer Nebenhöhlen. Hey mann, Handbuch der Laryngologie und 
Rhinologie. 1900, Bd. 3, S. 24. 

9) Donogany, Beiträge zum histologischen Bau der knorpeligen 
Nasenscbeidewand mit besonderer Berücksichtigung der habituellen Nasen¬ 
blutungen. Arcb. f. Laryng., 1899, Bd. 9, S. 30. 


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Gougle 


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UNIVERSUM OF IOWA 



7. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1891 


Zuckerkandl 1 ) behauptet, dass nicht anatomische Be¬ 
sonderheiten für das Zustandekommen der Blutung ausschlaggebend 
seien, sondern lediglich der Umstand, dass die Pars cartilaginea 
vor allen anderen Stellen der Nasenhöhle traumatischen In- 
sultierungen, insbesondere durch den kratzenden Fingernagel, 
preisgegeben sei. 

Dass das häufige Kratzen des Fingernagels am vorderen Teil des 
Septums die Schuld an einer Nasenblutung tragen kann, erwähnt schon 
Coschwitz 2 ) (laesionem ex unguibus digitorum in nares . . . immis- 
sorum). 

Während Zuckerkandl konsequent wiederholte traumatische In- 
sultierungen für das Primäre hält, macht Hajek 3 ) für den Juckreiz, der 
zum Kratzen führe, eine häufig anzutreffende katarrhalische Entzündung 
der Pars anterior septi verantwortlich. 

Durch diese partielle Rhinitis atrophicans kommt es leicht zur 
Krustenbildung am Naseneingang. Das Gefühl störender Trockenheit 
bewirkt, dass die Kinder viel mit dem Finger in die Nase fahren. In¬ 
folge des Kratzens mit dem Nagel entsteht eine Erosion am Septum 
und es bildet sich ein Geschwür, das Ulcus septi perforans. 

Die Therapie der Blutung aus einem Septumgeschwür ist 
eine sehr dankbare. Die einfache Blutung zunächst ist mit einem 
einfachen Wattepfropf, der fest gegen das Septum gedtückt wird, 
meist einstweilen za beherrschen. Die Trockenheit der Schleim¬ 
haut lässt sich weiterhin durch täglich mehrfaches Aufschnupfen 
von Vaseline oder einer essigsauren Tonerdesalbe 4 ) beseitigen. 
Bei recidivierenden oder primär schwereren Blutungen schafft 
man sich durch einen kleinen Adrenalintampon, wenn die Blutung 
gerade sehr profus ist, die Möglichkeit, die blutende Stelle über¬ 
haupt zu sehen, und ätzt dann mit Trichloressigsäure den cocaini- 
sierten Geschwürsgrund. 

Dies geschieht entweder mit einem kleinen Kriställchen, das man in 
Ermangelung eines besonderen Instrumentes in die geschlitzte Spitze 
eines Holzstäbchens eindrücken kann oder mit einem dünnsten Watte¬ 
tampon, den man in an der Luft zergangene Trichloressigsäure ein¬ 
taucht. Andere Aetzmittel kann man gleichfalls anwenden, aber das 
genannte ist das unschädlichste. Das Geschwür kann man sich durch 
sorgfältiges Abziehen der Nasenflügel mit einer abgebogenen Haarnadel 
zugänglich machen 5 ). 

Infolge dieser Therapie gehört es wohl heute zu den Selten¬ 
heiten, dass ein sonst gesunder Mensch durch Naseubluteu 
anämisch wird. Ein solcher Fall sei hier kurz mitgeteilt. 

Ein 9 jähriges Mädchen litt seit ungefähr einem Jahre an Nasen¬ 
bluten und war stark anämisch. Es fanden sich an beiden Nasensepten 
bei Berührung stark blutende Geschwüre, die mit Trichloressigsäure ver- 
ätzt wurden. Nach 4 Wochen wurde da9 Kind mit blühender Gesichts¬ 
farbe wiedergezeigt. Es war vorher von anderer Seite wegen dieses 
Nasenblutens und der sekundären Anämie mit Eisen behandelt worden, 
weil man den Zusammenhang umgekehrt gedeutet und angenommen 
hatte, es handle sich um eine primäre Anämie mit „anämischen* 
Blutungen. 

Die alte Beobachtung, dass es nur gewisse Menschen sind, 
die Nasenbluten haben, steht nicht im Widerspruch mit einer 
lokalistischen Lehre. Denn die Tatsache, dass die Blutung aus 
den verhältnismässig kleinen Geschwüren oft recht stark ist, weist 
darauf hin, dass ein besonderer Blutandrang zur Nase stattfinden 
muss. Die Ursache dieses Blutandranges können häufig exacer- 
bierende Schnupfenkatarrhe sein, oder es handelt sich um akute 
Hyperämien der Nasenschleimhaut aus anderen Gründen. So wäre 
es auch möglich, dass eine vikariierende Blutung zur Menstruations¬ 
zeit gerade bei jemandem aufträte, der mit einem solchen Ge¬ 
schwür am Septum behaftet wäre. 

Natürlich ist nicht in allen Fällen der Locus Kiesselbach die 
Quelle der Blutung, sondern es gibt auch andere Gründe, wie die 
chronische fieberlose Nasendiphtherie älterer Kinder. Einen 
solchen Fall beschreibt Bl och mann 6 ). Beim Säugling ist die 
chronische Nasendiphtherie und die Lues die Hauptursache des 
Nasenblutens, nur in extrem seltenen Fällen die chronische, 
trockene Rhinitis. 


1) Zuckerkandl, Normale und pathologische Anatomie der Nasen¬ 
höhle. 1892, Bd. 2, S. 59. 

2) Coschwitz, De haemorrh. nar. Bas. 1616. Nach Rosenberg, 
1. c. S. 705. 

3) Hajek, Ulcus perforans septi nasi und habituelle Nasenblutung. 
Laryngo-rhinol. Mitteil. Internat, klin. Rundschau, 1892, S. 31—52. 

4) Rp. Liquor, al. acetici 2,0, Adipis lanae 10,0, Paraff. liquidi 
ad 20,0. 

5) Göppert, Die Nasen-, Rachen- und Ohrerkrankungen des Kindes 
in der täglichen Praxis. Encyklopädie der klin. Med. Berlin 1914. 

6) Bloohmann, Ueber lavierte Diphtherie. B.kl.W., 1911, Nr. 38. 


Während man bei Nasenbluten in fieberlosen Zeiten beute 
bei aller Berücksichtigung des allgemeinen Zustandes kaum ver¬ 
gessen wird,.auf eia lokales Leiden zu fahnden, denkt man bei 
Infektionskrankheiten doch wohl bereitwilliger an eine allgemeine 
Störung und vergisst darüber, das lokale Leiden zu erforschen. 
In den meisten Fällen bedeutet ja die Blutung nicht viel, er¬ 
reicht z. B. bei Masern und Lungenentzündung sehr selten das 
Kind schwächende Grade. Aber der Blutverlust kann auch ohne¬ 
dies zu sehr bemerkenswerten Symptomen führen. Ein derartiger 
Fall sei hier berichtet. 

Dtr 7jahrige Franz B. hatte schon früher 3 mal Lungenentzündung 
gehabt. Am 2. VII. 1914 erkrankte er wieder mit Fieber, Kopfschmerzen 
und Erbrechen. Am 5. VII. fand sich beim poliklinischen Stadtbesuch 
über der Lunge links hinten eine leichte Schallverkürzung und un¬ 
bestimmtes Atmen. Die Temperatur betrug 39,5. Am 6. VII. wurde er 
in die Göttinger Universitäts-Kinderklinik aufgenommeu. Die Atmung 
war an diesem Tage stöhnend, Nasenflügelatmen. In der linken Achsel¬ 
höhle fand sich eine Dämpfung, über der Spina scapulae Bronchial&tmen. 
Der Hals war leicht gerötet, die anderen Organe ohne pathologischen 
Befund. Die Temperatur betrug an diesem Tage 39,3. Am 9. VII. be¬ 
stand kein Fieber mehr. Es war keine Dämpfung, kein Bronchialatmen 
mehr nachzuweisen. Am 11. VII. abends brach das Kind grosse Mengeu 
schwarzen, klumpigen Blutes und war sehr aufgeregt. Scheinbar handelte 
es sich um kein Nasenbluten. Liess man das Kind aber die linke Nase 
ausblasen, so erschien in dem Nasenloch Blut, wovon vorher nichts zu 
sehen war. Die Untersuchung führte ein oberflächliches, leicht blutendes 
Geschwür am Nasenseptum der linken Seite zutage. Auf Einführung von 
Suprareninsalbe stand die Blutung dauernd. Das Kind brach noch ein¬ 
mal die gleichen Mengen Blut. Weiterhin wurde es mit Aufschnupfen 
von Vaseline behandelt. Am 14. VII. wurde es als geheilt entlassen. 

Das Wesentliche bei diesem Fall ist, dass selbst die pflegende 
Krankenschwester keine Ahnung davon hatte, dass es sich um 
eine Nasenblutung bandelte, und eigentlich erst eine genaue Unter¬ 
suchung die Quelle des Blutens ans Licht förderte. 

Sehr viel wichtiger aber ist die Frage, wodurch die Blutung 
bei septischen oder septisch scheinenden Krankheitszuständen be¬ 
dingt ist. Wir denken bei septischen Nasenblutungen zunächst 
an eine nicht lokalisierte, mehr oder weniger in der ganzen 
Nasenschleimbaut erfolgte Berstung kleinsterGefässe bei mangelnder 
Gerinnung des Blutes an den Stellen des Durchtritts. 

Einen solchen Fall beschreibt Miodowski 1 ) pathologisch¬ 
anatomisch. 

Es handelte sich um ein lOjähriges Mädchen, das, ohne Anamnese 
dem Krankenhause übergeben, an unstillbarem Nasenbluten litt, und 
nach 20 ständigem Aufenthalt auf der Abteilung starb. Der Sektions¬ 
befund ergab: Anaemia gravis, Angina necroticans, Lymphadenitis 
haemorrhagica glandularum colli et bronchial. Bronebopneumonia baemor- 
rhagica lob. inf. pulm. utrqu. Haemorrhagiae subpleurales, subepicardiales, 
reoura. Gastritis haemorrhagica. Haemorrhagia faciei et cruris utrqu. 
Anaemia lienis. Die Nasenschleimbaut war allenthalben mit blutigem 
Extravasat bedeckt; nach Abspülung der Blutmassen erwies sie sich in 
allen Teilen mit Blutungen durchsetzt. Die histologische Untersuchung 
ergab als Ursache der Blutungen multiple Embolien von Diplostaphylo- 
kokken in die Capillaren der Schleimhaut. Im Bereich der infarcierten 
Stellen war die Membrana propria hier und da defekt, es hatten sich 
auch einige ganz oberflächlich gelegene GefässschliDgen nach aussen 
geöffoet. Dies war die Quelle der schweren, für den Tod verantwortlichen 
Nasenblutung. 

Klinisch können wir folgenden Fall dem Miodowski’s an 
die Seite stellen, wenn auch in der letzten Zeit die Nasenblutuugen 
nicht mehr so im Vordergrund der Erscheinungen standen wie 
I im Anfang. 

Der 3*/ 2 jährige Willy M. erkrankte am 17. VI. 1914 an Lungen¬ 
entzündung. Am 7. VII. traten plötzlich Blutungen auf, zuerst aus der 
Nase, darin ins Unterhautzellgewebe. Am II. VII. wurde das Kind mit 
schwerstem Allgemeinzustand in die Göttinger Universitäts-Kinderklinik 
gebracht. Es war stark cyanotiscb, die Hautfarbe wachsgelb, das Sen- 
sorium auffallend frei. Es fanden sich Blutungen am ganzen Körper, 
besonders am Anus und am rechten Oberschenkel, hier handtellergross. 
Der rechte Oberschenkel war hochgradig geschwollen, die Haut gespannt, 
livid verfärbt und bei der Palpation äusserst schmerzhaft; Die Herztöne 
waren sehr leise. Ueber der Lunge war vorn rechts Bronchialatmen zu 
hören. Der Urin war blutig. Die Temperatur betrug 40,0, die Puls¬ 
frequenz 152. Bei der Untersuchung der Nase fanden sich ausserhalb 
der Nase blutige Krusten. Die Nasenschleimbaut selbst war blass, der 
Locus Kiesselbach vollständig frei. An den vorderen Teilen des Septums 
war die Haut glatt, keine Blutung zu provozieren. An der Schleimhaut 
der mittleren und unteren Musohel fanden sieh eine Anzahl roter Fleoke. 

Es bandelte sich hier also um einen Fall, in dem die Sepsis 
sich zuerst durch Nasenbluten manifestierte, und der dadurch in- 

1) Miodowski, Ueber die Beteiligung der Nasensehleimhaut an 
septischen Zuständen. ,|Arch. f. Laryngol., 1905, Bd. 17, S. 249. 

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UNIVERSUM OF IOWA 



1692 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


teressant ist, dass der Befried der Nasenschleimbaut im Leben 
einem geringeren Grade dessen entspricht, was Miodowski post 
mortem gesehen hatte. 

Diesem Fall möchten wir einen anderen entgegenstellen, der 
beim ersten Anblick und bei der Untersuchung völlig identisch 
mit diesem zu sein schien. 

Der zweijährige Erich F. war am 21. VI. 1914 an ruhrartigem Darm¬ 
katarrh erkrankt, hatte am Tage 12—15 blutig-schleimige, eiterige 
Stühle. Die Durchfalle hörten dann auf, das Kind war ein paar Tage 
bei Gesundheit. Am 12. VII. trat plötzlich Fieber auf, der Arzt stellte 
Lungenentzündung fest. Am 16. VII. abends traten starke Blutungen 
aus der Nase auf, wobei das Kind soviel Blut verlor, dass es blass 
wurde. Am 17. VII. wurde das dicke, totenblass aussehende Kind in 
die Göttinger Universitäts-Kinderklinik eingeliefert. Die Ohren waren 
grünlich verfärbt. An den Protuberanzen der Stirnbeine fanden sich 
dunkelblaue bis grünliche Flecken, die koDÜuierten. In der Gegend 
beider Trochanteren, an der Aussenseite des linken Beines und am 
linken Knie waren strichförmige Flecken von gleioher FärbuDg. Bei der 
Untersuchung der Halsorgane ergab sich ein grosser Blutpfropf, der aus 
dem Nasenrachenraum herunterhing und auch beim Schlucken von 
Wasser nicht fortging. Das Trommelfell war beiderseits mattgrau, der 
Hammerkopf deutlich sichtbar. Im rechten Trommelfell fand sich hinten 
eine Blutung. Im Blutbild waren viele polynucleare Leukocyten. Die 
ganze Nase war von einem Blutpfropf ausgegossen. Beiderseits fand 
sich am Locus Kiesselbach ein 3 / 4 cm langes, dauernd gleich blutendes 
Geschwür. Links war es ohne Adrenalin zu sehen, rechts blutete es 
auch nach Adrenalin leicht. Es wurde mit flüssiger Trichloressigsäure 
verätzt. Erst nach festem Aufdrücken rechts hörte die Blutung auf. 
Die übrige Nasenschleimhaut war im Gegensatz zu dem vorher ge¬ 
schilderten Falle blass und vollständig ohne Blutung. 

Eine Blutuntersuchung am 18.VII. ergab: Hämoglobingehalt 30pCt. 
(bestimmt nach Sahli), Zahl der Erytbrocvten 1200 000, Zahl der 
Leukocyten 19 000. Es fanden sich keine pathologischen Leukocyten- 
formen, keine kernhaltigen Erythrocyten. Die Untersuchung der Blut¬ 
gerinnung nach Loewenstein ergab, dass ein Tropfen bereits nach 
3 Minuten GerinnuDgserscheinungen zeigte, indem bei der Prüfung 
mittels Capillare reines Serum aufstieg. Es schien sich also eher um 
erhöhte als verminderte Gerinnbarkeit zu handeln. Am 18. VII. war die 
Kurzatmigkeit sehr deutlich. Links unterhalb der Spina scapulae fand 
sich von der Wirbelsäule bis zur Axillarlinie Bronchialatmen und 
Rasseln. Am 19. VH. war die Blutung an der Stirn dunkelschwarz, 
am 20. VII. weniger dunkel. Am 23. VII. war der Blutstatus folgender: 
Hämoglobingeh alt 30 pCt., Zahl der Erythro cyten 1 800 000, Zahl der 
Leukocyten 16 900. Am 24. VII. hatten die alten Blutungen an der 
Stirn an Umfang abgenommen. Am 25. VII. war der Lungenbefund 
folgender: Links von oben tympanitische Dämpfung, normales Atmen; 
links hinten oben bis zur Mitte der Scapula Schenkelschall, Bronchial¬ 
atmen, zeitweise mit Rasseln; links hinten unten Bronchialatmen. Kein 
Rauchfuss’sches Dreieck. Am 26. und 27. VII. war dieser Lungenbefund 
unverändert. Am 28. VII. morgens trat plötzlich Verfall ein. Der Puls 
war nicht mehr zu fühlen, das Kind war ziemlich bald bewusstlos. 
Sterbend wurde es auf Wunsch der Eltern entlassen. Seit der Ver¬ 
ätzung der Septumgeschwüre war keine neue Blutung aufgetreten. 

Hier wie im ersten Falle war das Kind längere Zeit von 
einer Lungenentzündung befallen. Hier wie dort hatte die Ver¬ 
schlimmerung eingesetzt mit heftigem Nasenbluten, dem Haut- 
blutuogen folgten. Beide Kinder befanden sich bei der Unter¬ 
suchung im schwersten Stadium der Blutarmut. Erst spätere 
Kritik Hess vermuten, dass bei dem zweiten Kinde die Blutungen, 
die Stirn und Schläfe bedeckten und an einzelnen Stellen am 
Körper vorhanden waren, traumatischer Natur sein konnten. Das 
Kind batte sich in seiner Unruhe während der Krankheitszeit so 
oft gestossen, dass es die blauen Flecken davontrug. Bei einem 
gesunden Kinde hätten freilich die Traumen nicht ansgereicht, 
diese Blutungen hervorzurufen. Erst die Untersuchung der Nase 
zeigte den schwerwiegenden Unterschied. Das Blut quoll aus 
den typischen Geschwüren am Septum und wurde durch lokale 
Behandlung dauernd gestillt. 

Der Grund des Blutens war iu einer mangelnden Gerinnungs¬ 
fähigkeit des Blutes ausserhalb der Gefässe nicht zu suchen. 
Dass die Möglichkeit der Berstung der Gefässe eine grössere als 
normal war, ist durch die traumatischen Blutungen und die 
Blutung ins Trommelfell erwiesen. Hustenstösse mögen die erste 
und wiederkehrende Ursache gewesen sein, dass gerade am Ge¬ 
schwür in der Nase es zur Blutung kam. Nie aber wäre es zur 
lebensgefährlichen Blutung gekommen, wäre nicht eben das Ge¬ 
schwür gewesen. 

Leider war das Kind, ehe es in unsere Behandlung kam, 
extrem ausgeblutet. Ob der Tod durch lokale Lungenentzündung 
oder durch Pneumokokkensepsis erfolgte, ob die Sepsis vielleicht 
schon vorher bestanden oder erst nach der Blutung eingetreten 
ist, ist unmöglich mit Sicherheit auszusagen. Da das Kind sich 
nach Stillung der Blutung anfänglich sichtlich erholte, so er¬ 


scheint es nicht zu gewagt, anzunehmen, dass die Aussichten des 
Kindes, am Leben zu bleiben, wesentlich bessere gewesen wären, 
wenn man rechtzeitig die Blutung gestillt hätte. 

So ergibt sich aus diesen Fällen die Folgerung: Bei jedem 
Nasenbluten, auch des nichtfiebernden Kindes, ist die Lokal- 
inspektion der Nase geboten. Wenn man auch meist nur das be¬ 
kannte Septumgeschwür zu sehen bekommen wird, so wird doch 
auch gelegentlich einmal eine chronische Nasendiphtherie entdeckt 
werden. Noch mehr gilt dies beim Säugling. Bei Sepsis nnd 
sepsisähnlichen Erkrankungen sowie bei allen In¬ 
fektionskrankheiten ist die Diagnose „septische Nasen- 
blutung“ ohne genaue Inspektion der Nase nicht ge¬ 
stattet. Blutung aus einem einfachen Septumgescbwür 
kann den Krankbeitsverlauf zum Schlimmeren wenden 
und völlig das Bild septischer schwerster Infektion 
hervorrafen. 


Aus dem städtischen Krankenhause am Urban. 

Ueber grosse Bluttransfusionen. 

Von 

Prof. A. Plehn. 

(Vortrag gehalteu in der Berliner medizinischen Gesellschaft.) 

(Schluss.) 

Bei dem verzweifelten Zustand, in welchem sich die weitaus 
meisten der mit Transfusion behandelten Kranken befanden, wie 
im vorigen angedeutet, wird es begreiflich sein, dass auch diese 
als letztes Mittel versuchte Operation nicht immer zu retten 
vermochte. 

1 . Bei einem Schwarzwasserkranken (1909) hatten sich die 
Blutkörperchen bis an die Grenze dessen aufgelöst, was mit der Lebens- 
fortdauer noch vereinbar ist (ca. lOpCt. Hb nach Fleischl) und die 
Auflösung dauerte noch fort. Eine Transfusion von 450 ccm Poly- 
cytbämikerblut mit 500 ccm 0,9 proz. NaCl-Lösung vermochte das 
fliehende Lebende nicht aufzuhalten. 

2. ln demselben Jahr wurden einem 60 jährigen Arteriosklerotiker 
mit schwerster pernieiöser Anämie (Hb 10—12pCt., soweit bei der grün- 
bräunlichen Farbe des Blutes schätzbar, früher starker Potator; Lues +) 
G00 ccm deöbriniertes Polycythämikerblut mit 140 proz. Hb -j- l‘/j 1 
0,9 proz. NaCl-Lösung infundiert. Kaum Reaktion. Pat. erholte sich 
derart, dass wir die Transfusion einige Wochen später wiederholten, um 
ihm noch weiter vorwärts zu helfen; doch erlitt er schon im Beginn der 
Operation eine typische Hemiplegie (Apoplexia sanguinea), der er in 
24 Stunden erlag. 

Die Operation abzubreeben, waren wir einmal genötigt: 

3. Bei einer 63 jährigen Frau mit schwerster pernieiöser Anämie 
— Rote 575 000 —, Oedem des rechten Armes und beider Beine; 
beiderseitige Lungenhypostase, mussten wir die Operation im Beginn 
abbrechen, weil die Frau unmittelbar zu sterben drohte. Sie schwebte 
dann noch einige Wochen zwischen Tod und Leben, erholte sich später 
im Laufe von Monaten aber soweit, dass sie entlassen werden konnte, 
und hat sich danach noch 1 */e Jahr „gesund“ gefühlt, worauf wir sie 
aus den Augen verloren. 

Welche Schwierigkeiten unter Umständen zu überwinden 
sind, möge folgende Krankengeschichte zeigen: 

4. Fr. H., mit einem Krankenhausangestellten verheiratet. Schon 
seit Jahren anämisch. Seit über 2 Jahren alle 14 Tage schwere Uterus¬ 
blutungen infolge von Myom. Wurde als „pernieiöse Anämie“ auf die 
innere Abteilung verlegt. Sekundärer Charakter der Anämie offensichtlich 
und leicht zu erweisen; Operation vom Chirurgen aber wegen des Grades 
der Anämie abgelehnt. Hb. 20pCt. 

Daher Bluttransfusion, um die Operation vorzubereiten. Es 
wird das Blut zweier Patientinnen vereinigt, von denen die eme 
94, die andere 86pCt. Hb hatte. Bald nach Beginn des Ein- 
strömeos Schmerzen in der Herzgegend; auch fällt es auf, dass 
unter Stocken des Blutzuflusses die zuführende Armvene in einer 
Weise anschwillt, die nur durch ein Abflusshindernis erklärt werden 
kann; zugleich setzt der Herzschlag aus. Nach Unterbrechen des Blut- 
zustroms sinkt die prall gefüllte Vene sofort zusammen und der Puls 
erscheint wieder; das wiederholt sich mehrmals. Ueber die Art des 
Hindernisses war zunächst keine Klarheit zu gewinnen. Da aber die 
Operation und damit eventuell das Leben der Pat. vom Gelingen der 
Transfusion abhing, wurde die Operation abgebrochen und die Kanüle 
am anderen Arm eingebunden. Hier wiederholte sich alsbald dieselbe 
Erscheinung, und damit wurde es klar, dass das Hindernis im rechten 

Herzen selbst lag, dessen (wie sich später zeigte) schwer degenerierter, 

verfetteter Muskel das durch die weite Vene schnell zuströmende Um 
nicht zu bewältigen und weiter zu befördern vermochte. Ich band nun 
das distale Eode der Vene ein, um den Blutzustrom zu verzögern, 


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7. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1893 




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und ihn doch — auch bezüglich der Temperatur des Blutes — gleich- 
massig zu erhalten. Jetzt ging die Transfusion ohne Störung, wenn 
auch recht langsam (50 Minuten Operationsdauer), von statten. Es 
wurden 550 ccm Blut -f- 500 ccm isotonischer NaCl-Lösung zugeführt. 

Bereits gegen Ende der Transfusion Uebelbefinden, Frost und Tempe¬ 
ratur bis 40° C; doch verschwanden die Beschwerden rasch, die Tempe- 
peratur kehrte noch am selben Tage zur Norm zurück, und die Frau 
erholte sich schon in den folgenden 3 Tagen derart, dass sie nun operiert 
werden konnte. 

Leider gestaltete sich die Operation derart schwierig, dass die 
Kranke bald darauf erlag. 

Während diese drei Todesfälle anf die Transfusion nicht 
curückzuführen sind, liegt die Sache im folgenden Falle anders. 

Wir hatten nach den Mitteilungen von Werner Schultz- 
Cbarlottenburg angefangen, vor der Transfusion regelmässig auf 
Isolysine und Hämagglotinine zu prüfen, obgleich wir in den 
ersten Jahren bei etwa 20 Transfusionen niemals Anzeichen von 
Hämolyse beobachteten. 

Bei H. wurde mit Rücksicht hierauf von dieser Vorprüfung 
ausnahmsweise abgesehen, weil die Transfusion (aus äusseren 
Gründen) sonst ganz hätte unterbleiben müssen. 

5. Es bandelte sich um einen 49 jährigen kräftigen Mann, der seit 
ca. V 2 Jahr an Magenstörungen litt, die mit Schmerzen und 
Uebelkeit begannen und mit Erbrechen endeteD. Der letzte Anfall 
wurde durch Kältegefühl eingeleitet, das „an den Beinen beginnend zum 
Unterleib heraufstieg“. Die körperliche Untersuchung ergab keine An¬ 
haltspunkte für die Annahme eines organischen Leidens; auch Blutarmut 
trat nicht hervor. Wir glaubten deshalb zunächst, einen Neurasthe¬ 
niker vor uns zu haben. Unter unseren Augen entwickelte sich dann 
in wenigen Wochen eine echte perniciöse Anämie mit allen charak¬ 
teristischen Eigentümlichkeiten des Blutbildes, während Pat. dabei von 
56,7 bis 63,7 kg an Gewicht zunahm (!!). Oedeme waren nicht zu 
bemerken. 

Am 12. IH. 1913 hatte H. noch 45pCt. Hb und 2 552 000 Rote; 
am 4. IV. 25 pCt. Hb und 1 531 000 Rote; am 10. IV. — unmittelbar 
vor der Transfusion — 23 pCt. Hb und 1 445 000 Rote. Dabei war er 
kräftig genug geblieben, um umherzugehen. 

Am 10. IV. 1913 vormittags wurden H. 400 ccm wie gewöhnlich 
vorbehandeltes Blut einer 17jährigen Virgo intacta mit 105 pCt. Hb 
und negativem Wassermann -f 500 ccm isotonischer NaCl-Lösung inner¬ 
halb V 2 Stunde infundiert. 

Nach 100 ccm Blut Unwohlsein; beschleunigte Atmungs- und Puls¬ 
frequenz; Schweiss; der maximale Blutdruck sinkt von 130 auf 
90 mm Hg; der minimale unter 40 mm, hebt sich unter Campher- 
injektionen aber wieder auf den anfänglichen Stand von 130 mm Maximum 
und 60 mm Minimum. Gegen Ende der Operation Brechreiz; 1 Stunde 
danach Erbrechen und Kältegefühl, besonders in den Beinen. Gesicht 
leicht gedunsen. Drei Stunden später trübt sich das Sensorium und 
Pat. reagiert nicht mehr auf Anruf. Die Temperatur, welche sich schon 
in den Wochen vorher gelegentlich auf 38° und etwas mehr erhoben 
hatte, erreichte ohne Frost 40,2; Puls 128. Gesichtsschwellung ver¬ 
schwindet; Blutdruck unverändert 130/60. Harn ins Bett. 

Ohne dass sich im Zustand etwas änderte, oder Pat. das Bewusst¬ 
sein wiedererlangte, erfolgte — 19 Stunden nach Beendigung der Trans¬ 
fusion — Exitus letalis. • 

Die Sektion (Prosektor Dr. Koch) ergab: Allgemeine Anämie, 
rotes Knochenmark in dem oberen Zweidrittel des rechten Oberschenkels; 
geringe Hypertrophie und Verfettung der Herzmuskulatur; Perisplenitis 
nodularis; geringe Milzschwellung. Hämoglobininfarkt an zwei Papillen¬ 
spitzen der einen Niere; Anämie des Gehirns. 

In der Harnblase fanden sich 150 ccm schmutzigbraunen, trüben 
Harns, der Eiweiss und Hämoglobin enthielt; im Sediment hämoglobin¬ 
gefärbte Cylinder. 

Embolien oder Thrombosen, auf die sorgsamst gefahndet wurde, 
fehlten durchaus. 

Was war hier die Todesursache? Die intramuskulären Ge¬ 
rinnungen und Embolien, wie sie Landois, Schenk, A. Köhler, 
Ponfick, Coca, Moldovan, W. Schultz u. a. bei der Injektion 
artfremden oder frisch defibrinierten arteigenen Blutes beobachteten, 
sicher nicht. Die geringe Hämolyse an sich nach meiner Ueber- 
zeugung ebensowenig. Da sieht man bei malarischer Hämolyse 
(SchwarzWasserfieber) Blutzerstörungen ganz anderen Umfangs noch 
günstig verlaufen! 

Es bleibt also die Annahme einer Intoxikation, für welche 
auch das Krankheitsbild spricht. Welcher Art sie war, blieb un¬ 
aufgeklärt. Vielleicht ist bei der Vorbehandlung des Blutes ein 
Fehler gemacht worden, so dass von jenen Toxinen mit über¬ 
geführt wurde, die im frischen defibrinierten Blute regel¬ 
mässig vorhanden sind (Fuld, Morawitz) und die nach 
Morawitz auch später bei mechanischer Zerstörung der roten 
Blutzöllen und Pressen des Gerinnsels frei werden können. Dem 
sonst von solchen Intoxikationen gezeichneten Bilde entspricht der 
Verlauf hier aber auch nicht. 


Ich dachte vorübergehend sogar an ein Versehen und an 
Morphiumvergiftung; dies liess sich aber mit Sicherheit aus- 
schliessen. Die nachträgliche Prüfung des Blutes der Spenderin 
mit dem verschiedener Krankeohausinsassen liess mehrfach Ag¬ 
glutination und selbst Hämolyse beobachten. Mit dem Blute des 
Verstorbenen konnte darauf nicht mehr exakt untersucht werden; 
doch war hier ja der — wenn auch geringe — Hämoglobin¬ 
gehalt des Harns beweisend. 

Selbstverständlich haben wir später diese Vorprüfungen niemals 
bewusst unterlassen, aber einmal kam es doch vor, dass infolge 
irrtümlicher Meldung die Transfusion gemacht wurde, obgleich die 
Erytbrocyten des Spenders vom Serum der Empfängerin aggluti- 
niert und spuren weise aufgelöst wurden, wie die nachträgliche 
Prüfung ergab. 

6. Bei einem 18 jährigen Mädchen U., das seit 5 Monaten an Magen- 
schmerzen litt und dabei sehr heruntergekommen war, hatte sich der 
Hb.-Gehalt nach einer schweren Magenblutung kurz vor der Aufnahme 
am 9. IV. 13, in 6 Wochen, trotz aller Mittel nicht über 50 pCt. er¬ 
hoben und demgemäss lagen die Kräfte darnieder. 

28. V. 13. Innerhalb 50 Minuten werden 800 ccm in üblicherweise 
vorbehandeltes Normalblut + 400 isotonische NaCl-LösuDg in das peri¬ 
pherische Ende einer Cubitavene transfundiert. 

Schon im ersten Beginn Sch wache an fall; Erblassen der Haut; 
weite starre PupilleD; leichte oloniscbe Zuckungen des ganzen Körpers; 
dauert 2 Minuten. Kurz darauf schar lachartige Rötung des ganzen 
Körpers bis zum Ende der Operation. Darauf vorübergehend starke 
Cyaoose. Blutdruck aus äusseren Gründen nicht bestimmt. Der Puls 
blieb zwischen 90 und 100; die Temperatur stieg nachmittags ohne Frost 
vorübergehend bis 38,5. Der 5 p entleerte Harn war stark eiweisshaltig 
und blutig gefärbt; spektroskopisch: MetbämoglobiD. Das 5 1 /* P her¬ 
gestellte Blutpräparat lässt die äusserst blassen Erythrocyten der Emp¬ 
fängerin von den stark hämoglobinhaltigen des Spenders deutlich unter¬ 
scheiden und zeigt die letzteren zu 3—15 Stück agglutiniert. 
Leukocytose. Auffallende Nachblutung aus der wie gewöhnlich nicht 
genähten kleinen Hautwunde, die nachträgliche Naht erfordert. 

29. V. Geht gut. Leichter Icterus der Haut und OoDjunctiven. 
Temperatur morgens 37,6. Harn frei von Blutbestandteilen, Bilirubin, 
Urobilin, Urobilinogen; enthält noch etwas Eiweiss. 

30. V. Wohlbefinden; Temperatur normal. Harn: Albuminspur; 
keine Gallenbestandteile. Im Blut: keine Agglutination mehr erkenn¬ 
bar; sehr starke Leukopenie; vollkommenes Fehlen der Plättchen; Hämo¬ 
globin: 50 pCt. 

31. V. Harn ganz frei von abnormen Bestandteilen. Im Blut: 
Rote: 4 580 000, Weisse 2900. Poikilocytose, Anisocytose, Makrocyten. 
Die Plättchen erscheinen wieder. 

1. VI. Die wiederholte Untersuchung auf Isolysine und Agglutinine 
ergab, dass die Roten des Spenders vom Serum der Empfängerin schon 
bei Zusatz von 0,1 deutlich agglutiniert, bei 0,8 auch spuren weise auf¬ 
gelöst wurden. Umgekehrt blieb jede Beeinflussung aus. 

Ueber den weiteren Verlauf will ich nur bemerken, dass die Leuko¬ 
penie rasch schwand, die Plättchen sich zur Norm vermehrten und Pat. 
5 Wochen nach der Transfusion mit 68 pCt. Hämoglobin geheilt ent¬ 
lassen werden konnte. Auch ein lautes (anämisches) Herzgeräusch war 
verschwunden. 

Besonders hervorgehoben zu werden verdient aber, dass (nach späteren 
Nachrichten) alle früheren Störungen von seiten des Magens dauernd 
fortblieben. 

Noch bei einem weiteren Patienten (No. 7), der im Verdacht 
eines Magencarcinoms stand, beobachteten wir Hämoglobinurie, 
leichten Icterus, Uebelbefinden und abnehmende Temperaturanstiege 
in den ersten Tagen nach der Transfusion. 

Das Serum des Empfängers hatte hier die Roten des Spenders, 
eines Polycythämikers, ganz vereinzelt agglutiniert. Hämolysis 
war nicht nachzuweisen. Fünf Stunden nach der Transfusion war 
eine spärliche Agglutinierung im Blute des Empfängers noch er¬ 
kennbar. 

Die glänzende Dauerwirkung erwies die Carcinomdiagnose 
als irrig. (Siehe Journalauszug Nr. 7, S. 1894.) 

Ich deutete bereits an, dass man zwei Reaktionsphasen bei 
der Transfusion unterscheiden kann, deren Ursachen wahrschein¬ 
lich gar nichts miteinander zu tun haben. Die primären 
Störungen, welche unmittelbar nach Beginn des Binströmens auf- 
treten, sind teilweise vielleicht als Intoxikation aufzufassen, 
insofern das Transfusionsblut nicht ganz frei von giftigen Fer¬ 
menten geworden sein mag. Teilweise handelt es sich aber 
sicher um mechanische Einwirkungen anf das Herz, welches in¬ 
folgen der plötzlichen starken Füllung ungewohnte Arbeit zu 
leisten hat. Der besonders regelmässig anftretende Hustenreiz 
wird durch Ueberfüllung der Lungengefässe bzw. Lungen¬ 
kapillaren bedingt sein, welche den Zustrom zuerst aufnehmen. 

Die Intoxikation hat man durch sorgsame Vorbehandlung, 
namentlich durch Prüfung auf Hämolysine, zu vermeideu. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



1894 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


Die Herzstörungen sind durch umsichtige Ueberwachung 
des Zustroms in erträglichen Grenzen zu halten. Sie pflegen sich 
zu vermindern, wenn sich die Herzarbeit im weiteren Verlauf 
der Transfusion dem vermehrten Zustrom angepasst hat. Der 
Hustenreiz verliert sich ebenfalls, sobald die Circulation regu¬ 
liert ist. 

Die sekundären Störungen haben wohl ebenfalls ver¬ 
schiedene Grunde. Wenn Hämolyse nicht ausgeschlossen ist, so 
erklärt diese alles genügend. Wo sie fehlt, muss man sich daran 
erinnern, dass die verschiedensten Fremdkörper — ich nenne 
nur Collargol und Salvarsan — fieberhafte Reaktionen bervor- 
rufen, wenn man sie direkt ins Gefässsystem einbringt, und dass 
diese Reaktionen sich weder mit Sicherheit vermeiden, noch er¬ 
klären lassen. Dasselbe gilt unter Umständen ja selbst vom * 
NaCl. Auch die gewaschenen Erythrocyten, die Frl. Levy in¬ 
fundierte, haben mindestens dieselben Reaktionen ausgelöst, wie 
in Verbindung mit ihrem Serum. Obgleich nur einmal über 200 ccm 
transfundiert wurde, waren die Fieberreaktionen kaum geringer 
wie bei unseren grossen Transfusionen. Auch bei diesen haben 
wir sie zuweilen ganz vermisst. Namentlich der Schüttelfrost 
blieb Öfter aus, und die Temperatur überstieg 39° nur in einem 
Teil der Fälle. Meist kehrte sie noch am gleichen Abend, fast 
stets bis zum folgenden Morgen, zur Norm zurück. Etwas länger 
dauert in seltenen Fällen ein gewisses Unbehagen und Elendig- 
keitsgefühL Man hat den Eindruck, dass es damit Zusammen¬ 
hänge dass das Herz und das Gefässsystem hier etwas längere 
Zeit brauchen, um sich an die gesteigerten Arbeitsansprücbe zu 
gewöhnen. Sie haben eine grössere Inhaltsmasse in Circulation 
zu erbalteo, und zwar oft unter einem gegen früher gesteigerten, 
wenngleich höchstens normalen Druck 1 ). 

Endlich ist es leicht verständlich, dass die immer noch zu¬ 
weilen unerwünscht niedrigen Temperaturen der grossen Mengen 
von Infusionsflüssigkeit an der Frostreaktion mitbeteiligt waren. 
Auch ein kühles Bad löst bekanntlich Frostgefühl aus. 

Eine vorübergehende collapsartige Blutdrucksenkung haben 
wir nach Beendigung der Transfusion nur einmal — zusammen 
mit geringer Hämolyse — beobachtet (Fall Nr. 6). Die günstige 
Wirkung wurde dadurch nicht aufgebalten. 

Intravasculäre Gerinnungen, welche verschiedene Ex¬ 
perimentatoren (z. B. 1909 noch Coca) als Todesursache bei In¬ 
jektion artfremden oder frisch injizierten, defibrinierten, art¬ 
eigenen Blutes unter Ablehnung toxischer Momente für den töd¬ 
lichen Ausgang verantwortlich machten, haben in unseren Fällen 
sicher weder bei den primären, noch bei den sekundären Störungen 
eine Rolle gespielt. Ebensowenig konnte etwas davon bei der 
Sektion in Fall Nr. 5 nachgewiesen werdeD. 

Alles in allem genommen, darf ich auf Grund der hier mit- 
geteilteD, sowie der an weiteren 20 Fällen gemachten Erfahrungen, 
über die gesondert zu berichten keine Veranlassung vorliegt, wohl 
sagen, dass selbst von den ganz grossen Transfusionen defibri¬ 
nierten BluteB keine Gefahren durch die sekundären Störungen 
drohen, wenn durch sorgsame Vorprüfung jede Isolyse ausge¬ 
schlossen werden kann. 

Leider kommen die Hämolysine aber gar nicht selten vor, 
und nur zu oft waren wir dadurch verhindert, sonst sehr geeig¬ 
netes Blut zu verwenden. 

Das Vorhandensein von Isoagglutininen, die noch häufiger 
sind, macht das Blut nicht ohne weiteres unbrauchbar, wie 
Fall 7 und 9 zeigen. Ich glaube übrigens, dass die Agglutination 
in vitro nichts mit jenen Agglutinationserscheinungen zu tun 
hat, welche man bei Hämolyse im Blute des Empfängers einige 
Stunden nach der Transfusion siebt. Die letzteren dürften hier 
vielmehr der Hämolyse voraufgehen und dieser verfallene Blut¬ 
zellen betreffen. Jedenfalls wurden sie in den Fällen vollkommen 
vermisst, wo keine Hämolyse eintrat, obgleich vorher in vitro 
starke Agglutination zu beobachten war (s. Nr. 9). 

Wenn die Operation nicht sehr drängt, wird man trotzdem 
Blut nicht verwenden, das aktiv oder passiv agglutiniert. 

Die Journalauszüge Nr. 4 und Nr. 6 zeigen, dass wir das An¬ 
wendungsgebiet der Transfusion nicht auf die perniciöse Anämie 
beschränkten. Sobald wir ausreichende Erfahrungen gesammelt 
hatten, dehnten wir es auf die sekundären Anämien aus; ganz 
besonders auf die Anämien nach Blutungen im Bereich 
des Magen-Darmkanals. Ich zweifle nicht, dass die Transfusion 
dabei den meisten Segen stiften wird. Jeder, dem viele solcher 


1 ) Ich vertrete den Standpunkt, dass das Gefässsystem bei der 
Förderung der Blutmasse aktiv mitwirkt. 


Magenleidende durch die Hände gehn, beobachtet oft, dass nach 
endlichem Sistieren langedauernder Ulcusblntungen der Patient 
sich relativ schnell bis zu einem gewissen Grade erholt, dass die 
Biutregeneration, und damit die weitere Besserung, dann aber aof 
einem bestimmten Punkte stehen bleibt und sich mit keinem 
der üblichen Mittel weiter fördern lässt. Bei den Blutungen aus 
dem weiblichen Genitaltrakt würde es wohl ähnlich sein, wenn hier 
nicht eine Operation meist rechtzeitig Hilfe schaffte. Hier fehlen 
mir eigene Erfahrungen. 

Man hat in solchen Fällen die Freude, nicht nur einen Palliativ¬ 
erfolg zu erreichen, wie bei der zuletzt ja doch unheilbaren perni- 
ciösen Anämie, sondern rasch eine definitive Heilung anzu- 
bahnen. Es folgt hier der Transfusion ein vollkommener Um¬ 
schwung im Ergeben des Kranken: Hebung des Appetits, rasch 
wachsendes Kräftegefübl, beträchtliche Gewichtszunahme usw. — 
Bei lebenbedrohenden subakuten Blutungen können 
grosse Bluttransfusionen direkt rettend wirken. Noch¬ 
mals möchte ich betonen, dass erneute Blutung oder Verstärkung 
vorhandener — etwa durch vermehrte Gefässfüllung und gestei¬ 
gerten Druck — nicht zu fürchten ist. Im Gegenteil! In den beiden 
eben erwähnten Fällen stand die seit Wochen resp. Monaten an¬ 
haltende Blutung mit der Transfusion sofort und dauernd, ln einem 
dritten mit tuberkulösen Darmgeschwüren wenigstens für 8 Tage. 
Der Blutdruck aber nähert sich bei diesen Kranken höchstens in 
einem für die ganzen Lebensvorgäoge offensichtlich nützlichen 
Grade der Norm. Hierzu jetzt einige Krankenjournalauszüge als 
Beispiele. 

7. Fr., 63 Jahre alt, aufgenommen 3. XI. 1913. Seit l‘/ 2 Jahren 
Scbluokbeschwerden und Magenschmerzen; 30 Pfund Gewichtsabnahme. 

Am Tage der Aufnahme: Atemnot, Ohnmacht, Schweissausbruch, 
Brennen im Leib. Viel Blut durch den Darm entleert; kein Erbrechen. 

Bei der Aufnahme: Schwer collabiert; äusserst blass; wiederholte 
Ohnmächten. 

Bauchdecken schlaff; kein Tumor oder bestimmter Schmerzpunkt 
fühlbar. Hb: 30 pCt. Stuhl: teerfarben; enthält reichlich Blut. Harn 
ohne Besonderheiten. 

13. XI. Nachdem Pat. sich inzwischen etwas erholt hat, Probe¬ 
frühstück: Freie HCl: —; Gesamtacidität: 10; Milchsäuern —; Sang. -f. 

Erst am 28. XL war der Stuhl blutfrei; der Hämoglobingebalt des 
Blutes aber hatte sich bis zum 19. XII. erst auf 35pCt. gehoben, ohne 
weiter zu steigen, und dementsprechend lagen die Kräfte darnieder. Daher 
am 19. XII. 1913 Transfusion von 820 ccm defibrinierten Blutes von 
D. mit 7 375 000 Roten, -f- 1000 ccm RingerlösuDg. Dauer: 20 Minuten. 
Die Blutkörperchen von Fr. waren durch das Serum von D. stark agglu¬ 
tiniert worden. 

Bei Beginn des Einströmens; Schmerzen im Kopf und im Kreuz. 

Bald nach Beendigung der Operation: Temperatur bis 38,5"; kein 
Schüttelfrost; 5 Stunden später: Harn dunkel; enthält Hb; Durchfall; 
Elendigkeitsgefühl. 

Die Zahl der Roten war von 3,4 auf 4,7 Millionen, das Hb von 35 
auf 42 pCt. gestiegen. 

Der Blutdruck betrug, während der Transfusion von 5 Minuten zu 
5 Minuten gemessen: Maiimum: 120, 120, 110, 120; Minimum: 60, 60, 
55, 70. 

20. XII. Temperatur normal; Harn: noch reichlich Hämoglobin; 
kein Urobilin; Icterus; starke Blutdrucksenkung ( 75 /so)* 

21. XII. Fühlt sich besser; Harn hämoglobinfrei; enthält Bilirubin. 

In der Folge hob sich Allgemeinbefinden und Blutdruck rasch, der 

Icterus verschwand und die Blutzusammensetzung besserte sich derart, 
dass Pat. am 30.1. 1914 mit 53pCt. Hb, 4 662 000 Roten und 6Pfuud 
Gewichtszunahme beschwerdefrei entlassen werden konnte. 

Am 12. II. stellte er sich bei gutem Wohlsein wieder vor. Hb: 
60pCt.; Rote: 5 560 000. 

Bemerkenswert ist, dass Pr. seit der Transfusion von Magen¬ 
beschwerden nichts mehr gespürt hat. 

8. ß., 41 Jahre alt. Seit Jahren Bleikolik, chronische Verstopfung, 

Leibschmerzen. 31. I. 1913: Schwere Magenblutung (»einen Nachttopt 
voll“); 5. II. Wiederholung der Blutung; Ohnmacht; Aufnahme ms 
Krankenhaus. . 

Status: Mittelgross, kräftig; »völlig ausgeblutet“; Bleisaum an den 
Zähnen. Hb: 36 pCt. 

Brust- und Bauchorgane ohne wesentliche Besonderheiten; Abdomen 
weich, nirgends druckempfindlich; Boas’scher Druckpunkt links vorhanden. 
Im Stuhl Blut -f; Harn: Eiweissspur. 

14. II. Im Stuhl noch Blut; Hb auf 32 zurückgegangen; Allgemein¬ 
befinden gehoben. , 

Transfusion von 580 com Blut des Polycythamiker Sch. m 
12 */ 2 Milliouen Roten, -f- 500 ccm isotonischer NaCl-LÖsung. Dau 
26 Minuten. ^ . 

Keinerlei Reaktion. Temperatur bleibt unverändert DOr ®J 1, f 

Hb unmittelbar nach der Transfusion 54pCt.; steigt bis 14.‘li- 
65 pCt., während das Körpergewicht in diesen 4 Wochen um 1« r 
zunahm. - 

Stuhl dauernd blutfrei. KeineMagenbeschwerden mehr. (Kurv 


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7. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1895 


Kurve 1. 



9. N., 48 Jahre alt, Friseur. Seit April 1913 Herzklopfen bei 
geringen Anstrengungen; seit Juni zunehmende Blässe; seit September 
schwarze Stühle bemerkt. 

23. IX. 1913. Bei Aufnahme: Schwerste sekundäre Anämie. Hb: 
21; Rote: D /2 Millionen; im Stuhl reichlich Blut. 

Probefrühstück: Freie HCl: 24; Gesamtacidität: 40; Sang. —; 
Milchsäure —. 

Anamnestisch und an den Organen sonst nichts Bemerkenswertes. 

Diagnose: Ulcus duodeni? 

Da eine Aenderung nicht eintrat und auf eine Transfusion verzichtet 
werden musste, weil die roten Blutzellen von N. durch das Serum aller 
in Betracht kommenden Blutspender gelöst wurden, oder N.’s Serum die 
Roten der präsumptiven Spender löste, machten wir Versuche mit Blut¬ 
injektionen nach v. Ziemssen. 

Am 14. X. erhielt N. 40 g, am 22. X. 60 g, am 3. XI. 40 g ganzes 
Normalblut intramuskulär; am 7. XL und 13. XL 40 g resp. 60 g sub- 
cutan. 

Das Ansteigen des Hb von 21 auf 29 pCt. innerhalb der 2 Monate 
kann als wesentlicher Erfolg kaum bezeichnet werden; jedenfalls stand 
dieser Erfolg in keinem Verhältnis zu der grossen Schmerzhaftigkeit des 
Verfahrens; auch Blut im Stuhl trat mit kurzen Unterbrechungen immer 
wieder auf. N. verliess nach der letzten Injektion (14. XI. 1913) ungeheilt 
die Anstalt. Zu Hause musste N. fast dauernd das Bett hüten; alle paar 
Wochen bekam er heftige krampfartige „Magen“scbmerzen. Anfang 
Februar 1914 schwere Darmblutung. Seitdem geht es immer schlechter. 
Seit 20. III. allmorgentlich, beim Versuch sich im Bett aufzurichten, 
Erbrechen; im Erbrochenen niemals Blut. 

28. III. 1914 Wiederaufnahme. Patient äusserst elend, macht fast 
den Eindruck eines Sterbenden. Schmerzen in der linken Oberbauch¬ 
gegend. Hb: 14 pCt. Rote: IV 2 Millionen. In den ersten Tagen Tem¬ 
peratur über 38° C. Im Stuhl mit Benzidinprobe Blut nachzuweisen. 
Wiederum gelingt es zunächst nicht, brauchbares Blut zur Transfusion 
zu finden. Da keine Aenderung im Befinden des N. eintrat, entschloss 
ich mich am 11. VI. das Blut des Polycytbämikers Sch. mit 10 Millionen 
Roten zu verwenden, obgleich die Erythrocyten von N. durch das Serum 
von Sch. stark agglutiniert wurden. Aktive und passive Hämolyse fehlte. 

Zur Vorsicht begnügte ich mich zunächst mit 600 ccm, die ab¬ 
wechselnd mit 750 ccm Ringerlösung in 15 Minuten einströmten. 

Während der Operation Kopfschmerzen, Hustenreiz; erythematöse 
Rötung der Gesichtshaut. Kurz danach Frösteln; die Temperatur erhebt 
sich bis 39,4°, kehrt aber noch am gleichen Abend zur Norm zurück. 
Keine Hämolyse. 

Hb vor der Transfusion 14 pCt.; unmittelbar nachher 39 pCt. Es 
war diesmal gelungen, die Temperatur von Blut und Ringerlösung ziem¬ 
lich konstant auf 37° C zu halten. 

Der Blutdruck war während der Transfusion: Maximum: 120, 135, 
120, 120, 115; Minimum: 45, 45, 40, 50, 45. 

Nach der Operation Wohlbefinden; Blut aus dem Stuhl dauernd 
verschwunden; ebenso alle Symptome seitens des „Magens“. 

Dennoch erhebt sich der Hb Gehalt des Blutes während der nächsten 
18 Tage nicht über 37 pCt. 

Daher am 29. IV. zweite Transfusion. 

Innerhalb von 23 Minuten strömen 900 ccm Blut desselben Poly- 
cythämiker Sch. mit jetzt 9,3 Millionen Roten -f- 400 g Ringer- 
lösuog ein. 


Kurve 2. 



Temperatur des Blutes anfangs unter 35°; später 36°; zuletzt 38°. 

Ausser Hustenreiz und etwas Kreuzschmerzen während der Operation 
diesmal keine Beschwerden. 3 Stunden später Schüttelfrost, Erbrechen, 
Durchfall, Temperatur bis 39,6°, aber noch am Abend Entfieberung. 

Keine Hämolyse. Blutdruck: Maximum: 125, 120, 115, 115, 
120, 130, 140; Minimum: 60, 50, 50, 55, 60, 60, 65. 

Der Hb-Gehalt des Blutes hatte sich von 37 pCt. auf 50 pCt. un¬ 
mittelbar nach der Transfusion gehoben, stieg am 2. Tage auf 55 pCt. und 
blieb auf dieser Höhe bis zum 13. V. unverändert stehen, wo N. geheilt 
und arbeitsfähig entlassen werden konnte. 

Mitte Juni stellte er sich dann wieder vor; er macht den Eindruck 
eines völlig gesunden Menschen und weiss nichts mehr von „Magen“- 
beschwerden. Hb: 60 pCt. (Kurve 2.) 

10. R., 24 Jahre alt, Postbote. Seit etwa 3 Jahren magenleidend. 
Im letzten Jahr alle paar Wochen während einiger Tage krampfartige 
Magenschmerzen, teils vor, teils 1—2 Stunden nach dem Essen. Zu¬ 
weilen auch nachts; werden dann durch Trinken von Wasser gemildert. 
Vor etwa 1 Jahr durch 14 tägige ärztliche Behandlung zunächst be¬ 
deutend gebessert, doch kehrten die Beschwerden bald wieder. Die An¬ 
fälle gehen oft mit Frösteln einher. 

1. I. 14. Morgens viel Aufstossen; in der Nacht zum 2. I. dünner 
Stuhl; Erbrechen (kein Blut). Ara Morgen des 2. wird ihm auf seiner 
Haustreppe schwarz vor den Augen; er bricht zusammen und entleert, 
in seine WohnuDg gebracht, viel reines Blut durch den Darm, -sowie mit 
dem gleichzeitig Erbrochenen. Transport ins Krankenhaus. Un¬ 
mittelbar nach der Aufnahme 3 / 4 Liter reines, hellrotes, nicht geronnenes 
Blut aus dem Munde entleert. 

Status: Grosser, schlecht genähiter, äusserst blasser junger Mann; 
Zunge belegt; anämische Herzgeräusche; Abdomen weioh, nirgends 
druckempfindlich; Puls sehr klein, weich frequent. Hb. 55pCt. Sonst 
an den Organen nichts Besonderes. 

Magen mit Eiswasser gespült; NaCl-Suprarenin innerlich. Trotzdem 
abends erneute Magenblutung. Puls sehr schlecht. Aus Indicatio 
vitalis 200 ccm defibriniertes Blut eines Nephritikers ohne weitere Vor¬ 
prüfung intravenös. Keinerlei Reaktion; kein Erbrechen wieder. Io der 
Nacht dünner, teerfarbener Stuhl. 

3. I. 11b. 35 pCt. Blutdruck 95/50; kein Blutbrechen mehr; starkes 
Durstgefühl. 

4. I. Zweimalige Entleerung stark bluthaltigen Stuhls. Blut¬ 
druck 100/40. 

5. I. Hb. 25 pCt.; Blutdruck 100/40; Puls klein, sehr frequent. 

6. I. Hb. 19 pCt.; starkes Durstgefühl trotz reichlicher Wasser¬ 
zufuhr. 

8. I. Hb. 16 pCt.; 400 ccm geeiste Milch löffelweise werden be¬ 
halten. 

10. I. Linksseitige Hungerparotitis; Temperatur 39° C. 

12. I. Hb. 16 pCt.; Rote 1 225 000. Die schmerzhafte Schwellung 
der Parotis hat zugenoramen. 

14. I. Hb. 18 pCt.; Temperatur 39,8. Stuhl immer noch teerfarben. 

15. I. Inzision und Drainage der Parotis; Temperatur fällt zur Norm. 

19. 1. Hb. 18 pCt., Stuhl immer stark bluthaltig. 

22. I. Im Stuhl andauernd viel Blut. 

24. I. Hb. 18 pCt., Rote 2 000 000. Blutdruck 90/45. 

Transfusion von 950 ccm defibrinierten Blutes des Polycythämikers 

Sch. mit IOV 2 Mill. Roten -f- 900 ccm Ringerlösung in 22 Minuten. 
Blutdruck 70/<40 — 105/<40 — 110/40 — 110/50. 

Während der Transfusion Kopfschmerzen; gegen Ende Frösteln; 
3 Stunden später Temperatur 40,2; 5 Stunden später 38,7; im Laufe 
der Nacht kehrt die Temperatur zur Norm zurück. Harn bleibt frei 
von Hb und Gallenderivaten. Auch sonst keinerlei Störungen. Das Blut 
von Spender und Empfänger hatte weder Hämolyse noch Agglutination 
gezeigt. Die Temperatur der Infusionsflüssigkeiten hatte sich auf 35 bis 
36° C halten lassen. 

Hb. vor der Transfusion 18 pCt.; unmittelbar nachher 30 pCt. 

25. I. Wohlbefinden; Hb. 37 pCt. (Ausscheidung des infundierten 
Wassers). 

Der Hämoglobingehalt des Blutes stieg bis zum 31. I. auf 45 pCt.; 
die Zahl der Roten auf 3,8 Mill. Stuhl frei von Blut; keinerlei Magen 
beschwerden mehr. 



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UNIVERSUM OF IOWA 






























1896 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


26. II. hat die Zahl der Roten 4,66 Mill. erreicht, wahrend der 
Hämoglobingehalt sich nicht weiter gehoben hatte (44 pCt.) Stuhl 
dauernd blutfrei; keine Magenbescbwerden. Gewichtszunahme seit 
dem 2. Februar (vorher war Wägung nicht möglich gewesen) 
12 P/und. 

12. III. Beschwerdefrei, auf seinen Wunsch entlassen. 

15. V. stellte er sich völlig genesen wieder vor, nachdem er bereits 
seit 6 Wochen seinen Dienst als Postbote aufgenommen batte. Irgend¬ 
welche Störungen seitens des Magens sind nicht wieder aufgetreten. 
Hb. 50—55 pCt. (Kurve 3.) 

Wenn man die prompte bämostyptische Wirkung der 
grossen Transfusionen von artgieicbem Blut in den letzten Fällen 
auch vielleicht mit der gleichen von artfremdem Serum bei 
lokaler Applikation in Parallele setzen darf, so muss ich doch 
gestehen, dass mir die „Besserung der Gewebsernäbrung und der 
Circulationsverhältnisse“ durch die grossen Mengen frischen Blutes 
nicht recht genügt, um die sofortige dauernde Beseitigung aller 
Magenbeschwerdeo und den unmittelbaren Umschwung im Be¬ 
finden der Kranken gleich nach Abklingen der Transfusions- 
reaktiouen iu erklären. Der vorläufige Mangel einer voll be¬ 
friedigenden Erklärung vermag an der Tatsache freilich nichts zu 
ändern. Ueber das Sistieren von Blutungen nach der Transfusion 
Soden sich schon in der älteren Literatur ein paar vereinzelte 
Bemerkungen. 

Es ist klar, dass eine ähnlich günstige Daoerwirknng noch 
in vielen anderen Fällen zu erwarten ist, und zwar überall dort, 
wo krankhafte Hämolyse nicht zum Wesen des Leidens gehört 
(wie bei den hämorrhagischen Diatbesen, Leukämie, den meisten 
Formen der perniciösen Anämie usw.). Es kommt ferner die 
prophylaktische Transfusion vor blutigen Operationen an stark 
ausgeblnteten Personen in Betracht (vgl. unseren Fall 4). Also 
z. B. bei Placenta prävia, bei Extrauterinschwangerschaft, vor 
Myomoperationen nach langen Blutungen, bei ausgebluteten 
Wöchnerinnen usw. 

Ueberblickeu wir besonders die zuletzt mitgeteilten Journal¬ 
auszüge, so scheint es einigermaassen bemerkenswert, dass die 
mit grossen Transfusionen sofort erreichte beträchtliche Hämo¬ 
globinvermehrung in den Fällen, wo eine Zerstörung der Blut¬ 
zellen nicht zum Wesen der Krankheit gehört, wie z. B. bei der 
perniciösen Anämie, für Wochen, bzw. während der ganzen Be¬ 
obachtungszeit, entweder annähernd konstant bleibt, oder gleich 
mässig zunimmt. Das circulierende Blut ist nach unseren bis¬ 
herigen Anschauungen doch kein selbständiges Gewebe, welches 
die Fähigkeit der Selbstergänzung in sich trägt, wie andere 
Körperbestandteiie. Wir nehmen vielmehr an, dass wenigstens 
seine Zellelemente aus den sogenannten Blutbildungsstätten — 
vor allem Knochenmark und Lymphgewebe — stammen und von 
hier ins Gefässsystem abgegeben werden, ohne sich innerhalb der 
Gefässe zu vermehren. 

Wie können sich also die zugeführten Blntzellen im fremden 
Organismus dauernd erhalten? 

Sollen wir glauben, dass sie beim Passieren der Blutbildungs- 
stätten in diesen haften bleiben und sich hier nun in einer uns 
bisher nicht bekannten Weise regenerieren? 

Oder üben ihre Zerfallsprodukte einen spezifischen Neu¬ 
bildungsreiz aus, indem sie zugleich Material für diese Neu¬ 
bildung liefern? 

Der letztere Vorgang spielt ja sicher eine Rolle, wie die 
klinische Beobachtung lehrt 1 ) und Cantacuzene, sowie neuer¬ 
dings Hess und Saxl experimentell nachgewiesen hat. Anch sei 
an die „Hämapoetine“ Carnot’s erinnert. 

Insofern hätte diese Hypothese am meisten für sich. 

Ein Regenerationsreiz durch Blutzellbestandteile müsste ja 
sicher für die Fälle angenommen werden, in welchen kleine Blut¬ 
mengen, manchmal von wenigen Kubikzentimetern, und selbst 
wenn sie extravaskulär beigebracht wurden, eine lebhafte Blut- 
neubildung hervorrufen sollen. Wir haben das freilich nicht 


1 ) Es ist im Tierexperiment von jeher aufgefallen, dass die Blut- 
erneuerung sehr viel rascher erfolgt, wenn die roten Blutzellen inner¬ 
halb der Blutbahn durch Gifte zerstört werden, als wenn man sie durch 
Entbluten dem Organismus ganz entzieht. Auch bei der akuten 
malarischen Hämolyse (dem Schwarz Wasserfieber), wo nicht selten 
B /* der gesamten roten Blutkörperchen, und mehr, innerhalb von 2—3 mal 
24 Stunden zugrunde geben, darf man sich die intensive Neubildung, 
welche den Verlust in wenigen Wochen vollkommen wieder einbringen 
kann, wohl kaum allein damit erklären, dass hier die Bausteine für die 
Erneuerung dem Organismus teilweise verblieben sind. Wahrscheinlich 
wirkt ein spezifischer, von den Zerfallskörpern der untergegangenen 
Zellen ausgeübter Neubildungsreiz ebenfalls mit. 


gesehen (s. z. B. Fall 9). Es ist bemerkenswert, dass ver¬ 
schiedene zuverlässige Beobachter, wie Quincke, Ewans, 
Morawitz, Schultz, gerade dann eine günstige Wirkung 
hatten, wenn eine besonders heftige Reaktion vorausgegangen war. 
Diese wird wahrscheinlich nicht allein durch den Zerfall der 
relativ geringen Menge ein geführter Blutzellen allein erzeugt, 
sondern durch die hämolytischen Prozesse, welche fremdes, wenn¬ 
gleich arteigenes Blut manchmal hervorruft, und mag deshalb in 
einem gewissen Verhältnis zur Stärke der Hämolyse und damit 
der Reaktion stehen. Die Hämolyse braucht ja nicht so hochgradig 
zu sein, dass blutfarbener Harn entleert wird. 

Ein klassisches Beispiel für solche Vorgänge, bietet eine Kranken¬ 
geschichte von Bier (1901), welcher einen schwer Tuberkulösen mit oft 
wiederholten Injektionen kleinster Mengen artfremden Serum? be¬ 
handelte, um eine Reaktion, eine „Umstimmung“ des Organismus zu be¬ 
wirken. Nach der ersten Injektion von 20 bis 25 ccm frisch defibri- 
nierten Hammelblutes wurde das Serum des Empfängers hämolytisch. 
Schliesslich trat trotz der zum Teil sehr stürmischen akuten Erschei¬ 
nungen wesentliche Besserung ein. 

Für unsere Fälle kommt wohl eine doppelte Wirkung in 
Betracht. Zunächst wird man angesichts der Jourualauszüge 
kaum bezweifeln, dass selbst die grossen Mengen zum Teil über¬ 
wertigen Blutes mehr oder weniger vollkommen erhalten bleiben. 
Die zuweilen schon in den ersten Tagen über den unmittelbar 
nach der Transfusion gefundenen Hämoglobinstand hinaus beob¬ 
achtete Zunahme dürfte nur scheinbar und durch die Aus¬ 
scheidung des mit dem Blut eingeführten Wassers bedingt sein. 
Namentlich bei Perniciös-Anämischen, die das Wasser länger 
retinieren, tritt das hervor. Aber die eingefübrten Zellen haben 
ein verschiedenes Alter, und wie sie im Organismus des Spenders 
allmählich zugrunde gegangen wären, so muss es ihrem zu¬ 
nehmenden Alter entsprechend von anfang an auch im Empfänger 
geschehen. Ihre Zerfallsprodukte regen dann wieder die Neu¬ 
bildung an, so dass der ganze „ Blutzell Wechsel“, wenn ich 
so sagen darf, auf ein höheres, aber einigermaassen konstantes 
Niveau eingestellt wird (s. Kurve 2 u. 3). 

Wenn man so grosse Erythrocytenmengen zuführt, dass von 
ihrer Funktion ein direkter, unmittelbarer Nutzen für den Emp¬ 
fänger zu erwarten ist, so gestaltet sich die Vorbereitnng dieses 
Blutes einigermaassen schwierig. Selbst wo keine spezifische 
Hämolyse stattfindet, wird doch durch das Defibrinieren, Filtrieren, 
Umgiessen, die Temperaturschwankungen, ein, wenn auch kleiner 
Teil der roten Blutzellen zerstört werden. Je grösser die vor¬ 
behandelte Blutmenge ist, um so grösser muss die Zerstörung 
sein. Die Zerfallsprodukte aber geben wieder einen kräftigen 
Reiz zur Blutneubildung ab, für welche sie zugleich Material 
liefern. Der Zerfall wirkt also in diesem Sinne nützlich. 

Befördern darf man ihn trotzdem nicht. Es ist im Gegen¬ 
teil unser Bestreben darauf zu richten, dass die fremden Blut- 
zellen möglichst vollständig erhalten bleiben. Es ist ja nicht 
zu bezweifeln, dass die erhaltenen auch volle Funktion ausüben 
und so den Verlust unmittelbar ersetzen. 

Die Anregung der späteren Neubildung möge man ihrem 
natürlichen Untergang überlassen. 

Da Anaphylaxie nicht eintritt, wie wir uns mehrfach 
überzeugen konnten, so lässt sich die Transfusion beliebig oft 
wiederholen. 

Für die Hauspraxis eignet sich das Verfahren bis jetzt schon 
deshalb nicht, weil es geübte Assistenz erfordert. 

Dass es aber für die Kliniken und Krankenhäuser lohnt, 
sich damit zu beschäftigen, das hoffe ich gezeigt zu haben. 


Literatur. 

1. Philoaophical Transaction, Vol. 7-37, 57, p. 1665-1669, bringt 
die Berichte aus England und Frankreich. — 2. Panum, Experimen¬ 
telle Untersuchungen über die Transfusion, Transplantation oder Sub¬ 
stitution des Blutes in therapeutischer und praktischer Beziehung. Viren- 
Arch., 1863, Bd. 27, S. 240. — 3. Martiü, Ueber die Transfusion bei 
Blutungen Neuentbundener. Berlin 1859. — 4. Eulenburg und Lan- 
dois, Die Transfusion des Blutes. B.kl.W., 1866, S. 87. - 5. Laodois, 
W.m.W., 1867, Nr. 30-59. — 6. G. Gesellius, Die Transfusion des 
Blutes, eine historische, kritische und physiologische Studie. Leipzig 1“' i 
T. Wagner. Bringt die älteste Literatur. — 7. Neudörfer, Beiträge zur 
Transfusion. Zschr. f. Chir., 1879, Bd. 5, Nr. 35-37. — 8. Quincke, 
D. Arch. f. klin. M, Bd. 20, S. 1 u. Bd. 25, S. 567. — 9. v. Ott, Ueber 
den Einfluss der Kochsalzinfusion auf den verblutenden Organismus ® 
Vergleich mit anderen zur Transfusion verwendeten Flüssigkeiten. Urc ■ 
Arch., 1883, Bd. 93. — 10. Länderer, Ueber Transfusion und Infusion. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





7. Dezember 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1897 


D. Aroh. f. klin. Chir., 1886, Bd. 34, S. 809. — 11. Dettmar, Einfluss 
der Transfusion des Blutes derselben Spezies auf die Zahl der 'roten 
Blutkörperchen. Greifswald 1896, Inaug.-Diss. — 12 Gantacuzene, 
Sur les variations qualitatives et quantitatives des globules rouges pro- 
voquöes chez le lapin par les injections de serum hömolytique." Ann. de 
l’inst. Pasteur, 1900, T. 14. — 13. A. Bier, Die Transfusion von Blut, 
insbesondere von fremdartigem Blut und ihre Verwertbarkeit zu Heil¬ 
zwecken von neuen Gesichtspunkten betrachtet. M.m.W., 1901, Nr. 15. — 
14. Lefmann, Die Giftsubstanzen des artfremden Blutes. M. Kl., 1907, 
8 . Jahrg. — 15. W. Schultz, Ueber Isolysine und Hämagglutinine beim 
Kaninchen. D. Arch. f. klin. M., 1905, Bd. 84, S. 552. — 16. Derselbe, 
Bleibt artgleicbes Blut bei der Transfusion erhalten? D. Arch. f. klin. 
M., 1905, Bd. 84, S. 541. — 17. Derselbe, üeber Bluttransfusion beim 
Menschen unter besonderer Berücksichtigung der biologischen Vor¬ 
prüfungen. B.kl.W., 1910, Nr. 30, S. 934. — 18. Derselbe, Ein weiterer 
Beitrag zur Transfusionsfrage. B.kl.W., 1911, Nr 21.— 19. R. T. Frank, 
A new method for the transmission of the blood. New York med. journ., 
Nov. 1908. — 20. Morawitz, Die Behandlung schwerer Anämien mit 
Bluttransfusion. M.m.W., 1907, Nr. 16. — 21. Derselbe, Beitrag zur 
Kenntnis der Blutgerinnung. D. Arch. f. klin. M., Bd. 79, H. 1—6. — 

22. Derselbe, Transfusion und Aderlass. D.m.W., 1910, Nr. 6 u. 7. — 

23. Weber, Ueber die Behandlung schwerer Anämien mit Menschenblut¬ 
transfusionen. D. Arch. f. klin. M., 1909. — 24. Coca, Virch. Arch., 
1909, Bd. 196, H. 1. — 25. Voit-Giessen, 56. Versammlung der mittel¬ 
rheinischen Aerzte. M.m.W., 1909, Nr. 30. — 26. Guleke, Chirurgische 
Reiseeindrücke aus Nordamerika. M.m.W., 1909, Nr. 47, S. 2426. — 
27. Hotz, Ueber Bluttransfusion beim Menschen. D. Zschr. f. Chir., 1910, 
Bd. 104, H. 2, S. 603. — 28. Enderlen, Zur Behandlung der Hämo¬ 
philie. M.m.W., 1910, S. 1308. — 29. Moldovan, Ueber die Wirkung 
intravasculärer Injektionen frischen defibrinierten Blutes und ihre Be¬ 
ziehungen zur Frage der Transfusion. D.m.W., 1910, Nr. 52, S. 2422. — 
30. Gray, Med. record, 1911, vol. 89, p. 198. — 31. 0. Hansen, Ver¬ 
handlungen des deutschen Kongresses für innere Medizin 1911. — 
.32. H. Freund, Studien über das Fieber duroh Blutzerfall und Blut¬ 
transfusion. D. Arch. f. klin. M., 1912, H. 1, S. 44. — 33. L. Hess und 
P. Saxl, Ueber den Abbau des Hämoglobins. D. Arch. f. klin. M., 1912, 
H. 2, S. 180. — 34. Payr, Zur Technik der arterio-venösen Bluttrans¬ 
fusion. M.m.W., 1912, Nr. 15. — 35. Flörken, Weitere Beiträge zur 
direkten Bluttransfusion. M.m.W., 1912, Nr. 49, S. 2663. — 36. R. Otten- 
berg und D. Kaliski, Die Gefahren der Transfusionen und deren Ver¬ 
hütung. D.m.W., 1913, Nr. 46. — 37. L. Dreyer, Ergebnisse der Chir¬ 
urgie und Orthopädie, 1913, S. 76. — 38. M. Levy, Ueber Transfusionen 
am Menschen mit serumhaltigem und serumfreiem Blut. Zschr. f. klin. M., 
1914, Bd. 80, H. 1 u. 2. 


Bücherbesprechungen. 

E. Ponfick: Untersuchungen über die exsudative Nierenentzündung. 

Mit 112 Abbildungen auf 25 Tafeln. Jena 1914, G. Fischer. 

290 Seiten, gr. 8°. 

Die Herausgabe dieses Werks, einer Frucht jahrelanger tiefgründiger 
Studien, hat der Verf. nicht mehr erleben dürfen. Mein unvergesslicher 
Freund wurde uns kurz vor Vollendung derselben entrissen. Da aber 
das Manuskript beim Tode Ponfick’s in seinen einzelnen Abschnitten 
fertig gestellt vorlag, so konnte Herr R. Stumpf 1 ), zuletzt sein erster 
Assistent, das Buch in dankenswerter Weise für den Druck fertig stellen. 
So liegt es denn als ein schönes Zeichen der Erinnerung und weit dar¬ 
über hinaus als ein hervorragendes Werk deutschen Forschergeistes und 
deutscher Gründlichkeit vor uns. Freilich fehlt die letzte Ueberarbei- 
tung.und vor al)em eine abschliessende Zusammenfassung des gesamten 
Stoffes, in der Ponfick wohl manches noch schärfer hervorgehoben und be¬ 
sonders die Beziehungen zu den klinischen Bildern der Nierenentzündungen 
in grossen Zügen nochmals festgelegt hätte. Jetzt hat sich Stumpf damit 
begnügen müssen, den bekannten Vortrag Ponfick’s auf der Meraner 
Naturforscherversammlung von 1905: „Ueber Morbus Brightii“ an den 
Schluss zu setzen, und wir wissen nicht, welchen Einfluss die neuesten 
Forschungen auf dem Gebiete der Nierenpathologie, zu denen sich die 
Keime übrigens vielfach schon in dem Ponfick’schen Buche finden, auf 
die endgültige Ausgestaltung des letzteren gehabt hätten. Bereits da¬ 
mals aber hielt Ponfick eine Einteilung in parenchymatöse und inter¬ 
stitielle Prozesse für überlebt und eine Sonderung nach rein deskriptiven 
Merkmalen, wie z. B. einer „weissen grossen“ und einer „kleinen roten“ 
Niere, für ganz unzweckmässig. Es handelt sich vielmehr überaus häufig 
gar nicht um eine diffuse Ausbreitung des pathologischen Prozesses, 
sondern um Herderkrankungen, seien es Infarkte (Nekrosen), seien es 
Schrumpfungsherde, die sich auf arteriosklerotische Prozesse (reine 
Arteriosklerose, Syphilis usw.) zurückführen lassen. Schliesslich kommen 
hierfür auch mechanische (porogene) Schädlichkeiten, wie bei der 
Hydronephrose, und hämatogene Noxen, besonders solche infektiösen Ur¬ 
sprungs in Betracht. Derartige umschriebene Sohrumpfungsherde und 
reine Herderkrankungen können unter dem Bilde eines typischen Morbus 
Brightii verlaufen. Es sind dies die Zustände, die Volhard und 


1) Er ist vor wenigen Tagen den Heldentod auf dem|.Felde der Ehre 
gestorben! 


Fahr als nephrotische Sohrumpfniere (nekrotisierende Nephrosen), als 
embolische Herdnephritis u. s. f. und als Kombinationsform der Sklerosen 
bezeichnet haben. Von den „parenobymatösen“ Nephritiden sagt P., 
dass ein nicht geringer Bruchteil überhaupt nicht zu den entzündlichen 
gerechnet werden darf (die Nephrosen der ebengenannten Autoren), aber 
auch bei den wirklich entzündlichen Formen ist zu untersuchen, wie 
weit ausschliesslich die Harnkanälchen, wie weit zugleich die Malpighi- 
schen Körperchen und andere Teile des Zwischengewebes ergriffen wurden. 
Während nun die Veränderungen der Drüsenzellen selber nach allen 
Richtungen studiert sind, hat man dem Verhalten ihres Lumens nicht 
die genügende Beachtung geschenkt. Diesem Studium ist im wesent¬ 
lichen das vorliegende Werk gewidmet, welches die plastischen Ab¬ 
sonderungen der Nephritis exsudativa in allen ihren verschiedenen Er¬ 
scheinungsformen, am Glomerulus, an den Harnkanälchen und (indirekt) 
im interstitiellen Gewebe auf Grund eines ungemein reichhaltigen und 
auf das sorgfältigste verarbeiteten Materials zur Darstellung bringt. 
112 Figuren auf 25 Tafeln in Buntdruck geben ein anschauliches 
Bild der betreffenden Verhältnisse. Dass die Zeichnungen ein klein 
wenig schematisiert sind, halte ich für keinen Fehler. Uebersicht und 
Verständnis werden dadurch erleichtert, und der Autor haftet uns 
schliesslich doch dafür, dass nichts Wesentliches verloren oder falsch 
interpretiert ist. Ponfick zeigt aber, dass dieses exsudative Moment 
eine gewaltige und bisher entschieden unterschätzte Rolle in der Patho¬ 
logie der Nierenkrankheiten spielt und der Tenor seines Buches geht 
darauf hinaus, die Beweisstücke hierfür beizubringen. Er teilt sein Ma¬ 
terial ein in die Gruppe der eigentlichen Nephritis exsudativa und deren 
unmittelbare Folgezustände (Verkalkungsvorgänge verschiedener Art) und 
die Cystenbildung und Schrumpfung als weitere sich anschliessende Er¬ 
scheinungen. Damit werden wir aber, wie die folgende Einteilung der 
Bilder des Atlas zeigt, über das ganze weite Gebiet deren Nierenkrank- 
heiten geführt. Wir finden nämlich: I. Nephritis exsudativa acuta 
(17 Abb.); II. Nephritis exsudativa ohronica (Abb. 18—25); III. Nephritis 
exsudativa mit Cystenbildung und Glomerulis (Abb. 26—34); IV. Ne¬ 
phritis exsudativa mit Bildung tubulogener Cysten (Abb. 35—43); 
V. Nephritis exsudativa, teils hyaline, teils leukocytäre, teils gemischte 
Cylinder hinabsenkend (Abb. 44—47); VI. Nephritis haemorrhagica und 
chronica (Abb. 48—52); VII. Nephritis glomerula acuta und chronica 
(Abb. 53—61); VIII. Nephritis exsudativa recens neben altem Schwunde 
der anderen Glomeruli (Abb. 62); IX. Nephritis glomerularis exsud. acuta 
im Kindesalter (Abb. 63—66); X. Nephritis exsudativa mit Verkalkung der 
Rindensubstanz (Abb. 67—72); XI. Atrophia granularis (Abb. 73 u. 74); 
XII. Nephritis interstit. chron. auch glomerul. (Abb. 75—77); XIII. Ne¬ 
phritis exsudativa mit teils hyalinen, teils leukocytären Cylindern in der 
Marksubsubstanz (Abb. 80—84); XIV. Nephritis embolica (Abb. 85 
bis 88); XV. Nephritis interstit. acuta (Abb. 89); XVI. Verkalkung der 
Markkegel (Abb. 90—97); XVII. Regeneratorische Epithelwuoherung in 
den Sammelkanälchen (Abb. 98); XVIII. Pallisadenförmige Schrumpfungs¬ 
herde (Abb. 99—.106); XIX. Verdichtung im Mark mit Verödung ge¬ 
rader Kanälchen (Abb. 107—111); XX. Sekundärer Schwund Malpigh- 
scher Körperchen nach Verstopfung von gewundenen Kanälchen und 
unteren Scbaltstücken (Abb. 112). 

Man verzeihe diese langatmige Aufzählung! Aber nur so schien es 
mir möglich, dem Leser dieser Zeilen einen Ueberblick über den reich¬ 
haltigen Inhalt des Ponfick’schen Werkes zu geben. Der Verf. hob 
selbst am Schluss seines Meraner Vortrages die Solidarität zwischen 
anatomischer und klinischer Forschung hervor und gab seiner Ueber- 
zeugung Ausdruck, dass nur durch ein gemeinsames planvolles Zu¬ 
sammenarbeiten zwischen Kliniker und Anatomen die Möglichkeit eines 
gedeihlichen Fortschrittes auf diesem Gebiete gegeben sei. Sein Hin¬ 
scheiden hat ihn leider die klinische Seite weniger wie er beabsichtigte, und 
wie ich weiss, dass er wollte, zur Geltung bringen lassen. Wie das 
Buch jetzt vorliegt, ist es doch im wesentlichen von pathologisch-anato¬ 
mischer Bedeutung und es fehlt an den klinischen Daten, die das Band 
zwischen Anatomie und Klinik herstellen. Doch in ersterem Sinne wird 
es eine Glanzleistung bleiben, die vielleicht für den Augenblick, unter 
dem Dröhnen der Schlachten, nioht ihre volle Würdigung findet, später 
aber unbedingt dem Namen des Autors ein dauerndes ehrenvolles Ge¬ 
denken sichern wird! Ewald. 


H. Starck-Karlsruhe: Lehrbach der Oesophagoskopie. 2. grössten¬ 
teils neubearbeitete Auflage. Mit 110 Abbildungen. Würzburg, 
Gurt Kabitzsch. Preis 8 M. 

Das schon in seiner 1. Auflage ausgezeichnete Buch, das jedem, der 
sich mit Oesophagoskopie beschäftigt, unentbehrlich geworden ist, zeigt 
in seiner neuen Form eine wesentliche Aenderung vor allem darin, dass 
die in den letzten 10 Jahren angegebenen neuen Instrumente einschliess¬ 
lich ihrer Handhabung ausführlich beschrieben sind. Aber auch der 
klinisohe Teil hat von den reichen Erfahrungen des Autors Nutzen ge¬ 
zogen, trotzdem der Autor in der Vorrede bemerkt, dass das praktische 
Ergebnis der Oesophagoskopie als diagnostischer und therapeutischer 
Methode fast ganz auf dem Standpunkt der v. Mikulicz’schen Aera 
stehen geblieben ist, und dass die Klinik durch die 400 neuen Arbeiten 
nur wenig in prinzipieller Weise gefördert wurde. Dies gilt allerdings 
nicht für die Frage der Fremdkörper, für deren Feststellung und Ent¬ 
fernung sich die Methode sehr segensreich erwiesen hat. Ein so offenes 
Bekenntnis eines so erfahrenen Klinikers wird auch denjenigen, der das 


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UNIVERSUM OF IOWA 






1898 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


nach Inhalt und Form gleich vorzügliche Buch nicht selbst gelesen hat, 
über da9 Maass von Kritik unterrichten, welches der Autor gegenüber 
einer Materie zeigt, die er bekanntlich als Meister beherrscht. 

H. Strauss-Berlin. 


Hans Busch: Pbaitout der normalen Nase des Mensehei. 3 farbige 
Tafeln mit 6 Deckbildern und 84 Seiten erklärendem Text. 
München, J. F. Lehmann’s Verlag. Preis geh. 3 M., geh. 4 M. 

„Das vorliegende Nasenphantom verfolgt den Zweck, dem Studieren¬ 
den und Arzt, insbesondere dem sich spezialistisoh Ausbildenden, einen 
Wegweiser an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe er sich schnell über 
die wichtigsten descriptiv und topographisch-anatomischen Verhältnisse 
der normalen Nase orientieren kann.“ Die Zeichnungen sind nach 
Originalpräparaten hergestellt und in natürlichen Farben so ausgezeichnet 
wiedergegeben, dass der Zweck des Phantoms in jeder Beziehung erfüllt 
wird; dasselbe erleichtert sowohl das Verständnis des anatomischen 
Aufbaues der Nase, als auch der klinischen Verhältnisse; durch die An¬ 
ordnung der Bilder wird die Vorstellung erweckt, man präpariere selbst 
eine rechte Nasenseite. Das vortrefflich ausgestattete Büchlein verdient 
die weiteste Verbreitung. G. Brühl. 


Liter&tur-Ausz&ge. 

Physiologie. 

Th. Birnbacher: Weitere Untersuchungen über die Verkürzung 
des Muskels im Muskeipresssuft. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) 
Verf. hatte gefunden, dass Froschmuskeln sich verkürzen und unerregbar 
werden, wenn sie in den Presssaft von Froschmuskeln gebracht werden. 
Diese Folgen treten nicht ein, wenn der Presssaft aus Muskeln ge¬ 
wonnen wurde, welche in Ringerlösung unter Sauerstoffdruck unerregbar 
geworden waren. Jetzt findet Verf, nun, dass auch ohne Sauerstoff¬ 
überdruck ein Presssaft zu erhalten ist, der keine Verkürzung herbei¬ 
führt. Das gelingt, wenn man die Muskeln bei sehr niedriger Tem¬ 
peratur (40° C) in Ringerlösung absterben lässt. Hier, wie in sauer¬ 
stoffhaltiger Lösung sterben die Muskeln sehr langsam ab. Dabei haben 
sie Zeit die Verkürzung erregenden Stoffe abzugeben. Lässt man wirk¬ 
samen Presssaft dialysieren, so wirkt auch das Dialysat verkürzend. Es 
handelt sich um anorganische Substanzen, die aus dem Presssaft 
stammen, und Verf. macht es durch weitere Versuche wahrscheinlich, 
dass es sich um Kaliumsalze handelt. 

R. Höher und R. A. Spaeth: Ueber den Einfluss seltener Erden 
auf die Kontraktilität des Maskels. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) 
Die Salze des Lanthan, Cer, Yttrium, Neodym und Praseodym lähmen 
die Muskeln des Frosches um so rascher, je konzentrierter ihre Lösung 
ist. Dabei erholen sich die Muskeln in Ringer’scher Lösung gut, wenn 
sie mit wenig oder hoch konzentrierten Salzlösungen behandelt waren, 
achleoht, wenn die Konzentration eine mittlere war. Die Verff. venti¬ 
lieren die möglichen Ursachen der letzteren Erscheinung und halten es 
für am wahrscheinlichsten, dass kolloidchemische Vorgänge mitspielen, 
derart, dass die irreversible Lähmung bei mittleren Konzentrationen 
der Salze auf Ausflockung der Muskeleiweisse im isoelektrischen Punkt, 
die reversible Lösung nach Aufenthalt in niedrig konzentrierten darauf 
beruht, dass die Eiweisse noch negativ geladen bleiben, in hoch kon¬ 
zentrierten positiv umgeladen werden. 

H. Hitzker: Ueber den Eioflnss der Nervenleitungen auf das 
mikroskopische Bild der OUndnln snbmaxillaris des Hundes. (Pflüg. 
Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) Verf. untersuchte, ob die beiden Nerven¬ 
bahnen — Chorda und Sympatbicus —, die zur Glandula submaxillaris 
treten, dieselben Drüsenzellen versorgen, oder ob eine regionäre bzw. 
cellulare Scheidung besteht. Er reizte bei Hunden beide Nervenbahnen 
faradisch 2 Stunden lang, fing den abgesonderten Speichel auf und 
untersuchte dann mikroskopisch das Verhalten der Drüsen. Er fand, 
dass die Reizung von Chorda und Sympatbicus das Bild der Zellen der 
Submaxillardrüse gleichmässig in der ganzen Drüse änderte, wobei je¬ 
doch die Veränderung sowohl der mucösen wie der serösen Zellen bei 
Chordareizung sich anders darstellt als bei Sympathicusreizung. Die 
Submaxillaris stellt danach ein gemeinsames Erfolgsorgan für beide 
Nervenbahnen dar. Den verschiedenen mikroskopischen Effekt bezieht 
Verf. auf qualitative Verschiedenheit des Leitungsreizes und nähert sich 
damit der alten Heidenhain’schen Anschauung von der spezifisch ver¬ 
schiedenen Doppelinnervation der Speicheldrüsen. 

P. Köthner: Wirkung von N&triamboroformiat auf Ham bei 
Brnttemperatnr. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) Verf. behandelte 
Harnproben bei Bruttemperarur mit Natriumboroformiat. Das vorhandene 
Sediment von harnsaurem Natrium, phospborsaurem und oxalsaurem 
Kalk wurde gelöst. Formaldehyd konnte im Harn nicht nacbgewiesen 
werden; d. h. Ameisensäure scheint zu Methylalkohol reduziert worden 
zu sein und dabei oxydierende Wirkungen im Harn auszulösen. Iodikan 
wurde zerstört. 

E. Masing: Ueber die Durchgängigkeit Menschlicher Blntkörper 
für Zucker. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) In Fortsetzung seiner 
mit Traubenzucker ausgeführten Versuche findet Verf. jetzt, dass nicht 
nur dieser, sondern auch andere Monosaccharide (Galaktose, Lävulose, 
Maltose, Xylose, Rhamnose, Arabinose) in menschliche Blutzellen ein¬ 


dringen, so dass das Teilungsverhältnis zwischen Zellen und Sen® etwa 
0,6 ist. Disaccharide (Maltose, Milch-, Rohrzucker) dringen dagegen 
nicht merklich ein. 

P. Köthner: Borameisensäiire als Katalysator beim physio¬ 
logischen Stoffwechsel. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) Verf. hat 
das neuerdings dargestellte borameisensaure Natrium auf seine Wir¬ 
kungen auf den Stoffwechsel beim Menschen untersucht. Er gab 0,8 g 
und 1,8 g täglich bei gemischter und purinfreier Kost einem gesunden 
und einem zu Gicht disponierten Manne. Die Verbindung wurde als 
Borpböspborsäure in Verbindung mit einer noch nicht identifizierten 
organischen Säure ausgeschieden. Sie wirkte harntreibend; die Menge 
der Harnsäure wurde „reguliert“, d. h. eine zu grosse Menge schien 
vermindert, eine zu geringe Menge vermehrt. Auch Chloride und Kalk 
zeigten in ihrer Ausscheidung Veränderungen. Bei Zuokerkranken trat 
zunächst eine Erhöhung, dann eine starke Abnahme der Zuckeraus¬ 
scheidung ein. Indikan versobwand ganz aus dem Ham. Verf. fasst 
die Wirkung der Borameisensäure als eine katalytische auf, bedingt 
durch die Ameisensäure in statu nasoendi. A. Loewy. 


Therapie. 

R. Emmerich und 0. Loew - München: Erfolgreiche Behandlung 
des Tic convulslf durch Chlorculeium. (M.m.W., 1914, Nr. 47.) Bei 
zwei Fällen von Tic convulsif erreichten die Verff. mit der Verabreichung 
von Chlorcalcium (100 : 500,0, dreimal täglich 3 Kaffeelöffel) sehr be¬ 
merkenswerte Besserung. 

0. Po 14k - Böhmisch-Brod: Die Therapie des Erysipels Mit Aiti- 
diphtherieserum. (M.m.W., 1914, Nr. 47.) Nach grossen Dosen 
(3000 E.) von Antidiphtherieserum erfolgt selbst bei schweren Fällen 
von Erysipel ein kritischer Temperatursturz und Rückgang der Er¬ 
scheinungen. Diese bemerkenswerte Beobachtung konnte Verf. bei einem 
so grossen Prozentsatz seiner Erysipelkranken machen, dass er kein Be¬ 
denken trägt, dem Diphtherieserum die Heilung zazuschreiben. Gleich 
Verf. haben noch eine Reihe anderer Aerzte die gleichen Erfolge erzielt. 

Dünner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

S. Fl einer und H. Amoss: Lokalisation des Virus und Patho¬ 
genese der epidemischen Poliomyelitis. (Looalisation of the vires and 
pathogenesis of epidemic Poliomyelitis.) (Journ. of experimental medi- 
cine, 1914, Bd. 20, Nr. 8.) Die Autoren zeigen, dass bei Injektionen 
von infektionstüchtigen Poliomyelitisinfiltraten intravenös die Versuchs¬ 
tiere (Affen) nicht ohne weiteres erkrankeD, sondern dass das Virus in 
der Milz und im Knochenmark abgelagert wird, nicht aber in den 
nervösen Organen, trotz seiner grossen Affinität zum Nervengewebe. Erst 
wenn durch einen künstlichen Eingriff die Gefässe der Tela cborioidea 
alteriert worden sind, erfolgt die Erkrankung an Poliomyelitis. Das 
Virus nimmt seinen Weg immer durch die Lymphräume des Central¬ 
nervensystems, denn es ist möglich, durch intraspinale Injektion m 
Immunserum eine Infektion zu neutralisieren. Die Autoren glauben, 
dass bei der menschlichen Poliomyelitis die Eintrittspforte für das Virus 
in der Nasenschleimhaut gelegen sei. 

S. Flexner und H. I. Amoss: Eindringen des PolionyelitiB- 
virns vom Blute in die cerebrospinale Flüssigkeit. (Penetration of the 
virus of Poliomyelitis from the blood into the cerebrospinal fluid.) 
(Journ. of experimental medicine, 1914, Bd. 19, Nr. 4.) Die Autoren 
zeigen in Versuchen an Affen, dass das Poliomyelitisvirus, wenn es ins 
Blut gebracht wird, auf indirektem Wege über den Liquor cerebro¬ 
spinalis in die Gewebe der nervösen Organe gelangt. Um in den Liquor 
zu gelangen, muss das Virus jedoch zuerst den Plexus chorioideus 
passieren, was einige Zeit dauert. Pathologische Vorbedingungen in den 
Leptomeningen und im Liquor erleichtern das Eindringen des Virus und 
scheinen überhaupt in der Pathologie der Poliomyelitis eine wichtige 
Rolle zu spielen. Schmitz - Greifswald. 

A. Kl ein-Prag: Kompiementkindug hei Variola. (M.m.W., 1914, 
Nr. 47.) Im Serum Pockenkranker sind mit der Komplementbindungs- 
reaktion Antikörper nachweisbar. Die Komplementbindungsreaktion bei 
Variola ist verschieden von der Serumreaktion bei Syphilis; sie ist im 
Gegensatz zu letzterer spezifisch; d. h. es handelt sich um eine echte 
Antigen-Antikörperreaktion, wobei mit grosser Wahrscheinlichkeit die 
Erreger der Variola selbst das Antigen darstellen. Als Antigen er¬ 
scheint dementsprechend derzeit allein Pookenpustelmaterial ver¬ 
wendbar. Alle anderen Antigene sind unzuverlässig und daher zu ver¬ 
werfen. Zwecks Erreichung einer grosseren Konstanz dieses Antigens 
empfiehlt Verf. Pockenborken als Ausgangsmaterial. Dünner, 

Fetzer - Königsberg: Ueber Spezifität der Abderhalden**^®* 
Fermentreaktion. (Msobr. f. Geburtsh., Nov. 1914.) Bei 29 Fällen von 
Gravidität war der Ausfall stets positiv, bei 19 sicher nicht Graviden 
nur einmal fraglich positiv, unter 5 Fällen von Caroinom und Pyo- 
salpinx einmal positiv, bei 5 Fällen von Extrauteringravidität stets 
positiv; andere Organe, als Placenta, wurden durch Schwangerenserum 
in keinem Falle abgebaut. In dem beschränkten Rahmen der vor¬ 
liegenden Untersuchungen hat sich also die Fermentreaktion als ek® 
durchaus und streng spezifische erwiesen. L. Zuntz. 


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Original frum 

UMIVERSITY OF IOWA 



7. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1899 


Innere Medizin. 

W. Weitz und Graner-Tübingen; Ueber die Anspannangsaeit und 
Aastreibmngsceit des Herzens. (D. Areh. f. klm. M., 1914, Bd. 116, 
H. 5 u. 6.) Experimente an Katzen in UrothannaTkose. Uebereinstimmung 
mit den Resultaten Frank’ s. 

A. Weil-Strassburg: Beiträge zur klinischen Elektroeardiographie. 
(D. Arcb. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Auch beim Menschen 
kommt eine Vorzacke vor P vor, unter Verhältnissen, die auf Störungen 
innerhalb des Sinusknotengewebes hindeuten und wahrscheinlich machen, 
dass diese Vorzacke der Sinustätigkeit entspricht und nioht durch vor¬ 
zeitiges Schlagen eines der beiden Vorhöfe bedingt wird. Analog der 
aus dem Tierversuch bekannten Tatsache hat auch beim Menschen die 
Digitalis elektiv schädigende Wirkung auf das Leitungssystem und 
steigernde auf die Automatic des Reizbildungssystems der Kammern. 
Die hierbei auftretende Bigaminie der Kammern kann als Ausdruck ge¬ 
steigerter Reizbarkeit aufgefasst werden. Die aus Tierversuchen bekannte 
Wanderung der Ursprungsstelle der Herzreize kommt auch beim Menschen 
vor, und zwar sowohl innerhalb jedes Knotens (Sinus- und A.-V.) für 
sich als auch von einem zum anderen. 

Gubergritz: Zur Frage nach der Entstehung des Herzgalopps. 
(D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Untersuchungen mit 
dem Elektrooardiogramm: 24 Fälle mit präsystolischem, 8 mit proto¬ 
diastolischem und 2 mit mesodiastolischem Galopprhythmus. In der 
ersten Gruppe fand sich regelmässig eine Spaltung der R-Zacke. Die 
Ursache wird in nicht gleichzeitiger Kontraktion der beiden Ventrikel 
gesehen. Mit der übrigen Muskulatur des linken Ventrikels ist auch der 
linke Tawaraschenkel, der die Erregung zum linken Ventrikel leitet, in 
Mitleidenschaft gezogen. Die Erregung, die vom Keith’schen Knoten zur 
Ventrikelmuskulatur geht, wird infolge schlechterer Leitung des patho¬ 
logisch veränderten linken Tawarasohenkels den linken Ventrikel später 
erreichen als den rechten. Andererseits wird auch die veränderte linke 
Ventrikelmuskulatur nicht so schnell auf die Erregung reagieren. Das 
Resultat dieser zwei Faktoren wird sein, dass der rechte Ventrikel sich 
früher zu kontrahieren anfängt als der linke; die Kontraktion des rechten 
Ventrikels ruft einen Ton hervor, der dem durch die Kontraktion des 
linken Ventrikels bedingten Tone vorausgehen wird. Bei der zweiten 
und dritten Gruppe trat keine typische Aenderung des Elektrocardio- 
gramms auf. Der Galopprhythmus wird bei den verschiedenen Formen 
der Herzmuskelschwäche beobachtet, vorwiegend bei Nephritis interstitialis 
chronica; er ist prognostisch immer ernst, wenn auch nicht infaust zu 
beurteilen. 

Doll und Siebeck: Untersuchungen an Nierenkranken. 11. Ueber 
die träge Einstellung der Sektretion bei Belastung. (D. Arch. f. klin. 
M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Versuche an chronisch Nierenkranken 
mit dauerndem Verlust des Konzentrationsvermögens, vorwiegend &chrumpf- 
nieren. Bei diesen schweren krankhaften Veränderungen der Nieren 
können bei dauernder Zulage recht erhebliche Mengen von Wasser und 
von Stickstoff ausgeschieden werden, obwohl bei einmaliger Zulage eine 
hochgradige Retention eintritt. Die Kranken können mit verschiedener 
Zufuhr, sowohl von Wasser als auch von N vollkommen im Gleichgewicht 
sein, trotz der schweren Ausscbeidungsstörung. Es tritt eben allmählich 
ein Gleichgewicht ein. Das Wesentliche an der Störung scheint vor 
allem gerade das zu sein, dass sich die Ausscheidung nur langsam den 
veränderten Anforderungen anpassen kann. Es besteht eine eigentüm¬ 
liche Trägheit der Funktion. Die Leistung der Nieren kann zwar in 
weiten Grenzen schwanken, aber die Einstellung ist ausserordentlich 
träge. Der Mechanismus dieser Funktionsweise lasst sioh noch nicht er¬ 
kennen. Ob es auf die Nierengefässe ankommt (im Sinne Schlayer’s), 
ob auf die Zellen selbst, wie weit auf extrarenale Momente, lässt sich 
nicht sagen. Vielleicht entstehen eben durch die zunehmende Retention 
Verhältnisse, unter denen eine Mehrausscheidung ermöglicht wird. 

C. A. Müller-Leipzig: Ueber die Blntbildungszellen in der Leber 
bei 8ypbili8 congenita mit besonderer Berücksichtigung der Lympho¬ 
zyten nnd Plasmazellen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 
u. 6.) Eingehende pathologisch-anatomische Untersuchungen. M. folgert, 
dass ein Teil der Plasmazellen auf Grund der eigentümlichen Lage¬ 
beziehungen zu Blutbildungs- und Leberzellen aus primitiven Blut¬ 
elementen abzuleiten sei. Die im reifen Organismus entstandenen Plasma¬ 
zellen stellen Umbildungsprodukte von Lympbocyten dar. Die Folgerung 
liegt daher nahe, dass auch die jungen Blutelemente, die sich in der 
Leber des fötalen syphilitisch infizierten Organismus in Plasmazellen 
umwandeln, den Lymphocyten mehr oder weniger verwandt sind. So¬ 
fern die Umwandlungsfäbigkeit einer Zellart in Plasmazellen für deren 
Lymphocytennatur spricht, dürften die vorliegenden Befunde in der 
grossen Grundfrage der Hämatologie jedenfalls eher für eine mono- 
phylaetische als eine extrem dualistische Auffassung sprechen. 

H. Pribram-Prag: Zur Beeinflussung des anämischen Blutbildes 
dnreh Infektionen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) 
In neuerer Zeit wurde wiederholt das Blutbild der akuten Leukämie als 
passageres Symptom beobachtet. Verf. beschreibt einen gleichen Fall, 
der durch kurze Zeit das typische Blutbild einer mit schwerer Anämie 
einhergehenden Leukämie darbot. 

3ruoh-Dresden: Zur Kasuistik der Polynenritis alcoholica (schwere 
Erkrankung der Nervi vestibuläres). (D. Arch. f. klin. M., 1914, 
iu. 116, H. 5 u. 6.) Der 82 jährige Kranke starb an Polyneuritis alco¬ 


holica durch Vagus-Phrenicus-Lähmung. Es fand sich eine doppelseitige 
alkoholische Vestibularisneuritis, ein Befund, der sich dem einzigen be¬ 
kannten Strümpeil’sohen Falle von doppelseitiger alkoholischer Acusticus- 
neuritis an die Seite stellt. 

K. Cs6pai-Budapest: Ueber Hypophysenerkrankongen, zugleich 
einige Beiträge zur funktionellen Diagnostik der polyglandulären Er¬ 
krankungen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Drei 
Fälle von Akromegalie und zwei von Dystrophia adiposo-genitalis. In 
sämtlichen Fällen war Leukopenie und relative Mononucleose vorhanden. 
Zur funktionellen Diagnostik der Erkrankungen des polyglandulären 
Systems empfiehlt C, zwei neue Verfahren: 1. Die Adrenalin- und Pituitrin¬ 
reaktion der Conjunctiva. 8 Tropfen einer 1 prom. Adrenalinlösung ver¬ 
ursachen im allgemeinen eine 10—20 Minuten anhaltende schwache oder 
mittelstarke Abblassung der CoDjunctiva. Wenn bei gleichem Verfahren 
die Reaktion eine gesteigerte ist, so deutet dies auf Hypofunktion des 
cbromalfinen Systems. 2. Die Beobaohtung der quantitativen und quali¬ 
tativen Blutbildverschiebungen nach Adrenalin-Injektion. Subcutan in¬ 
jiziertes Adrenalin ruft normalerweise eine Leukooytose mit Zunahme 
der Neutrophilen und Verminderung der Eosinophilen und Mononucleären 
hervor. Alle jene Fälle, die von diesem normalen Verhalten abweichen, 
gehören zu den Erkrankungen des polyglandulären Systems. 

Zinn. 

A. Rodel la: Bericht über klinische und experimentelle Ergebnisse 
über Darmfäolnis im Jahre 1913. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 5.) R. be¬ 
schäftigt sich seit Jahren mit dem Problem der Darmfäulnis und fasst 
seine bezüglichen Versuche an dieser Stelle zusammen. Er hält dieselbe 
für einen ganz harmlosen Prozess, der nichts Pathogenes an sich hat, 
aber durch die starke Gasbildung und durch andere reizwirkenden Pro¬ 
dukte zu mehr oder weniger intensiven Beschwerden Veranlassung gibt. 
Allerdings erleichtern die Fäulnisprodukte das Zustandekommen einer 
Darminfektion und deshalb sind sie möglichst zu verringern. Die 
Versuche bestehen darin, dass Eiereiweiss mit einer Anzahl Platinösen 
des betr. Stuhles infiziert und dann durch Hitze zum Erstarren gebracht 
wird, nachdem es vorher in einen Gärungsapparat. (Putrhneter) einge¬ 
füllt ist. Der typische normale Säuglingsstuhl gärt überhaupt nicht, 
vielleicht weil die darin enthaltenen Fermente, das eiweissspaltende und 
das kohlehydratvergärende, antagonistisch (?) wirken. Eine intensive 
Verflüssigung des Eiweisses erfolgt bei den akuten und chronischen Darm¬ 
krankheiten des Säuglings in einem gewissen Grade im Verhältnis zu der 
Schwere der Erkrankung. Die Produkte der Verflüssigung und deren sterile 
Filtrate wirken toxisoh, ganz im Gegensatz zu den gleichen Erzeugnissen 
aus den Stühlen Erwachsener, die für Kaninchen und Meerschweinchen 
selbst in Dosen von 2 bis 4 ccm subkutan oder intraperitoneal injiziert mit 
wenigen Ausnahmen ganz unschädlich sind. In diesen Ausnahmefällen 
nimmt R. das Vorkommen besonderer pathologischer Fäulnisbakterien 
an. Die verschiedenen Esswaren verhalten sich in bezug auf ihre fäulnis¬ 
bildende Eigenschaft verschieden, je frischer desto weniger putres- 
zierend. Auch der Zusatz von Fleisch- und Organstückohen änderte an 
den obigen Ergebnissen nichts. Von pathologischen Stühlen wurden ge¬ 
prüft: 10 Typhusstühle, 20 Tuberkulose-, 10 Stühle von Anämien und 
Chlorose, 15 Fälle von malignen Tumoren des Intestinaltraktus (Magen 
und Darm). Abgesehen von 2 Kaninchen und 1 Meerschweinchen, die 
nach Injektion von 10 ocm dieser Stuhlkultnren starben, fielen sämtliche 
Tierversuche negativ aus. Diese Versuche stehen im krassen Wider¬ 
spruch mit der landläufigen Ansicht, dass die Fäulnis an sich ein krank¬ 
machender Prozess sei, und verdienen eine Nachprüfung von kompetenter 
Seite. 

A. Wagner: Zum Nachweis okkulter Blutungen in den Fäees. 
(Boas’ Arch., Bd. 20, H. 5.) Von dem zu prüfenden Stuhl wird mit 
einem Holzstäbchen (Streichholz) ein dünner Ausstrich auf einen Objekt¬ 
träger hergestellt und die Benzidin-Eisessig-Wasserstoffsuperoxydlösung 
(eine Messerspitze Benzidin, 2 ccm Eisessig -j- 20 Tropfen Bproz. 
Wasserstoffsuperoxydlösung) darauf gegossen. Es entsteht bei Gegenwart 
von Blut eine tiefblaue Färbung. Reinlich, sicher und schnell aaszu¬ 
führen. 

S. Frank: Wismut im Broncbialbanm. (Boas’ Arch.,Bd. 20, H. 5.) 
Es bestand eine Perforation eines Oesophaguscarcinoms in die Trachea. 
Der Patient war früher ösophagoskopiert worden und Verf. nimmt 
(übrigens ohne die Spur eines Beweises! Ref.) an, dass die Perforation 
dadurch entstanden wäre. Hinweis auf einen ähnlichen Fall von G. 
Sohwarz, W.kl.W., 1910, Nr. 17. 

H. R. Harro wer*. Die physiologische und therapeutische Wirkung des 
Sekretins. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 5.) Verf. ist von der grossen phy¬ 
siologischen und therapeutischen Bedeutung des Sekretins überzeugt und 
gibt eine Beschreibung der Entstehung, Darstellung und Wirkung des¬ 
selben, die im wesentlichen im Auszug aus seinem jüngst erschienenen 
Buche: „Practical Hormone Therapie, London Bailiiere, Tyndal and 
Cox“ ist. Ref. hat sich in den letzten Monaten mit dem Studium der 
therapeutischen Wirkungen des Sekretins beschäftigt, ohne vorläufig dem 
begeisterten Lobe H.’s zustimmen zu können. 

M. Einhorn: Die Diagnose und Behandlung von Magen- nnd Duo¬ 
denalgeschwüren. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 5.) Ein klinischer Vortrag. 
Bei Blutungen wird Emetin, hydrochl. 0,03 ein- oder zweimal täglich 
subcutan empfohlen. In Fällen, wo die Ernährung per rectum nicht 
zulässig, wird Nahrung durch die Duodenalsonde zugefürt, in der Regel 
aber erst, wenn die Blutung aufgehört hat. Ewald. 


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UNIVERSUM OF IOWA 


1900 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 


Nr. 49. 


A. Dembicki und J. Löwy-Prag: Zur Frage des parenteralen 
Stoffwechsels. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Be¬ 
stimmung der Leukocytenzabl an 104 Kranken bei eiweissreicher Diät 
vor und 2 l J 2 Stunden nach der Mahlzeit, ferner refraktometrische Be¬ 
stimmung der Serumkonzentration. Die Versuche geben einen Beitrag 
zur Verdauungsleukocytose, ferner über Resorptionsverhältnisse im 
Capillar- und Venensystem und über die Refraktion des Serums. Die 
Kenntnisse über die Wege der Resorption wurden durch den Befund 
erweitert, dass eine Rüokresorption durch die Venen nicht nur patho¬ 
logischerweise, z. B. bei bestehenden Oedemen, vorhanden ist, sondern 
dass diese Form des parenteralen Stoffwechsels auch in der Physiologie 
der Verdauung eine Rolle spielt. 

E. Grafe-Heidelberg: Ueber die Wirkung des Caramels im nor¬ 
malen und diabetischen Organismus. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, 
H. 5 u. 6.) Caramel wird meist gut vom Organismus resorbiert und 
entfaltet im respiratorischen Gaswechsel (Steigerung des respiratorischen 
Quotienten und der spezifisch-dynamischen Wirkung) Eigenschaften, die 
auf eine energische Verwertung im intermediären Stoffwechsel hinweisen 
und die zugleich den gewöhnlichen Kohlenhydraten in solchen Fällen 
abgehen. _ Zinn. 

Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Hellsten: Ein Fall von Ganglion Gasseri-Tumor. (D. Zschr. f. 
Nervblk., Bd. 52, H. 3 u. 4.) Genaue Beschreibung eines Falles von 
Tumor des Ganglion Gasseri, eines Glioms; die Tumoren sitzen meist 
links, von 20 Fällen 14 mal. Genaue Kasuistik. 

H. Oppenheim: Der Formenreichtum der multiplen Sklerose. 
(D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 3 u. 4.) 0. unterscheidet die akute, 
die subakute und die chronische Form, sowie — die häufigste — die 
Etappenform der multiplen Sklerose, deren Besonderheiten an der Hand 
der Literatur sowie eigener Erfahrungen genau besprochen werden. Die 
Fälle der niedergelegten Beobachtungen ergibt eine unbegrenzte Mannig¬ 
faltigkeit und grossen Formenreichtum der multiplen Sklerose. 

H. Oppenheim: ZurPsendosklerose. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 22.) 
Verf. schildert drei Fälle von Pseudosklerose und geht auf die einzelnen 
Symptome des näheren ein. Beachtung verdient u. a. in einem Falle 
das Resultat des Abderhalden’scben Verfahrens, bei dem sich Abbau der 
Nebenniere zeigte, was im Hinblick auf die PigmentieruDgsvorgänge von 
Interesse ist. Die Cornealaffektion ist keine conditio sine qua non. 

Ed. Sobwarz: Die heutige Stellung zur Parasypbilis und die Beein¬ 
flussung der spezifischen Erkrankungen des Nervensystems durch Sal- 
varsan. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 3 u. 4.) Die parasyphiliti¬ 
schen Erkrankungen des Centralnervensystems sind durch die Spirocbaeta 
pallida erzeugte echt syphilitische Erkrankungen, „Spätsyphilis“ (Erb). 
Progressive Paralyse ist nicht die Tabes des Gehirns, sie ist eine durch 
Salvarsau unheilbare Erkrankung, während die Tabes heilbar ist. Jeder 
Syphilitiker ist auf den Zustand seines Liquors zu untersuchen und bei 
positivem Befund bis zum Negativwerden zu behandeln. S. geht näher 
auf die sogenannten Salvarsantodesfälle ein. Salvarsan ist auch in hoben 
Dosen unschädlich. Es ist nicht neurotrop, wogegen das syphilitische 
Virus exquisit neurotrop ist. E. Tobias. 


Kinderheilkunde. 

Klose-Breslau: Zur Kenntnis der Körperzusammensetznng bei 
Ern&hrnagsstürnngen. (Jb. f. Kindhlk., Augustheft.) Beim normalen 
Neugeborenen speichert die Muskulatur den grössten Teil des Körper¬ 
wassers auf. Unter pathologischen Verhältnissen tritt an Stelle der 
Muskulatur die Haut als Wasserdepot auf. Eindeutige Beziehungen 
zwischen Wasserbindung und Chlor und Natriumanreicherung wurden 
nicht gefunden. Die Wasserbedingung bei nephritischen Oedemen ist 
eine andere als beim ernährungsgestörten Säuglingsorganismus. Die 
Konstanz der relativen Zusammensetzung, sowohl der Organsysteme 
wie des Gesamtkörpers, war in einem Fall extremer Ernährungsstörung 
nicht gewahrt geblieben. Es wurden Einzelanalysen von Knochen, 
Muskulatur, Haut und inneren Organen eines normalen Neugeborenen 
und eines 4 Wochen alten Kindes mit ausgebreiteten Oedemen infolge 
von Mehlnährschaden gemacht. 

Vas - Budapest: Beiträge zur Physiologie der Sehnenrellexe im 
Säuglings- and Kindesalter. (Jb. f. Kindhlk., Oktoberheft.) Unter¬ 
suchungen an 200 Kindern von der ersten Lebenswoche an bis zum 
2. Jahre auf Knie- und Acbillessehnenreflexe. „Der Achillessehnenreflex 
besteht gerade so wie bei den Erwachsenen auch im Kindesalter, ja 
sogar schon von der Geburt an, ebenso wie der Kniereflex.“ End¬ 
resultat: Kniereflexe in 98,8 pCt., Achillessehnenreflex in 85,7 pCt. in 
allen 200 Fällen auslösbar. 

St ölte - Berlin: Betrachtungen und Erfahrungen über eine weniger 
schematische Behandlung von Säuglingen im Krankenhause. (Jb. f. 
Kindhlk., Augustheft.) Nach Stolte’s Ansicht trägt die Hauptschuld 
am Nichtgedeihen mancher Säuglinge in grösseren Anstalten nicht die 
Infektion, sondern dass man zu wenig auf Imponderabilien achte. Er 
empfiehlt individualisierende Pflege, betont die Wichtigkeit psychischer 
Einflüsse und weniger schematischer Nahrungsverordnungen. 

Adler-Karlsruhe: Die Leukämie der Säuglinge. (Jb. f. Kindhlk., 
Septemberheft.) Dass Leukämie hei Säuglingen vorkommt, ist nicht all¬ 


gemein bekannt. Verf. gibt neben Beschreibung eines eigenen Falles 
mit Sektionsbefund eine Zusammenstellung der Fälle seit dem Ent¬ 
deckungsjahr der Krankheit 1845 durch Virchow. Er fand nur 
17 Fälle. Die Symptome sind Milz-, Leber- und Drüsenschwellungen, 
hämorrhagische Diathese, die Hauptsache der typische Blutbefund. 
Differentialdiagnostisoh kommen in Betracht neben Sepsis und Pseudo¬ 
leukämie die Lues congenita und die Jacksch-Hayem’scbe Krankheit 
Bei letzterer schützt vor Verwechselung mit akuter Leukämie das Blut¬ 
bild: Die Leukocytenzahl bei Jacksch-Hayem’scher Anämie steigt ge¬ 
wöhnlich nicht über 20 000. Alle Fälle bekannt gewordener Säuglings- 
leukämie verliefen tödlich. Die akute Form überwiegt, sie ist meist 
lymphatisch, aber relativ häufig kommt auch die myeloide Form vor. 

Alber-Bremen: Zur Behandlung der Diphtherie mittels iitra- 
venäser Sernminjektion. (Jb. f. Kindhlk., Septemberheft,) Bei Kom¬ 
bination von intravenöser und intramuskulärer SerumiDjektion ergaben 
sich bei einer sohweren Diphtherieepidemie befriedigende Resultate im 
klinischen Verlauf. Die Wirkung auf Abstossung des Belags, Stenose, 
Entfieberung, Puls und Lähmungserscheinungen befriedigte. Verf. glaubt, 
wie Kausch, dass man mit intravenöser Injektion rasche und zu¬ 
verlässigere Heilwirkung erzielt. 

Bokay-Budapest: Ueber die Heilungsmöglichkeit der Meningitis 
tnherenlosa. (Jb. f. Kindhlk., Augustheft.) Zusammenstellung der aus 
der Literatur bekannten geheilten Fälle von Meningitis tuberculosa; im 
Alter unter 2 Jahren verlief kein Fall günstig. Mitteilung dreier eigener, 
mit Heilung und Rückbildung verlaufender Fälle von 7, 11 und 
12 Jahren. Die Heilung tuberkulöser Meningitis ist möglich, wenn die 
spezifischen Veränderungen der Hirnhäute in kleinerem Maassstabe auf- 
treten; hei geringen Exsudationen und Granulationsbildung und in den 
Fällen mit einfacher Hyperämie ohne obliterierende Arteriitis oder Er¬ 
weichung. Empfehlung systematischer Quineke’scher Reaktion. 

Wolff und Lehmann-Wiesbaden: Ueber Pnenmokokkemueiiii- 
gitis und ihre Behandlung mit Optochin. (Jb. f. Kindhlk., Augustheft.) 
Mitteilung eines Falles von Pneumokokkenmeningitis, der neben Uro¬ 
tropin und Pneumokokkenserum mit intralumbalen, subcutanen und 
zuletzt intraventriculären Optochininjektionen behandelt und geheilt 
wurde. In einen zweiten Falle von Pneumokokkensepsis — Kind von 
12 8 /< Jahren — Heilung durch grosse Chinindosen: 2mal täglich 0,5 
Chinin, sulfur. per os. 

Ros an off - Moskau: Die diagnostische Bedeutung der Leikocyten- 
einschliisse von Döhle bei Scharlaeb, Masern, Diphtherie, Anginen ui 
Sernmexanthemen. (Arch. f. Kindhlk., Bd. 62, H. 5 u. 6.) Die Leuko- 
cyteneinschlüsse kommen auch bei Masern, Diphtherie und einigen 
Anginen vor, besonders in den ersten fünf Krankheitstagen. In den 
nächsten Tagen können sie Scharlach bestätigen. Die Feststellung der 
Einschlüsse erlaubt, Scharlach von soharlachiümliohen Exanthemen nach 
dem 5. Tage der Grundkrankheit zu trennen; s. B. beim Serumexanthem 
nach Diphtherie. 

Stomme 1 - Frankfurt a. M.: Erfahrungen mit Tuberkulin kW«’ 
hach bei der Behandlung der internen Tuberkulose der Kinder. (Arch. 
f. Kindhlk., Bd. 62, H. 5 u. 6.) Dem Verf. erscheint das Tuberknlin 
zwar ungefährlich, aber therapeutisch wenig wirksam. Bei Fällen von 
Lungen-, Bronchialdrüsen- und Bauchfelltuberkulose sah Verf. keine 
völlige Heilung. In zwei Fällen mit tödlichem Ausgang war keine 
Heilungstendenz festzustellen. 

Bergmark - Breslau: Zockerresorption und Blntznckerspiegel- 

(Jb. f. Kindhlk., Oktoberheft.) Verf. untersuchte an sich selbst und 
Kindern in verschiedenem Alter den Einfluls von Deitrose, Lävulose, 
Laktose, Maltose und Saccharose auf den Blutspiegel. Es zeigte sich, 
dass Saccharose schneller und vollständiger resorbiert wird als Laktose, 
zwischen beiden steht die Maltose. Die Resorptionsgeschwindigkeit aber 
als Grund für den verschiedenen Anstieg des Blutzuckergehalts anxu- 
geben, erscheint nicht ohne weiteres richtig, obwohl die Blutzacker- 
kurven der Resorption entsprechend sich verhalten. Es besteht die 
Möglichkeit, dass die Spaltungsprodukte der Disaocharide: Dextrose, 
Lävulose und Galaktose den Blutzuckerspiegel in verschiedener Weise 
beeinflussen können. Verf. machte daher Vergleichsversuche mit Dex¬ 
trose und Lävulose. Dabei zeigte sich nach Einnahme von Detrose ein er¬ 
heblich höherer Anstieg des Blutzuckerspiegels als nach gleicher Menge 
Lävulose. Nun weiss man aus anderen Untersuchungen, dass Lävulose 
sehr schnell in den Stoffwechsel eintritt. Verf. möchte diese Inkoordi- 
nation zwischen Resorption und Blutzuckerspiegel vielleicht damit er¬ 
klärt wissen, dass Lävulose in der Leber zurückgehalten wird. Aus den 
Versuchen geht hervor: Erhöhung des Blutzuckerspiegels beweist eine 
stattgefundene Resorption. Ausbleiben der Erhöhung des Blutzucker¬ 
spiegels beweist aber nicht, dass keine Resorption stattgefunden hat 
Der Verlauf des Blutzuckerspiegels ist also kein Indikator der Re¬ 
sorptionsgeschwindigkeit. Bernhardt. 


Haut« und Geschlechtskrankheiten. 

P. G. Unna-Hamburg*. Kreidepasten. (Denn. Wschr., 1914 ,Bd.59, 
Nr. 44.) Verf. empfiehlt zur Behandlung von Ekzemen Beine Kreide¬ 
paste unter dem Namen Gelanthum Cretue outieulor. Dieselbe ist eine 
Deckpaste, die nur leicht über die Haut gestrichen werden darf. 

Guido de Probizer-Rovereto*. Einige praktische Bemerkungen 
über einen Fall von pellAgrdsem Erythem. (Derm. Wschr., 19H. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




7. Dezember 1914, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1901 


Bd. 59, Nr. 43.) Kasuistische Mitteilung und Erörterung der verschie¬ 
denen Theorien über die Ursache der Pellagra. 

H. Eicke-Berlin: Zar Sero- and Liquordiagnostik bei Syphilis. 
(Derm. Zschr., 1914, Nov.) Jeder Syphilitiker soll Irei von Erscheinungen 
gemacht werden, seine positive Serumreaktion soll negativ werden, seine 
Spinalflüssigkeit soll mit allen zu Gebote stehenden Methoden unter¬ 
sucht und dafür gesorgt werden, dass auch diese negativ reagiert. 

A. Pap-Budapest: Erfahrungen mit Emb&rin in der Syphilistherapie. 
(Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 45.) Das Embarin ist ein sehr gutes, 
prompt wirkendes Antisypbiliticum, welches keine unangenehmen Neben¬ 
erscheinungen hervorruft und eine fast vollkommen schmerzlose Behand¬ 
lung ermöglicht. 

H. Szerdotz-Wien: Embarin. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, 
Nr. 43.) Verf. hält das Embarin in bezug auf Verträglichkeit und Wir¬ 
kung für das beste Hg-Präparat, das wir jetzt besitzen. 

' Immerwahr. 

W. Li er-Wien: Abortivkur, Spirochätenreste und kombinierte Be¬ 
handlung der Syphilis. (M.m.W., 1914, Nr. 46 u. 47.) Verf. betont 
nochmals seinen schon früher fixierten Standpunkt für sofortige kom¬ 
binierte Neosalvarsan- und Quecksilberbehandlung und weitgehende Ent¬ 
fernung der Sklerose. Kasuistik. Dünner. 

P. A. Pawlow*Moskau: Beitrag zur Kasuistik der seltenen Ulcus 
molle-Lokalisationen. Primäre Lokalisation des Ulcus molie in der 
Urethra nebst Autoinokulation am Zeigefinger der linken Hand, (Derm. 
Zschr., 1914, Nov.) Kasuistische Mitteilung. Immerwabr. 


Hygiene und Sanitätswesen. 

Roth-Berlin: Zur Frage der Verteuerung der Krankenhausbauteu. 
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 21.) H. Hirschfeld. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

Thiem-Gottbus: Eitrige Knochenmarkentaündang der Lendeu- 
wirbelsäule nach Unfall. (Mscbr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 9.) Dem 
Verletzten waren Bretter auf den Rücken gefallen, er klagte sofort über 
Brust* und Rückenschmerzen und kam 6 Tage nach dem Unfall wegen 
Kreuzschmerzen und Schüttelfrösten in Behandlung. Der Fall verlief 
tödlich und die Sektion ergab eine eitrige Osteomyelitis im dritten 
Lendenwirbel. Thiem erklärt den Fall für einen Schulfall von akuter 
Knochenmarkentzündung der Wirbelsäule nach Unfall. 

Marcus-Posen: Mitteilung eines Falles von Gewaltbroch. (Mschr. 
f. Unfallhlk., 1914, Nr. 9.) 

Rinderspacher-Dortmund: Ein Fall von posttraumatischer ortho- 
statiseber Albuminurie. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 9.) Nach den 
Ausführungen R.’s können cyklische Albuminurien auf traumatischem 
Wege durch zwei Möglichkeiten entstehen: durch Lockerung der Nieren 
und dadurch bedingte rein mechanische Circulationsstörungen und zweitens 
durch Störungen des Gefässnervensystems, wobei einer gleichzeitigen 
lokalen Disposition eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Es wird 
eia Fall mitgeteilt, in welchem sich nach einer Kontusion der rechten 
Nierengegend zunächst eine Nierenreizung eingestellt hatte, die sich 
durch blutigen Urin und das Auftreten von Cylindern dokumentierte. 
Diese Symptome verloren sich allmählich, dann entwickelte sich aber 
langsam eine orthotische Albuminurie, R. glaubt, dass dieselbe durch 
vasomotorische Störungen zu erklären sei. H. Hirschfeld. 


Militär-Sanitätswesen. 

Hochhaus - Cöln: Erfahrungen über die Behandlung des Tetanus. 
(M.m.W., 1914, Nr. 46.) 

Kreuter-Erlangen: Bericht über 31 Tetanusfälle nach Kriegs¬ 
verletzungen einheitlich intraspinal und intravenös mit Serum behandelt. 
(M.m.W., 1914, Nr. 46.) 

E. Müller-Marburg: Einige Ratschläge für die Behandlung des 

Wundstarrkrampfes. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) 

Rothfuchs - Hamburg: Zur Behandlung des Tetanns. (M.m.W., 
1914, Nr, 46.) Verf. hat mit intravenösen Salvarsaninfusionen (ä 0,3) 
bei einigen sehr schweren Fällen Heilung erzielt. Ein Kranker starb in¬ 
folge einer Pneumonie. Jedenfalls sollte man die Rothfuchs’scben Be¬ 
obachtungen nachprüfen. 

Kühn-Neuenahr: Behandlung des Tetanus mit Lnminal. (M.mW., 
1014, Nr. 46.) 

K. Alexander: Zur Behandlung des Tetanns. (M.m.W., 1914, 
Nr. 46.) Verf. empfiehlt pro die 10 g Chloralhydrat per Klysma. Trotz 
der hohen Dose sah er keine schädliche Wirkung. 

, A. Schnäe: Die Hackenbruch’schen Distraktionskiammera zur Be- 
Empfehl* V ° D ^ noc ^ enverletzUD 8 en Felde. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) 

t. Baeyer- München: Künstliche Beine. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) 


H. Wachtel - Wien: Der Sehwebemarkenlokalisator. Ein einfacher 
und exakter Fremdkörpersucher. (M.m.W., 1914, Nr. 47.) Das Prinzip 
beruht darauf, dass bei der Röntgenaufnahme des Körperteils, in 
welchem man den Fremdkörper vermutet, eine besondere, über dem 
Körper schwebende Marke mitphotographiert wird, sodaon die Uöhre um 
ein beliebiges Stück verschoben und eine zweite Aufnahme auf dieselbe 
Platte gemacht wird. 

Hotz - Freiburg: Kriegsverletzungen des Nervensystems. (M.m.W., 
1914, Nr. 45 u. 46.) Dünner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Aerztlicher Verein zu Hamborg. 

Sitzung vom 3. November 1914. 

I. Hr. Dreifuss zeigt französische Fliegerpfeile. 

II. Hr. Rothfuchs berichtet über 2 Fälle von Schuss Verletzung des 
Binterhauptlappens des Gehirns. Io beiden Fällen handelte es sich um 
eine komplette Hemianopsie der einen sowie eine partielle der anderen 
Seite. Im ersten Fall wurde ein Abscess eröffnet, jedoch ohne Besserung 
des Sehvermögens. 

III. Hr. Liebrecht zeigt einen Fall von Verletzung des Hals- 
sympathicns durch einen Schuss, der im rechten Jochbogen hinein- und 
durch den Gaumen hinter dem linken Ohr herausgedrungen war. Des 
weiteren einen Fall von Schussverletzung des Hinterhauptlappens, bei 
dem es zunächt zu völliger Erblindung gekommen war. Allmählich 
stellte sich das Sehvermögen auf einem Quadranten des Gesichtsfeldes 
wieder her. Es trat jedoch wieder Verschlimmerung ein, so dass Pat. 
jetzt beiderseits nur ein stecknadelförmiges Gesichtsfeld aufweist. Es 
müssen beide Sehcentren etwa in der Mittellinie zerstört sein. Der Fall 
spricht sehr für die Monakow’sche Auffassung, nach der die Macula 
ihre Vertretung auf einem sehr weiten Gebiet bis zum' Gyrus angularis 
findet, da sonst die Aussparung der ihr aogehörigen Fasern kaum zu 
erklären sei. 

IV. Hr. Büttiger demonstriert: a) Eine Verletzung des Tuber 
parietale durch Schuss. Es fand sich eine rechtsseitige Abducensparese, 
links Fehlen der Sehnenreflexe am Bein, rechts nur des Achillessehnen¬ 
reflexes. Psychisch war sein Verhalten einem Tumorkranken ähnlich. 
Letzteres Symptom besserte sich nach Entleerung eines grossen, Knochen¬ 
splitter enthaltenden Blutergusses. Die übrigen Symptome nicht. Be¬ 
merkenswert war, dass nach Durchströmung mit Wechselstrom die 
Sehnenreflexe auslösbar waren. 

b) Einen Fall von Rückemuarksverletzung mit teilweise nachweis¬ 
barer Brown-Sequard’scher Lähmung. 

V. Hr. Jenckel berichtet zunächst über die Operation des in der 
vorigen Sitzung von Herrn v. Bergmann vorgestellten Falles von 
Herzbeutelschuusverletzung, bei der das Projektil erst gefunden wurde, 
nachdem man den Pat. aufeerichtet hatte. Er demonstriert die Röntgen¬ 
bilder, die unmittelbar nach der Operation ein Pneumopericard auf¬ 
wiesen. 

Zweitens demonstriert er einen Fall von Aneurysma arteriovenosum 
der Brachialarterie infolge von Schussverletzung, bei dem er die Vene 
unterbunden und die Arterie erfolgreich genäht hat. 

Drittens bespricht er die Diagnose der Verletzung durch Dum-Dum- 
Geschosse. Wenn diese im einzelnen Falle aueh recht schwierig sei, so 
könne man doch namentlich an der Hand der bei der Jagd gemachten 
Erfahrungen bisweilen sie mit Wahrscheinlichkeit stellen. Der kleine 
Einschuss und die relativ grosse Aussohussöffnung mit unver¬ 
hältnismässig grossen Weichteilverletzungen, insbesondere mit Ein¬ 
rissen der wie „geplatzt** aussehenden Haut, seien ziemlich 
charakteristisch. Beim Querschläger sei im Gegensatz hierzu die Ein¬ 
schussöffnung meist ebenfalls gross. Drehe sich das Geschoss erst 
innerhalb des Körpers, so sei die Ausschussöffnung zum mindesten nicht 
viel grösser als das Projektil. Jenckel zeigt normale und Dum-Dum- 
Geschosse. 

Diskussion. 

Hr. Sud eck macht darauf aufmerksam, dass die von Herrn Jenckel 
als Dum-Dum-Verletzungen angesprochenen Verwundungen besonders bei 
der Hand Vorkommen, also wohl durch besondere anatomische Verhält¬ 
nisse bedingt seien. 

Hr. Aly betont, dass auch Nahsohüsse dieselbe Wirkung ausüben 
können. 

Hr. Leier schliesst sich den beiden Vorrednern vollkommen an. 

Hr. Dreifuss: Obwohl man viele Dum-Dum-Geschosse gefunden 
habe, habe er im einzelnen eine Verwundung durch dieselben nie fest¬ 
stellen können. 

Hr. Herold hat ebenfalls keinen einwandfreien Fall von Dum-Dum- 
Verletzung erfahren. Er macht auch auf die ähnlichen Verletzungen 
aufmerksam, die die Geschosse innerhalb der explosiven Zone ver¬ 
ursachen. Eher könne man an Dum-Dum denken, wenn der Einschuss 
auffallend gross sei. 

Hr. Buchholz macht noch darauf aufmerksam, dass unter Dum- 
Dum-Geschosse ganz verschiedene Dinge verstanden werden, und dass 
man ganz, ohne es zu wollen, in den Besitz derartiger verbotener Ge¬ 
schosse kommen könne. 


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1902 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 49. 


Hr, Rumpel rekurriert ebenfalls auf die Erfahrungen bei der Jagd 
und betont, dass, da die Geschosse bei den Feinden zahlreich gefunden 
wurden, man doch häufig von der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung 
durch dieselben sprechen könne, wenn ein Beweis auch kaum zu er¬ 
bringen sei. 

Hr. Nagel. 

Hr. Jen ekel (Schlusswort). 

VI. Hr. H&enisch zeigt Röntgenaufnahmen von vier Fällen, bei 
denen die Lokalisation des Geschosses in Frage kam: a) den in der 
letzten Sitzung schon erörterten Fall; b) ein Geschoss, das im Inter- 
costalraum ausserhalb der Pleura lag; c) ein in der Herzwand 
befindliches Geschoss; d) einen Fall, bei dem die Kugel dicht vor der 
Halswirbelsäule lag und an der Spitze den Oesophagus zum min¬ 
desten in Mitleidenschaft gezogen batte. 

VII. Hr. Sodeck uher Tetanus. Das Material besteht aus sechs 

Fällen, unter ihnen zwei Todesfälle. Herr Sudeck geht zunächst auf 
die Genese der Erkrankung ein und bespricht, auf der letzteren fussend, 
die Therapie. An der Wunde ist, abgesehen von der Amputation, zu 
der man sich zumeist nur bei kleinen Gliedern (Fingern usw.) ent- 
schliessen wird, die Excision und Desinfektion, insbesondere aber auch 
die lokale Behandlung mit Antitoxin sowie die Sauerstoffinsufflation an¬ 
gebracht. Antitoxia wendet er auf Grund der wissenschaftlichen und 
tierexperimentellen Erfahrungen weiter an, wenn auch ein klinisch 
eklatanter Erfolg meist nicht zutage tritt. Vor der subcutanen intra¬ 
venösen und iotraneuralen Injektion habe die intradurale kaum erheb¬ 
liche Vorzüge, da das einmal im Rückenmark verankerte Toxin doch 
nicht wieder freigemacht werden könne. Es könnte sich hier also nur 
um die Abfangung der noch auf dom Wege über die Nervenwurzeln 
znm Rückenmark befindlichen Toxinmengen handeln. Jedenfalls sei 
daher von einer mehrmaligen intraduralen Applikation abzusehen. 
Von den symptomatischen Mitteln sei vor allem zu erwähnen, dass man, 
da der Erstickungstod beim Tetanus ein sehr häufiger sei, häufig die 
Tracheotomie und die Sauerstoffinsufflation nach Melzer zu machen 
habe. Die Herabsetzung der Nervenerregbarkeit, die früher meist durch 
narkotische Mittel geschehen, werde wirksamer durch Magnesium sul- 
furicum erzielt. Auch hier zieht Vortr. der intraduralen die subcutane 
Injektion vor, Man müsse grosse Dosen (etwa 20 g) anwenden und sich 
unter Umständen auf die prompte Gegenwirkung der Calciumsalze ver¬ 
lassen. In einem der vier günstig verlaufenen Fälle, der besonders 
schwer war, glaubt Vortr. die Heilung dieser Behandlung zuschreiben 
zu sollen. _ 


Aerztlicher Verein zu München. 

Sitzung vom 28. Oktober 1914. 

1 . S. Kgl. Hoheit Prinz Ludwig Ferdinand: Lnngeuscbüsse. 

Bei dem aus dem Reservelazarett B stammenden Fällen konnte 
Vortr. drei Arten von Lungenscbüsse unterscheiden: 1. sagittale Thorax¬ 
einschüsse, 2. Schüsse mit Einschuss durch das Schultergelenk, 8. Steck¬ 
schüsse. Als Komplikation trat Pneumothorax auf, der immer sehr gut¬ 
artig verlief. Gefährlicher ist die Blutung in die Brusthöhle: der 
Hämatothorax. Dabei war die Temperatur etwas erhöht, doch saugte er 
sich sehr schnell wieder auf. Wenn aber der günstige Verlauf all dieser 
Schüsse die Meinung hervorrufen würde, dass LuDgenschüsse harmlos 
seieD, so wäre das sehr falsch, wie die beiden folgenden, schweren Fälle 
zoigen: zwei Fälle von Hämatothorax, die beide verjauchten und bei 
denen chirurgisch eiDgegriffen werden musste. Demonstration von 
Lungenschüssen. 

2. Hr. Arthur Müller: 

a) Zur Behandlung ausgedehnter Weiehteilverletzuugen. 

Vortr. behandelt vor allem das Material der Franzosenabteilung und 
einige sehr schwere Verletzungen von Deutschen. Vortr. kam auf den 
GedankeD, an den Wundrändern einen Zug auszuüben und sie einander 
zu nähern, um auf diese Weise eine schnellere Heilung in die Wege zu 
leiten. Zu diesem Zwecke hat er bei klaffenden Wunden an den Wund¬ 
rändern Leukoplaststreifen angebracht, diese mit Oesen versehen, an 
denen durch Gummiscbnürchen ein Zug gegen die Mitte der Wunde zu 
stattfand. Bisher hat dieser Verband erst einmal versagt. 

b) Resektion der A. femoralis (wegen Aneurysma) mit Demon¬ 
stration des resezierten Stückes. 

c) Dreifache Harnröhrenverletznug. 

Der Penis war kurz unter der Mitte der Pars pendula glatt durch¬ 
schossen worden. Nach dem Schuss hatte der Patient Urinbeschwerden, 
weshalb er katheterisiert wurde. Als Patient in die Behandlung des 
Vortr. kam, suchte dieser die Wunde zu schliessen, was insofern miss¬ 
lang, als die Harnröhre daran anschliessend platzte. Als nun Vortr. 
zu einem grösseren chirurgischen Eingriff sich entschloss, stellte sich 
heraus, dass die Harnröhre auch beim Katheterisieren verletzt worden war. 

3. Hr. Bohmanii: 

a) Schienen oder Gipsverbände bei den Sebnssfrnktnren der Gelenke. 

Vortr. batte über 60 Fälle von Schussverletzungen der Gelenke und 
Diaphysen in Behandlung. Im Anfang verwendete er fast ausschliesslich 
Schienen nach Volk mann udü Lange. Bei den Fällen mit starker 
Knochensplitterung kam er aber vom Scbienenverfahren wieder ab und 
ging zum gefensterten Gipsverband über. An Hand zahlreicher Kurven 
zeigte Vortr., dass nach Anlage des gefensterten Gipsverbandes jedesmal 
ein Temperaturabfall auf trat. 


b) Nervenverletzungen. 

Bei Nervenverletzungen stellt sich Vortr. im allgemeinen auf einen 
abwartenden Standpunkt, warnt im Bedarfsfall aber vor einem zu langen 
Hinausschieben des chirurgischen Eingriffes, besonders bei Auftreten 
eines trophischen Oedems. 

In der anschliessenden Diskussion macht Hr. v. Stubenrauch den 
Vorschlag, an einem der nächsten kriegschirurgischen Abende eine Aus¬ 
sprache über das Thema: „Schienen und gefensterter Gipsverband“ 
herbeizuführen, um auch die Ansichten der Aerzte über den gefensterten 
Gipsverband kennen zu lernen, nachdem bisher nur die Tagespresse zu 
dessen Gunsten Stellung genommen hat. Nobiling. 


Natarhistorisch-medizlnUcber Verein zu Heidelberg. 

Sitzung vom 4. November 1914. 

(Kriegsmediziniscber Abend.) 

Vorsitzender: Herr Moro. 

Schriftführer: Herr Homburger. 

Hr. Hirsehel: Erfahrungen über Schussverletzungen der Nemi. 

Die Nervenverletzungen werden nicht selten durch Frakturen sowie 
durch Infektionen kompliziert. Diese letzten verbieten jeden operativen 
Eingriff an den Nerven, da die Nervennaht vereitern würde. Chirurgisch¬ 
therapeutische Maassnahmen kommen meist erst einige Wochen nach der 
Verletzung in Betracht. Die Diagnose stösst nicht selten auf erhebliche 
Schwierigkeiten, weil motorische und sensible Lähmungen nicht immer 
als Beweis einer Verletzung des Nervens dienen können. Ist die 
Diagnose einigermaasseD sicher gestellt, so muss man operativ eingreifen, 
wenn die konservative Behandlung nicht zum Ziele geführt hat. 

In der chirurgischen Klinik wurden bisher 30 Nervennähte aus¬ 
geführt; sie verteilen sich auf die verschiedenen Nerven folgeuder- 
maassen: Plexus brachialis 5 mal, N. radialis 12 mal, N. ulöaris 2 mal, 
N. ischiadicus 5 mal, N. peroneus und N. tibialis 2 mal, N. peroneus 
allein — 5 mal. In 7 Fällen waren die Nerven völlig durchtrennt, in 
11 Fällen nur teilweise, in den übrigen bandelte es sich um Ver¬ 
wachsungen mit der zum Teil narbig veränderten Nachbarschaft. Mehr¬ 
mals fand man die Nervensubstanz taillenartig eingesebtürt. Als 
Nahtmetbode empfiehlt 9ieh die von Wilms geübte Technik der Nerven¬ 
naht: am centralen und peripheren Ende des durchtrennten Nerven wird 
je ein kleines Nervenbündel mit einem Faden umschnürt und der Faden 
geknotet; die beiden Fäden werden nun miteinander geknüpft; ge¬ 
wöhnlich genügen 2—4 solche Nähte. Um sekundäre Verwachsungen 
mit der Umgebung zu verhindern, bat mao früher Gelatine- oder 
Knochenröhrchen benutzt. Jetzt bevorzugt man, aus einem Streifen der 
Fascia lata oder aus einem Fettlappen aus dem Unterhautfettgewebe 
eine Manschette, um den genähten Nerven zu bilden. Sehr gut haben sie 
sich aus präparierten Kalbsarterien bewährt. Aus dem Halse der Kälber 
werden im Schlachthof die Arterien unter aseptischen Kautelen heraus¬ 
präpariert, in 5—10 proz. Formalin gehärtet, dann in fliessendem Wasser 
gründlich abgespült, gekocht und in Alkohol aufbewabrt; vor dem Ge¬ 
brauch werden sie in Kochsalzlösung abgeschwenkt In 18 Fällen wurde 
auf diese Weise eine vollkommen reaktionslose Heilung erzielt. Die 
Kürze der seit den Operationen verstrichenen Zeit gestattet noch nicht 
über die Resultate der Eingriffe zu sprechen. Aus einer Statistik eines 
Japaners gebt hervor, dass 76 pCt. der operierten Fälle wesentlich ge¬ 
bessert wurden; nach der Naht des N. ischiadicus ist in einem Falle 
die vollständige Beweglichkeit des betreffenden Beines erst nach 
10 Monaten erreicht worden. 

Hr. Voeleker: Zar Kriegschiporgie der peripheren Nerven. 

Indikation zu einem operativen Eingriff bei Nervenverletzungen wird 
gegeben entweder durch Schmerzen oder durch Lähmungserscbeinungeo, 
Von den 16 operierten Fällen betrafen 4 den N. ulnaris, 5 den 
N. radialis, 2 den N. medianus, 1 den Plexus brachial« und 4 den 
N. ischiadicus. Was den anatomischen Befund an den verletzten Nerven 
betrifft, so kann man folgende Gruppen von Veränderungen unter¬ 
scheiden: 1. Quetschung des Nerven. Bei der Operation findet man eine 
Verhärtung des Nerven mit oder ohne Verdiokung; 2. Streifschuss des 
Nerven; 3. Rinneoschuss des Nerven. An der betreffenden Stelle ist ein 
Teil der Nervenbündel wie herausgeschlagen; 4. vollständige Zerreissung 
des Nerven. 

Aetiologisch bandelte es sich in allen 16 Fällen um Verletzungen 
durch Infanteriegeschosse. Offenbar ist das rasch fliegende iQfantene- 
geschoss mehr geeignet, den Nerven zu zerreissen, als z. B. eine 
Schrapnellkugei. Auffallend war die ausserordentlich derbe, schwielige 
Umänderung des Schusskanals. Was die Wirkung der Umgebung auf 
den verletzten Nerven anbelangt, so kann man unterscheiden; 
1. Strangulation de 9 Nerven und 2. Dislokation. Aebolich wie bei 
KnocbeDbrüchen kommen auch bei Nervenverletzungen 4 Arten von 
Dislokation vor: ad loDgitudinem, ad latus, ad axim, ad peripherism. 

Beim Anfrischen der Nervenstümpfe soll man sich immer überzeugen, 
ob man auf dem Querschnitt die Achseocylinder sieht. Um ein Wieder¬ 
verwachsen des Nerven mit der Umgebung zu verhindern, empfiehlt & 
sich, ihn mit einem Fettfascienlappen zu umhüllen. Bezüglich der 
Schmerzen waren die Erfolge der Operation sehr prompt: 2-3 T*j[ e 
nach der Naht pflegten die Schmerzen aufzuhören. Io bezug not ° 10 
Motilität lässt sich infolge der Kürze der Zeit noch nichts Bestimnates 
sagen. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



7. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1903 


Diskussion. 

Qr. Erb: In allen Fällen von Nervenverletzungen ist eine genaue 
neurologische Untersuchung 'wünschenswert, denn sie gestattet nicht 
selten, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Art und Stärke der 
Verletzung zu bestimmen. Der Nachweis einer gewissen Leistungs¬ 
fähigkeit, wie z. B. das Auftreten von Sensationen bei elektrischer 
Reizung, erlaubt den Schluss, dass der Nerv nicht vollständig durch¬ 
trennt ist. In einem Fall von einer Schussverletzung des Oberschenkels, 
welche den N. ischiadicus getroffen hat, war nur das Bündel für den 
N. peroneus gelähmt; diese Beobachtung unterstützt die bekannten 
Stoffel’schen Untersuchungen über die Verteilung der einzelnen Bündel 
im Nerven. Nach schweren Nervenverletzungen treten die ersten Er¬ 
scheinungen von Besserung oft erst Ende des 2. oder Anfang des 
3 Monats auf, man soll sich daher mit der Operation nicht sehr beeilen, 
da auch spontan eine Besserung eintreten kann. Wenn es sich um 
infizierte Schusswunden handelt, so soll man ihre vollständige Heilung 
abwarten, bevor man die Nervennaht ausführt. Die Prognose der 
peripheren Nervenverletzungen ist seit der Einführung der Nervennaht 
wesentlich besser geworden. Es wäre wichtig, statistisch festzustellen, 
ob die Motilität nach Operationen rascher zurückkehrt als bei nicht 
operierten Fällen. 

Hr. Braus bewahrt eine gewisse Skepsis gegenüber den Stoffel’schen 
Untersuchungen. Es ist zweifelhaft, ob sich Nervenfasern für bestimmte 
Muskeln auf grössere Strecken als 2—3 cm in den Nerven (abgesehen 
vielleicht vom N. ischiadicus) nachweisen lassen. Rinnenschüsse der 
Nerven könnten über diese Frage Aufschluss geben, vorausgesetzt, dass 
der übrige Teil des Nerven keine Quetschung erlitten hat. 

Hr. Heddaeus: Von sechs Fällen von Nervenverletzungen handelte 
es sich nur einmal um eine völlige Durchtrennung des Nerven, man 
braucht sich also im allgemeinen mit der Operation nicht beeilen. 
Neuralgien werden nach dem Eingriff fast momentan besser. 

_ Halpern. 

K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. 

Sitzung vom 6. November 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Laaber stellt einen Soldaten mit Hombauttrübang naeh Kon¬ 
tusion vor. 

Pat. erlitt von einem Schrapnellsplitter eine Verletzung des oberen 
Lides und eine geringe Verletzung des unteren Lides am linken Auge, 
seither sieht er schlecht. In der Mitte der Pupille ist in der Ebene der 
Linsenkapsel eine Trübung, von welcher feine Streifen gegen die Peri¬ 
pherie ziehen; in der Linse selbst ist keine Trübung, die Hornhaut ist 
normal. Die Trübung ist durch Wucherung des Kapselepithels nach 
einer leichten Kontusion des Auges zu erklären. 

Ferner zeigt Hr. Lanber einen Soldaten mit Stetupartikelchen im 
Glaskörper, welche durch ein Geschoss hiueingeschleudert wurden. 

Pat. hat im Gesicht leichte Narben mit eingebeilten kleinen Fremd¬ 
körpern. Am linken Oberlid finden sich kleine Narben, in der Hornhaut 
kleine weisse Partikelchen. Am oberen Rande ist die Hornhaut narbig 
verändert, die Iris darunter ist abgerissen und ein Teil der Linse ge¬ 
trübt. Im Glaskörper sieht man glänzende weisse Körperchen, welche 
beim Bewegen des Auges emportauchen, ausserdem noch punktförmige 
Trübungen. Die Sehschärfe ist von e / 24 in der letzten Zeit auf ti /i 2 ge¬ 
stiegen. Es handelt sich wahrscheinlich um Steinpartikelchen, welche 
von einem Projektil in den Glaskörper eingesprengt wurden und auch 
den Glaskörper zerrissen. 

Schliesslich stellt Hr. Lauber einen 57jährigen Erdarbeiter mit 
Amyloid der Bindehaut bei Trachom vor. 

Hr. E. Snchanek demonstriert einen Soldaten, bei welchem er die 
Ligatnr der Sabciavia ausgeführt hat. 

Dem Pat. musste der linke Arm wegen hochgradiger Verletzungen 
enucleiert werden, ausserdem hat er einen Weichteilschuss an einem 
Oberschenkel und einen Säbelhieb am Kopfe. Die Amputationsstelle 
war zum Teil gangränös, es trat plötzlich eine arterielle Blutung auf, 
welche von der Krankenwärterin durch digitale Kompression der Subclavia 
zum Stehen gebracht wurde. Pat. war bewusstlos, pulslos und atmete 
oberflächlich. Es wurde die Ligatur der Subclavia ausgefübrt und es 
wurden intravenöse Kochsalzinfusionen, DigaleD, Morphium und Coffein 
angewendet. Pat. ist genesen. 

Ferner zeigte Snchanek 2 Fälle von Verletzung des Vorderarms 
nnd der Finger, bei welchen die ambulante Extension mittels Krammer- 
soher Schiene angewendet wird. 

Hr. Riehl bespricht die Anwendung des kontinuierlichen Bades 
(Wasserbettes). 

Schon Hebra hat festgestellt, dass durch das kontinuierliche Bad 
der Ablauf der Körperfunktionen nicht gestört wird. Er versuchte das 
kontinuierliche Bad bei Variola confluens, Pemphigus und bei Ver¬ 
brennungen. Auf die beiden ersteren hatte das Bad keinen Einfluss, 
auch die Verbrennungen wurden in ihrem Heilungsverlaufe nicht abge¬ 
kürzt, dagegen wurde der Kranke in dem Bade schmerzfrei. 

Später wurde das Wasserbett auch bei Decubitus verwendet; infolge 
des Auftriebes des Wassers wird der Körper leichter und liegt nur leicht 
auf der Unterlage auf. Nach den Erfahrungen des Vortr. ist das kon¬ 
tinuierliche Bad für Phlegmonen sehr geeignet: Es tritt nach einer Woche 
Entfieberung ein und die Phlegmone geht zurück, und zwar nicht nur 
eine inzidierte Phlegmone, sondern auch das in der Nähe derselben be¬ 


findliche progrediente Infiltrat. In der Jetztzeit, wo vom Kriegsschau¬ 
plätze sehr viele infizierte Wunden kommen, gewinnt die Phlegmonen¬ 
behandlung eine aktuelle Bedeutung; Vortr. möchte die Anwendung des 
kontinuierlichen Bades bei schweren Phlegmonen empfehlen. H. 


Gesellschaft für innere Medizin nnd Kinderheilkunde zu Wien. 

Sitzung vom 5. November 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Marburg demonstriert 3 Fälle von Seh&delsehüssen mit funktio¬ 
nellen Schädigungen nnd Sensibilitätsstörnngen. 

Bei den Schädelschüssen, soweit sie nicht mit schwerer, sofort er¬ 
kenntlicher Zerstörung des Gehirns einhergehen, wird man oft vor die 
Frage gestellt, ob die Erscheinungen, die sich darbieten, organisch oder 
funktionell sind. Es handelt sich dabei nicht um die Erscheinungen 
der ersten Zeit, sondern vielmehr um das, was sich im Laufe der 
späteren Behandlung als residuär erweist oder was die Tendenz zeigt, 
sich zu stabilisieren. Der erste Fall betrifft einen 25 jährigen Soldaten, 
welcher bewusstlos eiDgeliefert wurde. Er hatte einen Durchschuss durch 
den Kopf oberhalb der Ohren. Er hatte 52 Pulse. Nach dem Erwachen 
sprach er skandierend, bradyphasisch und sehr leise, zeigte ein eigen¬ 
tümliches Wackeln des Kopfes und grosse Aeng9tlichkeit. Als er an¬ 
fing herumzugeben, klagte er, dass er nicht sehe und höre, er schwankte 
beim Geben und taumelte nach rechts und rückwärts. Objektiv liess 
sich nichts anderes erheben als eine Abducensparese. Der Schuss muss 
das Kleinhirn oder seine Nähe getroffen haben. Sprachstörungen sind 
bei Kleinhirnverletzungen bekannt, die Aphonie wäre auf eine Läsion 
des N. ambiguus in der Medulla oblongata zurückzuführen, er ist wahr¬ 
scheinlich funktioneller Natur. Sehstörungen kommen bei Verletzungen 
des Occipitallappens zustande, der Kranke bat aber keine objektiven 
Symptome am Auge, er hatte nie Doppeltsehen. Gegenwärtig hat 
Patient nur leichten Schwindel und etwas Schwanken beim Gehen. Die 
übrigen Störungen, welche jetzt zum grössten Teil geschwunden sind, 
sind wahrscheinlich durch den Shock entstanden, welchen das Geschoss 
auf die dem Schusskanal benachbarten Teile ausgeübt hat. 

Hr. Gerslmann führt einen Soldaten mit Erb Dnehenne’scker 
Plexuslähmung kombiniert mit Sympathicnslähmnng derselben Seite 
nach Scbussverletzung vor. 

Die Einschussöffnung befindet sich in der Nähe des rechten Unter- 
kiefeis, der Ausschuss in der Nähe des 6. Halswirbels. Patient war 
bewusstlos und konnte nach dem Erwachen den rechten Arm nicht be¬ 
wegen. Gelähmt sind der Deltoideus und fast alle Beuger, die anderen 
Muskeln sind intakt. Ferner finden sich Symptome einer rechtsseitigen 
Sympathiouslähmung: enge Pupille, enge Lidspalte, Enopbthalmus, con- 
junctivale Injektion, Herabsetzung des intraoculären Druckes. Man muss 
annehmeD, dass der 5. und 6. Cervicalnerv bzw. der Teil des Plexus 
gelähmt ist, aus dessen Vereinigung der 5. und 6. Cervicalnerv ent¬ 
stehen. Die Lähmung des Halssympathicus und die gleichseitige 
Erb’sche Lähmung könnten duroh das Projektil in der Nähe des Quer¬ 
fortsatzes des 6. Halswirbels erzeugt worden sein, wo die genannten 
Nerven einander naheliegen. Der Zustand des Kranken bat sich gebessert. 

Hr. Freud zeigt die Röntgenaufnahme eines Ileus infolge Ab- 
knickung einer an die Darmwand adhärenten Darmschlinge. 

Bei dem Patienten war früher die Gastroenterostomie ausgeführt 
worden. Er bekam fäkulentes Erbrechen, das Abdomen war nicht be¬ 
sonders druckempfindlich. Die Röntgenuntersuchung ergab eine rasche 
Entleerung des Magens als Folge der Gastroenterostomie, und die In- 
gesta sammelten sieb in einer abgeknickten Jejunumschlinge an. Die 
Verziehung des Jejunums sprach für das Angewachsensein einer Schlinge. 
Es wurde angenommen, dass es sich um einen akuten Ileus infolge Ab¬ 
knickung dieser Jejuuumschlinge handelt. Die Operation bestätigte die 
Diagnose, das Jejunum war au der Bauchschnittnarbe angewachsen. 
Durch die rasche Füllung des Darmes wurde die Schlinge abgekniokt. 


Robert Thomson f. 

Am 26. Oktober ist in Bonn, der Stätte seiner langjährigen Wirk¬ 
samkeit, Prof. Dr. Robert Thomson, leitender Arzt der Dr. Hertz’schen 
Privat - Heil- und Pflegeanstalt, Mitglied des Medizinalkollegiums der 
Rbeinprovinz, gestorben. In ihm verliert unsere Wissenschaft einen an¬ 
erkannten und sehr geschätzten Vertreter, dem mancher Fortsobritt zu 
verdanken ist, die Kranken einen hervorragenden Arzt, seine Freunde 
und Bekannte einen Menschen von selten umfassender Bildung, aus 
tiefstem Herzen kommender Güte und aufrechtem, stets ehrlichem Cha¬ 
rakter. 

Prof. Thomson wurde am 15. Juli 1858 zu Hamburg geboren. 
Seine medizinischen Studien absolvierte er in Tübingen, Leipzig und 
Göttingen, woselbst er im Jahre 1881 promovierte. Nach zweijähriger 
Assistentenzeit bei Ludwig Meyer in Göttingen und Reye in Hamburg 
kam er im Jahre 1882 an die Psychiatrische Klinik der Universität 
Berlin zu Westphal. Nachdem er sich dort im Jahre 1886 habilitiert 
hatte, ging er 2 Jahre darauf als Leiter der Dr. Hertz’scben Privat- 
Heil- und .Pflegeanstalt nach Bonn, welche Stellung er bis zu seinem 
Tode inne hatte. Während seiner Assistentenzeit in Berlin entwickelte 
er eine ausgedehnte wissenschaftliche Tätigkeit sowohl auf anatomischem 


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UNIVERSUM OF IOWA 





1904 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 49. 


wie auf klinischem Gebiet. In seinen späteren Jahren blieb ihm 
natürlich infolge seiner ihn sehr in Anspruch nehmenden ärztlichen 
Tätigkeit nicht soviel Zeit zu ausgedehnter wissenschaftlicher Betätigung, 
doch stammen auch aus diesen Jahren eine Reihe von gründlichen und 
wertvollen Arbeiten, besonders die über die Zwangsvorstellungen und die 
akute Paranoia. Schliesslich hatte er in den letzten Jahren als Mitglied 
des Medizinalkollegiums Gelegenheit, seine umfassenden Kenntnisse auf 
dem Gebiete der forensischen Psychiatrie, die ihn stets sehr interessierte, 
und die er auch zum Gegenstand seiner Lehrtätigkeit gemacht hatte, zu 
verwerten. 

Thomsen ist nur 56 Jahre alt geworden; ein sich langsam ent¬ 
wickelndes schweres Leiden — Neubildung der Niere —, das schon 
längere Zeit auf seine Arbeits- und Lebenskraft ungünstig eingewirkt 
hatte, machte seinem Leben frühzeitig ein Ende. Ein operativer Eingriff 
vermochte keine Heilung mehr zu erzielen. 

Allen denen, die ihn gekannt haben, wird die Erinnerung an diesen 
eigenartigen Mann unvergesslich und wertvoll sein. König-Kiel. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Nach den deutschen Militärärzten sind nun auch Kranken¬ 
pflegerinnen und Diakonissen dem Schicksal der Verurteilung durch 
französische Gerichte anheiragefallen — ihnen wird „ Aneignung von Ver¬ 
bandzeug“ u. dgl. als strafwürdiges Verbrechen ausgelegt! Es bedarf wohl 
auch hier keines Wortes darüber, dass nur Verblendung und National¬ 
hass derartige, in keinem früheren Feldzuge vorgekommene Vergewalti¬ 
gungen des internationalen Rechts ermöglicht haben. Mit Genugtuung 
haben wir gelesen, dass seitens der deutschen Regierung durch Ver¬ 
mittelung der amerikanischen Botschaft alle Schritte getan werden, um 
eine Aufhebung dieser Urteile herbeizuführen. Ueber „Repressalien“ im 
gewöhnlichen Wortsinn wird man bei uns zu vornehm denken — bei der 
endgültigen Abrechnung mit unsern Gegnern aber wird gerade das 
schwere, unsern Aerzten und Pflegerinnen zugefügte Unrecht nicht ver¬ 
gessen werden! 

— Das Ministerialblatt für Medizinalangelegenheiten gibt bekannt: 
Nachdem durch die auf Grund des Beschlusses des Bundesrats vom 
6 . August 1914 vorzeitig erteilten Approbationen nicht allein die durch die 
Kriegslage herbeigefürten Nachfragen Dach Apothekern hinreichend ge¬ 
deckt sind, sondern sogar ein Ueberschuss an Apothekern geschaffen 
worden ist, beabsichtigen die zuständigen Landeszentralbehörden mit Zu¬ 
stimmung des Bundesrats, von der ihnen erteilten Ermächtigung zur 
vorzeitigen Approbationserteilung weiterhin keinen Gebrauch zu machen. 

— Das Ministerium des Innern gibt bekannt, dass alle öffentlichen 
und privaten Heilanstalten, die in Friedenszeiten über die aufgenommenen 
Patienten eine genaue Statistik zu führen verpflichtet sind, während des 
Krieges von dieser Verpflichtung insoweit enthoben werden, als es sich 
um verwundete oder erkrankte Militärpersonen handelt, da diese von 
der Militärverwaltung besonders geführt werden. 

— Die medizinische Fakultät hat eine neue Proraotioosordnung 
aufgestellt, die in den Statuten der Fakultät vor kurzem veröffentlicht 
worden ist. Die Promotionsordouog kann in der akademischen Aus¬ 
kunftsstelle eingesehen werden, 

— Die Stadtverordnetenversammlung genehmigte in einer ihrer 
letzten Sitzungen für die in den städtischen Krankenhäusern und im 
Reservelazarett Buch beschäftigten Hilfs- und Assistenzärzte eine Zulage 
von 6 M. pro Tag für die Zeit des Krieges. Ausserdem soll den Faroulis 
ein Honorar von 3 M. nebst freier Beköstigung und, soweit es die Räum¬ 
lichkeiten gestatten, freie Wohnung gewährt werden. 

— Wir werden um Aufnahme folgender Nachricht ersucht: „Für 
das Lazarett der Stadt Berlin in Buch (Bezirk Potsdam) werden diri¬ 
gierende Aerzte für innere und äussere Krankheiten gesucht. Das Gehalt 
beträgt 5000 M. neben freier Station. Meldungen sind an das Bureau 
der Krankenanstalten, Ratbaus, Zimmer 116, zu richten. 

Deputation für die städt. Krankenanstalten 
und die öffentliche Gesundheitspflege.“ 

— Gegenüber den verschiedentlich gebrachten Meldungen über vor¬ 
gekommene Flecktyphuserkraukungen in Prag wird seitens des Sanitäts¬ 
departements der Stattbalterei mitgeteilt, dass bisher kein einziger Fall 
einer FlecktyphuserkrankuDg zur amtlichen Anzeige gelangt ist. Die 
flecktyphusverdächtigen Erkrankungen haben sich sämtlich nicht als 
Flecktyphus erwiesen. 

— In Frankfurt a. M. ist der bekannte Urologe, Dr. Straus, ver¬ 
storben. 

— Das „Instituto Ortopedico Rizzoli“ in Bologna hatte einen 
Wettbewerb um den Preis Umberto I. ausgeschrieben, und macht jetzt 
bekannt, dass die Verwaltungskommission in Anbetracht der augenblick¬ 
lichen internationalen Verhältnisse beschlossen hat, den Termin, welcher 
auf den 81. Dezember 1914 festgesetzt war, bis zum 31. Dezember 1915 
zu verlängern. 

— Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Felde sind bei dem Geiste 
des deutschen und österreichischen Sanitätskorps nichts Besonderes mehr. 
Die Beförderung einer solchen Arbeit aber mittels Fliegers aus einer 
vom Feinde rings umschlossenen Festung dürfte im Verkehr zwischen 
. Autor und Redaktion bisher kaum vorgekommen sein und eine der Neu¬ 


erscheinungen bilden, an denen dieser an Form und Ausdehnung un¬ 
erhörte Weltkrieg so manche schon hervorgebracht. Von einem 
Assistenten des zurzeit als Marinegeneralarzt im Felde stehenden Herrn 
Geheimrats Küttner, dem auf dem Gebiete der Gefässchirurgie schon 
wohlbekannten Herrn Dr. Jeger, ging uns heute mittels Fliegerpost 
aus der von den Russen belagerten Festung Przemysi eine Arbeit 
über Gefässnaht zu, die wir in der nächsten Nummer dieser Wochen¬ 
schrift veröffentlichen werden. Ihm auf gleichem Wege den Satz zur 
Korrektur zu senden, sind wir freilich nicht imstande; denn noch ver¬ 
fügt unser Redaktionsstab über keine FliegerabteiluDg und auch einen 
der mancherorts beliebten Flügelboten müssen wir uns, selbst zum nur 
ausnahmsweisen Gebrauch, versagen, da Englands auswärtiges Amt zum 
eigenen Nachrichtendienst seit Kriegsbeginn alle „Enten“ mit Beschlag 
belegte. H. K. 

— Verlustliste. I. Gefallen: Unterarzt Dr. Caminer. Res,- 
Inf.-Reg. Nr. 61. Stud. med. Chüden. Unterarzt d. L. Dr. W. v. Förster. 
Stud. med. Fürst. Stud. med. Hackmann. Stabsarzt Dr. Harke. 
Stud. med. Hirt. Unterarzt Dr. Kierczeck. Stud. med. Kretz. Unter¬ 
arzt Dr. Köhler. Stabsarzt d. R. Dr. Klingelhöfer. Stud. med. 
F. Löbnitz. Unterarzt Dr. Löchel. Stud. med. Overbeck. Stud. 
med. Roh, Inf.-Reg. Nr. 106. Zahnarzt Ruck. Stud. med. Schüler. Stud. 
med. Texter. Stud. med. Willnow. Oberarzt d. R. Dr. H. Wolf. — 
II. Verwundet: Oberarzt d. R. Dr. ßeerholdt. Unterarzt Dr. Brach- 
mann. Stabsarzt d. R. Dr. Falk. Stabsarzt Dr. Finger. Feld¬ 
unterarzt E. Kahn. Feldunterar 2 t Langendorf. Stabsarzt d. R. Dr. 
K. Richter. Stabsarzt d. L. Dr. Schenk. Assistenzarzt Dr. Stemmler. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personnlien. 

Niederlassungen: K. Th. Rabski in Penkun, E. Beckmann, Dr. 
H. Lorenz, Dr. E. Haehndel, F. Wiener und Dr. phil. 
H. Matsohke in Breslau, B. v, Kruska in Halle a. S., Dr. E. Bossel¬ 
mann in Cöln, K. Lentze in Cöln-Nippes, H. Dorn in Kiel, Aerztin 
Dr. K. Frankenthal in Sande, Dr. H. Reinicke, Aerztinnen Dr. 
P. Wack und A. Kannenberg in Marburg, W. Diese io Barmen, 
B. Brauns, Aerztin E. Platzer, Aerztin M. Geber und Dr. 
E. Bettray in Elberfeld, 0. Singelmann in Crefeld, Dr. 0. Becker 
iD Burscheid, Aerztinnen E. Schwemer und H. Sauer geh. Her¬ 
mann in Galkhausen. 

Verzogen: Dr. E. Schultze von Halensee b. Berlin nach Werneuchen, 
Dr. F. Sch mit von Berlin-Schöneberg und A. Fleck von Berlin nach 
Berlin Friedenau, Dr. H. Stern von Berlin-Steglitz nach Berlin- 
Scbmargendorf, Aerztin A. E. Kris che von Eichstätten i. Baden nach 
Guben, W. Schallert von Berlin-SchÖneberg nachSorau, A. Pollaczek 
von Tschirnau (Kr. Guhrau nach Pforten, Dr. A. Peiper von Greifs¬ 
wald nach Stettin, Dr. G. Müller von Stettin nach Dresden, Dr. 
H. Weber von Cassel nach Breslau, Dr. B. J-ereslaw von Blitzen¬ 
grund (Kr. Waldenburg) nach Görbersdorf, Dr. G. Steplewski von 
Posen und Dr. W. Rauch von Jena nach Zeitz, Aerztin Hanna 
Brandt (nicht, wie früher gemeldet, Heinrich Brandt) von Cux¬ 
haven nach Halle a. S., Dr. W. Siebert von Lengericb, Dr. F. J. 
Widmann von Breslau, Dr. R. Wessing von Eickelborn und Dr. 
H. Cordes von Suttrop nach Niedermarsberg, Dr. W. Pryll ron 
Essen nach Dortmund, Dr. A. Norpoth von Gladbeck nach Ickern, 
Dr. J. 0. Leopoldt von Breslau nach Gelsenkirchen, Dr. F. Wenden- 
bürg von Breslau nach Eickelborn, W, Poppelreuter von Berlin 
und Dr. F. Offergeld von Reisen nach Cöln, W. Bohle von Dülmen 
nach Cöln-Mülbeim, Dr. J. Pfabl von Düsseldorf nach Bonn, Dr. W. 
Laube von Zawadzki nach Hirscbberg i. Sohl., Aerztin Th. Brandt 
und W. Meyer-Keyser von Freiburg i. B. sowie H. Wittkopf von 
Harburg a. E. nach Kiel, Dr. W. Ruth au von Grönitz nach Lübeck, 
Dr. H. Rotschild von Gudensberg nach Delmenhorst (Oldenburg), 
Dr. B. Rohden und Aerztin Dr. G. Gottschalk von Essen, 
P. Niederhoff und E. Nassau von Berlin, A. Kösser von Heidel¬ 
berg, K. Jung von Assmannsbausen, G. Gross mann von Göttingeo, 
Aerztin F. Kornblum von München, Dr. H. Krusinger von Glogau 
sowie W. Ernestus von Elberfeld nach Düsseldorf. 

Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. H. Thon von 
Düsseldorf, G. Haas von Hamborn. . n 

Gestorben: San.-Rat Dr. H. Kornblum in Wohlau, Med.-Rat Prof. Dr. 
R. Thomsen und Prof. Dr. J. Esser in Bonn, Geb. San.-Rat rro. 
Dr. J. Steiner in Cöln, Dr. J. Hemmerting in Düsseldorf, Sau.-Kai 
Dr. A. Schmittmann in Duisburg-Ruhrort. 


Berichtigung. t , 

In dem Artikel von H. Kern: „Ueber Neosalvarsaninjektion 

Nr. 43, S. 1742 dieser Wochenschrift muss es statt 100 pro*. » 
50 proz. Lösung heissen. Die stärkste Konzentration, die wir D|mu * > 
war ein bestimmtes Quantum Neosalvarsan im gleichen wuao 
Wasser gelöst, was nach der üblichen Ausdrucksweise einer a P 
Lösung entspricht. _ - 

Für dl« Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hanl Kobn, Berlin W„ Bayreuther S.rw 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Dl« Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden 
Montag in Naromeru ton ca. 5—6 Bogen gr. 4, — 
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Mit Berücksichtigung der Medizinal Verwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen* 

Redaktion: Expedition: 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kok. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 14. Dezember 1914. 50 . Einundfünfzigster Jahrgang. 


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Originaliei : Pohl: Neues über alte Opiumalkaloide. (Illustr.) S. 1905. 
Jeger: Kriegsohirurgische Erfahrungen über Blutgefässnaht. (Aus 
der Kgl. chirurgischen Klinik zu Breslau.) (Illustr.) S. 1907. 
Freund: Lendenwirbelkonturschuss. S. 1911. 

Freund: Traumatischer Hirnabsoess. S. 1911. 

Rauch: Seuchenerfahrungen und Seuchentherapie im Feldzuge 1914. 
S. 1912. 

Riess*. Ueber die Aehnlichkeit der klinischen Krankheitsbilder von 
Infektionskrankheiten. (Illustr.) S. 1918. 

Melchior: Zur Kenntnis der posttyphösen Strumitis. (Aus der 
Breslauer chirurgischen Klinik.) (Illustr.) S. 1916. 
B&cfcerbesprechiingei: v. Bruns, Garre und Küttner: Handbuch der 
praktischen Chirurgie. S. 1918. Krause: Die allgemeine Chirurgie 
der Gehirnkrankheiten. S. 1918. v. Saar: Die Sportverletzungen. 
S. 1918. Köhler: Taschenbuch für Kriegschirürgen. S. 1919. 
(Ref. Adler.) 

Literatir-Aosifige : Therapie. S. 1919. — Parasitenkunde und Serologie. 
S. 1919. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1919. — Augenheil- 


Neues über alte Opiumalkaloide. 

Von 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Julius Pohl. 

(Vortrag, gehalten in der medizinischen Sektion der schlesischen Gesell¬ 
schaft für vaterländische Cultur zu Breslau am 20. November 1914.) 

Keine Droge hat in derzeitigen Kriegswirren eine solche Be¬ 
deutung gewonnen wie das Opium. Die Möglichkeit ihres seltener 
Werdens, ihrer Preissteigerung 1 ) ist nicht nur in der mangelnden 
Zafuhr, sondern auch in der Wahrscheinlichkeit des Ausfallens der 
nächsten Ernte gegeben. Mehr als je ist daher an einen Ersatz 
desselben zu denken und insbesondere erhebt sich die Frage, ob 
für das als unersetzlich geltende Morphin nicht die Nebenalkaloide 
des Opiums mehr als früher herangezogen werden könnten. 
Dieser Vorschlag führt nun direkt in eine Tagesfrage, zu dem 
Worte Opiumeffekt. Der Ausdruck soll bedeuten, dass das 
Opium stärker wirkt als dem in ihm vorhandenen Morphin 
entspricht und zwar, dass es nach der Anschauung der 
einen besonders nachhaltig central, also schmerzstillend, nach der 
Anschauung der anderen weniger die Atmung schädigend wirkt 
und nach einer weiteren Ansicht peripher intensiver auf den 
Darm wirkt als eine entsprechende Morphindosis. Es ist ganz 
selbstverständlich, dass man als Ursache dieses etwas unsicheren 
Opiumeffektes die Nebenalkaloide des Morphins heraogezogen hat, 
und glaubt, dass es sich hier um eine natürliche Kombinations¬ 
wirkung handelt, gewissermaassen am ein Sinnfälligwerden ein¬ 
zelner, an sich unterschwelliger Effekte nnd zwar: um eine Be¬ 
teiligung des Narkotins, des Papaverins, des Codeins, Thebains 
nnd Laudanosins. Kaum eine Frage wurde in den letzten Jahren 
so breit geschlagen, wie gerade die Idee der Kombination der 
Arzneistoffe und n. a. der Satz formuliert, dass einerseits be¬ 
stimmte Kombinationen sich nur summieren, andere Kombina¬ 
tionen über den additionellen Wert binausgehen, dass sie eine 


1) Der Preis für ein Kilo Opium pulv. betrug im Juli 44 M. beim 
Grossisten, 'jetzt 80 M.l 


tLT. 

künde. S. 1921. — Militär-Sanitätswesen. S. 1922. — Unfallheil¬ 
kunde und Versicherungswesen. S. 1923. 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Vereinigte ärztliche 
Gesellschaften. (Berliner medizinische Gesellschaft.) Bucky: 
Die Röntgensekundärstrahlenblende als- Hilfsmittel für die Lokali¬ 
sation von Geschossen. S. 1923. Rothmann: Zur Symptomato¬ 
logie der Stirnhirnschüsse. S. 1923. Levy: Verletzung der Lunge 
durch Gewehrschuss. S. 1924. Morgenrotb: Die Chemotherapie 
der Pneumokokkeninfektion. S. 1924. — Gesellschaft für Ge¬ 
burtshilfe und Gynäkologie zu Berlin. S. 1924. — Gesell¬ 
schaft für innere Medizin und Kinderheilkunde zuWien. 
S. 1925. 

Kriegsärztliohe Abende. S. 1925. 

Mohr-. „Silbernitrat oder Silbereiweiss. Eine therapeutische Frage.“ 
(Entgegnung auf den gleichnamigen Aufsatz in Nr. 38 d.W.) S. 1926. 
Körte*. Brief aus dem Felde. S. 1927. 

TagesgeBohiohtliohe Notizen. S. 1928. 

Amtliche Mitteilungen. S. 1928. 


multiplizierte, ja potenzielle Wirkung entfalten können. Wie 
wenig einheitlich, wie zur Vorsicht mahnend der Kombinations¬ 
begriff ist, geht wohl aus einer gelegentlichen Beobachtung her¬ 
vor, die ich selbst erhoben habe. Man kann die Digitalisglykoside 
in ihrer Wirkung auf das Frosch herz und wohl auch auf das 
Warmblüterherz dadurch steigern, dass man kleine Zusätze von 
Chloroform oder Alkohol zu den Lösungen macht. Wenn hier 
sonst gleichgültige oder das Herz eher schädigende Stoffe effekt- 
steigernd wirken, so kann weder von einer additiven Leistung 
oder Potenzierung des letzten Effekts gesprochen werden, sondern 
es wird sich wohl nur um die Aenderung der Aufnahmebedingungen 
und der Bindungsfähigkeit für die Glykoside durch den Herz¬ 
muskel somit um eine indirekte Wirkungssteigerang handeln. 
Ein weiterer Fall einer solchen negativ fördernden Kombinations¬ 
wirkung liegt in der Beobachtung aus jüngster Zeit, betreffend 
die Förderung von Cocain und Novocain durch Zusatz von Kalium¬ 
sulfat vor. Auch hier werden krause Theorien aufgestellt, wo es 
sich doch im Wesentlichen darum handelt, dass das Kaliumion 
als solches teitungslähmend wirkt und sich seine Wirkung zur 
Anästhesie durch das Alkaloid gesellt. Immerhin ist es auf¬ 
fällig, dass die Wirkungssteigerung hier ausserordentliche Werte 
erreichen kann, die über das additive Maass hinausgehen 1 ). In 
bezog auf das Opiuraproblem entwickelte Straub 2 ) im Jahre 
1912 die Anschauung, dass das zu 6 pCt. im Opium vorhandene 
Narkotin die schädigende Wirkung des Morphins auf das Atem¬ 
centrum herabsetzt, dass es also effektmindernd wirkt; anderer¬ 
seits soll dieses Alkaloid imstande sein, die furibunden Auf¬ 
regungszustände, die Morphin an Katzen hervorruft, zu hemmen 
und dessen schwache Narkosewirkung so zu steigern, zu poten¬ 
zieren, dass bei den Tieren nur mehr reine Lähmungssymptome 
auftreten. Auf Grund dieser Auffassung wmde ein künst¬ 
liches Arzneimittel dargestellt, das Narkophin, das etwa V 3 Mor¬ 
phin, V 3 Narkotin nnd l / 3 Meconsäure enthält, somit im wesent¬ 
lichen die für günstig gehaltene Kombination von Narkotin und 

1) Hoffmann und M. Kochmann, Beitr. z. klin. Cbir,, 1914, Bd. 91. 

2) Bioch. Ztschr., Bd. 41, S. 419. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1ÖÖ6 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 50. 


Morphin darstellt. Sicher wirksam am Menschen waren aber erst 
3 cg, die 1 cg Morphin enthalten. Diese Dosis wirkt nun selbst- 
verständlich schon an sich narkotisch, von einer Potenzierung 
durch das Narkotin kann hier nicht wohl die Rede sein. Da 
aber in diesen Angaben -die Möglichkeit gegeben wäre, maximal 
wirksame Alkaloidgemische darzustellen, die sich auch auf andere 
Stoffe als Opiumalkaloide übertragen lassen müsste, so haben wir 
diese Frage zunächst an diesen einer experimentellen Nachprüfung 
unterworfen und die Möglichkeit der Beeinflussung von Atmung 
nach Frequenz und Volumen, sodann die Frage der Erregbarkeit 
des Atemcentrums gegen den CD 2 -Reiz, gegen das antagonistisch 
erregendwirkende Cocain durcbgeprüft. 

Das in vielen Versuchserien von meinem Assistenten, Herrn 
Dr. Meissner 1 ), gelieferte Material ergab nur die Potenzierung 
widerlegende Tatsachen. Welches Verfahren man auch immer 
wählte, immer zeigte sich der biologische Effekt von Arznei¬ 
gemischen, die neben Morphin noch Narkotin enthielten, nur ihrem 
MorpbiDgehalt entsprechend. Ich bebe speziell einen Versuch 
über Aenderung der Atmungstätigkeit durch Extractum opii aquos. 
mit bekanntem Morphingehalt hervor, das quoad Atmung genau 
so wirkte, wie eine entsprechende Menge Pantopon und Morphin 
selbst. Wesentliche quantitative Unterschiede zwischen diesen 
drei Körpern war nicht zu verzeichnen. Dass für die cerebrale 
Wirkung des Pantopons und des Opiums wohl nur das Morphin 
entscheidend ist, lehrt auch die Beobachtung mit dem morphin- 
freien Pantopon, dem Opon, von dem, um überhaupt schwache 
hypnotische Wirkungen zu erzielen, enorme Mengen, wie ein 
halbes oder ein Gramm nötig sind 2 3 ). 

Bei dieser Gelegenheit zeigt es sich, dass das Narkotin, aller¬ 
dings erst nach Centigrammen, ein Erregungsmittel der Atmung ist. 

Das Narkotin ist ferner ein vorzügliches Beruhigungsmittel 
des isolierten Darms. Es setzt seinen Tonus herab und erreicht 
schliesslich vollständige Erschlaffung, dies jedoch nur bei direkter 
Applikation auf die Darmserosa des nach Magnus isolierten 
Darmstücks. Eine Aenderung des so eigenartigen Bildes der 
Morphinwirkung an Katzen durch Zusatz von Narkotin ist uns 
ebenfalls niemals gelungen. — Auch das Thebain ist herangezogen 
worden, um die schädigende Wirkung des Morphins auf das Atem¬ 
centrum aufzuheben. Doch möchte ich dieser Angabe auf Grund 
persönlicher Erfahrungen entgegentreten, indem sich kleine The¬ 
baindosen (wie sie den sogenannten Laudanon entsprechen) in 
dieser Richtung als unwirksam erwiesen. 

Das Narkotin ist konstitutionell genau bekannt. Es ist sicher, 
wie seine Synthese aus Meconin undCotarnin beweist, ein Isochinolin¬ 
derivat. Hierin steht es dem Papaverin nahe, das ebenfalls kon¬ 
stitutiv klar und synthetisch gewinnbar ist. Das Papaverin ist 
in den letzten Jahren vielfach durchgearbeitet worden; ins¬ 
besondere war es Pal 8 ) in Wien und seine Mitarbeiter, die ihm 
eine Anzahl von Arbeiten gewidmet, und besonders die klinische 
Verwendung desselben in Fluss gebracht haben. Noch vor wenigen 
Jahren glaubte man die Wirkung des Papaverins damit erschöpfen 
zu können, dass man sagte, dass es zu den Krampfgiften gehört. 
Im Jahre 1904 machte ich die gelegentliche Beobachtung, dass 
das Papaverin temperaturherabsetzend wirkt, eine Eigenschaft, die 
dem biologisch und chemisch verwandten Morphin noch in weit 
höherem Umfang eigen ist. Die Einwirkung des Papaverins auf den 
isolierten Darm zeigt, dass es schon in ausserordentlich kleinen 
Mengen lähmend wirkt, dass es in dieser Richtung 30 bis 50 fach 
stärker wirkt als das Morphin. Allein die Anschauung, dass das 
Papaverin die Erklärung des Opiumeffekts quoad Darm bringt, teile 
ich durchaus nicht. Ich habe folgenden Versuch gemacht: Bei 
einer Katze wird durch Milchfütterung Diarrhöe hervorgerufen; 
Papaverindarreichung zu 4 cg blieb ohne Erfolg, während doch 
Opium in dieser Richtung positiv wirkt. Macht man einem Ka 
ninchen eine subcutane PapaveriniDjektion und entnimmt ihm dann 
seinen Darm, so zeigt derselbe, wie oben geprüft, normale Be¬ 
wegungsfähigkeit. Gerade in bezug auf unser Problem ist vor 
wenigen Tagen eine Mitteilung von Magnus 4 ) erschienen, wonach 
es gelingt, durch ganz kleine Codeinzusätze eine an sich als un¬ 
genügend erkannte Morphindosis in ihrer Wirkung auf den Darm 
ausserordentlich zu steigern. Noch V* der eben wirksamen 
Morphindosis wird durch V 40 der für sich allein wirksamen 

1) R. Meissner, Beeinflussung der Morphin Wirkung durch die Neben¬ 
alkaloide des Morphins. Biochem. Zschr., 1913, Bd. 54, S. 395. 

2) Winternitz, M.m.W., 1912. 

3) Pal, Papaverin als Gefässmittel. D.m.W., 1914, S. 164. — Hier 
auch weitere Literaturangaben. 

4) Magnus, Pflüger’s Aroh., Bd. 159, S. 356, 353. 


Codeindosis zur vollen Höhe gebracht. Ob diese am durch Colo- 
quinten entzündlich gereizten Katzendarm gemachten Erfahrungen 
auf den Menschen übertragbar sind, stebt noch ans; ist dies der 
Fall, dann könnte man ohne Minderung des therapeutischen Er¬ 
folges mit Morphin sparen. Auch Magnus lehnt eine Papaverin¬ 
wirkung im Darmopiumeffekt ab. 

Gelegentlich obiger Darmversucbe konnte ich auch feststellen, 
dass das Papaverin ausserordentlich erschlaffend auf die Uterus¬ 
muskulatur wirkt, eine Beobachtung, die völlig unabhängig, gleich¬ 
zeitig von Pal gemacht worden ist und sicher therapeutisch ver¬ 
wendet werden kann. Während mir die Idee vorscbwebte, dass 
speziell mit kolikartigen Schmerzen einhergehende Menstruations¬ 
anomalien hier einen Antagonisten gefunden haben, dass patholo¬ 
gisch gesteigerte Bewegungen gehemmt werden können, hat 
Halban 1 ) in Wien dieses Alkaloid seither bei drohendem Abort 
mit ausserordentlichem Erfolg verwendet. Er berichtet über 
einen Fall, wo es durch tägliche 2 malige Darreichung von 5 cg 
Papaverin gelang, einen drohenden Abort einen Monat lang auf¬ 
zuhalten nnd die Geburt zum normalen Termin zu führen. Er 
empfiehlt unser Alkaloid auch bei der Hyperemesis gravidarum. 
Wie Sie sehen, erinnert das Papaverin in seinem Verhalten znr 
glatten Muskulatur ausserordentlich an das Atropin. Doch bat 
es vor diesem den Vorzug relativer Ungiftigkeit. Vielleicht ho¬ 
molog dem bisher geschilderten Verhalten ist auch die Wirkung 
auf die Gefässe, die zur Erweiterung, zur Erschlaffung gebracht 
werden. Insbesondere bei abnorm hohem Druck wirkt es vor¬ 
züglich depressoriscb, während es am normalen Menschen in 
dieser Richtung nicht erheblich wirkt (Pal). Seine Beeinflussung des 
Circulationsapparates lehrt wohl beifolgende Kurve. Das Papa¬ 
verin gilt als leistungsfähiger Antagonist des Adrenalins. Pal (1. c.) 
berichtet, dass es gelingt, durch Steigerung der Dosis nicht nur 
vorübergehend, sondern dauernd Herabsetzung des Blutdrucks zu 
erreichen. Ob nicht auch in diesem Sinne brauchbare Resultate 
beim Habitus apoplecticus, bei der Urämie, bei der Arteriosklerose 
zu erzielen sein werden, steht noch aus. Pal empfiehlt ferner 
das Papaverin bei der Angina pectoris. Die druckmindernde 
Wirkung ist wobl central ausgelöst, da ich eine Aenderung der 
Ausflussgeschwindigkeit des Blutes aus der Vena abdominalis nach 
Papaverininjektion (Methode Trendelenburg) nicht featstellen 
konnte. 

Eine dem Praktiker sicher willkommene Beobachtung betrifft 
die Angabe, dass das Papaverin auch eine Erschlaffung des 
Sphincters des Ductus choledochua 2 ) hervorruft, wodurch Störungen 
des Gallenabflusses behoben werden können. Auf dem gleichen 
Grundprinzip, Erschlaffung der glatten Muskulatur, sind die Be¬ 
obachtungen von Scalitzer und Knöpfelmacher zu beziehen: 
Bei Pylorospasmus der Kinder mit konsekutivem Erbrechen 
schwindet nach mehrfachen subcutanen Injektionen zu 0,01 Pa¬ 
paverin das Erbrechen und der als Tumor tastbare, vorher kon¬ 
trahierte Pylorus erschlafft. Diese lähmende Wirkung auf Magen¬ 
teile ist vielfacher diagnostischer Anwendung fähig und wird 
benutzt, um röntgenologisch Pylorustumor von PylorospasmoB zu 
scheiden. 

Klinische Erfahrungen haben dem Opium noch eine be¬ 
sondere Verwendungsart, noch einen weiteren Effekt zugeschrieben: 
Ich meine seine Benutzung gegen den Diabetes. Da uns die 
chemische Technik die einzelnen Opiumalkaloide in genügender 
Menge liefert, so lag es nahe, auch nach dieser Richtung mit 
ihnen experimentell einzusetzen. 

Wir 8 ) haben in dieser Richtung zwei Versuchstypen gewählt, 
nämlich Beeinflussung der Suprarenin- und Phloridzinglykosurie. 
Nachdem in 17 Normalversucbeo die durchschnittliche Zucker¬ 
ausscheidung nach Suprarenin festgestellt war, wurde zunächst 
die Kombination mit Papaverin versucht, wobei teils bei Vergleich 
verschiedener Tiere, teils bei mehreren Versuchen am gleichen 
Tier eine Hemmung der Ausscheidung durch Papaverin deutlich 
feststellbar war. Ebenso wirkte Thebain uod die im Opium vor¬ 
handene Meconsäure. 

Auch dem Phloridzin gegenüber entfaltete das Opium eine hem¬ 
mende Wirkung. Ich glaube auf Grund anderweitiger Erfahrung 
über Hemmung von künstlichen Glykosurien durch gewisse Sub¬ 
stanzen, dass es sich hier viel weniger um eine Beeinflussung von 
Zuckerbildung und Zuckerspaltung als vielmehr um Störung der 

1) Halban, Anwendung von Papaverin in der Geburtshilfe. Oesterr. 
Aerzteztg., 1914, S. 977 

2 ) Reach, W.klin.W., 1914, Nr. 4, S. 150. , L , .. 

3) s. G. Lewysohn, Ueber die Hemmungswirkung der Opiumalkoloiue 
auf experimentelle Glykosurien. Diss. Breslau 1914. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1907 










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- 


Curarisiertes Kaninchen von 1900 g Normaldruck = 80 mm Hg; nach intravenöser Injektion 
von 0,005 g Papaverin hydroohl. (Laroche): 39 mmHg. 


Zuckerausscheidung handelt, was durch entsprechende Blut¬ 
analysen in Zukunft sichergestellt werden müsste. So unvoll¬ 
kommen diese Versuche sind, so legen sie doch die Hoffnung 
nahe, dass es möglich sein wird, vom Isochinolin ausgehend, zu 
maximal wirksamen antiglykosurischen Stoffen auf synthetischem 
Wege zu gelangen. 

Bei der klinischen Verwendung des Papaverins ist eine ge¬ 
wisse Abschwächung desselben, bei wiederholter Darreichung, 
beobachtet worden. Diese rasche Gewöhnung lässt die Möglichkeit 
offen, dass es sich hier um ein dem Morphin homologes Schicksal, 
um eine gemeinschaftliche Grundursache handelt. Es wird somit 
der Wunsch rege, etwas Näheres über das Schicksal des Papa¬ 
verins zu erfahren. Während einige Alkaloide den Körper un¬ 
verändert passieren; ich erinnere an das Strychnin mit seiner 
Totalausscheidung in den Harn, an das Morphin mit seiner Aus¬ 
scheidung in den Darm und Harn, werden andere nur teilweise 
oxydiert oder zersetzt, wie z. B. Colchicin und Chinin. Mit dem 
Papaverin hat es nun eine ganz andere Bewandtnis, wie Hen- 
Dr. Zahn 1 ) in meinem Laboratorium festgestellt hat: es wird 
wohl in toto zersetzt. Obwohl wir über eine Methode verfügen, 
nach der es gelingt, mehr als 90 pCt. des Alkaloids, das zu 
Organen hinzugefügt wird, wieder zu finden, gelang es uns nie¬ 
mals, aus den Excremeuten von Tieren, die grosse Dosen 
von Papaverin subcutan erhalten und überstanden hatten, auch 
nur Spuren von Papaverin wiederzufinden. Nur bei jenen 
Fällen, wo die Tiere infolge letaler, per os gereichter Papaverin¬ 
dosen zugrunde gegangen waren, gelang es, Teile desselben im 
Darm wiederzufinden. 

Nehmen wir an, dass sich die Schicksale des PapaverinB 
beim Menschen ebenso gestalten wie beim Tiere, dann wird man, 
und dies ist forensisch wichtig, auch bei diesen vergeblich auf 
unverändertes Papaverin fahnden. Erwähnt sei noch, dass Papa¬ 
verin auch lokal schwach anästhesierend wiikt (Pal). Vielleicht 
interessiert es noch, zu erfahren, welche Allgemeinerscbeinungen 
Papaverin hervorruft. Decigramme, subcutan gereicht, schaffen 
bei Hund wie Katze Apathie, Salivation und Erbrechen, central 
bedingte motorische LähmuDg. Nach einer Periode von Schlafsucht, 
Taumeln und Müdigkeit erfolgt schliesslich Respirationslähmung. 

Mein Bericht über fremde und eigene Arbeiten auf diesem 
Gebiet möchte ich damit schliessen, dass ich den Herrn Prak¬ 
tikern die Verwendung des Papaverin nahelege. Es wird gewiss 
noch eine Fülle von wichtigen Indikationen neben den angeführten 
feststellbar sein, begründet auf seiner speziellen Fähigkeit, die 
glatte Muskulatur zu lähmen, ehe noch wesentliche centrale 
Wirkungen auftreten. 

Zu einer weitgehenden klinischen Verwendung des Papaverins 
fordern nicht nur die bisherigen therapeutischen Erfolge, die 
relative Ungiftigkeit des Papaverins auf, sondern die Nötigung 
mit Morphin zu sparen, das jetzt nur unseren Soldaten Vorbehalten 
bleiben sollte. 


Aus der Kgl. chirurgischen Klinik zu Breslau (Direktor: 
Geheimrat Prof. Dr. Küttner, Marine - Generalarzt 
ä la suite, zur Zeit im Felde). 

Kriegschirurgische Erfahrungen über 
Blutgefässnaht. 

Von 

Dr. Ernst Jeger, 

Assistent der kgl. chirurgischen Klinik in Breslau, derzeit komm, zur Dicn-iloisUing am 
Festungsspital Nr. 8 in Przeraysl^i 

Es sei mir gestattet, im Folgenden über acht Fälle von Blut¬ 
gefässnaht zu berichten, die ich während meiner bisherigen kriegs¬ 

1) Erscheint in der Biochem. Ztsobr., 1915. 

2) Dje Arbeit wurde aus der belagerten Festung Przemysl 

Auren einen Flieger herausgebracht. 


chirurgischen Tätigkeit in der Festung Przemysl an Verwundeten 
auszuführen Gelegenheit hatte. Die hierbei gemachten Erfahrungen 
scheinen mir — trotzdem es mir aus äusseren Gründen nicht 
möglich war, alle meine Verwundeten bis zu Ende zu beobachten 

— eine kurze Mitteilung zu rechtfertigen. 

Die letzten Jahre haben uns so zahlreiche kriegschirurgische 
Arbeiten über Blutgefässverletzungen gebracht, dass die Mehrzahl 
der hierher gehörigen Fragen als erledigt betrachtet werden kann. 
Es ist mir dementsprechend auch nicht möglich, bezüglich der 
Aetiologie und Pathologie der Gefässwuuden irgend welche neue 
Beobachtungen anzuführen. Hingegen habe ich mich in thera¬ 
peutischer Beziehung insofern vom Standpunkt anderer Chirurgen 
entfernt, als ich der Gefässnaht bei der Behandlung von Blut¬ 
gefässverletzungen ein breiteres Feld eingeräumt babe, als bislang 
in der Kriegschirurgie üblich war. Zur Rechtfertigung dieses 
Vorgehens möchte ich folgendes bemerken: 

Die Mehrzahl der Autoren, so Lotsch 1 ) und v. Fritsch 2 ) 
halten die Gefässnaht nur in den seltensten Fällen bei Kriegs¬ 
verletzungen für indiziert, da sie primär — d. h. auf den Ver¬ 
bandplätzen — infolge ihrer technischen Schwierigkeit nicht 
möglich ist, später jedoch — nach Ausbildung der Aneurysmen 

— der Collateralkrei8lauf so weit entwickelt ist, dass auch eine 
Unterbindung grösserer Gefässe keine Gefahr für die Ernährung 
mehr bedeutet. Diese Anschauung ist sicher in der Mehrzahl der 
Fälle berechtigt, ganz allgemein jedoch scheint sie mir nicht 
zutreffend zu sein. Denn dass die primäre Unterbindung grosser 
Gefässe eine bedeutende Gefahr für die betreffenden Extremitäten 
darstellt, ist eine Tatsache, deren Richtigkeit keinem Zweifel 
unterliegt, und dass eine solche — auch wenn sie zu keiner 
primären Gangrän führt — sekundär doch verschiedene Störungen 
hinterlassen kann, geht u. a. aus früheren Untersuchungen von 
v. Frisch selbst hervor. Dass man sich unter ungünstigen Um¬ 
ständen wohl oder übel auf die technisch einfachere Unterbindung 
beschränken muss — auf die Gefahr biu, diese oder jene Ex¬ 
tremität zu opfern —, berechtigt nicht dazu, auf die prognostisch 
sicherere Gefässnaht auch daun zu verzichten, wenn der Patient 
rechtzeitig in ein Spital gebracht werden kann, in dem die Be¬ 
dingungen für die erfolgreiche Ausführung schwieriger Operationen 
gegeben sind. 

v. Frisch führt gegen die Gefässnaht den Umstand ins 
Treffen, dass Schussverletzungen immer mehr oder weniger in¬ 
fiziert sind. Es geht jedoch aus älteren Untersuchungen von 
Jakobsthal u. a., denen ich mich auf Grund sehr zahlreicher 
experimenteller Erfahrungen ansehliessen kann 3 ), hervor, dass 
Gefässnähte auch in infiziertem Gewebe mit Erfolg ausgeführt 
werden können. Es kommt nach meinen Beobachtungen bei In¬ 
fektion häufiger als sonst zu Thrombose an der Nahtstelle, hin¬ 
gegen habe ich die von v. Frisch befürchtete Nachblutung hier¬ 
bei nie gesehen. Dass es bei schweren Infektionen eventuell zu 
einer Nachblutung kommen kann, ist natürlich nicht zu leugnen, 
and einer meiner misslungenen Fälle (3) (s. u.) lässt sich viel¬ 
leicht als solche deuten. Es ist jedoch zu bedenken, dass man 
vor solchen Zwischenfällen bei infizierten Wunden auch nach 
Ligaturen nicht sicher ist. Man wird sich selbstverständlich bei 
infizierten oder infektionsverdächtigen Wanden jedes chirurgischen 
Eingriffes an Blutgefässen nach Möglichkeit enthalten. Wo aber 
schwere Blutungen usw. solche unvermeidlich erscheinen lassen, 
stellt die Gefässnaht nach meiner Ansicht keine grössere Gefahr 
dar, als die Ligatur. 

Von den ausgeführten Nähten bezieht sich eine auf die 
Arteria und Vena poplitea, eine auf die Arteria poplitea allein, 
zwei auf die Arteria femoralis, eine auf die Vena femoralis, eine 
auf die Arteria axillaris, eiue auf die Arteria brachialis und eine 


1) Lotsch, Beitr. z. klin. Chir., Bd. 91, S. 175. 

2 ) v. Fritsch, Beitr. z. klin. Chir., Bd. 91, S. 186. 

3) Jeger, Die Chirurgie der Blutgefässe und des Herzens. BerÜD 1913. 

1* 


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UNIVERSITY OF IOWA 







1908 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 50. 


auf die Arteria uod Vena brachialis. Sechsmal handelte es sich 
um End zu End, zweimal um seitliche Nähte. Sechsmal war die 
Verletzung durch Gewehrschüsse, einmal durch Schrapnell, ein¬ 
mal durch Stich herbeigeführt. In fünf Fällen konnte ein be¬ 
friedigendes Resultat erzielt werden, in drei Fällen kam es zu 
Misserfolgen. Unter letzteren kam einer zu spät zur Operation, 
so dass die Gangrän nicht mehr zu vermeiden war, in einem 
zweiten nötigten die schweren Nebenverletzungen zur sekundären 
Amputation, ein dritter ging an den Folgen einer vermeidbaren 
Unvorsichtigkeit zugrunde. 

Ueber die Technik ist nichts Besonderes zu berichten. Ich 
habe mich ganz allgemein an die Regeln gehalten, wie sie in 
meinem oben zitierten Werk 1 ) ausführlich geschildert sind. Zum 
Nähen verwendete ich teils die feinsten englischen Nadeln, teils 
eine etwas stärkere, von Georg Haertel in Breslau hergestellte 
Sorte, ferner als Nahtmaterial bei kleineren Gefässen die „Löpina 
plaquette soie Carrel“, zur Anlegung der Knopfnähte bei grösseren 
die „Pearsall Chinese Silk“ Nr. 000000. Dass die allgemeinen Vor¬ 
schriften bezüglich Asepsis, Abdeckung gegen die Umgebung, 
Verwendung steriler Vaseline usw. genau befolgt wurden, ist 
selbstverständlich. 

Ich möchte nunmehr die Krankengeschichten meiner Patienten 
in extenso wiedergeben: 

1. S. S., Oberleutnant, 22 Jahre alt, wurde mir am 9. IX. 1914 
mit folgendem Befund überwiesen: Gewehrschuss quer durch die linke 
Kniekehle, Einschuss querfingerbreit hinter dem äusseren Femurcondyl, 
Ausschuss unmittelbar hinter dem inneren Tibiaknorren. Keine Knochen¬ 
verletzung. Die Verletzung war 36 Stunden vor der Einlieferung ge¬ 
schehen und hatte zu einem starken Blutverlust geführt. Bei der Unter¬ 
suchung besteht keine Blutung mehr, die Kniekehle ist mit Cruormassen 
gefüllt, das Bein ist von der Grenze des mittleren und oberen Drittels 
des Unterschenkels abwärts vollständig anämisch, kalt, gefühllos. Puls 
in der Arteria dorsalis pedis nicht fühlbar. Ziemlich starke allgemeine 
Anämie, Temperatur 37,6°. Da aus den Symptomen auf eine Verletzung 
der Poplitea geschlossen werden muss und eine — wenn auch geringe — 
Hoffnung auf Rettung der Extremität durch Wiederherstellung des Blut¬ 
stromes besteht, sofortige Operation: Morphium-Aethernarkose, Esmarch- 
binde. Längsschnitt in der Kniekehle, etwa 20 cm lang, Ausräumung 
der zum Teil übelriechenden Coagula. Es zeigt sieb, dass die Arteria 
und Vena poplitea glatt durchschossen sind, die Stümpfe sind stark 
retrahiert, diejenigen der Vene mit Gerinnseln gefüllt. Anlegung von 
Gefässklemmen, Resektion der Gefässränder etwa l J 2 cm weit, Aus¬ 
führung der End-zu-Endnähte mit Hilfe dreier U-förmiger Haltenähte 
nach Jensen aus stärkerer, und fortlaufender Nähte aus schwacher 
Seide. Naoh Abnahme der Esmarchbinde und der Klemmen pulsiert die 
Arterie peripher von der Nahtstelle gut, eine kleine Blutung wird durch 
eine ergänzende Knopfnaht gestillt. Hingegen füllt sich die Vene nach 
Abnahme der Klemmen nur wenig, der Abfluss des Blutes von der 
Peripherie her ist gering, so dass auf eine Verstopfung der feineren 
Gefässzweige durch Coagula geschlossen werden muss, wodurch die Pro¬ 
gnose als ungünstig erkannt wird. Einlegen von zwei Drains, teilweise 
Naht der Wunde, Einhüllung des ganzen Beines in Watte, Hochlagerung 
desselben unter mässiger Flexion des Knies. Am 10. IX. — etwa 
10 Stunden post Operationen! — Revision: Der Unterschenkel ist nach 
unten bis etwa 10 cm oberhalb der Knöchel warm, normal gefärbt, hin¬ 
gegen hat sich die Circulation im Fusse nicht wiederhergestellt. Er ist 
im Gegensätze zum ersten Befunde ziemlich stark blau, es besteht ge¬ 
ringe Druck- und Schmerzempfindung an den Zehen. In der Hoffnung, 
die venöse Stauung zu verringern, Anlegung zahlreicher kleiner Scarifi- 
kationen am Fuss, die eine geringe Menge stark venösen Blutes zutage 
fördern. 11. IX.: Annähernd gleicher Befund, weitere spärliche Ent¬ 
leerung venösen Blutes aus den Scarifikationswunden. Temperatur um 
37,5°. Allgemeinbefinden gebessert. 13. IX.; Fuss weniger blau. 
Sensibilität nach wie vor in geringem Maasse erhalten. 15. IX.: Tem¬ 
peratur bis 39°, am Unterschenkel diffuse Rötung und Schwellung. 
Ziemlich starke eiterige Sekretion der Wunde an der Kniekehle. Ent¬ 
fernung sämtlicher Nähte, breite Eröffnung der Wunde. Es kann bei 
dieser Gelegenheit eine gute Pulsation der Arteria poplitea peripher von 
der Nahtstelle konstatiert werden. Lange Inzisionen an den phlegmonös 
veränderten Stellen des Unterschenkels. 16. IX.: Fortschreiten der 
Phlegmone. 17. IX.: Fieber über 40°, Knie teigig geschwollen, schlechter 
Allgemeinzustand. Daher Amputation am Oberschenkel. Die Sektion 
des Beines ergibt folgenden Befund: Der Fuss zeigt stellenweise die 
typischen Erscheinungen der feuchten Gaügrän, die Venenverzweigungen 
und einzelne kleinere Arterien sind mit Gerinnseln gefüllt, die grössten¬ 
teils den Charakter älterer Thromben aufweisen und an einzelnen Stellen 
eiterig zerfallen. Ausgedehnte Phlegmone des Unterschenkels, mehrere 
tiefe Abscesse in der Wadeomuskulatur. Die Nahtstelle der Arterie ist 
durchgängig, es bestehen daselbst zwei ganz kleine, nicht obturierende 
Thromben. Die Vene ist stark collabiert, ihre Wände sind teilweise 
verklebt, eine eigentliche Thrombose besteht jedoch nicht. 

Die weitere Krankengeschichte des Pat. bietet nichts Interessantes. 

1) Jeger, I- <>• 


Er konnte am 18. X. fieberfrei mit einem gut heilenden Amputations- 
stumpf entlassen werden. 

Die Analyse des berichteten Falles bietet einige Schwierig¬ 
keiten. Es ist zunächst die Frage aufzuwerfen, ob die Gewebe 
des Fuss68 nach der 36ständigen Anämie einer Regeneration noch 
fähig waren. Da sich die ersten Zeichen der Gangrän erst 6 Tage 
später einstellten, glaube ich den Misserfolg weit weniger auf die 
dauernde Unterbrechung der Circulation zurückfübren zu sollen. 
Das Merkwürdige dieses Falles besteht nun eben darin, dass sich 
die Blutzirkulation trotz unzweifelhaften Gelingens der 
Gefässnaht, die sowohl durch Autopsie in vivo als auch durch 
die Sektion bewiesen werden konnte, nicht wieder herstellte. Die 
bei der Operation beobachtete mangelhafte Füllung der Vene 
sowie die bei der Sektion gefundenen älteren Thromben in den 
kleinen Gefässen zwingen zur Annahme, dass diese Thromben sich 
während der 36ständigen Stase durch Coagulation des in den 
Venen enthaltenen Blutes entwickelt hatten und sekundär durch 
den arteriellen Blutstrom nicht mehr überwunden werden konnten. 
Ob es nicht vielleicht möglich gewesen wäre, durch energisches 
Durchspritzen des GefässsyBtems mit Kochsalzlösung od. dgl. diese 
Thromben zu entfernen und die Zirkulation wieder herzustellen, 
muss ich dahingestellt sein lassen, — jedenfalls würde ich es 
bei einem analogen Fall versuchen. Von Interesse ist feroeT der 
Umstand, dass die Gangrän immerhin auffallend spät eintrat. Mir 
scheint diese Beobachtung ein Analogon zu der bei Ausführung 
der Wieting’schen Operation wiederholt gemachten Erfahrung zu 
sein, dass die Erscheinungen der Anämie vorübergehend wesent¬ 
lich verringert werden, trotzdem bei dieser Operation eine Wieder¬ 
herstellung der Zirkulation ausgeschlossen ist. Vielleicht kann 
man sich diese Erscheinung so erklären, dass durch die im arte¬ 
riellen System stattfindenden rhythmischen Wellenbewegungen ein 
langsamer Blutaustausch in der Peripherie stattfindet, durch den 
eine, wenn auch minimale Sauerstoff Versorgung und Ernährung 
ermöglicht ist. 

2. S. A., Infanterist, 28 Jahre alt, wurde am 4. IX. 1914 einge¬ 
liefert. Einschuss an der Anssenseite des rechten Oberschenkels. Etwa 
drei Querfinger unter dem Ligamentum inguinale an der Grenze des 
mittleren und inneren Drittels desselben eine stark druckempfindliche 
Schwellung, die offenbar von dem steckeDgebliebenen Geschoss berrührt 
Das Bein wird flektiert gehalten, es bestehen andauernde ausstrahlende 
Schmerzen, die Einschussöffnung blutet kontinuierlich. Diese Blutung 
sowie die ausserordentlich heftigen Schmerzen zwingen am 5. IX. zur 
Operation. Sie beginnt mit einem Längsschnitt über dem Tumor, wobei 
das Skalpell sofort auf das Projektil (sehr stark deformierter Stahlmantel 
einer russischen Gewehrkugel, Querschuss P) stösst. Beim Versuch das¬ 
selbe mit einer Pinzette zu entfernen, Auftreten einer sehr heftigen Blu¬ 
tung, die durch Eingehen mit dem Finger und Kompression der Arteria 
femoralis gegen den Schambeinast so weit vermindert wird, dass es ge¬ 
lingt, die Arterie aus ihrer Umgebung freizupräparieren. Die Blutung 
ist durch einen wenig klaffenden Längsschlitz von etwa */acm hänge 
bedingt, der jedoch grösstenteils bloss die äusseren Gefässwandschicbten 
umfasst und nur an einer etwa 2 mm langen Stelle perforierend ist. Es 
werden Höpfnerklommen an die Arterie central und peripher zur Ver- 
let 2 ungsstelle angelegt und die letztere hierauf lege artis durch eine fort¬ 
laufende Naht verschlossen. Nach Abnahme der Klemmen steht die 
Blutung völlig, es wird ein Vioformgazestreifen eingeführt und dieWnnde 
offen gelassen. Der Puls in den peripheren Arterien bleibt dauernd er¬ 
halten, die Wunde verschliesst sich allmählich per granulationem. Pat. 
wird am 16. X. geheilt mit einer marschierenden Verwundetenkolonne 
abtransportiert. 

3. A. K., russischer Infanterist, 29 Jahre alt, wird am 14. IX. mit 

folgendem Befund eingeliefert: Einschuss (Gewehr) an der Anssenseite 
des rechten Oberschenkels etwa handbreit unterhalb der Spina anterior 
superior. Glatter Ausschuss an der Innenseite des Oberschenkels, An 
der Vorderfläche nahe dem Ligamentum inguinale eine bei der Einlieferung 
etwa eigrosse pulsierende Geschwulst. Schwirren besteht über der Ge¬ 
schwulst nicht, auch keine Veränderung im Puls der Arteria dorsalis 
pedis gegenüber derjenigen der anderen Seite. Am 15. IX. hat die Ge¬ 
schwulst an Grösse bedeutend zugenommen und ist sehr schmerzhaft. 
Am IG. IX. weitere Vergrösserung der Geschwulst, sie hat etwa Kinds¬ 
kopfgrösse erreicht, pulsiert stark, bereitet dem Kranken unerträgliche 
Schmerzen, die Haut über der Geschwulst ist prall gespannt und gerötet, 
so dass eine spontane Perforation zu fürchten ist. Daher am 16. 1 a. 
mittags Operation: Die Lage der Geschwulst nahe dem Ligamentum 
inguinale verbietet die Anlegung einer Esmarchbinde. Daher T i r “- ia ' 
nächst hart am Ligamentum inguinale inzidiert, die Arteria und Vena 
femoralis freigelegt und je eine Höpfnerklemme befestigt. Hierau 
Inzision des Aneurysmasackes. Es entleert sich eine grosse Menge 
Coagulum, das von einer abundanten venöseD Blutung gefolgt wir 
Es gelingt nur mit grosser Mühe, die Blutung durch Einführung 
reicher Gazestücke und starke Kompression zu vermindern. h 

femoralis wird peripher von der blutenden Stelle freigelegt und aorca 
eine Klemme verschlossen; keine Einschränkung der Blutung. 


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UNIVERS1T7 OF IOWA 



14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1909 


letztere somit nur duroh tiefer liegende Venen bedingt sein kann, 
Anlegung eines Esmarchschlauches unmittelbar oberhalb des Knies. Da 
die Blutung auch hierdurch nicht wesentlich verringert wird und der 
Patient bereits in schwerer Lebensgefahr schwebt, Durchtrennung der 
Bauchmuskulatur durch einen Schrägschnitt parallel zum Ligamentum 
inguinale 4Querfinger breit oberhalb desselben, Abschieben des Peritoneums 
von der Beckenschaufel, Isolierung der Vena iliaca communis und Anlegen 
einer Höpfnerklemme daselbst. Erst jetzt steht die Blutung aus der 
Oberschenkel wunde so weit, dass ihre Ursache eruiert werden kann. 
Es zeigt sieb, dass die Vena femoralis superficialis gerade an der Ein¬ 
mündungsstelle der Vena femoralis profunda quer durchschossen ist, 
so dass ihre Kontinuität beiderseits nur durch einen schmalen Streifen 
Venenwand erhalten ist (s. Fig. 1). Es hatte somit aus der Vena femoralis 
superficialis, aus der Vena fermoralis profunda und aus 6 stärkeren Muskel¬ 
ästen, die daselbst teils in die Vena femoralis superficialis, teils in die 
profunda mündeten, geblutet, wodurch auch die Unmöglichkeit, die 
Blutung durch centrale und periphere Abkleramung der Hauptvene zu 
stillen, erklärt war. Es wurden nun zunächst die kleineren Zweige 
(auf Abbildung 1 die Zweige 1, 2 und 3) ligiert. Die Blutung aus den 
Hauptstämmen ebenfalls durch einfache Ligatur zu stillen, war natür¬ 
lich ausgeschlossen, um so mehr, als das Bein die Erscheinungen 
schwerster venöser Stauung bot. Es musste vielmehr unbedingt ver¬ 
sucht werden, die Vene durch Gefässnaht wieder für den Blutstrom 
durchgängig zu machen. Eine einfache seitliche Naht der Gefässwunden 
wäre unmöglich gewesen, da dies zu einer starken Verengerung des 
Lumens geführt haben würde, die sicher eine Thrombose veranlasst 


Abbildung 1. 

* / 




/ 


hätte. Es war vielmehr nötig, die verletzte Gefässpartie (etwa 3 cm) 
ganz zu resezieren und die Continuität duroh End-zu-Endnabt wieder 
herzustellen. Es wäre am richtigsten gewesen, au die Stelle des rese¬ 
zierten Gefässstückes ein solches einer anderen Vene — etwa der Vena 
jugularis externa — zu implantieren. Die lange Dauer der Operation 
— etwa 2 Stunden — und das durch den grossen Blutverlust bedingte 
schlechte Allgemeinbefinden des Pat. veranlasst« mich jedoch — leider —, 
von einer solchen Transplantation abzusehen und die beiden Gefäss- 
enden trotz der ziemlich starken Spannung direkt miteinander zu ver¬ 
einigen. Um die Länge des zu resezierenden Stückes möglichst zu ver¬ 
ringern, wurde die Vene entsprechend den punktierten Linien a und b 
auf Abbildung 1 durchschnitten und so Lappen gebildet, die die Ver¬ 
kürzung teilweise kompensierten. Die beiden Enden wurden hierauf 
duroh drei Knopfnähte, deren Lage Abbildung 2 veranschaulicht (es 
wurden U-Nähte, und nicht wie die Abbildung der Einfachheit wegen 
zeigt, einfache Nähte verwendet) und hierauf durch eine fortlaufende 
Naht miteinander vereinigt. Die Nahtstelle ist gut durchgängig, nicht 
verengt, die Vene ist ziemlich stark gespannt, die während der Operation 
bestehende venöse Stauung verliert sich rasch. Einlegen von Gaze¬ 


streifen in beide Wunden, fast komplette Naht der oberen-, teilweise 
Naht der unteren. Anlegung eines fixierenden Verbandes bei ziemlich 
starker Hüft- und Kniegelenksflexion. Das Bein ist warm und normal 
gefärbt, der Puls in der Arteria dorsalis pedis ist deutlich fühlbar. 
17. IX.: Temperatur um 37,5°, massige Schmerzen, guter Allgemein¬ 
zustand, ziemlich schwacher Puls. Kochsalzinfusion. 18. IX.: Pat. 
ist unruhig, versucht aufzustehen, Temperatur bis 38,3°, Lokalbefund 
normal. 19. IX.: Temperatur bis 38,6°, ziemlich ausgedehnte eitrige 
Sekretion der Obersohenkelwunde, Bauchwunde normal. Entfernung 
aller Nähte am Oberschenkel, Wechseln der Streifen. Pat. ist weiter¬ 
hin sehr unruhig. 20. IX.: Sekretion der Wunde mässig, Temperatur 
bis 37,6 °, Allgemeinbefinden besser. Bein warm,' nicht gestaut. In 
der Nacht zwischen 20. und 21. IX. gelingt es dem Pat. infolge einer 
Unachtsamkeit des Wärters aufzustehen und im Zimmer herumzugehen. 
Dabei Auftreten einer kolossalen Blutung, der herbeigerufene Inspektions¬ 
arzt findet den Pat. collabiert auf dem Boden liegend. Momentane 
Stillung der Blutung durch starke Kompression von aussen. Während 
des Transportes in den Operationssaal stirbt der Patient. Die Autopsie 
ergiebt schwere Anämie, keine sonstigen bemerkenswerten Befunde. 
Die Gefässnaht ist an einer etwa 6 mm langen Stelle aufgerissen, im 
übrigen glatt und schon teilweise vernarbt. Keine Thromben. 

Für die Nahtdehiszenz, die in diesem Falle den unglücklichen 
Ausgang herbeiführte, können zwei verschiedene Momente ver¬ 
antwortlich gemacht werden: Einerseits eine durch die Wund¬ 
infektion bedingte verminderte Widerstandsfähigkeit der Naht, 
andrerseits die plötzliche Ueberdehnung des unter Spannung ge¬ 
nähten Gefässes. Beim Versuch, die Nahtstelle völlig auseinander- 
zureissen, zeigte es sich, dass hierzu ein verhältnismässig be¬ 
deutender Kraftaufwand erforderlich war, dass somit die Wider¬ 
standsfähigkeit der Naht durch die Infektion nicht wesentlich 
gelitten hatte. Somit ist für den Misserfolg in erster Linie die 
übermässige Spannung verantwortlich zu machen. Hätte ich — 
wie schon oben erwähnt — an Stelle der einfachen End-zu-End- 
naht die Transplantation eines anderen Venenstückes ausgeführt 
und so die starke Spannung vermieden, so wäre die tödliche 
Nachblutung wahrscheinlich ausgeblieben. 

4. K. T., Trainsoldat, 23 Jahre alt, emgeliefert am 7. IX., Verletzung 
durch eine Schrapnellfüllkugel. Einschussstelle am oberen Rand der 
Patella, grosser Ausschuss io der Kniekehle unter Absprengung des 
inneren Tibiaknorrens. Der Unterschenkel ist anämisch kalt, über der 
Wunde liegt ein stark comprimierender Verband. Bei Abnahme desselben 
starke Blutung aus der Kniekehle, die die sofortige Anlegung einer 
Esmarchbinde nötig macht. Die Wunde ist veijaucht, missfarbig, von 
zahlreichen Knochensplittern gefüllt. Trotz der a priori schlechten 
Prognose wird ein Versuch einer konservativen Behandlung gemacht. 
Längsincision in der Kniekehle, Ausräumung der losen Knochensplitter, 
Freilegung der Arterie und Vene. Letztere ist intakt, die erstere ist 
seitlich so angeschossen, dass ein halbmondförmiger Defekt besteht. 
Ueberdies ist die Arterie nach beiden Enden hin stark dislociert, ihre 
Wand mit Blut infiltriert. Das verletzte, etwa IVaom lange Arterien¬ 
stück wird reseziert, die beiden Enden werden durch End-zu-Endnaht 
miteinander vereinigt. Zunächst gute Zirkulation, die jedoch rasch durch 
eine Thrombose an der Nahtstelle abgebrochen wird. Ausspülung der 
Wunde mit Wasserstoffsuperoxyd, ausgiebige Drainage durch Contra- 
incUionen, Lagerung auf einen Petit’sohen Stiefel. 8. IX.: Der Unter¬ 
schenkel hat sich nicht erholt, Zeichen beginnender Gangrän, starke 
Jauehung, Temperatur 39,8°. Daher sofortige Amputation des Ober¬ 
schenkels. Im weiteren Verlauf verschiedene Komplikationen durch 
Abszedierung usw., schliesslich jedooh Heilung. Patient wird nach 
6 Wochen abtransportiert. 

5. S. J., 32 Jahre alt, Infanterist, wurde am 2. IX. bei der Gewehr¬ 
visitation von einem Kameraden durch Unvorsichtigkeit aus der nächsten 
Nähe angeschossen. Der Oberarm wurde an der Grenze des mittleren und 
oberen Drittels quer durchschossen. Der Knochen ist frakturiert, die 
Haut und die übrigen Weichteile an der Innenseite des Armes sind 
völlig durchtrennt, derart, dass der Arm nur mehr an einer ziemlich 
schmalen Hautmuskelbrücke, die sich an der Anssenseite befindet, hängt. 
Der Arm ist kalt, anämisch ohne Pulsation. Der Patient wird zwei Stunden 
nach der Verletzung mit einem stark comprimierenden Verband in der 
Axilla eingeliefert. Nach Abnahme desselben tritt eine heftige Blutung 
aus dem centralen Stumpf auf, während der abgetrennte Teil des Armes 
völlig anämisch bleibt. Während ein Assistent die Blutung durch starke 
Kompression in der Axilla möglichst verringert, Längsincision im Sulcus 
bicipitalis internus central und peripher zur VerletzuDgsstelle. Der 
Knochen ist wenig gesplittert, die Splitter gross und mit dem Periost im 
Zusammenhang. Die Vena basilioa, die Arteria brachialis, die Arteria 
profunda brachii, die dazu gehörigen Venen, der Nervus medianus und 
ulnaris sind durchtrennt, ebenso der Musoulus biceps, die mediale Hälfte 
des Musculus brachialis und des Triceps. Zunächst Streckung des Armes 
und möglichst vollständige Reposition des Knochens. Dann werden 
einige herabhängende Muskelfetzen entfernt, ebenso die am meisten lä¬ 
dierten Hautränder. Es folgt gründliche Ausspülung der Wunde in allen 
ihren Teilen mit Sublimatlösung. Weiterhin Freipräparierung der durch¬ 
trennten Gefässe und Nerven. An den centralen Stumpf der Arteria 
brachialis wird eine Höpfnerklemme gelegt, der centrale Stumpf der Ar- 

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1910 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


teria profunda brachii wird ligiert. Hierauf wird die Kompression der 
Axillargefässe aufgehoben. Es tritt eine heftige Blutung aus verschie¬ 
denen kleinen centralen Arterienstümpfen auf, hingegen absolut keine 
aus den offenen peripheren Enden der Arteria brachialis und profunda 
brachii (Coenen’sches Symptom). Der Arm musste somit als rettungslos 
verloren betrachtet werden, wenn es nicht gelang, die Cirkulation durch 
Gefässnaht wieder herzustellen. Zunächst werden die Muskelstümpfe 
durch feine Seidennähte miteinander vereinigt. Dann wurden die Nerven¬ 
enden einander genähert, mit Hilfe von Gefässnadeln und Gefässseide, die 
nur die oberflächlichsten Schichten fassten, miteinander vernäht. Die 
Enden der Vena brachialis, der Arteria und Vena profunda brachii, 
sowie verschiedener kleiner Zweige wurden ligiert und schliesslich die 
Continuität der Arteria brachialis und Vena basilica durch End-zu-End- 
naht wieder hergestellt. Die Naht gestaltete sich verhältnismässig ein¬ 
fach. Die Nahtstellen zeigen sich nach Abnahme der Höpfnerklemmen 
gut durchgängig, in der Vene lässt sich nach wenigen Minuten das 
Wiederauftreten eines centripetalen Blutstromes nachweisen. Schliess¬ 
lich wird der Musculus biceps und triceps über den genähten Nerven 
und Gefässen vereinigt, um sie so wenigstens teilweise zu decken. 

Einlegen eines feinen Drains, Hautnaht. Rechtwinklige Beugung 
des Armes im Ellenbogen, massige Abduktion in der Schulter, leichte 
Extension des Oberarmes durch Schlingen und Anlegen einer Gipshanf¬ 
schiene in dieser Stellung. Nach Schluss der Operation ist der Puls in¬ 
folge des schweren allgemeinen Collapszustandes in beiden Arteriae 
radiales unfühlbar. Kochsalzinfusion mit Adrenalin, Coffein, Campher. 
Nach 3 Stunden ist der Puls an der gesunden Hand deutlich, an der 
kranken ganz schwach und unbestimmt fühlbar. Am 3. September: 
Temperatur bis 40°, Allgemeinbefinden wenig befriedigend, Zeichen 
schwerer Anämie, Puls an der gesunden Radialis sehr schwach, an der 
kranken gar nicht fühlbar. Weitere Behandlung mit Kochsalz, Stro- 
phantus, Coffein. Die Hand scheint wärmer zu sein als vor der Opera¬ 
tion, ist aber wesentlich kühler als die gesunde. 4. September: Besse¬ 
rung des Allgemeinzustandes, Temperatur bis 39,2°, Puls in den ge¬ 
sunden Radialis deutlich, in den kranken ganz schwach und inter¬ 
mittierend, Hand noch immer kalt, keine Spur von Sensibilität, anderer¬ 
seits jedoch auch keine Zeichen einer beginnenden Nekrose. 5. Sep¬ 
tember: Gleicher Allgemeinbefund. Temperatur bis 39°. Die lokale 
Revision der Wunde ergibt eine ziemlich ausgedehnte phlegmonöse In¬ 
filtration der Haut, die durch zwei lange Inzisionen bekämpft wird. Im 
Laufe der folgenden 8 Tage bleibt der Zustand dauernd zweifelhaft, 
jeden Abend Temperatursteigerung, doch tritt eine allmähliche Erwär¬ 
mung der Hand auf. Der Puls in der Radialis der verletzten Seite 
bleibt dauernd schwach und intermittierend. Das Infiltrat erfordert am 
13. Semptember eine nochmalige Inzision. Am 17. September ist der 
Kranke zum erstenmal fieberfrei, kleine Temperaturerhöhungen kommen 
auch weiterhin vor. Ab 7. September tägliche Behandlung mit 
Elektrizität. Anfangs Oktober deutlicher Beginn der Konsolidierung. 


Abbildung 3. 



Am 6. Oktober kann gelegentlich einer genauen Untersuchung das 
Wiederauftreten der Berührungsempfindlichkeit an der Hand konstatiert 
werden. Sie erscheint bei dieser Untersuchung immer noch wesentlich 
kühler als die der anderen Seite und ist blässer. Der Puls in der 
Radialis ist deutlich, aber ebenfalls geringer als an der gesunden Hand. 
Die Bewegungsfähigkeit im Ellenbogen und den Handgelenken ist noch 
minimal. Von dieser Zeit an tägliche Bewegungsübungen und weitere 
elektrische Behandlung. Am 25. Oktober wird die beigegebene, leider 
schlecht gelungene photographische Aufnahme (Abbildung 3) gemacht. 
Die Beweglichkeit ist noch immer stark verringert, hat aber so gute 
Fortschritte gemacht, dass eine komplet teRestitutio ad integrum binnen 
kurzer Zeit zu erwarten ist. Am 27. Oktober wird Patient auf höheren 


Nr. 50. 


Befehl hin abgeschoben. Da dies ganz plötzlich zu geschehen hatte, 
war es mir leider nicht mehr möglich, eine bessere Photographie an¬ 
fertigen zu lassen und die beabsichtigte genaue Untersuchuug mit Unter¬ 
stützung eines Neurologen durchzuführen. 

Der eben beschriebene Fall stellt den besten Erfolg dar, 
den ich bisher mit Hilfe der Gefässnaht erzielen konnte. Es 
kann dabei füglich von einer gelungenen Reimplantation einer 
fast völlig abgetrennten Extremität gesprochen werden. Bisher 
ist ein einziger Erfolg dieser Art bekannt worden, derjenige 
von Janu-Bukarest, dem es, wie er in Langenbeck’s Archiv 
in einer ganz kurzen Mitteilung berichtet, ebenfalls gelungen ist, 
einen fast völlig abgetrennten Arm wieder zur Anheilung zu 
bringen. Leider gestattet die Kürze der Publikation Janu’s kein 
näheres Urteil über seinen Erfolg. Das Problem, abgetrennte 
Extremitäten mit Hilfe der Gefässnaht zu reimplantieren, hat be¬ 
kanntlich in den letzten Jahren viele der besten chirurgischen 
Experimentatoren — speziell Car eil — beschäftigt, bisher mit 
wenig Erfolg. Mein Fall sowie derjenige Janu’s beweisen, dass 
es unter geeigneten Umständen tatsächlich möglich ist, in dieser 
Richtung ausserordentlich befriedigende Resultate zu erzielen. 

6 . Z. J., Korporal, 34 Jahre alt, wurde am 14. X. mit einer 
schmalen StichverletzuDg (Bajonett??) in der linken vorderen Axillar¬ 
falte eingeliefert. Mächtige Hämatombildung in der Achselhöhle und 
ihrer weiteren Umgebung, Arm und Hand stark ödematös. Heftige 
Schmerzen. Puls an der Radialis fühlbar, jedoch schwächer als rechts. 
Der stark durchblutete Verband wird abgenommen, zunächst keine 
Blutung. Im Laufe des folgenden Tages dauerndes Hervorsickern von 
Blut. Am 16. X. tritt eine so starke Blutung auf, dass zur Ope¬ 
ration geschritten werden muss. Längsschnitt in der Aiilla, Ausräumung 
der Coagula. Es tritt eine heftige Blutung auf, die jedoch durch Finger- 
druck leicht beherrscht wird. Es gelingt nunmehr, die Arteria axillaris 
frei zu präparieren. Sie trägt eine etwa l } 2 cm lange Längsschlitzwunde, 
die wenig klafft und unter Digitalkompression central und peripher 
mühelos durch 3 Knopfnähte mit Gefässseide verschlossen wird. Ein 
Verbindungsast des Plexus brachialis ist ebenfalls durchschnitten, die 
Hauptnervenstämme jedoch sowie die Vena axillaris sind intakt. Drain, 
primäre Naht der Wunde. Im weiteren Verlauf keine Komplikationen. 
Der Arm ist noch ziemlich stark geschwollen, als der Patient am 
23. Oktober auf eigenen Wunsch mit einem Verwundetentransport ab¬ 
geschoben wird. 

7. T. P., Landsturmmann, 38 Jahre alt, eingeliefert am 25. IX. 
Schräge Durchschiessung des Oberschenkels an der Grenze des mittleren 
und unteren Drittels ohne Verletzung des Knochens. Starke Hämatom¬ 
bildung, die infolge des begleitenden hohen Fiebers und der starken Druck¬ 
empfindlichkeit auswärts zu einer Verwechslung mit einem Infiltrat geführt 
und zur Inzision veranlasst hatte. Im Anschluss daran starke Blutung, 
die mit Hilfe einer Esmarchbinde gestillt wurde. Drei Stunden später 
Einlieferung. Es wird eine etwa 15 cm lange Inzision in der Verlaufs¬ 
richtung der Arteria femoralis angelegt. Die Arteria und Vena femoralis 
werden freigelegt und es zeigt sich, dass die Arterie durch einen Streif¬ 
schuss derartig verletzt ist, dass ein halbmondförmiger Defekt von etwa 
1 cm Länge besteht. Ausserdem Durchtrennung eines grösseren Venen¬ 
astes nahe seiner Einmündung in die Vena femoralis. Ligatur des 
letzteren. Hierauf Resektion der verletzten etwa 1 cm langen Partie 
der Arterie und End-zu-Endnaht derselben, die ohne bedeutende Spannung 
möglich ist. Einführung eines Drains und eines Streifens, primäre Wund¬ 
naht, Schienenverbaud. Der weitere Verlauf bietet nichts Interessantes. 
Entfernung des Streifens am 5., des Drains am 10. Tag. Die Blut- 
circulation bleibt dauernd in Ordnung. Am 26. X. Abtransport in einem 
Schienenverband. 

8 . T. L., 25 Jahre alt, Honved, wird am 17. X. mit einer schrägen 
Durchschiessung des rechten Oberarmes in seiner unteren Hälfte einge¬ 
liefert. Keine Zeichen einer Knochenverletzung, keine Nervenläsion, 
hingegen andauernde Blutung aus der Wunde. Der Puls in der Arteria 
radialis fehlt, doch ist die Hand warm, und zeigt keine Sensibilitäts¬ 
störungen. Zunächst Behandlung mit Kompressionsverbänden. Da sich 
jedoch die Blutung immer wieder einstellt, wird am 21. X. zur Operation 
geschritten, Längsschnitt im Sulcus bicipitalis internus unter Esmarch- 
scher Blutleere. Die Arteria brachialis ist nahe ihrer Teilungsstelle so 
weit durchtrennt, dass die Kontinuität nur mehr durch einen ganz 
schmalen Streifen Gefässwand erhalten ist. Eine der Venae brachiales 
ist durchtrennt, die andere erhalten. Keine Nervenläsion. Die verletzte 
Vene wird doppelt ligiert, die Arterie völlig durchschnitten und ihre 
Enden freipräpariert. Trotzdem in diesem Fall eine Ligatur der Griene 
kaum schadenbringend gewesen wäre, wird mit Rücksicht auf die tech¬ 
nische Einfachheit die End-zu-Endnaht ausgeführt, die sich glatt voll¬ 
zieht. Unmittelbar nach der Naht zunächst schwaches Wiederauftreten 
des Pulses in der Arteria radialis. Drainage, teilweise Naht der wunde. 
Rechtwinkliger Schienenverband. Keine weiteren Komplikationen. Uer 
Puls in der Arteria radialis bleibt erhalten, der Pat. wird am 31. 
im Schienenverband abgeschoben. 

Unter den besprochenen Fällen findet sich einer (4), t* el 
dem die Gefässnaht a priori hoffnungslos, somit zwecklos war. 
Im Fall 8 wurde die Naht an einem Gefäss vorgenommeo, dessen 


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14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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Ligatur keine schädlichen Folgen gehabt hätte. In den übrigen 
6 Fällen handelte es sich um Gefässe, deren Ligatur beim 
Patienten 5 mit absoluter Sicherheit zum Verlust der Extremität 
geführt haben würde, bei den übrigen das betreffende Glied zum 
mindesten schwer gefährdet hätte. Der Umstand, dass es unter 
diesen 6 Fällen viermal gelang, die Extremität zu erhalten — im 
Fall 1 kam die Operation zu spät, Fall 3 ging an einer vermeid¬ 
baren Komplikation zugrunde —, bietet einen genügenden Beweis 
dafür, dass die Gefässnabt in der Kriegschirurgie bedeutenden 
Nutzen zu stiften vermag. 


Lendenwirbelkonturschuss. 

Von 

C. S. Freund. 

(Vortrag, gehalten im kriegsmedizinischen Abend der schlesischen 
Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau am 6. November 1914.) 

22jähriger Infanterist A. S. sass am 22. August 1914 nachmittags 
2 Uhr im Haferfeld in knieender Schiessstellung, erhielt Infanteriefeuer 
von der linken Seite her, angeblich aus den Bäumen einer etwa 200 bis 
300 m entfernten Waldspitze. Spürte einen Schlag am Rücken, fiel 
nach rechts, vermochte nicht aufzustehen wegen einer Lähmung beider 
Beine; sofort Eingeschlafensein beider Beine von den Hüften bis zu den 
Zehen, sofort ein vorher nicht vorhanden gewesener Drang zum Urinieren 
und zur Darmentleerung. Ein Kamerad nahm ihm Tornister und Koppel 
ab, legte das Verbandpäckchen auf die Wunde, zog ihm die Hosen über 
die Hüften, so dass er sofort Urin und Stuhl entleeren konnte. Am Nach¬ 
mittag alle halbe Stunde Druck auf die Blase und dünner Stuhl, 
dabei kein Einnässen, keine Verunreinigung. — Am nächsten Morgen 
Rüokzug auf dem Bauche liegend (Hände eingegraben, Unterkörper naoh- 
gezogen) 500 m in 6 Stunden; auf einerWiese von deutscher Kavallerie 
geseheD, von SaDitätsmannschaft versorgt, am Abend in einer Kirche 
untergebracht. Urinieren vom zweiten Tage an in Ordnung, regelmässig, 
nicht zu häufig. 4 Tage kein Stuhl. Am 26. VIII. per Eisenbahn nach 
Trier. Im dortigen Krankenhaus bis 23. IX. 

In den ersten 8 Tagen sehr starke Schmerzen in der Lendengegend 
in einem etwa zweiquerfingerbreiten Streifen dicht oberhalb der Darm¬ 
beinkämme. Aus dem rechten Bein schwand das Eingeschlafensein nach 
etwa 2—3 Wochen, aus dem linken etwas später. Seitdem nooh heute 
andauernde Schmerzen im linken Bein (an der Aussenseite des 
Obersohenkels und der Wade, an der vorderen Hälfte des Fusses und 
an der Gesässbacke). 

Anfänglich völlige Lähmung der Beine bis auf geringe Beuge- und 
Abduktionsfähigkeit in beiden Hüftgelenken. Erst seit Mitte September 
langsam fortschreitende Besserung der Bewegungsfähigkeit in Hüft- und 
Kniegelenken. 

Seit 26. IX. in Breslau, Krankenhaus Bethesda (Dr. Hartmann). 

Status praesens vom 1. und 2. X. 1914. Schusseintritts¬ 
stelle: nicht druckempfindliche kleinkirschgrosse rote Hautnarbe in 
Höhe der oberen Grenze des I. Lendenwirbels etwa 2querfinger- 
breit nach links vom Dornfortsatz. Wirbeldornen nicht druckempfind¬ 
lich; kein Stauchungschmerz. Bücken des Rumpfes nach vorn und hinten, 
ebenso seitliches Neigen gut und nicht schmerzhaft. 

Alleinstehen noch nicht möglich. Gesässbacken schlaff. Sehr müh¬ 
samer Gang; Füsse werden mühsam nach vorn gebracht. 

In Rückenlage sind rechts die Zehen einschliesslich Grosszehe fuss- 
sohlenwärts gebeugt 

Bewegungsfähigkeit der Hüftgelenke: Beim Hochheben rechter 
und linker Oberschenkel etwas nach innen gedreht (dabei spannt sich 
M. sartorius au und etwas der Tensor fasciae latae, aber nicht der Qua- 
driceps). Herunterdrücken geht rechts und links schwach, ebenso Adduk¬ 
tion und Aussen- und Innenrotation (links etwas < rechts). 

Bewegungsfähigkeit der Kniegelenke: Streckung gut (rechts 
= links), Beugung herabgesetzt, aber noch leidlich (rechts = links). 

Bewegungsfähigkeit der Füsse: Es gelingt nur Hebung des 
Innenrandes (M. tibialis antieus; links < rechts). Senkung des Fusses 
aufgehoben, bzw. nur spurweise erhalten. 

Bewegungsfähigkeit der Zehen: Plantarflexion spurweise wahr¬ 
nehmbar, etwa im Sinne der Interossei. 

Bauchmuskeln und Rückenrauskeln funktionieren gut. 

Elektrische Erregbarkeit: Faradisch: Glutaei beiderseits 
unerregbar. Oberschenkelmuskeln beiderseits erregbar, aber erst bei 
starkem Strom. An beiden Unterschenkeln nur Tibialis antieus, aber 
auch nur abgeschwächt, und rechts II. Interosseus spurweise. 

Galvanisch: etwas langsame, aber nicht träge Zuckungen. 

Reflexe: Bauchdeckenreflex -f- (links etwas <), Fusskitzelreflex 
rechts schwach -f-, links —. Kremasterreflei + (links <). Kniescheiben¬ 
reflex beiderseits -f-; links <. Achillesreflexe —. 

Schmerzen dauernd nur links: an den Zehen, Mitte der Fuss- 
sohle, Ferse, Aussenseite der Kniegegend, aussen unterhalb des grossen 
Rollhügels. Bei Druck und langem Sitzen Sohmerzen am reohten Kreuzbein. 


Sensibilitätsstörungen nur linkerseits: Anästhesie im Ver¬ 
sorgungsgebiet aller Sakralwurzeln und der V. Lendenwurzel. Hyp- 
ästhesie: in der Gegend des inneren Fussknöchela (IV. Lendeowurzel). 
(Linker Hode nicht druckempfindlich, Afterschleimhaut linkerseits ge¬ 
fühllos für den Durchtritt des Kotes, dagegen in der Harnröhre regel¬ 
rechtes Gefühl beim Urinieren.) 

Blase und Mastdarm funktionieren normal. Oberkörper ohne Be¬ 
sonderheiten. 

Psyche ohne Besonderheiten, speziell Stimmung nicht gedrückt. 

13. X. Ohne Krüoken gehtPat. mit dem Becken, neigt sieh nach 
der Seite des Standbeines, wiegt den Oberkörper hin und her. Mit 
Krücken gebt er schnell und sicher, hält eine halbe Stunde aus (an¬ 
fänglich nur wenige Minuten), Kraft der Adduktoren gut. Aussen- und 
Innenrotation besser, Quadriceps beiderseits gebessert und Senker des 
äusseren Fussrandes reohts. 

4. XI. In den letzten 2 Wochen öfters stärkere Schmerzen immer 
nur in den oben erwähnten Bezirken des linken Beines. Kniescheiben¬ 
reflex links. Linke Grosszehe in der Rückenlage plantarwärts gebeugt. 

Röntgenbefund. 1. Aufnahme in Rüokenlage (reicht vom 
11. Brustwirbel bis 4. Lendenwirbel). 

Die Einschussstelle (markiert durch ein Bleikreuz) liegt an der 
oberen Ecke des 1. LendenwirbelköTpers. Der auf etwas mehr als die 
Hälfte verkürzte Schatten des Geschosses liegt genau vor dem 3. Lendeu- 
wirbelkörper zwischen Dornfortsatz und oberem Gelenkfortsatz und steht 
genau vertikal. Am Knooheu sieht man nirgends Veränderungen. 

2. Aufnahme in reohter Seitenlage. Das Geschoss ist in 
ganzer Länge mit nach hinten und etwas nach oben gerichteter Spitze 
sichtbar. Die der Spitze zu gelegene Hälfte deokt den 3. Lendenwirbel¬ 
körper an der inneren Hälfte des obersten Teiles des Körpers. Die 
Spitze ist ganz leicht deformiert. An der vorderen oberen Kante des 

3. Lendenwirbelkörpers scheint ein kleines Knochenstückchen abge¬ 
splittert zu sein. Sonst findet sich am Knochen nirgends eine Spur 
einer Schädigung. 

3. Auf einer stereoskopischen Aufnahme in Rückenlage 
sieht man, dass das Geschoss zur grösseren Hälfte vor der Wirbelsäule 
liegt und mit naoh hinten gerichteter Spitze am rechten Aussenrande 
des Wirbelkörpers vorbeizieht. Es weicht ein wenig von der sagittalen 
Ebene ab und ist leicht von unten links nach oben rechts gerichtet. 

4. Aufnahme in Rückenlage (reicht vom unteren Teile des 
3. Lendenwirbels bis zum Steissbeine herab). Man sieht nirgends eine 
Schädigung des Knochens. 

Motmaasslicher Verlauf des Geschosses: Es kam von seit¬ 
lich links oben von einem 200—300 m entfernten Tannenbaum. Es 
ging duroh den Tornister: die in demselben gelegenen Schnürschuhe 
waren an zwei Stellen durchlöchert; das eine Loch war auffallend breit 
(„Querschläger“). Im Waffenrock ein kleines Loch. Vermutlich hat sieh 
das Geschoss im Tornister gedreht, ist mit dem stumpfen Ende in den 
Körper eiDgedrungen und von links oben nach rechts unten (vom 1. bis 
zur Höhe des 3. Lendenwirbels) weitergegangen. Vermutlich hat es 
sich dabei einen Weg durch den Bandapparat gebahnt, etwa in den 
Rillen zwischen Processus spinosi und mamillares, und von hinten nach 
vorn herumgeweQdet. (Konturschuss.) Die Nervensymptome sind 
auf die Cauda equina zu beziehen und durch eine intravertebrale 
Blutung daselbst herbeigefübrt infolge der bei dem Vorbeipassieren des 
Geschosses verursachten Erschütterung. 


Traumatischer Hirnabscess. 

Von 

C. S. Fremd. 

(Vortrag, gehalten im kriegsmedizinischen Abend der schlesischen 
Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau am 6 . November 1914.) 

Am 5. XI. 1913, nachmittags 4 V 2 Uhr, fiel dem 45 jährigen Bau¬ 
meister S. aus F. bei einer Kletterpartie im Riesengebirge ein faust¬ 
grosser Stein aus etwa 6 m rechts hinten auf deu Kopf. Keine Com- 
motio cerebri; nach kurzer Rast Beendigung der noch halbstündigen 
Klettertour. Reinigung der Wunde mit Benzin und Arnioa und Watte¬ 
verband. Nachts schlechter Schlaf. Am nächsten Tage Gebirgswanderung 
mit geringen rechtsseitigen Kopfschmerzen. Abends wurde im Wohnort 
die klaffende Wunde mit einigen Nähten geschlossen. An den beiden 
folgenden Tagen intensive Bureauarbeit; am Abend des zweiten starke 
Kopfschmerzen mit Apathie, leicht verwaschene Sprache, 38° C, Puls 80. 
Am 9. XI. Schüttelfrost, 39, 8 °, Puls 80—94. Am 11. XI. stärkere 
Kopfschmerzen, undeutlichere Sprabhe, Eingeschlafensein der linken Hand 
bei guter Druokkraft und guter Beweglichkeit. Am 12. XI. einige Eiter¬ 
tröpfchen auf der Wunde; erst jetzt Herausnahme der Nähte, 1 ccm 
Eiter. In den nächsten Tagen geringere Kopfschmerzen, Sprache nicht 
verwaschen, täglich 1—2 cem Eiter. Am 15. XI. allgemeines Unbehagen, 
abends Erbrechen, ebenso am 16. und 17. XI., Puls 60, kein Fieber. 
In diesen Tagen zunehmende Schwäche der linken Hand. Am 17. XI. 
wurde Vortr. zugezogen, fand den Pat. benommen und leicht verwirrt 
mit cerebral bedingten Gefühls- und Bewegungsstörungen am linken 
Arm. Sofortige Ueberführung nach Breslau in die chirurgische Privat- 
klinik von Herrn Prof. Tietze. 

2 * 


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UNIVERSITY OF IOWA 








1912 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 50. 


Beim Sondieren, der eiternden Wunde Knochen unversehrt. Im 
Eiter Streptokokken. Lnmbalpunktat klar, nicht blutig, Eiweiss stark 
vermehrt, keine Leukocyten, keine Lymphocyten, Nonne-Apelt negativ, 
keine Tuberkelbacillen. Auf dem Röntgenbild kein Anhalt für einen 
Schädelbruch. 

Nervenbefund am 18. und 19. XI.: Sensorium frei. Grosse Er¬ 
müdbarkeit; bei etwas längerer Untersuchung Gähnen, hernach Schlucken. 
Kopfschmerz auf der ganzen Scheitelhöhe. Linker Arm im ganzen wie 
eingeschlafen, nicht so beweglich wie sonst. Linkes Bein nicht einge¬ 
schlafen, beweglicher wie der Arm, aber auch nicht wie sonst. 

Linker Arm: gefühllos für Berührungen, sehr feinfühlig für Nadel¬ 
stiche, abgestumpft für Kälteeindrücke. Aufgehobenes Gelenkgefühl an 
linken Hand-, Finger- und Ellenbogengelenken. Aufgehobene stereo- 
gnostische Funktion der linken Hand. Aktive Beweglichkeit aufgehoben. 
Passive Beweglichkeit eher erhöht. Hand wird in den oberen Zwischen- 
fingergelenken gebeugt gehalten. 

Fussclonus links deutlich, reohts schwach angedeutet. Babinski- 
reflex links. Kniescheibenreflex links > rechts. Bauchdeckenreflexe —. 

Linke Nasenlippenfalte etwas paretisch (Schädelasymmetrie). Beide 
Bulbi leicht nach rechts eingestellt. Hornhautreflex links < rechts. 
Resultat der Gesichtsfeldprüfung unsicher, vornehmlich wegen der sehr 
schnellen Ermüdung. Lidspaltendifferenz (links > rechts), wahrschein¬ 
lich durch Schädelasymmetrie. Keine Stauung der Papillen (San.-Rat 
Landmann). 

Linkes Bein paretisch. Hypotonie beim Strecken des Kniegelenks, 
sonst regelrechte passive Beweglichkeit bis auf geringe Muskelspannung 
beim Beugen des linken Kniegelenks und Dorsalflexion des linken Fuss- 
gelenkes. Wegen Ermüdbarkeit Prüfung auf Ataxie nicht ausführbar, 
ebenso eingehende Sensibilitätsprüfung. An Beinen und Leib Kälte¬ 
gefühl rechts = links. Im Gesicht Nadelstiche rechts = links. 

Klinische Diagnose: Abscess im rechten Hemisphären mark in Höhe 
des mittleren Teiles der hinteren Centralwindung bzw. des Scheitellappens. 

Operation am 20. XI. 1913 (Prof. Tietze). Hautwunde annähernd 
quer, 2 querfingerbreit nach hinten von der Verbindungslinie der Ohr¬ 
muschelspitzen und 2 quer fingerbreit nach rechts von der sagittalen 
Mittellinie des Schädels. 

Kreuzförmige Erweiterung der Wunde. Sofort stösst das Messer auf 
eine Depressionsfraktur: ein ungefähr markstückgrosser Knochenbezirk ist 
herausgeschlagen und unter die umgebenden Knochenränder verschoben. 
Nach Hebung quillt aus einem Loche in der anscheinend mit dem 
Knochen verlötet gewesenen Dura reichlich dicker gelber Eiter uDd nach 
Erweiterung dieses Loches blickt man in einen in das Innere des Ge¬ 
hirns führenden, etwa hühnereigrossen Hohlraum mit deutlich pulsierendem 
Flüssigkeitsspiegel. 

In den nächsten drei Tagen Besserung, auch im Befunde (Babinski- 
reflex —, Fussclonus nur links und schwach angedeutet, aktive Beweg¬ 
lichkeit der linken Extremitäten erheblich besser). 

Vom 23. XI. an fortschreitende Verschlechterung, eingeleitet durch 
häufiges Erbrechen. — Am 29. XI. kirschgrosser, nicht pulsierender Hirn¬ 
prolaps. Tod am 1. XII. 1913. 

Sektionsbefund: Umfangreiche eitrige Einschmelzung der Hirn¬ 
substanz im hinteren Abschnitt des rechten Scheitellappens und von da 
aus senkrecht bis an die Hirnbasis und in den Schläfenlappen. 

Fast vollständige ödematöse Erweichung der rechten Gehirnhälfte, 
im Stirnteil beginnend, nach dem Scheitellappen sich allmählich ver¬ 
stärkend und schliesslich eine gelbliche Farbe einnehmend. 

(Demonstration von Schädel- und Gehirnphotographien und -Keyser¬ 
lingpräparaten.) 


Seuchenerfahrungen und Seuchentherapie im 
Feldzuge 1914. 

Von 

Primarius Dr. Rnd. Rauch - Graz, 

e ro . klin. Assistent, Oberarzt i. d. Res. i. Feldspital 1/12. 


Nicht zuletzt die Arbeiten von Ros enthalt und die neuere von 
Stumpf 2 ) waren es, die mich bestimmten, an Hand eines genügenden 
Soldatenkrankenmateriales über die Seuchentherapie, wie die Kriegs¬ 
seuchen überhaupt, ein Wort zu reden. 

Mangels gewohnter Behelfe und der bakteriologischen Rüstkammer 
bar vermag ich den vorliegenden Ausführungen weniger den Timbre des 
strengeren wissenschaftlichen Ausdrucks zu verleihen; dessen ungeachtet 
aber werden sie, wie ich glaube, durch ihr „feldmässiges“ Gepräge dem 
fehlenden die Wage halten. Wann der Feldarzt mir hierin beipflichtet, 

so soll mich die heutige Arbeit nicht gereuen. 

Wir bekamen um 5 Uhr abends Befehl, uns im Orte T. als 
Choleraspital zu etablieren; daselbst seien 480 Cholerakranke zu über¬ 
nehmen und der bei ihnen belassene Arzt nach „x zum Rgt. „y nach¬ 
zubeordern. 


11 Rosenthal, Seuchenprophylaxe. M.m.W., Feldärztl. Beil., Nr. 8. 
2) Stumpf, Bolus alba bei Diarrhöe, Ruhr, Cholera asiatica. 
M.m.W., Feldärztl. Beil., Nr. 9. 


Ich erhielt Befehl, abzugehen, das Feldspital würde nachfolgen. 
Als ich eintraf, war es bereits finster; der Ortsvorstand, mit dem ich 
mich mühselig verständigen konnte, führte mich einen furchenreichen, 
kotigen Bachweg, den seine Laterne spärlich erleuchtete. Am letzten 
Strohdach vorübergehend, fand ich endlich die Schutzbefohlenen mit 
ihrem Medicus. Ein Lagerplatz mit Feuern, zahlreiche Infanteriezelte, 
in denen auf nassem Boden oder feuchtem Stroh die Kranken lagen 
oder sassen, ein Feldwebel, der Namen ausrief, mehrere durchs Chaos 
wandernde Laternen, im Hintergründe dunkle Scheunen, wind- und 
regendurchlässig, doch anscheinend noch lieber als Unterstand auf¬ 
gesucht, als das kleine Zelt, das tagelanger Regen schon tüchtig her¬ 
genommen hatte. 

Also in diesem Orte sollten wir uns etablieren? 480 Fälle! Cholera 
und Suspekte? Und seit fünf Tagen sind sie so untergebracht? Wie¬ 
viel Tote? Täglich zwischen 10—15 Falle! „Herr Doktor, ausgezeichnet 
haben Sie sich nicht, melden Sie sich morgen und rücken Sie dann za 
ihrem Regiment ein!“ 

Nun giDg's an die Arbeit. Parkplatz, Krankenunterbringung, Quartiere, 
StalluDg. Das Dorf bestand aus 17 Häusern bzw. Familien! 

Die fünf grössten Häuser wurden von ihren Bewohnern evakuiert, 
die Kirche geöffnet, mittels Ortsvorstands wurde die Bevölkerung alarmiert, 
sie sollte für Strohlager aufkommen; inzwischen kam das Spital an; an 
den Brunnen Posten aufgestellt, Latrinen wurden gegraben, bei jeder 
ein über das Aussehen des Cholerastuhles informierter Sanitätssoldat als 
Posten, und schliesslich hatten wir nach etlichen Stunden redlicher 
Arbeit wenigstens alle Kranken unter Dach gebracht, eine Basis, auf 
der wir aufbauend die nächste Tagesarbeit erwarten konnten. Es gab 
Tränen, es gab Klagen, Frauen wiesen auf ihre kleinen Kinder, die 
Judtn flehten und suchten auf jede Art zu ihrem Recht zu kommen — 
doch wo hätten nicht rigorose Maassnahmen Härten gezeitigt? „Geht 
zum Nachbar schlafen,“ mit diesem Tröste mussten sie wohl aus- 
ziehen. 

Die folgende Tagesarbeit hatte eine strenge Separierung der Scbwer- 
und Leichterkrankten, die in verschlagenen Scheunen untergebracht 
wurden, als Ergebnis, die letzten schweren Fälle waren bei den Latrinen 
erkannt worden. In jeder Krankenbaracke wurde Trinkwasser gekocht, 
die Menageschalen, Trinkbecher, Medizinlöffel ausgekooht, für Mann¬ 
schaften, Wärter und Aerzte Waschbecken besorgt. 

Die Apotheke hatte sich in einem Privathaus ausgebreitet, die 
Türe verschlossen und das Fenster für den Medikamentenverkehr ge¬ 
öffnet, die Latrinen wurden stets mit Chlorkalk beschüttet, auf der 
Strasse standen Posten, die weder Wagen noch Personen stehen bleiben 
Hessen und Truppen anwiesen, nur eine Strassenseite zu benutzen, vor 
unserer Ubikation lagen Strohwische, die in Carbollösung getaucht, zum 
Desinfizieren der Schuhe dienten, die Aerztemäntel wurden draussen 
aufgebäDgt und erst nach vielfacher Reinigung durften wir in unser 
„Schlafzimmer“ (das gleichzeitig Kanzlei, Speisesaal und Kasino war) 
eintreten, um die wohlverdiente Ruhe auf Strohlager zu finden. 

In der Nacht bekamen wir noch 35 Zuwächse, und als wir uns nach 
deren Unterbringung niedergelegt hatten, gab es Feueralarm; es gelang 
uns jedoch, die Lokalisation des Brandes durchzuführen, die gefährdete 
Krankenbaracke ausser Gefahr zu bringen und das Feuer mit Hand¬ 
eimern zu löschen. Tags darauf 486 Zuwächse. Nachdem die Unter¬ 
bringung im Dorfe unmöglich war, der Häuserbestand durch den Brand 
von 17 auf 15 gesunken war, keine Pioniere zum Bau einer Baracke 
zur Verfügung standen, im Orte selbst kein Holz war, mit dem wir 
schliesslich selbst gebaut hätten, so wurde die Unterbringung dieser 
neuen Fälle im Dorfe B., 2 km nördlich, gestattet. 

Wie wir erfuhren, waren diese neuen Zuwächse auch schon etliche 
Tage in jenem Dorfe, das Bild war ein ähnliches, wie ich es bereits 
einmal geschildert habe. . v 

Diese kleine Anamnese als Vorgeschmack einer feldärztlichen 1 atig- 
keit und nun selbst einmal aus der wissenschaftlichen Küche heraus- 
gerissen, kann ich der bekannten Praktikerklage nähertreten und ihren 
Ruf „ja auf der Klinik“ in dem Echo Ja post fornacem!“ wiedergeben. 

Ich ginge zu weit, wollte ich z. B. bloss auf Stumpfs Behandlung 
mit Bolus eiDgehen, obzwar ich auch seiner Therapie ein Wort reden 
könnte, die ich nach meinen Erfahrungen bei der Choleraepidemie l»ii 
in Alexandrien, wo ich als Arzt im Quarantänespitale weilte, sehr be¬ 
rechtigt finde, andererseits aber bekenne ich mich offen als Anhänger 
Schmidt’s 1 ), wenn es sich um Dysenterie handelt; mein diesbezüg¬ 
liches Erfahrungsgebiet ist Bosnien, wo Dysenterie endemisch hensc■ , 
und wo ich über 180 Fälle nur mit Serum und mit sehr gutem Erlo g 
behandelte. Die feldärztliohe Ausrüstung aber — darüber soll 
andermal die Rede sein — lässt weder die eine noch die andere oe- 
handlungsweise zu, man berechne nur die Bolusmenge nach ktump ' ■ 
Etwa 500 g pro die. Auf 1000 Kranke berechnet, die wir mehrere 
Tage hindurch in Behandlung hatten, ergäbe das eine Bolusmenge 
500 kg! Und wenn ich nur ein Fünftel davon in Rechnung *| _ 
würde, so sollte jedes Feldspital 1 Zentner Bolus mitführen i Wie 
dann von anderen Medikamenten? 

Einfacher wäre die Mitnahme von genügenden Serumquanten g g 
Dysenterie. Doch das ist nicht vorgesohrieben! Trotz Erfahrung 
1866, 1870/71 und der letzten Balkankriege, wo doch die 
monarchie unmittelbar gefährdet war. 

1) Adolf Schmidt-Halle, Prophylaxe und Therapie der Ruhr im 
Felde. M.m.W., Feldärztl. Beil., Nr. 5. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1913 


Idem pro aliis! Bei meiner vorläufigen Mitteilung sei nur in 
kurzem der bei uns geübten Therapie gedacht, wobei ich vor allem auf 
unsere Situation hingewiesen haben wollte. Ich lege Wert darauf, diese 
ausführlich zu betonen, und glaube damit auch ein ultimum refugium 
jenen zu geben, die sich als Aerzte von jeder Verbindung abgeschnitten, 
ohne Apotheke, ohne genügende Behelfe in jene Lage versetzt glauben, 
wo sie verdammt sind, mit gebundenen Händen Zuschauer zu werden. 

Was nun die Behandlung in besonderem anbelangt, so wurde als 
erstes auf tüchtige Erwärmung der Patienten gesehen. Sie lagerten auf 
Stroh, ein erhöhter Stroh- oder Heuwulst der Mauer entlang, der jeden 
Tag erneuert wurde, diente als Polster. Die Schuhe wurden von den 
Füssen entfernt, ebenso die seit Tagen durchnässten und anklebenden 
Fusslappen. Schnürfurchen hatten die Blutzirkulation beeinträchtigt, 
viele Füsse waren geschwollen oder zeigten mindestens die Folgen der 
Stauung. Alle Patienten hatten „kalte“ Füsse. 

Als zweites kam die Bauchbinde des Soldaten in Anwendung! Sie 
wurde am Ofen erwärmt und aufgelegt. Tag und Nacht über wurde 
geheizt, nach jeder Mahlzeit tüchtig gelüftet, das im Bache gekühlte 
Trinkwasser (der Trinkwasserkessel wurde zur rascheren Abkühlung des 
gekochten Wassers in den fliessenden Bach gestellt) wurde mit Zitronen¬ 
säure versetzt (geschmackshalber) und löffelweise verabfolgt. Die Wärter 
hatten redliche Arbeit, die stürmisch Wasser fordernden Kranken vom 
Trinktopf abzuhalten. Merkwürdigerweise war auch das Milchverlangen 
ein bedeutendes, dem bei uns jedooh nicht entsprochen wurde. Ander¬ 
weitig gab man sogar saure und kondensierte Milch! An Hand der 
Sterblichkeitszunahme um etwa 50pCt. ist man von dem Heilverfahren 
abgekommen! An Medikamenten gab ich am ersten Tage 1—2 g Tannin, 
am zweiten Tage 15—30 Tropfen Opium, vom dritten ab kam Bolus ab¬ 
wechselnd mit Opium oder Tannin zur Anwendung. Doch auch in der 
Bolusmedikation konnte ich äusserer Gründe halber nur Messerspitzen¬ 
mengen verabfolgen. Die Reihenfolge der Obstipantien ist von mir 
willkürlich gewählt worden; mit Tannin begann ich, weil viele Patienten 
von ihrem früheren Arzte (solange sein Taschenvorrat reichte) Opium 
erhalten hatten. Mit Absicht verabfolgte ich aber mehrere Obstipantien, 
deren verschiedener Angriffspunkt auf eine einzige Wirkung abzielte. 
Wenn überhaupt ein Erfolg zu erwarten war, so dachte ich mir ihn nur 
derart möglich, dass alle verfügbaren Komponenten angeregt und in 
Aktion treten sollten, die eine Stillung der Durchfälle herbeiführen 
konnten, und darauf stellte ich auch die Diätetik ein. 

Ich möchte mich an dieser Stelle dankend meines Kommandanten, 
Regimentsarzt Dr. Kimpian, erinnern, der mir die drei Baracken mit 
den Schwerkranken auf mein Ersuchen überliess und hierbei meine freie 
Wahl in Medikation sowie andere Anordnungen nur weitestgehend unter¬ 
stützte und förderte. 

Ich liess den Kranken am ersten Tage morgens leichten russischen 
Tee mit etwas Kognak geben. Zu Mittag eine Gerstenscbleimsuppe, 
abends wieder Tee. Am zweiten Tage blieb die Diät dieselbe, Reiss¬ 
schleimsuppe, Gerstenschleimsuppe, selbst Haferschleim mit etwas 
Kognak wurden gern genommen und gut vertragen. Besonders die 
Haferschleimsuppe, eine der Not gehorchende Erfindung unseres Sanitäts¬ 
fähnrichs fand grossen Anklang. In den nachfolgenden Tagen wollte ich 
eine Weissbrotzubusse versuchen. Zwei Tage reichte der Vorrat, dann 
aber gab es keinen Nachschub mehr. Also selbst backen! Io den 
Bauernhäusern waren Backöfen, mit Mehl hatten wir uns vorgesorgt, 
also: „Sanitätsmannschaft antreten, wer kann Brot backen? Austreten 
und an die Arbeit!“ 

Die sonstige Therapie waren symptomatische Morphium-lDjektioneD, 
Campherinjektionen, Digitalis, sehr viel Aspirin, Natrium salicylicum usw. 

Wenn ich nun der Hauptsache nach zusammenfasse, so war mein 
Hauptaugenmerk auf folgendes gerichtet: 1. Allgemeine Erwärmung, 
2. Kataplasmen aufs Abdomen, 3. verschiedene Obstipantien, ein¬ 
schliesslich der Suppen, 4. Diät hydrique mit etwas Alkohol und Knob¬ 
lauch. 

Bei mehreren Fällen sah ich gute Erfolge nach Verabfolgung von 
Diaphoreticis. Krampfanfällen und Gastrocnemiusschmerzen konnte ich 
nur mit Morphiuminjektionen entgegen treten (Veronal, Trional und Brom 
usw. waren leider nicht vorrätig). 

leb bin weit davon entfernt zu behaupten, dass alle Fälle, die mir 
zur Verfügung standen, Cholerafälle waren, obzwar die bakteriologische 
Untersuchung 1 ) positiven Befund ergab. 

Dessenungeachtet war das klinische Bild, die Symptomatik und das 
Aussehen der abgesetzten Stühle einer bedenklichen Anzahl als Cholera 
zu deuten. 

Wenn ich nun bei dem beschriebenen Verfahren, das ich selbst als 
primitives im Superlativ bezeichnen will, einen Erfolg zu verzeichnen 
hatte und zwar derart, dass ich nach meinem ersten Tätigkeitstage bloss 
zwei Tote hatte — gegenüber 10—15 Todesfällen in meiner Vorperiode 
— wenn ich mir vor Augen halte, dass die Tagesmortalität „7“ war 
(und dies in der Zeit, wo wir 800—1000 Fälle hatten), so glaube ich 
hierin eine befriedigende Beurteilung der Behandlung erblicken zu dürfen. 
Ohne dass ich von der nun schon öfter beschriebenen Verabfolgung 
von Jodtinktur (10—15 Tropfen auf ein Glas Wasser, 3—4 stündlich zu 
nehmen) Gebrauch machte! 


1) Die bakteriologische Untersuchung wurde in einer Universitäts¬ 
klinik gemacht und sämtliche eingesandte Stühle von vorher erkrankten 
Regimentskameraden unserer Patienten ergaben positiven Befund „Cholera 
asiatica“. 


Das Hauptmoment der Behandlung liegt, glaube ich, in der Persön¬ 
lichkeit des Arztes. Seine Aufgabe sei’s, sich furchtlos, doch mit ent¬ 
sprechender Vorsicht jedes einzelnen Kranken anzunehmen und sich ein 
beherztes Wartepersonal zu schaffen. Dies lässt jedoch nur ein ent¬ 
sprechendes Vorbild erwarten, zu dem der Arzt im Felde reichlich Ge¬ 
legenheit findet, wenn er human denkt, Soldat und Mann sein kann! 
Hier möchte ich Stumpf’s Schlusswort wiedergeben, hier gilt Boer- 
have’s Ausspruch mehr denn je: Simplex veri sigillum. 

Nach 10 tägiger Inkubationszeit schoben wir die als suspekte Fälle 
aufgenommenen als „geschwächt“ nach rückwärts in ein Cholera- 
evakuierungspital ab, in den folgenden Tagen wurden weitere Trupps 
nach ihrem jeweiligen Zustand abgegeben, schliesslich wurden unsere 
schwersten Fälle mit Cholerawagen überführt; sie hatten drei Wochen 
Krankenlager überdauert, wir entliessen sie mit guter Prognose! 

Nun kam der Dampfdesinfektor, Auskochen der Geschirre, Des¬ 
infektion der Waffen in Carboisäurebädern, Tornister, Patronentaschen, 
Monturen usw., das Verbrennen des Lagerstrohes, Verschütten der Latrinen, 
Raum-Desinfektion mit Formalindämpfen, wobei das Abdichten der Türen 
und Fenster viel zu schaffen gab, das Weissen der Wände usw. usw. 

Es ging flott und lustig zu, die Bevölkerung war begreiflicherweise 
auch nicht missmutig, denn nun sollten wir bald losziehen. 

Als endlich der Marschbefehl eintraf und die Fahne mit dem roten 
Kreuz eingezogen ward, schlug aller Herz höher; es ging heraus aus 
dem trüben, kleinen Dorf, wo wir 28 unserer armen Kameraden ein 
trauriges, prunkloses letztes Geleite gegeben hatten. 


Ueber die Aehnlichkeit der klinischen Krank¬ 
heitsbilder von Infektionskrankheiten. 

Von 

Prof. L. Riess in Berlin. 

I. Abdomineller und exanthematiseber Typhus. 

In seinem Aufsatz „Kritisches zur Lehre von den exantbe- 
matischen Typhen“ 1 ) bezieht sich Naunyn auf alte Beobach¬ 
tungen, die er und ich auf der Frerichs’sehen Klinik an Fällen 
von abdominellem und exanthematischem Typhus gemacht 
haben. Diese sind auch für mich wiederholt der Ausgangspunkt 
von Ueberlegungen über das Wesen und den etwaigen Zusammen¬ 
hang der Typhen gewesen. Die von jeher, namentlich bei epi¬ 
demischem Auftreten der beiden Typhusformen, den Beobachtern 
auffallende Tatsache, dass die bandbuchmässigen Unterschiede des 
Krankheitsbildes sich häufig verwischen und hierdurch eine Diffe¬ 
rentialdiagnose nicht selten erschwert oder unmöglich gemacht 
wird, trat auch mir verschiedentlich entgegen. Oft genug legten 
diese Erfahrungen die Frage nahe, ob man nicht aus einer solchen 
klinischen Aehnlichkeit auf einen ätiologischen Zusammenhang 
der Krankheitsformen scbliessen dürfte. Die von Naunyn er¬ 
wähnte auffallende Beobachtung eines Erkrankens von Aerzten 
an Abdominaltyphus während der Behandlung von exanthematischen 
Typhen schien damals so sehr für eine bejahende Beantwortung 
dieser Frage zu sprechen, dass ich im August 1867 einen Aufsatz 
über „Typbuscontagium u niederschrieb, in dem ich die Möglich¬ 
keit einer Erkrankung an Abdominaltyphus durch eine von exan¬ 
thematischem Typhus ausgehende Infektion zwar nicht als erwiesen, 
aber als denkbar hinstellte. Von der Veröffentlichung bat mich 
die Vermutung zurückgehalten, dass die Fortschritte unserer Kennt¬ 
nisse über die Aetiologie der Typhen eine solche Annahme un¬ 
möglich machen würde. Aber die damaligen Beobachtungen 
scheine» mir auch heute noch ungewöhnlich genug, um kurz auf 
sie zurückzukommen. 

Während einer im Lauf des Frühjahres 1867 in Berlin ein¬ 
geschleppten Epidemie von Typhus exanthematicus erkrankten auf 
der Frerichs’schen Klinik der Charitö, nachdem im März ein 
ausgesprochener Fall der Krankheit, im April 5 und und im Mai 
9 solcher Fälle aufgenomraen waren, in dem Zeitraum von Mitte bis 
Ende Mai die beiden Unterärzte der Abteilung nach 8—14tägigeo 
Prodromen mit Bettlägerigkeit, zunehmender Somnolenz, heftigen 
Diarrhöen und spärlicher abdomineller Roseola, so dass sie das 
Bild eines schweren lleotyphus boten. Auf traurige Weise wurde 
diese Diagnose durch den in der dritten Woche erfolgten Tod 
des einen Kranken bestätigt, bei dem sich die unteren Partien 
des Dünndarms fast ganz von konfluierenden Typhusgeschwüren 
eingenommen fanden. Bei dem anderen Arzt traten Darmblutungen 
ein, das Fieber fiel vom Ende der dritten Woche an in charak¬ 
teristischer langsamer Weise, und die Rekonvaleszenz zog sich 
viele Wochen hin. 


1) D.m.W., 1913, Nr. 49. 

3 


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1914 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 50. 


Noch auffallender wurde die Beobachtung durch die fast 
gleichzeitige Erkrankung zweier Unterärzte der Traube’schen 
Cbaritöklinik unter ganz ähnlichen Umständen. Nachdem dort 
im Lauf des April zwei exanthematische Typhen behandelt waren, 
wurden auch sie von den ausgesprochenen Zeichen des Ileotyphus 
(langen Prodromen, Diarrhöen, spärlicher Roseola, langsamem 
Fieberabfall, langer Rekonvaleszenz) befallen. 

Eine solche gehäufte Erkrankung von vier Aerzten wäre, 
wenn man sie als Folge der Behandlung von lleotyphusfällen 
auffassen müsste, fast als unerhört zu bezeichnen. Es kommt 
hinzu, dass in der ganzen genannten Zeit der Ileotyphus, wie oft 
wahrend Epidemien von exanthematischem Typhus beobachtet ist, 
in Stadt und Krankenhaus sich viel spärlicher als sonst zeigte, 
so dass in beiden klinischen Abteilungen nur vereinzelte Fälle 
desselben (auf der Frerichs’schen Klinik überdies zweifelhafter 
Art) mit den exanthematiscben Typhen zusammenlagen. 

Die damals eingehend ventilierte Frage, ob die Aerzte viel¬ 
leicht durch lokale, von ihrer Wohnung ausgehende Infektion 
erkrankt seien, konnte ich nicht bejahend beantworten, haupt¬ 
sächlich schon deshalb, weil die Aerzte der einen Klinik in ziem¬ 
lich weiter Entfernung von den anderen wohnten. 

Dagegen traten einige gleichzeitig beobachtete direkte Ueber- 
tragungen von exanthematischem Typhus (bei einer Wärterin und 
zwei Leichtkranken) nach einer der ärztlichen so gleichartigen 
Beschäftigung mit bestimmten Krankheitsfällen ein, dass der Ver¬ 
dacht, die Infektion der Aerzte müsse aus derselben Quelle stam¬ 
men, sich unwillkürlich aufdrängte. — Und so bedarf es wohl 
keiner Entschuldigung dafür, dass wir beobachtende Aerzte da¬ 
mals in diesen Fällen einen Hinweis auf eine Verwandtschaft 
beider Typbusarten sehen konnten. 

Bei dem heutigen Stand unserer bakteriologisch-serologischen 
Kenntnisse ist eine derartige Deutung natürlich, wie auch Naunyn 
betont, nicht mehr möglich. Kennen wir auch den spezifischen 
Krankheitserreger desexanthematischenTyphus bisher nicht näher, so 
steht doch seine ätiologische Trennung von den anderen Typhen 
fest in Hinsicht auf das konstante Fehlen sowohl von Typhus- 
(oder Paralyphus-)Bacillen wie auch der charakteristischen Agglu¬ 
tinationsfähigkeit seines Serum diesen gegenüber. Ob dabei der 
von Naunyn ausgesprochenen Vermutung, dass für den exanthe¬ 
matiscben Typhus auch in Zukunft kein spezifischer Krankheits¬ 
erreger aufzufinden sein werde, unbedingt beizupflichten ist, will 
ich nicht entscheiden; ebensowenig, ob man mit ihm schon jetzt 
genötigt ist, den Begriff des exanthematiscben Typhus aufzugeben 
und auf eine Reihe anderer Infektionszustände zu verteilen. Gegen 
letzteren Punkt macht mich bedenklich, dass der exanthematische 
Typhus doch vielfach in umfangreichen Epidemien grösstenteils 
gleichartig verlaufender Fälle beobachtet wird und in gewissen 
Ländern in derselben Form dauernd endemisch bleibt. 

Kann man nun bei unseren heutigen Kenntnisseu einen an¬ 
deren Modus der Erklärung für jene ungewöhnlichen Erkrankungs¬ 
fälle finden? Ich halte es für das Nächstliegende, sie so auszu¬ 
legen, dass unter dem fortgesetzten Einfluss gewisser (an sich zur 
Infektion nicht ausreichender) Mengen des Flecktyphusgiftes der 
Organismus, ohne am exanthematischen Typhus selbst zu erkranken, 
eine erhöhte Disposition zur Erkrankung durch andere Erreger, 
speziell durch Typhusbacillen, erbalten kann, so dass er unter 
Umständen anf die Einwirkung kleiner MeDgen derselben, wie sie 
in den Krankensälen oft verbreitet sein müssen, mit den, Erschei¬ 
nungen des ausgesprochenen Ileotyphus reagiert. So weit ich 
übersehe, steht eine solche Annahme mit manchen neueren Er¬ 
fahrungen über die gegenseitige Beeinflussnng pathogener Bak¬ 
terien und ihrer Toxine in gutem Einklang. Es überwiegen ja 
allerdings auf diesem Gebiet die Beobachtungen, nach denen die 
in bestimmter Weise modifizierte Einwirkung eines Bakteriengiftes 
gegen die Infektion nicht nur mit den gleichen, sondern auch mit 
nahestehenden Bakterie^bis zu einem gewissen Grad immun macht. 
Doch ist für diese Vorgänge zu berücksichtigen, dass eine solche 
Immunität immer verschiedene äussere Faktoren verlangt; auch 
erinnere ich besonders daran, dass sie nur allmählich eintritt und 
ihr bei gewissen bakteriellen Infektionen ein Stadium erhöhter 
Empfänglichkeit des Individuum vorausgehen kann. 

Auch die hier betonte Aehnlicbkeit im klinischen Bild und 
Verlauf, welche abdomineller und exanthematischer Typbus oft 
namentlich bei Epidemien zeigen, darf natürlich heute nicht mehr 
auf eine ätiologische Verwandtschaft beider Erkrankongsformen 
bezogen werden. Wenn sie auch so weitgehend sein kann, dass 
sie zu anscheinenden Uebergangsformen führt, können wir sie nur 


als Zeichen dafür auffassen, dass beide Krankheitsnoxen (wie 
anscheinend auch eine Reihe anderer infektiöser Schädlichkeiten) 
in analoger Weise auf Körpertemperatur, Nervensystem, Drüsen¬ 
tätigkeit usw. einwirken. 

Für solche klinische Aehnlichkeit finden sich demgemäss 
unter den Infektionskrankheiten noch viele andere Beispiele, and 
aus derselben „präbakterielien u Zeit möchte ich noch einige Er¬ 
fahrungen erwähnen, welche den eben berührten Beobachtungen 
nahe stehen und sie instruktiv ergänzen. 

II. Exanthematischer Typhus und Febris recurrens. 

Kaum ein Jahr nach dem genannten Auftreten des exan- 
tbematischen Typhus in Berlin hatte ich Gelegenheit, eine eben 
dorthin eingeschleppte Recurrens-Epidemie in der Frerichs- 
echen Klinik zu studieren 1 ). Im Sommer 1868 verbreitete Bich die 
Krankheit von Russland her über dessen deutsche Nachbarprovinzeo 
(Ostpreussen, Posen, Schlesien) auch auf die Berliner Gegend und 
gelangte zunächst in einzelnen, dann während des Winters 1868/69 
in gehäuften Fällen in das Cbaritö-Krankenbaus, so dass ich bis 
zum Juni 1869 ungefähr 300 Fälle beobachten konnte. Von 
Anfang an riefen die Fälle die Erinnerung an die frühere Epi¬ 
demie von exanthematischem Typhus zurück, schon deshalb, weil 
die Lokalitäten, aus denen das Krankenhaus sich füllte, dieselben 
Strassen und Herbergen waren, die auch die Verbreitung jener 
Krankheit begünstigt hatten. Aber nicht nnr diese bekannte 
ätiologische Analogie fiel auf, sondern bei vielen Fällen auch 
eine klinische Aehnlichkeit, namentlich mit den leichten und 
abortiven Formen des exanthematischen Typhus. Ausnahmsweise 
kombinierte sich in Berlin dieses Mal das epidemische Auftreten 
beider Krankheiten nicht direkt; es wurden vielmehr hier in der 
genannten Zeit so gut wie gar keine Fälle von Fleckfieber beob¬ 
achtet, was übrigens durch die kurz vorhergehende Epidemie 
dieser Krankheit zum Teil erklärt wird. Aber eine Vergleichung 
beider Krankheitsbilder drängte sich darum nicht weniger auf. 
Die Unterschiede in den Symptomen eines exanthematiscben Typbus 
und eines 1. Recurrens-Anfalles beziehen sich ja besonders auf 
die Dauer des Fiebers, den bei Recurrens stürmischeren Fieber¬ 
abfall, sowie auf das Exanthem und die stärkere Somnolenz des 
Fleckfiebers. Aber die Länge des Fieberstadium braucht bei 
dem exanthematischen Typbus in leichten und abortiven Fällen 
nicht 8 Tage zu überschreiten, während die Dauer des Haupt- 
anfalles in meinen Fällen von Recurrens sich bis zu 11 Tagen 
erstreckte; der Fieberabfall ist auch bei exanthematischem Typbus 
oft schnell kritisch, die Somnolenz fehlt bei seinen leichten 
FormeD, und ein Exanthem wird auch bei Recurrens nicht ganz 
selten beobachtet: so fand sich bei 24 von meinen Fällen eine 
besonders Rumpf und Unterextremitäten einnehmende petechiale 
Hantaffektion. 

Nimmt man hinzu, dass die Recurrens nicht ganz selten sich 
auf einen Anfall beschränkt, so wird man verstehen, dass bei 
manchen der damaligen Fälle, zu deren Zeit der Spirochäten¬ 
befund im Blut noch unbekannt war, die Unterscheidung zwischen 
leichten Formen von exanthematischem Typhus und von Recurrens 
schwierig oder zweifelhaft sein konnte. Noch unsicherer war 
offenbar die Trennung beider Krankheiten in Epidemien, bei 
welchen sich beide reichlich mischten, wie dies in den östlichen 
Provinzen Preussens stellenweise der Fall war. Unter der grossen 
Zahl von Fällen, die L. Müller 2 ) damals im Kreis Lötzen (Ost¬ 
preussen) behandelte, fand dieser die Diagnose so vielfach zweifel¬ 
haft und die Menge anscheinender Uebergangsformen so reichlich, 
dass er auf die alte Anschauung einer Intensität beider Krank¬ 
heitsformen zorückgreifen zu müssen glanbte und die Recurrens 
für nichts anderes als einen „recidivierenden abortiven eian- 
thematischen Typhus“ erklärte. ¥ 

Dass diese Auffassung nicht allgemein akzeptiert weiden 
konnte, war schon damals klar; ebensowenig fanden siebi An¬ 
haltspunkte für eine gemeinsame Aetiologie beider Krankheits¬ 
formen; im Gegenteil sprachen manche Erfahrungen gegen eine 
solche, wovon ich nur das mehrfach beobachtete Folgen der 
einen Krankheit auf die andere bei demselben Individuum betonen 
möchte. Auch zur Erklärung des gleichzeitigen Vorkommens von 
exanthematischem Typbus and Recurrens scheint hiernach am 
besten auf die Möglichkeit hingewiesen werden zu können, dass 
die Einwirkung des Infektionsträgers der einen Krankheit unter 
Umständen die Disposition zar Erkrankung durch die Noxe de 


1) B.kl.W., 1868, Nr. 22, und 1869, Nr. 31. 

2) Die Typhus-Epidemie des Jahres 1868 im Kreis Lotzen. 


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14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1915 



anderen erhöhen kann. Inwieweit die Uebereinstimmung der 
Krankheitsbilder diese Annahme unterstützen kann, bleibt auch 
hier eine offene Frage. 

III. Febris recurrens und intermittens. 

Noch auffallender liegen die Dinge bei einigen weiteren Be¬ 
obachtungen, die ich bei der damaligen Recurrens-Epidemie machte, 
und die auf eigentümliche Beziehungen zwischen dieser Krankheit 
und der Intermittens hinweisen. Bei 4 von meinen Fällen trat 
nach Absolvierung des Relapses und einer folgenden entweder 
ganz fieberfreien oder von kurzen Fieberanfällen unterbrochenen 
Pause ein erneutes fieberhaftes Stadium mit dem ausgesprochenen 
Charakter der Febris intermittens ein. Die Pause von der Krise 
des Relapses bis zum 1. Intermittens-Anfall wechselte in der Dauer 
zwischen 13 und 20 Tagen; in 3 Fälleu enthielt sie keine wesent¬ 
lichen Temperatursteigerungen, in einem Fall unregelmässige, aber 
annähernd den Tertiantypus einhaltende Fieberanfälle; die Inter¬ 
mittens zeigte 1 mal die Form einer reinen Quotidiana, 2 mal 
einer regelmässigen Tertiana, 1 mal einer in Tertiantypus um¬ 
setzenden Quotidiana. Die auffallendste Temperaturkurve bietet 
der Fall, bei dem die Pause mit unregelmässigem Fieber an¬ 
gefüllt war; hier könnte man zweifeln, ob die ersten Fieber¬ 
anfälle der Pause vielleicht als spätere Relapse anzusehen wären, 
auch unsicher sein, welche Temperatursteigerung den ersten 
ausgesprochenen Intermittens-Anfall bedeutet (siehe obenstehende 
Kurve). 

Dass diese Fälle einen ungewöhnlichen Eindruck machen 
mussten, liegt auf der Hand. Intermittens-Fälle sind seltene Gäste 
in einem Krankenhaus und ein primäres Auftreten der Krankheit 
in ihm für gewöhnlich die grösste Ausnahme, besonders au Orten 
mit spärlichen Malaria-Erkrankungen, wozu Berlin schon damals 
(jetzt noch mehr) gehörte. Eine Beziehung ihres Erscheinens in 
den vorliegenden Krankheitsbildern zur vorausgehenden Recurrens 
erschien daher zweifellos. Die Annahme eines solchen Zusammen¬ 
hanges wurde durch die Tatsache gestützt, dass zu gleicher Zeit 
mit der Recurrens-Epidemie die Intermittens sich in auffallender 
Häufigkeit in der Stadt zeigte, auch wiederholt in das Kranken¬ 
haus aufgenommen wurde, sich übrigens auch bei einzelnen anderen 
Krankheitsfällen im Krankenhaus entwickelte. 

Aehnliche Beobachtungen waren schon vor den meinigen in 
geringer Anzahl gemacht, und eine Reihe weiterer schloss sich 
ihnen ergänzend an. Namentlich ist das häufige epidemische 
Nebeneinander-Erscheinen von Recurrens und Intermittens z. B. 
schon von Griesinger betont, der darauf hinwies, dass Recurrens 
mit Vorliebe in Malaria-Ländern auftritt, und dass ihr unter 
Umständen Intermittens-Epideraien vorausgehen oder folgen; auch 
Fiedler machte für Dresden darauf aufmerksam, dass das 
Wechselfieber, während es früher fehlte, nach dem Herrschen von 
Recurrens epidemisch erschien; und Aehnliches. Unter den Beob¬ 
achtungen über eine Kombination von Recurrens und Intermittens 
bei demselben Kranken sind besonders 6 Fälle von Pribram und 
Robitschek 1 ) und 3 Fälle von Senator 2 ) zu erwähnen; bei 
diesen lagen die intermittierenden Anfälle dem Hauptanfall der 
Recurrens meist näher, als bei den meinigen; auch beobachtete 
Senator gleichzeitig mit den Recurrens-Erkrankungen in auf¬ 
fallender Menge unregelmässige und seltene Formen von Inter¬ 
mittens (darunter eine duplicierte Quartana und eine anscheinende 


1) Prag.Vrtljschr., 1869, IV, S. 250. 

2) B.kl.W., 1871, Nr. 32. 


Octana). — Als Analoga erinnere ich 
nebenbei an die aus den Mittelmeer- 
Gegenden, Russland, Nord-Amerika u. a. 
als „Typho-Malaria-Fieber“ oder unter 
anderen Bezeichnungen vielfach be¬ 
schriebenen, aus Typhus- und Malaria¬ 
symptomen gemischten Erkrankungs¬ 
formen. 

Was lässt sich aus solchen Beob¬ 
achtungen schliessen? Dass eine ätio¬ 
logische Uebereinstimmung beider sich 
kombinierenden Infektionskrankheiten 
hier ebensowenig, wie bei den oben 
besprochenen Typhus - Formen ange¬ 
nommen werden darf, ist heutzutage 
bei den typischen bakteriellen Befunden, 
welche Malaria- und Recurrens - Blut 
liefern, klar. Eine anderweitige Nach¬ 
krankheit, welche die intermittierenden Fieberbewegungen hätte 
erklären können, war in keinem meiner Fälle zu entdecken. 
Es könnte allerdings die Vermutung aufgestellt werden, dass 
diese Fieberbewegungen keine wirkliche Malaria-Intermittens 
sondern eine Reihe von Recurrens-Relapsen darstellten, welche 
ausnahmsweise einen regelmässigen Typus angenommen hätten. 
Besonders naheliegend ist dies für die abgebildete Krank¬ 
heitskurve, bei welcher schon die zwischen der ausgesprochenen 
Recurrens und der regulären Intermittens auftretenden Fieberanfälle 
einen annähernden Tertiantypus zeigten. Aber eine derartig häufige 
Wiederholung von Recurrens-Relapsen ist nach allen bisherigen 
Erfahrungen unerhört; schon die 3maligen Relapse (von denen 
ich in einer späteren Recurrens-Epidemie nicht ganz wenige be¬ 
obachtete) gehören zu den Ausnahmen. Und klinisch unter¬ 
schieden sich die beschriebenen Anfälle in nichts von dem ge¬ 
wöhnlichen Malaria-Bild; bei allen stärkeren Anfällen fehlten die 
Initialfröste und die Schweisskrisen nicht und, was die Haupt¬ 
sache ist, in allen Fällen wurden die Anfälle durch Chinin (1 
oder 2 Dosen von 0,6) schnell coupiert. Ganz stichhaltig ist 
allerdings letzteres Moment in diesem Fall nicht; denn ich habe 
früher nachweisen können, dass auch gegen das Recurrens Fieber 
die antipyretische „Chemotherapie“ nicht ganz machtlos ist: 
durch grössere Gaben von Natr. salicyl. (dem mächtigsten unter den 
damals bekannten Antipyretica) gelang es mir, sowohl in der 
Hauptattacke starke Fieberabfälle, wie auch unter Umständen 
das Ausbleiben von Relapsen zu bewirken. — Eine weitergehende 
Entscheidung war bei der damaligen Uubekanntheit mit dem 
Plasmodium und den Blutveränderungen der Malaria nicht mög¬ 
lich; seit der Feststellung dieser Kenntnisse ist mir von ähnlichen 
Beobachtungen nichts bekannt geworden; sollten jetzt derartige 
stattfinden, so wäre natürlich die Blutuntersuchung von ent¬ 
scheidendem Interesse. 

Vorläufig spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, in den ge¬ 
schilderten Fällen das Auftreten richtiger Malaria-Attacken an¬ 
zunehmen; und die Erklärung der Beobachtungen würde auch 
hier, wie bei den Typhen, auf eine Aenderung hinauslaufen, 
welche die Disposition zur Erkrankung an Malaria durch das 
Ueberstehen einer Recurrens-Infektion erleidet. Hierbei könnte 
man entweder, wie bei jenen, an eine Steigerung dieser Disposi¬ 
tion denken oder auch umgekehrt an eine vorübergehende Herab¬ 
setzung derselben, wodurch es dahin käme, dass eine vor der 
Recurrens-Erkrankung erlittene Infektion mit Malaria-Erregern 
durch die interkurrente Spirochäteu-Infektion in ihrer Entwicklung 
gehemmt würde und während des Recurrens-Verlaufes keine 
Krankheitssymptome hervorriefe, dagegen nach dem Unwirksam¬ 
werden der Recurrens Noxe den Ausbruch eines Malaria-Fiebers 
verursachen könnte. Allerdings würde für einen gewöhnlich 
malariaarmen Ort (wie Berlin) letztere Annahme weniger Wahr¬ 
scheinlichkeit für sich haben. 

In bezug auf die groben ätiologischen Verhältnisse beider 
Krankheiten möchte ich übrigens an eine Erfahrung erinnern, die 
ich bei der Recurrens Epidemie, welche im Jahre 1879 in Berlin 
herrschte, machen konnte 1 )- Ein starker Prozentsatz der damals 
von mir beobachteten Fälle (mindestens 17 unter 77) betraf 
nämlich Kanalisatiousarbeiter, die vor der Erkrankung haupt¬ 
sächlich mit Auspumpen des Grundwassers oder Aehnlichem, zum 
Teil an einer bestimmten Strassenstelle, beschäftigt gewesen 
waren, also in einer Umgebung, die vielleicht in gleicher Weise 


1) D.m.W., 1879, Nr. 51 u. 52. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 50. 


1Ö1G 


begünstigend für die Entwicklung der Malaria-Plasmodien wie 
der Recurrens Spirochäten sein könnte. Beiläufig bemerke ich, 
dass ich in dem verdächtigen Grundwasser spiralige Elemente, 
die den sogenannten Wasser-Spirochäten ähnlich waren, nach 
weisen konnte, will aber nicht entscheiden, ob dem Befund eine 
tiefere Bedeutung zukommt. 


Für 3 Beispiele habe ich somit an den anscheinenden Zu¬ 
sammenhang erinnert, den zwei Infektionskrankheiten, die wir 
nach den heutigen Erfahrungen über ihre Krankheitserreger streng 
von einander zu trennen haben, stellenweise bei gleichzeitigem 
Vorkommen durch Aehnlichkeit ihres Krankheitsbildes 
oder Auftreten zusammenfliessender Misch formen zeigen können. 
Bei allen 3 Beispielen ist zuzugeben, dass die Deutung dieses 
Zusammenhanges manchen Zweifeln unterworfen ist; aber dies 
sind Zweifel, welche voraussichtlich in Zukunft durch die fort 
schreitenden bakteriologisch-serologischen Untersuchungen all¬ 
mählich gelöst werden könuen. Denn dass zur Entscheidung über 
das Wesen einer Infektionskrankheit und ihre dementsprechende 
Stellung zu den übrigen in erster Linie die wissenschaftlich-ätio¬ 
logische Forschung beizutragen hat, ist auch nach meiner Ueber- 
zeugung selbstverständlich. Aber wo diese bisher keine be¬ 
stimmten Krankheitserreger nachgewiesen hat, oder wo zwar ein 
solcher gefunden ist, aber noch andere ätiologische Fragen zweifel¬ 
haft bleiben, da werden vorläufig das Krankheitsbild und die mit 
ihm zusammengehörigen klinischen Verhältnisse für die Frage der 
Trennung und Gruppierung der Krankheit ihren Wert behalten 
dürfen. So gut ich oben meine Zweifel an der Notwendigkeit, 
den Begriff „Exanthematischer Typhus“ aufzugeben, im Hinblick 
auf sein im Grossen gleichartiges Krankheitsbild undseinendemisches 
und epidemisches Verhalten ausgesprochen habe, so gut werden 
ähnliche klinische Ueberlegungen auch in Zukunft über Zu¬ 
sammengehörigkeit oder Selbständigkeit mancher Infektionskrank¬ 
heiten einen wesentlichen Ausschlag geben können. Die Hoch¬ 
achtung vor alten Krankheitsbildern, die dem medizinischen 
Anfänger eingeimpft wird, kann auch der mit modernen Methoden 
weiterstrebende Forscher festzuhalten suchen; wo seine Resultate 
mit der klinisch bestehenden Abgrenzung der Krankheiten im 
Einklang steht, kann ihm dies eine Bestätigung sein; wo Diffe¬ 
renzen zwischen beiden zutage treten, können sie ihm bei seinen 
Schlüssen Zweifel erregen, deren Lösung ihm obliegt. In dem 
Zusammenwirken mit klinischer Erfahrung uud Beobachtung wird 
die bakteriologisch-serologische Forschung auch weiterhin ihre 
besten Triumphe feiern. 


Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor: 
Geheimrat Prof. Dr. H. Küttner). 

Zur Kenntnis der posttyphösen Strumitis. 1 ) 

Von 

Dr. Ednard Melchior, 

Assistent der Klinik. 

Die durch den Bacillus Eberth hervorgerufenen Eiterungen 
verlaufen trotz grundlegender gemeinsamer Züge im Einzelnen 
doch gelegentlich unter so variablen Bedingungen, dass dia¬ 
gnostische Ueberraschungen hier nicht ganz selten sind. Der 
folgende ungewöhnliche, im Juni ds. Js. in der Küttner’schen 
Klinik beobachtete Fall von posttyphöser abscedierender 
Strumitis gehört in diese Kategorie und erscheint geeignet, die 
bisherigen Kenntnisse dieser besonderen Nacherkrankung des 
Typhus abdominalis zu erweitern. 

Der 52jährige PatieDt H. W. wurde am 10. 6. 1914 mit folgender 
Anamnese aufgenommen: Mutter und Grossmutter waren kröpf leidend. 
Bei dem Patienten selbst besteht seit dem 8. Lebensjahre ein „dicker 
Hals“, der in der Folge allmählich zugenommen hat. 1905 machte W. 
einen anscheinend schweren Typhus durch, der sich über 6 Monate 
hinzog. Besondere Erscheinungen seitens des Halses resp. 
des Kropfes, namentlich auch Schmerzen sollen — wie auch 
bei nachträglichem Befragen ausdrücklich angegeben wird — während 
dieser Zeit nicht aufgetreten sein. Dagegen nahm in der Folge 
der Kropf — immer ohne subjektiv wahrnehmbare EntzünduDgserschei- 
nungen! — stärker an Wachstum zu, um etwa seit einem 1 J 2 Jahre bei 
der jetzigen Grösse stehen zu bleiben. Seit 2 Jahren bekommt der 


1) Im Auszug vorgetragen in der med. Sektion der schlesischen Gesell¬ 
schaft für vaterländische Cultur zu Breslau am 26. Juni 1914. 


Patient schlecht Luft; die Arbeitsfähigkeit wurde dadurch erheblich be¬ 
einträchtigt, so dass er sich zur Operation entschloss. 

Befund: Kräftig gebauter Mann, leichte Cyanose, deutliche Dyspnoe, 
die sich bei der geringsten körperlichen Betätigung lebhaft steigert. 
Grosse, einer maximalen Halsweite von 47 cm entsprechende, diffus 
entwickelte Struma von sehr harter Konsistenz mit multiplen, im 
Röntgenbild gut sichtbaren Verkalkungen. Eine freie Verschieblichkeit, 
auch beim Schluckakte, fehlt nahezu gänzlich; das ganze Gebilde er¬ 
scheint wie „eingemauert“. Keine entzündliche Erscheinung seitens der 
Haut. Starke Trachealstenose mit Verdrängung der säbelscheidenartig 
verengten Luftröhre nach links. Rechts reicht die Struma deutlich 
substernal herab. Vorn auf der Brust und in der Mitte des Halses ver¬ 
laufen über der Struma stark erweiterte Venen. 

Das klinische Bild erinnerte somit entschieden an das Ver¬ 
halten einer Struma maligna, doch sprach hiergegen die aus¬ 
drückliche Angabe, dass der Kropf im letzten halben Jahre nicht 
mehr gewachsen sei, ferner auch — bis zu einem gewissen Grade 
wenigstens — das Fehlen einer Kachexie, sowie einer Beteiligung 
des Recurrens. Die Möglichkeit einer Strumitis im Sinne Riedel’s 
„eisenharter Struma“ wurde erwogen. 

Die Operation, deren Ausführung sich technisch als ungemein 
schwierig erwies, wurde am 18. VI. von Herrn Geheimrat Küttner in 
Lokalanästhesie vorgenommen. Ausgiebiger Kragenschnitt. Man gelangt 
sofort in ein schwartig schwieliges, zum Teil in die Muskulatur übergehendes 
Gewebe, welches die exakte Darstellung der Kropfkapsel sehr erschwert. 
Zahlreich atypisch verlaufende Gefässe, die aus der Umgebung in die 
Drüse eintreten. Es wird zunächst der rechte obere Pol freigemacht, 
sodann Auslösung auf der rechten Seite, wobei einige vergrösserte Lymph- 
drüsen zu Gesicht kommen und mit entfernt werden. Es zeigt sich 
hierbei, dass der Kropf ringförmig auch noch den Oesophagus teilweise 
umgreift. Am hinteren Pol sehr starke Venen, nach deren Ligatur es 
rückläufig aus der Struma blutet. Unterbindung einer atypisch weit 
nach hinten eintretenden A. inferior, deren Kaliber fast dem einer Carotis 
entspricht. Freimachen der stark säbelscheidenförmig verengten Trachea. 
Sodann wird jenseits der Mitte durch die zum Teil verkalkte Struma¬ 
substanz durchgegangen, wobei sich etwas Eiter — der sofort uDter 
den nötigen Kautelen aufgefangen wiid — aus einem kleinen, zentral 
gelegenen Abscess entleert. Es gelingt jetzt den weit retrosternal 
herabreicbenden unteren Pol zu luxieren. lu der Recurrensgegend wird 
— da an eine präparatorische Freilegung des Nerven in dem schwieligen 
Gewebe nicht zu denken ist — eine schmale Scheibe der Drüsensubstanz 
zurückgelassen. Kropfrest hämostatisch vernäht. 2 Drains. Hautnaht. 

Der postoperative Verlauf war bis auf mässig starke bronchitische 
Erscheinungen ungestört. Primäre Wundheilung. Am 2. VII. wurde 
der Patient operativ geheilt und von seinen Beschwerden wesentlich 
gebessert entlassen. 

Der exstirpierte Strumalappen zeigt auf dem Darchschnitt 
(siebe nachstehende Abbildung) ein fibrös schwieliges, zum 
Teil verkalktes Gewebe; im Centrum befindet sich der bei der 



(Vs natürlicher Grösse.) 


Operation (siebe oben) bereits eröffnete, baselnussgrosse Abscess, 
der dicken, graugelben Eiter enthielt. Die am hiesigen könig¬ 
lichen hygienischen Institut freundlichst vorgenommene Unter¬ 
suchung (Priv.-Doz. Dr. Oettinger) des Eiters ergab als Diagnose: 
„Typliusbaci 11 en in Reinkultur“. Dagegen konnten weder 
ira Urin noch im Stuhl des Patienten Typhusbacillen festgestellt 
werden. 

Es handelt sich also in diesem Falle um eine chro¬ 
nische Strumitis mit zentraler Abscedierung im übrigen 
von fibrös schwieligem Charakter, die ätiologisch — 
auf Grund des bakteriologischen Befundes — ohne 
weiteres auf den vor 9 Jahren durch gemachten T y p b u 8 
abdominalis zurückzuführen ist. 


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14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1917 


Verglichen mit den zahlreichen sonst bekannten Fällen von 
posttyphösen Entzündungen der Schilddrüse — d. h. in der Regel 
wie hier der bereits kropfig veränderten Thyreoidea — ist die 
vorliegende Beobachtung als recht ungewöhnlich zu bezeichnen. 
Mit grosser Regelmässigkeit spielt sich nämlich diese Kompli¬ 
kation sonst als ein akuter und dabei frühzeitig, im Beginn der 
Rekonvaleszenz einsetzender Prozess ab, der, entweder auf dem 
Wege der Abscedierung, öfters aber auch, ohne dass klinisch die 
Erscheinungen über ein einfach-entzündliches Stadium hinaus¬ 
gelangt sind, bald wieder abklingt, um einer völligen Restitution 
Platz zu machen. 

Es bat indessen schon Gäli 1 ) in neuerer Zeit die Beob¬ 
achtung einer Strumitis posttypbosa apostematosa tarda 
mitgeteilt, bei der zwischen der ursprünglichen typhösen Er¬ 
krankung und dem Nachweis der Bakterien im Strumaabscess 
sogar 21 Jahre lagen: 

39jähriger Mann. Vor 23 Jahren wegen Kropf operiert. Im 
3. Jahre nach der Operation verfiel er in eine langdauernde, fieberhafte, 
schwere Krankheit, die seine Aerzte als Typhus bezeichneten. Im 
späteren Verlaufe der Erkrankung und der Rekonvaleszenz schwoll der 
Hals wieder an, war auch ein wenig empfindlich, doch nahm die Empfind¬ 
lichkeit nach einigen Wochen wieder ab, während die Schwellung be¬ 
stehen blieb, ohne ihm jedoch Unannehmlichkeiten zu machen. Die 
jetzige Erkrankung begann vor einem Monat mit starken linksseitigen 
Kopfschmerzen und mit Erscheinungen von Hyperthyreoidismus. Die 
Schilddrüse ist vergrössert, der linke Lappen ziemlich hart, glatt, auf 
tiefen Druck ein wenig empfindlich; der rechte Lappen trägt eine alte 
Operatiousnarbe, ist unempfindlich und macht den Eindruck eines ge¬ 
schrumpften Gebildes. In der Folge nahm die Schmerzhaftigkeit des 
linken Lappens unter oscillierendem Fieberverlauf zu, es trat Fluktuation 
auf. 14 Tage später wird ein typhusbacillenhaltiger Abscess 
inzidiert, worauf Heilung erfolgt. 

Die vom Autor für diese Beobachtung gewählte Bezeichnung 
einer Strumitis posttyphosa „tarda” erscheint berechtigt. Ist 
doch hier der Hergang offenbar der gewesen, dass der Pat. vor 
21 Jahren einen Typhus durchmachte mit daran anschliessender Stru¬ 
mitis, die in Resolution ausging; doch blieben jedenfalls Bak¬ 
terien an Ort und Stelle zurück, die dann erst lange Zeit später 
— ohne nachweisbaren äusseren Anlass — zur eitrigen Gewebs¬ 
einschmelzung mit allen Kriterien eines rein akuten Prozesses 
führten. Unsere Beobachtung liegt dagegen wesentlich anders. 
Die weit ausgebreiteten peristrumitischen Veränderungen, denen 
gegenüber die unbedeutende centrale Abscedierung schon rein 
äusserlich gänzlich zurücktritt, das Fehlen aller akut entzünd¬ 
lichen Erscheinungen weisen mit aller Bestimmtheit darauf hin, 
dass hier ein ausgesprochener chronischer Prozess vor¬ 
lag. Man wird sich den Hergang wohl so vorstellen müssen, 
dass die Eiterung hier das Primäre war, aber von so geringer 
Virnlenz, dass nicht ein Durchbruch nach aussen hin erfolgte, 
sondern vielmehr eine Demarkation in Gestalt von reaktiven, 
diffus entzündlichen Vorgängen mii Neigung zur Narbenbildung 
eintrat. Der Abscess selbst war offenbar in Rückbildung be¬ 
griffen, wie aus dem Vorhandensein der mächtigen Kalkhülle zu 
schliessen ist, und es ist wohl denkbar, dass mit der Zeit eine 
völlige Substitution des Eiterherdes eingetreten wäre. Jedenfalls 
war klinisch der angetroffene Befund bei dem Fehlen aller Er¬ 
scheinungen, wie sie sonst zum Bilde der bakteriellen Eiterungen 
gehören, also namentlich Schmerz und Temperaturerhöhung, über¬ 
raschend. Auch bildeten ja nicht eigentlich die entzündlichen 
Vorgänge, sondern vielmehr allein der Druck der wachsenden 
Struma auf die Luftwege die Indikation zum operativen Eingreifen. 

Dieses auffällig indifferente Verhalten der centralen 
Abscedierung in unserem Falle, welches entschieden 
an das Verhalten bereits steril gewordener Abscesse 
erinnert, ist nun in gewissen Grenzen für die echten 
typhösen Eiterungen überhaupt charakteristisch. 

Um za einem Verständnis dieses Phänomens zu gelangen, 
muss man sieb, wie ich schon in früheren Mitteilungen über 
typhöse Eiterungen 2 ) hervorgehoben habe, zunächst darüber klar 
werden, dass die bis in die neueste Zeit noch immer gelegentlich 
vertretene Auffassung einer „emboliseben” Entstehung nicht 
als eine genügende Erklärung gelten kann. Wir wissen näm- 


1) D.m.W., 1913, S. 1302. 

2) Vgl. Melchior, Ueber den Milzabscess bei Typhus abdominalis 
usw., Berlin. Klinik, 1909, Nr. 255. — Ueber Leberabscesse im Verlaufe 
und Gefolge des Typhus abdominalis, Ztbl. f. d. ges. Chir., 1910, H. 5 
bis 8. —- Ueber die suppurativen Nierenkomplikationen des Typhus 
abdominalis, ebendaselbst, H. 18 u. 19. — Ueber Hirnabscesse usw. im 
Verlauf und Gefolge des Typhus abdominalis, ebendaselbst, 1911, H. 1 u. 2. 


lieh heute, dass in der ersten Periode des Typhus die Bacillen 
regelmässig in der Blutbahn nachweisbar sind in Gestalt einer 
eigentlich typbösen Septikämie und somit auch die Bacillen 
regelmässig in den einzelnen Organen anzutreffen sein müssen. 
Erfahrungsgemäss kommt es aber gerade in diesem Stadium des 
Typhus niemals zu echten Eberth’schen Abscedierungen. — Das 
weitere Schicksal der hämatogen verbreiteten Bakterien kann nun 
variieren. In der Mehrzahl der Fälle ist damit zu rechnen, dass 
bei günstigem Verlauf, d. b. bei völlig eintretender Heilung i. e. 
Immunisierung des Organismus die Typhusbacillen aus den ein¬ 
zelnen Organen wieder verschwinden, abgesehen von den Fällen, 
wo die Bakterien zwar in einzelnen Organbezirken (zeitweilig ev. 
sogar im Blute!) verbleiben, der übrige Organismus aber der¬ 
artig refraktär geworden ist, dass sie dem Träger gegenüber in 
der Regel nur noch die Rolle eines harmlosen Parasiten spielen. 
Ein völliges Ausbleiben der Immunität andererseits wird im all¬ 
gemeinen die unkompliziert tödlich endenden Fälle charakteri¬ 
sieren. Zwischen diesen beiden Extremen liegen nun zahlreiche 
Möglichkeiten einer relativen Immunität. Wir verstehen 
hierunter einen solchen Grad von Immunität, dass die 
Erkrankung zwar als Allgemeininfektion überwunden 
wird, ohne aber überall ein völliges Abtöten der Ba¬ 
cillen im Gewebe zu bewirken, so dass dieselben unter 
gewissen Bedingungen noch eine lokale Reaktion, d. h. 
in erster Linie Eiterung bervorrufen können. Diese 
lokalen Vorbedingungen fallen, soweit es sich bisher übersehen 
lässt, unter den Begriff des sog. Locus minoris resistentiae. 

Gewebliche Schädigungen dermannigfachsten Artkönnen 
einen solchen Locus minoris resistentiae bedingen. Blu¬ 
tungen sind hier in erster Linie zu nennen. So entwickeln sich die 
tiefen posttyphosen Bauehdeckenabscesse typisch auf der Basis der ge¬ 
legentlich durch spontane Ruptur der geraden Bauchmuskeln (infolge 
wachsartiger Degeneration) eintretenden Bauchdeckenhämatome. Sennert 
beobachtete die typhöse Vereiterung eines traumatischen Leberhämatoms, 
Gurd und Nelles die eines traumatischen extraduralen Blutergusses. 

Aehnlich liegen die Beobachtungen von der Entstehung Eberth- 
scher Abscesse im Anschluss an vorausgegangene subcutane Injektionen. 

Derartige lokale Komplikationen sah Schneider nach Chinin¬ 
injektionen, Maienchini. und Pieracini nach Einspritzungen von 
Coffein. 

Eine andere Gruppe bilden jene Fälle, wo die Eiterung sich 
in Gewebsbezirken etabliert, welche durch die vorausgegangene All¬ 
gemeininfektion als solche in ihrer Vitalität beeinträchtigt wurden. So 
scheinen die Milzabscesse gelegentlich ihren Ausgang zu nehmen von 
den sogenannten typhösen Infarkten der Milz; manche Leberabscesse 
von den Fokalnekrosen — auch Lymphome genannt — des Leber¬ 
gewebes. 

Aber überhaupt jede pathologische Gewebsformation scheint in 
dieser Beziehung einen Ort verminderter vitaler Energie darzustellen. 

Es gehören hierher die zahlreichen Beobachtungen von Infektion 
ovarialer Dermoide. Panas beschrieb einen Fall von Abscedierung 
eines Angioms: bei Keen findet sich die Beobachtung von Vereiterung 
eines Lipoms erwähnt. Hühn und Joanovic beschrieben die Ver¬ 
eiterung eines multilokularen Leberechinococcus; mehrfach wurde die 
eiterige Infektion von Hydrouephrosen und Steinnieren durch Typhus¬ 
bacillen beobachtet (Fernet und Papillon, Meyer und Ahreiner 
u. a.). Ganz besonders gilt dies auch für die typhösen Abscedierungen 
der Schilddrüse, die, wie schon de Quervain 1 ) hervorhob, fast aus¬ 
schliesslich — wie auch in unserem Falle — an kropfig entarteten 
Organen beobachtet werden. Möglicherweise ist schon das Kropfgewebe 
an und für sich als biologisch minderwertig im angegebenen Sinne zu 
betrachten; doch spielen hierbei vielleicht die — zumal in älteren 
Kröpfen so häufig anzutreffenden — Blutungen und Erweichungsherde 
noch eine spezielle, grössere Rolle. 

Eine wichtige Stütze für diese theoretische Auffassung der 
Eberth’scben Eiterungen bildet die Tatsache, dass alle diese 
Abscedierungen mit grösster Regelmässigkeit erst nach Ablauf 
des febrilen Stadiums der typhösen Infektion, d. h. 
frühestens im Beginne der sogenannten Rekonvaleszenz 
einsetzen. Es ist dies ein so typisch wiederkehrendes Ver¬ 
halten, dass man hierin unbedingt etwas Gesetzmässiges erblicken 
muss, nämlich den Ausdruck dafür, dass — entsprechend der 
obigen Formulierung — für den Eintritt einer Abscedierung die 
Ueberwindung der Allgemeininfektion als solcher die wesentlichste 
Voraussetzung bildet. 

Eine Bestätigung dieser Anschauung ergeben Versuche von Chante- 
messe und Widal, die bei unzureichend vaccinierten — also relativ 
immunen — Tieren durch hochvirulente Typhusbacillen mitunter an der 
Stelle der Injektion eine lokale Eiterung hervorrufen konnten. 


1) Mitt. Grenzgeb., 1904, 2. Supplementband. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




1918 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 60. 


Ganz besonders aber kommt klinisch die Tatsache, dass die 
echten typhösen Eiterungen sich in einem relativ immunen Orga- 
nismus abspielen, durch ihre Gutartigkeit zum Ausdruck, eine 
Eigenschaft, die in der Tat ein ganz unverkennbares Kriterium 
dieser Abscedierungen bildet. 

So konnte ich in der zitierten Mitteilung über die typhösen Milz- 
abscesse feststellen, dass bei den transpleural operierten Fällen trotz 
nicht immer einwandfreier Technik niemals eine Infektion der sonst 
so empfindlichen Pleura eingetreten war. Lengemann gelang es bei 
einem Falle von typhösem Leberabscess, der in die freie Bauchhöhle 
perforiert war, noch nach 5 Tagen Heilung zu erzielen. In unserem 
Falle erscheint bemerkenswert, dass trotz der Eröffnung 
des Abscesses in operatione jede Infektion der Wundhöhle 
ausblieb und die lokale Heilung sich genau so vollzog, wie 
nach einem vollkommen aseptischen Eingriffe. 

Mit diesem weitgehenden, refraktären Verhalten des Gesamt¬ 
organismus mag es vielleicht Zusammenhängen, dass eine Leuko- 
cytose bei den echten typhösen Eiterungen durchaus nicht zur 
Regel gehört, diese vielmehr sogar von einer gewissen Leuko¬ 
penie — wie die typhöse Allgemeininfektion selbst — begleitet 
sein können. 

So fanden Gurd und Nelles in dem bereits zitierten Falle einer 
Eberth’schen Abscedierung eines Extraduralhämatoms nur 5000 Leuko- 
cyten, Bennecke bei einer durch den gleichen Erreger verursachten 
suppurativen Thrombophlebitis auf der Höhe der Eiterung 5250 Leuko- 
cyten, bei einer durch Typhusbacillen bedingten Furunkulose Werte 
zwischen 4500 und 6000. Gäli beobachtete in dem oben erwähnten 
Falle von Strumitis posttyphosa apostematosa tarda eine Leukocytose 
von 8500 mit dem für Eiterungen ungewöhnlich hohen Index von 42 pCt. 
Lymphocyten. 

Auch das gelegentliche — allerdings nur ausnahmsweise — 
Fehlen von Temperatursteigerungen mag in dem gleichen 
Sinne interpretiert werden. So bat schon Krause 1 ) 1903 bei 
einem aus der Minkowski’schen Klinik mitgeteilten Fall von 
akuter posttyphöser Strumitis darauf hingewiesen, dass dieser 
„hinsichtlich des Fiebers reaktionslose Verlauf“ sich vielleicht 
dadurch erklären Hesse, „dass eine gewisse Immunisierung im 
Organismus gegen den Typhusbacillus und seine Toxine einge¬ 
treten ist“. Auch in unserem Fülle war der Temperaturverlauf 
während neuntägiger Beobachtung vor der Operation ein völlig 
normaler (Höchsttemperatur 36,8°). 

Der Begriff der relativen Immunität, welchen wir somit 
als grundlegend für das Zustandekommen der echten typhösen 
Eiterungen ansehen müssen, ist naturgemäss ein komplexer. Er 
bildet gewissermaassen die Funktion verschiedener, in ihrer Wir¬ 
kung sich gegenseitig beeinflussender Faktoren, als deren wich¬ 
tigste wir die allgemeinen, immunisatorischen Schutzkräfte des In¬ 
dividuums einerseits, die Virulenz der Bakterien andererseits auf¬ 
zufassen haben, wobei aber auch die spezielle Disposition des 
jeweiligen lokalen Terrains nicht zu vernachlässigen ist. 

Diese zahlreichen Variationsmöglichkeiten finden — um hier 
speziell auf die Frage der typhösen Strumitis zurückzukebren — 
klinisch ihren Ausdruck in dem ungemein wechselvollen Verhalten 
dieser Komplikation. Die Hauptunterscheidung wird gewöhnlich 
in die einer eitrigen und nichteitrigen Strumitis (bzw. Thyreoi¬ 
ditis) getroffen, beide Formen von zeitlich relativ begrenzter Dauer. 
Aber schon de Quervain hat darauf hingewiesen, dass selbst 
nach eingetretener partieller Einschmelzung noch eine spontane 
Resorption und Restitution eintreten kann, dass sich also die 
Abgrenzung der eitrigen und nichteitrigen Thyreoiditis — wenig¬ 
stens klinisch — nicht immer streng durchführen lässt. Dass 
aber weiterhin selbst nach klinisch eingetretener „Heilung“ der 
typhöse Prozess noch nicht abgelaufen zu sein braucht, lehrt der 
oben referierte Fall von Gäli, wo erst nach 21 Jahren wieder 
die bis dahin ruhenden Bacillen eine unverkennbare Absce¬ 
dierung herbeiführten. Unsere Beobachtung zeigt demgegen¬ 
über gewissermassen einen umgekehrt gerichteten Verlauf: eine 
schleichende Abscedierung, die allmählich eingekapselt wird und 
zu einer mächtigen fibrösen Reaktion seitens der Nachbarschaft führt. 
Sie bildet also gewissermassen die Brücke zu jener eigentüm¬ 
lichen, ätiologisch noch wenig geklärten Form der fibrösen, nicht 
abscedierenden, tumorartigen Strumitis Riedel’s 2 ). 

Die lange Dauer des Ueberlebens kulturell vollwertig zücht¬ 
barer Typhusbacillen in unserem Falle hat, wie die Beobachtung 

1) B.kl.W., 1913, S. 756. 

2) Vgl. hierzu die aus der Küttner’schen Klinik hervorgegangene 
Mitteilung von Spann aus: Die RiedePsche Struma. Beitr. z. kl. Chir. 
1910, Bd. 70, S. 604. 


Gäli’s lehrt, nichts Ueberraschendes. Harbordt fand sie im 
Eiter der typischen Rippenknorpelabscesse noch nach 23 Jahren. 
Epidemiologisch handelt es sich hier also um „Bacillenträger“, 
die zu „Bacillenausscheidern“ werden können, sobald ein der¬ 
artiger Abcess perforiert oder künstlich eröffnet wird. Ob von 
diesen Eiterherden Uebertragungen auf andere Individuen jemals 
vorgekommen sind, ist meines Wissens nicht bekannt, doch muss 
man jedenfalls mit dieser Möglichkeit der Typhusanateckung 
rechnen und prophylaktisch entsprechend verfahren. Auf die 
Wichtigkeit der bakteriologischen Diagnostik wirft dies ein be¬ 
sonderes Licht. 


BQcherbesprechungen. 

v. Brnos, Garrä und Köttner*. Handbnch der praktischen Chirurgie. 

Vierte umgearbeitete Auflage. Fünf Bände. IV. Bd.: Chirurgie 
der Wirbelsäule und des Beckens. Mit 363 teils farbigen Ab¬ 
bildungen. Stuttgart 1914, Ferd. Enke. 1128 S. Preis 30,20 M. 

Als letzter Band des in vierter Auflage erscheinenden 5 bändigen 
berühmten Sammelwerkes liegt jetzt auch Band IV vor. Die Chirurgie 
des Rückenmarks und der Wirbelsäule ist von Henle-Dortmund neu¬ 
bearbeitet. Die Chirurgie des Beckens ist von Steintbal-Stuttgart, 
die Nierenchirurgie von Kü mm eil-Hamburg und Graff-Bonn darge- 
gestellt. Auch die folgenden Kapitel finden wir von berufenster Seite 
neu bearbeitet: Männliche Harnblase (Zucker kan dl-Wien), Harnröhre 
(Rammstedt-Münster), weibliche Harnorgane (Stöckel-Kiel), Prostata 
(Schlange-Hannover), Hoden nebst Hüllen und Penis (Rammstedt). 

Somit liegt jetzt das grosse Werk in vierter Auflage vollendet vor: 
wissenschaftlich voll auf der Höhe, aus einem Guss udö trotz der Viel¬ 
zahl seiner Mitarbeiter gleichmässig durchdrungen von deutschem Fleiss 
und deutscher Gründlichkeit. Auch diese Auflage wird, wie die ersten 
3 Auflagen, ihren Weg in alle Länder der Welt finden, allen unseren 
Feinden zum Trotz. Denn deutscher Geist und deutsche Wissenschaft 
lassen sich nicht blockieren! 


F. Krause: Die allgemeine Chirurgie der Gehirnkraokheitei. 

II. Teil. Mit 106 teils farbigen Textabbildungen. (Neue deutsche 
Chirurgie, herausgegeben von P. v. Brnns. 12. Bd.) Stuttgart 
1914, Ferd. Enke. 492 S. Preis 21 M. 

Dem an dieser Stelle bereits eingehend besprochenen ersten Bande 
der unter der Redaktion von F. Krause erscheinenden allgemeinen 
Chirurgie der Gehirnkrankheiten ist der zweite, das Werk abschliessende 
Band rasch gefolgt. Das einleitende Kapitel Hirn ödem ist von Haupt¬ 
mann - Freiburg verfasst. Er kommt zu dem Schlüsse, dass es ein 
Hirnödem sui generis weder als Krankheit, noch als alleinige Todes¬ 
ursache gibt. Die Klinik der Hirngeschwülste ist von L. Bruns- 
Hannover bearbeitet, welchem wir bekanntlich schon ein klassisches 
Buch über Hirntumoren verdanken. Auch das Kapitel über den Pseudo- 
tumor cerebri hat in Nonne einen sehr berufenen Vertreter gefunden. 
Die folgenden Abschnitte enthalten: die diagnostische und therapeutische 
Hirnpunktion (Haasler-Halle), Balkenstich (Anton-Halle), diagnosti¬ 
sche und therapeutische Lumbalpunktion und Immunitätsreaktionen bei 
Erkrankungen des Centralnervensystems (Holzmann-Hamburg),ßöntgen- 
diaguostik der Gehirnkrankheiten (Schüller-Wien), craniocerebrale 
Topographie (Müller-Tübingen), Technik der Trepanation, Osteoplastik 
und Duraplastik (F. Krause-Berlin). 

Jedem Kapitel ist ein umfassendes Literaturverzeichnis beigefügt 
Darstellung, Ausstattung, insbesondere die Illustrationen, sind muster¬ 
gültig. _ 


G. v. Saar: Die Sportverletzungen. Mit 53 Textabbildungen. (Nene 
deutsche Chirurgie, herausgegeben von P. v. Bruns. 13. Bd.) 
Stuttgart 1914, Ferd. Enke. 325 S. Preis 13,40 M. _ 

Mit dem gewaltigen Aufschwung des Sportes in allen Kulturländern 
ist auch die Zahl der Verletzungen beim Sport entsprechend gestiegen. 
Diese Verletzungen zeigen in bezug auf Entstehung und Verlauf m 
mannigfacher Hinsicht gewisse charakteristische Typen, so dass eine ge¬ 
sonderte Darstellung der Sportverletzungen sehr wohl gerechtfertigt er¬ 
scheint. Verf. hat sich dieser gänzlich neuen Aufgabe mit grossem Ge¬ 
schick unterzogen. Er schildert im allgemeinen Teil die Einteilung der 
Sporte nach dem Bewegungsprinzip, die Eigenart der sportlichen Be¬ 
wegungen und Verletzungen, die allgemeinen Bedingungen zum Zustande¬ 
kommen sportlicher Verletzungen und die Lokalisation an den ver* 
schiedenen Geweben und Organen. Der spezielle Teil beschreibt, syste¬ 
matisch geordnet, die Verletzungen bei folgenden Sportarten: Kampf* 
sporte (Boxen, Fechten, Ringen, Dschiu-Dschitsu usw.), Heben, Stemmen 
und Werfen, Wurf- und Sohleuderspiele, Fuss- und Schlagball, Gehen, 
Laufen, Springen, Tanzen, Bergsteigen, Geräteturnen, Schlimmen, 
Tauchen, Reiten, Radfahren, Rollschuh- und Schlittschuhlaufen, be¬ 
lauf, Schlittensport, Automobilismus, Aeronautik und Aviatik. Schon 
ein Blick auf das enorme Literaturverzeichnis, welches nicht einmal aui 
Vollständigkeit Anspruch erhebt, zeigt uns, wie sehr eine fcntiscne 
Sichtung und Sammlung des grossen, allenthalben zerstreuten Kater»« 


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UNIVERSUM OF IOWA 




14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1919 


notwendig war. Die mit erstaunlichem Fleisse vom Yerf. geleistete Arbeit 
wird für jede künftige wissenschaftliche Betätigung auf diesem Gebiete 
grundlegend sein. _ 

A. Kühler: Taschenbuch für Kriegsehirurgen. Ratschläge und Winke 
für die feldarztliche Tätigkeit auf dem Marsche, während und nach 
der Schlacht. Berlin 1914, Ürban & Schwarzenberg. 95 S. Preis 
2,50 M. 

Die in einzelnen Abschnitten in der Med. Klinik, 1914, erschienenen 
Vorträge sind jetzt vom. Verf. in Form eines kleinen Taschenbuches 
herausgegeben worden. Dieses ist in erster Linie für den praktischen 
Arzt bestimmt, welcher bei seiner Tätigkeit im Frieden keine Zeit und 
keine Gelegenheit hatte, sich mit der Organisation des Kriegssanitäts- 
Wesens und mit dem Sanitätsdienste im Felde bekannt zu machen und 
welcher bei der Mobilmachung sich plötzlich vor eine ganze Reihe ihm 
bis dahin ganz unbekannter Aufgaben gestellt sieht. Verf. erörtert des¬ 
halb in den einleitenden Kapiteln, was eigentlich jeder Arzt von diesen, 
jedem aktiven Sanitätsoffizier geläufigen Dingen unbedingt wissen muss. 
Die eigentliche praktische Kriegschirurgie ist im engsten Zusammen¬ 
hänge mit der ärztlichen Tätigkeit bei den verschiedenen Feld-Sanitäts¬ 
anstalten, besonders dem Hauptverbandplatz und dem Feldlazarett be¬ 
sprochen. Für diejenigen Aerzte, welche während des Krieges im Heimat¬ 
gebiete tätig sind, finden wir in einem besonderen Kapitel die Nach¬ 
behandlung der Wunden und accidentellen Wundkrankheiten erörtert. 

Das sehr anschaulich geschriebene Buch wird in seiner knappen 
handlichen Form sich jedem praktischen Arzt und Studierenden, welcher 
auf dem Gebiete der Kriegscbirurgie noch nicht ganz heimisch ist, als 
überaus nützlicher und wertvoller Führer erweisen. 

Adler- Berlin-Pankow. 


Literatur-Auszüge. 

Therapie. 

R. Betke - Frankfurt a. M.: Erfahrungen über die Anregung der 
Peristaltik nach Laparotomien durch das neue subcutane und intra¬ 
muskuläre Abführmittel Sennatitt. (Ther. Mh., 1914, Nr. 11.) Verf. 
gibt eine kurze Uebersicbt über die Nachteile der bisherigen Mittel. 
Hormonal, Pituglandol, Pituitrin, Glandlutrin, Iofundin richten niohts 
aus und führen eine Blutdrucksenkung herbei. Günstigere Wirkung 
haben Peristaltin (ein Cascara-Sagradapräparat) und die von Petten- 
kofer inaugurierten elektrischen Darmeinläufe. Sennatin, aus Senna- 
blättern von Credö und Diedrich hergestellt, soll ein vorzügliches 
peristaltikanregendes Mittel sein, das mild und ohne Nebenwirkungen 
positiven Erfolg bringt. Crede hat über 201 Fälle mit 83pCt. positivem 
Erfolg veröffentlicht und Ebler 38 Fälle. Der Verf. beobachtete 
32 Kranke im Garnisonlazarett nach Magenresektionen, Gastroanastomosen, 
Cholecystektomien usw., bei denen Sennatin mit positivem Erfolg ge¬ 
braucht wurde. Es werden 2 ccm intramuskulär 5—6 Stunden nach 
der Operation und am nächsten Tage eine gleich grosse Dosis gegeben. 
Die Wirkung erfolgt nach 6 Stunden. Die Peristaltik wird durch ein 
Glycerinclysma unterstützt. G. L. Tenenbaum. 

F. Lux-Hamburg: Die Behandlung juckender Dermatosen mit 
Ringer’scher Lösung und Eigenblut. (Dem. Wschr., 1914, Bd. 59, 
Nr. 45 u. 46.) Zur Behandlung des Juckreizes hat sich in vielen Fällen 
von juckenden Dermatosen der Aderlass mit nachfolgender Infusion von 
Ringer’scher Lösung und Iojektion von Eigenblut bewährt, und zwar 
sind dazu geeignet: Pruritus, Urticaria, Lichen urticatus, pruriginöses 
Ekzem, Pyrogalloldermatitis. Kein Erfolg wurde gesehen bei Mycosis 
fungoides, Dermatitis herpetiformis, Ekcema madidans. 

Immer wahr. 


Parasitenkunde und Serologie. 

Levis Davis, S. M.: Studie über die Tellurreaktion mit der 
Coli-Typhusgruppe und anderen Organismen. (A study of the „tellurite 
reaction“ witfa the colon-typhoid and other organisms.) (Zbl. f. Bakt., 
Bd. 75, H. 2.) Der Autor untersucht experimentell die Wirkung des 
tellursauren Kali, das er flüssigen Nährböden zusetzt, auf die wichtigsten 
Arten der Typhus-Coligruppe und einige andere Bakterien. Dabei kommt 
er zu folgenden Resultaten: Die Bakterien der Typhus Coligruppe zeigen 
Unterschiede in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die antiseptische 
Wirkung des tellursauren Kali und im zeitlichen Auftreten der Reaktion 
mit diesem Salz. Diese Variationen sind ausgesprochen genug, um sie 
diagnostisch verwerten zu können. Die Intensität der Bakterienwirkung 
auf das Kalium telluricum hängt von der individuellen Widerstands¬ 
fähigkeit des Bakteriums und der Konzentration des Salzes ab. Die 
Schnelligkeit, mit der die Reduktion des Tellur erfolgt, ist augenschein¬ 
lich eine spezifische Funktion des betreffenden Bakteriums, unabhängig 
von der Widerstandskraft gegen die keimtötende Wirkung. Mit Coli er¬ 
folgt die Tellurreaktion meist augenblicklich; Behandlung mit tellur¬ 
saurem Kali hat praktisch keinen Einfluss auf die biologischen Charakte¬ 
ristika der Mikroorganismen. 

Bail: Veränderungen der Bakterien im Tierkörper. IX. Ueber die 
Korrelation zwischen Kapselbildung, Sporenbildung und Infektiosität 
des Milzbrandbaeiilus. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Durch Erhitzung 


einer Milzbrandkultur auf über 48° gelang es Verf. einmal, Milzbrand¬ 
bacillen zum Verlust ihrer Kapselbildungsfähigkeit zu bringen. Weitere 
Prüfung dieser dauernd der Kapselbildung beraubten Bacillen ergab, 
dass dieselben auch ihre Virulenz, nicht aber ihre Sporenbildungsfähig¬ 
keit eingebüsst hatten. Die Virulenz konnte diesem Bacillus selbst 
durch Massenimpfungen sowie durch Einimpfung in durch andere In¬ 
fektionen kachektisch gewordene Tiere (Meerschweinchen) nicht zurück¬ 
gewonnen werden. Die Meerschweinchen zeigten nur dann eine Im¬ 
munität gegen Nachimpfung mit vollvirulentem Milzbrand, wenn es gelungen 
war, an der Stelle der Infektion mit dem avirulenten Stamme ein Oedem 
zu erzeugen. Alsdann war die Immunität aber sehr hochgradig. 

Prowazek und Miyaji: Weitere Untersuchungen über das Vaccine¬ 
virus. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) In einer Reihe von Untersuchungen 
über das Vaccinevirus kamen die Autoren zu folgenden Resultaten: Für 
eine Isolierung des Vaocinevirus aus der Cornea eignet sich am besten 
eine Verdauung durch Trypsin, da dasselbe das Virus nicht schädigt. 
Für experimentelles Arbeiten empfehlen die Autoren die Impfung in die 
Hoden. Der Einwand anderer Autoren, dass die Guarneri’schen 
Körperchen veränderte Archoplasmen seien, konnte durch die Hoden¬ 
impfung widerlegt werden. Die Spermatogonien und Spermatiden des 
Kaninchenhodens enthalten nämlich reichlich Archoplasmen, diese 
wurden durch die Impfung mit Vaocinevirus in keiner Weise verändert. 
Ferner wurde festgestellt, dass die immunisierte Kanincbenoornea im¬ 
stande ist, ein auf einer anderen Cornea gezüchtetes Virus abzutöten, 
nicht aber das Virus einer gewöhnlichen Kinderlymphe. 

Tönniessen: Ueber Vererbung und Variabilität bei Bakterien. 
Weitere Untersuchungen über die Flnktnation, insbesondere über ihre 
Entstehungsweise, ihre Erblichkeit und ihre Bedeutung für die Art¬ 
bildung. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Durch die Anhäufung von Stoff¬ 
wechselprodukten gelang es Verf., aus einem Friedländer’schen 
Pneumoniebacillenstaram drei verschiedene Fluktuanten herauszuzüchteD, 
die sich durch ihre Fähigkeit der Kapsel- und Schleimbildung unter¬ 
einander unterschieden. Durch lange fortgesetzte Tierpassagen konnte 
die dritte am weitesten veränderte Fluktuante wieder in die zweite 
übergeführt werden. Zum Unterschied von der Mutation erfolgt die 
Fluktuation durch die langsame Summierung von veränderten Reizen, 
nicht sprungweise. Für die Entstehung der Arten glaubt Verf., dass die 
Fluktuation eine höhere Bedeutung habe als die Mutation. 

M. Salzmann: Ein Beitrag zur Bakterienmntation. (Zbl. f. Bakt., 
Bd. 75, H. 2.) Aus dem Urin eines Cystitiskranken konnte Verf. ein 
Bacterium herauszüchten, das bei wiederholter Herauszüchtung immer 
in derselben Art und Weise Gestalt und Wachstumsart änderte. Im 
Urin war das Bacterium lang, wuchs oft zu längeren Fäden aus, und 
in den ersten Kulturen waren die Einzelkolonien klein. Nach einigen 
Agarpassagen wurden die Kolonien jedoch gross, und gleichzeitig wurden 
die einzelnen Stäbchen fast kokkenhaft kurz. Gleichzeitig verlor sich 
auch eine Beweglichkeit, die vorher in starkem Maasse vorhanden ge¬ 
wesen war. Da die beschriebene „Mutation“ bei jeder Herauszüchtung 
des Bacteriums zu erzielen war, so nennt Verf. dasselbe: Bacterium 
mobile mutans. 

Mittel: Untersuchungen über latente Infektion der Leber und 
Milz tuberkulöser Schlachtrinder; ein Beitrag zur fleischbeschaulichen 
Beurteilung tuberkulöser Tiere. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Von 
33 tuberkulösen Schlachttieren wurden 29 Milzen und 28 Lebern auf 
Tuberkelbacillen geprüft, indem der Presssaft Meerschweinchen intra- 
peritoneal injiziert wurde. Alle verimpften Organe zeigten makro¬ 
skopisch keine tuberkulöse Erkrankung. 7 Meerschweinchen gingen in¬ 
folge des Keimgehaltes des Saftes frühzeitig zugrunde. Von den Testie¬ 
renden 50 Impfversuchen zeigte sich die Milz in 10, die Leber in 
8 Fällen tuberkulös infiziert. Das sind zusammen 36 pCt. 

Hall und Nicholls: Earlier indications of gas formation by coli- 
form organisms, with description of a modified fermentation tube« (Zbl. 
f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Die Autoren beschreiben eine neue Kon¬ 
struktion eines Gärungsröhrchens, mit dem es möglich sein soll, eine 
Gasentwicklung in Kulturen bedeutend früher zu erkennen. 

Dönges: Ueber die aggiutinatorische Kraft des Serums nach 
überstandener Typhusinfektion. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Die 
Theorie der Abnahme der Agglutinationshöhe des Serums für Typhus¬ 
bakterien nach Ueberstehen von Typhus durch Ueberstehen anderer In¬ 
fektionskrankheiten lehnt der Autor auf Grund eigener Versuche ab. Er 
schliesst sich eher jener Theorie an, die besagt, dass ein infolge eines 
Reizes einmal angeregter Sekretionsprozess nicht sofort nach Aufhören 
des Reizes erlischt, sondern erst allmählich und individuell verschieden 
abklingt. Schmitz - Greifswald. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Wichman-Helsingfors: Beiträge zur ältesten Geschichte der Ge¬ 
burtshilfe in Rom. (Arch. f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) Im alten Rom 
existierten 2 grundverschiedene Auffassungen von den Geburtskräften iso¬ 
liert nebeneinander. Die eine war die richtige, mehr oder weniger all¬ 
gemein bekannte, aus direkter Naturbeobachtung hervorgesprossene 
Weisheit der römischen Volkskreise, die andere die auf theoretische 
Spekulationen und Bücherweisheit gebaute, von den Hippokratikern ge¬ 
liehene Lehre der Aerztekreise, dass das Kind die treibende Kraft bei 
der Geburt sei. Eine glänzende Ausnahme bildet Galenus, indem er 


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1920 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 60. 


viele Jahrhunderte früher als seine Kollegen die Auffassung des Volkes 
als richtig aufnahra. Die Stellung der Frau während der Geburt war 
in der Regel eine halbliegende oder liegende. 

Zimmermann - Jena: Ueber die Ursache des überraschend 
schnellen Gebnrtsablanfes bei Riickenmarkserkr&nkungen. (Arch. f. 
Gyn., Bd. 102, H. 3.) Trotz einer Paraplegie der ganzen unteren Körper¬ 
hälfte verlief die beobachtete Geburt so schnell, wie man es unter 
normalen Verhältnissen bei intakter Bauchpresse nicht hätte erwarten 
können. Aehnliche Beobachtungen liegen vielfach vor. Es liegt der 
Gedanke nahe, als ob die Tätigkeit des Uterus eine ungezügelte sei, 
als ob gegenüber der Geburt unter normalen Verhältnissen gewisse regu¬ 
lierende Hemmungen ausgefallen seien. Da es fest steht, dass der 
Uterus vom Centralnervensystem aus boeinflusst werden kann, so liegt 
die Annahme nahe, dass normalerweise durch übermässigen Druck 
einer Wehe auf den Beckenboden ein HemmuDgsreilex ausgelöst wird, 
der als Schutz vor zu schnellem Durchschneiden des Kindes und dadurch 
bedingte Zerreissungen von Bedeutung wäre. 

Franz-Graz: Ueber die antiproteolytische Sernin Wirkung in 
Schwangerschaft, Gehört nnd Wochenbett und die Bedeutung der Anti¬ 
trypsinmethode für die serologische Scbwangerschaftsdiagnostik. (Arch. 
f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) Die antiproteolytische Serumwirkung ist am 
Ende der Schwangerschaft gegenüber dem Serumtiter eines gesunden, 
nicht graviden Individuums stark erhöht; diese Erhöhung kann als ein 
konstantes Symptom der Schwangerschaft angesehen und daher auch 
diagnostisch verwertet werden. Vor der Abderhalden’schen Reaktion 
hat sie den Vorzug der viel einfacheren Methodik. Während der Ge¬ 
burt, und zwar während der Eröffnuugs- und Austreibungsperiode ist 
der Serumtiter noch über den der Schwangerschaft erhöbt, sinkt aber 
während der Nacbgeburtsperiode wieder. Eine weitere Steigerung er¬ 
fährt der Titer durch Erkrankungen, die mit einer erhöhten Eiweiss¬ 
resorption im Organismus einbergehen, wie Anämie und Tuberkulose in 
der Schwangerschaft, Fieber und Aduextumoren im Wochenbett. 

Hellmuth-Halle: Uebt die Menstruation einen Einfluss auf die 
Hämolyse der Scheidenkeime aus? (Mschr. f. Gcburtsh,, 1914, Nov.) 
Durch die Menstruation tritt im allgemeinen keine Hämolyse der Scheiden¬ 
keime ein, selbst nicht bei wochenlangen Metrorrhagien. Gelegentlich 
während der Menstruation sich findende hämolytische Keime sind nicht 
aus anhämolytischen, unter dem Einfluss der Menstruation entstanden, 
sondern durch Invasion oder Inokulation von aussen her in die Vagina 
gelangt. 

Ahlfeld: Pnerperale Infektion im Anschluss an Retention von 
Placentarresten. (Mschr. f. Geburtsh., 1914, Nov.) Im Gegensatz zu 
Winter nimmt A. an, dass ohne jedes Zutun von seiten eines Arztes 
oder einer Hebamme bei sonst ganz gesunden Wöchnerinnen infolge einer 
Retention eines Placentarrestes eine fieberhafte Erkrankung, eine töd¬ 
liche Selbstintektion erfolgen kann. Er rät daher bei festgestellter, ja 
sogar bei nur vermuteter Placentarretention den Uterus auszutasteu, 
etwaige Reste mit dem Finger zu lösen und durch Spülung zu entfernen. 
Je früher der Eingriff erfolgt, ehe Fieber eingetreten ist, um so ungefähr¬ 
licher ist es. 

Dirks-Marmetschke- Knebel: Gasphlegmone nach kriminellem 

Abort. (Mschr. /. Geburtsh., 1914, Sept.) Eine im Collaps. mit Hämo¬ 
globinurie eingelieferte Patientin gab, nachdem sie sich erholt hatte, zu, 
dass sie sich zum Zwecke der Abtreibung einer 4 monatigen Gravidität 
mittels Clysopomp ungereinigten Holzessig in den Uterus eingespritzt 
hatte. Am nächsten Tage wurde die Frucht spontan ausgestossen, die 
Placenta wegen Blutung nach einigen Stunden manuell gelöst. Am 
folgenden Tag stieg die Temperatur auf 39°; Icterus, Benommenheit; 
über der Glutäalgegend trat eine Schwellung auf, die sich schnell auf 
den Oberschenkel ausdehnte und beim Einschnitt gashaltigen Eiter ent¬ 
leerte. Nach wenigen Stunden Exitus. Im Blut wurde der Fraenkel’sche 
anaerobe Bacillus phlegmonis emphysematosae nachgewiesen. 

Vörtes-Koloszvär-Berlin: Zur Pathogenese der Eklampsie. (Mschr- 
f. Geburtsh., 1914, Sept. u. Okt.) Durch Tierexperimente wurde fest¬ 
gestellt, dass sich durch arteigenes und sogar durch körpereigenes Ei- 
weiss ebenso wie durch artfremdes eine Ueberempfindlichkeit gegen dieses 
Eiweiss hervorrufen lässt; sie tritt aber meistens erst nach mehrfachen 
Injektionen auf und ist nicht so heftig wie bei artfremdem. Der schwangere 
Organismus befindet sich in anaphylaktischem Zustande infolge Resor¬ 
ption der Zottenelemente, welch letztere von Schmor 1 festgestellt 
wurde. Die Eklampsie ist als anaphylaktischer Shock aufzufassen. Dies 
ist ersichtlich aus klinischen Symptomen, welche gewisse Aehnlichkeiten 
zwischen Ueberempfindliehfeeits-Erscheinungen und Eklampsie aufweisen, 
weiter aus jenem Umstande, dass die Organe der in den Tierversuchen 
verendeten Tiere ähnliche Veränderungen zeigen, wie die an Eklampsie 
Verstorbenen. Auch die Eiweissausscheidung im Urin spricht dafür, 
dass die Eklampsie eine Ueberempfiodlicbkeitserkrankung sei. 

L. Zuntz. 

J. Rouvier-Älgier: Ueber dieBehandlung der puerperalen Eklampsie 
durch Morphium uud seine Derivate. (Ann. de gyn. et d’obstr., 1914, 
Juni.) Verf. verwendet grosse Dosen Morphium (6 cg und mehr), dessen 
diuretische Wirkung er noch durch Helmithol unterstützt. Die nach 
Ablauf der Krämpfe oft auftretenden geistigen Störungen (Erregungs¬ 
zustände, Halluzinationen) bessern sich schnell durch Morphium, eine 
Ursache für das Auftreten dieser Störungen sieht R. in der durch zu grosse 
(auch therapeutische) Ausblutuüg erfolgten Anämie des Gehirns. Die 


Prognose seiner Fälle ist seit energischer Morphiumtherapie bedeutend 
besser geworden. F. Jacobi. 

Sachs-Königsberg: Weitere Erfahrungen mit Pitegl&ndol in der 
Geburtshilfe. Mit besonderer Berücksichtigung der intravenösen In¬ 
jektion. (Mschr. f. Geburtsh., 1914, Nov.) Indiziert ist das Pituglandol 
bei Wehenschwäche, ferner in allen Fällen, in denen eine Geburts¬ 
beschleunigung notwendig ist, z. B. nach Reposition der vorgefallenen 
Nabelschnur oder kleiner Teile, bei Placenta praevia nach Blasen- 
spreDgung, bei Fieber. In Betracht kommen ferner Fälle mit engem 
Becken massigen Grades, tiefer Querstand, drohende Aspbyxie beim 
Fehlen von Weichteilsohwierigbeiten. In der Nachgeburtsperiode findet 
es seine Anwendung zur Lösung der Placenta oder Ermöglichung des 
Crcde uud bei Atomien nach Ausstossung der Placenta. Kontraindiziert 
ist es nur in Fällen mit sehr gesteigertem Blutdruck, bei drohender 
Uterusruptur und bei Rigidität der Weich teile und schon geschädigtem 
Kind bei alten Erstgebärenden. Das Mittel kann in Pausen von einer 
Stunde beliebig oft gegeben werden. In den meisten Fällen genügt die 
subcutane Darreichung; wo es auf sehr schnelle und intensive Wirkung 
ankommt (Nacbgeburtsperiode, schon geschädigtes Kind), ist die intra¬ 
venöse Injektion am Platz. Wenn ganz langsam (Va — */* Min- für 1 ccm) 
injiziert wird, schadet sie niemals und gibt Resultate, die durch sub¬ 
cutane Gaben nicht erreicht werden. L. Zuntz. 

G o u 11 i o d - Lyon: 5 Fälle von Schwangerschaft nach Myonektenie. 
(Ann. de gyn. et de obst., 1914, Juni.) In seinem Material hat G. bei 
Verheirateten 12 pCt. Schwangerschaften nach Myomektomie; bei alleiniger 
Berücksichtigung der unter 40 Jahre alten Frauen steigt der Prozent¬ 
satz auf 20 pCt. Die Recidive sind nicht sehr häufig und treten manch¬ 
mal erst auf, wenn die Frauen schon mehrere Partus nach der Operation 
gut überstanden haben. Die Myomektomie, besonders bei Jugendlichen, 
ist eine durchaus zu empfehlende Operation. F. Jacobi. 

Müller-Strassburg: Beitrag zur Kenntnis der Vaginahnyone. 
(Arch. f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) Beschreibung von 2 Fällen beim Menschen 
und 2 bei Hündinnen. Die klinischen Erscheinungen, die von den 
Scbeideufibromyomen hervorgerufen werden, bestehen vor allem in den 
durch die Grösse bedingten Beschwerden, in dem Prolaps, dem sero- 
sanguinolenten Ausfluss mit der Verjauchung. Diagnostisch kommen 
Verwechselungen mit Inversio uteri, Gebärmutterprolaps und Uterus¬ 
myomen in Frage; Scheidencysten sind durch ihre Resistenz, eventuell 
durch Punktion zu unterscheiden. Die Prognose kann allgemein als 
günstig angesehen werden. 

Nagy - Budapest: Ueber ein Sarkom der Gebärnntter, ent¬ 
standen auf Grund einer infektiösen Grannlombildang. Zugleich ein 
Beitrag zur Frage der Psoriasis nnd Lenkoplaeia uteri. (Arch. f. 
Gyn., Bd. 102, H. 3.) Auf Grund der mikroskopischen Untersuchung 
eines Falles kommt Verf. zu folgenden Ergebnissen: Die tertiärluetische 
Erkrankung der Gebärmutter wird durch plasmazeilige Infiltration des 
Muskelgewebes, endo- und perivaskuläre WucheruDgeü, Langhanos’sche 
Riesenzellen und ausgedehnte Gewebsnebrosen gekennzeichnet. Die 
Drüsenepithelien der Gebärmutterscbleimbaut können durch mehrfach ge¬ 
schichtete, nicht verhornende Plattenepithelien gutartigen Charakters er¬ 
setzt werden, welche durch indirekte Metaplasie entstanden erklärt werden 
können. Bei diesem Vorgang kommt der luetischen Erkrankung nur 
eine solche ätiologische Rolle zu, wie anderen mit Gewebszerstörung 
einhergehenden pathologischen Prozessen. Die endovaskulären Intima¬ 
wucherungen können bösartige blastomatöse Umwandlung erfahren; aus 
ihnen entstehen dann Gewebe, welche dem Gesetze der Spezifistät ent¬ 
sprechend Geschwulstbildungan des Adergewebes sind, das Bild eines 
ADgiosarkoms darstellen. L. Zunt*. 

de Jong-Paris-. Ovarialveränderungen bei Fibromatosis uteri. 

(Ann. de gyn. et d’obst., 1914, Mai/Juni.) Die Verf. gibt einen Ueber- 
blick über die noch nicht geklärte Frage der Eiistenz einer interstitiellen 
Drüse im Ovar der Frau. Mikroskopische Untersuchungen an 13 Fällen 
sowie die Zusammenstellung aus der Literatur geben ein zweifelhaftes 
Resultat, immerhin scheint ein gesetzmässiger Zusammenhang zwischen 
Periodenstörungen und Veränderungen im Ovar wahrscheinlich. ^ 

A sehn er-Halle: Ueber Morphologie and Funktion des Ovwiw 

unter normalen und pathologischen Verhältnissen. (Arch. f. Gyn., Bd. 10*., 
H. 3.) Die strittige Frage der Bedeutung der interstitiellen Eierstocss- 
drüse wurde durch vergleichende Untersuchungen verschiedener Tier¬ 
klassen zu klären gesucht. Je höher man in der Tierreihe heraufsteigt, 
um so mehr dominiert nicht nur phylogenetisch, sondern auch onto- 
genetisch das Corpus luteum zu Ungunsten der interstitiellen Eierstock- 
drüse. Beim Menschen zeigt sie ihre höchste Entwicklung in den ersten 
Lebensjahren und wird mit dem Eintreten der Menstruation d.h. de» 
C. 1. auf ein Minimum reduziert; nur während der Gravidität findet wieder 
eine Zunahme statt; eine Veränderung bei auf ovarieller Grundlage be¬ 
ruhenden Blutungen Hess sich nicht nachweisen. Es wurde ferner der 
Versuch gemacht, Aenderungen der Ovarialfunktion nach der Abdei 
haldenschen Methode (Abbau von Ovarium durch das Serum) zu studieren. 
In der normalen Schwangerschaft ist ein Abbau von Ovarium oder > ■ 
nicht zu konstatieren, wohl aber in vereinzelten Fällen von Schwanger 
schaftstoxikosen. Negativ war das Ergebnis bei menstruierenden Fraue, 
positiv bei ovariellen Blutungen. Bei Chlorose findet sich ein AM 
von Ovarium und Milz; es erscheint daher therapeutisch die Darreicnn g 
von Präparaten aus diesen Organen zweckmässig. D. Zuntz. 


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14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1921 


E. CI aus s-Hamburg: Ueber Dauererfolge der Sehauta-Werthein- 
sehen Prolapsoperation. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 46.) Vorf. empfiehlt 
zur Heilung grosser Prolapse aufs Wärmste die Schauta-Wertheim’sche 
Operation, von der er auch eine eingehende Beschreibung gibt. Er hat 
in der Klinik von Grote und Prochownik die Operation in 4 Jahren 
62 mal gesehen und sich in 66 pCt. der Fälle von dem guten Resultat 
selbst überzeugt. Rechnet er die Fälle noch hinzu, in denen er über 
das Resultat nur briefliche Nachricht hat, so erhielt er sogar 72 pCt. 
vollständige Erfolge. 

A. Ri eck-Altona-Hamburg: Ueber die Gefahren des Intrauterin¬ 
stiftes. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 45.) Gegenüber den Bemerkungen von 
Opitz in Nr. 37 des Zentralblatts, welcher mehrfaoh üble Folgen von 
der Anwendung des Intrauterinpessars gesehen hat, weist Verf. darauf¬ 
hin, dass er auch keineswegs das Fehling’sche Glaspessar mit den seit¬ 
lichen Oeffoungen empfohlen hat, sondern den kurzen, glatten, geknöpften, 
metallenen Stift. Von diesem hat er bisher nur Vorteile in bezug auf 
die Regulierung der Menses, noch niemals aber die von Opitz beob¬ 
achteten Nachteile gesehen. Siefart. 


Augenheilkunde. 

Igersheimer*. Ueber Skotombildungen und die Bedeutung der 
Lumbalpunktion bei luetischen Erkrankungen des Opticus. Syphilis 
und Auge. (12. Mitt.) (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Viele 
Fälle von Mitbeteiligung des Sehnerven bei Lues verlaufen klinisch 
latent; entsprechend der ausserordentlich häufigen Mitbeteiligung des 
Gentrainervensystems am syphilitischen Krankheitsprozess ist der Seh¬ 
nerv sehr oft mitergriffen, wobei sich die luetischen Granulationen vom 
Chiasma auf den intracraniellen Sehnervenstamm, und zwar von den 
MeniDgen sekundär auf das Nervengewebe fortsetzen. In diesen Fällen 
ist das Gesichtsfeld peripher konzentrisch oder sektorenförmig eingeengt, 
die Papille normal, oder es besteht Neuritis bzw. Stauungspapille. Bis¬ 
weilen besteht aber das Bild der sog. retrobulbären Neuritis mit cen¬ 
tralen Skotomen; es zeigen sich dann auch oft Symptome einer AUge- 
meinerkrankung des Centralnervensystems. Die Entstehung der Opticus¬ 
erkrankung durch Einwandern der Spirochäten vom Chiasma her in den 
Zwischenscheidenraum und Auslösung der Neuritis durch Vordringen bis 
zum peripheren Sehnervenende, wobei das papillo-maculäre Bündel mit¬ 
betroffen wird, wird durch die Pathologie der sog. Neurorecidive gestützt. 
Von Bedeutung für die Pathogenese ist die Liquoruntersuchung, die 
einen luetischen Prozess in dem Centralnervensystem oft genug enthüllt. 
J. weist darauf hin, dass mitunter bei luetischen Sehnervenerkrankungen 
RiDgskotom Vorkommen, ohne dass die Uvea die Ursache hierfür ist. 

Lenz: Die hirnlokaüsatorische Bedeutung der Maculaanssparnng 
im hemianopischen Gesichtsfelde. (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 
u. 2.) L. vertritt die Ansicht, dass eine Vertretung des ganzen Macula¬ 
gebiets in beiden Sehcentren am besten das Erhaltenbleiben derselben 
bei sonst kompletter Hemianopsie (sog. Maculaaussparung) erklärt; diese 
Doppelversorgung beruht nicht auf einer Teilung der macularen Fasern 
im Chiasma, sondern auf einer durch die Mitte des Parietallappens 
ziehenden Kommissurenbahn, die die jederseitigen Sehbahnen miteinander 
verbindet. Nur wenn der Herd central von der Mitte des Scheitel¬ 
lappens liegt — vollständige Durchtrennung der Sehbahn vorausgesetzt 
—, entsteht die Maculaaussparung. Verf. bringt eine Reihe von Fällen, 
die seine Theorie stützen und die ihr gemachten Einwände widerlegen 
sollen. 

K. Böhm: Ein Fall von Membrana popillaris und capsalo-papillaris 
persistens nebst Cataracta polaris anterior, zugleich ein Beitrag zur 
pathologischen Anatomie und Pathogenese des flydrophthalmns con- 
genitns. (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) In dem mikro¬ 
skopisch untersuchten Augapfel fand sich starke Vergrösserung des 
Bulbus, Fehlen des Schlemm’schen Kanals, stellenweise Obliteration des 
Kammerwinkels, Abflachung der vorderen Kammer und ausser anderen 
weniger bedeutungsvollen Veränderungen die im Titel der Arbeit auf¬ 
geführten Anomalien. Dieser Befund spricht gegen die Entzündungs¬ 
theorie des Hydrophthalmus congenitus und für die Annahme, dass er 
primären kongenitalen Missbildungen seine Entstehung verdankt. 

Staehli: Ueber Megalocornea. (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, 
H. 1 u. 2.) Vier Fälle von klinisch reiner Megalocornea ohne die ge¬ 
ringsten Zeichen von infantilem Glaukom. Verf. neigt der Ansicht der¬ 
jenigen zu, die die Megalocornea für einen partiellen Riesenwuchs halten. 

Tamamscheff: Zur Frage der geschützten Papille beim Menschen. 
(Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Mitteilung eines Falles von 
Gfaucoma juvenile heredit. mit Schlitzpupille geringen Grades. Beide 
Anomalien werden auf abnorme Wachstums- bzw. Resorptionsverhältnisse 
des Mesoderms zurückgeführt, die im Kammerwinkel bzw. Schlemm’schen 
Kanal zu lokalisieren sind. 

Kußama: Beiträge zur Kenntnis der Durchblutung der Cornea. 
(Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Von 2 klinisch beobachteten 
Fällen konnte einer mikroskopisch untersucht werden. Die charakte¬ 
ristischen Einlagerungen im Hornhautparenchym färben sich am besten 
nach Mallory; ihr Verhalten gegenüber Oiydasen und Depigmentatoren 
lässt sie als eine Art von Melanosiderin erscheinen. 

Malcolm Mc.Burney: Diffuse (epibulbäre und palpebrale) Car- 
cinose der Conjnnetiva. (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. I u. 2.) Die 
Geschwulst war vom unteren Limbus ausgegangen. Es handelte sich bei 


der 67 Jahre alten Pat. um einen verhornten Plattenepithelkrebs, der 
ein besonderes stark entwickeltes Oberflächenwaohstum aufwies, aber 
auch in das Augeninnere gewuchert war. Das Gewebe in der Umgebung 
der Neubildung zeigte eine beträchtliche entzündliche Reaktion. In 
Lokalanästhesie wurde die Orbita exenteriert. 

Berg: Präretinales Aderhantsarkom (Frühperforation der nicht 
abgelösten Netzhaut). (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Bei 
einer 39 Jahre alten Frau wurde ein frei in den Glaskörper gewuchertes 
Aderhautsarkom festgestellt, das nicht wie gewöhnlich die Retina abge¬ 
löst und sich subretinal vergrössert hatte, vielmehr hatte die Neubildung 
die Retina frühzeitig durchbrochen und war frei in den Glaskörper 
hineingewacbsen. Intra vitam hatte man weniger an eine maligne Neu¬ 
bildung, als an einen intraocularen Cysticereus gedacht. 

Ishihara: Beiträge zur pathologischen Anatomie des metastatischeil 
Carcinoms der Chorioidea. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) 
Beschrieben werden ein Fall von metastatischem Plattenepithelkrebs bei 
primärem Speiseröhrenkrebs und ein Fall von multiplen, isolierten carei- 
nomatösen Capillarembolien der Aderhaut bei Mammacarcinom, in dem 
3 isolierte Tumoren und 11 zerstreute Capillarembolien mit Geschwulst¬ 
zellen festgestellt wurden, jene mit Vorliebe in der Lamina suprachorioi- 
dea, diese in der Choriocapillaris gelegen. 

Komoto: Ueber einen bisher nicht beschriebenen Timor der Con- 
janetiva (Russel’scher Körperchentumor). (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, 
H. 1 u. 2.) Flach erhabener, mehrfach gelappter, grauweisser, ziemlich 
derber Tumor in der Uebergangsstelle, der fast nur aus extra- und inta- 
cellular gelegenen, stark lichtbrechenden Kügelchen besteht, die verschie¬ 
den gross und in Alkohol und Aether unlöslich sind. Sie sind maulbeer- 
oder traubenartig an geordnet und von ausgesprochener Acidophilie, stellen 
also Russel’sche Körperchen dar. Mit Unna leitet K. diese Gebilde von 
dpn Plasmazellen ab. Die Entstehung des Tumors wird auf eine chro¬ 
nische, durch Tabakstaub ausgelöste Entzündung zurückgeführt. Verf. 
konnte feststellen, dass die Russel’schen Körperchen binnen 153 Tagen 
in tuberkulösem Gewebe entstehen. Da die Epitheloidzellen aus den 
Plasmazellen hervorgehen, können sie Russel’sche Körperchen enthalten. 

Köllner: Auffallende Unterschiede im Auftreten der anaphylakti¬ 
schen Hornhautentzündung bei verschiedenen Tieren. (Arch. f. Aughkd., 
Bd. 77, H. 4.) Die zuerst von Wessely erzeugte experimentelle Keratitis 
parencbymatosa anaphylactica lässt sich nicht bei allen Tieren in gleicher 
Weise hervorrufen. Mit Pferde-, Rinder-, Kaninchenserum und Eiereiweiss 
kann man sie ausser bei Kaninchen nur bei Hunden hervorbringen, 
während Meerschweinchen, Katzen und Affen gar nicht oder so atypisch 
reagierten, dass es zweifelhaft ist, ob die beobachteten Veränderungen 
eine lokale Ueberempfindlichkeitsreaktion darstellen. 

Römer und Gebb: Untersuchungen über das biologische Verhalten 
des Blutserums zum Linseneiweiss bei Katarakt. 4. Mitteilung. Das 
Verhalten des Blutserums zum Linseneiweiss bei Altersstar naoh den 
Methoden der passiven Anaphylaxie. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 4.) 
Verff. suchen die Frage zu beantworten, ob die Methode der passiven 
Anaphylaxieübertragung Unterschiede im biologischen Verhalten des 
Serums zum Linseneiweiss bei Starkranken im Vergleich zu Nichtstar¬ 
kranken aufdecken kann. Die Fragestellung erforderte zunächst ein ein¬ 
gehendes experimentelles Studium der passiven Linseneiweiss-Anaphylaxie. 
Es ergab sich, dass diese Methode eine nur unsichere und geringe 
Leistungsfähigkeit beim Nachweis etwaiger spezifischer Antikörper be¬ 
sitzt. Die Versuche, die das Verhalten des Blutserums zum Linseneiweiss 
beim Altersstar auf Grund der passiven Eiweiss-Anaphylaxie zum Vor¬ 
wurf hatten, ergaben, dass in diesen Beziehungen etwas „los 44 ist, dass 
aber dieses Phänomen auch mit dieser biologischen Methode bisher 
wenigstens noch nicht handgreiflich zu fassen ist. 

Koyanagi: Ueber die Lenkocyteninfiltration der Chorioidea bei 
Lenkämie. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) In einem Falle 
von myeloischer und in zwei Fällen von lymphatischer Leukämie fand Verf. 
beträchtliche Anhäufung von Leukocyten im hinteren Abschnitt der 
Aderhaut. Während sich bei der myeloischen Leukämie die Leukocyten 
in den strotzend gefüllten Gefässen fanden, lagen sie bei der lympha¬ 
tischen frei im Stromagewebe. 

P. Heinrichsdorff: Ein Psammom im vorderen Chiasmawinkei. 
(Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Mitteilung eines Falles, in 
dem der kirschgrosse Tumor klinisch keine Sehstörungen gemacht hatte. 

Birkhaeuser*. Optometer zur subjektiven Bestimmung der Refrak¬ 
tion. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) K. Steiudorff. 

Bergmeister-Wien: Ruptur der M. deseemeti mit partieller 
Nekrose der Hornhaut im Gliomauge. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 
1914.) Bei einem Auge mit typischem Glioma exophytum fand sich eine 
Ruptur der M. deseemeti, partielle Nekrose der Hornhaut in den tiefer, 
central gelegenen Schichten und Bindegewebsneubildung oder Trans¬ 
formation der von der M. deseemeti entblössten Hornhauthinterflache. 
Die Berstung ist auf den erhöhten intraocularen Druck zurückzuführen. 
Die Nekrose des Hornhautgewebes lässt sich durch das Vorhandensein 
eines Cytotoxins aus den absterbenden Gliomzellen erklären. Dieses 
Cytotoxin bewirkt ferner den Anreiz der Endothelzellen zur Bindegewebs¬ 
bildung. Als Fernwirkung des Giftes lasst sich eine Sklerosierung der 
die nekrotische Hornhautpartie umgebenden Randteile, sowie eine paren¬ 
chymatöse Keratitis leichten Grades annehmen. Auch die im frühen 
Stadium vorhandene Entzündung der Iris ist eine Toxinwirkung zer¬ 
fallender Gliomzellen. G. Erlanger. 


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1922 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Isohreyt: üeber Aderbantgoschwfilste. (Arcb.f. Aughlk., Bd.77, 
B. 4.) Als 20. zu den bisher veröffentlichten Fällen von Angiom der 
Aderhaut gibt Verf. die Krankengeschichte und die mikroskopische Unter¬ 
suchung bekannt, die einen 17 Jahre alten Patienten betrifft. Das Auge 
war blind, der Fundus nicht sichtbar. Der Tumor nahm mehr als die 
ganze hintere Bulbusbälfte ein, seine Ursprungsstelle war nicht mehr 
festzustellen; er bestand aus Capillaren, die sich zu Kavernen erweitern 
können, und aus vereinzelten Venen und Arterien, die dem Gefässsystem 
der Aderbaut aDgehören. Die Gefässverteilung spricht für eine Ent¬ 
stehung der Geschwulst aus den äusseren Aderhautschichten. An ihrer 
Oberfläche bestanden Verknöcherungen, die in das Tumorgewebe ein¬ 
drangen. 

K. Steindorff: Vitiligo des Lides und Poliosis nach Stampfer 
Verletzung. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Eine jetzt 25 Jahre 
alte Patientin war im Alter von 4—5 Jahren mit der linken Stirnseite 
gegen eine Kommodenecke gestossen. Nach einiger Zeit entfärbte sich 
ein Haarbüschel am Scheitel, ein 1 cm breiter Streifen der Stirnhaut, 
der Brauen, der Haut des Oberlids und der Wimpern beider Lider. 
Haupthaar und Stirnhaut gewannen ihre normale Farbe wieder; die Ent¬ 
färbung von Brauen, Wimpern und Lidhaut blieb bestehen und wird auf 
trophoneurotische Ursachen zurückgeführt. 

v. Speyr: Knpfersplitterverletzung des Glaskörpers. (Klin.Mbl. 
f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Entfernung eines frisch eingedrungenen 
Kupfersplitters in lokaler Anästhesie durch einen meridionalen Leder¬ 
hautschnitt. Nach Aufsaugung bzw. Ausziehung des Wundstars betrug 
die Sehschärfe mit entsprechenden Gläsern 0,8. 

Cramer: Beitrag zur Lehre von den Knochengeschwülsten der 
Orbita. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Protrusion und 
Verlagerung des Augapfels durch eine kugelige, steinharte Geschwulst. 
Sehnerv atrophisch. Eins der auf operativem Wege entfernten Osteome 
entleerte eine grosse Menge pechschwarzer, wässeriger, leicht schlei¬ 
miger Flüssigkeit und sass am Nasenfortsatz des Oberkiefers und des 
Stirnbeins; ein zweiter Tumor wurde aus der SiebbeiozelleDgegend ent¬ 
fernt, ein dritter vom oberen Augenhöhlenrand. Verf. rät, in jedem der¬ 
artigen Falle zu operieren. 

Kazuo Hiwatari: Ueber das Vorkommen des lokalen Amyloids 
in der Tränendrüse. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 4.) Kasuistik. Der 
Tumor stammte von einer 42 Jahre alten Frau. K. Steindorff. 

Foroni-Genua: Ein neues Verfahren zur Beseitigung der Dacryo- 
cystitis. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 1914.) Mit dem Web er’schen 
Messer werden die Tränenkanälchen und die vordere Wand des Saccus 
geschlitzt. Unter Verbreiterung der Oeffnung im Saccus wird das innere 
Lidband durchschnitten. Dann wird mit dem Web er’schen Messerchen 
in den Ductus eingegangen und die Wand desselben in allen Richtungen 
eingeschnitten. Zuletzt Tamponade bis auf die Nase. Dauer der Kur 
2—4 Wochen. Die Erfolge sollen gute sein. G. Erlanger. 

Erdmann-Hannover: Ueber die Wirkung fortgesetzter Snbconjnnc- 
tivaler Injektionen von Nebennierenpräparaten beim Kaninchen und 
ihre therapeutische Verwendung beim Menschen. (Zschr. f. Aughlk., Sept.- 
Oktober 1914.) Der Autor empfiehlt die subconjunctivale Injektion von 
Nebennierenpräparaten, vor allem des Renoforra, bei verschiedenen 
Augenkrankheiten, wie Iritis, Hornhautentzündungen mit sekundärer 
Iritis. Ihre Wirkung ist hauptsächlich eine die Mydriasis unterstützende. 
Es gelingt nicht selten bei Kombination des Nebennierenpräparats mit 
einem Mydriaticum frischere Synechien zu zersprengen, die einem Mydria- 
ticum allein widerstanden. Therapeutisch wirksam ist auch die be¬ 
wirkte Erhöhung des Eiweissgehalls der Vorderkammer, da damit auch 
eine Erhöhung des Antikörpergehalts einbergeht. Die druckherabsetzende 
Wirkung der Präparate lässt sich auch bei Glaucoraa simples verwenden, 
da trotz der Mydriasis eine langdauernde Druckherabsetzung die Folge 
der subconjunctivalen Injektion ist. Allgemeine Symptome werden bei 
Injektion eines 1 j 2 ccm einer 1 prom. Lösung nicht beobachtet. 

G ebb-Greifswald: Chemotherapie in der Augenheilkunde mit Aus¬ 
schluss des Saivarsans. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 1914.) Die 
Arbeit gibt eine Zusammenstellung über die Wirkung der verschiedensten 
chemischen Substanzen auf die Bakterien des Auges. Der Reihe nach 
wird berichtet überWirkungen auf Staphylokokken, Diplobacillen, Pneumo¬ 
kokken, Xerosebacillen, Gonokokken, Trachom, Epitheleinschlüsse und 
andere Bakterien. Besonders hervorgehoben wird der Wert der Anilin¬ 
farbstoffe, der Derivate des Chinins auf Pneumokokken. Neuerdings 
werden auch Anilinfarbstoffe wie Gentianaviolett, Methylviolett usw. zur 
Abtötung des Gonococcus mit gutem Erfolg benutzt. Der Wert des 
Argentum nitricum in der Abtötung der Augenbakterien wird aufs neue 
bestätigt. G. Erlanger. 

M. UribeyTroncoso: Saftströmung im lebenden Auge und in 
anderen Organen und ihre Messung. (Klin. Mbl. f. Augbkd., Bd. 53, 
H. 1 u. 2.) Leber’s Methode, die intraoculare Filtration zu messen, 
fusst auf der falschen Voraussetzung, dass die Menge der in die Vorder¬ 
kammer eingespritzten Flüssigkeit gleich sei derjenigen, die durch die 
vorderen Ciliarvenen austritt. Versuche am lebenden Kaninchen er¬ 
gaben, dass durch den Karamerwinkel durchschnittlich in der Minute 
3,5 cmm Lymphe ausgeschieden werden. Filtrationsversuche am Hoden 
widerlegen die Behauptung von Weiss, dass gleiche Ergebnisse an 
irgendeiner anderen Körperstelle erzielt werden können; hier ist die 
Lymphausscheidung aus den quer durchtrennten Gefässen des Unterbaut¬ 
zellgewebes und den tiefen, bis zur Cremasterfascie durchschnittenen 


Nr. 50. 


Gefässen eine sehr geringe (höchstens 0,6 cmm in der Minute), während 
nach Eröffnung der serösen Hülle eine andauernde Lymphausscheidung 
nachgewiesen werden kann, die beim Kaninchen 3,6 cmm, beim Hände 
12 crom in der Minute beträgt. Also sind die Augenkammern physio¬ 
logisch den Serosac gleich. Der Schlemm’sche Kanal ist kein venö¬ 
ser Sinus, sondern ein Lymphkanal, dessen ausführende Gefässchen 
Lyrophgefässe sind; andere Aestcben, die zu den vorderen Ciliarnerven 
in Beziehung stehen, sollen den Ausfluss der Lymphe bei plötzlicher 
intraocularer Drucksteigerung regeln. Da der Blutdruck in der Regel 
den intraocularen Druck übertrifft, kann das Kammerwasser nicht auf 
diesem Wege abfliessen; ind den Vv. eil. antt. muss sogar der Druck 
während ihres intrascleralen Verlaufs niedriger sein als der Druck in 
der vorderen Augenkammer, und im Schlemm’schen Kanal steigt der 
Binnendruck des Auges plötzlich und übertrifft den in den Irisvenen 
herrschenden Druck, so kann bis zur Normalisierung des Augendrucks 
ein Ausscheidungsstrom durch das venöse System hergestellt werden. 

K. Steindorff. 

Perl mann-Iserlohn: Ueber die Gewöhnung an die Einängigkeit 
und ihren Nachweis. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 1914.) Verf. lehnt 
die Prüfung des Einäugigen hinsichtlich seines Tiefensehens mit den 
gewöhnlichen Stereoskoptometern ab. Sie entspricht nicht den Vorgängen 
beim Zustandekommen der Gewöhnung und nicht den praktischen Be¬ 
dürfnissen des Gutachters. Die Wichtigkeit des Tiefensehens für die 
Erwerbsfähigkeit wird vielfach überschätzt. Die Wiedergewinnung be¬ 
ginnt sofort nach dem Verlust eines Auges. Die Gewöhnung tritt daher 
bei jedem notwendigerweise ein. Die Gewöhnungsfrist beträgt 1 bis 
2 Jahre. Ein Gutachten sollte sich beschränken: 1. auf die nachdrück¬ 
liche Betonung der allgemeinen gesetzlich und wissenschaftlich aus¬ 
reichend begründeten Erfahrung, 2. auf den Nachweis einer ausreichenden 
Gewöhnungsfrist, 3. auf die Feststellung von der Güte und Leistungs¬ 
fähigkeit des verbliebenen Auges, 4. auf den Nachweis, dass auch sonst 
kein Hinderungsgrund für die Gewöhnung vorliegt. Unterstützend könne 
noch verwertet werden: 5. die Lohnverhältnisse, 6. die Arbeitsrerbält- 
nisse, 7. geistige Fähigkeiten, 8. das Lebensalter. G. Erlanger. 

Stumpf: Ueber einige Methoden zur Untersuchung der Angel mit 
Bewegangsreizen. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 4.) Die vom Verf. 
ausgearbeiteten Untersuchungsmethoden operieren mit regelmässigen Be¬ 
wegungsreizen, besonders mit solchen, die starke Bewegungsnachbilder 
geben. Ferner wurde das Erkennen der Bewegungsrichtung bei raschen 
Linienverschiebungen im fovealen Sehen untersucht, wobei die Beob¬ 
achtung maassgebend war, dass bei allmählich gesteigerter Geschwindig¬ 
keit auch unter normalen Verhältnissen das Erkennen der Richtung 
immer unsicherer wird, das Sehfeld aber noch einige Zeit bis zur Er¬ 
reichung der Verschmelzungsfrequenz flimmert. Mit dem von ihm kon¬ 
struierten Bewegungsperimeter stellte Verf. fest, dass das mit Bewegungs¬ 
reizen aufgenommene Gesichtsfeld weiter ist als das, zu dessen Aufnahme 
ruhende Reize verwendet wurden, und zwar besonders in pathologischen 
Fällen. Versuche über das Erkennen der Bewegungsrichtuug im cen¬ 
tralen Sehen ergaben, dass bei sehr raschen Linienverschiebungen das 
Abschätzen der BeweguDgsrichtung aufhört. Obwohl das Beobachtungs¬ 
feld noch flimmert, und dass bei langsameren Linienverschiebungen das 
Aufhören des Flimmerns zusammenfällt mit dem des Richtengerkennens. 

Lechner-. Abnorme willkürliche Augenbewegungen. (Klin. Mbl. 
f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Verf. berichtet über einen Patienten, 
der hinter der bedeckenden Hand das eine Auge abweichen lassen and 
wieder einstellen kann, und zwar ganz willkürlich und stets ohne An¬ 
spannung oder Erschlaffung der Akkommodation. 

Wissmann: Zur Frage der Kombination orgaiiseher lid fuktw- 
neller Erkrankungen. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Bei 
einer 28 Jahre alten Frau sank plötzlich die Sehschärfe des linken Auges 
unter Kopfschmerzen und Schmerzen bei Augenbewegungen; tags darauf 
Amaurose links mit Pupillenstarre (bei erhaltener konsensueller Reaktion) 
und im übrigen normalem Befund; am Ende der 3. Woche beginnen 
Sehvermögen und Pupillenreaktion zurückzukehren, dabei Unscharfe der 
temporalen Papillenhälfte, centrales Farbenskotom. Rechts Klagen über 
SehverschlechteruDg, der objektive Befund ist negativ, das Gesichtsfeld 
konzentrisch eingeengt. Ara Ende der 4. Woche S. = 6 /ie beiderseits, 
prompte Pupillenreaktion. Unter starker psychischer Depression engt 
sich das Gesichtsfeld beider Augen bis auf 10—15° unter totaler Achro- 
matopsie ein. Neurologisch fand sich: links Paresis N. VIII, Babinski-f-, 
Bauchdecken-, Achillessehnenreflex (links) —; Patellar- und Achillesclonus, 
mannigfache Sensibilitätsstörungen. Es bandelt sich um eine Kombi¬ 
nation von Hysterie mit multipler Sklerose; dieser ist der Opticusbefund 
und die Pupillenstarre, jener die konzentrische Gesichtsfeldeinengungen 
und der Sehschärfendbefund zuzuschreiben. Das Verhalten der Sehnen- 
reflexe ist wohl organisch bedingt. 

S. Holtb: Das Kordenperimeter. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd, 53, 
H. 1 u. 2.) „Ein billiges Tascheninstrument für gute Gesichtsfeldunter¬ 
suchungen.“ 

G. H. Sattler: Ein BrillenabstandmesBer. (Klin.MbLf.Aughlk., 
Bd. 53, H. 1 u. 2.) K. Steindorff. 


Militär-Sanitätswesen. 

.. H * Braun-Frankfurt a. M.: Din Schutzimpfung gegen W“ 
abdominalis. (Ther. Mb., 1914, Nr. 11.) Artikel zur Orientierung für 
einen praktischen Arzt bestimmt. 


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Original frum 

UNIVERSITÄT OF IOWA 



14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1923 


G. L. Dreyfus-Frankfurt a. M.: Die Behandlung des Tetanus. 
(Ther. Mh., 1914, Nr. 14.) Verf. schildert in eingehender Weise die 
Therapie. I. Lokal: Breites Spalten der Wunde, Anfrischung der Wund¬ 
ränder, keine Verschorfung. Bier’sche Stauung. Kocher rät Auswaschen 
der Wunde mit Jodtinktur, Verf. ausserdem Austamponieren der Wunde 
mit einem in Tetanustoxin getauchten Tampon. II. Antitoxintherapie. 
Im Kriege sollte bei jeder verdächtigen Wunde eine subcutane Injektion 
in die Umgebung von 20—60 Antitoxineinheiten am Tage der Verletzung 
vorgenommen werden, 1—2 Tage nach der Verletzung muss man höhere 
Dosen nehmen. Kurativ bei ausgebrochenem Tetanus genügt die sub¬ 
cutane Injektion nicht, da müssen 1. intravenös 100—30Ö A.-E., 2. intra¬ 
lumbal 100—150 A.-E., 3. endoneural 100—200 A.-E., 4. lokal 50 bis 
100 A.-E. täglich, also 500—800 A.-E. und das wiederholt 6—8 Tage 
lang gemacht werden. Symptomatische Behandlung durch Narkotica, 
Morphium, Scopolamin, Chloral, Veronal, Luminal, das letztere empfiehlt 
Verf. warm. Die Behandlung mit Magnesiumsulfat, angegeben durch 
Meitzer und Auer, geprüft durch Theodor Kocher, Blake und 
Logan, ist eine rein symptomatische Therapie auf eine elektive Lähmung 
des Nervensystems gerichtet. Garboisäureinjektion nach Bacelli: 0,5 
bis 1,5 g Phenol pro die verdient Nachprüfung. 

G. L. Tenenbaum. 


Unfallheilkunde und Versicherungswesen. 

Quensei-Leipzig: Gehirnsyphilis nach Gehirnerschütterung, Tod 
durch progressive Paralyse nach 15 Jahren als Unfallfolge. (Mschr. f. 
Unfallhlk., 1914, Nr. 8.) 

Marcus-Posen: Mitteiluugen eines Falles von Gefässkrampf. (Mschr. 
f. Unfallhlk., 1914, Nr. 9.) M. beschreibt einen sehr merkwürdigen 
traumatisch entstandenen Fall von Gefässkrampf. Beim Heben einer 
schweren Kanne bekam ein Arbeiter plötzlich einen Stich in den linken 
Oberarm, der sofort kraftlos herabsank, ein bläulich weisses Aussehen 
zeigte und sich kühl anfühlte. Ein Arzt stellte noch am selben Tage 
fest, dass der Puls weder an der Radialis, noch an der Ellenbeuge zu 
fühlen war, sondern erst in der Achselhöhle. Der ganze Arm war pare- 
tiscb. Da sowohl eine Zerreissung der Brachialis wie eine Embolie und 
eine Thrombose auszuschliessen waren, nahm M. einen traumatisch ent¬ 
standenen Gefässkrampf an, zumal der Verletzte schon vorher jahrelang 
zeitweise Schmerzen und Schwäche im linken Arm gefühlt hatte. 

Melehior-Breslau: Ulcus dnodeni and Trauma. (Mschr. f. Unfallhlk., 
1914, Nr. 8.) M. bespricht ausführlich die Beziehungen des Ulcus duo- 
deni zum Trauma. Bei akuten Geschwürsbildungen spielen septische 
Prozesse die wichtigste Rolle. Auch können bis dahin latente Geschwüre 
unter dem Einfluss einer septischen Schädigung progredient werden. 
Die akuten Duodenalgeschwüre nach Verbrennungen sind wahrscheinlich 
nur ein Sonderfall der septischen Duodenalgeschwüre. Auch ein opera¬ 
tiver Eingriff kann das vermittelnde Zwischenglied zwischen infektiöser 
Primäraffektion und Geschwürsbildung bilden. Nach Inzision von Ab- 
scessen, Laparotomien bei Peritonitis, sowie nach Amputationen, ferner 
nach Eingriffen innerhalb der Bauchhöhle sind Duodenalgeschwüre beob¬ 
achtet worden. Die Entstehung von Duodenalgeschwüren durch direktes 
Trauma der Darmwand ist sehr selten. Bereits vorhandene chronische 
Ulcera des Duodenums können unter dem Einfluss eines äusseren Traumas 
perforieren. Da nach v. Bergmann das Ulcus duodeni auch auf nervöser 
Basis entstehen kann, wird eventuell auch dem psychischen Trauma 
eine Rolle zukommen. 

Thiem-Gottbus: Besserung durch Gewöhnung bei einem Brach in 
der Mittellinie des B&aches (Herma lineae albae). (Mschr. f. Unfallhlk., 
1914, Nr. 8.) Auf Grund eines Gutachtens von Thiem wurde die 
25 proz. Rente eines Arbeiters, der eine Hernie der Linea alba auf 
traumatischem Wege bekommen hatte, auf 15 pCt. herabgesetzt, weil 
das Netz an der Bruchpforte angewachsen war und eine Besserung durch 
Gewöhnung anzunehmen sei. Das Oberversicherungsamt erklärte, dass 
eine Gewöhnung an Bruohfolgen nioht möglich wäre, das Reiohsver- 
sicherungsamt aber nahm doch eine Besserung des Zustandes an und 
setzte die Rente auf 15 pCt. herab, weil der Verletzte das Bruchband 
nur noch tragen brauchte, um ein weiteres Vordringen des Bruches zu 
verhindern. H. Hirschfeld. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Vereinigte ärztliche Gesellschaften. 

Berliner medizinische Gesellschaft. 

(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 25. November 1914. 

Vorsitzender: Herr Orth. 

Schriftführer: Herr Israel. 

Vorsitzender: Ich habe eine Anzahl geschäftlicher Mitteilungen 
zu machen, die teils die Vereinigten Gesellschaften betreffen, teils die 
Medizinische Gesellschaft allein. 

Was die Vereinigten Gesellschaften betrifft, so habe ich im Namen 
der Vorsitzenden der verschiedenen Gesellschaften die Bitte auszu¬ 
sprechen, es möchten in den Tageszeitungen keine Berichte über unsere 
Sitzungen veröffentlicht werden. Es kommen hier jetzt allerhand Dinge 


zur Sprache, kriegsärztliche Fragen und ähnliches, die, wie einige Mit¬ 
glieder meinen, vielleicht zu unangenehmen Erörterungen führen könnten. 
Jedenfalls ist in der Medizinischen Gesellschaft schon lange immer dieser 
Wunsch geäussert worden, und ich entledige mich also des Auftrages, 
ihn auch für die Vereinigten Gesellschaften hier auszusprechen. 

Ich habe weiter darauf hinzuweisen, was ja eigentlich nur eine 
Konsequenz dessen ist, was ich das vorige Mal mitteilte, dass die Dis¬ 
kussionen zu den Vorträgen gehören, d. h., wenn der Vortrag in einer 
bestimmten Zeitschrift der betreffenden Gesellschaft veröffentlicht wird, 
so wird auch die Diskussion in jener Zeitschrift veröffentlicht. Ich mache 
es aber bekannt, damit diejenigen, die einer anderen Gesellschaft an- 
gehöreo, wissen, dass ihre Diskussionsbemerkungen eventuell in einer 
anderen Zeitschrift veröffentlicht werdeD, in der sonst die Veröffent¬ 
lichungen der Berliner medizinischen Gesellschaft nicht stehen. 

Ich habe dann, die Medizinische Gesellschaft betreffend, mitzuteilen, 
dass Herr Eulenburg für den Glückwunsch zu seinem 50jährigen 
Dozentenjubiläum gedankt hat Herr Geheimer Sanitätsrat Dr. Gütt¬ 
in an n, Mitglied seit 1888, ist krankheitshalber ausgeschieden. 

Durch ein nicht klargestelltes Versehen ist in der Juli-Sitzung be- 
kanntgemaebt worden, dass Herr Geheimer Sanitätsrat Dr. A. Jung 
gestorben sei. Er hat in einem sehr launigen Briefe mir mitgeteilt, 
dass er noch lebt und sich seines Lebens freut. Nun, es ist bekannt: 
wer totgesagt ist und noch lebt, der lebt recht lange. Wir wollen 
Herrn Geheimrat Jung wünschen, dass dies auch auf ihn zutrifft. 

Vor der Tagesordnung. 

1. Hr. Backy: 

Die Röntgensekandärstrahlenblende als Hilfsmittel für die Lokali¬ 
sation von Geschossen. 

(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.) 

2. Hr. M. Rothmann: Zar Symptomatologie der Stirnhirnschasse. 

Uns Neurologen strömt augenblicklich das Material in überreicher Fülle 
zu, und es ist uns eine wehmütige Genugtuung, dass wir in dieser 
Weise jetzt unsere Kraft in den Dienst des Vaterlandes stellen können. War 
doch in Deutschland bisher an den Universitäten und den Kranken¬ 
häusern die Neurologie noch nicht als ein selbständiges Fach anerkannt. 

Ich möchte Ihnen heute drei Fälle von Stirnhirnschüssen vorstellen. 
Sie wissen ja, dass das Stirnhirn, das in seiner gewaltigen Entwicklung 
eine spezifische Eigentümlichkeit des Menschen darstellt, noch zu den 
unerforschtesten Gebieten des Grosshirns gehört. 

Zunächst zeige ich Ihnen zwei Patienten aus der äusseren Ab¬ 
teilung des Krankenhauses am Urban (Prof. Brentano), die beide im 
Gebiet der Sprache Störungen durch Stirnhirnschüsse davongetragen 
haben. Solche Fälle, wie ich sie Ihnen heute in noch unerledigtem, 
d. h. in funktionell nicht ausgeheiltem Zustande zeige, sind ja auch 
prinzipiell für die ganze flirnphysiologie ungeheuer wichtig, weil wir 
hier junge, gesunde, durch die Schuss Verletzung geschädigte Gehirne vor 
uns haben, und nicht kranke, duroh Arteriosklerose, Blutung oder Er¬ 
weichung beeinträchtigte Gehirne, die dann die irrigen Vorstellungen von 
ifier Diaschisis, von der eventuell jahrelang bestehenden Stillegung der 
Funktion der Hirncentren u. a. m. veranlasst haben. 

Der erste Patient hat am 10. IX. einen Streifschuss an dör linken 
Kopfhälfte bekommen, einen Granatsplitter wahrscheinlich, der in weitem 
Umfange eine Knochenverletzung bewirkt hat. Da er der Sprache be¬ 
raubt war, wissen wir über die erste Behandlung so gut wie gar nichts. 
Jetzt hat er hier an dieser Stelle, wo jetzt noch das Pflaster darauf 
liegt, 8 cm oberhalb des oberen vorderen Ohrrandes, einen pulsierenden 
Knocbendefekt, der auch auf dem Röntgenbild deutlich hervortritt. 

Dieser Patient hatte sofort nach der Verletzung die Sprache absolut 
verloren bei erhaltenem Wortverständnis. Er hat jetzt eine leichte Parese 
des reohten Arms, daneben eine Parese des rechten unteren Facialis 
und auch des rechten motorischen Trigeminusastes. Der Masseter ist 
schwach und die Pterygoidei zeigen leichte Parese. Auch das rechte 
Stimmband zeigt jetzt noch, nach zwei Monaten, eine leichte Schwäche 
und einen etwas tieferen Stand als das linke. Das alles weist darauf 
hin, dass die Verletzung bei diesem Manne wahrscheinlich den Fuss der 
dritten Stirnwindung befallen hat, der trotz aller Einwendungen Pierre 
Marie’s und anderer mit der motorischen Sprachfunktion zusammen¬ 
hängt, und zugleich den vorderen Teil des Operculum. 

In der letzten Zeit hat bei intensiver Uebung eine Restitution der 
Sprache eingesetzt. Einzelne Worte werden, vor allem beim Nachsprechen, 
bereits herausgebracht. Auch bei der Uebung des Reihensprechens 
kommen Zahlen, Wochentage usw., wenn auch mühsam und fehlerhaft, 
bereits heraus. Die Sprache fängt also allmählich an, sich zu ent* 
wickeln. Dass der Patient seine Sprache weitgehend wiederbekommen 
wird, kann man auch daraus schliessen, dass er imstande ist, die Zahl 
der Silben eines Wortes anzugeben (Liohtheim-Döjerine’sche Probe). 
(Demonstration.) Er hat mit anderen Worten eine innere Sprache. 

Das Schreiben mit beiden Händen ist gleichfalls, bis auf Spuren, 
aufgehoben. Doch kann Patient kleinere Worte aus Patentbuchstaben 
zusammensetzen und mit Verständnis lesen. 

Am rechten Arm machen sioh apraktische Störungen bemerkbar. 
Die Richtungslinien beider Arme sind normal. Dagegen greift der rechte 
Arm beim »Greifversuch“ zu tief und zu weit. (Wird an Arm- und Hand¬ 
bewegungen demonstriert). Es handelt sich hier also um einen Patienten 
mit fast annähernd reiner oorticaler motorischer Aphasie (Broca), mit 
leichten rechtsseitigen Paresen in Kopf- und Armgebiet. 


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Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 





1924 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 60. 


Der zweite Patient hier hat einen Schuss bekommen, der oberhalb 
des linken Auges hineingegangen und oberhalb des linken Ohrs hinaus¬ 
gegangen ist. Auch ihn hat mir Herr Kollege Brentano vom Kranken¬ 
haus am Urban überwiesen, dem ich meinen Dank ausspreche. 

Der Patient ist wahrscheinlich Mitte September verletzt worden. 

Er bekam sofort ein absolut aufgehobenes Wortverständnis. Auch jetzt 
sind erst geringe Spuren von Wortverständnis wiedergekehrt. Er spricht 
spontan fliessend, aber er spricht Unsinn. Es besteht bei ihm eine 
Jargonaphasie, weil er nioht durch sein Wortverständniscentrum die 
Sprache regulieren kann, obwohl die Centren seiner Sprachmuskulatur 
und sein motorisches Sprachcentrum erhalten sind. Manchmal bringt er 
ganz richtige einzelne Worte heraus, aber er kann sie nieht richtig zu 
Sätzen formen. Dieser Patient ist absolut nicht gelähmt. Natürlich 
kann man bei dem fehlenden Wortverständnis nicht prüfen, ob er aprak- 
tische Störungen zeigt. Doch ist der stereognostiscbe Sinn zweifellos 
erhalten; ja, gelegentlich wird durch das Gefühl der Hand das richtige 
Wort, z. B. „Messer“, ansgelöst. Es besteht auch völlige Jargonagraphie. 
Das Lesevermögen ist aufgehoben bei intaktem Sehen. Hier handelt es 
sich um einen Fall von corticaler sensorischer Aphasie (Wernicke) ohne 
Lähmung. Das Geschoss, das hier offenbar ein Streifschuss gewesen ist, 
muss in dem hinteren Teil der ersten Schläfenwindung eine Verletzung 
gemacht haben. Weitgehende Restitution ist zu erwarten; denn bei 
Fällen von sensorischer Aphasie tritt das rechtsseitige Sprachcentrum 
nach unseren Erfahrungen viel schneller für das linksseitige ein als bei * 
der motorischen Aphasie. 

Den dritten Patienten, der vielleicht den interessantesten Fall dar¬ 
bietet, verdanke ich Herrn Dr. Carsten. Er erhielt am 10. September 
einen Granatsplitter gegen die linke Stirn. Nach Entfernung eines 
Knochensplitters blieb ein tiefes Loch etwa inder Höhe der 2. Stirnwin- 
dung. Auf dem Röntgenbilde ist nur eine kleine Verletzung des Knochens 
zu erkennen. | 

Der Patient hatte im Anfang ganz leichte psychische Störungen, j 
Er war eigentümlich träge. Noch wie ich ihn zuerst sah, dauerte es 
einige Zeit, bis er, wenn man ihn befragte, trotz guten Verständnisses 
antworten konnte. Jetzt antwortet er ganz prompt. (Demonstration.) 
Die Sprache ist vollkommen intakt. Der Patient hat auch keine Apraxie; 
er kann den rechten Arm frei bewegen. 

Nun haben wir in neuerer Zeit durch die Bäräny’schen Unter¬ 
suchungen gelernt, auf die Richtungsstörungen zu achten. Der Patient 
weicht mit dem linken Arm von unten und oben etwas nach innen ab; 
mit dem rechten Arm weicht er stark nach aussen ab. Streckt er beide 
Arme ruhig aus, so werden Sie bemerken, dass dieselben ganz allmählich 
immer weiter nach rechts abgelenkt werden. Wenn ich ihn auffordere, 
mit geschlossenen Augen zu gehen, so sehen Sie, dass er stark nach 
rechts abweicht. Damit sehen Sie wieder bestätigt, was zum ersten Mal 
mein grosser unvergesslicher Lehrer Hermann Munk gezeigt und trotz 
aller Einwände siegreich verfochten hat, dass im Stirnhirn ein Gleich¬ 
gewichtsorgan und das Rindencentrum der Rumpfmuskulatur sich be¬ 
findet. Bei linksseitiger Stirnhirnstörung muss der Patient daher nach 
rechts abweichen. 

Nun habe ich in neuerer Zeit in die Neurologie eine Prüfung mit 
den Armen eingeführt, die ausserordentlich einfach ist und sehr inter¬ 
essante Ergebnisse zeitigt, den „Greifversuch“, den ich bereits bei dem 
vorigen Patienten kurz demonstriert habe. Ich konnte zum erstenmal 
an einem operativen Falle im Gebiet des Gyrus supramarginalis zeigen, 
dass auch bei Läsionen der Grosshirnrinde Richtungsstörungen der Ex¬ 
tremitäten auftreten, nicht nur bei Kleinhirnstörungen. Ferner konnte 
ich beim Affen zeigen, dass, wenn man den Gyrus supramarginalis und 
die hintere Centralwindung zusammen exstirpiert, trotz normalen Sehens 
die Tiere mit offenen Augen mit dem gekreuzten Arm falsch in den 
Raum hineingreifeD, so dass sie nicht imstande sind, vorgehaltenes Futter 
zu greifen. Jetzt aber mache ich die Erfahrung beim Menschen, dass, 
abgesehen von diesem Richtungscentrum hinter dem Sulcus centralis, 
vor der vorderen Centralwindung in Verbindung mit diesem Rumpf- und 
Gleichgewichtscentrum des Körpers auch ein Gleichgewichtscentrum für 
die Arme existiert (Demonstration). Bei unserem Patienten greift der 
rechte Arm bei geschlossenen Augen weit nach rechts und vorn an den 
Gegenständen vorbei. Dabei ist das Schreib- und ZeiohenvermÖgen des 
Patienten nicht gestört. 

Diese Störung nun, die sich am rechten Arm zeigt, kann man auch 
am rechten Bein nachweisen und, wie ich Ihnen zeigen kann, auch am 
Kopf (Demonstration). Auch in der Kopfmuskulatur ist diese Abweichung 
nach rechts ganz deutlich ausgeprägt. 

Diese Störung des Greifversuchs ist nun ein ausserordentlich häufiges 
Symptom. Ich habe jetzt bereits eine grosse Summe von Hemiplegien 
daraufhin untersucht. Das Ergebnis ist, dass viele Patienten, die an¬ 
scheinend keine Lähmung mehr haben, beim Greifversuch eine schwere 
Störung zeigen. Bei unserem Patienten ist diese Störung nicht mit 
einer Schreibstörung verbunden. Andere Patienten dagegen zeigen 
neben dem pathologischen Greifversuch, trotzdem die Sprache erhalten 
ist, eine ausgeprägte Schreibstörung. Wahrscheinlich ist der Sitz der 
Störung in der zweiten Stirnwindung zu suchen. Hier in dieser Gegend 
(zeigend) wird wahrscheinlich auch die Lokalisation bei unserem Patienten 
sitzen. Sitzt der Herd etwas weiter nach vorn, so dürfte es wahrschein¬ 
lich nur zur Richtungsstörung des Armes und zu Störungen beim Greif¬ 
versuch kommen. Greift diese Störung weiter nach hinten in die linke 
zweite Stirnwindung ein, so ist die Störung mit einer isolierten Agraphie 
verbunden. 


Sie sehen an diesen 3 Fällen, die ich Ihnen heute gezeigt habe, 
dass, so furchtbar dieser Krieg in seinen Verwüstungen ist, er uns ge¬ 
stattet, grundlegende Erfahrungen zu sammeln, die wir sonst nur ausser¬ 
ordentlich selten und nicht in derartig reinen Formen zu machen im¬ 
stande sind, und dass wir dadurch befähigt werden, die Hirnlokalisation 
und damit auch die Hirnchirurgie in ganz ungeahnter Weist zu fördern. 

3. Hr. William Levy: Verletzung der Lunge durch Gewehmhnss. 

An dieser rechten Lunge eines russischen Infanteristen, die ich mir 
erlaube Ihnen vorzulegen, zeige ich Ihnen die Zerstörungen, welche ein 
Gewehrschuss aus 600 Schritt Entfernung gemacht bat. Ich glaube, 
dass das Präparat Interesse haben wird für diejenigen Herren Kollegen, 
welche jetzt zu kriegschirurgisoher Tätigkeit Gelegenheit haben. Denn 
Gewehrschüsse durch die Lunge klinisoh zu beobachten, haben wir jetzt 
häufig Gelegenheit; Sektionen bei diesen Verletzungen zu machen aber 
recht selten. 

Die Gewehrschüsse durch die Lungen, die wir in unserem Lazarett 
beobachteten, verliefen ausserordentlich günstig. Meist gingen die Ver¬ 
letzten, wenn sie 4—5 Tage nach der Verletzung zu uns kamen, ohne 
Beschwerden herum. Ein kleiner fester Schorf haftete auf Einschuss- 
und Ausschussöffnung; sie hatten kaum zu klagen, selbst wenn das 
Projektil dicht beim Herzen vorbeigegangen war, wenn es die Leber¬ 
kuppe gestreift und zu unserer Ueberraschung oft genug auch dann 
nicht, wenn — wie das Röntgenbild zeigte — eine oder mehrere Rippen 
zersplittert waren. In einer Anzahl von Fällen entwickelten sich nach 
Lungensohüssen Pleuraergüsse; die trübe blutigseröse Flüssigkeit stieg 
schnell bis zur Höhe der Schultergräte oder auch noch höher an. Wir 
haben die Leute für einige Zeit in die Betten gesteckt; die Ergüsse 
haben sich dann ebenso schnell zurückgebildet, wie sie gekommen waren. 

So hatteo wir nach Gewehrschüssen durch die Lunge nur Gelegen¬ 
heit zu Sektionen, wenn die Verletzten an Komplikationen zugrunde 
gingen, ln zwei Fällen führte Verletzung des Rückenmarks zum Tode; 
in dem Falle, von dem dieses Präparat stammt, schwere Infektion, mit 
der der Kranke eingeliefert wurde. Schon bei seiner Aufnahme machte 
er den Eindruck eines Schwerkranken. Er warf geballte, blutdurch- 
trankte Sputa aus, fieberte hoch, hatte schnellen und kleinen Puls. 

5 Tage vorher hatten ihn in 5 Minuten drei Gewehrschüsse ge¬ 
troffen. Der eine ging durch den rechten Unterschenkel. Die Wunde 
sah gut aus, kleiner Einschuss und Ausschuss, beide Unterschenkel¬ 
knochen zersplittert. An der rechten Hand war der vierte und fünfte 
Finger zerfetzt; die Wunde schmierig, übelriechend. Ein dritter Schuss 
war von links oben nach reohts unten gegangen. Das Projektil hatte 
den linken Unterkieferwinkel gestreift, war in das rechte Sternoclavi- 
culargelenk ein getreten und ausgetreten am unteren Rande des rechten 
grossen Brustmuskels in Höhe der Brustwarze. Ueber diesem Muskel 
war die Haut emphysematos, die zweite bis vierte Rippe waren ge¬ 
brochen; Einschuss- und Ausschussöffnung groschengross, übelriechend, 
stark jauchend. Der Kranke lebte nur wenige Tage; er fieberte an¬ 
dauernd hoob, am letzten Tage entwickelte sich Trismus. Bei der 
Sektion (Prof. Ben da) fanden sich metastatische Herde in der linken 
Lunge. Wie Sie an dem Präparat sehen, hat das Geschoss aus der 
vierten rechten Rippe in Splittern ein 2 cm langes Stück heraus¬ 
geschlagen. An der rechten Lunge sehen Sie an der Vorderfläche des 
Oberlappens einen Streifschuss. Aber das Projektil hat nicht, wie vir 
es oft seheD, eine schmale Rinne mit glatten Rändern gemacht, diese 
Rinnen sind oft so schmal, dass sie kaum dem Kaliber des Projektils 
entsprechen. Hier sehen Sie eine breite Furche mit zerfetzten Rändern 
und besonders im oberen Abschnitt mit weit ausgebuchtetem Grunde, 
und von der vierten Rippe sind Knochensplitter tief in das verletzte 
Lungengewebe eingedrungen. 

Tagesordnung. 

Hr. Morgenroth: Die Chemotherapie der PnenmokokkeoiBfektioi. 

(Ist in Nr. 47 und 48 dieser Wooheusohrift bereits abgedruckt.) 


Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie zu Berlin. 

Sitzung vom 13. November 1914. 

Vorsitzender: Herr Franz. 

1. Der Vorsitzende hält einen in warmen Worten gehaltenen Nach¬ 
ruf für die verstorbenen Mitglieder Fassbender, Bunge und Gott¬ 
schalk und erinnert auch an deren Verdienste um die Wissenschaft. 

2. Betreffs der Sitzungen während der Kriegszeit wird auf Antrag 

Franz und Rüge beschlossen, dass die Gesellschaft ihre Sitzungen 
weiterhin für sich, aber nur alle 4 Woeben abhält. , 

3. Hr. Aschheim zeigt einen Ovarialtumor, der verkalkt ist uoa 
bis auf eine einzige Testierende Cyste aus Knochengewebe besteht. Ua 
hierzu niemand das Wort ergreift, sohliesst der Vortragende gleich seinen 
Vortrag „Zur Histologie des Endometriums“ an. 

Vortr. hat vor einem Jahre den Glykogengehalt des EDdometnuo 
in der prämenstruellen Phase demonstriert. Er hatte damals oie 
Osmiummethode angewendet, die sich aber für grössere Stücke me 
eignet. Weiter kommt man, wenn man die Stücke gefrieren lasst un 
daun einbettet. Er hat sich jetzt mit den hier vorkommenden 
stoffen befasst, die er kurzweg als Lipoide bezeichnet. Diese ° 
finden sich im Epithel, in den Lumina der Drüsen und im Stroma, . 
als Tropfen, teils als Körnchen, teils als Sand. Er hat 196 ra e 


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14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1926 


Intervall, wahrend der Menses und kurz nachher untersucht. Es wurden 
67 mal die Drüsen ohne Fett gefunden, 47 mal FettkÖrnohen oder Fett¬ 
stäubchen. Fetttröpfohen enthielten insgesamt nur lOpCt. der Fälle. 
Ganz anders war der Befund in der prämenstruellen Phase, wo sich in 
80pCt. der Fälle Fetttröpfchen fanden, und während der Menses, wo 
fast stets Stäubchen oder Körnchen sich fanden. Das Merkwürdigste 
ist, dass sich nicht finden lässt, woher das Fett eigentlich stammt. Da 
sich fettige Degeneration nicht beweisen lässt, sind es vielleicht nur 
Stoffwecbselprodukte. Dementsprechend auch der Hanptbefund in der 
prämenstruellen Phase. Wenn die Lipoide Rückbildungsprodukte dar¬ 
stellen, weshalb sollte dann schon die Decidua degenerieren? Daher 
nimmt man an, dass diese Stoffe ebenso wie das Glykogen der Ernährung 
des Fötus dienen. Was aber bedeuten diese Stoffe in der prämen- 
struierenden Phase? Nach neueren Untersuchungen ist erwiesen, dass 
die Uterusschleimhaut mit den Menses Arsen, Phosphor und Kalk aus¬ 
scheidet, und dem Glykogen kommt eine giftbindende Eigenschaft zu; 
es ist also anzunehmen, dass die Uterusschleimhaut ein mächtiges ex- 
kretorisches Organ ist. Ferner ist es nicht so fern anzunehmen, dass 
die Decidua speziell, aber auch die normale Schleimhaut innersekre¬ 
torische Eigenschaften hat. Ein Beweis dafür ist noch nicht geliefert. 

4. Gemeinsame Erörterung über Mutterfdrsorge im Kriege. 

Hierzu erteilt der Vorsitzende Hrn. Strassmann als Urheber dieses 
Punktes der Tagesordnung das Wort. Derselbe bespricht des längeren, 
ob und in welcher Weise die Gesellschaft oder das einzelne Mitglied 
helfen könnte durch Zurverfügungstellung von Betten für Frauen, deren 
Männer im Kriege sind. Demgegenüber stellen HHr. Franz, Koblank 
und Keller fest, dass in allen öffentlichen Gebäranstalten noch absolut 
kein Mangel an Betten ist, dass im Gegenteil die vorhandenen noch gar 
nicht einmal besetzt sind, und Hr. Czempin bemerkt, dass das Rote 
Kreuz sich mit dieser Flrage bereits befasst hat. Entgegen einem Vor¬ 
schlag von Hrn. Schaffer, dass die Gesellschaft für diesen Zweck von 
ihrem Vermögen etwas geben solle, bemerkt Hr. Rüge als Kassenführer, 
dass die Gesellschaft keineswegs dazu in der Lage sei. 

Daraufhin wird der Vorschlag, über die Anträge in diesem Sinne 
zur Tagesordnung überzugehen, angenommen. Siefart. 


Gesellschaft für innere Medizin nnd Kinderheilkunde zn Wien. 

Sitzung der pädiatrischen Sektion vom 12. November 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Unger demonstriert ein 14 Tage altes Kind mit Asymmetrie 
des Rumpfes und mehrfachen Missbildungen. 

Das Kind wiegt 2850 g und ist 56 cm lang. Die beiden unteren 
Extremitäten sind verkümmert, der rechte Unterarm ist abgeschnürt, der 
Processus vaginalis ist offen. Die Missbildungen sind auf einen fast 
vollständigen Mangel an Fruchtwasser zurückzuführen; das Kind hat sich 
in einem Horn eines Uterus bicornis entwickelt. 

Frau Hirsch zeigt das anatomische Präparat einer Oesophagns- 
Tr&chealflstel. 

Hr. Schick demonstriert aus der Kinderklinik einen 12 jährigen 
Knaben mit progressiver Paralyse. 

* Der Knabe hat sich bis zum 8. Lebensjahre gut entwickelt, seither 
wurde er zunehmend apathisch, zeigte Sprach- und Gehstörungen. Der 
Zustand hat sich wesentlich verschlechtert, die Intelligenz ist sehr ge- 
gestört, der Knabe kann nur inartikuliert sprechen, die unteren Ex¬ 
tremitäten sind spastisch gelähmt, die Sehnenreflexe hochgradig ge¬ 
steigert, die Bauchdeckenreflexe fehlen. Die Pupillen sind ungleich 
weit und reaktionslos. Die Wassermann’sche Reaktion ist im Blute 
positiv, ebenso auch bei der Mutter. Der Vater ist an Tabes ge¬ 
storben. Es liegt ein Fall von juveniler progressiver Paralyse mit sehr 
frühzeitigem Beginn vor. 

Hr. Schick demonstriert einen 9 Monate alten Zwilling mit Myx¬ 
ödem, während der andere Zwilling gesund ist. 

Das Kind war anfangs lebhaft, am Ende des 3. Lebensmonates 
wurde es interesselos, es schwitzt nicht, hat eine grosse Zunge, ist auch 
sonst in der Entwicklung zurückgeblieben. Die Fontanelle hat 3 cm 
Durchmesser, Zähne fehlen. Jetzt ist der Zustand infolge der einge¬ 
leiteten Thyreoideatherapie etwas gebessert. Da das Kind bei der Geburt 
kein Symptom von Myxödem gezeigt hat, musste die Schilddrüse der 
Mutter für die Funktion der kindlichen Schilddrüse vikariierend ein¬ 
getreten sein. 

Hr. Januschke stellt einen Fall von Bromoderma vor. 

Ein mit Bromnatrium behandeltes epileptisches Mädchen bekommt 
in der letzten Zeit warzenartige Hautwucherungen. Der Versuch einer 
Beseitigung derselben ohne Unterbrechung der Bromzufuhr ist eingeleitet. 

Hr. Jana8chke bespricht die Wirkung der eiweiss-fettfreien Kost 
hei der Behandling insuffizienter Herzen und demonstriert Kurven 
von 3 Fällen. 

Es wurden neben Digifolinbehandlung eiweiss-fettfreie oder eiweiss¬ 
fettarme Tage in die fleischfreie Kost eingeschaltet; die Kost bestand 
an solchen Tagen in 100—140 g Dextrose in Tee oder Limonade allein 
oder mit drei Semmeln, einigen Kakes und Gemüse, Suppe und Obst 
(aber keine Leguminosen). Die Kompensation trat überraschend schnell 
ein nnd, digitalisrefraktäre Herzen reagierten wieder auf Digitalis. Die 
Diät kann noch dort Erfolg bringen, wo die Karrel’sche Milchkur 
versagt. 


Hr. v. Pirquet demonstriert ein von Lewinsohn angegebenes 
Mundspatel für Säuglinge. Ferner zeigt er eine Trikothinde zum Er¬ 
satz der Nabelbinde. 

Hr. v. Pirquet: 

Zusammenhang zwischen der Länge nnd dem Gewichte bei Kindern. 

Dieser Zusammenhang wurde bisher vernachlässigt. Vortr. bat mit 
dem von ihm angegebenen Maassbande, für welches die Kammerer’schen 
Zahlen verwendet wurdeD, Versuche angestellt. Es ergab sich im all¬ 
gemeinen, dass Kinder, welche dieselbe Länge haben, einander auch in 
bezug auf die übrigen Dimensionen ziemlich ähnlioh sind, ausgenommen 
den Fett- und Muskelansatz. Bei Benutzung des Messbandes wurde 
konstatiert, dass die für Würzburg gültigen Kammerer’schen Zahlen 
für Wien nicht ganz stimmen. Vortr. ist damit beschäftigt, diese 
Zahlen für die Wiener Verhältnisse festzustellen. Es wurden bisher 
diese Untersuchungen bei Neugeborenen durchgeführt, und zwar an 
200 Knaben und 200 Mädchen an der Klinik Schauta. Von den 
200 Knaben maass der kürzeste 43 cm, der längste 53 cm, bei den 
Mädchen sind die betreffenden Maasse 44 und 52. Die meisten 
Mädchen (60) hatten eine Körperlänge von 49 cm, 19 eine solche von 
50 cm. Von den Knaben batten 42 eine Länge von 49 cm und 44 eine 
solche von 50 cm. Die Knaben sind im Durchsohnitt um 1 cm länger 
als die Mädchen. Bezüglich des Gewichtes ergab sich, dass einer be¬ 
stimmten Länge auch ein bestimmtes Gewicht entsprach, und dass es 
proportional der Länge anstieg. Zur Vergleichung des Verhältnisses 
zwischen Länge und Körpergewicht wurde eine Verhältniszahl gewählt, 
welche sich aus dem Kubus der Länge dividiert durch das Körper¬ 
gewicht ergibt. Die Vergleichung dieser Verhältniszahlen ergab inter¬ 
essante und konstante Befunde. Die neugeborenen Kinder sind ver¬ 
hältnismässig voluminöser als ältere, weil sie kurze Extremitäten haben. 
Zu Beginn der Pubertät sind die Kinder am magersten, später setzen 
sie wieder Fett an. H. 


Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.) 

Sitzung vom 1. Dezember 1914. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Friedenthal demonstriert eine Schutzvorrichtung gegen Ver¬ 
breitung von Kriegsseuchen in Baraeken nnd Krankenhäusern; der 

Kranke kann auch transportiert werden und auch noch einen Respirator tragen; 
das ist für Scharlach wichtig, wo die gesamte Haut als Infektions¬ 
quelle gilt. Zum Schutze gegen Uebertragung von Darminfektionen trägt 
der Kranke innerhalb des imprägnierten, dichtschliessenden Ueberzuges 
noch eine Schutzhose mit wasserdichter Einlage und Einlage nach der 
Art der Menstruationsbinden. Der Anus sollte ebenso wie eine infek¬ 
tiöse Wunde behandelt d. h. der Verband öfter gewechselt werden. 
Vor der Entleerung bediene sich der Kranke dichter Handschuhe. So 
braucht das Bett nicht verseucht zu werden. Die Hände kann man noch 
mit Eucalyptusöl usw. abreiben. Die Kranken 9ind sehr zufrieden und 
machen noch auf Infektionsmöglichkeiten aufmerksam. 

Tagesordnung. 

Ueber Kriegsaneurysmen und deren Behandlung. 

Hr. Bier hat, als Marin egen eralarzt zu totaler Arbeitslosigkeit ver¬ 
dammt, da die englische Flotte keinen Angriff wagt, in Berlin ein reiches 
Arbeitsfeld gefunden und unter anderem in 2 Monaten 43 Aneurysmen 
an 42 Verwundeten operiert; es waren betroffen Uiaca externa, Femo¬ 
ralis, Poplitea, Profunda femoris, Tibialis anterior, Subclavia (intratbora- 
cica und intraclavicularis), Axillaris, Cubitalis, Radialis, Ulnaris, Carotis 
interna und externa, Temporalis und Occipitalis. Ein Kranker hatte zu¬ 
gleich ein Aneurysma an der Teilungsstelle von Ulnaris und Radialis 
(das eine Gefass wurde unterbunden, das andere genäht) und eiüs an 
der Tibialis anterior. 

Von den 43 Aneurysmen waren 28 arteriell, die anderen arterio¬ 
venös. Die traumatischen Aneurysmen sind Aneurysmata spuria; die 
Arterie bekommt ein Loch; von diesem aus wühlt das Blut die Muskel¬ 
zwischenräume auseinander. Die Höhle geht oft bis auf die andere Seite 
der Extremität. Die grösste Höhle war kindskopfgross. Oft sind es gar 
nicht grosse Arterien. Selbst Ablösungen des Periots kamen vor; die 
Entstehung ist Vortr. Dicht klar. Zunächst füllt sich die Höhle mit 
Blut, das gerinnt und darin bildet sich eine napfförmige Höhle. Dort 
ist flüssiges Blut, schon früh zeigt sich eine Andeutung von Haut in 
Zwiebelschalen-AnordnuDg. Die Ränder bilden Muskeln und Fascien. 
Es ist ein pulsierender Bluterguss. Ist die Arterie durebtrennt (abge¬ 
schlossen), so gibt es kolossale Höhlen. Mit der Zeit resorbiert und 
organisiert sich der Sack, es findet sich eine richtige Haut. 

Das arteriovenöse Aneurysma entsteht, wenn das Geschoss gleich¬ 
zeitig beide Gefässe verletzt; es kommt entweder zu direkter Verwachsung 
beider Gefässe. Das Blut strömt aus der Arterie in die Vene; letztere 
ist aufgebläht. Oder es entsteht der Varix aneurysmaticus, die gegen¬ 
überliegende Wand ist varicös ausgebnehtet. 

Das arterielle Aneurysma macht die grössten Höhlen, der Varix nur 
daun, wenn die Vene abgeschlossen ist. Die Vene thrombosiert oft, 
während die Arterie offen bleibt. Zwischen beiden Enden der Arterie 
besteht trotzdem noch Circulation. 


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UNIVERSUM OF IOWA 


1926 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 50. 


Die Symptome sind klar; das arterielle Aneurysma pulsiert, und 
man hört systolisches Geräusch; letzteres ist aber nicht nötig. Das 
arteriovenöse Aneurysma zeigt dauerndes verstärktes systolisches Sausen, 
das "weit über die Venen weg zu hören ist; dazu kommt die Knochen¬ 
leitung; trotzdem wird es häufig verkannt. Denn es kommen oft Entzün¬ 
dungen vor, die einen Abscess Vortäuschen. 

Der älteste Fall war knapp 3 Monate alt, als er zur Operation kam, 
der jüngste 8 Tage. 

Die Beschwerden sind erheblich, Schwirren und Brausen bei arterio¬ 
venösem Aneurysma, Muskelkontrakturen (der gesamten Extremität, z. B. 
bei Aneurysma der Cubitalis), Oedeme. 

Die alte Behandlung, die Unterbindung, führte Vortr. in 14 Fällen 
aus; 10 mal waren es kleinere Gefässe bis zur Carotis interna. Hier 
spielt die Circulationsstörung keine Rolle. Viele Fälle waren infiziert. 
Ein Aneurysma der Axillaris zeigte schlimmste Blutung, Bewusstlosigkeit 
und spontaner KotabgaDg bestand; die Höhle war schwer infiziert. Viel¬ 
fach sind die Arterien so geschrumpft, dass ein Collateralkreislauf an¬ 
zunehmen ist; 2 mal unternahm Vortr. die Unterbindung der Subclavia 
innerhalb des Thorax. Der eine Fall verlief gut, der andere starb an 
Thrombose der Carotis. Besser ist es, die Anonyma freizulegen, die 
Subclavia zu resezieren, von beiden Seiten an den Sack heranzugehen 
und die Naht der Subclavia auszulühren. 

Sonst hat Vortr. regelmässig genäht, und zwar meist seitlich; 15mal 
resezierte er die Arterie und nähte ringförmig; meist waren das grosse 
Arterien; 3mal nahm er die Venentransplantion vor; aber fast immer genügt 
die ringförmige Naht. Dieselbe ist zwar schwerer als die Unterbindung; 
er legt zu jeder Seite eine Knopfnaht, so dass Intima auf Intima 
kommt und versorgt dann die Ränder mit fortlaufender Naht. Stets 
haben die Gefässe sofort pulsiert, besonders die peripherischen. Die 
seitliche Naht ist noch einfacher. Schwer ist aber die Operation des 
arteriovenösen Aneurysmas, vor allem die restlose anatomische Freilegung 
des ganzen Sackes; sonst macht man Fehler. Einmal heilte die Arterie 
glatt, aber es blieb eine arteriovenöse Fistel; das Geschoss hatte eben 
beide Wandungen der Arterie durchschlagen. Hier schneidet man den 
Sack auf, trennt beide Gefässe und näht seitlich beide Löcher zu. Meist 
wird der Schlitz in der Längsrichtung genäht. Einmal wurde die Arterie 
bis zur Hälfte der Lichtung verengt; die Blässe des Fusses verschwand 
aber sehr bald. Auch die circulare Naht ist zweckmässig; das Gefäss 
ist sofort durchgängig und pulsiert. Wichtig ist ein gutes Instrumentar, 
Höpfner’scbe Klemme, feine Nadeln, gerade und gebogene. Bei zu 
grossem Defekt ist die Transplantation einer Vene nötig. Nach der Naht 
sah Vortr. dreimal Störungen, heftige Schmerzen — ein Zeichen der 
Kreislaufstörung — die Wunde war infiziert; die Arterie lief frei durch 
die Abscesshöhle und war thrombosiert. Er resezierte; die Naht erwies 
sich als einwandfrei. 

Bei Venentransplantionen muss man die Klappen in der rechten 
Stellung einbringeD; sie gelang einwandsfrei. Aber die Venen sind un¬ 
geeignet; sie sind zu elastisch und müssen zuweilen gedehnt werden; 
sie thrombosieren zudem leicht. Man muss die Nebenäste der Arterie 
möglichst schonen. Mit den Klemmen bringt man dann die freigelegten 
Enden einander möglichst nahe. Hat man die Hälfte genäht, so besteht 
keine Gefahr des Einschneidens mehr. Man muss möglichst viel ohne 
Rücksicht auf die Schwielen von der Arterie zu erhalten suchen; hart 
am Loch abschneiden soll man und nur da transplantieren, wo ganze 
Abschüsse der Arterien erfolgt sind. Auch die Vene soll man aus der 
Schwiele entwickeln, Vortr. ist es immer restlos gelungen; ein Schmiss 
schadet nichts. Die Venennaht ist unerheblich. Nur bei Thrombose 
wird unterbunden. 

Von Misserfolgen der Naht erlebte Vortr. einmal Thrombose der 
Poplitea, dann eine Nachblutung aus einem Zweige der Subclavia bei 
Aneurysma arteriovenosum mit locheisenförmiger Oeffnung, die Ligatur 
hatte auf dem Aste nicht gehalten, die Wunde war nicht aseptisch. Bei 
dem Aneurysma popliteae zeigte sich geringe Blaufärbung nach der 
Resektion; er nahm Verbindung mit dem grösseren Gabelgefäss vor; das 
kleinere wurde abgebunden. 

Von Todesfällen starben zwei an Aneurysma subclaviae intra- 
thoracicum mit Thrombose der Carotis und Nachblutung bzw. an Sepsis. 

Die Infektionsgefahr ist nicht zu unterschätzen. Daher soll mau 
operieren jederzeit, wenn aseptische Verhältnisse vorliegen. Aber die 
Wunden auch des Infanteriegeschosses sind nicht aseptisch. Der Körper 
wird damit fertig, wenn man ihn in Ruhe lässt. Oefter fand Vortr. in 
der Tiefe kleine Abscesse, er exstirpierte sie und nähte zu; es erfolgte 
Heilung per primam. Die Eröffnung der Bindegewebsscheiden ist ge¬ 
fährlich; gefährlich sind auch die Steckgeschosse; mehrfach sah Vortr. 
Infektion. In späteren Fällen erzielte er absolute Heilung. Man soll 
warten, bis die Schusskanäle geschlossen sind, und Steckgeschosse vorher 
entfernen; 5 mal führte Vortr. in schwer infizierten Höhlen die Unter¬ 
bindung aus; der Erfolg war immer gut; 4mal operierte er in der 
Blutung. Ein junger Soldat verträgt vieles. Zur Betäubung wurde meist 
allgemeine Narkose mit Aether verwendet; die Operationen dauerten oft 
bis zu 3 Stunden, und der Aether wirkt bei Blutverlusten schnell und 
wirkt zugleich als Stimulans. 

Ueber Sclinssverletzaiigeii der Leber. 

Hr. L. Landaa: Die Leberwunden machen lOpCt. aller Bauch¬ 
wunden aus; sie sind je nach den Zeiten verschieden prognostisch be¬ 
handelt worden. Einst für absolut letal erklärt, galten sie später als 
einfache, leicht heilende Wunden; aber das letztere trifft nicht zu; denn 


diejenigen Fälle, die gar nicht zu uns gelangt sind, werden nicht ge¬ 
zählt. Man muss also individualisieren. • 

Der 29 jährige Soldat, am 16. IX. an der Aisne verwundet, konnte 
zum Verbandplatz noch eine Stunde laufen. Am 17. IX. kam er ins 
Kriegslazarett, die Wunde heilte. Am 4. X. wurde er weggeschafit und 
kam am 8. X. nach Schöneberg. Er ist stark abgemagert, elend, Puls 
wenig beschleunigt. Meteorismus, Stöhnen und Wimmern. Die Schuss¬ 
wunde war verheilt. Der Einschuss sass in der Mamillarlinie rechts 
unter dem Rippenbogen, der Ausschuss dicht über der Crista. Er ver¬ 
fiel immer mehr. Erst am 24. X. nahm der Meteorismus ab. Nun fand 
sich Dämpfung der abhängigen Flanken und Fluktuation. Bluterguss, 
Fremdkörper, Abscess, Gallenblasenperforation waren auszuschliessen. 
Die Probepunktion ergab gelblichbraune Flüssigkeit. Wegen Kachexie 
dachte man an eine interkurrente Krankheit, Tuberkulose oder Careinom 
und eröffnete den Leib vom Nabel bis zur Symphyse. Sofort stürzten 
2 V 2 —3 l gelbbrauner Flüssigkeit aus dem Leibe. Es war reine Galle; 
der Gallenfarbstoff gehörte der Lebergalle an; keine Spar von Ent¬ 
zündung, keine Hyperämie, keine Adhäsion. Die Flüssigkeit war reizlos 
im Bauch verblieben. Die Leber zeigte überall reichliche gelatinöse, 
gelbbraune, schleimige Massen; ebensolches zeigten die Dünndarm- 
schlingen, aber keine Verklebung; keine acholischen Stühle. Es handelte 
sich hier wohl nur um eine Intoxikation mit den gallensauren Salzen, 
die wohl das Leben vernichtet hätte. 

Der unterste Punkt des Ausschusses war wohl so gelegen, dass er 
mit der äusseren Haut nicht so korrespondierte, dass sich Serosa mit 
Serosa deckte, dass also der Schuss wohl den rechten äussersten 
untersten Zipfel der Leber so streifte, dass er nur in der Leber einen 
Kanal, ausserhalb einen Halbkanal bildete, der mit der äusseren Haut 
nicht mehr zusammenhiog. Der Kranke hat nie einen galligen Ausflass 
aus einer SchussöffnuDg gesehen. , 

Vortr. 9chlägt für dieses Ereignis den Namen Cholaskos vor. Diese 
Gallenansammlung ist auch im Frieden bekannt, z, B. bei Selbstmord¬ 
versuchen, Stichen, Kontusionen, vor allem da, wo die Gallenblase durch 
Ulcus oder Steine zum Bersten kommt. Bisher unbekannt war der 
Gallenfluss aus intrahepatischen GallengäDgen; es wurde kein grosserer 
extrahepatischer Gallengang verletzt, denn Patient behielt seine Gallen¬ 
funktionen. Die grosse Gallenmenge kommt auch bei Operationen an 
Leberechinokokken vor. Sie schadet nicht. 

Man soll nicht versuchen, diese Absonderung durch Tamponade 
oder Beizung mit Lapis zum Schwinden zu bringen. Denn sie spült 
die nekrotischen Fetzen fort. Sonst kommt es zu Retention und Störung 
der Heilung. Die Entleerung soll nicht durch Punktion vom Rectum 
oder Bauch aus geschehen, denn dann besteht Infektionsmöglichkeit. 
Lediglich der Schnitt von Symphyse bis Nabel ist zu empfehlen, da er 
die Abtastung auch der Organe von unten her gestattet Mode. 


„Silbernitrat oder Silbereiweiss. Eine thera¬ 
peutische Frage.“ 

(Entgegnung auf den gleichnamigen Aufsatz in No. 38 dieser 
Wochenschrift.) 

Von * 

Dr. Mobr-Cöln. 

Unter diesem Titel ist in Nr. 38 ein interessanter kurzer Aufsatz er¬ 
schienen, der sich in dankenswerter Weise damit befasst, eine in der 
Therapie bisher als Tatsache hingenommene Behauptung unter die Lupe 
der Kritik zu nehmen. Derartige Revisionen sind sicherlich berechtigt, da 
in der Medizin gar manche Auffassung, für welche nie ein Beweis ver¬ 
sucht worden ist, gutgläubig hingenommen wird. In dem konkreten 
Fall, den H. Lublinski den Lesern der „B.kl.W.“ vorträgt, sind wir 
jedoch nicht seiner Meinung. 

Lublinski stellt die Frage: Was wirkt im Argentum nitricuo- 
Die Antwort wird von den massgebenden Autoren verschieden gegeben. 
Paul und Krönig 1 ) glauben, dass der Effekt der verschiedenen Silber¬ 
präparate nicht bloss vom Metallion abhängt, sondern auch die Wirkung 
des Anions dabei in Frage kommt. Die landläufige Auffassung ist, dass 
es sich beim Silbernitrat um AetzwirkuDg sowohl des Silbers als der 
Salpetersäure handele, denn fast alle hydrolytisch dissoziierten Schwer- 
metallsalze (die sauer reagierenden Kupfer- und Eisensalzlösungen u.aO 
besitzen eine ähnliche, nur schwächere Aetxwirkung wie die freie Säure. 
Es würde demnach durch Eiweissfällung sowohl Säurealbuminat wie 
Silberalbuminat gebildet werden. 

Wahrscheinlich handelt es sich aber doch nur um Silberionen¬ 
wirkung:, wie folgende Ueberlegung zeigt: Die Höllensteinlösangen rea¬ 
gieren neutral, da das Silber — im Gegensatz zu anderen Schwer- 
metallen wie Kupfer und Eisen — als starke Base wirkt, welche keine 
sauren Salze liefert. Wie alle Salzlösungen zerfallen auch die Höllen¬ 
stein lösungen in Silber- und in Salpetersäureionen, aber die Konzen¬ 
tration der H- und OH-Ionen hält sioh die Wage, so dass die Lösungen 
neutral bleiben. 

Dass die Aetzwirkung der Silbernitratlösungen in der Hauptsache 
auf den vorhandenen Silberionen beruht, lässt sich experimentell aacn 
dadurch erweisen, dass der Effekt eines Silberpräparates um so schwächer 

1) Ztschr. f. phys. Ch., Bd. 21, S. 414. 


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Original fram 

UNIVERSUM OF IOWA 



14. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1927 


ist, je geringer die Silberionen-Konzentration seiner Lösung gefunden 
wird. Auch die interessanten pharmakologischen Studien Dresers über 
Silberwirkungen 1 ) ergaben, dass bei allen Arten lokaler Anwendung der 
Ionengehalt der benutzten Silberpräparate massgebend ist. 

Dass dem Silber als solchem eine kräftige antibakterielle Wirkung 
zukommt, beweist folgender einfache Versuch: Legt man auf Agar-Agar 
oder Gelatine, worauf vorher eine Bakterieukultur ausgesät ist, eine 
Silberplatte, so wird in der von der Platte bedeckten Partie und in 
einer die Platte umgebenden, einige Millimeter breiten Randzone jedes 
Wachstum vernichtet, während sich die Bakterien ausserhalb dieser Zone 
normal entwickeln. 

Wie verhalten sich nun aber die Silberpräparate in koch¬ 
salzhaltigen Lösungen? Hier gibt uns eine Arbeit von 0. Gros 
aus dem pharmakologischen Institut Leipzig sehr gut Auskunft. Nach 
den Experimenten dieses Autors unterscheiden sich die organischen 
Silberpräparate vom Höllenstein und den anderen einfachen Salzen da¬ 
durch, dass sie kolloidales Chlorsilber bilden, während beim Höllenstein 
und den einfachen Salzen des Silbers nur kompaktes Chlorsilber ent¬ 
steht Gros führt weiter aus: „Während des Desinfektionsvorganges 
durch Silberpräparate in Na CI-haltigen Medien muss stets erneute 
Auflösung des gebildeten Chlorsilbers stattfinden. Wir können deshalb 
den Desinfektionsvorgang in zwei Teile zerlegen: 1. Reaktion der Silber- 
ionen mit Bestandteilen der Bakterien, 2. Auflösung des Chlorsilbers. 
Der erste Vorgang ist bei allen Silberpräparaten gleich, der zweite bei 
den verschiedenen Präparaten verschieden, und damit ändert sich auch 
die Desinfektionswirkung. 

Die Geschwindigkeit der beiden Teilvorgänge ist massgebend für 
die Geschwindigkeit, mit welcher die Bakterien vernichtet werden. Diese 
ist bei den verschiedenen Präparaten wechselnd wegen der diffe¬ 
rierenden Korngrösse des sich bildenden Chlorsilbers. Es ist 
also die anfangs vorhandene Silberionen-Konzentration noch nicht für 
das Endresultat von ausschlaggebender Bedeutung, sondern die Silber¬ 
ionen-Konzentration, die sich einstellt als Differenz der Geschwindigkeit, 
mit welcher Silberionen verbraucht und nachgelöst werden. 

Wie steht es nun mit dem Protargol in dieser Hinsicht? 
Gros hat folgendes festgestellt: Beim Protargol bleibt das Chlorsilber 
ausserordentlich lange kolloid in Lösung, auch ist bei ihm die Korn¬ 
grösse der Chlorsilberteilchen eine ausserordentlich kleine — kleiner als 
bei anderen organischen Silberpräparaten. 

„Bei diesen Präparaten wird die stärkste Wirksamkeit das Protargol 
aufweisen, da bei ihm das Chlorsilber die grössere Lösungsgeschwindigkeit 
besitzt.“ 

Folgende Tabellen geben die experimentellen bakteriologischen Daten: 


Zeit 

Silbernitrat 

Protargol 

10 Min. 

kein Wachstum 

kein Wachstum 

80 „ 


» y> 

60 „ 

sehr wenig herabgesetzt 

ziemlich stark herabgesetzt 

90 „ 

y> Jt j> 

stark herabgesetzt 

120 „ 

wenig herabgesetzt 

sehr stark herabgesetzt 

180 * 

ziemlich stark herabgesetzt 

n » » 

240 „ 

stark herabgesetzt 

nur noch einzelne Kolonien 

360 „ 

sehr stark herabgesetzt 

0 

600 „ 

0 

0 


Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt für den Vergleich zwischen 
Argentum nitricum und Protargol ist die Feststellung von Sieber- 
Charlottenburg bezüglich der Unterschiede der unorganischen Silbersalze 
und Silberei Weissverbindungen 2 ). Nach ihm fällt von anorganischen 
Silbersalzen bei dem Fluorsilber die kräftigste überhaupt anwendbare 
Konzentration von 1:2000 mit der Abtötungsgrenze der Gonokokken 
zusammen, beim Höllenstein liegt sie sogar noch darunter! Bei den 
SilbereiweissVerbindungen liegen aber die Verhältnisse ganz anders. Bei 
ihnen sind die Abtötungsgrenzen entweder gleich mit den schwächsten 
zu verwendenden Konzentrationen, oder sie liegen sogar, was noch 
günstiger ist, niedriger als diese. Beispiel: Abtötungskonzentration in 
5 Minuten beim Höllenstein 1:1000; therapeutisch verwendbare Kon¬ 
zentration 1: 4000 bis l: 2000. Die Abtötungskonzentration des Prot- 
argols in 5 Minuten ist 1:700, die therapeutisch verwendbare Kon¬ 
zentration ist 1:400 bis 1:100. 

Die Verhältnisse sind also doch wesentlich komplizierter, als Lub¬ 
linski angenommen hat. Die Chlorentziehung aus den Geweben dürfte 
bei dem therapeutischen Effekt sicherlich keinen günstigen, sondern 
höchstens einen zellschädigenden Einfluss vermuten lassen; wir glauben 
aber, dass diese Frage überhaupt keiner Beantwortung bedarf, nachdem 
Gros gezeigt hat, dass in NaCl-haltigen Medien das gebildete Chlorsilber 
immer wieder aufgelöst wird, so dass eine CblorentZiehung eigentlich 
gar nicht stattfindet. 

Was nun die Tiefenwirkung des Höllensteins betrifft, so möchten 
wir doch an der allgemeinen Anschauung festhalten. Schmiedeberg 
betont ausdrücklich, dass die Silbernitratentziehung nur auf die ober¬ 
flächlichsten Gewebssohichten beschränkt bleibt, weil der Aetzschorf das 

1) Arch. intern, de Pharm, et de Thör., Vol. XVIII, Fase. I—II. 

2) Jkurse. f. ärztl. Fortbild., 1912, Bd. 4, S. 41. 


weitere Vordringen verhindert Ausführlicher bespricht P o u 11 s o n 0 den 
Vorgang. „Es bildet sich ein fester Schorf von Metallalbuminat, der 
im ersten Augenblick weiss ist, sich aber bald grau und schliesslich 
schwarz färbt, infolge Ausscheidung von Silber und Silberoxyd. Die 
Zellschicht, die diesem Einfluss ausgesetzt ist, wird völlig zerstört, aber 
der feste Schorf, der entsteht, verhindert ein weiteres Eindringen. Das 
Eigentümliche an der Wirkung des Silbernitrats ist also der Umstand, 
dass es stark, aber gleichzeitig oberflächlich ätzt.“ Demnach braucht 
es gar nicht der Chlorsilberniederschlag zu sein, welcher die Penetration 
verhindert. 

Dreser, welcher die Tiefenwirkung des Silbernitrats mittels einer 
ebenso originellen wie geistvollen Methodik experimentell bestimmt 
hat, kommt zu dem Resultat: Es ist erstaunlich, wie geringfügig diese 
Tiefenwirkung selbst bei der Höllensteinlösung in der therapeutisch 
meist benutzten Konzentration von 1 / 2 pCt. ausfiel bei 2 Minuten langer 
Einwirkung.“ 

Aus dem Nachschmerz lässt sich unserer Ansicht nach kein sicherer 
Schluss ziehen: je nach der Konzentration und der Widerstandsfähigkeit 
des Epithels wird es längere oder kürzere Zeit dauern, bis die schützende 
Decke durchgeätzt ist und die Lösung mit den Nervenendigungen in 
Berührung kommt. 

Was schliesslich Verf. bezüglich der Ersatzpräparate des Silber¬ 
nitrats sagt, lässt sich vielleicht dahin präzisieren, dass die Indikationen 
für Protargol und Höllenstein sich nicht ganz decken. Vielleicht ist 
Herr Lublinski mit folgender Formulierung einverstanden: Das sehr 
viel sohonendere Silberpräparat ist das Protargol. Da seine Des¬ 
infektionskraft im Kontakt mit den NaCl-haltigen Gewebsflüssigkeiten, 
wie experimentell erwiesen ist, sicher nicht geringer zu bewerten ist, 
als die des Höllensteins, so ist Protargol in gewissen Fällen indiziert. 
Nach Alexander 2 ) kommen hauptsächlich chronische Laryngitis und 
Pharyngitis, Empyeme (d. h. nur einfache Entzündungen der Neben¬ 
höhlenschleimhaut ohne sekundäre Veränderungen) und Coryza vaso- 
motoria in Betracht. 

Muss aber eine energische Wirkung erzielt werden und liegt be¬ 
reits eine Epithelschädigung vor, z. B. die Erosion bei Angina, oder sind, 
wie bei Angina tonsillaris, die Recessus mit abgestossenen Epithelien 
erfüllt, so dass anzunehmen ist, dass die Bakterien bereits das Epithel 
durchwandert haben und dieses gar keinen Schutz mehr leisten kann, 
so ist die Aetzwirkung des Höllensteins der notwendige therapeutische 
Eingriff. 


Brief aus dem Felde. 

Von 

Geheimrat W. Körte, Generalarzt. 

.... Ich habe einen sehr ereignisreichen und sehr spannenden 
Feldzug bisher durchgemacht. Brüssel — Antwerpen — Gent—Brügge — 
Ostende—Ypern sind so die Hauptpunkte. Bis jetzt hatte ich über 
Mangel an Tätigkeit noch nie zu klagen, oft war es sehr viel. Dadurch, 
dass wir lange in Br. und in der Umgebung von Br. lagen, hatte ich 
Gelegenheit, in den dortigen Lazaretten als beratender Chirurg viel zu 
sehen und die Fälle auch einige Zeit hindurch zu beobachten. Bis zu 
Ende sieht man sie nie, weil sie evaeuiert werden in die Heimat. Ab¬ 
schliessende Erfahrungen kann man daher nicht sammeln — über vieles 
muss erst die Zeit entscheiden. 

Operiert wird in diesem Kriege sehr wenig, so wenig als möglich. 
Ich habe noch keine typische Resektion gemacht oder machen lassen. 
Konservative Behandlung überwiegt bei weitem. Einige primäre und 
einige sekundäre Amputationen kommen vor, aber nicht häufig. Die 
Hauptsache in der Kriegschirurgie ist die Behandlung und Fixierung der 
Knochenschüsse; das ist weitaus das Wichtigste. Bei den massenhaften 
Verwundungen ist schleuniger Abtransport in die Heimat eine Not¬ 
wendigkeit, und die zahllosen Knochensohüsse sind nur in gut ange¬ 
legten, gefensterten Gipsverbänden zu transportieren. Auf die zweck¬ 
mässige Anlegung dieser — für den Ungeübten nicht leichten — Ver¬ 
bände habe ich das Hauptgewicht gelegt und bin in meinem Bereiche 
damit durchgedrungen zum Wohle der Verwundeten. Man muss das 
dankbare Gesicht der Leute gesehen haben, wonn sie nach Fertigstellung 
des Gipsverbandes merken, dass sie jetzt ohne Schmerzen gehoben und 
bewegt werden können. Auch die schlimmsten Gelenk- und Knochen¬ 
zerschmetterungen durch Granaten, Sprengbomben von Fliegern usw. 
habe ich mit gutem Erfolge konservativ mit feststellenden Verbänden 
behandelt — so gut wie ohne Resektionen. 

In dem letzten Absohnitt, den Kämpfen an der Yser, den Kanälen 
sowie um Ypern sind die meisten Wunden, oft auch Gewehrschuss- 
wunden infiziert. Die Soldaten liegen in nassen Schützengräben und 
können bei dem massenhaften Artilleriefeuer oft erst nach Tagen auf¬ 
gelesen werden; 5—6 Tage haben einzelne in Rübenfeldern oder in ver¬ 
lassenen Schützengräben gelegen, ehe es möglioh war, sie zum Haupt¬ 
verbandplatz zu bringen. Da sind denn schwere Infektionen nicht 
selten, Gasphlegmonen, ferner Tetanus. — In den Feld- und Kriegs¬ 
lazaretten sind epidemisohe Wundkrankheiten so gut wie nicht vor¬ 
handen, jene beiden genannten ausgenommen, welche schon draussen 

1) Lehrbuch der Pharmakologie, 2. Aufl., S. 505. 

2) Arch. f. Laryng., Bd. 1. 


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Gougle 


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1928 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


entstanden waren. Pyämie habe ich bisher nicht gesehen, Erysipel ist 
ganz sporadisch, äusserst selten. Sepsis infolge von Gasphlegmone 
kommt vor, aber seltener sekundär als primär. 

Amputationen — einfacher Zirkelscbnitt, keine Lappen, keine 
Nähte — heilen in der Mehrzahl. Es wird wohl manchen konischen 
Stumpf geben; die können später in der Heimat leicht beseitigt werden. 

Viel Arbeit machen die massenhaften Kopfschüsse; in der Regel 
wird, besonders bei den Tangentialschüssen, das Abmeisseln der Knochen* 
ränder und Entfernung der eingedrückten Splitter gemacht. Zunächst 
mit sehr gutem Erfolge; was weiter daraus wird, das muss die Zeit 
lehren. 

Brustschüsse heilen meist, wenn Ein- und Ausschuss klein sind, 
geben im allgemeinen eine gute Prognose. Bauchschüsse sollten primär 
nicht operiert werden, es kommen eine ganze Anzahl durch; sekundär 
sind manchmal noch Nachoperationen nötig. Sie dürfen nicht zu früh 
transportiert werden. Solche, die unter jämmerlichsten äusseren Ver¬ 
hältnissen in Ställen, Scheunen, Strohzelten tagelang (6—8) liegen 
blieben, habe ich durchkommen sehen; einen, der fünf Tage hilflos in 
einem Rübenfelde gelegen und sich von Rüben genährt hatte, sah ich 
genesen. Primär Operierte kommen sehr selten durch; man kann eben 
auf dem Hauptverbandplatz und auch in den Feldlazaretten einen 
aseptischen Bauchschnitt nicht machen. 

Für die Unterbringung der Verwundeten haben uns die zahllosen 
Klöster, Klosterschulen und Kirchen hier in Belgien sehr gute Dienste ge¬ 
leistet, ferner hatten wir bis zum Einsetzen der Herbstregen und bis zur 
Ueberschwemmung meist relativ gute Wege zum Abtransport. Hier 
sind jetzt allerdings die Wege grundlos, und die Ortschaften in den 
wocbenlangen Kämpfen so zerschossen, dass wir schwer geeignete Laza¬ 
retträume linden. 

Was die Aerzte bei Truppen, Hauptverbandplätzen und Feldlaza¬ 
retten anbelangt, so kann ich sie nur uneingeschränkt loben. Die Aus¬ 
bildung ist sehr gestiegen, in meinem Bereich waren überall recht tüch¬ 
tige Leute mit chirurgischen Kenntnissen darunter, welche Vortreffliches 
leisteten. Vor allem ist es in succum et sanguinem der Aerzte, auch 
der jungen übergegangen: keine Wunde mit Finger oder Sonde berühren, 
nur gekochte Instrumente nehmen, mit steriler, nicht befingerter Gaze ver¬ 
binden. Unter den schwierigsten äusseren Verhältnissen, in unzulänglichen 
Raumen im Zelt —unter Granatenbefeuerung—imraerwar der Instrumenten¬ 
kocher im Gange und man bemühte sich aufs äusserste, die Asepsis zu 
wahren, soweit es eben anging. Schon die Truppenärzte schickten oft 
tadellos geschiente, aseptisch trocken verbundene Verwundete zurück, 
so dass man die Verbände tagelang liegen lassen konnte. Die Verluste 
bei den Aerzten selber sind nicht gering infolge der weittragenden Ge¬ 
schosse .... 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Ara 16. Dezember vollendet Carl Posner das 
60. Lebensjahr. — Zwei Menschenalter, und soweit auch heute seine 
Erinnerung zurückreichen mag, immer sieht er sich im Bannkreis der 
„Berliner klinischen Wochenschrift“; erst im Hause seines Vaters Louis 
Posner, des Begründers dieses Blattes, dann über fünfundzwanzig Jahre 
hindurch, gemeinsam zunächst mit C. A. Ewald, dann mit dem Verfasser 
dieser Zeilen, selbst an seiner Spitze stehend. Musste so Posner unabwend¬ 
bar der medizinischen Journalistik verfallen sein, und ist sie auch ein 
wesentlicher Zug in seinem Lebensbild geworden, so hat er doch mit 
Bewusstsein und voller Absicht es vermieden, ganz im redaktionellen 
Getriebe aufzugehen. Sein Wirkungsbereich musste, um ihn befriedigen 
zu können, breiter und auch tiefer sein. Darum weitete sich bald das 
Feld seiner Tätigkeit und griff über auf das Gebiet der Kongresse 
nationalen und internationalen Charakters; und zumal auf letzteren war 
es, wo seine Sprachgewandtheit, seine weltmännische Liebenswürdigkeit 
und seine weltfreudige Lebenslust in vollem Maass zur Geltung kamen. 
Vertiefung aber fand sein Schaffensdrang in eigener wissenschaftlicher 
Forschertätigkeit und deren frühzeitiger Konzentration auf ein eDgeres 
Gebiet, die Urologie. Ausgehend von einer ernsten pathologisch¬ 
anatomischen Vorbereitung, fasste er mit Vorliebe die theoretischen 
Probleme seines Faches an und half so in wirkungsvoller Weise mit, diesen 
Zweig ärztlicher Betätigung binaufzuheben zum Range einer Wissenschaft. 

Gesund, frisch und in voller Schaffenskraft, an der Seite seiner 
hochstrebenden Gattin, umgeben von seinen beiden Söhnen, Rittern des 
Eisernen Kreuzes, und seiner Tochter, der sich ein ebenfalls im Dienste 
des Vaterlandes stehender Gemahl, Kapitänleutnant Hinze und zwei 
fröhliche Kinder zugesellen, tritt Carl Posner jetzt in das siebente 
Jabrzent. Ein an Arbeit und Erfolg, an Glück und Glücksgenuss reiches 
Leben war ihm bisher beschieden. Freilich umschattet jetzt auch seine 
Stirn die Sorge, die fast jeder Deutsche um den einen oder anderen 


Nr. 50. 

seiner Lieben hegen muss. Darum eben fassen seine nächstes Mit¬ 
arbeiter, die seines Herzens Falten kennen, all* ihre Wünsche für den 
heutigen Tag dahin zusammen: möge eine nahe Zukunft ihn von diesem 
ionern Druck befreien und auch künftighin trübe kein ernster Missklang 
mehr sein auf einen heiteren Grundton abgestimmtes Wesen! 

In diesen unsern herzlichen Wünschen wissen wir uns eins — des 
sind wir sicher — mit unsren Lesern und den zahlreichen Freunden 
des Jubilars. 

Redaktion und Verlag 
der Berliner klinischen Wochenschrift. 

— In der Sitzung der Vereinigten ärztlichen Gesellschaften 
(Berliner medizinische Gesellschaft) vom 9. Dezember sprach vor der 
Tagesordnung Herr Toby Cohn: Ueber Korrektur der Peroneuslähmung. 
In der Tagesordnung fand die Diskussion zu dem Vortrage des Herrn 
Morgenroth: Die Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion statt, an 
derselben beteiligten sich die Herren Leschke und Morgenroth. Herr 
Saul hielt den angekündigten Vortrag: Beziehungen der Helminthen und 
Protozoen zur Geschwulstätiologie. Dann hielt Herr Lewandowsky 
(Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten) sein Relerat über 
Kriegsverletzungen des Nervensystems. Die Diskussion wurde vertagt 

— Das in der ganzen Welt Aufsehen und Entrüstung erregende 
Urteil gegen einige deutsche, in französische Gefangenschaft geratene 
Aerzte, gegen das die deutsche Regierung Protest eingelegt hatte, ist 
„wegen eines Formfehlers“ aufgehoben und vor einen zweiten Kriegsrat 
verwiesen worden. 

— Bisher sind gegen 1500 Eiserne Kreuze an Aerzte verliehen 
worden — eine hohe Anerkennung für den Mut und die Pflichttreue, 
mit der unsere Kollegen im Felde ihres Amtes walteD und eine nach¬ 
trägliche Rechtfertigung, wenn es einer solchen noch bedurft hätte, für 
die vor etwa Jahresfrist erfolgte völlige Gleichstellung der Militärärzte 
mit den übrigen Offizieren der Armee und Marine. 

— Aerztliche Notprüfungen. Diejenigen Kandidaten der Medizin, 
die nur deshalb in den ersten Tagen der Mobilmachung nicht das Not¬ 
examen machen konnten, weil sie sofort einzurücken hatten, dürfeo nach 
einem neuerlichen Erlass auch jetzt nooh das NotexameD ablegen. Für 
Mediziner, die erst im zehnten Semester stehen, ist ein Notexamen nicht 
zugelassen. 

— Die kgl. Frauenklinik in Dresden konnte am 1. Dezember auf 
ein 100jähriges Bestehen zurückblicken. 

— Eine Sammlung aller gesetzlichen und sonstigen Bestimmungen, 
die für Militärärzte in Betracht kommen, ist unter dem Titel „Militär¬ 
ärztlicher Dienstunterricht“ von Generaloberarzt a. D. Kowalk 
im Verlag von Mittler & Sohn in zehnter Auflage erschienen. Sie 
dürfte jetzt, wo viele mit diesen Dingen nicht vertraute Zivilarzte plötz¬ 
lich in militärische Verhältnisse versetzt werden, von allgemeinerem 
Interesse sein. Preis 8,75 M. 

— Verlustliste. I. Gefallen: Stud. med. Dehmel (Oppeln). 
Cand. med. Erdtmann (Greo.-Reg. Nr. 8). M. Gastei (Unterhaching). 
Stud. med. K. Gutekunst. Cand. med. Job. Klein. Stad. med. F. 
Holzmann. Unterarzt Kersting. Stud. med. Otto Mäusser. Zahn¬ 
arzt Renk. Stud. med. Joseph Riedlinger. Feldunterarzt C. Salo- 
mon. Feldunterarzt P. Schulz. Stabsarzt R, Trespe. H. Treuer 
(Neu-Strelitz). Stud. med. H. Urban (9. Jäg.-Bat.). — II. Verwundet: 
Dr. Burgkhardt aus Rautenkranz. Oberarzt d. R. F. Kehrer aus 
Freiburg i. B. Oberarzt A. Pöhlmann (Müuchen). Oberarzt Voss. - 
III. Gefangen: Stabsarzt d. R. Büttner. Stabsarzt d. R. Klengel. 
Unterarzt Rosenlöcher (Magdeburg). Unterarzt Zawatzki (Potsdam). 

— Cholera. In Deutschland, und zwar in Oberschlesien 
wurden, während in Oesterreich vom 1.—7. XI. 844 und in Ungarn 
532 Fälle beobachtet worden, ebenfalls eine Anzahl zur Meldung ge¬ 
bracht, nämlich 36. Doch sind diese bis auf 3 bei Angehörigen oder 
Hilfstruppen der österreiohiseben Armee vorgekommen. — ß u “ r ' 
Preussen. 15.-21. XI. 240 (7 f) und 22.-28. XI. 170 (4 f). Oester¬ 
reich. 25.—31. X. 705 (36 +) und 1.-7. XL 3673 (34 f). - Typhus. 
Spanien. In Barzelona eine grosse Epidemie, die seit September bis 
jetzt etwa 10000 Erkrankungen herbeigeführt hat. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Eisernes Kreuz 2. KL: Direktor des Königl. 
Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“, Geh. Ober-Med.-Rat 
Prof. Dr. Loeffler; Abteilungsvorsteher am Königl. Institut für In¬ 
fektionskrankheiten „Robert Koch“, Prof. Dr. R. Otto; wissenschaft¬ 
liche Mitglieder des genannten Instituts, Professoren Dr. J. Koch uoa 
Dr. C. Schilling; Kreisärzte Dr. J. Felgentraegor in Heiligcn- 
stadt, Dr. Prigge in Wiesbaden, Dr. Pachnio in Westerbarg und 
Dr. E. Fromm in Frankfurt a. M. n 

Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. L. Brandes in Hüdesheini, ür. 
F. Strauss in Frankfurt a. M., Dr. K. Kahler in Katernberg. 

Pfir die Redaktion Yenuatwortlich Prof. Dr. Bens Sohn, Berlin W., Bijreuther Stru » 11 


Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin. — Druck von L. Sohumacher in Berlin N. 4. 


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ftl« Berlin« r Klinische Wochenschrift erscheint Jedeo 
MoBMg in Nummern von c*. 5—6 Bogen gr. 4. — 
Preis Tierteijahrlich 6 M»r*. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstmlten an. 


BERLINER 


AH« Einsendungen fÖr die ftedekti<m and Kxpedltfoi 
wolle man portofrei an dl« Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Nr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WDCHENSCHEHT. 

Organ für praktische Aerzte. 

Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen. 

Redaktion: Expedition: 

Geb. Mei-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kobo. August Uirsckald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 

Montag, den 21. Dezember 1914. Jfä 51 . Einundfiinfzigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origtnaliea: Le wando wsky: Die Kriegsverletzungen des Nervensystems. 
S. 1929. 

Nathan: Zur Bewertung der hämolytischen und hämolysebemmenden 
Funktion syphilitischer Sera. (Aus der dermatologischen Uni¬ 
versitätsklinik zu Frankfurt a. M.) S. 1934. 

Buschke und Michael: Ueber die parenchymatös-toxischen Wir¬ 
kungen des Syphiliscontagiums bei visceraler Frühsyphilis und 
Taboparalyse. (Aus der dermatologischen Abteilung des Rudolf 
Yirchow-Krankenhauses in Berlin.) S. 1935. 

Friedenthal: Kriegsseuchenbekämpfuog durch klinische anti- 
septische Maassnahmen. S. 1937. 

Marcuse: Die Insuffizienz der Valvula ileocoecalis im Röntgenbilde. 
(Aus der Privatklinik von Prof. Dr. Karewski und dem Röntgen- 
laboratorium von Dr. Marcuse.) S. 1938. 

Bucky: Die Röntgensekundärstrahlenblende als Hilfsmittel für die 
Lokalisation von Geschossen, demonstriert an zwei Herzschüssen. 
(Illustr.) S. 1940. 

Bucky: Ein Fall von schwerer Röntgenverbrennung nach gynäko¬ 
logischer Tiefenbestrahlung. (Illustr.) S. 1942. 

Münzer: Dostojewski als Psychopathologe. S. 1943. 


Bttcherbespreehangen: Wolter: Die EntstehuDgsursachen der Kriegs¬ 
seuchen, ihre Verhütung und Bekämpfung auf Grund der Kriegs- 
erfahruDgen 1870/71. S. 1945. (Ref. Sticker.) — Keller und Birk; 
Kinderpflegelehrbuch. S. 1945. (Ref.Weigert.) — Veröffentlichungen 
der Centralstelle für Balneologie. S. 1945. (Ref. Jacoby.) 

Liter&tir-Aisifige : Physiologie. S. 1945. — Pharmakologie. S. 194G. — 
Therapie. S. 1946. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1946. — 
Innere Medizin. S. 1946. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
S. 1946. — Kinderheilkunde. S. 1947. — Chirurgie. S. 1947. — 
Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1948. — Geburtshilfe und 
Gynäkologie. S. 1948. — Augenheilkunde. S. 1948. — Militär- 
Sanitätswesen. S. 1948. 

Verhaadlaagea ärztlicher Gesellschaften : Aerztlieber Verein zu 
Hamburg. S. 1949. — K. k. Gesellschaft der Aerzte zu 
Wien. S. 1950. 

Liljestrand: Ueber die Ventilation bei künstlicher Atmung beim 
Menschen. S. 1950. — Loewy: Erwiderung auf die vorstehenden 
Bemerkungen. S. 1952. 

Tagesgeschichtliohe Notizen. S. 1952. 

Amtliohe Mitteilungen. S. 1952. 


Die Kriegsverletzungen des Nervensystems. 1 ) 

Von 

M. Le wando wsky. 

Dieses Referat über Kriegsverletzungen des Nervensystems 
will ausschliesslich die praktischen Richtuogslinien zeichnen, 
welche sich für die Behandlungen dieser Verletzungen ergeben. 
Zu grossen wissenschaftlichen Erörterungen und zur Darstellung 
sog. interessanter Fälle haben wir jetzt vielleicht noch weniger 
Lost als Zeit. Bei den praktischen Erörterungen handelt es sich 
zum sehr grossen Teil um die Frage einer Indikation zum chir¬ 
urgischen Eingriff. Durch die grosse Anzahl der gerade dem 
Neurologen von den verschiedensten Seiten zugeführten Fälle ist 
er aber wohl in besonderer Weise berechtigt, auch über dieses 
Gebiet und damit über das ganze Thema ein Urteil zu gewinnen. 

Die Zahl der uns zugehenden Verletzungen des Nervensystems 
ist eine sehr grosse. Bei einem Transport von 120 meist schwer 
Verwundeten, die in das Lazarett der Akkumulatoren werke Ober¬ 
schöneweide kamen, befanden sich 20 mit Verletzungen des Nerven¬ 
systems, von denen sich eine Anzahl freilich erst nach einiger 
Zeit bei der Abheilung von Knochenbrüchen, Phlegmonen nsw. 
herausstellte. Dieser Prozentsatz ist immerhin eine Ausnahme. 
Andererseits muss man bedenken, dass ein grosser Teil besonders 
der Gehirn- und auch der Rückenmarkscbüsse entweder unmittel¬ 
bar tödlich ist oder in den Lazaretten des Operationsgebietes nach 
kurzer Zeit zum Ausgang kommt. Betrugen doch die Schädel¬ 
schüsse in einzelnen Schlachten des mandschurischen Krieges 
50 pCt. der auf dem Felde selbst Gefallenen, und in manchen 
Schlachten desselben Krieges waren 25 pCt. der in den Lazaretten 
unmittelbar hinter der Schlacht zur Behandlung kommenden Ver¬ 
letzungen gleichfalls Schädel- und Gehirnschüsse 2 ). Von der 


1) Vortrag, gehalten in der Sitzung der Berliner medizinischen Ge¬ 
sellschaft am 9. Dezember 1914. 

2) Eine Reihe von Angaben über die Häufigkeit der Sohädelver- 
letzungen gibt Friedrich wieder in Bruns’ Beitr., 1914, Bd. 21, S. 271. 


Häufigkeit dieser Gehirnverletzungen bekommen wir in den Laza¬ 
retten des Heimatgebietes also eine nicht genügende Vorstellung, 
während uns die Verletzungen der peripheren Nerven, die an 
und für sich niemals tödlich sind, fast sämtlich zugehen. Aus 
einer Anzahl von 150 von mir beobachteten Verletzungen des 
Nervensystems ergab sich mir für die grossen in Betracht kommen¬ 
den Gebiete: Gehirn, Rückenmark, periphere Nerven ein Verhältnis 
von etwa 25 : 10: 65, das natürlich keineswegs eine allgemeine 
Gültigkeit haben wird. 

Ich werde nun nacheinander das Wesentliche über die Ver¬ 
letzungen dieser drei Gebiete, des Gehirns, des Rückenmarks und 
der peripheren Nerven sagen. 

Was wir zunächst von Schussverletzungen des Gehirns 
im Heimatgebiet sehen, scheint keine sehr wesentlichen Unter¬ 
schiede gegenüber den Verletzungen, wie wir sie auch ira Frieden, 
meist durch Selbstmordversuche, zu sehen gewohut sind, zu bieten. 
Die schweren zertrümmernden und explosiven Wirkungen, welche 
das moderne Geschoss mit seiner enormen Durchschlagskraft bei 
Nahschüssen verursacht, und bei denen das ganze Gehirn aus 
dem Schädel soll herausgeschleudert werden können, werden eben¬ 
sowenig transportiert wie die ganz schweren Zertrümmerungen 
durch Artilleriegeschosse. Was wir von Infanteriegeschossver¬ 
letzungen sehen, sind meist Konvexitätsschüsse mit Ein- und Aus¬ 
schuss, entweder in Form der Diametralschüsse oder der Seg- 
mentalschüsse. Die letzteren leiten dann über zu den Tangential¬ 
oder Rinnenschüssen io ihren verschiedenen Graden, je nachdem 
die Dura mitverletzt ist usw. Auch einige Basisschüsse habe ich 
schon gesehen. Von den Friedensverletzungen unterscheiden sich 
diese Verletzungen wesentlich fast nur dadurch, dass das Geschoss 
wegen seiner grossen Durchschlagskraft viel seltener im Gehirn 
stecken bleibt Der Franktireurkrieg hat dafür gesorgt, dass wir 
auch echte „Friedensverletzungen“ durch den Krieg zu sehen be¬ 
kommen. Sogar Schrotschüsse sind beobachtet worden. Ferner 
sehen wir mannigfache Granatsplitter- und Schrapnellverletzungeu. 
Hier bleiben im Unterschied von Infanteriegeschossen die Ge¬ 
schosse sehr häufig im Schädel und im Gehirn stecken. Kleinere 


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Original fro-m 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. Bl. 


Granatsplitter können in das Gehirn eindringen, ohne dass die 
Verletzung überhaupt bemerkt wird. Sie werden manchmal, da 
auch die äussere Wunde sehr unbedeutend sein kann, halb zu¬ 
fällig erst durch die Röntgenaufnahme entdeckt. Ein Verletzter 
hatte sogar von dem Vorhandensein einer Schrapnellkugel im 
Gehirn und der Verletzung überhaupt keine Ahnung. Er wusste 
nur von Extremitätenverletzungen. Auch bei sog. Streifschüssen 
durch Artilleriegeschosse zeigt die Röntgenaufnahme anscheinend 
nicht ganz selten, dass Granatsplitter einzeln oder sogar in er¬ 
heblicher Anzahl in das Gehirn eingedrungen sind. 

ln allen Fällen, in denen das Geschoss im Schädel stecken 
geblieben ist, wirft sich die Frage auf, ob man es entfernen 
soll oder nicht. Nach wie vor sind wir der Meinung, dass die 
Anwesenheit eines Fremdkörpers im Gehirn unter aseptischen 
Verhältnissen an und für sich kein Grund zum Eingriff ist. Auch 
sind manchmal eine so grosse Anzahl kleinster Splitter im Ge¬ 
hirn verstreut, dass von ihrer Entfernung gar keine Rede sein 
kann. Immerhin sind wir bei der Verwerfung der Entfernung 
des Geschosses auch unter aseptischen Verhältnissen heute nicht 
mehr ganz so prinzipiell wie früher. Ist die Kugel oder ein 
grösserer Granatsplitter leicht erreichbar, so wird man im all¬ 
gemeinen doch wohl gut tun, ihn herauszunehmen, sich aber zu 
schweren Eingriffen in die Tiefe des Gehirns nach wie vor nur 
bei dringender Indikation, insbesondere Verdacht auf Abscess, 
entschlossen. 

In der grossen Mehrzahl der Fälle ist jedenfalls nicht das 
Geschoss, das den Schädel meist längst wieder verlassen hat, 
sondern die penetrierende Schädel Verletzung als solche 
die Indikation zum Eingriff. Man kann diese Indikation nicht 
als eine neurologische, sondern vielmehr als eine rein chirurgische 
bezeichnen, da sie ausschliesslich eine Infektion der Wunde mög¬ 
lichst verhüten soll. Diese Indikation hat sich aber, wie nach 
den Erfahrungen der letzten Kriege nicht anders zu erwarten war, 
auch in diesem Kriege schon bewährt. Der Schädel scheint fast 
das einzige Gebiet zu sein, wo die moderne Kriegschirurgie sich 
mit Nutzen aktiv betätigt. Wir hören, dass bei grossen Verlusten 
die Chirurgen in den Feldlazaretten manchmal geradezu tagelang 
Trepanationen zu machen haben. Wenn eine ausgiebige chirur¬ 
gische Kontrolle der Schädelverletzung durch die Verhältnisse 
verhindert wird, sind die Resultate nicht gut. Nach Holbeck’s 
Statistik starben in dem einen Fall 14, in dem anderen etwa 
50 pCt. Wir hatten bei einem Transport 6 Schädelverletzungen, 
von denen nur 2 operativ kontrolliert, die übrigen unberührt ge¬ 
lassen worden waren. Von diesen sind die zwei kontrollierten 
ohne Zwischenfälle geheilt, trotzdem der eine von ihnen im An¬ 
fang einen ziemlich grossen Hirnprolaps hatte. Alle vier anderen 
bekamen eine Infektion, drei gingen schliesslich an Meningitis 
zugrunde, nur einer, bei dem ein abgeschlossener Gehirnabscess 
operiert werden konnte, konnte gerettet werden. Wie operiert 
werden soll, ergibt der Einzelfall. Es ist bekannt und bestätigt 
sich auch jetzt wieder, dass besonders die Tangentialschüsse be¬ 
sonders gründlich zu operieren sind, weil gerade bei ihnen Knochen¬ 
splitter senkrecht zur Schussrichtung bis in grosse Tiefen des 
Gehirns gelangen. Sehr schwierige Verhältnisse, auch schwere 
Erscheinungen, oft schwerer als die Diametralschüsse, bieten die 
Segmentalschüsse. Selbst Basisschüsse können an manchen Stellen 
operativ erreicht werden. Sehr dankbar sind natürlich diejenigen 
Fälle, wo durch Granatsplitter, Schrapnells oder andere Gewalt 
nur Impressionen und Splitterungen der Tabula interna von ge¬ 
ringerem Grade gemacht worden waren, das Geschoss selbst in 
das Gehirn aber gar nicht eingedrungeu ist. Eine wichtige Frage 
ist, ob man Verletzte, welche erst Tage und Wochen nach der 
Verletzung unoperiert in die Heimatslazarette kommen, noch 
chirurgisch kontrollieren soll. Das wird natürlich vom Einzelfall 
abhängen. Ein Diametralschuss, dessen Wunden schon fast ver¬ 
heilt sind, wird man 5 Wochen nach der Verletzung natürlich 
nicht mehr anrühren. Aber in Zweifelsfällen scheint es mir 
richtig, auch noch längere Zeit nach der Verletzung die Wunde 
anzusehen, freizulegen usw., immer nur aus der einen Indikation, 
möglichst günstige Verhältnisse für eine aseptische Heilung zu 
schaffen oder eine bestehende Infektion möglichst zu beschränken. 

Eine vollkommene Sicherung vor Infektionen ist natürlich 
die Freilegung, das Döbridement usw. auch nicht. Zweifellos 
kommen infektiöse Komplikationen nach einer aktiven chir¬ 
urgischen Versorgung der Schädelwunden aber viel seltener vor 
als ohne sie. In jedem Falle muss man die Hirnverletzten 
mindesten 6—6 Wochen unter scharfer Beobachtung halten, da 
man immer noch auf eine Meningitis oder einen Hirnabscess 


gefasst sein muss. So sah ich zweimal eine Meningitis noch 
nach 14 Tagen plötzlich bei anscheinend ungestörtem Wund¬ 
verlauf auftreten und zum Tode verlaufen. Hirnabscesse kommen 
bekanntlich häufig noch viel später zur Erscheinung. Was die 
Diagnose dieser Komplikationen betrifft, so brauchen Hirnabscesse 
— eine Tatsache, die für viele immer wieder überraschend ist — 
im Unterschied von der Meningitis nicht mit Fieber einherzugehen. 
Der übliche Blick auf die Temperaturkurve genügt also hier nicht. 
Jede auffallende Veränderung des Allgemeinzustandes, das Ein¬ 
treten von Benommenheit, das Auftreten heftiger Kopfschmerzen 
usw. muss ein alarmierendes Symptom sein und die genaueste 
Prüfung veranlassen. Das Bild der ausgesprochenen eitrigen 
Meuingitis ist nicht zu verkennen. Leichtere meningitische Zu¬ 
stände — etwas Nackensteifigkeit und ein mässig ausgesprochenes 
Kernig’sches Symptom — kommen uns aber jetzt mehrfach zur 
Beobachtung, ohne dass sich schliesslich eine eitrige Meningitis 
mit dem unvermeidlichen tödlichen Ausgange anschliesst. Es 
handelt sich da wohl entweder um sogenannte Meningitis serosa 
in ihren verschiedenen Formen oder um leichtere meoingeale 
Blutungen. Die Unterscheidung dieser Formen ist besonders dann 
schwierig, wenn der Kranke fiebert, das Fieber aber noch andere 
Ursachen, vor allem infizierte Weichteilwunden haben könnte. 
Die Entscheidung gibt hier fast immer die Lumbalpunktion, 
die gerade in den gutartigen Fällen auch therapeutisch oft über¬ 
raschend Gutes leistet. 

Auf die Symptomatologie der Gehirnverletzungen als 
solche, d. h auf die einzelnen Funktionsstörungen, kann ich hier 
nicht näher eingehen. Viel häufiger als sonst, besonders im Gegen¬ 
satz zu den spontanen Apoplexien, die sich ja in der Tiefe des 
Gehirns abspielen, sehen wir mehr oder weniger auf die Rinde 
beschränkte Verletzungen und von ihr abhängige Erscheinungen, 
So sehen wir eine Mannigfaltigkeit der Lokalisation von Motilitäts- 
und Sensibilitätsausfällen, wie sie uns io Friedenszeiten nur bei 
einem unverhältnismässig grösseren Material entgegentritt. Cn- 
verhältnismässig häufig sehen wir Monoplegien udö sogar Be¬ 
schränkungen der cerebralen Lähmungen auf einzelne Glied¬ 
abschnitte. So sah ich einen Fall, wo der Arm bis zum Hand¬ 
gelenk fast vollständig gelähmt war, die Hand selbst mit den 
Fingern aber fast völlig funktionsfähig. Auch die Sensibilität 
zeigt überraschende Verhältnisse; die Umgrenzung der Sensibilitäts¬ 
störungen stützt die von mir auch früher vertretene Auffassung, 
dass die Verteilung der Sensibilität auf der Rinde eine rein 
focale ist, da die SensibilitätsstÖrungeo sieb in ganz unregel¬ 
mässiger Form darbieten können. Weiter sehen wir seltene 
Formen hemianopischer Störungen, Aphasien usw. 

Wichtiger sind zwei Erfahrungen allgemeinerer Art. Die 
eine sind die verhältnismässig leichten Erscheinungen, 
die manchmal nach Diametralscbüssen auftreten, wenn nicht 
gerade sehr wichtige Teile deB Gehirns getroffen waren. Ein 
Feldwebel war mit zwei Schüssen, die dicht nebeneinander den 
Schädel vom Occiput zur Stirn durchschlagen hatten, noch eine 
halbe Stunde weiter gegangen — er war nicht einmal bewusst¬ 
los geworden —, bis ihn eine Kugel im Oberschenkel ausser Ge¬ 
fecht setzte. In diesem Fall müssen die Geschosse wohl am 
Knochen entlang gegangen und das Gehirn ansgewicben sein. 
Aber auch wenn das nicht der Fall ist, so brauchen bei Diametral¬ 
schüssen schwere Dauererscheinungen nicht zu hinterbleiben. 
Demgegenüber stehen die oft schweren Erscheinungen bei 
anscheinenden Streifschüssen, lange Bewusstlosigkeit und 
dauernde Folgeerscheinungen. Sie erklären sich in einer Anzahl 
von Fällen dadurch, dass doch bei dem anscheinenden Streif¬ 
schuss entweder Granatsplitter oder Knochensplitter in die Tiefe 
des Gehirns eingedrungen sind, deswegen sollte auch jeder Streif¬ 
schuss geröntgt werden. Häufiger aber scheinen die schweren 
Erscheinungen durch die Fissuren bediugt zu sein, welche sich 
bekanntlich mit Ausnahme der auf sehr grosse Entfernung ab¬ 
gegebenen Schüsse fast immer auch an die Infanteriegeschoss- 
Verletzungen anschliessen. Diese Fissuren erreichen sehr häufig 
die Basis und führen dann zu entsprechenden Erscheinungen von 
seiten der basalen Hirnnerven, und zwar, soweit ich beurteilen 
kann, besonders häufig zu solchen des Cochlearis und Vestibnlaris, 
mit den entsprechenden Symptomen der Hörstörung und der 
Gleichgewichtsstörungen. Aach aus Friedenszeiten ist es bekannt, 
und wir sehen es jetzt wieder, dass selbst leichte Vestibularis¬ 
störungen besondere Anforderungen an das Gleichgewicht völlig 
verbieten. Zum Beispiel können so Verletzte manchmal lange 
Zeit absolut nicht zu Pferde sitzen. . 

Zu den Verletzungen durch Schuss kommen non noch eine 


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21. Dezember 1914. 


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grosse Anzahl von Schädelverletzungen durch Sturz vom Pferde, 
Verschüttung, Ueberfahrenwerden, Kolbenschläge usw. 
Sie unterscheiden sich in gar nichts von den so häufigen Friedens- 
Verletzungen ähnlicher Ursache. Wenn keine penetrierende 
Wunde besteht, kann eine Indikation zum chirurgischen Eingriff 
nur durch die Diagnose einer umfangreichen meningealen Blutung 
gegeben werden. Das gilt in erster Linie also für die Ver¬ 
letzung der Arteria meniogea media. Indessen bezeichnet es 
Friedrich als eine „fast amüsante“ Tatsache, dass die Indi¬ 
kation der Unterbindung dieser Arterie zwar in der Kriegs- 
Chirurgie überall angegeben, tatsächlich aber noch niemals im 
Kriege zur Anwendung gekommen zu sein scheine. Besonders 
in letzter Zeit ist die Aufmerksamkeit auch auf andere menin- 
geale Blutungen, speziell durale und epidurale Hämatome 
grosseren Umfanges gelenkt worden, welche durch die Hirn¬ 
punktion in Zweifelsfällen festgestellt werden könnten. Sie 
können noch längere Zeit nach der Verletzung zu schweren und 
tödlichen Erscheinungen führen, welche eine Operation nötig 
machen könnten. Ob viele von ihnen schon zur Beobachtung und 
zur Operation gekommen sind, weiss ich nicht. Jedenfalls muss 
daran festgehalten werden, dass nur umfangreiche Blutungen 
mit bedrohlichen Erscheinungen die Anzeige zum Eingriff geben 
dürfen in den Fällen, wo eine äussere Verletzung nicht vorliegt. 

Wie sich das Dauerschicksal der Hirnverletzten, die der 
unmittelbaren Verletzungs- und Wundgefahr entronnen sind, ge¬ 
stalten wird, darüber können wir heute noch nichts aussagen, 
und es scheint auch nicht, als wenn darüber sehr genaue Fest¬ 
stellungen aus früheren Kriegen vorlägen. Vielfach herrschen 
über die Restitutionskraft der jugendlichen Gehirne, um die es 
sich ja bei den Kriegsverletzten meist handelt, sehr optimistische 
Vorstellungen. Ein weiterer Grund zu einer verhältnismässig 
günstigen Prognosestellung ist die bereits erwähnte Tatsache, 
dass die Kriegsverletzungen verhältnismässig häufig die Rinde 
betreffen, während die viel ungünstigeren Verletzungen der tiefen 
Faserung seltener sind. Immerhin soll man nicht zu opti¬ 
mistisch sein. Reste von Funktionsstörungen, z. B. in der Sprache, 
subjektive Sensationen, Lähmungen werden häufig bestehen bleiben, 
und es wird auch in einer Anzahl von Fällen zu epileptischen 
Zuständen in verschiedener Form kommen. 

Es wird dann sehr bald in einer grösseren Anzahl von Fällen 
die Frage an uns herantreten, ob zur Beseitigung solcher 
Spätfolgen neue Operationen gemacht werden sollen. Wir haben 
im Frieden gelernt, uns in dieser Richtung sehr zurückzuhalten. 
Nervöse Ausfallserscheinungen, also Lähmungen, Aphasien usw. 
können fast niemals ein Objekt operativer Behandlung sein. 
Auch die subjektiven Störungen, die häufig die Schädelver- 
letsuugen lauge überdauern und die, sehr häufig wenigstens, einen 
psychogenen Einschlag haben, wenn sie wahrscheinlich auch 
durchaus nicht immer psychogen und neurasthenisch sind, bieten 
der operativen Behandlung keine Aussicht. Selbst die trauma¬ 
tischen Epilepsien haben nach unseren Friedenserfahrungen keine 
sichere Aussicht auf Heilung durch eine Operation, uni so weniger, 
je weniger lokalisiert die Epilepsie ist. Immerhin sind das 
diejenigen Fälle, die man am ehesten noch spät operativ an¬ 
greifen wird. 

Die SpäterscheinuDgen der Hirnverletzungen sind aber gerade 
diejenigen, wo die interne und die neurologische Therapie einzu¬ 
setzen hat; physikalische Maassnahmen, bis zu einem gewissen 
Grade auch psychische Therapie, und vor allem die Üebungs- 
therapie der Lähmungen und Sprachstörungen werden hier grosse 
Erfolge erzielen, wenn der Staat die Einrichtungen und Mittel 
bereit stellt, welche für die Durchführung in grossem Maassstabe 
notwendig sind. 

Im Gegensatz zu der unmittelbaren aktiven Therapie, die 
sich bei den Schädelverletzungen und Gehirnverletzungen bewährt 
hat, erfordern die Verletzungen des Rückenmarks eine meines 
Erachtens fast absolute Zurückhaltung von operativen 
Eingriffen. Wer viele Friedensverletzungen des Rückenmarks 
gesehen hat, der hat im Anfang fast immer ein Stadium durch¬ 
gemacht, wo er angesichts der Trostlosigkeit des überwiegenden 
Anteils dieser Verletzungen hofft und glaubt, durch Operationen 
etwas daran ändern zu können. Es scheint, als wenn einige 
Chirurgen dieses Stadium auch jetzt durchmachen, denn es ist 
sogar schon die Operation aller Rückenmarksschüsse empfohlen 
worden. Demgegenüber wissen wir aus grösserer Friedens¬ 
erfahrung, dass operative Erfolge bei Rückenmarksverletzungen 
*u den allergTö8sten Seltenheiten gehören. Aus den letzten 
10 Jahren, in denen ich mit hervorragenden Chirurgen zusammen 


das erhebliche Verletzungsmaterial grosser Krankenhäuser ge¬ 
sehen habe, erinnere ich mich nur eines einzigen Falles, in dem 
die Operation genutzt hat, und das war zwar eine Schussver¬ 
letzung, wie sie aber nur in Friedenszeiten vorkommt, nämlich 
eine im Rückenmark selbst stecken gebliebene Teschinkugel. 
Sonst war nie ein Erfolg zu sehen, und manchmal hatte man 
das Gefühl, als wenn die Laminektomie das empfindliche und 
durch die Verletzung noch empfindlicher gemachte Rückenmark 
eher noch weiter geschädigt hätte. Nun haben wir ja im Frieden 
verhältnismässig sehr wenig SchuRsverletzungeo des Rückenmarks 
gegenüber den anderen Arten. Aber was ich bisher an Rücken- 
marksverletzungen im Kriege gesehen habe, scheint die Auf¬ 
fassung zu stützen, dass die gleiche Zurückhaltung wie bei den 
FriedensverletzuDgen auch den Kriegsverletzungen des Rücken¬ 
marks gegenüber zu beobachten ist. Auch war in drei Fällen, 
wo bereits die Laminektomie gemacht war, nicht der geringste 
Erfolg erzielt worden. 

Praktisch symptomatologisch unterscheiden wir solche 
Verletzungen, bei denen die Erscheinungen die einer völligen 
Quertrennung des Rückenmarks sind, d. h. wo entsprechend 
dem Orte der Verletzung eine völlige Aufhebung der Motilität 
und Sensibilität nach abwärts besteht, zugleich mit Aufhebung 
der Blasen- und Mastdarmfunktionen. Auf der anderen Seite 
stehen die Verletzungen, bei denen der Querschnitt des Rücken¬ 
marks nur teilweise zerstört ist, so dass keine vollen Lähmungen, 
sondern nur Paresen oder eine Verschonung einer Seite (Brown- 
S6quard’scher Symptomenkomplex) oder auch nur Blasenstörungen 
oder andererseits sogar Paresen ohne wesentliche Blasenstörungen 
zur Erscheinung kommen. Die erste Gruppe, die Total Ver¬ 
letzung des Rückenmarks, ist absolut ungünstig, wir können 
machen, was wir wollen. Selbst wenn wir in solchen Fällen 
etwa Knochensplitter oder ein Geschoss entfernen, so ist ein 
Dauererfolg nicht zu erwarten. Die Teilverletzungen des 
Rückenmarks dagegen bieten auch ohne Operation gewisse 
Chancen. Nur wenn wirklich der dringende Verdacht besteht 
und möglichst auch durch die Röntgenuntersuchung sichergestellt 
ist, dass ein Knochensplitter oder das Geschoss im Wirbelkanal 
selbst steckt und dabei die Lähmung keine totale ist, halte ich 
die Indikation für gegeben. Diese Voraussetzungen werden aber 
nur sehr selten zutreffen, denn erhebliche Splitterung des Wirbels 
bewirkt wohl fast immer eine totale Quertrennung bzw. eine 
solche Zertrümmerung und Durchblutung des Rückenmarks, dass 
vielleicht keine anatomische Durchtrennung, aber doch eine wirk¬ 
liche unwiderrufliche Aufhebung der Rückenmarksleitung zustande 
kommt. Die anscheinenden Teilverletzungen des Rückenmarks 
hingegen kommen anscheinend viel häufiger durch die vorüber¬ 
gehende Einwirkung des durch den Wirbel oder sogar nur in der 
Nähe des Wirbels durchschlagenden Geschosses zustande, ohne 
dass eine dauernde Verengerung des Wirbelkanals oder ein 
dauernder Druck auf das Rückenmark besteht. Die Röntgeno- 
graphie zeigt in solchen Fällen entweder nur unbedeutende Ver¬ 
letzung des Wirbels oder einen glatten Durchschuss durch den 
Wii^belkÖrper oder es ist überhaupt gar keine Verletzung des 
Wirbels nachzuweisen. Die Rückenmarkserscheinungen sind in 
solchen Fällen bedingt durch die Erschütterung des Rückenmarks, 
welche sich pathologisch-anatomisch entweder in einer Blutung 
oder anscheinend häufiger in Nekrosen äussert. Die Erschei¬ 
nungen durch die Erschütterung des Rückenmarks brauchen nur 
ganz vorübergehend zu sein; so geben Patienten, die durch den 
Hals geschossen wurden, an, dass sie nur kurze Zeit vollkommen 
bewegungsunfähig gewesen wären, die Beherrschung ihrer Glieder 
aber bald wiedererlangt hätten. In engerem Sinne sind es diese 
kurz vorübergehenden Erscheinungen, die man mit Recht als 
Commotio spinalis bezeichnet. Ist die Erschütterung aber 
hochgradiger gewesen, so kommt es zu länger dauernden Er¬ 
scheinungen, die durchaus nicht immer prognostisch günstig 
zu' sein brauchen, sondern auch die Erscheinungen der Total¬ 
trennung des Rückenmarks mit allen Folgen machen können. 
Verhältnismässig häufig aber sind es diese Fälle, die nur Teil¬ 
verletzungen machen, die es abtjr dann gar keinen Sinn hat 
anzugreifen, bei denen die Operation vielmehr eine gewisse Gefahr 
bedeutet. 

Das Wichtigste bei der Behandlung der Rückenmarksver- 
letzungen ist und bleibt die Verhütung der Infektion von 
der Blase aus und die Hintanhaltung des Decabitus. Bei den 
Totalverletzungen lässt sich das schon in Friedenszeiten wegen 
der gesteigerten Empfindlichkeit der Gewebe tatsächlich so gÄt 
wie nie erreichen, und es ist das ein Grund mehr, warum die 

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UNIVERSITÄT OF IOWA 




1932 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. Bl. 


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Total Verletzungen des Rückenmarks eben alle zagrnDde 
gehen. Bei den Teilverletzungen .des Rückenmarks aber ist die 
Verhütung der Infektion auch bei gelähmter Blase nicht so schwer; 
die BlasenlähmuDg geht manchmal in wenigen Tagen wieder zu¬ 
rück, dann sind die Aussichten dieser Fälle keine ganz schlechten. 
Von fünf partiellen Rückenmarksverletzungen, die ich bisher sab, 
ist nur einer gestorben (es war eine fast totale Verletzung: Schuss 
durch das Halsmark mit Lähmung beider Beine, des ganzen einen 
Arms und auch der zweiten Hand, während der Arm bis zur 
Hand funktionsfähig geblieben war); ein Student der Medizin mit 
anfänglich mehr als Halbseitensymptomen kann nach 5 Woeben 
schon beinahe wieder gehen, einer mit Schuss durch einen Len¬ 
denwirbelkörper und nur anfänglicher Blasenlähmung ist mit einem 
Korsett schon wieder entlassen (beide Fälle aus dem Kranken¬ 
haus Lichtenberg, Dr. Herz). Einem, bei dem das Infanterie- 
geschoss seitlich dicht an einem Lendenwirbel sitzt, diesen etwas 
eingedrückt und ein Gemisch von Canda- und Rückenmarkssym¬ 
ptomen gemacht hat, geht es auch schon so gut, dass er mit zwei 
Stöcken gehen kann und drei Monate nach der Verletzung nach 
Hause entlassen wird. Auch in diesem Falle hatte ich trotz des 
beinahe verlockenden Röntgenbefundes die Indikation zur Opera¬ 
tion abgelehnt, wie der Verlauf gezeigt hat, mit Recht. 

Die Caudaverletzungen, welche bei Schüssen der Lenden- 
wirbelsäule zustande kommen, und von denen ich auch mehrere 
gesehen habe, stehen schon den peripheren Nervenverletzungen 
nabe, da die Wurzeln der Cauda ja die gleiche Struktur haben 
wie die peripheren Nerven. Die unnmittelbare Lebensgefahr ist 
niebt gaDZ so gross wie bei den Rückenmarksverletzungen, ins¬ 
besondere dann nicht, wenn eine gewisse Funktion der Blase sich 
wieder herstelit. Aber die ausgebreiteten doppelseitigen Läh¬ 
mungen und Empfindungsstörongen geben recht traurige Bilder. 
Man könnte daran denken, diese Caudaverletzungen wie die Ver¬ 
letzungen der peripheren Nerven zu behandeln, d. h. angemessene 
Zeit nach der Verletzung die Cauda frei zu IegeD, Narben zu 
entfernen, sogar die Wurzeln zu nähen. Die Erfolge bei Naht 
des Rückenmarks selber gehören — um auch das noch zu bemer¬ 
ken — in das Reich der Fabel. 

Haben wir bei der Beurteilung der Verletzungen des Gehirns 
und des Rückenmarks doch im allgemeinen gute Anhaltspunkte 
an den entsprechenden Friedensverletzungen, so stehen wir bei den 
Verletzungen der peripheren Nerven vor Fragestellungen, 
die wir durch entsprechende Friedenserfahrungen nicht erledigen 
können. Schussverletznngen peripherer Nerven haben wir ja im 
Frieden mit Ausnahme einiger Hirnnervenlähmungen bei miss 
glückten Selbstmordversuchen durch Schädelscbüsse, so gut wie nie 
gesehen; demgegenüber steht nun die ungeheure Anzahl, die 
nach Gerulanos’ Erfahrungen im Balkankriege etwa auf \ l j 2 pCt. 
aller Verletzungen zu schätzen wäre. Bei der Annahme einer halben 
Million von Verwundungen hätten wir also jetzt 7—80Q0 Schoss¬ 
verletzungen der peripheren Nerven in Deutschland zu behandeln. 
Dabei sind natürlich nur die Verletzungen grösserer Nervenstämme 
berechnet. 

Im einzelnen sehen wir Verletzungen wohl aller Nerven, 
die es überhaupt gibt, am häufigsten wohl der Armnerven, ent¬ 
weder eines oder auch zweier. Sehr häufig sind auch Verletzungen 
des Plexus brachialis bei Schuss durch die Ober- und Unter- 
schlüsselbeingrube. Nicht ungewöhnlich sind auch Verletzungen 
des N. oder Plexus ischiadicus, nicht selten doppelseitig, häufiger 
noch die des Peroneus und Tibialis. Gar nicht selten sind auch 
Verletzungen der Hirnnerven, speziell solche des N. facialis. 
Am seltensten sind wohl Verletzungen einzelner Nervenwurzeln 
bei ihrem Austritt aus dem Wirbel, von denen ich bisher zwei 
gesehen habe. Die Symptomatologie dieser Nervenverletzungen 
im einzelnen bietet vieles Neue durch die unglaubliche Fülle der 
Kombinationen. Im Grunde entsprechen natürlich die Folge¬ 
erscheinungen unseren Kenntnissen von der peripheren Innervation 
und bieten die diesen entsprechenden Ausfälle an Motilität 
und Sensibilität. Nicht selten sind die Nervenverletzungen 
mit starken Schmerzen verbunden. Geringere sind gewöhn¬ 
lich. Vor allen Dingen ist jede Bewegung, welche den ver¬ 
letzten Nerven dehnt, dem Patienten ausserordentlich schmerzhaft, 
und spontane Schmerzen gesellen sich diesen hinzu, pflegen aber 
doch einige Wochen nach der Verletzung zurückzugehen, wäh¬ 
rend der Dehnungsschraerz anscheinend ausserordentlich lange 
bestehen bleiben kann. Nicht selten scheinen auch sehr starke 
Haut- und Muskelbyperästhesien. Fälle, in denen die spontanen 
neuralgischen Schmerzen das Bild beherrschen, habe ich nur 
vereinzelt (vier) gesehen. Auch ausgesprochene trophisebe, vaso¬ 


motorische und sekretorische Störungen kommen vor. Zwei Fälle 
mit einer teil weisen Verletzung des N. tibialis an der Wade boten 
neben einer enormen Hautempfindlichkeit der Fasssohle die auf¬ 
fallende Erscheinung, dass sobald der Patient seinen Fass herab- 
bängen liess, eine deutliche starke Rötung des Fusses eintrat nnd 
der Fus8 lebhaft zu schwitzen anflng. 

DifferenUal diagnostisch kommt den Nervenverletzungen 
gegenüber in Betracht die Unterscheidung von reinen Mnskel- 
verletzungen und von Kontrakturen durch Muskel Verletzungen, 
und dann recht häufig die sekundäre Muskelatrophie bei 
Gelenkverletzungen. Fast immer genügt zur Unterscheidung 
schon der faradische Strom, der in den meisten Lazaretten ja der 
einzig erreichbare ist. Sind die Muskeln faradisch erregbar, so 
lassen sich schwere Nervenverletzungen jedenfalls ausscbliessen. 

Die Verletzungen der Nerven geschehen, wie alle anderen 
auch, meist durch Infanteriegeschoss, seltener durch Schrapnell 
oder Granatsplitter. Dass das Geschoss im Nerven oder seiner 
unmittelbaren Umgebung stecken bleibt, ist selten, kommt aber 
vor. So habe ich zwei Granatsplitter am Plexus brachialis, eia 
Schrapnell am N. ulnaris gesehen. Auch hier sei man, ebenso 
wie bei den Gehirnverletzungen, misstrauisch gegen die anscheinen¬ 
den Streifschüsse. Bei dem einen Plexusfall (Dr. Harf) war nur 
ein Streifschuss am Ansatz des Sternocleidomastoideas diagnosti¬ 
ziert worden und erst die Röntgenuntersuchung ergab, da die 
neurologische Untersuchung mit dieser Lokalisation nicht stimmen 
wollte, die Anwesenheit eines Splitters tief in der Plexusgegend. 
In den Fällen, wo ein Geschoss dem Nerven unmittelbar anliegt, 
ist die Indikation zur Operation natürlich ohne weiteres gegeben. 

Was nun die Indikation bei den übrigen Fällen anlangt, so 
weiss man, dass wirkliche Durchschiessungen der Nerven 
verhältnismässig selten sind. Eine japanische Statistik zählt 
unter 47 Nervenverletzungen nur 7 volle Durchschiessnogen. Wir 
wissen sogar, dass ein Schuss, der den Nerven überhaupt nicht 
berührt bat, sondern nur in seiner Nähe vorbeigegangen ist, also 
nur durch die Erschütterung schwere Nervenlähmungen machen 
kann. So wurde bei einer Freilegung des Ischiadicus (Dr. Herz), 
bei der nach der Schussrichtung der Ischiadicus gar nicht ver¬ 
letzt sein konnte, nnr der Verdacht auf Knochensplitter io seiner 
Nähe bestand, der Nerv in grosser Ausdehnung nur in eine blutig 
gelatinöse Masse eingebettet und von ihr durchtränkt gefunden. 
In FriedenszeiteD sehen wir ähnliches, wenn auch wohl nicht ganz 
entsprechendes, nicht ganz selten nach Fall auf die Schulter in 
Form von Schädigungen des Plexus. In einer weiteren Anzahl 
von Fällen findet sich der Nerv nur verletzt, nicht ganz durch¬ 
schossen, aber einige Zeit nach der Verletzung dann in Narben 
eingebettet oder durch Narben mehr oder weniger mit der Um¬ 
gebung verwachsen. Die Frage, die nun gewöhnlich an den 
Neurologen gerichtet wird, ist die, ob der Nerv ganz durebtrennt 
ist oder nicht. Das ist mehr, als der Neurologe immer beant¬ 
worten kann. Wohl können wir in einer grossen Anzahl von 
Fällen aus der Prüfung der Funktion und der elektrischen Erreg¬ 
barkeit mit Sicherheit sagen, dass der Nerv nicht ganz durch¬ 
schossen sein kann. Solche teilweisen Funktionsstörungen kommen 
— um das zur Einzelsymptomatologie noch nachtabolen — in 
zwei Formen vor: entweder es handelt sich um eine diffuse 
Funktionsherabsetzung des ganzen getroffenen Nerven oder um 
eine bisher fast unbekannte Form circumscripter Defekte. So 
kann nicht nur der sensible Teil eines Nervenstammes allein ge 
troffen oder verschont geblieben sein, es können sogar nur einzelne 
Muskeln oder Muskelgruppen gelähmt oder funktionsfähig ge¬ 
blieben sein, z. B. die Daumenmuskeln bei Verletzung des Mediano* 
Stammes. Man sieht die merkwürdigsten Bilder; so sah ich bei 
Verletzung des Iscbiadicos motorische Lähmung im Tibialisgebiet, 
sensible im Peroneusgebiet. Durch das Studium der Nerven- 
Verletzungen wird so in weitestem Maasse bestätigt, dass jeder 
Nerv gewissermaassen aus einer Anzahl kleiner parallel ver¬ 
laufender Nervchen für die Muskelgruppen and Hautgebiete be¬ 
steht, eine Tatsache, die besonders durch die klinisch-operativen 
Forschungen Stoffel’s in den letzten Jahren ins Licht gesetzt 
worden ist. 

Wenn wir aus solchen Befunden der nur teilweisen Ausser- 
funktionssetzung — sei es in der diffusen oder der circuroscripten 
Form — nun auch in einer grossen Anzahl von Fällen mit grosser 
Sicherheit sagen können, dass ein Nervenstamro nicht ganz durch¬ 
schossen sein kann, so beweist die völlige Ausserfunktionssetzung 
eines Nervengebietes, selbst wenn typische und volle Entartuugs- 
reaktion besteht, noch nicht, auch nicht Monate nach der Ver¬ 
letzung, dass die Kontinuität des Nerven vollständig unterbrochen 


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UNIVERSUM OF IOWA 



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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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ist. So habe ich den gleichen klinischen Befund in zwei Fällen 
von Plexuslähmung erhoben; in dem einen Fäll erwiesen sich 
drei Plexusäste als durchschossen, in dem anderen Fall ergab die 
Operation (fast 3 Monate nach der Verletzung) fast gar keinen 
Befund. 

Die Unmöglichkeit, in einer Anzahl von Fällen die Diagnose 
einer völligen Nervendurchtrennung zu machen, wäre aber nur 
dann schlimm, wenn wirklich die Indikation zur Operation an 
dieser Diagnose hinge. Das ist zwar eine noch immer nicht ganz 
unverbreitete Ansicht, aber nicht richtig. Die Indikation ist 
offenbar auch dann gegeben, wenn die Kontinuität zwar er¬ 
halten, der Nerv aber so in Narben eingebettet oder mit 
der Umgebung verwachsen ist, dass eine weitere Restitution 
als ausgeschlossen betrachtet werden kann. Wie oft das der Fall 
ist, sieht man bei den Operationen. Bei 15 Operationen, die an 
klinisch von mir untersuchten Fällen ausgefuhrt wurden, batte 
die Operation nur in 2 Fällen anscheinend keine Rechtfertigung 
darch den Befund. In 5 Fällen war der Nerv ganz durcbtrennt 
und die Enden noch durch Narbenmassen voneinander entfernt; 
in den anderen 8 aber war der Nerv so verwachsen (einmal mit einem 
Aneurysma), dass die Neurolyse zweifellos die einzige Möglichkeit 
der Wiederherstellung war. Und dabei war die Indikation zur Ope¬ 
ration nur nach dem einen Gesichtspunkt gestellt gewesen, dass die 
Lähmung sich während langer Zeit, und zwar während 
4—8 Wochen, nicht mehr gebessert hatte. Es geht uns hier 
eben wie überall in der Medizin, nicht nur in Kriegs-, sondern auch in 
Friedeuszeiten — ich erinnere etwa an die Indikation zur Operation 
der Appendicitis — die Beurteilung des Einzelfalles hat eine 
Grenze, und viele Fälle sind individuell gar nicht zu beurteilen. 
Für diese muss entscheidend sein das Verhältnis von Gefahr auf 
der einen Seite und Aussichten auf der anderen. In unserem 
Falle besteht die Gefahr des Abwartens, abgesehen von der von 
manchen Autoren behaupteten und nicht unwahrscheinlichen Ge¬ 
fährdung der FunktionsWiederherstellung überhaupt bei langem 
Warten, in der sehr langen Herausschiebung derselben. Sie be¬ 
steht darin, dass wir den Verletzten viele Monate lang, denn so 
lange besteht die vage Aussicht auf eine spontane Wiederher¬ 
stellung, liegen lassen, um ihn dann schliesslich doch operieren 
zu müssen. Er hat dann also die Wartezeit einfach verloren. 
Die Gefahr der Operation für das Leben ist aber eine minimale, 
und eine Gefährdung der Nervenfunktion durch die Operation 
darf man wohl überhaupt ausschliessen. Nach unserer Meinung 
haben wir dem Verletzten Zeit genug gegeben, wenn wir auf eine 
Besserung der Funktion 4—8 Wochen, im Mittel 6 Wochen, ge¬ 
wartet haben. Hat sich in dieser Zeit nichts gerührt, sei es, dass 
eine Besserung überhaupt nicht eingesetzt hat oder eine begonnene 
Besserung wieder zum völligen Stillstand gekommen ist, voraus¬ 
gesetzt natürlich, dass dabei noch ein wesentlicher Funktions¬ 
ausfall besteht, so soll man eben nachsehen. Es ist das auch 
der Standpunkt, den einige Kriegschirurgen, z. B. Gerulanos, 
Kirschner 1 ) u. a. vertreten. In diesem Kriege scheint man nach 
meinen Erfahrungen hierzulande mit der Indikation zur Freilegung 
des Nerven vielfach noch gar zu zurückhaltend zu sein. 

Bedingung der Operation ist natürlich ein aseptischer Zu¬ 
stand der Wunde. 

Schwierig und ungeklärt ist die Indikation zur Freilegung 
des Nerven wesentlich aus dem Grunde von Schmerzen im 
Nervengebiet. In einzelnen Berichten früherer Kriege ist ver¬ 
hältnismässig viel von Nervenoperationen infolge von Neuralgien 
die Rede (Hashimoto). Ihre Erfolge waren recht gute, manch¬ 
mal momentane. An und für sich würde ich die Indikation bei 
starken neuralgischen Schmerzen auch ohne wesentliche Motilitäts¬ 
störungen für berechtigt halten. Wie schon oben erwähnt, habe 
ich so heftige Schmerzen bisher nur selten gesehen und nur in 
einem Falle wesentlich deswegen operieren lassen. Hier war der 
Erfolg befriedigend. Nur wird man mit der Operation der 
Schmerzen wegen noch länger wie bei den Lähmungen warten 
nnd erst alle anderen Mittel der Behandlung erschöpft haben 
müssen. Freilich soll man auch hier nach Hashimoto nicht zu 
lange warten, weil sonst die Resultate schlechter werden. Hashi¬ 
moto musste schliesslich io 2 Fällen, die beide erst sehr spät, 
nach 6 uod 13 Monaten, operiert waren, nur der Schmerzen wegen 
ampatieren — was ich freilich für ganz unberechtigt halte, da 


1) Beiträge zur Kriegsheilkunde, herausgegeben vom Ze 
tral-Komitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz, Berlin, Spring 
1914, S. 244. 


die Durcbschneidung der entsprechenden Rückenmarkswarzein noch 
offen gestanden hätte. 

Wie die Operation gemacht wird, ob Nervennabt, ob Nerven¬ 
lösung, in welcher Weise die Wiederbildung der Narben Verwach¬ 
sung durch Transplantation am besten bintangehalten wird, das 
hängt vom Einzelfall ab und ist Sache des operierenden Arztes. 
Schwierig ist die Entscheidung, inwieweit Narben innerhalb 
des Nerven, die manchmal als dicke Knoten zu fühlen sind, 
die Indikation zur Resektion des Nerven und zur Nervennaht 
geben sollen. Es scheint, als wenn diese Frage im allgemeinen 
bejaht werden muss, da diese Fälle keine Tendenz zur Wieder¬ 
herstellung zeigen. Es sollte bei der Operation aber jedenfalls 
genaueste Rücksicht darauf genommen werden, dass das Lage- 
verhältnis der beiden Stümpfe zueinander möglichst erhalten 
bleibt, damit die entsprechenden Nervenbündelchen, soweit mög¬ 
lich, miteinander wieder verwachsen können. Offenbar erklärt 
sich durch die Unmöglichkeit, diese Bedingung einzuhalten, der 
Misserfolg mancher Nervennaht. 

Ausser den eigentlichen Schussverletzungen des Nerven beob¬ 
achten wir — die Zahl der Verletzungen durch scharfe Waffen 
scheint gering zu sein — in grösserer Anzahl noch solche, 
welche weniger durch das Geschoss als durch eine gleichzeitige 
Knochenfraktur bedingt sind. Sie sind wegen der manchmal 
ungeheuren Splitterung, wohl auch wegen der bei langen Trans¬ 
porten oft eintretenden Verschiebungen der Fragmente viel häufiger 
als bei den entsprechenden Friedensverletzungen. So bekamen 
wir bei dem schon einmal erwähnten Transport von 120 Ver¬ 
wundeten allein drei Oberschenkelfrakturen mit Ischiadicuslähmung. 
Am häufigsten sind im allgemeinen die Radialislähmungen bei 
Oberarmbrüchen. Die Indikationen zur Operation sind genau die 
gleichen wie bei den reinen Weichteilschüssen. 

Leider sehen wir auch Kriegsverletzungen der peripheren 
Nerven in Form der ischämischen Lähmung durch die 
Esmarch’scbe Binde. Ich habe solche gesehen mit sehr un¬ 
bedeutenden Wunden, die ihren Arm allein durch die zu lange 
fortgesetzte (10 Stunden bis 3 Tage) Zuschnürung verloren haben. 
Man erkennt die Fälle sofort an der totalen Lähmung der Hand, 
wie sie bei Nervenverletzungen fast nie vorkommt, und erhält 
bei der Frage nach der Esmarch’scben Binde dann auch immer 
die entsprechende Auskunft. Die Prognose dieser Fälle ist eine 
absolut trostlose. 

Wie die Prognose dereigentlichenNervenverletzungen 
sein wird, lässt sich noch nicht beurteilen. Die Zeit ist noch zu 
kurz, upd leider wird sich auch später schwer eine Massenstatistik 
machen lassen, da die Heilungsdauer so gross ist, dass die Patienten 
wohl niemals die ganze Zeit in Lazarettbehandlung bleiben werden. 
Schon jetzt wenden sich an uns Verletzte voll Verwunderung, 
z. B. dass ein Radialis, der im August genäht worden war, noch 
nicht wieder funktionsfähig sei. Demgegenüber muss man wissen, 
dass nach Gerulanos die Zeit bis zur völligen Wiederherstellung 
nach einer Nervennaht seihst unter einfachen Verhältnissen min¬ 
destens 8 Monate beträgt 1 ). Eine Ischiadicusnaht zeigte die ersten 
Anzeichen des Erfolges erst nach 13 Monaten — abgesehen davon, 
dass der Erfolg einer Nervennaht überhaupt keineswegs ein 
sicherer ist 2 ). Die Erfolge der Neurolyse können natürlich 
schneller eintreten. Völlige Funktionsfähigkeit ist hier schon 
nach 2 Monaten beobachtet worden. 

Es ist kein Zweifel, dass die Frage: Operation oder nicht? 
vorläufig noch die Therapie der Nervenverletzungen beherrscht. 
Dass bei leichteren narbigen Verwachsungen auch eine sehr sorg¬ 
fältige Massage, vielleicht auch Fibrolysininjektionen etwas nützen 
können, ist eine Erfahrung der Friedenspraxis (hier bei den Nerven¬ 
verletzungen durch Knochenfraktur). Selbstverständlich werden wir 
es nicht versäumen, soweit nach Lage der Dinge irgend möglich, 
die Wiederherstellung der Funktion mit und ohne Operation durch 
physikalische Maassnahraen, besonders Bäder, Massage und 
Uebungen zu unterstützen. Von dem Nutzen der Elektrizität bin 
ich gar nicht überzeugt, allein genügt sie nicht; da sie aber 
nichts schadet, kann man sie ruhig mit den anderen Massnahmen 
zusammen anwenden. Gerade für diese Dinge müssen die vor¬ 
handenen Einrichtungen noch bedeutend erweitert werden. 

Nur noch einige Worte über die Hysterie. Auch sie kommt 
bei Nervenverletzungen vor, hat aber meines Erachtens gar keine 


1) Beitr. z. klin. Chir. 1914, Bd. 91, S. 222. 

2) Ein genaues Sammelreferat über Nervennaht und Neurolyse mit 
Bericht über die Einzelfälle bis 1913 gibt Coste. Zschr. f. d. aes. Neur 
u. Psych. Ref. Bd. 6, S. 721. 

2 


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tm 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 61. 


besondere Beziehang za ihnen, d. h. sie kommt bei anderen Ver- 
letzungen genau so häufig und genau so selten vor. Die schwersten 
Fälle von Hysterie, die ich sah, hatten überhaupt keine Verletzung, 
mehrere davon eine etwas unkontrollierbare und nicht ganz glaub¬ 
würdige Anamnese. Zwei Fälle von „hysterischem Fieber“ näherten 
sich — um mich euphemistisch auszudrücken — bedenklich der 
Simulation. Andererseits habe ich wirklich schwere Ver¬ 
letzungen, gleich welcher Art, nur ausnahmsweise mit aus¬ 
gesprochener Hysterie einhergehen sehen. Ueber die Häufigkeit 
der Hysterie und anderer funktioneller Störungen im allgemeinen 
kann man wohl noch gar kein Urteil haben. Im Verhältnis zu 
der ungeheuren Zahl der Verletzten ist sie sicherlich selten. An 
manchen Stellen scheint sie sich etwas zu häufen, wohl durch 
Infektion seitens anderer Kranken und auch seitens der Aerzte. 
Ich habe mehrfach in Erfahrung gebracht, dass bei durchaus 
nicht schweren Verletzungen, z. B. in einem Fall von geheiltem 
Lungendurchschuss, ein ganz junger Arzt dem Verletzten seine 
differential-diagnostischen Erwägungen und seine Besorgnis um 
ihr ferneres Schicksal mitgeteilt hatte. Aeusserungen, wie: „Ganz 
gesund werden Sie doch nicht“, „einen Kuax für Ihr Leben haben 
Sie weg“ sind mir berichtet worden. So etwas kann natürlich 
ausserordentlich bysterogen wirken und sollte einfach verboten 
werden. Wenn wir uns erinnern, dass unter den Unfallrenten¬ 
empfängern höchstens 2 pCt. funktionelle Störungen aufweisen, 
und wenn wir einmal ein gleiches Verhältnis für die Kriegs¬ 
verletzten annebmen, so hätten wir mit 20000 Neurotikern für 
jede Million Verwundeter zu rechnen. Mit ihnen wird das 
deutsche Volk fertig werden. Die Organisation der Behandlung 
dieser Störungen wird zusammen mit der Behandlung der nach 
Verletzungen zurückbleibenden Bewegungsstörungen schon während 
des Krieges eingeleitet werden müssen und uns noch für lange 
Zeit nach dem Kriege beschäftigen. 


Aus der dermatologischen Universitätsklinik zu Frank¬ 
furt a. M. (Direktor: Prof. Dr. Karl Herxheimer). 

Zur Bewertung der hämolytischen und hämo¬ 
lysehemmenden Funktion syphilitischer Sera. 

Von 

Dr. med. Ernst Nathan, 

wissenschaftlichem Assistenten der Klinik. 

Das Studium der hämolytischen Eigenschaften des mensch¬ 
lichen Blutserums in der Norm nnd bei pathologischen Zuständen 
hat im allgemeinen zu keinen Feststellungen geführt, die in be¬ 
stimmter und spezifischer Weise eine diagnostische oder patho- 
gnomische Verwertung erlaubt hätten. Zwar wurden von einer 
Reibe von Autoren Untersuchungen über den Komplementgehalt 
von Tierseren und dessen Beeinflussung durch experimentelle 
Maassnahmen angestellt, wobei sich aber schon unter normalen 
Verhältnissen vorwiegend mehr oder weniger grosse Unterschiede 
im Komplementgehalt des Serums verschiedener Individuen der 
gleichen Art, wie auch zeitliche Schwankungen bei einem und 
demselben Individuum ergaben, ohne dass e8 jedoch gelang, auf 
experimentellem Wege dauernde Erhöhungen oder Verringerungen 
des Komplementgehalts bei Tieren zu erzeugen. 

Andererseits wurden Beobachtungen über eine Abnahme des 
Komplementgehalts beim Menschen unter so verschiedenen Be¬ 
dingungen (chronische Eiterung und Abscessbildung, Nahrungs¬ 
entziehung, Alkoholvergiftung, Thyreoidektomie, Lepra usw.) be¬ 
schrieben, dass es nicht angängig erschien, diese Befunde in dia¬ 
gnostischer Hinsicht zu verwerten 1 ). 

Es entbehrte daher nicht des Interesses, als Popoff 2 ) be¬ 
richtete, bei Syphilitikern bzw. Metasyphilitikern in dem hämo¬ 
lytischen Vermögen des Serums relativ konstant Differenzen gegen¬ 
über der Norm nachgewiesen zu haben, deren diagnostische Ver¬ 
wertung er empfahl. Die Differenzen bestanden in einer starken 
Verminderung bzw. in völligem Fehlen des Komplements bei den 


1) Literatur-Zusammenstellung s. bei H. Sachs: Hämolysine des 
Blutserums (cytotoxiscbe Sera) in Kolle-Wassermann’s Handb. d. patb. 
M kroorgau., 1913, II. Aufl., Bd. 2, S. 798. 

2) M Popoff, D.m.W-, 1912, Nr. 39, S. 1833; Zschr. f. Immun.- 

Forsch., 1912, Bd. 14, H. 2, S. 218. 


syphilitischen und metasyphilitischen Seren. Aebnlicbe Beobach¬ 
tungen waren für das Paralytikerserum auch schon von Elias¬ 
berg 1 ) mitgeteilt und von Weil und Kafka 2 ) gelegentlich ihrer 
Untersuchungen über den Hämolysingehalt der Cerebrospinalflüssig¬ 
keit bestätigt worden. 

Methodisch ging Popoff so vor, dass er 0,3, 0,2 and 0,1 ccm 
frischen, höchstens 2 Tage alten Serums mit 0,1 ccm einer 20 pro*. 
Meerschweinchenblutkörperchen-Aufschwemmung im Gesamtvolumen von 
1,2 ccm 1—2 Stunden lang im Thermostaten bei 37° digerierte. Nach 
dieser Zeit zeigten die normalen Sera eine komplette Hämolyse (negative 
Sera), während die syphilitischen Sera entweder keine (stark positive Sera) 
oder aber partielle Hämolyse (schwach positive bzw. zweifelhafte ±-Sera) 
aufwiesen. 


Beim Vergleich der mit dieser hämolytischen und der Wasser- 
mann eben Reaktion erhaltenen Resultate bekam Popoff in 
75pCt. übereinstimmende Ergebnisse, in25pCt. der Fälle war 
der Ausfall der Reaktion bei beiden Methoden different. Zar 
Erklärung der hämolysehemmenden Wirkung syphilitischer Sera 
nimmt Popoff an, dass die syphilitischen wie die normalen 
Sera zwar den hämolytischen Amboceptor unverändert enthalten, 
dass aber bei den syphilitischen Seren der Komplementgehalt 
mehr oder weniger stark reduziert ist Für diesen Komplement¬ 
mangel macht Popoff eine Abspaltung von Lipoiden oder lipoid- 
ähnlicben Stoffen verantwortlich, die ins Blut übergehen und hier 
mit dem Komplement Verbindungen eingehen, d. h. eine anti¬ 
komplementäre Wirkung entfalten sollen. „Da die Menge dieser 
abgespaltenen Lipoide im akuten Stadium der Krankheit grösser 
ist, so wird in floriden Luesfällen fast das ganze Komplement 
von den Lipoidstoffen gebunden: Das Serum reagiert stark positiv 
(komplette Hemmung). In älteren Stadien der Lues und in 
Fällen, wo die Krankheit infolge Behandlung usw. an Intensität 
nachgelassen hat, nimmt auch die Menge der abgespaltenen 
Lipoide ab, es bleibt demnach noch ein Teil vom Komplement 
frei, das die Meerschweinchenblutkörperchen teilweise hämolysiert. 
Das Serum reagiert mehr oder weniger stark positiv.“ 

Nach Popoff hat sich meines Wissens nur noch Kafka 3 ) 
mit den hämolytischen Eigenschaften des Luetikerblntes be¬ 
schäftigt und ebenfalls festgestellt, dass sich eine Abnahme der 
hämolytischen Fähigkeiten des Serums häufig bei syphilitischen 
und metasyphilitischen Erkrankungen findet, wofür jedoch, wie 
aus den Versuchen Kafka’s hervorgeht, nicht nur eine Kom* 
plementverarmung des Serums, sondern auch in relativ zahlreichen 
Fällen Fehlen des Normalambozeptors verantwortlich zu machen ist. 

Wegen der Einfachheit der von Popoff angegebenen Me¬ 
thodik prüfte ich, zumal sich die Angaben von Kafka vor¬ 
wiegend auf Untersuchungen des Serums bei metasyphilitischen 
Affektionen stützen, den Hämolysingehalt des aktiven Serams für 
Meerschweinchenblutkörperchen bei einer Reihe von Seren nach 
und gestatte mir, im Folgenden kurz über die Resnltate zu be¬ 
richten. Dabei kam es mir, wie besonders betont sei, nicht darauf 
an, die Ambozeptor- und Komplementmenge der einzelnen Sera 
gesondert zu bestimmen, sondern lediglich den Wert der 
von Popoff angegebenen und diagnostisch empfohlenen 
Reaktion zu erproben. 

Ich hielt mich daher prinzipiell an die von Popoff ange¬ 
wandte Technik und wich nur in einigen unwesentlichen Punkten 
von ihr ab. 


Zunächst verwandte ich nur ganz frisches, höchstens 24 Sbinden 
altes Serum, da besondere Versuohe gezeigt hatteD, dass längeres Stehen 
die hämolytische Funktion des Serums erheblioh beeinträchtigt und so 
zu unspezifischen positiven Resultaten führen kann. Ferner nahm w 
die Bestimmung der hämolytischen Dosis des Serums nicht nur fi« 
Popoff unter Verwendung von 0,8, 0,2 und 0,1 com Serum vor, sondern 
bestimmte in allen Fällen durch Titration des Serums in absteigenden 
Mengen (0,1, 0,09, 0,08, 0,07 usw. bis 0.01, 0) die geringste, eben noen 
komplett lösende Dosis des Serums, den „hämolytischen Titer . 

Auf diese Weise habe ich nach einer Reihe von Vorver* 
suchen den Hämolysingehalt von insgesamt 200 Seren untersuc • 
Von diesen stammten 87 Sera von Syphilitikern mit 
Wassermanu’schen Reaktion, die zum grossen Teil (5o ? J 
auch manifeste klinische Symptome des Initial-, Sekundär- o 
Tertiärstadiums aufwiesen, zum geringeren Teil (28 Fälle) 
Latenzstadium und nur in 4 Fällen der Paralyse bzw. Tabes 
gehörten. 


1) Y. Eliasberg, D.m.W., 1911, Nr. 7, S. 302 

2) E. Weil und V. Kafka, M. Kl., 1911, Nr. 34, S. 

3) V. Kafka, M. Kl., 1913, Nr. 10, S. 378 


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21. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1936 


118 Sera von Gesunden bzw. Kranken der verschiedensten Art 
wiesen negative Wassermann’scbe Reaktion auf und dienten als 
Kontrollfälle, d. h. zur Bestimmung des durchschnittlichen hämo¬ 
lytischen Titers. Bei diesen nach Wassermann negativen und 
zum grössten Teil anamnestisch und klinisch unverdächtigen 
Fällen war der hämolytische Titer, d. h. die geringste, noch 
komplett lösende Dosis individuell sehr verschieden und schwankte 
zwischen > 0,3 und 0,03, der durchschnittliche Titer betrug bei 
diesen nach Wassermann negativen Seren 0,09; im einzelnen waren 
die Zahlen folgendermaassen verteilt; 

1 Serum = 0,9 pCt. wirkte überhaupt nicht hämolytisch; 

1 „ = 0,9 „ hatte einen Titer 0,3; 

14 Sera = 12,3 „ batten „ „ 0,2; 

8 ,, — 7,1 ?i n ji 0,1; 

89 „ = 78,8 „ „ „ „ 0,09 oder stärker bis 0,03. 

Zusammengefasst war also unter 113 nicht syphi¬ 
litischen Seren, selbst wenn man als normalen Titer 
0,1 rechnet, in 14,1 pCt. der Hämolysingehalt geringer, 
als es der Norm entsprochen hätte. 

Etwas anders lagen die Verhältnisse bei den 87 syphilitischen 
Sera. Bei diesen schwankte der Titer ebenfalls von Serum zu 
Serum in weiten Grenzen und zwar zwischen > 0,3 und 0,04. Der 
durchschnittliche Titer betrug bei den syphilitischen Seren 0,1, 
war also etwas höher wie bei den normalen, nichtsyphilitiscben 
Sera. Im einzelnen war die Verteilung folgendermaassen: 

11 Sera = 12,7 pCt. wirkten gar nicht hämolytisch; 

6 „ = 6,9 „ batten einen Titer 0,3; 

19 „ = 21,8 „ „ „ „ 0,2; 

6 „ = 6,9 „ ,, „ „ 0,1; 

45 „ = 51,7 „ „ * „ 0,09 oder stärker bisO,04. 

Zusammengefasst war also, wenn man 0,1 wie oben 
als normalen Titer rechnet, bei den 87 syphilitischen 
Sera der Hämolysingehalt in 41,4pCt. geringer, als es 
der Norm entsprochen hätte. 

Aus diesen Resultaten ergibt sich in Bestätigung der An¬ 
gaben von Eliasberg, Popoff, Weil und Kafka sowie Weil 
also tatsächlich, dass bei den syphilitischen, nach Wasser¬ 
mann positiven Sera der Hämolysingehalt relativ häu¬ 
figer reduziert ist wie bei den normalen Sera. Da aber 
einerseits auch nichtsyphilitische Sera noch in 14,1 pCt. 
einen hämolytischen Titer zeigen, der niedriger ist, als 
es der Norm entsprechen würde, andrerseits die syphi¬ 
litischen Sera nur in 41,4pCt. eine deutliche Verringe¬ 
rung des Hämolysingebalts erkennen lassen, so resul¬ 
tiert aus diesen Befunden, dass die Popoff’sche Hämo¬ 
lysereaktion bzw. die Hemmung der Hämolyse bei 
Verwendung syphilitischer Sera keine diagnostische 
Bedeutung beanspruchen kann. 

Es ergibt sich dies übrigens auch aus einem direkten Ver¬ 
gleich der mittels beider Reaktionen erhaltenen Resultate. Dabei 
rechnen wir eine Hemmung der Hämolyse von 0,1 an bzw. völliges 
Ausbleiben der Hämolyse als positive Popoffsche Reaktion, 
Lösung von 0,1 an als Degative Popoffsche Reaktion. 

Uebereiostimmend negativ nach beiden Reaktionen reagierten 
nur 48 pCt. aller Fälle, übereinstimmend positiv nur 17,5 pCt. 
aller Fälle. Es zeigten also im ganzen 65,5 pCt. aller Fälle 
gleichsinnigen Ausfall der Wassermann’scben und der Popoff’schen 
Reaktion. 

Der Rest von 34,5 pCt. der untersuchten Fälle ergab diver¬ 
gente Resultate, und zwar reagierten von den syphilitischen Seren 
25,5 pOt. nach Popoff negativ, 9 pCt. der nichtsyphilitischen 
nach Wassermann negativen Sera nach Popoff positiv. 

Auch aus dieser Art der Zusammenstellung ergibt 
sich, dass die Hemmung der Hämolyse bei syphiliti¬ 
schen Sera in der von Popoff empfohlenen Anordnung 
keinerlei diagnostischen Wert beanspruchen kann, 
wenn auch, wie schon erwähnt, zugegeben werden mass, 
dass syphilitische Sera in einem etwas grösseren Pro¬ 
zentsatz als die nichtsyphilitischen, nach Wassermann 
negativ reagierenden Sera das beschriebene Phänomen 
der Hämolysehemmung aufweisen. 


Aus der dermatologischen Abteilung des Rudolf 
Virchow-Krankenhauses in Berlin (dirigierender Arzt 
Prof. Dr. Buschke). 

Ueber die parenchymatös-toxischen Wirkungen 
des Syphiliscontagiums bei visceraler Früh¬ 
syphilis und Taboparalyse. 

Von 

Prof. Dr. A. Buschke und Dr. Max Michael, Assistenzarzt. 

Während die experimentelle Syphilisforschung zusammen mit 
den früher schon bekannten Tatsachen uns bereits wichtige Auf¬ 
schlüsse darüber gebracht hat, inwieweit die histologisch spezi¬ 
fischen Veränderungen der Gewebe mit der lokalen Anwesenheit 
der Spirochaete pallida in Beziehungen stehen, haben uns die 
modernen Forschungen über die toxischen Wirkungen des Syphilis- 
contagiums, welche unabhängig sind von der Anwesenheit der 
spezifischen Mikroorganismen in den degenerierten Geweben selbst, 
nicht nennenswert gefördert. Im ersteren Falle handelt es sich 
naturgemäss um vorwiegend interstitielle und vaskuläre Entzün¬ 
dungsprozesse, durch welche erst sekundär infolge der veränderten, 
mechanischen und circulatorischen Bedingungen und vielleicht 
auch durch die toxischen Wirkungen des in der Nachbarschaft 
vorhandenen Syphiliscontagiums die Parenchymzellen der Organe 
verändert werden. Im zweiten Falle dagegen liegt eine primäre 
Schädigung der Parenchymzellen vor durch die toxischen Pro¬ 
dukte des im Blut kreisenden oder an einer entfernten Stelle des 
Organismus deponierten Syphiliscontagiums. Diesen Vorgang 
hätten wir dann nach Vircbow’s Vorgang als parenchymatöse 
Entzündung aufzufassen, welche entweder mit Regeneration oder 
Degeneration und Zerfall des Parenchyms endigt. Diese Frage 
nun, inwieweit die rein toxischen Wirkungen des Syphiliserregers 
im Verlauf der Krankheit eine Rolle spielen, hat durch die 
Noguchi’sche Entdeckung der Spirochäten im Gehirn eine be¬ 
sondere Bedeutung für das Problem der Tabes und Paralyse ge¬ 
wonnen. Während eine Anzahl von Autoren besonders in der 
Periode der rein klinischen Syphilisforschung doch sehr der rein 
toxischen Entstehung dieser früher sogenannten metasyphilitischen 
Erkrankungen zuneigten, so erklären nunmehr — wie auch früher 
schon — einzelne Forscher teils auf Grund histologischer Studien, 
teils besonders auf Grund der Noguclii’schen Entdeckung Tabes 
und Paralyse für eine etwas modifizierte Form der gewöhnlichen 
interstitiellen Spätsyphilis mit sekundärer Degeneration des be¬ 
fallenen Nervengewebes. Zur Lösung dieser Frage reichen die 
bisher gewonnenen klinisch-histologischen und mikrobiologischen 
Untersuchungsergebnisse nicht aus, das Experiment lässt bisher 
vollkommen im Stich. Nun scheint es uns indes, dass man aus 
dem Studium gewisser Visceralerkrankungen im Frühstadium der 
Syphilis, mit denen wir uns in den letzten Jahren etwas ein¬ 
gehender beschäftigt haben, eine gewisse Basis für die Beurteilung 
dieser Dinge gewinnen kann. Wir haben aus diesen Erfahrungen, 
die ausführlich an anderen Orten mitgeteilt sind, eine Reihe von 
Argumenten dafür gewonnen, dass wir jedenfalls berechtigt sind, 
dem Syphiliscontagium eine wesentlich toxische Quote zuzusprechen: 
Dach diesen Beobachtungen kann auch ohne den Faktor inter¬ 
stitieller und vaskulärer Schädigung eine schwere degenerative 
Veränderung parenchymatöser Zellen sich bei Lues entwickeln. 

Zu den häufigsten frühsyphllitischen Visceralerkrankungen 
gehört nach den Erfahrungen unserer Abteilung der Icterus syphi¬ 
liticus praecox, der nach unseren Literaturstudien mit der auf¬ 
fallend grossen Häufigkeit von etwa 10 pCt. zur akuteD gelben 
Leberatrophie führt. Die früheren Theorien über seine Patho¬ 
genese: Entstehung auf Grund einer spezifischen portalen Lymph- 
drüsenschwellung(Lanceraax, Engel-Reimers),einesEnanthems 
der Gallenblase oder der Leberausfuhrgänge (Gabler, Cornil, 
Senator), frühzeitiger interstitieller Veränderungen (Mauriac, 
Joseph) sind mit Ausnahme von gelegentlichen portalen Drüsen¬ 
schwellungen niemals autoptisch bestätigt worden; auf Grund 
einer grossen Reibe hier nicht aufzufübrender Argumente, welche 
in den erwähnten ausführlichen Arbeiten 1 ) mitgeteilt wurden, sind 


1) A. Buschke und Felix Zernik, Zur Kenntnis der Leber¬ 
erkrankungen im Frühstadium der Syphilis. Arch. f. Denn. u. Syph. 
Bd. 151, H. 1—3. — Buschke, Zur Kenntnis des Icterus syphiliticus 
praecox. B.kl.W., 1910, Nr. 6. — Buschke, Syphilis in Riecke’s Lehrb. 
d. Hautkrankh., 1.—3. Aufl. — Michael, Der Icterus syphiliticus praecox 
usw.“ Arch. f. Derm. u. u. Syph., Bd. 120, H. 3. 

2 * 


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1936 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


diese Theorien völlig abzulehnen. Vielmehr macht der häufige 
Ausgang des Icterus syphiliticus praecox in die akute gelbe Leber¬ 
atrophie es wahrscheinlich, dass hier eine parenchymatöse Hepa¬ 
titis rein syphilotoxischen Ursprungs vorliegt, die sich in einem 
Teil der Fälle zurückbildet, in etwa lOpCt. in akute Degeneration 
des Leber parenchyms übergeht. Diese Auffassung auch bezüglich 
der frühsypbilitischen akuten Nephritis haben wir bereits in 
früheren Arbeiten und auch bereits in der ersten Auflage des 
Rieke’schen Lehrbuches vertreten und versucht, dieselbe durch 
Funktionsprüfungen zu stützen. Der wichtigste Beweis indes für 
die Richtigkeit dieser Auffassung ist die Tatsache, dass es bisher 
keinem Untersucher geglückt ist, in dem Gewebe bei akuter gelber 
Leberatrophie auf syphilitischer Basis Spirochäten oder andere 
Mikroorganismen zu finden, während in Hauteffloreszenzen des¬ 
selben Falles zahlreiche Spirochäten vorhanden waren (Vespreroy 
und Kanitz). In einem von Fischer aus unserer Abteilung 
publizierten Fall gelang es ebenfalls nicht, Spirochäten im Ge¬ 
webe zu finden, und Impfungen von Lebermaterial auf Affen ver¬ 
liefen negativ. Dieser Versuch ist um so wichtiger, als Neisser 
Lebergewebe syphilitischer Affen, welches mikroskopisch frei von 
Spirochäten war, mit positivem Erfolg verimpfen konnte. Diese 
Beobachtungen berechtigen uns zu dem Schluss, dass diese schweren 
Erkrankungen des Leberparenchyms, welche in leichteren Fällen 
mit Regenerationen, in schwereren mit Untergang der Leberzellen 
endigen, durch eine rein toxische Wirkung des Syphiliscontagiums 
ohne direkte Anwesenheit desselben in den erkrankten Geweben 
zustande kommen. 

Vielleicht noch schärfer als bei dem frühsyphilitischen Icterus 
drängt sich bei den frühsyphilitischen Nierenerkrankungen der 
Gedanke auf, dass es sich um eine toxisch-parenchymatöse 
Affektion handle, ein Standpunkt, den wir bereits seit Jahren ver¬ 
treten, und der in einer früheren Arbeit von Winkler 1 ) aus 
unserer Klinik zum Ausdruck gebracht ist. Die frühsyphilitische 
Nierenerkrankung wird gemeinhin als frühsyphilitische Nephritis 
bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich — wie die sorg¬ 
fältigen Arbeiten von Le Play und Sezany, Mossny und 
Maslonier sowie die Arbeiten von Munk auf Grund zahlreicher 
autoptischer Befunde beweisen — um einen diffus über das ganze 
Parenchym der Niere ausgebreiteten bis zu vollständiger Epitbel- 
nekrose führenden Prozess der Tubuli contorti. Das Bild ent¬ 
spricht also einer wohlcharakterisierten Nephrose (Müller, 
Volhard und Fahr) oder diffusen hämatogenen Nephropathie 
(Löhlein). Dieses Bild weist klinisch und in den anatomischen 
Veränderungen am meisten Aehnlichkeit mit der Schwangerschafts¬ 
und Phosphorniere auf. Diese diffusen Degenerationen der Epi- 
thelien der Tubuli contorti auf eine lokale Ansiedelung von 
Spirochäten im Nierengewebe zu beziehen, widerspricht allen 
Erfahrungen der Nierenpathologie; und tatsächlich haben sich 
in keinem einzigen der zur Sektion gekommenen Fälle im Ge¬ 
webe Spirochäten nachweisen lassen. Le Play und Sözany 
haben ihren Befund von Spirochäten in diesem Falle später 
als einen Irrtum bekannt und warnen davor, sich hierbei durch spiro- 
cbätenäbnliche Fasergebilde und Farbstoffniederscbläge täuschen zu 
lassen. Wir selbst haben in einem diesbezüglichen zur Sektion 
gekommenen Fall keine Spirochäten gefunden, histologisch die 
Untersuchungsergebnisse der französischen Autoren bestätigen 
können und haben auch die von Munk erwähnten Lipoide ge¬ 
legentlich nacbgewiesen. Erich Hoffmann glaubt freilich den 
von ihm und andern Autoren erhobenen Befund von Spirochäten 
im Urin solcher Fälle als Beweis dafür ansehen zu können, 
dass die frühsyphilitische Nierenerkrankung durch eine lokale 
Spirochätenansammlung bedingt sei. Aus den oben angeführten 
Untersuchungen ist aber diese Deutung abzulehnen; man muss 
vielmehr annehmen, dass es sich um eine Spirochätenausscheidung 
handelt wie die Ausscheidung von Typhusbazillen beim Typhus 
abdominalis. Auch der Schluss ex juvantibus spricht, eher gegen 
als für die Hoffmann’scbe Annahme: sowohl bei dem früh¬ 
syphilitischen Icterus wie bei der frühsyphilitischen Nieren 
erkrankuog lässt sich häufig auf wenige Sublimatspritzen Inn ein 
ausserordentlich imponierender Umschwung des Krankheitsbildes 
erzielen, z. B. ein Niedergang des Eiweissgehaltes des Urins von 
20 pro Mille auf 11 pro Mille, wie wir es beobachtet haben, 
während die gleichzeitig behandelten Exantheme, die reichlich 
Spirochäten enthaltenden Papeln und Scbleimhauterscheinungen 
sich noch unbeeinflusst zeigten. Dieses therapeutische Resultat 

1) Winkler, Üeber Nephritis syphilitica im Frühstadium der Lues. 
Dem. Zschr., Bd. 16, H. 5. 


Nr. 51. 


lässt sich daher nur im Sinne einer antitoxischen oder Zell- 
wirkung, nicht im Sinne eines spirillociden Effektes auf die in 
den einzelnen Organen angesiedelten Spirochäten verwerten. Aach 
bezüglich des Salvarsans sind solche Wirkungen bei syphilitischer 
Nephritis bei kleinen Dosen berichtet, die wohl ähnlich gedeotet 
werden müssen. Im übrigen plädieren bei diesen fräbsypbili- 
tiscben toxischen Affektionen die Anhänger des Mittels meistens 
mehr für eine vorsichtige Quecksilberbehandlung (vgl. Winter¬ 
nitz bezüglich der syphilitischen Nephritis im Handbach der 
Geschlechtskrankheiten). Gerade diese Beobachtungen geben ans 
auch einen wichtigen Anhaltspunkt für die physiologische 
Wirkungsweise der antisyphilitischen Mittel: dass es sich in 
erster Linie wohl hierbei um eine antitoxiscbe Wirkung and eine 
Beeinflussung der Zellen des erkrankten Organismus und viel¬ 
leicht erst später und bei hohen Dosen um eine direkte Ein¬ 
wirkung auf das Contagium bandelt. 

Auch bezüglich einer anderen Krankheitsgruppe der visceralen 
Fröh8yphili8, nämlich des Diabetes, führen wir in einer demnächst 
erscheinenden Arbeit aus, dass wenigstens in einem Teil der Fälle 
eine ähnliche toxisch-syphilitische Parencbymerkrankung des 
Pankreas zugrunde liegen durfte. Vielleicht sind aber auch noch 
andere Affektionen im Verlaufe der Frühsypbilis als toxische auf- 
zufassen. Wir denken hier an das so ungeheuer häufige Lenko- ( 

derma syphiliticum, das möglicherweise als eine toxisch parencby- j 

matöse Veränderung der tiefsten Schichten der Epidermiszellen 
aufzufassen ist. Wenigstens hat der eine von ans (Buschke 
und Eichhorn 1 ) durch experimentelle Pigmentversuche mittels 
der Quarzlampe bei Leukoderma syphiliticum den Wabrschein- 
lichkeitsbeweis für die Richtigkeit dieser Anschauungen erbracht. 

Auch bei der Alopecia specifica, die ja zum Teil allerdings durch 
histologische Veränderung bedingt ist, dürfte doch ein Teil der 
Fälle rein toxischen Ursprungs sein, ähnlich wie die Typhus- 
alopecie, die Thalliumalopecie usw. Der Nachweis von Spiro¬ 
chäten in den Haarfollikeln bei hereditär syphilitischen Säug¬ 
lingen ist nach dieser Richtung belanglos bei der ungeheueren 
Verbreitung der Mikroorganismen im Säuglingskörper. 

Es ergibt sich also aus der Betrachtung der frühsyphilitischen 
Nieren- und Lebererkrankung mit höchster Wahrscheinlichkeit, 
dass, unabhängig von der Anwesenheit in bestimmten Organen, 
das Syphiliscontagium imstande ist, schwere toxisch-parenchyma¬ 
töse Wirkungen hervorzurufen. Sind in diesen Organen and in 
einer Anzahl von Fällen die Wirkungen so significant, dass sie 
klinisch hervortreten, so dürfen wir wohl vermuten, dass auch 
regulär ohne markante klinische Erscheinungen das Syphilis¬ 
contagium diese toxischen Wirkungen in vielen Organen, so auch 
möglicherweise in der Intima der Gefässe neben interstitiellen 
und davon abhängigen sekundär degenerativen Veränderungen, I 
entfaltet, und hierauf eine Anzahl leichterer klinischer Erschei¬ 
nungen als Intoxikationssymptome aufzufassen sind (wie das ja 
auch seit altersher geschieht), dass hierauf auch zum Teil die 
Minderwertigkeit der Organe hereditär Syphilitischer und das Zu¬ 
rückbleiben derselben in der Entwickelung beruht. 

Was nun die Nutzanwendung dieser Erfahrungen auf die 
Entstehung der Tabes und Paralyse betrifft, so haben frühere 
Autoren, wie besonders v. Strümpell, die Anschauung ver¬ 
treten, dass die Syphilis ein Toxin produziere, welches eine 
Degeneration der Ganglienzellen und Nervenfasern hervorrufe. 

Von deu Argumenten, die zur Stütze dieser Theorie beraugezogen 
werden, sei nur erinnert an die Ergotin- und ao die Bleivergiftung, 
die der Tabes ähnliche Bilder erzeugten. Eine gewisse Analogie 
gewährt auch die funiculäre Degeneration des Rückenmarks bei 
Anämie, die meist nicht mehr auf die Anämie bezogen wir, 
sondern auf eine noch unbekannte, das Blut ebenso wie das 
Nervensystem schädigende Noxe. Gegenüber dieser Anschauung 
von der rein toxischen Entstehung der Tabes und Paralyse 
nehmen andere Autoren an, dass das Wesentliche und Prim« 6 
bei der Entstehung der Tabes und Paralyse die interstitiellen 
Veränderungen sind. Sie stützen sich dabei erstens auf biso- 
logische Untersuchungsbefunde, die in letzter Zeit besonders von 
Stargar dt in dieser Richtung gedeutet wurden, zweitens au 
die Noguchi’sche Entdeckung der Spirochäten im Gehirn derPara¬ 
lytiker und drittens auf den Nachweis der Lymphocytose in * 
Spinalflüssigkeit bereits im Frühstadium der Syphilis. Auf dies 


1) Buächke und Eichhorn, Ueber den Einfluss des bichta auf 
das Leukoderma syphilitioum und Cutis marmorata pigmentosa, v 
Zschr. 1911. 


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21. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1937 


Basis ist die Vorstellung entstanden, dass die letztere bereits ein 
sicheres Symptom von Nervenlaes darstellt, dass die bereits im 
Frühstadium im Nervengewebe angesiedelten Spirochäten bei un- 
genügender Behandlung dort liegen bleiben und nnn nach Jahren 
und Jahrzehnten durch eine diffuse interstitielle Entzündung die 
Krankheitsbilder der Tabes und Paralyse erzeugen. Dieser Auf¬ 
fassung, die zunächst viel Bestechendes hat, stehen doch einige 
Bedenken entgegen wenigstens in ihrer Verallgemeinerung. Die 
Lymphocytose der Spinalflüssigkeit ist, wie besondere Unter¬ 
suchungen der letzten Jahre ergeben haben, ungeheuer häufig, 
besonders im Frübstadium der Lues. Man kann sie direkt zu 
den Hauptsymptomen in dem Frühstadium der Krankheit rechnen. 
Wenn diese Lymphocytose wirklich jedesmal ein Ausdruck für 
eine Infektion des Nervensystems wäre, so müssten wir Nerven¬ 
laes mit ihren Folgezuständen bei der bisherigen, ja nach unseren 
heutigen Anschauungen unvollkommenen Luesbehandlnng viel 
häufiger haben, als es glücklicherweise der Fall ist; und vor 
allem wäre es dann nicht zu verstehen, dass bei etwa 63pCM) 
der Lymphocytose in der Frühperiode nur in etwa 4—5pCt. 
der Sypbilisfälle überhaupt Paralyse entsteht, wenn es sich hier 
wirklich um eine einfache Fortleitung des Krankheitsprozesses 
aus der Frühperiode in die Spätperiode handelte. Die Lympho¬ 
cytose der Spinalflüssigkeit bei Lues hat sicherlich eine ge¬ 
wisse diagnostische und therapeutische Bedeutung. Ich glaube 
aber, dass sie sowohl nach dieser Richtung, wie io bezug 
auf die Frage der Nervensyphilis und Paralyse überschätzt wird. 
Wohl werden wir erwarten können, dass bei organischen Er¬ 
krankungen des Nervensystems eine Lymphocytose sich ent¬ 
wickelt, aber umgekehrt erscheint es mir nicht berechtigt, in 
jedem Falle hei Lymphocytose der Spinalflüssigkeit bei Früh¬ 
syphilis auf eine Infektion des Nervensystems zu schlieBsen. Bei 
der Vorliebe der Spirochaete pallida für die Lymphbahnen ist es 
auch so verständlich, dass eine Infektion des Spinalkanales als 
eines grossen Lympbraumes stattfindet, ohne dass immer das 
Nervengewebe bzw. die dazu gehörigen Blutgefässe befallen 
werden. Jedenfalls sprechen die klinischen Erfahrungen für die 
Richtigkeit dieser Anschauung, ohne dass damit geleugnet werden 
soll, dass in einer Anzahl von Fällen die Untersuchung der 
Spinalflüssigkeit im Verlaufe der Lues von Wichtigkeit sein kann. 
Besonders nun aber die Noguchi’sche Entdeckung hat dazu ge¬ 
führt, Tabes und Paralyse als eine besondere Form der Nerven- 
lu68 aufzufassen. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass hier die 
Spirochäten ganz anders gelagert sind als bei der Nervenlues: 
bei der Paralyse diffus zerstreut im Nervengewebe, dazu noch 
vielfach nicht an den Stellen der grössten histologischen Ver¬ 
änderungen, bei der Nervensyphilis vorwiegend in den Wan¬ 
dungen der Blutgefässe oder in deren Nähe. Des ferneren steht 
ja bekanntlich bei der Paralyse die ausgedehnte Degeneration des 
Nervenparenchyms gegenüber den interstitiellen Vorgängen im 
Verhältnis zur Nervenlues im Vordergründe. Auch der Umstand, 
dass bei diesbezüglichen conjugalen und hereditären Ueber- 
tragungen von Taboparalyse gerade wieder diese Formen über¬ 
tragen werden, und seltener primär eine andere Form der Nerven¬ 
syphilis spricht dafür, dass hier biologisch bei Tabes und Para¬ 
lyse etwas Besonderes vorliegt, das nicht ohne weiteres mit der 
Nervensyphilis analogisiert werden darf. Auch wissen wir, dass 
bei Paralyse und Tabes es sich nicht nur um eine rein lokale 
Veränderung handelt, sondern wahrscheinlich um eine neue Ver¬ 
breitung des Contagiums über den Körper wie bei Frühsyphilis, 
im Gegensatz zur gewöhnlichen tertiären Lues, wo wir darüber 
bisher nichts wissen, wo vielmehr der Prozess lokalisiert ist. 
Neuere experimentelle Befunde, Nachweis der Spirochäten im 
Blut, beweisen das jedenfalls. Alle diese Gründe zeigen, dass es 
nicht berechtigt ist, ohne weiteres Tabes und Paralyse einfach 
als eine besondere Form von Spätsyphilis des Nervensystems auf¬ 
zufassen, wie es auch Hoche hervorhebt, sondern dem degene- 
rativ-toxischen Moment neben den interstitiellen Veränderungen 
eine wichtige und wesentliche Bedeutung zuzumessen. Hierfür 
nun geben die in diesem Aufsatz kurz skizzierten, toxischen 
Visceralerkrankungen der frühsyphilitischen Periode einen An¬ 
haltspunkt. Kurz sei zum Schluss noch darauf hingewiesen, dass 
auch für die Auffassung der Entstehung der Wassermann’schen 
Reaktion die toxisch-degenerative Veränderung der Parenchym¬ 
zellen in der Much’schen Theorie eine gewisse Geltung erlangt 
hat. Es wird besonders Aufgabe der experimentell-sypbilido- 
logischen Forschung sein, mehr als es bisher der Fall war, uns 


1) Wile und Stokes, Denn. Wschr., 1914, Nr. 38 u. 39. 


einen Einblick in diese toxischen Vorgänge im Verlauf der 
Syphilis zu gewähren, die für Theorie und Praxis der Krankheit 
eine grosse Bedeutung beanspruchen. 


Kriegsseuchenbekämpfung durch klinische 
antiseptische Maassnahmen. 

Von 

Dr. Haas Friedenthal-Nikolassee. 

ln der Chirurgie haben die Maassnahmen für Innehaitang 
strenger Asepsis und Antisepsis eine kaum noch zu übörtreffeude 
Vollkommenheit erreicht. Kosten und Arbeit werden nicht ge¬ 
scheut, wenn es gilt, das Ziel zu erreichen, dass kein schädliches 
Bakterium in gefahrdrohende Nähe an ein nichtinfiziertes Indivi¬ 
duum herangelangen kann. Die Stimmen, welche sich zuerst 
erhoben hatten, die unbequemen und teuren antiseptischen Maass- 
nabmen seien überflüssig und es ginge anch ohne dieselben, sind 
angesichts der Erfolge der strengen Antisepsis und Asepsis ver¬ 
stummt. Bei der klinischen Behandlung von Seuchenkranken 
wird bisher die Verseuchung des Krankenzimmers mit ihrer Ge¬ 
fährdung des Pflegepersonals als unabwendbar hingenommen und 
dafür strenge Maassregeln getroffen, um den Verkehr des Seuchen- 
krankenhanses mit der Aussenwelt auf das äusserste zu be¬ 
schränken und eine Verschleppung pathogener Keime aus dem 
Krankenhause in die Umgebung zu verhindern. Durch Schutz¬ 
impfungen gelingt es beute bei einer grossen Zahl von Infektions¬ 
krankheiten, das Pflegepersonal zwar nicht vor der Ansteckung 
im bakteriologischen Sinne, wohl aber vor schädlichen Folgen 
der Bakterienübertragung zu sichern. Es gehört nicht zu den 
Annehmlichkeiten, sich gegen eine grosse Zahl von Krankheiten 
impfen zu lassen, zumal der Schutz nicht bei allen Krankheiten 
genügend lange Zeit vorhält, auch ist die Weiterverbreitung von 
pathogenen Organismen durch Schutzgeimpfte nicht ganz aus¬ 
geschlossen. Ein zweiter Weg, Ansteckung za vermeiden, wäre, 
jede Möglichlichkeit der Uebertragung von pathogenen Organismen 
vom Kranken auf seine nächste Umgebung, Hautoberfläche, Bett 
und Zimmer nach den Regeln der Antisepsis zu verhindern, wie 
es der Chirurg bei septisch infizierten, absondernden Wunden tut. 
Besonders leicht erscheint die Durchführung der antiseptischen 
Schutzmaassnahmen bei Seuchen, bei denen nur Harnrohren- 
mündung und Anus als Orte der Ansteckungsgefahr in Betracht 
kommen, also bei Darmkranken. Infektiöse Enteritis, Cholera 
nostras und Cholera asiatica, Typhus, Paratyphus und Ruhr 
kommen namentlich in Kriegszeiten besonders in Betracht. 

Bisher infizierten sämtliche Kranken ihre Betten und ihre 
Hände, während ihrer Krankheit meist auch ihr Pflegepersonal, 
ohne dass dieses deshalb freilich zu erkranken brauchte, weil es 
mit Krankheitserregern in Berührung kam. Sorgen wir dafür, 
dass alle mit stark infektiösen Darmkrankheiten Behafteten mit 
BettschutzhoseQ versehen werden, mit wasserdichten Einlagen 
und mit Vorlagen, welche mit antiseptischen Stoffen, Pulvern 
oder Lösnngen versehen sind, sorgen wir ferner dafür, dass jedes 
Urinieren und jede Defäkation behandelt wird wie der Verband¬ 
wechsel einer infizierten Wunde, so dürfen wir hoffen, eine In¬ 
fektion des Bettes nnd der Umgebung des Kranken mit Sicherheit 
ausschliessen zu können. Besondere Berücksichtigung verdient 
der Schutz der Hände des Kranken vor Infektion während des 
Urinierens und der Defäkation. Durch Waschen nach stattgehabter 
Benutzung wird kaum in der Praxis Sterilität erreicht werden 
können, wir müssen daher die Kranken mit wasserdichten Hand¬ 
schuhen versehen, es brauchen nur Fausthandschuhe zu sein, welche 
spielend leicht zu sterilisieren sind, etwa in 1 proz. Sagrotan- 
lösungen. Erst wenn der Verbandwechsel nach dem Urinieren 
and Defäcieren vorüber ist, nnd die Schutzhose geschlossen ist, 
können die Handschuhe ohne Gefahr von den Händen entfernt 
und in der antiseptischen Lösung anfbewahrt werden. Ein be¬ 
rühmter Bakteriologe definierte einen Händedruck als Austausch 
der beiderseitigen Lokalrassen des Bacterium coli; bei dem obigen 
Verfahren ist eine Infektion der Hand und des Krankenbettes mit 
Darmbakterien wohl ausgeschlossen. Bei somnolenten Kranken 
muss ein Gummistechbecken aus antiseptischer Flüssigkeit in den 
Verband mit eingeschlossen werden. Dass das Pflegepersonal 
ebenfalls seine Hände durch Handschuhe vor Infektion schützt 
während der*, gefährdeten Handreichungen, hält Verfasser für 
notwendig und für weit sicherer als eine nachträgliche Waschnng 
der infizierten Hände. Feinere Verrichtungen mit den handschnh- 


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1038 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 51. 


bekleideten Händen hat das Pflegepersonal nicht auszuführen, so 
dass auch hier die billigen Fausthandschuhe genügen werden. 

Dass von seiten des Pflegepersonals ein gewisses Einarbeiten 
erforderlich ist, um grobe Verstösse gegen die Antisepsis zu ver¬ 
meiden, ist bei der klinischen Antisepsis ebensowenig zu ver¬ 
meiden wie bei der chirurgischen Antisepsis. Dass der Arzt 
seine Untersuchungsinstrumente bequem in einem Gummibeutel 
voll mit Sagrotanlösung getränkter Watte tragen kann und die 
Instrumente vor jedem Gebrauch mit einem sterilen Gürteltuch 
abtrocknet, ehe sie mit dem Leib des zu Untersuchenden in Be¬ 
rührung kommen, soll hier nur kurz erwähnt werden. Nach den 
bisherigen Erfahrungen des Verfassers werden weder Metalle, 
noch Gummi, noch Horn von Sagrotan oder Grotanlösungen an¬ 
gegriffen, so dass Hammer, Hörrohr, Phonendoskop und alle 
sonstigen Untersucbungsinstrumente bequem dauernd steril ge¬ 
halten werden können. Das Pflegepersonal trägt zweckmässig an 
seinem Gürtel ein Tuch, in einprozentiger Sagrotanlösung scharf 
ansgedrückt, und reinigt sich die Hände mit diesem Tuch vor 
jedem Anfassen der Klinken oder von Geräten, welche gereicht 
werden sollen. Vor dem Berühren infizierter Gegenstände sind 
die Handschuhe anzuziehen und nach Gebrauch wieder in der 
antiseptischen Lösung aufzubewahren. 

Schwieriger als bei Darmseuchen ist die strenge Durch¬ 
führung der Antisepsis bei denjenigen Infektionskrankheiten, bei 
welchen die Atemluft infizierend wirkt, oder wie bei Scharlach 
und Pocken, wo die ganze Haut als Infektionsquelle in Betracht 
kommt. Für diese Fälle käme Abreiben des ganzen Körpers mit 
antiseptischem Oel, z. B. Eucalyptusöl, in Betracht, welches bei 
Scharlach von einem englischen Arzt empfohlen wurde. Vielleicht 
könnte man durch Einhüllen des ganzen Körpers in ein überall 
bakteriendicht geschlossenes Schutzkleid zum mindesten für die 
Zwecke des Transportes, der Verlegung oder Umbettung im 
Krankenbause, des Empfanges eines Besuches bei solchen Seuchen 
jede Gefahr für die Umgebung ausschHessen. Das Tragen eines 
Respirators wird allerdings von Kranken nicht sehr geschätzt, 
und man wird an die Konstruktion möglichst wenig belästigender 
Respiratormodelle gehen müssen. Durch doppelte Mosquitonetze 
wird man bei Lungenkranken das Tragen eines Respirators um¬ 
gehen können und doch die Tröpfcheninfektion im Krankenzimmer 
mit Sicherheit verhindern. Jedesmal ehe der Kranke das Bett 
verlässt, muss er den Respirator anlegen und erst im Bett nach 
Schliessen der Vorhänge wieder ablegen. 


Bei Zungenspateln wird man durch Anbringen eines grösseren 
Schutzhalbkreises von Zellit dafür sorgen müssen, dass nicht 
durch Husten und Würgen des Besichtigten Arzt oder Zimmer 
infiziert werden. Es erscheint nicht nötig, alle Maassnahmen, 
welche gegen Verbreitung von Seuchen am Krankenbette nötig 
sind, denen einzeln aufzuzählen, welche mit der chirurgischen 
Antisepsis vertraut sind. Es kommt nur darauf an, dass keine 
Möglichkeit der Infektion der Umgebung durch den Kranken oder 
seine Aussch ei dnngen offen gelassen wird. Werden die Regeln 
der Antisepsis strenge innegehalten, so besteht keine Not¬ 
wendigkeit mehr, Seuchenkranke oder ihr Pflegepersonal abzu¬ 
sperren, wie es heute noch unbedingt notwendig erscheint. Beim 
Urinieren von Kranken könnte leicht Urin in die Umgebung ver¬ 
spritzt werden, wenn man den Penis nicht in ein Schiauchstück 
versenkt, welches in antiseptiscber Lösung mit dem anderen Ende 
eingetaucbt ist. Nach jedem Urinieren ist die Urethralöffnang 
antiseptisch zu behandeln und zu sichern, ebenso wie die Anal- 
Öffnung nach der Defäkation. Die Hände werden am zweck- 
mässigsten bei allen Verrichtungen, die nicht feinstes Gefühl er¬ 
fordern durch wasserundurchlässige Handschuhe geschützt. Wo 
Handschuhe nicht angängig, erprobte Verfasser ein Verfahren um 
ohne Wasser oder Alkohol die Hände in kurzer Zeit steril zu 
erhalten, selbst nach erheblicher Beschmutzung und Verunreinigung 
mit Krankheilskeimen. 4 

Tränkt man Kleie, am besten Mandelkleie, mit Sagrotan oder 
Providoformtinkturzu gleichen Gewichtsteilen und reibt die trocken 
gewordene Masse in einem Mörser fern, so erzielt man ein über¬ 
aus stark desinfizierendes Pulver, mit welchem die Hände abge¬ 
rieben werden. Durch das Reiben werden Schmutz und Krank¬ 
heitskeime mechanisch entfernt, ausserdem aber die Haut mit 
einem desinfizierenden, lange nach wirkenden Ueberzug versehen, 
welcher noch nachträglich auf die Haut gebrachte Krankheits¬ 
keime tötet Prof. Bechhold in Frankfurt a. M. zeigte in seiner 
lesenswerten Studie über Händedesinfektion zuerst in einwandfreier 
Weise dass durch häufige desinfizierende Waschungen der Hände 
die Haut längere Zeit so gut wie steril gehalten werden kann. 


Durch Abreiben mit den oben beschriebenen Pulvern gelingt es 
rasch, saubere und sterile Hände zu erzielen. Eine besondere 
Berücksichtigung erfordern die Nägel mit ihren Buchten und 
Falten. Durch einfaches Reiben mit antiseptischen Pulvern wird 
es sehr schwer sein, die erforderliche sichere Unschädlichmachung 
der pathogenen Keime, die gerade an diesen Stellen am liebsten 
haften, zu erzielen. Für die Nägel empfiehlt sich das Fixieren 
der nach der Reinigung übrig gebliebenen Keime mit Schellack¬ 
lösungen. Verfasser versuchte die verschiedensten Klebemittel, 
Mastisol und andere, fand aber konzentrierte Schellacklösungeo 
am geeignetsten und am angenehmsten. Es erscheint schwer 
denkbar, dass es pathogenen Keimen gelingen sollte, nach Ab¬ 
reiben der Hände mit Sagrotankleie und Schellackieren der Finger¬ 
nägel, wobei die Rinne unter dem Nagel besonders bedacht wird, 
Schaden anzurichten. Versuche, wie die von Bechhold auge- 
stellten, müssen entscheiden, ob tatsächlich auch bei langdaoernden 
Operationen in der Bauchhöhle eine Infektion mit so gereinigten 
Händen zu den Unmöglichkeiten gehört. Für die Krankenpflege 
und die nichtchirurgische Tätigkeit des Arztes erscheint die Frage 
nach der Reinigung der Hände ohne Gebrauch von Wasser, Seife 
und Handtuch gelöst, doch lässt eine Weiterverfolgang der wert¬ 
vollen Anregungen von Bechhold noch weitere Verbesserungen 
des Verfahrens der trockenen Händesterilisierung erwarten. 

Es ist erstaunlich, wie leicht Kranke und Pflegspersooal sich 
an diese bei der Beschreibung unbequem und kompliziert scheinen¬ 
den Maassnab men gewöhnen, deren Zweck sofort jedem einleucbtet 
und deren genaue Innebaltung streng gegenseitig zu überwachen 
zu einem gewissen Sport sich ausbilden kann. Im Anfang wird 
der Ungeübte unaufhörlich Fehler gegen die strengste Antisepsis 
begehen, aber nach kurzer Zeit sich einarbeiten. 

Es sollte in den obigen Zeilen nicht mehr ausgefübrt werden, 
als eine kurze Andeutung der Maassnahmen, welche die klinische 
Antisepsis und Asepsis auf die Höhe der chirurgischen empor¬ 
heben werden. 


Aus der Privatklinik von Prof. Dr. Karevvski und dem 
Röntgenlaboratorium von Dr. Marcuse. 

Die Insuffizienz der Vaivula iieocoecaiis 
im Röntgenbilde. 

Von 

Dr. Brest Marcuse. 

Wenn ein Mensch mit gesundem Magen die Rieder’sche Kon¬ 
trastmahlzeit zu sich nimmt, so ist normalerweise, wie die Röntgen¬ 
untersuchung zeigt, nach 6 Stunden der Magen und der Dünndarm 
frei von Wismut bzw. Baryumschatten, und das Colon ascendens 
erweist sich als gefüllt. Eine längere Verweildauer im Dünndarm 
kommt — abgesehen von den Fällen von Darmstenose — bei 
Enteroptose vor, wo, wie Schwarz 1 ) betont, noch 9 Stunden 
nach der Mahlzeit sich in der untersten Dünndarmschlinge noch 
Reste des Kontrastbreies finden lassen. In einer anderen Gruppe 
von Fällen zeigt sich ebenfalls eine auffallend lange Retention 
in der untersten Ileumschlinge, so dass man fast an eine Stenose 
an der Ileocoecalklappe denken könnte, doch ergibt die Röntgen- 
untersuchnng, nachdem der Patient einen KontrasteiDlauf von 
Baryum-Boliisemulsion unter geringem Druck erhalten hat, 
die Klappe nicht nur verengt, sondern im Gegenteil schlussuntao 6 
ist, da der Einlauf durch die Klappe hindurch in die J Dters , 
Dünndarmschlingen eindringt. Groedel 2 ) nimmt an, , 8 h 
Rückfluss von Coecalinhalt in das Ileum in diesen Fällen 
während der Verdauung vorkommt und sieht darin die lJrs . . 
dass noch 6 Stunden nach der Wismutmahlzeit die unterste 
schlinge Wismutreste enthält. Er führt die Schmerzen, an , 
seine Patienten mit diesem Symptom litten, auf den Keiz » 
den dieser abnorme Dünndarminhalt auf die Schleimhaut a 
Als Ursache der „Insuffizienz der lleocoecalklapp 
men — abgesehen von den Fällen, wo ulceröse f rozes , j oer 
Klappe oder im Coecum oder Tumoren im Coecum 0 > e 
nächsten Umgebung vorliegen — nach Groedel katarr ^ 
Affektionen des Coecums und peritypblitiscne 
in Betracht. 

1) Schwarz, Die Erkennung der tieferen Dünndarmstenose o' 
des Röntgenverfahrens. W.kl.W., 1911, Nr. 40. 

2) Groedel, Die Insuffizienz der Vaivula iieocoecaiis 
Fortscbr. d. Röntgenstr., Bd. 20, H. 2. 


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21. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1939 


Gegen diese Auffassung der Insuffizienz der Bauhin’scheu 
Klappe als ein typisches Krankheitsbild wendet sich Dietlen 1 ). 
Er hat zwar auch in einer Anzahl von Fällen mit chronischer 
Appendicitis das Phänomen beobachtet, aber noch häufiger bei 
anderen pathologischen Prozessen, die sich nicht an der lleocoecal- 
klappe, sondern im Colon oder in dessen Nähe sich abspielen. 
So befanden sich unter seinen Fällen solche mit chronischer Ob¬ 
stipation, teils spastischer Natur, teils solcher vom Ascendens- 
typus, ferner Patienten mit pericolitischen und pericholecystischen 
Verwachsungen, ja er sah die Insuffizienz der Klappe sogar bei 
Patienten mit raumbeengenden Prozessen, die sich in der Näbe 
des Colon abspielten, z. B. bei Hydrops der Gallenblase und 
bei spondylitischem Senkungsabscess. 

Lobfeldt 2 ) selbst hat zwar nur in zwei Fällen von chro¬ 
nischer Perityphlitis die Klappeninsuffizienz beobachtet, stimmt 
aber Dietlen’s Ausführungen völlig bei. 

Ich selbst habe das Symptom wiederholt beobachtet, im ganzen in 
8 Fällen, die sämtlich aus der Privatpraxis des Herrn Prof. Karewski 
stammten. In drei dieser Fälle war klinisch eine chronische Appendi¬ 
citis sicher nachzuweisen. 

1. Fall B., 64jähriger Mann, plötzlich mit heftigen Schmerzen in 
der rechten Darmbeingrube erkrankt, kein Fieber, leichte peritoneale 
Reizung mit ausgesprochenem Meteorismus und Defense musculaire. In 
Anbetracht des Alters wurde von einer Operation Abstand genommen, 
die Erscheinungen gingen allmählich zurück, der lokale Meteorismus 
blieb aber noch lange bestehen. Deshalb erfolgte Röntgenuntersuchung. 
Diese ergab, dass 6 Stunden nach der Kontrastmahlzeit das lieum leer 
war, beim Kontrasteinlauf hingegen Uebertritt in die untersten Ileum- 
schlingen. 

2. Fall F., Mann, der seit mehreren Monaten an Schmerzen in der 
Appendixgegend litt; die klinische Untersuchung ergab dauernde Resi¬ 
stenz und Druckempfindlichkeit in der Ileocoecalgegend; auch hier zeigte 
das Röntgenbild den Rückfluss der Kontrastflüssigkeit in das Ileum. 
Eine Operation fand auch in diesem Falle nicht statt. 

3. Fall P., Frau mit seit mehreren Wochen bestehenden Schmer¬ 
zen in der Ileocoecalgegend, daselbst auch Druckempliodlichkeit. 
6 Stunden nach der Mahlzeit ist Baryumbrei noch in der untersten Ileum- 
schlinge nachweisbar. Nach 24 Stunden war der Darm völlig entleert. 
Beim Einlauf von 1 1 unter geringem Druck (V 2 m ) heftige Schmerzen 
in der ileocoecalgegend. Die Röntgenaufnahme ergibt ausser der Colon- 
füllung, die nichts Abnormes aufweist, noch die Füllung der untersten 
Dünndarmschlingen. Bei der Operation fand man den Anfaogsteil der 
Appendix durch Adhäsionen am Coecum fixiert, während am distalen 
Teil breite flächenhafte Verwachsungen nach der seitlichen Beckenwand 
herüberzogen. 

Dieser operative Befund scheint mir eine völlige Erklärung 
für die Insuffizienz der Klappe zu geben. Die Adhäsionen fixieren 
die Appendix nach unten bin und üben somit einen dauernden 
Zug auf sie selbst und dadurch auch auf den untersten Teil des 
Goecum aus und bringen so die Valvula Baubini zum Klaffen. 
Ich habe mich aber nicht davon überzeugen können, dass der 
Rückfluss des Coecalinbaltes in das Ileum die Ursache der Schmer¬ 
zen war, über die die Patientin während des Einlaufes klagte, 
da bereits, ehe die Dünndarmfüllnng auf dem Leuchtschirm zu 
erkennen war, die Kranke Schmerzen empfand. Ausserdem haben 
andere meiner Patienten, die das Symptom der Klappeninsuffizienz 
aafwiesen, während des Einlaufes keine Schmerzen empfunden, 
während andere, bei denen keine Insuffizienz vorlag, über Schmerzen 
klagten. Ich stimme vielmehr Dietlen bei, der in der Zerrung, 
die die Adhäsionen während des Einlaufes erfahren, die Ursache 
der Schmerzen sieht. 

In diesen drei Fällen ist nun ein Zusammenhang zwischen 
Perityphlitis und Klappeninsuffizienz wahrscheinlich nud als Ur¬ 
sache der Insuffizienz kann man wohl Verwachsungen annebmen, 
wie wir sie im Fall P. auch bei der Operation gefunden haben. 
In den übrigen Fällen war eine chronische Appendicitis nicht 
nachzuweisen, dagegen bestand bei einigen wohl die Möglichkeit, 
dass Verwachsungen in der Umgebung des Coecums bestanden 
haben. Im folgenden Falle war dieses sogar sehr wahrscheinlich: 

4. Fall G. 68 jährige Patientin, die seit Jahren an zeitweise auf¬ 
tretenden Schmerzen in der rechten Bauchhälfte leidet mit gleichzeitiger 
Stuhl- und Windverhaltung, die sich gelegentlich zu ausgesprochenen 
Occlusionskrisen steigern. In der Appendiigegend ist keine Druck- 
empfiodliohkeit nachweisbar; der gute Allgemeinzustand, sowie die lange 
Dauer des Leidens lassen eine Darmstenose, die durch einen malignen 


1) Dietlen, Die Insuffizienz der Valvula ileocoecalis im Röntgen- 
bild. Fortschr. d. Röntgenstr. Bd. 21, H. 1. 

2) Lohfedt, Ueber Insuffizienz der Valvula Bauhini und ihr Ver¬ 
halten unter dem Leucbtschirra. Aerztl. Verein Hamburg vom 4. XI. 1913. 
Autoreferat. H.m.W., 1913, Nr. 49. 


Tumor verursacht sein könnte, mit Sicherheit aussohliessen. Wahrschein¬ 
liche Diagnose pericolitische Verwachsungen. Die Röntgenuntersuchung 
ergab weder bei der Füllung per os noch heim Kontrasteinlauf einen 
pathologischen Befund ausser der Insuffizienz der Bauhin’schen Klappe. 

Die beiden nächsten Fälle waren bereits appendektomiert. 

5. Die Patientin C., 18 jährig, mit neuropathischer Konstitution, 
war vor etwa 1 / 2 Jahre wegen chronischer Appendicitis operiert. Die 
Appendix enthielt 2 Kotsteine und war durch Adhäsionen am Coecum 
fixiert. Sorgfältige Uebernähung des Stumpfes und de$ Mesenteriolums, 
so dass überall normales Peritoneum den Stumpf bedeckt. Seit einigen 
Wochen treten zeitweise kolikartige Leibschmerzen auf; die Röntgen¬ 
untersuchung ergab 6 Stunden nach der Mahlzeit noch Rückstände im 
Ileum, sowie beim Einlauf Sohlussunfähigkeit der Ileocoecalklappe. Da 
jetzt ein linksseitiger Adnextumor vorhanden ist, Relaparotomie und 
Entfernung eines apfelgrossen Dermoides des linken Ovariums. Leider 
wurde bei der Operation versäumt, auf etwaige Adhäsionen in der Ileo¬ 
coecalgegend zu achten. 

6. Frau R., ist vor 4 Jahren wegen diffuser eitriger Peritonitis 
infolge Perityphlitis operiert worden. Ein Jahr darauf operative Be¬ 
seitigung einer grossen Narbenhernie, bei deren Operation ausgedehnte 
Adhäsionen im Bauohsaum festgestellt wurden. Sie leidet seitdem 
an zeitweise auftretenden Anfällen von Ileus, bei denen sich in 
der Flexura hepatica eine stark geblähte Darmschlinge n&chweisen 
lässt. Diese Anfälle gehen bei abwartender Behandlung spontan vor¬ 
über. Nach dem letzten derartigen Anfall Röntgenuntersuchung in der 
Absicht, das vermutete Hindernis für die Darmpassage lokalisieren zu 
können. Jedoch ergab die Röntgenuntersuchung nirgends ein auffallend 
langes Verweilen des Qarminhaltes, dagegen zeigte sie das Vorliegen 
einer Insuffizienz der Ileocoecalklappe. Ich erkläre mir in diesem Falle 
das Zustandekommen der Klappeninsuffizienz duroh die Annahme, dass 
in der Gegend der Flexura coli dextra sich ein peritonitiseber Strang 
befindet, der unter gewissen Bedingungen eine Abknickung des Colon 
verursachen kann; während eines derartigen Ileusanfalles wird dann das 
Colon ascenden9 derartig überdehnt, dass allmählich die Klappe in¬ 
suffizient wird. Dass durch eine solche Ueberdehnung des Colon eine 
Schlussunfähigkeit der Klappe eintreten kann, hat Generaich 1 ) nach¬ 
gewiesen, der zu therapeutischen Zwecken durch Einläufe von 6—9 1 
Wasser unter hohem Druck die Spülflüssigkeit bis hoch hinauf in den 
Dünndarm trieb. 

Ein ähnlicher Mechanismns mag auch in folgendem Falle 
Vorgelegen haben. 

Fall 7. Frau H„ 32 jährig, leidet an einer leichten Obstipation 
mit Schleimbeimengungen zum harten Stuhl, aber keiner ausgesprochenen 
Enteritis membran&cea. Es bestanden ferner anf&Usweise auftretende 
Sohmerzen in der rechten Seite des Leibes, die der Hausarzt als eine 
Cholecystitis auffasste. Die Röntgenuntersuchung ergab Tiefstand des 
Magens und des Colons. Die Wismutingesten waren zum Teil noch nach 
10 Stunden in der untersten Ileumschlinge nachzuweisen. Nach 24 Stunden 
war das ganze Colon kontinuierlich gefüllt, das Transversum hing tief 
in das kleine Becken herab, so dass es an den beiden Fiexuren spitz¬ 
winklig abgeknickt war; jedoch Hess sich durch die Palpation bei der 
Durchleuchtung sowie durch den nach völliger Entleerung des Darmes 
vorgenommenen Kontrasteinlauf zeigen, dass festere Adhäsionen jeden¬ 
falls nicht vorhanden waren. Nach 48 Stunden waren Wismutschatten 
im Darm nicht mehr naebzuweisen. Durch einen Einlauf von ein Liter 
Baryumemulsion unter geringem Druck lassen sich, ohne dass Schmerzen 
auftreten, zahlreiche DünndarmschHngen füllen. 

Was hier die Schlussunfähigkeit der Klappe verursacht hat, 
scheint nicht ganz verständlich. Nach Groedel’s 2 ) Annahme 
könnte man vielleicht in der katarrhalischen Schwellang der 
Dickdarmschleimhaut, die sich in den Schleimbeimengungen zum 
Stuhlgang äussert, den Grund der Insuffizienz sehen. Doch ich 
kann mir nur schlecht vorstelien, dass eine Schwellung des 
Schleimhautüberzuges der Klappe deren Insuffizienz zur Folge 
haben sollte, es liegt doch meines Erachtens näher, anzunehmen, 
dass eine entzündlich geschwollene Klappe früher und leichter 
sich schliesst als eine normale. Ich glaube vielmehr, dass es 
sich hier im Falle H. um einen ähnlichen Vorgang handelt, wie 
bei den von Dietlen beobachteten Fällen von Klappeninsuffizienz 
bei Obstipationen vom Ascendenztypus. Es kann infolge der 
spitzwinkligen Abknickung der Fiexuren vielleicht doch zu Er¬ 
schwerungen der Darmpassage gekommen sein n it Dehnung des 
Darmlumens und Ueberdehnung der Klappe, und vielleicht sind 
damit dann auch die rechtsseitigen Schmerzanfälle der Patientin 
aufgeklärt. 

Im folgenden Falle war jedenfalls ein derartiges Hindernis 
für die Darmpassage vorhanden, in Gestalt eines Darmtnmors. 

8. Frau St. leidet au einem klinisch unzweifelhaften und auch 
operativ bestätigten Garcinom des Colon, dicht unterhalb der Flexura 


1) Genersich, Le lavage du canal digestif. Progrcs medical, 
XXI, 38. 

2) l. c. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 51. 


lienalis, das sich röntgenologisch nicht nachweisen liess, da weder beim 
Einlaufen der Kontrastflüssigkeit sich ein Hindernis zeigte, noch ein 
Füllungsdefekt vorhanden war. Dagegen bestand auch hier eine In¬ 
suffizienz der Bauhin’schen Klappe. Die Operation erklärte, warum die 
Röntgenuntersuchung hier versagen musste, es handelte sich um ein 
ulceriertes Caroinom, das das Darmlumen zurzeit nicht verengte, und 
das vorwiegend in das Mesocolon hineingewachsen war. Da aber früher 
Erscheinungen von Darmstenose bestanden hatten, die sich in hart¬ 
näckigen Obstipationen abwechselnd mit Diarrhöen geäussert hatten, so 
können wir wohl annehmen, dass auch hier die zeitweilige Verlegung 
des Darmes die Insuffizienz der Klappe verursacht hat. 

Es wäre natürlich leicht zu behaupten, dass in allen diesen 
Fällen chronisch entzündliche Veränderungen in der lleocoecal- 
gegend bestanden haben müssen, die sich der klinischen Beob¬ 
achtung und Untersuchung entzogen haben. Man findet ja auch 
tatsächlich häufig genug bei Patienten, die man im ersten Anfall 
der Appendicitis zu operieren glaubt, bereits ausgedehnte Ver¬ 
wachsungen, die auf lange bestehende Prozesse hinweisen, die 
latent verlaufen sind. Es müssen jedenfalls hier noch weitere 
Beobachtungen angestellt werden und im besonderen muss jeder 
Fall, der das Symptom der Klappeninsuffizienz zeigt, genau bei 
einer etwaigen Laparotomie auf Verwachsungen in der lleocoecal- 
gegend untersucht werden. Es liegt aber meines Erachtens in 
den drei letzten Fällen näher, die objektiv nachweisbaren patho¬ 
logischen Veränderungen im Bereich des Colon als Ursache der 
Klappeninsuffizienz zu betrachten. Sicher ist, dass äusserst ge¬ 
ringfügige Momente die Schlussunfähigkeit der Klappe herbei¬ 
führen können. Schwarz 1 ) beobachtete, dass eine leichte 
Efflenrage des Coecums während des Einlaufes genügt, um einen 
Rückfluss 4m Coecalinhaltes in das Ileum zu veranlassen. 
Singer und Holzknecht 3 ) haben bei Fällen von Colonspasmus 
die Klappeninsuffizienz beobachtet und führen sie zurück auf den 
während des Spasmus gesteigerten Intestinaldruck, ebenso wie wir 
in Fällen von Hindernissen für die Darmpassage den gesteigerten 
Innendruck und die Dehnung des Darmes als Ursache angesehen 
haben. Ebenso mag auch in den von Dietlen beobachteten Fällen, 
bei denen pathologische Prozesse ausserhalb des Darmes sich 
nachweisen Hessen, die Raumbeengnng des Abdomens eine Er¬ 
schwerung der Darmpassage mit Drucksteigerung im Darmlumen 
zur Folge gehabt und die Insuffizienz der Klappe herbeigefübrt 
haben. Aber auch bei ganz bescbwerdefreien Menschen kann, 
wie Katsch in einer Diskussionsbemerkung zu Lohfeldt’s Vor¬ 
trag ausführt, ein retrograder Transport von Kontrastklysmen in 
das Ileum eintreten, und anch Dietlen hat bei einem an¬ 
scheinend Gesunden eine Insuffizienz der Klappe beobachtet. 

Keinesfalls ist also die Insuffizienz der Klappe als ein 
Symptom der chronischen Appendicitis anzusehen; ich glaube 
auch nicht einmal, dass die Schmerzen, die während des Ein- 
fliessens des Klystieres auftreten, beweisend sind für appendi- 
citische Verwachsungen. Damit spreche ich in Uebereinstimmung 
mit Dietlen dem Symptom der Klappeninsuffizienz jegliche 
patbognomonische Bedeutung ab nnd stimme Dietlen bei, dass 
es einerseits bei anscheinend ganz Gesunden und andererseits 
bei einer grossen Anzahl pathologischer Prozesse, die sich am 
Coecnm oder Colon oder deren Umgebung abspielen, Vorkommen 
kann. Die Insuffizienz der Bauhin’schen Klappe ist ein inter¬ 
essanter Nebenbefund, den wir verzeichnen können, der uns aber 
keinerlei diagnostische Schlüsse gestattet. 


Die Röntgensekundärstrahlenblende als Hilfs¬ 
mittel für die Lokalisation von Geschossen, 
demonstriert an zwei Herzschössen. 

Von 

Dr. Bttcky. 

fVortraff gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft 
’ am 25. November 1914.) 

M. H.I In der heutigen Zeit interessiert es die Chirurgen 
und die behandelnden Aerzte in den Lazaretten ganz besonders, 
Fremdkörperbestimmungen zum Zwecke der Operation vornehmen 
zu lassen, in Fällen, wo es notwendig ist, Geschosse aus dem Körper 

1 \ Schwarz Die Röntgendurchleuchtung des Dickdarmes während 
des Einlaufes als Hilfsmittel zur Diagnose stenosierender Bildungen. 

und Holzknecht, Die objektiven Symptome des chro- 
„ischei colon/p^mus. D.m.W., 1912, Nr. 23. 


zu entfernen. Nun ist eine grosse Reihe von Lokalisationsmethoden 
angegeben worden. Man möchte sagen, dass jeder Antor, der 
sich etwas näher mit Röntgenologie befasste, sich bemüssigt fühlte, 
eine neue Lokalisationsmethode anzugeben. Aber alle diese Loka- 
lisationsmethoden kranken daran, dass es nur in gewissen Fällen 
möglich ist, wirklich den Sitz der Fremdkörper exakt zq be¬ 
stimmen. 

Nun ist gerade wieder in der letzten Zeit in der Münchener 
medizinischen Wochenschrift ein Artikel von Holzknecht er¬ 
schienen, worin er darauf hinweist, dass die beste Lokalisations¬ 
methode diejenige ist, die man nicht auf der Platte vornimmt, 
also nicht mit Hilfe eines Röntgenbildes, sondern auf dem 
Röntgenschirm mit Hilfe der Durchleuchtung. Das trifft m so 
mehr zn, wenn es sich darum handelt, Geschosse oder Fremd¬ 
körper festzustellen, die sich in dauernder Bewegung befinden, 
wie z. B. gerade beim Herzen. Ein Geschoss, welches dem Herzen 
naheliegt, folgt den Pulsationsbewegungen, ein in der Lunge liegen¬ 
des den Atembewegungen. In solchen Fällen ist es technisch 
unmöglich, auf der Platte eine exakte Lokalisation vorzunebmen. 

Nun handelt es sich bei den Geschossen, die uns beste in 
der Kriegszeit hauptsächlich interessieren, immer um Fremdkörper I 

von geringem Umfange, und die Durchleuchtung wird manchmal i 

mit Schwierigkeiten verknüpft sein, weil das Bild auf dem Darch- j 
leuchtungsschirm für gewöhnlich nicht die Kontraste gibt, wie wir 
sie auf der Platte zu sehen gewohnt sind. So wird es z. B. 
schwer sein, einen Granatsplitter oder ein kleinkalibriges Geschoss 
in der Bauchhöhle anf dem Schirm nachzuweisen. Dasselbe gilt, 
wie in den Fällen, die ich gleich demonstrieren will, von Ge¬ 
schossen im Bereich des Horzschattens. ! 

Zur Verbesserung des Röntgenbildes auf dem Schirm haben j 
wir eine Vorrichtung in der sogenannten SekuDdärstrahleoblende, , 
der Wabenblende, deren Wirkung ich Ihnen ganz kursorisch in 
einem Lichtbilde aaseinandersetzen möchte. In Abbildung 1 be¬ 
findet sich bei R die Röntgenröhre, von der aus die Röntgen- 
strahlen auf den Schirm SS auftreffen. Zwischen der Röntgen¬ 
röhre R und dem Leuchtschirm SS befindet sich der Körper. 
Zwischen Schirm und Körper ist die Blende BI eingeschaltet, die 
zur Verbesserung des Bildes, wie ich Ihnen nachher im Diapositiv 
nachweisen werde, in ganz erheblichem Maasse beiträgt. Der 
Gedanke beruht darauf, dass die sogenannten Primärstrahlen pp 
der Röntgenröhre in dem Körper neue Strahlen erzeugen, die vir 
mit Sekundärstrahlnng bezeichnen. Diese Strahlung verlässt diffus 
nach allen Seiten hin den Körper. 

Die Sekundärstrahlung überlagert nun unter gewissen Verhält¬ 
nissen ganz enorm das eigentliche Bild, welches von der Primärstrab- 
lung der Röntgenröhre entworfen wird, nnd es kommt zu einer 
Verschleierung des ganzen Bildes. Diese Sekundärstrahlung wird 
durch die Blende abgefangen. Die Blendenwände selbst stehen 
in Richtung der Primärstrahlen, so dass sie sich als feine Striche 
abbilden und als solche nicht stören. Ich möchte Ihnen io den 
Bildern die Fälle zeigen, auf die ich hier exemplifizieren wollte. 

Es handelt sich in Abbildung 2 um einen Schuss im Herten 
bzw. in der Nähe des Herzens. Sie sehen aus dem Bilde, welches 
mit allen technischen Hilfsmitteln gemacht worden ist, die eine 
moderne Apparatur zur Verfügung stellt, wie relativ undeutlich 
das Geschoss herauskommt. Das liegt einerseits daran, dass sich 
das Geschoss gerade im Herzschatten befindet, andererseits daran, 
dass das Geschoss die Pulsation des Herzens mitmacht. Infolge¬ 
dessen mussten wir mit ganz kurzzeitigen Aufnahmen arbeiten, 
um überhaupt eine einigermaassen scharfe Kontur dieses Ge¬ 
schosses — es ist ein belgisches Geschoss — auf der Platte w 
bekommen. , 

Wenn wir ein derartiges Bild betrachten, so ist es natürlich 
unmöglich, von vornherein zu sagen: wo liegt das Geschoss, denn 
nur die Durchleuchtung im schrägen Durchmesser, wo wir also 
den Raum zwischen Wirbelsäule einerseits und grossen Gefässen 
und Herz andererseits frei projizieren, kann uns einen Aufschluss 
darüber geben, wo eigentlich das Geschoss sich befindet. J 
diesem Falle konnte ich nun bei der Durchleuchtung om« • 
Hilfsblende, die ich Ihnen eben zeigte, das Geschoss überbaup 
nicht wahrnehmen. Ich habe es mit allen möglichen Strao • 
qualitäten versucht, es war unmöglich, und erst nachdem ic 
Blende dazwischen geschaltet hatte, kam das Geschoss zum 
schein. Dann war es leicht, auf den ersten Blick zu senen, 
erstens überhaupt ein Geschoss sich im Körper befindet, 
zweitens durch Drehung des Körpers zu sehen, wo das Ges . 
liegt. Dieses Geschoss machte verhältnismässig wenig & i 

nungen. Es lag auf der Hinterseite des rechten Herzens. i 


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dieser Aufnahme wurde eine kleine Blende zwischen Schädel und 
Platte gelegt, und so sehen Sie, dass rings um die Blende alles 
ziemlich verschwommen ist und dass dagegen im Bereich der 
Blende, die, wie oben erwähnt, sich als Netz abbildet, die Teile 
hervorragend gut sichtbar werden. 

Das ist ungefähr der Eindruck, den wir bekommen, wenn 
wir die Blende am Schirm benutzen. 

Sie sehen hier eine Debersichtsaufnahme (Abbildung 6) des 
ganzen Leibes bei einem ziemlich umfangreichen Patienten ohne 
jede Kompression, die wir sonst anwenden. Sie sehen, dass hier, 
obwohl wir keine Kompression angewendet haben, die Wirbelsäule 
ganz tadellos herausgekommen ist und auch die Niere sichtbar 
ist- Dann hier ein Becken (Abbildung 6), auch wieder mit den 
barten Strahlen gemacht, wie wir sie bei solchen Durchleuchtungen 
brauchen, auch wieder mit einem Ausschnitt der Blende, wo 
gleichfalls wieder in scharfem Kontrast die Konturen heraus¬ 
kommen. 

Dasselbe sehen Sie an einer Magendurchleucbtong (Abbil¬ 
dung 7). Da sehen Sie wieder ein verschwommenes Bild, wie 
wir es sonst auf dem Schirm zu sehen gewohnt sind, und hier 
die scharfen Kontraste innerhalb der Blende. 

Nun können wir natürlich die Blende so gross wählen, dass 
sie das ganze Gesichtsfeld öberdeckt; dann würden wir überall 
die Kontraste bekommen. Ich habe hier, um die Wirkung zu 
demonstrieren, absichtlich eine kleine Blende gewählt. 

Sie sehen hier diese Blende in Natur (Fabrikanten: Siemens 
u. Halske). 


Ein Fall von schwerer Röntgenverbrennung 
nach gynäkologischer Tiefenbestrahlung. 

Von 

Dr. Bncky. 

(Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft 
am 25. November 1914.) 

Von diesen Kriegsfällen, m. H., möchte ich mit Erlaubnis 
des Herrn Vorsitzenden zu einem zweiten Falle übergehen, dessen 
Vorgeschichte im Frieden liegt. Wenn ich mich trotzdem ent¬ 
schlossen habe, diesen Fall heute hier zu demonstrieren, so ge¬ 
schah dies aus der Ueberlegung, dass mit der modernen gynäko¬ 
logischen Tiefenbestrahlung grosser Schaden angerichtet werden 
kann — ich sage absichtlich gynäkologische Tiefenbestrahlung 
und sage nicht Röntgenbestrahlung im allgemeinen, weil es immer 
noch schwerwiegende Gegensätze gibt in den Ansichten der Rönt¬ 
genologen und der Gynäkologen. Es ist Ihnen ja bekannt, dass 
die Tiefenbestrahlung bei Carcinomen usw. erst, ihre Blüte zur 
Entfaltung brachte, als die Gynäkologen sich der Röntgenbe¬ 
strahlung annahmen. Das werden wir Röntgenologen auch nie 
vergessen, dass wir den Gynäkologen Dank dafür schuldig sind. 
Andererseits muss aber gesagt werden, und ich habe es bei jeder 
Gelegenheit immer wieder betont, sowohl io der Hufelandischen 
Gesellschaft als auch in der Gynäkologischen Gesellschaft, dass 
die Gynäkologen in ihren Anschauungen über die Dosen der 
Röntgenstrahlen, die wir bei den Carcinombestrahlungen wie auch 
bei den Myombestrahlungen anwenden sollen, doch wohl weit 
über das Ziel hinausschiessen. Ich habe bereits vor zwei Jahren 
davor gewarnt, derartige Strahlenmengen dem Körper zuzumuten, 
und ich bin leider heute in der Lage, meine damalige Warnung 
an dem vorliegenden Falle als richtig erweisen zu können. Ich 
werde es nach der Schilderung der Sachlage dem Urteil der Ver¬ 
sammlung überlassen, ob meine damalige Annahme richtig war 
oder nicht. 

Ich wurde von Herrn Dr. Hirschfeld gebeten, mir Röntgen- 
ulcera bei einer Patientin anzusehen, die in die Charitö aufge¬ 
nommen war, und zwar in die Krebsbaracke, woraus gleich her¬ 
vorgebt, dass also das Carcinom, wegen dessen die Patientin 
bestrahlt worden war, nicht geheilt war. 

Es handelt sich um eine Fran von 41 Jahren. Die jetzige Krank¬ 
heit begann im Februar 1914 mit starken Blutungen, die zur Zeit der 
Menstruation eintraten. Auch die Menstruation im März war auffällig 
stark. Nach ihrem Aufhören stellte sich starker Ausfluss ein. Im April 
suchte sie einen Arzt auf, der sofortige Operation empfahl, weil Carci¬ 
noma uteri vorlag. Sie begab sich in eine Frauenklinik, die gerade auf 
dem Röntgengebiet als führend gilt und bei der man die Technik als 
vollendetste in bezug auf die Röntgentherapie voraussetzen kann. Sie 
wurde 3 Wochen mit Röntgenstrahlen behandelt. Jede Bestrahlung 
dauerte 1 bis l l } 2 Stunden. Es wurden abwechselnd verschiedene Haut¬ 


partien am Gesäss und oberhalb der Geschlechtsteile am Bauch bestrahlt. 
Unter dieser Behandlung erholte sie sich, nahm an Gewicht zu, wurde 
nach 3 wöchiger Behandlung entlassen. Die bestrahlten Hautpartien 
waren massig stark gerötet, aber nicht besonders schmerzhaft. Es wurde 
also so weit bestrahlt, bis das Erythem auftrat, wie es von gewisser 
gynäkologischer Seite gefordert wird, um eine durchgreifende Wirkung 
auf das Carcinom zu erzielen. 

Drei Tage nach der Entlassung aus der Klinik begann die Rötung 
stärker zu werden und zu schmerzen. Dann stellten sich Blasen ein, 
und schliesslich lag das „rohe Fleisch" bloss. Uebrigena hat mir die 
Patientin, die am vorigen Sonnabend zum Exitus gekommen ist, gesagt, 
dass sie auf einem Kongress vorgestellt worden ist — ich will nicht 
sagen wo — als ein Fall, der auf Grund dieser enormen Dosen von 
Röntgenstrahlen ganz besonders tadellos geheilt wäre. Bald danach soll 
sich übelriechender, starker Ausfluss eingestellt haben. 

Unter dem Einfluss der Salbenbehandlung besserte sich die Ent¬ 
zündung der Haut bis auf eine Stelle am linken Gesäss, wo etwa im 
Mai ein Loch entstand. Trotzdem konnte die Frau im Juni 2 Wochen 
verreisen. Da das Loch immer grösser wurde und heftig schmerzte, 
begab sie sich im Juli wieder in die Klinik, wo sie erst mit Sauerstoff¬ 
salbe und dann mit Naphthalan behandelt wurde. Ausserdem wurde 
ihr alle 2 Stunden eine Radiumkapsel, 25 mg, 2 Stunden laug eingelegt. 
Naoh 9 wöchiger Kur wurde sie entlassen. Zwei Tage nach der Ent¬ 
lassung begann Urin aus der Scheide abzngehen. Sowohl aus diesem 
Grunde wie zur Heilung der Verbrennungen sachte sie die Charite auf. 
Der Status war folgender: 

Patientin ist eine sehr blasse, stark abgemagerte Frau, die ständig 
auf der rechten Seite liegt und die Knie angezogen hält. Auf der linken 
Gesässhälfte, etwa dem Sitzhöcker entsprechend, befindet sich ein grosser, 
länglicher, ca. 2 cm tiefer Hautdefekt, der bis ins Unterhautfettgewebe 
hineinreicht. Sein Längsdurchmesser beträgt 6, sein Querdurchmesser 
3 cm, seine scharfen Konturen sind etwa elliptisch. Die umgebende 
Haut ist von zahlreichen kleinen hyperämischen Gelassen durchsetzt. 
Auf der rechten Gesässhälfte befindet sich ein kleinerer, nicht ganz so 
tiefer Hautdefekt, dessen Durchmesser etwa 2 cm beträgt. 

Ich lese absichtlich diese Daten ausführlich vor, um nicht 
etwa den Einwand hören za müssen, dass es sich nicht tun 
RöntgenverbrennuDgen gehandelt habe, sondern am carcinomatöse 
Ulcera. 

Nun, das Bild, welches ich Ihnen nachher zeigen will, 
widerspricht dem vollkommen. Ebenso widerspricht dem der 
autoptische Befund. Ich verdanke Herrn Geheimrat Orth die 
Möglichkeit, die Präparate hier heute abend zeigen zu können 
und möchte auch dafür noch meinen besonderen Dank atu- 
sprechen. 

Ein etwa erbsengrosser Hautdefekt befindet Bich im obersten 
Teil der Rima ani, etwa dem Steissbein entsprechend. Der 
Grund dieser Ulcerationen ist nekrotisch. 

Bei dieser Steissbeinulceration könnte man nun wieder an¬ 
nehmen, dass es sich um Decubitus handelte. Auch das wird 
vom Pathologen verneint. Der Mons veneris ist pigmentlos, and 
die Haut macht einen sklerodermieartigeu Eindruck. Rechts 
oben, wo sonst die Haargrenze aufhört, ist ein etwa bohoen- 
grosser und tiefer Hautdefekt mit nekrotischem Grund and 
byperämiscber Umgebung. Beide Labien sind stark ödematös 
geschwollen. 

Bei der vaginalen Untersuchung, die Herr Professor Pinkuss 
so freundlich war, vorzunehmen, fühlte man in der vorderen 
Scheidewand eine kraterförmig vertiefte höckerige Erhabenheit. 

Ich darf vielleicht noch ganz kurz die autoptische Diagnose 
verlesen. 

Klinische Diagnose: Uteruscarcinom. Schwere Röntgenver- 
brennungen. Anatomische Diagnose: Uteruskrebs. Totale krebsige 
Zerstörung des Cervix uteri. Uebergreifen des Krebses auf Corpus 
und Vagina. Blasenscheidenfistel. Krebsige retroperitoneale Lymph- 
drüsen längs der Aorta. Kompression der Uretereu durch aus¬ 
gedehnte Verwachsungen im kleinen Becken. Hydrcnepbrose. 
Grosse (durch Röntgenbestrahlung entstandene) Ulcera an der 
Nates besonders links, kleine zum Teil in Verheilung begriffene 
an der Bauchhaut rechts oberhalb der Symphyse. Braunes Herz 
und braune Leber. Lungenödem. Leichter Hydrothorax. Mässige 
plenritische Verwachsungen beiderseits. Kleines Divertikel des 
Oesophagus in der Nähe der Bifurkation. An der Rückseite 
adhärente anthrakotische Lymphdrüsen. Milz auffällig hellgrau¬ 
rot, derb. • 

M. H., man kann also nicht etwa davon sprechen, dass durch 
derartige grosse Dosen die Metastasen verhindert würden, da die 
retroperitonealen Drüsen längs der Aorta krebsig entartet waren. 

Bei der Kürze der Zeit — die Frau ist erst am vorigen 
Sonnabend zum Exitus gekommen — war es Dicht möglich, p* 
histologisch-mikroskopische Untersuchung auszuführen. Aber ich 


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21. Dezember 1914. 


behalte mir vor, mit Erlaubnis von Herrn Geheimrat Orth, auch 
später Ihnen darüber noch genaueren Bericht zu erstatten. 

Die Art der Verbrennungen und Hautveränderungen sehen 
sie an diesen Bildern. (Abbildung 1 u. 2.) 

M. H., es mag Ihnen vielleicht etwas eigenartig Vorkommen, 
dass ich als Röntgenologe hier anscheinend der Röntgentherapie 
einen schweren Schlag versetze. Das ist aber durchaus nicht der 
Fall. Was ich klarstellen möchte, ist allein dieses, dass wir 
Röntgenologen im allgemeinen nicht einverstanden sind mit der 
Therapie, wie sie von gynäkologischer Seite in manchen Kliniken 
gehandhabt wird. Von Gauss, Fränkel und anderen ist die 
Forderung aufgestellt worden, möglichst grosse Dosen in mög¬ 
lichst kurzer Zeit zu applizieren. M. H., mit dieser Forderung 
kann ich mich unmöglich einverstanden erklären, da wir so 


Abbildung 1. 



schwere Schädigung, wie wir eben gesehen haben, riskieren. Das 
kann aber vermieden werden, wenn man diese Forderung ver¬ 
lässt und an ihre Stelle den Satz stellt: Nicht zu grosse 
Dosen nach längeren Pausen wiederholt geben. Ich 
habe mich nie zu diesen übertriebenen Dosen verstehen können. 
Auf diese Weise ist es mir gelungen, eine Reihe von Patienten, 
die ich Ihnen vielleicht bei anderer Gelegenheit einmal vorführen 
darf, wirklich 1, 2 und mehr Jahre über Wasser zu halten. 

Dass diese Forderung auch ihre Begründung hat, wollen Sie 
daraus entnehmen, dass ja die ganze Röntgentherapie bei den 
malignen Geschwülsten auf dem Gedankengang beruht, dass das 
Carcinomgewebe besonders radiosensibel ist, das heisst, dass die 
Strahlen auf das Carcinomgewebe deletär wirken, während sie 
bei gleichen Dosen auf das normale Gewebe keinen Einfluss aus¬ 
üben. Wir müssen also bei der Röntgentherapie darauf bedacht 
sein, solche Dosen zu geben, die das normale Gewebe nicht 
affizieren. Wir dürfen es also nicht zum Erythem kommen lassen, 
und wenn wir Pausen einschieben, so hat das normale Gewebe 


Zeit, sich von den etwa noch vorhandenen Schädigungen, die die 
Röntgenstrahlen auf das normale Gewebe ausgeübt haben, zu er¬ 
holen, und nach einer gewissen Zeit können wir unbeschadet 
wieder Röntgenstrahlen applizieren und werden so erreichen, dass 
zwar das Carcinomgewebe zugrunde geht, dass aber das normale 
Gewebe möglichst wenig affiziert wird. Andererseits vermeiden 
wir es auch durch ein solches Vorgehen, dem Carcinom in den 
Verbrennungen und deren Narben einen Locus minoris resistentiae 
zu schaffen. 

Herrn Geheimrat Orth, Herrn Prof. Pinkuss und Herrn 
Dr. Hirschfeld möchte ich zum Schluss meinen besonderen 
Dank abstatten. 


Dostojewski als Psychopathologe. 

I. Die Brüder Karamasow. 

Von 

Dr. Arthnr Miinzer-BerUn-Cbarlottenburg. 

In dunkle Tiefen steigt, von Dichtershand geführt, der Wanderer 
hinab. Kein Lichtschein folgt seinen Schritten, Finsternis waltet. Froh¬ 
sinn und Heiterkeit schwinden; von allen Seiten starren Jammer und 
Elend. Angstvoll schnürt’s dem Wanderer das Herz zusammen, und je 
weiter er vorwärts eilt den düsteren Weg, um so mühevoller wird der 
Schritt, um so schwerer drückt die Last. Da ist kein Ausweg, kein 
Erbarmen, keine Hoffnung. Und wenn hie und da auch ein schwacher 
Sonnenstrahl schimmert, er erstirbt in dem nachtschwarzen Dunkel, in 
das er hinabgeirrt. 

Die Literaturgeschichte berichtet von vielen Dichtern, die in der 
Schilderung des menschlichen Seelenlebens eine hohe Vollendung er¬ 
reichten. Ihnen glückte es, die feinsten Fäden, welche unser psychisches 
Geschehen verknüpfen, zu entwirren, die geheimsten Regungen unserer 
Seele aufzudecken: sie wurden grosse Psychologen. Einen besseren 
Kenner der kranken Psyche aber, einen grösseren Psyohopathologen 
als Dostojewski hat es wohl unter Dichtern nicht gegeben. Das ist 
nicht zu verwundern, denn Dostojewski selbst war Epileptiker. Er 
kannte nur zu gut die Allgewalt des Morbus sacer. Wusste, wie tief 
sich die Krankheit hineingrub in die Seele des Menschen, wie sie ihn 
hin- und berzerrte zwischen höchster Erregung und dumpfer Verzweif¬ 
lung, sein Wollen lähmte, den Charakter zugrunde richtete und den 
Intellekt langsam, aber sicher zerstörte. Dostojewski war ein Kranker, 
und wer seine Werke gelesen, der weiss es: er liebte seine Krankheit. 
Nur einer, der seine Krankheit liebt, kann mit solcher Hingebung die 
kranke Psyche schildern. Der Dichter begnügt sich niemals mit groben 
Umrissen; nein, bei ihm ist jeder Zug aufs feinste herausgearbeitet, jede 
Linie haarscharf gezeichnet, jedes Wort, jede Bewegung wiegt zentner¬ 
schwer. Das sind überhaupt keine Romanfiguren, denen wir in Dosto¬ 
jewski’s Werken begegnen, wirkliche Menschen sind es — aus dem 
Krankenhaus, aus dem Irrenhaus, dem Asyl, Haltlose, Willensschwäche 
usw., deren trauriges Los sich vor unseren Augen enthüllt. Wir leben 
und fühlen mit ihnen. Voller Bangen verfolgen wir ihren Daseinskampf, 
sehen sie straucheln, von Stufe zu Stufe sinken und endlich unterliegen: 
die kranke Seele wird ihr Verhängnis. 

Mit packender Gewalt hat der Dichter solche Menschenschicksale 
in seinem Buch „die Brüder Karamasow“ vor uns aufgerollt. All das, 
was tief im Innersten des Menschen schlummert, wird rückhaltlos an 
die Oberfläche gebracht. Da sehen wir ihn, den Menschen in seiner 
ganzen Blosse hin- und hergeworfen im Strom des Lebens von seinen 
krankhaften Trieben, von Unglück und Not. Steuerlos treibt sein Schiff 
daher. Wird es den Hafen finden? 

Der Vater Karamasow, das Familienoberhaupt, ist ein Wüstliüg, 
dem in seinem Leben nur die eigene Person etwas gegolten. Seine 
erste Frau gewinnt er durch eine Entführung, erringt sich damit eiii 
kleines Kapital und briogt es durch Wuchergeschäfte zu Gelde. Um 
sein Haus kümmert er sich nicht, Frau und Kind sind ihm gleichgültig. 
Die zweite Frau, die er nach dem Tode der ersten heiratet, scheut er 
sich nicht, vollends zu demütigen, indem er im eigenen Hause mit lieder¬ 
lichen Weibern die tollsten Orgien feiert. Völlerei und Ausschweifungen 
sind ihm gewohnte Beschäftigung. Pflichten kennt er nicht. Nur wo 
der eigene Vorteil auf dem Spiele steht, setzt er seine Kraft ein. Ein 
elender Schmarotzer ist er, ein gemeiner Zyniker, dem in seinem 
schrankenlosen Egoismus die Begriffe von Recht und Sitte völlig ab¬ 
handen gekommen. In angetrunkenem Zustand vergeht er sich an einem 
idiotischen Mädchen, nachdem er vorher erklärt hatte, es sei sogar 
äusserst pikant, ein solches Tier wie ein Weib zu behandeln. Kirche 
und Glauben verachtet er. Im späteren Alter hintergeht er den Sohn 
um dessen väterliches Erbteil und versucht, ihm mit diesem Gelde die 
Geliebte abspenstig zu machen. Von ebendiesem Sohn meuchelmörde¬ 
risch erschlagen, findet er ein klägliches Ende. 

Ist wohl ein treffenderes Bild eines Degenerierten auszudenken? 
Die absolute moralische Anästhesie, der MaDgel der ethischen Grund¬ 
begriffe, der schrankenlose Egoismus sind Grundpfeiler des Entartungs¬ 
irreseins. Normale Hemmungen fehlen. Alkoholismus und krankhafte 
Sinnenlust entfalten ihre verderblichen Wirkungen. In dem Gedanken 


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Original fro-m 

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1944 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


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an den eigenen Vorteil wird auch das Verbreohen nicht gescheut. 
Kriechende Unterwürfigkeit auf der einen, rücksichtsloses Sioh-Hinweg- 
setzen über Menschen und Dinge auf der anderen Seite charakterisieren 
als scharfe Gegensätze viele seiner Handlungen. In diesem Menschen 
finden wir nichts wieder, was die „Art“ kennzeichnet, er ist für uns im 
wahrsten Sinne des Wortes ein „Abgearteter“ oder ein „Entarteter“. 
Hier ist nur die äussere Form des Individuums noch erhalten, der innere 
Gehalt an psychischen Qualitäten aber auf ein Minimum reduziert. 

Der älteste Sohn Mitja wächst ohne Liebe „im Hinterhof“ auf. Ein 
alter Diener des Hauses Karamasow betreut ihn. Traurige Eindrücke 
begleiten die erste Kindheit. Zum Manne herangereift, schlägt er die 
Offizierslaufbahn ein. Er lebt in Saus und Braus, verbringt seine Tage 
in tollen Schwelgereien. Ein Mädchen von hoher Bildung und edlem 
Charakter, dessen Vater in materielle Schwierigkeiten geraten, kommt zu 
ihm, um ihn um eine bestimmte Summe Geldes anzuflehen. Er, für den 
alle Frauen schwärmen und den kein Verantwortungsgefühl drückt, 
hätte sie völlig in seiner Gewalt gehabt; er gibt ihr das Geld und — 
schont sie. Das Mädchen wird seine Braut. Um einer Dirne willen, 
die leichtfertig mit ihm und seinem eigenen Vater spielt, gibt er sie 
auf. In wahnsinniger Liebe hängt er sich an das minderwertige Ge¬ 
schöpf. Ein erbitterter Kampf entbrennt zwischen Vater und Sohn. 
Als eines Tages das Mädchen zu einem früheren Geliebten fährt, er sie 
aber in den Armen des Vaters glaubt, packt ihn Verzweiflung; er wird 
zum Vatermörder. Zu spät erfährt er den wahren Sachverhalt. In 
atemloser Hast folgt er der Geliebten, erringt das Geständnis ihrer 
Liebe, verjubelt eine tolle Nacht mit dem Geld, das er dem Vater ge¬ 
raubt und wird am Ziele seiner Wünsche verhaftet. Vor Gericht leugnet 
er den Vatermord, wird aber auf Grund der erdrückenden Indizien¬ 
beweise verurteilt. 

In Mitja lernen wir den Typas des Instablen, Haltlosen, Willens¬ 
schwächen in markanter Prägung kennen. Von Jugend an viel sioh 
selbst überlassen und nicht in straffer Erziehung gefestigt, hat er nie 
gelernt sich zu beherrschen. Willenlos ist er allen Trieben preis¬ 
gegeben, dabei ist er von Haus aus gutmütig, wie seine Handlungsweise 
gegenüber seiner Braut beweist. Menschen wie Mitja sind, wenn sie in 
geordneten Verhältnissen leben, brauchbare Individuen. Aber mit dem 
Moment, in dem der gerade Weg verlassen wird, verlieren sie den Halt 
und stürzen ins Verderben. Unheilvoll ist die Reizbarkeit und die Er¬ 
regbarkeit derartiger Menschen. Der geringste Anlass kann maasslose 
Wutausbrüche hervorrufen, die duroh vorherigen Alkoholgenuss noch ge¬ 
steigert werden. In solohen Zuständen werden häufig die schwersten 
Verbrechen begangen. So wird Mitja durch den Gedanken, die Geliebte 
in den Armen des Vaters zu finden, aufs höchste erregt und erschlägt 
ohne viel Besinnen den Nebenbuhler. Es fehlen hier völlig die dem 
Normalmenschen gegebenen Hemmungen, es fehlt jede Ueberlegung, 
jedes Abwägen von Für und Wider. Der Gedanke, der im Hirn auf¬ 
taucht, wird ohne weiteres in die Tat umgesetzt. 

Ebenso maasslos wie die Erregbarkeit Mitja’s ist auoh sein Liebes- 
fühlen. Die grausige Tat ist ja nur der Ausfluss seiner unseligen 
Leidenschaft. Unmittelbar nach dem Morde eilt er, blutbefleckt, seiner 
Geliebten nach; und als er sich ihrer Liebe versichert, da vergisst er, 
der Vatermörder, in wüstem Gelage das Geschehene und gibt sich ganz 
der Freude hin. 

Naturen wie Mitja sind voll unvereinbarer Widersprüche. Ihnen 
fehlt die geschlossene-Persönlichkeit, das Ebenmaass des Fuhlens und 
des Denkens. Nie lässt sich die Handlungsweise solcher Menschen 
logisoh beurteilen, sie ist immer willkürlich, vom Augenblick abhängig, 
dem Zufall überlassen. 

Trotz der erdrückendsten Schuldbeweise leugnet Mitja die Tat von 
Anfang an. Was mag ihn wohl hierzu bewegen? Reue, Schamgefühl, 
die Liebe zu Gruschenka, Angst? Der Dichter lässt uns im Zweifel. 
Vielleicht ist es auch kaum möglich, bei einer dunklen Natur wie Mitja 
eine Handlungsweise in ihre Elementarbestandteile aufzulösen; es ge¬ 
schieht alles mehr instinktmässig. 

Interessant ist die Gerichtsverhandlung, besonders vom medizinischen 
Standpunkt. Die drei Sachverständigen haben — wie leider so häufig — 
jeder seine Meinung für sich. Während die beiden ersten den Täter 
für abnorm erklären, hält ihn der dritte für normal. Der Dichter selbst 
hat uns die Beurteilung des Geisteszustandes nicht schwer gemacht. 
Mitja gehört, woran nicht zu zweifeln ist, zu den psychopathischen 
Naturen, die also von vornherein schon eine gewisse Minderwertigkeit in 
ihrer psychischen Veranlagung darbieten. Hierzu kommt der aus¬ 
geprägte Afiektzustand, in welobem die Tat begangen wurde. Mitja 
glaubt die Geliebte in den Armen des Vaters, wird von rasender Eifer¬ 
sucht gepackt und verübt unter dem Zwang der seelisohen Pein 
den Mord. 

Haben wir es schon mit dem Psychopathen an sich nicht mit einem 
vollwertigen Menschen zu tun, so steht der Psychopath im Afiektzustand 
an der Grenze der Zurechnungsfähigkeit. Andererseits befand sich der 
Täter nicht in einer derartig krankhaften Geistesverfassung, dass seine 
freie Willensbestimmung auszuschliessen war. Musste er also für seine 
Tat zur Rechenschaft gezogen werden, so konnte er doch nicht voll ver¬ 
antwortlich gemacht werden. Nicht straffrei durfte ihn der Richter aus¬ 
gehen lassen, musste ihm aber mildernde Umstände zusprechen. 

Der jüngere Bruder Mitja’s, Iwan, wird vor Gericht vom Staats¬ 
anwalt charakterisiert als ein hervorragend gebildeter Jüngling, begabt 
mit starkem Verstand. Aber er ist trotz seiner Jugend ein Zyniker, 
hat schon vieles „verworfen und durchgestriohen ganz wie sein Vater“ 


Nr. Bl. 


und glaubt an nichts mehr. An der Tat, die der Bruder begangen 
fühlt er sich nicht ohne Schuld; denn er kannte wohl des Bruders Ab¬ 
sichten, hatte aber den Dingen freien Lauf gelassen. Schwer lastet auf 
seiner Seele der Vatermord, und unter dem Druck des Schuldbewusst- 
seiDS verfällt er dem Wahnsinn. Vor Gericht erscheint er müde, fast 
wie ein Sterbender und gibt sioh die Schuld an dem Morde des Vaters. 

Auch Iwan ist — wie alle Karamasow’schen Naturen — ein Degene¬ 
rierter, eine unausgeglichene Persönlichkeit. Sein Intellekt ist hoch- 
entwickelt, das Gefühlsleben aber verkümmert. Dem Staatsanwalt hatte 
der Diener Smerdjakow berichtet, dass von den drei Söhnen Iwan am 
meisten seinem Vater ähnlich sei. Der zermürbenden Qual der Ge¬ 
wissensbisse kann er keinen Widerstand entgegensetzen, er erliegt dem 
Wahnsinn. Die Psychose wird uns als eine Art Delirium geschildert, 
in der besonders Halluzinationen hervortreten. Allerdings ist z. B. die 
Führung eines geregelten Dialogs mit dem halluzinierten Gegenpart eine 
durchaus laienhafte Fiktion. Auch die Episoden vollkommener Be¬ 
sonnenheit, die ganz plötzlich und unvermittelt die deliranten Phasen 
ablösen, sind medizinisch nicht motiviert. Die Psychose Iwan’s lässt 
sich am ehesten vielleicht mit dem Kraokheitsbilde des Erschöpfungs- 
deliriums in Einklang bringen, wenngleich auch nicht alle Symptome 
genau übereinstimmen. Die heftige Gemütserschütterung, welche der 
Tod des Vaters bedingt, kann wohl als erschöpfendes Moment gelten; 
auf ihm als Fundament baut sioh das Delirium, dessen Verlauf wir ror 
uns sehen, auf. 

Mit grosser Liebe und Sorgfalt ist die Figur des Dieners Smerd¬ 
jakow gezeichnet. Smerdjakow ist der uneheliche Sohn des altes Kara¬ 
masow und jenes idiotischen Mädchens, das der Alte im Rausch miss¬ 
braucht. Von einem solchen ELternpaar konnte nur ein wollig degene¬ 
riertes Individuum stammen, und so hören wir denn, dass Smerdjakow 
Epileptiker ist. Dostojewski, der hier auf ureigenstem Gebiet sich 
befindet, schildert uns die Eigentümlichkeiten der Krankheit bis in ihre 
feinsten Details. Nur möchte man stellenweise glauben, dass der 
Dichter selbst sioh mit seiner Romanfigur identifiziert: das ist nicht 
mehr der armselige Epileptiker Smerdjakow, der da zu uns redet, das 
ist Dostojewski selbst, der mit der ganzen Macht seiner Persönlich¬ 
keit sioh einsetzt. 

Als kleiner Junge liebt es Smerdjakow, Katzen zu erwürgen und sie 
dann unter kindischen Feierlichkeiten zu begraben. Schon in früher 
Kindheit trifft ihn der erste Anfall von Epilepsie, die ihn während seines 
ganzen Lebens nicht verlässt. — Im Essen ist er heikel, alle Speisen, 
die er zu sieh nimmt, untersucht er erst genau. Sorgsam und reinlich 
hält er sich stets iu seinem Aeusseren. Meist ist er schweigsam, men¬ 
schenscheu, nur selten wird er mitteilsam. Eigenartig ist seine Neigung 
zu philosophisch-religiösen Betrachtungen. Seine Art, die Dinge and 
Mensohen zu beurteilen, zeugt bisweilen von hohem Scharfsinn. — Bald 
sehen wir ihn devot, kriechend, bald voller Hohn auf die anderen herab¬ 
sehen. Hier ist er ängstlich, furchtsam, dort scheint er jede Gefahr zu 
verachten. — In der Nacht des Mordes hat er einen schweren epilep¬ 
tischen Anfall, den er bereits vorher hat herannahen fühlen. So schwer 
ist der Anfall, dass sein Leben in Gefahr schwebt. Nach Ablauf des¬ 
selben sind Spuren geistiger Anomalie nachweisbar. Er ist schwach, 
spricht langsam und kann nur schwer die Zunge bewegen. Kurz ror 
der Gerichtsverhandlung nimmt er sich durch Erhängen das Leben. - 
In seinem Plaidoy er schildert ihn der Staatsanwalt als einen schwach¬ 
sinnigen Mensohen, der sich ein paar Brocken untergeordneter Bildung 
zusammen gelesen und zuletzt über gewissen philosophische! Ideen den 
Verstand verloren habe. — Das ist sicher ein einseitiger Standpunkt, 
denn der Staatsanwalt verkennt hier den Epileptiker, in dessen Charakter 
sich die widerspruchsvollsten Züge zurammendrängen. Smerdjakow weht 
fast alle Zeichen des typisch epileptischen Charakters auf. In der Kind¬ 
heit bereits sehen wir seinen HaDg zur Grausamkeit Späterbin wird er 
einsam, menschenscheu. Sein Tun und Handeln ist ziemlich pedantisch. 
Sein bald devotes, bald freches Gebahren, die Neigung zu Grübeleien, 
die Beschäftigung mit religiösen Problemen sind typische Charaktereigen- 
tümlichkeiten. — Die Ursache des Anfalls wird mit Recht aus der Er¬ 
regung hergeleitet, welche den Kranken befällt, als er das nicht mehr 
abzuwendende Unheil hereinbrechen sieht. Das Nahen des Anfalls wird 
— eine ganz gewöhnliche Erscheinung bei Epileptikern — deutlich vorher 
empfunden. Schliesslich wird wahrscheinlich eine Verstimmung, die uns 
bei unseren Kranken so häufig begegnet, die Ursache für seinem Selbst¬ 
mord. 

Gruschenka, das Mädchen, um derentwillen der Streit zwischen Vater 
und Sohn entbrennt, wird als Typus einer echten Hysterie geschildert. 
Einer besseren Familie entstammend, wird sie in früher Jugend ton 
einem Offizier verführt. Sie verlässt die Heimat und wird später die 
Geliebte eines alten Kaufmanns. Ihre Schönheit lockt die Männer. Sw 
tändelt mit ihnen, will alle beherrschen, verteilt nur sparsam ihre Gausv 
Sie verspricht Rakitin eine bestimmte Summe Geldes, wenn er Aljoscha, 
den jüngsten Sohn des Karamasow, dessen Jugend sie begehrt, zu ihr 
bringt. Eitel, gefallsüchtig, herrschbegierig, launisch, stellt sie sich uns au 
eine eohte, rechte Hysterica dar. Echt hysterisch ist der Auftritt, den 
sie mit ihrer Rivalin Katarina Iwanowna provoziert, echt hysterisch d v 
Spielen zwisohen Vater und Sohn. Als sie sich dann endgültig für den 
Sohn entschieden, da hängt sie sich trotz seiner Schuld mit zäher 
Festigkeit an ihn und ist bereit, ihm, der vordem nur der Spie*- 
ball ihrer Launen war, naoh Sibirien zu folgen — wiederum em ® 
hysterischer Zng. , 

Mit der Sohilderung dieser Typen ist die Psychopathologie der 


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UNIVERSUM OF IOWA 



21. Desember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1946 


„Brüder Karamasow“ nicht erschöpft. Ich wollte aber itn Rahmen eines 
kürzeren Artikels nur einige markante Figuren herausheben, um an ihnen 
die Gestaltungskraft des Dichters zu. erweisen. 

Wer ein Buch von Dostojewski gelesen, dem enthüllt sich die 
Not des Lebens. Nicht nur die grossen, erschütternden Ereignisse in 
unserem Dasein sind es, die vor uns aufgerollt werden, auch der Jammer 
des Alltags, das Leid der Stunde wird uns offenbar. — Dostojewski 
kennt jeden Winkel der Seele, jede leiseste Regung unseres Gemüts. 
Sein Auge durohdringt jedes Dunkel. Wie sehr wir uns auch wehren 
mögen, er reisst uns mit hinab in die tiefsten Gründe. Uns zwingt die 
Hand des Stärkeren. Wehmut erfasst uns über das Schicksal des Men¬ 
schen, und hinein mischt sich das leise Sehnen, er möge sieb empor¬ 
ringen aus aller Not zu glücklicherem Sein. 


Bücherbespreehungen. 

Friedrich Wolter: Die Entstehungsursachen der Kriegsseucben, ihre 
Verhütung und Bekämpfung auf Grund der Kriegserfahrungen 

1870/71. 5. Band der Jubiläumsschrift zum fünfzigjährigen Ge¬ 
denken der Begründung der lokalistischen Lehre Max von Petten- 
kofer’s. München 1914, J. F. Lehmann. 

Der im Jahre 1886 vom Kgl. preussischen Kriegsministerium heraus¬ 
gegebene Kriegssanitätsbericht über den Deutschen Feldzug 1870/71 
enthält ein wenig beachtetes, reiohes und gründliches Material zur Ent¬ 
scheidung der vielbewegten Frage, wie Typhus und Ruhr in gewissen 
Gegenden einheimisch bleiben und dort gelegentlich zur seuchenhaften 
Vermehrung kommen, ohne indessen je sich zu eigentlichen Wander¬ 
epidemien zu erheben. Alle Erfahrungen, die im deutsch-französischen 
Kriege über den Abdominaltyphus und die Dysenterie in Feindesland 
gesammelt worden sind, vereinigen sich mit der Vorgeschichte dieser 
Seuchen an den Orten der damals heimgesuchten Truppenlager zu dem 
unzweideutigen Bescheid, dass Entstehung, Entwickelung und Verviel¬ 
fältigung der Typhus- und Ruhrseuche au bestimmte örtliche Boden- 
bedingungen streng gebunden sind, und dass im Vermeiden der ver¬ 
seuchten Bezirke oder, wo dieses nicht möglich ist, wenigstens in der 
Rücksichtnahme auf die örtliche Gefahr der einzige Schutz vor der Er¬ 
krankung liegt. Auf die Frage, ob und wieweit Typhus und Ruhr 
ausserdem etwa noch zu den von Mensch zu Mensch übertragbaren 
Krankheiten gehören, gibt jener Sanitätsbericht ebenfalls eine ent¬ 
scheidende Antwort: Sie liegt in einem grossen Experiment, das damals 
von den Militärbehörden mit fester Ueberzeugung von seiner Berechtigung 
und mit ruhiger Einsicht in seine Notwendigkeit gemacht worden ist. 
Es bestand in der sofortigen Zurückverbringuüg der auf dem Kriegs¬ 
schauplatz von Typhus oder Ruhr Ergriffenen nach Deutschland. Nach¬ 
dem nichts darauf hingewieseu hatte, dass die Kranken durch Mitteilung 
ihrer Krankheitskeime eine merkliche Gefahr für ihre Umgebung bildeten, 
nachdem im Gegenteil sich gezeigt hatte, dass Aerzte, Geistliche, 
Krankenwärter, Kameraden, sofern sie nicht an der Ortsgefahr teil- 
nabmen, unangesteckt blieben, und nachdem die verantwortlichen Aerzte 
die Gefahr des Transportes für den Kranken und die Gefahren, die ihm 
Weohselfälle des Krieges hätten bringen können, gegeneinander abge¬ 
wogen hatten, willigten sie in die Rückkehr der Kranken und Rekon¬ 
valeszenten nach Deutschland ein. Fortan gingen von den 74000 Typhus¬ 
kranken und 89 000 Ruhrkranken, welche die deutsche Feldarmee von 
Mitte Juli 1870 bis Ende Juni 1871 zählte, unausgesetzt massenhafte 
Transporte an die Grenze, um von hier aus nach allen Teilen Deutsch¬ 
lands zerstreut zu werden. Das Ergebnis war, dass keine irgendwie 
erhebliche Weiterverbreitung der beiden Krankheiten auf die Zivil¬ 
bevölkerung des Heimatlandes geschah, im schärfsten Gegensatz zu den 
Erfahrungen mit anderen Kriegsseuchen wie Pocken und Fleckfieber, die 
damals oder in früheren Jahren gemacht wurden. 

Typbus und Ruhr können, das ging aus jenem gewaltigen Eva- 
kuationsexperiment wie schon früher aus zahlreichen kleinen Erfahrungen 
hervor, mit aller Gewalt nicht angepflanzt werden, wenn die damit be¬ 
hafteten Kranken in dauernd oder vorübergehend unempfängliche Orte 
kommen; Typhuskranke und Ruhrkranke dürfen in Ländergebiete, wo 
jene Seuchen einheimisch sind, und wo daher der Infektionsstoff ohnehin 
durch den Verkehr fortwährend nach allen Richtungen verbreitet wird, 
jederzeit ganz ohne Gefahr für das Gemeinwohl verschickt werden. 
Um auch die nächste Umgebung vor der kleinen und seltenen Gefahr 
einer unmittelbaren Uebertragung zu schützen, bleibt es ratsam, solche 
Kranke in der Heimat zunächst nicht in Familienpflege, sondern in 
Lazarettpflege zu geben, weil hier durch geeignete Reinigungsmaassregeln 
einer Mitteilung des Keimes am sichersten vorgebeugt wird. 

Wie weit diese unabweislichen Schlüsse, die schon Port, der 
bayerische Generalarzt im Kriege 1870/71, und mit ihm Pettenkofer 
aus den damals gewonnenen Erfahrungen gezogen haben, inzwischen in 
Friedensverbältnissen und in Kriegsnöten beachtet wurden oder unbe¬ 
achtet blieben und was sich bei dem verschiedenen Verhalten ergab, 
legt Wolter neben jenen Erfahrungen in seiner gerechten und geduldigen 
Weise dar. Es ist wahrlich ein verdienstliches Werk, so grosse Lehren, 
die eine harte Zeit für eine härtere gegeben hat, wieder in unser Ge¬ 
dächtnis zu bringen. Möge Wolter den Lohn für seine Arbeit dadurch 
ernten, dass die Fachmänner, denen das Wohl unserer braven Söhne 


und Brüder in Feld und Lager anvertraut ist, sein Buch lesen und 
dessen Inhalt mit der Ehrfurcht empfangen, die der Geschichte als Lehr¬ 
meisterin gebührt. G. Sticker-Münster i. W. 


Arths? Keller-Berlin und Walter Birk-Kiel: Kinderpflegelehrbseb. 

Mit einem Beitrage von Axel Tagesson Möller. Zweite um¬ 
gearbeitete Auflage. Mit 40 Abbildungen im Text. Berlin 1914, 
Julius Springer. Preis 2 M. 

Das Buch wurde bei seinem ersten Erscheinen in dieser Wochen¬ 
schrift, 1914, S. 770, ausführlich besprochen. Die damals gegebene 
empfehlende Charakteristik trifft natürlich in gleicher Weise auch auf 
die 2. Auflage zu, die überdies eine Reihe von Verbesserungen im Text, 
die damals vom Ref. angeregte Verminderung von Fremdworten, mehrere 
neue Kapitel und eine wesentliche Neubearbeitung einiger anderer 
Kapitel bringt. Dies trifft besonders zu auf die Kapitel: „Geistige Ent¬ 
wicklung des Kindes; die Amme und ihre Behandlung; die Pflege des 
neugeborenen Kindes; medikamentöse Bader; die Pflege älterer Kinder; 
Säuglingsfürsorge.“ R. Weigert-Breslau. 


Veröffentlichungen der Centralstelle für Balneologie. Herausgegeben 
im Aufträge des Kuratoriums von Dietrich und Kamin er. 
1914, Bd. 2, H. 4 u. 5. 

Auch die neuesten Hefte der Veröffentlichungen der Centralstelle 
für Balneologie enthalten wieder exakte wissenschaftliche Untersuchungen 
aus den Instituten von Zuntz in Berlin (v. d. Heide, Die Kohlensäure 
in und über den Badewässern von Nauheim, Kissingen und Wildungen), 
von Fresenius in Wiesbaden (Grünhut, Der Zustand der Kieselsäure 
in wässrigen Lösungen, insbesondere in Mineralwässern), von Heubner 
in Göttingen (Jacobs, Ueber das Kationen Verhältnis in Mineralwässern). 
Man gewinnt den Eindruck, dass die Existenz dieses Spezialorgans äusserst 
anregend auf die Entwicklung einer exakten Balneologie einwirkt. 

M. Jacoby. 


Literatur-Auszüge. 

Physiologie. 

J. Bernstein: Ueber den zeitlichen Verlauf der Wärmebildung 
bei der Kontraktion des Maskats. Nach Untersuchungen mit Dr. 
E. Lesser vom Jahre 1908. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 11 u. 12.) Verf.’s 
Versuche betreffen die Frage, in welchem Moment der Kontraktion beim 
Muskel die Wärmeerzeugung, d. h. der chemische Prozess beginnt, zum 
Maximum ansteigt, abklingt. Benutzt wurden sich langsam kontra¬ 
hierende Muskeln, und zwar ringförmige Stücke vom Froschmagen, die 
durch Wechselstrom zur Zusammenziehung gebracht wurden. Die 
Wärmebildung wurde thermoelektrisch gemessen. Es fand sieb, dass 
die stärkste Wärmebildung während der Crescente der Kontraktion auf¬ 
trat; während der Decrescente sank sie. Der Gipfel der Wärmebildung 
findet statt wahrscheinlich am Wendepunkt der Crescente, an dem die 
Zusammenziehung am schnellsten erfolgt. Daraus, dass während der 
Verkürzung die grösste Wärmebildung eintritt, folgert Verf., dass in 
diesem Stadium die Hauptverbrennung des organischen Materials er¬ 
folgt, und dass es sich um Oxydations- und nicht um Spaltungsprozesse 
dabei handelt. Letztere kommen wesentlich nur bei der Anoxybisoe 
niederer Tiere zustande. 

J. Rotbfeld: Ueber den Einfluss der Kopfstellung auf die vesti¬ 
bulären Reaktionsbewegungen der Tiere. (Pflüg. Arch., Bd. 159, 
H. 11 u. 12.) Verf. prüfte, ob die Reaktionsbewegungen des Körpers 
und der Extremitäten, die Bäräny am Menschen durch Labyrinth¬ 
reizung fand, auch am Tiere zustande kommen. Speziell sollte fest- 
gestellt werden, ob die Reaktionsbewegungen durch die Kopfstellung be¬ 
einflusst werden in analoger Weise, wie sie beim Menschen durch 
Aenderung der Kopfstellung verändert werden. Der Nachweis, dass das 
der Fall ist, gelang Verf. an Kaninchen dadurch, dass er deren Kopf¬ 
stellung durch Durchschneiden, sei es der Nacken-, sei es der Hals¬ 
muskeln änderte. Dann waren die Reaktionsbewegungen, die nach dem 
als Labyrinthreiz wirkendem Drehen der Tiere auftraten, je nach der 
Kopfstellung verschieden. Die Kopfstellung führt zu sekundären 
Reaktionserscheinungen, die von Tonusveränderungen der Extremitäten- 
und Rumpfmuskulatur herrühren und die je nach der Art der Kopf¬ 
stellung verschieden sind. Darauf führt Verf. die nach Drehungen der 
Tiere auftretenden Manegebewegungen, das Vor- und Zurückrennen u. a. 
zurück. Es entsprechen also beim Kaninchen, wie beim Menschen, 
einem bestimmten vestibulären Reize und einer bestimmten Kopfstellung 
bestimmte Reaktionsbewegungen des Rumpfes und der Extremitäten. 
Für die in Betracht kommenden Körperteile dürften im Kleinhirn Centra 
vorhanden sein, deren Zusammenwirken die Reaktionsbewegungen, über 
deren Einzelheiten das Original Auskunft gibt, zustande kommen lässt. 

E. Abderhalden und F. Wildermuth: Die Verwendung von 
Kaliamzellen zur objektiven Vergleichung der Tontiefe farbiger 
Lösungen und zur Feststellung von Belligkeitsnntersehieden. (Pflüg. 
Arch., Bd. 159, H. 11 u. 12.) Die Verff. empfehlen zur objektiven 
Feststellung der Farbintensität farbiger Lösungen die lichtempfindlichen 
Kaliumzellen, die von Elster und Geitel eingeführt worden sind. Sie 
stellen hohle Glaskugeln dar, die innen auf einer Seite einen Nieder- 


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1940 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 51. 


schlag von Silber und kolloidalem Kalium besitzen, und in die zwei 
Elektroden hineinführen, mittels der die Potentialdifierenz, die bei Be¬ 
lichtung der metallischen Schicht entsteht, abgeleitet wird. Man kann 
elektrometrisch oder galvanometrisch die Farbintensität messen und sie 
objektiv dadurch feststellen, dass man die elektrischen Ausschläge mit 
denen vergleicht, die eine Lösung bekannter Konzentration gibt. Die 
Einrichtungen werden genau beschrieben; sie scheinen sehr empfindlich 
zu sein. A. Loewy. 


Pharmakologie. 

E. Sieburg-Rostock: Zur Kenntnis des Imidazolätbylaniins 
(Histamin). (D.m.W., 1914, Nr. 49.) Der gänzlichen Ablehnung durch 
Kehrer jun.’s dem /Mmidazoläthylamins in der Geburtshilfe kann sich 
Yerf. vom toxikologischen Standpunkte aus nicht anschliessen. Man 
kann es seines Erachtens in ganz kleinen Dosen, vielleicht in Kombi¬ 
nation mit anderen Mitteln, anwenden. Dünner. 


Therapie. 

Grober-Jena: Behandlung akut bedrohlicher Zustände bei Er¬ 
krankungen der Speiseröhre, (D.m.W., 1914, Nr. 48.) Klinischer 
Vortrag. 

Schüle - Freiburg i. B.-. Farankelbehandlung. (D.m.W., 1914, 
Nr. 48.) Anästhesierung mit 2 proz. Novocain und Ausbrennen des 
Centruros, eventuell mit einer glühend gemachten Stricknadel, die man 
durch einen (die Wärme schlecht leitenden) Korken steckt. Prophy¬ 
laktisch empfiehlt sich Pinseln mit Jodtinktur. Dünner. 

Frhr. v. Eiseisberg: Ueber Radium- und Röntgenbehandlung 
maligner Tumoren. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. enthüllt 
Resultate, die nichts weniger als erfreulich sind, aber alle, die sich mit 
dieser Materie beschäftigt haben, nicht überraschen. Das Radium nützt 
nicht viel, in vielen Fällen schadet es. Mehr effektive Bedeutung kommt 
der Röntgenbestrahlung zu und mit der Vervollkommnung der Technik 
werden die Endresultate noch günstiger sich gestalten. So lange wir 
aber noch nicht so weit sind, bleibt die radikale Operation das Beste. 

Karl. 

J. Lang: Das Pyocyaneoprotein als Heilmittel bei Larynxentzän- 
dnngen. (W.m.W., 1914, Nr. 38.) Neben der günstigen Wirkung des 
Mittels auf Anginen, Entzündungen des Nasenrachenraums ist auch die 
Wirkung auf die Laryngitis eine sehr gute gewesen. Eisner. 


Parasitenkunde und Serologie. 

F. Schieok - Halle a. S.: Die Bedeutung der von J. Sehere- 
schewsky angeblich dnrch Syphilisspirochäten hervorgeraienen 
Keratitis parenchymatosa. (D.m.W., 1914, Nr. 49.) Die Erscheinungen 
der Keratitis parenchymatosa, die Schereschewsky mit seinen in 
Pferdeserumkultur gewonnenen Spirochäten erzielt haben will, treten 
auch nach der blossen Injektion von Pferdeserum auf. Die Versuche 
Schereschewsky’s muss man daher sehr skeptisch auf nehmen. 

0. Hartoch und W. Schürmann - Bern: Die Schntzwirknng des 
Diphtherieserams hei der Reinjektion. (D.m.W., 1914, Nr. 49.) Die 
subcutane Einführung von Diphtherieantitoxin (Pferdeserum) verleiht 
Meerschweinchen, die gegen Pferdeserum überempfindlich sind, bei 
nachfolgender intracutaner Prüfung mit Toxin eine 8—32 mal geringere 
Schutzwirkung als unvorbehandelte Kontrollen. Erzeugt man bei gegen 
Pferdeserura überempfindlichen Tieren durch eine subcutane Injektion 
von kleinen Dosen Normalpferdeserums (bzw. antitoxinhaltigen Serums) 
den Zustand der Antianaphylaxie, so bleibt das hernach eingeführte 
Antitoxin fast in gleicher Weise wirksam, wie bei unvorbehandelten 
Kontrollen. Eine subcutane Injektion kleiner Dosen von Serum nach 
dem Vorschläge von Besredka gestattet also, nicht nur die Gefahr der 
Anaphylaxie bei den zu Reinjizierenden zu vermeiden, sondern sie 
schützt auch das eingeführte Antitoxin vor einer raschen Inaktivierung. 
Die Versuche der Verff. sprechen für einen beschleunigten Abbau des 
Antigens im überempfindlichen Tiere. Dünner. 


Innere Medizin. 

N. Goriaew-Kasan: Meine Netzteilnng für die Zählkammer. 
(D. m. W., 1914, Nr. 49.) 

F. Moritz-Köln: Bin transportabler Blntdrnckmesser. (M. m. W., 

1914, Nr. 48.) Dünner. 

G. Antonelli: Cholesterinämie und Resistenz der Blutkörperehen 

bei anämischen Zuständen (Colesterinemia e resistenza globulare negli 
stati anemici). (Policlinico, 1914, Bd. 21— 24.) Verf. untersuchte zehn 
Fälle der verschiedensten Anämien (2 Chlorosen, 5 perniciöse Anämien, 
1 hämolytischen Icterus, 1 Anaemia splenica und 1 Splenomegalie mit 
leichter Anämie) auf den Zusammenhang des Cholesteringehaltes des 
Serums und der roten Blutkörperchen und der Resistenz der roten Blut¬ 
körperchen. Es wurde bestimmt: 1. Gewichtsanalytisch der Gehalt an 
Cholesterin, 2. die maximale, mittlere und minimale Resistenz der Blut¬ 
körperchen, 3. das gesamte Blutbild (Zahl der roten, der verschiedenen 


weissen Blutkörperchen, Hämoglobingehalt usw.). Verf. konnte für seine 
Fälle keinen gesetzmässigen Zusammenhang zwischen Cholesteringehalt und 
Resistenz der Blutkörperchen finden. Zum Beispiel fand er gerade bei 
dem Falle, der das meiste Cholesterin im Serum enthielt, die geringste 
Resistenz der Blutkörperchen. Auch stand der Grad der Anämie in 
keinem festen Verhältnis zu dem Cholesteringehalt des Serums. 

G. Antonelli: Experimentelle Untersuchungen Aber die Wirkug 
der Ovarialkastration auf das Blnt (Ricerehe esperimentali intorno 
agli effetti deila castrazione ovarica sul sangue). (Policlinico, 1914, 
Bd. 21—24.) Verf.’s Nachprüfung der Versuche von Breuer und 
Seiller, die schon 1903 durch Ovarialkastration bei Hündinnen ein 
Sinken der Erytbrocytenzahl und des Hämoglobingehaltes des. Blutes 
hatten beobachten können, kommt zu denselben Resultaten. In jedem 
Falle, wo vor der Operation ein normales Blutbild bestanden hatte, 
zeigte sich nachher Hypoglobulie und verringerter Hämoglobingehalt. 
War aber vorher das Blutbild bereits anormal gewesen, so beobachtete 
Verf. in einigen Fällen ein Steigen der Erytbrocytenzahl und des 
Hämoglobingehaltes. Den theoretischen Schlussfolgerungen anderer 
Autoren über den Zusammenhang zwischen menschlicher Chlorose und 
Ovarialfunktion folgt der Verf. jedoch nicht. Schmitz. 

F. Baroch: Ueber Phlebektasie. (W. m. W., 1914, H.40.) Mit¬ 
teilung einiger Fälle, Verf. glaubt, dass die Aetiologie der Phlebektasien 
nicht einheitlich ist, sondern dass die Entstehung verschiedener Fälle 
verschieden ist und dass oft mehrere Momente (z. B. mechanische Noxen 
bei bestehender angeborener Schwäche, chronische Entzündung, Neuritis, 
Insufficienz der Venenklappeo) zusammen wirken können. 

M. Herz: Ueber akuten Gelenkrheumatismus und Herz. (W.m.W., 
1914, H. 39.) Verf. bespricht die Beziehungen der Herzerkrankungen 
(Klappenfehler, Myocarditis) zum akuten Gelenkrheumatismus. Die Art 
des Zusammenhanges ist noch unaufgeklärt. Am Schluss einige thera¬ 
peutische und prophylaktische Hinweise. Eisner. 

Wiens: Arbeiten aus dem Jahre 1913 über Erkrankugen der 
Kreislauforgane. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 20 u. 21.) Sammel¬ 
referat. Sohnütgen-Arco. 

G. Antonelli: Ueber die angebliche antitryptisehe Wirkug dei 
Blutserums (Sul preteso potere antitryptico del siero di sangue. Ricercbe 
nella pneumonite cruppale). (Policlinico, 1914, Bd. 21—24.) Der Verf. 
unterzog die alte Behauptung von der antitryptischen Wirkung des 
Blutserums einer neuen experimentellen Nachprüfung und wählte dazu 
das Blut von Pneumoniekranken, da dasselbe nach verschiedenen andern 
Autoren in den verschiedenen Stadien der Krankheit dieses Vermögen 
in grösserem oder geringerem Grade besitzen sollte. Die Feststellung 
der tryptischen Verdauung des Eiweisses geschah in seinen Versuchen 
durch Titration der gebildeten Aminosäuren mittels d / 10 NaOH, nicht 
wie in älteren Versuchen durch Beurteilung der grösseren oder geringeren 
Verflüssigung des Eiweisses, da hierbei leicht Täuschungen Vorkommen 
können. Verf. zeigt an 25 Versuchen, dass von einer antitryptischen 
Kraft des pneumonischen Blutserums nicht die Rede sei. 

Schmitz. 

E. Reicbenow-Kamerun; Die Grundlagen für eine Therapie der 
Schlafkrankheit. (D. m. W., 1914, Nr. 49.) Man muss bei der Schlaf¬ 
krankheit 2 Stadien unterscheiden: In dem ersten sind die Trypanosomen 
nur im Blute, im zweiten in der Cerebrospinalflüssigkeit nachweisbar. 
Verf. hat nun Versuche gemacht, Neosalvarsan sowohl intravenös wie 
intralumbal zu injizieren. Die Resultate sind nicht eindeutig. Weiterhin 
gab er seinen Kranken ziemlich grosse Mengen Alkohol, in der HoffpuDg, 
dass der Alkohol, der in die Lumbalflüssigkeit, wenn auch in geringen 
Quantitäten, Übertritt, die Trypanosomen schädigt. Er konnte im Lumbal¬ 
punktat nach Alkoholverabreichung kein Verschwinden der Trypanosomen 
konstatieren, wohl aber eine Abnahme, die freilioh nur vorübergehend war. 

Dünner. 

A. Foges: Bericht über 4000 rectale Endoskopien. (W. m.W., 
1914, H. 40.) Die rectale Endoskopie ist ungefährlich, einfach und 
schmerzlos. Sie sollte in geeigneten Fällen immer angewendet werden, 
da sie imstande ist, die noch immer spärlichen Frühdiagnosen des 
Carcinoma herbeizuführen. 

v. Pfungen: Ueber die Kotstannng als Quelle nervöser Schien- 
empflndung und ihre Bedeutung für die Erkennung somatischer Verhält¬ 
nisse, für das Befinden von Neuropathen mit Wehgefühlen. (W. m. W., 
1914, H. 38.) Nicht zum Referat geeignet. Eisner. 

A. Bochynek-Berlin: Ein Fall von WärmcBtaanng (Hitzekollaps). 
(D. m. W., 1914, Nr. 48.) 

M. Fischer-Wiesloch: Die Ansleihnng der ärztlichen Kraikea- 
geschichtcn. (M. m. W., 1914, Nr. 47 u. 48.) Dünner. 


Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Marineseo: Nature et traitemeot de la p&r&lysie gönßrale. (Neurol. 
^ r * I®* 8®ht aus von den Noguchi’schen Befunden, 

nach denen der Name Metasyphilis weder bei Tabes noch bei Paralyse 
mehr berechtigt ist. Er bespricht die histologischen Differenzen der 
aralyse, Tabes und Lues cerebrospinalis und schliesslich die Behand¬ 
lung der progressiven Paralyse. E. Tobias. 


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Original frnm 

UMIVERSITY OF IOWA 



21. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1947 


Kinderheilkunde. 

E. Reinicke-Berlin: Lipoidsnbstanzen im Urinsediment beim 
Kinde. (D. m.W., 1914, Nr. 47.) Vortrag, gehalten im Verein für innere 
Medizin in Berlin am 11. Mai 1914. Cf. Gesellschaftsbericht der B.kl.W., 
1914, Nr. 22. Dünner. 


Chirurgie. 

W. Lange und Gr e nach er-Hannover: Untersuchung von Catgat 
auf Sterilität und ihre praktische Bedeutung. (D.m.W., 1914, Nr. 48.) 
Im Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule in Hannover 
wurde das von der Firma L. A. Decker-Hannover bergestellte Catgut auf 
seine Sterilität geprüft. Das von dieser Firma gelieferte Material kann 
man also als keimfrei ansehen. Dünner. 

Franke-Braunschweig: Ueber Sparsamkeit beim Verbrauch der 
Verbandstoffe. (Zbl. f. Chir., Nr. 44, S. 1633.) Verf. empfiehlt den 
Wiederverbrauch der Verbandstoffe nach Reinigung durch Waschen und 
Neusterilisierung, ein Verfahren, welches auch in Friedenszeiten wohl 
schon ausnahmslos an allen grösseren Kliniken durchgeführt wird. 

Hay ward. 

L. Wrede: Zur Lehre von den gutartigen Hantepitheliomen. (Arch. 
f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. beschreibt eine Tumorgruppe, die 
dadurch charakterisiert ist, dass ihre Epithelien in Art, Tätigkeit und 
Anordnung der Haut entsprechen. Der Drang der Epithelien zur Tiefen¬ 
wucherung, welche zu einem Wachstum in Form von verzweigten Zapfen 
führt, unterscheidet diese Tumoren von dem Dermoid, bei welchem das 
Wachstum der Fläche noch stattfindet. Dann geht Verf. auf die mikro¬ 
skopische Beschaffenheit der Acanthoma adenoides cystica näher ein. 
Es sind dies Geschwülste, welche eine atypische Wucherung der Keim¬ 
schicht der Haut darstellen. Die Bezeichnung „Epithelioma dermoidies“ 
würde nach Ansicht des Verf.’s das Richtige treffen. Karl. 

So hi eie-Naumburg: Hochprozentige Carbol-Campherspiritusinjek- 
tionei gegen Phlegmonen in Gelenken und Sehnenscheiden. (Zbl. f. 
Chir., 1914, Nr. 43.) Bei der Einfachheit der Methode sind die erzielten 
Erfolge derart überraschend, dass es, zumal bei der schlechten Prognose 
der Gelenkempyeme, angezeigt erscheint, die Arbeit eingehender zu be¬ 
sprechen. Zur Verwendung kommt folgende Lösung: Acid. carbol. 
liquefact. 30,0, Camphor. trit. 50,0, Spirit, vini 8,0. Verf. konnte zwei 
Kniegelenksempyeme nach Trauma in wenigen Tagen dadurch zur 
Ausheilung bringen, dass er nach Ablassen des eitrigen Inhalts eine 
Auswaschung des Gelenks mit l proz. Carbollösung vornahm. Dann 
wurden 5 ocm der oben genannten Lösung injiziert und diese Injektion 
jeden 2. Tag ohne Auswaschung wiederholt. In einem 3. Fall handelte 
es sich um ein vereitertes Fingergelenk, bei dem die Gelenkfunktion 
ebenfalls erhalten wurde, während bei der 4. Patientin, die an einer 
wahrscheinlich gonorrhoischen Sehnenscheidenentzündung erkrankt war, 
der Erfolg wohl auch nach Ansicht des Verf. nicht allein der Injektion 
zuzuschreiben ist. Da toxische Schädigungen nie beobachtet sind, er¬ 
scheint die Aufforderung des Verf. zur Nachprüfung durchaus berechtigt. 

Konjetzny-Kiel: Kurse Bemerkung in der Originalmitteilang 
von Schiele in Nr. 43 des Zentralblattes für Chirurgie. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 46.) Die in der angeführten Arbeit angegebene Phenol- 
campherlösung zur Behandlung jauchig-phlegmonöser Prozesse geht auf 
Chlumsky zurück, der dafür folgendes Rezept angegeben hat: Acid. 
carbol. liquefact. 30,0, Camphor. trit. 60,0, Alkohol 10,0. Vor der von 
Schiele angegebenen Injektion in die Gewebe und in Gelenke bzw. 
Peritoneum wird gewarnt auf Grund ungünstiger Erfahrung, die Verf. 
hierbei in der Behandlung von kalten Abscessen gemacht hat. Dagegen 
empfiehlt er als Medikation die Befeuchtung der Verbandstoffe mit der 
angegebenen Lösung und Bedeckung der Wunden gleich wie bei dem 
feuchten Verband. (Ref. hat schon seit Kriegsbeginn mit dieser Art 
der Versorgung jauchiger granulierender Wunden bei Granat- usw. -Ver¬ 
letzungen überraschend günstige Resultate gesehen.) Hay ward. 

Ernst Seger und Julius Wohlgemut: Eine neue Methode zur 
Stillung parenchymatöser Blutungen. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, 
H. 1.) Verf. beweist durch eine Reihe von Tierversuchen die ausser¬ 
ordentlich gute und zuverlässige neue Blutstillungsmethode durch eine 
Masse, die aus tierischen Membranen, aus dem Darm von Schafen und 
Rindern, hergestellt wird. Diese charpieähnliche, weiche, grauweisse 
Masse nimmt jegliche Form an und legt sich daher jedem Defekt voll¬ 
kommen an. Sie ist absolut steril, verklebt sehr rasch und fest mit der 
blutenden Wundfläche und wird in kurzer Zeit wieder vollkommen re¬ 
sorbiert. Unter den Tierversuchen befindet sich auch bei den schwersten 
Blutungen kein Versager, und so wird diese Methode auch bei Menschen 
recht gute Resultate ergeben. 

S. Erdheim-Wien: Ueber die Verletzungen mit Tintenstif¬ 
ten. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. hat mehrere Ver¬ 
letzungen mit Tintenstift beobachtet, er hat nun diese Verletzungen be¬ 
sonders auch an der Hand von Tierversuchen eingehend mikroskopisch 
studiert. Er schlägt vor, baldigst den Tintenstift mit dem ihn um¬ 
gebenden nekrotischen und verfärbten Gewebe zu entfernen. Es handelt 
sich bei diesen Verletzungen in der Hauptsache um eine chemisohe 
Schädigung, die durch einen basischen Anilinfarbstoff, Methylviolett, her¬ 
vorgerufen wird. Karl. 

Bratz-Königsberg: Zur Behandlung der Schlüsselbeinverrenknng 
Mch vorn. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 46, S. 1673.) Anknüpfend an die 


Beobachtung von Danielsen (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 41), dass die 
stets zur Reluxation neigende Schlüsselbeinverrenkung am Brustbein da¬ 
durch geheilt werden kann, dass man den Verband nicht mit nach hin¬ 
ten, sondern mit nach vorn fixierter Schulter ausführt, berichtet Verf. 
über einen hierher gehörenden, günstig verlaufenden Fall. Er modi¬ 
fizierte die angegebene Verbandmethode, indem er den Arm nicht über 
den Kopf erhob, sondern durch geeignete Heftpflasterstreifen die Sohulter 
nach vorn brachte und in dieser Stellung fixiert hielt. Hay ward. 

E. P ayr: Weitere Erfahrungen über die Mobilisierung ankylosierfer 
Gelenke. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet über 
seine ausgezeichneten Erfolge bei der Mobilisierung ankylosierter Ge¬ 
lenke. Die neugebildeten Gelenke befriedigen in morphologischer wie 
funktioueller Hinsicht vollkommen, was durch eine Nachfrage über das 
Fernschicksal der Patienten einwandfrei naohgewiesen wird. Alle zeigen 
sie eine Vermehrung der Exkursionsbreite, keine Wiederkehr der Anky¬ 
lose, keine Schlottergelenke, bedeutende Zunahme der MuskelumfäDge 
bei vorher bestehender schwerster Muskelatrophie. Besonders betont 
auch der Verf. die guten Resultate an den Gelenken der unteren Glied- 
maassen und wünscht, dass letztere bei Ankylosierung häufiger operativ 
behandelt werden möchten. Verf. geht dann näher auf die von ihm an¬ 
gewendete Operationsteohnik ein, die am besten in der ausgezeichneten 
Arbeit selbst nacbgelesen wird. Karl. 

Th. Kolliker-Leipzig: Zur Technik der Albee’sehen Operation. 
(M.m.W., 1914, Nr. 48.) Die Albee’sche Spondylitisoperation lasst sich 
mit den üblichen Oateotomieinstrumenten leicht ausführen. In Seitenlage 
wird mit einem schmalen geraden Meissei nach Spaltung der Ligg. supra- 
spinalia eine Längsfurche in jeden der zu spaltenden Dornfortsätze ge¬ 
macht. Durchtrennung der Ligg. interspinalia. Ein 7 cm breiter Meissei 
wird in die Furchen der Dornfortsätze eingesetzt und diese bis zur Basis 
gespalten. In die Rinne kommt ein Jodoformgazestreifen. Entnahme 
eines Spans aus der Tibia (in Rückenlage). Implantation in die Knochen¬ 
rinne der Dornfortsätze. Dünner. 

0. Nord mann-Berlin-Schöneberg: Experimentelles und Klinisches 
über die Thynmsdrüse. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. 
nimmt in seiner Arbeit zunächst Steilung zu der Frage: »Was schadet 
ein Zuwenig der Thymus bzw. ein vollkommener Defekt der Drüse?“ 
Diese Frage ist von einer ganzen Reihe von Forschern ganz verschieden 
beantwortet worden. Die einen erklären die Entfernung der Drüse für 
den wachsenden Organismus als absolut belanglos, andere haben an Hunde¬ 
versuchen nachgewiesen, dass die Entfernung der Drüse schwere patho¬ 
logische Veränderungen im Körper der Versuchstiere, besonders im 
Skelettsystem hervorruft. Verf. hat nun an Hand von zahlreichen sorg- 
fäitigst an Hunden ausgeführten Versuchen einwandfrei naohgewiesen, 
dass die Thymusdrüse kein lebenswichtiges Organ des aufwachsenden 
Organismus ist, und dass ihre Entfernung bei jungen Hunden bedeutungs¬ 
los ist. Die 2. Frage lautet: »Was schadet dem Organismus ein Zuviel 
des Thymusgewebes?“ Verf. glaubt auf Grund seiner Erfahrungen die 
Hypersekretion der Thymus oder deren Persistenz in Zusammenhang 
bringen zu müssen mit der Basedow’schen Krankheit. Dabei spielt na¬ 
türlich auch die Dysfunktion der Thyreoidea eine wesentliche, oft die 
alleinige Rolle. Verf. glaubt bei mehreren Fällen eine Synergie beider 
Organe naohgewiesen zu haben. 

Frhr. v. Eiseisberg: Zur Frage der dauernden Einkeilung ver¬ 
pflanzter Schilddrüsen und Nebenschilddrüsen, zugleich ein Beitrag zur 
postoperativen Tetania paratbyreopriva. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, 
H. 1.) Verf. bringt durch eine kleine Arbeit die Frage der Einpflanzung 
von frischem Schilddrüsengewebe zur Sprache. Er hat bei zwei Fällen 
deutliche Besserung gesehen, die aber leider nur temporär war. Auch 
die Einpflanzung frischer Epithelkörperchen (3 Fälle) führte zu keinem 
nennenswerten und dauernden Erfolg. Zum Schluss führte Verf. die im 
Laufe von 12 Jahren bei 1300 Kropfoperationen beobachteten postopera¬ 
tiven Tetaniefälle an. Es sind dies 21 leichte und schwere Formen; 
drei führten zum Tode. Therapeutisch haben sich die Parathyreoidin- 
tabletten am besten bewährt. 

E. Payr-Leipzig: Zur Frage der Schilddrüsentransplantation. 
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet über 7 Fälle von 
Schilddrüsenverpflanzung, die zunächst einen deutlichen Erfolg, bald aber 
einen ebenso deutlichen Rückschlag erkennen Hessen. Verf. glaubt die 
Resultate dadurch zu verbessern, indem er die Indikationsstellung der 
Substitutionstherapie einer strengeren Kritik unterzieht. Er findet eine 
scharfe Scheidung der Hypothyreosenformen in kongenitale Thyreoaplasie 
und Hypoplasie und in erworbene Hypothyreosen; sodann glaubt er, dass 
auch andere Schädigungen im Centralnervensystem vorliegen können, die 
zunächst mit der Schilddrüse nicht Zusammenhängen. Ausserdem betont 
er die Vorzüge der Autoplastik gegenüber der Homoiotransplantation. 
Von Wichtigkeit erscheint schliesslich dem Verf. der Boden, auf den 
das Transplantat gesetzt wird. Die Milz erwies sich dabei als günstiger 
Empfängerbodeo, unterstützt wurde die Wirkung der Transplantation 
durch innerliche Verabreichung von Schildrüsentabletten. 

E. Unger: Zur Chirurgie des intrathorakalen Oesophagnsear- 
cinoms. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet über 
16 Fälle von Resektion des Oesophagusoarcinoms. Sie sind alle teils 
wärend der Operation, teils mehrere Stunden danach gestorben. Verf. 
bediente sioh dabei folgenden Verfahrens: voraus schickt er die Opera¬ 
tion der Magenfistel; dann legt er sich auf transpleuralem Wege den 
Tumor frei, isoliert denselben soweit als möglioh naoh oben; dann löst 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1946 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 61. 


er von einem zweiten Operationsschnitt an der linken Halsseite die 
Speiseröhre von oben nach unten aus; zieht dieselbe mit dem Tumor 
durch die Halswunde heraus, reseziert den Tumor und verlagert den Rest 
der Speiseröhre prästernal unter die Haut und schafft hier eine Verbin¬ 
dung mit dem Schlauch der Magenfistel. Zur Narkose bediente er sich 
in allen Fällen der Insufflationsmethode von Meitzer. 

E. Payr-Leipzig: Ueber den Magen Darm-Elektromagneten und 
seine Anwendung. Bemerkungen über die Prinzipien der Adhäsions¬ 
prophylaxe. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. erblickt in dem 
von ihm angegebenen Magen-Darm-Elektromagneten ein ausgezeichnetes 
Mittel zur Feststellung bestehender peritonealer Adhäsionen, abnormer Be¬ 
weglichkeit und Fixierung von Teilen des Magen- und Darmkanals. Er ver¬ 
wendet den Elektromagneten prophylaktisch mit sehr gutem Erfolge gegen 
beginnende peritoneale Adhäsionen und sieht in seinem Apparat ein gutes 
Mittel zur Anregung der Peristaltik, zur Magen- und Darmmassage. Da die 
vorausgebende Füllung des Magen- und Darmkanals mit einer unschädlichen 
Eisenmasse auch radioskopisch dargestelit werden kann, so bildet dieses 
Verfahren ein wertvolles Unterstützungsmittel der Röntgendiagnostik. 
Zum Schluss geht Verf. auf die mannigfachen EntstehuDgsursachen der 
Adhäsionen ein, zu deren 'Verhütung und Beseitigung ausser einer Un¬ 
zahl anderer Mittel besonders die frühzeitige Anwendung des Elektro¬ 
magneten viel beiträgt. 

G. Frhr. v. Saar: Zur Kenntnis der phlegmonösen Prozesse de9 
Darmkanals. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet 
über einen von ihm beobachteten Fall von Darmwandphlegmone des 
Colon ascendens. Das Colon wurde zunächst vorgelagert und später 
reseziert. Der Erfolg war ein sehr guter. Weniger günstig verlief ein 
zweiter Fall von Darmwandphlegmone des obersten Jejunums. Die Aetio- 
logie dieses seltenen Krankheitsbiides liegt noch ganz im Dunklen und 
ist auch durch diese beiden Fälle nicht geklärt worden. Karl. 

Helling-Dresden: Pinzette mit Innenschieber znr Einstülpung 
des Wurmfortsatzes. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 45.) Beschreibung mit 
Abbildungen eines neuen Instrumentes zur Einstülpung des Wurmfort¬ 
satzes. 

Kumaris-Athen: Zur Beseitigung des Ascites. (Zbl. f. Chir., 
1914, Nr. 43.) Es wird über weitere günstige Erfolge, die mit des Verf. 
Methode erzielt sind, berichtet (Exzision von parietalem Peritoneum). 
(Cf. Zbl. f. Chir., 1913, Nr. 50.) Die Absicht, Verwachsungen zwischen 
der Bauchwand und dem parietalen Peritoneum herbeizuführen, kann 
noch besser dadurch erreicht werden, dass ein sich nach der Operation 
ansammelnder Ascites zunächst wieder durch Punktion entleert wird. 

Hayward. 

W. v. Wrzesniowski: Die Ueberlappnng der Bauch wand bei Ope¬ 
rationen von Brüchen. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106. H. 1.) Verf. will 
die ursprünglich von Majo bei postoperativem Bauchbruch angegebene 
Methode der Ueberlappung der Bauchwand auch auf alle anderen Brüche 
angewendet wissen. Er hat bei einer Reihe von Fällen sehr gute Er¬ 
folge damit erzielt. 

E. Streissler: Ein Beitrag zur Chirurgie des Sinns caver- 
nosii. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet über eine 
mit vollem Erfolge gekrönte Entfernung eines Projektils aus dem Sinus 
cavernosus in Lokalanästhesie. "*Er bediente sich dabei der temporalen 
Methode, %nd zwar iJis zu'fh* Foramen ovale und rotundum extradural. 
Ueber dem Foramen ovale und rotundum wurde die Dura eröffnet und 
der Sinus indural freigelegt. Er unterzieht bei dieser Gelegenheit die 
verschiedenen, in der Chirurgie des Sinus cavernosus angegebenen Ope¬ 
rationsmethoden einer genaueren Betrachtung. 

Kreuter- Erlangen: Experimentelle Untersuchungen über den 
Einfluss der Milzexstirpation auf das periphere Blutbild. (Arch. f. 
klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Die Angaben über den Einfluss, welchen 
der Verlust der normalen Milz bei einem sonst gesunden Menschen auf 
das circulierende Blut ausübt, gehen ziemlich weit auseinander. Diese 
Verschiedenheiten finden ihre Erklärung einmal in dem mit der Milz- 
zerreissung verbundenen Blutverlust und andererseits in den Störungen 
im Wundverlauf, die oft objektiv gar nicht zum Ausdruck kommen. 
Durch Versuche an Affen weist Verf. nach, dass der Verlust der nor¬ 
malen Milz bei seinen Tieren ohne bemerkenswerten Einfluss auf das 
periphere Blutbild und das- hämatopoetische System bleibt. Karl. 


Haut- und Geschlechtskrankheiten. 

G. Stümpke -Hannover: Die Vhccinebehandlung und Diagnose 
der Gonorrhöe. (D.m,W., 1914, Nr. 49.) Gekürzt nach einem Vortrag 
im Aerzte-Verein in Hannover am 4. März 1914. Die Tatsache, dass 
der Wert der Vaccine bei Gonorrhöe die widersprechendsten Urteile er¬ 
fahren hat, lässt sich wohl am besten dadurch erklären, dass die ver¬ 
schiedenen Gonokokkenstämme verschieden reagieren. Die Anwendung 
von Autovaccine lässt sich praktisch kaum durchführen. Die besten 
Resultate versprechen wohl die polyvalenten Vaccinen. Dünner. 


Geburtshilfe und Gynäkologie. 

W Schüler-Halle a. S.*. Zum Krankheitsbild der pnerperalen 
Infektion mit dem E. Fränkel’sehen Gashacillns. (M.m.W., 1914, 
Nr. 48.) 2 Fälle. Dünner. 


Hoehne-Kiel: Ueber die Behandlung retinierter Plaeeatareste. 
(Zbl. /. Gyn., 1914, Nr. 49.) Auf dem Gynäkologenkongress in Strass¬ 
burg hat Winter sich gegen die aktive Entfernung retinierter Placenta- 
reste ausgesprochen, und seinen Standpunkt des Näheren später be¬ 
gründet. Diese Angelegenheit ist für die Praxis so wichtig, dass es ge¬ 
boten erscheint, hier das Resultat des Verf. vollständig wiederzugeben. 
Von 29 Fällen waren 14 in der Klinik selbst geleitet worden. In sechs 
Fällen war das Fehlen von Placentastücken unmittelbar nach der Ge¬ 
burt beobachtet und sofort die Entfernung vorgenommen worden, in 
8 Fällen blieb die Retention von Resten unbemerkt. Bei diesen gingen 
die Reste 3 mal spontan atf, 5 mal wurden sie erst nach einigen Tagen 
oder nach mehreren Wochen digital entfernt. Nur 3 mal trat dabei 
leichte Temperatursteigerung auf. Ausserhalb der Klinik entbunden 
und nachträglich in dieselbe eingeliefert waren 15 Falle. Davon waren 
8 fieberfrei. Bei diesen wurde das Leben nicht gefährdet, sowohl bei 
denen, in welchen man das aktive Verfahren anwendete, als auch bei 
denen, in welchen die Reste spontan abgingen. Von den 7 fiebernd 
eingelieferten Fällen nahmen nur 3 einen etwas ernsteren Verlauf, und 
2 verliefen tödlich. Bei den beiden letzteren war schon vor der Ein¬ 
lieferung eine schwere Allgemeininfektion vorhanden. Bei allen waren 
ausnahmslos schon ausserhalb der Klinik Ausräumungsversuche gemacht 
worden. Es lässt sich danach also sagen, dass die Retention von 
Placentaresten zwar selten das Leben ernstlich gefährdet, dass aber die 
schwere, drohende Gefahr der Blutverluste und der Infektion Indikation 
genug zur Ausräumung geben. Selbstverständlich wird auch erwähnt, 
dass bei hohem Fieber stets die ErwäguDg Platz greifen muss, ob man 
nicht durch Schaffung neuer Wunden die Gefahr nur vermehrt, dass 
man, wenn man in solchen Fällen eingreift, möglichst radikal vorgehen 
und UDter Umständen sogar zur Uterusexstirpation schreiten muss. Alle 
diese Erwägungen sind so allgemein angenommen und bekannt, dass sie 
einer weiteren Explikation nicht bedürfen. Falls sich Streptokokken 
oder Staphylokokken aus dem Sekret züchten lassen, so empfiehlt Verf. 
konservatives Verfahren, mindestens möglichst schonendes. Dabei lässt 
Verf. allerdings unerwähnt, dass so eingehende, bakteriologische Fest¬ 
stellungen eben nur in einer grossen Klinik möglich sind. 

Siefart. 


Augenheilkunde. 

El sehnig-Prag: Ueber sympathisch« Reizübertriging. (D.m.W., 
1914, Nr. 47.) E. hat die refraktrometrischen Verhältnisse des Kammer¬ 
wassers des zweiten Auges nach Reizung des ersten studiert und dabei 
keine Unterschiede gefunden. Er nimmt daher an, dass eine sympa¬ 
thische Reizübertragung von einem Auge auf das andere nicht existiert 

Dünner. 


Militär-Sanitätswesen. 

Bresgen - Cötn: Die französische Kriegssanitfitsansrilstiig. 
(D. militärztl. Zschr., 1914, H. 20 u. 21.) Die letzte, vollständige 
Herausgabe der Kriegssanitätsordnung mit Anlagen erfolgte am 12. IV. 
1913 mit vollkommen neuer Organisation der Feldsanitätsformationen 
und teilweise neuer Organisation der Etappensanitätsformationen. Auch 
in betreff der Sanitätsausrüstung sind die Neuerungen tiefgreifende, deren 
wichtigste sind: Einheitliche Unterbringung des Materials in durch¬ 
laufend bezifferten Einheitsbehältnissen; alle Verbandmittel in vier Ein¬ 
heitsformen (Verbandpäckchen, kleine, mittlere und grosse Verbände); 
Transportmittel und die feststehenden Verbände wurden vermehrt, die 
ärztlichen Geräte und Arzneimittel auf das für erste Hilfe auf dem 
Schlachtfelde Notwendigste beschränkt und neuzeitig gestaltet; alle vier¬ 
spännigen Wagen sind abgeschafft und durch leiohtere ersetzt. Mit 
dieser Ausrüstung wurde bislang das XX. Armeekorps (Nancy) ausge¬ 
stattet. Für weitere Beschaffungen wurden 1913 25,7 Millionen Franken 
eingestellt. 

Krause - Cassel: Beitrag zur Zahnhchaidlug der Mannschaften. 
(D. militärztl. Zschr., 1914, H. 20 u. 21.) Seit Entstehung der Korps¬ 
zahnstationen ist in der Behandlung der Mund- und Zahnkrankheiten 
der Unteroffiziere und Mannschaften eine wesentliche, vorteilhafte 
Aenderung eingetreten. Jede Zahn- und Kiefererkrankung kann jetzt 
spezialistischer Behandlung zugänglich gemacht werden. In gleichem 
Maasse wie die Aufklärungen in den Schulzahnkliniken Früchte trageD, 
wächst die Inanspruchnahme der Korpszahnstationen. Nach Verf.’s An¬ 
sicht genügt in kleineren Garnisonen ohne Zahnarzt, auf den Truppen¬ 
übungsplätzen und im Manöver die Behandlung der akuten Zahnkrank¬ 
heiten den Anforderungen nicht. Er gibt deshalb ein klares Bild über 
Entstehung, Verlauf, Erkennung und Behandlung der Pulpitis und 
Periodontitis, wie es ausserhalb der Garnison mit Korpszahnstation von 
jedem Militärarzt gekannt werden müsse. Auch bespricht er genau den 
Gang der Untersuchung auf eine akute Zahnerkrankung. Endlich bat 
Verf. ein kleines Besteck zusammengestellt, das alles zur Extraktion 
und Arsenbehandlung — letztere kann in etwa 50 pCt. aller ausserhal 
der Garnison mit Korpszahnstation entstehenden Zabnkrankheiten den 
Schmerz sofort beseitigen und den Zahn retten — Notwendige enthalt. 

Schnütgen - Arco. 

E. Neu mann-. Psychologische Beobachtungen im Felde. (Neurol. 
Zbl., 1914, Nr. 23.) Betrachtungen über die Psyche der Soldaten in 
Kriege. Das Bewusstsein der Anwesenheit „des Doktors* erhöht den 


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21. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1949 


Mut. Schon in Friedenszeiten ist die psychologische und psychiatrische 
Schulung des Arztes unerlässlich. 

M. Roth mann: Der Krieg und die Neirologie. (Neurol. Zbl., 
1914, Nr. 23.) Verf. betont nachdrücklich die grosse Rolle, die der 
Nervenpathologie, nach Erb dem „Aschenbrödel* unter den grossen 
medizinischen Spezialdisziplinen, in diesem Kriege gestellt ist, und weist 
darauf hin, dass der konsultierende Neurologe eine ebenso segensreiche 
Tätigkeit entfalten würde, wie der konsultierende Chirurg, wenn die 
Schioksaisstunde für die Neurologie schon früher gekommen wäre. 

E. Tobias. 

Ehret - Strassburg: Ceber ColUpse nach Seegefechten. (M.m.W., 
1914, Nr. 48.) (Naoh einem Vortrag vor Marinesanitätsoffizieren.) Der 
Kreislauf kann versagen infolge von Störungen 1. des Herzens, 2. der 
Gefässe, 3. der Nieren. Da die Matrosen wohl alle nierengesund sind, 
kommen nur 1. und 2. in Frage. Verf. erörtert sowohl die Prophylaxe 
wie die Therapie: Ausser den üblichen Mitteln empfiehlt er prophy¬ 
laktisch 1 g Diuretin in einer Kaffee-Rahmmischung. Vorsicht mit 
Morphium! Therapeutisch sollen subcutane Campher- und Coffein¬ 
injektionen gemacht werden. Intravenöse Strophantineinspritzungen 
leisten sehr Gutes. Eventuell intravenös 10—20 Tropfen Adrenalin in 
Kochsalzlösung, die freilich nur vorübergehend wirken. 

A. Tietze und Korbsch: Ueber Gasphlegnone. (D.m.W., 1914, 
Nr. 48.) Die Verff. beobachteten eine Reihe infizierter Wunden, die 
durch ihr missfarbenes Aussehen, ihren Geruch und ihre Progredienz 
imponierten. K. fand im Sekret einen charakteristischen, anaeroben 
Baoillus, den er züchten konnte. Er bildet Sporen. 

Syring-Neu-Ruppin: Behandlung des Wmidstarrkraflipfeg mit 
MagflesiflBSiilfat. (D.m.W., 1914, Nr. 49.) Mitteilung eines Falles vou 
Tetanus, der nur mit Magnesiumsulfat, ohne Serum, behandelt und ge¬ 
heilt wurde. 

Th. Ko eher-Bern: Behandlung sohwerer Tetanufifälle. (D.m.W., 
1914, Nr. 46 u. 47.) Der Artikel enthält unter anderem nochmals eine 
warme Empfehlung des Magnesiumsulfats. 

Ri edel-Jena: Verletzungen durch Dim-Dim- Geschosse. (D.m.W., 
1914, Nr. 47.) Kasuistik. 

0. Harzbecker-Berlin: Die Aetiologie der Graflat-Kontasiois- 
yerletzflflgen. (D.m.W., 1914, Nr. 47.) Die Symptome der Kontusions¬ 
verletzungen sind, abgesehen von sofortigem Tode, mannigfaltig; man 
trifft z. B. recht häufig Hemiplegie usw.; wichtig ist, dass keinerlei äussere 
Verwundungen anzutreffen sind. H. berichtet über 4 Fälle (2 Apoplexien, 
1 Hämatothorax und eine subconjunctivale Blutung). Da jede direkte 
Geschosswirkung auch in seinen Fällen mit Sicherheit auszuschliessen 
ist, nimmt er als ätiologischen Faktor Luft- oder Gasdruck an, der 
entweder positiv ist, wenn das Geschoss vor dem Verletzten einschlägt, 
oder negativ ist, wenn das Projektil an dem Verletzten vorbeifliegt. 
Durch den Druck entstehen kleine Gefässzerreissungen, die dann zu den 
klinischen Erscheinungen führen. 

E. Leschke-Berlin: Rohrähnliche Darmerkranknngen. (D.m.W., 
1914, Nr. 49.) Aus praktischen Gründen mag es berechtigt sein, alle 
Durchfälle mit Blut und Eiter als Ruhr anzuspreehen. Andererseits 
gibt es Fälle — Verf. beobachtete 5 Soldaten dieser Art —, die klinisch 
durchaus der Ruhr gleichen, bei denen aber die bakteriologische und 
serologische Untersuchung keine Anhaltspunkte für Ruhr ergab. Verf. 
nimmt für die Entstehung solcher Fälle an 1. enterogene Infektion, 
2. enterogene Intoxikation, 3. mechanische Schädigung der Darmwand, 
4. parenterale Infektion. Auffallend war, dass alle Kranken des Verf. 
mehr oder weniger ausgesprochen Lymphatiker waren. Vielleicht sind 
sie in Parallele zu setzen mit lymphatischen Kindern, bei denen ge¬ 
legentlich nicht durch Ruhr verursachte blutig-schleimige Durchfälle be¬ 
obachtet werden. Dünner. 

G. Gaertner: Forschritte in der Behandlung der Cholera asi&tica. 
(W.m.W., 1914, Nr. 41, Beilage „Militärarzt“.) Es werden intravenöse 
stark hypertonische Kochsalzinfusionen empfohlen, um die Resorption 
von Flüssigkeit aus dem Darm hervorzurufen. Die klinischen Erfolge 
sind gute. Es werden l l [ 2 —2 1 einer l,6proz. Lösung gegeben. Auch 
die Bolus alba-Therapie hat günstige Resultate. Eisner. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Aerztlicher Verein zu Hamburg, 

Sitzung vom 17. November 1914. 

I. Hr. Goldoehfliidt stellt einen Fall von traumatischem Aneurysma 
am Halse vor. 

II. Hr. Weygandt bespricht einige Fälle von Psychosen, die bei 
der Mobilisation und im Feldzug aufgetreten sind. Er betont, dass 
eine besondere Kriegspsychose nicht anerkannt werden kann, und hebt 
hervor, dass die Zahl der Psychosen bisher im Feldzug unerwartet klein 
gewesen ist. Die Mehrzahl der Fälle wurde schon während der Mobil¬ 
machung beobachtet. Er zeigt dann 2 Fälle von hysterischer Psychose, 
2 von Dementia praecox, ein alkoholisches Delirium und 2 Fälle von 
epileptischer Psychose und bespricht die Art des Zusammenhanges 
zwischen dem psychischen Trauma bzw. der körperlichen UeberanstreDgung 
und dem Aasbruch der Erkrankung. 

III. Hr. Plaut berichtet über Versuohe, welche er mit Mikrocia- 


Tabletten angestellt bat Naoh den Veröffentlichungen sollten dieselben, 
welche aus einer Mischung von Superoxyden mehrerer Erdalkalien be¬ 
stehen, als Zusatz zum Trinkwasser einwandfrei alle Bakterien ver¬ 
nichten. Die Versuche ergaben jedoeb, dass die Wirkung nicht grösser 
ist, als die der gewöhnlichen Säuren, z. B. Citronensäure, welche zwar 
Cholerakeime abtöten, Typhus aber und noch mehr Ruhr teilweise nicht 
sohädigen. Allen anderen Trinkwasserzusätzen ist Chlorkalk vorzu¬ 
ziehen. 

IV. Hr. Oehleeker bespricht an der Hand mehrerer Fälle Diagnose 
und Therapie der sog. falschen Aueurysmeu. Die erstere ist bisweilen, 
wenn das Aneurysma in der Tiefe liegt, selbst wenn man an die Affektion 
denkt, nicht zu stellen; auch Verwechselungen mit Abscess und Phleg¬ 
mone kommen vor. Wird die Affektion gleich zu Anfang erkannt, so 
ist eine primäre Gefassnaht zu empfehlen. In späteren Stadien muss 
man individualisieren. Man kann nicht immer, wie die gewöhnliche 
Vorschrift lautet, 4—5 Wochen warten, bis sich ein Collateralkreislauf 
gebildet bat, da die Gefahr einer plötzlichen Blutung für die Ernährung 
des betr. Gliedes noch bedenklicher ist. Im allgemeinen wird man die 
Ligatur der Gefässe vornehmen, und zwar ergibt die Statistik, dass die 
Wiederherstellung des Kreislaufes eine bessere ist, wenn man auch die 
Vene, selbst wenn diese nicht verletzt ist, mit unterbindet. In einem 
Fall, in welchem die Ernährung des schwerverletzten Beines besonders 
gefährdet erschien, hat Oehleeker statt der Ligatur der Arterie die 
eine Schussöffoung vernäht und die andere, mit der Vene kommuni¬ 
zierende, durch ein Stück der betreffenden Venenwand gedeckt. 

V. Hr. Nonne demonstriert eine Reihe von Fällen von Sehiissver- 
letznngen peripherer Nerven. Man sieht bei denselben häufig von den 
in der Friedenspraxis gewohnten stark abweichende Bilder. Er zeigt 
bzw. erwähnt verschiedene Fälle von Radialislähmung, insbesondere 
zwei, bei denen der Radialis in bzw. nahe der Achselhöhle, kurz nach¬ 
dem er sich aus dem Plexus isoliert hat, getroffen war. In einem dieser 
Fälle, bei dem es sich vermutlich nur um die Kompression durch einen 
Bluterguss handelte, war spontan Besserung eingetreten. Es ist die 
Ausnahme, dass die Kontinuität des Nerven durch den Schuss voll¬ 
kommen unterbrochen wird. Meistens sieht man nur einzelne 
Zweige des Nerven in ihrer Fuoktion gestört, so z. B. bei Peroneus- 
schuss nur den Tibialis anticus, bei einem Ischiadicusschuss nur die 
Tibialisfasern, usw. Bemerkenswert war ein Fall von Medianusscbuss, 
bei dem die Beugung der Finger nur partiell, von der Daumenmus¬ 
kulatur nur die Opposition gelähmt war. Die Operation ergab, dass der 
Nerv in einen Bindegewebsstrang verwandelt war; derselbe wurde rese¬ 
ziert und die Naht ausgeführt. Nach der Operation trat keine Ver¬ 
schlechterung ein. Aus dieser sehr auffallenden Tatsache geht mit 
Notwendigkeit hervor, dass die Innervation mehrerer sonst vom Medianus 
versorgter Muskeln hier anderweitig (vom UInaris) übernommen war. 
Endlich zeigt er noch eineD Fall von SchussverletzuDg des M. quadriceps, 
die eine Lähmnng dieses Muskels vorgetäuscht hatte. 

VI. Hr. Plate zeigt 1. ein Geschoss, das bei einem Verletzten 
operativ entfernt wurde und nach dem Gutachten eines Sachverständigen 
zwar nicht als Dum-Dum-Geschoss bezeichnet werden könnte, aber infolge 
EinfurchuDg an der Spitze zu Splitterung geneigt war. 

2. Das Röntgenbild einer Handschnssverletznog, die ähnlich wie 
das vorige Mal von Jenckel gezeigt, kleinen Ein- und grossen Aus¬ 
schuss aufwies. 

3. Bespricht er eine besondere Form von Fflnktionsstörnng im Knie 
nach Oberschenkelschüssen. Das Gelenk war aktiv und passiv völlig 
unbeweglich, konnte aber in der Narkose frei bewegt werden. Nach 
Anwendung der Narkose wurde die Funktion bald wieder hergestellt. 
Es handelt sich wahrscheinlich teils um reflektorische Störungen, 
teils um Folgen einer lymphatischen Stauung (Wieting). 

VII. Diskussion zum Vortrag des Herrn Sfldeck: Ueber Tetanus. 

Hr. Rumpel bespricht an der Hand der experimentellen Er¬ 
fahrungen die Schwierigkeit, angesichts der relativen Geringfügigkeit der 
zur Verfügung stehenden Antitoxindosen, prophylaktisch, wie es sonst 
wünschenswert wäre, das Serum anzuwenden. Selbst zur Schutzimpfung 
aller Verletzten mit infizierten Wunden würde das Serum nicht 
ausreichen. Es ist deswegen anzustreben, die Frühdiagnose durch Nach¬ 
weis der Bacillen in der Wunde mittels des Tierexperimentes 
stellen zu können. Es wurde daher in der letzten Zeit im Barmbecker 
Krankenhaus von jeder verdächtigen Wunde eine Probe genommen; im 
ganzen bis jetzt 41 mal. Davon ergaben 6 positiven Bacillenbefund. 
Von den betr. Kranken hatten drei bereits bei der Entnahme die ersten 
Krankheitssymptome, von den drei übrigen erkrankte keiner, obwohl 
zwei aus Mangel an Serum kein Antitoxin erhalten hatten. Es ist in 
solchen Fällen das Wahrscheinlichste, dass es sich um „Bacillen - 
träger“ handelt. 

Hr. Jakobsthal hat Bedenken gegen den tierexperimentellen 
Nachweis der Tetaousbacillen, da, — infolge des notwendigen Erhitzens, 
— durch denselben nur Sporen Dachzuweisen sind. Ein Lazarettzug 
ist jetzt mit einem kleinen bakteriologischen Laboratorium ausgerüstet 
zwecks Ausführung des kulturellen Nachweises. — J. geht kurz auf 
die Möglichkeit, durch Bestrahlung Wunden tetanusbacillenfrei zu machen, 
ein und berichtet dann über therapeutische Versuche mit Salvarsan im 
Tierexperiment. Ein günstiger Einfluss war unzweifelhaft nachweisbar. 
Wahrscheinlich bandelt es sich um die Steigerung der Antitoxin¬ 
bildung. Endlich berührt J. kurz die Möglichkeit einer aktiven 
Schutzimpfung analog de* neuen Bebring’schen Verfahren bei 
Diphtherie. 


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1950 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 61. 


Hr. Tamm berichtet über experimentelle Versuche der Be¬ 
handlung tetanusinfizierter Wunden mit Bestrahlung. Während 
Röntgenstrahlen annähernd unwirksam sind, ist die Wirkung der ultra¬ 
violetten Strahlen eine sehr markante. Wegen der geringen Tiefen¬ 
wirkung der betreffenden Strahlen ist eine besondere Vorrichtung er¬ 
forderlich, um in die Taschen der Wunden zu gelangen. Wenn auch 
bisher in den Experimenten keine völlige Keimfreiheit erreicht wurde, 
so wurde dooh die Keimzahl so stark herabgesetzt, dass z. B. zur Ver¬ 
hütung der Amputation ein Versuch mit ultravieletten Strahlen immer¬ 
hin zu empfehlen ist. 

Hr. Kotzenberg berichtet über 21 Fälle aus dem Eppendorfer 
Krankenhaus. Die Fälle sind entweder nach der Dauer der Inkubation, 
die allerdings oft nicht mit Sicherheit zu bestimmen ist, oder nach der 
Ausdehnung der Symptome als leichte, mittelschwere oder schwere zu 
bezeichnen. Die beiden Einteilungen decken sich nicht durchweg, doch 
ist von den mittelschweren Fällen nur derjenige gestorben, der die ge¬ 
ringste Inkubationsdauer, nämlich nur 8 Tage, hatte. Im Eppendorfer 
Krankenhause wurden fast alle angegebenen therapeutischen Maassnahmen 
versucht. Das Antitoxin schien, subjektiv genommen, bisweilen von 
günstigem Einfluss zu sein. Von den mit Magnesiumsulfat behandelten 
Fällen starben zwei an Pneumonie, vielleicht nicht ganz zufällig. Man 
sollte wenigstens die stark zerrissenen und zerfetzten Wunden prophy¬ 
laktisch impfen. 

Hr. Rothfuchs berichtet über 7 mit Salvarsan behandelte 
Tetanusfälle, von denen nur einer, und zwar an Pneumonie, ge¬ 
storben ist, obwohl 4 als sehr schwere Fälle anzusprechen waren und 
bei zwei von diesen das Antitoxin erst ganz spät — 8 Tage nach Aus¬ 
bruch der Erkrankung — zur Anwendung kam. Die Kombination von 
Salvarsan und Antitoxin hält R. für besonders vorteilhaft. 


K. k. Gesellschaft der Aerztc zu Wien. 

Sitzung vom 13. November 1914. 

(Eigener Berichte 

Hr. V. Eiseisberg stellt einen 34jährigen Infanteristen vor, bei 
welchem eine im rechten Unterarm sitzende Kugel beim Bewegen des 
Armes pendelnde Bewegungen ausführt. 

Dieses Symptom ist jetzt nicht mehr so deutlich wie früher. Die 
Kugel sitzt wahrscheinlich in einem grossen Hämatom. 

Hr. Sternberg und Hr. Albert demonstrieren Fälle von fonktio- 
nellen Lähmungen nach Schass Verletzungen , welche durch gymnastische 
Behandlung überraschend schnell geheilt sind. 

In 2 Fällen lag eine Peroneuslähmung infolge Isehiadicusverletzung 
am Oberschenkel vor. Bei Ischiadicusverletzungen tritt merkwürdiger¬ 
weise die Peroneuslähmung deutlicher zutage als die Lähmung des 
Tibialis, sie kann auch isoliert auftreten. Bei den Patienten sind auch 
Zeichen von Tibialislähmung vorhanden. 

Im dritten Falle ist nach einem Querschuss durch das linke Knie¬ 
gelenk die Muskulatur beider Beine atrophisch. Im vierten Falle konnte 
Pat. nach einem Schuss durch den rechten Arm diesen nicht heben und 
auch die Hand nicht bewegen. In allen diesen Fällen fehlte die elek¬ 
trische Entartungsreaktion. Die Behandlung bestand in gymnastischen 
Uebungen und Massage, welche in kürzester Zeit eine Besserung er¬ 
zielten. 

Hr. Kren stellt einen Fall von Erytbrodermie vor, welcher durch 
Wasserbettbehandlung weitgehend gebessert ist. 

Hr. Hass demonstriert eine Lagernngsschiene für Oberschenkel- 
frakturen und beschreibt die Behandlung der Oberschenkelfrakturen in 
der Abteilung von H. Lorenz. 

Die in der Abteilung eingelieferten Fälle von Schussfrakturen des 
Oberschenkels waren sehr oft in einem schlechten Zustand und hatten 
eine Eiterung oder eine hochgradige Verkürzung des Beines, weil die 
Immobilisierung des Oberschenkels unzureichend war. Der Petit’sche 
Stiefel reicht für diesen Zweck nicht aus. Vortr. hat eine Schiene aus 
Drahtgestell konstruiert, welche für diesen Zweck geeignet ist. Sie be¬ 
steht aus zwei Fixationsstäben, an welche sich drei aus Draht bestehende 
Gürtel anschliessen, die leicht nach der Körperform gebogen werden 
können und zur Fixation des Beckens, des Oberschenkels und des Unter¬ 
schenkels dienen. 

Bei der Behandlung von Oberschenkelfrakturen wird im Aether- 
rausch eine möglichst gute Adaptierung der Fragmente vorgenommen, 
dann wird ein Gipsverband angelegt. Die Extension bei der Adaptierung 
wird durch Schraubenzug ausgeübt. Es werden zuerst Fuss und Unter¬ 
schenkel eingegipst ; wenn der Verband erstarrt ist, werden die Extension 
und Adaptierung der Fragmente vorgenommen und dann der Gipsver¬ 
band am Oberschenkel angelegt. Zum Zwecke der Gegenextension wird 
ein weicher „Reitgurt“ zwischen Scrotum und Oberschenkel eingelegt. 
Ueber den Bruchöffnungen werden grosse Fenster ausgeschnitten. Wenn 
die Fraktur nicht infiziert ist, kann Pat. schon nach 14 Tagen auf¬ 
stehen. Vortr. demonstriert 3 in dieser Art behandelte Patienten. Der 
Vorteil der forcierten Extension und des Gipsverbandes gegenüber 
der Dauerextension ist der, dass der Pat. transportfähig wird und einer 
Ueberwachung nur während der ersten 2 Tage bedarf. 

Hr. Snchanek demonstriert das Verfahren bei der Extensioil an 
den unteren Extremitäten mittelst Gewichtsznges und unter Suspension. 

Es wird dabei das Verfahren von Bardenheuer oder Ritter an¬ 


gewendet. Die Methode von Florschütz ist für Fälle ohne seitliche 
Dislokation anwendbar. 

Hr. v. Frisch demonstriert Röntgenaufnahmen voi Prejektilei in 
Körper. Die Kugeln und Sprengstücke sitzen im Schädel, in der Hals¬ 
gegend, im Thorax und in den Extremitäten. In den demonstrierten 
Fällen wurden die Projektile entfernt. 

Hr. Stoerk spricht über die Klinik der Cholera auf Grund seiner 
Erfahrungen im Infektionsspital in Krems, wo er mehrere hundert Fälle 
beobachten konnte. 

Das Bild des Stadium algidum ist charakterisiert durch tiefliegende 
Augen, aschgraues Kolorit, angezogene Extremitäten, eingesunkenes 
Abdomen, mühsame Atmung, Schmerzgefühl in der Oesophagus- und 
Magengegend, Stehenbleiben von Hautfalten beim Emporheben der Haut. 
Bei den akuten Fällen tritt nach diesem Stadium innerhalb weniger 
Stunden der Exitus oder Besserung ein. Chronische Fälle sind zahl¬ 
reicher, als man bisher angenommen hat. 

Therapie: Wird ein Pat. im Stadium algidum eingeliefert, so be¬ 
kommt er sofort eine Adrenaliniojektion, dann wird er in ein Bad von 
41° gesteckt, und es werden ihm Injektionen von 2 proz. Kochsalzlösung 
verabreicht. Ferner bekommt er eine Atropininjektion von 2 mg gegen 
das Erbrechen, kleinere Dosen sind effektlos. Sobald Pat. aufbört, xu 
erbrechen, und sich eine Reaktion auf die Behandlung einstellt, wird er 
ins Bett gelegt und durch heisse Tücher und Thermophore erwärmt. 
Der Versuch, den Kranken gleich am Anfang zu ernähren, ruft immer 
wieder einen Brechreiz hervor. Man beginnt daher mit der Ernährung, 
wenn der Patient besser geworden ist, und zwBr gibt man ihm alle 
V< Stunden einen Esslöffel einer heissen Flüssigkeit (schwarzen Kaffee 
oder Tee), dann kommt heisser Tee mit Tierkohle (am besten Blutkohle) 
zur Verwendung. 

Bei chronischen Fällen ist die Therapie einfacher, es kommen da 
hauptsächlich Kohle (20—30 g pro Tag) und Bolus alba (bis 300 g pro 
Tag) zur Anwendung, und zwar die erstere am besten in Giesshübler 
Wasser, die letztere in heissem Tee. Die Anwendung der Bolus ist 
dann empfehlenswert, wenn schwere schleimige Diarrhoen (auch bei 
Dysenterie) vorhanden sind, diejenige der Kohle dann, wenn die Ent¬ 
giftung in erster Reihe angestrebt wird, ferner wenn nach Bolus alba 
starke Obstipation eintritt. 

Die klinische Differentialdiagnose zwischen Dysenterie und Cholera 
ist nicht ganz einfach, zu einer bakteriologischen Untersuchung fehlt 
meist die Zeit. Für Cholera sprechen niedrige Pulszahlen bis zu 40 
und 50 und tiefe Temperaturen zwischen 35 und 36tiefe Depressionen 
koinzidieren immer mit einer Verschlechterung des Zustandes. Kopf¬ 
schmerz, Bauchschmerz und Wadenkrämpfe können auch im Rekon- 
valcscenzstadium auftreten. Im Stuhle kann bei Cholera und bei 
Dysenterie Blut vorkomraeD, der Dysenteriestuhl enthält Schleim, der 
Cholerastuhl fast niemals, es kann aber auch die Dysenterie ohne 
Schleirabeimengung im Stuhle verlaufen. Der Choleraanfall kann einem 
echten Typhus gleichen, es kann sogar bei Cholera Leukopenie ein- 
treten. Ein wichtiges differential diagnostisches Mittel ist im hohen 
Färbeindex des Blutes (bis 140 und darüber) gelegen; dieser hohe Wert 
ist nicht auf die blosse Eindickung des Blutes zurückzufübreD, sondern 
das einzelne rote Blutkörperchen hat einen höheren Häraoglobingehalt 

Die jetzigen Cholerafälle verlaufen nach den Erfahrungen des 
Vortr. nicht schwer und die Mortalität wird durch die angewendete 
Therapie auf ein Minimum herabgedrückt. Im Anfang sind ihm 14 Fälle 
gestorben, da noch Personal zur genauen Durchführung der Behandlung 
fehlte, später hat er unter 100 Fällen nur 2 durch den Tod 
verloren. B* 


Ueber die Ventilation bei künstlicher Atmung j 

beim Menschen. 

Von 

6. Liljestrand - Stockholm. 

In dieser Wochenschrift, 1914, Nr. 39, S. 1657-1660, kritisiert 
Prof. A. Loewy eine von mir, Wollin und Nilsson herausgegebenen 
Arbeit „Untersuchungen über die Ventilation bei künstlicher Atmung 
beim Menschen“ 1 ). Nach der Darstellung von Loewy geben vir als 
„wahre Ventilationswerte“ bei der künstlichen Atmung die von uns an 
apnoiscben Menschen gewonnenen Zahlen, 0,19 L. pro Atemzug hei der 
Silvester’schen, bzw. 0,17 L. bei der Scbäfer’schen Methode an. Bei • 

früheren Versuchen wären die meist hohen Werte dadurch entstanden, 
dass die Versuchspersonen unbewusst und unwillkürlich im Tempo der 
künstlichen Atmung spontan mitgeatmet hatten. Gegen die erwähnten 
niedrigen Werte führt nun Loewy folgende Argumente ins Feld. 
Erstens gewinnt man an nichtapnoischen Menschen weit höhere Werte, 
auch in Fällen, wo die spontane Atmung ausgeschlossen ist, teils nach 
der subjektiven Empfindung zu beurteilen, teils dadurch, dass absicht¬ 
licher Widerstand gegen die künstliche Atmung geleistet wird. Zweitens 
sollen die Atmungsversuche an Leichen für eine höhere Ventilation 
sprechen, und drittens soll die angebliohe Erfahrungstatsache, dass die 
künstliche Atmung eine Wiederbelebung noch nach Stunden mit sich 
bringen kann, mit unseren Zahlen nicht vereinbar sein. 


1) Skand. Arch. f. Physiol., 1913, Bd. 29, S. 149-216. 


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21. Üeramber 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1951 


Es muss deshalb eine besondere Ursache zn den „anmöglich 
niedrigen Werten“, die wir gefunden haben, vorhanden sein. Als solche 
stellt sich nach Loewy heraas, dass der Zustand von Apnoe ein aktiver 
Zustand ist, währenddessen das Zwerchfell und meist auch die inspira¬ 
torisch wirkenden Thoraxmuskeln sich im Zustand der Kontraktion be¬ 
finden. Durch den hierdurch gesetzten Widerstand muss die Ventilation 
abnorm vermindert werden 1 )* 

Um den Ausgangspunkt der Kritik richtig zu stellen, möchte ich 
nun zuerst bestimmt hervorheben, dass wir nicht behauptet haben, dass 
die in Apnoe gewonnenen Werte die „wahren Ventilationswerte“ geben. 
Im 7. Kapitel unserer Arbeit, wo die Versuchsergebnisse diskutiert 
werden, heisst es wörtlich (a. a. 0. S. 203): „Dass die kleine Ventilation“ 
(bei der Apnoe) „rein mechanisch 2 ) verursacht wurde, dürfte in hohem 
Grade wahrscheinlich sein. Damit ist jedoch nicht sicher, dass sie genau 
dieselbe ist, die bei einer nichtapnoisohen Person hervorgebracht 
wird. Während der Apnoe befinden sich Brustkorb und Diaphragma 
in exspiratorischer Lage 3 ) (Rosenthal, Neander, Mosso), und dies 
muss verursachen, dass eine kleinere Ventilation erhalten wird. Un¬ 
möglich ist es auch Dicht, dass bei der Apnoe der Muskeltonus ein 
anderer ist als ohne Apnoe, wodurch ein anderer Widerstand als der 
normale entsteht. Rücksichts dieser Verhältnisse sind wir der Auf¬ 
fassung, dass die erwähnten Apnöeversuche Minimal werte für die 
Ventilation geben, die bei der künstlichen Atmung an und für sich an 
Lebenden entsteht“ Auch an anderen Stellen (S. 207, 209) werden die 
betreffenden Werte als Minimalwerte, d. h. untere Grenzwerte angegeben. 
Dagegen haben wir nach einer ganz anderen Methode (a. a. 0. S. 205) 
die oberen Grenzwerte gefunden. Die Maximalwerte wurden so erhalten, 
dass wir ohne Apnoe in gewöhnlicher Weise, während „Passivität“ der 
Versuchspersonen, künstliche Atmung mit dem Apparat von Fries aus¬ 
führten. Dabei zeigte sich eine Abhängigkeit der Grösse der einzelnen 
Atemzüge von der Frequenz der künstlichen Atmung, welche genau den 
Aenderungen der Atemzüge bei Spontanatmung in verschiedenen 
Frequenzen entsprach. Dies Verhalten sowie auch andere Ergebnisse, 
auf die ich hier nicht eingehe, sprachen entschieden dafür, dass bei der 
künstlichen Atmung die Spontanatmung mitgewirkt hatte, auch wenn die 
Versuchspersonen glaubten, dass sie ganz passiv gewesen wären. Da aber 
nichts für einen aktiven Widerstand bei diesen Versuchen sprach, wurden 
aus den Versuchen, mit der höchsten von uns gebrauchten Frequenz, 
Maximalwerte für die Wirkung der künstlichen Atmung erhalten. Dieser 
Wert betrug 0,41—0,49 L. pro Atemzug. „Wahrscheinlich wäre es 
möglich, das Maximum zu erniedrigen, wenn man höhere Frequenz als 
30 pro Min. brauchen könnte“ (a. a. 0. S. 205). Mit Rücksicht hierauf, 
sowie vor allem, weil mir die Leichenversuche (vgl. unten!) für eine Ver¬ 
minderung des oberen Grenzwertes zu sprechen schienen, habe ich in 
meinem Aufsatz „Ueber künstliche Atmung“ 4 ) die wahrscheinlichen 
Werte auf „etwa 150—300 ccm“ angegeben, und nicht nur die unteren 
Grenzwerte. Da aber die Mangelhaftigkeit der bisherigen Leichenversucbe, 
wie wir hervorgehoben haben, bedeutend ist, erachte ich die obere Grenze 
als noch nicht sicher festgestellt. Es dürfte aus dem Angeführten hervor¬ 
gehen, dass wir nicht nur die „Apnöewerte“ als Minimalwerte aus¬ 
drücklich bezeichnet haben, sondern sogar, dass wir diesen Standpunkt u. a. 
damit motivieren, dass eine Tonusänderung vielleicht eingetreten sein 
kann. Und eben das soll ja nach Loewy’s Auseinandersetzungen und 
Versuchen der Fall sein. 

Wenn nun auch der Ausgangspunkt von Loewy nicht richtig ist, 
dürfte indessen eine nähere Erörterung seiner Beweise gegen unsere 
„wahren Ventilationswerte“ nicht ohne Interesse sein, da ja tatsächlich 
auoh unsere Maximalwerte auffallend klein sind. Ich gehe dann auf die 
Vermutung ein, dass in den an Loewy selbst angestellten Versuchen 
eine unbewusste Mitwirkung „in einem ins Gewicht fallenden Maasse“ 
nach dem subjektiven Empfinden unwahrscheinlich ist. Der Wert einer 
solchen subjektiven Auffassung dürfte indessen sehr beschränkt sein. 


1) Dass ein Tonus der Thoraxinspiratoren den Effekt der künstlichen 
Atmung (beim Vergleich mit Scheintoten) vermindern muss, dürfte sicher 
sein, dagegen dürfte das nicht für den Tonus des Zwerchfells gelten. 
Dieser Tonus muss umgekehrt hindern, dass das Zwerchfell hin- und 
herflattert, wie dies nach Brosoh (Virohow’s Arch., 1893, Bd. 149) bei 
künstlicher Atmung' bei Leichen der Fall ist. Es entsteht dann eine 
Art von „Pendelluft“, die beim Tonus vermindert werden kann. 

2) In der schwedischen Auflage der Arbeit von mir, Wollin und 
Nüsson wird (Hygiea, 1913, S. 1294) die Möglichkeit erwähnt, dass 
während der Apnöeversuche eine fördernde reflektorische Beeinflussung 
der Atmung möglich sein kann. Da wir aber keine positiven Anhalts¬ 
punkte für eine solche besitzen, haben wir die betreffenden Werte bis 
auf weiteres als das Ergebnis der rein mechanischen Ventilation auf¬ 
gefasst. 

8) Inwieweit diese Angabe von exspiratorischer Lage während der 
Apnoe mit der Angabe von Loewy, dass eine massige inspiratorische 
Erweiterung sich findet, im Widerspruch steht, ist nicht leicht zu ent¬ 
scheiden. Ohne bei dieser Gelegenheit näher auf die betreffenden Ver¬ 
suche von Loewy einzugehen, möchte ich hervorheben, dass Loewy 
mit inspiratorischer Lage alle Lagen zu meinen scheint, wo sich Zwerch¬ 
fell und Thorax „mehr inspiratorisch, als während der normalen Exspi¬ 
ration“ befinden. Von uns wird dagegen der Ausdruck exspiratorisch 
von sämtlichen Lagen gebraucht, die in exspiratorischer Richtung von 
der habituellen vitalen Mittelstellung sind. 

4) Mitt. Grenzgeb., 1913, Bd. 26, S. 470-492. 


Jetzt meint Loewy, dass eine Mitatmung, selbst nach vorgängiger Ein¬ 
übung, Vorkommen mag, und vielleicht auch in den von ihm und 
Meyer 1 ) an anderen Versuchspersonen gewonnenen Werten vorgekommen 
ist, bei ihm selbst wäre dagegen diese Mitatmung (beinahe?) aus¬ 
geschlossen. Im Jahre 1908 sagen dagegen die genannten Verfasser: 
„Es gelingt sehr leicht, scboD nach einer kurzen Einübung, die Versuchs¬ 
personen dazu zu bringen, dass sie sich absolut passiv verhalten.“ Wie 
wir in unserer Arbeit ausführlich beweisen, ist bei unseren Versuchs¬ 
personen das subjektive Gefühl von Passivität sehr wohl mit einer un¬ 
bewussten Mitatmung vereinbar. 

Betreffs der von Loewy und Meyer ausgeführten Versuche mit 
künstlicher Atmung, wenn aktiver Widerstand geleistet wurde, haben 
wir solche Versuche schon in unserer Arbeit erwähnt, wo es heisst 
(a. a. 0. S. 207): „Sagte man ihnen“ (den Versuchspersonen) „dagegen, 
sie müssten den Atem aqhalten, so bekam man, wie wir durch eigene 
Versuche fanden, einen variierenden Widerstand, welcher das Atem¬ 
volumen ,bis Null vermindern konnte.“ Die betreffenden Versuche waren 
immer von kurzer Dauer, weil sonst das Atembedürfnis zu gross wurde. 
Bei einer späteren Gelegenheit zeigte sich, dass es einer sehr geübten 
Versuchsperson (G. W.) sogar gelang, der künstlichen Atmung entgegen 
vollkommen ausreichend zu atmen, so dass bei den kräftigen Kom- 
pressionen (Druck 40—60 mm Hg) Inspirationen stattfanden und um¬ 
gekehrt bei der Amstreckung exspiriert wurde. Der Effekt ist also von 
der Grösse des Widerstandes abhängig. Meiner Ansioht nach ist es aber 
nicht möglich, mit Bestimmtheit zu sagen, dass der gesetzte Widerstand 
eben die Spontanatmung aufgehoben hat. Es ist nicht sicher, dass die 
subjektive Empfindung von einem kleinen Widerstand wirklich von kon¬ 
tinuierlichem Widerstande begleitet wird. Ausserdem muss die Mög¬ 
lichkeit in Betracht gezogen werden, ob eine derartige Spontanatmung 
Vorkommen kann, dass Inspirationen ausgefübrt werden, während ein 
gewisser Tonus der Exspiratoren vorhanden ist und umgekehrt. Wie 
jedermann sich leicht überzeugen kann, geht es ohne Schwierigkeit, den 
Unterarm zu beugen oder zu streckeo, auch wenn die Antagonisten 
kräftig gespannt werden. Dass eine entsprechende Spontanatmung (also 
bei Tonus der Antagonisten) nicht unmöglich ist, wird dadurch bewiesen, 
dass während der Apnöe, bei der ja nach Loewy Tonus der In¬ 
spiratoren vorkommt, eine aktive Exspiration sehr leicht ausgeführt 
werden kann. 

Wenn ioh also die Versuche mit Widerstand theoretisch nicht ein¬ 
wandfrei finde, gilt das auch von den mitgeteilten Ergebnissen. Loewy 
teilt mit, dass bei ihm selbst, mit dem Apparate von Fries, in zwei 
Versuchen hei „vorsätzlicher Muskelruhe“ 8 bzw. 5,7 L. pro Minute er¬ 
halten wurden; in zwei Versuchen mit willkürlichem Widerstand, fanden 
sich gleichmässig 6,3 L. Dann schreibt Loewy: „Daraus dürfte hervor¬ 
gehen, dass ich imstande biD, meine Atmungsmuskeln während der 
künstlichen Atmung ausser willkürlicher Innervation zu lassen.“ Die 
Schlussfolgerung scheint mir etwas überraschend zu sein. Wenn nun 
überhaupt die wenigen Versuche miteinander vergleichbar sind, d. h. mit 
derselben Frequenz, Druck des Gürtels und Streckung der Arme aus¬ 
geführt worden sind — und sonst hat ja der Vergleich keinen Zweck — 
so müssen meiner Ansicht nach ganz andere Schlüsse aus ihnen gezogen 
werden. Die Versuche mit vorsätzlicher Ruhe zeigen sehr wesentliche 
Unterschiede untereinander, was aber, da kein Widerstand vorkam, kaum 
anders gedeutet werden kann, als dass eine unbewusste Spontanatmung, 
wenigstens beim höheren Werte vorkam. Die subjektive Empfindung von 
Passivität wäre dann auoh bei Loewy ohne Bedeutung. Sehr bemerkens¬ 
wert ist auch, dass bei willkürlichem Widerstand gegen die künstliche 
Atmung eine Ventilation erhalten wird, die etwas höher ist als in dem 
einen Versuche ohne Widerstand, während man einen niedrigeren Wert 
erwartet hätte (der Tonus sollte auch nach Loewy unsere Apnöewerte 
abnorm vermindern!). Wenn nun wirklich Widerstand geleistet und 
die Ventilation trotzdem nicht vermindert wird, spricht dies dafür, dass 
eine Mitwirkung der Spontanatmung dennoch eingetreten ist. Dass ein 
unbewusstes und unwillkürliches Mitatmen im Takte der künstlichen 
Atmung ausgeschlossen ist, wie dies von Loewy behauptet wird, scheint 
deshalb aus den mitgeteilten Versuchen gar nicht hervorzugehen. 

Was die Versuche an Leichen betrifft, haben wir uns ausführlich 
damit beschäftigt 2 ). Aus sämtliohen uns bekannten Versuchen stellte 
sich im allgemeinen eine niedrige Ventilation heraus, in einigen Fällen 
war aber die Ventilation beträchtlich. Nach Loewy „kommt bei der 
Beurteilung dieser Versuche im wesentlichen darauf an, welche Maximal¬ 
werte erreicht werden können“. Dieser Standpunkt ist mir nicht ganz 
verständlich. Da es gilt, ohne vorgefasste Meinung die tatsächliche 
Ventilation bei Leichen festzustellen, um daraus Schlussfolgerungen über 
die Verhältnisse bei Ertrinkenden usw. ziehen zu können, dürfen 
meiner Ansicht nach nur diejenigen Werte weggelassen werden, von denen 
man sicher weiss, dass spezielle bei Ertrinkenden usw. nicht vorkommende 
Verhältnisse das Ergebnis wesentlich beeinträchtigt haben. Die Tat¬ 
sache, dass in einem Falle eine unerwartet niedrige oder hohe Ventilation 
erhalten wird, berechtigt natürlich nicht an und für sich, den betreffenden 
Versuch auszuschliessen. Ich erwähne in diesem Zusammenhänge, dass 
eben in den zwei Fällen mit der grössten beobachteten Ventilation, näm¬ 
lich dem Falle von Ploraan (Ventilation bis 1,7 L. pro Atemzug) und 
dem Falle des Komitees von 1862, wo die Ventilation pro Atemzug 
689 ccm betrug, besonders bemerkt wird, dass Leicbenstarre vorhanden 


1) B. kl. W., 1908, Nr. 24 und ebenda 1909, Nr. 5 u. 21. 

2) a. a. 0. S. 209—214. 


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Original frn-m 

UMIVERSITY OF IOWA 



1952 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


war, ja in dem letzterwähnten Falle sogar sehr ausgesprochen. Nimmt 
man an, dass auch eine Leichenstarre des Zwerchfells (und der Bauchmuskeln) 
vorhanden war, und dass diese — weil das Zwerchfell bei der künstlichen 
Atmung nicht so direkt getroffen wird — nicht oder unvollständig gelöst 
wird, ist hier die Möglichkeit gegeben, dass das Zwerchfell nicht in dem¬ 
selben Grade wie bei Erschlaffung Bewegungen macht, die denen der normalen 
Atmung gerade entgegengesetzt sind. Es ist unmöglich, aus vorhandenen 
Daten bestimmt zu sagen, dass es sich in dieser Weise verhalten hat, 
es dürfte aber deutlich sein, dass eben die höohsten Werte nicht ganz 
ohne Bedenken sind. Loewy berichtet von einem neuen, von ihm und 
G. Meyer ausgeführten Leichenversuch, wo mit der Brosoh’sohen Me¬ 
thode (bei massiger Leichenstarre) eine Ventilation bis 0,4 L. pro Atem¬ 
zug gefunden wurde. Dieser Wert stimmt ziemlich gut mit meinen 
früheren Ausführungen überein, wenn man bedenkt, dass diese Methode 
eine besonders kräftige Silvesterrespiration erzielt. Auch hat Loewy 
ihre Ueberlegenheit gegenüber der reinen Silvestermethode besonders 
hervorgehoben, und in unserer Arbeit (S. 208) sagen wir: „es ist sehr 
wohl möglich, dass die rein mechanische Ventilation bei dieser Methode 
relativ gross ist.“ 

In seiner Kritik hat nun Loewy zuletzt an einem unserer Minimal¬ 
werte (0,19 L. pro Atemzug) gezeigt, dass eine solche Ventilation zweifels¬ 
ohne ungenügend wäre. Während der Sauerstoffverbrauch etwa 200 bis 
250 ccm pro Minute ist, beträgt bei 10 Atemzügen pro Minute von 
0,19 L. der zugeführte Sauerstoff nur 105 ccm, bei 15 Atemzügen 157 ccm. 
Dies ist richtig. Es liegt aber keine Veranlassung vor, nur mit den 
ausdrücklich als Minimalwerte bezeiohneten Zahlen zu rechnen. Wenn 
Loewy mit dem Werte von 0,3 L. oder gar mit den von uns angegebenen 
Maximalwerten 0,41—0,49 L. gerechnet hätte, wären die erhaltenen 
Werte bei der niedrigeren Frequenz 330 und 560 bis 735 ccm, bei der 
höheren 500 und 850 bis 1100 ccm. Noch günstiger wäre die Lage bei 
insuffizienter, aber nicht gänzlich aufgehobener Spontanatmung, wo auch 
die Minimalwerte einen wichtigen Zuschuss bilden könnten. Es wäre 
also auch mit unseren Werten theoretisch möglich, dass eine Wieder¬ 
belebung bei künstlicher Atmung noch nach Stunden eintreten konnte. 
Ich muss indessen gestehen, dass ich den betreffenden, im allgemeinen 
nicht genügend beobachteten Fällen gegenüber eine gewisse Skepsis 
hege, so dass ich ihre Beweiskraft für die Wirksamkeit der künstlichen 
Atmung überhaupt nicht gross schätzet besonders beim Vergleich mit 
den bisherigen statistischen Erfahrungen. 


Erwiderung auf die vorstehenden Bemerkungen. 

Von 

A. Loewy. 

Der vorstehende Aufsatz ist mir durch die Liebenswürdigkeit der 
Redaktion zugänglich gemacht worden. 

Ich glaube nicht, dass hier der richtige Ort ist, im einzelnen auf 
die Einwendungen, die Liljestrand mir gemacht hat, einzugehen. Das 
soll später in anderem Zusammenhänge geschehen. Hier sei nur betont, 
dass in der ausführlichen Arbeit von Liljestrand, Wollin und Nilssen 
(im Skandinavischen Arch. f. Phys.) der Standpunkt eingenommen wird, 
wenigstens muss jeder unbefangene Leser ihn herauslesen, dass die Ver¬ 
suche mit künstlicher Atmung in Apnoe für die Kenntnis des ventila- 
torisohen Effektes dieser massgebend sind. Dass die so gewonnenen 
Werte Minimalwerte sein sollen und von den an nicht apnoiscben 
Menschen erhaltenen möglicherweise abweichen, wird zwar im Text er¬ 
wähnt, aber die Verff. haben doch nicht soviel Gewicht darauf gelegt, 
dass sie in der Zusammenfassung am Schluss darauf hiugewiesen hätten. 
Dort wird einfach als Effekt der manuellen Atmung bei apuoischen, sich 
passiv verhaltenden Menschen 170—190 ccm pro Atemzug angegeben. 
Was mich berechtigte, diese Atemgröse als die von den Verff. als richtig 
angesehene zu betrachten, ist die von L. an anderer Stelle und auch 
in vorstehendem Aufsatz wiederholte Angabe, dass die Ventilation pro 
Atemzug 150 (!)—300 ccm betrage. L. geht also noch unter die obigen 
Werte hinunter, während 'diese doch schon unmögliche Wirkungen für 
die SauerstoffversorguDg haben. 

Im übrigen scheint mir, dass L. durch die im Vorstehenden sich 
findende schärfere Betonung der Tatsache, deren Klarlegung ja der 
Zweck meiner Mitteilung war, nämlich der, dass aus den Ergebnissen 
an Apnoischen nicht auf die an Normalen geschlossen werden darf, sich 
meiner Auffassung anzunähern beginnt. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Die Ausstellung für Verwundeten-Fürsorge ist am 
17. d. M. mit einer eindrucksvollen Feier im Kuppelraum des Reichstags¬ 
gebäudes in Anwesenheit der Prinzessin Eitel Friedrich eröffnet 
worden; die Herren Ministerialdirektor Kirchner, Generalarzt Paalzow 
und Marinegeneralarzt Schmidt sowie der stellvertretende Inspekteur 
der freiwilligen Krankenpflege, Fürst und Herzog zu Trachenberg, 
wiesen in ihren Begrüs9UDgsan3prachen auf die Bedeutung der Ausstellung 

1) Vgl. meine früher citierte Arbeit, S. 488. 


Nr. 61 . 


hin, die wesentlich darin liegt, dass dem grossen Publikum an Modellen, 
Plänen, Photogrammen usw. klar gemacht wird, in welcher Weise die 
verschiedenen Organisationen zur Verwundetenpflege sich auf den Ernst¬ 
fall vorbereitet hatten und nun, Hand in Hand arbeitend, das den Um¬ 
ständen nach Erreichbare leisten. Wir werden auf den reichen Inhalt 
der Ausstellung, um deren Organisation sich ganz besonders Herr 
Regierungsassessor Schöneberg verdient gemaobt hat und deren Besuch 
auch den in der Heimat tätigen Aerzten lebhaft empfohlen werden kann, 
noch eingehender zurückkommen. 

— Herr Dr. Magen-Breslau, der hochverdiente Redakteur des ärzt¬ 
lichen Vereinsblattes, ist im Alter von etwa 50 Jahren bei einer not¬ 
wendig gewordenen Darmoperation gestorben. Die deutsche Aerzte- 
scbaft verliert mit diesem feinen Kopf und warmfühlenden Sozialpolitiker 
einen ihrer besten Männer, dessen Verdienste wir in einem eigenen 
Nachruf noch würdigen werden. 

— Der Frankfurter ärztliche Verein hat eine ständige Kommission 
für Volksernährungsfragen eingerichtet. Die Kommission hat zunächst 
in gemeinsamer Beratung mit der städtischen Lebensmittelkommission 
ein Merkblatt bearbeitet, das der Bevölkerung als Richtschnur dienen möge. 

— Verlustliste. I. Gefallen: Marine-Stabsarzt F. Baumann 
(Passow). Feldunterarzt Fr. Dierke. Feldunterarzt Gustav Dün- 
bier, Inf.-Reg. Nr. 158. Stud. med. Karl Guide, Res.-Feld-Art.-Reg. 
Nr. 54. Unterarzt Hammel (Strassburg), Inf.-Reg. Nr. 143. Stabsarzt 
d. R. Martin Heyde (Marburg). Caud. med. Johann Hein. Kriegs- 
freiw. Kurt Kuckuck. Unterarzt Arthur Löwenstein. Stabs- und 
Batailloosarzt Fritz Poly (Würzburg), Inf.-Reg. Nr. 116. Leutnant 
cand. med. W. Richter. Stud. med. 0. Roecke, Inf.-Reg. Nr. 116. 
Unterarzt Seligmann, Res.-Inf.-Reg. Nr. 214. Stud. med. E. Semmel. 
Gefreiter d. R. stud. med. Hugo Steinbaoh. — II. Verwundet: 
W. Al wen s (Stuttgart). Stabsarzt Blau. Unterarzt d. R. K. Capelle. 
Detachementsarzt Sig. Cohn (Nackel). Oberarzt E. Co mm er eil. Ober¬ 
arzt d. R. Ehrmann (Berlin), Privatdozent. Unterarzt H. Feist- 
Wollheim (Berlin). Stabsarzt W. Hintze (Bonn). Stabsarzt M. 
Jaerisch (Grabow). Unterarzt Kappelmeier (Nürnberg). Stabsarzt 
d. R. Lehrnbacher (Hof). Stabsarzt Meitzer (Hagenow). Stabsarzt 
Müller, Füs.-Reg. Nr. 40. Oberarzt d. R. E. Ott (Rottweil). Oberarzt 
d. R. Plagnieux. Assistenzarzt Sauerborn. Assistenzarzt Schauss 
(Wiesbaden). Oberarzt d. R. Schlenzka. Assistenzarzt d.R. H. Schmitt. 
Unterarzt Seckendorf (Greiz). Stabsarzt S oh ege (Hamburg). Oberarzt 
Strecker, Landw.-Iof.-Reg. Nr. 18. Vierzigmann (Wassertrüdingen). 
Zahnarzt J. Wagner (Braunschweig). Stabsarzt A. Ziaja (Leobschutz). 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: Geh. San.-Rat Dr. 
Bock in Erfurt. 

Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: Kreisarzt a. D., Geh. Med.-Rat Dr. 

Prawitz in Berlin-Lichterfelde, bisher in Brandenburg a. H. 
Niederlassungen: Dr. M. Richter in Freienwalde a. 0., J. Komp 
in Hildesheim, W. Fürst, F. Wehner und Dr. E. Nathan in Frank¬ 
furt a. M., M. Brexendorff in Schollene, M. Müller in Halberstadt, 
Dr. S. Adler in Frankfurt a. M. 

Gestorben: Dr. F. Solmersitz in Schwarzort (Kr. Memel), Prof. Dr. 
S. Gottschalk in Charlottenburg, San.-Rat Dr. K. Königsdorf, Dr. 
L. Popke, Geb. San.-Rat Dr. L. Wolff und Geh. San.-Rat Dr. 
H. Wessely in Berlin, Geh. San.-Rat Dr. H. Müller in Halberstadt, 
Geh. San.-Rat Dr. E. Hermes in Oschersleben, Geh. San.-Rat Dr. 
L. Kuntz in Wanzleben, San.-Rat Dr. H. Harger in Neuenhaus, 
San.-Rat Dr. K. Leineweber in Münster, San.-Rat Dr. G. Gilde¬ 
meister in Oelde. 


Danksagung. 

Es ist ein Vorreoht des Redakteurs, dass er gelegentlich einmal die 
Blätter, die sonst nur wissenschaftlichen und allgemeinen Interessen ge¬ 
widmet sind, einem persönlichen Zweck dienstbar machen darf. Von 
diesem Vorrecht hat mein geschätzter Kollege Hans Kohn Gebrauch 
gemacht, als er noch nach Redaktionsschluss der vorigen Nummer dieser 
Wochenschrift die überaus freundlichen Worte einfügte, die meinem 
60. Geburtstage galten; durch sie sind, wie ich annehme, weitere Kreise 
veranlasst worden, sich meiner bei dieser Gelegenheit zu erinnern, als 
ich das sonst in diesen ernsten Zeiten, in denen Leben und Tätigkeit 
des einzelnen so wenig Geltung beanspruchen darf, hätte vermuten 
können. Ich will nicht leugnen, dass mir und den Meinigen solche 
Teilnahme gerade jetzt besonders wohlgetan hat; und so sei es mir ver- 
stattet, ebenfalls in erster Linie diese, mir seit Beginn meiner Laufbahn 
liebe und vertraute Stelle zu einem Danke zu benutzen, den ich hier 
mit herzlichster Empfindung zunächst auf die Personen meines getreuen 
Mitarbeiters in der Redaktion, sowie meines alten und verehrten Freundes 
und Verlegers, Herrn Albert Aber, konzentriere, den aber auch hieraus 
bereits alle anderen Kollegen und Freunde erkennen wollen, die mic 
durch gütiges Gedenken geehrt haben. 

Berlin, den 17. Dezember 1914. C. Posner- 

Für dl« Redaktion reruitwörtlich Prof. Dr. Hins Kohn, Berlin W., BajrrcntherStrws««. 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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Gougle 


Original fram 

UNIVERSITY OF IOWA 




01* Berliner Klinische WoCftonsclirift erwheliit Jeden 
Montag ia Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4, — 
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen 
alle Buchhandlungen und Postanstalten an. 


BERLINER 


Alle Einsendungen für die fcedakUtm and Rzpeditioh 
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung 
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden 
Kr. 68, adressieren. 


KLINISCHE WOCn ENSCHRIFT. 


Organ für praktische Aerzte. 


Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung 

nach amtlichen Mitteilungen« 

Redaktion: Expedition: 

Geb. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kolm. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin. 


Montag, den 28. Dezember 1914. 


JM52. 


Eimmdfüofirigster Jahrgang. 


INHALT. 


Origtaaliei: weil. Wachsner: Zur Kenntnis der bilateralen Asymmetrie 
des menschlichen Körpers. (Aus der chirurgisch-orthopädischen 
Heilanstalt von Dr. Fritz Wachsner-Berlin.) (Illustr.) S. 1953. 

Melchior: Zur Kasuistik der Verwundungen durch indirekte Pro¬ 
jektile. (Aus der Breslauer chirurgischen Klinik.) (Illustr.) 
S. 1956. 

Boenheim: Ein Fall von Intoxikation nach Tetanusheilserum. 
(Aus dem Reserre-Lazarett Bensbeim.) S. 1956. 

Plesoh: Ueber einen neuen Apparat zur Bestimmung der Blut- 
menge im lebenden Organismus. (Aus der II. medizinischen 
Klinik der Charite Berlin.) (Illustr.) S. 1957. 

Buschke und Hirschfeld: Sepsis mit dem Blutbild der apiasti¬ 
schen Anämie im Anschluss an Gonorrhöe. (Aus der dermato¬ 
logischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses in Berlin.) 
(Illustr.) S. 1958. 


Aus der chirurgisch-orthopädischen Heilanstalt 
von Dr. Fritz Wachsner-Berlin. 

Zur Kenntnis der bilateralen Asymmetrie des 
menschlichen Körpers. 

Zugleich eio Beitrag zur Genese des Naegele’schen 
Beckens. 1 ) 

Von 

weil. Dr. Fritz Wachsner, 

gefallen vor dem Feinde. 

M. H ! Gestatten Sie, dass ich Ihnen zunächst einen Fall 
demonstriere, den ich Ihnen, da er von ausserhalb ist, leider 
nicht in Person vorführen kann. Ich bitte Sie daher, mit Bildern 
vorlieb nehmen zn wollen. 

Es handelt sich um ein 8jähriges Mädchen, das zu mir kam behufs 
Anfertigung eines Mieders, weil es schief sei. Aus der Anamnese ist zu 
erwähnen, dass Eltern und Geschwister absolut wohl gebaut und ge¬ 
sund sind, das Kind regelrecht geboren wurde, ausser Masern nie krank 
gewesen ist, nicht an englischer Krankheit gelitten, zu normaler Zeit 
laufen gelernt hat, aber von Geburt an eine hohe Hüfte, ein kürzeres 
rechtes Bein und einen kürzeren rechten Fuss gehabt habe, weshalb die 
Eltern schon in der frühesten Kindheit einen Arzt konsultierten; es 
sei immer etwas lahm gegangen, ein deutliches Hinken habe jedoch 
nicht bestan den. ln der Schule kam es gut fort, nur ermüde es leicht | 
beim Gehen. Irgendwelche nervöse oder trophische Störungen, wie Bett¬ 
nässen un(d dgl. sind nicht vorhanden. Betrachten wir nun das Kind 
von vorn Abbildung 1), so sehen wir, dass das Becken nach links ver¬ 
schoben erscheint, während der Rumpf nach der rechten Seite geneigt 
ist, etwa so, wie wir es bei einer statischen Skoliose finden. Betrachten 
wir jedoch das Kind von hinten (Abbildung 2), so sehen wir, dass es 
sich hier ura keine einfache statische Skoliose handelt. Die rechte 
Beckenhälfte ist nicht gesenkt, die rechte Glutäalfalte steht bedeutend 
höher als die linke und weist eine starke Atrophie auf. Das rechte 
Schulterblatt steht höher als links und erscheint auch etwas kleiner als 
das andere. Die Wirbelsäule verläuft bis zum Lendenteil nahezu gerade, 
daun verliert sich die Linie der Dornfortsätze, weioht brüsk nach rechts 
ab, an einer Stelle, wo das Thorairelief eine deutliche Vertiefung auf weist. 

Ich wusste mit dem Befunde nichts Rechtes anzufangen und machte 
ein Röntgenbild, zunächst eine Uebersiobtsaufnähme vom Beoken (Ab- 

1) Nach einem Vortrag, gehalten in der Berliner orthopädischen 
Gesellschaft am 4. Mai 1914. 


Loewy: Ein Fall von fraglicher Kombination der multiplen Sklerose 
mit Poliomyelitis. (Aus der Nervenbeilstatte Lankwitz.) S. 1962. 
ten Horn: Zur Diagnose der Appendicitis. S. 1962. 

BScherbespreehnngen : Linok: Das Cholesteatom des Schläfenbeins. 
S. 1963. (Ref. Haike.) — Kowarscbik: Die Diathermie. S. 1963. 
(Ref. Tobias.) — Michaelis: Die Wasserstoffionen-Konzentration. 
S. 1963. (Ref. Jacoby.) 

Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner Gesellschaft 
für Psychiatrie und N ervenkrankheiten. S.1963. — Natur- 
bistorisch-medizin.Verein zu Heidelberg. S. 1965. — K. k. 
Gesellschaft der Aerzte zu Wien. S. 1965. — Gesellschaft 
für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Wien. S. 1966. 
Kriegsärztliche Abende. S. 1967. 

Oppenheim: Frankl-Hochwart +. S. 1968. 

Tagesgeschichtl. Notizen. S.1968. — Amtl. Mitteilungen. S.1968. 


bildung 3). Und da bietet sich nun folgendes Bild: das Becken ist 
hochgradig asymmetrisch, statt des schönen kartenherzförmigen Eingangs 
sehen wir einen schräg-ovalen. Die rechte Beckenhälfte steht mit der 
Crista ilei höher, ist bedeutend unterentwickelt, ist flacher und offenbar 
kalkarmer als auf der anderen Seite. Die beiden Pfannen weisen keine 
gröberen Anomalien auf, nur liegt die rechte etwas weiter nach vorn, 
der rechte Schenkelhals erscheint eine Spur verlängert, der Schenkel¬ 
halswinkel eine Idee verkleinert. Feinere Details sind auf diesem tech¬ 
nisch schlechten Bilde nicht zu erkennen. Das Wesen der Anomalie 
präsentiert sich jedoch sehr schön in Abbildung 4. Wir erkennen hier, 
dass der rechte Kreuzbeinflügel ebenso wie der Sakralzapfen des Ueum 
fehlt, bzw. hochgradig unterentwickelt ist, und dass anscheinend zwischen 
Kreuzbein und Os ileum eine Synostose vorhanden ist. Mit anderen 
Worten, meine Herren, wir haben es hier mit dem Typus eines Naegele- 
schen Beckens zu tun. Die drei Charakteristika des Naegele-Beckens: 
die Unterentwicklung eines Kreuzbeinflügels, speziell in lateraler Richtung, 
die Unterentwicklung des Sakralzapfens des Darmbeins und die Synostose 
beider mit all ihren Folgeerscheinungen sind hier vorhanden. Das 
Kreuzbein steht offenbar schief, die linke Hälfte des Os sacrum liegt 
weiter dorsalwärts, die rechte mehr ventralwärts, woraus die schräg-ovale 
Verengerung des Beckens resultiert. Morphologisch erklärt sich diese 
schiefe Stellung des Os sacrum dadurch, dass der Beckenring auch nach 
der Geburt noch nicht fix ist, sondern noch verschiedene Umformungen 
erfährt. Im Laufe des Wachstums wandert das Kreuzbein mehr dorsal¬ 
wärts. Infolge der rechtsseitigen Synostose ist offenbar in unserem 
Falle nur die linke Hälfte diese Wanderung angetreten. Die Lenden¬ 
wirbelsäule bildet einen stark rechtskonvexen Bogen, im übrigen sind 
jedoch, trotz dieser hochgradigen Lumbal-Skoliose, so gut wie gar keine 
Gegenkrümmungen vorhanden, was von allen Autoren als charak¬ 
teristisch bei Naegele’schem Becken angegeben wird. M. H.! Ich erlaube 
mir, Ihnen zum Vergleich ein Naegele’sches Becken aus der Original¬ 
arbeit von Naegele 1 ) zu projizieren, ebenso eins der wenigen existieren¬ 
den Skelette mit Naegele’schem Becken, das einer Abbildung von Breus 
und Kolisko 2 ) entnommen ist. Wier sehen hier genau die gleichen 
Verhältnisse wie auf dem vorliegenden Röntgenbild. Wenn wir zu diesem 
zurüokkehren, so erblicken wir aber noch andere Anomalien des Skelett¬ 
systems. Wir sehen, dass die linke 12. Rippe rudimentär ist. Wir 
sehen, dass beiderseits eine Halsrippe besteht, bei genauem Zusehen 
bemerken wir auch, dass der 4. Brustwirbel deformiert ist und einen 
medialen Spalt aufweist. M.H.! Sie sehen auch an diesem Falle be¬ 
stätigt, wie richtig die Annahme ist, dass Halsrippen gewissermassen 


1) Naegele, Das schrägverengte Becken. Mainz 1839. 

2) Breus und Kolisko, Die patholog. Beokenformen. Leipzig u. 
Wien 1900. 


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Original frn-m 

UNIVERS1TV OF IOWA 




1954 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 52. 



nur ein Signal für das Vorhandensein von Skelettanomalien überhaupt 
darstellen. 

Ich glaube, dass angesichts dieser Befunde, die doch offenbar in das 
Gebiet der kongenitalen Missbildungen zu rechnen sind, dass angesichts 
der vorhergegebenen Anamnese an einer kongenitalen Genese des hier 
vorliegenden Naegele’schen Beckens nicht zu zweifeln ist. Ich erwähne 
dies besonders deshalb, weil Breus und Kolisko und mit ihnen eine 
Reibe anderer Autoren wie Thomas 1 ) im Gegensatz zuNaegele selbst 
und den älteren Anatomen wie Rokitansky 5 ) behaupten, dass es kon¬ 
genitale Naegele’sche Becken nicht gäbe, sondern alle auf eine frühere 


Beim Naegele’schen Becken hat offenbar die unterentwickelte Seite diese 
erste caudalwärts gerichtete Wanderung nicht angetreten. Infolge dessen 
steht die Darmbeinschaufel höher, andererseits kommt es, wie wir dies 
ja bei sehr vielen Unterentwicklungen zweier benachbarter Skelettteile 
sehen, zur Synostosenbildung zwischen Kreuzbein und Os iiium. 

Abgesehen von dieser wohl einwandsfreien kongenitalen Genese der 
Deformität ist der hier vorliegende Fall vor allem noch dadurch hoch¬ 
interessant, dass er der jüngste der bisher zur Beobachtung gelangten 
ist. Nach Breus und Kolisko stammt das jüngste anatomische Prä¬ 
parat von Naegele’schein Becken von einer 16järigen Ipara, der jüngste 
klinisch festgestellte Fall stammt von einer 21jährigen Patientin. Ob 
röntgenologisch in früherem Lebensalter ein Naegele’sches Becken dia¬ 
gnostiziert ist, konnte ich nicht ermitteln. 

M. H.! Wenn wir die Beschreibung von Naegele, Litzmann 1 ), 
Thomas, Breus-Kolisko und die Schilderungen in den modernen ge¬ 
burtshilflichen Lehrbüchern lesen, so finden wir überall die Angabe, 
dass das Naegele’sche Becken bei der Lebenden so gut wie gar keine 
Erscheinungen bezüglich unsymmetrischer Körperformen mache, ja nur 
in den allerseltensten Fällen ist eine Gangstörung beobachtet worden. 
Ein Beweis wie gut die Natur imstande ist, selbst so hochgradige De- 
fnrmiftmrwren zu komDensieren. Ja Breus und Kolisko erzählen sogar 


Abbildung 1, 


Abbildung 2. 


Abbildung 4. 


60 a 


als illustr 3 ^ je 
belfer, d6 Jab V 
Auftrag g a £ i0 v ol 

Studente® pr äpa’ 


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r , im Laufe des Wacbs- 
niei 6n Folgeerscheinungen 

ale Naegele’sche Becken 

ein7 enhäIfte infolge aDge- 
d#M. e uI rÜhereQ ßntwicklungs- 
ten r ,rbeIs äule unabhängig 
. Lendenwirbel, zwischen 
jedoch das Becken tiefer, 
fcopfwärts zu wandern. 

erengt en Beckens. Mscbr. 

Bd - I, Wien 1844. 


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Original frorm 

UNIVERSUM OF IOWA 











28. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1955 


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i 

u 





und Gesichtshälfte weniger entwickelt war. Es erscheint in dem ersten 
Moment paradox, doch komme ich später darauf zurück. Die anderen 
Asymmetrien zu ungunsten der rechten Körperseite sind jedoch durch 
genaue Messungen festgestellt. 

Rechts Links 


i Spina iliaca ant. sup. — Mall. ext. ... 53 cm 54 cm 

Trochanter major — Mall, ext.45 „ 46 „ 

Oberschenkelumfang 10 cm unterhalb 
des Trochanters Umfang über die Mitte 

der Patella.24 , 25 „ 

Umfang der Wade.19 „ 22 „ 

Extremität } Aromion “ Radiusende . 35 » 36 * 

Thoraxumfang \ 

in Höhe der > Bei Mittelstellung ..30 „ 32 „ 

Mammilla ) 


Vor allem aber weist das Kind noch eine grobe asymmetrische Stö¬ 
rung auf, nämlich einen rechtsseitigen Klauenhohlfuss. Dieser ist in 
Abbildung 5 deutlich zu sehen. Auch erkennt man hier sehr schön die 


Abbildung 5. 



starke Atrophie des rechten Unterschenkels. Die Diagnose „Klauenhohl¬ 
fuss“ wurde durch das Röntgenbild bestätigt. Irgend welche Sensibilitäts¬ 
störungen sind am rechten Bein nicht vorhanden, nur besteht eine leichte 
livide Verfärbung und Kälte desselben. Auf Entartungsreaktion habe 
ich leider vergessen zu prüfen. 

M. H., wenn wir uns nun der Epikrise dieses Falles zuwenden, 
so müssen wir zunächst die Frage entscheiden, ob die hier vor¬ 
handene Asymmetrie der beiden Körperhälften als primäre, als 
idiopathisch kongenitale Unterentwicklung anzusehen ist, auf der 
gleichen Stufe stehend wie die Unterentwicklung der rechten 
Beckenbälfte, oder aber, ob die Asymmetrie nur sekundär ist, 
etwa im Sinne einer Inaktivitätsatrophie infolge geringerer stati¬ 
schen Inanspruchnahme als links. 

M. H., ich habe versucht, mich über die bilaterale Asymmetrie 
des menschlichen Körpers in der Literatur zu unterrichten, fand 
aber zu meinem grossen Erstaunen, dass dieses Gebiet von ortho¬ 
pädischer Seite bisher nur wenig Beachtung gefunden hat. 

Nur eine Publikation von Böhm 1 ) liegt vor, der diese Verhältnisse 
in seinem hier in der Gesellschaft im vorigen Jahr gehaltenen Vortrag „Ueber 
die angeborenen Entwicklungsfehler des Rumpfskeletts“ näher berührt 
hat. Dieses geringe Interesse an dieser eigenartigen Störung des Körper¬ 
baues ist um so verwunderlicher, als den Anatomen diese Erscheinungen 
schon längst bekannt sind. Und so liegen denn auch eine Reihe von 
Arbeiten älterer und jüngerer Anatomen über dieses Thema vor. Sie 
alle, wie Meckel 2 ), Hasse 3 ), Liebreich 4 ), v. Bardeleben 6 ), Gau pp 6 ) 
kommen auf Grund zahlreicher Messungen an Leichen und an Lebenden 

1) Böhm, Die angeborenen Entwicklungsfehler des Rumpfskeletts. 
B.kl.W., 1913, Nr. 42. 

2) Meckel, Ueber die seitliche Asymmetrie im tierischen Körper. 
Halle 1822. 

3) Hasse, Arch. f. Anat. Phys., Anat. Abt., 1887, 1891. 

4) Liebreich, Die Asymmetrie des Gesichts und ihre Entstehung. 
Wiesbaden 1908. 

5) v. Bardelehen, Ueber bilaterale Asymmetrie usw. Verb. d. 
anat. Ges., Jahrg. 23, 1909. 

6) Gau pp, Die normale Asymmetrie. Jena 1909. 


zu dem übereinstimmenden Resultat, dass von einer bilateralen Sym¬ 
metrie im Körperbau des Menschen und der höheren Wirbeltiere nicht 
im mindesten dio Rede sein kann. Die rechte obere Extremität ist bei 
den meisten Menschen länger und voluminöser als die linke, die' rechte 
Thoraxseite meist stärker entwickelt als die andere, die linke untere 
Extremität dagegen, gewissermaassen eine gekreuzte Asymmetrie zur 
Kompensation, länger, der linke Fuss stärker als der rechte, eine Er¬ 
scheinung, die ja auch jedem Schuhmacher geläufig ist. Was die Asym¬ 
metrie des Gesichts angebt, so überwiegt die linke Gesichts- und Schädel¬ 
hälfte über die rechte, was von den Anatomen mit der stärkeren Ent¬ 
wicklung der linken Hirnhemisphäre in Zusammenhang gebracht wird. 
Das Gemeinsame dieser gewissermaassen physiologischen Asymmetrie ist 
jedoch, dass sie nicht von Geburt an vorhanden ist, sondern erst im 
Laufe des Wachstums allmählich entsteht. An Säuglingen und Kindern 
in den ersten Lebensjahren findet man diese Asymmetrien noch nicht. 
Es liegt daher der Einwand nahe, dass es sich hier um Differenzen 
handelt, die durch eine verschieden starke funktionelle Inanspruchnahme 
sekundär hervorgerufen sind. Dieser Einwand kann mit Recht für die 
obere Extremität erhoben werden, dagegen lassen sich die Asymmetrien 
von Thorax und unterer Extremität m. E. damit nicht erklären. Wir 
müssen vielmehr unbedingt aünehmen, dass es sich hier um von Natur 
aus den einzelnen Gliedmaassen mitgegebene verschieden starke Wachs¬ 
tumsintensitäten handelt, die wohl ebenso wie die WachstumsrichtuDg, 
durch die Funktion beeinflusst, aber nicht völlig durch sie hervorgerufen 
werden. Selbst für die obere Extremität erklärt die Funktion nicht 
alles. Es ist ja allgemein bekannt, dass Kinder im ersten Lebensjahr 
beide Arme gleicbmässig gebrauchen, jedenfalls den einen Arm nicht 
mehr bevorzugen als den anderen. Man hat daraus geschlossen, dass 
die spätere Rechtshändigkeit eine Folge der Gewöhnung oder Erziehung 
sei. Mit Recht weist Bardeleben in seinem Referat über die bila¬ 
terale Asymmetrie des menschlichen Körpers darauf hin, dass dies 
nicht richtig ist. Denn ohne alle äusseren Einflüsse beginnen die Kinder 
etwa im 8. Monat den rechten Arm (nur ausnahmsweise den linken) 
vorzuziehen, und bei Beginn des 2. Lebensjahres ist die Rechtshändig¬ 
keit ausgebildet. Es bringt also das Kind die Neigung, den rechten 
Arm im Gebrauch dem linken vorzuziehen, unbedingt mit auf die Welt, 
was nur den Schluss zulässt, dass dem rechten Arm von Natur aus eine 
stärkere Wachstumsenergie innewohnt. Ob man nun diese angeborene 
Wachstumstendenz in das Skelett oder aber wie Cunningham 1 ) in das 
Gehirn verlegen will, lässt Barde leben dahingestellt und ist m. E. 
auch nebensächlich. 

Nun, m. H., wenn wir derartig verschieden starke, auf kon¬ 
genitaler Basis beruhende Wacbstumsintensitäten der einzelnen 
Abschuitte des Skelettsystems als vorhanden annehmen müssen, 
so liegt doch der Gedanke nicht fern, dass es sicherlich eine 
Reihe von Fällen geben wird, wo diese Wachstumsenergie der 
einen Seite des ja ursprünglich bilateral angelegten Rumpf- und 
Extreraitätenskeletts nach der einen oder anderen Richtung hin 
gestört sein wird. Ebenso wie der physiologische asymmetrische 
Schädel unmerklich in den pathologischen „Schiefkopt“ übergeht, 
um den Ausdruck von Böhm zu gebrauchen, beruhend auf einer 
pathologisch verminderten zu prämaturen Synostosen führenden 
Wachstumsintensität der einen Hälfte, so werden auch sicherlich 
eine Reihe von Störungen im Aufbau des ganzen Körpers in dem 
Ueberwiegen der einen, in dem Zurückbleiben der anderen Seite 
ihre Erklärung finden. 

M. H.! Derartige, ins Gebiet des Pathologischen zu rechnende 
Fälle von ganzseitigen Asymmetrien sind schon öfter beschrieben. 
Humphrey 2 ) hat schon 1870 einen derartigen Fall von Unter¬ 
entwicklung der ganzen linken Körperbälfte einschliesslich der 
Extremitäten geschildert; auch den heute hier demonstrierten 
Fall glaube ich als eine derartige angeborene Asymmetrie der 
ganzen rechten Körperseite ansehen zu können. Denn wenn auch 
vielleicht die Atrophie der unteren Extremität als sekundär auf¬ 
gefasst werden kann, so lässt sich doch die Unterentwicklung der 
rechten Thoraxseite und der rechten oberen Extremität nicht so 
erklären. Denn wir sehen doch derartige Asymmetrien im Ge¬ 
folge von statischen Skoliosen, und in diese Rubrik müsste man 
doch die hier vorliegende Lumbalskoliose einreihen, auch nicht 
auftreten. Vor allem spricht aber die Tatsache dagegen, dass 
bei den durch irgendwelche entzündliche Prozesse erworbenen 
Fällen von Naegele’schem Becken derartige Asymmetrien noch 
nicht beobachtet sind. Der hier vorhandene Hohlfuss, der seit 
Geburt zu bestehen scheint, ohne dass irgendwelche nervöse Aus¬ 
fallserscheinungen vorhanden sind, den wir also als idiopathisch 
kongenital ansehen müssen, beruht sicherlich auf einer Unter¬ 
entwicklung der gleichseitigen Rückenmarkshälfte, die ebenso 
wie die der ganzen übrigen Körperseite und des Beckens vor¬ 
handen ist. Entsprechend der Unterentwicklung der rechten 

1) Cunningham, Right-handedness and left-brainedness. Journ. 
of the Anthropol. lnstit. of Great Brit., 1902, Bd. 32, S. 273. 

2) Humphrey, Journal of anatomy and physiology, 1870. 


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Original frn-m 

UMIVERSITY OF IOWA 












1956 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 52. 


Seite findet sich eine Unterentwicklüng der linken Hirnhemi¬ 
sphäre, woraus die Asymmetrie des Schädels mit Ueberwiegen 
der rechten Hälfte resultiert. 

M* H ! Wachstumsstörungen kongenitaler Natur speziell im 
Sinne der Unterentwicklung sind uns ja geläufige Begriffe, alle 
augeborenen Missbildungen gehören ja mehr oder minder in ihr 
Bereich. Nur, glaube ich, dürfen wir in ihnen nicht nur intra¬ 
uterine, auf den Defekt lokalisierte WachstumshemauiDgen er¬ 
blicken, sondern müssen sie ebenfalls in das Gebiet der aus¬ 
gedehnten bilateralen Asymmetrien einreihen. Bei allen Miss¬ 
bildungen der Extremitäten ist das Wachstum auf Seite der Miss¬ 
bildung nicht nur absolut, sondern auch relativ herabgesetzt. 
Beim kongenitalen Radiusdefekt bleiben im Laufe des Wachstums 
auch bei normal gebildeter Ulna sowohl Vorder- wie Oberarm in 
der Entwicklung zurück. Es ist also hier nicht nur eine ins 
Pathologische gesteigerte Herabsetzung in der Wachstumsenergie 
des Radius vorhanden, sondern es besteht auch eine solche von 
Ulna und Humerus. Vielleicht findet man hierbei, wenn man 
genau darauf achtet, auch noch weitere Asymmetrien zuungunsten 
der kranken Seite. Beim Hemivertebra finden wir eine 
Unterentwicklung der einen Wirbelhälfte. Trotz dieses relativ 
geringen Defektes sehen wir im Laufe des Wachstums grobe 
Asymmetrien des ganzen Rumpfskeletts entstehen, die wir 
mechanisch nicht erklären können, die aber verständlicher 
werden, wenn wir annehmen, dass auf der Seite des Defektes 
ein Zurückbleiben des Wachstums statthat, das nicht nur auf den 
einen deformierten Wirbel, sondern auch auf die benachbarten 
gleichseitigen Wirbelhälften und Rippen sich erstreckt. Verfolgt 
man diesen Gedankengang weiter, so nähern wir uns der alten 
Hueter’scben Theorie. Wir kommen zu der Annahme, dass auch 
ohne diese grobsichtbaren Defekte es eine Reihe von Skoliosen 
geben muss, die auf eine angeborene Herabsetzung der Wachstums¬ 
energie der einen Seite zurückzuführen sind, eine Form von kon¬ 
genitaler Skoliose, auf die auch Schulthess 1 ) und Böhm 2 ) 
schon hingewiesen haben. Diese Skoliosen, die zur Zeit des 
stärksten Wachstums manifest werden, herausznfinden, ist nur auf 
Grund von exakten Messungen an einem grossen Material möglich, 
wobei speziell zahlenmässig die Unterentwicklung der Thorax¬ 
hälften und der Gliedmaassen, besonders der oberen, auf der 
konkaven Seite festzustellen wären. 

M. H.! Wenn wir nun nach dem letzten Grunde dieser 
bilateralen Asymmetrien fragen, so entzieht sich dieser selbst¬ 
verständlich unserer Kenntnis, und wir kommen über rein theo¬ 
retische Spekulationen nicht hinaus. Bemerken möchte ich je¬ 
doch, dass es dem Embryologen gelungen ist, durch mechanische 
Störung in dem normalen Furchungsprozess befruchteter Seeigel¬ 
eier Embryonen heranzuzüchten, bei denen korrespondierende 
Skelettabschnitte eine ausgesprochene Asymmetrie aufwiesen. 
Asymmetrische bilateral homologe Species sind auch von Driesch 
infolge unrichtiger Cbromosomenverteilung embryologisch fest¬ 
gestellt. Ob derartige Verhältnisse sich auch bei Menschen 
finden, lässt sich natürlich nicht sagen, und wird wohl ewig in 
geheimnisvolles Dunkel gehüllt bleiben. 


Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor: 
Geheimrat Prof. Dr. H. Küttner). 

Zur Kasuistik der Verwundungen durch 
indirekte Projektile. 8 ) 

Von 

Dr. Eduard Melchior, 

Assistent der Klinik. 

Unmittelbar nach Erscheinen der genannten Mitteilung, in 
der ich auf die besondere Gefährdung hinwies, welche die am 
Handgelenk mitgeführte Uhr im Feuergefecht für ihren Träger 
mit sich bringen kann, gelangte ein weiteres Beispiel für den 
geschilderten Verletzungsmechanismus in unsere Behandlung. 
Diese neue Beobachtung ist wohl geeignet, die Richtigkeit unserer 
These zu bestätigen; eine gesonderte Mitteilung desselben erscheint 
daher mit Rücksicht auf die praktische Bedeutung dieser Frage 
gerechtfertigt. 

1) Schulthess, Handb. f. orthop. Chir., Bd. 1. 

2) Böhm, 1. c. 

3) Nachtrag zu dem gleichnamigen Aufsatze in Nr. 46 dieser 
Wochenschrift, 


Der russische Grenadier W. B. wurde am 25. X. 1914 bei Grabow 
(Russisch-Polen) durch Infanteriegewehr verwundet. Das Geschoss traf 
die am linken Handgelenk getragene Uhr, welche zertrümmert 
und in die Handgelenksgegend eingetrieben wurde; es resultierte eine 
grosse, zerfetzte, stark blutende Wunde. — B. geriet dann in deutsche 
Gefangenschaft und wurde, auf dem Wege der Evakuation nach Magde¬ 
burg begriffen, wegen aufgetretener schwerer Allgemeinerscheinungen am 
17. XI. 1914 der Kgl. chirurgischen Klinik in Breslau zugeführt. 

Befund: Blasser, sehr leidend aussehender Mann; septischer All- 
gemeineindruck. Linke Hand und Vorderarm geschwollen. Die Streck¬ 
seite des linken Handgelenks ist in ihren äusseren Partien Sitz einer 
grossen, unregelmässigen, jauchenden Wunde (s. Abbildung). Das Hand¬ 
gelenk ist in diesem Bezirk breit eröffnet. Der gangränöse Daumen 
schwebt mit seinem zugehörigen Metacarpale frei an einer volaren Haut¬ 
brücke. * 



Die Röntgenaufnahme zeigt eine Zertrümmerung der Basen der 
Metacarpalia I —III, von den Elementen der Handwurzel ist nur das 
Triquetrurn und das Os hamatum einigermaassen intakt. Auch das 
proximale Radiusende ist an seiner Aussenseite gesplittert. Von Metall¬ 
teilen lässt das Röntgenbild jetzt — etwa 4 Wochen nach stattgefundener 
Verletzung! — ausser feineren „Spritzern“ nur noch ein gröberes Frag¬ 
ment, das sich bei der Entfernung als Teil des silbernen Halte¬ 
ringes der Uhr erwies, erkennen. 

Der Daumen wurde abgetragen, die völlig nekrotischen Metacarpalia 
II und III entfernt, der zerstörte Teil des Carpus excochleiert sowie 
eine ausgedehnte, in den tiefen Muskelinterstitien des Vorderarms sich 
abspielende Gasphlegmone breit inzidiert. 

Das ausgesprochen septisch intermittierende Fieber ist in der Folge 
allmählich heruntergegangen, der Allgemeinzustand hat sich wesentlich 
gebessert; die Prognose quoad vitam kann jetzt als günstig gestellt 
werden. Natürlich bleibt die Extremität irreparabel auf das schwerste 
geschädigt. 

Es schliesst also diese Beobachtung nach Art des Mechanis¬ 
mus, Schwere der Läsion und der consecutiven Erscheinungen so 
vollständig au den früher mitgeteilten Fall an, dass ein besonderer 
Kommentar sich erübrigt. 


Ans dem Reserve-Lazarett Bensheim (Chefarzt: 
Sanitätsrat Dr. Weissmann). 

Ein Fall von Intoxikation nach Tetanus¬ 
heilserum. 

Von 

Dr. Felix Boenheim. 

Trotzdem in der mächtig anschwellenden Literatur über die 
Therapie von Tetanus das Heilserum eine grosse Rolle spielt, ist 
von Intoxikationserscheinungen gar nicht die Rede. Es soll des¬ 
halb im folgenden eine Krankengeschichte veröffentlicht werdeD 
von einem Patienten, bei dem sich starke Vergiftungserscbeinungeo 
einstellten. 

Dieser Patient wurde am 4. X. prophylaktisch mit 20 L*E., ent¬ 
halten in 3 V 3 ccm Serum, subcutan gespritzt. In den folgenden Tagen 
trat geringer Juckreiz an der Impfstelle und später an der Brust auf, 
der sich auf Einreiben mit Thymolspiritus und auf indifferente Salben¬ 
verbände nicht besserte. Vielmehr nahm er im Laufe des 10. und 11- 
mächtig zu und breitete sich in der Nacht zum 12. über den Körper 
aus, so dass der Patient nicht schlafen konnte. Gegen 5 Uhr nachts 
stellte sich eine starke Defäkation eiü, die ein sofortiges Nachlassen 
des Juckreizes mit sich brachte. Allerdings trat gleich darauf ein® 
kurze Ohnmacht und ein Schwächeanfall, der einige Minuten anhie 1, 
auf. Bald darauf fing der Juckreiz wieder von neuem an. Um 8 0 r 
morgens konnte man am Kopfe, am Hals, am Rumpfe, an den oberen 



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e 


Original fram 

UMIVERSITY OF IOWA 





28. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1957 


Extremitäten und an den Oberschenkeln unmittelbar unter der Beuge 
eine starke Urticaria sehen. Der Patient wurde mit lauwarmem Wasser, 
dem etwas essigsaure Tonerde zugesetzt wurde, abgewaschen. Dies 
bringt auch momentane Linderung, die aber nicht lange vorhält. Da 
der Juckreiz unerträglich wird, bekommt Patient im Laufe des Tages 
4 cg Morphium. Der Puls ist klein; die Temperatur steigt bis 38°. 

Am nächsten Morgen ist der Juckreiz ganz verschwunden. Der 
Patient fühlt sich sehr matt und klagt über heftige Muskel-, Knochen- 
und Gelenkschmerzen. Wenn auch kein Glied verschont ist, so sind 
doch einzelne stärker betroffen, nämlich das rechte Schultergelenk (in 
dem rechten Oberarm wurde das Serum injiciert), das Grundgelenk des 
rechten Daumens und die oberen Brustwirbel. Die Bewegungen sind 
natürlich stark behindert, so dass z. B. das Durchschreiten eines mittel¬ 
grossen Zimmers etwa 10 Minuten dauert. Nervenschmerzen fehlen. 
Acidum acetyl. salicyl., wie auch Anlegen der Bier’schen Stauungsbinde 
bringen keine Besserung. Dagegen hilft Phönixbehandlung ein wenig. 
Nach 24 Stunden hat sich der Zustand soweit gebessert, dass nur noch 
Armbewegungen im rechten Schultergelenk schmerzhaft sind. Dagegen 
besteht noch allgemeine Schwäche. Der Puls beginnt voller zu werden. 
Dieser Zustand dauerte etwa noch 4 Tage, und zwar bestand am längsten 
eine Schwäche der Wadenmuskulatur. 

Es sei ferner noch bemerkt, dass von 4 mit demselben Serum 
gespritzten Personen nur eine noch über Juckreiz an der injicierten 
Stelle klagte, und zwar auch am 10. X., der aber auf die oben 
angegebene Behandlung schnell vorging. Die übrigen merkten 
von der Injektion nichts. 

Wir haben es also mit einer schweren Intoxikation nach 
Anwendung von Tetanusbeilserum zu tun. Ob es sich dabei um 
die Wirkung des spezifischen Tetanusantitoxins bandelt oder um 
die des artfremden Eiweisses ist a priori nicht zu entscheiden, 
da nach der Untersuchung von Meyer und Ranson das Tetanus¬ 
antitoxin durch die Blutbabn gebt und nicht durch die Neiven- 
stämnse, so dass motorische Störungen nicht zu erwarten sind 1 ). 

Da man aber dieselben Erscheinungen in einem nicht ge¬ 
ringen Prozentsatz nach Anwendung von Diphtherieheilserum 
siebt, so liegt der Schluss nahe, die Intoxikation auch hier auf 
das artfremde Eiweiss zu schieben. Und man muss ferner daraus 
schliessen, dass Kinder, bei denen ja das Diphtherieheilserum 
meist angewandt wird, empfindlicher gegeu artfremdes Eiweiss 
sind als Erwachsene. 

Die Beobachtung, dass nach der Defäkation eine Besserung 
eintrat, dürfte vielleicht ein Hinweis für den Ort der Ausscheidung 
sein, was späteren Untersuchungen überlassen bleiben soll. 


Aus der II. medizinischen Klinik der Charite Berlin 
(Direktor: Greheimrat F. Kraus.) 

Ueber einen neuen Apparat zur Bestimmung 
der Blutmenge im lebenden Organismus. 

Von 

J. Plesch. 

(Vortrag, gehalten in der Berliner physiologischen Gesellschaft im Mai 1914.) 

Mit Zuntz habe ich eine Methode der Blutmengenbe- 
stimmnng angegeben, die im Wesen darin besteht, dass wir einen 
Menschen ein abgemessenes Quantum CO einatmen lassen und 
dann in einem kleinen Quantum Aderlassblut das an das Hämo¬ 
globin gebundene CO quantitativ bestimmen. Die Formel, nach 
welcher die Blutmenge berechnet werden kann, lautet: Blutmenge = 
b Xc 

—-—; wobei b die analysierte Blutmenge; c die eingeatmete 

Kohlenoxyd menge; o die in der analysierten Blutmenge gefundene 
Kohlenoxydmenge bedeutet. 

Das Verfahren besteht also hauptsächlich aus drei Phasen: 
1. Einatmung des Kohlenoxyds, 2. Blutentnahme, 3. Analyse des 
gebundenen Kohlenoxyds im Blut. 

War auch mit dieser Methode eine recht grosse Genauigkeit 
zu erzielen, so war die Atmungseinrichtung etwas kompliziert, 
die Art der Blutentnahme den Patienten lästig, und die Blut¬ 
analyse so difficil, dass nur wenige sich damit zurecht gefunden 
haben. Die Ziele der Modifikation waren also gegeben, und ich 
glaube, dass die hier beschriebene Methode dazu beitragen wird, 
künftig mehr Arbeiter zu veranlassen, die wichtige Frage der 
Blutmenge in Angriff nehmen. 

1) Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass eine ganz gewöhnliche 
unspezifische „Serumkrankheit“ vorliegt, für deren Behandlung ich nach 
Erfahrung an einigen Fällen einen Versuch mit Calcium chloratum glaube 
empfehlen zu können. H. K. 


Seit dem Erscheinen unserer Arbeit 1 ) hat v. Behring, 
fassend auf einen Vorschlag Ehrlich’s 2 ), eine Methode der Blut- 
meogenbestimmnng angegeben, die, abgesehen von ihrer Kom¬ 
pliziertheit und Umständlichkeit, zu keinen exakten Resultaten 
führen kann und deshalb unsere Kritik herausfordert, v. Behring 
verwendet Tetanusantitoxin, das er den Menschen einspritzt und 
sucht dann in entsprechenden Tierexperimenten, in abgemessenen 
Blutquantitäten des gespritzten Individuums, das Tetanusantitoxin 
quantitativ zu bestimmen. Dieser Methode liegt die Voraussetzung 
zugrunde, dass das Tetanusantitoxin nicht nur quantitativ unaus- 
gescbieden und unzerstört im Organismus bleibt, sondern auch, 
dass die verwendete Menge allein im Blute kreist. Wenn auch 
unsere Kenntnisse über das Tetanusantitoxin zu beweisen scheinen, 
dass es lange Zeit im Organismus bleibt und im Blute kreist, so 
ist es durch nichts erwiesen, dass die gesamte einverleibte 
Menge in Circulation bleibt, es ist sogar sehr wahrscheinlich, 
dass es sich auch an andere Organe kettet, bzw. auch in anderen 
Säften des Körpers sich befindet Wir werden also auf alle 
Fälle höhere Werte erhalten, als es der Norm entspricht. Aber 
selbst wenn wir diesen Umstand unbeachtet lassen und auch die 
unvermeidlichen Versuchs fehl er, die bei einer biologischenTitrierung 
Vorkommen und durch die vielen Etappen der Versuchsanordnung 
sich zu grösseren Fehlern summieren, nicht weiter in Betracht 
ziehen, so wird es sich bei der Ehrlich-Behring’schen Methode 
nur um eine Bestimmung des Blutserums bandeln, und wir müssen 
in jedem Fall die quantitative Bestimmung des Blutplasmas vor¬ 
nehmen. Eine Kritik der Hämatokritmethode hier zu geben er¬ 
scheint überflüssig; sie wird gerade wegen der grossen Ungenauig- 
keit kaum mehr angewendet und ist für die genaue Blutmengen- 
bestimmung unbrauchbar. Diese Ausführungen erklären zur Ge¬ 
nüge die hohen Normalzahlen, die v. Behring und andere, die 
mit seiner Methode gearbeitet haben, gefunden haben. Er fand 
6,6 pCt. des Körpergewichts gegenüber meinen Normalzahlen von 
5,3 pCt. des Körpergewichtes. 

Die hier vorgeschlagene Modifikation der eben beschriebenen 
Blutmengenbestimmungsmethode bezieht sich auf alle drei Phasen 
des Versuches. 

ad 1. Das Individuum atmet durch ein Gummimundstück bei 
entsprechender Absperrung der Nase mit einer Nasenklemme, in 
einen etwa 5 Liter fassenden Gummisack, der mit etwas Kalilauge 
benetzt und mit Sauerstoff gefüllt ist. Zwischen dem Gummisack 
und dem Mundstück ist noch ein mit Natronkalk gefülltes, 
U-förmiges Zwischenstück eingeschaltet, welches aber keinen er¬ 
heblichen respiratorischen Widerstand bilden darf. Durch eine 
Capillare wird über einem graduierten Messgefäss das abgemessene 
Quantum Kohlenoxyd so verabreicht, dass nur bei jeder Inspi¬ 
ration das Kohlenoxyd durch die Capillare strömt. Es wird also 
die grösste Menge des Kohlenoxyds direkt in die Lunge bzw. in 
das Blut aufgenommen, ohne sich vorher mit dem Sauerstoff im 
Respirationssystem gemischt zu haben. Der Vorzug dieser Ein¬ 
richtung ist, dass wir nach beendetem Versuch die ganze Luft¬ 
menge, die sich in dem respiratorischen System befindet, genau 
feststeilen können. Wir bedienen uns dabei einer mit Wasser 
gefüllten Flasche, deren Gewicht wir vorher festgestellt haben. 
In diese Flasche führen wir das Gas des respiratorischen Systems 
so über, dass das Wasser verdrängt wird. Wir können dann ans 
der Menge des verdrängten Wassers, d. h. aus der Gewichtsab¬ 
nahme der Flasche, die im respiratorischen System befindliche 
Gasmenge genau bestimmen. Es wäre ohne weiteres möglich, 
eine Probe des im respiratorischen System befindlichen Gases 
nach dem Versuch direkt auf den procentigen Kohlenoxydgehalt 
analysieren, doch ist dies nicht nötig, weil vielfache Unter¬ 
suchungen hez. der Dissoziationskurve des Kohlenoxyd-Hämoglobins 
ergeben haben, dass 0,05 pCt. Kohlenoxyd mit einem Blute, 
welches bis zu einem Drittel mit Kohlenoxyd gesättigt ist, in 
Tensionsgleicbgewicht stehen. Wir können also ohne weiteres 
die nicht im Blute aufgenommenen Kohlenoxydmengen dadurch 
bestimmen, dass wir pro 100 ccm Gas, welches im respiratorischen 
System enthalten ist, 0,05 ccm in Rechnung stellen. 

ad 2. Was die Blutentnahme anbelangt, so wird diese während 
der Kohlenoxydeinatmung ungefähr 5 Minuten nach Beginn des 
Versuches aus der Armvene erfolgen. Wir benutzen hierzu eine 
etwa 10 ccm enthaltende Rekordspritze, die mit einer feinen 
Platinkanüle armiert ist und zur Verhinderung der Blutgerinnung 
eine geringe Spur von Hirudinlösang enthält. 


1) Plesch, Hämodynamiscbe Studien. Berlin 1909, A. Hirschwald. 

2) Ehrl ich-Lazarus, Die Anämie. Nothnagel’s Handbuch. 

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UNIVERSUM OF IOWA 



1958 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. 52. 


Um eine genaue Abmessung der nun zur Untersuchung ge¬ 
langenden Blutmengen zu ermöglichen, verbinden wir die Rekord¬ 
spritze vermittels eines Capillarscblaucbes mit einer, zu serologi¬ 
schen Zwecken gebräuchlichen, auf 0,01 ccm geteilten Capillar- 
pipette, die wir von untenher, durch Vorschieben des Spritzen¬ 
stempels, langsam aufföllen. Auf diese Weise wird das Blut nur 
mit einer kleinen Oberfläche mit der Luft in Berührung kommen, 
wodurch ein Verlust des Blutes an Kohlenoxyd durch Gasdiffusion 
fast gänzlich ausgeschlossen ist. 

Zur Analyse des an das Hämoglobin gebundenen Kohlenoxyds 
bedienen wir uns der Ferricyanidmethode. Die Methode beruht 
darauf, dass, wenn wir zu einem lackfarben gemachten Blute 
Ferricyanid binzufügen, das an das Hämoglobin gebundene Gas 
quantitativ frei wird. Zur Ausführung dieses Versuches sind viel¬ 
fach Apparate angegeben worden, und auch ich selbst habe einen 
derartigen Apparat konstruiert. Der Hauptfehler bei diesen Be¬ 
stimmungen ist bedingt durch die vitale Sauerstoffzehrung des 
Blutes einerseits, andererseits durch die Tensionsdifferenzen der 
verwendeten Flüssigkeiten, wie auch durch die Abweichungen teils 
im Thermobarometer, teils im Untersuchungsgefäss. AU diese und 
wohl noch andere Uebelstände werden durch die sogenannte diffe¬ 
rentialmanometrische Methode Barcroft’s inhibiert, und wenn 
wir zur Blutmengenbestimmung resp. zur Bestimmung kleiner 
Kohlenoxydmengen im Blute den Differentialmanometer gebrauchen, 
so werden wir in verhältnismässig einfacher und leichter Weise 
grosse Genauigkeiten erreichen können. Zu diesem Zwecke emp 
fehle ich den hier abgebildeten Apparat 1 ). (Abbildung.) 



dann, wenn wir die Ferricyanid Blutreaktion in beiden Gefässen 
ausführen, wird sich keine Aenderung an dem Stand des Mano¬ 
meters nach weisen lassen. Bringen wir behufs der Kohlenoxyd- 
Analyse die gleiche Menge Blut in beide Gefässe, und zwar so, 
dass wir das Blut unter einer 1 / l proz. Ammoniaklösung in B und C 
einfliessen lassen, bringen wir weiterhin eine gesättigte Ferricyanid- 
lösung beiderseits mit einer CapiHarpipette durch die Oeffnnng 
in die Gefässe E, und hängen wir den ganzen Apparat an den Haken 
F in eine Wasserwanne, so dass das ganze ausserhalb des Manometers 
stehende System sich unter gleichmässiger Temperatur des Wasser¬ 
bades befindet, so darf sieb an dem Stand des Manometers, weil 
doch in beiden Hälften dieselben Bedingungen herrschen, keine 
Aenderung zeigen. Drehen wir aber die eine Birne, nachdem wir 
durch gelindes Schütteln das Blut durch die darüberbefindlicbe 
Ammoniaklösung lackfarben gemacht haben, so dass wir auf der 
einen Seite das Ferricyankalium aus E hintufliessen lassen, so wird 
aus dem Hämoglobin das Kohlenoxyd wie der Sauerstoff in Freiheit 
gesetzt, und es muss in dieser Hälfte des Systems ein positiver 
Druck herrschen. Auf beiden Seiten ragen in diese Birnen Platin* 
Elektroden D hinein, die mit einer 0,1 mm dicken Platinspirale 
verbunden sind. Die Platinspiralen können bei entsprechend 
eingeschaltetem Lampen-Widerstand durch den gewöhnlichen 
Strassenstrom zum Glühen gebracht werden. Tun wir das, nach¬ 
dem sich die Reaktion auf der einen Seite vollzogen hat, so wird 
das Kohlenoxyd zu Kohlensäure verbrannt und die Kohlensäure 
wieder durch das im Gefäss befindliche Ammoniak absorbiert 
Daraus resultiert endlich eine VolnmenabDahme resp. eine 
Druckabnahme, die am Manometer ablesbar ist. Damit wir 
nicht mit dem ganzen System gegen den Druck, der durch die 
Erwärmung der glühenden Spiralen im System entsteht, zu kämpfen 
haben, sind in den unteren Teilen des Manometers beiderseits 
die kugeligen Erweiterungen R angebracht, wodurch wir er¬ 
reichen, dass bei Ausdehnung der erwärmten Gase das Nelken¬ 
öl in das Steigrohr S verdrängt wird und so der ganze Druck, 
der bei dem Glühen der Spirale entsteht, in einen Nelkenöl- 
druck von etwa 7 cm Höhe verwandelt wird, also in einem 
Druck, gegen welchen wir die eingeschliffenen Glasteile des 
Apparates nicht besonders zu schützen brauchen. Da wir das 
Volumen des Gefässes resp. die einer bestimmten Volumenzunahme 
entsprechende Manometerdifferenz durch spezielle Aichung fest- 
gestellt haben, so können wir nun ohne weiteres aus der Höhen¬ 
differenz der Manometerschenkel die an das Hämoglobingebundene 
Kohlenoxydmenge leicht berechnen. Die Differentialmetbode kann, 
wie aus dieser Beschreibung ersichtlich ist, ohne weiteres auch 
zur Sauerstoffkapazitätsbestimmung dienen, indem wir 
das vollkommen mit Kohlenoxyd gesättigte Blut mittels Ferri- 
cyankaliums freimachen und auf diese Weise sowohl die Gasmenge 
bestimmen, wie durch Verbrennung die Kontrollanalyse aas¬ 
führen können. 


Aus der dermatologischen Abteilung des Rudolf 
Virchow - Krankenhauses in Berlin (dirigierender 
Arzt: Prof. A. Buschke). 

Sepsis mit dem Blutbild der apiastischen 
Anämie im Anschluss an Gonorrhöe. 

Von 

Prof. A. Buschke und Dr. H. Hirschfeld. 


M und N sind die Manometerschenkel. Das Manometer ist 
mit Nelkenöl gefüllt, dessen spezifisches Gewicht gleich ist mit 
ca. 10 000. Bei Kommunikation der Manometer nach aussen, 
durch eut8precbende Stellung der T-Hähne F und G kann durch 
die Druckschraube P auf den Gummiteil Y des abgeschlossenen 
Steigerohres S das Niveau des Nelkenöls auf den Null¬ 
punkt der Spiegel-Millimeterskala eingestellt werden. Jeder 
einzelne Manometerschenkel ist in Verbindung mit einer Glas¬ 
birne B und C, uüd zwar mittels eines eingeschliffenen Glasstopfens. 
In den eingeschliffenen Glasstopfen mündet seitlich ein kleines 
Gefäss E, welches bei entsprechender Stellung der leicht im 
Schliff drehbaren Birne seinen Inhalt bei K entleeren kann. 
Wenn wir in beiden Glasbirnen dieselben Reagentien hineinbringen, 
so wird auf beiden Seiten die Tension die gleiche sein, und auch 


1) Der Apparat wird von Bleckmann und Burger, glasmecbaoiscbe 
Werkstätte, Berlin N. 24, Philipstr. 3a, hergestellt. 


Das Auftreten weitgehender Regenerationserecheinungen von 
seiten des Knochenmarks bei Anämien ist ein geradezu gesetz- 
mässiger Vorgang. Wir finden bei der Obduktion selbst schwerster 
Anämien in den sonst nur Fettmark enthaltenden Diapbysen der 
langen Röhrenknochen rotes Mark, und auch die Untersncbnog 
des Marks der kurzen Knochen auf Schnitten zeigt, dass die m 
der Norm nachweisbaren Fettlücken zum grössten Teil oder g*w 
durch Zellmark ersetzt sind. Vorwiegend finden wir eine starke 
Vermehrung der erythroblastischen Anteile des Marie, doc 
nehmen auch die farblosen Elemente an den reaktiven Vor¬ 
gängen teil. _ , 

Die Regeneration des Blutes erfolgt bei Anämien mit e 
gleichen Gesetzmässigkeit, mit welcher nach einer Kontinu» s 
trennung der Haut oder anderer Organe die Bildung von braw 
lationsgewebe einsetzt, welcher später die Narbenbildnng Wjr 
Ein ganz seltenes und ungewöhnliches Ereignis * st .® 8da ’ 
wenn die Regeneration des Blutes bei Anämien ansbleibt, * 


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UNiVERSITY OF IOWA 








28. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1959 


die bekannteo Reaktions Vorgänge des Knochenmarks nicht ein- 
treten. Solche Anämien ohne Regenerationsvorgänge kennen wir 
erst seit einer einschlägigen Mitteilung Ehrlich's, der für solche 
atypischen Fälle den Namen „apiastische Anämie* 4 einführte. 

Später erst stellte sich auf Grund eingehender Untersuchungen 
heraus, dass bei der sogenannten apiastischen Anämie nicht nur 
eine Regeneration von seiten des Knochenmarks ausbleibt, 
sondern meist sogar eine ausgesprochene und schwere Atrophie 
desselben eintritt. Man findet also nicht nur gelbes, reaktions* 
loses Fettmark in den langen Röhrenknochen, sondern auch einen 
weitgehenden Schwund aller zeitigen Elemente im Mark der 
kurzen Knochen, von denen meist nur spärliche lympbocytiforme 
Zellen und minimale Mengen kernhaltiger roter übrig bleiben. 

Während man ein blosses Ausbleibea einer Knochenmarks¬ 
regeneration durch eine angeborene Schwäche des hämatopoeti- 
schen Apparates erklären kann und erklärt hat, kann man nicht 
umhin, für das Zustandekommen eines direkten Zellschwundes 
im Knochenmark toxische Momente zur Erklärung herbeizuziehen. 

ln den meisten bekannt gewordenen Fällen von schwerster 
Anämie mit Knochenmarksatrophie lassen sich aber keinerlei 
ätiologische Momente eruieren. Immerhin aber gibt es doch 
bereits eine kleine Zahl von Fällen in der Literatur, in denen 
offenbar toxisch infektiöse Schädigungen zur Erklärung des eigen¬ 
artigen Verhaltens des hämatopoetischen Apparates ohne Schwierig¬ 
keiten verantwortlich zu machen sind. So ist in dem Fall von 
Barberis eine puerperale Infektion, in den Fall von Babonneix 
und Paisseau eine Paratyphusbacillensepsis, io einem Fall von 
Herz eine Aogina mit Abscess, in einem anderen Fall eine 
schwere Dermatitis, in einem Fall von Stursberg eine Strepto¬ 
kokkensepsis, in einem Fall von H. Hirsch fei d eine Lympho¬ 
granulomatose wohl als Ursache der schweren degenerativen 
Schädigung des Knochenmarks anzusehen. 

Für die Einwirkung einer schweren toxischen Schädigung 
spricht auch in vielen Fällen der akute, oft foudroyante Verlauf 
mit schwerer hämorrhagischer Diathese und Fieber. 

Eine infektiöse Schädigung lag in ganz offensichtlicher und 
nicht zu verkennender Weise in einem sehr bemerkenswerten von 
uns beobachteten Falle vor. Hier war seltsamerweise eine 
Gonorrhöe das Grundleiden. Erst besondere Komplikationen 
führten zu dem eigenartigen und ungewöhnlichen Verlauf und 
dem schliesslichen tödlichen Ausgang, nachdem sich eine Sepsis 
und eine schwere Anämie entwickelt hatte. 

G. L., Zeichner aus Berlin, geboren am 20. V. 1888. 

Der Pat. trat am 15. XII. 1913 wegen eines Trippers in ärztliche 
Behandlung und erhielt Einspritzungen in die Harnröhre. Am 7. XII. 
stellten sich Schmerzen im rechten Hacken, am 15. XII. eine Schwellung 
im rechten Kniegelenk und am 24. XII. Schmerzen im linken Knie¬ 
gelenk ein. Er bekam während dieser Periode der Gelenkschwellungen 
Saliteinreibungen, Diplosaltabletten und 32 intravenöse Collargol- 
injektionen. Am 24., 26. und 28. XII. soll er je eine intramuskuläre 
Artbigoneinspritzung bekommen haben. Nach der ersten Arthigonein- 
spritzung sollen die Schmerzen sofort verschwunden gewesen sein, nach 
der zweiten Injektion stellten sich wieder Schmerzen ein, die nach der 
dritten nicht nachliessen. Wegen der Erfolglosigkeit der bisherigen Be¬ 
handlung suchte der Pat. das Rudolf Virchow-Krankenhaus auf. Er 
klagte bei der Aufnahme über Schmerzen in beiden Kniegelenken und 
im rechten Hacken. 

Befund: Kleiner, schmächtig gebauter Mann mit schwacher Musku¬ 
latur, blasser Gesichtsfarbe, von schlechtem Ernährungszustand. Innere 
Organe ohne krankhafte Abweichungen. Im Urin kein Eiweiss und 
kein Zucker. 

Deutliche Schwellung des rechten Kniegelenks, aber kein Erguss. 
Das linke Kniegelenk ist passiv und aktiv frei und schmerzlos beweg¬ 
lich, das rechte Kniegelenk kann nur bis zu einem Winkel von etwa 
80° gebeugt werden, wobei Schmerzen auftreten. Der rechte Hacken 
schmerzt beim Auftreten, zeigt aber objektiv keine Veränderungen. Die 
Untersuchung auf Gonorrhöe ergibt eine Trübung der ersten Urinportion, 
zweite Portion klar. Im Sekret der Urethra anterior finden sich Gono¬ 
kokken, Eiterkörperchen und Epithelien. 

Therapie: Stützen durch Sandkissen, Heissluft, Einreibungen mit 
Ichthyolvaseline. Der Tripper wird mit Alb'argin behandelt. 

8. II. 1914. Der stark reduzierte Kräfte- und Ernährungszustand fällt 
recht in die Augen, auffällige Blässe der Haut und der Schleimhäute, 
defekte Zähne, Zunge trocken, Rachenorgane und Zahnfleisch ohne Be¬ 
fund. Keine Milz- und keine Lymphknotenschwellungen. 

Nachdem die Temperatur schon am 7. II. 38° erreicht hat, steigt 
sie am 8. II. bis auf 38,8°. 

9. H. Pat. fängt plötzlich ohne jede greifbare Ursache stark aus 
der Nase zu bluten an. Tamponade. Kurz naoh Stillung der Blutung 
aus der Nase, fängt eine Blutung aus der Harnröhre an. Pat. erhält 
innerlich Stypticin. 

12. 11. Wiederholte Blutungen aus Nase und Harnröhre. Pat. 


mag wohl im ganzen an 500 ccm Blut verloren haben. Die Tempe¬ 
ratur war in den letzten Tagen morgens etwas über 37° und erreichte 
abends 38,8 # . 

14. II. Geringer Erguss ins rechte Kniegelenk. Pat. fühlt sich 
sehr elend. Temperatur abends 39,2°. Näheres über den Verlauf der 
Temperatur siehe die beistehenden Kurven. 

14. H. Pat. fühlt sich sehr elend, fiebert weiter. Keine Zunahme 
der Geienkschwellungeo. 

18. II. Am Herzen anämische Geräusche. Blutbefund: Hämoglobin 
25 pCt. (Sahli). Eine prozentuale Auszählung der weissen Blutkörper¬ 
chen in Trockenpräparate ergab folgendes Resultat: Polymorphkernige 
Neutrophile 20 pCt., Eosinophile 1 pCt., Lymphooyten 75 pCt., grosse 
Mononucleäre 3 pCt., Mastzellen 1 pGt. In gefärbten Präparaten wurden 
einige kernhaltige rote Blutkörperchen gefunden, keine nennenswerte 
Poikilocytose. 

26. II. Pat. fühlt sioh immer elender. Im Harn kein Albumen 
und keine Cylinder. Haut- und SchleimhautblutuDgen sind nicht nach¬ 
weisbar. 

25. II. Im Urin kein Albumen und keine Cylinder. 

26. II. Leiohte Nasenblutung. 

27. II. Das Befinden des Kranken ist ein ausserordentlich elendes 
geworden, es macht sich Herzschwäche bemerkbar, so dass Digalen ge¬ 
geben wird. Eine Blutuntersuohung hatte folgendes Resultat: Hb 15 pCt., 
Leukocyten 900, davon polymorphkernige Neutrophile 15 pCt., kleine 
Lymphooyten 80 pCt., grosse Mononucleäre 4 pCt., Mastzellen 1 pCt. An 
den roten Zellen massige Poikilocytose und Polychromasie nachweisbar. 
Die meisten Zellen sehr blass. 

28. II. Keine Milz- und Lymphdrüsenschwellungen, keine Druck¬ 
schmerzhaftigkeit der Knochen. 

Urin frei von Eiweiss und Cylindern. 

Venenpunktion, Blutkultur (Dr. Lief mann). Es wuchsen Staphylo¬ 
kokken. Andauernd kontinuierliches Fieber seit 14. II. Abends zwischen 
39 uad 40°, morgens zwischen 37 und 38° schwankend, ln derselben 
Zeitperiode noch einigemale nioht sehr hochgradiges Nasenbluten. Gono¬ 
kokken der Urethra verschwunden, geringe Sekretion der Urethra an¬ 
terior. 

1. III. Enorme Schwäche, kleiner, leicht unterdrückbarer, stark be¬ 
schleunigter Puls. Augenhintergrundbefund: Der Sehnerv ist beiderseits 
unscharf begrenzt und sehr blass. Um den Sehnerven herum reichlich 
grosse und kleinere Blutungen, die zum Teil hellgraue und weissliche 
Herde umschliessen. Die Peripherie erscheint frei. Fundus anämisch, 
Blutsäulen sehr hell. 

3. III. Puls sehr schlecht, Benommenheit, gegen Abend Exitus. 

Sektionsprotokoll (v. Hansemann): Kleine Leiche von mässig 
entwickelter Muskulatur und Fettpolster. Die Haut ist auffallend blass. 
An den unteren Extremitäten und au den Händen bleibt die durch 
Fingerdruck erzeugte Delle bestehen. Blutiges Gerinnsel am Orificium 
extern, urethrae. 

Brusthöhle: Naoh Eröffnung des Thorax liegt das Cor io ganzer 
Ausdehnung frei vor. Im Herzbeutel befinden sich ca. 60 ccm einer 
rotgelblichen Flüssigkeit. Die Aorta pulmoualis wild zwecks Blutent¬ 
nahme zu bakteriologischen Untersuchungen in situ eröffnet. Die nach¬ 
folgende Sektion des Herzens ergibt, dass dasselbe von normaler Grösse 
(= Faust der Leiche) ist und nirgends Veränderungen zu finden sind. 

Die Sektion der linken Pulmo macht durch ausgedehnte Ver¬ 
wachsungen der beiden Pleurablätter Schwierigkeiten. Auf dem Durch¬ 
schnitt erscheint die linke Pulmo auffallend blassrot. Konsistenz ist 
normal. An der rechten Pulmo bestehen keine Pleuraadhäsionen. Da¬ 
gegen ist die Konsistenz des rechten Uaterlappens vermehrt. Auf dem 
Durchschnitt entquillt dem Lungengewebe reichlich Flüssigkeit. In der 
Peripherie des rechten Mittellappens zeigen sich auf dem Durchschnitt 
einzelne weissgelbliche Herde, welche mit ihrer rötlichen Umgebung von 
vermehrter Konsistenz erscheinen. 

Bauchhöhle: Lage der Bauchorgane regelrecht. Das Netz über¬ 
deckt einen grossen Teil der DünndarmschliDgen und ist von normaler 
Beschaffenheit. Die Bauchorgane präsentieren sich in ihrer peritonealen 
Bekleidung eigentümlich glasig und auffallend blass. Ascites io der 
Bauchhöhle. 

Milz ist von normaler Grösse, Konsistenz, Farbe. Auf dem Durch¬ 
schnitt keine makroskopischen Veränderungen. 

Nebennieren von normaler Grösse; keine Veränderungen. 

Nieren: Beide Nieren sind vergrössert, und zwar scheint diese 
Vergrösserung auf einer Verbreiterung der Rindenschicht zu beruhen. 
Auf der Oberfläche und dem Durchschnitt erscheinen die Nieren auf¬ 
fallend blass. Die Rindenschicht sieht trübe aus. 

Leber ist vergrössert, Konsistenz etwas vermindert, gelblich ver¬ 
färbt. Läppchenzeichnung erhalten. 

Magen-Darm ist auffallend blass. 

Pankreas von normaler Grösse, sehr blass. 

Die Genitalorgane, Penis, Hoden, Prostata, Rectum und 
Harnblase werden im Zusammenhang herausgenommen. 

In der Blase und der Urethra normale Beschaffenheit, nament¬ 
lich keine Perforation. 

Gehirn auffallend blass. 

Anatomische Diagnose: Auaemia acuta. Oedema omn. ex- 
tremit. Sanguis in orificio extern, urethrae. Pleuritis fibrosa pulmon. 
sin. Anaemia pulmon. Oedem. lob. inf. dextr. pulm. Absoessus pulm. 

2 * 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 52. 



deitr. Nephritis parenchymat. Adipositas 
hepatis. Anaemia renum, hepatis tractus, 
intestinalis, cerebri. Ascites abdomin. 

Staphylokokkensepsis. 

Chemische Untersuchung: Leber 
enthält reichlich Silber. Niere nur einen 
Hauch, (gez.) Lob. 

Bakteriolog. Untersuchung: In 
der Lunge und im Kniegelenk: Stapbyloe. 
aureus haemolyt. Im Knochenmark ebenso. 
Mit dem Blut des Lebenden ist die Züch¬ 
tung einzelner Staphyloc. aureus-Kolonien 
auch gelungen, (gez.) Liefmann. 

Resümee. Im Anschluss an 
einen Tripper entwickelt sich bei einem 
25 jährigen Mann ein Rheumatismus, 
der mit Diplosal,^ Saliteinreibungen, 
Collargol- und Arthigoninjektionen 
behandelt wird. Eine Besserung tritt 
nicht ein, und der Patient kommt in 
recht elendem; Zustand ins Virchow- 
Krankenhaus. Hier wird eine Affektion 
beider Kniegelenke festgestellt, der 
Harnröhrentripper bestand noch. Gono¬ 
kokken noch nachweisbar. Es bestand 
eine Urethritis anterior et posterior, 
Prostata, Hoden frei. Der Tripper 
besserte sich nach Injektions- und 
Spülbehandlung, so dass die Gono¬ 
kokken verschwanden. Gegen die 
Gelenkaffektiou wurde therapeutisch 
lokale Wärmeapplikation und Ein¬ 
reibung der erkrankten Gelenke mit 
Ichthyolvaselin angewandt. Plötzlich 
beginnt Patient zu fiebern, und dieses 
Fieber hielt unter beträchtlicher Ver¬ 
schlechterung des Allgemeinbefindens 
mit einer kurzen Unterbrechung bis 
zum Tode des Patienten an. Es ent¬ 
wickelt sich eine schwere hämor¬ 
rhagische Diathese mit Nasen-, Harn¬ 
röhren- und Augenhintergrundsblu¬ 
tungen. Die Anämie nimmt einen sehr 
hohen Grad an, die bakteriologische 
Untersuchung ergibt Stapbylococcos 
aureus im Blut und im Koiegelenk- 
erguss. Der Exitus tritt am 81. Tage 
des Krankenbausaufenthaltes ein. 

Die Sektion ergibt eine akute Ne¬ 
phritis, schwerste allgemeine Anämie, 
ein schlaffes Herz, einen Abscess in 
der rechten Lunge, gelbes Mark in 
den langen Röhrenknochen. Auch 
aus dem bei der Sektion entnommenen 
Knochenmark wurden Staphylokokken 
gezüchtet. 

Es hat sich also bei unserem 
Patienten im Anschluss an eine Gonor¬ 
rhöe eine Staphylokokkensepsis ent¬ 
wickelt, die zu Gelenkaffektionen, 
akuter Nephritis und schwerster 
Anämie mit Leukopenie geführt hat. 

Was nun zunächst die Frage des 
Zusammenhanges der Gonorrhöe mit 
der Staphylokokkensepsis betrifft, so 
wissen wir, dass sowohl lokale wie 
metastatische Komplikationen bei Go¬ 
norrhöe Vorkommen, die nicht durch 
den Gonococcus, sondern entweder 
durch Gonokokken und andere Bak¬ 
terien oder durch andere Bakterien 
allein hervorgerufen werden. Was zu¬ 
nächst die lokalen Komplikationen be¬ 
trifft, so erwähnen wir die peri¬ 
urethralen Abscesse, die selten Gono¬ 
kokken und häufig Staphylo- oder 
Streptokokken enthalten. Auch pro¬ 
statische Abscesse enthalten bau ß 
letztere Mikroorganismen, bei Kpi* 


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didymitis und eventuell hierbei sich entwickelnden Abscessen 
liegen wohl nur sehr selten Mischinfektionen vor; immerhin 
weisen wir auch hier auf die nicht sehr häufigen Fälle von Hoden- 
und Nebenhodengangrän bei Gonorrhöe hin, wo gelegentlich Coli- 
bacillen im Gewebe sich finden. (Vgl. die Mitteilungen von 
Buschke 1 ) und Multzer 2 3 * ). 

Auch Thrombose des Plexus prostaticus mit nachfolgender 
Streptokokkensepsis bei Gonorrhöe wird beobachtet. Wir verfugen 
über eine diesbezügliche Beobachtung, wo es zu einer metastati¬ 
schen Ophthalmie kam, die die Enucleatio bulbi nötig machte. 

Aber auch septische Gelenkmetastasen, die durch pyogene 
Mikroorganismen allein oder zusammen mit den Gonokokken bei 
Gonorrhöe hervorgerufen werden, sind beobachtet von Finger, 
Morris, Classen, Fraenkel, Rindfleisch u. a. 

Ferner ist auch schwere septische Endocarditis, Pyämie durch 
Mischinfektion bei Gonorrhöe zur Beobachtung gelangt. Dabei 
sei hervorgeboben, dass der als Ausgangspunkt dienende Harn¬ 
röhrentripper ganz leicht, ohne Komplikationen verlaufen kann. 
Auch gelingt es in diesen Fällen nicht immer, in der Urethra die 
septischen Mikroorganismen aufzufinden, so dass die Möglichkeit 
ventiliert werden muss, dass durch Gonokokkenmetastasen die 
Gewebe prädisponiert werden für die von einer anderen Körper¬ 
stelle eindringehden septischen Mikroorganismen 8 ). Die letztere 
Auffassung dürfte wohl für den vorliegenden Fall zutreffend sein, 
da in der Urethra und deren Anhängen keine pyogenen Mikro¬ 
organismen sich fanden. 

Dass der Gonococcus bei seiner Metastasierung solche 
schwere Blutveränderungen erzeugt, wie sie im berichteten Fall 
sich fanden, ist bisher nicht bekannt. Wir werden diese wohl 
der accidentellen septischen Infektion, für welche die Gonorrhöe 
die mittelbare Ursache war, in die Schuhe schieben müssen. 
Auch die Collargol- und Arthigoninjektionen dürften ätiologisch 
nach den bisher vorliegenden Erfahrungen wohl kaum in Betracht 
kommen. 

Was nun die schwere Anämie betrifft, die im Anschluss an 
die Sepsis entstand und zum Tode führte, so gehört dieselbe in 
die Gruppe der apiastischen Anämie und ist durch eine hoch¬ 
gradige Knochenmarksatropbie charakterisiert. Es war nicht nur 
das Mark der langen Röhrenknochen reaktionslos, sondern das Mark 
der kurzen Knochen war ausgesprochen atrophisch. Diese degene- 
rative Veränderung kennzeichnete sich schon makroskopisch da¬ 
durch, dass dieses Mark dünnflüssig und rosarot war, mikro¬ 
skopisch durch seine auffallende Zellarmut. Es enthielt ganz 
vereinzelt nur Normoblasten, die übrigen auch nur spärlich vor¬ 
handenen farblosen Elemente waren fast ausschliesslich kleine 
und mittelgrosse lymphoide Elemente, die auf Grund ihrer Kern¬ 
struktur als Myeloblasten angesehen werden müssen. Neben diesen 
Zellen waren in auffallend grosser Zahl Plasmazellen vorhanden. 

Auch in Milz und Lymphdrüsen, die sonst keine wesentliche 
Abweichung ihrer Struktur aufwiesen, waren die ungeheuer zahl¬ 
reichen Plasmazellen ein in hohem Masse auffallender und un¬ 
gewöhnlicher Befund. Bemerkenswerterweise bestand kein in¬ 
fektiöser Milztumor. Es muss ferner noch der ungewöhnliche 
Reichtum der Milz und vieler Lymphknoten an Blutpigment er¬ 
wähnt werden, ein Hinweis dafür, dass nicht nur eine gestörte 
Regeneration, sondern auch ein vermehrter Zerfall ätiologisch für 
die Pathogenese dieser Anämie anzunehmen ist. 

Interessant ist der ungewöhnliche Reichtum aller Blutbildungs¬ 
organe an Plasmazellen. Vielleicht ist er auf die Reizwirkung 
der Staphylokokken zurückzuführen. Wenigstens bestand in dem 
einzigen Falle der Literatur, in welchem ein ähnlicher Reichtum 
des Markes an Plasmazellen bei Schwund nicht des gesamten 
Myeloidgewebes, sondern nur des Granulocytenapparates von 
Hel ly beschrieben worden ist, auch eine Staphylokokkensepsis. 
Grössere Mengen Plasmazellen findet man übrigens öfter in den 
blutbildenden Organen bei anderen Infektionskrankheiten. Ihr 
reichliches Vorkommen wenigstens in den Lymphknoten und den 
spezifischen Produkten bei Tuberkulose und Lues ist ja lange 
bekannt. 

In selten klarer und unzweideutiger Weise zeigt unser Fall, 
dass sich die schwere Anämie und die Atrophie des Knochen¬ 
markes auf dem Boden einer Staphylokokkensepsis entwickelt hat. 

Im Verein mit den Fällen von Bar her is (Puerperalfieber), 


1) D.m.W., 1905, Nr. 38. 

2) Aroh. f. Denn. u. Syph., 1909, Bd. 94, H. 2 u. 3. 

3) Cf. N o b 1, Rheumatische Erkrankungen. Handbuch der Geschlechts¬ 

krankheiten. 


Herz (abscedierende Angina und Dermatitis), Stursberg und 
Babonneix und Paissean (Paratyphnsinfektion) liefert er einen 
wichtigen Beitrag zur Frage nach der Aetiologie und Pathogenese 
der apiastischen Anämie. 

Eine derartige Einwirkung auf Blut und Blutbildungsorgane 
ist aber jedenfalls eine seltene und ungewöhnliche Komplikation 
einer Sepsis. Die häufigste Veränderung des Blutes, welche sonst 
bei septischen Erkrankungen angetroffen wird, ist bekanntlich 
eine neutrophile Leukocytose. Oft findet man auch mehr oder 
weniger hohe Prozentzahlen von Myelocyten in solchen Fällen, 
gewöhnlich mit einer Verschiebung des neutrophilen Blutbildes 
nach links. Neuere Beobachtungen haben aber gezeigt, dass 
noch schwerere Schädigungen des Leukoblastenapparates Vor¬ 
kommen. Türk sowohl wie Schwarz haben über septische Er¬ 
krankungen berichtet, in derem Verlauf es zu einem völligen 
Schwund aller granulierten Leukocyten des Blutes und, wie der 
secierte Fall von Türk wenigstens beweist, auch des Knochen¬ 
markes gekommen war. Bei leukopenischen Werten bestanden 
fast alle farblosen Elemente des Blutes aus Lymphocyten. Ge¬ 
legentlich können solche Fälle, wie Türk und F. Marchand 
feststellen konnten, auch heilen und wieder einen normalen Blut¬ 
befund bekommen. 

Es kann also infolge einer Sepsis ohne nennenswerte 
Schädigung des Erythroblastenapparates ein Schwund des 
Grauulocytenapparates auftreten. Die myeloblastischen Vorstufen 
der granulierten Leukocyten verlieren ihre Fähigkeit zur Weiter¬ 
entwicklung unter dem Einfluss eines bakteriellen Toxins. 

Eine noch intensivere Einwirkung ist aber die gleichzeitige 
schwerste Schädigung der Bildungsstätten der roten und der 
weissen Elemente. Leichtere und mittelschwere Schädigungen 
derjenigen Gewebsanteile des Knochenmarks, welche die roten 
Blutkörperchen produzieren, sind bei Sepsis häufig, bei der 
man nur selten Anämie vermisst. Die schwersten Schädi¬ 
gungen des Erythroblastenapparates aber, die wir kennen, das 
sind die hier besprochenen apiastischen Anämien, die stets mit 
einer mehr oder weniger weitgehenden Alteration des Granulo¬ 
cytenapparates gepaart sind. Bei diesen totalen Erschöpfungs¬ 
zuständen des Knochenmarks ist den Stammzellen der gefärbten 
und ungefärbten Blutzellen die Fähigkeit der Produktion von 
Granulocyten and Erytbroblasten verloren gegangen. Was von 
diesen Zellen noch vorhanden ist, wird verbraucht, schliesslich 
bleiben nur noch die ungekörnten lymphoiden Knochenmarks¬ 
stammzellen, mag man sie Myelogonien, Lymphoidocyten oder 
Myeloblasten nennen, übrig, um schliesslich auch bis auf spär¬ 
liche Reste zu verschwinden. So war es auch in einigen Fällen 
der Literatur, so war es in unserem Fall von Staphylokokkeusepsis. 

Gelegentlich können solche Fälle mit völligem Granulocyten- 
und Erythroblastenscbwund differentialdiagnostisch von gewissen 
Formen akuter Myeloblastenleukämie nur schwer unterschieden 
werden. Das gilt natürlich nicht für typische akute Leukämien 
mit starker Vermehrung der Leukocyten, sondern für jene Fälle 
akuter aleukämischer Leukämie mit excessiver Leukopenie, wie 
sie von Herz, von Stursberg sowie von Dünner and Hirsch¬ 
feld 1 ) beschrieben worden sind. Auf Grund des Blutbefundes ist 
eine Unterscheidung nur dann möglich, wenn die wenigen vor¬ 
handenen, farblosen Zellen durch ihre Kernstruktur und eventuell 
ihre Grösse als Myeloblasten einwandfrei zo rekognoszieren sind. 
Fehlen ferner, wie es bei akuten Leukämien oft vorkommt, 
Schwellungen der Milz und der Lymphknoten, so kann nur die 
Sektion und die mikroskopische Untersuchung den Sachverhalt 
klären. In den schwersten Formen der apiastischen Anämie 
findet man zwar im Mark fast nur Myeloblasten, doch liegen sie 
äusserst spärlich verteilt. Man findet jedenfalls im Mark weit 
weniger farblose Zellen als normalerweise. Dagegen findet man 
bei akuter Myeloblastenaleukämie eine starke Myeloblasten¬ 
wucherung mit Schwund der Fettlücken. Das Wesen der Leuk¬ 
ämie ist eben die Hyperplasie des Markes, während wir bei der 
apiastischen Anämie eine Atrophie desselben finden. Gestützt 
wird die Diagnose Leukämie ferner durch den Nachweis von 
Myeloblastenherden iü anderen Organen, speziell in Leber und 
Nieren. 


Literatur. 

Stursberg, Zur Differentialdiagnose zwischen akuter Leukämie 
und Sepsis mit besonderer Berücksichtigung der Sepsis bei Verkümme¬ 
rung des Granulocytensystems. M. Kl., 1912, Nr. 13. — Türk, Sep- 

1) Diese Arbeit erscheint erst in der nächstfolgenden Nummer dieser 
Wochenschrift. Red 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 52. 


tische Erkrankungen bei Verkümmerung des Granulocytensystems. 
W.kl.W., 1907, Nr. 6. — Schwarz, Ges. f. inn. M. u. Kindhlk. z.Wien, 
1904; ref. W.kl.W., 1904. — P. Marchand, Ueber ungewöhnlich starke 
Lymphooytose im Anschluss an Infektionen. D. Arch. f. klin. M., 
Bd. 110, H. 3 u. 4. — Babonneix und Paisseau, Anämie infeetieuse 
peroicieuse aveo aplasie sanguine, moelle osseuse jaune, lymphocytique, 
reaction myötoide embryonnaire de la rate et des ganglions Iymphatiques. 
Arch. d. malad, du coeur eto., 1910, Nr. 10. — Barberis, Ueber einen 
Pall von schwerer Anämie im Puerperalfieber. Rif. med., 1908, Nr. 31. — 
Herz, Zur Kenntnis der apiastischen Anämie. W.kl.W., 1908,-Nr. 39.— 
H. Hirschfeld, Malignes Granulom und apiastische Anämie. Charitö 
Ann., Bd. 36. 


Aus der Nervenheilstätte Lankwitz (Sanitätsräte 
Dr. Frankel und Oliven). 

Ein Fall von fraglicher Kombination der 
multiplen Sklerose mit Poliomyelitis. 

Von 

Dr. Erwin Loewy, Arzt an der Heilstätte. 

Von August bis Oktober d. J. hatte ich Gelegenheit, einen 
Patienten zu beobachten, dessen Krankheit bzw. Summe von Er¬ 
krankungen mir wegen der theoretischen Wichtigkeit einer kurzen 
Erörterung wert scheint. 

Ich will gleich mit der Krankheitsgeschichte beginnen: 

34 jähriger Landrichter aus X. 

Familienanamnese ohne Besonderheiten. 

Pat. hatte mit 2 Jahren eine Erkrankung, die für „Kinderlähmung“ 
gehalten wurde und eine starke Schwächung des linken Beines zur Folge 
hatte, sonst will er stets gesund gewesen sein. Seine Amme soll krank 
gewesen sein und die Angehörigen befürchteten eine Ansteckung durch 
sie (nach Bericht der älteren Schwester scheint es sich um Tuberkulose 
gehandelt zu haben). Pat. bekam einen Hessing’schen Apparat für das 
linke Bein und konnte damit sehr gut gehen, ging z. B. als junger 
Student täglich zum Heidelberger Schloss hinauf. Seit Anfang der 
zwanziger Jahre aber verspürte er eine zunehmende Schwäche und 
Steifigkeit des rechten Beines und ein Schlapperwerden des ganzen 
Körpers. 

Er machte alle juristischen Examina prompt, ist jetzt seit 2 Jahren 
als Landrichter in X. angestellt und kann die Arbeit bis auf etwas 
leichte Ermüdbarkeit gut leisten. Zuerst konnte er noch zu seinem 
zwei Stockwerk hoch gelegenen Bureau selbst hinauflaufen, seit einiger 
Zeit muss er aber hinaufgetragen werden. Der Schlaf ist recht massig, 
der Appetit geht einigermaassen. Sexuellen Verkehr habe er nie ge¬ 
habt, früher seien Pollutionen gekommen, jetzt gar nicht mehr. Von 
Zeit zu Zeit habe er, besonders nachts, häufigen Urindrang. 

Status praesens; Kleiner Mann in massigem Ernährungszustand. 
Gang nur mit zwei Stöcken möglich, das linke Bein wird kraftlos nach¬ 
gezogen, das rechte Bein wird deutlich spastisch bewegt. 

An den Circulationsorganen nichts Besonderes, an der rechten 
Lunge hinten rauhes Atmen, sonst ohne Besonderheiten. Abdomen 
etwas gespannt. 

Pupillen beiderseits gleich, rund, mittelweit, Licht- und Conjunctival- 
reflexe gut. 

Fundus: Links ohne Besonderheiten, rechts temporale Ab¬ 
blassung. 

Starker Nystagmus beim Blick nach oben und aussen. 
Augenbewegungen sonst frei. 

Vorderarmreflexe ohne Besonderheiten. 

Beine: Rechtes stark spastisch, linkes ganz schlaff, 
Unterschenkel völlig, Oberschenkel stark atrophisch. Patellar- 
reflexe: Rechts stark gesteigert, kein Clonus, links bedeutend schwächer 
als rechts, immerhin aber auffallend stark im Vergleich zu der starken 
Atrophie. Das rechte Bein kann kaum gehoben, der Fuss nach allen 
Richtungen ganz wenig bewegt werden. 

Rechts unerschöpflicher Fussclonus, links kein Achillesreflex zu 
prüfen wegen Tenotomie der Achillessehne. Rechts deutlicher Babinski, 
links zuerst zweifelhaft, später 0. Oppenheim, Mendel-Bechterew, Rosso- 
lirao rechts -f-» links —. 

Elektrische Erregbarkeit der Beine: Rechter und linker Ober¬ 
schenkel ohne Besonderheiten. Linker Unterschenkel und Fuss galvanisch 
und faradisch unerregbar. 

Bauchdecken- und Kremasterreflex beiderseits —. Sensi¬ 
bilität bis auf leichte Hypästhesie am linken Unterschenkel intakt, nur 
für Wärme und Kälte reicht die Hypästhesie auf der Innenseite des 
Oberschenkels herauf. 

Keine Lagegefühlsstörungen, keine Astereognosie. 

Ataxien der oberen Extremitäten leicht angedeutet, die der unteren 
nicht zu prüfen. Deutlicher Intentionstremor beider Hände. 

Im Urin findet sich etwas Albumen, keine Formbestandteile. 

Wassermann’sche Reaktion im Serum (Frau Dr. Gatz-Emanuel) i 
negativ. i 

Unter Fibrolysin und Arsen gute Gewichtszunahme, Pat. fühlt sich | 


auch frischer, hat kein so grosses Schlafbedürfnis mehr wie anfangs. 
Gegen die cystitischen Beschwerden wird mit Erfolg Urotropin ange¬ 
wandt. Die Spasmen in den Beinen werden- wohl gelegentlich etvas 
weniger empfunden, bleiben aber ungefähr gleich. 

Dass es sich bei dem Patienten um eine ausgebildete multiple 
Sklerose handelt, unterliegt ja keinem Zweifel, der Fall bietet 
fast alle Symptome, die für typisch gelten müssen. Die Frage 
ist nur, ob die in früher Kindheit überstandene Krankheit, vod 
der die schwere Atrophie des einen Beines herrübrt, wirklich, 
wie damals angenommen, eine Poliomyelitis gewesen war. Auf 
den ersten Blick erscheint dies als völlig selbstverständlich, und 
ich glaubte auch sicher zu sein, einen Fall von Kombination der 
multiplen Sklerose mit dieser Krankheit vor mir zu haben. Ein 
Blick in die Literatur machte mich aber stutzig. Weder Oppen¬ 
heim in seinem Lehrbuch, noch Marburg in seinem Artikel im 
Handbuch der Neurologie erwähnen diese Kombination, wogegen 
Kombinationen der Sklerose mit allen möglichen anderen Krank¬ 
heiten, Syringomyelie usf. bekannt sind. 

Dagegen ist es bekannt, dass die multiple Sklerose unter 
allen möglichen Formen erscheinen kann, dass sie oft larviert 
wird durch andere Erkrankungsarten nnd man auch darauf ge¬ 
fasst sein kann, dass sie eine typische Poliomyelitis anterior 
acuta vortäuscbt. So beschreibt Oppenheim in seinem fürden 
Berner internationalen Neurologenkongress bestimmten Referat 
über den „Formenreichtum der multiplen Sklerose 1 )“ mehrere 
solche Fälle. 

Liegt hier nun eine derartige intermittierende Form der 
Sklerose vor? Das frühe Kindesalter der ersten Affektion spricht 
nicht unbedingt gegen einen sklerotischen Prozess, da mehrere 
Fälle bekannt sind, wo eine Sklerose schon sogar im Säuglings- 
alter beobachtet wurde. Das elektrische Verhalten kann man 
natürlich auch nicht zur Differentialdiagnose mitheranziehen, da 
die Art des Prozesses für die schwere Atrophie nod das Er¬ 
loschensein der elektrischen Erregbarkeit nicht io Betracht 
kommt, sondern nur die Lokalisation. Es bleiben die Sensi¬ 
bilitätsstörungen. Auch diese bilden kein sicheres Argument für 
eine der beiden strittigen Erkrankungen. Seit Oppenheim und 
C. S. Freund weiss man, dass Sensibilitätsstörungen bei der 
Sklerose durchaus nicht selteD sind, und dass sie gerade gern 
distal auftreten. Allerdings nimmt man an, dass die Unbe¬ 
ständigkeit der Störungen, die hier nicht zu bemerken war, 
typisch ist. Mit besonderer Vorliebe sind es Temperatur- 
empfiodungsstörungen, die auch in unserem Falle vorhanden 
waren. Bei der eigentlichen Poliomyelitis „anterior“ darf man 
ja eigentlich keine Sensibilitätsstörungen erwarten, aber die Er¬ 
fahrung lehrt, dass bei der Kinderlähmung nicht selten solche 
auftreten, was Marburg u. a. wohl mit Recht auf das häufige 
Uebergreifen des entzündlichen Prozesses auf die Hinterbörner 
zurückführen. 

Das Resultat dieser Ueberlegung wird also wohl sein müssen, 
dass man zu einem sicheren Schlüsse nicht gelangen kann. Rein 
gefühlmässig neige ich immer noch mehr zu der Ansicht, dass 
eine Kombination beider Krankheiten vorliegt, und könnte za 
meiner Unterstützung die Möglichkeit anführen, dass das einmal 
geschwächte Nervensystem der unbekannten Noxe, die den sklero¬ 
tischen Prozess herbeiführte, leichter zum Opfer fiel. Dies ist 
aber zweifellos kein Gegenbeweis gegen die Möglichkeit, dass es 
sich um zwei Attacken ein und derselben Krankheit handelt 
Ich glaube, dass gerade die Schwierigkeit einer Entscheidung 
den Fall noch interessanter macht, als es die blosse Aufzählung 
einer Kombination zweier häufiger Krankheiten wäre. 

Praktisch von Interesse dürfte es auch sein, dass ein so 
schwerkranker Mann den Beruf eines Landrichters gut ausfüllon 
kann und ausser einer leichten Ermüdbarkeit absolut keine 
psychischen Erkrankungszeichen — bisher wenigstens — bietet. 


Zur Diagnose der Appendicitis. 

Von 

C. ten Horn, 

Oiirnrg am Mnriiiespltal Helder (Holland). 

Wenn mao bei geöffneter Bauchhöhle das Bild einer akut 
entzündeten Appendix vor sich sieht, bat man sieb wohl manch¬ 
mal schon die Frage vorgelegt, ob es ohne chirurgischen Eingriff 
der Vis medicatrix naturae hätte gelingen können, die Entzündung 
zu beseitigen und die Sache zum guten Ende zu führen. " ir 

1) D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 3. 


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UNiVERSITY OF IOWA 




28. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1903 


wissen jetzt, dass die Fräboperation nicht allein den momentanen 
Krankheitsprozess beendigt, sondern zugleich jede weitere Recidiv- 
gefahr coupiert. Leider wird noch immer die Frühoperation, welche 
jetzt im allgemeinen ein gefahrloser Eingriff ist, nicht genügend 
geschätzt und der Grundsatz „der Frühoperation gehört die Zu¬ 
kunft“ nicht einheitlich anerkannt. Jeder Chirurg wird wohl 
immer wieder Fälle mit schwerem Verlauf in Behandlung be¬ 
kommen, weil durch Abwarten die rechte Zeit der Operation vor¬ 
bei ist. Oft aber auch wird noch die Frühoperation nicht 
rechtzeitig gemacht, weil eben die Diagnose nicht gestellt ist. 

Seit einigen Jahren habe ich, zuerst auf der Klinik Lanz, 
angefangen, die Patienten mit akuter Appendicitis genau zu be¬ 
obachten, und habe in der grossen Mehrzahl ein Symptom ge¬ 
funden, das meines Wissens nicht genügend bekannt ist, nämlich 
Schmerz bei Zug am rechten Samenstrang. 

Man muss bei der Prüfung jeden unnötigen Druck der Testes 
vermeiden; am besten nimmt man den Samenstrang oberhalb des 
Testis zwischen Daumen und Zeigefinger. Bei akuter Appendicitis 
ist dieser Zug an der rechten Seite schmerzhaft, während der 
gleiche Zug am linken Samenstrang keinen Schmerz hervorruft. 

Das Symptom zeigte sich unter 20 Patienten ganz typisch in 
15 Fällen. Nur zweimal fehlte es. In 3 Fällen war auch der 
Zug am linken Samenstrang schmerzhaft, obwohl weniger wie der 
gleiche Zug rechts; bei der Operation fand ich eine gangränöse 
Appendix mit reichlichem sero fibrinösem Exsudat in der Bauch¬ 
höhle. Bei sämtlichen Patienten wurde durch Operation die 
Richtigkeit der Diagnose bestätigt. 

Dieser Zugschmerz lässt sich folgendermaassen erklären. 
Wenn man am Samenstrang zieht, macht man eine Verschiebung 
des parietalen Peritoneum in der Nähe des inneren Leistenringes; 
diese Verschiebung ist bei Entzündung äusserst schmerzhaft. 

Die Bedeutung, welche man diesem Symptom beimessen 
könnte, darf keine grosse sein; denn dieser Zugschmerz gibt nur 
auf indirektem Wege Aufklärung. Der direkte Weg mittels Pal¬ 
pation ist unbedingt wertvoller und nicht zu unterlassen; oft ist 
mir der ängstliche Blick aufgefallen, mit welchem der Patient 
die Untersuchung in loco verfolgt. Aber wegen der Häufigkeit 
der Appendicitis hat eben jede Erscheinung seinen Wert. 

In den oben citierten drei Fällen, bei denen nicht allein Zug 
am rechten, sondern auch am linken Samenstrang schmerzhaft war, 
handelte es sich offensichtlich um Entzündung des Peritoneum in 
der Höhe beider Leistenringe. Diese Annahme würde durch den 
Operationsbefund (gangränöse Appendix und viel Exsudat) be¬ 
stätigt. Ich habe bestimmt den Eindruck gewonnen, dass diese 
Fälle mit Zugschmerz beiderseits zu den schwereren gehören; 
es findet sich hier eine intensive Mitbeteiligung des parietalen 
Peritoneum. Der Zogscbmerz am linken Samenstrang hat also, 
wenn gleichzeitig mit Zngscbmerz am rechten Samenstrang be¬ 
steht, prognostische Bedeutung und weist auf progredienten 
Charakter des Leidens. 

Die Bedeutung in differential-diagnostischer Hinsicht kann 
ich jetzt noch nicht feststellen. Zweimal habe ich bei Patienten, 
welche im Kolikanfall durch rechtsseitigen Ureterstein unter der 
Diagnose akuter Appendicitis aufgenommen wurden, das Symptom 
nicht gefunden. 

Nach Ablauf des Anfalls kann das Symptom während einiger 
Zeit bestehen bleiben, verschwindet aber im allgemeinen schneller 
wie die übrigen Symptome. Bei den chronischen Formen yon 
Appendicitis, die niemals einen akuten Anfall überstanden haben, 
fand ich diesen Zugschmerz am rechten Samenstrang niemals. 

Dem Verhalten des Cremasterreflexes ist bei der akuten 
Appendicitis eine erhebliche Bedeutung nicht beizumessen; man 
findet zwar hier und da eine Herabsetzung des rechtsseitigen 
Reflexes, aber diese Erscheinung war durchaus inkonstant. 

Zusammenfassend weist meine Erfahrung auf folgendes hin: 

1. Bei akuter Appendicitis ist in der grossen Mehrzahl der 
Fälle Zug am rechten Samenstrang schmerzhaft. 

2. Die gleichzeitige Anwesenheit von Zugschmerz am linken 
Samenstrang deutet auf einen schwereren Anfall bin. 


Bücherbesprechungen. 

A. Linck: Das Cholesteatom des Schläfenbeins. Die Ohrenheilkunde 
der Gegenwart und ihre Grenzgebiete (Otto Körner). Mit 
7 Tafeln. Wiesbaden 1914, J. F. Bergmann. 131 S. Preis 7 M. 
Die nooh recht zahlreichen offenen Fragen in der Pathologie des 
Cholesteatoms hat L. unter Zugrundelegung eigener Erfahrungen und 
der weitschichtigen Literatur zu klären unternommen. Der bisher gül¬ 


tigen Einteilung der Cholesteatome in kongenitale und sekundär-entzünd¬ 
liche tritt er bei. Die häufige Entstehung der letzteren durch Epithel¬ 
metaplasie gilt ihm als gesichert, während die Epidermiseinwanderung 
nach seiner Meinung sehr viel seltener, als allgemein angenommen wird, 
ätiologisch in Betracht kommt; insbesondere weist er die Bedeutung der 
häufigen Perforation der Shrapnell’schen Membran und der chronischen 
Tubenattacken für die Epidermiseinwanderung in den Atticus ab. Die 
Wachstumenergie ruht nach Verf. in der Matrix, nicht in der von ihr 
umhüllten toten Epidermismasse, und den Anreiz zur Weiterentwicklung 
sieht er in Entzündungen oder Traumen der Umgebung. — Der Einfluss 
dieser Geschwülste auf die Nachbargewebe zeigt sich in Druckatrophie 
bzw. Druckusur; bei den verschieblichen Geweben der Umgebung wie 
Dura, Sinus, Cerebrum kommt es zur Verdrängung und Kompression. 
Tritt eine Entzündung in dem epidermoidalen Geschwulstgewebe ein, so 
beherrscht diese mit ihren Folgezuständen das Bild, das sich nicht mehr 
von dem des sekundären infizierten Cholesteatoms und seiner Einwirkung 
auf die Nachbargewebe klinisch unterscheidet, wie Verf. in einem spä¬ 
teren Abschnitt nachweist. 

Die spezifischen Gewebsvorgänge in dem sekundär-entzünd¬ 
lichen Cholesteatom, das Wachstum und die Desquamation, sieht Verf. 
in der Hauptsache als Folgezustände der chronischen Entzündung der 
Matrix und der weiteren Umgebung an, nicht in einer, wie vielfach an¬ 
genommen wird, komprimierenden Rückwirkung, wodurch die schon früher 
vom Referenten aus seinen Untersuohungsergebnissen gewonnene An¬ 
schauung eine Bestätigung erhält. — Die Heilung eines kongenitalen 
Cholesteatoms, die Verf. in einem weiteren Abschnitt behandelt, sah er 
in einem Falle durch regressive Methamorphose der Matrix eintreten; 
gewöhnlich kommt sie erst sekundär nach entzündlicher Zerstörung 
einer Stelle des Sackes oder nach operativer Entleerung zustande, 
während die Heilungsvorgänge im sekundär-entzündlichen Cholestea¬ 
tom nicht in Veränderungen der Matrix, sondern im Aufhören der 
chronisch-entzündlichen Vorgänge ihrer knöchernen oder bindegewebigen 
Unterlage, deren primäre und sekundäre Ursachen Verf. ausführlich ab¬ 
handelt, zu suchen sind. Das Hauptergebnis seiner Untersuchungen sieht 
Verf. in der Förderung der Lösung des Differenzierungsproblems in der 
Cholesteatomfrage, die er in der Verwertung bestimmter Anhaltspunkte 
anatomischer und klinischer Natur für die Unterscheidung der ange¬ 
borenen von den sekundär-entzündlichen Cholesteatomen findet und ein¬ 
zeln ausführlich erörtert. Hält auch Verf. selbst am Schlüsse seines 
Buches „die vielumdeutete und vielumstrittene Cholesteatom frage“ noch 
keineswegs für gelöst, so hat jedenfalls seine eingehende kritische Arbeit 
eine vorzügliche Grundlago für die weitere Erforschung derselben ge¬ 
schaffen. H. Haike-Berlin. 


J. Kowarsehik: Die Diathermie. Zweite, verbesserte und ver¬ 
mehrte Auflage. Mit 63 Textfiguren. Berlin 1914, Julius Springer. 
Preis 5,60 M. 

Wenig über ein Jahr nach Erscheinen der ersten Auflage seines 
Buches über Diathermie lasst K. dasselbe nun in zweiter Auflage er¬ 
scheinen, bei der er nicht nur die grosse Menge von seitdem erschienenen 
Veröffentlichungen, sondern 9eine eigenen erweiterten Erfahrungen be¬ 
rücksichtigen konnte. Hat sich Ref. bei Besprechung der ersten Auf¬ 
lage des Werkes reserviert ausgesprochen, weil ihm eine zusammen¬ 
fassende Bearbeitung des Themas in Anbetracht der Kürze der Zeit, in 
der Beobachtungen Vorlagen, verfrüht erscheinen musste, so ist er heute 
in der erfreulichen Lage, in jeder Beziehung auf das Buch empfehlend 
hinweisen zu können, das nicht nur in prägnanter Kürze und Vollstän¬ 
digkeit alles Notwendige bringt, sondern auch darum wohltuend wirkt, 
weil es stets kritisch bleibt und sich von jedem Enthusiasmus fernhält. 
Auch der klinische Teil des Buobes ist sachlich und übersichtlich. Was 
dem Werke fehlt, ist ein Sachregister, das zur Erleichterung der Orien¬ 
tierung unbedingt notwendig ist. E. Tobias. 


Leonor Michaelis: Die Wasserstoffioaen-KoDzentration. Mit 41 Text¬ 
figuren. Berlin 1914, Julius Springer. 210 S. Preis 8 M. 

Das Werk ist der erste Band einer Sammlung von Monographien 
aus dem Gesamtgebiet der Physiologie der Pflanzen und der Tiere, deren 
Redaktion in den Händen von Czapek und Parnas liegt. Wir müssen 
Michaelis ausserordentlich dankbar seio, dass er in seiner bekannten, 
klaren Darstellungsweise einen Ueberbliok über dieses Gebiet gibt, dessen 
Wichtigkeit für alle biologischen Phänomene sehr hoch einzuscbätzen ist. 
Niemand könnte kompetenter als Michaelis sein, die Biologen mit 
diesen theoretisch und experimentell so schwierigen Forschungen bekannt 
zu machen, da er ja fast alle Teilfragen selbst grundlegend bearbeitet 
hat. M. Jacoby-Berlin. 


Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. 

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 
(Offizielles Protokoll.) 

Sitzung vom 9. November 1914. 

Vorsitzender: Herr Bonhoeffer. 

Schriftführer: Herr Henneberg. 

Qr. Bonhoeffer erstattet Bericht über die Kriegsspende aus 
der Vereinskasse in Höhe von 6000 M. 


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UMIVERSITY OF IOWA 






1964 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 52. 


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Die Gesellschaft beschliesst den -vereinigten ärztlichen Gesellschaften 
beizutreten, daneben aber -wie bisher Sitzungen abzuhalten. ! 

1. Hr. Rothmann: Demonstrationen von Schädelschüssen. 

Zuerst demonstriert Vortr. Patienten mit Schüssen durch den Schädel 

dicht unterhalb des Gehirns: a) Leutnant K., 16. IX. 1914 Schuss rechts 
am Jochbein dicht unter dem Auge, Ausschuss rechts am Nacken dicht 
unter dem Hinterhauptsknochen. Zuerst geringe Bewegungsbehinderung 
des rechten Auges nach oben und unten, die bald zurückgiog. Anfangs 
totale Taubheit des rechten Ohres; jetzt Knochenleitung annähernd in¬ 
takt, geringe Besserung des Gehörs. Einige Knochensplitter aus dem 
Ohr entfernt. Totale Facialislähmung, bis vor kurzem mit totaler Ent¬ 
artungsreaktion; jetzt bereits träge galvanische Reaktion vom Nerven¬ 
stamm. Totale rechtsseitige Pterygoideuslähmung bei sonst intaktem 
motorischem und sensiblem Trigeminus. Prognose günstig. — b) Ge¬ 
freiter St., 10. IX. 1914 Einschuss links dicht oberhalb des inneren Augen¬ 
winkels. Ausschuss rechts im Nacken ungefähr in Höhe des Accessorius- 
austritts. Linkes Auge zerstört und am 13. X. entfernt (San.-Rat 
H. Lehmann). Wundbehandlung Prof. Holiaender. Einige Knochen¬ 
splitter durch Nase entfernt. Starke Bewegungsbehinderung des Kopfes 
nach allen Seiten, die sich unter elektrischer Behandlung rasch bessert. 
Massige Atrophie der rechtsseitigen kurzen Nackenmuskeln. Parese und 
Atrophie des rechten Sternocleidomastoideus und oberen Gucullaris mit 
partieller Entartungsreaktion. Prognose zweifellos gut. Weitere Schädi¬ 
gungen hat dieser Schuss quer durch den ganzen Schädel nicht hervor¬ 
gerufen. — Es folgen zwei Demonstrationen von Hirnläsionen mit Aphasie: 
c) Infantrist Br., 2. X. 1914 Streifschuss an der linken Schläfe. Sprache 
sofort bis auf „ja“ und „was“ völlig geschwunden bei erhaltenem Wort¬ 
verständnis und leidlich erhaltenem Schreibvermögen. Es entwickeln 
sich Hirndruckerscheinungen mit Pulsverlangsaraung (46 Schläge). 8. IX. 
Trepanation (San.-Rat Lithauer). Ringförmige Fraktur im oberen Teil 
der Schläfenbeinschuppe; es werden mehrere Knochensplitter zwischen 
Dura und Schädel entfernt. Keine Blutung; die Dura wird nicht er¬ 
öffnet. Während der Operation Krampf im rechten Facialisgebiet, der 
auf die rechte Körperhälfte übergreift. Sofort nach der Operation Zu- 
rüekgehen der Hirndrucksymptome. Am 12. X. konstatiert Vortr. einen 
wesentlichen Rückgang der motorischen Aphasie, die jedoch, vor allem 
bei der Spontansprache, noch sehr beträchtlich ist. Starke amnestische 
Aphasie. Dejerine-Lichtheim’sche Probe (Silbenzählung) intakt. Beim 
Spontansohreiben massige Paragraphie. Wortverständnis völlig intakt. 
Geringe rechtsseitige Facialisparese. Leichte linksseitige Ptosis. An¬ 
deutung von Apraxie im rechten Arm. Jetzt kann Vortr. völlige Wieder¬ 
kehr der Sprache, die nur noch etwas verlangsamt ist, demonstrieren. 
Geringer Rest der rechtsseitigen Facialisparese, leichtes Vorbeigreifen des 
rechten Arms nach links bei der Greifprobe (Rothmann). Der Fall 
zeigt die Wichtigkeit der konservativ-chirurgischen Behandlung (Nicht¬ 
eröffnung der Dura). Das motorische Sprachcentrum war offenbar nur 
durch Kontusion geschädigt. — d) Musketier Sch. (da Patient nicht 
erschienen, wird der Fall nur kurz referiert). Schussverletzung Ende 
August. Einschuss linke Stirnhälfte Haarand, 3 cm von der Mittel¬ 
linie. Ausschuss linkes Hinterhauptbein, Höhe des oberen Ohrrandes, 
4 cm von der Mittellinie. Am 18. X. Parese von Facialis und Zunge 
rechts, starke Parese des rechten Arms, Ataxie des rechten Beins. Rechts 
Patellarclonus, kein Babinski, typisch hemiplegischer Gang. Störung des 
linken Arms beim Greifversuch. Massige rechtsseitige Hemianästbesie. 
Geringe Störung des Wortverständnisses, massige motorische Aphasie mit 
Paraphasie. Nicht komplette Hemianopsie nach rechts. Spontanschreiben 
(linke Hand fast ganz intakt. Lesevennögen vorhanden mit schwer ge¬ 
störtem Leseverständnis. Farbensinn intakt. Jetzt (8. XI.) Lähmung 
des rechten Arms geschwunden. Massige Apraxie, starkes Vorbeigreifen 
des rechten Arms beim Rothmann’schen Greifversuch trotz intaktem 
Bäräny’schem Zeigeversuch. Stereognostischer Sinn rechts aufgehobeD. 
Hemianopsie weiter zurückgegangen, Sprache fast völlig intakt. Der 
Schuss geht vom medialen Teil der Präcentralregion nach aussen und 
hinten durch oberen Teil des Opercuhim, obere Schläfenwindung und 
Convexität des Hinterhauptlappens. Die erstaunlich geringen Ausfalls¬ 
erscheinungen zeigen deutlich die geringe Bedeutung der Diaschisis beim 
jugendlichen intakten Gehirn. Den Fall verdankt Vortr. Herrn San.- 
Rat Levinstein (Maison de Sante). — Zum Schluss demonstriert Vortr. 
Tetanuskulturen, die bei einem an Tetanus gestorbenen Musketier 
14 Tage nach einer KnöchelverletzuDg aus der Fusswunde heraus ge¬ 
züchtet worden sind. 

Diskussion. 

Hr. Moeli fragt, wie sich Fälle wie R.’s Fall c verhalten, wenn 
beide Arme gleichzeitig erhoben werden. 

Hr. M. Rothmann: Auf die Anfrage des Herrn Moeli möchte R. 
erwidern, dass ein Zurückbleiben des Arms mit gestörtem Greifversuch 
beim Heben beider Arme nicht unbedingt notwendig ist, aber häufig 
vorkommt. Der Greifversuch ist, wie R. auf Grund zahlreicher Beob¬ 
achtungen, vor allem an Hemiplegischen, in letzter Zeit feststellen 
konnte, ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel, das häufig mit den 
übrigen Methoden nicht festzustellende Störungen der Grosshirnfuoktion 
aufdeckt. R. möchte daraufhinweisen, dassHorsley bereits 1905 einen 
Zeigeversuoh mit graduierter Platte angegeben hat, der gleichfalls gute 
Dienste leistet. R. wird demnächst diese Verhältnisse ausführlich be¬ 
sprechen. 

2. Hr. Cramer: 

Lähmung der Sohlenmusknlatur hei Verletzung des N. tibialis. 

Vortr. berichtet über vier Fälle von Lähmung der Sohlenmusku¬ 


latur bei Schussverletzung des N. tibialis, von denen drei demonstriert 
werden. Die Läsionsstelle lag in allen Fällen so, dass die Aeste des 
Tibialis für die Unterschenkelmuskulatur nicht geschädigt wurden, so 
dass sich die Ausfallssymptome auf den Fuss beschränkten. Der ob¬ 
jektive Befund ist relativ geringfügig und kann bei oberflächlicher Be¬ 
trachtung leicht übersehen werden. Im Gegensatz hierzu stehen die 
meist nicht unerheblichen subjektiven Beschwerden. Die Lähmung er¬ 
streckt sich auf den Flexor digitorum brevis, die Muskeln des Gross¬ 
und Kleinzehenballens und die Interossei. In diesen Muskeln ist je 
nach der Schwere der Läsion totale oder partielle Entartungsreaktion 
nachweisbar. Der motorische Ausfall äussert sich vor allem in einer 
Parese der Zehenbeugung; diese Bewegung kann jedoch infolge des Er- 
haltenseins des Flexor digitorum longus in normalem Umfange aasge¬ 
führt werden. Die Lähmung der Interossei prägt sich in einer leichten 
Krallenstellung der Zehen aus, die jedoch bei der Frische der Läsion 
noch nicht sehr ausgesprochen ist. Die Sensibilitätsstorung nimmt das 
Gebiet des Tibialis an der Fusssohle ein. Die subjektiven Beschwerden 
bestehen in Parästhesien und Taubheitsgefühl an der Fusssohle, was 
direkt auf diese Nervenläsion zu beziehen ist. Ferner bestehen heftige 
Schmerzen im Fuss beim Auftreten; diese sind wahrscheinlich zurück¬ 
zuführen auf die Veränderungen, die der Ausfall der kleinen Fussmus- 
kein in der Statistik und Mechanik des Fusses bewirkt. (Die ausführ¬ 
liche Publikation erfolgt in der Monatsschrift für Psychiatrie und Neu¬ 
rologie.) 

Diskussion. 

Hr. M. Rothmann hat eine, den Cramer’schen Fällen völlig ana¬ 
loge Beobachtung gemacht. Bei einem Offizier, der am 12. V1H. einen 
Schuss durch den Unterschenkel bekommen hatte, trat eine leichte 
Peroneusparese und eine vollständige Gefühllosigkeit der Planta pedis 
auf. Erst nach 10 Tagen entwickelten 9ich heftige Schmerzen in der 
Fusssohle. Nur im ersten Anfang soll eine geringe Behinderung der 
Abwärtsbewegung der Zehen bestanden haben. R. konstatierte Mitte 
September die Anästhesie der Fusssohle mit stärksten Schmerzen ohne 
die geringste motorische Störung im Tibialisgebiet. Beweist schon diese 
Beobachtung, dass der Verstreb, die Schmerzen aus der Störung der 
Statik des Fusses zu erklären, nicht zutreffend sein kann, so ergibt sich 
das weiterhin aus mehreren Beobachtungen R.’s, bei denen die gleichen 
Schmerzen bei Armschüssen in der Vola manus aufgetreten sind. R. 
betont als ein Gharacteristieum der Schussverletzung der peripheren 
Nerven die Schwere und Persistenz der Sensibilitätsstörungen, und die 
heftigen Schmerzattacken. Therapeutisch haben neben den sonst übliches 
Mitteln Injektionen von Novocain-Suprareninlösungen in die Umgebung 
1 des Schusskanals ausserordentlich gute Dienste geleistet. 

Hr. Oppenheim: Die sich auf den distalen Abschnitt des N. tibialis 
posticus beschränkenden Lähmungen sind auch nach meiner Erfahrung 
recht selten und können leicht übersehen werden. Ich habe einige Fälle 
dieser Art gesehen und glaube sie auch im Lehrbuch geschildert bzw. 
an der Hand derselben die Symptomatologie entworfen zu haben 1 ). Wer 
allerdings gewohnt ist, in jedem Falle eine gründliche elektrische Unter¬ 
suchung vorzunehmen und dabei auch die Sohlenmuskulatur nicht un¬ 
berücksichtigt lässt, kann sie nicht übersehen. In einem meiner Fälle 
lag eine Alkoholneuritis vor, die sich auf diesen Nerven beschränkte, 
in anderen eine Verletzung in der Knöchelgegend. Auch unter den 
Kriegsverletzungen der peripheren Nerven, deren ich in den letzten 
Monaten eine sehr grosse Zahl gesehen habe, ist mir eine begegnet, die 
genau den von Cramer vorgestellten entsprach. Die von ihm gegebene 
Erklärung der Schmerzhaftigkeit beim Auftreten halte ich für eine zu¬ 
treffende. — Was die von Herrn Rothmann angeschnittene Frage der 
Schmerzen bei den Kriegsverletzungen der Nerven überhaupt anlangt, 
so verdient sie bei der demnächst stattfindenden allgemeinen Diskussion 
aufs gründlichste erörtert zu werden. Die Bekämpfung dieser traumatisch- 
neuritischen Schmerzen bildet eine der wichtigsten und schwierigsten 
Aufgaben der Kriegsneurologie. Es ist noch nicht recht aufgeklärt, wie 
es kommt, dass diese Schmerzen nur bei einem Teil der Nervenverletzten 
auftreten, während andere ganz schmerzfrei ausgehen. Ganz allgemein 
kann ich nach meinen Erfahrungen sagen, dass es die partiellen Läh¬ 
mungen sind, welche mit den heftigen Schmerzattacken verknüpft sind, 
aber es gibt Ausnahmen nach beiden Richtungen, und es spielen sicher 
noch andere Faktoren eine Rolle. So ist es auffallend, wie oft gerade 
diese schmerzhaften Neuritiden mit allgemeinen Neurosen und Psychosen 
einbergehen. Worauf beruhen diese Wechselbeziehungen? Ich werde 
auf diese Frage zurüokkommen. 

Hr. Schuster: Ich darf vielleicht zuerst bemerken, dass ich einen 
der von Herrn Oppenheim als sehr selten charakterisierten Fälle, bei 
welchen es sich um eine isolierte Schädigung eines Tibialisastes handelte, 
untersuchen konnte. Ein Mann hatte sich eine grosse Wunde auf der 
Fusssohle zugezogen und zeigte von objektiven Erscheinungen lediglich 
eine — auch elektrisch nachweisbare — Lähmung der Interossei des 
Fusses sowie eine Sensibilitätsstörung der lateralen Fusssohlenpartie. 
handelte sich offenbar um eine Durchschneidung des N. plantaris eiternus 
(Astes des N. tibialis), welcher die Interossei und die Sensibilität in dem 
fraglichen Gebiet versorgt. Der Fall betraf übrigens keine Kriegsver¬ 
letzung. Von Kriegsverletzungen der Unterschenkelgegend habe 1C “ 
liehe Bilder, wie sie Herr Cramer zeigte, gesehen. Ausserdem s&n i 

I) Leider trifft das nicht zu. Es findet sich auch in meinem Lehr 
buch nur eine generelle Darstellung des N. tib. posticus ohne spezie 
Berücksichtigung der im Fussabschnitt lokalisierten Form. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



28. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1965 


einen Flieger, der von unten her einen Sohuss in die Wade bekommen 
und eine totale Peroneuslähmung davongetragen hatte. Ein anderer 
Soldat hatte einen Quersohuss durch die Wade erhalten und gar keine 
motorischen, sondern nur sensible Störungen im Bereiche eines Hautastes 
des N. peroneus dargeboten. Die von den Herren Vorrednern betonten 
Beobachtungen hinsichtlich der Häufigkeit intensiver Schmerzen bei Ver¬ 
letzungen peripherischer Nerven konnte ich gleichfalls machen. Dabei 
möchte ich bemerken, dass ich die (auch von Herrn Cramer hervor- 
gehobeneo) Schmerzen im Fuss bei Lähmung der kleinen Fussmuskeln 
in der gleichen Weise erklären möchte, wie dies Herr Cramer getan 
hat, nämlich als Dehnung 9 schmerzen, periostale Druckschmerzen usw. 
Der von mir soeben erwähnte Fall der Verletzung des N. plantaris ex- 
ternus hatte Beschwerden, die an die Plattfussbeschwerden erinnerten, 
wenn auch sein Gang ein anderer war. Die Schmerzen, welche ich bei 
Nervenverletzungen an den oberen Extremitäten sah, beschränkten sich 
manchmal nicht streng auf den verletzten Nerv, sondern verallgemeinerten 
sich auf den ganzen Arm, ohne dass sonst Zeichen einer neurotischen 
Erkrankung Vorlagen. 

3. Diskussion zur Tetanosdemonstr&tion des Herrn Rothmann. 

Hr. Rothmann betont im Anschluss an die Demonstration der 
Tetanuskulturen die anscheinende Unwirksamkeit des Tetanusserums, 
selbst bei intralumbaler Anwendung von 100 I.-E. (16,5 ccm). Hier 
werden nur prophylaktische Injektionen in die Umgebung der be¬ 
schmutzten Wunden draussen im Felde nützen können. Gutes bat R. 
von der Magnesium sulf.-Bebandlung gesehen, wenigstens symptomatisch. 
Allerdings ist die intralumbale Behandlung der transitorischen Lähmungs¬ 
erscheinungen wegen nicht empfehlenswert. R. rät dringend zu der von 
A. Falk auf Grund seiner Erfahrungen beim Tetanus neonatorum emp¬ 
fohlenen Subcutanbehandlung mit 30proz. Magnesium sulf.-Lösung mit 
Einzelgaben von 9 g und darüber. Die Krämpfe werden wenigstens vor¬ 
übergehend coupiert. Ueber die Wundbehandlung beim Tetanus, die ja 
bei der langen Vitalität der Bacillen in der Wunde von grösster Be¬ 
deutung ist, wird uns vielleicht Herr Borchardt etwas sagen können. 

Hr. Borchardt: Unbeschadet der guten Resultate interner Therapie 
müssen schmutzige Wunden unbedingt chirurgisch behandelt werden. 

Hr. Lewandowsky: Man sollte vielleicht nach der Jonesco’schen 
Methode Antitoxinserum ins Cervicalmark injizieren. Infolge der kon¬ 
zentrierten Wirkung am Orte der Hauptgefahr würde ein geringeres 
Quantum genügen. 

Hr. Unger: Es ist vorgeschlagen worden, das Serum direkt in die 
Carotis interna zu injizieren. U. selbst hat in einem Falle grosse Serum¬ 
mengen in die vorher freigelegte Arteria ulnaris eingespritzt. Der Pat. 
ist geheilt. 

Hr. Lewandowsky: Bei intraarterieller Injektion dürfte die grösste 
Menge des Serums durch die Kapillaren in den venösen Kreislauf gehen. 
Es ist fraglich, ob dabei etwas ins Gehirn gelangt. 

Hr. Rothmann (Schlusswort) hat auch, wie Lewandowsky, an 
die Injektion des Tetanusserums an der Jonesco’schen Stelle im 1. Dor¬ 
salsegment, oder noch besser an der Cysterne am 4. Ventrikel gedacht, 
allerdings in Kombination mit der Lumbalpunktion, so dass die unten 
entzogene Lumbalflüssigkeit durch das oben injizierte Serum ersetzt wird. 
Denn zweifellos werden die Centren des Bulbus und des oberen Rücken¬ 
marks am meisten affiziert. 

4. Hr. Benda demonstriert den anatomischen Befund eines Rücken- 
M&rksciiliig. (Erscheint demnächst im Neurol. Centralbl.) 


Natnrhistorisch-medizinischer Verein zu Heidelberg. 

Sitzung vom 24. November 1914. 

(Kriegsmedizinischer Abend.) 

Vorsitzender: Herr Moro. 

Schriftführer: Herr Homburger. 

Hr. Moro beobachtete einen Soldaten, welcher eine Stunde nach der 
ersten Typhusschutzimpfung Fieber (39 °) und einen Schüttelfrost bekam. 
Die Temperatur erreichte nach einigen Stunden 40°; Patient klagte 
über Schwindel, Uebelkeit und Kopfschmerzen. Das Symptomenkomplex 
erinnerte an eine anaphylaktische Reaktion. Der Patient hat auf ein 
genaues Ausfragen angegeben, dass er vor einem Jahre Typhus durch¬ 
gemacht hat. Es wäre empfehlenswert, anamnestisch in jedem Fall fest¬ 
zustellen, ob der Patient früher an Typhus erkrankt war, um in diesen 
Fällen die Schutzimpfung zu unterlassen. 

Hr. B. 6 . Schmidt: Extremitätenschüsse. 

Im chemischen Universitätslaboratorium wurde eine Anzahl französi¬ 
scher Infanteriegescbosse einer chemischen Analyse unterzogen. Diese 
Projektile sollen 90 pCt. Kupfer, 6 pCt. Zink und 4 pCt. Nickel ent¬ 
halten. Der Gehalt an Kupfer betrug aber 90—93 pCt. und an Zink 
10 bzw. 7 pCt.; Nickel war nicht vorhanden. Durch Zinkzusatz wird 
die Oxydierbarkeit des Kupfers stark vermindert, Nickel verleiht der 
Legierung eine grössere Härte. Das Gewicht der Pulverladuog betrug 
2 g statt 2,7 g: sie bestand aus nitrierten, mit Graphit überzogenen 
Cellulosetäfelchen. Duroh Hämmern Hessen sich die Geschosse leicht 
deformieren. Engländer benutzen zwei Arten von Projektilen; die eine 
Art lässt sich durch eine an den Gewehren angebrachte Vorrichtung 
leicht in Dum-Dum-Gesohosse um wandeln. Vortr. hat in der letzten Zeit* 
aus der Gegend von Arras eingetroffene Soldaten behandelt, bei welchen 
starke explosive Verwundungen den Missbrauch derartiger Geschosse , 


nicht verkennen lassen. Unter den Extremitätenverletzungen sind Weioh- 
teilschüsse viel häufiger als Frakturen. Je stärker kontrahiert die Mus¬ 
keln im Momente der Verletzung sind, um so grösser ist der von ihnen 
geleistete Widerstand und um so grösser die durch den Schuss entstan¬ 
dene Zerstörung der Gewebe. Die Lokalisation der Weiohteilschüsse ist 
oft typisch. So kann man sehr häufig Verletzungen der Umgebung der 
Achselhöhle beobachten, ebenso die des obersten Teils des Oberarms; 
typisch sind auch Durchschüsse des Oberarms zwischen seinem mittleren 
und unteren Drittel mit Radialislähmung. Am Unterarm sieht man häufig 
quer verlaufende Durchschüsse oder solche in der Richtung vom Hand¬ 
gelenk nach dem Ellbogen. An der Hand kamen oft Durchschüsse 
zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger vor, auffallend ist auch die 
Häufigkeit der Verletzung des dritten Metakarpalknochens durch einen 
Schuss von der Volar- nach der Dorsalseite der Hand. Der Heilungs¬ 
verlauf unkomplizierter Weichteilwunden ist meist glatt. Da die Ge¬ 
schosse in Kriegszeiten meist aus wenig oder selten geputzten Gewehren 
abgefeuert werden, so können sie als steril betrachtet werden, da sie 
sich infolge der Reibung im unreinen Gewehrlauf erhitzen. Bei infizierten 
Wunden soll man mit breiten Inzisionen nicht lange zögern; die Fascien 
werden dabei quer durchschnitten, damit die Ränder des Schnittes nicht 
zu früh verkleben und auf diese Weise das Abfliessen des Eiters hin¬ 
dern. Bei Gasphlegmonen ist die Behandlung mit Wasserstoffsuperoxyd 
zu empfehlen. Die durch Granatsplitter verursachten Wunden waren 
nur in denjenigen Fällen infiziert, in welchen der Verband zu häufig 
gewechselt wurde. Iofanteriegeschosse rufen an den langen Röhren¬ 
knochen häufiger Läogsbrüche hervor, als zu erwarten war; Lochschüsse 
sind dagegen selten; schwere Komminutivfrakturen werden häufig beob¬ 
achtet. Bei Knochensteckschüssen werden viel häufiger Schrapnellkugeln 
als Infanteriegeschosse gefunden. Für den Transport sind Gipsverbände 
zu empfehlen. In den Heimatlazaretten werden sie abgenommen und 
durch neue Gipsverbände oder durch Sohienen ersetzt. Als billiges und 
bequemes Schienenmaterial hat sich gelochtes und vernickeltes Messing 
bewährt. 

Hr. Baisch: Gelenkverletzungen. 

Ueber die Prognose der Gelenkverletzungen entscheidet in erster 
Linie das Vorhandensein oder Fehlen der Infektion. Küttner sagte mit 
Recht, dass der erste Verband und der Transport für die Infektion und 
den weiteren Verlauf der Wunden maassgebend sind. Gefensterte Gips¬ 
verbände bzw. Brückengipsverbände sind für den Transport am geeig¬ 
netsten. Bei den Gelenkverletzungen sollen statt der Bindenverbände 
Tücher angewandt werden, weil sie sich beim Verbandwechsel leichter 
abnebmen lassen. Ruhigstellung der verletzten Gelenke spielt eine 
äusserst wichtige Rolle; sie soll in leichteren Fällen 10—12 Tage dauern, 
bei schwereren Infektionen mindestens 3—4 Wochen. Durch zu frühe 
Mobilisierung kann eine latente Infektion zum Aufflackern gebracht wer¬ 
den. Bier’sche Stauung beeinflusst günstig die Schmerzhaftigkeit der 
Gelenke. Bei Vorhandensein von septischen Erscheinungen sollen nur 
Amputationen, dagegen keine Resektionen ausgeführt werden. Pyo- 
cyaneusinfektionen werden durch Sublimatspülungen und -Umschläge, 
sowie durch Jodierung der Umgebung erfolgreich bekämpft und bilden 
keine dringende Indikation für das Absetzen der betreffenden Extremität. 
Vortr. hat bisher 48 von Gelenk Verletzungen beobachtet, abgesehen von 
Finger- und Zehengelenken. Obere und untere Extremität waren unge¬ 
fähr gleichmässig betroffen. Das Schulter- und das Hüftgelenk sind den 
Schüssen wenig exponiert, weil sie durch dicke Muskelmassen geschützt 
sind; sie werden daher seltener verletzt als das Knie- und das Ellbogen¬ 
gelenk. Bei Verletzungen des Handgelenks entstehen leicht Sehnen¬ 
nekrosen ; sie bilden eine Infektionsquelle, am Handgelenk sind daher 
Infektionen fast die Regel. Verletzungen des Kniegelenkes sind eben¬ 
falls maligne, weil die zahlreichen Buchten and Taschen die Resorption 
von Giftstoffen begünstigen. Die 48 Fälle verteilen sich auf die ein¬ 
zelnen Gelenke folgendermaassen: Schultergelenk 6 , Ellbogengelenk 12, 
Handgelenk 5, Hüftgelenk 1, Kniegelenk 18, Fussgelenk 6 . 3 Patienten 
sind der Infektion erlegen (= 6 , / 3 pCt.). 

Diskussion: HHr. Kasbaum, Heddaeus, Schmidt, Baisch. 

Halpern. 


K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. 

Sitzung vom 20. November 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Gatscher stellt einen Soldaten mit einem Aneurysma der A. 
brachialls nach Schussverletzung am Oberarm vor. 

In der Mitte des linken Sulcus bicipitalis int. sitzt eine Geschwulst, 
welche pulsatorisches Schwirren zeigt. Pat. hat Sensibilitätsstörungen 
im Bereiche des Medianus, motorische Störungen sind nur in geringem 
Grade vorhanden. 

Ferner führt Hr. Gatseher einen Mann mit einer Maskelhernie vor, 
welche vor 3 Jahren beim Heben einer Last plötzlich am linken Ober¬ 
arm entstanden ist. 

Hr. Haatmaia demonstriert einen Mann mit Ergraaen toi Haaren 
nach einem elektrischen Unfall. 

Patient wurde von einem starken Drehstrom getroffeD, welcher von 
beiden Händen duroh den Körper ging. Er blieb 8 Minuten im Strom¬ 
kreis eingeschlossen und wurde ohnmächtig. Nach einiger Zeit stellte 
sieb Haarausfall auf der linken Kopfhälfte ein, dann fielen die Barthaare 


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^966 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 52. 


an der linken Seite aus. Die Haare wuobsen nach, waren aber voll¬ 
ständig weiss, ebenso die Augenbrauen und Wimpern an der linken Seite. 

Ferner demonstriert Hr. Hantmani einen Mann mit einer im Gehirn 
steckenden Kogel. 

Patient hat die Scbussverletzung vor IV 2 Jahren wahrscheinlich bei 
einem Selbstmordversuch erlitten, das Projektil ist in der rechten Schläfe 
eingedruDgen und sit 2 t nach dem Ergebnisse der Röntgenuntersuchung 
anscheinend im Gehirn. Patient hat mit diesem Projektil den Feldzug 
mitgemacht, er wurde in der letzten Zeit infolge Alkoholabusus hemi- 
paretisch, die Lähmung ist jetzt gebessert. 

Hr. Krans-Karlsbad zeigt Verbände ans Stentmasse für Finger- 
Verletzungen. 

Die Masse wird von Zahnärzten zu Abdrücken benützt. Zum Zwecke 
des Verbandes wird sie in heissem Wasser erweicht, sie nimmt dann 
jede Form an und erstarrt binnen wenigen Minuten. Sie eignet sich 
besonders für konservative Behandlung von Phlegmonen, Gelenkeröffnung 
und Knochenzertrümmerung. 

Hr. Krao8 stellt ferner einen Mann mit einem Kopf- ond Halsschass 
ohne Verletzung von Gefäsien nnd Nerven vor. 

Das Geschoss ist am äusseren rechten Orbitalrand eingetreten und 
ist unter dem linken Kieferwinkel stecken geblieben. Die Einschuss¬ 
stelle ist reaktionslos verheilt, Patient verlor nach der Verletzung nicht 
das Bewusstsein und hatte nur ein leichtes Schwindelgefühl, er spuckte 
Blut aus und das Schlingen war erschwert. Er machte einen dreitägigen 
Transport durch. In den Weichteilen des Halses sass die Schrapnell¬ 
kugel, welche entfernt wurde. Das Geschoss muss von der Einschuss¬ 
stelle die rechte Highmorshöhle und den Pharynx, sodann die Halsregion 
unter Schonung von Nerven und Gefässen passiert haben. 

Hr. Exner: J. Robert Mayer (zu seinem 100. Geburtstag). 


Sitzung vom 27. November 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Tandler demonstriert anatomische Präparate, welche Klärung 
ia die Frage bringen, warum bei Verletzungen des Ischiadicus- 
stammes der Peroneus zuerst Ausfallserscheinungen zeigt. 

Im Isohiadicus liegen die Anteile des Peroneus oberflächlich, werden 
daher leichter lädiert als die für den Tibialis bestimmten Fasern. Bei 
hoher Teilung dieser beiden Nerven geht manchmal zwischen ihnen der 
Muse, pyriformis durch. Stoffel hat auf die praktischen Konsequenzen 
dieses Verhaltens des Ischiadicus aufmerksam gemacht. 

Hr. Kofler stellt 4 Soldaten mit Schnssverletznngen der oberen 
Luftwege vor. 

1 . Schuss durch die linke Wange, Austritt 3 cm hinter dem rechten 
Ohr in der Nackengegend. Das Geschoss drang durch den Boden der 
Kieferhöhle, schlug den zweiten Molarzahn aus und drang unter dem 
weichen Gaumen durch den Pharynx. Patient hat eine Kieferhöhlen¬ 
eiterung, welche bereits unter der Behandlung gebessert ist, und eine 
Parese der rechten Gaumensegelhälfte. 

2. Verletzung durch eine Schrapnellkugel, welche den umgekehrten 
Weg nahm wie im ersten Falle. Die Folgen waren eine leichte Störung 
der Sprache, Parese der linken Gaumensegelhälfte und des Sympathicus 
(die rechte Pupille ist weiter). 

3. Verletzung durch 2 Sobrapnellkugeln. Die erste draDg in der 
Nasenmitte ein, verletzte das Nasengerüst, perforierte den harten Gaumen 
und blieb in der Nähe der rechten Tonsille stecken. Die zweite Kugel 
drang oberhalb des Sternoclavikulargelenkes ein und blieb neben der 
Brustwirbelsäule stecken. Durch die Halswunde drang Luft aus. Patient 
konnte 14 Tage lang keine festen Speisen geniessen. 

4. Eine Gewehrkugel drang in der Mitte des Nasenrückens ein, 
durchschlug den harten Gaumen, gelangte in den Pharynx und den 
Recessus pyriformis und kam unterhalb der Incisura thyreoidea zum 
Vorschein. 

Hr. Ebel stellt 2 Fälle vor, bei welchen Blutstillung an grossen 
Gefässen ohne Naht vorgenommen wurde. 

Der erste Patient erlitt eine Schussverletzung, das Geschoss drang 
durch die Nase ein, ging durch den Unterkiefer, erzeugte am Halse 
und am Brustkörbe eine offene Wunde und blieb unter der Haut über 
dem Sternum stecken. Da die Wunde am Thorax einen übelriechenden 
Eiter secernierte, wurde sie eröffnet, wobei sich herausstellte, dass die 
linke Schlüsselbeinhälfte und Teile der ersten Rippe zertrümmert waren. 
Es entstand eine starke Blutung aus mehreren grossen Venen des Halses, 
wegen Morschheit des Gewebes hielt keine Ligatur. Es wurden daher 
durch Peans die Ränder der eröffneten oder seitlich an geschlitzten 
Venen so lange zusammengehalten, bis die Gefässwände verwachsen 
waren, was nach ungefähr 6 Tagen der Fall war. 

Im zweiten Falle handelte es sich um eine analoge Sohussverletzung 
der Venen an der linken Halsseite, wobei auch der Facialis lädiert war. 
Die Behandlung wurde wie im ersten Falle durchgeführt. 

Im dritten Falle war es infolge einer Scbussverletzung zu einer 
Kontraktur der Halsmuskeln gekommen. Die Narbe wurde ausgeschnitten 
und die Deckung durch Autoplastik durebgeführt. 

Hr. Ebel macht ferner eine Mitteilung über eine Modifikation der 
Narkose. 

Patient wird nicht unter einer Maske narkotisiert, sondern es wird 
ihm nach Bestreichung des Gesichtes mit Vaselin eine 6—8fach zu¬ 


sammengelegte Mullkompresse über Mund und Nase gelegt und die 
Narkoseflüssigkeit (1 Teil Chloroform und 9 Teile Aether) aufgetropft 

Hr, Klein stellt einen Fall von geheiltem Tetanns vor. F 

Patient erlitt durch eine Maschinengewehrkugel einen teilveiseo 
Abschuss des rechten Mittel- und Zeigefingers. Er wurde von einen 
seiner Kameraden mit einem sohmutzigen Schnupftuch verbunden, ein 
kunstgerechter Verband wurde erst auf dem Hilfsplatz angelegt ’ Der 
Verletzte bekam nach 2 Wochen Tetanus und verlor für 6 Tage das 
Bewusstsein. Die verletzten Finger wurden abgetragen und es wurden 
40 ccm Tetanusantitoxin intralumbal injiziert, die Injektion wurde nach 
weiteren 3 Tagen wiederholt. Ausserdem bekam Patient Morphium, 
Chloralhydrat und warme Bäder. Am 19. Tage wurden die Krämpfe 
seltener und am 25. Tage hörte der Trismus auf. 

Hr. Wiesel: Zar Behandlung des Tetanns. 

Vortr. hat 15 Fälle von Tetanus beobachtet, von diesen sind 2 ge¬ 
heilt, 2 sind noch in Pflege, die übrigen sind gestorben. Unter den 
letzteren sind 2 moribund eingeliefert worden. Bei keinem Falle war 
eine prophylaktische Antitoxininjektion auf dem Schlachtfelde ror- 
genommen worden. 

In dem einen geheilten Falle, welcher eine phlegmonöse, mit 
nekrotischen Fetzen belegte Schrapnellschussverletzung am rechten 
Oberarm hatte, ist der Tetanus am 4. Tage nach der Verletzung auf¬ 
getreten. Nach dem Erscheinen des Trismus wurden 100 Antitoxin- 
einbeiten lumbal injiziert, die Einspritzung wurde am nächsten Tage 
wiederholt, es trat keine Besserung auf. Darauf wurde intraneural eine 
Injektion von 400 Antitoxineinheiten in den Plexus vorgenommen, der 
Tetanus zeigte auch dann keine Besserung. Diese trat erst später auf, 
Patient war nach 3 Wochen geheilt. 

In 3 Fällen war die intraneutrale Injektion von 400 Antitoxin- 
einheiten in den Plexus brachialis bzw. Ischiadicus und Femoralis er¬ 
folglos, obwohl am nächsten Tage 100 Antitoxineinheiteu intralumbal 
injiziert wurden. Alle 3 starben, einer an den Krämpfen, 2 an hypo- 
statischer Pneumonie. 

Eine Beeinflussung des Krankheitsprozesses durch das Antitoxin in 
günstigem Sinne ist kaum nachzuweisen. Wichtiger war die symptoma¬ 
tische Behandlung. Es wurde Magnesium sulfurioum, bis 80 ccm einer 
25 proz. Lösung pro Tag, subcutan injiziert, nicht intralumbal, da dies 
schon Unglücksfälle herbeigeführt hat. Vor der Injektion wmde eine 
kleine Novocaindosis injiziert. Das Magnesium sulfuricum hat eine 
narkotische Wirkung und zeigte bei einigen Fällen einen Nutzen, bei 
anderen dagegen nicht; dio durch dieses Mittel erzielten Resultate 
waren nicht besonders hervorragend. 

Ein besseres Mittel scheint das Chloralhydrat zu seiD, in der Dosis 
bis zu 10 g pro die im Klysma oder per os setzte es in Kombination 
mit der Magnesiumbehandlung die Krampfanfälle herab, doch konnte 
der Tod nicht verhütet werden. Daneben soll man ein Herzmittel 
reichen. 


Gesellschaft für innere Medizin and Kinderheilkunde za Wien. 

Sitzung vom 19. November 1914. 

(Eigener Bericht.) 

Hr. Falts stellt einen Mann mit idiopathischen Diabetes iisipidiiB 
vor und gibt ein differentialdiagnostisches Moment gegenüber dem 
symptomatischen Diabetes insipidus an. 

Patient ist seit 8 Jahren erkrankt, er bat einen grossen Durst, 
eine Polyurie bis 12 1 Harn pro Tag mit einem spezifischen Gewicht 
von 1003 bis 1004. Die inneren Organe sind gesund, die Hypopbysw 
ist nicht vergrössert. Als an einem Tage 15 g Kochsalz der Nahrung 
zugelegt wurden, stieg die Harnmenge auf 13,7 1 pro Tag an, das 
spezifische Gewicht des Harnes blieb aber unverändert. Die Niere hat 
also beim idiopathischen Diabetes insipidus die Fähigkeit verloren, den 
Harn zu konzentrieren. Der symptomatische Diabetes insipidus hat 
seine Ursache in einer Organveränderung, z. B. der Hypophyse. 

Beim idiopathischen Diabetes bleibt das spezifische Gewicht des 
Harnes unverändert, beim symptomatischen ändert sich dasselbe je nach 
der Menge des Harnes und der dem Organismus zugeführten Substanzen, 
welche im Harn erscheinen. Es ist kein Grund vorhanden, den echten 
idiopathischen Diabetes insipidus auf eine Erkrankung der Hypophysis 
zu beziehen. 

Ferner stellt Hr. Falta einen Mann mit Basedowscher Krankheit 
nnd Myxödem vor. 

Patient zeigt ausser den Symptomen des Morbus Basedowii auch 
Schwellungen im Gesicht und an den Extremitäten, ferner eine starke 
Fettentwicklung am Thorax. Die Röntgenuntersuchung ergibt eine Ver* 
grösserung der Hypophyse. Es wäre nicht unmogiioh, dass eine strumöse 
Entartung der Hypophyse vorhanden ist, und dass diese eine gerf 346 
Wirkung auf das Krankheitsbild ausübt. 

Hr. Falta führt schliesslich einen schweren Diabetiker vor, welchen 
er durch ausschliessliche Kohlehydraternährung zuckerfrei gemacht hat. 

Patient ist vor 8 Monaten in die Klinik mit hochgradiger Schwache 
und Amblyopie gekommen, er schied bei fleischarmer Kost 80 g Zucker 
und bis 6 g Aceton aus. Nach ausschliesslicher Ernährung mit Kohle¬ 
hydraten das Prinzip der Kur ist die Ausschaltung des animalischen 
Risses und nach einem Gemüsetage ging die Zuckerausscheiduog 
tt * £ herunter, von Aceton waren nur Spuren vorhanden. 

Unter Wiederholung der Kur wurde der Patient zuckerfrei. Seit dieser 


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28. Dezember 1914. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1967 


Zeit nimmt Patient 6—7 Tage ausschliesslich Kohlehydrate zu sich, 
dann an einem Tage nur Gemüse, hierauf folgt strenge, aber nicht allzu 
eiweissreiche Diabetikerkost durch einige Tage. Patient hat an Körper¬ 
gewicht zugenommen und ist zuckerfrei geblieben, nur zeitweise tritt 
Aceton auf. 

Hr. Weackebach demonstriert eine Frau mit reeidivierender ex- 
sadativer Pericarditis, bei welcher wiederholt Herzbeutelpunktionen 
vorgenommen worden sind. 

Patientin batte im 20. Lebensjahre im Anschlüsse an Halsentzün¬ 
dung Gelenkrheumatismus, welche Kombination sich später wiederholte. 
Bei dem vierten Recidive vor einem Jahre bekam Patientin neben Angina 
und Gelenkrheumatismus auch Herzbeschwerden, Schmerzen in der Brust 
und Husten, ferner Oedeme an den Füssen und spürte eine Erschwerung 
des Atmens. Die Untersuchung ergab eine Pericarditis mit einem 
mächtigen Exsudat, welches zweimal punktiert wurde, wobei 500 und 
800 g Flüssigkeit entleert wurden. Patientin hat sich erholt. Es 
handelte sich um eine rheumatische Pericarditis, welche eine günstigere 
Prognose gibt als die tuberkulöse, weil bei letzterer sich Schwielen aus¬ 
bilden, welche das Herz mit dem Pericard verlöten und dadurch die 
Herztätigkeit sowie die Atmung einschränken. 

Io der letzten Zeit hat die Patientin wieder Angina bekommen, 
aber ohne Gelenkerscheinungen, daran schloss sich exsudative Peri¬ 
carditis mit einem enormen Exsudat an, welches durch keine medika¬ 
mentöse Therapie eine Verminderung erfuhr. Da die Gefahr vorlag, dass 
die Herzaktion durch das grosse Exsudat in bedrohlicher Weise be¬ 
hindert wird, wurde wieder eine Punktion notwendig, und zwar wurde 
das Pericard freigelegt und die Punktion vorgenommen. 

Zu letzterem Verfahren lüblte sich der Vortr. dadurch gedrängt, 
weil er in einem Falle von Pericarditis mit Endocarditis und Myo- 
carditis bei der Punktion das matsche Herz mit der Punktionsnadel 
schwach ritzte, worauf eine parenchymatöse Blutung ins Pericard ent¬ 
stand, welche das Herz erdrosselte. Ein zweiter Grund war der, dass 
man trotz des grossen Exsudates das Herz deutlich an der Vorderfläche 
des Thorax pulsieren fühlte, so dass man eine Anwachsung des Herzens 
an dieser Stelle vermutete; eine solche lag jedoch, wie die Freilegung 
* des Herzbeutels zeigte, nicht vor. Die Wunde heilte per primam. Eine 
Drainage des Pericards wurde nicht vorgenommen, weil diese reizend 
wirken und zu Verwachsungen des Herzens mit dem Pericard führen 
kann. Das Exsudat ist jedoch bald wieder zurückgekommen, die Oedeme 
an den unteren Extremitäten sind aber zurückgegangen, ebenso hat die 
Leberschwellung abgenommen, die Lebergrenze steht jetzt einige Quer- 
finger oberhalb des Nabels. Bei der Patientin ist der Puls mit einer 
Frequenz von 80—90 weniger behindert als die Atmung. Patientin be¬ 
kommt wegen der wahrscheinlich rheumatischen Aetiologie der Peri¬ 
carditis Salicy), Diuretin und Cardiotonica. 

Es entsteht nun die Frage, was in diesem Falle zu tun sein wird, 
wenn die medikamentöse Therapie versagt. Vielleicht könnte ein Ver¬ 
fahren hier angewendet werden, welches Vortr. in einem Falle von 
reeidivierender tuberkulöser Pericarditis angewendet hat, nämlich Ab¬ 
lassen des Exsudates und Einblasung von Luft in den Herzbeutel. Da¬ 
durch wird verhütet, dass sich Adhäsionen zwischen dem Herzen und 
dem Pericard bilden, ferner wird einer eventuellen BlutuDg aus der 
durch das Ablassen des Exsudates rasch entlasteten Lunge vorgebeugt. 
Ausserdem tritt erfahrungsgemäss ein neues Exsudat nach der Luftein¬ 
blasung später auf als ohne eine solche. H. 


Kriegsärztliche Abende. 

(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.) 

Sitzung vom 15. Dezember 1914. 

Vor der Tagesordnung. 

Hr. Ewald: Eia Fall von latentem Typhös. 

Bisher haben wir in Deutschland keine grösseren Seuchen erlebt. 
Hunderte von Betten, die zur Verfügung für Infektiöse Fälle gehalten 
werden, stehen leer. Vortr. sah einen Reservisten, der am 1. Oktober 
einen Schulterschuss bekommen hatte; der Einschuss war in Heilung 
begriffen, der Ausschuss unter dem Acromion war 12 cm lang, 1 cm 
breit und zeigte eiterige Stellen mit dünnem Sekret. Es bestand Ab- 
sprengung der lateralen Seite des Humerus im oberen Drittel; es be¬ 
stand 4 Wochen massiges Fieber (38,3°). Seit einer Operation (3. XI.) 
zur Entfernung von Sequestern stellte sich hohes Fieber, 40° und dar¬ 
über, ein. Es bestand Dämpfung hinten unten rechts; kein Husten, kein 
Auswurf, kein Befund von Typhusbaeillen. Sensorium frei. Vortr. 
sollte über seine Isolierung entscheiden. Er hatte Verdacht auf Typhus. 
Im Augusta-Hospital zeigte Patient klinisch sofort ein schweres Typhus¬ 
stadium. Die bakteriologische Diagnose hatte schon mehrfach versagt. 
Hier fanden sich am dritten Tage Bacillen im Harn. Am sechsten Tage 
Exitus. Die Sektion bestätigte die Diagnose. In der Schusswunde fanden 
sich eiteriger Belag sowie Eiterherde, die zum Teil noch geschlossen 
waren; aus einem der letzteren wurden Typhusbacillen in Reinkultur 
nachgewiesen. 

Augenscheinlich war es ein Bacillenträger, der einen Typhus 
ambulans überstanden hatte. Die Bacillen können auch im Knochen¬ 
mark nisten und lebensfähig bleiben. Von dem zerschmetterten Knochen 
traten sie in den Eiter und wurden dureh die Operation mobilisiert, 


gingen ins Blut über. Der Fall zeigt, welchen Gefahren ein Bacillen¬ 
träger unter Umständen ausgesetzt ist. 

Tagesordnung. 

Hr. Treidelenbnrg: Ueber Nosokomialgaagrän. 

Der Hospitalbrand ist eine Wundkrankbeit, die in früherer Zeit 
noch mehr als Pyämie und Erysipel gefürchtet war, die aber jetzt dauk 
der Antisepsis verschwunden zu sein scheint. Von ihrem epidemischen 
Auftreten in den Lazaretten hatte sie ihren Namen. Zurzeit ist nur 
aus Innsbruck ein Fall bekannt geworden; vielleicht gibt es auch iu 
Frankreich einige Fälle. Verwechselungen mit anderen Formen, trauma¬ 
tischer Gangrän und Gasphlegmone sind nicht ausgeschlossen. Wird 
eine bisher gut granulierende Wunde vom Hospitalbrand befallen, so 
entsteht über Nacht unter Fieber und Schüttelfrost ein ueue9 Bild. Die 
Wunde wird schmerzhaft, die Haut in der Umgebung purpurrot, 
die Granulation wird livide und quillt hervor; ein gelblich fibrinöses 
Exsudat lässt sich in Fetzen abheben. Die Granulationen bluten. Der 
Grund ist buntscheckig, marmoriert. Nach einigen Tagen zerfällt die 
Auflagerung in Fäulnis: zugleich zerfallen die Gewebe der Haut ringsum 
nach allen Seiten. Bei Schusswunden dringt der Prozess in die Tiefe. 
Die Gewebe bilden schwarze Fetzen und schmierige, breiige Massen; 
eine jauchige Flüssigkeit fliesst ab; in der Tiefe dringt die Gangrän in 
die Bindegewebsspalten vor, legt die grösseren Gefässe und Nerven frei 
und bewirkt oft starke arterielle Blutungen. Keine Metastasen! Keine 
Lymphdrüsenaffektionen! Kommt der Prozess nicht bald zum Stillstand, 
so geht der Kranke an Sepsis mit Milzschwellung oder Blutungen zu¬ 
grunde. Häufig sind selbst mehrfache Recidive. Zuweilen kommt hinzu 
Erysipel und Pyämie, selten Tetanus. 

Das Leiden war schon im Altertum und Mittelalter bekannt 
(Hippokrates, Galen, Avicenna). Ambroise Pare berichtet von 
ihm sehr ausführlich während der Belagerung von Rouen. Die Krank¬ 
heit war bei Belagerten und Belagerern so verbreitet, dass man die 
Kugeln der Feinde für vergiftet hielt. Pare nahm verdorbene Luft als 
Ursache an. Dann nistete sich die Krankheit in den alten unhygieni¬ 
schen Krankenhäusern ein; berüchtigt waren Hotel Dieu und Hospital 
St. Louis in Paris. Grössere Ausbreitung erfuhr die Krankheit durch 
die napoleoniscben Kriege, wo sie stellenweise Epidemien bewirkte. 
Delpeehe sammelte seine Erfahrungen in Toulouse und Montpellier. 
Aus grossen Entfernungen kamen die schon infizierten Verwundeten 
nach Südfrankreich. Der Transport war schlecht; Leiterwagen bargen 
höchstens Stroh; Aerzte und Pfleger mangelten; Krankenhäuser waren 
spärlich. Einen grossen Fortschritt bedeutet daher das Rote Kreuz und 
die Lazarettzüge, die die Verwundeten, frisch gebettet, meist verbunden 
in 48 Stunden von Flandern nach Berlin schaffen. 

Während des Krimkrieges herrschte Hospitalbrand besonders in 
Constantinopel, 1864 in Mailand, später im Secessionskriege in Washington 
und Baltimore; 1864—1865 gab es eine Epidemie in der Charite. 

Lister’s Antisepsis beseitigte den Hospitalbrand; 1S66 drang er 
von Böhmen nach Sachsen und Schlesien ein: 1870 hat ihn Fr. König 
gut beschrieben, der ihn in den Tempelhofer Feld-Baracken studierte. 

Erst die methodische Anti- und Asepsis hat den Feind völlig be¬ 
siegt. Seither hat Vortr. nur noch einen Fall gesehen, am Ulcus oruris 
eines Landstreichers 1880. Auch in den letzten Kriegen verlautete nur 
wenig und selten vom Hospitalbrand. Am besten ist er 1888 von Rosen- 
bach beschrieben worden. 

Es gibt Variationen des Krankheitsbildes; neben der schon be¬ 
schriebenen gewöhnlichen pulpösen Form gibt es eine ulceröse und eine 
ulceros-pulpöse. Bei der ulcerösen Form wird die Wunde schmerzhaft; 
eine kleine Vertiefung zeigt sich; diese dehnt sich rasch aus. Nach 
König gehen dem ulcerösen Zerfall kleine Apoplexien voraus; die 
Eiterung versiegt; es entleert sich bräunliche, stinkende Flüssigkeit. 
Der Zerfall greift auf die Wundränder über; der weitere Verlauf ist der 
der pulpösen Form. Sofortiges energisches Eingreifen ist geboten; auch 
frische Wunden können ergriffen werden. Die auffällige Trockenheit in 
den ersten Tagen ist ein wichtiger Fingerzeig. Gelegentlich geht der 
Hospitalbrand von unbedeutenden Hautverletzungen, Kratzstellen, 
Mückenstichen, sogar von der unverletzten Haut (Pusteln) aus. Die 
Krankheit ist übertragbar; die Aerzte infizierten sich an den Fingern; 
die nekrotischen Massen sind harmlos, dagegen die infizierten Wund¬ 
ränder stark infektiös. 

Leichtere Fälle können ohne Behandlung zur Heilung kommen; 
meist wirken Antiseptica. Bei schweren Fällen ist gründliche Zerstörung 
alles Gangränösen das einzige Heilmittel. Schon im Altertum ward das 
Ferrum candeus empfohlen. Alles infizierte Gewebe muss wirklioh zer¬ 
stört werden, dazu ist die Freilegung aller Buchten mit Messer und 
Schere notwendig. Der Paquelin ist weniger wirksam. Das Glüheisen 
soll so laDge wirken, bis Blut hervorkommt. Aber keine kochende 
Flüssigkeit darf über die Haut laufen. Arterien und Nerven müssen 
geschont werden. Schmerz und Rötung gehen dann schnell zurück. 
Auch der Karbunkel ist mit dem Glüheisen gut zu bekämpfen; eine 
Ausnahme macht Diabetes. Aber man muss das Glüheiseu so lange 
wirken lassen, bis statt der zischenden Eitermassen Blut kommt. Glüh¬ 
eisen ist also, zumal unter Narkose, nicht grausam, sondern eine Wohl¬ 
tat. Von den Aetzmitteln ist das Chlorzink, trocken, nicht kristalli¬ 
siert, mit wenig Wasser gelöst, zu empfehlen. Ein damit getränktes 
Wattebäuschchen wird in alle Buchten gestopft; es muss in Narkose 
20 Minuten liegen bleiben (König). Aber man weiss nicht, wie tief die 
Aetzung wirkt. 


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Gougle 


Original fro-rn 

UNIVERSUM OF IOWA 




1968 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nr. 52. 


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Die Aehnlichkeit mit Paeudomembranen war schon Theophrastus- 
Paracelsus bekannt. Auch fanden sich bei denselben Personen Hospi¬ 
tal brand und Rachendiphtherie. Da9 führte dazu, dass Pitha, Heine 
u. a. beide Krankheiten für identisch erklärten. Die Kombination ist 
aber nur zufällig. Die Gangrän befallt mit Vorliebe geschwächte Per¬ 
sonen, zumal nach Infektionskrankheiten. Noma und Ulcus phage¬ 
daenicum sind aber sehr ähnlich. Vielleicht besitzen alle drei Erkran¬ 
kungen dasselbe Virus. Noma ist sehr selten; früher sah man den 
Wasserkrebs oft in Findelhäusern Frankreichs und Hollands. Ulcus 
phagedaenicum ist in Kliniken für Haut- und Geschlechtskrankheiten 
nicht selten. Die befallenen Teile werden zerstört. Die Zerstörung 
kann bis zum Verlust des ganzen Penis führen. Die Entscheidung ist 
aber von den Bakteriologen zu liefern. Alles spricht für die Identität. 
Vincent, Maztzenauer, Rona u. a. fanden nadelartige, in Bündeln 
liegende Fäden. 

Hr. Brng8ch: 

Ueber Endocarditis und Polynenritis bei Kriegsteilnehmern. 

Unter den wenigen innerlich kranken Soldaten in der 2. medizini¬ 
schen Klnik fand sich 12 mal, aber auch ambulant bei Offizieren Poly- 
neuritis, die zuerst den Verdacht auf Polyarthritis rheumatica erweckte. 
Sie ist bei Kriegsteilnehmern häufig eine multiple, regelmässige Entzün¬ 
dung der Nerven. Erkältungen und Ueberanstrengungen je für sich er¬ 
zeugen nur Mononeuritiden, z. B. des Facialis, höchstens zusammen mit 
Alkoholismus Polyneuritis. 

Ein Fall begann mit Icterus catarrhalis nach Durchfällen leichter 
Art. Daran schlossen sich bohrende, stechende, reissende, kribbelnde 
Schmerzen. Icterus und Polyneuritis waren beide wohl nur durch die 
gleiche Noxe bedingt. In anderen Fällen fand sich gleichzeitig Pleu¬ 
ritis sicca; hauptsächlich begleitete sie intercostale Neuralgie; dreimal 
bestand zugleich Tuberkulose der Pleura (Verwacbsungsherde, Einziehung 
des Zwerchfells, Zackenbildung am Mediastinum). Sonst waren nur Reiz¬ 
erscheinungen an den sensiblen Nerven der Haut da; befallen waren 
der Trigeminus bzw. seine Aeste, Ulnaris, Radialis, Cutaneus femoris 
anterior udü posterior, sowie Ischiadicus. Gewöhnlich zeigte sich zugleich 
motorische Schwäche z. B. des Ulnaris mit Tonusverminderung und Sen¬ 
sibilitätsstörung im Hautnerven. Zuerst bestand Herabsetzung für Be¬ 
rührungsempfindung, dann Analgesie; erstere trat später zurück. Stark 
war die Parästhesie ausgesprochen, besonders in der Gegend der Ge¬ 
lenke, Das täuschte Gelenkrheuma vor. Die sensible Störung war 
war stärker und symmetrisch. Die Leute warfen sich mit Schmerzen aufs 
Lager. Meist war das Herz affiziert; es bestand hauptsächlich leichte 
Endocarditis, Erweiterung der linken Vorkammer, ein Geräusch, das den 
ersten Ton ersetzte, Stärkerwerden des Spitzenstosses, Zunahme des 
zweiten Aortentones; fast immer fand Vortr. leichte Temperatursteige¬ 
rungen. Es war eine Endocarditis, wie sie bei Gelenkrheuraa und Chorea 
vorkoramt. 

Es ist also Polyneuritis rheumatica. Kälte, Nässe und Ueberan- 
strengen bedingen leicht rheumatische Schädigung der besonders in An¬ 
spruch genommenen Nerven. Jeder Gelenkrheumatismus ist infektiös. 
Rhinitis posterior und Mandelabscesse bilden wohl den Anfang, und die 
Prognose des Gelenkrheumatismus wird durch die gründliche Entfernung 
der Mandeln gebesert. Vortr. sah bei seinen Fällen keine schweren Ver¬ 
änderungen im Nasenrachenraum. Aber auch leichte Entzündungen 
mögen das schon beanspruchte Nervensystem geschädigt haben. Die 
Polyneuritis rheumatica wird vielleicht oft übersehen. 

Wirksam ist Salicyl, 5—6 g täglich, später 2—3 g, wochenlang ge¬ 
geben. Sobald sich die Temperatur bessert, gab Vortr. Arsen in Ein¬ 
spritzungen von Natrium cacodylicum alle 3—4 Tage. Auch Externa, 
Hitze, Kataplasmen wurden verwendet. 

Sehr häufig ist die Verwechslung mit Ischias. Möglich ist, dass 
auch Cholangitis zu Icterus und Polyneuritis führt. Mode. 


Frankl-Hoehwart t- 

Am 19. d. M. ist der Professor der Neurologie von Frankl- 
Hoch wart in Wien einem Gehirnleiden erlegen, das sieh schleichend 
entwickelt hatte, aber erst seit einigen Monaten deutlich in die Er¬ 
scheinung getreten war. 

Er war einer der hervorragenden Vertreter der Nervenheilkunde in 
Oesterreich, ein ausgezeichneter Forscher und Arzt, ein hochgeschätzter 
und beliebter Lehrer. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind die 
der Tetanie, der Meniere’schen Krankheit und den nervösen Erkran¬ 
kungen der Blase gewidmeten am meisten bekannt geworden. In den 
letzten Jahren haben ihn die Fragen der inneren Sekretion besonders 
beschäftigt, und er hat mit seinen Untersuchungen über die Physiologie 
und Pathologie der Hypopbysis diese Lehre in hervorragendem Maasse 
gefördert. 

Er gehörte zu den Begründern der Gesellschaft Deutscher Nerven¬ 
ärzte, deren Bestrebungen er sieh mit Begeisterung widmete, indem er 
Schulter an Schulter“ mit seinen deutschen Fachgenossen für die An¬ 
erkennung und selbständige Vertretung der Nervenheilkunde an den 
Hochschulen und Krankenhäusern kämpfte. Er hat es denn auch in 
den letzten Jahren erreicht, dass ihm die Leitung der Neryenpoliklinik 
am Wiener allgemeinen Krankenhause übertragen wurde, eine Aufgabe, 


der er sieb mit vorbildlichem, bis tief in die Leidenszeit aush&rrendem 
Eifer hingegeben hat. 

Ein überaus gütiger, feinsinniger, warmempfiodender Mensch, der 
kaum einen Feind gehabt hat, dem unzählige Freunde nachtrauern, ist 
mit ihm aus dem Leben geschieden. H. Oppenheim. 


Tagesgeschichtliche Notizen. 

Berlin. Der Minister der öffentlichen Arbeiten erachtet es für dringend 
ratsam, dass das Personal der Züge in den dem russisch-polnischen 
Kriegsschauplatz benachbarten Bezirken, sowie im Direktionsbezirk 
Stettin sich mitsamt seinen Familienangehörigen der Choleraschutx- 
impfung unterziehen lässt (Min. Bl., Nr. 50). Nach Veröffentlichungen 
des Kaiserlichen Gesundheitsamtes ging der Feideisenbahnchef Ost noch 
einen Schritt weiter: es muss das mit dem Transport von russischen 
Gefangenen befasste Personal der genannten Schutzimpfung unter¬ 
zogen werden. 

— Um der Ausbreitung ansteckender Krankheiten, besonders unter 
den jetzigen Verhältnissen, nach Möglichkeit vorzubeugen, ist es, vie in 
einem Erlass der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums bekannt ge¬ 
geben wird, unbedingt erforderlich, dass die Mitteilungen über an¬ 
steckende Krankheiten von den Militärbehörden an die Zivilbehörden 
regelmässig und unverzüglich erfolgen. Darauf werden insbesondere die 
Reserve- und Vereinslazarette aufmerksam gemacht. 

— Das österreichische Ministerium des Innern erlässt eine Bekannt¬ 
machung, wonach der Verkauf radiumhaltiger Präparate künftig nur 
in Apotheken stattfinden darf. E9 wird auch darauf hingewiesen, 
dass die Radiumemanation enthaltenden Lösungen, die vielfach in markt¬ 
schreierischer Weise aDgepriesen werden, schon nach 4 Tagen die Hälfte 
ihres Gehaltes an Radiumemanation verloren haben und dass deshalb 
bei Visitationen die Apotheker über diese Verhältnisse zu belehren seien. 
Es muss auch der Bezugstermin auf jeder Lieferung vermerkt werden. 
Die Abgabe der betreffenden Flüssigkeiten ist an ärztliche Verord¬ 
nung gebunden. 

— Geheimrat Prof. Dr. Dietrich, Vortragender Rat in der Medi¬ 
ziaalabteilung des Ministeriums des Innern, ist zum Wirkl. Geh. Ober¬ 
medizinalrat mit dem Rang der Räte erster Klasse ernannt worden. 

— Die erste medizinische Promotion an der Frankfurter 
Universität hat stattgefunden: Herr Eduard Grüner aus Mannheim, 
der als Unterarzt bei dem 80. Infanterie-Regiment tätig ist, hat den 
Reigen eröffnet. 

— Die „Ernährung in der Kriegszeit“ ist eine kleine Broschüre 
betitelt, die von den Herren Proff. Paul Eltzbacher, Carl Oppen¬ 
heimer, Max Rubner, Nathan Zuntz und Frau Hedwig Heyl 
herausgegeben wurde und im Verlag von Vieweg & Sohn erschienen ist. 
Sie ist für 15 Pf., bei Bezug von 50 Stück für 8 Pf. zu haben und 
verdient das Interesse der Kollegen in besonderem Maa9se. Gerade sie 
können dadurch, dass sie die Aufmerksamkeit ihrer Patienten darauf 
lenken, viel zur Lösung der immer wichtiger werdenden Frage beitragen. 

— Hochschulnachrichten: Halle a. S. Habilitiert Dr. Zander für 
Chirurgie. 

— Volkskrankheiten. Cholera. Deutsches Reich (6. bis 
12. XII.) 5. Ausserdem zeigten sich wieder einige Cholerafälle bei russi¬ 
schen Gefangenen sowie bei Verwundeten oder Kranken, die vom Öst¬ 
lichen Kriegsschauplätze kamen. Oesterreich (15.—21. XI.) 363 und 
72 f. Ungarn (15.—21. XI.) 485. — Pocken. Deutsches Reich 
(6.—12. XII.) 6. — Genickstarre. Preussen (29. XI.—5. XU.) 5 
und 3 f, — Spinale Kinderlähmung. Preussen (29. XL—5.XII.) 
2. Schweiz (22.—28. XL) 2. — Ruhr. Preussen (29. XI.-5. XU.) 
81. Oesterreich (8.—14. XL) 1321 und 37 f. — Mehr als ein Zehntel 
aller Gestorbenen starb an Scharlach in Beuthen, Köoigsbütte, Reck¬ 
linghausen-Land, Thorn, Tilsit, Zabrze, Diphtherie in BerÜn-Licbtenberg, 
Berlin-Pankow, Bottrop, Gera, M.-Gladbacb, Recklingbausen-Land. 


Amtliche Mitteilungen. 

Personalien. 

Eisernes Kreuz 2. KL: Priv.-Doz. Prof. -Dr. K. Löniog in Halle 
a. S., Kreisarzt Dr. F. Kahle in Aurich. 

Niederlassungen: Dr. H. Matschke in Breslau, Dr. B. Riep w 
Estebrügge, Dr. K. Heimannsfeld in Essen (Ruhr). , 
Verzogen: Dr. 0. Bruns von Marburg und Dr. W. Reddingnis ton 
Gotha nach Göttingen, Dr. R. Wendorf von Frankfurt a. 
Mörfelden, Dr. R. Abe von Wiesbaden nach Frankfurt a. 

N. Hermann von Nauort nach Niederlahnstein. . 

Gestorben: Kreisarzt Dr. M. Schweitzer in Hattowitz, Dr. K- 

in Berent, San.-Rat Dr. M. Groebe in Berlin-Bucholz, Prof, w 

O. Brieger in Breslau, Kreisarzt a. D. Geb. Med.-Rat Dr. J* " 

kober in Trebnitz, Dr. W. Oltmann in Estebrügge. San.-«* • 

E. Tiscbner in Elberfeld, Geh. San.-Rat Dr. A. ^erschein 
Essen (Ruhr), Dr. R. Sarrazin in Emmerich, San.-Rat Dr.J.ap 

i n Illingen. ____ __ 

Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Han« Sohn, Berlin W., BtfrtuüitrflM* ^ 


Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4. 


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UNIVERSUM OF IOWA 



Namen- und Sach-Register. 



1. Namen-Register. 

Die fettgedruckten Zahlen bedeuten Originalartikel. 


A. 

Aaser, E. (Christiania) 246. 
Abderhalden, E. (Halle) 26, 
28, 318, 360, 461, 5."»7, 
798, 843, 895, 940, 1040, 
1182, 1185, 1524, 1526, 
1688, 1945. 

Abel (Berlin) 127. 

Abel, K. (Berlin) 893. 

Abel, S. (Bergen) 120. 
Abelin, J. (Bern) 556, 893. 
Abels (Wien) 1151. 
AbelsdorlT (Berlin) 764,1196. 
Abcndroth, R. 1797. 

Abi (Rostock) 1006. 
Abraham, J. J. (London) 755. 
Abrami, P. (Paris) 651. 
Abramow, S. (Moskau) 269, 
362. 

Abramowski 33. 

Abrand, M. If. 270. 

Ach (München) 334. 

Achard 1490. 

Achard (Paris) 430, 1152, 
1567, 1603. 

Achard, C. 1042. 

Achclis,W. (Strassburg) 1426. 
Ackermann 1042. 

Adam (Berlin) 176, 1556, 
1674. 

Adam (Cöln) 1473. 

Adam, C. (Berlin) 950. 
Adamson, II. 0.(London)756. 
Addis, Th. (San Francisco) 
844. 

Adelheim, JL (München) 167. 
Adler (Berlin) 1692. 

Adler (Karlsruhe) 1900. 
Adler (Pankow) 805, 1781. 
Adler (Wien) 1825. 

Adler, A. 942. 

Adler, F. S. (Frankfurt a. M. 
1748. 

Adler, L. (Berlin) 556. 
Adler, L. (Erlangen) 1242. 
Adler, L. (Schöneberg) 363, 
9S9. 

Adler, 0. (Prag) 864. 

Adrian (Strassburg) 1563. 
Agadsehanianz 709. 
d'Agata, G. (Pisa) 638. 
Alilfeld 1920. 


Ahlfeld, F. (Marburg) 1530. 
Ali rein er (Strassburg) 91, 
669, 1392. 

Ahrens (Güttingen) 1874. 
Ahrcns (Wiesbaden) 237. 
Aime, 11. 429. 

Aine (Paris) 860. 

Akimoto, R. (Kyoto) 318. 
Albanus (Hamburg) 1247. 
Albary, .1. M. (Paris) 1327. 
Albee (New York) 813. 

Alber (Bremen) 1900. 

Albert (Wien) 1950. 

Alberti (Frankfurt) 719. 

A Iberis 1556. 

A1 brecht (Berlin) 905. 
Albrccht, W. (Berlin) 1130. 
Al hu 376. 

AHin (Berlin) 1431, 1473, | 
1755, 1777. i 

v. Aldor, L. (Karlsbad) 989. | 
Alexander(Berlin) 1004,1755 j 
Alexander (Budapest) 712. 
Alexander, A. (Berlin) 1003. j 
Alexander, A. (Gbarlottcn- ' 
bürg) 1728. | 

Alexander, K. 1901. I 

Alexander, W. (Berlin) 622, 1 
661, 662, 1233, 1408. | 

Alexandresca-Dcrsca, C. ! 

(Bukarest) 1225. I 

Alexandrow, Th. (Moskau) I 
1249. | 

Alexeieff, A. (Petersburg) 
1747. 

Alexietf, W. 123, 463. | 

Algyogyi (Wien) 911. 

Allard (Hamburg) 854. 

Allen, R. W. (Eondon) 985. 
Allenbach, E. 266. 

Allenbach, E. (Strassburg) 
986. 

Allmann (Hamburg) 90, 223, 
284, 322, 364, 1081. 
Almkvist, .1. (Stockholm)408. 
Alsberg (Hamburg) 1850. 
Alter (Eindenhaus) 802. 
Altschul (Prag) 124, 912. 
Altschul,W. (Prag) 142,1652. 
Alwens (Frankfurt) 1004. 

Aly (Hamburg) 1901. 
Alzheimer (Breslau) 375, 
474, 765. 

Amann,J. A.(München) 1578. 


Ambard (Paris) 429, 1097. : 
Amberger (Frankfurt) 1130. 
Amersbach, K. 1049. 
Ameuille (Paris) 1152. I 
Ammenhausen, W. (Me- j 
schede) 1733. 

Amoss, H. 1898. 

Amoss, II. I. 1898. 
Amtsehisla\vsky,M. (Moskau) 
692. 

Anderes (Zürich) 1875. 
Anderes, E. (Zürich) 614, I 
1525. I 

Anders, E. (Zürich) 985. i 
Andersen, A. C. 25. i 

Andersen, N. (Kopenhagen) J 
846. “ | 

Ando, H. 841. 

Andogsky 1284. I 

Andrce, IE (Bremen) 1600. 
Andrv, C. (Toulouse) 561. j 
Andvord, F. 1225. j 

v. Angcrer (Erlangen) 1146. , 
Angle, E. H. 119. ! 

Anitschkow, N. (Petersburg) ! 
268. 363, 1225, 1578, | 

1748. j 

Anschütz (Kiel) 810, 865, I 
961, 1104, 1153, 1487, | 
1488, 1691. j 

Anselmino, 0. (Berlin) 1374. 
Anton (Oels) 1602. 

Anton, G. (Halle) 896, 1551. | 
Antoneili, G. 1946. 

Antoni 1329. i 

Antoni (Heidelberg) 1341, j 
1429. 

Anki, T. (Nagasaki) 1600. 
Apulant, E. 1081. 

Apolant, H. (Frankfurt) 608. 
Arai, T. (Tokio) 79S. 

Arany 708. 

v. Are, W. (Bern) 1128. 
Arcelin 1184. 

Arima, R. (Osaka) 28, 269, 
1127. 

Arisawa, LE (Osaka) 848, 
1048, 1280. 

Arnaud, E. 1376. 

Arndt (Berlin) 850. 

Arndt (Cassel) 29. 

Arndt, D. 996. 

Arndt, Th. (Breslau) 1525. 
Arneth (Münster) 153, 1798. 


Arnheim, G. (Berlin) 901, 
992. 

Arning, E. (Hamburg) 1047. 
Arnold 1227. 

Arnold, A. (Eeipzig) 1747. 
Arnold, J. J. (St. Helena) 
413. 

Arnoldi (Berlin) 230, 558, 
663. 

Arnstein (Wien) 769, 857, 
858, 859, 1150. 

Aron, E. (Berlin) 94. 

Aron, H. (Breslau) 897, 972, 
1337. 

Aronson 1483. 

Aronson (Berlin) 34, 1433, 
1434. 

Arzt, L. (Wien) 613, 625, 
707, 1148, 1225, 1283, 
1395, 1526. 

Asayama, T. (Kyoto) 760. 
Asch 1652, 1799. 

Asch, R. (Berlin) 1387. 
Asehenheim (Dresden) 857. 
Aschenheim, E. (Dresden) 
897, 1186. 

Aschheim (Berlin) 655, 1924. 
Aschner (Halle) 847, 1920. 
Aschner (Wien) 89. 

Aschner, ß. (Halle) 26. 
Aschoff 333. 1 

Aschoff (Freiburg) 671,1565. 
Aschoff, L. 1504. 

Asher, L. 166. 

Ask, F. 165. : 

v. Assen 1428. 

Ass er, E. (Breslau) 607. j 

Assmann (Leipzig) 559, 576. 
Assmy (Chunking) 1327. 
Aubcrtin (Paris) 238, 1097. ; 
Aubertin, Ch. 414. 

Audebert (Toulouse) 82, 367. 
Auel, W. (Halle) 892. 

Auer (Kiel) 1561. i 

Auerbach,S. (Frankfurt)842. j 
Auermann, W. (Chorostkow) 
1331. ^ 1 

Aumann 589. i 

Aumann (Berlin) 02, 273, ! 

398. j 

Autenrieth, W. (Freiburg) 
555, 1581. i 

Awrorow, P. (Tomsk) 1278. j 
Axcnfeld, Th. 848. | 


Axcnfeld, Th. (Freiburg i. B.) 
1750. 

Axhausen 170, 221, 333, 570, 
1007, 1230, 1281. 
Axionow, L. 1107. 

Aycr 1224. 

Azzi, A. (Neapel) 268. 


B. 

Baar (Portland) 82. 

I Baar, VE 1798. 

Babiik, E. 892. 

Babes, M. V. (Paris) 770. 
Babes, V. (Bukarest) 501. 
Babinsky (Paris) 142. 
Babitzki, P., (Kiew) 414, 
1581. 

Babkin, B. J. 1463. 
Babonneix 1045. 

Bache, M. (Halle) 892. 
Bachem, C. (Bonn) 188. 
Baehmann (Leipzig) 911, 
912. 

Bachmctjew, P. (Sofia) 191. 
Bachraeh (Wien) 674, 1148, 
1149. 

Bachrach, R. (Wien) 465, 
613, 799. 

Bachsteg (Wien) 272. 
Bacmeistcr (Freiburg) 412, 
462, 1005, 1819. 

Bacot, A. W. (London) 1430. 
Bade 170. 

Bade (Hannover) 815. 

Bade, P. 1282. 

Badic (Paris) 722. 

Badollc, A, (Lyon) 122. 
Baggerd (Posen) 1376. 
Baginsky 1195. 

Baginsky (Berlin) 622, 903. 
Baginsky, A. 264. 

Bähr (Hannover) 84. 

Bähr, K. (Göttingen) 1227. 
Bahrdt, H. 611, 1129. 

Bail 1918. 

Bail, 0. (Prag) 758. 

Baiseh 1080. 

Baisch (Heidelberg) 93, 1554, 
1564, 1965. 

Baizics, G. W. (Philadelphia) 
222 . 

3 


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Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Bakes (Brünn) 771. 

Balban, W. 1554. 

Ballance, C. A. (London) 
1224. 

Ballenger, E. G. (Atlanta) 
322 

Ballner, J. (Wien) 1229. 
Ballowitz, E. 985. 

Bandelier, 6. 1223. 
Bannwarth, J. ß. (Mühl¬ 
hausen) 1229. 

Baer 28. 

v. Barabäs, Z. (Budapest) I 
463. I 

Barantschik(Heidelberg)799. | 
Barbara, B. (Buenos Aires) 
1579. i 

Barbarin 80. j 

Barbey, A. (Strassburg) 322. 1 
Barbier (Paris) 860. 
Barczinski (Heidelberg) 705. ■ 
Bardeleben 1485. 
v. Bardeleben (Berlin) 171, 
664. 

Bardor (Paris) 1001. ( 

Bardot, K. (Berlin) 79. 

Barie (Paris) 188. , 

Barjon, F. 461. 

Barker 319. 

Barker, A. E. (London) 1282. ! 
Barker, E. M. (Hastings) 270. 
Barkon 1469. I 

Baermann, G. (Sumatra) 120, ! 

707, 1132. ; 

Baroch, F. 1946. i 

Baron (Paris) 1001. ' 

Baron, A. 1553. 

Baron, A. (Budapest) 608, 
612, 1084. 

Barrat, J. 0. W. 412. 
Barrenscheen, H. R, 266. 
Barsieck, W. (Weissensce) 
1469. ' 

Barsony, Th. (Budapest) 
612, 1553, 1556. 

Bartels, D. 803. i 

Barth 1750. 

Barth (Arau) 1612. 

Barth (Berlin) 425. 

Barth (Danzig) 270, 1007. 
Barth (Paris) 1001. 

Barth, A. 1330. 

Barth, H. 610. 

Barth, E. (Berlin) 1577,1615. 
Barthc de Sandfort (Paris) 
1246. 

Barthelemy (Paris) 188. 
Baerthlein, K. (Berlin) 34, 
329, 411, 611. 

Bartlctt 1225. 

Bartsch, H. (Heidelberg) 113. 
Baruch 1586, 1587. 

Baruch (Breslau) 1603. 
Basch, K. (Prag) 1422. 
Basch, S. (New York) 759. 
Baeslack, F. W. (Detroit) 
410. 

Basler, A. 1080. 

Bass (Wien) 858, 1850. 

Bass (K ar l sru h e ) 'HL 
Bass, M. II. (New York) 843. 
Bass, R. (Prag) 754. 

Bassani (Berlin) 1559. 
Bassenge, R. 1847. 
Basset-Smith, P. W. (Green¬ 
wich) 757. 

Basten, J. (Bonn) 1373. 
Baetge, P. (Düsseldorf) 28, 
649. 

Baethge (Coblenz) 649. 
Batzdorff 1601. 

Batzner 472. _ 

Rauehwitz 897. 

Bauchwitz (Stettin) 811. 
Baudisch, 0. 1467. 

Bauer 1601. 

Bauer (Breslau) 717. 1103, 
1199, 1586. 


Bauer (Innsbruck) 320. 

Bauer (Malmö) 81. 

Bauer (Wien) 625, 1151.' 
Bauer, F. (Wien) 650. I 

Bauer, J. 1687. , 

Bauer, J. (Düsseldorf) 647. | 

Bauer, R. (Wien) 1046. , 

Bauer, Th. (Wien) 1578. j 
Baucr-Jokl (Innsbruck) 320. , 
Bauermeister (Braunschweig) j 
1803. 

Baum (Kiel) 612. 

Baum (München) 1146. 

Baum, E. W. (Kiel) 81. 

Baum, H. L. (München) 710, 1 
1581. I 

Baum, 0. (Kladno) 1277. > 

Baumann (Essen) 574, 853. I 
Baumann, E.(Beuthen) 1225. 
Baumbach (Saarbrücken) i 
762. 

Bcäumcr (Berlin) 322. 

Bäumer (Jena) 802. 

Bäumer, H. (Halle) 1525. 
Baumgart (Kassel) 272. 
Baumgarten, P. (Tübingen) 
1468. 

Baumgartner 1490. 
Baumgartner, A. 1079. i 
Baumgärtner 1332. 

Baeumlcr, C. (Freiburg) 989. 
Baur 1485. 

Bayer (Prag) 271. 

Bayer, G. (Innsbruck) 1422. 
Bayer, H. 1048. 

Bayer, II. (Wien) 1733. 
Bayer, R. 412. 
v.Baeyer, II. (München) 651, 
760. 956, 1082, 1901. 
Bayern, H. (Südafrika) 561. 
Bayeux, R. 892, 1277. 

Bayon, II. (Südafrika) 557. ( 
Bazy (Paris) 1566. 

Beaton, Th. (Epsom) 987. 
Bcaujard, E. 414. 

Beaulieu, F. 1097. , 

Bechhold, II. (Frankfurta.M.) 
1687. 

Bechterew (Petersburg) 1127. 
v. Bechterew, W. 216. 

Beek (München) 220. 

Beck (Wien) 1148. 

! Beck, A. 459. 

' Beck, C. 611. 

Beek, K. (Heidelberg) 1246. 
Beck, M. 713. 

Beck. 0. (Wien) 28, 1247. 

! Beck, R. (Stuttgart) 893. 

Beck, S. C. (Budapest) 28. 

: Bcckam, F. (New York) 1374. 
Becker 1330, 1650. 
Becker(Charlottcnburg) 1336. 
Becker (Göttingen) 223. 
Becker (Teheran) 849. 
Becker, L. 1466. 

Becker, L. (Berlin) 1689. 
Becker, S. 459. 
i Becker, Th. (Metz) 123, 709. 

| v. Beckb, II. A. (Widman- 
| stetter) 1428. 

Beckmann (Petersburg) 1749. 
Beckmann (Wien) 1150. 
Beckmann, W. (Petersburg) 
1187. 

Beclere (Paris) 124. 

Begle (Detroit) 562. 

Behla, R. 675. 

Behne, K. (Kiel) 318. 

Behr 367. 

Bebr (Kiel) 1339. 

Behrend 897. 

Bohrend (Stettin) 811. 
Behrenroth, E. (Greifswald) 
647. 

v. Behring, E. (Marburg) 483, 
917, 1099, 1773, 1798. 
Beitzke, II. (Lausanne) 364, 
1537. 


Bclcncki E 25. I Bernheim 1514. 

Beier, C. 1284. Bernheim-Karrer (Franklurt) 

Beilag, K. (Basel) 322. 1229. . 

Beilido, M. (Barcelona) 222. Bernheim-Karrer (Zu 

Bclloir (Paris) 479, 1001, 650. 

Bernstein, J. 55o, 892, 

Bellois (Paris) 1152, 1604. Bernstein, J. M. (Loi 
Belot (Paris) 124. 899. . 

Beltz, L. (Cöln) 122, 912. Bernstein, P. (Berlin) 
Bcnario, J. (Frankfurt) 1283. Bernstein, S. (Wien) 2 
Benda (Berlin) 06, 282,1292, Bernthsen, 0. 1687. 

1385, 1965. Bertheim, A. 166. 

Benda, R. 166. Bertin-Sans (Montpclli 

Benda, R. (Prag) 938. 1187. 

Bender (Wiesbaden) 377. Bertrand (Paris) 1246. 
Bender,E.(Wiesbaden) 1577. Besgmark (Upsala) 161 
Bcnderskv. -T. (Kiew) 1459. Besredka, A. (Paris) 97 
Benedikt (Wien) 187, 1343. Bcssau,G. (Breslau)285 
Beneke (Halle) 272. Bcssel-Lorck (Halle) 2 

Benesi (Wien) 378. Bessiere 900. 

Benestad (Christiania) 466. Best, F. (Dresden) 15f 
1874 . Bethc (Stettin) 427. 

Benjamin. E. 611. Bethge (Frankfurt) 10! 

Benjamins 1426. Betkc (Berlin) 1749. 

Benjamins. C. E. 360, 1371. Betkc (Frankfurt) 271 
Bensaude 1490. Bctke, R. (Frankfurt) 

Bensmann, M. K. (Cöln) 121. Bettmann (Heidelberg) 
Bcntbergcr, Y. (Strassburg) 1564, 1769. * 

409. Beumcr, H. 1327. 

Benlhin (Königsberg) 900, Beumer, H. (Halle a.S.) 

1377. 1847. 

Benthin,0.(Königsben:)1232. Bevan (Chicago) 1011 
Benthin, W. (Königsberg) Beyer 1247. 

847 Bcvcr (Berlin) 231, 421 

Bentson 124. I 904, 1289. 1533. 

Berard 900. ' Beyer, W. (Rostock) : 

Berdel (Frankfurt) 941. Bezanron (Paris) 139i 
Berdnikoff, A. (Petersburg) Biach (Wien)380,1148 
943. Bibby, J. P. (Leeds) - 

Bcresin, W. K. 1372. j Biberfeld (Breslau) 1( 

Beresnegowski (Tomsk) 1376. , Bibergeil 170. 
Beresnegowskv, N. (Tomsk) > Bibergeil (Berlin) 138 
80. j Bibergeil, E. 359. 

Berg 1921. Biberstein, H. (Breslai 

Berg (Strassburg) 1042. | Bichler, R. (Riga) 56 

Berg, R. 221. I Bickel (Berlin) 1823. 


Bertheim, A. 166. 
Bcrtin-Sans (Montpellier) 
1187. 

Bertrand (Paris) 1246. 
Besgmark (Upsala) 1688. 


Birnbaum, R. (Göttingen) 
843, 978, 1042. 

Birt, E. (Shanghai) 1528. 


Bernheim- Karrer (Zürich) Bischoff (Düsseldorf) 187«. 

650. Bischoff (Magdeburg) 124. 

Bernstein, J. 555, 892, 1945. Bischoff, W. (Düsseldorf) 
Bernstein, J. M. (London) 802. 

899. Bisgaard, A. (Kopenhagen) 

Bernstein, P. (Berlin) 560. 1374. 

Bernstein, S. (Wien) 267. van Bisselick (Amsterdam) 


1374. 

van Bisselick (Amsterdam) 
845. • 

Bith, II. (Paris) 648. 
Bittorf, A. (Breslau) 413, 
1098, 1874. 

Bittrolff, R. (Heidelberg) 409, 
1673. 


Besredka, A. (Paris) 97,757. Blacher, W. (Petersburg) 
Bcssau,G. (Breslau)282,650. 650. 


Bcssel-Lorck (Halle) 28. j 

Bessiere 900. i 

Best, F. (Dresden) 1582. 
Bethc (Stettin) 427. 

Bethge (Frankfurt) 1094. 
Betke (Berlin) 1749. 

Betkc (Frankfurt) 271. 

Bctke, R. (Frankfurt) 1919. 


Blackford 122. 

Blacklock, B. 1279. 
Blacklock, B. (Liverpool; 
1044. 

Blanc, G. 1554. 
Blanehard, M. 29. 
Bland-Sutton, SirJ.(London) 
413, 464. 


Bettmann (Heidelberg) 1145, j Blaschko, A. (Berlin) 538, 
1564, 1769. # 1750. 

Beumer, H. 1327. Blauel (Ulm) 960. 

Beumer, H. (Halle a. S.) 1733, j Blechmann, G. 413, 

1847. Bleichröder (Berlin) 451. 

Bevan (Chicago) 1011. Blenkle, E. (Nowawes) 5«0. 

Beyer 1247. Bleuler, E. 1819. 

Beyer (Berlin) 231, 423, 659, Bleuler, E. (Zürich) 217. 

904, 12S9. 1533. j Bloch 1490. 

Bevor, W. (Rostock) 121. i Bloch, A. (Frankfurt) 307. 
Bezanron (Paris) 1395. j Bloch, M. (Paris) 429, 419, 
Biach (Wicn)380,1148,1395. | 1001. 

Bibby, J. P. (Leeds) 608. j de Bloeme, P. L. (Amstcr- 


Biberfcld (Breslau) 1616. 
Bibergeil 170. 

Bibergeil (Berlin) 1384. 
Bibergeil, E. 359. 
Biberstein, H. (Breslau) 895. 
Bichler, R. (Riga) 561. 
Bickel (Berlin) 1823. 


R. (Weisser-IIirsch) i Bickel, A. 1464. 


1227. 1 Bickel, A. (Berlin) 119, 122. 

Berge (Paris) 188, 1151. ! Bickel, II. 221, 649, 709. 

Bcrgcll (Berlin) 1381. Bickel, H. (Bonn) 800. 

Bergell, P. 938. j Biedermann (Jena) 1535. 

Berger (Jena) 1752. ! Biedl (Prag) 1247. 

Berger, E. 892, 1553. ' Bieling, C. 1464. 

Berger, B. (Wien) 651. Bieling, lt. 1747. 

Berger, V. (Cöln) 79. Bieling, lt. (Berlin) 1057. 

Borgeron (Paris) 1246. Bielsehowsky (Marburg) 272. 

v. d. Bergh 1180. Bien, Z. 360. 

v. d. Bergh, A. A. II. (Gro- Bier 458, 1483, 1484. 
ningen) 1109. I Bier (Berlin) 128, 1925. 

Bergmann (Altona) 90, Bier, A. 1370. 
19,854,1801,1804,1849. Bier, A. (Berlin) 426, 471, 
Bergmann (Riga) 1103. 1201. 

■gmann,J. (Nesslau) 1468. Bierbaum (Frankfurt) 941. 

-kmark (Breslau) 1900. Bierbaum, K. (Frankfurt) 

•gmeister (Wien) 1921. < 608. 

rgmeister, R. 848. Biermann (Berlin) 894. 


v. Bergmann (Riga) 1103. 
Bergmann, J. (Nesslau) 1468. 
Berkmark (Breslau) 1900. 
Bergmeister (Wien) 1921. 
Bergmeister, R. 848. 

Beriet 221, 1081. 

Beriel, L. 80, 1375. 

Bering (Essen) 854, 1752. 
Beritoff 1371. 

Berliner, B. 1846. 


Berliner,M.(Ilütteldorf) 1375. Bijncn 361. 


Bicrnacki, J. (London) 1527. 
Biersaiski 568, 990. 
Biersalski (Berlin) 814. 
Biesenberger, II. (Graz) 612. 
Bigler, W. (Bern) 758. 


Bernard, L. 1126. Bikcles 896. 

Bernard, L. (Paris) 1002. Bikcles, G. 1372. 
Berndt, F. (Stralsund) 124, Billeter, A. (Ziiric 
710. Billington, W. (Bii 

Berneaud (Kiel) 1338. 992. 

Berneaud, G. 798. Binder, A. (Barm* 

Berneker, 0. (Berlin) 1557. Bing, H, J. (Kc 
Berner, K. (Stuttgart) 843. 759. 

Berner, 0. (Christiania) 316. Bingler 1083. 
Bernhardt 1480. Binnie, J. F. (Ka 

Bernhardt (Berlin) 806, 809, 954. 

1179. Bircher, E. (Aara 

Bernhardt, M. (Berlin) 1400, Bird, F.D. (Melboi 
1672, 1790. Birk, W. (Kiel) 1 

Bernhardt, G. (Warschau) Birkhaeuser 1921 


1 Bloch 1490. 

Bloch, A. (Frankfurt) 367. 
Bloch, M. (Paris) 429, 479, 

1001 . 

de Bloeme, P. L. (Amster¬ 
dam) 1581. 

Biohmke (Königsberg) 1798. 
Bloomfield, A. L. 168. 
Blübdorn.K. (Böttingen) 709. 

999, 1228, 1341. 

Blum, F. 1524, 1797. 
Blum, Y. 943, 1087. 

Blum (Cöln) 1178. 

Blum (Strassburg) 1563. 
Blum (Wien) 1245. 

Blum, V. (WRd) 561. 
Blumberg (Berlin) 910, 914. 
Blumenfeld 24. 
Blumcnfcld, A., 1749. 
j Blumenfeld, E. 459. 
Blumenfeld, F. 1670. 
Blumenfeld, F. (Wiesbaden) 
1597. 

I Blumenthal (Berlin) 230, 
j 231, 620, 621, 659, 852. 

| 904, 1333, 1334, 133j, 

1533, 1534, 1559. 
Blumenthal, A. (Berlin) ®u 
331. 

Bluraenthal, F. (Berlin) 408, 

1316. 

Blumenthal, F. M. 1 - 1 0- 
, Blumenthal, G.(Berlin)l.*l ; 
Blumenthal, N. (Heidelberg 
648, 1733. 

. Blunek, G. (Mirow) 842. 

| Boas, H. 407. 
i Boas (Berlin) IÄ 
! Boas, H. (Kopenhagen) 

! 1748. 

1 Boas, J. 1463. 


Bikcles 896. ! Boas, li. (nopeuu^v 

Bikcles, G. 1372. ^ ’ 1748 - „ 

Billeter, A. (Zürich) 108o. I Boas, J. 

Billington, W. (Birmingham) ! Boas, J.' 

992 I Bocci, B. 76, 1*08 

Binder, A. (Barmen) 1128. j Bocbynek, A. (Berlin) b ^ 
Bing, H. J. (Kopenhagen) Bock, J. [ Ö P D 
759. 1 Boeck (Stettin) W‘- 

Bingler 1083. ' Bockenheiraer H»- 

Binnie, J. F. (Kansas-Citv) | Bockenheimer, Pb. 

954 Böcber 1*0. . 

Bircher, E. (Aarau) 759. ■ Bocker, E. ( ßci Avi es ba<lcn 

Bird, F.D. (Melbourne) 1428. Bockhart, M. (" 

; W - < Ki ?> 137 °’ 1945 - Jllm. M. (Langet 


1231, 1529. 


Birnbacher, Th. 1898. 


556. 

Bockhorn, M. 
990. 


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Original frnm 

UMIVERSITY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1971 


Boeckmann (Berlin) 362. 
Bode, P. (Riga) 942. 

Boden (Kiel) 238, 958. 
Bodenstein, J. (Gastein) 267. 
Bodin, E. (Rennes) 415. 
Bodländer (Berlin) 618. 
Bodländer. F. (Berlin) 542. 
Bofinger (Stuttgart) 564. 
Bogrow, S. L. (Moskau) 1529. 
Böhi (Zürich) 847. | 

Bohra, G. (Berlin) 27. 

Böhm (Berlin) 813 
Böhm, H. 464. 

Böhm, K. 1284, 1921. 

Böhm, M. (Berlin) 747,1190, 
1195. | 

Boehm, R. (Leipzig) 555. 
Böhme, A. (Kiel) 956. j 
Böhme, W. (Dresden) 1099. I 
Boehmke, K. E. (Frankfurt) 1 
757. | 

Bohne (Hamburg) 624. 
Boehnke, Iv. E. (Frankfurt) ' 
647. ! 

Boeke, J. 1326. ! 

du Bois-Reymond, R.(Berlin) I 
1014, 1738. ! 

Boit (Königsberg) 1339. i 
Bokay (Budapest) 1900. 1 

v. Bokay 622. I 

v. Bokay, Z. 1329. 

Bokorny, Th. 892. i 

Boljarski, N. (Petersburg) i 
899. 1 

Bol lag, K. (Basel) 562. ! 

Bolo 1848. 

Bolten 365, 1427. 

Bolten, G. C. (Haag) 1469. 
Boltz (Cöln) 1098. 

Bommes, A. 1524. 

Bondi, J. (Wien) 272, 79S. 
Bondi, S. 169. 

Bondi, S. (Wien) 798. 

Bondy (Wien) 94, 1147. 
Bondy, 0. 1486. 

Bondy, 0. (Breslau) 1278, 
1556. 

Bonheim, P.(Hamburg) 1327. 
Boenheim (Bensheim) 1956. 
Boenheim (Berlin) 705. 
Bonhoff, F. (Hamburg) 1373. 
Bonhoeffer 1479, 1480, 1481. 
Bonhocffer (Berlin) 30, 228. 
559, 947, 948, 1672, 1673, 
1691, 1750, 1774. 
Bonnamour S. (Lyon) 122. 
Bonnefon 1557. 

Bonniger 1474. I 

Bönniger (Berlin) 659. 
Bönniger, M. (Berlin) 76. j 
Bönninger (Pankow) 957. 
Bonome, A. (Padua) 756. 
Bontemps (Altona) 1129. J 
Bookmann, Ä. (New York) ; 

1820. i 

Borchard (Posen) 179, 864, ! 
913, 1282, 1586, 1587, j 
1600, 1601, 1603. ! 

Borchardt 1481. 

Borchard t (Berlin) 328, 
1192, 1244, 1823, 1965. 
Borchardt, L. 1281. 
Borchardt, L. (Berlin) 1288. 
Borchardt, L. (Königsberg) 
120, 1422. 

Borchers, E. (Tübingen) 1186. 
Bordet, J. 121. 

Bordet, J. (Brüssel) 497. 
Borclius, J. (Lund) 271. 
Borelli 1650. 

Borgbjaerg, A. (Kopenhagen) 
864. 

Bornemann, W. (Stettin) 167. 
Bornstein (Hamburg) 90, 
767, 998. 

Bornstein, A. 1848. 

Bornstein, A. (Hamburg) 711, 
923, 1232. 


Bornstein, J. (Moskau) 171. 
Borrel (Paris) 1395. 

Borst (München) 1619. 
Borszekv, K. (Budapest) 612, 
1282. 

Bortkiewitseh (Petersburg) 
847. 

Boruttau, H. (Berlin) 1599. 
Bossart, A. (Aarau) 760. 
Bossclmann (Erlangon)1471. 
Boeters, 0. (Zittau) 1747. 
Bottcri, J. H. (Scbcnico) 
799. 

Böttiger (Hamburg) 1391, 
1901. 

Boetzel, E. (Heidelberg) 268. ' 
Boulud 25, 26, 119. j 

Boulud, R. (Lyon) 1373. i 
Bourgeois (Paris) 1246. j 
Bourgnignon, G. 31. 

Bourne, A. W. 407. ! 

v.Bouwdijk (Bastiaanse) 1430. 
Boveri. P. (Mailand) 1185. J 
Braatz (Königsberg) 1340. > 

Bracht (Berlin) 652. 

Bradden, W. L. 1329. i 
Brade (Breslau) 994. ■ 

Bradford, E. H. (Boston) , 
990. 


Bralim, C. (Berlin) 1579. i 
Brand 898, 1428. 
van den Branden, F. 1472. , 
von den Branden, F. (Leo- 1 
poldsville) 223. 
Branderburg, 11. (Berlin) j 
1328. 

Brandes 1488. ( 

Brandes fKicl) 612,712,720, ! 

811, 865, 943. 1229, 1691. 1 
Brasch, M. (Nürnberg) 1280. j 
Brasch, P. (BraunschweigJ j 


460. 


Brattstrüm, E. (Lund) 1557, j 
Bratz (Königsberg) 1947. j 
Braude, L. (Berlin) 170. j 

Brauer (Hamburg) 854, 1142. \ 


1849. 


Brauer, A. (Danzig) 894. ; 

Brauer, L. 1611. | 

Brauer, L. (Hamburg) 843, 
1597. ; 

Braun 458. I 


Braun, II. 988, 1370. | 

Braun, H. (Frankfurt) 297, 
328, 668, 1922. 

Braun, L. (Wien) 1129. 
Braun, W. (Berlin) 1229. 
Braeuning (Stettin) 89, 1138. 
Braus (Heidelberg) 1673, 
1903. 

Brcccia, E. 1226. 

Brehm, 0. 31. 

Breitenstein, II. 802. 
Breitmann, M.J. (Petersburg) 
120, 842, 1372. 

Breitner, B. (Wien) 1230. 
Brenner, A. (Linz) 82. 
Brentano, A. 1476, 1747. 
Bresgen (Cöln) 1948. 

Bret, J. 648. 

Bret, T. 461. ! 

Breton 323. i 

Brettner (Berlin) 1665, 1698, i 


1825. | 

Breuer, C. (Friedenau) 1821. j 
Breuning, F. (München) 1046. 
v. Breuning, W. 1130. 
Brezina, E. 1746. j 

Brieger 1154. 1 

Briegcr, L. (Berlin) I0l,lo7, j 
230, 839. | 

Brill (Frankfurt) 1143. | 

Brilliant, W. 1524. 

Brind, Z. (Berlin) 559. 

Broca (Paris) 321. 

Broca, A. 270, 411. I 

Brock, W. 33. i 

Brock, W. (Erlangen) 1246. | 


Brockmann, H. (Wien) 28. 
Brocq, L. (Paris) 561. 

Brocx 368. 

Brodin (Paris) 1604. - 
Brodmann (Tübingen) 226. 
Brodtmann (Zittau) 90. 

Brockmever, J. (Greifswald) 
1581. ‘ 

Bromberg, R. (Haag) 221. 
Brongersma (Amsterdam) 
1202 . 

Brösamein (Tübingen) 1185. 
Bröse 1485. 

Bröse (Berlin) 129, 1136. 
Brötz (Essen) 1752. 

Brouardel (Paris) 429. 
Brouardel, G. (Paris) 1566. 
Broughton (Paris) 429. 

Bruch (Dresden) 1899. 

Bruck, C. (Breslau) 430. 
Bruck, F. (Berlin) 1232. ; 

v. Brücke, E. Th. 938, 1797. , 
Brückner 220. 

Brückner (Berlin) 558, 906, ! 

1099, 1425, 1560. ' 

Brückner, G. (Berlin) 103, ! 
120 . | 
Briiggemann, A. (Giessen) 
1127. 

Brugsch (Berlin) 568, 1379, 
1533. 

Brugsch, Th. (Berlin) 704, 
798. , 

Briihann (Osterburg) 1055. j 
Brühl (Berlin) 422, 423, 
1288, 1289. 

Brühl, G. 1732. 

Bruhn, *0. 1425. I 

Bruhns (Berlin) 566, | 

Bruhns, C. (Berlin) 382. , 

Bruhns, C. (Charlottenburg) 

69. I 

Brun, II. (Luzern) 464. 
Brüning (Berlin) 1531, 1532. j 
Brüning (Rostock) 1874. j 
Brüning, A. (Giessen) 1085. i 
Brüning, H. 73. j 

Brüning, II. (Rostock) 897. , 
Bruno (Göttingen) 1184. 1 

v. Bruns 1422, 1918. 
v. Bruns, P. 796. 

Bruns, L. (Hannover) 30. i 
Bruns, 0. (Marburg) 121, 1 
957. 

Brunsgaard, E. (Christiania) I 
1231. | 

Brunton, L. 1524. j 

Brunzlow (Bonn) 1773. I 
Bruijant. L. 323. j 

Bry, G. (Breslau) 1326. 
Buberl, L. (Wien) 1278. 
Bueehelcr (Frankfurt) 1143. 
Buchholtz, II. (Berlin) 215. 
Buchholz (Hamburg) 1901. 
Büchner, P. (München) 1753. 
Buchwahl (Wien) 43, 1150. 
Bucck, W. (München) 76. 
Bucky 371. 

Bucky (Berlin) 72, 170, 910, 
1173, 1923, 1940, 1942. 
Bucura, C. J. 646. j 

Bucura, C. J. (Wien) 125, j 
706. I 

Büdingen, Th. 1044. I 

Bullock, II. 563. _ I 

Bullock, W. E. (London)725. j 
Buelter, Th. (München) 610. 
Bum, A. 723. 

Bum (Wien) 769. 

Bumke, E. (Berlin) 649, j 
1579. | 

Bumm 131, 193, 572, 949. | 
Bumm, E. (Berlin) 415, 
1244, 1554, 1712. 
v. Bunge 1489. 

Bunnemann 708, 896. I 
Bunnemann (Ballenstedt) ; 

1688. I 


Burchard (Rostock) 1471. j 

Burckhardt (Berlin) 850. j 

Burckhardt (Nürnberg) 1342. 
Burckhardt, H. (Berlin) 464. 
Burckhardt, J. L. (Basel) 
1468. I 

Bürger 366. 1 

Bürger, M. (Charlottonburg) i 

29. I 

Bürger, M. (Strassburg) 988. j 

Burghold, F. 939. i 

Buri, R. (Bern) 557. j 

Biirker (Tübingen) 958. | 

Burkhardt 1488. ‘ 

Burkhardt (Berlin) 959. | 

Burkhardt (Nürnberg) 611, 
672. | 

Burnet, R. 1228. 

Burns 1226, 1373. 

Burtlctt, F. K. (Chicago) 
1373. 

Busch (Berlin) 1533, 1534. 
Busch (Münster) 126. 

Busch, II. 189S. 

Buschke, A. (Berlin) 1529, 

1959. 

Buschmann (Kiel) 943. 
Biising, B. (Bremen) 609. 
Busson (Wien) 944. 

Busson, E. (Wien) 609. 

Buth (Berlin) 1224. 

Butter (Birmingham) 1087. 
Buttermilch, W. (Berlin)650. 
Bychowski 760, 1688. 
Bychowski, Z. (Warschau) 1 
80. i 


c. 

Caan (Frankfurt) 237, 285. 
Cabanes (Paris) 1246. 

Cabot (Boston) 1202. I 

Cabot, It. C. 704. , 

Caddy, A. (Calcutta) 1581. ' 
Cadman, .1. 804. | 

Cahen, F. (Cöln) 1821. i 
Cahn (Strassburg) 91, 1563. 
Calderini, A. (Turin) 1430. 
Call mann, A. (Hamburg) 1 
1772. ! 

Calmette 1612. ! 

Calmette, A. 496, 797. 
Camby (Paris) 239. . 

Campbell, II. (London) 755, 
1224. 

Camus (Paris) 1188. 
Cancrin,W.C. (Dresden) 317. 
Candler, A. L. (Excter) 1229. ; 
Canestro, C. 1048. 

Cantle, .1. 609. 

Cantoni, V. (Genua) 26. 
v. Cappellen 1423. 

Carl 1084. ' 

Carl (Königsberg) 575, 960. i 
Carle 649. , 

Carnclli, R. (Forli) 711. ■, 

Caronia, G. (Palermo) 560, i 

649. i 

Carrcl, A. (New York) 509, j 
1101 . 

Carslaw 1428. j 

Carsten, P. (Berlin) 802. j 

Casalis, R. (Nanterre) 651. \ 
Casper (Berlin) 913, 1535. j 
Casper, L. (Berlin) 1052, > 
1202, 1259. , 

Cassel, H. (Berlin)^150. : 

Cassirer (Berlin) 472. 
Cassoute (Marseille) 990, I 
1046. I 

Castaigne, J. (Paris) 430, i 
479, 1490. 

Castellani, A. (Colombo) 122, 
900. I 

Castelli, R. 1042. | 

Castro 1470. i 


de Castro 30. 

Catheart 992. 

Catsaras, J. 988. 

Caudius, M. (Kopenhagen) 
1733. 

Caussade 1489. 

Caussade (Paris) 1566. 
Caussade, L. 1374. 
Cavarzani,D.(Sandigro)1042. 
Cederbaum, L. (Breslau) 271. 
Cedorberg, A. (Helsingfors) 
64, 585. 

Ceelen, W. (Berlin) 363,418. 
v. Celebrini, E. 317. 

Gemach, A. J. 1278. 

Cemach, J. 1686. 

Cermak (Giessen) 1471. 
Ccruello, C. (Palermo) 986. 
Cervello, C. (Palermo) 555. 
Chabrol (Paris) 188. 

Chajes, B. (Berlin) 846,1798. 
Chalatow, S. (Petersburg) 
1043, 1579. 

Chalier, A. (Lyon) 899. 
Chalupechy, II. 1750. 
Champtaloup, S. T. (Otago) 
1278. 

Chancellor, P. S. 321. 
Chantcmessc (Paris) 1000, 
1096, 1604. 

Chanutina 1375. 

Charnas (Wien) 30. 
Chauffard (Paris) 860, 1441. 
Chausse, M. P. 368. 

Chatclin 1045. 

Chatelin (Paris) 1001. 
Chevalier, P. 892, 1277. 
delle Chiaie, S. (Neapel) 171. 
Chiari 897. 

Chiari (Strassburg) 1095, 
1563. 

Chiari (Wien) 857, 859,1394. 
Chiari, H. (Strassburg) 7. 
Chilaiditi, D. (Konstanti¬ 
nopel) 82, 1599, 1874. 
Chlumsky (Krakau) 611. 
CholzolT, B. (I ) etersburg)943. 
Choronshitzky, J. 1048,1049. 
Chotzen (Breslau) 182. 
Christeller (Berlin) 568. 
Christeller, E. (Berlin) 757. 
Christen, Th. (Bern) 796, 
812, 1044, 1282. 
Christiansen, A. (Leipzig) 
1467. 

Christoffersen, N. R. (Kopen¬ 
hagen) 411. 

Churchman 122. 

Chvostek, F. (Wien) 610. 
Cilimbaris (Athen) 1229. 
Citron (Berlin) 282, 1057, 
1533. 

Citron, A. (Berlin) 613. 
Citron, J. (Berlin) 78, 332, 
581, 708. 

Ciuffini, P. 321. 

Clairmont 1154. 

Clairmont (Wien) 859. 
Claisse, P. (Paris) 239. 
Clarac (Paris) 1152. 

Clark 992. 

Clarke, J. M. (Bristol) 1329. 
Claude (Paris) 429, 430, 
1565. 

Claude, H. 1375. 

Claude, H. (Paris) 187. 
Claus (Berlin) 172,415,1533. 
Clauss, E. (Hamburg) 1921. 
Clausz, L. M. (München) 557. 
Clausz, M. (München) 1688. 
Clementi, A. 938. 
Clemm,W.N. (Dresden) 1582. 
Cloetta, M. (Zürich) 317, 646, 
985, 1423, 1526. 

Coats, G. 273. 

Cockin, lt. P. (Grenada) 83. 
Coencn 39, 41, 49, 1229, 
1296, 1437, 1439. 

3* 


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UNIVERSUM OF IOWA 







nna 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSC HRIFT. 


CocncD, II. (Breslau) 3L 177, 
474, 665. 865, 1589, 1603, , 
1616, 1626, 1745, 1873. 
Cohen 896. 1 

Cohen, E. (Frankfurt) 1799. 1 
Cohendy, M. 1127. 

Cohn (Berlin) 1821. 

Cohn, A. E. 987. 

Cohn, F. (Frankfurt) 1143. 1 
Cohn, G. 1796. 

Cohn, M. 1580. 

Cohn, M. (Berlin) 34, 865, 
912. 1282. 

Cohn, R. (Berlin) 1429. 

Cohn, T. 1479, 1480. 

Cohn, T. (Berlin) 470, 658, 


Cuno, F. (Frankfurt) 1044. ; 
Cupcrus, N. J. 987. ^ ’ 

Curschmann, H. (Mainz) 362, 
759, 863. 

Cut Iler, F. C.(Heidelbcrg) 121. 
Cycvers (Beuven) 799. 

Cyriax 462. 

Czaika, A. (Moskau) 191. 
Czapek, A. (Wien) 1577. 
Czapski, L. (Berlin) 1526. 
Czernpin (Berlin) 1925. 
Czerkassow, W. 381. 

Czerny, A. (Berlin) 278, 280, 
622, 754, 760, 1059. 
Czernv, V. (Heidelberg) 1694, 
1750, 1776, 1822. 


Cohnheim (Hamburg) 670, [ Czcnvenka, K. 1331. 


854, 998, 1391. 

Cohnheim, 0. 1526. 

Cole (New York) 941. 

Colo, L. C. 1130. j 

Collet, A. (Christiania) 463. ' 
Collcy, F. (Insterburg; 82. 
Colman, J. (Berlin) 28. j 
Colmcrs (Coburg) 819. : 

Colombe (Paris) 1001. | 

Combc (Paris) 239. 

Cornberg, W. (Berlin) 1734. ) 
Comhy 990. , 

('«inihy (Paris) 1441. 

Conan 1472. I 

Condat 990. j 

Condat (Paris) 1441. j 

Conjetzny (Kiel) 811. ; 

< 'onner 942. , 

Conor, A. 27, 29. 

Conradi (Cöln) 1874. 

Conseil, E. 29. 

Consoli, G. (Catania) 27. 
Constantincscu, II. 848. 

Conto (Paris) 1567. | 

Contcaud (Paris) 1395. 

Cook, ,1. B. (lsleworth) 804. ( 
Cooke, R. A. 1082. 

Coolidgc 1130. | 

Coombs, C. (Bristol)78,1280. ) 

t'oopcr, E. A. 1329. 

Cooper, P. II. (London) 80. j 

Cordes, M. (Berlin) 1599. i 

Cords (Bonn) 1612. I 

Cords, U. 1553. I 

Corner, E. M. (London) 271, 
1231. | 

Costex 1848. j 

Gutes,Th. H. (Littlc Rock)S4G. 
Couehud, P. L. 896. 

Coureoux (Paris) 1604. 
Courtney, B.J.(Sokoto) 1372, 
Gramer 415, 801, 1922. 
Gramer (Berlin) 1964. 

Gramer (Cöln) 812. 

Gramer, H. (Bonn) 1557. 
Craerner 1489. 

Criimer (München) 92. 
Craemer, 0. 320. 

Creazzo (Arcangclo) 119. 
Crede-Ilörder (Friedenau) 
562. 

Crcde-HOrdcr, C. A. 74. 
de Crinis (Graz) 1185. 
di Cristina (Palermo) 560. 
Croec (Essen) 1139. 

Grone, E. (Freiburg) 1046. 
Croner, F. 1750. 

Croner, F. (Berlin) 1378. 
Cronquist, C. (Malmö) 1799. 
Cronquist, J. 463. 
Crooksbank, F. G. (London) 
647. 

Crouzon (Paris| 1J52, 1441. 
Crow (Paris) 1567. 

Crow, D. A. (Eylesbury) 614. 
Cruiee 1129. 

Crzcllitzer (Berlin) 36. 
Csepai, K. (Budapest) 122.), 
1899. 

Cukov, N. 1283. 
Cullen,G.E.(Ncw York) 122 1 . 


v. Czirer, L. (Budapest) 75G. 
| Czubal.ski, F. (Lemberg) 556. 
1 v. C/yhlarz, E. 1649, 1848. 
i v. Czyhlarz, E. (Wien) 1067. 


D. 

Dadyner, H. (Berlin) 613. 
Dagevos 801. 

Dainville (Paris) 1097. 
Dalmady, Z. (Budapest) 722. 
Dalmcver 363. 

Damask, M. 168. 

Damköliler, E. 842. 

Dandy, W.E. (Baltimore) 81. 
Danielsen 1875. 

Dannemann, F. 984. 

Darre (Paris) 860. 

Darre (Paris) 1001. 

Daus, S. (Giitergotz) 79. 
David, IL (Leipzig) 269. 
David, 0. (Halle) 892, 911, 
1283. 

David (Zittau) 1245. I 

Davidoviez, J. (Budapest) j 

121. j 

Davids oG2. j 

Davidsohn (Berlin) 1288, 
1291, 1335. 

Davies, L. (Cardiff) 223. 
Davis, L. 1919. 

Dax, R. (München) 710. 

Day, H. B. (Cairu) 1526. 
Deapehier 170. 

De bat (Paris) 1001. 

Debre, R. (Paris) 80, 648, 
1567. 

Dehn (Paris) 1097. 
v. Deeastello, A. (Wien) 760, 
858, 1082, 1151. 

Decker 800. 

Decker, R. (München) 900, 
991. 

Decref 28. 

Declman (Amsterdam) 938. 
Deetjcn, H. (Heidelberg) 557. 
843. 

Degrais (Paris) 124, 845, 
1098. 

Ddguisnc (Frankfurt) 845. 
Dcliio (Dorpat) 1756. 
v.Dehn, (».(Petersburg) 943. 
Deigley, L. A. (London) 1130. 
Deist, 1L 368. 

Delange, L. (Brüssel) 497. 
Dclbanco (Hamburg) 952, 
953,997, 1093,1141,1391. 
Delbanco, E. (Hamburg) 
1044. 

Dclbct, P. (Paris) 1096. 
Delfino (Genua) 1131. 
Deltinu, E. A. (Genua) 560. 
Demanchc (Paris) 1002. 
Dembicki, A. (Prag) 1900. 
Demoll, IL 459. 

Denekc, G. (Venedig) 987 
Denig (New York) 1331. 
Denk, W. (Wien) 1085, 1149, 

; 1229, 1230. 


Denker, A. (Halle) 220, 994. 

1247. | 

Dcnman, H.(Mauritius) 1278. , 
Le Dcntu (Paris) 1566. , 

Depage (Brüssel) 955, 1102. 
Deprne (Breslau) 715. | 

Deppe 1772. 1 

Deppe, L. (Tanga) 564. 1 

Dercsse 1472. 

Desbanis (Paris) 239. j 

Dcsbouis (Paris) 430. 1 

Desbouis. G. 1042. j 

Desgrais 239. 

Dessauer (Frankfurt) 712, j 
910, 911, 1131, 1471. | 

Dcssaucr, A. (München) 720. i 
Dessauer, F. 1846. j 

Dcssaucr, F. (Dresden) 125. 
Dessauer, F. (Frankfurt) 
992, 1632. i 

D et ermann 1650. 

Determann (Freiburg) 1392. 
Dethleffscn (Hamburg) 122. i 
Detlefscn (Hamburg) 1093. 
Deutsch 893. 

Deutsch (Wien) 625. 

Deutsch, A. (Wien) 843. 
Deutsch, F. (Wien) 799. 
Deutsehländer 89S. 
Deutschländer (Ham bürg) 42. 

576, 812, 1338. 

Devie, A. 461. 

Devin (Berlin) 1325. 

Diamant 363. 

Diamant. Z. (Lemberg) 322. 
Dick, M. .1. (8tavelev) 986 
Dick (Berlin) 1774. 

Diepgen (Freiburg) 184,1619. 
Dietlein, M. (Kempten) 221. 
Dietricli (Mannheim) 1282. 
Dietrich, E. (Berlin) 1347. 
Dietrich, H. A. (Güttingen) 
1528. 

Dietrich, lv. 1847. 

I Dietrich, K. (München) 557. 
j Dietsch, C. (Greifswald) 76. 

Dictschc (Konstanz) 123. 

! Dietz (Darmstadt) 652. 
Dieudonne (München) 185. 
Dieudonne, A. 411. 
i Dilger 761. 

Dilger (Heidelberg) 1694, 
i 1775. 

Dillcr 942. 

Dinkelacker, E. (Berlin) 
1331. 

Dirks-Marmetsclike (Kriebel) 
1920.- 

! Disquc 1600. 

Disquö (Potsdam) 120, 1755. 
Diltler, R. 219, 1080. 
Dobbertin 612, 771. 

| Dobbertin (Berlin) 1470. 

Döbeli, E. (Bern) 559, 897. 
j Dobenvolskaja, N. (Peters¬ 
burg) 899. 

) Döderlein. A. (München) 361. 

I Dogicl, d. 360. 

| Dochle (Kiel) 1692. 
i Döhrer (Berlin) 1583. 

) Döhring (Königsberg) 1143. 

! Dold, H. (Sfrasshurg) 268, 

! 988, 1280, 1797. 

‘ Doldi (München) 922. 
j Dölger, R. (Frankfurt) 125, 

I 171, 1581. 

! Doll 1899. 

Döllkcn (Leipzig) 1807, 1841. 
v. Domarus, A. 1469. 
Dombrowski, C. 1048. 
Donath, H. (Wien) 560. 
Donath, J. (Budapest) 647. 
Donath, J. (Wien) 1467. 
Dönges 1919. 

Dünitz 1483. 

Dönitz (Berlin) 471. 

Dopter (Paris) 239, 1246. 
Dopter (Wien) 187. 


Dorendor/, H. (Berlin) 229, 
269, 1475. 

Döri, A. (Koloszvär) 941. 

Döri, B. (Koloszvär) 29. 

Dorner (Berlin) 555. 

Dorner, G. (ßeriin) 649. 

Doerr, R. (Wien) 988. 

Douzelot (Paris) 1097. 
Doevenspeck (Essen) 574. 
Drachter, R. (München) 648, 
845, 1424, 1555. 

Dracinski, N. (Kimpolung) 
LÖS!. 

Drecmann (Cöln) 1105. 
Dreesmann 1330. 

Drehmann 1198, 1601. 
Drehmann (Breslau) 179. 
Dreifuss (Hamburg) 1390, 
1901. 

Dreisel, E. G. (Heidelberg) 
320. 

Dresel (Heidelberg) 1341. 
i Dresel, E. G. (Heidelberg) 
1798. 

Dresel, K. (Berlin) 1328. 
Dreuw 1331. 

Dreuw (Berlin) 220, 556. 
Drews, H. (Barmen) 608. 
Dreyer 1104, 1602. 

Dreyer, G. (Oxford) 939. 
Drevcr, L. (Breslau) 176,178, 
181, 234, 375, 474, 959, 
995, 1198, 1282, 1470, 
1585, 1605, 1612. 

Drevfus, G. L. (Frankfurt) 
1*85, 561, 1923. 
i Dreyfuss (Hamburg) 1140. 
Drcyfuss (Strassburg) 669. 
Dreyfuss, A. (Lvonj 126. 
v.Drigalski, W. (Halle) 1465. 

1 Drinker 1469. 

I Dröge, K. 1080. 
j Drummond, H. (Newcastle) 
i 413. 

I Drüner (Quierschied) 1085. 
i Dübi, M. 1423. 

1 Dubois (Paris) 861. 

1 Dubois, A. (Leopoldsville) 

I 1472. 

I Dubois, J. 1151, 1490. 
Dubois, .1. (Paris) 1098. 
Dubs, J. (Zürich) 1086. 
Dudley 1372. 

Dufour 270, 1490. 

Dufour (Paris) 860. 

Dufour, IL (Paris) 239, 1567. 
Durfour, P. (Lyon) 649. 
Dufourt (Vichy) 1083. 

Duge 1772. 

Dugge (Rostock) 1132. 
Dumas, A. 896. 

Dunbar, W. P. 1527. 
Duncker (Cöln) 814. 

Dünke loh 1330. 

Dünkeloh, W. 169. 
Dünkelsloh 1428. 

Dunker, F. 801. 

Dünne, A. B- 994. 

Dünner, L. (Berlin) 1374, 
1759. 

Durand 1081. 

Durand (Lyon) 955, 1376. 
Durand, P. 80. 

Durand, P. (Lyon) 649. 
Diirc-k (München) 185. 

Durig, A. 409. 

Dusehek (Wien) 1150. 
Dusser de Barenne (Mecrcn- 
berg) 31. 

Dutoit 1377. 

Dutoit (Montreux) 1612, 
1749. 

Dwosetzky. A. (Moskau) 191, 
G27, 1107. 

Dwosetzky, A. (Petersburg) 
1250. 

Dyckerhoff, K. IL (Freiburg) 
*988. 


E. 

Ebbcckc, U. 938. 

Ebbecke (Göttingen) 141, 
1563. 

Ebbinghaus, H. 1276. 

Ebel (Wien) 1966. 

Ebelin, E. (Strassburg) 81).). 
Ebeling, E. (Strassburg) 689. 
Eberstadt, F. (Frankfurt Mo. 
Ebert, W. (Dresden) 987. 
Ebert, W. (Würzburg) 646. 
Ebstein 705. 

Ebstein, E. 1130. 

Eckard, B. 1508. 

Eckard (Berlin) 807. 

Eckert (Berlin) 275, 2*6, 
901, 915. 

Eckstein (Berlin) 1432. 
Eckstein, A. 1127. 
Eckstein, H. (Berlin) 1606. 
Fdelberg, IL 82. 

Fdelberg, II. (Münehcn)1262. 
Edelstein, F. (Berlin) 123. 
Eden, IL (Jena) 81, 710, 
1752, 1821. 

Edens 1280. 

Eder (Berlin) 804, 1746, 
Eder, A. (Berlin) 1771. 
Edgar, W. IL 126. 

Edinger, L. (Frankfurt) 521. 
Egan (Budapest) 941. 
Egger (Wien) 43. 

Eggers, II. 1424. 

Egis, B. (Moskau) 1107. 
Egis, B. (Odessa) 1249. 
Egli, F. (Basel) 1224. 
Ehrenreich 462. 

Ehrenreich (Berlin) 663. 
Ehrenreich, M. (Kissingen; 
1546. 

v.Ehrenwall (Ahrweilcr)907. 
Ehret (Strassburg) 1949. 
Ehrl, ,1. 1554. 

Ehrlich, M. 1554. 

Ehrlich, P. (Frankfurt) 4S2, 

484. 

Ehrlich (Dresden) 1142. 
Ehrlich, F. (Stettin) 77. 
Ehrmann 462. 

Khrniann (Wien) 673. 
Ehrmann, R. (Berlin) 662, 
1422, 1572, 1596, 1824. 
Ehrmann, W. B. (Heidelberg) 
895. 

Eichbaum (Magdeburg) SD- 
Eichelbcrg (Hedemiindtn 

1772. 

Eichhorst (Zürich) 1427. 
Eieko (Berlin) 56L 
Ficke, H. (Berlin) 28, 1901. 
Einbeek, H. (938). 
Einhorn 122, 1083. 
Einhorn, M. 169, 1899. 
Einhorn, M. (New York; S4ö, 

1888. .. 

y.Eiselsbcrg(Wien) Ab 
816, 817,1104,1148, Ld, 

1946, 1947, 1950.^ 
Eisenberg (Breslau) GL 
Eisenberg, C. (München) *1 ■ 

Eisenstad t (Berlin) 420, 13*’■ 

1560. • 

Eisenstein (Berlin) 3--. 
Eisner (Berlin) 988. 
Eisner, G. (Berlin) 
Ekecrantz, T. 266. 

Ekler (Wien) 223. 

Elben (Stuttgart) G3. ^ 
Eider, 0. F. (Atlanta.) 
Eiders 365. . 

Eiders, C. (Amsterdam) w- 
Elfer, A. (Kolozsvar) 6 U- 
Elias (Wien) 860. 

Elias, IL (Wien; 2^- 
v. Elischer. E. 15w. 

Ellermann (Kopenhagen)* - 

Elliot 1375. 


Digitized by 


Gougle 


Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1073 


Elliot, R. II. 762, 1047. 

Elliot, T. R. (London) 1130. 
Eloner, II. L. (Svracus) 

1372. 

Eis, H. (Bonn) 270. 

Elsaesser, J. (Mannheim) 
556. 

Elschnig 614, 1332. 

Elschnig (Prag) 466, 1948. 
Elschnig, A. 849, 993, 1530. 
Elze (Heidelberg) 1674. 
Emanuel, 0., 848. 

Embden, G. 25, 1525. 
Embdcn (Hamburg) 854. 
Embleton 461. , 

Embleton, D. (London) 268, 
609, 941. ; 

Emden 1281. j 

Emden (Frankfurt) 958. j 

Enieric (St. Etienne) 1472. ! 

Emmerich, R. 317, 1378, i 
1898. ; 

Emmerich (Kiel) 1142. i 
Emomoto, N. (Osaka) 561. i 
Emrys-Roberts, E. (Cardiff) ! 

1225. | 

Emshof, E. (Dresden) 363. j 
Enderlen (Wiirzburg) 818. ! 

Engel (Berlin) 397, 1195, I 
1224, 1875. 

Engel, C. S. (Berlin) 352, 
369. 

Engel, 11. (Berlin) 713, 1582, : 

1689. I 

Engel, K. (Budapest) 940. 
Engel, S. (Berlin) 709. 

Engel, W. (Kreuzen) 1005. 
Engelajid, R. 705. 
Engelbrecht (Bischweiler) 
80. 

v. Engelbrecht, H. (Hamburg) 

1373. 

Engelen (Düsseldorf) 169, 
1579, 1600. 

Engelhard, C. F. (Utrecht) 
1733. 

Engelhorn (Erlangen) 720, 
757. 

Engelraann 222. 

Engelmann, G. 366, 1233. 
Engländer (Wien) 625. 
Engländer, M. 1688. 

Enriquez (Paris) 722, 1566. 
Ephraim (Berlin) 1386. 
Eppenstein (Marburg) 1612. 
Eppinger (Wien) 30, 94, 

175, 335, 1151. 

Eppinger, H. 1046. 

Epstein (Nürnberg) 672. 
Epstein, II. (Prag) 1820. i 
Erb, W. (Heidelberg) 1848, , 
1850, 1903. 

Erdclyi, P. (Budapest) 939. i 
Erdheim (Wien) 1245, 1947. j 
Erdmann (Hannover) 1922. j 
Erdt, V. (München) 1650. 
Erggelet, H. (Jena) 33. ■ 

Erkes (Berlin) 472, 1281. 
Erlacher 366. 

Erlacher (Graz) 813, 814, 
845, 991. 

Erlanger, B. 650, 1469. 
Erlenmever (Freiburg) 672, 
708. 

Erlcr (Berlin) 275. 

Ernst (Heidelberg) 1772. 1 

Esau 1085. j 

Esch, P. (Marburg) 755, 
988, 1087. 

Eschbaum (Barmen) 1600. 
Eschweiler (Düsseldorf) 1326. 
Eskuchen 1771. 

Eskuchen, K. (München) 
797. 

Essen, K. A. (Dornum) 1651. 
Essers, E. (Krefeld) 991. 
Estes (South-Bethlehem) 956. 


Etchevers (Toulouse) 82. 
Ettinger, W.(Warschau)413. 
Eulenburg, A. 1796. ' 

Eustis 1375. I 

Evler (Berlin) 328, 1432, 

1713. 

Ewald (Berlin) 35, 569,1229, ! 
1241, 1384, 1473, 1533, 
1753, 1777, 1803, 1804, 
1878. 

Ewald, G. 1526. 

Ewald, W. 1222. 

Ewald, W. E. 266. 

Ewald (Hamburg) 84, 321. 
Ewald, G. (Halle) 940. 

Ewald, J. R. (Strassburg) 
1251. i 

Ewald, P. (Hamburg) 845, | 

1132. 

Ewart, W. (London) 1128. ! 

Ewers (Dresden) 710. 

Exncr, Al. 1556. i 

Exner (Wien) 674, 1104, 

1150. I 

Eyff (Nimptsch) 1587. 
v. Evsselsteyu 797. 


F. 

Falter,K. (Kopenhagen) 1756, 
1777. 

Fabian 1084. 

Fabian (Leipzig) 576. 
Fabrieius, J. (Wien) 1557. 
Fabritius, H, (He Ising fürs) 
937. 

Faekenhcim (Cassel) 956. 
Faginoli (Catania) 449. 

Fahr (Hamburg) 377, 670, 
719, 1093, 1140, 1141, 
1201, 1849. 

Fahr, G. 1080. 

Fahr, Th. (Hamburg) 1463, 
1749. 

Fahrenkamp, K. (Heidelberg) 
79, 976. 

Fairlic, II. P. (Glasgow) 611. 
Fajans, S. (Strassburg) 268. 
Falchi 1876. 

Falk (Berlin) 912, 1290, 

1436. 

Falk, A. (Berlin) 1632, 1822. 
Falk, E. (Berlin) 934. 
v. Falkowski, A. (Heidelberg) 

411. 

Falta, W. (Wien) 93, 217, 
(507, 1002, 1004, 1184, 
1149, 1554, 1966. 

Falz, T. (Hamburg) 460. 
Farfel, M. (Petersburg) 627. 
Farrand, R. (London) 648. 
Farrant, B. (London) 121. 
Fase hingbauer, 11. (Wien) 
1226. 

Fasiani, G. M. (Turin) 706. 
Faulhaber 1556. 

Faulhaber (Wiirzburg) 768, 
1355. 

Fauser, A. (Stuttgart) 221, 
15.>4. 

Faust, E. S. (Wiirzburg) 862. 
Fausika, 0. 459. 

Fautl, G. (Prag) 613. 
Favarger, II. (W ien) 942. 
de Favcnto, P. (Triest) 842. 
Favre (Moskau) 559. 
Fäykiss, F. (Budapest) 722. 
Fearnsides, E. G. (London) 
1427. 

Fedders, W. (Petersburg) 

I 1082. 

I Federn (Wien) 596, 1245. 
Federschmidt (Göttingen) 

140. 


Fehling (Strassburg) 219, 
1392, 1563. 

Fehr (Berlin) 764, 1560. 
Feierabend, 0. 1224. 

Fejer, J. 83. 

Feigl (Hamburg) 997. 
Fcilchenfeld (Berlin) 1286. 
Feiler, M. 988. 

Feiler (Breslau) 1229. 
v. Feilitsch (Lankwitz) 1864. 
Fein, J. 1284. 

Fekete, A. (Budapest) 757. 
Feldmann, M. (Charlottcn- 
burg) 843. 

Feldner, J. (Wien) 708, 
1526. 

Feldt, A. 1577. 

Fehlt, A. (Frankfurt) 647. 
Feldt, H. 1372. 

Fellmcr, T. (Bonn) 1279. 
Folter, M. 1553. 
v. Fonvvessv, B. (Budapest) 
1279. 

Ferber, .J. (Berlin) 319. 
Ferguson, A. R. (Cairo) 
1526. 

Fcri (Wien) 769. 

Ferrari, C. ( Parma) 1225. 
Ferrarini (Pisa) 1282. 
Ferrata, A. (Neapel) 460. 
Ferrsiva, A. 80. 

Fessler (München) 1714. 

Fe t ze r( Königsberg)855,1771, 
1898. 

Ficker, M. 606, 1324. 

Fidler, F. (Göttingen) 1795. 
Ficssingcr 1491. 

Fiesringer, N. 460. 

Fiessinger (Paris) 722. 

Fieux, G. (Bordeaux) 651. 
Finck (Charkow) 813, 1128. 
Finder (Berlin) 173, 1334, 
1709, 1809. 

Finger, E. 1187. 

Fingerhut, L. (Erlangen) 415, 
1582. 

v. Fink (Karlsbad) 271, 
845. 

Finkelnburg (Bonn) 607, 
713, 1045. 

Finkelstein(Bcrlin) 622,1164, 
1241. 

Finkeistein, B. (Petersburg) 
1250. 

Finsterer (Wien) 170, 859, 
1343. 

Finzi (Wien) 1395. 

Finzi, A. (Wien) 844. 

Finzi, 0. (Pisa) 363. 

Firket, Ch. (Lüttich) 755. 
Fisch, R. 1132. 

Fisebel, R. (Bad Hall) 613. 
Fischer 1650. 

Fischer (Frankfurt)285,1143, 
1 1.44. 

Fischer (Galati) 562. 

Fischer (Kiel) 238, 284. 
Fischer (München) 577. 
Fischer (Wiirzburg) 711. 
Fischer, A. (Bukarest) 1084. 
Fischer, A. (Prag) 1130. 
Fischer, A. (St. Gallen) 759, 
1226. 

Fischer, B. (Frankfurt) 1S5, 
668, 718, 1094. 

Fischer, C. C. (Königsberg) 

m. 

Fischer, F. (Düsseldorf) 
1326. 

, Fischer, H. (Greifswald) 844. 
Fischer, J. 803. 

Fischer, M. (W’icsloch) 1946. 
Fischer, 0. 165. 

Fischer, W. (Berlin) 32. 
Fischera, G. (Rom) 894. 
Fisch 1, F. (Wien) 608, 1427. 
Fischl, R. (Prag) 651, 1084. 


Fischler (Heidelberg) 93,121, i 
754. I 

Fisher, A. G. T. (Bristol) j 
1581. 

Fisichella, V. (Catania) 449. i 
Flachs, R. (Dresden) 1465. ! 
Flandin (Paris) 1001, 1098, 1 
1491, 1603. ! 

Flaschen, S. (Wien) 1329. j 
Flatau 1377. j 

Flatau, E. 31. 

Flatau, G. (Berlin) 709. j 
Flatow, L. (München) 557, 
959, 1129, 1425. 

Fleischer 1284. 

Fleischer, B. 1048. 
Fleischmann 1005. 1 

Fleischmann,' R. 1772. 
Fleischmann (Berlin) 132, 
332. 

Fleischmann, 0. (Wiesbaden) 1 
170. ; 

Fleissig, J. (Wien) 1578. ' 

Flemming, (Berlin) 1237. 
Flesch (Berlin) 1879. 

Flesch, J. 647. 

Fletsclier, \Y. (Kuale Lumpur) 
1280. 

Fleury 1472. 

Fl exner, S. 506, 1898. I 

Fliniaux 1129. 

Fliess (Berlin) 231. 

Florand (Paris) 1001. 

Flörke (Paderborn) 1104. 
Flörcken, II. (Paderborn) 
651, 1231. ! 

Flosowsky, W r . (Odessa) 711. 
Florschütz (Gotha) 1689. 
Floyd 1225. 

Flügge 1655. 

Flury (Wiirzburg) 768. 
Flusser, E. (Prag) 1227. 

Foä, C. 1127. 

Focke (Düsseldorf) 562. 
Föderl (Wien) 1149, 1150. 
Fodor, A. (Halle) 798. 

Fogcs, A. 1331, 142?, 1946. 
Föhren hach, F. (Tübingen) 
1423. 

Foix 1490. 

Foix (Paris) 1441. 

Fokke Meursing 365. 

Folcv, C. II. (Ardrahan) 
797. 

Foley, II. 895, 1554. 
Fonasticr, M. 1279. 

Fonio, A. 1042. 

Foramitti (Wien) 578. 
Forcart (Basel) 1147. 

Fornet, W. (Berlin) 1632. 
Foroni (Genua) 1922. 
Forschbach (Breslau) 284, 
558. 

Forsell, G. (Stockholm) 708. 
Förster (Berlin) 227, 949, 

169 1 . 

Förster, E. (Berlin) 757. 
v. Förster 1280. 

, Foerster (Breslau) 375. 
Förster (Wien) 380. 

Förster, 0. (Breslau) 765, 
766. 

Forstincau, Ch. 893. 

' Fortincau, L. 893. 

| Fox, H. 317. 
i Fraipont (Lüttich) 1232. 
Franceschelli, D. (Neapel) 
412. 

| Francesco, J. (Modena) 319. 
Franck, E. (Berlin) 572, 
1709. 

| Francke (Frankfurt) 940. 

! Francois 1046. 

I Frangon (Paris) 430. 
Frangenheim, P. (Cöln) 796, 
914, 990, 991. 

' Frank (Berlin) 1750. 


Frank (Chicago) 1089, 1473. 

Frank (Kaschau) 845, 1821. 

Frank (Wien) 1245. 

Frank, A. (Cöln) 167. 

Frank, C. (Berlin) 994. 

Frank, E. 1132. 

Frank, E. (Berlin) 1192, 
1822. 

Frank, E. (Breslau) 1847. 

Frank, E. (Graz) 1185. 

Frank, E. R. W. 992. 

Frank, E. R. \V. (Berlin) 914, 
1050. 

Frank, E. W. (Berlin) 1244. 

Frank, K. (Berlin) 875. 

Frank, L. (Berlin) 1084. 

Frank, 0. (München) 1147, 

1325. 

Frank, 0. (Wien) 1328. 

Frank, S. 1899. 

Frankau, 0. H. S. (London) 
320. 

Franke 1876. 

Franke (Altcnburg) 124. 

Franke (Braunschweig) 955, 
1102, 1947. 

Franke (Hamburg) 719,1140, 
1201. 

Franke (Rostock) 1153. 

Franke, E. 1048. 

Franke, E. (Frankfurt) 894. 

Fraenkel, (Badenweiler) 863. 

Frankel (Charlottenburg) 
1470. 

Fraenkel (Hamburg) 124, 
284, 377, 1850. 

Fränkel (Wien) 860. 

Frankel-Tissot (Zürich) 712. 

Fraenkel, A. 1474, 1475, 

1483, 1712. 

Fraenkel, A. (Badenwciler) 
856, 1224. 

Fränkel, A. (Berlin) 914, 
947. 

Fraenkel, A. (Berlin) 332. 

Fraenkel, A. (Wien) 1229, 
1773. 

Fraenkel, C. (Heidelberg) 
648. 

Fraenkel, E. (Hamburg) 168, 
854, 1141, 1142, 1200, 
1327, 1374, 1391, 1876. 

Fränkel, E. (Heidelberg) 209, 
356, 412, 557, 707, 843, 
1145, 1674, 1733, 1771. 

Fraenkel, L. (Breslau) 139, 

1326, 1440. 

Fraenkel, M. (Berlin) S7. 

Fraenkel, M. (Cbarlotlcn- 
burg) 909. 

Fraenkel, P. (Berlin) 756, 
1751, 1773. 

Fränkel, S. 755. 

Frankenau (Nürnberg) 672. 

Frankenstein (Essen) 574. 

Frankonstein, K. (Cöln) 
899. 

Frankfurter, 0. (Grimmen¬ 
stein) 1226. 

Frankfurter, W. (Berlin) 
1574. 

Franz 1484. 

Franz (Berlin) 1137, 1243, 
1376, 1385, 1569, 1712, 
1924, 1925. 

Franz, K. (Berlin) 219, 1534, 
1535. 

| Franz (Graz) 1920. 

: Franz, M. (Breslau) 897. 

I Franz, Th. 1329. 

Franz, V. (Leipzig) 1080. 

I Franz, V. (Nürnberg) 611. 

I Fraser 1469. 

1 Fraser, A. 988. 

1 Fraser, E. T. (Glasgow) 
412. 

Fraser, J. (Edinburgh) 1281. 


□ igitized by Gck >gle 


Original from 

UNIVERSUM OF IOWA 








rf.rt. 1NEK KLINISCHE WgCHE NSCHRig. 


Fraser, M.H. (London) 1326 

Friedberger,E. (Berlin) 1403 


Friedmann, A. (Königsberg) | 
762. ... 


Friedberger, E. (Berlin) 1403. j, F . 940 , 1278. 

Frceman.J. (London) 986. loiedmann, * { fe erlin) 


r rwumü, w. --' 

Frehn, W. (Davos) 1328. 
Frei (Göttingen) 855. 
Frei, F. (Nürnberg) 759. 
Freise, E. (Leipzig) 1227 


rrieumauu, , 

Friedmann, F. b- (Berlin) 

1440. 

Friedmann, L. (Bukarest) 

1225. 


Freise, E. ; ff) Friedmann, W. 1849 

Fremann, W. T. (ReadmJ * (Rio]) 238; 


1578. 

Frenkel (Berlin) 941. 
Frenkel-Heiden (Berlin) 227, 
948,949. w r _. 

Freud (Wien) 217, o54, 

1819, 1821, 1903. 


Friedrich (Kid) 238, 284. 
Friedrich (Königsberg) o<4, 
914, 960,1009,1104,110o, 
1230, 1281. 

Friedrich, E. P. (Kiel) 182 . 
Friedrich, M. 465. 


Freudeiberg 1 ’(Beriin) 569, j &iier,V,Kope„bagen) 


., 57 9’ w’ C 53 12”8 1 v. irisch (Wien) 270, 674, I 

Freudenberg, t. , . 9 <>n iqrn I 

Mil (Biberg, I ! 

1820. , v /Ri-pdai]) li8. 5<3. , 


Gery (Paris) 1001. 

G. Gcttkant (Beriin) 9 273 

Galten, J.A.(BucnesAires) 

“f 1 Sl'j’« Gfoercr (Würzburg) 1 

Gabriel (Berlin) lö4. G hirgcnti, F. (Palerim 

(j:i lla F rd (B P udTp ) es 2 t) 8 757. Ghi M. 158 

deGalatz, P.(Bukarest) 1429. Oben 1653. 

Ifrs - 

(ialpern, J . (Twer) 1 o rstockholm) 1 


Gerv (Paris) 1001. Goldschmidt (Wien) 1104. 

Gery, L. (Paris) 900. Goldschmidt, B. (Berlin) 

Gettwert W^lSSiG. ' Goldschmidt, H. (Berlin) 940. 

Geyelin,’H. R. (New York) Gold^chnndt, M. ^ (Leipzig) 

Gfoercr (Würzburg) 1689 Goldsihmidt! W. 1104 


Gbirgcnti, F. (Palermo) 555. Goldschmidt, W. (Wien) 366. 


1470. 

Goldschmied, K. (Wien) 898. 
Goldstein 1848. 

Goldstein, K. 649, 709. 


Gibson, A. G. (Oxford) 121. Goldstein, K. (Königsberg) 


Freudenthal, W. (New York). 
1049. 

Freund (Strassburg) 669. 
Freund (Wien) 124,141,335, 
674, 1468, 1471. 

Freund, A. (Heidelberg; 26 


Fritsch (Breslau) 178, 573. 
867,1585. 

Fritsch, G. (Gross-Liehtcr- 
felde) 1598. 

Fritsch, K. (Breslau) ->oi, 

1572. 


Freund* a) (K auf beureiG 364. j Frits ,M. (Bad-Wildungen) 


Freund, C. S. (Breslau) 1296, 
1616, 1911- 

Freund, E. 1799, 1847. 
Freund, E. (Triest) 1708. 
Freund, E. (Wien) 79, 844 
Freund, H. 1525. 


1650. 

Fröhlich, A. 1525, loo4. 
Fröhlich, A. (Jena) 412. 
Froehlich, E. 1K51. 
Frochlich, E. (Berlin) 1/02, 
1761, 1786. 


Ganon, J. (Sumatra) 564. ] 

Gans, O. 444. 

Gans, O. (Hamburg) 804. 
Ganter (Kiel) 238. 

Ganter, G. (Tübingen) 7b. 
Ganzer (Hamburg) 1093 - 
Gardlund (Stockholm) 847. 
Gargano, C. (Neapel) 7<>5. 
Gariel, G. M. 1233. 

Garnier (Paris) 479 
Garre, C. 796, 142-, 

Gärtner (Jena) lo62. 
Gärtner, A. 1324. 

Gaertner, G. 1186, 1949. 
Gärtner, G. (W'en) 16a. 


Giemsa, G- 564. 
v. Gierke, E. 166, 1041. 
Giertz 31. 

Giertz (Stockholm) 18/5. 
Gilbert (München) 92, 367, 
458, 956, 1332. 


Goldstein, M. (Halle) 942. 
Goldstern (Wien) 335. 
Goldthwait, J. D. (Boston) 
991. 

Golla (Breslau) 477. 


GildemeisterJStrassburg)317 GolowinsUi.M .107 


Gimlettef'j^D. (Kelantan) I Goenner Ä. (Basel) ™ 


817. 

Ginell (Hamburg) 576 
Gins (Berlin) 369. 


Gönnet, A. 942. 
Gontermann (Berlin) 332. 
Gontermann (Spandau) 711. 


g5£ tä. (b^ub) 


1611. 

Ginsberg 1377. 

Ginsberg (Berlin) 1<6, 764, 
1560. s 

Giordano, G. (Turin) 464. 


ShÄU74,1965. G Ä ».m 


Freund,ILCIIo'ideiberg) 1223. Fröhlich, Fr. W. (Bonn) 1465 
Freund, H. (Strassburg) 219, iroejjcb L*2- y) ^ 


1278, 1430. | --, ' t rr ; n 

Freund J (Budapest) 1279. Froment, J. bJÜ. 

Freund) R. (Berlin) 1579. Fromherz.K. (brerburg) 184, 


Freund, W. A. 218. 

Frey, E. (Marburg) 361, 
755. v 

Frey, E. K. (München) 2/1 


1183. 

Fromme 464, 1485. 

Fromme (Berlin) 572, 6o2, 
1631. 


Frey, E. K. (München; zu. luo*. 

de Frey, R. (Lausanne) 899. Fromme (Güttingen; 141,81-, 




Fröschels (Wien) 378, 379, 
Freymuth.F. (Erlangen) 940. ' 1246 >394. 

Freystadtl, B. (Budapest) ; “l^A^ancy) 

Freysz," II. (Zürich) 1086. Frühwald, V. (W ien) 368. 
Frick (Berlin) 1336. 1 Fründ H. (Bonn) 612. 

Frieke, E. 555. j Fuchs 614. 

Fridericia (Kopenhagen) 13 (5 Fuchs (Danzig) >. 
Fridericia,L.S.(Kopenhagen) , Fuchs (Wico)18nO 
J26H i Puchs, A. 1649, 18 

Frieboes, W. (Bonn) 846. Fuchs, A. (Kaufbeul 
Friboes, W. (Rostock) 707. 1 364. 

Fried 1876. 1 Puchs, B. Przemysl 

Fried’ C. (München) 28. Fuchs, R (Munchei 
Friedberg 1581. , Fuchs, W* (Emme 

Friedberg, T. 803. j JJ 93, , 


Gaugele 118. 

Gaugele, K. (Zwickau) <60, 
893, 990, 991. 

Gauioux, E. (Montpellier) 
1187. 

Gaultier, R. 1463. 

Gaupp (Tübingen) 709, 861. 
Gaupp, E. (Königsberg 42. 
Gaus, 0. (Hamburg) 801. 
Gauss 87, 909, 1004 
Gauss (Freiburg) 126, 1619. 
v. Gaza 1330. 
v. Gaza (Berlin) 1747. 
v. Gaza (Leipzig) l , 75L 


Goeppert (Göttingen) 999, 
1341, 1370, 1398, 1563. 

1697. 

Goerdeler 1226. 

Gordin, S. 611. 

Goretti (Berlin) 370. 
Goretti. G. (Florenz) 7S7, 

788. 

Görges (Berlin) <3. 


¥. Uaza (,ueipz.ig; *'«*• i ° v 'o 17 
Gebb (Greifswald) ü62,1331, Glas, E. • 
1921, 1922. ^ 

Gebete (München) 710,1/14. 1 /33. 

Geber, H. (Kolozsvar) 61<b 0 


Girardet, A. (Essen) 1424. Goretti, 0. ™ 

SS* 986 -pHs« 

(iiuhani H84 ß Qlom) 869. 

S «Ä i °Ä C » * 

p| ,CS mer P 325 Gottfried, Gesehe 753. 

G aessner, P. 1335. Gott fried, S. 1087. 

Glagcilew. P. 939. | Gottlicb (Heidelberg) 841, 

1695. 

Gottlieb, K. 956 lo<7 
Gottsehalk, G. (Heidelberg. 

119. .. . ,. 10 , 4 


Glaser (Augsburg) 1327, 
Glaser, F. (Sehöneberg) 1708. 


nl: siÄ st ns?: ! »sstf 

Geigel, R. (Würzburg) 1185, Glaubormann, • ( os ' I Gottstein (Breslau) 66b 


Fuchs, A. 1649, 1847. 
Fuchs, A. (Kaufbeuren) 267, 
364. 

Fuchs, B. Przemysl) 1429. 
Fuchs, R. (München) 798. 
Fuchs, W. (Emmendingen) 
893. 


1848. ' r, 1651 p ofi 

184 ’ 050 ’ 

1 ÖWÄSS? SSä=: SiC 


Friedberger 1482,1483,1654. Fühner (Freiburg) 1 1^248. 
Friedberger, E. (Berlin) 369, Fujinami, A. (Kyoto) 894. 
370 649 787, 788, 806, Fukushi, M. (Tokio) 1 j< 8. 
807’, 1082, 1133, 1188, Fulci, F. (Rom) 268 . 

1225, 1433, 1434, 1559. Fu d (Berbn) 864 1431, 


Friedeberg, J. (Berlin) 893. 
Friedemann 1483. 


1664, 1755, 1818, 1823. 
Fumarola, G. 1083. 


Geisc (Freiburg) 91. 

Geisse, A. (Freiburg) 319. 
Gelarie (Liverpool) 167. 
Gclinsky 1821. 
j Gelinsky, E. (Berlin) 711. 

, Geller, K. (Bonn) 167. 

I Genewein (München) 711. 

Gennerich (Kiel) 428, 561, 
! 624, 720, 842. 


| Schweiz) 27. 

Glynn, E. (Liverpool) 941 uraue a.. ; • , , s 

Gobbi,ll. (Freiburg, Schmiz) \o48. 

, 1 -q 7 i fiOO 1603 Grabower (Berlin) D 

Gocbel lo 87 , 16 OÜ, lbüö. g (Berlin) 21 

Goebei (Breslau) 177, 179, j j (London 

236, 372, 665. pTuSS 

Goebei (München) 1555 Gra l« • ter) i 


Gottstein (Breslau) 664. 

Götzky (Frankfurt a.M.j 

Goetzky, F. I] 89 - 
Götzl, A. 1226, 1526. 
Gougerot 708. 
Goulliod (Lyon) 19-0. 
de Graaf, J- 36/. 
Grabe 221. . 


Fneüemanu i»oo. iu.u-aw», - 

Friedemann (Berlin) 806,988. Funk, C. 2o, 840, , 

Friedcraann,M. (Berlin) 1441. 1650. 

Friedemann, U. (Berlin) 348, Funk, C. (London) 266, 7o9. 

_ T >_U T7 r'ITw-rhi KI ty-rr 1 h.Yh 


R24 720 842. 1 uoeuui -r 

Gensler, P.’ (Zürich) 1525. Goebei, O Olirsehberg) 87 


807. 

Friedenthal (Berlin) 1925. 
Friedenthal, H. 1550. 
Friedenthal, H. (Berlin) 469, 
1383. 


Funk, U. (Freiburg) 555. 
v. Funke, R. (Prag) 957. 
Fürbringer (Berlin) 1243, 
1709. 

Fürbringer, J. 412. 


Georgantas, B. 988. 

George 1231. 

Geppert, F. (Berlin) 2o0. 
Gerber 1231. 

[ Gerbis, II. 900. 

I v. Gergö (Budapest) 1822. 


979, 1633. 

Goebei, W. 1229. 

Göbell 1487, 1488. 
Gobiet, J. (Orlau) 710. 
Gocht 812. 

Gocbt, H. (Halle) 1464. 


v. Gergo (Budapest.; «ubiiv, ... v*-- Ä01 

Gorhardt, D. (Würzburg) 79, j Göcke (Tübingen) 321*. 


lööö. rulul "‘5 u ' 10-0 

Friedenthal, H. (Nikolassee) Fürst (München) 41o, lo<b 


727, 1241, 1937. 
v. Friedjung, J. 1329. 


Fürstenau (Berlin) 907. 
Fürstenberg (Berlin) 230. 


v. rnuujuug, u. mw. i uiow.uv.|, (, , , .o 

Friedjung, K. J. (Wien) 341. | v. Fürth (Wien) 1148. 


Friedländer 1874. 
Friedländer (Berlin) 909 


Fürth, J. (Wien) 797. 
v. Fürth, 0. 1326. 


rneaianaer i,Deriin; vw. i v. ruuu, v,. ----- 
Friedländer (HoheMark) 863. ; Fürwahr (Nürnberg) 13J4. 
Friedländer, M. (Berlin) 565. Füth, (CÖln) 465. 
Fricdlaender, P. 1548. 

Fricdländer, P. (Berlin) 901. 

Friedländer, R. 463. 


957. j 

Gerhartz, H. 26, 75, 555. j 
Gerich, 0. (Riga) 848. 

Ger lach (Berlin) 1128. , 

. Gcrlach,W. (Tübingen) 1821. j 
Gerönne (Wiesbaden) 666. I 
1 Gerson 1426. 

; Gerstenberg 1485. 

Gerster (New York) 1011. 

! Gerstmann (Wien) 1850,1903 
I Gerulanos, M. (Athen) 1008, 
i 1230. 


Ä&’cU«.. 

ÄV) *«. 

Goldig, J 1650 G * 81 euitzky,M.(P0ter S « 

Goldmann, E. I/O/. . 

Goldraich (Wien) 857, 953. 

Goldscheider 1, 663, »6/, ur 

957, 1233, 1285, 1301, 9 ^ M 12 76. 

1359, 1378, 1382. r l\tS (New 7ork) 

Goldschmidt(Hamburg) 1949. Grana , 


uraDuwok «h 

Grabower (Berlin) » 

Grabs, E. (Berlin) • 

Grace, J. J- ( London) * 
Graf 1488. 

Graf (Neumunster) - 
Graf, E. (Frankenbausen, 

Graefe 1670. .. 

Graefe (Hamburg) , 1 

1632, 19»; 

Graefe-Sämisch Mi. 

Greeffner (Berlin) 1‘ 09 ^ ; 
Graroenitzky, 1 • (” eleR 
Gramenitzky,M.(PeW« 


Digitized bi 


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UNIVERS1TY OF IOWA 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1075 


Grandjean 1046. 

Graner (Tübingen) 1899. 
Granjux 1186. 

Graser (Erlangen) 711,1145. 
Grashey 911. 

Grassl (Kempten) 1378. 
Graessner (Göln) 911. 
Graetz, F. (Hamburg) 798, 
1044. 

(iraetz, H. (Leysin) 1230. 
Graupner, H. (Dresden) 1465. 
Grave (Moskau) 845. 

Graves, W. (St. Louis) SO. 
Grawitz, P. 892. 

Greeald 896. 

Greeff (Berlin) 372, 803, 
1233, 1237. 

Greeley, II. P. J715. 

Greene, W. H. CI. (London) 
1581. 

Greggio, E. 1048. 

Gregor, A. (Leipzig-Dösen) 
1555, 1745. 

Gregory, L. (New York) 
1044. 

Greinachor, H. (Zürich) 1600. 
Greinert, E. (Breslau) 1848. 
Grekow, J. (Petersburg) 
943. 

Grenacher (Hannover) 1947. 
Griesbach, W. 25, 1525. 
Griesbach (Wiesbaden) 959. 
Griesbach, W. (Frankfurt) 
988. 

Griessmann, B. (Heidelberg) 
799. 

Griffith, A. S. 1225. 
Grigorescu, L. (Halle) 798, 
1185. 

Grimaud, A. 942. 

Grimm 849. 

Grimm, K. (Cöln) 1599. 
Grimmer, W. (Dresden) 897. 
Grintschar, F. (Moskau) 512. 
Grisson 1086. 

Grisson (Berlin) 911. 

Grisson (Hamburg) 377, 
1141. 

Grob (Affoltern) 911. 
Gröbels, F. 361. 

Grober 1226. 

Grober (Jena) 78, 123, 

124, 222, 267, 413, 461, 
1128, 1469, 1578, 1750, 
1946. 

Groedel (Frankfurt) 911, 
1283. 

Groedel, F. (Frankfurt) 1094. 
te Groen, L. J. 360. 

Gröne, D. 0. (Malmö) 125. 
Groenouw (Breslau) 1774. 
de Groot, J. 1651. 

Gros (Mainz) 562. 
Groes-Peterscn 562. 
Grosglick, A. (Lodz) 1599. 
Gross 564, 648. 

Gross (Greifswald) 1002. 
Gross (Prag) 142, 1060. 
Gross, G. (Nancy) 1232. 
Gross, 0. (Greifswald) 1224, 
1847. 

(iross, 0. (Leipzig) 1525. 
Gross, S. (Wien) 1231. 
Grossek, Z. (Lemberg) 1047. 
Grosser (Berlin) 571. 
Grosser, M. (Berlin) 710. 
Grossheim (Berlin) 1692. 
Grossraann (Berlin) 231, 660, 
^ 906. 

Grossmann (Charlottenburg) 
1131, 1819. 

Grossmann, M. (Prag) 1000. 
Grosz, C. 1551. 

Grosz, E. (Budapest) 722. 
Grosz, S. 712, 1184. 
Grothuscn (Kilwa) 564. 
Grocthuysen, G. 803. 


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Grotjahn 75. 

i Groves, E. W. II. (Bristol) 
560. ; 

I Gruber, G. B. (Strassburg) 
333, 555, 706, 1043, 

1632. j 

Gruber, K. (München) 335. ! 
v. Gruber, M. 606, 1324. i 
Gruhle, H. W. (Heidelberg) . 
266, 1551. 

Grumann (Altona) 221, [ 
1129. ! 

Grumme (Fohrde) 76, 737, | 
1847. j 

I Grünbaum (Nürnberg) 1393. I 
1 Grünbaum, E. (Danzig) 410. ! 
i Grünbaum, R. (Wien) 1582. j 
| Grünberg, J. 32. 

Grund (Halle) 220, 1099. 

! Grunert 1330. 

| Grünfelder, B. (Berlin) 1084. | 

; Grunmach (Berlin) 909, 911. 
Grünwald (München) 429. ! 

Grünwald, L. 1049. 
Grützmacher (Berlin) 1473. 
Grütznor, R. 1524. 
Grzywo-Dybrowski,W.(Lodz) 
1733. 

Gstettner, M. (Wien) 579. 

I Guber, A. (Zürich) 556. 

| Gubergritz 1899. 

Gudzcnt, F. (Berlin) 706. 
i Guggenheim, M. 26. 

, Guggenheim, M. (Grenzach) 
842. 

Guggenheimer 221. 

1 Guggenheimer, H. (Berlin) 
i 79, 121, 225, 959. 

1 Guillain (Paris) 861. 
j Guillain, G. (Paris) 1098, 
1151, 1490. 

Guillemard, II. 1612. 

Guillerd, A. (Paris) 1187. 
Guinon 413. ' 

Guisez 990, 1490. i 

Guisez (Paris) 1097. 

Guleeke, N. 796. 

Guleke(Strassburg) 92,1104, . 

1154, 1392. | 

Gümbel 118. j 

Gümbel (Berlin) 568. 

Gümbel, Th. (Bernau) 1353. j 
Gumpertz, F. (Heidelberg) ! 

209. i 

Gumpreeht, F. 23. 
Gundermann, W. (Giessen) 
991. 

Günther 1471. j 

Günther (Nürnberg) 321. 
Günther, H. 219. 

Giinzburg (Frankfurt a. M.) j 
1755. 

I Guradze (Berlin) 426, 1386,' 

1 1560. j 

i Gürber, A. (Marbu-rg) 361. 

: Güssow (Breslau) 41. j 

i Guth (Kladno) 647. 

| Guth, A. (Zürich) 613. i 

j Gutraann (Berlin) 1087. ■ 

i Gutmann (Wien) 30. j 

: Gutmann (Wiesbaden) 666, 

! ' 667. ' 

| Gutmann, A. (Berlin) 562. j 
Gutmann, C. (Wiesbaden) I 
1047, 1429, 1448. j 

I Gutmann, S. (Berlin) 66, ' 
i 942. I 

I Güttich (Berlin) 1534. 

! Güttich (Charlottenburg) j 

i 1247 ' . I 

Guttmann (Paris) 722. I 

! Guttmann, J. 319. 

I Guttmann, V. 1049. 

! Guttmann, W. 264, 1670. | 

I Gutzeit 1875. j 

I Gutzeit (Neidenburg) 865, i 
I 1047. 


Gutzmann (Berlin) 621,1333, 
1614, 1615. 

Gutzmann, H. (Berlin) 1711. 
Guye 1428. 

Gwerder, J. (Arosa) 988 


Hallauer (Basel) 722. 

Halle 1049. 

Halle 1490. 

Halle (Berlin) 620, 660, 
1289, 1336, 1534, 1613, 
1634. 


H. 

Haab 187C. 

Haab, 0. 1047. 

Haas (München) 711. 

Haas, W. (Erlangen) 991. 
v. Haberer (Innsbruck) 366, 
818, 865, 1006, 1104, 

1154. 

Haberfeld (Wien) 625. 
Haberfeld, R. A. (Bello Hori¬ 
zonte) 614. 

Ilaberfeld, W. (Bello Hori¬ 
zonte) 614. 

Haberland (Königsberg) 1085, 
1086. 

Haberlandt 555. 

Haberling (Cöln) 273, 1088. 
Habermann, R. (Bonn) 557, 
846. 

Habetin, P. (Wien) 1046. 
Habs (Magdeburg) 816. 
Ilachner 1556. 

Hacke, II. (München) 1555. 
Hackenbruch (Wiesbaden) 
907, 1330. 

Hacker (Göttingen) 1562. | 

v. Hacker (Graz) 464, 960, j 

■ 1282. I 

Hacker (Würzburg) 1371, 
1372. 

Ilada, B. (Japan-Berlin) 459. 
Hadley, E. C. 1231. 

Haeberlin (Stuttgart) 990, j 
1875. ~ | 

Haeckel (Stettin) 1138. i 
Haecker (Essen) 853. 1139, 
1752. 

Haecker, V. (Halle) 119. 
Hafermann, G. (Bering¬ 
hausen) 1650. 

Haffncr, E. 1649. 

Haffner, F. (München) 27. 
Hage 1579. 

Hage (Berlin) 940. 

Hagedorn 1577. 

Hagemann (Marburg) 919, 
1281. 

Hagomeister, W. (Berlin) 
1374. 

Ilagebach (Basel) 1147. 
Hagentorn 1086. 

Hagmaier, G. V. (Heilbronn) 

82 . j 

Hahn (Freiburg) 91, 671, ! 

1565. ; 

Hahn (Hamburg) 576. 

Hahn (Wien) 142. J 

Hahn, A. (Berlin) 426, 558, i 
1282. 1 
Hahn, B. (Magdeburg) 120. j 
Hahn, E. (Heidelberg) 1228. 
Hahn, R. (Wien) 897. 
Haehnlein (Berlin) 905. ; 

Haike (Berlin) 423. 

Haim, E. (Budwcis) 848. : 

Hajos, L. 797. 1 

Hai ton, 1469. 

Halban, J. (Wien) 651. ! 

Halben (Berlin) 764. 
Halberstadt, R. (Hamburg) 
651.. 

Halbcrstaedter, L. (Berlin) 
252, 331, 706, 1746. 

Hall 1919. 

Hall-Edwards, J. (Birming¬ 
ham) 82. | 

Hailas, F. A. (Kopenhagen) j 

440. 


Halli (Paris) 1001. j 

i Hallopeau (Paris) 1097. j 

1 Halpern, M. (Warschau) 

j Halpern, S. 364. 

Halstead (Baltimore) 961. 
Hamburger (Berlin) 371,372, 
425, 764, 1560. 

Hamburger (Breslau) 573. 
Hamburger (Wien) 378. 
Hamburger, C. (Berlin) 473. 
Hamburger, F. 1084, 1689. 
Hamburger, F. (W r ien) 1228. 
Hamburger, II. J. 1040. 
Hamburger, R. (Berlin) 797. 
Hamm, A. (Strassburg i. E.) 
1749. 

Hammarsten, 0. 1464. 
Hammesfahr, C. 570. 
Hammesfahr, K. (Berlin) 
1535. 

Ilanaoka (Breslau) 608. 
Hanausek (Prag) 990, 1471. 
Ilanck (Posen) 465, 997. 
Handley, W. S. (London) 
1556. 

Hiindly (Berlin) 571, 1385. 
Haendly, P. (Berlin) 85. 
Haenel 1527. 

Handmann 1772. 

Handmann (Doebeln) 1329. 
Handrick (Magdeburg) 1084, 
1875. 

Haenisch (Berlin) 226. 
Haenisch (Hamburg) 855,911, 
1902. 

Haenisch (Stettin) 1773. 
Hanke (Breslau) 1229. 
Haenlein (Berlin) 661, 1247, 
1289. 

Hannes 1487. 

Hannes (Hamburg) 997, 
1375. 

Hans 1821. 

v. Hansemann, 9, 323, 805, 
894, 1064, 1379, 1484, 
1708. 

Hansen, B. 365. 

Hansen, K. (Wiirzburg) 76. 
Hansing (Hamburg) 1093. 
Hanusa (Kiel) 811. 

Happich, C. (St. Blasien) 
1633. 

Hara, H. (Hamburg) 78. 

Hara, K. (Hamburg) 609, , 

1280. I 

Hardrat, E. (Kiel) 561. j 

Harmann (Berlin) 1289. 
Harms 368, 614, 1772. j 

Harms, Ci. 993. 

Harnack, E. (Halle) 1577. 
Harnowski, J. (Lemberg) I 
461. 

Harriehausen 278. i 

Harriehausen (Berlin) 123. j 
Harris, M. L. (Chicago) j 
956. ! 

Harris, Th. J. 1049. 

Harrowcr, II. R. 1899. 

Hart, C. (Berlin) 319, 363, 
753, 1224, 1308, 1468. 
Härtel (Halle) 961. j 

Härtel (München) 1104. j 
Härtel, F. 464. 

Härtel, F. (Berlin) 81. 

Harter, G. 1819. 

Hartert,W. (Tübingen) 1186. ' 
Hartmann (Berlin) 328. j 
Hartmann (Paris) 1009. | 

Hartmann, H. (Paris) 1096. ; 
Hartmann, J. (Leipzig) 32. 


Google 


Hartmann, K. (Stuttgart) 
612. 

Hartmann, 0. (Kassel) 991. 
Hartoch, 0. (Bern) 319, 408, 
1082, 1946. 

Harttung (Breslau) 39, 180, 
234, 236, 684, 730, 1282t 
Hartung 1601. 

Hartung, E. (Neukölln) 33. 
Harzbecker 333, 1058. 
Harzbecker, 0. (Berlin) 560, 
1949. 

Hasche-Klünder 1771. 
v. Hase (Berlin) 1773. 
Hasebroek, K. (Hamburg) 
1438, 1631. 

v. Haselberg, W. (Berlin) 
1237, 1238, 1239, 1560. 
lläsele (Wien) 1150. 
Hashimoto, M. (W r ien) 941, 
986, 1224. 

Haslinger, E. 1377. 

Haslund, P. (Kopenhagen) 
409. 

Hass 170. 

Ilassin 1848. 

Hässner, H. (Rostock) 168. 
Hatiegan, J. (Kolozsvar) 843, 
941. 

Hauber (Nürnberg) 672. 
Hauch (Hamburg) 377, 1528. 
Hauck (Erlangen) 576, 1564. 
Haudeck 846. 

Haudek 238, 380. 

Ilaudck (W r icn) 911, 1153. 
Hauke 1601. 

Hauke (Breslau) 1200. 

Haupt (Soden) 1144. 
Hauptmann 1771. 
Hauptmann (Freiburg) 185, 
1129. 

Ilauschild, B. (Nürnberg) 
1226. 

Hauser (Erlangen) 1146, 
1440. 

Hausmann (Rostock) 558, 
800, 1804. 

Hausmann (Wien) 577. 
Hausmann, M. 266. 
Hausmann, T. (Berlin) 557, 
1557. 

Hauswirth, II. (Beatenberg) 
760. 

Hautmann (Wien) 1965. 
Ilavers (Freiburg) 462. 
Hävers, lv. 1281. 

Hawes 1227. 

Ilayashi (Heidelberg) 1228. 
Hayem (Paris) 430. 

Hay hurst 1378. 

Hayward, E. (Berlin) 1327. 
Heber, E. (Berlin) 1846. 
Ilebold (Wuhlgarten) 844. 
Hecht (W r ien) 1148, 1151. 
Hecht, A. F. (W 7 ion) 560. 
Hecht, II. (Prag) 613. 

Heck 1760. 

Heckenrotb, J. 29. 

Heddaeus (Heidelberg) 1695, 
1903. 

Iledde 1848. 

Heden, K. (Stockholm) 802. 
Hedinger 799. 

Hedinger, E. 517. 

Heerfordt, C. F. 993. 

Heffter, A. 963. 

Heffter, A. (Berlin) 218. 
Hefter, J. 1045. 

Hegar, A. 753. 

Hegener (Hamburg) 220, 
719. 

Ilegler (Hamburg) 767, 997, 
1047. 

Hegncr, C. A. (Jena) 28. 
Heidenhain 817, 897, 1599. 
Heidenhein (Dresden) 710. 
Heigel, A. (Prag) 363. 


Original frnm 

UMIVERSITY OF IOWA 







BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Heilbronner, K. (Utrecht) 30, 
942. 

Heile (Wiesbaden) G66, 907, 
961, 1152. 

Heile, B. (Wiesbaden) 592. i 
Heiligtag, F. 801. 

Hcilncr, E. 461. 

Heim (Freiburg) 29, 1565. ' 

Heim, G. (Bonn) 846, 987. 
Heim, P. (Budapest) 1167. 
Heimann 1485, 1486. 
lleimann, E. A. iBerlin) 
633. 

Heimann (Breslau) 572, 909. 
Heimann, F. 1516. 

Heimann, F. (Breslau) 75, 
557, 893, 13SS, 1599. 
Heimpel 762. 

Heine (Kiel) 1339. 

Heine, B. 265. 

Heine, L. (Kiel) 1773. 

Heineke 1330. 

Heinekc (Leipzig) 24, 767, 
841, 845, 908| 1008, 1327, 
1751. 

Heinemann (Berlin) 330,710, 
1613. 

Heinemann, C. 613. 
Heinemann, C. (Berlin) 755. 
Heinemann, F. (Breslau) 
1557. 

llcinemann, 0. (Berlin) 895, 
898, 1231, 1323, 1609. 
Hcinlcin (\iirnberg)334,672, 
1394. 

Heinrichsdorff, P. 1921. 
Heinrielisdorll, P. (Breslau) 
1424. 

Heinricy 368. 
lleinroth (Berlin) 1292. 

Heinz, W. (Wien) 1045. 

Heise 896. 

Heister, A.(Königsfeld) 1581. 
Iloitz-Boyer (Paris) 1248. 
Hcitzenroeder, C. (Grusen) 1 
76. 

Hekma 360, 796. 

Helbing 1821. 

Helbing, C. (Berlin) 579. 
Helferieh (Eisenach) 31. 
v. d. Hellen (Togo) 466. 

Heller (Kiel) f 268. 

Heller (Leipzig) 961, 1428. 
Heller (Strassburg) 1095. 
Heller E. 170. 

Heller, H. 1745. 

Heller, .l.(Berlin-Cbarlotten- 
burg) 19, 561, 733, 1291. 
Hellin, D. (Warschau) 1277. 
Hellmuth (Halle) 1920. 1 

Hclmbuld (Danzig) 562. 
Hclmbold, R. (Danzig) 1087. i 
Hellpach 1329 
Hellsten 1900. 

Ilcllwig 1132. 

Hcllwig, A. 1688. 

Hellwig, A. (Berlin) 1651. , 

Helly, K. (Wiirzburg) 705. 
Hemmcter, J. C. 1746. 

Hengi, G. (St Gallen) 894. 
llcnius (Berlin) 1289. 

Henius, M. (Berlin) 1578. 
llcnius, U. (Berlin) 1100. 
Henke (Breslau) 236, 318, 
572, 853, 1583. 

Henke (Königsberg) 1339. 
Henkel, M. (Jena) 220, 318, 
1283. 

llcnlc (Dortmund) 270. 
Henne, H. (Schaffhausen) 
125. 

Henneberg (Berlin) 948. 

1673. ! 

Hennig, E. (Berlin) 1291. 
Henning, G. 650. 

Henri, V. 895. 

Henriqucs, Y. 25. 


Hcnsehcn (Zürich) 82. 1086, 

1100. 

llensgen (Siegen) 849. 
Hcnszelmann, A. (Budapest) 

1517, 1764. 

Herbst, 0. (Rummelsburg) 
123. ! 

v. Hcrff, 0. (Base 1)^80. 
Hcrgcns (Saarow) 795. 

Hering (Cöln) 957. 

Hering, II. E. (Cöln) 1771. 
Hermann, L. 985. 

Hermann, M. 78. 

Hermanns, L. (Freiburg) 
184. 

Hcrmans, J. (Dortmund) 
409. 

Hermcl, II. (Freiburg) 1277. { 
Herold (Hamburg) 1901. 
Herrenheiser, G. (lvladno) ! 

1277. ! 

Herrgott, A. (Nancy) 367. | 

Herrick, W. (New York) ; 

1372. , 

Herringham. W. P. (London) | 
221 . | 
Hertel, E. 1530. I 

v. llertlein, 11. (Hamburg) 
1331. ' 1 

Hertwig, R. 1465. | 

Hertz, R. 1554, 1650. | 

Hertz, H. (Warschau) 800. 
Hertz, R. (Wien) 28. 

Hertzeil (Berlin) 230. 
v a n II e r w c r d c n, M. A. (U t r e e b t) 
IS37. 

Herxheimer (Frankfurt) 1429. 
Herxlieimer( Wiesbaden) 237, 
377. 

Herxheimcr, G. 1043. 

Herz (Berlin) 570. 

Herz, H. (Breslau) 1463. 
Herz, M. 1946. 

Herzberg (Berlin) 914, 1327. 
Herzberg, E. (Berlin) 617. 
Herzfeld 1534. 

Herzfeld (Berlin) 230, 422, 
1288. 

Ilerzfeld, K. (Berlin) 29. 
Herzfeld, E. (Zürich) 1425. 
Herzog (München) 1393. 
Herzog, F. (Leipzig) 1043. 
Herzog, T. (Zürich) 1085. 
Hesehcicr (Kiel) 1339. 1 

Hess 937, 1670. 
v. Hess (München) 92. 

Hess (Wien) 1147. 

Hess, C. 360. 

Hess, C. (München) 408. I 
v. Hess, C. (München) 1146, 1 
1423. 1 

Hess, L. (Wien) 706. j 

Hess, 0. (Cöln) 801, 1650. j 
Hess,-R. 611. l 

Hess Thaysen, Th. E. (Kopen- i 
hagen) 650, 1649. ! 

Hessberg (Essen) 854, 1752, j 
1753. 

Hesse (Dresden) 950. j 

Hesse (Petersburg) 960,1103. 
HeSse, E. (Petersburg) 899, . 

943. ' j 

Hesse, F. A. (Greifswald) 1 
1157. 

Hesse, M. (Graz) 802. 1KI4. 
Hesse, M. (Petersburg) 899. 
Hessel 11 (Kreuznach) 911. 
Hessel, K. (Frankfurt) 989. 
Hessmann 1477. 

Hessmann (Berlin) 1713. 
Hetzer, M. (Bonn) 1373. 
Heubncr (Göttingen) 812. 
Heubner, 0. 484, 1130. 
Heubner, W. (Göttingen) 
646. 

Hcudorfcr (Tübingen) 319. 
Hourich, E. (Stettin) 167. 


af Heurlin, M. (Helsingfurs) 

757, 1631. 

Heuseh (Strassburg i. Eis.) 
1774. 

Heusner, R. (Basel) 756. 
Hewlett, A. W. 1633. 
Heymann (Berlin) 173, 1557. 
Hey mann (Breslau) 816. 
Heymann (Wiesbaden) 666. 
Heymann, E. 1669. 

Ilevmann, P. (Berlin) 1089, 
1613. 

Hevrowski (Wien) 378, 1343. i 
Hi da (Tokio) 1471. 

Hiess (Wien) 272. | 

Hjelt, S. (llesingfors) 1483. j 
Hift (Wien) 1096. ! 

Hilbert 1048. 

Hildebrand (Berlin) 570, 816, I 
912, 1006, 1196. 
Hildebrand (Marburg) 1528. ; 
Hildebrandt ("Freibürg i. B.) ’ 
1619. 

Hilffort (Heidelberg) 1145. j 
Hilgenreiner, II. (Prag) 463. I 
Hill, W. 1229. , 

Hillenberg (Zeitz) 762. I 
llilliger (Berlin) 278, 1874. 

Hiisc, A. (Dorpat) 711. i 
lliltmann (Jena) 1752. j 
Hilzheimcr 1706. 

Hindhede 1081. 

Hinkel, A. (Frankfurt) 79. j 
11 inneberg. P. 165. 

Ilinrichsen (Basel) 378. | 

Hinsbcrg (Breslau) 372. ; 

Hinselmann, II. 937. 
Hinterstoisscr, II. (Tesehcn) 
78. 

Hinze (Berlin) 1059. 
v. Hippel (Halle) 958. 
v. llippcl, A. 614. 
v. Hippel, E. 125, 368, 

940. 

Hirsch (Jena) 1145. 

Hirsch (München) 761. 

Hirsch (Wien) 141. 1925. 
Hirsch, C. (Stuttgart) 1247. 
Hirsch, K. 1525. 

Hirsch, E. II. (Wien) 412. 
Hirsch, G. Chr. 1524. 

Hirsch, M. (Berlin) 223. 
Hirsch, 0. 1747. 

Hirsch, P. (Jena) 364, 1579. 
Hirsch, R. 166. 

Hirsch, R. (Berlin) 607. 
Hirsch, S. (Berlin) 755. 
Hirsch, S. (Heidelberg) 462. 
Hirschberg (Berlin) 1235, 
1560. 

Hirschhorn, A. (Berlin) 1376. 
llirsehberg, J. 95. I 

Hirschbrueh, A. (Metz) 1176. | 
Hirsehel (Heidelberg) 1902. 
llirschcl, G. (Heidelberg) 1 
1581. 

Hirschfeld (Berlin) 175, 230, 
1777. 

Hirsohfcld, A. 221. 

Hirschfeld, F. 1375. 
Hirschfeld, F. (Berlin) 663, 
1332, 1380, 1721. 

Hirschfeld, H. 1468. ! 

Hirschfeld, H. (Berlin) 332, 
1026, 1224, 1374, 1950. 
Hirschfeld, L. (Zürich) 318, 

758, 1099, 1173, 1599. 
Hirschfeld, M. (Berlin) 1G87. 
Hirschlaff, L. 1688. 

Hirschlaff, L. (Berlin) 657, 

948. 

Hirschmann (Berlin) 846 
1196. I 

Hirschstein (Hamburg) 1201. ; 
Hirt, W. 1686. I 

Hirtz (Paris) 1567. I 

Hirz, 0. (Marburg) 26, 940. 


His 135, 1381. 

Hitzker, 11. 1898. 

Hiwatari, K. 1922. 

Höher (Kiel) 623, 1692. 
Höher. R. 1898. 

Hoch (Berlin) 1879. j 

Hoehgiirtel (Bonn) 846. I 

Hochhaus (Cöln) 1901. , 

Ilochsinger (Wien) 478, 650, 

709. 

llodara, M. (Konstantinopel) 
801. 

Hofbauer (Wien) 29, 94, 

121, 281, 319, 769, 957, 
1128, 1395. 

Hofer (Berlin) 174. 
van ’t Hoff, G. (Berlin) 
1820. 

Hoffmann (Berlin) 1750. 
Hoffmann (Heidelberg) 1694. 
Hoffmann, A. 1126. 
Hoffmann, A. (Greifswald) 
1376. 

Hoffmann, C. A (Berlin) 851, 

1231. I 
Hoffmann, E. (Bonn) 1187, 

1232. 

Hoffmann, E. (Dresden) 1749. 
v. Hoffmann, G. 1324. 
Hoffmann, 11. (Dresden) 
1528. 

Hoffmann, H. (Schweidnitz) 
373. 

Hoffmann, J. (Kiew) 1249. 
Hoffmann, K. (Dresden) 608. 
Hoffmann, L. (Stettin) 1582. 
Hoffmann, M. (München) 577, 
652. 

Hoffmann, P. (Würzburg) 705, 
956, 1326. 

Hoffmann, R. (München) 

17 50. 

llöfler, M. (Bad Tölz) 
1422. 

llofmann (Berlin) 426. 
llofmann (Leipzig) 767. 
llofmann (Wien) 860. 
llofmann, E. (Aarau) 761. 
llofmann, F. B. 607. 
Hofmann, F. B. (Königsberg) 
956. 

llofmann, S. (Odessa) 124. 
Hofmann, W. (Berlin) 354, 

710. 

llofmcier, M. (Würzburg) 32, 
1343. 

Hofmeister, F. 74, 1687. 
v. Hofmeister, F. 1551. | 

lloefnagels 803. 

Ilofstätter, R. 989, 1847. 
Höftmann (Königsberg) 41, 
170, 1143. 

Hofvendahl 1580. 

Hochl 466. , 

Hohlbaurn-(Leipzig) 1428. 
Hohlfeld (Leipzig) 576. 
Hohlweg (Giessen) 942. 
Hohmann (München) 813, 1 
1902. 

Hohmeier (Marburg) S19, , 
1007. 

Höhne, 0. (Kiel) 802, 1948. 
Hojo, M. 1331. : 

Holfelder(Wernigerode) 1470. I 
Holitseh (Budapest) 911. I 
Holitseh, R. (Budapest) 940. ;■ 
Holitscher 1425. j 

Holländer (Berlin) 1381, | 
1877. ! 

Holländer, E. (Berlin) 1085. j 
1436. 

Hollmann (Solingen) 900. 1 

Hollos (Szeged) 941. j 

Holmes, B. 323. 

Holobut, T. (Lemberg) 409. 
v. Holst (Dresden) 1142. ; 

Holste (Jena) 705, 1145. 


Ilolth, S. 1922. 

Holtzmann (Karlsruhe) 1087 
Holzbach, K. (Tübingen)’ 
1554. 

Holzel, II. (Leipzig) 1747, 
Holzknecht 846, 910. 
Holzknecht (Wien) 32, 7D 
1733, 1849. 

Holzwarth (Budapest) 819. 
Bornen 937. 

Ho men, E. A. 118. 
llocnc (Mainz) 1733. 
lloneij 613. 

Honigmann (Breslau) 464. 
1132. 


v. Hoogenkuijzc, C. J. C. 

(Utrecht) 1129. 

Hoör, K. (Budapest) 722. 
Hopmann, F. W. 169, 895. 
Hoppe-Scyler 1488. 
Hoppe-Sevler (Kiel) 1142, 
1143. ‘ 

Horak, 0. 1079. 

Hürder (Bonn) 1131. 

Horn (Bonn) 171, 713. 
ten llorn 366, 1875. 
ten llorn, C. (Helder in 
Holland) 1962. 

Horner, A. 112G. 
Hornowski, J. (Lemberg; 
460. 

Horowitz (Würzburg) 1441. 
Hürrmann, A. (München) 
1599. 

Horsley, Sir, V. 1428. 
Horton-Smith, I\ (Hartlevf 
1278. 


Horwitz, A. (Berlin) 472. 
Hoseraann (Rostock) 1130. 
1633. 

llössli (Basel) 991, 1040. 
1394. 


v. Hocsslin (Halle) 79, 758 
799, 957. 

v. Hoesslin (München) 120, 
1004, 1714. 

Hoestermann (Heidelberg 
1688. 

Hottingcr, (Zürich) 1248. 
Hotz (Freiburg) 071, 1393. 

1470, 1555, 1901. 
Houget, J. P. (New Jork; 
1374. 

Houston, Th. (Belfast) 1230. 
Howard, H. C. (London 
940. 

Howard, R. (London i 82. 
Howell, W. H. (Baltimore 
610. 

Hiibcner (Liegnitz} 253. 

1587. 


r, W. 1079. 

jr, W. (München) D'-'i. 

er, A. H. 752. ^ 
ings (Detroit) 955. 
k (München) 1619 _ 
k, VY. (München) 1D3. 
16. 

, B. (Berlin) 362. 
ibrnid 1601. 
ihmidt, A. (Barmen 
? 

es, B. (Bradford) 3L. 


(Strassburg) 333. 

, G. 123, 463. 

r t L. (Cambring 1 

;cker (Hohen!#* 
126. 

[Her 1508. 

[Her (Berlin) j*'- 


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Original from 

UNIVERSITY OF IOWA 





Huppert (Wien) 1148. 
Huerekens, C. J. 1469. 
Ilürthle (Breslau) 572, 1437. 
Hürthle, K. 1326. 

Hurwitz, J. H. 168. 

Husler, J. 611. 

Hussa, F. 321. 

Hüssy, A. (Unter Aegeri) 
1376. 

Hüssy, P. (Basel) 557, 986, 
1328. 

Hueter, G. (Altona) 1632. 
Hutler, F. 993. 

Hutyra 216. 

Huwald, W. (Berlin) 611. 
Huzar, W. 649. 

Ilymans 1180. 


I. J. 

Jacob 461. 

Jacob (Berlin) 466. 

Jacob (Kudowa) 957. 
Jacobaeus (Stockholm) 282. 
Jacobovics, B. (Budapest) 
650. 

Jacobsohn (Berlin) 658. 
Jacobson 797. I 

Jacobsthal (Hamburg) 42, 
767, 1045, 1201, 1849. [ 

Jacoby (Berlin) 570. ' 

Jacoby, M. (Berlin) 424, 
568, 1383, 1407. j 

Jacoby, M. (Wildungen) 

1044. 

Jacquet (Paris) 47$, 1001. 
Jadassohn (Bern) 519. 

Jadek, J. (Neukölln) 705. 
Jaedcrholm, G. A. 1524. 
Jaffee, F. 1226. ! 

Jaffö, H. (Wien) 1798. i 
Jaffe, R. (Frankfurt) 267, 
894 . ; 

Jaffö, R. H. (Wien) 987. 
Jagemann (Heidelberg) 1694. 
de Jager, L. (Leeuwarden) 

795. 

Jaeger, R. (Halle) 942. 
v. Jagic, N. 1185, 1328. 
Jahn, F. (Leipzig) 755. 
Jaehne, A. ( Strassburg) S03. , 
Jakob 1804. ^ ! 

Jakob (Hamburg) 285, 671, 

1045, 1553. j 

Jakobi, C. (Tübingen) 1223. 1 
Jakobson, B. (Kopenhagen) ; 

759 ' 

Jakobsohn, J. (Berlin) 1082. ! 
v. Jaksch, R. (Prag) 222, I 
721. 

Jakunin, N. (Moskau) 626. 
Jakuschewicz, S. (Charkow) 

191. 

Jalkowski, E. (Freiburg) 708. 
James 319. 

Jamin (Erlangen) 720, 1564. , 
Jarapolsky (Wien) 1876. 
Jaenisch, H. (Bremen) 364. | 
Jankowski, J. (Riga) 81. : 

Jansen 170. 

Jansen, M. 646. | 

.lansen, W. 556. 

Jansen (Dorpat) 761. 

Jansen (Leiden) 813. 

Janssen, P. (Düsseldorf) 991. 
Janus (Berlin) 321. 

Janusehke (Berlin) 1925. 
Januschke (Wien) 379, 843. 
Janzus, H. (Wien) 463. 
Jappelli, A. (Neapel) 27. 
Jaquin (Berlin) 332. 

Jardine, R. (Glasgow) 317. 
Jarisch, A. 1280, 1553. 
Jaerisch (Graudenz) 992. 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1077 


Jaschke (Giessen) 465. 
Jastram (Königsberg) 1339. 
Jastrowitz, H. (Halle) 267, 
607. 

Jauer, K. (Berlin) 1372. 
Javol 1490. 

Ichikawa 993. 

Idman, G. 118. 

■ Jeanselme 429, 479, 1001, I 
1187, 1491. ; 

Jeger (Breslau) 181, 321, 
995, 1439, 1470, 1587, 
1645, 1667, 1907. 

Jehn, W. (Zürich) 1086. 
Jemma, R. (Palermo) 942. 
Jenckel (Altona) 854, 1104, 
1105, 1901, 1902. 

Jensen (Kopenhagen) 1102. 
Jercmicz, A. (Petersburg) 
381. 

Jerusalem (Wien) 1148. 
Jesionek 1670. 

Jcsionek (Giessen) 944. 
Jesrop, II. (London) 1582. I 
Jess, A. (Giessen) 629. 
Jessen (Davos) 1005. 

Jessen, F. 1225. 

Igersheimer 1921. 

Igersheimer, J. 1048. 
Ignatowski, A. J. (Warschau) 
1328. 

Ilyin (Petersburg) 466. j 
Imhofer (Prag) 721. 
Immelmann (Berlin) 321, 

912, 1193, 1196, 1692. 
Immermann 165. 

Inamoto, K. (Kyoto) 894. 
Ingebrigtsen 1556. 

Joachim, H. 1371. 
Joachimsthal, G. f 579, 763. 
Job, E. 323. 

Jochmann 1654. 

Jochmann (Berlin) 1281, 
1693, 1734, 1822, 1873. 
1876. 

Johannessohn (Berlin) 1423. 
Johannscn.T. (Moskau) 1187. 
John, K. (Tübingen) 1798. i 
Johnson, W. (London) 1424. 
Jollv (Berlin) 664. ! 

Joliv, P. 554. 

Jonas, W. (Greifswald) 170. ; 
Jonathan, P. (Budapest) 612. 
Jones, A. R. (London) 31. j 
de Jong (Paris) 1920. j 
de Jong, I). A. (Leiden) 
1429. j 

Jores (Kastellaun) 83. 
Jörgensen (Kopenhagen) 
1374. 

Josef (Berlin) 816. 

Joscfson (Stockholm) 559, 

759, 1232. 

Joseph (Berlin) 472, 569, 
570, 946, 1470. _ j 

Joseph, E. (Berlin) 275, 

913, 1050, 1052, 1054, j 

1253. : 

Joseph. .1. (Berlin) 224, 621, 

760. ' | 

Joseph, K. (Höchst) 647. , 

Joseph, K. 941. ' 

Joseph, M. (Berlin) 120. 
Josric(Paris) 479,1001,1152, 

1604. 

Joest, E. (Dresden) 363. i 
Joulia (Bordeaux) 613. 
Jowncss 942. 

JJzsa, G. (Budapest) 648. 
Iredell, C. E. (London) 1330. 
Isaac (Berlin) 1056, 1835. 
Isaac, II. (Berlin) 617. 1 

Isaac, S. 360. 

Isaac, S. (Frankfurt) 1003. 
Isager 1580. 

Ischreyt 993, 1048, 1922. 
Iselin (Basel) 1394. i 


Iselin, H. 796. 

Isenschmid (Frankfurt) 119, 
1144, 1183, 1747. 

Ishiguro 1526. 

Ishihara 1921. 

Ishizaka, N. (Göttingen) 556. 
Isobc, K. 1043. 

Israel 1878. 

Israel, A. (Berlin) 1437. 
Israel, J. (Berlin) 468, 571, 
1054, 1133. 

Israel, W. (Berlin) 570, 1050, 
1136. 

Israel-Rosenthal (Kopen¬ 
hagen) 559. 

Issatschenko,B. (Petersburg) 
1425. 

Isserlin 1276. 

Issraeljantz, L. (Tiflis) 410. 
Istonin (Charkow) 271. 
Juckenack 713. 

Judt (Warschau) 912. 
Juliusburger, E. (Breslau) 
1612. 

Juliusburger, 0. (Lankwitz) 
1798. 

Juman, A. C. (London) 1129. 
Jung 1184. 

Jung (Göttingen) 141, 408, 
761, 940, 1146, 1376. 
Jung, C. G. (Zürich) 217. 
Jüngerich, W. 356. 

Jüngling, 0. (Tübingen) 
1186. 

Jungmann (Berlin) 84. 
Jungmann (Strassburg) 333, 

1099. 

Jungmann (Wien) 1149. 
Jungmann, P. (Strassburg) 
462, 1423. 

Junkcl 760. 

Junkel (Berlin) 711. 

Jurasz 1875. 

Jurasz (Leipzig) 767, 845. 

1100, 1102, 1428, 1689. 
Jürgenson, A. 1426. 

Jurmann 1848. 

Justi, K. (Halle) 713. 

Iwanoff. V. (Berlin) 705. 
Iwanow, W. (Moskau) 1249. 
Iwasaki, K. (Göttingen) 711. 
Iwaschenzew, G. (Petersburg) 
381. 

Iwaschenzoff, G. (Peters- ! 
bürg) 561, 706, 943, i 

1376. 

J/.ar, G. (Catania) 385, 453, i 
714, 941. | 

Izrailsky, L. 26. 1 


K. 

Kachel 707. 

Kade (Berlin) 1386. 
Kafemann, lt. (Königsberg) 

977. 

Kaefcr (Odessa) 611. 

Kafka (Hamburg) 90, 670, 
1044, 1553. 

Kahane, II. 844, 1610. 
Kahle, II. (Jena) 797. 
Kahler, II. (Wien) 896. 
Kahler, 0. (Freiburg) 706. 
Kahn, E. 707, 1424. 

Kahn, J. (Magdeburg) 648. 
Kaiser (Marburg) 80. 

Kaiser, K. F. L. (Amsterdam) 
1772. 

Kaiser, W. (Prag) 1555. 
Kaiscrling (Königsberg i. P.) 
1339. 

Kakowski 1526. 

Kakowsky, A. (Kiew) 120. 


Kalb (Stettin) 951. 

de Kalbermatten, J. (Bern) 
362. 

Kalicbmann, M. (Bern) 76. 

Kalischer (Berlin) 763, 1286. 

Kall, K. (Freiburg) 1423. 

Kalmus (Prag) 1652. 

Kambe, T. 125. 

Kamenetzky, A. (Kiew) 190. 

Kamerling 1429. 

Kammer (Wien) 674, 844. 

Kammacher, 0. 408. 

Kämmerer,H. (München) 557, 
649, 1099. 

Kampmann (Strassburg i.E.) 
1755. 

Kanngiesser, F. 321. 

Kantak, J. (Schöneberg) 464. 

Kantorowicz (Berlin) 1290. 

Kapff, W. (München) 758. 

Kaplan 1848. 

Kaposi (Breslau) 234, 664, 
665, 666. 

Kappius, A. 819. 

Kapsenberg 366. 

Karasawa, M. (Tokio-Wien) 
80. 

Karcher (Basel) 625. 

Karewski 124, 472,571,1034, 
1050, 1055, 1069, 1133, 
1189, 1475. 

Karfunkel (Breslau) 572, 
1426. 

Kaerger (Kiel) 1561. 

Kaerger, E. (Berlin) 81. 

Karo, W. (Berlin) 551. 

Karplus, J. P. 1084, 1466. 

Karrenstein (Berlin) 659, 
1534. 

Kassel, K. 1670. 

K assogledow,W. (Petersburg) 
1249. 

Kassowitz 1489. 

Kassowitz, K. (Wien) 1689. 

Kassowitz, M. 1610. 

Kastan, M. (Königsberg) 413, 
855, 1083, 1798. 

Katase, A. (Osaka) 460. 

Kato, T. 938, 1707. 

Katz 24, 1650. 

Katz, A. 1797. 

Katz, G. (Friedenau) 1598. 

Katz. 0. (Charlottenburg) 
1835. 

Katzenstein 1534. 

Katzenstein (Berlin) 328,426, 
471, 571, 661, 804, 805. 
1008, 1057, 1431. 

Katzenstein (München) 672. 

Katzenstein, M. (Berlin) 123, 
698, 1581. 

Kauffmann (Ulm) 1132. 

Kauffmann, E. 321. 

Kauffmann, M. (Halle a. S.) 
1770. 

Kaufmann, K. (Schönoberg) 
1423. 

Kaufmann, L. (Berlin) 120. 

Kaufmann-Wolff, M. (Wien) 
169, 1047, 1231. 

Kaupe, W. (Bonn) 1229. 

Kausch 275, 815, 1152. 

Kausch (Schöneberg) 797, 
910, 914. 

Kawasoye (Formosa-Kiel) 
411. 

Kayser (Berlin) 653, 1243, 
1283. 

Kayser (Cöln) 1528. 

Kayser (Heidelberg) 1131. 

Kayser, J. D. (Haag) 1331. 

Kayser, R. (Breslau) 1465. 

Kaz (Poltawa) 900. 

Kedrowski, W. (Moskau) 
1232. 

Kectman, B. 739. 

Kehl,.H. (Hamburg) 1279. 


Kehrer (Dresden) 125, 184, 
477, 667, 951, 998,1340. 

Kehrer, F. A. (Heidelberg) 
608. 

Kehrer, F. K. W. (Utrecht) 
1129. 

Kehrer, J. K. W. 1043. 

Kehrmann, R. (Hamburg) 
842. 

Keibel (Freiburg) 1095. 

Keil, G. (München) 1046, 
1081. 

Keiler (Berlin) 278. 

Keitlor (Wien) 1770. 

Kel, P. K. (Amsterdam) 

490. 

Keller (Berlin) 1925. 

Keller(Strassburg)415,1373. 

Keller, A. 754. 

Keller, Arthur (Berlin) 1945. 

Keller, K. 612. 

Keller, R. (Zürich) 1085. 

Kelling 817. 

Kelling, G. (Dresden) 560, 
1374, 1471, 1948. 

Kellner (Hamburg) 997,1201. 

O’Kelly 1374. 

Kemmerling, H. (Cöln) 760. 

Kemp, S. 462. 

Kempf, F. 366. 

Kennedy (Eisberg) 1129. 

Kennedy, A. M. (Glasgow) 
268. 

Keppler,W.(Bcrlin)81,1281, 

1282 

Kerl (Wien) 77, 625, 1148, 
1225, 1343, 1395, 1526. 

v. Kern 704, 1325. 

Kern, H. (Berlin) 1045. 

Kern, H. (Rummelsburg) 
1742. 

Kersten, H.E. (Rabaul) 1128. 

Ketron, L. W. 78. 

Keuper, E. (Frankfurt) 560. 

Keyser (Jena) 867. 

v. Khautz (Wien) 953. 

v. Khautz, A. 1130. 

Kjaergaard, S. (Kopenhagen) 
557, 1280. 

Kidd, F. (London) 1748. 

Kiel, W. (Berlin) 1609. 

Kielleuthner (München) 711. 

Kienböck 124, 170, 322, 

909, 1131, 1150, 1282, 
1471. 

Kiepe, A. (Berlin) 79. 

Kiessclbach, G. (Erlangen) 
1527. 

Killian 129, 174, 330, 1091, 
1335, 1477. 

Killian (Berlin) 620, 1612, 
1613, 1615, 1709, 1710. 

Kimmerlc (Hamburg) 768. 

Kimpton 121. 

Kindberg, L. 1002. 

Kindborg, E. 984. 

King, J. II. (Baltimore) 119. 

Kionka (Jena) 1145, 1651. 

Kirchenberger, A. 842. 

Kirchenstein 1580. 

Kirchenstein, A. 1425. 

Kirchheim, L. (Marburg) 29, 
1847. 

Kirchner (Berlin) 849, 1635, 
1674. 

Kirchner, C. (Würzburg) 
563. 

Kirkland, R. (Chcltenham) 
610. 

Kirmisson (Paris) 1565,1566. 

Kirsch (Berlin) 1733. 

Kirsch, H. A. (London) 900. 

Kirschbaum (Wien) 609,755, 
860, 944, 1280. 

Kirste (Nürnberg) 1393. 

Kirstein (Marburg) 1131. 

Kirstein (Stettin) 427. 

4 


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Original frn-rri 

UMIVERSITY OF IOWA 



I'jTH 


BERLINER KLINISCH E WOCHENSCHRIFT. 


Kisch, B. (Cöln) 1082. 

Kisch, E. (Berlin) 1230. 

Kisskalt, K. 1015. 

Kistler, E. (Basel) 557. 

Kittel (Güttingen) 999, 1563. 
Klaatsch (Breslau) 1875. 

Kl ag es, R. (Berlin) 1329. 

Klapp 472, 866 , 1058, 1821. 

Klar (München) 1146. 

Klare, K. (Ilohcwiese) 559. 
Klarke, K. B. 80. 

Klauber (Frag) 611. 

Klaus, H. (Prag) 267. 

Klausner (Prag) 168, 186, 

414, 721, 842, 1232, 1284, 
1529. 

Klaussner, F. (München) 

711. 

Klee (München) 1041, 1131. 
Kleemann, E. (Breslau) 361. 
Klefisch (Essen) 853. 
de Kleijn, A. 563, 1707. i 
Klein (Wien) 1966. 

Klein, A. (Prag) 1231, 1898. 
Klein, G. (München) 1800. 
Klein, II. V. 220. I 

Klein, 0. (München ) 220. 

Klein, St! (Warschau) 1797. 
Klein, W., (Heidelberg) 707. | 
Kleine, F. K. 757. 

Kleinschmidt (Berlin) 333. 
Kleinschmidt (Leipzig) 767, 
1429. 

Kleinschmidt., II. (Berlin) 
1130. | 

Kleinschmidt, 0. (Leipzig) 
1428. 

Kleinschmidt, P. (Reinicken¬ 
dorf) 213. 

Kleipool 362. f 

Kleist (Erlangen) 93, 123, | 
1564. 

Klemensiewics, R. 891. 

Klemm (Berlin) 276. 

Klemm, P. 1732. 

Klemperer, F. 34, 416, 417, 
430, 1190, 1374, 1467, 

1580. 

Klemperer, G. 120, 175, 
408, 410, 568, 1243, 1469. 
Klemperer, P. (Brünn) 756. 
af lilcrker, Kj. 0. 1649. 
Klestadt (Breslau) 37. 
lvlett (Berlin) 1291. 
Klienebcrger (Zittau) 285, 
668 , 718, 969, 999, 1093, 
1094, 1129, 1244, 1410, 

1581. 

Klimenko, W. (Petersburg) 
1250. 

Kling, C. (Stockholm) 412. 
Klinger (Zürich) 318, 758, 
1099, 1173, 1599. 

Klingner (Berlin) 1292, 1434. | 
Klock (Berlin) 1236. I 

Klooman, L. 1227, 1228. | 

Klopfer, E. (Petersburg) 897. 
Klopstock, F. (Berlin) 269. I 
Klose (Breslau) 1900. 

Klose (Frankfurt) 819, 1094. 
Klose (Neisse) 124. ! 

Klose, II. 10, 123, 267. , 

Klotz (Schwerin) 709, 942. j 

Klotz (Tübingen) 847. 

Klotz, H. G. (New York) 
1330. 

Klotz, R. (Dresden) 77. 
Klunker (3cna) 1562. 
Klüppcl, O. 1041. 

Kmiura (Japan-Leipzig) 756. 
Knaack (Hamburg) 997. 
Knack (Hamburg) 1390. 
Knapp (New York) 33. 
Knauth (Wiirzburg) 461. 
Kncppcr (Düsseldorf) 1131. 
Knick (Leipzig) 1247. 

Knoll, W. 1425. 


Knoop (Freiburg) 1565. ! 

Knoop, F. 360, 1467. , 

Knopf 994. 

Knöpfclmacher 142,478,651, 

673, 897, 1149, 1489. 

Knorr (Berlin) 569, 1385, 
1535. 

Koblanck (Berlin) 84, 790, , 
804, 1925. 1 

Kobler, F. 1552. 

Kobligk, E. (Berlin) 561. 

Kobrak (Breslau) 573, 1388. , 
Kobsarenko, S. (Kiew) 1082. j 
Koch (Berlin) 135. 

Koch, H. 318, 1329, 1470. 
Koch, J. (Berlin) 172, 289, 

773, 807, 836, 886. I 

Koch, K. (Berlin) 363, 422, 

987. 

Koch, M. 1476. , 

Koch, M. (Berlin) 1290, I 
1435. 

Koch, R. (Frankfurt) 757. 

| Koch, W. (Berlin) 1082. 

Kocher 898. 

| Kocher (Berlin) 1103. 

I Kocher, A. 819. 

Kocher, R. (Baltimore) 1005. 

I Kocher, R. A. 1281. 

! Kocher, R. A. (München) 
H85. 

Kocher, Th. (Bern) 817, 
1949. 

Koechlin, E. 1798. 

I Kochmann 1799. 

Kochmann (Berlin) 371. 

I Kochmann, M» (Greifswald) 

I 1376. 

i Köck, E. (Freiburg i. B.) 

I 1633. 

| Kofi er (Wien) 1966. 
i Kofmann 170. 

! Kögel 707, 1580. 

Kögel, II. 361. 

Kögel, II. (Lippspringc) 168. 
Köhler, B. (Stettin) 895. 
Kobler, R. (Berlin) 1005. 
Rochier (Berlin) 219. 

Kochler, J. (Berlin) 1750. 
Rochier, M. 1552. , 

Köhler 1084. I 

Köhler (Wien) 859. 
Köliler(Wiesbaden) 667, 907, 
911. I 

Köhler, A. 1919. 

Köhler, R. (Wien) 893, 1280. 
Kohbausch (Freiberg) 766. 
Kohn, A. (Berlin) 1879. 

Ivolin, A. (Prag) 1422. 

Kohn, H. 325, 931. ! 

Kolm-Abrest 1472. i 

Kolmstamm, 0. (Königstein ! 

i. T.) 668, 863, 1680. | 

Kohrs, T. (Lübeck) 414, l 

1590. I 

Kolaczek, II. (Tübingen) j 
1186. 

Kolb, K. (Heidelberg) 271. 
Kolb, K. (München) 1096. 
Kolde (Erlangen) 415. 

Koldc, W. (Magdeburg) 1429. 
Kolepke (Breslau) 179. 
j Rolle, W. 73, 408. 

Rolle, W. (Bern) 319, 1277. 
Köl liker 1384. 

! Köl liker, Th. (Leipzig) 1947. 
j Köllner 1921. 

I Koellner 848. 

Koellner (Würzburg) 1331, 

I 1332. 

! Kolmar, J. A. (Philadelphia) 

| 222 . 

Kolossow, A, 800. 

Koelsch, F. München) 1651. 
Komoto 1921. 

Kornoto, J. 848. 

Kondolcon 1875. 


König (Marburg) 771, 815, 

914, 1104, 1184. 

König, H. (Kiel) 800, 1061. 
Küniger (Erlangen) 1564.^ | 

Koenigsfeld (Breslau) 582, 

852, 1231. 

Königstein (Wien) 1245. 
Konjctzny (Kiel) 719, 866 , 
1154, 1947. 

Könnccke, W (Braunscbweig) 
1185. 

Konstansoff, S. W. (Peters¬ 
burg) 1328. 

Kopaezewski, W. 1277. 

Kopel, A. 26. 

Koeppe, H. 123. 

Koppel, M (Strassburg) 75. 
Knpvtowski, W. (Warschau) 
1708. ^ 1 

Korb. P. (Liegnitz) 1708. I 
Korbseh 1949. 

Korb sch (Neisse) 1089. 

Koerber (Hamburg) 669. 
i Körbet, N. (Leipzig) 368. 
v. Korezinski, L. R. (Saraje¬ 
wo) 942. 

Korencan (Wien) 760, 1429. 
Korcnczewski, W. (Petcrs- 
| bürg) 1106. 

Korentsehewsky, G. (Peters¬ 
burg) 1080. 

Korff-Peterscn, A. (Berlin) 
762. 

Korn, A. 1371. 

Körner, 0. 1705. 

Kocrnieke (Bonn) 908. 
Korsbjarg, A. (Kopenhagen) 

• 1374. " 

Körte 35, 232, 06 1, 1058, 
1059, 1104, 1105, 1294. 

1 1473, 1474, 1483, 1927. 

, Körte. F.f, Nachruf 368. 
Körte weg 804. 

Kosminski, E. (Berlin) 1599. 
Kussel (Heidelberg) 1695, 
1S57. 

Kossinsky, J. 1651. 

Kossow, 11. (Heidelberg) 76. 
Köster, II. (Frankfurt) 1429. 

: Kostytsehew, S. 1524. 

| Kotake, Y. 939. 

Küthner, P. 1898. 

Kothny (Wien) 94, 9.)4. 
Koetzle (Strassburg i. H.| 
1747. 

Knvacs (Wien) 1149. 

Kovars, J. (Budapest) 1184. 
Kowarschick (Wien) 1770. 
Kowarschik, J. 1963. 

Kowitz, H. L. (Kiel) 460. 
Kowitz, H. L. (Magdeburg) 
1281. 

Koyanagi 1921. 

Koyano, T. 78. 

Kozlowski (Lwow) 559. 
Krabbe) (Bonn) 31. 

Krabbcl, M. 1085. 

Kraft (Nürnberg) 1342. 

Kraft (Wien) 141. 
lvrais, W. (München) 413. 

| Kramer 1479. 

; Kramer (Berlin) 470, 1287. 
Kramer (Prag) 1652. 
Kraemcr, C. 1706. 

! Kraemer, F. (Frankfurt) 
415. 

Krampitz (Breslau) 139, 717. 
Kramsztvk (Berlin) 569. 
Kramsztyk, A. 1649. 

• Kranz, P. (Hamburg) 1223. 
Kranzfeld, M. (Zürich) 1128. 
Kraske (Freiburg) 1100. 
Krasnogorski, N. (Peters¬ 
burg) 943, 1249. 
Kraszewski, W. 25. 

Kraufa, E. 848. 

! Kraupa, E. 33. 


Kraupa (Prag) 563, 721. 

Kraus (Karlsbad) 1965. 

Kraus (Nürnberg) 334. 

Kraus (Semmering) 1803. 

Kraus (Wien) 1149, 1876, 

1965. 

Kraus, E. (Brünn) 1424. ^ 

Kraus, E. J. (Prag) 335, 756, 
1579. 

Kraus, F. (Berlin) 78, 124, 

282, 569, 649, 704, 1193, 
1243, 1531, 1532, 1533. 
Kraus, F. (Lierheim) (b. 

Kraus, II. (Wienerwald) 28. 
Kraus, J. (Nürnberg) 1298. 
Kraus, 0. (Karlsbad) 121, 

674. 

Kraus, 0. (Semmering) 1100. 
Kraus, R. (Buenos - Aires) 
v 915, 1374, 1579.^ 

Krause (Berlin) 817. 

; Krause (Cassel) 1473, 1948. 
Krause, F. 46o, 1669, 

19iS. 

! Krause, M. 1154. 

Krause, M. (Berlin) 101. 
Krause, P. (Bonn) 908. 

Krause, Th. (Moskau) 1107. 
Krauss (Reutlingen) 84. 

Krauss, R. (Buenos-Aires) 

I 1581. 

Krawkow, N. P. 1127. 

I Krcckc(München) 1714,1800. 

I Krchl, L. 216, 984. 

Kreibicb (Wien) 27, 238. 
Krcibich, K. (Prag) 613, 
1232. 

Kreidl, A. 1466, 1467, 

1746. 

Kreiss (Dresden) 125, 323, 
712, 912, 951, 998. 

Kren (Wien) 238, 1950. 

Kress (Frankfurt) 845. 
Kretschmer 269. 

Kretschmer (Berlin) 1704. 
Kreutcr (Erlangen) 269, 720, 
1104, 1564, 1901, 1948. 
Kreuzfuchs (\\ ien) 122,1131, 
1283. 

Krevct (Giessen) 562. 

Kricgel 75. 
v. Kries, J. 1707. 

Krimberg, R. 26. 

Kristeller, L. (Berlin) 798. 
Krister (Breslau) 761. 
Kritschewsky, J. L. (Moskau) 
268. 

Kriwsky, S. A. (Petersburg) 
1557. 

Kiizcneeky, J. 985. 

Krob, F. (Cöln) 409, 612. 
Kroisi (Wien) 272. 
Krokicwicz, A (Krakau) 759, 

| 1578. 

: Kroll [Moskau) 1673. , 

1 Kroll-Lifscbütz, A. (Basel) | 

I 897 * . I 

Kromayer (Bcilin) 128, 130. 

' Krön, N. 366. 
j Kronecker, H. 1250. 

' Kroncnfels, G. (Wien) 272. 

1 Kronfcld, A. (Dalldorf) 844. 

| Krönig (Freiburg) 1095,1578, 

1 1619. 

Krönig, E. (Paunsdorf) 755. 
Krontowski, A. (Kiew) 1042. 
Kriickmann 367, 1325. 

Knick mann(Berlin)371,1237, 
1238. 

Krüger (Weimar) 706. 
Krüger, R. (Braunschweig) 
756. 

Krüger-Franke (Cottbps)571, 
1582. 

Krukenberg (Elberfeld) 814. 
Krukenberg, II. 1041. 

Krull 413. 


Krull (Dresden) 1340. 

Kruse, W. 1464. 

Kruse, W. (Leipzig) 14G9. 
Krusius (Berlin) 993, 1822, 
1823. 

Rrylow, D. (Petersburg) 
1424. 

v. Kubinyi, P. (Budapest) 
1232. 

Kubisagari 896. 

Kübz, L u 223. 

Kucera 707. 

Küchenhoff (Berlin) 270. 
Kücheuhoff, N. 1425. 

Kudike, R. (Frankfurt) 
412. 

Kuffler, P. (Giessen) 33. 

Kugel 1799. 

Kuhk (Stettin) 951. 
Kuhlenkampf, D. (Zwickau) 
1651. 

Kuebler, J. (Berlin) 849. 
Küblmann (Strassburg) 669, 
1578. 

Kuhn (Berlin) 35, 1103. 

Kulm (Schöneberg) 1849. 
Kühn (Neuenahr) 1901. 

Kühn (Schöneberg) 1822. 
Kühnemann, G. 316. 

Kuhnt (Bonn) 33, 1087. 
ter Ivuile, Th. E. 1707. 
Külbs (Berlin) 134, 135,957, 
1524. 

Kulen (Berlin) 1734. 
Kulenkampff, D. (Zwickau) 
561. 

Kumagai, T. 266. 

Kumaris, J. (Athen) 32,93a, 
1948.' 

Kümmel 1331. 

Kümmel (Erlangen) 

1440, 1564. 

Kümmel (Heidelberg) 987, 
1049, 1776, 1822. 
Kümmell (Hamburg) 3 m, 
458, 669 . 854, 1011,1231, 
1370, 1391, 1527, 1528. 
Künne, B. 801. 

Kuno, Y. 77, 938,98o, 1326, 
1525, 1553. 

Kunreuther, M. (Berlin) 

1629 

Kunsch (Berlin) 572, 664. 
Kuntzsch (Potsdam) ob«. 
Kucnzer.R. (Freiburg) lo2o. 
Kiipferle 1004. 

Küpferle (Freiburg) 100o. 
Kürz 1694. 
lvusama 1921- 
Kusonoki, M. 14'0. 

Kuss (Paris) 1567. 

Küster 1486. Rfj - 

Küster (Berlin) 806, 80 , 
1557. . 

Küster, E. (Berlin) 4,<h 
! Küster, H. (Breslau) W- 
Küstner 1486. 

| Küstner (Breslau) 138, boi, 

! Kulhy, D. 0. (B^l 

1845. „ 

Kutner (Brcslaü M ■ 
Kutschera, A. 1 lT£li 

Kuttnef, L. 


236, 37 

771, 

1104 


1153, 133b ?*. ’ 

!£ & 

IStt, 1918. 


1422, 

1600 


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UNIVERSITY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1979 


Kutzinski, A. (Berlin) 1689, 
1733, 1798. 

Kuznitzkv (Breslau) 60,1388. 
Kvrlc (Wien) 78, 673, 756, 
1425. 


L. 

Laache (Christiania) 515. 
Labbe, II. (Paris). 1566. 
Labbe, M. (Paris) 429, 648, 
722, 1396. 

Laeoste 1557. 

La Franca, S. (Neapel) 1225. 
Lagane (Paris) 429, 430. 
Lagane, L. 414. 
v. Lagermark, A. (Berlin) 
364. 

Lahm (Dresden) 148, 608, 
667, 755, 899, 900, 1142, 
1225. 

Lahm, W. (Karlsruhe) 1468. 
Lahraeyer (Cassel) 559. 

Laby, J. M. 800, 1553. 
Laignel - Lavastine (Paris) 
188, 1001. 

Lalajanz (Berlin) 1748. 
Lambotto (Antwerpen) 955, 
1010. 

Lameris 801. 
de Lamotte (Paris) 188. 
Lampe, A. B. (München) 
959. 

Lampe, A. E. (München) 78, 
557, 706, 798, 1225. 

Lamy (Paris) 814, 815. 
Lanbry, C. (Paris) 188, 
1152. ! 

Landau (Freiburg) 1393. 
Landau (Warschau) 558,649, i 
1427. 

Landau, L. 326, 1926. 
Landau, L. (Berlin) 1431, 
1445, 1822. 

Landau, M. (Freiburg) 1279, 
1424. 

Landö 1633. 

Landeker 466. 

Landmann 1581. ! 

Landouzy*( Paris) 187, 1097. 1 
Landsberg 1002. , 

Landsberg, K. (Halle) 1081. 
Landsberg, M. (Greifswald) 
1427. 

Landsberger (Charlotten¬ 
burg) 1344. i 

Landsberger,li. (Berlin) 1613, 1 
1615. 1 

Landsteiner, K. (Wien) 269. ! 
Lang, J. 1946. 

Lange 1483. : 

Lange (Barmen) 1266. 

Lange (Berlin) 808, 1432. I 
Lange (Breslau) 137, 717. , 

Lange, C. 527, 785, 867. 
Lange, E. (Berlin) 613. 
Lange, W. 1797, 1947. | 

Lange, W. (Göttingen) 126. [ 
Lange, W. (Petersburg) 943, 1 
1376. I 

Langelaan 1848. 
de Langen, C. D. (Groningen) 
1792. 

Langenbeck, K. 614. 

Langer (Freiburg) 91, 364, 
614. I 

Langier, H. 31. 
v. Langsdorfl (Essen) 854. 
Langstein (Beilin) 469. 
Langstein, L. (Berlin) 123, 
362, 1427. ; 

Langstein, R. (Berlin) 123. | 
Lanz (Amsterdam) 465. i 
Lapinsky 709, 1688, 1848. ' 
Lapinsky (Kiew) 1045. 


Laqucur, A. (Berlin) 1328. 
Laroche, G. 461. 

Lasareff, P. 219. 

Lasarew 222. 

Laser (Wiesbaden) 377, 666. 
Lassabliere (Paris) 860. 
Lateinor-Mayorhofer, M. 611. 
Latte, M. 1490. 

Latzei (Wien) 1151. 1 

Laubenhcimer (Heidelberg) : 

409, 762. 856. 

Laubcr (Wien) 1903. 

Laurent, M. 0. 1045. 

Mac Laurin, C. (Sydney) 
271. 

Lauritzen(Kopenhagen)I375. 
Lautenschlägcr, E. 1049. 
Lavastine, L. 1490. 

Lavau (Toulouse) 561. 
Laveran 323. 

Lavonius, H. 118. , 

Läwen (Leipzig) 767, 1106, 
1330, 1428. 

Lawrence, C. H. (Boston) 609, 
843. 

Lawroff, W. (Petersburg)943. 
Lazarus, A. (C'hariottenburg) 

482. 

Lazarus, P. (Berlin) 132. 1 
201, 258, 948, 1004, 1237, I 
1712. i 

Lazavevic, V. (Wien) 898. 1 

Lebcdinsky, N. (Halle) 119. 
Lobcdew, A. 465. 

Leber 992. 

Leber, A. (Göttingen) 169. 
1472. 

Leber, Th. 1670. 

Lebhardt, A. (Basel) 1472. 
Leblanc 430, 1152, 1490. 
Leeene (Paris) 1009, 1283. 
Lcchler (Rostock) 170. 
Lechncr 1922. 

Leckie, A. J. B. (Bat).) 364. I 
Lecocq, R. (Nanterre) 651. 
Ledderhose (Strassburg) 713, 
1750, 1822. 

Lederer (Wien) 858. 

Lederer, K. 610. 

Ledermann (Berlin) 270, 
622. 

Ledingham, J. C'. G. (London) 
1279. 

Lee 1469. ! 

Leers (Essen) 1753. i 

van Lecrsum, E. C. (Leiden) 
1327. ! 

van Lceuwen, W. S. 219. j 

Legagneux (Le Havre) 1430. 
Legal (Breslau) 1197. 

Legras 1490. 

Lcgras (Paris) 1567. 

Lcgueu (Paris) 1202, 1248, 
1748. ’ 

Lehmann 366. 

Lehmann (Berlin) 664. 
Lehmann (Rostock) 712, 911. 
Lehmann (Wiesbaden) 1900. 
Lehmann (Würzburg) 378. ( 

Lehmann, F. (Berlin) 414. 
Lehmann, G. (Berlin) 79. 
Lehmann, K. B. 1324. 
Lehmann, K. B. (Würzburg) 
1128. 

Lehmann, P. 1579. 

Lehmann, R. (Berlin) 295. 
Lehmann, W. (Wiesbaden) 

148. 

Lehndorff 1489. 

Lehndorff, A. (Prag) 1184, 
1554. 

Lehnert (Frankfurt) 896. 
Lehncrt, A. (Dürkheim) 841. 
Lehnert, A. (Frankfurt a. M.) 
1757. 

Lehnert, F. (Jena) 1128. 
Leidler, R. (Wien) 126. 


Leincr, K. (Wien) 942. 
Lejars (Paris) 429. 
Lejbowitseh (Breslau) 761. 
Lernaire (Paris) 1246 
Lenard 1847. 

Lcnartowicz, J. T. (Lemberg) 
382, 409, 1429. 

Lenel, R. (Charlottcnburg- 
Westend) 1847. 

Lenhartz, H. 316. 

Lenk, E. 1746. 

Lennhoff, C. (Bern) 1748. 
Lentz 14S1, 1653. 

Lentz (Berlin) 329, 369, 806, 
1433. 

Lenz 1921. 

Lenz (Breslau) 716. 

Lenz (St. Moritz) 1004, 1803. 
Lenzmann (Duisburg) 1327. 
Leo, H. (Bonn) 796. 
de Leon, M. (Amsterdam) 
223. 

Leonhard, C. 1708. 

Lehnte : Bukarest) 1102. 
Leopold (Breslau) 564, 1232. 
Lepage, G. (Paris) 125. 
Lepelinc (Frerhurtrl 1095, 
1375. 

Lcpine 25, 26, 119, 647. 
1246. 

Lcppmann, A. (Berlin) 233, 
1386, 1651. 

Lcppmann, F. 1689, 1750, 
1773. 

Lereboullet, P. (Paris) 989, 
1001. 

Lcrcddc (Paris) 561. 

Lori (Paris) 1565. 

Leri, A. 1490. 

Leriche (Lyon) 1085. 
Lcschke (Hamburg) 1141. 
Leschke. E. (Berlin) 78, 269, 
607, 615, 783, 807, 986, 
1423, 1949. 

Leser (Frankfurt a. M.) 1687. 
Lcsieur 898. 

Lesieur (Paiis) 1097, 1098. 
Losne, M. E. 270. 

Lesscr (Berlin) 851, 1775. 
Lesser, E. 491, 945. 

Lesscrj E. J. (Mannheim) 
856. 

r.c>ser, F. (Berlin) 166, 425, 
561, 618, 622, 8 )2, 1329. 
Lesser, K. 361. 

Lcssing, 0. (Berlin) 753. 
Leszlenyi, 0. 77, 647, 1045. 
Lethaus (Hamm i. W.) 1708. 
Lein Ile (Paris) 1246. 
Heidnischer, G. (Meiningen) 
1465. 

Leupold,E. (Würzburg) 1632. 
Leva (Strassburg) 669. 
Lcvaditi 239, 707, 1098. 

1279. 

Leven (Paris) 429. 

Levi, S. (Berlin) 1436. 
Levi-Fraenkel 1489. 
Lcvi-Eracnkel, G. (Paris) 
1566. 

Lcvingcr 1233. 

Levinsohn 1799. 

Levinsohn (Berlin) 35, 372, 
764, 906, 1733. 

Levy 1875. 

Levy (Paris) 82. 

Lew, E. (Strassburg) 1280. 
Lew, E. (Paris) 125. 

Levy. L. (Lyon) 1373. 

Lew, L. (Wiesbaden) 464. 
Levy, M. (Berlin) 1374. 
Levy, R. (Breslau) 179, 180, 
181, 374, 664, 665, 714, 
986, 996, 997, 1616. 
Levy, S. (Cöln) 82. 

Levy, W. 1924. 

Levy, W. (Berlin) 1699. 


I Levy-Dorn (Berlin) 34, 130, ! 
910, 911, 712. ; 

Lewandowskv (Berlin) 226, I 
227, 231/656, 657, 659, 1 
840, 918, 949, 953, 1769, 
1929, 1965. ' 

Lewin (Berlin) 1247. 1 

Lewin, C. (Berlin) 88, 1004, 
1291. I 

Lewin, H. 221. | 

Lcwin, S. (Tomsk) 190. j 
Lcwinski, J. (Düsseldorf) 28. I 
Lewinsohn, B. (Altheide) ! 

1467. ! 

Lewis, Th. (London) 29. j 
Lcvvy, F. H. 1555. 

! Lexer (Hamburg) 1901. J 
Lexer (Jena) 1535, 1732, I 
1750. : 

Lexer, K. (München) 710, 

711. ] 

Levberg, J. (Lodz) 1046. 

! Lhotak v. Lhota, C. 841. 

! Libensky (Prag) 1374. 
i Liberow, N. D. (Tomsk) 1081. | 
' Lichtenaucr (Stettin) 89. , 

1 v. Lichtenberg 1095, 1392, ! 

; 1^21. I 

Lichtenstein (Leipzig) 414, . 

1232. ~ j 

Lichtenstein, A. (Stockholm) ! 
I 1423. j 

I Lichtenstein, S. (Berlin) 940, i 

; is36. ! 

; Liehtensteru, R. (Wien) 992. j 
l 1797. ^ | 

I Lichtwitz (Güttingen) 141, ! 

i 812, 864, 1018, 1555, 

1737. 

I Liebmann, E. (Zürich) 755. 
v. Liebermann, L. (Buda¬ 
pest) 45, 722. 
v. Liebermann, L., jr. 803. 
Liebesny, P. 409, 1708. 
Liebrecht (Hamburg) 1901. 
Liechtenstein 1483. 

Liedtke (Dresden) 648. 
Liefmann, E. (Dresden) 1228. 
Liek, E. (Danzig) 711. 

Licnau (Hamburg) 800, 1201, 
1338. 

Liepmann (Berlin) 228, 470, 
471, 657, 658, 1136, 1846. 
Liepmann, 11. (Berlin) 30, 
1527. 

Lief (Wien) 1096, 1148, 

1245, 1427, 1798, 1901. 
Liertz (Köln) 713. 

Liescliing, C. E. (Tivcrton) 
1042. 

Licske, H. 43, 1123, 1220, 
1766. 

Lifsehiitz, J. 1524. 

Lihotzky (Wien) 673. 

Lilcs, Ö. 800. 

Liliendahl- Pctersen, X. (Ko¬ 
penhagen) 551. 

Lilienfeld (Frankfurt) 668. 
Lilienfeld (Leipzig) 1821. 
Lilienstein (Nauheim) 1144. 
Lilicnthal (New York) 1011. 
Lilienthal, L. (Berlin) 6!5. 
Liljestrand, G. (Stockholm) 

1 95°. 

Linck (Königsberg) 1430. I 
Linek, A. 1963. | 

Lindald, C. 33. ; 

Lindbohm (Stockholm) 320. ! 
Lindbom, 0. 1082. j 

Lindborn,0. (Stockholm)893. | 
Lindemann (Essen) 574,1139. 
Lindemann, A. (Berlin) 708. ! 
Lindemann, W. (Halle) 26. j 
v. Linden, Gräfin (Bonn) 647. , 
Lindenberg 898. 

Lindenfeld, B. 1278. 

Lindct, L. 26. I 


Lindig, P. (Giessen) 1579. 
Lindncr 1530, 1800. 

Lindncr (Berlin) 808. 
Lindncr, K. 1531. 

Liniger (Düsseldorf) 1132. 
Einiger (Frankfurt a.M.) 1582. 
Link, G. (Freiburg i. B.) 
1578. 

Linker (Wien) 1850. 
Linzenmeier (Kiel) 802. 
Liokumowitsch, S. (Peters¬ 
burg) 899. 

Lion (Paris) 430, 479. 
Lionti, G. (Palermo) 465. 
Lipman-Wulf (Berlin) 1136. 
Lipp, II. (Waldstetten) 1733. 
Lippert, II. (Rostock) 167. 
Lippieh, F. 939. 
Lippmaun(Berlin) 1082,1099. 
Lippmann (Chicago) 1733. 
Lippmann (Hamburg) 1140, 
1141. 

Lipschitz (Berlin) 762. 
Lipschütz, B. (Wien) 1529. 
Lissauer, M. (Königsberg) 
114, 159, 1578. 

Lissmann 755. 
v. Liszt 233,1689,1751,1879. 
Littauer (Leipzig) 1751. 
Litthauer, M. (Berlin) 805. 
Liwanow, A. (Moskau) 190. 
Ljubimowa, W. J. (Peters¬ 
burg) 363. 

Ljungdahl (Lund) 55S. 

Loch (Göttingen) 1384. 
Loeb, A. 25, 1467. 

Loeb, J. 266. 

Loeb, S. (Ahrweiler) 843. 
Loeb, 0. (Göttingen) 841, 
1279, 1847. 

Löh, W. 622, 893. 
Lobcnhoffer, W. 706. 
Löblcin 562. 

Lobmayer, G. (Budapest) 168. 
Locher (Konstanz) 1131. 
Lochte, Th. (Göttingen) 1466. 
Lockemann (Berlin) 808. 
Lockemann, G. (Berlin) 1378. 
Löffelmann (Hamburg) 1529. 
Löffler 1481, 1483. 

Löffler (Basel) 30. 

Löffler (Berlin) 370, 806, 
1433, 1557, 1558. 
Lüfflcr(Halle) 463,611,1471. 
Löffler, C. (Erfurt) 801. 
Löhe (Berlin) 851. 

Löhe, H. 408. 

Lohfeldt (Hamburg) 1140, 
1283. 

Lühlein 848. 

Löhlein, W. 803. 

Loh mann 1876. 

Lohmann, W. 563, 993. 
Lohnstein, II. (Berlin) 1136, 
1582. 

Loir (Le Havre) 1430. 
Lomer, G. 320. 

Lommel (Jena) 957, 959. 
London, E. S. (Petersburg) 
1276. 

Long, E. R. 1280. 

Lonhardt (Strassburg) 762. 
Lonste (Paris) 1567. 
v. Loon 365. 

Loose (Bremen) 912. 

Loeper (Paris) 479. 

Lorant, 0. 985. 

Lorenz 170. 

Lorenz (Breslau) 1297,1337. 
Lorenz (Wien) 673, 769, 
859, 943, 1150, 1186. 
Lorenz, A. 1799. 

Lorenz, II. 845, 1330. 
Lorcnz-Monod 270. 

Lorey (Hamburg) 124. 
Lossen 1086. 

Lossen (Cöln) 1006. 

4 * 


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UMIVERSITY OF IOWA 




1 OSO 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Lossen (Wiesbaden) 237. 
Lotheissen (Wien) 1825. 
Lotlirop 992, 1128. 

Lotsch (Berlin) 133, 134, 
137, 055, 1230, 1233. 
Lottrup-Andersen, C. 83. 
Lutz, A. (Berlin) 1733. 
Lövcgren, E. (Helsingfors) 
1227, 1820. 

Loew, 0. 986, 1378, 1898. 
Loewe (Frankfurt) 719. 
Loewe (Güttingen) 812. 
Loewe, 0. (Frankfurt) 1086, 
1128. 

Loewcnfeld, L. 1126. 
Loewenfeld, W. (Wien) 987. 
Locwenstein, A. 993, 1284. 
Lüwcnstein, E. (Wien) 609. 
Löwenstein, K. (Berlin) 228. 
Locwenstein,S. (Essen) 1752. 
Löwenthal (Braunschweig) 
267, 799, 909. 

Loewi, 0. 1326, 1371. 

Locwit, M. (Innsbruck) 1526. 
Loew’y, A. 26, 75, 1707, 
1950. 

Loewy, A. (Berlin) 1020, 
1559, 1057. 

Loewv, Erwin (Lankwitz) 
1902. 

Loewy, E. (München") 982, 
1083. ' ! 

Löwy (Wien) 1151. , 

Löwy, J. 1280. | 

Löwy, J. (Prag) 1555, 1900. | 
Löwy, 0 . 940. 

Löwv, R. (Wien) 799. , 

Lua, M. 800. 

Lubarsch 1488. i 

Lubarsch (Kiel) ”1691. ! 

Lubberink 797. I 

Lubc, F. (Braunschweig) j 
986. ' I 

Lublinski, W. (Berlin) 1643. 
Lubowski (Breslau) 1617. 
Lucas-Championniere 31. 

Luce 1772. 

Lücken (Leipzig) 767, 1428. 
Luckseh, F. (Frag) 1059. 
Luckseh, F. (Wien) 336. 
Lüdin (Basel) 1147. 

Lüdkc (Würzburg) 1098. I 
Ludloff (Breslau) 106, 179. I 
Ludwig Ferdinand, Prinz von ! 

Bayern (München) 1902. i 
Lugaro, E. 554. 

Luger (Boston) 846. 

Luithlen, F. 361, 409, 1849. 
Liiken 1821. 

Lüken, E. A. 1330. 

Luksch (Prag) 1652. | 

Lunckenbein (Ansbach) 121, i 
1042. I 

Luria, L. (Kasan) 380. 

Lurz, R. (Deutsch-Ostafrika) 
1088, 1132. 

Lusku, G. (New York) 1373. 
Lust (Heidelberg) 28, 185, 
222 . 

Lutsch, W. (Lindley) 556. 
Lüttge (Hamburg) 1337. 
Lutz, W. 988, 1043. 

Luvan, M. (Toulouse) 1331. 
Lux, F. (Hamburg) 1919. 
Luzzatto, R. (Camerino) 1081. 
Lyon-Caen, L. (Paris) 1152. 
Lytschkowsky, M. (Peters¬ 
burg) 1107. 


M. 

Maag (Odessa) 124. 

Maas, 0. (Berlin) 656, 1386, 
1671, 1673. 

Maase (Berlin) 135. 


Maass (Berlin) 815, 1287. 
Mac Adams 993. 
Macaronopoulos, C. (Athen) 
270. 

Mac Garrison, 11. (Kasanli) 
759. 

Mac Donagh, J. E. (London) 
1231. 

Macdonald, A. 804. 

Machek 562. 

Machwitz, H. (Charlotten¬ 
burg) 1227. 

Mackenrodt 1484, 1485. 

Mac Kenzi (Portland) 1102. 
Mac Lean, S. 1129. 

Mac Nee (Freiburg) 1424. 
Mac William, J. A. (Aber¬ 
deen) 799. 

Mager, A. (Potsdam) L577. 
Magnus 1582. 

Magnus (Berlin) 1137, 1386. 
Magnus (Marburg) 1007. 
Magnus, P. 938. 

Magnus, R. 219, 1707. 
Magnus-Alsleben, E. (Wiirz- 
burg) 957, 1733. 
Magnus-Levy (Berlin) 120, 
569, 663, 1328. 

Magula, M. (Petersburg) 899. 
Magvar (Wien) 43. 

Mahar, V. (Paris) 321. 

Mahr (Wiesbaden) 376, 907. 
Maikow, S. (Moskau) 381. 
Mainzer 1485. 

Maisei 1428. 

Major, U. H. 1632. 

Makkas, M. (Bonn) 366. 
Makrocki (Putsdam) 1765. 
v. Malaise (München) 1469. 
Malarte 413. 

Malinowsky, M. (Kasan) 1557. 
Maliwa, E. (Innsbruck) 1425. 
Maliwer, E. (Greifswald) 79. 
Mallcbrein 28. 

Malther, H. E. (Zürich) 1086. 
v. Maltzahn (Berlin) 120. 
Mandelbaum (München) 123, 
557, 1374. 

Mandl, R, 77. 

Mandler, V. (Wien) 1740. 
Mandrila, K. (Wien) 80. 
Mangini, L. 1081. 

Mangnat (Paris) 860. 

Mangold 671, 938, 1770. 
Mankewitz (Berlin) 1535. 
Mann (Breslau) 29, 765. 
Mann, G. (New Orleans) 361. 
Mann, L. (Breslau) 716, 791. 
Mann, M. 895, 1576. 
Manningcr (Budapest) 1011. 
Manoiloff, E. (Petersburg) 
706, 1328. 

Manteufel (Daressalam) 323. 
Mapother, E. (Epsom) 987. 
Maragliano, E. (Genua) 523. 
Marafion, G. (Madrid) 896. | 
Marburg (Wien) 1825, 1903. > 
Marchal, J. (Paris) 171. | 

Marchand(Leipzig) 576,1468, I 
1561. | 

Marchand, F. (Heidelberg) I 
320, 1223. 

Marcorelles (Paris) 797. 
Marcus (Posen) 1901, 1923. 
Marcuse, E. (Berlin) 1682, 
1938. 

Marcuse, H. 320. 

Marek 216. 

Marek, R, (Prossnitz) 1187. ! 
Mares, F. 360. ! 

Mares, Fr. 1707. 

Maresch (Wien) 859. j 

Marfan (Paris) 1246. I 

Margulies 1848. 

Margulies, A. (Prag) 1745. ! 

Margulis, M. S. 1771. 

Marie 1491, j 


! Marie (Paris) 1001. 

Marie, A. 1279. 
i Marie, A. (Paris) 239. 

Marie, P. (Paris) 187, 1565. 
Marincsco (Paris) 1000,1946. 
Marinescu, G. 705. 

Marion (Paris) 1248. 

Mark, J. 1554. 

Markewicz, M. (Petersburg) 
627. 

Markl 1688. 

| Markl (Triest) 223. 

Marks. L.H. (Frankfurt a. M.) 

, 1886. 

Marktreiter (Budapest) 1087. 
I Markull 1428. 

I Markus (Posen) 1582. 

Marnyama, Sh. 1556. 

1 Marrable 610. 
i Marschik (Wien) 141, 378, 
379, 578, 1148, 1394. 

I Martelli, C. (Neapel) 12S0. 

Martens (Berlin) 232. 

, Martens, II. (Eppendorf) 80. 
Martial, R. (Douai) 1187. 
Martin 1484. 
i Martin (Paris) 1604. 

Martin, E. (Berlin) 84. 

. Martin, L. (Paris) 860, 1001. 
j Martinesco, G. 841. 

■ Martinotti, L. 1525. 

I Martinotti, L. (Modena) 1451. 
Martins, K. (Frankfurt) 894. 
Martins, F. 458. 

Marx (Berlin) 53, 1386, 

1798. 

Marx (Prag) 1653. 

Marx, E. iG48. 

Marx, H. 1220. 

Marx, V. 1797. 

Masarey, A. (München) 1467. 
Masay, F. (Konstautinopel) 
1875. 

Masel (Minsk) 320. 

Masing, E. 892, 1898. 
v. Massari (Wien) 272. 
de Massary (Paris) 1001. 
Massenbacher, J. (Breslau) 
271. 

Masslow.M.(Petersburg) 627, 
1227, 1820. 

Massol, L. 1612. 

Le Massen, C. (Paris) 171. 
Massen, P. (Paris) 900. 
Masuda, X. (Berlin) 75. 
Mathias (Königsberg) 1798. 
Mathicu, A. (Paris) 142, 
1187. 

Matko (Wien) 186, 858, 

1147. 

Matko, J. 169. 

Matsukawa, ,1. 83. 

Matsuoka, Z. 939. 
Mattausehek (Wien) 625, 
760, 1148. 

Matthissohn (Berlin) 1529. 
Matti 1821. 

Matti, II. (Bern) 1310, 1365, 
1651. 

Matzenaucr, R. (Graz) 802. 
Mau, C. (Kiel) 464. 

Maue (Plauen) 762. 

Maurel (Paris) 1097. 

Maurel, E. 1612. 

Maurer, S. 843. 

Maurice 650. 

Mauss, Th. (Dresden) 465. 
Mauthncr (Mährisch-Ostrau) 
1247. 

Mautner (Wien) 379. 
Mautner, H. 651, 1554. 

May, 0. 652. 

Mayberry, G. M. (Benenden) 
267. 

Mayer (Berlin) 411. 

Mayer (Krakau) 124. 

Mayer (Wien) 238. 


i Maver, A. 171, 1226, 1518. 

Mayer, A. (Berlin) 1100, I 
I 1580. 

I Maver, A. (Tübingen) 168, j 
! i044, 1799. ! 

I Maver, E. (Cöln) 814. ! 

Maver, F. 1081. j 

Maver, G. (München) 323. I 

! Mayer, H. (Berlin) 900. I 

i Mayer, L. 991. 

| Mayer, L. (Berlin) 813. 

| Mayer, M. 1746. 

Mayer, M. (Hamburg) 168, 

317. 

| Maver, O. (Landau) 223, 
i087. 

Mayer, 0. (Wien) 83, 1247. 

! Mayer, R. (Krakau) 988. 

1 Mayer, W. (Tübingen) 78, 

I 757. 

Mayerhofer (Wien) 858,1151. 
Mayrhofer (Innsbruck) 119. 
Mayrhofer, E. 1129. 

Mayet 170. 

! Mayet (Berlin) 1295, 1560, 
1*878, 1879. 

I Mayo, W. 612. 

! Mayo, W. (Rochester) 1100. 

! Mayo, W r .J. (Rochester) 1009. 
j Mazza, S. (Buenos-Aires) 1 
I 1581. j 

! Me Burney, M. 1921. j 

! Mc Murray, S. 1472. ' 

I Meggendorfer 1771. I 

' Mehlmann, J. (Kimpolung) j 
| 1581. j 

j Meidner (Berlin) 88, 556. j 
Meier, M. (Strassburg) 1430. : 
Meigs, E. B. 1326. j 

Meinicke, E. (Hellersen) 
1372. I 

Meirowskv (Cöln) 28, 557, I 
648. 

Meisner (Berlin) 1560. | 

Meisnor, W. 1044. j 

Meissen (Essen) 408, 853. 
Meitner 1283. J 

Melchior 373, 376, 687,1161, 
1200, 1585, 1586, 1601, | 

1602, 1637, 1652, 1660, 

| 1805, 1858, 1915, 1923, 

1956. 

Melikjany, M. (Moskau) 1083. 
Mclikanz, 0. (Arosa) 988, 
1374. 

Mclikjanz, 0. (Sülzhagen) 
1225, 1526. 

Meller 614. 

Meller, J. 125, 1530. 

Mellinghoff 83. j 

Meitzer 1876. | 

Meitzer (Freiberg) 84, 1582. | 
1773. 

Meitzer, S. J. (New York) 

677, 743, 1351. 

Melvin, G. S. (Aberdeen) 799. 
Mende, J. (Brünn) 798. 
Mendel, K. 31, 708, 1478, 
1479, 1480. 

Mendel (Essen) 1139. 

Mendel, K. (Beriln) 661. 
Menetrier (Paris) 429, 860, 
1246. 

Menge (Heidelberg) 771. 
Menke, J. (Strassburg) 989. 
Mense, C. 317. 
Mentberger(Strassburg)1563. 
Menzcr (Bochum) 1099. 
v. Mering, J. 216. 

Merkel (Erlangen) 364, 720. 
Merkel, F. 1223. 

Merk len 1490. 

Mertens, G. 1330. 

Mertens, V. E. (Zabrze) 1587. 
Mery 413. 

Mery (Paris) 1097. 

Merzbacb, G. (Berlin) 1184. 


Messerschmidt, Th. (Strass¬ 
burg) 1372, 1373. 

Messmann (Berlin) 1238. 

Mestscherski, H. (Moskau) 
512. 

Mesurcur (Paris) 1441. 

Metchnikoff (Paris) 529. 

Metz, C. (Wetzlar) 994. 

Meulengracht, E. (Kopen¬ 
hagen) 363. 

Meyer 761. 

Meyer (Berlin) 712. 

Meyer (Kiel) 712. 

Meyer, A. (Berlin) 620, 1335, 
1613. 

Meyer, A. W (Heidelberg) 
560. 

Meyer, E. 3 1 6, 649, 1467. 

Meyer, E. (Frankfurt a.M.) 
1578, 1632. 

Meyer, E (Königsberg) 965. 

Meyer, E. (Leipzig) 465. 

Meyer, E. (Strassburg) 1563. 

Meyer, F. 462, 1191. 

Meyer, F. (Arau) 760. 

Meyer, F. (Berlin) 34, 1292. 

Meyer, F. (Licrbcim) 75. 

Meyer, F. M. (Berlin) 86,561. 
910, 1432. 

Meyer, H. 1330, 1577. 

Meyer, H. (Kiel) 32. 

Meyer, J. (Berlin) 1326. 

Meyer, K. (Stettin) 412, 811. 

Meyer, L. (München) 560. 

Meyer, L. F. (Berlin) 1195. 

Meyer, N. (Wildungen) 1044. 

Meyer, 0. (Berlin) 1057. 

Meyer, 0. (Stettin) 167,894. 
951, 1293. 

Meyer, 0. B. (Würzburg) 
1593, 1630, 1874. 

Meyor, P. (Berlin) 664. 

Meyer, R. (Berlin) 907, 949, 
1074, 1293, 1385, 1434, 
1435, 1521. 

Meyer, R. (Halle) 1599. 

Meyer, W. 1330. 

Meyer, W. (Andernach) 123. 

Meyer, W. (New York) 271, 
956, 1100, 1821. 

Meyer-Betz, F. (Königsberg) 
575, 409, 846,' 855, 864, 
1184, 1185. 

Meyer-Bctz, F. (München) 79. 

Meyer-Hürlimann (Zürich) 
122 . 


feyerhof, 0. 986. 
leyerstein, W. 266. 
lezie, A. 797. 
lichael, M. (Berlin) 1748, 
1935. 

lichael, M. J. (Berlin) 1529. 
lichael (Wiesbaden) 1755. 
lichaelis (Berlin) 424. 
lichaelis (Leipzig) 814. 
lichaelis (Metz) 92. 
lichaelis, L. 360, H81. 

1963. • v 0*0 

lichaelis, L. (Berlin) 3o2. 

364, 569, 1183, 1649. 
lichaelis, R. (Metz) 367. 
[ichaud 898. 
lichaud, L. (Kiel) 122. 
lichelsen (München) 5M>. 
lichon (Paris) 1201. 

. Mieczkowski (Posen) 99 j, 
997, 1587. 

liedreicb, J. (Barmen) 1«»- 
. Mielecki, W. 78. 

[ielke, F. (Göttingen) W. 

1218 

lierencet, C.W.G. (Utrecht^ 

756 . 

lignon (Paris) 109 <• 
lilian (Paris) 861, lM 
1002. 

[iller 942. 


5 


V 

\ 

\ 



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Original fram 

UNIVERS1TY OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1981 


Miller (Heidelberg) 802. 
Miller, M. 1552. 

Milovanovic, M. (Wien) 1184. 
Minea (Paris) 1000. 

Minea, J. 705. 

Mingazzini, G. (Rom) 1083. 
Minkowski 473, 1585. 
Minkowski, (Breslau) 1295. 
Minkowski, M. (Zürich) 1083. 
Mintz (Moskau) 1085. 

Miron, G. 563. 

Mironescu, E (Berlin) 1225. 
Mironowa, S. (Peterburg) 
626. 

Misch, W. (Berlin) 1083, 
1733. 

Mischennikow, S. (Moskan) 
269. 

Mita, G. (Japan - Braun¬ 
schweig) 1424. 

Mitchell, A. P., (Edinburg) 
318, 1531. 

Mitschke (Gnesen) 1599. 
Mittel 1919. 

Miyaji 1919. 

Moczulski, J. (Warschau) 
267, 1042. 

Modrakowski, G. 1553. 

Moeli 944. 

Moeli (Berlin) 233. 

Mogwitz, G. (Düsseldorf) 710, 
1228 

Mohr (Bielefeld) 713. 

Mohr (Coblenz) 863. 

Mohr (Cöln) 1926. 

Mohr (Halle) 959. 

Mohr (Posen) 1473. 

Mohr, H. (Bielefeld) 1582, 
1689. 

Mohr, L. 939. 

Mohr, M. (Budapest) 28. 
Mohr, R. (Königstein) 1747. 
Mohr, Tb. (Posen) 466. 
Moldovan, J. 988, 1127. 
Molkenbuhr (Berlin) 1879. 
Mollard, J. 896. 
v. Möllendorff, W.(Greifswald) 
1770. 

Moeller (Berlin) 1100, 1189. 
Möllers, R. (Strassburg) 1327. 
Molnar (Budapest) 30, 722. 
Molony, B. (Calcutta) 1581. 
Momburg 819, 1821. 
Moraburg (Bielefeld) 801, 
1822. 

v. Monakow 1281. 
v. Monakow, P. (München) 
1185. 1555. 

Mönckeberg, J. G. (Düssel¬ 
dorf) 1278. 

Mondschein, H. 1086. . 
Mondschein, M. (Stanislau, 
Galizien) 1708. 
Mönkemöller (Hildesheim) 
83, 1083. 

Monod, 0. 650. 

Monod, R. 411. 

Monossohn, C. (Warschau) 
1328. 

du Mont (Eisenach) 84. 
Monti 1489. 

Monti (Wien) 1150. 
Montigny, W. (Freiburg i.B.) 
1581. 

de Montmollin (Basel) 1394. 
Moog (Frankfurt) 361. 

Moog, 0. (Frankfurt) 1185, 
1846. 

Moore 994. 

Moore (Berlin) 1433. 

Moos (Breslau) 139, 761. 
v. Moraczewski (Zürich) 558. 
Morawitz (Freiburg) 91,1002, 
1650. 

Morawski 1848. 

Morax, V. (Paris) 893. 
Moreau, L. (Toulon) 802. 


Morel (Paris) 1097. 

Morel, A. (Lyon) 119. 

Moreschi, C. (Pavia) 988. 

Morestin (Paris) 1100. • 

Morgan, W. P. 269. 

Morgan, W. P. (London) 
1526. 

Morgenroth, J. (Berlin) 421, 
649, 1560, 1829, 1865. 
1878, 1924. 

Morgenstern, K. 1469. 

Morin (Bordeaux) 613. 

Morian (Essen) 853, 1139, 
1752. 

Moriquand (Paris) 1097. 

Moritz, F. (Cöln) 1281, 1946. 

Morley, J. (Manchester) 82. 

Moro, E. (Heidelberg) 80, 
337, 1145, 1228, 1564, 
1965. 

Morpurgo, F. (Triest) 712. 

Mosbacher (Göttingen) 1425, 
1563. 

Moschcowitz, E. 987. 

Mosenthal (Augsburg) 914. 

Mosenthal (Berlin) 274, 906. 

Mosenthal, A. (Berlin) 1052. 

Mosenthin 1085. 

Moser (Zittau) 91, 285, 668, 
718, 1094, 1244. 

Moses, L. (Frankfurt a. M.) 
1747. 

Mosler (Berlin) 1332. 

Mosler, E. (Berlin) 663. 

Mosny 1490. 

Mosse (Berlin) 278, 1824. 

Mosse, M. (Berlin) 941. 

Moskowicz (Wien) 272. 

Mottcr, M. G. 218. 

Motzfeldt, K. (Christiania) 
1632. 

Mougeot (Paris) 479. 

Moullin, C. M. (London) 
755. 

Mouriquand, G. (Lyon) 119. 

Moutier, A. 1277. 

Mowat, H. (London) 1423. 

Möwes (Berlin) 417. 

Moowes, C. (Berlin) 610, 
1372. 

Moynihan, Sir B. G. A.(Leeds) 
760. 

Much, H. (Hamburg) 42, 483, 
648, 941. 

Mucha, V. 78. 

Muck, 0. (Essen) 757. 

Mühlens, P. (Hamburg) 804, 
1278. 

Mühlmann (Stettin) 140, 
1137. 

Mühlmann, M. 362, 1203. 

Mühlmann, M. (Baku) 411, 
459. 

Mühsam (Berlin) 1560. 

Mühsam, H. (Berlin) 225, 
1082, 1784. 

Mühsam, R. (Berlin) 34, 175, 
465, 1104, 1193, 1285, 
1291, 1327, 1507. 

Müller 706, 1488. 

Müller (Berlin) 321, 1289. 

Müller (Cöln) 762, 1473. 

Müller (Hamburg) 285,1391. 

Müller (Jülich) 564. 

v. Müller (München) 957, 
1471. 

Müller (Posen) 1473. 

Müller (Rostock) 818. 

Müller (Rummelsburg) 1874. 

Müller (Schässburg) 846. 

Müller (Strassburg) 1920. 

v. Müller (Stuttgart) 647. 

Müller (Wien) 186, 625. 

Müller (Wiesbaden) 1377. 

Müller, A. (Basel) 625. 

Müller, A. (München) 1902. 

Müller, A. (Wien) 706. 


Müller,C. (Immenstadt) 1004, 
1184, 1632. 

Müller, C. A. (Leipzig) 1899. 
Müller, E. 1370. 

Müller, E. (Leipzig) 267. 
Müller, E. (Marburg) 1901. 
Müller, E. (München) 1225. 
Müller, F. (Berlin) 424, 877. 
Müller, G. (Berlin) 152, 814, 
1210. 

Müller, II. 409. 

Müller, H. (Mainz) 1577,1688. 
Müller, J. (Nürnberg) 672, 
1393. 

Müller, J. (Wiesbaden) 907. 
Müller, L. 1331, 1332. 
Müller, M. (Metz) 762. 
Müller, P. (Bonn) 1232. 
Müller, R. (Kiel) 564. 
Müller, Th. (Augsburg) 1581. 
Müller, W\ (Hamburg) 1279. 
Müllern-Aspegren, U. (Stock¬ 
holm) 32. 

Mülner (Leipzig) 1751. 
Mulzer 1523. 

Mulzer (Berlin) 1473. 

Münch (Frankfurt) 1144. 
Munk (Berlin) 1099. 

Munk, E. (Berlin) 1429. 
Münnich 31. 

Munro, J. M. II. (Batb) 986. 
Munter (Berlin) 1879. 
Münter (Hannover) 122. 
Münzer, A. 1655, 1695, 1735, 

1851. 

Münzer, A. (Berlin) 448, 
1825. 

Münzer, A. (Charlottenburg) 

1812, 1943. 

Münzer, A. (Schlaclitensee) 
1527. 

Münzer, E. (Prag) 1328. 
Münzer, H. 1326. 

Murphy (Chicago) 1011,1101. 
Murray, J. R. (Abetdeen) 
799. 

Muskat (Berlin) 814, 866, 
1470. 

Muster, Z. F. 25. 

Musy, T. (Basel) 562. 
v. Mutschenbacher, Th. 

(Budapest) 1612. 

Myerson 1224. 

Mvgind, H. (Kopenhagen) 
'804. 

Mysch (Tomsk) 1470. 


N. 

Naeke 1485. 

Nackc (Berlin) 1047. 

Näcke, P. 320. 

Nadel (W’ien) 43. 
Nagamachi, A. 1649. 

Nagel, 1484, 1485. 

Nagel (Hamburg) 1902. 
Nagel, W. (Berlin) 1703. 
Nägele, 0. (Stuttgart) 464. 
Nägeli, 0. (Tübingen) 122. 
Nagelschmidt, F. 316. 
Nagelschmidt, M. (Berlin) 87. 
Nagoya, C. (Bonn) 1129, 
1278. 

Nagy (Budapest) 1920. 
Nakamura, N. (Tokio) 461. 
Nakano, J. Freiburg) 942. 
Nakashima, K. 1466. 

Nanta, A. (Toulouse) 802. 
Nanu-Muscel, J. (Bukarest) 
1225. 

Narath (Heidelberg) 1470. 
Nassau, E. (Heidelberg) 361. 
Nassau, E. (Venedig) 987. 
Nast (Berlin) 173. 


Nast (Hamburg) 997, 1232. 
Nast, E. 1130. 

Nathan, E. (Frankfurt) 1169, 
1934. 

Natonek, D. (Czemowitz) 706. 
Nauta, A. (Toulouse) 1044. 
Nebesky (Wien) 272. 
Nebeskv, U. (Innsbruck) 
1557. 

Neckarsulmer, K. (Berlin) 
1641. 

Neckcr (Wien) 674. 
zur Neddcn 1284. 

Negre, L. 319. 

Negre (Algier) 1472. 
de N eg r ei ros- Ri n al d i (N eape 1) , 
460. 

N eiding 1084. 

Neisser 328. 

Neisser (Bunzlau) 475. 
Neisser (Stettin) 140. 

Neisser, A. 183. 

Neisser, A. (Breslau) 1578. 
Neisser, E. (Breslau) 1224, 
1585. 

Neisser, E. (Stettin) 1328. 
Nemcnow (Petersburg) 912. 
Nenda (W r ien) 1150, 1395. 
Nesbitt 986. 
zur Netten 1132. 

Netter (Paris) 1246. 

Netter, A. (Paris) 709, 1098. 
Nettleship, E. 1370. 

Neu (Heidelberg) 1564. 
Neubauer, 0. (Müuchen) 895. 
Neuberg, C. 264. 

Neubert (Tabora) 224. 

Neue (Greifswald) 1329. 
Ncufeld (Berlin) 808, 940, 
1434, 1654, 1874. 

Neufliess (Breslau) 573. 
Neugebauer 1875. 

Neugebauer (Mährisch-Osl- 
rau) 177. 

Neugebauer, II. (Kassa) 941, , 
1281, 1469. j 

Neugebaur, 0. (W 7 ien) 1467. 
Neuhäuser (Berlin) 866. 
Neukirch (Kiel) 958. 
Neumann (Berlin) 32, 1059, 
1294. 

Ncumann (Wien) 1148, 1149, | 
1343. 

Ncumann, A. 1467, 1799. 
Neumann, A. (Graz) 1599. 
Neumann, E. 1948. 

Ncumann, II. 753. j 

Neumann, J. (Mühlheim) 
1229. 

Neumann, J. (Würzburg) I 

1044. j 

Neumann, R. 0. 1746. 
Neumann, W. (Heidelberg) ' 
294. " ! 

Neumark (Berlin) 370, 808. I 

Neumaycr, L. 1489. j 

Ncumayer, V. L. (Kljuc) 
842. 

Ncumcister (Stettin) 1138. 
Neurath (W’ien) 1343. 
Neustadl, R. 1848. 

Neuwirth, K. (Wien) 1067. j 
Neve, A. (Srinagar) 801. 
Newburgh 608. 

Newburgh, L. H. (Boston) 
609, 843. 

Newiadomsky, M. (Moskau) 
627. 

Newkomct (Philadelphia) 
1468. 

Newmark, L. (San Francisco) 

1739. 

Nicholls 1919. 

Nick, H. (Tübingen) 1223. 
Nickan, M. (Hamburg) 1232. 
Nicol 15S0. 

Nicolai (Berlin) 622. 


Nicolai, G. F. 821. 

Nicolai, G. F. (Lierheim) 75. 
Nicolaier (Breslau) 573. 
Nicolauer (Breslau) 183. 
Nicolle, Ch. 27, 29. 1554. 
Nicosia, R. (Catania) 385, 
453. 

Niculcscu, P. (Berlin) 267. 
Nieber 1282. 

Nieber (Hamburg) 854. 
Nieden (Jena) 1752. 

Nieden, II. (Jena) 1847. 
Niemann (Berlin) 277, 463, 
897. 

Niepraschk (Marburg) 762. 
Nieszytka, L. (Tapiau) 1579. 
Nicuwenhuijse 362, 363. 
NikanorolT, S. M. (Warschau) 
1082. 

Nikitin, M. Petersburg) 1469. 
Niklas, F. 1651. 

Niklas, F. (Halle) 1279. 
Nippe (Königsberg) 1771. 
Nirmheim, E. (Schleswig) 
1229. 

Nissl, F. 840, 1769. 

Nissl v. Mavendorf (Berlin) 
470, 471. 

Nitzescu, J. J. (Bukarest) 
1599. 

Nobe, 366. 

Nobel (W’ien) 43, 478, 1150, 
1151, 1343, 1489. 
Nobiling, H. 1876. 

Nobl (Wien) 141, 769, 801, 
1149. 

Noeggerath, C. F. (Freiburg) 

1581. 

Nogier, Th. 1468. 

Noguchi, II. 509. 

Nohl, E. 1426. 

Noll (WTirzburg) 1473. 
Nonne (Hamburg) 559, 719, 
1084, 1338, 1771, 1949. 
Non n en b r u ch, W. ('W ürzb u rg) 

1582, 1798. 

v. Noorden 1427. 
v. Noorden, C. (Frankfurt) 
361, 1081, 1777. 
Nordheim (Hamburg) 669, 
1140. 

Nordmann (Berlin) 426,1059. 
Nord mann,0. (Berlin-Schünc- 
berg) 1947. 

Xothmann, H. 1580. 
v. Notthaft (München) 1393, 
1488. 

Noctzcl (Saarbrücken) 815. 
Novak 29. 

Novak, J. 363, 1424. 

Novak, J. (Wien) 77, 846. 
Nowicki, W’. (Lemberg) 461. 
de Nunno, R. 1632. 
Nürnberger (München) 802. 
Nussbaum 1821. 

Nützcl, II. (Erlangen) 894. 


0 . 

Obata, K. (München) 1468. 
Obermüller, II. (Mainz) 77. 
Oberndoerffer, E. 1552. 
Oberndorfer (München) 1800. 
Oberst (Freiburg) 1875. 
Obersteiner (Marburg) 840. 
Oberwarth, E. (Berlin) 753. 
Obmann, K. (Zittau) 800. 
Ochsner (Chicago) 1100. 
Occonomakis 896. 
Occonomakis (Athen) 470. 
v. Oefele, F. (New York) 30. 
Oehlecker (Hamburg) 1949. 
Oerum, II. P. T. (Kopen¬ 
hagen) 559. 


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Original from 

UMIVERSITY OF IOWA 



19H2 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


OfTcnbacher, R. (Würzburg) . 

7 58 , 

Offergckl (Frankfurt) 46G. { 

Ogata, T. (Charlottenburg) i 
894. 

Ogörek (Wien) 900. j 

Oguchi, C. (Tokio) 1332. ! 

Oehlecker (Hamburg) 8G6, j 
1007, 1141, 1849. 

Ochler, F. (Aarau) 761. 
Oebler, J. (Freiburg) 82, 

1528, 1746. 

Oebler, R. (Frankfurt) 1373. , 
Ühlv, A. (Kassel) 1227. 

Ohm (Bottrop) 1612. | 

Ohrenstein, J. 1847. 

Oka (Freiburg) 364. 
Okintsehitz (Petersburg) 900. 
Oeller, II. (Leipzig) 168, 461, 
648, 1579. 

01 off 273. 

66 off, II. (Kiel) 427, 1087, 
1560. 

Olow (Lund) 1749. | 

Olpp (Tübingen) 1579. | 

Olshausen (Hamburg) 854. | 

Oelsner (Berlin) 570. 
d’Ongbia, P. 1426. 

Onodi (Budapest) 563, 1087. 
Opitz (Giessen) 1105. 

Opitz, K. (Giessen) 410, 1709. 
Opitz, H. (Breslau) 1820. 
Oppel, A. (Halle) 216. 
Oppenheim (Berlin) 228, 
1691. 

Oppenheim, E. A. (Ilohen- 
lyeben) 1119. j 

Oppenheim, F. 1126. 
Oppenheim, II. 463, 465. 
1900. 

Oppenheim. II. (Berlin,) 6S2, 
1670, 1671, 1673, 1853, 
1964. 

Oppenheim, II. (Wilmersdorf) 

604. 

Oppenheimer (Strassburg) i 
333. 

Oppenheimer (Wien) 466. i 
Oppenheimer, M. 361. 

Oppler (Breslau) 1582. 
Orenstein, A. (Daressalaam) ' 
223. 

Orglcr, A. (Berlin) 650. , 

Orkin, G. (Berlin) 690. 1 

Orlowski (Berlin) 1747. 
Oertel, Ch. (Wiirzburg) 755. 
Oertcl, II. (London) 1224. , 

Orth, J. (Berlin) 226, 368, 1 
417, 1694. 

Orthmann (Berlin) 949. j 

Orthner, F. (Ried) 28. ' 

Ortner, N. 797. 

Ors'-s, F. (Budapest) 722. j 
Oescr, R. 360. 

Oser (Wien) 186, 1103, 1148, , 
1394. j 

Oshima, T. 464. 

Osler, Sir W. (Oxford) 649. 
Ossig (Brelau) 139. 1 

Ossipow, W. P. (Kasan) 1527. 
Ossokin, N. 705. ; 

Dstankoff, P. (Petersburg) 
1083. 

Ostertag 753. 
v. Ostertag, R. 554. 

Oestroich, R. 937. 

Oestreich (Berlin) 572, 1231. 
Ostrowsky, S. (Petersburg) i 
559. 

Oswald, A. (Zürich) 122, 
1468. I 

Otschlcen, A. (Moskau) 380. I 
Otten, L. (Malang-.Iava) 713. 
Otten (München) 1131. i 

Oettinger 1491. 

Oettinger (Paris) 1001. 
Oettinger, A. (Berlin) 1749. 


v. Otto, C. (Warschau) 1278. 
Otto (Berlin) 808. 

Otto (Spandau) 1089. 

Otto, R. 1481, 1483. 

Otto, R. (Berlin) 649, 1771. 
Owen, E. (London) 1846. 
v. Oy (Elberfeld) 22. 


Paehner (Hellersen) 647. 
Paderstein (Berlin) 176. 563. 
1436, 1560. 

Page, II. M. (London) 1581. 1 
Pagenstecher, A. 366. 
Pagenstecher, A. (Braun- ( 
schweig) 267, 1131. 
Pagenstecher. E. (Wiesbaden) 
1610. 

Pagenstecher, II. E. 33, 368. 
Pagenstecher, II. E. (Strass 
bürg) 652. 

Pagnicz (Paris) 1151, 1441. 
Paillard 1490. 

Päl (Wien) 578. 

Pal, ,1. (Wien) 220, 378. 

Pal, L. (Heidelberg) 79. 
Paldrock, A. (Dorpat) 221. 
Pallasse 461. 

Palme, II. 1467. 

Palmen (Ilelsingfurs) 937. 
Paltauf, R. 613. 

Pannett, C. A. (London) 992. 
Panski (Lodz) 1688. 

Pap, A. (Budapest) 1901. 
Papendieck 1650. 

Papendieek, R. M. (HallC) 
959. 

Pappenheim, A. (Berlin) 267. 
Pappenheim, M. 1551. 
Pappenheim, M. (Wien) 867. 
Päonin, M. (Halle) 843. 

Paraf (Paris) 1002. 

Parap, J. 648. 

Pariser (Homburg) 1755. 
Parker, G. (Bristol) 986. 
Parnel 1, G.C. (London) 1423. 
Parry, J. 563. 

Part sch (Breslau) 36, 37, 38. 
104, 176. 

Paschen, E, (Hamburg) 1047. 
Pasini (Mailand) 1632. 

Passini (Wien) 1874. 

Pässler (Dresden) 1099. 
Passow 230, 568, 905, 1533, 
1534. 

Pasteau (Paris) 845, 1201, 
1248. 

Pasteur Vallcury-Radnt 
(Paris) 1491, 1604. 

Patacki, M. (Wien) 893. 
Pataki (Wien) 1151. 

Patein (Paris) 142. 

Patcrson, II. (London) 1228. 
Paterson, P. (Glasgow) 222. 
Paetsch (Stettin) 952. 

Paul, E. (Innsbruck) 1472. 
Paul, L. 1047. 

Pauli (Jena) 1821. 

Paulmann 899. 


Paulsen (Kiel) 238. 
Pauly (München) 478. 
Pauron (Paris) 239. 


Pautrier, 

L. M. 

(Paris) 561, 

1429. 



Paviot, J 

. 895. 


Pawinski 

(Warscltau) 319, 

1426. 



Pawlow, 

J. P. 

(Petersburg) 

511. 



Pawlow, ' 

P.A. (Moskau) 1901. 

Payr (Leipzig) £ 

»76,767,817. 

1007, 

1010, 

1105, 1428, 

1470, 

1562, 

1751, 1947, 

1948. 




Payser, A. (Berlin) 1246. 
Pcaree, R. G. 166. 

Pcarson, K. 1370, 1524. 
Pechstein (Berlin) 424. 
Pechstein, H. 360. 

Peeker, S. 1708. 

Pcdenko, A. (Petersburg) 
1250. 

Pehu (Lyon) 80. 

Peiper, A. (Berlin) 1278, 
1328, 1469. 

Peiper, 0. (Daressalam) 1132. 
Peiper, O. (Prcnzlau) 1088. 
Peiser (Posen) 178, 181, 996, 
1601, 1603. 

Peiser, J. 1165, 1820. 

Peiser, J. (Berlin) 709, 1228. 
Pelbois, E. (Paris) 613. 
Peiler, S. 801. 

Pelnar, ,1. (Prag) 554. 
Peltesohn, 8.(Berlin) 14, 813, 
1162, 1195, 1240, 13S4. 
Peltzer (Steglitz) 1770. 

Pendl 1587. 

Pendl (Breslau) 178, 180. 
Penfold, W. J. 609. 

Pentimalli (Freiburg) 1096, 
1467. 

Pcnzoldt (Erlangen) 1145. i 
Peppmüller (Zittau) 90, 667, 
1094. 

Perelstein, M. (Bern) 893. j 
Perez, F. 174. 

Pcritz (Berlin) 1436. I 

Perkel, J. (Odessa) 1249. | 

Perl mann (Iserlohn) 273. 
1750, 1922. 

Perl mann, A. 1552. ' 

Perm her ton 942. 

Permin, C. 166. I 

Pernet (Paris) 188. 

Perosz, M (Budapest) 1231. 
Herrin (Paris) 1565. I 

Perthes 1153. 

Perthes, G. (Tübingen) 770, 
1187, 1428. ! 

Pesker, D. (Petersburg 1 381. 1 
Peter (Wien) 625. ; 

Peter, K. (Greifswald) 709. j 
Peterka, II. (Bad Hall; 118 4. . 
Peters (Dresden) 477. I 

Peters (Wien) 651. | 

Peters. W. (Bonn) 1373. 1 

Peterscn, O. II. (Kiel) 893. 
Petit, L. (Paris) 1001. 
Petrasehewskaja, G. (Peters¬ 
burg) 627, 898. 

Petri, L. (Mailand) 319. 
Petrusehki 1580. j 

Petrv, II. (Güttingen) LMM). 
Pettavel, C. A. 1043. 
Petterson, A. (Stockholm) 
412. 

Petzetakis 1098. 

Petzetakis (Paris) 1097. ! 

Petzold (Berlin) 232. 
Peuekcrt; (Zwickau) 1376. | 

v. Peyerer 1489. 

Pevser (Berlin) 660, 1335, . 

1534, 1614, 1615. 

Pczzi (Paris) 1097. 

Pfalz 83. | 

Pfänner, W. (Innsbruck) 272, I 
1556. 

Pfannmüller (München) 122. j 
Pfarrius, G. 23. I 

Pfeffel (Paris) 1098. , 

Pfeifer, B. 1771. , 

Pfeiffer (Breslau) 474. 

Pfeiffer, B. (Nietleben) 896. ; 
Pfeiffer. E.(Wiesbaden) 1128. 
Pfeiffer, H. (tiraz) 265, 1082, I 

1280. I 

Pfister (Kairo) 322. 

Pflaumcr (Erlangen) 867. 
Pfleger, E. 1220. j 

Pflugradt,R. (Salzwcdel) 321. ! 


Pfürringer (Regensburg) 712. ! 
846. 

Pförtner (Güttingen) 141. i 
v ‘Pfungen 1946. j 

Pfungst (Berlin) 1292. I 
Phelip (Paris) 166. I 

Philip, C. (Hamburg) 322, 
1708. , 

Philip, M. (Colombo) 900. I 
Philipowicz (Breslau) 665, 1 
996, 1103, 1586, 1601, 
1603. | 

Philipowicz, H. (Wien) 366. 
Philipowicz, J. (Wien) 77, 
124. 

Philipp 803. 

Philippowisch (Breslau) 914. 
Phillips, E. (London) 1045. 
Phisalix, M. 1612. 

Pie, A. (Lyon) 649. 

Pick (Prag) 721. 

Piek (Wien) 857. i 

Pick, A. (Prag) 844, 1059, ! 

1083. j 

Pick, E. (Wien) 941, 986. | 

Piek, J. (Charlottenburg) | 
1650. 

Piek, L. (Berlin) 1292, 1436. 
Pick, R. (Wien) 988. 
Pickenback (Berlin) 1773. 
Pic<|ue, L. (Paris) 1097. 
Picd, 11. 409. 

l’ielsticker (Essen) 574, 853. 
Pietrulla, (i. 169. 

Pietrulla, G. (Breslau) 1847. 
Pietrzikowski (Prag) 1582. 
Pignot, J. (Paris) 187. 

Pikin, F. (Petersburg) 898. 
l’ilez (Wien) 769. 

Pi Hon (Lyon) 80. 

Pinard (Paris) 1002. 

Pineli, A. E. II. 1128. 
Pineussohn (Berlin) 959, 
1242. I 

Pineussohn, L. (Berlin) 224, I 
226, 557. | 

Pineies. F. 1688. i 

Pineies. F. (Wien) 1422. 1 

Pinkus, S. (Berlin' 1 424. | 

Pinkus, S. N. (Berlin) S77. j 

Pinkuss. A. (Berlin) 85, 207. , 
Piorkowski (Berlin) 221,254, j 
1630. 

v. Pir-iuet (Wien) 265, 1555, 
1925. 

Pissemski, S. A. 892. 

Pissin (Berlin) 370. 

Pitzner 1876 

Plaezek, S. (Berlin) 1020. 
Plagmann (Stettin) 1138. 
PlanchereLCh. (Basel) 1600. 
Plasehkes 858. 

Plate (Hamburg) 1045, 1949. 
Plaut, F. (München) 318. 
Plaut, II. C. (Hamburg) 221, 
1047, 1949. 

Plelm 1057. 

Plehn, A. (Berlin) 905, 1133, 
1427, 1476, 1558, 1862, 
1892. 

Plesch (Berlin) 1533. 

Plüsch, J. (Berlin) 1573,1957. 
Pleschncr (Wien) 674. 
Plesmann (Salzufeln) 733. 
Plctuew. D. (Moskau) 362, 
1250, 1427. 

Plew, H. (Strassburg) 170. 
Plitek, V. 1651. 

Plönies (Hannover) 1755. 
Plothow, A. 990. 
v. Podmaniezky, T. (Frei- 
burg) 167. 

Pohl 1428. 

Pohl (Berlin) 1337. 

Pohl (Breslau) 1616, 1651. 
Pohl, II. (Hörgas) 608. 

Pohl, J. 1905. 


Pohl, T. (Warmbrunn) 464 
Pohl, W. 1470. 

Pohl, W. (Posen) 32. 
Pöhlmann, A. (München'' 55s 
1849. ' ’ 

Pohrt. (Hamburg) 1688. 
Poirault 1490. 

Pol (Heidelberg) 1341. 
Polaeco (Wien) 1245. 
Polak, 0. (Böhmisch-BroT 
1898. 


Polano, 0. (Würzburg) 847 
1631. 

Poleff, L. 1284. 
l'oleff, L. (Kiew) 1042. 
Polimanti, 0. 1371. 

Poll (Berlin) 571, 664. 
Pollack (Berlin) 176, 764. 
Pollack, L. 1525. 

Pollag, S. 168. 

Pollak, L. (Wien) COS. 
Holland, R. (Graz) S93,16CMJ. 
Pollitzer (Wien) 186, 626, 
860, 1147. 

Pollitzer, II. (Wien) *24. 
Püllot, W. 83. 

Polya (Budapest) 612. 
Polyak, L. (Budapest) 722. 
Pommer 265. 

Pomorski (Breslau) 99G. 
Ponfick, E. 1897. 

Pongs (Altona) 9507. 
Ponndorf (Jena) 1340. 
Ponndorf (Weimar) 843. 
Ponomareff, S. (Petersburg) 
899. 

Ponomarow, A. (Tomsk) 1579. 
Poensgen, F. 461. 

Poppe 1481. 

Püppclmann, W. (Coesfeld; 
1876. 

v. Poppen, A. 1331. 
Popper (Wien) 478. 
Popper, E. (Wien) 842. 
Porak, R. 1375. 
Porcclli-Titonc, F. (Xeaptv 
226, 987. 

Porcher, C. (Lyon) 126. 
Porgcs 29. 

Porges (Wien) 94,335, Ittü. 
1246. 

Port (Güttingen) 546, Sw* 
998, 1184, 1425, 1563. 
Port, K. (Nürnberg) 31,92» 
v. d. Porten 1820. 

Porter 608. 

Porter, A. E. (Edinbur t r 


C. (Berlin) 468.468, 
1136.1247,1535.1928 

, R. (Graz) 303. 


3, F. J- (London-122* 
tv (Breslau) 810.N- 


Leipzig) 

Wien) 93. 

3. 0. Ofcien 
. (Wien) 711.1 (- 

[ (Prag) 610.1- 

). 415. 

. (Wich) 940. 
m) 768. 


651. 


Digitized by CjOuoie 


Original frnm 

UNIVERSUM OF IOWA 





Prokopenko, A. 563. 
Proskalier, A. (Berlin) 121, 
172, 173, 255, 1241. 
Proust (Paris) 1248. 
Prowazek 992, 1919. 
v. Prowazok, S. (Hamburg) 
1472. 

Pruen, F. T. (Cheltenharo) 
610. 

Pruvost (Paris) 1098. 

Prym, P. (Bonn) 167, 460, 
1128. 

Prytek (Bern) 1748. 
Przedpelska, H. 843. 
Przygode, P. (Wien') 707. 
Pulawski, A. (Warschau) 896 
1042. 

Pupovac, D. (Wien) 611. 
Puppe (Königsberg) 1340. 
1651. ~ 

Puppel, E. (Mainz) 1554. 
Piirckhauer, R. (Dresden)465. 
Purjcsz, B. (Kolozsvär) 269. 
Pusch, A. (Breslau) 40. 
Pussep 1083. 

Pust (Stettin) 1138. 

Putzig, H. 459. 


_BERLINEli KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


55G, 


1749. 


Q. 

Quadri, G. (Palermo) 459. 
Quantz (Hamburg) 1132. 
Qucckenstedt (Rostock) 320. 
Quenscl (Leipzig) 1923. 
Quenscl, F. 1848. 
de Quervain 186, 216, 464, 
796, 898, 1009, 1394. 
Quesner (Hamburg) 953. 
Quetsch, F. 0. 1422. 
Queyrat (Paris) 1002, 1490. 
Quincke, H. 1372. 
Quinquand, A. 26. 

Quirin, A. (Basel) 563. 


R. 

Raaflaub (Bern) 938. 

Rab, H. (Wien) 171. 
Rabinowitsch, Lydia (Berlin) 
416, 757, 940, 1194, 1809. 
Rabinowitsch, M. (Charkow) 
300, 1456, 1458. 

Rach, E. 1130. 

Rach, E. (Wien) 709. 
Rachmanow, A. N. (Moskau) 
1047, 1331. 
v. Rad 1488. 
v. Rad (Nürnberg) 672. 
Radcliff, F. (Oldham) 992. 
Radike (Berlin) 1384. 

Radi. E. (Prag) 645. I 

Rados, A. 273. I 

Rados, A. (Budapest) 71. I 
Rados, A. (Strassburg) 268. 
Radtke 1689. ! 

Radzwill, 0. 1049. j 

Raeburn, J. A. (London) 797. 
Raecke, J. 165. 1 

Raff, K. (Stuttgart) 79. ! 

Raimist, J. M. 217. j 

Ramond, F. (Paris) 861,1097, 
1490. ’ | 

Rank, 0. (Wien) 217. j 
Ranzi 94, 175, 955, 1046, 1 
1824. j 

Rapp, L. (Heidelberg) 82, | 

1081 . 

Rasch, C. (Kopenhagen) 1749. i 
Rasor, H. (Heidelberg) 167 1 

R ■ F - (Beiden) | 
1327. ; 

Raubitschek, E. 849, 1048. ' 


R ^itschck, H. (Czerpowitz) 
268. 

Rauch 1377. 

Rauch, R. (Graz) 46, 1912. 
Raumbusch (Buenos-Aires) 
83. 

Rausch 1848. 

Rautenberg, E. (Lichterfelde) 
348, 610,863, 1135, 1231 
| 1332, 1608. 

| Rautmann (Freiburg) 1100 
Ravaut (Paris) 429. 

Raven 1771. 

Ravina 1490. 

Raw, N. (Liverpool) 221. 
Itawling, L. B. (London) 610. 
Raymond (Paris) 1151. 
Raynaud, M. 319. 

Raysky (Moskau) 758. 
Razzaboni, G. 1044. 

| Reach 1489. 

Reach, F. (Wien) 379 
1 1328. 

Real 1426. 

Recasens, S. (Madrid) 
Reckzch, P. 75. 

Redard 801. 

Redlich (Wien) 379. 
v. Redwitz, Frhr. E. (W iirz- 
burg) 706, 711, 768, 1556. 
Regaud, CI. 1468. 

Regen, J. 75. 

Regnier, G. 1612. 

Reich, A. (Tübingen) 1186. 
1376. 

Reich, F. (Berlin) 658. 
Reichardt, M. 1771. 

Reiche (Hamburg) 953. 

Reiche, F. 366. 

Reichel, II. 1746. 

Reichenow, E. (Kamerun) 
1946. 

Reicher (Aarau) 272. 

Reicher, K. (Mergentheim) 
1002, 1003, 1298, 1777. 
Reichert (Berlin) 1709. 
Reichmann (Jena) 1341. 

Reich mann, F. 709. 

Reichmann, F. (Königsberg) 
320. 

Reichmann, V. 1848. 
Reifferscheid, K. (Bonn) 908, 
1529. 

Reilly (Paris) 429. 

Rein, 0. (Landsberg) 362. 
Reinach, 0. 611. 

Reinbach, II. 1525. 

Reiner (Berlin) 1195. 

Reiner, II. (Berlin) 990. 

Reines, S. 798. 

Reinhardt (Dresden) 477, 

478, 1310. 

Reinhardt, K. (Dresden) 414. 
Reinhard, F. (Düsseldorf) 560. 
Reinicke, E. (Berlin) 1057, 
1947. 

Reinicke, II. (Marburg) 1847. 
Reinike, E. (Berlin) 556, 940. 
Reiss (Frankfurt) 1375. 

Reiss, A. (Budapest) 123. 

[ Reiter, II. (Berlin) 123. 

Reiter, II. (Königsberg) 359. 
Reitter (Wien) 625, i755. 

Reitz, A. (Stuttgart) 1277. 
Reizenstein, A. (Nürnberg) 

759, 1186. 

Reh fisch 319. 

Reh fisch (Berlin) 1057. 

Rehfuss 1375. 

Rehn (Frankfurt) 1094,1102. 
Rehn, E. (Jena) 222, 710, 

1101. 

Rcmcrtz,Ü. (Cöln) 801, 1082. 
Rcmmets (Essen) 1140. 

Renan (Paris) 239. 

Renaud, M. 28. 

Rcnisch 1747. 


i Renner (Breslau) 180, 1585 
I 1627. 

Renner, 0. (Augsburg) 1045. 
Renon, L. (Paris) 1097 
| 1098. 

Ren ton, J. C. (Glasgow) Sl. 
Rentz (Breslau) 1652. 

! Renz, II. (Berlin) 1838. 
Reprew, A. 893. 

Rethi, A. 1049. 

Rethi, L. (Wien) 944. 
Rettich (Göttingen) 999. 
Rcttig, H. (Heidelberg) 1224. 
j Retzlaff, K. (Berlin) 78. 
Reuss (Wien) 43. 
v. Reuss (Wien) 953, 1151. 
v. Reuss, A. 993, 1183, 1329. 

, Reuss, A. (Chemnitz) 1128. 

I Reuss, E. (Berlin) 1023. 
Revesz (Budapest) 712. 
Revesz, G. 265. 

Revillct (Cannes) 896. 
Rcwald, B. 1649. 

Reyc.E. (Hamburg) 170, 670 
1373, 1390, 1391. 

Reyher (Berlin) 276. 

Rhein, M. (Strassburg) 1427. 
Rheindorf, A. (Berlin) 168, 
1211, 1271. 

Rhcnon, L. (Paris) S61. 

Rhese (Königsberg) 126. 
Ribadeau-Dumas(Paris) 479. 
Ribadeau-Dumas, M. 414. 
Ribbert (Bonn) 1424. 

Ribbcrt, II. 121, 1706. 
Ribicrre (Paris) 187. 

Riehe, J. A. (New York) 1373. 
Richet, C. 484, 799, 1129. 
Riebet, Ch. 461, 1554. 

Richter 24, 1488. 

Richter (Wien) 272. 

Richter (Dresden) 477, 998. 
Richter (München) 1376. 
Richter, R. (Plauen) 27, 842. 
Richter, II. 1526. 

Richter, M. (München) 1582. 
Richter, P. 1884. 

Richter, P. F. (Berlin) 1202. 
Kicker, G. 891. 

Iticker, G. (Magdeburg) 81. 
Riebe (Stettin) 1473. 

Riehes, E. (Königsberg) 607. 
Rieb ul d (Dresden) 944, 951. 
Ricek (Altona) 1530, 1921. 
Riedel 914. 

Riedel (Jena) 818, 896, 1104 
1600, 1612, 1949. 

Riedel, IL 464. 

Rieder 1004, 1820. 

Rieder (München) 720. 

Rieder, II. (München) 1429. 
Riedinger (Würzburg) 815. 
Riegncr (Breslau) 176. 

Riehl (Wien) 625, 846, 860, 
1903. 

Riese 34, 1483. 

Ricss, L. (Berlin) 1913. 

Ricsser, 0. 939. 

Rietsehel (Dresden)710, 856. 
Rieux (Paris) 239. 

Rigaud, P. (Toulouse) 1047. 
Rigler (Darmstadt) 1633. 

Riglcr, 0. 23. 

Kihl, J. (Prag) 76, 79. 

Rille (Leipzig) 1561, 1562. 
Kimann, II. 1429. 

Rimpau (München) 415. 
Rindfleisch (Dortmund) 864. 
Rinderspacher (Dortmund) 
1579, 1901. 

Ringel (Hamburg) 1529,1850. 
Ringer, A. J. (Philadelphia) 

900 


Ringleb (Berlin) 914 
Ris 1081. 

Rische (Leipzig) 1561 
Hisel (Halle a. S.) 


708. 


I Rist (Paris) 429, 1002, 1152 
i 1567. 

1 Ritschcl, W. 841 
! Ritter 181. 

Ritter (Berlin) 622. 

Ritter (Hamburg) 712, 952. 
Ritter (Posen) 464, 612, 955, 
995, 996. 

Ritter, J. (Berlin) 366. 
Ritter, J. (Geesthacht) 1611. 
Ritterhaus 1086. 

Ritterhaus, E. 217. 

Ritz, H. (Frankfurt) 921. 
Robarts, H. II. (Edinburg) 
1281. 

Robin, A. (Paris) 1152. 
Robinsohn (Wien) 845, 1471 
1825. 

R—a, J. P. (Barcelona) 

, Rocha - Liman (Hamburg) 
j 1045. b 

! Rochaix, A. (Lyon) 1187. 

Roche (Marseille) 1046. 

| Roclofs 1378. 

Roedelius, E. 559, 1528 
Rode 11a, A. 1899. 
j Röder 170. 

I Röder, II. 1464. 

I Roeder, II. (Berlin) 1643. , 

Röder, M. (Elberfeld) 1100. 1 
! Röderer 1046. j 

| Roederer (Strassburg) 1392. 1 
Rodet, A. 797. 

I Rodenwaldt 1472. 

I Rodenwaldt(Atakpame) 1088 . 

I Rodenwald (Berlin) 1558 
i 1559. 

Rodenwaldt, E. (Togo) 564. 
RodmaDn,W.L.(Philadelphia) 
1100. 

Rocdner, J. (Strassburg i. E ) 

| 1709. 

j Rogers, L. 415, 1284. 

Rohde, M. (Jena) 365, 844, 

I 1633. 

j Roher (Grabowsee) 1372. 

■ Röhmann (Breslau) 474,1616. 

Rohmer (Marburg) 1875. 
j Rohmer, G. (Marburg) 1799. 

! Rohmer, P. (Marburg) 1278, 
1349. 

Rohr (Kiel) 1708. 

Röhr (Berlin) 904. 

! Röhr, H. 1194. 

Roic, W. (Wien) 761. 

I Rolleston, H. D. (London) 
320, 413. 

Rollet 1377. 

j Rollett, H. (Salzburg) 1688. 

; Rollicr, A. (Leysin) 754. 

Roll mann 898. 

Rollmann (Essen) 574. 

I Rol ly, F. 269, 1044, 1467. 

Romani, D. 1466. 
i Romberg,E. (München) 1633. 

Romeis, B. (München) 1044. 

I Römer 371, 562, 993, 1581, 

I 1799, 1921. 

Römer (Berlin) 807. 

Römer (Greifswald) 503, 609, 
1197. 

Römer (Hamburg) 221, 669, 
1093. 

Römer, H. 758. 

Roemheld, L. 79, 610, 863. 
Rominger (Freiburg) 940, 
1095, 1128. 

Romme 1490. 

Roiia, P. (Berlin) 164, 360, 

424, 569, 1559, 1649. 

Roncali, D. D. (Padua) 1279. 
Rondowska, L. 460. 

Rönne, II. 848. 

Roos (Berlin) 1432. 

Roosen, R. (Heidelberg) 609, 

648. 


1983 


Röpke (Barmen) 866, 960, 
1008. 

Roepke (Melsungen) 1132 
Röpke, 0. 1223. 

Roerdansz, W. (Charlotten - 
bürg) 1876. 

Rosanoff 1046. 

Rosanoff (Moskau) 1900. 
Rosanow, S. (Moskau) 380. 
Rosanow, W. (Moskau) 123. 
C. W. (Strassburg) 

Rose 1771. 

Rosebrugh, A. M. (Toronto) 
797. 

Rosenberg, F. f (Heidelberg) 

Rosenberg, M. (Charlotten¬ 
burg) 1227. 

Rosenberg, S. (Berlin) 1559. 
Rosenblatt (Cassel) 1329. 
Rosenblatt (Odessa) 912. 
Rosenbusch, H. (Wiesbaden) 
167. 

Rosenfeld 1276. 

Rosenfeld (Breslau) 283,473, 
474,1002,1389,1437,1616, 
1652, 1776, 1778, 1804. 
Rosenfeld (Strassburg) 800, 
1563. 

Rosenfeld, F.(Stuttgart) 1082, 
1100, 1327. 

Rosenfeld, R. (Berlin) 940. 
Rosenheim (Berlin) 1754. 
Rosenow, E. C. (Bristol) 78. 
Rosenstein (Berlin) 612. 
Rosenstein (Breslau) 761, 
1232. 

Rosenstein, P. (Berlin) 172, 
327, 368, 893, 1294. 

Rosental (Heidelberg) 1145. 
Rosental, S. 1329, 1526. 
Rosenthal (München) 910. 
Rosenthal, C. 1083. 

Rosenthal, F. (Berlin) 275. 
Rosenthal, F. (Breslau) 413, 
573, 714, 715, 895, 1099. 
Rosenthal, E. (W r ien) 342. 
Rosenthal,J. (München) 1042. 
Roscnthal, 0. (Berlin) 615. 
Rosenthal, St. 1526. 

Roscnthal, W. (Göttingen) 
1277. 

Rosinski 575. 

Roeslc (Berlin) 1560. 

Rösler, A. 409. 

Rosmanit, J. 1670. 

Rosner, J. 1800. 

Rosomoff 555. 

Ross, E. (Ilalford) 798. 

Rossi 1848. 

Rossiwall (Wien) 379. 

Rössle, R. (Jena) 797, 1279. 
ltössler, E. (Wien) 78. 

Rost 366, 760, 1556. 

Rost (Heidelberg) 1695. 

Rost (Kiel) 623. 

Rost, E. 1467. 

Rost, G. A. (Kiel) 761. 

Rostoski (Dresden) 1004. 

Roth 1552, 1848. 
Roth(Berlin)570,1053,1535, 
1901. 

Roth (Zürich) 558, 799, 941, 
1328, 1426. 

Roth, F. 1129. 

Roth, N. (Budapest) 609, 

722, 928. 

Roth, W. 317, 1043. 

Rothberger, C. J. 219, 1082. 
Rothe, L. (Berlin) 519. 

Rothfeld 1527. 

Rothfeld, J. 1945. 

Rothfeld, J. (Lemberg) 256. 
Rothfuchs (Hamburg) 1901. 
Röthig 463. 

Roth mann 1479, 1481. 


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Original frn-m 

UNIVERSUM OF IOWA 




1084 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Rothmann, AI. (Berlin) 219. 
222, 227, 228, 365, 471, | 
657, 1135, 1285, 1287, 
1469, 1671, 1672, 1691, 
1771, 1878, 1923, 1949, | 
1963, 1964. I 

Rott, F. (Berlin) 123. 

Rotter 1484. j 

Rotter, II. (Budapest) 32. , 

Roubitschek, R. 25. 

Rouillard (Paris) 1567. ■ 

Rouillard, J. 1375. | 

Rous, P. (New York) 1265. 
Rousseau (Paris) 479. 

Routier (Paris) 770. ; 

Rouvier, J. (Algier) 1920. j 
Roux (Paris) 529. ! 

Rovighi, A. (Bologna) 1577. ! 
Rovsing, Th. (Kopenhagen' 
1202, 1247, 1598. j 

Rowntree 942. 

Rowntrce, L. G. 81, 168. j 
Rubaschow (Berlin-Moskau) i 

712. i 
Rubel, E. 83. 

Rüben, L. 273. 

Rubin (Essen) 574,853,1752, j 
1753. 

Rubinstein (Paris) 1567. ! 

Rubner, AI. (P,erlin) 606, ! 

1324, 1750, 1825, 1876. I 
Riihsamen, W. (Dresden) 32. I 
Rübsamen, W. (Posen) 995. 1 
v. Ruck, K. 365. I 

Rueder (Hamburg) 1201. i 
v. Rucdiger, L. Ry<lvgierl551. 1 
Riidieer, K. {Konstanz) 1798. I 
Rudnik, A. (Moskau) 627. 
Rudolph (Zittau) 667. 
Rudolph, 0. (Leipzig) 756. 
Rüge 126. I 

Rüge (Berlin) 1921, 1925. ' 
Rüge (Frankfurt a.O.) 1057. ' 
Rüge II. (Berlin) 847. 1 

Rüge, C. (Berlin) 233. J 
Rüge, E. (Frankfurta.O.)223, ! 
1282. 1 
Ruli'unann, J. (Berlin) 1874. | 
Ruhemann, K. (Berlin) 1773. 

Rtihl, K. (Turin) 1042, 1 187, 1 
1429. | 

Riihlmann (Strassburg) 669. 

Rullman,\V.(München) 1688. ! 
Rdtupel(Hamburu)855,1902. , 
Rumpel, 0. (Berlin) 1136. 
Rumpf (Hamburg) 768, 952. 
Rumpf, Th. (Bonn) 1088. 
Runge (Berlin) 1136. 

Runge (Kiel) 1045. 

Ruppe!, G. 941. 

Kuppert (Wien) 271, 379, 

713, 1130. 

Rupprecht (Hamburi:) 321. 
Ruppreelit, K. (München) 760. 
Ruprecht (Bremeni 408. 

Russ, Ch. (London) 558. 
Rüssel, F. (Bristol) 986. 
Russell, B. R. (i. (London) 
725, 1424. 

Russksch, W. X. (Moskau) 

Rutliy, I).0. (Budapest) 168. 
Rutkewitsch (Kiew) 557. 
Ruitin (Wien) 141, 1247. 
Kybiner, P. (Koniesl'crej 
1185. 

Rywosch. O. 1127. 

Regier. St. (Warschau) 1529. 
Rzasnicki (Warschau) 1427. 


S. 

Saallel.l, K. Oieiiin 130 
U2‘<, 1231. 

Saalmann (llrcslau) 1130. 
Saar 898. 


v. Saar, Frh. G. (Innsbruck) 
865, 1154, 1229, 1918, 
1948. 1 

Saathoff (Oberstdorf) 1099, 
1599. 

Sabat (Lemberg) 912. 
SacharofF, G. P. (Warschau) 
1082. 

Sachs (Königsberg) 900,1377, 
1920. 

Sachs, II. (Frankfurt) 412, | 
648, 1169. 

Sachs, H. (Wien) 217. 

Sachs, 0. (Wien) 27, 1080. I 
Sack, P. (Berlin) 76. 

Sadekoff, .!. (Talscn) 561. 
Saengcr (Hamburg) 42, 576, ! 
854. 

Saengcr, A. 1772, 1848. 
Saeves, I. ((.'Kristiania) 1748. [ 
Sage], W. (Arnsdorf) 1280. 1 
Sage!, W. (Dresden) 1688. , 
Sagredo, N. 1046. 

Sahli 1185. 

Saint-Girons, F. 461. 

Saito 366. 

Saito, H. 321. 

Sakaguchi,Y. (Braunschweig) , 
895. 

Sakai, S. 1649. 

Sakai, T. 1041. 

Sakaki, C. (Kiusehiu) 269. I 
Sa lecker 1005. ; 

Salge, B. 410, 1130. 1 

Salin (Paris) 1097. 

Salin, H. 411. i 

v. Salis, H. 412. I 

Salkowski, E. (Berlin) 939, 
1714. 

Salomon (Berlin) 935, 1182. | 
Salomon (Wien) 94. 335. 

626, 720, 859, 1096. 
Salomon, A. 170. I 

Sahunon, E. (Berlin) 658, 
844. 

Salomon, H. (Wien) 320. ' 

Salomonsen, (’. .1. 485. 
Salomonsen, K. 1048. 
Salomonson, W. 1848. 
Saltvkow, S. (St. Gallen) 410, 1 
1331. 

Saltzmann, F 1 . 118. 
Saltzmann, F. (Helsingfurs) 1 
894. 

Salus. R. 1799. 

Sähet t i 898. ! 

Salzer (München) 1146,1430. 
Salzer (Wien) 857. 

Salzmann (Graz) 272. 
Salzmann (Kissingen) 77. 
Salzmann, M. 1919. 

Salzmann, AI (Breslau) 1231. 
1232. 

Samberiior, Fr. (Prag) 1599. 
Samlion (Paris) 1566. 

Samuels (Prag) 1087. 
Samelson, S. 321. 

Siimiseh 1670. 

Samöjloff. A. 459. 

Samson (Berlin) 944. 

Samson, ,). W. 1475. 

Samter (Königsberg; 1143. 
Sandberg 1425. 

Sanders 800. 

Sandford 122. j 

Sandisan. A. 'Croydon) 1373. 1 
Säuger, AI. (Magdeburg) 986. ! 
Sa ml rock, W. 1428. 

Santi (Arosz.o) 1749. I 

Saphier, J. (Wien) 1042, i 
1529. 

Saphra, .1. (Berlin) 558. 1 

v. Sarbi'i TOS. 

Sarb.^ (Budapest) 722. 


Sargnon 900. 


Sarnizyn, P. (Kasan) 1106. 
Sass, M. (Berlin) 705. | 

Sasse, A. (Cottbus) 711. j 

Sasse, F. (Frankfurt) 561. i 
Saski (Warschau) 1375. 

Sato 31. 1 

Sattler, C. II. 1922. 

Sattler, C. II. (Giessen) 1530. 
Saudek, J. (Brünn) 77. 1 

Sauer (Hamburg) 559, 1390. 
Sauerbruch, F. (Zürich) 77, t 
960, 1086. ! 

Sauerl (Freiburg) 756. 

Saul (Berlin) 1291. 

Sau vage (Paris) 82, 367, 

1283. l 

Savariand 1046. I 

Sawagc, C. (Paris) 893. j 
Sawidowitsch (Berlin) 1874. 
Saxl. P. (Wien) 673, 824, ' 
1245. I 

Scafidi, V. (Frankfurt) 758. | 
Seagliosi, G. (Turin) 363. i 
Schaack, W. (Petersburg) 
943. I 

Seitab ad, .T. A. 169, 1330. ' 

Schaechte (Berlin) 1423. ! 

Schack (Petersburg) 817. I 
Schackwitz, A. (Kiel) 1227. ! 
Schade (Kiel) 1005. 

Schacfer (Berlin) 423. | 

Schäfer (Berlin) 663 i 

Schaefer, F. 554. i 

Schaeffer, E. (Berlin) 1215. 
Schiitl’er (Berlin) 1925. 
Sehäflcr, A. 1284. 

Sehallehn (Stettin) 140. 
Schamberg, .1. F. (Phila¬ 
del phia) 222. 

Schanz 1799. 

Schanz (Dresden) 611, 771, 
812. 

Schanz, A. 991, 1284. 

Schanz, A. (Dresden) 1084. 
Schanz, F. 367. 

Schanz, F. (Dresden) 1G33. 
Scharezky (Charkow) 32. 
Seharff, P. (Stettin) 1423, 
1816. 

Seharnke 321. 

Seharnke (Strassburg) 755. 
Schauta (Wien) 220. 

Schauta, F. 414, 1377, 1709. 
Schatzmann 1426. 
Schatzmann, AI. (Bern) 122. 
Sehawlnw, A. (Riga) 1328. 
Schede (München) 124, 814. 
Scheele 564. 

SehHier, W. (Berlin) 1357. 
Scheibe (Berlin) 1533. | 

Sehoible, 11. (Bremen) 1130. 
Seheibner (Hohenschön¬ 
hausen) 553. I 

Scheide, J. (Breslau) 461. I 

Schcidemandel 1488. 
Scheidemandcl, E. (Niirn- 1 

borg) 1049. ' 

Sebeidenbcrger (Düsseldorf) 
460. 1 

Schoier (Berlin) 330, 912. 
Solid Gert, W. (Zürich) 1085. 
Sehelble, H. (Bremen) 1084. 
Schollung 1375. 1 

Scheiter (Nürnberg) 478. 
Schenk (Frankfurt) 1130. 
Schenk, F. (Frag) 319, 1327. 
Schenk. V. 1326. 

Schemenski Frankfurt) 1144, 
1747. 

Sch epel manu, E. (Halle) 
362. 

Scherber, G. (Wien) 77. 
Scherer (Tsumeb) 1088. 
Scherer, E. (Thumele) 1227. 
Scherers 1429. 

S c h c r e s c h c w s k v, ,1. (M a r b u r g) 
1770. 


Schcrliess (Lyck) 849. 
Scherwinzky §63. 
Scheuermann, H. (Kopen¬ 
hagen) 711. 

Sebcuncrt (Dresden) 856. 
Schick, B. 1847. 

Schickele 761. 

Schickele (Strassburg) 1563. 
Schide (Naumburg) 1947. 
Schieck (Halle a. S.) 1946. 
Schieck(Königsberg) 33,1749. 
Schicck (Wien) 1925. 
Schieck, F. (Königsberg) 318, 
944. 

Schiemenz, P. (Berlin) 1290. 
Schiff (Berlin) 1432, 1433. 
Schiff (Prag) 1000. 

Schiff, A. (Wien) 1185. 
Schiff, E. (Pest) 798. 

Schiff, F. (Berlin) 1405. 
Schiffmann, J. (Wien) 1232. 
Schild, K. (Göttingen) 1228. 
Schilder 1848. 

Schiller (Königsberg) 755. 
Schiller (Wien) 721. 
Schiller, M. (Berlin) 1226. 
Schiller, W. 1329. 

Schilling (Hamburg) 1201. 
Schilling (Schöneberg) 158*2. 
Schilling, F. 758. 

Schilling, J. (Berlin) 1374. 
Schillings (Berlin) 1292. 
v. Schilling-Siengalewicz 
1527. 

Schindler (Berlin) 902. 
Schindler (Wien) 859. 
Schindler, 0. (Wien) 893. 
Schippers 801. 

Schippers, J. C. 611. 
Schirmacher, M. 321. 
Schirokauer (Berlin) 29, 663, 
936, 1084, 1469, 1600. 
Schischko, L. (Petersburg) 
626. 

Schittenhelm, A. (Königs¬ 
berg) 409, 1128, 1 184. 
Schlaefkc, W. jr. 33. 

Schlaeger-Seelmann 359. 
Sehlagintweit, E. 27, 1525. 
Schlagintweit, E. (Heidelberg) 
1223. 

Schlagintweit, F. (München) 
334. 

Sehlaepfer (Basel) 938. 

Schl alter, C. (Zürich) 894. 
Schlaycr 799. 

Schl ay er (München) 1099, 
1555. 

Schleicher, M. (Wien) 1047. 
Sehlenk (Dresden) 1821. 
Schlesinger 222. 

Schlesinger (Berlin) 1286. 
Schlesinger (Strassburg) 80. 
Schlesinger (Wien) 335, 578, 
626, 673, 1848. 
Schlesinger, A. (Berlin) 333, 
844. 899. 

Schlesinger, E. 1049, 1480. 
Schlesinger, E. (Berlin) 568, 
1187. 

Schlesinger, II. (Wien) 708, 
992. 

Schlesinger, .1. (Berlin) 230. 
Schlichting (Cassel) 849. 
Sehliep (Berlin) 472, 1058, 
1436, 1633. 

Sehlimpcrt (Freiburg) 761, 
848. 

Schloffer (Prag) 721, 1006, 
1 653. 

Schloss (Rummelsburg) 1874. 
Schloss, E. (Berlin) 463. 650, 
1084. 

Schloss, E. (Rummelsburg) 
123. 

Schlossmann (Düsseldorf) 
623, 762. 


Schlofcssmann (Tübingen 
1186,1376. 
Schlottmann, R. 1611. 
Schmauch (Chicago) 2?' 
1749. 

Schmeidlcr (Breslau) 138'. 
Schmelz (Wien) 186. 
Schmey (Berlin) 1291. 
Schmey, M. (Berlin) 1435. 
Schmid, A. 77, 169. 
Schmid, M. (Potsdam) 1467. 
Schmidgall, G. 614. 
Schmidseder 1556. 
Schmidt (Berlin) 1325,1820 
Schmidt (Hamburg) 1098. 
Schmidt (Heidelberg) 1694. 
1776. 

Schmidt (Moskau) 1376. 
Schmidt (Prag) 956, 1653. 
Schmidt (Strassburg) 1095. 
Schmidt, A. 407. 
Schmidt, A. (Halle) 1226. 
1227, 1753, 1756, 1803, 
1822. 

Schmidt, E. (Tübingen) 561. 
Schmidt, E. G. (Heidelberg 
1965. 


Schmidt, F. A. (Bonn) 1465. 
Schmidt, G. (Berlin) 1460. 
Schmidt, H. (Strassburg' 
556. 

Schmidt, H. B. (Ann Arbor 
610. 

Schmidt, H. E. (Berlin) 909. 
Schmidt, H. R. (Bonn) 167. 
Schmidt, .J. (Heidelberg)561. 
Schmidt, J. E. (Würzburg 

464. 

Schmidt, M. 366. 
Schmidt, R. (Bonn) 460. 
Schmidt, R. (Prag) 721. 
Schmidt, W. (Freiburg) 4I| 
Schmidt-Haekenberg 1336. 

Schmidt-Hackenberg (Berlin 

1239, 1534. 

Schmieden 462. 
Schmieden, V. (Halle) 1464. 
Schmiedl, H. (Brünn) 1043. 
Schmiedt (Leipzig) 1429 _ 
Schmilinsky (Hamburg) oa 
854. 

Schminckc (München) 4h'. 
1599, 1619. 

Schmitt 1126, 1556. _ 

Schmitt, A. (München) HI 
1800. 

Schmitt, A. (Mürzbur: 

1331. 

Schmitt, W. (Stuttgart; l-' 1 
Schmitz, E. 25. 

Schmitz, K. K. F. (Berlin 1 
Schmiz, E. (Brackei) K s 
Schmorl (Dresden) 1«. 
Schmörl, G. 1523. _ 

Sch muck ler, W. (Mien Y 
Schnabel, K. (Bannen» 
Schnaudigel, 0. (Iraner 
33. 

Sehnde, A. (EranJHurt) 

718, 1650, 18.4, 1901. 

Schneider (Heidelberg.' - 1 

1776. , ü, 

Schneider (Tübingen. >■ 
1044. n ' U- 

Schneider, A. ( Bonn 
1612. n .. $ 

Schneider, W. (BerIm, - 
Schneider, \V. (Coln 
Schnitzer (Stettin) 
Schnitzler (Wien) 41. 
Sclmitzler, W. 

1183. - 

Schnyder, K. , 

Schober (Breslau; 14- • 

Schoemaker 18 <a 

Schofman, G. 

Scholder 801. 



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Original frarn 

UMIVERSITY OF IOWA 







BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1085 


Scholomowitsch, A. S. (Kasan) 

1798. 

Scholtz,W. (Königsberg) 575, 
891, 893, 1541. 

Scholz (Frankfurt) 1144. 
Scholz (Hamburg) 1527. 
Scholz, B. (Frankfurt) 79. 
Scholz, F. 1611. 

Scholz, L. 753. 

Schömann (Neustettin) 1229. 
Schönberg (Basel) 30, 1394. 
Schönberg, S. (Basel) 167, 
1632. 

Schöndorff, B. 986. 
Schönfeld (Berlin) 807. 
Schönfeld (Wien) 1282, 
1820. 

Schönfeld, A. (Berlin) 848. 
Schönfeld, W. (Würzburg) 
1331. 

Schönhof, S. (Brünn) 756. 
Schoenlank, A. (Zürich) 1129. 
Schönlank, W. (Arosa) 272. 
Schönwerth, A. 1577. 

Schoo, H. J. (Amsterdam) 
613. 

Schopper (Wien) 78, 335, 
756, 1425. 

Schöppler (München) 672. 
1043, 1747. 

Schorleramer (Godesberg) 
1755. 

Schorsch (Berlin) 1288,1290. 
Schott, E. (Cöln) 76. 
Schottelius, M. 221. 
Schotten, F. (Mainz) 1820. 
Schottmüller, H. (Hamburg) 
320, 1047, 1099, 1142, 
1391, 1527, 1850. 

Schoetz, P. (Berlin) 1334. 
Schoetz, W. (Berlin) 1430. 
Schramek (Wien) 1283. 
Schramek, M. (Wien) 556. 
Schrauth, W. 1325. 
Schreber, K. 1707. 

Schreiber, 562, 1046. 
Schreiber (Heidelberg) 1564. 
Schreiber, E. (Magdeburg) 
561. 

Schreiter, B. 892. 
v. Schrenck-Notzing 1819. 
Schridde, H. (Dortmund) 
1820, 1876. 

Schrijver, J. 1648. 

Schröder (Kortau) 1319. 
Schröder (Rostock) 415, 761, 

1799. 

Schröder (Schöneberg) 647, 
1597. 

Schröder, G. 365. 

Schröder, H. (Düsseldorf) 
409. 

Schröder, P. (Greifswald) 
365, 1527. 

Sebroers, H. (Lüttich) 1085. 
v. Schrötter, II. 118, 1081. 
Schrumpf, P. (St. Moritz) 758, 
863. 

Schubart (Dresden) 849. 
Schübel, K. (Würzberg) 556. 
Schubert (Dresden) 951. 
Schubert, G. (Beuthen) 1876. 
Schubert, M. E. (Heidelberg) 
797. 

v. Schubert, E. (Altona) 77, 
842. 

Schulhof, F. (Wien) 1128. 
Schüle (Freiburg) 120, 1946. 
Schüler, W, (Halle a. S.) 
1948. 

Schüller 222. 

Schüller (Wien) 577. 
Schüller, H. 293. 

Schüller, P. (Wien) 706. 
Schulmann 1491. 

Schultes (Grabowsee) 652, 
1872. 


Schultheiss (Wildungen) 914. 

Schulthess (Zürich) 814. 

Schultz (Jena) 1535. 

Schultz (Prag) 1000. 

Schultz, J. H. (Chemnitz) 
559 

Schultz, J. II. (Jena) 1798. 

Schultz, Th. (Ringe) 272. 

Schultz, W. (Berlin) 807. 

Schultz, W. (Charlottenburg) 
1427. 

Schultze (Duisburg) 771,813, 
815. 

Schultze (Göttingen) 1562. 

Schultze (Posen) 1586. 

Schultze, E. 0. P. (Berlin) 
710. 

Schultze, W. H. (Braun¬ 
schweig) 1373. 

Schulz, E. (Duisburg) 649. 

Schulz, H. 892, 1325. 

Schulz, H. (Greifswald) 1042. 

Schulz, F. C. R. (Gumbinnen) 
349, 401. 

Schulz, J. (Barmen) 1528. 

Schulz, W. 1226. 

Schumacher (M.-Gladbach) 
412. 

Schumacher (Zürich) 1086. 

Schumacher, J. (Berlin) 1581. 

Schümann (Dresden) 950. 

Schümm (Hamburg) 768, 
997. 

Schuppius (Breslau) 476. 

Schur, M. (Tübingen) 1612. 

Schürer, J. 321. 

Schürmann, W. (Bern) 319, 
408, 557, 1082, 1946. 

Schüssler (Zwickau) 893. 

Schuster 1479, 1480. 

Schuster (Berlin) 227, 657, 
659, 949, 1691, 1822, 

1964. 

Schuster, II. (Lemberg) 756. 

Schuster, P. 1527. 

Schütz (Wiesbaden) 1755, 
1803. 

Schütz, E. 1600. 

Schütz, E. (Wien) 269, 

1131. 

Schütz, G. 647. 

Schütz, H. (Budapest) 758, 
987. 

Schütz, R. (Wiesbaden) 1555. 

Schütze (Berlin) 912, 1059. 

Schwab, M. (Wilmersdorf) 
710. 

Schwalb, J. 891. 

Schwalbach (Berlin) 612. 

Schwalbe, E. (Rostock) 73. 

Schwalbe, J. 623. 

Schwalbe, J. (Berlin) 842, 
1649. 

Schwalm (Berlin) 230, 839. 

Schwaer, G. (Lüdenscheid) 
989. 

Schwartzkopff (Berlin) 372, 
1560. 

Schwarz (Breslau) 318. 

Schwarz (Wien) 721, 910, 
911, 1245. 

Schwarz, A. (Dresden) 1582. 

Schwarz, A. (Gravosa) 459. 

Schwarz, E. 1900. 

Schwarz, E. (Berlin) 1287, 
1554. 

Schwarz, E. (Tübingen) 81, 
270. 

Schwarz, G. 1577. 

Schwarz, G. (Wien) 122, 
1578. 

Schwarz, K. (Agram) 1282. 

Schwarz, 0. 942, 1086, 
1087. 

Schwarz, 0. (Wien) 1328. 

Schwarzenbach, E. (Zürich) 
1377. 


Schwarzmann, E. 1556. 
Schwarzwald (Wien) 465, 
1148, 1774. 

Schwarzwäller (Stettin) 951. 
Schwefel, A. (Czernowitz) 
460. 

Schweisheimer, W. (Königs¬ 
berg) 1185. 

Sitsen 363. 

Sittig, 0. (Prag) 1688. 
Schweitzer (Leipzig) 1562, 
1751. 

Schweitzer, B. (Leipzig) 1599. 
Schweitzer, E. 272. 
Schweizer, R. (Moskau) 1106. 
Schwenk, E. 1277. 
Schwenke, J. (Breslau) 282, 
650. 

Schwenkenbecher, A. (Frank¬ 
furt) 415. 

Schwenker, G. 1080. 
Schwerin (Berlin) 1534. 
Schweriner, F. (Charlotten¬ 
burg) 29. 

Schwermann 941. 

Scipiaves, E. 74. 

Secchi, R. (Bologna) 1577. 
Seccrov, S. 1553. 

Secher, K. (Kopenhagen) 
1423. 

Sedgwick, W. 985. 

Seefisch (Berlin) 1104. 
Seelert (Berlin) 948, 1527, 
1689, 1798. 

Sceliger (München) 994. 
Sceligniann (Hamburg) 284. 
Seemann, 0. (Bonn) 1424. 
Segawa, M. (Tokio) 756. 
Seger, Ernst 1947. 

Sehrt, E. (Freiburg) 362, 
364, 459. 

Seidel 562, 1377. 

Seidel (Dresden) 950. 
Seidenberger (Leipzig) 1561. 
Seifert, E. (Würzburg) 1441. 
Seiffert, A. (Breslau) 1586. 
Seiffcrt, J. G. (München) 1279. 
Seitz (Düsseldorf) 460. 

Seitz (Erlangen) 1440, 1564. 
Seitz, A. (Cöln) 168. 

Seitz, L. (Erlangen) 1582. 
Selig, R. (Heidelberg) 710. 
Seligmann 1332. 

Seligmann (Berlin) 329. 
Seligmann (Hamburg) 377. 
1087. 

Selitzky, S. (Petersburg) 
1249. 

Selkirk, W. J. B. (Dunbar) 
986. 

Seil, G. (München) 895. 
Seilheim, H. (Tübingen) 645. 
Selter, H. (Bonn) 1465. 
Selter, P. 1464. 

Sembdner, F. 26. 

Semon (Königsberg) 574. 
Semrau, M. (Strassburg) 1426. 
Senator, M. (Berlin) 232, 
1288, 1534. 

Seng, H. (Heidelberg) 412. 
Sepp 1848. 

de Serbonnes (Paris) 1395. 
Sereboullet (Paris) 1097. 
Sergent 1472. 

Sergent (Paris) 1001, 1002. 
Sergent, E. 895, 1554. 
Sergeois (Berlin) 1089. 
Serger, H. 359. 

Serko (Wien) 578. 
Serkowski, S. 25. 

Serog (Breslau) 1296. 

Serra 7 60. 

Serve (Wiesbaden) 273. 
v. Seuffert, E. (München) 
361. 

Severin (Breslau) 558. 
Seydel (Berlin) 1290. 


Seydel (Breslau) 715. 
Seyderhelm, K. R. (Strass¬ 
burg) 1184. 

Seyderhelm, R. 362, 1184. 
Seyderhelm, R. (Strassburg) 
98S. 

Seyer, E. 989. 

Seyffarth (Hannover) 1378. 
Seyffarth, R. (Hamburg) 561. 
Seyffert(Aruscha) 1088,1472. 
Sgalitzer (Wien) 319, 577. 
Shaw, B. H. (Stafford) 1131. 
Shaw, H. B. (London) 80. 
Shaw, T. B. 361. 

Shimazono, J. (Frankfurt) 
800. 

Shioji (Berlin) 806. 

Shioji, E. (Tokio) 649. 
Shipway, F. E. (London) 123. 
Shiuya, S. (München) 1468. 
Short, A. R. (Bristol) 651. 
Shufflebotham, F. 804. 

Siber, S. (Wiirzburg) 18. 
Sicard (Paris) 429. 

Sick 1084. 

Sick (Leipzig) 767, 845. 
Siebeck 1899. 

Siebeck (Heidelberg) 856, 
1045, 1100, 1555, 1563. 
Sieben, W. (Strassburg) 614. 
Sichert, C. (Marburg) 609. 
Sichert, II. (Libau) 844. 
Sieburg, E. (Rostock) 1946. 
Siedamgrotzky (Berlin) 710. 
Siegel (Freiburg) 1081, 1095, 
1427. 

Siegel, E (Berlin) 80. 
Siegfried, K. (Berlin) 250. 
Siegrist, R. (Cöln) 31. 
Siegwart (Berlin) 1385. 
Sielmann (München) 1468 v 
1714. 

Sielraann,R. (München) 1798. 
Siemerling (Kiel) 761. 

Sievers (Leipzig) 1102. 
Sievers, R. 1428. 

Sigrist, A. 83. 

Sikemeyer, E. (Basel) 167. 
Silberberg (Berlin) 170,910. 
Silberberg (Breslau) 716. 
Silbermann, A. (Bern) 1377. 
Silberschmidt, W. (Zürich) 
895 

Silfvast (Helsingfors) 937. 
Simin, A. (Tomsk) 845. 
Simon 895, 941, 1601, 1602, 
1603. 

Simon (Breslau) 140, 235, 
1388. 

Simon (Münster) 122. 

Simon (Plauen) 400. 

Simon, F. 266. 

Simon, H. (Breslau) 56, 108, 
994, 1199, 1200, 1296, 
1567. 

Simon, L. (Mannheim) 992, 
1876. 

Simon, W. V. 666, 878,1583, 
1585. 

Simmonds (Hamburg) 42,269, 
284, 411, 576, 670, 845, 
908, 988,1043,1141,1338, 
1391, 1850. 

Simonin (Paris) 1151, 1565, 
1566, 1567. 

Simons (Berlin) 1672. 
Simson, H. J. F. (London) 
899. 

Singer (Wien) 1151, 1755, 
1803. 

Singer, G. (Wien) 318, 844, 
864, 1081, 1555. 

Singer, H. (Pest) 411. 

Singer, K. (Berlin) 1733. 
Sippel, E. (Berlin) 1292. 
Siredev (Paris) 1246. 

Siven, V. 0. 1127. 


Skaüanakis (Berlin) 465. 
Skalier, M. (Berlin) 120,1823, 
1824. 

Skevington, J. 0. (Windsor) 
271. 

Skramlik 91. 

v. Skramlik, E. (Freiburg) 
1087. 

Sluka, E. (Wien) 650, 1281. 
Slye, M. (Chicago) 167. 
van Slyke, D. (New York) 
1227. 

Smith, W. G. 986. 
Smolensky,W. (Odessa) 1106. 
Smoler, F. (Olmütz) 32. 
Snapper 1180. 

Snapper, J. (Groningen) 1109. 
Sobotta, J. 1183, 1769. 
Sobernhcim(Berlin)370,1193. 
Sobernheim, W. 1327. 
Sochanski, St. 1600. 

Socin, Ch. 1707. 

Söderbergh 221. 

Söderbergh, C. (Karlstad) 80. 
Söderbergh, G. (Karlstad) 
242, 457. 

Sohnsen, A. (Danzig) 410. 
Soldin, M. (Berlin) 794. 
Solieri, S. 1085. 

Solm, R. (Frankfurt) 410. 
Soltrain, E. (Paris) 861. 
Sommer (Nürnberg) 334. 
Sommer, E. 937. 

Sommer, R. 554, 1551, 1769. 
Sommer, F. (Magdeburg) 120. 
Songues (Paris) 187. 
Sonnenburg 366, 1010, 1058, 
1294. 

Sonntag (Berlin) 659. 
Sonntag (Leipzig) 1429. 
Sons, E. 707. 

Soper, W. B. (New York) 610. 
Sorautin (Wien) 1283. 
Sörensen, N. (Niederl.-Indien) 
714. 

Sorgdrager, G. B. 219. 
Sormani, B. P. (Amsterdam) 
168. 

Sorme (Kopenhagen) 1375. 
Souques (Paris) 1565. 
Spaeth (Hamburg) 997. 
Spaeth, lt. A. 1898. 
Spalteholz 1182. 

Spalteholz, W. 1769. 
Spannann, R. 1526. 
Sparmann (Wien) 77. 

Spät (Prag) 142. 

Spät, W. (Prag) 1082. 

Spät, W. (Kladno) 1374. 
Speirs, W.R.(Southport) 120. 
Speleers 1430. 

Spencer, G.W. (Bristol) 1224. 
Spengler, K. 1580. 

Spengler, L. (Davos) 77. 
Sperk, B. (Wien) 379, 650, 
673, 1130, 1150, 1281. 
v. Spcyr 1922. 

Spiecker, A. (Wiesbaden) 
1084. 

Spiegler, F. (Wien) 940. 
Spieler (Wien) 953. 

Spieth, H. (Bremen) 460. 
Spiess, G. (Frankfurt) 647. 

1094, 1577. 

Spinak, W. 1464. 

Spinner, J. R. 1552. 

Spiro 1377. 

Spitzer (Prag) 1000. 

Spitzer (Wien) 860. 

Spitzncr (Berlin) 1533. 
Spitzy, H. ()jVien) 316, 674, 
857, 1049. 

Spooner 1224. 

Sprawson, C. A. (Lucknow) 

222 . 

Sprengel (Braunschweig) 770, 
1102. 


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Original frorn 

UNIVERSUM OF IOWA 



iösß 


faFRt.TNF.R KLINISCHE WOCHKNSCHRUn^ 


Strassner, H. 25. 
Straub (Frciburg) Jl- 


c • Qt 7 I Stern, F. (Kiel) 1262. 

Ipulcr (Erlangen) 577, 1564. Stern, H. 318. 

Ssobolew, N. '266. ! ,7 9 6 ’ ! Straub, H. (München) 

Ssokolow, 3. (KtaO^ Stern K (Düsseldorf) 5G1. "" 

Ssolowjew, L. (Petersburg ( b^, ^ (Filrth) 28 

Stadel manu (Berlin) 324 | Stern, L. ( ( ^““^ au) - G i 3 . 

Stadler (Wiesbaden) _ £tem, } wi _iq^n 

SiWf—’ m SÄ®» 

Stähelin (Basel) 1147. I 163iJ - 

SWÄI Itg (Breslau) 374, 474, 

913 ’ ^ 01 841 Sterzei (Dresden) 124. 

Sta|,W. (Petersburg, 642, I » ll^rl^U. 

Stäniek (Wien) 944. 1 Stevanson, W- C. (Dublm) 

<“ g) 1047 ’ ; 7 ’ 

I Stich (Göttingen) 140, 098. 

Stickel (Berlin) 89. 
i Sticker (Berlin) 86. 
i Sticker, G. (Münster; 60<. 

I Sticda (Halle) 864, 1006. 

Stieflcr (Linz) 1149. 

Stiefler, G. (Linz) 709. 
i Stier 1196, 1436. 1480. 

1 Stierlin 1428. 


271. 

Stievc (München) 33;,. 
Stigler, R. 75. 

Stilling, H. (Lausanne) 364. 


1141. 

Stark (Karlsruhe) 1100,17oo, 

1897. ( „ 4A 

Starke (Breslau) 27, 1540. 

Starkenstein, E. (Prag) 142.1. 

Starkoff 761. 

Stassoft, B. (Petersburg) 89s, , 

899. 

Stawraky, W. 939. 

Steckelmacher, S. (Heidel¬ 
berg) 268. 

Stecker 220. 

Steele 609. 

Steensma 365, 800. 

Steen \V. (Giessen) 938. . — \---- - 

Stefansky, W. (Odessa) 627. Stincr, 0. (Bern) W8b. 
Stcffan, lt. 33. j Stintemg (Jena) 1341. 

Steiger, 0. (Zürich) 1798. Stock 125. 

Stein (Wien) 141, 1343. Stock (Jena) Id¬ 
stein (Wiesbaden) 666, 907. | Stöcker (Breslau) 4<5 
Stein, B. (Wien) 29. 

Stein, C. (Jaunde) 1088. 

Stein, R. 0. (Wien) 15o2. 

Steinbach (Wien) 1151. 

Steinberg 1554. 

Steindorff, K. (Berlin) 473 
906, 1377, 1787, 1922. 

Steiner 1081. 

Steiner, M. (Tanger) 1129. 

Steiner, R. (Wien) 1425. 

Steinhardt, J. (Nürnberg) 

1342. 

Steinitz, E. (Berlin) 939, 

1005, 1055, 1233, 1285, 

1306, 1378, 1381. 

Steinmann, F. (Bern) 1103. 

Steinmeier, W. (Hamburg) 

1279. 

Steinmeyer, 0. 166. 


413, 

957,’ 1426. 

Straub, W. (Freiburg) 120. 
Strauch 1155. 

Strauch (Altona) <6, 90. 
Strauch, A. (Chicago) 462, 
650. 

Strauss 1545. 

Strauss (Berlin) 124, l<oo, ( 
1773. | 

Strauss (W : ien) 857 | 

I Strauss, A. (Barmen) 1231, ( 

1708. i 

I Strauss, H. 120, 1328, 1474, j 

1 1524, 1599. i 

Strauss, IL (Berlin) 1241. 

1 Strauss, M. (Nürnberg) <11. j 

Strebei, H. (München) 222. 

1 Strobel, J. (Zürich) 1876. 

Streisslcr (Graz) 81 i>. 961. 

1 Streisslcr, E. 1948. 

Streit 1430. 

1 Stricker, 0. 1087. 

Strisover 29. 

Strisower, R. 80, 1104. 
Strobel, IL (Erlangen) <U. 
Strocbel. J. (Zürich) 137<. 
Strohbach (Dresden) 134(L 
I Stromcycr (Güttingen) 8aa, 
1555 


Swetschnikow, W. A. 1080. 
Symes, J. 0. (Bristol) 104o, 
1329. 

Symes, W. L. (London) 1326. 

I Syring 1085. 

Syring (Bonn) 1470. 
i Svring (Neu-Ruppin) 1949. 

, Szalxq M. (Budapest) 556. 

! Szecsi, S. (Frankfurt) 78, 
185, 798, 842. 

1 Szel, P. (W r ien) 1526. 

Szerdotz, H. (Wien) 1901. 

1 v. Szily, A. 1284. 

, v Szily, P. (Budapest) 608, 
'722,1117,1383. 
Szpanbock 1848. 

Szelbinski (Colmar) 1089. 
Szymanski, J. S. 1466. 


T. 




owciici (u'“ 1 ““/ ; , 

Stoecklin, W. (Basel) 81. 
Stoffel (Mannheim) 813, 814. 
Stoffel, A. 118. 

Stoehr 118. 

v. Stokas (München) 1096. 
Stokes, J. IL (Michigan) 
1748. 

Stoklasa, J. 705. 

Stell, A. 1049. 

Stolowski (Deutsch - Ostafri¬ 
ka) 223. 

Stolper, L. 362. 

Stolte (Berlin) 278, 1615, 
1900. 

Stoltenberg - Lerche 854, 

, 1247. 

, Stoltz, C. (Dortmund) 612. 

| Stolz (Strassburg) 1563. 
Meinmeyer, vj. iud. I Stommel 1046. 

Steinschneider, E. (Cherson) Stommel (Frankfurt a. M.) 

559. 1900. 

Steinschneider,,!.(Halle) 170. | Stonc 1225. 


Stcinthal (Berlin) 806. 
Steinthal (Stuttgart) 955, | 
1102. 

Stemmler (Jena) 1535. 

Sternmler, W. (Halle) 987. 
Stengele, U. (Radolfszell) 
1578. _ | 

Stcngcr (Königsberg) 575, 

1132, 1709. | 

.Stephan 1478. I 

Stephan (Berlin) 331, 1239. 
Stephan (Wien) 910. 

Stephan, R. (Leipzig) 168, 
461, 648, 959, 1579. _ 
Stephenscn,S. (London) 1582. 
Sterling, W. (Warschau) 31. 
Stern (W’ien) 625, 1184. 
Stern, A. 1329. 

Stern, A. (Berlin) 662, 1286. 
Stern, E. 760. 

Stern, E. (Tannenberg i. E.) 

1419. 


Storath (Augsburg) 941. 
Storch 1085. 

Stocrk (Wien) 186, 1950. 
Stocrk, E. 1079. 

Storm van Leuwen.W. 1707. 
Storp (Berlin) 398. 

Strachan, H. 1223. 
Strangewavs, T. S. P. (Cam¬ 
bridge) 80. 

Stransky, E. 1576. 
Strassberg, M. (Wien) 1232, 
1329. 

Strassburg, B. (Bern) 1424. 
j Strassburger (Frankfurt) 958, 

‘ H43. 

I Strasscr 895. 

I Strassmann 1485. 

I Strassmann (Berlin') 233,664, 

I 1243, 1385, 1925. 

, Strassmann, F. (Berlin) 967. 
1386. 

j Strassmann, P. 88, 704. 


Stromingcr (Budapest) 1248 
Strong (New York) 466. _ 
Stroomann,G. (München) 706. 
Stropeni, L. (Turin) 464. 
Strubel! (Dresden) 1099, 

1822. 

Struckow, A. (Moskau) 123. 
v. Strümpell (Leipzig) 576, 
1329. 

Strümpell, A. 1745. 

Stübel, II. 360, 892. 

v Stubenrauch (München) 

711, 1342, 1713. 
v. Stubenrauch, L. 1424. 
Stüber (Freiburg) 671, 863, 
1327, 1565. 

Stüber, B. (Freiburg) 1224. 
Stuhmer, A. (Breslau) 797, 
1082. 

| Stühmer, A. (Frankfurt a.M.) 

I 1525. 

I Stuclp (Mühlheim) 849. 
j Stumpf 1486, 1922. 

! Stumpf (Breslau) 236,119i, 

1 1616. 

I Stumpf, J. (Würzburg) 79 <. 

! Stümpkc,G.(Hannover) 1472, 

I 1554, 1948. 

! Sturgis 1427. 

I Stursberg, II. (Bonn) 989. 

I Stürup, .1. (Kopenhagen) 

I 1748. 

1 Stutzin (Berlin) 1881. 

I Suchanek, E. (W’ien) 1230, 
j 1903, 1950. 

Sudcck (Hamburg) 1849, 
1901, 1902, 1949. 

1 Sudeck, P. (Hamburg) 1529. 
Sudck, J. (Brünn) 28. 
Sugamuna, S. 1331. 

Summa (Windhuk) 223. 
Surveyor, N. F. (Bombay) 
120 . 

v. Sury (Basel) 1773. 

! Sussmann, M. (Berlin) 896. 
i Suter (Basel) 1147, 1247. 
Sutton, R. L. 322. 


Tachau, H. (Berlin) 942 
Taege, K. (Freiburg) 1278. 
Taitz, R. (Paris) 1283. _ 
Takahashi, A. (Tokio) 1526, 
1600, 1748. 

Takahashi, M. 1797. 

Takano, N. (Göttingen) 82. j 
Takaschima, S. 83. 

Takeda, S. 842. 

Taraamschcf 1921. 

Tamm, F. (Hamburg) 1600. 
Tamura, S. 939, 1469. 

Tanaka (Osaka) 28. 

Tandler (W 7 ien) 1966. 

Tangl, F. (Budapest) 424. 
Taniguchi (Halle) 847. 

Tanji, Z. (Leipzig) 1555. 
v. Tappciner, Frb. IL (Greifs¬ 
wald) 1065, 1687. 
Taratynow, N. (Kasan) 1128. 
Tarto'is (Paris) 166. 

Tascbeff 993. J 

Tassberg, A. 1043. | 

Tassius (Breslau) 847. 

Tatlow, E. T. (Leeds) 760. 
Tauffer, W r . 74. 

Taylor 121. 

Taylor, D. M. 1233. 

Taylor, J. L. 554. 

Tcchnau (Breslau) 178.. 
Tedesko (W r ien) 335. 
Teichmann, E. 299, 328. 
Teissier (Paris) 1565. 

Teleky, L. 118. 

Tcleky (W 7 ien) 238, 860. 
Telemann 367. 

Telemann (Königsberg) 428, 
575, 1143. 

Tereboullet (Paris) 188. 
Terlinck (Brüssel) 1332. 
Tcrtsch 1377. 

Tetwen, J. L. (Amsterdam) 
638, 1581. 

Tetzner (Leipzig) 84. 
v. Teubern (Bonn) 1612. 
Tcuschcr (Münster) 558. 
Thalmann (Dresden) 762. 
Thannhauser (München) 
1005. 

Thannhauser, S. J. 1524. 
Thedering 220, 712. 
Theilhaber (Berlin) 1560. 
Theilhaber, A. (München) 
82, 601, 706, 847. 

Thel 358. 

Thiele 461. % 

! Thiele, F. (Heidelberg) 1 Hl 


Sutton, R. L. ATZ. ! 

Sutton, R. L. (Cansas City) ; Thiele, F.H. (London) 268, 

1231. I 609, 941. 

Swart, S. P. (Amsterdam)! Thiem (Cottbus) 1901,1923. 


648, 1581. 
S\vellengrebcl,N.H. (Malang- 
Java) 713. 


Thier, A. 462. 
Thierfelder, R. 
1467. 


Thiroloix (Paris) 239. 

Thiers (Paris) 239. 

Thiess (Leipzig) 1751. 

Tietze, A. 1949. 

Thilo, 0. (Riga) 77. 

Thoma, R. (Heidelberg) 1278. 
Tbomann (Freiburg) 614. 
Thomas, E. 611, 1469. 

Thomas, lv. 360. 

Thomas, A. H. (Taunton) 267. 
Thomas, J. L. (Cardiff) 1231. 
Thompson, R. 1231. 
Thompson, R. (London) 1330. 
Thomson, 0. (Kopenhagen) 

309. 

Thomsen, R. (Bonn) 1903. 
Thomson, J. (Edinburg) 709. 
Thomson, W r . D. (Belfast) 
1230. 

Thorbecke 464. 

Thörner, WL 555. 

Thülenius (Soden) 1284. 
Thuram, G. 25. 

Tichy 1429. 

Tichy (Lissa a. E.) 1774. 

Tidg*, II. L. (London) 1045. 
Tiegel(Dortmund) 1103,1376. 
van Ticnhoven (Berlin) 1059. 
Tietze 373. 

i Tietze (Breslau) 13S, 234, 
236, 664, 665, 716,780, 
j 994,1008,1197,1205,1296, 
1387, 1388, 1437, 1493. 
Tiffeveau (Paris) 125. 

I Tigerstedt 1125, 1464. 

I Tillmann (Cöln) 1006. 

Tilp (Strassburg) 333. 
Timofejewski, A. D. (Tomsk 
1278. 

Titone, F. P. 26. 

Tittel (Dresden) 1340. 

Tixier 1045. 

Tobias, E. 31, 662, 833. 
Tobias, P. 1633. 

Tobiesen, F. (Kopenhagen; 

Tobler (Breslau) 366, 373, 

; 544, 559, 573, 608,1081, 

1329. 

v. Tobold 702, 1325. 

Todyo (Formosa) 1230. 

I Togami, K. (Kiushu, Japan 
I 1555. 

| TÖgel (Wien) 1151. 

Toida, R.’ 464. 

Tokeoka, M. (Budapest.; 
Tölken, R. (Zw* 1 ») 

! Tollens (Kiel) 1H2. ^ 
Tomasczewski (Berlin/ 

757. 

ToSssen,E.'(ErU»S») s3 
Tönniessen 1919- 
v.Torday, A. (Budapest- 
Torek, F. (Ne*'»« U 
Törlitz (Berbn) l-W ( 
Tornai, J. (B»^ 
Touraine (Paris) » 
Tournemelle (Par«) 
Toyoda, H. (Hamburg 
Trallero, M. (Berta)»-'• 

Traugott, M. (Frankfurt) 1 ' 1 '- 
Trautmann, 0. 0®*"' 

TrebiJg, J. * 

Trembur (Osn»b*t! f' 

ssfe 

Trendelenburg, 

hruck) 166-101a- 
Trenkler, R- lJ ? ;, 0 . 
Treplin (Sahlenburg) 


(Plauen) 


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Original frnm 

UNiVERSITY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHIRFT. 


1987 


Treutlein (Würzburg) 1129. 
Trcves, A. 270. 

Treves-Keith 1610. 

Triboulet 80. 

Triebenstein, 0. 803. 
Tricpel, H. 1549. 

Triepel (Breslau) 1440. 
Trillat, A. 1279. 

Trillat (Paris) 1566. 

Troell 1556, 1581. 

Troll, A. 463. 

Trömner 1772. 

Tröraner (Hamburg) 1390. 
y Troncoso, M. U. 1922, 
Trubin, A. 993. 

Truneoek, C. (Prag) 364. 
Tryb, A. (Prag) 1708. 
v. Tschermak (Prag) 800, 
999. 

Tschernischoff, A. (Peters¬ 
burg) 1468. 

Tschernogubow, N. A. (Mos¬ 
kau) 1232. 

Tschertkoß, J. (Charlotten¬ 
burg) 1227, 1650. 
Tschiasny (Prag) 1000. 
Tscbilin-Karian, A. (Würz¬ 
burg) 1231. 

Tschisch 611. 

Tschistowitsch, N. J. (Peters¬ 
burg) 1281. 

Tschötschel (Zittau) 718. 
Tsurumi (Berlin) 1559. 
Tuczek, K. (Freiburg) 987. 
Tuczek, K. (Marburg) 1847. 
Tuffier (Paris) 900, 1000, 
1441. 

Tugendreich (Berlin) 421, 
1692. 

Turan 1083. 

Turan, F. 1708. 

Türk (Wien) 174. 

Türk, W. (Wien) 462. 
Turner, D. 1080. 
Turner(Petersburg)815,990. 
van Tussenbroek (Amster¬ 
dam) 414. 

Tuszewski (Berlin) 77, 1278. 
Tutysehkin 463. 

Tutyschkin, P. (Moskau) 
1106. 

Twell, A. (Stockholm) 1281. 
Tylecose, F. W. (Manchester) 
78. 

Tysebaert, J. (Brüssel) 119. 
Tzanek (Paris) 613, 797. 


ü. 

Uffenheimer, A. (München) 
80, 1747. 

Uhl 940. 

Uhl, R. (Wien) 27. 
Uhlenhuth 1523. 

Uhlenhuth, P. (Strassburg) 
1797. 

Uhlmann (Berlin) 941. 
Uhthoff, W. (Breslau) 573, 
715, 1295. 

Ujihara, K. (Formosa) 1373. 
Ujihara, K. (Tokio) 1112. 
Ulesko (Stroganowa) 1876. 
UUmann (Berlin) 1824. 
Ullmann (Wien) 1101, 1150. 
UUmann, K. 1184, 1277. 
Ullrich, A. 939. 

Ulrich, A. (Zürich) 1227. 
Ulrichs (Berlin) 425, 1086. 
Ulrichs (Finsterwalde) 846. 
Ultzmann, R. 1087. 

Umber 1003, 1378, 1475, 
1777, 1873. 

Umeda, N. 1383. 


Umeda, N. (Berlin) 1407. 

Underwood 1225. 

Ungar, J. (Budapest) 1277. 

Ungeheuer, II. (Heidelberg) 
987. 

Unger (Berlin) 662, 1196, 
1233, 1294, 1408, 1721, 
1774, 1800, 1947, 1965. 

Unger (Wien) 1925. 

Unna, K. (Hamburg) 1820. 

Unna, P. G. (Hamburg) 362, 
444, 598, 695, 1203, 1600, 
1798, 1900. 

Unna, P., jun. (Hamburg) 
1047, 1685, 1748. 

Unterberger,F., jun. (Königs¬ 
berg) 367. 

Urano (Wien) 1471. 

Urbantschitsch (Wien) 577, 
1343. 

Urechia, C. J. 459. 

Ury, II. (Berlin-Charlottcn- 
burg) 22. 

Usener (Göttingen) 1341, 
1563. 

Usher, C. H. 1370. 

Ustver, Y. (Christiania) 762. 


V. 

Vuhlen, E. 939. 

Vaillard (Paris) 1097. 
Valenti, A. 647, 938. 
Valentin (Berlin) 35, 1059. 
van der Valk, J.W. 365, 613. 
v. Valkenburg 365, 1427. 
la Valle, G. (Catania) 27. 
Vallon (Paris) 1000. 

Variot 80, 270, 1046, 1129. 
Vas (Budapest) 1900. 
Vasiliu, T. (Bukarest) 1421. 
Vasiljeviir, J. (Wien) 1650. 
Vau eher 989. 

Vautrin (Nancy) 1233. 

Veau, V. 414, 990. 

Veiel, E. (München) 758. 
Veil (Strassburg) 669. 

Veil, H. (Strassburg) 1098. 
Veil, W. H. (Strassburg) 30, 
79, 609, 1185. 

Veit, J. 1849. 

Veit, J. (Halle) 563. 

Veith, A. (Nürnberg) 564. 
Velde (Berlin) 1770. 
v. d. Velden, R. (Düsseldorf) 
647, 989. 

Veraguth, 0. 362. 
Verhoogen, J. (Brüssel) 1248. 
Verne (Paris) 479. 

Vernes 1001. 

Vernes (Paris) 429. 

Vernet (Paris) 1097, 1098. 
VerplocgML (Utrecht) 1129. 
Verse (Leipzig) 1562. 
Vcrtes-Koloszvar (Berlin) 
1920. 

zur Verth 428, 564. 

Verzar, F. 1553. 

Vesco (Wien) 612. 

Vialatte, Ch. 895. 

Viereck, H. 758. 

Vigues (Paris) 900. 
Viguolo-Lutati,K. 1232,1529. 
Vigyäzö, J. (Budapest) 1330. 
Villandrc (Paris) 900. 
Villard, E. (Lyon) 1101. 
Vincent (Paris) 367, 722. 
1000. 

Vindobonensis431,723,1115. 
Violin, E. 1328. 

Violle, H. 609, 1468. 
Virchow (Berlin) 1823. 
Virchow, H. (Berlin) 1677. 


Vischer (Basel) 186. 

Vitry (Paris) 1566. 

Vogel (Basel) 1147. 

Vogel (Berlin) 570. 

Vogel (Dortmund) 845. 
Vogel, A. 412. 

Vogel, R (Wien) 1085, 1330. 
Vogt 993, 1530. 

Vogt, H. 710. 

Vogt (Dresden) 667, 802, 
950, 1142, 1340. 

Vogt, E. (Dresden) 410, 
1042, 1327. 

Vogt, II. (Magdeburg) 1329. 
Voigt (Göttingen) 141, 1146. 
Voigt, J. (Göttingen) 607. 
Voit, W. (Nürnberg) 478, 
1342. 

Voelcker (Heidelberg) 771, 
913, 1103, 1202, 1694, 
1776, 1902. 

Volhard, F. 1463. 

Volk (Wien) 141, 712, 843, 
1231. 

Völkel (Dresden) 41,1, 648. 
Volkelt, H. 1770. 

Volkmann (Berlin) 658, 
Volland (Davos) 1188. 
Vollhardt, W. (Kiel) 1187. 
Vollmann 48,144, 962, 1346. 
Vollmer, P. 1425. 

I Völsch,M. (Magdeburg) 1688. 

Voltz (Breslau) 716. 

! Vorn er, H. 1184. 

Voronoff (Paris) 1566. 
Vorpahl (Greifswald) 1002, 

! 1224, 1847. 

: Vorschütz (Elberfeld) 914. 

■ Vorwerk (Deutsch-Ostafrika) 

| 1132. 

I Vulpius, 0. 118, 241, 464, 
651, 686, 760, 991, 1086, 
1470. 


w. 

Waeber, A. 32. 

Wacholder, K. 986. 
Wachsner (Berlin) 1384, 
1385, 1924. 

Wachtel (Wien) 1245, 1901. 
Wack, P. (Marburg) 1427. 
Wackelin, J. 0. 167. 
Wacker, L. (München) 76, 
1846. 

Waegeier, H. (Freiburg) 168. 
Wagener (Berlin) 422. 
Wagner 1429, 1556. 

Wagner (Lübeck) 1470. 
Wagner (Wien) 626, 674, 
858, 1375. 

Wagner, A. 1899. 

Waegner, K. (Charkow) 1102. 
Wagner v. Jaurcgg (Wien) 
361, 1422. 

Walb, H. 1465. 

Walbaum 898. 

Walbaum,H. (Tübingen) 646. 
Waldmann, J. 563. 
dcWaele, H. (Gent) 411, 757. 
Waledinsky, J. (Tomsk) 190, 
626, 627. 

Walgaschko, G. A. 465. 
Walker, C. J. 266. 

Walker, E. W. A. (Oxford) 
939. 

Waller, A. (Budapest) 1798. 
Wallerstein, K. (Heidelberg) 
1555. 

Wallgren (Mclsingfors) 937. 
Wal lieh 1472. 

Wal lieh (Paris) 323, 651. 
Walsh, S. B. 563. 


Walter (Hamburg) 910. 
Walter-Sallis, J. 413. 
Waltersdörfer (Berlin) 663. 
Walther (Paris) 1096. 
Walzel (Wien) 186, 1103. 
v. Walzel, P. R. (Wien) 271, 
1230. 

Wandel (Kiel) 1755. 

Wanner (Düsseldorf) 1331. 
Warburg, 0. 459,1326,1371. 
Ward, G. R. (Sevenoaks) 
1225. 

Warnecke (Görbcrsdorf) 125, 
168. 

Warnekros 198. 
Warnekros(Berlin) 817,1136, 
1712, 1734. 

Warnekros, K. (Berlin) 1554. 
Wartensleben, B. (Wilmers¬ 
dorf) 759. 

Warthin 1128. 

Waser, E. (Zürich) 646,1422. 
Wasicky (Wien) 721. 
Wasielewski (Heidelberg) 
577. 

Wasmer (Karlsruhe) 28. 
v. Wassermann, A. (Berlin) 
73, 527, 608, 809, 867, 
1277, 1635. 

Wassermann, S. (Wien) 1577. 
Watanabe, B. (Japan) 803. 
Watanabe. R. 1526. 
Waterson, D. (London) 1127. 
Watjen, J. (Freiburg) 362, 
1579. 

Weber 899, 990. 

Weber (Berlin) 863, 1879. 
Weber (CheDuiitz) 849, 1709. 
Weber (Dresden) 950. 
Weber, A. (Giessen) 168. 
Weber, F. (München) 323. 
Weber, H. 1649. 
Wechselmann 561. 
Wcehselmann, W. (Berlin) 
304, 533, 834, 992, 1331, 
1633. 

Weckowski 1485. 

Wcckowski (Breslau) 54,743, 
1388, 1389, 1453, 1567, 
1603. 

Wegele (Königsberg) 758. 
Wegener, E. (Jena) 121,1599. 
Wegener, W. (Rostock) 413. 
Wegerle, 0. (Heidelberg) 895. 
Wegner (Posen) 464. 
Wehner, R. N. (München) 
649. 

Wehner, E. (München) 560. 
Wehrhahn (Hannover) 1465. 
Wehrli, E. 1048. 

Weibel (Wien) 465, 848. 
Weibel, V. (Wien) 125. 
Weichardt 74. 

Weichavdt (Erlangen) 1564. 
Weichert(Breslau) 236,1198. 
Weichsel (Leipzig) 767,1561. 
Weicksel, J. (Leipzig) 1186. 
Weigel (Nürnberg) 1393. 
Weigert (Berlin) 605. 
Weigert, R. (Breslau) 573, 
1820. 

Weih (Cöln) 1578. 

Weihe (Frankfurt) 322. 
Weihe, F. 321, 1130. 

Weil 1587. 

Weil (Breslau) ISO. 994, 
1229, 1583. 

Weil, A. 26, 413. 

Weil, A. (Strassburg) 1899, 
Weil, E. 269. 

Weil, E. (Paris) 1098. 

Weil, J. (Breslau) 1086. 
Weil, R. (New York) 269. 
Weil, S. (Breslau) 270, 687, 
1616. 

Weiler (Berlin) 1282. 
Weinberg 458, 


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Weinberg, B. (Zürich) 614. 
Weinberg, M. (Halle a. S.) 
1579. 

Weinberg, W. (Stuttgart) 78. 
Weinberger (Wien) 859. 
Weinbrenner (Coblcnz) 220. 
Weinbrenner (Magdeburg) 
755, 900. 

Weiner, S. (Davos) 1632. 
Weinert (Bonn) 1528. 
Weinfurter, F. 1127. 
Weingaertner 1477. 
Weingaertner (Berlin) 1336, 
1710, 1821. 

Weinländer (Wien) 142, 647. 
Weintraud(Wiesbaden)l7l7, 
1777. 

Weirauch, K. 1577. 
Weisbacb, W. (Freiburg) 758. 
Weiser (Wien) 1825. 

Weiser, E. 1650. 

Weiser, E. (Prag) 1554. 
Weishaupt, E. (Berlin) 411, 
466, 1293. 

Weispfenning (Hamburg) 
1529. 

Weiss (Hamburg) 42. 

Weiss (Wien) 1148, 1149. 
Weiss, E. (Tübingen) 121. 
Weiss, H. (Barmen) 1467. 
Weiss, J. (München) 120. 
Weiss, M. 266, 557. 

Weiss, 0. 985, 1797. 

Weiss, R. (Freiburg) 84. 
Weissbrem (Hamburg) 1141, 
1201. 

Weisswange (Dresden) 1340, 
Weisz, E. (Pistyan) 763. 
Weith 801. 

Weitz (Tübingen) 958, 1899. 
Weizsäcker (Heidelberg) 286. 
Wcleminsky, F. (Prag) 825. 
Wells, II. G. 1280. 
Weltmann, 0. (Wien) 1424, 
1469. 

Welz (Breslau) 366, 716. 
Welz, A. (Frankfurt) 462. 
Wenckebach (Strassburg) 
669. 

Wenckebach (Wien) 1966. 
Wende (Berlin) 1289. 
Wendel (Magdeburg) 816. 
Wendel bürg, F. 1225. 
Wendenburg, F. (M.-Glad¬ 
bach) 170. 

Wendt 845. 

Wenglowski, R. 612. 
Wengraf, F. (Brünn) 364. 
Wenkebach, K. F. (Strass¬ 
burg) 956. 

Weniges, M. (Cöln) 758. 
Wentzel, K. (Pforzheim) 603. 
Wenzel (Magdeburg) 1045. 
Werdenberg (Basel) 33. 
v.Werdt,F. (Innsbruck) 1632. 

! Wennei, S. (Moskau) 381. 

I Werner 847. 

t Werner, H. (Hamburg) 168, 
564, 1047, 1088. 

Werner (Heidelberg) 816, 
1003, 1144, 1564. 

Werner (Jena) 1752. 
Werner (Wien) 1825. 
Werner, F. 803. 

Wernstedt, W. (Stockholm) 
710. 

Werschinin, N. 26. 
zur Werth 1821. 

Wertheim (Berlin) 1560 
Wertheim (Warschau) 771. 
Wertheim (Wien) 848. 
Wertheim - Salomonson, 

J. K. A. 1371. 

Werther (Dresden) 1131,1429 
Weselko, 0. 1371. 

Weski (Berlin) 712. 

Wessely (Würzburg) 1440. 

5 * 


Original ffom 

UMIVERSITY OF IOWA 





1988 


BERLINER KLINISCHE W0CHENSCHR1ET. 


Wessler, H. (New York) 843. 
West (Berlin) 371, 1336, 
1559, 1633, 1634. 
Wcstenhöfer 469, 1053. 
Westphal, K. (Altona) 989. 
Wetterer, J. 937. 
v. Wettstein, R. 1465. 
Wetzel, A. 1551. 

Wotzel, A. (Heidelberg) 
266. 

Wetzel, E. Strassburg) 364. 
Wetzel, M. (Marburg) 1425. 
Weydlcr (Basel) 186. 

Weyert (Posen) 273. 
Weygandt (Hamburg) 365, 
623, 1045, 1338, 1553, 
1949. 

de Whceler, W. J. (Dublin) 
465. 

WhelaD, J. H. (Cardiff) 
1128. 

Whipple, G. H. 169. 
Whitehouse, H. B. (Birming¬ 
ham) 803. 

Whitelegge, W. A. 368. 
Whyte, D. (London) 412. 
Wich mann (Hamburg) 909, 
1038, 1327, 1599. 
Wichmann (Helsingfors) 803, 
1919. 

Wiek (Habaul) 1132, 1472. 
Wickham (Paris) 124. 
Wideröc (Kristiania) 1821. 
Widmer, C. 1129. 

Wiebrecht (Braunschweig) 
1528. 

Wiechowski (Prag) 864. 
Wiedemann, G. (Königsberg) i 
1128. | 
Wiedemann, H. (Petersburg) : 
899. 

Wiedehoff, 0. (Heidelberg) 

1874. 

Wiedhopf 898. 

Wiedbopf (Heidelberg) 1341. 
Wieland, E. (Basel) 942, 

1875. 

Wienecke, E. 1464. 

Wiener, C. (Budapest) 557. 
Wiener, H. (Prag) 76. 
Wiener, 0. (Prag) 722. 

Wiens 1946. 

Wienskowitz,H. (Wiesbaden) 
1725, 1743. 

Wierzejewski (Posen) 995. 
Wiesel (Wien) 1147, 1966. I 
Wiesel, J. 1083. 

Wieselink 1876. 
v. Wieser, Frh. (Wien) 845, 
911. 

Wiesinger (Hamburg) 1391. 
Wicting-Pascha (Konstanti¬ 
nopel) 123, 845, 1528. 


Wilbert, M. J. 218. I 

Wildbolz (Bern) 1248. 
Wildborts (Paris) 1097. 
Wildbrand, E. (Hamburg) 

1375. 

Wilbrand, H. 359. 

Wilbur (San Francisco) 844. 
Wildegans 1474. 

Wildermuth, F. (Halle) 895, 
1945. 

Wile, U. J. (Michigan) 1748. 
Wiienko 360, 424, 569, 

1649. 

Wilhelm, M. (Weisscnsec) j 
1581. 1 

Wilkinson, W. C. 986. j 
Willer (Berlin) 1290. ; 

Willigo, H. (Halle) 896. 
Wilmans 1821. 1 

Wilms 960, 1144, 1248, | 

1428. I 

Wilms (Heidelberg) 760, 815, j 
898. 

Wilson, A. C. 27. 

Wilson, E. 985. 

Wilson, W. (Manchester) 83. 
v. Winckel, F. 1070. 
Winckler, E. (Bremen) 1246. 
Windaus, A. 939. 

Winkler (Ingolstadt) 910. | 

Winkler (Jena) 1283. 

Winkler, H. (Berlin) 797. j 
Winkler, H. (Hamburg) 43. j 
Winkler, M. (Luzern) 1529. I 
Winter (Freiburg) 1565. 
Winter (Königsberg) 575, 

1376. | 
Winter, F. (Barlin) 27. 
Winterberg, H. 219. 
Winterberg, H. (Wien) 1082. 
Winternitz (Halle a.S.) 1046, 

1756. 

Winternitz, J. (Wien) 647. 
Wintz (Erlangen) 1440. 
Wintz, E. (Erlangen) 757. 
Wintz, H. (Erlangen) 415, 
900, 1582. 

Wirth (Berlin) 123. 

Wirth (Wien) 954. 

Wischer, H. (Charlottcnburg) 
408. 

Wisselink 367. 

Wissmann 1922. 

Wissmann (Strassburg) 1563. 
Wiszwianski 31. 

Wiszwianski (Berlin) 662. 
Withington 896. 

Witte (Hannover) 1283. 
Wittek (Graz) 813. 
Wittenberg, M. 25. 

Wittig (Kiel) 1339. 

Wittrock (Deutschostafrika) | 
714. 


Witzei (Düsseldorf) 954, 

1102. 

Woglom, W T . H. 937. 
Wohlauer (Berlin) 1472. 

Wohl au er (Charlotten bürg) 
911. 

Wochler, L. 1182. 

Wohlgemut (Berlin) 420, 
1103. 

Wohlgemut, Julius 1947. 
Wohlwill 1084. 

Wohlwill, F. (Hamburg) 285, 
362, 671, 1373. 

Wokcr, G. 25, 1708. 

Wolf (Berlin) 422. 

Wolf, II. F. 1688. 

Wolf, L. (Berlin) 66, 942. j 

Wolf, W. 1429. I 

Wolff 555, 1523. | 

Wolff(Berlin) 660, 909, 1534, 
1612. 

Wolff (Frankfurt) 1094. 

Wolff (Reiboldsgriin) 415. f 
Wolff (Strassburg) 669,1563. 1 
Wolff (Wiesbaden) 1900. j 
Wolff, A. 75. 

Wolff, H. (Potsdam) 464. . 

Wolff, J. (Berlin) 1247. ! 

Wolff, L. K. (Amsterdam) ! 

1749. , 

Wolff, M. (Berlin) 229, 875, ' 
1133, 1190, 1496. 

Wolff, S. (Wiesbaden) 122, 
170, 666. 

Wolff-Eisner 1134. 
Wolff-Eisncr (Berlin) 1243, 
1845. 

Wolffenstein, W. (Charlottcn- 
burg) 1232. 

Wolfsohn, G. 166, 1883. 
Wollenberg (Berlin) 229, 
230, 548, 568, 763, 852, 
1384. 

Wollmann, E. 1127. 
Woloschin, E. 1651. 

Wolpe (Smolensk) 1374. 
Wolter, F. (Hamburg) 1621. 
Wolter, Friedrich 1945. 
Wolzendorff( Wiesbaden) 237, 
907. 

Wood 895, 940. 

Woodward II. M. M. 80. 
Wormel, S. (Moskau) 366. 
Wörner, H. (Frankfurt) 940. 
Woronysch, M. (Wien) 1376. 
Worst 941. 

Wossidlo 82, 467, 569, 914, 
1053, 1535. 

Wrede (Jena) 771, 1535. 
Wrede, L. 1947. 

Wright, Sir A. E. 269. 
Wright, B. L. 76. 

Wrobel (Breslau) 180. 


Wrzesniowski, W. (Czen- 
stochau) 771, 1948. 

Wulf, G. (Zittau) 1328. 
Wullstein (Bochum) 771, 
1104. 

Wundisch (Berlin) 1290. 
Wurm (Berlin) 1879. 

Wurtz (Paris) 1188. 
Wydler, A. 1556. 

Wyeller fBasel) 124. 


Y. 

Yagi, S. 841. 

Yas Kuno 1797. 

Yearsley, M. (London) 318. 
Yokoyama, Y. (Schöneberg) 
168, 363. 

Yorke, C. (Liverpool) 1332. 
Yorke, W. 412, 1279. 


z. j 

Zacharias, G. 710. I 

Zacharias, G. (New York) 
1227. 

Zade (Heidelberg) 705. 
Zadek, J. (Neukölln) 1426. 
Zagorowsky, P. (Kiew) 610. 
Zahn 1650. 

Zahn, A. 266. 

Zahn, W. (Berlin) 1278. 
Zahradnicky (Deutschbrod) 
955. 

Zalewski (Breslau) 847. 
Zalowiecki (Leipzig) 1561. 
Zandukeli, M. (Petersburg) 
1249. 

Zanelli, C. F. 1083. 

Zange, J. (Jena) 798, 804, 
1373, 1535. 

Zangerneister, W. (Marburg) 
843. 

Zänker, W. (Barmen) 404. 
Zappert (Wien) 674. 

Zarfl (Wien) 379, 478, 

858. 

Zarzycki, S. (Wien) 707. 
Zbyszewski, L. 1372, 
Zdobnicky, V. 705. 

Zeemann 1378. 

Zeidler, H. (Petersburg) 943. 
v. Zeissl (Wien) 433, 495. 
Zengerle (Ravensberg) 1472. 
Zerner (Berlin) 133. 


Zesas, D. G. 612. 

Zesas, G. 1282. 

Ziegler (Berlin) 912. 
Ziegler (Freiburg) 671,1392, 
Ziegler, J. (Kiefersfelden) 
1688. 

Ziehen, Th. 800, 840. 
Zielinsky, W. (Berlin) 622, 
Ziemann (Berlin) 328, 369, 
416, 1558. 

Ziembicki (Lemberg) 1875. 
Ziemssen (Berlin) 371, 764. 
Ziesche (Breslau) 664. 
Zietz (Berlin) 1879. 
Zilkens, K. (Cöln) 459. 
Zimkin 1527. 
Zimmermann 30. 
Zimmermann (Jena) 1920. 
Zimmermann, R. (Erlangen 
1279. 

Zingerle, H. (Halle) 896. 
Zink 707. 

Zinn 1475. 

Zinn, W. 1650. 

Zinner, A. 943, 1087. 
Zinsser (Cöln) 33. 
Zondeck, H. (Freiburg) 185, 
1581. 

Zondek 468. 

Zondek, B. (Berlin) 1574. 
Zondek, H. 1184. 

Zondek (Berlin) 35, 570, 
914, 946, 1882. 
Zoeppnitz (Kiel) 810, 169!. 
Zoeppnitz (Güttingen) 855, 
1279. 

Zörning, H. 359. 
v. Zubrzycki 798. 
Zuckerkandl(Wien) 142,577, 
1148. 

Zuckerkandl, 0. (Wien) 
1651. 

Zuckraayer, F. 1371. 
Zuelzer (Berlin) 1384. 
Zuelcbauer, W. (Berlin) 
986. 

v. Zumbusch, L. 613. 
v. Zumbusch (München) 428, 
Zuntz (Berlin) 621, 622. 

764, 821, 1559. 

Zunz, E. (Brüssel) 122. 
Zuppinger, H. 796. 

Zusch (Danzig) 864. 
Zweifel (Jena) 414, 755 899, 
1749. 

Zweifel (Leipzig) 1562,15(8, 
1751, 1849. 

Zweifel (München) 220.847. 
Zweig 1426. 

Zweig, W. 169. 

Zwicke 564. 

Zwi Ringer, H. 1049. 
Zypkin, S. M. 345. 


Digitized by C^cuoie 


Original from 

UNIVERSUM OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1989 


A. 

Aalblutserum, Wirkung des A. auf das tierische 
und menschliche Auge 473, 1377. 
Abbaufermente s. Fermente. 

Abbaureaktion s. Abderhalden’s Dialysicrver- 
fahren. 

AbbiJdungskonstante, Sampson’s graphische Ab¬ 
leitung der A. und ihre Anwendung auf die 
Fernrohrbrille 33. 

Abbot oder Calot? 814. 

Abdomen, 301 perforierende Stichverlctzunzen 
des A. 899. * 

— Schussverletzungen des Thorax und A. 1230. 
Abdominalerkrankung, Differentialdiagnose von A. 

auf Grund von Symptomen des vegetativen 
Nervensystems 462. 

Abdominalhöhle, Adhäsionsbeschränkung in der 
A. durch Hirudinbehandlung 1429. 
Abdominalkontusion durch Hufschlaff nach 
24 Stunden 1376. 

Abdominallyraphe, Einfluss verschiedener Nähr¬ 
stoffe auf Zahl und Art der in der A. ent¬ 
haltenen farblosen Blutzöllen 863. 

Abdominalmassage, instrumenteile 842. 
Abdominaloperationen, Indikation zur Anwen¬ 
dung der Lokalanästhesie bei A. 907. 
Abdominalorgane, Anatomische Veränderungen 
der Brust- und A. nach intraperitonealer 
Campherölinjektion 411. 

— parenchymatöse, freie Fettransplantation bei 
Blutungen der A. 711. 

Abdominaltumoren, Lokalisation von A. mit 
Hilfe der topographischen Gleit- und Tiefen¬ 
palpation 557. 

Abducenslähmung reflektorischen und otitischen 
Ursprungs 31. 

Aberglauben, psychopathischer 1688. 
Abhandlungen, Gesammelte A. von Max Kasso- 
witz 1610. 

Abort, Bericht über 593 A. 32. 

— fieberhafter, Behandlung des A. 1142, 1283. 

Wie kann man üble Ausgänge bei A. am 
besten vermeiden? 847. 
künstlicher und Sterilisation 141, 669. 

— und landwirtschaftliche Erntearbeiten 83. 
Zunahme der A. in den Berliner städtischen 
Krankenhäusern 451. 

— Gasphlegmone nach kriminellem A. 1920. 
Abortversuch mit Safrantinktur 1773. 

Abortzange, neue 284. 

Abscess, Behandlung der A. mit Spreizfedern 
1103. 

kalte, Behandlung der A. mit Beck’scher 
Paste 237. 

Multiple unabhängige A. der Leber und Lunge 
nach Amöbendysenterie 1567. 
paranephritischer, Cystoskopische Demonstra¬ 
tion eines nach der Blase durchgebrochenen 
1564. 

stinkende, neue Behandlung von A, 1103. 
Absinthessenz, Dosierung der A. zur Hervorrufung 
epüeptischer Anfällen bei Hunden 1527. 
Abtreibung, kriminelle, Luftembolie bei A. 1376. 
Abtreibungsfall, sonderbarer A. 1689. 
Abwasserbeseitigung bei Gartenstädten, bei länd¬ 
lichen und bei städtischen Siedlungen 25. 
Abwehrfermente s. a. Fermente. 

— beim Dialysierverfahren nach Abderhalden 
1129. 

Experimentelle Beweise für das Vorkommen 
von A. unter verschiedenen Bedingungen 1688. 

— Zur Frage der A. 1469. 

— Herkunft der A. 670. 

Nachweis der A. mittels gefärbter Substrate 
895. 

— Verwendung der Vordialyse auf A. mittels 
des Dialysierverfahrens 895. 

— des tierischen Organismus gegen körper-, blut- 
plasma- und zellfremdc Stoffe 1040. 


2. Sach-Register. 

>ie fettgedruckten Zahlen bedeuten Originalartikel 

Abwehrfermente, Neue Methode zum Nachweis 
der A. 1145, 1579. 

— Nachweis von A. in antibakteriellem Immun- 
serura 1327. 

—- Nachweis der Wirkung spezifischer A. im 
histologischen Schnitt 1688. 

— Passive Uebertragung der sog. A. 1225. 

— Spezifität der A. 364, 461, 959. 

— Spezifität der A. mittels der optischen Methode 
1798. 

Acardiacus anencephalus mit partiellem Defekt 
beider Müller’scher Fäden 847. 

Accessoriuslähmung durch Stichverletzung 80. 

Acetessigsäurebildung aus Essigsäure 25. 

Aceton, Qualitativer und quantitativer Nachweis 
des A. 555, 986. 

Acetonämie, Periodisches Erbrechen mit A. 1874. 

Acetonalzäpfchen bei der Proctitisbehandlung 
356. 

Acetonkörperbildung und Leber 76. 

Achillessehne, Doppelseitige, knotenförmige De¬ 
generation der A. 711. 

Achondroplasie, Demonstration eines Falles 1671. 

— Wesen und Werden der A. 646. 

Achorion, Beziehung zwischen A. Schönleinii und 

A. Quinkeanum 169. 

Achylia, Gastrogene Diarrhoen und das Vor¬ 
kommen von A. pancreatica bei A. gastrica 
1874. 

— gastrica, organische und funktionelle 1600. 

Acidose mit Coma ohne Diabetes 1490. 

— diabetische, Bestimmung der A. durch Unter¬ 
suchung der Kohlensäurespannung der Lungen¬ 
luft 1375. 

— extremste A. im Verlaufe des Diabetes mellitus 
1526. 

Acoin, Wirkung des A. bei subconjunktivaler In¬ 
jektion 1530. 

Adalin im Hochgebirge und in heissen Ländern 
1467. 

Adam-Stokes’sche Krankheit, ventrikuläre Pausen 
und Schwindelanfälle bei der A. 461. 

Adaptometer 910. 

Addison’sche Krankheit durch Opotherapie ge¬ 
heilt 1567. 

-Pigmentbildung bei der A. 413. 

Adenoidentypus, Wert des Ausdrucks: A. 270. 

Adenom aus Inselzellen im Pankreas 987. 

— malignes, des rechten Taschenbandes 669. 

— sebaceum und Epilepsie 1149. 

Adenomyomo der Tubenoberfläche 1142. 

— sogenannte, des weiblichen Genitaltraktus 
847. 

Adenosarkom, embryonales der N. 364. 

Adenosin, Stoffwechselversuche mit A. und 
Guanosin 1524. 

Aderhaut s. a. Chorioidea. 

Aderhautsarkom 764. 

— melanotisches 719. 

Aderverkalkung ohne Arteriosklerose 663. 

Adhäsion, peritoneale, Vermeidung ders. 1105. 

— — Behandlung ders. 409. 

Adigan, ein neues Digitalispräparat 1278. 

Adipositas universalis, Behandlung der A. mit 
Leptynol 1042. 

Adlernase, Operation der A. 1428. 

Adnexe, Spontanabtrennung der A. 900. 

Adnexerkrankungen, chirurgische Behandlung der 
chirurgischen A. 1557. 

Adrenalin, Gegenseitiger Synergismus von nor¬ 
malem Serum und A. am Froschgefäss 1846. 

— Findet im Körper eine Zerstörung von A. 
durch Jod statt? 755. 

— Wirkungen des A. 986. 

— Wirkung auf die peripherischen Gefässe 1080. 

— als physiologisches Gegengift für Morphin 556. 

Adrenalinatherom, experimentelles 1327. 

Adrenalinglykosurie beim Menschen 558. 

Adrenalin-Pituitrinbehandlung 1278. 

Aequivalente, nervöse, im Säuglingsalter 1581, 


Aerzte, Von Aerzten und Patienten, Plaudereien 
1611. 

Aerztetag, 40. deutscher in München 1298. 

— Stimmungsbilder und Lehren vom 40. Ae. 1845. 
Aerztliche Friedensarbeit im Kriege 1674. 

— Praxis, Therapeutische Technik für dies. 1649. 

— Recht 1552. 

— — deutsches, Grundriss, 1371. 

— Rechtsfragen zur Kriegszeit 1766. 

— Sachverständigentätigkeit, Der Krieg und die 
ä. S. 1773. 

Aetherdampf, Intorpharyngeale Einführung von 
warmem Ao. durch die Nase 1581. 
Aetberinsufflation, intratracheale 123. 
Aethernarkose, intravenöse 1527. 
Aethylalkoholintoxikation, Chronische Augenbe¬ 
funde bei A. 563. 

Aethylhydroeuprein bei Ulcus serpens 1560. 
Aetzungen, intrauterine 843. 

Affe, Neurotische und psychotische Zustände 
bei A. 1292. 

Afridolseife 1514. 

Afterenge, angeborene 463. 

Agglutination, Versuche über Benetzung,Emulsion, 
A. 607. 

Agglutinine, Avidität der A. 1106. 

— Differenzierung einzelner Hefearten mit Hilfe 
spezifischer A. 1483, 1836. 

— Einwirkung von Thorium X-Injektion auf A. 

209. 

— Wärmeresistenz von normalen und Immun-A. 
268. 

— Ueber A. und über Säureagglutination 1481. 
Agglutinationstiter bei Infektionskrankheiten 1581. 
Agnathus mit Synotie 608. 

Agrammatismus, Perseveration und andere Me¬ 
chanismen als Ursache des A. 1083. 

Akinesie, metaparalytische psychogene 1479. 
Akne und eine neue erfolgreiche Behandlung 
derselben 215. 

Akrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer 
1331. 

Akromegalie 576, 854, 1244. 

— chronische, ohne Augensymptome 1245. 

— Fall operierter A. 471. 

— familiäre 669. 

— Kombination einer nicht kompletten A. mit 
sacro-lumbalcr Syringomyelie 626. 

— mit Neurofibromatose 1295. 

—■ Operative teilweise Zerstörung der Hypophyse 
1691. 

— als Folge von Tuberkulose der Hypophysis 
961. 

— und Organtherapie 171. 

Aktinomykose, Aetiologie der A. 472. 

— Aetiologie und Diagnose 1341, 1798. 

— des Bauchfells und der Genitalien 895. 

— Behandlung der A. mit Röntgenstrahlen 987. 

— Entstehung der A. 1282. 

— der Hornhaut 1284. 

— der Lunge und Pleura 1291. 

— primäre, der Lunge 859. 

— Fall von Mediastin&l-A. 1476. 

Albee’sche Operation, Technik ders. 1947. 
Albinismus beim Menschen 1370. 

Albinpuder 797. 

Albuminurie 1463. 

— Bedeutung der A. bei Tuberkulose 1426. 

— Fortschritte der Behandlung von A. und Ne¬ 
phritis 120. 

— gutartige 30. 

— nach Magenausheberung 1147. 

— lordotische, in den Schulen Lausannos 801. 

— orthostatische, Blutdruckbestimmungen bei 
Kindern mit A. 843. 

-Aetiologie der A. 170. 

— — Ren iuvenum. Beiträge zur Kenntnis der 
A. 24. 

— posttraumatische orthostatische 1901. 

— physiologische 849. 


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UMIVERSITY OF IOWA 



1990 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Albuminurie, transitorische, Auslösung derA. beim 
Menschen 1185. 

— — Künstlich erzeugte A. beim Menschen 1000. 

Aleudrin 120. 

Alexander-Adams’sehe Operation 223. 

Alloästhesie 31. 

Allorhythmien, Zur Theorie der A. 1707. 

Alopecia aroata 479. 

— parvimaculata Dreuw 801. 

— totale, nach Unfall 1822. 

Alkalitherapie, Experimentelles über A. 1520. 

Alkaloide in den Drüsen mit innerer Sekretion 
und ihre physiologische Bedeutung 1217. 

Alkaptonurie, Die Wassermann’sche Reaktion im 
Blute bei A. 221. 

Alkohol, Einfluss des A. im Balkankriege 1774. 

— Einfluss des A. auf Leber und Hoden des 
Kaninchens 78, 756. 

— Wirkung der einwertigen A. auf den über¬ 
lebenden Kaninchendarm 1525. 

— Wirkung der einwertigen A. auf das über¬ 
lebende Stäugetierherz 77. 

Alkohol-GeistesstöruDgen 554. 


Anämie, Kleine wiederholte Blutentziehungen bei 
schwerer A. 1250. 

— Konzentration des Blutserums bei A. und 
Blutkrankheiten 319. 

— Pathogenese und Therapie der A. 558. 

— Pathogenese einiger A. mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung der kryptogenetischen A. 585. 

— Was erreichen wir mit Milzexstirpation bei 
den verchiedenen Formen der A.? 1104. 

— chronische, der respiratonische Gaswcchsel 
bei A. 1044. 

— gravissima septica 461. 

— schwere, in der Schwangerschaft 333. 

— sekundäre, Anwendung kleiner Salvarsaudosen 
bei A. und Ernährungsstörungen 1423. 

— pernieiüse, 558, 1093. 

-Behandlung der A. 1231. 

— — Eiscnstoffwechsel bei A. 320. 

-Ein Friihsympton ders. 1579. 

— — Grosshirn Veränderungen bei ders. 1527. 

— — im frühen Kindesalter 1470. 

— — kryptogenetische 855. 

— — Einfluss der Milzextirpation auf die A. 760. 


Anatomie, vergleichende mikroskopische, der 
Wierbeltiere 216. 

— mikroskopische, Lehrbuch der Histologie und 
der A. 118. 

Anencephalie, Diagnose der A. mit oder ohne 
Hydrocephalus vermittels der Untersuchung 
der Transparenz des Schädels 1045. 

Aneurysma, Behandlung des A. 1774. 

— Indikationsstellung bei Operation der A. und 
bei Gefässverletzungen 31, 270, 612. 

— Partieller Verschluss der grossen Arterien bei 
der Behandlung des A. 961. 

— Wachstum uüd Perforation von A. 649. 

— durch Schussverletzung 1800. 

— Kriegs-A. und deren Behandlung 1925. 

— — abdominalis 1339. 

— — — mit Heilungstendenz 1578. 

— arrodiertes, in einer Lungencaverne 625. 

— arteriae hepaticae 364, 1586. 

— arteriovenosum der Brachialarterie 1901,19G5. 

— der Carotis externa 1339. 

— embolischcs, als Komplikationen der akuten 
Endocarditiden 1082. 


iUkohoiikerf ResistenzböstimmungCD der Erythro- I-Behandlung der A. durch Milzexstirpation. 1 - racemosum der Art. maiillar. ert. 1394. 


cyten bei A. 1098. 

Alkoholinjektion, Keratitis neuroparalytica infolge 
einer A. in den Nervus maxillaris 1612. 

Alkoholisrous und Tuberkulose 1425. --- --- 

Alkoholkriminalität der Jugend Bayerns 760. j Zunge und des Gaumens, ein Iriihsymptom 
Alkoholvergiftung, Anatomische Veränderungen der A. 318. 

im Herzen bei akuter und chronischer A. 1278. I — — der Pferde 988. 

Alkoholwirkung, Spezifität der A. 940. ! -während der Schwangerschaft 367. 

Alter, Uebor die Kunst, alt zu werden 1649. | — — Thorium X bei A. 153. 

Altersstar, s. a. Katarakt. ,-und sekundäre 285. 

— Antitrypsingehalt des Blutserums bei A. 993. j Anästhesie, Lcitungs-A. in Gynäkologie und Ge- 


Postoperatives reichliches Auftreten von Jolly- ! sogenannte falsche 1949. 
körpern 546. I — traumatieum 711, 1949. 

-Splenektomie bei A. 94. -Verletzungen und A. der Arten» glutaca 

-Periodisch auftretendc Empfindlichkeit der sup. et inf. s. ischiadica 560. 

" ' Anfälle, Die gehäuften kleinen A. 1733. 

| Angiers Emulsion in der Frauenpraxis 465. 
j Angina pectoris 1129. 

I — — Neuralgische Form ders. 1708. 

Vincenti, Salvarsanbehandlung der A. 109* 


Angioeavernom des Arms 719. 
Angioliposarkom der Niere 895. 

Angioma venosum racemosum der linken motori- 
I sehen Region 1848. 

für Lokal-A. in j Angiome, tiefliegende, schmerzhafte A. der Ex¬ 
tremitäten 1566. 

— peritendinöse 270. 

Anilinfarbstoff, Hemmende und abtötende Wirkung 
von A. auf augenpathogene Keime 562, 993. 
nanuiu suiiuuvu.h -u*. , Anionen, Wirkung einiger A. auf den isolierten 

regionäre, bei Frakturen der unteren Extromität I Froschventrikel 1041. 

414. j Ankylosenoperation 812. 

Ankylosis mandibulae, Operation ders. 1653. 


burtshilfc 1095. 

Dauer-A. 1393, 1555. 

Feld- und Lazarettapparat 
Masscnanwondung 1822. 
lokale 1392. 

— in Massen 1734. 

— in der Augenheilkunde 
Kalium sulfuricum 562. 


mit Novocain i 


Altersthyrcoidismus 1100. 

Altersweitsichtigkeit und Altcrsstar, Entstehung 
ders. 1799. 

Alttuberkulin, Verhalten des Koch'schen A. bei ] 
gesunden Tieren 412. j 

Alveolardiphtherie 1329. 1 

Alypin, Ein falsches Inserat über A. 408. 

Alzheimer’sche Krankheit 183, 999. | 

Amaurose nach Blepharospasmus 573. j 

Ambard’sche Konstante, Herabsinken ders. unter 

die Norm 1490. I — bei Operationen in der Mundhöhle 1229. 

Amenorrhoe, Behandlung ders. 1530, 1847. i — parasacrale 270. 

— Behandlung mit Hypophysenextrakten 1599. — pneumatische Lokal-A. 1849. 

— 4 jährige A. nach Atmocausis, ausgetragene | — in der Urologie 1201. 

Gravidität, Geburtsbeendigung durch Uterus- { Anacsthctica, Wirkung der A.bei subconjunctivalcn 
entfernung 272. | Injektionen 1530. 

— und Phthise 465. Anaphylaktische und apotoxischeVergiftung 1798. 

Aminoazobenzole, Epithelisicrendc Wirkung der Anaphylaxie, alimentäre für Eier 461. 

\ 1451. J — Beziehungen zwischen A., Urticaria und pa- 

Aminosäure, Abbau aromatischer A. bei normalen j renteraler Eiweissverdauung 1082. 

und Alkaptonurie 184. 1 — Einfluss der A. auf Stickstoff-Stoffwechsel bei 

— - Abbau und Glykokollbildung 1467. I Kaninchen 1632. 

— Ausscheidung nach Verabreichung von Pep-- — generalisierte 1129. 
tonen als Diagnosticum bei Leberinsuffizienz j — gewebliche 412. 

648. — Mechanismus der A. 1279. 

— Bildung der A. 622. — bei Meerschweinchen nach Einspritzung gc- 

— freie, Nachweis der A. im Blut 360. i rinnungshemmender und beschleunigender 

— Identifizierung der aus Proteinen der Nerven- I Substanzen 609. 

Substanz gewonnenen A. von der Zusammen- ; — passive, gegen Blutungen bei Typhus 1567. 

setzung C e H 13 N0 2 26. — primäre, bei wiederholter Diphtherieserumin- 

— titrierbare, im Magensaft 122. | jektion 1044. 

— -Wirkung 1383. , — Temperatur bei der aktiven A. 269. 

— Wirkung der A. auf die Magensaftsekretion 1 — Theorie der A. und Abderhalden sehen Rc- 

122. ' aktion 807. 

Ammoniak, Dickdarmverätzung durch A. 1878. j — und Antianaphylaxie bei der infantilen Tu- 

— und Gesamtstickstoffausscheidung, Verhältnis berkulose 560. 

ders. im Urin bei Reisfütterung 1555. i — und intracutane Injektion 1559. 

Amübenbefund in Kiefcreystc 1049. I — -Gefahr bei der Serumbehandlung des Tetanus 

Amöbendysenterie, Emetin bei A. 187, 1088. 1876. 

— Multiple unabhängige Abscesse dor Leber und * Anaphylaxieversuche 1433. 

T_ _1. * lü« I A nnr.livlnl-AvinV\il<1imr< 


Ankylostomaanäraie, Behandlung ders. 1526. 
Ankylostomiasis 1562. 

Ankylostomum duodenale im Darminhalt 94. 
Anomalien, konstitutionelle, Sozialraedizinischc 
Bedeutung der A. nnd Krankheiten 75, 408. 
Anosmie und Enophthalmus traumaticus J876. 
Anschluss-Handapparat für Elektroden 1772. 
Antennen, Haben die A. für die alternierende 
Sfcridulation von Thamnotrizon apterus Fab. 
eine Bedeutung? 75. 

Anthrax, Fall von A. geheilt durch Salvarsan D64. 
Antianaphylaxie 1782. 

Antidiphtherieserum, Therapie des Erysipels mit 
A. 1898. 

Antiforminmethode, Technik der A. 273. 
Antigene von Wassermann, Wirksame Bestand 
teile der A. 707. 


Das ungiftige A. ^ 


Antigenreaktion 648. 

Antigonokokkenvaccin, 

Dr. NieoILe 362. t 

Antihammelblut-Kaninchenserum, Giftigkeit 
genetischer und heterogenetischer A. <“• 
Antikörper, Evolution der A. 268. 

— und Rival ta sche Serumblutreaktion 3o4. 
Antimon, Physiologische Wirkung des fünfwertigen 

A. (Leukonin) 1649. 

Antisensitisation 269. 

Antisera, giftige 370. 

Antiskierosin in der Praxis 1554. 


Lunge nach A. 1567. 

Amöbenenteritis 714. 

Amöbenruhr, Uzara bei A. 1472. 

Amputatio supramallcolaris ostcoplastica 1875. 
Amputation, Technik der A. 954. 

Amusie und Aphasie 1633. 

Amylasegehalt des Urins 844._ 

Amyloid und Bindegewebe 987. 

Anabiose bei Tieren 191. 

Anämie 706. 

— Biermer’sche A. 1139. 

— Cholestcrinäniie und Resistenz der Blut¬ 
körperchen bei A. 1946. 


Anaphylatoxinbildung, Mechanismus der A. 1169. j Antitoxin, Verhalten des A. im anaphvlakusi 
Anaphylatoxinfieber, Gesamter Energie- und j Tier 758. 

Stoffumsatz beim aktiven anaphylaktischen j — und Schilddrüse 121. 
und beim A. 607. ; — in der vorderen Augenkammer l-«.4- 

Anastomose, Arterio-venösc A. am Oberschenkel i Antitrypsinbestimmung, Wert der A. in 
nach Schussverletzung 1825. kologie und Geburtshilfe 1557. 

Anatomie, Atlas der descriptivcn A. des Men- Antitrypsinmethode, Bedeutung ders. für me- 

J sehen 1769. ' " * ’ «w.- • u -' 

[ — des Menschen 1223. 

! — Handatlas der A. des Menschen 1182, 1183, 

1769. 

| — chirurgische 1610. 

j — pathologische, Taschenbuch der A. 1041. 


logische Schwangerschaftsdiagnosük * ■ 

Antrumoperation, Osteoplastischer ve ' 
; retroauriculärer Oeffnungeo nach A. 

1 Anurie, Nierenfunktion bei der durch ic ^ 

I vorgerufenen A. 158. 

! — von 20 Tagen 812. 


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UNiVERSITY OF IOWA 



ßERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1991 


Anurie, totale, bei Eklampsie 184. 

Anus, Paget’sche Erkrankung am A. und Geni¬ 
tale 238. 

— praeternaturalis, Verhütung der Spornbildung 
bei A. 674. 

-Definitiver Verschluss des A. 271. 

-permanens, Technik des A. 82. 

Aorta, Atherosklerose der A. beim Kaninchen 
1578. 

— Struma und Hyperthyreoidismus im Gefolge 
von Dilatation und Aneurysmen der A. 322. 

— Thrombose der A. und beider Iliacalartericn 
infolge einer Streptokokkeninfektion der Nabcl- 
vene 987. 

— abdominalis, Aneurysma der A. und der 
Iliaca 43. 

-Aneurysma der A. 1152. 

-Embolus der A.; Operation; Heilung 81. 

— thoracica, Anstoss der Blutsäule in den 
Schlüsselbeinarterien bei Sklerose der A. 364. 

Aortenaneurysma 330, 668. 

— dissecierendes A. mit Paraplegie 1286. 

— mit Durchbruch in die Vena cava sup. 1150. 

— syphilitisches, Operationsversuche bei A*. 377. 

— Pulsus laryngeus ascendens bei A. u. Rectum- 
carcinom 625. 

— Syrapathieusaffektion infolge A. 954. 

— Operative Bedeutung dess. 1528. 

— Todesursachen bei A. 1688. 

Aortenatherosklerosc, Erhöhter Cholesteringehalt 
bei Entstehung der A. 1225. 

Aortenband, Diagnostische Bedeutung des ver¬ 
breiterten Aortenbandes 1471. 

Aortenerweiterung bei der Heller-Doehle’schen 
Aortitis 649. 

Aorteninsuffizienz nach schwerer Anstrengung 
1001. 

— Endotheltaschen bei A. 987. 

— nach Herzschuss 1653. 

— Systolischer und diastolischer Blutdruck bei 
A. 799. 

Aortenlues, Plötzlicher Tod bei A. 333. 

Aortenperforation, Fremdkörperverlctzung des 
Oesophagus mit A. 7. 

Aortenplastik aus der Carotis desselben Tieres 

1470. 

Aortenruptur, acute 1144. 

— geheilte 1095. 

Aortenstenose, Statistik der A. 135. 

Aphasie 334. 

— Behandlung der A. 321. 

— amnestische und transcorticale motorische 
1772, 1848. 

— und Amusie 1633. 

— und Geisteskrankheit 123. 

— bei Japanern 760. 

Die Leitungs-A. 844. 

— motorische, und Apraxie 30. 

— — mit Agrammatismus 658, 844. 

— — subcorticale 1391. 

— — Wiedererziehung bei A. 650. 

-transitorische 844. 

Aphthae tropicae s. a. Sprue 335. 

Apparat zur Bestimmung der Chloride im Harn 84. 

Apparate, neue elektrische, Oscillodor und Un¬ 
dostat 466. 

Appendicitis 1085. 

— acute, 560 Operationen bei A. 82. 

— — im Verlauf von Varicellen 270. 

-eitrige 1428. 

— Aetiologie der A. 845. 

Arbeiten über A. und verwandte Gebiete 1821. 

— Behandlung der diffusen Peritonitis bei A. 898. 

— chirurgische Behandlung der A. 366. 

— chron. Insuffizienz der Valvula Bauliini bei 
A. 1283. 

-und Skoliose 170. 

-Differentialdiagnosc ders. 1876. 

— Diagnose 1875, 1962. 

— Diagnostik der A. im höheren Alter 124. 

— Schwierigkeiten der Diagnose der A. 414. 

— Fehlerquellen der A.-Diagnose 996. 

— Erblichkeit der A. 82. 

— fibroplastica 1330. 

— Frühoperation mit Schluss der Bauchwand 
ohne Drainage bei A. 1376. 

— akute und Gravidität 761, 1331. 

— angebliche in der Schwangerschaft 1233. 


Appendicitis oder Hysteroneurasthenie? 1211, 
1271. 

— in Ostasien 1528. 

— allgemeine peritoneale Reizung bei A. 1097. 

— secundäre bei Scharlach 168. 

— seltene Art des Abseesses bei A. 770. 

— und Würmer 1046, 1504. 

— Wie vermeiden wir Irrtümer bei der Diagnose 
der A.? 1337, 1387. 

— Ursächliche Beziehungen zwischen Mandel¬ 
entzündung und A. 762. 

— Ursache der A. 1105. 

Appendicostomic bei schwerer Colitis 711. 
Appendix, Carcinom der A. 124. 

— primäres Carcinom der A. 1S5. 

—- Carcinom beim Kinde 1200. 

— Zur Chirurgie der A. 1330. 

— Einklemmung der A. 1428. 

— Eigentümlicher Befund in der A. 32. 

— Erkrankungen der A. nach Diphtherio 366. 

— gesunder und kranker 912. 

— mit Kotsein und Bandwurmgliedern 1340. 

— Anormale A.-Lagc 1556. 

— Die durch Oxyuris vcrmicularis hervorgerufenen 
Veränderungen in der A. und Genese der 
Appendicitis 168. 

— Physiologie der A. 1152. 

— Röntgenuntersuchung der A. 1429. 

— Spontanamputation der A. 374. 

— -Schlingenbruch 711. 

Appendixoperation Beschwerden nach A. 1428. 
Appendixperforation in die Flexur 1198. 
Appendixperitonitis, diffuse eitrige, Behandlung 
der A. 561. 

Appendixstein, abnorme Form von A. 40. 
Apraxie, Klinischer und anatomischer Befund zur 
Lehre von der A. und der „motorischen 
Sprachbahn* 559. 

— und Stirnhirnaffektion 226. 

— Lokalisation der A. 1527. 

Apyron bei Gelenkrheumatismus 556. 
Arachnodaktylie 611. 

Arbeiterkost,' Die A. und die Grundsätze der 
Ernährung 1721. 

Arbeiterversicherungsmedizin, Lehrbuch der A. 23. 
Argatoxyl, Wirkung des A. bei septischen Er¬ 
krankungen 172, 893. 

Argentum colloidale 1146. 

Arhythmia perpetua 1044. 

— — Einwirkung der Digitalis bei A. 956. 

— — Elektrocardiogramm der A. 79. 

Arhythmie, respiratorische, undVagusprufung 957. 
Armeekrankheiten, Lehrbuch der A. aus dem 

Jahre 1772 1473*. 

Armnerven, Schussverletzungen der A. 1761. 
Arsalyt bei Behandlung der Syphilis 576. 

Arsen, Schicksal des A. nach subcutancr und 
intravenöser Salvarsaninjektion 556. 
Arsenerythem 576. 

Arsenik, Einfluss des A. auf den Blutbefund 120. 
Arsenikesser und Arsenvergiftung 1751, 1773. 
Arseniklähmung 235. 

Arsenobenzol s. Salvarsan. 

Arsentriferrol, Verträglichkeit des A. bei Magen¬ 
krankheiten 22. 

Arsenverbindungeu, organische, Handbuch der A. 
166. 

Arsenwirkung 1150. 

— auf innere Organe 1277. 

Arteria axillaris, Naht der A. wegen Stichver¬ 
letzung 1148. 

— brachialis, Naht der A. und des N. medianus 38. 

— — Aneurysma ders. 

— — Aneurysma arteriovenosum derselben 1901. 

— centralis retinae, Veränderungen der A. bei 
Arteriosklerose 1332. 

— — — Sklerose, Thrombose und Aneurysma 
der A. 1332. 

— cerebelli post, inf., Atypischer Fall von Ver¬ 
schluss derselben 1555. 

— cilioretinaiis, Sogenannte Embolie einer A. c. 
1750. 

— femoralis, Aneurysma traumaticum der A. 334. 

— — Resektion derselben 1902. 

— hepatica, Aneurysma im Bereich der A. 364. 

— subclavia, Ligatur derselben 1903. 

Arterien, Palpabilität der A. 1633. 

— Ungewöhnliche Verkalkung der A. 1328. 


Arterienverpflanzung 1101. 

Arterionekrose beim Säugling 894. 

Arteriosklerose, Einfluss der Gemütsbewegungen 
und geistiger Ueberanstrengung auf das Herz, 
insbesondere auf die Entstehung der A. 319. 

— Entstehung der A. und der weissen Flecke 
des Mitralsegels 894. 

— Gestalt der Gefässlichtung bei der difiusen 
und knotigen A. 1278. 

— Heilverfahren bei A. 842. 

—■ Welchen Einfluss hat die Jodtherapie bei A.? 
842. 

— Mechanische Genese der A. 1043. 

— Missbrauch der Diagnose A. 1689. 

— Stoffwechselgenese der A. 1384. 

— Vergleichende Bewertung der Medikamente 
bei Hypertension der A. 557. 

— und Unfall 1087. 

Arteriosklerotische Herzerkrankungen, Prognose 
derselben 1469. 

Arteriovenöse Anastomose am Oberschenkel nach 
Schussverletzung 1825. 

Arthigon, Ueber A. 1708. 

— intravenöse Injektionen 408. 

— Behandlung des Trippers mittelst intravenöser 
A.-Injektionen 1473. 

— Blutbefunde nach intravenöser A.-Injektion 
1280. 

— bei gonorrhoischen Komplikationen 1473. 

— Wert intravenöser A.-Injektionen bei gonor¬ 
rhoischen Prozessen 28, 1747. 

— und Iritis 27. 

Arthritis, Entstehung der A. 1227. 

— acromialis traumatica 1102. 

— chronica 80, 230. 

— — Differenzierung der als A. geführten Krank¬ 
heiten 319. 

— cricoarytaenoidea sinistra 238. 

— deformans 1424. 

— — Entstehung der freien Gclenkkürper und A. 
1281. 

— — Rolle der Knorpelnekrosen in der Patho¬ 
genese der A. 1230. 

-im Lichte neuerer Forschung 1342. 

— — Mikroskopische Befunde bei A. 265. 

-Neues zur Pathogenese der A. 570. 

-Wesen der A. 170. 

-und Schilddrüse 626. 

— — juvenilis und eingesenktes kongenital 

luxiertes Hüftgelenk 170. 

-coxae 93, 1146. 

— — posttraumatica 574. 

— gonorrhoica 381. 

-Arthigonbehandlung der A. 179. 

— rheumatoidea, Stoffwechsel, Verhütung und 
erfolgreiche Behandlung der A. 942. 

— traumatica adhaesiva 84. 

Arthrodese, Technik der A. 812. 

Arthropathie tabetique, Ist die A. eine syphili¬ 
tische Erkrankung 1045. 

Arthrosen, angioneurotische 896. 

Arzneidrogen 359. 

Arzneimittel, Auffindung von A. 218. 

— Dosierung der A. im Kindesalter 1224. 

— neuere 556. 

— Problem der Einführung von A. in das Gefäss- 
system 237, 

— Uebergang von A. von der Mutter auf den 
Fötus 408. 

Arzneimittelkommission des Kongresses für innere 
Medizin 1060. 

Arzneimittelunwesen, Bekämpfung des A. 1145. 

Arzneiüberempfindlichkeit 558. 

Arzt und Schule 1611. 

Ascaris, Chirurgische Erkrankungen durch A. 1186. 

— Darmperforation durch A. 170. 

Ascariden in den Gallenwegen 321. 

Ascaridenerkrankung 460. 

— bei Kindern 170. 

Ascites, Beseitigung des A. 32, 1948. 

— Capillarpunktion des A. 1224. 

— Operation zur Beseitigung des A. bei Lebcr- 
cirrhose 673. 

— nicht tuberkulöser Natur bei chronischer 
Diarrhöe bei Kindern 1228. 

— Ventilbildung an der Harnblase zur Ableitung 
des A. 327, 368. 

— Dauerdjainage bei A. 1875. 


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1992 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ascitesdrainige, plastische 362. 

Asphyxie, Behandlung der A. 78. 

Aspirin-Löslich, Bemerkungen zum A. 73. 

Astereognose nach Schädelschuss bei intakter 
Sensibilität 1850. 

Asthenie-Enteroptose 1772. 

Asthma, Adrenalinbehandlung bei A. 1246. 

— Behandlung mit Hypophysenextrakt 120, 647. 

— bronchiale, Das Herz bei A. 1532. 

-Behandlung des A. und des chronischen 

Bronchialkatarrhes durch Inhalationen von 
Glycirenan mit dem Spiess-Verneblcr 733. 

-und Luftdruck 1798. 

— — Serumtherapie des A. 1128. 

-Endobronchiale Behandlung des A. 1049. 

— — Behandlung mit dem Endobronchialspray 
1478. 

— cardiale beim Kinde 1799. 

— nasale 1000. 

— nervosum, Atembehandlung des A. 769. 

Astralleuchtschirm, Haltbarkeit des A. 321. 

Asymmetrie, bilaterale, des Körpers 1384. 

Ataxie, Orthopädische Behandlung der A. 956. 

— Behandlung nach Frenkel und Maloney 1688. 

— cerebellare 222. 

— Familiäres Vorkommen von Friedreich'scher A., 

Myxödem und Zwergwuchs 1878. J 

Atembewegung und ihre Regulation bei den ; 
Panzerechsen 892. 

-bei den Eidechsen 892. i 

Atemlähmungen 80. | 

— Behandlung von A. mit Sauerstoffeinblasung i 
in die Luftröhre 986. 

Atemluft, Einfluss der A. auf den Eiweiss- und I 
Kohlehydratstoffwechscl 892. ! 

Atemverschiebung, Einfluss der Armschwere auf 
die A. im Laufe des Wachstums 31. j 

Athetosis, doppelseitige 1490. 

Atherosklerose 460, 1691. 

— der Aorta beim Kaninchen 1578. 

— experimentelle 410, 1619. 

— Mediaverkalkung und A. 1278. 

— Günstige Wirkung des Trunecek’schen an¬ 
organischen Serums bei A. 381. 

Atmocausis, 4jährige Amenorrhoe nach A. aus¬ 
getragene Gravidität 272. 

Atmung, Wirkung des Calcium auf die A. 27. 

— Effekt der manuellen künstlichen A. beim 
Menschen 1657. 

— Einfluss der A. auf Blutdruck und Plethysmo¬ 
gramm 663. 

— der künstlich durchbluteten Hundeleber 1467. 

— künstliche, neue Methode der A. 647, 1100. 

— — Ventilation bei ders. beim Menschen 1950.1 

— Terminale A. eines Warmblüters im abge- | 
sperrten Luftraum 1467. 

— Thorakal- und Abdominal-A. im Laufe des 
Wachstums 31. 

— Spirometrisehe Untersuchungen über die A. 
von Kindern bei abnormen mechanischen Be¬ 
dingungen 710. 

Atmungsgeräusch, vesikuläres, Entstehungswei.se 
des A. 1144. 

Atmungskurven, Veränderungen der A. bei Kin¬ 
dern mit spasmophilen Symptomen 1820. 

Atonia gastro-duodenalis acuta, sogen, arterio- 
mesenterialer Duodenalverschluss 1637. 

Atophan bei akutem Gelenkrheumatismus 91. 

— Blutharnsäure und A. 1847. 

— -Suppositorien 120. 

— Diazoreaktion im A.-Harn 1848. 

Atoxyl, Sehstörungen nach A. 1116, 1765. 

— Empfindlichkeit der Haut gegen Berührung 
mit A.-Lösung 714. 

Atresia ani vestibularis 953. 

— recti analis 858. 

Atrioventrikulartrichter, Physiologie des A. des 
Froschherzens 555. 

Atropin bei endo thorakalen Eingriffen 845. 

— Einwirkung des A. auf die Fleischverdauung 
des Hundes 119. 

— bei Behandlung kranker Kinder 1249. 

— bei Magenkrankheiten 362. 

— bei Dysmenorrhöe 362. 

— Einfluss des A. auf die eosinophilen Leuko- 
cyten 1372. 

Auge, Angst vor dem A. 377. 

— Ernährung des A. 372. 


Auge, Fehlerhafte Diagnosen am A. 722. 

— Einfluss der Massage auf das Verhalten der 
Tusche im A. 562. 

— Temperaturverhältnisse am A. bei Thermo- 
penetration 367. 

— Natürliche und künstliche Temperaturer¬ 
höhung am A. 371. 

— Saftströmung ira lebenden A. und in anderen 
Organen und ihre Messung 1922. 

— Entstehung angeborener Anomalien und Miss¬ 
bildungen im Säugetier-A. 652. 

— Veränderungen und Schädigungen der A. durch 

. die nicht direkt sichtbaren Lichtstrahlen 367. 

— Wirkung der ultravioletten Strahlen auf das 
A. 272. 

— Untersuchung der A. mitBewegungsreizen 1922. 

— Experimente zum pathologischen Flüssigkeits¬ 
wechsel des A. 1799. 

— Vitale Färbung mit Trypanblau am A. 33. 

— Weg und Mündung des intraocularen Saft¬ 
stromes am A. 473, 764. 

— Ueber die mit der Verdunkelung und Belichtung 
des A. verknüpften abnormen Bewegungen des 
Augapfels 563. 

— Filariosis des A. 83. 

— und Kopfschmerz 629. 

— Die hämatogene Metastase im A. 273. 

— Milzbrand der Augenlider des linken A. 667. 

— Experimentelle Sporotrichose des A. 562. 

— Tuberkulose des A. 427. 

— Erfolge mit Salvarsan am A. 993. 

— Behandlung der Pneumokokkenerkrankungen 
des A. mit Aethylhydrocuprein 1106. 

— Luftembolie im A. 1226. 

Augenbewegungen, abnorme willkürliche 1922. 

Augendruck, Abhängigkeit des A. von der Blut¬ 
beschaffenheit 1530. 

— und Blutdruck 1441. 

— und Glaukom 273. 

— Experimentelle Verminderung des A. 371. 

Augeneiterung der Neugeborenen 74. 

Augenentzündung, eitrige, interne Serumtherapie 

bei A. 410. 

— sympathische s. Ophthalmie. 

Augenerkrankungen, Kombination organischer und 

funktioneller A. 1922. 

— Subconjunctivale Injektionen von Nebennieren¬ 
präparaten bei A. 1922. 

Augengrund, Circumscripte grubenförmige Ektasie 
am A. 563. 

Augenheilkunde, Handbuch der gesamten A. 937, 

1670. 

— Chemotherapie in der A. 1922. 

— lokale Anästhesie in der A. mit Novocain- 
Kalium sulfuricum 562. 

Augenhintergrundsbefunde, seltene bei Jugend¬ 
lichen 993. 

Augenkammer, vordere, mikrochemische Be¬ 
stimmung von Kochsalz und Eiweiss in der A. 
und das Wesen des subconjunctivalen Koch¬ 
salzreizes 1197. 

Augenleiden, Lichttherapie bei A. 367. 

— infolge Erkrankung der Nase und ihrer Neben¬ 
höhlen 722. 

— Zusammenhang zwischen Nasen- und A. 563. 

— Höhe des Hirndrucks bei einigen A. 1773. 

— Mesothoriumbehandlung der A. 987. 

— filariotische, der Südsee 992. 

— im Kriege 1774. 

Augenleuchtcn bei den Tieren 1876. 

Augenlid, Vitiligo des A. und Poliosis nach 

stumpfer Gewalt 1922. 

Augenlinse, Wirkung verschiedener Strahlungen 
auf die A. 1750. 

Augenmigräno, Beitrag zur A. 1652. 

Augenpräparate, Neue Methoden, makroskopische 
A. in natürlichen Farben zu konservieren 
372, 803. 

Augenpulskurve, Form der A. 1441. 

Augenquetschung 367. 

Augenschädigungen durch Licht 92. 

Augenstörungen bei einem Fall von Myxödem 1749. 

Augentumoren, Radium- und Mesothoriumbe¬ 
handlung von A. 1236. 

Augenunfallkunde, Fachausdrückc in der A, lj*&4Bakteriurie 1247. 


Augen Verletzungen im Kriege 1753. 

— Verwendung von Bindehaut bei A. 562, 1087. 
--- Diagnostik der Fremdkörperverletzungen des 

A. und Indikation und Technik der Mapet- 
extraktion 803. 

— schwere A. durch den Inhalt eines Golf¬ 
balles 1582. 

— Erfolgreich extrahierte Kupfersplitterver- 
letzungen 906. 

— HysterischeSelbstverlctzung mit frisch kristalli¬ 
sierter Soda 1564. 

— Suicidal-V. des A. 1561. 

Augenzittern, Graphische Registrierung des \ 

1612. 

Auroplastik 1581. m 
Autochromaufnahraen der Mundhöhle und Vagiual- 
portion 141. 

Autoimplantalien von Nierengewebe 1797. 
Autoseruminjektionen, Wirkung ders. bei genuiner 
Epilepsie 1652. 

Autoplastik 1139. 

— freie 1653. 

Azotämic 119. 


B. 

Bacillen, säurefeste, metachromatische Körper¬ 
chen in den B. 501. 

Bacillenruhr, Klinik derselben 1750. 

Bacillenträger, Ausscheidung der Tvphusbacillen 
durch B. 1176. 

— und Invalidenrente 1132. 

Bacilluric ohne Tuberkulose der Harnwege 1002. 

Bacillus bulgaricus, Variabilität des B. 757. 

— emph. Fraenkel, Wundinfektion durch 1849. 

— faecalis alcaligenes als Krankheitsträger 413. 

— fusiformis, Rolle des B. als Eitererreger 859. 

— pyocyaneus, Beziehung dess. zur Geschwürs- 
bildung 1600. 

Bacterium coli, Gegenwart von Zucker in der 
zum schnellen Nachweis von B. im Trink¬ 
wasser dienenden Neutralbouillon 1187. 

— enteritidis Gärtner, Sektionsbefund bei In¬ 
fektionen mit demselben 1468. 

Bad, Anwendung des kontinuierlichen B. (Wasser¬ 
bettes) 1903. 

Bäder, Wirkung 1083. 

—- mechanische, in der neurologischen Praxis 
709, 1688. 

— warme, Einfluss auf den Blutdruck und Puls¬ 
frequenz des Kaninchens 1553. 

— Einfluss von B. auf Körpertemperatur und Blut¬ 
druck 707. 

Bakterien, Wirkung der Abkühlung auf die 
kleinsten Tröpfchen von B. 1279. 

— Chemie der B. 939. 

— Differenzierung von B. mittels der Abder- 
halden’schen Methode 1280. 

— Verhalten der B. gegen einige Blutfarbstoff- 
derivate 1099. 

— Bestrahlung der B. und die bestrahlte Vaccine 

— Wirkung der ultravioletten Strahlen 3uf B 
1188. 

— Wirkung von chemotherapeutischen Präpa¬ 
raten und anderen Antiseptica auf B. 75 1 - 

— Lokalisation der B., Veränderungen des 
Knochenmarks und der Knochen bei Inj«' 
tionskrankheiten im ersten Wachstumsalter Zw- 

— Pathogenität und Virulenz von B. 461- 

— Vererbung und Variabilität bei B. 1919- 

Bakterienfermentc, Einwirkung von B. auf ton 

serviertes Gewebe 1673. 

Bakterienmutation 1919. 

Bakterienprodukte, Methode, nach der man ein 
rasche und tödliche Vergiftung mit 1 
Vorbringen kann 609. 

Bakteriensteine im Nierenbecken 167. 

Bakterientoxine, Heilung der Neuralgie um 1 
ritis durch B. 1807, 1841. 

Bakterienwachstum und Anilinfarben 

Bakteriologie, Apparate und Arbeitsme 
der B. 1277. 


Augenveränderungen bei Schwangerschaft und 
Geburt 1556. 

Augenverletzungen 854. 


Balkankrieg, Erfahrungen während des zweiten 
B. 1058, 1873. . p IS4 >. 

Balkenerweichung, Symptomatologie uer >• 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Balkenstich bei Epilepsie und Idiotie 1006. | 

— Anton v. Bramann'scher B. 1529. 1 

Ballonbehandlung mit tierischen Blasen 899. 
Balneologie, amerikanische 30. 

— Veröffentlichungen der Centralstelle für B. 1945. | 
Balneotherapie und Hautkrankheiten 846. 
Bandagen für Appendicitisnarben und Bauch- i 

brüchc 1582. I 

Bandwurmiipoide, Antikörperbildung gegen B. 412. 
Bandwurmseuche der Fische 1290. j 

Banti’sche Krankheit 1392. ’ 

— — Milzexstirpation bei B. 1139, 1427. J 

-Streptothrixinfektion als Ursache der ß. 121J 

Bantimilz 1603. I 

Barany’scher Zeigeversuch 1247. I 

Bariumsulfat als Kontrastmittel in der Röntgen- ' 

diagnostik des Magendarmtraktus 1046. j 
Barlow’sche Krankheit, Alkoholextrakt aus Vcge- ! 
tabilien als Träger heilender Stoffe hei B. 
1227. 1 

Barlowschutzstoff, Zur Frage desselben 1820. j 
Bartholini’sche Drüse, Primäres Careinom der- j 
selben 1557. i 

Basedow’sche Krankheit, Pathologische Anatomie 1 
und Klinik derselben 1528. 

— — Alimentäre Galaktosurie bei derselben 
1526. 

— — Gleichzeitiges Auftreten der B. und Tabes 1 
1469. 

-— Oporative Erfolge bei Behandlung derselben j 

1551, 1556. 

— — Behandlung derselben mit Röntgcnbe- 1 

Strahlung 1798, ^ f 

Basedowsyndrom 1427. 

Bassini’sche Operation 366. J 

Basis eranii externa s. Schädelbasis. 

Bauchbruch s. Hernia vcntralis. j 

Bauchdecken, Döcollement traumatique der B. ! 

271. ; 

Bauchdeckenfett, Reduktion des B. 612. J 

Bauchdeckenplastik 1086. 

Baucheingeweide, Einfache Aufnahmetechnik zur ; 

Röntgenuntersuchung der B. 1764. 
Bauchschussverletzungen, 120 B. aus dem Balkan- 1 
kriege 1528. [ 

— operativ geheilte 91. 

Wie kann man die Mortalitätsziffer der B. 
im Kriege herabsetzen? 10S9. 1473. 
Bauchwand, vordere, Lipom der B. 336. 
Bauchwandüberlappung bei postoperativem Bauch¬ 
bruch 1948. 

Bauweise, offene, bei Städteanlagen 323. ■ 

Becherprimel, Hautreizende Wirkungen der B. 1467. 
Bechterew’sche Krankheit 990. i 

-Seltener Fall 1733. 

Becken nach Robert, beiderseitig ankylotischcs B. i 
223. 

— Genese des Naegele’schen B. 1953. \ 

— pscudo-osteomalacisches, und Gravidität 414. 
Beckenboden und Prolaps 272. 
Beckenhochlagerung, Siegeszug der B. 1330. 
Beckenluxation 710. 

Beckenmessapparat 912. 

Beckenmessung, röntgenologische 125. 

Beckenniere 1147. 

Beckenruptur in der Geburt 664. 

Beckensarkome, primäre 1556. 

Beckentumor, entzündlicher,Heilung von B. mittels 
galvanischer Schwachströme 1095. 
Beckenveränderung bei Hodenatrophie vor der 
Pubertät 80. 

Beckenverengung durch Pfannenbruch, Gcburts 
meehanismus bei ders. 1799. 

Behaarung, allgemeine, bei 3jährigem Kind 1393. 
Beine, künstliche 1901. 

Beinerkrankungen, Ambulante Behandlung 
schmerzhafter B. 1084. 

Beingeschwür s. Ulcus cruris. 

Beinieren 1641. 

Belegzellen im Magen der Schildkröte 1797. 
Bence-Jones-Eiweisskörper bei luetischerKnochcn- 
affektion 1563. 

Benzinsucht, Suggestionsbehandlung der B. 186. 
Benzinvergiftung 267. 

Berge, Physiologische Wirkung des Klimas auf 
hohen B. 1612. 

Bergoniö-Apparat in der Unfallheilkunde 1582. 

— Verfahren 1328. 


Beri-Beri, experimentelle 1227. j 

— — Einfluss des gesamten Verbrennungswertes i 

einer Nahrung auf die zur Verhinderung von j 
B. erforderliche Vitaminmenge 1329. I 

— — und lipoidfreie Ernährung 938. i 

— — Morbus Basedow bei B. 1088. j 

— — Beziehungen der Polyneuritis der Hühner , 
und Tauben und ihre Beziehungen zur B. S 
des Menschen 756. 

— -Krankheit 413, 1466. I 

Berliner medizinische Gesellschaft, Vorstandswahl! 

i 323 . 

-— Bericht über die Tätigkeit im Jahre 1913 j 

323. 

— — — Bericht über das Langenbeck-Virchow- 
Haus 323. 

— — — Kassenbericht 324. 

— — — Bericht über Bibliothek und Lescsaal 
325. 

Bernhard, M., zum 70. Geburtstag 723. 

Berufsdeformität, Mängel der sozialen Fürsorge 
bei B. 1384. 

Berufskrankheiten, Einziehung bestimmter ge¬ 
werblicher B. in die staatliche Unfallversiche¬ 
rung 572, 1132. 

Beschäftigungslähmung des Serratus 952. 

Besiedlung, weisse, im Norden des deutsch-siid* 
westafrikanischen Schutzgebietes 1088. 

Bestrahlung, Intensiv- oder Daucr-B. 267. 

— tiefliegender Carcinome 1712. 

Beta-Imidozolyläthylamin, Wirkung des B. (Irnido- 

Roche) auf den menschlichen Uterus 842. 

Betain, Verhalten der B. bei der Fäulnis 1042. 

Bevölkerungsbewegung, Tabellen der B. Berlins 
1911 408. 

Bewegung, sonderbare ticartige, rhythmische 853. 

Bewegungsorgane, Berufs- und Unfallkrankheiton 
der B. 359. 

Bezoare in der alten und modernen Medizin 1471. 

! Bibliographisches System der Naturgeschichte und 1 
der Medizin 1797. 1 

Bilharziosis, Phenokoll bei Filarienerkrankung 
und B. 1088. 1 

1 Bindegewebe, cutanes und subcutanes als plas¬ 
tisches Material 222. 

Bindehautamyloid bei Trachom 1903. j 

Biologie, allgemeine, Einführung in die B. 985. j 

Biologischer Unterricht an den bayerischen Gym¬ 
nasien 1489. 

Biologisch-optische Probleme 1080. 

Bismutum colloidale, Wirkung des parenteral ein- 
| geführten W. auf die Niere 1096. I 

'■ — subnitricum, Ursachen der Nitritvergiftung 
i durch B. 705. 

Bisskrankheit, Aetiologio und Klinik der B. 1047. 
i Blase, Schrapncllkugel in der B. 1774. 

— Entfernung einer russischen Masehinengewehr- 
! kugel aus der B. durch die Urethra 1882. 

Blasensehcidenfistel 854. 

— Präparat einer geheilten B. I486. 

Blasenspalte 1633. 

— operativ geheilte 1436. 

Blasenstcine, Entstehung und Behandlung der B. 
334. 

— chinesische 322. 

Blasentuberkulosc, mit Lecutyl geheilt 1467. 

Blasentumorcn, Behandlung mit Hoehfrcqucnz- 
strümen 1627. 

— Mesothoriurnbchandlung von B. 1535. 

Blasenverletzungen durch Schrapnellkugeln 1876. 

Blastomykosc Gilchrist 1343. 

Blattern, Diagnose ders. 1708. 

Bleikolik, Vermehrter Ilarnstoffgchalt des Blutes 
bei B. 1152. 

Bleikranke, Neurasthenie der B. 462. 

Bleivergiftung 122. 

— chronische 1490. 

— Gift und Krankheit nach Beobachtungen an 
experimenteller chronischer B. 120. 

— Aefiologie von B. in Glashütten 860. 

— Untersuchung von 100 Malern auf B. 1378. 

— und Tulaarbeit 91, 1087. 

— durch Wasserleitung 415. 

— Wassermann'sche Reaktion bei B. 1001. 

Blendungsretinitis s. Retinitis. 

Blennorrhagie, Immunotherapic der akuten B. 

1117. 

Blcnnorrhoca adultorum 90. 


Blennorrhoea neonatorum, Behandlung ders. 562, 
893. 

-geheilt mit Vaccine 1046. 

Blick, Angst vor dem B. 1087, 1332. 

Blicklähmung, associierte seitliche, nueleäron 
Charakters 1338. 

Blinddarmanhang s. Appendix. 

Blut, Ucber das B. 458. 

fr* Adrenalingebalt des 13. 989. 

— Eiweissgehalt des B., besonders bei Tubciku- 
lose 1130. 

— Esterase des B. 360. 

— Kommt Jod im B. vor? 1524. 

— Unterscheidung mütterlichen und fötalen B. 
H87. 

— leukämisches, Kultivierungsversuche von B. 
1278. 

— Konzentration des arteriellen und venösen B. 
in Paris, Charnonix und den. Mont Blanc 
892, 1277. 

— Vermeintliche Kigcnstrahlung des B. nach 
vorausgegangener Röntgenbestrahlung 1821. 

— Farbige Mikrophotogramme nach Furniere zur 
vergleichenden Entwicklungsgeschichte des B. 
352, 369. 

— Eigenschaften des B. bzw. Serum nach Ein- ' 
Wirkung von Röntgcnstrahlcn 366. 

— Morphologische Eigenschaften des B. bei Dia¬ 
betes mellitis 396. 

— Studien über Kohlensäurcspannung des ve¬ 
nösen B. mittels des neuen tragbaren Gas- 
interferometers 29. 

—- Phenolphthaleinprobe auf okkultes B. nach 
Boas 1469, 1600. 

— Verhalten des B. bei steriler Autolyse und 
Entstehung von Hämosiderinpigment 1632. 

— Photoaktivität des B. 938. 

— Form des Kalkes im B. 986. 

— Einfluss der Muskelarbeit auf den Gehalt des 
B. an Zucker und Milchsäure 1018. 

— Wirkung des B. auf den isolierten Dünn¬ 
darm 1080. 

— Wirkung vermehrter Flüssigkeitszufuhr auf 
die Zusammensetzung des B. 1098. 

— Bedeutung der Wasserstoffionenkonzentration 
des B. und der Gewebe 1183. 

— des Weibes in der Geburt und im Wochen¬ 
bett 614. 

Blutalkalität, mit besonderer Berücksichtigung 
der Acidosis 569. 

Blutanomalie, Behandlung der B. mit Diirkheimer 
Maxquelle 896. 

Blutbefund im Dunkelfeld 1390. 

Blutbild beim Hunde mit Eckschcr Fistel 361. 

— Einfluss des vegetativen Nervensystems auf 
das B. 998, 1184. 

— Thymus und Ovarien 75. 

— bei Tuberkulose 1082. 

— Beeinflussung des anämischen B. durch In¬ 
fektionen 1899. 

Blutbildungszellen in der Leber bei Syphilis 
congenita 1899. 

Blutdruck des Menschen 1126. 

— normaler, im Kindesaltcr 1229. 

— des Frosches 1326. 

— während des Einschiessens der Milch 82. 

— Einfluss der Atmung auf B. und Plethysmo¬ 

gramm 663. 

— Wirkung des Chloroforms und Aethcrs auf 
den B. 611. 

— Einfluss der Hitze auf den B. 609, 843. 

— Lehre vom B. und die optische Blutdruck¬ 
messung 596. 

— Bestimmung des systolischen und diastoli¬ 
schen B. 799. 

— bei physischer und psychischer Ermüdung 
1533. 

— Einwirkung des Ilvpophvsisextraktes auf den 
B. 647. 

— Beeinflussung des B. in den Capillaren der 
Haut 1707. 

— Wirkung von Uzara auf den B. 361. 

Blutdruekmcssapparat bei Anämisierung von Ex¬ 
tremitäten 1049. 

Blutdruckmesser, transportabler 1946. 

Blutdruckmessungen bei Alkoholikern und funk¬ 
tionellen Neurosen unter Ausschluss von 
Kreislaufstörungen 79. 

G 


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UNIVERSITY OF IOWA 





1994 


Blutdruck-hohe, Beziehungen der Nebennieren , 
zur normalen B. 160. [ 

Blutdruckuntersuchungen undEncrgomcterstudicn i 
im Hochgebirge bei Herz- und Kreislauf- ' 
Störungen 758. 

Blutdrüsen, Die Erkrankungen der B. *217. 

Blut-driisenextrakt, Wirkung einzelner B., insbe¬ 
sondere auf den respiratorischen Stoffwechsel 
bei Blutdrüsenerkrankungen 207. 

Blutentnahme, Technik der B. und intravenösen 
Infusion 801. 

Blutentziehung, Theorie und Praxis 1790. 

Bluterkrankungen, Splenektomie bei B. 1046. 

Blutfermente des gesunden und kranken Orga¬ 
nismus und ihre Bedeutung für Physiologie 
und Pathologie 2*24, 557. 

Blutgefäss, Verhalten der B. in natürlichen 
kühlcesäuiehaltigen Solbädern 958. 

— Druck in den kleinsten B. 1080. 

Blutgefässchirurgie 181. 

— Der gegenwärtige Stand der B. 1489, 1045, 

1667. “ i 

Blutgefässnaht, Kriegschiriirgisehc Erfahrungen 
über B. 1907. 

Blutgerinnung, Wesen der B. 796. 

.— lieber Fibrin und Wesen der B. 300. 

— Studien zur B.-Lehrc 1505. 

— in Körperhöhlen 1437. 

— Aufhebung der B. in der Pleura 200. 

— Gerinnbarkeit des B. in den ersten Lebens- 
wochen 1227. 

— Einfache Methode zur Bestimmung der Ge- 
rinnungszcit des B. 799. 

— Rolle der Lipoide bei der B. 497. 

— Ultramikroskopisehc Studien über B. und 
Thrombocyten 892. 

— nach parenteraler Zufuhr von Eiweisskdrpcrn 
989. 

— insbesondere bei endemischem Kropf 320. 

Blutgcrinnungsbestimmung 41;>. 

Blutharnsäure, Untersuchungen über B. 939, 1005. 

— und Atophan 1847. 

Blutkörperchen, Verhalten sensibilisierter B. 
gegenüber physikalischen Einflüssen 988. 

— rote, Chlorgehalt der roten B. und seine Ab¬ 
hängigkeit von der Suspensionsflüssigkeit loC.%, 

— — Artspe/ifische Eigenschaften der B. 0*23. 

-Einfluss konzentrierter Salzlösungen auf 

die B. 29. 


— — s. a. Krythrocyten. 

Blutkörperehcnziihlung, Vereinfachte Methode 

1876, 

Blutkonzentrationsbestimmung! Klinische Be¬ 
deutung der B. 79, 009. 

Blutkrankheiten, Konzentration des Blutserums 
bei Anämie und B. 319. 

— und ihre chirurgische Behandlung 1<4, 40;>. 

— Nucleinsäure bei B. 1185. 

— Röntgcnstrahlenbehandlung bei B. 1408. I 
Blutkreislauf, Reaktion des B. auf psychische 

Vorgänge 221. 

— Der extraeardialo B. vom Standpunkte der 
Physiologie, Pathologie und Therapie 1031. 

Blutlymphdtiiscn 42. 

Blutmenge,' Neuer Apparat zur Bestimmung der 
B. im lebenden Organismus 1957. 
Blutmengebestimmung, Apparat zur B. 1533. 
Blutparasiten, Lumicrebildcr von B. 1292. 
Blutprobe nach Boas 795. 

— Neue Boas’sche B. für Stuhluntcrsuchung 1848. 

— neue im Urin 997. 

Blutserum, Physikalisch-chemische Untersuchun¬ 
gen von B. 1577. 

_ Refraktomctrisclic Bestimmungen von B. und 

Transsudaten 1280. 

— Unbekannte Eigenschaft des B.^ von Neu¬ 
geborenen und Schwangeren 1277. 

— Bisher unbekannte Substanz im B. 707. 

— Gehalt des B. an adialysablem Stickstoff 010. 

— Verhalten des B. Gesunder und Kranker gegen¬ 
über Plaeentaeiweiss 798. 


— Fermentative Vorgänge im B. 959. 

— Auxowirkungen und gebundene Aminosäuren 


des B. 1407. 

— Die angeblich antitryptische Wirkung dess. 


1940. , 

Blutstillumr,FermentativeB. durchCoagulcn 14<0. 
- - an gro>sen Gelassen ohne Naht 1900, 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Blutstillung, Coagulcn Kocher-Fonio in der Rhi- 
nologic 77. 

— durch Anwendung lebenden Gewebes 1428. 

— fermentative 1393. 

Bluttransfusionen, grosse 1133, 1862, 1892. 

— aus Gaszylindern 1*21. 

Blutung ex vacuo, Seltener Fall 1535. 

— Behandlung bedrohlicher B. während der Ge¬ 
burt 1184. 

— Behandlung bedrohlicher B. nach der Geburt 
1376. 

— postpartale, Bekämpfung der B. durch intra¬ 
venöse Hypophyseninjektionen 323. 

— Erystypticum bei 1». S43. 

— Lehre von den okkulten ß. 1403. 

— Nachweis okkulter B. in den Fäccs 1470, 
1899. 

— Neue Methode zur Stillung parenchymatöser . 
B. 1947. 

— parenchymatöse, Neue Methode zur Stillung 1 

von B. 1103. i 

— genitale s. Genitalblutung. 

— bei einigen inneren Krankheiten 800. 

— Trcndelcnburgösehe Lage bei schweren B. i 
nach der Entbindung 651. 

— Veränderungen des Blutbefundes durch 1». bei , 

Schwangerschaft und Entbindung 651. I 

BI ui Untersuchungen, Neues zur Technik der B. 
063, 936. j 

— im Hochgebirge 1391. 

— bei tuberkulösen hindern 1130. 

Blutveränderungen durch Bakterien 329. , 

Blutzirkulation, Mechanische Beeinflussung der ' 

B. durch die Luftdruckerniedrigung im Höhen¬ 
klima 1223. 

Blutzucker, Verteilung des B. auf Blutkörperchen 
und Blutplasma 942. 

— Mikroanalyse des B. 332, 300. 

— hei Morbus Addisonii 1581. 

— der Säuglinge 710. 

— virtueller 119. 

— Verhalten des B. bei Kohlehydratkurcn und 
über den Wert der B.-Bestimmung für die 
Therapie des Diabetes 989. 

Blutzuckerbestimmung 25, 555, 579. 

— kolorimetrischc 1581. 

— Neue Methode der B. 121. 

Blutzuckergehalt. Einfluss der Menstruation auf 

den B. 89G. 

Blutzuckerprobe, qualitative, Modifikation der 
Bang'sehen B. 609. 

Blutzuckerspiegel, Zuckerresorption und B. 1900. 


Bronchialdrusen, Kontenphotograpbie bei Er¬ 
krankung der B. 413. 

Bronchialdrüsentuberkulose 168. 

— intumescierende 1343. 

Bronchialfremdkörper 1049, 1477. 

Bronchialkatarrh, Gefäss- und Herzmittel bei B. 

986. 

Bronchialmuskel, Funktion der B. 26. 

Bronchien, Kongenitalo Dilatation der B. 479. 

Bronchitis, Akute fötide diphtheritische B. 121. 

— Verhalten der Bronchialmuskulatur bei akuter 
und chronischer B. 1578. 

— Bisher nicht beobachtete Moniliaart bei chro¬ 
nischer B. 379, 1554. 

Bronchotetanie 1875. 

— der Erwachsenen und ihre Behandlung mit 
Calcium 362. 

Bronchus, Grashalm in der Bifurkation des 
rochten B. 900. 

— Perforation eines erweichten Lymphknotens 
in den B. 336. 

Bronzediabetes 987. 

Brotnot unserer Zeit 1876. 

Brown-Söquard’sche Lähmung, Symptomenkom- 
piex 1790. 

Brustdrüse s. Mamma. 

Brustkorbsenkung, Klinische Bedeutung derB. 280. 

Brustorgane, Stimmgabel und Stethoskop zur Ab¬ 
grenzung der Bauch- und B. 609. 

Bubo, purulenter, Behandlung des B. mit Tiegel- 
schen Spreizfedern 409. 

Buckv-Effekt, Durchleuchtungskorapressorium mit 
B. 170. 

Bukarest, Gesundheits'verhältnisse in B. 563. 

Bulbärecntrum, vasomotorisches und herzhemmen- 
des, Periodische Automatic des B. 1127. 

Bulbärparalyse, Erscheinungen von B. und 
Acusticusstörungen nach Starkstromvcrletzung 
713. 

— akute 668. 

— obere 1375. 

Bulbus, Lageveränderungen des B. in der Orbita 
562. 

— Orbitale Verschieblichkeit des B. bei hoch¬ 
gradigen Rcfraktionsanomalien und intra¬ 
okularer Drucksteigerung 1087. 

— Fall von Contusio bulbi 1876. 

— venae jugularis, Behandlung der Thrombose 
des B. 230. 


c. 


Blutzuckeruntersuehung in der Praxis 674. 

Boas'sehe Blutprobe, neue, für Stuhlprüfung 1848. 

Boeek'schcs Sarkoid 1600. 

Boehm, Rudolph, zum 70. Geburtstag 962. 

Borameisensäure als Katalysator beim physio¬ 
logischen StolTwechsel 1898. 

Brachialis-Wel lensehreibung 1579. 

Brachialneuralgie und ein eigcntiimliehcsSymptom 
bei ders. 1593. 

Braehyphalangic 1341. 

Brasilien, Medizinische Ucisecindriiekc aus B. 185. 

Brcehakt 938. 

Brechdurchfall, Behandlung des akuten B. der 
Säuglinge 559, 008. 

Brchm's Tierleben 1706. 

Brief, Offener Brief an die Redaktion des Boston 
medical and surgical journal 1715. 

BrighUsche Nierenkrankheit 1408. 

| Brille, Der Werdegang der B. 7*22. 

Brillen ab s t and m esse r 1922. 

Bromnatrium als Unterstützungsmittel bei Lokal¬ 
anästhesie 84*2. 

Bromoderma 1925. 

Bromtherapic 1798. 

Bromural, Studien über B. 842. 

Bronchektasien, Angeborene B. und angeborene 
Wabenlungc 1032. 

— Behandlung der B. und chronischen Bronchitis 
1.081. 

— Pneumothoraxbehandlung von B. 1650. 

— Radikale Behandlung ders. 1556. 

Bronchialbaum, Wismut im B. bei Oesophagus- 

carcinom ohne Perforation nach den Luftwegen 
1821. 

Bronchialcarcinom 141. 

— primäres, mit Magenmetastasen 335. 


Calcaneus, Drahtextension am G. 1821. 

— Operative Behandlung der C.-Fraktur 951. 

— Rissfraktur des C. 801. 

Calcium, Wirkung des C. auf die Atmung 27. 

— gegen entzündlich gynäkologische Prozesse 
1081. , ,, 

— und Phosphor beim Wachstum am Ende der 
Kindheit 123. 

Calciumbehandlung der Spasmophilie 18 
Caleiumchlorid, Einfluss des G. auf die Gevrinnung 
der Milch 26. 

Calciumsalz, Einfluss der C. auf die Bildung 
Transsudaten und Exsudaten 986. 


Calciumtherapie 1243. 

Calmonal, Ein neues Sedativum 1864. 
Calomelinjektion, Multiple Hämorrhagien naciu. 

842. , , 

Campher, Intravenöse Einführung des 1. 1- • 
— Wirkungsbedingungen des C. 812. 
Camphergruppe, Untersuchungen in der ® *• 
Camphcröl, Kombination von Aet-hcr mit t. 
Cancer s. Carcinom. 

Cancroid, primäres, der Lunge 78. 


ltiple 1391. A1 . vrtn 

trdesinfektionsmethode zur Entkeimu i, 
ch, Wasser u. dergl. 1557. 
lum radii, Frakturen^des Collum um 
nh<5finnm_ ossäres 152. 


Organismus 1900. . , r0 zen- 

Carbol-Campherspiritusinjektionen, 1U r 

tige, gegen Phlegmonen 1947. 
Carboivergiftung 986. 

Carcinom, Entstehung des C. WM. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1095 


Carcinom, Gesamtmortalität an C. in Preusscn 
im Jahre 1913 675. I 

— Lohre von der humoralen Entstehung der C. 
nnd der Einfluss dieser Lehre auf die 1 
Therapie 706. 

— Bedeutung der pathogenen Blastomycctcn für 
die Aetiologic des C. 1279. 

— pathogene Beziehungen organischer Säuron 
zum C. 674. 

— Beziehungen sterischer Atomgruppen zum , 
G. 844. 

— spontane Heilung von Myom und C. 82. j 

— Topographie des C. in Bayern 1096. 

— Histologie bestrahlter G. 1485, 1516. 

— a deux, Statistik des C. 78. 

— des Handrückens als Spätfolge einer Kriegs- | 
wunde 1589. 

— multiple, in Leber, Darm, Ovarien 575. i 

— des Ohrs 423. 

— sarcomatodes der Mamma 82. 

— schleimhaltiges, dor Parotis 718. 1 

— spontanes 167. 

— uteri s. Uteruscarcinom. f 

Carcinombehandlung, Chemische Grundlagen für 

C. 79. 

_ kombinierte mit Mesothorium, Röntgenstrahlen 
und intravenösen Injektionen 220. 

_ Mesothorium bei C. der Haut und andrer 
Organo 60. 

— mit Mesothorium 207, 361. 

— Behandlung der Genital-C. mit Mesothorium 1 

755. j 

— mit Radium 285, 625. i 

— Probleme der C. im Zeichen der Radio¬ 
therapie 1184. 

— Operation oder BestrahlungV 1184. 

— Indikationsbereich der Behandlung der C. ’ 
mit radioaktiven Stoffen 790, 804. 

— Schädliche Folgen der Uadiumhchandlung 
des C. 674. 

— Bewertung der Röntgenstrahlen in der Thora- ! 
pie des C. 909. 

Röntgenbehandlung des ('. 949, 1578. 

-- Dosierung bei der Röntgenbehandlung des C. 
712. 

— Röntgentechnik bei C. 198. 

— Wandlungen in der C. mit Röntgenstrahlen 

1578. | 

— Gefahren der Reizdosen bei der Röntgen-! 

bchandlung von inoperablem C. 900. ' 

— Heilung tiefliegender C. durch Röntgcnbc- ! 

Strahlung 1554. j 

— Strahlenbehandlung der C. 193, 330, 1599. ] 

— Bestrahlung tiefliegender C. 1712. 

— Ersparnis an strahlender Energie bei der Be¬ 
handlung des inoperablen C. 77. 

— zur Klärung der Aktinothcrapieprublcme bei 
C. 415. 

— unblutige 1081. 

Carcinomdiagnose, Sicherung der C. 224. 

— nach Abderhalden 178, 8G7, 959, 1491. 

— Serologische Frühdiagnose des C. nach Abder¬ 
halden 557, 572, 706, 1328. 

— Die Verwendung der Abderhalden'schen Re¬ 
aktion bei C. und Tuberkulose 356. 

— Zur Sicherung der C. 254. ! 

— Bedeutung des kolloidalen Harnstickstoffs liir 

dio C. 1581. 1 

— Bedeutung der antitryptischen Reaktion des 
Blutserums für die C. 190. 

— Mciostagminreaktion bei C. und Schwanger¬ 
schaft 798. 

Carcinomforschung, Derzeitiger Stand der experi¬ 
mentellen C. 994. 

Carcinomfrage, Beitriigc zur C. 121. 

Carcinomheilmittel in Theorie und Praxis 894. 

Carcinomkranke, Auskunfts- und Fürsorge-steile 
für C. in Solingen 900. 

— Blutuntersuchungen bei C. 1374. 

— Epiphaninreaktion bei C. 648. 

— Gesamtstoffwechsel und Eiweissumsatz bei C. 
286, 1555. 

— Kombinierte Behandlung inoperablere. 1751. 

Carcinomkrankheit 577. 

Carcinomleukocy tose 626. 

Carcinomsterblichkeit unter den Leprakranken 
des Rigaschen städtis<9ien Leprosoriurn 561. 

Careinomstudicn 937. 


Cardia, Tumor in der Nähe der C. 94. 

— Absehlusssonde 1689. 

— Carcinom ders. 1535. 

Cardiospasmus, Extra muköse Cardioplastik bei 
C. mit Dilatation des Oesophagus 170. 

— mit grosser Erweiterung der Speiseröhre 990. I 
Cardiolyse und Talmaoperation 711. 
Cardiovasculärc Insuffizienz auf thyreo-toxischer ! 

Grundlage 1653. 1 

Carnifikation in tuberkulösen Lungen 363. 

Carotis interna, Interessante Verletzung der C. 1 
1220. 

Casein, Abbau von C. durch Blutserum 1425. 

— C.-spaltende Fermente 1798. 

Cataracta dermatogenes 1284. 

— senilis, Die Abderhalden'schen Methoden bei 

C. 940. | 

— — Klinischer und anatomischer Beitrag 1530.' 

— — und Ptosis 1772. j 

-Spontanresorption der C. 562. ! 

Catgut, Prüfving auf Sterilität 1947. 

Cauda cquina, Eigentümliche Erkrankung der C. ( 
1129. 

-Tumor der C. 811. 

Cavernen, Die Schnabel'scben (\ 993. 
Cavcrncnchirurgie, Beiträge zur C. 612. | 

Cavillcnthcrapie der Gonorrhöe 1708. 
Cellon-Stützkorsctts 894. 

Centralnervensystem, Anatomie des C. 840. 

— Ausfallserscheinungen nach Affektionen des 
C. und ihre Rückbildung 1469. 

— Biologische Reaktionen bei syphilogenen Er- I 
krankungen des C. 1329. 

— Erkrankungen des C. bei Anämie 321. ! 

— Elektrische Erscheinungen im C. des Frosches 
459. 

— Kongenitale Erkrankungen des C. 999. 

— Primäres und metastatisches Melanosarkum 
des C. 800. 

Ccnlralwindung, vordere, bei Läsion der Pyra¬ 
midenbahn und bei amyotrophiseher Lateral¬ 
sklerose 365. 

Cerebrale Lähmungen,Symptomatologie ders.1688. 
Cerebrospinalmeningitis, geheilt mit Antipara¬ 
meningokok k e n seru m 1604. 

Ccritherapie 1246. 

Cervixmyom, gestieltes 1137. 

Chalazion und entzündlicher Lidtumor 993. 
Chcilotomic, Fall von 1556. 

Chemie, Geschichte der C. 266. 

— anorganische, Lehrbuch 1182. 

— organische. Kurzes Lehrbuch ders. 16S7. 

— physiologische, Lehrbuch der C. 1182, 1464. 

— und Mikroskopie am Krankenbett 316. 
Chemisch-diagnostische Untersuchungen am Kran¬ 
kenbett 1687. 

Chemischer Unterricht, Praktisch-chemischer l T . 

der Mediziner 1687. 

Chemotherapie 421, 1277. 

— Grundprinzipien der C. 921. 

— der Pneumokokkeninfektion 1829, 1865. 

— Versuche in der experimentellen Krebsfor¬ 
schung 1467. 

— in der Augenheilkunde 1922. 

— Versuche bei Vogelmalaria 1886. 
Chimärenforschung, Wege und Ziele der C. 43. 
Chineonal, Vergiftungstod durch C. 1650. 

I Chininprophylaxe, Schwierigkeiten bei der C. 126. 
Chininvergiftung 317. 
i Chirurgenkongress, internationaler 1294. 
Chirurgie, allgemeine, Lehrbuch 1732, 1846. 

’ — Handbuch der praktischen 1918. 

* — im Felde, Praktische Winke für dies. 1569. 

1 — Zur Geschichte der C. 1394. 

! — neue deutsche 1422. 

— orthopädische, Jahrbuch für C. 1325. 

-3. Bericht 801. 

: — plastische,FortsehrittcaufdemGchict derC.719. 
i — praktische, Handbuch der C. 796», 1422. 

1 — Wandlungen der C. 123. 

Chirurgische Anatomie 1610. 

Chirurgische Diagnostik in Tabellcnform 1686. 
Chirurgische Erfahrungen aus dem zweiten Balkan- 
kriege 1873. 

; Chirurgische Operationen, Lehrbuch 1669. 
Chirurgischer Operationskurs 1464. 

I Chlor, Substituierung des C. durch Brom im 
I tierischen Körper 76. 


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Chlorcalcium, Erfolgreiche Behandlung des Tic 
convulsif durch C. 1898. 

Chlorgehalt der roten Blutkörperchen und seine 
Abhängigkeit von der Suspensiönsfliissigkcit 
1563. 

Chloralhvdrat, Wirkung des C. auf den isolierten 
Kaninchendünndarm 26. 

Chlorate, Verminderung der C. in einem unter 
Druck sezernierten Urin 26. 
Chloridbestimmung, Apparat zur C. im Harn 84. 
Chloroform, Dysphonie nach C.-Gcbrauch 1048. 
Chloroformnarkose, Einfache Methode zur Ver¬ 
minderung des Erbrechens nach C. 81. 
Chloroformübelkeit, Eine einfache Methode, um 
die Aotlicr- und C. zu vermindern 270. 
Chloroform- und Aclhernarkose, Einwirkung auf 
die motorische Magenfunkticn 1553. 
Chloroformvergiftung, Leberveränderung nach C. 
377. 

— interne 756. 

Chlormethyl, Narkosezuständc nach gewerblicher 
Arbeit mit C. 900. 

Chlorom, myeloisches 756. 

— und Myeloblastenleukämie 1280. 

Chlorose, Störungen der inneren Sekretion bei C. 

1280. 

Chlorrctention 79, 

Cholera, Actiologie der C. 317. 

— Behandlung ders. 1737, 1950. 

— — durch Infusion hypertonischer Kochsalz¬ 
lösung, Jodtinktur und hypermangansaures 
Kalium 940. 

— — Fortschritte in ders. 1949. 

— — und Prophylaxe 797. 

— Bekämpfung der C. im Balkankiieg 770. 

— Maassnahmen bei Bekämpfung der C. in Serbien 
1913 62, 80, 589. 

— Diagnose und Therapie der C. 275. 

I — Rolle der Kontaktinfektion bei der Kpide- 
i miologie der C. 915, 1621. 

— Welche Bedeutung kommt dem Kontakt bei 
derVerbrcitung der C. in Serbien 1913 zu? 286. 

1 — Medizinische Eindrücke von einer Expedition 
nach Bulgarien, speziell ein Beitrag zur 
! Diagnose und Therapie der C. 342. 

— Moderne Auffassung von der Epidemiologie 

' der C. '323. 

— Pathogenese der C. 1468. 

i — Schutzimpfung gegen Typhus und C. 1632. 

— und Pocken, Besprechung 1753. 
Choleraelcktivnährbüdcn 411. 

1 Cholcstcatoma carcinomatosum der Mamma 9()0. 
j Cholesterin, Abbau des 0. in den tierischen Or- 
1 ganen 1524. 

| — Bedeutung des C. 1753. 

| — — des C. im Organismus 76, 1846. 

— — des C. bei der pathologischen Verfettung 

I 1649. 

— — des C. fiir die Entstehung von Riescn- 

zcllengeschwülsten der Sehnen und Gelenke 
1616. 

— Herkunft dess. bei der Verdauungslipämie 1847. 

— und Cholestcrincstcrgclialt normaler Organe 
1649. 

Cbolesterinfette, Ablagerung von C. im sub- 
eutanen Bindegewebe 1748. 
Cholestcrinstoffwecbscl 462, 1424. 

— besonders hei Schwangerschaft 1281. 

I Cholecystitis, Chirurgie der akuten C. 1586. 

1 — in der Schwangerschaft 367. 

| Choledochotomia.retroduodenalis und transduode- 
| nalis 271. 

j — — transduodenalis und transpancrcatica 845. 

! Cholcdochus, Ersatz des C. durch ein frei trans¬ 
plantiertes Vcncnstcick 464. 

— Chirurgie des C. 1586. 

Cholclitliiasis, Magcnchcmismus bei C. 989. 
Cholesteatom des Schläfenbeins 1963. 

Cholin, Wirkung des C. auf den Circulalions- 
apparat 1707. 

— — auf das Froschherz 938. 

Cbondriosome, Verhalten der C. bei der fettigen 

i Entartung 268. 

I Chondrodystrophia congenita 1340. 

| — foctalis hypoplastiea, Vorzeitiges Auftreten 

j von Knochen- und Verkalkungskerncn bei 

i der C. 1874. 

! Chorea gravidarum 1429. 

G* 


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UNIVERSITY OF IOWA 




1WM 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Chorea, Huntington'schc 574. I 

-Anatomischer Befund eines Falles 1527. 

— infcctiosa, Lumbalpunktion bei der C. 1874. 

— Positive Wassermann'sche Reaktion bei C. 

1002. 

Chorioangiomo, Zur Kenntnis der C. 1557. 
Chorioidea s. a. Aderhaut. 


1147. 


Colon ascendcns, Ausschaltung des C. 

— — Rundzellensarkom des C. 1G00. 

— sigmoidcum s. Flexura sigmoidea. 

— Tuberkulöse Erkrankung des C. 721 % 
Colonpcristaltik, gestörte, durch Gallcnblascn- 

fixation 574. 

Colonreaktion, sogenannte 142. 


— Gelbfärbung des Augenhintergrundes durch j Colostrum, Der Nährwert des C. 123. 


ein Lymphom der C. 125 

— Metastatisches Carcinom bei latentem Primär- ' 
tumor 1048. 

— Geschwülste ders. 1922. 

— Metastatisches Carcinom ders. 1921. I 

— Präretinales Sarkom ders. 1921. 1 

— Leukocvtcninfiltration ilers. bei Leukämie 1921. 

— Sogenannte Atrophia gyrata der C. und Re¬ 
tina 848. j 

Chorioidcalgeschwiilstc 993. I 

Chorioiditis disseminata, Heilung von C. durch 
intravenöse Tubereuproseeinspritzungon 1424. 
Chorioepitheliom, malignes, Lungcnmetastasen 
bei C. 460. 

— Primärer Sitz eines C. in der Tube 1144. 

— und Strahlentherapie 1599. 

Chromate, Bedeutung der C. für die Gesundheit 
der Arbeiter 1324. 

Chromclirysoidinreaktion, Fine neue Reaktion 
der Fette 1525. 

Chromoserodiagnostik der Gehirnblutungen 1565. 
Chylusstühlc 859. 

Chvmologie, physiologische u. pathologische 1276. 
Ciliar ge fasse, vordere normale 993. 

Ciliargumma, Sehnerven- und C. nach Salvarsan- | 
injektion 83. 

Circulationsapparat, Verhalten des C. bei natür¬ 
lichen kohlcnsäurehaltifzcn Thermalbädern 
1143. 

Circulationsstörungen, Behandlung der C. mit 
Abschnürung der Glieder 706. 

— Therapie der C. 1524. 

Cladothrix, Streptothrix und Aktinomyces, Diffe¬ 
renz der drei Genera 1688. 

Clavicula, Luxatio claviculae retrosternalis 1556. 

— — -- — inveterata erfolgreich operiert 1488. 

— Behandlung der C.-Fraktur 1395. 

— Wiederherstellung der C. mit Hilfe der freien 
Knochenplastik 611. 

Claviculaluxation nach vorn, Behandlung 1947. 
Coagulen Kocher-Fonio 77, 797, 1042, 1327, 
1470, 1612. 

— — in der Rhinoehirurgie 1577. 
Cobra-Neurotoxin, Wirkung von Alkali auf Anti- 

toxinverbindung 758. 

Coecaltuberkulöse 334. 

— hypertrophische 560. 

Coecum, Verschiebung des C. bei Schwanger¬ 
schaft 465. 

— Perforation bei tiefsitzendem Diekdarmvcr- 
schluss 1282. 

— mobile, operative Behandlung des C. 124. 
Cocliotomie, vaginale, Leistungsfähigkeit der C. 761. 
Colchicin, Dauernde Paralyse der Extremitäten 


Versuche mit C. 1228. 

Colpodcn, Einfluss des Blutserums auf C. 

deren Cysten 1708. 

Colpodeneysten, Einfluss von Salzlösungen auf C. 
1708. 

Coma, Acidose mit C. ohne Diabetes 1490. 

— bei einer diabetischen Kranken ohne Aceton- 
urie 896. 

— diabeticum, Säurevergiftung bei C. 320. 
Conjunctiva, Dermoid der C. 1436. 

— Exkresccnzen der C. 176. 

— Granulationsgeschwulst der C. 1298. 

— Diffuse Carcinosc ders. 1921. 

— Bisher nicht beschriebener Tumor ders. 
(RusscFscher Körperchentumor) 1921. 

— tarsi, Multiple Cysten der C. 562. 
Conjunctivitis, atropbierendc, mit Symblepharon¬ 
bildung 1331. 

— Einschi uss-C. 1141. 

— crouposa bei zwei Geschwistern, hervorgerufen 
durch den Koch-Weck'sehen Bacillus 848. 

— metastatische, bei Gonorrhöe 562, 1377. 

— samoensis 992. 

Contraluesin, Behandlung der Syphilis mit C. 842. 
Cornea, Aktinomykosc der C. 1284. 


Cysticercus racemosus fossae Sylvii 362. 

1 Cystinsteine und Cystinurie 1294. 
j Cystinurie, Behandlung der C. 568. 
j Cystische Geschwülste im Jugulum 1600. 
Cystoeboledochotomie, eine neue Gallcnwecvcr- 
| bindung 464. 

I Cystofibroma ovarii 949. 

! Cystographie 1651. 

| Cystoid, perirenales, bei Mensch und Tier 1435 
und | Cystoskop mit Kauterisationsapparat 1385. 

1 Cystotomie, peripupilläre kombinierte 1876. 


D. 

Dacryocystitis, Neues Heilverfahren 1922. 

Dacryocystorhinostomie von Toti 1087. 

Dacryostenose, Endonasale Eröffnung des Tränen¬ 
sackes bei D. 1559. 

Dämmerzustände, epileptische, Rückerinncrune 
an D. 474. 

i — mit nachfolgender Amnesie bei leichter Com- 

I motio cerebri 123. 

Dammriss, kompletter, Sekundärnaht bei D. 1232. 

Darier’sche Krankheit 1096. 

j Darm, Durchlässigkeit des Säuglings-D. für art¬ 
fremdes Eiweiss und Doppelzucker 1228. 

' -- Resorptionsversuche am überlebenden Kälbcr- 
D. 1228. 

— Extraktion eines Eckzahns aus dem D. 673. 

— Untersuchungen am lebenden D., besonders 
mit Uzaron 26. 


Abstammung der Keratoblastcn bei der lte- Darmbakterien, pathogene, VerschleppmmsmcP- 
gcncration dcr^C. 1146, 1430. lichkeit von D. durch Brot 1378. & ° 

— Megalo-C. 1047. '-Massenuntersuchung Gesunder auf D. 323. 

— Papillome der C. 1284. Darmblutungen, Emetin bei D. 1001. 

— Pfropfung von Lippen-Mundschlcimhaut und , Darmcarcinom, Operation des D. 810. 

Epidcrmislappcn bei Erkrankungen der C. und Darmepithcl, Einfluss der Molke auf das D. 1564. 
Verätzungen des Auges 1331. : Darmerkrankungen, Wirkung von Uzara und ge- 

— Pigmcntation der C. und des Limbus 371. ronnoner Mileh bei D. 224. 

Erworbene Pigment-flache der hinteren \\ and Darmfäulnis, Klinische und experimentelle Kr- 
der C. 367. | gebnisse über D. im Jahre 1913 1899. 

— Durchblutung ders. 1921. j Darmfistel,Versuche mitOmega-D. an Hunden 938 

Corneaanästhesie, isolierte experimentelle 1441. Darmflora, Biologie der D. des Säuglings 1341. 
Corneaanaphylaxie 1331. I Darminvagination 427. 

Corneaerosion, rceidivierendo, Behandlung der C. j — bei Kindern 1392. 

mit Scharlachsalbe 562. j — und spastischer Ileus 464. 

Corncatätoyagc nach Hesse 721. Darmkrankheiten, Klinik der D. 407. 

Coronarkreislauf, Untersuchungen über C. 1650. i Darmocelusion, Diagnose der inkompletten D. 479. 
(. orpuscarcinom, alveoläres 57i. | Darm Perforation durch Ascariden 170. 

Corpus luteum, Gravidität und Menstruation 802. j Darmpolypen, Familiäres Auftreten von D. 464. 

| Biologische Funktion des C. 1440, 1582. j Darmresektion, Kompensatorische Vorgänge bei 1). 

| Cottbus, Das neue städtische Krankenhaus in C. j 898. 

1582. i — in der Schwangerschaft 1136. 

Couveusenbehandlung der Frühgeborenen und j Darmruptur infolge Bauchkontusion 1147. 

Lebensschwachen 1749. j — retroperitoncale 1085. 

Coxa, Luxatio eoxae congenita, blutig reponiert j — traumatische 1150. 

1488. ! Darmschlinge, Seltene Form der Strangulation 

— valga 898. 1 einer D. 1085. 

vara 1428. j Darmstenose 238. 

— —- ibhgenita 81. j Darmvorfall aus Kotfisteln und Kunstaftern 366. 

Coxitis, jiusgehcilte 285. , Darmwandphlegraone 1948. 

I Darmzerreissung 1094. 

i Daumen, Operatives Verfahren den abnorm 


nach lange fortgesetztem Gebrauch vonC. 1565. 

Coli s. Bacterium coli. 1 — tuberculosa, Vorteile des Briiekcngipsverban- 

Colicystitis, Neue Behandlungsmethode der C. 558.! des bei Behandlung der C. 611. 
Coliinfcktionen im Puerperium und infektiöse j Creeping eruption 846. 

Zustände in der Schwangerschaft 899. Cruralhcrnie, Durch Knoehenübcrpflanzuno- ge¬ 

heilte C. 1581. 


Colitis, Appendieostomie bei scliwcrcr C. 711. 

— Behandlung der schweren C. mit Spülungen | 
von der Appendieostomie aus 1431, 1664. 

— gravis, Chronische Magendarmdyspcpsic und 

C. gi*. 1555. | 

— mit retrograder Peristaltik im ausgeschalteten « 
Colon descendens 1533. 

— infiltrativa oder Pcricotitis, Sigmoiditis 1754. I 

— pscudomcmbranacca infantum 170. 1 

— suppurativa 169. j 

— — oder exulccrans 1753. 

Colityphusgruppc, Tellurreaktion mit ders. 1919. 
Collapsc nach Seegefechten 1949. 

Collargol und Arthigon 1747. 

Colobom, doppelseitiges, des Oberlides 764. 
Colon, Unterbliebene Drehung des C., Coecum 


Curare, Wärmeregulation curarisicrtcr Tiere 1525. 
Curaremethode, Organarbeiten mittels der C. 424. | 
Curarin, letale Dosis 1525. 

Curette, Neue Fingcr-C. 900. 

C'utanreaktion, abgestufte, prognostische, mit 
Tuberkulin zur Auswahl für die Ileilstätten- 
kur 707. 

— Graphische Analyse ders. 1555. 

— mit Organextrakten bei Syphilitikern 1748. 
Cyanose, kongenitale latente 649. 

Cymarin, Wirkung des C. 121. 

! Cyste, kongenitale, der Raphc penis 613. 

|— in einer Radikaloperationshohlc 1288. 

| Ovstcnbildung, retroperitoncale 1429. 

, Cvstcncarcinom, branchiogencs 1186. 

Cystenniere 316.- 


mobilc, Ileus 1556. 

— Angeborene Erweiterung des C., Fehlen der I — angeborene 478, 

Schilddrüse beim Säugling von 7 , / 2 Monaten j — doppelseitige 1151. 

U | — Klinische Erscheinungen der C 

— Funktion des l. 413. ; Cysticercus der Zunge 994. 


1185. 


stehenden D. den andern Fingern gegenüber- 
stellbar zu machen 612. 
Daumengrundglied, Verband bei Bruch des D. 991. 
Dauerinfusion, intravenöse 611. 
Daucrirrigation der Harnblase und des Nieren¬ 
beckens 1554. 

Decanulement, erschwertes, und seine Behandlung 

H27. 

Decidua, Experimentelle D.-Bildung 1293. 

— Vorkommen von D.-Gewebe 184. 

Defekte, psychische angeborene, Kriminalität un 

exogene Erregbarkeit bei D. 1083. 
Deformität, paralytische, Muskelverlagerung » § 
Methode der Beseitigung von D. 170. 

— Kind mit kongenitalen multiplen D. JC • 
Degressator und seine Anwendung 462,^ 16o • 

| Delirium tremens, Behandlung des D. 7oa. 

— — Kleinhirnbefund bei D. 1481. 
Dementia paralytica, Die Untersuchung des 

ponema bei D. 221. .... 

— praecox, Adrenalinempfindlichkeit der v. 

-Pupillenstörungen bei D. 320. 

-Körperliche Storungen bei D- 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1997 


Dementia praecox, Neue körperliche Symptome j Diabetes mellitus, Beziehungen zwischen Neben¬ 
bei ders. 1535. System und D. 610. 

— — lieber Syphilis in der Asccndcnz von-Operationsgefahr bei D. 1396. 

D.-Kranken 1771. ! — — Wesen des Pankreas-D. 856. 

Demenz der Dementia praceox-Kranken 378. j — — Handelt es sich beim D. um eino primäre 

Demonstrationen, pathologisch-anatomische 668. i Ueberproduktion von Zucker? 269. 

Dengue und andere endemischo Küstenfieber 607. |-Zuckerzerstörung bei D. 705. 

Dentition und Haarentwicklung unter dem Ein- | — — Ursachen, Theorien und Behandlung des 
fluss der inneren Sekretion 759. | D. 1427. 

Dercura’sche Krankheit 1097. j — — und Chirurgie 124. 

-und Blutdrüsen 844. , — — und Gallensteinleiden 1083. 

Dermatitis exfoliativa 1130. I-Fermenttherapie dess. 1874. 

— — neonatorum Ritter, ihre Aetiologic und j — — und Schwangerschaft 1340. 

Beziehung zurMmpctigo contagiosa staphylo- I — innocens und Diabetestherapie 1437. 

genes 1600. i— — der Jugendlichen, zugleich ein Beitrag zur 

— idiopathiea atrophicans progressiva chronica I Frage des renalen D. 320. 

diffusa 1561. \— insipidtis 221, 380, 855, 1142, 1966. 


Dermatologie, Einführung in die D. 1769. 

— Literatur des Jahres 1912 942. 

— Therapeutische Verwendung des Radium in 
der D. 377. 

Dermatosen, Cholesteringehalt des Blutes bei D. 
1427. 

— bei Hysterie 1429. 

— juckende 1326. 

-Behandlung mit Hingor'scher Lösung und 

Eigenblut 1919. 

Dormographie, anämische, im Kindcsalter SO. 
Dermoid der Conjunctiva 1436. 

— und congenitale Epidermoide 271. 

— Klinik und Lokalisation 1587. 

— mit teratoidem Anteil 666. 

Dermoidcyste in der Gegend des Inion 1096. 

— multiple 721. 

Dermoidkugeln und ihre Entstellung 167. 
Desinfektion, Fortschritte in der D. 409. 

— bei Kriegsseuchen 1655. 

— halbspezifische 1687. 

— innere 609. 

— Tasche zur fortlaufenden D. am Krankenbett 
852. 

— Neues Taschenbesteck zur D. mit «Jodtinktur 
1229. 

Desinfektionsmethode, Eine Capillar-D. zur Ent¬ 
keimung von Milch, Wasser und dergl. 1557. 
Desinfektionsmittel, Kombination von D. 855. 

— Vergleichende Wirkung einiger D. 1559. 
Deuteroalbumosc, Wirkung von D. auf gesunde 

und tuberkulöse Meerschweinchen 1847. 
Deutsch-Ostafrika, Frauenärztliches aus D. 1772. 
Deycke-Much’schc Partialantigenc der Tubcrkcl- 
bacilleD, Cytologisches Bild der Intracutan- 
reaktionen mit dens. und dem Alttuberkulin 
1589. 

Diabetes mellitus, Extremste Acidosis im Verlaufe 
des D. 1526. 

— — und alimentäre Glykosurie 1375. 

—• — Azidosebestimmungen und ihre klinische 
Anwendbarkeit bei D. 1375. 

— — Arainostickstoffausschcidung bei I). 30. 

— — Gemischte Amylaccenkur bei D. 1184,1554. 
-Behandlung des D. 1002, 1128, 1144, 

1469, 1966. 


— — Beziehungen zwischen Hypophysis ccrebri j 

und D. 221. I 

— — Behandlung mit Hypophysenextrakt 1097, i 

1151. * i 

— — und Tumoren der Hypophysis 269. 

— — Nierenfunktion bei dems. 1097, 1555. | 

— renaler 94. 

Diabetesstudien 460. 

j Diabetiker, Bauchmuskcllähmung bei D. 335. I 

— Beeinflussung des Blutzuckcrgehalts bei D. : 

durch Diätkuren 66. I 

— Benötigt der D. Kohlehydrate? 708. 

j — Langsamere Nicrentätigkeit und Erhöhung des 
; Blutzuckers bei greisen D. 663. I 

Diiit in Geburtshilfe und Gynäkologie 855. 

— — — klinische und experimentelle Erfah¬ 
rungen 855. 

Diätetik, Hilfsmittel für sportliche D. u. Truppen¬ 
hygiene 1643. 

! — des gesunden und kranken Kindes 1427. 
Diätform in Krankenhäusern 1328. 

Diagnostik, Chirurgische D. in Tabcllcnform 1686. I 

— der Nervenkrankheiten 1745. 

— spezielle chirurgische 216. 

— psychiatrische 165. 

1 — Lehrbuch der psychiatrischen D. 1745. 
Dialvsierverfahren nach Abderhalden 90, 364, 
i 557, 79S, 958, 1225, 15,54. 

— Abwehrfermente beim D. 1129. 

— Adsorptionserscheinungen bei dem D. 843, | 

1469. j 

— in der Psychiatrie 843. ! 

— Anwendbarkeit dess. 1563. 

— steht in Beziehung mit der antitbrombisehen 
Phase 757. 

— in der Augenheilkunde 1048. 

— Biologische Prüfung der Ergebnisse des D. 798. 

— bei Erkrankungen der Uvea 798. 

— Einfluss des Blutgehaltes der Substrate auf 
das Ergebnis der Prüfung auf spezifisch ein¬ 
gestellte Abwehrfermente mittels des D. 28. 

— Erfahrungen mit dem D. 808, 1771. 

— Einfluss des Blutgehalts der Substrate auf 
den Ausfall des D. 706. 

— bei Careinom 706. 

— bei Helminthiasis 706. 


-Wandlungen in derBehandlung desD. 1776. j— bei Carcinom und Tuberkulose 3.56. 

— — Caramelkuren bei D. 1372. j 

-Behandlung bei gleichzeitiger Erkrankung 

an Gicht und D. 1777. 

-Wie wirken Diätkuren auf das Verhalten [ 

des Blutzuckers bei D. 942. | 

-Erhöhung des Blutzuckers bei D. von j 

Greisen 1375. 

— — Kohlehydratkuren bei D. 1149. 

— — Leguminoscnbchandlung des D. 722. 

— — Bekämpfung des Coma bei D. mit hohen 
Dosen Natrium bicarbonieum 429. 

— — Das Erysipel in der Aetiologic des I). 462. 

— — experimenteller 1328. 

— Wirkung der Zuführung von Fett bei der 
Haferkur bei D. 335. 

— — Gemischte Kohlehydratkuren bei D. 1002. 

-Kasuistik des renalen D. 1792. 

— Beeinflussung des D. durch die Nebennieren 
1373. 

— Bedeutung des D. in der Familiengeschichte 
für die Lebensversicherung 652. 

~ — Leberglykogen und D. 705. 

— Morphologische Eigenschaften 
bei D. 396. 


Serologische Frühdiagnose des Carcinoms 
mittels des D. 1328. 

— Klinische Studien mit dem I). 168. 

— in seiner klinischen Bedeutung 221. 

— mit der Koch’schcn Tuberkelbac.il lenemulsion 
1374. 

— Kritische Bemerkungen zum D. 1374. 

— Modifikation des D. 860. 

— Ninhydrinreaktion des Glukosamin und Fehler¬ 
quellen des D. 557. 

— bei intrakraniellen Komplikationen entzünd¬ 
licher Ohren- und Nasenkrankheiten 798. 

— bei Otosklcrose, intrakraniellen otogenen Kom¬ 
plikationen 1247. 

— an der psychiatrischen Klinik der Charite 
1.287, 

— bei Lungentuberkulose 875, 988, 1733. 

— in der Psychiatrie 90, 381, 1145. 

— Technische Neuerungen in dem D. und An¬ 
wendung desselben in der Psychiatrie 1319. 

— bei Rachitis und Tetanie 1327. 

i — Spezifität und Brauchbarkeit des D. 411, 1185. 
des Blutes!— Technik des D. 78, 411, 648, 1145, 1579. 
i — Theorie des D. 348, 807. 


Dialvsierverfahren, Untersuchungen über das D. 
, 121, 785. 

— Verwertbarkeit des D. 318, 461, 940, 1107, 
1225, 1425. 

— Zur Diagnose des Carcinoms 1491. 

— mit Tier- und Menschenlunge 1526. 

— Substratfrage bei Anwendung dess. 1579. 

— Zur Kritik dess. 1579. 

— bei malignen Geschwülsten 1579. 

— und Antitrypsinmethode 1579. 

— Geschlechtsspczifität dess. 1599, 1898. 

— Thymus- und Lymphdrüsenabbau bei dems. 
1733. 

— bei Schwangerschaft 1771. 

— Nachweis der Blutfreiheit der zum D. ver¬ 
wendeten Substrate und Seren 1771. 

— Methodik dess. 1847. 

Dial-Ciba, ein neues Sedativum und Hvpnoticum 
643, 986, 1081, 1224, 1262. 

Diaphysenbruch, Entstehung des D. auf Grund 
der Festigkeitslehre 812. 

Diarrhöe, medikamentöse Behandlung 1578. 

— nervöse, Suggestivbehandlung einer chroni¬ 
schen intermittierenden D. 378. 

— thyreotoxische 759. 

— Gastrogeno D. und das Vorkommen von 
Aehylia pancreatica bei Achylia gastrica 1874. 

Diastaseprobe des Urins 1279. 

Diathermie 716, 791, 1963. 

— Applikationstechnik der D.-Ströme 72. 

— in der Augenheilkunde 563, 1582. 

— Neue Elektroden für die gefahrlose Anwen¬ 
dung starker Ströme besonders bei D. in der 
Gynäkologie 692. 

— bei gynäkologischen Erkrankungen 1770, 

— Lehrbuch der D. 316. 

Diathesc, exsudative, beim Säugling 853. 

— — und Eosinophilie 897. 

— Exsudativ-lymphatische D. lind die Prophylaxe 
in der Tuberkulosebekämpfung 990. 

— hämorrhagische, bei Tuberkulose 1226. 
Diazorcktion im Atophanharn 1848. 

Dickdarm, Die schweren entzündlichen Erkran¬ 
kungen des D. 1753. 

— Klinische Röntgendiagnostik des D. und ihre 
physiologischen Grundlagen 911, 1577. 

Dickdarmausschaltung, fast totale 1390. 
Dickdarmdivertikel, Diagnose der erworbenen D. 
898. 

— multiple 931. 

Diekdarmmclanose 1651. 

Dickdarmstenosc, Röntgendiagnose der D. 377. 
Dickdarmverätzung durch Ammoniak 1878. 

. DilTercntialdiagnose an der Hand von 385 genau 
1 besprochenen Krankheitsfällen 704. 

Digifoün, Erfahrungen mit D. 210, 893, 1278. 
Digalcn, Suicidversuch mittels D. 755. 

Digitalis, Einfluss der D. auf die Farbenempfind- 
lichkcit für Grün und Rot 892. 

, — Einfluss des Magensaftes auf die per os cin- 
, geführten D. 841. 

' — Praktische Anwendung der D. am Kranken¬ 
bett 797. 

— und Muskulatur 940. 

Digitalisextrakt, Pharmakodynamik der Herz¬ 
wirkung physiologischer D. 841. 
Digitalispräparat, neues, das Adigan 1278, 

— Physiologische Wertbestimmung der D. 841. 
Digitalistherapie, Die Orthodiagraphie als Kon¬ 
trolle der Wirkung der D. 1374. 

Digitalistinktur, Wirksamkeit und Haltbarkeit der 
D. 1326. 

Digitaliswirkung, Theorie der D. 956. 
Dioxyphenvlalanin, eine neue Aminosäure aus 
Vicia faba 26. 

Diphtherie, Besondere Ferm der Alveolar-D. 1329. 

— Erkrankungen der Appendix nach D. 366. 

— echte, der Conjunctiva und Cornea 90. 

— Behandlung der D. mit Cyanquecksilber 1325. 

— — schwerer D. mit intramuskulären Injek¬ 
tionen von Diphtherieheilserum 1107. 

I — Erfahrungen mit dem Behring sehen Schutz- 
i mittel gegen D. 120. 

— Intravenöse Seruminjektion bei D. 1900. 

! — Erkrankungen und Todesfälle an D. in den 
| letzten zwei Jahren 1093. 

— Fortschritte in der Therapie der D. 1847. 

I — Gangrän des Fusses bei D. 990. 


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1998 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Diphtherie, Fall von diphtherischer organischer 
Hemiplegie 1490. 

— experimentelle, Veränderungen der Hypophyse 

bei D. 362. | 

— Jodanwendung bei D. und Scharlach 267. 

— Kasuistisches über D. 1342. 

— Monographische Darstellungen über D. 1276. 

— Gehäufte postdrphtherisebe Lähmungen 1480, 

1527. 

— Ungewöhnliche Lokalisation der D. 622. 

— Prophylaxe der D. nach v. Behring 647. 

— Klinische Bewertung der Bakterientypen bei 
Nasen-D. der Säuglinge 650. 

— Immunisierung mit atoxischen Toxinen und mit 

überkompensierten Toxin-Antitoxinmischungen 
bei D. 609. I 

— Toxinbefundc im Blut bei D. 123. 

— und diphtherischer Croup 264. 

— Primäre Nasen-D. bei Kindern 1534. 
Diphtherieantitoxin, Gehalt des Blutes an 1). bei 

gesunden Erwachsenen, Rekonvaleszenten und 
Bacillenträgern 649. 

Diphtheriebacillen, chemische Zusammensetzung 
1469. 1 

— Einfache Methode, die echten D. von den 

Pscudodiphthcriebacillen zu unterscheiden 
757. 1 

— in Organen bei tödlich verlaufener Diphtherie 
648. 

— Jodbchandlung des Hachens zur Beseitigung | 
der D. 120. 

— Sind die D. für ihre Umgebung infektiös? 944. 

— Waehstumsbcdingungen des D. auf Selen- und 
Tellurnährböden 1107. 

Diphtheriebacillcnträgcr 1820. 

Diphtheriebekämpfung und Diphtherieprophylaxc 
1228. 

Diphtherieepidemie, Maassnahmen gegen dies. 1489. 
Diphtherichcilscrum, Einführung des Behring- 
schen D. in der Klinik und Praxis 484. 
Diphtherieintoxikation, experimentelle, des Ka¬ 
ninchens 1292. ! 

Diphtherienährboden, Zusatz von Rindergalle zum i 
Löfflerschen D. 609. 

Diphthericprophytaxe, Methodik 1689. j 

Diphtherieschutzimpfung von Säuglingen nach . 
v. Behring 1341). 

Diphtherieschutzmittel „TA/ 917, 919, 1099. j 
Diphtheriescrum, Anaphylaxiegefahr bei Anwen¬ 
dung des D. und ihre Verhütung 647. 

— Schutzwirkung des D. bei der lleinjektion 
1946. 

— Schwere Erscheinungen 13 Tage nach D. 1001. 
Diphtheriestatistik des Hospital Herold 860. 
Diphtheriestudien, bakteriologische 503. 
Diphtherietoxin, Einwirkung des ultravioletten 
Lichtes auf das D. 1082. 
Diphtherieuntersuchung 1147. 

Diphtherievergiftung, experimentelle, Störungen 
des Kohlehydratstoffwechsels bei der 1). 413. 
Diplobacillenconjunctivitis, Neues Mittel zur Bc- i 
handlung der D. 1749. 

Diplococcus crassus als Erreger von Urethritis | 
und Epididymitis 1231. 

Distraktionsklammern, Hackenbruch'sehc, bei 
Knochenverletzungen im Felde 1901. 

Diurese, Die aus dem Verdauungstrakt darstell¬ 
bare, die D. anregende Substanz 1224. 
Diuretinglykosurie, Mechanismus ders. 1553. 
Diverticulitis 1147. 

Doppelempfindung, sogenannte 1048. 
Doppelmissbildung, Lebende erwachsene D. 1468. 
— (Epigrastricus), Lebende D. 1561. 

Dosimetrie, Grundprinzipien der D. 1131. 

Dosis, kleinste tödliche und ihre Beziehungen I 
zum Zeitfaktor 939. i 

Dostojewski als Psychopathologc 1943. 
Drahtextension am Calcaneus 1821. 

Drehstuhl, neuer 1247. 

Dressurversuche, neuere, an Hunden und Affen 
763. 

Drillingsschwangcrschaft im selben Eileiter 322. 
Druckdifferenzverfahren, Jetzige Gestaltung des 
D. 959, 1605. 

Druckmessung, Technik der intraokularen D. 

— im Muskelmagen der \ügel 1707. 


mit 


D. 


Drüsen, Gegenseitige Beziehungen der D. 
innerer Sekretion 900. 

Drüsentuberkulose, Röntgenbehandlung der 
1423. 

Ductus thoracicus, Varixbildungen im D. 940. 

— — Versenkte Tamponade zum Verschluss der 
D.-Fistel 612. 

Dum-Dum-Geschosse, Diagnose der Verletzung 
durch D. 1901. 

— —- -Verletzungen 1876, 1949. 

Dünndarm, Wirkung des Blutes auf den isolierten 

D. 1080. 

— Isoliertes malignes Granulom des D. 895. 

— 3 Fälle von traumatischer Ruptur des T). 992. 
Dünndarmerkrankungen im Röntgenbild 911. 
Dünndarmphlegmonc 1279. 

Dünndarmresektion, ausgedehnte 236. 
Diinndarmsarkom 1085. 

Dünndarmstenosen, Röntgenologischer Nachweis 
der D. 1682. 

Dünndarmstudien 911. 

Dunkclfeldbcleuchtung, Untersuchungen über 
Fettresorption aus der Bauchhöhle mittels D. 
1466. 

Duodenalatresie, kongenitale 472. 
Duodenalcrkrankungen im Röntgenbild 846. 

I Duodenalernährung 1023. 

Duodenalfistel, Behandlung der D. 992. 
Duodenalinhalt, Direkte Untersuchung des D. als 
| diagnostisches Hilfsmittel bei Gallenblasen- 
und Pankreasaffektionen 1888. 1 

Duodenalschlauchuntersuchung,Vereinfachung der > 

[ klinischen D. 1733. | 

Duodenalsondierung, Technik der D. 122. i 

Duodenalstenose, Tiefe kongenitale D. bedingt 
durch Situs inversus partialis 1161, 1200. 
Duodenalstumpf, Versorgung des D. bei Magen- ! 

resektion Billroth II 32, 271, 687. 

! Duodenalulcus 1528, 1648. 

j Duodenalverschluss, Sogenannter arterio-mesen- 
terialcr D. (Atonia gastro-duodenalis acuta) 
1637, 1658. 

| — Arterio-mcsenterialer D. 1652. 

Duodenum, Primäres Carcinom des ersten Teils 
| des D. mit sekundärer Erkrankung des Ductus 
I cholcdoehus 608. 

Dilatation des D. im Röntgenbild 1283. 
Angeborene Erweiterung mit Divertikelbildung 
des I). 1227. 

Fistel zwischen D. und Colon asccndcns 1343. 
Vollständige, dauernde Füllung des D. 911. 
Mobilisierung des D. 1428. 


Dysostoso, familiäre 896. 

Dyspepsie, Schlaflosigkeit bei D. und ihre Be¬ 
kämpfung 863. 

Dysphagie, Behandlung der D. bei Larynxtubcr- 
kulose 1224. 

Dysphonie nach Chloroformgebrauch 1048. 
Dyspnoe, Behandlung der D. 267. 

— paroxysmale, bei Herz- und Nierenkranken 29 
Dystonia musculorura deformans 1395, 1561. 
Dystrophia adiposo-genitalis 767, 1186. 


Echinococcus der Leber 1098, 1471. 

— der Lunge und Pleura 769. 

— der Milz 123. 

— Solitärer Netz-E. 1429. 

— der Niere 413. 

— des Rückenmarks und der Cauda equiua 321. 

— und Eosinophilie 191. 

Ectopia viscerum, Drei Fälle 1877. 

Ectropium uveae congenitum 1087. 

Ehrengerichtshof, Entscheidungen des preussi- 

sehen E. für Aerzte 1552. 

Ehrlich, P., Das Werk von E. 529. 

Ei, junges, menschliches, in situ 802. 

Eierstocksüberpflanzung, speziell bei Säugetieren 
1468. 

Eifersuchtswahn, chronischer, bei Trinkern 182. 

Eileiter s. Tube. 

Einäugigkeit, Gewöhnung an die E. 17 50, 1922. 

— Nachweis der Gewöhnung an E. und Herab¬ 
setzung der zentralen Sehschärfe 849. 

Einigungsabkommen (Berliner) zwischen Aerzten 
und Krankenkassen nebst Ausführungsbestim¬ 
mungen 1611. 

Eisen-Elarsontabletten 408, 553. 

| Eisensplitterverletzungen 854. 

Eisentuberkulin s. Tuberkulin. 

1 Eisenwirkung 1081. 

j Eiweiss, Wirkt arteigenes E. in gleichem Sinne 
„bluttremd“ wie artfremdes 787. 

— Bewirkt „arteigenes“ blutfremdes E. bei 
wiederholter Zufuhr Ueberempfindlicbkeit- 
10 82. 

— Vortäuschung von E. nach Hexamethylen¬ 
tetramin 168, 1581. 

Eiweissabbau, intravitaler, in der Leber sensibili¬ 
sierter Tiere und dessen Beeinflussung durch 
die Milz 986. 


— lieber Rückfluss und röntgenologische Anti- Eiweissantigene ohne Artspezifität im normalen 


peristaltik des D. als Folge von Adhäsionen 

1572. 

Duodenumresektion mit der Papille wegen Car- 
cinoms 1581. 

Dura, Das Endotheliom der D. 460. 

Duradefckt, Ersatz von 1). durch Faseie 943. 
Dura mater spinalis, Tumoren der D. 1130. 
Durchfall, Behandlung der D. im Felde 1818. 
Durchleuchtungskomprcssorium mit Bucky-Effekt 
32, 170. 

Durstkur bei Oedemen nicht rcnal-cardialcr 
Natur 1798. 

Dynastie, Pathographic der Julich-Claudischen 
D. 321. 

Dysbasia angiosclerotica 559. 

Dysenterie, Amüben-I). 1137, 1373. 

— — und Leberabscess behandelt mit Emetin 
1372. 

— Behandlung 556. 

— chronische 720. 

— Emctinbchandlung der D. 317. 

— — — Lamblien-D. 1327. 

— Anwendung des Heilserums bei D. 1240. 

— der kleinen Kinder 321, 560. 

— bacilläre, im Säuglings- und Kindcsaltcr 999, 
1228. 

— latente 1097. 

— als Kriegsseucho 1653. 

— Dvscnterischer Lungenabscess bei latenter D. 
1567. 

j Dysenterieepidemie durch Y-Bacillus 564. 

733. j Dysenteriegift, Chemie und Toxikologie des D. 755 
Dysentcricinfektion 320. 


Drucksteigerung, intraokulare, Mechanismus der j Dyscntcrictoxin, Darstellung des D. 860. 

D. nach subeonjunctivalcr NaCl-lnjektion 371. [ Dysmenorrhöe, Atropinbchandlung der D. 77, 


Harn 988. 

Eiweissbedarf und Fleischteucrung 900. ^ 
Eiweissbestimmung, kolorimetrischc 1733. 
Eiweissendprodukte und Fettkörper 941. 
Eiweisskörper, Ausscheidung eines nicht coagu- 
lablen kristallisierbaren E. im Harn bei einen! 
Fall von Magencarcinom 768. 

— Neuere Arbeiten über die Physiologie der L. 

164. 

Eiweissmilch, Anwendung des E. 627, 1RU 
1281, 1423. 

Eiweissnährschaden des Säuglings 611. 
Eiweissreagens, handliches 558. 
Eiweissspeicherung in der Leber nach 1 iitteni^ 
mit genuinem und gänzlich abgebautem Eiweiß 

i Eiweissstoffwechsel, Einfluss der Atemluft au 
| den Kohlehydrat- und E. 892. 

I — im Hungerzustand nach Zufuhr von - 1L 
j eiweiss 361. , ... . 

I Eiweisssubstanz, Kenntnis der durch ver in 
| Essigsäure fällbaren E. in serösen trgu. 
i nebst ihrem klinischen Wert 1112- ,, 

Eiweisswasser, Missbräuchliche Verwendung u 
] bei akuten Ernährungsstörungen < er 

, lingc 28. i,. 0 .) 

I Eiweisszerfall, Genese des E. im lieber *>-. 

I - Grösse des E. bei Fieber und bei Ar« 

jKiJÄ 1 ^ Aufbau der E. 

I Energie 555. inA7 

Eklampsie, Behandlung der E. 7od, • ^ 

1 — Behandlung der puerperalenL. durch i fl 

I und seine Derivate 1920. 

362. , - Pathogenese 1920. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


1999 


Eklampsie, Hebung der Diurese bei E. durch intra¬ 
muskuläre Euphyllininjektion 1232, 1529. 

— Sofortige Entbindung bei E. 317, 414. 

— Seltener Fall von Früh-E. 322. 

— nach Totalexstirpation wegen Uterusruptur 
mit schwerer Anämie bei einer Viertgebären¬ 
den 414. 

— schwere, geheilte 378. 

Ekthyma gangraenosum bei Masern 174S. 

Ekzem, Zur Aetiologie des E. 561. 

— akutes, mit psychischer Aetiologie 896. 

— Anwendung der jodhaltigen Antiseptica bei 
E. kleiner Kinder 556. 

— Neue Behandlungsmethode des akuten E. 1599. 

— Behandlung des E. mit heissen Bädern 1708. 

— Sekretorische Niereninsuffizienz bei dem vul¬ 
gären und parasitären E. 1529. 

— und Neurodermitis im Kindesalter 1757. 

— Pellidolsalbe bei Säuglings-E. 940. 
Ekzemrezidiv, Eucerin-Unna zur Verhütung von 

E. 556. 

Elarsontherapie 77, 1224, 1467. 

Elberfelder Pferde, Neue Beobachtungen an dens. 
1527. 

Elektrargol bei Pocken und Pest 1278. 
Elektrische Heilwerte 1329. 

Elektroeardiogramm 75, 1473. 

— Analyse des E. 76. 

— — des E. mittels derRöntgenkymographie 610. 
Elektrocardiographie 573. 

— klinische 1899. 

— Einige während längerer Beobachtungszeit 
festgestellte Veränderungen bei E. 1426. 

— bei Syphilitikern 222. 

Elektrocardiographische Untersuchungen über die 

Beziehungen des Herzmuskels zur Spasmo- 
philie 1469. 

Elektroden, Anschluss-Handapparat fiir E. 1772. 

— biegsame 795. 

Elcktrodiagnostik und Elektrotherapie für prak¬ 
tische Aerzte 1847. 

Elektromagnet für Diagnostik, Therapie und 
Magendarmpathologie 1105. 

— Magendarm-E. 194S. 

Elemente, radioaktive, Physik und Chemie der 
E. 124. 

Elephantiasis des ganzen linken Beins 672. 

— penis und ihre operative Behandlung durch 
Drainage mit implantierten Venen 991. 

— in Samoa 1472. 

— scheinbare 230. 

— der Unterextremität"802. 

— der 3.-5. Zehe 1393. 

Ellenbogengelenk, anky lasiertes, Mobilisierung 

des E. 611. 

— Behandlung der Knochonbriichc in der Nähe 
des Knie- und E. 317. 

— Modellierende Resektion am E. 40. 

— Posttraumatische Ossifikation im Gebiete des 
E. 366. 

— Versteifung 998. 

Ellenbogenluxation, Blutige Reposition veralteter 
E. 1103, 1428. 

Ellenbogenscheibe und Olecranontraktur 1131. 
Elliot’sche Operation 563. 

Emanation 1343. 

— radioaktive, Einfluss der E. auf das Wachs¬ 
tum von Pflanzen 705. 

Embarin in der augenärztlichen Praxis 303. 

— bei luetischen Affektionen des Auges 1377. 

— Erfahrungen mit E. 561. 

— Zur Klärung der E.-Frage 1838. 

— bei Nervenkrankheiten 1599. 

— Verbesserung der Technik der E.-Behandlung 
1599. 

— Toxische Erscheinungen des E. 1184, 1632. 

— Syphilisbehandlung mit E. 893, 1554, 1798. 

— Beeinflussung der Wassermann’schcn Reaktion 
durch E. und Merlusan 1814. 

— in der Syphilistherapie 1901. 
und Merlusan 797. 

Embolie, Sogenannte E. einer ciliorctinalcn Ar¬ 
terie 1750. 

— der Arteria tibialis 668. 

— postoperative 1103. 

Embolusaortaeabdominalis, Operation,Heilung 81. 
Embryonen, Das Alter menschlicher E. 1440, 

1549. 


des I 


Embryonalzellen, Kombinierte Aether- 
' diumwirkung auf E. 119. 

; Embryotomie, Uteruskrampf und Retention 
I Kopfes nach E. 1283. 

i Emetin, Antiparasitäre Wirkung des E. 1246. 

— Wirkung des E. bei dysenterischem Lcber- 
abscess 239. 

1 — salzsaures, Wirkung des E. 1097, 1612. 

1 — bei Araöbendysenteric und Leberabscess 187, 
1 1088. 

EmetiniDjektionen, subcutane, bei Lungentuberku- 
' lose 797. 

j Empyem, Behandlung der E. und der lange be¬ 
stehenden tuberkulösen Pleuraexsudate mit 
I der Pfeilerresektion 760. 
j — Technik ausgedehnter Thoraxresektion bei 
veraltetem E. 1376. 

I Emphysem, mediastinales und subcutanes 858. 

Emulsion, Zersetzlichkeit der E. 1081. 

— Versuche über Benetzung, E., Agglutination etc. 

I 607. 

Encephalitis, Spasmophile Erscheinungen bei sich 
entwickelndem Ilydrocephalus im Verlauf einer 
akuten E. 80. 

— akute 1329. 

— — nichteitrige 650. 

— Fall mit nicht ausgebreiteter E. 1672. 

— haomorrhagiea, hervorgerufen durch Neosal- 
varsan 1749. 

Encvtol, Behandlung chirurgischer Tuberkulosen 
mit E. 1554, 1564. 


und Ra- Epilepsie, Erfahrungen mit dem Balkcnstich bei 
E. und Idiotie 1006. 

— Neue E.-Behandlung 1144. 

— Blutbefunde bei E. 956. 

— Verengerung der Carotiden bei E. 801. 

— Schätzung der Erwerbsfähigkeit bei E. 84. 
j — Gehirn Vorgänge beim E.- Anfall 1084. 

I — Entwicklungsstörungen des Gehirns bei E. 671. 

, — genuine 1469. 

I-Behandlung der E. mit dem Gift der 

! Klapperschlange 797. 

— Operative Behandlung der genuinen und trau- 
i matischen E. 1529. 

| — Jackson’sche, mit ungewöhnlich röntgeno- 
j logischem Befund 760. 

I-durch arachnoidales Oedem 1149. 

— Corticale E. mit Herdsymptomen (makro- 
l skopisch koin Herd nachweisbar) 1673. 

1 - Rinden-K. 475. 

! — Traumatische Rinden-E. durch S-Gcschoss. 

I Fascientransplantation 49. 
i — Operierter Fall, eine Jackson’sche E. vor¬ 
täuschend 1752. 

— Luminalbehandlung bei E. 893, 

| — Einfluss der Schutzimpfungen 
, auf die Anfälle bei E. 1469. 

— Sedobrol bei E. 647, 1128. 

— Serodiagnose der E. 757. 
i — Stoffwechsel in der E. 559. 

— symptomatische, Beziehungen von organischen 
Veränderungen der Hirnrinde zur E. 1085. 


1577, 

gegen 


1689. 

Lyssa 


Endarteriitis obliterans oder Raynaud oder Em- ! — Technik der wirksamen Brombehandlung bei 


bolie? 1672. 

Endobronchialspray, Behandlung des Asthma 
bronchiale mit dem E. 1478. 

I Endocarditis lenta; Microeoccus flavus als Erreger 
649. 

— verrucosa, Aetiologie der E. 1390. ! 

F.ndocardVeränderungen, mechanische 167. j 

Endocrine Drüsen, Einfluss von Extrakten ders. 


E. 1227. 

— traumatische 853. 

— und ihre forensische Bedeutung 123. 

— und Tuberkulose 1131. 

Epilepsieforschung, Heutiger Stand der E. 982. 
Epileptische Demenz, Wirkung des Luminals bei 

ders. 1733. 

Epiphaninreaktion bei Krebskranken 648. 


auf den Mineralstoffwechsel und das Blutbild ; Epiphysenlösung, spontane, im Kindesalter 81. 
rachitischer Säuglinge 1747. I — traumatische 897. 

Endoinetrium, Histologie dess. 1924. Epiphyscnnebenkerne des Becken- und Schulter- 

Endophlebitis hcpatica obliterans 460. 1 gürtels 1282. 

Endoskopie, Bericht über 4000 rectale E. 1946. 1 Epistropheusfraktur mit tödlichem Ausgang 1799. 


Entbindungslähmungen 1195. 

— des Arms 991. 

Entbindungsverlctzungen 1151, 

Entcnvögel, Seelenleben der E. 1292. 

Enteritis membranacea foctalis 43. 

Enteroamylase, Adaption der E. an den chemi¬ 
schen Reiz 360. 

Enterocystom 374. 

Enteroptose, Intraabdominaler Druck und Blut- 
vertcilung bei E. 649. 

Entcrostomie nach v. Hofmeisters Spicknadel¬ 
methode 464. 

Entfettung mit Hilfe elektrischer Ströme 79, 
230, 409, 1186, 1342. 

Entfettungskuren 283, 473. 

— diätetische 165. 

Entkalkungsflüssigkeit, verbesserte, fiir mikro¬ 
skopische Untersuchungen 459. 
Entmündigungs- undPflegschaftsvcrfahrcn, Mängel 
in de ms. 1582. 

Entzündungen, torpide hypoplastische 429. 
Entzündungszellen an aleukocytären Tieren 1099. 
Enuresis nocturna, Diagnose ders. 1747. 

— — Röntgenuntersuchungen bei ders. 1652. 
j — und Spina bifida oeculta 321. 

Enzyme, proteolytische, im Serum Gesunder und 
Kranker 824. 

Enzymwirkung, autolytische, Forderung auto- 
i lytischer E. durch pathologisches und Sehwan- 

j gcrschaftsserum 79. 

i Eosinophilie, lokale und Charkot-Lcydcn'sche ' 
I Kristalle 1128. 

I — und Echinococcus 191. 
j — und exsudative Diathese 897. 
j Ependymitis nach Ccrebrospinalmeningitis 430. 
j Epidermis, Das mclanotische Pigment der E. 613. 

I Epidermistransplantation 186. 

| Epididymitis, Behandlung der E. gonorrhoica 
j nach der Bier'schen Methode 27. 

— und Prostatitis acuta non gonorrhoica 414. 
Epilepsie, Der E.-Anfall 844. 

— Die gehäuften kleinen Anfälle bei E. 1733. 

— Wirkung der Augenkompression bei E. 1098. 


Epithelioma, Verknöcherung in verkalktem E. 894. 

— contagiosum der Tauben 319. 

— planum cicatricans 850. 

Epithelkörperchen 42. 

— Physiologie der Schilddrüse und der E. 1797. 

Epitheliosis desquamativa der Südseo 992. 

Epithelperlen, Funktionelle Bedeutung der sog. 

E. am harten Gaumen von Föten und Kindern 
709. 

Epithelveränderungen bei der Entzündung und 
Beziehungen derselben zum bösartigen Epi¬ 
theliom 1231. 

Epithelwucherungen durch Gastrophiluslarvcn im 
Magen der Pferde 1290. 

Eppendorfer Krankenhaus, Operationsgcbäudc 
dess. 1527. 

Erb’sc-he Lähmung nach Lues 380. 

-Chirurgische Behandlung der E. 121. 

Erb-Duchenne’sche Plexuslähmung kombiniert 
mit Sympatkieuslähmung nach Schussver- 
letzung 1903. 

Erblindung, akute, bei Hirnabscess 33. 

Erbrechen, Behandlung des E. imKindesalter 1081. 

— periodisches, Pathogenese des E. 278. 

-mit Acetonämie 1874. 

— — beim Kind 1566. 

— unstillbares, bei 9monatigem Säugling 80. 

— — bei einem Säugling. Laparotomie; Heilung 
270. 

Erdalkalien, Herzwirkung der E. 1145. 

Erden, Einfluss seltener E. auf die Kontraktilität 
des Muskels 1898. 

Erfrierungen im Kriege und ihre Behandlung 1858. 

Ergotismus, Geistesstörungen bei E. 800. 

Erklärungswahn, Psychologie des E., dargelegt 
an residuären Orientierungsstörungen 844. 

Erkrankungen, exan thematische, Vaccinale Allergie 
der E. 709. 

Ermüdung. Die objektiv nachweisbaren Zeichen 
der E. bei denjenigen Berufen, die keine 
Muskelanstrengung erfordern 800. 

Erraiidungsmesser, neuer 948, 1688. 

Ermüdungsreaktionen 956. 


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UMIVERSITY OF IOWA 





2000 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ernährung, Die Kost der Arbeiter und die Grund¬ 
sätze der E. 1721. 

— der Bevölkerung eines Dorfes 91. 

— Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie 

der Kinder 754. j 

— und E.-Therapie des gesunden und kranken ; 
Kindes 897. 

— Arbeiten aus der Literatur über E.-Therapie 

des gesunden und kranken Kindes 559. < 

— lipoidfreie, und ihre Beziehungen zu Beri-Bcri , 
und Skorbut 938. 

- parenterale, durch intravenöse Injektion 25,76. 

— und Stoffwechselkrankheiten 1873. j 

— Die Volks-E. im Kriege 1750. 
Ernährungsstörungen der Säuglinge 1130. 

— Körperzusammensetzung bei E. 1900. 

Erregung, psychische, und Hemmung 320. , 

Errötungsfurcht, Lehre von der E. 1400. 1 

Erstlingsimpfung. Blutbild bei E. 672. j 

Erwerbsfähigkeit, Einwirkung der Krankheiten auf 

die E. 359. 

Erysipel, anämisches 1007. 

— Behandlung dess. 1798. 

— abortive Behandlung 935. I 

— Behandlung des E. mit Antidiphtherieserum 

1898. | 

— Leber E. und Sepsis 1734. ! 

— in der Aetiologie des Diabetes mellitus 462. j 
Erystypticum „Roche“ 843. 

Erythem, pcllagrüscs 1900. j 

Erythema chronicum migrans 1343. 

— induratum Bazin 952. | 

— infeetiosum, Epidemie 573, 1581. ! 

— — Die Breslauer Epidemie von E. 544. 

— multiforme bullosum 142. j 

— — Erkrankung der Conjunotiva bei E. 1000. 

— nodosurn, Aetiologie des E. 412. 

— — Purinstoffwechseluntersuehungenbei E.70S. 1 

— — Tuberkulöse Aetiologie des E. 187. 

— — und Tuberkulose 649, 1045. j 

ErvthrOeyten, embryonale 1127. 

— Fragilität der E. bei iktcrisehen Zuständen 
412. 

— Resistenz, Anpassungsvermögen und Durch¬ 
gängigkeit der E. 1201. 

Erythrocyturia minima im Kindesaltcr 1470. 
Ervthrodermic 429. 

—* Behandlung im Wasserbett 1950. 

— Beziehungen gewisser Formen exfoliativer E. 
zur Tuberkulose 1600. 

Krythromelalgie 321. 

Erziehung, körperliche, des Kindes 316. 

Esterase des Blutes 3G0. 

Eugenik und Gynäkologie 563. 

Eunuchoide 649. 

Eunuchoidismus 42, 284, 377, 1772. 

— Aetiologie des Spät-E. 989. 

Euphyllin zur Hebung der Diurese bei der 
Eklampsie 1529. 

Eusitin, Mittel zur Bekämpfung des Hungergefühls 
bei Entfettungskuren 16S8. 

Eventratio diaphragmatiea 572. 

— — und subphrenischer Absccss 1474. 

— und Ilernia diaphragmatiea 1528. 

Exanthem, agonal aufgetretenes 1231. 

— hyperkeratotisch-vesikulöse, bei Gonorrhoe 

1529. 

Exostosen, familiäre 814. 

— multiple, familiäre 1392. 

-Cartilaginärc Komplikation der E. 1085. 

— Hereditäre multiple eartilaginösc E. und hk- 
chondrosen 267. 

Exspiration, Manifeste und latente Insuffizienz 
der E. im Kindesalter 1398. 

Exsudat, Einfluss der Calciumsalze auf die Bildung 
von Transsudaten und E. 986. 

— pleuritisches, Diagnostische Bedeutung der 
Tierimpfung mit E. 1226. 

— tuberkulöse eitrige, Behandlung der E. mit 
künstlichem Pneumothorax 409. 

Extonsion, Besondere Formen der E. 1821. 

— durch Gewichtszug 1950. 

Extensionsvcrband mit Mastisol 7G7. 

— Trikotschi auch-Mastisol-E. 1821. 
Extraduralabscess 1148. 

Extrasystole, Entstehung der nervösen E. 1328. 

— supravcntriculäre, mit Ausfall der nach folgenden 
Kammerextrasystolen 79. 


Extrasystole, ventriculäre, Ausgangspunkt der E. 

mit Hilfe des Elektroeardiogramms 219. 
Extrauteringravidität 140, 1142, 1651. 

— Behandlung der in den früheren Monaten 
unterbrochenen E. 1749. 

— ausgetragene 572. 

— vorgeschrittene und ausgetragene 1749. 
Extremität, untere, Statisches Problem des 

Skeletts der E. 990. 

Extremitätenparalyse, dauernde, nach lange fort- , 
gesetztem Gebrauch von Colchiein 1565. 
Gxtrcmitätenrcnexe, Einfluss der Kopfstellung ( 
auf pliasisehc E. 1707. j 

Extremitätenschüsse 1965. 

Extremiliitentransportsehienc, dreigcteilte 1281. i 


Facialis, Dauerclonus im Gebiet des linken F. 947. ! 

Facialislähmung, angeborene 30, 953. 

Facialis- und Hypoglossusparcse nebst Aphonie 
durch Schuss 1850. 

Faeialisphänomen, Xeuropathisehc Familie mit 
F. 478. 

Fadenpilzerkrankungen des Menschen 1552. 

Fäees, Nachweis okkulter Blutungen in den F. 
1470, 1899. 

Faecotcnor, Apparat zum Auffangen und Trans¬ 
portieren von Stuhl für klinische Unter¬ 
suchungen 1609. 

Fäulnis, Verhalten der Betaine hei der F. 1042. 

Fall Wagner, Wissenschaftliche Bedeutung des 
F. \\\ 709. 

Farbstoffe, Selektiv bakterieide Wirkung von F. 
811. 

— Vitalfärbung mit sauren F. 1770. 

Farhenempfindlichkeit, Einfluss der Digitalis auf 

die F. für Grün und Kot 892. 

— Einfluss von Santonin und Digitalis auf die 
F. des menschlichen Auges 1042. 

— Theorie der F. auf phylogenetischer Grund¬ 
lage 555. 

Farbenschwäche, angeborene, Konsequente Simu¬ 
lation von F. 1332. 

Farbensinn 1332. 

Farbensinnstörungen, angeborene 273. 

Farbentüchtigkeit, Feststellung der F. 1670. 

Fascia lata, Histologischer Umbau der freitrans- ; 
planticrten F. 1428. i 

— — Freie Transplantation ders. bei Lungen- 

und Lungenlappenexstirpation 1875. I 

Fasoie-, Tuberkulose der F. des Bicepsnmskels 
1470. 

Faseientransplantation, freie 124, 767. j 

— Behandlung von Muskelbrüchen durch freie I 

F. 1561. ! 

Faseientumorcn 271. I 

Favus der unbehaarten Haut in Japan 1600. | 

— des Kopfes 854. j 

Fehlgeburt s. Abort. 

Feldarzt, Vademeeum des F. 1577. | 

Feldrüntgenautoniobil, neue Type 1822. ! 

Feldsanitätsausrüstungen, Neuerungen in der F. I 
1325. ! 

Femur, Entstchungsmechaiiismus der typischen J 
Frakturen des atrophischen F. 612. 

— Hypoplasie dess. 1586. 

— Tumor am F. 1245. 

Feinurcyste 1146. 

Femurepiphyse, Bisher unbekannte Erkrankung 
der unteren F. 568. 

Femurfraktur, Nagelextension bei F. 672. 

— Transportschiene für F. 1376. 

i Femurhals, Frakturen des F. im kindlichen Alter 
und ihre Beziehungen zur Coxa vara 815. 

Ferment, amylolytisches, Wirkung des F. auf 
Nähr- und Nahrungsmittel 555. 

— Nachweis bakterienfeindlicher Schutz-F. mit 
Hilfe der Alnlerhalden’schen Methode 757. 

— Biologische Untersuchung auf Abbau-F. 767. 

— Zusammenhang zwischen aktivem und in¬ 
aktivem Zustand eines F. und seiner Ober¬ 
flächenspannung 191. 

— Verhalten von Tieren, die plasmafreie Sub- 
strata nebst den zugehörigen F. im Blut be¬ 
sitzen, gegenüber parenteraler Zufuhr be¬ 


stimmter Peptone, Proteine und Serumarten 
1185. 

Ferment, caseinspaltende, Bedeutung ders. 179 * 

— eiweissspaltende, im Blut bei vorgeschrittenem 

Hunger im Stadium der „Stickstoffsteigcrun** 
aus Fettschwund 461. ' B 

— Nachweis der F. und Anti-F. auf Farbplatten 
839. 

— Nachweis spezifischer F. im Harn 1G88. 

— Passive Uebcrtragung des F. von Geistes 
kranken auf Kaninchen 1554. 

— Verbreitung der fett-, leeithin- und wachs- 
spaltenden F. in den Organen 1599. 

— peptolytische, in Zellen und im Blute - 
Totenreaktion 557. 

-im Harn bei Eiweisszerfallstoxikoscn 1280. 

-im Serum verbrühter Kaninchen 10M 

1225. 

— proteolytische 940. 

— — im Blute 1374. 

-Nachweis der Wirkung von F. des Serums 

mittels Entciweissung und Feststellung der 
Zunahme der mit Ninhydrin reagierenden 
Stoffe 843. 

-Spezifität der gegen Pflanzeneiweiss ge¬ 
richteten F. 1425. 

— — Spezifität der F. 895. 

— spezifische, Nachweis der F. mit Hilfe des 
Dialysierverfahrcns 78, 940. 

Fermentreaktion, Hemmung von F. durch in¬ 
differente Narkotica 986. 

Fermentstudien, biologische 424. 

Fermenttherapie des Diabetes mellitus 1874. 
Ferrescasan, ein neues erfolgreiches Eisenprä¬ 
parat 120. 

Fertilität, besondere, kombiniert mit konstanten 
Blutungen in der schwangerschaftsfreien Zeit 
651. 

Fett und Altmann'sche Granula 894. 

Fette, Eine neue Reaktion der F. (Chromchry- 
soidiureaktion) 1525. 

! Fettaustausch in der Säuglingsernährung 1165. 
Fettintoxikation 1424. 

Fettkörper und Eiweissendprodukte 941. 
Fettresorption, Untersuchungen über F. aus der 
Bauchhöhle mittels Dunkelfeldbeleuchtung 
1466. 

— im Dick- und Mastdarm 1466. 
Fettschwund, symmetrischer progressiver, iif 

Kindesalter 611. 

I Fettsubstanzen, Ursprung der F. in der Neben- 
I nierenrindc 1579. 

Fettsucht, Behandlung der F. mit kolloiden Platin¬ 
metallhydroxyden 1770. 

— hochgradige 1459. 

i — hyperglykämiseho 722, 928. 

I — hypophysäre 1244. 
f — konstitutionelle 576. 

1 — Pathogenese der F. 959. 

| Fetttransplantation, autoplastische, zur Neuro- 
I lysis und Tendolysis 710. 

Fibrin, Ueber F. und Wesen der Blutgerinnung 
j 360. 

! Fibrolysin, Anaphylaktische Erscheinungen nach 

I F - 122 * 

; Fibromatosis utcri, Ovarialverändcrungen bei 13-0. 

I Fibromyxolipom des Abdomens 811. 
Fibrosarkom der Schädelbasis 1140. 

Fibula, Traumatische Luxation der F. im oberen 
j Tibio-Fibulargelcnk 124. 

j Fibulabruch, Aetiologie des typischen P und 
| der militärischen Fussgesehwulst 702. 

j Fichtennadelbäder 1374. _ 0t) 

Fieber, Genese des Eiwcisszerfalles im P 
I — Ueber Gchirn-F. 1752. 

— Einfluss der Ausschaltung des Zwisobennirn? 

i auf das infektiöse und nichtinfektiosc P • 

Fieberanstieg G46. 

| Filarienerkrankung, Phcnokoll bei K. und Bin» 

; ziosis 1088. 

J Filariosis des Auges 83. 

. < Filixvergiftung, Tödliche F. bei klinisch laten. 

■ I Morbus Addisonii 1820. 

• Filterwirkung 1131. 

Fimbria ovarica, Tumor ders. I486. 

- Finger, Chronische Tuberkulose der P * 1 • 

- Fingercuvette s. Cuvettc. 

- Fingerhypertrophic 1000. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


200t 


i 


Fingerkontraktur, kongenitale 141, 1471. 
Fingervcrletzungen, Beurteilung ders. 1750. 

— Bewertung der Inaktivitätsatrophie des Armes 
nach F. 713. 

Fische, Gesichtssinn der F. 408. 

— Glykogcnstoffwech.se! der F. 980. i 

— Krankheitserscheinungen bei den F. im all¬ 
gemeinen 1290. 

— Bandwurmseuche der F. 1290. 

Fischgift, Einwirkungen der Verdauungsfermente 
auf das sogenannte F. 1328. 

Fischkrankheiten, Rolle der Protozoen bei den 
F. 1290. 

Fischspermien, Proteine der F. 20. 

Fissura sterni congenitalis complela 800. 

Fistula ani, Entstehung und Behandlung der F. 
271. 

Fixierungsverfahren, neues 798. 

Fläche, Bedeutung der F. für die Wirkung von 
Druckreizen 70. 

Flagellaten, Biologie der nur auf kulturellem 
Wege nachweisbaren F. des Rinderblutes 319. 
Flecktyphus als Kriegsseuche 1654. 

— Urobilin und Diazoreaktion beim F. 1456. 

— s. a. Typhus exanthematicus 108. 
Flecktyphuserreger 1458. 

Fleisch, Vorkommen von Fumarsäure im frischen 
F. 938. 

Fleischbeschau, Handbuch der F. für Tierärzte, 
Aerzte und Richtor 753. 

Fleischeiweiss, jJ-Naphthalinsulfochloridmethodc 
zur Erkennung der partiellen Hydrolyse von 
F. 938. 

Fleischintoxikation heim Eck’.sehen Fistelhund 
754. 

Fleischvergiftung durch Bakterien der Paratyphus- 
Entcritisgruppe 564. 

Flexura lincalis, Careinom der F. 711. 

— sigmoidea, Hochgradige Ausdehnung der F. 
720. 

— — Perforation der F. durch Fremdkörper 
1198. 

— — Stenose der F. 1241. 

— — Volvulus der F. 34. 

Fliegerpfeil 1745, 1825, 1901. 

Fiegerverlctzungcn 53. 

Flimmerarrhythmie 43, 1082. 

Flimmerscotoin und vasomotorische Krampf- 

crscheinungen an beiden Händen 83. 
Flüssigkeiten, ölige, Keimfrei machen von F. 503. 
Fluor, Puderbeliandlung des weiblichen F. 604. 
Foetus comprcssus 1429. 

— Infektion des F. 1875. 

Beziehungen der mütterlichen Erkrankungen 


Frakturen, Experimentelle Grundlagen der ope¬ 
rativen Behandlung der F. und ihre klinische 
Anwendung 500. 

— Kurzgefasste Lehre von den F. 790. 

— Sekundäre Veränderungen nach F. des Os 
lunatum und üs naviculare earpi 1747. 

— seltene 911. 

Frakturenbehundlung mit Hackenbruch’schen 
Distraktionsklammern 718. 

— improvisierte im Kriege 805. 

— mit silbernen Bolzen 854. 

— Zangenexteusion 1229. 

Frakturenden, Klammcrung als Methode zur Koap- 
tierung der F. mit Verschiebung 845. 

Framboesie, Behandlung der F. mit intramusku¬ 
lärer SalvarsaDinjcktion 83, 504. 

— tropische, Ist die F. Syphilis? 802. 

— — Knochen- und Gelenkerkrankungcn bei F. 
1384. 

Frankfurter Universität, Die neue Fr. U. 1779. 

Französisch-Aequatorialafrika, Gesundheitswesen 
von 1472. 

Frau, junge 1079. 

Frauenärztliches aus Deutsch-Ostafrika 1772. 

Frawenbart, Entfernung dess. 1820. 

Frauenkrankheiten, Lehrbuch der F. 219. 

Frauenleiden mit■ Röntgenstrahlcn behandelt 1408. 

Frauenmilch, Wirkung der mechanischen Er¬ 
schütterung der F. 709. 

— der ersten Laktationszeit 1371. 

Fremdkörper in den Luftwegen 1472. 

— Ortsbestimmung des F. im Körper des Ver¬ 
letzten 1092, 1849. 

— Röntgenologische Tiefenmessung besonders 1 
bei F. 1825. 

Frcmdkörperaspiratiou, Tracheotomie wegen F. 
604. 

Fremdkörpergranulationsgewebe, Zur Frage des F. 
1578. 

Fnedmann'sehes Heilmittel.Erfahrungen mit dems. 
1278, 1467, 1599, 1583. 

— — Behandlung der Lungentuberkulose mit 
dems. 14%. 

— Behändlung des Lupus mit dems. 1540. 

Friedensschluss 46, 47. 

Friedenstätigkeit, Acrztliehe F. im Kriege 1674. 

Friedensverlctzungcn an Bord von Kriegsschiffen 
428. 

Fricdrcich'schc Ataxie 858. 

Fritilin, lieber F. 841. 

Frosehherz, Verhalten des isolierten F. bei reiner 
Salzdiät 555. 

1 Froschventrikel, Arbeit und Gasweelisel am F. 280. 
Frostbeulen, Biokinetische Behandlung der F. 

1001. 


zu den Organen des F. und Neugeborenen 208. 

— Uebergang von Arzneimitteln von Mutter auf "■ Friihaufstchen nach Operationen 354. 

den F. 408. Friihcrythem nach Röntgenbestrahlung 909. 

Folia digitalis, Gefährliche Verunreinigung der | Friihjahrskatarrh, Einfluss der Trockenheit 
F. 721. I Luft auf die Entstehung des F. 803. 

Foligan Henning 1820. ■ Frühreife und allgemeine Behaarung bei 3jahrig. 


ler 


Folliclis unter dem Bilde des Lichen ruber 
planus 1231. 

Foramcn magnum, Verletzungen der Gegend des 
F. 713. 

Forceps intrauterinus 1067. 

Forceps s. a. Zange. 

Forcllenfische, Ist der sog. Schilddrüsen krebs der 
F. ein echtes Carcinom? 1291. 

Formaldehyddampf, Tiefenwirkung des F. in 
Dampfdesinfektionsapparaten 223. 

Formaldehydproben im Urin 1130. 

Formalindämpfe, Anwendung der F. in der Gynä¬ 
kologie 171. 

Formalinekzem, Behandlung des F. 77. 

Forschung, naturwissenschaftliche, Fortschritte 
der F. 1040. 

Fortpflanzung, Homologe Akte und einzelne Arten 
der F. 608. 

Fortpflanzungsfähigkeit, Beeinflussung der F. 
durch Jod 855, 1279. 

Fractura condyli externi humeri, Behandlung der j 
F. mittels Exstirpation des freien Fragments 
1084 1 


Kind 1393. 


Galaktosuric, alimentäre bei Morbus Basedowii 
1520. 

Galle, Sterilität der G. unter normalen Ver¬ 
hältnissen und ihre baktcricide Wirkung auf 
pathogene Bakterien 464. 

— weisso 1425. 

Gallenabfluss, Beeinflussung des G. durch Medi¬ 
kamente 379. 

Gallenableitung, Technik der G. in verschiedene 
Abschnitte des Verdauungstractus 899. 
Gallenabsonderung beim Menschen unter einigen 
Nahrungs- und Arzneimitteln 1328. 
Gallenblase, Funktion der G. 1041. 

— Präparatdemonstration cinesG.-Carcinoms 1580. 

— Primäres Sarkom der G. 711, 1129. 

— Schutzverletzung der G. 1330. 

— Stichverletzungen der G. 899. 

— Direkte Untersuchung des Duodenalinhaltes 
als diagnostisches Hilfsmittel bei G.- und 
Pankreasaffektionen 1888. 

— Warum bleiben nach Exstirpationen der G. 
so häufig Beschwerden zurück? 1528. 

Gallenfarbstoff 577. 

— Nachweis von G. und Hämoglobin im Harn 
1733. 

Gallensteine, Entstehung der G. 1298. 

— Häufigkeit der G. 899. 

— primäre intrahepatische Bildung 18. 

— Röntgendiagnostik der G. 712, 1231, 1283. 
Gallensteinchirurgie, 1528, 1587. 

— Die Paravertebralanästhesie bei G. 1875. 
Gallenstein leiden und Diabetes 1083. 

Gallenwegc, Abnormitäten der G. 1528. 

— Ascariden in den G. 321. 

— Beeinflussung der G. durch Pharmaka 556. 
Gallertkrebs 720. 

Galopprhythmus bei Typhus 896. 

Galvanisation, Neue Methode der G. grösserer 
Körperteile 504. 

Galyl bei Arsentherapie der Syphilis 755. 
Gangbevegung, Anwendbarkeit des Gesetzes der 
korrespondierenden Geschwindigkeiten auf die 
G. von Menschen und Tieren 1739. 
Ganglioneurom, retroperitoneales 82. 

Ganglion Gasseri, Tumor dess. 1900. 

Gangrän des Fasses hei Diphtherie 990. 

— Spontane Extremitäten-G. im Kindesalter 1130. 

— foudroyante der Genitalien 851. 

— juvenile 1128. 

— (icfässparaly tische Kältc-G. im Balkankrieg 123. 

— Raynaud’sohe 854. 

— schwere symmetrische 1527. 

— trophoneurotische nach Sehussvcrletzung 1045. 

1 Garnisonlazarctte, Selbstbewürtschaftung der Ver- 
| pflegimg in den G. 1473. 

Ganzkornbrot 1081. 

, Gasbacillus, Puerperale Infektion mit demFränkel- 
! sehen G. 1948. 

Gasgangrän 1870. 

Gasphlegmone, Behandlung der 1470, 1S76, 1949. 


j — nach kriminellem Abort 1920. 

Fructus Rosae multiflorac, Abführende Wirkung Gastrische Krisen und Vagotomie 1556. 

der F. 841. j Gastritis chronica, Beziehungen der G. zum Magen- 

Fürsorge, orthopädische. Ueber die für die Berliner | krebs 866. 

Gemeindesehulkinder geplante F. 747, 1195.'— polyposa 368. 


Fumarsäure im frischen Fleisch 938. 

Furunkel, Technik der Behandlung 1876. 

— Behandlung ders. 1940. 

Furunkulose, Röntgenbehandlung der F. 909. 

— Behandlung der F. iin Säuglingsalter mittels 
Thermokauter 797. 

— Vaeeincbchandlung der chronischen F. 1372. 

— Staphylokokkensepsis nach F. 150. 

Kuss, Technik, Amputation am F. 955. 

— Luxation des F. im Talocruralgclenk 404. 
Fussgcschwulst, militärische, Aetiologic der F.7G2. 
Fusssühlengelcnkgeseliwür, traumatisches, und 

Neuritis 40. 


Fusswurzelknochen, Brüche der 


G. 


— mit pylorospasmusmotorischer Insuffizienz 
zweiten Grades und Sarzinegärung 864. 
Gastro-Coloptosis, ihre pathologische Bedeutung, 
Krankhcitsbilder, Diagnose und Behandlung 
1598. 

Gastroduodenostomie bei Ulcus 464. 
Gastroentcroanastomose, Misserfolge der G. bei 
I Pylorusstenose infolge spastischen Verschlusses 

der Magenfistel 169. 

I Gastroenterostomie, Seltene postoperative Kom- 
i plikation nach G. 991. 

; (iastrojejunalgeschwür, s. Ulcus ventriculi. 
j Gastropcxie nach lioovsing 711. 


— humeri supracondylica, Behandlung der F. 

mittels Gelenkautoplastik 898. , Gärtner sehes Enteritisbaeterium, Sektionsbefund 

Frakturen, Regionäre Anästhesierung bei F. der bei Infektionen mit G. 1468. 

unteren Extremität 414. i Gärungsröhrchen, neue Konstruktion 1919. 

— Blutige Stellung schlecht stehender F. 472. j Galaktosuric, alimentäre und Lävulosuric 940. 


grossen F. 84. i Gastroptosc 478. 

; Gastroskopie, Methodik der G. 896. 
Gastrospasmus, Diagnose und Therapie des G. 911. 

— bei Urämie 1821. 

Gastrostomie im Röntgenbild 866, 1821. 

— temporäre 464. 

Gaswechsel, respiratorischer, bei chronisch- 
anämischen Zuständen 1044. 

Gaumen, hoher, Aetiologie desselben 1613. 
Gaumenprothese nach Schussverletzung 811. 

7 


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2002 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Gaumenspalte, operative Behandlung 1555, 

— Behandlung nach Bropht 81. 

— Prothesenbehandlung 170. 

Gaimienrescktion, temporare 37, 104, 176. 

Gazekompressc, ln der Bauchhöhle vergessene <i. 

848. 

Geburt, Das für die erste G. günstigste Alter 272. 

— nach operativer Antefix.ation 761. 

— doppelte, bei doppelter Gebärmutter 803. 

— Erfahrungen an den letzten 10000 G. mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung des AltersbildesS47. 

— Gutachten zum Gesetzentwurf .betreffend den 
Verkeiir mit Mitteln zur Verhinderung von G.“ 
771. 

— des Menschen 645. 

— Dosierung und Erfolge von intramuskulären 
Pantopon-Skopolamini/ijoktionen bei der G. 
755. 

— schmerzlose, im Dämmerschlaf unter Ver¬ 
wendung einer vereinfachten Methode 1081. 

— Ursache des überraschend schnellen G.-Ab¬ 
laufes hei Rückenmarkserkrankungen 1920. 

Geburtshilfe, Abhandlungen aus dem Gebiete der 
G. und Gynäkologie 74. 

— Beiträge zur ältesten Geschichte der G. in 
Rom 1919. 

— Wechsel der Indikationsstellung in der heutigen 
G. 1392. 

— Kompendium der G. 407. 

— Eaudanon in der G. 755. 

— Leitfaden der Untersuchung in G. u. Gynäko¬ 
logie 1080. 

— Leitungsanästhesie in Gynäkologie und Ge¬ 
burtshilfe 1095. 

— Vademccum der G. 24. 

— Pituidandol in ders. 1920. 

Gehurlshilflieb-gynäkologische Propädeutik 1631. 

Geburtshindernis durch übermässige Dilatation 
der fötalen Harnblase 847. 

Geburtslähmung, Die Knochenverletzungen bei 
der G. 813. 

— Verletzungen des oberen llumems.endes bei G. 

1162. 

Geburtenrückgang. Zur Frage des G. 623. 

— und Säuglingssterblichkeit 1343. 

Geburtszange, s. Zange. 

Gefässe, peripherische, Einfluss der Temperatur 
auf die G. 892. 

Gefässehirurgio, Beitrag 1612. 

Gefässkrampf, traumatisch entstanden 1923. 

Gefassmuskel», Die Arbeit der G. 572. 

Gefässnaht, circulare 651. 

Gefiisssystem. peripheres. Tätigkeit des G. und 
ihre Rolle im Blutkreislauf 1082. 

Gefässvcrletzungen, Indikationsstellung bei Ope¬ 
rationen von Aneurysmen und bei G. 31. 

— im Kriege und ihre Behandlung 1775, 1776. 

— durch Spitzgeschoss 1230. 

Gcfässwand, Nervenverzwcigung innerhalb der G. 
1327. 

Gehirn, Dekompression des G. bei intrakraniellen 
Blutungen 610. 

— Operative Beeinflussung der Entwicklungs- 
Störungen des G. 896. 

— Einfluss von Ernährung und Erkrankung auf das 
Wachstum des G. im ersten Lebensjahre 1874. 

— Technik der experimentellen Untersuchungen 
am Gehirn 896. 

— Geschwulstbildung im G. und in den weichen 
Häuten desgesamtenCentralnervcnsystems 559. 

— Neue Methode zur Beseitigung der Hyperämie 
des G. und der inneren Organe 1178. 

— Demonstration von G. mit Herden in der 
Inselgegend 470. 

— Purpura iiaemorrhagica des G. 1197. 

— Kleine Hypernephrommetastasen des G. 1197. 

— Schussverlctzung dess. 1965. 

Gehirnabseess, orbitogener 849. 

— otitisciier 1430. 

— traumatischer 1911. 

— als Folge peripherer Körpereiterung nach Un¬ 
fall 1798. 

Gehirnanhang s. Hypophysis. 

Gehirnbasis, Geschwülste der G. 937. 

Gehimbcfunde an durch Ilirnrcizung hyperther- 
iniseli gemachten Kaninchen und ihre Bezie¬ 
hungen zur Hyperthermie 646. 

Gehirnblutungen, Uhromoscrodiagnostik 1565. 


Gehirnblutungen, Diagnose der G. 798. 

— spontane, Tod durch G. bei hämorrhagischer 
i Diathese 942. 

— und Meningealblutung, Untersuchung des Se¬ 
rums bei 1490. 

Gehirndruck, Höhe des G. bei einigen Augcn- 
krankheiten 1772. 

Gehirnerschütterung. Hvdroeephalus nach G. 84. 
Gehirnerweichung, Fall von 1527. 

Gehirnfieber 1752. 

Gehirngewicht bei Geisteskranken 800. . 

— Gehirnvolurnen und Schädelkapazität 756. , 

Gehirnhäute, weiche, Faustgrosses Endothcliom j 

der G. 1197. I 

Gehirnhautentzündung, Zwei unter dem Bilde 
einer Hirngeschwulst verlaufende tuberkulöse 
g 1848. ' ; 

Gehirnhauttuberkulose. Seltene Form der G. 756. 

J Gehirnkomplikationen, otitische, Operative Ein- 
I griffe bei G. 575. , 

Gcbirnkraukheiten, Störung der Grammatik bei 
| G. 30. j 

— Allgemeine Chirurgie ders. 1918. j 

Gehirnnerven, Schussvcrlctzungen von G. 1702. 

; Gehirnoperation, Vorbereitung bei G. 1085. 
i Gehirnphysiologie, Neuere Methoden und Ergeh- ( 

| nisse der G. 1015. 

j Gchirnpunktiou, Meine G. und die Untersuchung 
des Treponema bei Dementia paralvtiea 221. j 
| — Bedeutung der G. für die chirurgische Indi¬ 
kationsstellung 374. i 

Gehirnschimmelpilzerkrankung 363. 

Gehirnsciiiis.se, Behandlung ders. 1824. 

— Operative Indikationsstellung bei G. im Kriege 
1230. 

— und Ncrvcnschussvcrletzungcn 1800. 1 

| Gchirnsehwellung, Intravitale und postmortale, 

; G. 1771 

1 Gehirnstürungen, infolge übermässigen Cocain - 
| genusscs 1000. i 

I Gehirnsyphilis 1201. I 

— nach Gehirnerschütterung 1923. j 

| Gchirnteratom bei einem neugeborenen Hydro- ' 

; cephalus 1486. j 

j Gehirntumoren, Behandlung der G. und die In- ( 
dikationen für ihre Operation 30. , 

, — Diagnose 1469, 1752. ! 

j — Diagnostik und Therapie der (7. 1772. | 

I — Differcntialdingnose des G. 474. j 

j — Krwoiehungsprozesse und Sklerose 379. 

— experimentelle bei Mäusen 895. 

! — mit Gesichtshallu/dnationen lind Makropsie559. 

— oder HysterieV 365. 

— Klinik der oberflächlich gelegenen G. und 

i das Babinski'sche Zehenphänomen bei corti- 

kalon Hemiplegien 80. 

— operierter geheilter 716. 

I — Homolatcrale Recurrenslähmung bei G. 1709. 

— Im Röntgenbild sichtbare G. 846. 

[ — mit positivem Röntgenbefund 942. 

1 — Röntgcndiagnosc der G. der llvpophvsfMi- 
gend' 1822. 

— Kombination von Schädclhyperostosen und 
G. 222. 

Gchirnwurzelgcbiet, intramcdulläres 896. 
Gehörgang, operative Beseitigung einer Arreste 
] des - G. 141. 

I — Osteom des knorpeligen G. 422. 

— Spontanfraktur des äusseren knöchernen G. 

i 1533. 

— Doppelseitige Fraktur 422. 

' Gehörorgan, Die Funktionsprüfung der G. 1732. 
Geisteskranke, Abderhalderrsche Serodiagnostik 
I bei G. 364, 381. 

, — Grossstädtischc Versorgung von G. in Familien- 
: pflege 809. 

I — Hirngewiehte bei G. 800, 

i Geistesstörungen bei Ergotismus 800. 

I — nach inneren Erkrankungen und nach Üpe- 
| rationell 1564. 

— Invalidität, Entzündung? 1709. 

I Geländebehandlung herzkranker Kinder im Mittel - 
| gebirge 1464. 

Gelenke, ankvlosicrte, Mobilisierung von G. 1007, 

I 1428, 1947. 

i — grosse, Schussvcrletzungcn der G. 1229. 

, — Schienen oder Gipsverbände bei G.-Schuss¬ 
frakturen 1902. 


Gclcnkemle, Umpflanzung von (1. 472, 8G6 
Gelenkentzündung, chronische, Intensive Behand¬ 
lung von G. mit metallischem ,1 od 1128. 
tielenkerkrankung, chronische, Phenol-Campher- 
behandlung bei G. 4G4. 

— Chronisch deformierende Kalkstoffwechsel- 
untersuehungen bei G. 708, s . a. Arthritis 
deformans. 

— Behandlung der chronisch-rheumatischen 6. 
nach den Gesetzen der Funktion und Statik 
1650. 

— neuropathisehe 866. 

— sekundär-chronische 1847. 

Gelenkextension, Wirkung der G. 651. 
Gelenkgicht 1384. 

Gelenk kapsclchondrome 1281. 

Gelenk kontrakt ur, Eigenartige traumatische 6 
1437, 1493. 

Gelenkkörper, Entstehung der freiend, und ihre 
Beziehung zur Arthritis deformans 1007,1281. 
Gelenkmobilisation, operative 651. 
Gelenkplastik 1338. 

Gelenkrheumatismus, akuter. Aetiologie dess. 844. 

— — und Herz 1946. 

— — A tophau bei G. 91. 

—- — Klinik und Pathologie des G. 10S3. 

— — polyartikuliirer 861. 

— — — Behandlung mit intramuskulären In¬ 
jektionen von Pyralgien 893. 

— primärer chronischer 857. 

— Der sogenannte chronische G. und die Gicht 
1688. 

— Dreijähriges Kind mit chronischem G. 1489. 

— Behandlung der Sepsis und des G. mit Methylen- 
blausilbcr 857. 

Gelenksciuissverlctzungen 1965. 
Gelenksehwcllung. periodische 896. 

Gelenk transplan tation 1468, 1619. 
Gelenktuberkulo.se, Röntgenbehandlung der 6. 
170. 

Gelenk Versteifungen durch LymphkrcislaufsUirimg 
und deren Behandlung 170. 

— Operative Mobilisierung von G. 235. 

Gelenk Winkelmesser für die Praxis 1582. 
Geludina soinnifera, ein neues Schlafmittel 1278. 
Genfer Sec, Ursachen der Verunreinigung des 6. 

und ihre Bedeutung 1187. 

Genitalapparat, Tuberkulose des weiblichen 6. 
im Kindesalt er 1875. 

Gcnitalbhitung. Extrakt aus Corpora lutea vera 
gegen G. 1081. 

— lnhibin, ein neues lokales Hämostaticum hei 
G. 1042. 

Genitale und Thyreoidea 846. 

— und Basedow 846. 

Genitalgcgend, Seltener Tumor der G. 114b 
Genitalien, Gangrene foudroyante der G. 851. 
Genitalkanal, Bakteiiologische Untersuchungen 

des Keimgehaltes im G. der fiebernden\\dehne- 
rinnen 1631. 

, Genitalprolaps, Begutachtung des G. als tnfall* 
folge 84. 

( Genitalsekrete, Bakteriologische Untersuchungen 
der G. der nichtschwangoren und nichtpuerpe¬ 
ralen Frau vom Kindes- bis ins Greisenalw 
1631. 

Genu valgum, Supracondylärc Osteotomie wegen 
doppelseitigem G. 859. 

Gerichtsärztlichc und polizeiärztliche Technik 
1466. 

Gerinnungsreaktion bei Syphilis 1599. 
Gcschlechtsbestimmung 571. ^ ^ 

— konstitutionelles Moment bei der G. 5(2, 
Geschlechtskrankheiten, Bekämpfung ders. i- 11 

Krieg 1750, 1775. 

— Lehrbuch der Haut- und G. 891. 

— Prophylaxe und Therapie ders. im Felde ’• 
Geschlechtsuntcrschiede beim Menschen t>4«> 
Geschmackstoffe, Die organischen G. 1<9K 
Geschosse, Röntgenaufnahmen von G. 19t- 

— Die ltöntgensekundärstrahlenblendc bei 

kalisation von G. 1940. 

Geschosswirkung 1230. 

(ieschwindigkciten, Anwendbarkeit des (, oh o- 
der korrespondierenden G. auf die 'K- 
bewegung von Menschen und Tieren * • 
Geschwülste s. a. Tumoren. .-w 

Geschwulstlehre für Aerzte und Studieren e 


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UNivERsrnr of iowa 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2003 



<loschwiirsbildung, Beziehung- des Bacillus pvo- 1 Glaukom, sclcro corncale Trepanation bei G. 762. Gonorrhöe, Spezifische Behandlung der G. und 


cyaneus zur G. 1600. 

Gesicht, Behandlung der Kieferfrakturen und 
Schussvcrletzungcn des G. 1734. 

Gesichtsausdruck des Menschen 1041. 

Gesichtsemptindung, Verschiedenheit der Lokali¬ 
sation zwischen den in gekreuzten und un- 
gekreuzten Sehnervenfasern fortgeleitetcn G. 
892. 

Gesichtsfeldbestimmung, Neuerungen auf dem Ge¬ 
biet der G. 1240. 

Gesichtsfelddefekt, hysterischer 848. 

Gesichtsfeldveränderungen bei Nasen- und Nasen¬ 
nebenhöhlenerkrankungen 1087. 

Gcsichtsfurunkel, Konservative Behandlung der 
G. 1089. 

Gcsichtsmissbildung durch Auftreibung der 
mittleren Nascnniuschein 1477. 

Gesichtsvcrletzungen 1230. 

Gesellschaft, laryngologische, zu Berlin, histo¬ 
rische Entwicklung der G. 1089. 

Gesundheitskontrolle undprophylaktischcSyphilis- 
behandlung 1187. 

Gesundheitspflege des Kindes 14G4. 

— in Jamaica 804. 

Gcsundheitsverhältnisse von Bukarest 563. 

Getränke, Temperaturstudien der G. 762. 

Gewebe, Implantation von G. 755. 

— deciduales s. Decidua. 

— tierische. Die sogenannte Härte der G. und 
ihre Messung 317. 

— Veränderungen der G. und Geschwülste nach 
Strahlenbehandlung 1064. 

Gewebseinschlüsse, embryonale, und Gewcbsano- 
malien bei Mensch und Tier 1293. 1435. 

Gewebskultur, künstliche, Bildung spezifischer 
Präei pitine in G. 707. 

— Bedeutung der G. 333. 

— Auftreten lipoider Substanzen in den G. und 
bei der Autolvse der entsprechenden Gewebe 

1042. 

Gewcbssäfte, Wassersioffionenkonzcntratiun der 

G. 1649. 

Gewebstransplantation 1101. 

Gewichtsabnahme, Ursache der physiologischen 
G. neugeborener Kinder 1874. 

Gewichtszunahme, mangelnde, bei jungen Brust¬ 
kindern 321. 

Gicht, atypische 1233. 1285, 1378. 

— — Blutuntersuchungon bei G. 1233, 1306. 

— — und verwandte Mollweehsclstürungen 1301. 
1359. 

— — Beziehungen ders. zu Erkrankungen der 
Respiration sorga ne 1518. 

— chronische, Behandlung der G. mit Aeiimvum 
compositum 933. 

— Gelenk-G. 1384. 

— Verhalten des intravenös einverleibten Glyko- 
kolls bei gesunden und kranken Menschen 
(besonders bei G. und Lehercirrhose) 29. 

— Sehmerzzustände hei G. und Rheumatismus 
und ihre Behandlung 30. 

— Der sogenannte chronische Gelenkrheuma¬ 
tismus und die G. 1688. 

—- liarnsäurcgehalt des Blutes bei G. und anderen 
Krankheiten 1005. 

— Sekundäre Polyeythämic bei G. 663. 

— Purinstoffwechseluntcrsuchungen bei G. 708. 

— schwere 93. 


: — Veränderungen und Rückbildungen der Pu 
pillenexkavation im Verlaufe des G. 1284. 

— und Augendruck 273. 

Glaskörper, Eiwerssanaphylaxic 993. 

— Immunität 33. 

— Infektion und Immunität des G. 1799. 

— Steinpartikulchcn im G. 1903. 

, — Kupfcrsplitterverletzung dess. 1922. 

GI cfeslg e w i e h tsstö r u nge n 142. 

I Glia, amöboide 1373. 

' — faserige, bei Arteriosklerose der Kleinhirn- 
rindc 167. 

1 Gliaknoten, subependv märe 167. 

I Gliom, diffuses, des Pons und der Medulla oblon- 
gata 167. 

— doppelseitiges, der Retina und intraoeulare 
Strahlcnthcrapie 848. 

— pigmentiertes, des rechten Seiten Ventrikels 
1579. 

— des Auges, Ruptur der M. dcsccmeti mit 
partieller Nekrose der Hornhaut 1921. 

— Ricsenzellen-G. 167. 

Glossina palpalis, Ausrottung der G. durch Weg¬ 
fangen 223. 

— Ucbertragungsversuche mit G. 299. 

Glossinen, Ucbertragungsversuche mit G. 328. 

Glossitis interstitialis 854. 

— rautenförmige, des Zungenrückens 561. 

Glukosamin, Ninhydrinrcaktion des G. und Fehler¬ 
quellen bei der Ausführung des Abdcrhaldcn- 
sehen Dialysicrvcrfahrcns 557. 

Glukoscscrum, Wirkung der Injektion grosser 
Mengen von G. bei toxischen und infektiösen ! 
Prozessen 722. 

Glukuron.säure, Verhalten der G. im Organismus 

1616. “ j 

< lhitiialabsees.se 1601. I 

Glycy Itryptophanprobc, Verwertbarkeit der G. ( 
für die Diagnose normaler und pathologischer 
Flüssigkeiten 318. 

Glykogen in der glatten Muskulatur 362. ' 

Glvkogcnbildung, Zucker- und G. in der isolierten I 
Warmblüterlcbcr 266. 

Glykogenstoffwcchsel der Fische 986. 

a-GIvkuheptonsäiirelakton, Ausnutzung dess. beim 
Diabetischen und Nichtdiabetischen 1817. 

Glykokoll, Verhalten des intravenös einverleibten 
G. bei gesunden und kranken Menschen 29. 

Glykolyse, Beiträge zur 1649. 

Glykosiirie bei experimenteller Nephritis 1081. 

— beim Hunde durch intravenöse Injektion von 
t’erebrospinainüssigkeit eines ■ Akromegalcn 
1373. 

— und Lehcr- 119. 

Goldkantharidin zur Tuberkulosebehandlung 1577. 

Goldsolreaktion, l.angcVhe G. 28,1329,1469,1771. 

Gonitis serosa luetica 43. 

Gonoblennorrhoe s. Blennorrhoe. 

Gonokokkenpyämie, primäre 1001. 

Gonokokkenvaccine, Diagnostische Verwertbarkeit 
der G. 69, 382. 

— Versuche mit dem Nicolle'sclien G. 1577. 

Gonorrhöe, Bedeutung der intravenösen Artlvlgori- 

injektionen für Diagnose und Therapie der G. 
557. 

— männliche. Intravenöse Arthitroninjektionen 
hei G. 1086. 

I — weibliche 1631. 


ihrer Komplikationen 608. 

— in den deutschen Schutzgebieten 846. 

— und Trachom 1232. 

— Sepsis mit dem Blutbild der aplastisehon 
Anämie naeh G. 1959. 

— Vaecinebehandlung und Diagnose 1948. 
Gonorrhoische Granulationen 1472. 

— Komplikationen, Arthigon bei G. 1473. 

Graaf'scher Follikel im Ovar eines Neugeborenen 

1486. 

Granat-Kontusionsverletzungen, Aetiologic ders. 
1949. 

Granula Altmann und Fett 894. 

: Granuloma annulare 769, 1232. 

— malignum des Dünndarms 895. 
Granulosazelltumoren des Ovariums 1632. 
Greisenalter als wichtiger Variationsfaktor klini¬ 
scher Krankheitsbilder 578, 708. 

Grenzflächenspannungen an der Trennungsstclle 
zweier Lösungsmittel 985. 

Grosshirn, Physiologie des G. 1276. 
Grosshirnhälfte, Zusammenwirken der G. 365. 
Grosshirnrinde, Erregbarkeit der G. und Aus¬ 
lösung von Rindenepilcpsie unter Einfluss 
von Schlafmitteln 1372. 

— Grenzen der Extremitätenregion der G. 1285. 

— Sensible Punkte auf der G. 1427. 
Grosshirntumor, Heilung eines bemerkenswerten 

G. 1233, 1408. 

Grosshirnveränderungen bei pernieiöser Anämie 
1527. 

Grotan, Untersuchungen über G., ein neues Des¬ 
infektionsmittel 398. 

— Verwendung des Desinfektionsmittels G. 900. 
Grubenarbeiter, Hygiene der G. 804. 

Gryllus campestris, Anlockung des Weibchens 
von G. durch telephonisch übertragene Stri- 
dulationslaute des Männchens 75. 

Guanosin, StolTwcchselvevsuche mit Adenosin und 
G. 1524. 

Gullstrand’sehc Nernstspaltlampe, Skiaskopie mit 
ders. 1612. 

Gummischutzstoffe, Wertbemessung der G. 910. 
Gundu in Neu-Guinea 1472. 

Gutachter, ärztliche, Vergütung der G. in ge¬ 
richtlichen Angelegenheiten 713. 

Gynäkologie, Arznei- und diätetische Verord¬ 
nungen für G. und Geburtshilfe 704. 

— Grundriss der G. 1846. 

— Rassen hygienische Indikation in der G. 223. 

— und Eugenik 563. 

— und Psychiatric 761. 

Gynäkologische Erkrankungen, Diathermie bei 
dens. 1770. 

— Röntgentherapie, Technik ders. 1599. 

— Streitfragen 219. 

Gynatrcsic bei Gravidität 233, 847. 


H. 

Haar, Pathologie der II. 1093. 

— Ergrauen vonll. nach elektrischem Unfall 1965. 
Haarverlust, Vollständiger IL nach Unfall Ver¬ 
letzung mit heftigem Erschrecken 1750. 
Hackcnbruch'sche Distraktionsklammern bei 
Knochenverletzungen im Felde 1901. 


— und Diabetes. Behandlung hei gleichzeitiger — — Intravenöse Arthigonanwendung bei G. ! Hämangiom der Ohrmuschel 1148. 

Erkrankung an 1081, 1777. >. 047, 761. ( — cavernosum multiplex 576. 

— und Harnröhrenstriktur 1423. — Eiwcisssilberformaldehydbehandlung ders. 556. — — im Herzen eines Neugeborenen 756. 

Gift, Die durch Vererbung fortgepflanzte Gc- — Kinsieglungs-Abortivhehandlung bei beginnen- 1 — — der Unterlippe und Zunge 1429. 

wöhnung an G. bei niederen Organismen 799. der G. 322. j Hacmangioendothelioma tuberosum multiplex 1231. 

— Bindung der G. durch Protoplasma 892. — Hegonon in der G.-Behandlung 27. > Hämatinämie bei Vergiftung mit Kal. chlorat. 997. 

— Synergismus von G. 119. — Interne Behandlung der G. mit Kawotal 77. Ilacmatoeele retrouterina durch Ruptur einer 

— Ueber tierische G., giftige Tiere und deren!— Cavillcntherapie der G. 1708. 1 Corpus lutcum-Cystc 1283. 

Bekämpfung 1651. ( — chronische. Neue Behandlungsmethode der Ci. ] Hämatom, cpidurales, im Rückenmarkskanal bei 

Gipsleimkorsett und Osteoklasten 815. ; 322. Neugeborenen 125. 

Gipsverband, Modifikation des G. bei Verwendung ! — lokale, Behandlung der G. des Mannes 613. ! — perirenales 1563. 

der Distraktionssehraube 611. i— Moderne Behandlung 1393. Hämatomyelie, spontane 937. 

Glandula carotica und ihre Tumoren 464. — Vaecinebehandlung der G. 285, 425, 623, 720, t — gepaart mit traumatischer Neurose 475. 

— pinealis s. Hypophyse. 761, 797, 1187, 1747. Hämatoporphyrin, Biologische Wirkung des 11. 

— submaxillaris. Einfluss dev Nervenleitungen — Hyperkcratotisch-vesikulöse Exantheme bei G. i und anderer Derivate des Blut- und Gallen¬ 
au f das mikroskopische Bild der G. 1898. 1529. farbstoffs 79. 

Glaukom, Frühdiagnose des G. 1377. — und gonorrhoische Komplikationen bei einem ' Hämatoporphyrinuric 141, 1488. 

— Gesichtsfelduntersuchungen bei G. 848. , Säugling 560. j Uämatothorax bei Lungenschüssen 1850. 

— Locheisenoperation zur Beseitigung des G. 1087. , — Metastatische Conjunctivitis bei G. 562. ! Hämaturie auf grosse Urotropingaben 992. 


7* 


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UMIVERSITY OF IOWA 



2004 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Hämochromatose unter dem Bilde des Morbus 
AddisoDii 942. 

Hämoglobin, Bestimmungsmethode und Vorschlag 
zu einer solchen 551. 

— Nachweis von Gallenfarbstoff und II. im Harn 
1733. 

Ilämoglobinäraie, Entstehung der allgemeinen 
Symptome bei II. 412. 

Hämoglobinurie, paroxysmale 43, 123, 320, 10S2. 

Hämokonien, kiinische Verwertbarkeit 1469. 

Hämolysine 412. 

— Normal-H. 758. 

Hämophilie, Blutuntersuchungen bei H,, Throm¬ 
bose und Purpura 610. 

— Experimentelle Untersuchungen bei H. 989. 

— Vererbung familiärer Merkmale, speziell den 
Vererbungsmodus der H. 1086. 

— familiäre, Gefahr der Injektion von Witte¬ 
pepton bei H. 989. 

Hämoptoe, Behandlung ders. 461. 

— Behandlung der H. mit intravenösen hyper¬ 
tonischen Kochsalzlösungen 409, 1042. 

— dysenterischen Ursprungs durch Emetin ge¬ 
heilt 860. 

— Hydrastinin „Bayer“ bei H. 1372. 

Hämorrhoiden, Entstehung ders. 1599, 1619. 

— Boas'schc extraanale Behandlung der H. 706. 

— Ligaturbehandlung ders. 1601. 

— Operation der II. 801. 

Ilämosiderinpigment, Verhalten des Blutes bei 
steriler Autolyse und Entstehung des 11. 
1632. 

Hämostase und aseptische Thrombose 1103. 

Haftpfiichtfälle infolge angeblich-unrichtiger ärzt¬ 
licher Behandlung 1582. 

Halbbehelfsvorrichtung, modifizierte 126. 

Halsabscesse, otogene 804. 

Halscysten 1048. 

Halsdriisenentzündung, Epidemische lf. mit Herz¬ 
komplikationen 610. 

llalsdriisentuberkulöse, Unblutige Therapie der 
II. 893. 

Halsfistel, angeborene seitliche 366. 

— kongenitale mit lymphatischer Struktur 411. 

— laterale, Pathogenese der IT. 612. 

Ualsgefässc, Blutstillung bei Verletzung der 

grossen II. mit Hilfe der Aufklappung des 
Manubriura stcimi 464. 

Hallux valgus, Pathogenese des II. 990. 

*— — interphalangeus 865. 

Ilalsmark, Wahrscheinliche Affektion des II. 1288. 

— Tumor des obersten II. 1481. 

— Erfolgreiche Geschwulstoperationen im oberen 
II. 1670. 

Halsorgane, Ausgedehnte Geschwürsbildung in 
den H. 1334. 

Halsreflexo und Labyrinthreflexc, Ausfall der 


Ham, Kenntnis des II. in den ersten Lebens- 
i tagen 1329. 

| — Nachweis von Gallenfarbstoff und Hämoglobin 
; im II. 1733. 

— Wirkung von Natriumboroformiat auf Harn 
I bei Bruttemperatur 1898. 

— Verminderung der Chlorate in einem unter 
Druck sezernierten II. 26. 

| Jlarnbcstandtcile, Kurven über Ausscheidung der 
! verschiedenen II. 1141. 

Harnblase, 50 Aquarelle von normalen und patho- 
1 logischen weiblichen H. in epidiaskopischcr 
Projektion 652. 

— Vorrichtung zur Dauerspülung der II. 570. 

— als Kxpulsivorgan 76, 1708. 

— Fremdkörper der II. 860, 944. 

— Gallertkrcbs der II. 1037. 

— Spontaner Abgang eines in die II. gedrungenen 
Granatsplitters 1876. 

— Haarnadel in der II. 622. 

— Inkrustierte Haarnadel in der II. 767. 

— Herpes zoster der II. 141. 

— lfexal bei Erkrankungen der H. 1106. 

— Intraperitoneale Verletzung der H. 767. 

— Malaeoplaeicfrage der H. 167, 364. 

— Silberhaltiger Blasenstein bei Argvrie der H. 
1087. 

— Ventilbildung an der II. zur Ableitung von 
Ascitesflüssigkeit 368, 612. 

Ilarnblascnearcinom, Radiogramme von H. 142. 
Harnblasendivertikel 672. 

Harnblasenektopie, Operation der II. 711, 1086. 
Harnblasencmphyscm 461. 

Harnblasengeschwülste, Fulguration der II. 1087. 
Harnblasenpapiliom, Behandlung grosser II. mit 
dem Hoefifrequenzstrom 569. 
Harnblasenrupturen, intraperitoneale 899. 
llarnblasenspalte, angeborene, Heilung der IT. 
1330. 

Ilarnblasensteiri,^Operation eines adhacrcnten H. 
mittels des KuysVhcn Cystoskops 569. 

— Spontan zertrümmerte H. 141. 
Harnblasefttumoren 912. 

— Drei durch Diathermie behandelte bösartige 
H. 1330. 

— Röntgenbildcr von II. 577, 674. 
Harndiagnostik, Fortschritte in der II. 1799. 
Harnentleerung des Säuglings 1195. 
llarnreaktion, neue 365. 

Harnröhre s. a. Urethra. 

— Radiographisehe Aufnahme von H. 141. 

— dreifache Verletzung ders. 1902. 

Harnsäure, Bestimmung der II. im Blut und Harn 

555. 

— Bestimmung im Blut naeh v. Zicgle 7G. 

— Bestimmung, Neue Methode der 11. in kleinen 
Blutmengen 568. 


Ilarnwege, \ accinetherapie in Fällen chronischer 
nichtgonorrhoischer Infektion der II. 943 
Härtemessung 1282. 

Harzlösungen 1128. 

— für Verbandzwecke 1847. 

Hasenscharte, Heftpflasterverband bei H-Opera 

tionen 1470, 1821. 

— Modifikation des Heftpflastorverbandes bei H - 
Operation 1281. 

— Operationstechnik der doppelseitigen H. 1821. 
Haushuhn, Ontogenese des H. 335. 

I Haustiere, Spezielle Pathologie und Therapie der 
H, 216. 

Haut, Mikroskopische Anatomie der ältesten 
I Säugetier- und Menschen-H. (Mammut, ägyp¬ 

tische und peruanische Mumien) 733. 

1 — Kultur erwachsener H. auf festem Nährboden 
| 1232. 

; — Leukämie der H. 1231. 

: — Pilzerkrankung der II. infolge des Gebrauches 
! wollener Unterwäsche 1835. 

’ — Sarkoide Tumoren der H. 1231. 
llautcapillaren, Beeinflussung des Blutdrucks in 
den H. 1707. 

Hautcarcinome, Plasmazellen bei H. 1748. 
i — Bewertung der Röntgenbehandlung in der 
Therapie des tiefgreifenden II. 1327. 

— Heilung des H. mit Salicylsäure 220. 
i Hautdesinfektion 1137. 

j — neues Mittel zur H. 370. 

Hautdrüse, Die Geschwülste der II. 891. 

• Hautdrüsensekret des Wasserfrosches 768. 
j Hautepitheliome, gutartige 1947. 

Hautfläche, Beobachtungen an H. mit gesehä- 
1 digter Innervation 555. 

Hautgangrän, diabetische, mit Quarzlicht behan¬ 
delt 1599. 

Hautgeschwür, tuberkulöses, Blaulichtbehandlung 
| von II. 220. 

Hautkrankheiten, Allgemeinbehandlung ders. 1843 

— und Balneotherapie 846. 

— Lehrbuch der Geschlechts- und H. 891. 

— Praktikum der Geschlechts- und II. 1126. 

— und Geschlechtskrankheiten, Praktische Er¬ 
gebnisse auf dem Gebiete ders. 1670. 

— -Lehrbuch 1523. 

Hautlappcn, Schicksal des homöoplastisch trans¬ 
plantierten H. beim Menschen 464. 
Hautmanometer 1080. 

Hautnerven, Reversible Lähmungen von H. durch 
Säuren und Salze 1372. 

Hautpilzc, Geographische Verbreitung der II. und 
ihre Bedeutung für Hamburger Gebiet 104". 
Hauttemperatur, Lokale Differenzen der II bei 
pulmonalen Erkrankungen 1045. 
Hauttransplantation 1100. 

— Freiluftbehandlung der H. 31. 


tonischen 1707. I —- Einfache Methodtfftf quantitativen Schätzung Hauttuberkulide 1564. 

Halsrippe 898, 912. ■ der 1L im Blut aus 0,1 ccm Blutserum 798. llauttuberkulose, disseminierte akute, im Kindes- 

Halssympathicus, Verletzung dess. 1901. I— Untersuchungen über die II. des Blutes 939. alter 1231. 

Halsverletzungen, Gesichts- und IT. 1230. , — Gl eich massiges Ausscheiden von II. und ln- Ifayem'sche Lösung, Modifikation der H. lo<4. 

Halswirbel, Fraktur des 3. und 4. 17. 661. , dikan 558. Hchellelme, zweiarmige 170. 

Halswirbelsäule, Totalluxation der II. 1330. — Individuelle Konstanz derll. heim Menschen 459. Hebostcotomic und präperitonealcr Kaiserschnitt 


llamartome, mesenchymale, in Leber und Milz — kolloide 1005. 74. 

neben multiplen eruptiven Angiomen der Haut j — Lösungsbedingungen der IT. im Harn 1005. lledonalnarkose, intravenöse 80. 
bei einem Säugling 411. Harnsäuregehalt des Blutes bei Gicht und anderen lleeressanitätsverwaltung, Neuerungen in der 

Hamburg-Eppendorf, Tuberkulose-Fortbildungs- , Krankheiten 1005. prcussischen II. im Jahre 1913 1460. 

kurs des Krankenhauses 1611. 1 — — als Krankheitssymptom 1281. Hefe, Differenzierung einzelner Hefearten mitte.? 

Hammelbluthämolyse, Wirkungsweise der beim 1 Harnsäurestoffwechscl, Einwirkung des Acitrins spezifischer Agglutininc 1483, 1836. 

Meerschweinchen erzeugten H. 269. und der Salicylsäure auf den II. 169. — Die Synthese stickstoffhaltiger Stoffe im ib" 

lländedcsinfektion S07, 856, 1508. — niederer Tiere 408. eerationshefensaft 1524. 

Hand, Pilzerkrankungen der H. 1047. Harnsäureübersäitigung beim Menschen 1771. Hegemon in der Gonorrhöebehandlung 2(. ^ 

— Wicderanheilung einer fast abgeschnittenen j Harnsäurcwcrt, Existiert ein endogener II. V 1006. Heilkunde, Antänge der H. in Alt-Heidelberg 3* * 

II. 1376. Ilarnstauung und Niereninfektion 730. Ilcilpädagogik 942. 

— Die dem Vorderarm und der II. zugehörigen ' Harnsticksluff, Der kolloidale IL und die klinische Heilserumkontrolle, Praktische Ergebnisse der • 

Bahnen erster Ordnung und die Bahnen ! Careinomdiagnostik 1581. 647. 

zweiter Ordnung eines Mannes, der ohne I Harnstoff im Blut und im Urin von thy.reopara- Heilverfahren, Ucbcrnahme dcsIL durch dieüeraft- 
linken Arm geboren ist 559. thyreoidektomierten Hunden 459. genossenschaft während der Wartezeit 

Handgelenk, Spontane Luxationen und Sub- | — Einfache Mcthodcdcr quantitativen Bestimmung Ileinc-Medin scbc Krankheit s. Poliomyelitis acuta 

luxationen im II. 464. des H. im Urin 558. Heisse Jahreszeit, Krankheitshilder aus der>. 

— versteiftes, Einfacher Apparat zur Behandlung HarnstolTsekrelion, Nutzen des Nachweises der ; Hcissluftappanit bei Nachbehandlung von ["■'• 

des II. 763. Ambard'sehen Konstanten der II. 429. rierten 28. . r . 

Handgewölbe und Platthand 991. Harnverhaltung, Akute II. als Wirkung des Mor- Heliotherapie der Knochen- und iidenktu 

Handgriff, geburtshilflicher, vergessener 77. ^ phins 1577. 1 kulose 1282. 

Handkrebs als Spätfolge einer Kriegswunde 1589. Ilarnwege, Infektion der II. durch Uolibacillen — der Tuberkulose 813. 

llandphlegmone, Behandlung der H. 1376. beim Kind 709. — Erfolge der fl. bei Tuberkulose der Han« to* 

Handtuberkulose, Heliotherapie im Hochgebirge — Angeborene Missbildungen der Nieren und H. ! — an der Secküste 1081. 


bei II. 1376. 


1632. 


Helligkeit, binokulare 1378. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2005 



Hcllsehen 999. 

— Kritik des H., der Ahnungen und des Ge¬ 
dankenlesens, sowie der denkenden Tiere 1074. 

Hellseher, Die II., ihre Tricks und ihre Opfer 

1521. 

— Ein „H.“ 221. 

Hclrainthiasis, Abderhalden’schcs Dialysicrver- 
fahren bei H. 706. 

Hemeralopie, Fall von H. mit weissgrau verfärb¬ 
tem Fundus 1531. 

Ilemiatrophia faciei progressiva 221. 

Hemiplegia alternans nach Alkoholinjcktion in 
das Ganglion Gasseri 1427. 

— corticale, Verhalten des Babinski’schen Zehen- 
phänomens bei II. 80. 

— Fall von diphtherischer organischer II. 1490. 

— Dynamische Eigenschaften der Nervenappa¬ 
rate und H. 1848. 

— bei Pneumonie 896. 

— spastische linksseitige, mit Kontrakturen usw. 

722. 

— bei einem Kinde mit hereditärer Syphilis 1045. 

— bei Typhus 1328. 

— Ungewöhnliche Erscheinungen bei H. 1688. 
llepaticusdrainage, Verhütung der Gallenverluste 

bei H. durch Jcjunumfistel 576. 

Heredität und physische Entartung bei Geistes¬ 
kranken und geistig Gesunden 1798. 
Hermaphrodit 571, 1059. 

Hcmia cruralis 858. 

— diaphragrnatica 1373. 

— — Ueber Eventratio und H. d. 1528. 

— — Magengeschwüre bei Eventratio und H. 124. 
-Entstehung der II. d. und Dilatation des ( 

Zwerchfells 1795. 

— encystiea 767. j 

— inguinalis, Entstehung von H. nach Appendi- 

citisoperation 1085. ! 

— inguinalis, Verwendung des Brcnner'schcn i 
Prinzips bei Radikaloperation der H. 815. 

— lineae albao, Besserung durch Gewöhnung bei 

einer II. 1923. , 

— obturatoria 465. j 

— pcctinea 711. j 

— supravesicalis mit Beteiligung des Lig. umbi- 

licale laterale 711. j 

— retrocolica, Unvollständige Drehung der Darm- , 
schlinge als Ursache einer H. r. 1581. 

— supravesicalis-cruralis mit Beteiligung des 
Lig. umbilicale lat. an der Bruchsackbildung | 
332. 

— umbilicalis, Behandlung inoperabler inearce- 
rierter H. mittels Paquelinstiehelung 674. i 

— vcntralis, Bersten einer II. 801. 

— — Mengc’sehes Heilverfahren bei pustopera¬ 
tiver II. 651. 

— — Operatives plastisches Verfahren bei 11.377. 

— — Ursache und Behandlung der II. 770. 
Hernie, Frage der Muskcl-H. 1130. 

— traumatische, Entstehung 32, 612. 

— Ucberlappung der Bauchwand bei Operationen 

von II. 771. . 

Hcrnienanlagen bei Föten und jungen Kindern 
560. 

Herpes zoster im Gebiet des II. u. III. Trigemi- 
nusastes 860. 

— — facialis 1490. 

— — gangraenosus 672. 

— — gcneralisatus 613, 1708. 

— — der Harnblase 141. 

— — oticus 803. 

— — pathologisch-anatomischer Befund bei 11. 
363. 

— — nach Salvarsan 1749. 


Herz, Erregungsursprung und -leitung im H. dei 
Vögel und niederen Wirbeltiere 671, 938. 

— Füllung und Entleerung des II. bei Ruhe und 
Arbeit 622, 821. 

— Funktionsprüfung des II. 648, 710, 1057. 

— Gewebsschädigungen des II. durch Spirochaetc 
pallida 1128. 

— Wirkung der Gifte auf die Kranzgefässe des 
H. 1127. 

— Haemangioma cavernosum im II. 756. 

— Hemrnungswirkungen am H/ 938. 

— Hypertrophie des rechten H. nach den durch 

die Methode von Müller gelieferten Zahlen¬ 
angaben 648. j 

— Kohlehydratumsatz des isolierten H. normaler j 

und diabetischer Tiere 1371. i 

— Einfluss der Lage des II. auf die Grösse des ! 
Elektrokardiogramms 941. 

— Anordnung und Funktion der Nervenzellen 
des H. 360. 

— Morphologie der Reizleitungsfasern und Muskel¬ 
fasern im menschlichen II. 894. 

— Reaktion des H. auf Adrenalin 941. 

— Ort der Reizbildung und Reizleitung im H. 
1082. 

— Das Reizleitungsystcm im H. 1524. 

— Ruptur des H. durch äussere Gewalt 268. 

— Saugwirkung des H. 1554. 

— Operative Heilung einer Schussverletzung des 
II. 334. 

— Spontanerholung des Frosch-H. bei unzurei¬ 
chender Rationenspeisung 1127. 

— Typische Form der Stromkurve des isolierten 
Säugetier- und Menschen-H. bei indirekter 
„fluider“ Ableitung 958. 

— Freie Ucbertragung von Muskelstücken aufs 

H. und einige andere Organe zur Blutstillung 
1428. | 

— Untersuchung des II. durch den Oesophagus 
1426. 

— Untersuchung des II. von der Speiseröhre aus, 
das Oesophagogramm, ösophagcale Herztöne 

1371. 

— Vagushemmung und anorganische Salze bei , 

II. 1746. I 

— Vagus- und Muskarinwirkung auf die Strom¬ 
kurve des Frosch-H. 459. 

— Veränderungen des H. nach direkter trans- 
diaphragmalisolier Herzmassage 464. 

— Veränderungen der Lage, und Bewegungen 

des H. bei Pneumothorax 429. | 

— Zuekerverbraueh des überlebenden Herzens 
360, 426. 

Herzaneurysma, partielles chronisches 600. 

llerzautomatic, Störungen der H. 1650. 

Herzbefund, Deutung von II. 122. 

Herzbeutelschuss 1849, 1901. 

Herzbloek, vorgetäusehter 610. 

— und Ilerzschuss 1747. 

Herzchirurgie, traumatische Verletzungen 943. 

llerzerkrankung, Prognose der arteriosklero¬ 
tischen H. 1469. 

Herzerweiterung, primäre akute beim Kind 1097. 

Herzfehler, angeborene 1374. 

— (Offener Ductus Botalli) 1561. 

— Mechanische Sicherung der Diagnose von II. 
461. 

-— und Schwangerschaft 125. 

1!erzfunktion, Prüfung der 11. vor Operationen 
426. 

Herzgalopp, Entstehung dess. 1899. 

Herzgpissenbestimmung, radiologisehc Beobach¬ 
achtungen über Fehlerquellen des klinischen 
H. 1225. 


* Herzkranke, Aenderungen desElektrocardiogramm.s 
von H. durch Kohlensäurebäder 1328. 

, — Ausscheidung des Kochsalzes bei II. 7 99. 

] — Paroxysmale Dyspnoe bei Nieren- und II. 29. 

I — Unterernährung (Carelkur) bei H. 1332. 

— Kinder, Geländebehandlung ders. im Mitfcol- 
| gebirge 1464. 

Herzkrankheiten, Behandlung von II. mit dem 
Phlebostaten 1144. 

; Herzpräparat (IferztampoDade) 1141. 
j Herzlähmung, Todesfall an akuter H. auf dem 
Marsche 1089. 

Herzmittel, Wertbestimmung von H. 705, 1145. 
Herzmuskel, Energetik und Dynamik des H. 957. 

— Erkrankungen des H. und die nervösen Herz¬ 
krankheiten 984. 

— Möglichkeit einer Ernährungsbehandlung des 
II. durch Einbringen von Traubenzucker¬ 
lösungen in den grossen Kreislauf 1044. 

— Regeneration des H. 268. 

Herznaht 859. 

Herzoperation, Neue Methode der H. 1094. 
Herzschallphänomcne, Methode, die H. vermittelst 
der Luftwege deutlich wahrzunehmen 988. 
HerzscMlag, Willkürliche Beschleunigung des 11. 

! beim Menschen 1552. 

Herzschlauch, Wirkung des H. 221. 

Ilerzschuss, Aorteninsuffizienz nach Ii. 1653. 

— Herzbloek und H. 1747. 

— Operation, Heilung 1094, 14S8, 1581. 
Herzschwäche infolge vonUeberanstrcngungen 121. 
Herzsilhouette, Klinische Verwertung der H- 1185. 
Herzspitze, Einfache Methode, die H. für die 

Messung des Längendurchmessers des Herzens 
sichtbar zu machen 1429. 

Herzstörungen, Blutdruckuntcrsuchungcn und. 
Energometerstudien im Hochgebirge bei Kreis¬ 
lauf- und II. 758. 

— nach Pneumonie 1426. 

— nach Unfall 171. 

Herztätigkeit, Theorie allorhythmischer II. 1707. 

— Frequenz der H. als eindeutige Funktion der 
Temperatur 266. 

— Elektrocardiographischc Studien über die 
Wirkung der Respiration auf die H. 459. 

Hcrztcile, Funktionelle Differenzierung der II. 1127. 
Herzuntersuchung 663. 

ilcrzvcrletzungcn, Operative Behandlungvon H.950. 
Herxheimcr’sehe Reaktion mit Lymphangitis 239. 
Heterochromie 1342. 

Ilcuficber, Besserung durch Injektion des eigenen 
Serums des Patienten 1603. 

— Blutverändcrungen bei II. 1225. 

— Vaccination gegen H. 986. 

Hcxal in der Frauenpraxis 1598. 
Hexamethylentetramin, Reaktion auf II. 1184. 

— Vortäuschung von Eiweiss nach 11. 168, 1581. 
Hidradcnoma eylindromatosum der Kopfsehwartc 

1437. 

HinterdammgrifF, diagnostischer 1377. 
Ilinterhauptlappcn, Sehussvcrletzung dess. 1901. 
Hintcrhauptsneuralgic s. Oecipitalneuralgic. 
Hinterhorn, Tumor des II. mit Hydrocepkaius 1149. 
llippussäurcbiidung im Organismus des Schweines 
1524. 

Hirn s. Gehirn. 

Hirschsprung'sche Krankheit, Aetiologie und 
Therapie der II. 279. 

— — Akuter Darmverschluss bei H. 673. 

— — beim Erwachsenen 1093. 

- 669, 1187, 1341. 

llis'sches Bündel, Angeborener Defekt im H. 134. 
Histidin, Colorimetrisehes Verfahren zur quanti- 
1 tativen Bestimmung des 11. 266. 


— — nach Unfall 1478. 

Herz, Anatomische Veränderungen im 11. bei 
akuter und chronischer Alkoholvergiftung 1278. 

— Anspruchsfähigkeit der Kammer des Frosch - 
II. für verschiedenartige elektrische Reize unter 
dem Einfluss von Giften 76. 

— Anspannungszeit und Austreibungszcit des II. 
1899. 

— Fall von „Dextroversio cordis“ 799. 

— Dynamik des Säugetier-li. 957, 1426. 

— Elektrograpliic als Untersuchungsmethode des 
H. 1126. 

— Entwicklung des menschlichen H. im Verhält¬ 
nis zu seiner Funktion 1127. 


Herzhypertrophie, Herzinsuffizienz bei 11. 1152. 
Herzinsuffizienz, Einfluss der Strophanthustinktur 
bei 11. 267. 

— Eiweiss-fettfreie Kost bei 11. 1925. 
Herzkammer, Ablauf des Druckes in der H. 

1147. 

Hcrzklappcnancurysma 1128. 

Ilerzklappcnfehler, Operatives Vorgeben bei 11. 

1000 . 

— Permanente Drucksteigerung bei H. ohne be¬ 
gleitende Nievenläsion 461. 

— und Tuberkulose 1373. 

Herzklappengewebe, Abbau und Entzündung des 

II. 892. “ 


Histologie, Lehrbuch der H. 118. 

Hitzschlag, Behandlung des H. 124. 

— als Unfallfolgc 1709. 

Iloehspannungsgleiehrichter, Aufnahmetechnik mit 
dem H. 1282. 

— Tiefentherapie mit dem H. 1820. 

Hochfrequenzströme, Behandlung der Blasen¬ 
tumoren mit U. 1627. 

1 — Medizinische Anwendung der H., insbesondere 
der Diathermieströme 716. 

— in der Urologie 1184. 

Hoden, Jodschädigung der II. 556. 

— Schicksal des II. nach Entfernung der Tunica 

| vaginalis und albuginoa 608. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


der 


I 'CM 


Hodcnneuralgic 1772. 

Hoden.sack s. Sc rot um. 

Hodcntuberkulose, Spontanheilung einer nach 
Trauma entstandenen M. 713. 

Modgkin'.sehes (iranulom lokalisiert an 
lieococcalklappe 988. 

“ Krankheit, Corynehactcrium Hodgkin 

lymphatischer Leukämie und 11. 609. 
Höhenschielen und Stirnkopfschmerz 633. 

Höhle, seröse, Methode zur direkten Besichtigung 
von II. 282. 

Hohlorganfiste), äussere, Neue Vcrschlussmcthode 
von ff. 612. 

Holdvene s. Vena cava. 

Homosexualität und gerichtliche Medizin 320. 

— 4 des Mannes und des Weihes lt!87. 

Hormonal, Experimentelle Versuche mit H. 27. 
Hornhaut s. a. Cornea. 

Hornhauttransplantation. Erfolgreicher Fall von II 

I. r m7, 15 GO. 

— mit ungewöhnlichem Verlauf 805. 
Hornhauttrübung nach Kontusion 1002. 
Hörstörungen, Moderne Behandlungsmethoden der! 

II. 5G8. 

Hörübungen mit dem Kinesiphon 1247. % 
Ilufciscnniere, operierte 1136. 

— Bönfgemintersuchung hei II. 914. 

— tuberkulöse. Itesektion einer H. 722. 

Hüfte. Distcnsion.Guxatinn der II. hei Mongo¬ 
lismus 14. 

— schnappende, Behandlung der H. 815. 121(1. 
Hüftgelenk. Al'duktuiii.skonrraktur des II. 673. I 

— Mobilisierung eines ankylotischen H. 7G7. 

IIü11ge 1 cnksdeformit;it, Blutige Behandlung der 
tuberkulösen Knie- und H. 170. 

11 iift'geleitkserkrankütiLf, Wert der Tuberkulin- 
herdrcaktion für die Diagnose der 11 1281. 

- Die als Begleiterscheinung bei Heiden der 
Visceralorgane auftretenden Knie- und 11. 1045. 
Hüftgelenkspfanne. Luxationsfrakturen der!!. 1799. 
Hiiftgelcnkstuberkulose kombiniert mit Tuber¬ 
kulose der Wirbelsäule 1394. 

Hiiftgclenkv crletzungen, Transportschiene für II. 
1376. 

Hiiftluxation. angeborene, Behandlung der II. 
760, 990. 

-Blutige Reposition der H. mit vorderem 

Schnitt 179. 

— — Erfahrungen und Erfolge bei der blutigen 
Reposition der II. mit dem medialen vorderen 
Schnitt 106. 

— — Blutige Einrenkung der II. M5. 

— -— Behandlung der II. im Säuglingsaller 1240. 

— — Spät auftretende Komplikationen nach un¬ 
blutiger Reposition der II. sol. 

— kongenitale, Neue Methode(Lexer) zur Pfanncn- 
bildung hei II. 41. 

— paralydsche und spastische 801. 
Iliihncreigclb-Antiserum, Cntersuchun"en mit II 

412. 

Hiilmerleukäime, Das Virus der 11. 318. 

Humerus. Eigenartiger HeiJungsvorgang hei supra- 
condvlärcr Fraktur des II. im Kindesalter 
1084. 


Hydroeephalus acquisifus, Operation eines H. 722. 
i — enormer 1151, 

J — internus, Chirurgische Behandlung des 11. 
961. 

nach Gehirnerschütterung 84. 

— Fälle mit hypophysären Symptomen 1436. 

, Hydronephrusen 1142, 1339. 

| — Experimentelle Fntcrsuchungen über die H. 

I 268. 

— intermittierende, Konservative Operation der 
H. 272. 

I — traumatische 1245. 

I Hydrophtbalmus mit vorderer Synechie und 
' Fehlen der Linse 33. 

Hydrops, Zweifach bedingter (I. 379. 

— eongenitus bei fötaler Thrombose 1578. 

I — gonu intermittens 1390. 

— univcrsalis eongenitus GG7, 899. I 

Hydrotherapie in der Gynäkologie 220, 477. 
Hygiene, Arbeiten aus den hygicniseh-chcmisehcn 

Cn tersuob u n gsste 11 cn 218. 

— Handbuch der H. 606, 1324. 

— .Jahresbericht über soziale IT., Demographie 
und Medizinahtatistik 75. 

Hygienisches Praktikum 1797. 

Ilygrom intraossalcs 990. 

— an der Schulter 943. 

— Tuberkulöses Zwerchsnek-H. an der Schulter 
769. 

Hymen, Problem des menschlichen H. 1875. 
Hy.AScyamuspräparatc, Narkotische Wirkung ver¬ 
schiedener II. 76. 

Hyperämie, Beseitigung der II. des Gehirns und 
der inneren Organe 1178. 

Hypcrrhlnrhvdrie und Hypcrthyrcoidismus 896. * 
Hyper eholcstcrinümie 610. 

Hyperglykämie und Nephritis 649. 

— Einwirkung der Opiumalkaloide auf gewisse , 

H. 1649. 1 

— Feber psychische II. und Narkosehypcfglyk 
ämie beim Hund 1525. 

Hyperkcratosis gonorrhoica 613. 

Hyperleukoeytuse durch Kälteein Wirkung 1577. 
Hyperncphrom. Multiple kleinste Metastasen eines 
II. im Gehirn 1197. ! 

— Metastase eines II. im äusseren Gehörgang I 
378. 

— Wiihclmetastasen nach II. 236, 1282. I 

— iles Zungengrundes 1626. 

— Bedeutung der H. für die unfallgeriehtliehe ! 

Begutachiung 994. i 

Hvperncurotisation. Muskuläre Neurotisation 845, J 
IIypertension, intraeraniel le 187. I 

Hyperthermie, Gehirn he firn de und II. 646. I 

Hyperthyrcoidismus, llypo- und II. 737. 

II vpertrirhosi.s, Behandlung der II. mit Röntgcn- 

strahlen 77, 82, 1874. 

Hypnose. Beeinflussung vegetativer Centrcn durch 
die H. 1747. 

Hvjmoticum, Dial-Ciha, ein neues Sedativum und I 
IE 613. 

— neues. Das Dial-Ciha 986. 

- Wirkung des II. bei normalen und bei psy¬ 
chisch erregtet) Zuständen 1525. 


Humerusende, oberes, Verletzungen des II. bei IIyponeurodorma (Crcepinp disease) 1331. 


Gehurtslähmungen 1162. 

Humerusfraktur, Ischämische Kimtraktur und Me¬ 
dianuslähmung nach Kxtensionsfraktur des 
linken II. 148S. 

— Neues Gelenk nach unbehandelter II. 1141. 

Hund, Hasenscharte heim II. 1290. 

Hunger. Untersuchungen und Erwägungen über 
den II. 762. 

Huntington'sehe Chorea, Anatomischer Befund 
eines b’aife.s 1527. 

linsten. Die Erreger v<m II. und Schupfen 1469. 

— ausgrlöst vom persistierenden Ductus lingua- 
lis 462. 

— Symph : ,H)ia!"l"giv des II. 1395. 

llutehinsun'sche Zähne als Ausdruck der Insuf¬ 
fizienz der Schilddrüse 1232. 

IIydarthro.se, periodische 187. 

Hydroanencephalus einer Erstgebärenden 664. 

Ilvdroeele. idiopathische 860. 

Ilydroeephalio, Verlangsamte; Resorption der Cere- 
hruspinalfliissigkcit hei II. 651. 

IIvdroccplialus. Aetiologie und Svmptumatologie 
des II. ihn:). 


lly pophalangie 1341 
llypopharynxtumor, 0]»eration eines H. 142. 
Ilyp 0 pl 1 v.se, Die 1L und ihre wirksamen Bestand¬ 
teile 248. 

— Erkrankungen der II. und Gestalt der Seila 
tureiea 1427. 

— Die Fettsubslanzen der H. 1042. 

— Syphilitische Erkrankungen der II. 1043. 

— Veränderungen der II. bei experimenteller 
Diphtherie 562. 757. 

— Beziehungen der H. zur Wärmeregulation 
1687. 

— Operative Entfernung einer Cyste der II. 1083. 
- Beziehungen der Zeilen der Vordcrlappen der 

II. zueinander 756. 

— Cntertemperatur bei II.-Erkrankung 767. 

— Verhalten der II. nach Kastration 1279. 

— und Diabetes insipidus 221. 

— und Prostata 80. 

H v p 0 p h y s e n c r k r a n k u n g e n 1899. 

11 vpopbysenextrakte, Behandlung der Amenor¬ 
rhoe mit II. 1599. 

— bei Atonia uteri 802. 


Hypophysenextrakte als WchcnmiUcl 847 899 

— Beziehungen der physiologische Wirkungen 
von H Adrenalin, sowie MutterkornpriLparateo 
und Imidazolyläthylamin 267. P 

— Wirkung von II. kastrierter und des Corpus 

luteum beraubter Tiere 360. * 

— Wirkuog des H. aul die glatte Muskulatur 

von trächtigen und nichtträchtigen Tieren 
1749. 0 

— und Blutdruck 647. 

Hypophysenmedikation bei Rachitis 120 . 

— bei Asthma 120. 

Hypophysenoperation 810. 

— bei Akromegalie 1691. 

— nach Hirsch 238. 

Ilypophyscnpräparatc in den Tropen 504. 

Hypophyscnsehwund mit letalem Ausgang Bl 

Hypophysensubstanz in der Geburtshllfe° 1331 . 

— in der inneren Medizin und Gynäkologie 1847 

— Pharmakologie ders. 1554. 

Hypophysistuberkulose 1043, 1141. 

Hypophysistumor 721, 1295, 1343, 1394 1424 

1772. 

— Adnexcarcinom der H. und progressive Para¬ 
lyse 942. 

— ohne Akromegalie 1129. 

— Diagnose und operative Therapie der H. 83. 

— Pathologie und Therapie der H. 1048. 

— und medikamentöse und Organtherapic 1048 

— Operative Behandlung der H. 1244, 1747. 

— Röntgendiagnose der Hirntumoren der H. Ge¬ 
gend 1822. 

— Sekundäre Geschwülste der II. und ihre Be¬ 
ziehungen zum Diabetes insipidus 269. 

— Tumormetastasen in der Hypophyse 4 * 2 . 

Hypospadie, Chirurgische Bchandlung’der II. 1747. 

— totale perineale 953. 

Hypotension, Abhängigkeit der peripheren ar¬ 
teriellen II. von der viscoralcn arteriellen 
Hypertension 1277. 

Hypothyreose, Diagnose der H. 394. 

— Bisher nicht beschriebenes Zeichen von II. 
318. 

Hysterie 217, 1769. 

— Degenerative II. in) engeren Zusammenhänge 
mit dem Geschlechtsleben, vor allem der 
Menstruation 1771. 

— Dermatosen bei H. 1429. 

— Diffcrentialdiagnostik der H. 1848. 

— Schätzung der Erwerbsunfähigkeit bei H. und 
den sog. traumatischen Neurosen 1773. 

— oder Hirngesehwulst? 365. 

— Diffcrcntialdiagnose der 1 L und des progres¬ 
siven Torsionsspasmus 1689. 

— in foro 1131. 

— traumatische hochgradige 849. 

Hystericproblcme 6G8. 


I. J. 

Icterus, angeborener chronischer acbolurischer 
1489. 

— chronischer congenitaler und Splenomegalie 
1343. 

— im allgemeinen und bei Extrautcringravidiit 
im besonderen 320. 

— familiärer 335. 

— gravis nach Erregung 672. 

— hämolytischer 42, 1150. 

— — Splenektomie bei 1. 1151. , 

— — mit Degeneration der Hinterstränge 
Rückenmarks 626. 

— — Pathogenese des I. 1098. 

— lithogener, Wodurch entsteht vorwiegend de. 
reelle I. 896. 

— Chronischer Retentions-1. 479. 

— syphiliticus praecox und akute gelbe Leber- 
atrophie 1748. 

— bei Tuberkulose 1129. 

— Untersuchungen über den I. 1199, IIV) 
Icterisclicr Symptomcnkomplex nach Hanot 

sekundärer Syphilis 1489. 

Idiotie mit Ilautvcränderungcn 1(>18- 

— infantile amaurotische, Anatomische r,i f 
rate einer I. 949. 

.lejunalgeschwür, peptisches 1282. 


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Original frn-rri 

UNiVERSUY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2007 


Ikonographia dcrmatologica 1769. 
lleocoecalgegcnd, Methodische Palpation der I., 
bes. der ektopischen Eileiter 1557. 
llcocoecaHumorcn 767. 

— Appcndicitischer I. 1488. 

— Pathogenese des tuberkulösen I. 1578. 

Ileus, Art- und Lokaldiagnose des I. 176. 

— durch Gallensteine 1556. 

— durch Kotstein 953. 

— Pathogenese des I. 1330. 

— Röntgenaufnahme eines I. 1903. 

— spastischer 141, 1046. 

— — und Darminvagination 464. 

— Symptome des unvollständigen I. 430. 

— wiederholter infolge Dünndarmaffektion 32. 
Imidazoläthylamin (Histamin) 1946. 
Imitationskrankheiten, lnduktions- und I. 650. 
Immunität, Chemische Auflösung der I. 1099. 

— Neue Methode zur Erzielung aktiver und 
passiver I. 93. 

— tierische 1277. 

Immunisierungsversuche mit desanaphylatoxiertem 
Baktcrienrnaterial 1280. 

Immunitätsforschung, Jahresbericht über die Er¬ 
gebnisse der I. 74. 


, Infektionszustand, Behandlung des akuten 1. im j 
Kindesalter 1329. 

Influenzasepsis 365. 

Inhalationsanästbcsie, Neuere Fortschritte 1(551. 

Inhalationstuberkulo.se, EinflussbebindertcrNasen- I 
atmung auf das Zustandekommen der I. 1809. 

Inhibin, ein neues lokales llaemostaticum bei 
genitalen Blutungen 843, 1042. 

Injektion, intravenöse, Hilfsmittel zur I. 672. 

— wiederholte, „blutfremder* Organe 370. 

Injektionskanüle, unzerbrechliche 1284. 

Innervation, tonische 800, 999. 

Ionometer, seine Verwendung in der Röntgen¬ 
dosimetrie 1600. 

i Insektenflügel, Restitution der 1. 985. 

Institut, neurologisches, Arbeiten aus dem I. 
der Wiener Universität 840. 

— für physikalische Therapie 1147. 

Instrumente, neue 897. 

Insuffieientia pluriglandularis 135. 

| Insufflation, intratracheale, Gegenwärtiger Stand 
der I. 077, 743. 

Insuffiationsnarkose nach Meitzer, Modifikation!^ 1. 

Intelligcnzuntersuchungen mit der Definitions¬ 
methode 1555. 


Jugularisthrombose 1343. 

Jugulum, Cystische Geschwülste im J. 1600. 
Jugendfürsorge, orthopädische, und körperliche 
Erziehung 1385. 

Jugendirrescin 1201, 1338. 


K. 

Kältegangrän s. Gangrän. 

Kaffee, entgifteter 1093. 

— Die flüchtigen Bestandteile des K. 893. 
Kaiserschnitt 1243. 

— wegen totaler Ankylose beider Hüftgelenke 
899. 

I — extraperitonealer 651, 1486. 

— klassischer, 30 Fälle 1331. 

I — präperitonealer und Hcbostcotomie 74. 

— bei Uterus duplex, Ilcmihysterektoniie 1232. 
| Kala-azar, Absonderungsmaassiegeln bei Ausrot- 
| tung der K. in den Teeplantagen in Assam 

415. 

i — Kultur des K. 168. 

: Kali chlorieum, Pasta K. eh. cum Greta 1748. 


Immunkörperbehandlung 1554. 

Impotenz, Behandlung der I. mit Colliculus- 
caustik, llydrovibration und Organtherapie 
220 . 

— sexuelle, Behandlung der I. 755. 
Inaktivierung, Wesen der I. und Komplement¬ 
bindung 758. 

Inaktivitätsatrophie, Bewertung der I. des Arms 
nach Verletzung der Finger 713. 
Incarceration, retrograde 464. 

Incontinentia urinac, Operative Behandlung der I. 
914. 

— vesicae 572. 

Index, hämorenalcr, bei Funktionsprüfung der 
Nieren 221. 

— luetischer 168. 

Indikan, ül eich massiges Ausseheiden von Harn¬ 
säure und I. 558. 

Indikanämie und Urämie 1650. 
Indikanbestimmung, Kolorimetrischc I. der Haus¬ 
tiere 1326. 

fndikanprobe, Technik der I. nach Jaffe 1427. 
Induratio penis plastica 852. 
infantilismus 648. 

Infektion, Welche Aufgaben stellen die I. iin 
Säuglingsaltcr der Diätetik? 123. 

— Wirkung grosser Injektionsmengen von Glu- 
koseserum bei 1. 722. 

— Nachweis und Bedeutung leukoeytenanloeken- | 
der Stoffe bei I. 988. 

— Beziehungen der chronischen Unterernährung 
zur I. 1469. 

— abdominale, Gefahren, Verhütung und Be- ' 
handlung der J. und Passagestörungen 711. 

— akute, Adrenalingehalt der Nebennieren bei 
I. und Peritonitis 1376. 

— bakterielle,SpezifischeDcsinfcktion undChemo- 
therapic von I. 649. 

— centrale, im Kindesalter 1084. 

— endogene puerperale, Actiologie und Prophy¬ 
laxe der I. 170. 

— operative bakterielle 848. 

— postoperative, Verhütung ders. 1800. 
Infektionskrankheiten, Agglutinationstiter bei I. 

1581. 

— Lokalisation der Bakterien, Veränderungen 
des Knochenmarks und der Knochen bei J. 
im ersten Wachstumsalter 289. 

— Experimentelle Diagnostik, Serumtherapie und 
Prophylaxe der I. 1648. 

— Fortschritte auf dem Gebiete der Erforschung 
der I. S95. 

— Anwendung bestimmterKultivierungsmethoden 
beim Studium der I. 509. 

— Lehrbuch 1873. 

— Wachsartige Degeneration der Muskulatur 
bei I. 987. 

AchnUcbkcit der klinischen Krankheitsbilder 
von I. 1913. 

Behandlung von I. mit tiefen Quecksilberein¬ 
spritzungen 76. 

Serodiagnostik der I. mit Hilfe des Abder¬ 
halden’schen Dialysierverfahrens 411. 


— nach Binet Liman bei Ililfsschulkindern 1563. 
Intensimeter, Erfahrungen mit dem Fiirstcnau- 

schen 1. 910. 

; Intercostalneuralgic, idiopathische 662, 833. 

I — durch intrapleuralen Tumor 1150. 
Intermediärknorpel,Transplantation des I. in Form 
i von halbseitiger Gelenktransplantation 1428. 
Intcrpositio coli hepatodiaphragmatica 912. 

— uteri vesicovaginalis, Operative Behandlung 
I der Rezidive der I. 125. 

Intoxikation, Die vom Darm ausgehenden I. 30. 

I Intradcrmoreaktion mit Luetin bei Syphilis 429. 
Intrauterinstift, Gefahren des I. 1709, 1799, 1921. 
fntravertebralgcsehwüiste, Zwei I. mit Sektion 937. 
Inulin, Antidiabetische Wirkung des 1. 998. 
Invagination, 2 Fälle doppelter l. bei Kindern 1587. 

— ilcocoeeaiis im Königen bi Id 712, 1283. 
Invalidität, Warum muss die Frage nach dem 

Zeitpunkt des Eintritts der I. ärztlicherseits 
stets beantwortet werden? 1131. 

Jod, Kommt J. im Blut vor? 1524. 

| — Wirkung des J. auf den Kreislauf 1184. 

— Gefährlichkeit innerer J.-Darreichung bei 
Queeksilberanwendung am Auge 1847. 

— Schicksal des J. in der Schilddrüse 1524. 
Jod-Basedow 1653. 

Jodeiweisspräparat, neues, das Tcstijodyl 408. 
Jod-Prothämin, Erfahrungen mit dems. 1708. 
Jodoformplombc bei Osteomyelitis 1139. 
Jodosobenzoesäure 755. 

Jodozitin, Die resorbierende Wirkung dess. 1598. 
Jodretention, lokale, durch Slauungshy peramic 170. 
Jodtherapie, externe 28. 

— Ein Fortschritt der J. 977. 

Iridoevclitis, idiopathische 33. 

Iridorezidive 1532. 

| Iris, Congenitale vordere und hintere Synechie 
der I. und Hydroplithalmus 1284. 
j Iriscyste, spontane 1377. 

I Iristumoren 1048. 

I Iritis und Arthigon 27. 

; Irrenfiirsorge, Entwicklung der I. 907. 

, Irrsinn und Presse 217. 

IsehiadicusstammVerletzung, anatomische Priipa- 
| rate 1966. 

, Ischias, Behandlung der I. 267. 

— Wesen und Behandlung der I. 813. 

, — Behandlung der I. mit Bewegungsbädern 
157, 230. 

— — der I. in der Schwangerschaft mit Ringer- 
schcr Lösung 322. 

— Druckentlastende Operationen bei I. 592, 606. 

— gonorrhoische 663. 

— Injektionsbchandlung der I. 1708. 

— sc-oliotica 718. 

Isolierung, Neue Methoden der 1. ansteckender 
Kranker 810. 

Isopralnarkose, rektale, Klinische Erfahrungen 
mit der I. 213. 

Isthmusstenose 1144. 

Istizin, neues Abführmittel 317, 559, 1326. I 
Juckende Dermatosen, Behandlung ders. mit; 
Ringerscher Lösung und Eigeublut 1919. j 


Kalisalze und ihre therapeutische Anwendung 

1201 . 

Kalium arsenieosum, Therapeutisch-toxikologische 
Wirkung des K. bei intravenöser Einfuhr 1184. 

— ehloratum-Vcrgiftung, Hämatinämie bei K. 997. 
Kaliumzcllen zurVergleichung derTontiefe farbiger 

Lösungen 1945. 

Kalk, Form des K. im Blute 986. 

— Bedeutung des K.- für den wachsenden Orga¬ 
nismus 185. 

j Kalkablagerungen in der Haut 851. 

Kalkmangel in der menschlichen Nahrung 1378. 
Kalkstickstoffbetriebe, Neuartige gewerbliche Er¬ 
krankungen in K. 1651. 

| Kalkstoffwechseluntersuehungen hei chronisch 
deformierenden Gclenkcrkrankungen 708. 
Kalktherapie, innerliche 1599. 

Kammerlmeht, Ophthalmoskopie der K. 272. 
Kaninclicnsvphilis, experimentelle, Atlas der K. 
408. 

— — Histopathologie der K. 1044. 
Kapparidaecen, Pharmakologisches Studium der 

K. 26. 

Kapselbaeillus, Pathogenität des K. 706. 
Karlsbader Wasser, Gaüenstcinlösendc Wirkung 
de> K. 796. 

Karminprobe für die Bestimmung der Verweil¬ 
dauer im Vcrdauungskanal 1599. 

Karpfen, Poekenkrankheit der K. 1290. 

Kartoffel, Der therapeutische Wert der K. 940. 
Katarakt, experimenteller 1440. 

— Friih-K. bei atrophischer Myotonie S03. 

— seniler und Tetanie 803. 

— Tetanie-K. 1339. 

— Verhalten des Blutserums zum Linsenciweiss 
bei K. bei passiver Anaphylaxie 1921. 

— s. a. Star. 

Kataraktoperation, Vorlagerung der Bindehaut 
bei lv. 848. 

Katatonie, Erleben in einem Fall von K.-Erre- 
i gong 844. 

' — Reflexstörungen bei K. 477. 

| Katheter für Dauerdrainage 570. 

I Kathodenstrahlen, äussere, als Ersatz für Radium 
I und Mesothorium 222. 

I Kautschukpflastcr, sterilisierbärcs 80. 

Kehlkopf, Ausschaltung der Kehlkopfnervcn auf 
das Wachstum des K. 1553. 

— Eröffnung des K. in der ersten Hilfe 1800. 

— s. a. Larynx. 

Kchlkopfstcno.se. Schwere nicht diphtherische K. 
1633. 

[ Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, l)ia- 
| gnose und Therapie 1465. 

Kehlsackbildung, echte, beim Menschen 1186. 
Keilbeinhöhle, Röntgenbild der 1\. vom Epi¬ 
pharynx aus 1322. 

Keimbahn, Bestimmung der K. bei Wirbellosen 
1753. 

Keimdrüse, menschliche, Veränderungen der K. 

bis zur Pubertätszeit 1424. 
Keimdrüsentumoren bei einem Pseudoherma¬ 
phroditen 415. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




2008 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Keloid, multiples, des Rückens 333. 

Kephalbämatom 1141. 

Keratitis gonorrhoica 1377. 

— hereditaria palmaris, Hadiumbehandlung der 
K. G73. 

— interstitialis, Genese der K. 944. 

— luetiea, Chemotherapie der K. GÖS. 

— neuroparalytica infolge Alkoliolinjektion in 
den Nerv, maxillaris hei Gesichtsncuralgie 
1612. 

— parenchymatosa, Kann die K. p. auf ana¬ 
phylaktischen Zuständen beruhen? 1749. 

— — angeblich durch Syphiiisspiroeliätcn hervor¬ 
gerufen 1946. 

— — anaphylactica, experimentelle, bei ver¬ 
schiedenen Tieren 1921. 

— — und familiäre Syphilis 425. 

— — syphilitica congenita, Pathologisch-anato¬ 
mischer Befund bei K. 803. 

— punctata superficialis leprosa, Histologie der 
K. 1331. 

Keuchhusten, Fall von Meningocele, eine seltene j 
Komplikation des K. 1820. 

Kiefer, Familiäre Hyperostosen der K. 991. 

Kiefergelenk, Beiderseitige Ankylosis ossea des 
K., neues Heilverfahren 1470. 

Kiefergelenksankylose 36. 

— mit Vogclgcsichtbildung 1528. 

Kicferhühlenciterung, Grösse der Oeffnung der K. 

bei der intranasalen Operationsmethode und 
ihre Bedeutung bei Behandlung der Kiterungcn 
der K. 944. 

— Pathologie und Therapie der K. 1049. 

Kicfcrschussfrakturen 1825. 

— Behandlung der K. und Schussverlctzungcn 
des Gesichtes 1734. 

Kieferspalte, Frage des Verschlusses der K. bei 
einseitig durchgehender Gaumenspalte 845. 

— komplette, Normierung des Oberkiefers bei K. 

294 . 

Kieselsäurestoffwechsel bei Krebs und Tuber¬ 
kulose 797. 

Kind, Einfache Tafel zur Bestimmung von Wachs¬ 
tum und Ernährungszustand des K. 265. 

— Zusammenhang zwischen Länge und Gewicht 
bei K. 1925. 

— Zahl und häufigste Krankheiten der K. der 
mittleren Postbeamten 1386. 


K. mit Sauerstoffein- 


Beseitigung 


neuropathisehes, Abgrenzung und Begriff des Knochenheide, otosklerotische, s. Otosklerose. 


Klumpfuss Erwachsener 1197. \ Kochsalzinfusion, Fieber nach K. 710 856 

— Behandlung mit unterbau tigern Evidement 815. 1 Kochsalzlösung, Herstellung steriler K 1218 

— Operation des K. durch Abtragung aller 1 Kochsalzwechsel und Wasserwechsel beim gesunden 

Knochen am Tarsus 31. j Menschen 1650. 

— schwerer, Blutige Behandlung der K. 711. .Kohle, Pharmakologische Grundlagen einer thera- 

Kiumpfussvcrband 815. ! peutischen Verwertung von K. 864. 

Knicbiigel für Geligipsvcrbändc 1601. J Kohlehydrate, Abbau von K. und Fetten in der 

Kniegelenk, Behandlung der Knochenbrüche in ; isolierten diabetischen Leber 1003. 

der Nähe des Ellenbogen- und K. 317. j — Antigenwirkung der K. 266. 

— Eröffnung des K. bei Meniscusverletzungen Kohlehydratkost, Wirkung einer längeren über- 

1581. I reichlichen K. ohne Eiweiss auf den Stoff- 

— Exstirpation beider Menisken des K. wegen I Wechsel von Mensch und Tier 122. 

Verletzung 141. ! Kohlehydratstoffwechsel bei Erkrankungen von 

— Einfacher Apparat zur Streckung und Beu- * twv...*« : -°- 1 - 

gong des K. 763. 

— Fungus des K. 859. 

— Röntgenogramme des K. mit 
blasung 846. 

— Seltene Fraktur im K. 31. 

— Verpflanzung ganzer K. 898. 

Kniegelenksankylose, Operative 

schwerer K. 576. 

Kniegelenkschirurgie, Experimentelles zur K.1007. 

1 Knicgclenksdcformität, Blutige Behandlung der 
tuberkulösen Hilft- und K. 170. 

Kniegelenkskontraktur, hysterische 234. 

Knicgclenkstuberkulosc, Verlängerung des unteren 
Gliedes bei K. 1046. 

Kniegclenksversteifung, Operative Behandlung der 
K. 812. 

Knochen, Ucber wahren Knochen im Auswurf 1704. 

— Bedcutungder einzelnen Elemente desKnoehcn- 
gcwehes bei der Regeneration und Transplan¬ 
tation von K. 560. 

Knochenaneurysma 233. 

Knochenatrophie, Zeitlicher Eintritt der durch 
Inaktivität bedingten K. 712. 

Knoehenauswüchse, vielfache ostcogenetische 1131. 

Knochenbildung unter normalen und patholo¬ 
gischen Verhältnissen 577. 

— in der Tube 466. 

Knoehenbrüche, Röntgenstrahlenrcizdoscn bei K. 

1470. 

Knocäencallus, Struktur des K. 35. 

Knoehencyste (Osteomyelitis fibrosa) 234. 

— Seltene Art von K. 124. 

Knochencrkrankung, tuberkulöse, Behandlung der 

Gelenk- und K. und ihrer Klagezustände 1240. 


K. 1196, 1436 

— Das schwache K. 650, 673. 

— rückenkranke, Berufswahl von K. 1284. 

— Schwachbegabte 80. 

Kindergesimdheitspflcge 1464. 

Kinderhospital in Boston 1227. 

Kinderkrankheiten, Behandlung der K. 753. 

Kinderlähmung, Behandlung der K. 1240. 

— Osteo-articuläre Vereinigung bei K. 80. 

— spinale, Plexuspfropfung bei K. 1008. 

Kinderpflegelehrbuch 1945. 

Kindcrpsychologie und Neurosenforscbung 942. 

Kindersterblichkeit in den ersten Lebens'wochen 

323. 

Kindesalter, Handbuch der allgemeinen Pathologie ! Knocbenniarksentzüudung 
und pathologischen Anatomie des K. 73. 

— Die Psychotherapie im K. 1689. 

Kinematographische Vorführungen aus dem Ge¬ 
biete der Geburtshülfe 1619. 

— — Suggestivkraft von K. 1132. 

Kirchner, M., zum 60. Geburtstag 134G. 

Klauenhohlfuss, Beziehungen der Spina bifida 

occulta zum K. 170. 

Kleinhirn, Chirurgie des K. 92. 


im Röntgeubild 128*2. 

Knoehenhöhie, Plombierung von K. durch ge¬ 
stielte Muskcllappcn 180. 

Knochen- und Verkaikungskerne, vorzeitiges Auf¬ 
treten bei Oiondrodystrophia foetalis liypo- 
plastiea 1874. 

Knochenlappenbildung, osteoplastische, aus den 
Dornfortsätzen der Wirbelsäule 1282. 

Knochenmark, Histologische und cvtologische 
Untersuchungen am K. des Süuglimis 611. 

— Lokalisation der Bakterien, Veränderung des 
K. und der Knochen bei Infektionskrankheiten 
im ersten Wachstumsaltei' 289. 

Knochenmarksearcinose 1151. 

eitrige, der Lemlen- 


Drüsen mit innerer Sekretion 558. 

— der Leber 420. 

Kohlenindustrie, Hygienische Verhältnisse in der 
K. in den vereinigten Königreichen 804. 
Kohlenoxydvergiftung 1472, 1848. 
Kohlensäure, Refraktometrische Methode zur Be¬ 
stimmung der K. 91. 

Kohlensäurebad, Einige Gesichtspunkte für die 
Beurteilung der K. 1357. 

Kohlenverband, Zucker und K. 1084. 
Kolloidalstickstoff, Diagnostische Bedeutung der 
Bestimmung des K. im Harn nach Salkowski 
und Kojo 79. 

Komplcmcntablenkungsreaktion, Agglutinierende 
Wirkung hämolytischer Immunsera und die 
gleichzeitige Anwendung des Hämolysins und 
Hämagglutinins als Indikatoren bei der K. 1082. 
Komplementbindung, Fähigkeit des Serums nor¬ 
maler Kaninchen, das K. mit bakteriellen 
Antigenen zu binden 268. 

— Wesen der K. 142. 

— Wesen der Inaktivierung und K. 758. 
Kompressionsreaktion 1848. 
Kongofadenprobe, intrastomachale 122. 
Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis 1707. 
Konstellation, Einfluss der K. auf die sensorielle 

Wahlreaktion und auf die Resultate der 
Konstanzmethode 649. 

Konstitution, psychopathische, Behandlung 800. 

— Wesen der K. 1002. 

— und Vererbung in ihren Beziehungen zur 
Pathologie 458. 

Kontraktur, arthrogene, Theorie der sogenannte? 
K. 1008. 

— ischämische, Behandlung der K. 813. 
Kontraluesin bei Syphilis 27. 

Kontrastlinien 562. 

Konvergenzkrampf, hysterischer, mit Pscudc- 
pupillenstarre 661. 

Kopf, Ursachen eines bei raumbcschranlemlei 
Vorganges der hinteren Sehädelgrubc beob¬ 
achteten eigen tiimüchenSchiefstellungdess.ik 
Kopfgefässc, Wirkung der Extrakte endokriner 
Drüsen auf die K. 1326. 

Kopfhaut, syphilitischePrimäraffektederbchaarten 

K. 1232. 

Kopfschmerz und Auge 629. 

— Ilühcnschiclen und Stirn-K. 633. 

— neurastbenischer, Können durch myalgische 
in der Hals- und Schulteriuuskulatur 


Herde ... _ _ 

K., Schwindel und Migräne verursacht werden' 
Wirbelsäule nach Unfall 1901. ] 1083. 

Knochenraetastasen eines Peniscarcinoms 141. 1 Kopf- und Halsschuss ohne Verletzung von 8@ 

Knochennarbe, Einfluss der Röntgen strahlen auf fassen und Nerven 1965. 

die Bildung der K. 898. Kopfverletzungen, Sachverständigen-Begutacbluni; 

Knochennekrose und Sequesterbildung 221. I von K. 1132. 

Knochenplastik bei Laminektornie 1470. — durch Ueberfahrung 186. 

Knochenschüsse und Gelenkschüsse, Behandlung Kordenperimcter 1922. 

derselben 1747. Körper, chromaffine 42. . 

Knochensyphilis und Unfall 713. ! — Bilaterale Asymmetrie der menschlichen & 


— Demonstration zur Ausschaltung der Rinde Knochensystem, Krankheiten des K. im Kindes- 


des Mittellappens des K. 1480. 

— Rindenexstirpation des K. 1771. 
Kleinhirnabsccss, Neues Symptom bei K. 895. 
Kleinhirnbrückenwinkeltumor 477, 721. 
Klcinhirnerkrankungen 365, 1139. 

Kleinhirnläsion 719. 

Kleinhirnmangel, beiderseitiger 896. 
Kleinhirntumor 1341. 

— Ungewöhnlicher Verlauf eines K. 321. 

Klima, Physiologische Wirkung dess. auf hohen 

Bergen 1612. 

Klimatotherapie im Kindesalter 220. 

Klumpfuss, Billiges Hilfsmittel zur Itedression 
kindlicher K. 1821. 


1953. Ä 

Körperchen, metachromatische in den aciw* 1 
resistenten Bacillen 501. 

Körperkultur der Frau 166. ^ . 

Körpertemperatur, Beeinflussende Gifte auf 
ohne Wärmeregulation 119. 

— Ei nfluss der lokalen Erwärmung derTempc ra 

regulierungscentren auf die K. 1F23. 
Körperzusammensetzung bei Ernährungs&umi i -- 1 

.. ' 1900. . r JA-/) 

Adaptation nach K. 1799. j Korsakow’sches Syndrom, Psychologie des tu 

Kobragift, Ucber Aufbewahrung des K. und sein Kosmetik und Anatomie 1122. , p r . 

Antitoxin 1612. I Kost der Arbeiter und die Grundsätze' 1 ’ 

Kochsalzfieber, Stoßwechsel- und K. 1467. j nährung 1721 . 

— und Wasserfehler 26, 646. ; — fleischfreie in der Therapie 120. 


alter 796. 

Knochentransplantation 334, 813. 

I — freie 711. 

— in Defekte von Röhrenknochen 760. 

— Periost- und K. 328, 635. 

Knochentuberkulose, Sonnenbehandlung der GC' 

lenk- und K. 1282. 

Knochenveränderung, angiosklerotische 7G0. 
Knorpelausscluüung, Beseitigung ungenügender 1 


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UNiVERSUY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


200Ö 


Kotstauung als Quelle nervöser Schmerzempfindung 
1946. 

Kraftbedarf des Säuglings 1180. 

Kraftsinn, Nachweis des K. 378. 

— Studien über den K. 166. 

Krämpfe, Behandlung der allgemeinen K. 123. 

— spasraophile, Magnesiumsulfatbehandlung der 
K. 709. 

Krampfadern, congenitale am Arm 1001. 
Krampfanfälle mit Verblödung 999. 
Krampfzustände, Durch peripheren Reiz hervor¬ 
gerufene isolierte K. im Gebiet des Ramus 
descendens nervi hypoglossi 801. 
Krankenanstalten Wiens, Jahrbuchderk.k.K. 1080. 
Krankenbeobachtung, fortlaufende 140, 1328. 
Krankenbett, Chemisch - diagnostische Unter¬ 
suchungen am K. 1687. 

Krankengeschichten, Ausleihung der ärztlichen 
K. 1946. 

Krankenhaus, bischöfliches, in Philadelphia, 
Arbeiten aus dem K. 754. 

— in Cottbus, Neues städtisches 1582. 

— Grundsätze beim Bau von K. 358. 
Krankenhausbauten, Verteuerung derselben 1901. 
Krankenkassen, Einigungsabkommen (Berliner) 

zwischen Aerzten und K., nebst Ausführungs¬ 
bestimmungen 1611. 

Krankenpflege-Uhr 1149. 

Krankentrage 1913 1770. 

Krankheitsbild, unbekanntes 277, 463. 
Krankheiten innere, Blutungen bei K. 800. 

— Differentialdiagnostik der K. 316. 

— spezielle Pathologie und Therapie von K. 704. 

— Radium-Mesothoriumbehandlung der K. 1004. 

— Behandlung von K. mit Thorium X 220, 361. 

— psychische und nervöse, Klinik der K. 554. 
Krankheitsübertragung durch nicht blutsaugende 

Fliegen 323. 

Kreatin, Herkunft des K. im tierischen Organismus 
360. 

Kreatinbildung aus Cholin und Betain 939. 
Kreatininbestimmung, Colorimetrische Indikan- 
und K. der Haustiere 1326. 


Kriegschirurgische Eindrücke aus den beiden 
Balkankriegen 1912/13 272, 474, 720, 761. 

-über Blutgefässnaht 1907. 

Kriegsgefangenenlazarett Alexandrinenstr. (Berlin). 
Die ersten Wochen kriegschirurgischer Tätig¬ 
keit 1698. 

Kriegskrankenkassen 1878. 

Kriegsneurologie 1853. 

Kriegsophthalmologischc und organisatorische Er¬ 
fahrungen 1750. 

Kriegssanitätsausrüstung, französische 1948. 
Kriegssanitätsdienst in Berlin 1665, 1698 1761. 

— im Heimatsgebiet 1692. 

— Der bulgarische, serbische und griechische K. 
1473. 

Kriegsseuchen 1635. 

— Bekämpfung durch klinische antiseptische 
Maassnahmen 1937. 

— Desinfektion 1655. 

— Die Dysenterie 1653. 

— Die Entstehungsursachen der K., ihre Ver¬ 
hütung und Bekämpfung nach den Kriegs¬ 
erfahrungen 1870/71 1945. 

— Das Fleckfieber 1654. 

— Meningitis epidemica 1655. 

— Milzbrand als K. 1884. 

— Die Pest 1654. 

— Die Pocken 1654. 

— Das Rückfallfieber 1654. 

— Ueber Verhütung und Bekämpfung der K. im 
allgemeinen 1635. 

— Erfahrungen und" Therapie im Feldzüge 1914 

— Schutzvorrichtung gegen Verbreitung von Iv. 
in Baracken und Krankenhäusorn 1925. 

Kriegsskizzen 1655, 1695, 1735, 1778, 1827, 1851. 
Kriegsverletzungen, Im Hospital des roten Halb* 

I mondes in Saloniki behandelten K. 1229. 

— des Nervensystems 1901, 1929. 

Kriminalistik, Zur chinesischen, deutschen und 

amerikanischen K. 753. 

Kriminalpsychologische Aufgaben der Zukunft 
223, 849. 


Labyrinthexstirpation, Folgezustände einseitiger 
L. beim Frosch 1707. 

Labyrinthreflexo, Ausfall der tonischen Hals- und 
L. 1707. 

Labyrinthtätigkeit, Art der A. 872, 979. 

Lachgas-Sauerstoffharkose 220. 

Lähmung, cerebrale spastisch-paretische 43. 

— Elektrophysiologische Studien zur Therapie 
der L. 1708. 

— infolge einer im Schädel sitzenden Kugel 1774. 

— poliomyelitisehe, Sehnenplastik bei L. 857. 

— Gehäufte postdiphtherische L. 1527. 

— spastische, operative Behandlung von L. 766. 

I-Erfahrungen mit der Stoffel’schen Opera- 

I tion bei L. 813. 

-Behandlung der L. mittels der Förster¬ 
seben Operation 568, 1353. 

— spondylitische, Laminektomie bei L. 813,1197, 

1205. 

— Symptomatologie der cerebralen L. 1688. 
Lähmungstherapie 229, 548. 

— an der oberen Extremität 1086. 

Lävulose, Umwandlung der L. in Dextrose in der 

künstlich durchströmten Leber 360. 
Lävulosurie, alimentäre, und Galaktosurie 940. 
Laktosurie, chronische 379. 

Larainarialdilatafcion, Erleichterung der L. 1772. 
Laminektomie, Knochenplastik bei L. 1470. 
Landesversicherungsanstalt Berlin, Verwaltungs¬ 
bericht für 1912 408. 

Landry’sche Paralyse, Erreger der L. 615, 807. 
Laparotomie, bogenförmige, im Epigastrium 1085. 
I — Peristaltik nach L. 1377. 

! — Anregung der Peristaltik nach L. durch 

[ Sennatin 1919. 

i — Oertliche Schmerzverhütung bei L. 1330. 

I — Sacral- und Lokalanästhesie bei L. 1131. 

! — Verfahren zur Kontrolle der Tupfer bei L. 
I 1232. 

i Laparotomierte, Nutzen des Peristaltins für die 
| L. 1600. 

Larosan beim Erwachsenen, bes. bei Ulcus ven- 
triculi 1599. 


Krebs, Lichtsinn mariner Würmer und K. 360. Kropf, Vorkommen des endemischen K. und der 
— s. a. Carcinom. Schilddriisenvergrösserung am Mittelrhein und 

Krebsbehandlung, Demonstration zur K. 1484. in Nassau 1610. 

Krebsforschung, Chemotherapeutische Versuche in Kropfoperationen, Erneute Atemnot nach ge- 
der experimentellen K. 1467. lungenen K. 1470. 

Krebsmerkblatt des Deutschen Zentral-Komitees Kropftuberkulose, Fall von K. vor 22 Jahren 
zur Bekämpfung der Krebskrankheiten 1619. operiert 1612. 

Krebsproblerne 1484, 1708. Krüppel, Die Aesthetik im Leben des K. 990. 

Kreidepasten 1900. Krüppelfürsorge, Stand der K. in Prcussen 990. 

Kreislauf, extracardialer des Blutes 1438. Kryptorchismus, Behandlung des K. 1231. 

Kreislaufinsuffizienz, chronische 1650. Küche, diätetische 1083. 

Kreislauforgane, Erkrankungen ders. (Sammel- Kühlung von Wohnräumen 762. 

referat) 1946. Kuh, Lässt sich mit dem Dialysierverfahren bei 

Kreislaufstörungen 897. K. die Trächtigkeit frühzeitig erkennen? 318. 

Kreissende s. Geburt. Kuhmilch und vegetabile Milch 759. 

Kremation vom hygienischen, volkswirtschaftlichen — Die Reduktasen der K. und ihr Nachweis zur 
und gerichtlich-medizinischen Standpunkt 1652. Beurteilung der Milchgüte 1187. 

Kretinismus 1201. Kultur der Gegenwart, ihre Entwicklung und ihre 

— endemischer 1145, 1468. Ziele 165, 1465. 

Krieg, Aerztliche Friedenstätigkeit im K. 1674. Kupfer, Toxizität des K. 940. 

— Augenerkrankungen im K. 1774. Kupfervergiftung, chronische, durch Tragen 

— Augen Verletzungen im K. 1753. schlechter Goldlegierung im Munde 1577. 

— Nervöse und psychische Störungen im K. 1753. Kürbisbehandlung der Oedeme 1526. 

— Psychosen und K. 1750, 1774. Kurzsichtigkeit, Entstehung derselben 906, 1799. 

— und Neurologie 1949. — und Schule 35. 

Kriegsaneurysmen und deren Behandlung 1925. Kussmaul’s zwanzig Briefe über Menschenpocken- 
Kriegsärztliche Abende, Ziele und Aufgaben der- und Kuhpockenimpfung 1611. 

selben 1674. Küstenfieber, Denque und andere endemische K. 

— Erfahrungen aus dem griechisch-türkischen 607. 

und griechisch-bulgarischen Krieg 1929. Kyphose, Der Situs der Thoraxeingeweide bei 
Kriegschirurgen, Taschenbuch für K. 1919. I spitzwinkliger K. 1677. 

Kriegschirurgie, Allgemeine .Bemerkungen 1773. j Kyphoskoliose, Bedoutung der K. für Schwanger- 

— Einleitung in die K. 1750. I schaft, Geburt und Wochenbett 802. 

— Grundlagen der heutigen K. 1750. Kryptorchismus 1339. 

— moderne 1229. 


— Praktische Winke für die Chirurgie im Felde 
1577. 

— des Sehorgans 1787. 

— Tätigkeit der Chirurgen in der vordersten 

Reihe, sowie in den Heimatlazaretten 1752. Lab, Identität von L. und Pepsin 119. 

T* Vortrag über K. 1694. Labyrinth, Absolute Indikation zur operativen 

Eriegschirurgische Eindrticko und Beobachtungen Eröffnung des L. 126. 

vom griechisch-bulgarischen Kriege 1913 — Beziehung entzündlicher Veränderungen im L. 
1089. zur Degeneration in seinen Nervenapparaten 

— Erfahrungen 366. | 804. 


! Larosanmilch, Ernährung kranker Säuglinge mit 
| L. 413, 559, 1106. 

Laryngektomie mit beigefügter Gastrostomie 124, 
464. 

Laryngologie, Mitwirkung der Berliner laryngo- 
logischen Gesellschaft an der Entwicklung 
der L. 1091. 

— Röntgenbilder aus der L. 1477. 

— Rhinologie und ihre Grenzgebiete, Jahres¬ 
bericht über die Fortschritte ders. 1670. 

— und Otologie als selbständige Sektionen bei 
den internationalen medizinischen Kongressen 
1709. 

Laryngoskopie, direkte 1378. 

Larynx, Anästhesierung des L. 1332. 

— Anatomisch-röntgenologische Untersuchungen 
über den L. 124. 

— Paraffininjektion im L. wegen Aphonie 1148. 

— Quere Resektion des L. und Oesophagus 1085. 
Larynxcarcinom 1330. 

— Exstirpation des Larynx wegen Careinoms. 
2 geheilte Fälle 1478. 

Larynxexstirpation 1197. 

Larynxmuskeln, Degeneration funktionell ge¬ 
lähmter L. und die „Inaktivitätsatrophie“ 
1048. 

— Inaktivitätsatrophie der L. 332. 
Larynxpapillom, Behandlung der multiplen L. 

mit Radium 1049. 

Larynxtuberkulose, Behandlung der L. 1333. 

— Behandlung der L. nach Pfannenstill und 
Friedmann 1327. 

| — Heilung der L. 77. 

Larynxtumoren 1048. 

— Knorpelgeschwülste des Larynx 1048. 
Lateralsklerose, amyotrophische L. 1848. 

-Die vordere Centralwindung bei Läsion 

der Pyramidenbahn und bei L. 365. 

-Forme fruste von L. 942. 

Lathyrismus 1083. 

Laudanon in der Geburtshilfe 755. 

Lavokat, Ein neues Nährpräparat „L.“ 797. 
Lazarette, bayerische, in Orleans im November 
1870 762. 

Lazarettgarten und Vogelschutz 762. 


8 


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UNIVERSITY OF IOWA 





2010 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Leben, Das L. der anorganischen Welt 1686. 

— Physiologie und Pathologie des L. in ver¬ 
dichteter Luft 923. 

— ohne Bakterien 1127. 

— und Arbeit 218. 

Lcbenserinncrungen aus dem Breslauer Sommer 
semester 1877 485. 

Lebensversicherungsmedizin 1689. 

Leber und Acetonkürperbildung 76. 

— Atmung der künstlichen durchbluteten llundc- . 

L. 1467. I 

— Gitterfasern der L. bei congenitaler Svphilis 

1424. ‘ 1 

— und Glykosuric 119. 

— Kohlehydratstoffwechsel der L. 74, 420. 

— Funktionsprüfung der L. mittels Liivulose 798. 

— Milchsäure- und Zuckerbildung in der iso¬ 
lierten L. 1525. 

— Experimentelle Nekrose und Degeneration der 
L. 268. 

— Wert des Phenoltetrachlorphthalein für die 
Funktionsprüfung der L. 168, 169. 

— Toxische Phloridzinwirkungen nach Experi¬ 
menten an der partiell ausgeschalteten L. 939. 

— Darstellung der L. im Köntgenbild 846. 

— Rüntgcnphotographie der L., der Milz und des 
Zwerchfells 1231. 


Leberveränderung nach Chloroformvergiftung 377. j Leukanämie 1280. 

— gummöse 236. . Leukocvten, Einfluss der L. auf hämolytische 

Lcberverletzungen 899. Substanzen 266. 

Lebias ealaritana, Anpassung an die Farbe der — Numerische Veränderungen der L. bei Mäusen 


Umgebung von L. 1326. 

Lccutyl, Blasentuberkulose geheilt mit L. 1467. 
Leeutylinhalatioiien, Die Kupferchemotherapie der « 
Schleimhauttuberkulosc der oberen Luftwege j 
mit L. 1708. I 

Lcibschiissel, Neues Modell 1233. j 

Lcibseelenfragc, Ein Kapitel zur L. 1688. | 

Leichencrschemungcn 624. I 

Leichenorgane, Temperaturmessungen an L. 1582. i 
Leishmaniosis, Fieberkurven bei der kindlichen L. 
649. 

— kindliche, 110 Fälle von L. 942. 

Lcistenbruch als Unfallfolge 1582. 

— s. a. Hcrnia inguinalis. 

Leitungsanästhesie, paravertebrale 1427. 

— s. a. Anästhesie. 

Lendenwirbel, fünfter, Kompressionsfraktur des L. 
659. 

Lendenwirbclkonturschuss 1911. 

Lendenwirbel«|uerfortsäte, Isolierte Frakturen der 
L. 1535. 

LendcnwirbeUiiule, Eitrige Knochcnmarkscntziin- 
dung der L. nach Unfall 1901. 

Lendenwirbel tuberkulöse, Geheilter Psoasabscess 
bei L. 37 


— und Milz im Röntgenbild 801, 863, 1332, 

1608 . 

— Spontane Schwcfclwasscrstoffcntwicklung der Lepra 613. 

L. und des Eierklars 266. , — Aetiologic, Prophylaxe und Therapie der L. 

— Steigerung der Zuckerbildung in der Schild- j 1331. 
krüten-L. als Folge der Pankreasexstirpation — in Algier 1472. 

1525. i — Behandlung der L. mit intravenösen ,Jodo- 

— UeberZuckermobilisierung in der überlebenden , forminjektionen 1372. 

Kaltbliiter-L. 1525. I — Histologie der L. 1232. 

— Blutbildungszellen in der L. bei Syphilis' — Notwendigkeit oder Ratsamkeit der Abson- 

congcnita 1899. derung bei L. in Südafrika 561. 

Lebcrabscess, dysenterischer, Aetiologic und . — tuberculoide 1047. 

Pathogenese des L. 411. | — tuberosa 721. 

— — Wirkung des Emetin bei L. 239. i Lcprabacillus, Ist der L. in Reinkultur dargcstcllt Lidsugillationen, Schnelle Beseitigung der sub- 

— Gleichzeitige Entleerung eines L. durch die 1 worden? 557. j eonjunctivalen Blutergüsse und L. 466. 

Bronchien und durch die Brustwand 1476. j — Erhaltcnbleiben der L. in der verwesenden Ligamentum gastro-colicum, Lymphcyste des L. 


nach Impfung mit transplantablem Aden'o- 
carcinom 410. 

— eosinophile, Einfluss des Atropin auf die I 
1372. 

-in entzündlichen Infiltraten 466. 

Leukocytenbild, abnormes, Raschwirkende Beein¬ 
flussung von L. durch neues Verfahren 361 
Leukocyteneinschlüsse nach Döhle 380, 1229. 

— Bedeutung der L. 380. 

— Bedeutung der L. für die Scharlachdiaenose 
1747. 

— Diagnostische Bedeutung der L. bei Scharlach, 
i Masern, Diphtherie, Anginen und Serum 

exanthemen 1046, 1900. 
Leukocytenimmunserura 1082. 

Leukocytose bei Intraperitonealblutungcn 1016 . 

I Lcukoplaeiebildung im Nierenbecken 118. 

! Leukoplakia uteri 1920. 

! Leukosarkomatosis 1374. 

Lichen ruber obtusus 669. 

— sclerosus der weiblichen Genitalien 1231. 

— syphiliticus, Zwei Fälle von L. 1562. 

Licht, Wirkung starken L. auf normale und 

sensibilisierte Tiere 577. 

— ultraviolettes, Wirkung des L. 1402, 1433. 
Lichtbehandlung, Apparat zur L. der Lunge 16Ü0.. 
Lichtkrankheiten und Lichtschutz der Augen 561 . 
Lichtreaktionen bei Tieren und Menschen 1125 . 

— bei Tier und Pflanze 1146. 

Lichtscheu, Behandlung der L. bei Conjunctivitis 

eczematosa 1184. 

Lichtsinn mariner Würmer und Krebse 360. 
Lidkante, Bildungsanomalie der inneren L. 562 . 
Lidnekrosen 1612. 

Lid-Orbitacarcinom, Operation inoperabler L. 166. 
Lidplastik 90. 


— multiple, Heilung der L. und ihre Diagnose 
898, 1231. 

— latenter 1097. 

Leberatrophie, akute gelbe 237. 

— subakute, mit knotiger Hyperplasie auf tuber¬ 
kulöser Grundlage 895. 

— gelbe 756. 


! Leiche 1047. 

I — Wanzen und Schaben als Verbreiter des L. 221. 
Leprafälle 141. 

| Leprafrage in Kurland 561. 
j Leptinolinjektion, Abscess nach L. 800. 
j Leptomeningitis purulonta circumscripta. Chirur¬ 
gische Behandlung ders. 1688. 


Lcberearcinom, primäres, und Lebercirrhose 167, ' Leuchtgas, Suieid durch L. 672. 
236. . ' 

— — hei dreijährigem Kinde 1578. 

Lebercirrhose. alkoholische, bei 8 jährigem Mädchen 

1151. 

— — bei einem Kind 1343. 

— Behandlung der L. mit Keratin 345. 

— Entstehung der L. 1043. 

— experimentelle 460, 1578. 

— scheinbar geheilte 187. 

— operative Behandlung der L. 1330. 

— und Tuberkulose 1632. 

Leberechinokokkus. Behandlung des L. 271. 

Leberentartung bei gleichzeitiger Stauung 1424. 

Leberfunktion, Pathologie und moderne Priifungs- 

methoden 1798. 

— Bedeutung der Zuckerproben für die Be¬ 
urteilung der L. 1375. j 

Leberglykogen und Diabetes mellitus 705. , 

Lcberinsuffieienz, Diagnostischer Wert der Aci- : 

dose für L. 1490. " 

— Aminosäureausscheidung nach Verabreichung ; 
von Peptonen als Diagnosticum bei L. 648. 

Leberkranke, Lebergewebe spaltende Fermente 
bei L. 28. j 

Leberkrankheiten, Verwertbarkeit der alimentären 
Gaiaktosurie bei L. 813. 

Leberoperation, Blutstillung bei L. 612. 

Leberpathologie 93. 

tumorförmige 


cireumseripte — 


Lcberrogeneration, 

168. 

Leberresektion 859. 

Leberruptur 472. 

— bei reifen Neugeborenen 1487. 

Leberseh ussverletzungen 1926. 

Lebertuberkulose 236, 7SO. 

Lebertumor, Heilung von Milz-, Nieren- und L. 
465. 


Leucin. Isolierung von L. und anderen Amino- 

| säuren aus Körperflüssigkeiten 939. 

; Leukämie, akute 122, 188, 332, 708. 

I — — Das Blutbild der L. als passageres Sym¬ 
ptom 1129. 

| — — Plcurilische Form der L. 1098. 

— — unter dem Bilde der Wirbelcaries 320. 

— Arbeitshypothese für die Erforschung der L. 9. 

— der Säuglinge 1900. 

— Behandlung der L. mit Benzol 940, 1081. 

— Neuere Behandlung 267. 

— Behandlung der L. mit Röntgenstrahlen und 
Benzol 1042. 

— Beziehungen der L. zu geschwulstbildenden 
Prozessen des hämatopoetisohen Apparates 
1374. 

— Facialer Typus der L. 1752. 

— der Haut 1231. 

— Leukoeytenfiltration dcrChorioidea bei L. 1921. 

— lymphatische 42. 

— — Coryncbacterium Hodgkin bei L. und 
Hodgkin’scher Krankheit 609. 

— — Hautveränderungen bei L. 428. 

— — mit generalisierter miliarer Lymphadenia 
cutis 1429. 

— Nervöse Erkrankungen bei L. 989. 

— chronisch myeloidc 238, 239. 
myeloide, Radiumbchandlung der L. 1098. 

— und Syphilis 1044. 

myeloische, Milzexstirpation bei einem Fall 
chronischer L 


673. 

— latum, Epithel der Anbangsgebilde des L. 803. 
I — patellae, Zerreissung des L. 39. 

Ligatur an schwer zugänglichen Stellen 1428. 
Limbus, Epitheliale Neubildung am L., nach 
5jährigen Recidiven mit Mesothorium beseitig; 
1331. 

Linitis plastica 413. 

Linksskoliose, Häufigkeit der L. und Liegendtrage:. 
[ der Kinder 366. 

1 Linse, Verhalten der L. nach Eisensplitterver- 
i letzung 83. 

I — Kataraktöser Zerfallsprozess der L. und sein? 
Darstellung im Reagensglas 577, 652. 

— Mechanismus des Abbaues der L. und ihrer 

I Abbauprodukte 713, 1530. 

! Linsenkern, Progressive Degeneration des L. t'T 
J Linsenluxation, Pathologische Anatomie der er- 

I worbenen L. 165. 

Linsentrübungen, Häufigkeit und Lokalisation von 
beginnender L. 1612, 1750. 

— bei kongenital-syphilitischen Schwachsinnigen 
997. 

__ g ^ Kätätäkt 

Lipamie, diabetische, Grosszeilige Hyperplasie der 
Milzpulpa bei L. 988. 

— Pathogenese der L. 1649. 

— und Lipase bei Aderlassanämie 91. 
Lipoide, Bedeutung der L. für die mcnscnln-e 

Pathologie 951. . 

— Nachweis der freien L. im Blutserum dui«. 
Aktivierung mit Kobragift 496. 

— Rolle der L. bei der Blutgerinnung 496 

— doppelbrechende, im Mesenterium um 
einem Mesenterialsarkom 1043. 

— Experimentell erzeugte Ablagerungen 1 
anisotropen L, in der Milz und im hnoi t 
mark 268. 

in der Milz und im Leichenblut HD- 


1104. . - „ u uw „ lia _ __, 

— — StoflfwechseJuntersuchungcn bei einer mit' — Chemie der L. in den Nebennieren 

Benzol behandelten chronischen L. 29. ; — im Urinsediment beim Kinde 1057. ^ 

1 — sekundäre oder symptomatische 1225. Lipoidsubstanzen im Harnsediment beim 

— Stauungspapille bei L. und Gelbfärbung des 1947. 

Augenhintergrundes durch ern Symptom der Lipoidverfettung 267, 607. 

I Chorioidea 125. j Lipojodin-Ciba 1467. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2011 


Lipom der vorderen Bauchwand 336. 

— des Erwachsenen mit Lipoblasten in ver¬ 
schiedenen Stadien 167. 

— symmetrische 1244. 

Lipomatose, multiple symmetrische 400. 

— symmetrische 1490, 1529. 

Lipomatosis perimuscularis circumscripta 1129. 

— universalis, Vielgestaltigkeit der L. 412. 
Lippenschanker mit grosser Drüsenschwellung 

unter dem Kinn 1490. 

Liquor cerebrospinalis, Neue Reaktion des L. 78, 
1185. 

-Wert des Eiweissnachweises im L. 430. 

-Diagnostische und prognostische Bedeutung 

des Harnstoffgehaltes des L. 610. 

— — Diagnostische Bedeutung der Weil-Kaffea- 
sehen Hämolysinreaktion im L. 80. 

-Goldsolreaktion im L. 28, 1185, 1469. 

-bei der Leiche 1373. 

-Herkunft des luetischen Reaktionskörpers 

in dem L. 1374. 

— — Klinische Manometrie besonders des L. 

1375. 

— — Verhalten des L. bei isolierten Pupillen¬ 
störungen 559. 

-Untersuchungen über dens. bei sekundärer 

Syphilis 1748. 

— — Verhalten dess. bei Kohlenoxyd-, Arsen- 
und Bleivergiftung 1527. 

-Wassermann'sehe Reaktion in dems. 15G2. 

Liquorreaktion, Frühfall von Paralyse durch L. 
diagnostiziert 1771. 

Liquoruntersuchung bei isolierten syphilogenen 
Pupillenstörungcn 1771. 

Little’sche Krankheit 230. 

— — und ihre Behandlung mit besonderer Be¬ 
rücksich tigungderFörster’schen Operation 118. 

Lokalanästhesie, Bromnatrium als Unterstützung 
bei L. 842. 

— der Extremitäten 819. 

— Grenzen der L. in der Chirurgie 819. 

— Wirkung von Kombinationen aus der Gruppe 
der L. 77. 

— Kombination der L. mit Kaliumsulfat 1376. 

— in Massen 1734. 

— Sacral- und L. bei Laparotomien 1131. | 

— Nachschmerz nach L. und seine Verhütung i 

333, 464, 611, 899. 1 

— und Nebennierenerkrankung 173. | 

— bei Operationen am Ohr 1430. j 

Lokalanästhetikum, Phenylurethanderivate als L. ! 

1183. ! 

Lokalisation, physiologische falsche 1441. 


Luctinreaktion nach Noguchi 449, 997, 1225, 
1249, 1688. 

Luftembolie im Auge 1226. 

— in der Geburtshilfe 466. 

— bei krimineller Abtreibung 1376. 

Luftfahrer, Wirkung der Höhe auf das Seelen¬ 
leben des L. 1020. 

Luftröhrenschnitt s. Tracheotomie. 

Luftwege, obere, Bedeutung der Röntgenstrahlen 
für Untersuchung der Erkrankungen der L. 
und des Ohrs 997. 

-Schussverletzungen ders. 1966. 

Lumbalanästhesie, Dosierung bei L. 819. 

— Erfahrungen mit L. 1689. 

— Stoffwechselstörung der Leber, Albuminurie 
und Urobilinurie nach L. mit Stovain nach 
der Methode Jonnescu 171. 

Lumbalpunktion, Bedeutung der L. für Diagnostik 
und Therapie 185. 

— Ueber im Anschluss an die L. eintretende 
Zunahme der Kompressionserscheinungen bei 
extramedullären Rückenmarkstumoren 1739. 

— Schädeltrauma und L. 1633. 

— Therapeutische Leistungen der L. 1372. 

Luminal, Behandlung der Epilepsie mit L. 893, 

1577, 1689, 1733. 

Luminalvergiftung 1277. 

Lunge, Chirurgie der L. und Pleura 711. 

— Chronische Induration der L. 43. 

— Einfluss der In- und Exspiration auf die 

Durchblutung der L. 646. 

— Baumartige Verknöcherung der L. 1081. 

Apparat zur Lichtbehandlung der L. 1600. 


Lunge, Beobachtungen an der überlebendenSäuge- 
tier-L. 1553. 

— Beeinflussung der L. durch Schilddrüsonstoffe 

1574. 

— Undurchgängigkeit der L. für Ammoniak 219, 
— Besitzen die L. Vasomotoren? 985, 1846. 

! — Wasserausscheidung durch die L. 1100. 

1 — Verletzung der L. durch Gewehrschuss 1924. 
Lungenabsccss, Demonstration eines geheilten L. 
1474. 

— Dysenterischer L. bei latenter Dysenterie 1567. 

— operativ geheilter 944. 

— Therapie der Pleuraempyeme und L. 711. 
Lungenaffektion, eigenartige 664. 
Lungenaktinomykosc 859, 1291. 
Lungenarterienembolie, Behandlung der L. und 
des Lungeninfarkts 413. 

Lungenblähung 1341. 

— bei alimentärer Intoxikation 650. 
Lungenblutung s. Hämoptoe. 

Lungencancroid, primäres 78. 

Lungeneavernen, Vorkommen der L. im Kindes¬ 
alter 479. 

— Lokalisation von L. und Lungenabscessen 
1327. 

— Klinisch röntgenologische Untersuchungen über 
L. mit Fiissigkeitsspiegel 79. 

Lungenchirurgie, intrathorakale 1086. 
Lungeneollaps, Praktische Bedeutung der Circu- 
lationsstörungen durch einseitigen L. bei 
therapeutischen Eingriffen an der Lunge 1425. 

— akuter lobärer 1045. 

— massiver, nach Bauchoperationen 1130. 
Lungenechinococcus, Pleura- und L. 769. 
Lungenembolie 425, 1086. 

— Trendelenburg \sche Operation bei L. 1086. 

— fulminante, aus dem Saphenagebict 1130. 

— als Spatunfallsfolgc 711. 

Lungenemphysem, Kausale Bekämpfung des L. 29. 
Lungenentzündungen und Versicherungsmedizin 

1582. 

Lungenerkrankungen,Lokale Differenzen der Haut¬ 
temperatur bei L. 1045. 

Lungenerweichung, saure 987. I 

Lungen- und Lungenlappenexstirpation mit Ver¬ 
sorgung des Bronchial stumpfes durch frei 
transplantierte Faseia lata 1875. j 

Lungenfibrose, behandelt mit Vacc-in vom Bacillus 
Fricdlaender 1373. 

Lungcngangrän, Heilung durch intrabronchiale 
Injektionen 1490. 

— Massive intrabronchiale Injektionen bei L. 

1097. j 

— nach Kontusion der Brust 1567. 

Lungengefässc, Einfluss von Giften auf die L. j 

1372. , 

Lungcngumma im Röntgenbild 912. 
Lungenheilanstaltsärzte, Verhandlungen der Ver¬ 
einigung der L. auf der 8. Versammlung in 
Freiburg i. B. 1611. 

Lungenhernie bei Spondylitis tuberculosa 801. i 

Lungenkomplikationen, postoperative, Behandlung 
und Prophylaxe der L. mit Menthol-Euka- 
lyptolinjektionen 178. | 

Lungenkranke, Arbeitsfähigkeit der Leicht-L. 171. 

— Künstlicher Pneumothorax bei L. S53. 
Lungenkrankheiten, Diagnose der L. im Röntgen¬ 
bild 1336. 

Lungenluft, Bestimmung der Kohlensäurespannung 
in der L. 1268. 

— Temperatur der Exspirationsluft und der L. 75. 
Lungonödem, Behandlung des L. 78, 1128. 
Lungenphthise, Entwicklung und Einteilung der 

L. 1580. 

— Entstehung der menschlichen L. 1819. 
Lungenplombierung, pneumatische 272. 
Lungenschüsse 1714, 1822, 1902. 

— Behandlung der Schuss- und Stichverletzungcn 
der L. 995. 

Lungenspitzen, Diagnose der Erkrankung der L. I 
722, 1596. 

Lungenspitzendämpfung im Kindesalter 121S. 
Lungenspitzenfelder, Untersuchung der L. 564. j 
Lungensteine 1850. ; 

Lungensyphilis, Röntgenologischer Beitrag zur L. 
1283. 


Lungenvasomotoren, Zur Kenntnis ders. 1525. 
Lupus, Behandlung des L. mit dem Friedmann- 
schen Tubcrkuloscheilmittel 894, 1540. 

— Lichtbehandlung des L. 944. 

— Die modernen Methoden der L.-Behandlung 
1331, 1728. 

— Notwendigkeit der Untersuchung und Behand¬ 
lung von Nase und Rachen bei Gesichts-L. 
797. 

— Röntgenbehandlung des L. mit Leichtfilter 
1131. 

— Ein mit Ulsanin geheilter Fall von Gosiehts- 
und Nasen-L. 1708. 

— erythematodes 997. 

— erythematosus, Behandlung des I.. mit Kohlcn- 
säuresehnee 409. 

— — unguinum mutilans 561. 

— syphiliticus 1609, 1613. 

— verrucosus 1096. 

— vulgaris, Gold- und Kupferbohandlung des L. 
409. 

Luxatio claviculae praesternalis, Behandlung ders. 
1875. 

— — retrosternalis 1556. 

— — — inveterata, erfolgreich operiert 1488. 

— eoxae congenita 1488. 

— femoris centralis 1140. 

— obturatoria, Blutige Reposition einer L. 721. 

— patellae lateralis congenita 815. 
Lymphadenitis, fistulöse, nach Erysipel unter dem 

Bilde tuberkulöser Lymphome 376. 
Lymphangiom, angeborenes, am Fussrüc-ken 1343. 

— tuberosum multiplex 850. 

— der Tube 1486. 

Lymphangiocndothelioma tuberosum multiplex 
j 1231. 

' Lymphatiker, Reaktion der leukopoetischen Organe 
1 von L. auf Infekte 29. 

Lymphatismus, Klinik des L. und anderer Kon¬ 
stitutionsanomalien 1079. 

— Zuckerstoffwechsel beim L. der Kinder 1084. 
Lymphcyste des Ligamentum gastro-eolieuni 673. 
Lymphdriisentuberkulose, Studien über Histo- 

genese der L. 363. 

— Röntgentherapie der L. 77, 669, 1282, 1578. 
Lymphknoten, axillare, und Lungentuberkulose 

845. 

— und Milztuberkulosc, Ungewöhnliche Formen 
von L. 1692. 

Lymphkontrolle, Technik der L. 1188. 
Lymphocytose im Blutbild, besonders bei funk¬ 
tionell nervösen Leiden 559. 

— und ihre diagnostische Ueberbewertung 756. 
Lymphogranulomatose 1424. 

— Uebertragung der L. auf Meerschweinchen 
1215. 

—- Verhältnis der L. zur Tuberkulose 1468. 
Lymphomatosis granulomatosa, Aetiologie der L. 
460. 

— leukämische, bei paroxysmaler Hämoglobinurie 

1426. 

Lymphosarkomatosc, generalisierte 377. 
Lymphstauung und ihre Produkte 648. 

Lyssa als entschädigungspflichtige Unfallfolge 


713. 
Lyssavirus, 


Züchtung des L. nach Noguchi 1579. 


M. 


Einfluss des Sauerstoffs auf die Blutcirculation Lungentuberkulose s. Tuberculosis pulmonum, 
in der L. 78. , Lungentumor 1093. 


Macerationshcfesaft, Synthese stickstoffhaltiger 
Stoffe im M. 1524. 

Maculaaussparung, IlirnlokalisatorisehcBedeutung 
ders. im hemianopischcn Gesichtsfeld 1921. 
Mäusccarcinom, Exporimontell erzielter Schwund 
des M. 167. 

Analyse der Wirkung radioaktiver Substanzen 
auf M. 608. 

— Immunisierung gegen M. 852. 

— Filtrierbarkeit transportabler M. 852. 

— Uebertragung der M. durch filtriertes Aus¬ 
gangsmaterial 318. 

— Erfolge der M.-Impfung auf Kaninchen 608. 
Mäusecarcinomzclle, Lebensdauer der M. bei 

Bruttemperatur (37° C) 725. 

Magen, Belegzellen im M. der Schildkröte 1797. 

— Wegen Carcinoma pylori resezierter M. 997. 


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2012 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Magen, Daucrausheberung des M. 571, 710. 

— Divertikelbildung am M. durch peptisches Ge¬ 
schwür 1282. 


j Mageuform bei gesteigertem Vagus- und Sympa-' Malaria tertiana unmittelbar nach energischer Sal- 
■ thicustonus 1041. [ varsanbehandlung 223. 

' Magenfremdkörper, operativ entfernte M. 1094. | — tropica, Intravenöse Sublimatinjektionen bei 


Selbsttätige Drainage des M. und Duodenum \ Magenfunktion, motorische, Einwirkung, der Chlo-1 


Druckmessungen im Muskel-M. der Vögel I 
1707. 1 

Kongenitale Formenanomalie des M. 133. 
Diagnose der Haargesehwulst des M. 800. 
Vorrichtung für die Einführung mancher In¬ 
strumente in den 836. 

- Projektion des luftgeblähten ulcuskranken M. 

866 . 


roform- und Aethcrnarkose auf dies. 1553. 
Motorische Diagnose beginnender Schädigungen 
der M. 663. 


M. mit latenter Sepsis 564. 

— Urobilinsekretion im Ham bei M., besonders 
bei Schwarzwasserfieber 714. 

— Wassermann’sche Reaktion bei M. 1045,1280. 


Mageninhalt, Acidität des M. bei Kindern 1469. — Bekämpfung im österreichischen Küstenlandc 


— ungewöhnlicher 365. 

Mztgeninhaltsprüfung ohne Anwendung des Sonden¬ 
verfahrens 1600. 

Mageninsuffizienz, Diagnose der beginnenden se¬ 
kretorischen M. 1546. 


317. 

-in Palästina 285. 

-12 Jahre M. nach Robert Koch 323. 

Malariaparasiten, Eigenartige (ev. neue?) M.- 
Formen 1558. 


Behandlung der Motilitätsstörungen des M. Magenkörpercarcinom, Diagnostische Eigentüm- Malariaprodrom, Selbstversuch mit einer neuen 


Motilitätsbestimmung des M. mit Berücksich- 


lichkeiten dess. 1581. 

Magenkrankheiten, Atropinkuren bei M. 362. 


tigung der Boas’schen Chlorophyllmethode j Magenkurvatur, grosse, Ausstülpung der M. 238. 


759,760. 

Perforierende Schussverletzungen des M. 1781. 
Röntgenologische Untersuchungen über Form 


Magcnläsionen, Diagnose der bösartigen und gut¬ 
artigen Duodenal- und M. und ihre Unter- 


Prophylaxis auf Grund der M. 223. 
Malariaprophylaxe, bei den Missionsangestcllten 
in Kamerun 1132. 

j Mallebrein, Erfahrungen mit M. 166. 

— bei Tuberkulose 28. 


Scheidung durch Serienröntgenaufnahmen 941. Malleus s. Rotz. 


und Lage des Magens nach Aufblähung mit. Magenmotilität und Hypersekretion 911. 


Kohlensäure 1471. j 

— Beobachtungsfehler bei der radiologischcn , 

Untersuchung des M. 124, 846. | 

— Tastsonde für die Röntgenuntersuchung des 1 
M. 1471. 

— Schneckenförmige Einrollung der kleinen Cur- 
vatur des M. 472. 

— Untersuchung dos M. mittels Sekretionskurven 
1823. 

— Sanduhrform des M., vorgetäuscht durch Er¬ 
krankungen der Leber 124. 

— Schellackkonkremente im M. und Duodenum 
440. 

Magenausheberung, Technik der M. 662. 


Beziehungen zwischen Magensekretion und 
den Störungen der M. 380. 


Malleolus extemus, Behandlung von Brüchen des 
M. 464. 

Maltafieber in Südwestafrika 223. 


— Magenperforation bei Typbus abdominalis 188. Maltase, Verhalten der M. im Blutserum des 


— bei Ulcus 39. 

Magenoperierte, Rüntgenbilder von M. 1583. 


hungernden und gefütterten Tieres 266. 
Malum perforans 1094. 


Magenresektion, Gefährdung des Duodenalstumpfes Mamma, Cystische Entartungen der M. 900,1230. 


bei der M. nach Billroth II. 687. | 

Pankreaskomplikationen nach M. nach der | 
II. Billroth’schen Methode 996. 


^ Erkrankungen der M. 1079. 

—■ Fibromatose der M. 711. 

— Bedeutung der präsenilen Involution der M.517. 


circulare, Einfluss der M. auf Sekretion und I — Keloide Form der Sklerodermie der M. 997. 


Motilität des Magens 768. 

— Technik der M. 1428, 1875. 
Magenresektionsfäile 997. 
Magenruptur, geheilte 1140. 


— pendula mit heftiger Mastodynie. Operation 
I 1488. 

' — Carcinoma sarcomatodes der M. 82. 

— Cholesteatoma carcinomatosum der M. 900. 


Magenausspülung, Wert und Technik der thera- j Magensaft, Wirkung der Adstringenticn auf den | Mammacarcinora, Kombination von Uterus-uncUl. 


peutischen M. bei chronischen Magenerkran- M. 410. 
kungen 647. — Capillaranalyse des M. 1600. 

Magenblutung, Operative Behandlung bei M. 1233, — Neue Methode der M.-Untersuchung 1375. 

1556. Magensäfte, Bericht über 11 

Magencarcinom 1342. ‘ 7 Jahren behandelte M. 1 

— Anatomische Grundlagen der okkulten Blu- Magensaftsekretion, Wirkung 


1331. 

' — Operative Therapie des M. 898. 
| — Dauerheilungen des M. 898. 


j Magensäfte, Bericht über 1100 in den letzten — mit zahlreichen Metastasen 1653. 


7 Jahren behandelte M. 1582. 


tungen bei M. 1154. 

— Diagnostische Eigentümlichkeiten des M. am 
Corpus 1146. 

— Frühdiagnose des M. 1427. 

— Glycyitryptophanreaklion beim M. 1226. 

— primäres mit sehr starken Metastasen 335. 

— sekundäres bei Ulcus veotriculi 1085. 

— Studien über das M. 118. 

— bei Tieren 1435. 

— Unfallfolge 994. 

Magenchirurgie auf Grund von 1000 Fällen 1153. 

— Ungewöhnlicher Fall aus der M. 36. 


| — In welcher Ausdehnung ist die Haut bei der 
Aminosäuren ; Operation des M. mitzuentfernen? 272. 

— Polyurie bei M. 942. 


auf die M. 122. — Polyurie bei M. 942. 

— Beeinflussung der M. durch Infektion und Mammuthaut, Mikroskopische Präparate von H. 
deren Folgen auf die Magendarmstörungen 1291. 
des Säuglings 1084. Manie, Die Phasen der M. 1083. 

Magensarkom 1085, 1226. Manometrie, klinische 1375. 

Magenschleimhaut, Veränderungen der M. bei Marine-Sanitätswesen, Einiges über das M. 1750. 
Tieren nach Nebennierenexstirpation 363. — Organisation des M. und die Verwundeten- 

| Magenschuss, Perforierender M. 1692. Versorgung an Bord 1879. 


| Magensymptome, Charakteristik der röntgenolo- ■ Markscheidenfärbung, Histologisch-technisches zur 


; gischen M. auf Grund zahlreicher autoptischer 
I Befunde 911. I 

j Magentuberkulose 612, 1297. 


Magendarmaffektion, Neue Mothode der Emulsions- Magenverlinderungen und sekundäre Syphilis 1281 


Lipoid- und M. 422. 

Marsch auf horizontaler Bahn 1746. 
Marschkrankheiten, Entstehung, Verhütung und 
Behandlung 1822. 


bereitung für Behandlung der M. der Kinder | Magenverdauung, Apparat zur Feststellung der Masern, Ekthyma gangraenosum bei M. 1748. 


Kraft der M. 722. 


Magendarmchirurgie, Demonstrationen 662. 
Magendarmdiagnose, Carmin in der M. 759. 
Magendarmelektromagnet 1948. 


Frühdiagnose der M. 221. 


Magnesiumsulfat, Behandlung des Tetanus mit — Zur Lehre von den M. 1329. 


M. 1467, 1632, 1717, 1949. 

Fall von Tetanus geheilt durch M. 1563. 


Magendarmkanal, Bariumsulfat als Kontrastmittel Magnet, Richtiger Gebrauch des Riesen-M. bei - 


in der Röntgendiagnostik des M. 1046 


Augenoperationen 1876. 


— Beziehungen der M. zu anderen pathologischen 
Prozessen 1151, 1470. 

— bei einem 9 Tage alten Säugling 559.^ ^ 

— Zelleinschlüsse bei Scharlach und M. 798. 


— Mechanik der Lateralanastomosen am M. 560. j Maiseiweiss (Zeine), Schutzfermente gegen das Maschinengewehrkugel aus der Blase durch die 


— Myome des M. 760. i M. im Blute der PellagrÖsen 1599. 

— Phlegmonöse Prozesse am M. 1154. | Maistoxikologie, Studium der M. 869. 

Magendarmkatarrh, Behandlung von M. und Atro- j Majocchrsche Krankheit s. Purpura 1391. 


pbic bei Säuglingen mit Malzsuppe 559. 
Magcndarmpatliologie, Elektromagnet für Diagno¬ 
stik und Therapie und M. 1105. 
Magendarmtraktus, 14fache Perforation des M. 

durch Nahschuss mit 9 mm-Bleigcschoss 179. 
Magendiagnostik, funktionelle 1428. 

— moderne an der Hand von 40 operierten Fällen 
462. : 

Magendivertikel 1394. | 

Magenentleerung, Abhängigkeit derM. vom Nerven¬ 
system 1797. I 


Mal perforant der Fusssohle bei einem Tabiker; Massage, feuchte 28. 


Urethra entfernt 1882. 

Maske, Nutzen einer M. für den Chirurgen 1--- 
Masochist 853. 


Heilung mit intravenösen und intralumbalen 
Ncosalvarsaninjektionen 797. 

Malaria, akut hämolytische 1427. 


— gynäkologische, Erfolge der manuellen M. nach 
Thure Brandt-Ziegenspeck 466. 

— hydraulische, in der neurologischen Praxis Ik> • 


Chemotherapeutische Versuche bei Vogcl-M. j Massagewirkung, Bäder- und M. 1083. 


1886. 

Chemotherapie der M. 385, 45.3, 
chininresistente 954. 


Massenwirkung und Oberflächengesetzc 1241- 
Mastdarmfistel, Neue Operationsmethode der 

1535. 


Erfahrungen mit dem Chinin nahestehenden Mastkuren im Kindesalter 397 


Alkaloiden bei M. 564. 
Hydrochinin bei M. 1088, 1132. 


MagenerkrankungCD.HeutigeWertungdesRünfgcn- i — hämoglobinurische 905. 

r*:_„t,:_l* i r vu; I _ -- nr i., 


bildes in der Diagnostik chirurgischer M. 1186. 

— gutartige, Chirurgie der M. 1085. 

— Syphilis und M. 1533. 

Magenerweiterung, Zur Diagnose der M. 429. 

— Mononucleose bei M. 627. 

Magenfistel 1197. j 

— und doppelte Dannfistel mit geheiltem Tetanus I 
nach Schussverletzung 1850. 

Magen fl üssigkeil, Cytodiagnoslik der M. und ihre j 
klinische Bedeutung 1374. 


JiaatAi udu iiu niuuüoaiivMi vv« % ^ 

Mastodynie, Mamma pendula und heftig© M. i ^ 
Mastoiditis, Operation bei M. 1147. 
Mastoidwunde, Therapie schlecht heilender J • 1 
Kindesalter 659. 


— Immunität gegen M. bei Negern 1088. Kindesalter 659. 

— Länderte Form einer M. in malariafreier Ge- Materialisationsphänomene 999, 1819. 

gend 1129. Meekel’sches Divertikel 1342. 

— Behandlung der M. tertiana mit Ncosalvarsan — — Pathologie des M. 168, 805. 

28. Medianekrose, Zur Lehre der M. 756. 

— Pathologisch-anatomische Veränderungen im Mediastinalabscess 1849. 

Gehirn bei bösartiger M. 1771. Mediastinalcyste, Präparat von M. U&3. 

— Röntgenbehandlung der Milz bei chininresi- Mediastinaltumor 1384. 

stenter M. 186. — Differentialdiagnose zwischen M. und T 

— mit ungewöhnlich schweren Symptomen 413. drüse 912. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2013 


Mediastinitis luetica, Milz- und Leberpulsation 
bei M. 186. 

— schwielige 1488. 

Mediastinum, Toratom des vorderen M. 1128. 

Mediumforschung, moderne 1651. 

Med ullarplatte, Defektversuche an der offenen 
M. 1673. 

Medizin, Irrungen in der Geschichte der M. 907. 

— Wert der Geschichte der M. 1340. 

— gerichtliche, Ueber den Unterricht in der M. 
§67. 

— innere 984. 

-v. Mering’s Lehrbuch der M. 216. 

— — Bedeutung der Röntgentherapie für die M. 
708. 

— soziale 1222. 

-Wiener Arbeiten aus dem Gebiete der M. 408. 

Medizinalstatistische Nachrichten 754, 1223. 

Medizinische Beobachtungen in Rumänien 1138. 

Mediziner, Zusammenarbeit von M. und Juristen 
233. 

Meerzwiebel, Zusammensetzung der M. 1277. 

Megacolon 721. 

— congenitum 363. 

— sigmoides bei 70jährigem Manne 1874. 

Megaloblasten, Lymphoide Vorstufen der hämo¬ 
globinhaltigen Normoblasten und M. beim 
Embryo und beim Erwachsenem in normalem 
und pathologischem Zustand 460. 

Megalocomea 1047, 1921. 

Megalocy ten, Diagnostische Bedeutunghämoglobin¬ 
reicher M. 1759. 

Meiostagminreaktion, Erfahrungen mit der M. 648 
707, 1733. 

Melaena neonatorum 1200. 

-Blutbefunde bei M. 1227, 1820. 

Melanochronie der Sclera 176. 

Melanome 459, 1342. 

Melanosarkom, bemerkenswertes 466. 

— primäres und metastatisches des Central ncrven- 
systems 800. 

— des Penis 768. 

Melanotischer Tumor am Oberschenkel mit Me¬ 
tastasen 1691. 

Melkerknoten, sogenannte 846. 

Membran, pericolische, von Jackson 82. 

Membrana pupillaris und capsulo-pupillaris pcr- 
sistens 1921. 

Mendelismus und das Problem der geistigen 
Schwäche 1524. 

Meningealkrebs, latenter 1427. 

Meningen, Durchlässigkeit der M. 27. 

— Rundzellensarkommetastasen der M. 1197. 

Meningitis carcinomatosa 123, 463. 

— cerebrospinalis 1001. 

-Heilung einer schweren M. mit einseitiger 

Erkrankung des inneren Ohres 1581. 

— — mit Meningokokkenarthritis des rechten 
Knies 990. 

— — epidemica, Epidemie von M. 1329. 

-beim Säugling 860. 

— — Verschluss der Foramina des IV. Ventrikels 
bei M. 1341. 

— eitrige, Chirurgische Behandlung der M. 1007. 
frühsyphilitische, Diagnose der M. aus dem 
Liquorbefund 185, 1771. 

— Herdsymptome bei M. 1341. 

mit Icterus, eine Form der Poliomyelitis acuta 
epidemica 187. 

meningococcica, Geheilter Fall von mit M. 
kompliziertem Scharlach 463. 

— otogene 1247. 

— Die vor der Roseola auftretende M. 561. 

— sekundäre 410. 

— serosa, Entstehunesweise der M. bei tuberku¬ 
lösen Kindern 1164. 

-bei allgemeiner Tuberkulose 1241. 

— — Operation bei lokalisierter M. 429. 

— spinalis chronica serofibrinosa circumscripta, 
Erfolgreiche Operation bei M. 465. 

— syphilitica 1331. 

— — Tödlich verlaufener Fall neun Wochen 
nach dem Primäraffekt 1749. 

— nach subcutanen Verletzungen des Schädels 
und der Wirbelsäule 1428. 

— traumatica serosa 1343. 

— tuberculosaam Hamburg-Eppendorfer Kranken¬ 
haus 1279. 


Meningitis tuberculosa, Fall von M. bei bitemporal- 
heraianopischer Pupillenreaktion 1688. 

— — Veränderungen im Liquor bei M. 123. 

-Heilungsmöglichkeit ders. 1900. 

— Urinphlegmone, Gundu, Pbagedänismus 1132. 

Meningocele als seltene Komplikation des Keuch¬ 
hustens 1820. 

Meningoencephalitis luetica mit Hemiplegie und 
Facialislähraung 1343. 

Meniscusverletzungen, Eröffnung des Kniegelenkes 
bei M. 1581. 

Menorrhagie, tödliche, bei Thyreoplasie mit Haupt¬ 
zellenadenom der Hypophyse 1373. 

Menschentypen, gefährliche 896. 

Menschenwachstum, Allgemeine und spezielle 
Physiologie des M. 1550. 

Menstruation, Einfluss der M. auf den Blutzucker¬ 
gehalt 896. 

— Einfluss ders. auf die Hämolyse der Scheiden¬ 
keime 1920. 

— Forensisch-psychiatrische Bedeutung von M., 
Gravidität und Geburt 800. 

— Gravidität und Corpus luteum 802. 

— Auftreten von M. im Klimakterium 82. 

— Verhalten der Uterusschleimhaut um die Zeit 
der M. 761. 

— Zeitliche Beziehungen der Ovulation und M. 415. 

Menstruationsblutung, vicariierendc bzw. kom¬ 
plementäre 1376. 

Menstruationscyklus, Anatomie und Pathologie 
des M. 1799. 

Merlusan, Erfahrungen mit M. 1708. 

— und Embarin 797. 

— — Beeinflussung der Wassermann’schen Re¬ 
aktion durch 1814. 

Mesaortitis syphilitica 282. 

Mesbö, Behandlungserfolge mit M. 1577. 

— bei chirurgischer Tuberkulose 464. 

Mesenterialearcinome, primäre 711. 

Mesenterialcyste, operierte 672. 

Mesenterialdrüsentuberkulose 1153. 

Mesenterialvenentbrombose 1086, 148S. 

— bei einer latent verlaufenden Phlebosklerose 
der Pfortader 250. 

Mesenterium, Doppelbrechende Lipoide im M. und 
einem Mesenterialsarkom 1043. 

— Isolierte Ruptur des M. 1130. 

Mesothoriumbehandlung 655, 1146, 1562, 1578, 

1751. 

— von Blasentumoren mit M. 1535. 

— des Carcinoma 207, 361. 

— bei Carcinom der Haut und anderer Organe 60. 

— beim Gebärmutter- und Scheidenkrebs 1562, 
1599. 

— der Genitalcarcinome mit M. 755. 

— Technik der M. bei gynäkologischen Fällen 1081. 

— maligner Tumoren 706. 

Mesothoriumstrahlen, Biologische Reichweite der 

Radium-, M.- und Röntgenstrahlen 1578. 

— Wirkung gefilterter M. auf Kaninchenovarien 
1485. 

Messer, auskochbare 1821. 

Metabolin bei diabetischen Hunden 939. 

Metalle, kolloide, Biologische Untersuchungen an 
M. 141. 

Meteorismus, Hochgradiger M. bei einem Falle mit 
Aortitis luetica 1688. 

Mcthylalkoholgehalt der Formaldehydwasscr- 
dämpfe bei den verschiedenen Raum¬ 
desinfektionsverfahren 1378. 

| Methylalkoboloxydation, Aenderung der M. durch 
andere Alkohole 607. 

Methylenblau, Reduktion des M. durch Glukose 
und Fruktose ■ und ihre Verwertung in der 
Harnanalyse 25. 

Metritis dissecans 900. 

Metropathie, hämorrhagische, Scliilddrüsenbehand- 
lung der M. 362. 

Microbismus, latenter, und Salvarsan 666, 1448. 

Micrococcus melitensis, Agglutination des M. durch 
normale Kuhmilch 757. 

— — Wirkung dess. und seiner Toxine auf das 
Nervensystem 1632. 

Mikrocid-Tabletten 1949. 

Mikrognathie, operierte 711. 

Mikromelie 1151. 

Mikromyeloblastenleukämie, Mikroskopisches Prä¬ 
parat 1489. 


Mikroorganismen, Handbuch der pathogenen M. 

73, 1277. 

Mikroskopie, Einführung in die Technik der M. 459. 

— und Chemie am Krankenbett 316. 

Mikrosporie, animale generalisierte beim Menschen 

801. 

Mikulicz’sche Krankheit 1139. 

Milch, Anpassung der Kuhmilch an die Frauen¬ 
milch bei der Säuglingsernährung 1874. 

— Biologisches Verhalten roher und gekochter 
M. 412. 

— Einfache Methode zur Bereitung eiweissreicber 
M. 794. 

— Lösliche Eiweisskörper der M. 26. 

— Einfluss des Calciumchlorids auf die Gerinnung 
der M. 26. 

— Fettgehalt der M. 1746. 

— Möglichkeit, den Fettgehalt der M. zu steigern 76. 

— nach Friedenthal, Ernährungsversuche mit M. 
611. 

— Gewichtszunahme und Längenwachstum bei 
Gebrauch von gezuckerter kondensierter M. 
und überzuckerter homogenisierter M. 270. 

— Ergebnisse der Untersuchung der M. mit der 
Glycyltryptophanprobe 318. 

— kondensierte, Nährwert und therapeutischer . 
Wert der M. 860. 

— Röntgenologische Bestimmung der Verweil¬ 
dauer von vegetabiler und Kuhmilch im Magen 
1650. 

— Salzsäurebindungsvermögen von Frauen- und 
Kuh-M. 897. 

— tuberkulöse in Edingburg 1531. 

— und Typhus 126. 

Milchgerinnsel, Ueber Rob-M. im Säuglingsstuhl 
463. 

Milchpasteurisierung und biovisierte Milch 1562. 
Milchsäure, Ausscheidung im Harn und ihre Be¬ 
ziehungen zum Kohlehydratstoffwechsel 1148, 
1326. 

— Bildung von M. bei der alkoholischen Gärung 
361. 

Milchwissenscbaft, Arbeiten über M. im Jahre 1912 
897. 

Miliartuberkulose, akute 237, 1226. 

— Leukocytenbefunde bei M. 1427. 

— Blutungen in der Retina bei M. 125. 

— und Tumoren der Atmungsorgane im Röntgen¬ 
bild 1241. 

Militärärztliche Kriegserinnerungen an 1866 und 
1870 1770. 

— Literatur in den Jahren 1750—1850 1774. 
Militärbadewescn, Entwicklung des M. 219. 
Militärfiltcr des Advokaten Amy (1750) 1088. 
Militärsanitätswesen, W. Roths Jahresbericht über 

die Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiet 
des M. 317. 

Mineralquelle und Heilquelle, Die Begriffe M. und 
H. in den Augen des Sachverständigen 1651. 
Mineralstoffwechsel 221. 

Milz, Bedeutung der M. bei anämischen Zuständen 
462. 

— Einfluss der M. auf die erythroplastische 
Tätigkeit des Knochenmarkes 1026. 

— Funktion der M. 412. 

— Metastastische Geschwulstbildung in der M. 
1579. 

— Bei welchen inneren Krankheiten kommt die 
operative Entfernung der M. in Frage? 410. 

— Multiple herdförmige Ektasie der Venensinus 
in der M. 268. 

— und Leber im Röntgenbild 801, 863,1332,1608. 
Milzbrand der Augenlider des linken Auges 667. 

— Behandlung des M. mit Injektionen von 
sterilisierten Pyocyaneuskulturen 893. 

— Nachweis des M. 364. 

— als Kriegsseuche 1884. 

— Passage von M. 940. 

— Pathologie und Klinik 1798. 

' Milzbrandbacillus, Mutationsformen des M. 895. 
j — Korrelation zwischen Kapselbildung, Sporen- 
| bildung und Infektiosität 1919. 

I Milzbranderkrankung in der Lederbrancbe 1773. 
Milzbrandkarbunkel, Salvarsanbehandlung des M. 
1278. 

Milzbrandmeningitis 670. 

Milzchirurgie 1250, 1528. 

Milzcyste 34. 


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2014 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Milzechinokokken 123. 

Milzexstirpation (s. a. Splenektomic). | 

— Einfluss ders. auf das periphere Blutbild 1248. 

— Peripheres Blutbild nach M. 1104. | 

— 3 Fälle von M. 669. ! 

— Einfluss der M. auf die chemische Konstitution 
des Tierkorpers 1080. 

— bei Morbus Banti 186. 

Milzfunktion 1104. 

Milzgewebc in der Leber 1095, 1375. 

Milzpulpa, grosszeilige Hyperplasie der M. bei 
diabetischer Eipämic 988. 

Milzpunktion 711. 

Milzruptur, subcutane, Operative Heilung einer 
M. 767. 

— traumatische 672. 

— bei Typhus 942. 

Milzschuss durch freie Nctztransplantation geheilt 
1285, 1507. 

Milzstich Verletzungen 899. 

Milztuberkulose 1394. 

— sogenannte primäre 951. 

— Ungewöhnliche Formen von Lymphknoten und 
M. 1G92. 

Milztumoren, Wirkung des Radium auf M. 293, 577. 
— Heilung von Leber-, Nieren- und M. 465. 
Minderwertige, Behandlung der M. 989. 
Missbildungen, Angeborene M. der Nieren- und 
Harnwege 1632. 

— infolge amniotischer Stränge 655. 

— Doppel-M. der weiblichen Genitalsphäre S47. 

— im Bereich der oberen Holdvene 894. 

— seltene 1095. 

— Zahlreiche M. bei einem totgeborenen Kinde 
1652. 

— Kind mit Rumpfasvminctric und mehrfachen 
M. 1925. 

Mittelfell, hinteres. Traumatische Ruptur des M. 
1086. 

Afittelfussknoehenlmich, Einfache Pflasierbehand- 
lung der M. 1089. 

Mittelhirn, Tumor des M. 476. 
Mittclöhrciterungen, Die pathologisch -anatomi¬ 
schen Grundlagen der Funktionsstörungen 
des inneren Ohres bei M. 1535. 
Mittclohrvcränderungen nach experimenteller Lä¬ 
sion der knorpligen Tube 1246. 

Molke, Einfluss der M. auf das Darmepithcl 
1228, 1564. 

Molkenwirkung, Artspezifität der M. 1228. 
Monilia, Bisher nicht beobachtete AI.-Art bei 
chronischer Bronchitis 1554. 

Monaminosäure, Nachweis von M. 705. 

Mondbein s. Os lunatum. 

Mongolenfleck, blauer, Neun Fälle von M. in 
(iriechcnland 270. 

— — im Staate Sao Paulo 80. 
Mononatriumcarbonat, subcutane Infusionen 120. 
Monoplegie, brachioerurale, Proximaler Typus , 

der AL 80. j 

— hysterische 1375. j 

Monstrum, Doppel-M. 363. > 

Morbi lloid 1132. i 

Morbus Addisonii 1328. 

— — Hämochromatose unter dem Bilde des M. 
942. 

— Banti, Milzexstirpation bei M. 186. | 

— Barlow 379. f 

— Basedow, Uebt das Antithyreoidin bei M. j 
eine spezifische Wirkung aus? 1375. 

— — mit Myxödem 1966. 

— — War die Erklärung Lundström's über die ( 
Entstehung der Augcnsymptome bei M. I 
richtig? 463. 

— — bei Beriberi 1088. 

— — Blutdrucksteigernde Substanz im Serum f • 
bei M. 122. 

— — mit bulbären und medullären Sehädi- - 

gungen 1151. 

— — Wandlungen und Fortschritte in der chi- - 
rurgischen Behandlung des M. 10. 

— — Beeinflussung des AL durch chirurgischen - 

Eingriff und Indikation zur Operation 1100. - 

-Experimentelle Erzeugung des M. 710. 

— — Frühoperation des M, 711. 

— — Rolle der Infektion in der Aetiologie des - 

M. 1106. | 

— —• und Genitale 846. f - 


Morbus Basedow, Beziehungen der Jodbchandlung 
zum lymphoiden Gewebe und zur Blutlympho- ( 
eytosc bei M., Hypothyreose und Süuma 
ohne Funktionsstörung 412. 

— — Hautinfiltration bei M. 1096. 

— — Hcrzerscheinungcn bei M. 857. 

— — kachcktiseher 578. 

— — Zur Kenntnis des M 1100. 

— — beim Manne 31. 

— — Pathogenese des M. 610. 

— Pathologische Anatomie des AL 1043. ( 

— — als Contraindikation gegen gynäkologische | 
Röntgentherapie 608. 

I-Röntgenbestrahlung der Thymusgcgend j 

! bei M. 186. 

, — — Zur Theorie von AL, Myxoedem, Kretinis¬ 
mus und Gebirgskropf, Hyper- unll Hypo¬ 
thyreoidismus 737. 

I— — nach infektiöser Strumitis 1250. 

| — — Thyminbehandlung des Al. 625. 

— — und Thymus 1365. 

— — Bedeutung des Thymus für Entstehung 
' und Verlauf des AL 1224. 

— — Thymektomie bei M. und Struma 818. 

— — und Thymus 819. 

— — Thyreoidalcr Ursprung des Af. 187. 

— Brightii 1140, 1141. 

— — experimenteller 1147. 

:— — NoucFunktionsprüfungsrnetlioden bei 1140. 

— Recklinghausen s. Neurofibromatosis 673. 

J Morgagni-Adams-Stokes'sebcs Syndrom im Kindes- 
, alter und seine Behandlung 560. 
Morphinismus, Prognose des AI. 1061. 

— und Entmündigung 801. 

; Alorphinist, Untere Extremität eines AL mit 
. ca. 160 abgebrochenen Injektionsnadeln 335. 
Morphinwirkung, chronische 1328. 

Morphium, Akute Harnverhaltung als Wirkung 
I des M. 1577. 

! — Behandlung der puerperalen Eklampsie durch 
1 AI. und seine Derivate 1920. 
i Morphiumsalze, Lokalanästhetische Wirkung ders. 

| 1562. 

Alorphiumübercmpfindlichkcit beim Kinde 276. 
j Morphiumvergiftung, post operative 78. 

| Morphium - Dionin -Scopolaminlüsung, Vorsichts- 
massregeln bei Anwendung von M. 673. 
Mortalität, optimale, der ehelichen Kinder in 
| Bayern 1378. 

Moskauer Brief 190. 

Mos-puto. Naphthalin zur Vei niehtung von Af. in 
verdeckten Cistcrnen und Brunnen 1480. 
Mückensprayverfahren 564. 

Aliiekcnvertilgungsmittcl, Rohearbolsüurc als M. 
223. 

Mullkompressc, im Ileurn einen Abdominaltumor 
vortiiiisebend 1488. 

Mumie, Alikroskopische Schnitte von Haut von M. 
1291. 

Afund, Reetalernährung nach Operationen im M. 
und Schlunde 638. 

Mundhöhle, Desinfektion der AI. durch ultravio¬ 
lettes Licht 649, 806. 

Mundspatel für Säuglinge 1925. 

Muniliaart, noch nicht beschriebene, bei Bron¬ 
chitis 379. 

Muskatnussvergiftung 893. 

Muskel, Aktionsströme menschlicher AI. bei natür¬ 
licher Innervation 219. 

— Anatomisch-physiologische Untersuchungen an 
AL und Sehnen und ihre praktische Anwen¬ 
dung auf die Sehncntransplantation 813. 

— Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität 
des M. 1898. 

— Extraktivstoffe der AI. 26. 

— glatte, Glykogen in den AL 362. 

— — Thermische Einwirkung auf die M. 230. 

— Ilemmungsrhythmik bei der reflektorischen 

Innervation des AL 1371. J 

— Wirkung allseitiger Kompression auf den 
Frosch-AI. 938. 

— «juergestreifter, Dauerverkürzung am AI. 141. j 

— — Dauerverkürzung der AL, hervorgerufen I 
durch chemische Substanzen 1080. 

— — Einwirkung des Coffein auf die AL 1423. 

— — Ob die Fibrillen der AL ihr Volumen bei 
der Kontraktion vermindern? 1326. 

— Die Resistenz der menschlichen Af. 317. i 


Muskel, Reizung des Skclett-M. durch kochsalz- 
arme Lösungen 938. 

— Tonische Starre der M. 478. 

— Einfluss des Traubenzuckers, der Natrium-, 
Kalium-, Calcium- und Magnesiumionen auf 
die Reizbarkeit, Leitungsfähigkcit und Er¬ 
müdbarkeit der motorischen Nerven und der 
Skclett-M. 166. 

— Verkürzung des AL im Muskelpresssaft 1898. 

— Wachsartige Degeneration der AL boi Infek¬ 
tionskrankheiten 987. 

I — Zeitlicher Verlauf der Wärmebildung bei der 
Kontraktion des M. 1945. 

| — Zuckungskurve des M. 892. 

Aluskelabscesse, kryptogenetische, in den Tropen 
564. 

Muskelaktionsströme bei organischen und funktio¬ 
nellen Erkrankungen des Centralnervcnsvstcms 
1733. 

Muskelatrophie, spinale, progressive 668, 1094. 
Atuskelbriiche, Behandlung von AI. durch freie 
Fascientransplantation 1561. 
j Muskelhaken, stumpfer, neuer 33. 
Muskclhernie 1965. 

Muskclhyperplasie, angeborene 1848. 
Aluskelkontraktion, Vorgang bei M. 718. 
j — willkürliche 187. 

Aluskelmagen der Vögel, Druckmessungen in 
dems. 1707. 

Muskelpathologic im Kindesaltcr 943. 
Muskelmaschine, Der Wirkungsgrad dcrM. 1707. 
Muskelton, Hohe des AL 26. 

Aluskeltonus und Sehnenreflexe 1848. 

Muskel transplantation,Experimentalversuchel4C>8. 
Afuskelverknöcherung, Histologie und Pathogenese 
der eircumscriptcn AL (Myositis ossificans 
circumscripta) 555. 

— umschriebene, Pathologische Anatomie der M. 
1043. 

Aluskelzellen, Glatte M. mit myogenem Rhyth- 
! mus 1553. 

1 Musculus biceps brachii, Traumatische Ruptur 
| des M. 767. 

— — — Ruptur der Sehne dos langen Kopfes 

| des M. 1186. 

— rcctus femoris, Traumatische subcutane Durch- 

1 trennung der Sehne des AL 767. 

! — serratus, Bcschäftigungslähinung des AI. 951. 
i Alutismus, Hysterischer M. nach Schädelverletzung 
; 1850. 

Mutterfürsorge im Kriege 1925. 

Alutterkorn s. Secale. 

1 Muttermal, Behandlung von AL 801. 
Muttermund, äusserer, Bestimmung der (»rosse 
! des M. intra partum durch äussere Unter¬ 

suchung 367. 

Myalgie, Können durch M. in Hals- und Schulter¬ 
muskulatur ncurasthenischer Kopfschmerz, 

I Schwindel und Migräne verursacht werden.' 

1083. 

Myasthenie, Pathogenese der M. 760. 

— gravis pseudoparalytica 661, 1391, 1440. 

— paralytica von Erb 1565. 

Mycosis fungoides 1148. 

— — der Haut und inneren Organe 613. 
j Myelitis, akute diffuse 1098. 

— circumscripte, nach Benzolvcrgiftung 576. 

| — diffusa 285, 1246. 

1 — funicularis 1772. 

— — mit bulbären und polyneuritischcn m- 

j ptomen 800. 

Afyeloblastenleukämie und Chlorom 1280. 

— Zwei Fälle von M. 894. 

Myelodysplasie, Magenbefundc bei M. 9I-. 

1 MvcJogonie, Die M. als Stammzellen der Knochen¬ 
mark szellen im Blute und in den blutbilden¬ 
den Organen 1797. 

Alyelolcukosarkomatose 858. 

! Alvelom 720. 

— multiples, mit Bence-.lones'scher Albuminurie 
und Metastase in der Tonsille 758. 

Myelomatose, Wirkung der Röntgenstranlen au 
eine experimentell erzeugte M. 414. 
Afyeloso, aleukämische, generalisierte 13»4. 

— chronisch aleukämische 1150. 

— leukämische s. Leukämie. ^ 

Alyocard, Acidosis beim Ende von Erkrankung 

des Af. 1280. 


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Original fro-m 

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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


$015 


Myocard, Erkrankung des M. beim Kaninchen 
nach Impfung mit Streptococcus viridans 78. 
Myocarditis, diphtherische, Galopprhythraus und 
Extrasystole bei M. 650. 

— idiopathische, hypertrophische, Pathogenese 
und Aetiologie der M. 895. 

— syphilitische 1082. 

Myome des Magendarmkanales 760. 

— nekrotisches 1060. 

— und Schwangerschaft 74, 1146, 1445. 

— Spontane Heilung von Carcinom und M. 82. 

— verkalkte, in der Bauchhöhle 1241. 
Myomektomie, Schwangerschaft nach M. 1920. 
Myositis ossificans des Tricops braehii 711. 
-progressiva 560. 

— — traumatica 1747. 

— — — der Oberschenkelstreekmuskulatur als 
Unfallfolge 1689. 

Myotonia atrophica 1394, 1479. 

— — Friihkatarakt bei M. 803. 

— congenita 576. 

Mystische Heilmethoden, Begutachtung ders. 1651. 
Myxoedem 853. 

— Augenstörungen bei einem Fall von M. 1749. 

— Bedeutung der Epiphysenschatten beim M. 
1130. 

— nach Masern beim Kinde 1566. 

— Zur Theorie von Morbus Basedow, M., Kreti¬ 
nismus und Gebirgskropf. Hyper- und Hypo¬ 
thyreoidismus 737. 

— Fall von Säuglings-M. 709. 

Myxosarcoma uteri 415. 


Nase, Phantom der normalen N. des Menschen 1898. I Neosalvarsan, Anwendung der epifascialen (bzw. 


Nasenatmung, Einfluss behinderter N. auf das 
Zustandekommen der Inhalationstuberkulose i 
1809. i 

Nasenbluten, Zur Kenntnis und Bedeutung des 
N. im späteren Kindesalter 1890. 

! Nasendefekt, Plastische Operation bei N. 578. 

Nasendiphtherie s. Diphtherie. 

Nasenersatz, einfacher 33. 

! Nasenheilkunde, Geschichte der N. von ihren 
Anfängen bis zum 18. Jahrhundert 1670. 

Nasenhöhle, Grosser Tumor der N. 659. 

Nasenleiden, Zusammenhang zwischen Augen- und 
I N. 563. 

; Nasen missbild u ng 232. 

Nasenncbenhühle, Apparat zur Spülung der N. 
171. 

I Nasennebenhöhlenerkrankung, Neuritis rctrobul- 
baris bei N. 1238. 

! Nasenplastik 815. 

Nasenprothese aus Hcnnig'schcr Masse 1586. 

| Nasenrachentibrome, typische, juvenile 423. 

[ Nasenrachenraum, Tumor des N. mit Gehirn- 
1 metastasen 1395. 

Nasenschleimhaut, „Chromatophore“ Zellen in der 
I N. 255. 

| Nasenseptum, Hereditär-luetischer Defekt des 
! N. 43. 

Nasenverengerung, Instrument zur Feststellung 
leichter Grade von N. 900. , 

Natriumbicarbonat, Einfluss des N. auf die Aus- 
i Scheidung der Chloride und des intravenös 

eingeführten Milchzuckers 1650. 

Natriumboruformiat, Wirkung dess. auf Harn bei 
I Bruttemperatur 1898. 


intramuskulären) N.-Injektionen nach Wechsel¬ 
mann im Kindesalter 1742. 

Erfahrungen mit N. 317. 

Behandlung der Hauttuberkulose und Tuber¬ 
kulide mit N. 613. 

Injektion konzentrierter Lösungen 77, 561, 
849. 

Intradurale Injektion von N. bei Nerven- 
syphilis 429. 

Intravenöse Injektion 1128. 

bei aktiver Lungentuberkulose 1278. 

bei Malaria tertiana 28. 

Behandlung der progressiven Paralyse mit 
N. 239. 

Polyneuritis mit Korsakow'schor Psychose 
nach N. mit tödlichem Ausgang 465. 
bei Rattenbissfieber 120. 

Reflexionen über N. 32. 

Subkutane Injektion, Technik und Wirkung 
der N. 561. 

— Todesfall nach N. 842. 

— Todesfall nach zwei N.-Injektionen bei be¬ 
ginnender Lues 861. 

— bei Tropenkrankheiten 1472. 
Noosalvarsanvchikel, Patientenserum als N. 77. 
Nephrektomie, Neue Gesichtspunkte bei N. wegen 

Nierentuberkulose 1748. 

— Die Grenzen der N. 1748. 

— bei Erkrankung beider Nieren 1202. 

— bei bilateraler Tuberkulose 613. 

— Versorgung des Ureterstumpfes nach N. 1148. 
Nephritis, Fortschritte in der Behandlung der 

Albuminurie und N. 120. 

— akute, nach Oxalsäurevergiftung 430. 


| Natriumbromid, Wirkung des N. auf die Fer- 
I mente des Purinstoffwechscls 27. 
Nabeladenom, Ilistogenese des N. 168. Naturheilung 797. 

Nabelkolik, rezidivierende der Kinder 145, 1G33. Naturwissenschaft, Archiv für die Geschichte der 

— — kleiner Kinder 372. i N. und der Technik 754. 

— — bei älteren Kindern 80, 337, 341. I — in ihrer Entwicklung und in ihrem Zusammen- 

Nabelschnur, Methode der Nichtunterbindung der hang 984. 

N. 1047. Nearthrosis, operative 31. 

— Reposition der vorgefallencn N. 125. Nebenhoden, Experimentelle Studien am N. 1425. 

— Starke Einschnürungen der N. infolge Torsion — Piimärcs Carcinom des N. 895. 

1340. Nebenhühleneiterunn, Behandlung der akut bc- 


Nabelschnurbrüche, Heilung der N. auf konser¬ 
vativem Wege 1530. 

Nabelschnurrest, Abnabelung und Versorgung 
des N. 899. 

Nachgeburtsblutung u. Wochenbettinfektion 1486. 

Nacken- und Schulterschmerzen und ihre Be¬ 
ziehungen zu Affektionen derOrgane im kleinen 
Becken 1848. 

Nährschäden Erwachsener 1650. 


drohlic.hcn N. 706. 

Nebenlungenbildung bei kongenitalem Zwerch- 
fclldefekt 1632. 

Nebenniere, Fortentwicklung jugendlicher, in die 
Niere implantierter N. 866. 

— Ganglioncurom der N. 167. 

— Innervation der N. 1045. 

— Einwirkung des Thyreoideaextraktes auf die 
Sekretion der N. 26. 


Naevus eongenitalis, Pigmentzellen des N. 1395. I — und Schmerzempfindling 956. 


— — Experimentelle Beeinllussung des Blut¬ 
druckes der N. des Kaninchons durch Pank¬ 
reasextrakt 1184. 

— experimentelle 1224. 

— — Beeinflussung des Blutdrucks bei N. 185. 
-Glykosurie bei N. 1081. 

— haemorrhagica pcriodica 1281. 

-- und Hyperglykämie 649. 

i — Entstehung der Oedeme bei N. 1733. 

— Pathologie der N. und ihre funktionelle Dia¬ 
gnostik 1227. 

— Einige Probleme der N. 1227. 

— postanginöse 93. 

[ — streifenförmige nach Basedow 1081. 

: — .syphilitica 1429. 

j Nephrolithiasis, Kombination der X. mit ohro 
I nischcr Colitis 626. 
j Nephropathie 1185, 1281, 1555. 

| Nephropexie, Erfolge der N. 992. 
l Nephrotyphus und Nephropäratyphus 969. 

I Nerven, antagonistische 938. 


— vasculosus giganteus der rechten Gesichts- Nebennierenadenom, doppelseitiges mit Pseudo¬ 
hälfte 764. i driisenräumen 167. 


Einwirkung einiger Kationen auf das Polari¬ 
sationsbild des N. 892. 


Naganainfektion, Experimentelle Wirkungsart von 
Salvarsan und Menschenscrum bei N. 988. 
Nagel, eingewachsener, Behandlung des N. 1128. 
Nagelerkrankung, seltene 561. 

Nagelextcnsion 464. 

— nach Steinmann, Nachteile der X. 845. 
Nahrungsmittel, Gesetzliche Regelung des Ver¬ 
kehrs mit Genuss- und N. 713. 

Nahrungsmittelchemisches Taschenbuch 359. 
Nahrungsrest, Gibt es einen schädlichen N. beim 
Säugling? 1747. 

Nahrungsverweigerung, Behandlung der bedroh¬ 
lichen N. und Anorexie der Säuglinge 366. 
Narbencarcinora, traumatisches, der Kllenbogcn- 
haut 1582. 

Narkolepsie 1618. 

Narkose, Gefahren der leichten N. 99. 

— in der Gynäkologie 848. 

— kombinierte 841, 842, 1084. 

— Neue Methode der Allgcmein-N. 1049. 

— Modifikation ders. 1966. 

— Prognose bei der N. 642, 1250. 

— und Sauerstoffatmung 1127. 

Narkosenmaske 854. 

— für Operationen in Bauchlage 1820. 
Narkosentod, sekundärer 1046. 

Narkotisieren ängstlicher Menschen 1527. 
Narkophin, Dosierung de 9 N. 755. 

— Verwendung von N. in der Geburtshilfe 267. 
Nase, Absprengungsmissbildung der N. 1340. 


Nebennierenaus.schaltung, Einlluss der N. auf das 
Genitale 363. 

Nebenniercnblutungen 1059. 

Nebennierenerkrankung und Lokalanästhesie 173. 

Nebennierenexstirpation, Einfluss ders. auf die 
Blutkonzentration bei Katzen 1467. 

— Folgen der N. 1326. 

— Wirkung des Zuckerstiches nach N. 1223. 

Nebennieren Insuffizienz 1001. 

I — Todesfälle infolge von N. 461. 

| Nebennierenpigmentation und Hautfarbe 9S7. 

Nebennierenpräparate, Wirkung der synthetischen 
N. 844. 

— Subconjunctivale Injektionen von N. bei 
Augenkrankheiten 1922. 

Nebennierenmclanom, primäres 30. 

Nebennierenrinde, Ursprung der Fettsubstanzen 
in der N. 1579. 

Nebennierensekretion, Einfluss der N. auf die 
vasomotorische Regulierung durch denSplanch- 
nicus 26. 

Nebennierentumor 1150. 

Nebenschilddrüse, Chirurgie der N. (Epithel¬ 
körper) 796. 

Neosalvarsan, Geheiltes Coma nach N. 1001. 

— in der dermatologischen Klinik in Bordeaux 
im Jahre 1913 613. 

— Kndolumbale N.-Therapie 842. 

— Fall von hämorrhagischer Encephalitis, her¬ 
vorgerufen durch N. 1749. i 


( — inarkhaltige, Sauerstoffbedarf der N. 555. 

| — Morphologische Veränderungen der gereizten 
Nerven 360. 

J h motorischer, Einfluss des Traubenzuckers, der 

| Natrium-, Kalium-, Calcium- und Magnesium- 

| ionen auf die Reizbarkeit, Leitungsfähigkeit 

j und Ermüdbarkeit des N. und Skelettmuskels 

166. 

I — periphere, Prinzipielles zur Chirurgie der N. 

| 179. 

j — Schussverletzungen peripherer N. 1949. 

Ncrvenbehandlung, lokale, manuelle, in Bezie¬ 
hung zu atonischen Zuständen des Mastdarms 
462. 

Nervendefekte, Neue Methode der Transplanta¬ 
tion bei N. 1821. 

Nerveneinpflanzung, direkte in den Muskel 767, 
845, 1008, 1281. 

Nervenende, Schichtung der N. in der Ifaut 1371. 

Nervenendigungen, motorische 991. 

Nervenerregbarkeit, Säure und N. 268. 

Nervenfaser, Begegnung zweier Erregungen in der 
N. 1326. 

— Regenerationserscheinungen bei der Verhei¬ 
lung von motorischen und receptorischen N. 
1326. 

— Veränderungen der Markscheide an degene¬ 
rierenden N. 760. 

Nervcnklinik, psychiatrische, zu Königsberg 649. 

Nervenkrankheiten, Diagnostik der N. 1745. 


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Original frnm 

UMIVERSITY OF IOWA 


i 






BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Nervenkrankheiten, Beziehung zwischen klinischem 
Verlauf und anatomischem Befund bei Geistes¬ 
und N. 840, 1769. 

— syphilitische, Therapie der N. 682, 

— und Geisteskrankheiten im Felde und im 
Lazarett 1874. 

Nerven- und Seelenleben, Einfluss von Klima, 
Wetter und Jahreszeit auf dass. 1846. 

Nervenleitung, Einfluss der N. auf das mikro¬ 
skopische Bild der Glandula submaxillaris 
1898. 

Nervenmassage, Diagnostischer und therapeuti¬ 
scher Wert der N. 31. 

Nervenpathologic, Weiterentwicklung der deut¬ 
schen N. 1848. 

Xervenpigment beim Papagei 362. 

Nervenplastik und Transplantation 814. 

Nervenpunktlehre von Cornelius und schwedische 
Massage 31. 

Nervenschussverletzungen 1230, 1849, 1902. 

— der Arm-N. 1762. 

— Lähmungen der peripheren Nerven nach N. 
896. 

— Erfahrungen über Schussverletzungen der pe¬ 
ripheren N. aus dem letzten Balkankrieg 470, 
1008. 

— Gehirn- und N. 1800. 

Nervensubstanz, Verhalten der centralen und 
peripheren N. bei verschiedenen Vergiftungen 
und Ernährungsstörungen 800. 

Ncrvensyphilis s. Syphilis. 

Nervensystem und Diabetes 610. 

— Affektionen des N., die im Kriege durch Ge¬ 
schosse aus der Entfernung verursacht werden 
1045. 

— Kriegsverletzungen dess. 1901, 1929. 

— Pharmakodynamisehe Prüfung des vegetativen 
N. 1488. 

— Hereditäre Lues des N. 10S4. 

— Syphilis des N. 719. 

— Salvarsantherapie der Syphilis des N. 706. 

— sympathisches, Verhalten des N. des Säug¬ 
lings gegenüber dem Adrenalin 1228. 

— vegetatives, Einwirkung des Kalks auf das 
N. 1341. 

-pharmakodynamisehe Prüfung der N. 758. 

Nervosität, Berufs-N. der Volksschullehrer 844. 

Nervöse Aequivalente im Säuglingsalter 1581. 

— Störungen bei Kindern 1835. 

— und psychische Störungen im Kriege 1753. 

Nervus depressor, Nachweis des N. beim Frosch 

938. 

— facialis, Störung der Innervation des N. bei 
Geschwülsten der hinteren Schädelgrube 222. 

— hypoglossus, durch peripheren Reiz hervor¬ 
gerufene isolierte Krampfzustände im Gebiet 
des Ramus descendens des X. 801. 

— Iaryngeus inferior dexter, Typische Verlaufs¬ 
anomalie dess. 1674. 

— medianus, Naht der Arteria brachialis und 
des N. 38. 

— obturatorius, Resektion des N. 82. 

-Intrapelvine extraperitoneale Resektion des 

N. 710. 

— oculomotorius sin., Lähmung des N. 285. 

— opticus, Evulsion des N. 372. 

— — Skotombildungen und die Bedeutung der 
Lumbalpunktion bei luetischen Erkrankungen 
des N. o. 1921. 

— splanchnicus, Einfluss der Nebennierensekre¬ 
tion auf die vasomotorische Regulierung durch 
den N. 26. 

— tibialis, Lähmung der Sohlenmuskulatur bei 
Verletzung des N. 1964. 

— vagus, Neurofibrome der beiden N. 1197. 

Netzbeutel, Chirugie des grossen N. 1875. 

Xetzechinokokkus, solitärer 1429. 

Netzhaut, Adaption der X. beim Dämmerungs¬ 
sehen 219. 

— Der Verschluss der Centralvene der N. 273. 

— Gefässtumor der N. 176. 

— Doppelseitiges Gliom der N. 848. 

— Atrophia gyrata der N. 848. 

— Funktionelles Uebcrwiegen der nasalen Hälfte ; 
der N. im gemeinschaftlichen Sehfeld 848. 

Netzhautablösung, Behandlung der N. 848. 

— durch Operation geheilte N. 1332. j 

— nach Erschütterungen des Körpers 762. 


Netzhautablösung, idiopathische, Kann N. durch Niere, Erkrankung der N. infolge Arteriosklerose 
körperliche Anstrengung entstehen? 83. 1151. 

— und Unfall 273. — Leber Beinieren 1641. 

Netzhautblutungen nach Calomel-Salvarsanbc -1 — Eigenartige Cystenbildungen der N. 988. 


handlung 712. 

Netzhautgefässe, Pulsation der N. 1440. 
Netzhauttuberkulose 33, 1087. 
Netznekrose nach Bauchoperationen 711. 


— Embryonales Adenosarkom der N. 364. 

— Einfluss des Nervensystems auf die N. 1099. 

— Fettarten der N. 756. 

— Funktion der N. 1423. 


Netztorsion mit Einschluss einer Darmschlinge — Funktion der hypertrophischen N. 467. 

1572. — Funktionsprüfung kranker N. 799. 

Netztransplantation, Milzschuss durch freie N. j — Der hämorenale Index bei FunktionsprüfuD^ 
geheilt 1507. j der N. 221. 

Neugeborene, Augeneiterung der N. 74. — Histochemische Untersuchungen über Funktion 

— Das Gewicht des N. und die Ernährung der der N. und Leber 1098. 

Mutter 272. — Histologischer Bau und Fettgehalt der N. 

— Gewichtsverhältnissc reifer norwegischer N. der Katze 1129. 

466. — Konzentrationsverhältnis von Stickstoff und 

— Gewicht der N. nach der sozialon Lage und | Chlor bei gesunden und kranken N. 1045. 

dem Ernährungszustand der Mutter 801. — Operative Verlagerung der kongenital dysto- 

— Ursache der physiologischen Gewichtsabnahme pischen N. 1429. 

N. 1874. I — Primäres Rundzellensarkom beider N. bei 

— hypertonische und Säuglinge 1167. j einem Kind 1429. 

— Krankheiten des N. 1183. I— Prognostische Bedeutung von Erkrankungen 

— Zur Physiologie der N. 1095. | der N. in der Schwangerschaft 465. 

— syphilitischer, Eigenartiges Verhalten des N. — Sekretorische Innervation der N. 166. 


gegenüber der Wasscrmann’schcn Reaktion — Sekretion und Resorption in den N. 1279. 


— Wachstum und Entwicklung untergewichtiger 
ausgetragener N. 1820. 

Neugeborene Tiere, Entwicklung ders. bei länger¬ 
dauernder Trennung von der saunenden Mutter 
1874. 

Neubildungen, Röntgentherapie der bösartigen N. 
1820. 

Neuheiten, technische 702. 


— überzählige, Familiäres Vorkommen von N. 
1147. 

— Vergleichsbilder der N. 712. 

I — Wirkung des parenteral eingeführten colloi- 
dalen Wismuts auf die N. 1096. 

| — Zuckersekretorische Funktion der N. 1328. 
I — und Nierenbeckeninfektion 1527. 
i Nierenbecken, Sekundäre Colünlektion desN. 367. 
1 — Collargolfüilung des N. 82, 571, 1050, 1052. 


Neuralgie, Behandlung von N. mit Alkoholinjek- — Atonische Dilatation des N. und Harnleiters 
tion 647. 465. 

— brachialis und ein eigentümliches Symptom Nierenbeckenerkrankungen, latente und maskierte 
bei ders. 1593, 1630. * 558. 

-Brachial-N. bei Exostosen der Halswirbel- Nierenbeckenkatarrh 361. 


I säulc 1143. 

— Heilung der N. und Neuritis durch Bakterien- 
toxine 1807, 1841. 

| — periphere Ursachen des N.-Zustandes 1083. 

Neurasthenie, Bewertung der N.-Diagnose nach 
objektiven Merkmalen 1375. 

i — der Bleikranken 462. 

' — Sehätzung der Erwerbsunfähigkeit bei der N. 
1852. 

— Forensische Bedeutung der N. 1083. 

j — mit meningitischen Erscheinungen 650. 

-- sexuelle 720. 

Neuritis ascendens 672. 

— brachialis, postpneumonische 238. 

— Heilung der Neuralgie und N. durch Bakte¬ 
rientoxine 1807, 1841. 


Nierenbeckensyphilis 1087. 

Nierenchirurgie, Ungewöhnlicher Fall aus der 36. 
Nierendefekt, kongenitaler 761. 
Nierendiagnostik, funktioneile, mittels Phenol- 
sulfophthalein 76. 

Nierenechinococcus 413. 

Nierenentzündung, chronische, Einfluss des Chlor- 
! calciums auf die Diurese bei N. 558. 

| — Untersuchungen über die exsudative N. 1897. 

I Nierenkranke, Untersuchungen an N. 1899. 
Nieienerkrankungen, chirurgische 914. 

I-Blutdruckmessungen bei N., insbesondere 

| bei Nierentuberkulose 1087. 

— Funktionelle Diagnostik der chirurgischen N. 

I S99. 

— — — interner N. 941. 


— optica, Differentialdiagnose zwischen N. o. und j — im Lichte der neuen funktionellen Prüfungs- 


Stauungspapille 1752. 

1 — postdiphtherica 901, 1548. 

— retrobulbaris und Allgemeinerkrankungen G14. 

— — bei Nebenhöhlenerkrankungen 1238. 
Neurinom, Fall von Ulcus perforans mit N. am 

I Nervus tibialis 1748. 

, Neuroblastome, maligne des Nervus sympathicus 
I 363. 

Neurodermitis, Ekzem und N. im Kindesalter 
; 1757. 

i Neurofibromatosis 673, 1043, 1427. 
j Neurofibrome beider Nervi vagi 1197. 

Neurologie, Handbuch der N. 840. 

— Der Krieg und die N. 1949. 

— Literatur des Jahres 1912 über N. 942. 
Neuroma des Ganglion cervicale superius des 


| methoden 799. 
j— im Kindesalter 1581. 
j — und Unfälle 1. 

t Nierenfunktion bei der durch Reflex bervorge- 
| rufenen Anurie 158. 

| — im Diabetes insipidus 1555. 
j — Klinische Erfahrungen über N. 1099. 

! — Beeinflussung der N. durch periphere Behin- 
I derung des Harnabflusses 942. 

, — Prognostischer Wert der Prüfung der N. 942. 
j — Kreatinin zur Prüfung der N. 895. 

— Beeinflussung der N. durch Kalksalze ^9. 

— Prüfung derN. mit Phenolsulfonephthalein und 
der Schlayer’schen Untersuchungsmethode / 99. 

i — Prüfung vermittels Phenolsulfonephthalein98.. 

1 — Moderne Prüfung ders. 1046. 

I Nierengewebe, Autoimplantation von N. 179(. 

■ ,.■ r i i • _i_ AAß 


Sympathicus 472. | Nierengewebe, Autoimplantation von N. 

Neurolyse, Autoplastische Fettransplantation zur) Nierenhypertrophie nach Digitalis 556. 

N. und Tendolye 710. I Nicreninfektion und Harnstauung 730. 

Ncurorecidiv, Isoliertes N. im Ramus vestibularis j — pyogene, Einfluss der Harnstauung auf die. 

! , 1533. 180. , 

Neurosen, allgemeine 844. Nierenkranke, Untersuchungen an N. 8ub, löy 

— und Psychosen des Pubertätsalters 1551. — Wert der Bestimmung des Reststickstoffs iw 

; Neurosenlchre, Sammlung kleiner Schriften zur Blute bei N. 122. . . 

N. 554. Nierenkrankheit, Arterielle Hypertension bei > 

Neutralbouillon, Gegenwart von Zucker in der 722. 

zum schnellen Nachweis von Coli im Trink- — und Tuberkulose 551. , 

wasser dienenden N. 1187. — Verwertbarkeit der Leitungsbestimmung 

Niere, Angeborene Missbildungen der N. und Urins in der Diagnostik der N. 180. 

I Harnwege 1632. Nierenlager durch chronische Blutungen ms * • 

— Angioliposarkom der N. 895. j bedingte Sklerose des N. 1128. 


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2017 



Nierenpräparate, seltene 1392. 

Nierenrupturen, Subkutane Behandlung der N. 
899, 1330. 

Nierenschrumpfung, chronische 858. 
Nierensekretionsdruck, Experimentelle Beobach¬ 
tungen über den N. 1535. 

Nierenstein 1393. 

— Operative Therapie der N. 711. 

— Räntgenbilder von Ureter- und N. 274. 
Nierenstörungen durch Veronal 1099. 
Nierentätigkeit, Prüfung der N. durch Probemahl¬ 
zeit 799, 1281. 

Nierentorsion 1044. 

Nierentuberkulose, Frühstadium der N. 674. 

— Zwei neue Gesichtspunkte bei Nephrektomie 
wegen N. 1748. 

Nierentumoren 761. 

— embryonale 711. 

— mit ungewöhnlichem mikroskopischem Befund 
988. 

— mit Pneumaturie 1136. 

Nierenveränderungen bei Vergiftung mit Oxal- j 

säure und oxalsaurem Kalk 756. j 

— in der Schwangerschaft 798. 
Nierenverdoppelung, Ureteren- und N. mit Hypo¬ 
plasie und Adenom dor überzähligen N. 167. I 

Ninhydrinreaktion, Einfluss der Konzentration ; 

der Substanzen auf die N. 843. 
Nischensymptom, Diagnostische Bedeutung des 
N. bei der radiologischen Magenbetrachtung 
1545. ! 

Nisslkörner, Nucleinsäureverbindungcn in den N. 

der Ganglienzellen 1837. 

Nissl’sche Körperchen, Konstitution der N. 1203. 
Nitrat- und Nitritassimilation, Photochemische 
Studien 1467. 1 

Nitritvergiftung, Ursachen der N. durch Bismu- j 
tum subnitricum 705. 

Nitrosedämpfe, Vergiftungen durch N. 1752. 

Noma, Fall von N. 172. 

Normalhämolysine s. Hämolysine. 

Noviform 463, 579. 

— in der Augenheilkunde 45, 556. 

— Brauchbares Jodoformcrsatzmittol 1278. 
Nucleinsäure, Ueber N.-Verbindungen in den : 

Nisslkörnern der Ganglienzellen 1837. j 

Nucleinstoffwechsel, Experimentelle Studien über 
N. 1005, 1524. 

Nystagmus 1048. 

— der Grubenarbeiter 1472. 

— willkürlicher, doppelseitiger 372. I 


Oberflächengesetze 1241. 

Oberkieferoperation, Lokalanästhesie der 0. 904. 
Oberkieferosteora 37. 

— und Unterkieferosteom, operiert 1488. 
Oberkieferresektion wegen malignen Tumors 379. 

— wegen Sarkoms 1188. 

Oborkiefertumor 91. 

Oberlid, Doppelseitiges Kolobom des 0. 764. 
Oberlippencarcinom 854. 

Oberschenkel s. a. Femur. 
Oberschenkelamputation nach v. Oettingen-Kausch 
wegen Gangrän 668. 

Oberschenkelfraktur, Steinmann’sche Nagelexten¬ 
sion bei 0. 1102. 

— Kniebiigel bei Gipsgehverbänden bei 0. 1103. 

— Lagerungschiene für 0. 1950. 

— durch Schussverletzung 1714. 

Obesitas s. Fettsucht. 

Obstipation, Behandlung der 0. mittels Istizin 

— chronische, Behandlung der 0. mit Peristaltin 

-und ihre Behandlung 1083. 

— Darmausschaltung bei schwerer 0. 1058. 

— Operative Behandlung verzweifelter Fälle von 
0. 1282. 

Röntgensymptome der verschiedenen Formen 
der 0. 1094. 

— spastische 140. 

Beziehungen der Schilddrüseninsuffizienz 
zu den nervösen Beschwerden und der 0. der 
Frauen 459. 


'Obstipation, Interner Gebrauch der Vaseline, Ohrerkrankungen, Was kann der praktische Arzt 


| bes. bei 0. 860. 

Occipitallappen, Doppelseitige Herde im 0. 1140. 
Occipitalneuralgie, Exstirpation des zweiten Spinal- 
I ganglion bei 0. 1007. 

Oculomotoriuslähmung, cyklisehe 125, 803. 
Odontom im Antrura Highmori 124, 712. 

Oedem, Das angeborene lympbangektatische 0. 1 
1469. 

— angioneuroticum paroxysmale 1848. 

— Durstkur bei 0. nicht-cardialer Natur 1798. 

— Entstehung dor 0. bei Nephritis 1733. 


zur Verhütung und Behandlung der 0. tun? 
415. 

— im Felde 1822. 

— Rachen- und 0. des Kindes in der täglichen 
Praxis 1370. 

— Verwertung des Abderbalden’schen Dialysicr- 
verfahrens bei intrakraniellen Komplikationen 
entzündlicher Nasen- und 0. 798. 

— Nasen- und Kehlkopfkrankheitcn, Lohrbuch 
(Körner) 1705. 

Ohrmuschel, Hämangiom der 0. 1148. 


hartes traumatisches, des Handrückens 1132. I — Knorpelcysten der 0. 760. 


— hochgradiges, mit Pneumokokkenbefund 1201, 

— nephritisehes, Pathogenese des 0. 608. 

— lymphangiektatisches, angeborenes 1140. 

— Pharmakotherapie der 0. 120. 

— Quincke’sches 0. 1150, 1395. 
Oesophagoplastik 1085, 1150, 1197. 

— antethorakale 378. 

— aus dem Magen 1825. 

Ocsophagoskopie, Lehrbuch 1S97. 

— Verletzungen des Oesophagus bei 0. 1049. 
Oesophagospasinus, Operation des 0. 960. 
Oesophagotomia interna 578. 


i — Plastische Operationen an der 0. 1430. 
j Ohrmuscheldeforraität, eigenartige 611. 

I Ohrlabyrinth, Umschriebene Entzündungen am 
| 0. 1373. 

Ohroperation, Lokalanästhesie bei 0. 1430. 
Ohrspeicheldrüse s. Parotis. 

Ohrtricbter, neuer vergrössemder, saugender und 
i massierender 125, 171. 

Okularzählplatte 994. 

j Olecranonfraktur und Ellenbogenscheibe 1131. 
Operation, Ablehnung des Schadenersatzes wegen 
Verweigerung von 0. 1220. 


Oesophagus, Zur Chirurgie des 0. im Halsteil 31. ! — endovesicale, Technik der 0. 570. 


Behandlung akut bedrohlicher Zustände bei 
Erkrankungen dess. 194G. 

Ersatz des 0. durch antethorakale Haut- 
Dickdarmschlauehbildung 960. 

Freilegung des Brustabschnittes dos 0. 1198, 
1470, 1821. 

Fremdkörper im 0. und den Luftwegen bei 
ganz jungen Kindern 990. 


— oder Bestrahlung? 1632. 

— Verpflichtung Unfallverletzter zur Duldung 
1 von 0. 1689. 

Operationsfeld, Erziolung eines sterilen 0. mittels 
des Mastisol-Abdeckungsvcrfahrens 123. 
Operationslehre, chirurgische 458, 1370, 1464, 
1669. 

— orthopädische 118. 


FremdkörpervcrletzuDg des 0. mit Aorten- j Operationspflicht des Verletzten 1340. 


Perforation 7. ' Operationszwang 849. 

— Leiomyom des 0. und der Cardia 1184. | Opium, Die stopfenden Bestandteile im 0. 1797. 

— Quere Resektion des Larynx und 0. 1085. j Opiumalkaloide, Neues über alte 0. 1905. 

— Radikaloperation des Carcinoms der Cardia ! — Einwirkung der 0. auf gewisse Hyperglykämien 

und des abdominalen 0. 1085. j 1649. 

— Resektion des 0. im cardialen Abschnitt 1085. Ophthalmie, anaphylaktische 614, 

— Querresektion des 0. C12. — — Pathologische Anatomie der 0. 1377. 

— Radiologie des 0. 322. j — sympathische, 993, 1338, 1530. 

— Topographische Anatomie des 0. 1196. 1 -nach der Enucleation 1876. 

— Tumor des 0. mit RecurrenslähmuDg links — — und idiopathische Iridocyclitis 33. 

238. | — — Salvarsan gegen die 0. 83. 

— Ulcus pcpticum des 0. 810. j Ophthalmoblennorrhoe 722. 


| — — Salvarsan gegen die 0. 83. 
j Ophthalmoblennorrhoe 722. 


— Ein Weg, den normalen und verengten 0., Ophthalmologenkongress gegen den NIL inter- 

sowie Teile des Duodenums und Dünndarms nationalen 0. in St. Petersburg 95. 
röntgenographisch darzustellen 911. Ophthalmophobie 284. 

— Seltene Erkrankung dess. 1798. Ophthalmoplegie 1339. 

— Pulsionsdivertikel dess. 1556. Ophthalmoreaktion, Warum soll man die 0. der 

— und Magensonde mit Vorrichtung zu elektrischer Tuberkulose verlassen? 319. 

Beleuchtung 1582. Opticusatrophie, beiderseitige 90. 

Oesophagusearcinom und Metastase in der Me- ! — Diagnostische Bedeutung der Neuritis optica 
dulla 1562. I bzw. der 0. 1339. 

— Operation hochsitzender 0. 372. ] — hereditär-familiäre, des Kindesalters 83. 

— Radikaloperationen beim 0. 1528. ! — nach Keuchhusten 559. 

— Resektion des 0. im cardialen Abschnitt 271,, Opticuserkrankungen, progressive, nach Schädel- 


1821. 

— als Unfallfolge 84. 

— intrathorakales, Chirurgie dess. 1947. 

— weiches 672. 

Oesophaguschirurgie, intrathoracischo 1196. 


1 träumen 563. 

j Optochin,BehandlungderPneumokokkenmeningitis 
| mit 0. 1900. 

Optochinin, Behandlung des Ulcus corneae ser- 
I pens mit 0. 1612. 


Oesophagus-Trachealfistel, anatomisches Präparat j Optometer zur subjektiven Bestimmung der Rc- 


1925. 

Oesophaguskrankheiten, seltenere 92. 
Oesophagussonde, heizbare 1633. 


! fraktion 1921. 

| Onychie, Bacterium coli als Ursache einer sep¬ 
tischen 0. 1230. 


Oesophagusstenose, carcinomatöse, mit Meso- Orbita, Behandlung akuter schwerer Infektionen 


thorium behandelt 672. im Bereiche der 0. 318. 

Ohr, Carcinom des 0. 423. ! — Symmetrische Gummibildung der 0. 803. 

— Handbuch der speziellen Chirurgie des 0. und — Knochengeschwiilste ders. 1922. 

der oberen Luftwege 24. Orbitalcarcinom, Sechs Exstirpationen von 0. 

— Gewerbeerkrankungen des 0. 1246. unter Erhaltung des Auges 1377. 

— Operationen am 0. 265. Orbitaldach, Periostitis gummosa am 0. 659. 

— Radium bei O.-Affektionen 669. Orbitaverletzungen, fötale, bei Zangenentbin- 

-und Mesothoriumbestrahlung des 0. 1247. düngen 82. 

— Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Unter- Orchitis, akute interstitielle rheumatische 268. 

suchung der Erkrankungen des 0. und der Organextrakte, Giftige Eigenschaften der 0. 556. 
oberen Luftwege 997. — Physiologische Wirksamkeit der 0. 1649. 

— inneres und Syphilis acquisita 1047 ? Organismus, Wirkungsweise des Milieus auf die 

Ohrenärztliche Begutachtung, Grundzüge ders. Gestaltung des 0. 1242. 

1709. Organprodukte, Giftwirkung arteigener 0. 266. 

Ohrenleiden, Verheimlichung länger bestehender Organtherapie, Grenzen ders. 1812. 

0. 1709. - Lehrbuch 1422. 

Ohrenprothese, Demonstration eines Falles von 0. Organtransplantation 1100. 

1532. Orthodiagraphie als Kontrolle der Wirkung der 

Ohrenschmalzpfröpfe und Mittelohreiterung 564. Digitalistherapie 1374. 

9 


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Orthopädie, zahnärztliche 622. 

Orthopnoe, Ursachen der 0. 319. 

Ortizon-Wundstiftc 1874. 

Os lunatum, Kompressionsbruch und traumatische 
Erweichung des 0. 1428. 

*-Luxation des 0. 574. 

-carpi, Traumatische Ernährungsstörung des i — Nierenveränderungen bei 0. 756. 

0. 712. ! Oxalurie 1242. 


Ovulation, Zeitliche Beziehungen der 0. und i Pankreatinvergiftung, Das Komplement bei P. 

Menstruation 415. 1425. 

Oxalsäure, Verbrennung der U. an Blutkohle und ! Pankreatitis abscedens 1201. 
die Hemmung dieser Reaktion durch indiffe- j — acuta 898, 1282, 1428, 1528. 

rente Narcotica 459. -Chirurgische Therapie der P. 1330. 

Oxalsäurevergiftung, Akute Nephritis nach 0. 430. |-Ein geheilter Fall 1473. 


— — und Pankreasachylie 1226. 

— chronica 858. 

Oxychinolin, Einfluss des 0. auf den Purinstoff- ' Pantopon, Weitere Erfahrungen mit P. und P.- 
* Wechsel 705. I Scopolaminnarkose 1187. 

Oxydase im melanotischen Dickdarm 1279. j Pantopon-Scopolamininjektion, intramuskuläre,bei 
Oxydasegranula im Herzen, Zur Kenntnis ders.| Kreissenden 755. 

1526. I Papatacifieber 1088. 

Oxydationsgeschwindigkeit und Zellstruktur 1371. |— und Phlebotomus 378. 

Oxydationsvorgänge, Mechanismus der 0. im Tier- j Papaverin als Gefässmittel und Anästheticum 220. 

Organismus 1028. . 

1-p-Oxyphenylmilchsäure, Bildung von 0. aus 
p-Oxyphenylbrenztraubensäurc im tierischen 
Organismus 939. 

< »xyproteinsäuren 939. 

Ozaena, eine infektiöse und contagiöse Krank¬ 
heit 174. 

— Paraffineinspritzungen bei Sattelnase und 0. 

1284. 


— Scharlachrot bei Behandlung der 0. 317. 


— -und Os naviculare carpi, Sekundäre 

Veränderungen nach Frakturen ders. 1747. 

“ naviculare carpi, Traumatische Affektion des 
Os lunatum und 0. 81. 

— — nianus, Isolierte Fraktur dess. 1535. 

— — pedis, Pathologie des 0. der Kinder 911. 

Oscillometrie 1441. 

Osteochondritis deformans juvenilis 179, 811, 865. 

— — coxae juvenilis 140, 854. 

Osteogenesis imperfecta, Stoffwechsel bei ders. 

1330, 1820. 

Osteoklast 815. 

Osteom des linken Oberkiefers 37. 

Ostcomalacie, Die Methode Bossi hei 0. 1042. 

— mit multiplen tumorartigen Knochenschwel¬ 
lungen 1292. 

— als Syndrom der Entkalkung des Knochens 122. 

— 67jährige Virgo mit chronischer 0. 1490. 

Osteomyelitis, Akute und chronische infektiöse 

0. des Kindesalters 1732. 

— chronisch granulierende 761. 

— Dauorrcsultate bei 0. 1103. 

— fibrosa 234. 

— Regeneration nach 0. des Oberschenkels 41. 

Osteoplastik 271. 

Osteopsathyrosis 1341. 

— idiopathica 1468. 

— mit multiplen Frakturen 1477. 

Ostitis deformans 140. 

Ostitis fibrosa 1000, 1186, 1246. 

— — bei angeborener Fraktur 1428. 

--nach Typhus 366. 

-cystica 1146. 

— — — des Schädels 991. 

Othämatom, Behandlung des 0. 706. 

Otitis media acuta mit secundärer Abducens- 

lähmung und Meningitis 295. 

— — purulenta, Behandlung akut bedrohlicher | 

Erscheinungen bei 0. 987. 

Otologic, Neuere Arbeiten aus der 0. 123. | 

„Oto-Ophthalmotrup u , ein Apparat zur Demon- — Eine mit Erfolg operierte isolierte offene Ver- 
stration der vom Ohrlabyrinthc ausgelösten letzung des P. durch Stich 271. 
kompensatorischen Augenbewegungen 256. — multilokulare cystische Erkrankung des P. 1231. 

Otosklerose, Gibt cs eine kongenitale Disposition — Langcrhans'sche Inseln im P. 987. 


— in der Kinderbehandlung 842. 

— gegen Pertussis 1489. 

Papülitis, alternierende, bei Albuminurie 849. 

— nervi optici boi der Säuglingssyphilis 28. 
Paracodin, Meine Erfahrungen mit P. 603. 
Paradidymitis erotica acuta 19. 
Paraffininjektion, Beseitigung der Emboliegefahr 

bei P. 33. 

I Paraffinkugel, Einschluss von P. in Scleralbcutel 


und Tenon’ache Kapsel 1430. 

! Paralysis agitans 1142. 

— — ähnliche Erkrankung 1287. 

1 -genuine, im jüngeren Alter 709. 

p # — — juvenile 1480. 

— — und Insuffizienz der Glandula 

Pachymeningitis, eitrige 577. thyreoidea 896. 

— interna chronica und intracranielle Blutungen — — Pathologie der P. 1390. 

bei Neugeborenen 460. < — — Uebungsbebandlung der P. 463. 

— — Aetiologie der P. 362. — Landry 1375. 

-haemorrhagica, Beziehungen von Kopfver- — — Erreger der P. 783. 


para- 


letzungen zur Entstehung der P. 572. 
Pädagogische Therapie für praktische Aerzte 1745. 
Paget’sche Erkrankung am Anus und Genitale 
238. 

— Knochenerkrankung 710. 

Palladiumröhrchen, Schutz für P. 1282. 
Palliativtrepanation, doppelseitige 766. 
Pallidinreaktion, Technik der P. 168, 186, 1284, 
1392, 1529, 1709. 

Palmolin Vergiftung 122. 

Pankreas, Direkte Untersuchung des Duodenal¬ 
inhalts als diagnostisches Hilfsmittel bei 
Gallenblasen- und Pankreasaffektionen 1888 


zur Bildung von 0.-Knochenherden? 1430. 

— Pathogenese und Therapie der 0. 994. 
Otosklerosefragc 1247. 

Ovarialabscess 667. 

Ovarialcarcinom 1060. 

Ovarialgravidität 767. 

Ovarialkastration, Wirkung ders. auf das Blut 
1946. , 

Ovarialkystom, Austritt eines 0. aus dem After, 
während der Geburt 92, 367. 

Ovarialsarkom, cystisches 572. 1 

Ovarialtumor, grosser 1142. 

— maligner 666. 

— Parovarial- und 0. 223. 

Uvarialveränderungcn nach Radium 

thoriumbehandlung 1232. 

— bei Fibromatosis uteri 1920. 

Ovarialtumor, verkalkter 1924. 

Ovariotomie, Neue Methode der 0. 1430. 


— Leistungsfähigkeit des P. 1427. 

— Pathologie des P. 363. 

— Rolle des P. bei der centralen Läppchen¬ 
nekrose der Leber 121. 

— isolierte Stichverletzung des P. 186. 

— Syphilis des P. 413. 

Pankreasadenom aus Inselzellcn 987. 
Pankreascarcinom, Fall von operativ geheiltem 
P. 1476. 

Pankreascyste 7C7. 

1 — Entfernung einer echten P. 1488. 

— Exstirpation der P. 761. 
j Pankreasdiabetes 670. 

— Aenderung der Blutalkaleszenz bei P. unter 
und Meso-! dem Einfluss von Muskelkrämpfen 705. 

— Zuckerverbrennung bei P. 1002, 1427. 
j — s. a. Diabetes. 

; Pankreasdiagnostik und Therapie 75. 
Pankreaserkrankungen, akute 574. 


— progressiva, Differentialdiagnose der P. 765. 

— — Frühfall von P. durch Liquorreaktion dia¬ 
gnostiziert 1771. 

— — lntraduralc Behandlung der P. 1224. 

— — Intraspinale Behandlung der P. 987. 

— — generalis bei einem 10jährigen Kinde 463. 

— — bei 12jährigem Kinde 1925. 

— — Kombination von T. mit Tabes 1150. 

— — konjugale 721. 

— — Infektiosität des Liquor cerebrospinalis 
bei P. 625. 

— — Behandlung der P. mit Neosalvarsan 239. 

— — Natur und Behandlung ders. 1946. 

— — Salvarsanbehandlung der P. 1045. 

— — Ein als P. gedeuteter, durch Salvarsan 
geheilter Krankheitsfall 834. 

-Todesfall bei Behandlung der P. mit Sal¬ 
varsan 1001. 

— — Veränderungen der Evolution der P. seit 
Salvarsananwendung 429. 

— — Serotherapeutischer Versuch bei Tabes und 
P. 1081. 

— — Spirochätenbefunde bei P. 227. 

— — Stellung der P. zur Syphilis und die Frage 
ihrer Behandlung 965. 

— — Das Treponema der P. 1279. 

— — Tuberkulin-Quecksilberbehandlung der P. 
361, 769. 

Paralytiker, Gedächtnisausfälle bei P. 365. 
j — Intelligenzbesserung bei P. nach Salvarsan- 
therapie 1527. 

j — Syphilisspirochäte im Blut von P. 707.^ 

! Paralytikergehirn, Untersuchungen über die Spin*- 
j chätc des P. 757. 

! Paramelitensis und Paramelitococcie 319. 
j Parenchymatöse Organe, Verfettung ders. 1847. 

I)__ 1282 . 


Ovarium, Morphologie und Funktion dess. 1920. j — Bedeutung der P. für die Chirurgie der Harn- Paranephritis durch Nierensteinperforation 128:. 
— Cystische Erweiterungen des Rote des 0. bei j wege 992. Paranoische Zustände, Diagnose von P. 709. 

WAAfcnLroainALön 19Q‘4 —- T^IA I irtAWlcnliA Hofllrfirtn Ko! P 1070 ; —— ErkfäDkllll^CQ 896* 


Meerschweinchen 1293. 

— Einfluss des 0. auf die Uterustätigkeit 89. 

— Granulosazelltumoren des 0. 1632. 

— menschliches, Vorkommen von Jod und Chlor 
im O. 614. 

— Histogenesc der PscudomueiDkystomc des 0. 
608. 

— und innere Sekretion 1232. 

— Vier implantierte 0. der Frau 900. 


1385. 


Klinische Bedeutung 
des 0. 1143. 

— Pathologie des 0. 907, 949, 

— und Sympathicus 1143. 

— Theorie der inneren Sekretion des 0. 125. 

— Zwisehenzcllensarkom des U. 756. 


— Die Loewi'scbe Reaktion bei P. 1279. 
Pankreasextrakt, Physiologische und therapeu¬ 
tische Wirkung von P. 424, 877. 

Pankreasexstirpation, Fermentative Tätigkeit des 
Blutes und der Gewebe bei P. 939. 
Pankreasfunktion, Aeussere und innere P. 1847. 

— Quantitative Beurteilung der P. 169. 
Pankreasnekrose, akute 81. 

Pathologie ders. 1487. 


— Erkrankung auf manisch-depressiver ünad- 
läge 1798. 

Paraphimose, Behandlung der P. 1423. 
Paraplegie, spastische luetische, mit Vitiligo 
Parapsoriasis, Fall von P. 1799. . 

Parasiten, Atlas und Lehrbuch wichtiger tierischer 
P. und ihrer Ueberträger 1746. 
Parasyphilis, Heutige Stellung zur P. 1909. 
Paratyphus bei Kindern in München 1046. 


der normalen Tätigkeit — postoperativa 1105. 

I Pankreassekretion, Einwirkung von Natrium bicar- f— befeinem Säugling 414. 

1 bonieum auf die P. 1375. I — Eine durch infiziertes Paniermehl übertragene 

Pankreastumor, Exstirpation eines P. 232, 561. P.-Epidemie 614. 

— Drei Fälle von P. und ein geheilter Fall von — abdominalis, Pathologie dess. 173«). 

| Pancrcatitis acuta 1473. | Paratyphusabscesse 366. 


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UNiVERSUY OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


201 0 


Paratypbusbacillenbefunde an der Leiche 1373. 
Paratyphus B-Baktericn, Kulturraerkmale des P. 
284. 

Paravertebralanästhesie iin Dienste der Gallen¬ 
steinchirurgie 1875. 

Parenteraler Stoffwechsel 1900. 

Parotis, Akute Entzündung der P. im Anschluss 
an Unterleibsaffektionen 515. 

— Möglichkeit, der P. durch interglanduläre 
Anastornose mit der Submaxillaris einen 
collateralen Exkretionsweg zu schaffen 1282. 

Parotiscarcinom, schleimhaltiges 718. 

Parotisßstel, Behandlung der permanenten P. 
durch die Entnervung der Speicheldrüsen 
1085. 

Parotitis, eitrige, im Kindesalter 1084. 

— Experimentelles über eitrige P. 1556. 

— mit Pankreatitis kompliziert 1581. 
Parlialantigene 648. 

— Empfindlichkeit Tuberkulöser auf P. 1580. 

— Beziehungen der im Blut kreisenden Tuberkel¬ 
bacillen zur Entstehung von P. 1580. 

— Cytologisches Bild der Intracutanreaktionen 
mit den Deyckc-Much’schen P. der Tuberkel¬ 
bacillen und dem Alttuberkulin 1589. 

Pasta Kali chlorici cum Creta 1748. 

Pathologie, Arbeiten aus dem Institut für P. an 
der Universität Helsingfors 937. 

— und Therapie, Lehrbuch der speziellen 1745. 
Pathologisch-anatomisches Praktikum 937. 
Pathologisch-histologische Untersuchungsraetho- 

den 1523. 

Pathologischer Vorgang, Scheidung der Ursache 
von den Bedingungen der P. V. 987. 
Patellarfraktur, Behandlung ders. 1601. 

— Knochenplastik bei P. 991. 

— Neues Symptom bei P. 1199, 1282. 

— Symptomatik und Behandlung ders. 1875. 
Patellariuxation, habituelle 1186. 

-doppelseitige 1139. 

— kongenitale 1428. 

Patellarnaht, offene 1428. 

Patentierung körperlicher Behandlungsmethoden 
1386. 

Patienten, Von Aerzten und P. Plaudereien 1611. 
Pellagra, Aetiologie 649, 1566. 

— Prophylaxe und Therapie der P. im Lichte 
der Vitaminlehre 759. 

— Schutzferraente gegen das Maiseiweis (Zeine) 
im Blute der Pellagrösen 1599. 

— Symptomatologie der P. 941. 

Pellidol in der Augenheilkunde 1377. 
Pellidolsalbenbehandlung bei Säuglingsekzem 940. 
Pelzfärbemittel, Entgiftung von Haar- und P. 28. 
Pemphigus, Versuche einer Behandlung des P. 

mit dessen Blaseninhalt 409. 

— vegetans 1341. 

— vulgaris, Behandlung des P. eines Kindes 
mittels Injektion des Blutes der Mutter 857. 

-Heilung durch Neosalvarsan 1326. 

-chron. 43. 

Pemphigusblaso, Diplococcus lanceolatus in P. 
944. 

Penis, Akute bakterielle Gangrän des P. 374. 

— Congenitale Gänge und Cysten in der Raphe 
des P. 1047. 

— Melanosarkom des P. 768. 

Peniscarcinom 574. 

— Knochenmetastasen eines P. 141. 

Penisspaltung, Angeborene vollkommene P. 1554. 
Penistumor 811. 1 

Penisverdoppelung 465. j 

Pentosurie 1003, 1466. I 

Pepsin, Identität von Lab und P. 119. ! 

Pepsinnachweis im Blutserum 1245. 

Pericard, Concretio pericardii 951. I 

Pcricardialerguss, Punktion grosser P. 1185. | 

Pericarditis, adhäsive 1426. 

— recidivierende exsudative 1966. 

— tuberculosa 377. 

Pericardverwachsungen 1281. 

Perichondritis, isolierte, des Proc. ensiformis 1798. 
Periostitis gummosa am Orbitaldach 659. 
Periostwunde, Heilung grösserer P. 180. 
Perinephritis durch rupturierte Steinniere 426. 
Periphlebitis 33. 

Peristaltik bei chronischer Obstipation 77. 

— nach Laparotomien 1377, 1600. 


Peristaltik, Anregung der P. nach Laparotomien 
durch Sennatin 1919. 

Peritoneum, Aktinoraykose des P. 895. 

— Gesteigerte Widerstandsfähigkeit des P. gegen 
Infektionen bei Behandlung der akuten Appen- 
dicitis 1085. 

— Maligne Deckzellengeschwulst des P. 1043. 

— Sensibilität des P. und der Bauchfascien 32. 

Peritonitis, akute, Eingiessung von Aother in den 

Peritonealsack bei P. 166. 

— allgemeine, Verhütung der P. bei Operationen 
im kleinen Becken 848. 

— chronische adhäsive 366. 

— Behandlung der circumscripten und diffusen 
eitrigen P. im Gefolge der Appendicitis 990, 

— eitrige diffuse, Behandlung der P. 943. 

—- Behandlung mit Pferdeserum 366. 

— Experimente der P.-Behandlung 898. 

— Diagnose der P. im Säuglings- und Kindes¬ 
alter 648. 

— tuberculosa, Heilung eines Falles von P. durch 
Stickstoffeinblasungen in die Bauchhöhle 103. 

-Kasuistik der akuten tuberkulösen G. 1580. 

— pancreatica 1105. 

— paratyphosa 627, 898. 

— Fall von Streptokokkcn-P. 1195. 

Peritonsillarabscess 1233. 

Perlsuchtbacillus s. Tuberkelbacillus des Rindes. 

Pernionen, Therapie des Frosterythems und der 

P. 842. 

Peroneuslähmung 476. 

Pcroneussehne, Luxation der P. 814, 1470. 

Perrückengeweihe von Reh und Rothirsch 478. 

Persönlichkeitsbewusstsein, Pathologie des P. 
1527. 

Pertussis, Blutuntersuchungen bei B. 364. 

— Wesen und Behandlung der P. 366. 

— Gehirnkomplikationen der P. 362. 

— Opticusatrophie nach P. 559. 

— Papaverin gegen P. 1489. 

— und Spasmophilie 650. 

— Herabsetzung der Tuberkulinempfindlichkeit 
während der P. 478. 

— Vaccinothcrapie bei P. 27. 

Pertussisbacillus, Veränderlichkeit des P. 121. 

Pessar, Neues Ventilschutzpessar 1799. 

Pest in Ceylon 900. 

— Epidemie bei Charbin 1096. 

— Elektrargol bei Pocken und P. 1278. 

— als Kriegsseuche 1654. 

Pestinfektion, mitigierte, bei Ratten und Meer¬ 
schweinchen 713. 

Pestprophylaxe im Seehafen von Triest 713. 

Pezzer-Katheter, Metallspiralen zum P. 612. 

Pfadfinderbund, deutscher, und die Sanitätsoffi¬ 
ziere 1773. 

Pfählungsverletzungen 710. 

Pfeil, Der Pfeil als Fliegerwaffe 1745. 

Pferde, Neue Beobachtungen an den Elberfelder 
Pf. 1527. 

Pflanzennahrung, Fein verteilte P. in ihrer Be¬ 
deutung für den Stoffhaushalt 76. 

Phagocyten, Physikalisch-chemische Untersuchun¬ 
gen über P. 1040. 

Phagocytose, Bedingungen der P. von Tuberkel¬ 
bacillen 1425. 

Phänomen von Bell, Pathologie des P. 33. 

Phantom, gynäkologisches, Erfahrungen mit dem 
Blumreich’schen P. im Unterricht 761. 

Pharmakologie, Die experimentelle P. als Grund¬ 
lage der Arzneibehandlung 1577. 

— Zusammenstellung der Schriften über P. in 
den Vereinigten Staaten 218. 

Pharmakotherapie im Jahre 1913 317. 

Pharynxstimme nach Kehlkopfexstirpation 378. 

Phenolphthaleinprobe auf okkultes Blut nach 
Boas 1469, 1600, 1612. 

Phenolsulfophthaleinmethode zur Prüfung der 
Nierenfunktion 1650. 

— Wert der P. 180. 

Phenoval, ein neues Sedativum und Hypnoticum 
bei gynäkologischen Erkrankungen 934, 935. 

— Verhalten des P. im Organismus 893. 

Phenyläthylaminderivate, Respirationserregende 

Wirkung von P. 1826. 

2-Phenylchinolin-4-Carbonsäure, Wirkungen neuer 
Derivate ders. im Vergleiche mit Atophan 
und Acitoin 1525. 


Phimose, Behandlung der P. 1086, 1128. 

Phlebarteriektasie, ausgedehnte 40. 

Phlebektasie 1946. 

Phlebitis exsudativa 417. 

Phlebographie im Kindesalter und therapeutische 
Anwendung des Physostigmins 560. 

Phlebostase, Bemerkungen über P. 706. 

Phlegmone, Fortschritte in der Behandlung von 
P. und Wunden 762. 

— Hochprozentige Carbol-Carapherspiritusinjek- 
tionen gegen P. 1947. 

Phloridzinanwendung, Toxische Zustände bei P. 
und ihre Beziehung zur völligen Kohlehydrat¬ 
verarmung der Leber 939. 

Phonetik, experimentelle, Erster internationaler 
Kongress für P. 1333. 

Phosphor, Einfluss des Pflanzen-P. auf den Blut¬ 
bestand 1374. 

— und Calcium beim Wachstum am Ende der 
Kindheit 123. 

Phosphorvergiftung, Toxogener Eiweisszorfall bei 
P. 1224. 

Phrenikotomie, Röntgenologische Untersuchungen 
über die Wirkung der P. 1086. 

Phthise s. Tuberkulose der Lunge. 

Phylogenie des Wirbeltierdarms 1489. 

Physik, Grundriss der P. 264. 

— medizinische 165. 

Physiologie, animalische, Jahresbericht über die 
Fortschritte der P. 985. 

— Lehrbuch der P. des Menschen 1125. 

Physiologische Chemie, Lehrbuch 1464. 

— Methodik, Handbuch 1464. 

Phytotrichobezoar 1528. 

Pigmentflecke, erworbene, der hinteren Hornhaut¬ 
wand 367. 

Pigmentzelle, Pigmentströmungen in den P. und 
die Kanälchenstruktur des Chromatophorcn- 
Protoplasmas 985. 

Pilzeiweiss, Differenzierung verschiedener P. mit 
Hilfe von Iramunitätsreaktionen und Tier¬ 
versuchen 1279. 

Pilzerkrankungen der Hände und Füsse 1047. 

— der Haut, infolge des Gebrauches wollener 
Unterwäsche 1835. 

v. PirquePsche Reaktion, Ablauf der P. bei Kindern 
463. 

— Probe zur praktischen Vorbeugung der Tuber¬ 
kulose 1580. 

Pituglandol, Behandlung der Adolescentenblutun- 
gen mit P. 843. 

— in der Geburtshilfe 1920. 

Pituitrin in der Geburtshilfe 466. 

— Herzwirkung des P. 26. 

— Tokodynamometrische Untersuchungen über 
die Wirkung des P. auf die Uteruskontrak¬ 
tionen 1557, 

— als wehenerregendes Mittel 190. 

Placenta, Vorzeitige Lösung der P. bei normalem 

Sitz 847. 

— praevia, Pituglandol bei P. 1429. 

-Gefahren der Tamponade bei P. 414, 477. 

Placenfcareste, Behandlung retinierter P. 1948. 

Placentarlösung, künstliche, Neue Methode der P. 
706. 

Placentarreste, Puerperale Infektion im Anschluss 
an Retention von PI. 1920. 

Placentarstück, retiniertes, Bedeutung und Be¬ 
handlung von P. 1376. 

Plasmazellen bei Epitheliomen der Haut 1748. 

— Herkunft der P. 362. 

— Vorkommen und Bedeutung der P. 362. 

i Plattenschaukasten für grössere Anzahl von 

| Röntgenbildern 1472. 

i Plattfuss, Offene Achillotenotomie bei schwerem 
P. 270. 

— Vorschlag zur Behandlung des P. 328. 

— Operative Behandlung des P. 815. 

— Operative Behandlung schwerster Formen von 
P. 710. 

— spastischer, Operative Behandlung des P. 1084. 

— Gerbung der Gelenkbänder zur Heilung des 
P. und anderer Deformitäten 571, 1581. 

— Bogenförmige Osteotomie bei P. 815. 

Plattfussbeschwerden, Einheitliche Behandlung 

der P. 762. 

Plattknickfuss, Periost- und Knochenüberpflanzun¬ 
gen nebst Vorschlag zur Heilung des P. 935,698. 

9* 


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UNIVERSUM OF IOWA 



2020 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Plethysmographie an gesunden und kranken 
Kindern 611. 

Pleuraerguss, aseptischer 1246. 

— grüne 365. 

Pleuraempyem, Therapie des P. und Lungcn- 
abscesses 711. 

Pleuraexsudat, Technik der Entleerung seröser P. 
1143. 

— tuberkulöses, Chirurgische Behandlung der P., 

77. ) 

Pleuratumor, grosser 269. | 

Pleuritis exsudativa, Behandlung der P. mittels 
Paracentese 380. 

-Punktion und Insufflation bei P. 28. 

— Behandlung akut bedrohlicher Zustände bei P. 
1469. 

— Schulterschmerz bei P. 79. 

— Wichtigkeit des Zeichens der Spinalmuskeln 
(signe des spinaux) zur Diagnose der latenten 
P. 861. 

Plexus brachialis, Kulenkampffsche Anästhesie 
des P. 81. 

-Schussverletzung dess. 1850. 

-Solitäres Stammneurom des P. 1330. 

— hypbgastrieus beim menschlichen Embryo vor i 
Ende des 3. Monats 900. 

Plexuslähmungen nach Oberarmluxation 1337. 

Pneumatosis cystoides intestini hominis 1231. 

Pneumaturie bei Nierentumor 1136. 

Pneuraokokkenerkrankungen, Chemotherapie der 
P. des Auges 1424. 

Pneumokokkeninfektion, Die Chemotherapie der 
P. 1829, 1865. 

— experimentelle, Chemotherapie der P. 573, j 
714, 1099. 

— Prophylaktische Impfung gegen P. 269. ' 

Pneumokokkenmeningitis und ihre Behandlung! 

mit Optochin 1900. ] 

Pneumokokkenpneumonie u. deren Chemotherapie 
707. ! 

Pneumokokkenperitonitis 1394. 

Pneumokokkenthrombose der Gehirnarterien 1246. 

Pneumonie, Die akuten, nicht spezifischen P. der 
ersten Lebenstage 650. ' 

— Antimon bei P. 1042. 

— „Ausserbett“-Behandlung der P. 1129. 

— Anwendung von Serum bei P. 627. 

— Behandlung mit grossen Campherdosen 627. 

— Behandlung der P. mit dem Neufeld-Händel- 
schen Pneumokokkenserum 1128. 

— Einfluss der Chinin-Collargollherapie auf den 
Ablauf der P. 1099. 

— Emetinbehandlung der P. und Bronchopneu¬ 
monie 1097. 

— Experimentelle Erzeugung von P. und ciuigc 
mit dieser Methode erzielten Ergebnisse 1351. 

— Hemiplegie bei P. 896. 

— Herzstörungen nach P. 1426. 

— Klinische Bedeutung der quantitativen Eiweiss¬ 

bestimmung im Sputum bei P. und Lungen-! 
tuberkulöse 1083. i 

— Vorkommen von Plasmazellen und ihre Be-' 
doutung bei P. des Kindesalters nach akuten 1 
Infektionskrankheiten 362. 

— Prophylaxe und Therapie der Herzschwäche 
bei P. 1372. 

— Purinenzyme der Lunge bei P. 1280. ! 

— im Säuglingsalter 912. j 

— Verhalten des Vasomotorenzentrums bei P. 608.; 

— croupöse, Auslösung der Krise bei P. durch } 
eine kombinierte Chinin-Collargolbehandlung 
220. 

— paravertebrale hypostatische 760. j 

— — bei Kindern 622. I 

— postoperative, Zusammenhang zwischen P. und ; 

Abkühlung der Kranken 191. i 

— totale 429. | 

Pneumonokoniose 719. I 

Pneumothorax, Behandlung des P. 1341. 

— Behandlung akut bedrohlicher Zustände beim ' 

P. 1578. ! 

— doppelseitiger 132. ! 

— mit spontanem Hautemphysem bei Tuberkulose j 

461. I 

— Totaler spontaner rechtsseitiger P. 1490. 

— traumatischer sekundärer, pleurale Eosino¬ 
philie 461. 

— künstlicher 1226, 1526. 


Pneumothorax, künstlicher, Pleuraergüsse nach Polt’scher Buckel, Behandlung des P. nach der 
P. 1226. Methode von Lannelongue 270. 

-110 Fälle von P. 707. -Zwei neue Fälle von P. syphilitischen 

-bei Bronchektasien 1650. Ursprungs 409. 

-- Ein praktischer Apparat zur Anlegung des Praecipitine, Schnelle Gewinnung der P. 758. 

P. 994. Präparate, chemotherapeutische, von biologischem 

-Methodik des P. 1281. Typus 1082. 

-Technik der Anlegung des P. 1328, 1580. — pathologisch-anatomische 285, 574. 


-Technik der Anlegung des P. 1328, 1580. — pathologisch-anatomische 285, 574. 

— — Behandlung eitriger tuberkulöser Exsudate Präzisionsröhrc 845. 

mittels P. 408. Praxis, gynäkologisch-geburtshilfliche 

-Veränderungen der unter P. stehenden und diätetische Verordnung für die 

Lunge 1245. Presse und Irrsinn 217. 


— — bei Lungenkranken 853, 1475. 

— — mit Pleurolyse 843. 

-während der Schwangerschaft 1426. 

— — im 4. Monat der Gravidität 168. 
Pneumothoraxbilder bei Tuberkulose 229. 
Pneumothoraxluft, Zusammensetzung der P. 1426. 
Pneumatosis intestini 177. 

Pocken- und Cholera, Besprechung ders. 1753. 

— als Kriegsseuche 1654. 

Pockenepidemie in St. Etienne 1412. 


Praxis, gynäkologisch-geburtshilfliche, Arznei- 
und diätetische Verordnung für die P. 704. 
Presse und Irrsinn 217. 

Priapismus, prolongierter, geheilt durch Incision 
und Drainage der Corpora cavernosa 899. 
Primäraffekt, syphilitischer, der behaarten Kopf- 
| haut 1232. 

' Processus ensiformis, Isolierte Perichondritis dess. 

1 1798. 

| — mastoideus, Röntgenologische Untersuchungen 
’ des P. 992. 

I — vermiformis s. Appendix. 

| Proclitisbehandlung, Acetonalzäpfchen bei P. 356. 


Pockenimpfung, A. KussmauLs zwanzig Briefe i Prolaps, Radikaloperation des P. 415. 

über Menschenpocken- und Kuhpockenimpfung j — Technik der Interposition desUterus bei P.848. 
1611. , — und Beckenboden 272. 

Pockenkrankheit der Karpfen 1290. j Promontoriumresektion 32. 

Pockenlymphe, Konservierung und Versendung | Prostata, Bimanuelle Untersuchung der P. 1086. 
von 1\ in den Tropen 1472. i — Stenosierende Atrophie der P. 1086. 

Pockennarben, Neue Erfahrungen über P.-Bc- j— Chirurgische Betrachtungen zur Tuberkulose 
handlung 1685. } der P. 1157. 

Poisenille’sches Gesetz, Ist das P. für Suspensionen J — Cystenbildung . in der P. mit epidermoidaler 
gültig? 219. i Auskleidung 461. 

Poliomyelitis 1228. — Perineale Enucleation der P. 124. 

— Experimentelle Arbeiten über P. 309. — und Hypophyse 80. 

— Keimträger bei P. 412. Prostataatropbie 625. 

— Meoingitische Form der P. 709. — Operative Behandlung der P. 613. 

— Sehnenplastik nach P. 674. Prostatacareinom 576, 1248. 

— Lokalisation des Virus und Pathologie der — Methode zur Entfernung des P. 82. 

epidemischen P. 1898. — Radium bei Behandlung von P. 845. 


— Eindringen des P.-Virus vom Blute in die Prostataconcrernente 1147. 


corebrospinale Flüssigkeit 1898. 

— Fall von fraglicher Kombination der multiplen 
Sklerose mit P. 1962. 

— acuta, 90 Fälle 1469. 

-Epidemiologie und Pathologie der P. 506. 

— — Stand der P. in Bayern 80. 

— — epidemica, Histologie und Pathogenese 937. 

— anterior acuta 238. 

-Aetiologie der P. 222. 

— — — Ein Phänomen bei P. 222. 


Prostataepithelzelle, Doppellichtbrechende Sub- 
1 stanz als normaler Bestandteil der P. 364. 
Prostatahypertrophie 672, 1394. 

— und Prostatektomie nach Wilms 561. 

. — Röntgenbilder von P. 1148. 

Prostatasekret 1232. 

. Prostatatuberkulose, hämatogene 988. 
Prostatektomie 1566. 

— Indikationsstellung und operatives Vorgehen 
bei P. 1095. 


— Pathologische Histologie der unter dem i — Neue Methode der Nachbehandlung nach P. 


Bilde der Landry'sehen Paralyse verlaufenden 
Fälle von P. 1083. 

— — in den nördlichen Niederlanden 365. 

— —- diffuse 1151. 


! — Neue kombinierte Methode der P. 1231. 
Protease, Kritik der Seidenpeptonmethode und 
intracellulären P. 1524. 


— — epidemica, Anstaltsepidemie von P. 1045. Prostitution, Nutzen der Reglementierung der 


Poliomyelitisepidemie im Frühjahr 1912 inLindaas, 1 
Norwegen 246. 

Poliosis circumscripta 906. 

Pollakiurie, sogenannte nervöse, bei Frauen 1087. 


P. 762. 

Proteine der Fischspermien 26. 
Proteuserkrankungen, Kasuistik chirurgischer P. 
1585. 


Polyarthritis, Die Harnsäureausscheidung bei den ' Proteusmeningitis und Proteussepsis 1555, 


chronischen, nicht gichtischen P. 558. 

— rheumatica, Bakterienkulturen von P. 1391. 

— — Medikamentöse Behandlung der P., ins¬ 
besondere mit Apyron 556. 

Polyeythämie 858, 1616. 

— sekundäre, bei Gicht 663. 


Prothese, Demonstration eines Kranken mit P. 
(Ohrenprothese) 1531. 

— Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durch 
P. 170. 

Protozoen, Studien über P., besonders des Darms 
1373. 


Polyglanduläre Erkrankungen, Funktionelle Dia-, Protylin in der Kinderpraxis 940. 


gnostik ders. 1899. j Providoform, Chirurgische Erfahrungen mit P. 

Polyglobulie und Lebererkrankung 941. | 1687, 1688. 

Polyneuritis, experimentelle, der Hühner und j Prurigo nodularis, Differentialdiagnose zwischen 
Tauben und ihre Beziehung zur Beri-Beri des j P. und chronischer Urticaria 322. 

Menschen 756. J Psammom im vorderen Chiasmawinkel 1921. 


Tauben und ihre Beziehung zur Beri-Beri des j P. und chronischer Urticaria 322. 

Menschen 756. J Psammom im vorderen Chiasmawinkel 1921. 

— mit Korsakow’scher Psychose nach Neosal- ; Pseudarthrosen im Kindcsalter 1186. 

varsan mit letalem Ausgang 465. Pseudobulbärparalyse, Augen-Herzreflex bei 1. 

— recurrierende 1688. 1098. 

Polyposis adenomatosa intestini 1468. ; Pseudobulbärparalyse, Vestibulärer Kopfnystagmus 

Pons, Diffuses Gliom des P. und der Mcdulla und Facialisnystagmus bei P. 800. 

oblongata 167. | — Patient mit Störungen der Stimme und Sprache 

Portio uteri, Gangrän der P. durch Sublimat- | bei infantiler P. 1711. . p 

injektion 367. i Pseudohermaphrodit, Keimdrüsentumoren bei r. 

Portiocarcinom, Heilung eines P. durch Röntgen- ! 415. 

bchandlung 951. | Pseudohermaphroditismus femininus externus 

Portiosarkom, primäres 1142. j (Pseudarrhenie) 66, 756. 

Postbeamte, Zahl und häufigste Krankheiten der i — masculinus externus 322. 

Kinder der mittleren P. 426. ( Pseudoleukämiesymptome 614, 625. 

Postoperative Infektionen, Verhütung ders. 1800. Pseudomenstru&tio postoperativa 1085. 
Potenzstörung, seltene 709. : Pseudo-Milium colloidale 613. 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2021 


Pseudomyotonie, Posthemiplegische P. 1848. 
Pseudopelade Brocq s. Alopecia parvimaculata. 
Pseudosklerose 1848, 1900. 

— sogenannte, mit Veränderungen der Cornea 
und Leber 1329. 

Pseudospontanbewegungen, Gehirnmechanismus 
der P. 93. 

Pseudotuberkulose der Nagetiere 1373. 
Psoasabscess, geheilter, bei Lendenwirbel tuber¬ 
kulöse 377. j 

Psoriasis, Aetiologie der P. 709, 992. 

— mit Arthropathie 672. 

— Proteinstoffwechsel bei P. 222. 

— rupioides 1232. 

— und Tuberkulose 125. 

Psorospermosis 1148. 

Psychasthenie und Schlaflosigkeit 863. 
Psychiatrie, Die A bderhal densche Fermentreak tion 

und ihre Bedeutung für die P. 90, 843. 

— Blutuntersuchungen als klinisches Hilfsmittel 
in der P. 559. 

— Moderne Probleme der P. 554. 

— Lehrbuch der allgemeinen und speziellen P. 
1576. 

— Kurzer Leitfaden der P. 554. 

— Literatur aus dem Jahre 1912 über P. 942. 

— forensische, Lehrbuch der P. 752. 

— Serologie in der P. 221. 

— Einweisung in militär-psychiatrische Stationen 
273. 

— und Gynäkologie 761. 

— und Krieg 1750. 

Psychiatrische Diagnostik 165. 

-Lehrbuch der P. 1745. 

— Vorträge für Aerzte, Erzieher und Eltern 
1551. 

Psychische Erregung und Hemmung vom Stand¬ 
punkt der Jodl’schen Psychologie 320. 

— und nervöse Krankheiten, Klinik für P. 1551, 
1769. 

Psychoanalyse in gerichtsärztlicher Beziehung 
1798. 

— Bedeutung der P. für die Gcisteswissen- 
schaften 217. 

— Jahrbuch der Forschungen über P. 217. 
Psychoanalytische und psychopathologische For¬ 
schungen, Jahrbuch für 1819. 

Psychobiologie 1441. 

Psychologie, Abriss der P. 1276. 

— Grundzüge der P. für Mediziner 1610. 

— objektive, oder Psychoreflexologie 216. 
Psychologische Einleitung 1276. 

— Beobachtungen im Felde 1948. 
Psychopathologe, Dostojewski als P. 1943. 
Psychosen, Abbau- und Fermentspaltungsvor¬ 
gänge 413. 

— und Krieg 1774. 

—- bei der Mobilisation und im Feldzug 1949. 
Therapie und Genese der P. unter dem Ein¬ 
druck der Abderhalden’schen Anschauungen 
855. 

— Unterbrechung der Schwangerschaft bei P. 800. 

— Infektions- und Autointoxikations-P. 30. 

— Fall von posttraumatischer P. 1582. 

— Stoffwechsel bei deus. 1555. 

Psychotherapie in der Kinderheilkunde 1329,1689. 

— Worauf beruhen die Erfolge der P. von DuboisV 
896. 

Ptosis und Cataracta senilis 1772. 

— congenita 1140. 

Ptosisoperation mit Bildung einer Dcckfalte am 
oberen Lid 562. 

Pubertas praecox und psychische Entwicklung 

448. 

Pubertätsalter, Dio Neurosen und Psychosen des 
P. 1551. 

Entwicklung und Erziehung der Jugend 
während dem P. 607. 

Puerperale Infektion im Anschluss an Retention 
von Placentarresten 1920. 

Puerperalfieber, Bedeutung des bakterienfeind¬ 
lichen Verhaltens des Vaginalschleims in der 
Verhütung des P. 1283. 

Differentialdiagnose der Prognose des P. 802. 
Pulpitis purulenta 118. 

Pulmonalis, Endocarditis der P., Thrombose eines 
Hauptastes der rechten P., Embolus der j 
linken P. 987. • 


Pulmonalinsuffizienz, Diagnose der P. 319. 
Pulmonalstenose, angeborene 188. 


Pylorusstenose, Gastralgische Form der P. 
| — Seltene Form von P. 1392. 


Puls, Periodische Unregelmässigkeit des P. 1579. ! — im Säuglingsalter 1147. 
| Pulsionsdivertikel der Speiseröhre 810, 1556. j — tuberkulöse 1556. 
i — pharyngo-oesophageale und seine Operation Pylorustuberkulose 992. 


Pylorusverschluss, extramuköser 1140. 
Pyocyaneoprotein als Heilmittel bei Larynx- 
entzündungen 1946. 


Pulsdiagnostik, Wort und Sache in der dyna- J Pyocyaneoprotein als Heilmitt« 
j mischen P. 1044. ' entzündungen 1946. 

| Pulsperiode, Minimale Schwankungen der P. 957. Pyometra 1340. 

I Pulsunregelraässigkeit, Moderne Lehre der P. 666. Pyonephrose, doppelseitige 767. 
Pulsus alternans, Diagnose und prognostische — mit fettiger Entartung 1136. 


Bedeutung des P. 799. 

— — und pseudoalternans 799. 

— irregularis perpetuus, Anatomische Unter¬ 
suchungen des Herzens bei P. 79. 

— -Pathologische Anatomie P. 1280. 

— paradoxus 1426. 

Pulswelle, Reflexionen der primären P. im 
menschlichen Arme 1633. 

Punktallinse, Vorführung der Zeiss’schen P. 1440. 

Pupille, Physiologie und Pathologie des Licht- j 
reflexes der P. 367. I 

—- geschlitzte, beim Menschen 1921. | 

Pupillendifferenz infolge einseitiger centraler 
Hornhautnarben 1284. 

Pupillenmessapparat, Demonstration 1480. 


— geschlossene 992. 

Pyralgininjektion 1151. 

— Intramuskuläre Injektionen von P. bei Poly¬ 
arthritis rheumatica acuta 893. 

Pyrmont, Physiologische Wirkungen der Quellen 
des Bades P. 119. 


Quadratograph, ein Röntgenhilfsapparat 1633. 
Quarkfettmilch — ein weiterer Ersatz der Eiweiss¬ 
milch 1186. 

Quadricepslähmung, Mechanik des Ganges bei 
isolierter Q. 991. 


Pupillenphänoraen, Natur des 0. Loewi’schen P. Quarzlampenbchandlung, Sarkomentwicklung nach 

Pupillenreaktion, hemiopische, als Diagnostikum j Quarzlicht, Diabetische Hautgangrän mit Q. bc- 
1430. I handelt 1599. 

Pupillenstarre, fast völlige amaurotische, bei fast Quecksilber, Anorganische Kombination von Q., 
völlig normaler centraler Sehschärfe 993. Arsen und Jod 1383. 

— reflektorische doppelseitige, nach Schädel- — Chemotherapeutische Versuche mit Q. bei 
trauma 1045. , experimenteller Kaninchensyphilis 408. 


isolierte, bei Fehlen von Paralyse, Tabes [ — Elektrolytische Bestimmung von Q. im Harn 


und Syphilis 1084. 

Pupillenstörungen bei Dementia praecox 320. 

— Liquoruntersuchung bei isolierten syphilo- 
genen P. 1771. 

Pupillenuntersuchung, Zur Technik der P. 708. 
Purinenzyme der pneumonischen Lunge 1280. ! 

Purinkörper des menschlichen Blutes 754. 
Purinstoffwcchsel 607, 708, 1127. 

— und Drüsen mit innerer Sekretion 1005. 


1467. 

— Neue Art, Q. zu injizieren 1184. 

— Versuche, das Q. in einer nourotropen Form 
zu verabreichen 1042. 

— Wirkungsweise des Salvarsan und Q. bei 
Syphilis 561. 

— Wirkung und Resorption von Q. 1143. 

— "Warnung vor Anwendung von Q. in der Uro¬ 
logie 1087. 


— Wirkung des Natriumbromids auf die Fermente Quecksilbervergiftung, Nicht gewerbliche chro- 

des P. 27. ! nischo Q. 1849. 

— Einwirkung von Oxychinolin und einiger Deri- . Quellung von Organgeweben bei verschiedenen 

vate auf den P. 705. | W'asserstoffinoncnkonzentrationen 75. 

Purpura, Blutuntersuchungen bei Hämophilie, P. Querschlägervcrletzungen 1714. 
und Thrombose 610. I 

— annullaris teleangicctodes (Majocchi’sehe | 

Krankheit) 1391. 

— experimentelle 1279. 

— haemorrhagica des Gehirns 1197. ; 

— vesicae und deren Folgezustände 943. I Rachenmandel, Erkrankung der It. 620. 

— Viscerale Erkrankungen bei der P. 649. 1 — Zur Lehre von der R. 331. 

Purium, ein neues Steinkohlenteerpräparat 1748, Rachenoperationen 994. 

1798. Rachitis, Gehalt des Blutes von Kindern mit 


Pyelitis, Erfolgreiche Vaceinationsbehandlung | 
eines schweren Falles durch Bacterium lactis : 
aerogenes bedingter P. 362. 

— chronica, Behandlung ders. 1650. 

— gravidarum 1534. 

Pyelocystitis im Säuglingsalter 1281. 
Pyelographie 472, 570, 946, 1050, 1052, 1147, 

1470, 1821. 

— Gefährlichkeit der P. 465. 

— und ihre chirurgische Bedeutung 1253. 

— Indikationen und Grenzen der P. 1259. 
Pylorus, Dehnung des P. 122. 

— Stauung des P. 169. 

Pylorusausschaltung 612. 

— Röntgenbefunde nach P. 612. 

— Dauerresultate bei P. 1376. 

— Ersatzmethoden der unilateralen P. 271. 

— durch Fadenumschlingung 1154. 


Rachitis, Gehalt des Blutes von Kindern mit - 
Athrepsie und R. an einigen Fermenten und 
Antifermenten 627. 

— Dialysierverfahrcn nach Abderhalden bei R. 
und Tetanie 1327. 

— Einwirkung endokriner Drüsenextrakte auf 
den Stoffwechsel bei R. der Säuglinge 1057, 
1747. 

— experimentelle 773, 836, 886. 

-bei Hunden 172. 

— Die ersten Auflagen von Glissons „R.“ 1130. 

— Hypopbyscnmedikation bei R. 120. 

— Zur Therapie der R. 123, 410, 463, 650, 1084. 

— Verletzbarkeit schnell wachsender Zellen und 
R. 813. 

— und Thymus 267, 1308. 

Rachitis frage 857. 

— und Spasmophiliefrage 897. 

Radialislähmung durch Schulterschuss 1850. 


Pyloruscarcinom, Behandlung eines inoperablen Radialpuls, Volumenmessung des R. 1185. 

P. mit Röntgenstrahlen nach Vorlagerung ! Radioaktive Substanzen, Eigenschaften ders. 1746. 


— Röntgenbild und Operationsbefund bei P. 222. 
Pylorospasmus 478. 

— Therapie des P. bei Säuglingen 1820. 

— Schicksal von Säuglingen mit P. und habitu¬ 
ellem Erbrechen 1228. 

—- Resektion der Pars pylorica bei P. 1140. 

— und Salzsäurephänomen 1283. 

Pyloroplicatio und Pylorotorsio 1330. 
Pylorusstenose 1096. 


— — Chemische und physikalisch - chemische 
Wirkungen von S. und deren Beziehungen zu 

j biologischen Vorgängen 264. 

t -Physikalische und chemische Eigenschaften 

der R. 1283. 

— Verteilung und Ausscheidung ders. 1573. 

; Radioepilation, Methodik der R. der Kinderköpfe 
712. 

j Radiologie, Bedeutung der R. für die Diagnostik 
1 des Verdauungskanals 1801. 


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2022 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Radiolymphe 124. 

Radiosensibilität, Abnahme der R, maligner 
Tumoren, die mit Röntgenstrahlen behandelt 
sind 1468. 

Radium, Eigenschaften und Anwendungsweise des 
R. 804. 

— Aeussere Kathodenstrahlen als Ersatz von R. 
und Mesothorium 222. 

— Berufliche Schädigungen durch R. 706. 

— Wirkung des R. auf gewisse Hypertrophien 
der Epidermis 124. 

— und Röntgenbehandlung maligner Tumoren 
1946. 

— reine, physikalische Eigenschaften und thera¬ 
peutische Anwendung 1080. 

— Preisverhältnis zwischen R. und Mesothorium 
910. 

— Lässt sich die y-Strahlung des R. künstlich 
in Röntgenstrahlen herstellen? 992. 

— Rotationsapparat für R.-Bestrahlung 743. 

Radiumemanation bei Ulcus cruris 1042. 

Radiuminstitut, Arbeiten aus dem R. 1128. 

Radium therapie 84. 

— äusserer Erkrankungen 1746. 

— des praktischen Arztes 556. 

— in der Dermatologie 377. 

— durch Emanationsnadeln 1424. 

— Intraperitoneale Verwendung des R. 1278. 

— Intratumorale R. von malignen Tumoren 1283. 

— des Carcinoms der Prostata 845. 

— des Uteruscarcinom 893. 

— Intrauterine R. bei Carcinoma uteri 1578. 

— und Mesothorium bei Carcinoma ccrvicis uteri 
220. 

— Mit R. behandelte maligne Erkrankungen 1468. 

— maligner Tumoren 54, 126, 237, 14o3. 

— Kann das Radium in der Chirurgie bei der 
Behandlung maligner Tumoren von Nutzen 
sein? 124. 

— Mesothorium- und R. der bösartigen Tumoren 
237. 

— Medikamentös kombinierte R. 556. 

— Erfolge der R. bei Milztumoren 293, 577. 

— bei Ohraffektionen 669. 

— Physikalische Grundlagen der R. 766. 

— Probleme ders. 816. 

— Stand und neue Ziele der Mesothorium- und 
R. 201, 258. 

— bei lokaler Tuberkulose 321. 

— in der Urologie 706. 

Radium-, Mesothorium- und Röntgenstrahlen, Bio¬ 
logische Reichweite ders. 1578. 

Radius, Angeborenes Fehlen des R. 1281. 

— Subluxatio perannulare des R. 366. 

Radiuspseudarthrose, Neues Verfahren zur Ver¬ 
kürzung der Ulna bei der Operation von R. 
1751. 

Raphael, Tod R. an Phthise, kombiniert mit 
Malaria 1246. 

Rasenhygiene in den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika 1324. 

Ratt-entrit 126. 

Ratte, Lernversuche bei weissen R. 1466. 

Rattenbissfieber, Mit Neosalvarsan behandelter 
Fall von R. 120. 

Rauchen, Einfluss unmässigen R. auf die Gefässe 
und das Herz 1426. 

— Ist das R. schädlich? (Brief an Paul Ehrlich) 
490. 

Raynaud’sche Krankheit oder Endarteriitis ob- 
literans oder Embolie? *1672. 

— — Schwere Form von R. Kr. nach Unfall 
1750. 

— Symptomenkomplex, Mädchen mit R. 1489. 

Reaktionsbewegungen, vestibuläre, der Tiere, Ein¬ 
fluss der Kopfstellung auf dies. 1945. 

Reaktionskörper bei tuberkulös infizierten Kanin¬ 
chen 79. 

Realencyklopädie der gesamten Heilkunde (Eulen¬ 
burg) 1796. ! 

Rechtsfragen, ärztliche 1123. 

— — zur Kriegszeit 1766. 

Rechtshänder, Rechtshirnigkeit bei R. 708. 

Rechtsbirnigkeit 662. 

Rechtsschutz, gewerblicher, Gesetzentwurf über 
R. und Medizin 1137. 

v. Recklinghausen’sehe Krankheit, Ilirnerweichun- 
gen bei R. 362. 


Rectaternährung nach Operationen ira Munde und 
Schlunde 638. 

Rectalgonorrhöe bei der kindlichen Vulvovaginitis 
1232. 

Rectogenitalcs Zwischengewebe, Epitheliale Neu¬ 
bildungen in dems. beim Weibe 1579. 

Rectoskop 230. 

Rectum, Pathologie des R. und der Floxura sig- 
moidea 1241. 

— Innere Prolapszustände der Schleimhaut der 
Flexura sigmoidea und des R. 1186. 

— Die lokale manuelle Nervenbehandlung in 
Beziehung zu atonischen Zuständen des R. 462. 

— Adenocarcinom des R. 674. 

— Tumor villosus des R. 177. 

— Variköse und Cavernose des R. 1152. 
Rectumcarcinome 82. 

—- in sehr jugendlichem Alter 575. 

— Resultate der radikalen Operationen des R. 
bezüglich der Erhaltung der Kontinenz 898. 

Rectumprolaps, Behandlung des R. 845. 

— Operative Behandlung des R. 767. 

Verwendung frei transplantierter Fascien- und 
Peritonealstreifen in der Behandlung des R. 
684. 

Rectumstricfcur, dysenterische 1151. 

Rectus internus-Lähmung, Die bei angeborener 
R. während der Adduktion auftretende Rück- 
wärtsbewegung des Auges 803. 

Recurrens, 300 Fälle von R. mit Salvarsan be¬ 
handelt 1106. 

— Uebertragungsweise des R. 627. 
Recurrenslähmung, Eine eigentümliche Erschei¬ 
nung bei R. 1710. 

— Homolaterale R. bei Gehirntumor 1709. 

— infolge Dilatation des linken Ventrikels 858. 
Recurrensneuritis, Zur Lehre und Behandlung 

der sogenannten Medianstellung der Stimm¬ 
lippe bei R. 1750. 

Recurrensspirillen, Latenzperioden ders. bei einem 
Recurrenskranken 1554. 

— Sind die R. in den verschiedenen Entwick¬ 
lungsphasen beim Floh virulent? 1554. 

Recurrensspirochäten, Entwicklung der R. in der 
Kleiderlaus 319. 

Reduktionsprozesse, Intermediäre R. beim physio¬ 
logischen Abbau 260. 

Reflexe, Abdominal-, Cremaster- und Plantar-R. 
1848. 

— koordinierte subcorticale 956. 

— Die besondere Labilität der inneren Hemmung 
bedingter R. 511. 

—- pleurogene 612. 

Refraktionsbestimmnng, Apparat zur R. bei Schul¬ 
kindern 1823. 

Refraktometer, Anwendung des Abbe’schen R. bei 
chemisch-physiologischen Untersuchungen 25. 
Regio frontalis, Entfernung eines Tumors aus der 
R. 942. 

Reichsversicherung, Leitfaden der R. für den be¬ 
handelnden und begutachtenden Arzt 1552. 
Reichsviehseuchengesetz, Bedeutung des 11. für die 
menschliche Medizin 952. 

Reinfectio syphilitica 1047. 

-nach Abortivbehandlung 1245. 

-Ei gonartiger Fall von R. 561. 

-nach Salvarsanbehandlung 32, 1002. 

Reisebilder, medizinische 188. 

Reiseeindrücke, Hygienische und ärztliche 1t. aus 
Nordamerika 427. 

Reizinstrumente, Elektrische R. für chirurgische 
Operationen 943. 

Reizleitung, Neue Hypothese der R. im Nerven¬ 
system und Vorgang bei Muskelkontraktion 718. 
Reizleitungsfasern, Morphologie der R. u. Muskel¬ 
fasern im menschlichen Herzen 894. 
Reizleitungssystem im Herzen 1524. 

Rentenlehre für Aerzte 1552. 

Resistenz, Steigerung der R. und des Antikörper- 
j gehalts durch Knochenmarkreizraittel: Tho- 
rium X, Arsenikalien etc. 1082. 
Resorptionsfieber oder Retentionsfieber 1749. 
Retina s. a. Netzhaut. 

— Angioglimatosis der R. 1377. 

| — Arbeiten aus dem Gebiet der Pathologie des 
! Centralgefässsystems der R. 614. 

— Eine unter dem Bilde der Netzhautablösung 


Retina, Blutungen in der R. bei Miliartuberkulose 
125. 

— Echtes Carcinom der R. 848. 

— Degeneratio circinata der R. 368, 1048. 

— Akute Ischämie der R. 83. 

— Lokalisation der angioiden Pigmentstreifen 
der R. 1048. 

— Pigmentstrei/enbildung in der R. 1048, 1530. 

— Primäre Tumoren ders. 614. 

— Juvenile Periphlebitis der R. — eine echte 
Gefässtuberkulose der R. 1284. 

— Veränderungen der R. infolge Blendung 1201. 
Retinitis, Blendungs-R. nach Sonnenfinsternis- 

beobachtung 33. 

— exsudativa, Anatomischer Befund bei R. 368. 
Retrobulbärtumor, Exstirpation eines R. ohne 

Krönlein’sebe Operation 1239. 

Rheumatismus cerebralis 1152. 

— chronischer, Behandlung des R. mit Radium¬ 
emanation 1249. 

— Radiumbehandlung dess. 1847. 

— tuberculosus 221, 1426. 

Rheuraatismusfrage, Aetiologisches in ders. 1555. 
Rhino-Dakryocystostomie 1633. 

Rhinoiogie, Neuere Arbeiten aus der R. 123. 
Rhinoplastik nach Lexer 668. 

— totale 224, 621, 760. 

Riechstoffe, Verhalten des Hundes gegen R. 76. 
Riesenkind, Häufigkeit und geburtshilfliche Be¬ 
deutung der R. 761, 

Riesenmagnet, Richtiger Gebrauch des R. bei 
Augenoperationen 1876. 

Riesenwuchs mit akromegalischem Typus 1295. 
•—mit Atrophie der Geschlechtsorgane 559. 

— Erworbener R. der rechten unteren Extremi¬ 
tät 760. 

— halbseitiger 221. 

Riesenzelle, Sternähnliche Gebilde in R. 1128. 
Riesenzellengeschwülste, Bedeutung des Chole- 
stearins für die Entstehung von R. der Sehnen 
und Gelenke 1616. 

Riesenzellengliom 167. 

Rindenepilepsie s. Epilepsie. 

Rindensubstanz, Inhaltsberechnung der Mark- 
und R. durch planimetrische Messungen 942. 
Rindertuberkulose, Diagnose der R. mittels der 
Komplementbindungsreaktion nach derMethode 
von Hammer 941. 

— Tödlich verlaufene Infektion des Menschen 
mit R. 1538. 

Ringer’sche Lösung, Behandlung juckender Derma¬ 
tosen mit R. L. und Eigenblut 1919. 
Ringskotom, hemianopisches 83. 

Ringwurm, Behandlung des R. 797. 
Rippendefekte, angeborene totale 822. 

— kongenitaler 997. 

Rippenknorpelnekrose, metastatische 333, 560. 
Rippenlücke, Orthopädischer Ersatz einer grossen 
R. 760. 

Rippenschere, neue 33. 

Rippen tuberkulöse, Behandlung der Brustbein- 
und R. mit Röntgenstrahlen 409. 

Rollier, Ein Besuch bei R. 991. 

Rom, Beiträge zur ältesten Geschichte der Geburts¬ 
hilfe in R. 1919. 

Röntgenaufnahmen von Geschossen 1902. 

— eines Ileus 1903. 

Röntgen-Ausstellungen 712. 

— Praktische Vorschläge für die nächste R. 846. 
Röntgenbefunde, seltene 712. 

Röntgenbild, Fremdkörper im R. 1471. 

— Insuffizienz der Valvula ileocoecalis im R. 
Röntgenbilder 720. 

— aus dem Gebiete der Laryngologie 1477. 

— von Magenoperierten 1583. 

Räumliche Ausmessung von stereoskopischen 

R. 1734. 

— von Projektilen im Körper 1950. 
Röntgenbiologie, Studien und Theorien 1143. 
Röntgencarcinom 1376. 

— am Handrücken 1058. 
Röntgendemonstrationen 574. 
Röntgendiagnosen, geburtshilfliche 1131. 
Röntgendosimetrie, Fehlerquellen der R. 

— Das Tonomoter in der R. 1600. . 

Röntgenempfindlichkeit, Schwankungen der • 

einer Person 1245. 


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verlaufende erbliche Erkrankung der R. 368. (Röntgenfieber und Friiherythem 1131- 


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UNIVERSUM OF IOWA 


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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2023 


Röntgon-Härtenbestimmung 712. 
Röntgeninduktor, Magnetisches Verhalten von R. 
845. 

Röntgeninstrumentarien für Tiefentherapie 1471. 

— Vergleichende Versuche mit modernen R. mit 
Bezug auf die Tiefentherapie 321. 

— Vergleichende Versuche mit modernen R. 1131. 
Röntgenisation, kontinuierliche 1377. 
Röntgenlehre, 'Handbuch 1464. 
Röntgen-Negativpapier, Die DurchschreibpackuDg 

für R. 1821. 

Röntgenograram, Stereoskopische Abbildung ders. 
1471. 

Röntgenologische Fehldiagnosen 911. 

— Tiefenmessung, besonders bei Fremdkörpern 
1825. 

— Vorrichtung zur Erzeugung von Wurmfortsatz¬ 
bildern 1517. 

Röntgenphotographie, Klinische Anwendung der 
R. der Leber und Milz 1608. 

Röntgenröhre, Verwendung der Coolidge-R. 1130. 

— mit reiner Elektronenentladung 1130, 1821. 

— Methode zum Erreichen von konstanter Härte 
der R. 1471. 

— Neue Osmoregulation der R. 910. 

— Die Coolidge-R. 910. 

— Lumiereaufnahmen von R. 667. 
Röntgenröhrenbetrieb in der Gynäkologie 1131. 
Röntgenröhren-Regulierung, Beitrag zur R. 1821. 
Rontgensekundärstraklenblende als Hilfsmittel für 

die Lokalisation von Geschossen 1923. 

— bei Lokalisation von Geschossen, demonstriert 
an zwei Herzschüssen 1940. 

Röntgensphäroskop, Kugelgelenkige Centrier- und 
Einstellvorrichtung „R. tt 845. 
Röntgensterilisierung 1839. 

Röntgenstrahlen, Die Absorption der ß-, y- und 
R. im Gewebe 739. 

— Behandlung der Hypertrichose mit R. 1874. 

— Biologische Einwirkungen der R. 908,- 1752. 

— Einwirkung der R. auf tierische und mensch¬ 
liche Ovarien 908. 

-auf die männliche Keimdrüse 908. 

— Biologische Reichweite der Radium-, Meso -1 
thorium- und R. 1578. 

— Heilung tiefliegender Carcinomc durch R. 1554. ■ 

— Dosierung der R. 170. 

— Zum Schutze des Arztes bei Durchleuchtung ; 
1747. 

— Einwirkung der Radium- und R. auf die 
inneren Organe speziell die Milz 1327. 

-der R. auf den pflanzlichen Organismus 

908. 

—- Dauerbehandlung mit R. 909. 

— Ersatz radioaktiver Substanzen durch R. bei 
der Tiefentherapie 77. 

—* Erzeugung konvergenter und paralleler R. 
911. 

— Fehlerquelle bei Untersuchungen über die 
motorische Bedeutung des Magensäurcinhaltes 
1471. 

~ Frauenleiden mit R. behandelt 1468. 

— Fremdkörperlokalisation 1849. 

— Messung der Wirkung von R. und y-Strahlen 
1821. 

— Natur der R. 1337. 

— und Schwangerschaft 1262. 

— Tiefenmessung der R. 1136. 

— Verwendung stark gefilterter R. zur Ober¬ 
flächentherapie 712. 

— Kleiner Vorteil beim Durchleuchten mit R. 
1600. 

— Einige unbekannte Wirkungen der R. und 
1606 ^ era P eu ^ sc ^ e Verwertung 909, 1432, 

Röntgenstrahlenenergie, Neue Art der Anwen¬ 
dung von R. 381. 

Röntgenstrahlenmenge, Methode, eminent grössere 
R. als bisher zu erreichen 124. 
Rüntgenstrahlenreizdosen bei Knochenbrüchen 
1470. 

Röntgenstrahlenspectrum 1471. 

Röntgen täuschungeji 1199. 

Röntgen-Taschenbuch 937. 

Röntgentherapie der Basedow’schen Krankheit 
1798. 

— bei Blutkrankheiten 1468. 

— Bewertung ders. bei Carcinom 909. 


Röntgentherapie tiefliegender Carcinome von der 
Körperoberfläche aus 1578. 

— Dosierung bei R. des Carcinoms 712, 1820. 

— Neuere Fortschritte der R. in der Dermato¬ 
logie 561. 

— der Furunkulose 909. 

— der Gelenktuberkulose 170. 

— gynäkologische 667, 1393. 

-Kreuzfeuerwirkung in der R. 32. 

— — Technik ders. 1249, 1599. | Sachverständige, gute Aerzte — bessere S. 849. 

— — Was brachte das Jahr 1913 der R. ? 1131. j Sachverständigentätigkeit, Lehrbuch der ärzt- 

— Handbuch der R. 937. liehen S. für die Versicherungsgesetzgebung 

— Bedeutung der R. für die innere Medizin 708. j 1466. 


Rumination im Säuglingsalter 611, 1228. 
Rumpfquetschung, Blutungen am Kopf und Hals 
bei R. 366. 

Rundzellensarkom, Hühnereigrosses R. des Colon 
ascendens 1600. 


s. 


i — der Knochen- und Gelenktuberkulose 124, 

| — der Lungentuberkulose 909. 

— der bösartigen Neubildungen 1820. 

j — tuberkulöser Lymphdriisen 1578. 

1 — der Uterusmyome 124. 

— bei Vulvaaffektionen 1468. 

Röntgentherapierühre, neue, mit Kompressions¬ 
luftkühlung 321. 

Röntgentiefenbestrahlung mit grossen Feldern und 
wandernder Röhre 321. 

— Schwere Röntgenverbrennung nach R. 1942. 

— Technische Neuerungen bei R. 1136. 

Röntgentiefentherapie bei chirurgischen Krank¬ 
heiten 1746. 

— in der inneren Medizin 1184. 

— Wesen und Erfolge der R. 428, 575. 

Röntgenulcus, behandelt nach Pfannenstill’s Me¬ 
thode 1529. 

Röntgenuntersuchung, Einfache Aufnahmetechnik 
zur B. der Baucheingeweide 1764. 

— Kombination von klinischem Röntgenkabinett 
mit Laboratorium für tierexperimentelle R. 
1131. 

— in Garnisonlazaretten 1773. 

— bei Schusswunden 1800. 

Röntgenverbrennung 366. 

— der Finger 910. 

— Schwere R. nach gynäkologischer Tiefen¬ 
bestrahlung 1942. 

Röteln, Klinische Beiträge zur Kenntnis der R. 321. 

Rötelnepidemie in Wien 953. 

Rosenbach’sches Tuberkulin bei Lungentuber¬ 
kulose 1468. 

Rotz, chronischer, beim Menschen 365, 613, 1081. 

— Drei Fälle von R. 80. 

Rubner, M., zum 60. Geburtstage 1015. j 

Rückenmark, Akute bedrohliche Erkrankungen 
des R. 222. 

— Autochrombilder von Schnitten des R. 722. 

— Autonome Funktionen des R. 938. 

— Echinokokken des R. und der Cauda equina 
321. 

—- Direkte Einwirkung einiger Substanzen auf 
das R. 948. 

—- QuantitativepharraakoiogischeUntersuchungen 
über die Reflexfunktionen des R. 1707. 

— Schraerzleitung im R. 1466. 

— Schussvcrletzung des R. 1786. 

— Histologische Untersuchung des R. von Hunden, 1 
die derRachistovainisation unterworfen wurden ! 
27. 

— Eventuelle Teilung von hinteren Wurzeln und 
deren weiteres Verhalten zum entsprechenden 
Segment des R. 896. 

llückenmarksehuss, anatomischer Befund 1965. 

RückenmarkserkrankuDgen, Ursacho des über¬ 
raschend schnellen Geburtsablaufes bei R. 
1920. 

Rückenmarksgeschwulst, intramedulläre 1130. 

— Lokaldiagnose von R. 242, 457. 

Rückenmarksschussverletzung 1901. 

Rückenmarkssyphilis, Intradurale Injektion von 

Neosalvarsan bei R. 1000. 

Rückenmarkstumor, geheilter 711. 


— Der Krieg und die ärztliche S. 1773. 

Sacralanästhesie, Technik der S. 755. 

Sacraltumor, angeborener 141. 

Safrantinktur, Abortversuch mit S. 1773. 

Säge, chirurgische, Entwicklung der S. 1436. 

Saitengalvanometer 137, 1080. 

— Untersuchungen des Tremors mit dem S. 1848. 

Salbenapplikation ohne Salbenverband 556. 

Salicyisäure, cutane Resorption derS. aus Pflastern 

1429. 

Salkowski, Ernst, zum 70. Geburtstage 1714. 

Salophen 1467. 

Salpetersäure, rauchende, Vergiftung mit S. 377. 

Salpingitis, Zusammenhang von Aetiologie und 
Histologie der S. 411. 

— Histologie der eitrigen S. 1579. 

Salvarsan, Organ Veränderungen bei mit S. be¬ 
handelten Tieren 78. 

— Bemerkungen zur Syphilispathologie und zur 
Heilwirkung des S. 433. 

— Vorhalten des S. und Neosalvarsans im 
Organismus 556. 

— Verarbeitung des S. im Organismus 607. 

— und latenter Mikrobismus 666, 1448. 

— Toxizität des S. 802. 

— Wirkung von S. auf Hühnerspirochäten in vivo 
und in vitro 940. 

— Wirkungsart des Atoxyl, S. und Menschen¬ 
serums bei experimentellerNaganainfektion 988. 

— Farbreaktion auf S. in der Lumbalflüssigkeit 
1057. 

— Gefährlichkeit des S. 1096. 

— Wirkliche und angebliche Schädigungen durch 
S. 1126. 

! — Chemotherapeutische Versuche mit S. 1277. 

| — Das Schicksal von intramuskulär und subcutan 
injizierten unlöslichen Arzneien, speziell des 
S. 1526. 

— Einwirkung von S. und der Kombination von 
S. und Quecksilber auf den Fötus 802. 

— Fall von Anthrax geheilt durch S. 1564. 

— Wirkung des S. auf die kongenitale Syphilis 
des Fötus bei Behandlung der Mutter 1632. 

— Darf bei weichen Schankergeschwüren prophy¬ 
laktisch S. angewandt werden? 1688. 

— 3 Jahre S. bei Lues des Centralnervensystems 
und Tabes 561. 

— bei Recurrens 1106. 

— Intelligenzbewegung bei Paralytikern nach 
S.-Therapie 1527. 

— Erfahrungen bei Injektionen von S. in das 
Centralnervensystem 1553. 

— gegen sympathische Augenentzündung 83. 

— Erfolge mit S. beim Auge 993. 

— Herpes zoster nach S. 1749. 

—- bei Sklerom der oberen Luftwege, bei Lues 
und Tuberkulose 1049. 

— bei Tropenkrankheiten 1088. 

— bei Schlafkrankheit 1132. 

— Todesfall nach S. 986. 

j Salvarsanbehandlung, Bisherige Erfolge des S. im 
Marinelazarett Wik 561. 

| — endolumbale 842, 1278. 

— des Milzbrandkarbunkels 1278. 


Ueber im Anschluss an die Lumbalpuntion | — Gefahren der S. 361. 


eintretende Zunahme der Kompressionserschei¬ 
nungen bei extramedullären R. 1739. 
Rückenmarksverletzungen 1850. 
Rückenschmerzen, Spondylitis deforraans und Un¬ 
fall 84. 

Rückfallfieber als Kriegsseuche 1654. 

Ruhe- und Aktivitätsperiodon bei Tieren 1466. 
Ruhr, Behandlung der 1697. 

Ruhrähnliche Dannerkrankungen 1949. 
Rumination beim Menschen 801. 


reine, der Syphilis 533. 

— der Syphilis des Nervensystems 706. 

— in der Chirurgie 943. 

Salvarsaninfusionen bei Scharlach 1708. 
Salvarsaninjektion, intramuskuläre, Behandlung 

der Framboesie mit S. 83. 

— intravenöse, Technik und Erfolge der S. 561. 

— Ciliar- und Sehnervengumma nach S. 83. 

— Erfahrungen bei S. in das Centralnorvensystem. 
1338. 


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UNIVERSUM OF IOWA 




2024 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Salvarsaninjektion, Todesfall an akuter Encepha¬ 
litis nach S. 414. 

— Todesfall durch akute Arsenvergiftung nach 
S. bei Nichtluetischer 986. 

Salvarsankupfer, Behandlungsversuche mit S. 120. 

— Therapeutische Versuche bei Trypanose mit S. 
223. 

Salvarsanlösung, Injektion konzentrierter Alt-S. 
846. 

Salvarsan-Quecksilberbehandlung, Heilung der 
Syphilis durch die kombinierte 1541. 
Salvarsanserum 797, 1082. 

— bei Syphilis des Centralnervensystems 1224. 
Salvarsantod, experimentelle Untersuchungen über 

S. 1097. 

— Kritische Bemerkungen zur Pathogenese eines 
S. 1633. 

— und ihre Ursachen 1331. 

— Kritische Bemerkungen zuderMentbcrger'schen 
Zusammenstellung der Neosalvarsan- und S. 
1283. 

Salvarsanwirkung, Theorie der S. 758. 

Salvarsan und Neosalvarsan bei Syphilis und | 
Parasyphilis 381. 

— — besonders ambulatorisch angewendot 1187. j 

— ■— Topographie derselben 1525. 

Salzdefizit, Ist bei S. das Eiweiss besonders weit-! 

gehend aufgehalten? 79. 

Salzsäure, Nachweis der S. in der Medizin 408. , 
Samenblasencyste, intravesicale 1087. 
Sanduhrmagen, angeborener 238. 

— Röntgenologisches und Klinisches zur Frage 
des S. 759. 

— Operative Behandlung 1470. 

— bei nicht tiefgreifendem Ulcus ventriculi 1582. 
Sanitätsbericht der Kgl. preussischen Armee vom 

1. Oktober 1910 bis 30. September 1911 1041. 
Sanitätskorps, Organisation derselben 1753. 
Sarkoid, Boeck’sches S. 1600. 

— und Syphilis 1429. j 

Sarkom und Unfall 84. 

— nach Trauma 612. 

— der Fibula 912. 

— Histologische Variationen eines Hühner-S. 

mittels filtrierbaren Agens erzeugt 1265. I 

— meningealen Ursprungs 1001. 

— primäres, der Gallenblase 711, 1129. 

— — des rechten Vorhofes 1128. 

— — der Portio 1142. j 

Sarkomentwicklung nach Q.uarzlampenbehandlung 1 

108, 235. j 

Sarkomrezidiv 478. I 

Sauerkleesalz, Vergiftung mit S. 1491. j 

Sauerstoffatmung, Empfindlichkeit der S. gegenüber 
indifferenten Narcotiea 1326. 

Sauerstoffmittel in der Dermatologie 1798. 

Saugen, Physiologie des S. bei normalen und 
pathologischen Brustkindern 425, 610. 
Säugetierherz, Dynamik des S. 1632. 
Säugetierlunge, Beobachtungen an der über¬ 
lebenden S. 1553. 

Säugling, Ernährung von S. nach physiologischen 
Grundsätzen mit Friedentharscher Kindermilch 
und Gemüsepulvern 469, 727. 

— Kraftbedarf des S. 1130. 

— Harnabscheidung des S. 1875. 

— Leukämie ders. 1900. 

— Weniger schematische Behandlung von S. im 
Krankenhause 1900. 

Säuglingsalter, Kasuistik aus der Pathologie des 
S. 611. | 

Säuglingschirurgie 414. j 

Säuglingsdarmkatarrh, Aetiologic des S. 34, 611. 
Säuglingsdiätetik, moderne, und die Praxis 651. 
Säuglingsernährung, kalorische Betrachtungsweise 
der S. 1129. 

— Anpassung der Kuhmilch an die Frauenmilch 
bei der S. 1874. 

Säuglingskrankheiten, Leitfaden 1370. 
Säuglingsnahrung, Fettanreicherung der S. 897. 
Säuglingssterblichkeit, Bekämpfung der S. in 
Mietskasernen 1560. 

Säuglingssluhl, Bacillenflora des S. 1373. 

Säure, Pharmakologische Wirkung calciumfällender 
S. und der Magnesiumsalze 1423. 

— organische, im Säuglingsharn 897. 
Säureagglutination 319. 

— der Typhusbacillen 1481. 


Scabies, Behandlung der S. bei Kindern 709. 
Scabiesebaga an Stelle von Ungt. sulf. Wilkinsonii 
1467. 

Scapularkrachen 271. 


Scbenkelbalsbrüche, Blutige Behandlung un¬ 
günstiger S. 1487. 

Schief hals, s. Caput obstipum. 
i Schiefnase, Korrektur einer knöchernen S. 904. 


Scarlatina, Schwankungen der Serumkonzentration Schielen, Untersuchungsprogramm des S. 272. 


bei S. 1555. 

Schädel, Ostitis fibrosa (cystica) des S. 991. 
Schädelbasis, Carcinom der S. 378. 

— äussere, Chirurgische Anatomie der S. 761. 

— Fibrosarkom der S. 1140. 


Schiene, zerlegbare, für das Bein 270. 
j Schiessbrilicn 1325. 

I Schilddrüse, Physiologie der S. und der Epithel- 
| körperchen 1797. 

— Schicksal des Jods in der S. 1524. 


Schädelbasisbruch, Linksseitige Facialis-, Ab-j— Dauernde Einheilung verpflanzter S. und Neben- 


ducens- und Trochlearislähmung nach S. 234. 
Schädolbasisfrakturen mit Beteiligung des Warzen¬ 
fortsatzes und deren Behandlung 563. 

— Ein- und gleichseitige Vagus- und Accessorius- 


I Schilddrüsen 1947. 

Schilddrüsenbehandlung, Sacbgemässe S. 1749. 
i Schilddrüsenstoffe, Beeinflussung der Lungen durch 


lähmung und vollkommene Taubheit nach S. Schilddrüsentransplantation 1947. 


1428. 

Scbädelbrüche, Priorität derselben 1651. 

— komplizierte 853. 

Schädeldach, Behandlung komplizierter Splitter¬ 
brüche des S. 560. 

Schädelgrubc, Tumor der hinteren S. 34. 


Schilddrüsentumor, ein Aneurysma des Aortea- 
j bogens vortäuschend 1567. 
Scbilddrüsenvergrösserung, Vorkommen des en¬ 
demischen Kropfes und der S. am Mittelrhein 
und in Nassau 1610. 

Schildknorpel, Perichondritis des S. 368. 


hintere, Störungen der Innervation des Nervus Schimmelpilz, Ulcus ventr. verursacht durchs.363. 


facialis bei Tumoren dor S. 222. Schizotbymie und Zyklothymie 1680. 

Sciiädclheteroplastik mit Celluloid 271. Scbizosoma reflexum 1290. 

Schädelkapazitätsbestimmung, Methodik derselben Schlaf, Ist der S. eine Bewusstseinsstörung? 1773, 
in bezug auf einen Fall von Hirnschwellung Schlaf-Drucklähmung, atypische 1733. 


bei Katatonie 1526. 


Schläfenbein, Das Cholesteatom dess. 1963. 


Schädelknochen, Osteomyelitis der S. im An- Schlafkrankheit, Therapie ders. 1946. 


Schluss an Nebenhöhleneiterungen 372. 
Schädeloperationen 1296. 

Schädelperkussion, Bedeutung derselben 1752. 
Schädelplastik durch Rippenknorpel 1148. 
Schädelschuss, Lähmungen infolge einer im 
Schädel sitzenden Kugel 1774. 


Schlaflosigkeit, Bekämpfung der S. 705. 

— Wesen und Behandlung der S. 861. 

— nervöse, Brombehandlung neurastbenischer 
Beschwerden, insbesondere der S. 267. 

— Behandlung der S. bei Herzinsuffizienz 1224. 
Schlafstörungen 1633. 


— Astereognose nach S. bei intakter Sensibilität I — im Kindesalter 1228. 


1850. 

Schädolschüsse im Kriege 1230. 

— Demonstrationen von S. 1963. 

— Neurologische Fragen bei den S. 1825. 


Schleimhauttuberkulose, Die Kupferchemotherapie 
der S. der oberen Luftwege mit Lekutyl- 
inhalationen 1708. 

Schlüsselbein s. Clavicula. 


mit funktionellen Schädigungen und Sensi- Schmerzen, phlebogene 521. 


bilitätsstürungen 1903. 

Schädeltrauma und Lumbalpunktion 1633. 
Schädolverletzungen durch elektrischen Stark¬ 
strom 991. 

— subcutane, die Meningitis nach S. 1428. 

— Hysterischer Mutismus nach Sch. 1850. 
Schallregistrierung 1325. 

Schallschädigungen nach Erkrankungen des Mittel¬ 
ohrs 126. 


Schmerzproblem 708. 

Schmerzleitung im Rückenmark 1466, 
Schnelleinbettung, Kombination der S. in Paraffin 
mit Stüc.kdurchfärbung 755. 
Schnellverband, aseptischer 415. 

Schnupfen, Die Erreger von Husten und S. 1469. 
Schönheitsinstitute, Sogenannte S., Warnung davor 
1488. 

Schornsteinfegerkrebs 614. 


Schaltknochen in der grosson Fontanelle 1151. Schrägschnitt,physiologischer, imEpigastrium 845. 


Scharlach, Zur Theorie des S. 64. 

— Verbreitungsweise des S. 1820. 

— Heimkehr bei S. 142, 897. 


Schreibkrampf, Neue Apparate zur Behandlung 
dess. 1874. 

Sehreibkünstler, doppelhändiger 657. 


akut entzündlicher pyämischer Prozess nach Schrumpfniere, tuberkulöse 30, 418. 

S. 379. — Aetiologie der S. 169. 

ein mit Meningitis meningococcica kom- — in jugendlichem Alter 1150. 


plizierter geheilter Fall von S. 463. 

— Jodanwendung bei Diphtherie und S. 267. 

— Serumtherapie des S. 361. 

— Bedeutung der Doehle’schen Leukocvten- 
einschliisse bei S. 380, 1144. 

— diagnostische Bedeutung der Leukoeyten- 
einsehlüsse bei S. 627. 


Schule, Arzt und S. 1611. 

Schulhygiene, Handbuch 1465. 
Schulhygienisches aus Bozen 1244. 

— aus Amerika 1244. 

Schulkinder, schwerhörige, Fürsorge der Stadt 
Berlin für S. 1288. 
Schulkommissionsbericht 92. 


Bedeutung der Leukocyteneinschlüsse für den Schulter, Tuberkulöses Zwerchsackhygrom an der 


S. 1747. 

— Zelleinschlüsse bei Masern und S. 798. 

— spindelförmige Bakterien bei S. 1250. 

— sekundäre Appendicitis bei S. 168. 


S. 769. 

— schnellende 1186. 

Schultergelenk, Monartikuläre Arthritis des 
beim Kinde 1150. 


— Tödliche eitrige frühzeitige Peritonitis bei S. Schulterlähmung, Operative Behandlung der S. 991. 

1565. Schulterluxation, habituelle 710. 

— Einfluss des S. auf die Wassermann’sche — veraltete 718. 


Reaktion 650. — Plexuslähmungen nach S. 1337. 

— Behandlung des S. mit Salvarsan 1327, 1708. Schultermuskulatur, Atrophie und Lähmung 

— —■ mit Humanserum und Serumlipoiden 1427. Bereiche ders. 1561. 

Scharlachexantbem, anormales 169. Schulterschmerz, DerS. bei den akuten chirurgiscl 

Scharlachrotsalbe, Behandlung von Hautdefekten Erkrankungen der Bauchhöhle 1529. 

mit S. 381. Schulterverletzung, Arthritis acromio-claviculi 

Schauta-Wertheim’sche Prolapsoperation, Dauer- als wichtiges Glied in der Pathologie 
erfolge ders. 1921. stumpfen S. 1428. 

Scheidcncarcinom, grosses 1486. Schussfrakturen, Behandlung der S. der Exfre 

Scheidenkeime, Einfluss der Menstruation auf die täten im Kriege 1229. 

Hämolyse der Sch. 1920. — der Gelenke, Schienen oder Gipsverbände 

Scheintod und wirklicher Tod 119. 1902. 

Schoitellappen, Diagnose und Therapie der Ge- Schusskanal, Merkwürdigkeiten des S. 1714. 

schwülste des S, 1688. Schussverletzungen 1949, 1965. 

Sehenkelhalsbruch, Was wird aus dem S. der — durch Flaubert 1653. 

| Kinder? 270. — Beobachtungen über S. 1714. 


Bereiche ders. 1561. 

Schulterschmerz, DerS. bei den akuten chirurgischen 
Erkrankungen der Bauchhöhle 1529. 

Schulterverletzung, Arthritis acromio-claviculans 
als wichtiges Glied in der Pathologie der 
stumpfen S. 1428. . 

Schussfrakturen, Behandlung der S. der Extremi 
täten im Kriege 1229. . ■ 

— der Gelenke, Schienen oder Gipsverbände t>c 
1902. 


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UNiVERSITY OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2025 


Schussverletzungen, Allgemeine Gesichtspunkte 
bei der Behandlung der S. 1713. 

— Praktische Winke zur Behandlung 1881. 

— Demonstration von einzelnen V erletzungs- 
formen 1713. 

— Infektion ders. 1528. 

— des Schädels mit funktionellen Schädigungen 
und Sensibilitätsstörungen 1903. 

— des Ilinterhauptlappens 1901. 

— Symptomatologie der Stirnhirnsehiisse 1923. 

— des Halssympathicus 1901. 

— der Armnerven 1761. 

— Radialislähmung durch Schulterschuss 1850. 

— Ulnarislähmung nach S. 1850. 

— Obcrsehenkelfrakturen durch S. 1714. 

— Lendcnwirbelkonturschuss 1911. 

— von Gehirnnerven 1702. 

— des Rückenmarks 1786. 

— Facialis- und Hypoglossusparese nebst Aphonie 
nach S. 1850.‘ 

— des Plexus brachialis 1850. 

— Erb-Duchenne’sehe Plexuslähmung, kombiniert j 

mit Sympathicuslähmung 1903. • I 

— Behandlung der Kieferfrakturen und S. des , 

Gesichtes 1734. ! 

— der Leber 1926. j 

— der Lunge 1714, 1924. j 

— der oberen Luftwege 1966. ! 

— Perforierende S. des Magens 1781. 

— Funktionelle Lähmungen nach S. 1950. 

— peripherer Nerven 1949. 

— Magenfistel und doppelte Darmfistel mit ge¬ 
heiltem Tetanus durch S. 1850. 

— des Rückenmarks, anatomischer Befund 1965. 

— des Tuber parietale 1901. 

— Röntgenuntersuchungen bei S. 1800. 
Schutzgebiete, deutsche, Medizinalbcrichte für 

1910/11 408. 

Schutzpocken, Klinischer Verlauf der S. 222. 
Schwachsinn, Graphologische Kennzeichen 320. 

— und Hirnkrankheiten mit Zwergwuchs 365. 
Schwangere, Röntgen bi ldcr von lloch-S. 572. 

— Auftreten blutfremder proteolytischer Fermente 
im Blute von S. 798. 

Schwangerschaft, Mehrlings-S. 1143. 

— Perniciösc Anämie während der S. 367. 

— Cholecystitis in der S. 367. 

— Einfluss der S. und des Wochenbettes auf 
die Sterblichkeit der weiblichen Bevölkerung 
an Tuberkulose 414. 

— Meiostagminreaktion bei Careinom und S. 798. 

— Verwertbarkeit der Abderhalden'sehen Reaktion 
in der Diagnose der S. 798. 

— Forensich-psychiatrisohe Bedeutung von Men¬ 
struation, S. und Geburt 800. 

— Bedeutung der Kyphoskoliose für S., Geburt 
und Wochenbett 802. 

— und Röntgenstrahlen 1262. 

— Ein häufiges Frühzeichen der S. 1472. 

— ausserhalb der Gebärmutter und Untal 1 1582. 

— Hautreaktion in der S. 720. 

— Neue Hautreaktion in der S. 757, 1087. 

— bei fixierter Retroflexio uteri, kompliziert durch 
Appendicitis 849. 

— Prognostische Bedeutung von Erkrankungen 
der Nieren in der S. 465. 

— Nierenveränderungen in der S. 798. 

— Sehstörungen in S. und Geburt 950. 

— und Myom 74, 1146. 

— Einfluss der S. auf das W achstum maligner 
Tumoren 272. 

— und Herzfehler 125. 

— Unterbrechung tler S. bei Psychosen 800. 

— Unterbrechung ders. und Sterilisation aut 
abdominellem W r egc in einer Sitzung 1875. 

— nach Myomektomie 1920. 

Schwangerschaftsalbuminurie, proteo- und pepto- 
lytisches Vermögen des Serum bei S. 557. 
Schwangerschaftsanämie 462. 
Schwangerschaftsblutungen 1709. 

— Behandlung bedrohlicher S. 940. 
Schwangerschaftsdauer 651. 

Schwangerschaf tsdermatosc,.Serumbehandlung 893. 

Schwangerschaftsdiagnostik, Bedeutung der Anti- 


Schwangersehaftsglvkosuric, eine Form des renalen 
Diabetes 29. 

Schwangerschaftspye]itis 465. 
Schwangerschaftsreaktion nach Abderhalden 364, 
461, 557, 626, 1280. 

— biologische 1554. 

— conjuuetivalc und intradermale 1429. 

— Quantitative Ausführung der Abderhalden- 
schen S. 988. 

Schwangerschaftsthrombose, Angebliche physio¬ 
logische S. vonGefässen der uterinen Placentar- 
stelle 937. 

Schwangerschaftsunterbrechung, habituelle, und 
innere Sekretion 414. 

— Methodik der S. und gleichzeitiger Sterilisation 
bei Lungentuberkulose 1629. 

Schwebebronchoskopie, Ein unter S. extrahiertes, 
von einem zehn Monate alten Kinde aspiriertes 
Knochenstück 1710. 

Schwebelaryngoskopie 719. 

— Verbesserung am Spatel für S. 330. 

— UnterS. entfernter grosser subglottischer Tumor 
1710. 

Schwcbemarkcnlokalisator 1901. 

Schwefel, Bindungsformen des S. im Harn 939. 
Schweiss und Schwitzen 895. 

Schweissfriesel 165. 

Schwerhörige, Anwendung von Radium bei S. 905. 
Schwerhörigkeit, Neueste Behandlungsmethoden 
von S. und subjektiven Geräuschen 220. 

— Funktionelle Behandlungsmethode der S. nach 
Zünd-Burguet 1247. 

Schwurgerichte, Psychologie der S, 

Schwindler, hysterischer 427. 

Sclera, Melanochromic der S. 176. 

Scleroderma diffusum, Stickstoff- 
stoffwcchselUntersuchungen bei 
Sclerodermie mit Atrophie der Schilddrüse 1604. 
Scleroma respiratorium, Ein mit Vaec.in erfolglos 
behandelter und durch Anwendung physika¬ 
lischer Behandlungsmethoden gebesserter Fall 
I von S. der Nase und des Rachens 512. 

Scleritis tubcrculosa 854. 

1 Selerotomie, Technik und Indikation der $ 

Elliot 176. 

1 Scopolaminlösung, Haltbarkeit der S. 220. 
Serofulose der Züricher Heilstätte 1425. 
Scrotalstein 38. 

Serotum, Lymphablertung dess. 1875. 

Seborrhoea capitis, Su lfoformbchandlung ders. 1600. 
Seealepräparatc, Beziehungen der physiologischen 
Wirkungen von Hypophysenextrakt, Adrenalin, 
j sowie S. und Imidazolyläthylamin 267. 

' Sectio caesarea cervicalis posterior 847. 

| Seglermesser, englisches 1825. 

1 Sehen, Theorie des S. 359. 

I — in Zerstreuungskreisen 993. 

Sehnenersatz, ausgedehnter, durch freie Faseien- 
I transplantation 710. 

Sehnennaht und Sehnentransplantation 1102. 
Sehnenplastik nach Poliomyelitis 674. 

— bei poliomyelitischer Lähmung 857. 
Sehnenreflexe, Physiologie der S. im Säuglings¬ 
und Kindesalter 1900. 


1386. 


und Mineral- 
610. 


nach 


i Sehnenverlängerung durch das Rutschenlassen 760. 
Sehnenverpflanzung 813. 

I — Physiologische Forderungen der S. 814. 

. Sehnerv, Erkrankungen der Central gefässe des S. 92. 
— Pseudotumor des S. bei intrakranieller Er¬ 
krankung 956. 

| — Metastatisches Careinom des S. 1237. 
Sehnervenatrophic, tabische, Frühdiagnose der S. 
1339. 


Sekretin, Physiologische und therapeutische Wir¬ 
kung dess. 1899. 

Sekretion, innere, und neue Funktion der Gefässe 
647. 

— — in Beziehung zu Kieferbildung und Zahn¬ 
entwicklung 1223. 

— — Wachstumsstörungen und ihre Beziehungen 
zur inneren S. 1563. 

Sektionstechnik, Grundriss der S. 166. 

Sekundärstrahlen 909, 1131. 

— und Strahlenfiltcr 910. 

— und Sekundärstrahlentherapie 1819. 

— charakteristische, der Metalle und ihre Be¬ 
deutung für die Tiefentherapie 911. 

Selbsthilfe, gewalttätige, der modernen Frau 1386. 

Selbstinfektion in der Gynäkologie 1376. 

Senium praecox 284. 

Sennatin, ein neues Abführmittel 608. 

— Erfahrung mit S. 893. 

— Anregung der Peristaltik nach Laparotomie 
durch S.' 1919. 

Sensibilisierung, sympathische, spezifische und 
unspezifiscjic 268. 

Sepsis, klinischer Vortrag 1876. 

— Therapie der S. 409. 

— Wesen und Behandlung der S. 1099. 

— Lokale und allgemeine Behandlung der S. 1278. 

— Wirkung des Argatoxyls bei S. 172, 893. 

— Intravenöse Sublimatinjektion bei S. 611. 

— Behandlung der S. und des Gelenkrheu¬ 
matismus mit Methylcnblausilber 857. 

— mit dem Blutbild der apiastischen Anämie im 

■ Anschluss an Gonorrhöe 1959. 

— otogene, Chirurgische Eingriffe bei S. 1049. 

* — puerperale, Prophylaktische Anwendung sen¬ 
sibilisierter Vaccine bei S. 1278. 

Scptikämie, Hauterscheinungen bei S. 122. 

Septumoperation 1335. 

Sequesterbildung und Knochennekrose 221. 

Serodiagnose der Tuberkulose mit dem Antigen 
von Besredka 1567. 

j Serodiagnostik, Technik der S. 171. 

Seropneumothorax, Artefizieller P. 1476. 

i Serres fincs, verbesserte 80. 

1 Serum, Fähigkeit des S. normaler Kaninchen, 
das Komplement mit bakteriellen Antigenen 
zu binden 268. 

— Eigenschaften des Blutes resp. S. nach Ein¬ 
wirkung von Röntgenstrahlen 366. 

— Eigenartig spezifisches Verhalten luetischer 
und careinomatoser S. gegen bestimmte Che¬ 
mikalien 557. 

— röntgenisiertes, Wirkung dess. auf das Blut 
1651. 

— syphilitisches, Hämolytische und hämolyse¬ 
hemmende Funktion dess. 1934. 

— Agglutinatorische Kraft des S. nach über- 
standener Typhusinfektion 1919. 

— Anti proteo ly tische S.-Wirkung in Schwanger¬ 
schaft, Geburt und Wochenbett 1920. 

Serumantitrypsin, Wesen der normalen und im¬ 
munisatorischen S. 1847. 

Serumblutreaktion nach Rivalta und Antikörper 
364. 

Scruineiweiss, Aufhebung der Artspezifität 269. 

Serumkrankheit 349, 401. 

Serumreaktion, Theorie der S. 1173. 

Seuchen, Bekämpfung der Kricgs-S. durch klinische 
antiseptische Maassnahmen 1937. 

— Entstehung und Bekämpfung 1874. 

| Seuchenbekämpfung, moderne in Palästina 849. 

Seuchenerfahrungen und Seuchentherapie im 
Feldzuge 1914 1912. 


Sehnervenkopf, Sehr seltener Fall von Tumor des Scuehenlehrc, Uebersicht der allgemeinen S. 1753. 

S 1560. | Sexualleben und Nervenleiden 1126. 

Sehorgan, Kriegschirurgie des S. 1787. 

Sehrinde und ihre Beziehungen zu den primären 


optischen Ccntrcn 1083. 

I Sehstörungen bei Marineangchörigcn 368. 

! — postoperative, und Erblindungen nasalen Ur- 
i sprungs 563. 

— contralatcrale, nasalen Ursprungs 1087. 

— in Schwangerschaft und Geburt 950. 

1 — nach Atoxyl 1116. 

' .. " und der intra- 


trypsinmethodo für die serologische Sch. 1920. Scidcnpcptonnicthodc, Kritik der S. 
- Vereinfachung der S. nacli Abderhalden 1328. ' cellularen Protease lo24. 


Schwangerschaftserbrechen, Zwei Fülle schweren ^ vo Ä^^Ui»^btcnS.10M.. - im Rentenkampf 83. 


Sexus aneeps 989. 

Shoek, anaphylaktischer, Sensibilisierung und S. 
der überlebenden Meerschweinchenlcber 941. 

— chirurgischer, Blutveränderungen als Ursache 
des S. 651. 

Sigmoiditis diverticularis, Diagnose der S. 898. 

Silber, kolloidales, Biologische Untersuchungen 
über S. mittels neuer Methode zum Nachweis 
feinster Metallablagerungen in d. Organen 607. 

Silbereiweiss, Silbernitrat oder S. 1643, 1926. 

Simons’seher Symptomenkomplex 1245. 

Simulation im Kindesalter 849. 


10 


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UMIVERSITY OF IOWA 




2020 


BERLINER KLINISCHE WOCHENS CHRIFT . 


Simulation, Fingiericr Unfall und S. schwerer Un- , 
falifoigcn 1689. 

Sinus cavernosus, Chirurgie 1948. 

— pcrieranii 767. 

Sinusthrombose, jauchige 288. 

Situs viscerum invorsus eompietus, Sektionsbericht 
1578. 

Skalpierungsverletzung 767. 

Skiaskopie mit der Gullstraud'schen Ncrnstlampc 
1612. 

Skleralabscess, metastatischer 1044. 

Sklerom, lokalisiertes, beim Säugling von 1V 2 Mo¬ 
nat 270. 

Sklerodermie 43, 42S. 

-— Besondere Form ders. 1563. 

— keloide der Mamma 997. 


S per min, Das S. ein 0.x ydation.sfcnucnt 89,j. 

— als Oxydatinnsferment 1707. 

Spina bifida, Seltener Fall von S. 463. 

— — Erfolge der Operationen bei S. und Eu- 
cephalocele 996. 

— — oceulta, Beziehung der S. zum Klauen¬ 
hohl l’uss 170. 

— — — Operationsbefunde bei S. 812. 

-— Röntgenologischer Nachweis der S. 911 . 


Sputum, lieber wahren Knochen im S. 1704. 
Sputuimle>infektionsapparat, vereinfachter 652. 
Sputumzcllen, eosinophile 1225. 

Spulwurm s. Ascaris. 

Städteanlage in Kohlenbezirkcn 994. 
Standesfragen, ärztliche 238. 

| Staphylokokken, Unterscheidung pathogener und 
| saprophy tische r S. 91. 

■ — Diirerenzicrung pathogener und saprophyti- 
scher S. 319. 


— — — saeralis 272. 

— iliaca anterior superior, Abrissfraktur der Sp. Staphylokokkenerkrankung, Autovaceinebehaml- 

1130, 1148. i lung der S. der Haut 27. 

— ventosa, Tuberkulinbehandlung der Sp. 471. — Serodiagnostik von S. 1441. 

Spinalganglien, Kulturen von S. in heterogenem Staphylokokkenreaktion, serologische, Verwcnd- 

Flasma 705. barkeit der S. in der chirurgischen Diagnostik 

— kckjiug ™ 1 Spinalparalvse, spastische familiär-hereditäre 625. ' 366. 

Sklerom Kpidciniolottisclic Verhältnisse des S. 238. | Spiriliesc, Wirkungsweise des Quecksilbers bei ! Staphylokokkensepsis 461, 668. 

— Arsenobenzol bei S. der oberen Luitwege 1049. i S. 430. 1 ~ nach Furunkulose 150. 

Sklerose multiple, Klinik und Pathogenese 650. , Spirochäte, Sprossungsvorgange an S. 28. 

— - Formenreichtum ders. 1900. — Protozoischer oder pflanzlicher Kntwicklungs- 

.kreis der S. ? 557. 

— Stellung der S. im System 648. 

Nfe Untersuchungen über die S. des Paralytiker- 
gehirns 757. 

— pallida im Blute von Paralytikern 707. 

— — Gewebsschädigungen des Herzens durch 
S. 1128. 

Spirochätenbefunde beim Kaninchen 1395, 1526. 


— Gibt cs eine cystischc Form der S .i 463. j 

— Aetiologie der S. 1329. j 

— kindliche 1141. I 

— Fall von fraglicher Kombination der m. S. j 

mit Poliomyelitis 1962. j 

— Retrobulbäre Neuritis als Frühsymptom j 

der S. 90. ' 

— Psychosen bei der m. Sk. des Gehirns und ; 


und Rückenmarkes 1772. I Spirochätenerkrankung, Widerstandsfähigkeit lo- 

Sklcrotomie nach Lagrange und die Trepanation J kalcr8. gegenüber reinerSalvarsantherapic992 
nach Elliot 125. 

— Narben nach S. und Trepanation derSklcra272. 

Skoliose, physiologische und ihre Ursache 170. 

, . 1 ‘ t •. ■ ..._• 1 'TA 


nach Furunkulose 150. 
Staphylokokkenseptikämie mit Leukämie 188. 
Star, Entstehung der Weitsichtigkeit und des S. 
1633. 

Starkdruckflammen in ihrer Beziehung zur funk- 
. tionellen otiatrischen Diagnostik 423. 
Starkstrom, elektrischer, Schädelverletzungen 
durch S. 991. 

Starkstromvcrletzung, Behandlung der S. 124. 
— Erscheinungen von Bulbärparaiyse und Acu- 
sticusstörungen nach S. 713. 

Staroperation, Endogene Infektion nach S. 33. 
Starrkrampf s. Tetanus. 


Spiroptercif als Parasiten und Geschwulsterreger j Starstich und anderes aus Indien 1233. 

1290. ! Status Ihymico-lymphaticus, Diagnose des S. 7*21. 

Spital s. Lazarett. I thymo-lymphaticus, angeborener 1820. 

Spitzentuberkulose, Häufigkeit der S. bei Kin- 1 Stauuugsmanchettc zur intravenösen Injektion 900. 
dern 650. ! Stauungspapille, Experimentelle Beiträge zur Ent- 


Splanchnoptose und ihre Behandlung 898. 
Splenektomie bei pernieiüser Anämie 94. 

— Blutuntersuchungen bei S. wegen traumatischer 
Milzruptur 269. 

interkurrentem 


— und Appemlicitis chronica 170. 

— Erzeugung von Tier-S. und ihre Messung 814. 

— Redressement der S. 814. 

— Behandlung der S. nach Abbott 42, 669, 767, 

814, 1143." , 0 

— habituelle, Behandlung der beginnenden . 

durch die Gymnastik im Streekapparat 990. Splenomegaha hacmolytica mit 

— Operative Behandlung schwerer T. 814, 815. I acholischem Icterus 459. 

Skorbut infantiler 710. I Splenomegalie mit Icterus und Anämie durch 

Skorbut’und lipoidfreie Ernährung 938. | Milzexstirpation gebessert 178. 

— der kleinen Kinder 753; s. auch Möller- I Splcnopathie, Durch spezifische Antisera expen- 

Barlow’schc Krankheit. i inenteil erzeugte Myelo- und S 756. 

— Kinderskorbut bei einem 4jährigen Kind, das Spondylarthritis deformans 230, 1140. 
mit homogenisierter Milch ernährt wurde 1046. j Spondylitis, Osteoplastische Fixation der Wirbel¬ 
in Deutsch-Südwestafrika 1227. 


Skorbuterkrankung 672. 

Skrofuloderma im ersten Lebensjahr 1227. 
Solargol, Desinfizierende Wirkung des S. 27. 
Sonnenbehandlung, Einwirkung der S. auf tuber¬ 
kulöse Fisteln 1230. 

Sonnenfinsternis, Augenschädigunjrcn im Heere 
infolge Bc ob achte ns der S. 1473. 

Sonnenstich, Behandlung des S. 124. 

Sophol, Mitteilungen über S. 705. 
Sozialmedizinische Umschau 962. 

Spalthand, familiäre 1195. 

Spasmophilie, Veränderungen der Atmungskurve 
bei Sp. unter dem Einfluss von äusseren Reizen 
1227. . 

— Veränderungen der Atmungskurven bei Kin¬ 
dern mit spasmophilen Symptomen 18*20. 

— Behandlung der S. 650. 

— und Keuchhusten 650. 

— Behandlung der S. im Säuglingsalter 1*2*29. 

— Calciumbehandlung bei ders. 1875. 
Spasmophiliefrage 857, 1227. 

Spätblutungen, traumatische in den Hirnhäuten 

186. 

— aus den tiefen epigastrischen Gefässen nach 
Operation wegen Appendixabscess 271. 

Späteunuchoidismus s. Eunuchoidismus. 
Speculum, neues zerlegbares 11S2 


säule wegen S. 859 

— chronisch ankylosierende nach Unfall 661. 

— deformans, Rückenschmerzen und Unfall 84. 

— infectiosa 170. 

— traumatica 1850. 

— tubcrculosa, Operative Behandlung der S. 686. 

— — Klinisch latente S. 813. 

— — Albcc'sche Operation bei S. 845. 

— — Knoclientransplantation bei S. 995. 
Spontanfrakturen nach Ueberanstrengungsperi- 

ostitis 179. 

Spontangangrän, Heilerfolge der konservativen 
Behandlung der S. 893. 

Sporotrichose 669, 708, 797. 

— experimentelle des Auges 562. 

Sport und Unfall 113. 

Sportliche Diätetik, Ein Hilfsmittel für sp. D. und 
Truppenhygiene 1643. 

Sportverletzungen 1918. 

Sprac.hbahn, motorische 1083. 

Sprachfunktion, Beziehung der S. zur Intonation, 
zum Ton und Rhythmus 709. : 

Sprachheilkunde, Beziehungen der S. zur übrigen | 
Medizin 1246. 


stehung der S. 71. 

— bei Leukämie 125. 

— infolge gummöser Meningitis 334. 

— bei cerebralen Gcfässcrkrankungen 1733. 

— Differentialdiagnose zwischen Neuritis optica 
und S. 175*2. 

— Chirurgische Behandlung der S. 994. 

Stechmücken, Vernichtung der S. 323. 

Steinniere, rupturierte 570. 

Steisscxtraktion nach Doventer-Müller 899. 

Stenocardie 94. 

Stentmasse, Verbände ausS. fürFingcrverletzungea 
1905. 

Stereognosic, Isolierte Störung der S. der linken 
oberen Extremität nach Kopfschuss 578. 

Stercoröntgcnröhren, Fehler bei S. 1471. 

Sterilisation und künstlicher Abort 141. 

— tubaro und artclicicller Abort 669. 

Sterilität, weibliche, Behandlung der S. 410. 

Sternaldefekt, Kind mit S. 1489. 

Sternsignalpistolenverletzungen 564. 

Sterolin, Hautdesinfektion mit S. bzw. Jod-Stero- 

lin 1821. 

Stethometer, Doppel-S. 1151. 

Stickstoff, Bestimmung des Retentions-S. iraßlut 
nach Avon und Kjeldahl 800. 

— Analyse sehr kleiner S.-Mengen in organi¬ 
schem Material 1555. 

Stiekstoffoxvdul, Wirkung des S. bei hohem Druck 
119. 

Stickstoff-Stoffwechsel, Einfluss der Anaphylaxie 
auf den S. bei Kaninchen 1632. 

Stickstoffwechsel, Beeinflussung des S. im In¬ 
fektionsfieber durch abundante Kohlehydrat¬ 
zufuhr 122. 

Stigmata, gewerblich charakteristische 23S. 


Sprachlautc, Ausländische Physiologie der S. 912. 1 Stillen, Die Gründe des Nicht-S. 


147*2. 


Spritze, neue zur intravenösen Injektion von kon¬ 
zentriertem Neosalvarsan und anderen sehr 
reizenden Lösungen 1421. 


Speichel, Rhodangehalt des S. Syphilitischer 561. Sprue, Zur Kenntnis der S. 713. 

. Wirkungsbedingungen der S. , — Fall von S. durch Erdbeeren gebessert /58. 


Speicheldiastase, 

360, 424. 

Speicheldrüse, Verletzungen und chirurgische Er¬ 
krankungen der S. 24. 

Spcichelstcin, Diagnose der S. 895. 

— der Parotis 237. 

Speiseröhre s. Oesophagus, 

Spermareaktion 269. 

Spcrmatozoen, Wärmelähmung und Wärmestarre 
der menschlichen S. 75. 


Stillunfähigkeit, Ursachen ders. 1489. 
Sfillungsnot 761. _ 

Stimm- und Sprachstörungen bei infantiler 
Pseudobulbärparalyse 1711. 

Stimme, inspiratorische, habituelle 6*21. 


Skorbutsymptomc durch einseitige Ernährung j Stimmgabclstcthoskopmethodc 1579. 


mit llaferschleimsuppc bei S. 1088. 

— Zwei Fälle von S. 1284. 

Sputum, Chemie des S. 79, 1425. 

— Bedeutung der Eiweissreaktion im S. 333. 

— Klinische Bedeutung der quantitativen Eiweiss¬ 
bestimmung im S. bei Pneumonie und Lungen¬ 
tuberkulose 1083. 

— Eiweissgehalt im S. Tuberkulöser 1650. 

Untersuchung der S. in den Samenflecken \ — Bedeutung der intracellulären Lage der Tu- 
auf dunklen Geweben 1773. i berkelbacilLen im S. 1580. 


timmlippe, Zur Lehre und Behandlung der so¬ 
genannten Medianstellung der S. bei Keeur 
rensneuritis 1750. 

Stinknase s. Ozaena. 

Stirnhirn, Schussvcrletzung dess. 1849. 

Stirnhirnschüsse, Symptomatologie ders. L- • 

Stirnhöhlenentzündung, Mechanik der m 
craniellen und cerebralen Ivompbka k 
der S. 1049.* 

Stirnhöhlenostcom, Latentes St. 1710. 


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UNiVERSUY OF IOWA 







BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Stirnkopfschmerz s. Kopfschmerz. 

Stockgewehr 1825. 

Stoffe, auxoautoly tische, im Blutserum von Kranken 
und Schwangeren 121. 

Stoffwechsel, parenteraler 1900. 

Stoffwechsel- und Koehsalzfiebcr 1467. 
Stoffwechselkrankheiten, Ernährung und S. 1873. 
Stoffwechsel versuche nach ausgedehnter Dünn¬ 
darmresektion 864. 

Stottern, Wesen des S. 379. 

— klonisches 1394. 

Strabismus convergens mit markhaltigen Nerven¬ 
fasern 1140. 

Strafgesetzbuch, Gestaltung des Entwurfs zu 
einem künftigen S. 233. 

Strafgesetzgebung 944. 

Strahlen, ultraviolette, Wirkung der S. auf das 
Auge 272. 

-Metabiotische Wirkung der S. 895. 

Strahlenbehandlung 620, 1297. 

— der Tumoren innerer Organe 1003, 1004. 

— Veränderungen der Gewebe und Geschwülste 
nach S. 1064. j 

— bösartiger Geschwülste 1144. 

— der Carcinome 330, 1599. 

— Operation oder S. 1599. 

— derzeitiger Stand der S. 142. 

— und die Grundlagen ihrer medizinischen An¬ 
wendung 1846. 

— bei Chorionepitheliom 1599. 

— in der Gynäkologie 220, 318. 

Strahlentiefentherapie 1042. i 

Strahlenwirkung, biologische, Experimentei lellnter- 

suchungen an Trypanosomen über die S. 252. 

— Theorie der S., insbesondere über Latenzzeit 

841. I 

— Histologie der S. auf Tumoren 1602. ■ 

Strahlungen, Wirkung verschiedener S. auf die 1 

Augenlinse 1750. , 

Strassenstaub und Krankheiten 563. I 

Streptokokkenimmunität 319. 

Streptothrix, aus Lumbalpunktat gezüchtet 1179. 
Streptothrixart, Aus Lumbalpunktat gezüchtete S. 
806. 

Streptothrixinfektionen 811. 

— als Ursache der Banti'schen Krankheit 121. 
Striae distensae am Rücken nach Sepsis 335. 
Stridor, Semiotik des S. bei Kinderkrankheiten 

1130. 

Strom, elektrischer, Tod durch S. von geringer 
Spannung 1233. 

Strophanthin, Wirkung des S. auf den Sauerstoff¬ 
verbrauch des Froschherzens 119. 
Strophanthinanwendung, intravenöse 625, 666. 
Strophanthusfrage 1423. 

Struma, endemische 318. 

— Erblichkeit der S. 951. 

— Erforschung der S. 1297. 

— und Hyperthyreoidismus im Gefolge von Dila¬ 
tation und Aneurysmen der Aorta 322. 

— Thymektomie bei S. und Basedow 818. 

— epidemica, Herzstörungen bei S. 758. 

— operata mit Kalkcinlagerungcn 1094. 

— substernalis, Symptomatologie der S. 940. 
Strumacysten, Störungen und Gefahren durch S. - 

818. 

Strumaepidemie in einem städtischen Waisenhaus _ 
234. 

Strumakommission, Ergebnisse der Umfrage der — 
Breslauer S.-Kommission 666. _ 

— Ergebnisse der Umfrage der S. 878. 
Strumametastasen des Schädeldachs, der Magen- _ 

gegend 1394. 

Strumaoperationen, 1400 S. der Krankenanstalt — 

Aarau 760. _ 

Strumaproblem 759. 

Strumitis chronica 767. 

— posttyphöse 1916. _ 

Strychnin, Resorption und Ausscheidung von S. — 

nach parenteraler Einverleibung der Strychnin- j — 
base beim Meerschweinchen 1525. j — 

Studienreise, röntgenologische,nachWicn 191 3321. ! — 
Stuhl, Vorrichtung zum Auffangen und Trans- I — 
portieren von S. für klinische Untersuchungen | — 
(Faecotenor) 1609. I 

Stuhluntersuchung, Klinische S. 1463. ; — 

Subconjunctivale Injektionen, Wirkung von An- j 
aestheticis bei S. 1530. — 


Subpatellardclle 31. 

Substanzen, vasokonstriktorische, Natur und Ver- 
i breitung der S. im Körper 26. 

— unbekannte, im Blutserum des Menschen und 
einiger Tiere 707. 

— Beobachtungen über vasokonstringicrende und 
-dilatierende S. 1277. 

Suggestivkraft, schädliche, von kinematographi- 
schen Vorführungen 1132. 

Suicidversuch mittels Digalen 755. 

Sulfoform in der Dermatologie 120. 

Anatomisch-pathologische Veränderungen in 
der gesunden Haut bei S.-Behandlung 1708. 
Sulfoformbehandlung der Seborrhoea capitis 1600. 
Sulima 408. 

Suspension, Ist das Poiseuille'sche Gesetz für 
! ^ S. gültig? 219. 

[ Supcrsccretio nicotinica 120. 

Symbiose, fusospirilläre, Bedeutung der S. bei I 
! anderen Erkrankungen 221. 

, Sympathicus und Ovarium 1143. 
Sympathicusaffcktion infolge Aortenaneurysma 954. I 
Sympathische Reizübertragung 1948. 
Symphysenruptur mit Vereiterung 663. ! 

* Symphysiotomie, subcutane 950. ; 

. Symptomenkomplex, venöser, Behandlung des S. 
nach Rindfleisch-Friede] und deren Erfolge 
760. * [ 

Syndaktylicstammbäume, Das Mendel’sche Ver¬ 
erbungsgesetz beim Menschen an Hand zweier I 
S. 894. I 

Syndrom, hämorrhagisches, bei verschiedenen I 
Krankheiten 1425. 

Syphilis, Ist die S. amerikanischen Ursprungs? 
184. 

— Einige Grundfragen bei der Behandlung der 
S. 538. 

— Gibt es eine paterne Vererbung der S.? 1232. 

— Atlas der experimentellen Kaniuehen-S. 1523. 

— Fieber als einziges Symptom latenter S. 28. 

— Das e%;te Erscheinen der S. in Polen 1047. 

— Sero- und Liquordiagnostik bei S. 1901. |. 

— frische, Moderne Behandlung der S. 542. 

— Behandlung der S. mit Contraluesin 842. 

— Behandlung der parenchymatösen S. durch 
intracranielle Behandlung 1224. 

— Behandlung der S. mit Hg -f- As -f- Ca 1331. 

— Embarin bei S. 1901. 

— Abortivkur, Spirochätenrcstc und kombinierte _ 
Behandlung der S. 1901. 

— Ungewöhnlich lange Latenz der S. und Pro¬ 
gnose der Erkrankung 561. 

— Gesichtszerstörung infolge früh erworbener S. 

141. , _ 

— Beziehungen der allgemeinen nervösen Sym- ! _ 

ptome im Frühstadium der S. zu den Be- I 
funden des Lumbalpunktates 1331. 1 _ 

— Ueber Skotom bi 1 düngen und die Bedeutung _ 
der Lumbalpunktion bei syphilisehen Erkran- I 
kungen des Opticus 1921. 

— Fixationsreaktion mit syphilitischem Antigen 

bei S., Pian(-Yaws), Trypanosomiasis und _ 
phagedänischem Ulcus im französischem Kongo j 
29. | _ 

— Wichtigkeit der meningealen Reaktionen bei _ 

Behandlung der S. 479. j _ 

— Entstehen der Rcaktionsproduktc bei der Sero- ! 

diagnostik auf S. 527, 867. I 

— Gerinnungsreaktion bei S. 1099, 1599. I _ 

— Eine unspezifische Abbaureaktion im Serum ! _ 

bei S. 1232. j _ 

— Die Cutisreaktionen bei S., besonders die 

Pallidinreaktion 1529. j 

_ Immuriotherapeutischc Versuche hei S. 1599. | _ 

— Wirkung hochdosiertcr intravenöser Sublimat- 

und Hvdrargyrum oxyeyanatum-Injektionen ' — 
auf S. 613. ’ 

— und myeloidc Leukämie 1044. 

— und Trypanosomiasis 1047. _ 

— und Sarkoide 1429. _ 

— Rhodangehalt des Speichels bei S. 561. 

— und Hygiene 415. — 

— bei Homosexuellen 1391. 

— Untersuchungen über den Liquor cerebro- — 

spinalis bei sekundärer S. 1748. — 

— Chemotherapeutische Versuche mit Quecksilber 

bei experimenteller Kaninehen-S. 408. — 

— Uebertragung der S. auf Kaninchen 625. 


Syphilis, Experimentelle Kaninehen-S. 1225. 

der Kaninchen, Befunde am Nervensystem 
1148. 

Ist konstitutionelle S. vom Ohr aus zu dia- 
| gnostizieren ? 28. 
j — acquisita und inneres Ohr 1047. 

— Frische Infektion neben Gummata in Lungen 
etc. 576. 

I — Kontraluesin bei S. 27. 

I ~ ?491 V ° n terkiärer S ' mit £ rosser Milzschwellung 

I lall von S. mit Banti schcm Symptomen- 
I komplex 1566. 

— Fall von Typhus mit gleichzeitiger S. 1604. 

— cerebrospinalis (sog. Tabes mit Hemiplegie) 

— congenita und Serodiagnostik 270. 

Hypophysis-und Nebenniercnvcränderuntrcn 
bei S. 670. 

- Zweckmässige Kombination von Queck¬ 
silber und Salvarsan zur wirksamen Behand¬ 
lung der S. 1232. 

— — tarda 854. 

— congenitale 20 Jahre nach Infektion der 
Mutter 802. 

_ — Wirkung des Salvarsans auf die k. G. des 
Fötus bei Behandlung der Mutter 1632. 

_ congenita, Blutbildungszellen in der Leber 
bei S. 1899. 

— congenitalis 666. 

— — Gitterfasern der Leber bei S. 1424. 

— cireinaris 854. 

— hereditaria, 100 Injektionen in die Jugular- 
und Kopfvenen bei Säuglingen mit S. 413. 

— — Verhalten des Liquor cerebrospinalis bei 
S. 843. 

— — und Aortenveränderungen 941. 

_ hereditäre 625. 

_ — scrofuloide Adenopathien bei S. 1529. 

_ meningocerebrale, Grundlagen und Therapie 
der S. 428, 624. 

_ familiäre 622, 802. 

_ — und Keratitis parenchymatosa 425. 

_ sekundäre, und Magen Veränderungen 1281. 

— und Magenerkrankungen 1532. 

_ Psoriasisähnliche S. 1388. 

_ tertiäre, Pallidinreaktion bei S. 576. 

_ — Superinfektion bei S. 625. 

_ — Anorectale und vulväre 8. 1232. 

_ Papillitis nervi optici bei der S. des Säug¬ 
lings 28. 

_ Kind mit hereditärer S. und Pleiocytose der 
Cereb rospi n al 11 iissi gk ei t 1489. 

_ Abortivbehandlung der S. 1529, 1749. 

_ der Nerven, Intradurale Injektion von Neo- 
salvarsan bei S. 429. 

_ des Nervensystems 719. 

--Behandlung der S. mit intraduralen 

Injektionen 755. 

_ des Centralnervensystems, Behandlung der S. 
nach Swift und Kllis 797. 

--Bedeutung der Goldsolreaktion der 

Spinalflüssigkeit zur Erkennung der S. 1044. 

— — Salvarsanisiertcs Serum hei S. 1224. 

— — — experimentelle, beim Kaninchen 1081. 

— des Gehirns, Jackson’scho Anfälle, Ataxie des 
rechten Armes, Trepanation, Entleerung von 
Cysten 766. 

— Nervensymptome bei frischer S. 1232. 

— chirurgische, Salvarsantherapie bei S. 1376. 

— Praktische Bedeutung der quantitativen 
Wassermann’schen Reaktion für die Behand¬ 
lung der S. 166. 

— Wassermann’sche Reaktion bei einer durch 
gangränösen Schanker eingeleiteten S. 846. 
Arsentherapie bei S. mittels Galyl 755. 
Behandlung der S. mit Salvarsan und Neo- 
salvarsan 381, 495. 

Reine Salvarsantherapie der S. 533. 
Wirkungsweise von Salvarsan und Quecksilber 
bei S. 561. 

3 Jahre Salvarsan bei S. des Ccntralnerven- 
systems und bei Tabes 561. 

Salvarsan-Kupfcr bei S. 667. 

Heilung der S. durch die kombinierte Sal- 
varsan-Quecksilberbehandlung 893. 

Mit Salvarsan behandelte Fälle von S. bei 
Tuberkulösen 1001, 1002. 

10* 


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UNIVERSUM OF IOWA 



2028 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Syphilis, Wert des Salvarsans bei der Abortiv¬ 
behandlung der S. 1187. 

— Heilung der S. durch kombinierte) Salvarsan- 
Quceksilbcrbehandlung 1541. 

Syphilisbehandlung, Fortschritte der S. 491, 565, 
581, 615. 

— Prinzipien der S. 1799. 

— prophylaktische, und Gcsundheitskontrollc 
1187. 

— Abortivheilungen und Xeurorecidivc bei der 
modernen S. 11dl. 

— mit Arsalyt 576. 

— 40 proz. Calomelemulsion nach Zieler *zur S 
1429. 

— mit Chininderivaten 1372. 

— mit Fmbarin 898, 1554. 

— mit Salvarsan und Neosalvarsan 861. 

— und Wassermann 1429. 

— Verlauf der mit Quecksilber früh behandelten 
S. 77. 

Syphiliseontagium, Die parenchymatös-toxischen 
Wirkungen des S. bei visceraler Früh,Syphilis 
und Taboparaiyse 1935. 

Syphilisforschung, historische 672. 
Syphilisinfektion, extragenitalc 1322. 
Syphiiis-Paralysefrage, Heutiger Stand der S. 559. 
Syphilispathologie, Bemerkungen zur S. und zur 
Heilwirkung des Salvarsans 433. 
Syphilisrcaktion mit Lymphclnisenoxtrakt. 186. 

— Praktische Verwendbarkeit der S. nach Her- 
man-Pcrutz und der PopolFselicn Serodia¬ 
gnose 613. 

Syphilisspirochäte s. a. Spirochaete paliida. 

— Priinüraffekt. und Keratitis parenchymatosa 
beim Menschen durch Reinkulturen von S. 

1770. 

Svphilissera. Gerinnungshemmungen durch S. 

1771. 

Syphilitiker, Klinisches Erkennen der sogenannten 
latenten S. 80. 

— Wieviele S. lassen sich genügend behandeln? 
322. 

— Warum werden S. nervenkrank? 1045. 

— Ergebnisse der Verimpfung von Blut und 
anderer Körperfliissigkcit von S. auf den 
Kaninebenhoden 798. 

— Elektroeardiographie bei S. 222. 

— Cutanreaktionen mit Organextrakten bei S. 
1748. 

Syphilitikerfamilien. Serologische und klinische 
Untersuchungen 1771. 

Syphilitische Sera, Hämolytische und hiimolysc- 
hennncnrle Funktion ders. 1934. 

Svringorn, Fall von eigenartig lokalisiertem S. 
1529. 

Syringomyelie 1151. 

— saero-lumbaie mit nicht kompletter Akro¬ 
megalie 626. 

— Cheiromegalie und Tabes 858. 

— Kombination von luetischer Affektion und S. 
859. 

— Verbiegung der Wirbelsäule bei S. im kind¬ 
lichen Alter SOI. 

System, thyreo-parathyreo-thymischcs, und Dia- 
Ivsierverfahren 318. 


T. 

Tabakvergiftung, chronische 942. 

Tabes dorsalis. Angebliche Beziehungen der T. 
mit einer Handverletzung 1773. 

— — Fehlen des Augen-llerzreflexes bei T. 479. 

— — Gleichzeitiges Auftreten von Basedow und 
T. 1469. 

— — Fieber bei T. 31. 

— — Histogencsc des T. 1526. 

— — Histopathologie ders. 1848. 

— — Begutachtung ders. in der Invalidenversi¬ 
cherung 1689. 

— — mit Muskelatrophie 1618. 

— — Pathogenese 1848. 

— — Serotherapeuiisehcr Versuch bei T. und 
Paralyse 1081. 

— — Superinfektion bei ders. 1849, 

— — Neues Symptom bei T. 1082. 

— — Konstitutionell-individualisierende Thera¬ 
pie 1184. 


Tabes dorsalis, Beurteilung des Zusammenhangs 
zwischen Trauma und T. 1750. 

— — Die wassermannfeste T. 1848. 

Taenia saginata beim Säugling 1599. 

Tagesfragen 143. 

Talgdrüsen, freie, der Mundhöhle 997. 
Talmaoperation und C-ardiolyse 711. 

Talusluxation, isolierte 472, 767, 

— Operative Behandlung ders. 1556. 

Tamponade in Geburtshilfe und Gynäkologie 323. 
Tampospuman, Pharmakoteehnischcs zu T. 1577. 
Tannismut, Behandlung der tuberkulösen Diar¬ 
rhöen mit T. 1650. 

Tanzmaus, Funktionelle und hirnanatomische Be¬ 
funde bei der japanischen T. 1846. 

Tastsonde für die Röntgenuntersuchung desMagens 
1471. 

Tätowierung, Entfernung von T. 28. 

Taubheit, angeborene, Aplasie des GaDglion spi¬ 
rale und des Nervus cochlearis als Ursache 
von T. 126. 

Taubstumme, Atmungsuntersuchungen an T. 661. 

— Statistik 1247. 

Taupunkt, Rechenschieber zur Bestimmung des 
T. 762. 

Technik, Therapeutische T. für die ärztliche 
Praxis 1649. 

Telecardiographie, Praktische Vorzüge 912, 958. 
Tcllurreaktion mit der Coli - Typhusgruppe und 
anderen Organismen 1919. 

Temperatur, Kenntnis der T. herabsetzenden Sub¬ 
stanzen 647. 

Temperaturmessung, Notwendigkeit einer einheit¬ 
lichen T. 1599. 

— und Normaltemperatur 1099. 

— an Leichenorganen 1582. 
Temperatursteigerungen, prämenstruelle 365. 
Tenorstimmc bei einem Mädchen 625. 

Teratom des vorderen Mediastinum 1128. 

— bei Neugeborenen 1535. 

Terminologie, Roth's klinische T. 1552. 

Terpene, Ilämolytische Wirkung von T. 556. 
Terpentininjektion, Heilwert ders. bei Kindern 80. 
Terpentinöl,. Das T. in der Prophylaxe und Be¬ 
handlung puerperaler und gynäkologischer 
Infektionen 1557. 

Testijody], eine neue Jodei Weissverbindung 267, 
1847. 

Tetanie und Altcrsstar 803. 

— chronische, nach Exstirpation von Glandulae 
parathyrcoidcac 1043. 

— postoperative, Behandlung ders. 1528. 

-Geheilter Fall von 1G53. 

— strumipriva 662. 

Tetanieäquivalcntc 1653. 

Tetaniekatarakt 1339. 1 

Tetanus 1949. 

— Anaphylaxiegefahr bei der Serumbchandlung ' 

des T. 1876. j 

— Behandlung mit Antitetanusserum 479. | 

— Behandlung mit Magnesiumsulfat 1949. | 

— Heilung einer schweren T. mit Antitotanus¬ 
serum 430. 

— Indikationen für die serumtherapeutische T.~ 
Bekämpfung 1773. 

— Intoxikation nach T.-Heilserum 1956. 

— Chloroformnarkose neben Serumtherapie bei 
T. 860. 

— Behandlung dess. 1721, 1784,1822,1901, 1966. 

— Neuere Behandlungsmethoden des T. 720. 

— Geheilter Fall von T. 948, 1966. 

— Genese und Behandlung 1902. 

I — Behandlung mit Magnesium sulfuricum 15, 
i 109, 706, 843, 1467, 1632. 

' — Behandlung des T. mit besonderer Beriick- 
' sichtigung der Magnesiumsulfat-Therapic 1717. 
i — Durch Magnesiumsulfat geheilt 1563. 

| — nach Schussvcrlctzung erfolgreich mit Magnc- 
' siumsulfat behandelt 1850. 

i — MagnesiumsulfatbehamHung des T. im Tier- 
I experiment 148. 

! — infolge Fingerverlctzung 91. 

| — Pathogenese und Therapie des T. 166. 

I — Todesfälle durch den zur Skoliosebehandlung 

1 verwendeten Filz 1565. 

— neonatorum, Therapie des T. 1436. 

, Tetanusdemonstration, Diskussion zur T. 1964. 
j Tetanusfrage 1883. 


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Thalamus opticus, Funktion dess. 1771. 

-Schussverletzung des T. 1329. 

-Schussverletzung des T. nebst Bemer¬ 
kungen über Tractusheraianopsie 1286. 
Theorien, biologische, Geschichte der T. in der 
Neuzeit 645. 

Therapie an den Bonner Universitätskliniken 607. 

— Lexikon der gesamten T. 1670. 

— Pädagogische T. für praktische Aerzte 1745. 

— des praktischen Arztes 1370. 

Thermophor, transportabler 1049. 

Thigan, äusserliches Antigonorrhoicum 1554. 
Thiocoltherapie 1798. 

Thomsen’sche Krankheit, Die Schliessungszuckung 
bei T. 31. b 

Thorakoplastik, extrapleurale, Aenderung der 
serologischen Reaktion des Blutes nach T 
1086. 

Thorax, Apparat zur Operation am geöffneten T. 
1229. 

— Operation nach Freund beim starr diktierten 
T. 181. 

— Röntgendiagnostik eitriger Prozesse im T. 943. 

— Schussverletzungen des T. und Abdomen 1230. 

— Untersuchung des T. im ersten schrägen Durch¬ 
messer 912. 

— phthisicus und Operationen an der Lungen¬ 
spitze 31. 

Thoraxchirurgie 181. 

Thoraxdruck, Circulatorische Funktion des T. 94. 
Thoraxeingeweide, Situs ders. hei spitzwinkliger 
Kyphose 1677. 

Thoraxschema, neues, Planithorax 1425, 
Thoraxwandresektion 577. 

Thorium X bei pernieiöser Anämie 153. 

— Einwirkung der T.-Injektion auf die Agglu- 
tinine 209. 

— Wirkung experimenteller Einspritzungen von 
T. auf das Auge 1196. 

— bei Behandlung innerer Krankheiten 220,361. 
Thrombokinase, Chirurgische Bedeutung der T. 

190. 

Thrombophlebitis, Behandlungdcrfortschreitenden 
T. im Femoralisgebiet 1294. 

Thrombose, Weitere Beiträge zur T. 121. 

— infektiöse 1278. 

— Postoperative T. und Embolie 1103. 

— traumatische 79. 

— der Vena axillaris 1488. 

Thrombus, Bau der in Pulmonalarterien cmboli- 
sierten T. 1424. 

— gestielter, der Scheide 82. 

Thymektomie bei Basedow und Struma 818. 

— wegen Tracheostcnosis thymica 1130. 
Thymus und Adrenalsystem 363. 

— Wirkung des T. im Organismus 363. 

— und Morbus Basedow 819, 1310, 1365. 

— Ovarien und Blutbild 75. 

— und Rachitis 1308. 

Thymusdrüse, Diffcrentialdiagnose zwischen Me¬ 
diastinaltumor und T. 912. 

— Experimentelles und Klinisches über die T. 
1059, 1947. 

— bei Morbus Basedow 845. 

— und Rachitis 267. 

j — Pathologie und Klinik der T. 123. 
Thymusextraktwirkung, Analyse der T. 651,1084. 
Thymusliypertrophie und Röntgenbehandlung 
1229.* 

— Tod durch T. 1043. 

Thymusreduktion und ihre Erfolge 366. 
Thymusstudien 363. 

Thyreoidea, Akute nicht eitrige Entzündung der 
T. 430. 

— und Antitoxin 121. 

— und Arthritis deformans 626. 

— Carcinom der T. mit cxcessiv spezifischer 
j Drüsenfunktion 122. 

— der Frau und ihr Einfluss auf Menstruation 
! und Schwangerschaft 272. 

I — und Genitale 846. 

I — und Geschlechtsdrüsen 1106. 

I — Die Innervation der T. 705. 

— und lymphatischer Rachenring 1100. 

—■ Pathologische Veränderungen der T. bei 
Krankheiten 648. 

— bei Phthisikern 1279. 

— Tuberkulose der T. 168, 710. 


Original from 

UNIVERSUM OF IOWA 





Thyreoidea, Menstruelle VorgrÖsscrung 1376 
“ IS*“* der Extrakte der T. des Schafes und 
der pathologischen T. des Menschen 146!) 
Thyreoid eaimplantation 864. 
Thyxeoideainsufficienz, Beziehungen der T zu 
den nervösen Beschwerden und der spasti¬ 
schen Obstipation der Frauen 459. 
Thyreoideatransplantation, Dauerresultate der T 
beim Menschen 817. 

Thyreoiditis chronica 1330. 

Thyreose, Tuberkulöse Aetiologio der T. 941 . 
Tibia, Deckung grösserer T.-Defekte 1600 ■ 

— Sarkom der T. 334. 

—• Traumatische Epiphysenlösung der T 767 
Tic convulsif, Erfolgreiche Behandlung durch 
Chlorcalcium 189S. 6 

Tiefenbestrahlung, Neue Methode der T 907 
— Zur Technik der T. 308. 

Tiefenmessung, Röntgenologische T. besonders bei 
Fremdkörpern 1825. 

Tiefonschätzungsvermögen bei Anisometropen 563 
— Grenzwerte des T. 272. 

— Prüfung des T. 1132. 

— Untersuchungen dess. 1612. 

Tie r e ich h ter ra 906, ^Pannungsgicich- 

— Technische Fortschritte der T. 712. 

— mit Röntgenapparaten 845. 

Tiere, üeber die Vorstellungen der T. 1770 

— denkende 335, 999, 1074, 1819. 

fossile, Pathologische und verwandte Er¬ 
scheinungen bei T. 1291. 

— keimfreies, Bedeutung der Züchtung von T. 
1436. 

— Praktische Erfahrungen mit dem Verstand der [ 

T. 1434. i 

Tierleben,. Brehm’s T. 1706. | - 

Tinctura Digitalis, Einfluss der Magen- und Pan- I 
kreasfermente auf die Wirksamkeit der T. 1277. 
Tintenstifte, Verletzungen mit 1947. 

Tod, elektrischer 368. 

plötzlicher, nach Lokalanästhesie mit Alypin - 
bei einseitiger Nebennierentuberkulose 121 

— Ursache des T. 459. 

Tollwut, Vaccination gegen die experimentelle T. 
durch das Sekret von Batrachiern und das 1 
Gift einer Vipernart 1612. 

Toluylendiamin, Einfluss kleiner Gaben von T 1 
auf das Blut 1554. ‘ _ 

Ton, weisser, als Wundpulver 1088. 
Tonpsychologie, Grundlegung der T. 265. 

Tonsille, Bedeutung der T. für die Allgemein¬ 
infektion 335. 

Einige Enttäuschungen nach Entfernung der 
T. und adenoiden Vegetationen 83. q 

— Physiologische Bedeutung der T. 1049. 

Plastische Variation bei der extracapsulären T 
Totalexstirpation der T. 1187. T 

— Totalexstirpation der T. 1339. T 

Tonsillarabscess, Komplikation eines T. 1241. T 
Tonsillarcareinom, metastatisches 1049. 
Tonsillenentfernung 284, 993. T 

Torsionsspasmus, Differentialdiagnose der Hysterie T 

und des progressiven T. 1689. T 

— progressiver 226. q 

Torticollis, kongenitaler 1097. T 

— spasticus, Operativ behandelte Fälle von T. 765. - 
Toxine, bakterielle, Entgiftung von T. durch Ad- I T: 

renalin 269. 

— Wirkung von Alkali auf die Antitoxinverbin- Ti 
düngen der T. 648. 

Trachea^ Altersveränderungen in den Knorpel¬ 
ringen der T. 1373. Ti 

— Ausgüsse der T. 377. Tr 

— Entfernung einer Nadel aus der T. 1378. 
Partielle Resektion der T. wegen Sarkom 859. Tr 

Tracheaearcinom 1394. j Ti 

Trachcaldefekt, Deckung vonT. mit autoplastischer I 
freier Fascientransplantation 31. Tr 

geheilter 332. ' 

Tracheotomie, Gewöhnliche Ursache später Todes-; Tr 
fälle nach T. wegen Diphtherie 1527. — 

~ quere 940. Tr 

Tracheo-Bronchoskopie, Lehrbuch 1576. 

Trachom, Behandlung des T. 33. Tr 

Amyloid der Bindehaut bei T. 1903. Tr 

— Aussergewöhnliche Neigung zur Schrumpfung j Tr 
der Bindehaut und zur Pannusbildung 1733. | 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 


Tra ,m 0ra ’ Einschlussblennorrhoe und T. 1331. 

Therapie des T. mit ultraviolettem Licht 78 
| — und Gonorrhöe 1232. 

I — verum corneae 993. 

Baucrnwagen und Sani - 
Tl<i °®"^ rüse ’ Bindesubstanzgeschwülste der T. 

I 1 loi <. 

— Lokales Amyloid in ders. 1922. 

Tranenflüssigkeit, Absorption des ultravioletten 
i Lichtes durch T. 33. 


Tn des k T na 2^3° derneBehaDdlUDgderVcreilgorung 
Tränensack, Behandlung und Operation der Er- 

eh krankungen des T. 722. 

— Aussergewöhnlich grosse Ektasie des T 371 

— lntranasale Eröffnung des T. (Rhino-Dakrvo- 
cystostomie) 1049, 1633. 

ei — Nasale Eröffnung des T. 83. 

— Pathologie des T. und des Ductus lacrimalis 
3. im Rontgenbild 1284. 

Tränensackdurchstechung, percanatikuläre, als 
Einleitung zur intranasalen Tränensackeröff¬ 
nung 1049. 

i- Tränensackexstirpation, LokalanästhesicbeiT. 562. 

— von der Nase aus 576. 

Tränenwege, Intranasale Chirurgie bei Erkran¬ 
kungen der T. 715, 829. 

Transformatoren im Röntgenbetrieb 845. 
Transfusion im Gebiete der Capillaren 891. 

— am Menschen mit serumhaltigem und serum- i 

freiem Blut 1374. I 

’■ I Transplantation von Gelenken 1468. j 

|— bei Nervendefekten, Neue Methode 1821. ! 

F I ~ 124 1 ThierSCh ’ Scbutz der T ' niit Kork Papicr I 

Traubenzucker, Beeinflussung der Reaktions- 
1 gcschwindigkcit bei den Reduktionsprobcn des 
T. durch die Gegenwart von Metallen im Ilarn 25. 

— Verteilung des T. im Menschenblut und ihre 
Abhängigkeit von der Temperatur 892. 

1 T^939^ V ° n ^ u P^ CI ’bydroxyl-Ammooiak auf 

Tremor, Untersuchungen dess. mit dem Saitcn- 
galvanometer 1848. 

; Trendelenburg’sche Lage bei schweren Blutungen 
nach der Entbindung 651. 

Trepanationen 1296. 

— sclero-corneale, Erfahrungen mit der T. 1047. 
-Spätinfektion nach T. 1047. 

— dekompressive, Indikation der T. auf der ge¬ 
sunden Seite 187. 

primäre, zum Zweck der Extraktion von Ge¬ 
schossen aus dem Gehirn 612. 

Tricalcol, Erfahrungen mit dem colloidalen Tri- 
calciumphosphateiweiss T. 22. 

Tricalcolmilch beim kranken Säugling 1578. 
Trichinose, Neue Studien über Pathologie der T. 706. 1 
Trichobezoar 911. 

Trichocephalus dispar im Darmkanal des Monschen 1 
411. rj 

Trichophytie lichenoide 613, 1429. r \ 

Trichophyton gypseum astcroidcs 32. 
Tricuspidalatresie, angeborene 942. 
Tricuspidalklappe, Entwicklungsstörung der T. 363. - 

Trigeminus, Isolierte Lähmung des T. 1084. 

— Neuralgie dos III. Astes des T. 998. 
Trigeminusneuralgie, Alkoholinjektionsbehandlunf 

der T. 90, 464, 961. 0 _ 

Trikctohydrindenhydrat, Colorimetrischc Be- | 
Stimmungsmethode der mit T. reagierenden - 
Verbindungen 1425. 

Trikotschlauch-Mastisol-Extensions verbände 1821 . 

Trinken, Einfluss des T. auf die Verdauung fester - 
Substanzen 361. 

Trinker, Billige Behandlung der T. 797. 
Trinkwasser, Einfluss des T. auf Entstehung der 
Zahncaries bei Schulkindern 804. - 

Trinkwasserfiirsorgo in den Heeren der Ver¬ 
gangenheit 273. 

Trinkwassersterilisation im Felde 1750. - 

— mit Salzsäure-Brom-Bromkali 273. 

Tripperfäden,Verursachen sterileT. weissenFluss? — 

1747. 

Trochanterdeformitäten 990. 

Trockennährböden 1630. _ 

Trommelfell, Brüche des-knöchernen T.-Randes ! 
1465. 


Trommelfell, Respiratorische T. -Bewegung 422 
0 . j — Zitzenbildungen am T. 904. 

Tropenhygiene, Kinematographische Vorführungen 
I aus dem Gebiet der T. 185. 
li- j — Vorlesungen über T. 1223. 

Tropenkrankheiten, Behandlung bedrohlicher Zu- 
! stände bei T. 804, 1278. 

| — Handbuch der T. 317. 

, — Salvarsan bei T. 1088. 

*n Tropenpathologie 466. 

] — Fragen und Ziele der modernen T. 369, 416 
ig 466. ’ 

Trophödem 656. 

1 Tiuppenhygiene, Ein Hilfsmittel für sportliche 
Diätetik und T. 1643. 

I. Trypanose, Therapeutische Versuche bei T. mit 
>- Salvarsankupfer 223. 

Trypanosoma, Ein am Rovuma (Deutschostafrika) 
vorkommendes T. beim Menschen 713. 

3 ~ brucei, Angebliche Identität des T. und T. 
rhodesiense 757. 

s -Dimorphismus des T. 1373. 

- — Cruzi, Vermehrung und Infektiosität des T. 

in der Bettwanze 1044. 

• — rhodinense, Identität des T. mit den gleieh- 
aussehenden T. des Wildes 1279. 

- Trypanosomen und deren Uebcrtragung 668. 

— Experimentelle Untersuchungen an* T. über 
die biologische Strahlenwirkung 252. 

— Züchtung pathogener T. auf künstlichen Nähr- 
■| böden 1374. 

frypanosomeninfektion, Chemotherapeutische Ex- 
pcrimentalstudien bei T. 319, 408. 
Trypanosomenkrankheiten, tierische, in Deutsch- 
Ostafrika 297, 328. 

Trypanosomiasis, Heilungsversuch mit Salvarsan 
bei T. 1132. 

— Erste Symptome bei T. 1132. 

— und Syphilis 1047. 

— Behandlung der T. mit Trixidin 466. 

— Trypasafrol und Trixidin bei menschlicher T 
1088. 

Tryposafrol, Neues über T. und Novo-T. 101. 
Tryposafrol Wirkung 1154. 

Trypsin, Verhalten des T. zur Linse 993. 
Trypsinvergiftung 29. 

Tuba Eustachii, Behandlung der Affektionen der 
T. 220. 

mit kolossal grosser pharyngealer Oeffnung 

Tubargravidität, Herkunft der Blutung bei Ruptur 
der T. 847. 

Tube, Knochenbildung in der T. 466. 

— Heterotopie bzw. Divertikelbildung an der T. 
von Hühnern 78. 

— Lymphangiom der T. 1486. 

Tubenembryorn 949. 

Tubencarcinom 1243. 

— primäres, auf dem Boden alterTuberkulose 762. 
Tuberal 267. 

Tuber parietale, Schussverletzung dess. 1901. 
Tuberkelbacillus, Ansteckung mit T. 800. 

— atypischer 707. 

— boviner, Infektion der Kinder mit dem T. 318. 
-Beteiligung dess. bei phlyktänulären Er¬ 
krankungen der Augen 1582. 

Bedeutung des T. für die Tuberkulose des 
Kindes 368. 

— Differenzierung des Typus humanus und bo- 
vinus des T. 557. 

— im strömenden Blut 411, 416, 436, 707, 1374. 
im Blut, speziell bei chirurgischer Tuberkulose 
464, 991. 

— Ist der Nachweis von T. im Blute diagnostisch 
verwertbar? 649. 

— Verminderung der T. im strömenden Blut bei 
Tuberkulinbchandlung 28. 

— Bedeutung und Auftreten virulenter T. im 
Blute nach diagnostischer Tuberkulininjektion 
941. 

— Vorkommen virulenter T. im strömenden Blute 
bei Kindern 1579. 

— Vorkommen des T. im Herzblut bei chro¬ 
nischer lokalisierter und latenter Tuberkulose 
460. 

— Vorkommen virulenter T. im strömenden Blute 
beim tuberkulösen und tuberkuünisierten 
Kaninchen 1579. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Tubcrkelbacillus, Subkutane und intracutane Tuberkulose, Bacillämic bei T. 610. 


Tuberkulininjektion als Mittel zur Diagnose j — Bf 
des T. im Tierversuch 1044. I M 

— Infektions- und Verbreitungswege des T. im, - Ti 

menschlichen Körper 768, 952. de 

— und Kupfer 1372. j — Bi 

— Affinität und Giftigkeit von Kupfer- und 1 

Methylenblausalzen für den T. 647. — — 

— der Typus des T.-im Auswurf von Phthisischcn n; 

1225. — B 

— Präcipiticrcnde Wirkung des Blutserums mit — P 

Lipoiden des T. 319. j s' 

— Bedingungen der Phagocytosc von T. 1425. ' — E 

— Eigenartiges durch den Typus gallinaccus I 

hervorgcrufencs Krankheitsbild der Tuberkulose I — 1 

1529 . ; — C 

— Cytologisehes Bild der Intraeutanrcaktionen | — - 

mit den Doyckc-Much’schen Partialantigencn — c 
und dem Alttuberkulin 1589. ' — l 

— Entwicklung und Zahl im Sputum 1580. I — 1 

— Relativer Wert lebender und toter T. und ' i 
deren Endotoxine in Lösung bei aktiver | — 1 
Immunisierung gegen Tuberkulose 365. I ! 

— Bedeutung der intracellulären Lage der T. i — 

im Auswurf 1580. j 

Tuberkelbacillenreinfektion, experimentelle, der j 

Lunge 1395. 1 — 

Tuberkelknoten in die Aorta und Bifurkation der I — 

Trachea perforiert 1424. | 

Tuberkulide, experimentelle 953. : — 

— papulonckrotischcs 669. — 

— Pathogenese der T. 1231. | — 

Tuberkulin, Eisen-T. 1226. j 

— Cutane Impfung mit humanem und bovinem j — 

T. 1580. I 

— Verhalten des T. im tuberkulösen und nicht- | — 
tuberkulösen Organismus 941. 

— Wirkung des auf dem Lymphwege den Drüsen | — 

zugeführten T. 123. I — 

— Rosenbach 361, 611. I — 

— — Behandlung chirurgischer Tuberkulose mit j 

dems. 1577. ; — 

— — bei Lungentuberkulose 1468, 1577. j — 

— — bei interner Tuberkulose der Kinder 1900. 

Tubcrkulinbehandlung, percutanc 987. ' — 

— als wirksames Mittel, um die Sanatorien ent- | 

behrlich zu machen 986. , 

Tuberkulinfrage 365. j — 

Tuberkulinhautreaktion, Bedeutung der wieder- | - 
holten abgestuften T. für die Klinik der ! — 
Lungentuberkulose 168. | — 

Tuberkulininjektion, probatorischc, Verhalten der 
Leukocyten bei T. 1185. , - 

Tuberkulinprüfung, cutane, im Kindesalter 270, : 
Tuberkulinreaktion, Reaktionsfähigkeit tuber- - 
kulöser Ilautstellen auf T. 1329. 

— lokale, Diagnostischer und prognostischer Wert i - 

der T. 282. ' - 

— — Wert der Wiederholung der T. beim Er- - 

wachsenen 798. I - 

— — Diagnostischer und prognostischer Wert - 

der Wiederholung von T. 650. 1 

— Verdient die cutane oder intracutane T. den | - 
Vorzug beim Tuberkulosenachweis durch den . 
Meerschweinchen versuch V 988. 

— pcrcutane 364. 

— Untersuchungen 1580. 

Tubcrkulinsalbeneinreibung, Die nach T. auf¬ 
tretenden Hautverändcrungen und der Lichen 
serophulosorum 1231. 

— therapeutische 1226. 

Tuberkulinüberempfindlichkcit, Ucbertragung der 
T. 269. 

Tuberkulomucin 1226. 

— Behandlung chirurgischer Tuberkulose mitT. 
1526. 

— Schwere Phthisen unter T. 1526. 

— Sensibilisierung für die Pirquet'schc Reaktion 
durch Injektion von T. 1148. j 

— Tierversuche mit T. S25. 

— Wirksamkeit des T. in der Anstaltsbehand¬ 
lung 647. 

Tuberkulose, Das Abderhalden'sehe Dialysier- 
verfahren bei T. 1225. 

— Abderhalden 1 sehe Reaktion bei t'arcinom und 
T. 648. 

- Aetiologie und spezifische Therapie dcrT. 1706. 
— Bedeutung der Albuminurie bei T. 1426. 


Behandlung der T. mit dem Friedmann'sehen 
Mittel 800', 1128, 1599. 

Tuberkulin ltosenbach bei der Behandlung 
der internen T. der Kinder 1046, 

Behandlung der T. mit Tuberkulin Rosenbach 
1184. 


Tuberkulose, Ucbcrgreifen der T. der Bronchial¬ 
drüsen auf die Lunge 1336. 

— Ucbertragung der T. durch Schütteln in- 
j fixierter Wäsche 368. 

— Verhandlungen der zweiten Tagung des öster- 

reiehischcn Zentralkomitees zur BekämDfumr 
der T. 118. P k 


— der T. mit Schildkrüten-Tuberkclbacillen I — Verteilung der offenen und geschlossenen 
nach Piorkowski 1327. j Formen der T. in München 415. 

Bekämpfung der T. 1344, 1473. ] — Wohnungsdesinfektion bei T. 762. 

Planmässige Bekämpfung der T. in einer — und Alkoholismus 1425. 
stark verseuchten Landgemeinde 652. I — des Auges 427. 


• T. 1344, 1473. | — Wohnungsdesinfektion bei T. 762. 

ükämpfung der T. in einer — und Alkoholismus 1425. 

;n Landgemeinde 652. I — des Auges 427. 

tuberkulöse als Schutz- und — — — Tubcrkulinbehandlung der T. 614. 

I 1 . 1100. — Bekämpfung, Bedeutung der Reichsversickc- 

1082. rungsordnung und Angcstelltenversicherunc 

der T. 608. für die T. 415. 

izitat des Kupfers 408. — — Fortschritte der T. in Preussen 1909 bis 

iehandlung mit Enzytol 1554. 1911 1770. 

bei T. 1340. ! —■ — Skrofulöse- und T. 33. 

)iagnosc T. im Kindesalter ge- I — — Vereinfachung dor spezifischen Therapie 
227. i für die T. 1580. 

derter Nasenatmung auf das — Diagnostik, Wert der quantitativen T. 1426. 
en der Inhalations-T. 1809. — und Epilepsie 1131. 

ngerschaft und des Wochen- — und Erythema nodosum 649. 

3 Sterblichkeit der weibliehen — Forschungsreise nach Jerusalem 42. 
n T. 414. — Fortbildungskurs des allgemeinen Kranken- 

is Mallebrcin bei T. 28. hauses llamburg-Eppcndorf 1611. 

I Miliarerkrankung 348. — fungosa cutis 802. 

ndlung 1245. — Eiirsorgeverfahren der Landesvcrsichcrungs- 

1426. anstalt. Berlin 408. 

nodosum 1045. — des männlichen Gcnitalsystems 1391. 

des Blutes im Kindcsalter be- — und Goldcantharidin 647, 1577. 

. 1130. — Die granuläre Form des T.-Virus 1632. 

putunizellen, besonders bei T. — der Haut, Behandlung der T. und der Tuber- 


— Blindsehleichentubcrkulosc als Schutz- und , — - 

Heilmittel bei T. 1100. — B 

— Blutbild bei T. 1082. n 

— Chemotherapie der T. 608. fi 

— — — Die Toxizität des Kupfers 408. — - 

— chirurgische, Behandlung mit Enzytol 1554. 1 

— Cutanimpfung bei T. 1340. ! — - 

— Wann ist die Diagnose T. im Kindcsalter ge- l — - 

rechtfertigt? 1227. i f 

— Einfluss behinderter Nasenatmung auf das — 1 

Zustandekommen der Inhalations-T. 1809. — l 

— — der Schwangerschaft und des Wochen- — i 

bettes auf die Sterblichkeit der weibliehen — ' 
Bevölkerung an T. 414. — 

— Anwendung des Mallebrcin bei T. 28. 

— Bac-illämie und Miliarerkrankung 348. — 

| — und ihre Behandlung 1245. — 

j — Serodiagnostik 1426. 

— und Erythema nodosum 1045. — 

| — Eiweissgehalt des Blutes im Kindcsalter be- — 
j sonders bei T. 1130. — 

I — Eosinophile Sputumzellen, besonders bei T. — 

I 1225. 

| — Experimentelle Untersuchungen über Tuber- — 
kulin und T. 34. — 

I — der Fasele des Bicepsmuskcls 1470. 

— Fixationsrcaktion bei T. 757. — 

l — des weiblichen Genitalapparates im Kindes- — 

, ] alter 1875. 

; — des männlichen Gcnitalsystems 1338. — 

i — Gesamtir.ortalität an T. in Preussen im Jahre 

. 1 1913 675. I 

' — Konsultation zwischen Gynäkologen und In- — 

- | ternisten bei Schwangeren mit T. und llerz- j — 

; fehler 669. | - 

j — Hämorrhagische Diathese bei T. 1226. j — 

- | — Handbuch 1597. — 

r — Zur Heilung der T. 843. — 

| — Heliotherapie der T., besonders der chirur- — 
r gischen Formen 754, 813. | 

, — durch Tuberkelbacillen erzeugte Immunität : - 
). j gegen T. 609. - 

r- — Intravenöse Behandlung der T. mit Gold- I - 
Cantharidin 1094. 1 - 

rt j— Icterus bei T. 1129. j- 

' — Kicselsäurestoffwcchsel bei Krebs und T. 797, 
r- 1 — Die Klinik der T. 1223. 

I — Komplemcntfixation bei T. 121, 412. i - 

rt — cbirurgische, Versuche mit Kupferlezithin- - 
I präparaten an Kindern mit T. 1119. 
en I — Lebcrcirrhose und T. 1632. 
en — Verhältnis der Lymphogranulomatose zur T. - 
1468. 

— Spontane Meerschweinchen-T. 1224. 

— Veränderungen der Pirquet'schcn Reaktion bei 
uf- T. unter Einfluss der Kumysbehandlung 409. 
en — Methoden zur Bekämpfung der T. als Volks¬ 
krankheit 89. j 

— Organreaktion mit Koeh'sehcm Alttuberkulin I 
:1er bei klinisch nicht nachweisbarer T. mit be- I 
sondercr Berücksichtigung der „asthenischen“ i 
und „rheumatischen“ Erkrankungen 707. 

T. — Pncumothoraxbilder bei T. 229. I 

— Ausgcheilte T. nach künstlichem Pneumo- I 

thorax 944. j 

ion — Präventive immunisatorische Impfung des i 

Menschen gegen T. 523. i 

— Primäraffekt bei der T. 321. 1 

»nd- — Röntgenbehandlung der Knochen- und Gelenk- 
T. 124. 

der- — Sahli'sche Methode der Behandlung dcrT. 1423 
I — Serodiagnosc mit dem Antigen von Bcsrcdka 

und! 1129, 1567. 

] — Strychnin-Tuberkulinhehandlung bei T. in der 

706. Hospitalspraxis 1128. 

I — der tracheo-bronchialen Drüsen 1152. 


kulide mit Neosalvarsan 613. 

— Immunität, Wesen der T. 609. j 

— Immunisicrungsvcrsuchc mit dem Serum von 
Kühen 1374. 

— Impfstoff 1327. 

— infantile, Anaphylaxie und Antianaphvlaxie 
bei der T. 560. * 

— Infektion, Ueber den Nachweis freier Lipoide 
im Serum durch Aktivation mit Kobragift, 
besonders bei der T. 496. 

— intraoculare 92, 367. 

j — Meldung in Irland 994. 

| — im Kindesalter 672, 1084. 

I — eine Kinderkrankheit 1225. 

— latente, im Kindcsalter 1130. 

— — bei Säuglingen 942. 

I — Vergleichende Betrachtung wichtiger Klimate 
I für die T.-Therapie 647. 

: — larviertc 1426. 

— und Nierenkrankbeiten 551. 

I — Präventorium 1187. 

j — Probleme, gegenwärtige 1225. 

I — in Persien und Behandlung mit Tuberkulin 
610. 

I — und Psoriasis 125. 

| — lokale, Radiotherapie bei T. 321. 

• — des Rindes, Bekämpfung der T. mit beson¬ 
derer Berücksichtigung der klinischen und 
bakteriologischen Feststellung 554. 

. — im schulpflichtigen Alter und ihre Bekämpfung 

1425. 

— in ihren selteneren Erscheinungsarten 1226 
:i — Misehinfektion bei T. 1226. 

). — sekundäre 707. 

>- — und Unfall 1132. 

| — Untersuchungen in einem thüringischen Dorfe 
n I 412. 

2 -! — Eiweissgehalt im Sputum T. 1650. 
i“ ) — Einfluss der Jahreszeit und der Witterung 
auf T. 1226. 

I — Unterbringung und Behandlung der T. in 
o-1 öffentlichen Krankenanstalten 1185. 

I — Empfindlichkeit T. auf Partialantigene 15^ 
es | — chirurgische, Behandlung der T. 409, l* 3 - 
| — — Behandlung der T. mit Friedmannschcm 
i Heil- und Schutzmittel 1034, 1038, 10^ 

k-j 1055, 1069, 1133, 1149, 1189, 1327, 1424. 

— — Heilung der T. 77. 

>3-Heliotherapie der T. 627. 

ka ! — — Behandlung der T. mit künstlicher Hohen- 
! sonne 1394. 

ler |-Lokale Sonnenbäder bei T. 849. 

| — — Kupfcrbehandlung 1424. 

, — — Mesbebehandlung bei T. 464, 611. 


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UNIVERSUM OF IOWA 





BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Tuberkulose, chirurgische, Mischinfeklion bei T. 

1148. 

-Statistik der T. iu Basel ISO. 

— — Heliotherapie der T. 186. 

der Lunge, Abderhalden schcs Dialysierver- 
fahren bei T. 875, 988, 1733. 

-— und Amenorrhoe 465. 

ur *d axillare Lymphknoten 845. 
Behandlung nach Friedmann 1446,1496. 

- Blutuntersuehungcn bei T. 941. 

Da s Blutbild und seine Beziehungen 
zur Prognose und Therapie der T. 557. 

Begriffe „manifest“, „latent“, 
„aktiv ^ und „inaktiv“ in der Beurteilung der I 
T. 1132. I 

- Chemotherapie der T. 1100. 

-— Diagnose der Form der T. 1633. 

Inspektion und Palpation des Thorax I 
in der Diagnose der T. 1580. I 

— -Subcutane Emitininjektionen bei T.797. | 

Epidemiologische Untersuchungen zur 
Frage der Genese der T. 762. 

--Fieber bei T. 168. 

Bie Freund’sche Lehre und der heutige 
Stand der Frage von der lokalen Disposition I 
zur T. 412. j 

Frühdiagnose der T. 1419. 

- Guajakol bei T. 267. ! 

Heilbestrebungen auf dem Gebiete der! 
T. 856. i 

- und Ilerzklappenfchler 1373. I 

Behandlung der T. im Kindesalter 1329. - 

— “ Kupferbehandlung der T. 1372. j 
Neuere Mittel bei der Therapie der T. - 
28. I 

— Operative Behandlung der T. 914, 1086 - 
1428. j 

Beeinflussung der T. durch operative - 
Maassnahmen am Nervus phrenicus 960. 

Neosalvarsan bei aktiver T. 1278. j - 

— -Pfeilerresektion oder Plombierung bei ' 

T. 898. " | _ 

— mit extrapleuraler Plombierung 1086. 
künstlicher Pneumothorax bei T. 376 I - 

478, 1126, 1328, 1475. 

und Pleuratuberkuloso, traumatische, 

10 Fälle 1566. 

— -Prognosenstellung bei der T. 1845. 

— Radiologisch erkennbare anatomische - 
Typen der kindlichen T. 709. - 

~~- Röntgenbehandlung der T. 909. - 

— Röntgendiagnostik bei der mcchani- - 
sehen Therapie der T. 1086. 

~ — — Beeinflussung der T. durch Röntgen- - 
strahlen 1005. _ 

~ — — die Schilddrüse bei T. 1279. - 

— Methodik der Schwangerschaftsuntcr- T 
brechung und gleichzeitiger Sterilisation bei 
T. 1629. 

Behandlung der T. mit Trypanosan T 
190. 

-Typus der Tuberkelbacillen bei T. und — 

T. der Bronchien 1327. 

— — — Tuberkulin Rosenbach bei T. 1468. T; 

— — — Behandlung tuberkulöser Lungenpro¬ 
zesse mittels Vibroinhalation 1733. Tj 

~ — Bedeutung von Wirbelsäulenanomalien Tj 

für Entstehung der T. 1425. | 

Tuberkulöse Schlachtrinder, Latente Infektion — 
der Leber und Milz ders. 1919. j 

Tuberkulosemittel nach Friedmann, baktariolo- — 
gische Kenntnis des T. 757. ' — 

— — — Bakterielle Verunreinigungen 894. [ — 

— — — Erfahrungen mit dem T. 813, 843, I — 

854, 893, 940, 1138, 1144, 1146, 1372, 1467, i — 
1583. | - 

— — — Lupusbehandlung mit dem T. 894. i 

-— Tierversuche mit dem T. 1225. | 

— -Virulenz des T. 1423. — 

— — — Wissenschaftliche Vorstudien und Grund- : — 

lagen zum T. 1410. I — 

'Tuberkulosevirus, Granuläre Form des T. 1425. j — 
Tuberositas tibiae, Rissfraktur der T. 769. j 
Tubolytin, ein reines Tuberkulinpräparat 1581. i — 
Tumoren, Biologie der T. 755. — 

— Demonstration mittels sensibilisierter Em- j — 

bryonalzellen erzeugter T. 817. j 

— Diagnsoe, serologische 364, 643. ; — 


Lj Tumoren, Extrakte, Behandlung von Tumoren 
mit T. 1876. 

j — der japanischen Haushühner 894. 

! ~~ eigenartiger der Inguinalgegend 1279. 

3r ' — inoperable, Behandlung von T. 56. 

— — Radiotherapie von T. 846. 

— intrapleuraler mit Intereostalneuralgie 1150 
— Muliiplizität von T. 1224. 

maligne, Anatomisches und Kritisches zu 
o60 Obduktionen, bei denen sich T. fanden 
en 78. 

u -Autolysatbehandlung von T. 867. 

,-Behandlung von T. 121, 137. 

er | Behandlung der T. mit Tumorextrakt 1042. 

1 — — Bekämpfung der T. auf der Grundlage 
I der Wachstumsphysiologie 1383. 

.-Erhöhter Eiweissopitheldruck bei T. 895. 

xx |-Elektroselcn bei Behandlung von T. 381. 

,-Enzytolbehandlung von T. 1081. 

<•-Komplementbindungsreaktion bei T. mit 

ir chemischen Substanzen 609. 

Ausbau und Theoriedes onkogenen Gleich¬ 
gewichtsmangels und der histogenen Chemo- 
r ,o | therapie zur Entstehung der T. 894. 

ml-Mecostagminreaktion bei T. 941. 

I-Mesothoriumbehandlung von T. 706. 

| — — primäre multiple 1373. 

-Radiumbestrahlung von T. 51, 77. 

‘ r :-Radium-undRöntgenbeharidlungders. 1946. I 

|-Radioaktive Substanzen und ihre Anwcn- 

| düng in der Behandlung von T. 89. 

). | - — Weitere Erfahrungen in der Radium- 
i behaudlung von T. 1388. 

• j Abnahme der Radiosensibilität m. T , die 

mit Röntgenstrahlen behandelt sind 1468. 

— — Intratumorale Radiumbestrahlung von T. j 

ö — — Radium- und Mesothoriumbehandlung der [ 

j-durch Röntgenbestrahlung zum Ver- ! 

i schwinden gebracht 577. j 

j — — Röntgen- und Radiumbehandlung von T. 1 
84, 126, 818. 

, ! — ~ Röntgentiefentherapie bei T. 428. | 

-- Einfluss der Schwangerschaft auf das : 

, Wachstum von T. 272. j l 

-Serodiagnostik von T. 28, 78, 1280. | 

— — Strahlenbehandlung von T. 1144. I 

i — Mäuse 572. 

— der hinteren Sehädelgrubc 34. 

— Histologie der Strahlenwirkung auf T. 1602. - 

— Strahlenbehandlung der T. innerer Organe 

1003. * 

— in den Tropen 894. 

— Uebertragung von T. auf das Auge 28. 

— xantbomzellenhaltige 994. 

Tumorzellen, Experimentelle Uebertragung von - 
T. 1155. 

— Mitochondrienapparat der T. 987. j 

Tumorschädel, angeborener 650. j - 

— Pathologie des T. 1085. j - 

— Röntgenbilder vom T. und Indikationsstellung I - 

zur Operation 276. “ ! 

Tympanismus, Tuberkulose des Peritoneum als , - 
Ursache des T. bei Kindern 1246. 1 

Typhobacillose Landouzy’s 759. - 

Typhus abdominalis. Bakteriologische Blutuntcr- ! 
j suchung bei T. 1375. j - 

— — Gefahr der Bacillenausscheider bei T. und ! — 

| Diarrhöekranken 762. i — 

— — Essig zur Verhütung des T. 1430. I — 

' — — Schutzimpfung gegen T. 1922, 1965. , 

— — Galloprhythmus im Verlauf des T. 896. — 

* — — hämorrhagischer 1581. I — 

— — mit Hemiplegie 668, 1328. — 

— — und reine Komplikationen in der deut- — 

sehen Armee während der Jahre 1878—1910 1 
462. I - 

— — als Kriegseuche 1636. j 

— — Magenperforation bei T. 188. — 

-und Milch 126. 1 - 

— — Verbreitung durch Milch in Schleswig- 

Holstein 238. , — 

— — Milzruptur bei T. 942. 

-Ostitis fibrosa nach T. 366. I — 

-Traumatische Perforationsperitonitis bei | — 

ambulantem T. 711. — 

— — Fall von T. mit gleichzeitiger Syphilis 1604. — 


i Typhus abdominalis, Urobilinurie bei dems 1619 

— — Uebertragung von T. durch Milch in 
München 1913 415. 

~ Agglutinatorisehe Kraft des Serums nach 
uberstandenem T. 1919. 

Typhusbacillen, Vorkommen von T. im Blute 
eines „gesunden“ Bacillenträgers 689. 

— im Duodenalinhalt bei Anwendung der Ein¬ 
horn sehen Sonde 269. 

— Intravenöse Inokulation lebender T. 29. 

in* Blut von Kaninchen nach Verimpfung in 
die Gallenblase 1432. 

— im Liquor cerebrospinalis bei Typhus 1375. 
Pyogene und antigene Wirkung der T. bei 
leukämischen Kranken 988. 

— Serumfestigkeit des T. 988. 

— Nachweis von T. im Urin mit Hilfe des 
Berkcfeldfilters 268. 

~ Ausscheidung der T. durch Bacillenträger 

Typhusbacillenträger, Feststellung von T. durch 
Untersuchung des bei Operationen gewonnenen 
Gallenblaseninhalts 1087. 

Typhusschutzimpfung 239, 429, 797, 986, 1527 
1581, 1857. 

— gegen Cholera 1632. 

— und Herzkollaps 413. 

— mit erwärmtem monovalenten Impfstoff 1096. 

— mit polyvalentem Impfstoff 722, 1000. 

— obligatorische in der Armee 1186. 

— für Anwärter des Krankenpersonals 1441. 
und Paratyphusimpfung mit gemischten Vac¬ 
cinen 122. 

Typhus exantheraatieüs, Anatomische Befunde 
bei T. 1391. 

-und Roseola 168. 

— — auf Schiffen 223. 

-Uebertragung des T. auf den Menschen 

und den Affen durch die Flöhe eines Kranken 
mit Febris recurrens 895. 


! Ueberdrehung des Rückens infolge Armvorfalles 
j 1377. 

Ulcus, Ausgedehnte U.-Bildung in den Hals¬ 
organen 1334. 

— acutum vulvae 712. 

— corneae serpens, Behandlung dess. mit Opto- 
chinin 1612. 

-Behandlung des U. 1278, 1331. 

-Behandlung dess. mit Aethylhydro- 

cuprein 1560. 

— cruris, Behandlung der U. 120, 894. 

— — Pellidol und Azodolen bei U. 1326. 

— — chronicum, Behandlung des U. mit Radium- 
j emanation 1042. 

i — duodeni 34, 269, 1065, 1149, 1648, 1651. 
j — — Aetiologie des U. 363. 

|-Chirurgio des U. 669, 1528. 

I-Diagnose des U. 1044. 

,-Nachbehandlung der wegen U. oder pylori 

1 Operierten 612. 

I — — W'iederauftreten von U. nach der Ope- 
; ration 612. 

j — — Operation des U. in Lokalanästhesie 854. 

! — — Pathologie und Chirurgie des U. 1231. 
-Pylomsversorgung bei U. 178. 

— — Das röntgenologisch Erkennbare beim U. 
568. 

-Das röntgenologisch Erkennbare amU. 1187. 

-und Trauma 1923. 

— jejuni pepticum 805. 

— — Diagnostik des postoperativen jejunalen 
und Anastomosenulcus 1556. 

— perforans mit Neurinom am Nervus tibialis 
1748. 

— pylori, Röntgenaufnahmen bei U. 1142. 

— recti chronicum, Gefässveränderungen bei U. 
461 

— rodens, Mit Kupfer und Quarzlampe geheilte 
Fälle 1467. 

-Natur des U. 756. 

— rotundum et Carcinoma ventriculi 1651. 

— molle, Kupferverbindungon gegen U. 408. 
-Seltene Lokalisation 1901. 


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UMIVERSITY OF IOWA 




BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ulcus veutriculi, Aetiologie des U. 1224. 

-in Bayern 1651. 

— — Behandlung des U. 804. 

— — Behandlung des pylorusferncn U. 155G. 

— — Chirurgische Behandlung des U. der kleinen j 

Curvatur 612. , 

— — Chirurgische Behandlung des U. 1139,1428. 

-Experimentelles U. 1327. ' 

— — Experimentelle Begründung der Aetiologie 
des U. 863. 

— ä Experimentelle Pathologie des U. 608. 

-Familiäres Auftreten des U. 1651. 

— — Gastroduodenostomie oder Gastrojejunosto- 
mie bei U. 612. 

— — bei Hernia und Eventratio diaphragmatica 
124. 

— — ln die Milz perforiertes U. der grossen 
Curvatur 170. 

— — Neue Theorie der Genese des U. 671. 

-Pathologie und Therapie des U. 462. 

— — Perforation des U. ins Herz 78. 


Unterkieferresektion, Prothese bei Nekrose des Uterus, Anästhesierung dos U. 1404 
Unterkiefers 811. — Endothcliom des lf. 895 

Unterschenkel, Exzessive Kürze der U. 1825. — Gleichzeitiges Vorkommen von a 

Unterschenkelamputation, Technik der U. 955. | 11 . und der Adnexe 847 ' C n des 

Unterschenkelbruch, Heilungsrcsultate bei U. 897. — Peritonealrissc am U. bei vorzeitig t;; c 
Untei suchung, äussere, Leistungsfähigkeit der U. , der normal sitzenden Placonta 1239 J 
während der Geburt 802. ...... I ~ Supravaginale Selbstamputation des U 713 

Untersuchungsmethoden, Die pathologisch-histo- — Selbstamputation eines myomatöseu U H 79 
logischen L. lo23. I — Spontanruptur des U 1340 

Urachuseyste, Gallcrtcarcinom einer U. 180. - Torpidität des U. und ausgetragene Gravidität 

Uracdiusfistel, kongenitale 850. trotz Retention einer intrauterinen IW 

l ranne, Diagnose der U. mittels Indikanbc- | nade 367. 


Physiologische Gesichtspunkte in der Be- Urcase, feste, und ihre Verwendung zur quantb 


handlung des U. 843. 

-am Pylorus 854. I 

— — Pylorusausschaltung bei U. 1085. j 

— — Resektion des Magens bei U. 1153. 

-Weitere Schicksale operierter und nicht» 

operierter Fälle von U. 1153. 

— — Sanduhrmagen und Perigastritis 169. 

— — durch Schimmelpilze 3G3. 

— — Seehsstundenrest bei pvlorusfcrnem U. 

1355. 

— — callosum, Resektion des U. 672. 

— — — Indikation zur operativen Behandlung 
des U. 1470. 


logischen L. lo23. j — Spontanruptur des U 1340 ° *" 

chuscyste, Gallcrtcarcinom einer U. 180. - Torpidität des U. und ausgetragene Gravidität 

chusfistcl, kongenitale 850. trotz Retention einer intrauterinen Tarnno- 

nue, Diagnose der U. mittels Indikanbc- | nade 367. 

Stimmung im Blutserum, Transsudaten und j Uterusabtragung, Die totale U. als Frsat? 
Exsudaten 649. | den Kaiserschnitt in Fällen von Infektion 1749 

Gastrospasmus bei LT. 18 21 | Uterusatonie, Hypophysonextrakt bei U. 802 

Klinik und Einteilung der U. 13/5. 1 Uterus bieornis mit Adenomyom 1149 

- Fapavcrmbehandlung der 11 . 843 Uterusblutung, Aetiologie und kausale Therapie 

— Symptomatologie der U. bei Nierenkrankheiten der U. 761. 

. — Digitalis bei U. 562. 

I — die einen Tetanus vortäuschte 188. | — Physiologie und Pathologie der U 803 

I Lranoplastik, Technik 1875. j — essentielle, Ursachen und Behandlung der U 

case, teste, und ihre V erwendung zur quanti- I und des Ausflusses 847. 


tativen Bestimmung von Harnstoff im Harn, j Uteruscarcinom, Die Behandlung des U. 318. 


Blut und Cerebrospinalflüssigkeit 1227. 
Wirkungsbedingungen der U. 1559. 


inoperables, Behandlung des U. mit Aceton 
410. 


Ureter, Abnormer Verlauf des U. bei einem Falle - Dauererfolge nach Recidivoperationen bei U. 
\on Dickdarmatrcsie und Hodenmissbildung 1749. 


Ventil Verschluss des yesiealen Ureterendes bei I 
einem Neugeborenen 1486. i 

— Ueberpflanzung der U. in die Haut 626. 
Uretercyste 570. 

Ureterenstrikturen, die eine Nephrolithiasis Vor¬ 
täuschen 82. 

Ureterfistel nach ZaDgenentbindung 672. 


-jejunale, Transgastrische Operation eines Uretcrolithotomie, Heilung nach doppelseitiger U. 


U. 760. 

-perforatum, Prognose und Therapie des U. 

997. 

-pepticum, Nervöse Entstehung des U. 989 

-rotundum, Ursache des U. 1043. 

-et duodeni 122, 854, 1009, 1100. 

— — — Diagnose und Behandlung 1899. 


Ureterstein, Entfernung eines U. durch Uretero- 
| tomie 711. I 

; Ureterveränderungen 1245. I 

j Lrcterverletzung, Diagnose und Behandlung der I 

i U. in der Gynäkologie 653. j 

j — bei W ertlieiin .seiier Operation 1484. 


Vorkommen und Verhalten der okkulten I Urethra, Operative Heilung komplizierter Strik- 


Blutungen bei U. 1186. 

— — Diätetische Behandlung des U. 1226. 

— — Experimentelle Erzeugung von U. 991. 

■ — — Gastroenterostomie bei U. 1140. 

■ — — Klinisches zur Lehre vom U. 719. 

■ — — Einfache und erfolgreiche Maassregel 
hei der Perforation eines U. 271. 

- — — Magcninotilität bei U. 846. 

-— Akute Perforation des L. 711. 


— Vollständige Entfernung eines U. mit der 
blossen Hand 1331. 

— Eosinophilie bei U. 1246. 

— Eosinophile Leukocyten in entzündlichen In¬ 
filtraten, besonders der U. 466. 

~ CareinomatÖse Implantationsmetastasen im U. 
755. 

— Mesothoriumbehandlung beim Uterus- und 
Vaginalkrebs 900, 1599. 

i ~ Behandlung des U. mit Radium 859, 893, 
1377. 

— Radium und Mesothorium bei U. 220. 

| Radium- und Röntgenbehandlung des U. 126, 

i Spätrezidive nach der erweiterten abdomi¬ 

nalen Operation bei U. 848. 

I — Statistik des U. 32. 

1 Uterus duplex, Kaiserschnitt bei U., Heroi- 

] hysterektemie 1232. 


turen der U 1086 Uterus duplex, Kaiserschnitt bei U., Hemi- 

— anterior, Technik der Spülung der U. 1231. ] hysterektemie 1232. 
posterior, Störungen der LTrogenitalfunktion Uterusexstirpation 233. 

r’ fi? 1 ..!r k . ra ?u U ? g i C (?i o CF i ~ abdominelle, Entbindung durch U. hei lebendem 

Urethraldivertikel 1243, 1394. Kind ohne vorherige Eröffnung 651. 

■ r L (,n lge n bild 1283. Uterusfibromatose, Ovarialveränderungen bei U. 

| l rethralspritze, Kombination von U. mit Flüssig- 1920. 

I n ^‘^»clialter 368. Uterus gravidus, Behandlung der lncarceration 

Urethral stein 1146. des U. 761. 


Operative Behandlung der Perforation | Urethritis, Diplococcus crassus als Erreger von | Uterusinversion, puerperale 170, 1187. 


beim U. 81, 898. j 

— — — Röntgenbefund bei U. bei demselben ( 
Fall 911. | 

Ulerythema acneiforme 801. 

Ulnarislähmung nach Schussverletzung 1850. 

Ulsanin, Ein mit U. geheilter Fall von Gesichts¬ 
und Nasenlupus 1708. 

Ultraviolette Strahlen, Anwendung ders. 1485. 

-- Einfluss ders. auf die Färbung des Felles 

von Kaninchen und Meerschweinchen 1553. 

Umstimmung, sympathische unspezilisehc 1280. 

Unfall, Müssen U. nervöse Folgen haben? 849. 

— mit schwerer Komplikation 799. 

— und Sarkom 84. 


U. und Epididymitis 1231. Uteruskrampf und Retention des Kopfes nach 

Herpes urethrae als Ursache nichtgonor- Embryotomic 1283. 
rhoischer U 1330. Uterus, kreissender, Penetrierende Drucknekrose 

— non gonorrhoica 846, 943. des U. 652. 

pioliferiercnde, Endoskopische Behandlung Uterusmyom 574 . 

T . y. on TT , I — Aetiologie der U. 900. 

Lrethroskop zur Hochfrequenzbehandlung 1136, i — Behandlung des U. 1187. 

}' J ^' . tt I-mit Röntgenstrahlen 124, 1249. 

it- }; niX( ; rsa !' U - 1245 .- und Corpuscarcinom am Uterus 761. 


Urothroskopic, Praktische Bedeutung der U. 569. 1 
Urobilin und seine Bedeutung 844. | 

Urobilinbestimmung, quantitative, im Stuhl 30. 1 
Urobilinogcnreaktion, Unzuverlässigkeit der Ehr- 
lich'schen U. 800. 


Fingierter U. und Simulation schwerer Unfall- Urobilinsekretion, im Harn bei Malaria, besonders 
folgen 1689. | beim Schwarzwasserfieber 714. 

— und Nierenerkrankungen 1. j Urobilinurie, familiäre orthostatische 365. 

Unfallchirurgie 1139. — Klinische Wertung der U. im Säuelin^salter 

Unfallkasuistik 849. 709. b 

Unfallneurose und Unfallversichcrungsgesetz 1132. — bei Typhus abdominalis 1619. 

Unfallverletzte, ArbcitsverschalTung an U. 804. I Urogenitaltuberkulose, Heilung vorgeschrittener 

— Verpflichtung U. zur Duldung von Operationen ; U. auf chirurgischem We<m 1047. 

I 689 - . Urbgon, Vorkommen von U.° im Menschen- und 

Unfallversieherungspraxis, Vorschläge zur U. 713. Tierharn 555. 

Unfruchtbarkeit s. Sterilität. Urologie, Kongress für U. 1247. 

Uniplan-Transverter für Rapid-Tiefentherapie 124. jl rotropin in der Dermatologie 27. 
Unterdruckkammer nach Sauerbruch 31. , — (Qualitative Unterschiede des Formaldehvd- 

Untercntwicklung infolge Unterernährung 1046. gehaltcs im U. und H • - 

Unterkieferluxation, Hungerschädigung hei habi- 1080. 

tueller U. eines Säuglings 1874. i Urticaria, Beziehungen zwis< 

Unterkieferphlegmone 811. und parenteraler Ei weist 

Unterkieferresektion, lmmcdiatprothcsen nach U. — Pathogenese der U. 519 


— Störung der Eierstoekfunktion bei U. 1044. 

— Histogeneso 1876. 

— intraligamentäres 142. 

— malignes 667. 

Uterus myomatosus III mensium von llb* Pfund 
1431. 

Uterusperforation mit Abreissen des Wurmfort¬ 
satzes und multiplen perforierenden Diinn- 
darmverletzungen 170. 

— spontane, in der Gravidität 1393. 
Utcrusprolaps, angeborener 858. 

— Dauererfolge der Schauta - Wertheim’schen 

| Prolapsoperation 1921. 

j — Neuer einfacher Retentionsapparat bei l T . 992. 
I Uterusruptur, Bluttransfusion als Ergänzung zur 
; Hysterektomie bei U. in der Gebürt 893. 

— bei der Geburt 1201. 

| — und Uterusperforation 667, 998. 


— Prothesenbildung nach U. 897. 


1 Tn i la u n . • tt , 1T ,r ;-GiciusueuuiaLiuu vvo. 

1080 Und 1Iexamcth ylentctramin Uterussarkom, entstanden auf Grund einer in- 

1 'rtif'irio . , . , , I fektiösen Granulombildung 1920. 

nl ” r ZW ! Schen . An »P>>yI*xic, U. Uterusschleimhaut, Verhalten der U. zur Zeit der 

- Pa , e ‘' ® , « , “ verd « uu »* 1082. Menstruation 761. 

- Pigmentierte iT 1748 ' ’ Uterus septus duplex cum vagina septa 951. 

- xasr^ 364 - 


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UMIVERSITY OF IOWA 



BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


2033 


Uteramin-Zyma, ein synthetischer Ersatz der 
Mutterkornpräparate 893. 

Uterinsegment, Das untere U. 1849. 

Uterovesicalfistel, Geheilter Fall von U. 1484. 

— Fall von geheilter U. mit abdominaler Exstir¬ 
pation des Uterus 1703. 

Uvea, Abderhalden’sche Reaktion bei Erkran¬ 
kungen der U. 798. 

Uzara bei Amöbenruhr 1472. 

— und unsere Antidiarrhoica 940. 

— Wirkung von U. auf den Blutdruck 361. 

— — von U. und geronnener Milch bei Darm¬ 
erkrankungen 224. 

Uzaron, Untersuchungen am lebenden Darm, be¬ 
sonders mit U. 26. 


V. 

Vaccine, Bestimmung des Baktcriengchalts von 
V. mit der Zahlkammer 941. 

— Hämatologie der V. 1426. 

— experimentelle 369, 391. 

— generalisata 1047. 

— — bei Ekzema capitis 800. 

— Neue Methode, V. ohne Zusatz von Desinfi- 
cientien unter Erhaltung der Virulenz keim¬ 
frei zu machen 1225. 

Vaeeinchehandlung 409. 

— und Vaccinediagnostik 359. 

— bei Gonorrhöe 1747. 

— Grundlagen und Wert der V. 166. 

— bei Erkrankungen der Harnwege 943. 

— mit sensibilisierten Vira 97. 

— ihre Theorie und praktische Anwendung 985. 

— in der Urologie 843. 

Vagina, Beeinflussung des Bakteriengehaltes der 
V. Schwangerer durch medikamentöse Spü¬ 
lungen 899. 

— Ersatz der V. durch die Flcxur mittels La¬ 
parotomie 223. 

— künstliche, Bildung einer V. 614. 

— Gestielter Thrombus der V. 82. 
Vaginalaffektion, Behandlung einiger V. mit 

Pittylenbolus 1327. 

Vaginalflora neugeborener Mädchen 614. 
Vaginalmyome 1920. 

Vaginalschleim, Bakterienfeindliches Verhalten 
des V. 1283. 

Vaginalthcrmophor 1340. 

Vaginalverletzungen sub coitu 562. 

Vagotomie, Gastrische Krisen und V. 1556. 

— Klinik ders. 1469. 

Vagus, Einfluss des V. auf das menschliche Herz 
758. 

Vag.usdruckversuch 956. 

Vagushemmung und die anorganischen Salze des 
Herzens 1746. 

Yagusproblcm, Biochemie des V. 1746. 

Valamin in der gynäkologischen Praxis 978. 
Valvula ileocolica, Insuffizienz der V. 997. 

— ileocoecalis, Insuffizienz ders. im Röntgenbilde 
1938. 

Varicen, congenitale 1199. 

— Bildung ders. 718. 

— Erleichterung der Exstirpation 1875. 

— Kombinierte Behandlung der V. der unteren 
Extremität 1651. 

Varicellen, Schutzimpfung bei V. 1875. 
Varicocele, Neue Methode zur Operation der \ . 
845. 

— Operative Behandlung der V. 271. 

Variola, Blutbild bei V. und Impfpocken 708. 

— Diagnose der V. 1281. 

— Elektrargol bei V. und Pest 1278. 

— Hämatologie der V. und Vaccine 122, 1426. 

— Infektion der Hand mit Cow-pox-V. vaccina 
10 47. 

— Komplementbindung bei V. 1898. 

— Persönliche Erlebnisse mit der V. 1188. 
Variolaerrcger 300. 

— Reinzüchtung des V. 1279. 

Variolainfektion und Vaccination in der gegen¬ 
seitigen Beeinflussung 989. 

Variolalymphe, Entkeimung der V. 1133. 

Vas deferens, Diagnose der Tumoren des V. 46o. 

— — Naht der V. 465. 


Vaseline, Interner Gebrauch der V. besonders bei 
Konstipation 860. 

Vasomotorische Reaktion, Lokale v. R. der Haut 
und inneren Organe 1563. 

Vena cava inf., Unterbindung der V. 572. 

— — sup., Entwicklungsanomalie der V. 987. 

— — — Missbildungen im Bereich der V. 894. 

— portae, Thrombose der V. 672. 

— saphena, Stichvcrlctzung der V. 334. 

Venennaht 943. 

Venenpuls 758. 

— und Tricu9pidalinsuffizienz 1044. 

Venensteine, Bedeutung der V. 82. 

Venerische Krankheiten bei den im Felde stehen¬ 
den Truppen 1578. 

Ventilschutzpessar 1799. 

Ventralhernien, Mobilisation der Bauchwand bei 
grossen V. 1821. 

Ventrikelfunktion, Asynchronismus der V. 1225. 

Ventrikelkontraktion, Theorie der sogenannten V. 
L553. 

Verbandmittel, Ersatz der V. im Kriege 1822. 

Verbandstoffe, Sparsamkeit beim Verbrauch ders. 
1947. 

Verbandtechnik 1551. 

Verbandwatte, moderne 404. 

Verblödung, organische, mit Muskelspannungen 

1145. 

Verbrechertum im Lichte der objektiven Psycho¬ 
logie 1127. 

Verbrechertypen 266, 1551. 

Verbrennung, Alkoholanwendung bei V. 120. 

— Behandlung der V. 273. 

Verbriihungstod, Problem des V. 265. 

Verdauungsapparat, Störungen dess. bei anderen 

Erkrankungen 1463. 

Verdauungsdriisen, Die äussere Sekretion der Y . 
i463. 

Verdauungskanal, Bedeutung der Radiologie für 
die Diagnose des V. 1801. 

— Experimentelle Pathologie des V. 1526. 

—- Neues Verfahren, normale und pathologische 
Hohlräume des Körpers wie auch Weichteile 
des V. im Rüntgcnbilde darzustcllen 1141. 

Verdauungskrankheiten, Röntgendiagnostik der 
V. in klinischer Beleuchtung 376. 

Verdauungslipämie, Herkunft des Cholesterins hei 
der V' 1847. 

Verdauungsstörungen im Kindesalter 1129. 

Verdauungstraktus, Behandlung schwerer Blu¬ 
tungen des V. mit Emetin 861. 

Vererbung und Konstitution in ihren Beziehungen 
zur Pathologie 458. 

Verfettung, anisotrope, bei weissen Ratten 1043. 

— parenchymatöser Organe 1002, 1224, 1847. 

Vergiftung, anaphylaktische und apotoxische 1798. 

— Verhalten der centralen und peripheren 
Ncrvensubstanz bei verschiedenen \ . 800. 

— durch Rahmkuchen 1000. 

Vergiftungserseheinungen, anaphy lax icälin liehe, 

bei Meerschweinchen nach Einspritzung ge¬ 
rinn ungsheinrnender und gerinn imgsbeschleuni- 
gender Substanzen in die Blutbahn 269. 

Verkalkung, experimentelle, an gesunden 'liefen 
460. 

Verkürzungsreflexe 1848. 

Verletzung, Bedeutung klinisch anscheinend 
kleiner V. 666. 

Veronalvergiftung 986, 1326. 

Verruga peruviana 1047. 

Verschreiben, Beziehungen des „VA zum „'Ver¬ 
sprechen 44 1083. 

Verwundete, Vorstellung von V. 1S00. 

Verwundungen durch indirekte Projektile 1805, 
1956. 

Vesico-Vaginalfistel, Ureterenverpflanzung wegen 
V. 1148. 

Vestibuläre Reaktionsbewegungen der Tiere, Ein¬ 
fluss der Kopfstcllung auf dies. 1945. 

Vestibularis, V.-Reiz als Todesursache beim Baden 
1534. 

Vetternehe, Frage der „Concubitanz“ der V. 318. 

Vibrationshalsreflex 1148. 

Vibroinhalation, Behandlung tuberkulöser Lungen- 
prozessc mittels V. 1733. 

Vierhügelgegend, Tumor der V. 1247. 

Vierlinge, Fall von viereiigen V. 1557. 

Vinylaminnephritis, Histologie der V. 364. 


Virilismus infolge Nebennierenaffektion 1441. 
Virus, filtrierbares 1374. 

Vitalfärbung mit sauren Farbstoffen 1770. 
Vitamine, Klinische Bedeutung der V. 986. 

— Ihre Bedeutung für die Physiologie und Patho¬ 
logie mit besonderer Berücksichtigung der 
Avitaminosen (Bcribcri, Skorbut, Pellagra, 
Rachitis) 840. 

Vitiligo, hercdosyphilitischer 1441. 

— bei einem Tukerkulösen 1490. 

Vogelmalaria, Chemotherapeutische Versuche bei 

V. 1886. 

i Vokalklang, Hauptton der gesungenen oder laut 
j gesprochenen V. 360. 
j Volksernährung im Kriege 1750, 1825. 
j — Der Staat und die V. 1876. 

I Volksvcrmehrung, Sicherung der V. 1295, 1560. 
Volumenometer, Praktisches V. 1797. 

I Volvulus 1147. 

i — Resektion eines 2 1 4 m langen Dünndarm- 

i stiiekes bei V. bei einem jungen Mädchen 

j 810. 

; Vorderarmlähmung, Neue Knochenoperation bei 
I V. 241. 

j Vorderarintumor 1000. 

! Vorderarmverlust, Arbeitsmöglichkeit mittels Pro¬ 
these bei V. 576. 

Vorhof, Primäres Sarkom des rechten V. 1128. 
Vorhofsllimmern 319. 

— Eine klinisch wichtige Arhythmieform 669. 

— Präsystolische Geräusche bei V. 1554. 

— perpetuierlichcs, bei permanenter Kammer- 
automatic 29. 

Vorhofpuls, Registrierung des V. vom Oesophagus 
aus 168. 

Vorhoftaehysystolic 1097. 

— Isolierte linksseitige V. 1426. 

— und Pulsus irregularis perpetuus 1771. 
Vorhofstätigkeit, verstärkte, bei geschwächtem 

Herzen 758. 

Vorträge aus dem Nachlass F. v. Winckcls 1079. 
Vulva, Ulcus acutum der V. 712. 
Vulvaaffektionen, Röntgenbestrahlung bei V. 1468. 
Vulvacareinorn, Daucrrcsultate der Operation bei 
V. 900. 

— primäres 1086. 

— und Strahlentherapie 1283. 

Vulvovaginitis gonorrhoica 1441. 

— — infantum, Behandlung der V. 1329. 


W. 

Wabenlunge. Angeborene Bronchiektasicn und 
angel'orene W. 1632. 

Wachstum, Beeinflussung des W. durch die Er¬ 
nährung 972, 1337. 

— Einfluss der Diät auf das normale und bös¬ 
artige W. 266. 

— Tabellen zum Vergleich des W. von Säug¬ 
lingen, die an Brust oder mit Flasche er¬ 
nährt wurden 1129. 

— von Tieren jenseits der Säuglingspcriode bei 
verschiedenartiger künstlicher Ernährung 897. 

— auf vitaminhaltiger und vitaminfreier Nahrung 
25. 

Waehstumsstürungcn und ihre Beziehungen zur 
inneren Sekretion 1563. 

Wachträumen, konstitutionelles 30. 

Wackeltremor infolge Blutung in die Gegend des 
Einsenkerns 657. 

WahnbildtiJig beim manisch-depressiven Irresein 
182. 

— religiöse, Psychopathologie der W. 320. 

Walderholungsstätte „Eglisecholz 1147. 

Walderziehungshcimc 1233. 

Waldkrankheit, kalte der Chamorro 169. 

Wandermilz, Ligatur der Artcria splemca bei Y\ . 

Wanderniere, Operative Behandlung d. \Y. 222, 
711. 914, 1429. 

Wangenschleimhautcarcinom 334. 

Wanzen und Schaben als Verbreiter des Lepra- 
erregers 221. , „r 

Wärmebilanz, Verschiedenes \ erhalten der VN. 
bei dem durcli verschiedene Fiebererreger 
hervorgerufenen Fieber 266. 


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Gougle 


Original fram 

UNIVERSITY OF IOWA 





2034 


BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Wärmeregulation, Beziehungen der Hypophyse | Wirbelsäulenversteifung, Operative Versteifung der Zange, neue 83. 

zur W. 1687. W. nach Albee 813. j — intrauterine, Neuwirth's 32. 

— curarisierter Tiere 1525. I — Die sogenannte Versteifung der W. und die j Zangenentbindung, Fötale Orbitaverletzungen bei 

— Lokalisation des der W. vorstehenden Central- | Bcchtcrew’scho und Strürapel -Marie'sche Z. 82. ' 

apparates im Zwischenhirn 1183. | Krankheit 990. j Zeichenkünstler, doppelhändiger 657. 

— und Zuckerstichwirkung 1223. Wirbeltiere, Lehrbuch der vergleichenden mikro- i Zeigeversuch nach Bäräny 222, 227, 231. 

Wärmestauung (Hitzekollaps) 194G. . skopischen Anatomie der W. 216. , Zelle, Chemie der Z. 444, 598, 69o! 

Wasser, Bedeutung des W. für Konstitution und j — Phylogenic des W.-Darms 1489. 1 — eosinophile, Entstehung der Z. 410. 

Ernährung 610. Wirbeltuberkulose s. Spondylitis tuberculosa. j — chromatophore, in der Nasenschleimhaut 172, 

— Sterilisation von W. durch intraviolette Wismut im Bronchialbaum 1899. I 255. 1 


Strahlen 1378. 

— Desinfektion mit Chlorkalk 91. 

— hartes, Geschmack des W. 762. 

— Wasserbett, Anwendung dess. 1903. 
Wasserfehler, Zur Lehre vom W. 304, 802. 

— und Kochsaisfieber 26. 

Wasscrfiltrierapparat 1849. 

Wassermann’sche Reaktion, Bewertung ders. 1633. 

Theorie und Praxis ders. 1674 


durch Embarin und ; Wundinfektion 
j 1849. 


— — Beeinflussung ders. 

Mcrlusan 1814. 

— — Erhöhung der Genauigkeit und Empfind 
lichkeit der W. 609, 941. 

-im Liquor cerebrospinalis 1562. 

— — bei Kindern der ärmeren Klasse 1375. i 

— — Positive W\ beim Kind und negative bei ' getrockneter Luft 60S. 

der Mutter 990. ! — Heilung granulierender W'. durch 


Fortschritte der W. Zeller’sche Pastcnbehandlung, Beitrag zur Z. 1266. 

' Zellbestandteilc, säurefeste 1391. 

Zellfermente, Spezifische Wirkung der Z. 1526. 
Zellfunktion, Untersuchungen über die Z. mit 
Hilfe der vitalen Färbung 75. 
Zellgewebsverhärtung 857. 

Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit 137. 
Zeugnisverweigerung, Frage der Z. der Aerzte 
605. 

Zinkmethan als Unterlage 1600. 

Zirbeldrüse, Teratome ders. 1619. 

Zittern 554. 

durch den Bac. emph. Fraenkel | — Ucbcr das im Sitzen willkürlich auslösbare 
| Z. eines Beines 985. 

Demonstration von Knochenpräparaten mit j Zitterkranke, Demonstration von Z. 656. 

| Bemerkungen zur Pathologie der W. 1694. i Zucker, Ursprung des Z. bei der Phloridzin- 
I W T undinfektionskrankhciten 1693. I glykosurie 25. 

Wiindflächc, Behandlung granulierender W r . mit 1 Zuckerabbau, Einwirkung bisher unbekannter 

' Bestandteile des Pankreas auf den Z. 939. 
Teilung i Zuckerart, Ausnutzung der verschiedenen Z. unter 


Wissenschaft, medizinische, 

722. 

Wöchnerin, Bakteriologische Untersuchungen des j 
Keimgehaltes im Genitalkanal der fiebernden 
W r . 1631. ! 

W r ochenbettinfektion, Nachgeburtsblutung und W. 
1486. 

W ; ohnungcn, billige und gesunde 1187. 
j Wolfsrachen, Sprachbehandlung bei W. 1147. 

— — Eine durch W r attc bedingte Fehlerquelle 1 Wundbehandlung mit Aluminiumhydroxyd 1229. 

bei der W\ 364. : — Sparsame und beschleunigte W. im Kriege 

— — Holle der Aminosäuren bei der W. 854. j 1822. 


— — mit besonderer Berücksichtigung ihrer spe- 1102. i pathologischen Bedingungen 1042. 

zifischen Verwertbarkeit 407. ! Wundpulver, W'eisser Ton als W r . 10S8. J Zuckerbestimmung im Blut 555. 

-Bedeutung der quantitativen W. für die Wurmfortsatz, Pinzette zur Einstülpung dess. i Zuckerbildung aus Fett 25. 

Behandlung der Lucs 166. I 1948. — in der isolierten Leber 1525. 

— — bei einer durch gangränösen Schanker ein- j Wurmfortsatzbilder, Kleine röntgenologische Vor-1— synthetische in der künstlich durchströmten 

geleiteten Syphilis 846. richtung zur Erzeugung von W. 1517. j Leber 25. 

— — Erfahrungen mit dem Sachs’schen Chole- I W T urminfektion im Kriege 560. ! — Steigerung de 


sterinalkohol- und dem Lcsser’schen Aether- 
extrakt bei der W r . 690. 

— — bei Malaria 1280. 

— — bei Tuberkulösen 1246. 

-Regelmässigkeit und Intensität der W. 429. 

-Verschärfung der W\ 316, 852. 

— — Versuche über die W. 988. 

W'asserprobc, Einfluss von Salz auf Bakterien¬ 
gehalt von W. 1430. 

W r asserstoffionenkonzentration 1693. 

— der Gewebssäfte 1649. 

— im Ausgeheberten des Säuglingsmagens 1227. 
Wasserstoffsuperoxydzcrsetzung, Hemmung der 

W r . des kolloidalen Platins durch indifferente 
Narcotica 986. 

Wassersucht, angeborene 170, 1725, 1743. 
W r assertiere, Stoffwechsel und Atmung der W r . 
62L 

W'asscr Versorgung der Städte 563. 

Wehenmittel 847. 

— Hypophysenextrakt als W. S99. 

— Pituitrin als \V. 190. 

— synthetische 32. ^ I 

W r eib, Die Natur des W. 554. 

Weichteil Verletzungen, Behandlung ausgedehnter , 
W. 1902. 

Weigert- Pal-Präparate, Nachfärbung der \\\ 463. 
Weitsichtigkeit. Entstehung der W\ und des Stars 
1633. 


W 7 urzelerkrankung im Bereich des 6. bis 8. Ccr- 
vicalsegpieuts nach Angina 769, 

Wüstenklima 1392, 1650. 


Xanthom, Bedeutung des Cholesterin für die 
X.-Bildung 561. 

— generalisiertes 167. 

— der Haut und Sehnen 991. 
multiples, mit Icterus 1245. 


der Z. in der Schildkrötenlebcr 
als Folge der Pankreasexstirpation 1525. 
Zuckergehalt, Klinische Probe zur Bestimmung 
des Z. in Prozenten 1423. 

1 Zuckerresorption und Blutzuckerspiegel 1900. 

| Zuckerstich, Beziehungen des Z. zum Salzstich 
i 1423. 

| Zuckerstichwirkung und Wärmeregulation 1223. 

1 — nach Nebennierenexstirpation 1223. 

I Zuckerverband, Kohlen- und Z. 1084. 
j Zuckerzerstörung, Einfluss der Reaktion des 
I Mediums auf die Z. 569. 

| Zuckungen, clonische, infolge Gehimtrauma 953. 
1 Zunge, Cysticercus der Z. 994. 


Xeroderma pigmentosum, Radiumbehandlung des ! Lymphocytäro Z.-Tumoren 1616. 


X. 673. 


Y. 

Yaogtsefiebcr 126. 

Yatren, Anwendung des Y. in der Urologie 613. 
Yatrengaze, ein neuer Verbandstoff für die 
Friedens- und Kriegschirurgie 710. 

Y-Dysenterie bei Säuglingen 80. 


Z. 


Wiederkauen s. Rumination. * | 

Wiener Brief 430. 723, 1491. i Zählkammer, Netzteilung für dies. 1946. 

Wieting’schc Operation bei arteriosklerotischer i Zahnbehandlung der Mannschaften 1948. 

Gangrän 1653. 

Willensfreiheit 704. 

Wimperbildung durch Einpflanzung lebender 
Haare 993. _ 

Winterschlaf, Natur des W. 360, 1371, UOi. 

Wirbellose, Bestimmung der Keimbahn bei W . 

Wirbelmetastascn nach Hypernephrom 236. 

Wirbelquerfortsatz, Isolierte Brüche der W. 

Wirbelsäule, Ankylose der W. 576, 1045. 

— Verletzungen der W. durch Unfall 1422. 

Wirbelsäulenerkrankungen, Diagnostik der W\ 

Wirbelsäulcnverlctzung, Chirurgie der YV. 864. 

Wirbelsäulenversteifung 1200. 

— chronisch ankylosierende 1327. 


. 321. 


Zähne, Gewerbliche und berufliche Merkmale an 
den Z. 1149. , 

— Okklusionsanomalien der Z. 119. j 

— künstliche, Implantation von Z. 625. 

— Reimplantation von Z. aus Kiefercysten 1049. 
Zahnärzte im Felde 1774, 1876. 
Zahnärztlich-stomatologische Chirurgie, Lehrbuch 

und Atlas 1551. 

Zahncaries, Einfluss des Trinkwassers auf die Z. 
j bei Schulkindern 804. 

Zahnentwicklung, Innere Sekretion in Beziehung 
zu Kicferbildung und Z. 1223. 
Zahnkrankheiten, chirurgische 119. 


— Mann, der die Zunge in den Pharynx zurück- 
stiilpen kann 1000. 

Zungenbelag normaler und pathologischer 753. 
Zungengrund, Cystische Geschwulst am Z. 330. 

— Hypernephrom dess. 1626. 

Zungenkrebs bei einer Frau 1002. 
Zungenoperationen 994. 

Zwangsvorstellungen und ihre psychische Thera- 
I pie 844. 

Zwerchfell, Entstehung der Ilernia diaphragma- 
! tica und Dilatation des Z. 1795. 

1 — Ueber Eventratio diaphragmatiea und sub- 
[ phrenischcn Abscess 1474. 

— Ueber Eventratio und Hernia diaphragmatiea 
I 1528. 

! Zwerchfellchirurgie 1394. 
j Zwerchfellhernie, angeborene 1150. 

I — bei Kindern 322. 
i — rechtsseitige 333. 

Zwerehfellhochstand, einseitiger 1100. 

| Zwcrchfellkrampf, 720. 

Zwerchsackhygrom s. Hygrom. 

Zwergwuchs 623. 

— bei Schwachsinn und Hirnkrankheiten 365. 
Zwillinge, eineiige, Serologisches Verhalten eine> 
Paares von Z. 1405, 1432. 

— Das Längenwachstum der Z. 650. 

— Nachempfängnis und Vererbungsfragen hei 
Erzeugung rassedifferenter Z. 802. 

■ — Ein Z. mit Myxödem, der andere gesund 
1925. 

1 Zwillingsschw'angcrschaften 651. 


Zahnröntgenologische Diagnosen 1471. __ __ _I 

Zahnschmerz, Sehr rasch und sicher wirkendes — lbrnTgendiagnose de'rz. 712. 998. 
Mittel gegen Z. und Ohrenschmerzen 459. Zyklothymie, Schizothymie und Z. 16S0. 


Verlag und Expedition in Berlin NW. 7, Unter den Linden GS. Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4, Chausscestr. 42. 


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