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BERLINER
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berdcksichtigaiig der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redigiert
Prof. Dr. C. Posner, und Prof. Dr. Hans Hohn,
Geh. Med.-Rat, Berlin. Berlin.
EINUNDFÜNFZIGSTER JAHRGANG.
II. HALBJAHR.
BERLIN 1914.
Verlag von August Hirschwald.
NW. Unter den Linden 68.
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mWRSITY OF IOWA
Di« Berliner Klinische Wochenschrift, erscheint Jeden
MonUX ln Nummern von c*. 5—6 Bogen gr. 4.
Prele vierteljährlich 6 Msrk. Bestellungen nehmen
Alle Buchhandlungen und PosUnstalten so.
BERLINER
Alle tfl neendnngen Är die Bednktlw« und Ärpedltlo»
wolle man portofrei an die Verlagebuchhandlnng
Aoguct Hirachwald ln Berlin KW., Unter den Linden
Kr. 68, adreasieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
fitl. Mei-Rat Prof. Dr. C. Poscer und Prof. Dr. Hans Kok August Hirschwald, V erlagsbuchhandluag in Berlin.
Montag, den 6. Juli 1914. M 27 . EinundfünMgster Jahrgang.
i N H
Origiitlifti: Joseph: Die Pyelographie und ihre chirurgische Bedeutung.
(Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik Berlin.) (Illustr.)
S. 1253.
Casper: Indikationen und Grenzen der Pyelographie. (Illustr.)
S. 1259.
Edelberg: Röntgenstrahlen und Schwangerschaft. S. 1262.
Stern: Erfahrungen mit dem neuen Schlaf- und Beruhigungsmittel
Dial-Ciba. (Aus der Kgl. psychiatrischen und Nervenklinik zu
Kiel.) S. 1262.
Rous: Histologische Variationen eines Hühnersarkoms mittels
filtrierbaren Agens erzeugt. (Aus den Laboratorien des Rockefeller
Institute for Medical Research, New York.) S. 1265.
Lange: Beitrag zur Zeller’schen Pastenbehandlung. (Aus der chir¬
urgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses zu Barmen.)
S. 1266.
Friderioia: Eine klinische Methode zur Bestimmung der Kohlen¬
säurespannung in der Lungenluft. (Aus dem Institut für all¬
gemeine Pathologie der Universität Kopenhagen.) (Illustr.) S. 1268.
Rheindorf: Hysteroneurasthenie oder chronische Appendicitis?
(Aus der pathologisch-anatomischen Abteilung des St. Hedwigs-
Krankenhauses zu Berlin.) (Schluss.) (Illustr.) S. 1271.
Blekerkesprech Bügen : London: Physiologische und pathologische
Chymologie. S. 1276. (Ref. Dünner.) — Rosenfeld: Die Physio¬
logie des Grosshirns. S. 1276. Isserlin: Psychologische Einleitung.
S. 1276. (Ref. Meyer.) — Ebbinghaus: Abriss der Psychologie.
S. 1276. (Ref. Seiffer.) — Blumenthal und Gran: SammluDg
monographischer Darstellungen über Diphtherie. S. 1276. (Ref.
Abrikossoff.) — Schwenk: Grundlagen und derzeitiger Stand der
Chemotherapie. S. 1277. (Ref. Morgenroth.) — Reitz: Apparate
Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik Berlin
(Geh.-Rat Bier).
Hie Pyelographie und ihre chirurgische Be¬
deutung.
Von
Professor Dr. Engen Joseph.
(Vortrag, gehalten am 18. Mai 1914 in der Berliner medizin. Gesellschaft. 1 )
Seit einigen Jahren ist eine neue Untersuchungsmethode von
Völker und Lichtenberg für die chirurgischen Erkrankungen
der Niere nnd des Harnleiters eingeführt worden: die Pyelo¬
graphie. Die Methode besteht darin, durch den Ureterkatheter
das Nierenbecken mit Collargollösung, welche für Röntgenstrahlen
undurchsichtig ist, zu füllen nnd die auf diese Weise ausgefüllte
und schattengebende Niere röntgenographisch darzustellen. Die
Methode blieb lange Zeit ziemlich unbekannt, wenigstens in
Deutschland. Es mögen im wesentlichen zunächst theoretische
Bedenken über die Gefahren, welche ihr anhaften könnten, ge¬
wesen sein, die ihrer Verbreitung im Wege standen. Nachdem
über ausländische Autoren über eine grosse Anzahl von Pyelo¬
graphien, ohne dabei erheblichen Schaden za erleben, berichteten,
at sich auch in Deatschland das Verfahren mehr eingebürgert
uud ist theoretisch durch Tierversuche auf seine Gefährlichkeit
er Ungefäh rlichkeit geprüft worden. Wossidlow nnd Rehn
v. Ü Siehe folgenden Originalartikel und Diskussion in B.kl.W., 1914,
Wr ’ 20 > S. 946 und Nr. 22, S. 1052.
ALT.
und Arbeitsmethoden der Bakteriologie. S. 1277. Rosenthal:
Tierische Immunität. S. 1277. Kolle und v. Wassermann: Hand¬
buch der pathogenen Mikroorganismen. S. 1277. (Ref. Möllers.)
Literatür-Anszüge: Physiologie. S. 1277. — Pharmakologie. S. 1277. —
Therapie. S. 1278. — Allgemeine Pathologie und pathologische
Anatomie. S. 1278. — Diagnostik. S. 1279. — Parasiten künde und
Serologie. S. 1279. — Innere Medizin. S. 1280. — Kinderheilkunde.
S. 1281. — Chirurgie. S. 1281. — Röntgenologie. S. 1282. —
Haut- und Geschlechtskrankheiten S. 1283. — Geburtshilfe und
Gynäkologie. S. 1283. — Augenheilkunde. S. 1284. — Hals-, Nasen-
und Ohrenkrankheiten. S. 1284. — Hygiene und Sanitatswesen.
S. 1284. — Tropenhygiene. S. 1284. — Technik. S. 1284.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische
Gesellschaft. Mühsam: Milzsohuss durch freie Netztransplantation
geheilt. S. 1285. Diskussion über die Vorträge der Herren Gold¬
scheider und Steinitz: Ueber atypische Gicht. S. 1285. —
Berliner physiologische Gesellschaft. S. 1285. — Berliner
Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1286. — Berliner otologisohe Gesellschaft S. 1288. —
Vereinigung zur Pflege der vergleichenden Pathologie.
S. 1290. — Berliner Gesellschaft für Chirurgie. S. 1294. —
Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinal¬
statistik zu Berlin. S. 1295. — Medizinische Sektion der
schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur zu
Breslau. S. 1285. — Nürnberger medizinische Gesell¬
schaft und Poliklinik. S. 1298.
Henius: Vom 40. Deutschen Aerztetage in Münohen. S. 1298.
Tagesgesohichtliche Notizen. S. 1300.
Amtliche Mitteilungen. S. 1300.
haben Tierversuche in dieser Richtung hin aDgestellt. Ich werde
auf diese Versuche noch zurückkommen, wenn ich über die Ge¬
fahren, welche anscheinend der Pyelographie als theoretischer
Methode entgegenstehen, sprechen werde.
Seit dem Sommer des Jahres 1913 habe ich die Pyelographie
in geeigneten Fällen in der Königl. chirurgischen Universitäts¬
klinik angewandt und etwa 90mal ausgeführt 1 ). Ich möchte Ihnen
zunächst meine Bilder demonstrieren und erläutern, welche Auf¬
schlüsse wir durch die Methode bekommen haben, in welchen
Fällen sie uns ganz besonders wertvoll, in welchen Fällen sie
ans weniger wertvoll ist.
Ich zeige zunächst eine Reihe von Bildern des normalen
Nierenbeckens, um eine Anschauung davon zu geben, mit welcher
Präcision wir die Formation dieser Organe auf die Röntgenplatte
zu bringen imstande sind, und um das normale Nierenbecken in
seiner Konfiguration und variablen Gestaltung vorzuführen, damit
es später mit dem pathologisch veränderten Nierenbecken ver¬
glichen werden kann.
Das normale Nierenbecken wird (Abbildung 1) etwa in seiner
Mitte von der 12. Rippe schräg von innen oben nach aussen unten
geschnitten. Der Ureterabgang liegt ziemlich genau in der Mitte,
und zwar so, dass der Ureter parallel zur Längsachse des Körpere
vom Nierenbecken abgeht, sich also bo zum Nierenbecken stellt,
dass der medial gebildete Winkel etwa 135 Grad, der lateralwärte
gebildete 46 Grad beträgt. Von dem Nierenbecken ans erstrecken
sich die Kelche mit ihren Verzweigungen bis in die Höhe der
1) Zurzeit der Korrektur über 100 mal.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1264
Nr. 27.
Abbildung 1.
Normales Nierenbecken und Varianten.
Abbildung 2.
Wandernieren in verschiedener Form.
a, b, c Normal.
vorletzten und ausnahmsweise sogar der drittletzten Rippe. Die
Konfiguration der Kelche ist innerhalb der normalen Grenzen sehr
vielgestaltig. Bisweilen sind die Kelche so wenig ausgebildet,
dass das Nierenbecken die Gestalt einer feinen Mondsichel an¬
nimmt, bisweilen sind die Kelche ausserordentlich zahlreich und
zum Teil kurios formiert, weithin verästelt. Immer aber sind sie
scharf und kantig begrenzt, niemals verschwommen. Natürlich
finden sich auch zahlreiche Varietäten, welche vom Normaltypus
abweichen, so können i. B. die Kelche sehr gross und napfförmig
sein, während das Becken ganz klein ist und zurücktritt; oder das
Becken kann in zwei oder drei durch eine Teilfurche voneinander ge¬
trennte tütenförmige Abschnitte zerfallen, von denen jeder einzelne
wieder seine Kelche trägt; oder die Varietät kann sich zu einer
richtigen Abnormität auswachsen und ein vollkommen doppeltes
Nierenbecken und doppelte Kelche erzeugen. Auch die Weite des
Beckens schwankt bei der normalen Niere nicht unbeträchtlich.
Man begegnet schmalen, engen Nierenbecken mit geringer Fassungs¬
kraft. Alle diese Erscheinungen liegen noch innerhalb des Normalen
und sind keine Veranlassung zur Auslösung pathologischer Zustände.
Diese innerhalb gewisser Grenzen noch normalen Schwan¬
kungen in der Form, Lage, Fassungskraft des Nierenbeckens und
dem Abgang des Harnleiters können in jeder Beziehung ins Patho¬
logische Umschlägen und sehr charakteristische Bilder für die
Erkrankung der Niere darbieten.
So verändert sich die Lage des Nierenbeckens, sobald das
Organ in das Wandern (Abbildung 2) gerät und ist deutlich als Ver¬
schiebung auf der Röntgenplatte nachzuweisen, indem das Nieren¬
becken wenig oder beträchtlich sich von der letzten Rippe ent¬
fernt. In ausgesprochenen Fällen findet sich das Nierenbecken
in geringer Entfernung von der Darmbeinschaufel. In beginnenden
Fällen schneidet die letzte Rippe das Becken nicht mehr in seiner
Mitte, sondern der oberste Ausläufer des Beckens erreicht gerade
noch den Knochen. Die Senkung der Niere bringt zumeist auch
eine Deformation des Nierenbeckens mit sieb, welche an und für
sich noch nicht unbedingt notwendig sich vollziehen muss. So
können tiefstehende Nieren, welche gewandert, aber z. B. von dem
Operateur fixiert sind, und in ihrer tiefen Lage nunmehr un¬
beweglich verharren, ein normales aber tiefstehendes Nierenbecken
aufweisen. Wenn die Niere aber nach abwärts dringt und sich
ausser der Lage Veränderung eine Abknickung des Beckens eine
Drehung und Torsion des Harnleiters einstellt, dann führt der
behinderte Abfluss des Urins zu mehr oder weniger hochgradigen
Stauungszuständen and Erweiterungen des Nierenbeckens. Man
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6. Joli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1255
sieht alsdann das Nierenbecken nicht nur räumlich über das
normale Maass hinaas erweitert, sondern auch in einer für den
Urinabfluss ungünstigen Lage im Verhältnis zum Harnleiter,
welcher nicht mehr in die Mitte des Nierenbeckens, sondern in
seine oberste Ecke ein mündet, welcher nicht mehr die beschrie¬
bene schiefe Winkelstellung zur Längsachse des Nierenbeckens
einnimmt, sondern rechtwinklig mit dieser Achse zusammenstösst.
Wenn diese Schwierigkeiten für die Harnentleerung aus dem
Nierenbecken, welche mit so grosser Prägnanz auf die Platte
kommen, nicht gehoben werden, so kann dieser Folgezustand
allmählich zur Hjdronephr.se führen. Hier bei der Lage¬
veränderung der Niere gibt uns die Pyelographie wertvolle
and eindeutige Aufschlüsse, welche wir mit keiner anderen
Methode erreichen können; denn meistens kommen derartige
Patienten zar Untersuchung in einer Zeit, wo die Niere nicht
um ihren Stiel gedreht oder wesentlich in ihrem Abfluss be¬
hindert ist, in der anfallsfreien Zeit, und sind der Untersuchung
während des Anfalls sehr selten zugänglich. In der anfallsfreien
Zeit findet man hier stets normale Funktionen der Niere, da eine
Entartung des Nierenparenchyms, wie sie später durch den Druck
der Harnstauung erfolgt, noch nicht eingetreten, und lediglich eine
Erweiterung des abführenden Harnweges vorhanden ist. Erst wenn
die Niere häufiger durch Anfälle parenchymatös geschwächt und
schon eigentlich hydronepbrotisch entartet ist, erst dann gesellt
sich die Funktionsstörung hinzu, entsprechend dem durch Druck
und Stauung veränderten Nierenparenchym. Für die Therapie
ist es aber gerade in diesen Fällen notwendig, das Frühstadium
zu erkennen, in dem die Funktion der Niere noch wenig gelitten
hat, nnd in dem man noch nicht gezwungen ist, das hydro-
nephrotisch erkrankte Organ zu exstirpieren. So bringt die
Pyelographie dem Chirurgen der Wanderniere gegenüber wert¬
volle präzise Indikationen und Aufklärung in ein Kapitel, welches
vorher ziemlich dunkel war, zumal bekanntlich die Hysterie und
die allgemeine Enteroptose erschwerend nnd verdunkelnd in die
Erkenntnis dieser Zustände hineinragen und es nicht leicht
machen, wirklich reelle Gründe, d. h. gute pathologische Vor¬
stellungen und somit sichere Indikationen für die Operationen
der Wanderniere zu gewinnen. Wo wir die Niere aber in dieser Weise
bedroht und im Vorstadium der Hydronephrose finden, werden wir
uns zum Nutzen der Patienten zur Fixation entschlossen, welche
sie zwar vielfach nicht in ihre Normallage zurückbringt, aber
die Stieldrehung und den ungünstigen Urinabfluss beseitigt und
dem ableitenden Harn weg die normale Passage wiedergibt.
Hat man die Patienten mit Wanderniere operiert und eine
Fixation der Niere vorgenommen, so erlebt man es gar nicht
selten, dass sie mit erneuten Klagen zum Chirurgen kommen unter
der Angabe, die Operation habe ihnen keinen Nutzen gebracht,
die alten Beschwerden beständen unverändert fort. Es ist wiederum
schwer zu entscheiden, ob diese Klagen eine Berechtigung oder
ein rein hysterisches Fundament haben. Mittels der Pyelographie
sind wir jedenfalls in der Lage, uns eine sichere Vorstellung zu
verschaffen, ob die Operation den gewünschten Effekt herbei*
geführt hat, ob es uns gelungen ist, die tiefstehende Niere mög¬
lichst ihrer Normallage zu nähern, die Stieldrehung and den un¬
günstigen Abgang des Ureters auszugleichen. Dass dies in manchen
Fällen bei offenbar schlechter technischer Ausführung nicht ge¬
lingt, kann Ihnen beifolgende Abbildung 3 zeigen. Allerdings ist
m «teilen nicht notwendig und auch unmöglich, die Niere
Abbildung 3.
a ^“läenuere vor der Operation, b Wanderniere naob der Operation.
Keine Besserung der schlechten Lage,
selbst nur annähernd in ihre alte Lage wegen der Schrumpfung
des Nierenstiels zurückzubringen, und man muss sich begnügen,
die Niere an der Stelle zu fixieren, wo sie nun einmal sich be¬
findet. Auch bringt diese Fixation an pathologischer Stelle,
welche aber die Drehung und Zerrung au den Organen verhindert,
oft denselben Nutzen wie eine Festheftnog der Niere an normaler
Stelle. Unter Umständen aber weist uns das Pyelogramm deut¬
lich darauf hin, dass eine blosse Fixation der Niere nicht aus¬
reichen würde. Infolge ihrer herabgesunkenen Lage sieht man
den Harnleiter geschlängelt, mehrfach Schleifen und Knickungen
(Abbildung 2 b und f) bildend. Unter solchen Umständen, welche
wir lediglich in dieser Schärfe, wie an dem beigefügten Bild zu
erkennen ist, durch die Pyelographie erfahren können, wäre die
blosse Fixation an der Stelle, wo wir die Niere bei der Operation
vorfioden, ein Eingriff, welcher wenig oder gar keinen Erfolg ver¬
spricht. Hier gebietet uns das Pyelogramm, die Niere bei der
Operation in die Höhe zu schieben und sie dort fixiert zu halten.
Bei der Wanderniere bleibt die scharfe Konfigurationspitze
der Kelche, mögen sie sich auch noch so dilatiert haben, voll¬
kommen erhalten. Dieser scharfe Umriss verwischt sich, sobald
Infektionen sich im Nierenbecken längere Zeit aufbalten und
durch Eiterung oder Geschwürsbilduog die Kelchstruktur ver¬
ändern. Die Pyelitis und Pyelonephritis namentlich colibacillärer
Natur führt zur Erweiterung und gleichzeitig zur Ulceration der
Kelche nach längerem Bestand des Leidens. Auch die Tuber¬
kulose bringt neben ausgesprochener Gavernenbildung, welche
durch Ulceration der Papillenspitze entsteht, eine Abrundung und
Verbreiterung der Kelche mit sich. Während aber bei dem rein
eitrigen Zustand gewöhnlich durch die Retention des Eiters auch
ein falscher Ureterabgang und Deformation des Nierenbeckens
ähnlich wie bei Wanderniere entsteht, ist diese Behinderung des
Abflusses bei Tuberkulose gewöhnlich nicht der Fall; im Gegen¬
teil, im allgemeinen führt der mit Schrumpfung einhergehende
Prozess, dessen nierenwärts gerichtete Tendenz man bei der Cysto-
skopie in Gestalt des trichterförmig zurückgezogenen Ureterlumens
findet, zu einer für den Abfluss des tuberkulösen Materials günstigen
Ureterstellung, in welcher die geschwürigeo Produkte bequem
nach abwärts gleiten und, wie allgemein bekannt, zu einer nach¬
haltigen Tuberkulose der Blase führen.
Sobald auf dem bei der Wanderniere beschriebenen Wege
oder auch angeboren durch Ureterknickung der Abfluss des Harns
aus der Niere chronisch behindert ist oder schliesslich völlig ver¬
baut wird, kommt es zu den stärksten Deformationen im Nieren¬
becken, zur Hydronephrose, welche sich auf die Kelche überträgt
und sie sackartig umbildet. Mit dieser Veränderung stimmt die
bedeutende Herabsetzung oder der Ausfall au Funktion überein,
welchen man bei der funktionellen Prüfung des Organs findet,
und beide machen den Chirurgen von Anfang an entschlossen*
das entartete, nicht mehr zu korrigierende irreparable Organ,*
welches leicht der Infektion zugänglich und damit eine ständige
Gefahr für den Körper ist, zu exstirpiereo. Dieser hydronepbrotische
Zustand kann natürlich auch sekundärer Natur sein, als Folge¬
zustand einer Stein Verstopfung, eines herumwachsenden Tumors
oder einer Ureterligatur auftreten und so persistieren, dass er in
seiner ausgesprochenen starken Höhlenbildung selbst nach Be¬
seitigung des ursächlichen Moments nicht mehr rückbildungsfäbig
ist, zumal da schliesslich immer die Infektion hinzukommt und
durch Stauung des eitrigen Materials einen guten Abfluss und die
Ausheilung verhindert.
Ich zeige Ihnen hier das Röntgenbild (Abbildung 4) einer
Niere, aus deren zugehörigem Harnleiter ein Jahr vor der Auf¬
nahme dieses Bildes ein Harnleiterstein entfernt wurde. Man
hoffte durch die Extraktion die Niere zur Ausheilung zu bringen
nachdem einmal der Abfluss gut wieder hergestellt war, und den
etwaigen Rest von Infektion in der Niere durch eine Kur in
Wildungen zu heilen. Der Versuch schlug fehl, weil, wie offenbar
ersichtlich ist, die Behinderung im Ureter zu einer enormen
Hydronephrose mit sackartiger Erweiterung der Kelche geführt
hat, in welcher die Infektion zu festen Boden gefasst hatte. Es
blieb nur die Exstirpation des Organes übrig.
Ausschliesslich mit Hilfe der Pyelographie können wir jene
seltenen Leiden von angeborener Ureterverengerung aufdecken
(Abbildung 5). Sie sind häufig so hochgradig, dass sie den ein-
gefuhrten Ureterkatheter nicht passieren Hessen, bilden aber
für das Collargol kem Hindernis. Sie verursachen eine Er¬
weiterung des Nierenbeckens und auch Koliken, welche sehr
heftig sein können und durchaus dem bekannten Bilde der Stein¬
koliken gleichen, Ich habe zwei Fälle von Stenose des Ureters
1 *
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UNIVERSUM OF IOWA
1256
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
Abbildung 4.
Abbildung 5.
a b c
a Ureterstriktur, b dieselbe nach operativer retrograder Sondierung,
o Ureterstriktur.
beobachtet. Den einen gerade zurzeit des Unfalls, wo ich durch den
eingeführfen Ureterkatheter 150 ccm Urin entleeren konnte,
welcher unter so grossem Druck stand, dass die Flüssigkeits¬
menge statt wie gewöhnlich aus dem Katheter langsam abzu¬
tropfen, im starken Strahl berausspritzte. Ich dachte natürlich
zunächst, dass ein Stein im Nierenbecken die Ursache der Ob*
struktion der mangelhaften Entleerung aus dem Nierenbecken und
der Koliken sein müsste, welchen ich mit dem Ureterkatheter
beiseite geschoben, das Nierenbecken entleert und damit die
Kolik beendigt hätte. Das Röntgenbild zeigte aber keinen Stein.
Die Pyelographie ergab beifolgendes Bild. Die Frau ist bisher
noch nicht operiert worden, weil sich durch häufige Ureter-
soodierung ihre Beschwerden bedeutend gebessert haben. Wahr¬
scheinlich hat das Nierenbecken durch regelmässige Entleerung
an Kapazität verloren und infolge der veränderten Formation,
welche wir ebenfalls pyelographisch nachweisen konnten, einen
günstigeren Abfluss erhalten, wodurch sich die Koliken vermindert
haben. In einem anderen Falle, wo die Stenose des Ureters
offenbar in der gleichen Höhe des Harnleiters, d. h. einige Centi-
meter unterhalb des Nierenbeckens sass, machten wir die Autopsie
in vivo durch die Operation, weil mit konservativen Maassnabmen
keine Besserung zu erzielen war. Die Operation ergab eine Ver¬
engerung des Ureters genau an der Stelle, wo sie das Röntgeno¬
gramm anzeigt. Die Niere sah noch nicht sonderlich geschädigt
aus und bot auch bei der Spaltung um so weniger einen An¬
halt, sie zu entfernen, da von der Nierenwunde aus sich ein
Drain den Harnleiter entlang bis in die Blase führen Hess, ein
Manöver, welches vor der Operation auf dem umgekehrten Wege
uns mit Hilfe des Uretberkatheters nicht gelungen war. Das Drain
wurde einige Zeit liegen gelassen und dann herausgenommen. Es
gelang uns nach der Operation leicht, mit dem Uretherkatheter
von der Blase aus in das Nierenbecken einzudringen, es auszu¬
waschen und mit dünner OarbollÖsung auszuspülen. Solange
dies regelmässig geschah, waren die Beschwerden der Patientin
verschwunden oder zeigten sich nur selten in gelegentlichen
leichten Koliken. Auch die Funktion der Niere, welche vor der
Operation, also vor der Zeit, wo eine Behandlung mit dem
Ureterkatbeter möglich war, völlig zn wünschen übrig
Ress, indem die Niere nichts von dem ausgeschiedenen Farbstoff
sezeroierte, besserte sich erheblich, in Gestalt einer, wenn
auch nicht normalen, so doch immerhin deutlichen Farbstoff-
Produktion. Dementsprechend änderte sich auch das Pyelogramm,
welches hier neben demjenigen, welches wir vor der Operation
erhielten, abgebildet ist. Trotzdem war der Erfolg kein dauernder.
Nach Aussetzen der Nierenbeckenspülungen stellten sich die Koliken
wieder ein, nnd das Allgemein befind en verschlechterte sich, so
dass die Exstirpation der Niere aasgeführt wurde and der
Patientin Heilung brachte. Ich glaube, dass wir in so seltenen Zu¬
ständen, wie der angeborenen Ureterstenose niemals so klar sehen
werden, wie mit Hilfe der Pyelographie und dementsprechend
unsere Maassregeln ergreifen können. Eine ebenso gute Orientierung
erreichen wir durch das Pyelogramm in den Fällen, wo eine hart¬
näckige Pyelitis oder Pyelonephritis die Niere ergriffen hat, ihre
Funktion zum Verschwinden brachte, die konservative Be¬
handlung erfolglos blieb und die Frage entsteht, ist der Zu¬
stand der Niere schon so schwer, dass wir uns zu einem opera¬
tiven Eingriff, d. h. zu einer Entfernung der Niere entschlossen
müssen? Hier kommt uns das Pyelogramm in der Weise zu
Hilfe, dass es uns die dauernde, trotz aller therapeutischen Maass¬
nahmen, wie der Uretersondierung, bestehende Behinderung im Ab¬
fluss des eitrigen Sekrets aus dem Nierenbecken (Abbildung 8, a—d),
die Erweiterung des Nierenbeckens, die Aushöhlung der Kelche zeigt
und damit, wie Israel hingewiesen hat, die Wirkung des Ureteren-
katheterismus illusorisch machend, Veranlassung gibt, anf
chirurgischem Wege die Infektion anzugehen. Es gibt keine
Methode, mit der man diese Stauungszustände des Urins oder des
Eiters und dieVeränderung, weiche sie der Niere geschlagen haben, so
gut erkennen könnte wie mit der Pyelographie, die uns so strikte
Indikationen zur chirurgischen Behandlung an die Hand gibt.
Denn die Funktionsprüfung besagt uns in diesen Fällen nichts;
zeigt sie uns einen Funktionsausfall, so ist damit noch nicht die
Indikation zur Einleitung einer chirurgischen Therapie gegeben,
da das Organ sich funktionell wieder heben und nur von einer
collateralen toxischen Wirkung der Pyelonephritis befallen und
ausser Funktion gesetzt sein kann. Andererseits dürfen wir aber
im Interesse des Patienten und der anderen Niere, welche die
toxischen Produkte aaszuscheiden hat, nicht zu lange warten,
und jedenfalls nicht mehr mit einer Radikalbehandlang zögern,
sobald stärkere eitrige Höhlenbildungen im Nierenparenchym auf-
getreten sind.
Von geringerer Bedeutung ist die Pyelographie bei den aus¬
gesprochenen Pyonephrosen, welche man auch ohne Pyelographie
klinisch, cystoskopisch und funktioneil leicht erkennen kann. Das
Pyelogramm gibt uns in diesem Fall nur eine Vorstellung über
die Grösse der vereiterten Niere, ihre Lage und das etwaige
Risiko ihrer Exstirpation, ohne jedoch eigentlich entscheidend zu
wirken.
Ebenso ist bei der Nieren tuberkulöse die Pyelographie nicht
von ausschlaggebender Bedeutung, da wir in der Lage sind, diese
Erkrankungen auf anderem Wege leicht zu diagnostizieren. Eines
aber habe ich auch bei der Tuberkulose durch die Pyelographie
gelernt, dass nämlich schon in beginnenden Fällen, wo die
Funktionsprüfung keine wesentliche Herabsetzung zeigt, bereits
eine starke Ulceration der Papillen, sogar Cavernenbildong zu
sehen ist. Diese Tatsache wird besonders denjenigen, welche die
beginnende Nieren tuberkulöse noch mit Tuberkulin behandeln,
schwer auf die Seele fallen. (Abbildung 6.)
Von der Veränderung des Nierenbeckens, der napfförmigen
Erweiterung der Kelche und dem ganz besonders charakteristi¬
schen Ureterabgang vom Nierenbecken bei Tuberkulose habe ich
bereits gesprochen.
Wertvoller als bei Tuberkulose war uns die Pyelographie bei
Nierensteinen (Abbildung 8), da sie uns vor der Operation den
Sitz der Steine im Nierenparenchym einerseits oder im Nieren¬
becken andererseits verdeutlicht und somit einen Hinweis auf den
Plan und die Gefahren der Operation gab. Ganz abgesehen
davon, dass es für den Operateur viel angenehmer ist, wenn er
mit einem strikten Operationsplan seine Eingriffe ausführen kann
und sich nicht erst durch Suchen und Freilegen über die
Situation orientieren und dementsprechend seine Handlungen ein-
richten muss, bringt uns die Pyelographie in die Lage, die Ge¬
fährlichkeit der Operation sicher abzuschätzen. Bekanntlich ist
die Pyelotomie, die Eröffnung des dünnen häutigen Nierenbeckens
an geeigneter Stelle, ein harmloser Eingriff, ohne oder mit
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8. Juli 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1267
Abbildung 6.
Taberkulose Nieren.
Dilatation des Beckens infolge Steinbildung, d grosser Beckenstein.
gaoi geringer Mortalität, während die Nephrotomie, die Durch-
trennang des Nierenparenchyms, trotz aller Vorsicht selbst bei
den besten Operateuren wegen der Nachblutungen eine beträcht¬
liche Mortalität nach sich zieht. Ob die eine oder andere, die
Pyelotomie oder Nephrotomie, gemacht werden muss, wissen wir
mit Hilfe der Pyelographie (Abbildung 7, a—f) gewöhnlich vor
der Operation, und schrecken manchmal davor zurück, kleine
Steine, welche ihrem Träger wenig Beschwerden machen, durch
Abbildung 7.
Nierensteine.
den grossen Eingriff der Nephrotomie zu suchen und zu entfernen
während wir anderereits uns leicht entschliessen, grosse Steine
die in kürzerer oder längerer Zeit zo einer Infektion der Niere
fuhren wurden, durch Pyelotomie zu extrahieren.
Endlich setit uns die Methode in Stand, auch einen Teil der¬
jenigen Steine röntgenograpbisch darzustellen, welche ihrer
Struktur nach an und für sich allen Röntgenstrahlen durch lässig sind
Wir haben einen interessanten Fall beobachtet, welcher die Be
p y«l?g r *P‘> i « Ermittelung von Concrementen ver-
anschaulicht. Eine Frau litt an einseitigen Nierenscbmeraen,
welche sich gelegentlich zu echter Kolik verschärften. Eine
Röntgenaufnahme in der Klinik von Herrn Geheimrat Gold!
scheider zeigte keine Steine, desgleichen eine Aufnahme in
unserer Klinik, obwohl die Frau abgemagert und schlank war.
2
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UNIVERSUM OF IOWA
1368
BERLINER KLffltSCttB WOCHENSCHRIFT.
Abbildung 8.
o
O
[Bw-
o
Q
□
s-r)
O
a und b Pyelonephritis.
c und d Pyonephrose.
Da der Ureterenkatheterismus auf der verdächtigen Seite Eiter¬
körperchen, Bakterien und Eiweiss lieferte, nahmen wir an, dass
eine Pyelitis vorliegt und durch gelegentliche Sekretstauung die
Anfälle auslöst. Wir behandelten deshalb die Patientin mit Nieren¬
beckenspülungen von 3 proz. Collargol. Die Beschwerden verloren
sich nicht und gaben uns Anlass, eine Pyelographie zu machen.
Auf dem Bilde (Abbildung 7f) zeigten sich deutlich in dem inten¬
siven Collargolschatten lichte Stellen, Aufhellungen, die nur von
weniger scbattengebenden Steinchen herruhren konnten. Das ein¬
fache Röntgenogramm zeigte jetzt gleichfalls einen auf Concrcment-
bildung verdächtigen Schatten, und die Pyelotomie lieferte mehrere
weiche, auf Fingerdruck zerbrechliche Steinmassen zutage, welche
sich mit Collargollösung durchtränkt batten und durch diese
Imbibition für Röntgeustrahlen undurchlässig und deshalb sicht¬
bar geworden waren. Die chemische Analyse der Steine (Prof.
Loeb) ergab eine Zusammensetzung von Phosphor, Kalk und
Collargol.
Bei einer anderen Patientin mit einseitigem Nierenschmerz,
bei der sich die Steine wegen ungeheurer Adipositas nicht nach-
weisen Hessen, zeigte das Pyelogramm eine starke Erweiterung
des Nierenbeckens und der Nierenkelcbe, welche trotz des
negativen Röntgenbefundes die Gegenwart von Konkrementen wahr¬
scheinlich machten. Die von mir ausgefübrte Nephrektomie be¬
festigte diesen Verdacht. In der Niere fand sich eine Anzahl
grösserer und kleinerer Steine.
Ich hätte noch zu berichten, abgesehen von einem seltenen
Fall von Ureterdivertikel (Abbildung 7 b), den nns die Pyelographie
verdeutlicht hat, nnd abgesehen von einem Ecbinococcosack (Ab¬
bildung 9a), welcher offenbar mit der Niere einen Zusammenhang
haben muss, wie es die Pyelographie zeigt, über die wichtige Frage
der Nierentnmoren, speziell der Hypernephrome. Leider batte ich
bisher wenig Gelegenheit, innerhalb dieser Kategorie von Er¬
krankungen Erfahrungen zu sammeln, was ich um so mehr be-
daure, als einerseits gerade diese Erkrankungen besonders schwer
zu diagnostizieren sind, weil sie vom oberen Nierenpol ausgehen,
häufig die Niere grösstenteils intakt lassen und sich in die Zwerch-
.felikuppe hinein entwickeln. Weder eine Funktionsstörung noch
Kr. 27.
Abbildung 9.
a Echinococcus mit Einbruch in das Nierenbecken.
auf Nierentumor.
Verdacht
eine Hämaturie braucht die Gegenwart des Tumors zu verraten,
wenn er nicht den für die Diagnose günstigen Weg des Vorwärts¬
dringens im Nierenparenchym und des Einbruchs in das Nieren¬
becken nimmt, welcher aber seltener ist; anderseits bat
Braasch an grossem Material gerade bei diesen Fällen eine
wichtige Unterstützung durch die Pyelographie erhalten.
Ich habe zwei in diese Richtung schlagende Fälle beob¬
achtet, die aber bisher leider nicht durch Autopsie in vivo kon¬
trolliert werden konnten. Bei dem einen namentlich ist wegen
einer im Laufe der Beobachtung aufgetretenen Varicocele der
dringende Verdacht auf die Existenz eines Nierentumors gegeben.
Die Funktion der Niere ist nicht wesentlich verändert, Hämaturie
besteht ebenfalls nicht. Das Pyelogramm (Abbildung 4b) ergibt
ein tüten förmiges, seitlich eingedrücktes Nierenbecken mit völligem
Verstreichen der Kelche, vermutlich infolge des Druckes, der auf
das Nierenparenchym von oben her durch die Geschwulst aus¬
geübt wird. Ausserdem sieht mau io einer ziemlichen Entfernung
vom Nierenbecken mitten in dem Nierenparenchym einen schein¬
baren Hohlraum, der sich mit Collargol gefüllt hat und offenbar
nicht so abgeschlossen und isoliert vom Nierenbecken liegen
muss, da er sich sonst nicht hätte anfüllen können. Der feine
Verbindungsgang ist aber nicht aufzufinden, und so imponiert uds
dieser Hoblraum als isolierte Cyste.
Ich glaube Ihnen gezeigt zu haben, dass die Pyelographie
uns wertvolle Aufschlüsse gibt, die wir mit keiner anderen Me¬
thode erreichen können: besonders für das bisher recht dunkle
Gebiet der Wanderniere und des erweiterten Nierenbeckens, das
Vorstadium zur Hydronephrose, ferner für die Pyelonephritis, die
Stein- und Missbildungen d$r Niere und des Harnleiters, an¬
scheinend auch für die Tumoren. Bei den übrigen Erkrankungen
trägt sie wohl zur Vervollständigung des klinischen Bildes bei,
gibt uns aber keine nenen wesentlichen Aufschlüsse. Wenn Sie
seheu, dass wir die Methode so häufig angewandt haben, so kann
ich Ihnen zum Schluss versichern, dass wir das deshalb taten,
weil bei richtiger Technik die Methode sicher ungefährlich ist,
nicht gefährlicher als eine Spülung des Nierenbeckens mit
Argentumlösung oder verdünnter Collargollösung, wie sie seit
Dezennien geübt wird.
Selbstverständlich müssten wir auf die wertvollen Resultate der
Pyelographie als Untersuchungsmetbode versiebten, wenn sie mit
ernstlichen Gefahren für den zu untersuchenden Patienten ver¬
bunden wäre. Das ist aber nach meiner Erfahruifg and den viel
umfangreicheren Erfahrungen, welche an anderen Kliniken, z. B.
der Mayo’schen Klinik in Amerika, wo über 1000 Fälle pyelo-
graphiert wurden, nicht der Fall. Ohne anf die technischen
Einzelheiten der Ausführungen näher einzugehen 1 ), möchte ich nur
auf einen Punkt besonders binweisen, nämlich den, dass stets
dünne Ureterkatheter zu verwenden sind, d. b. Nr. 6 oder dünne
Nr. 6, für den Anfänger am besten Nr. 5, damit nicht, wie es bei
Anwendung dicker Katheter leicht geschehen kann, ein Ventil-
1) Eine Beschreibung der Technik erfolgt demnächst im Centralblatt
für Chirurgie.
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UNiVERSITY OF IOWA
6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1259
Verschluss des Nierenbeckens dn tritt, indem der Katheter den
Harnleiter völlig aasfüllt and nan das Collargol, wenn es das
Nierenbecken angefüllt hat, in die Harnkanäle bi neingepresst, in
die Nierensubstanz hineingedrückt und schliesslich durch Zer-
reissung von Gefässen infolge der angewandten Pression in den
Kreislauf gebracht wird. Wenn man bei Anwendung dicker
Katheter rücksichtslos das Collargol aaf diesem Wege in die Niere
hineinspritzt, so müssen natürlich schwere Schädigungen des
Organs, Infarkte, Ruptur des Nierenbeckens und allgemeine Ver¬
giftung des ganzen Körpers entstehen, die, wie in einem Falle
publiziert wurde, unter toxischen Erscheinungen zum Tode führen.
Für den Ungeübten ist deshalb Vorsicht dringend zu empfehlen.
Andererseits aber wegen einer nur bei schlechter technischer Aus¬
führung bestehenden Gefahr anf die Methode zu verzichten, hiesse
gleichviel wie überhaupt unsere besten Untersuchungsmethoden
aus dem Bereich der medizinischen Diagnostik bannen. Kann
nicht der Katheter und die Magensonde z. B. gefährlich werden,
ond in ungeübter und unvorsichtiger Hand den Tod herbeiführen?
Sollte man deshalb auf die Magensonde und den Katheter ver¬
zichten? Als Tatsache bleibt bestehen, dass die richtig ausge
führte Pyelographie harmlos ist; sobald man durch einen dünnen
Ureterenkatheter das Collargol in das Nierenbecken geleitet und
es angefüllt hat, läuft die überschüssige Silberlösung neben dem
dünnen Katheter aus dem Nierenbecken in die Blase zurück.
Ueberhaupt glaube ich, dass wir das Nierenbecken mit der
Collargollösung gar nicht anfüllen, sondern nnr überrieseln und
einen Collargolbelag der Schleimhaut erzeugen, dass mit anderen
Worten der grösste Teil der Silberlösung sofort wieder retrograd
io die Blase zurückgeht. Ich glaube dies auf Grund folgender
Beobachtung:
Eine Frao, bei welcher wir klinisch und pyelographisch die
Diagnose einer Wanderniere gemacht hatten, wurde 10 Tage nach
der Pyelographie, als sie sich zur Operation aufnebmen Hess,
nochmals röntgenograpbisch untersucht. Hierbei zeigte sich ein
deutlicher Schatten in der Niere, den wir für einen Steinschatten
anaprachen, obwohl weder bei der einfachen Röntgenaufnahme
vor der Pyelographie noch im pyelographischen Bilde sich irgend¬
eine Andeutung von einem Concremente fand. Die bewegliche
Niere wurde freigelegt und gespalten, aber ein Stein wurde nicht
gefunden. Nach Schliessung der Nieren wunde wurde das Organ
festgebeftet. Nach Heilung wurde bei der Patientin eine noch¬
malige Röntgenaufnahme vorgenommen, welche aber nichts mehr
von dem scheinbaren Concrementscbatten zeigte. Dieser Schatten,
den wir vor der Operation auf der erwähnten Aufnahme sahen,
hatte genau die Form von Korallensteinen, welche einen
Ausgoss der Nierenkelche bilden. Er wurde auf zwei Platten
vor der Operation in gleicher Form und in gleicher Lage
festgestellt and war, wie gesagt, bei der erneuten Aufnahme nach
der Operation nicht mehr zu erblicken. Zweifellos handelte es
ßich damals, obwohl 10 Tage nach der Pyelographie vergangen
waren, noch um einen Rest von Collargolbelag in den Kelchen,
welcher in der Wanderniere, deren Becken abgeknickt war, in
deren Kelchen leicht Stagnation nnd Retention eintreten konnte,
zorückgehalten wurde. Auf Grund dieser Beobachtung bin ich zu
der Ueberzeugung gelangt, dass wir wahrscheinlich überhaupt
nur einen vorübergehenden Collargolbelag, aber nicht eine Collargol-
füllung des Nierenbeckens zur Herstellung eines Röntgenbildes
brauchen und auch erzeugen, analog den Wismutbildern der
Magendarmorgane, bei denen auch nur ein Belag von Wismut
notwendig ist. Im ganzen betrachtet ist die Pyelographie bei
vernünftiger Ausführung nichts anderes, als eine Collargolspülung
des Nierenbeckens, wie sie gegen Pyelitis und andere infektiöse
Prozesse sehr häufig schon seit langer Zeit mit Nutzen geübt
wird. Die Unannehmlichkeiten, welche sich bei der Pyelo¬
graphie einstellen können, sind deshalb nicht grösser, als sie bei
dem Ureferenkatheterismus oder der NierenbeckenspüluDg ohne
Verwendung von Collargol sich ebenfalls einstellen können.
Jeder, welcher häufig den Ureterenkatheterismus angewandt hat,
weise, dass er gelegentlich zu Koliken führt. Man soll deshalb
von der Pyelographie in allen den Fällen Abstand nehmen, wo
bereits der Ureterenkatheterismus durch seinen traumatischen Reiz
pj^^^hchkeiten und Schmerzen hervorruft, die, durch die
"üllang d 08 Nierenbeckens mit Collargol noch verschärft, sich
10 einer richtigen Kolik potenzieren können.
Ich habe unter nunmehr über 100 Pyelographien, welche ich
Jjwgeführt habe, 3 mal eine Kolik erlebt, 2 mal so leicht, dass die
«lenten, nachdem sie sich eine Stunde laug auf dem Sofa aus-
S«abt hatten, wieder nach Hause gingen. Das dritte Mal hielt die
Kolik einige Standen an. Aber genau dieselben unangenehmen
Zufälle kann man unter einer grossen Zahl von Ureterenkatheteri-
sierten erleben; sie köonen uns nicht bindern, eine wertvolle
Methode mit so grosser diagnostischer Bedeutung aufzugeben,
ebensowenig wie die ernsteren Unfälle, welche sich in der Hand
des Ungeübten, Unerfahrenen und dabei sorglosen Praktikers ein¬
stellen können.
Indikationen und Grenzen der Pyelographie.
Von
Prof. Dr. L. C&sper.
(Erweiterte Diskussionsbemerkuogeo, gemacht in der Berliner medizini¬
schen Gesellschaft am 13. Mai 1914.)
Die Pyelographie, eine Methode, die von Völcker and
Lichtenberg im Jahre 1905 angegeben worden ist, besteht be¬
kanntlich darin, dass man das Nierenbecken durch einen zuvor
eingeführten Ureterkatheter mit einer 5—lOproz. CollargollÖsung
füllt und nun eine Röntgenaufnahme macht. Da das Collargol
für Röntgenstrahlen nicht durchgängig ist, so bekommt man eine
Zeichnung des Nierenbeckens und der Ureteren auf die Platte.
Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass man sich auf diese Weise
gewisse Veränderungen an Nierenbecken und Ureteren direkt zu
Gesicht bringen kann.
Die Methode fand bei uns nicht recht Eingang, bis lobende
Berichte ans Frankreich, England und besonders aus Amerika
kamen, wo die Gebrüder Mayo über 1500 Pyelographien aus¬
geführt haben sollen. In nachdrücklicher Weise wurde nun letzt¬
hin das Verfahren von E. Joseph 1 ) empfohlen, welchem Um¬
stand diese Zeilen ihre Entstehung verdanken.
Bildet das „nil nocere u noch immer den obersten Grundsatz
in der Medizin, so fragt man Bich vor allem: wie steht es mit der
Ungefährlichkeit der Methode? Solche wird von den ver¬
schiedenen Autoren behauptet, während eine Reihe anderer
Forscher schwere Schädigungen beschrieben haben, die sie nach
Anwendung des Verfahrens sahen. So sind mehrere Todesfälle,
die im Anschluss an die Pyelographie auftraten, berichtet worden.
Von Joseph und anderen wird das auf eine mangelhafte Technik
zurückgeführt. Man sah die Ursache der Schädigung vor allem
darin, dass das Collargol unter zu hohem Druck in das Nieren¬
becken gebracht wurde.
Für einen Teil der Fälle ist das zweifellos richtig. Die
Technik bei der Pyelographie muss eine äusserst feine und sub¬
tile sein. Ich gehe in der Beziehung noch über Joseph hinaus.
Man darf nach meiner Meinung zu der Füllung überhaupt keine
Spritze benutzen, sondern, ähnlich wie bei der Magenspülung,
nur einen kleinen Trichter, in welchen das Collargol eingelassen
wird, und den man etwa 30—60 cm über dem Körper hält. Nun
lässt man so viel einfliessen, wie gutwillig geschieht, und hört so¬
fort auf, sobald der Kranke im Rücken das Gefühl von Spannung
empfindet. Man darf nur dünne Ureterkatbeter benutzen, damit
der Katheter nicht das Lumen des Harnleiters ausfüllt und der
Ueberschuss des Collargols neben dem Katheter in die Blase Zu¬
rückläufen kann. Eine Beckenhocblagerung des Patienten bei
der Füllung ist nur selten nötig. Die Anwendung der Kom¬
pressionsblende bei der Röntgenaufnahme ist entweder ganz zu
vermeiden, oder aber die Blende muss vor der Collargolfüllung
angesetzt werden.
Nun sind trotz peinlichster Anwendung aller dieser Vorsichts¬
maassregeln schwere Schädigungen nach der Pyelographie dennoch
nicht ausgeblieben. Ein ganz einwandfreier Fall ist jüngst in
den Folia urologica ans der Hocfaenegg’schen Klinik beschrieben
worden, P. Rosenstein berichtet von einem Todesfall bei gleicher
Sachlage, W. Israel sah Uebelbefinden nnd Fieber, und ich selbst
habe kürzlich bei einer alten Dame, bei der die Pyelographie
uuter den denkbar grössten Kautelen vorgenommen wurde, ein
schweres Krankheitsbild — Schmerzen, Uebelkeit, Erbrechen,
Cyanose, Fieber bis 39,5° — entstehen sehen. Nimmt man noch
dazu die objektiven Schädigungen, Infarkte und Nekrosen der
Nierenkanälchen, Glomeruli und deren Umgebung, die ein Teil
der genannten Forscher an den herausgenommenen Nieren der
Patienten sah und die Max Roth bei adäquaten Experimenten an
Tieren beobachtete, so kann man das Verfahren nicht fürderhin
1) Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am
6. Mai 1914.
2 *
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
ein ungefährliches nennen. Man muss vielmehr sagen, dass
es ein nicht unbedenkliches und jedenfalls das ein¬
greifendste aller bis jetzt geübten diagnostischen
Hilfsmittel ist
Das ist kein Grund, die Pyelographie gänzlich abzulehnen
oder zu verwerfen, aber es ist ein Grund, sich die Frage vorzu¬
legen: welches sind die Vorteile, die uns aus der Anwendung
des Verfahrens erwachsen, in welchem Verhältnis steht der Ge¬
winn zu dem aufgewendeten Risiko, und gibt es nicht mildere
Methoden und Mittel, um diejenige Klärung in der Diagnose
herbeituführen, welche uns die Pyelographie gewährt?
Was vorerst die Wanderniere betrifft, für deren Diagnostik
man die Pyelographie verwertet wissen will, so muss ich das
a limine ablehnen. In der Lehre von der Wanderniere mag
noch manches dunkel sein, die Entstehung, die zweckmässägste
Therapie, klar ist aber die Diagnose: eine Wanderniere fühlt man,
und wenn man eine Niere nicht fühlt, so ist es keine Wander¬
niere. Das ist ja eben das Wesen der wandernden Niere, dass
man sie im Leibe, wo sie sonst nicht ist, auffindet.
Anders steht es mit denjenigen Dingen, die gelegentlich bei
einer Wanderniere Vorkommen: Schlängelung des Ureters,
Abknickung, Stenose, spitzwinklige Einmündung des¬
selben in das Nierenbecken. Diese Dinge kaDn man allerdings
mit nichts besser zur Erscheinung bringen, als mit der Pyelo¬
graphie. Aber es ist zu bemerken, dass das durchaus nicht immer
Begleitzustände der Wanderniere sind, dass sie ohne Wanderniere
und die Wanderniere ohne diese Vorkommen. Es ist ferner zu
bemerken, dass eine Feststellung dieser Verhältnisse durchaus
nicht immer für das Wohlergehen des Kranken notwendig ist.
Es ist wohl richtig, dass sich aus diesen Abnormitäten bisweilen
Schädigungen der Niere entwickeln, Druckatrophien, Hydro-
nephrosen, allein deren Entwicklung kann viele Jahre und Jahr¬
zehnte dauern. Nun wird man es doch nicht billig finden, die
Prophylaxe so weit zu treiben, dass man mittels einer nicht un¬
gefährlichen Methode Umstände aufzudecken sucht, die zumTeil ohne
Bedeutung für den Träger sind, und deren Folgen zum Teil erst in die
Erscheinung treten in einer Zeit, die ich als diesseits des Jenseits
bezeichnen möchte. Die Pyelographie darf deshalb bei der
Wanderniere nur dann angewendet werden, wenn die
begleitenden subjektiven oder objektiven Umstände
eine weitere Aufhellung der Verhältnisse, die auf andere
Weise nicht zu erlangen ist, notwendig machen.
Was die Nierentuberkulose betrifft, so hat sich mit Recht
die Mehrzahl aller Forscher gegen die Anwendung der Pyelo¬
graphie bei dieser ausgesprochen. Hier ist die Pyelographie nicht
nur nutzlos, sondern in hohem Grade schädlich. Was bei der
Tuberkulose wichtig zu wissen ist, lehren uns die anderen dia¬
gnostischen Verfahren viel besser als die Pyelographie.
Bei der Diagnostik der Nierensteine wird zweierlei für die
Pyelographie in Anspruch genommen. Erstens soll man durch
dieselbe unterscheiden können, ob es sich um einen Nieren¬
oder Nierenbeckenstein handelt. Das ist richtig, das kann
man, aber man kann das in vielen Fällen schon aus dem ein¬
fachen Köntgenbild, und in anderen Fällen ist diese Kenntnis
unnötig. Denn zweierlei ist möglich: entweder ein Nierenstein
wird operiert, oder er wird es nicht. Im letzteren Falle ist es
für den Arzt und den Krauken gleichgültig, wo der Stein sich
befindet, ob im Becken oder im Parenchym. Wird aber der Fall
operiert, so wird sich der Operateur während der Operation
durch den Augenschein oder das Gefühl von der Sachlage über¬
zeugen und dementsprechend seinen Operationsplan einricbten.
Wichtiger ist der zweite Vorteil, den die Pyelographen für
die Methode geltend machen. Es ist bekannt, dass eine Reibe
von Steinen (Uratsteine) bei der Röntgenograpbie nicht
auf die Platte kommen. Nun wird behauptet, dass, wenn man
das Becken mit Collargol gefüllt hatte, einige Tage darauf der
Stein, der sich mit Collargol imbibiert hat, sichtbar wird. Das
wäre allerdings ein sehr erfreulicher Fortschritt, leider aber kann
ich diese Angaben nicht bestätigen. Ich befinde mich im
Einverständnis mit Herrn W. Israel, dem es wie mir nicht ge¬
lang, Steine, die man vorher nicht sab, nach der Coilargolinjek-
tion erkennbar zu machen.
Kommen wir zu den NiereDtumoren, so hat Herr Joseph
mit Recht ausgeführt, dass es zuweilen sehr schwierig sein könne,
Nierentumoren, besonders Hypernephrome, in früher Zeit zu
diagnostizieren, zu einer Zeit, ehe sie bluten und ehe sie pal-
pabel sind. Er hat mit Recht hervorgehoben, dass auch die
funktionelle Nierenprüfung, die sonst so Hervorragendes leistet,
hier zuweilen im Stich lässt, wenn nämlich das Hypernepbrom
keine oder unwesentliche Funktionsstörungen gesetzt hat. Das
ist aber leider häufig der Fall, denn der Tumor ist eben kein
eigentlicher Nierentumor, er sitzt der Niere auf und lässt
daher das Nierenparenchym lange Zeit ungestört und seine
Funktionskraft unvermindert.
Nun haben die Amerikaner, besonders die Mayos, be¬
obachtet, dass diese Nierentumoren das Nierenbecken und die
Kelche erweitern und ausziehen. Diese Ausziebung werde durch
die Collargolfüllung und Röntgenaufnahme sichtbar gemacht und
könnte so zur leichteren Diagnose der Hypernephrome beitragen.
Leider kann ich diese Angaben nicht bestätigen. Ich habe aus
meiner Sammlung die letzten sieben Hypernephrome, die ich
operiert habe, herausgesucht und daraufhin untersucht. Einmal
fand ich ein erweitertes Nierenbecken und einmal ausgezogene
Kelche, in den anderen fünf Fällen sah man davon nichts. Ich
muss also zu meinem grossen Leidwesen sageD, dass ich fürchte,
dass durch die Pyelographie die Frühdiagnose der Hyper¬
nephrome nicht wesentlich gefördert wird. Doch scheint
es mir angebracht, in dieser Hinsicht noch weitere Untersuchungen
vorzunehmen.
Gehen wir nun zu den Dystopien der Niere über, so zeigt
uns die Pyelographie schöne und instruktive Bilder: Form des
Nierenbeckens und Lage der Nieren, Doppelbildungen der
Ureteren usw. werden uns gleichsam auf die Tafel geschrieben.
Nur ist hinzuzufügen, dass wir ein anderes, weniger eingreifendes
Verfahren besitzen, durch das uns die Nierendystopie ebenso
deutlich vor Augen geführt wird, ein Verfahren, das von
Schmid t - Chicago und dem leider zu früh verstorbenen
Loewenhardt angegeben worden ist, und um dessen Aus¬
arbeitung sich unser Gynäkologe Müllerheim verdient gemacht
hat. Es besteht darin, dass man einen Wismutkatheter in den
Ureter und bis zum Nierenbecken hinführt und dann eine
Röntgenaufnahme macht. Dann sieht man, wie der Katheter statt
in das gewöhnliche Nierenlager zu der abnormen Stelle binführt,
wo die Niere liegt. Die beiden beigefügten Abbildungen werden
das veranschaulichen.
Der erste Fall betrifft eine Patientin, die ich vor 8 Jahren
operiert habe. Auf der Abbildung 1 sieht man den linken
Ureterkatheter (L) zu dem gewöhnlichen Nierenlager hinziehen,
während der rechte Ureterkatheter (R) schon im Becken eine BieguDg
nach der Medianlinie macht und hier endet. Es bandelt sich um
eine Beckenniere.
Die Abbildung 2, von dem Röntgenforscher Kretsch mar an-
gefertgt, betrifft einen Fall, den ich zusammen mit Herrn Litthauer
untersuchte, der auch den Fall operiert hat. Man sieht hier den
Ureterkatbeter im Beckenanteil eine Ellipse beschreiben, dann in
einer kleinen Schleife weiter nach oben ziehen und wiederum
sich zu einer Ellipse formen, in deren Mitte sich ein tiefer
Schatten (Stein) befindet. Es handelt sich demnach um einen
Stein in einer Beckenniere, schwierig erkennbare Verhältnisse,
die durch das genannte Verfahren sehr gut zum Ausdruck ge¬
kommen sind.
Ich glaube demnach, dass wir in der Mehrzahl der Fälle mit
dieser Methode auskommen und dafür die Pyelographie werden
entbehren können.
Weiterhin wird für die Pyelographie in Anspruch genommen,
Abbildung 1.
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UNIVERSUM OF fOWA
0. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Abbildung 2.
dass es mit ihr gelingen soll, Unterleibstumoren, von denen
es fraglich ist, welchem Organ — ob der Niere oder einem Bauch¬
organ — sie angehören, zu differenzieren. Das Problem besteht;
es gibt Uoterleibstumoren, von denen es sehr schwierig sein kann
zu sagen, von welchem Organ sie ausgehen. Speziell können
Nierentumoren mit Lebertumoren, Schnürlappen der Leber, Gallen¬
blasengeschwülsten usw. verwechselt werden.
Wenn man nun das Nierenbecken mit Collargol füllt, so
wird das Röntgenbild bisweilen die Situation klären. Es wird
uns zeigen, dass die Niere gegebenenfalls wo anders liegt als der
fragliche Tumor.
Aber auch hier möchte ich darauf hinweisen, dass öfter
andere, weniger eingreifende Verfahren uns zum Ziele führen.
Ich erinnere an die Methode, die ich im Jahre 1901 auf der Natur¬
forscherversammlung in Hamburg beschrieben habe, die in fol¬
gendem gipfelt: Gesunde Nieren funktionieren annähernd gleich,
die üblichen Funktionswerte (U, der Gefrierpunkt, Zucker nach
Phloridzininjektion) ergeben dann annähernd gleiche Werte. Ge¬
hört demnach der fragliche Tumor einem intraperitoneal gelegenen
Beckenorgan an, und sind die Nieren gesund, so stimmen die
Funktionswerte überein. Ist der fragliche Tumor ein Nierentumor,
*o sind die Funktionswerte der betreffenden Nierenseite gegen¬
über der andern vermindert.
Leider lässt die Methode dann im Stich, wenn bei gewissen
Nierentumoren, so besonders bei den Hypernepbromen, wie schon
ausgeführt, die Funktion der angegriffenen Niere nicht merklich
gestört ist.
Dann rekurrieren wir auf ein anderes Verfahren, die Auf¬
blähung des Darmes, ein in der allgemeinen Chirurgie seit
altersher bekanntes und gern verwendetes diagnostisches Hilfs¬
mittel. Wir blasen das Colon tüchtig auf. Handelt es sich um
mnen Nierentumor, so liegt der Darm stets über dem Tumor,
«ir erhalten Darmschall; Ausnahmen sind ausserordentlich selten,
können aber bei sehr grossen Tumoren Vorkommen. Handelt es
sich um einen intraperitonealen Tumor, so liegt dieser der Bauch¬
end an; die Perkussion gibt demnach gedämpften Schall über
demselben.
Demnach sollte man bei zweifelhaften, schwer zu
identifizierenden Unterleibstumoren vorerst die letztere
a 8 die leichteste Methode, dann die funktionelle Unter¬
jochung der Nieren vornehmen. Erst wenn diese beiden
otersuchnngen nicht genügend Aufklärung gebracht
a eD » erst dann wäre die Anwendung der Pyelographie
gerechtfertigt.
Rückhaltlos muss man dagegen die Bedeutung der Pyelo¬
graphie für die Diagnose der Hufeisen- oder Kuchennieren
D j e [ . nen * Hier gibt es keine Methode, die mit dieser erfolg-
lc in Konkurrenz treten könnte. Weder die Palpation noch
die in letzter Zeit öfter in den Vordergrund gedrängte, auf embryo-
logische Verhältnisse sich stützende Konstatierung der veränderten
Achsenrichtung der Niere geben stets die erwünschte Sicherheit
der Diagnose. Die Pyelographie bringt einwandfreie Bilder, sie
zeigt uns die Grösse des Beckens oder der Becken, ihre Lage,
ihre gegenseitigen Beziehungen und Abgrenzungen. Wo also be¬
gründeter Verdacht auf diese Abnormität besteht, soll die Pyelo¬
graphie angewendet werden.
Nur möchte ich darauf hinweisen, dass es sich um verhältnis¬
mässig seltene Vorkommnisse handelt. Nach der letzten Statistik
von Jefremoff aus dem Pathologischen Institut der Universität
Charkow kamen auf 91 220 Sektionen 125, d. b. 0,13 pCt. Fälle
von Hufeisennieren. Die Anwendung des Verfahrens wird also
zur Konstatierung dieser Abnormität verhältnismässig selten in
Aktion treten.
Schliesslich möchte ich auf eine Reihe von Fällen eingehen,
in welchen die Pyelographie mir das wertvollste und wichtigste
Anwendungsgebiet zu haben scheint.
Unsere Nierendiagoostik ist dank der Erfindung des Ureter¬
katheterismus und der funktionellen Untersuchungsmethoden auf
einem hohen Grad angelangt. Man darf wohl sagen, die Mehr¬
zahl der Fälle liegt in diagnostischer Beziehung demjenigen klar,
der die bekannten diagnostischen Hilfsmittel beherrscht und ge¬
schult genug ist, die aus ihnen zulässigen Folgerungen zu ziehen.
Immerhin aber bleiben noch öfter als erwünscht Fälle übrig, in
denen alle unsere diagnostischen Methoden erschöpft worden sind,
ohne dass es möglich ist, eine exakte Diagnose zu machen.
Das betrifft besonders einige dunkle Fälle von ungewöhn¬
licher Nephritis, Perinephritis, Steinen, die nicht auf die
Röntgenplatte kommen, Hydronephrosen und Blutungen. So
war es mir wiederholt unmöglich, die Differentialdiagnose zwischen
einem Stein und jenen Formen von Nephritis zu stellen, in denen
Albumen zeitweise ganz fehlt, periodische Blutungen auftreten,
und in denen das hervorstechende Symptom ein Nierenschmerz
ist, der sich durch Anstrengung und Bewegung steigert. Dieser
Syraptomenkomplex gleicht also völlig dem bei Steinen üblichen.
Ich erinnere mich speziell eines Falles, in welchem ein Nieren¬
schmerz, mit roten Zellen und Cylindern versehener Harn aus
einer Niere mich zu der Diagnose Nephritis veranlassten, während
de facto eine beginnende Hydronephrose vorlag.
Hier lässt auch die funktionelle Prüfung im Stich, denn eine
beginnende Hydronephrose braucht nur eine geringe Verminderung
der funktionellen Kraft der betreffenden Niere zu zeigen, aus der
eiu diagnostischer Schluss nicht möglich ist. Ebensogut wie um
eine Hydronephrose könnte es sich um eine abgelaufene, mit
Parencbymverlust geendete Nephritis oder um eine mit Substanz¬
verlust verbundene Perinephritis handeln.
Hilft nun auch die Pyelographie nicht in allen diesen
Fällen so wird sie wenig zur Differentialdiagnose zwischen
einem nicht auf die Platte kommenden Stein und Nephritis bei¬
tragen können —, so legt sie doch die Verhältnisse der be¬
ginnenden Hydronephrose klar, einer Krankheit, die die gleicheu
Symptome wie ein Stein oder eine Nephritis machen kann. Indem
sie uns die mit Collargol gefüllten ausgezogenen Nierenkelche
und das erweiterte Becken zeigt, führt sie uns diese abnormen
Verhältnisse in solcher Deutlichkeit vor Augen, dass ein Irrtum
unmöglich ist.
Fasst man demnach das Gesagte zusammen, wägt man Vor¬
teile und Nachteile, welche die Pyelographie bringt, ab, so müssen
wir sagen: Die Methode besteht zu Recht, sie hat und
behält ihren Wert.
Aber sie soll, da sie nicht ungefährlich ist, nur an¬
gewendet werden bei strenger Indikation, mit anderen
Worten, nur dann, wenn die übrigen, milderen Unter¬
suchungsmethoden zu keinem ausreichenden Resultat
geführt haben. Dieses sicher berechtigte Verlangen legt ihr
diejenigen Grenzen auf, welche ich auf Grund meiner Erfahrungen
und Erwägungen im vorstehenden geglaubt habe ziehen zu müssen.
Deshalb wollen wir bei ihrer Anwendung nicht den Kollegen aus
dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten folgen, sondern wir 0
wollen uns an die schönen Worte unseres berühmtesten Kollegen
halten:
„Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht.“
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 27.
1262
Röntgenstrahlen und Schwangerschaft.
Von
H. Edelberg-München.
Die Radiosensibilität der weiblichen Keimdrüse wurde zuerst
von Halberstädter 1 ) experimentell erwiesen. Bei Bestrahlung
von Eierstöcken von Kaninchen trat nach mehrmaliger Röntgeni*
sation eine Zerstörung der Graaf’schen Follikel ein, nach einigen
weiteren Bestrahlungen gingen auch die Primordialfollikel und
die Ureier zugrunde. Saretzky 2 ), der sehr umfangreiche Unter¬
suchungen anstellte und im wesentlichen das bestätigte, was
Halberstädter gefunden hatte, hebt hervor, dass bei kurz¬
dauernder Bestrahlung die Eierstocksatropbie nur eine vorüber¬
gehende sein kann. Nach Reifferscheid 3 4 ) beruht diese „tempo¬
räre Sterilisation“ auf folgendem: bei ungenügender Bestrahlung
gehen die reifen Follikel zugrunde, die von ihnen abhängigen
Menstruationen fallen aus, die unreifen Follikel dagegen können
sich unter Umständen wieder von der Schädigung erholen, sie
reifen und in der Folge treten neuerdings Blutungen auf. Auf
Grund dieser Ueberlegungen, wurde von verschiedenen Seiten die
Ansicht ausgesprochen, ob die jungen Follikel trotz ihrer Reifungs¬
fähigkeit nicht vielleicht doch durch die Röntgenstrahlen so ge¬
schädigt sind, dass sie bei eintretender Befruchtung eine nicht
völlig gesunde Frucht zu liefern vermögen. Im Tierexperiment
beobachtete M. Fraenkel*) in der Tat eine Schädigung der
Keimzellen, die sich darin offenbarte, dass die nicht bestrahlten
Nachkommen des Versuchtieres, sofern sie überhaupt lebend zur
Welt kamen, auffallend schlecht entwickelt waren. Am Menschen
liegen ähnliche Beobachtungen noch nicht vor. Doch haben
Sellheim u. a. die Vermutung ausgesprochen, dass ein ähnliches
Ereignis beim Menschen möglich sei. Es werden deshalb die
Nachkommen solcher mit Röntgenstrahlen behandelter Frauen
wohl unser grösstes Interesse beanspruchen dürfen. Bis jetzt
sind meines Wissens keine derartigen Beobachtungen veröffentlicht
worden. Ich halte es deshalb für richtig, folgenden, in der An¬
stalt des Herrn Hofrat Dr. Th ei 1h aber, beobachteten Fall zu
publizieren.
Frau G., 38 Jahre alt, hat 4 Geburten durchgemacht. Das erste
Kind gebar sie vor 17, das letzte vor 6 Jahren. Sie klagt über Schmerzen
in der linken Seite des Unterleibes. Die Periode trat immer regelmässig,
alle 4 Wochen ein, dauerte 5 Tage lang und war von starken Blutungen
begleitet.
Bei der Untersuchung fand sich ein nahezu faustgrosser, runder,
harter Tumor, der dicht am rechten Uterushorn aufsitzt. Es wird die
Diagnose auf Uterus myomatosus gestellt und der Patientin das Röntgen¬
verfahren vorgeschlagen. Im April, Mai und Juni 1913 wurde sie
röntgenisiert. Bei möglichster Zentrierung auf die Orarien wurde, unter
Verwendung von 10 cm weitem Kompressionstubus, 6 Einfallspforten
(abdominal und sacral), 10 Wehnelt harter Röhre, 3 mm Aluminiumfilter
und 18 cm Fokus-Hautdistanz, in mehreren Serien 125 Minuten bestrahlt.
Das Resultat war 146 X Kienböck.
Die Menses wurden zunächst nicht schwächer. Patientin ging ins
Gebirge. Am 1. September kommt sie wieder und gibt an, dass die
letzte Periode vor 3 Monaten war, dazwischen habe sie nur ab und zu
geringe Blutungen gehabt. Bei der Untersuchung fand sich das Corpus
uteri beträchtlich vergrössert. Das Myom hatte sich verkleinert und war
etwa kleinapfelgross. Die Diagnose wurde auf Schwangerschaft gestellt.
Am 9. September bekam sie eine starke Blutung, die aber nur 1 Stunde
dauerte; sonst treten keine Störungen mehr in der Schwangerschaft auf.
Am 12. März 1914 gebar sie einen kräftigen 3450 g schweren, 51 cm
langen Knaben. Die Entbindung verlief normal und dauerte 1 Stunde.
Patientin stillt das Kind. Ich untersuchte den Knaben aufs eingehendste,
konnte aber nichts Pathologisches finden. In der 7. Woche wog er
4680 g. Das Kind zeigt alle Zeichen der Reife und ist im besten Er¬
nährungszustand. Die CoDception hat wahrscheinlich Mitte Juni statt¬
gefunden. Die letzte Röntgenisation war am 3. Juli 1913. Im Beginn
der Schwangerschaft wurden der Patientin noch 35 X Kienböck appliziert.
Wenn es auch bei Kaninchen and Meerschweinchen mittels
Röntgenstrahlen verhältnismässig leicht gelingt, eine Unterbrechung
der Schwangerschaft herbeizuführeo, so trifft das für die Frau,
wie es unser Fall lehrt, längst nicht in gleichem Maasse zu.
1) B.kl.W., 1905, Nr. 3.
2) Zbl. f. Gyn., 1909, S. 951.
3) Verhandl. d. 14. Gynäkologenkongresses, S. 593.
4) Die Röntgenstrahlen in der Gynäkologie. Berlin 1911.
Aus der Königl. psychiatrischen und Nervenklinik zu
Kiel (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Siemerling).
Erfahrungen mit dem neuen Schlaf- und Be¬
ruhigungsmittel Dial-Ciba.
Von
Privatdozent Dr. Felix Stern, Assistenzarzt.
Der klinischen Erprobung eines neuen Schlafmittels wird man
eine gewisse Berechtigung nicht versagen können. TroU der
grossen Menge von Medikamenten, welche die chemische Industrie
in den letzten Jahren auf den Markt gebracht hat, schrumpft die
Zahl der wirklich zweckmässigen und empfehlenswerten Mittel
erheblich zusammen, wenn man prompte Wirkung, Fehlen nicht
unbedenklicher Nebenwirkungen oder unangenehmer Begleiterschei¬
nungen und einen nicht zu abundanten Preis von einem brauch¬
baren Schlafmittel verlangt. Gerade die letztere Eigenschaft mancher
moderner Schlafmittel wirkt um so unerquicklicher, als man mit
vielen älteren Mitteln auf unverhältnismässig billigerem Wege die
gleiche Schlafwirkung erzielen und man sich des Eindrucks nicht
erwehren kann, als ob der Wert und Herstellungspreis solcher
neuer Mittel nicht im Verhältnis zum Verkaufspreis steht. Dass
man bei häufigerem Gebrauch von Schlafmitteln oft mit den Medi¬
kamenten wechseln muss, um Gewöhnungswirkungen zu vermeiden,
ist zu bekannt, als dass es näher ausgeführt werden müsste. Not¬
wendig ist es aber auch, ehe man an die Prüfung eines neuen
Mittels herantritt, sich darüber klar zu sein, in welchem Maasse
man in der Behandlung nervöser und psychotischer Zustände der
sedativ und hypnotisch wirkenden Mittel überhaupt bedarf. Wir
stehen auf dem Standpunkt, dass auch trotz der weitgehenden und
wertvollen Anwendung bydropathischer Maassnahmen zur Beruhi¬
gung erregter Kranker die medikamentöse Therapie durchaus be¬
rechtigt ist. Irgendeine nennenswerte körperliche Schädigung wird
man bei eioigermaassen vorsichtiger Anwendung der Medikamente
selbst nach längerem Gebrauch stets vermeiden können; anderer¬
seits dürfte es ausser Zweifel sein, dass bei motorisch heftig und
langdauernd erregten Kranken durch die Erzielung motorischer
Ruhe gefährlichen Erschöpfungszuständen vorgebeugt werden kann.
In der Bekämpfung der Angstzustände, die oft weniger als anders¬
artige Erregungen durch hydropatbische Maassnabmen, insbesondere
Dauerbäder, beeinflusst werden, wird man erst recht seine Zuflucht
zu beruhigenden Medikamenten nehmen müssen, um wenigstens
vorübergehend eine Linderung der Angst, die doch gerade bei
psychisch Kranken eine äusserst quälende Stärke erreichen kann,
zu erzielen. Aber auch bei sonstigen Erregungen wird man die
Anwendung beruhigender Arzneien bzw. die Kombination von
Arzneien und Dauerbädern empfehlen können, ganz abgesehen
davon, dass in manchen Fällen fieberhafter oder sonstiger körper¬
licher Erkrankungen die Badebehandlung kontraindiziert, die Be¬
ruhigung aber im Interesse des Kranken selbst wie der Mitpatienten
notwendig ist.
In dem Bestreben, die Zahl der üblichem Schlafmittel durch
ein brauchbares Präparat zu vermehren und eventuell auch einen
Ersatz für die am häufigsten gegebenen Sedativmittel, die Opium-
nnd Brompräparate zu finden, sind mit dem von der Gesellschaft
für chemische Industrie in Basel neu herausgegebenen Präparat
Dial in der hiesigen Klinik seit Ende Januar Versuche angestellt
worden. Auf die chemische Struktur des dem Veronal nahe¬
stehenden Mittels und die Ergebnisse der pharmakologischen Ver¬
suche, die vom Laboratorium der Gesellschaft ausgefübrt wurden,
um die Wirksamkeit und Ungiftigkeit des Mittels zu erweisen,
braucht hier nicht mehr eingegangen zu werden. Das Mittel,
das vou mir auf der Frauenabteilung der Klinik gegeben wurde,
ist bisher bei 96 Patienten angewandt worden; in den meisten
Fällen wurde es als Schlafmittel verwandt, daneben wurde in
20 Fällen eine Dauermedikation bei Angstzuständen und Erregungen
der verschiedensten Genese versucht. Ais Hypnoticum wurde das
Mittel in den meisten Fällen öfters, in manchen 20- bis über
30 mal gegeben, nur manchmal war allein eine einmalige Medi¬
kation erforderlich. Hier handelte es sich zumeist um leichtere
Depressionszustände oder Psychoneurosen, die eine nur seltene
und gelegentliche Anwendung von Schlafmitteln erforderten. Ina
übrigen besteht das Gros der Fälle aus Erregungen, die zum Teil
bei der Art des in der Klinik befindlichen Materials einen ausser¬
ordentlich starken Grad erreichten. Es ist deshalb erklärlich,
dass die Dosierung des Mittels in den meisten Fällen eine
ziemlich hohe sein musste und oftmals die jetzt von der
Fabrik als höchste Einzeldosis angegebene Menge von drei
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UNIVERSUM OF IOWA
6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1268
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Tabletten (= 0,3) überschritten wurde. Es sei hier alsbald er¬
wähnt, dass bei ausgesprochenen psychomotorischen Erregungen die
Dosis von 0,2, die Zuelcbaur 1 ) bei allerdings leichteren Er¬
regungen im Rahmen des circulären Irreseins als wirksam fand,
gewöhnlich nicht ausreichte, vielmehr Einzelgaben von 0,3 und
0,4 g gegeben wurden. Bei leichten Erregungen, bei einfachen
Depressionszuständen und Psychoneurosen kamen wir mit 0,15 bis
0,2 g aus.
In der Zusammenfassung der mit dem Mittel erzielten Er¬
gebnisse soll eine Trennung nach der hypnotischen Wirkung der
Eiuzelgaben and der sedativen Wirkung des als Dauermedikation
ordinierten Mittels versucht werden. Eine statistische Uebersicht
nach den Krankheitsformen, bei denen das Medikament gegeben
warde, erscheint oicht notwendig, da wir ja eine etwaige Ver¬
schiedenheit in der Wirksamkeit eines solchen Mittels, ausser auf
individuelle Differenzen und Differenzen der Intensität des psychoti¬
schen Zustandes, im wesentlichen auf die Verschiedenheit der
Symptome, nicht der zugraude liegenden Krankheit, beziehen
müssen. (n praktischer Beziehung ist es hier gleichgültig, ob es
sich etwa um eine manische Erregung bei einem manisch-
depressiven Irresein oder um einen manischen Zustand, der auf
dem Boden der Paralyse, der senilen Demenz usw. erwachsen ist,
bandelt; wichtig ist es dagegen, zu wissen, ob die Ansprechbar-
keit auf das Mittel etwa auf manische oder auf Angstzustände
□sw. verschieden ist. Allerdings macht eine solche Trennung
nach den Zustandsbildern Schwierigkeiten, um so mehr, als
bei denselben Kranken verschiedene Zustandsbilder zu getrennten
Zeiten beobachtet werden können, aber auch gleichzeitig eine
Mischung der Symptome, die eine reine Rubrizierung unmöglich
macht, eintreten kann. Was die Erregungszustände anbelangt, so
wurde die Wirksamkeit des Mittels getrennt betrachtet, je nach¬
dem es sich um manische Zustände, die sich durch Betätigungs¬
drang, erhöhte Ansprechbarkeit auf äussere Reize, gehobene
Stimmung bzw. Neigung zu Zornesausbrüchen, um die mehr
triebhaften Erregungen, wie wir sie namentlich bei katatoneu
und hebephrenen Kranken beobachten, um halluzinatorische
Doruhezustände, delirante Erregungen mit stärkerer Verworren¬
heit und um Angstzustände, die häufig auch mit starker
motorischer Unruhe verknüpft waren, handelte; hieran schliessen
sich die Beobachtungen, die bei den Agrypnien einfacher De¬
pressionszustände, sogenannter nervöser Schlaflosigkeit bei ver¬
schiedenartigen Psychoneurosen und bei Schlaflosigkeit infolge
von Schmerzen bei Tumor cerebri, tabischen Krisen usw. gemacht
wurden. Es darf nun bald betont werden, dass man id der Be¬
urteilung von dem Wert irgendeines Schlaf- und Beruhigungs-
mittels nicht vorsichtig genug sein kann. Das suggestive Moment,
das Froeblich*) mit Recht hervorhebt, fällt allerdings in der
Mehrzahl der unseren Versuchen zugrunde liegenden Beobachtungen,
m denen es sich ja gewöhnlich um schwere Psychosen handelte,
ziemlich fort. In anderen Fällen, in denen die Suggestivwirkung
sich nicht auszuschDessen war, konnte die Wirksamkeit des
em Kranken unbekannten Medikaments durch Darreichung in
blaten und zeitweilige Einschiebung indifferenter Mittel geprüft
werden. Wohl aber lässt es sich oft nicht mit Sicherheit fest-
* len, obdie Erzielung guten Schlafs bei erregten Kranken mit
o Wendigkeit gerade auf das gereichte Mittel zurückzuführen
«eio wird. Der lebhafte Wechsel des Zustandes ist namentlich
i den Trieberregungen der Ratatoniker oft ein frappanter, und
in beobachtet auch bei andersartigen Erregungen nicht selten,
äse derselbe Kranke, dem in der einen Nacht hohe Dosen von
No Ü te * D - ein, ß e Stunden Schlaf verschafften, in der nächsten
ohne jedes Mittel ebensogut oder noch besser schläft, ob-
7«f ii? _ re S aD E am Abend noch ebensogross war. Dass auch
• i 9 ® ln °Ö8se, wie sie im klinischen Betrieb nicht zu umgehen
, -. * - . w * e ~ le fällige Anwesenheit besonders lärmender Kranker,
£ ‘ che Erregungen einzelner Kranker, Nachtaufnahmen erregter
Kr. rf r . usw * ^ en der übrigen Kranken in einer vom
: heitezustand selbst unabhängigen Weise beeinflussen köooen,
nmh eD ■ 8 klar. Ans diesem Grunde stösst die in der Er-
nna eines neuen Mittels au sich notwendige und auch bei
ikriiA ° rc bßeführte Vergleichung des Medikaments mit anderen
mini ,*“ rten Präparaten durch dauernden Wechsel der Schlaf-
erhebliche Schwierigkeiten in der Beurteilung. Durch
d«r 1 -? n ^ e ^ er8UC bsreihen wird man sich gegen Irrtümer in
Beurteilung zu schützen suchen; bei manchen Kranken mit
S ,9U * Nr. 19.
i) Ther. d. Gegenw., April 1914.
periodischen und in der Stärke ziemlich konformen Erregungen
war die Beeinflussbarkeit durch Schlafmittel auch schon seit
längerer Zeit bekannt. Für nicht unwichtig halte ich es auch,
dass die meisten Beobachtungen sich auf Kranke beziehen, die
auf Wachabteilungen lagen, so dass eine dauernde Kontrolle des
Schlafs möglich war und diese Kontrolle durch ständige Scblaf-
listen unterstützt werden konnte.
Um die Wirksamkeit des Präparats als Schlafmittel zu
kennzeichnen, sei zunächst eine kurze Tabelle angeführt, die ohne
Vergleich mit anderen Mitteln nur darüber Aufschluss gibt, in
welchem Umfange durch das Dial überhaupt Schlaf erzielbar war.
Zahl der Fälle j
Meist gute Wirkung
(seltene Versager)
Zahl der Fälle:
Ziemlich gute
Wirkung
Wirkung sehr wech¬
selnd (häufigeres
Versagen des Mittels)
Wirkung gering oder
nicht besonders gut
Fast stetes Ver¬
sagen des Mittels
a) Halluzinatorische Unruhe¬
zustände (bei Paranoia, De¬
mentia paranoides, Hebe-
phrenie usw.).
20
; i
|
13 1
5
1
i 1
2
b) Triebhafte Erregungen . .
15
i 7 j
5
1
2 !
_
c) Delirante Zustände (Infek¬
tionspsychosen, Epilepsie,
Paralyse).
7
3i) 1
1
i
3
d) Manische Zustände . . .
12
1 42)
2 ,
3»)
2 '
e) Angstzustände.
13
1 + 1 4 ) i
1 8
:
3
2
f) AgTypnie bei Depressions¬
zuständen (ohne stärkere
Angsteffekte).
12
’ ,
9
!
l
3
1
1
g) Nervöse Schlaflosigkeit . .
7
! 4 ,
_ |
1
i 4 )
_
h) Agrypnie bei Schmerzen
nicht Geisteskranker . . .
6
! 4
! —
' 2
_
Zu dieser Tabelle ist folgendes hinzuzufügen; Eine besonders
günstige Wirkung schien bei solchen Unruhezuständen, die durch
halluzinatorische Reizzustände bedingt waren, zu resultieren. Es
handelte sich da zum Teil um erregte Katatoniker, deren Erregung
auch einen triebhaften Charakter hatte, die aber durch das kli¬
nische Hervortreten zahlreicher Halluzinationen besonders aus¬
gezeichnet waren; hier war selbst dann, wenn die Erregung eine
heftige war, durch eine Dosis von 0,4 Dial öfters ein 6 bis
9ständiger Schlaf zu erzielen, und es gehörte zu den Seltenheiten,
dass dann noch in der Nacht eine Injektion mit der hier üblichen
Morphium-Duboisinkombination nötig wurde. Dagegen waren bei
einigermaassen deutlicher Ausprägung der motorischen Unruhe
Gaben von 0,2 g völlig wirkungslos; auch wenn am Tage bei
starker Erregung gelegentlich eine solche Dosis gegeben wurde
war mitunter überhaupt keine Abschwächung der Unruhe zu kon¬
statieren. Es scheint, als wenn die Wirksamkeit des Präparates
wie man das auch bei anderen Schlafmitteln beobachten kann
nicht eine rein der steigenden Dosis parallel zunehmende ist*
dass man nach einmaliger Erzielung völliger Beruhigung durch
höhere Dosen auch eine länger anhaltende Wirkung erreicht als
man das nach der Wirkungslosigkeit kleinerer Dosen erwarten
würde. Auch bei denjenigen triebhaften Unruhezuständen, bei
denen die Halluzinationen weniger in Erscheinung traten, war die
Wirkung oft eine recht gute, wenn auch hier die Fälle, in denen
das Mittel öfters versagte, häufiger waren. Allerdings handelt es
sich hier zum Teil um Kranke, die überhaupt ausserordentlich
refraktär allen Schlafmitteln gegenüber waren. So findet sich
unter den Kranken eine Paralytica mit mässiger triebhafter Un¬
ruhe, die zwar gelegentlich nach 0,4 Dial 8—9 Stunden schlief
zu anderen Zeiten aber auch 3 Tage und Nächte hindurch wach blieb
obwohl sie an einem Abend 0,4 Dial, am nächsten «/ 4 g Veronai
erhalten hatte. Die gleiche Verschiedenheit in der Ansprechbar¬
keit gegen Hypnotica zeigte sich bei der Kranken, die übrigen«
niemals irgendwelche Begleiterscheinungen, wie Taumeln usw
zeigte, auch 1,0 Veronai gegenüber. Die eigentümlichen Stoff-
wecbselVeränderungen, welche wir hypothetisch voraussetzen
1) Nur bei leichteren Fällen.
2) Auch bei starken Erregungen meist Trirksam, häufige Dosen in
allen vier Fallen. ^ lu
8) Gute Wirkung bei leiohteren, schloehte bei stärkeren Erregungen
4) Nur einmalige Dosis. ^ *
3*
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UNIVERSUM OF IOWA
1264
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
müssen, um uns die zeitweilige völlige Unwirksamkeit so boch-
doslerter Bernhigongsmittel trotz geringer Ausprägung der moto¬
rischen Unruhe verständlich zu machen, mögen uns zwar noch
wenig bekannt sein, aber man wird jedenfalls solche Fälle aus
der Beurteilung über den Wert oder Unwert eines Medikamentes
streichen müssen. Es sei noch bemerkt, dass ausser der erwähnten
paralytischen Kranken noch eine in lebhafter triebhafter Erregung
befindliche senile Kranke besonders wenig durch Dial beeinflusst
wurde. Bei leichteren triebhaften Unruhezuständen war eine Menge
von 0,2 g öfters ausreichend.
Am wenigsten zugänglich der Wirkung von Schlafmitteln
gegenüber pflegen die deliranten. Zustände zu sein. Diese Beob¬
achtung bestätigt sich auch für das Dial insofern, als in drei
Fällen, zweimal bei infektiöser Amentia, einmal in einem deli¬
ranten Zustand einer paralytischen Kranken, Dosen von 0,3 bis
0,4 g, die ohne alle unangenehmen Begleiterscheinungen vertragen
wurden, völlig versagten, unter anderem bemerkenswerter weise in
einem Falle, in dem die motorische Unruhe nicht sehr lebhaft,
aber die Bewusstsseinstrübung eine erhebliche war. In leichteren
Fällen epileptischer Delirien war die Wirkung von 0,2 bis 0,3 g
eine prompte, bei einem 12jährigen paralytischen Kinde mit
zeitweiligen nächtlichen Delirien genügte eine Dosis von 0,1 g.
Dass bei den manischen Zuständen, die Öfters einen tob¬
süchtigen Grad annahmen, die hypnotische Wirkung des Dials
eine wechselnde war, bedarf keiner Erläuterung. Die geringste
Wirkung zeigte fsicb bei einer Kranken mit seniler Manie uüd
einer imbecillen Patientin, die auf die Verlegung in die Klinik
mit den heftigsten Zornesansbrüchen reagierte; andere Hypnotica,
wie 1,0 Veronal, hatten hier eine vielleicht noch geringere Wir¬
kung. Im übrigen war es aber auch gelegentlich bei sehr heftigen
Erregungen möglich, durch 0,4 Dial einen mehrstündigen, bis¬
weilen sogar die ganze Nacht anhaltenden Schlaf zu erreichen,
wobei das am Tage gegebene lOstündige Dauerbad gewiss mit¬
begünstigend aaf die Erzielung des Schlafes gewirkt -haben mag.
Es Hess sich in einzelnen Fällen mit langen, zum Teil monate¬
langen Versuchsreihen, wie übrigens auch bei einigen Kranken
mit halluzinatorischen und Trieberregungen, nach Abzug der
möglichen Fehlerquellen mit hinreichender Sicherheit feststellen,
dass die Wirkung von 0,4 Dial etwa der von 1,0 Veronal ent¬
sprach, bisweilen dieselbe auch überstieg, und öfters günstigere
Wirkung als 2,0 Trional und 2,0 g Isopal, in einzelnen Fällen
auch 10,0 g Paraldebyd entfaltete. Allerdings sind die individu¬
ellen Verschiedenheiten nicht unerhebliche, und es fanden sich
auch einzelne Kranke, bei denen in allerdings kürzeren Versuchs¬
reihen z. B. 0,75 g Veronal besseren Schlaf als 0,3 g Dial be¬
wirkte.
Bei Angstzuständen, bei denen im übrigen die gelegent¬
liche Anwendung des Dials auch oft gute Erfolge zeitigte, zeigte
sich eine geringe Wirkung bisweilen dann, wenn starke motorische
Uruhe mit der ADgst verbunden war. Bei einer motorisch zwar
eher gehemmten, aber unter äusserst quälender Angst stehenden
melancholischen Kranken mit schwerer Agrypnie war zwar auch
durch häufigere Dosen von 0,4 g meist nur für einige Stunden
Schlaf erzielbar, immerhin war die Wirkung von 1,0 Veronal
und 10,0 Paraldebyd eher noch geringer. In einzelnen Fällen
war auch bei motorischer Erregung die Wirkung eine über¬
raschend gute. Bei Depressionszuständen mit geringerem Hervor¬
treten von Angst wird man im allgemeinen mit einer Dosis von
0,2 auszukommen suchen, in einzelnen Fällen war hierbei aller¬
dings die Wirkung eine mässige. Ueber den Wert des Mittels
bei Schlaflosigkeit auf nervöser Basis, bei Neurasthenie, Hysterie,
im Rekonvaleszenzstadium von Psychosen, möchte ich hier
keine weiteren Bemerkungen machen, da meine Beobachtungen
zu wenig zahlreich sind; dagegen möchte ich kurz auf die günstige
Wirkung hinweisen, die in einzelnen Fällen bei heftigen krisen¬
artigen Schmerzen infolge organischer Nervenkrankheiten erreicht
wurde; durch Gaben von 0,2 bis 0,3 g war bei einer Kranken
mit gastrischer Krise und einer änderet! mit heftigen Kopfschmerz-
paroxysmen infolge einer wahrscheinlich luetischen Gehirnerkran¬
kung guter Schlaf, nach welchem die Kranken sich bedeutend
wohler fühlten, zu erzielen. Man wird natürlich nicht immer ein
so gutes Resultat erwarten können, doch wird es sich empfehlen,
gelegentlich bei Schmerzanfällen zunächst zu solchen oder ähn¬
lichen Medikamenten zu greifen, ehe man zum Morphium seine
Zuflucht nimmt.
In der Bewertung des Präparates bei dauernder Darreichung
wird man sich natürlich noch viel reservierter verhalten müssen
als in der Beurteilung der scblafarzielenden Wirkung von Einzel¬
gaben. Fehlt uns doch fast jedes Kriterium der Entscheidung
darüber, ob der Ablauf eines manischen oder Angstzustandee
gerade durch ein gegebenes Medikament eine Verkürzung er¬
fahren hat oder die Besserung auch sonst in gleicher Zeit ein¬
getreten wäre. Fälle, in denen ein periodischer Zustandswechsel
mit zeitlich ungefähr gleichen Interwallen besteht, gehören jeden¬
falls zu den Seltenheiten. Nach den wenigen Erfahrungen, die ich
darüber besitze, z. B. bei einer chronisch manischen Kranken mit
periodischer Steigerung der Erregung, scheint eine wesentliche
Reduktion in der Dauer der Erregungsphasen dnrch ständige
Diaidarreicbung (2 mal 0,1) nicht erzielbar zu sein; weitere
Untersuchungen hierüber sind angebracht. Dagegen ist der rein
sedative Einfluss des Präparates bei manischen wie bei Trieb-
erregungen und halluzinatorischen Unruhezuständen zum Teil un¬
verkennbar, namentlich dann, wenn auf das Absetzen des Mittel»
nach eingetretener Beruhigung prompt mit erneuter Erregung
reagiert wurde und erneute Dialzufubr wieder Beruhigung brachte,
wie dies bei einer katatonen, einer halluzinatorisch-paranoischen
und einer erregt-apbatiscben Kranken der Fall war. Natürlich
wird die unmittelbar beruhigende Wirkung bei starken Erregungen
bisweilen eine sehr geringe sein, immerhin kann zu einem Ver¬
such mit 2—3 mal täglich 0,1 Dial namentlich dann geraten
werden, wenn ein Ersatz für schlecht vertragene Brompräparate
erwünscht ist. Meist wird man dann anch einen im ganzen
milderen Verlauf der Erregung als ohne Sedativmittel erwarten
können. Dass daneben Dauerbäder nsw. ihre Anwendung finden
können, versteht sich von selbst. Gewöhnungserscheinungen sind
in einzelnen Fällen dadurch wahrscheinlich gemacht, dass trotz
Weitergabe des Dials eine erneute Verstärkung der Erregung
eintrat; zeitweiliger Ersatz des Präparats durch Bromsalze wird
hier zu empfehlen sein. Bei den halluzinatorischen Unruhe¬
zuständen wurde durch die Dauermedikation iwar eine gewisse
Beruhigung erzielt, auf die Stärke der Halluzinationen aber ein
Einfluss nicht ausgeübt.
Hinsichtlich der Wirkung bei Angst kann nicht über den
gleich günstigen Erfolg, wie von Juliusburger 1 ), berichtet
werden. Bisher ist hier, wie bei Depressionszuständen
überhaupt, in 13 Fällen eine Dauermedikation versucht worden.
Meist wurden Dosen von 2 mal 0,1, in einzelnen Fällen auch
2 mal 0,05 morgens und mittags gegeben, abends wurde ge¬
wöhnlich ein Schlafmittel angewandt. War auch, wie schon er¬
wähnt, bei solchen Kranken durch etwas höhere Dosen oft ein
ganz guter Schlaf zu erzielen, so pflegte doch durch die dauernde
Darreichung ein wirksamer Einfluss auf die Angst selbst nicht
manifest zu sein. Es war bisweilen selbst dann, wenn dnrch
eine höhere Dialgabe ein fester langdauernder Schlaf erzielt war,
zu konstatieren, dass am nächsten Morgen sofort nach dem Er¬
wachen auch bei Fehlen aller posthypnotischer Erscheinnngen die
Angst in unverminderter oder erhöhter Stärke wieder einsetzte.
Auch bei Kranken, die mehrere Tage das Präparat erhalten
hatten, zeigte sich nur selten eine Verringerung der Angst oder
motorische Beruhigung. Nun handelte es sich allerdings meist
um Patienten, die sich im Zustande schwerer Depression oder
so lebhafter Angst befanden, dass auch der Einfluss des sonst
anerkannt günstig wirkenden Pantopons kaum erkennbar war.
Hiernach würde man von einer Dauerbehandlung mit Dial noch
nicht abznraten brauchen. Unangenehmer ist es aber, dass gerade
bei den Kranken mit Depressionszuständen die Gefahr der
Cumulationswirkung eine besonders grosse zu sein scheint, anch
wenn, wie das ja selbstverständlich ist, auf Regelung der Ver¬
dauung genügend geachtet wird. In nicht weniger als fünf
Fällen traten schon nach 2—6 tägigem Gebrauch (daneben meist
geringe Dosen von Schlafmitteln) so starke unangenehme Begleit¬
erscheinungen, Uebelkeit, Schwindelgefühl, Taumeln beim Gehen,
Appetitlosigkeit, Erbrechen ein, dass mit dem Medikament
schleunigst ausgesetzt werden musste. Es handelte sich um
Patienten, die die gleichzeitige Kombination von Pantopon mit
leichten Schlafmitteln gewöhnlich sehr gut vertrugen.
Im übrigen müssen die Folgeerscheinungen nach Dialgebraueb
als recht geringfügig bezeichnet werden. Posthypnotische Er¬
scheinungen nach Einzelgaben wurden nnr bei einzelnen meist
depressiven Kranken auch dann, wenn man ihnen genügend Ge*
iegenheit gelassen hatte, sich auszuschlafen, beobachtet. Man
wird bei diesen wie bei den nervösen Zuständen die Verträglich¬
keit des Mittels besonders vorsichtig prüfen müssen; anderseit»
ist die Empfindlichkeit auch gegenüber hohen Dosen und lang'
1) B.kl.W., 1914, Nr. 14.
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UNIVERSUM OF IOWA
fl. Juli 1914.
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dauerndem Dialgebrauch namentlich bei manischen und trieb¬
hafter! Erregungszuständen oft eine überraschend geringe. Selbst
wenn am Tage 0,2 und abends 0,4 g gegeben wurden, fanden
sieb auch bei schwächlicheren Patient innen am nächsten Morgen
nicht die geringsten posthypnotischen Symptome. Auch bei Dauer¬
medikation wurde das Mittel von den erregten Kranken meist
vorzüglich vertragen. Unter den manischen Kranken fand sich
nur eine, die in der letzten Zeit eine gewisse Idiosynkrasie zeigte
and schon nach 2 mal 0,1 g Dial am Tage und 0,3 g abends am
nächsten Tage Somnolenz und etwas Taumeln aufwies. Höhere
Einzeldosen als 0,4 möchte ich auch bei stärkeren Erregungen
nicht empfehlen; ich bin bisher nur einmal bei einer erregten
Kranken, die 0,4 g gut vertragen hatte, auf 0,5 gestiegen, doch
traten am nächsten Tage Nachwirkungen, Taumeln und Erbrechen,
ein. Als Tagesdosis wird man bei manischen und Trieberregungen
oft, natürlich nur unter dauernder ärztlicher Kontrolle, unbedenk¬
lich bis auf 0,6 g steigen können, bei depressiven Zuständen halte
ich es nicht für ratsam, eine Tagesdosis von 0,4 zu übersteigen.
Irgendwelche bedenklichen Folgeerscheinungen wurden nie
beobachtet, insbesondere kein übler Einfluss auf das Gefässsystem
und die Nieren; der Urin war stets frei von pathologischen Be¬
standteilen auch dann, wenn das Mittel wochenlang gegeben worden
war. Exantheme habeich bisher ebensowenig wie Juliasburger
beobachtet. Eio Vorteil, den das Präparat mit einigen andern,
wie dem Veronal, Trional nsw. teilt, ist die Reizlosigkeit den
Schleimhäuten gegenüber. Erbrechen stellte sich kürzere Zeit
nach Einnahme des Mittels nur einmal ein, und es blieb hier
durchaus fraglich, ob gerade das Medikament dies verursacht
hatte, zomal die gleiche Kranke das Dial sonst stets gut vertrug.
Dyspeptisch* Erscheinungen pflegt das Präparat im allgemeinen
jedenfalls nicht zu machen. Bemerkt sei noch, dass die Schlaf¬
tiefe nach Zufuhr höherer Dosen selbst bei vorher erregten Kranken
mitunter eine so erhebliche war, dass auch die Prüfung der
Pupillenreaktion mit der elektrischen Lampe kein Erwecken her¬
vorrief. Ueber den Ersatz des Broms in der Epilepsiebehand-
long durch Dial möchte ich ein Urteil zurzeit noch nicht ab-
geben. Untersuchungen darüber, die auch Juliusburger aus¬
geführt bat, Bind hier ebenfalls im Gange; die Versuchsreihen
sind bisher noch zu klein, als dass sich über den symptomatischen
Weit des Dials etwas sagen Hesse. Bei einem schweren, wahr¬
scheinlich epileptischen, deliranten Verwirrtheitszustände wurde
Dial (3 mal täglich 0,1) längere Zeit hindurch ohne eklatanten
unmittelbaren Erfolg gegeben; immerhin hatte Brom bei einem
ähnlich starken deliranten Zustand einige Jahre vorher ebenso
geringen Erfolg gehabt.
Fasse ich meine Beobachtungen zusammen, so komme ich
zu dem Resultat, dass wir in dem Dial ein Präparat besitzen,
welches zwar keineswegs neuartige, durch andere gute Schlaf-
und Beruhigungsmittel nicht ebenfalls erzielbare, Wirkungen ent¬
faltet, aber ein brauchbares und bei hinreichender Kontrolle
ungefährliches Medikament ist, das in der Therapie der
Psychosen namentlich als Schlafmittel bei Erregungszuständen mit
Vorteil angewandt werden kann und hier die Zahl der brauch¬
baren Arzneien in willkommener Weise bereichert. Auch als
Sedativmittel kann es versucht werden; es wird hier gelegentlich
Brompräparate zu ersetzen imstande sein.
Meinem hochverehrten Chef, Herrn Geheimrat Professor
Dr. Siemerling, möchte ich am Schluss für die Ueberlassung
des Krankenmaterials meinen verbindlichsten Dank aussprechen. j
Aus den Laboratorien des Rockefeller Institute for
Medical Research, New York.
Histologische Variationen eines Hühnersarkoms
mittels filtrierbarem Agens erzeugt.
Von
Dr. med. Peyfoa Rous.
Wir haben zurzeit in unserem Laboratorium drei Arten von
Hühuersarkom von verschiedenen Typen, nämlich ein einfaches
Spindeltellensarkom, ein zweites Spindelzellensarkom mit zahl-
rwchen fissuralen Blutgefässen and ein Osteochondrosarkom. Jeder
Tjpus lies« sich durch sterile Berkefeldfiltrate von Tumorbrei er-
*wgeo.
Das ersterwähnte Sarkom zeigt manchmal ausgeprägte histo-
J ogische Verschiedenheiten, welche früher schon beschrieben und
ms
abgebildet worden sind 1 ), deren Bedeutung aber für den allge¬
meinen Charakter der Geschwulst noch nicht berührt worden ist.
Da zurzeit mehrere deutsche Forscher sich mit dem Studium
dieses Sarkoms beschäftigen, fühle ich mich veranlasst, meiner¬
seits eine kurze Schilderung davon zu geben.
Durch wiederholte Inoculationen von aktivem Tumorgewebe
auf Hühner haben wir nun die 57. Tumorgeneration erreicht.
Ferner haben wir viele durch Injektion von Berkefeldfiltraten mit
ausgetrocknetem und glycerinisiertem Tumorbrei erzeugte Ge¬
schwülste untersucht. Die Geschwülste zeigen im allgemeinen
die Eigenschaften echter Spindelzellensarkome. Die Zellen sind
von der verschiedenartigsten Form, je nach der Bösartigkeit des
Tumors und dem Drucke der Umgebung. Die Zellen der schnell
wachsenden Geschwülste sind haferförmig oder fast rund; die¬
jenigen am Rande der Geschwulst zeigten eine weniger gut aus¬
gebildete Spindelform als die nach der Mitte gelegenen Zellen,
was wahrscheinlich auf mehr aktive WuchemngsVorgänge am
Räude hindeutet. In weiebgewebigen Organen, z. B. Lungen und
Eierstöcken, sind die Tumorzellen runder als in dem festeren Ge¬
webe des Magens and der Nieren.
Ausser besagten Variationen and anderen, die ich später er¬
wähnen werde, findet man bei verschiedenen Hübnern auch die
histologische Reaktion, welche mit der Widerstandskraft des
Trägers natürlich verknüpft ist. Diese Reaktion charakterisiert
sich durch eine Ansammlung von kleinen Rundzellen (Lympho-
cyten) und Bindegewebswucberungen, welche in ausgeprägten
Fällen den Tumor in Läppchen zerteilen. Die Reaktion ist mehr
ausgeprägt, aber sonst derjenigen ähnlich, die man oft bei Säuge¬
tieren findet, was naturgemäss dem grösseren Einflüsse der kleinen
Rundzellen in den normalen und pathologischen Vorgängen bei
Hübnern zuzuschreiben ist.
Eine eigenartige Form des Sarkoms charakterisiert sieb durch
Riesenzellen, welche nicht in Herden Vorkommen, sondern im
Sarkomgewebe disseminiert sind. Diese Riesenzellen sind nicht
denen ähnlich, die man in dem Reaktionsgewebe der Tuberkulose
oder in der Nähe von Fremdkörpern findet; im Querschnitte
zeigen sie sich eiförmig mit einem oder ein paar stumpfen Fort¬
sätzen und mit einem grossen excentrischen Kerne. Nicht selten
ist mehr als ein einzelner Kern vorhanden. Ihr Ursprung aus
den Spindelzellen, mittels Vergrösserung und degenerativer Ver¬
änderungen, ist erkennbar. Wenn diese Riesenzellen sich in dem
primären Tumor vorfinden, sind sie anch gewöhnlich in den
Metastasen anzutreffen. Solche Tumoren sind typische Riesen¬
zellensarkome.
Es ist schwieriger, die Bedeutung gewisser kleiner Herde
von neuem Gewebe klarzulegeo, welche zuweilen in den Lungen,
der Leber and Milz von gewissen Hübnern Vorkommen, welche
wachsende und weitmetastasierende Tumoren aufgewiesen haben.
Oberflächlich angesehen sind diese Herde den Spindelzellenmeta¬
stasen in besagten Organen nicht ähnlich, ln der Leber bestehen
sie ans unregelmässig abgerundeten oder würfelförmigen Gewebs-
elementen, die in säulenartiger Form innerhalb der hepatischen
Zwischenräume rangiert sind, und welche auffallend den Zellen
der Gallengänge ähnlich sind, ln der Milz hingegen bestehen die
Gewebselemente aus dicken, sturapfspindelförmigen Zellen von
klarem Zellplasma mit eioem bläschenartigen Kern. Teilungs¬
vorgänge kommen häufig vor, und die Zellen haben eine aggressive
Neigung gegen die umgrenzenden Gewebe, arrodieren Öfters die
Blutgefässe und veranlassen grosse Blutungen. In den Lungen
sind die Herde mehr komplex infolge des Vorhandenseins von
desquamierten und degenerierten Epithelzellen. Die Herde be¬
stehen hier aus kugelförmigen nnd wuchernden Zellen, die an
Endothel erinnern; manche Zellen nehmen die Form kleiner
degenerierter Riesenzellen an.
Die genaue Beschaffenheit dieser besonderen Herde ist nicht
ganz und gar erkannt; doch sind dieselben in der Leber nnd Milz
offenbar von neoplastischem Charakter, and sie sind alle so ver¬
schieden von dem gewöhnlichen Sarkom, dass man geneigt ist,
an die Möglichkeit einer Lokalisation des tnmorerzengendeo Agens
in Zellen von verschiedenen Entwicklnngsarten zu glauben 2 ). Dies
ist um so mehr wahrscheinlich, weil die Herde nur bei sehr
empfindlichen Hühnern vorhanden sind, und weil das Agens der
Geschwülste zuweilen in dem centrifugierten Plasma von an diesen
Tumoren sterbenden Hühnern naebgewiesen ist. Bis jetzt aber
sind alle Versuche, eine solche Lokalisation des filtrierbaren
1) Rous and Murphy, Jouru. exper. med., 1914, Bd. 17, S. 219.
2) Rous and Murphy, loc. cit.
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SßfcLtNER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 21 .
Agens künstlich herzasteilen, fehl geschlagen. Andererseits sind
alle morphologischen Grade zwischen den Zellen der Herde und
den Spindelzellen des typischen Tumors vorhanden. Die Herde
haben nie mehr als 1—2 mm im Durchmesser. Wenn mail sorg¬
fältig untersucht, sieht man auch gewöhnlich die spindelzelligen
Struktaren selbst mit den kleinsten Herden verbanden.
Aus den nachfolgenden Grüuden scheint es, dass diese be¬
sonderen Eigenschaften nicht den Status des Sarkoms als eines
wahren Neoplasmas beeinträchtigen:
1. Die Herde Hessen sich nur konstatieren, nachdem die Bös¬
artigkeit des Tumors und die Virulenz des Agens durch wieder¬
holte Ueberpflanzungen erhöht worden waren.
2. Sie sind unbeständige Vorkommnisse der Krankheit und
zeigen sich nur bei sehr empfindlichen Hühnern unter speziellen
Umständen; auch dann sind sie nur untergeordnete Erscheinungen
in dem allgemeinen neoplastischen Vorgang.
3. Was die Morphologie anbetrifft, so sind alle Stadien
zwischen den besonderen und den typischen Tumorherden vor¬
handen.
4. Die anderen Typen von Hühnertamoren, welche in diesem
Laboratorium gezüchtet worden sind, Osteochondrosarkom und
Sarkom mit fissuralen Blutgefässen, zeigen, obgleich ebeofalls wie
das spindelzellige Sarkom durch ein filtrierbares Agens erzeugt,
keinen Pleomorphismus und keine Erscheinungen der oben¬
erwähnten Art.
Neuerdings haben Uhlenhuth und Bürger 1 ) vor dem
„Naturwissenschaftlichen medizinischen Verein 11 za Strassburg
konstatiert, dass die mikroskopischen Bilder ihres Sarkoms „in
vielen Fällen vollkommene Uebereiostimmung mit dem von Rous
als Spindelzellensarkom beschriebenen und abgebildeten zeigten.
In anderen Fällen war die Aehnlichkeit mit den Bildern infektiöser
Granulome, besonders in den Metastasen, deutlich. 11 Die gegen¬
wärtige Abhandlung ist gewissermaassen als eine Antwort auf
obigen Bericht zu betrachten. Die speziellen Beobachtungen von
Uhlenhuth und Bürger sind ohne Zweifel dieselben, welche
hier diskutiert worden sind. Unserer Ansicht nach handelt es
sich um unbedeutende Eigenarten des sarkomatösen Prozesses,
welcher deshalb besonderes Interesse besitzt, weil er das Produkt
eines filtrierbaren Agens ist.
Es ist wohl bekannt, dass die Tumoren sieb, je nach den
Tierarten, verschieden verhalten. Die Mischtumoren der Mamma
des Hundes, die Adeno carcinomata haemorrhagica bei Mäusen und
unser Spindelzellensarkom bei Hühnern zeigen verschiedene Eigen¬
heiten, je nach der Rasse des Trägers.
Aus der chirurgischen Abteilung des städtischen
Krankenhauses zu Barmen.
Beitrag zur Zeller’schen Pastenbehandlung.
Von
Dr. Lange.
Bei der Behandlung des Krebses durch innerlich und äusser-
lich angewandte medikamentöse Mittel macht Zeller theoretisch
einen grundsätzlichen Unterschied zwischen geschlossenen und in
Zerfall begriffenen Geschwülsten 2 ). Während bei diesen das All¬
gemeinbefinden wenig gestört ist, tritt bei jenen mit dem Zerfall
eine Art Ptomainbildung auf, die den Marasmus herbeifübrt und
das Ende beschleunigt. Das Silicium soll die Fähigkeit besitzen,
lebendige Krebszellen zu zerstören und zur Resorption zu bringen,
ohne Allgemeinscbädigungen hervorzurufen. Also wird man ver¬
mögen, geschlossene, nur aus lebenden Krebszellen bestehende
Geschwülste durch Kieselsäure allein zur Heilnng zu bringen.
Komplizierter ist der Weg bei den schon teilweise der Nekrose
anheimgefallenen Krebstumoren. Hier kommt cs zunächst darauf
an, dnreh Zerstörung der Hauptgeschwulst den Zerfall und damit
die Ptomainbildung zu verhindern. Die übrigen nur aus lebenden
Zellen bestehenden Krebssprossen sollen wie bei den geschlossenen
Tumoren wieder durch die Kieselsäure abgetötet werden.
Zeller machte nun die Erfahrung, dass durch die alleinige
Verabreichung von Kieselsäure bei den geschlossenen Krebsen
die Heilung allzusehr verzögert wurde. Nur in Zeiträumen von
mehreren Wochen bis zu Jahren gelang es ihm, Tumoren, deren
1) Uhlenhuth und Bürger, M.m.W., 1914, Nr. 18, S. 785.
2) Zeller, M.m.W., 1912, Nr. 84 und 35.
Krebsnatur allerdings nnr klinisch festgestellt war, znm
Schwinden zu bringen. Es drängte sich ihm daher die Not¬
wendigkeit auf, praktisch den Unterschied gegen die offenen
Carcinome fallen zu lassen und nach einem Mittel zu suchen,
das imstande sei, genau wie bei den zerfallenden Tumoren, die
Hauptgeschwulst zu zerstören. Nur die Abtötung der in das
Gewebe getriebenen nicht erreichbaren Sprossen überliess er der
Kieselsäute. Auf ihre Wirkung soll hier nicht näher ein-
gpgaDgen werden. Wir gaben sie immer nach Zeller’s Vor¬
schrift, Erfolge konnten wir aus äusseren Gründen nicht fest-
steilen.
Praktisch verwertbare Vorteile hatten also die theoretischen
Erwägungen nicht gezeitigt. Denn Zerstörung der makroskopisch
sichtbaren Geschwulst war die Richtschnur unseres Handelns
schon bisher gewesen, gleichgültig, ob der Krebs ein offener
oder geschlossener war. In der bekannt gegebenen Arsenik¬
quecksilberpaste glaubt Zeller das Mittel gefunden zu haben,
das unter Vermeidung des Messers diesen Zweck erreicht.
Interessant ist an Zeller’s weiterer Ausführung die Angabe,
dass die Paste normales Gewebe irgendwelcher Art nur sehr
langsam angreift. Man könne sich daher ihrer als diagnosti¬
schen Hilfsmittels bedienen, ob in der Umgebung der mit Paste
behandelten Krebspartien noch Sprossen übrig seieo. Da ihre
Anwendung bei der Behandlung von Krebsgeschwülsten der
äusseren Hautbedeckung dem praktischen Arzte zur Nachahmung
empfohlen wird, war es unsere Aufgabe, ihrer Wirkung auch im
mikroskopischen Bild nachzugehen und zu prüfen, ob ihr eine
elektive Wirkung zuzuschreiben ist,' ferner ob ihre Anwendung
eine Vereinfachung unserer therapeutischen Maassnabmen be¬
deutet.
Zar Entscheidung dieser Frage wurde das Augenmerk auf
folgende Punkte gerichtet: Ergibt sich eine schmerzfreiere Be¬
handlung als etwa bei der Exzision unter Lokalanästhesie? Wird
gegenüber der operativen Entfernung die Behandlungsdauer ver¬
kürzt? Wie gestaltet sich das kosmetische Resultat?
Um diese letzte Frage zuuächat zu prüfen, wurde auf einen
kreisrunden, 0,6 cm messenden Hautbezirk meines Ober¬
armes ein kugliges Stück Nacasilicum aufgetragen, die um¬
gebende Haut durch Heftpflaster geschützt, ln den ersten Tagen
verschob sich bei der Arbeit der Deckverband, so dass er einige
Male erneuert werden musste. Am dritten Tage trat ein ge¬
ringes Jacken auf, daiu am vierten Tage eine circumscripte
Rötung. Nach fünf Tagen hob sich das Epithel entsprechend
den Hautpapiilen in kleinen Bläschen ab. Jedes einzelne war
etwa stecknadelkopfgross. In der Umgebung bildete sich ein
lebhaft dunkelrot gefärbter, 0,3 cm breiter Ring, ausgezeichnet
durch stärkere Succulenz des Gewebes. Von jetzt an bestand
stärkeres Hautjucken. Nachdem die Haut des schützenden
Epithels entkleidet war, ging die Wirkung peripherwärts und
in die Tiefe schneller vor sieb. Insgesamt dauerte das Auflegen
acht Tage. Schmerzen, die das Allgemeinbefinden gestört hätten,
bestanden nicht.
Es bildete sich eine scharfrandige, mit gelblich schwam¬
migem, später braunem Gewebe ausgefülite Wunde von 0,6 cm
Tiefe und 1,2 cm Breite. Allmählich trocknete das Gewebe zu
einem festen braunen, iederartigen Schorf ein. Er stiess sich
nur sehr langsam ab. Nach drei Wochen war der Wundgrand
gereinigt. Die VernarbuDg dauerte wieder drei Wochen. Heute
besteht eine kreisrunde, intensiv blaurote, zart epitheiisierte
Narbe von 1 cm Durchmesser. Sie juckt wenig, fühlt sieb derb
an. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese flache, glatte Narbe
gegen ein vorher bestandenes Cancroid oder ein etwa auf
lupösem Gewebe sekundär entstandenes Cardnom immerhin be¬
friedigen kann. Aber welch ein anderes Resultat können wir
mit Hilfe einer ovalen Excision erreichen. In längstens zehn
Tagen präsentiert sich uns eine zarte, linienförmige, wenig auf¬
fallende Narbe.
Ueber die anatomische Wirkung des Arsens, sei es in
mechanisch verteiltem oder gelöstem Zustand, finden sich lite¬
rarisch nur wenig eingehende Angaben.
Falk fand, dass nach einiger Zeit in den befallenen Teilen
unter lebhaften stechenden und brennenden Schmerzen entzünd¬
liche Schwellangen entstehen unter gleichzeitiger Eruption von
„ekzematösen und pustulösen Exanthemen". Eine ungleich
schnellere und energischere Wirkungsweise äussert die arsenige
Säure auf der epidermisfreien Haut und auf Gescbwürsfiäeben.
Hier tritt sehr bald, mitunter schon nach einigen Stunden eine
I nekrotisierende Entzündung auf. Sie greift ziemlich tief und
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6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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schafft einen glatten, snr Granalationsbildang geneigten Ge-
schwürsgrund, oder wie meist einen Brandschorf, unter dem die
Vernarbung in drei Wochen vor sich geht.
Böhm und Unterberger beobachteten bei Vergiftungen per
os oder durch intravenöse Injektionen bei Händen die Magen¬
schleimhaut blutrot tingiert und geschwellt. Die Serosa erwies
sich ecchymo8iert, ihre Gefässe waren prall gefüllt.
Zum Studium dieser mikroskopischen Veränderungen wurde
die Paste auf üppig wuchernde Granulationen einer nach Carcinom-
operation Testierenden Hautwunde in der von Zeller angegebenen
Weise aufgetragen. An vier aufeinanderfolgenden Tagen wurden
rechteckige Stücke an der Grenze der gesunden Haut exzidiert.
An dem zarten Gewebe mussten die allgemeinen Veränderungen am
augenfälligsten in die Erscheinung treten. Nach 24 Stunden zeigte die
behandelte Partie eine starke Schwellung und ödematöse Durchtränkung
nebst sobmutziggelber Verfärbung. Nach 3 Tagen war sie auf den drei¬
fachen Umfang angesohwollen. Die Paste zerfloss unter der einsetzenden
Eisudation, daher war makroskopisch ihre Einwirkung weniger scharf
abgegrenzt.
Im mikroskopischen Präparat hat man an dem noch unbehandelten
Präparat das bekannte Bild der per secundam intentionem beilenden
Wunde. Am Rand schiebt sich das Oberflächenepithel über das Granu¬
lationsgewebe hinüber. Unter ihm Hegt noch ein gefässreiches in der
Vernarbung begriffenes Bindegewebe. Gegen die Wunde zu grenzt dieses
ein schmaler Saum zarter Gapillaren ab. Jenseits dieser Grenze liegt
in der Tiefe dickes Fibrin, vermischt mit einzelnen Leukooyten, darüber
ein feiner fibrinöser Belag mit zahlreichen weissen und roten Blut¬
körperchen durchsetzt.
Die Reaktion beginnt an den Capillaren mit einer enormen Hyper¬
ämie, die zu Blutungen in das Gewebe führt. Es folgt 12 Stunden
später eine starke Leukocytenansammlung, so dass sich durch das
Präparat ein ganz undurchsichtiger Wall aus weissen Blutkörperchen
hindurchzieht. Während peripberwärts neue Bezirke von diesen Ver¬
änderungen betroffen werden, beginnt in nächster Nahe der Paste
Nekrose. Nur hier und da sind die Gapillaren und zeitigen Elemente
noch an ihren Konturen zu erkennen. Lückenlos lässt sich nach weisen,
wie diese Gewebsveränderungen: „Oedem und Hyperämie, Hämorrhagie,
Leukocytenansammlung und Nekrose“ in ihrer Aufeinanderfolge von der
Dauer der Pasteneinwirkung abhängig sind. Ohne Berücksichtigung
dieser Einwirkungsdauer sieht man wieder, wie, rein lokal betrachtet,
mit der Entfernung vom AnwenduDgsort die centrale Aetzwirkung
peripberwärts in immer schwächer werdende Reizwirkung ausklingt.
Von dem Rande zum Gentrum kann man also wieder die erwähnte
Reihenfolge der Veränderungen vom beginnenden Oedem bis zur Testie¬
renden Nekrose vom Präparat ablesen. Der Ablauf der Erscheinungen
war an dem zarten Gewebe in günstiger Weise sehr zusammengedräogfc,
die Wirkung auch subjektiv sehr intensiv. Denn der Patient klagte
über heftige Schmerzen und verlangte nach 2 Tagen nach Morphium.
Nach 4 Tagen wurde das Mittel daher ausgesetzt.
Um die Wirkungsweise auch an anderen Gewebsarten zu er¬
proben, wurde die Paste auf die Haut eines Kaninchens über¬
tragen.
Die Ohren wurden mit Galciumsnpersulfit enthaart und die Paste
in der beschriebenen Weise aufgetragen und fixiert. Durchschnittlich in
2 Tagen trat eine zunehmende Injektionsrötung der ganzen Ohrgefässe
auf. Die Obren fühlten sich heiss an, die Umgebung der behandelten
Stellen war in Fünfpfennigstückgrösse infiltriert und schmerzhaft. Gegen
das normale Gewebe grenzte sie ein 0,3 cm breiter, dunkelblauroter
Ring ab. Nach 3—4 Tagen löste sich die Haut in Bläschen und rief
einen Tag später auf der anderen Seite dieselben Veränderungen hervor.
Die Demarkationszone wnrde allmählich breiter und tiefer. Das um¬
grenzte Stuck nahm eine schmutziggelbe, schwammige Veränderung an.
Länger wurden die Versuohe nicht ausgedehnt, denn das Allgemein¬
befinden der Tiere litt erheblich. In den ersten Tagen waren sie sehr
unruhig und versuchten, das Heftpflaster abzustreifen. Später sassen
sie apathisch in einer Ecke, ohne zu fressen. Das eine starb nach
5 Tagen an Pyelonephritis, während die beiden anderen nach 5 bzw.
10 Tagen getötet wurden. An den mikroskopischen Bildern können wjr
dieselben oben beschriebenen Beobachtungen machen. Nur laufen die
Veränderungen viel langsamer ab. Am Ort der Pasteneinwirkung
treten sie am frühesten und auffälligsten ein. Excentrisch schreiten sie
nach der Peripherie weiter. Das Bindegewebe, die Gefässe und das
Epithel werden gleichmässig befallen. Keines erweist sich resistenter,
ebensowenig die elastischen Fasern. Auch der Knorpel bietet keine
starke Schranke, wie wir schon makroskopisch sahen. Am längsten be¬
halten die Zellen des Perichondriums das Vermögen der Färbbarkeit.
Nachdem es abgetötet ist, spielen sich die gleichen Veränderungen
*p der Unterfläche der Ohren ab. Natürlich folgen sie später, da ja
sine Gewebsschicbt dazwischen Hegt. An den Stellen, an denen das
Epithel vor Auflegen der Paste abgeschabt war, trat ihre Einwirkung
tun 2 Tage früher ein. So lange dauerte es, bis das Epithel in Bläschen¬
form abgehoben wurde und das Corium frei lag.
Carciuomgewebe fand die Paste in drei Fällen An¬
wendung. Zweimal bei weit aasgebreiteten inoperablen branchio-
genen Carcinomen and einmal bei einem recidivierenden Mamma-
carcioom einer ausserhalb operierten Fraa.
Makroskopisch traten die gleichen Veränderungen auf, wie sie Zeller
schildert und wir sie eben beschrieben haben. Die beiden ersten Tumoren
in toto abzutöten und sie als nekrotischen Klumpen herausheben zu
wollen, versagten wir uns. Und mit Recht, denn es stellte sich später
heraus, dass sie bis zur Trachea vorgeschritten waren, ja, in dem einen
Fall wurden die Stimmbänder zerstört, wegen stärkster LuftbehinderuDg
musste zuletzt noch eine Tracheotomie ausgeführt werden. Wir be¬
schränkten uns nur darauf, an umschriebenen Stellen die Paste ein¬
wirken zu lassen.
Von Zeller's Beobachtung, dass das normale Gewebe nur langsam
angegriffen wird, konnten wir uns nicht überzeugen. Dies wird an dem
verschiedenen Material Hegen. Ein grosser Prozentsatz von Zeller’s
Fällen stellt sich zusammen aus Gancroiden und nach Kasemann’s
Mitteilung aus Lupuscarcinomen. Diese Geschwülste sind des deckenden
Epithels entkleidet. Wir sahen, dass die Pastenwirkung energischer
wird, wenn einmal das schützende Epithel überwunden ist. Ferner
nimmt ihre Wirkung, wie wir an den mikroskopischen Bildern sahen,
mit der Entfernung ab. Trägt man nun die Paste genau auf solch
careinomatöses Geschwür auf, so wirkt sie hier energischer, die Demar¬
kation gegen das Epithel tritt schärfer und schneller ein. Das normale
Gewebe erscheint dann widerstandsfähiger, ohne dass es sich hierbei
aber um eine elektive Wirkung handelt. Bis sich die nekrotischen
Fetzen entfernen Hessen, dauerte es Wochen. Alle drei Patienten
klagten nach jedesmaliger Anwendung der Paste über sehr starke
Schmerzen, so dass wir ihnen sofort etwas mehr Morphium gaben und
bei den ersten beiden das Mittel nur unregelmässig aDwenden konnten
und uns auf gelegentliche Exzisionen beschränkten 1 ). Diese waren dann
ganz schmerzlos möglich. Von dem Mammacarcinom steht uns dagegen
eine lückenlose Serie zur Verfügung. Auch wir machten die Beobachtung,
dass die Nähe grosser Nerven und Gefässe eine Gefahr bedeutet. Ge¬
warnt durch die Vorversuche, waren wir bei den branchiogenen Tumoren
sehr vorsichtig. Trotzdem erlebten wir eine ziemlich erhebliche Blutung
aus der Garotis externa, die noch stärker gewesen wäre, wäre das Gefäss
centralwärts nicht schon von Tumormassen komprimiert worden.
Kafermann erzählt von einem älteren Kliniker, der einen Ver¬
blutungstod im Samariterhaus nach der ätzenden Wirkung der Paste er¬
lebte. Er selbst sah im Samariterhaus ein handtellergrosses, tiefliegendes
Carcinom des seitlichen Halses, dessen Grund nur wenige Millimeter von
den grossen Gefässen entfernt war und dessen Anätzung durch die
wahllos fressende Paste in beträchtliche Nahe gerückt war. Zweifel
sah in zwei Fällen gewaltige Höhlen entstehen. Eine Patientin bekam
eine Blasenscheidenfistel. Allerdings, fügt er zu, bestand hier von vorn¬
herein eine grosse Höhle der Vorderwand der Cervix uteri.
Im mikroskopischen Bild handelt es sich bei dem Mammakrebs um
einen Scirrhus. Das Stroma ist in sehr hohem Grade entwickelt. Die
kleinen Krebszellnester sind reichlich in das derbe Bindegewebe einge¬
bettet. Die branchiogenen Carcinome erweisen sich als sehr zellreiche
Plattenepithelcarcinome. Bei allen wurde die Paste in den durch die
Probeexzision gesetzten Defekt hineingestrioben. Als erste Reaktion tritt
uns die bekannte Blutfülle der Gapillaren, das Oedem des umliegenden
Gewebes und die enorme interstitielle Blutung entgegen. Zunächst sind
die Veränderungen wieder auf den benachbarten Bezirk beschränkt. All¬
mählich erst werden die entfernten Partien ergriffen. Im Centrum
beginnt im unmittelbaren Ansohluss an die Leukocytenansammlung
Schwund der Zollgrenzen und Kernzerfall. Zum Schluss ist in der Mitte
alles Gewebe tot, während am Rand nur die Reizwirkungen auf das Ge¬
webe zu beobachten sind. Jenseits dieser Grenze zeigt das Carcinom
volle Lebensfähigkeit, wie aus Teilungsfiguren hervorgeht. Besonders
wurde auch das Augenmerk auf das Verhalten- der verschiedenen Ge¬
websarten gerichtet. Alle, Epithel, Bindegewebe, Carcinom, werden in
gleicher Weise ergriffen. Nirgends besteht ein Anhaltspunkt dafür, dass
das Carcinom ge webe weniger resistent ist als seine Umgebung.
Zur Entscheidung dieser Frage ist das vorliegende Objekt gerade
sehr geeignet. Denn überall liegen die kleinen Krebsneater, rings ein-
gesoblossen von anderem Gewebe. Wahllos, nur abhängig von der Länge
der Anwendung und Entfernung von der Paste, gehen die Gewebs¬
veränderungen vor sich. Ja, in einem Präparat, herrührend von einem
branchiogenen Carcinom, sieht man inmitten ganz nekrotischen Gewebes
Reste von Krebsnestern mit nur geringen Degenerationszeichen. Von
einer elektiven Wirkung kann danach nicht die Rede sein.
Nur vereinzelt findet man gelegentliche Aeusserungen, meist in
medizinischen Gesellschaften, über persönliche Erfahrungen mit AsHg-
Paste.
So fand Vorn er bei einem von drei Fällen wie wir eine so grosse
Schmerzhaftigkeit bei der Pastenanwendung, dass sie nur tage- und
stundenweise vertragen wurde. Bei derselben Patientin stiessen sich im
Laufe von Wochen nekrotische Fetzen ab. Nach sechsmonatiger Dauer
hatte sioh das Gesohwür in einer Richtung durch Ueberhäutung ver¬
kleinert, war aber in der anderen Richtung doppelt so gross wie vorher.
Liegt auch jetzt eine Heilungstendenz in der Mitte des ursprünglichen
Herdes vor, so kann von einem Stillstand des Prozesses in der Umgebung
nicht gesprochen werden. Denn während im Gentrum die Nekrose auf¬
trat, zeigten sich am Rand neue Knoten. Iq einem derselben sah man
1) Die Patienten standen schon unter Morphiumeinwirkung.
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UNIVERSUM OF IOWA
1268
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
die Krebszellen im Unterhautzellgewebe in dichtgedrängten Strängen
weiter wuchern. Von einer Neigung der Krebselemente zur Nekrose oder
einer besonderen Wucherung des Bindegewebes als Heilungsvorgang war
nichts zu sehen.
Derselbe Autor konnte nach dreimonatiger Dauer bei einem zweiten
Fall von Mammacarcinom ein apfelsinengrosses nekrotisches Stück ohne
Blutung und Sohmerz mit der Schere ausschälen. Ein Unterschied
zwischen Nekrotisierung des Tumors und des umgebenden Gewebes war
nicht wahrnehmbar. Nach 4 Monaten konnte von einem Erfolg nioht
gesprochen werden, ln dem exzidierten Stück erwiesen sich alle Bestand-
teile nekrotisch. Bezirksweise fanden sich Körper, die abgestorbeuen
Krebselementen entsprachen. Nach sechswöchiger Behandlung konnte er
ein anderes Mal die Hauptmasse des nekrotischen Tumors ohne Schmerzen
und Blutung entfernen. Mikroskopisch fanden sich unter der nekro¬
tischen Epidermis in dem nekrotischen Unterhautzellgewebe massenhaft
Nester von Krebszellen, mit mehr oder weniger schweren Degenerations-
erscheinungen.
Das Ergebnis dieser Untersuchungen gipfelt darin, dass, wie
auch wir fanden, die Krebszellen nicht elektiv zerstört werden,
dass carcinomatöses and gesundes Gewebe abstirbt, soweit die
Pastenwirkung reicht. Ferner sei zu fürchten, dass bei rascher
wachsenden Krebsen die Wirkung der Paste die Ausläufer im
Grund und am Rand nicht mehr erreicht und dort die Carci-
nomelemente in üppiger Weise weiter wachsen. Schmerzloser
kann man die Pastenbehandlung nach unserer und Vörner’s Er¬
fahrung keineswegs nennen. Unsere altbewährten anästhesierenden
Methoden müssen uns viel kostbarer bleiben. Unüberwindbarer
Widerstand gegen operativen Eingriff und der trostlose Zustand
bei inoperablen Tumoren brachte Zeller zumeist auf den Ge¬
danken der Pastenanwendung, während er alle anderen dem
Chirurgen überwies. Sollte Zeller’s Standpunkt im Laufe der
Zeit vielleicht nicht zu nachgiebig geworden sein? Würde nicht
doch vielleicht unter „dem ganzen Lazarett von Krebskranken,
Lupösen, Lupuscarcinomen u , die sich auf der Landstrasse nach
Kafermann’s Schilderung zu Zeller’s Sprechstunde bewegen,
doch ein hoher Prozentsatz ernstem Zureden zugänglich sein!
Ihnen könnte man die starken Schmerzen, die die wiederholte
Anwendung der Paste offenbar in vielen Fällen verursacht, er¬
sparen. Sollte in dieser Hinsicht die Aetzbebandlung statt eines
Fortschrittes nicht vielmehr einen Rückschritt bedeuten in jene
Zeit ihrer erstmaligen Anwendung, wo blutige Eingriffe vom Arzt
und Patienten lieber umgangen worden, weil ihnen die segens¬
reichen Narkotica für allgemeine und lokale Betäubung noch nicht
zur Verfügung standen. Damals galt es, die Schmerzen auf einen
grösseren Zeitabschnitt zu verteilen und sie für den einzelnen
Augenblick einigermaassen erträglich zu machen. Durch eine
Operation konzentrieren wir Bie auf einen kleinen Zeitpunkt und
machen den Patienten während dieser Zeit schmerzfrei. Ein
nachgiebiger Standpunkt entbehrt also der inneren Berechtigung
und liegt nicht im Interesse des Patienten, vor allem nicht dem
eines messerschenen Kranken.
Und wie steht es mit der Abkürzung der Behandlung? Gegen¬
über der Anwendung der Kieselsäure, die bis zu Jahren ausgedehnt
werden müsste, bedeutet sie sicher eine Verkürzung. Wir er¬
reichten an der normalen Haut bei dem nur oberflächlichen Defekt
eine endgültige Heilung in Wochen. Eine Exzision hätte bis zu
ihrer Vernarbung etwa’ so viel Tage in Anspruch genommen. Und
wie ganz anders nnd vorteilhafter gestaltet sich dann das kosme¬
tische Resultat! Nach Gmonatiger Anwendung erzielte Vörner 1 )
gerade einen 1—2 cm breiten Epithelstreifen. Die beiden anderen
Male erreichte er die vollständige Demarkation je nach der Grösse
des Tumors nach 6 Wochen und 3 Monaten. Die Nachteile liegen
ja auch hierbei klar zutage. Erst müssen wir die Zeit ab warten,
bis das Gewebe zerstört und abgestossen ist, gegenüber der
momentan vorgenommenen Exstirpation. Dann erst kommt das
Stadium der Regeneration und Epithelisierung. Aber wie sind
wir auch jetzt noch im Nachteil. Bei der Exstirpation liegt es
in der Hand des Operateurs, den Schnitt in jeder als zweckmässig
erkannten Richtung zu führen und mit dem geringsten Verlust an
Hautbedeckung auszukommen. Immer kann Rücksicht auf die
künftige Wundheilung genommen nnd sie so einfach wie möglich
gestaltet werden. Bei der Pastenaowendung begeben wir uns all
dieser Vorteile. Uns sind die Hände gebunden. Nur zwei Mög¬
lichkeiten gibt e$, entweder das Mittel aosznsetzen oder es wahl¬
los alles Gewebe in seinem Bereich zerstören zu lassen. Dann
aber muss der lange Prozess der Vernarbung abgewartefc werden.
Und wie leicht wirken Narben durch spätere Schrumpfung be-
1) Verhandlung der medizinischen Gesellschaft zu Leipzig. M.m.W.,
1913, Nr, 20-
sonders im Gesicht entstellend. Buchbinder berichtet in der
medizinischen Gesellschaft zu Leipzig über seine Eindrücke bei
einem Besuch bei Zeller. Unter Anerkennung beachtenswerter
Erfolge bei einigen für inoperabel erklärten Brustdrüsencarcinomen
kommt er zu dem Schluss, dass uns die Pflicht bleibt, alle bös¬
artigen Neubildungen, die operativ anzugreifen sind, auch operativ
zu entfernen. Nur die, bei denen eine radikale Operation nicht
mehr möglich ist, sollen nach der Zeller’schen Methode behandelt
werden. Dieses Zugeständnis bat psychische Gründe für sieb.
Der Patient, der nur das Wachstum oder den weiterschreitenden
Zerfall des Tumors sah, bemerkt, wie das Gewebe jetzt nekrotisch
wird und sich entfernen lässt. Er gewinnt wieder Hoffnung, die
man ihm ruhig erhalten soll. Man wird freilich bei erheblichen
Schmerzen auf dieses Mittel verzichten müssen und muss sich
weiter vor Augen halten, dass auch Vergiftungserscheinungen
auftreten können. Die Kranken zeigen einen gewissen Grad von
Somnolenz, leicht tritt dazu auch eine akute Herzschwäche.
Zu weit geht uns daher auch Lewin’s 1 ) Vorschlag, die Paste
bei äusserlich ulcerierten Tumoren, namentlich Oancroiden, oder
bei Utemscarcinom als Tampon anzuwenden. Für erstere beide
Erscheinungsformen des Carcinoms führen unsere bisherigen
Methoden schneller und schmerzloser zum Ziel und haben ein
befriedigendes Resultat. Direkt warnen möchten wir aber vor
Anwendung beim Uteruscarcinom. Die Nähe des Peritoneums,
der Blase, der Ureteren und der Aa. uterinae bedeuten hier
schwere Gefahren. Zweifel erlebte eine Blasen-Scheiden¬
fistel. In der Fulguration, der Behandlung mit Aceton oder Chlor¬
zink stehen uns andere Mittel zur Verfügung, die wohl auch
einmal Gefahren zeitigen können, bei deren Applikation einem
aber doch immer die notwendige Uebersicht bleibt. Natürlich ist
es ganz und gar ausgeschlossen, jemals bei einem operablen Fall
von Uteruscarcinom die Paste zu verwenden. Nach wie vor bleibt
radikale operative Entfernung der einzige Weg. Mit der Pasten¬
behandlung die Zeit zu versäumen oder die Operation abzulehnen
oder zu verhindern, nennt Zweifel eine Sunde. Wenn Hammer¬
schlag 2 ) bei einer Hündin durch zweimalige äussere Pastenbehand¬
lung ein inoperables Mammacarcinom operabel werden sah, indem
es sich grösstenteils spontan eliminierte, und nun einen Versuch bei
inoperablem Uteruscarcinom empfiehlt, so vermögen wir ihm in dieser
Deduktion nicht zu folgen. Dadurch, dass die Hauptgeschwulst ab¬
getötet wird, wird der Fall noch nicht operabel. Bei Umwandlung
eines inoperablen Carcinoms in ein operables muss man doch entweder
direkte Zerstörung aller Krebszellen erwarten oder eine Beein¬
flussung des Zellcharakters. Von alledem tritt bei der Pasten¬
anwendung nichts auf. Nirgendwo besteht eine elektive Wirkung.
Wir kommen deshalb zu dem Schluss, dass nach wie vor bei
allen Arten von Geschwülsten, gutartigen, relativ bösartigen and
malignen, einzig und allein die Operation in Frage kommt. Weder
bedeutet die schon einmal in Vergessenheit geratene Paste eine
Verkürzung noch ein schmerzloseres Heilverfahren. Sie hat aus¬
gedehntere Narbenbildungen im Gefolge, die sich durch Operationen
ebenfalls erheblich geringer gestalten lassen. In der Nähe von
grossen Nerven, Gefässen, namentlich auch bei Uteruscarcinom,
ist ihre Anwendung direkt gefährlich.
Aus dem Institut für allgemeine Pathologie der Uni¬
versität Kopenhagen.
Eine klinische Methode zur Bestimmung der
Kohlensäurespannung in der Lungenluft.
Von
Privatdozent L. S. Fridericia.
Von mehreren Seiten ist in den letzten Jahren vorgescblagen
worden, die Bestimmung der KohlensänrespaDnung in der Lungen-
luft als klinische Untersuchungsmethode bei pathologischen Zu¬
ständen, die von einer Säureanbäufung im Blute, einer Acidosis,
begleitet sind, zu verwenden. Es hat sich nämlich gezeigt, dass
die KohlensänrespannuDg in der Alveolarluft der Lungen und im
arteriellen Blute abnimmt, wenn die Menge anderer Säuren im
Blute zunimmt.
1) Lewin, Wie behandeln wir inoperable Geschwülste? Ther. d.
Gegenw., 1913, H. 2.
' i 2) DiskussionsbemerkuDgen von H ammerschlag und Meyer in aer
Gesellschaft lür Geburtshilfe und Gynäkologie zu Berlin, 25. Oktober 191S.
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Gck igle
Original frorn
N VbK L .il i V Ui- IL.'VvA
6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1269
Io der Klinik kann die Bestimmung der Koblensäurespannung
in der Lungenluft vor allem Bedeutung erlangen als Methode, um
den Grad jener Acidosis zu messen, die schwerere Fälle von
Diabetes mellitas begleitet. Seit einigen Jahren weiss man, dass
die Koblensäurespannung der Lungenluft immer abnorm gering
ist bei diabetischer Acidosis, und dass sie besonders stark bei
drohendem Coma fällt (Beddard, Pembrey und Spriggs,
Porges, Leimdörfer und Marcovici, Herrn. Straub). Vor
kurzem ist es mir gelungen, endgültig zu beweisen, dass Kohlen
g&urespannungsbestimmungen ein Maass geben für den Grad von
Acidosis bei Diabetikern, ganz wie Bestimmungen von der Am¬
moniakausscheidung im Urin des Patienten 1 ). Ist die Ammoniak¬
ausscheidung abnorm gross, so ist die Kohleosäurespannung in
der Lungenluft immer abnorm niedrig; sinkt die Ammoniakaus-
scbeidung, so steigt die Kohlensäurespannung usw. Die beiden
Methoden geben unter sich übereinstimmende Aufklärungen, aber
die Bestimmung der Kohlensäurespannung hat mehrere praktische
Vorteile, so z. B. macht sie eine augenblickliche Untersuchung des
Zastandes des Patienten möglich, ohne dass es erst notwendig ist,
den Urin durch 24 Stunden zu sammeln.
Es kann natürlich nur davon die Rede sein, die Bestimmungen
der Koblensäurespannung der Lungenluft als klinische Methode
tu verwenden, wenn diese Untersuchung in einfacher und ge¬
schwinder Weise ausgeführt werden kann. Bisher sind solche
Untersuchungen ein verhältnismässig kompliziertes Verfahren ge¬
wesen, welches mehrere Apparate erforderte, unter anderem einen
Luftanalyseapparat. Es ist mir gelungen, eine Methode auszuar beiten,
durch welche die Kohlensäurespannung in der Alveolarluft der
Lungen in wenigen Minuten bestimmt werden kann, ohne andere
Apparate als ein grosses Cylinderglas, einen Kautschukballon und
eioen eingeteilten Glasbehälter von besonderer Form. Bevor ich
mein Verfahren beschreibe, will ich die Methoden nennen, die
bisher angewandt worden sind.
J. S. H&ldaae und J. G. Priestley waren die ersten, die eine
Methode zur direkten Bestimmung der Koblensäurespannung der Lungen¬
luft angaben 2 ). Diese Hessen das Versucbsindividuum, während es normal
respirierte, plötzlich so tief wie möglich ausatmen durch einen 1,5 m
laugen Kautschukschlaucb, versehen mit einem Glasmundstück; darauf
wurde das Muodstück abgeschlossen. Die zuletzt eispirierte Luft, die
sich im Schlauche nächst dem Mundstück vorfand, musste aus den
Lungenalveolen stammen. Von dieser Luft wurde durch ein Seitenrohr
dicht hinter dem Mundstück eine Probe genommen und die Kohlensäure-
Spannung in dieser Luftprobe wurde später in einem Haldane’schen Luft¬
analyseapparat bestimmt.
Die Untersuchung bestand also aus zwei verschiedenen Abschnitten,
erst wurde eine Probe der LuDgenluft bergestellt, und darauf wurde die
Luftprobe analysiert; zu jedem Teil der Untersuchung gehörte ein be¬
sonderer Apparat. Verschiedene Untersucher haben dieselbe Methode
wie Haldane gebraucht; ich selbst habe diese Methode bei einigen
früheren Arbeiten benutzt. Andere haben jedoch bald den einen, bald
den anderen Absohnvtt der Untersuchung modifiziert, ohne dass die
Methode dadurch besser oder einfacher geworden ist.
Der erste Abschnitt der Untersuchung wurde von Lindhard 8 ) modi¬
fiziert Er liess das Versuchsiodividuum normal durch eine Maske mit
In- und Exspirationsventilen atmen und sammelte eine kleine Probe der
Luft, die zuletzt bei jeder normalen Exspiration ausströmt. PI es ob 4 )
verschaffte sich Lungenluft, indem er den Patienten mehrmals in einen
Gummiballon ein- und ausatmen Hess. Hierdurch bekommt er jedoch
gar keine normale Alveolarluft denn durch Respiration in einen so
kleinen, abgeschlossenen Luftraum wird die Luft des Raumes nach und
nach viel kohlensäurereicher und sauerstoffarmer, als die normale Lungen*
luft; durch die Baldane’sche Methode untersucht man Luft, deren Kohlen-
säurespannung der des arteriellen Blutes entspricht; Plesch meint,
dass seine Methode Werte gibt, die der Kohlensäurespannung des venösen
Blutes entsprechen.
Zum zweiten Abschnitt der Untersuchung, der Analyse der Lungen-
laftprobe, sind die verschiedenen Modelle der Luftanalyseapparate ange¬
wandt worden. Yandell Henderson und Rüssel®) haben angegeben,
wie es vermieden werden könne, einen Analyseapparat zu verwenden,
dadurch, dass man die Kohlensäure einer abgemessenen Probe von Lungen¬
luft von d/iq Barytwasser absorbieren lasst und nachher das Barytwasser
titriert. Endlich haben Martin Habn und Rudolf Heim 8 ) beschrieben,
wie mau die Kohlensäureanalyse mit Hilfe eines Interferometers vor¬
nehmen kann.
1) Zsohr. f. klin. Med., 1914, Bd. 80, S. 1. (In diesem Artikel
fiodeu sich LiteratnrangabeD über den Gegenstand.)
2) The Journ. of pbysiol., 1905, Vol. 32, p. 225.
3) The Journ. of physiol., 1911, VM. 42, p. 348.
4) Z-ichr. f. exp. Path. n. Tber., 1909, Bd. 6, S. 880.
5) cit. e. R. Tigerstedt, Physiologisehe Hebungen. Leipzig 1913,
b. 200.
6) B.kl.W., 1918, Nr. 5, und Zschr. f. klin. M., 1913, Bd. 78, S. 501.
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Wie gesagt, keine von diesen Modifikationen ist besser oder
einfacher, als Haldane's ursprüngliche Methode. Bei allen Ver¬
fahren sind zwei Apparate nötig, einer, um die Lungenluft zu
sammeln, der andere, um sie zu analysieren. Und zur Analyse
haben alle Untergeber Apparate gebraucht, die recht kompliziert
sind und sich nur zum Gebrauche in Laboratorien eignen. Bei
der Bestimmung der Koblensäurespannung der Lungenluft gibt es
vorläufig 1 ) keinen Grund, die Haldane’scbe Methode zu verlassen.
Wenn solche Bestimmungen in der Klinik Einlass finden sollen,
muss die Aufgabe also dahin gehen, die Haldane’sche Methode zu
vereinfachen. Mein Ziel ist daher gewesen, einen einzigen Apparat
zu konstruieren, der zugleich dazu dienen konnte, die Lungen¬
luft aufzusammeln und deren Kohlensäuregebalt schnell und hin¬
reichend genau zu analysieren.
Ohne auf die theoretischen Erwägungen, die mich zar Kon¬
struktion des Apparates geführt haben, einzugehen, will ich sofort
zur Beschreibung des Apparates schreiten. (Abbildung 1.)
Der Apparat besteht aus einem Glasbebälter, desseo Form in Ab¬
bildung 1 wiedergegeben ist. Aa dem Apparat befinden sich zwei ge¬
schliffene Glashähne: C und G. C ist ein gewöhnlicher Hahn mit ein¬
facher Bohrung, G hat doppelte Bohrung, wie die folgenden Abbildungen
veranschaulichen. Der Raum zwischen den Hähnen G und C ist 100 ccm
(in diesem Raummaass ist die Bohrung in G, nicht aber die Bohrung in
C mit eingeschlossen) und das Rohr E—F ist in ganze und zehntel
Kubikcentimeter eingeteilt. Diese Einteilung gibt also Prozentteile des
ganzen Rauminhaltes zwischen C und G an. (Die Einteilung geht von
G aus.)
Ausser diesem Analyseapparat (I) ist zur Ausführung der Bestim¬
mung erforderlich: (II) ein grosses Cylinderglas, etwa 40 X 20 cm, (II l)
ein Gummiballon, an einem 40 cm langen Glasrohr, (IV) ein dickwandiger
Gummiballon, der bei K auf den Analyseapparat gesetzt werden kann,
(V) eine gewöhnliche Porzellanschale von 15 cm Durchmesser, und (VI)
zwei Reagentieu, nämlich eine gesättigte Borsäurelösung und eine 20proz.
Auflösung von Kaliumhydroxyd. Quecksilber wird nicht verwendet.
Abbildung 2.
Abbildung J.
Im folgendem werde ich beschreiben, wie eine Bestimmung
der Kohlensäurespannung der Lungenluft vor sieb geht, und gleich¬
zeitig erwähnen, was während der einzelnen Abschnitte der Be¬
stimmung geschieht.
Bevor die Bestimmung beginnt, sind einige Vorbereitungen notwendig.
Das Cylioderglas II muss mit Wasser von gleicher Temperatur wie die
des Zimmers, in welchem die Untersuchung vor sich geht, gefüllt werden;
am einfachsten ist es natürlich, das Glas von einem Mal zum andern
gefüllt stehen zu lassen. Die Temperatur des Wassers ira Cylinderglas
wird sich, praktisch genommen, in den Minuten, in welchen die Analyse
vor sich gebt, nicht verändern, wenn Wasser und Zimmer den gleichen
Wärmegrad bei Beginn der Untersuchung gehabt haben. Dies ist ein
sehr wichtiger Punkt, denn Veränderungen in der Temperatur des
Wassers verursachen Fehler im Analyseresultat (der Fehler wird ungefähr
0,4 pCt. Kohlensäure für 1° Temperaturveränderung).
’ Bevor die Untersuchung beginnt, muss die Porzellanschale V mit
20proz. Kaliumhydroxydlösung gefüllt werden. Ausserdem wird der
1) Ueber einige wichtige Einschränkungen in der Brauchbarkeit der
Haldaoe’scben Methode siehe Aug. Krogh, Skandinav. Arch. f. Physiol.,
1913, Bd. 80, S. 388.
5
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UNIVERSUM OF IOWA
1270
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
Analyseapparat I zweimal mit gesättigter Borsäurelösung, die einen sehr
geringen Absorptionskoetfizienten für Kohlensäure hat, ausgespült, und
man lasst die Flüssigkeit wieder ausfliessen, indem.mau darauf bedacht
ist, dass an keiner Stelle im Apparate SpülmeDgen Zurückbleiben (der
Apparat braucht jedoch nicht zu trocknen, die Spülflüssigkeit soll nur
abgetropft sein).
Nun kann die eigentlieha Untersuchung beginnen.
Die Person, deren Lungenluft untersucht werden soll, muss ganz
ruhig sitzen oder liegen und natürlich atmen. Der Analyseapparat wird
mit der HabnstelluDg wie Abbildung 1 bereit gehalten. Am Schlüsse
eiDer normalen Exspiration 1 ) nimmt das Yersuchsindividuum plötzlich
das Mundstück A des Analyseapparates in den Mund und exspiriert weiter
durch den Apparat so tief und schnell als möglich, ohne zuerst weder
Luft einzuatmen, noch den Atem anzubalten. Bei einer derartigen tiefen
Exspiration werden die meisten Menschen etwa 1,5 Liter Luft ausatmen,
wovon auf alle Fälle mehr als ein Liter aus den LuDgeDalveolen stammt.
Da der gesamte Rauminhalt des Analyseapparates nur 1 BO ccm ist, wird
er unter der forcierten Exspiration sehr gründlich ausgespült werden und
bei Beendigung der Exspiration reine Alveolarluft enthalten. (Dies wird
bei später angeführten Kon troll versuchen bewiesen werden.) Sofort Dach
dieser forcierten Exspiration wird nun der Hahn C geschlossen O /4 Um¬
drehung gedreht), bevor noch die Versuchsperson den Mund von A ent¬
fernt hat. Dieser Hahn C bleibt geschlossen während der ganzen fol¬
genden Analyse. Der Hahn G hingegen verbleibt vorläufig in derselben
Stellung wie in Abbildung l.
Der Analyseapparat enthält jetzt die LungeDluft des Versuchs¬
individuums, und diese füllt den ganzen Apparat von A bis K.
Der Analyseapparat wird sodann in das mit Wasser gefüllte Cylinder-
glas II gestellt; mit Hilfe des umgebogenen Rohres H J K kommt der
Apparat an den Rand des Cylinderglases zu bäDgen. Das Wasser muss
über den Hahn G reichen, kann aber nicht über die MünduDg K reichen.
Das Wasser im Cylinderglas wird mehrere Male durch LufWurchblasen
(dazu wird der Ballon und das Rohr III verwendet) durcheinanderge¬
mischt. Man lässt den Analyseapparat 5 Minuten im Wasser des Oy-
linderglases stehen. Im Verlaufe dieser Zeit wird die Lungenluft im
Analyseapparate abgekühlt sein und die Temperatur des Wasserbades
angenommen haben. Bei dieser Abkühlung zieht sich die Luft im
Apparate zusammen; im Raume C D E F G zwischen den beiden Hahnen
wird deshalb etwas Luft aus dem Rohr G H J K eingesaugt werden, aber
da dieses Rohr ja auch Lungenluft enthält, wird die Luftzusammen-
setzuDg in C D E F G dadurch nicht verändert werden (später angeführte
Kontrotlversuche zeigen, dass dieses richtig ist). Bei K wird natürlich
etwas Luft aus dem Zimmer in das Rohr J K eingesaugt werden; aber
dies spielt keine Rolle, da nur die Luft zwischen den Hähnen C und
G zu der nachfolgenden Analyse verwendet wird.
Nach 5 Minuten wird der Analyseapparat aus dem Cylinderglas
herausgenommen, indem man den Apparat bei den Stücken AB hält
(um die Luft nicht mit der Hand zu erwärmen), und der Hahn G wird
schnell l j 4 Umdrehung gedreht, zu der Stellung, die Abbildung 2 zeigt.
Der Raum C D E F G ist jetzt ganz abgeschlossen, während das
Rohr G H J K in Verbindung mit der Umgebung steht, sowohl durch
K als durch die Bohrung im Hahne G. Der dickwandige Kautschuk¬
ballon wird bei K auf den Analyseapparat aufgesetzt und zusammen¬
gepresst. Die Mündung des Hahnes G wird in die mit 20 proz. Kali¬
lauge gefüllte Schale V (Abbildung 2) hineingetaucht, und mit Hilfe des
Kautschukbai Ions wird die Kalilauge in das RohrGHJ aufgesaugt bis
dicht zu J; der Hahn G wird hierauf Vs Umdrehung gedreht, so dass er
sowohl gegen F als gegen H schliesst. Während der Analyseapparat
schräg gehalten wird, mit H tiefer als F, wird der Gumraiballon IV von
K abgenommen, und darauf wird der Hahn G in dieselbe Stellung wie
in Abbildung 1 gestellt (der Hahn C wird nicht berührt), so dass eine
Kommunikation zwischen HG und GF hergestellt wird. Ein wenig von
der Kalilauge im Rohre G H J wird durch G in das Rohrstück G F E
hineinfliessen, da sie unter dem Druck der Flüssigkeitssäule in H J steht.
Dabei dürfen keine Luftblasen aus EFG durch GHJ binausschlüpfen;
geschieht dies, so muss die Bestimmung neu gemacht werden. — Jetzt
wird der Hahn G wieder in dieselbe Stellung, wie Abbildung 2 zeigt,
gedreht; dadurch läuft die Kalilauge im Rohrstück GHJ aus, während
etwas Kalilauge im Rohrstück G F E abgesperrt ist, das heisst im Raume
zwischen den Hähnen C und G. Dieser Raum ist nun ganz abgeschlossen.
— Der Analyseapparat wird einige Male umgeweDdet und geschüttelt;
dadurch lauft die Kalilauge, welche im Rohrstück G F E steht, längs der
WaDd des Behälters D E hinauf zum Hahne C und absorbiert rasch die
ganze Kohlensäure der LuDgenluft, die zwischen den Hähnen C und G
eingeschlossen ist.
Der Analyseapparat wird nun wieder in das mit Wasser gefüllte
Cylinderglas II gesetzt. Da der Hahn G noch immer in derselben Stellung
wie in Abbildung 2 steht, wird das Wasser des Cylinderglases im
Rohre GHJ hinaufsteigen. Während der Analyseapparat auf diese Weise
im Wasser des Cylinderglases hinuntergetaucbt wird, wird der Hahn G
in die Stellung wie Abbildung 3 umgedrebt.
Dadurch steigt das Wasser auch ein Stück im Rohre G F E. Während
der Hahn G noch immer steht, wie in Abbildung 3, wird der Analyse«
1 ) Hai da ne nahm zwei Bestimmungen für jede Person vor, eine
nach der Inspiration und eine* nach der Exspiration. Für den klinisoben
Gebrauch ist es genügend, eine Bestimmung zu machen, die am sichersten
nach der Exspiration vorgenommen wird.
apparat im Wasser des Cylinderglases bis über den Hahn C hinunter
getaucht, wie bei Beginn der Analyse, und durch Luftdurcbbl&sen wird
das Wasser vermengt. Nach Verlauf von 5 Minuten kann das Resultat
der Analyse abgelesen werden. Die Luft im Raume C D E F ist ja die
ursprüngliche Lungenluft, aus welcher die Kohlensäure entfernt ist. Wird
diese unter gleiche Temperatur und Druck wie bei Beginn der Analyse
gebracht, so wird ihre Verminderung an Rauminhalt aDgebeD, wieviel
Kohlensäure sie enthalten hat. Sie wird auf gleiche Temperatur wie zu
Anfang der Analyse gebracht, indem sie im Wasser des Cylinderglases
steht. Der Druck unter welchem die Lungenluft bei Beginn der Anatyse
stand, ist der Barometerdruck im Zimmer, in welchem die Untersuchung
vor sich geht; in den wenigen Minuten während welcher die Analyse
dauert, wird der Barometerdruck, praktisch genommen, sich nie so viel
verändert haben, dass dies von Bedeutung sein kann. Bei Beendigung
der Analyse muss atso der Inhalt des Analyseapparates wieder unter den
gleichen Druck wie die Ziramerluft gebracht werden. Dies geschieht,
indem man den Apparat langsam in dem Wasser des Cylinderglases
(Bahn G steht wie in Abbildung 3) emporhebt, indem man am Rohre A B
hält, um die Luft des Apparates nicht mit der Hand zu erwärmen. Ist
der Apparat so hoch gehoben, dass die Flüssigkeitsobei flache H im
Rohre E F im selben Niveau wie die Flüssigkeitsoberfläche des Cylinder¬
glases steht, so wird ira Raume D E F der gleiche Luftdruck herrschen
wie im Zimmer. Jetst wird der Hahn G in dieselbe Stellung wie in
Abbildung 2 gedreht (Va Umdrehung), und der Analyseapparat wird aus
dem Cylinderglas berausgebobeD. Bei Beschreibung des Apparates wurde
erwähnt, dass das Robrstück E F in Prozente des ganzen Rauminhaltes
zwischen den Hähnen C und G eingeteitt ist. Wird nun die Stellung
der Flüssigkeitsobcrfläehe in EF abgelcsen, so wird die Ablesung des¬
halb direkt aDgeben, wieviel Prozent Kohlensäure die untersuchte,
feucbtigkeitsgesättigte LuDgenluft enthält bei dem gegebenen Barometer-
druck.
Abbildung 3.
Hiermit ist die Bestimmung des Koblensäuregehaltes der
Lungenluft beendet. Es ist jedoch nicht praktisch, den Koblen-
säuregehalt der Lungenluft prozentuell anzugebeo, sondern richtiger,
den gefundenen Wert umzurecbnen, so dass die Kohlensäure-
Spannung (der Partialdruck der Kohlensäure) in Millimetern an¬
gegeben wird, denn dadurch wird das Resultat unabhängig von
der Höhe des Barometerstandes. Anstatt die Anrechnung aus¬
zuführen, kann man ihre Resultate auf einer Tabelle 1 ) ablesen,
wenn man den Barometerstand kennt (abgelesen auf irgendeinem
Barometer bei Ausführung der Analyse).
Die genaue Beschreibung einer Bestimmung der Kohlensäure-
Spannung der Lungenluft erfordert viele Worte. Die Bestimmung
selbst erfordert nur wenige Minuten und bedarf keiner experimen¬
tellen Geschicklichkeit. Sie ist weder schwieriger, noch leichter
als z. B. eine Urinstoffbestimmung nach Esbach.
Die Brauchbarkeit und Genauigkeit des Apparates habe ich
in zwei Reiben Kontrollversuchen erprobt. Die erste Reihe worde
auf folgende Weise ausgefübrt: Ein Spirometer wurde mit einem
Gemisch von atmosphärischer Luft und Kohlensäure gefüllt; von
der Spirometerluft wurde eine Probe über Quecksilber genommen
und in Petterson Bohr’s Luftanalyseapparat analysiert; (0,03 pCt
Genauigkeit). Hierauf wurde der Kohlensäuregebalt der Spiro¬
meterluft mehrmals mit dem oben beschriebenen Apparat be-
1) Eine solche Tabelle folgt mit dem Analyseapparat, der bergestellt
wird in Paul Altmann’s Fabrik für Laboratoriumsbedarf, Berlin NW. 6 ,
Luisenstr. 47.
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Original frn-m
UNIVERSUY OF IOWA
6. Juli 1914.
B ERLINER KLINISC HE WOCHENSCHRIFT.
1271
stimmt; es wurden jedesmal etwa 2 Liter Spirometerluft durch
den Apparat geblasen, bevor der Hahn C geschlossen wurde.
Von diesen Kontrollversuchen wurden 8 ausgeführt, deren ße-
sultate sich in Tabelle 1 vorfinden.
Tabelle 1.
Spirometer-
Analyse in
Analyse im oben
mischung
Petterson-Bobr’s Apparat
beschriebenen Apparat
Nr, 1
3,62 pCt. Kohlensäure
3,68 pCt. Kohlensäure
3,70 „
Nr. 2
3,88 „
3,06 „
3.90 „
Nr. 8
4,40 „
4.40 „
4,42 „
4.45 „
4.40 „
4.41 „
Nr. 4
5,79 „
5.91 „
5,89 „
Nr. 5
6,03 „ * •
6.08 „
6,02 „
Nr. 6
6,16 „
|
6,20 „
6,22 „
Nr. 7
6,59 „
6,60 „
6,64 „ „
Nr. 8
8,12 *
8,15 „
8,18 *
Der Unterschied zwischen den Analysen von derselben Luft¬
mischung mit den zwei Methoden vorgenommen, erreicht nur in
einem Fall einen Wert von 0,1 pCt. Kohlensäure. In allen andern
Kontrollversuchen ist die gegenseitige Abweichung geringer. Diese
Uebereinstimmung ist vollauf hinreichend.
Die zweite Reihe von Kontrollversuchen ist ausgeführt durch
Bestimmung der Kohlensäurespannung der Lungenluft bei den¬
selben Personen teils nach Haldane’s ursprünglicher Methode
(Luftanalyse in Petterson-Bohr’s Apparat), teils nach der hier be¬
schriebenen Methode. Mit jeder Methode wurden zwei Bestim¬
mungen an jedem der vier Versuchsindividuen gemacht.
Tabelle
2.
J Kohlensäurespannung in der LuDgeuluft
Versuchs-
Barometer
nach Haldane’s
i nach
der oben
indiriduum
Methode
| beschriebenen Methode |
mm
pCt.
mm
pCt.
mm
F. D.
756
6,13
44.2
6,09
44,0
H. J.
5,97
43,2
6,20
44,8
763
5,32
38,8
5,20
37,9
P. J.
5,37
39,1
5,41
39,5
764
6,08
44,4
6,09
44,5
L. F.
5.S8
43,0
5,80
42,4
768
6,22
45,7
6,20
45,6
5,96
43,8
6,10
44,9
Aus Tabelle 2 geht hervor, dass die beiden Methoden gleich¬
wertig sind. Die erste Reihe von Kontrollversuchen zeigt, dass
man in dem hier beschriebenen Analyseapparat den Kohlensäure¬
gebalt einer Luftprobe bestimmen kann mit einer Genauigkeit von
etwas mehr als 0,1 pCt. Der Apparat kann deshalb zu jeder
Kohlensäureanalyse verwendet* werden, die keine grössere Genauig¬
keit erfordert, vorausgesetzt, dass der Koblensäuregebalt in der
zu untersuchenden Luft zwischen 2,5 und 8,5 pCt. liegt. Der
Analyseapparat ist also sehr wohl verwendbar zu Kohlensäure¬
bestimmungen der Lungenluft nach anderen Methoden als Hal-
dane s (z. Bsp. nach Plescb).
Die zweite Reihe der Kontrollversuche zeigt, dass der Ap¬
parat zu Kohlensäurebestimmungen der Lungeuluft nach Haldane
fionlet °^ en kescbriebenen Weise verwendet, befriedigend funk-
Von einer klinischen Methode muss mau verlangen, dass sie
rasch und genau ist und leicht ausführbar, und nur einen ein-
* e,c ^ t transportablen Apparat erfordert. Die beschriebene
jj 6 . ode er fäHt diese Forderungen und wird es hoffentlich mög-
j? m . ac f hen ' ,^j e Bestimmung der Kohlensäurespannung in der
•v. kÜuiseh anzuwenden, besonders um den Grad der
osis bei Diabetikern zu diagnostizieren.
Aus fier pathologisch - anatomischen Abteilung des
St. Hedwigs-Krankenhauses zu Berlin.
Hysteroneurasthenie oder chronische Appen-
dicitis ?
Zugleich ein Beitrag zur A ppendicitisfrage und ihrer
Beziehung zur Oxyuris.
Von
Dr. A. Rheindorf, Prosektor.
(Schluss.)
Betreffs der sogenannten „normalen“ exstirpierten Wurmfort¬
sätze wird vielleicht auch eine Aenderung der Ansichten eintreten,
wenn man sich, wie ich dies schon in meinem zweiten Aufsatze
ausspracb, die von mir gegebenen Abbildungen vergegenwärtigt
und grössere Abschnitte untersucht; es wird dann auch der Prozent¬
satz der sogenannten „normalen“ exstirpierten Processus erheblich
sinken.
Zur Erläuterung dieses möchte ich noch einige Abbildungen
geben, die, wie ich meine, sehr instruktiv sind, und als Ergänzung
der von mir bis jetzt schon gegebenen Abbildungen dienen sollen.
Vielleicht tragen sie auch dazu bei, dass diesem Thema eine etwas
intensivere Aufmerksamkeit gewidmet wird, was ich bis jetzt, so
z. B. besonders in gynäkologischen Zeitschriften, völlig vermisse.
Einzelne Hinweise auf dieses Thema finden sich wohl, so neben
dem obenerwähnten Aufsatze z. B. das Referat über Wilson’» 1 )
Aufsatz; aber nirgends findet sich auch nur ein Andeutung darüber,
dass die ganze Grundlage dieser Frage gegen früher völlig ver¬
ändert ist, und dass nach Kenntnisnahme des häufigen Vor¬
kommens der Oxyuren auch im Wurmfortsatz Erwachsener eigen¬
tümliche, dort zu findende Veränderungen, die man bisher, der
Autorität Aschoff’s folgend, als Kunstprodukte aufzufassen ge¬
wohnt war, auf die Tätigkeit dieser Würmer zurückzuführen sind.
Die folgenden Abbildungen ergänzen auch meine früheren insofern,
als ich Oxyuren in der abgebildeten Situation, d. h in den Quer¬
furchen des Processus mit Gewebszerstörungen daselbst bis jetzt
noch nicht gebracht habe. Dies ist insofern wichtig, als auch
hier mit Vorliebe die sogenannten Primärinfekte Aschoff’s
lokalisiert sind.
Abbildung 1.
Pfocessus-Läogsschnitt, 35 fache Vergr. L = Lumen des Processus.
U = Uebergang vom Lumen (L) iD eme Querfurche (f) des Processus!
Hier fehlt grösstenteils das Epithel. Die Querfurche setzt sich über ihre
natürlichen Grenzen hinaus mit einem sich gabelnden Spalt in das Lymph¬
knötchen bei a fort, o = Oxyurisquerschnitt. s = Schleimhaut.
So gibt die Abbildung 1 einen Längsschnitt wieder, auf dem
hauptsächlich eine Querfurche (f) zu sehen ist. Diese ist grössten¬
teils ihres Epithels beraubt, und sie setzt sich über ihre normalen
1) Wilson, Brit. med. Journ., April 1912. Ref. Zbl. f. Gyn 1912
Nr. 36. ’
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1272
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
Grenzen hinaus fort und endigt mit einem sich gabelnden Spalt
in einem Lymphknötchen bei a.
Von irgendwelchen entzündlichen Infiltrationen oder prolifera¬
tiven Wucherungen ist hier nichts vorhanden. Man sieht nur
unmotiviert durch Spalten getrenntes lymphatisches Gewebe, an
dem gelegentlich eine ganz geringe Karyolyse vorhanden ist.
Ueber di* Genese dieses bis jetzt als Kunstprodukt gedeuteten und
vor Veröffentlichung meiner Abbildungen auch sonst unerklär¬
lichen Befundes wird man nach Durchsicht der von mir hier aus¬
geführten Serienschnitte etwas auders denken. Die Serienschnitte
zeigen nämlich in derselben Bucht Querschnitte einer kleinen
Oxyuris an derselben Stelle, an der in Abbildung 1 der unmoti¬
vierte Defekt gelegen ist.
Abbildung 2.
Längsschnitt, 35 facbe Vergr. Einige Schnitte weiter io der Serie, aus
der Abbild. 1 stammt. L = Lumen des Processus, f = dieselbe Quer-
furcbe wie in Abbild. 1. An derselben Stelle, wo sich in Abbitd. I in
dem Lymphknötchen (a) der sich gabelnde Spalt befand, befindet sich
io eioem etwas grösseren Defekt eio Oxyurisquerschnitt (a). o = dieselbe
Oxyuris wie io Abbild. 1. Im recbteD Querscboitt nur der Darmkanal
getroffeo. Die Cuticula ausgefallen.
So gebe ich in Abbildung 2 einen Schnitt wieder, der un¬
gefähr l / z mm weiter aus derselben Serie wie Abbildung 1 stammt,
und bei dem in einem etwas breiteren Spalte an derselben Stelle
bei a der Durchschnitt einer Oxyuris sichtbar ist. In Verfolgung
der übrigen Serienschnitte steht nun teils die Oxyuris in unmittel¬
barem Zusammenhang mit der Querfurche tiefer oder oberfläch¬
licher im lymphatischen Gewebe, und teilweise hat sich das
lymphatische Gewebe wieder ganz geschlossen, oder es deutet nur
noch eine geringe Spaltbildung im lymphatischen Gewebe auf den
Zusammenhang zwischen Oxyuris und Querfurche hin. Diese Ver¬
hältnisse illustriert z. B. Abbildung 3, auf der bei s u. s x noch die
Andeutung eines Spaltes vorhanden ist, der von der Querfurche f
nach der Oxyuris bei a hinzieht. Bei stärkerer Vergrösserung
zeigt dann die Abbildung 4 neben dem direkten Zusammenhang
der Querfurche (f) mit dem oxyurenhaltigen Spalte bei a auch
sehr schön die von mir schon früher 1 ) besprochene Fremdkörper¬
wirkung des Parasiten auf das umgebende lymphatische Gewebe.
Dieses ist nämlich in der Nachbarschaft der Oxyuris von
glatter Oberfläche, während dasselbe in dem oberen Spalte von
ganz unregelmässiger, wie zerfetzter Oberfläche ist. Hier ist die
Druckwirkung der Oxyuris auf das lymphatische Gewebe nicht
zustande gekommen. Neben meinen früheren Abbildungen be¬
weisen die hier beigegebenen auch wieder schlagend die Lnhalt-
barkeit der Aschoff’schen Behauptung, dass es sich bei Oxyuren-
defekten stets um glattwandige Spaltbildungen handle. Glatt-
wandig sind die Spallbildungen nur da, wo die Oxyuris allseitig
1) Rheindorf, Ueber die durch die Oxyuris verraiculari9 bervor-
gerufeoen pathologisch-anatomischen Veränderungen in der Wand des
Wurmfortsatzes nebst Betrachtungen über die Genese und das Vor¬
kommen der Appendicitis. Frankf. Zschr. f. Path., 1913, Bd. 14, H. 2.
Abbildung 3.
Längsschnitt, 30 fache Vergr. Aus derselben Serie wie Abbild. 1 u. 2.
L = Processuslumen. U = Uebergang des Lumens auf dem Längsschnitt
in die Querlurche (f). a = Dieselbe Oxyuris wie in Abbild. 1 u. 2, tiefer
im lymphatischen Gewebe, s = Spalt und s t = Andeutung eines Spaltes,
der von der Querfurche (f) bis in die Nähe der Oxyuris (a) führt, o = Quer¬
schnitte einer anderen Oxyuris in einem Lymphknötchen.
Abbildung 4.
Längsschnitt, 200 fache Vergr. Ein Schnitt weiter in der Serie, aus der
Abbild. 2 stammt, a = Dieselbe Oxyuris wie in Abbild. 2. a t = Spiess-
förmig abgelöste Cuticula. Das lymphatische Gewebe im Bereich der
Oxyuris (beis.) scharf begrenzt. Im Spalte bei f — es ist dieselbe Quer¬
furche wie in Abbild. 1 u. 2 — fehlt das Epithel; die Oberfläche sieht
wie zerfetzt aus. (Processus lebenswarm fixiert.)
vom lymphatischen Gewebe umschlossen, dieses mechanisch kom¬
primiert hat.
Nun befinden sich in den Schnitten desselben Blockes, der
in 2 cm langer Ausdehnung längs geschnitten wurde, noch andere
ähnliche Defekte, aber ohne Oxyuren in ihnen, die man aber in¬
folge der abgebildeten Befunde auch auf die Oxyuren zurückzu¬
führen berechtigt ist. Hätte ich von diesem Blocke Querschnitte
gemacht, so würden mir, wenn ich zufällig von der anderen Seite
des Blocks zu schneiden angefangen hätte (die abgebildeten Oxyuren
liegen gerade an dem einen Ende dieses Blocks), erst nach ungefähr
1000 Schnitten die abgebildeten Oxyuren im Schnitt aufgefallen
sein, und erst sie würden mir wegen des gleichen Aussehens der
Defekte um die Oxyuren ein Verständnis gegeben haben für die
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6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
12 W
anderen in den vorhergehenden Schnitten vorhandenen unerklär¬
lichen Defekte. Da nnn die Oxyuren meist nur einzeln oder nnr
za weaigen im Processus vorhanden za sein pflegen, so ist es ge¬
kommen, dass man sie nicht auffand und alle Defekte einfach
fär zweifellos vorkommende Operationskunstprodnkte erklärte, da
man keine andere Erklärung fand.
In diesem Falle handelte es sich am eine 17 jährige Patientin,
die seit 2 Jahren anfallsweise bohrende Schmerzen in der Blind¬
darmgegend hatte, welche in den letzten Wochen 1—2 Tage lang
ununterbrochen andauerten. Afterjucken hatte Patientin nie gehabt.
Abgesehen von der durch die Abbildungen wiedergegebenen Oxyuris
(bei a) fand sich in unmittelbarer Nähe noch eine zweite tief unten in
einem Lymphknötchen (bei o), und auf den Serien* und Stufen¬
schnitten liess sich hier eine Kommunikation mit dem Lumen des
Processus nicht mehr nachweisen. Ein in den Schnitten an¬
deutungsweise vorhandener und vom Lumen zu der Oxynris hin¬
führender Spalt musste als wahrscheinliche Eintrittspforte, die
sich fast restlos geschlossen hatte, angesprochen werden.
Ein derartiger Befund lässt beispielsweise für gewisse Fälle einen
therapeutischen Effekt durch Wurmmittel ziemlich aussichtslos erscheinen.
Für das Gros der Fälle liegen die Verhältnisse jedoch anders und sind
erst, wie ich das vor einem Jahre forderte 1 ), an den Fällen, wie die
Praxis sie bietet, zu prüfen. In dieser Beziehung liegt eine von meinen
Untersuchungen wohl unabhängige Mitteilung vor, wie ich einem Referate
im Zbl. f. Gyn. entnehme, von dem oben oitierten Wilson (1. o.), der
der Ansicht ist, dass die Appendix viel häufiger wie angenommen die
Brutstätte der Oxynris vermicularis ist und viele Anfälle von Appendicitis
durch sie hervorgerufen werden. Jahrelang versuchte Abtreibung der
Oxyuris wurden dann erst, wie Wilson mitteilt, durch die Appendek¬
tomie erreicht. Ob es sich, wie hier geschildert, nur um Ausnahmefälle
handelt oder nicht, ist natürlich nur durch zahlreiche gleichartige
und sorgfältig untersuchte Fälle klarzustellen.
Bei dieser 17 jährigen Patientin waren nun im Lumen noch
20 Oxyuren, die übrigens aus den Schnittflächen beim Zarechtschneiden
der Blöcke herausfielen und der Diagnostik wohl entgangen wären, wenn
nicht besonders darauf geachtet worden wäre; ein Punkt, der bei dem
häufigen Vorhandensein nur einer Oxyuris im Processus bei dem jetzt
noch immer negativen Befund vieler Untersucber eine grosse Rolle spielt.
Bei der makroskopischen Betrachtung entgehen einzelne Männchen und
nicht eierhaltige Weibchen ebenfalls leicht der Diagnostik; stellenweise
habe ich dieselben vor der Härtung, besonders wenn sie im Schleim ein¬
gebettet sind, erst nach viertelstündigem Suchen gefunden. Zweckmässig
wäre es vielleicht, wenn endlich einmal die Angabe aus den verschie¬
densten Lehrbüchern verschwände, dass die Oxyuren allgemein als weiss
bezeichnet werden. Weiss sind einzig und allein die strotzend mit
Eiern gefüllten weiblichen Tiere, und zwar durch totale Reflexion der
Lichtstrahlen; die nicht mit Eier gefüllten Weibchen und die Männchen
sind glasig, durchscheinend und besonders im Schleim nur äusserst
schwer zu sehen. Es sind dies allerdings nur Kleinigkeiten, aber wie
so oft ergeben sich bei Ausserachtlassen derselben oft die schwer¬
wiegendsten Trugschlüsse. Bei dieser Patientin sind nun nach der Ope¬
ration wieder Schmerzen aufgetreten, die hauptsächlich als Kreuz¬
schmerzen angegeben werden, während die in der Processusgegend vor¬
handenen verschwunden sind; und es bleibt erst zu prüfen, ob diese viel¬
leicht noch mit Oxyuren Zusammenhängen. Leider ist die Untersuchung
hier etwas erschwert, weil die Patientin ausserhalb ihren Wohnsitz hat
und nur brieflich zu erreichen ist.
Sonst verfüge ich über einen Fall bei einem 32 jährigen
Lehrer, bei dem eine Masseninfektion von Oxyuren im Processus
jorlag, und von dem die Abbildungen 2—6 in meinem Aufsatze
in der Frankf. Zscbr. f. Path. stammen, der einige Wochen nach
der Operation wieder ähnliche Schmerzen in der Blinddarm¬
gegend bekam, und bei dem nach einer erfolgreichen Wurmkur
die Beschwerden und Schmerzen wieder verschwanden. Hier ist
also an die Möglichkeit zu denken, dass auch noch Oxyuren im
Typhlon vorhanden waren und dort Kontraktionen oder Ver¬
änderungen hervorgerufen haben, wie sie jüngst von Garin 2 ) be¬
schrieben wurden.
Wenn ich diesen Fall auch keineswegs verallgemeinern will
für alle nach einer Appendektomie auftretenden Schmerzen, so ist
ss aber doch klar, dass er für viele möglicherweise eine Rolle
8 Pielt; denn an dieses Moment ist ja bis jetzt noch gar nicht
gedacht worden, wie denn überhaupt die Scbmerzanfäile in der
, U Rheindorf, Ueber das Vorkommen der Oxyuris vermicularis im
iqiiixt eiatir P ierteQ Wurmfortsätze des Erwachsenen. Med. Kl., I
A *1S. Nr. 16.
_*. ^ f”in, Rechercbes sur la fixation, le mode de nutrition et le
e pathogen® de l’oxyure vermioulaire. Le progres medical, No. 2,
tilirM 7,61 P- Auch erschienen in: Garin, Recherches
8nr la fixation «t le mode de nutrition de quelques
nematodes. Lyon-Paris 1918, p. 63—74.
Appendixgegend, bei denen dann die Appendektomie meist eine
sogenannte „normale“ Appendix zutage förderte, vor meinen Unter¬
suchungen absolut unerklärlich waren.
Die Frage nun, wie die Schmerzen durch die Würmer ausgelöst
werden, möchte ich noch offen lassen. Ich habe früher auch für die an¬
fallsweise so überaus heftig auftretenden Schmerzen an eine Reizwirkung
des Peritoneums gedacht, möchte diese Möglichkeit auch für gewisse
Fälle noch ins Auge fassen, aber ich glaube jetzt an der Hand von
82 teils sehr genau untersuchten Fällen sagen zu können, dass dies
sicher nicht die Regel ist. Einerseits möchte ich meinen, dass es mög¬
licherweise durch die Würmer hervorgerufene schmerzhafte spastische
Kontraktionen der Muskulatur sind, andererseits möglicherweise direkte
Reizungen von Nervenendigungen, welche die Schmerzen verursachen.
In dem oben abgebildeten Falle lagen nämlich die Oxyuren in unmittel¬
barer Nähe einiger grösserer Nervenquerschnitte. Da ich meine Prä¬
parate noch nicht systematisch auf die Beziehungen der Oxyuren zu den
Endausbreitungen der Nerven geprüft habe, möchte ich diese Frage nooh
offen lassen. Dass Kontraktionen des Processus auch eine Rolle spielen,
möchte ich daraus schliessen, dass ich auch ohne Eindringen der Würmer
in die Wand oder ohne nennenswerte durch sie verursachte Defekte
Schmerzen in der Anamnese fand, und andererseits die Beziehungen
spastischer Darmkontraktionen zu Würmern ganz bekannt sind.
In einer jüngst erschienenen Arbeit hat sich Grünbaum 1 ) dahin
ausgesprochen, dass die Schmerzen infolge von Zerrungen am Mesen*
teriolum zustande kämen, die ihrerseits durch Kontraktionen der Wurm¬
fortsatzmuskulatur entstünden. Dies scheint mir aus dem Grunde sehr
unwahrscheinlich, weil man in Fällen, in denen der Processus durch
Verwachsungen fest fixiert ist und gar nicht in der Lage ist, bei Kon¬
traktionen das Mesenteriolum zu zerren, dieselben Schmerzen angegeben
werden.
Was die Art der Schmerzen anbetrifft, so werden sie als ziehend,
bohrend, schneidend, stechend, kribbelnd und als Druckgefühl angegeben.
Meistens nehmen sie bei Bewegungen zu und können anfallsweise so
stark werden, dass die Patienten sich zu Bett legen müssen; in diesem
Falle werden sie häufig von Allgemeinsymptomen, Uebelkeit, Er¬
brechen usw. begleitet. Oft treten die Schmerzen sogar nachts im
Schlafe auf, so dass die Patienten wach werden. Bei einigen Patienten
können die Schmerzen auch kaum nennenswerte sein; ja, sie werden oft
gelegentlioh erst durch einen tödlich verlaufenden Appendicitisfall in
ihrer Umgebung auf derartige, früher nicht beachtete Schmerzen auf¬
merksam gemacht. Einmal batte ich auch Gelegenheit, einen oxyuren-
haltigen Processus zu untersuchen, bei deren Trägerin gar keine
Schmerzen vorhanden waren, die sich aber auf Anraten ihres Arztes,
weil sie während eines Landaufenthaltes eine abscedierende, operativ
behandelte Appendicitis durchgemacht hatte, beschwerdefrei der Intervall¬
operation unterzog. Hier bestanden nur Druckschmerzen am Mc. B.-Punkt.
Aus gewissen Anzeichen vermute ich, dass häufig, besonders bei Kindern,
erst nach einiger Zeit, die sich möglicherweise auf Jahre erstrecken kann,
durch die Oxyuren Schmerzen und Defekte im Processus ausgelöst werden
können, während sie gelegentlich symptomenlos dort Vorkommen können.
Gelegentlich werden die Schmerzen auch als krampfartige in der
linken Seite und in der Gegend des Nabels angegeben. Die Patienten
geben an, sie haben das Gefühl, „als wenn sich immer etwas zusammen¬
zöge“.
Möglicherweise gehören auch einige der jüngst von Köttner 2 )
anlässlich der Moro’schen Publikation 3 ) über Nabelkoliken mit-
geteilten Fälle in diese Kategorie. Denn über diese Nabelkoliken,
die mir übrigens aus eigener Beobachtung an oxyurenkranken
Kindern bekannt sind, referierte ich schon vor zwei Jahren an¬
lässlich der Wiedergabe der Schiller’schen Fälle. Wenn
Küttner die Oxyuren in seinen Fällen nicht erwähnt, so liegt
1) Auf die übrigen Ausführungen Grünbanm’s (Tuaug.-Diss. Heidel¬
berg 1913: Ueber die chirurgisch-pathologische Bedeutung einiger Darm¬
parasiten) einzugehen, ist auch deshalb überflüssig, weil er nur über
einen Fall von Oxyurenappendicitis verfügt (Temperatur übrigens 39,7)
aber mit keinem Worte auf den erhobenen mikroskopischen Befund
seines Falles eingeht und sich begnügt, an der Hand „mitgeteilter
Krankengeschichten mit Wahrscheinlichkeit zu schliessen, dass die
Oxyuren nicht imstande sind, an einer gesunden Darmwand den appendi-
oitischen Primärinfekt (Asohoff) zu erzeugen“. Gr. gibt richtig an,
ich hätte die Möglichkeit, die Oxyuren seien imstande, direkt einen
Primärinfekt im Sinne Aschoffs zu erzeugen, abgelehnt; er geht aber
auf meinen in seinem Literaturverzeichnis erwähnten zweiten Aufsatz
nicht ein, der an der Hand vieler Tausender untersuchter Schnitte eine
indirekte Beziehung der Oxyuren zum Aschoff’schen Primärinfekt er¬
örtert. Im übrigen gilt für diese Dissertation dasselbe, was Loeb in
der M.m.W. des öfteren gegeisselt hat. In dem Literaturverzeichnis
fehlt bei den aufgeführten Dissertationen die Angabe der Universität-
mein erster Aufsatz in dieser Frage ist. einem, Aqdqren Autor zu¬
geschrieben usw.
2) Küttner, Ueber die
sogenannten“ reiiÄivWei&en .
3) Moro, Ueber recidivierende Nabelkoliken bei alteren Klh.Pirr«
M.m.W., 1913, Nr. 51 und B-kl.W., 1914, Nr. 8. ' V ,. ‘
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; c .
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UMIVERSITY OF IOWA
1274
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
das wohl daran, dass er sie entweder für harmlos hält, oder
daran, dass die vereinzelten Exemplare auch jetzt noch immer
übersehen werden wie all die Jahre vorher.
Ich sagte B.kl.W., 1912, Nr. 10, S. 452: „Bei der Schwester des
Patienten (10jährig), die ebenfalls Oxyuren hatte, traten heftige kolik¬
artige Schmerzen in der Nabelgegend auf“. Hierhin gehört auch ein von
Hall 1 ) mitgeteilter Fall: „Ein 9jähriges Mädchen verfiel in einen
Schwächezustand, übergab sich und hatte starke Unterleibsschmerzen
hauptsächlich um den Nabel herum lokalisiert. Puls 124. Tempe¬
ratur normal. Gefühllosigkeit wurde in der rechten Seite in der Nahe
der vorderen oberen Spina beobachtet. Laparotomie wurde nach 5 Tagen
au 9 gelührt, die Appendix war rot, geschwollen, brandig und an einer
Stelle perforiert. Er enthielt zwei Oxyuris und Staphylococcus.“
Selbstverständlich will ich nun nicht die Moro’scben Fälle
einfach alle auf Oxyuren zurückführen, aber wir haben aus
mehreren Gründen alle Veranlassung, derartige Fälle kritisch
daraufhin zu untersuchen. Moro hat ja auch selbst zuerst an
Würmer gedacht, er sagt S. 2828 (M.m.W., 1913): „Weit davon
entfernt, mich über die Frage nach einer eventuellen Beteiligung
von Würmern an gewissen, schwer deutbaren Intestinalerkrankungen
von vornherein hinwegzusetzen, untersuchte ich besonders anfangs
wiederholt auf Parasiteneier — aber niemals mit besonderem Er¬
folg.“ Sehe ich davon ab, dass man aus Moro’s Angabe „be¬
sonderer Erfolg“ auf einen gewissen geringen Erfolg in einzelnen
Fällen schliessen könnte, so wissen wir ja auch neuerdings durch
die oben mitgeteilten Angaben Trumpp’s, wie häufig der Eier¬
nachweis, speziell der Oxyuren, versagt, und dass ein negativer
Befund noch längst nicht berechtigt, Würmer mit Sicherheit aus-
zuschliessen. Ich kann auf Grund meiner Erfahrungen an der
Leiche auf das Bestimmteste versichern, dass häufig einzig und
allein vereinzelte Oxyuren im Wurmfortsatz vorhanden sind, und
ich habe deshalb keine Veranlassung, dies nicht auch für viele
Fälle für den Lebenden anzunehmen, wenn ich im exstirpierten
Processus ebenfalls vereinzelte Oxyuren finde und jetzt bei noch
so intensivem Suchen im Stuhle nach einer Wurmkur keine mehr
finden kann. Dass für viele Fälle bei den zuletzt erwähnten ein
Eiernachweis im Stuhl vor der Operation absolut unmöglich ge¬
wesen wäre — da der Befund vereinzelter Männchen oder dieser
in Verbindung mit nicht eierhaltigen Weibchen im Processus sehr
häufig ist —, bedarf wohl keiner Erörterung.
Ist also der negative Eierbefund bei den Moro’schen Fällen
kein Gegenbeweis gegen Oxyuren, so ist es das Verschwinden der
Nabelkoliken nach Belladonna auch keineswegs. Denn dieses ist
ja gerade ein Specificum gegen durch spastische Darmkrämpfe
verursachte Schmerzen, und dass solche durch Würmer hei vor¬
gerufen werden können und der Grund der Nabelkoliken sein
können, ist ja nicht so weitliegend. Diese Schmerzen sind aber
auch gar nicht immer so streng auf den Nabel lokalisiert, wie
das aus Moro’s Entgegnung an Küttner 2 ) bervorgeht. Moro
sagt dort bei Fall 2: „Die Schmerzen sind um den Nabel herum
und auch besonders links.“ Ausserdem recidivieren diese Schmerzen
im Falle 2 bei Moro immer wieder, und im Berichte der Mutter
vom Januar 1914 klagte der Junge noch dreimal über Leib¬
schmerzen an der fraglichen Stelle.
Bei dem ersten Falle Moro’s sind es die meist erhöhten
Temperaturen, die gelegentlich unerklärlichen Fiebersteigerungen
bis 40° in Verbindung mit den Leibschmerzen, die stutzig machen.
Wegen dieser unerklärlichen Fieberattacken verfüge ich über eine
interessante Beobachtung. Es handelte sich um zwei Knaben der¬
selben Familie, die oft Leibschmerzen und auch häufig un¬
erklärliche Teroperatursteigerungen hatten. Diese beiden Knaben
wurden wegen chronischer Appendicitis operiert und in beiden
Processus fanden sich Oxyuren, und zwar in dem einen fanden sich
einfache Oxyurendefekte ohne Entzündung und bei dem anderen
solche mit Entzündung. Während der erste ohne Fieber gewesen
war, hatte der letzte nach Aussage der Mutter in der Nacht vor
der Operation einen Fieberanfall bekommen. Es sind dies die
Fälle 12 und 13 meiner zweiten Publikation, die ich auf S. 133
kurz besprach.
Nach der Operation haben sich Schmerzen und unerklärliche
Fieberattacken in gleicher Weise verloren. Wenn nun bei Moro
die Koliken in den anderen Fällen sistieren, so will ich natürlich
keineswegs bestreiten, dass hier auch andere Umstände in Betracht
kommen können, aber im Auge müssen wir doch auch behalten,
dass diq. aioberjhxfc^ Wut wer hervorgerufenen Koliken in ihrem
" f)*"Hall, Höhere tierische Parasiten. Zbl. f. Bakt., 35, Referate,
. .s. i&h.:
Ä.kl.W".;‘4Sfl4, Nr. 8, S. 338.
Auftreten auch zeitlich sehr wechselnde sind, und dass man durch
eine „Suggestivtherapie“, die mit einiger Strenge durcbgefübrt
wird und mit Belladounagaben kombiniert ist, auch erhebliche
Schmerzen beim Kinde unterdrücken kann, nicht in dem Sinne,
dass die Schmerzen immer verschwinden, sondern dass das Kind
sie verschweigt. Wenn im Falle 4 von Moro die Schmerzen ver¬
schwunden sind, so muss es doch noch auffallen, dass der Junge
im Schlafe „Stereotypien nach der Art der sogenannten „Salaam-
krämpfe“ hat. Auch in den oben erwähnten Fällen (12 und 13)
meiner Beobachtung waren von der Mutter krampfartige Zustände
im Schlafe beobachtet worden, die nach Verschwinden der Würmer
weggegangen sind. Allem Anschein nach lösen stellenweise auch
die geringen Einzelinfektionen viel schwerere Symptome aus, als
allgemein bekannt ist, und dass wir uns, wie Trumpp (1. c.) ein¬
gangs sagt: „in der Oxyurenfrage noch auf ganz unsicherem
Boden befinden“. Wegen des in dem ersten Aufsatze Moro’s er¬
wähnten, vollständig normal exstirpierten Wurmfortsatzes, an dem
„auch der Histologe nicht das geringste auszusetzen hatte“, ver¬
weise ich auf meinen anfangs citierten zweiten Aufsatz und die
durch ihn veränderte tatsächliche Grundlage.
Von derartigen, mit starken, über 14 Tage sich hinziehenden
Koliken, die hauptsächlich in der Nabelgegend waren, und wo
keine Temperatursteigerung auftrat und sich die Schmerzen
erst einen Tag vor der Operation in der Blinddarmgegend lokali¬
sierten, gebe ich eine Abbildung 5, die die schweren ausgedehnten
Schleimhautzerstörungen durch die Oxyuren veranschaulichen
soll, Befunde, die schwer zu deuten sind, wenn man aus irgend¬
einem Grunde, möglicherweise technischer Natur, die Oxyuren im
Schnitt nicht findet. In diesem Falle waren auch so wie bei dem
Fall 2 von Moro zuerst Schmerzen in der linken Seite aufgetreten.
Der Processus enthielt 6 Oxyuren und stammte von einem
21 jährigen Manne. Vom Kinde steht mir gerade ein derartig
instruktives Präparat mit den besprochenen klinischen Symptomen
nicht zur Verfügung. Aber es ist, glaube ich, ganz gut, diese
Frage von einem etwas weiteren Standpunkte zu erörtern.
Die Schleimhaut (Abbildung 5) ist grösstenteils zerstört, aber nicht
akut entzündet; auch fehlen vollständig Granulationen an der Oberfläche.
Die Buchten zeigen Defekte, die z. B. unten und oben im Gesichtsfelde
Abbildung 5.
Querschnitt, 35 fache Vergr. L = Processuslumen, b = Buchten des
Processus, die Defekte zeigen, an denen das Epithel fehlt. Die Ober¬
fläche hier zerfetzt, o = Oxyurisquerschnitt in der linken Bucht (b).
Hier ist das lymphatische Gewebe entsprechend der Oxyuris scharf be¬
grenzt. Der Spalt s bei der Härtung entstanden. Die beiden Pfeile bei d
zeigen auf die spornartige Cuticula und deren feinen Abdruck im lym¬
phatischen Gewebe, e = Hochcylindrisches Epithel, ei = flaches Epithel
(Regeneration).
in Lymphknötchen endigen uud ganz unregelmässige Oberflächen zeigen;
nur bei o links, wo der Durchschnitt der kleinen Oxyuris (0) dem
lymphatischen Gewebe anliegt, ist dieses in der Nachbarschaft des Para¬
siten scharf begrenzt (Fremdkörperwirkung). Ja, an der gegenüber¬
liegenden Seite der Oxyuris, an der die Cuticula als kleiner sporn¬
artiger Vorsprung sichtbar ist, befindet sich ein naturgetreues Negativ
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6. Joli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1276
dieser Cuticula im lymphatischen Gewebe. An einigen Stellen, an denen
das Epithel erhalten ist, zeigt sich hier auch schön die von mir früher
besprochene Regeneration (bei e,), die beweist, dass die Defekte schon vor
der Operation bestanden haben, was ja auoh noch aus der deutlichen
Fremdkörperwirkung der Oxyuris auf die des Epithels beraubte Musosa
hervorgeht
Ich besitze auch Präparate, die ganz ähnliche Verhältnisse
wie die abgebildeten zeigen, von denen ich mit absoluter Sicher-
heit behaupten kann, dass die betreffenden Processus bei der Ope¬
ration weder mit einem Instrument, noch mit den Fingern ange-
fasst worden sind. Dass operative Veränderungen sehr ähnlich
aussehen können, und dass ich in vielen Fällen die Entscheidung
darüber offen lassen würde, sei nebenbei erwähnt. Das ist aber
auch gar nicht wunderbar, da beides mechanische Verletzungen
sind, nur in dem einen Falle hervorgerufen durch einen Parasiten,
der keine proliferativen Gewebswucherungen hervorruft. Tritt
nun in diesen Oxyurendefekten mal eine sekundäre Infektion ein,
so hat man die typischen Primärinfekte Asch off’s. Wenn ich
es auch noch offen lasse, ob diese grösstenteils auf diese Weise
Zustandekommen, so wird man andererseits doch mit Recht fragen,
wie will man dies ansschliessen?
Von der Wiedergabe derartiger Abbildungen, die dies zu be¬
weisen imstande sind, möchte ich an dieser Stelle abseben. In
der Beziehung verweise ich auf meine früheren Abbildungen und
Ausführungen. Tritt in derartigen Defekten eine intensive In¬
fektion ein and ist alles mit Eiterkörperchen angefüllt, so ist es
klar, dass es stellenweise schwer ist, den Ausgangspunkt der
Eiterung von den Defekten aus za beweisen. Infolgedessen ist
es äusserst wichtig, die meines Erachtens als Vorstufen der Eite¬
rung zu betrachtenden Veränderungen zu demonstrieren, deren
Untersuchung uns durch die im fieberfreien Anfall exstirpierten
Processus ermöglicht wird. Dass selbst bei den über Jahre sich
binziehenden fieberlos verlaufenden Attacken diese auch von einem
mit Fieber verlaufenden Anfalle abgelöst werden, hat mir erst
kürzlich ein Fall bewiesen. Er betraf einen Mann, der in den
letzten 6 Jahren 20 fieberfreie Anfälle durcbgemacht hatte,
hatte, während bei dem 21. Anfälle die Temperatur auf 39° stieg.
Denn davon, dass hauptsächlich an den Stellen, an welchen
die Primärinfekte anfzutreten pflegen, im nicht akut entzündeten
Wurmfortsätze kleinere und grössere Epitheldefekte Vorkommen,
und dass diese durch Oxyuren hervorgerufen werden, hat man
zur Zeit, wo die Aschoff’schen Untersuchungen gemacht wurden,
gar nichts gewusst. Sie sind entweder als Kunstprodukte, die
beim Operieren oder beim Anfschneiden entstanden sind, gedeutet
worden und schliesslich, wenn diese beiden Argumente versagten,
als sofort nach der Operation entstandene „cadaveröse Verände¬
rungen 11 , wenn sich feststellen Jiess, dass vielleicht einige Minuten
zwischen Operation und Fixierung verstrichen waren. Dies geht
unter anderem auch aus dem Aufsätze WätzoldV) hervor.
Was nnn die bei einigen Patienten, die mit chronischen
Schmerzen in der Blinddarmgegend behaftet sind, vorhandene,
sicher auch teils bestehende Nervosität anbetrifft, so kann diese
doch sehr gut die Folge der Oxyureninfektion sein. Ewald 1 2 )
war wobl der erste, der in Deutschland auf derartige Fälle auf¬
merksam machte, und zwar im Jahre 1899 unter der Bezeichnung
„Appendicitis larvata“, und dieser Autor sagt in seinem ersten
Schlusssätze, Seite 86: „dass es sich in den meisten meiner Fälle
um Kranke handelt, die in keiner Weise nervös oder hysterisch
waren, vielmehr die Nervosität, wo sie überhaupt auftrat, als
Folge, aber nicht als Ursache der Krankheit anznsehen war“.
Denn diese von Ewald znerst mitgeteilten Fälle sind eben¬
falls sehr auf Oxyuren verdächtig. Es fand sich nämlich bei
dem ersten Falle im exstirpierten Processus eine angemein ver¬
dickte Schleimhaut und ausserdem „zwei seichte Geschwüre“ der
Schleimhaut. Diese primären Geschwüre, die von Aschoff in
«einer Monographie aufs bestimmteste als Ausgang einer Appendi-
citis in Abrede gestellt werden, sind nach meinen Untersuchungen
uait Sicherheit auf Oxyuren zurückzuführen.
Dass Geschwüre des Darmtractus längst nicht immer zu einer In¬
fektion zu führen brauchen, ist uns aus der täglichen Sektionserfahrung
ja etwas ganz Geläufiges. Sehen wir doch Monate und Jahre tuber¬
kulöse Geschwüre auch z. B, im Processus, ohne dass hier Infektionen
eiutreten. Warum hier bei jahrelang bestehender Ulceration plötzlich
«ine Infektion haftet, wissen wir noch nicht. Aber dass viele dieser
1) Wätzold, Ziegler’s Beitr., Bd. 42.
2) Ewald, Ueber Appendicitis larvata. Arch. f. Chir., 1900, Bd. 60,
S. 80. Vorgetragen auf dem Kongress für Chirurgie zu Berlin am
7-April 1899. 6
Phthisiker doch mal erkranken und schliesslich auch einer von hier aus¬
gehenden Infektion mit Beteiligung des Peritoneums erliegen, ist mir
eine auf Grund langjähriger Sektionserfahrung mit besonderer Be¬
rücksichtigung dieses Punktes geläufige Erfahrung, wie ich das auch
schon früher ausspracb. Es weisen die Beobachtungen doch immer mehr
darauf hin, dass, abgesehen Yon einer verschiedenen Virulenz der
Bakterien, die Hauptursache des Haftens der Infektion in der Beschaffen¬
heit des menschlichen Körpers liegt. Es ist deshalb auch ganz un¬
berechtigt, daraus, dass die von mir als Oxyuren defekte angesprochenen
Veränderungen häufig keine Eiterung zeigen, ihnen deshalb keine Be¬
deutung für eine eventuelle Infektion zuzuspreohen. Von der Vor¬
stellung, dass zur Infektion nur eine Wunde und ausserdem Bakterien
gehörten, sind wir ja längst abgekommen, und die täglich zu machende
Sektionserfahrung bestätigt das immer wieder von neuem. Weil nun
jetzt bei teilweise geringen klinischen Symptomen meist aus prophy¬
laktischen Gründen, um hierdurch schwereren Infektionen vorzubeugen,
die Operation gemacht wird, deshalb sieht man jetzt so häufig die nicht
entzündeten Vorstadien des appendicitischen Anfalls.
So einfach wie Aschoff 1 ) sich die Sache vorstellt, liegen
die Verhältnisse nicht. Er meint, die Infektion käme deshalb
nicht zustande, weil „die Oberfläche der Parasiten förmlich ab¬
gestreift wird, so dass ein erheblicher Transport von Inhalts¬
massen des Wurmfortsatzes in die Tiefe überhaupt nicht oder nur
ausnahmsweise zustande kommt“.
Aber hierauf möchte ich hier nicht näher eingehen, zumal
die in Betracht kommenden Verhältnisse noch sehr wenig ge¬
klärt sind.
Mit kurzen Worten bin ich hier deshalb darauf eingegangen,
weil für den Fernerstehenden diese aus so autoritativem Munde
kommenden Aeusserungen Aschoff’s leicht falsche Vorstellungen
aufkommen lassen könnten, die der Einbürgerung der von mir
vertretenen und für die Praxis so enorm wichtigen Sache Ab¬
bruch tun könnte, und mir in Privatgesprächen ähnliche Einwände
gemacht werden, die der täglichen Sektionserfahrung wie auch
der des täglichen Lebens schnurstracks widersprechen. Was nun
die überwiegende Beteiligung des weiblichen Geschlechts anbe¬
trifft in den Fällen, wo hauptsächlich wegen chronischer Be¬
schwerden operiert wird, und wo in sehr hohem Prozentsätze
Oxyuren gefunden werden — so bei Höpfl auf 42 männliche
72 weibliche; bei Hueck auf 18 männliche 60 weibliche, und
bei mir auf 12 männliche 27 weibliche —, so liegt das vielleicht
daran, dass die Frau viel eher einem operativen Eingriff zugäng¬
lich ist wie der Mann, und dieser sich erst dazu entschliesst,
wenn er schwerer erkrankt ist. Geht diese Erkrankung dann
mit hohem Fieber einher, so ist dieses möglicherweise schuld
daran, dass man beim Manne in nicht so hohem Prozentsätze
Würmer findet, da man ja weiss, dass dieselben bei hoch fieber¬
haften Infektionskrankheiten den Körper zu verlassen pflegen;
denn dass in einem akut entzündeten Wurmfortsatz bei einer
Körpertemperatur von 38° bis 39° die lokale Temperatur im Wurm¬
fortsatz leicht auf 40 bis 41 kommen kann, ist sehr wohl mög¬
lich. Auch spielt beim Manne möglicherweise das Rauchen eineRolle.
Der Untersuchung wert wäre auch die Frage, ob sich auch
anderwärts, so wie in meinem Material, eine überwiegende Er¬
krankung der Knaben gegenüber den Mädchen zeigte; so verfüge
ich bis jetzt über 27 oxyurenhaltige Processus von Knaben gegen
nur 13 von Mädchen; dabei war die Verbältniszahl der operierten
ungefähr wie 1,6 : 1. Sollte sich das auch anderorts zeigen — für
Amerika liegen nach der Tabelle von Cecil und Bnlkley die
Verhältnisse umgekehrt —, so müsste man weiter daran denken
und daranf achten, ob das männliche Geschlecht in späteren
Jahren vielleicht häufiger an Appendicitis erkrankt, die im An-
schlnss an Narbenbildungen, Verwachsungen uud Abknickungen,
Kotsteinbildungen im Processus entstehen, die, wie ich das kürz¬
lich aussprach, möglicherweise die Folge einer in der Jugend
überstandenen Oxyureninfektion seien. Wenn letzteres ja auch
noch keineswegs bewiesen ist, so sind die von mir vorgebrachten
Argumente doch immerhin dazu angetan, auch in dieser Beziehung
einer kritischen Betrachtung unterzogen zu werden. Denn das
kann gar keiner Diskussion unterliegen, dass die ganze Appendi-
citisfrage jetzt in ein neues Stadium getreten ist. Nachdem wir
wissen, dass wohl die meisten der bis jetzt unerklärlichen
Schmerzen in der Prozessusgegend bei scheinbar normalem Wurm¬
fortsatz auf die Tätigkeit der Oxyuren zurückzuführen sind 3 * ), und
1 ) Med7 Kl., 1913, Nr. 7, S. 250.
2) Möglich ist auch, dass starke Kotkonkretionen im Wurmfortsatz
ähnliche Symptome auslosen; dass sie die Hauptursache sind, ist aus¬
geschlossen, da sie nur in einem geringen Prozentsatz vorhanden sind.
Auch gelang es mir häufiger nach längerem Suchen auf der Oberfläche
solcher Konkretionen ein einzelnes Oxyurenmännchen aufzufinden.
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UNIVERSUM OF IOWA
1276
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
dass sich bei wahllos untersuchten exstirpierten Wurmfortsätzen
der Erwachsenen in 20—30 pCt., und bei Kindern in 50 pCt.
Oxyuren finden lassen. Im akut entzündeten sind sie möglicher¬
weise aus oben erörterten Gründen seltener anzutreffen; so fand
Aschoff’s Schüler Hueck sie hier in 12 pCt. der Fälle. Wenn sich
bei künftigen Untersuchungen die Forscher an diese für unsere Ver¬
hältnisse unumstösslichenTatsachen halten werden und bei negativen
Befunden sich immer vor Augen halten werden, dass diese auf unzu¬
reichendem Suchen beruhen, wie dies 25 Jahre lang vorher der
Fall waF, so bin ich überzeugt, dass wir in der Appendicitisfrage,
soweit die Aetiologie in Betracht kommt, ganz erhebliche Fort¬
schritte machen werden, die bis jetzt eigentlich, trotz einer
lawinenartig angeschwollenen Literatur über dieses Thema, nur
sehr wenige, die Aetiologie klärende Angaben aufweist.
toller und anatomischer Untersuchungen, die Aphasie- und Apraxieregion,
einige wichtige centrale Phänomene u. a. finden. Auf die im Rahmen
eines Handbuches der Psychiatrie naheliegende Frage, ob und wieweit
höhere psyohische Funktionen anatomisch zu lokalisieren sind, ist eine
irgendwie siohere Antwort naoh dem Gesamtresultat der bisherigen
Forschungen zurzeit ausgeschlossen.
I88erlin: Psychologische Einleitung. (Handbuch der Psychiatrie.
Herausgegeben von Aschaffenburg. Allgemeiner Teil. 2. Ab¬
teilung.) Leipzig und Wien 1918, Deuticke. 82 S,
Die sehr lesenswerten Ausführungen geben uns ein ausgezeichnet
klares Bild über die „Tatsachen und Zusammenhänge“, welche wir der
Psychologie, insbesondere der experimentellen Psychologie, verdanken,
und setzen so fast ohne weiteres ihre grosse Bedeutung für die Psyoho-
pathologie in das rechte Licht. E. Meyer - Königsberg i. Pr.
Nach Abschluss dieser Arbeit erfahre ich, dass bei dem
obenerwähnten 32 jährigen Lehrer */ 4 Jahr nach der Operation
von neuem Schmerzen aufgetreten sind. Sie waren wenig heftig
und stechender Natur, und traten teils in der Typhlongegend,
teils oberhalb der Blase auf. Gleichzeitig zeigte sich Appetit¬
losigkeit und bis Februar 1914 betrug die Gewichtsabnahme fast
5 kg. Aufgetretenes Afterjucken führte den Patienten auf die
richtige Vermutung, dass hier wieder Oxyurenbeschwerden Vor¬
lagen, die nach einer Wurmkur verschwanden. Möglicherweise
liegt hier eine neue Infektion vor, da Patient Zeichenlehrer in
einer Knabenschule ist und ihm hier bei dem häufigen An¬
fassen der Bleistifte der Knaben die beste Gelegenheit geboten
ist, sich immer wieder von neuem zu infizieren.
Ausserdem möchte ich noch darauf hinweiseu, dass jüngst
Bäärnhielm 1 ) in Schweden Appendicitisoperationen vom 1. Mai
1905 bis 31. Dezember 1912 zusammengestellt hat. Es sind
875 Fälle, in denen er 77 mal, d. i. 9 pCt., Oxyuren fand. Unter
letzteren sind 45 pCt. der Fälle, die mit Fieber, zum Teil sehr
hochgradigem, verlaufen sind. Es ist dies ein ziemlich hoher
Prozentsatz, wenn man bedenkt, dass sich diese Befunde aus einer
beliebigen, grossen Anzahl von Appendicitisfällen zusammenstellen
lassen, die zu einer Zeit operiert worden sind, wo dieses Thema
noch nicht so akut war, und wo das Suchen nach Oxynren wohl
noch nicht mit der von mir geforderten Sorgfalt ausgeführt
wurde. Auf Einzelheiten dieses Aufsatzes möchte ich hier nicht
eingehen.
Sagredo 2 ) fand jetzt in Genf unter 100 exstirpierten Wurm¬
fortsätzen in 41 Parasiten oder deren Eier, und zwar meist
Oxyuren. Dieser Befund widerlegt also die von Hueck (I. c.)
citierte Behauptung Unterberger’s, „dass in Genf die Blind¬
darmentzündung mindestens ebenso häufig gewesen sei wie in
Königsberg, obwohl man in Genf auffallend selten Parasiten im
Darm bei den Sektionen fand“.
Bücherbesprechungen.
E. S. London -St.Petersburg: Physiologische und pathologische
Chymologie. Nebst einigen Versuchen über Chymotherapie.
Leipzig 1913, Akademische Verlagsanstalt m. b. H. Preis brosch.
10 M., geh. 12 M.
London hat in diesem mit zahlreichen Abbildungen versehenen
Buch das Tatsachenmaterial eines Gebietes zusammengetragen, auf dem er
selbst vielfach erfolgreich tätig war. Er behandelt ausführlich die Operations¬
technik an Hand von Zeichnungen und schildert dann eingehend die
Resultate der einzelnen Versuche und bespricht die sich daraus er¬
gebenden Konsequenzen. Er hat, wie er in der Einleitung ausführt, nur
die Arbeit in den Bereich seiner Erörterungen einbezogen, die direkt
in das Gebiet der Chymologie gehören. Damit ist eine einheitliche
Darstellung und Uebersicht gegeben, die besonders von denen an¬
genehm empfunden wird, die sich mehr mit den Ergebnissen der
Forschung bekannt machen wollen. Dünner.
Rosenfeld: Die Physiologie des Grosshirns. (Handbuch der Psychia¬
trie. Herausgegeben von Aschaffenburg.. Allgemeiner Teil.
2. Abteilung.) Leipzig und Wien 1913, Deuticke. 106 S.
R. gibt eine Uebersicht über die wichtigsten Tatsachen der normalen
und pathologischen Physiologie des Grosshirns, wobei besondere Berück¬
sichtigung die Lokalisation in der Grosshirnrinde auf Grund experimen-
1) Bäärnhielm, Oxyuris vermicularis och appendicit.
Nov. 1913. (Sohwediseh.)
2) Ref, B.kl.W., 19H, Nr. 22, S. 1046.
Hygiea,
Hermann Ebbinghaus: Abriss der Psychologie. Mit 18 Figuren.
Fünfte Auflage, durobgeseheo von Prof. Dr. Ernst Dürr in Bern.
Verlag von Veit & Comp, in Leipzig, 1914. 208 Seiten. Preis
geb. 4,— M.
Wie die vorigen Auflagen, ist auch die soeben erschienene un¬
veränderte 5. Auflage des Ebbinghau stachen Abrisses der Psychologie
noch von dem inzwischen leider auch verstorbenen Ernst Dürr-Bern
durobgeseheo. Die rasche Aufeinanderfolge der Auflagern beweist die zu¬
nehmende allgemeine Wertschätzung des ausgezeichneten kleinen Werkes,
das zur Einführung in die Psychologie wegen seiner didaktischen Vor¬
züge wie kaum ein anderes geeignet ist. Es ist in seinen früheren Auf¬
lagen hier bereits gewürdigt worden. Unverändert tritt uns aus der Neu¬
auflage die tiefe wissenschaftliche Ueberzeugungskraft und das künst¬
lerische Gestaltungsvermögen von Hermann Ebbinghaus entgegen,
dessen allzufrüher Tod an dem bleibenden Wert seines Werkes nichts
zu ändern vermochte. W. Seiffer.
Sammlung monographischer Darstellungen über Diphtherie unter
Redaktion von F. M. Blnmenthal und M. M. Gran. I. Lieferung.
Moskau 1914.
Eine Reihe von schweren Diphtherieepidemien, die in Russland in
den letzten Jahren zur Beobachtung kamen und deren ausgesprochene
Bösartigkeit — eine Bösartigkeit, dank welcher bei einigen sogar der
Glaube an die Serotherapie der Diphtherie in Schwankung kam —, haben
in bedeutendem Maasse das Interesse zu dieser Krankheit gehoben. Im
Zusammenhang damit erschien es auch unumgänglich notwendig, eine
ganze Reihe von Fragen aus dem Gebiet der Pathogenese, Epidemiologie
und Serotherapie der Diphtherie von neuem durchzusehen und zu be¬
leuchten. Diesen Anforderungen gerecht zu werden ist auch der Zweck
„der Sammlung von Monographien über Diphtherie“.
Im bevorstehenden Werk sollen im weitesten Umfange die genannten
Gebiete abgehandelt werden; die Herausgabe zerfällt in drei Abteilungen:
I. Bakteriologie und Pathologie der Diphtherie, II. Epidemiologie der
Diphtherie, III. Klinik der Diphtherie, wobei jede Abteilung eine Reihe
von Monographien erhalten wird, die in einzelnen Lieferungen erscheinen
werden.
Gegenwärtig ist die erste Lieferung erschienen, die zur ersten Ab¬
teilung gehört und drei Monographien enthält.
1. Prof. M. N. Nikiforoff gibt in seiner Abhandlung „Pathologisch¬
anatomische Veränderungen bei Diphtherie“ kurze historische Tatsachen
über die Entwicklung der Lehre über die Pathogenese der Diphtherie
und beschreibt ausführlich die pathologische Anatomie und Histologie
der lokalen Veränderungen bei der diphtherischen Affektion des Rachens,
Pharynx, der Luftwege, sowie auch derjenigen Veränderungen, die bei
der Diphtherie in verschiedenen Organen beobachtet werden. Die grosse
Erudition des Verfassers sowohl im Sinne der Literaturkenntnisse, sowie
auch seiner eigenen reichen Erfahrung machen seine Monographie zu
einem aussergewöbnlicb inhaltsreichen und interessanten Werk. Der
Text wird mit 21 ausgezeichneten Mikrophotographien illustriert.
2. Priv.-Doz. S. S. Abramow bespricht die „Pathogenese der Diph¬
therie“, indem er besondere Aufmerksamkeit den Ursachen des Todes
bei der diphtherischen Intoxikation schenkt; Verf. kommt zu dem Schluss,
dass das Diphtherietoxin ein spezifisches Gift des chromaffinem Systems
der Nebennieren darstellt, und dass der akute Tod bei der Diphtherie
durch die Insuffizienz dieses Systems (Mangel an Adrenalin) erklärt
werden muss. Der Arbeit sind ebenfulls 24 Mikrophotographien beigelegt.
3. Priv.-Doz. W. J. Moltscbaneff versucht in seiner Abhandlung
„die Rolle der Nebennieren bei der Diphtherie“ aufzuklären. Auf Grund
der Literaturangabon und seiner eigenen Untersuchungen hebt der Verf.
die grosse Bedeutung der Funktion der Nebennieren bei Infektions¬
krankheiten überhaupt und besonders bei der Diphtherie hervor; die
funktionelle Insuffizienz der Nebennieren ist die Hauptursache des so¬
genannten „Herztodes“ bei der Diphtherie. Aus diesem Grunde erscheint
die therapeutische Anwendung des Adrenalins als ein souveränes Mittel
und verdient die weiteste Verbreitung. Die Arbeit enthält 12 Mikro¬
photographien, die die Nebennierenveränderungen bei der Diphtherie
illustrieren. ,
Wenn man auch zugibt, dass die Monographien von Abramow una
Moltschanoff etwas einseitig abgehandelt sind, so gewinnt man doch
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1277
von diesem neu erscheinenden Sammelwerk einen sehr guten Eindruck.
Wir hoffen, dass in den nächstfolgenden Lieferungen die obengenannten
Fragen eine allseitige Bearbeitung finden und die von den Herausgebern
gesetzten Ziele in vollem Maasse erreicht werden.
A. I. Abrikossoff-Moskau.
Erwin Schwenks Grundlagen and derzeitiger Stand der Chemo¬
therapie. Stuttgart 1913. 80 S. Preis 2,40 M.
Das kleine Buch ist ein umgearbeiteter und erweiterter Abdruck
aus dem Weich areit’schea Jahresbericht für Immunitätsforschung. Dass
die Darstellung weder gründlich noch erschöpfend sein kann, ist ange¬
sichts des geringen Umfanges von 63 Druckseiten Text begreiflich. Das
Buch, dessen rein kompilatorischer Charakter allenthalben sichtbar bleibt,
bietet vielleicht dem Fachmann vereinzelte Anregungen, eine brauchbare
Einführung in die Chemotherapie bildet es nicht. Morgenroth.
Adolf Reitz-Stuttgart: Apparate und Arbeitsmethoden der Bakterio¬
logie. Bd. I. Allgemeine Vorschriften, Einrichtung der Arbeits¬
räume, Kulturverfahren, Färbeverfahren, Bestimmungstabellen.
Stuttgart 1914, Geschäftsstelle des Mikrokosmos: Franckh’sche
Verlagshandlung. Preis 2,25 M.
Das vorliegende Heft bildet das 6. Heft des von der Redaktion des
Mikrokosmos berausgegebenen Handbuches der mikroskopischen Technik.
Sein Inhalt ist in der Ueberschrift schon kurz angegeben. Der Text,
der durch 77 Abbildungen erläutert wird, ist klar verständlich ge¬
schrieben und gibt eine gute Uebersicht über die heute in der bakterio¬
logischen Technik gebräuchlichen Apparate und Arbeitsmethoden.
Werner Rasentkal-GöttiDgen: Tierische Immunität. Mit einer Ab¬
bildung im Text. Braunschweig 1914, Friedr. Vieweg u. Sohn.
Preis 3,50 M.
Als 53. Band der „Wissenschaft, Einzeldarstellungen aus der Natur¬
wissenschaft und der Technik“ herausgegeben soll das vorliegende Buch
einerseits Nichtfachleuten, andererseits aber auch Studierenden der
Medizin und solchen Aerzten, die sich noch nicht eingehender mit diesem
Forschungsgebiet vertraut gemacht haben, eine Einführung in die ge¬
samte Immunitätswissensohaft und einen Ueberblick über deren gegen¬
wärtigen Stand bieten. Dieser gewiss nicht leichten Aufgabe wird Verf.
in glücklicher Weise gerecht, indem er in kurzen Abschnitten und vom
Einfachen zum Schwierigen fortschreitend die gesicherten Beobachtungen
von den Hypothesen, die zum Verständnis unentbehrlich sind, unter¬
scheiden lehrt und von den Beobachtungen das Grundlegende und
theoretisch Wichtige ausgewählt hat. So kann das Buch jedem, der sich
in das schwierige Gebiet der Immunitätsforschung einarbeiten will, zum
eingehenden Studium nur warm empfohlen werden.
W. Kollo-Bern und A. v. Wassermann-Berlin: Handbuch der patho¬
genen Mikroorganismen. 2. vermehrte Auflage. Jena 1913,
Verlag von Gustav Fischer. Lieferung 55—65.
Mit den vorliegenden Lieferungen ist die 2. Auflage des bekannten
Handbuches zum Abschluss gekommen und dadurch die wissenschaft¬
liche Literatur um ein Standartwerk bereichert, das den gegenwärtigen
Stand der bakteriologischen Wissenschaft in grosser Ausführlichkeit aus
der Feder von Fachautoritäten zur Darstellung bringt.
Im III. Band besprechen Uhlenbuth und Steffenbagen die bio¬
logische Eiweissdifferenzierung mittels der Präcipitation mit besonderer
Berücksichtigung der Technik, Paul Ehrlich und Gon der die Chemo¬
therapie uDd E. Gotschlich die allgemeine Prophylaxe der Infektions¬
krankheiten und den bakteriologischen Teil der Desinfektionslehre,
während Emil Bürgi die chemische Desinfektionslehre behandelt.
Weiter enthält dieser Band die Aufsätze von G. Sobernheim über
Milzbrand, K. H. Kutscher über Abdominaltyphus und W. Fornet
über Immunität bei Typhus. Den Abschluss bilden die Arbeiten von
Otto Lentz „Dysenterie“, Uhlenhuth und E. Hübener „Infektiöse
Darmbakterien der Paratyphus- und Gärtnergruppe einschliesslich Im¬
munität“ und 0. Heller und F. Krumbein „Die Immunisierung
grösserer Tiere und die Serumgewinnung“.
Der VII. Band schliesst mit einem Aufsatz des Entdeckers der
Wassermann’schen Reaktion zusammen mit C. Lange über die Sero¬
diagnostik der Syphilis, während Carl Bruck die Immunität bei Syphilis
behandelt.
Im VIII. Band behandelte M. Otto das Gelbfieber, Bruno Hey-
mann das Trachom, E. Tomarkin und H. Carriöre die Variola und
Vaccine, während Josef Koch die Lyssa und 0. Hellerund M. Rother-
??Wutechutzimpfung und Wutimmuniiät bearbeitet haben. Den
- Schluss dieses Bandes und des ganzen Handbuches bilden die Auf-
satxe von Ed. Dujardin-Beaumetz über die Peripneumonie der
inder, G. Sobernheim über Rinderpest und R. Doerr über das
appatacifieber (Phlebotomusfieber).
Auch die genannten Aufsätze, die durch zahlreiche Tafeln erläutert
werden, erfüllen in vollem Maasse die hochgespannten Erwartungen, die
an an die 2. vermehrte Auflage dieses Lehrbuches zu stellen berechtigt
8 .. •kjlt der Kollo-Wassermann ohne Zweifel eines der besten Nach-
niagewerke dar, welches die medizinische Literatur über das wichtige
Gebiet der pathogenen Mikroorganismen besitzt, und es kann sein
Studium jedem aufs wärmste empfohlen werden, der sich über ein be¬
stimmtes Gebiet der bakteriologischen Wissenschaft näher informieren
will. Möllers-Strassburg.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
D. He 11 in - Warschau: Eine noeh angekannte Eigenschaft des
Blutserums von Neugeborenen and Schwangeren. (M.m.W., 1914,
Nr. 24.) Das bei 56—58° Va Stunde inaktivierte Venenblut einer
Graviden, ebenso das intra partum gewonnene Nabelscbnurblut gibt ein
opalescierendes, trübes Serum. Männerserum besitzt diese Eigenschaft
nicht. Die Sera von Neugeborenen bzw. Gebärenden geben sogar ohne
Inaktivierung mit physiologischer Kochsalzlösung eine deutliche Trübung
im Gegensatz zum Männerserum. Bringt man einen wässerigen Placenta-
auszug mit Placentaserum in physiologische NaCl-Lösung zusammen, so
entsteht ein Niederschlag bzw. eine starke Trübung (nicht bei Männer¬
serum). Plaoentaauszug allein gibt mit NaCl-Lösung keine Trübung.
Dünner.
H. Herrnel - Freiburg: Beobachtungen über v&sokonstringierende
nid -dilatierende Substanzen. (Versuche an isolierten Organen.)
(D. Arch f. kl. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) Blut, das schon mehr¬
fach ein Gefässsystem passierte (Blut A), beeinflusst den Tonus der Ge-
fässe anders als frisches Blut (Blut F). Bei Durchblutung einer ruhen¬
den Extremität wirkt Blut A vasodilatierend, BlutF vasokonstringierend.
Am isolierten schlagenden Herzen beobachtet man ein entgegengesetztes
Verhalten. Dieses differente Verhalten steht weder mit dem Adrenalin
noch mit dem Sauerstoffgehalt des Blutes in Zusammenhang. Der iso¬
lierte tätige Herzmuskel bildet wahrscheinlich Substanzen, die den Ge-
fässtonus der Kranzarterien steigern und die Herztätigkeit schädigen.
Zufuhr frischen Blutes wirkt vasodilatierend. Es besteht die Möglich¬
keit, dass Stoffwechselprodukte verschiedener Organe an der Regulation
des arteriellen Blutdrucks beteiligt sind. W. Zinn.
R. Bayeux und P. Chevallier: Vergleichende Untersuchungen
über die Konzentration des arteriellen und des venösen Blutes in
Paris, Cbamonix und auf dem Mont Blanc. (Compt. rend. de l’acad.
des Sciences, 1914, Nr. 21.) Der refraktometrische Index des Blut¬
serums ist auf dem Mont Blanc höher als in der Ebene oder in Cha-
monix; das Serum des venösen Blutes besitzt einen höheren refrakto-
raetrischen Index als das des arteriellen Blutes. Diese Differenz ist noch
stärker auf dem Mont Blanc als bei niedrigeren Höhen, bei dem Ueber-
gang zu grösseren Höhen findet also eine Konzentration des Blutserums
statt, die zum grössten Teil den Albuminen zuzuschreiben ist.
A. Moutier: Die Abhängigkeit der peripheren arteriellen Hypo¬
tension von der visceralen arteriellen Hypertension. (Compt. rend.
de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 20.) Die Vasodilatation der peri¬
pheren Gefässe, gemessen an der Radialis, ist fast immer die Folge einer
Vasokonstriktion der visceralen. Verf. hat dies experimentell bestätigen
können. B. Valentin.
Pharmakologie.
K. Ullraann: Experimentelles zur Arsenwirknng anf die Organe.
Vorläufige Mitteilung. (W.kl.W., 1914, Nr. 24.) Als Demonstrations¬
vortrag gehalten in der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in
Wien am 22. Mai 1914. Referat siehe den Sitzungsbericht.
0. Baum und G. Herrenheiser - Kladno: Chemotherapeutische
Versuche mit Salvarsan. (W.kl.W., 1914, Nr. 24.) Eine keimfeindliche
Einwirkung des Salvarsans auf Schweinerotlaufbacillen konnten die Verff.
weder im Tierkörper noch im Reagenzglase nachweisen. Wenn von
anderen Autoren positive Erfolge erzielt worden sind, so betreffen diese
offenbar nur virulente oder sehr wenig infektiöse Stämme.
P. Hirsch.
W. Kopaczewski: Untersuchungen über die Zusammensetzung der
Meerzwiebel (Scilla maritima): Das toxische Prinzip. (Compt. rend.
de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 21.) Es lassen sich 3 Substanzen
isolieren: eine bittere und äusserst toxische, eine zweite, nur wenig
toxische und diuretisch wirkende, und als dritte ein Polysaccharid. Die
toxische, die den Namen Scillitin hat, ist ein Glukosid, dessen physi¬
kalische und chemische Eigenschaften untersucht werden.
B. Valentin.
A. Goodall - Edinburg: Ueber den Einfluss der Magen- and Pan¬
kreasfermente auf die Wirksamkeit der Tinctnra digitalis. (Lanc.,
13. Juni 1914, Nr. 4737.) Tinctura digitalis wurde der Einwirkung von
Pepsin und Trypsin bei Körpertemperatur unterworfen und dann physio¬
logisch auf ihre Wirksamkeit geprüft. Pepsin hatte so gut wie gar
keinen Einfluss auf die Tinktur, Trypsin nur geringen.
Weydemann.
J. Ungar - Budapest: Ein Fall von Lnminalvergiftnng. (W.kl.W.
1914, Nr. 24.) Der Fall betrifft eine 23jährige Patientin, die 2,4 g
Lumina! eingenommen hatte. Es erfolgte Bewusstlosigkeit, oberflächliche
Atmung, beschleunigte Pulsfrequenz, später Erbreohen, enge Pupillen,
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UNIVERSUM OF fOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
Fehles der Reflexe, Darm- und Blasenlähmung. Am auffallendsten war
eine völlige Amaurose, die sich erst am 3. Tage zeigte und 3 Tage lang
währte, üebergang in Heilung. p. Hirsch.
Therapie.
'L Ce mach: Noviform, ein brauchbares Jodoformersatzmittel.
(W.m.W., 1914, Nr. 17.) DasNoviform besitzt einen bedeutenden thera¬
peutischen Wert, ohne die Nachteile anderer Ersatzpräparate zu haben.
Es ist als Jodoformersatz sehr zu empfehlen. Eisner.
W. Zahn-Berlin: Gelonida somnifera, ein neues Schlafmittel*
(D.m.W., 1914, Nr. 25.) Tabletten von folgender Zusammensetzung:
Codein. phosphor. 0,01
Natr. diaethylbarb.
Ervasincalcium » 0,25. Wolfsobn.
B. Lindenfeld: Klinische Erfahrungen mit Adigan, einem neuen
Digit&lispräpar&t. (W.m.W., 1914, Nr. 17.) Störende Magendarm¬
erscheinungen wurden bei Adiganverwendung nicht beobachtet. Stets
war die Wirkung auf das Herz deutlich. Es gelang, bei Hydrops infolge
Herzinsuffizienz mit Adigan in Verbindung mit Theobrominum purum
fast unmittelbar eine Harnflut zu erzeugen, manchmal auch dort, wo
Digitalisinfus vorher versagt hatte. Eisner.
A. Peiper-Berlin: Erfahrungen mit Digifolin. (D.m.W., 1914,
Nr. 25.) Gut dosierbare Digitaliswirkung. Wird gut vertragen und hat
unter 50 Fällen nur 1 mal Magendarmerscheinungen hervorgerufen.
F. F. Friedmann: Erläuterungen zu den Indikationen für das
Friedmann’sehe Mittel. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Nach der ersten intra¬
muskulären Injektion soll mindestens 4—5 Monate gewartet werden,
nach der ersten Simultaninjektion mindestens 1 Jahr. Darin liegt neuer¬
dings der „Kernpunkt der ganzen Behandlung“. Wolfsohn.
K. Taege-Freiburg i. B.: Eine Methode der schnellsten Darstellung
absolut steriler Kochsalzlösungen für Injektionszwecke, speziell für
Salvarsaninjektionen. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) Zu gewöhnlichem Leitungs-
wasser wird Chlorwasserstoffsäure gegeben und dann mit Natriumhydroxyd
neutralisiert (HCl + NaOH = NaCl -j- H a O). Die HCl tötet alle Bakterien.
Die Mengen HCl, die zur Herstellung der physiologischen Kochsalzlösung
nötig sind, lassen sich leicht berechnen. Damit erübrigt sich jeder
Apparat zur Herstellung steriler NaCl-Lösung. Voraussetzung ist, dass
das Wasser kein Eisen, Calcium, Magnesium und Mangan enthält. In
diesem Falle kocht T. erst 5 1 Wasser mit Natronlauge 5 Minuten lang
and lasst 20 Stunden stehen. Filtrieren. Das Filtrat dann wie gewöhn¬
lich weiter behandeln. Dünner.
P. Horton-Smith-Hartley: Neosalv&mn hei aktiver Lungen¬
tuberkulose. (Lanc., 6. Juni 1914, Nr. 4736.) Der Verf. hat 16 Fälle
von Lungentuberkulose mit Neosalvarsan behandelt, und er teilt einige
Krankengeschichten mit. Die beigefügten Temperaturkurven zeigen einen
merkbaren Einfluss des Mittels auf das Fieber; auch eine Besserung des
allgemeinen Zustandes war zu bemerken: Husten und Auswurf wurden
geringer, nicht aber der physikalische Befund. In einigen Fällen trat
die Besserung schon nach 2—3 Tagen ein, in anderen waren zwei oder
drei Einspritzungen erforderlich. In einem Falle blieb jede Wirkung aus,
und es ist nicht immer auf einen auffallenden Erfolg zu rechnen. Jeden¬
falls ist die Wirkung des Neosalvarsans nicht spezifisch.
Weydemann.
P. Rohmer - Marburg: Adrenalin - Pitnitrinbehandlnng. (M.m.W.,
1914, Nr. 24.) Auf Grund der experimentellen Versuche von Kepinow
versnobte Verf. die kombinierte Adrenalin - Pituitrinbehandlung bei
schweren Kreislaufstörungen der Kinder (Typhus, Pneumonie uswj. Bei
jüngeren Kindern gab er 0,25 1 prom. Pituitrin und 0,5 1 prom. Adrenalin;
ältere Kinder vertrugen die doppelte Dosis. Er hatte zum Teil sehr
eklatante Erfolge, zum Teil sind freilich seine Fälle nicht ganz rein,
als gleichzeitig noch andere Medikamente (Coffein) gegeben wurde. Wie
oft die Injektionen wiederholt werden sollen, muss von Fall zu Fall
entschieden werden.
L. Buberl-Wien: Zur Salvarsanbehandlnng des Milzbrand-
karbnnkel*. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) Gute Erfolge mit 0,6 Salvarsan.
Dünner.
S. Tuszewski - Berlin: Zur Technik der endolnmbalen Salvarsan-
therapie. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Durch Lurobalpuuktion werden 20 com
Liquor in einen angefügten Cylinder abgelassen; dazu wird 1—3 mg
Salvarsan (1 ccm Flüssigkeit) gefügt. Die Lösung fiiesst dann in den
Durakaoal zurück. Reizerscbeinungen wurden bei acht Tabikern und vier
Paralytikern nicht beobachtet. Die Erfolge waren bei den Tabeskranken
massig, bei Paralytikern gleich null. Wolfsohn.
R. Kümmel-Erlangen: Zur Behandlung des Uiens corneae serpens.
(M.m.W., 1914, Nr. 24.) Ebenso wie viele andere Autoren hat K. mit
dem Morgenroth’scben Optocbin (Aethylhydrocuprein) ausgezeichnete
Resultate erzielt. Dünner.
R. Denman - Mauritius: Elektrargol bei Pocken und Pest. (Brit.
med. journ., 6. Juni 1914, Nr. 2788.) Elektrargol einspritzungen (intra¬
venös dreimal alle 24 Stunden 50 ccm) waren bei gänzlicher Unschäd¬
lichkeit von so ausgesprochenem Heilwert bei Pocken und Pest, dass
der Verf. sie aufs dringendste empfiehlt. Wichtig ist es, die Behand¬
lung so früh wie irgend möglich zu beginnen. Bei Pestpneumonie ver¬
sagte allerdings die Wirkung völlig.
S. T. Champtaloup - Otago: Die prophylaktische Anwendung
sensibilisierter Vaccine bei pnerperaier Sepsis. (Brit. med. journ.
6 . Juni 1914, Nr. 2788.) Der Verf. glaubt unter gewissen Verhältnissen
zur prophylaktischen Verwendung sensibilisierter Vaccine raten zu sollen,
nämlich bei epidemieartig gehäuftem Auftreten von Puerperalfieber in
Anstalten oder in der Praxis eines Geburtshelfers. Wenn auch natür¬
lich eine autogene Vaccine vorzuziehen ist, so sind doch polyvalente
Vaccine so wirksam, dass sie zu diesem Zwecke benutzt und vorrätig
gehalten werden können. Weydemann.
H. Freund - Strassburg: Iatraporitonoalo Verwendung von Radiin.
(D.m.W., 1914, Nr. 25.) In einem Falle von prävertebraler Carcinom-
metastase hat F. die Laparotomie ausgeführt, in die Bursa omentalis
einen Mikulicztampon eingelegt und in diesen hinein zwei Radiumkapseln
von 50 bzw. 30 mg Radium mit Messingkapsel von 0,3 mm. Das Radium
blieb einmal 17 Stunden, den zweiten Tag 23 Stunden und am dritten
22 Stunden liegen. Schwere Symptome wurden zwar nicht beobachtet,
wohl aber reichliches Erbrechen, das „doch mehr als den bekannten Kater
zu besagen hatte“. F. hält es für geboten, die Radiumdosen nicht zu
verstärken, die Milligrammstunden nicht zu verlängern, vielmehr täglich
mehrstündige Pausen durch zeitwei9es Herausnehmen der Radiumbebälter
einzuschieben. Ueber den Erfolg der intraperitonealen Therapie kann
im vorliegenden Falle noch nichts gesagt werden.
O. Bondy-Breslau: Zur Frage der lokalen und allgemeinen Be¬
handlung septischer Erkrankungen. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Die in
der Arbeit von Rosenstein mitgeteilten Erfolge mit Argatoxyl können
B. in keiner Weise überzeugen. Er hält das Mittel für durchaus nicht
gleichgültig. B. wendet sich scharf gegen Rosenstein’s aktive Therapie
bei Aborten mit gleichzeitigem Bestehen einer Parametritis.
P. M üb lens- Hamburg: Behandlung bedrohlicher Znstinde hei
Tropenkrankheiten. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Fortbildungsvortrag.
Wolfsohn.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
R. Thoma- Heidelberg: Die Gestalt der GefiUsliehtung bei der
diffusen und knotigen Arteriosklerose. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.)
Polemik gegen Klotz. Hinweis auf die zahlreichen früheren Arbeiten
des Verf. über Arteriosklerose und Wiederholung von deren Ergebnissen.
J. G. Mönckeberg-Düsseldorf: Mediaverkalknng nnd Athero¬
sklerose. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Verf. hebt die Verschiedenheit
zwischen der Atherosklerose, die sich auf die Gefässintima beschränkt,
und der Mediaverkalkung hervor. Nur der Umstand, dass beide Ver¬
änderungen kombiniert Vorkommen, kann eine Erklärung dafür sein,
dass viele Autoren, z. B. A. Fab er, beide in Zusammenhang miteinander
bringen.
C. Nagoya-Bonn: Ueber die Frage der infektiösen Thrombose.
(Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) Es gelang Verf., durch Infektion der Ge-
fässumgebung (unter Schonung der Wand) mit frischen pyogenen Bak¬
terien eine Thrombose des Gefässes hervorzurufen, ohne dass andere ur¬
sächliche Momente verantwortlich gemacht werden könnten. Die ent¬
standenen Thromben sind meist Blutplättchenthromben, auf denen sich
dann die Gerinnung fortsetzt. Da fast nie Mikroorganismen im Lumen
aufgefunden werden konnten, so schreibt Verf. ihnen, nur eine indirekte
Wirkung auf die Thrombenbildung zu dadurch, dass sie die Gefässwand
schädigen. Diese Schädigung ist die Hauptbedingnng für die Entstehung
des Thrombus, die Stromverlangsamung kommt nur als sekundäre Be¬
dingung hinzu.
P. P. Awrorow und A. D. Timofejewski-Tomsk: Kultiviernngs-
versnche von lenkämisehem Blnte. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) Nach¬
dem der Versuch, normales Blut nach dem Carrei’schen Verfahren zu
kultivieren, gescheitert war, benutzten Verff. dazu das an Leukocyten
reichere Blut eines Leukämikers. Sie konnten hierbei die karyokinetische
Vermehrung des einkernigen weissen Blutkörperchens beobachten und
ziehen aus dieser Tatsache den Schluss, dass die Bildung leukämischer
Myelome in verschiedenen Organen auf der Verschleppung junger Leuko¬
cyten beruht, die an den betreffenden Stellen liegen bleiben und sich
nun in der in der Kultur beobachteten Weise vermehren. Auch sind
die zelligen Elemente des Blutes, wie Myeloblasten und Lympbocyten,
fähig, sich weiter zu verwandeln, sie nehmen dann Formen an, die Verff.
als Ausläuferzellen, Riesenzellen usw. bezeichnen. Diese Umwandlungen
setzen die Verff. in Parallele mit denen, die die Blutelemente bei
Heilung, Regeneration und Entzündung erleiden.
C. v. Otto-Warschau: Ueber anatomische Verändemgen i*
Herzen bei akuter und chronischer Alkoholvergiftung. (Virch. Arch.,
Bd. 216, H. 2.) Vergiftungsversuche an Hunden ergaben, dass einmalige
kleine Alkoholgaben keine Veränderungen am Herzmuskel hervorrufen.
Grössere Dosen schädigen zunächst die Ganglienzellen, in denen die
Nissl’schen Körperchen schwinden und Vacuolen auftreten, dann die
Muskelfasern, die der Quellung und Nekrose verfallen. Bei chronischer
Alkoholvergiftung nehmen diese Veränderungen noch zu, die Nekrosen
werden durch bindegewebige Narben ersetzt. Eä tritt ferner Thrombose
der kleinen Gefässe ein, die zur Organisation der Thromben imd zu
hochgradiger Verengerung der Gefässe führt Die Schädigung der
nervösen Apparate des Herzens hat Pulsarhythmie zur Folge. Hyper*
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UNIVERSUM OF IOWA
6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1279
tropbie des Honaos wurde nicht beobachtet. Die Ergebnisse dieser
Untersuchungen sind nur mit Vorsicht auf den Menschen zu übertragen.
A. W. Pinner.
J. C. G. Ledingham - London: Die experimentelle Erzeugung von
Purpura bei Tieren. (Lano,, 13. Juni 1914, Nr. 4737.) Durch Ein¬
bringung eines Antiblutplättchenserums gelang es, bei Tieren einen Zu¬
stand hervorzubringen, der der Purpura ähnelte und auch andere Züge
der hämorrhagischen Diathese aufwies. Besonders die Wirkung der sub-
cutanen Injektion des Serums ist auffallend: Ausser den Blutungen in
den Organen fand sich, dass das Herzblut blass und körnig war infolge
von völliger Agglutinierung der roten Blutkörperchen, und die Tiere
zeigten doppelseitigen Katarakt. Wenn andere Autoren mit Antiblut¬
plättchenserum andere Resultate erhalten haben, so liegt das höchst¬
wahrscheinlich daran, dass ihre Sera nicht stark genug waren, um
toxische Wirkungen hervorzubringen. Weydemann.
D. B. Roncali - Padua: Die Bedeutung der pathogenen Blasto-
■ycetei für die Aetiologie des Carcinoma. (Yirch. Arch., Bd. 216,
H. 1 u. 2.) Verf. beginnt seine Arbeit mit den Worten: „Dass der
Krebs sicher parasitären Ursprung haben muss, ist eine Wahrheit, zu
deren Erkenntnis die Klinik schon seit langer Zeit gekommen ist." Eine
der krebserregenden Parasitenarten sind nach Verf. die Blastomyceten,
die er aus Carcinomen züchten konnte, und mit denen er bei Hunden
durch Impfung Krebs erzeugte. Die Wirkung geht von den Toxinen
der Erreger aus, die die Zellen am Locus minoris resistentiae angreifen
(Narbeu, versprengte Keime) und sie zur schrankenlosen Wucherung
veranlassen. Je nach dem Typus der in ihrer physiologischen Resistenz
geschwächten Zellen entsteht Krebs, Sarkom oder eine andere bösartige
Geschwulstart. Der Krebs ist also als eine „Entzündung sui generis“
zu betrachten; von den gutartigen Geschwülsten ist er scharf zu trennen,
dagegen besteht „mit den infektiösen Granulomen eine innige Verwandt¬
schaft“.
R. Zimmermann - Erlangen: Ueber einen eigenartigen Tumor der
Iigiin&lgegend. (Plasmoeytom mit hochgradiger Riesenzellenbildung
im Anschluss an massenhafte Ablagerung von hyaliner und amyloider
Substanz.) (Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) A. W. Pinner.
M. Landau -Freiburg: Zur Morphologie der Sekretion nnd Re¬
sorption in den Nieren. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.)
Untersuchung der Verfettung in den Nieren bei einer akuten gelben
Leberatrophie. Es zeigte sioh ein differentes färberisches Verhalten der
beiden Barnkanälchensysteme, indem die Epithelien des sezernierenden
Teils vorwiegend Neutralfette, die Zellen der resorbierenden Abschnitte
neben anderen Lipoiden namentlich auch Fettsäuren enthielten. In
diesem eigentümlichen Verhalten tritt die verschiedene funktionelle Be¬
deutung der beiden Tubulussysteme in klare Erscheinung. Nach weiteren
Untersuchungen muss die Möglichkeit ins Auge gefasst werden, dass
neben der degenerativen Nierenverfettung die Fettspeichernng, nament¬
lich in den sogenannten Hauptstücken, der morphologische Ausdruck
einer bei gewissen Zuständen auftretenden Fettausscheidung durch die
Nieren ist W. Zinn.
W. Müller - Hamburg-Eppendorf: Ein Beitrag zur Pathologie der
Duidaraphlegmonei. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Kasuistik.
A. W. Pinner.
Jf- Niklas - Halle a. S.: Nachweis einer Oxydase im melanotisehen
Diekdarm. (M.m.W,, 1914, Nr. 24.) Verf. konnte für die Dickdarm¬
melanose die Mitwirkung eines Fermentes nachweisen, indem er ein
kleines, mögliohst helles Stückchen aus dem Darm der sterilen Autolyse
jo physiologischer Kochsalzlösung bei 58° überliess. Nach 3 Stunden
trat eine tiefe Dunkelbraunfärbung der Schleimhaut ein. Verf. ver¬
suchte nun, näheren Aufschluss über die Natur des Ferments zu er¬
halten, indem er Darm in physiologischer Kochsalzlösung, der aromatische
Md aliphatisohe Aminosäuren oder Nebennierenpräparate zugesetzt
taren, der Autolyse überliess. Zum Teil bildete sioh dabei Dunkel-
wbnng. Damit dürfte wohl der Nachweis einer Tyrosinase für die
telanose erwiesen sein. Dünner.
W. Steinmeier-Hamburg: Statistische Erhebungen über das Vor¬
kommen von Meningitis tnberealosa bei anderweitiger Organ tuberkulöse
am Sektionsmaterial des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf
sJ«v Jahr . 6D l 911 » ! 912 uad 191S - < Virch * Arch -’ B d * 216 * H. 8 -)
Alter ab ^ ®^ ud ßkeit der tuberkulösen Meningitis nimmt mit dem
» k Bossle-Jena: Das Verhalten der menschlichen Hypophyse nach
autrstiei. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 2.) Die systematische Unter-
grossen Zahl von Hypophysen totalexstirpierter Frauen
JfArt Verf. zu dem Schluss, dass die Kastration beim Menschen eine
ergrosserung des Vorderlappens der Hypophyse bewirkt. Ausserdem
«lehnet sich die Hypophyse des Kastraten durch besonderen Reichtum
w Eosinophilen und Armut an basophilen Zellen aus. Jedoch sind
histologischen Veränderungen nicht vollkommen spezifisch und
ommen auch nioht konstant vor, ebenso wie das Gewicht der Drüse
7erme ^ r ^ Verf. ist der Ansicht, dass diese Hypophysen-
wanderungen ebenso von individuellen Stoffwechselverhältnissen ab-
anpg sind wie die Entstehung der Fettsucht und die Veränderungen
w Geschlechtstriebes nach der Kastration.
ftAtijj ’ Hamburg - Eppendorf: Anatomische Untersuchungen an
JWIMrtae* toi Phthisikern. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Um die
®MQnusohe Grundlage des von v. Brandenstein festgestellten häufigen
Vorkommens von Basedowsymptomen bei Tuberkulösen zu ermitteln, hat
Verf. in 50 Fällen von Lungentuberkulose die Sohilddrüse untersucht.
In 2 Fällen fand er miliare Tuberkel, in der Mehrzahl der übrigen eine
dem Alter nicht entsprechende Vermehrung des interstitiellen Binde¬
gewebes. Die für Basedowsche Krankheit charakteristischen Verände¬
rungen, wie Epithelproliferationen, papilläre Wucherung ins Lumen usw.
und lymphatische Herde im Drüsengewebe, konnten nie nachgewiesen
werden. Diese anatomischen Veränderungen, ebenso wie die klinischen
Erscheinungen lassen sich nach Verf. durch die Theorie Costa’s erklären,
dass in leichten Fallen von Lungentuberkulose durch die Toxine eine
Struma entsteht. Bei Heilung der Tuberkulose schwindet diese wieder,
bei Verschlimmerung des Leidens kommt es zur Sklerose der Schilddrüse
durch die immer grössere Toxinwirkung. A. W. Pinner.
0. Loeb und B. Zöppritz - Göttingen: Die Beeinflussung der Fort-
pflauzungsfähigkeit durch Jod. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Jodsalze und
Jodidion abspaltende Jodfettsäurederivate üben regelmässig eine selektive
Wirkung auf den Genitalapparat aus. Sowohl männliche als auch weib¬
liche Tiere werden bei erhaltener Libido und Facultas coeundi steril.
(Versuche an Mäusen.) Die sterilisierende Wirkung ist nur eine vor¬
übergebende und lässt sich durch Sistieren der Joddarreichung aufheben.
Die sterilisierenden Dosen liegen unterhalb der toxisch wirkenden; Be¬
finden und Ernährungszustand der Tiere werden dabei nicht beeinflusst.
Bei graviden Tieren tritt regelmässig Abort ein (nach 4—8 Tagen.)
Vielleicht ist die Schilddrüse an diesen Wirkungen beteiligt.
Wolfsohn.
Diagnostik«
L. Humphry - Cambridge: Die Diastaseprobe des Uriai und die
Loewi’sche Reaktion bei Pankreaserkrankungea. (Brit. med. journ.,
6 . Juni 1914, Nr. 2788.) In zwei mitgeteilten Fällen wiesen der hohe
Diastasegehalt des Urins und der positive Ausfall der Loewi’sohen Re¬
aktion auf eine Pankreaserkrankung hin. Bei der Schwierigkeit der Dia¬
gnose von Pankreasstörungen sollten diese beiden leicht anzustellenden
Proben auf ihren Wert geprüft werden. Weydemann.
Parasitenkunde und Serologie«
W. Yorke und B. Blacklook: Die Identität des Trypanosoma
rhodinOBse mit dem gleichaussehenden Trypanosom des Wildes. (Brit.
med. journ., 6. Juni 1914, Nr. 2788.) Die Verff. verteidigen den deutschen
Forschern, wie Kleine, Eckard, Tante und Fischer, gegenüber
ihre Ansicht, dass diese Trypanosomen identisch sind.
Weydemann.
C. Levaditi und A. Marie: Das Treponema der progressives
Paralyse. (Compt. rend. de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 22.) Von
einem seit 15 Jahren syphilitischen Mann, der an progressiver Paralyse
gestorben war, wurde ein Virus P. G. gewonnen und mit ihm Inkubations-,
Virulenz- und Immunitätsversuche angestellt. Es zeigte sich nach
diesen Untersuchungen, dass zwischen dem Virus der allgemeinen Para¬
lyse und dem der Haut- und Schleimhautsypbilis eine deutliche bio¬
logische Differenz besteht; sie halten das Treponema der Paralyse für
eine neurotrope Varietät der Spirochaete pallida. Ihre Gegenwart in
gewissen Ansteckungsquellen erklärt das Auftreten der Paralyse bei
jenen Syphilitikern, die sich an diesen Quellen infiziert haben.
B. Valentin.
J. G. Seiffert-München: Zur Nachprüfung der Reiuzüebtung des
Pockenerregers. (D.m.W., 1914, Nr, 25.) Fornet’s Angaben betr. die
Reinzüchtung des Pockenerregers konnten von Seiffert nicht bestätigt
werden. Weder mikroskopisch, noch kulturell, noch durch Tierversuche
lässt sich sicher nachweisen, dass es sich bei den Fomet’schen Kulturen
um eine Fortzüchtung des Vaccineerregers handelt. Wolfsohn.
A. Tri Hat und M. Fonastier: Die Wirkung der Abkühlnng auf
die kleinsten Tröpfchen von Bakterien. (Compt. rend. de Paead. des
Sciences, 1914, Nr. 20.) Die durch plötzliche Herabsetzung des Luft¬
drucks bewirkte Abkühlung der Atmosphäre reisst die in feinsten
Tröpfchen und Haufen verteilten Bakterien znm grössten Teil mit sich
zu Boden, aber gewisse Arten können doch längere Zeit dieser Wirkung
der Kondensation widerstehen. Es scheint hierbei eine gewisse Aus¬
wahl stattzufinden. Vielleicht kann man, gestützt auf diese Wirkung
die Kälte bei der Luftreinigung von Räumen anwenden.
B. Valentin.
T. Fellmer-Bonn a. Rh.: Differenzierung verschiedener Pilzeiweisse
mit Hilfe von ImmnnitlUsreaktionen nnd Tierversncben. (Zschr. f.
Immun. Forsch., Bd. 22, Nr. 1.) Eiweissstoffe und Pilze können im
Tierkörper Präcipitine und komplementbindende Stoffe erzeugen, die in
den meisten Fällen spezifisch auf das zur Immunisierung verwendete
Pilzeiweiss reagieren. Durch Pilzeiweiss lassen sich Tiere anaphylaktisch
machen. Der Reaktionskörper ist mit dem Serum auf andere Tiere
übertragbar und löst passive Anaphylaxie aus. Der anaphylaktische
Reaktionskörper kann als spezifisch bezeichnet werden.
B. v. Feny vess'y und J. Freund-Budapest: Ueber den Mechanismus
der Anaphylaxie. (Zschr. f. Immun. Forsch., Bd. 22, H. I.) Die Autoren
halten die Anaphylaxie nicht für einen humoralen Vorgang. Die ex¬
perimentellen Stützen für diesen wichtigen Satz werden genau angeführt.
Besonders interessiert, dass die Anwesenheit des anaphylaktischen Anti-
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UNIVERSUM OF IOWA
1280
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
körpers im Blute nicht genügt, um das Tier anaphylaktisch zu machen,
sie ist sogar nicht erforderlich, um den Shock auszulösen. Die Ueber-
empfindlicbkeit wird auch nicht beeinflusst durch Entbluten und Ersatz
des Blutes aus einem normalen Tier. Nach Ansicht der Verff. liegt das
Wesen der Anaphylaxie in Prozessen, die sich erst nach Uebertritt des
Antikörpers in die Gewebe unter dessen Einfluss abspielen.
E. Levy und H. Dold-Strassburg: Weitere Versuche über Immun-
siernug mit desanaphylatoxiartem Bakterienmaterial. (Zscbr. f. Immun.
Forsch., Bd. 22, H. 1.) Die Bakterienleiber werden ausserhalb des
Organismus durch Immunserum und Komplement mehrmals abgebaut,
so lange bis sie vollkommen desanaphytatoxiert sind. Wie die Tier¬
versuche zeigen, gelingt es mit diesem Material, zu immunisieren (Typhus¬
versuche) und Antikörper zu erzeugen. Fieber und Entzündungs¬
erscheinungen bleiben dabei dem Organismus erspart. Man kann auch
zur Schutzimpfung grössere Mengen ungestraft injizieren.
U. Arisawa-Osaka: Zur Frage der sympathischen nnspeziflschen
Umstimmung (Dold und Rados). (Zschr. f. Immun. Forsch.,Bd. 22, H. 1.)
Die Angabe von Dold und Rados, wonach Kaninchen, bei welchen das
eine Auge durch Injektion von Krotonöl in einen Zustand schwerer
Entzündung versetzt worden war, das andere Auge sich häufig sensi¬
bilisiert erweisen sollte gegenüber einem Reiz, der sonst reaktionslos
vertragen wird, konnte nicht bestätigt werden. Wolfsohn.
W. Fletcher - Kuale Lumpur: Die Wassermann’sche Reaktion bei
Malaria. (Lancet, 13. Juni 1914, Nr. 4737.) Malariaparasiten ver¬
ursachen keinen positiven Ausfall der Wassermann’schen Reaktion, wenn
diese nach Browning, Cruickschank und Mackenzie ausgeführt wird.
Einige positive Resultate sind wohl durch die Verwendung von frischem
Serum verursacht worden, das verschiedene Autoren gebraucht haben,
aber die Hauptursache der Verwirrung liegt darin, dass eine Reibe vod
Modifikationen unter dem Namen der Wasserraann’schen Reaktion geht,
ohne dass die Autoren die besondere Art der von ihnen gebrauchten
Verfahren beschreiben. Weydemann.
K. Hara - Hamburg: Zar Serodiagnostik der malignen Geschwülste.
(D.m.W., 1914, Nr. 25.) An 34 Carcinomseris und einer Anzahl von
Kontrollen wurde die Meiostagmin- und die Komplementbindungsreaktion
naobgeprüft. Beide sind durchaus brauchbar, aber nicht streng spezifisch.
Bei der Meiostagminreaktion werden die Resultate besser, wenn man zur
Verdünnung an Stelle von Kochsalzlösung isotonische Zuckerlösung nimmt
(24 bzw. 27 positive Fälle; mit Komplementbindung 29).
Wolfsohn.
H. E feiffer - Graz: Ausscheidung eines peptolytischen Ferments
im Harn bei verschiedenen Formen der Eiweisszerfallstoxikosen (Ver¬
brühung und Hämolysinwirkung). (M.ro.W., 1914, Nr. 24.) 2. Mitteilung.
Unter verschiedenen auf das akute Zugrundegehen von Körperzellen ab¬
zielenden Bedingungen überschwemmen ganz akut peptolytische Fermente,
die höchstwahrscheinlich von den zugrundegegangenen Körperzellen
stammen, den Blutstrom. Einer der Wege, auf welchem sich der Orga¬
nismus ihrer entledigt, ist die Ausscheidung durch den Harn; damit ist
die schon früher von P. ausgesprochene Ansicht gestützt, dass es sich
bei diesem Phänomen nicht um eine agnole Erscheinung handelt, sondern
um einen intravitalen Vorgang. Das Auftreten eines peptolytischen
Ferments im Harn scheint nach den bisherigen Versuchen ein Indikator
für Zerfallsvorgänge an den Zellen des lebenden Kaninchens zu sein.
W. Sagel-Arnsdorf: Nachweis spezifischer peptolytischer Fermente
im Harn. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) (Vorläufige Mitteilung.) An Stelle
von Serum verwandte S. zur Anstellung der Abderhalden’schen Reaktion
Urin, den er auf den 30. bis 40. Teil seines Volumens bei 40—45° ein¬
engte; die verbleibende trübe Flüssigkeit stellte er auf Eis und filtrierte
sie. Dann Weiterverarbeitung. Die Versuche ergaben bisher befriedigende
Resultate.
W. Schmitt-Stuttgart: Störungen der inneren Sekretion bei
Chlorose. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) Die Vermutung, dass Chlorose ein
Symptom einer konstitutionellen Erkrankung sei, gab Anlass zur Unter¬
suchung mit der Abderhalden’schen Reaktion, bei der sich ergab, dass
bei fast allen Fällen von Chlorose eine Dysfunktion von Uterus und
Ovarien nachweisbar war, die zur Mobilisierung entsprechender Abwehr¬
fermente im Blute geführt hatte. Dünner.
P. Kirschbaum und R. Köhler-Wien: Die Differenzierung von
Bakterien mittels des Abderhalden’schen Dialysierverfahrens. (W.kl.W.,
1914, Nr. 24.) Die Verff. wenden sich gegen eine Arbeit Voelkel’s
(M.m.W., 1914, Nr. 7.) Nach ihren Versuchen ist es nicht möglich, das
Abderbalden’sche Verfahren als Mittel zur Differenzierung vod Bakterien
bzw. zur Diagnose bakterieller Erkrankungen zu verwenden.
P. Hirsch.
S. Kjaergaard - Kopenhagen: Ueber Abderhalden’s Graviditäts¬
reaktion, ihre Methodik und Spezifität, Untersuchungen von gesunden
Frauen post- und prämenstruell. (Zschr. f. Immun. Forsch., Bd. 22, Nr. 1.)
Durch Modifikation der Versuchsanordnung lässt sich nachweisen, dass
jedes Serum proteolytische Fermente gegen Placentagewebe besitzt. Der
Unterschied zwischen Graviden und Nichtgraviden ist quantitativer
Natur; es ist deswegen auf die quantitativen Verhältnisse (Serummenge,
PlacentameDge, Reaktionszeit) grosses Gewicht zu legen. Bei einer
Reihe von Leiden (Carcinom, Salpingitis, Metrorrhagie u. a.) kann die
proteolytische Fähigkeit derart erhöht sein, dass die betreffenden Sera
mit Placenta stärker reagieren als manche Gravidensera. Demnach
spricht negativer Ausfall der Reaktion sehr gegen Gravidität, positiver
nicht unbedingt dafür. Im prämenstruellen Stadium niohtgravider
Frauen ist der Fermentgehalt entschieden gesteigert. Dieser Faktor ist
in praxi besonders zu berücksichtigen. Wolfsohn.
Innere Medizin.
J. Löwy: Ueber refraktouetrisehe Bestimmungen tob Blutseren
und Transsudaten. (D. Arcb. f. klin. M, 1914, Bd. 115, H. 3 und 4.)
Die refraktometrischen Eiweissbestimmungen des Blutserums sind ge¬
eignet, Veränderungen des Blutserums unter dem Einfluss verschiedener
Diäten und vielleicht auch verschiedener Medikamente zu erkennen.
W. Zinn.
C. Coombs - Bristol: Aeidosis beim Ende von Erkrankungen des
Myocards. (Brit. med. journ., 6. Juni 1914, Nr. 2788.) Mitteilung zweier
Fälle von Mvocarderkrankungen, wo gegen das Ende klinische Zeichen
der Säurevergiftung auftraten (Acetongeruch des Atems, Lufthunger,
Durst und Gehirnerscheinungen). Im Urin fehlten aber Aceton und
/0-Hydroxysäuren fast ganz, so dass die Acidose Dicht von der Art war,
wie sie bei Diabetes und andern wohlbekannten Erkrankungen beob¬
achtet wird. Weder Alkalien noch Sauerstoffeinatmungen hatten irgend¬
welchen Einfluss auf den Verlauf dieser Vergiftungen.
Weydemann.
A. Jarisch-Graz: Zur pathologischen Antonie des Pulsis ir-
regnlaris perpetuus. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.)
Genaue anatomische Untersuchung klinisch sehr sorgfältig beobachteter
Fälle. Es wurde keine für den Pulsus irregularis perpetuus charakte¬
ristische Veränderung gefunden. Gemeinsam sind den Herzen lediglich
Zeichen, welche auf eine Erschwerung der Funktion der Vorhöfe, speziell
des rechten scbliessen lassen. Ein gewisser Zusammenhang besteht
zwischen anatomischer Erkrankung des Ueberleitungsbündels und dem
Auftreten der langsamen Form des Pulsus irregularis perpetuus. Die
Fälle mit geringer Pulsfrequenz zeigen mehr oder minder schwere Ver¬
änderungen im A.-V.-Bündel. Eine einheitliche theoretische Erklärung
des Pulsus irregularis perpetuus ist nicht zu geben, als wesentliche Ur¬
sache kommt eine successive Erschöpfung des Sinusknotens und nach
seiner Erschöpfung eine störende Reizbildung an anderer Stelle in Betracht
Edens und v. Förster: Zur Diagnose der Herxbeutelverwaeh-
sungeii. (D. Aroh. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 und 4.) Ein all¬
gemein gültiges Zeichen für die Erkennung von Herzbeutelverwachsungen
gibt es nicht. Die Ursache ist, dass verschiedene Lokalisation der Ver¬
wachsungen zu verschiedenen Erscheinungen führen muss. Auch eine
ausgedehnte Obliteratio pericardii braucht keinen sicheren Röntgenbefund,
keinen negativen Herzstoss, keine Veränderung des Jugularispulses, des
Oesophagocardiogramms, höchstwahrscheinlich auch keinen Pulsus para-
doxus zu geben. Als neue, auf Herzbeutel Verwachsungen verdächtige,
aber nicht obligate Zeichen sind zu nennen: Auffallende Kleinheit des
Jugularispulse, so dass eine Kurve nur schwierig oder gar nicht erhalteo
wird; auffallende Kleinheit des Oesophagocardiogramms, so dass eine
deutliche Kurve nur mit Doppelballon erhalten wird; Fehlen des Vor-
hofspulsus im Oesophagus, auch bei Anwendung des Doppelballons; auf¬
fallende Kleinheit der os-Zacke im Oesophaguscardiogramm, rascher und
starker Abfall nach der os-Zacke, vielleicht auch abnormer Anstieg der
D-Erhebung.
Emden: Ueber das Chlorom und seine Beziehungen zur Myoblasten-
leukämie, mit klinischem Beitrag von John Rothschild. (D. Arch. f.
klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) Bei dem 5 jährigen Knaben führte
ein Chlorom unter dem klinischen Bilde fortschreitender Lähmungen und
dem Biutbilde einer Myeloblastenleukämie binnen 12 Wochen zum Tode.
Das anatomische Bild entsprach dem eines diffus infiltrierenden malignen
Tumors, ohne dass ein primärer Herd mit Sicherheit nachgewiesen werden
konnte. Die genauere Untersuchung mit Granulamethoden, insbesondere
die Oxydasereaktion, erbrachten den Nachweis, dass die Tumoren fast aus¬
schliesslich aus Myeloblasten bestanden. Das Chlorom muss deshalb als
Myeloblastentumor bezeichnet werden. Der sichere Nachweis, dass ein
lymphatisches Chlorom vorkommt, ist noch nicht erbracht.
W. Zinn.
C. Märtel li-Neapel: Ueber die Leukunämie. (Virch. Arch.,Bd.216,
H. 2.) Klinische Analyse eines Falles. Die Leukanämie ist ein Sym-
ptomenkomplex, der bei Menschen mit schwachem hämatopoetischem
System als Folge von chronischen Infektionen und Intoxikationen auf-
tritt. Sie besteht in lympboider und myeloider Umwandlung der hämato-
poetischen Organe mit Eindringen unreifer Erythrocytenformen ins Blot.
Sie stellt als Schluss eines chronischen Prozesses den Zustand irre¬
parabler Zerstörung der blutbildenden Organe dar. A. W. Pinner.
M. Brasch - Nürnberg: Blntbefnnde nach intravenösen Arthige**
Injektionen. (M.m.W., 1914, Nr. 24.) Nach intravenösen Arthigon-
tsjektionen bei Gonorrhoikern kommt es nach dem Schüttelfrost zuerst
zu relativer Leukopenie, dann zur Leukocytose. Nach dem Schüttelfrost
ist eine allmählich, im Durchschnitt nach 4t l [% Stunden, die Höhe er¬
reichende, mächtige Zunahme der polymorphkernigen, neutrophilen
Leukocyten zu konstatieren. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Lympbo-
cyten. Die übrigen Zellformen der weissen Blutkörperchen verschwinden
fast ganz aus dem Bilde. Nach 24 Stunden sind meist die normalen
Verhältnisse wieder hergestellt. Dünner.
E. R. Long und H. G. Wells: Ueber die Parinennyme dar p*e*-
monischen Lange. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 1 u. 2.) Die
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UNIVERSUM OF IOWA
6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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pneumonische Lunge des Menscheo scheint keine Xanfcho-Oxydase zu
enthalten, dieses £nzym geht also sowohl den Leukocyten als auch dem
Luogengevebe ab. Die pneumonische Lunge kann ihre Nucleinsäure ab¬
bauen und sie vollständig zu Xanthin und Hypoxanthin desemidieren,
aber sie kann diese Purine in vitro auch unter günstigen Versuchs-
bedingungen nicht zu Harnsäure oxydieren. Zinn.
F. Moritz-Cöln a. Rh.: Zur Methodik des küastliehen Pneumo-
tksrix. (M.m.W., 1914, Nr. 24) Angabe eines neuen Apparats, der
auf bestimmte physiologische Ueberlegungen hin konstruiert wurde, zur
Anlegung eines Pneumothorax mittels der Stichmethode.
Dünner.
R. A. Kooher: Ueber den Harnsänrogelialt des Blutes als Krank-
heituynpton. (D. Arch. f. kliu. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.) Er¬
höhte Harnaäurewerte im Blute finden sich bei drei Krankheitsgruppen:
1. bei schweren Nierenschädigungen verbunden mit Hypertonie, bei denen
ausser anderen Harnbestandteilen auch die Harnsäure retiniert wird.
Naturgemäss Hessen sich also bei Urämie stets die höchsten Harnsäure¬
werte im Blute nachweisen. 2. Bei Gichtkranken, wo eine eigentlich
krankheitsspezifische Vermehrung vorliegt. 3. Bei allen Zuständen, die
mit einem vermehrten Zellzerfall einbergehen, wie z. B. bei Leukämie,
Pneumonie, Carcinomerkrankungen und Fieberfällen, wo die erhöhte
Urikämie dieselbe Bedeutung besitzt, wie die nach exogener Nuclein-
jufuhr. In manchen Fällen wird die Harnsäureuntersuchung des Blutes
eine Unterscheidung zwischen einfacher Nephritis und gichtischer Nieren-
insutäsienz, sowie zwischen chronischen ürethriden und gichtischen Ge-
lenkerkrankungen ermöglichen.
K. Hävers, Experimentelle Untersuchungen über Physiologie und
Pathologie des Cholegterinstoffwechsels mit besonderer Berücksichtigung
der Schwangerschaft. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 3 u. 4.)
Eine Anreicherung der Galle mit Cholesterin erfolgt auf starke Nahrungs-
xufubr, Eiweissdiät und. Fettkost. Bei beschränkter Nahrungsaufnahme,
im Fieberzustand und in der Gravidität tritt eine Cholesterinverarmung
der Galle ein. Nach beendigter Gravidität wird kurz nach dem Wurf
die Galle rapid mit Cholesterin überschüttet. Die Hauptrolle spielt
hierbei das freie Cholesterin. Der Einfluss der Diät auf den Cholesterin¬
gehalt der Galle ist offensichtlich. W. Zinn.
B. Neugebauer-Kassa: Sekundäre Syphilis und Mageoverände-
riogen. (W.kl.W., 1914, Nr. 24.) Es kann schon im sekundären Stadium
der Lues zu Veränderungen der Magensekretion kommen, die bis zur
Acbylie führen können. Die Veränderungen sind bedingt durch Stö¬
rungen des Vagustonus und durch direkte Magenwanderkrankung (Gastritis
luetiea). Die Diagnose Gastritis luetica wird gestützt durch Subacidität
‘ :™ylie)j deutlichen Schleimgehalt, positive Seroreaktion, alimen-
tare Galaktosurie und sonstige Zeichen von Lues anderer Organe, ln
zweifelhalten Fällen ist neben den anderen Heilmethoden eine anti-
iuetwche Kur einzuleiten. p. Hirsch.
v. Monakow: Beitrag zur Kenntnis der Nephropathien. Fälle mit
Kochsalzretention (hypochlorurische Nephropathien). (D. Arch. f. klin. M.,
h m k ® uul * Palle von hydropischer resp. hypochloruri-
wner Nephropathie, bei denen, mit Ausnahme eines Falles, niemals Blut¬
est ff 5 .™ 0 ®* und urämische Erscheinungen beobachtet wurden. Die
otickstoffehmination war gut. Auf NaCl-Zulage nahm die Urinmenge ab,
T ?. or P er K ew,cbt ™d der Eiweissgehalt des Urins zu: Zurückhaltung
«»W, AusscheidungsstöruDg. Therapeutische Nutzanwendung: NaCl-
e D [ Da ° ruD K- Retention grösserer NaCl-Mengen lübrt im allgemeinen
. e entiou von Wasser und zum Anstieg des Körpergewichts; zu
c,- sichtbaren Oedemen kommt es aber nur, wenn gleichzeitig eine
peripheren Gelasse besteht; i&t diese nicht vorhanden, so
an oie Stelle der intercellulären NaCl-Retention eine intracelluläre
J° D Vi • v.^ eme können schwinden, das Körpergewicht sinkt, und-
auf /i m ? leibt L d “ NaCl im Körper (Historetention). In bezug
T * w .. Ausscheidung der körperfremden Stoffe, Jod und Milchzucker,
pinAr« en i Sleb „ < ^ 1 ®„^^ e verschieden. Die Wirkung des Theocins ist
raairiArt 6 \z ^ ® b Fdropischer Nephropathie, ob sie auf Tbeoein
stoff m ? • r haben mit der gleichen Gesetzmässigkeit auf Harn-
mit Ai 1 r» vermehruDg der Urinmenge reagiert, wie sie auf NaCl
JL:L ner . Äbaah ® e reagierten. In einem Falle hatte der Harnstoff-
AllMmA ,e k D Ä j° ek,a * ant günstige Wirkung auf die Urinmenge und das
rab T ln p-ii D i! t * ass .^* Harnstoff später aus therapeutischen Gründen
emnfiAMf • ! . b y^ r °pi s cher Nephropathie, wo alle Diuretica versagen,
gebracht werdend^ erSucb ’ durch Harnstoff die Diurese in Gang
PnkLPhu C ^ ard «’ üeber Prüfun 8 der Nierentätigkeit durch
Q.ki 1 Bemerkungen zu der Arbeit von Hediuger und
es ai7 er * (D< Arch - 1 klin * Bd. 115, H. 3 u. 4.) B. sieht
TasciiiSr! 116 !? 168611 a .?\ < * ass vasculäre Hyposthenurie ein Symptom
Uscalar r p leren8C häüigUDg sei, und dass cbronisohe Nephritiden mit
Neohrifi? “^P^henurie, insbesondere die Scbrumpfnieren als vasculäre
Inder 6ü Dacb Resultat der Funktionsprüfuog anzusprechen sind.
yaacu ' aren Hyposthenurie sieht B. einen durch leicht
eia 7 a 1 m, cbac VgUDg hervorgerufenen Reizzustand der Nierengefässe, also
pichen leichterer Tubuluserkrankung. W. Zinn.
Ts ® bist °witsch-St. Petersburg: Nephritis haemorrhagica
bäinorrhf’’ k^’ 1 ?'^*’ ^14, Nr. 25.) Periodische Erscheinungen von
TemnAr^ 18 ^ . r . Nephritis, wobei jeder Anfall mit raschem Steigen der
r eiQ herging und mit Abfall der Temperatur abklang. Malaria
war auszuschliessen; Zusammenhang mit Lues nicht unwahrscheinlich.
Verf. nimmt, ebenso wie für paroxysmale Hämoglobinurie, einen patho¬
logischen Zustand der roten Blutkörperchen an. Wolfsohn.
G. Jochmann-Berliu: Ueber die Diagnose der Poeken. (Virch.
Arch., Bd. 216, H. 3.) Besprechung der klinischen Diagnose und Diffe¬
rentialdiagnose der Variola. Die Verwertung der klinischen Symptome
wird unterstützt durch den Nachweis der Guarneri’scben Körperchen in
den Zellen einer durch Impfung an der Cornea des Kaninchens ent¬
standenen Pustel. A. W. Pinn er.
Kinderheilkunde«
E. Sluka und B. Sperk-Wien: Ueber die Erfolge der Eiweiss-
iiilchernähruog im Hause und im Spital. (W.kl.W., 1914, Nr. 24.) Eioe
ambulatorische Behandlung der Ernährungsstörungen des Säuglings ist
sehr aussichtsreich, wenn eine diätetische Behandlung auf Grund der
Eiweissmilchdiät durchgeführt wird. Durch diese Diätform wird, wenn
sie im grossen ausgefübrt wird, eine Vereinfachung und Verbilligung des
Betriebes herbeigefübrt. Die Yerff. plädieren für Errichtung eines städti¬
schen Kinderasyls in Wien, dem eine Ambulanz angegliedert werden soll.
P. Hirsch.
H. L. Kowitz - Magdeburg: Infektiöse Erkrankungen der Harn¬
organe im Säuglingsalter (sogenannte Pyelocystitis). (M.m.W., 1914,
Nr. 24.) (Vortrag, gehalten in der Sitzung der Medizinischen Gesell¬
schaft zu Magdeburg am 12. März 1914.) ZusammeDstelluDg eigener
Beobachtungen. Verf. vertritt gleich Czerny die Anschauung, dass es
sich bei der Pyelocystitis um eine hämatogene, descendiereode Er¬
krankung baudein kann. Aus den Obduktionsbefunden zu schliessen,
ist die Erkrankung im Juli—September am häufigsten; das spricht eben¬
falls für die descendierende, hämatogene Natur, indem in den heissen
Jahreszeiten akute Ernährungsstörungen, von denen eine Weiterinfektion
erfolgen kann, am häufigsten sind. Dünner.
für
Chirurgie.
J. Fraser und H. H. Robarts - Edinburgh. Angeborenes Fehlen
aeg Radius und ein entsprechender Zustand am Bein. (Lanc., 6. Juni
1914, Nr. 4736.) Beschreibung je eines Falles von fehlendem Radius
und fehlender Tibia. Nach Robart’s Theorie kommt der Radiusdefekt,
wie er in zwei Fällen bei der Geburt beobachten konnte, dadurch zu¬
stande, dass intrauterin die Hand fast in der Achselhöhle fixiert war, der
Oberarm dicht am Körper lag und der Ellenbogen gekreuzt war. Die
Hand wich stark radialwärts ab. Dadurch musste die Entwicklung des
Radius gestört werden. Auch das Fehlen der Tibia wird auf intra¬
uterinen Druck zurückgeführt. In beiden angeführten Fällen wurden
die fehlenden Knochen durch Implantation der Fibula ersetzt.
Weydeman n.
Hagemann-Marburg: Eine zweckmässige Modifikation des Heft-
pttasterverbaiides bei Hasensehartenoperationen. (Zbl. f. Chir., 1914 ,
N. r -21.) Verf. legt einen bartbindemörmigen Leukoplaststreifen nicht
direkt über die Naht, sondern so an, dass, bei zusammengedrückten
Wangen, der dünnere Teil des Streifens über die Mundöffnung selbst
zieht. Auf diese Weise erfolgt dauernde Entspannung der Nahtlinie.
Friedrich-Königsberg: Dreigeteilte Extremitätentransportsehiene
J e \ K " e **- (Zb i*. f - Chir., 1914, Nr. 24.) Verf. beschreibt eine
praktische Schiene, die von der Firma Medizinisches Warenhaus in
Königsberg geliefert wird. Sehrt.
G Axhausen-Beriin: Die Entstehung der freien Geleikkörner
2 " r Artkriti8 deformans. (Arcb. f. klin. Chir.,
Bd. 104, H. 3, Nr. 20.) Den als Arthritis deforraans bezeichneten Allge-
memveränderungen geht eine Gelenkkörperbildung parallel; die letztere
stellt die Lokalreaktion, die erstere die Allgemeinreaktion eines Gelenks
auf eine primäre stattgehabte Knorpelscbädigung dar. Die operative
Behandlueg darf sich nicht mit der blossen Entfernung des freien Gelenk-
korpers begnügen, sondern muss durch freie Arthrotomie alle geschädigten
Knorpelpartien total entfernen. Auch die nicht traumatische Arthritis
deformans juvenilis unbekannter Aetiologie gibt die Aetiologie zur Arthro¬
tomie und Gelenkrevision.
A. Troell - Stockholm: Ueber Geleokkapsolchondrome. (Arch f
klin. Chir Bd. 104, H. 3, Nr. 21.) Bei der operativen Behandlung der
Gelenkcboudrome darf man sich Dicht auf die Kapselexzision beschränken
sondern soll zweckmässig eine totale Gelenkresektion vornehmen da
sonst binnen kurzem ein lokales Recidiv auftritt. ’
W. Keppler und F. Erkes - Berlin: Ueber den Wert der Tiber
knlinherdreaktioi für die Diagnose unklarer Hfifrgelenknerkraakinren
(Arch. I. klin. Chir., Bd. 104, H. 8, Nr. 27.) Ve.ff. empfeben “£££
tialdiagnostisches Hilfsmittel die Tuberkulioherdreaktion. Beim Fehlen
klinisch nachweisbarer Lungen- und Herzerkrankungen, sowie bei afehrilftn
Temperaturen (unter 37,5°), die durch 2 stündliche, 2 Tage lang voree-
nommene Messungen festuestellt wurden, wird eine Pirquet’sche Cutan-
impfung vorgenommen. Bei negativem oder schwach positivem Pirquet
wird daun Vio Koch’sches Alttuberkulin subcutan injiziert bei stark
positivem Pirquet wird mit 2/10 oder »/,o mg begonnen. Bei’reaktions¬
losem Verlauf werden dann an jedem zweitnächsten Tag 3 und 5 m*
bzw. 1, 3 und 5 mg gegeben. Die tuberkulösen Hüften zeigten gewöhn-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
lieb schon nach 1 mg eine Herdreaktion, die sich durch Schmerzen und
durch starke Einschränkung der Beweglichkeit kennzeiebnete.
Baetzner.
P. Bade: Die Sonnenbehandlnng der Knochen- nnd Geleoktnber-
kalose und ihre Anwenduogsmöglicbkeit in den Krüppelbeimen. (Zscbr.
f. Krüppelfürs., 1914, Bd. 7, H. 2, S. 71 — 76.) Die Erfolge Rollier’s
bestätigen die zuerst in Frankreich verfochtene Lehre, dass auch die
Knochentuberkulose eine Allgemeininfektion sei, welche neben der
totalen Beeinflussung unbedingt Allgcmeinbehandlung erfordert. Die
wirksamste Allgemeinbehandlung ist in den Sonnen- und Freiluftkuren
gegeben. Letztere müssen in den Krüppelheimen, wo 15—20pCt. der
Insassen Knochentuberkulose sind, ebenfalls zur Anwendung kommen.
Zu diesem Zwecke müssen die Krüppelbeime mit Glasveranden ausge¬
stattet werden, die mit den Krankenräumen in unmittelbarer Verbindung
stehen. Selbst in der Grossstadt ist die Sonne nach Möglichkeit auszu¬
nutzen. Künne.
Dreyer-Breslau: Neues Symptom bei der Patellarfraktnr, zu¬
gleich ein Beitrag zu ihrer Behandlung. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 22.)
In einem Falle von Patellarfraktur stellte Verf. die interessante Tat¬
sache fest, dass der Patient das im Knie gestreckte Bein bei wirkender
Extension erheben konnte, bei fehlender Extension nicht. Diese Tatsache
erklärt er so, dass bei Extension der Reservestreckapparat in Aktion
treten kann, ohne dass durch die Streckung die Bruchstücke auseinander
gezogen werden. Bei Fällen, in denen unter Extension das gestreckte
Bein gehoben werden kann, kann man unter Umständen von einer Ope¬
ration absehen, da man schliessen kann, dass der Reservestreckapparat
noch intakt ist.
Borchard - Posen: Osteoplastische KnocbenlappoubilduDg aus den
DornfortsäUen der Wirbelsäule. (Zbl. f. Chir., H'14, Nr. 22.) Nach
Laminektomie bildet Verf. aus der Seitenfläche zweier Dornfortsätze der
wirbelbogenlosen Stelle einen Lappen, dessen Basis nach oben liegt und
der sich über die laminektomierte Stelle hinüberschlagen lässt.
v. Hacker-Graz: Direkte Nerveneinpflanzang in den Muskel und
muskuläre Neurotisation bei einem Falle von Cucullarislähmung. (Zbl.
f. Chir., 1914, Nr. 21.) Verf. hat schon vor 7 Jahren eine Cucullaris-
läbmung dadurch geheilt, dass er das Accessoriusstück vor seiner
Läsionsstelle (früher bei einer Drüsenoperation war es zur Verletzung
gekommen) direkt in den Cucullaris einpflanzte; das peripher von der
Läsionssteile gelegene Accessoriusstück implantierte er in einen nahe-
gelegenen Plexusnerven, ausserdem verband er ein Stück des Levator
scapulae mit dem angefrischten Cucullaris. Voller Heilerfolg.
Sehrt.
W. Keppler-Berlin: Beitrag zur Entstehung der Aktinomykoae.
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 3, Nr. 28.) Ein Fall von Aktinomykose
des linken Oberarms, die hämatogen entstanden war, ohne dass ein
anderer primärer Herd im Körper nachweisbar war. Seit 4 Jahren ge¬
heilt durch Exartikulation des Lumens und des ganzen Schultergürtels.
Baetzner.
G. Zesas: VariceubUduug bei Infektionskrankheiten. (Zbl. f.
Chir., 1914, Nr. 23.) Bakterientoxine bewirken Veränderungen der
Venenwand, die zur Ektasie führen.
Ferrarini - Pisa: Ueber die Möglichkeit, der Parotis durch inter-
glandnläre Anastomose der Parotis- und Submaxillardrüse einen collate¬
ralen Exkretionsweg zu schaffen. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 24.) Unter¬
bindet man den Ductus Stenonianus und anastomosiert dann beide Drüsen,
so gelingt es, Gelatine durch den Ductus Stenonianus in die Submaxillaris
zu injizieren. Die Gelatine fliesst dann durch den Ductus Warthonianus ab.
Borscöky - Budapest: Divertikelbildong am Magen durch pep
tisekes Geschwür. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 23.) Verf. beschreibt zwei
Fälle, wo es am Grunde eines Magenulcus zur Vorstülpung der Serosa
gekommen war, Pulsionsdivertikel. Sebrt.
K. Schwarz - Agram: Beiträge zur Kasuistik und chirurgischen
Therapie des peptiseben Jejnnalgeschwürs. (Arch. f. klin Chir., Bd.104,
H. 3, Nr. 22.) Das Risiko eines peptiseben J^junalgeschwürs ist nach
einer Gastroenterostomia retrocolica posterior ohne Schlinge weit geringer
als nach allen anderen Methoden der Gastroenterostomie. Bei den pepti¬
schen Jejunalgescbwüren wird der chirurgische Eingriff — Entfernung
der die Gastroenterostomie zusammensetzenden Magen- und Jejunum¬
segmente, Nabt des Jejunums, Nabt des Magens, Anlegung einer neuen
hioteren Gastroenterostomie — zweckmässig durch innere Behandlung
ergänzt, durch Alkohol verbot, antaoide Diät und Alkaliendarreichung.
Baetzner.
H. Harttung - Breslau: Wirbelmetastasen nach Hypernephrom.
(D.m.W., 1914, Nr. 25.) Die ersten Erscheinungen zeigen sich in dem
beschriebenen Fall von seiten der Metastasen: durch klinische Unter¬
suchungen konnte als primärer Herd ein Nierentumor festgestellt werden.
Die palliative Laminektomie brachte keinen Erfolg. Wolfsohn.
E. Rüge-Frankfurt a. 0.: Operative Behandlung verzweifelter
ObfttipatioBtffälle, nebst Mitteilung einer neuen einfachen Methode. (Arch.
f. klin. Chir., Bd. 104, H. 3. Nr. 26) Verf. hat in 2 Fällen von hoch¬
gradiger Obstipation eine End-zu-Seit-Ileosigmoidostoraie angelegt und
oberhalb der Einpflanzung des zuführenden lleumendes einen F&scien-
streifen um die Flexur herumgelegt, so fest, dass die Schleimhaut im
Innern des Darms fest aufein an derlag, und zwar mit gutem Erfolge.
Baetzner.
A. E. Barker - London: Ahnte Pankreatitis. (Lanc., 6. Juni 1914,
Nr. 4736.) Eine klinische Studie, die sich auf sieben ausführlich mit-
getcilte Krankengeschichten gründet. Von den Fällen sind fünf er¬
folgreich operiert worden. Weydemann.
A. Hahn-Berlin: Drei Fälle von Paranephritis darch Nierenstein
perforation. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 3, Nr. 24.)
H. FonsIer-Lichterfelde: Ein Beitrag zur Kasuistik der MHzcystei.
(Arch. /. klin. Chir., Bd. 104, H. 3, Nr. 25.) Ein Fall von nicht para¬
sitärer, seröser Solitärcyste der Milz, die mittels Splenektomie gebeilt
wurde. Baetzner.
M. Cohn-Berlin: Coeeennperforation bei tiefsitfendent Diek-
dar®versehlass. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) Die Coecumperforation kommt
zustande durch Dchuungsgescbwüre infolge Gasautbläbuog. Sie weist
auf ein Hindernis der tieferen Dickdarmteile hin. Die Symptome sind
die einer diffusen Peritonitis. Die Perforation soll nach Reinigung der
Bauchhöhle nicht überuäht werden, sondern sie ist eiDzunähen und als
Coeoostomic zu benutzen. Wolfsohn.
Röntgenologie.
Schönfeld-Wien: Meine AnfnabBeteehnik Bit de« Hocbspaiaingg-
gleiehrichter. (Fortschr. d. Röntgeustr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Schilde¬
rung der Methode, welche zeigt, dass die Röhren, wenn sie rationell be¬
trieben werden, keineswegs früher verbraucht werden als beim Ioduktor-
betrieb. Der Hochspannungsgleicbricbter stellt in seiner heutigen Form
Dicht nur das einfachste und regulier fähigste Instrumentarium dar, son¬
dern man kann mit ihm auch mit spielender Leichtigkeit ganz immeDse
sekundäre Strommengeo entnehmen, so dass es auf diesem Gebiete das
leistungsfähigste Instrumentarium darstellt, das technisch von anderen
nicht mehr überholt werden kann.
Christen-Bern: Zur Theorie und Technik der Hirtenessiig.
(Fortschr. d. Röutgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Die früher vom Verf.
angegebenen Vergleichswerte bei der Härtemessung stimmten Dicht mit
den Angaben anderer Forscher überein. Durch Versuche konnte Verf.
tatsächlich feststellen, dass andere Vergleichswerte zu Recht bestehen
und die seinigen merklich abweicben. Angabe der Kontrollversucbe und
eines Instrumentes, das der photographischen Bestimmung der Halbwert¬
schicht dieut. Aus den Versuchen mit diesem Modelle gebt hervor, dass
alle Härtegrade, welche Anspruch auf Zuverlässigkeit erheben wollen,
nach Halbwertschichten teilbar sein müssen.
Kienböck: Wien: Ein Sehnt« für die PalladiuBröbrebei. (Fortschr.
d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H, 2.) Zum Schutze gebraucht Verf. Schutx-
hülsen uod Scbutzkörbe Dach eigener Angabe. Zwei Modelle. Abbil
düngen. Diese Schutzvorrichtungen bleiben an dem Ansatzrohr dauernd
befestigt, speziell vor der Vornahme der Vacuumregulierung, so dass
man nicht mehr ängstlich das Ansatzrohr vor dem leisesten Stoss zu
bewahren braucht. Jede Rohre mit Oamoregulierung sollte, wie es bereits
stellenweise geschieht, diese neue Schutzvorrichtung tragen.
Weiler-Berlin: Knoehenherde in Röotgenbilde mit besonderer
Berücksichtigung der Tuberkulose. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914,
Bd. 2*2, H. 2.) Bei Defekten im Innern der Knochen ergab die röntgeno¬
logische Untersuchung nur ein sehr mangelhaftes Resultat. An den Dia-
phvsen der langen Röhrenknochen kann man die ganze Spongiosa ent¬
fernen, ohne dass auf dem Röntgenbild Ausfallserscheinungen aultreten.
Sofern die den Platten zunäcbstliegenden Teile der Corticalis oder bei
den spongiösen Knochen diejenigen der Spongiosa irgendwie verändert
werden, können wir dies sofort auf dem Röntgenbild deutlich wabr-
nehmen. Am distalen Teil der Femur kann maD erst „walnussgrosse“,
ain Os cuboidetira erst „haselnussgrosse“ Höhlen erkennen, kleinere nicht.
Bei tuberkulösen Erkrankungen im Inneren der Knochen erkennen wir
demnach nicht die Herde, sondern die sekundären Veränderungen bei der
Corticalis. Dadurch, dass diese sekundären Veränderungen bei den ver¬
schiedenen Erkrankungen verschieden sind, ist eine Differeotialdiaguose
möglich. Bei einem keine Erscheinungen bietenden Röntgenbilde lasst
sich eine tuberkulöse Erkrankung nicht mit Bestimmtheit aussebliessen,
da sekundäre Veränderungen nicht unbedingt eintreten müssen. Kleinste
Herde können nur zum Ausdruck kommen, wenn sich zu Atropbie-
vorgängen Kalkablagerungen biozugesellen.
Nieber: Röntgenologische Studien über einige Epiphyseioekeikern«
des Becken- nnd Schaltergürtels. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914,
Bd. 22, H, 2.) Wiedergabe von Krankengeschichten mit Epiphysen-
nebenkernen, und zwar 5 mit der Epipbysis marginalis an der Crista
iliaca, 5 mit der Epiphyse am oberen äusseren Pfannendacb des
Beckens und 4 mit der Epiphyse am Akromion (Abbildungen). Es
folgt eine Tabelle über Alter, Geschlecht und Krankheit der Patienten,
aus der eine Reibe wichtiger Schlüsse gezogen werden. Bei Nachunter¬
suchung einzelner Patienten in späteren Zeiten konnte Verknöcherung
festgestellt werden. Für Röotgenologen, Chirurgen und Orthopäden ist
die Kenntnis der erwähnten Epipbysennebenkerne wichtig, da sie in
Gutachten von Unfallverletzten zu Irrtümern Anlass geben können; un¬
bedingt muss der Epiphysennebenkern am Akromion gekannt sein. Ge¬
naueres darüber.
Dieterich - Mannheim: Röntgentherapie der Lympkdrüsentnker-
knlose. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H 2.) Material aus
3 Jahren. Innerhalb dieser Zeit hat sich die Technik reichlich ver¬
ändert, die Erfolge haben damit Schritt gehalten. Schilderung der Fort-
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6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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sobritta in der Technik und der Erfolge der Behandlung. Sohwelluog
* uod in manchen Fällen folgende Vereiterung ist als Eiusohmelzuog tuber¬
kulösen Gewebes aufzufassen, das Zurückbleiben kleiner Knötchen als
Bindegewebsersatz der Drüsen. Rascher Fistelsobluss durch Vernichtung
des tuberkulösen Granulatioosgewebes und Ausfüllung des Defekts durch
Bindegewebs Wucherung; immer ist das aber nicht der Fall. Das sub¬
jektive Befinden hebt sieb vielfach erst eine Zeitlang nach Beendigung
der Röntgenbehandlung. An anderen Stellen können neue Drüsentumoren
zum Vorschein kommen. In 76 Fällen 44 mal Heilung, 22 mal Besse¬
rung (8 noch in Behandlung), 2 mal kein Erfolg. Nie Verschlimmerung,
ln 40 Fallen Nachuntersuchung bis nach 2 Jahren mit durchweg günstigem
Erfolg.
Kayser-Berlin: Röntgenologischer Beitrag zur Klinik der Langen-
lyphilis. (Fortscbr. d. Röutgenstr., 1914, Bd. 22, Q. 2.) Eia seltener
Fall hereditärer, gummöser Lungensyphilis, in dem das Auftreten in dem
relativ späten Alter von 12 Jahren ungewöhnlich und es zum ersten
Male gelungen ist, den Rückgang gummös-syphilitischer Lungenverände-
rungen im Rootgenbilde zur Auschauung zu bringen.
Glaessner und Kreuzfuchs-Wien: Ueber den Pylorospasmns
und das Salzsäurepbäuomen. (Fortscbr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22,
H. 2.) Verff. entwerfen auf Grund ihres Materials ein Bild von der
Kompliziertheit der Pylorusreflexe, um dann zu zeigen, wie schwierig es
ist, unter pathologischen Verhältnissen die Ursache der abnormen Funk¬
tion des Pylorus festzustellen, sie tun dar, dass es nicht ohne weiteres
angeht, aus der Verzögerung der Magenentleerung bei intaktem Pylorus
uod selbst bei Hyperacidität den Schluss auf Pylorospasmus zu ziehen.
Schilderung der aus dem Salzsäureversuch erkannten Tatsachen.
David-Halte a. S.: Dilatationen des Duodenums im Röntgenbild
bei direkter Füllung. (Fortscbr. d. Röutgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) An
mehreren Fällen, die geschildert werden, wurde festgestellt, dass durch
direkte Füliuog des Duodenums geringere Veränderungen leichter zur
Ansicht zu bringen sind als mit den bislang üblichen Methoden. Immer
handelte es sich um geringe organische Verengerungen des Lumens, die
aber zu ernsten Krankheitsbildern Veranlassung gaben und sehr grosse
Beschwerden verursachten. Das Charakteristische zur Diagnosenstellung
ist hierbei weniger die Verengerung als die sekundäre Erweiterung, die
bei voller Duodenumfüllung deutlich zur Ansicht kommt. Bei Bulbus-
erveiterungen findet man im Soheitel desselben stets eine grosss Luft¬
blase, eine Beobachtung, die man zwar auob bei normalem Duodenum,
aber nicht mit gleicher Konstanz macht.
Loh fei dt-Hamburg: Zwei Fälle von Insuffizienz der Valvnla
Baihiii bei Perityphlitis chron. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22,
B. 2.) Die beiden Beobachtungen zeigen, dass die Insuffizienz der
Valvula Bauhioi kein eindeutig zu verwertendes Sympton von Darm-
erkraokuog, sondern nur geeignet ist, in Verbindung mit auftretender
Schmerzhaftigkeit beim Füllen des Coecums mit Kontrasteinlauf die
klinische Diagnose B Perityphlitis ohron.“ zu stützen.
Groedel - Frankfurt a. Main-Nauheim: Die Invaginatio ileocoecalis
im Röntgenbild. (Fortscbr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Sie ist
nor selten vor dem Röntgenschirm zu beobachten. Soweit Verf. aber
aas seinen vereinzelten Untersuchungen (Angabe derselben) schliessen
darf, verursacht sie sehr verschiedenartige Röntgenersoheinungen, unter
denen die der Darmstenose noch die wichtigsten sind.
Witte-Hannover: Ein Fall von besonders deutlichem Gallenstein-
iftebweis dnreh ßöntgenfiebt. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22»
H. 2.) Das bei der stehenden Patientin, dorso-ventral, bei Atemstill¬
stand aufgenommene Bild liess die Darstellung auch geringerer Schatten
in abdomine um so leichter zu, weil die Patientin mager war und eine
abdominelle Ptose ohne Lebersenkung hatte. Der intensivere Charakter
der Steinschatten deutet auf einen grossen, gleicbmässig in den Steinen
verteilten Gehalt an Kalksalzen hin. Aus der Steiogesamtform kann
man vielleicht auf eine völlige Austapezierung der Gallenblase mit Steinen
schliessen und damit aus der Annahme des Fehlens grösserer Gallen-
meogen dasjenige weitere Moment gewinnen, welches sohliesslich ein un¬
getrübtes Bild ermöglichte.
Meitner: Ueber die physikalischen nnd chemischen Eigenschaften
wr radioaktiven Substanzen. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22,
fl. 2.) Mitteilungen über die Strahlungsfäbigkeit der radioaktiven Körper,
über a-, ß- und y Strahlen. Die eigentliche charakteristische Eigenschaft
der radioaktiven Substanzen besteht in der spontanen Umwandlung der
Atome. Strablenemission und Atomumwandlung radioaktiver Körper be¬
dingen sich gegenseitig. Genauere Erörterungen darüber. Zurzeit sind
etwa 30 radioaktive Substanzen bekannt, die sich alle vom Uran oder
vom Thorium berleiten. Schilderung der Umwandlungsreihe des Uran-
r*diums. Mitteilungen über Radium, die Radiumemanation, den aktiven
Niederschlag des Radiums und die Aktiniumreibe.
Winkler-Jena: Vnivacareinoai nnd Sfrahlontherapie. (Fortschr.
d. Böotgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Die Erfahrungen, welche mit der
Strahlenbehandlung des Vulvakrebses gemacht sind, lassen erkennen,
dass im ganzen die Therapie der Röntgenstrahlen, harter wie weicher,
fur den Vulvakrebs nicht die geeignete ist. Es sind enorme Mengen
notwendig, um bei ausgedehnteren Tumoren einen sichtbaren Effekt zu
Briefen. Der Mesothoriumeinfluss ist dagegen weit intensiver, die Ein¬
wirkung auf die Krebszellen viel energischer. Mit ihm kommt man viel
rascher m einem Erfolg als mit den Röntgenstrab len. Vielleicht ist die
üerapie der Mesothorium bestrahl ung der operativen vorzuziehen. Ein
Urteil über eventuelle Dauerheilungen lässt sich erst abgeben, wenn 3
bis 5 Jahre nach der Behandlung verstrichen siad.
Arzt und Sohramek - Wien: Zur iotratumoralen Radiiunbestrah-
lang maligner Geschwülste. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22,
H. 2.) Mitteilungen von Fällen, aus denea hervorgebt, dass durch die
Radiumbestrahluog namhafte Erfolge zu erzielen sind bei malignen, in¬
operablen Tumoren (Krebs), bei ausgesprochener Kachexie der Kranken.
Der Beginn der Bestrahlung ist an den Randpartien unbedingt erforder¬
lich, und zwar oft im makroskopisch anscheinend gesunden Gewebe.
Schilderung der Technik der intraturaoralen Randbestrahlung nach Ein¬
führen von Dominiciröhrohen in die Geschwulst, wodurch die Möglichkeit
gegeben ist, sicher in die Tiefe zu wirken. Leider ist dies mit allen
Fällen nicht durchführbar, z. B. nicht bei Oberkiefercarcinom, das gegen
die Orbita vordriogt. Durch Inzisionen wird ein Weg für die Bestrah¬
lung offen. Komplikationen sind das multiple Auftreten der Metastasen,
eine Möglichkeit der Infektion, eine Störung des nervösen Apparates,
Lokalieaktion auf das gesunde Gewebe, Temperatursteigerungen. Zum
schnellen Abfluss der zerfallenen Geschwulstelemente werden Drainage
und häufige Spülungen angewandt. Eine entscheidende Rolle spielen
Dosierung, Bestrahlungsdauer, Intervalle, die angewendeten Filter. Genaue
Angaben darüber.
Sorautin-Wien: Harnrührendivertikel im Röntgenbild. (Fortschr-
d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 2.) Der erste beschriebene Fall, der
röntgenologisch naebgeprüft wurde. Durch die Röntgenmethode konnte
mit Hilfe der Collargoifüllung ein Divertikel mit einer Fistelöffnung
naebgewiesen werden. Sohnütgen.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
J. Benario - Frankfurt a. M.: Kritische Bemerkungen zu der Ment-
berger’schen Zusammenstellung der Salvarsan- nnd Neosalvarsan-
todesfälle. (D.m.W., 1914, Nr. 25.) B. behauptet, „dass kaum ein
einziger unter den 41 Todesfällen der Mentberger’schen Statistik dem
Salvarsan zur Last gelegt werden kann, und dass es nicht angängig ist,
sie weiterhin mit Berufung auf die Zusammenstellung Mentberger’s
zu zitieren. Wolfsohn.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
N. Cukor: Das bakterienfeindliche Verhalten des Seheidensehleins
und dessen Bedeutung in der Verhütung des Woehenbettfiebers.
(W.m.W., 1914, H. 17.) Der Scheidenschleim hat die Fähigkeit, inner¬
halb 2—3 Tagen die giftigsten Keime zu zerstören, die Scheide zu
reinigen und dadurch die Frau vor Erkrankungen zu schützen. Dieses
bakterienfeindlicbe Verhalten hängt von dem Milcfasäuregebalt ab. Die
Säurereaktion der Scheide fehlt bei Frauen im Alter des Geschlechts¬
lebens oft, bei kranken Frauen regelmässig; in der Schwangerschaft ist
sie ausnahmslos zu finden. Frauen mit krankhaften Ausflüssen müssen
noch in der Schwaogersobaft richtig behandelt werden. Milchsäure¬
spülungen, die den Säuregehalt der Scheiden ersetzen, sind zu empfehlen.
Eisner.
M. Henkel-Jena: Ein Beitrag zur Lehre vom Puerperalfieber und
zur Behandlung des fieberhaften Abortes. (Vircb. Arcb., Bd. 216,
H. 3.) Für die Stellung der Prognose eines infizierten Abortes genügt
nicht der bakteriologische Befund, da puerperale Sepsis ausser durch
hämolytische Streptokokken auch durch zahlreiche andere Mikroorganismen
verursacht werden kann. Es müssen für die Prognose und besonders
für die Behandlung anatomische und klinische Gesichtspunkte maass¬
gebend sein. Vor allem darf man nicht durch heftige mechanische Ein¬
griffe die Verbreitung der Bakterien fördern und die Schutzmaassregeln
des Körpers stören. Daher ist das Curettieren und jede Art der intra¬
uterinen Spülung ganz zu vermeiden. Nur wenn man bei fortwährendem
Fieber die Anwesenheit grösserer infizierter Abortreste im Uterus ver¬
muten darf, ist eine vorsichtige manuelle Entfernung der Reste geboten,
l die man bei geschlossenem Muttermund durch vorhergehende vordere
Kolpohysterotomie ermöglicht. Mit diesen Methoden erzielte Verf, in
seiner Klinik hei meist verschleppten Aborten gute Resultate.
A. W. Pinn er.
Potocki und San vage-Paris: Geb Kran tterkrampf nnd Retention
des Kopfes nach Embryotomie (Anna!, de gyn. et d’ubst., Mai 1914.)
Wegen verschleppter Querlage Embryotomie und Extraktion des Körpers.
Der Kopf blieb zurück; trotz Narkose und Cranioplasie war es nicht
möglich, den Kopf zu extrahieren, weil der Uterusmuskel ihn dauernd
fest umschloss. Hysterektomie per laparotomiam, weil Fieber und Puls-
versohlechterung auftrat. Heilung. Präparat in gefrorenem Zustand ge¬
schnitten.
P. Leccne und R. Taitz-Paris: Haenatoeele retronterina durch
Ruptur einer Corpns loten« Cyste. (Annal. de gyn. et d’obst., Mai 1914.)
Bei einer früher links mit Entfernung der Adnexe operierten Frau traten
Schmerzen wie bei Tubarabort ein, die sich wieder beruhigten. An¬
nahme einer Appendicitis, da auch Fieber bestand; Erguss im Douglas.
Die Laparotomie ergab die Hämatocele, als deren Ursache eine Corpus
luteum Cyste anzuseben war. 14 Fälle aus der Literatur.
F. Jacobi.
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1284
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
Augenheilkunde.
A. v. Szily. Die Patbo)n*ie des Tränensacks und des Dactis
nasolacrimalis im Röntgeobild. (Klio. Hbi. f. Augblk., Juni 1914.)
Die Methode einer Röntgendiagnostik der Erkrankungen der Träoen-
ableitungswege gibt ein gutes, den natürlichen Verhältnissen nabe-
kommendes Bild vor allem von der Konfiguration der TräDenabflusswege
und ihren Beziehungen zu den angrenzenden Knochenteilen. 2. Wert¬
voll erscheint die Anwendung der Methode überall dort, wo es sich um
pathologische Forraverändeiungen, Erweiterungen und Stenosen der
Tränenwege handelt.
E. Klausner: Die Pallidinreaktion in der Augenheilkunde.
(Klin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914) Die Pallidinreaktion lässt sich als
diagnostisches Hilfsmittel bei luesverdächtigen Augenkrankheiten mit
Erfolg verwenden. Sie bildet wegen ihrer Spezifität eine brauchbare
Ergänzung der Wassermann’schen Reaktion, der sie bei Keratitis
parencbymatosa an Zahl positiver Ausschläge bedeutend überlegen zu
sein scheint. Durch das ausschliessliche Vorkommen der Pallidin-
reaktion bei Lues gummosa und Lues hereditaria tarda bedeutet der
positive Ausfall der Cutanreaktion eine Einschränkung der Diagnose im
Sinne dieser beiden Stadien der Syphilis, der negative Ausfall der
Cutanreaktion eine Einschränkung der Diagnose im Sinne dieser beiden
Stadien der Syphilis, der negative Ausfall der Pallidinreaktion schliesst
die Diagnose floride Lues und Lues hereditaria tarda mit Sicherheit aus.
K. Böhm: Ueber kongenitale vordere nnd hintere Synechien
der Iris nnd Bydrophthalmns. (Klin. Mbl. /. Aughlk., Juni 1914.)
Mikroskopischer Befund in drei Fällen.
A. Loewenstein: Aktinomykose der Hornhaut. (Klin. Mbl. f-
Aughlk., 1914.) Die drei beschriebenen Fälle stammen aus dem Brüxer
Braunkohlenrevier. In allen drei Fällen ist dem Auftreten des Geschwürs
eine Verletzung vorausgegangen, die in allen drei Fällen durch ein ab-
spriDgeDdes Kohlestückchen hervorgerufen wurde. Die friedliche Therapie,
die 3—10 Wochen angewendet wurde, war in allen drei Fällen un¬
wirksam, erst die Kauterisation setzte dem Fortschreiten der Affektion
ein Ziel.
A. Schäfler: Beitrag zur Kenntnis der Papillome der Cornea.
(Elin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) In dem beschriebenen Falle handelt
es sich um ein Papillom der Bindehaut resp. des Limbus, das sich nicht
nur über die Augapfelbindehaut, sondern auch flächeoförmig fast über
die gesamte Cornea verbreitet hatte, ohne das Parenchym in Mitleiden¬
schaft zu ziehen.
zur Nedden: Pupillendifferenz infolge einseitiger centraler
Hornhautnarben. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) Die Ursache der
einseitigen Pupillenerweiterung in den beschriebenen Fällen sieht Verf.
in dem Bestreben des sehschwachen Auges, sich wieder an dem gemein¬
samen Sebakt zu beteiligen. Denn die Aufhebung des binocuiären
stereoskopischen Seheos ist das Wesentlichste bei dieser Art von Seh¬
störung. Es liegt also gewissermaassen eine zweckmässige Anpassung
der Pupillen weite an die Giösse der Hornhautnarbe vor, an der sich die
Pupille des anderen Auges nicht beteiligt. In praktischer Hinsicht hat
die beschriebene einseitige, spät auftretende PupillenerweiteruDg die Be¬
deutung, dass bei den central gelegenen Hornhautnarben, die von Un¬
fällen herrühren und mit einer hohen Rente entschädigt werden müssen,
auch noch in den Fällen eine spontane Besserung nicht für aus¬
geschlossen erklärt werden darf, in denen eine optische Iridektomie, die
zur Hebung der Sehschärfe erforderlich erscheint, von dem Patienten
verweigert wird.
Andogsky: Cataracta dermatogenes. Ein Beitrag zur Aetiolcgie
der Linsentrübung. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) Die angeführten
Beobachtungen von vier seltenen, aber vollkommen gleichartigen Fällen,
sowie der Vergleich derselben mit den in der Literatur beschriebenen
Fällen, lassen den Verf. zur Ueberzeugung kommen, dass ein Zusammen¬
hang zwischen der Ausbildung von Linsentrübungen und Hautaffektionen
zweifellos möglich ist. Diese Trübungen sind so eigenartig, dass sie mit
vollem Recht als eine ätiologisch ganz besondere Gruppe und zwar als
„Cataracta dermatogenes“ abgegrenzt werden dürfen.
L. Pol eff: Ueber das Auftreten von Antitoxinen in der vorderen
Angenkammer. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) Die angestellteu
Versuche haben gezeigt, dass das Diphtherieantitoxin in der Vorder¬
kammer der untersuchten aktiv immunisierten Pferde in einer Menge von
1:250—900 im Vergleich zu dessen Gehalt im Serum auftritt. Die
AntitoxinmeDge in der Vorderkammer ist bei den verschiedenen Pferden
nicht gleich und dem Antitoxintiter des Serums nicht proportional. Die
Menge des Diphtherieantitoxins im zweiten Kammerwasser (24 Stunden
nach der Punktion der Vorderkammer) war bei einem Versuch 2 mal,
beim anderen 6 mal und beim dritten S mal grösser als dieselbe im
ersten Kammerwasser des nicht gereizten Auges derselben Tiere.
C. Beier: Ueber anatomische Veränderungen nnd Rückbildungen
der Papillenexcavation im Vcrlanfe des Glaukoms. (Klin. Mbl. f.
Aughlk., Juni 1914.) Eine einmal ausgebildete glaukomalöse Excavation
des Sebnervenkopfes im anatomischen SiDne braucht nicht immer das
Endstadium der Veränderungen an der Papille zu sein. Im allgemeinen
kann man drei verschiedene Typen unterscheiden. Der erste umfasst
Augen, in welchen bereits seit längerer Zeit Amaurose besteht. Die
zweite Gnippe umfasst jene Fälle, in welchen der grössere Teil der
Nervenfasern noch von der Atrophie verschont geblieben ist. Die dritte
Gruppe ist dadurch charakterisiert, dass eine operativ erzielte Normali¬
sierung des AugeninDendruckes das auf der Lamina cribrosa kom¬
primierte Papillengewebe manchmal sogar unter ödematösen Erschei¬
nungen zur Wiederentfaltung und Auflockerung bringt, und dass vor
allem die RückwärtsverlageruDg der Lamina cribrösa sich mehr oder
weniger verringert.
Fleischer: Die juvenile Periphlebitis retinae mit ihren Folge¬
erscheinungen — eine echte Gcfisslnberknlose der Netzhaut. (Klio,
Mbl. f. Aughlk., Juni 1914.) Die anatomische Untersuchung des ver¬
öffentlichten Falles hat bewiesen, dass die Netzbaut tatsächlich gar nicht
so selten tuberkulös alfiziert wird, in einer Form, die bei den eigen¬
artigen anatomischen Gefassverhältnissen der Retina klinische Bilder
erzeugt, die zunächst eine tuberkulöse Erkrankung nicht vermuten
liessen, deren tuberkulöse Natur durch die klinischen Untersuchungen
von Arenfeld und Stock erst erschlossen worden ist,
F. Mendel.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
J. Fein: Die Parafflneinspritanngen bei Sattelnasei nnd Osten.
(W.m.W., 1914, H. 18.) Im ersten Teil der Arbeit bespricht Verf. ein¬
gehend die Technik der Paraffioinjektionen bei Sattelnasen, ihre
Komplikationen und Gefahren (Embolien). Die kosmetischen Resultate
sind ganz ausgezeichnete. Zur Behandlung der Ozaena werden im
Gegensatz zur subcutanen Einspritzung bei Sattelnasen submucöse In¬
jektionen angewendet. Die Technik ist im wesentlichen die gleiche.
Schwierigkeiten macht die zarte, leicht zerreisslicbe Schleimhaut. Auch
hier besteht die Gefahr der Embolie, sie ist aber nicht sehr gross. Eine
Heilung des ursächlichen Prozesses ist nicht möglich, wohl aber wird
die Sekretion und der Fötor durch Paraffioeinspritzungen in hervor¬
ragendem Maasse günstig beeinflusst, wie durch kein anderes Mittel.
Nicht alle Fälle sind geeignet. Eisner.
Hygiene und Sanitätswesen.
A.^chanz: Zur Berufswahl rückenkranker Kinder. (Zschr. f.
Krüppelfürs., 1914, Bd. 7, H. 2, S. 76.) Verf. bezeichnet bekanntlich
10 pCt. seiner bei Adolescenten vorkommenden Rückgratverkrümmungen
als Lehrlingsskoliosen, die auf Ueberlastung einer von Natur schwachen
Wirbelsäule zurückzuführen seien. Bei Rüokenschwächlingen ist daher
auf die Berufswahl grösste Sorgfalt zu verwenden. Es eignen sich nicht
Landwirtschaft, Hausarbeit, die Tätigkeit als Verkäuferin, Kellner,
Schlosser, Laufbursche, gut dagegen sind im allgemeinen die Berufe mit
Beschäftigung im Büro. Die Forderung des Verf., gegen die aus alten
Vorurteilen heraus selbst von Krüppelpraktikern viel gesündigt wird,
verdient volle Zustimmung. Künne - Steglitz.
Tropenhygiene.
L. Rogers - Calcutta: Zwei Fälle von Sprue behandelt mit M«nd-
streptokokkenyaccine and Emetinhydrochlorid. (Lanc., 6. Juni 1914,
Nr. 4736.) Da die Behandlung dieser Stomatitis sehr wenig erfolgreich
ist, so hat der Verf. neben EmetineinspritzuDgen die Anwendungen einer
aus den Mundgeschwüren gezüchteten Streptokokkenvaccine versucht
Der Erfolg war sehr befriedigend. Rogers hält die Emetinbehandlung
für nützlich, aber keineswegs für spezifisch, wie bei der Dysenterie. Die
Vaccine brachte erst die Erkrankung zur wirklichen HeiluDg, und es
entsteht die Frage, ob die Streptokokken, die in den Muodgesohwüren
fast in Reinkultur Vorkommen, nicht vielleicht die Erreger der Er¬
krankung sind. Wey de mann.
Technik.
Thüleni us-Soden: Eine nncerbrechlielie injektionskankle. (D.m.W.,
1914, Nr. 25.) Konische Erweiterung am Kanülenansatz. Wolfsohn.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medizinische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 24. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Orth.
Schriftführer: Herr Rotter.
Vorsitzender: Ich habe mitzuteilen, dass aus dem Nachlasse
unseres verstorbenen Ehrenmitgliedes Herrn Körte ein Bild von Rudolf
Virehow aus der Zeit, als er hier von Berlin vertrieben wurde und
nach Würzburg ging, der Gesellschaft geschenkt worden i9t. Ich bähe
es dort aufbängen lassen. Kaum einer von uns wird Virehow so
kennen, wie er da im Bilde zu sehen ist.
Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, erlaube ich mir, noch einen
Gast, Herrn Dr. Adolf Razlag aus Swatau in China, zu begrüssen.
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6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Richard Mlhsaii:
Miluehiiu direk freie Netitrangplaatation geheilt. (Mit Kranken-
Vorstellung.)
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Tagesordnung.
Diskussion über die Vortrage der Herren Goldscheider und Steinitz:
Heber atypische flicht.
(Die Diskussion erscheint im Zusammenhang mit den Vorträgen in
Nr. 29 dieser Wochensohrift.)
Berliner physiologische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 12. Juni 1914.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Zuntz (als Vorsitzender): Seit unserer letzten Sitzung tagte
m hier der Deutsche Physiologenkongress, dessen Mitglieder wir ja zu
einem Bierabend im Ausstellungspark eingeladen hatten. Die Mehrzahl
von Ihnen weiss, dass dieser Abend sehr befriedigend verlaufen ist, und
ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich von vielen aus¬
wärtigen Gästen den Ausdruck ihres Behagens an der Veranstaltung
a j empfangen habe. Die Kosten haben den von Ihnen zur Verfügung ge¬
stellten Betrag nicht ganz erreicht.
Die freudige Erinnerung an die Tagung der Deutschen physiolo-
i gischen Gesellschaft wird leider getrübt durch zwei traurige Verluste,
r die die physiologische Wissenschaft und unsere Gesellschaft erlitten hat.
Fast gleichzeitig sind unmittelbar naoh dem Kongress zwei ausgezeichnete
Hr Vertreter unserer Wissenschaft aus dem Leben geschieden. Nach längerem
r Leiden, und nachdem er sich schon seit mehr als Jahresfrist von der
Leitung des Instituts zurückgezogen hatte, starb Ludimar Hermann
in Königsberg im Alter von 75 Jahren. Hugo Kronecker nahm noch
mit regster Lebendigkeit an dem hiesigen Kongress teil. Er demon-
n strierte auf demselben seine Entdeckung eigentümlicher, bei längerer
künstlicher Atmung sich manifestierender Verbindungswege von den Luft¬
räumen der Lunge zur Bauchhöhle. Auf der Rückreise vom Kongress
ist er ganz akut einem Schlaganfalle erlegen.
!.’/ Beide berühmte Facbgenossen standen zu unserer Gesellschaft in
intimen Beziehungen. Hermann gehörte zu den Gründern des Physio¬
logischen Vereins, der Vorgängerin unserer Gesellschaft. Zusammen mit
Cohnheim, Hüter, Kühne, Liebreich und einer Reihe anderer,
später zu Ansehen gelangter Forscher entfaltete er in diesem Verein
eine rege Tätigkeit, bis er das Ordinariat in Zürich antrat. Wenn er
r auch seitdem keine direkten Beziehungen zu unserer Gesellschaft pflegte,
sind doch seine Leistangen auf den verschiedensten Gebieten der Phy¬
siologie derart bedeutungsvoll, dass es kaum nötig ist, sie zu erwähnen.
Hier in Berlin wird man ja in erster Linie an seine Studien über die
elektrischen Vorgänge im Nerven und Muskel denken, die ihn in so
ff heftige Kämpfe verwickelten. Wenn auch seine ursprüngliche Deutung
der Erscheinungen nicht haltbar gewesen, so müssen wir ihn doch als
Bahnbrecher der Erkenntnis bezeichnen, dass die grosse Bedeutung der
elektrischen Erscheinungen an den lebenden Gebilden in ihrer intimen
Verknüpfung mit dem chemischen Zustande derselben und seinen Aende-
ningen zu suohen ist. Wie diese Arbeiten fortzeugend gewirkt haben,
das trat ja noch im letzten Jahre in einer anregenden Sitzung unserer
Gesellschaft bei dem Vortrag über die elektropbysiologischen Studien von
Jacques Loeb durch seinen Schüler Beutner zutage. Als besonders
bahnbrechend muss noch jene kurze Mitteilung Hermann’s genannt
werden, in der er die Gesamtheit der VerdauungsVorgänge als hydrolytische
Prozesse charakterisierte. Wir dürfen ihn wohl auch als einen der Pfad¬
finder im Bereiche unserer Anschauungen über die synthetischen Fähig¬
keiten des Tierkörpers betrachten. Er zeigte zuerst die Möglichkeit des
Aufbaues von Eiweiss, wenn auch nicht aus seinen letzten Bauelementen,
» doch aus Leim unter Beigabe von Tyrosin.
Herman n's Studien über die Gase der Muskeln und über die mit
den Arbeitsleistungen einhergehenden ohemischen Prozesse haben zu-
laomen mit den fast gleichzeitigen Arbeiten Pflüger’s jahrzehntelang
unsere Anschauungen über diese wichtigen Vorgänge beherrscht. Her-
nann führte den einwandfreien Nachweis, dass im Muskel Material vor¬
handen sei, welches ohne gleichzeitige Zufuhr von Sauerstoff unter Bil-
dnng von Kohlensäure als Energiequelle dienen kann.
Krouecker’s Beziehungen zu unserer Gesellschaft waren innigere.
‘W lange er an dem damals neu begründeten physiologischen Institut
Böserer Universität Abteilungsvorsteher war, fehlte er wohl kaum in
«nw Sitzung unserer Gesellschaft, und es vergingen wenige Sitzungen,
f»<r Den DIC * lt er selbst oder einer seiner Schüler etwas mitzuteilen
t \r^ ac ^ 6m er ^ aDn ,m ^ a ^ ire 1885 dem nac ^ ® ern
blieb er unser korrespondierendes Mitglied, nicht nur dem Namen
aeö, sondern auch, indem er wiederholt Mitteilungen hier zur Verlesung
Hess, wiederholt auch unseren Sitzungen beiwohnte.
Äronecker machte als Assistent am Ludwig'schen Institut zu
^ aDase ^ dieses Instituts mit. Jene Zeit, in der aus allen i
J teien Jüoger <jer Physiologie der Schule des Altmeisters Ludwig i
. Alle iu der sicheren Ueberzeugung, hier wertvolle Arbeiten ^
,u bringen, viele mit dem Erfolge, dass die Arbeitsrichtung i
ihres ganzen Lebens daroh die dort empfangenen Eindrücke vorgezeiohnet
wurde. Au dem regen geistigen Leben jener Tage hat Kroneoker
gebend und empfangend intensiv Anteil genommen. In welchem
Maasse, erkennt man wohl am besten daraus, dass nach seiner Ueber-
siedelung hierher eine grosse Anzahl Schüler ihm folgte, und dass auch
dauernd, so lange er hier tätig war, eine grosse Schar nicht nur von
eigentlichen Fach Physiologen, sondern mehr noch von angehenden Klinikern
: seine Schulung suchten. In Bern gelang es ihm dann, ein grosses, allen
Anforderungen der Neuzeit gereoht werdendes physiologisches Institut zu
i begründen, dessen Leistungsfähigkeit nicht nur durch zahllose Einzel¬
arbeiten bis in die jüngste Zeit dokumentiert wurde, das auch beispiels¬
weise bei Gelegenheit des 2. Internationalen Physiologen-Kongresses den
Fachgenossen der ganzen Welt ausgiebigste Demonstrationen und Expe¬
rimente ermöglichte.
Damit komme ich zu einer besonders sympathischen Seite von
Kronecker's Wesen, zu seiner ungemein grossen Gastlichkeit in mate¬
riellem und geistigem Sinne. Kronecker war unermüdlich, seine Me¬
thoden jedem Interessenten zu zeigen. Von den Ergebnissen seiner Ar-
) beit würde man nur einen sehr unvollkommenen Begriff erhalten, wenn
! man nur die unter seinem Namen veröffentlichten Abhandlungen in Be-
I tracht zöge. Ein grosser Teil seiner Arbeiten ist in den Publikationen
seiner zahllosen Schüler niedergelegt. Nur kurz sei daran erinnert, dass die
‘ Funktionen des animalen Systems von ihm am meisten bearbeitet worden
sind. Noch nach seinem Tode erschien in der neuesten Nummer des
' Centralblattes für Physiologie eine kleine, scharf pointierte Notiz über
die Erregungs- und Hemmungswirkungen an Muskeln im allgemeinen
und am Herzen im besonderen. Ich selbst habe die vornehme Gesinnung
Kronecker’s schätzen gelernt, als ioh auf einem jahrelang von ihm mit
Vorliebe gepflegten Forschungsgebiete, dem der Wirkung der Luftver¬
dünnung und der Höhe auf den Menschen zu von den seinigen scharf
abweichenden Anschauungen gelangte. Die sachlichen Differenzen haben
unsere persönlichen Beziehungen keinen Moment getrübt, im Gegenteil,
er hat durch die Gastlichkeit seines Instituts unsere Arbeiten am
Brienzer Rothorn in ganz wesentlicher Weise gefördert.
Unsere Gesellschaft wird das Andenken an die Verstorbenen dauernd
in Ehren halten.
Tagesordnung.
Hr. Rothnanii:
lieber die Grenzen der ExtremitStenregion der Grosebirnrinde.
Nachdem H. Munk die Grenzen der Extremitätenregion der Gross¬
hirnrinde auf der Grundlage von Exstirpationsversuchen genau bestimmt
hatte, ergaben die neuen anatomischen Untersuchungen der Cytoarchi-
tektonik und der Myelogenese hier vielfach neue Gesichtspunkte, so dass
in der Abgrenzung jetzt eine gewisse Unsicherheit besteht. Beim Hnnde
nimmt die Zona gigantopyraraidalis, vor allem in der Vorderbeinregion,
fast die ganze Extremitätenregion ein, so dass die Analogisienmg der
Fissura cruciata mit dem Sulcus centralis beim Affen und Menschen nicht
möglich ist. Bei Ausschaltung des hinter der Munk’schen Extremitäten¬
region gelegenen Gyrus suprasylviacus anterior konnte Vortr. beim Hunde
eine ausgesprochene Lagestörung des gekreuzten Vorderbeins, das nach
allen Seiten verstellbar ist, nachweisen; zugleich bestand positiver Ver¬
senkungsversuch des betreffenden Vorderbeins in Beugestellnng. Die
Pfote war nicht umzulegen, der Berührungsreflex war erhalten, die Be¬
rührungsempfindung und die lokalisierte Schmerzempfindung kaum ge¬
stört. Der gleiche Befund einer Störung der Lageempfindung liess sich
am gekreuzten Hinterbein nach Exstirpation des vorderen Abschnitts
des Gyrus marginalis hinter der Munk’schen Extremitätenregion kon¬
statieren. Die Extremitätenregion des Hundes reicht demnach mit ihrem
hinteren, der Tiefensensibilität dienenden Abschnitt bis an die vordere
Grenze der Sehspbäre (Area striata) heran.
Beim Affen begrenzte H. Munk die Armregion nach hinten mit der
Interparietalfurche und bezeiebnete den Gyrus angularis, in dem er
Gyrus supramarginalis und angularis zusammenfasste, als Augenregion;
doch bat er selbst zuletzt auf Grund der Ergebnisse der Cytoarchi-
tektonik diese Anschauung aufgegeben. Vortr. exstirpierte bei Rhesus¬
affen zunächst den Gyrus supramarginalis vollkommen isoliert bis an den
unversehrten vorderen bzw. hinteren Wall der. benachbarten Windungen.
Während weder bei einseitiger noch bei doppelseitiger derartiger Ex-
[ stirpation die geringste Störung des Sehens oder der Augenbewegungen
zu konstatieren war, zeigten die Affen eine leichte Ungeschicklichkeit
der Hände und Finger bei feinem Greifen, verbunden mit einer Herab¬
setzung der Berührungsempfindung und einer leichten Lagestörung, Er¬
scheinungen, die sich rasch zurückbildeten. Dagegen führte isolierte
Ausschaltung des Gyrus angularis bis an die vordere Grenze des Hinter¬
hauptlappens, vor allem bei doppelseitiger Exstirpation, zu einer vor¬
übergehenden Herabsetzung des Sehvermögens ohne Störung der Augen-
bewegungen und ohne Störung der Extremitäteninnervation. Die hintere
Grenze der Extremitätenregion, die H. Munk für die Beinregion bereits
bis- an die Affenspalte heranführte, ist für die Armregion über die Inter-
parietalfurcbe hinaus am oberen Abschnitt des Sulcus temporalis superior
festzusetzen.
Die Ausschaltung der hinteren Centralwindung allein im Bereich
der Armregion führt beim Affen zu einer Schwache und Ataxie des ge¬
kreuzten Arms mit Herabsetzung der Berührungsempfindung; doch kann
der Arm vom ersten Tage an zum isolierten Greifen benutzt werden,
vor allem bei Festbinden des anderen Arms. Weit schwerere Störungen
am gekreuzten Arm treten aber auf, wenn Gyrus centralis posterior und
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1286
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
Gyrus supramarginalis zusammen exstirpiert ▼erden. Die Schwäche und
der mangelnde Bewegungsantrieb des Arms sind weit grösser, die Sensi¬
bilitätsstörung stärker ausgeprägt. Vor allem aber treten jetat starke
Störungen in den Richtungsempfindungen des Arms auf, so dass der
Affe trotz normalen Sehens mit dem geschädigten Arm stets an den
Nahrungsstückohen vorbeigreift, und zwar beim Greifen in der Horizon¬
talen nach innen, seltener naoh aussen, beim Greifen nach oben zu hoch,
beim Greifen nach unten zu tief. Er ist daher nicht imstande, mit
diesem Arm die Nahrung zu ergreifen. Diese Störungen bilden sich
langsam zurück, sind aber noch nach Monaten deutlich nachweisbar.
Was nun das Verhältnis der hinteren zur vorderen Centralwindung
betrifft, so batte Vortr. am 19. VII. 1912 in dieser Gesellschaft hinsicht¬
lich der elektrischen Erregbarkeit der Centralwindungen durch positive
Reizeffekte von der hinteren Centralwindung 2 , / 2 —3 Monate nach Total¬
exstirpation der vorderen den Beweis geliefert, dass der hinteren Central¬
windung eine zwar schwache, aber deutliche selbständige motorische
Funktion zukommt, und dass beim Affen an dem sensumotoriscben
Charakter beider Central Windungen festzuhalten ist. Indem Vortr. die
hiergegen von Lewandowsky und Simons erhobenen Einwendungen,
vor allem auch ihrer Form wegen, zurückweist, demonstriert er an
mikroskopischen Sagittalschnitten eines derart operierten Affengehirns
nochmals die totale, bis auf den Grund der Centralfurche ausgeführte
Exstirpation der vorderen Centralwindung. Nicht nur der Nachweis
elektrisch-motorischer Reizeffekte, sondern auch das Erhaltensein iso¬
lierter Bewegungen von Arm und Hand bei totalem Verlust der vorderen
Centralwindung beweisen den sensumotorischen Charakter der hinteren
Centralwinduog. Es gelang aber auch, bei Exstirpation des Gyrus
supratnarginalis von dem freigelegten hinteren Wall der hinteren Central¬
windung, und zwar auch am Grunde der Interparietalfurche isolierte
elektrische Reizeffekte der Finger und der Hand des gekreuzten Arms
zu erzielen.
Nach vorn greift die Extremitätenregion über die gigantopyramidale
Zone hinaus aut die agranuläre Zone über, ohne dass sich bisher funk¬
tioneile Differenzen dieser beiden Zonen nachweisen lassen.
Vortr. demonstriert zum Schluss die Karte der Rindenfelder beim
Hund und Affen, wie sie sich nach den neuen Ergebnissen an der sensu¬
motorischen Region, der Seh- und Hörsphäre darstellt, im Vergleich zu
den alten Munk’schen Schemata. (Autoreferat)
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie and Nervenkrankheiten.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 11. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Bonhoeffer.
Schriftführer: Herr Henneberg.
Hr. A. Stern:
Ueber eine Schussverletznng des Thalamus opticus nebst Bemerkungen
über Tractushemianopsie.
Der 25jährige Kranke (aus der Poliklinik Oppenheim-Cassirer)
brachte sich in suicidaler Absicht zwei Schädelschüsse bei, deren einer
fehl ging, der andere oberhalb des rechten Mundwinkels eindrang, die
rechte Schädelseite durchschlug und im Hinterhaupt rechts neben der
Mittellinie im Schädeldach stecken blieb. Auf seinem Wege kam es zu
einer Hirnläsion, die als Dauersymptome schliesslich folgende Gruppe von
Ausfallserscheinungen zurückliess: Pyramidensymptome der linken
Körperseite leichter Art (Kontrakturen im linken Arm und Bein, spastische
Reflexe), fast totale Hemianästhesia sin. für die oberflächliche und
Tiefensensibilität mit linksseitiger Hemiataxie, Choreoathetose in
linker Hand und Fuss, leichte Störungen der Sympathicusinner-
yation links (Temperaturdifferenz und Hyperidrosis der linken Hand,
absolute, linksseitige homonyme Hemianopsie (mit Aussparung
beider Maculae), Reste einer rechtsseitigen Oculomotoriuslähmung,
Internusparese). Ausser letzterer Läsion (offenbar an der Hirnbasis)
deuten die übrigen Erscheinungen auf eine ziemlich circumscripte Ver¬
letzung im Umkreis des rechten Thalamus opticus. Dabei fehlten
auffallenderweise die mimische Facialisparese der kontralateralen
(1.) Seite, die vielleicht durch die habituelle Hyperinnervatiou des linken
Facialis verdeckt war (ferner Störungen der Harnentleerung, Lachzwang).
Die Hemianopsie zeigte die Kriterien der Tractushemianopsie: hemiano-
pische Pupillenstarre, Sehnervenatrophie beiderseits, ferner
trägere Pupillenreaktion und grössere Pupillenweite auf Seite
der Hemianopsie, letztere beiden von Behr als charakteristisch be¬
schriebenen Symptome, die (aus bestimmten Gründen des Verlaufs der
pupilloreflektorischen Bahnen) die Hemianopsie als eine Läsion der pri¬
mären optischen Bahn von der sekundären differenzieren lassen. Die
Läsion kann also im vorliegenden Fall nur sitzen innerhalb der primären
optischen Bahn, Traotus opticus bis zum Thalamus bzw. Corpus genicu-
latum ext., nicht aber darüber hinaus.
Diskussion.
Hr. Feiichenfeld: Das von Herrn Stern gezeigte Symptom der
pupillomotorisohen Reflexstumpfheit auf der dem Herd gegenüberliegenden
Seite scheint in der Tat ein wichtiges Charakteristicum aller Tractus-
hemianopsien zu sein. Dem grösseren Ausfall sehfähiger Netzhaut in
der nasalen Hälfte (temporalem Gesichtsfeld) entspricht ein ebensoviel
grösserer Ausfall pupillomotorisch erregbarer Netzhaut; und so
erklärt es sich, dass dasjenige Auge, welches die pasple Net?hautbälfte
verloren hat, träger reagiert als dasjenige, welche die temporale Hälfte
verloren hat. Hier zeigt sich die ausserordentlich streng durchgeführte
Parallelität, welche zwischen Sebfunktion und der pupillomotorischen
Funktion der Netzhaut besteht. Dies wird noch deutlicher an jener Be¬
sonderheit, die das Symptom aufweist, dass es nur im Dunkeln sich
bemerkbar macht. Im dunkeiadaptierten Auge wächst die Heiligkeits-
empflndlichkeit der Netzhaut um das Vieltauseudfacbe; ebenso wächst
auch die pupillomotorische Erregbarkeit; aber nicht nur quantitativ
bestätigt die Dunkeladaptation diese Uebereiostimmung zwischen beiden
Funktionen der Netzhaut; auch qualitativ. Die Helligkeitsempfindlich¬
keit erleidet im dunkeladaptierten Auge eine Verschiebung; die Peri¬
pherie wirkt empfindlicher als die Macula, es entsteht ein physiologisches
centrales Scotom. Wir werden nun überrascht durch die Feststellung,
dass dieselbe Verschiebung auch die Reflexempfindlichkeit erfahrt,
dass die Peripherie im Dunkelauge reflektorisch erregbarer wird als
die Macula, während doeh im Hellauge die Macula so sehr überwiegt,
dass man lange sie für den alleinigen Ausgangspunkt des Re¬
flexes gehalten hat.
Hier setzt die Erklärung ein für unser Symptom. Die Macula sind
„ausgespart“. Im Hellauge überwiegen sie so sehr, dass jene Differenz
zwischen beiden homonymen Netzhauthälften sich pupillomotorisch kaum
bemerkbar macht. Erst im Dunkelauge treten die Maculae pupillo-
motoriscb zurück und lassen jene pupillomotorische Differenz zwischen
nasaler und temporaler Netzhauthälfte manifest werden.
Haben wir hier also ein charakteristisches und auch ohne Instru¬
mentarium feststellbares Symptom der Tractushemianopsie, so hat Herr
Stern mit Recht dem Willbrand’schem Prismenversuch keine Bedeutung
beigemessen. Dieser beruht auf der Auffassung, dass die vielfach trieb¬
artig erfolgenden Bewegungen der quergestreiften äusseren Augenmuskeln
auf eine Stufe zu setzen seien mit dem echten angeborenen Reflex der
Pupille und auf ebenso eingeschliffenen, präformierten Bahnen verlaufen,
eine Auffassung, gegen die ich mich in dieser Gesellschaft gelegentlich
einer Diskussion über den Sympathicus bereits ausgesprochen habe.
Hr. Schlesinger bespricht den Behr’schen Symptomenkomplex.
Die Erweiterung und trägere Reaktion der Pupille der dem Hirnherde
gegenüberliegenden Seite hat er durch Untersuchung mit seinem Peri-
pupilfometer bei 7 Fällen von Traotushemianopsie nachweisen können.
Die Erscheinungen beruhen darauf, dass der temporale Ausfall reflex¬
tüchtiger Elemente der Retina auf der dem Herde oontralateralen Seite
grösser ist, als der des Dasaleu Teils der anderen Seite, Die von Bebt
gleichfalls beschriebene Erweiterung der dem Herde gegenüberliegenden
Lidspalte bat er bei keinem seiner Fälle featstellen können.
Hr. Kaligeher:
Demonstratio« eines Präparates. (Aaearysma dissecans der Atria
mit Paraplegie).
Das Präparat stammt von einem 63 jährigen Schlosser, welcher an
ausgedehnter Arteriosklerose, an chronischem Magenkatarrh (Potator) und
an chronischer Nephritis gelitten batte, auch Lues hatte er wahrschein¬
lich durchgemacht.
Derselbe erkrankte kurz vor Ostern 1911 an einer mit leichtem
Fieber verbundenen Bronchitis, befand sich aber sonst ziemlich wohl,
als Vortr. ihn am Charfreitag vormittag besuchte.
In der Nacht vom Charfreitag zum Sonnabend bemerkte Patient,
dass er die Beine nicht bewegen konnte. Einige Stunden vorher war er
mit einem furohtbaren Schrei aus dem Bett gesprungen, hatte sieb dann
aber wieder beruhigt. Hitze und Schweiss hatten alsdann abgewechselt;
enormer Durst war vorhanden, das Wasser nioht kalt genug.
Als Vortr. ihn am Sonnabend früh um i f i S Uhr untersuchte,
fand er eine vollständige Paraplegie beider Beine; Füsse und
Zehen konnten auch nicht spurweise bewegt werden. Es handelte sich
um eine schlaffe Lähmung. Was die Sensibilität betrifft, so fehlten Be-
rühruDgs- und Schmerzempfindung (Kneifen von Hautfalten) in den
Beinen und in der ganzen unteren Körperhälfte bis in die Gegend des
linken und rechten Hypocbondriums vollständig. Von da ab bis zur
Mamilla waren die Angaben unsicher.
Von Reflexen konnte nur eine Plantarflexion der rechten grossen
Zehe hervorgerufen werden. Puls gegen 100; Atmung etwas beschleunigt.
Gesiebtsausdruck sehr äogstlicb. Circulation war in den Beinen vor¬
handen; keine Schmerzen daselbst.
In der oberen Körperhälfte waren keinerlei Störungen der Motihtzt
und Sensibilität zu bemerken. _
Urin konnte nioht gelassen werden; es fehlte das Gefühl für die
Blasenfüllung; es war seit dem Nachmittag des vorigen Tages kein Wasser
gelassen worden. .
Patient, welcher sogleich naoh dem Krankenhaus Friedrichaham
überführt wurde, starb daselbst noch am selben Vormittag, nachdem er
bereits somnolent aufgenommen worden war.
Bei der von Herrn Prof. Piok am Ostermontag vorgenommenen
Sektion fand sich als wesentlichster Befund ein ausgedehntes Aneu¬
rysma dissecans der Aorta thoT&cica.
Die Dissektion hat sich in der Weise vollzogen, dass die Bmtung
das Arterienrohr ganz umgreift im Bereiche des 4., 5., 6., 7. und 8. raar
der Intercostalarterien; vom 9. bis zum 10. Intercostalarterienpaare t el
schliesslich) umgreift die Blutung nur die linke Circumferenz der A° r ■
Beide 4. Intercostalarterien sind auf ihrer intraparietalen ^trec
zerstört, d. b. man gelangt beim Sondieren von der Munuu 8
an 4er Aorteninpeufläohe 4irekt in 4W BlvtbÖbU des ah
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cnlt Bi-, rjsmas; dasselbe ist der Fall bei Sondierung des 5., 6., 7. und 8. Paares
Brtiflük der Iotercostalarterien. Beim 9. und 10. Paare sind die rechten Inter-
HBütrii&i costalarterien intakt; die linken nieder auf der intraparietalen Strecke
m jöerB- zerstört.
Dielt r : Unterhalb des Abgangs der grossen Gefasse (Carotis, Subclavia) be-
ginnt in der Aorta eine schwere Sklerose und Atheromatose, die sich bis
«isoiiik «egen das Gebiet der 8. Iotercostalarterien hinzieht (erhabene Plaques
uiütüi:.’ und Ulcerationen).
cheo bei!» In der Höbe des 5. und 6. Intercostalarterienpaares findet sich ein
enpiDcic 1 cm langer Riss, der unmittelbar in das Aneurysmas hineinführt, und
igiterii von dem aus sich das Blut zwischen die Schichten der Aorta bei der
■sioiofc; Bildung des Aneurysmas hineingewühlt hat.
'eststfeiei Infolgeder geschilderten Unterbrechung des Verlaufs so vieler
ktiterik Intercostalarterien ist es in diesem Falle zu einer Blutabsper-
rer wird l rung im Dorsalteil des Bückenmarks gekommen, und damit finden
r üfemr die erwähnten Erscheinungen der Querschnittsunterbrechung des Rücken-
ct desL marks (Paraplegie usw.) ihre Erklärung.
Es dient dieser Fall zur klinischen Erhärtung der anatomischen
Macular- Untersuchungen von Eadyi und Adamkiewicz, welche nachgewiesen
se haben, dass die Art vertebralis für das Rückenmark keine besondere
irisch h»; Bedeutung besitzt, keine grössere, als die übrigen Gefasse, die sich längs
kider Spinalnerven zum Rückenmark begeben, d. h. die A. cervicales pro-
oz nki fondae, die A. intercostales, lumbales und saorales.
Die Untersuchung des Rückenmarks (speziell des Dorsalteils) nach
hce kr. NissJ hat keine sicheren Veränderungen der Ganglienzellen ergeben,
so fohl veil die Zeit von der Blutabsperrung bis zum Tode eine zu
. Beirr- kurze war.
fädln-;' Vortr. geht zum Schluss noch auf die Fälle der menschlichen Patho-
gessuir: logie ein, die eine gewisse Aehnlichkeit mit dem vorgetragenen Falle
Ma • besitzen (Paraplegien nach Aorten Verschluss u. a.) und bespricht die
i rffjj;-; Lähmongen und Bückenmarksveränderungen, die experimentell bei Ka-
jelejs;.: nioehen und Hunden durch Verschluss der Bauchaorta (Stenson’scher
j Mt Vsrsuoh, Versuche von Ehrlioh und Brieger u. a.) hervorgerufen werden
fc* Tonnen.
las.- Diskussion. I
;'iaec ?;■ Br. M. Roth mann: Mit den Fragen der arteriellen Blutversorgung
<0 fcW Buokenmarks, die Vortr. bei der Demonstration seines hochinter-
essanten Präparats besprochen hat, hat sioh R. vor einer Reihe von
rif rv Jahren vielfach experimentell beschäftigt. Ehrlich und Brieger haben 1
ja beim fianinchen zuerst den anatomischen Nachweis der völligen
r ,., ; Nekrose der grauen Substanz des Lendenmarks als Grundlage der Läh- ^
rnungen nach temporärer Abklemmung der Bauchaorta erbracht. Bei I ^
den höheren Säugetieren (Hunden und Affen) genügt nun eine einstündige I ^
Abklemmung der Bauchaorta, selbst wenn sie unmittelbar unter der *
Iffkr- mesenterica sup. angelegt ist, nicht, um dauernde Lähmungen der ! 8
Hinterbeine und eine Nekrose der grauen Substanz zu bewirken. Der ^
,; r , durch die von der A. vertebralis stammende A. spina lis ant. an der ^
Vorderfläche des Rückenmarks berabkommende Blutstrom vermag die I u
:j.: Absperrung der A. lumbales zu kompensieren. Erst wenn R. in einer I ^
Voroperation im unteren Brustmark die A. spinalis ant. mit den Vorder- I
strängen zusammen durebtrennte, konnte er durch die Abklemmung der |
r T . ^orta abdominalis die Nekrose der grauen Sustanz des Lendenmarks ^
erzielen. Beim Menschen ist das System der vorderen Spinalarterien
V: wei * stärker entwickelt als bei den höheren Tieren, und es erscheint °. (
,■ «jw unwahrscheinlich, dass eine Absperrung der Iotercostalarterien, I ei
selbst wenn sie io dem Präparat des Vortr. durch das Aneurysma dissecans j®
to( (ständig bewirkt sein sollte, eine dauernde Lähmung der Beine durch ™
Äuckenmarksnekrose auslösen konnte. Es wäre ja nun denkbar, dass
das Einströmen des Blutes in das Aneurysma auch die Carotiden und
«Mut die A. spinalis anterior blutleer und zur Kompensation unfähig na
gemacht hat. Es ist aber auffällig, dass die Untersuchung des Rücken-
oarks 10 Stunden nach Eintritt der Lähmungen keine Veränderung der v
Ganglienzellen nach Nissl ergeben hat. Hieraus kann man wohl schliessen, 111
wm bei längerer Lebensdauer sich wieder eine aktive Beweglichkeit der * ü
ßeine eingestellt haben würde. Die Blutversorgung des menschlichen | .
fwekenoarbs unterscheidet sioh demnach nioht wesentlich von den bei n “
den höheren Tieren gemachten Erfahrungen.
Er. Oppenheim macht darauf aufmerksam, das9 der Fall des Vor-
«y«nden ein Novum darstelle. Aus der Literatur sei ihm kein gleicher e j
Maoni Er frag t, wie sioh Vortr. das Zustandekommen der Abreissung “j
der Intercostalarterien vorstellt. ” ic
.. ^ r - Halischer (Schlusswort) konnte in der Literatur keinen ähn~ yol
icnen Fall finden. Die Abreissung der Intercostalarterien wird durch
ie arteriosklerotischen Prozesse in deren Wandungen erleichtert. Der mei
®aebtig anströmende Blutstrom brachte in Gemeinschaft mit den arterio- int<
«(erotischen Ge/asswand Veränderungen die Zerreissung der Intercostal- der
irtenefl auwege. beo
. & Schwarz: « ,ei
Er |euisse ult den Abderhalden’sclien BIitooteroach n m ethoden ai
^•r psychiatrische« Klinik der Ktfnigl. Chantd. Ers<
An der Hlinik sind etwa 160 Blutsera und 22 Liquoren untersucht Am
^ 88 nach der Dialysiermetbode und zum kleinen Teil nach der opti- hab<
uk Die Ergebnisse sprechen nicht für die Spezifität der krai
baufermente. Ein Organabbau, der für bestimmte Gruppen von Er- Unh
ungen charakteristisch wäre, konnte nicht festgestellt werden; die
Guorflussigkeiten zeigten niemals einen Abbau. Auf Grund seiner Er-
J logt Vortr. den Ergebnissen der Untersuchungen von Plaut,
I Friedmaon, Michaelis und Lange eine erhebliche Bedeutung bei;
in ihrer jetzigen Form sind nach den Ergebnissen an der psychiatrischen
Klinik die Abderbalden’schen Methoden nicht geeignet, die Diagnostik
oder das ätiologische Verständnis der Psychosen zu fördern. (Autoreferat.)
Diskussion. Hr. Bonhoeffer: Der Zeitpunkt für die klinische
Anwendung der Abderhalden’schen Methoden ist verfrüht. Es ist vor¬
eilig, auf Grund der Befunde mittels der Dialysiermetbode, wie man
dies schon will, forensische Diagnosen zu stellen oder operative Maass-
nabmen an der Schilddrüse vorzunehmen. Die Klinik soll vorerst noch
abwarten.
Hr. Kramer.* Paralysis agitaas-ähnliehe Erkrankung.
Es handelt sich um einen 58jährigen Kranken, der früher immer
gesund gewesen sein soll. Lues wird negiert. Der Beginn des Leidens
liegt nahezu 10 Jahre zurück, seit 5 Jahren ist er arbeitsunfähig. Es
bat sich allmählich eine Langsamkeit und Schwerfälligkeit aller Körper¬
bewegungen eingestellt. Die Sprache ist leiser und langsamer geworden.
Schnell aufeinanderfolgende Bewegungen, wie Nägeleinschlagen, kann er
nur schlecht ausfübren. Wenn er sioh aus gebückter Stellung aufrichtet,
taumelt er oft nach hinten. Die Beschwerden haben allmählioh zuge-
oommen.
Objektiv fällt die steife, etwas nach vorn übergebeugte Haltung, der
itarre maskenartige Gesichtsausdruck, die Langsamkeit und Schwerfällig¬
keit aller Körperbewegungen auf. Ferner besteht Seltenheit des Lid-
ichlages mit Tränen der Augen, Verharren in passiv gegebenen Stellungen
md Adiadochokinesis; ausserdem Retropulsion und öfters auch Latero-
lulsion. Diese Symptome entsprechen einer Paralysis agitans, doch
inden sich weder Zittern, noch Steifigkeit der Muskeln, nur bei passiven
lopfbewegungen besteht ein massiger Widerstand. Die Pupillen reagieren
uf Licht mangelhaft, die Wassermann’sehe Reaktion im Blut ist positiv.
>ie Augenbewegungen sind nach allen Richtungen behindert, es tritt
abei leichter feinschlägiger Nystagmus auf.
Bei langsamen Augenbewegungen kommt der Kranke meist noch
iwas weiter als bei schnellen. Ebenso sind die reflektorischen Augen-
swegungen bei Kopfdrehungen ausgiebiger als die willkürlichen, bleiben
dooh auch noch hinter der Norm zurück. Doppelbilder finden sich
cht. Drehnystagmus tritt in annähernd normaler Weise auf. Die
nstigen Hirnnerven, Reflexe, Sensibilität, elektrische Erregbarkeit, sind
»rrnal, ebenso zeigt das psychische Verhalten keine Anomalien.
Diagnostisch kommt entweder eine atypische Paralysis agitans in
itracht oder eine Herderkrankung auf arteriosklerotischer bzw. luetischer
isis, die mit der Paralysis agitans die Lokalisation gemeinsam hat.
merkenswert ist in jedem Falle das Fehlen der Steifigkeit trotz jahre-
)gen Bestehens der Krankheit. Der Fall zeigt, dass die Bewegungs-
»ruDg der Paralysis agitans ein selbständiges Symptom und nicht von
r Muskelsteifigkeit abhängig ist. Bei den AugenmuskelstöruDgen han-
it es sioh wahrscheinlich nicht um eine eigentliche Lähmung, sondern
i eine den sonstigen Bewegungsstörungen analoge Erschwerung der
genbewegung.
Diskussion.
Hr. Maas: Herr Kramer erwähnte, dass der von ihm demonstrierte
fcient alle Augenbewegungen mit pathologischer Langsamkeit ausführe.
Ich habe die gleiche Erscheinung bei einem Patienten gesehen, über
i icb im vorigen Jahre berichtet habe 1 ). Es handelte sich hier um
Leiden, das wahrscheinlich als Friedreich’sohe Krankheit aufzu-
en ist. Das gleiche Symptom ist aueh von Westphal bei einem
le von Pseudosklerose beobachtet worden 2 ).
In meinem Falle war nun bei calorischer Reizung des Vestibularis
folgende eigentümliche Verhalten gefunden worden: Einige Sekunden,
bdem die Ausspülung mit 1 bis 2 Liter Wasser von etwa 20° bei
ide gehaltenem Kopf ausgefübrt ist, kann Patientin, wenn das reohte
ausgespült wurde, die Augen nicht über die Mittellinie hinaus nach
rs bewegen, während die Augenbewegnngen nach rechts hin wie
>r mit pathologischer Langsamkeit erfolgen.
Wird das linke Ohr mit Wasser von 20° ausgespült, so kann Pat.
t über die Mittellinie hinaus nach rechts die Augen bewegen,
rend sie nach links hin die Augen wie zuvor mit pathologischer
jsamkeit bewegen kann.
Wurden die Ohren mit Wasser von 42° ausgespült, so tritt vorüber¬
gehend Störung der Augenbewegungen nach der Seite der Ausspülung
ein. Diese Bewegungsstörung nach Ausspülung mit warem Wasser ist
nicht so hochgradig wie nach der mit kaltem, ist aber ebenfalls mit
voller Sicherheit festgestelit worden.
Diese Störung der Augenbewegungen durch Vestibularisreizung ist
meines Wissens zuvor nicht beobachtet worden, and es würde wohl von
Interesse sein, ob bei dem von Herrn Kramer demonstrierten Patienten
der Augenbewegnngen mit der gleichen Langsamkeit wie der von mir
beobachtete Patient ansführt, durch calorische Vestibularisreizung die
gleiche Störung in Erscheinung tritt. (Autoreferat.)
Hr. Rothmaun: Die Differenz in dem Auftreten der spastischen
Erscheinungen, die hier nur den Nacken, in anderen Fällen nur die
Arme oder die Beine, oft noch mit Bevorzugung einer Seite, betroffen
haben, dürfte, wenn es sich bei diesen Paralysis agitaua-ahn liehen Er¬
krankungen um Linsenkernaffektionen handelt, bei der anatomischen
Untersuchung Anhaltspunkte für eine Lokalisation im Linsenkerngebiet
1) Nenrol. Zbl., 1918, Nr. 10.
2) Oppenheim, Lehrbuch, 6. Auf!., S. 446.
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UNiVERSITY OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nt. 27.
geben. Denn nach dem ganzen Aufbau unseres Centralnervensystems
werden wir auch hier eine bestimmte Lokalisation für die einzelnen
Körperabschnitte erwarten müssen. Es wird daher wichtig sein, bei den
Sektionen einschlägiger Fälle gerade auf diese Verhältnisse zu achten.
Hr. Kramer: Auf calorischen Nystagmus ist nicht geprüft worden.
Die Prüfung auf Drehnystagmus ergab normales Verhalten.
Hr. L. Borchardt:
Wahrscheinliche Affektion des oberen Halsmarkes.
Es handelt sich um einen 57jährigen Tisohler, dessen anamnestische
Angaben nur sehr ungenau sind. Er ist allem Anschein nach im Herbst
vorigen Jahres mit neuralgieartigen Schmerzanfällen in der Gegend der
rechtsseitigen Occipitalnerven erkrankt, ohne dass jedoch weitere Hirn¬
erscheinungen, wie Schwindel, Erbrechen oder dergleichen, aufgetreten
sind. Einige Zeit später Schwäche der Arme und Beine, wohl auch
Parästhesien, doch ist nicht sioher festzustellen, in welcher Reihenfolge
die Extremitäten erkrankt sind. Seit einigen Wochen ist der Kranke
unfähig zu gehen.
Bei der ersten Untersuchung am 24. April fand sich an den Hirn-
nerven, speziell am Augenhintergrund, nichts, dagegen eine Atrophie
der rechtsseitigen Schultermuskeln (insbesondere des Deltoides, Supra-
und Infraspiuatus), eine ausgedehnte Lähmung des rechten, eine geringere
des linken Armes, in beiden Armen und beiden Beinen eine leichte
lokomotorische Ataxie, aber keine Parese an den Beinen. Die Sehnen¬
reflexe an den Armen und Beinen lebhaft, Babinski beiderseits angedeutet.
Ueber die Sensibilität war ein Urteil nicht möglich, weil der Patient
unausgesetzt von Schmerzen geplagt wurde und nicht aufpassen konnte.
Beim Gehen taumelte Patient gelegentlich etwas, doch war eine aus¬
gesprochen cerebellare Gehstörung nicht mit Sicherheit festzustellen.
Andere Störungen seitens der Hirnnerven sind nie beobachtet worden.
Die Erscheinungen nahmen allmählich zu, es bildete sich eine links¬
seitige Neuritis optica aus, die auch von spezialistischer Seite bestätigt
wurde. Elektrisch fand sich weder in den atrophischen noch in den
anderen gelähmten Muskeln eine Veränderung. Die Augenhintergrund¬
affektion bildete sich später wieder zurück, so dass jetzt die Neuritis
optica nicht mehr festzustellen ist. Dagegen trat eine zunehmende
cerebellare Gehstörung und eine Pyramidenlähmung im rechten Bein
auf. Babinski war bald links, bald rechts vorhanden, manchmal beider¬
seits nicht sicher auszulösen. Die Sensibilität war am reohten Arm und
im Gebiete des Occipitalis major und minor der rechten Seite für alle
Qualitäten beeinträchtigt, doch konuten diese Störungen nicht bei jeder
Untersuchung konstant nachgewiesen werden, wie überhaupt die Beur¬
teilung der Sensibilität aus dem obenerwähnten Grunde immer erschwert
war. An der Wirbelsäule, auch am Röntgenbilde, war nichts Krank¬
haftes festzustellen, keine Spur von Nackensteifigkeit, die Funktion der
Hals- und Naokenmuskeln war gut. Die inneren Organe sind gesund,
der Urin frei. Die Wassermann’sche Reaktion ira Blut negativ, die
Lumbalpunktion wurde vermieden, weil der Krankheitsherd anscheinend
in der hinteren Schädelgrube zu Circulationsstörungen geführt hatte.
Es handelt sich demnach wohl um eine Erkrankung am oberen Hals¬
mark von im ganzen ziemlich rasch progredientem Verlauf, allerdings
mit einigen Schwankungen, die auch zu cerebralen Störungen geführt
hatten, sei es durch direktes Uebergreifen oder durch Circulationsstörungen
oberhalb des Herdes. Eine luetische Erkrankung ist nicht wahrschein¬
lich, auch eine Wirbelsäulenaffektion ist kaum anzunehmen. Es dürfte
sich wohl um einen intravertebralen, aber extramedullär gelegenen Tumor
handeln, vielleicht um eine diffuse Tumorbildung oder um multiple
Tumoren.
r L
Berliner otologlsche Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 27. März 1914.
Vorsitzender: Herr Schwabach.
Schriftführer: Herr Beyer.
Der Vorsitzende begrüsst als Gäste Herrn Direktor Schorsch von
der Städtischen und Herrn Direktor Wende von der Königlichen Taub¬
stummenanstalt sowie die Herren und Damen, Lehrer und Lehrerinnen
der beiden Taubstummenanstalten.
Es liegt eine Einladung des internationalen Kongresses für Gewerbe¬
krankheiten vor zu seiner Tagung am 21. bis 26. April in Wien.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Davidsohn:
Fall von blaner Cyste in einer Radikaioperationshöhle.
14 jähriger Patient mit alter Radikaioperationshöhle, in der sich vor
kurzer Zeit an der inneren Wand der Operationshöhle ein quer ver¬
laufender blauer Wulst fand, der auf den ersten Blick aussah wie der
Sinus; wenn man aber näher zusieht, bemerkt man, dass es sich um
eine blaue Cyste bandelt. Solche Cysten, deren Entstehungsursache
unbekannt ist, enthalten eine blutig fingierte Flüssigkeit, die die blaue
Farbe hervorruft. Ueber diese Art von Cysten ist schon mehrfach
auch in der Otologischen Gesellschaft berichtet worden.
HHr. Brühl und Direktor Schorsch (a. G.):
Fürsorge der Stadt Berlin für schwerhörige and ertanhte Sehnlkinder.
Hr. Brühl: In Berlin ist die vollständige Trennung der tauben
und nur hochgradig schwerhörigen Kinder durchgeführt worden; während
die ersteren in den Taubstummenschulen eingeschult werden, kommen
letztere in die von Hartmann gegründeten Schwerhörigenschulen. Einer
Untersuobungskommission (Prof. Brühl und Direktor Schorsch) werden
alle von den Schulen als schwerhörig gemeldeten Kinder vorgefübrt
1913 und 1914 wurden insgesamt 1304 Kinder gemeldet. 168 mal fanden
sich CerumiDalpfröpfe, 404 mal akute Mittelohrkatarrhe, 386 mal chro¬
nische Mittelohreiterungen. Als Momente für die Umschulung von schwer¬
hörigen Kindern aus der Voll- in die Schwerhörigenschule gelten:
1. Zurückbleiben der Kinder in der Vollschule, 2. Unteilbar¬
keit der Schwerhörigkeit, 3. Hochgradigkeit der Hörstörung
(Höreu der gewöhnlichen Sprache mit beiden Ohren weniger als 2,5 und
der Flüstersprache weniger als 0,5 m). Von 1304 schwerhörig gemeldeten
Kindern wurden 238 als geeignet für die Schwerhörigenschule gefunden.
(Einzelheiten sind aus der im Juli in der Zeitschrift lür Schul¬
gesundheitspflege erscheinenden Publikation zu ersehen.)
Hr. Schorsch: 1. Ueber die Ermittelung der schwerhörigen
Schulkinder. 1912 kamen unter 224187 Berliner Sohulkindern 3416
wegen Ohrenkrankheiten in Ueberwachnug. Unter Mitwirkung der Lehrer
und Leiter der Gemeindeschuleu wurden 1913 510, 1914 735 schwer¬
hörige Kinder gemeldet. Bei der Anmeldung waren berüoksiohtigt die
bisherigen Schulverhältnisse des Kindes, das Urteil des Klassenlehrers
über die geistige Beanlagung und die Leistungen im Unterricht, be- I 7 :7; '
sonders auch, ob nach der Wahrnehmung des Lehms die Teilnahme am | •
Unterricht infolge von Schwerhörigkeit erschwert, unvollkommen oder |
ganz unmöglich ist; ferner Untersuchungsbefund und das Gutachten der ’ :: *
Kommission. Für die Untersuchung kamen ferner diejenigen Kinder in •'
Frage, die als taubstumm gemeldet, bei der kreisärztlichen Untersuchung I ”
aber als für den ScbwerhörigeDunterricht geeignet erkannt wurden. End-
lieh wurden diejenigen Schulrekruten vorgeführt, die bei der ersten • - :
schulärztlichen Untersuchung als stark schwerhörig ermittelt worden
waren.
2. Die unterrichtliohe Fürsorge Berlins für die gehör¬
leidenden Schulkinder. Es kamen zunächst Maassnabmen für die
Schulgesundheitspflege duroh die Schuldeputation in Betracht.
Mitteilung des Ohrbefundes der in der Normalscbule verbleibenden
Kinder, Hinweis für die Eltern wegen obren ärztlicher Behandlung und
Aufklärung der Oeffentlichkeit durch das städtische Naohrichten&mt
Bevor auf die schulunterrichtlichen Veranstaltungen eingegangen wurde, > .
besprach der Vortr. eingehend die Abgrenzung der Bezirke für die ;
Taubstummheit uud Schwerhörigkeit, die Sprachnatur beider Gebrechen,
Schulpflicht und SchulunterhaltuDg und die Unterrichtsfächer. Die von ,
Berlin getroffenen Schuleiurichtungen sind:
a) Für Taubstumme. 1. Die Kindergärten (Aufnahme vom vierten
Jahre ab; Aufgabe: Bei eben Ertaubten Erhaltung der Sprache, bei
Kindern mit Hörresten deren Ausnutzung und Schärfung, hei total
Tauben: Entwicklung der natürlichen Stimme).
2. Die Taubstummenschule (mit achtstuftgem Aufbau und Trennung
nach der geistigen Befähigung).
3. Die Fortbildungsschule für taubstumme Jünglinge und Mädohen
mit dreistufigem Aufbau (Lehrfächer: Berufs- und Lebenskunde, Lektüre,
Schriftverkehr, Rechnen, Raumlehre, gewerbliches Zeichnen; für die
Mädchen noch: Handarbeit, Kochen und Plätten).
b) Für Schwerhörige bestehen zurzeit im Norden, Osten und
Süden drei besondere sechsklassige Schulen; die vierte Schwerhörigen¬
schule im Nordwesten ist im Aufbau begriffen. Insgesamt hat Berlin
zurzeit 27 Klassen mit rund 300 Schülern (= 2 /iBpCt. der Gesamtheit).
Eine Fortbildungskiaase für Schwerhörige ist beantragt.
Für die hochgradig und unheilbar schwerhörigen Kinder, die in der
Normalschule gut fortkommen und deshalb dort bleiben, sollen besondere
Absehkurse eingerichtet werden. In einer vom Direktor der städtischen
Taubstummenschule gehaltenen pädagogischen Sprechstunde ist den
Eltern und Angehörigen der tauben, schwerhörigen und spraohgestörten
Kinder Gelegenheit geboten, sich über die Erziehung ihrer Kinder und
die unterrichtlichen Veranstaltungen für sie Rat zu holen.
Diskussion.
Hr. Max Senator: Herr Brühl und ebenfalls Herr Schorsch
haben die geläufige Tatsache erwähnt, dass viele Kinder mit massiger
Schwerhörigkeit, wenn sie imstande sind, das Gesicht des Lehrers zu
sehen, besser hören. Ich möchte daran erinnern, dass auch bei diesen
Kindern mit massiger Schwerhörigkeit auf Refraktionsanomalien des
Auges untersucht werden muss, namentlich dann, wenn die nach dem
Grade der Schwerhörigkeit zu erwartende Hörverbesserung ausbleibt, ob¬
wohl das Kind von seinem Platze aus den Lehrer erblicken kann^ So¬
viel ich weiss, hat Herr Brühl diese Refraktionsanomalien nur für die
Kinder erwähnt, welche als hochgradig schwerhörig in Ablesekursen
Unterkommen finden.
Hr. Herz fei d: loh möchte fragen, ob in allen Fallen von fehlender
Vestibularerregbarkeit absolute Taubheit bestand. Bei der grösseren
Vulnerabilität des Cochlearis wird dies ja meist zutreffen. Ich muss
mich aber sehr irren, wenn ich bei meinen Taubstummenuntersuchungen
- - - - - die
vor einigen Jahren nicht doch verschiedene Fälle gesehen habe,
trotz absoluter Unerregbarkeit des Vestibularis noch Hörvermögen zeig« ’
wenigstens bei der Prüfung mit der kontinuierlichen Tonreihe.
Dann möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck 8 e ^ e P> a v
Kollege Brühl einmal eodlich aufgehört hat, zur Entscheidung, ob T*
stummenanstalt oder Schwerhörigenschule, die Obren einzeln mR
tinuierlicher Tonreihe usw. und Flüstersprache zu prüfen. So wiss
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6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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schaftlich das ist, so hat es praktisch -wenig Wert. Es handelt sioh um
die rein praktische Frage, was kann der Betreffende hören oder nicht,
und zwar mit beiden Ohren. Allerdings möchte ich bei dieser Prüfung
noch einen Schritt weiter geben als Kollege Brühl. Ich würde die
Hörprüfungen mit zugewandtem Gesicht -vornehmen, da das Absehen die
Perception doch sehr erleichtert und der Lehrer doch schliesslich beim
Unterricht auch sein Gesicht den Schülern zuwendet.
Hr. Beyer: Die Fürsorge für Schwerhörige betrifft, wie ich sehe,
nur Berliner Kinder. Wir kommen aber sehr häufig in die Verlegenheit,
in der Klinik auch Kinder von Leuten, die ausserhalb, in Vororten
wohnen, zu behandeln. Da können wir nicht Rat erteilen, weil wir
nicht informiert sind, ob anderwo für schwerhörige Kinder Ab lese unter¬
richt erteilt wird. Nimmt denn die Stadt Berlin auch Kinder, die ausser¬
halb wohnen, in ihre Schwerhörigenschulen soweit auf, dass die Kinder
weiter ausgebildet werden können? (Zuruf: Ausnahmsweise!) Es wäre
vielleicht wertvoll, wenn gerade für diese Leute von ausserhalb Rat¬
schlage in Gestalt von gedruckten Formularen verteilt werden könnten,
damit sie Bescheid wissen, wohin sie sich im gegebenen Falle zu wenden
haben.
Hr. Müller als ärztliches Mitglied der städtischen Schuldeputation
bemerkt, dass die Kinder der Eltern, die nicht in Berlin ansässig sind,
in der Regel nicht in Berlin aufgenommen werden können. Es kommen
jedoch ausnahmsweise Fälle von Aufnahmen vor; diese bedürfen aber
einer besonderen Genehmigung der städtischen Schuldeputation.
In bezug auf die schwachsinnigen hörstummen Kinder ist in der
letzten Sitzung der städtischen Schuldeputation die Bestimmung getroffen
worden, dass sie in einer besonderen Klasse einer Gemeindescbule in der
Blumenstrasse gesammelt werden sollen.
Hr. Direktor Wende: Es bestehen einige Irrtümer, insbesondere
durch einige Ausführungen des Herrn Prof. Hartmann veranlasst, der
sich um die Beschulung der Schwerhörigen überhaupt, besonders aber
in seinem letzten Buche über die Schwerhörigkeit so besonders verdient
gemacht hat.
Zunächst möchte ich feststellen, dass die Königliche Anstalt noch
existiert. Herr Hartmann gab uns damals den wohlgemeinten Rat,
sie aufzulösen. Der preussische Staat denkt nicht daran, kann es auch
nicht, weil sie gleichzeitig Lehrerbildungsanstalt ist und eine Uebungsschule
gebraucht wird. Die neue Anstalt wird in Neukölln gebaut und soll
allen modernen Anforderungen entsprechen mit Garten, Spiel- und Sport¬
plätzen, wo die Kinder nicht nur unterrichtet, sondern auch erzieherisch
beschäftigt werden.
Herr Prof. Harm ann bat dann auch gesagt, die Königliche Anstalt
scheidet nicht nach bestimmten Rücksichten. Auch das ist nicht der
Pall. Die Königliche Anstalt muss ja schon, weil sie Lehrerbildungs¬
anstalt ist, die Ergebnisse der Wissenschaft in die Praxis umzusetzen
rochen, muss alles prüfen und das Beste behalten.
Die Frage der Scheidung der Kinder nach bestimmten Rücksichten
wt an der Königlichen Taubstummenanstalt auch gar keine Etats-, son¬
dern nur eine Lokalfrage. Wir haben in den Kursisten 20—24 Hilfs¬
lehrer, da können wir scheiden, so viel wir wollen.
Prinzipiell scheidet man ja die Kinder in solche, die noch hören,
und solche, die nicht hören. Ich bin sehr dankbar, dass Prof. Brühl
und Kollege Schorsch uns gezeigt haben, wie wir praktisch differen¬
zieren. Kinder, die die Flüsterstimme hören, sind zu uns überhaupt
nicht gekommen. Wenn die Kinder die Sprache erlernt haben, auch
wenn sie verstümmelt ist, so gehören sie in die Schwerhörigenschule,
wenn aber die Kinder mit Gehönesten die Sprache nicht erlernt haben,
wenn sie sich der Gebärdensprache bedienen, so gehören sie in die Taub-
stummenschule. Wenn der Weg für die impressive Bahn der Sprache
. bleibt, mit Hilfe des Absehens zwar, so gehören sie in die
Schwerhörigenschule, und wenn der Unterriohsweg das Auge bleibt, ge¬
hören sie in die Taubstummenschule.
Herr Dr. Haenlein vollzieht seit 4—5 Jahren die Prüfung der Ge-
horreste mit der kontinuierlichen Tonreihe. Aber diese Untersuchung
hat mehr theoretischen als praktischen Wert. Im vorigen Jahre wurde
J? , 1D ®i ner Konferenz des Reichsgesundheitsamts gegen die ausdrückliche
Meinung des Herrn Prof. Wann er-München ausgesprochen, dass die
Prüfung mit Sicherheit erst im Anfang des dritten Schuljahres erfolgen
wun, also erst dann, wenn ein zuverlässiger Kontakt zwischen dem
Prüfenden und dem Kinde bergestellt ist. Wir benutzen aber die Gehör-
*™ker, insonderheit beim Artikulationsunterricht, und da ge¬
nügt uns tatsächlich die Prüfung mit der Sprache, nicht mit der Flüster¬
sprache, sondern mit der Konservationssprache. Auf die Kinder, die
_ »°kale aussprechen können, wenn sie sie durch das Ohr percipieren,
Müssen wir natürlich Rücksicht nehmen, und sie in besonderen Klassen
szmmeln.
Und nun noch eins. Die Kinder, die später ertaubt sind, bedürfen
Meiner Ansicht nach der Fürsorge und Absonderung von den anderen
J. . ^ m ehr als die mit geringen Hörresten begabten. Die Kinder,
« lm 6*» 7. Schuljahr ertaubt sind, als sie die Sprache schon völlig
frischten, sitzen oft zusammen mit solohen Kindern, die mühsam die
Mten Elemente der Sprache lernen. Das ist falsch. Denn sie können, |
sie rasch absehen lernen, gesondert tatsächlich ein höheres Ziel
^ a ^ en e ^ eQ e i° e Klasse solcher Kinder entlassen. Aach
p^ 1D( * er haben bei uns in der Zukunft eine besondere Fürsorge.
Es wurde von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Schwerhörigen
s^prochen, da interessiert es vielleicht, dass wir für die Taubstummen
im letzten Jahre eine gut durcbgearbeitete Statistik anfgestellt haben
über alle im nacbschulpflichtigen Alter stehenden Taubstummen der
Provinz Brandenburg und der Stadt Berlin. Es ist erfreulich, dass unter
1240 Taubstummen in der Provinz Brandenburg nur 78 unterstützungs¬
bedürftig sind. Das ist eine Zahl, die beinahe geringer ist, als die der
Hörenden, die unterstützungsbedürftig sind. Unter diesen sind zehn,
die noch an anderen schweren Gebrechen, wie Blindheit leiden.
Die Statistik in Berlin hat versagt. Nur 1096 sind durch die
Polizeibehörde gezählt worden, es müssen aber mindestens 3000 sein.
Es scheinen nur die gezählt zu sein, die einen festen Wohnsitz haben.
Ferner ist es interessant, dass in der Provinz Brandenburg ganz
wenige Taubstumme im Alter von 20—40 Jahren sind. Wenn der
Mensch erwerben und gemessen kann, geht er nach Berlin; denen, die
arbeiten wollen, müssen wir Arbeit verschaffen. Das soll jetzt geschehen
im Anschluss an die Wanderarbeitsstätten der Provinz Brandenburg,
und wenn Herr Prof. Brühl für die Schwerhörigen Reklame macht, so
gestatten Sie mir wohl die Bitte, auch den Fürsorgeverein für Taub¬
stumme für die Provinz Brandenburg hilfreich fördern zu helfen.
Hr. Halle: Die Fürsorge für die Schwerhörigen kann nicht früh
genug beginnen. Gelegentlich meiner Untersuchungen über die
Ozaenafrage habe ich in den Schulen so unendlich viel ohrenkranke
Kinder gesehen, die nicht behandelt worden sind, dass man doch, glaube
ich, die Schuldeputation recht nachdrücklich darauf aufmerksam machen
soll. Je früher solche Kinder in sachgemässe Behandlung gebracht
werden, desto weniger werden sie in den Zustand kommen, den
Prof. Brühl soeben dargestellt hat, der zu dauernder schwerer Störung
führt und zu langjähriger Fürsorge zwingt.
Hr. Haenlein: Ich möchte meine Freude darüber aussprechen,
dass Herr Prof. Brühl der Prüfung mit der Sprache bei der Untersuchung
taubstummer resp. schwerhöriger Kinder grösseren Wert beilegt wie der
Prüfung mit der Tonreihe, die nur wissenschaftlichen Wert, aber keinen
für die Schule hat. Darin stehe ich auch im Gegensatz zu den von
Schröder geäusserten Ansichten. Wenn bei einer Sitzung im Reichs¬
gesundheitsamt, wo die statistischen Fragebogen für das Tzubstummen-
wesen zur Diskussion standen, die Prüfung mit der Tonreihe bei Taub¬
stummen für ebenso wichtig wie die Radikaloperation von einem Herrn
nach mir gewordener Mitteilung bezeichnet wurde, so muss dem entgegen
getreten werden.
In der medizinischen Klinik hatte Voss einen begeisterten Artikel
über die Königl. Taubstummenanstalt in München veröffentlicht. Der
Artikel hatte zur Folge, dass hei vielen die Meinung aufkam, München
leiste mehr wie andere Städte im Taubstummen wesen. Dass in München
keine Schwerhörigenschulen sind, dass infolgedessen dort viele Kinder in
der Taubstummenanstalt sind, die z. B. in Berlin in den Schwerhörigen¬
schulen unterrichtet werden, wird in weiteren Kreisen nicht berück¬
sichtigt. Ich habe mit Herrn Schulrat Wende dienstlich mich in der
Münchener Taubstummenanstalt informiert, und kenne als Hausarzt
unsere königl. Anstalt in Berlin. Das Schülermaterial der beiden An¬
stalten weist wegen des Fehlens der Schwerhörigen in der Berliner
Anstalt so grosse Unterschiede in den beiden Städten auf, dass man
kaum Vergleiche stellen kann.
Hr. Brühl: Ich möchte auf die Anfrage des Herrn Senator ant¬
worten, dass es ausserordentlich wichtig ist, dass die Kinder, die am
Absehunterrichte teilnehmen sollen, auch normal sehen können, und dass
durch Beachtung von Reflektionsanomalien bei leicht schwerhörigen
Kindern die spontane Absehfähigkeit sicher gesteigert werden kann.
Herrn Herzfeld erwidere ich, dass es selbstredend auch Totaltaube
gibt, die noch einen erregbaren Vestibularapparat haben. Wir können
jedenfalls mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bei einem Kinde, das wir
noch nicht genau auf seine Hörreste hin untersuchen können, auf voll¬
kommene Taubheit schliessen, wenn das Kind vestibulär unerregbar ist.
Wir prüfen das Vermögen, mit beiden Ohren zu hören, mit ab-
gewendetem Gesicht, weil es sich auch in der Schule nicht immer
ermöglichen lässt, dass der Lehrer den Kindern das Gesicht zuwendet.
Ich freue mich, dass ich mich mit Herrn Haenlein über die kon¬
tinuierliche Tonreihe in Uebereinstimmung befinde. Wenn man die
Bezold’schen Arbeiten über Taubstummheit liest, fällt einem auf, dass
Bezold die von ihm geprüften Kinder wahrscheinlich immer zuerst mit
der kontinuierlichen Tonreihe und dann erst mit der Sprache geprüft
hat. Das Rationellste ist es doch, bei Kindern, die erst Sprache hören,
auoh zuerst mit der Sprache zu prüfen. Ich habe kein Kind finden
können, bei dem ich keine Reaktion auf die Sprache, wohl aber auf
Töne bekommen hätte. Ich halte es für richtig, dass wir die Töne z. B.
zur Kontrolle benutzen, ob das Kind Sprachlaute, Mie es wiederholt*
auch gehört bat.
Man wird von Tauben und Schwerhörigen oft getäuscht; und auch
Totaltaube sprechen Vokale nach, die sie gar nicht gehört haben
oder behaupten, dass sie in einen Stimmgabelton hören, wenn die
Stimmgabel nur scheinbar angeschlagen wurde. Die Prüfung der kon¬
tinuierlichen Tonreihe ist für uns Otologen unentbehrlich. Wir brauchen
sie zur Diagnosenstellung. Es hat auch bei praktisch Tauben Interesse,
zu wisseü, ob im Unterricht verwendbare Hörreste noch vorhanden sind!
leb freue mich, zu hören, dass in Berlin eine volle Uebereinstim¬
mung zwischen Otologen und Taubstummenlehrern vorhanden ist, und
gerade die Ausführungen des Herrn Direktor Wende haben uns darüber
belehrt, dass auch die Anschauungen der Königl. Taubstummenanstalt
identisch sind mit denen der städtischen. So ist zu erwarten, dass auch
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
bei den neueren Bestrebungen etwas Einheitliches und Erspriessliches
für das Schwerhörigen- und Taubstummenwesen Berlins herauskommen
wird.
Hr. Direktor Schorsch: Was die auswärtigen Taubstummen an¬
betrifft, so hat die städtische Behörde beschlossen, dass sie solche
Kinder mit einem Schulgeld von 200 M. aufnimmt. Es ist nun die
Frage, was mit den schwerhörigen Kindern geschieht, die in der Dorf¬
schule oder in kleinen Städten sitzen. Diese Frage ist sehr schwierig,
sie wird bei der Tagung der Taubstumtpenlehrer in Breslau 1915 be¬
handelt werden. Wenn wir für Gross-Berlin eine einheitliche Schul¬
behörde etwa in dem Bezirk des Zweckverbandes hätten, wäre die Frage
für uns leicht zu lösen. Es brauchten sich ja nur die Vororte zu¬
sammenzutun oder sich mit Berlin und Charlottenburg in Verbindung
zu setzen. München wird wahrscheinlich seine Hörklassen auch in eine
Schwerhörigensobule umwandeln.
Vereinigung zur Pflege der vergleichenden Pathologie. 1 2 * )
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 27. Februar 1913.
Vorsitzender: Herr P. Schiemenz.
Schriftführer: Herr Max Koch.
1. Hr, P. Schienen!:
Die Krankheitsemheinnngen bei den Fischen in allgeneinen.
(Der Vortrag erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
2. Hr. Willer:
Die Bandwnrm8enehe der Fische (Lignlosis und ihre Wirkung anf die
inneren Organe der Fische).
(Der Vortrag erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
3. Hr. Wnndseh:
Die Ueberträger der Bandwnrnsenche der Fische, 5 )
Es ist festgesteltt, dass die Ligulosis in den letzten Jahren starke
Fortschritte in den brandenburgischen Binnengewässern gemacht hat.
Im Müggelsee sind etwa 80 pCt. aller Cypriniden erkrankt, und die
Seuche greift neuerdings auch auf die Bestände an Leuciscus rutilus
über. Die Hauptschuld au dieser starken Ausbreitung trifft nicht so
sehr, wie man bisher angenommen, die Podicepsarten (Haubentaucher),
sondern vorwiegend die auf dem Zug unsere Gewässer passierenden Säger
(Mergus merganser, M. serrator, M. albellus) und Möven (Larus canus,
L. ridibundus), die einen ausserordentlich starken Besatz mit geschlechts¬
reifer Ligula aufweisen. Als Gegenmaassregel ist den Fischern Fern¬
haltung der betreffenden Vögel, soweit erreichbar, auf die Dauer von
zwei Jahren, und besonders sorgfältige Beseitigung aller an Ligulosis
erkrankter Fische (auch der „unterraaassigen“) zu empfehlen, soweit
solche beim Fang in ihre Hände geraten. Wilde und zahme Gänse und
Enten sowie Wasserhühner und Eisvögel kommen normalerweise als
Ueberträger nicht in Betracht, Storch und Reiher dürfen ihrer relativen
Seltenheit wegen praktisch vernachlässigt werden.
Diskussion. Hr. Heller fragt nach der Schädlichkeit dieser
Parasiten für den Menschen, die von dem Vortr. verneint wird.
4. Hr. Törlitz:
Die Rolle der Protozoen bei den Fischkrankheiten. (Demonstration
von Lichtbildern.)
5. Hr. Seydel:
Ueber die Pockenkrankheit der Karpfen. (Demonstration von Licht¬
bildern.)
Hr. Schiemenz (Schlusswort): Gegen den übermässigen Schutz der
Wasservögel muss energisch protestiert werden. Gegenüber der volks¬
wirtschaftlich wichtigen und notwendigen Ausbeutung der Fischschätze
unserer Seen muss der Schutz dieser „Naturdenkmäler“ in den Hinter¬
grund treten. _
Sitzung vom 28. April 1913.
Vorsitzender: Herr Max Koch.
Schriftführer: Herr H-eller.
1. Hr. Falk: Demonstration von Schizosoma reflexnm.
Vortr. demonstriert Präparate von Schizosoma reflexum aus dem
hiesigen pathologischen Museum. Es handelt sich um eine Missbildung,
welche sich bei Kälbern findet und dadurch charakterisiert ist, dass
durch eine Aendbrung der Wachstumsrichtung der Rumpfplatten diese
sich nioht vorn (ventral), sondern auf der Rückenfläche der Frucht ver¬
einigen. Hierdurch kommt es zu einer Umstülpung des ganzen Skeletts
in dem Sinne, dass die Schädelbasis nach oben, das Schädeldach nach
unten gerichtet ist, dass die Wirbelkörper gleichfalls nach oben, die
Wirbelbogen nach unten sehen, die Rippen sind infolgedessen, während
die Extremitäten normale Lage haben, über dem Rücken der Frucht
vereinigt. Bei der niehtskelettierten Frucht liegen die Brust- und
Bauchorgane aussen, die Haut im Körperinnern. Die Missbildung stellt
einen höchsten Grad von Brust- und Bauchspalte dar mit divergierender
1) Bei der Redaktion eingegangen am 10. V. 1914.
2) Vgl. die ausführliche Publikation in den Mitteilungen des
Fischereivereins für die Provinz Brandenburg, Bd. 4, S. 178—183.
Wachsumsrichtung der Rumpfplatten. Es ist diese Missbildung deshalb
interessant, weil sie uns eine Erklärung gibt für die formale Genese der
Bauchspalten. Auch bei diesen finden sieb bisweilen Störungen, welche
auf eine Aenderung der Wachstumsrichtung der Ursegmente binweisen.
So demonstriert Falk einen Fall von Bauchspalte bei Sirenenbildung
aus der Sammlung der hiesigen Königl. Frauenklinik, bei der das Becken
nicht ventral, sondern dorsal von der Wirbelsäule liegt. Derartige Miss¬
bildungen beweisen, dass Aenderungen in der Wachstumsrichtung neben
Störungen im Breitenwachstum der Ursegmente die Ursache der Bauch-
spalten sein können. Aber neben dieser Störung der Wacbstumsricbtnng
des Achsenskeletts in dorso-ventraler Richtung findet sich bei Schizo¬
soma reflexum eine Aenderung der Frucbtachse in cranial-caudalcr
Richtung insofern, dass durch eine hochgradige Lordose der Wirbelsäule
Kopf und Becken sich berühren. Auch derartige Störungen der Wachs-
tumsrichtung des Achsenskeletts finden sich bei menschlichen Miss¬
bildungen von angeborener Skoliose. Falk demonstriert derartige Prä¬
parate, die durch eine primäre Abbiegung der Fruchtacbse zu erklären
sind. Ihre Entstehung führt in die erste Zeit der Entwicklung, in der
die häutige Wirbelsäule noch nicht zur vollen Entwicklung gekommen
ist, zurück, wie sich aus charakteristischen Störungen in der Segmentie¬
rung und Ossifikation nachweisen lässt.
2. Hr. Kantorowicz:
Demonstrationen aas der tierärztliche» Praxis.
Hasenscharte (Bulldogge), rachitische Hunde, Nähnadel in der Zange
eines Teckels, Blasenstein bei einer MopshündiD, durch Ascariden ver¬
ursachte Darmeinstülpung bei einem Schäferhund, Fingernagel im Con-
junctivalsack eines Hundes, Prolaps bei der Katze, Aehre in der Nieren-
gegend, Lipom vom Darm eines Pferdes, Nähnadel bei einem Teckel,
Stiefelabsatz und Nadel im Hundedarm usw.
3. Hr. Max Koch:
Epithelwuchernnge» darch Gastrophilaslarven in Mag» des Pferdes.
Demonstration eines Pierdemagens mit etwa 400 Larven von zwei
verschiedenen Gastropbilusarten. Im Speiseröbrenabscbnitt des Mageos
sind eine Anzahl Larven fast völlig vom Plattenepithel umwuchert, so
dass nur noch kleine Abschnitte von ihnen in kraterartigen Vertiefungen
zu erkennen sind. Dabei finden sich zapfenlörmige Epithelwucherungeo,
die aber kaum als atypische zu bezeichnen sind. Im Drüsenmagen
finden sich in der Umgebung der Anheftungsstelle der Larven Wuche-
nmgsprozesse der Magendrüsen. Die von Petit und Germain 1 ) be¬
schriebenen mikroskopisch kleinen adenomatösen Gebilde wurden in
diesem Falle vermisst. Ob sich auf der Basis der durch die Gastro-
philu9larven gesetzten Veränderungen gelegentlich maligne Neubildungen
entwickeln können, ist nioht eruiert, erscheint aber bei der Seltenheit
derartiger Geschwülste am Magen des Pferdes fraglioh.
4. Hr. Max Koch:
Ueber die Spiropterea als Parasite» and Gesehwalsterreger.
Im Hinblick auf die bekannten, höchst interessanten Feststellungen
Fibiger’s gibt Vortr. eine kurze Zusammenstellung über das, was wir
bisher über diejenige Nematodengattung wissen, zu denen Fibiger die
von ihm im Ratteamagen gefundenen Würmer rechnet, sowie über das,
was über den Parasitismus der Vertreter dieser Gattung bisher bekannt
geworden ist. Es ist dies die von Rudolphi zuerst aufgestellte Gattung
Spiroptera. Viele ihrer Vertreter wurden früher zur Gattung Fil&ria
gestellt, von der sie sich aber durch das geringere Längenmaass und die
grössere Dicke des Körpers, die Lage der sogenannten Seitenwülste bei
beiden Geschlechtern und die der Gesohlechtsöffnung beim Weibchen
(weiter hinten als bei Filaria) wesentlich unterscheiden. Die Männchen
der Spiropteren besitzen wie die verwandten Gattungen Ascaris, Oxyuris
und Trichocephalus ein eingerolltes Hinterende, ausserdem eine Bursa
copulatrix und zwei ungleiche Spicula. Die Unterscheidung der ver¬
schiedenen Spezies des Genus Spiroptera geschieht hauptsächlich aof
Grund der Zahl und Anordnung der analen Papillen. Die Fortpflanzung
der Spiropteren vollzieht sich durch Eier, die schon zur Zeit der Ablage
einen Embryo in Wurmgestalt aufweisen. Diese Eier müssen zu ihrer
Weiterentwicklung in den Körper einer Crustacee oder eines Insektes
gelangen, wo die Embryonen ausschlüpfen und sich nach Durchwanderung
der Darmwand und weiterem Wachstum in den Muskelfasern, im Fett¬
körper oder dgl. nach Art der Trichinenembryonen enoystieren. Bisher
ist der sonach unter einem Wechsel des Wirtes verlaufende Parasitismus
folgender Arten geklärt:
a) Spiroptera rhytipleurites Deslongehamps — erwachsene
Form im Magen der Ratte —, Larve im Fettkörper der Küchenschabe
(Galeb 1878).
b) Spiroptera obtusa Rud. — erwachsene Form im Magen ver¬
schiedener Mäuse- und Rattenarten (Mus domesticus, sylvaticus, decu-
manus usw.) —, Larve im Mehlkäfer (Tenebrio molitor) und dessen Larv
(Mehlwurm) (Leuckart und Marchi). . - .
c) Spiroptera sanguinolenta Rud. — erwachsene Form,in
Speiseröhre und im Magen des Hundes —, Larve in Blatta onen
(Grassi 1888). . -
d) Spiropteraturdi — erwachsene Form im Magen verschied
Drosselarten —, Larve im Regenwurm (Lumbricu9 terrestris).
e) Spiroptera un ein ata — erwachsene Form im Wawerfi®
(Enten, Gänsen usw.) —, Larven in Daphnia pulex (Wasse
(Hamann 1905).
1) Bull. soc. biol., 1907, p. 405.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Ausserdem gibt es noch zahlreiche andere Arten aus Säugetieren,
Vögeln, Reptilien und Amphibien, von denen die Larven ebenso wie die
Wirtstiere, in denen diese ihre Weiterentwicklung durchmachen, bisher
nodi unbekannt sind.
Von den meisten Spiropterenarten werden, da sie frei im Lumen
des Intestinaltraktus leben, keinerlei Gewebsveränderungen hervorgerufen.
Dagegen sind solche bekannt von denjenigen Arten, die sich in die
Wandungen der Speiseröhre und des Magens der Wirtstiere einzubohren
pflegen. Nach unserer bisherigen Kenntnis sind das vor allem Spiro-
ptera sanguinolent» und Spiroptera megastoma. Erster« erzeugt an der
Speiseröhre und im Magen des Hundes flache derbe Geschwülste, letztere
im Magen des Pferdes bis faustgrosse Tumoren. Histologisch erinnern
diese geschwulstartigen Bildungen ausserordentlich an die durch Fiiaria
oder Onchocerca volvulus Leuck. hervorgerufenen Knoten, d. h. man findet
in mannigfach gestalteten Hohlräumen, die von derben Bindegewebslagen
umschlossen sind, zahlreiche Durchschnitte von Würmern in allen mög¬
lichen Richtungen. Nur dass natürlich bei den Spiropterenknoten die
freien Embryonen im Gewebe fehlen. In der diese Spiropterenknoten
überziehenden Schleimhaut der Speiseröhre oder des Magens des Hundes
bzw. Pferdes sind immer eine Anzahl kleiner geschwüriger Oeffnungen
vorhanden, aus denen die Spiropteren zeitweise berausragen, um ihre
Eier abzusetzen, die auf diese Weise mit dem Kot der Träger nach
aussen gelangen, um alsdann von Schaben oder anderen Insekten (der
Wirt der Larve von Sp. megastoma des Pferdes ist noch unbekannt!)
auigenommen zu werden.
Wucherungen des Plattenepithels der Speiseröhre oder der Drüsen
der Magenschleimhaut hat Yortr. bei Spiroptera sanguinolenta und Sp.
megastoma bisher nicht konstatieren können. (Demonstration von Prä¬
paraten und Lichtbildern.)
Insofern unterscheiden sich die bisher bekannten Spiropteren also
dnrehaus von den von Fibiger gefundenen Nematoden, die fast aus¬
schliesslich im Epithel schmarotzen und dadurch mehr an gewisse in der
Speiseröhre des Schafes und anderer Haustiere schmarotzende Rundwürmer
der Gattung Gongylonema erinnern.
Zorn Schlüsse gibt Vortr. ein kurzes Referat über die Experimente
Fibiger’s und erörtert endlich noch die daraus zu ziehenden Folge¬
rungen. Letztere dürfen nach Meinung de9 Vortr. selbstverständlich
nicht dahingezogen werden, das9 nun eine möglichst eifrige Suche nach
ähnlichen Würmern in menschlichen Geschwülsten betrieben wird, son¬
dern rielmehr in der Richtung, durch weitere Versuche festzustellen, ob
von den Würmern produzierte chemische Stoffe die Gesohwulstentwicklung
erzeugen oder ob etwa die Uebertragung eines invisiblen Virus durch
die Würmer vermittelt wird.
Diskussion.
Hr. Saul: Nach den lehrreichen Erörterungen des Herrn Vorsitzenden
möchte ich mir bezüglich der Versuohe von Fibiger einige Bemerkungen
gestatten. Die ätiologischen Beziehungen der Helminthen zu Binde-
substanz- und Epithelialgeschwülsten sind seit langer Zeit bekannt. Ich
darf nur an die Fibrome erinnern, die durch die Fiiaria Bancrofti hervor-
gerufen werden, und an die gutartigen und bösartigen Epitheliome der
Harnblase, deren Erreger der Bilharziawurm ist. Fibiger hat gezeigt,
dass als Erreger der bei Ratten endemisch auftretenden, gutartigen und
bösartigen Epitheliome des Magen-Darmkanals Filarien in Betracht
kommen. Nach den Resultaten von Galeb, die Fibiger bestätigt hat,
fungieren Schaben als Zwischenwirte derselben. Fibiger gebührt das
Verdienst, als erster diese Rattentumoren mikroskopisch untersucht zu
buben. Den Nachweis, dass Insekten oder Helminthen bzw. deren Eier
durch toxische Stoffwechselprodukte geschwulsterregend wirken können,
verdanken wir dem Pflanzenpathologen Beyerinck.
Hr. Max Koch: Durch die historischen Reminiscenzen, die Herr
Saul eben vorgebracht hat, wird das Verdienst Fibiger’s m. E. nicht
i® geringsten geschmälert. Eine echte maligne Geschwulst durch experi-
wentell eingebraohte Würmer bei Tieren zu erzeugen, ist keinem der
genannten forscher gelungen, und gerade das dürfte doch der springende
Punkt sein.
Sitzung vom 27. Mai 1913.
Vorsitzender: Herr Heck.
Schriftführer: Herr Heller.
n J- Hr ’
ogisehe and verwaadte Ertebeiaaagea hei fossilen Tieren.
(Der Vortrag ist in Nr. 86, 1918, dieser Wochenschrift abgedruckt.)
Diskussion. Hr. Heck gibt an, dass ihm tortuose Molaren von
siefanten ans der Tiergärtnerpraxis der neueren Zeit nicht bekannt ge¬
worden sind.
Ausserdem spricht noch znr Diskussion Hr. C. Ben da.
Ä ^iHr. Joliao Heller:
■wttipisehe Demonstration der Haat des Mamma t, aegyptisch er
m «ad perataiseher Mamiei.
(Der Vortrag ist in Nr. 16, 1914, dieser Wochenschrift abgedruckt.)
Diskussion. HHr. Hilsheimer, Heck, Heller, Koch, Benda.
1 Davidsohn: Bei dem „Steinkind von Tegel“ (Msehr. f. Geburtsh.,
41 u auc ^ keine Kerne mehr färben, obwohl der Fötus nur
we im Leib der Mutter gelegen hatte. Dagegen gelang die
«oung des Bindegewebes und der Muskelfasern noch sehr gut
Bei der Untersuchung der Nilpferdhaut bin ich über die Zartheit
der Haut der sogenannten Dickhäuter überrascht gewesen, die Oberhaut
war nicht dicker als beim Menschen. Allerdings fanden sich auch hier
dicke Bindegewebsbalken in der Cutis.
Sitzung vom 26. Juni 1913.
Vorsitzender: Herr Carl Benda.
Schriftführer: Herr Heller.
1. Hr. Mähsani: Demonstration eines schweren Falles von Aktino-
mykose der Langen and Plenren.
2. Hr. Klett: Demonstration von makroskopischen und mikroskopi¬
schen Präparaten von Aktioomykose.
Diskussion. HHr. Heller, Sohneidemühl, Pick, Benda
Mühsam.
Hr. Max Koch demonstriert zwei Schädel von verschiedenen
Känguruharten mit aktinomykotischen Knochenveränderungen an den
Unterkiefern.
3. Hr. Carl Lewin: Ueber Myom des Meerschweinchens.
Diskussion. Hr. E. Christeller zeigt ein makroskopisches Prä¬
parat von einem sehr grossen Myom des Meerschweinchens.
4. Hr. Schmey:
Ist der sogenannte Schiiddräsenkrehs der Forellenflscbe ein echtes
Carcinom?
In meiner Arbeit über „Neubildungen bei Fischen“, die vor nicht
langer Zeit in der Frankfurter Zeitschrift für Pathologie erschienen ist,
briDge ich, wie ich hoffe, wohl eine vollständige Zusammenstellung der
bei Fischen bis dahin beobachteten echten Neubildungen. Aus dieser
Zusammenstellung, die 59 verschiedene Einzelbeobachtungen umfasst,
können Sie erkennen, dass wohl fast alle gewöhnlichen Neubildungen,
begonnen beim einfachen Fibrom bis hinauf zum Carcinom, zur Kenntnis
der Autoren gelangt sind. Wenn ich nun heute besonders einiges über
den Krebs bei Fischen demonstrieren möchte, so ist dabei auf eine Mit¬
teilung Bonnet’s aus dem Jahre .1883 zurückzugreifen. Bon net be¬
richtet nämlich in jenem Jahre in der Bayerischen Fisebereizeitung über
eine Krankheit, von der die Seeforellen in der Fischzuchtanstalt in
Torbole am Gardasee befallen wurden, und die in wenigen Monateu
3000 Opfer forderte. Er beobachtete Geschwülste am Boden der Mund¬
höhle und an den Kiemenblättern, die rasch wuchsen und zum Tode der
Tiere führten. In der Mundhöhle zu beiden Seiten der Zunge am ersten
und zweiten Kiemenbogen fand er erbsengrosse, breiige, weiche, blaurote,
glatte Geschwülste und ähnliche, etwas kleinere konfluierende Knoten
central an den Kiemenbögen. Ueber die Natur dieser Geschwülste gibt
Bonn et keine sicheren Feststellungen, er hebt aber hervor, dass er in
den Knoten einen epithelialen, Öfters röhrigen Bau aogetroflfen habe.
Dann folgen eine grössere Anzahl von Beobachtungen aus Amerika, wo
in einzelnen Forellenzüchtereien eine Geschwulstbildung epidemieartig
aufgetreten war. Die Beobachter berichten übereinstimmend, dass bei
den verschiedenen Forellenarten meist in der Mittellinie der Ventral¬
wand des Pharynx eine Geschwulstbildung einsetzt, die auf die Kiemen¬
bögen und Kiemenblättchen übergeht und die alle Charakteristika eines
Carcinoms aufweist. Dazu kommen aus den Jahren 1901/1902 Feststellungen
von M arianne Plehn, die an fünf kranken Forellen und Bachsaiblingen
erhoben wurden. Die sogenannten „Kropffisohe“ stammen aus dem
Starnbergersee. Schon der Name „Kropffische“, den die Fischer diesen
so erkrankten Tieren beilegten, Hess erkennen, dass die Geschwülste,
genau wie dies von Bonnet und den anderen Autoren beschrieben wird,
etwa in der Gegend des Pharynx sassen; Plehn hebt ausdrücklich
hervor, dass die Tumoren im Bau vollkommen mit dem menschlichen
Carcinom übereinstimmen. Sie zeigten gleich diesen die Neigung, in¬
filtrierend in die Nachbarschaft vorzudringen, die Muskeln, selbst die
Knochen za zerstören, die Kiemenarterien einzuengen und anzufressen.
Ungeklärt blieb nur noch die Frage, woher nehmen diese Tumoren ihren
Ausgangspunkt, und auf welchen Momenten beruht das endemische Auf¬
treten dieser Geschwülste bei den Forellen.
Was nun die erste Frage nach dem Ausgangspunkt dieser Ge¬
schwülste betrifft, so hat L. Pick diesen Punkt geklärt, durch Unter¬
suchungen geführt an einem Material, das ihm im Jahre 1905 aus einer
amerikanischen Züchterei direkt 2 Ugeiührt worden war, und das ihm er¬
möglichte, an 10 Exemplaren die Frage nach der Natur und der Ur¬
sprungsstelle dieser Tumoren nachzugehen. Der Ursprung aller dieser
Tumoren ist die Schilddrüse. Ich gehe hier auf die einzelnen Daten
des Beweises, der allerseits anerkannt ist, nicht weiter ein. Ich ver¬
danke es der Freundlichkeit von Herrn Prof. L. Pick nicht nur, dass
ich Ihnen einige dieser Fischexemplare zeigen kann, sondern auch, dass
es mir möglich ist, eine Reihe wohlgelungener Diapositive hier vorzu¬
führen.
Die beiden ersten Diapositive 9ind Photographien der Plehn’scben
Abbildungen, die ziemlich primitiv gehalten sind. Es sitzt in jedem
Falle ein Tumor aussen am Mundboden, und im zweiten Falle ist er
nach innen durcbgebrochen. Die dritte und vierte Projektion sind Auf¬
nahmen von Pick’schen Originalpräparaten. Fisch 3 zeigt einen Tumor
aussen, Fisch 4 einen Tumor am Mundhöhlenboden nach Spaltung des
Kopfes von oben gesehen. Die folgenden vier Diapositive sind nach
Präparaten von Pick hergestellt. Der erste Tumor davon sitzt oral-
wärts von der Commissur der Kiemendeckel, der zweite zwischen den
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1292
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
Kiemenblättern, der dritte stellt eine Kombination von den beiden dar
und der vierte gibt endlich Fisch und Tumor im Mediansohnitt.
Von den mikroskopischen Diapositiven sind die beiden ersten wieder
nach Präparaten von Plehn gemacht. Das erste veranschaulicht einen
Schilddrüsentumor, der sich um ein Blutgefäss herum ins Fettgewebe
schiebt, der zweite Schnitt ist wohl etwas dick, zeigt aber carcinomatöse
dicke Epithelmassen von alveolärer Struktur. Alle folgenden Präparate
sind Aufnahmen nach dem Material von Pick, und es war möglich, an
seinem Material, zumal unter Ergänzung durch einige Tumoren von neu¬
seeländischen Forellen morphologisch eine vollkommene Serie rein
homöotoper Schilddrüsenwucherungen bis zum ersten, dem menschlichen
vollkommen identischen Carcinom darzustellen.
Der 3. Schnitt zeigt einen Kolloidkropf wie beim Mensohen.
Schnitt 4 die adenomatöse Form der Struma thyreoidea; die Alveolen
liegen dicht gedrängt, das Stroma ist fast ganz geschwunden.
Schnitt 5 zeigt eine ganz besonders starke Epithelwucherung, so
dass die Grenzen schon ganz verschwimmen.
Schnitt 6 veranschaulicht die vollkommene Destruktion und Zer-
fressung eines Muskels.
Schnitt 7 zeigt bei mehrdrüsigem Typus eine vollkommene Zer¬
störung von Knochen.
Schnitt 8 und 9 geben eine vollständige Identität mit dem mensch¬
lichen Carcinom, so dass jeder Unterschied gleich null ist. Davon zeigt
9 einen ausgesprochenen Scirrhuscharakter.
Im ganzen also, m. H., epitheliale, destruierende Schilddrüsen¬
tumoren von wechselnden histologischen Formen, jedenfalls teils von
Typus des Adenocarcinoms oder von reinem carcinomatösen Bau.
In den Publikationen von zwei Amerikanern, Marine und Lenhart,
macht sioh nun in den letzten Jahren eine andere Auffassung geltend.
Die Autoren sagen, dass es sich bei diesen Schilddrüsentumoren der
Forellen nicht um ein Carcinom, sondern in allen Fällen um eine ein¬
fache hyperplastische Schilddrüse handelt. Die Verfasser sind
zu dieser Auffassung auf einem Wege gelangt, der uns in Deutschland
für die Erforschung der Frage nicht offen stand, nämlich auf dem bio¬
logischen. Sie unternahmen ihr Untersuchungsmaterial — gesundes
und krankes — in allen Alters- und Entwicklungsstadien der Tumoren
den Teichen ein- und derselben Züchterei. Sie erhoben dabei den Be¬
fund, dass eine gleichmässige „destruierende Schilddrüsenhyper¬
plasie“ bei allen von ihnen untersuchten Tieren bestand und dass
ferner für die Entstehung dieser Schilddrüsenhyperplasie von ausschlag¬
gebender Bedeutung sei: 1. Die Ueberfütteruog der Fische, 2. die
Uebervölkerung der Teiche mit Fischen und 3. damit im Zusammenhang
stehend eine zu grosse Verunreinigung des Wassers. Weiter endlich
stellten Marine und Lenhart fest — und das ist das Interessante —,
dass diese Schilddrüsenhyperplasien regressiver Metamorphosen fähig
seien, und zwar bildeten sie sich vollkommen zurück, wenn man I. die
Futtermenge verringerte, 2. wenn man die Zahl der Fische in einem
Teich herabsetzte, 3. wenn man die Fische in klares, besonders in
fliessendes Wasser brachte und endlich 4. wenn man dem Wasser Jod
zusetzte.
Ihr Schluss ist der, dass die anatomische Struktur danach für
die Diagnose des Carciooms bei diesen Tieren nicht ausreiche, und dass
der Prozess wesentlich vom biologischen Standpunkt zu be¬
urteilen sei.
Man wird hier bei dieser ganzen Frage, wie dies seinerzeit von
Pick in rein morphologischem Sinne geschah, unwillkürlich zu dem Ver¬
gleich mit dem Mäusecarcinom gedrängt. Bei dem Mäusecarcinom wie
bei dem Schilddrüsencarcinom sind die rein histologischen Bilder mit
denen des menschlichen Carcinoms ohne Zweifel identisch; bei den
Mäusecarcinomen besteht zwar oft eine deutliche Inkapsulierung, aber
dooh andererseits zweifellos Metastasenbildung — bei Forellenfischen ist
im Gegensatz zu anderen Kaltblütern eine Metastasenbildung noch nioht
beobachtet worden —, aber dafür die energische Destruktionstendenz.
Und doch sind die einen wie die anderen durch bestimmte Mittel zur
Rückbildung zu bringen.
Meines Erachtens sind aber gerade die genannten Charaktere
— Destruktion und Metastasenbildung — in Verbindung mit dem be¬
kannten Bau der Tumoren bestimmend für die Diagnose des Carcinoms.
Daran äadert die Möglichkeit einer Regression unter bestimmten Ver¬
hältnissen nichts, und wir müssen nach wie vor diese Neubildungen
— unbeschadet der biologischen Besonderheiten — als Carcinom deuten.
Diskussion.
Hr. L. Pick: Die Auffassung der amerikanischen Autoren sämt¬
licher Schilddrüsentumoren bei den Salmoniden als „einfache Hyper¬
plasien“ geht viel zu weit. Sicherlich ist ein Teil, namentlich der
kleineren, einfacher Kropf, auf den sich, wie P. schon früher hervor¬
gehoben hat, dann das Carcinom aufpfropft. In den Veröffentlichungen
der amerikanischen Untersucher fehlen gerade diejenigen Bilder, die das
Ueberraschende unter diesen Funden ausmachen: die mit dem Carcinom
des Menschen und der Säugetiere identischen. Eine Deutung solcher
Befunde als Produkte einer Atrophie und Cirrhose der Schilddrüse bzw.
des Kropfes ist vollkommen unzulässig, da in P’s Fällen Tumoren von
derartigem Bau sicherlich progrediente sohnellwachsende Geschwülste
darstellen.
Auch wenn, was noch keineswegs erwiesen ist, gemäss der Be¬
hauptung von Marine und Lenhart, alle diese Tumoren rück-
bildungsfähig werden, so wäre dies lediglich ein biologischer Unter¬
schied gegenüber dem menschlichen Carcinom, etwa so, wie diesen auch
die histologisch, typisch krebsig gebauten Mäuseoaroinome zeigen. So¬
lange überhaupt die Neubildungen nioht ätiologisch und nicht biologisch
definiert und eingeteilt werden, soodern rein histologisch, müssen
epitheliale destruierende Geschwülste von dem bekannten alveolären Bau
als Carcinome bezeichnet werden, und in diesem Sinne ist an der
Existenz eines Schilddrüseokrebses der Salmoniden kein Zweifel.
Weiter sprachen zur Diskuszion: HHr. Weichei und Benda.
5. Hr. C. Benin:
Demonstration vom Limi£rekiliern verschiedener Blitparasitea.
Diskussion; Hr. Knutb.
Hr. L. Pick demonstriert Lumiereaufnahmen von Spirillen des
Rüokfallfiebers beim Menschen, der Hühnerspirillose; Trypanosoms
Gambiense und Lewisii; Babesia canis; Halteridium der ägyptisoben
Haustaube und Malaria tertiana und tropica.
6. Hr. Friti Meyer:
Ueker die Histologie der experimentellen Diphtkerieintoxikation des
Kaninchens.
(Der Vortrag erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Sitzung vom 30. Oktober 1913.
Vorsitzender: Herr Eber lein.
Schriftführer: Herr Heller.
1. Hr. Heinroth:
Beohaehtugen über das Seeleilebei der EnteivÖgel. (Mit Lichtbildern.)
(Bereits in den Verhandlungen des 10. internationalen Zoologen¬
kongresses zu Berlin 1910 erschienen.)
2. Hr. Pfnnrst:
Ueber neurotische nid psychotische Znstinde hei Affen. (Mit Vor¬
stellung kranker Tiere.)
(Der Vortrag erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Schillings: Schreckerscheinungen, die sich wohl leicht zu
Reflexen ausbilden, treten schon bei frisch gefangenen, namentlich jungen
Affen (z. B. Pavianen) sehr leicht und schnell auf. Die Erektion bei
einem männlichen Papio bei Anblick der weiblichen Hinterseite ist jeden¬
falls merkwürdig und vielleicht auf dieselbe Weise zustande gekommen,
wie Potenz bei anderen Säugern, die oft an ganz bestimmte (oft merk¬
würdige) Bedingungen geknüpft ist. So soll in Frankreich ein Eselhengst
nur dann Pferdestuten decken, wenn der Wärter eine weisse Schürte
trägt (weil die Bäuerin, die ihn aufzog, eine weisse Schürze getragen
hatte).
Es wird ein Film in Berlin gezeigt, wo ein Cercopithecos seine Pfote
in einen Kürbis (als Falle) steckt und — die Handmuskulatur nach Er¬
greifung einer Lockspeise innen zusammenziehend (eine Faust bildend) —
nicht wieder imstande ist, sie zu öffnen und so gefangen wird. Kann
das auf Wahrheit beruhen, so ist diese Meerkatze allerdings nicht im¬
stande, sich zu befreien, weil sie nicht auf die „Idee“ kommt, die Hand
zu öffnen. Jedenfalls stebt aber die Intelligenz hochstehender Affen weit
über der aller anderen Tiere.
Hr. Rothmann: Ich hatte den Eindruck, als ob die krankhaften
Bewegungen der hier gezeigten Affen ganz verschiedenartig waren.
Während es sich bei zweien um wirklich krampfartige Zuckungen handelte,
schien mir bei dem ersten das Greifen nach seinem Bein auf eine gewisse
Sensibilitätsstömng, vielleicht ataktischer Art zurückführbar.
Hr. Klingner: Ich habe den Nachahmungstrieb oft beobachtet, und
zwar bei den Hagenbeck’schen Affen im Zirkus Busch. Ein Affe sab,
dass der Dompteur sich puderte, er nahm sofort die Puderquaste und
puderte sich in derselben Weise, wie der Dompteur. Der Affe zog die
Remontoirubr auf. Beide Affen gingen auf meine Frau wütend los, als sie
mit einem Pelz in das Zimmer trat, ebenso stürzten sie auf alle Leute
los, die in den unteren Reihen des Zirkus mit Pelzsaohen sassen.
Ausserdem beteiligten sich an der Diskussion die Herren Benda,
v. Lucanus, Klingner, Wille.
Die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder (Heller, Max Koch,
Knuth) wurden durch Zuruf wiedergewählt.
Sitzung vom 27. November 1913.
Vorsitzender: Herr Robert Meyer.
Schriftführer: Herr Heller.
Hr. E. üppel (a. G.): Demonstration von Röntgenbildem eines Falles
von Osteomalacie mit multiplen, timorartigen KnoehenzehweUnngen.
Vortr. demonstriert einen Fall von Ostitis fibrosa deformans mit
grossen Knocbeotumoren am Becken und beiden Femora. Es handelt
sich um eine 39 Jahre alte Frau, die vor 12 Jahren wegen Epulis eine
Resektion des rechten Unterkiefers durchmachte. Ihr Knochenleiden
wurde akut während einer Gravidität im Jahre 1903. Es traten damals
zunehmende Schmerzen namentlich in den Knochen des Beckens und
beider Oberschenkel auf, unter heftigen Schmerzattacken kam es zu
mehreren spontanen Frakturen der langen Röhrenknochen und zu der
bis kindskopfgrossen Geschwulstbildung an beiden Femora und der
rechten Darmbeinschaufel. Das Becken zeigt osteomalaoischen Typus,
die Wirbelsäule eine hochgradige Skoliose, der Thorax ist hühnerbrust-
artig vorgebogen. Die Tumoren werden naoh ihrer Struktur im Röntgen-
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6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1293
bilde bei dem überaus chronischen Verlauf der Erkrankung’für gutartige
Cystenbildungen gehalten, entsprechend der cystenbildenden Ostitis fibrosa
deformans oder der metaplastischen Malade Recklinghausen’s.
Diskussion.
Hr. Robert Meyer bespricht die anatomischen Befunde bei Ostitis
fibrosa, weiche einmal in einem der Osteomalacie ähnlichen Knochen-
schwuode bestehen durch vermehrte lakunäre Resorption, Bildung per¬
forierender Kanäle und einfache Kalklösung (Halisterese). Die Meinungs-
Tersohiedenheiten über die Beteiligung dieser 3 Arten von Knochen-
scbvund beruhen ebenso wie bei Osteomalacie auf individuellen Ver¬
schiedenheiten der Fälle. Des weiteren ist typisch die Neubildung
grösstenteils malerischen Knochens durch Osteomyelitis fibrosa, welche
unter Verlust der Markzellen faseriges Bindegewebe liefert. Daraus ent¬
wickelt sich in verschiedener Menge osteoides Gewebe; die stärkere fibröse
Wucherung erzeugt die tumorartigen Anschwellungen, in welchen teils
regressive Prozesse (Erweichung), teils progressive („Riesenzellsarkom-
bildung“) Vorkommen.
Nach Schmorl’s Ansicht ist zwischen diesen Fällen und den Fällen
von „Osteomalacie mit Riesenzellsarkomen“ kein Unterschied.
Die von Herrn Sippel in den Röntgenbildern der Knochen gezeigten
helleren Stellen sind nicht ohne weiteres als erweicht oder cystisch auf-
xu/asseo; sie entsprechen den malacischen und fibrösen Knochenpartien.
Die Stellen mit Riesenzellwucherungen sind makroskopisch bräunlich,
und es ist anzunehmen, dass in der Tat schon vor 12 Jahren ein solcher
Prozess im Unterkiefer bestand; v. Bergmann wäre es wohl nicht ent¬
gangen, wenn ein anderer Befund Vorgelegen hätte.
Im übrigen entspricht der klinische Befund, insbesondere die ganz
erhebliche Verschlimmerung des Leidens in der ersten Gravidität dem
Bilde der Osteomalacie. Wir sind also weder anatomisch noch klinisch
berechtigt, eine scharfe Trennung zwischen Osteomalacie und Ostitis
fibrosa zu befürworten.
Hr. Oskar Rosenthal: Ich möchte an den Herrn Vortragenden
die Frage richten, ob der Urin dieses Falles auf Albumosen untersucht
ist; difierentialdiagnostisch käme nach meiner Meinung nämlich noch
multiples Myelom in Frage.
Hr. 0. Meyer - Stettin berichtet über einen Fall von Ostitis fibrosa
bei einer 48jährigen Frau, die im Anschluss an eine Geburt erkrankt
wir. Der Prozess war hier am intensivsten an den Extremitäten knochen,
deu langen Röhrenknochen sowohl wie der kurzen Knochen entwickelt,
während Becken und Wirbelkörper (Schädel konnte nicht untersucht
werden) relativ wenig beteiligt waren. Im Femur fanden sich beiderseits
grosse Cysten. Die Corticalis der langen Röhrenknochen war diffus ver¬
dickt und ebenso wie die kurzen Knochen von braunen Herden durch-
zetzt. Sämtliche Knoohen waren weich und leicht schneidbar. Stärkere
Deformitäten oder Tumorentwickelung war nicht zu beobachten. Die
histologische Untersuchung ergab, dass es sich um eine typische Ostitis
fibrosa handelt. Io den rarefizierten Knochenbalken ist überall aus¬
gesprochene lakunäre Resorption durch Osteoklasten zu beobachten, die
Knochenkörperchen sind überall gut entwickelt, breite kalk lese Säume
fehlen, dagegen sind schmale osteoide Säume mit Osteoblasteubelag viel¬
fach vorhanden. An Stelle der resorbierten Kooohensubstanz findet sich
besonders in den kurzen Knochen überall ein mehr oder weniger zell-
reiches Bindegewebe. Auffallend ist die grosse Menge der Riesenzellen
besonders in den braunen Stellen, an denen von Kooohensubstanz viel¬
fach überhaupt nichts mehr nacbzuweisen ist.
Dar Fall ist besonders bemerkenswert, weil sich die Erkrankung
hier bei einer Frau im Anschluss an eine Geburt entwickelt hat, was
sonst nur von der Osteomalacie beschrieben ist. M. ist mit Schmorl
wr Ansicht, dass eine scharfe Trennung von Osteomalacie und Ostitis
fibrosa, wie v. Recklinghausen und die Kaufmann’sche Schule ver¬
langt, nicht dnrohzufuhren ist.
•. ?. r ‘ ®°k er t Meyer bezweifelt, ob Myelome bei ähnlichem Krank-
heitsbilde Vorkommen, welohes im vorliegenden Falle doch sicher osteo-
oalacische Prozesse zur Voraussetzung habe.
.. 2a bedauern, dass uns hier niemand mit Erfahrungen über
nie Schnüflelkrankheit belehrt hat, welche bisher teils der Rachitis, teils
j yrieomalacie zugerechnet wurde, uod nach neueren Untersuchungen
legiera (bei Schmorl) ebenfalls eine der Ostitis fibrosa nahestehende
Erkrankung ist; nur ist nicht so reichlich kalkloses Gewebe vorhanden.
Aewologisch hat man Erkrankungen (Hyperplasie, Tumorbildung) eines
Epithelkörperchens in Betracht gezogen, doch ist dieser sowohl bei Osteo-
Sk ? e k®* Ostitis fibrosa und bei der Scbniiffelkrankheit gelegent-
m e, hobene Befund zu inkonstant, um ätiologisch bereite verwertbar
. 2. Irl. E. Weishanpft spricht a) über cystische Erweiterungen des
tJJ #TI . ni M Meerschweinchen. Das im Hilus ovarii gelegene Rete
eoenzo wie die intraovariellen Markschläuche, von älteren Autoren vom
^ülechtsteil der Urniere hergeleitet, werden neuerdings wohl all-
gtoaiu als Derivate des Keimepithels betrachtet. Beide finden sich
unt 0< l er W6D *K er entwickelt resp. rückgebildet bei allen daraufhin
wsuchten Haussäugetieren; beim Meerschweinchen sind sie stets in
Nächtlicher Ausdehnung vorhanden und unterliegen, wie an Licht-
J erD gezeigt wird, vielfach pathologischen Veränderungen. Das in der
r J® *!“ Geflecht von netzförmig verzweigten, unregelmässigen epithe-
dri , gen darstellende Rete und die in die Ovarialsubstanz vor-
ogeuaen Markschläucbe weisen Dilatationen und cystische Verände¬
rungen auf, in die grosse Teile des Organs, einmal das gesamte Ovarium
bis auf unbedeutende Reste, aufgegangen sind, wobei in diesem letzten
Falle eine Vergrösserung des Eierstocks auf das Doppelte des normalen
Volumens stattgefunden bat. An einem fibrös umgewandelten Ovarium
werden von der Wand des Rete ausgehende bindegewebige, mit Epithel
bekleidete Papillen demonstriert, die in die Lumina der Stränge binein-
ragen; im Zusammenhang damit ist das Ovarium von epithelbesetzten
Schläuchen und Cysten durchsetzt
Diskussion.
Hr. Robert Meyer demonstriert zur Vergleichung das Rete ovarii
beim Menschen und die sich daran schliessenden Derivate der „Mark-
sträuge“, deren Blastem beim Menschen im fötalen Leben unentwickelt
bleibt, aber später meist kleine Cysten liefert, zuweilen auch adeno¬
matöse Wucherung. Diese „Markstränge“ sind homolog den Tubuli recti
des Hodens und möglicherweise können sich gelegentlich auch darüber
hinaus den Tubuli recti homologe Kanälchen im Ovarium bilden. Ein
solcher glandulärer Hermaphroditismus liegt vermutlich gewissen Adenomen
des Ovariums zugrunde, von denen ein Fall von Pick und ein zweiter
von Schickeid beschrieben wurde als „Adenoma tubuläre ovarii testi-
culare“. M. hat in 4 Fällen (Demonstration) solohe Adenome gefunden,
von denen drei histologisch in Adeoocarcinome übergingen, Metastasen
machten und zum Tode führten, das Schicksal des vierten ist unbekannt.
Das Rete ovarii wird bei älteren Frauen stärker entwickelt gefunden;
die sekundären Geschlechtscharaktere werden im Alter verändert.
Frl. E. Weishanpt demonstriert b) experimentelle Deciduabildnng.
In der Brunstzeit nach dem Wurf war bei einem Meerschweinchen das
eine Uterushorn nach dem Vorgänge vonLeoLoeb mehrmals horizontal
durchschnitten, das eine Segment longitudinal gespalten, die Schleim¬
haut möglichst evertiert worden. An den Einschnitten hatten sich nach
9 Tagen erbsengrosse Knötchen gebildet. Das diese aufbauende Gewebe
besteht aus Deciduazellen mit epithelioidem Kern und Protoplasmamantel,
unregelmässig geformten Bluträumen, zahlreichen Capillaren und einigen
Drüsengängen. An der Grenze zwischen Uterus und neugebildetem Ge¬
webe finden sich vereinzelte mehrkernige Riesenzellen, in den decidualen
Zellen reichlich Glykogen, rnfiltrationszellen in den verschiedenen Knötchen
in verschiedener aber nirgends beträchtlicher Menge. Weitere Versuche
ergaben, dass nach vorhergehender oder gleichzeitiger Exstirpation der
Ovarien die decidualen Bildungen nicht auftraten, woraus zu folgern ist,
dass nicht nur die innersekretorischen Ovarialstoffe, die Hormone, zu
ihrem Aufbau nötig sind, sondern weiter, dass diese Stoffe sehr rasch
aus dem Körperhaushalt verschwinden.
Leo Loeb hat Decidua bei Meerschweinchen als Folge verschiedener
Versuchsanordnungen, auch durch Einlegen von Glasröhrchen, Platin¬
drähten usw. entstehen sehen und diese Bildungen als Placentome be¬
zeichnet, ein Name, der von der Vortr. abgelehnt wird, da er bereits in
der normalen Anatomie bei Wiederkäuern für Karunkel der Uterus¬
schleimhaut festgelegt ist, in welche Chorionzotten hiaeinwachsen, und
da überdies diese decidualen Bildungen nicht als Tumoren aufgefasst
werden können.
Diskussion.
Hr. Robert Meyer hat kürzlich eine Arbeit über „ektopische“
Deciduabildung, d. h. Decidua au ungewöhnlichen Stellen veröffentlicht,
in welcher er den Nachweis zu führen versuchte, dass hierbei das deoidual
sich umwandelnde Gewebe vorher verändert, war durch vorauf gegangene
oder noch bestehende chronische Entzündung. Er hatte beim Citieren
einer Arbeit von Acosta (bei Askanazy) irrtümlich angegeben, dass
dieser eine Spannung der Gewebe als Ursache der Deoiduabildung an¬
gegeben habe; die Spannung sollte nur mittelbar Ursache sein, sie sollte
infolge der Gewebsschwellung am Dorsum uteri und am Ovarium auf-
treten und stellenweise Dehiszenz des Gewebes an der Oberfläche zur
Folge haben.
Durch diese der in Loeb’s Experiment gleichkommende Entspannung
sollte das Gewebe zur Deciduabildung geeignet werden. M. hat nun
aDgefangen, beim Meerschweinchen durch Einritzung der Serosa uteri
des graviden und brünstigen Tieres die von Acosta vorausgesetzte Ur¬
sache nachzuahmen, ohne jedoch Deciduabildung zu erzielen. Die Ver¬
suche werden fortgesetzt und zugleioh versucht, chronische Peritonitis
hervorzurufen. Bisherige Versuche, auch die von Loeb, hatten keinen
Erfolg. Beim Menschen sprechen zahlreiche Einzelheiten zugunsten der
Annahme einer entzündlichen Ursache bei der Entstehung der ektopi¬
schen Decidua. F
Hr. Aschheim fragt an, ob auch bei Kaninchen Versuche gemacht
sind. Er hat versucht, durch Injektion von Hartparaffin in ein Uterus¬
hora beim Kaninchen Deciduabildung hervorzurufen, jedoch ohne Erfolg
Das Paraffin lag bei der Sektion der Tiere unverändert der ebenfalls
unveränderten Schleimhaut auf.
3. Hr. Robert Meyer:
Zar Vergleichung der embryonalen Hewebgeinseblüsse nid Gewebs
Anomalien bei Tier nnd Mensch.
Während beim Menschen, insbesondere durch die Untersuchungen
von M., zahlreiche embryonale Gewebsanomalien bekannt geworden sind
fehlen solche Befunde bei Tierlöten noch sehr zu einer ausgiebigen Ver¬
gleichung. Um solche Arbeit anzuregen, demonstriert M. eine Auswahl
seiner Befunde in Lumiere-Mikrophotogrammen.
Er unterscheidet: a) normale und abnorme Persistenz; letztere
liegt vor, wenn Gewebe oder Organteile des embryonalen Lebens welche
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I2j)4 BERLINER KLINISCHE W OCHENSCHRIFT . __ ^ Nr. 27.
normalerweise zugrunde gehen, teilweise oder ganz itn postfötalen Leben
bestehen bleiben; es fehlt ihnen die notwendige funktionelle Verwendung.
Solche Gewebe persistieren bei Entwicklungsvorgängen, welche stammes¬
geschichtliche Betriebsänderungen (Centralisation usw.) zur Ursache
haben. Persistenz von Kommunikationen, Ausführgängen, rudimentär
angelegten Organen.
b) Heteroplasie: Ortsungehörige Entwicklung von Gewebsarten,
die meist einen Atavismus bedeuten, einen Rückschlag in der Richtung
der Stammesgesohichte. „Die prospektive Potenz der Gewebe ist viel¬
seitiger als die prospektive Bedeutung.“ Von zwei Differenzierungs¬
möglichkeiten wird eine nur verwirklicht. Die ortsungewöhnliche Ver¬
wirklichung nennt man Heteroplasie. Eine Umkehr nach dem Einschlagen
der ortsgewöhnlichen Gewebsentwicklung gibt es nicht, ebensowenig eine
solche ortsungewöhnlicher; nur durch Verdrängung, Atrophie kann nach¬
träglich eine Veränderung eintreten. Am bekanntesten sind die Magen¬
schleimhautinseln im Oesophagus und das accessorische Pankreas. Die
auslösenden Momente siud neben bestimmten Wuchsstoffen auch statische
Bedingungen (Divertikelbildung usw.).
Pathologische Auslösung ist auch denkbar z. B. bei Knorpelbildung
in Cystennieren, doch ist die Stellung solcher Anomalien noch nicht der
Beurteilung zugängig. Zum Unterschied von dieser „Heteroplasie“ ge¬
nannter Anomalien der Differenzierungsriohtung werden Ab¬
weichungen des Differenzierungsgrades bezeichnet als:
c) Anomalien der Gewebsreifung oder graduelle Differenzierungs¬
anomalien: a) Unterdifferenzierung, Unreife, also eine Hemmung
der GewebsreifuDg; ß) Ueberdifferenzierung, Ueberreife (Prosoplasie).
Jedes Gewebe erreicht einen bestimmten Differenz!erungsgrad, welcher
für den bestimmten Platz typisch ist; die Abweichungen des orts-
gewobnten Reifegrades sind 1. die Unreife, welche später noch ausge¬
glichen werden kann; sie betrifft einige drüsige Organe, deren periphere
Zone die jüngste ist (Ovarien, Testes, Nieren), und 2. die Ueberreife,
z. B. Hornepithel statt Plattenepithel. Die Ueberreife kann physio¬
logisch sein, wenn Wuchsstoffe aus dem mütterlichen Blute dem fötalen
Organismus zugeführt werden, die er selbst nicht produziert und auch
in derKiodheit noch entbehrt. Unter dem Einflüsse solcher „protektiver“
Stoffe (wahrscheinlich vom mütterlichen Ovarium, Haibau) entsteht
z. B. Schleimepithel im uterinen Cervikalkanal, welches im kindlichen
Uterus atrophiert und von eindringendem Piattenepithel der Portio unter¬
miniert und abgestossen wird.
d) Abnorme Abschnürung. Unter diesem allgemeinen Begriffe
werden eiue Reihe verschiedenartigster Gewebsanomalien zusammenge¬
fasst: aktive, passive Abschnürung, illegale Zell Verbindung, abnorme Zu¬
sammensetzung oder Quantitätsanomalien und Abschnürung im engeren
Sinne.
Wegen vorgerückter Zeit wird dieser Teil des Vortrages vertagt.
Berliner Gesellschaft für Chirurgie.
Sitzung vom 22. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Körte.
Schriftführer: Herr Hildebrand.
1. Hr. P. Rosess lein:
Behandlung der fortschreitenden Thrombophlebitis im Femoralis-
gebiet.
Vortr. gibt zunächst einen historischen Ueberblick und geht von
den beiden entgegengesetzten Anschauungen aus: während Trendelen¬
burg es kühn wagte, die Thrombose der Arteria pulmonalis operativ
anzugreifen, wurde immer wieder von anderer Seite eindringlich davor
gewarnt, an entzündlich verschlossene Gefässe heranzugehen, bis
W. Müller - Rostock seit 1902 wieder begann, varicöse Entzündungen
der unteren Extremität operativ zu behandeln, ln der Ohrenheil¬
kunde wirkte Zaufahl 1884 bahnbrechend, indem er bei Sinusthrom¬
bose die Unterbindung und die Ausräumung des Thrombus mit Erfolg
ausführte, so dass Viereck 1901 von 60 bis 70 pCt Heilungen der
sonst tödlichen Erkrankung berichten konnte, ln der Gynäkologie
gingen Trendelenburg, Freund und Bumm voran durch Unter¬
bindung der Vena hypogastrica jenseits der Thrombose. Gluck unter¬
band 1896 bei septischer Thrombophlebitis die Vena saphena magna,
Brunner 1907 eine Mesenterialvene bei Thrombose, Wilms 1909 bei
eitriger Appendicitis und Thrombophlebitis, später Braun - Zwickau die
Vena ilio-colica. Das grösste Kontingent der Thrombosen stellt die
Vena femoralis, die Müller-Rostock, wenn die Entzündung der
Sapbeüa auf die Femoralis übergegangen, anfangs innerhalb der Ent¬
zündung, seit 1909 höher obeD, im Gesunden, mit Erfolg unterband.
Ihm folgten Küster, A. Becker, Schwarz, Hosemann - Rostock.
Da tödliche Embolien aus der Vena saphena beobachtet worden sind, so
unterband man sie, aber auch, bei primärer Verstopfung, die Vena femo¬
ralis.
Vortr. berichtet nun über 4 Fälle, von denen der erste, nicht ope¬
rierte, &q Embolie zugrunde ging und so zur Warnung diente und zum
Ansporn, in anderen Fällen rechtzeitig zu unterbinden. Es handelte
sich um einen 27jährigen Mann mit septischer Phlegmone und Absoess
des ganzen Unterschenkels, tiefer, bis auf den Knochen gehender Phleg¬
mone, thrombophlebitischem Abscess der Leistenbeuge. Nach tiefen In¬
zisionen erfolgte zunächst scheinbare Heilung, 14 Tage jedoch nach dem
Aufsteben Collaps mit blutigem Erbrechen und blutigem Stuhl, schliess¬
lich Tod durch Thrombose der Vena cava inferior. Die drei anderen,
geheilten Fälle waren: 1. ein 54jähriger Patient mit Krampfadern,
fieberhafter Schwellung des Beins, Thrombose der reohten Vena iliaoa
externa bis 15 cm oberhalb des Ligament. Pouparti. Ligatur, Exstir¬
pation der thrombosierten Vene; 2. septische Mastitis 4 Woeben post
partum, Thrombose der Vena femoralis, hohe Temperatur. Operation:
Freilegen der Vene bis zur Teilungsstelle der Vena iliaca communis,
Exstirpation des ganzen thrombosierten Teils der rechten Iliaca interna.
Heilung; 3. Phlegmasia alba dolens, rechtes Bein Ödematös geschwollen.
Nach einer Woche schwillt auch das linke Bein an. Freilegen und
Exstirpation des thrombosierten Abschnittes wie im vorigen Falle.
Heilung.
Ueber die Technik ist noch zu sagen, dass zunächst durch vor¬
sichtiges Tasten festgestellt wird, wie hoch die Thrombose hinaufgeht;
alsdann wird oberhalb eine Klemme angelegt, die später durch eine
Ligatur ersetzt wird. Man könnte nun des weiteren wählen, ob man
nur unterbindet, oder, wie Latz ko vorscblagt, den Thrombus inzidiert
oder das thrombosierte Stück total exzidiert.
Vortr. rät jedoch dringend, so hoch als nötig, auf jeden Fall
also im Gesunden zu unterbinden und das thrombosierte
Stück zu exstirpieren.
Auf eine zu befürchtende Gangrän braucht man nicht Rücksicht zu
nehmen, da auch ein Thiombus das Gefäss so gut wie ganz verschliesst
Jedenfalls ist zuzugeben, dass bei zu früher Unterbindung sich noch
kein Collateralkreislauf ausgebildet hat. Jedoch steht es fest, dass die
Gefahr einer Embolie, die Thrombose in einer zweiten Vena saphena
(Fall von Anschütz - Kiel) und die Thrombose, ausgehend von der
Ligaturstelle selbst am sichersten durch eine Unterbindung im Gesunden
vermieden werden.
Diskussion.
Hr. Körte berichtet über einen Fall von Thrombose im Puer¬
perium, in dem er den thrombosierten Venenstrang exstirpierte. Die
Patientin, der es zunächst recht gut ging, starb dann aber infolge
Weiterscbreitens des entzündlichen Prozesses.
Hr. E. Unger hatte in seiner Klinik öfter Gelegenheit, Unter¬
bindungen bei Thrombosen zu sehen, die von Gynäkologen ausgeführt
wurden; es handelte sich um die Vena saphena, hypogastrica, iliaca
communis, cava inferior, ln einem Falle, in dem die Vena cava (bei
Thrombose der Vena iliaca communis dextra) unterbunden wurde, ergab
die Sektion, dass die Thrombose in einen Seitenast der Vena iliaca
communis sinistra übergegangen war.
Hr. Rosenstein hält es für wabrscheinlicb, dass bei Exstir¬
pation des ganzen thrombosierten Abschnittes dieser unglückliche Ver¬
lauf hätte vermieden werden können.
2. Hr. Sonnenbarg:
Vom 4. internationalen Kongress für Chirurgie and dem Kongress
der American snrgical associatioa New-York, April 1914.
Vortr., der als Delegierter für Deutschland dem 4. Kongress der
internationalen Gesellschaft für Chirurgie in New-York beiwohnte, be¬
richtet über den unter dem Vorsitz von Depage tagenden Kongress,
über seinen Verlauf, Teilnahme usf. Ueber die Organisation, die Vor¬
träge des einige Tage früher stattgefundeuen amerikanischen Kongresses
macht Vortr. gleichfalls Mitteilungen. Er bespricht die Entwicklung der
Chirurgie in Amerika, die Bedingungen, unter denen die amerikanischen
Kollegen arbeiten, die Art des Krankenmaterials, die Einrichtung der
Kliniken, Krankenhäuser, die reich ausgestatteten Institute und Labora¬
torien, wie er dieselben auf der Rundfahrt durch Nordamerika kennen
lernte.
Der nächste, 5. Kongress der internationalen Gesellschaft für Chir¬
urgie wird in Paris 1917 unter Leitung des Amerikaners Keeu statt-
fioden. Die Tagesordnung umfasst: Herz- und Gefässchirurgie, Radium-
und Röntgenbehandlung der Tumoren, Blutuntersuchungen und biologische
Reaktionen, Frakturen des Unterschenkels und des Fussgelenkes.
Diskussion. Hr. Frankel bat gleichfalls die chirurgischen Ein¬
richtungen der Amerikaner kennen gelernt, auch die Brüder Mayo
besucht. Er betont, dass trotz des etwas theatralisch scheinenden
Aeusseren (Verteilen gedruckter Programme) bei ihnen durchaus wissen¬
schaftliche Strenge und Sachlichkeit vorwalten. Auch sei der oft be¬
hauptete chirurgische Massenbetrieb eine Fabel, da nicht 2, sondern
6 Chirurgen dort arbeiteten, die täglich zusammen etwa 20 Operationen
ausführten.
3. Hr. Nenmann: Cystinsteine und Cystinarie.
Er berichtet über 2 Fälle von Cystinsteinen, deren Vorkommen
äusserst selten, nach grösseren Statistiken nur 4,5—4,6 pM. ist.
Fall 1. 24jähriges Mädchen, das zuvor keine Beschwerden, keine
Zeichen einer Harnkrankheit batte, erkrankte November 1913 mit Schmerzen
in der rechten Bauchseite. Fühlbarer, faustgrosser Tumor im rechten
Hypocbondrium. Im Urin sechseckige Kristalle (Cystin) und Brief kuvert¬
form. Auf dem Röntgenbild war ein Stein nicht zu sehen, weil leider
eine Patientenverwechslung stattfand. Mit Collargolfüllung wurde er
sichtbar. Am 27. Januar Pyotomie, Cystinstein (bernsteinfarbenes Aus¬
sehen!) im Nierenbecken. Eitrige Entzündung der Niere, Spaltung,
Drainage. Da trotz guter Wundheilung die Klagen der Patientin bestehen
blieben, mussten sie auf Cystinurie bezogen werden. Die Cystinmenge
betrug 0,15—0,16 pro die. Bei vegetarischer Kost schwanden die Kristalle,
die Beschwerden jedoch nicht, die aber bei gemischer Kost »ich aucn
nicht vermehrten, Als nach K1 emperer und J acoby Natron bicarbonicuro
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fl. Juli 1914.
BftftLlftfefe KllftlSCBB frOCflftftSCfltllgt.
in grossen Dosen gegeben wurde, wurden die Cystinkristalle geringer,
daneben traten aber reichlich Phosphate auf.
Fall 2. 3jähriger Knabe, dessen Vater an Phthise litt, und der
dreimal Lungenentzündung durchmachte, was vielleicht ätiologisch in
Betraoht kommt. Im Urin war Blut, das Röntgenbild zeigte einen Stein
in der Blase, der durch Sectio alta entfernt wurde. In der Familie des
Knaben war übrigens keine Cystinurie festzustellen. (Demonstration
der Steine.)
Diskussion.
Hr. P. Rosenstein hat vor 8 Jahren eine Patientin operiert, deren
Niere nur einen sohlaffen Sack, ausgefüllt von 45 Cystinsteinen, darstellte.
Die Patientin lebt heute noch, zweimal hat Vortr. die Schwangerschaft
unterbrochen, das dritte Mal wurde ein Kind ausgetragen.
Hr. Körte demonstriert einen Cystinstein (Ausguss des Nieren¬
beckens) von einem Patienten, bei dem Wilms früher einen Blasenstein
entfernt hatte. Holler.
Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene nnd Medizinalstatistik
zu Berlin.
Sitzung vom 23. April 1914.
Vorsitzender: Herr Gottstein.
Schriftführer: Herr Crzellitzer.
Tagesordnung.
Hr. Mayet: Die Sicherung der Volksvermehrang.
Die Sicherung der Volksvermehrung ist nicht gleichbedeutend mit
der Geburtenzahl. Sie kann auch bei gleichbleibender oder wenig zurück¬
gebender Geburtenzahl durch vermehrte Erhaltung der Geborenen herbei-
geführt werden. Vortr. will eine gewisse Schätzung über die Grösse des
Effektes der verschiedenen Maassnahmen aDstellen, wenn diese, die im
Kleinen schon erprobt, im grossen Maassstabe durcbgeführt werden. Sie
lassen sich in 6 Gruppen zusammenfassen. Die erste bezieht sich auf
das Wochenbett, die zweite auf Erhaltung und Aufbringung der unehe¬
lichen Kinder, die dritte auf die Entwicklung der Jugend überhaupt, die
vierte auf die Vermehrung der Ehen, die fünfte auf die Bokämpfung der
Kein-Kind-, Eio-Kind- und Zwei-Kinderehen, die sechste auf die Er¬
leichterung der Aufbringung und Aufziehung überhaupt und namentlich
jener der kinderreichen Eben.
Die Maassnahmen, welche sich auf das Wochenbett beziehen, um¬
fassen die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, Mutterschaftsversiche-
rnng und Reform des Hebammenwesens. Durch die Bekämpfung der
Säuglingssterblichkeit Hessen sich leicht noch 150 000 Todesfälle er¬
sparen. Die Mutterschaftsversicherung würde bei einer Kasse von
100000 Mitgliedern bei 36 Geburten pro 1000 der Bevölkerung ungefähr
1082400 Mark kosten, d. h. 1,55 Mebrbeitrag. Die Hebammenreform,
venn sie eine genügende Ausbildung und ein hinreichendes Mindestein¬
kommen bringen soll, erfordert jährlich 40 Millionen Mark aus öffent¬
lichen Geldern. Um die Bruststillung zu fordern, müssen Stillstuben,
Öffentliche und in Fabriken, eingerichtet werden.
Die Maassoahmen zum Schutz und zur sicheren Aufbringung und
Erziehung der unehelichen Kinder sind nur in einigen Grossstädten in
genügender Weise ausgebaut. StaatsanstalteD, wie in Ungarn, Frank¬
reich und England, fehlen. In Eogland besteht ausserdem eine staatlich
unterstützte Ueberführung der „Staatskinder“ nach Kanada, wo vertrauens¬
würdige Farmerfamilien sie aufnehmen.
„ Vortr. wünscht Heime für alleinstehende Mütter mit Kind unter
ärztlicher Aufsicht und Leitung einer in der Säuglingspflege bewanderten
Schwester für 10—25 Frauen, womöglich in Verbindung mit einer Still¬
stube zu errichten. Durch diese Heime, die sich leicht selbst erbalten
köDDen, würde dem Zieh- und Hältekinderwesen und gleichzeitig dem
Schlafgäogerwesen Abbruch getan. Es Hesse sich durch die bessere
Fürsorge bei den Unehelichen eine weitere Ersparnis von 8500 Todes¬
fälle im Jahr erzielen.
Die wichtigste Maassregel für die Ertüchtigung der Jugend überhaupt
Jst die Einführung und obligatorische Durchführung der Familienversiche-
Jiug durch die Krankenkassen, daneben die grössere Unterstützung der
Krippe, Schulspeisung, Walderholungsstätten, Ferienkolonien, der Ge-
K! 1 , 6 ?* ^ er Erholung im Freien usw. durch die Kommunen. Von den
«Millionen Kindern Hessen sioh 3 Millionen der schwächlichen und
touken Kinder zu gesunden und kräftigen Menschen machen.
Zur Vermehrung der Ehen dient die Aufhebung des Zölibats der
«enrerinnen und Beamtinnen. Der Zuwachs an Kindern würde 3 vom
“ändert betragen. Die unentgeltliche Behandlung der Geschleehts-
raniheiten würde die Zahl der Kein-, Ein- und Zweikindeben ver-
niDdern, desgleichen die Prämiierung der dritten, vierten und noch
*°Mr gebürtigen Kinder.
Zur Erleichterung der Aufbringung und Aufziebung der Kinder im
K®« einen dient die Bekämpfung des Wobnungselends, durch den Bau
K Wohnungen, Reform des Hypothekenwesens, die innere
omsation durch Besiedelung der Moore und Oedländereien, deren Er-
säLitü! J^DOOO Tonnen Roggen, über 900 000 Tonnen Hafer,
^rechnet ^ nnen Kart °ff e,n und 686 000 Tonnen Lebendgewicht Fleisch
kä,^ e Göldbeaohaffung ist folgendes zu sagen: Für die Be-
Wfii k ^ er Säuglingssterblichkeit durch Mutterschaft»- und Familien-
«Merung bringen die Krankenkassen die Mittel auf. Die Wohnungs-
1296
Teform und die innere Kolonisation lässt sich auf dem Wege des Kredits
durchführen. Die Summe für die Hebammenreform, die unentgeltliche
Behandlung der Geschlechtskrankheiten, überhaupt für alle verschiedenen
Maassnahmen zur Ertüchtigung will Vortr. duroh die Jugendfondssteuer
in Form einer Einkommensteuer aufbringen, die von 112 000 Zeasiten
mit einem Einkommen über 3000 in verschiedenen Abstufungen, je nach
der Zahl der Kinder usw. entrichtet werden soll. Den Ertrag schätzt er
auf jährlich 128 Millionen. J. Lilienthal.
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater-
ländische Kultur zu Breslau«
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 6. März 1914.
Vorsitzender: Herr Uhthoff.
Hr. Minkowski demonstriert: 1. einen Fall von Akromegalie mit
Neurofibromatose.
Der Fall ist bereits 1912 von Wolfsohn und Marcuse in der
Berliner klin. Wochenschrift, 1912, Nr. 49, beschrieben, wobei ein aus
der Haut exzidierter Geschwulstkuoten als Neurofibrom festgestellt wurde.
Seitdem hat die Einschränkung des Gesichtsfeldes nooh weiter zugenommen,
ebenso die im Röntgenbilde nachweisbare Erweiterung der Selia turcioa.
Es besteht jedoch keine typische, bitemporale Hemianopsie. Das akro-
megalische Wachstum macht sehr langsame Fortschritte. Es handelt
! sich höchstwahrscheinlich um die Lokalisation eines Neurofibroms iu der
I Nähe der Hypopbysis.
2. Ein Fall von Riesenwuchs mit akromegalischem Typus.
Auch dieser Fall ist bereits 1900 von C. S. Freund in der AUgem.
Zschr. f. Psych., Bd. 60, S. 234, veröffentlicht. Bis zu seinem 23. Lebens¬
jahre erreichte der Mann eine Körperlänge von 205 cm, dann ist er nicht
mehr gewachsen. Im Gegensatz zu dem zuerst vorgestellten Patienten,
der, abgesehen von sonstigen Störungen, die wahrscheinlich durch mul¬
tiple Geschwulstbildungen im Centralnervensystem bedingt sind, über
zunehmende Körperscbwäche klagt, zeichnet sich der zweite durch ausser-
gewöhnliche Körperkräfte aus. Er ist von Beruf Ringkämpfer. Auch
bestehen bei ihm keine Sehstörungen. Doch ist er jetzt an Tuberkulose
erkrankt.
Hr. Uhtboff stellt 2 Fälle von Hypophysistumoren vor, welche be¬
merkenswerte Einzelheiten bieten. Der erste Patient, 21 Jahre alt, ist
schon seit 15 Jahren in Beobachtung. Er gehört in die Gruppe der
Dystrophia adiposo-genitalis und Vortr. hat schon gelegentlich der
Vorstellung dieses Falles in der medizinischen Sektion 1901 auf den
. Zusammenhang dieser dystrophischen Störungen mit Hypophysistumoren
hingewiesen. Ueberdies ist bemerkenswert, dass Patient, der jetzt
250 Pfund wiegt, seit 14 Jahren den kleinen Rest seines Sehvermögens
im Sinne einer temporalen Hemianopsie unverändert behalten hot bei
Amaurose des 2. Auges. Atrophische Verfärbung der Pupillen. Eine
Operation würde hier seinerzeit nicht angebracht gewesen sein.
Der zweite Fall betrifft einen 17jährigen Patienten, der seit dem
10. Lebensjahre vollständig im Wachstum stehengeblieben ist bei weit
vorgeschrittener Sebstörung im Sinne einer temporalen Hemianopsie auf
dem einen Auge und Amaurose (seit Jahren) auf dem zweiten mit
atrophischer Verfärbung der Papillen. Der Habitus des 17 jährigen ist
auch jetzt derjenige eines 10 jährigen Knaben. Fehlen der Behaarung
an den Pubes und in den Achselhöhlen, sowie der Schweisssekretion der
Haut usw.
Vortr. weist auf die relative Seltenheit dieser Fälle von reinem
Zwergwuchs bei Hypopbysisaffektionen hin und zeigt auch die Bilder
eines früheren Falles. Der Röntgenbefund ist sehr markant, die Sella
turcica sehr erweitert und deutlich von einem Tumor (wohl verkalkt)
ausgefüllt. Auch hier wird die Frage der Operation lediglich davon ab-
hängen, ob die genaue Beobachtung einen weiteren Verfall des Sehrestes
ergibt. Im letzteren Falle muss zur Operation geraten werden. Beim
Stationärbleiben der Sehstörung möchte Vortr. nicht zur Operation raten
da eine Besserung des Sehens wohl nicht zu erwarten steht und au den
dystrophischen Störungen nichts geändert werden würde.
Diskussion.
Hr. Minkowski macht auf die Verkümmerung der Genitalien und
das Fehlen der Behaarung bei dem ersten Falle aufmerksam. Es bandelt
sich um einen sehr charakteristischen Fall von hypophysärer Dys¬
trophia adiposo-genitalis. Da man diese aut einen Unterfunk'
tionszustand der Hypophysis bezieht, so sollte man a priori von einer
Operation in solchen Fällen kaum eine besondere Wirkung erwarten
doch sind von Schloffer, v. Eiseisberg u. a. erfolgreiche Operationen
mitgeteilt. Man hat angenommen, das9 es sich bei diesen um eine
Entlastung der Hypophysis von einem ihre Funktion störenden Drucke
gehandelt hat. Die Indikation zur Operation kann in solchen Fällen
nur durch die Hirndruckerscheinungen gegeben sein. Vortr. beobachtete
vor kurzem einen Knaben, bei dem im Laufe von 2 Monaten die Er¬
scheinungen eines rasoh wachsenden Hirntumors (Stauungspapille, Ein¬
schränkung des Gesichtsfeldes, Lumbaldruok von 600 mm) neben einer
ganz akut entstandenen Fettsucht aufgetreten waren. Eine vorgeschlagone
Operation, die hier durch das rasche Wachsen der Geschwulst indiziert
war, wurde leider verweigert.
Es gilt übrigens nooh als unentschieden, ob die dystrophischen
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UNIVERSUM OF IOWA
1296
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
Störungen als eine direkte Folge der Funktionsstörung der Hypophysis
anxuseben seien, oder ob sie nur indirekt durch die von der Hypopbysis
ausgehende Entwicklungshemmung der Reimdrüsen bedingt sind.
Wenn übrigens Herr Uhthoff der erste gewesen ist, der auf das
Vorkommen der Dystrophie bei Erkrankungen der Hypopbysis aufmerksam
gemacht hat, so könnte Vortr. für sich die Priorität für die Annahme
eines Zusammenhanges der Akromegalie mit Funktionsstörungen der
Hypophyse in Anspruch nehmen. Er hat bereits 1887 in der Berliner
klin. Wochenschrift, Nr. 21, auf diese Möglichkeit hingewiesen, während
Marie, der 1886 zuflrst das Krankheitsbild der Akromegalie beschrieben
hat, erst mehrere Jahre später ihre Beziehungen zur Hypopbysis be¬
gründet hat. In Anbetracht der grossen Verdienste, die zweifellos Marie
auf diesem Gebiete zukommen, hat aber Vortr. darauf verzichtet, die
Priorität für seine Annahme geltend zu machen.
Hr. Alzheimer hält den 2. Fall des Herrn Minkowski für Hypo¬
physenerkrankung.
Hr. Serog: Der von Herrn Minkowski demonstrierte Patient mit
Neurofibromatose der Haut und Hypophysiserscheinungen ist vor einigen
Wochen untersucht worden. Es waren damals ausser den auf die Hypo¬
physe weisenden noch eine Reihe anderer cerebraler Symptome vorhanden,
vor allem solche, die für eineo Tumor des Kleinhirnbrückenwinkels
sprechen: Ausgesprochene cerebellare Ataxie mit Neigung nach links zu
fallen, ferner (von otologischer Seite konstatiert) linksseitige labyrinthäre
Unerregbarkeit und nervöse Schwerhörigkeit auf der linken, in geringerem
Grade auch auf der rechten Seite.
Naoh den damaligen Befunden habe ich es für wahrscheinlich ge¬
halten, dass es sich um Neurofibrome an der Hypophyse und am Klein¬
hirnbrückenwinkel, möglicherweise aber auch noch an anderen Stellen
des Gehirns handelt. Dafür würde auch sprechen, dass gerade Neuro¬
fibrome am Kleinhirubrückenwinkel häufig siud, uDd dass man überhaupt
bei der allgemeinen Neurofibromatose der Haut, wie sie in diesem Falle
vorliegt, auch im Gehirn öfters multiple Neurofibrome beobachtet.
Hr. C. S. Freund: In dem von Herrn Minkowski vorgestellten
Riesen erkenne ich den Mann, den ich im Dezember 1900 in der
79. Sitzung des Vereins ostdeutscher Irrenärzte in dem Demonstrations-
vortrage „Ein Fall von Riesenwuchs und ein Fall von Akromegalie“
(Autoreferat in der Zsohr. f. Psych., Bd. 60, S. 284 ff.) vorgestellt habe.
Seitdem habe ich den Mann nicht gesehen. Ich habe den Eindruck,
dass in der Zwischenzeit die Unterkiefer noch länger geworden sind.
Ausserdem fallen mir Osteopbytenbildungen an den Stirnknochen auf.
Ich schliesse mich deshalb der Ansicht des Herrn Alzheimer an,
dass in diesem Falle eine Affektion der Hypophyse vorliegt, wenn auch
andersartig wie bei der typischen Akromegalie.
Schon vor 13 Jahren zählte ich ihn unter die Kategorie der Stern-
berg’sohen pathologischen Riesen. Er hatte vereinzelte akromegalische
Stigmata und zwar einen abnorm langen, absteigenden Uoterkieferast
(13‘/2 o®). eine 16 cm lange und auffallend breite Nase, starke Ver¬
dickungen an einzelnen Rippen, eine sehr grosse Spannweite 223,5 cm
bei 198 cm Körperlänge. Die Hände selbst waren (auch auf der Röatgen-
photographie) normal gestaltet. Der ganze Körper machte einen wohl¬
proportionierten Eindruck (222 Pfd. Gewicht). Der Befund von Seiten
des Nervensystems war absolut negativ. An den Augen normale Gesichts¬
felder, normaler Spiegelbefund.
Hr. Tietze: Trepanationei.
M. H.! Wir haben vor 8 Tagen den schönen, auf zahlreiche
Erfahrungen gegründeten Vortrag von Herrn Alzheimer gehört.
Wenn ich es nun heute wage, zu derselben Frage einige Demon¬
strationen zu machen, so geschieht dies nicht ohne ein gewisses Gefühl
der Beklemmung, denn gegenüber diesen subtilen Untersuchungen, über
die uns berichtet wurde, habe ich doch sehr die Empfindung, dass wir
Chirurgen zuweilen mit ziemlich groben Fingern in das feine Räderwerk
der Natur eingreifen. Eins jedenfalls haben wir aus dem Vortrage von
Herrn Alzheimer gelernt, nämlioh dass von vornherein ein grosser Teil
der Fälle von Epilepsie sich einem chirurgischen Eingriff entzieht, das
sind alle jene degenerativen Formen mit schweren histologischen Ver¬
änderungen an der Hirnrinde, mögen sie erworben oder angeboren sein.
Und trotz des ausführlichen Vortrages muss ich, ähnlich wie es Herr
Küttner vor 8 Tagen getan, den Herrn Redner noch um eine Er¬
gänzung bitten, indem ich an ihn die Frage richte, wie er sich das
Wesen der epileptischen Entladung vorstellt. Denn wenn unsere Ope¬
rationen bei Epilepsie überhaupt einen Sinn haben sollen, so müssen
wir Chirurgen eine Vorstellung von der Auslösung des Prozesses haben,
um uns überlegen zu können, wie wir dieselbe eventuell verhindern.
Nun spielt in den Anschauungen der Chirurgen eine grosse Rolle die
Vorstellung, dass ein vielleicht vorübergehend vermehrter Hirndruck den
epileptischen Insult zur Erscheinung bringe, sei es durch direkte
Schädigung der Centren, sei es auf dem Umwege einer Hirnanämie.
Für beide Vorstellungen gibt es physiologische Analogien. Der Ver¬
blutungstod eines Tieres erfolgt unter Krämpfen und auch beim Menschen
können wir gelegentlich Aehnliches beobachten. Auf der anderen Seite
wird als Paradigma der durch eine Blutung der MeniDgea oder z. B.
auf einer Depressionsfraktur erzeugte Gehirndruck aogezogen: zunehmende
Unbesinnliohkeit, motorische Reizersobeinungen, Krämpfe, Bewusstlosig¬
keit. Kein Wunder, dass diese Beobachtungen auch das Handeln der
Chirurgen beeinflussten, sie führten nicht nur zur Trepanation bei
Jaokson’sGfcer, sondern auch zu dem Vorschläge der Entlastungstrepanation
auch bei genuiner Epilepsie. Demgegenüber stehen aber die guten Er¬
folge, die bei Jackson’scber Epilepsie mit der Exstirpation des primär
krampfenden Centrums erzielt sein sollen. Sie können mit einer all¬
gemeinen Drucksteigerung nicht erklärt werden. Also es gibt eine
Menge Fragen, über welche wir gern ein kompetentes Urteil hören
möchten. Das ist auch der Sinn meiner heutigen Demonstrationen, die
ich sehr kurz fassen, und aus denen ich nur die Momente hervorheben
will, welche auf das eben Gesagte Bezug haben.
Es handelt sich in beiden Fällen um Trepanationen, welche wegen
cortioaler Epilepsie vorgenommen worden sind. Der erste Patient, ein
junger Mann von 17 Jahren, wurde von Herrn Brade, meinem
Assistenten, unter der Diagnose traumatische corticale Epilepsie vor
4 Wochen operiert. Die Erkrankung soll sich an einen Unfall (Fall von
einem Wagen) vor 2 JahreD angeschlossen haben und trat in der Form
einer typischen Jackson’schen Epilepsie auf, die mit Zuckungen im
linken Arm und Facialis begann und zu allgemeinen Krämpfen führte.
Trepaniert wurde über der rechten Centralregion, zweizeitig. Die Centren
wurden durch elektrische Reizung bestimmt, doch wurde niohts exstir-
piert. Auf der Hirnrinde lag eine dünne blutigfibrinöse Ausschwitzung.
Bei der zweiten Operation war der Verband ziemlich fest angelegt
worden, Patient hatte darauf in der Nacht gehäufte sehr schwere An¬
fälle, die verschwanden, als der Verband gelüftet worden war. Es war
ein Teil des Knochendeckels entfernt worden, so dass der Druck des
Verbaodes sich durch den ziemlich losen Knochen auf das Gehirn fort¬
setzen konnte. Patient hat seitdem keine Anfälle mehr gehabt, doch
war er auch früher bis 9 Wochen anfallsfrei.
Im zweiten Falle, einer Frau von 52 Jahren, handelt es sich um
einen Status epilepticus bei Hirnlues. Patientin wurde von Herrn
Förster zur Operation überwiesen. Auf Grund ausgedehnter Sensi-
bilitätsstörungeo am linken Arm und einer eigentümlichen und charakte¬
ristischen Bewegungsstörung (Inkoordination) nahm Herr Förster eine
Erkrankung der rechten Parietalregion an. Die Trepanation ergab hier
denselben anatomischen Befund wie bei Fall l. Entfernung der Knochen¬
decken. Interessant ist, dass hier die Druckentlastung während der
8 Wochen, die seit der Operation verflossen sind, zu einer ganz erheb¬
lichen Besserung geführt hat. Die Krämpfe haben so gut wie aufgehört,
das Allgemeinbefinden, die Intelligenz haben sich gehoben, die Koordi-
nationsstörungen am Arm sind ebenfalls erheblich gebessert
Diskussion.
Hr. Alzheimer macht darauf aufmerksam, dass der Status epi¬
lepticus ein Stadium der allgemeinen Hirnschwellung hat Operative
Behandlung empfiehlt sich für lokalisierte Prozesse.
Hr. Förster gibt anatomische Notizen zu den besprochenen Fällen.
Hr. Coenen gibt der Meinung Ausdruck, dass sich die Fälle von
traumatischer Epilepsie besonders eignen für eine operative Behandlung,
wo die Krämpfe durch oallose Narben der Dura und Hirnrinde bedingt
sind. Hier kann man durch die Exzision der Narben und freie Fascien-
verpflanzung normale Verhältnisse und wahrscheinlich dauernde Heilung
schaffen. Er erinnert an den von ihm vorgestellten griechischen Korporal,
der nach einem Schädelschuss eine Rindenepilepsie bekam, die durch
die freie Fascienüberpftanzung geheilt wurde und bisher nach dem
letzten Briefe nicht rückfällig geworden ist (Siehe B.kl.W., 1913, Nr. 34
und 50; 1914, Nr. 2.)
Hr. H. Simon: a) Seh fidel Operationen.
M. H.! Ich möchte Ihnen ebenfalls zunächst über zwei Schädel¬
operationen berichten. Bei dem ersten handelt es sich um die Deckung
eines Schädeldefektes durch ein Knochen st üok aus der
Scapula, ein Verfahren, das Röpke in Barmen 1912 angegeben bat
Aus der Vorgeschichte erwähne ich ganz kurz, dass der Patient, ein
18 jähriger Lehrer, im JuDi v. J. beim Turnen verunglückte und sich
einen Schädelbruch zuzog. Er wurde in das Hospital transportiert und
dort von mir nach mehrtägiger Beobachtung wegen langsam zunehmender
HirndruckerscheinuDgen am 26. VI. 1913 trepaniert.
Wir haben dabei eine sogennante Palliativtrepanation vorgenommen,
also uns mit der Entfernung eines Teiles der knöchernen Sobädelwand
begnügt. Die Operation hatte denn auch augenblicklichen Erfolg, die
Stauungserscheinungen gingen zurück, auch die Stauungspapille ver¬
schwand. Bei der Entlassung aus der stationären Behandlung bestand
bei dem Patienten als Folge der Operation ein handtellergrosser Defekt
des knöchernen Schädels und ein massiger Hirnprolaps. Ausserdem
waren eigenartige Anfälle aufgetreten, die im ganzen zwar einen etwas
funktionellen Eindruck machten, deren Zusammenhang mit dem offenen
Zustand des Schädels indes nicht ganz auszuschHessen waren. Alle
diese Momente bestimmten uns, den noch jugendlichen Patienten nicht
Zeit seines Lebens in diesem Zustand zu lassen, sondern den operativen
Verschluss des Defektes in Aussicht zu nehmen.
Ich habe dann am 24. XI. v. J. die oben schon erwähnte Operation
nach Röpke ausgeführt, veranlasst durch eine Demonstration von Herrn
Küttner in der chirurgischen Gesellschaft vom Sommer v. J.
Zur Technik bemerke ich kurz folgendes: Ich habe an der Hinter¬
seite der Schulter einen Längsschnitt gemacht, die Fascie gespalten, den
M. infraspinatus quer, also in seiner Faserrichtung, durchtrennt und so
Zugang zur Scapula gewonnen. Dann wurde mit Erhaltung der Ränder
des Knochens ein ovales Stück aus diesem herausgemeisselt, wobei das
Periost der Hinterseite in Zusammenhang mit dem Knochen blieb, während
das vordere Periost abgeschoben wurde. Hierauf wurde am Schädel der
Defekt Umschnitten, die knöchernen Ränder angefrisoht und das Knocben-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Eilt
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6. Joü 1914.
stäok eingesetzt, das Periost natürlich nach aussen. Der Knochen heilte
denn auch reaktionslos ein.
Ein Blick auf die Soapula genügt, um Ihnen die Vorteile dieses
Operationsverfahrens klar zu machen. Dieselben liegen einmal darin,
dass die Soapula eine natürliche Flächenkrümmung besitzt, die die Ein¬
setzung in die Kontinuität des ebenfalls gewölbten Schädeldaches sehr
erleichtert. Ausserdem kann es von Vorteil sein, dass die Scapula an
beiden Seiten mit Periost bekleidet ist. In meinem Falle habe ich aller¬
dings, wie erwähnt, nur das Periost der Aussenseite mitgenommen, aus¬
gehend von der Erwägung, dass ja auch der Schädel nur an der Aussen¬
seite Periost besitzt, während das innere Periost ja gewissermaassen von
der Dura mater gebildet wird. Diese war aber vorhanden und brauchte
nicht ersetzt zu werden. Sie erkennen weiterhin, dass es leicht gelingt,
aus dem Centram der Scapula ein 7 cm langes, 5 cm breites Knochen¬
stuck zu gewinnen. Ein grösseres Stück kann nicht gut entnommen
werden, da die Ränder des Knochens unter allen Umständen erhalten
werden müssen und ausserdem der M. infraspinatus nicht über eine
gewisse Weite hinaus auseinandergezerrt werden kann.
Das entnommene Knochenstück hat auch in diesem Falle nicht voll¬
kommen genügt, um den Defekt zu decken. Es ist uns dies aber nicht
unangenehm gewesen, da wir bei dem vorhandenen Hirnprolaps nicht
gewagt hätten, den Defekt sofort exakt zu schliessen. Ich habe viel¬
mehr das Koochenstück an die Dura fixiert und es der zu erwartenden
Knochenneubildung überlassen, den vollständigen Verschluss herbeizu-
fuhren. Ein unmittelbar nach der Operation angeferttgtes Röntgenbild
sowie ein jetzt hergestelltes erläutern Ihnen die Situation (Demonstration).
An dem Patienten können Sie feststellen, dass der Knochen noch
etwas federt und die Pulsation des Gehirns mitmacht. Von ihm selbst
ist za sagen, dass er sich sehr gebessert fühlt; die Anfälle sind fast ganz
weggeblieben, er fühlt sioh kräftig genug, seine Tätigkeit wieder aufzu-
nehmen (Demonstration).
Bemerken möchte ich noch, dass Bewegungsstörungen des Armes
fehlten, and zwar eigentlich vom ersten Tage ab. Sobald der primäre
Wundschmerz vergangen war, bat der Patient seinen Arm so ausgiebig
bewegt, dass es mir fast zuviel war, da ich um die Wunde besorgt sein
musste. Ein derartig gutes funktionelles Resultat kann aber nur er¬
wartet werden, wenn die Muskeln des Schulterblattes nach Möglichkeit
geschont werden. Hierzu gehört in erster Linie die Erhaltung der Ränder
der Scapula, die ja die Ansatzpunkte der Muskeln bilden. Eine Tabelle
mag Ihnen die speziellen anatomischen Verhältnisse noch einmal vor
Augen führen. Sie sehen, dass es leicht gelingt, auf den M. infraspinatus
zu kommen. Die benachbarten Muskeln, Deltoideus, Trapezius, Teres
major werden ohne Verletzung zur Seite gezogen, höchstens etwas ein¬
gekerbt. Den Infraspinatus habe ich, wie gesagt, quer, also in seiner
Paserrichtung gespalten. Ich bin dadurch von der Angabe Röpke’s
etwas abgewichen, der den Ansatz des Muskels an dem medialen Rand
der Scapula scharf durohtrennt und den Muskel zurückscblägt. Ich
glaube, dass bei dem Vorgehen, das ich gewählt habe, der Muskel noch
mehr geschont wird, da er sich nach der Entnahme des Knochens ein¬
fach wieder Zusammenlegen kann. Grössere Muskeln und Nerven kommen
bei dem Verfahren nicht in Gefahr, verletzt zu werden. Ich glaube auf
Grund dieses Falles, das Röpke’sche Verfahren für ähnliche Fälle emp¬
fehlen zu können.
Der zweite Patient hat seinerzeit eine interessante Verletzung er¬
litten. Er wurde uns am 27. Dezember in das Hospital gebracht mit
der Mitteilung, dass ihn ein Pferd mit dem Hufe gegen die linke Kopf¬
seite geschlagen habe. Es fand sich denn auch dort eine grosse, stark
beschmutzte Wunde. Bei der Revision ergab sich, dass ein Teil der
Schädelkonvexität fehlte, also vermutlich nach innen gedrückt war, es
lag also eine sog. Depressionsfraktur vor. Dieser Zustand bildete
eine Indikation zu sofortigem operativen Eingreifen, die noch verstärkt
vurde dadurch, dass sich an der Hand der anderen Seite bereits Läh-
ouugzerscheinungen einsfcellten, die als Herdsymptome aufzufassen waren.
Auffallend war nur, dass am Grunde der Wunde, da. wo man also das
deprimierte Knochenstück erwarten musste, ein eigenartiger schwarzer
Gegenstand lag, über dessen Natur man im Unklaren blieb.
Die Operation verlief verhältnismässig einfach; ich habe die Wunde
gehörig erweitert, die Ränder des Defektes etwas abgetragen, um Ein¬
blick in die Tiefe zu gewinnen. Dabei zeigte sich denn, dass der merk¬
würdige Gegenstand ein Stück Filz war, unter dem erst der zersplitterte
nochen lag. Nach einiger Ueberlegung kamen wir darauf, dass der
P" von dem Hut stammen müsse, den der Patient bei dem Unfall trug.
Patient hat uns dies auch später bestätigt (Demonstration). Das
, ck, an dem Hute fehlt, bildet den Mittelpunkt dieser interessanten
^ammlung, die wir dem Schädelinnern des Kranken entnommen haben.
10 ® e “ en > dass der Knochen in eine Reihe grösserer und kleinerer Frag¬
mente zerlegt war, so dass seine Erhaltung unmöglich war. Wir haben
busch J 0c ^ 6Dte ^ e en tfernt, ebenso noch andere Fremdkörper, Haar-
• ^ habe die Dura nicht geöffnet; eine zwingende Indikation dazu
bri !i VOr ’ un< * w * r hatten auch keine grosse Neiguüg dazu, da wir
der stark beschmutzten Wunde mit einer Infektion rechnen mussten,
lehrt a ^ 6r f^cklicberweise 0 ft; g e ht, so ist auch hier die Infektion aus-
® , 5r eD » u ?d die Wunde vorbildlich per priman intentionem geheilt,
der ah ™ en * hat jetzt natürlich ebenfalls einen Defekt am Schädel,
«Der wesentlich kleiner ist wie bei dem ersten Patienten. Wenn
schloss iif Fr^ er< ^ 0n machen sollte , käme ebenfalls der operative Ver-
b) Magentuberfcnlose.
Der Patient, den ich Ihnen dann vorstellen wollte, kam zu uns mit
Erscheinungen, die auf eine nicht komplette Pylorusstenose hin wiesen.
Aus der Untersuchung ist zu bemerken, dass im Mageninhalt die freie
Salzsäure fehlte, dass Milchsäure vorhanden war; die Gesamtacidität war
gering, betrug 20. Die übrigen inneren Organe, insbesondere die Lungen,
waren nicht krankhaft verändert. Das Allgemeinbefinden war ein massig
gutes, das Aussehen leicht kachektisch.
Wir haben in der Annahme eines beginnenden Magencarcinoms am
13. November v. J. die Operation vorgenommen. Dabei fand sich am
Pylorus eine Verhärtung, von der man nicht ganz sicher wusste, ob es
sich um den normalen, vielleicht etwas hypertrophischen Pylorus, um
eine Narbe oder um einen beginnenden scirrhösen Tumor handelte. Wir
haben schliesslich einen Tumor angenommen, weil die Verhärtung nicht
gleichmässig circular war, sondern an einer Stelle der Hinterwand etwas
stärker prominierte. Ich habe sodann die Magenresektion typisch naoh
Bill rot h II vorgenommen.
Auffallend war uns, dass die Abderhalden’sche Tumorreaktion
negativ ausfiel, was erst durch die mikroskopische Untersuchung eine
glänzende Bestätigung fand. Es zeigte sich nämlich, dass nicht ein be¬
ginnendes Carcinom, sondern eine Tuberkulose des Pylorus vorlag.
Die Tuberkulose des Magens ist eine ziemlich seltene Erkrankung.
Ich erwähne nur kurz, dass sie sich fast ausschliesslich am Pylorus
lokalisiert und dass sie ebenso wie die Tuberkulose anderer Organe in
verschiedenen Formen auftritt. Wir kennen eine miliare Form, nament¬
lich im Gefolge allgemeiner Tuberkulose, ausserdem eine ulcerose, da¬
neben eine hypertrophische und fibröse Form. Bei unserem Falle waren
typische Tuberkel von miliarem Bau in den untersten Schichten der
Submucosa nachzuweisen. (Demonstration.)
Die Prognose der Magen tuberkulöse ist infaust, besonders deshalb,
weil es sich meist um eine sekundäre Erkrankung handelt. Auch in
unserem Falle konnte nach der Operation ein positiver Lungenbefund
nachgewiesen werden. Vor der Operation ist das nicht gelungen. Ver¬
mutlich hat die lange Operation in Narkose doch exacerbierend gewirkt.
Der Patient bat die Operation gut überstanden, wir haben ihn nach
Möglichkeit zu kräftigen versucht, ihn in Sanatorien gebracht; infolge¬
dessen ist sein Befinden ein leidliches, er hat auch etwas an Gewicht
zugenommen. Wir hoffen also, dass die Operation doch dauernden
Nutzen für ihn gehabt hat.
Ich möchte noch erwähnen, dass wir schon vor einigen Jahren im
Hospital einen Fall operiert haben, der wohl auf Magentuberkulose be¬
ruhte; allerdings konnte diese in dem resezierten Pylorus mikroskopisch
nicht nachgewiesen werden, dagegen wies eine gleichzeitig exstirpierte
Drüse aus der Nachbarschaft so deutliche tuberkulöse Veränderungen
auf, dass auch die Stenose des Pylorus mit Wahrscheinlichkeit auf ein
altes tuberkulöses Ulcus bezogen werden konnte.
c) Einige Demonstrationen aus dem Gebiet der Strahlentherapie.
1. Oberlippencancroid, durch Mesothorium geheilt. 2. Endo¬
thel iom der Haut am Fusse, durch Bestrahlung mit Mesothorium und
Applikation der Zeller’schen Paste sehr günstig beeinflusst. 3. Papillom
am Ohr, durch Mesothorium geheilt. 4. Narbenkeloid am Halse,
durch Mesothorium nahezu beseitigt.
Zu diesen Fällen Demonstrationen der Patienten, Photographien,
Moulagen, mikroskopische Präparate aus den verschiedenen Stadien der
Heilung.
Hr. Lorenz: M. H.! Wie Sie alle wissen, hat sich, wie in den
anderen Provinzen, so auch bei uns ein Komitee gebildet zur Erforschung
des Kropfes.
Von mehreren Herren wird nach den verschiedensten Richtungen
hin gearbeitet, um die Unklarheit, die bis jetzt noch immer über diesem
Gebiete schwebt, etwas zu klären.
Etwas wirklich positiv Neues ist bis jetzt, soweit mir bekannt ist,
noch nicht herausgekommen.
So bin denn auch ich nicht in der Lage, Neues mitzuteilen. leb
habe aber geglaubt, dass es die Herren vielleicht interessieren würde,
etwas über die Kropfverbreitung in unserer Provinz zu erfahren.
Ich habe mir daher die Aushebungsliste sämtlicher Bezirkskommandos
unserer Provinz besorgt und mir aus denselben die Verhältniszahl be¬
rechnet, in welcher diejenigen Leute standen, die wegen Kropfs nicht
eingestellt werden konnten, za den ganz Gesunden.
Die Resultate, zu denen ich gelangt bin, habe ich auf einer Land¬
karte durch verschiedene Farben zum Ausdruck gebracht. Ich möchte
mir erlauben, Ihnen dieselbe unter Hinweis auf die wichtigsten Punkte
derselben kurz zu demonstrieren. (Demonstration.)
Sie sehen die Provinz Schlesien. Blau auf meiner Karte bedeutet
ganz wenig Kröpfe, 0—2,5 pM. Rot ohne Kreuz bedeutet ziemlich viele
Kräpfe, 2,6—5 pM. Rot mit schwarzem Kreuz bedeutet sehr viele Kröpfe,
über 5pM.
Bei Betrachtung der Karte im ganzen fällt sofort auf eine lange
blaue, d. h. also kropfarme Linie, welche sich von unten nach oben
durch unsere ganze Provinz hindurebzieht. Diese Linie entspricht dem
Verlauf der Oder. Sämtliche Bezirkskommandos, welche am Oderbett
oder direkt daneben liegen, nämlich Ratibor, Cosel, Oppeln, Brieg
Breslau, Wohlau, Glogau, Neustadt, weisen nur ganz wenig Kröpfe auf
Sehr viele Kröpfe finden sich auf der linken Seite der Oder be¬
sonders in den gebirgigen Teilen von Nieder- und Mittelsohlesien. ’
Im einzelnen betrachtet, sehr viele Kröpfe in Görlitz und Muskau
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1298
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 27.
also dem Stromgebiet der Görlitzer Neisse; desgleichen sehr viele Kröpfe
in Hirschberg und Sprottau, d. h. im Stromgebiet des Bober. Ebenso
sehr viele Kröpfe in Jauer und Liegnitz, d. h. im Stromgebiet der Katz-
bach. Neben diesen beiden zuletzt erwähnten Städten liegen die beiden
Städte Schweidnitz und Striegau. Beide weisen nur sehr wenig Kröpfe
auf. Dieses ist deshalb besonders interessant, weil diese beiden letzt¬
erwähnten Städte zu einem anderen Flussgebiet gehören, nämlich zu
dem der Weistritz.
Viele Kröpfe finden sich dann noch in den Gebirgsstädten Walden¬
burg und Glatz.
Eine starke Kropfmsel findet sich dann noch im Süden von Schlesien,
in den Industriebezirken Beuthen, Gleiwitz und Rybnik. Ebenso weist
auch Oels viele Kröpfe auf.
M. H.! Ich weiss sehr wohl, dass die Resultate, zu denen ich ge¬
langt bin, nicht so ohne weiteres einen absoluten Wert für sich be¬
anspruchen können; es handelt sich bei meiner Statistikaufstellung nur
um Männer, sodann um ein bestimmtes Lebensalter usw. Da ich aber
in der Lage bin, Ihnen statistisch absolut festgestellte Zahlen bringen
zu können, habe ich geglaubt, dass meine Demonstration vielleicht doch
einiges Interesse finden würde.
Zum Schluss darf ich wohl noch bemerken, dass Herr Simon von
der Königlichen chirurgischen Klinik, welcher in ganz ähnlicher Weise
wie ich durch Umfrage bei den Herren Aerzten der Provinz versucht hat,
sich eine kleine Uebersicht über die Kropfdichtigkeit unserer Provinz zu
verschaffen, zu ganz ähnlichen Resultaten gelangt ist wie ich.
Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 26. März 1914.
Hr. J. Kraws berichtet über einen Fall von Granolationsgeschwvlst
auf der Conjunctiva tarsi des rechten Oberlides. Die Erkrankung betraf
ein lßjähriges Fräulein, das bei Eintritt in die Behandlung angab, sie
habe vor etwa 8 "Wochen auf dem rechten Auge ein Hagelkorn be¬
kommen, das aber trotz warmer Umschläge nicht zurückging, im Gegen¬
teil in den letzten 2 Wochen sich so verschlimmerte, dass das ganze
Oberlid sich verdickte und entzündete und sich eine Geschwulst auf der
Bulbusseite des Lides entwickelte, die letzteres vom Bulbus abdrängte.
In den letzten Tagen habe die Geschwulst einige Male geblutet. Der
erhobene Befund war: Rechtes Oberlid stark gerötet und verdickt, un¬
gefähr entsprechend der Mitte ist das Oberlid durch eine annähernd
halbhaselnussgrosse Geschwulst vom Bulbus abgedrängt derart, dass
nach aussen und innen von derselben zwischen Bulbus und Lid ein
Hohlraum entsteht. Nach Eversion des Lides zeigt sich eine Geschwulst
von roter Farbe, der zwischen Lid und Bulbus auch ohne Eversion
sichtbar gewesene Teil ist von unregelmässiger Oberfläche, von mehr
rötlich-gelbem Farbenton und sieht ulceriert aus. Die Geschwulst sitzt
mit ziemlich breiter Basis der Tarsalbindehaut auf und hat nur nach
hinten innen oben einen von glatter Schleimhaut überzogenen condylom¬
artigen Fortsatz. Es besteht schleimig-eitrige Conjunctivitis. Prä-
auriculardrüse etwas vergrössert. Therapie: Abtragung der Geschwulst,
Kautherisation der Wunde. Pathologisch-anatomische Untersuchung im
Universitätsinstitut zu Erlangen: „Es handelt sich sicher nicht um eine
Geschwulst im eigentlichen Sinne. Der Tumor besteht aus Granulations¬
zellen (sehr viele herdförmig angeordnete Lymphocyten) mit reichlich
Gefässsprossung und einzelnen Riesenzellen. Zur Bildung typischer
Tuberkel kommt es nirgends, weswegen auch die Diagnose Tuberkulose
histologisch nicht gestellt werden darf. Möglicherweise hat die Tumor-
bildung doch etwas mit einem Carcinom zu tun.“ Vortr. schliesst sich
dieser Ansicht an und glaubt, dass die von seiten der Patientin einige
Wochen geübte Behandlung des Auges zu der excessiven Granulations¬
entwicklung Veranlassung gab. Zunächst hatte Verdacht auf eine
maligne Wucherung bestanden, der jedoch bei der Operation schwand,
als sieb bei der Abtragung das Gewebe als Granulationsgewebe erwies.
Hr. Reicher-Mergentbeim (a. G.): Ueber die Entstehung der Gallen¬
steine.
Vom 40. Deutschen Aerztetage in München.
Von
Geh. Sanitätsrat Dr. HenittS- Berlin.
Wer folgt nicht gern einer Einladung nach München? Immer wieder
übt die herrlich gelegene, von buntem Leben und Treiben erfüllte, von
frischer Bergluft durchwehte, an Kunstschätzen überreiche und den köst¬
lichen Gerstensaft in bekömmlichster Form darreichende Hauptstadt des
Bayerlandes einen unwiderstehlichen Reiz auf jeden Deutschen aus. Und
so hatten sich auch vom 25. bis zum 27. Juni die Abgesandten der ärzt¬
lichen Vereine in grosser Anzahl dort versammelt, und ihnen hatten sich
anmutige Frauen und frisch iös Leben schauende Mädchen mit Freuden
angeschlossen, und das ergab zuweilen bei den allgemeinen festlichen
Veranstaltungen, deren fast zu viele geboten wurden, ein solches Beengt¬
sein und Gedränge, dass trotz der in Versorgung grosser Menschenmassen
geübten Leitung manch einer und manch eine nicht zu ihrem Rechte
gekommen sind. Trotzdem wird bei allen Teilnehmern das besondere
Gepräge, das gerade diesen Aerztetag auszeicbnete, in gutem Gedenken
bleiben. Sie werden sich erinnern, dass ein Mitglied des königlichen
Hauses, der Prinz Ludwig Ferdinand, der seine ärztlichen Kenntnisse
zum Besten des Allgemeinwohles in ausgedehntem Maasse verwertet, an 1
der Versammlung gern teilnahm und wiederholt versicherte, dass ersieh '
eios fühle mit seinen ärztlichen Kollegen und für ihre wirtschaftlichen i
Kämpfe volles Verständnis habe. Immer wird unvergessen sein der I
schöne Empfangsabend im Hofbräuhaus, wo ein aus 60 in weisse Ope*
ratioosraäntel gehüllten Aerzten bestehendes Orchester, dem sonst der 1
Prinz Ludwig Ferdinand auch an gehört, den Beweis lieferte, dass
Mediziner imstande sind, auch musikalische Instrumente in geradezu
vollendeter Weise zu handhaben. — Dem regelmässigen Besucher der 1
Aerztetage fällt es auf, dass sich die Physiognomie der Versammlung
mehr und mehr ändert. Man vermisst manchen erprobten Kämpen, und
bemerkt nicht mit Unlust, dass die älteren Teilnehmer nicht mehr so i
lebhaft als früher in die Verhandlungen eingreifen und bereitwillig den
neu auftauchenden, jüngeren, zum Teil recht redebegabten Kollegen einen
Platz an der Sonne einräumen. Das Interesse an sozialen und wirt¬
schaftlichen Fragen, früher bei verhältnismässig wenigen Personen sich
zeigend, ist jetzt ein so allgemeines geworden, das Verständnis dafür so
erweitert, dass man für die Zukunft des ärztlichen Standes troti der
Ueberfüllung und trotz der offensichtlichen gegenwärtigen Notlage nichts
zu fürchten braucht.
Zum Deutschen Aerztevereinsbunde gehören jetzt 441 Vereine, die
zusammet) 27 164 Mitglieder umfassen. Von diesen waren 841 Vereine
mit 25 862 Mitgliedern durch 398 Abgeordnete vertreten. In seiner Er¬
öffnungsrede gedachte der Vorsitzende Dippe-Leipzig in besonders
warmen und verdienten Worten der schmerzlichen Verluste, welche im
abgelaufenen Jahre den Bund sehr hart betroffen haben: Wentsoher-
Thorn, Pf alz-Düsseldorf, Mermann-Mannheim, Löwenstein-Elber-
feld sind Namen, welche in der ärztlichen Standesbewegung unvergessen
sein werden; ihr Hinscheiden ist um so empfindlicher, als sie alle vier
im besten Mannesalter dabingerafft wurden.
Aus dem Kassenbericht geht hervor, dass der Bund ein Vermögen
von fast 200000 M. besitzt; der Voranschlag für 1915 schliesst an Ein¬
nahmen und Ausgaben mit ca. 230000 M. ab.
Den wichtigsten Punkt der Tagesordnung bildete der Bericht über
die Lage nach dem Berliner Abkommen. Durch den Friedens¬
schluss mit den Kassenverbänden sind nicht nur nicht alle Blütenträume
der Aerzte gereift, im Gegenteil nahm man die festgelegten Bedingungen
anfänglich mit dem Gefühl einer grossen Enttäuschung auf und warsehr
gespannt, die Gründe zu vernehmen, welche zu dem Berliner Abkommen
geführt haben. Mit rauschendem Beifall wurde der Berichterstatter
II artmann - Leipzig empfangen und ihm so der Beweis geliefert, dass
die Aerzteschaft seine ausgezeichnete Vorsorge, sein rastloses Vorwärts-
dräugen, seine schier unermüdliche Arbeitskraft voll zu würdigen weiss.
Es gelang ihm, durch eine klare Darstellung nachzuweisen, dass es un¬
verantwortlich geweseu wäre, die Vereinbarung nicht anzunehmen, und
dass trotz ihrer die Aerzte niemals auf die Forderungen verzichten werden,
welche sie seit vielen Jahren aufgestellt und festgehalten haben. In den
zehn kommenden Friedensjahren müsse es gelingen, durch friedliches
Einvernehmen mit den Kassen die noch unerfüllten Wünsche zur Er¬
füllung zu bringen. Wir müssen darauf bestehen, dass die Vertrags¬
bedingungen durch paritätische Kommissionen festgelegt, und dass ferner
nicht Eiuzel-, sondern Kollektivverträge geschlossen werden. Leider sei
die allgemeine Anerkennung der freien Arztwahl nicht erreicht; wo sie
bestanden hat, soll sie grundsätzlich erhalten werden, und wo sie nicht
besteht, soll wenigstens den Kranken die Wahl unter den angestellten
Aerzten freistehen. Die Kassenverbände sträuben sich sogar bei neu zu
gründenden Kassen gegen die Einführung der freien Arztwahl. Durch¬
gesetzt sei, dass für eine bestimmte Mindestzahl von Mitgliedern immer
ein Arzt angestellt werden soll. — Nicht erreicht ist ferner die ange¬
messene Abgeltung der ärztlichen Leistungen. Jetzt wollen die Kassen
nicht mehr eine untere Grenze des Honorars festsetzen, wohl aber eine
ungenügende Höchstgrenze, wodurch die Verhältnisse verschlechtert
werden würden. — Eine nicht zu unterschätzende Errungenschaft sei es
gewesen, dass die obersten Staatsbehörden an den Verhandlungen teil¬
genommen und sich überzeugt hätten, dass die Forderungen der Aerzte
nicht unberechtigt seien. Freilich habe man ein energischeres Eintreten
der Behörden für die Durchführung des Abkommens erwartet, welches
jetzt in manchen Punkten ganz merkwürdig ausgelegt werde. Trotzdem
bereits ein halbes Jahr seit den Dezemberverhandlungen vergangen sei,
herrsche noch ein vollständiges Chaos. Seitens der Kassen wird nament¬
lich der Beitrag von 5 Pfennigen pro Mitglied zur Abfindung der Not¬
helfer abgelehnt und den Aerzten womöglich zugemutet, dass sie auch diesen
noch tragen sollen neben dem Beitrag, den sie ihrerseits zu zahlen über¬
nommen haben. Es sei keiu Wunder, dass die Aerzte zum Teil nicht wissen, wie
sie sich zu verhalten haben, da die Versicherungs- und Oberversiohe-
rungsämter eine noch grössere Unwissenheit an den Tag legen. Es sei
offensichtlich, dass es stellenweise an dem guten Wille fehle, und dass
nebensächliche Eigeninteressen eine grosse Rolle spielen. Zu den grössten
Unzuträglichkeiten gehöre es unter andern, dass ein Versicherungsamt
nur die Nothelfer in das Aerzteregister eintrage, ein anderes nur diejenigen
Aerzte, welche von den Kassen gewünscht werden. — Es sei zunächst vor
allem notwendig, alle Verträge unter Dach zu bringen, danach habe die
Tätigkeit der ärztlichen Organisationen zu beginnen. Die Kassen be¬
ehrten den Leipziger Verband noch immer mit ihrem Hass, obgleich
gerade sie es wünsohen müssten, dass möglichst alle Aerzte ihm bei*
treten, da er als vertragscbliesseoder Teil um so mehr in ausgleiohendem
Sinne wirken kann, je stärker er ist. — Zu den Kassen gehören jetzt
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UNIVERSITY OF IOWA
6. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
mehr als 90 pCt aller Erwerbstätigen. — Von 7500 direkt befragten
Kassen, ob sie den Beitrag von 5 Pfg. bewilligen wollen, haben nur 925
geantwortet, von denen 750 zugestimmt, 175 aber abgesagt haben. —
Leider wird auch von ärztlicher Seite schwer gegen das Berliner Abkommen
gesündigt. Manche Vereine weigern sich, die verschiedenen Ausschüsse
eininrichten, andere lehnen ab, Einzelverträge abzuschliessen, als ob
das ein Verstoss gegen das Abkommen der Organisation mit den Kassen
wäre. — Viele ärztliche Vereine haben Verträge abgeschlossen, ohne sie
vorher dem Leipziger Verbände vorgelegt zu haben; jetzt, da sie vor
Unterbietungen sicher sind, graut ihnen vor den selbstgeschaffenen Be¬
dingungen, und nun bitten sie um die Hilfe des Verbandes. Sehr zu
bedauern sei es, dass einige ärztliche Vereine auch den Nothelferbeitrag
von 10 Pfg. nicht zahlen wollen. Dieses Opfer als das letzte muss un¬
bedingt und ohne Widerrede von allen Aerzten gebracht werden.Am
allertraurigsten sind die Verhältnisse in Elbing; dort kommt es zu
keiner Ordnung, weil die preussische Regierung trotz aller Besprechungen
ihre Schuldigkeit nicht tut. Das Oberversicherungsamt in Danzig ent¬
spricht nicht den Anforderungen und wird darin vom Handelsministerium
unterstützt. Die Sohichau-Werft habe in den oberen Kreisen einen
mächtigen Einfluss. Unter lebhaftem Beifall betont der Vortragende,
dass wir auch für Elbing geordnete Verhältnisse verlangen, empfiehlt den
dortigen Kollegen, mutig auszuharren, zumal die deutsche Aerzteschaft
sie nicht im Stiche lassen werde. — Der Redner schliesst mit der Mah¬
nung, man solle überall versuchen, das Abkommen 10 Jahre lang fried¬
lich durch zuführen; gelinge das, so nütze man den Patienten, den Aerzten
und nicht zum wenigsten dem teuren Vaterlande.
An den Vortrag knüpft sich eine sehr lebhafte Debatte, in welcher
die guten und unangenehmen Seiten des Abkommens in deutliche Be¬
leuchtung gerückt werden, und in der wiederholt betont wird, dass das
feste Zusammenhalten in der Organisation des Leipziger Verbandes jetzt
noch wichtiger sei als vordem, da nur unter seiner Leitung die einzelnen
Vereine lernen könnten, das Instrument richtig zu gebrauchen, das
ihnen unter der Bezeichnung „Berliner Abkommen“ übergeben worden
wäre. Im übrigen solle man über das Verhalten der Regierung nicht
za sehr aufgebracht sein; jetzt schon hätte das Reichsversicherungsamt
entschieden, dass nichtapprobierte Personen von der Behandlung aus¬
geschlossen wären, und dass Abschlüsse zwischen den Kassen und ärzt¬
lichen Vereinigungen im ganzen gültig seien. Wenn sich erst die ver¬
schiedenen behördlichen Instanzen mehr in das schwierige Gebiet der
BVO. eingearbeitet haben würden, sei eine richtigere Handhabung im
Sinne der ärztlichen Auffassung zu erwarten. — Schliesslich gelangte
folgende vom Geschäftsausschuss vorgeschlagene und von Hartmann
vertretene Entschliessung zur einstimmigen Annahme:
„Die Anerkennung der von der deutschen Aerzteschaft seit langen
Jahren immer wieder einmütig erhobenen Forderungen liegt nicht bloss
im Interesse der Unabhängigkeit und einer sachgemässen Berufsausübung
der Kassenärzte, sie dient ebensosehr dem Wohle der Versicherten und
dem Gedeihen der Krankenkassen. Wenn auch das Berliner Abkommen
vom 23. Dezember 1913 wesentliche dieser Forderungen noeh unerfüllt
lässt, so ist es doch geeignet, den für alle Beteiligten nötigen Frieden
herbeizuführen. Deshalb macht es der in München versammelte
40. Deutsche Aerztetag den Bundesvereinen, den kassenärztlichen Lokal¬
organisationen und den Sektionen und Ortsgruppen seiner wirtschaft¬
lichen Abteilung, des Leipziger Verbandes, zur Pflicht, überall für die
Anerkennung und die Durchführung des Abkommens tatkräftig ein¬
xutreten. Er erklärt es aber ausserdem für unerlässlich, dass auch die
Bcgieruugs- und Versicherungsbehörden und die Krankenkassenverbände
weit mehr als bisher im Geiste des Friedens wirken, und dass vor allem
me Krankenkassen selbst die sich vielfach im Reiche hinauszögernden
Vertragsabschlüsse fördern, dabei den, durch die Zeitverhältnisse und :
eie von der ReichsversioheruDgsordnung herbeigeführte Verminderung i
der Privatpraxis, begründeten Honoraransprüchen der Kassenärzte gerecht
werden, und den für die Beseitigung der ärztlichen Nothelfer erforder- <
liehen 5 Pfg.-Beitrag nicht länger verweigern. Dabei verhehlt sich der <
Aerztetag nicht, dass das Vertrauen der Aerzte in das Berliner Ab- 1
«mmen so lange kein grosses sein wird und kein grosses sein kann, 1
ois nicht alle Vorbedingungen für sein Zustandekommen restlos erfüllt 1
®ad. Er spricht daher die bestimmte Erwartung aus, dass nun endlich <
ou unerträglichen Zuständen bei den Krankenkassen in Elbing ein 1
ade gemacht wird, und richtet an die im Berliner Abkommen be¬
engten Krankenkassenverbände die eindringliche Mahnung, dafür zu i
y?’ dass die Elbinger Betriebs- und Ortekrankenkassen schleunigst l
« i n “öden des Berliner Abkommens treten und die zugezogenen i
jWelfer entlassen. Schliesslich verlangt er von der preussischen <
gfrung, dass sie, io Erfüllung eines beim Abschluss des Abkommens t
Terh’a ^ e ^ e . nen Versprechens, die beiderseitigen Kassen- und Aerzte- i
Y«r<ri? e ^ se * n ® r Durchführung unterstützt, die in Betracht kommenden
&>iin C& ^ ruD o. 8 ^ e ^® r ^ en weist, ohne Ansehen der Person auch für s
g un Sinne des Berliner Abkommens tätig zu sein.“ £
Antra!! 1 t? sc ^ US8 daran wurde ferner ein von München eingebrachter c
w R | ro8ser Mehrheit angenommen, wonach durch eine Petition i
töonrl ö . esra ^ UQ d Reichstag der Wunsch ausgesprochen wird, dass 8
Win mH* ,^* eresse der Kassen die Mitglieder derselben gehalten i
Behanrfi eD> Ertrankungsfällen einen gewissen Zuschuss für ärztliche
Wörtwk®* UD< * Medikamente zu leisten, ein Vorgehen, das sich in
Dam sc ^ ( ? n se *t einiger Zeit bewährt habe. <
diexiihH» T m Verhandlung über den wichtigsten Gegenstand der l
gen Tagesordnung geschlossen. Es folgte der Bericht der a
i Kurpfuschereikommission, in dem ausgeführt wird, dass eine wirk-
> same Bekämpfung dieses mehr und mehr um sich fressenden Uebels
nicht durchführbar sei, wenn dazu nicht grössere Geldmittel zur Ver-
i fügung gestellt würden. Mit allen gegen 8 Stimmen wurde der Antrag
> angenommen, dass zu diesem Zwecke der Bundesbeitrag um eine Mark
i pro Kopf und Jahr erhöht wird. Der Geschäftsausschuss wird in Be¬
ratung darüber treten, wieviel von den so gewonnenen etwa 27 000 Mark
der Arzneimittelkommission des Kongresses für innere Medizin überwiesen
werden soll.
Bei der satzungsgemässen Neuwahl des Geschäftsausschusses
erlangten folgende Mitglieder die Mehrheit: Hartmann-Leipzig, Win¬
kelmann-Barmen, Dippe-Leipzig, Pfeiffer-Weimar, Mugdan-Berlin,
Vogel-Heppenheim, Franz-Schleiz, Sardemann-Marburg, Dörffler-
Weissenburg, Rehm-München, Wemer-Quittainen, Munter-Berlin.
Der nächste Punkt der Tagesordnung betraf die in letzter Zeit
wiederholt besprochene und in verschiedenem Sinne beantwortete Frage,
in wieweit ärztliche Tätigkeit für sogenannte gemeinnützige
Unternehmungen unentgeltlich geleistet werden dürfe. Einem vor¬
züglich ausgearbeiteten und wirksam vorgetrageneD Referate von Lenn-
hoff-Berlin folgte eine sehr lebhafte Auseinandersetzung, wobei namentlich
die Aerzte des Roten Kreuzes für die Fortführung ihrer Tätigkeit mit
Wärme eiotraten. Schliesslich gelangten folgende Vorschläge des Ge¬
schäfteausschusses gegen 9 Stimmen, also fast einstimmig, zur Annahme:
1. Die unentgeltliche charitative ärztliche Tätigkeit bleibt eine
Ehrenpflicht der deutschen Aerzteschaft, sie bedarf aber des Schutzes
vor missbräuchlicher Ausnützung.
2. Dass eine Unternehmung als „gemeinnützig“ bezeichnet wird,
bedingt an sich nicht Unentgeltlichkeit der ärztlichen Tätigkeit.
3. Allgemeine Vorbedingung für diese ist, dass der Zweck der
Unternehmung nicht in den Bereich behördlicher Leistungen fällt, und
dass die Unternehmungen ihre Leistungen ohne oder gegen nur geringes
Entgelt gewähren.
4. Im Einzelfalle ist die Unentgeltlichkeit von der Besonderheit der
Unternehmung und der Besonderheit der ärztlichen Tätigkeit abhängig
zu machen.
5. Unentgeltlichkeit begründende Besonderheit darf nach Prüfung
angenommen werden bei der Ausbildung der Genossenschaften freiwilliger
Krankenpfleger im Kriege, Sanitätskolonnen und Helferinnen vom
Roten Kreuz.
6. Wo immer Aerzte unentgeltlich eine Ausbildungstätigkeit aus¬
üben, ist eine schriftliche Verpflichtung von den auftraggebenden Stellen
und von den auszubildenden Personen einzuholeo, dass diese keinerlei
ärztliche Tätigkeit, insbesondere nicht im Sinne des § 370 RVO. ausüben
dürfen oder werden.
7. In jedem Falle ist die Frage, ob ärztliche Tätigkeit für ein ge¬
meinnütziges Unternehmen unentgeltlich geleistet werden soll, der ört¬
lichen Organisation der Aerzte vorzulegen. Gegen deren Entscheidung
kann eine von dem Geschäftsausschuss des deutschen Aerztevereinsbundes
einzurichtende Instanz angerufen werden.
Mit dieser wichtigen Besprechung waren die Verhandlungen des
ersten Tages beendet, der zweite begann mit einer, sagen wir einmal:
Etikettenfrage. Es handelte sich um die Einrichtung besonderer
Ehrengerichte für die Sanitätsoffiziere des Beurlaubten¬
standes; aus der Versammlung wurden noch Wünsche verlautbart für
die Abänderung des Wahlmodus für die Sanitätsoffiziere der Reserve, so
dass schliesslich folgender Antrag die Mehrheit erhielt:
„Der 40. deutsche Aerztetag wolle seinen Geschäftsausschuss beauf¬
tragen, durch das zuständige Kriegsministerium an Allerhöchster Stelle
vorstellig zu werden, dass die Wahlen zum Sanitätskorps des Beurlaubten¬
standes in Zukunft nicht mehr allein durch die aktiven Sanitätsoffiziere,
sondern auch durch die Sanitätsoffiziere des Beurlaubtenstandes vollzogen
werden, und dass die Verordnungen über die Ehrengerichte der Sanitäts¬
offiziere (für das preussische Heer d. Ver. v. 9. IV. 1001 und deren Neu¬
druck v. 15. VII. 1910 und die entsprechenden Verordnungen für Bayern,
Sachsen und Württemberg) dahin abgeändert werden, dass für die Sani¬
tätsoffiziere des Beurlaubtenstandes bei den einzelnen Bezirkskommandos
besondere Ehrengerichte gebildet werden, wie solche für die Offizierskorps
des Beurlaubtenstaodes und die Sanitätsoffiziere der Landwehrinspektion
Berlin bereits bestehen.“
Für die Notwendigkeit eines solchen Spezialehrengerichte wurde u. a.
angeführt, dass in Düsseldorf ein Generaloberarzt, der soeben zur Dis¬
position gestellt war, sich als Nothelfer bei den Kassen gemeldet hat,
nachdem er vorher als Vorsitzender des Ehrengerichte tätig war, welches
einen anderen Nothelfer freigesprochen hatte. Nach einer Beschwerde
der Düsseldorfer Aerzte ist allerdings dieses Muster eines höheren Militär¬
arztes ohne Uniform entlassen worden.
Die Hebammenfrage hat schon seit langer Zeit die Aerzte be¬
schäftigt. Immer wieder wurde darauf hingewieseu, dass die soziale
Stellung dieser notwendigen Helferinnen eine recht traurige sei, und
dass an eine Hebung des Standes nicht gedacht werden könne,'wenn
nicht, die Einkommensverhältnisse aufgebessert würden, welche jetzt be¬
sonders bei den Landhebammen geradezu als kläglich bezeichnet werden
müssen. Es hat sich ein Verein zur Förderuug des Hebammenweseus
gebildet, dem nicht nur Aerzte und Hebammen selbst angehören, ferner
haben die Regierungen ihr Augenmerk auf die erforderliche Aenderung
der Gesetzgebung gerichtet, so dass ein Reichsgesetz für das Hebammen¬
wesen in sicherer Aussicht steht. Da aber die Gesetzesmühlen, wenn ea
sich nicht um Steuer- oder Heeresfragen handelt, entsetzlich langsam
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1300
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
mahlen, ist es erforderlich, dass zur Beschleunigung des Vorgehens immer
▼jeder auf diesen wunden Punkt hygienischer Versorgung hingewiesen
wird. Nach einem ausführlichen Vortrage von Riss mann-Osnabrück
und einer sich anschliessenden Besprechung nahm die Versammlung die
folgenden Leitsätze an:
1. Es ist für Deutschland auch heute noch zweckmässig, an der
bisherigen Ausdehnung der Berufstätigkeit der Hebammenschwestern fest¬
zuhalten und nicht etwa Geburtshelferinnen auszubilden.
2. Unser nächstes Streben muss dabin geben, baldigst für die Heb¬
ammenschwestern in jeder Beziehung das zu erreichen, was Kranken¬
oder Säuglingsschwestern heutzutage schon gewährt wird (Vorbildung,
Ausbildung, Einkommen, Ruhegehalt, Entschädigung für zeitweise Ausser-
dienststeltung usw.).
3. Die Hebammenschulen stehen am besten unter staatlicher Ver¬
waltung und bedürfen eines in jeder Beziehung reichlichen Materials.
So muss mit der Hebammenschule eine Poliklinik für Personen, die der
behördlichen Armenpflege unterstehen, (Mütter- und Säuglingsberatungs¬
stelle) und eine geburtshilfliche Poliklinik verbunden sein und ibr ein
Mütterheim angegliedert sein. Auf die Heraobilduug eines tüchtigen
Hebammenlehrerstandes muss viel mehr Gewicht als bisher gelegt werden.
4. Wir bedürfen dringend eines deutschen Reichsgesetzes für Heb¬
ammen wie einer Mutterschaftsversicheruug in Deutschland.
5. Es ist dringend wünschenswert, dass die Aerzte, welche Geburts¬
hilfe treiben, das Hebammenlehrbuch kennen und zu jeder Geburt eine
Hebammenschwester zuzieben.
6. Es muss für die Praxis — in ähnlicher Weise wie in Baden oder
Mecklenburg — ein engerer Zusammenhang zwischen Ilebammenlehrer
und praktischen Aerzten einerseits und den Hebammenschwestern
andererseits geschaffen werden. Die Kreis- (Amts-) Aerzte können allein
die Kontrolle der Hebammen in der Praxis nicht ausführen.
Ausserdem soll der Geschäftsausschuss darüber in Beratung treten,
ob der Aerztevereinsbund ein Mitglied bestimmen soll zur Teilnahme an
den Verhandlungen des Vereins zur Förderung des Hebammenwesens.
Nach vielstündigen anstrengenden Verhandlungen eilte mau zura
Schlüsse. Der Antrag auf Errichtung einer Auskunftsstelle für
Aerzte in Geld- und Bankangelegenheiten wurde als wenig aus¬
sichtsreich zurückgezogen. Dagegen soll eine Aenderung der maasslos ver¬
worrenen und unzureichenden Gebührenordnungen von den Aerzten selbst
in die Wege geleitet werden, da von den Regierungen leider nicht zu
erwarten ist, dass sie eine Vereinheitlichung der 18 in Deutschland be¬
stehenden ärztlichen Taxen, die sämtlich schlecht und daher verbesserungs¬
bedürftig sind, herbeiführen werden. In diesem Sinne wurde folgender
Antrag zum Beschluss erhoben:
Der Aerztetag wolle beschliessen, dass durch den Geschäftsausschuss
bzw. durch den Vorstand des L. V. eine Taxkommissiou zu errichten
ist, die die vorhandenen ärztlichen Gebührenordnungen zu überwachen,
auf zeitgemässem Stande zu erhalten bzw. durch eine gemeinsame Taxe
zu ersetzen hat. Die Kommission soll aus drei Aerzten bestehen, die
das Recht der Zuwahl haben; jedes Jahr bat die Kommission dem Aerzte¬
tag über ihre Tätigkeit Bericht zu erstatten.
Mit einem Gefühl grosser Befriedigung gingen die Delegierten aus¬
einander. Ein Teil besuchte noch unter vorausgesehener Führung Bad
Reichenhall, ein anderer Bad Tölz, andere machten Ausflüge in die
sohöne bayrische Gebirgsgegend. In allen Gesprächen aber gab sich eine
gewisse Genugtuung darüber kund, dass nun endlich, nachdem die
Kassenfragen ihr Uebergewicht bei den Verhandlungen verloren haben,
die Vertretung der deutschen Aerzte sich wieder Fragen zuwenden könne,
die für das Allgemeinwohl von grösster Bedeutung sind.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In der Sitzung der Berliner medizin. Gesellschaft
am 1. Juli hielt Herr Felix Hirschfeld den angekündigten Vortrag:
Ueber den Nutzen und die Nachteile der Unterernährung (Karelkur) bei
Herzkranken (Diskussion: die Herren Mosler, Hirschfeld) und Herr
Rautenberg seinen Vortrag: Ueber die Röntgenphotographie der Leber
und Milz. (Mit Demonstrationen.)
— Die Vereinigung mitteldeutscher Psychiater und Neuro¬
logen hält am 25. Oktober d. J. in Dresden ihre nächste Versammlung
ab. Anmeldungen an Geheimrat Ganser-Dresden.
— Der ärztliche Direktor der Charite, Herr Obergeneralarzt Prof.
Dr. Scheibe, wird am 1. August aus dieser Stellung ausscheiden und
als Inspekteur der 3. Sanitätsinspektion nach Cassel übersiedeln. In
seine 10 jährige Amtstätigkeit fällt ein grosser Teil der Riesenarbeit, die
durch den Umbau der Charite geleistet wird; dass diese Arbeit in so
mustergültiger Weise durchgefübrt werden konnte, ist nicht zum
wenigsten sein Verdienst, und sein Name wird mit der Geschichte des
altehrwürdigen Krankenhauses allezeit verknüpft bleiben; ebenso wird
man seiner als des Leiters der Charite-Gesellschaft, des Herausgebers
der Charitö-Annalen stets freundlich gedenken. Zu seinem Nachfolger
ist Generalarzt Dr. Schmidt, zurzeit Generalarzt des III. Armeekorps,
ernannt.
— Der Chefarzt des deutschen Krankenhauses in London, Dr.K.Fürth,
ist im 45. Lebensjahre gestorben.
Nr. 27.
— Der um die hygienische Aufklärung und Bekämpfung der Kur¬
pfuscherei wohlverdiente Primararzt Kantor in Warnsdorf (Böhmen),
Herausgeber des „Gesundheitslehrers*, ist zum Medizinalrat ernannt
worden.
— Die sächsische zweite Kammer hat eine Petition um Errichtung
eines Lehrstuhles für sogenannte Naturheilkunde an der Uni¬
versität der Regierung zur Kenntnisnahme einstimmig überwiesen. Wenn
bei den Auserwäblten des Volkes derartiges möglich ist, kann man sich
nicht mehr wundern, dass Sachsen den Ruhm geniesst, das klassische
Land der Kurpfuscherei zu sein.
— Für das Preisausschreiben der „Robert Koch-Stiftung
zur Bekämpfung der Tuberkulose“ lautet das Thema: „Die Be¬
deutung der verschiedenartigen Strahlen (Sonnen-, Röntgen-, Radium-,
Mesothorium-) für die Diagnose und Behandlung der Tuberkulose.“ Die
Arbeiten, die in deutscher Sprache abgefasst und mit der Maschine ge¬
schrieben sein müssen, sind bis zum l. Juli 1915 bei dem Schrift¬
führer der Stiftung, Herrn Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. Schwalbe-Berlin-
Cbarlottenburg, Schlüterstr. 53, in der üblichen Form abzuliefern.
Hoch sch ulnachrichten.
Göttingen. Geheimrat Arthur v. Hippel, Direktor der Augen¬
klinik, tritt am 1. Oktober in den Ruhestand. — Halle. Der frühere
Leiter der medizinischen Poliklinik, Prof. Nebelthau, ist im Alter von
50 Jahren in Bremen gestorben. — Marburg. Geheimrat Tuczek,
Ordinarius für Psychiatrie, tritt mit Ende des Semestere vom Lehramt
zurück. — Strassburg. Habilitiert: Dr. Achelis (innere Medizin) und
Dr. Parnass (Physiologie). — Wien. Habilitiert: Dr. Fiebiger (Para¬
sitologie). — Zürich. Habilitiert: Dr. Brun (Chirurgie).
Amtliche Mitteilungen.
Ponaonallen.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: San.-Rat Dr. Hen¬
nin gsen in Kiel, dirigierender Arzt des städtischen Krankenhauses
Westend Prof. Dr. Umber in Charlottenburg.
Königl. Kronen-Orden 2. Kl: Marine-Generalarzt &. D. Dr. F.
Grotrian in Kiel.
Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: San.-Rat Dr. S. Hinrichs in
Burg i. D.
Königl. Kronen-Orden 4. Kl.: Arzt Dr. G. Schiewe in Bruns-
büttelkoog.
Ernennung: ausserordentl. Professor an der Universität Strassburg
Dr. E. Meyer zum ordentl. Professor.
Zu besetzen: die Stelle des Kreisassistenzarztes und Assistenten bei
dem Medizinaluntersuchungsamt in Hannover. Jabresremuneration2500M.
Bakteriologische Vorbildung erforderlich. Die Stelle kann auch einem
noch nicht kreis'ärztlich geprüften Arzte vorläufig kommissarisch über¬
tragen werden, wenn er den Bedingungen für die Zulassung zur kreis¬
ärztlichen Prüfung geuügt und sich zur alsbaldigen Ablegung der
Prüfung verpflichtet.
Niederlassungen: Dr. K. Meskein Danzig, Dr.H.Berger und Aerztin
L. Dieckmann in Cöln, E. Jansen in Aachen.
Verzogen: W.Last von Berlin nach Berlin-Rosenthal, Dr. R. Pipen¬
berg und Dr. G. Pipenberg von Rankau nach Freiburg i.Schl., Dr.H.
Kallas von Göttingen nach Obernigk, Dr. E. Matthäus von Ober-
nigk nach Erlangeu, Dr. L. K. 0. Langer von Wüstegiersdorf und Dr.
P. Georgi von Cöthen nach Friedland, Kreis Waldenburg, Dr. F.
Lux von Hamburg nach Görbersdorf, E. Grüner von Breslau nach
Lublinitz, Dr. F. v. Tippeiskirch von Danzig nach Pless, Dr. F.
Schrantzer von Beuthen nach Knurow, Dr. M. Schneider von Nürn¬
berg nach Rybnik, Dr. W. Baetgen von Rybnik nach Zabrze, Dr.
B. Koppe von Dommitzsch und Dr. K. Multhaupt von Breslau
nach Halle a. S., Dr. E. AUetsee von Halle a. S. naoh München,
B. Scharlach von Orteisburg nach Merseburg, Dr. W. Woltbaus
von Bad Kösen nach Frankenhausen (Kyffh.), G. Eichhorn von
Leipzip nach Weissenfels, Dr. J. Bitterling von Altona nach Ham¬
burg, Dr. K. lfromberg von Reisen nach Altona, Dr. F. K- W.
Schow von Lunden nach Heide, Dr. H. J. Müller von KÖstntz
i. Th. nach Lunden, Dr. H. Nitsche von Cöln, Dr. G. Müller von
Hamburg, Dr. G. Kramer von Leipzig und Dr. L. Seifert von
Paderborn nach Kiel, Dr. A. Kook von Berlin nach Hannover, Dr.
F. Meyer von Cuxhaven nach Borgholzhausen, Dr. J. Jaspers von
Münster i. W. nach Gütersloh, Dr. M. Graff von Daun nach Herfora,
Dr. L. Thiele von Aachen nach Ennigloh, Kr. Herford, Dr. H. Lan¬
dau von Cöln nach Neuenahr, Dr. P. N. A. Lauxen von Ottweuer
nach Daun, G. Hundhammer von Limburg nach Trier, Dr. b.
Hannemann von Jena und Dr. G. Werner von Wittenberg nac
Stettin, Dr. J. H. Ossing von Münster nach Erfurt, Dr. K.
Sch warzen au er von Bleicherode nach Breitenworbis, Dr. M. Grau-
han von Bonn nach Kiel, Dr. H. Schmidt von Warburg nach Ham¬
burg, Dr. K. Wendenburg von Osnabrück nach Bochum.
Gestorben: Dr. G. Haag in Bensberg, Geh. San.-Rat Dr. K. Bureu
i n Hoffnungsthal (Bez. Cöln). _ '
F&r die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreutber8tr*sw4S.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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volle man portofroi an die Verlagsbuchhandlung
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Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Posner und Prof. Dr. Dans Kok August Ilirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 13. Juli 1914 M2S. Emundfüufzigster Jahrgang.
ALT.
I N H
Origlialiei: Goldscheider: Ueber atypische Gicht und verwandte
StoffwechselstoruDgen. S. 1801.
Steioiti: Blutuntersuchungen bei atypischer Gicht. (Aus dem
poliklin. Universitätsinstitut für innere Medizin in Berlin.) S. 1306.
Hart: Tbymns und Rachitis. S. 1308.
Matti: Die Beziehungen der Thymus zum Morbus Basedowii. S. 1310.
Blumenthal: Zur Frage der Verschärfung der Wassermann’schen
Reaktion. (Aus der Universitätspoliklinik für Hautkrankheiten.)
S. 1316.
Schroeder: Einige technische Neuerungen in der Dialysiermethode
und die Anwendung derselben in der Psychiatrie. (Aus der Pro-
viMial-Heil- und Pflegeanstalt Kortau bei Allenstein.) S. 1819.
Freystadtl: Röntgenbild der Keilbeinhöhle vom Epipharynx aus.
(Aus der Kgl. ungarischen Universitätsklinik für Nasen- und Kehl¬
kopfkrankheiten in Budapest.) (Illustr.) S. 1322.
Heinemann: Ein bemerkenswerter Fall von extragenitaler Syphilis¬
infektion. S. 1323.
Blcherbesprechiiigea : Rubner, v. Gruber und Ficker: Handbuch
der Hygiene. S. 1824. (Ref. Günther.) — Gärtner: Leitfaden der
Hygiene. S. 1324. (Ref. Hahn.) — von Hoffmann: Die Rassen¬
hygiene in denVereinigten Staaten von Nordamerika. S. 1324. (Ref.
Posner.) — Lehmann: Die Bedeutung der Chromate für die Ge¬
sundheit der Arbeiter. S. 1324. (Ref. Holtzmann.) — v. Tobold,
Schmidt und Devin: Uebersicht über die Neuerungen in der Feld¬
sanitätsausrüstung. S. 1325. Krückmann und v. Kern: Ueber
Schiessbrillen. S. 1325. (Ref. Schnütgen.) — Glaessner: Jahrbuch
für orthopädische Chirurgie. S. 1325. (Ref. Künne.) — Schrauth:
Die medikamentösen Seifen, S. 1325. Schulz: Die Behandlung der
Diphtherie mit Cyanquecksilber. S. 1325. (Ref. Jacoby.)
hitor»t*r*Ans*üge: Physiologie. S. 1325. — Pharmakologie. S. 1326. —
Therapie. S. 1826. — Allgemeine Pathologie und pathologische
Ueber atypische Gicht und verwandte Stoff¬
wechselstörungen.
Von
Geh, Med.-Rat Prof. Dr. Goldscheider.
(Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am
17. Juni 1914.)
M. H.! Der atypischen Gicht sind diejenigen Fälle ein-
wordnen, bei welchen man Gichtablagerungen auffindet, ohne
. lu eigentlichen Gichtattacken kommt. Es gibt ausserdem,
wie ich später noch näher ausführen werde, sicherlich noch an-
alwfreie Gichtiker, bei welchen, sei es dauernd, sei es während
woe8 gewissen Stadiums, überhaupt keine Ablagerungen zu finden
Md. Aber bei diesen Fällen ist die Beurteilung schon nicht
®ehr ganz objektiv.
Die Frage der irregulären Gicht ist von den verschiedenen
woren nicht gleichmässig beantwortet worden.
.? a ”°^l )e *ei c hnete als regulär die akut oder chronisch auf tretende
Km ^ i . der Gewebe in den Gelenken oder um die Ge-
^ c L y* Regulär die Fälle, bei welchen schwere Funktionsstörungen
bmAn v’ UD 8 en ^ er Gewebe, welche nicht mit den Gelenken in Ver-
Mdaog stehen, auftreten.
der Gi\ C ^ ¥ -° r k dass die Anfälle keine notwendige Erscheinung
dtn k rii 8m ^’ un d oeunt irregulär alle die Symptome, welche ausser
Heike ° a en V0T ^ om, ? leQ * Er führt eine sehr bunte und weit gezogene
wiftwI° Q irrregulären Symptomen auf und lässt, ohne hin-
,w A ® präzise diagnostische Merkmale anzugeben, dem erfahrenen Blick
einefl weiten Spielraum. Es ist nach Duckworth nicht ein¬
Anatomie. S. 1827. — Diagnostik. S. 1327. — Parasitenkunde und
Serologie. S. 1327. — Innere Medizin. S. 1328. — Psychiatrie und
Nervenkrankheiten. S. 1329. — Kinderheilkunde. S. 1329. —
Chirurgie. S. 1330. — Urologie. S. 1330. — Haut- und Geschlechts¬
krankheiten S. 1331. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1331. —
Augenheilkunde. S. 1331. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
S. 1332.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische
Gesellschaft. Hirschfeld: Ueber den Nutzen und die Nachteile
der Unterernährung (Karelkur) bei Herzkranken. S. 1332. Rauten-
berg: Ueber die Röntgenphotographie der Leber und Milz. S. 1332. —
Laryngologisohe Gesellschaft zu Berlin. S. 1332. —
Röntgen-Vereinigung zu Berlin. S. 1336. — Medizinische
Sektion der schlesischen Gesellschaft für vaterländische
Kultur zu Breslau. S. 1337. — Aerztlicher Verein zu Ham¬
burg. S. 1337. — Medizinische Gesellschaft zu Kiel. S. 1338.
— Verein für wissenschaftliche Heilkunde zu Königs¬
berg i. Pr. S. 1839. — Gynäkologische Gesellschaft zu
Dresden. S. 1340. — Naturwissenschaftlich-medizinische
Gesellschaft zu Jena. S. 1340. — Medizinische Gesellschaft
zu Göttingen. S. 1341. — Naturhistorisch-medizinischer
Verein zu Heidelberg. S. 1341. — Nürnberger medizinische
Gesellschaft und Poliklinik. S. 1342. — Aerztlicher Ver¬
ein zu München. S. 1342. — Physikalisch-medizinische
Gesellschaft zu Würzburg. S. 1343. — K. k. Gesellschaft
der Aerzte zu Wien. S. 1343. — Gesellschaft für innere
Medizin und Kinderheilkunde zu Wien. S. 1343.
Landsberger: Zur Bekämpfung der Tuberkulose. S. 1344.
Voll mann: Stimmungsbilder und Lehren vom 40. Aerztetag. S. 1345.
Dietrich: Martin Kirchner. S. 1346.
Tagesgeschichtl. Notizen. S.1347. — Amtl. Mitteilungen. S.1348.
mal nötig, dass ein Gichtiker überhaupt jemals Gelenkaffektionen be¬
kommt. Bemerkenswert ist sein Hinweis darauf, dass diese irregulären
Symptome auch bei der regulären Gicht Vorkommen und dass manche
Personen erst, nachdem sie viele Jahre lang irreguläre Gicht gehabt
haben, typische Gichtanfälle bekommen. Ebstein verwirft die Garrod-
sche Einteilung und rechnet zu regulärer Gicht auch die Fälle mit Tophi
ohne Anfälle, behandelt diese aber ganz beiläufig. „Es kommen gichti¬
sche Tophi vor, ohne dass Gichtparoxysmen jemals vorhanden gewesen
zu sein brauchen. In der Mehrzahl der Fälle indes werden, wenn Tophi
vorhanden sind, auch Gichtanfälle nicht vermisst.“ Minkowski hält an
der Einteilung in reguläre und irreguläre Gicht fest, zieht aber keine feste
Grenzlinie. „Die irreguläre Gicht zeichnet sioh aus durch das geringere
Heivortreten des periodischen Charakters der Krankheit, die allmähliche
Entwickelung von bleibenden Gelenkveränderungen und Difformitäten
sowie das Auftreten von Funktionsstörungen und krankhaften Verände¬
rungen in verschiedenen inneren Organen.“ Er meint, dass die irreguläre
Gicht am häufigsten aus der regulären hervorgeht, seltener von vorn¬
herein vorhanden ist. Minkowski versteht unter irregulärer Gicht so¬
wohl das Zurücktreten der Anfälle wie die Generalisation der Gicht und
die Entwickelung der gichtischen Kaohexie. Seine atypische Gicht ist
etwas anderes als die von Duckwortb.
Brugsoh bezeichnet als irreguläre Gicht die chronische Arthritis
bei welcher sich Harnsäureablagerungen finden, ohne akute Anfälle. *
Schon im Jahre 1884 lenkte Vir oho w die Aufmerksamkeit „auf die
grosse Häufigkeit von solchen Gichtfällen, bei denen die gewöhnlichen
Zufälle, namentlich die Paroxysmen, also das, was uns gerade den Ver¬
lauf der Gicht so eigentümlich und charakteristisch erscheinen lässt gar
nicht eintreten.“ ’ s
His hat neuestens darauf hingewiesen, dass die Gioht öfter als bei
uns gemeiniglich angenommen werde, atypisch, d. h. ohne akute Gelenk-
symptome, in der Form chronisoher Arthritiden mit symmetrischer An-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
Ordnung, Schwellung der Kapsel usw. verlaufe; auch könne sie die Ge¬
lenke überhaupt verschonen, sich als Neuralgie, Myalgie, chronische Ne¬
phritis usw. äussern.
Die Gichtanf&lle sind ohne Zweifel dasjenige klinische Sym¬
ptom, welches der Krankheit den Stempel aufdrückt. Die mit
Paroxysmen verbundenen Fälle müssen als die typischen, die
ohne solche verlaufenden Fälle als atypische bezeichet werden.
Das sind die beiden Grundtypen, denen alle weiteren klinischen
Differenzierungen unterzuordnen sind.
Die Diagnose der atypischen Gicht wird gestellt, durch den
Nachweis uratischer Ablagerungen. Letztere kommen sehr
viel häufiger vor, als bisher bekannt ist und ich glaube nicht zu
weit zu gehen, wenn ich behaupte, dass sie in zahlreichen Fällen
der ärztlichen Beobachtung entgehen. Auch den Autoren, welche
sich ganz besonders mit der Gicht beschäftigt haben, ist, wie ich
aas ihren Werken entnehmen muss, die Häufigkeit des Vorkommens
uratischer Ablagerungen unbekannt geblieben.
Tatsächlich sind die Fälle von atypischer Gicht ausserordent¬
lich häufig. Ich habe in einer früheren Arbeit über atypische
Gicht 1 ) aus meiner Beobachtung 80 Fälle zusammengestellt und
kann jetzt über weitere 271 Fälle aus den Jahren 1912 und 1913
berichten. Die uratischen Tophi fanden sich unter letzteren
Fällen in folgender Häufigkeit und Verteilung:
61 Fälle
103 *
15 *
32 „
2 „
8 *
4 *
10 „
4 *
Atypische Gicht mit Tophi; (271 Fälle).
Verteilung der Tophi.
Olecranontophi allein . . .
Präpatellare Tophi allein
Os sacrum-Topbi allein . .
Oleeranon- und Präpatellare
Olecranon und Os sacrum .
Präpatellare und Ohr . . .
Präpatellare und Os sacrum
Olecranon und Ohr. . . .
Olecranon, Präpatellare und Ohr
Olecranontophi und Finger- bzw. Daumen
gelenkschwellung bzw. -Versteifung
Olecranon-, Präpatellare Tophi u. Finger-
gelenkschwellungen.
Präpatellare Tophi und Fingergelenk
Schwellungen.
Knie, neben der Patella . .
Extensoren-Bursa am Knie .
Fussgelenk.
Ueber der Scapula ....
Condylus ext. des Humerus.
Dornfortsatz eines Halswirbels
Darmbeinkamin.
Olecranon- und Acromiontophus
Olecranon- und Daumentophus.
Olecranon- und Kniegelenktophus
Olecranon- und Malleolentophus
Präpatellare und KniegeleDktophi
Os sacrum- und Nackentophi .
Präpatellare und Trochantertophi
Präpatellare und Fussgelenktophi
Fall
Fälle
Fall
271 Fälle.
Es wurden beobachtet im ganzen:
159 mal präpatellare Tophi
122 „ Olecranontophi
22 „ Os sacrum-Topbi
22 „ Ohrtophi
Bei weitem am häufigsten kommen somit die Ablagerungen
im präpatellaren Schleimbeutel und im Schleimbentel des Ole-
cranon vor, an ersterer Stelle noch öfter als an letzterer. Die
Olecranontophi sind zwar auch früher bekannt gewesen, aber man
hat nur diejenigen beachtet, welche von auffallender Grösse und
ohne weiteres sichtbar waren; die Mehrzahl derselben ist aber
klein und kann nur durch Palpation festgestellt werden. Auf die
präpatellaren Tophi ist, soweit ich die Literatur durchgesehen
habe, vor meiner Mittelung überhaupt nicht geachtet worden.
Ebstein gibt an, dass er unter 194 Gichtfällen fünfmal
Olecranontophi gefunden habe. Der Vergleich mit meinen Zahlen
ergibt ohne weiteres die Richtigkeit meiner Behauptung, dass
diese Tophi meist übersehen worden sind.
Die präpatellaren Tophi habe ich in meiner früheren Publi¬
kation im Vergleich zu den Olecranontophi als etwas weniger häufig
angegeben. Jetzt finde ich sie öfter, weil ich eben selbst gelernt
habe, immer mehr auf diese Gebilde zu achten.
Sowohl die Olecranon- wie die präpatellaren Tophi finden
1) Zscbr. f. pbjrsik. u. diät. Ther., 1912, Bd. 16.
sich zum Teil einseitig, zum Teil doppelseitig und dann gewöhnlich
auf einer Seite stärker entwickelt als auf der anderen.
Es bandelt sich um kleine, höckerige, barte, häufig zu
Konglomeraten vereinigte Gebilde von Reiskorn- bis Linaen-
bis Kaffeebohnengrösse, verschieblich und meist schmerzlos;
manche jedoch sind bei Druck leicht oder mässig schmerzhaft,
besonders am Knie und Kreuzbein, und gelegentlich können sie
den Sitz lebhafter und ausstrahlender Schmerzen bilden. Zuweilen
sind sie so klein, dass ihre Auffindung nur bei sorgfältiger Ab¬
tastung gelingt. Durch den Nachweis der Verschieblichkeit schützt
man sieb vor Verwechselungen mit knöchernen Unebenheiten. Zu¬
weilen, namentlich bei den präpatellaren Tophi, kann man ein sehr
leichtes Knirschen fühlen.
Dass diese Schleimbeutelknötchen mit uratischen Ablagerungen
in Beziehung stehen, ist sehr wahrscheinlich. Sie finden sich
häufig bei der echten Gicht. Mehrfach konnte ich beobachten,
wie sie sich im Laufe der Zeit verkleinerten, bis sie dann eine
bleibende Verdickung hinter Hessen. Sie finden sich fast stets
unter Umständen, welche eine gichtische Erkrankung auch sonst
wahrscheinlich machen (Plethora, Hypertonie des Blutdrucks,
artbritische Schmerzen usw.). Man kann Harnsäure in den Ver¬
dickungen finden, aber auch vermissen. Jedoch beweist letzteres
nichts gegen die uratische Natur derselbeo, da die Harnsäure
schliesslich zur Resorption gelangt.
Es scheint immerhin, dass in einzelnen Fällen auch ohne
Gicht durch Traumen bewegliche Schleimbeutelknoten hervor¬
gebracht werden können; so gaben einige Patienten mit präpatel¬
laren Knoten an, dass sie eine Verletzung des Knies erlitten hätten;
es ist jedoch bezeichnend, dass ich bei zwei derartigen Fällen
auch am anderen Knie präpatellare Knötchen fand. Vereinzelt
wurde auf Befragen angegeben, dass viel gekniet worden sei. Bei
weitem in den meisten Fällen waren aber auffällige traumatische
Einflüsse nicht erkennbar. Ich habe solche Fälle, wo eine Ver¬
letzung stattgefunden hatte, nicht mit aufgenommen. Dass übrigens
auch bei vorhandener Gicht gewisse traumatische Einflüsse für
die Erzeugung der uratischen Ablagerungen in den Schleimbeutelo
und an anderen Stellen von Bedeutung sind, darf als sicher
bezeichnet werden.
Eine gewisse Vorsicht in der Deutung der Schleimbeutel¬
knötchen ist jedenfalls nötig. Man muss feststellen, ob auffällige
Verletzungen der betreffenden Stelle stattgefunden haben. Ferner
ist darauf zu achten, ob sich die Knötchen weich und glatt oder
hart, böckrig und knirschend anfühlen. Ein weiteres Studium
dieser Ablagerungen und ihres Werdeganges ist wünschenswert
Rindfleisch 1 ) hat die Veränderungen, welche in einem
Olecranontophus vor sich gehen, beschrieben und gezeigt, wie die
Harnsäure durch Fresszellen aufgeDommen wird und allmählich
verschwindet, ln demselben Sinne sprechen die Untersuchungen
von His und Freud weil er. Bezüglich der besonderen Dis¬
position der Schleimbeutel fÜrGichtablagerungen sagtRindfleisch:
„Schleimbeutel haben einen wenig wechselnden, fast stagnierenden
Inhalt. Mithin dürften sie die gichtische Säuerang der Körper¬
säfte länger festbalten und sich dadurch für die Anhäufung und
Kristallisation der neu hinzukommenden Harnsäure besonders
eignen. Auch die für lokale Wärmeeutziehuug besonders exponierte
Lage mag der kristallinischen Ausscheidung Vorschub leisten.“
Hierzu kommt noch, dass diese Teile in besonders hohem
Maasse mechanischen Insulten ansgesetzt sind.
Als ein weiteres Symptom gichtischer Ablagerungen ist das
Gelenkknirschen zu bezeichnen, welches sich besonders häufig
an den Kniegelenken findet. Dass dasselbe bisher eine so geringe
Beachtung gefunden hat, hängt einerseits damit zusammen, dass
es sehr oft übersehen wird, andererseits damit, dass es sehr ver¬
schiedenartig gedeutet zu werden pflegt Eine eingehende Würdi¬
gung hat diesem Symptom bisher eigentlich nur Magnus-Levy
geschenkt, welcher es als feines Reiben beschreibt und sehr
passend als „Gichtknirschen“ bezeichnet. Er stellt es dem
gröberen Reiben, Knacken und Knarren, welches man bei Arthritis
deformans und chronischem Gelenkrheumatismus finden kann,
treffend gegenüber wie das Knisterrasseln dem blasigen Rasseln.
Bei der Untersuchung auf dieses Symptom lässt man den Patienten
in sitzender Stellung ausgiebige Beugungen und Streckungen des Beins
im Kniegelenk vornehmen, während man die Hand tastend auf die vordere
Fläche des Knies auflegt. Zuweilen wird das Reiben erst merklich,
wenn der Patient das Bein in vollständige Streckstellung bringt (das
Knie durohdrückt). Ist das Knirschen stark, so wird es hörbar und ist
dann auch dem Patienten bekannt, welcher es auch nicht selten beim
1) Virch. Arcb., Bd. 171.
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13. Juli 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1303
Auflegen der Hände bemerkt bat. Sohmerzen finden sich an den knir¬
schenden Gelenken sehr häufig gar nicht, und erst auf Befragen weisa
der Patient sich zu erinnern, dass er zuweilen Schmerzen an dem
betreffenden Gelenk gehabt habe. Nicht selten werden Schmerzen
völlig vermisst; in anderen Fällen ist das Gelenk Sitz dauernder oder
häufig wiederkehrender Schmerzen nnd in vereinzelten Fällen haben sich
echte Gichtattacken in den knirschenden Gelenken abgespielt. Das
Knirschen kommt einseitig wie doppelseitig, und dann gewöhnlich in dem
einen Knie stärker als im anderen vor.
Seltener findet sich das Knirschen in anderen Gelenken, so
im Schultergelenk, am Grosszehengelenk, am Metacarpophalangeal«
gelenk des Daumens, an einem Fingerlnterphalangealgelenk.
Einmal fand ich es an dem Gelenk zwischen Metacarpalknochen
des Daumens nnd Os multangulum majus. Magnus-Levy fand
es am Ellbogengelenk.
Sehr häufig ist das Knistern und Knirschen der Halswirbel-
gelenke, meist nnr subjektiv vom Patienten angegeben, selten
objektiv dnrch Auskultation oder noch schwieriger durch Palpa¬
tion nachzuweisen. Brodie hat es zuerst als gichtisches Symptom
erkannt und Duckworth bestätigt dies.
Dass diese Art des feinen Sandknirschens der Gelenke gich¬
tischer Natur ist, wird dadurch wahrscheinlich, dass man es
häufig bei typischer Gicht nnd bei Fällen, welche sich durch das
'Vorhandensein von Tophi als atypische Gicht offenbaren, findet.
Es ist wahrscheinlich durch uratische Ablagerungen an den Gelenk-
kuorpeln bedingt.
Es sind deshalb auch Fälle, welche keine Tophi, sondern
lediglich das Knirschen zeigen, in hohem Grade der Gicht ver¬
dächtig. Ich habe dieselben als Fälle von atypischer Gicht
ohne Tophi zusammengestellt. Ein grosser Teil derselben zeigt
tatsächlich Symptome, wie sie der Gicht eigen sind. In meiner
früheren Publikation habe ich über 168 solcher Fälle berichtet
und seitdem wieder 112 Fälle zusammengestellt. Auch jetzt kann
ich bestätigen, was ich damals sagte, dass die Fälle, bei welchen
nur Gelenkknirschen gefunden wird, sich in ihrem Bilde von den¬
jenigen mit Tophi nicht unterscheiden.
Bemerkenswert ist, dass früher den 168 Fällen von Gelenk-
knirschen ohne Tophi 80 atypische Gichtfälle mit Tophi gegen-
über8tauden, während ich bei meiner neueren Zusammenstellung
auf 112 Fälle mit Gelenkknirschen ohne Tophi 271 Fälle von
atypischer Gicht mit Tophi finde. Dies erklärt sich daraus, dass
ich im Laufe der Zeit immer mehr gelernt habe, die Tophi her-
auszufiuden. Unter den früheren Fällen von Gelenkknirschen ist
sicherlich eine ganze Anzahl, bei welchen die Tophi lediglich
öberseben worden sind. Auch ist es einige Male vorgekommen,
dass ich bei solchen Patienten, als ich sie später wiedersah, ausser
dem Gelenkknirschen noch Tophi konstatieren konnte. Dies ist
ein weiteres Beweismoment dafür, dass das Gelenkknirschen ein
gichtisches Symptom ist.
Umber bestreitet, dass das Gelenkknirschen etwas mit Gicht
zu tun habe, indem er auf das in Hamburg und Umgegend häufige
Knieknirschen verweist, welches er auf Witterungseinflusse zurück¬
führt und für rheumatisch hält. Ich kann nicht finden, dass seine
Grande überzeugend sind. Ich fand das Gelenkknirschen vor¬
wiegend unter Bedingungen, welche mehr auf Stoffwechselanoma-
lien als auf Rheumatismas hinwiesen. So bei Frauen, besonders
bei fetten, sich wenig bewegenden. Gegen Rheumatismus spricht
anch, dass die knirschenden Gelenke oft ganz schmerzfrei sind.
Endlich hat Steinitz den u-Gebalt des Blutes bei solchen
Fällen erhöht gefunden.
Zunächst muss die erstaunliche Häufigkeit der atypischen
Gicht auffallen. Selbst wenn ich von den Fällen mit blossem
Gelenkknirschen absehe, sind es 271 Fälle von Tophi ohne Gicht-
wfolle, die ich in relativ kurzer Zeit beobachten konnte.
Krankheitbild der atypischen Gicht mit Tophi.
Anch bei der atypischen Gicht mit Tophusbildung überwiegt
wie bei der typischen Gicht das männliche Geschlecht; auf
Hl Männer kamen 100 Frauen. Jedoch ist das Verhältnis der
Geschlechter immerhin ein anderes; denn bei der typischen Gicht
fand ich unter 67 Fällen 65 Männer und 12 Frauen. Aehnliche
Unterschiede habe ich bei meiner früheren Zusammenstellung fest-
gestellt.
Im Kraokheitsbilde der atypischen Gicht fallen gewisse Sym¬
ptome als häufig wiederkohrend auf, nämlich Fettleibigkeit,
Uberschwellung, und zwar teils als Begleiterscheinung der
Fettleibigkeit, teils aber auch ohne das Bestehen einer solchen;
D ervÖ8e Symptome, cardiovasculäre, d. b. Blutdruck¬
erhöhung, Arteriosklerose, muskuläre Herzerkrankung, und end¬
lich renale: Albuminurie, Cylindrurie, Nephritis, Schrumpfniere.
Nur eine Minderheit von Fällen entbehrt aller solcher Sym¬
ptome, zeigt also lediglich Krankheitszeichen, welche als proto¬
pathische Gichtsymptome bezeichnet werden können, nämlich
Gelenk- oder Muskelschmerzen. Unter meinen 271 Fällen
waren nur 25 solcher einfachen unkomplizierten Fälle.
Gelenk- oder Muskelschmerzen waren im übrigen bei fast
allen Fällen nachzuweiseD, zum Teil in heftiger, meist aber in
nnr mässiger oder geringer Ausprägung; zuweilen so sehr zurück-
tretend, dass erst beim Befragen die Patienten sich entsannen,
„rheumatische 4 * Schmerzen hier und da zu haben oder gehabt zu
haben. Häufig wurde über Steifigkeit in einzelnen Muskelgruppen,
im Rücken, Kreuz, besonders des Morgens, oder über schmerzhafte
Ermüdung beim Gehen geklagt. Fast immer wurden die Be¬
schwerden als „rheumatisch“ oder „nervös“ angesehen. Beein-
j flussung durch Erkältung, Witterungswechsel, Anstrengung wurde
häufig angegeben.
Es kommt aber auch vor, dass arthritische Schmerzen bei
atypischer Gicht fehlen; ob dauernd, ist fraglich. Jedenfalls
wurde von einigen Patienten angegeben, dass sie noch nie der¬
artige Beschwerden gefühlt hätten.
Die genannten Symptome zeigten sich in folgender Häufigkeit:
Fettleibigkeit.bei 37,4 pCt. der Fälle
Leberschwellung ohne Fettleibigkeit „ 14,7 „ „ „
Nervöse Symptome .. 41,7 „ „ „
Cardiovasculäre Symptome (ein¬
schliesslich renale). 44,8 „ » „
Renale Symptome. 13,8 „ „ „
Häufig finden sich Kombinationen dieser Symptome. Man
kann somit folgende Typen des Krankheitsbildes feststellen:
1. Nervöse Symptome allein.
2. Fettleibigkeit allein.
3. Fettleibigkeit mit nervösen Symptomen.
4. Fettleibigkeit mit cardio vasculären Symptomen.
5. Fettleibigkeit mit anderweitigen Symptomgruppierungen,
wie nervös-cardio-vasculären usw.
6. Cardiovasculäre Symptome allein.
7. Cardiovasculär renale Symptome.
8. Cardiovasculär-nervöse Symptome.
9. Renale Symptome allein.
10. Leberschwellung allein.
11. Leberschwellung mit nervösen oder mit cardio vascnlären
t oder mit cardio-vasculär-nervösen oder renalen Symptomen.
12. Unkomplizierte Gicht.
Das Krankheitsbild der atypischen Gicht ist, wie die Zu¬
sammenstellung erkennen lässt, in manchen Fällen einfach, in
anderen symptomreicher und bunter und kann sich zu einem
schweren komplizierten, die verschiedensten Organe betreffenden
Leiden ausgestalten.
Die einfachste Form der Erkrankung wird durch jene Fälle
dargestellt, bei welchen die Patienten über chronische oder zu¬
weilen auftretende Gelenk- oder Muskelschmerzen klagen,
ohne dass sich — abgesehen von den Tophi — objektive Ver¬
änderungen an den Gelenken zeigen; allenfalls ist das besprochene
Knirschen zu finden, welches aber auch fehlen kann. Die inneren
Organe verhalten sich normal. Die Schmerzen sind vom Wetter,
von Kälteeinwirkung, Diät, Darmfunktioo, auch von nervösen Er¬
regungen abhängig und mit einem Gefühl der Steifigkeit, beson¬
ders des Morgens, verbunden. Fast stets wird die Erkrankung
als Rheumatismus aufgefasst, und nur durch das Auffinden der
oft unscheinbaren Tophi kann man den gichtischen Charakter des
Leidens erkennen.
Eine leichte Steigerung des Krankheitsbildes stellen die Fälle
dar, bei welchen ausser den Arthralgien und Myalgien auch
Neuralgien vorhanden sind, welche dann oft die hauptsäch¬
liche Klage bilden.
Ischias fand ich ziemlich häufig, nämlich 19 mal, d. h. in
7 pCt. der Fälle, während sie bei echter Gicht viel seltener vor¬
kommt (1 mal unter 67 Fällen). Bei atypischer Gicht ohne Tophi
(Knirschen) 6 Fälle = 5,3 pCt.
Auch Armneuralgien und — seltener — Intercostalneuralgien
kommen vor.
Weiter finden sich Gelenk- und Knochenauftreibungen, Ge¬
lenksteifigkeiten; besonders häufig an den Fingern.
Sehr häufig sind die Erscheinungen der Plethora abdominalis
(Leberschwellung usw.) vorhanden, ohne oder mit allgemeiner
Fettleibigkeit.
1 *
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UNIVERSUM OF IOWA
1804
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
Die reicher ausgestalteten Krankheitsbilder lassen verschiedene
Typen erkennen, je nachdem die nervösen, die cardio-vasculären,
die Nierensymptome, endlich die Fettleibigkeit mehr hervortreten.
Diese Typen können wieder, in verschiedener Weise kombiniert,
bei einem und demselben Falle vorhanden sein.
Die nervösen Erscheinungen sind sehr mannigfaltig und bilden
eine Stufenleiter von eineinen nervösen Symptomen, wieParästhesien,
Hyperästhesien, Pruritus, Neuralgien, x. B. Ischias, Angioneurosen
bis »um Gesamtbilde der Neurasthenie, bei welcher zu¬
weilen eine bemerkenswerte Neigung zur Depression und zu
Gemütsbewegungen hervortritt. Mehrfach wurde hauptsächlich
über Schlaflosigkeit geklagt. Die nervösen Fälle werden in
der Praxis häufig verkannt, weil die Tophi übersehen werden.
Die Alterationen des Herzens und Gefässsystems sind
häufig, und man kann sich bei der Häufigkeit der atypischen
Gicht dem Eindruck nicht entziehen, dass ein grosser Teil der vor¬
kommenden Hypertonien und Arteriosklerosen mit Gicht zu¬
sammenhängt.
Bei dem cardio-vasculären Typus kann zugleich Fettleibigkeit
vorhanden sein, und auch Kombination beider Typen mit dem
nervösen kommt zur Beobachtung.
Was die Fettleibigkeit betrifft, so suchten die betreffenden
Patienten zum Teil nur wegen dieser die ärztliche Hilfe auf, wo¬
bei das Vorhandensein von Uratablagerungen als zufälliger Neben-
befnnd erhoben wurde; zum Teil bestanden Gelenkschmerzen,
Neuralgien und anderweitige nervöse Beschwerden oder Symptome
von Arteriosklerose. Aber auch bei der erstgenannten Kategorie
von Fettleibigen wurden auf näheres Befragen doch oft Beschwerden
„rheumatischer“ Art zugegeben.
Sehr häufig treffen wir bei der atypischen Gicht gastrische
Symptome an, besonders Sodbrennen, dann Darmkoliken, Flatulenz,
Dyspepsie, nervöse Durchfälle, auch Cholecystitis und Chole- j
lithiasis. Einige Male konnte Superacidität nachgewiesen werden. |
Bei meiner früheren Zusammenstellung konnte ich einen Fall von i
Enteritis membranacea erwähnen. Asthma bronchiale habe ich
früher einmal, später nicht wieder bei atypischer Gicht beobachtet.
Bei 5 Fällen fand sich eine Struma.
Deber Glykosurie und Nierensteine werde ich unten noch ein¬
gehender berichten. In einzelnen Fällen wurden, ohne dass sonstige
Nierensymptome bestanden, mikroskopisch viele Harnsäurekristalle
im Urin gefunden.
Die renalen Symptome bestanden in der Hauptsache in chro
nischer interstitieller Nephritis (ohne Hydrops) und ausgebildeter
Schrumpfniere, zum Teil von arteriosklerotischem Typus.
Bei einigen Fällen war eine auffallend geringe Neigung zum
Schwitzen vorhanden. Die Patienten gaben spontan an, dass sie
fast nie schwitzten. Eine Patientin, welche selbst im Lichtbade
kaum feucht wurde, „lernte“ schliesslich infolge intensiver
Schwefelscblammbäder schwitzen, ohne dass die nunmehr er¬
worbene Fähigkeit, besser zu schwitzen, einen merklichen Ein¬
fluss auf den Verlauf des Leidens auszuüben schien. Immerhin
fühlte sie sich durch Schweiss von ihren Beschwerden zeitweise
erleichtert.
Kasuistische Beispiele von atypischer Gicht mit Tophi. !
Herr R., 50 Jahre alt. Schmerzen und Versteifungen mehrerer Ge¬
lenke, besonders des rechten Schultergelenks. Angeblich sehr saurer
Schweiss. Schwefelbadkuren ohne Erfolg. Urin normal, Gefässsystem
normal. Beiderseits Olecranontophus. Beiderseits präpatellare Tophi.
' Herr v. Th., 47 Jahre alt. Hat stets viel gegessen und getrunken..
Leidet viel an „rheumatischen“ Schmerzen. Bronchitis. Leberschwellung.
Urin normal. T. 140. Beiderseits OlecraDontophus. Links prä¬
patellare Tophi und Schulterknirschen.
Herr K., 46 Jahre alt. Wirbelsteifigkeit, Schulterschmerz beider¬
seits, linkes Knie geschwollen und schmerzhaft. Beiderseits präpatellare
Tophi.
HerrN., 36 Jahre alt. Rückenscbmerzen und Schmerzen in mehreren
Gelenken. Steifigkeit der Wirbelsäule. Ist bisher von allen Aerzten und
einem Universitätsprofessor für „rheumatisch“ erklärt worden. Rechts
Olecranontophus. Beiderseits präpatellare Tophi.
Herr W., 37 Jahre alt. Lumbago, früher Ischias. Steifigkeit des
Rückens. Leichte neurastheniscbe Symptome. Dermographie. Am rechten
Darmbeinkamm ein Topbus.
Frau Z., 56 Jahre alt. Schmerzen und Steifigkeit in der Lenden¬
wirbelsäule und im Kreuz. Hat früher schon öfter ähnliche Schmerzen
gehabt. Vor zwei Jahren „Rheumatismus“ in den Gelenken. Beiderseits
präpatellare Tophi.
Herr B., 42 Jahre alt. Schmerzhafte Wirbelsteifigkeit. Am Kreuz¬
bein mehrere Tophi.
Frau X., 35 Jahre alt. Schmerzen im Rücken, Kreuz und in den
Beinen. Es waren verschiedene Diagnosen gestellt worden, zuletzt Osteo-
malacie. Röntgendurchleuchtung zeigte an den Wirbeln nichts Abnormes.
Am Kreuzbein mehrere Tophi.
Frau N., 41 Jahre alt. Schmerzen in beiden Oberschenkeln und
Oberarmen. Vater und Bruder Diabetiker, ein anderer Bruder starker
Gichtiker. Sie selbst stets frei von Saocharum. Gefässsystem normal.
T. 130. Beiderseits Olecranontophus. Links präpatellarer Tophus. Beider¬
seits Knieknirschen.
Herr R., 32 Jahre alt. Neurasthenie. Depressionszustände. Ner¬
vöse Darmbeschwerden. Superacidität. Mageninhalt enthält Schleim.
Darm objektiv normal. Rechts Olecranontophus. Links zwei prä¬
patellare Tophi.
Herr v. R., 36 Jahre alt. Mager, schlank, anämisch. Sehr viel
Rückenscbmerzen. Leicht erschöpfbar; oft unmotiviert deprimierte Stim¬
mung. Tophi am Kreuzbein. Am Nacken ein Tophus. Links Schulter-
knirschen.
Frau Sch., 59 Jahre alt. Ischias dextra. Schwellung der Finger-
gelenke. Links Olecranontophos. Rechts Knieknirschen.
Frau H., 52 Jahre alt. Neurasthenie. Schmerzhaftigkeit beider
Handgelenke. Urin normal. T. 140. Herz normal. Hat mehrfach ao
Phlebitis der Unterschenkel, woselbst sich Varicen finden, gelitten. LinkB
Olecranontophus. Beiderseits präpatellare Tophi. Beiderseits starkes
Knieknirschen.
Frau W., 40 Jahre alt. Aus giohtiseber Familie. Leidet sehr viel
an Schmerzen in allen Gliedern und Kreuzschmerzen. Auch Schwäche»
gefühle und abnorme Ermüdung der Glieder. Ischias dextra. Migräne.
Stimmungswechsel. Urin normal. Gefässsystem gut. T. 180. Rechts
Olecranontophus. Links präpatellare Tophi. Wurde von einer Autorität
für nichtgichtisch erklärt
Frau L., 43 Jahre alt. Fettleibigkeit. Aus gichtischer Familie. Ein
Bruder leidet an echter Gicht. Neurasthenie. Migräne. Urin normal.
T. 120. Olecranontophus links, Knieknirscben links, Halsknirschen.
Frau W., 41 Jahre alt. Fettleibigkeit. Neuralgien in verschiedenen
Körpergebieten. Fussscbmerzen. Nepbrolithiasis. Cor adiposum. T. 125.
Oxalurie. Rechts präpatellare Tophi und Knieknirschen.
Frau D., 52 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit. Schlaflosigkeit, ner¬
vöse Herzanfälle, Neurasthenie. Viel Schmerzen in beiden Knien. Ge-
fasssystem normal. Verdickung mehrerer Fingergelenke. Episcleritis.
Beiderseits Olecranontophus, welcher linkerseits schmerzhaft ist. Beider¬
seits Knieknirschen.
Frau K., 53 Jahre alt. Fettleibigkeit. Viel Schmerzen im Rücken,
in den Extremitäten. Parästhesien. T. 145. Urin normal. Links Ole¬
cranontophus, präpatellare Tophi und Knieknirschen.
Herr B., 47 Jahre alt. Fettleibigkeit. Depression und Angst¬
zustände. Nervöse Unruhe. Pruritus, Akroparästhesien. Kreuzschmerzen.
Schmerzen in der Herzgegend. Leberanschwellung. Gefässsystem normal.
T. 130. Urin normal. Keine Lues. Wassermann negativ. Beiderseits
präpatellare Tophi.
Herr H., 40 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit. Seit Jahren „rheu¬
matische“ Schmerzen in den Armen und im linken Bein. Oppressions-
gefühl beim Gehen. T. 220. Herztöne hart, verstärkt. Urin normal.
Präpatellare Tophi links.
Herr K., 43 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit (106,5 kg). Familiäre
Anlage zur Fettsucht. Hat stets viel Fleisch gegessen und stark ge¬
raucht. Vielfach Schmerzen in den Füssen. Schlaflosigkeit. Neurasthenie.
Hypertrophie des linken Ventrikels, systolisches Geräusch an der Herz¬
spitze. T. 168. Arteriosklerose. Urin normal. Leberansohwellung.
Olecranontophus rechts.
FrauH., 42 Jahre alt. Fettleibigkeit. Seit 4 Jahren Menopause. Hat stets
viel und gut gegessen, sowohl viel Fleisch als auch viel Mehlspeisen. Fami¬
liäre Anlage zur Gicht. Beiderseits Knieschmerzen. Nervensystem sehr
erregbar, Neurasthenie. T. 185. Urin normal. Olecranontophus rechts.
Knieknirschen beiderseits.
Herr P., 60 Jahre alt. Hat viel an „Rheumatismus“ gelitten.
Früher starker Esser gewesen, auch Potus. Emphysem. Leber massig
geschwollen. T. 200. Arteriosklerose. Leichte Hypeitrophia cordis sin.,
1. Ton an der Spitze unrein. Urin normal. Olecranontophus beiderseits.
Präpatellare Tophi beiderseits, Koieknirschen beiderseits.
Frau v. 0., 54 Jahre alt. Neurasthenie. T. 165. Im Urin ge¬
wöhnlich einige hyaline Cylinder, gelegentlich auch eine Spur von Eiweiss.
Tophus an der rechten Scapula, Knieknirschen links, Schulterknirschen,
üalsknirschen.
Frau H., 48 Jahre alt. Hat früher viel Fleisch und Alkohol zu sich
genommen. Oft Gliederschmerzen. HypeTtrophia cordis, systolisches Ge¬
räusch an der Aorta und Herzspitze; 2. Ton klappend. T. 200. Urin
meist eiweissfrei, zuweilen Spuren von Eiweiss. Präpatellare Topbi
beiderseits. Starkes Knieknirschen beiderseits. Nackenknirschen.
Herr Sch., 56 Jahre alt. Leidet seit Jahren an Gelenkschmerzen.
Herz dilatiert und hypertrophisch, systolisches Geräusch an der Herz¬
spitze, 2. Ton kÜDgend. T. 230. Zeitweise Albumen. Präpatellare
Tophi links.
Herr N., 47 Jahre alt. Leidet seit Jahren an Gelenkscbmerzen und
nervösen Beschwerden. Neurasthenie. War starker Fleischesser, Leber-
schwellung. 1. Ton an der Aorta unrein. T. 150. Spuren von Ei¬
weiss, einzelne hyaline Cylinder. Oxalurie. Präpatellare Tophi rechts.
Eine fieberhafte polyarthritische Form zeigt uns der
folgende Fall:
Herr P., 60 Jahre alt. Leidet an wiederkehrenden fieberhaften
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1805
18. Joli 1914.
multiplen Gelenkaffektionen der oberen und unteren Extremitäten. Fett¬
leibigkeit. Urin normal. 1. Herzton an der Spitze gespalten, 2. Aortenton
klingend. Blutdruck nicht gemessen, aber dem Gefühle nach stark erhöht.
Leber geschwollen. Rechterseits grosser Oleoranontopbus. Schwellung und
Steifigkeit des Metacarpophalangealgelenks des rechten Daumens.
Man kann mit Recht das Bedenken erheben, ob denn das
Zusammenvorkommen der genannten krankhaften Veränderungen,
wie Obesitas, Hypertonie und Arteriosklerose, nervösen Sym¬
ptome usw. mit Tophi in der Tat den Schluss zulässt, dass eine
innere Beziehung zwischen diesen Dingen besteht. In dieser Hin¬
sicht ist es nun von Wichtigkeit, dass bei der echten paroxys¬
malen Gicht ganz ähnliche, fast übereinstimmende Symptome
und Syndrome zu finden sind. Ich habe in meiner früheren
Arbeit 63 ecbte Gicbtfälle nach diesem Gesichtspunkt zusammen¬
gestellt, an welche ich jetzt weitere 67 Fälle anschliesse.
Die echte Gicht zeigt zunächst einen bemerkenswerten
Unterschied gegenüber der atypischen, welcher ihre Eigenart sofort
erkennen lässt, nämlich das Verhältnis der Geschlechter. Von
den 67 Gichtfällen betreffen 55 das männliche und nur 12 das
weibliche Geschlecht.
Im übrigen zeigt die ecbte Gicht gleichfalls die abdominal-
pletborischen, die fettleibigen, die cardiovasculären, die renalen
und die nervöseD Typen. Es sind nur gewisse numerische Unter¬
schiede gegenüber der atypischen Gicht vorhanden. So findet
sich Fettleibigkeit bei 25,3 pCt. der echten Gichtiker (gegenüber
37,4 pCt. bei der atypischen Gicht); unkomplizierte Fettleibigkeit
sogar nur bei 10,4 pCt. (gegenüber 22,8 pCt. bei der atypischen
Gicht). Dagegen ist die echte Gicht bezüglich der cardio¬
vasculären Fälle der atypischen überlegen (59,7 pCt. gegenüber
44,8 pCt. bei der atypischen). Renale Symptome finden sich in
annähernd gleicher Häufigkeit. Ebenso Leberschwellung ohne
gleichzeitige Obesitas (17,9 pCt. zn 14,8 pCt.). Merkwürdiger¬
weise sind aber nervöse Symptome bei der echten Gicht seltener;
nämlich bei 14,9 pCt. der Fälle gegenüber 41,7 pCt. bei der
atypischen Gicht. Es scheint endlich, dass die Stärke der Ge¬
lenkveränderungen bei der echten Gicht grösser ist als bei der
atypischen.
Es ist sicherlich nicht ohne Interesse, dass ich hei meinen
früheren Zusammenstellungen dieselben Differenzen feststellen
konnte: bei der echten Gicht mehr cardiovascnläre, aber weniger
nervöse Symptome.
Unkomplizierte Fälle fanden sich bei der atypischen Gicht
9,2 pCt., bei der echten Gicht 14,9 pCt.
Das Verständnis für diese Unterschiede wird ermöglicht durch
die Erwägung, dass der Gichtiker, welcher echte Anfälle erlitten
hat, auf sein Leiden aufmerksam geworden und in der Mehrzahl
bestrebt ist, eine zweckmässige Lebensführung zu befolgen, während
bei dem atypischen Gichtiker, welchem die Natur seines Leidens
meist nicht bekannt ist, dies nicht zutrifft.
Ein Zweifler könnte non immerhin noch argumentieren: alle
diese Typen kommen auch sonst noch vor; es gibt Fettleibige,
Arteriosklerotiker, Nervöse usw., und es wird daher auch solche
bei der Gicht geben nnd natürlich dann ebensowohl bei der
typischen wie bei der atypischen. Hiergegen lässt sich nnn
roebreres einwenden. Einmal, dass doch schon der immer wieder¬
kehrende Unterschied in dem Verhältnis der cardiovasculären
und nervösen Symptome beweist, dass dieselben in einer be¬
sonderen Beziehung zn den verschiedenen Gichtformen stehen
müssen. Dann aber die Häufigkeit dieser Symptome bei der
Gicht. Man beachte die kolossale Frequenz der Veränderungen
«es Gefässsystems: 59,7 pCt. bei der echten, 44,8 pCt. bei der
atypischen Gicht; der Fettleibigkeit (37,4 pCt. bei der atypischen
Gicht), der nervösen Symptome (41,7 pCt. bei der atypischen
Gicht) usw.
Ich kehre nun noch einmal zu den Fällen zurück, welche
»eine greifbaren Tophi, wohl aber Gelenk-, besonders Knie¬
knirschen aufweiaen. Sind wir berechtigt, dieselben gleichfalls
*Qr Gicht zu rechnen? Es ist in dieser Beziehung zunächst zu
etopen, dass das in Rede stehende Knirschen, wie ich oben
Kreits gesagt habe, auch bei echter Gicht und ebenso bei der
atypischen, durch Tophi sichergestellten Gicht sehr häufig vor-
o.ntmt. Aber ist es vielleicht überhaupt häufig? Nun; ich habe
m mehreren Jahren fast alle meine Patienten regelmässig darauf
nntersucht und es eben nur bei der typischen und atypischen
icnt und bei denjenigen Fällen gefunden, welche jetzt be-
piochen werden sollen. Es sind 112 Fälle (meine frühere Zu-
®meD8tellung betraf 168 Fälle). Bemerkenswerterweise über-
tsgen hier bedeutend die Frauen: 38 Männer, 79 Frauen!
Wir finden nnn hier wieder die gleichen Symptome und
Typen wie bei der echten und atypischen Gicht. Ja, auch
numerisch ist zwischen der atypischen Gicht mit Tophusbildung
und den Fällen mit blossem Gelenkknirschen bezüglich dieser
Symptome kaum ein Unterschied. Dort 37,4 pCt. Fettleibige, hier
88,3 pCt. Dort 14,8 pCt. Leberschwel lang (ohne Obesitas), hier
16 pCt. Dort 41,7 pOt. nervöse Symptome, hier 41,9 pCt. Nur
bezüglich der cardiovascnlären Komplikationen ist die Gruppe
mit blossem Knirschen der Gruppe mit Tophusbildung sogar
überlegen! 60,7 pCt. gegenüber 44,8 pCt.!
Diese Feststellungen weichen von denjenigen in meiner
früheren Arbeit insofern ab, als ich dort eine gewisse Stufenfolge
in der Ausprägung des Krankheitsbildes zn finden geglaubt hatte
in dem SiDne, dass die Fälle mit blossem Knirschen leichtere
und weniger komplizierte zu sein schienen. Namentlich traten
die cardiovasculären Symptome zurück. Dies kann icht_ jetzt
nicht mehr finden.
Für die Zugehörigkeit der Fälle von Knirschen zur Gicht
spricht ferner ein Umstand, welchen ich schon in meiner früheren
Arbeit erwähnt habe, dass einige Fälle von Knieknirschen bzw.
Schulterknirschen, als ich sie im Verlaufe der Jahre wieder sab,
nuomehr Tophi am Olecranon oder in der Bursa praepatellaris
zeigten. Ich kann diese Beobachtung aufs neue bestätigen.
Dazu kommt, dass ich Fälle mit Knirschen ohne Tophi im
Laufe der Zeit immer weniger gesehen habe. Offenbar habe ich
früher doch noch manche Tophi übersehen, die ich bei ge¬
steigerter Uebung jetzt finde. Auch dies spricht für die Zuge¬
hörigkeit der Fälle zur Gicht.
Es ist auch beachtenswert, dass bei echter Gicht Gelenk¬
knirschen nicht bloss überhaupt häufig (28 pCt. der Fälle),
sondern auch nicht selten als einziges Symptom von Urat-
ablagerung vorkommt (bei 10,3 pCt. der Fälle).
Man könnte daran denken, dass das Gelenkknirschen einem
früheren, das Auftreten der Tophi einem späteren Krankheits-
aladium entspreche. Dies ist aber nicht der Fall. Freilich
konnte ich vereinzelt beobachten, dass bei Fällen von Knie¬
knirschen später anch Tophi gefunden wurden, aber es spricht
nichts dafür, dass dies der Ausdruck einer regelmässigen Ent¬
wicklung ist. Das Durchschnittsalter der Fälle mit blossem
Knirchen gleicht demjenigen der Fälle von Tophusbildung. Die
Beziehung des Gelenkknirschens zn den Tophi wird in inter¬
essanter Weise illustriert, wenn man das Verhältnis der Ge¬
schlechter beachtet. Unter meinen 112 Fällen von Gelenk-
knirseben ohne Tophusbildung befinden sich 79 Frauen und
38 Männer, während die 271 Fälle von Tophi sich auf 100 Frauen
und 171 Männer verteilen. Auch bei den 271 Topbusfällen kommt
neben der Tophusbildung häufig Gelenkknirschen vor. Und auch
unter diesen Fällen überwiegt das weibliche Geschlecht. Wenn
wir beide Kategorien, die Fälle mit Tophusbildung und die Fälle
mit Knirschen ohne Tophi zusammenzählen, so befinden sich
unter den 388 Fällen 204 Männer und 179 Frauen, also nur ein
geringer Unterschied der Geschlechter: Von den 204 Männern
zeigen 171 = 83,8 pCt. Tophi und 76 = 37,5 pCt. Knirschen,
von den 179 Frauen zeigen 100 = 55,8 pCt. Tophi und 128
= 71,5 pCt. Knirschen. Die Gesamtsumme der Fälle von Tophos-
bildung und Knirschen ist somit bei beiden Geschlechtern un¬
gefähr gleich, aber bei den Männern überwiegen die Tophi, bei
den Frauen überwiegt das Knirschen.
Das Ueberwiegen des Knirschens bei den Kranen geht auch
aus folgender Gruppierung hervor: Tophusbildung und gleich¬
zeitiges Gelenkknirschen fand sich bei Männern in 25,1 pCt. der
Fälle, bei Frauen in 49pCt. der Fälle, also rund doppelt so
oft vor.
Bei der echten paroxysmalen Gicht kam das Gelenkknirschen
(teils für sieb, teils in Verbindung mit Tophi) bei 21,8 pCt. der
Männer und bei 58,3 pCt. der Frauen vor. Noch viel auffälliger
tritt die Differenz hervor, wenn man zusammenstellt, wie oft bei
der echten Gicht das Gelenkknirschen für sich, d. h. ohne Tophus¬
bildung anftrat, nämlich bei 5,4 pCt. der Männer, aber bei 33,3 pCt.
der Frauen! ?
Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass die gichtischen
Frauen viel mehr als die gichtischen Männer znm Gelenk knirschen
neigen.
Diese Differenz ist weder dnreh eine Verschiedenheit des
Alters der Patienten noch durch eine solche des Krankbeitsbildes
bedingt. Das durchschnittliche Lebensal ter der weiblichen nnd
männlichen Patienten ist nahezu das gleiche. Es beträgt ungefähr
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
50 Jabre, sowohl bei den Fällen mit Topbi wie bei denjenigen
mit Knirschen ohne Tophi.
Die Krankbeitsbilder sind beim Vorhandensein .von Tophi
keine anderen als beim Vorhandensein des blossen Gelenkknirschens;
speziell sind die cardiovasculären Symptome ebenso zahlreich. Aach
bei der echten Gicht unterscheiden sich die Fälle, welche ledig¬
lich Knirschen zeigen, nicht von denjenigen mit Tophi.
Dass die Männer mehr znr Tophusbildnng neigen als die
Frauen, hängt offenbar mit denselben Bedingungen zusammen,
welche es bewirken, dass auch an der paroxysmalen Gicht die
Männer stärker beteiligt sind als die Frauen.
Das Vorwiegen des Gelenkknirschens beim weiblichen Ge¬
schlecht beruht vielleicht zum Teil darauf, dass die Frauen sieb
im ganzen weniger bewegen als die Männer. Es ist ganz auf¬
fallend, wie häufig man das Knieknirschen bei fetten, be¬
wegungsunlustigen Frauen antrifft.
Auch unter den Männern sind es vorwiegend fette und sich
wenig bewegende Personen, welche das Knieknirschen zeigen.
Immerhin nicht ausschliesslich; es kann auch bei Leuten, die
viel Bewegung haben, vorhanden sein. So findet sich bei echter
Gicht das Knieknirschen vielfach bei Männern, die nicht fett sind
und nicht an Bewegungsmangel leiden.
Die Ursache des Knirschens kann also nicht allein in Be¬
wegungsmangel begründet sein.
Rechnet man die Fälle, welche lediglich Gelenkknirschen
zeigen, ebenso zur typischen Gicht wie die mit Tophi, so be¬
teiligt die atypische Gicht beide Geschlechter in ungefähr gleicher
Weise.
Beispiele von atypischer Gicht mit Knirschen allein.
Frau A., 49 Jahre alt. Anfallsweise auftretende Schmerzen in den
Knien und Schultern. Keine typischen Gichtanfälle. T. 150. Herztöne
etwas verstärkt. Urin normal. Knieknirschen, Schulterknirschen.
Herr B., 33 Jahre alt. Beiderseits Knieschmerzen, besonders links.
Nephrolithiasis. Rechtsseitige Nierensteinoperation (Uratsteine). Urin
normal. Beiderseits starkes Knieknirsch eD, rechts stärker als links.
Herr v. R., 24 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit. Beiderseits starkes
Knieknirschen. Klagt über „rheumatische“ Schmerzen.
Herr S., 54 Jahre alt. Klagt über Schmerzen in den oberen und
unteren Gliedmaassen. Leidet seit Jahren an Superacidität, Leber¬
anschwellung. Urin normal. Beiderseits Knieknirschen, rechts Schulter-
knirschen.
Herr Th., 57 Jahre alt. Nierengriessausscheidungen. Mehrfach Ab¬
gang kleiner Uratsteinchen. Vor 5 Jahren Herpes zoster intercostalis.
Leidet an Depression»- und Angstzuständen. Leberanschwellung. Im
Urin Spuren von Eiweiss. Knieknirschen, beiderseits Nackenknirschen.
Frau J., 45 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit. Rücken- und Knie¬
schmerzen. Im Urin Eiweiss bis 0,5 pCt., hyaline Cylinder. T. 140.
Beiderseits Knieknirschen.
Frau Sch., 64 Jahre alt. Fettleibigkeit. Neuralgien. Urin normal.
T. 130. Starkes Knieknirschen beiderseits.
Frau W., 58 Jahre alt. Fettleibigkeit. Extremitätenschmerzen.
Urin normal. T. 180, zweiter Ton klappend. Links Knieknirschen.
Herr K., 52 Jahre alt. Starker Fleiscbesser; früher auch Potus und
Nikotinabusus. Extremitätenschmerzen. Systolisches Geräusch an der
Aorta und Herzspitze. T. 155. Urin normal. Links Knieknirschen.
Herr R., 50 Jahre alt. Starke Fettleibigkeit (115 kg). Depressions¬
zustände. Leberanschwellung. Flatulenz und Meteorismus. Urin normal.
T. 190. 1. Interphalangealgelenk am rechten Daumen verdickt, steif,
schmerzhaft. Starkes Knieknirschen beiderseits.
Herr T., 57 Jabre alt. Rechtsseitige Ischias. Viel Knieschmerzen
beiderseits. Urin normal. T. 190. Herztöne verstärkt, zweiter Aortenton
klingend, erster unrein. Starkes Knieknirschen beiderseits.
Frau B., 40 Jahre alt. Leidet viel an Neuralgien. T. 200.
Systolisches Geräusch an der Aorta. Urin normal. Starkes Knieknirschen
beiderseits, Halsknirschen. Ist wegen „Nervosität“ viel mit Arsenik be¬
handelt worden.
Frau S., 48 Jahre alt. Seit 3—4 Jahren Klimax. Fettleibigkeit,
schon vor der Menopause vorhanden gewesen. Urin normal. T. 200.
Zweiter Aortenton klingend, systolisches Geräusch an der Aorta. Leidet
viel an Gelenk- und Wirbelschmerzen. Knieknirschen rechterseits.
Frau R., 43 Jahre alt. Leidet an Migräne und neurasthenischen
Beschwerden; ferner seit Jahren an „rheumatischen“ Schmerzen in den
Armen und Füssen; besonders wird über Schmerzen im linken Knie ge¬
klagt. Steifigkeit und Spannung im Nacken. Angina pectoris nervosa.
Am Herzen objektiv niehts. T. 128. Urin normal. Starkes Knieknirschen
beiderseits.
Herr P., 43 Jahre alt. Ist starker Esser, besonders Fleischesser.
Parästhesien. Angiospasmen an den Fingern und Füssen mit Akro-
parästhesien. Leberanscbwellung. Urin normal. T. 130. Knieknirschen
linkerseits.
Frl. W., 26 Jahre alt. Als Kind Gelenkrheumatismus. Im Laufe
der Jahre hat sich eine Versteifung des rechten Ellbogens und der
Finger der rechten Hand entwickelt. Sohmerzhaftigkeit der Hüft- und
Kniegelenke, beide Grosszehengelenkd geschwollen und schmerzhaft.
Aorteninsuffizienz. Beiderseitiges Knieknirschen. Die Röntgenunter¬
suchung ergibt an beiden Händen Gicht.
Aus meiner früheren Aibeit setze ich folgenden Fall hierher:
Bei einem 35 jährigen Herrn M., den ich zuerst im März 1908 sah,
bestand seit geraumer Zeit schwere Neurasthenie, welche ihn dienst¬
unfähig machte, vorzugsweise in der Form der Neurasthenia vasomotoria.
Ferner hatte er eine Enteritis mucosa durcbgemacht. Ich vermutete
eine harnsaure Diathese, ohne sie beweisen zu können. Nach 6 Wochen
sah ich ihn mit einer Omarthritis wieder, und im nächsten Jahre bot
er Knieknirschen, Schulterknirschen und Verdickungen einiger Finger-
gelenke dar. Bei purinarmer Kost usw. trat ein wesentlicher Rückgang
der Beschwerden ein, so dass Pat. seit dieser Zeit ungestört seinen
Beruf ausübt.
Die folgenden Beispiele, welche sich leicht vermehren lassen,
zeigen, dass das Knirschen auch unter Umständen auftritt, wo es
unzweifelhaft als Symptom der gichtischen Diathese aafgefasst
werden muss. Es bandelt sich durchweg um Personen in normalem
Ernährungszustände.
Frau Ch., 36 Jahre alt. Aus gichtischer Familie stammend.
Leidet viel an Gliederschmerzen. Urin enthält Saccharum in sehr geringen
Mengen und Spuren von Eiweiss. Herztöne klappend. T. 140. Leber¬
anschwellung. Beiderseits Knieknirschen.
Frau W., 48 Jahre alt. Echte Gicht, Podagraanfälle, Anämie.
Urin normal. Innere Organe normal. Rechts ein präpatellarer Tophus.
Links Knieknirschen.
Herr P., 54 Jahre alt. Echte Gicht; Anfälle seit 15 Jahren. T. 165.
Herz normal. Urin normal. Links ein präpatellarer Tophus, rechts
Oiecranontophus. Beiderseits Knieknirschen.
Herr R., 50 Jahre alt. Echte Gicht Herz ein wenig nach liüks
dilatiert, linker Ton unrein, verlängert. T. 140. Urin normal. Beider¬
seits Knieknirschen.
Frau M., 50 Jahre alt. Echte Gicht. Pyrosis, Erster Aortenton
sehr unrein. T. 150. Präpatellarer Tophus beiderseits. Uratablagerungen
an Händen und Füssen. Beiderseits Knieknirschen.
(Schluss folgt.)
Aus dem poliklinischen Universitätsinstitut für innere
Medizin in Berlin (Geh.-Rat Goldscheider).
Blutuntersuchungen bei atypischer Gicht.
Von
Dr. Ernst Steinitz.
(Nach einem Vortrag in der Berliner medizinischen Gesellschaft am
17. Juni 1914.)
M. H.l Dadurch, dass der Zeitpunkt meines Vortrags sich
etwas verschoben hat, ist ein Teil dessen, was ich in dieser Ge¬
sellschaft vortragen wollte, bereits dnreh den Druck veröffentlicht.
Ich werde das nach Möglichkeit fortlassen, kann aber, um all¬
gemein verständlich zu sein, nicht ganz vermeiden, einiges davon
zu wiederholen. Ich bitte ferner um Entschuldigung, wenn unter
dem Titel Blutuntersuchungen bei atypischer Gicht ein erheb¬
licher Teil meiner Ausführungen sich auf unsere Untersucbungs-
ergebnisse bei Normalen und bei echter Gicht bezieht. Sie werden
sehen, dass aus diesen Resultaten sieb dann am besten die Deu¬
tung der Befunde bei der atypischen Gicht ergibt.
M. H.! Bei dem Versuch, für die wissenschaftliche Er¬
kenntnis wie für die praktische Diagnose der atypischen Gicht
neue Anhaltspunkte aus der chemischen Untersuchung des Blutes
auf Harnsäure zu gewinnen, begegneten wir — der Beginn dieser
Arbeiten liegt 2 1 J 2 Jahre zurück — erheblichen Schwierigkeiten.
Es fehlte an einer guten Methodik und damit sowohl an der
Möglichkeit, verwertbare Resultate bei unseren Fällen zu erhalten,
als auch an der Grundlage für die Deutung der zu erhaltenden
Ergebnisse, nämlich an einer zuverlässigen Kenntnis des Blut-
barnsäuregehaltes bei Normalen und bei der echten Gicht. Aus
diesem Grunde ist von der Zeit, über die sich unsere Arbeit jetzt
erstreckt, ein guter Teil ohne irgendwelche verwendbaren Resul¬
tate vergangen. Nach Untersuchungen von Ehr mann nnd Wolff,
die sich allerdings nur auf einige wenige Fälle erstreckten, aber
sehr mühevoll und exakt durchgeführt worden, schien es BOgar,
als ob man aus dem Blutharnsäurebefund überhaupt für die Er*
kennung der Gicht — der echten oder der atypischen — nichts
entnehmen könnte, zum mindesten bewiesen sie, dass eine nur
qualitative Harnsäurebestimmung sicher unzureichend ist.
Wir haben jetzt ein Verfahren, das eine gate quantitative
Bestimmung ermöglicht. Die Schwierigkeit, die in der Gering-
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fggigkeit der im Blut auffindbaren Harnsäuremengen liegt, ist be¬
seitigt durch die ausgezeichnete Ausarbeitung der Phosphor-
Wolframsäurebestimmung der Harnsäure durch die Amerikaner
Folin und Denis. Die Reduktion der Phosphor-Wolframsäure
ist ein so feines Reagens auf Harnsäure, dass sie noch mit Vtoo mg
ein positives Resultat, d. h. eine Blaufärbung ergibt. Die quanti¬
tative Verwertung dieser Probe ist nach Folin und Denis an
gewisse Kautelen gebunden, gibt aber dann, eben infolge der
Stärke der Farbreaktion Ergebnisse, die für die kleinen Mengen¬
verhältnisse und für eine kolorimetrische Bestimmung als sehr
gute zu bexeichnen sind. Die zweite schwierige Aufgabe, nämlich
das Blut vollständig xu enteiweissen, ohne die Harnsäure mit
niederzureissen, glauben wir selbst noch um einen Schritt ge¬
fördert xu haben durch Verwendung der Adsorptionswirkung von
Talcum 1 ).
M. H.! Spätere, weiter verbesserte Methoden mögen noch
andere Zahlen ergeben — ich halte das sogar für wahrscheinlich
—, die heutige Methode gibt uns aber bereits gut vergleichbare
Werte an die Hand. Ein grosser Vorteil gegenüber den früheren
ist neben wesentlicher Vereinfachung die Benötigung geringer
Blntmengen; wir verwenden 10 ccm.
M. H.! Unsere Untersuchungsresultate beim Normalen und
bei Fällen echter Gicht möchte ich Ihnen kurz in einigen Zahlen
hier anschreiben, und zwar in Milligramm Harnsäure auf 100 g
Blut bei purinfreier Rost. Dies sind die im allgemeinen gültigen
Grenzwerte:
1,5 — 3,6 — 7.
Seit dem Abschluss der bereits veröffentlichten Untersuchungen
sind unsere Erfahrungen noch erheblich zahlreicher geworden.
Wir haben noch kleine Fehlerquellen aufgedeckt und die Resultate
verbessert. Mit der Zunahme unserer Erfahrungen haben sich
auch einige neue Schlussfolgerungen ergeben. — 3,5 bedeutet hier
die Grenze zwischen Normalen und Gicbtikem. Es wird jedem
naturwissenschaftlich Denkenden von vornherein klar sein, dass
diese Grenze nicht eine absolut scharfe für alle Fälle sein kann.
Wenn wir zwischen den normalen und den Gichtwerten keine
klaffende Lücke finden in der Weise, dass der niedrigste Gicht¬
wert bereits wesentlich höher als der höchste Normalwert ist,
dann müssen auch Ueberschreitungen des Grenzwertes möglich
sein. Demgemäss besagt also dieser Grenzwert nur, dass bei
der überwiegenden Mehrzahl aller normalen Fälle der
Blutharnsäuregehalt unterhalb dieser Grenze, bei der
überwiegenden Mehrzahl aller Gicbtfälle oberhalb
dieser Grenze Hegt. Tatsächlich kommen Ueberschreitungen
der Grenze nach beiden Richtungen in einer ganzen Anzahl vor.
Wir müssen daher eine gewisse Breite, von 3 bis zu 4mg als
neatrales Gebiet annebmen. Wie erklärt sich nun diese
„neutrale Zone“? also z. B., dass bei gleichem Blutharnsäure¬
gehalt der eine Kranke gichtfrei sein kann, der andere an echter
Gicht leidet? Wir verstehen das, wenn wir die Harnsäure nicht
als allein ausschlaggebend für die Gicht ansehen, sondern nur
als einen der wirksamen Faktoren. Es sprechen ja sicher noch
viele andere Momente, individuelle Disposition der Gewebe und
dergleichen mit, so dass bei verschiedenen Individuen ein ver¬
schieden hohes Ansteigen des Harnsäuregehaltes des Blutes bzw.
der Gewebe nötig ist, um Gicht hervorzurufen. Zu berücksichtigen
ist auch, dass bei vielen Fällen durch vorausgegangene Behand-
long, wie Diät und Brunnenkuren, eine Verminderung der Blut-
barosäure erreicht sein kann. — Dass die Gicht wirklich etwas
mit der Harnsäure zu tun bat, gebt aus den Befunden bei der
grossen Mehrzahl und aus der erheblichen Differenz der
Durchschnittswerte der Normalen und der Gichtiker
(2,7 zu 4,3) hervor. Und in der „neutralen Zone“ liegen übrigens
our leichte Fälle oder solche, die bereits sehr lange anfallfrei
sind. Schwere Gichtfälle haben immer hohe Werte. Es trifft
*ogar im allgemeinen die Regel zu: je schwerer der Gicht-
full, desto höher der Blutharnsäurewert. Natürlich ist es
schwer, eine genaue Stufenfolge der Gichtfälle nach ihrer Schwere
aufiQ8tellen, um zu sehen, ob sie der Reibe der Harnsäurewerte
entspricht. Ich weise aber auf diese Uebereinstimmung zwischen
klinischem und chemischem Befund besonders bin, weil das mir
fär die Beurteilung der Befunde bei der atypischen Gicht wichtig
erscheint.
H.! Auf der Grundlage dieser Feststei langen und Er¬
lösungen können wir erst an die Frage des Blutharnsäuregehaltes
hei der atypischen Gicht herantreten. Anf der Basis der früheren
1) Methodik s. Zschr. f. pbysiol. Cbem M 1914, Bd. 90, H. 1 u. 2.
Anschauungen, wonach das normale Blut bei purinfreier Kost
harnsäurefrei sein sollte, war die Fragestellung sehr einfach:
Enthält das Blut des atypischen Gichtiker Harnsäure oder nicht?
Eventuell: Enthält es ebensoviel oder etwas weniger als beim
Gichtiker? — Jetzt können wir nur nach der Quantität der Blut¬
harnsäure fragen und dürfen keine so einfache Antwort erwarten
wie vorher.
Den- klarsten Unterschied zwischen den Normalen und den
echten Gichtfällen ergaben die Gesamtdnrcbschnittswerte, 2,7 zu
4,3 mg. Der Durchschnittswert der atypischen Form
liegt mit 3,9 zwischen diesen beiden, näher dem Gicht¬
wert. Aebnlich verhält es sich mit der Breite, in der sich die
Harnsäurewerte bewegen. Ich schreibe sie hier neben die vorhin
angezeichneten (2,5—6 einschliesslich der „neutralen Zone“).
Auch bei der atypischen Gicht befindet sich weitaus
die Mehrzahl aller Fälle oberhalb des vorhin fixierten
Grenzwertes von 3,5 mg; auch zum Teil die Fälle, die nur
Gelenkknirschen, keine Tophi aufweisen.
M. H.! Wir sind verschiedenen Möglichkeiten naebgegangen,
die zu Täuschungen Anlass geben konnten: Da das Lebensalter
unserer atypischen Gichtfälle durchschnittlich ein erheblich höheres
war, als das der zum Vergleich untersuchten normalen Personen,
haben wir uns vergewissert, ob der erheblich höhere durchschnitt¬
liche Harnsäuregehalt nicht etwa durch das höhere Alter bedingt
ist. Wenn wir unsere sämtlichen Untersuchungsresultate nach
dem Alter der Patienten ordnen, so finden wir allerdings ein An¬
steigen der Blutbarnsänrewerte von Jahrzehnt za Jahrzehnt.
Dieses Ansteigen ist aber nur durch den zunehmenden Prozent¬
satz der Gichtiker bedingt. Stellt man nur die Befunde bei
Normalen zusammen, so fehlt das Anwachsen der Harnsäure werte
mit zunehmendem Alter. — Wir haben ferner vorhin gehört, dass
ein grosser Teil der atypischen Gichtfälle mit Adipositas oder
mit cardiovasculären Störungen einhergeht. Das gilt auch für
viele der von uns Untersuchten. Wir haben deshalb auch an die
Möglichkeit gedacht, dass die bei diesen festgestellten hohen
Harnsäurewerte nicht zur atypischen Gicht mit Tophusbildnng
oder Gelenkknirschen, sondern vielleicht zar Adipositas oder den
cardiovasculären Störungen in wesentlicher Beziehung stehen
könnten. Darauf gerichtete Beobachtungen haben jedoch bis¬
her ergeben, dass Fettleibige ohne Zeichen atypischer
Gicht stets einen Harnsäuregebalt unterhalb des Grenz¬
wertes aufweisen, meist sogar erheblich unterhalb desselben.
Von den Fällen mit Myocarditis und Blutdruckerböbnng
hatten allerdings auch einige ohne Tophi oder Gelenk¬
knirschen erhöhten Harnsäuregehalt. Doch war das so
wenig regelmässig, dass man diese Gruppe der cardiovasculäreu
Erkrankungen, bei der die Harnsäure vermehrt ist und jedenfalls
ätiologische Bedeutung hat, abtrennen und, wenn man will, zwang¬
los als atypische Gicht ohne Concrementbildung (larvierte Gicht,
Goldscheider) auffassen kann.
Wenig Aufklärung bringen uns anf den ersten Blick die
Untersuchungsergebnisse bei dem Teil der atypischen Gichtfälle
mit relativ niedrigem Harnsäurebefond von 3,5 bzw. 4 mg bis
herunter zu 2,5 mg, weil solche Werte auch bei Normalen Vor¬
kommen. Diese Ergebnisse lassen sich freilich sehr wohl mit
der Annahme vereinbaren, dass auch diese Fälle den gichtischen
Erkrankungen zuzuzählen sind — denn wenn leichte Fälle echter
Gicht Werte bis ins Gebiet der Normalen, bis bernnter zu 3 mg
aufweisen, so kffnnen sehr wohl atypische, also abgeschwächte
Gichtfälle mit ihren Werten noch weiter, bis zu 2,5 mg, berunter-
reichen. Einen positiveren Aufschluss über die Zugehörigkeit
dieser Fälle zur Gicht erhalten wir aber, wenn wir hier wie bei
der echten Gicht eine Zunahme des durchschnittlichen Harnsäure¬
gebaltes mit der Schwere der Fälle konstatieren können. Um
subjektive Beurteilung möglichst auszuschliessen, habe ich eine
ganz mechanische Gruppierung vorgenommen nach der Zahl der
Lokalisationen von Urataussckeidungen, also der Stellen mit
tophösen Auflagerungen und der Gelenke mit ausgesprochenem
Knirschen. Solche Lokalisationen fanden sich in unseren Fällen
in der Zahl von 1—6. Teilen wir diese in zwei Gruppen mit
1—3 und 4—6 Lokalisationen, so weist die erste Gruppe einen
Durchschnittswert von 3,8, die zweite von 4,7 mg*) Harnsäure
auf; teilen wir in drei Groppen, so sind die Durchschnittszahlen
3,6: 4,1: 5,3. Wenn wir aus allen diesen Fällen noch die heraus-
1) Bei dieser Zusammenstellung ist ein Fall, der wegen Ulcus
ventriculi lange Zeit von flüssiger Kost gelebt hatte, sowie drei Fälle
wegen fehlender Notizen über die Zahl der Tophi fortgelassen.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
heben, welche nnr Gelenkknirschen, keine Tophi anfweisen, so
erhalten wir einen noch niedrigeren Durchschnittswert, näm¬
lich 3,4. Dieser Wert liegt aber noch erheblich höher als der
normale Durchschnittswert von 2,7. In sechs Gruppen dürfen
wir nicht einteilen, weil sonst die Zahl der Fälle zu klein wird,
nm einen Durchschnitt zu nehmen; und für jeden einzelnen Fall
dürfen wir nach dem, was wir über individuelle Verschieden¬
heiten gesagt haben, eine Einordnung in die Stufenfolge nicht
verlangen.
M. H.I Der hohe durchschnittliche Blutharnsäure-
gehalt der atypischen Gichtfälle insgesamt, die hohen
Werte bei ihrer grossen Mehrzahl und das zuletzt de¬
monstrierte Ansteigen der Üarnsäurewerte mit der
Schwere der Fälle zeigen uns eine weitgehende Analogie
mit den Verhältnissen bei der echten Gicht. Bei beiden
Formen spielt die Harnsäure sichtlich eine Rolle, bei der atypi¬
schen ist nur alles, die ganze Breite der Harnsäurewerte und der
Durchschnittswert, etwas nach unten zu verschoben. Die Blut¬
untersuchungen stehen also vollkommen im Einklänge
mit der klinischen Auffassung der atypischen Gicht
als einer abgeschwächten Gicht.
Wir haben unsere Schlussfolgerungen für die wissenschaft¬
liche Beurteilung in erster Linie auf Grund von Durchscbnitts-
resultaten gezogen. Es erhebt sich nun die Frage, was diese im
einzelnen doch etwas wechselvollen Ergebnisse uns für die prak¬
tische Diagnose leisten. Nun, m. H., wir dürfen da von der Blut-
untersuchung nicht zu viel verlangen, nämlich nicht in jedem
Falle eine ganz bestimmte Antwort — wir erhalten ja selbst
beim Widal. Wassermann usw. nicht immer eine ganz bestimmte
Auskunft. Was wir erfahren können, erkennen Sie aus den an¬
geschriebenen Grenzwerten und den „neutralen Zonen“ für die
echte und die atypische Gicht.
1,5 — 3,5 - 7
2,5 3 4
neutrale Zone (für typische Gicht)
neutrale Zone (für atypische Gicht).
Harnsäurewerte unterhalb der neutralen Zone sprechen
mit ziemlicher Sicherheit gegen Gicht, Werte inner¬
halb der neutralen Zone sprechen mit um so grösserer
Wahrscheinlichkeit für Gicht, je mehr sie sich der
oberen Grenze nähern, Werte oberhalb der neutralen
Zone sind fast beweisend für Gicht. Hier sind nur geringe
Ausnahmen, wie fieberhafte Erkrankungen, zu berücksichtigen.
Natürlich werden wir noch weitere Erfahrungen sammeln und
dadurch in der Beurteilung sicherer werden.
Die quantitative Bestimmung der Blutharnsäure, die wir jetzt
relativ leicht und mit einer geringen Blutmenge ausführen können,
erfüllt also auch praktisch diagnostische Forderungen für die
Diagnose der echten wie der atypischen Gicht.
Thymus und Rachitis.
Von
C. Bart.
In den letzten Jahren sind einige beachtenswerte Versuche
gemacht worden, das Rachitispromblem zu lösen. Besonders be¬
deutsam erscheint die auf Tierexperimente sich stützende An¬
schauung, nach der die rachitischen Störungen des Knochen¬
wachstums bedingt sein sollen durch den Ausfall der Thymus¬
funktion. Schon früher haben sich vereinzelte Stimmen erhoben,
welche die „fötale Rachitis“ nicht nur zum angeborenen Schild¬
drüsen-, sondern auch Tbymusmangel in Beziehung brachten, seit¬
dem' aber der Begriff der fötalen Rachitis endgültig seine Be¬
rechtigung verloren bat, haben auch jene Ansichten keine Be¬
deutung mehr. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass
die beiden, früher in jenem Begriff aufgehenden, heute aber scharf
abgegrenzten Knochenaffektionen, die Chondrodystrophie foetalis
(Kaufmann) und Osteogenesis imperfecta congenita (Vrolik),
in keiner Beziehung zu der Beschaffenheit der Thymus stehen.
Dagegen muss die Meinung, die Rachitis als rein postnatale Affek¬
tion sei eine thymoprive Erscheinung, auf den ersten Blick viel
Bestechendes haben. Darf man doch mit Recht die Thymus als
ein vollwertiges Organ gerade der Epoche bezeichnen, in der die
Rachitis zum Ausbrach kommt, und wissen wir doch, dass die
Thymus nicht selten zu dieser Zeit unter dem Einfluss allgemeiner
Schädigungen des Organismus einer so schweren pathologischen
Involution anheimfällt, dass die Aufrechterhaltung der notwendigen
Funktion ernstlich in Frage gestellt erscheint. Zudem liegt es
nahe, auf die Bedeutung hinzuwe>sen, die für das Knochen-
wacbstum der Wegfall der bistogenetisch der Thymus nabe ver¬
wandten Schilddrüse bat.
Seitdem wir wissen, dass die Thymus ein nicht nur epi¬
thelial angelegtes, sondern im Grunde dauernd epitheliales Organ
mit innerer Sekretion ist, müssen wir entsprechend ihrer Ent¬
wicklung ihre Haupttätigkeit in die ersten Lebensjahre des Kindes
verlegen. Etwas Genaues wissen wir aber über die Funktion des
Organes noch immer nicht, wir kenoen noch nicht das spezifische
Thymussekret, dessen Wirkung wir bisher allein unter patho¬
logischen Verhältnissen, beim Hyper- und Dysthymismus, zu er¬
kennen glauben. (Jnd noch unter einem zweiten Mangel hat die
experimentelle Forschung zu leiden. Es ist noch keine einzige
einwandfreie Beobachtung eines Fehlens der Thymus bei einem
mehrere Wochen oder noch älteren Kinde bekannt, die uns auf
Bedeutung des Organs für die Entwicklung und das Wachstum
des Körpers und besonders des Skelettes hättft hinweisen können.
Trotzdem hat man aus den Folgen der Tbymektomie bei Tieren
auf die thymoprive Natur der menschlichen Rachitis schliessen
zu können geglaubt.
Nachdem Basch als erster in einwandfreien Versuchen hat
zeigen können, dass thymektomierte Tiere im Wachstum Zurück¬
bleiben und besonders an den Epipbysengrenzen der langen
Röhrenknochen Veränderungen aufweisen, die eine Störung der
Ossifikation deutlicherkennen lassen, hat namentlich Klose diese
Versuche in grossem Umfange aufgenommen. Bei Hunden und
neuerdings bei Schweinen, Ziegen, Ratten und Hühnern konnte er
durch eine in den ersten Lebenswochen ausgeführte Tbymektomie
eine Erkrankung des Skelettes erzeugen, die bis ins einzelne mit
der menschlichen Rachitis übereinstimmen soll. Die Erscheinungen
traten durchweg zwei bis drei Monate nach der Entfernung der
Thymus auf und bestanden in Gehunfähigkeit, Verkrümmung der
Extremitätenknochen, im Auftreten eines Rosenkranzes an der
Knorpelknochengrenze der Rippen und von Spontanfrakturen.
Mikroskopisch ist an den erkrankten Knochen am charakteri¬
stischsten die Störung und Unordnung des endocbondralen Ossifika¬
tionsprozesses.
Während nun aber Basch wie Matti, dem wir gleichfalls
eine ausgezeichnete Monographie über die Folgen der Tbymektomie
verdanken, sich mit grösster Zurückhaltung zur Frage der mensch¬
lichen Rachitis äussern, hat Klose aus seinen Untersuchungen
die weitestgehenden Schlüsse gezogen und keinen Zweifel daran
gelassen, dass nach seiner Ansicht die Rachitis bedingt ist dnrch
den Ausfall oder eine schwere Schädigung der Thymusfunktion.
Es sei hier nicht geprüft, ob ihn zu dieser Annahme die Ergeb¬
nisse seiner Tierversuche unbedingt berechtigen, dagegen die Frage
aufgeworfen, ob etwa uns die Erfahrungen der menschlichen
Pathologie einen Anhalt für die Richtigkeit jener Anschauung
geben. An sich spricht es nicht gegen sie, dass bisher die Thy¬
mus in den Erörterungen über Aetiologie und Wesen der Rachitis
keine Rolle gespielt hat, denn kaum ein Organ ist von Klinikern
wie Pathologen mehr vernachlässigt worden als gerade die Thy¬
mus, die auch heute noch wenig Beachtung im allgemeinen findet
Ohne Zweifel aber müssen die Erfahrungen der menschlichen
Pathologie ausschlaggebend für unser Urteil sein, und jeder Schluss
aus Tierexperimenten muss unrichtig sein, der mit ihnen in un¬
lösbarem Widerspruche steht.
Nun habe ich im Laufe meiner seit Jahren betriebenen Thymos-
studien auf etwaige Beziehungen zwischen Thymus und rachitischer
Knochenerkrankung ganz besonders geachtet und an meinem
mehrere Hundert Kinderleicben umfassenden Materiale folgendes
festgestellt: In nicht seltenen Fällen von Rachitis findet sich eine
Thymusatropbie, die aber niemals zu einem völligen Schwände
des Parenchyms führt. Es liegt nicht der geringste Grund vor,
in solchen Fällen auch nur vereinzelt eine primär mangelhafte
Entwicklung des Organes anzunehmen, vielmehr handelt es sich
nach dem histologischen Befunde stets um eine pathologische In¬
volution. YSie kann uns nicht aüffallen, wenn wir berücksichtigen,
dass alle hier in Betracht kommenden obduzierten Kinder an
anderweitigen Krankheiten gelitten batten und zugrundegegaDgen^Njp
waren, chronischen Bronchitiden, Darmkatarrhen, mannigfachen
Hautaffektionen, die ins Gebiet der exsudativen DiathesOyOder
septischer Zustände-gefrören, gelegentlich auch Tuberkulose/ Ans
meinen eigenen Untersuchungen wissen wir ja, dass die Thymus
in überaus feiner Weise mit Parenchymschwnnd auf jede Schä*
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UMIVERSITY OF IOWA
18. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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digong des Organismus, insbesondere aaf infektiös-toxische Ein-
flösse reagiert.
Umgekehrt begegnet man recht oft einer normal grossen, ja
selbst übergrossen Thymus bei rachitischen Kindern, wie ich sie
nie bei jenen pastösen Individuen vermisst habe, die ohne sonstiges
oder doch nur nach ganz kurzem Kranksein eines plötzlichen oder
schnellen Todes verstorben waren. Man kann behaupten, dass bei
reiner Rachitis sich die Thymns eher vergrössert als verkleinert
findet, vergrössert deshalb, weil die Rachitis als solche den Orga¬
nismus nicht zu beeinträchtigen braucht und weil sie oft die Teil-
erscheinung der bekanntlich viel mit Rachitis vergesellschafteten
oder sie erst begünstigenden lymphatischen Konstitution ist. Sogar
bei sogenanntem Thymustod, wo die abnorm grösst Thymus das
Bild der Markbyperplasie bot und zum mindesten eine Hyper-
fnnktion anzonebmeo war, habe ich rachitische Knocbenverände-
rangen gefunden. Alle diese Beobachtangen lehren, dass die bei
der ersten Gruppe rachitischer Kinder feststellbare Thymus¬
atrophie die unverkennbare Folge irgendeiner anderen Erkrankung
ist, die vielfach erst eintritt bei bestehender Rachitis.
Dieser Art sind die Erfahrungen, die sieb leicht am Obduk¬
tionstisch sammeln lassen and die wohl alle pathologischen Ana¬
tomen gemacht haben, wie noch kürzlich Ribbert zum Ausdruck
gebracht hat. Sie entsprechen den Aensserungen der Kinderärzte,
von denen ich nur zwei anföhren will. Hochsinger hat an der
Hand eines reichen Materiales das häufige Zusammentreffen von
Rachitis nnd grosser Thymus betont und Krautwig bat mit be¬
sonderem Nachdrucke darauf hinge wiesen, dass bei nnkomplizierter
Rachitis, d. h. bei rachitischen Kindern, deren Körpergewicht
nichts infolge längerer Darm- nnd Bronchialkatarrhe herabgesetzt
ist, ^ie Gewichtswerte der Thymus der oberen Grenze des phy¬
siologischen Wertes entsprechen oder selbst über sie hinausgehen'.'
Die Schwere des rachitischen Prozesses entspricht keineswegs
dem Grade der Thymusatrophie, im Gegenteil, gerade bei den
schwersten Formen des Leidens kann man oft nnd fast mit einiger
Regelmässigkeit eine gnt entwickelte, histologisch durchaus normale
Thymus feststellen. Es entspricht das der Erfahrung Schmor 1 ’s,
unseres derzeitigen besten Rachitiskenners, dass die rachitische
Kuocbeoerkrankung als solche bei schlecht genährten nnd schwäch¬
lichen Kindern fast immer weniger hochgradig ist als bei gut
genährten und kräftigen.
Eine weitere beachtenswerte Feststellung ist folgende. In
allen den Fällen, wo es sich um abzehrende and über Monate,
ja selbst Jahre sich hinziebende Leiden handelt and wir mit un¬
bedingter Gewissheit mit hohen Graden der Tbymusatropbie von
gleichfalls langem Bestehen rechnen müssen, lässt sich keine
Spar einer rachitischen Knochenerkrankung nachweisen. Niemand
aber wird behaupten wollen, dass die Atrophie der Thymns bei
derartigen Leiden, wie i. B. chronischer Drüsen- und Koochen-
taberkalose, eine besondere Beurteilung verlange, vielmehr kann
man nar zu dem einen Schluss kommen, dass der Schwund des
Thyamspareochyms nichts mit der Entstehung der Rachitis zu
tan haben kann.
So scheint mir das Ergebnis meiner systematischen Unter¬
suchungen ein durchaus eindeutiges zu sein, nnd ich glaube, dass
ich zur Aufstellung des folgenden Satzes berechtigt war. „Die
Erfahrungen der Pathologie erlauben nicht nur nicht, sondern
verbieten sogar, die Thymus in Beziehung zur rachitischen Er¬
krankung der Knochen in dem Sinne zu bringen, dass der ersteren
Fehlen oder Schwund die Ursache der Knochenaffektion sei.“
Da es keinem Zweifel unterliegen kann, dass es verschiedenen
Experimentatoren geglückt ist, durch Thymusexstirpation eine
rachitisähnliche Knocheoerkrankung der Versuchstiere zu erzeugen,
»o kann nur die Schlussfolgerung Klose’s anrichtig sein. Weil
dieses künstlich hervorgerufene Knochenleiden anatomisch der
•pontanen Rachitis der Rinder ähnelt bzw. mit ihr übereinstimmt,
braucht noch lange nicht die Aetiologie die gleiche zu sein.
Verschiedene Entstehßngsbedingungen können zu im wesentlichen
übereinstimmenden Folgen führen. Klose’s Schlüsse müssen
•chon deshalb anrichtig oder jedenfalls viel zu weitgehende sein,
weil seine Versuche einer überaus wichtigen Voraussetzung nicht
entsprechen, nämlich Verhältnisse schaffen, die man bisher noch
niemals einwandfrei bei einem lebensfähigen, knochenkranken
Jmde beobachtet hat. Wir werden also sehen müssen, ob sich
nem Ausfall des Tierexperiments keine andere Deutung geben lässt.
Vorher sei noch auf einige andere Punkte hingewiesen. In
Pathogenese der Rachitis spielen nicht allein individuelle
(ijisposition), sondern anch zeitliche, örtliche Verhältnisse, Ein-
üne des Milieus und Lebensgebr&uche eine bedeutsame Rolle.
1,309
Die seit vielen Jahreo von v. Hansemann besonders vertretene
Anschauung, dass die Rachitis im wesentlichen eine Domestikations¬
krankheit sei, hat anch in dem grossen posthumen Werke
v. Recklinghausen^ Anerkennung gefunden. Gerade dieser
grosse Kenner der Knochenkrankheiten, dem die Arbeiten Klose’s
nicht nur bekannt waren, sondern der die Knocheoschnitte der
thymektomierten Hunde seihst beurteilte und als im Sinne der
Rachitis verändert anerkannte, schrieb dennoch: „Bisher ist also
aus dem Ergebnis der Organexstirpationen ein bündiger Beweis,
dass eine Malacie der Knochen von einer Störung der Tätigkeit
eines bestimmten Organs herrühre oder gar, dass der mensch¬
lichen Rachitis und Malacie ein derartiges spezifisches ursächliches
Moment zugrunde liege, nicht za entnehmen.“ Es sprechen aber
anch die obenerwähnten Einflüsse gegen eine solche Annahme.
Während man noch daran denken könnte, dass die individuelle
Disposition abhängig vom Zustande oder vom Fehlen der Thymus
sei, was aber durch anatomische Feststellungen hinreichend sicher
widerlegt ist, können beispielsweise zeitliche and örtliche Differenzen
im Auftreten und io der Häufigkeit der Rachitis in keinerlei Be¬
ziehung znr Thymus gebracht werden. Ich branche nur auf die
Verhältnisse in Japan hinzu weisen, dessen man oft als eines
rachitisfreien Landes gedacht bat. Heute wissen wir, dass auch
dort Kinder rachitisch werden können, aber nur in der kleinen
Provinz Tojama, die vom Meer nnd hohen Gebirgen umgrenzt ist,
und in der hauptsächlich eine arme Bauernschaft bei schlechter
Ernährung, aber sonst nicht unter ungünstigen Gesundheits¬
verhältnissen lebt. Soll nur hier Thymusscbwnnd Vorkommen
nnd zur Rachitis führen, während z. B. in Tokio dieses Leiden
unbekannt ist, obwohl die Morbidität der Kinder und damit wohl
auch die Tbymusatrophie keine geringe ist? Natürlich könnte
man eine solche Betrachtung anch für europäische Verhältnisse
anwendeo, welche die bestehenden Örtlichen Differenzen nur
weniger deutlich zeigen. Und ebenso steht es mit anderen in
Betracht kommenden Einflüssen, insbesondere wird niemand den
Versuch machen wollen, die unter den Begriff der Domestikation
fallenden in irgendwelche innige Beziehung zur Thymus zu bringen.
Denn der Parenchymwert der.Tbymas entspricht dem allgemeinen
Ernährungszustände, der durch den Einfluss der Domestikation
nicht nur nicht geschädigt zu werden pflegt, sondern sogar oft
gehoben wird (Mästung).
Welche Deutung wollen wir nnn der nach Tbymektomie anf-
tretenden Knochenerkrankung geben?
Meine Antwort auf diese Fiage geht von der Ueberzengung
aus, dass die menschliche Rachitis keine engbegrenzte, spezifische
Aetiologie hat. Darauf scheinen gar zu viele Erfahrungen nnd
Feststellungen hinzu weisen, unter denen folgende nicht die un¬
wichtigste ist. Wer sich viel zpit Knochenerkrankungen be¬
schäftigt, gewinnt den Eindruck, dass bei Rachitis und Osteo-
malacie sich eine Reihe von Prozessen abspielt, deren jedem
einzelnen wir auch ausserhalb dieser Leiden begegnen, and die
so sehr dann das histologische Bild beherrschen können, dass
wir glauben, es mit Erkrankungsformen des Skeletts zu tun za
haben, die eine scharfe Klassifikation erfordern. In Wahrheit
aber dürfte es sich, wie sehr auch eine solche nach rein histo¬
logischen Kriterien wünschenswert und angebracht sein mag, um
lauter Infektionen handeln, die sich nm die Rachitis und Osteo-
malacie gruppieren, Einzelmerkmale dieser Leiden aufweisen und
alle zusammen eine im Grunde einheitliche Aetiologie haben.
Von der möglichen bunten Kombination der bedingenden Faktoren
hängt der wesentliche Charakter der histologischen Veränderungen
ah. Bekanntlich werden von namhaften Forschern (Pommer,
Schmorl, Orth, Looser n. a.), denen ich mich anschliesse*
Rachitis und Osteomalacie vollkommen identifiziert and die
zwischen diesen beiden Leiden bestehenden Differenzen daraus
erklärt, dass das eine ein noch wachsendes, das andere ein aus¬
gewachsenes Skelett betrifft, mit der Annahme aber, die histo¬
logische Identität muss die einer verschiedenen Aetiologie grund¬
sätzlich unverträglich sein. Gewiss brauchen die krankmachenden
Faktoren nicht absolut dieselben zn sein, wohl aber müssen sie
im Prinzip and in ihrer Summe die gleiche Schädigang des
Organismus bedingen, die zur Skeletterkrankung führt.
Was nun die Rachitis der Tiere anbelangt, so sehen wir
folgendes. Unsere Haustiere können spontan an ihr erkranken*
in den zoologischen Gärten ist das Leiden besonders bei den
Affen nicht selten, bei den mannigfachsten Tierversuchen sind
Knochenerkrankungen rein zufällig entstanden, oft aber hat man
solche auch bewusst erzeugt, denen man die Bezeichnung Rachitis
oder Osteomalacie glaubte geben zu dürfen.
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UNIVERSUM OF IOWA
1310
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 28
So bat, am nur die wichtigsten Versuche zu nennen,
Morpurgo durch Verimpfung eines aus osteomalacischen Ratten
gezüchteten Dipiococcus eine Malacie erzeugen können, Dibbelt
neuerdings durch kalkarme Nahrung die Tiere „rachitisch“
machen können, so haben wir eben gehört, welche überaus an
menschliche Rachitis erinnernden Knochen Veränderungen Koch
durch chronische Infektion besonders mit Streptokokken hervor¬
grafen hat, so sind endlich nun die Versuche Basch’s, Matti’s
und Klose’s mit Thymektomie zu nennen. In Wahrheit wäre
noch einer Anzahl beachtenswerter Tierversuche zu gedenken, die
ich nur deshalb aus dem Spiele lassen will, um die Frage nicht
zu komplizieren. Denn die erzeugten Knochenverändernngen
zeigen zwar dieses oder jenes Merkmal der racbitisch-malacischen
Erkrankung, wie übermässige Osteoidbildung, vermehrte, lacunäre
Resorption, Störungen der endochondralen Ossifikation, sind aber
immerhin im ganzen recht wesentlich verschieden von der
menschlichen Rachitis. Auch die oben angeführten Versuche
haben nicht nur zu unter sich verschiedenen Resultaten geführt,
sondern die Knochenerkrankung zeigt auch diese oder jene Ab¬
weichung von der menschlichen Rachitis. Immerhin stehen wir
vor der Tatsache, dass eine vielfach bis zu anscheinender CJeber-
einstimmung führende Aehnlichkeit mit dieser Affektion erzeugt
worden ist.
Genau so wie in der Humanpathologie finden wir in der ex¬
perimentellen Tierpathologie, wenn wir alle die vielen ein-
schlägigen Versuche prüfen, um die am meisten racbitisähnlichen
Fälle andere sich gruppieren, in denen das histologische Bild
durch ein beherrschendes Material charakterisiert wird, uns bei¬
spielsweise als eine Porose imponiert wie bei den Fisteltieren
Pawlow’s; genau so empfängt der unbefangene Beurteiler den
Eindruck, als handle es sich nicht um grundverschiedene, sondern
verwandte Prozesse, denen eine im wesentlichen einheitliche Aetio-
logie zukommt.
Wenn es auf so mannigfache Weise, wie ich an einigen Bei¬
spielen gezeigt habe, gelingt, bei Tieren eine rachitisähnliche
Knochenerkrankung hervorzurufen, so kann unmöglich der je¬
weilige Eingriff die alleinige, spezifische Ursache sein. Alle,
welcher Art sie auch seien, müssen den Organismus im Grunde
so einheitlich beeinflussen, dass seine Reaktion sich im wesent¬
lichen gleich äussert. Suchen wir aber nach dem einheitlichen
ätiologischen Grundmoment, so kann nur die Schwächung des
Organismus, die Störung seines Stoffwechsels in Frage kommen,
die alle sonstigen Einflüsse wie solche der Domestikation oder
anderer Art zu erhöhter Geltung kommen lassen. Infektionen
und Nährscbäden können nun eher auch sekundär eine Rolle
spielen und zu einer Vergiftung des Organismus etwa im Sinne
Kassowitz’s und Ribbert’s führen.
Je mehr ich mich mit den Knochenkrankheiten namentlich
des Kindesalters beschäftigt habe, um so mehr bin ich zu der
Ueberzeugung gekommen, dass die uns hier interessierende Gruppe
bedingt wird durch eine mit Schwächung des Organismus ver¬
bundene Stoffwechselstörung, deren Effekt, soweit er histologisch
zum Ausdruck kommt, mit abhängt von anderen, verschieden zu-
sammenwirkenden Faktoren, wie beispielsweise und nicht zuletzt
von der individuellen Disposition. Der Gesamtchemismus aber
des Organismus, Wachstum und Entwicklung des Körpers werden
in weitgehendem Maasse von dem endokrinen System beeinflusst.
Erkrankt eines seiner Teilorgane, ändert sich oder fällt gar eine
Organfunktion ganz aus, so ist damit eine Gleichgewichtsstörung
im ganzen System, eine Störung im Ablauf der ineinander
greifenden Lebensprozesse verbunden, die als Stoffwechselstörung
zu bezeichnen ist. Je früher die Thymus exstirpiert wird, um so
schwerer muss zumal bei der Plötzlichkeit des Organwegfalles
jene Störung sein. Auf sie, nicht auf die spezifische Wirkung
der Thymektomie führe ich die im Tierexperiment sich zeigenden
Folgeerscheinungen zurück, die natürlich je nach dem entfernten
Organ einen bestimmten Charakter zeigen werden, aber nicht in
dem Sinne typisch sind, dass auf die gleiche Aetiologie des histo¬
logisch ähnlichen menschlichen Knocbenleidens geschlossen
werden muss. Es liesse sich höchstens sagen, dass auch durch die
Thymusexstirpation bei Tieren ein der menschlichen Rachitis ähn¬
liches Knochenleiden erzeugt werden kann, wie es die Folge anderer
Stoffwechselstörungen und Schädigungen des Organismus sein kann.
Zur Beleuchtung der Frage will ich noch kurz einer be¬
merkenswerten Feststellung gedenken. Im vergangenen Jahre
hat Adler in meinem Institut Exstirpationen endokriner Organe
an Froschlarven vorgenommen mit dem Erfolg, dass jedesmal
auch an anderen Drüsen Veränderungen auftraten, so hochinter¬
essante an der Schilddrüse nach Thymusexstirpation. Ich will
aber von ihnen, die Adler in Roux' Archiv ausführlich
schildern wird, absehen, ebenso wie von der Feststellung, dass
die thymektomierten Kaulquappen weder im Wachstum noch in
der Metamorphose gehemmt wurden, obwohl doch die Operation
zu einer so frühen Zeit vorgenommen worden war, wie es nie¬
mals bei Warmblütern möglich sein wird. Es kommt mir auf
etwas anderes an. Genau die gleichen Schilddrüsen Veränderungen
wie nach Thymektomie konnten nämlich hervorgerufen werden
durch gewisse Aenderungen des Milieus, also rein äussere Ein¬
flüsse be dingten diese lbe Veränderung an endokrinen Organen
und die tfiitmaassIiclD damit zusammenhängende Umstimmung des
innersekrelÖMSÜben Chemismus wie die Ausschaltung eines endo¬
krinen Organs. Ein Schluss folgender Art liegt nahe: Aeussere
Einflüsse wie solche des Milieus, der Ernährung vermögen Organ¬
veränderungen und mit ihnen zusammenhängende Krankheits¬
erscheinungen zu bedingen, die auch eine spontane Störung im
endokrinen System auslöst.
Eine solche spontane Störung aber, wie sie dem Status nach
der Thymusexstirpation beim Tiere entsprechen wurde, kommt
beim Menschen nach den Erfahrungen der Pathologie nicht vor
und kann daher auch bei der Entstehung der Rachitis keine
Rolle spielen. Somit kann auch durch das Tierexperiment un¬
möglich der Beweis erbracht worden sein, dass die menschliche
Rachitis eine spezifisch thymoprive Krankheit sei. Wohl aber
kommt jenen äusseren Einflüssen eine grosse Bedeutung zu, die
in ihrer Mannigfaltigkeit und bei der grossen Möglichkeit von
Kombinationen zu einer Schwächung und Stoffwechselstörung des
Organismus führen und in der Erkrankung des Knochensystems
sich zum Ausdruck bringen.
Die Beziehungen der Thymus zum Morbus
Basedowii.
Referat.
Vo»
Dr. Hermau Haiti -Bern.
Im Jahre 1858 machte Markhain in der Londoner patho¬
logischen Gesellschaft Mitteilung über eine Herzerkrankung mit
Vergrös8erung von Schilddrüse und Thymus und abnormem Her¬
vortreten der Augen. Etwa 20 Jahre später erhob Möbius an
der Leiche einer 54 jährigen Basedowkranken den Befund einer
apfelgrossen Thymus, und da er im Laufe der Jahre noch mehr¬
mals analoges Verhalten feststellte, dachte er zweifellos an eine
indirekte ätiologische Bedeutung der vergrösserten Thymus für
diese Basedowfälle, wenn er in seiner bekannten Monographie aus
dem Jahre 1890 schreibt: „Sollte die Grösse der Thymus bei
Basedow kranken mehr sein, als ein zufälliger Befund, so würde
damit dargetan, dass angeborene Bedingungen vorhanden sind,
wenn auch die Basedowsche Krankheit erst relativ spät im Leben
zu beginnen scheint.“ In der Folge schenkte man der Kombi¬
nation von Thymushyperplasie und Morbus Basedowii — denn
um eine solche handelt es sich zweifellos auch in der Beobachtung
MarkharaS — steigende Aufmerksamkeit, wovon die zahlreichen
kasuistischen Arbeiten (Mosler, Hale-White, Johnston, Mat-
thiegsen, Mackenzie, Hirscblaff, Schulz, Rainbach,
Hämig, Dinkler u. a.) sprechendes Zeugnis ablegen. Besonderes
praktisches Interesse gewann die Thymus-Basedowfrage seit der
bekannten Erfahrung Owen’s, der einem Basedowkranken Schild¬
drüsensubstanz verfüttern wollte, während der Schlächter irrtüm¬
licherweise Thymus lieferte; trotz dieser Verwechslung war der
therapeutische Effekt angeblich ein auffallend günstiger. Ueber
ähnliche gute Erfahrungen mit Tbymusfütterung bei Morbos
Basedowii berichten Cunningham, Mikulicz, Mackenzie,
McKie, Todd u. a., während Taty, Guörin, Dinkler, Rein¬
bach, Maude, Edes und Ewing Misserfolge, teilweise sogar
Verschlimmerung des Grundleidens nach Tbymusfütterung Bähen.
Bei mehreren dieser Fälle deckte die spätere Autopsie das Vor¬
handensein einer vergrösserten Thymus auf; Thorbecke and
Capelle vermuteten deshalb, dass die Verschlimmerung eines
Basedowfalles aufThymusfütterung sich möglicherweise diagnostisch
zum Nachweise einer etwaigen Thymuspersistenz verwerten lasse.
Eine einheitliche Idee Hess sich aus diesen Beobachtungen zunächst
nicht entwickeln. Lag es auf der einen Seite nahe, der ver¬
grösserten Thymus eine Beziehung zur Basedow’schen Krankheit
zn vindisieren, sei sie nun direkt ätiologischer oder indirekt kor*
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13. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
131 i
relativer Art — and zwar kam hier in erster Linie dys Relation
sor veränderten Schilddrüse in Betracht —, so musste es auf der
anderen Seite paradox erscheinen, bei Basedow fällen, zumal solchen
mit Tbymushyperplasie, noch Thymnssubstanz zu verfüttern. Immer¬
hin sei hier auf die üeberlegungen von Mikulicz verwiesen, die
rein theoretisch die Annahme gestatten, dass Thymusverfütterung
„durch Entlastung“ zu Reduktion einer vergrösserten Thymus
führt, ähnlich wie durch Schilddrüsenfütterung bei parenchyma¬
tösen Kröpfen gelegentlich eine Verkleinerung der Strumen erzielt
wird. Izn übrigen bezweckte Mikulicz mit seiner Tbymusmedi-
kation in erster Linie Entlastung und Reduktion der veränderten
Schilddrüse, die er als ein der Thymus sehr nahestehendes Organ
betrachtete.
Mit der steigenden Bedeutung, welche die Basedowfrage
namentlich in den letzten 15 Jahren für die klinische und ex¬
perimentelle Forschung gewann, bemächtigten sich Theorie und
Hypothese in breitestem Umfange des Basedow-Thymusproblems.
Auf die Serie der bereits angeführten, mehr kasuistischen Arbeiten
folgt bald eine Reihe von Publikationen, die sich eingehend mit
der Theorie der vorliegenden Frage befassen and die versuchen,
das rasch anschwellende klinische Material unter Berücksichtigung
der modernen experimentellen Forschung nach einheitlichen Ge¬
sichtspunkten zu verarbeiten. Es ist nicht möglich, alle diese
kasuistisch-theoretischen Arbeiten eingehend zu besprechen; ich
verweise in dieser Beziehung auf meine Arbeit „Ueber die Kom¬
bination von Morbus Basedowii mit Tbymushyperplasie“ in der
Festschrift für Th. Kocher 1 ). Hier können wir die neueren Publi¬
kationen nur soweit berücksichtigen, als sie zur Basedow-Thymus-
frage neues und wichtiges Material bringen, and soweit sie geeignet
sind, die Rolle der Thymus in der Pathologie und der Pathogenese
der Basedowschen Krankheit abklären zu helfen.
Zunächst haben wir uns mit den rein statistischen Feststel¬
lungen zu befassen. Schon im Jahre 1905 stellte Thorbecke
in einer viel zitierten Dissertation 35 Fälle von Basedow mit
Tbymuspersistenz zusammen und machte darauf aufmerksam, dass
die Mortalität nach Strumektomie bei Basedowfällen mit ver¬
besserter Thymus eine sehr hohe sei. 3 Jahre später erweiterte
Capelle diese Statistik, und zwar fand er unter 60 einwand¬
freien Fällen von Morbus Basedowii in 79 pCt. eine autoptisch
festgestellte Tbymushyperplasie. Die weitere Sichtung dieses
Materials zeigte nun, dass nnter den an interkurrenten Krank¬
heiten verstorbenen Basedowpatienten sich 44 pCt. Thymusträger
befanden, unter den klinisch und pathologisch-anatomisch rein an
Basedow Verstorbenen 82 pCt., unter den während einer Struma-
operation oder im unmittelbaren Anschluss daran Verstorbenen
sogar 95 pCt. Diese Zahlen Capelle’s stimmen gut überein mit
den Feststellungen anderer Autoren. So hatte Bonnet bereits
im Jahre 1899 28 Fälle von Morbus Basedowii mit Tbymus-
persisteui zusammengestellt, dazu 6 Fälle plötzlichen Todes, wo¬
von 4 mit vergrösserter Thymus. McCardie fand unter 35 plötz¬
lichen Todesfällen bei Basedow 18 mit Tbymushyperplasie; Ewing
berichtet über 5 Fälle von plötzlichem Tod bei Basedow, die alle
Tbytnusvergrösserung aufwiesen. Ich habe in meiner vorerwähnten
Arbeit 10 weitere zur Autopsie gelangte Basedowfälle beschrieben,
wovon 7 eine mit Rücksicht auf das Alter des betreffenden Indi¬
viduums deutlich, zum Teil hochgradig byperplastische Thymus
aufwiesen. Unter Berücksichtigung der seit Capelle’s Mitteilang
in der Literatur niedergelegten Beobachtungen konnte die Statistik
auf 133 Fälle erweitert werden, hiervon zeigten 98 = 74 pCt.
eine byperplastische Thymus. Eine Unterscheidung zwischen Fällen,
die an interkurrenten Affektionen und solchen, die rein an Basedow
atarben, konnten wir nach den zu unserer Verfügung stehenden
Angaben nicht durchführen. Wir mussten deshalb die erste und
zweite Kategorie Capelle’s zusammenfassen und fanden unter 50
an interkurrenten Affektionen, sowie an der Magnitndo morbi ge¬
storbenen Patienten 30 = 60 pCt. Thymusträger; von 68 Patienten,
die im Verlaufe einer Strumektomie oder im unmittelbaren An¬
schluss daran ad exitum gelangten, hatten 52 = 76,5 pCt. eine
vergrösserte Thymus. Die Zahlen, welche Capelle fand, werden
also etwas herabgesetzt. Dagegen zeigt auch unsere Zusammen¬
stellung, dass bei der Mehrzahl der zur Autopsie gelangten Fälle
T0Q Basedowerkrankung eine hyperplastische Thymus festgestellt
wurde, und dass die im Anschluss an eine Operation gestorbenen
Ba3edowpatienten in einem noch höheren Prozentsatz eine ver¬
größerte Thymusdrüse aufweisen. Für eine erhebliche Frequenz
i) D. Zschr. f. Chir., Bd. 116. Siehe auch dort Literatur bis zum
Jahre 1912.
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der sogenannten Basedowthymus sprechen auch die röntgenologi¬
schen Untersuchungen Schulze’s, der bei 20 Basedowpatienten
der Bier’&chen Klinik 18 mal einen vergrösserten Thymusschatten
fand. Selbstredend kann unsere Zusammenstellung keinen An-
8prnch auf Vollständigkeit erbeben, um so weniger, als sie nicht
bis in die allerletzte Zeit fortgesetzt wurde; doch unterliegt es
keinem Zweifel, dass sie rein zahlenmässig ein annähernd richtiges
Bild von der Frequenz der Thymushyperplasie bei Basedowscher
Krankheit gibt.
Es liegt nach den Ergebnissen dieser rein statistischen Er¬
hebungen nabe, in der Thymusvergrösserung eine Veränderung zu
vermuten, welche den Verlauf der entsprechenden Basedowfälle
ungünstig beeinflusste, weil nach Capelle der Prozentsatz der
Thymusträger bei den an der Magnitudo morbi Verstorbenen
grösser ist als bei den Patienten, die an intercurrenten Krank¬
heiten starben, und namentlich weil bei den postoperativen Todes¬
fällen so häufig eine vergrösserte Thymus gefunden wurde. Diesen
Feststellungen gegenüber erhob Melchior 1 ) den Einwand, dass
möglicherweise der Prozentsatz der Tbymushyperplasie bei den
günstig verlaufenden Basedowfällen nicht geringer sei, und in
seinem Referat über Beziehungen der Thymus zur Basedow’schen
Krankheit stellte er 15 Basedowfälle zusammen, bei denen der
Tod aus rein accidentellen Ursachen erfolgt war, und worunter
18 = 86,7 pCt. eine vergrösserte Thymus zeigten. Melchior
glaubt deshalb, dass „eine grosse Thymus beim Basedow im
Stadium der floriden Erkrankung wahrscheinlich nahezu regel¬
mässig vorhanden sei, zum mindesten aber ein Status lymphaticus
oder wenigstens eine regionär beschränkte lymphatische Hyper¬
plasie“. Ich habe in einem Referat über Physiologie und Patho¬
logie der Thymusdrüse 2 ) gegen diese Einwände MeIchior’s be¬
reits Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass auch nach
unserer Statistik der Prozentsatz der im Anschluss an eine
Operation verstorbenen Basedowkraoken mit Thymusbyperplasie
wesentlich höher ist als der Prozentsatz der Thymusträger unter
den accidentell oder rein an Basedow Verstorbenen. Ferner will
uns scheinen, dass man gegen die Art und Weise, wie Melchior
sein Material interpretiert, berechtige Einwände erheben kann.
Zunächst glauben wir, dass die Fälle Nr. 2 und 5 zum post¬
operativen Basedowtod gehören, vielleicht auch Nr. 8. Die Beob¬
achtung 13 muss abgelebnt werden, weil eine Laryngotomie keinen
Beweis dafür bildet, dass wirklich Erstickung vorlag, namentlich
wenn die übrigen anatomischen Merkmale der Erstickung im
Sektionsbefund fehlen. Fall 15 scheidet aus, weil eioe Autopsie
fehlt; der angeführte Befund intra Operationen) kann jedenfalls
nicht als einwandfreier Nachweis einer Thymushyperplasie
acceptiert werden. Somit reduziert sich das Material Melchior’s
auf 10 Fälle, die sich nach den eigenen Worten des Autors
dadurch charakterisieren, dass die Patienten durch Ursachen
accidenteller Art meist katastrophal aus dem Leben herausgerissen
wurden. So starben, um nur einige Beispiele anzufübren, die
Patienten Nr. 4 und 12 an einer Appendicitis trotz Operation;
Nr. 6 und 9 an einer Nachblutung aus einer Arteria thyr. sup.;
Nr. 7 und 8 erlagen einer postoperativen Tetanie. Es ist nun
für die Mehrzahl dieser Fälle durchaus nicht von der Hand zu
weisen, dass der vorhandenen hyperplastischen Thymus eine un¬
günstige Einwirkung auf den Verlauf zukaro, mit anderen Worten,
dass der katastrophale Eintritt des Todes durch die Thymus¬
hyperplasie mitbedingt war. Ich glaube deshalb, dass derartige
Fälle nicht geeignet sind, einer grossen Thymus eine selbständige,
schädigende Wirkung innerhalb des Basedowkomplexes abznsprechen.
Sie bestätigen vielmehr die rein statistische Deduktion, dass
Basedowpatienten mit Thymushyperplasie in höherem Maasse ge¬
fährdet sind. •
Melchior übt ferner Kritik an der ersten Gruppe Capelle’s,
welche die an iDtercurrenten selbständigen Krankheiten Ver¬
storbenen umfasst, und glaubt alle Fälle ausscbalten zu sollen,
bei denen das Sektionsprotokoll die Thymus nicht erwähnte oder
wenigstens das Fehlen derselben nicht konkret in Abrede stellte.
Wenn man auch zugeben muss, dass im einen oder anderen dieser
älteren Fälle möglicherweise dem Verhalten der Thymus nicht
spezielle Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so darf man doch
annebmen, dass eine einigermaassen beträchtliche Thymushyper¬
plasie von dem betreffenden Obduzenten beobachtet und auch im
Protokoll erwähnt worden wäre. Wir halten deshalb die Korrektur,
1) Melchior, Die Beziehungen der Thymus zur Basedow’schen
Krankheit. Zbl. f. d. ges. Chir., März 1912, S. 166.
2) Erg. a. inn. M., 1913, Bd. 10.
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1312
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
welche Melchior am Capelle’scben Material aobringt, nicht
als gerechtfertigt und glauben, dass die betreffenden Zahlen
Capelle’s zutreffend sind. Es ist jedenfalls inkonsequent, wenn
Melchior einerseits obduzierte Fälle der Capelle’achen Statistik
beanstandet, während er in seiner eigenen Zusammenstellung einen
nicht obduzierten Fall verwenden zu dürfen glaubt. Unserer An¬
sicht nach ist die statistische Feststellung, dass die im Anschluss
an eine Operation verstorbenen Basedowkranken häufiger Tbymus-
byperplasie zeigen als die an intercurrenten Affektionen oder an
der Magnitudo morbi Verstorbenen, bis heute nicht widerlegt.
Man kann noch weiter gehen und darauf hin weisen, dass auch
die durch Ursachen accidenteller Art katastrophal ans dem Leben
berausgerissenen Basedowkranken in einem auffällig hohen Prozent¬
satz eine hyperplastische Thymus zeigen. Somit besitzen wir
rein statistisch die notwendige Grundlage für die Auffassung,
dass der Thymus bei der Basedowschen Krankheit und
namentlich bei den tödlich endenden Fällen offenbar
eine deletäre Rolle zukommt, womit allerdings über das
Wesen dieser TbymuswirknDg noch nichts ausgesagt ist. Man
muss selbstverständlich zugeben, dass auch unter den gebeilten
Basedow fällen, seien sie rein intern, chirurgisch oder kombiniert
behandelt, zweifellos eine grosse Zahl mit Tbymusvergrösserung
sich finden. Dies beweisen namentlich neuere chirurgische Mit¬
teilungen über kombinierte Operationen an der Schilddrüse und
an der Thymus, über Thymektomie bei Basedowscher Krankheit
(Garre, Sanerbruch, v. Haberer u. a.) oder Mitteilungen von
Chirurgen, welche, wie v. Eiseisberg, ganz besonders günstige
Resultate mit halbseitiger Reduktion des Kropfes bei Basedow
mit Status thymicus erzielten. Mit einer gewissen Reserve können
hier auch die günstig verlaufenen Fälle verwendet werden, bei
denen röntgenologisch eine Vergrösserung der Thymus nach¬
gewiesen wurde (Schulze). Es besteht also kein Zweifel, dass
anatomisch sichergestellter Status thymicus durchaus vereinbar
ist mit dem guten Ueberstehen einer Strumektomie oder auch
einer grösseren abdominellen Operation, wie z. B. in dem von
Melchior citierten Delius’scben Fall; die hierher gehörenden
Fälle sind zahlreich. Diese Feststellungen sprechen jedoch in
keiner Weise gegen unsere oben vertretene Auffassung einer
deletären Tbymuswirkung, wenn wir bedenken, dass erstens
graduell sehr verschiedene Hyperplasien Vorlagen und ferner,
dass der Befund einer vergrösserten Thymus nichts Genaueres aus¬
sagt über das Quantitative und Qualitative der allerdings noch
nicht streng bewiesenen, aber durchaus wahrscheinlichen Thymus¬
sekretion. Wir wissen ja aus unseren chirurgischen Erfahrungen
beim Basedow, dass die Fälle mit grosser Struma nicht die bös¬
artigsten sind. Ebensowenig kann das Fehlen einer Thymus-
hyperplasie bei bösartigen Basedowfällen Anlass geben, die
Möglichkeit einer ungünstigen Thymuswirkung bei Morbus Basedowii
ganz allgemein abzulebnen, weil die Thymus im Endstadium der
Krankheit accidenteller Involution verfallen sein kanD, eine Auf¬
fassung, welcher auch Melchior im Anschluss an die Darlegung
der beiden Fälle v. Bialy’s bei tritt. Nach Capelle und unserer
eigenen Statistik darf mao jedenfalls behaupten, dass auffällige
Thymusbyperplasie bei den prognostisch ungünstigen Basedow¬
fällen häufiger vorkommt als bei den an intercurrenten Krank¬
heiten Verstorbenen, und wie wir glauben, auch häufiger als bei
den geheilten Basedowfällen, obscbon naturgemäss durchaus ein¬
wandfreie Beweise für die letztere Auffassung aus leicht ersicht¬
lichen Gründen heute nicht erbracht werden können. Vielleicht
wird eine konsequente röntgenologische Untersuchung aller
Basedowpatienten mit der Zeit diese Lücke ausfüllen. Die nächste
Frage ist nun die, ob, wie Oberndorfer und Schridde meinen,
in jedem Falle von Basedow eine Thvmuspersisteoz bzw. Status
lympbaticus besteht, wobei wir anzunehmen hätten, dass in den
negativen Fällen eine pathologische Involution des früher hyper¬
plastischen Organs stattfand. Ferner ist zu entscheiden, wie es
sich mit der Frequenz des Status lympbaticus bei Morbus Basedowii
verhält, und welche Bedeutung dem letzteren eventuell zukommt.
Die Frage der Frequenz der Thymushyperplasie und des
Status lymphaticus bei Basedowscher Krankheit lässt sich in
durchaus einwandfreier Weise heute noch nicht beantworten, weil
eine genügende Zahl systematischer Beobachtungen mit genauester
Berücksichtigung des ganzen lymphatischen Apparates noch nicht
vorliegt. Es werden noch mehrere Jahre vergehen, bevor wir
über absolut maassgebende Erhebungen verfügen. Doch kann
man schon beute sagen, dass die Ansicht von Mackenzie
und Bradford, wonach eine grosse Thymus einen konstanten
Befund beim Basedow darstellt, noch nicht bewiesen ist. Melchior
and Oberndorfer geben ihrer Anschauung eine etwas erweiterte
Fassung, indem sie sagen, dass bei jedem floriden Basedow eine
Thymuspersistenz bzw. Status lympbaticus oder wenigstens eine
regionär beschränkte lymphatische Hyperplasie bestehe. Auch
diesen Autoren kann man nicht beistimmen, weil ihr Material zu
klein ist, und weil ihre Feststellungen mit den Statistiken
Capelle’* und des Referenten im Widerspruch stehen. Aach
Eppinger vertritt in seiner neuesten Bearbeitung der Basedow¬
schen Krankheiten den Standpunkt, dass Thymuspersistenz und
Basedow nicht unbedingt zusammengehören. Ueber die gegen¬
seitigen Beziehungen vonThymushyperplasie und Status lympbaticus,
ganz abgesehen von ihrem Vorkommen bei Morbus Basedowii,
sind die Ansichten der in dieser Materie in erster Linie maass¬
gebenden Pathologen noch geteilt. Ich habe die bezüglichen An¬
gaben aus der Literatur in meinem Referat über Physiologie nnd
Pathologie der Thymusdrüse zusammeDgestellt und gezeigt, dass,
soweit die vorliegende Literatur entscheidend ist, sowohl reine
Thymusbyperplasie als reiner Status lymphaticus Vorkommen,
während allerdings die Kombination von Thymusvergrösserung
mit partiellem Status lympbaticus in der überwiegenden Mehrzahl
der Fälle und jedenfalls häufiger beobachtet wird als Thymus-
hyperplasie mit generalisiertem Status lymphaticus oder reine
Thymusbyperplasie.
Klose 1 ) vertritt in seiner Chirurgie der Thymusdrüse den
Standpunkt, dass Thymusbyperplasie und Status lymphaticus
immer, wenn auch in wechselnder In- nnd Extensität kombiniert
sind. In dem Basedowmaterial, das ich seinerzeit publizierte,
fand sich überwiegend eine Kombination zwischen Tbymusver-
grösseruog und Status lymphaticus; daneben jedoch auch reine
Thymusbyperplasie und reiner Status lymphaticus. Für das iso¬
lierte Vorkommen von Thymusbyperplasie ohne Veränderung des
lymphatischen Systems sprechen mit aller Bestimmtheit zwei von
Capelle und Bayer in jüngster Zeit publizierte schwere Basedow¬
fälle mit hochgradiger Thymusbyperplasie, bei denen autoptisch
nicht die geringsten Anhaltspunkte für Lymphatismus gefunden
werden konnte. Bezüglich des morphologischen Verhaltens der
lymphatischen Apparate beim Status lymphaticus der Basedowiker
verweise ich auf die pathologisch-anatomische Literatur. Dagegen
scheint es mir angezeigt, kurz auf die Frage der Thymushyper¬
plasie einzugeben.
Schridde unterscheidet bekanntlich die persistente Thymus,
die keinen von der Norm abweichenden Bau zeigt, von der eigent¬
lichen Thymushyperplasie, die entweder eine Vergrösserung der
Rinde und des Marks aufweißt (seltene Form) oder als Mark-
byperplasie in Erscheinung tritt, welche beinahe regelmässig mit
Hypoplasie der Rinde verbunden ist. Bei Morbus Basedowii mit
Thymusvergrösserung finden wir nach Schridde meist Mark-
byperplasie, gelegentlich jedoch auch „Persistenz 14 . Es scheint
uns, dass man den Begriff der Thymuspersistenz gestützt auf die
Ausführungen Hammar’s am besten fallen lässt, weil ja die
Thymus normalerweise bis in die sechziger Jahre Zeichen ihrer
Funktionsfähjgkeit aufweist, und io den Fällen, wo das Thymus-
gewicbt die für das betreffende Alter feststehende Norm über¬
steigt, von Thymushyperplasie zu sprechen. Im Sinne Hammar’s
ist die Basedowtbymus ein byperplastisches Organ, welches das
Normalgewicht der Drüse oft um das 2—4 fache übertrifft. Rein
theoretisch besteht übrigens die Möglichkeit, dass auch eine mit
Bezug auf das Alter des Patienten normal grosse Thymus anormal
funktionieren kann. Thorbecke, Gierke und Rössle beob¬
achteten Basedowthymen, deren Bau demjenigen der kindlichen
Drüse entsprach. Nach Pappenheimer sind bei der Basedow-
tbymus Rinde- und Markgrenzen nicht deutlich sichtbar. Bezüg¬
lich des Verhaltens der Hassal’schen Körperchen treffen wir so
widersprechende Angaben — Verminderung (Schridde), Ver¬
mehrung (Wiesel), normales quantitatives Verhalten (Capelle
und Bayer), hyaline Degeneration und Verkalkung (Klose),
normale Schichtung (Capelle und Bayer) —, dass man diese
Frage heute noch nicht diskutieren kann. Bezüglich des Ver¬
haltens der eosinophilen Zellen verweise ich auf die Arbeiten
von Schridde 3 ) nnd auf die weiter unten wiedergegebenen Aus¬
führungen von Capelle und Bayer.
Nach Klose hat Rehn schon im Jahre 1899 den Vorschlag ge¬
macht, die Basedowtbymus chirurgisch anzugreifen, nachdem Mikulicz
bereits 4 Jahre früher auf die Kombination von grosser Thymus uud
schwerem Basedow hingewiesen hatte. Im Juni 1910 führte Garre die
erste Thymektomie bei einer 22 jährigen Patientin mit typischem Morbus
1) Klose, Chirurgie der Thymusdrüse. 1912.
2) M.m.W., 1911.
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UMIVERSITY OF IOWA
18. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Basedowii aus, und zwar entfernte er in Aethernarkose ein 15 g schwere
Thymus, die histologisch Markhyperplasie und Wucherung des lympha¬
tischen Gewebes sowie auffallend hohen Gehalt des Interstitiums an
eosinophilen Leukocyfcen zeigte. Naoh der Mitteilung von Capelle und
Bayer trat die Krankheit in unmittelbarem Anschluss an die Operation
in ein ungleich milderes Stadium; die Besserung äusserte sich durch ein
Zurückgehen der cardialen Symptome, die Pulsfrequenz sank von 140
auf durchschnittlich 90, der Blutdruck stieg an und das Blutbild kehrte
sofort zur Norm zurück. Am 4. Tage nach der Operation zeigte der
Blutbefund jedoch wieder Verhältnisse wie vor der Operation; nach
6 Wochen fand sich wieder ein vollständig normales Blutbild. Dazu
kam in kurzer Zeit eine Gewichtszunahme von 10 Pfund. 5 Monate
nach der Thymektomie wurde bei der Patientin aus relativer Indikation
eine Schilddrüsenhälfte entfernt, weil Herzklopfen, Schlaflosigkeit und
Zittern wieder etwas zugenommen hatten, ohne jedoch die Intensität zu
erreichen wie vor der Thymusexstirpation. Der Operationseffekt erhob
sich Dach Capelle und Bayer nicht über den nach der Thymektomie
konstatierten, und auffälligerweise schlug das Blutbild jetzt wieder ins
Pathologische um. In einem weiteren Falle machte Garrö Hemi-
strumektomie und Thymektomie in einer Sitzung, doch geht er in seinem
Referat auf dem Chirurgenkongress 1911 nicht näher auf die bei der
Patientin erzielten Resultate ein. Die zweite primäre Tbymusexstirpation
bei Basedowscher Krankheit führte Sauerbruch im März 1911 aus;
über diesen Fall liegt eine ausführliche Publikation von Schumacher
und Roth 1 ) vor. Es handelte sich offenbar um einen sehr schweren
Basedow mit ausgeprägten Augensymptomen, Pulsfrequenz von 140,
Dilatatio cordis und hochgradiger Myasthenie. Da trotz zehnwöchiger
Spitalbebandlung und nach einseitiger Unterbindung der Vasa thyr. sup.
keine Besserung eintrat, die Myasthenie vielmehr derart zunahm, dass
Patientin kaum noch aufrecht stehen konnte, wurde mit Rücksicht auf
den klinischen Nachweis einer vergrosserten Thymus im März 1911 stück¬
weise eine 45 g schwere Thymus von fötalem Bau entfernt. Schon nach
14 Tagen setzte eine allmähliche Besserung ein, indem namentlich die
Myasthenie zurückging. Nach einem Jahr war die Besserung ganz erheb¬
lich, die mittlere Pulsfrequenz betrug 80—88, Patientin konnte 1 bis
U/s Stunden gehen und zeigte ein blühendes Aussehen. Die Blutunter-
sochung hatte vor dor Operation eine hochgradige Lymphocytose er¬
geben; nach dem Eingriff zunächst Hyperleukocytose, nach 10 Tagen
Befund wieder wie vorher. Naoh 8 Monaten war das Blutbild durchaus
normal. Auch hei dieser Patientin wurde später (von anderer Seite)
eine Strumektomie aasgeführt, weil während eines Aufenthalts in einer
Kropfgegend die Struma rasch gewachsen war und der Exophthalmus
zugenommen hatte. Der Effekt dieser zweiten Operation konnte zur Zeit
der Publikation des Falles noch nicht beurteilt werden.
Klose berichtet in seiner Chirurgie der Thymusdrüse über fünf
Resektionen der hyperplastischen Thymus bei Basedow, ohne nähere An¬
gaben als den Vermerk, dass stets eine auffallende Besserung des A1I-
gemeiozustandes und eine Rückkehr des Blutbildes zur Norm eintrat.
Leider vernehmen wir nicht, ob es sich um primäre Thymusresektionen
oder um kombinierte Operationen handelte, doch dürfen wir wohl an¬
nehmen, dass die Fälle gestatteten, die Wirkung der Thymusresektion
zu beurteilen. Zwei Thymektomien, die Geb eie bei gleichzeitiger Strum¬
ektomie ausführte, lassen keinen Rückschluss auf den Einfluss der Thymus¬
reduktion zu. Auf dem letztjährigen Chirurgenkongress teilte v. Hab erer 2 )
mit, dass er im ganzen 5 mal bei Basedow die Thymus exstirpierte 8 ). Da
es sieh um gleichzeitige Operationen an der Schilddrüse handelte, hält
er diese Fälle nicht für einwandfrei genug, um sichere Rückschlüsse über
die Wirkung der Thymusexstirpation zu ziehen. Dagegen berichtet er
ausführlich über einen Fall, der für die Frage der Basedowthymus
wichtig scheint. Es handelte sich um einen 30jährigen Herrn, der im
Jahre 1909 nach fieberhafter Krankheit einen akuten Basedow bekam,
mit schweren Herzsymptomen einsetzend. Wegen stetiger Verschlimme-
nmg nach 2 Jahren halbseitige Strumektomie, worauf der Exophthalmus
dieser Seite zurückging. Da sich aber die Herzsymptome nicht besserten,
suchte Patient einen berühmten Kropfoperateur auf, der ihm auf
der anderen Seite beide Schilddrüsenarterien unterband. Statt
Besserung zunehmende Verschlimmerung aller Symptome, sowohl der
nervösen, wie namentlich der Herzerscheinungen. In ganz desolatem
Zustande kam Patient Ende 1912 zu v. Hab erer. Er hatte Anfälle
Ton Erstickung mit Bewusstseinstrübungen; die Anfälle endeten stets
mit Expektoration von viel schaumigem Sputum. Herzspitzenstoss in
der Axillarlinie, Stauungsleber und Stauungsmilz, Radialpuls ganz ir¬
regulär und kaum fühlbar, Frequenz in Ruhe 140—160. Ein Internist
diagnostizierte Ermüdungsherz mit infauster Prognose. Auf Drängen der
^^drigen und des Patienten machte v. Haberer in Lokalanästhesie
die Thymektomie, welche nur einen ganz kleinen Thymuskörper ergab.
1) Schumacher und Roth, Thymektomie bei einem Fall von
J™ 8 Basedowii mit Myasthenie. Mitt. Grenzgeb., 1912, Bd. 25,
n Haberer, Thymektomie bei Basedow. Verhandlungen der
Datschen Gesellschaft für Chirurgie, 1913, I, S. 205.
nh» ■ üem diesjährigen Chirurgenkongress berichtete v. Haberer
T* erweiter ten Erfahrungen mit der Thymektomie (16 Fälle);
lichtLt ° nn ^ eD 8e * De Abführungen bei der Korrektur nicht mehr berüok-
TAfJjl verd0D - D°°k bedingen sie keine Revision der in diesem Referat
.^getragenen Auffassungen.
Histologisch bandelte es sich um eine in Involution begriffene Thymus
mit auffallend vielen Hassal’schen Körperchen. Nicht sofort, aber
relativ bald stellte sich der Erfolg ein, indem die Herzerweiterung voll¬
kommen verschwand, die Pulsfrequenz auf 84 zurückging, Tremor und
Unruhegefühl verschwanden. Die Stauungserscheinungen gingen voll¬
ständig zurück und Patient unternahm anstandslos eine grosse Gebirgs-
tour im 4. Monat nach der Operation.
Die neueste hierher gehörende Mitteilung stammt von Capelle und
und Bayer. Die Autoren berichten über 2 weitere in der Garrö’schen
Klinik ausgeführte primäre Thymektomien. Die erste betraf eine Basedow¬
patientin, die eine halbe Stunde nach der Operation an plötzlichem
Herztod starb. Der zweite betrifft eine 27 jährige Patientin mit den
charakteristischen Symptomen eines schweren Basedow, bei der neben
Herzklopfen, Gewichtsverlust, Haarausfall und typischem Blutbild profuse
Schweisse und Diarrhöen dominierten. Die Protrusio bulbi war relativ
gering, die Schilddrüse auffallend wenig verändert; dagegen fand sich
eine Thymusdämpfung und ein entsprechender Röntgenschatten.. Ex¬
stirpation einer 15 g schweren Thymus mit starker Mark- und geringer
Rindenhyperplasie, sowie ausgesprochen hohem Gehalt an Eosinophilen.
Schon kurz nach der Operation stellte sich ein sichtbarer Erfolg ein.
Das subjektive Befinden wurde besser, Kopfschmerzen, Durchfall, Schweisse
und Herzklopfen verschwanden; die Pulsfrequenz ging von 120—180 auf
95 zurück; das Gewicht nahm in 9 Wochen um 25 Pfund zu, der Ex¬
ophthalmus wurde ebenfalls geringer, und nach 5 Monaten war ein an
Heilung grenzender Dauerzustand erreicht. Die Menses traten wieder
auf, die Gesamtstickstoffausfuhr wurde um mehr als die Hälfte herab¬
gesetzt. Die Lymphocytose ging deutlich zurück, jedoch im Verlauf von
8 Monaten nicht bis zur Norm. Wir haben diese klinischen Beob¬
achtungen eingehender referiert, weil sie naturgemäss eine hohe Bedeu¬
tung für die Beurteilung der Thymushyperplasie bei Basedow’soher
Krankheit haben.
Sehen wir zunächst, wie die Operateure ihre eigenen Fälle
interpretieren. Garrö will nicht soweit gehen wie Hart und
gleich von einem thymogenen Basedow sprechen, glaubt aber,
dass eine Gruppe von Basedowfällen existiert, die sich durch ihre
Komplikation mit Thymus persistent hyperplastica als schwere
Krankheitsform auszeichnen. Er ist deshalb der Ansicht, dass in
Zukunft bei allen Fragen, die den Morbus Basedowii betreffen,
die Tbymushyperplasie als wichtiger mitbestimmender Faktor ein¬
zuschalten und im Auge zu behalten sei.
Klose ist der Ansicht, dass die Höhe der Basedowlympho-
cytose „insofern auf eine vorherrschende Dysthymisation und
damit auf eine primäre chirurgische Inangriffnahme der Thymus
hinweist, wenn sie sich bei relativ geringer Schilddrüsenvergrösse-
rung und mit schweren Herzerscheinungen entwickelt. Hierzu
kommt noch der Nachweis der Vagotonie durch starke Pilocarpin¬
oder aasbleibende Adrenalinreaktion“. Wir müssen auf die Frage
der eventuellen Beziehungen zwischen Thymus und sogenannten
vagotonischen Basedowformen noch separat eingeben, ersehen je¬
doch aus diesem Zitat, dass Klose der hyperplastischen Thymus¬
drüse bei gewissen Basedowformen eine ganz bestimmte Rolle zu¬
weist, weshalb er auch rät, sich in jedem schweren Falle von
Basedowscher Krankheit vor der Strumektomie durch Palpation
von dem Zustande der Thymusdrüse zu überzeugen, und diese
eventuell zuerst zu resezieren, v. Haberer ist in den Schluss¬
folgerungen aus seinen Fällen sehr zurückhaltend; doch muss man
bei seinem eingehend referierten Fall seiner Ansicht nach zu dem
Schlüsse gelangen, dass die Thymektomie ausgezeichnet gewirkt hat.
Die Ansichten über die Rolle der Basedowtbymus, welche
Capelle und Bayer 1 ) in ihrer letzten Mitteilung auf Grund des
Garrö’schen Materials vertreten, bedingen eine etwas eingehendere
Berücksichtigung dieser Arbeit.
In ihrer Publikation über den ersten von Garri operierten Fall
waren Capelle und Bayer zu der Anschauung gelangt, dass die
Basedowthymus deletär wirke, dass sie die Schilddrüsenstoffe nicht
kompensiere, sondern potenziere, und dass die thymogene Autointoxikation
bis zum Thymustod anschwellen könne, der selbstverständlich ein Herz¬
tod und vom Thymustod der Kinder zu trennen sei. In Anlehnung an
die Auffassung von Eppinger und Hess, die bekanntlich sympathioo-
tonische und vagotonische Basedowformen unterscheidet, nahmen Capelle
und Bayer damals an, dass der Thymus genau gleioh wie der Schild¬
drüse eine doppelte Wirkung zukomme, bestehend in der Tonisierung
sowohl des sympathischen wie des vagischen Systems. In ihrer neuesten
Arbeit kommen die Autoren zunächst zu dem Schlüsse, dass in der
Basedowthymus kein Organ mit einfach gesteigerter Tätigkeit vorliege,
sondern eine Drüse, die in ihrer Funktion die physiologischen Bahnen
verlassen hat, weil die Entfernung einer normalen Thymus nach Klose-
Embden den Stoffwechsel nicht beeinflusst, während im letzten von
1) Capelle und Bayer, Thymus und Schilddrüse in ihren wechsel¬
seitigen Beziehungen zum Morbus Basedowii. Beitr. z. klin. Chir 1913
Bd. 86, S. 509. ’’
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
Garre operierten Fall die Basedowthymus offenbar den Stoffwechsel
steigerte. Was die Bedeutung der Thymus für das Basedow’sohe Blut¬
bild anbelangt, lehnen Capelle und Bayer den Standpunkt Klose’s
ab, der bekanntlich in der Thymus das Organ sieht, welches die base-
dowische Blut Verschiebung veranlasst, vielmehr glauben sie, dass man
den Thymussekreten wohl ein bestimmtes Vorherrschen über die Blut-
miscbung, aber kein ausschliessliches Beherrschen des basedowiscben
Blutbildes zuerkennen könne. Capelle und Bayer untersuchten nun
ferner die Patienten der Garrä'schen Klinik nach den von Eppinger
und Hess aufgestellten Gesichtspunkten über vagische und sympathische
Basedowsymptome und fanden zunächst die von anderer Seite festgestellte
Tatsache bestätigt, dass vagische und sympathische Symptomgruppen im
einzelnen Falle so gut wie nie für sich existieren, sondern dass klinisch
stets gemischte Bilder vorliegen, dass mit anderen Worten beide Nerven¬
systeme tonisiert sind. Die kritische Beurteilung des Materials sowohl
hinsichtlich des Zustandes vor der Operation, als mit Bezug auf die
postoperativen Veränderungen nach reiner Schilddrüsen- oder reiner
Thymusreduktion eventuell unter Zuhilfenahme eines Belastungsversuchea
mit Adrenalin zeigte, dass reine Schilddrüsen- und reine Thymus¬
reduktion jede für sich eine Milderung der sympathischen und vagischen
Symptome zur Folge batte. Capelle und Bayer nehmen deshalb an,
dass im Organismus die Sekrete der Schilddrüse und der Thymus sich
in ihrer Wirkung, die in einer Tonisierung des Vagus und des Sympa-
thicus zum Ausdruck kommt, stets summieren. In weiteren Ausführungen
wird auf Untersuchungen A. Kooher’s verwiesen, der an seinem Material
nackgewiesen zu haben glaubt, dass auch das histologische Bild der
Basedowstrumen eine Differenzierung der vagotonischen und sympnthico-
tonischen Formen gestatte; bei überwiegender Cy linderzell Wucherung sollen
im klinischen Bild die Zeichen des Sympathicotonus, bei überwiegender
polymorpher Zellwucherung mit Desquamation mehr die Symptome des
Vagotoous in den Vordergrund treten. Capelle und Bayer glauben
diese Untersuchungsresultate Kocher’s bestätigen zu können und ver¬
suchen, diese Verhältnisse auf die Thymus zu übertragen. Gestützt auf
die mikroskopischen Untersuchungen an 10 Basedowthymen berichten sie,
dass bei denjenigen Thymen, durch deren Entfernung die Basedow¬
symptome in beiden Systemen beeinflusst wurden, sich durchwegs viel
Eosinophile fanden, die namentlich in den subcorticalen Zonen entlang
den Gelassen und Bindegewebssepten lagerten, auch herdweise im Mark.
Die epitbeloiden Zellen fanden sich durchwegs reichlich in Strängen, die
Hassalkörper vergrössert und mehr oder weniger degeneriert. Weiterhin
ergab die Gegenüberstellung der histologischen Befunde und der klini¬
schen Symptome, dass in den ausgesprochen vagischen BasedowfäDen
die Thymus besonders reichliche Eosinophile enthielt; bei denjenigen
Fällen, wo die vagische Komponente im Symptomenkomplex geringer
belastet war, Hessen sich weniger Eosinophile nachweisen, die epithe-
loiden Zellen waren im Vordergründe, die Hassalkörper noch relativ gut
erhalten, d. h. die einzelnen Zellen in ihrer Schichtung noch gut er¬
kennbar. In einem Falle von klinisch ausgesprochen sympathischem
Basedow fand sich eine Thymusstruktur, die dem juvenilen Typ ent¬
sprach; normal grosse, nicht vermehrte Hassalkörper, die lymphocytären
Elemente in Rinde und Mark derart vorherrschend, dass epitheloide
Zellen gar nicht zum Ausdruck kamen, während eosinophile überhaupt
so gut wie fehlten. Im allgemeinen fand sich ein gewisser Gegensatz
zwischen der Menge der eosinophilen Leukocyten und der epitbeloiden
Zellen angedeutet. Unter epitbeloiden Zellen verstehen Capelle und
Bayer wohl allgemeine Markelemente. Das Vorherrschen der Eosino¬
philen wird als Ausdruck eines vagotonisierenden, das Ueberwiegen der
Epitheloiden als Ausdruck einer sympathicotonisierenden Thymusfunktion
betrachtet.
Znsammenfassend gelangen Capelle und Bayer zu der
FolgerQDg, dass die Basedowsche Krankheit sich in der Mehrzahl
der Fälle mit Wahrscheinlichkeit aus der Tätigkeit zweier Drüsen
zusammensetzt, von denen jede sympathische und vagische Be¬
zirke in annähernd gleich massiger oder auch ungleichmässiger
Verteilung und Intensität enthält, doch so, dass in der Regel die
Schilddrüse mehr sympathische, die Thymus mehr vagische
Färbung hat; denn mit der Annahme eines einzigen basedow¬
spezifischen Organs stimmt die Beobachtung nicht überein, dass
durch eine operative Schilddrüsenreduktion, die in den übrigen
Symptomen vollen Erfolg hat, das basedowische Blutbild nicht
beeinflusst wird oder sogar eine Verschlechterung erleidet. Auch
mit der Kocher’schen Ansicht, dass klinische und hämatologiache
Ausheilung bei Morbus Basedowii prinzipiell parallel gehen,
harmoniert die Beobachtung nicht, ebensowenig wie die Fest¬
stellung, dass ein nach Tbymusexstirpation normal gewordenes
Blutbild in direktem Anschluss an eine Schilddrüsenreduktion
wieder pathologisch wird. (Erster Fall von GarrA) Ein ge¬
radezu zwingendes Argument für die Annahme eines weiteren
Organs, das gelegentlich eine starke und selbständige Bedeutung
in der Genese des Basedow annehmen kann, liegt nach Capelle
und Bayer in der vorstehend wiedergegebenen Beobachtung
Sauerbruch’s. Die Autoren möchten eine intensiv wirkende
Thymus für die 20 pCt. Nichterfolge verantwortlich machen,
welche die Statistik der Küttner’schen Klinik selbst nach mehr¬
maligen und ausgedehnten Strumareduktionen aufweist. Die
Intensität und Selbständigkeit, mit der eine basedowaktive Thymus
in das Krankheitsbild eingreift, schwankt offenbar von Fall zu
Fall in grosser Breite. Zwischen den beiden Extremen einer
primär schwachen und von der Scbilddrüsenintcnsität dirigierten
Thymus einerseits und einer intensiv, d. h. überwiegend wirkenden
Thymus andererseits, liegt die grosse Zahl der Möglichkeiten, in
denen beide Organe in ihrer Intensität und gegenseitigen Beein-
flussbarkeit mehr oder minder ausbalanciert sind, bei denen somit
die Reduktion eines Organs eine mehr oder weniger vollständige
Heilung zur Folge bat. Der Vollständigkeit halber müssen wir
noch erwähnen, dass nach der Anschauung von Capelle und
Bayer die Basedowschilddrüse und Basedowthymus in funktio¬
neller Korrelation stehen, derart, dass die zunehmende Tätigkeit
des einen Organs die Funktion des anderen in excitierendem Sinne be¬
einflusst. Wir werden an anderer Stelle sehen, wie weit diese An¬
schauungen der beiden Autoren über korrelative Beziehungen der
Thymus und Schilddrüse bei der Basedowschen Krankheit be¬
gründet sind. Soweit die Arbeit von Capelle und Bayer.
Die im Vorstehenden referierten, heute schon ziemlich zahl¬
reichen chirurgischen Beobachtungen zeigen zur Evidenz, dass es
gelangen ist, durch operative Reduktion der vergrösserten Thymus¬
drüse schwere Basedowfälle in ausserordentlich günstiger Weise
zu beeinflussen. So schloss sich der geschilderte Erfolg un¬
mittelbar an die beiden primären Tbymektomien Garrö’s an; in
den Beobachtungen von Sauerbruch und Haber er hatten die
Operationen an der Schilddrüse keine Besserung, resp. in
Haberer’s Fall eine eklatante Verschlimmerung des ganzen
Bildes zur Folge, während sekundäre Thymektomie eine ganz
zweifellose und weitgehende Besserung brachte. Auch in den
Fällen Klose’s, deren eingehende Publikation allerdings noch
aussteht, war die Resektion der hyperplastiscben Thymus stets
von einer auffallenden Besserung des Allgemeinzustandes nnd
einer Rückkehr des Blutbildes zur Norm gefolgt. Wenn die Zahl
der einschlägigen Beobachtungen naturgemäss auch noch relativ
klein ist, so sprechen doch alle eindeutig in dem Sinne, dass es
gelingt, durch partielle Entfernung der Thymusdrüse bei Basedow¬
scher Krankheit einen völligen Umschwung anzubahnen, der in
einigen Fällen zu einer weitgehenden Besserung, in anderen zu
einem an Heilang grenzenden Zustand führte. Die ans den
statistischen Feststellungen hergeleitete Ansicht, dass der hyper-
plastischen Thymus bei Morbus Basedowii eine aktive Wirkung
ähnlich der Schilddrüse zukomme, erfährt somit durch die Er¬
fahrungen, welche von chirurgischer Seite mit primärer oder
sekundärer Thymektomie bei Basedowscher Krankheit gemacht
wurden, eine unzweifelhafte Stütze.
Es erhebt sich nun die Frage, wie weit unsere Kenntnisse
von der physiologischen Funktion der Thymus und die Ergebnisse
der experimentellen Forschung, soweit sie sich mit der Wirkung
injizierter Thymusextrakte, Thymusverfütterung und Thymus¬
implantation befasst, der vorgetragenen Auffassung entgegen-
kommen. Nach dem heutigen Stande der Lehre von der inneren
Sekretion ist die Zugehörigkeit der Thymusdrüse zu den Organen
mit innerer Sekretion unbedingte Voraussetzung für die Annahme
einer „basedowaktiven“ Thymus. Dass nun der Thymus eine
innere Sekretion tatsächlich auch zukommt, kann nach den Unter¬
suchungen von Basch, Klose und Vogt, Soli, Lucien und
Parisot, Cozzolino, Matti u. a. keinem Zweifel mehr unter¬
liegen. Ich verweise auf die zusammenfassende Darstellung der
Tbymu8physiologie in meinem bereits erwähnten Referat, in dem
unseres Erachtens die notwendigen Unterlagen für die Auffassung
zusammengestellt sind, dass der Einteilung der Thymus unter die
Organe mit innerer Sekretion nach üblichen Kriterien keine
Hindernisse mehr im Wege stehen. Eine wesentliche Stütze für
die Anschauung, dass der Morbus Basedowii auf einer Hyper-
funktion der Schilddrüse beruhe, suchte man bekanntlich aus den
Resultaten experimenteller Hyperthyreoidisierung herzuleiten. Wir
können an dieser Stelle auf diese noch nicht allseitig abgeklärte
Frage nicht näher eintreten. Sehen wir jedoch, wie es sieb mit
der theoretisch zu postulierenden experimentellen Hyper- oder
Dysthymisierung verhält. In erster Linie kommen hier die Ex¬
perimente Svehla’s in Betracht, der eine blutdrucksenkende und
pulsbeschleunigende Wirkung der Thymusextrakte feststellte. Die
Spezifität dieser durch eine Reihe Nachuntersncher bestätigten
Wirkung steht allerdings nach Vincent und Sheene in Frage,
ferner behauptete Popper, dass die von Svebla u. a. be-
obachtete Blutdrucksenkung und namentlich der unter allgemeinen
Erstickungskrämpfen eintretende Herzstillstand der Versuchstiere
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UNIVERSUM OF IOWA
13, Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1815
nach Injektion hoher Dosen Tbymusextrakt auf der allgemeinen
Eigenschaft der Gewebsextrakte beruhe, intravasculäre Gerinnungen
hervorzurufen, die za ausgedehnten Circulationsstörungen fuhren.
Nach den Versuchen von Lederer und Schwarz, die trotz Zu¬
satz von Blutegelextrakt zum Thymusauszug Blutdrucksenkung
konstatierten, kann der Einwand Pop per’s jedoch als widerlegt
gelten. Hammar und Qoensel glauben, dass die tödliche
Wirkung der Thymusextrakte an deren intravenöse Einverleibung
gebnnden sei. Für den schädigenden Einfluss chronischer In¬
jektion von Thymusextrakt sprechen die Beobachtungen von
Gharrin und Ostrowski, die bei Hunden, denen während
vieler Monate täglich 3—4 g Tbymusextrakt subcutan eingespritzt
worden, Knochendeformitäten auftreten sahen. Ranzi und
Tandler sahen nach protrahierter Injektion von Thymusextrakt
deutliche Wachstumshemmnng.
Thyinusverfütterung hatte in Versuchen von Charin Rippen-
erweichnngen zur Folge. Klose und Vogt beobachteten bei ihren
Versuchstieren nach Thymusverfütterung Durchfälle und anfalls¬
weise Herzschwäche. Auch die Implantation homologer Thymus¬
substanz bei Hunden gleichen Wurfes in die Bauchdecken, das
Netz und die Milz war nach Nord mann nnd Hart von erheb¬
lichen Störungen des Allgemeinbefindens gefolgt; die Tiere frassen
nicht, magerten ab, worden träge und bekamen ein struppiges
Fell. Nord mann besieht diese Erscheinungen auf Resorption
des Implantates und fasst sie somit als Intoxikationserscbeinungen
anf. Klose und Vogt sind der Ansicht, dass Tbymusimplan-
tation von allen Arten der Thymuseinverleibung am wenigsten
toxisch wirkt, offenbar weil die Resorption ganz allmählich er¬
folgt. Es ist zu beachten, dass diese Hyperthymisierungsfragen
noch nicht definitiv abgeklärt sind, indem sowohl die Unter-
8uchung8re8ultate Svehla’s bestritten werden (Oliver und
Schäfer, Moorhead, Wolfram, Popielski), als auch die ge¬
schilderten Folgen der Thymusverfütterung und Thymusimplantation
nicht allgemeine Bestätigung fanden. Immerhin ist die von
Svebla nachgewiesene blutdrucksenkende bei Anwendung grösserer
Dosen hochtoxische Wirkung der Thymusextrakte nicht einwand¬
frei widerlegt, nnd man erhält auch den bestimmten Eindruck,
dass Thymusverfütterung, wie Resorption eingepflanzter homologer
Thymus, Intoxikationserscheioungen zur Folge haben. Ich sehe
nicht ein, wieso durch den Nachweis, dass die Wirkung der
Thymusextrakte keine spezifische, d. h. nicht nur der Thymus
zukommende sei, die Lehre von der Hyperthymisation ihrer
wichtigsten Stütze beraubt sein soll (Biedl). Mag auch
die Spezifität der drucksenkenden Wirkung in Frage
stehen, so ist die toxische Wirkung grosser Dosen wenig¬
stens bei intravenöser Injektion ziemlich unbestritten. Man
darf deshalb wohl an eine schädigende Wirkung der
Hyperthymisation mit Rücksicht auf die Ergebnisse der lojek-
tions-, Verfütterungs- und Implantationsversuche denken. Be¬
sondere Bedeutung für die uns interessierende Frage haben nun
Experimente, die mit offenbar pathologischer Thymussubstanz an¬
gestellt wurden. Hart beobachtete vor Jahren einen Fall plötz¬
lichen Herztodes bei einem 29jährigen Manne, der während
längerer Zeit an Herzbeschwerden, namentlich Herzklopfen und
Aengstigungen gelitten hatte. Bei der Autopsie fand man eine
grosse Thymus mit Hämorrhagien. Die Injektion dieser steril
verbliebenen Thymus erzeugte bei Meerschweinchen Vergiftungs¬
erscheinungen: Parese der hinteren Extremitäten, beschleunigte
Herxaktion, Tod in wenigen Augenblicken unter Erregungserschei-
DQngen. Unter Anlehnung ao die Lehre Svehla’s vertritt Hart
deshalb die Ansicht, dass eine pathologisch vergrösserte Thymus
Stoffe abgibt, die exquisit auf Herz und Gefässe wirken und da¬
neben den Stoffwechsel in pathologischer Weise beeinflussen. Es
liegt deshalb nach Hart nahe, ein sogenanntes Thymusherz an-
zonehmen, welches vielfach sogar dem Kropfherz identisch sein
könnte. Mit ganz besonderem Interesse ist die vorläufige Mit¬
teilung Bircher’s aufgenommen worden, dass intraperitoneale
Implantation lebensfrischer hyperplastischer Menschenthymus bei
Hooden von einem Symptomenkomplex gefolgt war, der un¬
bestreitbare Anlehnung an das Krankheitsbild der Basedow’schen
Krankheit zeigt: Die Versuchstiere wurden aufgeregt, bekamen
Protrusio bnlbi, Tachykardie, Tremor, und nach einiger Zeit sogar
eine Vergrösserung der Schilddrüse. Der Exophthalmus der Ver-
snehshunde ist in den Abbildungen, welche der kurzen Mitteilung
beigegeben sind, deutlich sichtbar; doch können die Mitteilungen
'o der vorliegenden Form nicht maassgebende Verwertung finden,
*eil nähere Angaben, namentlich auch über das histologische
»erhalten der Schilddrüse, noch fehlen. Dass Gebele mit sub¬
kutaner Implantation von Basedowtbymus bei Hunden negative
Resultate hatte, spricht nicht unbedingt gegen die Richtigkeit der
Bircher’schen Beobachtungen, weil Gebele nur kleine, hasel-
bis walnussgrosse Thymusstücke in die Baachwaud implantierte,
während Bircher bis bandtellergrosse Stücke intraperitoneal ein¬
pflanzte. Es fehlt somit die nötige Vergleichsbasis. Wir möchten
selbstverständlich die Versuche von Hart und Bircher nicht in
dem Sinne verwerten, dass wir auf Grund dieser Resultate die
Annahme eines rein tbymogenen Basedow als gerechtfertigt er¬
achten; doch bieten die Ergebnisse der Hart-Bircher’schen
Experimente einen wertvollen Anhaltspunkt für die Anschauung,
dass hyperplastische Thymus schädigend, toxisch wirken kann,
und dass sie namentlich auch die Circutation beeinflusst. Die
Hyperthymisierungsversuche mit normaler Drüse bedürfen der
systematischen, sorgfältigen Nachprüfung, weil die differenten
Versuchsbedingungen eine maassgebende Vergleichung der vor¬
läufig sich teilweise widersprechenden Resultate gar nicht ge¬
statten. Die Versuche von Hart und Bircher lassen dem kri¬
tischen Einwand Raum, dass die zu den Experimenten benutzte
Thymus möglicherweise nur deswegen toxisch wirkte, weil sie
eben nicht artgleich war 1 ). Es ist deshalb zweifellos geboten,
die vorliegenden experimentell gewonnenen Daten mit grosser
Vorsicht und Reserve zu verwerten; doch kann man jeden¬
falls, ohne den Boden angemessener Kritik zu ver¬
lassen, behaupten, dass die Anschanung von einer
Hyper- oder Dysthymisation hei Patienten mit hyper¬
plastischer Thymus nicht mehr der experimentellen
Stütze entbehrt.
Unter diesen Umständen dürfen wir wohl an die Möglichkeit
eines thymotoxischen Tbymusherzens denken, wie Hart vorschlägt,
in Analogie zum toxischen Kropfherzen. Wir haben die Berichte
über Tbymusfütterung beim Menschen absichtlich nicht in den
Bereich dieser Betrachtungen gezogen, weil man aus dem vor¬
liegenden Material positive Schlussfolgerungen nicht ziehen kann.
Den durch Thymusfütterung günstig beeinflussten Basedowfällen
von Owen, Cunningbam, Miculicz und Mackenzie stehen
die Beobachtnngen anderer Autoren gegenüber (Mattiessen,
Mackenzie, Dinkler, Reinbach und Eving), welche ganz
negative Resultate oder sogar Verschlimmerung des Krankheits-
bildes feststellten. Wenn auch im allgemeinen die schlimmen
Erfahrungen mit Thymusfütterung bei Basedow überwiegen, was
im Sinne unserer vorstehenden Ausführungen sprechen würde, so
geht eine Verwertung dieses Materials nicht an, weil wir nicht
durchwegs darüber orientiert sind, wie sich die Thymus hei den
verschiedenen Patienten verhielt. In diesem Zusammenhang sei
jedoch anf den Vorschlag Capelle’s verwiesen, die Thymus¬
fütterung diagnostisch zum Nachweis einer byperplastischen Thy¬
mus zu verwerten, gestützt auf die Beobachtung, dass in vielen
Fällen, die sich auf Verabreichung von Thymus verschlimmerten,
durch die Autopsie eine hyperplastische Thymus nachgewiesen
wurde. Wenn wir uns nach diesen Ausführungen auf den Boden
der Anschauungen von Svehla nnd Hart stellen nnd mit diesen
Autoren eine schädigende toxische Wirkung der hyperplastischen
Thymus annehmen, so reichen unsere gegenwärtigen Kenntnisse
wohl noch nicht aus, die Frage zu entscheiden, ob nun einfache
Hyperfunktion oder eine Dysfunktion des vergrösserten Organs
vorliegt, hat doch diese theoretische Streitfrage auch im Rahmen
der Schilddrüsentheorie bisher noch keine definitive Erledigung
gefunden. Im Grunde genommen ist jedoch das praktische Inter¬
esse dieser Frage kein sehr grosses, denn für den Kliniker ist
auch die Hyperfunktion, welche zu Störungen führt, eine Dys¬
funktion. Theoretisch liegt allerdings dem Chirurgen die An¬
nahme einer Hyperfunktion besser, weil er durch operative Re¬
duktion des Organs die pathologische Funktion eventuell voll¬
ständig korrigieren kann, während bei Annahme einer eigentlichen
Dysfunktion auch das reduzierte Organ noch ein anormales Sekret
liefert. Da jedoch die Haltlosigkeit der extremen und exklusiven
Schilddrüsentheorie der Basedow’schen Kraukbeit immer klarer
zutage tritt, hat es keinen Sinn, aus opportunistischen Erwägungen
an der Theorie der reinen Hyperfunktion festzuhalten, um so
weniger, als ja auch die operative Reduktion eines im alten Sinne
dysfunktionierenden Organs postoperative Besserungen in einwand-
1) Dieser Einwand trifft auch für eine Reihe sogenannter Hyper-
thymisierungaversuche mit normaler Thymus zu; ferner ist zu bedenken,
dass die nach Iojektion von Organextrakten oder Pressäften beobachteten
Erscheinungen nicht ohne weiteres als spezifische Wirkungen des inneren
Sekretes betrachtet werden dürfen.
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1816
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
freier Weise erklärt. Wenn wir hier von einer Dystbymisierong
sprechen, so möchteo wir damit die Frage, ob die hyperplastische
Thymus ein normales oder ein anormales Sekret liefert, in keiner
Weise präjudizieren. Die Hauptsache bleibt, dass die Funktion
als solche eben physiologische Bahnen verlassen hat. Immerhin
sei auf folgende Verhältnisse hingewiesen, die Capelle und
Bayer in ihrer neuesten Arbeit besonders hervorbeben: Embden
konnte an den von Klose thymektomierten Tieren keine Differenz
im Stickstoffumsatz gegenüber den Kontrollieren finden. Dagegen
wiesen Capelle und Bayer nach, dass die Thymusexstirpation
bei ihrer Basedowpatientin die Gesamtstickstoffausfuhr auf mehr
als die Hälfte herabsetzte. „Die Tatsache, dass eine physio¬
logisch vorhandene Thymns, wie sie in den Organen gesunder
junger Hunde gegeben ist, den Gesamtstickstoffwechsel nicht be¬
rührt, während die in basedowischem Zustand vorhandene Thymus
den Eiweisszerfall weit über die Norm steigert, ohne dass die
Quantität des Organs diejenige infantiler Perioden dabei über¬
schreitet, spricht nun — nach Capelle und Bayer — dafür,
dass in der Basedowthymus kein Organ mit einfach gesteigerter
Tätigkeit vorliegt, sondern eine Drüse, die in ihrer Funktion die
physiologischen Bahnen verlassen hat.“ Die Voraussetzung dieser
Schlussfolgerung trifft insofern nicht für alle Fälle zu, als
zweifellos in einer Grosszahl von Basedowfällen mit hyper-
plastischer Thymus das vergrösserte Organ ein Volumen aufweist,
weiches weit über die maximale Grösse des kindlichen Organs —
auch in relativer Berechnung — hinausreicht. Für eine Reibe
von Fällen dürfte allerdings die vorstehende Ueberlegung von
Capelle und Bayer zutreffen.
Steht einmal die Tatsache fest, dass die hyperplastische
Thymus eine ganz bestimmte Rolle in der Pathogenese und Patho¬
logie des Morbus Basedowii spielt, so müssen wir bei der unbe¬
strittenen Bedeutung der Schilddrüse für die Genese dieser Krank¬
heit nach eventuellen Korrelationen zwischen Thymus und
Thyreoidea und nach der relativen ätiologischen Bedeutung beider
Organe fragen. Ich habe in meinem Referat über die Physiologie
und Pathologie der Thymusdrüse die hauptsächlichsten Daten
zusammengestellt, die als Unterlage für die Beurteilung der so¬
genannten Korrelationen zwischen Schilddrüse und Thymus dienen
können, ganz abgesehen von ihrer Rolle bei der Basedowschen
Krankheit. In erster Linie ist daran zu erinnern, dass schon die
Kombination von einfacher Struma mit Tbymusbyperplasie relativ
oft festgestellt wird. So fanden wir unter 22 Fällen von Schild-
drüsenvergrösserung und eigentlicher Struma bei Neugeborenen,
die im Jahre 1910 im pathologischen Institut Bern beobachtet
wurden, 19 mal Tbymusvergrösserung. Unter 12 Fällen von Mors
thymica Neugeborener, die Hedinger beschreibt, findet sich
7 mal ausdrücklich Scbilddrüsenvergrösserung erwähnt. Ueber
analoge Befunde bei Erwachsenen berichten Gluck, Wiens,
Rössle, Nettei, Hart, Virchow u. a. Ferner ist bekannt,
dass bei den kongenitalen Schilddrüsendefekten auch die Thymus
mangelhaft entwickelt ist oder fehlt. Schon diese Feststellungen
weisen auf bestimmte Beziehungen zwischen Schilddrüse und
Thymus hin. Biedl, Cad£ac, Guinard, Gley finden nach
Schilddrüsenexstirpation die Thymus vergrössert; Blumreich
und Jacoby, Jeandelize, Lucien und Parisot sowie Mac
Lennan konstatierten das Gegenteil. Was die Reaktion der
Schilddrüse auf Thymusexstirpation betrifft, so stellte Mac Lennan
Verkleinerung fest. B£clard, Klose und Vogt sowie Referant
fanden Hypertrophie der Schilddrüse nach Entfernung der Thymus.
Soweit man überhaupt aus derartigen Organreaktionen auf be¬
stimmte Korrelationen im Sinne der Hemmung oder Förderung
zwischen exstirpierten und zurückgelassenen Organen sch Hessen
kann, fehlen somit übereinstimmende experimentelle Beweise.
Immerhin glauben wir mit Klose und Vogt, dass nach totaler
Entfernung der Thymus mit der Zeit stets eine Vergrösserung der
Schilddrüse eintritt, abgesehen yon dem terminalen Stadium der
Kachexie. Die nach Thymusexstirpation in der Schilddrüse fest¬
stellbaren histologischen Veränderungen stimmen in allen wesent¬
lichen Punkten mit den Bildern überein, die Halstead und ]
des Ligneris als charakteristisch für die Schilddrüsenhyper¬
trophie beschreiben, so dass man die Gewicbtsvermehrung des
Organs wohl als Hypertrophie betrachten darf, eine Ansicht, der
in seiner neuesten Publikation auch Klose 1 ) beitritt. Wie wir
schon an anderer Stelle ausfübrteo, erklärt sich die Reaktion der
Thyreoidea auf Tbymusexstirpation zwanglos durch die Annahme,
1) Klose, Beiträge zur Pathologie und Klinik der Thymusdrüse.
Jb. f. Kindhlk,, 1913, Bd. 78, der dritten Folge 28. Bd., S. 653.
dass Schilddrüse und Thymus nahestehende Organe sind, so dass
wir in der Schilddrüsen Veränderung einfach eine vikarierende
Hyperplasie zu sehen hätten.
(Schluss folgt.)
Aus der Universitätspoliklinik für Hautkrankheiten
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Lesser).
Zur Frage der Verschärfung der Wasser-
mann'schen Reaktion. 1 )
Von
Dr. Franz Blaveathal,
Assistenten der Poliklinik.
Die Jahre, die seit der Einführung der Wassermann’schen
Reaktion in die Praxis verflossen sind, haben unsere Anschauungen
über die praktische Bedeutung derselben zum grössten Teile ge¬
klärt. Während der positive Ausfall der Reaktion seine unbe¬
strittene grosse praktische Bedeutung für Diagnose, Prognose und
Therapie der Syphilis bat, können wir die negative Reaktion
nicht eindeutig verwerten. Dies liegt einerseits an der Unsicher¬
heit eines jeden negativen Resultats überhaupt, andererseits
scheinen bei der Wassermann’schen Reaktion in dieser Richtung
noch besondere Umstände mitzusprecben. So kann, wenn auch
nur selten, die Reaktion bei Bestehen von manifest syphilitischen
Erscheinungen negativ ausfallen, ferner ist im Latenzstadinm
häufig eine negative Reaktion von einem Recidiv gefolgt, oder
die negative Reaktion schlägt nach kurzer Zeit in eine positive
nm. Man kann sich hier des Eindrucks nicht erwehren, dass es
sich nicht immer um ein Fehlen der bei der Sypbilisinfektion er¬
zeugten Stoffe, sagen wir kurz der „Reagine“ handelt, sondern
dass häufig diese Stoffe durch einen Mangel der Technik dem
Nachweise entgehen oder sonst verdeckt sind. Io dieser Auf¬
fassung wird mau noch dadurch bestärkt, dass eine Reihe von
Seren, in verschiedenen Instituten untersucht, verschiedene Re¬
sultate ergeben, ja, dass in demselben Institute bei ein nnd dem¬
selben Serum die Resultate schwanken können. Wenn es sich,
richtige Versuchstecbnik vorausgesetzt, auch nur um eine pro¬
zentual ganz geringe Anzahl von Seren handelt, meist von stark
behandelten Latentsypbilitikem oder von Syphilitikern mit Er¬
scheinungen von seiten des Centraloervensystems stammend, bei
denen das Ergebnis der Untersucbnng variiert, so lassen doch alle
diese Dinge den Wunsch verständlich erscheinen, die Wasser-
mann’scbe Reaktion weiter zu verfeinern.
Zum Verständnis der Verfeinerungsbestrebungen ist es nötig,
sieb vor Augen zu halten, dass die Reaktion zwischen Extrakt,
syphilitischem Serum und Komplement keine absolut feste ist,
dass es vielmehr manchmal gelingt, diese Bindung so weit auf-
zuheben, dass es doch noch zu eiuer Lösung der Blutkörperchen
kommt. Dies tritt ein, wenn das hämolytische System sehr stark
ist, und kann seine Ursache darin haben, dass bei stark sensi¬
bilisierten Blutkörperchen durch starke Steigerung der Avidität
schon fixiertes Komplement aus seiner Bindung wieder beraus-
gerissen wird oder aber, dass eine geringe Menge noch frei¬
bleibenden Komplements genügt, um zusammen mit einem starken
Amboceptor die Blutkörperchen aufzulösen. Es ist daher leicht
verständlich, dass sich die Bestrebungen, die Reaktion zu ver¬
feinern, grösstenteils nach zwei Richtungen bin bewegen: einmal
suchte man die hemmende Komponente, Extrakt und zu unter¬
suchendes Serum, zu verstärken, dann wieder das hämolytische
System abzuschwächen. Die Hauptschwierigkeit hierbei liegt nnn
darin, dass keines der bei der Wassermann'schen Reaktion ver¬
wendeten Agentien absolut konstant ist, dass wir aber, wenn wir
die Stärke eines derselben bestimmen wollen, die übrigen als
konstant voraussetzen müssen.
Wenden wir uns zuerst dem hämolytischen System zu. Die Blut¬
körperchen, die im allgemeinen als konstant angesehen werden, »eigen
recht erhebliche Differenzen in ihren Eigenschaften. Ganz abgesehen von
geringen Differenzen in der Stärke der Aufschwemmung, die sich nicht
vermeiden lassen, ist ihre Fragilität bei verschiedenen Tieren eine sehr
wechselnde. Verwendet man aber denselben Hammel zu wiederholten
Malen, so steigt die Fragilität durch die häufigen Blutentnahmen sehr
stark, ja, sie kann so stark werden, dass es überhaupt nicht mehr mög-
1) Nach einem am 5. März 1914 in der Gesellschaft der Charite-
Aerzte gehaltenen Vortrag.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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13. Juli 1914.
lieh ist, die Blutkörperchen eines derartigen Tieres zu verwenden. Wenn
wir also, wie es allgemein geschieht, die Blutkörperchen in stets kon¬
stanter Menge verwenden, so müssen wir das Hämolysin und das Kom¬
plement immer von neuem auf die Blutkörperchen einstellen. Bei dieser
Titration muss man nun entweder das hämolytische Serum oder das
Komplement als konstant annehmen. Auf die Frage, was zweckmässiger
ist, werden wir später zu sprechen kommen. Diese Titration stellt nun
etwa keine Verfeinerung der Reaktion dar. Sie gehört mit zur Original¬
methode, und ich erwähne sie hier nur ausführlicher, weil dies zum Ver¬
ständnis der neueren Verfeinerungsbestrebungen notwendig ist
Man fand nämlich in der Praxis, dass trotz genauer Feststellung
der Starke des hämolytischen Systems, z. B. durch Titration des hämo¬
lytischen Amboceptors und Verwendung eines bestimmten Multiplums
desselben, die Durchlösung im Versuche verschieden stark ausfiel. Der
Grund hierfür schien darin zu liegen, dass ungefähr dOpCt. aller
Menschenseren Amboceptoren für Hammel blutkörpereben enthalten. Bei
Untersuchungen, die ich gemeinsam mit Hercz 1 ) an einer Reihe von
Menschenseren ausgeführt habe, schwankt der Titer für Normalambo*
ceptoren zwischen 0 und VW J. Bauer 2 ), Sachs und Altmann
haben zuerst auf die Möglichkeit hingewiesen, dass eine Addition der
Normalamboceptoren zu den Immunamboceptoren Störungen im Versuch
hervorrufen kann.
Man hat verschiedene Wege eingeschlagen, um die störende Wirkung
derNormalamboceptoren zu vermeiden. Noguchi 8 ) suchte dadurch stets
unter gleichen Bedingungen zu arbeiten, dass er Blutkörperchen ver¬
wendet, für die im Menschenserum keine Amboceptoren enthalten sind.
Für diesen Zweck wählte er Menschenblutkörperchen. Die Haupt-
sehwierigkeit des Arbeitens mit der Noguchi’schen Methode liegt darin,
dass es nicht leioht ist, ein hochwertiges Kaninchen-Immunserum für
Menscheublutkörperchen zu erhalten. Höhere Titer wie 1:50, 1:100
sind kaum zu erzielen, während wir bei Hammelblutkörperchen stets in
der Lage sind, mit Seren vom Titer 1:1000 bis 1:5000 zu arbeiten.
Ferner agglutinieren Antimensehen-Kaninchenseren in den verwendeten
Dosen meist sehr stark, was auch beträchtliche Unbequemlichkeiten mit
sich bringt Für die Praxis hat sich daher diese Methode uns nicht
bewährt. Auch die Ersetzung des Hammel-Kaninchensystems durch
andere Systeme bietet keine Vorteile und kann nach Untersuchungen
von Bruck sogar zu Fehlresultaten Veranlassung geben. Man wird
daher gut tun, weiter mit Hammel- resp. Ziegenblutkörperchen zu ar¬
beiten.
Ein anderer Weg ist von Jacobaeus 4 ) eingeschlagen worden. Er
digeriert die inaktivierten Seren vor dem Gebrauch eine Stunde mit
H&mmelblutkörperchen. Die Blutkörperchen haben dann alle Ambo¬
ceptoren adsorbiert und werden durch Centrifugieren entfernt. Wie ich
gemeinsam mit Hercz 8 ) naohweisen konnte, ist eine wesentliche Ver¬
stärkung der Reaktion nur selten vorhanden, auch kann das Digerieren
mit Blutkörperchen zu einer deutlichen Abschwächung des Serums führen.
Ueber ähnliche Befunde berichtet Alexander 6 ). Dies kann seine Ur¬
sache darin haben, dass bei der Absorption von Normalamboceptoren
noch andere Stoffe mit absorbiert werden, die bei dem Zustandekommen
der Wassermann’schen Reaktion eine Rolle spielen. Ganz gleichgültig
ist das Digerieren der Seren mit Hammelblutkörperchen überhaupt nicht.
Maas man doch dabei mit der Entstehung antagonistischer Stoffe rechnen.
Meist werden dieselben, falls wir mit einem grossen Amboceptoriiber-
schus8 arbeiten, zwar keine Rolle spielen. Immerhin scheint es mir
notwendig, bei Verwendung dieser Methode in grösserem Maassstabe diese
TäuscbuogsmÖgLichkeit in Betracht zu ziehen.
Die schon oben erwähnte Tatsache, dass dasselbe Serum an
verschiedenen Tagen auch im selben Institute wechselnde Resul¬
tate geben kann, wies darauf hin, dass hierbei das Komplement
eine grosse Rolle spielt, da dasselbe für jeden Versuch frisch ge¬
wonnen wird. Die verschiedenen Komplementseren variieren nun
nach zwei Richtungen untereinander, erstens in bezug auf ihren
Komplementgebalt, und zweitens in bezug auf die Deviabilität.
Auf die Deviabilität werde ich später noch za sprechen kommen.
An dieser Stelle interessiert uns hauptsächlich der wechselnde Ge¬
halt an Komplement.
8* ist nun von verschiedenen Seiten, so z. B. von So rin ani 7 )» von
Kromayer und Trinchese 8 ) die Forderung aufgestellt worden, das
Komplement an jedem Tage zu titrieren, und je nach der Stärke des
Komplementserums die verwendete Menge zu variieren. Ich glaube, dass
dieses Verfahren nicht zweckmässig ist. An und für sich ist es ja gleich-
fdUig, ob wir das Komplemeut mit dem Amboceptor oder den Ambo-
eeptor mit dem Komplement auswerten, da wir einen Mangel an Kom¬
plement duroh Verminderung des Amboceptors und umgekehrt aus-
gleichen können. Doch glaube ich auf Grund von Untersuchungen 9 )
1)
*)
S)
4)
5)
6)
7 )
8)
9)
Denn. Zschr., 1912, Bd. 19, S. 769.
D.m.W., 1908, S. 698.
Zsohr. f. Immnn.Forseh., Bd. 9, H. 6.
Zschr. I Immnn.Forseh., 1911, Bd. 8, S. G15.
1. o.
Denn. Zschr., 1914, Bd. 21, S. 218.
Zschr. f. Immun .Forsch., Bd. 11, H. 2.
*ed. Elin., 1912, Nr. 10 und 41 und B.kl.W., 1912, Nr. 41.
kehr. f. Immun.Forsch., Bd. 16, S. 347.
über die hämolytische und antikomplementäre Wirkung der Extrakte und
und ihre Hemmung duroh Serum, dass es eventuell zu Fehlresultaten
führen kann, wenn man mit der Menge des Komplementserums unter
0,1 heruntergeht, namentlich wenn man gleichzeitig beim quantitativen
Versuch auch noch die Menge des zu untersuchenden Serums herabsetzt.
Eine Vermehrung der Komplementmenge ist gleichfalls nicht statthaft,
denn gemeinsam mit Frau Dr. Wissotzki fand ich, dass Meerschweinchen-
seren in Mengen von 0,15 eine positive Wassermann’sche Reaktion geben
können. Auch Ritz und Sachs 1 ), und neuerdings Alexander 2 ) äussern
ähnliche Bedenken gegen ein Arbeiten mit wechselnden Komplement¬
mengen. Im übrigen sind die Differenzen im Komplementgehalt der
Meerschweinohenseren nicht gross, wenn man bei der Auswahl der Tiere
folgende Vorsichtsmaassregeln beachtet, gleichgrosse, früher nicht zu
anderen Versuchen benutzte, nicht schwangere Tiere, die längere Zeit
das gleiche Futter erhalten haben. Ferner muss das Serum stets um
dieselbe Zeit nach der Fütterung entnommen werden. Für die Praxis
dürfte es sich auf jeden Fall empfehlen, an der Titration des hämoly¬
tischen Amboceptors bei konstanter Komplementmenge 8 ) festzuhalten, wie
dies auch von Müller, Lange u. a. gefordert wird.
Wir kommen nun zu den Versuchen, die hemmende Kom¬
ponente, d. h. das Antigen und das za untersuchende Serum in
ihrer Wirkung aufeinander zu verstärken.
Ich möchte hier voraussohicken, dass es durch eine ganze Reihe
von Maassnahmen gelingt, eine erhebliche Verstärkung der Reaktion
herbeizuiühren, ja, sie soweit zu verstärken, dass die überwiegende Mehr¬
zahl auch aller latentsyphilitisoher Fälle positiv reagiert. Nur muss
man dabei mit in Kauf nehmen, dass eine Reihe nicht syphilitischer
Seren gleichfalls positiv reagiert. Die Eigenschaft des Blutserums zu¬
sammen mit Organ ex trakten Komplement zu binden, ist nämlich durchaus
nicht auf syphilitische Seren beschränkt. Ich möchte nur daran erinnern,
dass manche Tierseren bei Verwendung der bei der W&ssermann’schen
Reaktion üblichen Mengenverhältnisse eine positive Reaktion geben können.
Ferner finden wir beim Menschen bei pathologischen Zuständen, nach
meinen Erfahrungen besonders häufig bei Tuberkulose, Tumoren, Herpes
zoster, Ulcus molle und Erkrankungen, die mit multiplen Drüsen-
scbwellungen einhergeben, seltener bei ganz normalen Menschen Seren,*
die diese Eigenschaft haben. Allerdings sind die Stärkegrade der Reaktion
bei Verwendung der bei der Originalmethode üblichen Mengen so gering,
dass wir sie von der spezifischen Reaktion gut unterscheiden können.
Immerhin haben sie uns gezwungen, geringere StärkegTade der Reaktion,
wie wir sie mit +, +, -f-(-j-) und selbst mit H—H bezeichnen, nicht
für spezifisch lür Syphilis zu halten.
Alle diejenigen Methoden, die eine Verstärkung der Reaktion
über die spezifische Grenze hinaus darstellen, sind für diagnosti¬
sche Zwecke entschieden zu verwerfen. Hierüber dürfte wohl
kein Zweifel bestehen.
Kromayer und Trinchese 4 ) sind nun dafür eingetreten, diese
Reaktionen bei Menschen, die sicher einmal syphilitisch infiziert waren,
zu verwenden. Sie argumentieren, dass ein selbst unter den für das
Zustandekommen der Reaktion günstigsten Bedingungen negatives Resutat
grössere Beweiskraft besitzt, wie ein unter den gevöhnlichen Bedingungen
erzieltes. Gegen eine derartige Verwertung der verschärften Reaktionen
ist an sich nichts einzuwenden, vorausgesetzt, dass man sich vor Augen
hält, dass auch nach so erzielten negativen Reaktionen Recidive und
Umschlag in positive Reaktion folgen kann. Relativ am einfachsten ge¬
lingt es, eine Verstärkung der Reaktion herbeizuführen, wenn man Ex¬
trakte verwendet, die in entsprechender Dosis mit fast allen Seren von
syphilitisch infizierten Menschen reagieren, also wohl jede Spur vor¬
handener Reagine n&chweisen. Derartige Extrakte sind gar nicht selten,
und sie reagieren auch häufig bei den oben erwähnten Erkrankungen
positiv. Eine Reihe von Fehlresultaten in diagnostischer Beziehung sind
darauf zurückzuführen, dass ein derartiger überdosierter oder zu starker
Extrakt eine Zeitlang unerkannt benutzt wurde 5 ). Aehnlioh wie diese
Extrakte, die hin und wieder, namentlich mit gewissen Komplementseren
unspezifische Resultate ergeben, wirken auch die CholestearinheTzextrakte.
Sachs 6 ) hat zuerst auf die ausserordentliche Verstärkung hingewiesen,
die die antikomplementäre Wirkung von Herzextrakten erfährt, wenn
man ihnen Cholestearin in bestimmten Mengen zufügt. Diese Extrakte
finden violfach Verwendung in der Praxis, und es wird ihnen besondere
Schärfe nachgerühmt; demgegenüber hat Alexander 7 ) neuerdings auf
die Unspezifizität der Cholestearinextrakte*) hingewiesen, und auch ich^
habe die gleichen Erfahrungen gemacht. Ob die Unspezifizität eine all¬
gemeine Eigenschaft der cholestearinisierten Extrakte ist oder nur einzelnen
1) D.m.W., 1912, Nr. 43.
2) 1. c.
3) Es wird stets Serum von mehreren Meerschweinchen gemischt.
4) 1. c.
5) Die Anschauung, dass nur alte Extrakte dies Verhalten zeigen,
kann ich nioht bestätigen, im Gegenteil habe ich häufig gesehen, dass
Extrakte, die längere Zeit gestanden haben, exakter arbeiten als vorher,
meist werden die Extrakte mit der Zeit nicht starker, sondern schwächer.
6) B.kl.W., 1911, Nr. 46.
7) 1. c.
8) Auch der Demouliöre’sohe Extrakt, der einen Cholestearinzusatz
enthält, wirkt nach Lerrede und Rubinstein nnspezifisch.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28 .
von ihnen zukommt, will ich natürlich nicht entscheiden; vielleicht
wechselt bei jedem Extrakte die Menge Cholestearin, die zugesetzt werden
kann, ohne seine Spezifizität zu beeinflussen. Auf jeden Fall scheint
mir Vorsicht bei Verwendung von Cholestearinextrakten in der Praxis
geboten.
Eine weitere Möglichkeit, die Reaktion zu verstärken, liegt
in dem zu untersuchenden Serum selbst.
Eine erhebliche Verstärkung tritt ein, wenn man aktives Serum an
Stelle des inaktivierten verwendet. Doch verliert die Reaktion hierbei,
wie Sachs und Altmann 1 ) zuerst nacbgewiesen haben, ihre Spezifizitat,
und auch mit der Stern’schen Modifikation, die die beste der auf diesem
Prinzip beruhenden Methoden darstellt, habe ich Fehlresultate bekommen.
Einer grösseren praktischen Anwendung erfreut sich die
Wecbselmann’sche Methode der Bariumsuifatausfällung.
Wechselmann 2 ) ging von der Vorstellung aus, die zuerst von
Margarethe Stern ausgesprochen wurde, dass beim Inaktivieren der
Seren teilweise Komplementoide entstehen, die durch das Extraktreagin¬
gemisch verankert werden können. Das nun hinzugefügte Komplement
bleibt für die Hämolyse disponibel, da es von den durch die Komple¬
mentoide verstopften Amboceptoren nicht fixiert werden kann. Es ist
dies natürlich eine rein hypothetische Vorstellung, die den Amboceptor-
cbarakter der Syphilisreagine zur Voraussetzung hat.
Die Komplementoide suchte Wechsel mann mit Bariumsulfat zu
entfernen. Wie ich gemeinsam mit Hercz 3 ) und ferner Stern 4 ) nach-
weisen konnte, beeinflusst die Ausfüllung mit BaS0 4 den Komplement¬
gebalt der Seren gar nicht oder nur in sehr geringem Grade, so dass
die nach Behandlung mit BaS0 4 auftretende Verstärkung der Reaktion
sicher nicht als Folge der AusfälluDg der Komplementoide aufgefasst
werden kann. Immerhin ruft das BaS0 4 häufig eine Veränderung der
Reaktion hervor, und zwar einmal nach der positiven, das andere Mai
nach der negativen Seite hin. Danach scheinen mir bei der Auställung
mit BaS0 4 einmal hemmende Stoffe absorbiert zu werden, das andere
Mal die Reagine selbst.
Wenn man die Umständlichkeit der Metbode and die Un¬
sicherheit des Effektes io Betracht zieht, so wird man ihr nicht
allzu grosse praktische Bedeutung zubilligen können. Ein grosser
Vorteil derselben ist, dass sie die Spezifizität der Wassermami’scben
Reaktion nicht zu verändern scheint. Wenigstens habe ich bei
sehr zahlreichen Untersuchungen keine unspezifischen Resultate
erhalteu.
Gemeinsam mit Hercz 8 ) habe ich nun versucht, das BaSO*
durch andere Stoffe zu ersetzen, und es lag nahe, Stoffe zu ver¬
wenden, mit denen es tatsächlich gelingt, die Komplemente aus
dem Serum zu entfernen; wir wählten zu diesem Zwecke das
Kaolin und fanden entsprechend den Versuchen von Friedberger
und Salecker*), dass das Kaolin die Komplemente quantitativ
aus dem Serum entfernt.
Mit Kaolin behandelte Seren wirken nun erbeblich stärker positiv
als unbehandelte Seren, zu gleicher Zeit verliert aber die Reaktion ihre
Spezifizität. Das hat natürlich nichts mit der Komplementoidverstopfnng
zu tun. Viel eher ist es wahrscheinlich, dass das Kaolin im Serum
Veränderungen bedingt, die in Analogie zu setzen sind mit Befunden
von Wassermann und Keysser 7 ) einerseits und Plaut 8 ) andererseits.
Wassermann und Keysser fanden nämlich, dass amboceptorhaitige
Seren, mit Kaolin geschüttelt, anapbylatoxinäbnlicbe Eigenschaften an¬
nehmen können; und nach Plaut können mit Kaolin behandelte Seren
die Abderhalden’sche Reaktion geben.
Schliesslich hat mau versucht, durch Erhöhung der Serum¬
menge die Reaktion zu verstärken.
Kromayer und Trinohese*) und Ledermann 10 ) sind besonders
hierfür eingetreten, während Boas 11 ) eindringlichst davor warnt. Ich
habe sohon vor längerer Zeit eine Reihe derartiger Versuche ausgeführt,
und zwar in der Absicht, die Frage zu entscheiden, ob die Komplement¬
fixation bei der Wassermann’schen Reaktion einfach auf einer Summation
beruhen könnte. Diese Versuche ergaben, dass bei der Verwendung
grösserer Serummengen häufig die Serumkontrolle allein eine deutliche
Hemmung zeigt, fernem dass die Stärke der Reaktion durchaus nicht
immer proportional der verwendeten Serummenge verlief.
Bei den jetzt vou neuem aufgenommeneu Versuchen habe
ich gerade solche FällJe ausgewählt, bei denen schon an und für
sich eine schwach positive oder zweifelhafte Reaktion bestand,
1) L c.
2) Zsohr. f. Immun. Forsch., 1909, Bd. 3, S. 525.
3) 1. c.
4) Zschr. f. ImmuD. Forsch., 1912, Bd. 13, S. 688.
5) 1. c.
6) Zschr. f. Immun. Forsch., 1911, Bd. 11, S. 574.
7) Folia sorol., Bd. 7, S. 243 u. 593.
8) M.m.W., 1914, S. 288.
10) Verb. d. Berl. dermatol. Gesellsch., 1912/13, S. 25.
11) Die Wassermann’sche Reaktion. Berlin 1914.
oder wo bei der Untersuchung mit mehreren Extrakten die Reaktion
wechselnd ausfiel. Gerade bei diesen Fällen musste ein, wenn
auch nur geringer Ausschlag eine deutliche Verstärkung der
Resultate ergeben. Die Resultate, die ich bei den Untersuchungen
gefunden habe, sind folgende: Von 135 untersuchten Seren 1 ) blieb
die Reaktion in 47 Fällen gleich; 44 mal war sie bei höheren
Serummengen stärker als bei 0,1, 24 mal war sie bei 0,1 am
stärksten, und 18 mal war sie bei Serummengen am stärksten,
die unterhalb 0,1 liegen.
Hieraus gebt hervor, dass in der Mehrzahl der Fälle die
Reaktion durch Vermehrung der Serummenge nicht verstärkt wird.
Im allgemeinen stellt 0,1 die Optimalmenge für die Reaktion dar.
Einmal liegt das Optimum etwas tiefer, einmal etwas höher als bei 0,1.
Bei allen zweifelhaften Reaktionen ist es daher empfehlenswert, die
Serummenge zu variieren, und in unserem Laboratorium werden der¬
artige Seren in Mengen von 0,025 bis 0,5 angesetzt. Als sicher positiv
sind aber nur Seren zu bezeichnen, die mit der üblichen Menge (0,1)
ein stark positives Resultat ergeben. Namentlich ist Vorsicht geboten
bei Verwendung höherer Dosen, wie dies aus den Untersuchungen von
Boas 2 ) besonders hervorgeht.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass es sehr leicht gelingt, auf
alle mögliche Art eine zum Teil nicht unerhebliche Verstärkung
der Reaktion herbeizufuhren. Diese Verstärkung bedeutet aber
durchaus keine Verschärfung oder Verfeinerung der Syphilis¬
reaktion. Im Gegenteil, die Reaktion verliert dabei einen
grossen Teil ihrer Spezifizität Die Verhältnisse liegen eben so,
dass die Wassermann’scbe Reaktion nur bei Verwendung be¬
stimmter Mengenverhältnisse und in einer bestimmten Stärke
spezifisch für Syphilis ist. Die Eigenschaft, mit Organextrakten
Komplement zu binden, kommt an sich auch einer Reibe anderer
Seren zu. Wird nun die Reaktion über die gewohnten Grenzen
hinaus verstärkt, so werden unspezifiscbe Hemmungen in ihrer
Stärke voo der spezifischen Komplementbindung nicbt mehr zu
unterscheiden sein. Ob es im einzelnen Falle ratsam ist, eine
Verstärkung auf Kosten der Spezifizität durchzuführen, kann nur
der behandelnde Arzt von Fall zu Fall entscheiden. Jedoch
möchte ich noch einmal an dieser Stelle bervorheben, dass ein
negativer Ausfall auch der verstärkten Reaktion durchaus nicht
mit Sicherheit auf Heilung schliessen lässt.
Wir haben also gesehen, dass eine einseitige Verstärkung
einer einzelnen Komponente, z. B. des Serams oder des Antigens,
leicht zu unspezifischen Resultaten führen kann. Eine andere
Frage ist es, ob nicht durch die Abstimmung der einzelnen
Reagentien aufeinander die Reaktion weiter verschärft werden
kann, ohne dass es zu einer Verstärkung der unspezifiscben
Hemmung kommt. Um diese Frage zu erörtern, muss man die
Vorgänge bei der Wassermann’scben Reaktion etwas genauer
analysieren. Wir haben bei derselben mehrere nebeneinander
verlaufende Reaktionen vor uns, die sich teilweise unterstützen
und teilweise hemmen. Ein grosser Teil unserer Extrakte wirkt
einesteils an und für sich hämolytisch. Diese Hämolyse wird
durch Serumzusatz gehemmt. Der Extrakt wirkt andererseits
antikomplementär, hindert also die Komplementhämolyse. Auch
diese zweite Eigenschaft wird durch Normalserum gehemmt. Der
Vorgang wird dadurch noch komplizierter, dass jeder Extrakt
verschieden stark aotikompliroentär auf die Komplementseren
wirkt, so dass es Vorkommen kaoD, dass ein Extrakt, der an
einem Tage eine sehr starke antikomplementäre Wirkung zeigt,
am nächsten Tage keine solche Wirkung aufweist. Bestimmen
wir nun die antikomplementäre Wirkung des Extraktes für jedes
Komplementserum — das kommt auf eine Titration des hämo¬
lytischen Systems in Gegenwart von Organextrakt heraus —, so
sind wir trotzdem nicht vor unerwarteten Zufällen beim Versuch
selbst geschützt, da ja normales Menscbenserum die antikomple¬
mentäre Wirkung des Extraktes wesentlich verringert bzw. ganz
aufbebt.
Wir können uns daher nicht der Ansicht verschliessen, dass
alle Titrationen bzw. Vorversuche, die vor Beginn der Wasser-
mann’schen Reaktion ausgeführt werden, uns nur ganz allgemein
über die verwendeten Reagentien orientieren, auch wohl einmal
ein völlig unbrauchbares Reagenz ausscbeiden lassen, aber für
den Verlauf des Hauptversucbs keine bindende Bedeutung haben.
Viel wichtiger zur Vermeidung von FehIresultaten ist es, darauf
1) Die Versuche wurden stets mit halben Mengen angesetat, so dass
0,1 der in der Originalmethode üblichen Menge von 0,2 Serum ent¬
spricht, Im allgemeinen wurden Mengen von 0,05 bis 0,5 Serum au¬
gesetzt.
2) 1. c.
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UNIVERSUM OF IOWA
18. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
in achten, dass stets grosse Reihen von Seren auf einmal unter¬
sucht werden. Alsdann wird man bei einiger Erfahrung leicht
erkennen, ob an einem Tage zu schwach gearbeitet worden ist.
Hierin wird man noch unterstützt, wenn man die Resultate nicht
nur einmal abliest, sondern zn wiederholten Malen. Haben dann
zahlreiche Seren nachgelöst, so ist dies ein Zeichen für ein zu
schwaches Arbeiten an dem betreffenden Tage; auch soll die
erste Ablesung nicht zu spät vorgenommen werden. Bei Ver¬
wendung antikomplementär wirkender Extrakte ist es empfehlens¬
wert, die erste Ablesung zu machen, sobald die Serumkontrollen
gelöst sind.
Eins der wichtigsten Mittel zur Erzielung guter Resultate ist
weiter nach meiner Erfahrung die Untersuchung mit mehreren
Extrakten, wie sie zuerst von Seligmann und Pinkuss ge¬
fordert wurde. Jedoch scheint mir diese Forderung von manchen
Autoren nicht ganz richtig verstanden worden zu sein. Es wird
häufig Wert darauf gelegt, mit möglichst verschiedenartigen Ex¬
trakten, z. B. syphilitischen Leberextrakten, Herzextrakten usw.,
zu arbeiten. Meiner Ansicht nach liegt hierzu kein Grund vor,
da ja ein prinzipieller Unterschied in der Wirkungsweise der
Extrakte nicht besteht. Wir verwenden stets die stärksten Ex¬
trakte, die uns zur Verfügung stehen, wobei es gleichgültig ist,
welche Herkunft dieselben haben. Alle diejenigen Seren, die
nach der ersten Ablesung noch durchlösen oder mit verschiedenen
Extrakten differente Resultate zeigen, werden am nächsten Tage
mit frischem Komplement noch einmal angesetzt.
Zum Schluss möchte ich noch einige Bemerkungen über die
quantitative Reaktion anschiiessen. Auf Einzelheiten kann ich
hier nicht eingehen; nur möchte ich erwähnen, dass ihre Be¬
deutung eine nur beschränkte ist. Steht man auf dem Standpunkt,
dass jede positive Reaktion aktives Wuchern von Spirochäten be¬
deutet, so ist es für die endliche Prognose völlig gleichgültig,
ob die Reaktion etwas schwächer oder stärker ausfällt. Auch das
Ziel einer jeden Therapie muss es sein, die Reaktion völlig
negativ zu machen. Für die ersten Jahre nach der Infektion
spielt die quantitative Auswertung meiner Ansicht nach daher
kaum eine Rolle, da wir bei derartigen Patienten jede Reaktion
als Grund für eine energische Behandlung ansehen müssen, und
es ja, man kann sagen, in allen diesen Fällen gelingt, die Re¬
aktion in eine völlig negative umzuwandeln. Es wird also, gleich¬
gültig, wie stark die Reaktion am Anfang gewesen ist, so lange
behandelt werden müssen, bis die Reaktion völlig negativ ge¬
worden ist. Bei der Spätsyphilis liegen die Verhältnisse anders.
Hier gelingt es nicht in allen Fällen mit Hilfe der Behandlung die
Reaktion negativ zu machen. Für die Spätsyphilis kommt daher
der quantitativen Auswertung der Reaktion insofern eine Bedeutung
zu, als sie gestattet, diejenigen Fälle zu sondern, in denen eine
Beeinflussung der Stärke der Reaktion durch die Therapie mög¬
lich ist, von denjenigen, bei denen auch durch die energischsten
und verschiedenartigsten therapeutischen Maassnahmen eine Ab¬
nahme der Reagine nicht eintritt. In denjenigen Fällen, bei
denen eine deutliche Abnahme der Reaktion durch die Behandlung
eintritt, wird man die Hoffnung nicht aufgeben, durch weitere
Kuren die Reaktion völlig negativ zu machen, während man bei j
den anderen wohl weitere Kuren mit Recht als aussichtslos auf¬
geben kann. Ob man diese letzte Kategorie als prognostisch un¬
günstiger ansehen muss, scheint mir allerdings fraglich. Sehr
wohl könnte die geringe Beeinflussbarkeit durch die Therapie
darauf hindeuten, dass sich ein bleibender Zustand im Blutserum
herausgebildet hat, der auch nach Ausheilung der Erkrankung
fortbesteht. Demnach dürfte die quantitative Auswertung der
Reaktion beschränkt werden können auf Fälle von Spätsyphilis.
Wenn ich meine Ausführungen nochmals zusammenfassen
darf, go möchte ich sagen, dass wir zurzeit keine Methode be-
siwen, um die Serumdiagnostik der Syphilis zu verschärfen. Wohl
uv e * ne von Methoden, durch die wir eine nicht un¬
erhebliche Verstärkung der Reaktion hervorbringen können. Alle
lese Methoden aber machen gleichzeitig die Wassermann’sche
eaiction zu einer unspezifiseben. Wir glauben, dass man im
SnS*?#* 1 ? 00 tnn die Reaktion so einzuriebten, dass die
nahm Sn QDter a ^ en ^ mstän den gewahrt bleibt und nur in Aus-
Gwn i!- IU besonderen Verstärkungen über diese spezifische
ebenen hina . a ® S re ^ en darf. Die Wassermann’sche Reaktion hat
dass fti ,a8 anderen Immunitätsreaktionen gemeinsam,
«J 1 « in bestimmten Grenzen und bei bestimmter Versuchs¬
anordnung spezifisch ist.
Aus der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Kortau bei
Allenstein (Direktor: Geheimrat Dr. Stoltenhoff).
Einige technische Neuerungen in der Dialysier-
methode und die Anwendung derselben in der
Psychiatrie.
Von
Dr. Schroeder, Anstaltsarzt in Kortau.
Bevor wir auf die Ergebnisse unserer Untersuchungen
psychiatrischer Fälle näher eingehen, möchten wir über einiges,
was in der Technik des Verfahrens sich auffällig bemerkbar
machte, nähere Mitteilungen geben. Die Methode selbst wurde
bei Fauser in Stuttgart erlernt und zu Anfang genau nach den
Abderhalden’schen Vorschriften aosgeführt.
Bei den dann vorgenommenen praktischen Versuchen zeigte
es sich zunächst, dass die von Abderhalden angegebene
Prüfungsmetbode mit 1 proz, Peptonlösung auf Pepton, mit der
Biuretreaktion auf Eiweiss doch nicht fein genug ist, um vor
späteren Irrtümern bei der Prüfung von Krankheitsfällen zu
schützen. Diese Probe mit der verhältnismässig starken 1 proz.
Peptonlösung, wobei das Dialysat beim Kochen mit Ninhydrin
tiefblau wird, bestanden die Hülsen — es waren deren 25 —
sämtlich. Ebenso fiel die Biuretreaktion bei der Prüfung auf
Undurchlässigkeit für Eiweiss durchweg negativ ans. Da bei der
Prüfung mit Blutserum, bei den zur Untersuchung aufgestellten
Fällen, sich von vornherein wesentliche Unterschiede zeigten, so
wurde eine genauere Prüfung zunächst von einem Dutzend Hülsen
mit 1,5 ccm Blutserum allein eines und desselben Patienten vor¬
genommen, und zwar mit Ninhydrin, wie bei der Aufstellung von
Organen mit Serom zusammen. Es zeigte sich dabei, dass von
diesen 12 Hülsen 7 ein absolut negatives Dialysat lieferten,
während dasjenige von 5 deutlich positiv war. Die mit den
übrigen Hölsen vorgenommenen Untersuchungen ergaben ähnliche
Resultate in dem Sinne, dass etwa die Hälfte der Proben nega¬
tiv, die andere Hälfte schwach, jedoch deutlich positiv ansfiel.
Die zu stark durchlässigen Hülsen wurden dann für weitere Ver¬
suche ausgescbaltet. Daraus geht hervor, dass das aus einer
lproz. Peptonlösung gewonnene Dialysat infolge seiner recht
starken Blaufärbung feine Unterschiede, wie sie später dann beim
praktischen Versuch auftreten, nicht erkennen lässt. Es wurden
deshalb mit procentualiter mehr und mehr verdünnten Pepton¬
lösungen Versuche angestellt. Diese ergaben, dass das Dialysat
aus einer VsP™ 2 Peptonlösung für die Prüfung der Hülsen am
zweck massigsten ist. Dabei treten auch feinere Unterschiede in
der Durchlässigkeit der Hülsen recht deutlich hervor; der rötlich
violette Farbenton hat fast genau die gleiche Stärke, als wenn
ein „Serum allein 11 infolge seines Gehalts an dialysierbaren
Stoffen bei der Prüfung mit Ninhydrin schwach positiv ausfällt.
Prüft man die Hülsen mit einer derartigen 1 f 5 proz. Peptonlösung
etwa alle 8 oder 14 Tage, so kann man durch sorgfältige Aus¬
wahl der zu wenig oder zu stark durchlässig gewordenen
Schläuche — wir fanden unter 20 deren meist nur 1 oder 2 —
den „Hülsenfehler“ auf ein Minimum reduzieren. Die Binret-
reaktion haben auch wir gänzlich entbehren können.
Bei der Zubereitung des zu untersuchenden Blutserums
machten wir besonders zu Anfang die Erfabrnng, dass die Probe
mit dem „Serum allein“ verhältnismässig recht häufig „schwach
positiv“ ausfiel, obwohl dasselbe in einer guten elektrischen
Centrifnge s / 4 — 1 Stunde lang verblieben war. Bei der mikro¬
skopischen Untersuchung des so behandelten Serums stellte es
sich heraus, dass dasselbe trotz des einstündigen Verbleibens in
der Centrifuge noch eine ansehnliche Zahl von Erythrocyten ent¬
hielt. Der Grund für diese uns zunächst unerklärlich scheinende
Tatsache wurde darin gefunden, dass die Spitzgläschen mit Serum
zn voll gefüllt waren. In dem dem Mittelpunkt der Centrifnge
zugekehrten Teil des Gläschens reicht die Centrifugalkraft augen¬
scheinlich nicht aus, um die Blutkörperchen alle am Grunde des
Glases zu sammeln. Es wurden darum die Gläschen nur etwa
bis zur Hälfte mit Serum gefüllt, und man konnte dann schon
nach halbstündigem Centrifngieren mikroskopisch keine Blut¬
körperchen mehr finden. Die Resultate bei der Prüfung des
„Serum allein“ besserten sich infolgedessen bedeutend so dass
schwach positive Reaktionen von „Serum allein“ recht selten ee-
worden sind. In diesen Fallen kann man nur annehmen, dlss
das Serum an sieb eine gewisse Menge dialysierbarer Stoffe ent¬
halt, was bekanntlich hin und wieder vorkommt. Inaktiviertes Serum
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1320
BERLINER KLINISCHE WOC HE NSCHRIFT.
Nr. 28.
bat immer eine ganz negative Probe ergeben. Die Menge des bei
den Proben verwendeten Serums betrog stets 1,5 ccm; Versuche
mit nur 1 ccm, wie sie von anderer Seite verschiedentlich an¬
gegeben und empfohlen wurden, ergaben auch mit sonst sicher
positiv reagierenden Substraten völlig negative Resultate.
Die Organe wurden zunächst genau nach der von Abder¬
halden 1 ) angegebenen und bei Fauser praktisch eingesehenen
Methode zubereitet. Es wurde zum Spülen ein Blechsieb ver¬
wendet, dessen Löcher etwa 3—4 mm Durchmesser hatten. Es
zeigte Bich jedoch bald, dass diese Art der Organzubereitung
mancherlei Nachteile und Unzuträglichkeiten an sich hatte. Um
das Wegschwimmen der Organe durch die Oeffnungen hindurch
zu verhüten, mussten die Stückchen verhältnismässig gross, etwa
von der Grösse einer halben Erbse und darüber belassen werden.
Es kam infolgedessen in der vorgeschriebenen Zeit von 2 l / 2 bis
3 Stunden eine vollständige und namentlich gleichmässige Ent¬
blutung im Sinne Abderbalden’s nicht zustande. Ferner zeigte
sich meist nach etwa halbstündigem Spülen der höchst lästige
Uebelstand, dass ein grosse; Teil der Organstückchen die Abfluss¬
öffnungen des Siebes verstopfte, und der andere Teil, die noch
frei umherschwimmenden Stückchen, durch Ueberlaufen aus dem
Sieb herausgescbwemmt wurden und verloren gingen. Ohne eine
dauernde Ueberwachung, die namentlich beim Zubereiten mehrerer
Organe zugleich schwer durchführbar und störend ist, kann man
bei dieser Zubereitungsart nicht auskommen. Wurde ein feines
Drahtsieb verwendet, so war der Erfolg noch geringer, da der
darauffallende Wasserstrahl, ohne viel Widerstand zu finden, glatt
hindurchging und ein kräftiges und gleichmässiges Durchspülen
der Organstöckchen überhaupt ausblieb. Meist klumpten sich die
Organe an einer Stelle zusammen, und das Wasser floss, ohne
eine besondere Wirkung auszuüben, um dieselben herum. Um
diesen Uebelständen abzuhelfen, wurde nach unserer Angabe eine
Kombination des feinmaschigen Drahtsiebes mit einem darunter
befindlichen Locbsieb angefertigt. An seinem oberen Rande ist
es durch einen Deckel aus Drahtgaze geschlossen, um bei
etwaigem Ueberfliessen des Wassers das Wegschwimmen der
Organe zu verhindern. Der ganze Apparat wurde zum Anscbrauben
an die Wasserleitung eingerichtet und bat sich uns in mehr-
monatlichem Gebrauch durchaus gut bewährt. Wir möchten
noch bemerken, dass derselbe namentlich für Organe, die zu
psychiatrischen Untersuchungen nötig sind, z. B. Testikel, Schild¬
drüse usw. Verwendung gefunden hat. Auch Placenta lässt sich,
jedoch nur in kleinerem Volumen, darin zubereiten. Nicht zu
unterschätzen ist der Vorteil, dass das beschriebene geschlossene
Organsieb keiner Ueberwachung bedarf. Auch können darin sehr
gut nach erfolgter Reinigung des Apparats die gebrauchten Dia-
lysierhülsen gespült werden, ohne dass das Zimmer durch Umher-
spritzen des Wassers zum Teil überschwemmt wird, wie wir es
bei Benutzung des offenen Siebes ständig erlebten 2 ).
Da beim Zerschneiden der Organe eine absolute Gleicb-
mässigkeit — abgesehen von dem Zeitverlust bei dem Zerstückeln
mehrerer Organe zugleich — sich nicht erzielen lässt, so wird
von uns seit einigen Monaten eine Fleischzerkleinerungsmascbine
kleinsten Modells mit sehr gutem Erfolg angewendet. Die darin
zu verarbeitenden Organe haben wir zunächst in Stücke von
1 ccm Grösse und darüber geschnitten. Diese werden am besten
mit einem Holzstäbchen in die Maschine eingeführt, worauf man
nach kaum 1 Minute durchaus gleicbmässig zubereitete Stück¬
chen von i * f l Erbsengrösse erhält. Die Zeit der ganzen Prozedur
der Organzubereitung konnte durch Anwendung der beiden be¬
schriebenen Apparate mindestens auf die Hälfte der früher dazu
nötigen Zeit reduziert werden 8 ).
Wenn auch durch diese Zubereitungsmethode eine möglichst
gleichmässige Entblutung der Organe vollkommener erreicht wurde
als bei dem früheren Verfahren, so ist doch eine gäozliche Ent¬
fernung der Blutkörperchen aus dem Gewebe, wovon wir uns
durch mikroskopische Untersuchung desselben überzeugt haben,
sehr oft nicht möglich. Für das blosse Auge erschien z. B. das
zubereitete Organ, aus vielen einzelnen kleinen Gewebssückcben
bestehend, vollkommen gleichmässig weiss. Wurde nun eine An¬
zahl der einzelnen kleinen Organstückchen auf ihren ßlutgehalt
mikroskopisch untersucht in der Weise, dass man die Stückchen
1) Abderhalden, Schutzfermente des tierischen Organismus.
2) Nach unserer Angabe hergestellt und geliefert von der Firma
J. Mondry, AlleDstein.
3) Dieses Mascbinchen wurde unter der Bezeichnung „Masticator“
von derselben oben erwähnten Firma geliefert.
mit einer anatomischen Pinzette fasste und den Presssaft auf eine
Blutkörperchenzählkammer brachte, so konnte man in etwa 10 pCt
der Stückchen noch reichlich Erythrocyten finden. Dasselbe liess
sich bei dem gekochten Gewebe an feingesebnittenen Organsfückchen
unter dem Mikroskop nach weisen. Wir fanden eine Anzahl Bilder
von ganz gleichmässig weissem oder weissgrauem Aassehen, wäh¬
rend dann wieder Stückchen vorkamen, die deutlich braune bis
rötlichbraune Stellen aufwiesen, zweifellos von den iodenOrg&n-
stückchen enthaltenen Blutkörperchen, welche dorch die zugesetzte
Essigsäure aufgelöst wurden, herrübrend. Es scheint demnach,
dass der Abd erhalden’schen Methode, die Blutfreiheit der Organe
durch Zusetzen von Eisessig während des Kochens zn erreichen,
ein besonderer Erfolg nicht zukommt. Wohl werden die im Ge¬
webe noch vorhandenen Erythrocyten beim Kochen durch die ver¬
dünnte Eisessiglösung zerstört. Doch es bleibt, infolge der Coago-
lation des Eiweisses, beim Hineinwerfeo des Gewebes in das
siedende Wasser, das zerstörte Blutei weiss samt dem noch vor¬
handenen Hämoglobin in den Stückchen zurück und lässt sich
auch durch ein noch so lange fortgesetztes Kochen und Schütteln
nicht entfernen, ln diesem Umstand haben unseres Erachtens
auch die vielen Feblschläge und Unregelmässigkeiten im Ausfall
der Abderhalden’schen Reaktion ihre Ursache. Es können zum
z. B. eine ganze Reihe von Proben, bei deren Aufstellung kein
bluthaltiges Stückchen dabei war, richtig ausfallen, während wieder
eine ganz paradoxe Reaktion dann zustande kommt, wenn in dem
zur Anstellung verwendeten Substrat zufällig ein oder mehrere
bluthaltige Stückchen vorhanden gewesen sind. Von diesen Er¬
wägungen ausgehend, haben wir, um eine möglichst gleichmässige
und vollkommene Entblutung zu erreichen, die nach Abder¬
halden verdünnte Eisessiglösung nicht dem Kochwasser zugesetzt,
sondern das Organ nach zwei- bis dreistündiger Spülung in dem
oben beschriebenen geschlossenen Sieb aus demselben heraus-
genommen und 10 Minuten lang mit der verdünnten Lösung in
einem weithalsigen Glasgefäss ausgeschüttelt. Nach dem Schütteln
wurden die Gewebsstückchen nochmals in das Sieb gebracht und
eine halbe Stunde lang gespült, um dann ohne weiteren Essig¬
säurezusatz gekocht zu werden. Wir haben begründete Annahme,
zu glauben, dass die in den Organen noch enthalten gewesenen
Blutkörperchen, nachdem sie durch die Eisessiglösung zerstört
worden sind, bei der darauf nochmals angewendeten Spülung aus
dem Organ herausgeschweromt werden. Davon, dass die von
Abderhalden angegebene Verdünnung von 1 Tropfen Eisessig
auf 200 ccm Wasser genügt, um die Blutkörperchen zu zerstören,
haben wir uns durch Untersuchung von frisch entnommenem Blute
überzeugt, indem wir für die Thoma-Zeiss’sche Zählkammer eine
200 fache Blutverdünnung damit herstellten. Es waren darin nur
noch Leukocyten sichtbar.
Die auf diese Weise behandelten Organe ergaben gegenüber
solchen, welche nach der früheren Art hergestellt waren, ent¬
schieden bessere Resultate in dem Sinne, dass weniger falsch
positive Reaktionen auftraten. Mit einer nach der Anfangs¬
methode zubereiteten Placenta, z. B. hatten auch wir zunächst
Fehisebläge, während eine solche in der Zerkleinerungsmaschine
verarbeitete und auf oben angegebene Art gespülte Placenta ein
durchaus richtiges Resultat ergab. Dementsprechend war auch
der Ausfall bei anderen Organen, z. B. Schilddrüse und Testikel
derart, dass zweifellos falsch positive Reaktionen in richtige ver¬
wandelt werden konnten.
Während es auf diese Weise nach einiger Uebung verhältnis¬
mässig bald gelang, die meisten der für psychiatrische Frage¬
stellungen nötigen Organe richtig herzustellen, stiess die Zuberei¬
tung des Ovariums auf Schwierigkeiten, wie wir sie zunächst
nicht vermutet hatten. Es gelang an sich schon selten, Ovarium
von jüngeren Leuten zu erhalten, und es musste vorwiegend mit
solchem von alten Personen gearbeitet werden. Nach der Angabe
Fauser’s sind auch mit solchen Organen stets richtige und ein¬
wandfreie Resultate erzielt worden. Trotz monatelang fortgesetzten
Versuchen ist es nicht gelungen, diese Ergebnisse zu erreichen.
Den Grund dafür glauben wir darin zu erblicken, dass, namentlich
bei der Zubereitung dieses Organes von Leuten in vorgerücktem
Lebensalter nur ein Bruchteil der drÜBigen Substanz übrig bleibt,
und man in der Hauptsache Bindegewebe zurückbebält. Schon
der Blick auf den Durchschnitt eines solchen Ovariums zeigt,
dass die äussere bindegewebige Hülle, die Tunica albuginea, in
ihrer Dicke von etwa 2 mm nahezu die Hälfte des Organs ein¬
nimmt. Aber auch in der drüsigen Substanz selbst findet sich
recht viel Bindegewebe. So die Hüllen der Follikel und die zahl¬
reichen Gefässwände. Wir erhielten mit solchen Organen stets
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UNIVERSUM OF IOWA
13. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1821
fälschlich positive Reaktionen, so z. B. auch mit Serum von männ¬
lichen Patienten. Bemerken möchten wir, dass auf die Her¬
stellung die denkbar grösste Sorgfalt verwendet wurde. Das
Organ sah nach dem Spülen schneeweiss aus, die einzelnen
Stückchen wurden durchaus gleichmässig hergericbtet und auf
etwaigen Blutgehalt unter dem Mikroskop betrachtet. Es wurden
nur solche Organstückchen zum Versuch verwendet, die auch nicht
die Spur eines bräunlichen Farbentones erkennen Hessen, sodass
eio Fehler infolge Blutgebaltes nicht in Frage kommen konnte.
Es worde ausserdem die bindegewebige Hülle, ebenso wie beim
Testikel, ganz entfernt, nnd nach sorgfältiger Zubereitung die
drüsige Substanz allein zur Reaktion anfgestellt. Doch auch da¬
mit erhielten wir nur Fehlresultate. Zum Vergleiche wurde die
Tunica albuginea ebenfalls zerkleinert und als Kontrollprobe mit
einer Anzahl Sera aufgestellt; sie reagierte genau so paradox positiv
wie die Drüsensubstauz allein. Das scheint an sich schon zu beweisen,
das auch von der Drüsensubstanz in der Hauptsache nur Bindegewebe
übrig bleibt und bei der Reaktion zur Geltung kommt. Ferner
wurden von den fertig* hergesteilteo Stücken Gefrierschnitte an-
efertigt nnd mit Eisenhämatoxylin- und van Giesonlösnng, die
ekanotlich Bindegewebe leuchtend rot färbt und so ein vorzüg¬
liches Diagnosticum für dasselbe darstellt, gefärbt. Es zeigte sich
dud in der Tat, dass der bei weitem grösste Teil der übrig ge¬
bliebenen Substanz, schätzungsweise etwa 90 pCt., Bindegewebe,
nnd nur ein verschwindend kleiner Teil der Drüsensubstanz noch
vorhanden war. Aehnliche Misserfolge bei der Zubereitung des
Ovarinms haben auch Oeller und Stephan in Nr. 51 der
D.m.W., 1913 bekannt gegeben. Die von diesen Antoren vor¬
geschlagene AQsschüttelnDg von Gefrierschnitten des Ovarinms
mit isotonischer Kochsalzlösung, die zu dem Zwecke vorgenommen
worde, das Gewebe mit Umgehung des Spülprozesses zu schonen,
wurde ebenfalls versucht, ohne indessen znm Ziel zu führen. Un¬
aufgeklärt ist es uns geblieben, warum alle bisher untersuchten
Fälle, männlich sowie weiblich, mit Bindegewebe positiv rea¬
gierten. Eine Mitteilung darüber wie über eine sichere Methode
der fehlerfreien Zubereitung des Ovariums wäre im allgemeinen
Interesse sehr erwünscht.
Von den an Patienten ausgeführten etwa 60 Untersncbungen
mögen hier nur die angeführt werden, die, namentlich bei mehr¬
fach vorgenommener Prüfung, besondere Eigentümlichkeiten auf-
weisen. Die klinisch sicheren Paralysen, meist vorgeschrittene
Fälle, — bei denen vorher Wassermann’sche Reaktion im Blute
Qod Liquor, Globulinreaktion nach Nonne-Apelt und Lympho¬
zytose mit Sicherheit positiv festgestellt worden war —, zeigten bei
ihrer Prüfung mit Hirnrinde ein recht verschiedenes Verhalten. So
reagierte Fall 1 bei der ersten Untersuchung mit Hirn negativ,
bei der darauf, einen Monat später, erfolgten Nachuntersuchung
positiv. Bei einem zweiten Fall war die erste Reaktion stark
positiv. Nach 8 Tagen wies derselbe Fall die Reaktion in genau
der gleichen Stärke auf. Eine 8 Wochen später vorgenommene
dritte Untersuchung mit Hirnrinde fiel ganz negativ aus. Dieses
eigentümliche Verhalten der Reaktion scheint bei fortschreitenden
Prozessen verhältnismässig häufig vorzukommen. Wir möchten
uns der Annahme von Fauser 1 ) anschliessen, dass entweder im
Endstadium von Krankheitsprozessen der Körper nicht mehr im-
etaode ist, Abwehrfermente zu produzieren oder, dass mit der
Zeit eine Gewöhnung, „Immunisierung 14 des Blutes gegen die in
dasselbe eingedrungenen falsch oder unvollständig abgebauten
Eiweissstoffe eintritt. Von zwei weiteren Fällen von sicherer,
aach schon recht weit vorgeschrittener Paralyse reagierte der
eine zunächst negativ, nach zehn Wochen schwach positiv, der
zweite zeigte sogleich positive Reaktion.
Auch bei zwei untersuchten Fällen von Nephritis schien sich
as gleiche zu wiederholen. Der eine Fall, eine hämorrhagische
Nierenentzündung von mittlerem Eiweissgebalt im Harn — zu-
H »f l 4 ' na . Esbach, später gebessert —, zeigt eine recht
entliehe Reaktion auf Niere, während ein zweiter Fall von
senwerer parenchymatöser Nephritis — über 12 pM. im Esbach,
ei . ? er Sektion grosse weisse Niere — sich gänzlich negativ
veröielt. Auf diesen letzten Fall scheint die oben angeführte
ypotbese von der Gewöhnung bzw. Immunisierung des Blutes
ie plasmafremden Stoffe ebenfalls zuzutreffen. Wir möchten
JCT?' < * ass * ör Untersuchung dieser beiden Fälle das-
® T 8tra t wurde, so dass ein Fehler infolge un-
8 gender Zubereitung des Organs ausgeschlossen erscheint.
U Fauser, Die Serologie in der Psychiatrie. M.m.W., 1914, Nr. 3.
In demselben Sinne verschieden reagierte auch ein sicherer
Fall von Dementia praecox. Bei der ersten Untersuchung fiel die
Reaktion mit Gehirn stark Testikel schwach Schilddrüse
schwach -f- aus; die zweite, vier Wochen später vorgenommene
Prüfung, wobei dasselbe Gehirnsubstrat benutzt wurde, zeigte
gänzlich negativen Ausfall der Reaktion sowohl mit Hirnrinde als
auch den anderen Organen. Wäre dieser Fall z. B. nur einmal —
am Datum der zweiten Untersuchung — geprüft worden, so wäre
man zu einem ganz falschen Resultat gekommen. Es kann daher
die mehrmalige Untersuchung namentlich zweifelhafter Fälle und
möglichst mit demselben Substrat nur dringend empfohlen werden.
Es zeigen diese Ergebnisse im ganzen, dass man sich vor über¬
eilten Schlüssen bei Anwendung des Dialysierverfahrens durchaus
zu hüten hat.
Immerhin bat aus das Verfahren bis jetzt in einigen Fällen
in bezug auf die Differentialdiagnose wertvolle Dienste geleistet.
Ein Fall, der klinisch zunächst paralyseverdächtig erschien, zeigte
bei der Prüfung mit dem Dialysierverfabren mit Hirn negativen,
mit Testikel und Schilddrüse stark positiven Ausschlag. Die
etwa gleichzeitig vorgenommene Untersuchung mit der Wasser-
mann’scben Reaktion fiel im Blut und Liquor negativ aus, ebenso
Nonne negativ, keine Lymphocytose. Demnach ist dieser Fall
mit Sicherheit keine Paralyse, sondern eine Dementia praecox,
wofür auch der weitere klinische Verlauf bis jetzt spricht.
Von Interesse ist auch ein anderer Fall, bei dem vor etwa
15 Jahren eine luetische Infektion stattgefnnden hat, der aber
daraufhin seinerzeit einer energischen Behandlung unterzogen
worden war. Da sich nach kurzer Frist eine psychische Er¬
krankung einstellte, war derselbe lange Zeit als auf Hirniues
verdächtig angesehen worden. In seinem weiteren Verlauf zeigte
dieser Fall dauernd dasselbe Bild einer gewöhnlichen Demenz;
die jetzt vorgenommene Untersuchung des Blutes mit der Wasser-
mann’schen Reaktion fiel negativ aus. Die Abderhalden’sche Re¬
aktion war für Testikel und Schilddrüse stark positiv, für Hirn¬
rinde positiv, so dass sich die Wage bedeutend zugunsten der
Diagnose „Dementia praecox“ neigte.
Zwei Fälle von reiner Melancholie waren negativ mit Hirn,
Testikel und Schilddrüse. Es waren ferner ganz negativ ein Fall
von Imbecillitas sowie ein solcher von periodischem Alkoholismus,
bei dem psychische Defekte auch klinisch nicht nachweisbar sind.
Einige wenige Fälle von Gravidität, die uns zur Verfügung
standen, zeigten eiue nach Abderhalden durchaus richtige
positive Reaktion. Die als Kontrollen mit Placenta aufgestellten
Sera von Männern oder nicht graviden Frauen waren immer
negativ.
Bei 25 untersuchten Fällen von als klinisch sicher an¬
genommener „Dementia praecox“ fanden wir positiv mit Testikel 11,
Schilddrüse 24, Gehirn 14. Von den mit Testikel positiven
11 Reaktionen sind 8 mehr oder weniger frische Fälle, wodurch
die Theorie Fauser's, dass bei Dementia praecox die Keimdrüse
das zuerst erkrankte, dysfunktionierende Organ ist, bestätigt zu
werden scheint. Bei der grösseren Mehrzahl der frischen sowie
vorgeschrittenen Fälle fand sich eine positive Reaktion anf Schild¬
drüse, während unter 14 positiven Reaktionen auf Hirn nur
4 frischeren Fällen zukommen, und die Testierenden 10 von meist
weit vorgeschrittenen, schon jahrelang sich in der Anstalt be¬
findenden Kranken stammen.
Epileptiker wurden bisher nur zwei untersucht, davon einer
anmittelbar nach einem Status epilepticus. In beiden Fällen war
das Resultat sowohl mit Hirnrinde als auch den anderen, nur
als Kontrollen aufgestellten Organen negativ.
Manisch depressive Fälle nnd solche mit chronischer Manie
wurden im ganzen 10 geprüft. Davon reagierten 4, die uns seit
Jahren als ausgesprochen manisch Depressive bekannt sind, mit
den drei in Betracht kommenden Organen absolut negativ, während
4 andere Fälle derselben Art, bei denen die Erkrankung auch
schon jahrelang besteht und zu einer mehr oder weniger vorge¬
schrittenen Demenz geführt hat, auf Hirn allein positive Re¬
aktionen zeigten. Zwei andere Fälle indessen, uns ebenfalls seit
Jahren als chronische Manie bzw. manisch depressiv bekannt,
waren mit Hirn and Schilddrüse negativ, dagegen mit Testikel
positiv, zeigten also ein unseren Erwartungen nicht entsprechendes
Verhalten, sondern würden nach dem positiven Ausfall der Re¬
aktion mit der Keimdrüse -eher der Dementia praecox-Grnppe zu¬
zurechnen sein. Eine mehrfache Nachuntersuchung dieser Fälle
mit unklarem Ergebnis ist in Aussicht genommen.
Erwähnt sei noch ein Fall von Paranoia, der mit sämtlichen
vorher erwähnten Organen negativ reagierte, ebenso wie ein
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UNIVERSUM OF IOWA
1322
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
solcher mit degenerativem Irresein, bei dem wir zu demselben
Resultat gelangten.
Zusammenfassung.
1. Die Prüfung der Dialysierhülsen mit 4 /b pro*. Seidenpepton¬
lösung wurde mit Erfolg angewendet. Der „Hülsenfehler M kann
dadurch auf ein Minimum beschränkt werden.
2. Die Zubereitung der Organe lässt sich durch ein in be¬
sonderer Art konstruiertes Sieb sowie durch eine Organzerkleine¬
rungsmaschine gleichmässiger und schneller erreichen.
3. Die Methode, die Organstückchen nach erfolgter Spülung
vor dem Kochen mit der nach Abderhalden verdünnten Eis¬
essiglösung auszuschütteln, ergab gute und richtige Resultate.
4. Die Ergebnisse der Untersuchungen stimmen in der Haupt¬
sache mit denen von Pauser und anderen Autoren bekannt-
gegebenen überein. Doch sind die Schwankungen im Ausfall der
Reaktionen noch so beträchtlich, dass eine ganz sichere Beant¬
wortung psychiatrischer Fragestellung bisher nicht erreicht werden
konnte. Immerhin bildet die Methode zur Vervollkommnung und
Stützung der klinischen Diagnose auch jetzt schon ein recht
brauchbares Hilfsmittel.
Aus der Kgl. ungarischen Universitätsklinik für Nasen-
und Kehlkopfkrankheiten in Budapest (Direktor: Prof.
A. Onodi).
Röntgenbild der Keilbeinhöhle vom Epi¬
pharynx aus. 1 )
Von
Dr. B61a Freystadtl.
Die Diagnostik der Erkrankung der Keilbeinhöhle bietet oft
grosse Schwierigkeiten. Und doch ist gerade die frühzeitige Er¬
kenntnis der Erkrankung dieser Nebenhöhle von grosser Be¬
deutung mit Rücksicht auf die anatomischen Verhältnisse, welche
zwischen dieser Nebenhöhle und den Hirnnerven bestehen. Es
wird von seiten des Neurologen, des Ophthalmologen oft die
Frage aufgeworfen, ob die vorliegende Erkrankung des Sehnerven
oder eines Augenmuskelnerven — dessen anderweitige Aetiologie
nicht aufzuklären ist —, nicht infolge einer Keilbeinhöhlen¬
erkrankung entstanden ist. Von den Erkrankungen der Nasen¬
nebenhöhlen ist sowohl klinisch, wie auch röntgenologisch die
Erkrankung der Keilbeinhöble am schwierigsten zu diagnostizieren.
Manche Erkrankungen der Keilbeinhöhle verlaufen latent und
können auch nach längerer Beobachtung nicht mit Sicherheit er¬
kannt werden. Auch in anderen Fällen können wir oft erst nach
längerer Beobachtung oder erst nach vorgenommener Operation
(nach Abtragen des hinteren Teils der mittleren Muschel und der
hinteren Siebbeinzellen) znr aufgeworfenen Frage eine bestimmte
Stellung nehmen. Zu einer längeren Beobachtung haben wir je¬
doch infolge der Gefahr, welche ein abwartendes Verhalten in
sich birgt, oft keine Zeit. Aber nicht nur die klinische, auch
die röntgenologische Diagnostik der Keilbeinhöblenerkrankung ist
von besonderer Schwierigkeit. Im allgemeinen lassen sieb die
Keilbeinhöhlen mittels der transversalen Aufnahme am besten
zur Darstellung bringen. Zur Diagnosenstellung können wir je¬
doch diese Aufnahmen nicht verwerten, da die beiden Keilbein¬
böhlen ineinander projiziert werden und eine Differenz bezüglich
Helligkeit oder Verscbleiertheit der beiden Höhlen nicht zn
machen ist. Bei der sagittalen Aufnahme sehen wir die Um¬
risse der Keilbeinböhlen nur ausnahmsweise, ausserdem werden
die lateralen Teile der Spbenoidalhöhle von den Siebbeinzellen
gedeckt, ln der Medianebene auf beiden Seiten des Nasenseptums
ist wohl ein schmaler Streifen vorhanden, wohin die Siebbein¬
zellen nicht reichen, und wo wir die beiden Keilbeinhöbleo mit¬
einander vergleichen können. Auf diesen Vergleich wird von
seiten mehrerer Autoren besonderes Gewicht gelegt. leb glaube
jedoch, dass auch dieser Vergleich oft zum Irrtum führt. Die
Beurteilung wäre nämlich nur unter der Voraussetzung möglich
bzw. richtig, wenn das Septum der Keilbeinböhle und das Nasen¬
septum in ein und derselben Ebene liegen. Dies ist jedoch häufig
nicht der Fall. Das Septnm der Keilbeinhöhle kann in bezog
1) Nach einer Demonstration, gehalten in der laryngo-rhinologischen
Sektion der Kgl. Aerztegesellschaft in Budapest am 25. November 1913.
auf das Nasenseptum stark nach rechts oder links verlagert sein.
Im letzteren Falle, kommt auf beiden Seiten des Nasenseptums
dieselbe Keilbeinhöhle zur Projektion, wir finden daher keine
Helligkeitsdifferenz, auch im Falle einer Erkrankung der einen
Keilbeinhöble nicht. Bei der schrägen Aufnahme nach Rhese
ist stets eine Doppelaufoahme notwendig. Die Aufnahme der
beiden Seiten erfolgt zweizeitig, zwei Platten müssen miteinander
verglichen werden, and dies ist für die Beurteilung und für die
exakte Diagnosestellung von grossem Nachteil. Mittels der verti¬
kalen Aufnahme hat Pfeiffer einige gut gelungene Bilder ge¬
zeigt. Wir sehen da die beiden Keilbeinhöhlen nebeneinander
und können eine etwaige Schattendifferenz beurteilen. Ein Nach¬
teil auch dieser wie jeder anderen Methode ist jedoch, dass die
Platte weit von dem aufzunehmenden Objekt zu liegen kommt
und so die Konturen weniger scharf und genau bervortreten. Im
allgemeinen können wir mit Kuttner sagen, dass die dia¬
gnostische Zuverlässigkeit der Keilbeinböhlenaufnahmen immer
noch eine recht beschränkte ist. Die Bestrebungen nach einer
besseren Anfnahmemethode sind allenfalls berechtigt.
loh habe behufs Röntgenaufnahme der Keilbeinhöhle und zur Dia¬
gnosestellung einer eventuellen Keilbeinhöblenerkrankung den Röntgen¬
film in den Nasenrachenraum bis zur Rachen Wölbung eingeführt. Die
Röntgenstrahlen schicke ich vom Schädeldache vor dem Vertex durch
den Schädel. Der zu diesem Zwecke konstruierte Fiimbalter kann mit
grosser Leichtigkeit, ohne Anwendung eines Gaumenhakens (da das
Instrument bei der Einführung selbst als Gaumenbaken dient) und ohne
dass der vorher cocainisierte Patient Schmerz oder Unannehmlichkeiten
empfindet, eingefübrt werden. Abbildung 1 a zeigt den Filmhalter in Vs
natürlicher Grosse, lb die Platte, in welche der in schwarzes Papier
Abbildung 1.
a
eingewickelte Film eingeschoben wird, in natürlicher Grösse. Die
Platten habe ich in verschiedenen Grössen anfertigen lassen. Ab¬
bildung 2 stellt das Röntgenbild eines Patienten vor, bei welchem der
Filmhalter in den Nasenrachenraum eingefübrt Ist. Es ist gut, weon
die Platte sich nach vorne und abwärts neigt. Eine Sonde ist von der
Nase aus bis zur Rachenwölbung eingeführt. Manche Patienten vertragen
den in den Nasenrachenraum eingeführten Filmhalter viele Minuten,
ohne stärkere Bewegungen mit dem Kopfe oder Schlucbbewegungen zu
machen. Es wäre jedoch allenfalls von Vorteil, die Expositionsdauer
nach Möglichkeit abzukürzen, da der Kopf längere Zeit doch nicht voll¬
kommen ruhig gehalten werden kann, was zum guten Gelingen des
Bildes unumgänglich notwendig ist. Wir mussten allerdings laDge ex¬
ponieren, da wir bis jetzt nur ein sehr bescheidenes Instrumentarium
zur Verfügung hatten. Bei Aufnahmen mit dem Sinegranscbirm betrug
die Expositionsdauer 60—70 Sekunden, ohne VerstarkuDgsschirra etwa
160 Sekunden. Wären unsere Aufnahmen mit einem auf der Höbe der
Zeit stehenden Röntgeninstrumentarium — wo schon io 5—10 Sekunden
gute Sohädelaufnabmen zu erzielen sind — gemacht, so wären die Auf¬
nahmen sicherlioh noch besser gelungen, ln nächster Zeit wird der
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13. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1323
Abbildung 2.
Klinik jedoch ein vollkommeneres Instrumentarium zur Verfügung stehen.
Ich mache die Aufnahme in sitzender Stellung des Patienten, der den
Kopf etwas nach hinten beugt. Die Blendenvorrichtung wird senkrecht
aufgesetzt, der Hauptstrahl geht etwas vor dem Vertex durch den
Schädel. An den auf diese Weise gewonnenen Bildern sind der Rand
der Choane, ein Teil des Nasenseptums, das Septum der Keilbeinhöhle
und rechts und links davon die Keilbeinhöhlen sichtbar. Der Umstand,
dass wir auch den Choanenrand und das Nasenseptum zu Gesicht be¬
kommen, trägt wesentlich dazu bei, dass wir uns am Bilde leicht
orientieren können. Der Choanenrand zeigt den nach vorn (frontalwärts)
liegenden Teil, das Nasenseptum die Mittellinie an. Auf Abbildung 3
Abbildung 3.
ist die nach unten konkav verlaufende Querlinie der Choanenrand, von
der Mitte dieser Querlinie nach unten zieht das Nasenseptum, nach oben
• em ^? e * n diäter Fortsetzung des Nasenseptums, jedoch davon leicht
J? ^J' D kel gebrochen, das Septum der Keilbeinhöhle. Am Negativ sind
die Konturen schärfer wahrnehmbar als auf den Kopien.
Mittels dieser Aufnahme ist allerdings nur ein Teil der Keil¬
beinhöhlen auf den Film zu bringen. Bezüglich Lage und Grössen¬
verhältnisse der Keilbeinköhlen bekommen wir daher keinen Auf¬
schluss. Der Vorteil dieser Aufnabmemetbode vor den anderen
•st jedoch der, dass der Film in die möglichst grösste Nähe
des Sinus sphenoidalis gebracht werden kann, so dass die Bilder
schärfer werden, die Keilbeinhöhlen nebeneinander und —
normale anatomische Verhältnisse vorausgesetzt — von den Sieb-
beinxellen nicht überdeckt — also isoliert — zu sehen sind.
Wenn rechts und links vom Septum der Keilbeinhöhle eine
Differenz der Schatten zu sehen ist, so kann man daraus auf
eine eventuelle Erkrankung des einen oder des anderen Sinus
sphenoidalis Schlüsse ziehen. Pathologische Fälle kann ich der¬
zeit aus Mangel an entsprechendem Material und wegen Unzu¬
länglichkeit des mir zur Verfügung gestandenen Röntgeninstru¬
mentariums leider noch nicht demonstrieren, hoffe jedoch, dass
in Bälde ich und andere, die diese Methode nachprüfen wollen,
auch solche bringen können. Bei dieser Gelegenheit wollte ich
nur zeigen, dass die Keilbeinböhlen auf den in den Epipharynx
eingeführten F'ilm zu bringen sind. Ich glaube, dass in manchen
Fällen diese Aufoahmemethode vom Epipharynx ans bezüglich
Diagnosenstellung der Keilbeinböhlenerkrankungen mehr leisten
wird als die bisher üblichen.
Ein bemerkenswerter Fall von extragenitaler
Syphilisinfektion.
Von
Dr. 0. Heinemann- Berlin,
Spezialarzt für Halsleiden.
Am 19. Februar d. J. erschien bei mir Fräulein L., Verkäuferin in
einem hiesigen bekannten Warenhause und mir von Person seit Jahren
bekannt; Alter etwa 30 Jahre. Sie stammt aus solider Familie, der
Vater ist ein kleiner Beamter. Sie hat stets einen für Berliner An¬
schauungen soliden Lebenswandel geführt und hat zu Hause wenig Freiheit.
Sie äussert sich sehr offen über intime Angelegenheiten und gibt ohne
weiteres zu, hin und wieder geschlechtlichen Verkehr gehabt zu haben,
nach ihrer Behauptung in Erwartung der Heirat, die sich aber zerschlagen
habe. So komme es, dass sie seit Sommer 1912 keinen intimen oder
nicht intimen Verkehr mit einem Manne mehr gehabt und niemanden
ausser ihren nächsten Verwandten geküsst habe. Sie ahnt die Bedeutung
ihrer jetzigen Erkrankung, weiss sich aber dieselbe nicht zu erklären
und ist darüber aufgebracht, weil sie sich keiner Schuld bewusst sei.
Gesetzt, dies sei der Fall gewesen, so müsse sie eben die Sache mit in
den Kauf nehmen. Sie habe seit 3 Wochen wunde Stellen an den Lippen.
Bei der Untersuchung zeigen sich zwei charakteristische Primäraffekte
an Ober- und Unterlippe. Sie liegen seitwärts von der Mittellinie, nach
der linken Seite zu, der untere etwas weiter seitwärts als der obere.
Sie sind sehr hart anzufühlen und mit schwarzem Schorf bedeckt. Nach
Entfernung desselben kommen flache Geschwüre zum Vorschein, welche
Serum sezernieren. Die Drüsen am Kieferwinkel links sind stark ge¬
schwollen und indolent. Ein Exanthem besteht nicht. In zwei diagnosti¬
schen Instituten, darunter das städtische Untersuchungsamt, wurde auf
Spirochäten und nach Wassermann untersucht, beide Male mit positivem
Resultat, so dass ein Zweifel an der Syphilisdiagnose nicht statthaft ist.
Mich interessierte der Modus der Infektion. Ein doppelter Primär¬
affekt ist ja nicht die Regel, kommt aber doch hin und wieder vor.
Nach meiner Erfahrung kamen 3 Infektionsmöglichkeiten vorzugsweise in
Betracht, welche aber hier sämtlich nicht wahrscheinlich waren. Coitus
per orem wurde energisch bestritten. Dies beweist ja an sich nichts,
doch ist nach meiner Kenntnis der Familienverhältnisse und ihres ganzen
Verhaltens diese Perversität nicht wahrscheinlich. Kuss und Benutzung
fremder Trinkgefässe wurden ebenfalls bestritten. Auch wäre ja im
ersteren Falle ein medianerSitz des Primäraffektes wahrscheinlicher gewesen.
Nach einigem Hin und Her fragte ich sie, ob sie beim Ausschreiben
der Verkaufszettel den Bleistift öfter in den Mund nehme. Sie erwiderte,
das tue sie immer, und zwar mit der linken Hand. Sie erinnerte sich,
vor ihrer Erkrankung mehrere Male sich einen Bleistift von ihrer Kollegin
geborgt zu haben. Diese sei wegen unsoliden Lebenswandels bald darauf
entlassen worden. Ausserdem habe auf derselben Abteilung eine andere
Verkäuferin dieselbe Affektion an den Lippen. Ich Hess sie nun ein
rundes Holz von Bleistiftdicke in den Mund nehmen, wie sie es zu tun
pflegte. Es zeigte sich, dass dasselbe von den beiden Primäraffekten
ringförmig umschlossen wurde. Es wurde eine spezifische Behandlung
eingeleitet, die noch im Gänge ist.
Der Fall illustriert die Unsitte, fremde Bleistifte in den Mund zu
nehmen, und verdient daher in weiteren Kreisen bekannt zu werden.
Man wird auch gut tun, den eigenen Bleistift nicht gewohnheitsmässig
in den Mund zu stecken, denn dann wird man es mit einem fremden
mechanisch ebenso machen, wenn man sich einen solchen leihen muss.
Mir ist ein ähnlicher Fall nicht bekannt. Doch das beweist nichts.
In dem Finger’schen Handbuch der Geschlechtskrankheiten umfasst das
Literaturverzeichnis über extragenitale Infektion 11 Seiten. Diese Lite¬
ratur habe ich wegen dieses einen Falles natürlich nicht durchgelesen,
doch war aus den Titeln der einzelnen Arbeiten ein ähnlicher Fall nicht
zu erkennen. Sollte er doch vorgekommen sein, so kann trotzdem die
Veröffentlichung dieses erneuten warnenden Beispiels nicht schaden.
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1324
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
Bücherbesprechungen.
Handbuch der Hygiene. Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrten
herau8gegeben von M. Kubier, M. v. Gräber und M. Ficker.
3. Bd., 2. Abt., VII und 536 S., 8°, mit 73 Abbildungen und
25 farbigen Tafeln; 3. Abt., 392 S., 8°, mit 192 Abbildungen und
32 farbigen Tafeln. Leipzig 1913, Verlag von S. Hirzel. Preis
je 24 M., geb. 27 M.
Die 1. Abteilung des 3. Bandes des Handbuches der Hy¬
giene, welcher den Infektionskrankheiten gowidraet ist, wurde
kürzlich (B.kl.W., 1914, Nr. 13, S. 606) hier besprochen.
Die 2. Abteilung bringt zunächst folgende Abhandlungen,
M. Neisser und H. A. Gins, Pathogene Kokken (S. 3—56);
C.Fraenken, E.Friedberger, E.Gotschlich und E. Ungermann:
Pathogene Bacillen (S. 57—296); E. Gotschlich, Pathogene
Vibrionen (S. 297—392); C. Fraenken, Pathogene Spirochäten
(S. 393—414). Jede dieser Abhandlungen setzt sich aus einer Reihe
von Einzeldarstellungen zusammen, die die wichtigsten bezüglichen
Infektionskrankheiten betreffen; besonders ausführlich sind z. B. Tuber¬
kulose, Diphtherie, Unterleibstyphus von C. Fraenken, Pest und
asiatische Cholera von Gotschlich behandelt, usw. Den genannten
bakteriellen Infektionserregern schliessen sich an: Pathogene Faden¬
pilze, Schimmelpilze und Blastomyceten von P- Th. Müller
(S. 415—451), ferner C. Fraenken und E. Gotsohlich, Infektions¬
krankheiten zweifelhafter Aetiologie (S. 453—510); der letztere
Aufsatz umfasst Pocken, Masern, Scharlach, Keuchhusten, Trachom,
Hundswut, spinale Kinderlähmung, Gelbfieber und Flecktyphus.
Die 3. Abteilung beschäftigt sich mit den pathogenen tierischen
Parasiten. Sie besteht aus folgenden Arbeiten: Th. v. Wasielewski,
Allgemeine Parasitenkunde (S. 3—14); Th. v. Wasielewski,
Die schmarotzenden Protozoen (S. 15—239); Th. v. Wasielewski
und G. Wülker, Die schmarotzenden Würmer (S. 240—341);
W. v. Schuckmann, Die schmarotzenden Gliederfüssler (S. 342
bis 370).
Der reiche Inhalt des Werkes kann hier wiederum nur angedeutet
werden; die zahlreichen guten Abbildungen tragen nicht wenig zum
Verständnis des Dargebotenen bei; das jeder Abteilung angebängte,
sorgfältig bearbeitete Sachregister erleichtert die Benutzung.
Carl Günther - Berlin.
A. Gärtier: Leitfaden der Hygiene. Sechste Auflage. Berlin 1914,
S. Karger. Preis 8,60 M.
Die weite Verbreitung, welche Gärtner’s Leitfaden gefunden bat,
hat ihre Berechtigung in der übersichtlichen Darstellung und dem klaren,
gedrungenen Stil. Es ist der erfahrene Lehrer und Fachmann, der aus
jeder Seite zu uns spricht. Freilich ist nicht zu übersehen, dass die
Darstellung — wohl mit Rücksicht auf die nichtmedizinischen Leser —
häufig etwas an das Populäre streift und in manchen Punkten die präzise
wissenschaftlich Begründung etwas vermissen lässt. Es ist ferner bei
einem so knapp gehaltenen Leitfaden nur natürlich, dass hie und da
Einzelheiten vermisst werden, die dem einen oder anderen als wesentlich
erscheinen mögen. Eine etwas ausführlichere Darstellung wäre zu wünschen
für die Anaphylaxie und vor allem für die Pockenimpfung. Wenn auf
ein paar Seiten mehr das Notwendige über die Pockenimpfung gesagt
wird, so erspart man dem Studenten die Anschaffung eines eigenen
Impflehrbuches. Als ausserordentlich gelungen müssen die Kapitel
„Wasser“ und „Abfallstoffe“ bezeichnet werden, als sehr erfreulich die
Besprechung der Versicherungs-Gesetzgebung auf Grund des neuen Ge¬
setzes, die in klarer knapper Darstellung alles unbedingt Notwendige
gibt. Die Abbildungen sind duroh das Entgegenkommen des Verlages
nicht unwesentlich vermehrt worden. M. Hahn - Freiburg.
Ge» von Hoffmin: Die Rusenhygiene in den Vereinigten Staaten
von Nordamerika. München 1913, J. F. Lehmann. XII und
238 S. Preis 4 M.
Während bei uns die rassenbygienisehen Fragen zwar mit grossem
Interesse verfolgt, aber doch vorläufig mehr expektativ behandelt werden,
hat man in Amerika schon seit geraumer Zeit versucht, aus den theo¬
retischen Erwägungen praktische Folgerungen zu ziehen. Und zwar be¬
herrscht die „Eugenik“ dort nicht nur den Vorstellungskreis beider
Geschlechter (keineswegs erst, wie jüngst behauptet wurde, seitBrieux’
Tendenzstück für Aufklärung gesorgt hat), sondern es bat sich bereits
die Gesetzgebung zu bestimmten Maassnahmen entschlossen — Experi¬
mente, die dort um so leichter angestellt werden können, als jeder der
kleinen Staaten auf eigene Faust vorgeht und sich auch gar nicht geniert,
getroffene Bestimmungen, wenn sie sich nicht zu bewähren scheinen,
schon nach ein paar MoDaten wieder aufzuheben. Solches ist insbe¬
sondere in der Frage der Eheverbote vorgekommen — 13 Staaten kennen
keine Einschränkung in den Ehegesetzen, andere beschränken sich auf die
auch in Europa geltenden Gebräuche, wonach etwa Geisteskrankheiten
Hindernisse bilden; in einigen anderen, voran in Washington, sind aber
auch Personen, deren Fortpflanzung im rassenbygienisehen Sinne un¬
erwünscht ist, z. B. Alkoholiker, LungeDSchwindsücbtige in vorge¬
schrittenen Stadien, von der Ehe ausgeschlossen, namentlich aber ist die
Vorlegung von Gesundheitszeugnissen in Washington, Dakota und
Oregon gefordert; in erstgenanntem Staat ist dies Gesetz aber nur vom
17. März bis 13. August 1909 in Kraft gewesen, dann aber durch die eid¬
lichen Aussagen der Heiratsbewerber ersetzt worden. Wir haben jedenfalls
allen Grund, dieser Bewegung aufmerksam zu folgen — namentlich so¬
weit die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Frage kommt, treffen
wir hier auf eine auch bei uns oft erhobene Forderung, die sicherlich
über kurz oder lang irgendwie Erfüllung finden muss.
Nicht minder interessant sind die Bestrebungen, die die Fort¬
pflanzung der Minderwertigen zu hindern bezwecken. Von der
Kastration im eigentlichen Sinne ist man dabei abgekommen, hat sich
vielmehr auf die Durchschneidung der Vasa deferentia besebräok-
und dieses Verfahren in verschiedenen Staaten namentlich bei SittHch-
keitsVerbrechern durebgeführt; Indiana, Connecticut, Kalifornien, Newada,
Jova, New Jersey, New York, Kansas, Michigan, Nord-Dakota, Oregon
kennen es bereits als gesetzliche Einrichtung bei „Minderwertigen“,
Degenerierten, Geisteskranken, Gewohnheitsverbrechern, teils als Strafe,
teils auch als Heilmittel zum Wohl des Operierten. Auch hier besteht
die Möglichkeit, dass dieses Vorgehen in Europa Nachahmung findet, wie
denn aus der Schweiz bereits über solche Versuche berichtet wird.
Es ist jedenfalls sehr erwünscht, dass dem deutschen Leser Gelegen¬
heit gegeben ist, sich über alle diese Vorschläge und Erfahrungen zu
orientieren, über die man sonst nur aus verstreuten Zeitungsberichten
Unsicheres hörte. G6za von Hoffmann hat in seinen sorgfältigen,
an Ort und Stelle gemachten Studien das gesamte Material übersicht¬
lich und objektiv zusammen gestellt. Im Urteil darüber, was auf unsere
Verhältnisse passt und etwa übernommen werden sollte, wahrt er vor¬
sichtige Zurückhaltung, wie sie einer so schwierigen Materie gegenüber
am Platze ist; mit seinen Darlegungen aber, namentlich aber mit dem
nicht weniger als 927 Nummern umfassenden Literaturverzeichnis hat er
allen, die auf diesem Gebiet Belehrung suchen, einen sehr wesentlichen
Dienst geleistet. Posner.
K. B. Lehnaii: Die Bedeitiig der Cbronate für die Gesvidheit
der Arbeiter. Schriften, herausgegeben vom Institut für Gewerbe¬
hygiene. Berlin 1914. Preis 4 M.
Das vorliegende Werk ist gedacht als Ergänzung der Arbeit von
R. Fischer (die Darstellung und Verwendung von Chromverbio-
dungen usw., Berlin 1911) und beschränkt sich im wesentlichen auf die
experimentell-toxikologische Seite, während die Fischer’sche Arbeit be¬
sonders die technisch-hygienische und statistische Seite berücksichtigt.
Das fleissige Werk Fisch er’s und die exakte hier besprochene Arbeit
geben zusammen eine erschöpfende Darstellung der Hygiene der Chromat¬
industrie beim heutigen Stand der Technik.
Die Arbeit zerfällt in drei Hauptteile, eine historisch-kritische Dar¬
stellung unseres bisherigen Wissens, eigene Beobachtungen und Versuche
an Tieren und eigene Fabrikstudien, die zusammenfassend hier be¬
sprochen werden sollen.
Die Alkalichromate wirken im Gewerbebetrieb in Form von Staub, von
Lösungen und als Tröpfchen, die aus kochenden Laugen durch den
Dampf emporgerissen werden und nach Verdunsten des Lösungswassers
als Kristalle herunterfallen. Nur die unverletzte, genügend verhornte
Haut schützt gegeu stärkere Konzentrationen Hautekzeme von Gesicht
und Händen sind bei dazu disponierten Personen häufig. Chromat¬
geschwüre, nach Fischer 8,8 Fälle auf 100 Arbeiter, sind im Rückgang
begriffen, sie kommen namentlich bei neueingestellten sorglosen Ar¬
beitern vor.
Durchlöcherung der Nasensoheidewand lasst sich bei längerer Be¬
schäftigung in Chromatfabriken kaum vermeiden. 71,4 pCt. der im
Jahre 1909 beschäftigten Personen hatten Perforationen. Von der an¬
geblichen Schutzwirkung des Schnupfens konnte sich Verf. nicht über¬
zeugen. Dass sich die Perforation stets am gleichen Ort $er knorpeligen
Nasenscheidewand findet, erklärt Verf. so, dass diese Stelle am stärksten
von den Chromatteilchen getroffen wird und infolge ihrer Bedeckung mit
Cylinderepithel für die Erkrankung besonders disponiert ist. Auch dass
die Perforation sich stets an der Stelle der das rudimentäre Jakobson-
sche Organ andeutenden Schleimhauteinstülpung ausbildet, ist von Be¬
deutung. Die übrigen Teile der Nase sind nicht wesentlich empfindlicher
gegen Chromate als die Schleimhaut des Mundes und des Rachens und
erkranken daher auch nicht, wenn die Ablagerung des Chromatstaubes
an der typischen Stelle nach der Perforation unmöglich wird. Dem
bohrenden Finger kommt bei Entstehung der Geschwüre keine allgemeine
Bedeutung zu. Nasenperforationen lassen sich auch bei Katzen leicht
erzeugen. Die Perforation ist ohne ernsthaften bleibenden Nachteil für
die allgemeine Gesundheit. Kleine Geschwüre im Mund und Rachen,
sowie leichte KoDjunktivitiden kommen bei Chromatarbeitern öfters vor.
Ob die Atmungs- und Verdauungsorgane häufiger erkranken, ist sehr
fraglich, die Statistik ergibt für die Mehrzahl der Betriebe gar nichts
Auffallendes. Nierenerkrankungen sind nicht spezifisch, Allgeraein-
erkrankungen, Cbromkachexie, jedenfalls nur ausserst selten.
Mengen von etwa 30 mg Bichromat in Fällen von Cbromatzufuhr
zu therapeutischen Zwecken (Syphilis) führte zu Magendarmkrankheiten
und Erbrechen. Solche Mengen könnten auch in Fabriken durch Leicht¬
sinn der Arbeiter (Essen bei der Arbeit) gelegentlich aufgenommen
werden und Verdauungsstörungen erzeugen, aber keine chronische
Chromatvergiftung. Akute Fälle schwerer Vergiftungen durch Einnahme
von Chromaten haben keine Beziehungen zur Gewerbehygiene.
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13. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Bei den an Hunden, Katzen und Kaninchen durch Verfütterung von
Chromaten vorgenommenen Versuchen des Verf. hatten sich Symptome
ron Nierenerkrankungen während des Lebens niemals gezeigt; die Ver-
gucbsdauer belief sich auf l f 2 bis 2 Jahre. Auch die Sektionsresultate
ergaben meist ein normales Bild, nur bei zwei Katzen zeigten sich
schwere Nierenveränderungen. Mit chromatbeladenen Dämpfen lassen
sich auf Nase uDd Bronchien kaum Erscheinungen hervorrufen, hingegen
konnte Verf. bei Katzen in einer Atmungsluft, die Chromatteilchen in
feinster Verteilung enthielt, Bronchitiden und typische Perforationen
erzielen.
Bei den eigenen Fabrikstudien hat Verf. nicht über 1,5 mg Chromat¬
staub in 1000 Litern Luft gefunden. Der meiste Staub entstand im
Packraum durch unvorsichtiges unventiliertes Einfüllen staubender
Chromatmassen. Bei dieser Arbeit sollen die Arbeiter feuchte Schwämme
vor dem Hund und Wattenasenpfröpfen tragen, wodurch der Staub ab-
gef&ogen wird. Von 64 untersuchten Arbeitern hatte nur einer kein
Nasengeschwür, und der atmete nicht durch die Nase. Bei 47 Arbeitern
bestand Perforation des Septums, die meist in den ersten 6 Monaten
der Beschäftigung entstanden war. Das Allgemeinbefinden der Arbeiter
war gut, ihr Aussehen unterschied sich vorteilhaft von dem der Anilin¬
arbeiter. Auf Cbromwirkung zu beziehende Nierenerkrankungen wurden
nicht gefunden, auch über Bronchitiden war bis auf einen Fall von
Chromasthma nichts Auffallendes zu berichten. Von den 64 Arbeitern
hatten 7 frische Hautgeschwüre, abgeheilte Geschwüre fanden sich bei
fast allen, diese Erkrankungen waren jedoch meist Bagatellen.
Verf. äussert sich ferner über die Gründe der grossen Differenz in
der Zahl der Erkrankungen in Fischer’s Statistiken aus den ver¬
schiedenen Cbromatfabriken. Neben äusseren in der Listenführung be¬
gründeten Momenten kommt auch der Fabrikationsweise grosser Einfluss
zu. Ueberall da, wo das Chromat bei der Gewinnung nicht völlig ge¬
trocknet wird, sondern stets einen geringen Wassergehalt bewahrt, ist
der Staubgehalt und damit die ErkrankuDgsziffer gering. Als besonders
gefährlich spricht Verf. das Trocknen des Natriumbichromates und das
Manipulieren mit dem getrockneten Material an.
In Chromgerbereien kommen Chromatgeschwüre nennenswerter
Grösse sehr selten vor, kleinere Geschwüre häufig. Nephritiden und
Allgemeinerkrankungen treten nicht auf.
Verf. schliesst, dass die Chromatfabrikation ein verhältnismässig
harmloser Betrieb sei und dass duroh sorgfältige Beachtung der Bundes¬
ratsvorschriften und gewissenhafte Anwendung aller gewerbebygienischen
Schatzmaassregeln die Chromatstörungen sich noch wesentlich vermindern
lassen. Ho 1 tzmann - Karlsruhe.
v. Tekold, Schaidt und Devin- Berlin: Uebersicht über die Nene-
migei in der Feldsanltfitsansrüstang. Veröffentlichungen aus
dem Gebiete des Militarsanitätswesens, herausgegeben von der
Medizinalabteilung des Kgl. preussischen Kriegsministeriums. H. 57.
Mit Tab. Berlin 1914, August Hirschwald. Preis 3,— M.
Das Tascbenbesteck der Sanitätsoffiziere, die anderen Bestecke und
Sanitätsbehältnisse, sowie die sonstige Ausstattung der Sanitätsformationen
des Feldheeres sind den heutigen ärztlichen und pharmazeutischen Forde¬
rungen, auch dem Deutschen Arzneibuche 1910, sowie neuzeitiger Kranken¬
pflege angepasst worden. Die Ausrüstung der Sanitätsabteilung, des
Güterdepots der Sammelstationen wurde geregelt Die Aenderung des
Feldsanitätsdepots ist im Gange. Mit diesen Maassnabmen steht in Ver¬
bindung der Neudruck des Ausrüstungsteiles der Anlagen zur Kriegs-
sanitätsordnung, der Vorschriften „Behandlung der Sanitätsausrüstung“,
,Verladung des Etapponsanitätsdepots“, des „Verzeichnisses der für die
medizinisch-chirurgische Sanitätsausrüstung des Heeres zahlbaren Höchst¬
preise“, der bisherigen Beilage 26 der Friedenssanitätsordnung, sowie
vieler Inhaltsübersichten und Einzelpackordnungen. Es folgen genaue
Angaben über die Abänderungen, das Fortgefallene, Verringerungen, Ver¬
mehrungen und Neuerungen. Daran schliesst sich eine Uebersicht über
Anwendung der Arzneimittel, über die Prüfungsmittel, Angaben über
kriegsvorrat beim Hauptsanitätsdepot und über Sanitätsausrüstung der
Trappen in gebirgiger Gegend.
Kraeknun und ?. Kern: Ueber Sehlessbrillen. Berichte, erstattet
am 26. Juli 1913 in der Sitzung des Wissenschaftlichen Senats
bei der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bil¬
dungswesen. Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militär-
saaitätawesens, herausgegeben von der Medizinalabteilung des Kgl.
preussrichen Kriegsministeriums. Heft 58. Berlin 1914, August
^ Hirschwald. Preis 0,80 M.
festgestellt werden, 1. ob ein einheitliches Muster für
. einzuführen sei; 2. welche Vorschläge für das Gestell be-
ugüch Form, Stoff, Bau usw. zu machen wären; 3. welche Form den
odft^v. u U ? e ^ en ware ; 4. ob bikonkave oder bikonvexe Gläser genügen
sicht ° b ^ enis * te . n °der Punktalgläser vorzuscbreiben sind; 5. welche Ge-
wär *^ u ^ e ^ei ^ er Verordnung von Schiessbrillen besonders zu beachten
AdT dauerndes Tragen der Schiessbrillen zu empfehlen ist.
stre UD d V e l Q f ac beo periskopischen Gläser, auch ohne die
sclJr? 6 ? 6 “ ef *' Q 8^ng der punktuellen Vollkorrektur, genügen den prakti-
Grad t fe< *. en den Heeresdienst, vorausgesetzt, dass sie die höheren
Glas« ‘l i“?kelförmigen Durchbiegung besitzen. Die Einführung solcher
r dringend zu empfehlen. Ad 2. und 5.: Die am besten aus
. Es sollte
Schiessbrillen
sog. Hartnickel hergestellte Brille muss mit dem oberen und unteren
Augenhöhlenrande abschneiden, um ein möglichst grosses Gesichtsfeld
zu gewährleisten (Durchmesser von etwa 4 cm). Eine einheitliche Grösse
der Gläser und ihrer Fassung festzusetzen, ist nicht möglich, weil alles
der Augenböblenform des Trägers aozupassen ist. Für die Zwecke der
Armee genügen aber drei verschiedene Grössen. Wichtig für Brillen¬
verordnung ist der Abstand des augennahen Glasscheitels vom Horn¬
hautscheitel (etwa 12—13 mm). Die zweckmässigste Stegform ist ein
Steg von der Form eines W, wodurch durch Biegung jede gewünschte
Winkelstellung erreicht werden kann. Als Brillenfeder ist die damaszierte
Reitfeder zu empfehlen. Schliesslich ist noch der Pupillenabstand zu
berücksichtigen. Ad 8.: Grosse runde Gläser. Ad 6: Diese Frage ist
zu bejahen, weil sich die Sehschärfe beim dauernden Tragen der Brille
meist bessert; wird das Glas nur beim Schiessdienst getragen, muss sich
der Mann jedesmal erst von neuem an dasselbe gewöhnen. Beim Aus¬
scheiden kann die Brille ihm belassen werden. Hat er sich an dieselbe
gewöhnt, wird er sie im Erwerbsleben mit Nutzen verwerten; das liegt
dann auch im allgemeinen volksbygienischen Interesse.
Schnütgen.
Jahrbuch für orthopädische Chirurgie. Bearbeitet von Dr. Pani
Glaessner. Vierter Band: 1912. Berlin 1913, Verlag von Julius
Springer. 109 S. Preis 6 M.
Der erstaunlich reiche Inhalt des vierten Bandes des Jahrbuches für
orthopädische Chirurgie beweist wiederum den grossen Eifer, mit dem
auch im Jahre 1912 an der Ausgestaltung und Fortentwicklung des
jungen Sonderfaohes gearbeitet worden ist. Wie früher ist der Band in
einen allgemeinen und einen speziellen Teil gegliedert. Während im
ersteren Teile die ein breiteres Interesse beanspruchenden Fortschritte
sowie neu aufgekommene Gesichtspunkte hervorgehoben werden, ist der
zweite Abschnitt dem Zuwachs an Arbeiten spezielleren Inhalts gewidmet.
Unter den vielen, sehr verschiedenartigen Steinchen, die zusammen¬
getragen wurden, befindet sich, wie Verf. einleitend bemerkt, erfreulicher¬
weise auch mancher Edelstein.
Eine besonders reichliche Bearbeitung von seiten der verschiedensten
Autoren haben diesmal die Gebiete der Rachitis, der Poliomyelitis, der
Behandlung der Knochen- und Gelenktuberkulose sowie der verschiedenen
Arthritisformen gefunden. Interesse verdient die Zusammenstellung über
die vorwiegend sehr günstigen Erfahrungen mit der Sonnenbehandlung
der chirurgischen Tuberkulose. Das Abbott’sche Skoliosenbehandlungs¬
verfahren, das inzwischen an zahlreichen deutschen Kliniken nachgeprüft
worden ist, ohne dass man über seinen Wert sich schon hätte Klarheit
schaffen können, wird ebenfalls zum ersten Male hier erwähnt. Ein
Verzeichnis von 28 Seiten gibt zum Schluss eine Uebersicht über die
literarische Ernte des Jahres.
Die Darstellung erfreut wiederum durch ihre Klarheit und ihre Ob¬
jektivität, die hei aller Knappheit der Besprechung den Grundgedanken
des einzelnen Autors gerecht wird. Wo eine Wertung ausgesprochen
wird, sind dieser allgemein in Geltung befindliche Anschauungen zu¬
grunde gelegt.
Was den Benutzungswert des verdienstvollen Jahrbuches beträcht¬
lich erhöhen würde, wäre ein etwas pünktlicheres Erscheinen.
Bruno Künne-Steglitz.
Walter Schrauth: Die medikamentösen Seifen. Ein Handbuch für
Chemiker, Seifenfabrikanten, Apotheker und Aerzte. Berlin 1914,
Julius Springer. 170 S. 6 M.
Die medikamentösen Seifen haben schon jetzt therapeutische Be¬
deutung, die ohne Zweifel noch grösser sein würde, wenn neue An¬
wendungsgebiete auf Grund genauer, wissenschaftlicher Kenntnis der be¬
treffenden Materien aufgesucht würden. Es ist daher sehr dankenswert,
dass Verf. die vorliegenden Tatsachen sorgfältig und klar zusammen¬
gestellt und kritisch verarbeitet hat. In einem besonderen Abschnitte
berichtet C. Siebert über die therapeutische Anwendung der Seifen.
Hugo Schulz: Die Behandlung der Diphtherie mit Cyanquecksilber.
Eine Studie zur Organtherapie. Berlin 1914, Julius Springer.
80 S. 2,40 M.
Verf. empfiehlt Cyanquecksilber zur Behandlung der Diphtherie.
Das Präparat soll früher bei geeigneter Dosierung Nützliches geleistet
haben. Auf Grund seiner theoretischen Anschauungen erwartet Verf.
Wirkungen, weil er im Tierversuch sich von der Reizwirkung des Cyan-
queoksilbers und seiner Komponenten auf die Rachensohleimhaut über¬
zeugt hat. M. Jacoby-Berlin,
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
0. Frank-München: Die Prinzipien der Sehallregistrierang.
(Zschr. f. Biol., Bd. 64, H. 3.) Eine richtige Registrierung ist nur dann
zu erwarten, wenn die Schwingungen des Registrierinstrumentes über
derjenigen irgendeiner Teilschwingung des Kurvenzugs liegen, die wesent¬
lich in Betracht kommt. Sonst ist eine Korrektur der Kurven notwendig.
Erhöht man die SchwingungszahL eines Instrumentes, um dieser Forde-
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
rung au genügen, so wird die Empfindlichkeit herabgesetzt. Man wird
aber die Sehwingungszabl nach Möglichkeit auf Kosten der Empfindlich¬
keit erhöhen. Die Dämpfung soll unteraperiodiseb, ja sie kann sogar
— 0 gehalten werden. Eine überaperiodische Dämpfung bringt keinen
Vorteil für die Ausführung der Korrekturen: sie ist bis jetzt bei keinem
mechanischen Registrierinstrument angewendet worden, auch nicht beim
Phonographen und dem Mikrophon. Sie ist auch nicht beim Trommel¬
fell verwirklicht.
P. Hoffmann-Würzburg: Lieber die Begegnung xweier Erregungen
io der Nervenfaser. (Zsohr. f. Biol., Bd. 64, H. 3.) Zwei maximale, in
der Nervenfaser sich begegnende Erregungen erlöschen. Untermaximale
Erregungen laufen übereinander hinweg. Da die Aktionsströme bei gleich-
massiger titanischer Reizung vollkommen regelmässig sind, ist das graue
Band, welches durch den Schatten der schwingenden Saite auf dem Pro-
jektionsschirra entworfen wird, ganz charakteristisch. Wenn man nuu
die Elektroden so anlegt, dass sie beide auf einer Seite der Stelle der
Begegnung liegen, so lässt die Beobachtung der Form des Bandes er¬
kennen, dass bei Einführung des zweiten Reizes keine Veränderung in
der Stromform ein tritt, wenn der erste Reiz maximal war. Es tritt aber
stets eine Veränderung ein, wenn er untermarimal ist. Eine Addition
der Negativitaten findet bei maximalen Erregungswellen an der Stelle
der Begegnung nicht statt. Kretschmer.
J. Boeke: Die Regeneration serscheinungen bei der VerheiluDg von
motorischen und receptorischei Nervenfasern. 11. Mitteilung. (Pflüg.
Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Früher bat Verf. über Verbeilungen des
centralen Hypoglossusstumpfes mit dem peripherischen des Lingualis bei
Igeln berichtet. Nunmehr hat er umgekehrt den centralen des Lingualis
mit dem peripherischen des Hypoglossus zur Verheilung gebracht und
das Ergebnis in lückenlosen Schnittserien am Nerven und der vorderen
Zungenhältte untersucht. Es wachsen die centralen Lingualisfasern in
das für sie von Natur nicht bestimmte Gebiet des Hypoglossus hinein.
Es sind also sensible Fasern imstande, in beiden Richtungen (central-
und peripherwärts) mit motorischen au verwachsen.
E. B. Meigs: Ob die Fibrillen der quergestreiften Muskeln ihr
Volumen bei der Kontraktion verändern? (Hürthle’s Ergebnisse und
ihre Auslegung.) (Pflüg. Arcb., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Verf. wendet sich
kritisch gegen die Schlüsse, die Hürthle aus seinen Messungen der
ruhenden und kontrahierten lebenden Muskeln des Wasserkäfers an
kinematographischen Aufnahmen gezogen. Verf. hält eine genaue Messung
nicht für möglich.
K. Hürth le: Erwiderung auf die vorliegende Ansicht von Meig’s.
(Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Verf. hält die Berechnungen von
Meigs nicht für zutreffend.
0. Warburg*. Ueber die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung
gegenüber indifferenten Nnrcoticn (nebst einer Bemerkung über die
sauerstoffatmenden Leberzellengranula). (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.)
Versuche an Meerschweinchenlebern, die zerrieben, mit Kaliumchlorid¬
lösung versetzt und centrifugiert wurden. Das Ceutrifugat war frei von
Zellresten usw., enthielt aber Granula. Deren Sauerstoffverbrauch
wurde durch Zusatz verschiedener Urethane beschränkt, und zwar bei
Konzentrationen der Urethane, wie sie quantitativ gleich gegenüber
intakten Zellen wirken („Strukturwirkungsstärken“) der Urethane).
Gegenüber dem wässrigen Extrakt der Lebern wirkten die Urethane
weniger atmungshemmend.
Yas. Kuno: Einige Beobachtungen über den Blutdruck des
Frosches. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Der mittlere Blutdruck
beträgt bei Esculenten, gemessen in der Art. pulmo-cutanea, 30 mm Hg
bei 51 Herzschlägen pro Minute (Temperatur 17—19°), die pulsatorische
Druckschwaokung 9,4 mm. Bewegungen des Tieres und Reizung sensibler
Nerven machen Blutdrucksteigerung. Einige Male wurden rhythmische
Schwankungen des Blutdruckes (S. Mayer’sche Wellen?) beobachtet.
Rüokenmarkzerstörung bringt ihn zum Sinken, Adrenalin steigert ihn
weniger als beim Säugetier.
H. Münzer: Kolorimetrische Kreatinin- and Indikanbestimmungen
am Harn der Haustiere nach Autenrieth uud Königsberger. (Pflüg. Arch.,
Bd. 158, H. 1 u. 2.) Die kolorimetrischen Bestimmungen des Verf. am
Harn ergaben folgende Mittelwerte pro Liter Harn. Kreatinin:
P/erd 1,94, Schwein 1,49, Schaf 1,44, Rind 1,12, Ziege 0,38. Indikan:
Pferd 0,04, Schaf 0,037, Esel 0,024, Rind 0,02, Schwein 0,01, Ziege 0,005.
Das spezifische Gewicht ging den Kreatininwerten parallel. Da bei den
genannten Pflanzenfressern das Kreatinin nicht aus dem Nahrungs-
eiweiss stammt, müsste es endogenen Ursprungs sein, wofür auch der
mangelnde Zusammenhang zwischen der ausgeschiedenen Kreatininmenge
und Harnstickstoffmenge spricht. Die Kreatinin men ge zeigt artspezifische
(neben individuellen) Verschiedenheiten. Auch die Mengen des Indikans
sind artspezifisch different. Auch an zahlreichen pathologischen
Harnen hat Verf. Bestimmungen ausgeführt.
U. Schenk: Anpassung an die Farbe der Umgebung bei Lebias
calaritana. Vorläufige Mitteilung. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.)
Gegenüber Hess und Fuchs, die die Anpassung der Farbe von Fischen
an die Farbe des Untergrundes uicht für bewiesen halten, hebt Verf.
hervor, dass diese Fähigkeit einem im Mittelmeer lebenden Cyprinodonten,
Lebias calaritaDa, zukommt. Diese Fische reagieren auf gelbem, rotem,
orangefarbenem Grund durch Expansion der gelben Pigmentzellen ihrer
Haut. In Kontrollversuchen auf gleich hellem, aber grauem Grunde
fand sich diese Reaktion nicht; auf verschieden hellem grauem Grunde
ändert sich nur die Ausdehnung der schwarzen Chromatophoren der
Haut. Ebenso wie Lebias verhält sich Cottus gobio. — Ob darum
diese Fische einen Farbensinn haben, ist noch unsicher.
0. Loewi und W. Gettwert: Ueber die Folgen der Nebenniere!-
exstirpation. I. Mitteilung. Untersuchungen am Kaltblüter. (Pflüg.
Arch., Bd. 158, H. 1 u. 2.) Nebennierenexstirpation führt beim Frosche
zum Tode unter diastolischem Herzstillstand. Dieser Herzstillstand wird
durch Atropinbeträufelung aufgehoben, ebenso auch der Herzstillstand
Debennierenloser Frösche, der durch elektrische Reize der Tiere bewirkt
wird. Das Atropin wirkt hier auch anregend auf die isolierten Herzen.
Das Blut nebennierenloser Frösche ist giftig; es bewirkt bei direkter
Applikation auf das Herz normaler Frösche Verlangsamung, die durch
Atropin behoben wird. A. Loewy.
L. Fraenkel - Breslau: Wirkung von Extrakten eadokriner Prüfe»
anf die Kopfgefässe. (Zschr. f. exper. Patb. u. Ther., 1914, Bd. 16,
H. 2.) Prüfung mit der von Hürtle angegebenen Methode zum Studium
der Innervation der Hirngefässe, welche Hormone eine besondere Affinität
zum Kopfteil des Sympathicus am Kaninchen haben. Auf die Kopf¬
arterien wirken nicht, gering oder divergent: der ganze Eierstock,
Pankreas, Thymus, Thyreoidea, Epithelkörperchen. Regelmässige Er¬
weiterungen der Kopfgefässe: Luteoglandol, Epiglandol (Zirbeldrüse).
Verengerung: Adrenalin und Hypopbysisextrakte, besonders aus dem
Mittellappen. Es haben also die endokrinen Drüsen des Kopfes beim
Kaninchen eine besondere Beziehung zu den Kopfgefässen.
Wirtb.
0. v. Fürth: Ueber MilehsSureaugseheidung 1h Harae und ihre
Beziehungen zum Kohlehydratstoffwechsel. (W.k.W., 1914, Nr. 25.)
Vortrag, gehalten in der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien am
I. Mai 1914. Referat siehe den Sitzungsbericht. P. Hirsch.
Pharmakologie.
W. L. Sy mes - London: Ueber die Wirksamkeit nid Haltbarkeit
der Digitalistiaktar. (Brit. med. jouro., 20. Juni 1914, Nr. 2790.)
Schwache Tinkturen behalten ihre Wirksamkeit besser als starke; in
einigen beginnt die Abnahme schon nach einem Monat. Die Stärke der
Tinkturen ist sehr verschieden, dooh sind nur wenige unter der Norm.
Es wird bestätigt, dass eins der wirksamsten wasserlöslichen Glukoside
sehr unbeständig ist; die alkoholische Lösung der weniger wirksamen ist
beständiger. Es würde vielleicht praktischer sein, die Tinktur mit
einem frischen Infus zusammen zu geben als die Tinktur allein in allzu
grosser Dosis. Weydemann.
G. Bry-Breslau: Ueber die respiratioiserregeade Wirkug
Phenyläthylaminderivaten. (Zschr. f. exper. Path. u. Ther., 1914,
Bd. 16, H. 2.) Von Phenyläthylaminderivaten erregen, Hunden und
Katzen intravenös gegeben, besonders stark das Atmungscentrum: I. p-
Oxyphenyläthyl-benzylamin, II. p-Oxyphenylätbyl-3 methoxy-4 oxyben-
zylamin, III. Aminoinethylhydrinden. Die Stoffe wirken auch am atropioi-
sierten Tier und bei Respirationslähmung durch Stoffe der Morphingruppe.
Sonst tödliche Ghloralhydratdosen werden nach Injektion von II oder III
überstanden. Auch Hordenin beschleunigt die Atmung, Adrenalin^ da¬
gegen nicht. II und III wirken uteruskontrahierend, und zwar stärker
als Oxyphenyläthylamin (Uteramin-Burman). Wirtb.
M. H. Fraser - London: Bemerkungen zu zwei Fällen von Veroill-
vergiftung. (Lancet, 20. Juni 1914, Nr. 4738.) Ein tödlicher und ein
geheilter Fall. Beide zeigten starke Nierenstörungen, die im geheilten
Falle völlig vorübergingen. In dem tödlichen war das Epithel der ge¬
wundenen Kanälchen deutlich degeneriert, d. h. KernfärbuDg fehlte völlig,
die Zellen waren von der Unterlage gelöst, das Lumen der Kanälchen
war mit körnigem Ditritus gefüllt, aber es war keine Blutüberfüllung
vorhanden, keine interstitiellen Veränderungen uod die Glomeruli
schienen normal. Weydemann.
Therapie.
W. Hühier - München: Das neue Abführmittel Istizil. (Ther. d.
Gegenw., Juni 1914.) Empfehlung als Abführmittel mit prompter
Wirkung ohne Nebensymptome. Es wirkt auf den Dickdarm ohne Be¬
lästigung des anderen Verdauungstractus. Dosis 2 Tabletten ä 0,3 g,
1V 2 Std. nach dem Abendessen. Wirkung erfolgt im allgemeinen nach
10 Std. R. Fabian.
F. Fischer - Düsseldorf: Ueber Pellidol nnd Azodolen bei der
Behandlung der Ulcera ernris. (Derm. Zbl., Mai 1914.) Pellidol wirkt
am schnellsten bei den oberflächlichen Ulcerationen und am besten bei
den empfindlichen und schmerzhaften Geschwüren. Azodolen gebrauche
man nur bei nicht schmerzenden Geschwüren, falls Desinfektion nötig
ist, oder als Adstringens.
Eschweiler - Düsseldorf: Pemphigus vulgaris; Heilung durch
Neosalvarsaninjektionen. (Derm. Zbl., Juni 1914.) Nach vier Neo-
salvarsaniDjektionen von 0,3—0,75 trat vollständige Heilung ein.
J. Mey er - Berlin: Beitrag zur Behandlung juckender DemttosW«
(Derm. Zbl., Juni 1914.) Verf. empfiehlt die wiederholte intravenöse
Injektion der Ringer’schen Lösung: Natr. chlorat. 8,0, Calc. chlorat.
0,1, Kal. chlorat. 0,075, Natr. bicarbon. 0,1, Aquae dest. ad 100,0 oder
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UMIVERSITY OF IOWA
18. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1327
deren Modifikation: Natr. ohiorat 7,5, Kal. ohiorat. 0,1, Calc. ohiorat. 0,2,
Aquae dost, ad 1000,0. Immerwahr.
E. Vogt-Dresden: Erfahrungen mit Coagnlen (Kocher-Fonio).
1914, Nr. 26.) Bei gynäkologischen Operationen hat sich das
Coagnlen dem Verf. sehr bewährt. Besonders plastische Operationen
in der Vagina, bei denen parenchymatöse Blutungen sonst sehr stören,
können ohne eine einzige Ligatur oder Umstechung ausgefübrt werden.
Die 10 proz. frisch bereitete Lösung wird einige Minuten aufgekocht und
dann mit Rekordspritze direkt auf die blutende Stelle gespritzt Schäd¬
liche Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Wolfsohn.
Herzberg-Berlin: Ueber die Behandlung einiger vaginaler
Affektionen mit Pittylenbolus. (Ther. d. Gegenw., Juni 1914.) Das
Präparat wird als lOproz. Pittylenbolus von den Lingner-Werken in
Dresden in den Handel gebracht. Besonders günstige Erfahrungen beim
Fluor albus. R. Fabian.
p. Wiehmann -Hamburg: Die Bewertung der Röntgen strahlen in
der Therapie des tiefgreifenden Hantferehses. (D.m.W., 1914, Nr. 26.)
Auf Grund seines klinischen Materials kommt Verf. zu dem Resultat,
dass den Röntgenstrahlen in der lokalen Therapie des Krebses allein
keine souveräne Bedeutung zuerkannt werden kann. Abgesehen von
operativen Eingriffen werden neben den Röntgenstrab len andere Strahlungs¬
faktoren, besonders die radioaktiven, unentbehrlich sein. Schliesslich
spricht auch weder die Kostenfrage noch die Einfachheit der Technik
zugunsten der Röntgentherapie.
Reineke- Leipzig: Zur Frage der Einwirkung der Röntgen- ind
Radiimstrahlen auf innere Organe, insbesondere auf die Milz.
(D.m.W., 1914, Nr. 26.) Im Tierexperiment reagiert das Follikelgewebe
der Milz auf Strahlenbehandlung fast stets. Die Kerne der Lympho-
cyten zerfallen und verschwinden durch Phagocytose. Dieser Vorgang
ist nach längstens 24 Stunden abgeschlossen. Nach Ablauf dieser Zeit
ist der charakteristische Kernzerfall nicht mehr sichtbar. Das lympha¬
tische Gewebe regeneriert sich sehr schnell. Die Regeneration ist nach
etwa 4 Wochen bereits vollendet. Beim Menschen liegen die Verhält*
oisfle vermutlich ähnlich. Aus negativen Sektionsbefunden kann man
demnach nicht ohne weiteres schliessen, dass keine Reaktion der Gewebe
8tattgefuuden hat. Wolfsohn.
W. Sobernheim: Die Behandlung der Kehlkopftnberkulose nach
Pfaniemtill ud nach Friedmann. (Tber. d. Gegenw., Juni 1914.)
Aus den angeführten Krankengeschichten ist zu ersehen, dass nur die
Lupusbehandlung mit H 2 0 2 und JK ein gutes Resultat zeitigte. Mit der
Inhalationstherapie (Ozon -f- KJ) konnte bei einzelnen Fällen von Kehl¬
kopftuberkulose eine leiohte Besserung erzielt worden, von der es aber
keineswegs feststand, dass sie auf diese Behandlungsmethode zurückzu¬
führen sei. Ueber die Wirkung des Friedmann’schen Mittels bei Kehl¬
kopftuberkulose will Verf. bei der geringen Anzahl der Fälle kein ab¬
schliessendes Urteil abgeben. Bei den angewandten Fällen hat das
Mittel völlig versagt.
R. Mühsam und E. Hay ward - Berlin: Erfahrungen mit dem
FriedBann’schea Taberknlosemittel bei chirurgischer Tuberkulose.
(Tber. d. Gegenw., Jun» 1914.) 15 Fälle. Der einzige Fall, welcher
lediglich durch das Friedmann’sche Mittel wesentlich gebessert
wurde, betraf eine tuberkulöse Peritonitis beim Kinde. Nach Ansicht
der Verff. ist aber gerade bei dieser Art der Erkrankung ein genaues
Urteil über die tatsächliche Besserung des pathologisch-anatomischen
Zustandes nicht zu geben. In den übrigen Fällen erlitt weder der ört¬
liche Befund noch der Allgemeinzustand eine wesentliche Aenderung.
Die Injektionen sind nicht ungefährlich, das Mittel selbst nicht ein¬
wandfrei (Streptokokkennachweiss). Die meisten Patienten litten recht
erheblich unter den Folgen der Injektion und kamen in ihrem All¬
gemeinbefinden zurück. Gelegentlich wurden Hämaturie, Durchfälle,
Hautaasschläge beobachtet. Verff. lehnen das Friedmann’sche Mittel bei
der Behandlung chirurgischer Tuberkulosen als ungegeignet und
wirkungslos ab. R. Fabian.
F. Rosenfeld - Stuttgart: Erfahrungen über F. F. Friedmann’s
mH* nd Schutzmittel. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Bericht über
«Lungentuberkulosen. Keine wesentlichen Erfolge. Meist trat Abscess-
Hdnng an der Injektionsstelle auf. Eindeutige Besserungen wurden bei
wei Fallen von Drüsentuberkulose erzielt.
®oMoim - Hamburg: Zur Behandlung der Tuberkulose mit
n,™ r °t«;TrtMke , badll«i nach Piorkowski. (D.m.W., 1914,
n« u’i , . ^er *0 Fälle, die seit 2 Monaten behandelt werden,
ah* t • ,st ^ l ^ eren t» wacht Infiltrate und Fieberreaktion, hinterlässt
r 1161111011 dauernden Schaden. Erfolge wurden zum Teil gesehen.
r Wolfsohn.
iIm fl ! n * maDn ' Duisburg: Weitere Erfahrungen über die Behandlung
bfinVHt Salvarsai. (Ther. d. Gegenw., Juni 1914.) Verf.
«U j- u . ¥eiter 6 47 mit Salvarsan behandelte schwere Scharlach-
fcuriaem P mU k & r09ser Prostration, hohem Fieber, frequentem Puls,
sind zw ■ n * m un d einer schweren Angina einhergingen. Von diesen
KranVh e, f r 0r * )en ' * m K anaen ist eine günstige Beeinflussung der
Kemeinhiß •, estzust ?M® n - > Der Fieberverlauf wird abgekürzt, das All¬
zurück tv zei ^ ei “ e Besserung, die nekrotisierende Angina geht
Stunden i- 10 . is b etra gt 0,15 Neosalvarsan intravenös, Dach zwölf
3 Taven k ^? sis eventue,i 0,3. Mehr als 0,8 Neosalvarsan in
wirkniwr*« u i rr 61 ** allgemeinen nicht verwendet. Ueble Neben-
geD hat Vert niemals beobacht* R. Fabian.
Assmy-Chunking: Zur Frage der Enetinbehandlang der Lamblien*
rnbr. (M.ra.W., 1914, Nr. 25.) Die von M. Mayer in Nr. 5 der
Münchener med. Wochenschrift berichtete Heilung von Lamblienrubr
durch Emetio kann man nicht ohne weiteres als spezifisch ansehen;
A. sah einen Fall ohne Therapie genesen. Dünner.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
Glaser - Augsburg: Ueber die Nervenverzweignngen innerhalb der
GefHsswand. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 50, H. 5 u. 6.) Empfehlung
von Rongalitweiss zur Färbung. Nachweis von Nerven bis in die Intima
und an den Gapillaren, während Ganglienzellen sich nur in den ober¬
flächlichen Schichten der Adventitia von Organarterien finden. Gute Ab¬
bildungen. K. Krön er.
E. Frankel-Hamburg: Bemerkungen über die chronische ankylo¬
sierende Wirbelsäulen venteifug. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) Demon¬
stration in der Sitzung der biologischen Abteilung de9 ärztlichen Vereins
zu Hamburg am 19. Mai 1914; cf. B.kl.W., 1914, Nr. 25.
Dünner.
E. C. van Leersum und J. R. F. Rassers - Leiden: Beitrag zur
Kenntnis des experimentellen Adrenalinatberoms. (Zschr. f. exper.
Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Wenn man bei Kaninchen Ad¬
renalin intravenös in einer Verdünnung 1:200000 mit einer Ge¬
schwindigkeit von 2 ccm pro Minute 45 Minuten lang einströmen lässt,
so werden selbst mehrfache Injektionen gut vertragen und der Blut¬
druck nimmt nur wenig zu. Unter dieser Versuchsbedingung kommt es
zu keiner pathologisch-anatomischen Gefäss- oder Herzveränderung. Die
von Josue nach stärkerer Adrenalinzufuhr, besonders an der Aorta ge¬
fundenen Gefässwandveränderungen sind daher mechanische Folgen der
starken Zunahme des Aortendrucks infolge der Kontraktion der peri¬
pheren Gefässe. Das spontane Atherom bei Tier und Mensch kann hier¬
durch nicht erklärt werden.
Stüber-Freiburg i. B.: Experimentelles Ulcus ventrienli. (Zu¬
gleich eine neue Theorie seiner Genese.) (Zschr. f. eiper. Path. u. Ther.,
1914, Bd. 16, H. 2.) Es gelingt, an Hnnden durch operative Pylorus-
insuffizienz und bei alkalisch-fleischfreier Ernährung typische Magen-
ulcera zu erzeugen. Diese treten nicht auf bei gleichzeitiger reiner
Fleischkost, ferner nicht bei alkalisch-fleischfreier Diät und totaler Ab¬
bindung des Pankreas vom Duodenum; wohl aber an nicht operierten
Tieren nach Trypsinfütterung. Es handelt sich also um Ulcera tryptica.
Die erste Wirkung des Trypsins auf die Magenschleimhaut sind Reizung
und Hämorrhagien. Für die Pathologie mancher menschlicher Ulcera
wird eine neurogone Pylorusinsulfizienz mit Pankreassaftrückschluss als
wahrscheinliche Ursache angenommen. Wirth.
Diagnostik.
F. Jessen-Davos: Zur Lokalisation von Lnngeneavernen und
Langenabscessen. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) Die Lokalisation ist mit Hilfe
des Fürstenau’scben Apparats möglich, bei dem zwei Aufnahmen auf
einer Platte mit einer seitlichen Röhrenverschiebung von 6,5 cm gemacht
werden. Abbildungen. Dünner.
Parasitenkunde und Serologie.
R. Möllers - Strassburg i. E.: Der Typus der Tnberkelbacillen bei
der Tuberkulose der Langen and Bronehialdräsen. (D.m.W., 1914,
Nr. 26.) In 7 Fällen von Lungentuberkulose und in einem Fall von
Bronchialdrüsentuberkulose konnte Verf. den Typus bumanus züchten.
Aus der ganzen Literatur wurden 974 Fälle von Lungen- bzw. Bronchial¬
drüsentuberkulose gesammelt, von denen 967 humane Bacillen hatten,
nur 5 bovine und 2 beide Typen. Diese interessante Statistik zeigt die
Richtigkeit der Koch’scben Auffassung, dass die Perlsucbt des Rindes
für die Erkrankung des Menschen an Lungentuberkulose nur von unter*
geordneter Bedeutung ist. Wolfsobn.
F. Schenk - Prag: Ueber den Nachweis von Abwehrfermenten
(Abderhalden) in antibakteriellen Immnnseren. (W.kl.W., 1914,
Nr. 25.) Es ist dem Verf. nicht gelungen, im Serum von Kaninchen!
welche mit Bakterien vorbehandelt wurdeD, eine Fermentreaktion im
Sinne Abderhalden’s zu erzielen. Ob dies jedoch bei anderen Tieren
bzw. beim Menschen nicht doch gelingt, kann auf Grund der Versuche
nicht gesagt werden. p. Hirsch.
J. M. Albary - Paris: Ein Taberknloseimpfstoff. (M.m.W., 1914,
Nr. 25.) A. hatte früher gefunden, dass eine Mischung Tuberkulin mit
normalem Mensohenserum eine geringere Reaktion bei tuberkulösen Meer¬
schweinchen entfaltet, als Tuberkulin allein. Eine Mischung von Tuber¬
kulin mit Tuberkuloseserum schien nach weiteren Versuchen eine
immunisierende Eigenschaft zu haben. Das veranlasste zu thera¬
peutischen Versuchen an Menschen, die A. für vielversprechend ansieht
Dünner.
H. Beumer: Das Dialysierverfahren Abderhalden’s bei Raebitin
n« Tctaii«. (Zschr. /. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 2.) Untersuchungen
des Serums von Kindern mit Rachitis oder mit Rachitis und Tetanie er
gaben negative Reaktion mit Epithelkörperchen, Hypophyse Hoden
Schilddrüse und Nebennieren von Oohsen, Kälbern und Pferden* Thymus
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UNIVERSUM OF IOWA
1328
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
(vom Kalb) wurde mehrmals abgebaut (unspezifische Reaktion). Nur in
einem Falle von Tetanie, in dem Karpopedalspasmen bestanden, wurden
Epithelkörper schwach abgebaut. Orgler.
P. Hüssy-Basel: Eine Vereinfachung der Sehwangerschaftsdiagnose
nach Abderhalden. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 25.) Die Resultate der
Methode Abderhalden’» hält Verf. für so zuverlässig, dass dieselben
Gemeingut werden sollten. Die grösste Schwierigkeit ist die Darstellung
einer einwandfreien Placenta. Die Höchster Farbwerke haben sich be¬
müht, ein trockenes und einwandfreies Placentareiweiss zu schaffen. Es
ist ein gelbliches Pulver, das in kleinen Röhren aufbewahrt wird. Es
wurde in eine Hülse nur Serum, in eine Serum und gewöhnliche Pla¬
centa, in die dritte Serum und 0,5 Placentareiweiss siccum Höchst ge¬
bracht. Die Resultate waren sehr günstig und die Farbenreaktion viel
deutlicher als mit der alten Placenta. Wahrscheinlich kann man auch
mit geringeren Mengen auskommen, und die von den Farbwerken ge¬
lieferten Röhrchen zu 0,25 g benutzen. Die Technik wird noch genauer
beschrieben, und über 22 gelungene Versuche berichtet. Wesentlich ist
die ungeheuere Zeitersparnis. Siefart.
A. Schawlow - Riga: Beiträge zur serologischen Frühdiagnose des
Carcinoms vermittelst des Abderbalden’schen Dialysierverfahrens.
(M.m.W., 1914, Nr. 25.) S. hält das Abderhalden’sche Verfahren für
zuverlässig; er hatte unter 40 Magencarcinomen 3 Fehldiagnosen, von
im ganzen 64 Carcinom- und Sarkomfällen nur 4 Fehldiagnosen.
Dünner.
Innere Medizin.
E. Neisser - Stettin: lieber fortlaufende Krankenbeobachtang.
(Ther. d. Gegenw., Juni 1914.) Vortrag, gehalten in der Vereinigung
ärztlicher Krankenhausdirektoren am 15. März 1914 zu Hamburg.
R. Fabian.
W. Frehn-Davos: Zur Technik der Anlegung des künstlichen
Pneumothorax. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) Eine Methode, die die Ent¬
stehung der Luftembolie verhindern soll. Sie besteht dariD, scharf
durch die Haut, halbscharf durch die Muskulatur und Fascia thoracis
profunda bis in die Intercostalmuskulatur und stumpf durch die Pleura
vorzudringen. Abbildung eines Instruments. Dünner.
0. Frank und N. v. Jagic-Wien: Zur Pnenmothoraxtberapie der
Lungentuberkulose. (W.kl.W., 1914, Nr. 25.) Nach einer am 4. öster¬
reichischen Tuberkulosetag in Wien im Mai 1914 gehaltenen Demon¬
stration. Die Verff. haben experimentelle Studien an Hunden angestellt,
auf Grund derer sie die Indikationsstellung zur Vornahme der Pneumo¬
thoraxtherapie erweitern möchten. Sie sind der Ansicht, dass diese
Therapie auch bei leichteren, einseitigen Prozessen in Erwägung zu ziehen
ist, ohne dass man befürchten müsse, die gesunden Partien des Unter¬
lappens so weit zu schädigen, dass für später eine ungünstige Beein¬
flussung zu erwarten wäre. P. Hirsch.
Magnus-Levy - Berlin: Ueber ungewöhnliche Verkalkung der
Arterien. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Vortrag, gehalten im Verein für
innere Medizin in Berlin am 16. März 1914. Wolfsohn.
K. Brandenburg und A. Laqueur -Berlin: Ueber die Aenderungen
des Elektrocardtogramms von Herzkranken durch Kohles Säurebäder.
(Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Beobachtungen mit
dem Elektrocardiographen von Siemens & Halske unmittelbar vor bis
10 Minuten nach einem koblensauren Bade unter gleichzeitiger Bestim¬
mung von Blutdruck, Leitungswiderstand der Haut und Zwerchfellstand.
Bei Herzkranken ohne besondere nervöse Störungen wird gefunden: Blut¬
drucksteigerung, häufig Tiefertreten der unteren LungeDgrenzen, erheb¬
liche Zunahme des Leitungswiderstandes der Haut, Erniedrigung der
Vorkammerzacke und ersten Kammerzacke, Erhöhung der Kammerend¬
schwankung. Die Voltzahlen der Vorkammern blieben unverändert, die
der loitialzacke waren ein wenig, die der Finalscbwankung bedeutend
erhöbt. Bei rein nervösen Herzbeschwerden wurde gefunden: Meist Er¬
höhung der Hautwiderstände, zuweilen Tiefertreten des Zwerchfells, am
Elektrocardiogramm als nur mittelbare Beeinflussung bei Widerstands¬
zunahme eine gleichmässige Erniedrigung aller Zacken und meist kaum
veränderte Voltwerte.
0. Roth-Zürich: Untersuchungen über die Entstehung der nervösen
Extrasystolen. (Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Bei
einem Herzgesunden werden durch Kombination von Aschner’schem Bulbus¬
reflex uDd einer AdrenaliniDjektion ventrikuläre Extrasystolen erzeugt.
Hierfür kommt nicht die Erhöhung der peripheren Gefässwiderstände,
sondern Reizung des Accelerans durch Adrenalin in Frage, wobei die
durch Vagusreizung ausgelöste Pulsverlangsamung die Vorbedingung ist.
Wirtb.
H. Strauss: Zur Frage der Diätform in den Krankenhäusern.
(Zschr. f. phys.-diät. Ther., Juni 1914.) Die Fortschritte in der Diät¬
behandlung in den letzten Jahrzehnten mussten auch in den Kranken¬
häusern Reformen auf dem Gebiete der Verpflegung herbeifübren. Verf.
bespricht die Einrichtung der Centralküchen und der Diätküchen, welch
letztere nicht immer unbedingt erforderlich sind, und gibt eine Ueber-
sicht über die Reform des Verpflegungsplanes des jüdischen Krankenhauses
in Berlin, die sich nunmehr bereits 3 Jahre bewährt. Prinzipiell wiohtig
sind vor alten Diügen ein mit Verständnis durchgeführter Wochenzettel,
die Veränderung der „zweiten Form“ und eine radikale Umgestaltung
der dritten Form. Eine ausführliche Schilderung gibt die näheren Einzel¬
heiten unter Hinzufügung eines Wochenspeisezettels und eines Tages¬
diätzettels. E. Tobias.
S. W. Konatansoff und E. 0. Manoiloff - St. Petersburg: Ueber
die Einwirkung der Verdauungsfermente auf das sogenannte Fischgift.
(W.kl.W., 1914, Nr. 25.) Das Fischgift wird unter der Einwirkung des
Pepsins und des Trypsins zersetzt, dagegen erweist sich das Erepsin als
ganz unwirksam. Die Verff. schliessen hieraus, dass das Fiscbgift zu den
Ei weisskörpern mit sehr kompliziertem Molekularbau gehört.
P. Hirsch.
F. Reaoh-Wien: Zur Kenntnis der chronischen Morphinwirking.
(Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Der Verdauungs-
traktus eines unter chronischer Morphiumwirkung stehenden Hundes wird
nach Darreichung eines Kontrastmittels am Röntgenschirm beobachtet.
Anfangs Verzögerung der Magendarmbewegung und verstärkte Salivation.
Beide bilden sich später bis nicht ganz zur Norm zurück. Als Abstineoz-
erscheinung trat eine Verstärkung der Salivation auf.
K. Dresel und A. Peiper- Berlin: Zur Frage des experimentelles
Diabetes. Beeinflussung der Zuckermobilisation dnreh Adrenalin und
PaDkre&sextrakt in der künstlich durchbluteten Leber. (Zschr. f. exp.
Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) Bei Durchblutung der überlebenden
Hundeleber steigert Adrenalinzusatz den Blutzuckergehalt. Vorheriger
Zusatz von Pankreasextrakt nach de Meyer hemmt diese Steigerung.
Die gewählte Methodik der Durchblutung arbeitete mit Unterbrechungen.
E. Münzer-Prag: Ein Fall von Morbus AddiBonii mit besonderer
Berücksichtigung der hämodynamischen Verhältnisse nebst Bemerkungen
zur Lehre von der Aeidose. (Zschr. f. exper. Path. u. Ther., 1914,
Bd. 16, H. 2.) Mitteilung eines Falles von Morbus Addisonii, beruhend
auf Nebennierenschwund, ohne Tuberkulose, mit Status lymphaticus.
Das Schlagvolumen des Herzens war stark vergrössert, die C0 2 -Spannung
des venösen Blutes stark herabgesetzt, eine Aeidose nicht vorhanden.
A. J. Ignatowoski und Ch. Monossohn-Warschau: Unter¬
suchungen über die Galleuabsoudarungen beim Menschen unter einigen
Nahrung«- und Arzneimittel!. (Zschr. f. exper. Path. u. Ther., 1914,
Bd. 16, H. 2.) Em Kranker mit äusserer Gallenfistel, gänzlichem Ver¬
schluss des Ductus choledochus, teilweisem Verschluss des Ductus
Wirsungianus infolge Carcinoma ampullae Vateri et pancreatis bot, da
die Galle direkt aus der Leber stammte, Gelegenheit zur Beobachtung
der gallebildenden Funktion der Leber. Die Menge der sezernierten
Galle schwankt. Das erste Maximum nach dem Mittagessen (Verdauungs¬
galle) ist Folge der Sekretinwirkung. Das zweite Maximum nach 5 bis
6 Stunden (chemische Galle) ist die Leberreaktion auf den Reiz der
schon verdauten Nahrung. Nach Fleischpulver ohne extraktive Sub¬
stanzen tritt das Verdauungsmaximum früher, stärker und mit höherem
spezifischen Gewicht ein, als nach Zufuhr von Roborat oder Plasmon.
Fleiscbpulver bindet mehr HCl und PepsiD, daher grösserer Sekretin¬
reiz. Nach Plasmon tritt das zweite Maximum früher und stärker auf,
entsprechend der schnelleren Resorption im Darmkanal. Milch und
Pflanzeneiweiss sind daher Schonungsdiät für die Leberzelle, Na. sal.
und Ovagol steigerten die Gallen- und auch Bilirubinmenge, sie reizen
die Leberzelle. 01. Oliv, steigerte nur die Gallenmenge, nicht das Bili¬
rubin. Natürlicher Karlsbader Sprudel verminderte beides, er beruhigt
gereizte Leberzellen.
0. Schwarz-Wien: Untersuchungen über die uuekemkretorische
Funktion der Niere. (Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.)
Prüfung, inwieweit die bisher bekannten Gesetze der Nierenfunktion
auch für die Zuckerausscheidung Geltung haben. Nach intravenöser In¬
jektion von Milchzucker oder dauernder Infusion von Traubenzucker ist-
für beide Zuckerarten „das Verhältnis der in gleichen Zeiten ausgesebie-
denen Mengen zu dem noch im Körper verbliebenen Rest konstant*.
Der Harnzucker steht in keinem Verhältnis zur Blutzuckerkonzentration.
„Die Vorstellung, dass die Niere als Ueberlaufventil funktioniere, ist für
die Glykosurie noch immer das angemessenste.“ Da intravenös Mg®*
führter Zucker (exogenen oder endogenen Ursprungs) zum Teil in die
Gewebe Übertritt, deren Kapazität für Zucker verschieden ist, wird nicht
der Zuckerüberschuss im Blut, sondern der im ganzen Organismus als
bestimmend für die Grösse der Glykosurie angesehen. „Die Schwan¬
kungen des Blutzuckers sind nur ein Zeichen zur Veränderung der
Zuckerkapazität des Organismus, ihr Maass ist die Glykosurie.“ Genügende
Blutzuckermengen führen zu einer Glomerulusdiurese. Traubenzucker
ist diuretischer als Milchzucker. Zwischen ausgeschiedenem Zucker und
Wasser besteht ein annähernd konstantes Verhältnis. Wirtb.
G. Wulf-Zittau: Hemiplegie bei Abdominaltyphus mit Ausgang in
Genesung. (M.m.W., 1914, Nr. 25; cf. C. Klieneberger, Aentlicher
Bezirksverein zu Zittau am 5. Februar 1914, B.kl.W., 1914, Nr. 14.)
Dünner.
E. Violin: Bemerkungen zur Debatte über Bergoniä’s Verfahre®-
(W.m.W., 1914, Nr. 18.) Ia fünf Jahren ist nicht ein einziger Fall von
Schädigung durch das Bergoniesieren berichtet worden. Das Verfahren
stellt eine wertvolle Bereicherung der physikalischen Heilmethoden dar,
das mit allen anderen Methoden das Gemeinsame hat, dass man es
individualisierend und sachgemäss anwenden muss, um Erfolge zu er¬
zielen. Eis n er.
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UMIVERSITY OF IOWA
13. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1329
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
Hellpaoh: Die elektrische! Heilwerte. Kritische Bemerkungen
su Robert Sommer’s „Elektrochemischer Therapie“. (Neurol. Zbl.,
1914» Nr. 11.) Verf. setzt sich polemisch mit Sommer’s elektrochemischer
Therapie auseinander.
St. Rose nt al: Zur Methodik der Sehädelkapautätebestimmnng
mit Hinsioht auf einen Fall von Hirnsohwellung bei Katatonie. (Neurol.
Zbl., 1314, Nr, 12.) Das Auftreten der Hirnschwellung ist noch nicht
Yöllig aufgeklärt. R. beschreibt Literatur und Methodik.
Glaser: Zur klinischen Brauchbarkeit der Lange’sehen Goldsol-
rcaktion ia der Psychiatrie. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 11 u. 12.) Verf.
teilt seine Untersuchungsergebnisse mit der Goldsolreaktion bei Paralyse,
Tabes und Lues cerebri mit; das tabellarisch dargestellte Resultat führt
su dem Ergebnis, dass die Reaktion, so interessant sie theoretisch ist,
in der bis jetzt bekannten Form kaum praktische Bedeutung hat.
E. Tobias.
M. Rothmann-Berlin: Die Restitntionsvorgänge bei den cere¬
bral«! Lftbmingen in ihrer Beziehung zur Phylogenese und ihre thera-
peutische Beeinflussung. (D. Zschr. f. Nervhlkd., Bd. 50, H. 5 u. 6.) Die
phylogenetisch alten subcorticalen motorischen Centren haben bei den
höheren Säugetieren infolge der stärkeren Entwicklung der Grosshim-
centren und der Pyramidenhahn eine Rückbildung erfahren. Beim Men¬
schen können die Extremitätenmuskeln normaliter nur von der Grosahirn-
rinde aus willkürlich erregt werden. Bei einer cerebralen Lähmung ver¬
geht daher eine relativ lange Zeit, bis, infolge langsamer Steigerung der
Erregbarkeit der subcorticalen Ganglien durch sensible centripetale Im¬
pulse, von diesen willkürliche Bewegungen ausgehen. Die heim Menschen
eigenartige Restitution hängt mit den besonderen Verhältnissen des auf¬
rechten Ganges zusammen (am Bein zuerst die Strecker, am Arm die
Beuger). Die spastischen Kontrakturen gehören nicht notwendig zum
Bilde der Pyramidenerkrankung. Von den Foci der Rinde gehen die
Bevegungssynergien aus. Es ist auch nach Ausschaltung der gesamten
centrifugalen Extremitätenbahn der Grosshirnrinde eine Restitution aktiver
Bewegungen möglich, infolge Eintretens suboorticaler Centren, allerdings
erat spät und nur unvollkommen. Alsdann können auch Rindenimpulse
der gleichseitigen Hemisphäre einwirken. Die Therapie hat diese Im¬
pulse auszubilden und zu beschleunigen duroh Uebungsbehandlung und
der Ausbildung von Kontrakturen entgegen zu wirken. (Lagerung, passive
Bewegungen, Einübung von Bewegungssynergien, Schüttelbewegungen,
eventuell Foerster’sehe bzw. Stoffel’sche Operation.)
Rosenblatt-Cassel: Zur Pathologie der Encephalitis acuta. (D. Zschr.
f. Nerrhlk., Bd. 50, H. 5. u. 6.) Eingehende Beschreibung mehrerer Fälle
von Encephalitis acuta, die zum Teil erst durch eingehende mikroskopi¬
sche Untersuchung als solche festzustellen waren. Genaue Analyse der
Infektionswege, die nicht selten eine starke Schädigung des Nerven¬
gewebes bei relativem lutaktbleiben der Gefasswände bedingen (z. B. bei
der sog. Hirnpurpura Schmidt ’s).
Neue-Greifswald: Biologische Reaktionen bei syphilogenen Er-
kraikngen des Centralnervensystems. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 50,
H.5 u. 6.) Die Auswertungsmethode nach Hauptmann gibt bei pro¬
gressiver Paralyse in 100 pCt. positives Resultat, bei Tabes und Lues
cerebro-spinalis in der grossen Mehrzahl der Fälle. Bei nichtluetischen
organischen Cerebrospinalerkrankungen gibt der Liquor keine Hemmung
der Hämolyse, auch nicht bei früherer Lues und positiver Wassermann¬
scher Reaktion im Blutserum. Eine erst mit grösseren Liquormengen
positive Wassermann’sche Reaktion spricht mehr für Lues cerebri. Der
Weil-Kafka’schen Reaktion kommt eine gewisse differential-diagnostische
Bedeutung zu für die Frage: Lues cerebri oder Paralyse? Die Abder-
hajden’sche Reaktion scheint bei Lues cerebri nur mit Gebirnsubstrat,
bei Paralyse auch mit anderen Organen positiv auszufallen. Ueber die
Luetinreaktion sind weitere Untersuchungen erforderlich, ebenso über die
Goldsolreaktion. K. Krön er.
A. Stern: Ueber eine Schussverletsung des Thalamns opticus
nebst Bemerkungen über Tractushemianopsie. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 11.)
Als Folge einer Sohussverletzung der rechten Schädelseite bestehen
Pyramidensymptome der linken Körperseite, totale Hemianaesthesia sin.
nnd Hemiataxie, Hemiathetosis sin., Hemianopsia sin., Störungen der
Sympathicusinnervation usw. Es handelt sich um eine Schussverletzung
im umkreis des rechten Thalamus optious. E. Tobias.
J* H. Clarke und J. 0. Symes - Bristol: Eine kleine Epidemie
JJl CerekrospiDalmeaingitis. (Brit. med. journ., 13. Juni 1914, Nr. 2789.)
wfl Behandlung bestand in häufigen Lumbalpunktionen und Injektion
von Antimeningokokkenserum. In 4 Fällen wurde neben den Meningo-
Mkken n °ch eine Leptothrixart gefunden, die nach ihrem Verhalten bei
wr Kultur beschrieben wird, und die sich von anderen bisher bei der
Meningitis cerebrospinalis epidemica gefundenen Leptothrixarten unter-
Werdemann.
St. flaschen - Wien: Ein Beitrag zur Aetiologie der mnltiplea
'«•MW. (Zschr. f. ezpsr. Path. u. Ther., 1914, Bd. 16, H. 2.) 18 Fälle
L,. n,m J^Pl er Sklerose (nacheinander zugegangen) hatten gleichzeitig eine
liehet weisbare tuberkulöse Spitzenaffektion. Es wird an die Mög-
v„i- Zusammenhanges zwischen multipler Sklerose und tuber-
Infektion gedacht. Wirth.
K Leipzig und Handmann - Doebeln: Ein Beitrag zur
“DtBis der sog. Psendosklerose mit gleichzeitiger Veränderung der
Hornhaut und der Leber. (D. Zsohr. f. Nervhlk., Bd. 50, H. 5 u. 6.)
Im Gegensatz zur echten multiplen Sklerose fehlen: OpticuBatrophie,
Steigerung der Sehnenreflexe, Babinski, Nystagmus, Ataxie. Das Zittern
beruht auf einer Störung der normalen Antagonistentätigkeit (ungleich¬
zeitige Innervation), die Rigidität ist eine Antagonistensteifigkeit. Der
motorische Symptomenkomplex beruht offenbar auf einer Läsion der
motorischen Centralganglien. K. K’roner.
Antoni: Adrenalin nnd Pupille. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 11.)
Adrenalin hat bei Einträufelung ia den Conjunctivalsack im allgemeinen
keine pupillenerweiternde Wirkung. Verf. berichtet über die Ausnahmen
von dieser Regel, die er in drei Gruppen teilt, und teilt eigene Re¬
sultate mit. E. Tobias.
W. L. Braddou und E. A. Co Oper: Der Einfluss des gesamten
Verbrennnngswertes einer Nahrung auf die zur Verhinderung von Beri-
ßeri erforderliche Vitaminmenge. (Brit. med. journ., 20. Juni 1914,
Nr. 2790.) Vorläufige Mitteilung. Bei Verdoppelung der Kohlehydratmenge
der Nahrung wurde der Ausbruch der Polyneuritis um das Zwei- bis
Vierfache beschleunigt. Die Menge der antineuritischen Substanz, die
der Körper braucht, wächst mit der Menge der aufgenommenen Kohle¬
hydrate. Die antineuritische Substanz wird während des Kohlehydrat¬
stoffwechsels in irgend einer Weise verbraucht. Zur Erhaltung der Ge¬
sundheit muss daher die Einnahme der aktiven Substanz im Verhältnis
stehen zu der eingenommenen Kohlehydratmenge, sonst tritt Beri-Beri auf.
Wey demann.
Kinderheilkunde.
Tobler-Breslau: Die Behandlung des ahnten Infektionszustandes
im Kindesalter. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Klinischer Vortrag.
Wolfsohn.
J. v. Friedjung: Kritische Beiträge zur Lehre von der Masern-
erkranknng. (W.m.W., 1914, Nr. 18.) Die allgemein angenommene Lehre
von der fast ausnahmslosen Disposition der Menschen für die Masern¬
erkrankung ist dahin zu ergänzen, dass sich einzelne Individuen dauernd
als masernfest erweisen, andere als temporär immun. Nicht selten dürfte
eine temporäre Immunität vorgetäuscht werden, wenn das Masemvirus
zur Infektion quantitativ nicht ausreichte. Die von Pan um sicher¬
gestellte Inkubation der Masern von 13—14 Tagen wrird nicht allzu
selten überschritten und kann bis zu 21 Tagen betragen. Die Ursache
hierfür ist wohl eine familäro herabgesetzte Empfänglichkeit für das
Maserngift. Wiederholte Masernerkrankungen and Recidive kommen,
wenn überhaupt, ausserordentlich selten vor. Eisuer.
Z. v. Bokay: Ueber eine besondere Form der Alveolardiphtherie
bei Säuglingen. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 3.) Zwei Fälle
von primärer Alveolardiphtherie, die mit starkem hämorrhagisohen
Oedem, das stellenweise cystenähnlichen Umfang annahm, begann.
Orgler.
Th. Gött - München: Psychotherapie in der Kinderheilkunde.
(M.m.W., 1914, Nr. 25.) Nach einem am 27. Mai 1914 in der Münchener
Gesellschaft für Kinderheilkunde gehaltenen Vortrag. Dünner.
H. Vogt-Magdeburg: Zur Behandlung der Langen tuberkulöse im
Kindesalter. (Ther. d. Gegenw., Juni 1914.) Naoh einem Vortrag in
der mediz. Gesellschaft zu Magdeburg. Verf. behandelt ausführlich die
Regelung der Ernährung, die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax
und die Tuberkulinbehandlung. R. Fabian.
M. Strassberg-Wien: Zur Behandlung der Vulvovaginitis gonor¬
rhoica infantum. (W.kl.W., 1914, Nr. 25.) Die Vaccinetherapie ist am
Anfang der Erkrankung, so lange der Prozess oberflächlich sitzt, un¬
zweckmässig. Im späteren Verlaufe kann sie, allein oder in Verbindung
mit geeigneter Lokaltherapie, Heilwirkung erzielen. Die von Bruck
angegebene Gaviblentherapie ist für die lokale Behandlung der Krankheit
sehr geeignet. P. Hirsch.
H. Koch und W. Schiller: Ueber die Reaktionsfähigkeit tuber¬
kulöser Hantstellen auf Tuberkulin. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11,
H. 2.) Zum Referate nicht geeignet.
Th. Franz und A. v. Reuss: Beiträge zur Kenntnis des Harns
der ersten Lebenstage. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 3.) Der
erste von Neugeborenen gelassene Urin enthält ungefähr in der Hälfte
der Fälle einen durch Essigsäure fällbaren Körper. In den späteren
Harnportionen konnte in etwa 77 pCt. der Fälle der durch Essigsäure
fällbare Körper naebgewiesen werden, und in 98,5 pCt. gelang der Nach¬
weis auf eiweissfällende Substanz, am 8. Tage konnte kein Eiweiss mehr
nachgewiesen werden und nur in 37,5 pCt. war noch die eiweissfällende
Substanz nachweisbar. Verf. sehen in dieser Eiweissausscheidung einen
physiologischen Vorgang und machen die intra partum auftretenden
CirculationsstÖrungen dafür verantwortlich. Die Nylander’sche Probe
war negativ, nur bei 2 Zangengeburten fanden sich am ersten Lebens¬
tage im Urin geringe Mengen eines reduzierenden Körpers (Nylander 4-,
Phenylhydrazinprobe —). Indikanreaktion und Nitratreaktion mit Di-
phenyldiamin war im Harn der ersten Lebenstage, namentlich zur Zeit
der Uebergaugsstühle, sehr häufig positiv. Orgler.
F. Lesser und R. Klages - Berlin: Ueber ein eigenartiges Ver¬
halten syphilitischer Neugeborener gegenüber der Wassermann’sehen
Reaktion. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) In. der Hälfte der Fälle reagiert
das Nabelvenenblut luetischer Föten mit Aetber-Organextrakt positiv
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UNIVERSUM OF IOWA
1830
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
mit alkoholischen Extrakten fötaler Organe hingegen negativ. Derartige
Befunde sind stets als positiv anzusehen. Der Unterschied der Re¬
aktionen wird wahrscheinlich durch die verschiedenen alkohol- bzw.
ätherlösliehen Lipoide erklärt. Prinzipiell sollte jedes Serum mit alko¬
holischen und ätherischen Extrakten geprüft werden. Findet man dabei
nur einen positiven Ausfall, so ist dieser maassgebend.
Wolfsohn.
J. A. Schab ad: Der Stoffwechsel bei der angeborenen Knochen¬
brüchigkeit (Osteogenesis imperfecta). (Zschr. f. Kindblk., 1914, Bd. 11,
H. 3.) Nach ausführlicher Besprechung der vorliegenden Literatur wird
ein eigener Fall eines 10jährigen Mädchens beschrieben, an der inner¬
halb von 2Vz Jahren 12 Stoffwechselversuche vorgenommen wurden, die
Kalkretention war niedriger als normal; eine Besserung der Kalkretention
wurde durch Phosphorlebertran und das Hypophysochrom erzielt; doch
traten während der Anwendung des letzteren Präparates eine neue
Fraktur und Durchfälle auf, so dass Verf. von seiner Anwendung abrät.
Schilddrüsenpräparate batten keinen Einfluss, Arsen (Sol. Fowleri) in
einem Versuch einen sehr günstigen, in zwei späteren einen geringen
Einfluss auf die Kalkretention. Phosphorlebertran -f- Calc. acet. zeigten
keine Besserung der Kalkretention gegenüber Phosphorlebertran allein.
_ Orgler.
Chirurgie.
H. Meyer: Ein Fall von Totalloxation der Halswirbelsäale.
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Mitteilung eines einschlägigen Falles und
der in der Literatur beschriebenen Fälle. Besprechung des Mechanismus
der Entstehung. Die Therapie leistet bei ganz vorsichtiger, langsamer
Suspension mit Gegenzug in Scopolamin-Morphium-Aethernarkose Vor¬
zügliches.
W. Meyer: Der Siegeszug der Beckenhochlagerung. (D. Zschr. f.
Chir., Bd. 129.) Mitteilung, dass die Beckenhochlagerung sich in Amerika
schneller einbürgerte als bei uns in Deutschland. An der Hand von
Trendelenburg’s und von eigenen Arbeiten würdigt Verf. die Vor¬
teile der Lagerung. Zu unterlassen ist diese bei schweren Gefäss- und
Herzveränderungen sowie bei Dickleibigen.
E. Grunert*. Zur Beckenhochlagerung. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.)
Uebersicht der in der Literatur niedergelegten Vorteile und Nachteile
der Beckenhochlagerung. Diese soll im allgemeinen nicht langer als
10 Minuten dauern, besonders bei alten und schwachen Personen.
Weiterhin soll sie beim Schluss der Bauchdecken aufgegeben werden,
und fette Personen soll man nie in dieser Lage operieren.
v.Gaza: Ueber ein solitäres Stammnearom des Plexus brachialis
und über die Symptomatologie der Wurzeldurchflechtungs- und End-
lähmungen des Plexus. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Die solitären
Stammneurome sind Bindegewebsgeschwülste, die bisweilen maligne ent¬
arten und zur Kachexie führen können (Sarkom). Die multiplen
Neurofibrome sind kongenitale Entartungen des Eüdo-, Peri- oder Epi-
neuriums. Je nach ihrem Sitz können sie an den betreffenden Nerven
radikuläre oder Wurzellähmuog des Plexus, Durcbflechtungs- oder totale
Lähmungen des Nerven hervorrufen.
Becker: Ueber den osteoplastischen Verschliss retroaurienlärer
Oeffanngen nach Antramoperationen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.)
Die bisher üblichen Methoden leisten nicht Genügendes. Verf. hat des¬
halb nach völligem Aufhören der Eiterung das Narbengewebe rings von
der Höhle abgelöst und dasselbe dann durch einige Nähte verschlossen.
Danach hat er einen Periost-Knochenlappen aus der Umgebung gebildet,
diesen über den Defekt geschlagen und dann die Haut vernäht. Erfolge gut.
A. Barth: Meine Erfahrungen über Kehlkopfkrebs. (D. Zschr. f.
Chir., Bd. 129.) In der Operation, bestehend in Laryngofissur mit Ex¬
stirpation der Geschwulst oder in Entfernung des ganzen Kehlkopfes,
ist das Ideal der Behandlung zu sehen. Pflicht der Aerzte ist es, früh¬
zeitig au Carcinom zu denken, eventuell die Kranken dem Spezial¬
kollegen zu überweisen.
Hackenbruch: Oertliche Sch merz Verhütung bei Bauchoperationen.
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Besprechung der bei den verschiedenen
Bauchoperationen in Betracht kommenden UmspritzuDgsmethoden nebst
Illustrationen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber der Narkose ist in
der Verminderung der Schwere und Anzahl der Lungenaffektionen so¬
wie in der Verminderung der Emboliegefahren zu sehen.
W. Meyer*. Zur Chirurgie des Wnrmforfsatzes. (D. Zschr. f. Chir.,
Bd. 129.) Einen nach oben und hinten geschlagenen, gegen die Unter¬
lage fest adhärenten Appendix erreicht man nach Verf. spielend leicht,
wenn man von der Spina ant. sup. aus parallel dem Darmbeinkamm
einen entsprechend langen Schnitt macht, der scharf alle Gewebe durch-
trennt. Verf. illustriert diese Operationsmethode durch einschlägige
Kran kengeschichten.
A. Läwen: Ueber Appendieitis flbroplastiea. (D. Zschr. f. Chir.,
Bd. 129.) Chronische Reize und Infektionen (Kotsteine, nicht*aseptische
Ligaturen) können am Magendarmkanal zur Ausbildung entzündlicher
Tumoren führen, die differentialdiagnostisch von Tuberkulose oder Car¬
cinom kaum unterschieden werden können. Verf. beobachtete einen
hierhergebörigen Fall, der als appendicitischer Tumor sich erwies, und
der mit Resektion des untersten Ileums und Coecums behandelt wurde.
E. A. Lüken: Ueber 47 an der Leipziger Klinik von 1895 bis 1911
beobachtete und 'behandelte Fälle von snheutaner Nierenrnptar.
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Ueber die Behandlung der Nierenrupturen
herrscht noch keine Einigkeit. Trendelenburg hat diese, wenn sie
ohne Verletzung abdomineller Organe einhergingen, so konservativ wie
möglich behandelt und ist nur dann zum operativen Verfahren über-
gegaDgen, wenn Blutungen allerschwerster Art mit stärker und bedrohlich
werdender Anämie eintraten. Unter 85 so behandelten Fällen ist kein
Exitus zu verzeichnen.
Dünkelob: Zur Heilung der angeborenen Harnblasen- tid Han-
rtfhrenspalte. (D. Zschr. f. Cbir., Bd. 129.) Verf. beschreibt die nach
Trendelenburg operierten Fälle. Es werden dabei die Synchondrosen
der Kreuzdarmbeinfugen durchtrennt, wodurch eine Mobilisation der
Beckenbälften und dadurch eine Annäherung der Schambeine erzielt
wird, ln einer zweiten Sitzung wurde eine Anfrischung und Naht der
Spaltränder, in einer dritten der eventuelle Schluss von Fisteln vor-
geoommen. Die Resultate waren gut. J. Becker.
H. Lorenz: Zur operativen Behandlung der Lebercirrhose.
(W.m.W., 1914, Nr. 19.) Das Prinzip ist, bei Lebercirrhosen einen
Collateralkreislauf zwischen Pfortader- und Körpervenensystem zu schaffen.
Talma schlug hierzu die Omentopexie vor. Lanz hat eiD Verfahren
angegeben, den Hoden mit Samenstrang in die Bauchhöhle zu verlagern,
da der Plexus pampiniformis viel bessere „venöse Möglichkeiten“ hat.
Verf. berichtet über zwei mit gutem Erfolg so operierte Fälle und
empfiehlt die Methode zur weiteren Nachprüfung. Eisner.
J. Vigyäzö - Budapest: Ein Falt von Sehass Verletzung der Cfalleu-
blase, einhergebend mit Bradycardie. (D.rn.W., 1914, Nr. 26.) Das
Projektil drang durch die Bauchwand und den Leberrand in die Gallen¬
blase und durchschoss letztere. Heilung durch Laparotomie. Auf¬
fallende Bradycardie (Druckpuls) vor der Operation, wahrscheinlich
toxische Wirkung der Gallensäuren. Wolfsobn.
Drees mann: Die chirurgische Therapie der akutoi Pankreatitis.
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Man soll Obacht geben, ob ein Gallenstein¬
leiden vorliegt; ist dies der Fall, so soll man sofort operieren. Es sind
die Gal len wege genau zu revidieren. Das Pankreas ist ausgiebig frei¬
zulegen durch gehörige Durchtrennung des Lig. gastro-colicum. Die
Bursa drainiert man am besten mit zwei dicken Glasdrains, die mindestens
14 Tage liegen bleiben sollen. Die Entfernung der Drainage richtet
sich nach dem Befinden des -Kranken.
Heineke: Die chronische Thyreoiditis. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.)
Das von Riedel zuerst beschriebene Krankheitsbild der „eisenharten
Strumitis“ konnte Verf. in zwei Fällen beobachten. In beiden Fällen
handelte es sich um beiderseitige brettharte Anschwellungen der
Thyreoidea, die zu Atmungsbeschwerden usw. führten. Veif. führte zu¬
nächst zur Sicherung der Diagnose je eine Probeeizision aus, um
Carcinom auszuschliessen. Als unter medikamentöser Therapie (Salvaraan,
Jod) die Erscheinungen nicht zurückgingen, schritt er zur Operation.
Vielleicht ist in Zukunft noch etwas von der Röntgenbehandlung zu er¬
warten. J. Becker.
R. Vogel-Wien: Beiträge zur Pathogenese des Ileus. (W.kl.W.,
1914, Nr. 25.) Kasuistik einiger seltener Fälle von Darmversohluss,
welche in den letzten Jahren an der II. chirurgischen Abteilung der
k. k. Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien zur Beobachtung kamen.
P. Hirsch.
G. Mertens: Pyloroplicatio et Pylorotorsio. (D. Zschr. f. Chir.,
Bd. 129.) Die durch Illustrationen deutlich gemachten obigen beiden
Methoden müssen im Original nacbgelesen werden. Verf. redet dem
Pylorusverschluss neben der Gastroenterostomie bei Magen- und Duo-
denalulcus das Wort. Zu einer Prüfung der Funktion der Gastroentero¬
stomie gehört die Röntgendurchleuchtung. In dem Gros seiner Fälle
war der Pylorusverschluss ein vollständiger, so dass die Methode nur
zu empfehlen ist. J. Becker.
Urologie.
C. E. Iredell und R. Thompson-London: Drei durch Diathenns
behandelte Fälle bösartiger Geschwülste des Blasengrundes. (Lancet,
20. Juni 1914, Nr. 4738.) Die Geschwülste wurden suprasymphysär so
gut wie möglich entfernt und der Rest durch Diathermie folgendermaassen
behandelt: Eine kleine indifferente Elektrode wurde auf dem Gesäss be¬
wegt (eine grosse, stillstehende hatte in einem Falle oberflächliche Ver¬
brennungen gemacht). Die andere Elektrode mit kugelförmigem Metall¬
knopf wurde durch die Blasen wunde eingeführt und so lange auf dem
Ges’chwürsgrunde gelassen, als die Hitze für einen miteingeführten Finger
erträglich blieb. So wurde der ganze Geschwulstgrund behandelt, was
bei jedem Male etwa 5 Minuten dauerte. Die Operation wurde alle
3 Tage wiederholt, im Ganzen etwa einen Monat. Nie Nachteile des
Verfahrens sind: die schwere Schützbarkeit der Temperatur in der Blase
und die Unmöglichkeit, zu bestimmen, ob Geschwulstgrund oder normale
Blasenwand behandelt wird. Der Verf. will versuchen, diesen Uebel-
ständen abzuhelfen. Weydemann.
H. G. Klotz-New-York: Herpes nrethrae als Ursache nichtgssor-
rhoischer Urethritis ohne Bakterienbefund. (Derm. Wschr., 1914,
Bd. 58, Nr. 23.) Zur Behandlung derartiger, nicht so sehr seltener Fälle
eignen sich nichtätzende Mittel, besonders Airol- und Dermatolaufschwem*
mungen. Immerwahr,
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UNIVERSUM OF IOWA
13. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1331
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Haut- und Geschlechtskrankheiten.
H. 7. Hertlein-Hamburg: Ein Fall von Akrodermatitis chronica
atrophicans Herxheimer. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Wolfsohn.
W. Auermann-Chorostköw (Galizien): Zwei Fälle von Hyponenro-
deraft (Creeping disease). (Derm. Wsohr., 1914, Bd. 58, Nr. 24.) Es
muss auffallen, dass bei der Häufigkeit der die Krankheit verursachenden
Parasiten die in Rede stehende Hautaffektion doch so sehr selten beob¬
achtet wird.
J. D. Kayser-Haag: Ueber Aetiologie, Prophylaxe und Therapie
der Lepra (Denn. Wschr., 1914, Bd. 58, Nr. 22 und 23.) Die An¬
steckung der Lepra geht aus von einem Leprakranken, aber die Gefahr
ist genug, nicht grösser als bei Tuberkulose, besonders da, wo Reinlich¬
keit und gute hygienische Verhältnisse bestehen. Die Prophylaxe be¬
steht in Errichtung von Lepraheimen und Internierung der Leprösen in
diesen. Das Nastin ist kein spezifisches Mittel gegen die Lepra.
W. Schönfeld-Würzburg: Neuere Methoden der Lnpusbehandlnng.
(Derm. Wschr., 1914, Bd. 58, Nr. 2J.) Sowohl den Kupferpräparaten,
als dem Goldcyan und Salvarsan kommt eine gewisse Einwirkung auf
tuberkulöse Prozesse zu. Die örtliche Wirkung der Kupferpräparate ist
eine Aetzwirkung, ähnlich der der Pyrogallussäure. Beim Goldcyan und
Salvarsan scheint die Wirkung in der Hauptsache darin zu bestehen,
dass beide Präparate das tuberkulöse Gewebe für das Tuberkulin besser
angreifbar machen. Jedenfalls sind die Ergebnisse der Behandlung mit
diesen Methoden keine besseren, als sie mit den bisherigen Methoden
erzielt wurden. Immerwahr.
Dreuw: Die Behandlung der Syphilis mit Hg -f As -f Ca.
(W.m.W., 1914, Nr. 19.) Verf. ist Gegner des Salvarsans bei Syphilis
und postsyphilitischen Erkrankungen. Er hält es sogar unter Umständen
für schädlich. Chronische Infektionskrankheiten bedürfen auch chronischer
Behandlung. Er mahnt zur Rückkehr von der akuten Zufuhr grosser
Dosen von As und Hg. * Verf. beschreibt eine kombinierte Behandlungs¬
methode mit As und Hg und Ca bei primärer und sekundärer Lues. Die
Erfolge waren recht zufriedenstellende. Die Methode ist bequem und un¬
gefährlich und für die ambulante Behandlung in der Sprechstunde daher
sehr zu empfehlen. Eisner.
A. Schmitt-Würzburg: Die Salvarsantodesfölle und ihre Ursachen
mit Berücksichtigung der Salvarsanschäden. (M.m.W., 1914, Nr. 24 u. 25.)
Auseinandersetzung mit der Ment berge r’schen Statistik. Sch. weist M.
zahlreiche Unrichtigkeiten und falsche Deutung des Krankheitsbildes nach.
Dünner.
M. Luvan-Toulouse: Ueber die Meningitis syphilitica nach Auf¬
treten des Schankers and vor Auftreten der Roseola. (Ann. de derm.
et de syph., Mai 1914.) Iu 2 / a der Fälle zeigt sich diese Meningitis;
manchmal durch leichte Eingenommenheit des Kopfes, meist aber ist
dieselbe nur durch die Untersuchung des Lumbalpunktates festzustellen.
Salvarsaninjektionen bewirken zuweilen auch eine Verschlimmerung der
Meningitis, d. h. eine Herxheimer’sche Reaktion, um die Meningitis nachher
vollständig zu beseitigen. Immer wahr.
W. Wechselmann und E. Dinkelacker-Berlin: Beziehungen der
aUgcHeinen nervösen Symptome im Frühstadinm der Syphilis zu den
Befunden des Lumbalpnnktats. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) Die Unter¬
suchungen dienen zur Bekräftigung der Wechselmann’schen Ansicht,
dass die Neurorecidive luetischer Natur sind und nicht durch das Sal-
varsan bzw. Neosalvarsan hervorgerufen werden. Die Verff. haben nun
zahlreiche Luetiker im Frühstadium lumbalpunktiert und fanden sowohl
hei solchen, die nervöse Symptome darboten, als auch bei solchen ohne
nervöse Beschwerden znm grössten Teil Veränderungen, die für Lues
charakteristisch sind (Nonne, Lange’sche Goldreaktion und Zellen).
Zwischen diesen Symptomen bis zum echten Neurorecidiv ist nur ein
gradueller Unterschied. Dünner.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
A. Foges: Die Anwendung der Hypophysensnbstanzen in der Ge-
■vukilfe. (W.m.W., 1914, Nr. 19.) Die Hypophysenpräparate sind
»ei richtiger Beobachtung aller Bedingungen, besonders in der Aus-
treibungsperiode ein unentbehrliches Mittel bei sekundärer Wehen-
Mbwäcbe geworden und bedeuten in der Nachgeburtsperiode und beim
Kaiser schnitt, kombiniert mit den verschiedenen Mutterkornpräparaten,
cm ausgezeichnetes Mittel zur Bekämpfung der atonischen Blutungen.
« besonders starken Blutungen führt das Pituitrin zu einer läDger-
wuernden Erhöhung des Blutdrucks. Eisner.
N. Rachmanow - Moskau: 30 Fälle von klassischer Sectio
Ek ?kJ ZbL 1 G 7 n ” 1914 > Nr. 25.) Auf 25 000 Geburten in den
• f en 1907—1912 kamen 30 Fälle von Sectio caesarea. Die Resultate
fall ^mtisch belegt. Sie sind günstig, da auf 30 Fälle nur 2 Todes-
unbLf ai iJ! n von Sepsis. Diese Fälle waren aber vorher mehrfach
* or(ieii > au °h war zum Teil das Fruchtwasser schon ab-
6en. Verfasser kommt zu dem Schluss, dass die klassische Sectio
fikatift« 4 T ^ urcb ^ re Einfachhheit ideale Operation ist, die alle Modi¬
werden 011 n-* er Iässt » dass sie nur in reinen Fällen ausgeführt
inner« t?°* ln ,? enen das Fruchtwasser noch nicht abgegangen ist. Eine
SoerialarJ* U ? buD ® ao ^ nur e i nma l ausgeführt werden, und nur dem
»tun 7.^1 ÖJ^ttet sein. Verf. schliesst stets die Resektion der Tuben
™ Vdck Sterilisierung an. S i e far t.
Wa n n er - Düsseldorf: Akute Appendieitis und Gravidität. (M.m.W.,
1914, Nr. 25.) Dünner.
K. Czerwenka: Kombination von Mamma- and Uternscareinom.
(W.m.W., 1914, Nr. 18.) Ein Beitrag zur Klinik des multiplen, primären
Carcinoms. Eisner.
S. Saltykow-St. Gallen: Vollständige Entfernung eines Uterns-
eareinoms mit der blossen Hand (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Intra
partum löste sich von der Portio ein Tumor los, der mikroskopisch ein
Plattenepithelcarcinom darstellt. Die Patientin ist seitdem, seit zwei
Jabren, gesund geblieben, ohne dass operiert wurde. Probeexzisionen
waren zweimal ohne Verdacht. Wolfsohn.
Augenheilkunde.
Denig-New York: Pfropfung von Lippen-, Mundschleimhaut und
Epidermislappen bei Erkrankungen der Hornhaut und Verätzungen
des Auges. (Bericht über 71 Propfungen). (Zschr. f. Aughlk., Juni 1914.)
Verf. pfropft Schleimhaut- und Epidermislappen ringförmig an den
Hornhautrand bei den verschiedensten Erkrankungen der Hornhaut auf
und erzielt damit bemerkenswerte Resultate. So gelang es ihm, bei
dichtestem Pannus tracbomatosus Aufhellung zu erzielen, ebenso Ver¬
besserungen der Sehschärfe bei Verätzungen des Auges durch Kalk,
Ammoniak und den Inhalt von Golfbällen. Auch die Erfolge bei Herpes
corneae, schlecht heilenden Geschwüren, bei alter abgelaufener parenchy¬
matöser Entzündung sind derart ermutigende, dass eine öftere Anwen¬
dung des Verfahrens jedenfalls in Erwägung zu ziehen ist.
G. Erlanger.
L. Müller: Ueber die Behandlung des Ulcns corneae serpens.
(W.m.W., 1914, Nr. 19.) Verf. empfiehlt das Peruöl zur Behandlung
des Ulcus corneae serpens. Er hat seit 4 Jahren dies Mittel mit gutem
Erfolg angewendet. 16 Fälle von 18 sind ohne Synechien ausgeheilt.
Es blieb genügend Hornhaut frei, um eine optische Iridektomie anzu¬
legen, so dass das Gesamtresultat ein gutes war. Auch bei traumatischen
septischen Geschwüren und bei Keratitis dendritica sowie bei ekzema¬
tösen Hornhautgeschwüren wurde Peruöl mit gutem Resultat verwendet.
Eine sorgfältige Gooainisierung (eventuell mit Atropin) muss dem
Touchieren mit dem Peruöl vorausgehen. Einige Tierversuche stimmen
mit den klinischen Resultaten überein. Eisner.
Gebb - Greifswald: Experimentelle Untersuchungen über die Be¬
ziehungen zwischen EinschlnssblenorrhÖe and Trachom. (Zschr. f.
Aughlk., Juni 1914.) Conjunctivalepithel mit Einschlusskörperchen der
Neugeborenenblenorrhöe auf die Conjunctiva von Erwachsenen über¬
tragen, erzeugt eine infektiöse Erkrankung am Auge. Klinisch ist diese
Erkrankung identisch mit der Einschlussblennorrhoe. Trachom oder
trachomähnliche Erkrankungen, auch nicht mehrere Jahre nach der In¬
fektion lässt sich aus dieser Uebertragung nicht auslösen. Eine ätiologische
Identität zwischen Einschlussblenorrhöe und Trachom besteht daher
sicher nicht. Das Virus wird nicht beeinflusst durch Zimmertemperatur
und niedrige Temperatur, dagegen höhere Temperatur (eine halbe Stunde
bei 56° erhitzt). Das Virus geht durch feinste Berkefeldfilter.
G. Erlanger.
Kümmel: Ueber eine atrophierende Conjunctivitis mit Symble-
pharonbildnng. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) Verf. beob¬
achtete in einem Jahre 7 Fälle.
S. Sugamuna und M. Hojo: Histologische Untersuchungen über
Keratitis punctata snperficialis leprosa, nebst Bemerkungen über Horn¬
hautentzündung. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) Der veröffent¬
lichte Fall ist eine durch die Leprabacilien bedingte spezifische ober¬
flächliche und punktförmige Hornhautentzündung — Keratitis punctata
superficialis leprosa. Der Fall ist eine durch die spezifische Infektion
bedingte chronische Entzündung in dem avasculären Gewebe. Der
wesentlichste Vorgang ist die aktive Beteiligung der fixen Hornhaut¬
zellen an den Entzündungsprozessen, während der Gefässapparat dabei
eine ganz untergeordnete oder fast gar keine Rolle spielt. Die Beob¬
achtung lehrt nur, dass entgegen der herrschenden Lehre vom Wesen
der Entzündung eine Entzünduog ohne Alteration und ohne die von ihr
abhängige Leukocytenauswanderung entstehen kann.
A. V. Poppen: Hornhautanaphylaxie. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77,
H. 2 u. 3.) Die Hornhaut vermag ebenso wie die anderen Gewebe des
Organismus Eiweiss parenteral zu verarbeiten und besitzt darum eben¬
falls fermentative Eigenschaften. Die erste Injektion in die Hornhaut
mit einem artfremden Serum verleiht ihr ebenso wie auch dem gesamten
Organismus eine Ueberempfindlichkeit Die Auslösung des lokalen ana¬
phylaktischen Prozesses auf der Hornhaut besteht in einer ödematösen
parenchymatösen Keratitis, die nicht länger als 2—8 Wochen dauert
Am stärksten sind die Symptome des anaphylaktischen Shocks aus¬
gesprochen, wenn die Reinjektion intravenös nach intracornealer Vor*
behandlung in einem Zwischenraum von 5 Wochen gemacht wird Wenn
das Tier intravenös vorbehandelt war, so reagiert es nach einer intra¬
venösen Reinjektion mit einem Horthautprozess, da an dieser Stelle die
meisten Antikörper konzentriert sind. Von den untersuchten Sons er
wiesen sich als besonders toxisch Aalserum, und am wenigsten cnf«»
Schweine-, Tauben- und Hammelserum. wenigsten gütig
Ko eil n er: Epitheliale Neubildung aut Limbas nach
Recidiven durch Mesothorium beseitigt“ (Arch. f. Aughlk., Bd.77jip2
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Gck igle
Original frnm
UNIVERSUM OF IOWA
1832
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
u. 3.) In dem veröffentlichten Falle irar während der Bestrahlung selbst
kein nennenswerter Heilerfolg sichtbar, sondern die überraschende
Wirkung zeigte sich erst nach der Entlassung der Patientin. Der Er¬
folg war um so wertvoller, weil die chirurgische Behandlung trotz aller
Gründlichkeit bereits sechsmal erfolglos geblieben war, so dass sie jetzt
bei der ausgedehnten zirkulären Ausbreitung der Neubildung kaum mehr
eine Dauerheilung mit Erhaltung der Funktionen gewährleistet hätte.
Das restlose Verschwinden bzw. Ausbleiben der Geschwulst nach
8 Monaten lässt hoffen, dass jetzt ein Recidiv endgültig ausbleiben wird,
da bereits schon nach der ersten operativen Enfemung nach 6 Wochen
sich die Geschwulst wieder eingestellt hatte. F. Mendel.
Kölln er-Würzburg: Ein lehrreicher Fall konsequenter Simulation
angeborener Farbenschwäebe. (Zschr. f. Aughlk., Juni 1914.) Aus¬
führliche Darlegung der Entlarvung eines Simulanten, der besonders
grün mit grau anspracb, eine Vorstellung, die er sich wohl auf Grund
eines Studiums in einem leicht zugänglichen Buch verschafft hatte. Die
Simulation war am deutlichsten festzustellen mit Hering’s Apparat,
Nagel-Köllner’scher Lampe, Anomaloskop, Adler’scber Schriftprobe
und Florkontrastprobe.
Terlinck - Brüssel: Ueber Iridoreeidive. (Zschr. f. Aughlk.,
Juni 1914.) Beschreibung eines Falles, der nacheinander eine Neuritis
optica, Iritis, Haemorrhagia intraocularis und eine Papillitis auf demselben
Auge bekam. Die Iritis war nach intravenöser Einspritzung von 60 ccm
Salvarsan (3 Tage später) aufgetreten, ebenso die intraoculare Blutung.
Ein anderer Fall bekam eiDe Iritis nach der dritten Einspritzung von
Enesol. Der Vergleich mit den Neurorecidiven liegt nahe. Doch ist die
Inkubationsfrist der Iridoreeidive eine wesentlich kürzere. Die Ursache
der Iridoreoidive liegt ebenso wie die der Neurorecidive im Verhalten
der bespülenden Flüssigkeit, des Kammerwassers bzw. des Liquors. Ira
Normalzustände besteht eine Schranke, welche das Eindringen von de¬
fensiven Substanzen verhindert, ein Hindernis, das im Falle therapeu¬
tischen Eingreifens oder von Entzündung fällt. G. Erlanger.
L. Müller-Wien: Dirch Operation geheilte Fälle von Netxbavt-
abfcebnng. (D.m.W., 1914, Nr. 26.) Vortrag, gehalten in der ophthalmo-
logischen Gesellohaft in Berlin am 17. Juli 1913. Wolfsohn.
El sehnig: Die operative Behandlung der Netzhantablösang.
(Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) In allen Fällen, in denen inner¬
halb von ungefähr 6 Wochen die friedliche Behandlung der Netzhaut¬
ablösung nicht zum Ziele führt, hat die operative Platz zu greifen. Eine
Ausnahme bilden nur die Fälle, in denen schon kurze Zeit nach dem
Eintritt der Netzhautablösung ausgesprochene iritische Erscheinungen
bestehen, nicht aber solche, in welchen nach abgelaufener Iritis die
Netzbautablösung eingetreten ist. Als operative Maassnahmen kommen
in Betracht in erster Linie die Panktion der Ablösung mit Glaskörper¬
injektion und die Müller’sche Skleralresektion. Nach operativen Ein¬
griffen eintretende Iritiden und Linsentrübungen sind in der Regel
nicht dor Operation, sondern dem Grundleiden zur Last zu legen.
Baumgärtner: Ueber die regressiven Veränderungen der Arteria
eentrtl.fi retinae bei Arteriosklerose. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2
u. 3.) Veröffentlichung von 17 Fällen.
W. Gilbert: Ueber Sklerosen, Thrombosen und Aneurysmen der
Centralgefässe (mit besonderer Berücksichtigung der Gefässwand-
entartuog). (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) Bericht mikroskopi¬
scher Befunde. F. Mendel.
Seligmann: Die Angst vor dem Blick. (Zschr. f. Aughlk.,
Juni 1914.) Eine interessante Arbeit, die die Wichtigkeit der Volks¬
vorstellungen von dem Einfluss des bösen Blicks hervorbebt. Eine An¬
zahl von Amuletten gegen den bösen Blick wird beschrieben.
G. Erlanger.
Ch. Oguchi - Tokio: Zur Kenntnis des Farbensinnes und seiner
Störungen. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 2 u. 3.) Zum Referat nicht
geeignet. E. Mendel.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medizinische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 1. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Landau.
Schriftführer: Herr F. Krause.
Vorsitzender Hr. Landau: M. H.l Ich eröffne die Sitzung und
bitte den Schriftführer, das Protokoll zu verlesen.
In der Sitzung der Aufnahmekommisoion am 14. und 20. Juni
wurden aufgenommen die Herren: Dr. L. Ascher, Stabsarzt Dr. Her¬
mann Gotting, Dr. Alfred Gorski, Dr. Carl Herschel, Geh.
Med.-Rat Prof. Dr. 0. Hertwig, Dr. Jungmann, Dr. Hermann
Keller, Oberstabsarzt a. D. Dr. Lattorf, Dr. Georg Oelsner,
Dr. Spangenthal, Dr. St. Tuszewski, Dr. Ferdinand Weidert,
Dr. Haus Woita.
Tagesordnung.
1. Hr. Felix Himhfeld:
lieber den Nutz« and die Nachteile der Unterenlkraig (Karelktr)
bei Herikranken.
(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift.)
Diskussion.
Hr. Mosler: Es ist ja Herrn Hirschfeld’s grosses Verdienst, die
Karel’sche Milchkur in die Medizin wieder eingeführt zu haben. Herr
Geheirarat Goldscheider und ich haben dieses Thema im Jahre 1910
weiter bearbeitet und sind zu ungefähr denselben Erfolgen gekommen,
die Herr Hirscbfeld beschrieben hat. Besonderes Gewicht legen wir
darauf, dass die Karelkur nicht schematisch angewandt wird, sondern
individuell modifiziert wird. Im Gegensatz zu Herrn Hirschfeld ziehe
ich bei schwerer Herzinsuffizienz eine strenge Karelkur seiner milderen
vor. Allerdings geben wir jetzt gern auch bei der strengen Kur täg¬
lich zwei weichgekochte Eier dazu, damit eine Schädigung des Herz¬
muskels durch Eiweissmangel nicht auftreten kann. Trotz dieser Eier¬
zulage sehen wir dieselben guten Erfolge wie früher.
Die subjektive Besserung mancher Arteriosklerotiker durch die
Karelkur, von der Herr Hirschfeld sprach, führe ioh auf eine Herab¬
setzung des übermässig hohen Blutdrucks zurück, die bei solchen arterio¬
sklerotischen Hypertonikern bei dieser Kur eintritt, wie ich seinerzeit
schon beschrieben batte. Im Gegensatz zu diesen Patienten bemerken
wir aber regelmässig ein Ansteigen des Blutdrucks bei denjenigen, wo
die Karelkur wegen Herzinsuffizienz verordnet wird.
Vorsitzender: Wünscht sonst jemand das Wort? — Es ist nicht
der Fall. Dann bitte ich Herrn Hirsohfeld um das Schlusswort.
Hr. Felix Hirschfeld: Ich stimme mit dem Herrn Vorredner
übereiD, dass für die schweren Fälle von Kompensationsstorungen die
Karel’sche Milchkur geeignet ist und halte Zulagen von Eiern oder Zwie¬
back, wie sie auch von Kutner vorgesohlagen wurden, für eine geeignete
Milderung.
Was die Anwendung der Karelkur bei den leichteren Krankheits¬
formen, bei Piethorikern angeht, so möchte ioh hierbei der Anwendung
der von mir vorgeschlagenen milderen Entziehungskur doch den Vorzug
geben, weil der Kranke an einigen Tagen der Woche Fleisch, Eier,
Gemüse, Bouillon und Kaffee erhält, nur etwa 2 kg verliert und auch
der Blutdruck, bei der grossen Mehrzahl wenigstens, zu sinken pflegt
Zuerst, in der ersten Woche, ändert sich der Blutdruck meist zwar
nicht; oft fällt sogar eine geringere Erhöhung auf. Nach mehreren,
etwa 4—6 Wochen jedoch kann man in den meisten Fällen ein Sinken
des Blutdrucks bei diesen Personen beobachten. Wofern also nicht ein
bestimmtes Organ leiden die Milchkur notwendig erscheinen lässt, wäre
ich unter diesen Verhältnissen für eine mildere Entziehungskur, da
alsdann, namentlich bei nicht ganz intaktem Gefasssystem, sicherer die
Gefahren der brüsken Form der Unterernährung vermieden werden.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
C. Yorhe-Liverpool*. Eme Methode zur Anästbesiervig des Kehl¬
kopfs. (Brit. med. journ., 13. Juni 1914, Nr. 2789.) Die bisher ange¬
gebenen Methoden, die Kehlkopfnerven zu anästhesieren, sind un¬
befriedigend. Alle suchen den N. laryngeus internus da zu erreichen,
wo er auf der Membr. thyreo-byoidea liegt, gerade ehe er diese durch¬
bohrt. Der Verf. richtet den Lauf der Nadel entlang dem Nerven von
seinem Durchtritt durch die Membr. thyreo-hyoidea bis zu einem Punkte,
der etwa l l U cm unter dein oberen Rande des Schildknorpels liegt. So
kommen etwa 2»/ 2 cm des Nerven oder mehr an leicht zugänglicher
Stelle unter Cocainwirkung. Um die Nadel in die Ebene des Nerven zu
bringen wird sie so eingeführt, dass sie das grosse Zungenbeinhorn
streift, V/, cm hinter dem kleinen Horn. Die Spitze wird nun leicht
gesenkt so dass sie an den unteren Rand des grossen Hornes streift.
Von hier aus wird sie dem Nerven entlang nach vorn und unten bewegt.
Weydemann.
2. Hr. Ravten borg:
Ueber die Röatgeiphotographie der Leber ud Milx. (Mit Demon¬
strationen.)
(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift.)
Vorsitzender: Wünscht jemand das Wort zu diesem Vortrage?—
Das ist nicht der Fall. — Herr Heinsius lässt sich entschuldigen, er
ist plötzlich erkrankt. Da also heute nichts weiter vorliegt, schliesse
ich die Sitzung.
Laryngologische Gesellschaft m Berlin.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 15. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Killian.
Schriftführer: Herr Gutzmann.
Als Gast anwesend: Herr Dr. Barraud aus Lausanne.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gedenkt der Vorsitzende o
einigen Monaten verstorbenen langjährigen Mitglieds Heinrich «ra
und teilt mit, dass er am Grabe gesprochen und im Namen aer
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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18, Jnli 1914.
sobaft einen Kranz niedergelegt habe. Er fahrt dann fort: Sie wissen
alle, was Orabower unserer Gesellschaft in den 25 Jahren ihres Be¬
stehens bedeutet hat, nicht allein als Mitglied der Aufnahmekoramission
und als Schriftführer, sondern dadurch, dass er regelmässiger Besucher
unserer Sitzungen war, sich sehr eifrig an den Diskussionen beteiligte und
uns eine ganze Reihe sehr wertvoller wissenschaftlicher Vorträge hielt.
Wir haben ihn als Vertreter echter, ernster Wissenschaft sehr hoch ge¬
schätzt, sein Tod hat eine grose Lücke in unsere Reihen gerissen. Wir
werden ihm ein warmes Andenken bewahren. Ich bitte Sie, sich zum
Zeichen dessen von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)
Die Witwe des Verstorbenen hat der Laryngologischen Gesellschaft
einige Schenkungen gemacht. Sie hat die Schnittserien geschenkt, die
sioh auf Grabower’s wissenschaftliche Arbeiten und speziell auf den
Nuoleus ambiguus beziehen. Die Serien sind in der laryngologischen
Klinik aufgehoben. Wenn jemand Interesse dafür hat und sie gelegent¬
lich durchsehen will, so ist das selbstverständlich jederzeit möglich.
Ausserdem hat uns Frau Grabower in den letzten Tagen einen
grossen Teil der medizinischen Bücher ihres Gemahls angeboten. Ich
bitte unsern Schriftführer, ihr namens der Gesellschaft noch besonders
dafür zu danken.
Der 24. Band der Verhandlungen der Gesellschaft ist erschienen.
Eingegangen ist die Einladung des Vereins deutscher Laryngo-
logen zu ihrer Tagung in Kiel.
Die Vorbereitungen für den internationalen Kongress in Hamburg
sind im Gange. Der Vorsitzende gibt der Hoffnung Ausdruck, dass
sich die Mitglieder der Gesellschaft durch recht gediegene Vorträge an den
Arbeiten des Kongresses beteiligen werden.
Der Schriftführer teilt mit, dass er — entsprechend dem ihm in der
Festsitzung gewordenen Aufträge — an Frau Grabower und Frau
Rosenberg geschrieben habe, und dass darauf von ihnen, ebenso von
den Töchtern FränkePs Dankschreiben eingegangen seien.
Ferner sind Dankschreiben eiDgegangen von allen in der letzten
Sitzung ernannten korrespondierenden und Ehrenmitgliedern.
Die österreichische Gesellschaft für experimentelle Pho¬
netik hat die Tatsache ihrer Begründung mitgeteilt und die Berliner
laryngologische Gesellschaft eingeladen, von Zeit zu Zeit an ihren Sitzungen
teilzu nehmen.
Ans Anlass des Jubiläums der Gesellschaft sind noch nachträglich
folgende Geschenke der Bibliothek überwiesen worden: von Prof. Ino
Kuba seine Rhinologie in drei Bänden in japanischer Sprache; von
Herrn von Navratil sein Buch: „Entstehung und Entwicklung der
Laryogologie“; von Herrn P. Heymann eine nahezu vollständige Samm¬
lung aller Türck'Czermak’schen Separatabdrücke; endlich von Frau
Grabower die Büchersammlung ihres Mannes.
Der Vorsitzende dankt den Stiftern, insbesondere Herrn Hey mann,
io Namen der Gesellschaft herzlich für die Zuwendungen.
Als viertes Mitglied der Aufnahmekommission wird auf Vor¬
schlag des Vorstandes Herr Barth durch Zuruf gewählt und nimmt die
Wahl an.
Vor der Tagesordnung.
1. Hr. flatnain:
Kiffer Bericht über den ersten internationalen Kongress für experi¬
mentelle Phonetik an Hamburg.
_M. H.! Der erste internationale Kongress für experimentelle Phonetik
ist über Erwarten glänzend gelungen. Es waren ungefähr 300 Besucher
anwesend — für eine so neue Wissenschaft eine sehr starke Zahl. Eine
Reihe von Staaten, die meisten europäischen, haben sich vertreten lassen;
die einzelnen Regierungen der deutschen Bundesstaaten, Universitäten
und Vereine hatten Delegierte entsandt. Der Vorstand hatte mich als
Vertreter unseres Vereins delegiert, da keine Zeit mehr war, die Wahl
j® Plenum vorzunehmen; ich bin auch gleichzeitig als Vertreter des
Vereins deutscher Laryngologen dort gewesen.
Der Kongress fand statt unter dem Vorsitz von Meinhof, Grade-
nigo und mir. Bei den Gegenständen, die dort verhandelt wurden, war
c« naturgemäss, dass eine grosse Anzahl von Laryngo-Rhinologen und
Otologen dort vertreten waren. Von uns waren anwesend: Musehold,
Katzenstein, Flatau u.a. Ferner erschienen Sokolowsky,Winokler-
hremen, Zarniko, Wilberg, Barth-Leipzig, Stern, Jens, Grade-
ßl 8°> Zwaardemaker aus Utrecht und viele andere. Von hervor¬
ragenden Phonetikern erwähne ich besonders Vietor-Marburg, unseren
ältesten Eiperimentalphonetiker. Ferner nenne ich E. A. Mey er-Stock-
üolm, Ejckmann-Amsterdam u. a.
Das Wesen dieses neuen Gebiets brachte es mit sieb, dass auch
aus allen Nachbargebieten, die zu der experimentellen Phonetik in mehr
^ weniger enger Beziehung stehen, Vertreter erschienen waren, so
auffallend viele Psychologen: Stumpf - Berlin, Jaentsch-
Marburg, Marbe - Würzburg, 0. Pfungst-Berlin, Alfred Guttmann-
wim und eine grosse Reihe von anderen Gelehrten.
, sehen, dass das neue Gebiet der experimentellen Phonetik, das
s selbständige Wissenschaft zuerst auf dem internationalen Laryngo-
inologenkongress in Berlin 1911 auftrat — ich verweise darauf, dass
aaenigo dies mehrfach betont hat — eine grosse Reihe von anderen
issenschaften berührt und weite Beziehungen hat: die Linguistik, die
iJ!!! 1161 !® ^ e( ^ z ' D * die Physiologie, die Tanbstummenbildung, die Oto-
vttgörhinologie und vieles andere mehr.
66 ° ngTesa .^ at * n ® Tagen so intensiv gearbeitet, dass wir etwa
ich unt * Demonstrationen erledigt haben. Erwähnen möchte
Wh» dass besonders der Besuch des Hamburger phonetischen Labo¬
ratoriums einen tiefen Eindruck binterlassen hat, das von der Stadt
Hamburg mit einem Kostenaufwande von 165 000 M. eingerichtet worden
ist und einen bedeutenden jährlichen Etat zu seiner Verfügung bat. Wir
sind in Berlin leider nicht so glücklich daran und durften daher zwar
nicht ganz neidlos, aber dooh bewundernd uns dessen freuen, was die
Stadt Hamburg geschaffen hat.
In Hamburg wurde sodann auch die Gründung der Deutschen
Gesellschaft für experimentelle Phonetik vorgenommen. Hierfür
taten sich diejenigen Herren zusammen, die aus Deutschland zu dem
Kongress gekommen waren. Naturgemäss ist es, dass auch hier nicht
nur Laryngo-Rhinologen und Otologen beitraten, sondern Physiologen,
Linguisten, selbst Theologen, die sich mit kolonialwissenschaftlichen
Fragen linguistischer Art beschäftigen, und viele andere.
Das ist das Wesentlichste, was ioh über den Kongress zu sagen habe.
Vorsitzender: Ich habe sehr bedauert, dass der Kongress gerade
in meine Ferienzeit fiel und ich nicht persönlich teilnebmen konnte. Im
übrigen möchte ich die Herren animieren, sich an dieser ganzen Bewegung
zu beteiligen, mit der wir immer in innigem Zusammenhänge bleiben
müssen.
2. Hr. Blnmenthal:
Karze Mitteilang zar Therapie der Larynxtaberkalose.
Das traurigste Kapitel aus dem Gebiet der Larynxtuberkulose ist
die Dysphagie. Sie ist am stärksten bei der ringförmigen Affektion des
LaryoxeiDgangs. Oedematöse Schwellung des Eingangs heisst diffuse
Tuberkelaussaat an demselben. Die lokale Therapie kommt hier nicht
mehr viel in Frage. Symptomatisch versuchte man die Dysphagie zu
beseitigen durch AlkoholiDjektion in den Nervus laryngeus superior, resp.
durch Resektion des Nerven. In der Berl. klin. Wochenschr., 1911,
Nr. 36, machte ioh zuerst auf die schweren Sensibilitätsstörungen auf¬
merksam, die nach diesen Maassnahmen entstehen. Sie sind unausbleib¬
lich sowohl bei gut gelungener Alkoholinjektion wie nach Resektion. Es
ist mir daher unbegreiflich, dass von verschiedenen Seiten immer wieder
begeistert von der Anästhesie gesprochen und die Beeinträchtigung des
Schluckaktes mit Stillschweigen übergangen wird. Ich überlegte mir,
ob man nicht den Sensibilitätsausfall umgehen könnte. Ganz konnte er
nicht vermieden werden. Aber er musste viel geringer sein, wenn man
duroh modifizierte Einspritzungen nicht eine regionäre, sondern eine lokale
Anästhesie anstrebte durch Alkoholeinspritzungen direkt in die erkrankten
Gewebspartien, statt in den Nerven. Diese Injektion ist mit Hilfe der
K i 11 i an ’seben Schwebelaryngoskopie ziemlich einfach. Kanülen von 14 cm
Länge an Rekordspritzen befestigt, bringen den Alkohol bequem an die
gewünschten Stellen. So erhielt ioh eine lokale Anästhesie. Immerhin
waren die Sensibilitätsatöruogen noch recht beträchtlich, und die Er¬
nährung absolut nicht befriedigend. Man darf sich nicht dnreh die
grosse Autosuggestibilität der Tuberkulösen täuschen lassen. Sie stellen
auch häufig ihre Beschwerden viel geringer dar, als es der Wirklichkeit
entspricht. Wenn man einmal ihrem Essen zusieht, bekommt man das
richtige Urteil. Diese Anästhesierungsversuche sind also wenig be¬
friedigend. Es kommt noch etwas anderes hinzu. Selbst wenn die
Anästhesie ein gutes Schlucken ermöglichen würde, bliebe das Schlucken
selbst immer noch eine erhebliche Anstrengung für den schwer erkrankten
Kehlkopf. Man bat öfter davon gesprochen, das kranke Organ hinsicht¬
lich seiner Tätigkeit bei der Atmung durch die Tracheotomie zu ent¬
lasten. Die Atmung bedeutet für ihn vermutlich eine viel geringere
aktive Tätigkeit als die heftigen Kontraktionen des Eingangsrings beim
Sohluckakte, Hinsichtlich der letzteren wird er in keiner Weise durch
die Tracheotomie entlastet Das kann er nur durch künstliche Ernäh¬
rung. Eine Magenfistel schien mir ungeeignet wegen der vielen Er¬
schütterungen der Baucbwand durch den gleichzeitig bestehenden Husten.
Rectaleroährung ist auf die Dauer ungenügend. Eine Fistel im oberen
Speisekanal schien mir das beste zu sein. Herr Kollege Selb erg vom
Auguste Viktoria-Krankenhaus in Weissensee und ich haben nach meinem
Vorschlag in einem einschlägigen Falle eine Oesopbagostomie angelegt.
Als Hautsohnitte hielt ich einen Parallelscbnitt am Rande des linken
Husculus sternocleidomastoideus und von diesem aus Türfiügelschnitte
nach beiden Seiten für praktisch. Nach Resektion der linken Schild¬
drüsenhälfte kamen wir leicht an den Oesophagus. Derselbe wurde unter¬
halb des RiDgknorpels eröffnet, die Ränder mit den beiden Hautfiügel-
lappen vernäht, die Wunde nach chirurgischen Prinzipien versorgt. Die
Resektion eines Teils des Musculus sternocleidomastoideus erwies sich
zwecks Mobilisation des linken Hautiappens als notwendig. Der Patient
wird durch seine Oesopbagostomie seit 6 Wochen ausreichend mit allen
Nährstoffen versorgt. Seine schwere diffuse Lungen- und Kehlkopfphthise
ist nicht dadurch geheilt. Aber die wichtigste Frage, die der Ernährung,
ist damit in einer brauchbaren Form gelöst. Die Operation wurde iu
Lokalanästhesie gemacht. Das Stoma könnte später nach Gluok’sohen
Prinzipien geschlossen werden. Die Operation wird kompliziert durch
die Scbilddrüsenresektion. Der obere Ernährungsschlauch ist leichter
ohne solche HUfsoper&tion, nur mit Unterbindung der oberen Schild-
drüsengefässe, dicht über dem Killian’sohen Oesophagusmund, hinter dem
Schildknorpel zu eröffnen. Diese Operation, eine Hypopharyngostomia
lateralis habe ich leicht an der Leiche gemacht und will sie im nächsten
einschlägigen Falle am Lebenden machen. Ein Zurückfliessen der Speisen
wird hierbei nicht nur durch die Cardia, sondern auch durch den Oeso-
pbagusmund verhindert. Dies Stoma bietet gleichzeitig direkten Zugang
zu gewissen Partien des Kehlkopfs, ohne ihn selbst zu eröffnen. Ich
denke dabei an Heissluft- und Lichtbehandlung. Im Vergleich zu der
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UNIVERSUM OF IOWA
1834
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 28.
Laryngostomie nach Gluck bei Tuberkulose sind die genannten Ope¬
rationen kleinere Eingriffe und gefährden weniger die Lungen. Vor allem
tragen sie der vitalsten Indikation der Ernährung in geeigneter und nicht
zu schwieriger Weise Rechnung. Weitere Erfahrungen sind selbstver¬
ständlich notwendig.
Diskussion.
Hr. Finder: Ich möchte Herrn Kollegen Blumenthal den Rat
geben, seine Versuche, die er an Leichen gemacht hat, nicht, wie es
seine Absicht ist, am Lebenden auszufübren. Mir scheint diese Maass-
nähme, die er da vorhat, um ein freilich sehr lästiges und sehr quälendes
Symptom der Larynxtuberkulose zu bekämpfen, doch etwas sehr heroisch
zu sein, um mich milde auszudrücken. Wenn wir bedenken, dass die
Dysphagie bei Larynxtuberkulose meist in sehr vorgeschrittenen Fällen
eintritt, in sehr vielen Fällen sub finem vitae bei bereits stark kachekti-
schen Individuen, so muss ich sagen, dass ein solcher Eingriff, die An¬
legung einer Fistel im Oesophagus mit Resektion der Schilddrüse, eine
Maassnahtne ist, der wir solche Patienten, ohne unser Gewissen zu be¬
unruhigen, nicht unterwerfen dürfen. Wir brauchen dies um so weniger,
als wir mit den Mitteln, die uns bisher zur Verfügung gestanden haben,
durchaus imstande sind, die Dysphagie der Tuberkulösen zu bekämpfen.
Ich muss sagen, dass es mir bei den sehr vielen Alkoholinjektionen, die
ich zum Zweck der Anästhesierung in den Nervus laryDgeus superior
gemacht habe, noeh nicht ein Mal passiert ist, dass nachher irgendwelche
Schädigungen bei dem Patienten eingetreten sind. Ich habe wohl ge¬
sehen, dass unmittelbar nach der Injektion, aber ganz vorübergehend,
etwas Neigung zum Verschlucken beim Trinken von Flüssigkeiten auf¬
trat, aber das gab sich sehr bald. Wir sind in sehr vielen Fällen im¬
stande, durch diese Anästhesierung des Nervus iaryngeus superior den
Patienten über diese furchtbare Zeit der Dysphagie hinwegzuhelfen und
ihnen ein erträgliches Lebensende zu verschaffen. Ich glaube nicht, dass
die von Herrn Blumenthal vorgeschlagene Maassnahme, die sich doch
nur gegen ein Symptom richtet und durch die die Larynxtuberkulose
als solche nicht beeinflusst wird, geeignet ist, den Patienten Vorteile zu
bringen, die im Verhältnisse zur Schwere des Eingriffs stehen. Die Re¬
sektion des Nervus Iaryngeus superior habe ich selbst noch keine Ge¬
legenheit gehabt auszuführen; ich habe neulich aber Gelegenheit gehabt,
einen Kollegen aus der Moure’schen Klinik zu sprechen, in der diese
Resektion häufig gemacht wird, und dieser hat mir gesagt, dass es ein
verhältnismässig geringfügiger Eingriff ist. Er hat mir weiter auf meine
diesbezügliche Frage gesagt, dass Schluckstörungen nach dieser Resektion
des Nervus Iaryngeus superior nicht eintreten oder, wenn sie eintreten,
nur ganz vorübergehend sind. Mir ist nicht bekannt, ob diese Operation
bisher in Deutschland ausgefiibrt worden ist, wenigstens ist darüber
meines Wissens bisher nichts publiziert worden. (Herr Killian: Avellis
bat es publiziert!) Jedenfalls scheint es mir nach dem, was bisher über
diese Operation bekannt geworden ist, dass sie in sehr schweren Fällen
von Dysphagie bei Larynxtuberkulose, wo wir mit der Infiltrationsanästbesie
nicht mehr auskommen, eventuell einmal probiert zu werden verdient.
Hr. Killian: Ich wollte nur bemerken, dass ich es für viel prak¬
tischer halten würde, eine Gastrostomie zu machen. Ich glaube, dass
es weniger unangenehm ist, eine Wunde in der Magengegend zu haben
als am Halse. Ich glaube auch, dass der Eingriff geringer ist und man
dem Patienten dabei nicht so viel zumutet. Ich habe im Laufe der Zeit
in desolaten Fällen meinen Kranken Öfter die Gastrostomie vorgeschlagen.
Hr. Blumenthal (Schlusswort): Wenn ich Herrn Geheimrat
Killian zuerst erwidern darf, so habe ich auch zunächst an die Gastro¬
stomie gedacht. Ich fürchtete aber doch, dass den Patienten, die meist
sehr stark an Husten leiden, bei ihren vielen Hustenstössen und Er¬
schütterungen der Bauchwand die Magenfistel recht unbequem wird.
Hinzu kommt, dass eine Magenfistel niemals einen so weiten Zugang für
die Speisen gibt wie eine Oesopbagostomie. Ein weiter Zugang ist aber
im Interesse einer dauernden ausgiebigen Ernährung notwendig.
Was die Ausführungen des Herrn Prof. Finder anlangt, so hat er
über die Resektion des Nervus Iaryngeus superior offenbar kein richtiges
Urteil, weil er sie nicht gemacht hat. Ich habe sie in ein paar
Fällen gemacht und gerade in der Arbeit, die ich erwähnt hatte, dar¬
über berichtet. Ich muss nochmals ausdrücklich auf die schweren Sensi¬
bilitätsstörungen hinweisen, die zunächst nach der Resektion des Nervus
Iaryngeus superior eintreten. Das ist selbstverständlich, denn der
Nervus Iaryngeus superior ist der sensible Nerv des Larynx und der
noch tiefer liegenden Partien sowie eines Teils des Hypopbarynx. Wenn
dort die Sensibilität ausfätlt — und das geschieht vollkommen nach beider¬
seitiger Resektion —, so müssen die Kranken schwere SensibilitätsstöruDgeD
bekommen. Ich habe solche gesehen. Wie schnell sie vorübergehen,
lässt sich nicht allgemein sagen. Ich könnte mir vorstellcD, dass
manche Patienten über diese schweren Sensibilitätsstörungen niemals
hinwegkommen können.
Was die Alkoholinjektion anlangt, so wirkt sie im Prinzip dasselbe.
Wenn man keine Sensibilitätsstörungeu nach Alkoholuijektion des Nervus
Iaryngeus superior hat, so behaupte ich, dass die Alkoholinjektion ver¬
unglückt ist. Wenn sie den Nerven getroffen hat, so gibt es eine
Schädigung des Nerven, und es muss eine schwere Sensibilitätsstörung
eiutreten. Da wir bisher kein wirklich energisches Mittel haben, die
Dysphagie der Kranken so zu lindern, dass wir sie auskömmlich er¬
nähren können, so möchte ich Ihnen den genannten Eingriff vorschlagen.
Der Eingriff, über den Herr Prof. Finder wiederum selbst kein Urteil
hat, weil er ihn noch nicht gemacht hat, ist nicht so schwer, wie er es
sich vorstellt; er ist natürlich dann schwieriger, wenn man die Oeso¬
pbagostomie macht und wenn man einen Teil der Schilddrüse resezieren
muss. Das lallt bei der Hypopharyngostomie fort, der Hypopharynx ist
ziemlich bequem unter der Hautdecke hinter dem Schildknorpel zu er¬
reichen, und es sind keine schwierigen Hilfsoperationen erforderlich.
3. Hr. P. Schoeti:
Ausgedehnte Gesehwttrsbildiug in deu Halsergaie«.
M. H.! Jeder erfahrene Laryngologe weiss, welche Schwierigkeiten
unter Umständen die Differentialdiagnose grosser Pharynxulcerationen
bereiten kann. Zwar sind wir mit der Zeit auch in dieser Beziehung
weiter gekommen, besonders durch die Wassermann’scbe Reaktion, aber
eine Anzahl unklarer Fälle bleibt doch immer noch übrig, und einen
solchen möchte ich Ihnen hier zeigen, geleitet durch die Erwägung, dass
man gerade von schwer zu beurteilenden Krankheitsbildern gar nioht
genug sehen kann.
Dieses 18 jährige Fräulein, welches Sie nachher näher untersuchen
können, gibt anamnestisch folgendes an: Vater vor einigen Jahren durch
Alkohol zugrunde gegangen. Mutter gesund, bis auf einen Unterleibs¬
tumor, anscheinend Myom. Zwei Geschwister an Kinderkrankheiten früh
gestorben, eine andere Schwester im Alter von 18 Jahren an Schwind¬
sucht. Patientin selbst will als Kind nur Masern gehabt und davon
Hornhauttrübungen auf beiden Augen zurückbebalten haben. Einige
Monate nach ihrer Einsegnung, vor 3 — 4 Jahren also, begann das Hals¬
leiden, an dem sie heute noch laboriert. Sie wurde damals von ihrem
Kassenarzt sofort der Charite überwiesen und dort (NB. ohne jemals ge¬
schlechtlichen Verkehr gehabt zu haben) auf die Abteilung für Ge¬
schlechtskranke aufgenommen. Man instituierte eine antisyphilitisohe
Kur, gab Jodkali und machte intramuskuläre Injektionen, vermutlich Hg.
Aber bald scheinen auch damals schon diagnostische Zweifel aufgetaucht
zu sein. Nach der 15. Injektion war der Zustand des Mädchens in so
besorgniserregender Weise verschlechtert, dass man die Kur abbrach
und Patientin auf die Hautstation verlegt. Dort sollen nun Impfungen
des Geschwürssekrets auf Meerschweinchen vorgenommen sein, übei
deren Resultat Patientin leider nichts auszusagen weiss. Sonst wurde
sie nur im Halse lokal mit Pinselungen behandelt, nach 2 Wochen als
gebessert entlassen und dem Röntgeninstitut der Charite zugewiesen.
Das letztere hat sie angeblich s /* Jahr lang besucht und ist jede Woche
zweimal örtlich bestrahlt worden, ohne nennenswerte Besserung. Eine
später von einem Professor der Dermatologie eingeleitete Schraietkur
musste wegen auftretender Fiebererscheinungen nach wenigen lDUDktionen
abgebrochen werden. Die Kranke arbeitete zwischendurch immer wieder
einige Zeit in der Fabrik und kam erst vor kurzem zu uns mit einer
Ulcerationslläcbe, die, von der Mitte des harten Gaumens beginnend,
über das ganze Velum und die Tonsillen nach oben bis in den Nasen¬
rachenraum, nach unten bis auf die Stimmbänder in continuo binab-
reichte. Der ganze Mesopharynx, der ganze Kehlkopfeingang ein grosses,
flaches, von ausgeschweiften Rändern umzogenes, mit kolossalen gelben
Eitermassen belegtes Geschwür. Epiglottis geschwürig quer ampatiert,
ulcerierte Stenosis nasopharyngealis. Am Halse aussen nur ein paar
weiche, massig vergrösserte Drüsen, an den Lungen nichts. Kein
Husten. Keine Tuberkelbacillen im Sputum, keine Tuberkel¬
bacillen im Abstrichpräparat. Wassermann’sche Reaktion,
Stern’sehe Reaktion negativ. Ernährungszustand, wie Sie gesehen
haben, ganz leidlich; jedenfalls keine Spur von Kachexie!
Was ist das nun? Lues acquisita oder hereditaria, Tuberkulose,
Lupus oder eine Mischinfektion? Moritz Schmidt sagt in seinem be¬
kannten Buche: „Ein Geschwür, dass die ganze Breite der Pars oralis
einnimmt und von den Choanen bis zum Kehlkopf reicht, betrachte man
zunächst immer als luetisch, wenn auch die Anamnese negativ ist, und
der Hals noch so blass aussieht.“ Edmund Meyer hat in der neuen
Bearbeitung vorsichtigerweise hinzugefügt: „aber Ausnahmen kommen
vor“! (Heiterkeit.) Ich selbst muss sagen, dass ich von diesen Aus¬
nahmen schon eine ganze Anzahl gesehen habe und auch in vor¬
liegendem Falle mehr der Annahme eines tuberkulösen Prozesses *u-
neige. Ob Sie denselben Dun chronische, lokale Tuberkulose oder Lnpus
nennen wollen, soll mir gleichgültig sein. Den strikten Beweis für die
Richtigkeit dieser Auffassung kann ich freilich zurzeit nicht liefern.
Wenn Sie mich aber fragen: weshalb 9ind denn nun nicht gleich
noch andere Hilfsmittel zur ätiologischen Untersuchung mit herangezogen
worden: Exzisionen grösserer Gewebsstücke zur Mikroskopie, probatorisebe
TuberkuliniDjektionen usw.? so möchte ioh darauf erwidern: einmal, weil
ich mir den interessanten Fall gern erhalten wollte uüd die Erfahrung
gemacht habe, dass man durch zu grosse anfängliche Aktivität, be¬
sonders wenn sie schmerzhaft ist, derartige ambulante Kranke leiobt
verscheucht, zweitens, weil ich weiss, dass auch diese Mittel manchmal
nicht zum Ziele führen, und drittens, weil eine Behandlungsmethode zur
Verfügung stand, die nach beiden fraglichen Seiten hin wirksam sein
konnte. Neben Roborantien haben wir der Patientin Jodkali gereicht
ä la Pfannenstili in massiger Gabe, und nebenher tüchtig mit Wasser¬
stoffsuperoxyd gurgeln lassen, ausserdem aber täglich in ziemlich grosser
Menge das nach derselben Richtung hin wirkende Ulsanin auf die Ge-
schwürsfiäcbe aufgeblasen und, damit das Modernste nicht fehle, der
Patientin geraten, jede halbe Stunde zu benutzen, um sich mit dem
Handspiegel Sonnenstrahlen in ihren Pharynx zu werfen. Der Erfolg is
bisher ein recht guter gewesen. Das anfangs geradezu miserable Aus¬
sehen der Geschwüre besserte sich, sie wurden kleiner, die abunaan
Sekretion geringer, die Schluckschmerzen schwanden bis auf ein
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UNIVERSITY OF IOWA
13. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1835
mum. Vorläufig also haben wir keine Veranlassung, an dieser milden
Therapie etwas zu ändern. Sollte aber, was 'ja durchaus nioht aus¬
geschlossen scheint einmal eine Stockung im Heilungsvorgang oder gar
eine Verschlechterung eintreten, so werden wir natürlich nicht zögern,
auch andere therapeutische Mittel in Anwendung zu ziehen, sei es nun
Salvarsan oder Tuberkulin oder Radium oder Mesothorium, je nachdem
das selbstredend fortzuführende Studium des Falles uns die Richtung
weisen wird.
Diskussion.
Hr. Davidsohn: M. H.! Ich habe vor einer Reihe von Jahren in
dieser Gesellschaft einen Fall vorgestellt, der fast das photographische
Abbild dieses Falles darstellte. Die Affektion habe ich damals als
Lnpus aufgefasst. Die Herren, die den Patienten sahen, schlossen sich
dieser Meinung auch an. Er wurde mit Röntgeastrahlen mit sehr
günstigem Erfolge behandelt: die Ulcera amVelum und Gaumen heilten
vollkommen ab. Dagegen wurde der Larynx gar nicht beeinflusst. Der
Patient war eine Zeitlang vollkommen aphonisch. Dann blieb er etwa
s / 4 —1 «fahr aus der Behandlung weg, und als er wiederkam, hatte sich
das Bild geradezu merkwürdig verändert: der Patient sprach mit voll¬
kommen lauter Stimme, ohne dass er in der Zeit irgendwie behandelt
worden war; die Geschwüre auf dem Larynx waren vollkommen aus¬
geheilt, allerdings unter Zugrundegehen der Epiglottis; sie fehlte, und
an ihrer Stelle war eine Narbe. Jedenfalls war der Fall, der damals als
Lupus behandelt wurde, dem Bilde nach genau^gleich dem heute ge¬
zeigten.
Hr. Killian: M. H.! Ich habe in Freiburg jahrelang in der Poli¬
klinik einen Fall behandelt, der ausserordentlich viel Aebnlichkeit mit
diesem hatte. Es wurde damals auch alles gemacht, was überhaupt an
Therapie in Betracht kam, und nichts hat geholfen. Wir waren uns nie
recht klar darüber: ist es Lupus, ist es Tuberkulose, ist es Syphilis.
Wir haben auch nach der Exzision keinen Aufschluss bekommen. Der
Fall ging noch in andere Kliniken, wo man ebenfalls alles mögliche ver¬
suchte. Diese Patientin habe ich neulich zufällig in der Poliklinik von
Kahler vollständig geheilt wiedergesehen, und das hat mich natürlich
ausserordentlich interessiert. Die Heilung ist, ich müsste mich sehr
täuschen, durch Salvarsaninjektionen herbeigeführt worden. Bei der Ge¬
legenheit möchte ich erwähnen, dass wir schon lange in meiner Klinik
eine lnpöse Form der Spätsyphilis unterscheiden.
Hr. Schoetz (Schlusswort): Nach dem guten Anfang hoffe ich
stark, dass wir Ihnen die Patienten später auch als geheilt werden vor¬
stellen können. Was die Röntgenstrahlen betrift, so habe ich schon ge¬
sagt, dass sie ^f^Jahr lang angewendet wurden, ohne Erfolg. Darauf
werden wir also wohl nioht mehr zurückkommen dürfen. Der „Lupus
syphiliticus 1 * ist natürlich keine nene Sache, sondern eine Bezeichnung,
über die sich schon vor langer Zeit Virchow, Hebra und andere aus¬
gesprochen haben. Die Möglichkeit, dass Syphilis in unserem Falle mit¬
spielen kann, will ich bis auf weiteres gar nicht bestreiten. Ich sage
nur, eine reine Halssypbilis sieht ganz anders aus. Und ebenso sieht
der typische Lupus anders aus. Bei ihm haben Sie immer Knötchen,
mehr Narben, weniger Sekret, und vor allem kaum jemals die starken
Schlook9ohmerzen, die hier anfänglich bestanden und nun durch die Be¬
handlung verschwunden sind.
Das Ulsan in, welches manche der Herren noch nicht zu kennen
scheinen, ist ein Hydrojodoborat, welches bei Berührung mit Feuchtig¬
keit, also anoh auf Geschwürsflächen, Jod und Oxygen in statu nascendi
abspaltet. Es ist von Dr. Mandl-Kosch in Budapest zuerst angegeben
und gerade für die ulceröse Schleimhauttuberlose empfohlen worden, eine
Empfehlung, die von vielen anderen guten Autoren bestätigt wurde, ich
selbst habe bei ein paar Kehlkopftuberkulosen, die ich vorher behandelte,
nicht eben besonderes davon gesehen. Das mag aber an der anfangs
etwas zaghaften Anwendung gelegen haben. In der Ambulanz muss
man mit neuen Mitteln vorsichtiger sein als in der Klinik. Hier in
unserem Falle haben wir zunächst den Pharynx in Angriff genommen
nnd, nachdem wir uns überzeugt, dass bei Vorausschickung eines leichten
Anästheticums (1 pCt. Novocain mit Suprarenin) weder Schmerz noch
Oedem, noch sonstige Unannehmlichkeiten auftraten, täglich reichliche
Mengen des Palvers auch in den Larynx eingeblasen mit dem ge¬
schilderten guten Erfolg.
L Hr. KUlian-. Zur Technik der Septnmoperatien.
M. E! Bei der Septumoperatiou bekommt man manchmal, nament¬
lich bei älteren Individuen, eine ziemlich starke Blutung, wenn man das
vordere Ende des Vomer entfernt, eine Blutung, die einen im weiteren
,? et i er ? n aufhält, die aber gewöhnlich durch Aufpressen eines Tampons
allmählich zum Stehen kommt. Es blutet aus einer Knochenvene, welche
jtorch den Canalis nasopalatinus hindurchzieht. Um dieser Blutung zu
wgsguen, möchte ich Ihnen ein bestimmtes Vorfahren empfehlen. Man
anasuiesiert mit 25 proz. alkoholischer Cocainlösung den vorderen Gaumen
jjjd injiziert die Novocain-Adrenalinlösung direkt in den Canalis incisivus.
J“ der Nadel gelangen Sie sehr leicht in den Kanal hinein. Sie werden
aaach kaum noch durch die manchmal recht fatale Blutung gestört
waen. Ich habe dieses Verfahren seit einem ganzen Jahre mit bestem
Erfolg geübt. 6 I
Diskussion.
. Feyser: M. H.! Die Anästhesierung duroh den Canalis inoi-
J^* 8®wbieht auch bei Leitungsanästhesie der sogenannten vier Punkte,
Jahr 014,1 Kieferhöhlenoperationen an wendet. Ich wende sie seit
w m, habe auch schon kurz darüber in der Diskussion auf dem
Laryngologentag gesprochen. Die sogenannte Freyensteinspritze ist für
diesen Zweck sehr geeignet. Wenn man mit ihren feinen biegsamen
Kanülen arbeitet, findet man, auch wenn es einmal schwieriger ist,
immer den Kanal und kommt tief genug hinein. Ausserdem gibt die
Spritze einen sehr guten Druck. Sie wird, soviel ich weiss, von der
Kgl. zahnärztlichen Klinik für diese Dinge mit Erfolg angewandt. Andere
Spritzen arbeiten lange nicht so gut. Für diejenigen, die nunmehr ver¬
suchen werden, auch bei Septumoperationen den Kanal aufzusuchen,
möchte ich deshalb das Instrument empfehlen.
Tagesordnung.
Hr. Blamenthal:
Anatomische Beiträge znr endonasalen Hypophysisoperation.
Die Operation der Hypophysentumoren wird von den meisten Ope¬
rateuren nach Freilegung der Keilbeinhöhlen ausgeführt, weil die Hypo¬
physe normalerweise in nächster Nachbarschaft derselben liegt. Diesen
Weg gehen alle nasalen Operacionsmethoden. Verschieden sind sie nur
im Anfang der Operation. Der eine klappt die ganze Nase auf, wie
Schlosser, Chiari geht nach Resektion des Stirnfortsatzes durch das
Siebbein, Denker gelangt zur Keilbeinhöhle durch die Kieferhöhle,
Hirsch macht sich die Keilbeinhöhle mit Hilfe der submucösen Septum¬
operation frei. Nach diesen Voroperationen beginnt der wichtigste Teil,
die Aufdeckung des Hypophysentumors selbst. Es fehlen nun genauere
Angaben, wo man im speziellen Falle die Hypophyse aufzusuchen hat.
Ich machte es mir daher zur Aufgabe, an Röntgenbildern nachzuweisen,
erstens, dass die Hypophyse an ganz verschiedenen Steilen zur Keil¬
beinhöhle in Beziehung treten, eventuell ganz weit abseits von ihr ge¬
lagert sein kann, zweitens aus diesem Grunde darauf hinzuweisen, dass
die operative Freilegung der Hypophyse nicht schematisch an einer be¬
stimmten Stelle gemacht werden darf, sondern an der im speziellen Falle
durch die speziellen anatomischen Verhältnisse gegebenen Stelle, und
schliesslich ein Hilfsmittel anzugeben, wodurch besser als bisher im
Röntgenogramm die genaue Lage des Hypophysentumors zur Keilbein-
höhle, also auch der genauere operative Angriffspunkt von den Wänden
der Keilbeinhöhle aus bestimmt wird.
An einer Reihe von Schädeln, die Herr Geheimrat Waldeyer mir
freundlichst zur Verfügung stellte, wurde im Röntgenkabinett des Auguste
Viktoria-Krankenhauses in Weissensee mit gütiger Erlaubnis des Herrn
Kollegen Selb erg die wechselnde Beziehung des Hypophysenlagers zu
den Keilbeinhöhlen röotgenographisch nachgewiesen. Das Hypophysen-
lager wurde zum Zwecke deutlicherer Darstellung mit Stanniol ausge¬
füllt, Im Leben ist das nicht nötig, weil der Türkensattel ohnehin klar
auf Röntgenbildern hervortritt. Um die Keilbeinhöhlen deutlich zu
markieren, wurde in jede Höhle eine Sonde bis zur hinteren Wand vor¬
geschoben, in dieser Stellung fixiert und nun die Aufnahme gemacht.
So war auf dem Röntgenogramm genau markiert, welcher Bezirk der
Keilbeinhöhle entsprach, eine Verwechslung mit hinteren Siebbeinzellen
ausgeschlossen, obere und hintere Keilbeinhöhlen wand genau bestimmt.
Mit diesem Hilfsmittel, das nach der üblichen Voroperation, nämlich der
Freilegung der Keilbeinhöhlen, bequem beim Lebenden benutzt werden
kann, ist die genaue Lage des Türkensattels vom Röntgenogramm leicht
abzulesen. Auf Lichtbildern {Demonstration) sieht man, wie die Hypo¬
physe zu den verschiedenen Wänden der Keilbeinhöhlen in nahe oder
gar keine Beziehungen tritt. Diese Art der Röntgenaufnahme mit
fixierter Sonde bewährte sioh auch sehr in einem verwandten Falle, den
der Augenarzt Dr. Kann wegen Neuritis retrobulbaris freundlichst zur
Nasenuntersuchung überwies. Durch schwere luetische Knochennekrosen
war fast das ganze Innere der Nasenhöhlen zerstört. Am Rachendach
fanden sich die gleichen Prozesse. Es war schwer festzustellen, welche
Teile der Keilbeinhöhlen noch vorhanden waren. Die fixierte Sonde auf
dem Röntgenbild liess die nekrotischen Bezirke als obere Wand der
Keilbeinhöhle erkennen. Eine Höhle als solche bestand überhaupt nicht
mehr. Das war ein wichtiger Anhaltspunkt bei der operativen Ent¬
fernung der nekrotischen Stellen; nach derselben kehrte das Sehvermögen
bald schrittweise wieder.
Diskussion.
Hr. A. Meyer: Am Leichensobädel kann man sich über die Be¬
ziehungen der Keilbeinhöhle zur Hypophysis genau so gut wie an
Röntgenaufnahmen unterrichten, wenn man sich einfach Querschnitte
durch Schädel ansieht. Dabei siebt maß, dass die Beziehungen sehr
variabel sind und dass es bisweilen sehr schwer sein muss, die Hypo¬
physis von der Keilbeinhöhle aus zu erreichen. Am Lebenden wird
wohl auch bisher schon kein Operateur eine Hypophyse in Angriff ge¬
nommen haben, ohne sich vorher über ihre Lage durch Röntgenbilder
vergewissert zu haben. loh habe an Leichen, und zwar am uneröffneten
Schädel, in sieben Fällen die Hypophyse von der Nase aus nach Hirach’s
Methode eröffnet. Dabei habe ich Glück gehabt: in allen Fällen
markierte sich die Sella deutlich am Dach der Keilbeinhöhle und war
leicht erreichbar. Unverständlich erscheint es mir, warum Herr Blumen-
thal die Hypophyse dann für besonders schwer angreifbar hält, wenn
sie weit vom im Dach der Keilbeinhöhle liegt. Im Gegenteil, in diesem
Falle ist sie am leichtesten zugängig. Wenn man zwischen den Septum¬
blättern eingeht und das Septum der Keilbeinhöhle entfernt hat, so
markiert sioh die Sella, und man kann sie leicht eröffnen, wenn sie im
Bereiohe des Daches liegt. In anderen Fällen wird es natürlich ent¬
sprechend schwerer, um so mehr, je mehr sie aus dem Bereich der
Höhle nach hinten verlagert ist. Bei der Operation in vivo ist man da¬
durch im Vorteil, dass die Sella in den meisten Fällen duroh den Tumor
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UNIVERSUM OF IOWA
1336
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
io die Keilbeinböhle hinein vorgewölbt wird. Da, wo das nicht der Fall
ist, wo also der Tumor mehr intraoranial entwickelt ist, hat nach allen
Erfahrungen auch die Operation verhältnismässig geringe Chancen.
Hr. Halle: Ich möchte Herrn Kollegen Meyer darin zustimmen,
dass man bei vermuteten Hypophysentumoren vor allen Dingen ein
Röntgenbild im seitlichen Durchschnitt maohen muss. Bei Hypophysen*
tumoren zeigt sich auf dem Bild die Sella meist erheblich verbreitert.
Die Tumoren haben ja auch Zeit, den Knochen zu kurieren, und so ist
das Bild gewöhnlich anders als auf den von Herrn Blumenthal ge¬
zeigten. Man muss sogar difforentialdiagnostisch auf die Röntgenplatte
den Hauptwert legen. So habe ich vor wenigen Wochen einen Fall des
Herrn Kollegen Peritz gesehen, wo ioh auf Grund des allerdings sehr
schlechten Röntgenbildes einen intrasellaren Hypophysistumor abgelehnt
habe, trotzdem die neurologische Untersuchung sehr dafür sprach. Als
der Chirurg operierte — vom Munde her — und das junge Mädchen
zugrunde ging, zeigte sioh, dass die Hypophyse durchaus gesund war.
Ein anderer Fall, den ich mit dem Kollegen Peritz zusammen vor
l */2 Jahren operiert habe, batte ein ausserordentlich gutes Röntgenbild.
Hier fand sich intra operationem eine Cyste. Der Erfolg war sehr gut,
das Augenlicht hat sich wieder hergestellt. Ich glaube also, dass man
das Röntgen verfahren durchaus nicht entbehren kann. Auch eine
soheinbar ganz sichere Diagnose, die neurologisch oder ophthalmologisch
bestätigt ist, kann nur durch recht gute Röntgenaufnahme gesichert
werden, und dabei zeigt sich bei den Tumoren in der Tat meist eine
Verbreiterung der Sella. Iotracraniale Tumoren bieten ja eine ganz
ungünstige Diagnose. Dass man aber auf dem von Blumentbal be-
schrittenen Wege zu sichereren Schlüssen kommt, erscheint mir
zweifelhaft.
Hr. West: loh habe nur wenig Erfahrungen in der Behandlung von
Hypophysengeschwülsten. Aber in den letzten zwei Jahren habe ich
Gelegenheit gehabt, in der Klinik von Herrn Geheimrat Silex 5 Fälle
zu operieren. Ich habe dabei gar keine Schwierigkeiten gehabt, fest-
zusteilen, wo man den Schädel aufmachen sollte. Ich weiss nicht, wie
man in diesen pathologischen Zuständen eine derartige Operation ohne
eine Röntgenplatte machen soll. Auf der Platte allein kann man sehen,
wo man zu meissein hat. Bei zweien dieser Patienten trat eine Blutung
ein, die die Operation aufhielt; aber nachdem man ein paarmal getupft
und ein paar Minuten gewartet hatte, konnte man sehen, wo zu meissein
war. Die schwierigen Fälle sind die, wo die Sella turcica so weit vor¬
gedrungen ist, dass die beiden Platten, die von der Schädelbasis und
der vorderen Keilbeinhöhle, so nahe aneinander liegen, dass eine Keil¬
beinstanze nicht dazwischen eiDgeführt werden kann. Iq diesen Fällen
muss man die vordere Keilbeinhöhle mit dem Meissel wegnehmen. Das
ist umständlicher und schwieriger, als wenn man mit der Keilbeinstanze
vorgeben kann. In zwei Fällen lagen die beiden Knochen so dicht an¬
einander, dass man nicht dazwischen kam. Soll die Sonde, von der
Herr Blumenthal sprach, bei der Operation oder vor der Operation
eingeführt werden? (Herr Blumenthal: Vorher!) Dann sehe ich nicht
ein, wie uns das hier helfen kann. Bei der Operation ist die Sonde
sowieso nicht da, da muss man also ohne sie arbeiten.
Hr. Kuttner*. Ich glaube, m. H., dass wohl heute niemand mehr
an eine Hypophysenoperation herangehen wird, ohne sich vorher durch
eine Röntgenaufnahme über die Diagnose und den besten Weg für die
Operation zu informieren. Auch dass es eine ganze Reihe von Fällen
gibt, wo Keilbeinhöhle und Sella turoica so unglücklich zueinander
liegen, dass man von vornherein auf den Weg durch die Keilbeinhöhle
verzichten muss, ist ja hinlänglich bekannt, ebenso dass, wenn man auf
diesen Weg verzichten muss, meistens auch die anderen Wege recht
wenig Chancen bieten. Die Einführung der Sonde vor der Röntgen¬
aufnahme mag in einzelnen Fällen etwas für sich haben. Aber dann
muss man auch die Keilbeinböhle vorher schon so weit eröffnen, dass
man über die Lage des Sondenknopfes ganz genau orientiert ist. Sonst
könnte gerade die Sonde diagnostische Irrtümer veranlassen.
Was die Diagnose des Hypophysentumors selbst betrifft, so glaube
ich, dass das, was Herr Kollege Halle gesagt hat, nicht ganz stimmt.
Wohl sieht man bei sehr vielen alten Hypophysentumoren eine Ver¬
breiterung der Sella turcica, man sieht eine Verdünnung der vorderen,
manchmal auch der hinteren Türkensattellebne, aber es gibt doch eine
ganze Anzahl von Hypopbysentumoren — und das sind gerade die ver¬
hängnisvollsten —, die sich nur nach oben entwickeln, so dass sie auf
dem Röntgenbilde gar keine Veränderungen bervorrufen und die Sella
turcica ganz normal erscheint. Bei diesen Fällen leistet das Radio¬
gramm nichts, ihre operative Behandlung ist aussichtslos.
Hr. Schmidt-Haokenberg: Ein sehr wichtiges Symptom ist heute
nicht zur Sprache gekommen. Nicht bloss die Vergrösserung der Sella
turcica deutet auf einen Hypophysentumor — weil auch eine Anzahl
Tumoren nach oben wachsen —, sondern es gibt ein Symptom,, das
nicht im Stiche lässt, nämlich dass die Processus clinoidei posteriores,
die im normalen Schädel ein wenig nach vorn geneigt sind, im Röntgen¬
bilde bei Uypophysentumor senkrecht nach oben oder sogar nach hinten
stehen. Man kann also weniger aus der Vergrösserung der Sella turcica
als aus dieser Richtungsänderung auf Hypopbysentumor schliessen. In
den drei Fällen, die ich zu röntgen hatte, hat dieses Symptom auf den
richtigen Weg geleitet. Einer von den Fällen hatte keine erhebliche
Aussattelung der Sella turcica.
Hr Weingaertner: loh möchte die Ausfuhrungen über den Wert
der Röntgenaufnahme, denen ioh durchaus beipfliohte, noch dahin er¬
weitern, dass meiner Ansicht nach das stereoskopische Röntgen verfahren,
das neuerdings so ausgearbeitet ist, dass man es bei Lebenden mit
gutem Erfolg aozuwenden vermag, den einwandfreiesten Aufschluss über
die Beziehungen zwischen Sella turoica und Keilbeinböhle geben kann.
Vor der Bewertung der Bilder, die mit der eingeführten Sonde gemacht
worden sind, möchte ich insofern warnen, als eine ausserordentlich exakte
Technik dazu gehört, um die Lagebeziehungen zwischen eingefübrter
Sonde und Umgebung genau zu studieren. Es ist eine bekannte Tat*
sache, dass z. B. angeblich in die Stirnhöhle eingeführte Sonden auf
dem Röntgenbilde in dieser erscheinen, obwohl sie in Wirklichkeit gar
nicht in die Stirnhöhle eiDgeführt sind. Aehnlich könnte das auch bei
der Keilbeinhöhle passieren. Ausserdem kann, wenn wirklich io beiden
KeiibeiDböhlen je eine Sonde liegt, durch eine nur geringe schräge Pro¬
jektion des centralen Strahles die eine Sonde, und zwar die plattenferne
Sonde, entschieden weiter nach hinten oder auch nach vorn projiziert
werden, so dass die Lage der einen Sonde mindestens zu Täuschungen
Veranlassung geben kann.
Hr. Blumentbal (Schlusswort): M. H! In den Fällen, in denen
die Hypophyse die obere oder hintere Wand der Keilbeinhöhte stark
vorgebaucht hat, braucht man für die Operation kein Röotgenbild. Der
Sitz des Tumors wird intra operationem klar. Aber das sind doch nicht
alle Fälle. Es kommen, wie aus der Literatur hervorgeht und auch
einige Herren hier bemerkt haben, ab und zu Fälle vor, in denen die
Hypophyse nicht solche Vorbauschungen macht, und gerade für diese
ist es ausserordentlich wichtig, genau zu wissen, wo man bei der
Operation die Hypophyse aufzusuchen hat. Ein falscher Weg mit der
Sonde, wie Herr Weingaertner meint, kann niemals dann beschritten
werdeD, wenn man sich vorher die Keilbeinböhle zugänglich gemacht
hat. Eine Reihe von Operateuren operiert zweizeitig, d. h. sie legen in
der ersten Operation die Keilbeinhöhle breit frei, resezieren die vordere
Wand und das Septum zwischen beiden Höhlen. Da ist doch der Keil-
beinhöhlenraum so gioss, dass die Sonde unmöglich auf einen falschen
Weg geraten kann.
Der Wert der Röntgenbilder ist von keiner Seite beanstandet
worden. Ich glaube nun, dass uns dieselben mit Sonde genaueren Auf¬
schluss geben als ohne Sonde, wie sie bisher angefertigt wurden. Sie
haben aD meinen Bildern gesebeD, dass die Hypophyse an verschiedenen
Stellen der Keilbeinhöhle anliegen kann. Wo sie liegt, lässt sich genau
nur dann feststelJen, wenn man eine Sonde als Wegweiser hat. Ohne
Sonde kann es passieren, dass man vielleicht einen Raum für die Keil¬
beinhöhle hält, der in Wirklichkeit eine Siebbeinzelte ist. Solche dia¬
gnostischen Irrtümer werden wohl bei röntgenographischen Aufnahmen
nie vermieden werden können.
Zum Schlüsse möchte ich nur noch Herrn Meyer erwidern, der
meinte, es sei doch reoht leicht, die Hypophyse aufzuklappen, wenn sie
hier dem vorderen Teil der oberen Keilbeinhöhlenwand anliegt. (Demon¬
stration.) Die Operation ist desto schwieriger, je steiler wir mit dem
Instrument nach oben geben müssen, und sie ist desto leichter, je mehr
wir horizontal arbeiten können. Stellen Sie sioh vor: die Hypophysis
liegt hier vor, dann müssen wir mit dem Instrument sehr steil nach
oben gehen. Im anderen Falle könnten wir den horizontalen Weg bc-
schreiten, und dann ist die Operation leichter.
Röntgen-Vereinigung zu Berlin.
Sitzung vom 22. Mai 1914.
1. Hr. Beeker Charlottenburg (a. G.) demonstrierte an einer Reibe
von Bildern, wie man bei Kindern häufig das Uebergreifea der Tiber-
kilose von den erkrankten Bronchialdrüsen auf die Lungen sehen kann,
und zwar zu einer Zeit, wo der klinische Befund ganz oder so gut wie
ganz negativ ist. Er wies darauf hin, dass man in einer Anzahl von
Fällen hauptsächlich auf den Röntgenbefund hin eine Heilstättenkur
eingeleitet hätte, und dass man in diesen Fällen, weil sie eben Anfangs-
fälle gewesen seien, vorzügliche Resultate erzielt hätte. Er zeigte, dass
man an den Bildern oft deutlich eine Veränderung der Schatten vor der
Heilstättenbehandlung und längere Zeit nachher sehen könnte, dass
nämlich an den späteren Bildern die Schatten gewissermaassen ge¬
schrumpft und viel schärfer abgesetzt wären, als an den früheren, mm
dass erstere wahrscheinlich eine Vernarbung anzeigten. Da zwischen der
Aufnahme der beiden Bilder in jedem Fall ein längerer Zwischenraum —
bis zu 4 Jahren — läge, könnte man wohl von einer bleibenden Ver¬
änderung und Heilung sprechen. Die Röntgenuntersuchungen müssten
besonders bei Kindern im schulpflichtigen Alter in viel grösserem Um¬
fange vorgenommen werden, als es bisher ganz allgemein geschähe.
2. Hr. Frik-Berlin: *
Diagnose der Lnngenkrankheiten in Röntgenbild. (Projektionsvortrag.)
An der Hand von 66 Diapositiven wurde erst die Deutung d
normalen Lungenzeichnung und einige Fehlerquellen bei der Diagnosen-
steltuDg (Subclaviaschatten, Brustwarzenschatten usw.) besprochen un
dann der Reihe nach die verschiedenen Lungenkrankheiten dure -
gegangen: Verschiedene Formen der Tuberkulose, Pleuritis, darun
Serienaufnahmen vom Verlauf einer interlobären Pleuritis, verschiede
Formen von Pneumo-, Pyo- und Seropneumothorai, Bronchi ektas>
Lungenabsoess (Serienaufnahmen), chronische Pneumonie mit Sooniovs
der erkrankten Lunge, Tumoren verschiedener Art und ihre ro ge
zustande.
13. Jolil914^
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1337
Sitzung vom 11. Juni 1914.
Hr. Pohl- Berlin (a. G ): (Jeher die Natir der Räntgenstrablen.
Vortr. erläutert an Hand von Experimenten die prinzipielle Identität
der Röntgen- oder y-Strahlen mit dem sichtbaren Licht, behandelt die
Inter/erenzversuche als Grundlage der spektralen Aussonderung einzelner
Wellenlängen, die für die Praxis deswegen wichtig ist, weil die chemisch¬
physiologischen Wirkungen der Röntgen wellen genau wie die der Licht¬
vollen ausserordenlich mit der Wellenlänge variieren.
Immelmann.
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft ftlr vater¬
ländische Cnltnr an Breslau.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 18. März 1914.
Vorsitzender: Herr Uhthoff.
Schriftführer: Herr Röhmann.
Hr. Loresz: Plexuslähmungen nach Oberarmlnxationen.
M. H.! Ich darf mir erlauben, Ihnen in folgendem ganz kurz drei
Kranke vorzustellen, bei denen sich im Anschluss an eine Luxation im
Schultergelenk eine Lähmung entwickelte.
Fall 1. Vor 4 1 /* Jahren fiel Patient von einer Lowry und renkte
sich den Arm aus. Es handelte sioh um eine Luxatio subcoracoidea.
Repdniert von Herrn Brade. Ueblicher Desaultverband. Es entwickelte
sich eine Lähmung des Armes; Seitliche HebuDg im Schultergelenk
fast 0.
Patient konnte den Unterarm, die Hand, die Finger in den Grund¬
gelenken nioht strecken, bei gestrecktem Arm nicht supinieren.
Es handelte sioh also um eine Lähmung bzw. eine Parese der
Ko. axillaris und radialis.
Es wurde versucht, drei Monate lang durch elektrische und medico-
mechanische Behandlung eine Besserung zu erzielen, aber ohne Erfolg.
Operation: Der Plexus brachialis wurde freipräpariert; es zeigte sioh
auf etwa 3 cm weit der N. axillaris und der N. radialis in ein chronisch
entzündliches, weich-narbiges Gewebe eingebettet. Beide Nerven werden
freipräpariert und aus dem Narbengewebe gelöst.
Heilung erfolgte dann ohne Besonderheiten. Patient wurde dann
noch mehrere Monate elektrisch und medico-mechanisch behandelt.
Heute, 4 Jahre nach der Operation, m. H., sehen Sie den Patienten
hier. (Demonstration.)
Bis auf eine leichte Einschränkung des Supinationsvermögens und
der Handstreckung in den Grundgeleoken hat sich das Leiden eigentlich
ganz gebessert Der Patient ist in der Lage, sich seinen Lebensunter¬
halt selbst zu verdienen; er war allerdings gezwungen, sich etwas leichtere
Arbeit zu verschaffen.
Fall 2. Patient fiel vor l 1 /* Jahren auf die linke Hand und renkte
sich die Schulter aus. Es handelte sich um eine Luxatio subcoracoidea.
Dieselbe wurde reponiert. Desault’scber Verband.
Wenige Tage nach der Operation entwickelte sich eine Lähmung.
Befund: Hebung im Schultergelenk sehr stark eingeschränkt.
Ünterarm-Handstreckung, Supination, Streckung der Finger in den
Grundgelenken, Streckung und Abduktion des Daumens 0.
Streckung in den Endgliedern der Finger fast 0. Spreizen der
Finger 0. j
, Fis handelte sich also um eine Lähmung bzw. Parese der Nn. axil- i
lana, radialis und ulnaris.
Da keine Besserung eintrat, etwa S Monate nach dem ÜDglücksfall
Operation. Der Plexus brachialis wurde freipräpariert; es zeigte sioh
derselbe in ausgedehntesten Verwachsungen eingebettet. Es war äusserst
mühselig, sich einen Ueberbliok über die einzelnen Nervenstämme zu
Terscbaffen und sich ein einigermaassen anatomisches Präparat heraus-
wpraparieren. (Demonstration.)
80 k 0Q a k°» m * H., wie sioh auch bei diesem Patienten der Zu-
bedeutend gebessert hat, allerdings noch nicht so vollständig wie
m dem ersten Falle. Besonders schwach ist die Streckung der Finger
2 den Interphalangealgelenken, Spreizen der Finger ist unmöglich, die
*m. mterossei sind auffallend atrophisch und sind nicht faradi9ch zu
wuen. r
In ähnlicher Weise ist auch die Streckung und Abduktion des
Daumens noch recht gering.
„ Ä v • daraus, dass sich in diesem Falle besonders der N. ulnaris
noch nicht ordentlich erholt hat.
kff a ^ 0r ers * e * n *^ a ^ r se ^ der Operation vergangen ist, steht zu
0D ’ dass sich das Leiden auch noch weiterhin bessern wird.
»eiidf ^* 8 dritten ähnlichen Fall zeige ich Ihnen einen Patienten,
R#nn«v 81C k yor e * ¥a * Wochen den Arm ausrenkte. Es wurden einige
brMht. 1008 ™ 1 ? 110 * 10 gemacht. Patient wurde dann in unsere Klinik ge-
, Q reponiere 41,8 ^ er 0 * ne ^^^gkeiten, in Aethernarkose den Kopf
f 8 handelte sich ebenfalls um eine typische Luxatio subcoracoidea.
m Tage nach der Operation entwickelte sich eine Lähmung.
Grund- ° 0 k u Rergelenk 0. Streckung der Finger sowohl in den
“od Abd*!^' 10 f^ eD * nt6r Phalangealgelenken 0. DaumenstreckuDg
Es haodelte sieh also um Bewegungsbeschränkungen im Gebiet der
Nn. axillaris, radialis und ulnaris.
Jetzt, nach 4 Wochen, zeige ich Ihnen den Patienten wieder, nach¬
dem derselbe elektrisch und medico-mechanisch behandelt worden ist.
(Demonstration.)
Sie sehen, m. H, auch hier hat sich der Zustand ganz wesentlich
gebessert. Patient batte noch leichte Bewegungsbeschränkungen im
Schultergelenk und in den Interphalangealgelenken der Finger, also im
Axillarisr und Radialisgebiet.
Die beiden ersten vorgestellten Fälle beweisen ganz deutlich, dass
mitunter diese hartnäckigen Lähmungen in sehr günstigem Sinne duroh
einen operativen Eingriff beeinflusst werden können; das Entscheidende
ist aber die schon eingangs aufgestellte Frage, wann operiert werden
soll. Auf Grund des dritten Falles müssen wir den Bardenheuer-
schen Standpunkt ablehnen. Wir würden uns in der Regel nicht vor
Ablauf von 2 Monaten zur Operation entschlossen. Dazu veranlasst
uns folgende Ueberlegung: Wir haben früher bei einigen Fällen von so¬
genannter Scblauchlähmuog des Oberarmes gesehen, dass selbst in hart¬
näckigen Fällen ungefähr mit 6—7 Wochen die Beweglichkeit anfängt,
wiederzukehren. Wenn das auch bloss rein empirisch festgestellt ist,
so halten wir vorläufig an der Tatsache fest, dass Bich etwa in dieser
Zeit eine Nervenquetschung an den grossen Nervensträngen des Ober¬
armes wieder ausgLeichen kann. Dauert die Lähmung noch länger, so
muss man wohl annehmen, dass eine Rekonstruktion durch Druck und
Narbenschrumpfung im benachbarten Gewebe aufgehoben wird, und dann
halten wir uns zur Operation, d. h. zur Neurolyse für berechtigt, die ja
in den beiden vorgestellten Fällen auch ein ganz gutes Resultat er¬
geben hat.
Hr. Aron:
Untersuchungen über die Beeinflussung des Wachstums durch die Er¬
nährung.
(Ist in Nr. 21 dieser Wochenschrift erschienen.)
Diskussion: Hr. Röhmann.
Sitzung vom 20. März 1914.
Vorsitzender: Herr Uhthoff.
Schriftführer: Herr Rosenfeld.
Hr. Kfittner:
Wie vermeiden wir Irrtfimer bei der Diagnose der Appendicitis?
Der Schwerpunkt der Frage liegt bei der durch die Frühoperation
nötig gewordenen Frühdiagnose der Appendicitis, welche die Ent¬
scheidung innerhalb der ersten 24 Stunden erheischt. Die Fehlerquellen
der Appendicitisdiagnose sind einmal bei Erkrankungen zu suohen, die
mit nachweisbaren, die Appendix jedoch nicht betreffenden Veränderungen
in der Bauchhöhle einhergehen oder aber bei Affektionen, die entweder über¬
haupt nicht im Abdomen lokalisiert sind oder doch wenigstens nicht zu
anatomischen Veränderungen von Bauchorganen führen. Zweifellos ist
es weit häufiger die, erste Kategorie von Fällen, welche differential-
diagnostische Schwierigkeiten bereitet, sowohl hinsichtlich der Beurtei¬
lung akuter Anfälle wie der Deutung chronischer Beschwerden. Täuschungen
können hier ausgehen von Affektionen des Magendarmtractus, der Gallen¬
wege und des Pankreas, des uropoetischen Systems, der weiblichen Geni¬
talien, deren Differentialdiagnose gegenüber der Appendicitis eingehend
besprochen wird. Nach kurzer Erörterung der in unmittelbarer Nach¬
barschaft der Bauchhöhle lokalisierten Erkrankungen, die gelegentlich
eine Appendicitis vortäuschen können (Hernien, Erkrankungen des Beckens,
des Psoas, der Bauchdecken usw.) erörtert Vortr. die Affektionen, welche
ein der Wurmfortsatzentzündung ähnliches Krankheitsbild hervorrufen,
ohne dass überhaupt pathologische Veränderungen in der Bauchhöhle
oder ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nachzuweisen sind. Von den
Affektionen, die chronische, pseudoappendicitische Beschwerden verur¬
sachen, sind die neuiasthenischen und hysterischen Affektionen, die eigent¬
lichen Darmneurosen, die Neuralgien und Myalgien, die Bleikolik zu
nennen. Unter den Erkrankungen, die ohne pathologischen Befund in
der Bauchhöhle eine akute Appendicitis vortäuschen können, bespricht
Vortr. die hysterische Pseudoperitonitis, die akute Pseudoappendicitis
bei Basedow, Pneumonie und anderen Infektionskrankheiten, namentlich
der Angina, dem Erythema exsudativum multiforme, dem akuten Gelenk¬
rheumatismus, der akuten recidivierenden Polymyositis und der Henoch-
schen Purpura der Kinder.
Die Diskussion wird vertagt.
Darauf Herr Direktor Salomon: Demonstration der ultramikroskopi¬
schen kinematographischen Films (aufgenommen von Dr. Commaudon)
betreffend Blutumlauf, Bewegung der Leukooyten, der Spirochäten (Firma
Pathö Freres).
Aerztlicher Verein nn Hamburg.
Sitzung vom 9. Juni 1914.
1. Hr. Liittge demonstriert die anatomischen Veränderungen bei
einem Knaben, dessen Nervensystem er auf Veranlassung von Herrn Dr.
Oberg im Kinderhospital auch klinisch antersucht hat. Das Kind, wegen
einer Tuberkulose aufgenommeo, bot damals folgenden Befund an den
Augen: Beim Blick geradeaus nichts Besonderes, beim Blick nach links
erreichten die Bulbi die End9tellungen. Ebenso war der Blick nach
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1338
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
oben, riaoh links oben, nach links unten unbehindert. Die Prüfung auf
Doppelbilder war bei dem Alter des Knaben (l Jahr 8 MoDate) nicht
ausführbar. Beim BJick nach rechts erreichten die Bulbi die Mittel¬
stellung und blieben hier stehen. Oft wandte das Kind dann den Kopf
nach rechts, um den Fehler auszugleicheo. Es gelang, Konvergenz-
bewegungen hervorzurufen und so den Nachweis zu liefern, dass der M.
rectus internus des linken Auges nur bei einer seiner Funktionen (bei
der associierten Rechtsdrehung) versagte. Es wurde in wiederholten
Sitzungen versucht, die Unterscheidung zwischen nucleärer und supra-
nucleärer Blicklähmung durehzuführeD, und dabei zeigte sich, dass durch
keine der von Bielschowsky angegebenen Methoden eine unwillkürliche
Drehung der Bulbi über die Mittelstellung hinaus nach rechts erzielt
werden konnte. Es bandelte sich demnach um den seltenen Befund einer
associierten seitlichen Blicklähmung von nuoleärem Cha¬
rakter. Eine gleichzeitige Abweichung des Kopfes war nicht vorhanden.
Der rechte Facialis blieb ein wenig in seiner Innervation hinter dem
linken zurück, war aber nicht eigentlich paretisch. — Eine Anamnese
konnte nicht erhoben werden. — Diagnose: Kleiner Herd im rechts¬
seitigen Abducenskern oder in dessen unmittelbarer Umgebung; wahr¬
scheinlich Tuberkel. Exitus durch Diphtherie. Das Gehirn wurde vom
Vortragenden im Pathologischen Institut des Krankenhauses St. Georg
bearbeitet. Makroskopisch: Solitärtuberkel, oberflächlich in der Rinde
des linken Hinterhauptlappens, fern von der Sehbahn, gelegen. Mikro¬
skopisch: Im Pons uüd Mittelhirn eine Anzahl kleiner gliöser Narben,
die Reste einer weit zurückliegenden Poliencepbalitis (Serienschnitte).
Ein Herd (6:2 mm), der in der Höhe des Trigeminus ventrolateral dem
hinteren Längsbüodel vorgelagert ist, sendet einen scbweifartigen Fort¬
satz durch die Schlinge des Facialis hindurch und zerstört so mit grösster
Präzision den rechten Abducenskern. Es finden sich drei weitere kleine
Herde (im linken Trochleariskern und in den grosszelligen Oculomotorius-
kernen), die für die seitliche Blicklähmung nicht in Betracht kommeo.
2. Hr. Deutschländer zeigt eine Patientin, bei der er vor 2 1 /* Jahren
wegen gonorrhoischer Kniegelenksankylose eine Gelenkplastik vor-
genommen hat. Er hat dabei im Gegensatz zu den sonst üblichen Ver¬
fahren alle Gelenkteile radikal zu entfernen, alles lebensfähige Ge¬
webe, insbesondere auch den Seitenbandapparat geschont. Demonstra¬
tion des guten Erfolges.
3. Hr. Weygandt:
Klinische und experimentelle Erfahrungen hei Salvarsaninjektionen
in das Centralnervensystem.
Das Gennerich’sche Verfahren wurde bei 25 Paralytikern in vor¬
geschrittenem Stadium angewandt, nachdem vorher eingehende Tier¬
versuche die Gefahrlosigkeit massiger Mengen von Neosalvarsan in ge¬
ringer Konzentration dargetan hatten. Die meisten Fälle wurden zwei-
bis dreimal injiziert. Erbrechen und Krämpfe wurden bei 3 Kranken
beobachtet; einmal vorübergehend Nackensteifigkeit, nur einmal wurde
bereits bestehende Inkontinenz etwas deutlicher. Anfälle wurden einmal
zwischen der 1. und 2. Injektion, zweimal nach der 2. Injektion beob¬
achtet. Geringe Temperatursteigerung wurde mehrfach beobachtet, meist
am Tage nach der Injektion. Gelegentlich waren die erste oder die
beiden ersten Injektionen fieberfrei, erst nach einer späteren Zeit trat
Fieber ein. Meist ging die Temperatur nicht über 38 bis 38,5° hinaus,
dreimal wurden 39° überschritten, einmal wurden 40,5° erreicht,
letzteres am 19. Tage nach einer dritten Injektion, in sonst fieberfreier
Zeit. Bei einem wurde am 36. Tage wieder eine fieberhafte Temperatur
beobachtet. Ein Kranker zeigte am 5. Tage Status, am 6. erfolgte
Exitus an Bronchopneumonie und Myodegeneratio cordis. Gelegentlich
war bei späteren Injektionen die Punktion selbst schwieriger als vorher.
Besserungen kamen, trotzdem die Fälle an sich sehr vorgerückt
waren, 15mal zu Beobachtung; sie betrafen die Sprachstörung, Facialis-
parese. Romberg. Manche erholten sich von der Hemmung, andere von
der Erregung. Mehrere konnten wieder aufsteheD, einer giDg im Garten
spazieren, ein anderer wurde gebessert entlassen. Zweimal wurde Ge¬
wichtszunahme von 4 bis 6 Pfund beobachtet. Ein anderer Fall konnte
seine frühere Verwaltungstätigkeit wieder aufnehmeD.
Gerade angesichts der Bedenken, die die Fälle von Cbarlton in
Los Aogelos erwecken mussten, ist zu betonen, dass die bet uns an¬
gewandte Methode keine besondere Gefahr wegen der Mischung des Neo-
salvarsans in vitro und auch nicht wegen der LösuDg in Chlornatrium
ergab.
Hr. Kafka berichtet über die Veränderungen der Reaktionen
in Blut und Liquor nach den intralumbalen Neosalvarsaninjektionen.
In einer grösseren Reihe von Fällen wurde eine Abnahme oder ein Ver¬
schwinden, sei es der Wassermann’scheu Reaktion im Blut oder im
Liquor, sei es des Zell-, sei es des Gesamteiweissgehaltes im Liquor
beobachtet, eine gleichsinnige Besserung aller Reaktionen, jedoch nur
in 2 Fällen. In 2 Fällen kam eine deutliche Herxheimer’sohe Re¬
aktion in Gestalt eines Aufflackerns einer syphilitischen Meningitis zur
Beobachtung. Die Luetinreaktion wird im Gegensatz zu den Fällen
von frischer Syphilis — wie übrigens auch bei intravenöser Salvarsan-
injektion — nicht verändert, d. h. nicht verstärkt.
Hr. Jakob berichtet über die Beobachtungen bei experimenteller
Salvarsanapplikation am Affen. Es wurde bald intralumbal, bald intra-
dural am Gehirn injiziert, und zwar kam eine Lösung von 0,1/100 und
eine von 0,3/100 zur Anwendung. Niedrige Dosen der verdünnten
Lösungen machten nie Erscheinungen, weder klinische noch pathologische.
Bei Anwendung der konzentrierten Lösung blieben einige Affen gesund,
andere bekamen schwere Paresen, einer starb im Status epilepticus, und
zwar wurden niedrige Dosen in einigen Fällen schlechter vertragen, als
in anderen hohe. Histologische Veränderungen fanden sich in diesen
Fällen fast immer, sie bestanden in einer Proliferation der Bindegewebs¬
zellen in der Dura und im Epineurium, Wucherung des Endothels der
Gelasse mit starker Verengerung des Lumens, Wucherung der Schwann-
schen Zellen in der Peripherie der Nervenbündel. In einem Falle mit
schweren Lähmungen fanden sich im Vorderbom akute Ganglienzell-
Veränderungen, in der Peripherie des Lumbalmarks Markscheidenverände-
ruDgen und Abbauzellen. Der Fall mit Exitus im epileptischen Anfall
war durch besonders schwere Gefässveränderungen — Eodothelwucherung,
Sprossbildungen — in einzelnen Gehirnabscbnitten, massenhafte Körnohen-
zellen an der Injektionsstelle — aber auch entfernt davon — aus¬
gezeichnet. Es kommt für die Wirkung sowohl auf die Dosis wie auf
die Konzentration an. Die Veränderungen fanden sich bei intralumbaler
Injektion auch im Gehirn und umgekehrt
4. Diskussion zum Vortrag des Herrn Lieaaa: lieber Jngeid-
irreseia.
Hr. Weygandt betont, dass die Schwierigkeiten in der Beurteilung
der Dementia praecox immer noch sehr gross sind, namentlich wenn mau
die Paranoiafrage damit verknüpft Wichtig ist die Frage des Zurück-
reichens in das frühe Jugendalter.
Hr. Trömner: Die überwiegende Rolle in der Aetiologie spielt die
Heredität Der Frage der Heilbarkeit steht Vortr. sehr skeptisch
gegenüber.
Hr. Nonne: Die Psychiater bekommen meist die schweren Fälle zu
sehen. Der Neurologe sieht eine Reihe von Fällen, bei denen auch bei
längerer Beobachtung von Heilung gesprochen werden kann. Aetio-
logisch spielt eine grosse Rolle die Syphilis in der Ascendenz. Da¬
bei bieten die Kranken selbst keine Stigmata der Erkrankung und nega¬
tive Wassermann’sche und Luetinreaktion. Diese Fälle geben meist eine
schlechte Prognose.
Hr. Saenger sieht ebenfalls nicht selten Fälle, die zur Heilung
kommen. Er zieht den Namen „Schizophrenie* dem der Dementia
praecoi vor.
Hr. Hess steht einer Heilung sehr skeptisch gegenüber und be¬
zweifelt die Diagnose in solchen Fällen.-
Auch Herr Lienau betont in seinem Schlusswort, dass in der¬
artig leichten Fällen die Unterscheidung der Dementia praecox von
Neurasthenie und Hysterie unmöglich sein kann.
5. Hr. Simntoads:
lieber Tuberkulose des ■änalieben Genitalsystems.
Während man früher allgemein den Nebenhoden für den Ausgangs¬
punkt der männlichen Genitaltuberkulose hielt, ist beute Benda der
Ansicht, dass es eine primäre Nebenhodentuberkulose überhaupt nicht
gibt. Diese Ansicht geht nach S.’s Erfahrungen zu weit, denn er fand
unter 40 Fällen, bei denen nur ein einziges Organ betroffen war, 20mal
die Prostata, 10mal die Saraenblasen und 10mal die Nebenhoden be¬
fallen. Die Ausbreitung von dem primär ergriffenen Organ aus erfolgt
zunächst (nach Baumgarten) mit dem Sekretstrom, kann aber auch
bei Sekretstauungen gegen den Strom erfolgen. Die häufige Kombination
mit Tuberkulose des unpolitischen Systems kann kein Zufall sein, da
dieselbe bei Weibern viel seltener ist. Dabei kann sowohl das eine
als das andere System das primär ergriffene sein. Daneben kommt sicher
auch eine polycentrische Entstehung vor. Eine Entscheidung durch den
histologischen Befund ist unmöglich, da es bei der hämatogenen Aus¬
scheidungstuberkulose zuerst zu einer Ausscheidung von Bacillen in das
Kanallumen kommt und erst von hieraus die Wand a/fiziert wird, wo¬
durch es zu ganz den gleichen Bildern kommt, wie wenn der Prozess
auf dem Wege des Kanals sich fortpflanzt. Solche Ausscheidungstuber¬
kulose kommt in der Prostata und den Samenblasen, nicht aber im
Hoden vor. Hier geht die Erkrankung vielmehr von den Lympbbahnen
aus, oder es kommt zur Bildung grosser Käseherde. Die Hodentuber¬
kulose ist durch eine erhebliche Tendenz zur Heilung ausgezeichnet.
An der Urethra findet man in Fällen von Prostatatuberkulose wenigstens
mikroskopisch fast immer Tuberkel. Praktische Schlüsse: Bei doppel¬
seitiger Nebenhodentuberkulose darf wenigstens ein Hoden zurückgelassen
werden. Dagegen sind die Samenblasen möglichst prinzipiell mitzuent¬
fernen, da hier im Gegensatz zur Ansicht Anschütz’s die Heilungs¬
tendenz nur sehr gering ist, und weil gerade bei Samenblasentuberkulose
Meningitis tuberculosa unverhältnismässig häufig ist. Sehr bemerkenswert
ist, dass von 20 Fällen von Kastration, die späterhin zur Sektion kamen,
alle ein Fortschreiten des Prozesses auf die Prostata, 17 auf die Samen-
blase zeigten. Das spricht für ein radikales Yorgehen.
Fr. Wohlwill.
Medizinische Gesellschaft zu Kiel.
Sitzung vom 11. Juni 1914.
Hr. Beraeand stellt einen Fall sicherer sympathischer Ophtbalnie
vor, die vier Monate nach einer Exenteration zum Ausbruch ge-
gekommen war.
Im Anschluss an einen Fall, wo die Diagnose der sympathischen
Ophthalmie wegen der Aehnlichkeit des klinischen Bildes mit Tuberku¬
lose Schwierigkeiten bot, bespriobt er kurz die Diagnosenstellung und
demonstriert Irisbilder von sympathischer Ophthalmie und Tuberkulose.
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UMIVERSITY OF IOWA
13. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1339
Hr. Behr: Zur Frühdiagnose der tabischen Sehnemnatrophie.
Die Dunkeladaptation des Auges wird nach der von Kries’schen
Theorie als eine isolierte Funktion des Stäbchenapparates der Netzhaut
uad insbesondere des in seinen Endgliedern enthaltenen Sehpurpurs an-
gesprochen. Durch physiologische Untersuchungen konnte Vortr. es
bereits vor längerer Zeit wahrscheinlich machen, dass die Produktion
und Regeneration des Sehpurpurs nach Art einer Drüsentätigkeit unter
dem regulierenden Einfluss eines höheren io den primären optischen
Ganglien gelegenen Centrums erfolgt. In der basalen optischen Bahn
verlaufen also neben den centripetalen visuellen (Zapfen- und Stäbchen¬
fasern) und pupillomotoriscben auch centrifugale sekretorische Bahnen.
Diese verschiedenen Fasersysteme besitzen nun eine verschiedene Wider¬
standsfähigkeit gegen Schädlichkeiten, die auf den Opticusstamm bzw.
auf die basale optische Leitungsbahn einwirken, je nach der Art der¬
selben. Die der Dunkeladaptation dienenden Fasern werden viel leichter
durch entzündlicb degenerative Prozesse in ihrer Leitung beeinträchtigt
als die beiden anderen, umgekehrt zeigen die letzteren eine geringere
Widerstandsfähigkeit gegen rein mechanische Schädigungen als die
Stäbchenfasern. So kann die Sehschärfe im atrophischen Stadium einer
Stanungspapille oder bei einer traumatisch bedingten descendierenden
Atrophie hochgradig herabgesetzt sein, und auch im Gesichtsfeld können
grössere Defekte bestehen, ohne dass die Dunkeladaptation eine stärkere
Sohädigung aufweist, ja diese kann sogar völlig normal sein. Das um¬
gekehrte Verhalten, dass die Dunkeladaptation elektiv geschädigt ist,
findet sich im Frühstadium der tabischen Sehnervenatrophie. Und zwar
handelt es sich hier um einen durchaus typischen und regelmässigen
Befand, der bereits zu einer Zeit zu erheben ist, in welcher Gesichtsfeld
und centrale Sehschärfe keine Spur einer Störung darbieten und nur eine
leichte atrophische Verfärbung der Sehnervenpapille auf das beginnende
Leiden bin weist. An drei Fällen konnte Vortr. nun auch eine derartige
in ihrer Art wohl charakterisierte Adaptationstörung bereits vor der Aus¬
bildung einer ophthalmoskopisch erkennbaren atrophischen Papillen-
verfärbuog als allererstes Zeichen eines im Sehnerven sich entwickelnden
degenerativen Prozesses beobachten. In allen drei Fällen bildete sioh
im Verlauf von einigen Monaten bis zu zwei Jahren langsam eine deut¬
liche Atrophie an der Papille aus, wodurch der Zusammenhang zwischen
der Adaptationsstörung und dem spezifisch tabischen Prozess im Nerven¬
stamm bewiesen wurde. Bei einem der drei Patienten hat sich in-
iwischen auf dem einen Auge auch eine unregelmässig konzentrische
Gesichtsfeldeinengung und eine leichte Herabsetzung der centralen Seh¬
schärfe heraasgebildet
Diese Beobachtungen lehren, dass die Störung der Dunkeladaptation
nicht aar eia konstantes Symptom der tabischen Sehnervenatrophie ist,
vielmehr stellt diese das erste überhaupt und leicht nachweisbare Sym¬
ptom dieses Leidens dar, das den übrigen objektiven und subjektiven
Symptomen unter Umständen um Jahre vorausgehen kann.
Hr. Heile berichtet unter Vorstellung von 6 Patienten über die
liagiostiseke Bedtoog einseitiger Neuritis optici bsw. Opticus-
itrophie.
Von 46 im Laufe von 7 Jahren unter etwa 50000 Augenkranken
beobachteten Fällen erklärten sich mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit
durch
Multiple Sklerose . . . . 15 = 35pCt.
Aetiologisch dunkel blieben 12 = 25 „
Uues.6 = 12 „
„Rheuma“.4 = 8 „
Tuberkulose. 4 = 8 „
Nebenböhlenerkrankungen
und orbitale Prozesse. . 3 = 6 „
Trauma? .2 = 4 „
Aach wenn man alle ätiologisch dunklen Fälle tur multiplen Skle¬
rose bmiurecbnet, würden sich doch erst 60 pCt. für diese ergeben, was
gegenüber den Fleiccher’schen Zahlen erheblich zurückbleibt. Gewiss
ut es berechtigt, möglichst lange Beobachtungszeiten zu verlangen, sah
doch Fleischer noch 14 Jahre nach dem Auftreten der ocularen Sym¬
ptome die multiple Sklerose manifest werden. Auch Vortr. sah einen
•I!’ d' 6 multiple Sklerose 10 Jahre nach einer (doppel¬
seitigen) Neuritis optici intraocularis herausstellte. Je länger man die
wienten mit Neuritis optici retrobulbaris oder intraocularis (besonders
an«' kr * m behält, je sicherer die anderen genannten Ursachen
MnschLessen sind, je sorgfältiger man neurologisch untersucht, um so
Hnh W - S * 1 -^ e ^ r0 * en tzahl der multiplen Sklerose, bis zu welcher
tnn . noc h diskutabel, vermutlich jedenfalls über 50. Auch
p e ° doppelseitigen Sehnervenentzündungen erklärt sich ein gewisser
t 0 ! 1 Sklerose, doch stehen hier wesentlich andere
a b° 1 |°8 i8cl1 im Vordergründe: in erster Linie Intoxikationen
i'Ws Diabetes*^ UQ< * ^°hol), Heredität (Leber- und Behr’sohe Formen),
Diskussion: HHr. Lubarsoh, Heine, Lüthje.
?'• Heseheler: Tetaaiekatarakt.
Piich*» !!*!?“ an Untersuchungen von Triebenstein und
dt» Vrtrhn a . tr# 50 Fälle von seniler und präseniler Katarakt auf
«n t>ösiti*a ^ e S sem , ^knter Tetanie untersucht, aber nur bei einem Fall
„ Ergebnis gehabt. (Demonstration des Patienten.)
*®finn Pawi!? ®i Qen Fall von Ophthalmoplegie vor. Es bestand
Ooulomotorius, Abducens, Trigeminus 1, der Sym-
^r des Dilatator und Parese des Trochlearis. S. *=
sichelförmiger Ausfall des Gesichtsfeldes unten, Miosis, Pupillenstarre
für Licht und Konvergenz. Reaktion auf Atropin, Eserin H-, auf
Cocain —.
Die mit Adrenalin erweiterte Pupille reagierte schwach auf Konver¬
genz. Leichter Schatten im Röntgenbild im Bereich der oberen Be¬
grenzung der Fissura orbitalis superior. Wassermann 0. Nebenhöhlen-
und Lumbalpunktion ohne Besonderheiten. Im Fundus geringe venöse
Stase.
Die Lähmung der Augenmuskeln ging zurüok, die Lidreaktion kehrte
teilweise wieder. Vortr. ist der Ansicht, dass bei dem Zusammentreffen
von Miosis mit Liebt- und Konvergenzstarre bei Sympathicuslähmung die
Miosis in diesem Falle durch einen reflektorischen, vom Trigeminus aus-
gelosten Reflex — Krampf des Sphincter — bedingt wäre, ausgelöst
durch dieselbe Schädigung, die centrifugal den ersten Trigeminusast
lähmte. Der Sphincterkrampf hat nach Ansioht des Vortr. die Licht-
und Konvergenzreaktion kaschiert. Gleichzeitig mit der Wiederkehr der
Empfindung im ersten Trigeminusaste kehrte auch die Konvergenz- und
Lichtreaktion spurenweise zurüok. E. Richter.
Verein für wissenschaftliche Heilkunde eu Königsberg i. Pr«
Sitzung vom 18. Mai 1914.
1. Hr. Boit demonstriert 2 operativ gewonnene sehr grosse Hydro-
nephrosen. Beiden Fällen lag kongenitale Ureterstenose zugrunde. Be¬
merkenswert war in beiden Fällen das Auftreten von Nierenblutungen,
die als spontan entstandene Dehnungsblutangen aus den Hydronephrosen-
wandungen gedeutet wurden.
2. Hr. Jastram demonstriert a) einen operativ gewonnenen, hämor¬
rhagisch infarcierten kryptorchen Hoden, der infolge Stieldrehung peri¬
toneale Reizerscheinungen gemacht hatte, b) das Präparat eines
Aneurysmas der Carotis externa. Dieses hatte als solider Tumor vor
der Operation imponiert. Bei der Operation tödliche Blutung. Von
Aneurysmen der Carotis interna sind 17 Fälle, des Car. externa ausser
diesem nur noch 1 Fall bekannt.
Diskussion zu 1. und 2.: Hr. Friedrich.
3. Hr. Kaiserling demonstriert zwei Aneurysmen, und zwar a)
Aneurysma perforans aortae in die Trachea und b) Aneurysma der
Bauchaorta, welches mit dem Duodenum kommunizierte.
Diskussion: HHr. Friedrich und Hilbert.
4. Hr. Henke*. Eine neue, in der allgemeinen Praxis leicht ausführ¬
bare Methode der Totalexstirpation chronisch erkrankter Gnnmen-
mandeln. Mit den bisherigen Methoden gelingt es, wie Heinemann
in einer eben erschienenen Arbeit betont, nicht in jedem Falle, ohne
Schwierigkeiten und ohne Gefahr die Operation der Tonsillenexstirpation
auszuführen. Das gilt ganz besonders von den kleinen, flachen, ver¬
senkten, mit der Unterlage fest verwachsenen Mandeln. Tonsillen, Gaumen¬
bögen und umliegendes Gewebe sind in diesen Fällen häufig ausser¬
ordentlich schwer voneinander abzugrenzen. Durch die zum Zwecke der
Anästhesie vorgenorameoe Injektion in die Gaumenbögen, welche von
fast allen Autoren empfohlen wird, wird die Unterscheidung der Ton¬
sillen von der Umgebung noch schwieriger. Vortr. vermeidet daher
peinlichst eine Infiltration der Gaumenbögen und nimmt die Anästhesie
in folgender Weise vor:
Pat. pinselt sich selbst mit einer 10 proz. Cocain-Adrenalinlösung
Zungengrund, Gaumenbögen, Tonsille und Rachenwand. Diese Selbst¬
anästhesierung ist dem Pat. viel angenehmer als diejenige durch den
Arzt Alsdann erfolgt die Infiltrationsanästhesie. 20—25 ccm folgender
Lösung werden injiziert: Va proz. Novocain 100 + Suprarenin 1,5 ccm.
Die Lösung wird lediglich hinter die Mandel injiziert und besonders
hinter den oberen Pol, und zwar mit einer gebogenen Kanüle vom Re-
cessus supratonsillaris aus. Dadurch wird die Tonsille mit ihrer Kapsel
aus ihrem Bett nach dem Lumen des Rachens, also nach innen heraus¬
gehoben. Zu gleicher Zeit aber wird sie von den lateral bleibenden
Gefässen abgehoben. Die Gaumenbögen grenzen sioh naoh dieser Injek¬
tion sehr scharf ab, selbst ganz versenkte Mandeln können dadurch gut
zum Vorschein gebracht werden.
Lässt man nun den Pat. mit einem Spatel die Zunge tief herab¬
drücken, so markiert sich der vordere Gaumenbogen besonders in seinen
unteren Abschnitten wie eine Leiste. Zu der nachfolgenden Operation
hat Vortr. ein besonderes Instrument konstruiert (Pfau und Lieber¬
knecht, Berlin). Die Tonsille darf nicht vorgezogen werden, sondern
die rechteckig abgebogene Endfläche des Instrumentes wird zwischen
vorderem Gaumenbogen und der Tonsille von unten aus eingeführt und
mit einer einzigen Bewegung nach oben die vordere Hälfte der Tonsille
samt Kapsel ausgeschält. Mit der anderen Endfläche des Instruments
•inem Löffel vergleichbar, wird nun die Tonsille von oben nach unten
herausgeschalt und zugleich vom hinteren Gaumenbogen abgetrennt
Nur noch unten hängt dann die Tonsille mit dem Gewebe zusammen'
und es kann entweder mit der Schlinge oder mit der Schere die An¬
heftungsstelle durchtrennt werden Die Operation lässt sich fast ohne
jeden Blutverlust und ohne jede Schwierigkeit in dieser Weise ausführen
Mastiso^bestrichen' J0<1,>,0rm anSg6pal " rt "‘ d d “" ™<*Uch S
WeJ^eneÄn 4 ? ^ in d « beschriebenen
Diskussion: HHr. Linok, Streit, Frindrieb, Henke.
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UNIVERSUM OF IOWA
1340
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
5. Hr. Brüte Ueber des Wert der Geschichte der Medizi».
Daa Studium der Geschichte der Medizin wird seit langem so ver¬
nachlässigt, dass fast die Frage aufgeworfen werden könnte, ob sie über¬
haupt Wert und Zweck hat. Aus der Entwicklungsgeschichte wissen
wir, dass wir oft ein Organ nur dann richtig beurteilen können, wenn
wir seine Entstehung kennen. Aber auch unsere Erkenntnis ist eine
gewordene. Die Gegenwart hat die vergangenen Entwicklungsstadien zu
ihrer notwendigen Voraussetzung. Wir sind uns dessen nur nicht be¬
wusst, wie sehr wir in unserer Sprache, in unserem Denken von ferner
Vergangenheit beherrscht werden. So sprechen wir z. B. ganz im Sinne
der alten Humoralpathologie von den vier Temperamenten, Dyskrasie,
Idiosynkrasie, ohne an die „Krasis“, die Mischung der 4 alten Kardioal-
säfte, Blut, Schleim, Galle und schwarze Galle zu denken. Das Interesse
für die Geschichte der Medizin schwindet immer mehr, aber auch die
früher zahlreich vorhandenen Lehrer der Geschichte der Medizin sind
fast verschwunden. Liegt dieser auffälligen Erscheinung nicht eine tiefere
Ursache zugrunde? Der frühere Charakter der Universitäten war eine
gewisse Universalität, die Wahrung des Zusammenhanges aller Wissen¬
schaft. Die Medizin wurde manchmal nur von zweien, ja von einem
Lehrer vorgetragen. Da war es leicht, eine Geschichte der Medizin zu
schreiben. Jetzt zerfallt unsere Wissenschaft in eine grosse Menge von
Spezialdisziplinen, dass ein einzelner nicht mehr alles kritisch über¬
schauen kann. Daher kann eigentlich jeder nur über sein eigenes Spezial¬
fach dessen Geschichte behandeln. Die Vorschrift, dass im Examen die
Geschichte berücksichtigt werden soll, hat wenig Zweck, wenn nicht
schon dafür gesorgt wird, dass das schon während des Unterrichtes ge¬
schieht. Ein Uebelstand für den Unterricht ist noch, dass sich der
jüngere Student für die Geschichte eines Gegenstandes nicht interessiert,
weil er ihn noch nicht kennt und der ältere Mediziner den Examens¬
sorgen etwa zu nahe steht. Deswegen schickt Vortr. ia seinen Vor¬
lesungen zuerst den augenblicklichen Stand einer Frage voraus, um ihre
Geschichte nachher daran zu schliessen. Zu diesem Zweck werden be¬
sonders markante Themata ausgewählt. Wie Verf. vorgeht, zeigt eine
kurze Skizze einer seiner Vorlesungen als Beispiel: Ueber die Behandlung
der Mammatumoren. Einzelheiten dieses überaus interessanten Themas
lassen sich hier nicht geben. Das Arbeiten an genau demselben Problem
durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch, der bestimmende Ein¬
fluss unserer theoretischen Anschauungen auf das praktische Handela
tritt hier überall zutage, und trotz aller dieser gewaltigen Anstrengungen
müssen wir trotz der Höhe unserer modernen Forschung bescheiden ein¬
gestehen, dass z. B. das uralte Krebsproblem auch beute noch nicht
gelöst ist.
Diskussion: HHr. Kaiserling, Kisskalt, Michaelis und
Friedrich.
6. Hr. Pappe: Die Operationspfllcht des Verletzten.
Drei Reiohsgerichtsentscheidungen im Verlauf der letzten 20 Jahre
kennzeichnen die Wandlung, welche die juristischen Anschauungen über
die Frage: Gibt es eine Operationspflicht des Verletzten? durchgemacht
haben. Die Reichsgerichtsentscheidung vom 80. V. 1894 legt das freie Selbst-
bestimmuogsreoht über den eigenen Körper hinsichtlich ärztlicher Be¬
handlung fest. Ein Urteil vom 20. XL 1911 stellt fest, dass ein Ver¬
letzter seinen Sobadenanspruch verliert, wenn er sich weigert, sich einer
ungefährlichen Operation zu unterziehen, und die Entscheidung vom
30. V. 1913, dass ein Beschädigter seinen Rechtsanspruch verliert, wenn
er es unterlässt, ein beschädigtes Glied, das mehr schadet als nützt,
sich absetzen zu lassen. Die für die gesamte soziale und private, ebenso
auch für die Gefängnis-Unfallversicherung hoch bedeutsamen Folgen dieser
Reohtsauffassung werden besprochen. Die Bedingungen für einen solchen
Eingriff sind: Völlige Gefahrlosigkeit und Schmerzlosigkeit, also gute
Lokalanästhesie, sichere Erwartung der Besserung der Erwerbsfähigkeit
und Bestreitung der Kosten seitens des Haftpflichtigen. Misslingt der
Eingriff, so trägt der Haftpflichtige auoh die neueotstandenen Folgen.
Diskussion: Hr. Friedrioh. Nippe-Königsberg.
Gynäkologische Gesellschaft zu Dresden.
Sitzung vom 14. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Kehrer.
Schriftführer: Herr Richter.
Hr. Krall: Demonstration eines Vaginalthermophors, dessen Tem¬
peratur man an einem von der Patientin in der Hand'zu haltenden
Kontrollapparat, der mit einem Thermometer ausgerüstet ist, bequem
kontrollieren kann.
Diskussion: HHr. v. Holst und E. Kehrer.
Hr. Krill: Demonstrationen: 1. vier exstirpierte Tubargravidi-
täten; 2. supravaginal amputierter Uterus myomatosns mit Gravidität;
3. Uterns, der nach der Operation eines Emmet-Risses wegen starker
Blutung aus dem schwammigen Gewebe des Operationsgebietes exstirpiert
worden war.
Diskussion: HHr. Weisswange und Krull.
Hr. Weisswange: Demonstration eioer durch Frühgeburt gewonnenen
Frteht, die im Anfang des achten Schwangerscbaftsmonats bei be¬
stehendem Hydramnion abgestorben war und bei der Geburt sehr starke
Einschnürungen an der Nabelschnur infolge von Torsion aufwies.
Lues und Nephritis waren bei der Mutter nicht vorhanden. Der Vor¬
tragende glaubt, dass das Absterben der Frucht duroh die Torsion der
Nabelschnur bedingt gewesen ist
Diskussion.
Hr. Albert nimmt an, dass die Torsion der Nabelschnur erst nach
dem Fruchttod eingetreten sei. Da Hydramnion bestand, so lag von
Anfaag an eine pathologische Schwangerschaft vor, die für das Absterben
der Frucht verantwortlich zu machen ist.
Hr. Richter glaubt, dass zur Ausbildung so starker Torsion der
Nabelschnur aktive Bewegungen des Kindes notig seien.
Hr. Kehrer nimmt ebenfalls an, dass die Torsion vor dem Ab¬
sterben der Frucht eingetreten sei; er erinnert daran, dass solche
Einschnürungen der Nabelschnur auch durch amnotische Stränge bedingt
sein können.
Hr. Weisswange: Bericht über einen rechtsseitigen Adnextiwsr
hei Gravidität im dritten Mennt, der sich bei der Operation als mehr¬
fach perforierter Appendix, der zwischen Iteumschlingen eingebettet lag,
entpuppte. Heilung nach Resektion des Coecums und der den Appendix
umgebenden Ueumscblingen und Vereinigung der Darmstümpfe.
Hr. Vogt: Demonstrationen: 1. Pyometra auf dem Boden eines
Cervixcarcinoms; 2. Hydrometra, vergesellschaftet mit Cystocaroinom des
Ovariums.
Diskussion: Hr. Ehrlich.
Hr. Tittel: Demonstrationen: 1. Absprengingswlssbildasg der Nase,
rüsselförmiger Anhang am rechten inneren Augenwinkel, der als miss¬
gebildete rechte Nasenhälfte gedeutet werden muss; 2. Choidrodystrs-
phia congenita; 3. angeborener, sehr starker Hydrocephalns.
Diskussion: Hr Prüsmann.
Hr. Strohbach: Demonstration eines Blinddarmes, in dem ein Kot¬
stein und vier Baodwurmglieder gefunden wurden.
Diskussion: Hr. Steudemann.
Hr. Reinhardt: Diabetes nad Schwangerschaft
Demonstration einer 45jährigen Zwöiftgebärenden in der 20.Schwanger-
sobaftswoche, die seit */< Jahren an Diabetes leidet. Schwerer Fall von
Diabetes, nach dreitägiger kohlebydratfreier Diät Entzuckerung nicht er¬
reichbar. Auftreten von Aceton und jff Oxybuttersäure; toxische Nephrose,
schwere Alteratioo des Allgemeinbefindens. Kein Anhaltspunkt für
Pankreasdiabetes; tägliche Ausschwemmung von 70—80 g = 4—7 pCt
Sacharum. Künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft. Postoperatir
starke Acidose, die nach 6 Tagen durch entsprechende Diät zurüokgeht
Wocbenbettsverlauf fieberfrei. Durch die Schwangerschaftsunterbrechung
war keine Beeinflussung der Zuckerausscheidung zu erreichen, das sub¬
jektive Befinden besserte sich jedoch erheblich.
Diskussion: Hr. Kehrer glaubt, dass die Prognose bei Diabetes
in der Schwangerschaft ganz allgemein viel zu trübe gestellt wird.
Hr. Kehrer: Spontanruptur des Uterns nach vorbergegangenem
Kaiserschnitt, nach welchem im Wochenbett eine Endometritis purulenta
und doppelseitige Mastitis bestanden batte. Geheilt duroh supravaginale
Amputation des Uterus.
Aussprache zam Gesetzentwurf znr Bekämpfung der Gebirtea-
tbnnbme: Die Gesellschaft scbliesst sich den in dem Berliner Gutachten
gemachten Vorschlägen an. Klaus Hoffmann-Dresden.
Naturwissenschaftlich-medizinische Gesellschaft zu Jena.
(Sektion für Heilkunde.)
Sitzung vom 28. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Binswanger.
Schriftführer: Herr Berger.
1. Hr. Ponndorf (als Gast): Cutanimpfnng bei Tuberkaitse.
Angeregt durch die vielen Misserfolge mit der gewöhnlichen Glycerin-
Pookenlymphe in den Tropen hat Vortr. eine Trockenlymphe hergestellt,
die auch in den Tropen ihre Wirkung nicht verliert. Durch genügend
langes Zerreiben dieser Trookenlymphe in einer Kugelmühle erhält man
ein Vaccinetoxin, das bei cut&ner Verimpfung spezifische Reaktionen
gibt. Beim Kaninebenohr entsteht nach 6—8 Wochen Rötung und
Schwellung, nach l f 4 Jahr eine Papel mit Areola, noch später oft ein
Bläschen auf der Papel. Bei Wiederimpfung treten alle Reaktionen
noch stärker und schneller auf, was Vortr. auf eine Beseitigung der
Immunität der Haut zurückfübrt. Vortr. erblickt in dieser Erscheinung
bei der Wiederimpfung eine Entgiftung des Körpers. Diese Erfahrungen
veranlassten den Vortr. auch zu Versuchen bei Tuberkulose. Auch hier
erhielt er bei tuberkulösen Kaninchen bei cutaner VerimpfuDg von Tuber¬
kulin eine typische Papel mit Areola. Während bei frischer Tuber¬
kulose sich nur schwache Resultate zeigten, erhielt er bei fortgeschritteneren
Formen, sobald die Bacillen in die Blutbabn und die inneren Organe
eingedrungen waren, ganz ausserordentliche Reaktionen. Bei Versuchen
am Menschen zeigte sich z. B. bei einer Frau mit hochgradigem, lange
Jahre vergeblich behandeltem Lupus faoiei sowohl eine sehr starke Papel
mit breiter Areola an der Impfstelle, wie auoh eine stark entzündliche
Reaktion an den lupösen Partien mit Einschmelzung der Knötchen und
grosser Heitungstendenz der Geschwüre. Das vom Vortr. hergestellte
Präparat ruft stärkere Reaktionen hervor, wie daa Alttuberkulin-Höchst
Das Koch’sche Alttuberkulin ruft zwar starke Lokalreaktion, aber kein
Zurückgehen des Lupus hervor. Ein Fall von Lupus ist vom Vortr.
durch wiederholte Impfungen vollkommen geheilt. Besonders gute Er*
folge erzielte Vortr. bei Hornhautphlyktaenen; ferner völlige Heilungen
von Spitzen tuberkulösen. Bei fortgeschritteneren Stadien Hessen sich er¬
hebliche Besserungen konstatieren. Bei bisher badllenfreien Patienten
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UNIVERSITÄT OF IOWA
13. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1341
treten bisweilen nach den Impfungen reichlich Bacillen auf, was sich
wohl nur durch Lokalwirkung erklären lasse. Fieber und Blutungen
sind keine Kontra)ndikationen. Ferner bestehen gute Erfolge bei all¬
gemeinem Ekzem, Psoriasis, Mittelohrkatarrhen, Bauch feil tuberkulösen.
Die Technik muss sorgfältig ausgeführt werden. Abreiben der
Impfstelle (Oberarm) mit Benzin oder Alkohol. Etwa 30 Impfschnitte,
1—2 mm nebeneinander auf einem fünfmarkstückgrossen Gebiet, so aus-
gefflhrt, dass eben Neigung zur Blutung auftTitt. Sorgfältiges Einreiben
Ton etwa 2 Tropfen Tuberkulin. Trocknen lassen! Kein Verband!
(Demonstration.) Vortr. fordert dringend zu Versuchen mit seiner Me¬
thode auf.
Diskussion: HHr. Stintzing, Stock, Lommel und Ponndorf.
2. Hr. Stintziig: Zar Behandlung des Pneumothorax.
Der geschlossene Pneumothorax bei Lungentuberkulose kann
unter bestimmten Voraussetzungen spontan ausheilen. Bisweilen können
häufige Punktionen zur Heilung führen. Komprimiert gewesene Lungen-
partien können sich noch nach Vs —*U Jahren wieder ausdehnen. Der
offene und Ventilpneumothorax haben eine sehr schlechte Prognose.
Punktionen stellen meist nur ein palliatives Mittel dar. Dem Vortr, hat
sich jedoch ein Verfahren bewährt, das sich an die Bülau’sche Heber-
drain&ge anlehnt, wobei der Druck so reguliert wird, dass bei der In¬
spiration der Pleuraraum die Luft nicht durch das Loch in der Lunge,
sondern durch die Oeffnung von aussen ansaugt. Vortr. hat verschiedent¬
lich gute Erfolge erzielen können und empfiehlt es Wh gelegentlicher
Nachprüfung. (Demonstrationen.)
3. Hr. Reichmann: Herdsymptome hei Meningitis.
Sind bei einer Meningitis Herdsymptome vorhanden, so kann es sich
handeln: I. um eine Neuritis bzw. Perioeuritis der Hirnnerven, 2. um
eine Läsion centraler Bahnen, 3. um einen Fall ohne anatomisches
Substrat. Bei einem Patienten des Vortr. wurde die Diagnose auf einen
Solitärtuberkel an der Brücke oder dem Beginne des Grossbirnschenkels
gestellt. Die Sektion ergab keinen makroskopischen Befund. Jedoch
gelang es, mikroskopisch schwere Veränderungen an den klinisch ver¬
muteten Lokalisationen festzustellen. (Demonstrationen.)
Warsow-Jena.
Medizinische Gesellschaft eh Göttingen,
Sitzung vom II. Juni 1914.
Hr. fioeppert demonstriert a) einen 5Vz jährigen Jungen mit Osteo-
putyruis, der bereits seit 5 Jahren in Behandlung steht; jegliche
Therapie ist wirkungslos geblieben; es treten immer wieder neue
Frakturen auf. Starke Verbiegung der Oberschenkel. Keine Rachitis.
(Röntgen bilder);
b) Injektioispräparate, die den Verschluss der Foramina des
4. Ventrikels bei Genickstarre des Säuglings erkennen lassen; einen Tag
vor dem Eintritt des definitiven Verschlusses starke Differenz zwischen
Ventrikel und Arachnoidaldruck;
c) berichtet über ein 8 jähriges Kind, bei dem die Symptome eines
Kleiikintanorfl nur angedeutet waren, ja teilweise überhaupt fehlten.
Die Diagnose wurde im wesentlichen aus dem bestehenden rechtsseitigen
Schiefbals gestellt.
Hr. Boehm demonstriert das pathologisch-anatomische Präparat
dieses Falles: zellreiches Gliom des rechten Kleinhirns.
Br. Blnbdorn : Znr Biologie der Darmflora des Säuglings.
Vortr. hat Versuche über den Einfluss verschiedener organischer
Säuren auf die Stuhlflora angestellt; von den untersuchten Saures wirkte
die Milchsäure am stärksten bakterienbemmend. In den Säurenähr-
geoischen wuchs nur eine grampositive Flora, die gramnegative wurde
abgetotet, weshalb Vortr. zu der Ansicht neigt, dass die früher ätio¬
logisch für die Entstehung von Darmkatarrhen verantwortlich gemachten
Streptokokken und Streptobacillen (sogenannte Acidophilie) lediglich als
säureresistente Bakterien in Stühlen saurer Reaktion gewissermaassen
als Restflora gefunden worden sind. Die Milchsäure regt am wenigsten
die Peristaltik an und schädigt am wenigsten den Darm. Die Säuren
verhalten sich in dieser Beziehung gerade umgekehrt wie hinsichtlich
«rer bakterienbemmenden Wirkung. Vortr. geht dann auf die von
Bakteriea gebildeten Säuren eiu unter Mitteilung eigener Versuche; er
glaubt, dass für die Entstehung von Durchfällen ätiologisch die niederen
fluchtigen Säuren von grosser Bedeutung sind. Zum Schluss bringt er
eunge therapeutische Ausblicke.
Hr. Usener:
Heber Einwirkung des Kalks auf das vegetative Nervensystem.
p. v °rtr. hat die lähmende Wirkung von Kalksalzen auf das durch
niocarpin, Atropin und Adrenalin erregte vegetative Nervensystem
untersucht; es gelang ihm, das Zustandekommen der Adrenalinglykosurie
fii DaC ^- ^ er ^ os * s zu hemmen bzw. zu unterdrücken. Die der
drenalinglykosurie gleichsinnig gesteigerte Blutzucker- uod Liquor-
wctermenge wurde durch Kalk ebenso quantitativ vermindert, auch die
wcwDglykosurie wurde durch Kalk unterdrückt, dagegen blieb die
juneotäre UQ H Phloridzinglykoaurie durch Kalk völlig unbeeinflusst. Es
oanaelt sich nach Ansicht des Vortr. um eine die Nervenerregung selbst
lahmende Wirkung des Kalks.
Hr. Goeppert: Ueber Lnngenblähung.
bei <u? t . oder °^ ne vesentliohen auscultatorischen Befund findet man
E m • .ledern Lungenblähung, die sich durch Expression während der
piration beseitigen lässt, nach Minuten bzw. Stunden aber reoidiviert.
Die einsetzende Besserung ist oft daran erkennbar, dass die künstliche
Reduktion des Lungenvolumens länger bestehen bleibt. Bei einer
anderen Gruppe von an chronischem Husten Leidenden tritt erst Blähung
auf, wenn das Kind mehrfach tief inspiriert hat. Dieses Volumen pulmonis
auctum bleibt Minuten bis eine Stunde lang bestehen. Hustenanfälle
verringern das Volumen nicht. Die Kinder sind meist ausgesprochen
exsudativ diathetisob, doch erklärt dies nur die Häufigkeit und Dauer
der Bronchitiden, nicht die Insuffizienz der Exspirationskräfte. Ein
direkter Zusammenhang mit Asthma besteht nicht. Angenommen wird
eine angeborene geringere Elastizität der Lunge, vielleicht durch eine
Störung in der automatischen Regulierung der muskulären Exspirations¬
kräfte. F. Port.
Natnrhlstori geh-medizinischer Verein zu Heidelberg.
Sitzung vom 19. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Hermann Kossel.
Schriftführer: Herr Carl Franke.
1. Hr. Aitoni*. Demonstration eines Falles von Pemphigus vegetans.
Im Sommer 1913 zeigten sich bei dem jetzt 21jährigen Patienten
plötzlich auf Brust und Armen rote lioseugrosse Flecken, aus denen sich
Blasen und Eiterpusteln bildeten. Ende August 1913 öfters blutiger
Stuhl. Oktober 1913 reichliche Blasenbildung im Munde. Gleichzeitig
stärkere Blasenbildung mit trübwässerigem Inhalt an beiden Beinen.
Spontane Eröffnung der Blasen mit anschliessender Geschwürsbildung.
Stellenweise Abheilung der Blasen. Februar 1914 plötzliche Verschlechte¬
rung. Geschwüre an Beinen und am After. Reichlich blutiger Stuhl.
Starker Milztumor. 45pCt. Hämoglobin. Leukocyten 11000, Eosino¬
phile 5 pCt. Ausstriche aus den Geschwüren ergaben grampositive und
gramnegative Stäbchen, Staphylokokken und einen besonders dicken
grampositiven Diplococcus. Auf eine intravenöse Seruminjektion von
20 com trat sofortige Besserung ein mit Nachlassen der Schmerzen und
Eintrocknen der Wunden. Lokal wurden Kochsalz und Wasserstoff¬
superoxydumschläge angewandt, ausserdem Pinselungen mit Argentum
nitricum. Drei weitere Seruminjektionen im Verlauf von 35 Tagen
führten weitergehende Besserung herbei. Wunden granulierten und
führten zur Heilung. Am 17. IV. plötzliche Verschlechterung des All¬
gemeinbefindens und Temperaturanstieg. In den schon zugeheilten Ge¬
schwüren sind neue wuchernde Uloerationeu aufgetreten, die heftig
schmerzen. Erneute Serumiojektiou ohne wesentliche Besseruog der
Geschwüre. In den Blutausstrichen, die zur Zeit des neuen Schubes
untersucht wurden, fanden sich eigenartige Gebilde, die sich nicht sicher
als Blutplättchen deuten Hessen (Protozoen?). Trotz Serumeinspritzung
wurden die Uloerationeu grösser. Uebergang zur Salvarsantherapie. Ab¬
heilung der Geschwüre nach zwei Einspritzungen.
2. Hr. Wiedhopf:
Anatomische Demonstration eines Falles von Hirsehsprnng’scher
Krankheit.
Vort. berichtet über einen Fall, den er auf dem Präparierboden
fand. Bemerkenswert ist, dass der rechte Leberlappen fehlte, der Lobus
caudatus sehr stark entwickelt war. (Ausführliche Publikation anderen
Ortes.)
3. Hr. Dresel:
Zar Aetiologie nnd klinischen Diagnose der Aktinomykose.
Die Aktinomykose des Menschen und des Rindes beruht auf In¬
fektion mit einem anaeroben Trichomyceten (Actinomyoes Wolff-Israel).
In manchen Fällen besteht eine Mischinfektion mit einer aeroben Strepto-
thrixart (Actinomycesgruppe Bostroem). Ausser der echten
Aktinomykose gibt es klinisch der Aktinomykose ähnlich verlaufende Er¬
krankungen, bei denen im secernierten Eiter ausschliesslich aerobe
Streptothriobeen gefunden werden. In diesen Fällen können drusen¬
ähnliche, makroskopisch sichtbare Körnchen Vorkommen, die aus Knäueln
verfilzter Streptothrixfaden bestehen. Andererseits können in frischen
Fällen von echter Aktinomykose, besonders bei frühzeitiger eitriger Ein¬
schmelzung des Gewebes, Drusen im secernierten Eiter völlig fehlen. Die
Frage, ob es sich in einem gegebenen Falle um echte Aktinomykose,
um Streptothrichose oder um eine Mischinfektion beider handelt, kann
nur durch die bakteriologische Untersuchung und aerobes und anaerobes
Kulturverfabren mit Sicherheit entschieden werden. An der Hand von
Lichtbildern wurde dann eingehend die Morphologie des anaeroben
Actinomyoes Wolff-Israel und der Aufbau der Drusen beschrieben.
4. Hr. Pol:
Die verschiedenen Formen der Brachyphnlangie, Hypo- nnd Hvner-
phalangie and ihre Deutung. JP
Wie die Hyperpbalangie des Daumens als ein Zeugnis für seine
Dreigliedrigkeit in der Vergangenheit aufgefasst wird, so ist die bei
38 pCt. der Menschen vorkommende Hypopbalaogie der kleinen Zehe
eine prospektive Varietät, der Typi^s der kleinen Zehe in der
Zukunft. Diese phylogenetische Hypophalangie hat ihren Vor¬
läufer in der Braobyphalangie der Mittel phalanx. Beide sind Stadien
desselben Reduktionsprozesses: Erst Reduktion der Mittelphalanx
(Brachymesophalangie), dann Resorption ihres Materials duroh die
Endpbalanx und Umformung dieser (Assimilationshypophalangie).
Dieser innerhalb unserer Spezies weitverbreitete Reduktionsprozess an
den Zehen überhaupt kommt in höherem Grade gleichzeitig zusammen
mit analogen Formbildungen an den Fingern, beidseitig und symmetrisch.
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UNIVERSUM OF IOWA
1842
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
innerhalb bestimmter Familien vor: Familiäre Brachymeso- und
Assimilationshypophalaogie. Für Hand und Fuss ergibt sich da¬
bei je eine ganz gesetzmässige Dispositionsskala zur Pbalangenreduktion,
sie lautet (vom Maximum zum Minimum fortschreitend) für den Fuss:
V, IV, III, II; für die Hand: V, II, IV, III. Die diesen beiden Skalen
in umgekehrter Richtung entsprechende physiologische Differenz im
Tempo der Knorpelwucherung der Mittelphalangen, die sich im Auf¬
treten der Epipbysenkerne ausdrückt, ist ins Pathologische gesteigert
durch eine allgemeine Hemmung der Knorpelwucberung und -biidung.
Diese formale Genese wie die Vererbung nach der Mendel’schen Prä¬
valenzregel lassen diese familiäre Brachydaktylie als endogen erkennen.
Eine autogene Keimesvariation müssen wir für die analogen beidseitigen
und symmetrischen nicht familiären Brachydaktylien annehmen.
EinseitigeBrachymeso- undAssimilationshypophalangie
zusammen mit Syndaktylie, verbunden in einem grossen Prozent¬
satz der Fälle mit gleichseitigem Brustmuskel-, auch Rippen¬
defekt, stellt einen zweiten Typus der Brachydaktylie dar, bei dem
erbliche Einflüsse auszuschliessen sind, eine äussere mechanische Ent¬
stehungsursache nicht unwahrscheinlich ist.
Mit den für die Phalangenreduktion charakteristischen OssifikatioDS-
hemmuogen an den Epiphysen kombiniert sich bei einem dritten Typus
eme Zunahme der Epiphysenossifikation: Sekundäre Phalangenbildung
aus der Epiphyse der primären Grundphalanx am 2. und 3. Finger sym¬
metrisch beidseitig. (Pseudohyperphalangie). Diese Missbildung
beim Menschen hat ebenso wie die bei der Brachydaktylie vorkommende
doppelte Epipbysenbildung (proximal und distal) am Metacarpus und an
den Grundphalangen ihre Parallele in den normalen Extremitäten der
Wassersäuger.
Eigentliche Hypophalangie mit wirklichem B’ehlen der End¬
phalanx und des Nagels kommt ebenfalls beidseitig und erblich vor.
Von ihr unterscheiden sich amniogene Hypophalangien und
Bracbyphalangien, die ebenfalls beidseitig und an Händen und
Füssen gleichzeitig Vorkommen, durch ihre Atypie. Endlich gibt es
Synostosen von Phalangen, ohne dass die LäDge und Form so verändert
wird wie bei der Assimilation: Diese Symphalangien bevorzugen das
proximale Interphalangealgelenk.
Das charakteristische Fehlen einer EpiphyseDfuge bedeutet bei der
letzten Form der Brachydaktylie, die durch Verkürzung einzelner oder
mehrerer Strahlen im Metacarpus oder -tarsus bedingt ist, höchst wahr¬
scheinlich keine prämature Synostose einer echten Epiphyse mit der
Diaphyse, sondern eine primär abnorme Verknöcherung der Epiphyse
in Form einer Pseudoepipbyse, d. h. einer von der Diaphyse ausgehenden
Ossifikation. Auch für die Brachyphalangia metacarpi und raeta-
tarsi gilt hinsichtlich formaler und causaler Genese das für die Brachy-
phalangie im engeren Sinne gesagte; auch sie setzt höchstwahrscheinlich
im intrauterinen Leben ein, sie wird allerdings erst deutlich mit zu¬
nehmendem Wachstum. K o 1 b - Heidelberg.
Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 14. Mai 1914.
Hr. Burckhardt; 1. Ueber Melanom.
2. Ueber Meckel’sches Divertikel.
Nach Besprechung der Entstehung des Divertikels berichtet Vortr.
über 8 in den letzten 2 l f 2 Jahren im städtischen Krankenhaus von ihm
operierte Fälle.
Hr. Wilhelm Volt:
Ueber Entfettnngskuren mittels elektrischer Ströme (Bergonie).
Nach Beschreibung des Apparats und seiner Handhabung berichtet
Vortr. über seine Erfahrungen, die recht günstig sind; er bat bei wirklich
fetten Patienten eine Fettabnahme erzielt, wie dies durch diätetische
Maassnahmen nicht möglich gewesen wäre. Die berichteten ungünstigen
Erfolge beruhen wohl zum Teil auf Mangel an Erfahrung in der Hand¬
habung des Apparats. Besonders günstig wirkte das Verfahren bei mit
Herzstörung behafteten Fettleibigen, besonders auch durch Kräftigung
der Muskulatur, die sich dadurch zu erkennen gab, dass die Patienten
in kurzer Zeit zu anerkennenswerten körperlichen Leistungen befähigt
waren.
Hr. Kraft demonstriert einen Patienten mit Heterochromie und
verweist auf die Disposition solcher Augen zu Erkrankungen.
Sitzung vom 28. Mai 1914.
Hr, Wilhelm Voit berichtet über einen Fall von Carcinoma ven-
triculi, bei dem die Stellung der Diagnose nur durch die Röntgen¬
aufnahme möglich war.
39 jährige Frau aus der Oberpfalz war April 1913 zum neunten
Male gravida geworden. Während der Gravidität Magenbeschwerden.
Anfang dieses Jahres wurde sie von einem gesunden Kinde entbunden,
das sie nur kurz stillen konnte, da Milch versiegte. Die starke Ab¬
magerung, die Magenbeschwerden nehmen nicht, wie sie erhofft batte,
ab, sondern zu. Anfang Mai kam sie zu V. Vater der Pat. starb an
Carcinom. Tumor beim Abtasten nicht zu finden. Keine freie Salz¬
säure. Uffelmann negativ. Keine Stauungsbakterien. Röntgenaufnahme:
Kolossaler Tumor vom Pylorus, der noch durchgängig war, entlang der
kleinen Curvatur. Das Carcinom war wohl infolge der Gravidität mit
Leber und Zwerchfell verwachsen, es war vollkommen vom Rippenbogen
verdeckt. Die Röntgenaufnahme behütete die Pat. vor einem aussichts¬
losen chirurgischen Eingriff.
Hr. J. Steinhardt: Kasuistisches über Diphtherie.
Oktober 1913 wurde Vortr. zu einem Kinde gerufen mit schwerster
Herzschwäche nach Diphtherie. Der desolate Fall kam ad mortem, und
nun erfuhr er von der Mutter, dass in der gleichen Klasse noch zwei
andere Kinder an Diphtherie gestorben seien. Die 47 Schulkinder dieser
Klasse wurden nun bakteriologisch untersucht, und es zeigte sich, dass
2 davon Diphtberiebacillen beherbergten. Noch lange Zeit waren die
beiden Bacillenträger und durften erst dann wieder zur Schule, in der
kein weiterer Fall von Diphtherie mehr auftrat. Vortr. verweist auf die
Veröffentlichung von Friebold in der Münchener medizinischen Wochen¬
schrift.
Des weiteren berichtet Vortr. über Erkrankungen in einer Familie,
die aus ManD, Frau und 3 Knaben bestand. Ein Knabe (Franz) war
4 Jahre alt, zwei Zwillinge (Carl und Otto) 2 Jahre alt. Februar 1918
erkrankte Carl an Diphtherie, Franz und Otto immunisiert. Januar 1914
erkrankte die Frau an Diphtherie, Kinder isoliert, Wohnung desinfiziert
Heilungsverlauf war glatt. 6. IV. 1914 wurde Vortr. zum vierjährigen
Franz gerufen, Angina, nicht den geringsten Belag, keinerlei Diphtherie¬
verdacht. Am 9. IV. Husten mit rauhem Beiklang, es entwickelten sich
Crouperscheinungen, auf den Tonsillen nichts. Abstrich ergibt Diphtherie¬
bacillen fast Reinkultur. Injektion von 2000 Serumeinheiten. Die
beiden anderen Brüder wegen Anapbylaxiegefahr nicht injiziert. Ara
11. IV. erkrankten die beiden Brüder mit leichter Temperatursteigerung,
und in der Nacht zum 12. IV. stellten sich schwere Crouperscheinungen
ein. Injektion von Serum. Otto musste zweimal injiziert werden
(3500 Einheiten). Bei beiden (Carl und Otto) traten schwere ana¬
phylaktische Erscheinungen auf, besonders aber bei Otto; bei ihm stieg
das Fieber bis 40,4°, and er bekam zwei schwere Anfälle von Herz¬
schwäche. Ausgang bei allen Kindern in Heilung. Gleichzeitig mit dem
vierjährigen Franz erkrankte in einer befreundeten Familie ein vier¬
jähriger Junge auch an Angina; kein Belag auf den Tonsillen, nach
14 Tagen typische Crouperscheinungen, Abstrich Diphtheriebacillen
ebenfalls fast in Reinkultur. Vortr. machte von sämtlichen Familien¬
mitgliedern samt Dienstpersonal der erstgenannten Familie Abstriche,
die bei allen negativ waren, ausser bei der Frau, die 1914 Diphtherie
durch gemacht hatte.
Die Frage: „Muss die Furcht vor Anaphyl&xieerscheinungen
von der Immunisierung absteben lassen?" verneint Vortr.
Es empfiehlt sieb, mit dem Serum zu wechseln, zur Immunisierung
Rinderserum, zur therapeutischen Pferdeserum. Es empfiehlt sich, die
Eltern zu unterrichten, welches Serum zur Anwendung gelangte, falls
bei einer späteren Erkrankung ein anderer Kollege zugezogen wird.
Kraus.
Aerztllcher Verein zu München.
Sitzung vom 20. Mai 1914.
Geschäftliches.
Hr. y. Stibenraneh:
Die deformierende Helenhentsündang im Lichte neuerer Forschuagei.
An der Hand von etwa 40 Projektionsbildern berichtet Vortr. über
den heutigen Stand der Arthritis deformans. Es handelt sich bei den
Projektionsbildern hauptsächlich um Knie- und Hüftgelenkerkrankungen,
und zwar teils um makroskopische, teils um mikroskopische Aufnahmen.
Das Primäre ist stets eine Erkrankung oder Schädigung des die Gelenk-
flache bildenden Knorpels. Erst wenn dieser in irgendeiner Weise ver¬
letzt ist, kommt es zu einem grossen, zapfenartigen Vordringen von
Knochenbälkchen und Vascularisierung, vom darunterliegenden knöchernen
Teil des Knochens ausgehend, mit gleichzeitiger Einschmelzung der
Knorpelsubstanz. Die bis dahin sebarfe Knochen-Knorpelgrenze wird
dadurch uneben und höckerig. Bei ausgedehnter Schädigung des Gelenk¬
knorpels kommt es besonders im Randbezirk zu einer reichlichen Neu¬
bildung von Knochengewebe, das jedoch auch jetzt wieder von einem
neugebildeten Faserknorpel überzogen ist. Auf dem Querschnitt sieht
man, wie Vortr. an einem derartig veränderten Hüftgelenk zeigt, noch
den ursprünglichen, schön gerundeten Gelenkkopf, während ihm die neue
Knochenauflagerung ein pilzförmiges Aussehen verleiht. Bei Usur der
Gelenkfläche werden hin und wieder Markräume eröffnet, und es sammeln
sich dann in denselben teils Blutgerinnsel, teils Knorpelteilchen usw. an
(Blut-, Detritus-, Knorpelgeröllcysten). Das in diesen Cysten sich an¬
sammelnde Knorpelgewebe ist zum Teil abgestorben, zum Teil aber
noch lebensfähig und kann dann dort weiterwachsen. Da das Knorpel-
gewebe frei von Nerven ist, können diese Vorgänge völlig schmerzlos
vor sich gehen; man kann sogar die erkrankten Gelenkenden verschieben
und aneinanderreiben und die Rauhigkeiten der Gelenkfläche direkt
fühlen ohne Schmerzen für den Patienten. Erst die Heizung oder Ein¬
klemmung abgesprengter Gelenkteilchen zwischen dem Gelenk und der
Gelenkkapsel rufen die heftigsten Schmerzen hervor. Als primäre Ur¬
sachen der KnorpelveränderuDgen sind anzusehen: Aenderung dw
Elastizität des Knorpels infolge mangelhafter seniler Ernährung, Ueber-
anstrengung, z. B. infolge zu laugen Stehens oder zu grosser Belastung
(zu schweres Körpergewicht; in diesem Falle wäre eine Entfettungskur
empfehlenswert), oder sekundär infolge von Aenderung der Druck¬
verhältnisse, wie wir sie bei Luxationen finden. Prophylaktisch ist also
darauf zu achten, falsche einseitige übermässige Belastung der Gelenke
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UNIVERSUM OF IOWA
13. Juli 19X4.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1348
*a verhindern, besonders zur Zeit der Pubertät (Kellner) bzw. Kräftigung
der Gelenke durch Turnen usw.
Nur bei zu heftigen Schmerzen empfiehlt Vortr. anfangs Ruhig¬
stellung des Gelenks, sonst möglichst von Anfang an Gelenkbewegung,
Massage und normale Belastung nach vorheriger Behandlung der ur¬
sächlichen Momente (Pes planus, schlechtes Schuhwerk usw.), also
statisch-funktionelle Behandlung. Nobiling.
Physikalisch-medizinische Gesellschaft za Wfirzbnrg.
Sitzung vom 10. Juni 1914.
Hr. Hofmeier: Gebartenrüekgang and Säuglingssterblichkeit.
Vortr. bemerkt zunächst, dass die jetzige Natalität nicht mit der
früheren zu vergleichen ist, da infolge der allgemeinen geringeren Sterb¬
lichkeit die Zusammensetzung der Bevölkerung eine andere ist, viel
mehr ältere Leute leben, die bei der Berechnung der Geburten auf die
Kopfzahl ausscheiden müssten. Immerhin besteht ein Geburtenrückgang.
Vortr. behandelt dann das Thema vom Standpunkte des Arztes und
speziell des Frauenarztes aus und hält eine Massenproduktion von
Kindern ärztlich nicht für wünschenswert im Interesse der Mütter, die
besonders in den ärmeren und arbeitenden Klassen hierdurch schwere
gesundheitliche Schäden erleiden. Man soll sich daher an die Wohl¬
habenden wenden. Als wünschenswerte Kinderzahl für eine Familie be¬
zeichnet Vortr. 3—4 Kinder. Im übrigen hält er den Geburtenrückgang
für nicht aufhaltbar und zum Teil durch äussere und soziale Umstände
begründet, auch im Interesse der Kinder selbst. Nach einer in der
Würzburger Frauenklinik aufgestellten Statistik zählt er bei 420 Frauen
unter 45 Jahren, von denen jede über 5 Schwangerschaften durchgemacht
hat, zusammen 3440 Schwangerschaften. Von diesen endeten 420 früh¬
zeitig, 1056 Kinder starben, so dass also nur 1964 überlebende Kinder
geblieben sind. Es bat also auch der Staat keinen Nutzen aus den
zahlreichen Schwangerschaften infolge der grossen Sterblichkeit. An der
Haud zahlreicher Tabellen wird demonstriert, wie mit dem Rückgang
der Natalilät auch ein Rückgang der Säuglingssterblichkeit stattfindet.
Weil weniger Kinder geboren werden, kann die Säuglingspflege besser
sein, und diese hält Vortr. für wichtiger als die Bekämpfung des Ge¬
burtenrückgangs. Was wir tun können, um dessen Einfluss auf die
Allgemeinheit und das Staatswohl zu paralysieren, ist die weitere Herab¬
setzung der Säuglingssterblichkeit und soziale Fürsorge: Stillprämien,
bessere Sorge für uneheliche Kinder, Unterstützung kinderreicher
Familien durch den Staat. Die Säuglingsheime begrüsst Vortr. in erster
Linie als Sammelstellen für Säuglingspflege und Ausbildungsstätten für
Wärterinnen. Von der Bekämpfung des Geburtenrückgangs durch ge¬
setzliche Mittel befürchtet er eine Zunahme der kriminellen Aborte.
In der Diskussion befürwortet Hr. Polano die Schaffung von Findel-
hiusern.
K. k. Gesellschaft der Aerzte za Wien.
Sitzung vom 12. Juni 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Urbaitsehitseb stellt ein 6 jähriges Mädchen vor, welches er
vegen Jigilaristhrombose operiert bat.
Das Kind bekam vor 2 Monaten eine Ohrenerkrankung, an welche
sich plötzlich heftiges Fieber, Kopfschmerzen und Apetitlosigkeit an¬
schlossen. Der rechte Warzenfortsatz war empfindlich und die Lymph-
drüsen auf der rechten Halsseite waren entzündet. Die Lumbalpunktion
ergab einen klaren und sterilen Liquor. Es wurden der Bulbus der
Vena jugularis und der Sinus freigelegt, sie waren tbrombosiert, ebenso
die Jugularis bis zur Clavicula; das thrombosierte Gefäss wurde exstir-
piert. Im Thrombus fand sieb Piplococous lanoeolatus, der um den
Sinus befindliche Eiter war steril. Es handelt sieb wahrscheinlich um
eine ascendierende Thrombose, die Wand der Jugularis war entzündlioh
verändert.
Ferner führt Hr. Urbantschitsch ein 7 jähriges Mädchen vor, welches
eine trauutisehe seröse Mealagitis durchgemacbt bat.
Hr. Stets demonstriert einen Mann mit Gilchrist’scher Blasto-
■ykwe.
Diese Krankheit ist in Amerika nicht selten, in Europa gehört sie
zu den grössten Seltenheiten. Pat. wurde in Südamerika infiziert. Er
erkrankte vor 5 Jahren mit akuter Gingivitis, am linken Mundwinkel
bildete sich ein grosses granulierendes Geschwür, welches sehr schmerz¬
et war; in demselben wurden Gilchrist’sche Parasiten naebgewiesen.
pcter Jodtherapie heilte das Geschwür in 3 Monaten aus. Vor 3 Jahren
. a ® Pat. ein ähnliches Geschwür am rechten Nasenflügel, welches sich
<®iaer mehr yergrösserte und sich gegen jede Therapie refraktär verhielt,
tone 6 monatige Behandlung auf der Klinik in Florenz war resultatlos.
, Gegenwärtig sind die Oberlippe, die Nase und die Wangen von
p Ioe ® sc hmetterlingsartig geformten Geschwür eingenommen, dessen Basis
tooulationen trägt, am barten und am weichen Gaumen finden sich
scoarf begrenzte Substanzverluste. Die Drüsen im Unterkieferwinkel
beiderseits geschwollen und druckempfindlich. Um das Geschwür
leasen kleine Pusteln auf, durch deren Zerfall das Geschwür ver-
pössert wird. Im Eiter finden sieb Gilcbrist’sche Parasiten.
l| **r Tor M1 stellt zwei operativ behandelte Fälle von Hypopbysen-
Hf. Finsterer führt eine Frau vor, welche er vor einigen Monaten
vorgestellt hat, nachdem bei ihr wegen eines inoperablen PyloruscarciBOms
die Vorlagerung und Röntgenbestrahlung vorgenoramen worden war.
Hr. Heyrovsky stellt einen Mann vor, welchen er wegen Fl&tel-
bllduag zwischen Duodenum und Colon ascendens operiert bat.
Hr. Beiedikt: Ueber Emanation.
Die Emanation, d. h. das Ausschleudern allerkleinster Teilchen von
einem Körper aus, ist eine allgemeine Erscheinung und ist imstande,
bisher noch ungeklärte Erscheinungen zu deuten, welche bei sensiblen
Personen Vorkommen und als Telepathie, tierischer Magnetismus und
andere okulte Phänomene gedeutet werden.
Schon vor 40Jahren hatReiohenbach die Vermutung ausgesprochen,
dass jede Substanz ein „Dynamid“ ausscheidet, welcher Name sich durch
Emanation gut ersetzen lässt. Vortr. hat mit aller Vorsicht die Ver¬
suche von Reicbenbach nachgeprüft. Er fand, dass sensible Personen
mit verbundenen Augen in einem dunklen Zimmer eine Perception von
den daselbst befindlichen Gegenständen bekommen können, dass sie auch
Farben sehen. Manche sensitive Menschen sehen im Dunklen die Haut
leuchten; beide Seiten des Körpers können eine verschiedene Emanation
haben. Auch anorganische Substanzen können als leuchtende Gegen¬
stände gesehen werden. Ein Nachteil der Reichenbach’schen Unter¬
suchungen ist, dass es bisher nicht gelungen ist, sie in objektiver Weise
naobzuweisen, z. B. auf der photographischen Platte. Bisher wurde nur
festgestellt, dass io einer mit Kalk getünchten Dunkelkammer die photo¬
graphische Platte ohne Licht Gegenstände der Umgebung photographiert.
H.
Gesellschaft für innere Medizin and Kinderheilkunde za Wien.
Sitzung der pädiatrischen Sektion vom 4. Juni 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Kerl führt ein Kind mit Erythema chronicum migrans vor.
Pat. hat sich in der Gegend der Brustwarze verletzt und bekam
darauf Mastitis sowie rings um die Mammilla eine Rotiärbung. Letztere
schritt immer weiter fort, während die centralen Partien abblassten.
Jetzt sieht man einen etwa 5 mm breiten roten Streifen unterhalb der
Mammilla über den Thorax auf die Achselhöhe und von da auf den
Rücken verlaufen. Die Farbe ist schwach rot, es findet keine Schuppen¬
bildung statt und die Affektion verläuft vollständig ohne Schmerzen.
Die Therapie besteht in Alkoholumschlägen und Ung. Crede.
Hr. Neurath stellt ein 3®/* Jahre altes Kind mit luetischer Meiingo-
eneephalitis vor, welche zur Hemiplegie and Facialislähmaag ge¬
führt hat.
Pat. ist das 15. Kind, von den früheren Geburten der Mutter endete
eine mit Abortus, die anderen 13 mit einer Frühgeburt. Das Kind er¬
krankte vor 2 Jahren mit einer linksseitigen Hemiplegie, einige Zeit
später verlor es das Sprach- und Schluckvermögen. Vor 14 Tagen be¬
kam es clonisohe Krämpfe des Kopfes mit Bewusstseinsverlust, dazu ge¬
sellten sich später clonische Zuckungen des linken Beines. Das Kind
zeigt einen hydrooephalischen Schädel und vorgetriebene Parietalhöcker,
der linke Facialis ist gelähmt. Die Intelligenz ist normal, das Kind
spricht aber nicht.
Hr. Neurath demonstriert ein einjähriges Kind, mit einem an¬
geborenen Lymphangiom am Fussriicken.
Hr. Rach zeigt ein 2 l } 2 jähriges Kind mit ifltumescierender Bron-
chialdrüsentaberkulose.
Die Pirquet’sche Reaktion ist positiv, rechts neben dem Manu-
brium sterni ist der Perkussionsschall verkürzt, und es bestehen ein in-
und expiratorischer Stridor sowie ein schriller Husten. Die Röntgen¬
untersuchung ergibt rechts eine Ausbauchung des Mitteischattens, die
für eine Schwellung der rechtsseitigen tracheo-bronchialen Drüsen spricht.
Sie komprimieren den rechten Hauptbronchus und verursachen den Husten
sowie den Stridor. Beim Inspirium wird das Mediastinum nach rechts
verzogen (Holzknecht’sches Symptom).
Hr. Nobel stellt einen 8jährigen Knaben mit chronischem kongeai-
talen acholurischeo Icterus ubü Splenomegalie vor.
Pat. war schon bald nach der Geburt gelb und hatte ikterische
Schleimhäute, die Färbung ist seither gleich geblieben. Im Stuhle findet
sich Urobilinogen, der Harn enthält dieses sowie Urobilin. Pat. hat An¬
fälle von 1—2 Tagen Dauer mit Temperatursteigerung, Kopfschmerz,
Erbrechen und Uebellaunigkeit. Das Abdomen ist aufgetrieben, die Milz
reicht 3 Querfinger, die Leber 1 Querfioger über den Rippenbogen. Im
Blute finden sich 2,6 Millionen rote Blutkörperchen, und 46 pCt. Hämo¬
globin nach Sahli, es besteht geringe Eosinophilie. Die Widerstands¬
fähigkeit der roten Blutkörperchen ist herabgesetzt. Es wird die Splen-
ektomie vorgenommen werden.
Hr. Nobel berichtet ferner über ein Kiad mit alkoholischer Leber-
cirrhose, dessen Krankengeschichte er vor kurzem ausgeführt hat.
Es wurde die Milz erstirpiert und das Kind ist jetzt gesund.
Schliesslich stellt Hr. Nobel ein Kind vor, welchem wegen hämo-
lytischeB Icterus die Milz exstirpiert worden ist.
Im Blute fanden sich nur 800000 rote Blutkörperchen, von welchen
100 000 kernhaltige waren, der Hämoglobingehalt war 13 pCt. Nach der
Splenektomie hat sich das Kind sehr rasch erholt und das Blutbild hat
sich fortschreitend gebessert, so dass jetzt schon 3,6 Millionen rote und
10 000 weisse Blutkörperchen vorhanden sind und der Hämoglobingehalt
47 pCt. beträgt. Der früher vorhandene Icterus ist geschwunden, im
Harn findet sich kein Gallenfarbstoff mehr. H.
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1344
BERLINER KLINISCHE 'WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
Zur Bekämpfung der Tuberkulose.
Vou
Geh. Sanitätsrat Dr. Landsberger-Charlottenburg.
Wie alljährlich im Frühjahr hielt das Deutsche Centralkomitö zur
Bekämpfung der Tuberkulose seine Generalversammlung am 5. Juni im
Reichstagsgebäude ab, und zwar unter dem Vorsitze desStaatssekretawDel-
brück. Ausser den Formalien beschäftigte sie diesmal lediglich ein
einziges Thema: „Die Fürsorge für die aus den Lungenheil¬
stätten Entlassenen.“ Freilich eins der schwierigsten sozialmedizini¬
schen Kapitel! Eins, das trotz der eifrigsten Bestrebungen nicht über
Versuche hinausgediehen ist, und von dessen glücklicher Lösung doch im
wesentlichen der ganze Erfolg der Heilstättenbehandlung abhängt. Der
erste Referent, Prof. Dr. Röpke (Leiter der Eisenbahnheilstätte Mel¬
sungen) behandelte die Frage in ebenso erschöpfender wie mustergültiger
Weise; überall fesselte ein reifes, auf reicher Erfahrung aufgebautes
Urteil, überall befriedigte eine feste, bestimmte Stellungnahme. Wenn
man von den Entlassenen der Heilstätten spricht, so muss man zunächst
derjenigen gedenken, die rasch entlassen werden, weil sie eigentlich nicht
hineingehörten. Das sind erstens die gar nicht an Tuberkulose Leidenden,
also die irrtümlich diagnostizierten. Als solche erwiesen sich bei der
Röpke’schen Anstalt seit Anfang dieses Jahres volle lOpCt., im Durch¬
schnitt eines ganzen Jahrzehnts etwa 6*/a pCt. Auch wo der physika¬
lische Befund eine Spitzenaffektion feststeüt, kann oft ein Zweifel be¬
stehen, ob es sich um beginnende oder um abgelaufene Tuberkulose
handelt, ja es kann sogar lediglich eine „schlechte Durchlüftung“ vor¬
liegen oder eine Ablagerung von Staub. Zum Zwecke des Entscheids
kann man sich nur des Tuberkulins bedienen und soll es auch nicht
unterlassen. Ferner müssen möglichst rasch die all zuvorgeschrittenen,
die aussichtslosen Fälle entlassen werden. Das sind durchaus nicht etwa
alle Fälle des „dritten Stadiums“, denn auch unter diesen haben wir
seit langem eine grosse Zahl wohl zu bessernder kennen gelernt, aber
eine relativ kurze Beobachtung (von 1—2 Wochen) lehrt die rechte Aus¬
wahl treffen. Mir will diese Zeit etwas kurz bemessen erscheinen, auch
in der Hinsicht, dass sie, wie Röpke meint, genügt, um behufs
Minderung der Ansteckungsgefahr hygienisoh zu erziehen. Die für die
Heilstättenbehandlung geeigneten Patienten befanden sich in allon drei
„Stadien“, etwa die Hälfte im zweiten, je ein Viertel im ersten und
dritten. An den üblich gewordenen drei Monaten der Behänd lungsdauer
tut man gut festzuhalten; 6 Wochen verbürgen bei aktiver Tuberkulose
keinen Erfolg. Mehr als drei Monate kann man aus Rücksicht auf den
Bedarf und Andrang nur selten gewähren, aber die neue ADgestellten-
versicberung rechnet anerkennenswerterweise mit einem Durchschnitt von
4—6 Monaten Behandlungsdauer, weil sie von vornherein nicht bloss die
Versorgung von Initialfäiien ins Auge fasst.
In der Eisenbahnheilstätte fanden sich bei etwa 40 pCt. der Auf¬
genommenen Bacillen — bei mindestens der Hälfte von diesen ver¬
schwanden sie dauernd. 90 und mehr Prozent der Kranken erlangten
ihre Erwerbsfähigkeit wieder, und 66 pCt. waren noch 5 Jahre nach be¬
endetem Heilverfahren voll arbeitsfähig. Das sind bei der relativ geringen
Zahl von Frühfällen hervorragend günstige Ergebnisse, — es will mir
scheinen, als ob die festgefügte Beamtendisziplin daran mit ein Verdienst
hätte, und dass doch auch die Möglichkeit der Schonung im Beamten¬
stande eher vorhanden ist. Röpke verlangt mit Recht, dass jeder zur
Entlassung Kommende nachdrücklich auf hygienisches Verhalten und Atem¬
übungen hingewiesen, zur Vorsicht, zur Meidung von Schädlichkeiten,
zur Beachtung jeder Erkältung angebalten werden soll, — welcher Selbst¬
erwerbende kaun das letztere in gleichem Maasse beachten wie der Be¬
amte? Es sei keine Rede davon, dass jeder Heilstättenerfolg bei der
Rückkehr in den Beruf und in die gewohnten Verhältnisse wieder schwinden
müsse, — gewiss, aber er wird es oft, wenn die Familie durch den ent¬
fallenen Lohn in Bedrängnis geraten war, und wo keine Behörde — wie
es glücklicherweise die Bahnbebörden in immer steigendem Maasse tun —
für gute Wohnräume sorgen hilft. Die Eisenbahnpensionskasse lässt sämt¬
liche Entlassenen am Ende jedes Jahres durch die Bahnärzte nacbunter-
suchen und empfiehlt bei Verschlechterungen des objektiven Befundes
Wiederholungskuren von mindestens sechswöchiger Dauer, und zwar ge¬
schickterweise gerade im Herbst oder Winter, weil so nicht bloss
die bessere Ausnutzung- der Heilstätten, sondern auch vor allem die
grössere Abhärtung der Erkrankten erzielt wird.
Wo bei der Entlassung kein vollbefriedigender Erfolg, wo nur der
Stillstand des Prozesses festgestellt war, findet die Nachuntersuchung
häufiger statt. Und wo die Entlassung zwar bei subjektivem Wohl¬
befinden und aus Drang nach Tätigkeit geschieht, obschon noch für
aktive Prozesse Anzeichen vorhanden sind, da muss selbst bei wieder¬
aufgenommenem Dienst die volle ärztliche Aufsicht und Behandlung
weitergeführt werden. Im Bereiche der preussisch-hessischen und ebenso
der säohsischen und der österreichischen Bahnbeamtenschaft ist dabei
die ambulante Tuberkulinbehandlung eingeführt und hat im
allgemeinen keine Schwierigkeiten gefunden und sich bewährt. Für die
Kosten tritt die Verwaltung ein, und sie hat auch dafür Sorge getragen,
dass die Bahoärzte sieh mit den Einzelheiten dieser Behandlung gut ver¬
traut gemacht haben. Dagegen kann Röpke dem Friedmann’scben
Mittel nichts Gutes nachrühmen. Er hat es — abgesehen von anderen
Tuberkuloseformen — in 66 Fällen von Lungen- und Kehlkopftuber¬
kulose aller Stadien augewandt und kommt zu dem Urteil, dass es keine
spezifische Bereicherung darstelle, „ganz sicher nicht“ für Kranke in Heil¬
stätten oder gar für ambulante.
Aber die Heilstätte muss auch Kranke entlassen, bei denen nur eise
Hebung der Kräfte, aber keine eigentliche Besserung erzielt werden
konnte. „Wir können sie nur mit guten Lehren entlassen.“ Ja, aber
gerade diese Kranken, die nicht krank sein wollen, die mit Aufwen¬
dung starken Willens bei der Arbeit bleiben wollen, die dann manch¬
mal jahrelang zwischen Arbeitsstelle und Bett hin und her pendeln, —
sie siod doch vom Standpunkte der Allgemeinheit aus die allerbedenk-
liebsten. Wenn man ihnen, wofür Röpke human plädiert, öfters kurze
Wiederholungskuren bewilligt, so wird sie den einzelnen jeder gönnen,
aber zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit trägt man
dabei durchaus nicht bei und müsste die Invalidisierung und Isolierung
eher zu betreiben suchen.
Den weiblichen aus der Heilstätte Entlassenen sei für zwei Jahre
das Heiraten bzw. eine Gravidität zu widerraten; der Rat ist gewiss
richtig, aber auf seine Befolgung wird kein Kenner des Lebens viel
Verlass haben, denn der Trieb ist bekanntlich mächtiger als der Ver¬
stand. Wo bei graviden Frauen die Krankheit Doch aktive und fort¬
schreitende Tendenz zeigt, ist die Frage der Unterbrechung jedenfalls
ins Auge zu fassen; bei einer Beteiligung des Kehlkopfs wird sie nach
Röpke in der Regel zu bejahen sein. Militärische Uebungen dürfe man
durchaus nicht von vornherein für ungünstig hatten, jedenfalls überlasse
man das entscheidende Urteil darüber dem zuständigen Militärärzte.
Freilich ist es für den Kranken sowohl wie für die Militärbehörde nütz¬
lich, wenn die letztere zu einer Anfrage bei der Heilstätte veranlasst
werden kann. Schliesslich warnt Röpke Tuberkulöse vor der Aus¬
wanderung in unsere afrikanischen Kolonien, selbst wenn der Prozess
bei ihnen zum Stillstand gelangt ist. Und er warnt auch die Landes¬
versicherungsanstalten: selbst ein Vermögen von zwei Milliarden be¬
rechtige nicht zu therapeutischen Abenteuern. Dagegen seien die Be¬
strebungen zur Hebung der „inneren Kolonisation“ warm zu begrüssen
und vielteioht der Behandlung der Tuberkulösen gut dienstbar zu machen.
Soweit die Isolierung dadurch gefördert wird, kann ich diesem Plane
zustimmen, dagegen will es mir scheinen, als wenn den aus den Heil¬
stätten Entlassenen in den meisten Fällen die volle Tätigkeit des Land¬
arbeiters zu schwer ist. Sie wird meist unterschätzt. Und eine gevisse
Schonung, wenigstens für einige Zeit, ist doch bei der grossen Mehrzahl
dieser Gebesserten, wie schon bervorgehoben ist, und wie jeder Arzt
weiss, dringend zu wünschen. Wie schwer aber andererseits, auch bei
der besten Organisation der Arbeitsnachweise, die Beschaffung leichterer
Arbeit ist, das ist jedem Sozialpolitiker geläufig und ist in jeder Annen-
Verwaltung die schwierigste und sprödeste Aufgabe. Selbst wo der Arbeit¬
geber den besten Willen hat, dem einzelnen Arbeiter eine Erleichterung
zu gewähren, scheitert er oft an dem Widerstande der gesunden Mit¬
arbeiter. Immerhin ist die Rücksichtnahme des Arbeitgebers oft noch
die beste Hilfe, dagegen sollte der Rat eines Berufswechsels nur äusserst
vorsichtig und nur dann erteilt werden, wenn der bisherige Beruf allzu
deutliohe Schädlichkeiten unvermeidbar mit sich bringt. Man bedenke
nur, wie schwer es ist, Arbeitslosen eine Stelle au verschaffen, auch wenn
sie voll arbeitsfähig und kräftig sind!
Alle diese Schwierigkeiten, für welche der zweite Referent, Herr
Magistratsrat Woelbling-Eiohwalde-Berlin ein reiches Material beige¬
bracht hatte, wurden in der langen Diskussion von allen Seiten erörtert
Immerhin wird überall hervorgehoben, dass die Arbeit bei dem ge¬
besserten Tuberkulösen an sich ein Heilfaktor sein kann, und dass die
Bemühungen, ihn zeitig und mit steter Steigerung zu ihr ansuhalten und
zu erziehen, mit ein Stück des Heilplanes sein müssen. Wenn auch das
in der Heilstätte aDgesetzte Fett oft rasch dabei schwindet, so braucht
doch kein Gewichtsverlust einzutreten, vielmehr eine Ertüchtigung. Her¬
vorbeben möchte ich eine Aeusseruog von Ritter-Edmundstal-Hamburg:
„Besser ungünstige Arbeit als gar keine!“ Was natürlich nur cum grano
salis uüd mit strengster Individualisierung gemeint sein kann. Auch
Ritter warnte entschieden vorder planmässigen Ansiedlung von Tuber¬
kulösen in unseren Kolonien. Die tropischen (Kamerun, Togo, auch Ost¬
afrika) dürften gar nicht in Frage kommen, aber auch in dem subtropi¬
schen Südwestafrika sei die Arbeit zu schwer und die wirtschaftliche
Lage zu sorgenreich. Wer auf eigene Verantwortung hin wandern wolle,
habe ohne feste Anstellung oder ohne ein Kapital von 30—50 000 M.
keine Aussicht auf Fortkommen.
Umfangreicher und ausführlicher als sonst war diesmal der „Geschäfts¬
bericht“, welcher für die Generalversammlung des Oentralkomitees ausge¬
geben worden ist. Er ist zum erstenmal von dem neuen Generalsekretär
Dr. Helm erstattet worden, der an die Stelle des im Februar d. J. ver¬
storbenen, hochverdienten und allbeliebten Nietner getreten ist. Der
Bericht bietet, wie stets, eine Fülle bemerkenswerten Material». Er zeigt
vor allem zahlenmässig, wie die Maassnahmen und Einrichtungen zur Be¬
kämpfung der Tuberkulose immer reichhaltiger und ausgedehnter werden,
und glücklicherweise auch, dass diese Bestrebungen nicht vergeblich sind,
dass die Sterblichkeit an Tuberkulose immer weiter im stetigen
bleibt. Allein an der Tuberkulose der Lungen starben von je 10000
Lebenden im Deutschen Reiche von 1906 bis 1912: 16,3, 15,9, 15,3, H,4
14,0, 18,7, 13,1, und an Tuberkulose überhaupt in Preussen von 1910
bis 1913: 15,29, 15,12, 14,49, 18,59. Stellt man den letzteren Ziffern
die des Jahres 1886 mit noch 31,14 (!) gegenüber, so kann man die enthu¬
siastische Hoffnung Behla’s, wenn auch nicht vollständig teilen, so
doch begreifen, dass die Tuberkulose den Charakter einer Voikskrankhei
verloren habe und mehr zu einer sporadischen Krankheit herabgesunken
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18. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1845
sei. Leider geht die Tuberkulose nicht gleichmässig zurück: sie hat sioh
in den Jahren des Kindesalters nur sehr wenig vermindert. Die Wichtig¬
keit einer planraässigen Jugendfürsorge, die ja auch aus anderen
Gründen überaus dringlich ist, ist auch hieraus unbestreitbar zu folgern.
Zunächst wird in umfassenderer Weise als bisher für den Schutz der
Säuglinge gesorgt werden müssen; sind doch die Kinder des ersten und
zweiten Lebensjahres 8—9 mal mehr durch die Tuberkulose gefährdet
als Erwachsene. An Gelegenheit zu gründlicher Belehrung fehlt es schon
jetzt nicht, — um so mehr an der Erreichbarkeit der Isolierung und an
der Erfüllung der übergrossen Aufgabe, alle Erwachsenen mit offener
Tuberkulose aus dem Bereiche der Familien zu entfernen. Von aus¬
sichtsreicher Bedeutung ist es, dass neuerdings den Landesversicherungs-
anstalten seitens der Reichsinstanz die Verwendung von Mitteln für die
Sanierung von Kindern gestattet wird, unter der Voraussetzung, dass
die beteiligten Gemeinden sieb mit den gleichen Summen beteiligen.
Des weiteren wird es notwendig sein, die Zahl der Schulärzte immer mehr
zu steigern und dahin zu gelangen, dass keine Schule — ob Volksschule
oder höhere — ohne ärztliche Ueberwaohung und Mitarbeit bleibt. Gerade
wenn man dies erstrebt, wird man es nicht für richtig halten können,
einen grossen Teil der Aerztesohaft von dieser Betätigung dadurch aus-
xuschliessen, dass man für die grösseren Städte, wie der Verfasser des
Geschäftsberichts will (S. 22), den Schularzt „im Hauptamt“ fordert. Die
neuerdings erhobene Forderung, auch für die Fortbildungsschulen Schul¬
ärzte anzustellen, kann kaum noch dem eigentlichen Kindesalter zugute
kommen. Vielmehr handelt es sich dabei mehr um Verhütung von Berufs¬
schäden und um die Abwehr der Gefahren, welche allerdings die Halb¬
erwachsenen besonders bedrohen, z. B. die des sexuellen Gebiets.
Es sei noch hervorgehoben, dass es gegenwärtig in Deutschland
158 Heilstätten für erwachsene Lungenkranke gibt, was bei einem durch¬
schnittlichen Aufenthalte von 3 Monaten alljährlich über 63 000 Kranken
die Möglichkeit einer solchen Kur verschafft. Ausserdem gibt es 135 Wald¬
erholungsstätten und über 2000 Auskunfts- und Fürsorgestellen. — An
Lupus kranken waren 4579 ermittelt, jedoch wurde kaum der vierte
Teil von ihnen von der „Lupuskommission“ des Centralkomitees als zur
Behandlung geeignet erachtet, und noch weniger wurden wirklich in
Behandlung genommen. Es scheint, als wenn die Mittel für diese Auf¬
gabe besonders schwierig zu beschaffen sind, obwohl sie nicht allzu be¬
trächtlich sein können. Es ist bedauernswert, dass die Verhandlungen
der Lupuskommission, wie übrigens ebenso die des „Ausschusses“ des
Centralkomitees nicht in gleicher Oeffentlichkeit geführt werden, wie die
Generalversammlungen. Die Bekämpfung der Tuberkulose bedarf der
Mithilfe Aller, und ihre Erfolge verdankt sie auch sehr wesentlich der
regen und uneingeschränkten Propaganda, die für sie mit Recht in allen
Volkskreisen ebenso betrieben wurde, wie in den Kreisen der Wissen¬
schaft und der Verwaltungen. Nur durch das Zusammenarbeiten Aller
können wir weiter vorwärts kommen!
Stimmungsbilder und Lehren vom 40. Aerztetag.
i.
Wenn jemals einem Aerztetag der Ort der Tagung zum Symbol
wurde, so trifft das auf den diesjährigen zu. München, das in unseren
Gedanken auftaucht, wenn nach mühevoller Jahresarbeit das Bedürfnis
nach Ruhe, Sammlung, Ausspannung mächtig sich geltend macht, das wie
das Sesam im Märchen eine Zauberwelt von blinkenden Seeen, leuchtenden
Firnen, grünen Almen und rauschenden Bächen in uns aufschliesst;
München mit seinen frommen Kirchen und seinen fröhlichen, weltlichen
Menschen, denen der ewige Strom der ihre Stadt durchziehenden Ver¬
gnügungsreisenden etwas immer Festliches, zum Geniessen Bereites gibt.
Alles gespannt in einen stadtbaulichen Rahmen von eindrucksvollster
Schönheit, wo das Auge in den wohlabgewogenen Perspektiven der
Strassen und vor allem der Plätze, dieser bei uns in Berlin so schmerz¬
lich vermissten, wahrhaften Points de vue, überall feinstem Geschmack
und bodenständiger Kunst begegnet, und wo sich Scharen von Tauben
ohne Scheu zwischen den Füssen der Dahinwandelnden bewegen. Ein
Büd des Friedens, der Schönheit, der Lebensfreude.
Etwas davon spiegelte sich im Aerztetag wieder. Die schmetternden
Janfaren, die den vorhergehenden Tagungen die besondere Note gegeben
wtten, sind milderen Tönen gewichen, des Krieges Stürme glücklich be-
•chworen; ehe das unnatürliche RiDgen der kampfgerüsteten Gegner auf
dem Boden des sozialen Versicherungswerkes seinen Anfang nahm, und
F osae soz .' a ^ e Werte unwiderbringlich zerstört wurden, hatte ein
Redliches Vermittelungswerk den zum Losschlagen Bereiten Halt ge-
ten und die Grundlinien für ein erspriessliches Miteinander statt ver¬
derblichem Gegeneinander abgesteckt.
Dieses Friedensabkommen aus der vorjährigen Weihnachtszeit
«nd naturgemäss im Brennpunkt der Verhandlungen, welohe die Haupt-
»^ m ^ Q0 8 des Leipziger Verbandes, die wie immer dem eigentlichen
»cito g TOraus P n ff> entrollte. Hier galt es, sich darüber klar zu
Reiche Hoffnungen dieses Abkommen wirklich verschlungen,
faltn e ° ..Eningen, Wünschen, Notwendigkeiten es die Bahn zur Ent-
wj D 8 ^gemacht hat. Also Umschau halten, Ueberblick ge-
gtkr? 0 ’ , ziehen: Das war die Signatur der diesbezüglichen Er-
reid»t D ^ eD L eitel Freude und Genugtuung über das Er-
ancli d * öoohen angebracht wurde, war wohl jedem klar. Wenn
10 Bestürzung von Weihnachten allenthalben einer ruhigeren Auf¬
fassung Platz gemacht hatte, so waren in den darauffolgenden Monaten
Stimmen genug laut geworden, die in dem Geschehenen ein Döbacle zu
sehen meinten und die Organisation in ihren Fugen beben Hessen, die
einen grossen Aufwand von koalitorischer Kraft nutzlos vertan sahen
und den Göttern des Leipziger Verbandes die Dämmerung kündeten.
Ein leises Grollen, ein Nachhallen dieser Stimmen war auch in München
noch zu vernehmen, aber es war nur ein leichtes Wellenkräuseln, das
dem stolzen Schiff unserer Organisationsmacht nur eine sanft wiegende
Bewegung gab. Wer den Beifallssturm hörte, der seinen Steuermann
und Erbauer begrüsste, und seinen wie immer knappen, aber wuchtigen
und schlagkräftigen Ausführungen folgte, der wusste, dass Hart mann
nichts von seiner Popularität und Verehrung eingebüsst, im Gegenteil
an Sympathie allenfalls noch gewonnen hat. Treffend führte einer der
besten Diskussionsredner des Tages, Dr. Levy aus Graudenz, aus, dass
Hart mann und seine Mitarbeiter sich gerade durch das Abkommen als
die berufenen Führer bewahrt, grade darin eine wahrhaft moralische
Tat geleistet hätten, die viel schwerer wiege und viel mehr Verant-
wortungs- und Pflichtgefühl bezeuge als ein Draufgängertum, das sioh
um die Folgen nicht kümmere und Qur der Lust am frischen, fröhlichen
Kampf entgegen komme.
Sich selbst bezwingen, ist der stärkste Sieg! Und als Sieger in
diesem Sinne ist Hartmann gefeiert worden, und mit Recht. Alle die
Kollegen, die zum Aerztetag entsandt waren, den Nachhall im Obre von
den schneidigen Reden ihrer Vereinslöwen, die über unmännliches
Zurückweichen, verzagte Kampfscheu, Unterwerfung ohne Schwertstreich
gedonnert hatten, werden jetzt, nach den gründlichen Belehrungen auf
dem Aerztetag, mit Ueberzeugung berichten können, dass ein Kampf
geradezu ein Va-banque-Spiel gewesen wäre. Zahllos die Schwierig¬
keiten; zwei Fronten: Kassen und Behörden; eine feste Kolonne von
Feinden aus dem eigenen Lager im Rüoken; die Gefahr zahlreicher
Einzelkämpfe infolge ungleichen Vorgehens; die Abneigung gegen den
Kampf bei vielen, die nach den ersten Schüssen die weisse Fahne auf-
gepflanzt hätten; die Geldmittel trotz allen Opfermuts für einen monate¬
langen Krieg völlig unzureichend; ein Sieg also immerhin zweifelhaft,
sicher aber die schwersten Wunden materiell und ideell an Kraft und
Ansehen, von denen wir uns in Jahren nicht erholt hätten! Da wäre
es Verblendung gewesen, einem ehrenvollen Frieden halsstarrig anszu-
weicben; und dass Hartmann seine ursprüngliche Kampfnatur be-
zwuDgen und die Aerzteschaft vor schwerer Krisis bewahrt hat, müssen
wir ihm danken.
Ein ehrenvoller Friede! Gewiss, das bestätigte und unterstrich noch
bei der Eröffnung des Aerztetages der Vorsitzende Dippe. Metall¬
reich und um kein Jota gedämpfter wie auf dem vorjährigen ausser¬
ordentlichen Aerztetag in Berlin klang seine Stimme, obwohl sie dies¬
mal friedlichere Töne anschlagen konnte: Der Frieden wird Zustände
bringen, unter denen sich leben lässt, die ein gutes Verhältnis zwischen
Kassen und Aerzten auf die Dauer ermöglichen. Darum erheischte die
Pflicht, dass wir das Dargebotene annahmen, so wenig verlockend es auf
den ersten Blick schien; denn der Kampf konnte nie das beste, nur
das äusserste, letzte sein. Wir müssen nur das Friedensinstrument
richtig gebrauchen lernen! Darum, „wenn Sie mich auf Ehre und Ge¬
wissen frageD, ob ich auch heute noch unsere Zustimmung für richtig
halte, so kann ich diese Frage aus freiem Herzen bejahen. Ich bereue
nicht, was ich getan habe, und ich würde auch heute ebenso handeln
wie damals!“ Jetzt gilt es, die Vollendung des gemeinsamen Werkes
nach besten Kräften zu fördern! Dazu aber gehört auch von der anderen
Seite mehr Eifer und guter Wille, als bisher. Der Fehler war, dass wir
nicht für festere, zeitlich begrenzte Abmachungen gesorgt haben, dann
wäre uns vielmonatlicher Verdruss, Elbing sowohl als die Widersetzlichkeit
bei der Aufbringung des Nothelferbeitrags erspart geblieben! Wir selbst
dürfen aber nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern müssen in
der neuen Form mit der alten Energie weiterbauen!
II.
Das Hauptfacit des Aerztetages nach der wirtschaftlichen Seite
unseres Standeslebens ist, dass die Disziplin im grossen, die unbedingte
Gefolgschaft, die Erziehung zur Geschlossenheit glänzend die Probe
bestanden hat. Was an Widerspruch offen und ehrlich hervortrat, wie die
Auslassungen von Schneider-Potsdam, diente, weit entfernt von Nörgel¬
sucht und Besserwisserei, lediglich dem höheren Zweck, zu verhüten,
dass um des Neuen willen etwas preisgegeben würde, was wir schon er¬
kämpft hatten, oder die früheren Ziele aus dem Auge verloren würden.
So erwachsen Zukunftsaufgaben in Hülle und Fülle! Der Kampf nach
aussen ist zum Stillstand gekommen, aber die Vorbereitungen dazu
haben doch mancherlei Schwächen, Lücken, Schäden blossgelegt.
Wie stark wir sind, beweist am besten, dass auch hierüber freimütig
gesprochen werden konnte. Wer so viel Arbeit geleistet hat, wie es tat¬
sächlich an allen Orten Deutschlands von den führenden Kollegen ge¬
schehen ist, darf auch die Finger an Wunden legen! Gewiss „klappt“
unsere Organisation musterhaft. In der Centrale werden Wunder an
Arbeit und Unermüdlichkeit vollbracht; von der Gewaltigkeit der
Maschinerie möge das kleine Detail einen Begriff geben, dass ira letzten
Jahre 11 000 Ferngespräche in der Dufourstrasse in Leipzig geführt
wurden! Die lokalen Führer und Vertrauensmänner haben in mühsamen
VertragsverhandlungeD, sowohl mit den Kassen, als auch unsicheren
Kollegen, Opfer an Zeit und Kraft gebracht, für die ihnen oft wenig An¬
erkennung eiblühte. Aber der Organisationsgedanke stellt nicht nur an
wenige einzelne seine Forderungen, die Gesamtheit soll von ihm
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1346
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 28.
durchdrungen werden. In dieser Beziehung bleibt noch recht viel
zu wünschen übrig. Das kam wohl noch selten mit solcher Eindring¬
lichkeit zum Ausdruok wie diesmal, wo die „kleinen Sorgen“ nicht so
hinter den „grossen Fragen“ verschwanden, und eine ganze Reihe von
Rednern in verwandter Tonart darauf hinweisen konnte, dass auch
intra muros reichlich gesündigt wird.
Für sehr viele Berufsgenossen existiert die Organisation nur so weit,
als sie ihnen nützt, schützend vor sie tritt und an ihren Errungenschaften
teilnehmen lässt. Wehe aber, wenn sie auch mal ein kleines Opfer
heischt, etwa, den Wettbewerb eines Kollegen zu dulden, der im all¬
gemeinen Interesse „untergebracht“ werden muss, oder einen kleinen
Sondervorteil der Gesamtheit zuliebe aufzugeben. Der Gemeinsinn,
das gewerkschaftliche Fühlen, muss mehr geweckt und entwickelt werden,
vor allem aber das Gefühl der Verantwortung gegen die Gesamtheit, der
Gern ein bürgschaft.
In der Friedensära, der wir entgegen gehen, heisst es, bei den
Gegnern, vor allem aber den Versicherungsbehörden moralische Erobe¬
rungen machen; das erfordert äasserste Selbstdisziplin des einzelnen,
Selbstbesohränkung namentlich in der Ausnutzung der Vor¬
teile, die in bezug auf Honorar und Stellung vertraglich erkämpft sind.
Immer kehrte die Klage wieder, dass man jetzt in den Vertrauens¬
kommissionen am meisten die hohen Liquidationen derjenigen Kollegen
fürchtet, die vergessen, dass Kassenpatienten nicht nach den Gepflogen¬
heiten der praxis elegans darauflos behandelt werden dürfen. Das dis¬
kreditiert das System der Bezahlung nach Einzelleitungen und erschüttert
das Vertrauen der Gegenpartei in die Aufrichtigkeit unseres Willens,
auch den Interessen der Versicherungsträger gerecht zu werden. Wir
müssen Loyalität säen, um Vertrauen zu ernten.
Item! Die Grundlage für den Frieden ist gut. Nur muss man nicht
von einem Baum, der im Frühjahr gepflanzt ist, ira Herbst schon Früchte
pflücken wollen! Zunächst gilt es, mit allen bisherigen Mitteln auf den
neuen Zustand sich einzurichten, ihn der Organisation zu aceommodieren.
Diese selbst muss innerlich vertieft werden, so dass jeder sich als
verantwortliches Glied fühlt. Das verbürgt für die Zukunft einen Zu¬
stand, bei dem die Aerzteschaft nicht in Kämpfen sich zu zermürben braucht,
vielmehr sich voll den höheren Aufgaben des Berufs zuwenden kann.
IIL
Einen Hauch hiervon verspürte man schon diesmal! Erstaunlich
war, mit welch ungemindertem Interesse auch die zum Teil recht langen
Referate über Themen, die dem wirtschaftlichen Gebiet fernlagen, von
einer zahlreichen Corona angehört, und in welch ausgiebiger Weise Rede¬
freiheit noch bei der Diskussion bewilligt wurde. Vor allem kam auch eine
rednerische Jungmannschaft zum Wort, und wie allseitig anerkannt
wurde, mit entschiedenem Geschick und Erfolg. Damit wird eine in jüngster
Zeit wiederholt erhobene Forderung der Verwirklichung näher geführt,
dass nämlich junge Kräfte allenthalben herangezogen werden sollten, um
der maasslosen Ausnutzung der Leistungsmöglichkeit einzelner Bewährter
Einhalt zu tun und gleichzeitig eine Gewähr für die Kontinuität der Ge¬
schäftsführung allenthalben zu schaffen; damit wird zugleich auch einer
gewissen Verknöcherung, einem Mandarinentum vorgebeugt, wie
sich das gerade im ärztlichen Vereinsleben vielfach bemerkbar macht. Es
geht da manohem Vereinsheros wie dem alten Mimen, der nicht erkennen
will, dass seine Stunde längst vorbei ist, und dass ihn nur die Erinne¬
rung an das, was er früher leistete, vor dem Ausgepfiffenwerden bewahrt.
Uebrigens flössen die Debatten auf dem Aerztetag ruhig dahin, in*
haltlioh auf sehr achtbarem Niveau, mit manchen rednerischen Höhe¬
punkten, im ganzen ohne besonders aufregende Momente. Einer kleinen
Entgleisung des heissblütigen Goetz - Leipzig, der wie die Löwin ihr
Junges, seinen nun schon ins dritte Jahr sich hinziehenden Antrag über
die Reglementierung der charitativen Tätigkeit des Arztes gegen ein
noch so ehrenvolles Begräbnis verteidigte, wurde durch die humoristische
Entgegnung Peyser’s das Verletzende genommen. Die Abstimmung
zeigte übrigens/ dass die Mehrheit eine Verabschiedung dieses An¬
trags wünschte, die einer Regelung nicht aus dem Wege ging. Frag¬
lich ist ja, ob die ganze Materie wirklich von so ungeheurer praktischer
Bedeutung ist, dass 3 Aerztetage sich damit befassen mussten; wenig¬
stens ist man aber an den schärfsten Klippen glücklich vorbeigesteuert,
und der Referent Lennhoff darf es sich zum Verdienst rechnen, dass
eine Fassung gefunden wurde, die bei aller Betonung der traditionellen
ethischen Auffassung des ärztlichen Berufs einem Missbrauch ärztlicher
Hilfsbereitschaft entgegentritt und doch die Empfindungen der Kollegen
schont, die ihre freiwillige Tätigkeit beim Roten Kreuz einer bevor¬
mundenden Reglementierung nieht ausgesetzt sehen wollen.
IV.
So fügte sich in den prächtigen Rahmen das Bild des 40. Aerzte-
tags harmonisch ein — seine Arbeit zum Teil selbst ein Genuss für die
Teilnehmer und ausserdem täglich abgelöst von fröhlichen Festen. Die
Münchener haben ihren Ruf als Meister festlicher Veranstaltungen glänzend
bewährt. Dieses Kapitel müsste eigentlich, um allen Seiten gerecht zu
werden, von einer Kollegenfrau geschrieben werden, denn für sie war in
geradezu lückenloser Ausnützung der verfügbaren Zeit gesorgt worden,
so dass sie aus ästhetischen, kulinarischen, mondainen Genüsse gar nicht
herauskamen; kein Delegierter konnte etwaiges Fernbleiben von den
Sitzungen mit den Pflichten gegen seine bessere Hälfte beschönigen, und
so hatte sich das Damencomite indirekt auch um die ungeminderte Präsenz
der Sitzungen verdient gemacht. Wenn dann die Damen von Trachten¬
schau, The dansant, solennen Frühstücken (das erlesenste in der Villa
Spatz), Museumsbesuchen in ihrer Genussfähigkeit ungebrochen, zurück¬
kehrten, begann das gemeinschaftliche Festieren am Abend; hier soll
neben einer wundervollen Aufführung der Zauberflöte im Hoftheater
wozu das Herausgeberkollegium der „Münchener Medizinischen“ ein-
geladen hatte, besonders der Abend im Hofbräu erwähnt werden mit
seiner echt münchnerischen Note, stilecht vom Souper mit Rettig und
Weisswurst bis zum Münchner Kindl, das zwischen den ausgezeichneten
Darbietungen des „sterilen Aerzteorohesters“ (in weissen Mänteln statt
im Frack) in lokalechten Versen der Aerste Nöte und Kämpfe zwerch¬
fellerschütternd besang.
Wem die Zeit nicht zu kurz bemessen war, der konnte am Sonntag
vom Starnberger See aus noch in der Ferne das Karvendelgebirge und
die Benediktinerwand grüssen oder gar mitten hinein in die lockenden
Zauber der Gebirgswelt fahren, um in Reiehenhall oder Tölz oder
Partenkircben der belehrenden Führung der gastlichen Kurverwaltungen
zu folgen. Aber wenn auch nicht allen vergönnt war, den Becher des
Geniessens zur Neige zu leeren, keiner wird München verlassen haben,
ohne die Erinnerung an einen der „gelungensten“ Aerztetage mit sieh
zu nehmen. Vollmann.
Martin Kirchner.
Am 15. Juli d. Js. vollendet der Direktor der Medizinal-
Abteilung im Ministerium des Innern, Ministerialdirektor, Wirk¬
licher Geheimer Obermedizinalrat Prof. Dr. Martin Kirchner
sein 60. Lebensjahr. Dieser Anlass bietet Gelegenheit zu einem
Rückblick auf den Werdegang dieses hervorragenden Mannes, der
aus den Kreisen der Wissenschaft hervorgegangen, auf Althoffs
Rat in die preussiscbe Medizinalverwaltung berufen wurde und
diese zu einer ungeahnten Entwickelung geführt bat.
Kirchner wurde am 15. Juli 1854 in Spandan als Sohn des
Pfarrers K. geboren. Seine wissenschaftliche Vorbildung erlangte
er auf dem Joachimsthal’schen Gymnasium in Berlin-Wilmers¬
dorf. Hier gewann er die klassische Bildung lieb, für die er
auch später stets mit voller Ueberzeugung eingetreten ist. Er
widmete sieb dann dem medizinischen Studium an den Universi¬
täten Halle und Berlin. In Berlin war er in erster Linie als
Schüler Kochs tätig, dem er bis an dessen Lebensende in treuer
Ergebenheit und Verehrung nahegestanden bat. Kirchner wnrde
im Jahre 1878 Unterarzt des aktiven MilitärdiensUtandes, in dem¬
selben Jahre zum Dr. med. promoviert, zwei Jahre darauf, nach
Erlangung der Approbation als Arzt, zum Assistenzarzt und 1887
zum Stabsarzt befördert. Seit seiner Universitätszeit mit Hygiene
und Bakteriologie, längere Zeit auch im Koch’schen Institut, be¬
schäftigt, konnte er sich im Jahre 1894 in seinem damaligen
Garnisonort Hannover an der technischen Hochschule als Privat¬
dozent für Hygiene habilitieren. Im Jahre 1896 wurde er Ober¬
stabsarzt, im Herbst desselben Jahres gab er als Frucht seiner
langjährigen wissenschaftlichen Studien das bekannte Werk:
„Grundriss der Militärgesundheitspflege 11 heraus. In¬
zwischen war Alt hoff auf ihn und seine hervorragende Begabung
aufmerksam geworden und veranlasste seine Berufung in die
Medizinalabteilung des Kultusministeriums.
Das preussische Medizinalwesen lag damals in einem sanften
Schlummer. Eine gründliche Reform wurde immer dringender.
Besonders harrten zwei wichtige und eng miteinander verknüpfte
Fragen ihrer Lösang: Die Bekämpfung der übertragbaren Krank¬
heiten musste dem neuen Stand der medizinischen Wissenschaft
entsprechend geregelt werden, zur Durchführung dieser modernen
Bekämpfungsmaassnahmen musste aber auch eine entsprechende
Reform der preussischen Medizinalverwaltung, besonders in der
Kreisinstanx durch Bereitstellung von leistungsfähigen Gesundheit«*
beamten stattfinden. Sofort nach seiner Einberufung wurde
Kirchner an den Arbeiten der „Medizinalreform“ beteiligt;
einige Zeit darauf übernahm er die Bearbeitung der Reform selbst¬
ständig. Zugleich wurde das Reichsseucbengesetz in Angriff ge¬
nommen und eine gründliche Umgestaltung der Ausbildung der
Mediziner durch eine Neubearbeitung der Prüfungsordnung für
Aerzte vorbereitet. Alle diese Arbeiten lagen auf den Schaltern
Kirchner’s, der dafür als äussere Anerkennung im Jahre 1897
den Titel „Professor“ erhielt und im Jahre 1898 zum Geheimen
Medizinalrat und Vortragenden Bat ernannt wurde.
Als ich im Jahre 1900 dem jugendlichen Gebeimrat als
Hilfsarbeiter beigegeben wurde, hatte ich den Eindruck, als sei
das preussische Medizinalwesen aus seinem Dornröschenschlafs
erwacht. Ueberall tauchten wichtige Fragen auf, und stets fanden
sie geistvolle, fürsorgliche und grosszügige Behandlung. 0* e
Verabschiedung des Gesetzes betr. die Bekämpfung gemein¬
gefährlicher Krankheiten vom 80. Juni 1900 erforderte die ganze
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UNIVERS1TV OF IOWA
13. Jnli 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1347
Kraft eines anf dem Gebiete der Bakteriologie and öffentlichen
Gesundheitslehre hervorragenden Forschers. Die Vertretung des
Gesetzes im Reichstag war ein Meisterwerk Kirchner’s. Zahl¬
reiche Sonderstudien befähigten ihn wie keinen anderen daza.
Noch im Jahre 1897 war er zum Stadium der Lepra and der
Granulöse nach Russland entsandt worden. Die Fracht seiner
Untersuchungen war die zielbewusste, nicht nur für das Inland,
sondern auch für andere Staaten vorbildlich gewordene Bekämpfung
des Aussatzes in Deutschland und die grosszögige Bekämpfung
der Granulöse in den östlichen Bezirken Preussens. Die Aus¬
führung des Reichsseuchengesetzes in den einzelnen Bundesstaaten
nnd seine Ausgestaltung durch die Landesgesetzgebung ist eben¬
falls von Kirchner eingeleitet worden durch das preussische
Gesetz betr. die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom
28. August 1905, das eine erschöpfende Regelung dieser Fragen
darstellt und in den meisten deutschen Bundesstaaten als Vorbild
gedient hat. Es wird seinen Mitarbeitern unvergesslich bleiben,
welche gewaltige wissenschaftliche und parlamentarische Arbeit
Kirchner damals geleistet hat. Und wenn einige Bestimmungen
jenes preussischen Gesetzes, besonders diejenigen Ober die Be¬
kämpfung der Tuberkulose, nicht alles umfassen, was erhofft war,
so trifft die Schuld daran wahrlich nicht Kirchner, der alles
aufgeboten batte, um auch diese Lücken zu füllen, aber hierbei
an dem Widerstand des Landtages scheiterte.
Die gewaltigen Aenderungen, die nach dem Inkrafttreten des
preussischen Kreisarztgesetzes vom 16. September 1899 in der
Stellung und Dienstführung der Kreismedizinalbeamten eintreten
mussten, wurden festgelegt in einer von Kirchner vorbereiteten
umfassenden Dienstanweisung und in einer besonderen Geschäfts¬
ordnung für das neugeschaffene kollegiale Organ, die Gesundheits-
kommission. Besonders dankbar seien anerkannt die Bemühungen
Kircbner’s, die materielle Stellung der Kreisärzte zu verbessern.
Im Interesse einer zuverlässigeren Feststellung der übertragbaren
Krankheiten wurden MedizinaluntersucbungsaDstalten und mehrere
hygienische Institute (Beutheu, Gelsenkirchen und Saarbrücken)
begründet, die der Medizinalverwaltung beigegeben sind und die
Aufgabe haben, die für die Feststellung übertragbarer Krank¬
heiten erforderlichen Untersuchungen und sonstigen im Interesse
der öffentlichen Gesundheit notwendigen Ermittelungen aus¬
zuführen. Als Hauptanstalt dieser Art wurde das Institut für
Infektionskrankheiten entsprechend weiter entwickelt. Die zur
Bekämpfung der Pocken, insbesondere zur Ermöglichung einer
einwandfreien Schutzimpfung bestimmten staatlichen Impfanstalten
wurden verbessert und wissenschaftlich gehoben. Die gesund¬
heitliche Ueberwachung der Häfen wurde mustergültig geordnet
nnd dadurch die Kette der Maassnahmen zur Bekämpfung der
übertragbaren Krankheiten geschlossen.
Bei dieser wichtigen Tätigkeit auf dem Gebiete der Medizioal-
verwaltung war Kirchner zugleich unermüdlich bestrebt, das
Wissen und Können der Aerite und der beamteten Aerzte zu
fördern, um die wirksamsten Waffen gegen die Schädlinge der
Volksgesundheit zu schärfen und dauernd brauchbar zu erhalten.
Die Prüfungsordnung für Aerzte vom 28. Mai 1901 und diejenige
für Zahnärzte vom 15. März 1909 stammen im wesentlichen aus i
Kirchner’s Feder. Nur die Beteiligten können ermessen, welche
enorme wissenschaftliche Arbeit in diesen Ordnungen enthalten
i*t Ebenso wurde die Prüfungsordnung für Kreisärzte von K.
neu bearbeitet. Auch die Fortbildung der Aerzte und beamteten
Aerzte lag Kirchner sehr am Herzen. Es ist anscheinend zur¬
zeit nicht mehr bekannt, dass Kirchner bei der Begründung des
Zentralkomitees für das ärztliche Fortbildungswesen in Preussen
erheblich beteiligt gewesen ist — und, wie ich als sein damaliger
Mitarbeiter aus eigener Beobachtung bestätigen kann, sich um
die Ausgestaltung des Wirkens dieses Komitees grosse Verdienste
erworben hat. Auch die Fortbildung der Aerzte, die das deutsche
Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen sich zur Aufgabe gestellt
hat, ist von Kirchner stets unterstützt und beraten worden. Die
“Mtergültige Regelung der Fortbildung der beamteten Aerzte
jerdanken wir Kirchner allein, der die entgegeustehenden Be¬
denken zu beseitigen und die regelmässige alljährliche Einberufung
einer grösseren Zahl von Medizinalbeamten (zurzeit etwa 80) zu
en verschiedensten Fortbildungskursen zu sichern verstand. An
»eser Stelle möchte ich nicht unterlassen, auch der preussischen
inanxverwaltung in aufrichtiger Dankbarkeit zu gedenken, ohne
“^verständnisvolle Mitwirkung Kirchner's Tätigkeit nach
^abw , kJ 6Den ^‘ c k* an 6 eD den erwünschten Erfolg nicht hätte
Noch ein anderes grosses Gebiet der allgemeinen Wohlfahrts¬
pflege ist von Kirchner wissenschaftlich und praktisch bearbeitet
und dadurch erfolgreich entwickelt worden: das Gebiet der ge¬
sundheitlichen Fürsorge. leb weise kurz bin auf die Fürsorge
für Tuberkulöse, für Lupuskranke, für Krebskranke, auf die Schul-
gesundbeitspflege und hier wieder noch besonders auf die Schul¬
zahnpflege, die einen erheblichen Anstoss zur allgemeinen Zahn¬
pflege in der Bevölkerung überhaupt gegeben hat. Die Organi¬
sation der Tuberkulosefürsorge, wie sie durch Kirchner ein¬
geleitet wurde, war vorbildlich für die Säuglingsfürsorge und die
Krüppelfürsorge. Die Beziehungen der sozialen Verhältnisse zur
Gesundheit der breiten Volksmassen hat Kirchner als einer der
ersten mit Wort und Schrift behandelt. Er war auch bekanntlich
der erste Inhaber eines Lehrauftrags für soziale Medizin an der
Berliner Universität. Die hohe Entwicklung, die das Rettuogs-
wesen in Preussen jetzt zeigt, und das Interesse, das im Deutschen
Reich für diesen Zweig der öffentlichen Krankenfürsorge in den
letzten Jahren hervorgetreten ist, kann zum grossen Teil auf
Kircher’s Initiative zurückgeführt werden, der an der Begründung
des Zentralkomitees für das Rettungswesen in Preussen beteiligt
war und von Anfang an zu den Vorsitzenden dieses Komitees
gehörte.
Welches Empfinden Kirchner den Sorgen und Kämpfen des
ärztlichen Standes entgegenbrachte und wie er bestrebt war, die
berechtigten Interessen der Aerzte unter sehr schwierigen Ver¬
hältnissen zu vertreten, ist noch frisch in der Erinnerung. Ebenso
darf angedeutet werden, dass Kirchner durch seine Persönlich¬
keit mittelbar dazu beigetrageu bat, den Wunsch der Aerzte zu
verwirklichen, einen der Ihrigen an der Spitze der Medizinal¬
verwaltung za sehen.
Kirchner’s Bedeutung liogt in der hoben Wissenschaftlich¬
keit seines Wirkens, die er aus der Schule Koch’s mit hinüber¬
genommen hat in die Arbeit der Medizinalverwaltung. Er konnte
die ihm vorgelegten grossen Aufgaben der Öffentlichen Gesund¬
heitspflege um so eher zu einem erfolgreichen Abschluss bringen,
weil er seine Wissenschaft beherrschte. Und er nutzte rück¬
wirkend auch der Weiterentwicklung dieser Wissenschaft, die er
vom Standpunkt der Medizinalverwaltung aus förderte, wo er nur
immer konnte. Sein reiches Wissen, seine grosse Beredsamkeit
und parlamentarische Fertigkeit, sein ausserordentlicher Fleiss
und das Streben, zu erreichen, was er für richtig erkannt, brachten
ihm die Erfolge, die seinen Namen auch in der internationalen
medizinischen Welt bekannt gemacht haben. Bei den Verhand¬
lungen über den Etat des Medizioalwesens im preussischen Land¬
tage hat Kirchner fast alljährlich über die grossen Fragen der
Öffentlichen Gesundheit gesprochen. Alles folgte seinem Vortrage
mit gespannter Aufmerksamkeit, stets war ihm der dankbare Bei¬
fall des Parlamentes sicher. Gerade diese Art der Vortragstätig¬
keit ist für die Verbreitung richtiger Anschauungen über die Ge¬
sundheitspflege von hoher Bedeutung geworden. Eine umfangreiche
publizistische Tätigkeit legt Zeugnis davon ab, wie Kirchner
darauf bedacht war, die praktische Hygiene auch durch die Schrift
zu fördern. Die alljährlich erscheinenden Berichte über das Ge¬
sundheitswesen in Preussen wurden durch Kirchner einer neu¬
zeitlichen Umformung unterzogen, so dass sie jetzt die bedeutendste
Fundstätte aller Fragen der Volksgesundheit in Preussen darstellen.
So hat Kirchner das gesamte preussische Medizinal wesen
mit seinem Geiste anregend und befruchtend durchdrungen. Alle
beteiligten Kreise, die Vertreter der Wissenschaft und Praxis, denen
die Gesundheit unseres Volkes am Herzen liegt, können bei Ge¬
legenheit seines 61. Geburtstages nur aufrichtig wünschen, dass
ihm ein gütiges Geschick reichlich vergelten möge, was er für
die Volksgesundheit getan, und dass er noch lange in der Kraft
seines Geistes und in der Stärke seiner Persönlichkeit den Seinen
und der Allgemeinheit erhalten werde, der rechte Mann an der
rechten Stelle. E. Dietrich.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. - In der Sitzung der Berliner medizin. Gesellschaft
vom 8. Juli demonstrierte vor der Tagesordnung Herr Landau eine
Myomoperation während der Schwangerschaft. Hierauf hielt Herr E. Fuld
den angekündigten Vortrag: Zur Behandlung der Colitis gravis mittels
Spülungen von der Appendieostomie aus (Diskussion: die Herren Albu
Katzenstein, Fuld), und Herr Eckstein seinen Vortrag über unbe¬
kannte Wirkungen der Röntgenstrahlen und ihre therapeutische Verwertung
(Diskussion: die Herren Evler, Fritz M. Meyer, Eckstein).
— In der Sitzung der Hufelandischen Gesellschaft vom
9 . Juli zeigten der Vorsitzende, Herr Bumm, und Herr Warnekros
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UNIVERSUM OF IOWA
1348
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 28.
unter Beibringung des Beweismaterials, dass zur klinischen und anato¬
mischen Heilung tiefsitzerider Carcinome die äussere Bestrahlung
mit sehr hohen Röntgendosen und über weite Flächen hin die beste
aktinische Methode darstellt. An der Diskussion, die durchweg affirma¬
tiven Charakter hatte, beteiligten sich die Herren Paul Lazarus, Franz,
A. Frankel, Evler, Dessauer, Levy-Dorn, Hessmann, Bucky.
— Der III. Internationale Kongress für Radioaktivität
und Elektronik findet in Wien vom 27. Juni bis 2. Juli 1915 unter
dem Vorsitz von Prof. Sir Ernest Rutherford - Manchester statt.
Aus dem vorläufigen Programm der biologisch-medizinischen Abteilung
sei erwähnt: Allgemeine biologische Wirkungen der Radium- und Rontgen-
strahlen: auf die pflanzlichen Zellen (Prof. Koernike-Bonn-Poppelsdorf);
auf die tierischen Zellen und Gewebe (Dr. Dominici - Paris); auf den
Gesamtorganismus (Prof. Wiechowski-Prag). Einwirkung der Radium-
und Röntgenstrahlen auf Tumoren. Einleitender Vortrag (Geheimrat Prof.
Aschoff-Freiburg). Ueber die Prinzipien der Röntgen-und Radiurabehand-
lung maligner Tumoren (Geheimrat Prof. Krönig-Freiburg). Ueber die
Röntgenbehandlung der Uterusmyome und der klimakterischen Blutungen
(Prof. AIbers-Sohönberg-Hamburg). Ueber die Radium- und Meso-
thoriumbehandlung benigner Tumoren (Prof. Howard Kelly-Baltimore).
Einwirkung radioaktiver Substanzen: auf das Blutbild, auf Drüsen und
Circulation (Dozent Dr. H. Hansen - Kopenhagen); auf Gicht, Rheuma¬
tismus und Nerven (Prof. FaIta - Wien). Dermatologisches Referat
(Dr. Degrais - Paris). Demonstrationen von Patienten und Führung
durch die Radiumstation des Allgemeinen Krankenhauses. In einer
gemeinsamen Sitzung mit den Physikern u. a.: Filtration (Dozent Dr.
Christen-Bern). Radio-und RÖntgensensibilisation (Dozent Dr. Freund-
Wien). Ueber die durch Röntgen- und Radiumstrahlen hervorgerufenen
Schädigungen (Prof. Holz kn echt-Wien). SekundärstrahluDg (das Referat
wird von einem Physiker gehalten werden). Mitglieder, die einen Vor¬
trag zu halten wünschen, haben das Thema vor dem 1. April 1915 beim
Sekretär anzumeiden und ein kurzes, zum Druck bestimmtes Autoreferat
beizulegen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 24 Kronen = 20 Mark. Die
Teilnehmer des Kongresses werden ersucht, diese vorläufige, wie auch
alle folgenden Bekanntmachungen zu Auskunftszwecken aufzubewahren.
— In Lyon findet vom 27. bis 81. Juli 1914 der VII. Inter¬
nationale Kongress für medizinische Elektrologie und Radio¬
logie statt. Auf der Tagesordnung stehen u. a.: Berichte über Mittel
zum Schutze der behandelnden Personen gegen die X-Strahlen (Bericht¬
erstatter Prof. Albers-Schönberg), über Ionentherapie (Dr. Schnee-
Frankfurt a. M.), über die Herzunregelmässigkeiten im Elektrokardio¬
gramm (Prof. Nicolai-Berlin). Mit dem Kongresse ist eine Ausstellung
von Apparaten zur Heilbehandlung mit Elektrizität und Radium ver¬
bunden. Teilnehmer am Kongresse haben einen Beitrag von 25 Frcs.
(Familienmitglieder von Teilnehmern 10 Frcs.) zu entrichten. Anmel¬
dungen und Beiträge sind an den Generalsekretär Dr. Cluzet, 106 rue
de l’Hötel de Ville Lyon, einzusenden.
— Ein internationaler Kongress für Schulhygiene wird
1915 in Brüssel stattfinden. Das Programm enthält folgende Punkte:
Schulgebäude und Schulmobilien. — Aerztliche Ueberwachung in den
Stadt- und Landschulen. — Vorbeugungsmaassregeln gegen ansteckende
Krankheiten in der Schule. — Hygienische Unterweisungen für Lehrer,
Schüler und Familie. — Die Schulhygiene mit Hinsicht auf die körper¬
liche Erziehung in den verschiedenen Stadien des Wachstums. — Be¬
ziehungen der Lehrmethoden und Anordnungen des Lehrmaterials zur
Schulhygiene. — Die Schulhygiene in besonderer Hinsicht auf die
minderwertigen Schüler. — Die Hygiene der heran wachsenden Jugend.
— Nach den Verhandlungen zwischen der deutschen Kongresscentrale,
Berlin und dem Sekretariat der internationalen Union zur Förderung der
Wissenschaft, welche den Austausch wissenschaftlicher Fragen unter den
Gelehrten vermittelt, hat sich nunmehr auch der in dem Programm der
internationalen Union längst vorgesehene Plan, sich mit der Organisie¬
rung von Kongressen zu befassen, verwirklicht. Zu diesem Zwecke hat
die deutsche Rongresscentrale, Berlin, ein besonderes Kongressbureau
eingerichtet, in dem sie mit der internationalen Union die technische
und geschäftliche Vorbereitung wissenschaftlicher Kongresse übernehmen
wird. Die deutsche Kongresscentrale ist bereits vielfach bei Vorbereitungen
von Versammlungen, die hier in Berlin stattfanden, tätig gewesen und hat
„ die Organisation derselben wesentlich erleichtert.
— Am 5. Juli, dem 71. Geburtstage des verewigten Julius
von Michel, wurde dessen Bronzebüste im Hörsaal der Universitäts-
Augenklinik feierlich enthüllt; Herr Geheimrat Krückmann würdigte
in feinsinniger Ansprache die Verdienste seines Vorgängers im Amte.
— Geh. San.-Rat Dr. Fromm, der frühere, um die Entwickelung
des Seebades hochverdiente Norderneyer Arzt, feierte seinen 80. Ge¬
burtstag.
_ Der auf der Hauptversammlung am 25. Juni 1914 in München
gewählte Vorstand des Leipziger Verbandes hat sich konstituiert. Nach
Zuwahl weiterer 4 Mitglieder gehören ihm an die Herren DDr. Hart-
mann, Streffer, Hirschfeld, Mejer, Göhler, Prof. Dr. Schwarz,
DDr. Dumas, Vollert, Kloberg, Meischner.
— In den letzten Tagen ging durch die Tagespresse die Nachricht von
einem neuen Aerztestreik in Niederbarnim; angesichts des Berliner
Abkommens und der auf dem Aerztetag dokumentierten Friedensstimmung
klang das wie ein Hohn. Wie vorauszusehen war, ist es dem Zusammen¬
wirken der Vertragsparteien, des Oberversicherungsamts und einiger Vor¬
standsmitglieder vom Leipziger Verband innerhalb weniger Tage gelungen,
eine gütliche Verständigung herbeizuführen. Aus den stipulierten Ver¬
gleichsbedingungen geht klar hervor, dass die Aerzte nur eine Sicherung
gegen die fortwährende Verschleppung eines Vertragsabschlusses ver¬
langten, nachdem das Versicherungsamt bisher in bedauerlicher Weise
alles unterlassen hatte, was ihm zur Durchführung des Berliner Ab¬
kommens oblag. Nunmehr ist den Aerzten im Kreise Niederbarmin neben
erhöhter Abschlagszahlung auf die Zeit des Interimistikums eine Be¬
schleunigung der Vertragsverhandlungen und das Recht zugestanden
worden, sich jederzeit auf dem Versicherungsamt über den Stand der
Dinge zu informieren. Bei etwas besserem Willen der zuständigen Be¬
hörde hätten sich längst, wie an vielen andern Orten, geordnete Zustände
erzielen lassen, und der ganze alarmierende Zwischenfall wäre vermieden
worden. V.
— In der Reisezeit (Juli bis Oktober) bitten wir alle für die
Redaktion bestimmten Briefe nicht persönlich, sondern lediglich an die
Redaktion adressieren zu wollen.
— Dr. Hans Hohn ist vom 8. Juli bis Mitte August verreist.
Hochschulnachrichten.
Halle a. S.: Geheimrat E. von Hippel bat einen Ruf nach Göt¬
tingen als Nachfolger seines Vaters, Geheimrat A. von Hippel, erhalten.
— Würzburg. Prof. Ackermann wurde ein Lehrauftrag für physio¬
logische Chemie übertragen. — Graz. Dem Privatdozenten für Chirurgie,
Dr. Hof mann, wurde der Titel eines ao. Professors verliehen. — Prag.
Dem ao. Professor für Geschichte der Medizin, Dr. A. Schrutz, wurde
Titel und Charakter eines ordentlichen Universitätsprofessors zuerkannt.
Zum Ordinarius für Pharmakologie wurde der ao. Prof. Ritter von Lhota
ernannt.
Amtliche Mitteilungen.
Personallon.
Auszeichnungen: Königl. Krone zum Roten Adler-Orden
4. KL.: Oberstabsarzt d. L. Dr. Krebs, Chefarzt des Landesbades
der Rheinproviuz in Aachen, Oberstabsarzt Dr. v. Tobold, Chef¬
arzt des Hauptsanitätsdepots in Berlin.
Roter Adler-Orden 4. Kl.: Kreisarzt Med.-Rat Dr. Brummund in
Magdeburg.
Rote Kreuz - Medaille 3. Kl.: San.-Rat Dr. Creutzfeldt in
Harburg.
Ernennungen: Generalarzt Prof. Dr. E. Steudel zum Geh. Ober-
Med.-Rat und Vortragenden Rat im Reichskolonialamt; ausserordentl.
Professor an der Universität Freiburg i. B, Dr. F. Keibel zum ordentl.
Professor an der Universität Strassburg; Kreisassistenzarzt Dr. K.
Kiesow in Bialla zum Kreisarzt in Kalau; Kreisassistenzarzt Dr. P.
Kschischo in Danzig zum Kreisarzt in Aögerburg; Kreisassistenzarzt
Dr. R. Ger lach in Güttingen zum Kreisarzt des Kreisarztbezirks
Osnabrück (Land)-Wittlage in Osnabrück; Oberstabsarzt a. D. Dr. Stabn
in Posen zum Kreisassistenzarzt daselbst.
Versetzungen: Kreisarzt Med.-Rat Dr. Gottschalk von Kalau nach
Kottbus; Kreisassistenzarzt Dr. Landsbergen von Gelsenkirchen nach
Soltau.
Pensionierungen: Reg.- und Geh. Med.-Rat und Oberamtsarzt Dr. P.
Schwass in Sigmaringen; Kreisarzt Geh. Med.-Rat Dr. H. Otto m
Neurode, Kreisarzt Med.-Rat Dr. E. Bremer in Angerburg.
Niederlassungen: Dr. W. Grumme und Aerztin Dr. G. Schmidt
in Göttingen, Dr. H. Heyter in Frankfurt a. M.
Verzogen: F. P ursche von Cöln-Lindenthal, Aerztin J. Selig von Würz¬
burg und A. Fischer von Dresden nach Dortmund, Dr. F. Müller von
Kaiserslautern nach Haspe, Dr. W. Hüisenbeck von Greifswald nach
Gevelsberg, Dr. 0. W. Henrioh von Bochum nach Sohwelm, Dr. C.
Beau camp von Saarburg und Dr. P. Junius von Cöln nach Bonn, Dr. B.
Schild von Göttingen und Dr. A. Savels von Trier nach Colo, Dr. A.
Husmann von Volkmarsen nach Bensberg, Dr. F. Becker von Bonn
nach Alzey, Dr. V. Zweig von CÖln nach Lübeck, Dr. L. Stambach von
Obercassel nach Pützchen, Dr. 0. Käufer von Remscheid, Dr. J. «•
Brockhaus von Breslau und W. Ambrosius von Darmstadt nach
Aachen, Dr. H. Gorres von Aachen nach Heidelberg, Dr. S, Jacohi
von Berlin-Schöneberg nach Herzogenrath, Dr. A. Stein brück von
Harthau b. Chemnitz nach Stolberg (Bez. Aachen), K. Fnjst 700
Nikolaiken nach Bajohren, Dr. H. Ehlers von Sorau nach Wilhelms-
stift b. Potsdam, Dr. E. Preuss von Hannover und Dr. F. “ a . c * er
von Würzburg nach Göttingen, Dr. W. Offermann von Freibarg
i. B., Dr. A. Fels von Strassburg und Dr. F. Bender von Giessen
nach Frankfurt a. M,, M. Caspari von Danzig nach Bad Homburg
v. d. H., Dr. W. Griesbaoh von Frankfurt a. M., M. W- Weis« toii
Magdeburg und Dr. A. Bossert von Scbreiberhau nach Wiesbaden,
San.-Rat Dr. F. Brühl von Eltville nach Kiedrich. ,
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. R. Schi
von Götingen. _ _
Pör die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hane Hohn, Berlin W., Bayreuth er 8tr*sM **
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N..4.
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\*\
Die Berliner Klinische Wochonschrifi erscheint jeden
Montast in Nummern von ca. h—6 Bogen gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen
alle Buchhandlungen und Postanstalten an.
BERLINER
Alle Einsendungen für die Redaktion and Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Mel-Rnl Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. üans Kohu. iugust flirschwald, VeriagsbucbhaudluDg in Berlin.
Montag, den 20. Juli 1914.
iWVI
Einundfünfeigster Jahrgang.
I N H
Originalieft*. Rohmer: Ueber die Diphtheriescbutzimpfuog von Säug¬
lingen nach v. Behring. (Aus der medizinischen Universitäts¬
klinik za Marburg.) S. 1349.
Meitzer: Ueber eine Methode zur experimentellen Erzeugung
von Pneumonie und über einige mit dieser Methode erzielte
Ergebnisse. (Aus dem Rockefeller Institute, New York.) S. 1351.
Gümbel: Zur Behandlung der spastischen Lähmungen mit der
Foerster’schen Operation. S. 1353.
Faulhaber: Zur Frage des Sechsstundenrestes bei pylorusfernem
Ulcus ventriculi. S. 1355.
Scheffer: Einige Gesichtspunkte für die Beurteilung von Kohlen¬
säurebädern. (Illustr.) S. 1357.
Goldscheider: Ueber atypische Gicht und verwandte Stoffwechsel-
störuogen. (Schluss.) S. 1359.
Matti: Die Beziehungen der Thymus zum Morbus Basedowii.
(Schluss.) S. 1365.
Bäeherbesprechiiigeii : Bier, Braun, Kümmell: Chirurgische Ope-
ratiooslehre. S. 1370. (Ref. Adler.) — Birk: Leitfaden der Säug-
liDg8krankheiten. S. 1370. Göppert: Die Nasen-, Rachen- und
Ohrerkrankungen des Kindes in der täglichen Praxis. S. 1370.
(Ref.Weigert.) — Pearson, Nettleship und Usber: A mono-
graph on albinism in man. S. 1370. (Ref. Friedenthal). — Müller:
Die Therapie des praktischen Arztes. S. 1370. (Ref. Bittorf.) —
Joachim und Korn: Grundriss des deutschen Aerzterechts für
Studierende, Aerzte und Verwaltungsbeamte. S. 1371. (Ref.
Vollmann.)
LUeratnr-AiiBCitge: Physiologie. S. 1371. — Pharmakologie. S. 1372. —
Therapie. S. 1372. — Allgemeine Pathologie und pathologische
Aus der medizinischen Universitätsklinik 7,u Marburg
(Direktor: Geheimrat Matthes).
Ueber die Diphtherieschutzimpfung von Säug¬
lingen nach v. Behring.
Von
Dr. P. Rohmer,
Privatdozent für Kinderheilkunde.
In seinem auf dem diesjährigen Kongress für innere Medizin
gehaltenen Vortrag hat v. Behring u. a. die Säuglinge vor¬
läufig von der Behandlung mit seinem Diphtherieschutzmittel
ausgeschlossen, und zwar deshalb, weil über deren Fähigkeit zur
Antitoxinbildung sowie über die bei ihnen zur Erzielung einer
hinreichenden Antitoxinproduktion nötige Dosierung des Schutz-
Mittels noch nichts Sicheres feststand. Diese Frage bedurfte also
Mer gesonderten Bearbeitung, die aber nach den Intentionen
T - Behring’s um so nötiger war, als es äusserst wichtig wäre,
wenn man die Kinder, ähnlich wie es bei der Jenner’schen Pocken-
schutximpfung geschieht, bereits in diesem Alter gegen Diphtherie
lamnnisieren könnte. Ich habe mich daher, einer Anregung
v. Behring’s folgend, gerne der Aufgabe unterzogen, die
Quellen Verhältnisse des Säuglingsalters gegenüber der Diphtherie-
schnuinopfang einer weiteren Prüfung zu unterziehen. Obwohl
D &ü meine diesbezüglichen Untersuchungen von ihrem Abschluss
Men weit entfernt sind, so möchte ich doch die bisher abge¬
schlossenen Fälle veröffentlichen, und zwar deshalb, weil sich
au81 “ Ben bereits jetzt einige wichtige neue Tatsachen und Frage-
A L T.
Anatomie. S. 1373. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1373. —
Innere Medizin. S. 1374. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1375. — Kinderheilkunde. S. 1375. — Chirurgie. S. 1376. —
Röntgenologie. S. 1376. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1376. —
Augenheilkunde. S. 1377. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
S. 1378. — Hygiene und Sanitätswesen. S. 1378.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische
Gesellschaft. Diskussion über die Vorträge der Herren Gold¬
scheider und Steinitz: Ueber atypisohe Gicht. S. 1378. —
Berliner physiologische Gesellschaft. S. 1383. — Berliner
orthopädische Gesellschaft. S. 1384. — Verein für innere
Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin. S. 1384. —
Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie zu Berlin.
S. 1385. — Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und
Medizinalstatistik zu Berlin. S. 1385. — Forensisch¬
medizinische Vereinigung zu Berlin. S. 1386. — Medi¬
zinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬
ländische Cultur zu Breslau. S. 1387. — Aerztlicher
Verein zu Hamburg. S. 1390. — Unterelsässischer Aerzte-
verein zu Strassburg i. E. S. 1392. — Freiburger medi¬
zinische Gesellschaft. S. 1392. — Aerztlicher Verein zu
München. S. 1393. — Nürnberger medizinische Gesell¬
schaft und Poliklinik. S. 1393. — Medizinische Gesell¬
schaft zu Basel. S. 1394. — K. k. Gesellschaft der Aerzte
zu Wien. S. 1394. — Gesellschaft für innere Medizin und
Kinderheilkunde zu Wien. S. 1395. — Aus Pariser medi¬
zinischen Gesellschaften. S. 1395.
Tagesgeschichtliohe Notizen. S. 1396.
Amtliche Mitteilungen. S. 1396.
Stellungen ergeben haben, welche auch anderen Untersuchern
gewisse Anhaltspunkte für ihr Vorgehen liefern können.
I Ausgehend von der bekannten geringen Empfindlichkeit der
j Säuglinge für das Diphtherieschutzmittel verwandte ich fast aus-
I schliesslich das stärkste der zurzeit im Gebrauch befindlichen
Präparate, TA VI. Injiziert wurde nur intracutan, und zwar immer
0,1 ccm, an der Beugeseite des Vorderarms in der Nähe der Ell-
beuge. Das Vorgehen gestaltete sich ganz schematisch so, dass
TA VI
zuerst , dann in zweitägigen Abständen je nach der Reaktion
TA VI TA VI
—jq— oder —, bis zuletzt in den meisten Fällen unverdünntes
TA VI gegeben wurde. Die auf diese Weise erreichte Reaktion
warde vorläufig als hinreichend stark „sensibilisierend“ ange¬
nommen und die zuletzt gegebene Dosis etwa 14 Tage später
wiederholt („antitoxinproduzierende Injektion“). Bei sämtlichen
Kindern wurde der Nasen- und Rachenabstrich auf Diphtherie¬
bacillen untersucht, und der Diphtherieantitoxingehalt des Blutes
vor und etwa 5—8 Tage nach Abschluss der Behandlung unter¬
sucht 1 ).
Um eine allgemeine Uebersicht zu gewinnen, wurden zunächst
20 Säuglinge behandelt, welche ich nach Alter, Konstitution und
Ernährungszustand möglichst verschieden auswählte. 4 von diesen
Kindern scheiden aus, weil sie vor Abschluss der Behandlung
entweder zur Entlassung kamen oder an intercurrenten Erkran-
1) Letztere Bestimmungen hat in dankenswerter Weise der Leiter
der „Behringwerke“, Herr Dr. C. Siebert, übemommeu.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 29.
kungen starben. Es bleiben somit noch 16 fertig behandelte Fälle
übrig, über welche hier kurz berichtet werden soll.
Nachstehende Tabelle gibt eine knappe Uebersicht über die
Fälle, wobei zu bemerken ist, dass ich mit Reaktionen I. Grades
mit Hagemann, Kleinschmidt und Viereck 1 ) solche bezeichne,
dereu grösster Durchmesser weniger als 2 cm, mit Reaktion
11. Grades solche, bei welchen wenigstens ein Durchmesser mehr
als 2 cm beträgt. Unter Reaktion 111. Grades fasse ich alle die¬
jenigen zusammen, bei welchen es zu einer Allgemeinreaktion,
entweder in Form von wenn auch eventuell minimalen, aber mit
Sicherheit auf die Injektion zurückzuführenden Temperatursteige¬
rungen oder Schwellung und Schmerzhaftigkeit der regionären
Lymphdrüsen, oder beider zusammen kam; hierbei trat bisher in
sämtlichen Fällen auch eine stärkere Hautreaktion auf.
In der Tabelle ist ferner nur die letzte, antitoxinproduzierende
Reaktion angeführt; sie war manchmal ebenso stark als die
14 Tage vorausgehende sensibilisierende Reaktion, häufig etwas
stärker, in einzelnen Fällen schwächer, so dass sich vorläufig
hieraus keine sicheren Beziehungen zwischen beiden Reaktionen
erkennen lassen.
£
Alter
Gesundheitszustand.
Gewicht
Antitoxin¬
gehalt des
Blutes vorder
Behandlung
Zuletzt
verwandte
Dosis
"C 1
ri i
1
, <n :
a 1
s
1 Jtli
■ cd |
! flö 1
’S i 5 5
1
«Vt Mod.
l
Gesund. Ammenkind.
4910 g. Di.-Bac. 0.
1
[ Vio l^ s
1 Vro fach
0,1 TA VI
intracut.
lll!
i
< Vbo fach
2
3
-
A trophie, dünne Haut.
| 3330 g. Di.-Bao. 0.
7jo fach
do.
11
Veo facb
3
37*
»
i Gesund. 4650 g.
I Di.-Bac. 0.
ca. 7i oo fach
do.
II
7 60 fach
4
37.
-
Massige Atrophie.
3550 g. Di.-Bac. +.
> 760 fach
do.
II
! < V 20 fach
5
4
*
Atrophie, exsudative
Diathese. 3590 g.
Di.-Bac. 0.
; 7ioo fach
do.
II
7 100 fach
6
5
Atrophie, exsudative
Diathese. 4150 g.
Di.-Bac. -f-.
| Veoo bis
j V1500 fach
: !
0 1 TAVI
’ 5
iDtracut.
II
!
> 7&o f ach
7
6
j Atrophie, Rachitis,
j Ekzem. 4350 g. 1
Di.-Bac. -f. |
: Veoo bis
7 150 o fach !
1
0,1 TA VI
intracut.
II
> Vio fach
8
67 2
TT
! Atrophie, dünne Haut,
| Neuropathie, Racbit.,
3700 g. Di.-Bac. +.
Veoo bis j
Viöoo fach
do.
I
7 100 bis
7 3 co fach
9
67.
” !
Atrophie, Rachitis, 1
exsudative Diathese.
3500 g. Di.-Bac. -f. |
Veoo fach j
do.
I
Vio bis
V 100 fach
10
7
n
Pastös, exsudative
Diathese, Rachitis.
5800 g. Di.-Bac.+.
Vso fach (
!
do.
j
7 10 fach
11
8
»
Rachitis, rauhe Haut, i
5100 g. Di.-Bac. 0. 1
V 5 o fach j
j
do.
j
II 1
> Vs fach
12
9
p !
Atrophie, Spasmo- ,
philie. 6190 g.
Di.-Bac. 0.
Vieoofach |
. 1
do.
III
ca. 7eoo fach
13
14
15
16
11 »
I Jabr
172 „
272 „
Rachitis. 5710 g.
Di.-Bac. 0.
Atrophie. 4950 g.
Di.-Bac. 0.
Atrophie, dünne Haut, f
exsudative Diathese. ,
Di.-Bac. 0. |
Bronchialdrüsen- ’
tuberkulöse, guter i
Ernährungszustand.
Di.-Bac. 0.
Vcou fach
7:1600 f^h
1 /eoo bis
'/i 5 oo fach
do.
do.
do.
III , /j 0 bis
Vloo fach
fIII 7,o bis
| V,oo fach
III 7i 00 fach
7 6 oo fach | 0 j TA VI jIII 7 l0 -l fach
5 i
intracut. !
Betrachtet man die Fälle von dem Gesichtspunkte der Anti¬
toxinproduktion aus, so zerfallen sie zwanglos in 2 Gruppen, von
denen die eine alle jüngeren, die andere alle älteren Rinder um¬
fasst. Die Grenze liegt bei den von mir behandelten Kindern
zwischen dem 4. und 5. Monat. Uoterbalb dieser Altersgrenze
liess sich mit den angewandten Dosen des Mittels in keinem Falle
eine Vermehrung des Antitoxingehaltes erzielen, während jenseits
1) Die bisherige Literatur ist zusammengestellt in: E. v. Behring
und R. Hagemann, Ueber das Diphtherieschutzmittel «TA“, D.m.W
1914, Nr. 20.
derselben sämtliche Kinder eben so ausnahmslos eine zum Teil
recht beträchtliche Erhöhung desselben zeigen. Beide Groppen
umfassen gesunde, konstitutionell minderwertige und atrophische
Kinder, speziell haben einige der jüngeren Kinder der I. Gruppe
ein bedeutend höheres Körpergewicht als mehrere Atrophiker der
II. Gruppe, ohne dass sich ein Einfluss eines dieser Faktoren er¬
kennen Hesse. Ausschlaggebend ist nur das Alter.
Nun hatten aber meine sämtlichen 5 Kinder der 1. Groppe
schon vor der Behandlung einen nicht unbeträchtlichen Antitoxin¬
gebalt des Blutes, welcher nach den bisherigen Erfahrungen zum
Dipbtherieschutz in der Regel ausreicht, und es bleibt abzuwarten,
wie sich gleichalterige Säuglinge ohne Antitoxingehalt verhalten
werden. Weitere Erfahrungen werden uns vielleicht in nächster
Zeit hierüber Aufschluss geben: vorläufig müsste daran fest-
gehalten werden, dass Säuglinge unter 5 Monaten von
der Dipbtherieschutzimpfung einstweilen noch auszu-
schliessen sind.
Weiterhin wäre zu prüfen, ob iu den Fällen, in welchen keine
Antitoxinbiidung stattgefauden hat, auch tatsächlich eine spezi¬
fische Reaktion auf die Einspritzung des Schutzmittels erfolgt war
oder nicht. Denn dass die intracutane Injektion des artfremden
Eiweisses des Mittels sowie der in ihm enthajtenen Karbolsäure
beim Säugling an und für sieb eine lokale Entzündung hervor-
rufen kann, die mit der spezifischen Wirkung nichts zu tun har,
ist bekannt. Zur Entscheidung dieser Frage bin ich so vor¬
gegangen, dass ich sämtliche Injektionen in genau der gleichen
Menge und Verdünnung doppelt vornahm, und zwar am rechten Arm
mit aktivem, am linken mit stark aufgekochtem TA. Es ergab sich,
dass tatsächlich auch mit gekochtem, also sicher nicht mehr spe¬
zifisch wirksamemTA lokale Reaktionen sowohl I. als auch II. Grades
erhalten werden, welche sich von den durch ungekochtes TA her¬
vorgerufenen in ihrem Aussehen in keiner Weise unterscheiden.
Reaktionen III. Grades (Lymphdrüsenschwellung) wurden dagegen
mit gekochtem TA auch dann nicht erzielt, wenn eine solche an
dem gleichzeitig mit ungekochtem TA behandelten anderen Arm
recht deutlich ausgesprochen auftrat. Reaktionen 111. Grades
I sind daher unter allen Umständen spezifisch, während
dies bei solchen I. und II. Grades zweifelhaft ist. Aller-
| dings bleibt in den einzelnen Fällen, sobald die Reaktionen stärker
werden, die mit gekochtem TA hervorgerufene hinter der mit
aktivem TA hervorgerufenen meistens, wenn auch durchaus nicht
immer, zurück, zuweilen sogar recht merklich, so dass hier auch
bei Reaktionen II. Grades, ja selbst I. Grades, eine spezifische
Reaktion sicher vorliegt, wie ja auch die Antitoxinbiidung
beweist.
In bezug auf die Intensität der lokalen Reaktion verhalten
sich die Säuglinge im Alter von 5 bis inklusive S Monaten wie
diejenigen von 2 bis 4 Monaten: 0,1 unverdünntes TA ruft nur
Reaktionen II., zum Teil I. Grades hervor. Die Kinder von 5 bis
8 Monaten antworten hierauf mit Antitoxinbiidung, die jüngeren
Kinder nicht. Auf die gleiche Dosis erfolgen vom 9. Monat ab
Reaktionen III. Grades, aber mit nur geringer Allgemeinreaktion:
Die Antitoxinbiidung ist hier also nicht grösser als bei den
fünf- bis achtmonatigen Säuglingen mit schwächerer Lokal¬
reaktion.
Auf eine theoretische Erörterung der Ursachen dieses ver¬
schiedenen Verhaltens von Reaktion und Antitoxinbiidung in den
einzelnen Abschnitten des ersten Lebensjahres möchte ich in
dieser kurzen Mitteilung nicht eingehen. Betreffs des weiter zu
befolgenden praktischen Vorgebens dürfte es sich empfehlen, die
Dosierung so zu wählen, dass Reaktionen III. Grades eben noch
vermieden werden. Um diese Grenzdosis auch bei Kindern unter
6 Monaten festzustellen, wird es zunächst nötig sein, die Dosis
zu bestimmen, welche in diesem Alter eine Reaktion III. Grades
mit schwacher, eben noch unzweifelhaft nachweisbarer Allgemein¬
reaktion (Temperaturerhöhung, Drüsenschwellung) hervorruft.
An einem grösseren Material werden auch weitere PrageD
zu entscheiden sein, wie z. B. die Beziehungen zwischen intra-
cutaner und subcutaner Applikation des Mittels beim Säugling,
sowie der Einfluss des Gesundheitszustandes, des Zustandes der
Haut (Atrophie!), von Konstitutionsanomalien usw. auf Dosierung,
Reaktion und AntitoxinproduktioD. Hier sollte vorläufig ß ur
der Nachweis geführt werden, dass es auch beim Säug¬
ling möglich ist, eine wirksame Diphtherieschutz¬
impfung mit dem v. ßehring’scben Mittel vorzunehmeD.
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UNIVERSUM OF IOWA
20. J uli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1351
Aus dem Rockefeiler Institute, New York.
Ueber eine Methode zur experimentellen Er¬
zeugung von Pneumonie und über einige mit
dieser Methode erzielte Ergebnisse.
Von
S. J. Meitzer.
Einleitung.
Unsere Kenntnisse von der ätiologischen Beziehung zwischen
Mikroorganismen und Pneumonien beruhen hauptsächlich auf
statistischen Daten, nämlich, dass in einer grossen Zahl von an
Pneumonie verstorbenen Individuen gewisse Organismen in Rein¬
kultur gefunden wurden. Der sicherste Beweis wäre bekanntlich
jedoch der, dass Pneumonien durch solche Reinkulturen bei
Tieren experimentell mit Sicherheit reproduziert werden könnten.
Bald nach der Feststellung der Beziehung des Pneumococcus zur
lobären Pneamonie durch A. Fränkel und durch Weichsel ha um
sind auch solche Experimente vielfach unternommen worden.
Drei Methoden wurden angewandt, um Kulturen ins Innere der
Lange zu bringen: Einspritzung in die Lunge durch die Brust'
wand, intratracheale Einspritzung und Inhalationen. Positive
Erfolge wurden berichtet Ende der achtziger Jahre von Gamal eia,
der Hunden and Schafen Pneumococcnskulturen durch die Brust¬
wand in die Lunge eingespritzt hatte, und von Tschistovitch,
der durch Einspritzung von ähnlichen Kulturen in die Trachea
von Hunden in 7 von 19 Experimenten Pneumonie erzielt
haben will. Später haben jedoch Kruse und Panaini u. a.
den Wert dieser Angaben bezweifelt. In der langen dazwischen
liegenden Zeit sind nur wenige Arbeiten erschienen, die von
positiven Resultaten za berichten wussten. Man ist mehr and
mehr zu der Annahme gelangt, dass zur Entstehung der
Pneumonie neben der Invasion der spezifischen Organismen noch
andere Bedingungen obwalten müssen, auf deren Natur ich hier
nicht näher eingehen will.
Die Methode der intrabronchialen Insufflation.
Vor einigen Jahren wurde von mir eine einfache Methode
entwickelt, mit der man mit Sicherheit Pneumonie ex¬
perimentell erzeugen kann. Innerhalb der letzten
4 Jahre ist sie von meinen Mitarbeitern und mir an
über 400 Hunden angewandt worden — mit nur drei
Misserfolgen, die zu Beginn dieser Versuche sich ereignet
hatten, als die Technik der Ausführung noch nicht ganz sicher
beherrscht wurde. Die Methode wird als intrabronchiale In¬
sufflation bezeichnet und wurde im Anschluss an die Methode
der intratrachealen Insufflation ausgebaut, über die ich
schon verschiedentlich berichtet habe. Die Prozedur der intra-
bronchialen Methode ist sehr einfach. Nachdem das Tier tief
narkotisiert und auf dem Brette festgebunden ist, wird das Maul
weit aufgesperrt, die Zunge stark angezogen and das Lig. glosso-
epiglotticum (nicht die Epiglottis selbst) mit einer vorn etwas
gekrümmten bämostatischen Pinzette gefasst und nach vorn ge¬
sogen; die hintere konkave Fläche der Epiglottis wird so sichtbar,
ln diese konkave Fläche wird nun das kurz gefasste untere Ende
«ines dünnen Magenschlauches (nicht eines Katheters!) hinein-
gelegt, und während man mit dem linken Zeigefinger den Eingang
des Kehlkopfes kontrolliert, schiebt man mit der anderen Hand
den Schlauch langsam vor, bis er auf einen Widerstand stösst
und nicht tiefer eindringen kann. Stösst man auf keinen un¬
überwindlichen Widerstand, dann ist der Schlauch in
den Oesophagus geraten. Der Widerstand bedeutet, dass der
Schlauch nunmehr an Bronchien angelangt ist, deren Lumen
leiner ist als der Durchmesser des Schlauches. Für diese Ver¬
suche soll ein Schlauch mit einem kleinen Diameter gewählt
werden. Jetzt wird nun das untere Ende einer sterilen, mit der
®t'g e n Kultur gefüllten Pipette in die äussere OefFnung des
Manches eingefügt und die Kultur vermittels einer passenden
pritze in den Schlauch bineingespritzt. Durch Nachspritzen von
liA r ir<1 ^ er *?kalt des Schlauches ganz in die darunter
^genden Bronchien getrieben. Der Versuch ist jetzt zu
e, und der Schlauch wird abgeklemmt und herausgezogen,
aa her wird abgebunden und in seinen Stall zorückgeschickt, wo
sich m wenigen Minuten vollkommen erholt.
Ergebnisse.
j Q j 8 mehrere Serien von Experimenten gemacht worden,
De ° die Wirkungen verschiedener Mikroorganismen sowohl,
als auch die Wirkungen des gleichen Mikroben verschiedener
Virulenz geprüft worden sind. Die erste grössere Versuchsreihe
betraf wesentlich die Wirkung virulenter Pneumokokken and
wnrde von Dr. R. V. Lamar und mir studiert. Daraufhin folgten
mehrere Versuchsreihen, die alle von Dr. Martha Wollstein
und mir ausgoführt worden sind. Ich werde hier ein kurz ge¬
fasstes Resume der Resultate aller Versuche zu geben versuchen.
Als ganz allgemeines Ergebnis darf die Tatsache voran¬
gestellt werden, dass die intrabronchiale Insufflation aller
lebenden Mikroorganismen, die wir bis jetzt unter¬
sucht haben, ausnahmslos eine mehr oder minder aus¬
gesprochene charakteristische pneumonische Reaktion
hervorgerufen hat. Hingegen hat die Insufflation von
durch Hitze abgetöteten virulenten Pneumokokken
höchstens eine leichte Hyperämie, aber niemals eine
entzündliche Reaktion bervorgerufen. Noch weniger Effekt
hatte eine Insufflation von steriler Bouillon oder einer Kochsalz¬
lösung. Die lebenden Organismen wuchsen entweder in Bouillon
von spezifischer Zusammensetzung oder auf festen Nährböden. Im
letzten Falle wurde sie abgekratzt und in physiologischer Koch¬
salzlösung suspendiert. Die inaufflierten Kulturen waren etwa
20 Stunden alt. Der Sitz der entzündlichen Reaktion nach
Insufflation von lebenden Organismen war meistens im rechten
unteren Lungenlappen; in vereinzelten Fällen war die Pneumonie
im linken unteren Lappen allein zu finden, and in einer kleinen
Zahl von Fällen waren die unteren Lappen auf beiden Seiten
pneumonisch infiltriert. Oefters waren ausser dem Hauptsitz der
Affektion noch einige kleinere Herde zerstreut in den ver¬
schiedenen Lungenlappen vorhanden. Der Umfang der Re¬
aktion hing in fast allen Fällen von der Quantität der insufflierten
Kultur ab. Wenn diese etwa 15—20 ccm betrug, so war oft der
ganze untere Lappen und manchmal auch noch ein guter Teil des
Mittellappens konsolidiert.
Pathogene Organismen.
Von den Organismen, welche oft eine pathogene Beziehung
zu den Lungen aufweisen, sind folgende 6 Arten untersucht
worden: Fränkel’s Pneumokokken, Friedländer’s Pneumo-
bacillus, Schottmüller’s Streptococcus mucosus, Streptokokken,
Staphylokokken und der lnfiuenzahacillns. Ich will vorweg
sagen, dass nach der Natur der Reaktion, welche sie in den Lungen
hervorriefen, die Organismen in zwei Gruppen zerfallen.
Pneumokokken, Pnenmobacillen und der Streptococcus mucosus
verursachten stets eine lobäre Pneumonie; Streptokokken, Staphylo¬
kokken und der Influenzabacillus riefen eine lobäre oder Broncho¬
pneumonie hervor. Die grösste Zahl der Versuche ist jedoch
mit den Pneumokokken auf der einen and mit den Streptokokken
auf der anderen Seite gemacht worden. Die Zahl der Versuche
mit Staphylokokken namentlich war klein, etwa an 6 Hunden.
Folgende Punkte hatten alle Pneumonien gemein, welche mit
den 6 verschiedenen Orgaoismen produziert worden sind. Zu¬
nächst muss gesagt werden, dass der klinische Verlauf bei allen
nicht tödlich endenden Pneumonien ein milder und von kurzer
Dauer war und mit dem bekannten klinischen Verlauf beim Men¬
schen kaum verglichen werden konnte. Die Temperatur fing kurze
Zeit nach der Insufflation zu steigen an, um eine Höhe von etwa
40—41° C za erreichen, was für Hunde kein sehr hohes Fieber
ist. Nach 12—14 Stunden begann die Temperatur herunterzugehen,
nm nach 24—36 Stunden die normale Grenze zu erreichen. Die
Hunde, welche während der Fieberzeit nur mässig krank erschienen,
frassen wieder und waren ganz mnnter. Von einer schweren
Krankheit und einer Krise konnte hier nicht die Rede sein. Anders
verhielt es sich mit dem pathologischen Befunde in der Lunge;
die pneumonische Reaktion der Hundelunge konnte im Charakter
kaum von einer Pneumonie, wie wir sie vom Menschen kennen,
unterschieden werden; namentlich war die Lunge im Stadium der
roten Hepatisation ganz genau wie beim Menschen. Der Ablauf
des ganzen Prozesses nahm 7—8 Tage in Anspruch. Die Ent¬
wickelung der Reaktion fing kurz nach der Insufflation an und
erreichte nach 6—7 Standen eine beträchtliche Höhe. Nach
24 Standen hatte die lokale Aasdehnung der Konsolidation
meistens ihre Höhe erreicht. Bereits am 3. Tage setzte in den
meisten Fällen die Reaktion ein, um allmählich, wie gesagt, am
7. oder 8. Tage ihr Ende zu erreichen. Wenn man bei den nicht
tödlich endenden Fällen 12—] 4 Tage nach einer Insufflation die
Aatopsie machte, so fand man ganz normale Lungen _ es
sei denn, dass die experimentelle Pneumonie mit der Hundestaupe
kompliziert wurde; dann fanden sich in der Lunge oft auch
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UNIVERSUM OF IOWA
1352
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
organisierende Prozesse. Uebrigens führte die Komplikation mit
der Hundestanpe meistens zu einem tödlichen Ausgang. — Die
angegebenen Daten sind natürlich nur Durchschnittszahlen und
variieren ein wenig mit jedem Organismus und mit der Virulenz
desselben.
Experimentelle lobäre Pneumonie.
Wie bereits früher erwähnt, hat die Insufflation von Kulturen
von Pneumokokken,Pneumobacillen oder von Streptococcus mucosus
zur Entstehung von lobärer Pneumonie geführt. Die ausgedehnteste
Versuchsreihe wurde mit virulenten Pneumokokken gemacht. Die
Quantität der insufflierten Kultur variierte zwischen 5 und 15 ccm.
Diese Versuche erzielten eine Mortalität von etwa 16pCt. Je
grösser die insuffiierte Quantität war, um so sicherer war der
tödliche Ausgang. In diesen Fällen starben die Tiere wenige
Tage nach der Insufflation, nachdem sie hohes kontinuierliches
Fieber batten und schwer krank erschienen. Bei der Autopsie
fand sich neben einer ausgedehnten intensiven Pneumonie mit
starken fibrinösen Belägen der Lunge, Empyem, Pericarditis und
eine Septikämie. In den nicht tödlich verlaufenen Fällen fand
sich bei der Autopsie 24 oder 48 Stunden nach der Insufflation
eine Konsolidation eines Lungenlappens im Stadium der roten
Hepatisation; die entsprechende Pleura war oft mit Fibrin-
flöckcben belegt. Die Schnittfläche des konsolidierten Teiles der
Lunge war ein wenig körnig und mässig feucht, sonst aber kom¬
pakt und nirgends lufthaltig. Das Exsudat bestand wesentlich
aus polymorphkernigen Leukocyten und viel Fibrin, welche die
Alveolen ausfüllten. Die Pneumokokken lagen grösstenteils extra-
celluiär. Die Wände der Alveolen und Bronchien waren nicht
infiltriert. In den ersten 48 Stunden konnten lebende
Pneumokokken vom Exsudate sowohl als vom Blute
kultiviert werden; vom 3. Tage an konnte das bei nicht
tödlich endenden Versuchen nicht mehr geschehen. Auf
weitere Einzelheiten des histologischen Befundes während der
ersten 48 Stunden oder während des Lösungsstadiums werde ich
hier nicht näher eingeheti. Die Versuche mit dem Pneumobacillus
und dem Streptococcus ergaben im ganzen ähnliche Resultate;
das Exsudat war in diesen Fällen eio wenig fadenziehend. In
Versuchen mit diesen Organismen war keine Mortalität zu ver¬
zeichnen; die Zahl der Versuche war jedoch vergleichsweise zu
klein, auch ist in diesen Versuchen die Virulenz nicht besonders
studiert worden, um vergleichende Schlüsse zu erlauben. In den
Versuchen mit Insufflation von wenig virulenten Pneumokokken
erschien die konsolidierte Lunge im ganzen genommen ähnlich
derjenigen, wie wir sie bei der mit virulenten Pneumokokken
produzierten Pneumonie kennen gelernt haben. Abgesehen jedoch
von kleinen Unterschieden in der Intensität und im Verlauf des
Prozesses, unterschied sich die Pneumonie der nicht viru¬
lenten Organismen scharf dadurch, dass das Exsudat
nur sehr mässig Fibrin enthielt, die Pleura keinen
Fibrinbelag besass, und dass das Blut, und meistenteils
auch das Exsudat, auch in den ersten 48 Stunden keine
kultivierbaren Pneumokokken enthielten. Die Versuche
mit nicht virulenten Pneumokokken batten keine Mortalität er¬
geben.
Von der anderen Groppe sind, wie erwähnt, ausgedehnte
Versuche hauptsächlich mit Streptokokken gemacht worden. Die
virulenten (bämolysierenden) Streptokokken waren in bezug auf
ihre Virulenz mit den virulenten Pneumokokken vollkommen ver¬
gleichbar; beide Organismen töteten Mäuse von 20 Gramm in
20 Stunden durch ein Millionstel eines Kubikzentimeters ihrer
Kultur. Grössere Quantitäten der Kultur sind bei Streptokokken
als bei Pneumokokken zur Verwendung gekommen, etwa zwischen
15 bis 30 ccm, und in einigen Fällen sogar stark angereichert.
In keinem Falle ist es zu einem tödlichen Ausgang gekommen,
ausgenommen wenn der Versuch zufällig mit der Hundestaupe
kompliziert war. Lokal hingegen fehlte in keinem Versuche eine
markante Reaktion, welche unzweideutig sich als
lobuläre Pneumonie präsentierte. Auch wenn grössere
Quantitäten der Kultur insufflierfc waren und die Konsolidation
ausgedehnt und derb zu sein schien, so war doch die Schnitt¬
fläche sehr feucht und rosafarben, lufthaltige Fleckchen waren
stets zu finden in der Mitte der peribronchialeu dunkelroten,
soliden Massen. Fibrinöse Belege der Pleura waren niemals vor¬
handen. Das Exsudat bestand aus Epithelzellen und polymorph¬
kernigen Leukocyten. Letztere infiltrierten sowohl die
Wände der Alveolen und der kleinen Bronchien, als
auch das Stützgewebe der Lunge, so dass das Exsudat
oft ein eiterartiges Aussehen hatte. Fibrin war im Ex¬
sudat nur wenig vorhanden. In den Tieren, welche mit
virulenten Streptokken insuffliert waren, konnte man
in den ersten 48 Stunden vom Exsudate sowohl als vom
strömenden Blute lebende Kokken kultivieren. Aus
dem Blute und meistens auch aus dem Exsudat von
Tieren, weiche mit wenig virulenten Streptokokken
insuffliert wurden, konnten keine Streptokokken kul¬
tiviert werden. Das war der Hauptnnterschied zwischen den
Wirkungen von sehr virulenten und wenig virulenten Strepto¬
kokken. Was hier von den Streptokokken gesagt wird, gilt auch
von der Wirkung der Insufflation mit Kulturen des li.fluenza-
bacillus; nur enthielt das Exsudat oft auch ein wenig Blut. —
Insulflationen mit Staphylokokken brachten eine sehr mässige
Bronchopneumonie zustande. Die konsolidierten Stellen waren
meistens zerstreut und nur von mftssigem Umfang.
Aus dem Vorangehenden will ich folgende Punkte schärfer
bervorbeben. In unseren Versuchen ist die temporäre Septikämie
der springende Unterschied in der Wirkung zwischen virulenten
und nichtvirulenten Organismen, Pneumokokken sowohl als Strepto¬
kokken. Bei Pneumokokken jedoch ist auch die Anwesenheit
von Fibrin im Exsudate in sichtbar grösseren Quantitäten ein
bemerkenswertes Unterscheidungsmerkmal in der Wirkung viru¬
lenter und avirulenter Pneumokokken. Die Anwesenheit von
Fibrin im Exsudate in grösseren Mengen ist auch ein Unter¬
scheidungspunkt in der pulmonären Entzündungsreaktion von In¬
sufflation von Pneumokokken und Streptokokken. Auf der anderen
Seite unterschied sich die durch Insufflation bewirkte lobuläre
Pneumonie von der lobären auch dadurch, dass in ersterem Falle
sowohl die Wände der Alveolen und der Bronchien, als auch das
Stützgewebe der Lunge mit Leukocyten infiltriert waren, während
in der lobären Pneumonie die erwähnten Gewebe von einer leuko-
cytären Invasion frei blieben.
In den eben geschilderten Erfahrungen zeigte es sich, dass
auch die Insufflation von avirulenten Organismen zu einer defini¬
tiven entzündlichen Reaktion führte. Das veranlasste uns, einen
Versuch mit einem Sapropbyten zu machen. Als solchen
wählten wir den B. Megatherium. In Vorversuchen an Kaninchen
und Meerschweinchen mit intravenösen und intraperitonealen In¬
jektionen erwies sich der Organismus als ganz harmlos. Er machte
auch bei subcutaner Einspritzung keine Abscesse. Vermittelst der
Intrabronchialinsufflation brachten wir in die Lungen von Hunden
15—20 ccm einer 24stüudigen Kultur, die fast sporenfrei war.
Es trat jedesmal eine Reaktion ein, die makroskopisch
eine lobäre Pneumonie darstellte; das Exsudat war jedoch
frei von Fibrin. Das Stützgewebe der Lungen war frei von Leuko¬
cyten. Das Exsudat sowohl als das Blut enthielten keine kultivier-
baren Bakterien.
Ich will hier noch folgende experimentelle Erfahrung mit
der Pneumokokkeninsufflation erwähnen. In mehreren Versuchen,
in denen wir 10 oder 15 ccm von virulenten Pneumokokken in¬
suffliert batten, haben wir bald darauf die intratracheale
Insuflation mit Aethernarkose angescblossen und das
Sternum und die unteren Rippen an der rechten Wand
entfernt. Wir konnten so die Entwicklung der Pneu¬
monie mit den Augen verfolgen. Nach 4—5 Stunden war
ein grosser Teil des unteren rechten Lappens konsolidiert. Bei
der Auskultation dieser konsolidierten Stelle konnten
wir oft feines Rasseln und bronchiales Atmen hören.
Der Einfluss dieser Prozedur war aber zu stark; das Herz erlahmte
meistens nach der fünften Stunde.
Endlich will ich noch die Ergebnisse zweier Versuchsreihen
kurz erwähnen, die mit Organismen angestellt worden sind, welche
sicherlich nicht zu den intensiv pathogenen gezählt werden, welche
aber in unseren Versuchen schwerer schädigend wirkten, als alle
die zuerst erwähnten Mikroorganismen. Es handelt sich um In¬
sufflation von Kulturen von B. prodigiosus und B. pyocyaneus.
Der Effekt der Insufflation einer Prodigiosuskultur war sowohl
klinisch wie pathologisch äusserst schwer. Allen Tieren, welchen
5 ccm und mehr einer 24stündigeu Prodigiosuskultur insuffliert
wurden, starben in kurzer Zeit, manche bereits nach 6 Stunden,
unter Temperaturabfall und Erscheinungen eines schweren Col-
lapses. Die Lunge war stark hämorrhagisch, nekrotisch und mit
starken Fibrinbelägen. Blutig-eitriges Empyem und eine profuse
Bakteriämie fehlten niemals. Erst als die insuffiierte Dose der
Kultur nur 1 ccm betrug, überlebten 3 von 5 Tieren den
3. Tag. Wenn die Dose der Prodigiosuskultur nur 0,5 ccm betrag
(in 10 ccm Kochsalzlösung), fehlte die Lungennekrose und man
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UMIVER5ITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1353
20. Juli 1914.
konnte den lobulären Charakter der pneumonischen Entzündung
erkennen, die durch eine graduelle Koalleszierung ein lobäres
Aussehen aonabm und auch viel Fibrin enthielt. Der Insufflation
dieser kleinen Dose folgte keine Bakteriämie, und Erholung war
möglich.
Die Folgen der Insufflation von Pyocyaneuskulturen waren
lange nicht so schwer. Doch starben alle Tiere, welche 10 ccm
insuffliert erhielten, in kurzer Zeit, gleichfalls unter Temperatur¬
abfall uüd Collapserscheinungen. Von 10 Tieren, die 5 ccm er¬
hielten, starben jedoch nur zwei. Die Lungenläsion war die einer
Bronchopneumonie, die Alveolen enthielten jedoch Blut. Einige
Pyocyaneustiere wurden immunisiert, so dass sie auch die In¬
sufflation von 15 ccm gut überstanden. Bei der Autopsie fanden
sich keine frischen Prozesse, hingegen ausgedehnte Reste von vor¬
angegangenen schweren pleuritischen Prozessen.
Die Lunge reagierte also auf die Insufflation von lebenden
Organismen verschiedener Arten und von verschiedenen Virulenz¬
graden mit ausgesprochen pneumonischen Prozessen, ja auch auf
die Insufflation von offenbar saprophytischeu Bakterien. Doch
war der Charakter der Reaktion in manchen Punkten verschieden,
je nach der Gruppe der insufflierten Organismen; die Pneumo-
kokkenpneumooie zeichnete sich durch den lobären Charakter und
durch die Anwesenheit von viel Fibrin aus, die Streptokokken-
pneomonie durch ihren lobulären Charakter und durch die leuko-
cytÄre Invasion des Stützgewebes der Lunge, und die Prodigiosus-
reaktion durch die Neigung zu schweren Hämorrhagien und Ne¬
krosen. Die Virulenz gab sich hauptsächlich durch die Tendenz
zu Septikämie zu erkennen.
Wir müssen daran erinnern, dass Hunde als resistent gegen
Pneumokukkeninfektion gelten, und ferner, dass unsere Tiere weder
irgendwie vorbereitet (disponiert gemacht) oder ausgewählt wurden.
Wir nehmen als vorläufige Arbeitshypothese folgende Erklärung für
unsere erfolgreichen positiven Resultate an: Es will uns scheinen,
dass die blosse Anwesenheit von Mikroorganismen auf einer Ober¬
fläche des Körpers, gleichviel ob im „Innern“ oder auf dem
Aeussern desselben, in weitaus den meisten Fällen nicht genügt,
eine Infektion bervorzurufen. Erst wenn sie allseitig von
Geweben umgeben oder in einen Kanal oder Sack ein¬
geschlossen sind, fangen sie an, sich zu vermehren und
die Umgebung zu invadieren. Sogar bei der Diphtherie tritt
erst die richtige Infektion (und Intoxikation) ein, nachdem die
Bacillen sich zwischen der toten Membran und dem lebenden Ge¬
webe einnisten und vermehren können. In unseren Versuchen
haben wir eine Reihe von Bronchien total verstopft und
in geschlossene Kanäle verwandelt. Darum vermochten
die Organismen sich rasch zu vermehren, das benach¬
barte, sehr blutreiche lebende Gewebe anzugreifen und
riefen darum früh und prompt eine Reaktion hervor.
Wenn man bloss eine kleine Menge der Kultur in die weite Trachea
einfühit, wie bei der intratrachealen Methode, so bleiben die Orga¬
nismen frei auf der Fläche und vermögen die Umgebung weder
xu invadieren, noch eine Reaktion hervorzurufen.
Es ist nicht unmöglich, dass auch bei der Entstehung der
obären Pneumonie beim Menschen ein ähnlicher Vorgang zugrunde
hegt. Die Plötzlichkeit des Einsetzens der Pneumonie ist viel¬
leicht nur scheinbar. Wochenlang vorher ist vielleicht eine un-
bedeutende Bronchitis, Laryngitis oder Pharyngitis voraDgegangen.
»eileicht sind einige kleinere Bronchien mit nicht reizbarem
Schleime verstopft geblieben, was zu kleinerlei Symptomen Ver¬
anlassung gab. Pneumokokken sind oft genug im Munde und
Kacnen a ucb des Gesunden vorhanden.
Nüd passiert es gelegentlich, dass eine Gruppe von ihnen
»3 io die verstopften Bronchien und Alveolen hinein aspiriert
hl W ° S ' e 8 * c ^ nunme * ir einnisten, rasch vermehren, das be¬
nachbarte Lungengewebe attackieren, invadieren und eine Reaktion
ervorrufen — und die Pneumonie hat begonnen.
Literatur.
r, m araa n, an< * Meitzer, Journ. of exper. med., 1912, Vol. 15, No. 2,
t n■ 7w ,steiD SDd Meitzer, ebenda, 1912, Vol. 16, No. 2, p. 126.
191? 1 T. ’ ebenda > 1913, Vol. 17, Nc. 3, p. 353. — Dieselben, ebenda,
* v °>-17, No. 4, p. 424. - Dieselben, ebenda, 1913, Vol. 18, No. 3,
Dieselben, ebenda, 1913, Vol. 18, Nr. 5, p. 548. — Die-
" ben ’ Science, 26. Sept. 1913, p. 452
Zur Behandlung der spastischen Lähmungen
mit der Foerster'schen Operation. 1 )
Von
Dr. Th. Gümbel,
des slädt. Krankenhauses Bernau (Mark}.
M. H.! Die grosse Begeisterung, die die Aufsehen erregenden
Demonstrationen Küttner’s und Foerster’s auf dem Chirurgen-
koDgress 1910 hervorgerufen batten, ist verflogen, und die Hoff¬
nungen, dass die Resektion der hinteren Rückenmarkswurzeln die
Methode sei, welche den bis dabin nicht mit Aussicht auf Erfolg
zu behandelnden Littlekranken den Gebrauch ihrer Gliedmaassen
wiederzugeben imstande sei, haben sich nicht erfüllt, mindestens
nicht in dem gehegten Maasse. Ich brauche eigentlich hier nicht
noch besonders zu erwähnen, dass die Orthopäden sich von vorn¬
herein dem neuen Operationsverfahren gegenüber sehr zurück¬
haltend verhielten und dass vor allem auch Mitglieder dieser Ge¬
sellschaft davor warnten, die Hoffnungen allzu hoch zu spannen.
Wer die bisher erschienenen Mitteilungen aufmerksam verfolgt
hat, der kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die
günstige Beurteilung der jedem Operateur in die Augen springen¬
den Früherfolge nicht ausgesprochen worden wäre, wenn man
mit der Mitteilung gewartet hätte, bis sich das endgültige Er¬
gebnis hätte feststellen lassen. Es fällt immerhin auf, dass den
zahlreichen Mitteilungen über den günstigen unmittelbaren Erfolg
der Wurzelresektion so wenige gefolgt sind, in denen das nach
längerer Zeit bleibende Resultat, der erzielte Dauerzustand, be¬
schrieben wird. Wir können heute wohl annähernd beurteilen,
bei wievielen Fällen von Little’scher Krankheit die Foerster’sche
Operation ausgefübrt worden ist, aber nur bei einer viel kleineren
Zahl ist es möglich, festzustellen, wie sich das weitere Schicksal
dieser Operierten gestaltet hat. Nachdem uunmehr die Operation
bei den moisten mitgeteilten Fällen mehrere Jahre zurückliegt,
dürfte es jetzt von grossem Werte sein, über den jetzigen Zustand
dieser Kranken näheres zu erfahren.
Gaugele und Gümbel 2 ) haben im Sommer 1913 82 Fälle
von Foerster’scber Operation zusammenstellen können. Seitdem
habe ich noch von folgenden Fällen Kenntnis erlangt:
Guleke 8 ) resezierte bei einem 5 Jahre allten Knaben mit hoch¬
gradiger Little’scher Krankheit und völliger Gehunfahigkeit L 2 , L 3 , L 4 , L K
und zwei Sacralwurzeln beiderseits mit dem Erfolg, dass nach einem
halben Jahre der Knabe mit geringer Unterstützung geht, die Sohlen
gut abwickelt, die Beine frei bewegen und strecken kann; während der
Behandlung auffallende geistige Entwicklung des Kindes.
Buccheri 4 ) hat bei einem 6 V 2 Jahre alten Knaben wegen spasti¬
scher Paraplegie (Little’sche Krankheit) beiderseits L 4 , L 5 , S 2 und bei
einem 5 Jahre alten Mädchen wegen kompletter spastischer Paraplegie
(Krankheitsbeginn im 18. Lebensmonat) beiderseits L 4l L 5 reseziert.
Beide Kinder starben 3 bzw. 5 Tage nach der Operation, ohne dass die
Todesursache durch die Sektion aufgeklärt werden konnte. Io beiden
Fällen war Chlorformnarkose angewandt worden. Ausserdem hat
Buccheri noch bei einem 7 Jahre alten Knaben wegen spastischer
Monoplegie des rechten Armes C fl , C 7 , Dx reseziert; der Kranke starb
7 Tage später und wies ausser sonstigen tuberkulösen Veränderungen
einen Solitärtuberkel im linken Corpus striatum auf.
Nach Buccheri haben Codivilla 5 ) noch weitere 5, Putti 6 ) noch
9 Fälle operiert; von letzteren sind 3 gestorben, 1 infolge Liquorfistel,
2 an Herzschwäche.
Biesalski 7 ) operierte noch einen weiteren Kranken.
Macnamara und Evans 8 ) operierten drei Kinder: Bei einem
31/4 Jahre alten gebunfähigen Knaben mit überkreuzten Beinen Resektion
von L 2 , L 4 , S 1 auf der einen, L a , L 6 , S 2 auf der anderen Seite, mit be¬
friedigendem Erfolg. Ein Mädchen, das unterstützt stehen, aber wegen
Ueberkreuzung nur unvollkommene Gehversuche machen konnte, wurde
wie das vorige operiert; der endgültige Erfolg ist nicht festgestellt. Vor¬
übergehend bestand Incontinentia urinae. Bei einem Mädchen, bei dem
die Myotomie der Adduktoren den gewünschten Erfolg nicht hatte
wurden Lx, L s , L 5 rechts, L 2 , L 4 , S, links reseziert, ohne dass die Spas-
vumafc, gouamou iu uci oeruuer ortnopaaiscnen «iesellschaft am
5. Januar 1914. (Siehe Berl. klin. Wochensehr., 1914, Nr. 12.)
2) Gaugele und Gümbel, Die Little’sohe Krankheit usw. Jena
1913, G. Fischer.
3) Guleke, D.m.W., 1913, S. 1486.
4) Bucoheri, La cura delle paralisi spastiche etc. Palermo 1913
Brangi. 5
5) Codivilla, cit. nach Buccheri.
6) Putti, cit. nach Buccheri.
7) Biesalski, Orthopädische Behandlung der Nervenkrankheiten; in
Lange, Lehrb. d. Orthopädie. Jena 1913, G. Fischer. '
8) Macnamara und Evans, 17. internat. med. Kongres, London
1913.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
men vermindert wurden; sie waren vielmehr zeitweise starker als
vor der Wurzelresektion, so dass die Kniebeuger tenotomiert werden
mussten.
Little 1 2 3 * ) hat in einem Falle keinen günstigen Erfolg erzielt.
Marquis*) führte bei einem 7 Jahre alten Knaben, der weder sitzen
noch stehen und gehen konnte, die Wurzelresektion nach der Methode
van Gehuchten’s aus, nachdem er vorher Achillessehnen und Semi¬
ten dinosi beiderseits tenotomiert hatte, mit dem Erfolge, dass das Kind
sich im Bette aufrichten und gestützt stehen und Gehversuche machen
konnte.
Endlich teilt neuerdings Hirschowitsch 8 ) vier Fälle aus der
Bier’schen Klinik mit, von denen die Fälle 1 und 4 wahrscheinlich
unter die sechs von Klapp auf dem Chirurgenkongress 1910 erwähnten
gehören. Bei 4 Jahre altem Knaben mit Spitzfuss, Spasmen beim Gehen,
Flexion im Knie und Abduktion in Hüftgelenken wurden L t , L 5 , S 2
beiderseits reseziert. Nach vorübergehender Incontinentia alvi et vesicae
blieb eine Blasenschwäche zurück, die Spasmen wurden erheblich ge¬
bessert. Ein 5 Jahre alter Knabe, bei dem beiderseits L 2 , L 3 , L 5 re¬
seziert wurden, starb 5 Tage darauf an Meningitis infolge Liquorfistel.
Bei 6 Jahre altem Mädchen mit hochgradigen Spasmen der Arme und
Beine wurden beiderseits L 2 , L 3 , Lg, S 2 reseziert. Das Kind wurde un¬
genügend nachbehandelt und nach zwei Jahren sind die Beine infolge
Spasmen der Adduktoren überkreuzt, beiderseits besteht Pes valgus, links
so stark, dass das Kind auf dem inneren Knöchel zu gehen versucht;
beiderseits Spitzfuss. Das Kind kann weder stehen noch gehen. Bei
25 Jahre altem ManDe mit spastisch-paretischem Gaog wurden L z , L 4
beiderseits reseziert, im weiteren Verlauf trat Liquorfistel auf und an¬
scheinend auch meniogeale Reizung sowie leichte Stuhl- und Harn¬
verhaltung mit Hypästhesie am Damm. Nach a / 4 Jahren sind die Spas¬
men der Adduktoren und Kniebeuger noch sehr erheblich; auch die
Sensibilitätsstörung Doch nicht behoben; der weitere Verlauf ist un¬
bekannt.
Es sind mir demnach bis beute 107 Fälle von Foerster’scher
Operation wegen Little’scher Krankheit bekannt. Dabei setze ich
voraus, dass die Fälle von Codivilla und Putti sämtlich Little-
kranke waren und rechne die Fälle 1 und 4 von Hirschowitsch,
die schon vor dem Kongress 1910 operiert waren, nicht nochmals
mit. Von diesen 107 Fällen sind 14 gestorben; danach hat die
Foerster’sche Operation zurzeit eine Mortalität von etwas über
13 pCt., also nicht unerheblich höher als ich in meiner früheren
Zusammenstellung berechnet habe.
Ehe ich mich zu den Einzelheiten der von mir operierten Fälle
wende, wollen Sie mir wenige Worte über die von mir angewandte
Operationstechnik gestatten. Ich habe mich an die von Foerster aus¬
gearbeitete Methode gehalten; die ersten 4 Fälle siad zweizeitig operiert.
Die Dura muss möglichst breit freigelegt werden, man nimmt also von
den Bögen, unter Umständen sogar von den Gelenkfortsätzen so viel
weg, dass überstehender Knochen nicht hindernd ira Wege ist. An
besonderen Instrumenten sind nur die Tietze’schen Häkchen zur Iso¬
lierung der Wurzeln und gut schneidende Hohlmeisselzaogen erforderlich,
deren unterer Kiefer möglichst flach zu wählen ist, damit man ohne
Schwierigkeit zwischen Knochen und Dura vordriDgeü kann. Die Blutqpg
aus Weichteilen und Knochen ist meist nicht bedeutend, kann aber doch
störend werden, namentlich bei Vermischung des Blutes mit dem Liquor.
Will man sie sicher vermeiden, so bedient man sich zweckmässig des
Suprarenins.
Von der Verwendung der Cbloroformnarkose ist abzuraten; die
Aethertropfnarkose wird von den Kranken durchweg gut vertragen.
Die Frage, ob eiuzeitig oder zweizeitig operiert werden soll, ent¬
scheidet wohl jeder auf Grund seiner persönlichen Erfahrung. Aus dem
Vergleiche meiner zweizeitig und einzeitig operierten Fälle kam ich dazu,
der einzeiligen Operation den Vorzug zu geben; die Operation dauert
nur unwesentlich länger, die Infektionsgefahr ist viel geringer, der Shock
nicht grösser. Auf keinen Fall soll, bei zweizeitigem Vorgeben, zwischen
erstem und zweitem Akt längere Zeit verstreichen, weil die Ver¬
wachsungen zwischen Muskelnarbe und Dura dann die Operation ganz
bedeutend erschweren.
Meine Kranken sind Pfleglinge des von San.-Rat Dr. Gaugele
geleiteten Krüppelheims in Zwickau-Marientbal, dort von mir
operiert und bis auf zwei, die vor kurzem entlassen wurden, seit
der Operation in ständiger stationärer Behandlung bis beute ge¬
blieben. Die Operationen wurden in der zweiten Hälfte des Jahres
1910 ausgefübrt, die Nachbehandlung bat von Anfang 1911 an
Dr. Gäugele allein übernommen, der auch alle adressierenden
Maassnahmen sowie Operationen an Muskeln und Sehnen aus¬
geführt bat. Operiert wurden von den damals im Krüppelheim
vorhandenen Littlekranken nur diejenigen, bei denen die voraus¬
gegangene, zum Teil jahrelange orthopädische Behandlung keinen
1 ) Little, cit. aus Zbl. f. d. ges. Chir. u. i. Grenzgeb., 1913, Bd. 4,
S. 141.
2) Marquis, Bull, et möm. de la soc. de ohir., 1913, T. 35,
Nr. 35.
3 ) M. Hirschowitsch, Die För 9 tersche Operation bei spastischen
cerebralen Kinderlähmungen. Diss. Berlin 1913,
befriedigenden Erfolg gezeitigt batte und solche, bei denen nach
unserer damaligen Auffassung ohne Foerster’sche Operation ein
guter Erfolg mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht erwartet werden
konnte. Es sind folgende Fälle:
1 . B. R., 10 Jahre alt, seit etwa 3 Jahren in der Anstalt. Befund:
Massige Spasmen der Arme, sehr starke der Beine. Kann weder stehen
noch geheD, sinkt bei Nachlassen der Unterstützung zusammen. Enorin
gesteigerte Reilexerregbarkeit; keine Schrumpfungskontrakturen. Achilles¬
sehnen beiderseits verlängert.
Operation zweizeitig. Reseziert L*, L s , L ß , S* links, Lj, L 4 , Sj rechts.
Erfolg: Nach 1 / 2 Jahr kann er sich ohne Unterstützung aufrichten,
nach 2 Jahren nicht mehr oder nur sehr mühsam und kann an der
Gehbank noch nicht gehen. Neuerdings nach 8 1 /* Jahren gebt er im
Gehbarren ziemlich gewandt.
2. Kr. F., 19 Jahre alt, seit 5 Jahren in der Anstalt. Befand:
Starke Spasmen an Rumpf und Beinen, mässige an den Armen. Atbetose.
Uatähigkeit zu sitzen, zu geben, zu stehen. Achillessehnen früher ver¬
längert. Luxatio coxae utriusque.
Operation einzeitig; reseziert L 2 , L 3 , L 5 , S 2 beiderseits.
Erfolg: Zunächst Besserung, insbesondere Verringerung der Mit-
bewegungen. Verringerung der Spasmen. Lernt Dicht stehen noch
gehen, kann selbst gestützt sich nicht fortbewegen. Nachdem das vor
der Operation reichliche Fettpolster an den Beinen geschwunden ist
und die Spasmen verringert sind, siebt man nunmehr hochgradige Atrophie
der Muskulatur.
3. Pr. K., 11 Jahre alt, seit 5 Jahren in der Anstalt. Befund:
Spasmen stark, nur schwer überwindlicb, an den Beinen, massig im
rechten Arm, Beweglichkeit im linken Arm nahezu unbehindert. Kann
allein weder steben noch gehen. Nach vorübergebender Besserung in
letzter Zeit Verschlimmerung. Luxatio coxae dextrae spastioa.
Operation zweizeitig; reseziert L 2 , L 3 , L 5 , S 2 beiderseits, rechts beim
ersten Akt durch Missgeschick motorische L* mit ansgerissen.
Erfolg unbefriedigend; Spasmen zwar verringert, so dass aktive
Beweglichkeit etwas freier wurde. Es hat sich aber weiterhin eine der¬
artige Muskelschwäche herausgebildet, dass das Kind vor kurzem wegen
der Aussichtslosigkeit, weitere Besserung zu erzielen, aus der Anstalt
entlassen wurde.
4. S. K., 9 Jahre alt, seit 2 Jahren in der Anstalt, Befund:
Spasmen gering in den Armen, sehr stark in den Beinen, die überkreuzt
sind. Kann weder stehen noch gehen.
Operation zweizeitig, reseziert L 2 , L 3 , L 8) S* beiderseits.
Erfolg: Liquorfistel, anschliessend Meningitis, Tod 20 Tage post
Operationen!.
5. S. E., 8 Jahre alt, seit 2 Jahren in der Anstalt. Befund:
Spasmen massig stark im linken Arm, sehr stark in den Beinen; un¬
fähig zu stehen, zu gehen.
Operation zweizeitig; reseziert L 3 , L B , S 2 beiderseits.
Erfolg; Zunächst Verringerung der Spasmen, die aber bei Aufnahme
der Bewegungsübungen wieder zunehmen. Muskelatrophie und Genu
valgum machen Versteifung des linken Knies und Redressement not¬
wendig, später erfordern auch Adduktionskontrakturen der Hüfte Re-
.dressement. Nachher tritt mehrere Monate dauernde eitrige Coxitis dextra
auf. Heute bestehen noch starke Spasmen und Unfähigkeit, zu stehen
und zu gehen.
6 . Z. L., 9 Jahre alt, seit 2 Jahren in der Anstalt. Befund: Arme
frei. Adduktions- und Flexionskontrakturen der Oberschenkel, Kniee
beim Gehen gebeugt, aneinander reibend. Früher Verlängerung der
Achillessehnen.
Operation einzeitig, reseziert L 2 , L 3 , L 8 , S 2 beiderseits.
Erfolg: Spasmen der Beine ganz gering, aktive Beweglichkeit ge¬
bessert; aber die Muskulatur der Beine ist so schlaff und kraftlos, dass
es erst durch Verwendung versteifender Knieschienen möglich geworden
ist, das Kind wieder gehfähig zu machen. Runder Rücken viel stärker
als vor der Operation.
7. M. E., 10 Jahre alt, seit 5 Jahren in der Anstalt. Befund;
Spasmen der Arme stark, noch stärker in den Beinen, kann mit Mühe
sitzen, auch mit Unterstützung nur schlecht gehen und stehen. Doppel¬
seitige spastische Hüftluxation. Epileptiker.
Operation einzeilig, reseziert L 2 , L 3 rechts, L 2 , L 8 , L 8 , Sa links.
Liquorfistel vorübergehend. Gehäufte epileptische Anfälle nach der
WuDdheilung.
Erfolg: Spasmen der Arme gering, der Beine stark. Gebt äusserst
mühsam an der Gebbank und ist vor kurzem wegen Aussichtslosigkeit
auf weitere Besserung entlassen. Starker runder Rücken.
8 . Me. R., 12 Jahre alt, seit 6 Jahren in der Anstalt. Befund:
Sehr starke Spasmen des linken Armes, des Rumpfes und beider Beine.
Beiderseits Spitzfuss. Kann sitzen, aber weder stehen noch gehen.
Operation einzeitig, reseziert L 2 , L 3 , L fi , S 2 beiderseits.
Erfolg: Spasmen des Armes eher stärker, in den Beinen geringer,
aktive Beweglichkeit besser; kann aber trotzdem nur wenige Schritte
gehen. Starker runder Rücken.
Für die kritische Beurteilung meiner Fälle sind von vorn¬
herein auszuscbeiden Nr. 4 (gestorben) und Nr. 5, bei dem die
Coxitis den Erfolg vereitelte. Von den übrigen würden beute
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20. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1355
nicht mehr operiert werden Fal] 2 wegen der gleichzeitigen Athe-
tose und Luxationen, Fall 3 wegen der Luxation und Fall 7 wegen
Epilepsie uud Luxation. Sehen wir uns das Ergebnis in den
danach verbleibenden Fällen 1, 6 und 8 an, so muss es als durch¬
aus unbefriedigend bezeichnet werden. Trotzdem sie dauernd in
dem Krüppelbeim in sorgfältigster Behandlung geblieben sind,
bat keiner von ihnen selbständig gehen gelernt. Also gerade der
Erfolg, auf den am meisten gerechnet wurde, und um dessent-
willen die Operationen ausgeführt wurden, ist ausgeblieben. Die Ver¬
minderung der Spasmen kann heute auch nicht mehr in allen
Fällen als ein unbedingter Vorteil angesehen werden, da daraus
eine Muskelscbwäche resultieren kann, die trotz der besseren
aktiven Beweglichkeit die Stützfäbigkeit verringert und das Geh-
vermögeo eher verschlechtert und zur Verwendung von Stützappa¬
raten zwingt. Es wiegt dieses Moment um so schwerer, als man
vor der Wurzelresektion geneigt ist, die spastischen Muskeln auch
für kräftig zu halten, und durch die scheinbare Kraft der spasti¬
schen Muskulatur über das tatsächlich vorhandene Leistungsver¬
mögen des nicht spastischen Muskels getäuscht wird. Es wird
sich als notwendig erweisen, diesen Verhältnissen erhöhte Auf¬
merksamkeit zuzuwenden; auf Grund der bisherigen Erfahrungen
lässt sich eine Entscheidung darüber, wie sich die Kraft der Mus¬
kulatur nach der Wurzelresektion darstellen wird, vor der Operation
jedenfalls nicht treffen. Es liegt immerhin der von mir auch
früher schon ausgesprochene Gedanke nahe, dass hier postope¬
rative, tropbische Störungen mit im Spiele sind. Auch dass die
Stützfäbigkeit der Wirbelsäule durch die ausgedehnte Laminek-
tomie leideu kann, dürfte nach unseren Erfahrungen nicht zu
bestreiten sein; die Verschlimmerung des ruuden Rückens in
dem einen, seine Entstehung in zwei weiteren Fällen sind nicht
anders zu erklären.
Als unbedingte Gegenanzeigen gegen die Ausführung der
Wurzelresektion sind heute folgende Krankheitszustände zu be¬
zeichnen: das gleichzeitige Bestehen von 1. Idiotie, 2. Athetose,
3. Epilepsie, 4. Luxatio coxae und 6. stärkere Spasmen der
Arme. Aber auch für die Fälle, wo nur die Beine spastisch sind -
eine recht kleine Gruppe —, lehnen Gaugele und ich die
Wurzelresektion ab, weil man bei ihnen mit der bisher geübten
orthopädischen Behandlung unter Umständen befriedigendere Er¬
folge erzielt, als wenn man nach Foerster operiert. Die in der
letzten Zeit mitgeteilten Erfahrungen anderer Operateure sind
obendrein nicht dazu angetan, mich zu einer günstigeren Beur¬
teilung des Wertes der Foerster’schen Operation für die Behand-
lubg der Little’schen Krankheit zu veranlassen.
Zur Frage des Sechsstundenrestes bei pylorus-
fernem Ulcus ventriculi.
Von
Prof. Dr. Faulhaber io Würzburg.
In den zahlreichen rein oder teilweise röntgenologischen Ver¬
öffentlichungen der letzten beiden Jahre über das Magengeschwür
behauptet sich immer noch ein Satz, der von den Autoren mit
einer fast axiomatiechen Selbstverständlichkeit hingenommen und
ausgesprochen wird: nämlich der vom Sechsstundenrest auch
beim pylorusfernen Ulcus ventriculi. Dieser Satz ist be¬
kanntlich seinerzeit von Haudek angegeben und durch Pyloro-
spasmus infolge der das Ulcus begleitenden Hyperacidität erklärt
worden, während Bergmann, der ebenfalls „von einer ungeheuer
wichtigen Feststellung“ spricht, den Pylorospasmus als Vagus-
»tigma, als vom Vagus aus übererregte Funktion des Pförtners
auffasst. Und letztere Erklärung, das muss ich gestehen, schiene
auch die weitaus bessere zu sein.
Aber dieser Satz, so apodiktisch er aufgestellt wurde, ist gar
kein Axiom. Ich will hier nicht nochmals die Gründe anführen,
warum er nicht richtig ist; ich habe dies bereits ausführlich in
roheren Veröffentlichungen 1 ) getan. Nun ist inzwischen doch
ie von mir längst behauptete Tatsache, dass man bei pylorus-
ernem Ulcus sehr häufig keinen Sechsstundenrest beobachtet,
111 dem Maasse, wie sich das Röntgen verfahren in die Ulcusdia-
piostik allgemein einbürgerte, etwas bekannter geworden und
*wingt manchen znr Revision seiner Ansichten. Aber anstatt
_ l ch re ' neD Tisch zu machen und die Richtigkeit des obigen
i !! Diagnose und Behandlung des chronischen Ulcus pylori.
’ 7 13» Nr. 17 u. 18 und Röntgendiagnostik der Magenkrank¬
st 611 ’ 2. Aul, Halle 1914, bei Marhold?
Satzes in Zweifel zu ziehen, hält man unbegreifiicherweise an
ihm fest und sucht nach Gründen, warum in solchen Fällen der
Satz ausnahmweise keine Geltung hat.
Das wäre ein richtiges Verfahren, wenn das Vorkommen des
Sechsstundenrestes bei pylorusfernem Ulcus die Regel und die
normale Entleerung die Ausnahme wäre. In der Tat ist es aber
genau umgekehrt. Ich selbst habe unter meinem Privatmaterial
von bis jetzt 48 röntgenologisch nachweisbaren pylorusfernen
Ulcera nur 12 Fälle gefunden, welche einen Sechsstundenrest
(manchmal bis zu 12 und 24 Stunden gehend) aufwiesen. Es
wäre also ein Prozentsatz von 25 pCt, Das ist immer noch ein
himmelweiter Unterschied von den Handek’schen Zahlen, wenn
der letztere auch von anfänglich 100 pCt. Sechsstandenrest bei
pylorusfernem Ulcus ganz neuerdings 1 ) auf 60 pCt. herabgegangen
ist. Der Unterschied ist zu gross und auf der anderen Seite ist
mein Material doch auch nicht so klein, um diese Diskrepanz
durch Zufälligkeiten oder Besonderheiten in der Zusammen¬
setzung desselben erklären zu können.
Nach meinen Erfahrungen kommt also der Sechsstundenrest bei
pylorusfernem Ulcus nur in etwa 26 pCt. der Fälle vor. Und gesetzt,
es wären selbst 30 und 35 pCt., so müsste der Sechsstundenrest
immer noch als Ausnahme, die normale Entleerung aber als Regel
gelten. Diese Tatsache ist für mich feststehend, und ich zweifle
nicht daran, dass sie in absehbarer Zeit allgemein anerkannt
sein wird.
Aber bis heute freilich bat die Wucht der Tatsachen die
Festigkeit des Axioms nicht erschüttern können. Man sieht nur,
dass der Satz Ausnahmen, sogar sehr zahlreiche Ausnahmen hat
und man sucht ihr Vorkommen zu erklären.
So haben Glässner und Kreuzfuchs 2 ) hier einen Answeg
gefunden, indem sie die Angabe machten, dass bei Penetration
des pylorusfernen Geschwürs in das Pankreas der erwartete pyloro-
spastiscbe Sechsstundenrest deswegen ausfällt, weil es infolge
Schädigung der Bauchspeicheldrüse zur Reizung und Hypersekre¬
tion derselben und also sekundär zur Herabsetzung des Pylorus-
schlussreflexes kommt. Bacher 8 ) hat sich der Auffassung obiger
Autoren angeschlossen und 4 operierte und 5 nichtoperierte hier¬
hergehörige Fälle veröffentlicht
So geistreich und bestechend nun die Erklärung Glässner’s
und Kreuzfuchs’ ist und so sehr sie geeignet erscheint, uns
das häufige Vorkommen der normalen Entleerung bei pylorus¬
fernem Ulcus — unter Aufrechterhaltung des Haudek’scben
Satzes — begreiflich zu machen, so halte ich sie doch für nicht
richtig.
Ich will gegen sie nur die nackten Tatsachen sprechen lassen,
obwohl ich auch theoretisch manches gegen diese Auffassung ein¬
zuwenden habe.
So vor alleo Dingen: Es ist verhältnismässig recht selten, dass der
Grund emes Magenpankreasgeschwürs von unverändertem Pankreas¬
gewebe gebildet wird. Fast regelmässig ist das Ulcus auch gegen das
Pankreasparenchym hin von einem Wall von kallösem Gewebe umgeben,
das durch seine charakteristische schwielige Konsistenz und seine Gefäss-
armut auffällt. Der operierende Chirurg hat häufig Gelegenheit, sich
von diesem Verhalten zu überzeugen. Er kann das Geschwür samt
seinem Grunde scharf mit dem Messer vom Pankreas abtrennen und
durchschneidet hierbei nur ein hartes schwieliges Gewebe, das gar nicht
blutet. Das Pankreas selbst braucht er an der durchschnittenen Stelle
oft gar nicht weiter zu versorgen, da eigentliches Pankreasgewebe dabei
nicht verletzt wird.
Jedenfalls bildet das letztere selbst nur in den allerseltensten Fällen
als Geschwürsgrund einen Teil der inneren Magenoberfläche. In diesen
Fällen wäre allerdings eine direkte Reizung des Pankreas durch die
Ingesten, die freie HCl usw. wohl verständlich. Der trennende Wall
von caliösem Gewebe lässt eine solche mir aber nicht recht denkbar
erscheinen. ,
Dass aber die blosse Verwachsung mit einem Nachbarorgan so
schweren funktionellen Reiz auf die Bauchspeicheldrüse ausüben soll,
das halte ich ebenfalls nicht für plausibel. Zum mindesten ist dies bis
heute eine noch ganz unbewiesene Vermutung. Vielleicht könnte man
auf rein klinischem Wege dieser Frage beikommen; allein die Methoden
zum Nachweis der Hypo- und Hypersekretion des Pankreas sind heut¬
zutage noch zu wenig verlässlich uud einwandsfrei, als dass hierdurch
die Sache entschieden werden könnte.
Aber, wie gesagt, nur die Tatsachen mögen reden! Ich lege
dabei nicht das ganze obenerwähnte private Material, sondern,
um jedem Einwand von vornherein zu begegnen, nur die 18 hier-
1 ) Vortrag vom September 1913. Ref. M.m.W., 1913, Nr. 39 , S. 2200.
2 ) Ueber Ulcus ventriculi und duodeni. W.m.W., 1913, Nr. 48.
3) Zur Radiologie des pankreaspenetrierenden Magenulcus ohne pyloro-
spas tischen Sechsstundenrest. D.m.W., 1914, Nr. 3.
2 *
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1356
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 29.
von operierten Falle zugrunde. Auf die ausführliche Beschreibung
derselben verzichte ich an dieser Stelle, um so mehr, als die
gleichen Fälle zusammen mit weiterem Material von anderen
Gesichtspunkten aus in einer ausführlichen gemeinsamen Publika¬
tion mit Herrn Dr. von Redwitz eingehendere Bearbeitung finden
werden.
18 Fälle sieben mir auf diese Weise zur Verfügung. Dieselben
sind sämtlich vou mir vor der Operation eingehend klinisch und
röntgenologisch untersucht worden; in allen Fällen wurde das
Ulcus bzw. sein Sitz direkt durch da9 Nischensymptom nach¬
gewiesen. Die Lokalisation der Ulcera war meist die typische,
ungefähr in der Mitte der kleinen Curvatur, öfters 1—2 cm,
zweimal weitab davon entfernt, an der hinteren Magenwand, ln
allen Fällen bat die Operation die aus dem Nischensyropiom ge¬
stellte Diagnose nach jeder Richtung hin bestätigt 1 ), und da die
Vertreter der Würzburger chirurgischen Klinik Anhänger der
radikalen Methoden der chirurgischen Ulcusbehandlung sind,
konnte also in jedem Falle die Ulcusdiagnose nicht nur autoptisch,
sondern auch am ausgeschnittenen Präparat erhärtet werden.
16 der Fälle sind von Gebeimrat Enderlen, 2 von Prof. Hotz
operiert, und zwar wurde 12 mal die circuläre Resektion, 3 mal
die Resektion nach Billrotb 11, 3 mal die ovaläre Exzision aus-
geführt.
Die Fälle selbst und ihr motorisches Verhalten sind in der
nachstehenden Tabelle angpgeben; die vierte Rubrik gibt den
Operationsbefund wieder. Damit der Leser auch von der Grösse
der Ulcera eine ungefähre Vorstellung erhalte, sind Geschwüre,
deren Krater von Dreiroarkstückgrösse oder darüber war, als
sehr gross, solche von etwa Markstückgrösse als gross, Ulcera
aber, deren Krater pfenniggross und darunter war, nicht besonders
bezeichnet. Wo nichts Besonderes angegeben, war der Sitz Mitte
der kleinen Curvatur oder 1—2 cm davon entfernt, an der
Hinterwand.
Nr.
Name, Alter,
Geschlecht
Röntgenologische
Motilitätsprüfung
Operationsbefund
1
0., 17 J., w.
24 Std.-Rest
Sehr grosses Ulcus, in Leber und
Pancreas penetr.
2
K., 33 J., m.
12
Grosses Ulcus, ins Pancreas pen.
3
E., 55 J., w.
12
do.
4
M., 37 J., m.
6
do.
5
K., 22 J., w.
6
do.
6
M., 55 J., w.
6
do.
7
W., 42 J., m.
6
do.
8
Sch., 57 J., m.
Kein 6 Std. Rest
do.
9
R., 43 J., m.
* 6 „ !
do.
10
M., 44 J., w.
■ 6 „ !
do.
11
W., 35 J., w.
» r> „
Ulcu9, ins Pancreas penetr.
12
Sch., 51 J., w.
„ 6
do.
13
M., 28 J., w.
„ 6
do.
14
Sch., 26 J., w.
Minimaler Stil.-Reist,
starke Atome und
Ptose, Peri¬
staltik
Nicht penetrierendes callöses
Ulcus an der Hinterwand,
nirgendshin adhärent.
15
K., 63 J., m.
Kein 6 Std.-Rest
Nicht penetrierendes callöses
Ulcus, nirgendshin adhärent.
16
F., 53 J. f w.
* 6 M
Nicht penetrierendes callöses
Ulcus, Adhäsion zum Omentum
minus.
17
S., 26 J., w.
* 6 „
Nicht penetrierendes callöses
Ulcus der Hinterwand, Ad¬
härenz zur Bursa omentalis.
18
G., 29 J., m.
* 6 ,
Nicht penetrierend.callös. Ulcus,
Adhärenz zum Omentum min.
ln der obigen Tabelle haben wir also nicht weniger als 7 Fälle
von Magenpankreasgeschwüren, wo ein 6 Stundenrest nachweisbar
war, von denen bei dreien die Retention sogar bis zur Stagnation
bis zum 12-, ja 24 Stundenrest ging. Diese Tatsache ist
allein geeignet, die Glässner - Kreuzfuchs’sche An¬
nahme als hinfällig erscheinen zu lassen. Um so mehr
als diese Fälle sämtlich grosse und sehr grosse Magen¬
pankreasgeschwüre betreffen, wo also die Schädigung
des Pankreasparenchyms mit ihren supponierten Folgen
für die Magenmotilität eigentlich erst recht stark zu¬
tage treten musste.
J) Um so befremdlicher muss es nach obigem anmuten, wenn in
jüngster Zeit Strauss (Fortschr. d. RÖntgenstr., Bd. 21) das Nischen¬
symptom für sehr selten und in den meisten Fällen für einen Beob¬
achtungsfehler erklärt.
Man hat aber ganz im Gegenteil den Eindruck: Je grösser das
Geschwür, desto stärker die Motilitätsverzögerung. Das ist auch
nicht weiter verwunderlich, worauf ich schon stets hingewiesen habe;
denn je grösser das Geschwür, desto ausgedehnter die Perigastritis und
desto leichter die Möglichkeit der VerziehuDg und Abknickuog des
Pylorus; ganz abgesehen davon, dass ein an der kleinen Curvatur in
ausgedehntem Maasse „eingemauerter“ Magen der Bewegungsmöglicbkeit
ohnehin stark entbehrt. Bei kleineren pylorusfernen Geschwüren fallen
in der U“gel alle diese Möglichkeiten fort, und sie haben daher keine
Verzögerung der Entleerung zur Folge.
Sechs der Mage»pankrea*geschwüre in obiger Tabelle zeigten
keinen Sechsstundenrest; bemerkenswert für die Erklärung in
meinem Sinne ist die Tatsache, dass drei davon kleine Ulcera
waren.
Nun mag es ja ein Zufall sein, dass unter meioen 13 Magen-
par.kreasgeschwüren die grössere Hälfte, nämlich 7, entgegen
der G1 ässner-Kreuzfuchs’schen Annahme, grobe Motilitäts¬
störung aufwiesen, und es kann wohl sein, dass ein anderer Autor
bei Zusammenstellung seines Materials ein anderes und der
G lässner- K reuzfuchs’schen Hypothese scheinbar günstigeres
Verhältnis herausrechnen wird, so dass z. B. nur ein Drittel der
Mageupankreasgeschwüre einen Sechsstundenrest aufweisen wurde.
Und trotzdem bestände meine obige Argumentation gegen
G lässn er-Kreuz fuchs zu Recht, besonders da man immer wieder
wird konstatieren können, dass gerade die grossen ins Pankreas
penetrierenden Ulcera mit Vorliebe zu Motilitätsstörungen Anlass
geben. Die 33 pCt. Nichttreffer wären iu diesem Falle
eben beweiskräftiger als die 67 pCt. Treffer, einfach
weil die ersteren aus der Glässner-Kreuzfuchs’schen
Auffassung heraus völlig unerklärlich sind, während die
67 pCt. Treffer auf ganz andere Weise leicht verständlich werden.
Man muss hier nur einmal voraussetzungslos die Dinge be¬
trachten. Folgende Schlussfolgerung wird sich dabei dem un¬
befangenen Beurteiler aufdrängen: Auf der einen Seite ist beim
pylorusfernen Ulcus eine normale Motilität sehr häufig (nach
meiner obigen Aufstellung an 48 Fällen in 75 pCt.). Auf der
anderen Seite ist aber beim pylorusfernen chronisch callöseu Ulcus
die Penetration ins Pankreas 1 ) ebenfalls sehr häufig (nach der in
obiger Tabelle gegebenen Zusammenstellung von 18 autoptisch
bestätigten Fällen 13 mal = 72 pCt.).
Es kann so nicht ausbleiben, dass sich in zahlreichen
Fällen eine Coincidenz dieser beiden häufig Vorkommen-
den Ereignisse finden wird. Aus dieser zufälligen Coincidem
einen ursächlichen Zusammenhang beweisen zu wollen, ist nichts
anderes als ein Trugschluss, so gut wie der, welcher Masern
und Gonorrhöe in ursächliche Verbindung bringen wollte, weil
die grösste Mehrzahl der Gonorrhoiker Masern überstanden hat.
Aber es bedarf ja der Glässner-Kreuzfuchs’schen Er¬
klärung gar nicht, um das häufige Vorkommen normaler Ent¬
leerung bei pankreaspenetrierendem Ulcus zu verstehen. Die nor¬
male Entleerungszeit ist ja bei pylorusfernem Ulcns,
das nicht ins Pankreas penetriert, ebenfalls die Regel.
Die obige Tabelle zeigt dies zur Evidenz. Unter 6 Fällen nur
einmal ein minimaler Sechsstundenrest und das bei hochgradiger
Atonie und Ptose mit sehr schlechter Peristaltik! Diese Fälle
sind unter AufrechterhaltUDg des Haudek’scben Satzes auf keine
Weise zu erklären.
Alles aber wird aufs beste verständlich, sobald man sich nur
erst von der Haudek’schen Anschaunng emanzipiert hat und
an ihre Stelle die Auffassung setzt, welche ich stets verfochten
habe: Das pylorusferne Ulcus hat für gewöhnlich keinen ver¬
zögernden Einfluss auf die Motilität des Magens. Nur wenn es
gross ist und ausgedehnte perigastritische Verwachsungen macht,
welche den Magen an der kleinen Kurvatur einmanern bzw. den
Pylorus verziehen, kann es zu sogar sehr hochgradiger Retention
kommen. Diese ist aber natürlich durch rein mechanische Mo¬
mente und nicht durch Pylorospasmus bedingt.
Zusammenfassung.
1. Der Haudek’sehe Satz vom pylorospastischen Sechs¬
stundenrest bei py io rus fernem Ulcus ist heute nicht mehr auf¬
recht zu erhalten.
2 . Die normale Motilität ist bei pylorusfernem
Ulcus die Regel, und es bedarf also, um die Häufigkeit einer
1) Es ist allgemein anerkannt, dass sie von allen Penetrationen weit¬
aus die häufigste ist; erst dann kommt in weitem Abstand die Leber,
das Netz, die vordere Bauch wand und als seltenstes Ereignis die Pe fle *
tration in die Milz.
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20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1357
normalen Entleerung bei pankreaspenetrierendem Ulcus zu er¬
klären, der Glässner-Kreuzfuchs’scheu Hypothese nicht.
3. Die Glässner-Kreuzfuchs’sche Auffassung, soweit sie
die normale Entleerung bei pankreaspenetrierendem Ulcus aus
einer Schädigung des Pankreasgewebes mit konsekutiver Hyper¬
sekretion desselben und Herabsetzung des Pylorusschlussreflexes
erklärt, ist überdies mit den Tatsachen nicht vereinbar.
Einige Gesichtspunkte für die Beurteilung von
Kohlensäurebädern.
Von
Prof. Dr. med. W. Scheffer-Berlin.
Für die physiologische und therapeutische Wirkung mous¬
sierender Bäder ist die Grösse und Anzahl der entwickelten
Gasblasen von hoher Bedeutung. Man nimmt an, dass die
Bläschen, die sich auf der Haut des Badenden ansetzen, einen
Reiz von erheblichem Einfluss darstellen.
Zunächst bestimmt man nach bekannter volumetrischer
Methode die Menge des entwickelten Gases. Man muss hier zwei
Versuchsreihen ausführen, deren eine die Menge des im ruhig
stehenden Bade entwickelten Gases bestimmt, deren andere die
ausschütteibare Gasmenge mitbestimmt. Hier hat man, wie
bei der Untersuchung dieser Bäder überhaupt immer, darauf
Rücksicht zu nehmen, wie die Verhältnisse im Bade selbst bei
der praktischen Benutzung liegen. Beim Bad, wie es in der
Praxis genommen wird, steht das Wasser weder vollkommen ruhig,
noch wird es stärk geschüttelt. Man wird ungefähr als praktisch
abgegebene Gasmenge das Mittel zwischen den beiden MessuDgs-
reiheo annehmen. Selbstverständlich wird nur ein Teil des ent¬
wickelten Gases auf die Haut des Badenden kommen und dort
seine Reizwirkung ausüben. Bei den Versuchen muss man die
tatsächlich beim Baden benutzten Temperaturen einhalten.
Kohlensäure Bäder haben eine reichlichere Gasentwicklung als
Sauerstoffbäder. In den ersteren bekommt der Badende auch bei
niedrigerer Temperatur sehr bald das Gefühl angenehmer Wärme,
bei Sauerstoffbädern tritt dieses Wärmegefühl nur in sehr ge¬
ringem Maasse ein. Man nimmt letztere deshalb gewöhnlich
wärmer als Kohlensäurebäder. Die Bestimmung der Gasvolumina
stellt man mit 1—2 Liter Wasser an, denen man die ent¬
sprechende Menge der gasentwickelnden Körper zusetzt. Für diese
Versuche muss man das Wasser durch Kochen von etwa gelösten
Gasen befreien, die während des Versuchs frei werden und das
Ergebnis beeinflussen können.
Eine weitere Messungsreihe hat sich mit der Blasengrösse
zu beschäftigen. Diese wird zweckmässig mit Hilfe einer Vor¬
richtung gemessen, die in Abbildung 1 im Schnitt und in der
Aufsicht schematisch dargestellt ist. Sie besteht aus einer keil-
Abbildung 1.
förmigen auf- und zuklappbaren Kammer. Die wahre Steigung
beträgt 1: 100; in der Zeichnung ist sie zehnfach zu gross dar¬
gestellt. Bei S sind die beiden Platten aus feinstem Spiegelglas
10,1 Hilfe eines starken Heftpflasterstreifens (punktiert angedeutet)
ge enkig verbunden, so dass die Kammern, geschlossen unter
asser gebracht, dort geöffnet und wieder geschlossen werden
oonen. Es ist aus zwei Gründen wichtig, die Kammer ge¬
schlossen unter Wasser zu bringen: Erstens soll man die Gas-
asen immer aus bestimmter Tiefe entnehmen und zweitens
^’gcu gewisse moussierende Bäder auf ihrer Oberfläche einen
® ar k klebrigen Schaum, der natürlich nicht in die Kammer
kommen darf.
Die geschlossene Kammer wird aussen an den beiden Flächen
J, sicher Leinwand abgetrocknet, gereinigt und dann unter das
'kroskop gebracht. Die Keilform hat für den vorliegenden
Zweck erhebliche Vorteile; einerseits dürfen die Gasblasen für
die Messung und die Mikrophotographie nicht flachgedrückt
werden, andererseits darf das Präparat nicht zu dick sein und
etwa zwei Schichten von Blasen zeigen. Die Tiefe der Kammer
ist also dem Blaseodurchmesser so anzupassen, dass sie die Blasen
ohne Deformation durch Zusammendrücken zeigt, sie darf aber
nicht so gross sein, dass etwa zwei Blasenschichten an den beiden
Kammerwänden übereinander liegen. Ausserdem hat eine zu tiefe
Kammer noch den Nachteil, dass in ihr die Blasen nachträglich
wachsen können, während dies bei gut passender Kammertiefe
nicht vorkommt. Eine grosse Reihe von Kontroilversuchen hat
gezeigt, dass die Blasengrösse sich in diesen Kammern längere
Zeit durchaus einwandfrei hält, so dass für die Messung und die
raikrophotographische Aufnahme reichlich Zeit vorhanden ist.
Die Keilform ermöglicht durch Hin- und Herschieben der Kammer
auf dem Objekttisch des Mikroskops, die Stelle der richtigen
Tiefe in das Gesichtsfeld zu kommen.
Abbildung 2 zeigt Gasblasen an einer Stelle der Kammer von
zu geringer und Abbildung 3 von richtiger Tiefe.
Abbildung 2.
Abbildung 3.
Um über die wahren Verhältnisse im Bade unterrichtet zu
sein, muss man wissen, welche verschiedenen Blasengrössen im
Bade zu einer bestimmten Zeit Vorkommen und ausserdem wie
gross die relative Häufigkeit der verschiedenen Blasengrössen ist.
Beides ist aus den graphischen Darstellungen zu ersehen. In
Abbildung 4—6 links sind die grössten und kleinsten Blasen¬
durchmesser und der Durchschnitt angegeben Das Koordinaten¬
kreuz für diese Bestimmungen ist stark angezogen und die
Ordinaten bedeuten Blasendurcbmesser, die Abscissen bedeuten
Zeiten (Minuten). Die erste Messung (beim Abscissen wert 0) wurde
10 Minuten nach dem Ansetzen des Bades ausgefübrt. Rechts von
diesen Kurven sind drei weitere Kurven zu sehen, die die relative
Menge der verschiedenen Blasengrössen zu verschiedenen Zeiten
zeigen. Die drei Kurven sind auf ein Koordinatenkreuz bezogen,
das dieselben Ordinaten hat wie das stark Ausgezogene. Es
bedeuten also auch hier die Ordinatenwerte Blasendurchmesser,
und zwar, wie angegeben, Vio Oie Abscissenwerte, durch
die Bezifferung von 0—6 angedeutet, geben die relative Häufigkeit
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1358
Nr. 29.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
des Vorkommens an, die mit einem • bezeicbneten Werte
wurden tatsächlich gezählt und die Kurven dann ausgezogen. Die
bei den Kurven stehenden Zahlen entprechen gleichlautenden
Werten der Abscissenachse der linken Kurven, bedeuten also Zeiten
(jede dieser Kurven bedeutet also einen Zustand in einem ge-
gewissen Zeitpunkt). Die Kurven, Abbildung 4—6, stellen einen
Vergleich zwischen der Blasengrösse von drei bekannten Kohlen¬
säurebädern des Handels dar und zwar von Max Elb in Dresden
(nach Dr. Zucker „mit den Kissen“), von Kopp & Joseph in
Berlin (Zeobäder) und Dr. Sandow in Hamburg.
Abbildung 4.
Abbildung 5.
Für die Versuche musste die Technik des Ansetzens der
Bäder besonders berücksichtigt werden. Man kann nämlich durch
die Art des Bereitens die ßlasengrösse ganz erheblich beein¬
flussen und z. B. durch ungeschickte Bereitung den Effekt des
Bades viel ungünstiger gestalten.
Bei den Bädern nach Dr. Zucker wird zuerst die Ameisen¬
säure in das Badewasser gegeben und durch Umrühren darin
gleichmässig verteilt. Dann wird das Bicarbonat in Tuchbeuteln
mit der Hand am Boden der Wanne behutsam ausgedrückt,
so dass am Boden der Wanne eine konzentrierte Lösung
von Bicarbonat liegt, über der sich eine sehr verdünnte
Lösung von Ameisensäure befindet. Die Kohlensäure tritt hier
also nicht direkt aus den Tuchbeuteln heraus, sondern ent¬
wickelt sich auf folgende Weise: Durch das Drücken der Beutel
im schwach angesäuerten ßadewasser entsteht eine konzentrierte
Bicarbonatlösung, die vermöge ihrer spezifischen Schwere zu Boden
sinkt und ganz allmählich mit der im ganzen Bade fein ver¬
teilten Säurelösung in Reaktion tritt. Auf diese Weise kommt
die langanhaltende und gleichmässige C0 2 -Entwicklung zustande.
Bei den Bädern von Kopp & Joseph wird zunächst das
Abbildung 7.
Dr. Zucker. 10 Minuten.
Abbildung 8.
Dr. Zucker. 20 Minuten.
Abbildung 9.
Kopp & Joseph. 30 Minuten.
Bicarbonat behutsam in das Badewasser gegeben und dann die
Ameisensäure, welche mit Chlorcalcium beschwert ist, eingegossen.
Obgleich in beiden Fällen ziemlich dieselben Chemikalien an¬
gewandt werden, ist der Effekt, wie aus den Abbildungen 4 und 5
hervorgeht, recht verschieden. In den ersten 10 Minuten ent¬
wickelt sieb die Kohlensäure beim Bad von Kopp & Joseph
zu heftig und es steigen grosse Blasen auf, weil die zu Boden
sinkende beschwerte Säurelösung zu schnell mit dem daselbst
befindlichen Bicarbonatpulver in Berührung kommt. Wenn man
das Bad aber einige Zeit, etwa 10 Minuten, ruhig stehen lässt,
hat die Entwickelung der grossen Blasen und das stürmische Auf¬
wallen aufgebört und es entwickeln sich feine, in gleichmässigem
Strom aufsteigende Bläschen. Ein Vergleich der Kurvenblätter 4
(Dr. Zucker) und 5 (Kopp & Joseph) zeigt deutlich, dass
die Art des Ansetzens einen erheblichen Einfluss auf die Gas¬
blasen hat. Im Anfang, das heisst ungefähr 10 Minuten nach dem
Ansetzen, sind die Gasblasen bei 5 noch wesentlich grösser als
bei 4. Nach einiger Zeit werden die Unterschiede geringer, aber
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20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
13B9
Abbildung 10.
Kopp & Joseph. 10 Minuten.
Abbildung 11.
Dr. Sandow. 10 Minuten.
Abbildung 12.
Dr. Sandow. 30 Minuten.
es bleibt während der ganzen Versuchsdauer ein Unterschied in
dem Sinne bestehen, dass bei 4 (Dr. Zucker) die Gasblasen etwas
kleiner sind als bei 5 (Kopp & Joseph). Auch die Kurven,
die die zahlenmässige Verteilung der verschiedenen Grössen an¬
geben, lassen dieselben Unterschiede erkennen. Bei diesen und
den anderen Kurven wurde zu jeder Kurve eine grosse Anzahl
Jon Messungen angestellt und das Mittel genommen. Jedenfalls
haben die Versuche einwandfrei ergeben, dass die Art der C0 2 -
Entwicklung beim Dr. Zucker’schen Bade eine besonders zweck-
ist. Wenn man etwa das Bicarbonat einfach ohne Um¬
rollung in das angesäuerte Bad schüttet, dann steigen Bicarbonat-
lumpen mit anhängenden Kohlensäurebläschen ballonartig auf
Q nd bleiben an der Oberfläche des Wassers, wo sie sich lang¬
sam anflösen. Deshalb muss bei Nichtverwendung der Stoff-
Umhüllung zuerst das Bicarbonat in das Wasser gebracht und dann
er st die Säure zugegeben werden. Wie die Abbildungen 4 und 6
z ^igen, besteht zwischen den Bädern von Dr. Zucker und Kopp
& Joseph ein quantitativer Unterschied. Das Kurvenbild lässt
aber eine gewisse Aehnlichkeit der Bäder erkennen. Ein ganz
anderes Bild zeigt das Kohlensäurebad von Dr. Sandow. Hier
wird zuerst das Bicarbonat in das Badewasser gebracht und
dann Blöcke von Bisulfat auf den Boden der Wanne gelegt.
Im Anfang sind die Blasen klein, sie werden dann etwas grösser
und gegen Ende des Bades nimmt die Blasengrösse wieder ab.
Diese Bäder müssen mit besonderen Bleiauskleidungen für die
Wannen benutzt werden, da sie die Emaille der Badewannen zer¬
stören. Nur eine besondere Art von Emaille, die Acidaemaille,
soll von dem zerstörenden Einfluss dieser Bäder verschont bleiben.
Die Bäder von Kopp & Joseph und Dr. Zucker greifen nach
meinen Beobachtungen die Badewannen nicht an.
Wie ich schon mehrmals hervorgehoben habe, ist das Er¬
gebnis derartiger Untersuchungen in hohem Maasse von der Art
des Ansatzes der Bäder abhängig. Man kann sich nur durch eine
grössere Reihe von sorgsamen Versuchen und Messungen ein klares
Bild von den tatsächlichen Verhältnissen machen. Es ist leicht
möglich, von den hier veröffentlichten Werten stark abweichende
zu bekommen. Wenn man aber die Bäder in der besagten Weise
ansetzt und unnötiges Herumrühren vermeidet, lernt man bald,
ziemlich gleichmässige Resultate zu bekommen. Im allgemeinen
wird man durch leichtes Bewegen des Bades die Strömungen
nachahmen, die der badende Körper verursacht. Jedenfalls soll
sich der Badende so ruhig wie möglich verhalten, wie dies in
allen Vorschriften für diese Bäder betont ist.
Die hier beschriebenen Untersuchungen haben nur den Zweck,
Einiges über die Versuchsanordnung weiteren Kreisen mitzuteilen
und Grundlagen für die Methodik des Vergleichs gewisser Eigen¬
schaften der moussierenden Bäder zu geben.
lieber atypische Gicht und verwandte Stoff¬
wechselstörungen.
Von
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Goldscheider.
(Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am
17. Juni 1914.)
(Schluss.)
Die Gruppe der Fälle mit Gelenkknirschen ohne Tophi ist
grossenteils zur atypischen Gicht zu rechnen. Es bandelt sich
nicht um eine besondere Form. Vielmehr ist die scheinbare Sonder¬
stellung nur dadurch bedingt, dass bei der Gicht der Frauen eben
das Vorkommen des Knirschens dasjenige der Tophi bedeutend
überwiegt.
Immerhin ist zu beachten, dass das Knirschen, wie es scheint,
auch Residuum von Gelenkentzündungen (z. B. traumatischen) sein
kann. Verwechselungen mit dem gröberen Knacken und Knirschen
anderer Arthritiden wird man vermeiden, wenn man sich erinnert,
dass als charakteristisch nur das feine Sandknirschen angesehen
werden darf. Weitere anatomische Untersuchnngen über die dem
Knirschen zugrunde liegenden Gelenkveränderungen sind wün¬
schenswert.
In welcher Beziehung zur gichtischen Stoffwechselstörung
stehen nun die cardiovasculären, nervösen usw. Symptome und
die Fettleibigkeit? Werden sie durch die gichtische Diathese
oder durch alimentäre Schädigungen hervorgerufen? Welche
Bedeutung hat die so häufig Vorgefundene Leberschwellung?
Um bei der Beantwortung dieser schwierigen Fragen nicht
in Einseitigkeit zu verfallen, ist ein weiterer klinischer Ausblick
nötig.
Ich habe zu diesem Zwecke die von mir vom 1. Januar 1912
bis 1. Oktober 1913 beobachteten Fälle von Fettleibigkeit
ohne uratische Ablagerungen, sowie von plethorischer
Leberschwellung mit Ausschluss der durch Stauung,
Fettleibigkeit, Gallenblasenleiden bedingten, zusammen¬
gestellt. Es handelt sich um 261 Fälle von Fettleibigkeit und
162 Fälle von Leberanschwellung ohne Fettleibigkeit.
Die Fälle von Fettleibigkeit lassen nun dieselben Sym¬
ptome und Symptomgruppierungen erkennen, wie wir sie bei der
echten und atypischen Gicht kennen gelernt haben; neben einer
grossen Zahl von unkomplizierten Fällen finden sich solche mit
nervösen, mit cardiovasculären, mit renalen Symptomen; ferner
treten uns wie dort Kombinationen von cardiovasculären mit ner¬
vösen usw. Symptomen entgegen. Ich bemerke, dass ich zu den
3*
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1360
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 29.
cardiovasculären Symptomen nicht das einfache Cor adiposum
rechne, sondern nur wiikliche muskuläre Herzhypertropbie, Hyper*
tension usw. Das Krank hei tsbild der Fettleibigkeit ohne Gicht
ist also ganz ähnlich dem Krankheitsbild der Fettleibigkeit mit j
Gicht. Dies legt den Schloss nabe, dass die Symptome und Syn¬
drome, welche wir als Bestandteile des gichtischen Krankheits-
bildes kennen gelernt haben, vielleicht gar nichts mit der Gicht
zu tun haben.
Sind es etwa rein zufällige Komplikationen? Dies kann man
unmöglich annehmen. Denn dann dürften sie sich bei der Gicht
nicht häufiger finden, als sie überhaupt in der Morbiditätsstatistik
auftreten. Sie sind aber ganz bedeutend viel häufiger!
Oder sind diese Symptome und Syndrome nur solche der
Fettleibigkeit und erscheinen bei der Gicht nur so weit, als sich
unter den Gichtikern Fettleibige finden? Auch dies trifft nicht
zu; denn die nichtfetten Gichtiker zeigen dies Symptome gleichfalls.
Dazu kommt endlich, dass die fettleibigen Gichtiker die
betreffenden Symptome häufiger aufweisen, als die einfach Fett¬
leibigen.
Eine genauere Zusammenstellung und prozentische Berechnung
ergibt nämlich, dass die Fälle von Adipositas, weiche mit atypi¬
scher oder typischer Gicht verbunden sind, in relativ-höherem
Maasse mit nervösen, cardiovasculären und renalen Symptomen
kompliziert sind als die Fälle von nichtgichtischer Obesitas. Frei¬
lich gilt dies nur für den Durchschnitt; einzelne Fälle von Fett¬
leibigkeit sind mit so schweren cardiovasculären Symptomen ver¬
bunden wie sie bei Gicht Vorkommen.
Die enge Beziehung der Fettleibigkeit zur Gicht, bzw. zur
Uratablagerung gebt daraus hervor, dass sich unter 424 Fett¬
leibigen 163 Gichtiker fanden (echte und atypische).
Es scheint aus meinem Material hervorzugehen, dass besonders
diejenigen Fälle von einfacher Fettleibigkeit mit Hypertension
verbunden sind, bei welchen arthritiscbe Schmerzen bestehen.
Dies ist für die Beziehung der Fettsucht zur uratiscben Diatbese
und zur Hypertension von Bedeutung. Jedoch kommen Aus¬
nahmen vor. So sah ich einen Fall von Fettleibigkeit mit gicbt-
ähnlicheo Fussschmerzen und einem maximalen Blutdruck von
118 Riva-Rocci. Andererseits können bei Obesitas mit zweifellos
uratischem Charakter Schmerzen fehlen; eine fette Frau von
83 Jahren mit präpatellaren Tophi und einem Blutdruck von 145
stellte Schmerzen in Abrede; aber sie ist noch jung und wird die
Schmerzen vielleicht noch bekommen.
üeber die Ursache der so häufigen Atherose der Fettleibigen
ist bisher nichts Sicheres bekannt. Einzelne meinen, dass es
sich lediglich um die Folgen der Ueberernährung oder gleich¬
zeitigen Potus handle. Ebstein hat sie aber bereits auf Gicht
bezogen. Letztere dürfte jedenfalls einen bedeutenden Anteil an
der Entwickelung der Atherose haben.
Die Fälle von plethorischer Leberscbwellung (ohne Fett¬
leibigkeit) zeigen nun gleichfalls, wie die Fettleibigkeit, beglei¬
tende Symptomenkomplexe, welche denen der Gicht höchst ähn¬
lich sind. Wir finden nervöse Symptome, Hypertension, Arterio¬
sklerose, Herzhypertrophie, renale Symptome. Nierengries und
Nierensteine kommen gleichfalls oft vor. Jedoch besteht, was
die cardiovasculären Symptome betrifft, wiederum ein quanti¬
tativer Unterschied, indem die bei atypischer und typischer Gicht
vorkommenden Leberschwellungen relativ mehr cardiovascnläre
Komplikationen zeigen als die nichtgichtischen Leberschwellungen.
Ein grosser Teil der cardiovasculären Begleitsymptome bei nicht¬
gichtischer Leberscbwellung steht mit Lues, Diabetes mellitus,
Potus, Nierenschrumpfung in Beziehung; bei einer weiteren Anzahl
war das Lebensalter ein so vorgerücktes, dass man senile Gefäss-
veränderungen annebmen musste. Bei Ausschaltung aller dieser
Fälle blieben aber unter den 162 Fällen von Le bersch wel lang
(ohne Fettleibigkeit) immerhin noch 44 = 27,1 pCt. mit Hyper¬
tension usw. verbundene Fälle übrig, bei welchen die Verände¬
rungen des Gefässsystems auf nichts anderes bezogen werden
konnten und als begleitendes Symptom der Leberschwellung auf-
gefasst werden mussten. Es handelte sich meist um das Bild
der Plethora abdominalis.
Bei der atypischen Gicht mit Tophusbildung sind die cardio¬
vasculären Veränderungen aber ungleich häufiger. Hier kommen
viel weniger Fälle wegen Lues, Potus, Diabetes, hoben Lebens¬
alters ausser Betracht, so dass bei ihrer Eliminierung die Zahl der
cardiovasculären Komplikationen 39,1 pCt. gegen 27,1 pCt. bei
Leberschwellung beträgt (vgl. übrigens unten).
Die nervösen Komplikationen treten gleichfalls an Häufig¬
keit gegenüber der atypischen Gicht zurück. Während sie bei
letzterer 42 pCt. betragen (atypische Gicht mit Tophi), zeigt die
Leberscbwellung (bei Ausschluss von Diabetes, Potus, Lues usw)
19,7 pCt. In ihrer Art unterscheiden sich die nervösen Störungen
nicht von den bei Gicht zu beobachtenden. Sie hängen zweifellos
ganz überwiegend mit der Leberschwellung bzw. Plethora ab¬
dominalis zusammen.
Die nahen Beziehungen der Leberscbwellung zur Gicht gehen
aus folgendem numerischen Verhältnis hervor: von 232 Fällen
von Leberscbwellung ohne gleichzeitige Fettleibigkeit waren
70 = 30,1 pCt. mit atypischer oder typischer Gicht verbunden.
Von den typischen Gicht fällen waren 17,9 pCt. mit Leber-
anschwellung ohne Fettleibigkeit kompliziert, von der atypischen
Gicht 14 pCt. Rechnet mau die Fälle von Fettsucht mit Leber-
8chwelluog hinzu, so ergeben sich für die echte Gicht 29,4 pCt.,
für die atypische Gicht 31 pCt. Leberanschwellungen.
Ferner konnte bei einigen Fällen von plethorischer Leber¬
anschwellung wie von Fettleibigkeit familiäre gichtische Ver¬
anlagung konstatiert werden.
Sowohl bei der plethorischen Leberanschwellung ohne Fett¬
leibigkeit wie bei der letzteren kommen trotz Fehlens von Urat-
ablagerungen arthritiscbe Beschwerden in ähnlicher Weise wie
bei Gicht vor, und zwar nach meinem Material bei 20 pCt, der
Fälle.
Auffallend häufig zeigte sich übrigens bei den Fällen von
Leberan8chwellung ohne Fettleibigkeit Nierensand- und Nieren-
steinbildung, nämlich bei 4,9 pCt. der Fälle. Und zwar waren
von den Leberfällen, welche gleichzeitig schwere cardiovasculäre
Symptome darboten, 10 pCt. mit Nierenconcrementen verbunden.
Bei atypischer und typischer Gicht freilich ist immerhin die
Frequenz der Nierensteine noch grösser (s. unten).
Bemerkenswert ist auch die Häufigkeit der chronischen in¬
durativen Nierenerkrankung bei Fällen von plethorischer Leber-
anschweilung ohne Fettleibigkeit. Ich fand unter Ausschluss von
Lues, Potus und Diabetes mellitus 5,5 pCt. Schrumpfnieren; bei
echter Gicht 7,4 pCt.
Uebrigens überwog unter meinem Material von Leber-
schwelluDg und von Fettleibigkeit ohne Uratabiagerungen das
männliche Geschlecht. Die 162 Fälle von Leberschwellung be¬
trafen 139 Männer, 23 Frauen. Die 261 Fälle von Adipositas
173 Männer, 88 Frauen.
Frau M., 67 Jahre alt, fettleibig, mit stark erhöhtem Blutdruck,
ohne Tophi und ohne Knirschen, mit klingendem zweiten Aortenton,
systolischem AorteDgeräuscb, stenocardiscben Anfällen, in einem solchen
gestorben, hatte stets viel Gelenkschmerzen gehabt und war stets neur-
asthenisch und besonders hyperästhetisch gewesen.
Frau H., 42 Jahre alt, fettleibig, ohne Tophi und Knirschen, mit
190 Blutdruck, leichter Albuminurie, Cor adiposum mit unreinem ersten
Ton, Oppressionsgefühl, klagte seit Jahren über Schmerzen in ver¬
schiedenen Gelenken.
Frau S., 50 Jahre alt, fettleibig, ohne Uratabiagerungen, mit
150 Blutdruck, klagte seit mehreren Jahren über Gelenkscbmerzen und
verschiedene Neuralgien.
Herr v. B., 58 Jahre alt, fettleibig, ohne UratablagerungeD, mit
140 Blutdruck, geringer Dilatation des linken Herzens, litt seit Jahren
an arthritischen Schmerzen.
Herr P., 55 Jahre alt, sehr fettleibig, ohne UratablagerungeD, mit
160 Blutdruck, minimaler Albuminurie und Cylindrurie, Cor adiposum,
litt an Ischias und gichtähnlichen Schmerzen.
Herr A., 42 Jahre alt, fettleibig, ohne Uratabiagerungen, mit
140 Blutdruck, spurweiser Albuminurie UDd Oxalurie, Cor adiposum und
unreinem ersten Ton, litt an multiplen chronischen Gelenkscbmerzen.
Frau L., 44 Jahre alt, sehr fett. Keine Uratabiagerungen. Oft
starke Schmerzen in der linken Schulter, im ÜDken Arm, Hinterkopf,
mit Nervendruckpunkten. Urin normal. T. 135.
Herr P., 58 Jahre alt, fett, ohne UratablagerungeD, mit 118 Blut¬
druck, Cor adiposum, litt an häufigen Fussscbmerzen von gichtischem
Charakter, ohne eigentliche Anfälle.
Herr G., 45 Jahre alt, mit Leberanschwellung ohne Fettsucht, ohne
Uratabiagerungen, 135 Blutdruck, reichlicher Ausscheidung von Harn-
säurekristallen im Urin, litt an gichtartigen Schmerzen, ohne eigentliche
Anfälle.
Frau B., 58 Jahre alt, mit Leberanschwellung ohne Fettsucht, ohne
Uratabiagerungen, mit 165 Blutdruck, leichter Arteriosklerose, klagte
seit einer Reibe von Jahren über arthritische Schmerzen.
Frau R., 61 Jahre alt, mit Leberanschwellung ohne Fettsucht, ohne
Uratabiagerungen, mit 170 Blutdruck, klingendem zweiten Aortenton,
leichter Stenocardie, klagte über vielfache Gelenkschmerzen.
• Eine Tochter der Patientin leidet an Nierensteinen, leichter Albumm-
urie, Omarthritis.
Die Beispiele Hessen sich leicht vermehren.
Die Leber spielt im Purinstoffwechsei zweifellos eine be¬
sonders wichtige Rolle. Wahrscheinlich, haben alle Organe sowie
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Original fro-m
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20. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1361
die Maskein die Fähigkeit, Parineiweiss zu Harnsäure abzubauen,
vielleicht.auch letztere weiter zu zerlegen; aber der Leber kommt
aoscbeinend eine hervorragende Bedeutung in dieser Beziehung zu.
Man bat die Leber vielfach zur Gicht in Beziehung gebracht,
ohne dass bis jetzt etwas Sicheres hierüber anerkannt worden ist.
Beim akuten Gichtanfall hat man akute Leberanscbwellung be¬
obachtet. Lebercirrhose scheint nicht zur Gicht zu führen; auch
meine Erfahrungen sprechen nicht für eine Beziehung der Leber-
cirrh 08 e zur Gicht. Quincke weist darauf hin, dass zur Leber¬
hyperämie Gicht, Harngries, Glykosurie binzutreten können.
Minkowski spricht sich dafür aus, dass die Leberscbwellung
bei Gichtikern durch die Lebensweise derselben bzw. auch durch
Circulation8störungen bedingt sei. Ich möchte jedoch darauf hin-
weisen, dass die Fälle von Leberschwellung bei Gicht wie die¬
jenigen ohne Uratablagerungen mit gleichzeitigen cardiovascnlären
Veränderungen oder Nierensteinen nicht darchweg auf Ueber-
ernährang oder Potus zurückgeführt werden können, sondern dass
man für manche eine Bedeutung des Leberstoffwechsels bzw.
einer Störung der Leberfunktion anzunebmen nicht umhin kann.
Stauaugsleber habe ich, wie schon bemerkt, überhaupt aus-
Man findet freilich plethorische Leberschwellung auch bei
fehlender Fettleibigkeit häufig bei Personen, welche ungenügende
Bewegung haben, eine sitzende Lebensweise bei gleichzeitig guter
Ernährung führen, Bedingungen, welche an sich zu gichtischen
Störungen führen köonen, auch ohne dass mau eine besondere
Mitwirkung der Leberfunktion annimmt. Aber letztere ist doch
für einen Teil der Fälle wahrscheinlich, da schon das Fehlen der
Fettleibigkeit darauf hinweist, dass der alimentäre Faktor nicht
so bedeutend sein kann, dass man ihm allein so schwere Folge-
zostände für das Gefässsystem usw. zuschreiben dürfte.
Uebrigens kommt bei der ungenügenden Muskelfunktion wahr¬
scheinlich nicht bloss der Energieverbrauch überhaupt, sondern
aach ein spezifischer Einfluss auf den PurinstoffWechsel in Be¬
tracht.
Als Maassstab der Schwere des Falles kann die Intensität
der cardiovasculären Veränderungen angesehen werden.
Ich fasse im folgenden diejenigen Veränderungen des Gefäss-
Systems, bei welchen Dilatation oder Hypertrophie des Herzens
bzw, beides oder Herz- oder Aortengeräusche (ausschliesslich
anämischer) oder eine Hypertension von 180 mm Quecksilber auf¬
wärts bestand, als schwerere zusammen. Da zeigt sich, dass
die Fettleibigen ohne Uratablagerungen in 11,8 pCt. der Fälle
schwerere cardiovasculäre Veränderungen aufweisen, die fettleibigen
atypischen Gichtiker dagegen in 20,5 pCt., die fettleibigen typi¬
schen Gichtiker in 29,4 pCt. der Fälle.
Die Fälle von Leberschwellung (ohne Fettleibigkeit) zeigen,
wenn ich die mit Lues, Potus, Glykosurie, höherem Lebensalter
komplizierten Fälle abziehe, 13 pCt. schwerere Gefäss- und Herz-
jeränderangen, dagegen die Fälle von Leberscbwellung (ohne
Fettleibigkeit) mit atypischer Gicht 32,6 pCt., mit typischer
Gicht 30 pCt. schwere cardiovasculäre Veränderungen. Bei der
typischen Gicht fand ich 34,3 pCt., bei der atypischen Gicht mit
Tophusablagerung 28,4 pCt., bei der atypischen Gicht ohne Tophi,
nur mit Knirschen, 30,3 pCt. schwerere cardiovasculäre Verände¬
rungen. Es besteht somit ein recht deutliches Uebergewicht der
Gichtfälle. Andererseits ist es aber auch auffällig, wie häufig
immerhin sich bei der Leberschwellang und Fettleibigkeit auch
ohne Uratablagerungen schwere Alterationen des Gefässsystems
herausbilden.
Ans diesen Feststellungen geht hervor, dass Fettleibigkeit
Md plethorische Leberanschwellung in Beziehungen zur Gicht
stehen kann, was man wenigstens für die erstere längst ange¬
nommen hat. Es liegt daher nahe, auch die Symptome von
witen des Gefässsystems, der Nerven usw. auf den Purinstoff¬
wechsel zu beziehen.
Es kann nicht fiberraschen, dass uratische Erkrankungen
ebne merkliche Uratablagerungen Vorkommen. Denn auch bei
Jer echten Gicht können uratische Ablagerungen in der anfalls-
ireien Zeit fehlen; selbst dann, wenn chronisch-arthritische Be-
»chwerden bestehen und wenn schwere cardiovasculäre Symptome,
Albuminurie oder besonders heftige Gichtanfälle vorliegen.
Man wird nicht erwarten dürfen, dass eine Harnsäureanreicbe-
rQn g des Blutes stets zu nachweisbaren Uratablagerungen führen
tbws. Das Auftreten letzterer hängt noch von besonderen ausser-
jwentlicben Bedingungen ab, z. B. mechanischen und thermischen
Teilungen. Ferner kommt die Ausscheidungstätigkeit der Niere
•o Betracht.
Schliesslich ist es überhaupt zweifelhaft, ob gerade die Harn¬
säure das wesentliche Glied in der Kette der gichtischen Stoff-
wechselstöruog bildet. Vielleicht hängen speziell die Schmerzen
von der Harnsäure ab. Hierfür spricht der akute Gichtanfall.
Jedoch kann eine regelmässige Beziehung auch hier nicht an¬
genommen werden, da viele Tophi schmerzlos sind, andererseits
bei vorhandenen Schmerzen Tophi vermisst werden können. Es
wird neben der Konzentration der Harnsäure auf die befallene
Oertlichkeit und ihren Nervenreichtum ankommen. Unter den
atypischen Gicbtfällen mit Tophi finden sich einige, bei welchen
nie Schmerzen bestanden haben.
Die cardio-vaskulären Fälle, bei welchen doch sicherlich ein
abnormer Reichtum an Nucleinabbanprodukten anzunebmen ist,
zeigen sowohl bei der atypischen Gicht wie bei der Fettleibigkeit
und der Leberschwellung ohne Tophi und Kuirschen zum Teil
arthritische Schmerzen, zutp Teil entbehren sie derselben; jedoch
wurden solche Beschwerden bei der atypischen Gicht seltener
vermisst als bei der Leberschwellung und Fettleibigkeit. Die
Leberschwellung zeigte arthritische Schmerzen bei gleichzeitiger
Hypertension häufiger als ohne Hypertension.
Wie echte Gichtfälle in der anfallsfreien Zeit den Fällen von
einfacher Fettleibigkeit so gleichen können, dass lediglich die
Anamnese entscheidet, sei an einigen Beispielen verdeutlicht:
Hr. S., 49 Jahre, fett (91 Kilo). Cor adiposum (Mastfettherz) mit
unreinem 1. Ton an der Spitze, Lebervergrösseruog, T. 145, Urin nor¬
mal. Beschwerden von Atemnot usw. Keine Uratablagerungen. Vor
20 Jahren ein typischer Gichtanfall!
Herr V., 58 Jahre, fett. Herz leicht hypertrophisch. T. 190. Spur
Albumen. Bronchitis. Keine Uratablagerungen. Gichtanfälle.
Hr. G., 52 Jahre. LeberanschwelluDg. T. 150. Urin normal. Ziehende
Schmerzen in Gelenken und Muskeln. Keine Uratablagerungen. Mehrere
Gicbtanfälle usw.
Wenn es auch wahrscheinlich ist, dass die Veränderungen
des Gefässsystems, die nervösen und renalen Symptome, welche
sich bei der Fettleibigkeit und bei der plethorischen Leber¬
anschwellung finden, auf die Ueberlastung bzw. Störung des Purin¬
stoffwechsels zurückzufübren sind, so ist doch ein Beweis dafür,
dass dies durchweg gilt und nicht bloss für einen Teil der Fälle,
nicht erbracht. Es ist möglich, dass die allgemeine Stoff-
wecbselüberlastung oder der ungenügende Umsatz des allgemeinen
Stoffwechsels gleichfalls die genannten Symptome bervorzubriogen
vermag. Blutdrucksteigerung und Herzhypertrophie lässt sich sehr
wohl von einer Ueberernährung schlechthin ableiten; ob auch hohe
Grade solcher Veränderungen dadurch erklärt werden können, wie
wir sie bei Obesitas in 11,8 pCt. der Fälle an treffen, ist immer¬
hin fraglich.
Es handelt sich offenbar nicht lediglich um eine Belastung
des Stoffwechsels durch übermässige Nabruogszufuhr, sondern auch
um die Folgen des absolut oder relativ zu geringen Energie¬
verbrauchs, wie er der ungenügenden Muskeltätigkeit oder vielleicht
auch einer konstitutionellen Anlage entspricht. Es wird in beiden
Fällen zu einer vermehrten Bildung von Zwischenprodukten des
Stoffwechsels kommen. Ob die nervösen usw. Symptome allein
auf eine Harnsäureanreicherung oder nicht auch auf andere Stoff¬
wechselprodukte oder -Zwischenstufen zu beziehen sind, steht da¬
bin. Daher wird auch die Therapie der genannten Symptome
nicht allein auf gesteigerte Harnsäureausfuhr und verminderte
Harnsäurebildung, sondern auch auf Steigerung des Energie¬
verbrauches (Muskeltätigkeit) bedacht sein müssen. 5
Bei den Fällen von plethorischer Leberanschwellung, welche
übrigens zum Teil, wie es scheint, auf einer konstitutionellen
Grundlage beruhen, spielt vielleicht noch eine Schädigung der
Leberfunktion als Ursache von Stoffwechselstörungen speziell im
Bereiche des Parinstoffwechsels eine Rolle (s. oben).
Da auch bei konstitutioneller Fettsucht, ohne Ueberernährung,
die genannten Gefäss-, Nerven- usw. Veränderungen Vorkommen, so
muss man auch eine Beziehung der der konstitutionellen Fett¬
sucht zugrunde liegenden Stoffwechselanomalie zu denselben an¬
nehmen.
Frau S., 45 Jahre. Heftige Neuralgien im Nacken und Hinterkopf
Fettleibigkeit. Beiderseits prapatellare Tophi und Koieknirschen. Herz
normal. T. 130. Urin normal. Menses regelmässig. Hat nie stark
gegessen und getrunken; macht sich regelmässig Bewegung, treibt
Gymnastik.
Die cardio vascnlären, renalen und nervösen Symptome können
somit bedingt sein:
1. durch die gichtische Diathese (Iusuffizienz des Purinstoff¬
wechsels),
2. durch die alimentäre Belastung des Purinstoffwechsels,
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nf. 29.
3. durch die Belastung des Stoffwechsels überhaupt bzw. durch
ein Missverhältnis zwischen Einnahme und Ausgabe,
4. durch die der konstitutionellen Fettsucht zugrunde liegende
Diathese,
5. durch die Störung des Leberstoffwechsels.
Punkt 4 und 5 sind hypothetisch. Auch Punkt 3 ist zweifel¬
haft, da vorläufig nicht zu entscheiden ist, ob es sich nicht auch
hierbei schliesslich im wesentlichen um Störungen des Purinstoff-
Wechsels handelt. Erst weitere Untersuchungen des Purinstoff¬
wechsels und speziell des Harasäuregehaltes des Blutes werden
in dieser Frage Aufklärung zu bringen vermögen.
Bei den Fällen mit artbritischen Schmerzen ist mit Wahr¬
scheinlichkeit eine Störung des Purinstoffwecbsels anzunehmen,
entweder im Sinne der gichtischen Diathese oder der alimentären
Belastung. Man darf daher die Fälle von Fettleibigkeit und von
plethorischer Leberanscbwellung mit arthritischen Schmerzen zum
Teil als „larvierte“ Gicht ansehen. An eine Störung des Purinstoff-
wechsels ist auch bei einem Teil jener Fälle von Fettleibigkeit und
plethorischer Leberschwellung zu denken, bei welchen sich Nieren-
concremente finden.
Da sich bei dem Vorhandensein von Purinstoffwechsel-
Störungen Hypertension (cardiovasculäre Symptome), nervöse und
renale Symptome so häufig finden, so wird man in der Praxis
angesichts dieser Krankheitszeichen stets an einen gestörten
Purinstoffwechsel zu denken haben („uratischer Symptomen-
komplex“). Finden sich Uratablagerungen, so ist die Beziehung
zu diesem klargestellt. Auch Schmerzen von arthritischem Charakter
und barnsaure Nierenconcremente sprechen mit gewissen Ein¬
schränkungen für eine Störung des Purinstoffwechsels.
In anderen Fällen mag es sich um eine allgemeine alimentäre
Belastung handeln; man könnte die genannten Symptome dann
als dyskrasische (dyschymische) im weiteren Sinne auf¬
fassen.
Es ist jedenfalls für den Praktiker sehr wichtig, zu wissen,
wie ungemein häufig cardiovasculäre, nervöse und renale
Symptome durch Stoffwechselstörungen bedingt sind.
Auch dort, wo sich Uratablagerungen finden, ist wahrschein¬
lich nicht immer eine gichtische Diathese vorhanden; vielmehr
scheint es auch ohne das Vorhandensein einer solchen ledig¬
lich durch Ueberernährung bzw. verringerten Energie¬
verbrauch zu Uratablagerungen kommen zu können. Es ist
immerhin zweifelhaft, ob nicht auch in diesen Fällen eine Herab¬
setzung der Anpassungsfähigkeit an die Belastung des Stoffwechsels
vorliegt.
Auch echte Gicht scheint vereinzelt ohne Diathese durch
alimentäre Schädlichkeiten bzw. zu geringen Energieverbrauch
hervorgebracht zu werden (unter der Voraussetzung toxischer
Ferment- oder Gewebsschädigung?).
Wie die arthritischen Schmerzen und Schmerzattacken, so
werden auch die übrigen Symptome, wie Hypertension, nervöse
Störungen usw., ebensowohl durch die gichtische Diathese wie
durch die alimentäre Belastung des Purinstoffwechsels produziert.
Es ist daher im Einzelfall oft nicht zu unterscheiden, ob eine
angeborene Diathese oder eine erworbene Störung des
Pnrinstoffwechsels oder eine Kombination von beiden
vorliegt. Demzufolge wird auch die larvierte Gicht ebenso
Fälle von angeborener Diathese, bei welchen es zu typischen
Gichtanfällen oder uratischen Ablagerungen nicht gekommen ist,
wie Fälle von rein alimentärer Störung des Purinstoffwecbsels
umfassen. Auf diese Weise können wir uns erklären, wie die
Fettleibigkeit und plethorische Leberschwellung zu ähnlichen
klinischen Folgezuständen wie die Gicht führen kanD; wie es bei
ihnen zu Uratablagerungen kommt, auch ohne dass immer gichtische
Beschwerden vorliegen; wie andererseits bei plethorischer Leber-
8cbweilung und Fettleibigkeit trotz fehlender Uratablagerungen
gichtische Beschwerden vorhanden sein können; wie endlich
die Gicht ohne Fettleibigkeit und ohne Leberschwellung in ihren
Folgen für das Gefässsystem sich nicht unterscheidet von der
Leberschwellung und Fettleibigkeit ohne und mit Uratablage¬
rungen.
Unentschieden muss es vorläufig bleiben, ob das Auftreten
der cardiovasculären usw. Symptome bei Fettleibigkeit eine
gewisse Insuffizienz des Eiweiss- bzw. Purinstoffwecbsels voraus¬
setzt, oder ob nicht die dauernde Ueberlastung des Stoffwechsels
an sich schon zu diesen Symptomen führt, z. B. auf dem Wege
übermässiger Beanspruchung des Circulationssystems durch die
erhöhte Verdauungsarbeit oder durch Zufliessen abnormer Mengen
von Nährstoffen.
Es wird eine Aufgabe künftiger Forschung sein, festzustellen,
ob die plethoröse Stoffwechselstörung in ihren Wirkungen auf
das Gefässsystem, die Nerven, die Nieren identisch ist mit der
uratischen Stoffwechselstörung oder nicht. Wir sind jedenfalls
vorläufig noch nicht berechtigt, dem Arthritismus jene Aus¬
dehnung zuzuerkennen, wie sie jetzt auch bei uns üblich zu
werden scheint.
Die Ueberernährung hat auch bei der Gicht Einfluss auf die
Entstehung schwerer Veränderungen des Herzgefässapparats.
Bei der atypischen Gicht war nahezu der vierte Teil der Fälle
von schweren cardiovasculären Veränderungen mit Leberschwellung
ohne Fettleibigkeit, ein gleicher Teil mit Fettleibigkeit verbunden.
Bei 15 von 76 Fällen schwerer cardiovasculärer Veränderungen
hatte übermässige Nahrungsaufnahme, davon sechsmal Nikotin-
abusus, ebensooft Alkoholabusus bestanden. Mehrfach handelte
es sich um starke Fleischesser 1 ).
Ich finde bei der atypischen Gicht im gauzen etwa 30
bis 40 pCt., welche nach der Anamnese und den sonstigen Um¬
ständen als durch alimentäre Schädlichkeiten bedingt angesehen
werden können. Da aber eine Einsicht in die Lebensbedingungen
der Patienten nur unvollkommen möglich ist, so dürfte diese
Zahl eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sein. Bei der echten
Gicht spielt Ueberernährung, Bewegungsmangel, Potus zweifellos
gleichfalls eine wichtige Rolle, jedoch tritt hier immerhin die
Diathese bedeutend mehr hervor als bei der atypischen Form;
so finden sich bei der echten Gicht relativ weniger Fettleibige
als bei der atypischen (25 pCt. zu 37,4 bzw. 38,3 pCt.). Gerade
aber für die Entstehung schwerer cardiovasculärer Ver¬
änderungen spielt nach Ausweis meines Materials auch bei
der echten Gicht die Ueberernährung eine zweifellos be¬
deutende Rolle.
Wenn die cardiovasculären Veränderungen eine Teilerscbeinung
des uratischen Symptomenkomplexes bilden und sich sowohl bei
der typischen wie bei der atypischen Gicht wie bei der Leber¬
schwellung und Fettsucht ohne Uratablagerung finden, so ist zu
vermuten, dass sie auch für sich, ohne Gichtanfälle, ohne Urat¬
ablagerungen, ohne Fettleibigkeit usw. als Ausdruck einer der
uratischen gleichwertigen Stoffwechselstörung auftreten können.
Haben wir doch erkannt, dass auch unter den Fällen von Fett¬
leibigkeit und von Leberanschwellung solche von larvierter Gicht
vorhanden sind ; weshalb nicht auch unter den Fällen von Arterio¬
sklerose bzw. Hypertension ohne Uratablagerungen? Die gleiche
Betrachtung lässt sich auf renale Fälle und schliesslich auch auf
manche Neurasthenien anwenden. So ist es nicht unwahrschein¬
lich, dass in Fällen, wo keine andere Schädlichkeit als gewohn-
heitsmässige Ueberernährung stattgefunden hat, die Stoffwechsel¬
überlastung als Ursache cardiovasculärer usw. Alterationen an-
zuseben ist, zumal zuweilen auch Schmerzen von arthritischem
Charakter dabei Vorkommen. Auch ohne alimentäre Schädlich¬
keiten kann sich auf Grund gichtischer Diathese eine larvierte
Form der genannten Art entwickeln.
Ich führe im folgenden kurz einige Fälle auf, welche man
als larvierte Gicht ansehen muss.
Herr R., 56 Jahre alt. Früher starker Fleischesser und Biertrinker.
T. 200. Klappende Herztöne. Urin normal. Steifigkeit der Wirbel¬
säule.
Herr H., 32 Jahre alt. Schwester gichtisch. Vater stark arterio¬
sklerotisch. War starker Fleischesser. T. 170. Herztöne hart und
hämmernd. Asthma bronchiale.
Frau L , 58 Jahre alt. Hat mehrfach, besonders vor 3 Jahren „Rheuma¬
tismus“ gehabt. Sehr nervös. Seit 2 Jahren besteht Albuminurie,
0,1—0,3 pM. hyaline und gekörnte Cylinder. T. über 220. Systolisohes
Geräusch an der Aorta. Zweiter Ton klingend. (Schrumpfnieie bei
larvierter Gicht. Freilich bleibt in solchen Fällen auch die Deutung
möglich: primäre Schrumpfniere, sekundäre Gichtbeschwerden.)
Herr B., 67 Jahre alt. Hat stets viel an „Rheumatismus“ gelitten. ^
Jetzt besteht rechtsseitige Omarthritis. Starker Esser, auch Fleisch¬
esser, und Raucher. Zweiter Ton an der Aorta Btark aocentuiert;
schwaches systolisches Geräusch au der Aorta. T. 160. Schwindel.
Urin normal.
Herr St., 33 Jahre alt. Aus gichtischer Familie. Leicht fett¬
leibig. Viel Neuralgien. Hyperästhesie der Herzgegend. Neurasthenie.
Urin normal. Herz ein wenig dilatiert, Töne rein.
Lebensalter. Das Prädilektionsalter für atypische Gicht
ist für beide Geschlechter die Zeit der 40er und 50er Jahre.
1) Bei einem typischen Gichtiker von 50 Jahren, welcher fett u
sowohl starker Esser wie Trinker war, bestand trotzdem ein wem
gutes Gefässsystem, ein Beweis, wie wichtig bei all diesen Dingen
konstitutionelle Veranlagung ist.
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20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1863
Häufig scheint eine Beziehung zum Klimakterium za bestehen.
Einige Male schien sich atypische Gicht nach vorzeitiger Meno¬
pause infolge von Ovariotomie zu entwickeln. Bei den in jüngeren
Jahren von atypischer Gicht Befallenen handelte es sich zum
Teil um aasgesprochen gichtische Disposition: ich fand gerade
bei diesen lebhafte arthritische Schmerzen, gelegentlich hereditäre
Belastung, besonders häufig cardiovascnläre Veränderungen (Hyper¬
tension, Arteriosklerose, systolisches Herz- oder Aortengeräusch),
starke Fettleibigkeit, zuweilen Nierensteine oder Nierengries. Ver¬
einzelt kam vielleicht eine Struma, einmal ein Basedow in Be¬
tracht. üebereroährung, auch Potus spielte bei einem dieser früh
erworbenen atypischen Gichtfälle wohl mit, aber auch nur bei
einem Teile.
Ich habe in meiner früheren Arbeit die Meinungsverschieden¬
heiten der Autoren über die Bedeutung der Menopause für die
Gicht beleuchtet und möchte auf diesen Punkt hier nicht noch
einmal zurückkommen.
Uebergang atypischer Gicht in typische.
Schon die Tatsache, dass die atypische Gicht sehr viel ver¬
breiteter ist als die echte, lässt darauf schlossen, dass Ueber-
gänge der atypischen in die typische Form nicht gewöhnlich sind.
Immerhin kommen sie vor. Ich habe in meiner früheren Arbeit
zwei solcher Fälle mitgeteilt.
Herr v. A., seit 10 Jahren in meiner Behandlung wegen einer chro¬
nischen, milde verlaufenden interstitiellen (indurativen) Nephritis, welche
mit mehrfachen Winterkuren in Aegypten und auch sonst andauernd in
hygieniäch-diätetischer Hinsicht auf das sorgfältigste behandelt wurde.
Eine Ursache war nicht auffindbar. Im 5. Jahre der Beobachtung wurde
ein rechtsseitiger Olecranontophus und Nackenknirschen beobachtet. In
den letzten Jahren bildete sich eine leichte Hypertrophie des linken
Ventrikels aus, die Arterien sind in geringem Grade rigid. T. 145
(Riva-Rocci). Der 2. Aorten ton ein wenig verstärkt. Im vorletzten
Jahre nun hat Patient in einem Zwischenraum von 6 Monaten zwei
regelrechte Gichtanfälle, im letzten Jahre einen dritten Anfall erlitten.
Röntgenuntersuchung ergab keine Nierensteine.
Der Fall könnte als Ebstein’sche primäre Nierengicht aufgefasst
werden. Aber bemerkenswert ist doch, wie er jahrelang das Bild einer
atypischen Gicht darbot.
Frau A., 40 Jahre alt, seit über 7 Jahren in meiner Beobachtung,
klagt vorzugsweise über Kopfschmerz und Intercostalneuralgie, ferner
über wechselnde ziehende Schmerzen in den Armen und Beinen. Sie
zeigt Depressionen und iat gemütlich leicht erregbar. Objektiv: Anämie,
Extremitates frigidae. Zeitweise auffallend häufiger Urindrang. Urin
normal. Reflexe lebhaft. Herz normal. Knieknirschen. Leichte Steifig¬
keit des Metacarpophalangealgelenks des rechten Daumens. Vor 2 Jahren
eine anscheinend gichtische Ausscheidung am Alveolarfortsatz des Unter¬
kiefers. Im vorigen Jahre (1911) zum ersten Male regelrechter Podagra¬
anfall.
Die Patientin war, ehe sie in meine Behandlung trat, als eine
Hysterica angesehen worden. Ich nahm lediglich wegen des Knie-
knirschens und der Steifigkeit des Daumengelenks, trotz der Anämie,
eine Gicht an. Der im 5. Jahre der Beobachtung erfolgte Gichtanfall
bestätigte diese Auffassung.
Ich füge folgende weitere Fälle hinzu:
Frl. K., 65 Jahre alt, leidet seit langen Jahren an Lumbago,
Omarthritis, Ischias; ferner an Pyrosis. War stets massig, hat aber,
wenn auch angeblioh nicht in grossen Mengen, gern Fleisch gegessen.
Seit einem Jahre eohte Gichtanfälle in beiden Händen. Rechts kleiner
Olecranontophus. Links Knieknirschen. T. 210. Hypertrophie des
linken Ventrikels, 2. Ton verstärkt, leises systolisches Geräusch an der
Herzspitze (besonders in liegender Stellung). Arhythmie. Urin normal.
HerrR , 52 Jahre alt. Seit iy 4 Jahren Polyarthritis, in den ersten
Monaten leicht fieberhaft. Gelenke waren sehr schmerzhaft, einzelne
stark geschwollen (Ellbogen, Hand, Knie). Von vornherein waren grosse
Olecranontophi auffallend, rechts mehr als links. Beiderseits, rechts
stärker als links Knieknirschen. Die Tophi verkleinerten sich im Laufe
der Zeit bedeutend. Leber leicht geschwollen. Herz und Gefiisse gut.
Onn normal. Nachdem Patient schon bedeutend gebessert war und
wieder aufstand, trat November 1913 zum ersten Mal ein echter Gicht-
äpfaU (Podagra) ein. Patient war stets starker Fleischesser und hatte
ein überempfindliches Nervensystem.
Herr B., 50 Jahre alt. Seit 15 Jahren häufig wiederkehrende
Schmerzen in verschiedenen Gelenken (Schulter, Knie, Hüfte, Lumbago),
ha letzten Jahre (1912) erster Podagraanfall. Knieknirschen beiderseits.
Omarthritis dextra. Gholelithiasis. Leber massig geschwollen. Herz
«in wenig nach links erweitert, 1. Ton an der Herzspitze unrein, ver-
'“«nt T. 140. Drin normal.
Frau M., 60 Jahre alt. Sobon seit Jahren an Gelenkschmerzen in
verschiedenen Gelenken leidend. Erster Gichtanfall (Handgelenk) am
T ^ ve * ter Giohtanfall (GrosszeheDgelenk) am 24. VII. 1913.
• zUO; durch Diät usw. auf 160 herabgehend. Urin normal, Arterio-
klero8e. Neurasthenie.
Herr F., 4 g Jahre alt. Leidet seit Jahren an leichten ziehenden
Schmerzen in verschiedenen Extremitäten. Olecranontophus links. Knie¬
knirschen beiderseits. Urin normal. T. 170. Cor schwach dilatiert,
hypertrophisch. Systolisches Geräusch an der Spitze. Zuweilen Arhyth¬
mie. Im Laufe der Beobachtung bekommt Patient zum ersten Male
einen Podagraanfall.
Herr E., 50 Jahre alt. Olecranontophus beiderseits. In der Familie
viele Fälle von Obesitas und Gallensteinen. Starker Fleischesser. T. 142.
Herz normal. Im Urin Eiweiss, 0,5—1,0 pM., hyaline Cylinder, rote Blut¬
körperchen. Leberscbwellung. Occipitalneuralgie. Wegen der Nephritis
Kur in Karlsbad. Nach derselben zum erstenmal Gichtanfall im Gross-
zebengelenk,
Herr M., 47 Jahre alt. Olecranontophus rechts, Verdickungen einiger
Fingergelenke. T. 190. Urin normal. 2. Herzton verstärkt. Hat keine
eigentlichen Gichtanfälle, aber neuerdings öfter Rötungen und Stechen
am linken Grosszehenballen.
Als Grenzfälle zwischen larvierter und atypischer Gicht
kann man gewisse Fälle ansehen, bei welchen die Tophi bzw.
das Knirschen so minimal sind, dass sie gerade an der Grenze
der Erkennbarkeit sich befinden. Beispiele:
Frau S., 48 Jahre alt. Seit 4 Jahren im Klimakterium. Sehr starke
Fettleibigkeit seit vielen Jahren. T. 200. Zweiter Herzton klingend.
Systolisches Aortengeräusch. Urin normal. Leichtes Knieknirschen
rechterseits. Leidet viel an Gelenk- und Wirbelschmerzen.
Frl. S., 58 Jahre alt. Starke Esserin. LebersehwelluDg. T. 160.
Urin normal. Schwaches Knieknirschen beiderseits.
Herr E., 52 Jahre alt. Starker Weintrinker gewesen. Fettleibig¬
keit. T. 175. Herz leicht nach links erweitert. Systolisches Geräusch
an der Aorta, schwächer an der Spitze. Spur von Eiweiss, ohne Form¬
elemente. Leber etwas vergrössert. Minimaler Tophus am rechten Ole-
cranon.
Herr St., 66 Jahre alt. Leidet oft an „rheumatischen“ Schmerzen
und Ischias. Hat stets viel Fleisch gegessen. T. 150. Urin normal.
Herz leicht nach links dilatiert. Systolisches Geräusch an der Herz¬
spitze, unreiner erster Ton an der Aorta. Olt Oppressionsgefühl. Leber-
schweilung. Minimaler Olecranontophus rechts.
Auch Uebergänge kommen vor. Ich habe Fälle gesehen,
welche zunächst keine, bei einer späteren Untersuchung aber
geringfügige Uratablagerungen erkennen liesen. Andererseits
kommt es vor, dass Tophi verschwinden, Knirschen sich stark
vermindert. Man wird bei manchen Fällen auch die Möglichkeit
zulassen müssen, dass kleine Uratablagerungen übersehen
worden sind.
Frau H., 52 Jahre alt. Bei einer Untersuchung im November 1910
konstatierte ich lediglich Neurasthenie. Im Oktober 1918 minimaler Ole¬
cranontophus links. Präpatellare Tophi rechts 2, links 3, minimal.
Starkes Knieknirschen beiderseits. T. 140. Urin normal. Herz normal.
In beiden Handgelenken ein fixer Schmerz. Neurasthenie. Patient war
stets nervöä und hat viele Aufregungen gehabt.
Frau Sch., 58 Jabrc alt. Bei einer Untersuchung im November
1912 konstatierte ich Neurasthenie, besonders nervösen Schwindel. Im
Oktober 1913: Nach innen von der linken Kniescheibe ein Tophus. Sub¬
jektives Gefühl des Nackenknirschens bei Koptbewegungen. Patientin
leidet seit Jahren an nervösen Beschwerden, besonders Kopfschmerzen
und Schwindel, Gemütsdepressionen. Früher bestand eine Leber¬
schwellung, weswegen sie mehrfach Karlsbader Kuren unternommen hatte.
T. 130. Herz gut. Urin normal. Reflexe gesteigert
Herr K., 75 Jahre alt. Im September 1913 stellte ich plethoröse
Fettleibigkeit und Hypertension (T. 200) bei normalem Urin fest. Nervöse
Beschwerden. Uratische Ablagerungen vermochte ich trotz sorgfältiger
Untersuchung nicht zu finden. Im Februar 1914 sah ich den Patienten
wieder. T. 220. Erster Ton an der Herzspitze geräuschartig. Herz nach
links dilatiert. Urin normal. Oppressionsgefühl und mannigfache ner¬
vöse Beschwerden. Jetzt bestehen, ohne dass inzwischen etwa ein Gicht¬
anfall aufgetreten wäre, zwei verschiebliche Tophi nach innen von der
Patella vor dem Condylus int. femoris.
Eine bedeutende Verkleinerung von Uratablagerungen konnte
in zwei Fällen ganz unzweifelhaft beobachtet werden. Bei dem
einen Falle bandelte es sieb um mehrere grosse Olecranontophi
der rechten Seite, welche bis auf einen kleinen Rest zurück¬
gingen, im anderen Falle um einen Tophus seitlich von der Knie¬
scheibe, welcher vollständig verschwand. Auch das Gelenk¬
knirschen kann verschwinden.
Ich will übrigens hier erwähnen, dass auch Miscbfälle von
rheumatischen Gelenkerkrankungen und Gicht Vorkommen.
Nephrolithiasis 1 ).
Nierensteine und Nierengries sind sowohl bei der typischen
wie bei der atypischen Gicht so auffallend häufig anzutreffen,
dass man von einem zufälligen Zusammentreffen nicht sprechen
1 ) Der modernen Doktrin, dass die Gicht einen Schutz gegen Nieren¬
stein-Erkrankung gewähre, vermag ich mich nicht anzuschliessen. Ich
möchte- aber an dieser Stelle nicht näher auf diesen Punkt eingehen.
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UNIVERSUM OF IOWA
1364
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
kann. Ich fand dieselben bei der typischen Gicht in 7,8 pCt. der
Fälle, bei der atypischen Gicht mit Topbusbildung in 6,2 pCt,
bei der atypischen Gicht ohne Tophusbiidung (nur mit Knirschen)
gleichfalls in 6,2 pCt. der Fälle.
Die mit Nierensteinen bzw. Nierengries komplizierten Fälle
zeigten in besonders hohem Prozentsatz Veränderungen des Gefäss*
Systems: Hypertension ohne oder mit Hypertrophie bzw. Dila¬
tation des Cor. Dies durfte zum Teil mit einer gleichzeitigen
Nierenaffektion Zusammenhängen, obwohl eine solche bei einem
Teil der betreffenden Fälle durch den Ürinbefund nicht nach¬
zuweisen war. Es ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass
die Gicht in diesen Fällen als sekundäre Nierengicht anzusehen
wäre, was freilich schon deshalb unwahrscheinlich ist, weil die
Nierentätigkeit meist keine merklichen Veränderungen darbot.
Immerhin bedarf diese Frage weiterer Erforschung (s. unten).
Im Anschluss hieran sind Fälle von Nephrolithiasis bzw.
Nierengries zu erwähnen, welche, ohne dass Tophi oder Gelenk¬
knirschen oder Gichtanfälle vorhanden waren, ähnliche klinische
Bilder zeigten, wie sie sonst bei der Gicht Vorkommen („urati-
scher Symptomenkomplex“).
So trifft man bei Patienten, welche Nierensteine haben oder
gehabt haben, hochgradige Hypertension, Arteriosklerose, Herz-
bypertrophie an, auch ohne dass manifeste Erscheinungen einer
Scbrompfniere oder überhaupt einer Nierenerkrankung vorhanden
sind. Es handelt sich hier wahrscheinlich um larvierte Gicht¬
fälle. In anderen, wie es scheint, seltener vorkommenden Fällen
ist eine chronische Albuminurie vorhanden, durch welche die
Veränderungen des Gefässsystems ihre Erklärung finden.
Frau S., 56 Jahre alt. Hat vor 20 Jahren Nierensteine verloren.
Urin normal. Herzhypertrophie. T. 200.
Herr B., 62 Jahre att. Hat vor einigen Jahren einen Nierenstein
verloren. Urin normal. Herzhypertrophie, klingender zweiter Aortenton.
T. 200.
Frau A., 50 Jahre alt. Hat mehrfach Ausscheidungen von Nieren-
gries gehabt. Urin normal. Herzhypertrophie. Arhythmia cordis. T. 205.
Arteriosklerose. Cholelithiasis.
Auch artbritische Beschwerden kommen bei Nierensteinen
vor, ohne dass nachweisbare Uratausscbeidnngen vorhanden sind.
Frau G., 35 Jahre alt. Hat bei einer linksseitigen Nierenkolik einen
Stein verloren. Ferner ist noch ein Stein im linken Ureter röntgeno-
skopisch nachgewiesen. Rechte Niere und rechter Ureter schmerzhaft,
ohne dass hier Steine nacbzuweisen sind (Sand?). Urin normal. Herz
normal. T. 125. Leidet oft an Gelenkschmerzen. Keine typischen
Gichtanfälle. Keine Uratablagerungen.
_ Frau S., 32 Jahre alt. Hat mehrfach Nierensteine verloren. Viel
U-Kristalle im Urin. Minimale Eiweissau9scheiduDg. Herz leicht dilatiert,
systolisches Geräusch an der Spitze. Omarthritis dextra.
Einige Male bestand eine Depression, wie sie bei Gicht so
oft angetroffen wird.
Herr A., 48 Jahre alt. Hat mehrfach Nierensteine verloren. Magen-
neurose. Angioneurose. Gemütsdepression. Urin normal. Keine Urat¬
ablagerungen nachweisbar.
Herr W M 58 Jahre alt. Vor 10 Jahren Nierensteinabgang. Mehr¬
fach Griesausscheidung unter kolikartigen Schmerzen. Obesitas. Herz
leicht dilatiert. T. 170. Urin normal. Schwindel und Kopfschmerzen.
Gemutsdepression, Energielosigkeit, Gefühl der Arbeitsunfähigkeit. Keine
Uratablagerungen.
Auch unter den Fällen von Leberschwellung ohne Urat¬
ablagerungen sind zahlreiche Nierensteinerkrankungen, nämlich
4,9 pCt. Bemerkenswerterweise finden sich unter den Fettleibigen
ohne Uratablagerungen sehr viel weniger Nierensteinkranke,
nämlich 2,3 pCt. Die Beziehung der Leberanschwellung zum
Harnsäurestoffwechsel tritt somit auch hier wieder hervor. Die
Häufigkeit der Hypertension bei Nierensteinerkranknng, ohne dass
Zeichen von Nierenerkrankung nachweisbar waren, war gleichfalls
zn konstatieren.
Diese Wahrnehmungen drängen wieder zu der Annahme, dass
ein Teil der Fälle von Leberschwellung und von Fettleibigkeit
trotz Fehlens von palpablen Uratablagerungen zur Gicht gehören.
Es ist daran zu denken, dass die Nierensteine zum Teil auch
alimentär durch übermässige Belastung des Purinstoffwecbsels und
folgeweise Absonderung eines abnorm barnsäurereichen Urins be¬
dingt sein könnten, und dass die Veränderungen des Gefäss¬
systems auf gleicher Ursache beruhten. Die Anamnesen boten
freilich nach dieser Richtung hin nicht genügende Anhaltspunkte.
Glykosurie habe ich jetzt öfter gefunden als bei meinem
früheren Material und kann bestätigen, was ich schon in meiner
ersten Arbeit sagte, dass sie bei der echten Gicht häufiger vor-
kommt als bei der atypischen. So fand ich bei der echten Gicht
7.3 pCt, Fälle mit Glykosurie, bei der atypischen Gicht mit
Tophi 8,7 pCt., bei der atypischen Gicht ohne Tophi 2,6 pCt. Von
den Obesitasfälien (ohne Uratablagerungen) zeigten 5 pO„ von
den Leberschwellungen (ohne Uratablagerungen) 12,3 pCt. Zucker¬
ausscheidung. Wahrscheinlich ist es weniger die gichtische Stoff-
wechselstörung als solche, welche zur Zuckerausscheidung Be¬
ziehung bat, als vielmehr die alimentäre Schädigung, welche so
oft bei der Gicht gleichzeitig angetroffen wird. Denn auch bei
der Glykosurie der Gichtiker, der typischen wie der atypischen,
findet man auffallend häufig Lebersch wellung und Fettleibigkeit.
Nephrogene Gicht.
Was die Frage betrifft, ob echte oder atypische Gicht durch
eine primäre Nierenerkrankung bedingt sein könne, so ist mein
Material zwar nicht geeignet, eine sichere Entscheidung nach der
einen oder anderen Richtung zu bringen, aber jedenfalls ist die
Zahl der beobachteten Nierenaffektionen nicht so gross, um
letzteren eine erhebliche Bedeutung in diesem Sinne beizamessen.
Von den echten Gichtanfällen waren 7 = etwalO pCt. Nieren¬
erkrankungen. Bei dreien der Fälle konnte ich nach weisen,
dass die Nierenerkrankung sich später entwickelt hatte als die
Gicht.
Bei der atypischen Gicht findet sich dasselbe Verhältnis:
10.3 pNt. Nierenfälle.
Wenn die Nierenerkrankung zur Gicht führt, so sollte man
erwarten, dass sie auch die Neigung zu Uratablagerungen erhöht.
Man müsste somit bei den Nierenfällen besonders viel Tophi er¬
warten. Dies ist aber nicht der Fall. Bei meinen Fällen von
echter Gicht fand sich fünfmal Albuminurie ohne Tophi und nnr
zweimal mit Tophi. Zahlreiche renale Fälle zeigen nur Gelenk¬
knirschen. Unter den atypischen Gichtanfällen mit blossem
Knirschen fand ich 8,9 pCt. Nierenerkrankungen, unter denjenigen
mil Topbi 13,8 pCt., also einen nur unbedeutenden Unterschied.
Bei der Fettleibigkeit ohne Uratablagerungen fanden sich
4,6 pCt., bei der Leberschwelluog ohne Uratablagerungen dagegen
11,1 pCt. Nierenerkrankungeo. Letztere hingen zum Teil mit
alimentären Schädigungen, ferner mit Potus, Diabetes mellitus
and Nierensteinbiidung zusammen. Trotz dieser grossen Zahl von
Nierenfällen ermangelten die Fälle dieser beiden Gruppen der
Uratniederscbläge. Wenn Nierenerkrankung zur Gicht führte,
müsste man letztere doch bei jener oft finden, was aber nicht za-
trifft; ich habe seit längerer Zeit auf Töphi und andere Gicht¬
symptome bei Nierenaffektionen geachtet, ohne freilich genauere
statistische Angaben machen zu können. Schon die grosse Häufig¬
keit der atypischen Gicht spricht gegen die Abhängigkeit vou
Nierenaffektionen, von welchen doch nicht bekannt ist, dass sie
so verbreitet Vorkommen. Es ist daher viel wahrscheinlicher,
dass die bei Gicbt vorkommenden Nierenerkrankuogen die Folge
und nicht die Ursache der Gicht sind.
Anderseits ist aber die Möglichkeit nicht in Abrede zu stellen,
dass Nierenaffektionen mit einer Insuffizienz der Harnsäureaus¬
scheidung einhergehen und so gichtische Zustände bedingen können.
So könnte man daran denken, dass die häufige Kombination von
Hypertension bzw. Arteriosklerose mit Gicht auf einer Beein¬
trächtigung der Nierenfunktion durch renale Gefässaffektion be¬
ruhe (beginnende arteriosklerotische Schrumpfniere). Es wäre
z. B. nicht unmöglich, dass eine klimakterielle, durch Unterfunktion
der Ovarien bedingte Hypertension sekundär zur Insuffizienz der
Harnsäureausscheidung und zu Uratablagerungen führte. Man
wird behufs Entscheidung dieser Frage die Hamsänreverbältnisse
im Blut und Urin bei Präsklerose untersuchen und den Entwick¬
lungsgang der Fälle von Gicht mit cardiovasculären Symptomen
genau verfolgen müssen 1 ).
Die gichtische Stoffwecbselstörung ist ausserordentlich häufig
und kommt in den mannigfachsten Abstufungen vor. Das, was
wir echte Gicht nenen, stellt nur den am meisten ausgeprägten
Typ dar, welcher sich in einem kleineren Teil der Fälle findet
und bei dem das Moment der Diathese am meisten hervortritt.
Bei der atypischen Gicht, die eine abgescbwächte Form darstellt,
handelt es sich nicht durchweg um e'me eigentliche Diathese,
sondern vielfach um übermässige alimentäre Belastung und un¬
genügende Anpassung des Stoffwechselapparates sowie um un¬
genügenden Energieverbrauch, ln ihren Folgen scheinen diese
Momente der eigentlich gichtischen Diathese so ähnlich zu sein,
dass gleichartige Krankheitsbilder resultieren. Den eigentlichen
1) Die Absätze über Nephrolithiasis, Glykosurie und nephrogene
Gicht wurden wegen Zeitmangel nicht vorgetragen.
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1365
20. Juli 1914.
Störungen des Purin Stoffwechsels ähnlich können ferner, wie es
scheint; allgemeine Stoffwecbselüberlastungen wirken.
Die Therapie der atypischen Gicht unterscheidet sich nicht
tod derjenigen der echten Gicht. Die Bedeutung der Lehre von
der atypischen Gicht besteht in dem Nachweise, dass ein grosser
Teil von nervösen und von Circulationssympfcoraen, wie auch von
renalen, auf Stoffwechselstörungen beruht, welche den gichtischen
nabeste'hen, sei es, dass eine Diathese, sei es, dass eine alimentäre
Ueberlastung oder ungenügender Energieverbrauch vorliegt. Die
Behandlung des Stoffwechsels, rechtzeitig und konsequent durch-
gefübrt, kann gerade bei dem Krankheitsbilde der atypischen
Gicht sehr erfreuliche Resultate zeitigen. Zu allen Zeiten bat es
Aerzte gegeben, welche gerade durch diätetische Kuren grosse
Rrfolge batten. Dies dürfte nicht zum wenigsten damit Zusammen¬
hängen, dass Stoffwechselstörungen im Sinne der atypischen Gicht
biw. der Plethora mit ihren mannigfachen Folgeerscheinungen
und Krankheitsbildern so ungemein häufig Vorkommen.
Ich möchte schliesslich nicht verfehlen hervorzuheben, dass
meine Darlegungen nicht den Anspruch erheben, durchaus be¬
wiesene Tatsachen zu bringen. Vielmehr bieten sich der prü¬
fenden Forschung noch mannigfache Lücken dar. Da aber auch
die therapeutischen Erfolge mir für meine Auffassung zu sprechen
scheinen, so halte ich dieselbe, wenn auch der weiteren Prüfung
bedürftig, so doch für hinreichend begründet, um sie der Dis¬
kussion zu übergeben.
Die Beziehungen der Thymus zum Morbus
Basedowii.
Referat.
Von
Dr. Hermann Matti-Bern.
(Schluss.)
In einer seiner letzten Arbeiten hat Basch 1 ) die Beziehungen
derThyinus zur Schilddrüse eingehend behandelt uDd weist darauf
hin, dass beide Organe in erster Linie echte Wachstumsdrüsen
seien; aber abgesehen von dem funktionellen Parallelismus beider
Organe hinsichtlich ihrer Beziehungen zum Knochen- und Nerven¬
system zeigt sich eine fernere Analogie in dem positiven Ausfall
der Loewi’schen Reaktion bei thyreoidektomierten und thymekto-
mierten Hunden, mit dem einzigen Unterschied, dass bei den
schilddrüsenlosen Hunden der Adrenalinversuch schon wenige
Standen nach derTbyreo-Parathyreoidektomie positiv wurde, nach
der Thymusausschaltung erst im Verlaufe von 2—3 Wochen.
Dieser auffällige Parallelismus, der sich auch in histogene-
tischer Verwandtschaft zwischen ßcbilddrüse und Thymus äu*sert,
gebt jedoch nicht so weit, dass die beiden Organe einander funk¬
tionell vertreten können. Basch hat Versuche Gebele’s, die
entfernte Schilddrüse durch implantiertes Thymusgewebe zu er¬
setzen, mehrfach nachgeprüft, mit durchaus negativem Resultat,
wir haben die Behauptung Gebele’s, dass ein funktioneller Er¬
satz der Schilddrüse durch die Thymus möglich sei, auf Grund
kritischer Deberlegungen an anderer Stelle bereits abgelehnt;
dorch die Versuche von Basch wird nun die Auffassung Gebele’s
•rekt widerlegt. Wenn wir also eine weitgehende Analogie und
eine nahe Verwandtschaft zwischen Schilddrüse und Thymus an-
nebmeD, so können wir doch jedem der beiden Organe bestimmte
spezifische Funktionen zugestehen. Diese Anschauung harmoniert
*e r gut mit der Auffassang, dass die Beteiligung der Thymus
am Krankheitsbild des Morbus Basedowii eine der Schilddrüsen-
wjrkang gleichgerichtete sei.-
Jedenfalls geht es unserer Ansicht nach nicht an, aus den
* °g'eehen und klinischen Reduktionsvorgängen an den Schild-
7 mekton * i ?';te r Basedowpatienten auf eine normalerweise
dar j S e S en8€ jtige Förderung zu schliessen; denn abgesehen
RavU’ ™ an über die Interpretation der von Capelle und
Tim/ k ■ r j? keDen Befunde streiten kann, sind Schilddrüse und
und 08 • j ® 0r ^ us Basedowii pathologisch veränderte Organe,
nafh Tk ,8t , nnr . na ^rlich, dass die Besserung des Zustandes
drfluA ^ mas ® X8t * r P at, °u auch im histologischen Bilde der Schild-
Canp| X | Ur j ? kommt. Wir können deshalb der Ansicht von
e qn< * Bayer, dass Aasfall derTbymus depressiv auf die
III. Beiträge zur Physiologie und Pathologie der Thymus,
ii. Ther., Bd 12 D S 6I 2 ^ ^ b ^ mus zur Scll ilddrüse. Zschr. f. eiper. Path.
Schilddrüse wirke, durchaus nicht beipflichten. In ihrer klinischen
Beobachtung liegt ebensowenig ein Beweis für die Annahme be¬
stimmter korrelativer Beziehungen im Sinne der Förderung oder
Hemmung zwischen Schilddrüse und Thymus, wie in den tier-
experimentellen Exstirpationen.
Man kann allerdings nicht in Abrede stellen, dass durch die
pathologische Funktion des einen Organs auch das andere beein¬
flusst wird, um so mebr, als es sich im gegebenen Falle um
funktionell offenbar sehr nabestehende Organe handelt; doch kann
die Veränderung beider Organe ebensogut eine koordinierte Er¬
scheinung aus gleicher Ursache darstellen. Diese Annahme scheint
uns so lange die richtige zu sein, als wir einwandsfreie Beweise
für eine ganz bestimmte Korrelation zwischen Schilddrüse und
Tbymus nicht besitzen. Im übrigen verweise ich auf die ein¬
schränkenden Bemerkungen, die ich hinsichtlich der Organcorre-
lation sowie der Begriffe Förderung und Hemmung in meinen
früheren Arbeiten gemacht habe. Gegenüber der Auffassung von
K1 08 e, Lampö nnd Liesegang 1 ), die sich die Tbymushyperplasie
bei Basedow’scher Krankheit auf dem Umwege über die Keimdrüsen
zustande gekommen denken: Schädigung der Zwischensubstanz
der Keimdrüsen durch das pathologische Sekret der Schilddrüse,
Hyperplasie der Thymus infolge verminderter Funktion der Keim¬
drüsen (entsprechend den Untersuchungen von Calzolah,
Hammar, Paton und Goodall, Hendersen, Gelün), möchte
ich mich ebenfalls skeptisch verhalten, weil die Experimente von
Valtorta, Soli, Hart und Nordmann, Lucien und Parisot
hinsichtlich der Beziehungen zwischen Thymus und Keimdrüsen
gegenteilige Resultate ergaben. So lange die modernen Vor¬
stellungen über gegenseitige Förderung und Hemmung der Kritik
nicht besser standhalten, ganz abgesehen davon, dass die Ein¬
teilung der innersekretorischen Organe in hemmende und fördernde
Gruppen dem teleologischen Prinzip nicht entspricht, vermag ich
in derartigen Nebenhypothesen nur eine unnötige Komplikation
zu erblicken, durch welche die Forschung eher abgelenkt wird.
Obschon wir heute noch nicht in der Lage sind, etwas Bestimmtes
über die correlativen Beziehungen zwischen Schilddrüse und Thy¬
mus auszusagen, müssen wir doch die Frage zu 'beantworten
suchen, ob es einen primären Thymus-Basedow gibt, und welches
die relative Bedeutung ist, die jedem der beiden Organe für die
Genese des Morbus Basedowii zukommt. Im Anschluss au die
von uns bereits referierte Beobachtung stellte Hart die Behauptung
auf, dass bei den Kombiuationsfällen von Basedow mit Tbymus¬
hyperplasie die Veränderung der Thymusdrüse das Primäre sei,
weil Herzstörungen oft lange vor nachweisbaren Schilddrüsen-
Veränderungen vorhanden sind; die Persistenz bzw. Hyperplasie
der Thymusdrüse provoziert nach Hart eine funktionelle Hyper¬
plasie der Schilddrüse, zu dem hypothetischen Zwecke, die ge¬
steigerte Produktion giftiger tbymogener Stoffwechselprodukte zu
paralysieren. Der Basedow entsteht nun, weil die Schilddrüse in
ihrer kompensatorischen Tätigkeit über das Ziel hinausschiesst.
Hart bemerkt ausdrücklich, dass bei solchen Fällen die gestörte
Herztätigkeit ausschliesslich der Thymus zur Last fallen könne.
Der plötzliche Tod strumektomierter Basedowkranker wäre nach
Hart’s Auffassung einer thymogenen Autointoxikation als Folge
plötzlichen Ausfalls kompensatorischer Schilddi üseuteile zuzu¬
schreiben. Da Hart an anderer Stelle betont, dass von einem
Antagonismus zwischen Schilddrüse und Tbymus nach den Experi¬
menten Svebla’s nicht gut die Rede sein könne, so steht seine
Annahme einer kompensatorisch entgiftenden Schilddrüsenwirkung
bei Thymus-Basedowfällen sichtlich im Widerspruch mit seiner
eigenen Ansicht. Wir glauben nicht, dass ein derartiger Antago¬
nismus zwischen beiden Organen irgendwie bewiesen ist und
können deshalb die dargelegte Basedowtheorie Hart’s nicht
acceptieren. Wenn man Hart die Theorie eines thymogenen
Basedow zuschreibt, ist zu beachten, dass der Thymus nach der
Auffassung dieses Autors wohl eine primäre auslösende Wirkung
zukommt; die eigentlichen Basedowsymptome werden jedoch nach
Hart wesentlich durch die überkompensierende Schilddrüse ber-
vorgerufen. Im Gegensatz zu dieser Auffassung hält Basch die
Annahme eines besonderen primären Thymus-Basedow für über¬
flüssig, da die Hyperplasie der Thymusdrüse nur eine sekundäre
von der Anomalie der Schilddrüse abhängige Erscheinung und
nicht als ein der Schilddrüsenerkrankung ätiologisch gleichwertiges
Phänomen aufzufassen sei. Da sich Basch offenbar nur aufseine
eigenen Untersuchungen und die Berücksichtigung der damaligen
. 0 Klose, mit Lampe und Liesegang, Die Basedow’sche Krank¬
heit. Beitr. z. klin. Chir., 1912, Bd. 77, H. 3.
5
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Nr. 29.
experimentellen Literatnr stützte, während das neueste klinische
und experimentelle Material nicht zu seiner Verfügung stand,
brauchen wir dieser Auffassung keine ausschlaggebende Bedeutung
beizumessen. Der prompte Rtlckgang aller klinischen Basedow-
Symptome nach der Tbymusexzision bei der zweiten reinen Thym-
ektomie Garrö’s, sowie die Fälle von Sauerbruch und Haberer
sprechen mit aller Bestimmtheit dagegen, dass die Schilddrüse
stets das krankheitsauslösende Organ sei, oder dass es den Base¬
dowkomplex ausnahmslos beherrsche. Man wird deshalb eine
ätiologische Bedeutung der Thymusdrüse für die Entstehung der
Basedowschen Krankheit heute nicht mehr rundweg ablehnen können,
und man darf wohl von einem wenigstens partiell thymogenen
Basedow sprechen. Der Beweis jedoch, dass in solchen Fällen
die Schilddrüse durchaus unbeteiligt sei, ist nicht er-
bracht, und so lange erscheintauch die Annahme eines rein thymo¬
genen Basedow nicht hinreichend begründet. Dagegen liegt nichts
vor, was der Annahme eines primären Thymus-Basedow widersprechen
würde, auch wenn wir mit Capelle und Bayer annehmen, dass
bei einem solchen sich auch die Schilddrüse, wenn auch nur
untergeordnet, am Zustandekommen der Krankheitssymptome be¬
teilige. Es kann somit als feststehend gelten, dass in
einigen Fällen die pathologisch veränderte Thymus
den Symptomenkomplex bei Morbus Basedowii vor¬
wiegend beherrscht, und es ist ferner wahrscheinlich,
dass in solchen Fällen die Thymus das primär ver¬
änderte Organ darstellt; die Rolle der Schilddrüse ist
hier zweifellos nur eine untergeordnete. Mit dieser
Feststellung fällt die Auffassung, dass bei der Base¬
dowschen Krankheit die einzige und primäre Krank¬
heitsursache ausnahmslos in der Schilddrüse liege. Es
kann auch keine Rede davon sein, dass die operativ zu erzielende
Heilung stets der quantitativen Ausschaltung kranken Schild¬
drüsengewebes entspreche, weil heute eine Reihe von Beobachtungen
vorliegen, bei denen die Reduktion der Schilddrüse keinerlei
Effekt batte, während Inangriffnahme der Thymus von einer un¬
zweideutigen Besserung gefolgt war. Im übrigen ist hier nicht
der Ort, auf die feststehende Bedeutung der Schilddrüse für die
Genese des Morbus Basedowii einzutreten; doch sei ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass in Zukunft neben der Thyreoidea stets
auch die Thymus in den Kreis der ätiologischen und therapeu¬
tischen Ueberlegungen zu ziehen ist.
Der Ansicht, dass die Thymus bei Morbus Basedowii zweifellos
als krankmachender Faktor in Betracht fällt, hat sich auch
Lampe 1 ) angeschlossen. Mit Hilfe des Abderhalden’schen Dialysier-
verfahrens suchte er die Rolle der Thymus bei Basedowscher
Krankheit zu ergründen, von der Annahme ausgehend, dass bei
einer Dysfunktion der Thymus ihr Produkt blutfremd wirke, die
Abderhaldeo’sche Reaktion somit positiv ausfallen müsse. Larap6
schliesst aus den Resultaten seiner Untersuchungen, dass bei den
meisten seiner Basedowkranken eine dysfunktionierende Thymus
vorhandeu war. Wo kein Abbau der Thymus nachgewiesen wurde,
ist man nur zu dem Schlüsse berechtigt, dass keine Dysfunktion
der Thymus vorliegt, nicht aber, dass die betreffenden Kranken
überhaupt keine Thymusträger sind. Diese Resultate haben für
die vorliegende Frage zweifellos grosses Interesse. Sie scheinen
unsere Ansicht zu bestätigen, dass bei einer grossen Zahl von
Basedowfällen der hyperplastischen Thymus eine pathologische
Rolle zukommt. Doch dürfte es angezeigt sein, bei dem gegen¬
wärtigen Stande der Diskussion über das Abderhalden’sche Ver¬
fahren mit der Verwertung der Resultate La mp 6’s noch zurück¬
haltend zu sein.
Welches ist nun die nosologische Stellung der hyperplastischen
Thymus bei der Basedow’scben Krankheit? Von Gierke und
Hart ist die Auffassung vertreten worden, dass die Wirkung von
Schilddrüse und Thymus bei der in Frage stehenden Krankheit
eine kompensatorische sei. Gierke denkt daran, dass patho¬
logische Funktionen beider Drüsen sich bis zu einem gewissen
Grade kompensieren könnten, Hart spricht von einer funktionellen
Hyperplasie der Thyreoidea zum Zwecke kompensatorischer Ent¬
giftung der thymogenen Stoffwechselprodukte und sieht in einer
über das Ziel hinausschiessenden Kompensation den Grund der
Basedowschen Krankheit. Nach Gierke wäre somit die Thymos-
hyperplasie ein natürlicher Reguliernngsvorgang, während nach
1) Lamp6 und Papazolu, Serologische Untersuchungen mit Hilfe
des Abderbalden’schen Dialysierverfabrens bei Gesunden und Kranken.
Studien über die Spezifität der Abwehrfermente. II. Untersuchungen
hei Morbus Basedowii, Nephritis und Diabetes mellitus. M.m.W., 1913,
Nr. 28.
Hart der hyperplastischen Thymus eine primäre, wenn auch in¬
direkte ätiologische Rolle zukommen würde. Gegen die Annahme
Gierke’s sprechen die Resultate der Thymektomie bei Basedow-
kranken, die Injektionsversuche mit Tbymuspressaft und wohl
auch die Implantationsversuche Bircher's. Von einer rein
kompensatorischen Wirkung der Thymus kann somit nicht die
Rede sein. Auch die Ansicht Hart's, dass der Thymus nur in¬
direkt über die Schilddrüse eine ätiologische Bedeutung zukomme,
scheint uns durch die Ergebnisse der Thymektomien bei Morbus
Basedowii und durch die erwähnten Experimente widerlegt zu
werden. Wir halten es für durchaus gegebeo, ganz bestimmte
Einwirkungen der Thymus, im besonderen auf das Herz, an-
zunehmeu, was übrigens an anderer Stelle auch Hart annimmt.
Wir hätten somit eine der Schilddrüsenwirknng gleichsinnige,
potenzierende Wirkung der Thymus vor uns; dieser Ansicht
schliesst sich nach seinen Erfahrungen auch Garrö an. Gegen
diese Auffassung scheinen die eingangs dieser Arbeit erwähnten
postoperativen Todesfälle zu sprechen, die bei Basedowpatienten
mit Thymushyperplasie während der Operation oder im unmittel¬
baren Anschluss daran auftreten. „Wenn sich w , so sagt mau,
„Thymus- und Schilddrüsensekret in ihrer pathologischen Wirkung
wirklich summieren, so dürfte man doch eine Besserung der
Krankheit durch die Hemistrumektomie erwarten.“ Ich habe an
anderer Stelle ausgeführt, dass dieser Schluss durchaus nicht
zwingend ist, denn abgesehen von dem günstigen Einfluss der
Thymektomie bei Morbus Basedowii erzielte v. Eiseisberg durch
Hemistrumektomie bei Basedow mit Thymushyperplasie ganz be¬
sonders günstige Resultate. Es kaun nach unseren heutigen
Kenntnissen keinem Zweifel unterliegen, dass eine ganze Reibe
durch Schilddrüsenoperationen der Heilung zugeführte Basedow-
patienten offenbar Thymusträger sind. Ferner ist darauf hin-
zuweisen, dass bei einer Anzahl Basedow patienten mit Thymus¬
hyperplasie, die einer Schildrüsenoperation erlagen, offenbar viel
zu weitgehende Operationen gemacht wurden. Derartige Operationen
können erfahrungsgemäss schon Basedowkranken zum Verhängnis
gereichen, die keinen Status thymicus aufweisen; bei Kranken,
die unter der potenzierten, schädigenden Wirkung von Schild¬
drüse und Thymus stehen, hat der ungünstige Verlauf derartiger
Eingriffe sicher nichts Auffälliges an sich. Diese schlimmen Er¬
fahrungen sind deshalb auch nicht geeignet, die Annahme einer
gleichsinnigen, schädigenden Wirkung des Thymus- und Schild¬
drüsensekrets zu widerlegen.
Was nun im besonderen die hohe Mortalität von Basedow¬
kranken mit Thymushyperplasie betrifft, so habe ich in einer
früheren Arbeit darauf hingewiesen, dass nach experimenteller
Tbymusausscbaltung das Nebennierenmark beinahe ausnahmslos
hypertrophisch wird; diese Befunde wurden in neuester Zeit von
Klose bestätigt. Andererseits beobachteten wir bei Tieren mit
Tbymusbyperplasie eine auffällige Hypoplasie des Nebennieren¬
marks. Ganz abgesehen davon, ob die Hypertrophie des Neben¬
nierenmarks in unseren Experimenten wirklich dem Wegfall eines
von der Thymus ausgehenden depressorischen Faktors zuzuschreiben
sei, oder ob eine solche Korrelation im Sinne gegenseitiger
Hemmung nicht bestehr, liegt es jedenfalls nahe, in der von
Wiesel, Hedinger u. a. nachgewiesenen Koinzidenz von Status
thymo-lymphaticus und Hypoplasie des chromaffinen System»
einen Ausdruck gesetzmässiger Beziehungen zwischen Thymus und
chromaffinem System zu erblicken. Wir haben an anderer
Stelle eingehend begründet, weshalb wir die Hypo¬
plasie des chromaffinen Systems als von der Thymus¬
hyperplasie und nicht vom Status lymphaticus abhängig
betrachten. Capelle und Bayer schieben mir in ihrer Arbeit
die Behauptung zu, dass ich die Markhypoplasie der Nebenniere
nur als Teilsymptom eines Status lymphaticus ansehe; eine der¬
artige Behauptung habe ich niemals aufgestellt, sie steht viel¬
mehr in striktem Gegensatz zu meinen eingehenden Ausführungen ).
Wiesel hat seinerzeit darauf hingewiesen, „dass eine schlechte
Entwicklung des chromaffinen Systems, dessen Sekret eine eminent
blutdrucksteigernde ußd den Tonus der Gefässmuskulatur und
des Herzens erhöhende Wirkung ausübt, für die Erklärung plötz¬
licher Todesfälle heranzuzieheu wäre. Bei mangelhafter Lieferung
dieses Sekrets würden Noxen, die unter normalen Verhältnissen
bloss vorübergehend Hypotonie und Erniedrigung des Drucks im
Arteriensystem hervorrufeD, direkt zu Gefässläbmung und Herz¬
stillstand fuhren“. Wir glauben, dass diese Auffassung Wiesel»
1) Untersuchungen über die Wirkung experimenteller Ausschaltung
der Thymusdrüse. Mitt. Grenzgeb., Bd. 24, H. 4 u. 5, S. 784 ff.
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20, Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1307
durch unsere Versuche eine gewisse experimentelle Stutze ge¬
wonnen hat, und dass man diese Verhältnisse für die Erklärung
der erhöhten Gefährdung Basedowkranker mit Thymushyperplasie
heranziehen darf. In der erwähnten Arbeit über die Kombination
von Morbus Basedowii mit Thymushyperplasie haben wir nun
einige Fälle beschrieben, bei denen das Nebennierenmark auf¬
fällig schlecht entwickelt war, and in einem besonders bösartig
verlaufenden Falle, den wir der Mitteilung Hedinger’s ver¬
danken, fand sich beinahe kein Mark und nur ganz spärliche,
schwach tingierte chromaffine Zellen. In seiner Arbeit berichtet
Pettavel 1 ), dass in vier von ihm untersuchten Fällen Basedow¬
scher Krankheit die geringe Menge von Marksubstanz auf¬
fällig war; dabei handelte es sich stets auch um Status
lymphaticu8, zweimal mit ausgesprochenem Status thymicus.
Eine Cbrombräunung der Markzellen wurde nur in einem Falle
erzielt, und zwar nur in sehr geringem Grade 2 ). Eine gleich¬
zeitig beobachtete celluläre Hypertrophie des Markes ist
wohl als KompensatioDsversuch aufzufassen; maassgebender dürfte
die Hypoplasie des gesamten Marks sein. Capelle und Bayer
beschreiben in ihrer neuesten Arbeit ebenfalls zwei schwere
Basedowfälle, die unmittelbar nach dlnem operativen Eingriff
ad exitom kamen; die Nebennieren waren platt, mit vollkommen
hypoplastischem Mark, welches in einem Falle auf eine papier-
dünne Zwischenlage reduziert war. Da Status lymphaticus, wie
ausdrücklich bemerkt wird, fehlte, erblicken wir in diesen Be¬
obachtungen eine Stütze unserer Auffassung von einer gesetz-
mässigen Hypoplasie des chromaffinen Systems (im besonderen
des Nebennierenmarks) bei Thymusbyperplasie. Neben dem
direkt schädigenden Einfluss der Thymus kommt somit
noch die mangelhafte Fuoktion des Nebennierenmarks,
resp. des chromaffinen Systems, für die Erklärung der
Basedow-Tbymustodesfälle in Betracht. Mit unserer An¬
nahme scheint die von Fränkel, Börking und Trendelen-
burg u. a. behauptete Adrenalinvermehrung im Blute Basedow-
kranker nicht übereiozustimmen; da nun nach den Untersuchungen
•von Asher und Flack das Schilddrüsensekret offenbar Sym-
pathicusendapparate für das Adrenalin sensibilisiert, kann die
mittels biologischer Methoden nachgewiesene Ad renalin Vermehrung
im Blate Basedowkranker auf dieser Sensibilisierung beruhen
und ist somit für eine Adrenalin Vermehrung nicht beweisend.
Ebensowenig spricht gegen unsere Auffassung, dass Ingier und
Schmor 1 mit der Commessati’schen Methode bei einem Basedow¬
fall unternormalen, bei einem zweiten mit Thymuspersistenz nor¬
malen Adrenalingehalt fanden; denn es ist klar, dass der
quantitative Nachweis des Adrenalins in den Nebennieren nichts
über die im Kreislauf befindliche Adrenalinmenge aussagt; der
morphologische Nachweis einer Markhypoplasie erlaubt in der
Frage der funktionellen Dignität des Nebennierenmarks wohl
mas88gebendere Rückschlüsse.
Auf die Frage des Tbymustodes können wir an dieser Stelle
nicht eingehen. Soweit die deletäre Wirkung der Thymus bei
Basedowscher Krankheit in Betracht fällt, wird sie nach unseren
heutigen Kenntnissen wohl am besten mit der Annahme einer
Dysthymisierung und der erwähnten mangelhaften Leistungsfähigkeit
des bypoplastischen chromaffinen Systems erklärt.
ln neuerer Zeit tritt die Tendenz immer mehr zutage, die
hyperplastische Thymus für das sogenannte Basedowblutbild ver¬
antwortlich zu machen. Nach Caro, Gordon, Kocher,
fiühler, van Lier u. a. zeigt das weisse Blutbild bei Morbus
ßwedowii konstant eine relative oder absolute Lympbocytose.
Ferner soll eine gewisse Eosinophilie, eine Zunahme der grossen
oonooucleären Zellen, eine Leukopenie (Kocher) von Bedeutung
•ein. Nach Lampe 8 ), Klose, Liesegaug u. a. ist nur die Ver¬
mehrung der Lymphocyten, der grossen und der kleinen, für das
Bzsedowblntbild charakteristisch. Im Gegensatz zu Kocher, nach
dessen Angaben klinische und hämatologische Ausheilung parallel
gehen sollen, fanden Klose, Liesegang und Lampä an einem
powen Basedowmaterial der Rehn’scben Klinik (52 Fälle), dass
wi sämtlichen zum grössten Teile mit bestem Erfolg operierten
an< * als geheilt za bezeichnenden Basedowpatienten die Lympho-
1) Beitrag zur pathologischen Anatomie des Morbus Basedowii. i
D Zschr. f.Chir., Bd. 116.
2) Anmerkung bei der Korrektur: In einer neueren Arbeit (Mitt.
t Bd. 27, H. 4) beschreibt Pettavel 8 weitere Basedowfälle,
. aenen & e )oe erhebliche Hypoplasie des Nebennierenmarks aufwiesen,
*tar betrifft es mit einer Ausnahme Fälle mit Thymushyperplasie.
^ am p6, Die Blutveränderungen bei Morbus Basedowii im Lichte
Forschung. D.m.W., 1912, Nr. 24.
cytose persistierte. Das Blutbild hatte sich nur wenig oder gar
nicht im Sinne einer Besserung geändert. Diese Befunde be¬
stätigte Bar ach an 12 Fällen der Küttoer’scheo Klinik. Ex¬
perimentelle Untersuchungen, die Lamp6 mit seinen Mitarbeitern
anstellte, ergaben nun keinerlei swingenden Beweis für die Ab¬
hängigkeit der Lymphocytose von der Schilddrüse, weshalb
Lampe der Thyreoidea einen direkten Einfluss auf das Mischungs¬
verhältnis der weissen Blutkörperchen abspricht. Jedenfalls
stehen diese Resultate in einem fühlbaren Gegensatz zu den Be¬
richten aus der Kochor’scbou Klinik. ScKumaeher und Ruth
weisen übrigens darauf hin, dass die Untersuchungen Tu rin’s
am Kocher’schen Material keine einzige Beobachtung aufweisen,
die eine dauernde Rückkehr des Blutbildes zur Norm nach Ein¬
griffen an der Schilddrüse beweisen würde, und dass zudem die
Mehrzahl der Turin’scben Untersuchungen I—2 Tage nach der
Operation angestellt wurde, also zu einer Zeit, wo das Basedow¬
blutbild von der gewöhnlichen postoperativen Leukocyteoreaktion
vollständig verdeckt wird. Ohne auf eine nähere Kritik dieser Unter¬
suchungen einzugehen, muss man jedenfalls sagen, dass die direkte
and ausschliessliche Abbäogigkeit des sogenannten Basedowblut¬
bildes von der Funktiou der Schilddrüse in letzter Zeit sehr
fraglich geworden ist. Vielmehr legen neuere Beobachtungen die
Annahme nahe, dass das sogenannte Basedowblutbild, d. h. ins¬
besondere die relative Vermehrung der Lymphocyten, auch von
der Thymus abhängig sein könnte. Dafür sprechen io erster
Linie die Beobachtungen an den Garrö’schen „Thymektomien“
mit der bereits beschriebenen Rückkehr des Blutbildes zur Norm,
oder doch mit ihrer bedeutenden Besserung des Blutbildes. Io
einem weiteren Falle, über den Capelle und Bayer berichten,
war nach einer durch Kocher ausgeführten halbseitigen Strum-
ektomie die Lymphocytose von 45,6 auf 87,7 pCt. gesunken.
Nach der von Gar re vorgenommenen Thymusresektion sanken
die Lymphocyten auf die normale Zahl. Ebenso frappant war die
Besserung des Blutbildes im Falle Sauerbrucbs. Einen gleich
grossen Rückgang der Lymphocyten (von 76 auf 37 pCt.) be¬
obachteten Klose und Lamp6 bei mehreren Kindern, bei denen
eine hyperpiastische Thymus reseziert worden war. Experimentelle
Injektion von Basedow-Tbymussubstanz bei Hunden war von einer
ausgesprochenen Lymphocytose gefolgt und zwar zeigte sich diese
Lymphocytose am ausgeprägtesten bei einer ovarektomierten
Hündin. LampA nimmt deshalb mit Klose und Liesegang an,
dass die Basedotbymus für die Erzeugung der Lymphocytose ver¬
antwortlich sei. Im besonderen soll das Produkt der dysfunktio¬
nierenden Schilddrüse zunächst die interstitielle Substanz der
Keimdrüsen schädigen; durch diese Schädigung kommt es zn
einer Hyperplasie der Thymusdrüse und von der Thymus ist
schliesslich die Lymphocytose abhängig, sei es, dass deren
spezifisches Produkt einen direkten Reiz auf das lymphathische
System ausübt, sei es, dass es vagotonisierend wirkt und dadurch
die lymphocytäre Vermehrung erzeugt. Soweit die Ansichten
La mp 6’s und seiner Mitarbeiter.
Ueber die allgemeine Frage, ob die Thymus ein blutbildendes
Organ sei, herrscht in der Literatar noch nicht vollständige Ueber-
eiostimuiuDg, doch ist es wahrscheinlich, dass der Thymusdrüse
wenigstens im extrauteriuen Leben jede bämatopoetische Begabung
abgeht. Damit ist aber, wie Klose bemerkt, die Möglichkeit
nicht ausgeschlossen, dass das spezifische Sekretionsprodukt der
Thymus auf die blutbildenden Apparate einen Einfluss aasübt. In
diesem Sinne sind neuere Versuche von Klose, Lampe und
Liesegang zu verwerten, die bei tbymektomierteu Hunden eine
progressive Abnahme der Lymphocyten bis weit unter normale
Werte, sowie das Auftreten einer deutlichen Lympbocytose nach
intravenöser Injektion von Tbymuspresssaft ergaben. In gleichem
Sinne möchte Klose auch eine Beobachtung Bircher’s verwerten,
der bei seinen Versuchstieren nach Implantation von Basedow¬
thymus eine ausgesprochene Lymphocytose nachwies. Soweit diese
Experimentalarbeiten in Betracht fallen, ist die Frage jedenfalls
noch nicht spruchreif 1 ). Gapelle und Bayer halten den von
Lamp6, Klose und Liesegang vertretenen Standpunkt für „all¬
zu prononciert“. Sie beobachteten bei einer Patientin Garrö’s,
dass das nach Tbymektomie normal gewordene Blut nach einer
sekundären operativen Redaktion der Schilddrüse wieder im Sinne
einer Lympbocytose pathologisch wurde. Entsprechend nehmen
sie an, dass in der Schilddrüse unter Umständen Stoffe frei werden,
1) Weil andere Untersueher keine wesentliche Veränderung des Blut¬
bildes nach Thymusexstirpation fanden (Seiler am Material des Refe¬
renten, Schulz an früherem Materiale von Klose und Vogt).
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
die nicht erat auf dem Umwege über die Thymus auf die Quelle
der weissen Blutelemente einwirken, und anerkenuen wohl ein
bestimmtes Vorherrschen der Thymussekrete über die Blutmischung,
aber kein ausschliessliches Beherrschen des Basedowblutbildes
durch die Thymus. Nach den vorliegenden Untersuchungen
wird man eine ausschliessliche Abhängigkeit des
Baaedowblutbildes von der Scbilddrüsenfunktion wohl
nicht mehr aufrecht erhalten können. Wenn auch die ex¬
perimentellen Untersuchungen ein abschliessendes Urteil noch nicht
gestatten, so weist doch die klinisch nach Thymusresektion mehr¬
fach beobachtete Besserung des sogenannten Basedowblutbildes
unbedingt auf eine ätiologische Bedeutung der Thymus hin. Gegen
die ausschliessliche Bedeutung der Schilddrüse für das Basedow¬
blutbild sprechen auch neuere Untersuchungen Borchardt’s 1 ), der
nicht nur bei Fällen von Morbus Basedowii, sondern auch bei
allen andern Erkrankungen der Schilddrüse, der Hypophyse und
der Nebennieren in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Ver¬
änderungen des Blutbildes fand, deren konstanteste die relative
und absolute Vermehrung der einkernigen Zellen, insbesondere
derLymphocyten, war. Die gleichen Veränderungen fand Borcbardt
bei Patienten mit den klinischen Erscheinungen eines Status
thymico-iymphaticus. Da nun bei den Erkrankungen der Schild¬
drüse, Hypophyse und Nebennieren sowohl klinische wie ana¬
tomische Zeichen von Status thymico-iymphaticus in sehr vielen
Fällen festgestellt worden sind, hält sich Borcbardt für be¬
rechtigt, in all den genannten Fällen die Veränderungen des Blut
bildes auf den Status lymphaticus resp. thymico lymphaticus zu
beziehen. Die Möglichkeit näherer Beziehungen der Thymusdrüse
zum sogenannten Basedowblutbild beansprucht zweifellos grosses
Interesse; doch sollte man nicht vergessen, dass es angezeigt ist,
die ganze Frage der Basedow’schen Blutveränderungen mit etwas
grösserer Reserve zu behandeln, als das in den letzten Jahren
namentlich von gewissen Schulen geschehen ist. Von einer
Spezifität des in Frage stehenden Blutbildes für die Basedowsche
Krankheit kann heute wohl keine Rede mehr sein; ganz abgesehen
davon, dass auch bei Myxödem ein analoges Blutbild gefunden
wird (das sich nur in der Reaktion auf Zufuhr von Scbilddrüsen-
präparaten entgegengesetzt dem Basedowblutbild verhalten soll)
verweisen wir auf die angeführten Untersuchungen Borchardt’s.
Ferner trifft man nicht selten bei neurastbeniscben und hysteri¬
schen Zuständen eine relative Lymphocytose verschiedenen hohen
Grades, so dass die differentialdiagiiostiscbe Abgrenzung dieser
Fälle gegenüber Tbyreotoxicosen mit Hilfe des Blutbildes leider
nicht möglich ist. Wir verfügen selbst über einige einschlägige
Beobachtungen und beziehen uns im übrigen auf eine grössere
Untersucbungsreibe von Dr. Tobler, der seine Erfahrungen in
nächster Zeit publizieren wird. Da nun nach den soeben ver¬
öffentlichten Untersuchungen von Julius Bauer und Marianne
Bauer 2 ) bei Kropfigen ohne Rücksicht auf den Funktionszustand
ihrer Schilddrüse eine Verzögerung der Gerinnung beobachtet
wird, die bei Hypothyreosen in der Regel noch ausgesprochener
ist, so fällt auch dieses Kriterium zur Unterscheidung der Hyper-
und Hypothyreosen dahin. Es mag besonders interessieren, dass
eine Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes ausser¬
ordentlich häufig auch bei andern Alterationen des Blutdrüsen¬
systems, sowie bei allgemeiner Neuropathie und Status bypo-
plasticus vorkommt. Die Berücksichtigung all dieser neueren
Daten veranlasst uns, die Frage des Basedowblutbildes und seiner
Abhängigkeit von der Funktion der hyperplastischen Thymus heute
noch mit ziemlicher Reserve zu beurteilen, um so mehr, als die
vorliegenden experimentellen Untersuchungen einer einheitlichen
Interpretation noch nicht zugänglich sind.
Ebenso skeptisch verhalten wir uns gegenüber der nament¬
lich von Capelle und Bayer vertretenen Auffassung, dass die
sogenannten vagotoniscben Basedowsyraptome in überwiegendem
Maasse von der Thymus beherrscht würden. Wir können die Frage
der vagotoniscben und sympathikotoDischen Basedowfälle, wie sie
von Eppinger, Hess, Kostlivy und von Noorden jun. postu¬
liert werden, nicht in extenso aufrolleu, doch sei darauf hinge¬
wiesen, dass nach den Angaben zahlreicher Autoren, so io letzter
Zeit von Capelle und Bayer, feststehen dürfte, dass sympathische
vagische Symptomgruppen im einzelnen Basedowfalle so gut wie
1) Borcbardt, Ueber das Blutbild bei Erkrankungen der Drüsen
mit innerer Sekretion und seine Beziehungen zum Status thymico-
iymphaticus. D. Arch. f. klin M., 1912, Bd. 106, S. 182.
2) J. und M. Bauer, Untersuchungen über Blutgerinnung mit be¬
sonderer Berücksichtigung des endemischen Kropfes. Zschr. f. klin. M.,
1913, Bd. 79, S. 13.
nie für sich existieren, sondern dass wir stets klinisch gemischte
Bilder vor uns haben, bei denen sowohl das vagiscbe als das
sympathische Nervensystem sieb als ionisiert erweist. Schon die
Gegenüberstellung der vagischen und sympathischen Basedow-
Symptome, wie sie von Eppinger und Hess gegeben wird, muss
zur Kritik herausfordern, weil sie mit einer gewissen Willkürlich-
keit vorgenommen wurde. So deckt sich nicht einmal das adrena-
linopbile System mit dem Sympatbicus, indem die Schweissdrüsen
dem Parasympathicus zugeteilt werden, was doch, wie Kraus 1 ) in
seinem Referat über die Schilddrüse usw. auf dem letzten inter¬
nationalen medizinischen Kongress bemerkte, zum mindesten nicht
bewiesen ist.
Ferner bildet die Lähmung des Herzvagus durch Atropin eine
bemerkenswerte Ausnahme von der allgemeinen Wirkung dieses
Pharmakons auf die fördernden Fasern des Vagus. Das Wirkungs¬
gebiet der pharmakologischen Antagonisten deckt sich somit nicht
mit den anatomisch-physiologischen Einheiten, im speziellen Falte
mit dem sympathischen und parasympatbischen System, ganz ab¬
gesehen davon, dass die Begriffe der Förderung und Hemmung,
wie schon erwähnt, rein konventionelle sind. Kraus weist nun
im besonderen darauf hin, dass bei Morbns Basedowii eine Reihe
von Symptomen sich nicht auf die Peripherie des vegetativen
Nervensystems, überhaupt nicht nur auf den Sympathicus be¬
schränken lassen, wenn es auch nahe liegt, gewisse Erregungs¬
zustände der Basedowiker als peripher lokalisiert zu betrachten.
Eine Reibe von Symptomen bei Morbus Basedowii haben bestimmt
cerebiaien bzw. psychischen Ursprung. Die Wiener Schule nimmt
für das Schilddrüsensekret eine Wirkung auf das sympathische
und vagiscbe System an; Capelle und Bayer acceptieren diese
Auffassung und übertragen sie in entsprechender Weise auch auf
die Thymus. Doch gesteht Eppinger ausdrücklich zu, dass die
Unterscheidung entgegengesetzt syropathicotoniscber und vago-
tonischer Zustände bei psychisch erregten Individuen überhaupt
nicht mehr durchführbar ist, indem hier mit beiderlei Reizmitteln
abnorm starke Effekte erzielt werden. Es bedeutet deshalb nach
Kraus eine selbstgeschaffene Schwierigkeit, antagonistisch an¬
greifende Kräfte gleichzeitig und in verschiedenen Kombinationen
von demselben Hormon aus in Aktion gesetzt zu denken. Nimmt
man mit A. Kocher und Capelle und Bayer histologisch diffe¬
renzierte sympatbicotonisierende (überwiegende Cylinderzellwucbe-
rung) und vagotonisierende (überwiegende polymorphe Zellwuche¬
rung mit Desquamation) Bezirke in der Schilddrüse an, so müsste
man logischerweise auch 2 verschiedene Sekrete annehmen. Da¬
zu kämen, wenn wir der Hypothese von Capelle und Bayer
folgeu, noch ein sympafhicotoniscb und ein vagotonisch wirkendes
Thymussekret, deren Verhältnis zu den analogen Schilddrüsen¬
sekreten noch abzuklären wäre. Nach den vorstehenden kritischen
Ausführungen scheint uns die Annahme von 2 (oder gar 4) auf
den Sympathicus und Parasympathicus elektiv wirkenden anta¬
gonistischen DrüseDsekreten nicht angezeigt, besonders weil offen¬
bar auch das Wirkungsgebiet der Drüsensekrete sich nicht mit
den anatomisch physiologischen Einheiten des Nervensystems deckt.
Durch die neuesten Untersuchungen von As her und Pearce 2 ) über
die Umkehr peripherer Erregungen in Hemmungen wird über¬
haupt die gesetzmässige elektive Wirkung eines Pharmakons oder
Drüsensekretes auf ein bestimmtes Nervengebiet im Siuue der
Förderung oder Hemmung neuerdings zum Problem.
Wenn es auch Fälle mit vorwiegender Betonung des yagiseben
oder sympathischen Systems geben mag, so erweist sich doch
eine konsequente und durchgreifende Unterscheidung sympathico-
tonischer und vagotonischer Basedowformen als undurchführbar.
Für die weitergebende Auffassung von Capelle und Bayer,
dass bei den vorwiegend vagiscb betonten Fällen die Thymus,
bei den sympathisch betonten in erster Linie die Schilddrüse
ätiologisch beteiligt sei, fehlen hinreichende klinische Grundlagen;
gesetzmässige therapeutische Indikationen können deshalb aus
dieser Anschauung unseres Erachtens nicht hergeleitet werden.
Die Unterscheidung sympathicotonischer und vagotonischer
Basedowformen mit ihren besonderen Beziehungen zu Schilddrüse
und Thymus, im Sinne der Ausführungen von Capelle un
Bayer, hat deshalb, abgesehen von den theoretischen Bedenken,
auch keine wesentliche praktische Bedeutung. Mit der Ablehnung
1) Kraus, Pathologie der Schilddrüse, der Beischilddruse,
Hirnanhangs und deren Wechselwirkungen. D.m.W., 1913, Nr. 40 u. •
2) Pearce, Untersuchungen zur Dynamik der GeJässverenge g
und -erweiterung und über die Umkehr peripherer Erregung in üemmu g-
Zschr. f. BioL, 1913, Bd. 62, H. 5 u. 6.
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1369
zweier besonderer Basedow formen verlieren auch histologische
Differenzierungen vagotoniscber und sympathicotoniscber Schild¬
drüsen- und Thymusbefunde ihre Prämisse und damit auch ihren
Wert, ganz abgesehen davon, dass die Interpretation derartiger
Befunde naturgemäss durchaus subjektiv ist und Anspruch auf
allgemeine Anerkennung nur erheben könnte, wenn sie sich auf
Serienuntersuchungen stützen und durch ausgedehnte Nachunter¬
suchungen bestätigt würde.
Diekritißche Würdigung der vorstehend diskutierten
Tatsachen legt die Annahme nahe, dass die hyper-
plastische Thymus bei Morbus Basedowii keinen zu¬
fälligen und belanglosen Befund darstellt, sonderndass
das vergrösserte Organ am Basedowkomplex aktiv be¬
teiligt ist. Als einen regelmässigen, zum anatomischen
Bilde gehörenden Befund kann man die vergrösserte
Thymus nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse
nicht betrachten, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass
die grosse Mehrzahl aller Basedowkranken sogenannte
Tbymusträger sind. Oie Thymushyperplasie ist nicht
dut Teilsymptom eines Status thymicolymphaticus,
sondern sie kommt auch isoliert vor. Offenbar werden
die von der Schilddrüse ausgehenden Symptome durch
die hyperplastische Thymus potenziert; die Thymus
wirkt in gewissen Fällen deletär, und zwar direkt durch
Schädigung des Herzens (Dysthymisierung), indirekt
durch Vermittlung der mit Thymushyperplasie so häufig
verbundenen Hypoplasie des Nebennierenmarks. Die
hohe Frequenz einer vergrösserten Thymus bei Morbus
Basedowii spricht nicht gegen eine deletäre oder doch
verschlimmernde Wirkung des Organs; allerdings wird
dadurch nahegelegt, dass Fälle mit Thymushyperplasie
günstig verlaufen können, jedoch ist zu bedenken, dass
die pathologische Funktion der Thymus nicht der
Grösse des Organs proportioneil zu sein braucht.
Uebrigens ist der Prozentsatz der Tbymusträger in der
Groppe derjenigen Basedowiker, die an der magnitudo
morbi oder post Operationen! starben, nach der Statistik
am höchsten. Die ausschliessliche Scbilddrüsentheorie
des Morbus Basedowii ist heute nicht mehr haltbar;
die Thymus wirkt an der Gestaltung des Krankheits¬
bildes mit, eventuell so intensiv, dass sie das Krank¬
heitsbild direkt beherrscht. Zu dieser Schlussfolge¬
rung zwingen die neueren chirurgischen Erfahrungen.
Die Thymn8veränderung ist als eine der Schilddrüsen¬
veränderung koordinierte, parallele, und nicht alseine
kompensatorische Erscheinung aufzufassen. Auf welchem
Wege derschon bei Struma simplex und auch bei Aplasie
der Schilddrüse konstatierte Parallelismus zwischen
Thymus und Schilddrüse zustande kommt, entzieht sich
beute noch unserer Kenntnis. Der Annahme gegen¬
seitiger Förderung widerspricht zum Teil das Experi¬
ment; gesetzmässige Korrelationen sind bisher nicht
einwandfrei bewiesen. Entgegen der Auffassung von
Rppinger, Hess u. a. ist eine Unterscheidung rein vago-
tonischerund sympatb icotonischerBasedowformen nicht
konsequent durchführbar. Es ist deshalb auch nicht
Möglich, nur aus den angeblichen Zeichen des Vago-
tonus (subjektive starke Herzbeschwerden bei nicht ex-
cessiver Pulsfrequenz, Schweisse, Digestionsstörungen,
Diarrhöen, ausgeprägtes „Basedowblutbild“, eventuell
hochgradige Myasthenie) auf eine hyperplastische
Thymus zu schliessen. Auch Belastungsversuche mit
Pilocarpin und Adrenalin haben nur einen beschränkten
diagnostischen Wert und können höchstens als Hilfs¬
reaktionen verwendet werden. Der maassgebende Nach-
we * 8 Qioer Thymushyperplasie hat durch Perkussion,
gute Röntgenaufnahmen und Durchleuchtung zu ge¬
schehen; bei letzterem Verfahren wird ein Thymus¬
schatten respiratorische Verschieblichkeit zeigen, ent¬
sprechend dem Rehn’schen Symptom 1 ). Eine grosse
|) Auch wo keine auffälligen klinischen Zeichen einer Thymus-
ergrosserung vorliegen, soll in entsprechenden Fällen die Thymusregion
Bd r ^°f era ^° nem m ‘^iert werden (vgl. auch v. Haberer, Mitt. Grenzgeb.,
• *'); man wird dann gelegentlich doch eine vergrösserte Thymus
ein e °’ V - 6 um 8 e k®hrt trotz klinischer Zeichen einer Thymushyperplasie ,
fah Ter 8 r ^ 39 ej ;f ® 3 Organ nicht gefunden wird, was ich aus eigener Er-
1^8 bestätigen kann. Eine flache und weit nach unten liegende
/Mus kann übrigens auch dem Nachweis während der Operation ent- I
Thymus stellt keine Kontraindikation gegen die ope¬
rative Inangriffnahme eines Basedowfalles dar, viel¬
mehr kommt primäre Resektion der Thymus dort in
Betracht, wo die Schilddrüse klinisch nur geringe Ver¬
änderungen zeigt, und wo eine deutliche Thymushyper¬
plasie nachweisbar ist.
Mit Rücksicht auf die begleitende Hypoplasie des
Nebennierenmarkes erscheint die Vorbehandlung solcher
Patienten mit Adrenalin angezeigt.
Das Basedowblutbild ist zweifellos nicht aus¬
schliesslich von der Schilddrüse abhängig; neuere Beob¬
achtungen zeigen, dass auch die Thymus Beziehungen
zu der Basedowlympbocytose hat, indem durchTbymus-
resektion Blutbilder normal werden, die auf Schild¬
drüsenoperationen gar nicht oder nur in untergeordneter
Weise reagierten. Die dargelegten mannigfaltigen Be¬
ziehungen der Thymus zur Baaedow’schen Krankheit
zeigen, dass man der Schilddrüse zu unrecht ein ätio¬
logisches Monopol einräumte, so evident und einwand¬
frei die Bedeutung der pathologisch veränderten Schild¬
drüse für die Genese des Morbus Basedowii durch die
Erfolge der chirurgischen Therapie auch nachgewiesen
wurde. Gegen die uneingeschränkte Geltung derSchild-
drüsentheorie sprachen eigentlich von jeher die ope¬
rativen Misserfolge, die z. B. in der Dauerstatistik der
Küttner’schen Klinik 20 pCt. betragen, trotz mehr¬
maligen und ausgedehnten Strumareduktionen; es liegt
nahe, mit Capelle und Bayer eine hyperplastische
Thymus für diese Misserfolge verantwortlich zu machen.
Es ist deshalb eine wesentliche Aufgabe der künftigen
Basedowforschung, die Rolle der hyper plastischen
Thymus abzuklären; besondere Berücksichtigung ver¬
langt ferner das Nebennierenmark bzw. das chromaffine
System, und da auch an den Keimdrüsen, Hypophyse
und Epithelkörperchen Veränderungen beschrieben
werden, dürfte es angezeigt sein, das Verhalten aller
innersekretorischen Organe in den Kreis der Betrach¬
tung zu ziehen und jedenfalls ihrem anatomischen Ver¬
halten bei Basedowsektionen besondere Aufmersamkeit
zu schenken.
Möglicherweise bedingen die Resultate dieser Untersuchungen
eine weitere Einschränkung der Schilddrüsentheorie.
So neigt Lampe 1 ) der Auffassung zu, dass es sich bei der
Basedowschen Krankheit um eine Erkrankung der brancbiogenen
Organe handle, „dass der Kern zur späteren Krankheit in die
gemeinsame Anlage der gesamten Drüsen gelegt ist“.
Wir möchten nun nicht annehmen, dass jedes Organ, welches
makro- oder mikroskopische Veränderungen zeigt, auch wirklich
eine primäre ätiologische Bedeutung für den Morbus Basedowii
habe; doch nehmen Thymus und Schilddrüse nach dem heutigen
Stande der Forschung und besonders nach den chirurgisch thera¬
peutischen Erfahrungen eine besondere Stellung ein, die es jeden¬
falls rechtfertigt, diesen Drüsen eine bestimmte ätiologische Rolle
beizulcgen. Diese Annahme beruht auf der heute ziemlich allge¬
mein, wenn auch von gewisser Seite nur mit Einschränkung
acceptierten Anschauung von einer organätiologischen Basedow¬
genese, wobei unter dem Begriff des Organs speziell Drüsen mit
innerer Sekretion zu verstehen sind. Wie weit diese Auffassung
berechtigt ist, darüber kann man trotz der hervorragenden Er¬
folge der chirurgischen Therapie bei Morbus Basedowii heute noch
streiten, weil die Koeffekte der mit der heutigen chirurgischen
Basedowbehandlung verbundenen internen Therapie (Ruhe, Er-
nähruogs- und Klimatotherapie, psychische Beeinflussung) nicht
immer genau abgewogen werden können. So steht namentlich
die Frage einer primär neuropathischen Disposition der Basedow¬
patienten und damit die Möglichkeit einer neuro-thyreo-thymogenen
Entstehung des Basedow zur Diskussion. Der künftigen Forschung
bleibt auch zu entscheiden, wie weit die Veränderungen der ver¬
schiedenen innersekretorischen Organe primär oder sekundär sind
ob die pathologischen Funktionen gewisser Organe eventuell nur
Glieder eines Circulus vitiosus darstellen, uud welche pathogene-
gehen, wenn mau keine Spaltung des Sternums vornimmt. Deshalb sind
z. B. die Angaben A. Kocher’s über fehlenden Thymusnachweis intra
operationem nicht durchaus beweisend in der Frage der „Thymusfrequenz*
bei Morbus Basedowii.
1 ) Lampe, Die Bedeutung der Thymusdrüse für den Organismus.
Fortschritte der naturwissenschaftlichen Forschung, herausgegeben von
Abderhalden, 1912, Bd. 9.
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1370
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 20.
tische Bedeutung den einzelnen Faktoren tatsächlich zukomcnt.
Jedenfalls liegen genügende Anhaltspunkte vor, die Basedow’sche
Krankheit nicht mehr als Folge pathologischer Funktion eines
Organs, sondern als ein „pluriglanduläres Syndrom“ zu betrachten,
unter den vorstehend geltend gemachten Reserven.
BQcherbesprechungen.
A. Bier, B. Br»»», H. Klimm eil: Chirargisehe Oper»ti»n«l«ire.
Baues I. Lieferung 2. Mit 842 Abbildungen im Text. Leipzig 1914,
Job. Ambr. Barth. 449 S. 25 M.
Die jetzt erschienene zweite Lieferung des ersten Bandes enthält die
Operationen am Schädel und Gesichtsteil des Kopfes, an
der Wirbelsäule und am Rückenmark. Die von Tilmann-Köln
bearbeitete Schädelchirurgie erläutert neben den bewährten älteren
Methoden alle wichtigen therapeutischen Fortschritte, wie Hirnpunktion,
Balkenstich usw. in Wort und Bild. Die zahlreichen Blutstillungs-
methoden hei der Trepanation (Nicoli, Heidenhain, Wacker,
Kredel, Makkas, Bail, Vorschütz) siud lückenlos illustriert, ebenso
die endocraniellen, nasalen sublabialeD, oralen und pharyngealen
Methoden der Freilegung der Hypophysis. König - Marburg,
Leier-Jena und Wrede-Jena haben die Darstellung der Operationen
am Gesichtsteil des Kopfes übernommen. Die plastischen Operationen
im Gesicht und der Mundhöhle, die Operationen am Nervus facialis und
trigeminus, die Eingriffe an der Orbita, den Kiefern, der Zunge und den
Speicheldrüsen sind überaus anschaulich beschrieben und illustriert,
wobei auch die Technik der Lokalanästhesie, der Punktion der Trigeminus¬
stämme und des Ganglion Gasseri berücksichtigt ist. Mustergültig ist
ferner die Bearbeitung der Rückenmarkscbirurgie durch Schmieden-
Halle. Technik und Nachbehandlung der Laminektomie, Costo-
transversektomie, Förster’sche Operation, die Behandlung der Tumoren,
entzündlichen Prozesse (Meningitis serosa) und der Verletzungen er¬
scheinen äusserst instruktiv geschildert und naturgetreu abgebildet.
Manche Bilder sind in dem auf moderner Grundlage aufgebauten
Werk vielleicht entbehrlich, so z. B. dasjenige des alten nicht mehr ge¬
bräuchlichen Handtrepans und die Abbildung aller Zahnzangen. Auch
die elementare descriptive Anatomie der Wirbelsäule darf wohl bei deD
Lesern dieser Operationslehre als bekannt vorausgesetzt werden.
Das grosse dreibändige Werk liegt nunmehr vollendet vor. Sollen
wir ein Urteil über das Ganze abgeben, nachdem wir bisher nur die
einzelnen Lieferungen besprechen haben, so können wir es in die kurzen
Worte fassen: Die „chirurgische Operationslehre“ von Bier, Braun
und Kümmell stellt eine einzigartig grosszügige Leistung der deutschen
Chirurgie dar. Es gibt zurzeit weder im In lande, noch im Auslande
ein Werk, welches ihm an Gehalt und Form gleichwertig wäre.
Adler - Berlin-Pankow.
Walter Birk -Kiel: Leitfaden der Säogliegskrankheiten. Für
Studierende und Aerzte. Bonn 1914, A. Markus & E. Weber’s
Verlag. Preis 4,80 M.
Das Buoh von Birk wird bald zu den beliebten Kompendien des
Arztes und des Studierenden gehören, denn der Verf. hat seine Aufgabe,
über die Behandlung der Säuglingskrankheiten zu orientieren, mit aus¬
gezeichneter Prägnanz, mit bewundernswerter Kürze, die doch nie die Klar¬
heit der Darstellung beeinträchtigt, und mit seltenem Geschick in der Aus¬
wahl des Entbehrlichen gelöst. Naturgemäss nimmt in einem Buche über die
Säuglingskrankbeiten die Bearbeitung des Kapitels Ernährungsstörungen
den breitesten Raum ein. Diesem geht je ein Abschnitt über die Nahrung
und Ernährung des Säuglings und über die Physiologie und Pathologie
des Neugeborenen voraus. In den letzten Kapiteln werden die übrigen
Krankheiten des Säuglingsalters besprochen. Ihre relative Kürze ist
damit erklärt und gerechtfertigt, dass Verf. sich vielfach darauf be¬
schränkt, nur die Besonderheiten, die der Verlauf der betreffenden Er¬
krankungen im Säuglingsalter aufweist, und die daraus sich ergebenden
therapeutischen Maassnahmen zu besprechen.
Im übrigen begDÜgt sich das Büchlein mit der Darstellung von
Symptomatik und Therapie; auf die Pathogenese wird Dur so weit ein¬
gegangen, als es zum Verständnis einzelner Kapitel notwendig ist. Birk
ist ein Schüler Czerny’s aus der Breslauer Zeit; die damals gewonnenen
Anschauungen und praktischen Erfahrungen sind der Kern des vor¬
liegenden Buches.
F. Göppert- Güttingen*. Die Nasen-, Rachen- und Ohrerkranknngen
des Kindes in der täglichen Praxis. Berlin 1914, Julius Springer.
Preis 9 M.
Der Pädiater Göppert hat schon von jeher den Krankheiten der
Nase, des Rachens und der Ohren des Kindes sein besonderes Interesse
zugewandt. Als er noch Assistent in Czerny’s Klinik war, war er
schon unser, der anderen Assistenten, Consiliarius in diesen Fragen.
Seine regelmässig in der Monatsschrift für Kinderheilkunde erscheinenden
Sammelreferate über die Literatur des im vorliegenden Buche bearbeiteten
Spezialgebietes haben uns gezeigt, dass er später als praktischer Kinder¬
arzt und noch * später als Direktor der Universitäts-Kinderklinik in
Göttingen dem Studium der Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten seine
frühere Vorliebe bewahrt hat. Ref. hat auf die Entstehungsgeschichte
dieses Buches so ausführlich hingewiesen, um zu erklären, .wie es kam,
dass die anscheinend ausserhalb der kinderärztlichen Spezialität liegende
Materie von einem Pädiater bearbeitet wurde, und gleichzeitig, um die
Eigenart des Buches damit zu charakterisieren. Sie liegt in der Be¬
lehrung über den Zusammenhang der Erkrankungen des Rachens, der
Nase und der Ohren mit dem Allgemeinzustande des Kindes, sowohl
bezüglich der Aetiologie, wie auch besonders der Symptomatologie und
der Therapie. Das Buch zeigt ferner, was der allgemein praktizierende
Arzt oder Kinderarzt diagnostisch und therapeutisch auf diesem Gebiete
muss leisten können, und wo die Grenze für das Eingreifen des Spezia¬
listen liegt. An diese Grenze hält sieb auch Göppert mit seiner Dar¬
stellung. Wir finden aus seinem Buche alles ausgeschlossen, was spezial-
ärztlicbe Kenntnisse und Erfahrungen voraussetzt. Ueber das jedoch,
wa 9 jeder Praktiker auf diesem Gebiete diagnostisch und therapeutisch —
technisch — muss leisten können, orientiert Verf. in feiner, klarer
Weise, mit der Praxis abgelauschten ausgezeichneten Vorschriften und
kleinen Kunstgriffen und erläutert seine Darstellung mit prächtigen Ab¬
bildungen. Da dies Buch von einem Kinderarzt geschrieben ist, liegt
natürlich sein Hauptwert in der Beherrschung der Zusammenhänge der
lokalen Erkrankung mit dem Allgemeinzustande des Kindes, und in
dieser Richtung ist die Darstellung Göppert’s vorbildlich.
So kann dieses Buch mit uneingeschränktem Lobe empfohlen werden
sowohl den praktischen Aerzten und den Spezialärzten für Kinderkrank¬
heiten als auch den Spezialärzten für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
Sie werden bei dem Studium des üöppert’schen Buches jeder seinen
Teil Belehrung finden. R. Weigert-Breslau.
Karl Pearson, F.R.S., E. Nettleship, F.R.C.S., and C. H. Daker,
M. B. B. C. Camb.: A monograph ob albinism in van. London
1911, Dulau and Co.
Obiges Standardwerk über den Albinismus beim Menschen erscheint
als ein Teil von Drap er’s Company research memoirs biometric
series VI. Bisher sind die stattlichen Bände I, II und IV jeder mit aus¬
führlichem Atlas erschienen. Die Autoren bringen auf prachtvoll aus¬
gestatteten Tafelserien eine derartige Fülle von Anschauungsmaterial über
Albinismus und seine Erblichkeit im Menschen und Tierreich, dass oft
die Uebersicht über den Aufbau des ganzen Werkes leidet. Die Haupt-
rassen der Menschen sind in vollendeten Photographien wiedergegeben,
wird doch bei keiner Rasse Albinismus gänzlich vermisst. Die für so
extrem seiten gehaltene Scheckenbildung beim Menschen erscheint in so
vielen Exemplaren, dass mit ihr wieder ein Unterschied zwischen den
Haustiereigenschaften und den Eigenheiten des Menschengeschlechtes
fällt. Bei wilden Tieren wird beim Hyänenhund, sonst aber wohl kaum
atypische Scheckenbildung beobachtet. Bei den gescheckten Negern und
Negerbastarden tritt eine sehr auffällige Lokalisation der weissen Stellen
zutage. Ein weisser Teil in der Mitte des Schädels und Gesichtes tritt
bei der Mehrzahl der Schecken auf, ebenso völlig schwarze Extremitaten-
euden, wie bei der Russen genannten Kaninchenrasse. Von Tieren
werden albinotische Vögel, Fledermäuse, Igel, Hunde, Hasen, Kaninchen
und Pferde in ganzen Serien abgebildet. Ein ganzer Band ist der graphi¬
schen Darstellung der Erblichkeit des Albinismus durch Stammbäume
gewidmet. Für Hautärzte haben die abgebildeten Fälle von erworbenem
Albinismus ein besonderes Interesse. Die Pigmentanordnung in den
Augen albinotischer Menschen und Tiere wird die Augenärzte inter¬
essieren. Bezüglich der Haare finden sich Abweichungen nur in der
Pigmentanordnung bei Albinos, während die sonstigen Rasseneigenheiten
der Haare bei allen Albinos wohl erhalten bleiben. Wenn das kostbare
Werk abgeschlossen vor uns liegen wird, sollte ein grosser Teil der wissen¬
schaftlich arbeitenden Aerzte der monumentalen Arbeit Beachtungschenken,
namentlich alle diejenigen, welche sich der Wichtigkeit der Erbforschung
beim Menschen bewusst sind. Friedentbal.
Eduard Müller*. Die Therapie des praktischen Arztes. Bd. 1: Thera¬
peutische Fortbildung VI. 1056 S. Geb. 10,50 M- — Bd. 2: Rezept¬
taschenbuch (mit Anhang) VI. 664 S. Geb. 6,40 M. Verlag von
Julius Springer, Berlin.
Bei der steten Produktion und Empfehlung neuer (chemischer, diäte¬
tischer) Heilmittel und der täglich zunehmenden Menge physikalischer
und andersartiger therapeutischer Versuche wird es dem praktischen Arzt
oft schwer oder unmöglich sein, das Rechte und Wertvolle zu finden und
die Indikationen des einen oder anderen Eingriffs sicher zu erkennen.
Der jüngere Praktiker wird seinerseits oft des Rates bedürfen, wie er im
praktischen Leben und bei den verschiedenen sozialen Umständen die
im Studium, Klinik oder Krankenhaus erworbenen Kenntnisse praktisch
verwerten soll.
In diesen Fällen will E. Müller’s Therapie des praktischen Arztes
beistehen. Sicher ist ein solches Unternehmen freudig zu begrüssen, und
die Namen der Mitarbeiter beweisen, dass dieser Gedanke E. Müllers
auch guten Anklang gefunden bat. ( ,_
Der l. Band, die „therapeutische Fortbildung 8 , die duren
jährlich erscheinende Bände ausgebaut und fortgesetzt werden soll, ent¬
hält eine grosse Reihe von Aufsätzen bekannter Kliniker über ihre
speziellen Arbeitsgebiete. Die Dermatologie ist vertreten durch
Neisser, Bruck, Hübner, Veiel, Zieler, Kiingmüller, Bering,
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UNIVERSUM OF IOWA
20. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1371
Siebert io Arbeiten über Geschlechtskrankheiten und ärztlichen Ehe¬
konsens, Behandlung der Syphilis, Gonorrhöe, Hauttuberkulose, des
Ekzems, Hautjuckens und der parasitären Hauterkrankungen, sowie ärzt-
licke Kosmetik. Aus dem Gebiete der Kinderheilkunde (Vogt,
Stolte und Kleinschmidt) finden wir die Ernährung, die Tuberkulose
und Pylorusstenose der Säuglinge, die Technik ihrer Pflege und die
Säuglingsfürsorge bearbeitet. Die Therapie in der inneren Medizin
ist durch zahlreiche Arbeiten in Angriff genommen. So behandelt
Mattbes: die chronischen Darmerkrankungen; Bruns, Forschbach,
Frank und Härter: Asthma, Diabetes mellitus, Gicht, Nierenerkran-
kungeD, Fettsucht usw. Zangemeister und Esch besprechen die
wichtigsten geburtshilflichen Operationen im Privathause. Die
Asepsis des Arztes von König, die chirurgische Behandlung der Chole-
lithiasia von Poppert seien aus den chirurgischen Aufsätzen erwähnt
Vossius bespricht die ersten ärztlichen Hilfeleistungen bei Verletzungen
usw. des Auges. Daneben finden sich noch Mitteilungen über die Be¬
handlung von Vestibularerkrankungen, Zahnschmerzen, über die Histo¬
logie der Geschwülste, über technische Neuerungen der Krankenpflege,
über Kurpfuscher und ärztliche Sektierer, ärztliche Standesrechte und
-pflichten, die Bestimmungen der Wehr- und Dienstpflicht, der staats-
äntlichen Prüfung usw. Zahlreiche Abbildungen sind beigegeben.
Der Band enthält also, wie schon aus dieser einfachen Aufführung
hervorgeht, viel mehr, als er verspricht. Die meisten Mitarbeiter haben
auch mit sehr grossem Erfolg — dem Zwecke des Buches entsprechend —
für den praktischen Arzt wirklich recht Brauchbares und Gutes ge¬
schaffen. Die meisten Mitteilungen sind klar, gründlich und übersicht¬
lich. Wenn einzelne Autoren (z. B. Hürter) durch allzugrosse Voll¬
ständigkeit noch über das Ziel binausschiessen, so ist das bei einem
solchen ersten Versuch entschuldbar.
Der 2.Band, das Rezepttaschenbucb, enthält die von Frey be¬
arbeitete Arzneitaxe, die gebräuchlichsten Arzneimittel, Badekurorte usw.,
die akuten Vergiftungen und ihre Behandlung. Die Grundlagen der
Serumtberapie (Römer) und die Sera, Tuberkuloseheilmittel usw,(Siebert)
und die Geheimmittel (Arends) sind ausführlich zusammengestellt. Die
vollständige Zusammenstellung der diätetischen Mittel (Strassner) und
der Heilanstalten ist sehr praktisch. Die Aufnahme der ärztlichen Ge¬
bührenordnung, der Steuerpflicht des Arztes usw. wird manchem dankens¬
wert erscheinen. Auch hier also eine Fülle von praktisch ausserordentlich
wichtigen Zusammenstellungen.
Anerkennenswert ist der niedrige Preis der bisher vorliegen¬
den, gut ausgestatteten Bände. Einen dringlichen Wunsch hätte Ref.
nur für die nächsten Bände zu äussern: einen etwas grösseren Schrift¬
satz. Die verwendeten kleinen Lettern und die engstehenden Zeilen
erschweren das Lesen besonders für Schwach- oder Alterssichtige und
können den Genuss der Bücher beeinträchtigen.
Die Therapie des praktischen Arztes — der 3. Band, „diagnostisch-
therapeutisches Taschenbuch“, soll bald folgen — kann darum dem
Praktiker nur recht dringend empfohlen werden.
Bittorf - Breslau.
Heinrich Joachim und Alfred Korn: Grundriss des deutschen
Aerzterechts für Studierende, Aerzte nnd Verw<ungsbe&mte.
Jena 1914, Gustav Fischer.
Ausgehend von der Erwägung, dass dem Medizinstudierenden bei
dem Uebermaass des Lernstoffs, den er fürs Examen gebraucht, wenig
Zeit zur Beschäftigung mit dem Aerzterecht bleibt und so eine Lücke
entsteht, die sich für den angehenden Praktiker oft recht empfindlich
bemerkbar macht, haben die beiden literarischen Dioskuren die wich¬
tigsten Gesetze und Verordnungen des Rechts und der grossen Bundes¬
staaten, sowie eine Reihe praktisch wichtiger Fragen aus dem ärztlichen
Bemfskreis für die Zwecke des jungen Mediziners bearbeitet. Besonders
eingehend behandelt ist demgemäss die Stellung des Arztes in der
sozialen Versicherung; der Honoraranspruch; die Anzeigepflicht; die
Ehrengerichtsbarkeit; überhaupt das Verhältnis des Arztes zu seinen
Standesgenossen. Das Buch hat in Gliederung, klarer Prägung der Dar-
«ellung, erschöpfender Sachkenntnis die Vorzüge, die wir an den
früheren Werken der Verf. rühmen konnten. Es wird dem angehenden
Arzt, aber auch dem Juristen und Verwaltungsbeamten ein willkommener
Euhrer sein. Voll mann.
Literatur-Auszttge.
Physiologie.
0. Warburg: Zellstruktur and Oxydationsgeschwindigkeit nach
J***f 6n am Seeigelci. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 3-5.) Versuche
dl * v ^sretoffverbraueh zerstörter Seeigeleier, deren Zerstörung je-
oen nicht, wie früher, durch Zerreibung geschah, vielmehr dadurch,
ws aie Gallerthüllen und Befruchtungsmembranen entfernt, dann die
fliftl cen V^ u ^ er t ttQ d geschüttelt wurden. Bei letzterer Prozedur zer-
. a s * e - Bas so gewonnene Material zeichnet sich dadurch aus, dass
vJj 1 f ° ur Sauerstoff verbraucht, sondern auch Kohlensäure produziert,
nid» * 4 - ? UD ’ ^ aM at,s unbefruchteten Eiern gewonnenes Material zu-
itauA * r * er atmet > als gleiche Menge intakter Eier. Dagegen
« fltt aus befruchteten Eiern gewonnene viel schwächer als diese
selbst. Zerstörtes Eimaterial aus n n befruchteten und befruohteten Eiern
atmet fast gleich. Die enorme Mehratmung befruchteter gegenüber un¬
befruchteten intakten Eiern häDgt also mit der Eistruktur zusammen.
Bei dem Material zerstörter Eier ist der grössere Teil des Sauerstoff¬
verbrauchs an körnige Teilchen gebunden. Spermatozoon, die bei der
Befruchtung intakter Eier die Oxydationsprozesse erheblich steigern,
haben diese Wirkung auf das Material zerstörter Eier nicht. Auch hier
spielt die Eistruktur bzw. deren Aenderung durch das Sperma eine Rolle.
F. Zuckraayer: Ueber die Frauenmilch der ersten Laktations¬
zeit nnd den Einflass einer Kalk- and Phosphorsäurezalage auf ibre
Zusammensetzung. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 3—5.) Verf. untersuchte
den Kalk- und Phosphorsäuregehalt der Milch von Frauen, die zumeist
nach der Entbindung, zum Teil schon in der Schwangerschaft eine Zu¬
lage von Tricalcol (= colloidales Tricalciumphosphatcasein) zur Nahrung
erhielten. Die Kalk- und Pliosphorsäurewerte der Frauenmilch stimmten
mit den von Schloss gefundenen; die bestehenden individuellen Schwan¬
kungen wurden durch Tricalcol nicht beseitigt. Dagegen ergab sich,
dass im Mittel Kalk- und Phosphorsäuregehalt der Milch der Frauen,
die Tricalcol schon in der Schwangerschaft erhalten hatten, höher war
als bei denjenigen, die es erst nach der Entbindung erhielten. Der
Kalkgehalt lag um etwa lOpCt. höher.
0. Loewi und 0. Weselko: Ueber den Kohlehydratnmsatz dos
isolierten Herzens normaler nnd diabetischer Tiere. (Pflüg. Arch.,
Bd. 158, H. 3—5.) Die Versuche sind am isolierten Kaninchenherzen
ausgeführt im Locke’schen Apparat. Die Verff. zeigen zunächst, dass
bei der Durchströmung das Glykogen des Herzens nicht angegriffen wird.
Bei Herzen von durch Adrenalineinspritzung diabetisch gemachten
Kaninchen ist der Glykogengehalt so hoch wie bei den normalen und
nimmt durch Durchspülung auch nicht ab. Nur wenn zur Durcbströmung
zuckerfreie Lockolösung benutzt wird, verschwindet das Glykogen aus
dem Herzen, aber nicht durch eintretenden Bedarf an Glykose, denn es
schwindet auch, wenn anstatt der normalen, sauerstoffhaltigen Locke¬
lösung mit Stickstoff gesättigte oder calciumfreie oder lävulosehaltige
benutzt wird. Werden glykogenfreie Herzen mit zuckerhaltiger LösuDg
durchspült, so wird von den Adrenalin herzen weniger Zucker ge¬
spalten als von den normalen; es besteht bei ersteren eine primäre
Schwächung der Fähigkeit, Glykose zu zerlegen. Diese kann durch ver¬
schiedene Dinge aufgehoben werden; so durch Durcbströmung mit
adrenalinhaltiger Lösung oder mit kali- oder caliumarmer Lösung. —
Wegen weiterer Einzelheiten sei auf das (Jriginal verwiesen.
0. Polimanti: Ueber die Natur des Winterschlafes. Eine Ant¬
wort an Fr. Mares. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 3—5.) Polemisches
gegen die das gleiche Thema behandelnde Arbeit von Mare 9 (Pflüg.
Arch., Bd. 155).
J. K., A. Wertheim-Salomonson: Theoretisches und Praktisches
zum Saitengalvanometer. Saitengestalt, magnetische Feldstärke, Normal¬
empfindlichkeit und Aluminiumsaiten. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 3—5.)
Auf die theoretischen Betrachtungen von W.-S., deren Inhalt in der
Ueberschrift angegeben ist, kann in einem Referat nicht eingegangen
werden. Praktisch bemerkenswert ist, dass auf Veranlassung von
W.-S. nun eine Aluminiumsaite hergestellt wird, deren Benutzung
grosse Vorteile darzubieten scheint und die die bisher benutzte Quarzsaite
vielleicht teilweise verdrängen wird.
C. E. Benjamins: Ueber die Untersuchung des Herzens von der
Speiseröhre aas, das Oesophagogramm, die ösopheale Auscultation
und die Registrierung der ösophagealen Herztöne. (Pflüg. Arch.,
Bd. 158, H. 3—5.) Verf. hat seine Versuche am Menschen angestelit.
Ec beschreibt genau sein durch Tampon unten geschlossenes Oesophago-
skop, dass er zur Registrierung und Auscultation der Herztöne benutzte.
Es muss etwa 35 cm vorgeschoben werden, bis an eine Stelle, die den
Atrien des Herzens benachbart ist. Man hört dann bei Ausoultation vier
Geräusche: zwei laute und zwei leise. Letztere gehören den Vorkammern
an. Zur Registrierung benutztVerf. ein modifiziertes Phonendoskop. Er stellt
dabei fest, dass die Vorkammersystole zum mindesten bis zum Beginn
der Kammerkontraktion dauert. Das Oesophagogramm zeigt drei Er¬
hebungen und drei Senkungen, die den der Vorkammerdruckkurve und
der Jugularvenenkurve entsprechen. A. Loewy.
Beritoff: Die centrale reziproke Hemmung anf Grand der elek¬
trischen Erseheinangen am Mnskel. I. Mitteilung: Ueber die Hemmnngs-
rhythmik bei der reflektorischen Innervation. (Zschr. f. Biol., Bd. 64,
H. 4 u. 5.) Die centrale reciproke Hemmung verläuft rhythmisch ebenso
wie die centrale Erregung. Die Dauer von jedem hemmenden Impuls
beträgt < 0,01 Sek. Der Rhythmus der Hemmung ist veränderlich: im
Moment seiner maximalen Tätigkeit erreicht er 100 in der Sekunde.
Beritoff: Ueber die Erregungsrhythmik der Skelettmuskeli bei
der reflektorischen Innervation. (Zschr. f. Biol., Bd. 64, H. 4 u. 5.)
Der höchste Rhythmus der Muskelerregung im Beugungsreflex und* die
Eigentümlichkeiten des Erregungsverlaufes bei ReizuDgen mit verschie¬
dener Frequenz zeigen keine merklichen Unterschiede in Abhängigkeit
vom Vorhandensein oder Fehlen sekundärer peripherer Impulse, z. B.
von seiten der Muskeln, Sehnen oder Gelenke. Ebenso zeigt sich kein
Unterschied des Rhythmus beim Vorhandensein oder Fehlen peripherischer
Sensibilität.
Hacker-Würzburg: Versuche über die Schiebung der Nervenenden
in der Haut. (Zschr. f. Biol., Bd. 64, H. 4 u. 5.) Alle Mittel, welche
von aussen her lähmend oder zerstörend auf die Haut einwirken, bringen
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UNIVERSUM OF IOWA
1372
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
zuerst die Schmerzempfindung, dann die Kälteempfinduog und zuletzt
Wärme- und Druckempfindung zum verschwinden. Bei Injektionen in
das Cutisgewebe lähmen narkotische Mittel (Cocain) als auch Mittel,
welche durch osmotische Spaonungsdifferenz auf die Zellen einwirken,
wie auch die Haut schädigende Mittel (Jod) die Schmerz- und Kälte¬
nerven früher als die Wärme- uud Drucknerven. B i intensiver Kälte-
eiowirkung geht die Lähmung der einzelnen Empfindungsqualitäten io
derselben Reihenfolge vor sich. Es wird dadurch die Annahme von
v. Frey sichergestellt, dass die Schmerznerven die oberflächlichste Lage
einnehmen und dass die Wärmeorgane in einem tieferen Niveau liegen
als die Kälteorgane.
Hack er--Würzburg: Reversible Lähmungen von Hantnerven durch
Säuren und Salze. (Zschr. f. Biol., Bd. 64, ü. 4 u. 5.) Durch Säuren,
sowohl anorganische wie organische, können in entsprechenden Ver¬
dünnungen reversible LabmuDgen erzeugt werden. Dies lässt sich durch
die vorübergehende Anästhesie bei intracutanen Injektionen am Menschen
nachweiseD, wie auch durch die Erhöhung der Erregbarkeitsscbwelle für
elektrische Reizung am Frosehischiadicus, welche ebenfalls völlig rück¬
gängig gemacht werden kann. Die Stärke der lähmenden Wirkung ist
in weitgehendem Maasse von der Konzentration der H Ionen abhängig.
Basen rufen bei Injektionen in verdünnten Lösungen eine Hyperalgesie
hervor, die wahrscheinlich sekundär durch die gleichzeitg auftretende
Hyperämie bedingt ist. Kretschmer.
G. Bikeles und L. Zbyszewski: Die Erregbarkeit der Gross-
hirnriude und Auslösbarkeit von Rindenepilepsie unter Einfluss von
Schlafmitteln wie nach Verabreichung grösserer Bromgaben. (Pflüg.
Arch., Bd. 158, H. 8—5.) Die Versuche sind an Hunden ausgeführt, bei
denen die Erregbarkeitsschwelle und das Auftreten Jackson’scher
Krämpfe auf elektrische Reizung der psychomotorischen Centren der
Groasbirnrinde ermittelt wurde, zunächst in der Norm, dann nach Zu¬
fuhr von Schlafmitteln. Die Verff. fanden, dass durch Schlafmittel die
Auslösbarkeit der Rindenepilepsie erschwert oder aufgehoben sein kann,
ohne dass die Erregbarkeitsschwelle geändert zu sein braucht. Die Un-
auslosbarkeit der Rindenepilepsie durch Narcotica ist nicht gebunden
an eine Aufhebung der Riodenfunktion überhaupt oder an eine schiaf-
raachende Wirkung; sie findet sich auch bei vollständig wachen Tieren.
Gegenüber den Hypnoticis (Dormiol, Bromural, Amylenhydrat, Adalin)
haben einmalige BromgabeD, selbst intravenös verabreicht, keinen
Einfluss auf die Erregbarkeit der Rindencentren oder auf Auslösung von
Rindenepilepsie; wirksam sind jedoch mehrere Tage fortgesetzte Brom¬
gaben. A. Loewy.
Pharmakologie.
W. E. Beresin: Üeber die Wirkung der Gifte auf die Lnngen-
gefässe. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 8—5.) Nach einer historischen
Uebersicht teilt B. seine an Kaninchenlungen ausgeführten Versuche
mit. Die Lungen wurden mit Locke’scher Flüssigkeit unter Zusatz ver¬
schiedener Gifte durebspült, die Menge der ausfliessenden Flüssigkeit
wurde gemessen. Es ergab sich, dass Adrenalin in Konzentrationen, die
auf die peripherischen Gefässe stark kontrahierend wirken, die Lungen-
gefässe unbeeinflusst liess oder bedeutend erweiterte. Nicotin, Histamin,
Pilocarpin, Chlorbarium verengern die Lungengefässe. Coffein macht
zunächst Verengerung, darauf folgend Erweiterung. Atropin wirkt an
sich nicht, hebt aber die Verengerung durch Pilocarpin oder Histamin auf.
A. Loewy.
W. W. Herrick-New York: Ueber die Einwirkung des Atropins
auf die eosinophilen Lenkocyten. (Arch. of int.med., 1914, Bd. 13, H. 5.)
Die Versuche wurden an Meerschweinchen ausgeführt und ergaben, dass
gewöhnliche, nicht toxische Atropindosen keinen erheblichen Einfluss auf
die Zahl der Eosinophilen im Blut ausübten. Toxische Dosen führten
neben einer allgemeinen Ernährungsstörung und Körpergewicbtsabnabme
zu einer Verminderung der eosinophilen Blutzellen. Mindestens den¬
selben Effekt hatten Injektionen, die öfter als alle 12 Stunden gemacht
wurden. c - Eayser.
Therapie.
Roher-Grabowsee: Hydrastinin „Bayer“ bei Lnngenblntnng. (Ther.
Mb., Juli 1914.) An der Hand von 5 Krankengeschichten berichtet Verf.
über die geradezu eklatante Wirkung von Hydrastinin „Bayer“ bei
Hämoptoen. Gegenüber dem im Extr. Hydrast. fluid, enthaltenen
Hydrastin besitzt Hydrastinin die Vorzüge der rascheren, stärkeren
und zuverlässigeren Wirkung und der konstanten Zusammensetzung. Das
synthetische Hydrastinin gelangt in drei Formen in den Handel: a) als
Liquor HydrastiniDi „Bayer“, b) als Tablettae Hydr. B., c) als Ampullae
Hydr. B.; es ist dies eine sterile 2proz. Lösung. Verf. bat das Mittel
nur subcutan in letztgenannter Form angewandt und in keinem Fall
eine Reizung oder gar Abscedierung an der Einstichstelle beobachtet.
K. Knopf.
Dudley: Amöbenrnhr und Leberabseess behandelt mit salzsaurem
Emetin. (Ther. Gaz., 1914, Nr. 6.) Verf. bekam bei seinen mit Emetin
gespritzten Fällen von Dysenterie nie einen Leberabscess. Ein beginnender
Abscess bildete sich zurück. Sehe lenz.
B. J. Courtney - Sokoto: Die Behandlung der Lepra mit intra¬
venösen Jodoforminjektionen. (Lanc., 27. Juni 1914, Nr. 4789.) Der
Verf. berichtet über günstige Erfolge bei der Leprabehaodlung mit intra¬
venösen Jodoforminjektionen, wie sie Croftan bei Tuberkulose gemacht
hat. Die Erfolge ergaben sich bei der knotigen und der gemischten
Form, die anästhetische blieb unbeeinflusst. Möglichst frühzeitige Be¬
handlung ist nötig. Weydemann.
H. Feldt: Tnberkelbacillns nnd Kupfer. (M.m.W., 1914, Nr. 26.)
Erwiderung auf die Veiöffentlicbung von Gräfin v. Linden. Kupfer als
einfaches Kation, ebenso wie als komplexes Anion hemmt die Entwicklung
des Tuberkelbacillus in Verdünnungen von unterhalb 1:5000 bis unter¬
halb 1:50 000, Die chemischen Relationen zwischen Tuberkelbacillus
und Kupfer als „spezifisch“ zu bezeichnen, widerspricht den experimentell
gewonnenen Tatsachen.
C. Moewes und K. J au er-Berlin-Lichterfelde: Beitrag zur Kapfer-
behandlnng der Lnngentnberknlose. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) Benutzt
wurde das Kupferpräparat Lecutyl (Bayer & Co.). Die Tierversuche er¬
gaben eine gänzliche Wirkungslosigkeit des Lecutyls bei infizierten
Meerschweinchen. Aehnliche Resultate wurden bei Phthisikern des II.
und III. Stadiums erzielt, bei denen entweder zweimal wöchentlich 1 ccm
des Präparats intramuskulär (sehr schmerzhaft!) oder 7* ccm, steigend
bis za 2,5 ccm, aufgefüllt auf 5—10 ccm Kochsalzlösung, ebenfalls
zweimal wöchentlich injiziert wurde.
Th. Messerschmidt-Strassburg: Die Yaecinetherapie der chro¬
nischen Fnrnnknlose der Haut. (M.m.W., 1914, Nr. 25.) (Vortrag,
gehalten in der Strassburger militärärztlichen Gesellschaft am 4. Mai 1914.)
Von 16 Fällen mit Furunkolose wurden 14 sehr gut mit Vaccine be¬
einflusst. Die zwei Patienten, bei denen kein Erfolg zu erzielen war,
betrafen einen atrophischen Säugling und eine nekrotisierende Acne.
Dünner.
M. J. Breitmann-St. Petersburg: üeber die Syphilisbebandlnig
mit Cbininderiraten. (Ther. Mh., Juli 1914.) Verf. empfiehlt folgende
Zusammenstellung zur subcutanen Injektion bei Syphilis, die er seit
langer Zeit erfolgreich erprobt bat: Chinini muriat. 3,0; Antipyrin 2,0;
solve in aqua fervente 6,0. Er wendet sich an alle Kollegen mit ein¬
schlägiger Praxis mit der Bitte, das Mittel zu erproben und ibm die
Resultate nach St. Petersburg, Sabalkanski Prosp. 40, mitteilen zu
wollen, da er die Ergebnisse zu einer umfassenden Arbeit zusammenzu¬
stellen beabsichtigt.
H. L. Eloner-Syracus: Prophylaxe und Therapie der Herzschwäche
bei Pnenmonie. (Ther. Mh., Juli 1914.) Ganz ausführliche Besprechung
aller in Betracht kommenden physikalischen und medikamentösen Hilfs¬
mittel zur Verhütung und Behandlung der Herzschwäche bei Pneumonie.
H. Quincke-Kiel-Frankfurt a. M.: üeber die therapentiseheo
Leistungen der Lumbalpunktion. (Ther. Mh., Juli 1914.) Verf. stellt
folgende Grundsätze für die Anwendung der Lumbalpuuktion auf: 1. Die
Lumbalpunktion ist grundsätzlich anzuwenden, wo bei einer leben¬
bedrohenden cerebrospinalen Drucksteigerung ein Flüssigkeitserguss als
Ursache oder als mitbeteiligt vermutet werden darf. 2. Auch bei minder
schweren Drucksymptomen gleichen Ursprungs ist von der Lumbalpunktion
Linderung der Beschwerden zu erwarten. 8. In akuten Fällen einfacher
seröser Transsudationen wird oft schon durch eine Lumbalpunktion auf¬
fällige Besserung herbeigeführt. 4. Wo die Besserung vorübergebt, muss
die Lumbalpunktion wiederholt werden, in akuten Fällen täglich, in
chronischen in Intervallen von 3 bis 10 Tagen, selbst monatelang.
5. Bei diesen fortgesetzten Punktionen sind bei der Indikation für den
einzelnen Eingriff ebensowohl der Krankheitsverlauf wie die einzelnen
Symptome und die Ergebnisse der früheren Punktionen zu berücksichtigen.
6 . Bei jeder Lumbalpunktion sind Anfangs- und Enddruck sowie die
entzogene Flüssigkeitsmenge zu messen. 7. Bei eitriger bacillärer Cerebro¬
spinalmeningitis wird durch methodisch wiederholte Punktionen sicher
sehr häufig günstiger AusgaDg ermöglicht, bei tuberkulöser wenigstens
in seltenen einzelnen Fällen. 8. Hirntumoren oder der Verdacht darauf
bilden keine Kontraindikation gegen Lumbalpunktion, wenn dieselbe mit
gehöriger Vorsicht ausgeführt wird. Die Punktion kann Besserung der
Symptome für längere Zeit, selbst bis zum Verschwinden der Stauungs¬
papille zur Folge haben. H. Knopf.
E. Grafe - Heidelberg: Caramelkuren bei Diabetikern. (M.m.W.,
1914, Nr. 26.) Aus der interessanten und therapeutisch wichtigen
Arbeit seien nur einige Punkte hervorgehoben: G. versuchte, Zucker,
dessen Konstitution thermisch verändert wurde, seinen Diabetikern zu
verfüttern. Er ging so vor, dass er gewöhnlichen Zucker l /»— 9 U Stunden
bei 200° erhitzte. Es entsteht ein vielkammeriges Gebilde, das sich in
heissem Wasser löst. Fabrikmassig kann man dieses Caramel durch
Merck-Darmstadt unter dem Namen Caranose beziehen. Caranose hat
einen hohen Calorienwert (4,3—4,6 Calorien). Die Versuche, deren
Details im Original nachzulesen sind, ergaben bei einer Reihe von
Diabetikern sehr gute Resultate, die tabellarisch dargestellt werden, hs
erfolgte meistens eine wesentliche Besserung der Acidose. Dünner.
Schuttes - Grabowsee: Erfahrungen mit dem Friedman» senen
Tnberkilosemittel. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Absolut ungünstige Re*
sultate bei der Behandlung von 46 Lungen tuberlosen.
E. Meinicke - Hellersen: Ueber das Friedman»’ache Tnberknlose-
mittel. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Bericht über 46 behandelte Lungen¬
tuberkulosen. Das Mittel hat „durchaus versagt“. M. muss vor seiner
Anwendung warnen, da auch direkte Schädigungen einzelner Kranken
dem Mittel zur Last zu legen sind. Das Friedmann’sche Heilmittel ist
»ein recht gefährliches Mittel“. Wolfsohn.
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UMIVERSITY OF IOWA —
20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1373
A. Sandisan-Croydon: Lungenfibrose, behandelt mit einem Vaeein
TOB Bacillus Friedlaender. (Lancet, 27. Juni 1914, Nr. 4739.) Der
Patient litt an einer ausgebreiteten chronischen Verdichtung einer Lunge
mit schwerer Dyspnoe und Herzklopfen. Nach 6 Injektionen eines Stoek-
vaccins ?om Bacillus Friedländer trat Heilung ein, ohne dass andere
Medikamente benutzt wurden. Weydemann.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
Burns: Herzklappenfehler and Tuberkulose. (Araer. journ. of med.
scienc., 1914, No. 507.) Zusammenfassende Besprechung über das Zu»
saramentreffen von Klappenfehlern mit Lungentuberkulose. In 15 pCt.
bei Männern, 14 pCt. bei Frauen fanden sich Veränderungen am Herzen.
Schelenz.
H. v. Engelbrecht:Qamburg: Ueber Altersveränderungen in den
Knorpelringen der Trachea. (Virch. Arcb., Bd. 216, H. 3.) Man findet
in den Trachealringen alter Leute in den meisten Fällen das Auftreten
scharf abgegreDzter unregelmässiger kleiner Herdchen im Knorpel, die
aus wirr durcheinander liegenden ganz feinen Fäserchen bestehen. Diese
Herde, die sich schlecht färben lassen, sind unregelmässig angeordnete
feine Spalten im sonst unveränderten Koorpelgewebe. Ein Zusammen¬
hang der ebenfalls häufig vorkommenden Verkalkungen mit diesen
faserigen Heidcbeo, die als „feinfaserige Zerklüftung“ bezeichnet wird,
konnte nicht nacbgewiesen werden. Ausser diesen Veränderungen kann
man noch oft Fett in den Knorpelhöhlen nachweisen.
A. W. Pinner.
W. Peters*Bonn: Ueber Zwerchfellbrüche. (D.m.W., 1914, Nr. 27.)
Beschreibung und Abbildung eines einschlägigen Falles. Das Colon
transversum war durch den Zwerchfelldefekt verschwunden.
Wolfsohn.
F. K. Burtlett-Chicago: Ueber multiple, primäre, maligne Tn-
Boren. (Arch. of int. med., 1914, Bd. 13, Nr. 4.) Multiple, primäre,
maligne Tumoren finden sich in 0,2 pCt. aller Fälle von malignen Neu¬
bildungen. Bericht über 2 einschlägige Fälle beim Hunde. In dem
einen Falle handelte es sich um ein Thyreoideaoarcinom und Hyper¬
nephrom beider Nebennieren, in dem anderen ebenfalls um ein Schild-
drüsencarcinom und einen Mischtumor der Mamma, ähnlich den Myxomen
der Parotis. C. Kays er.
Fr. Wohlwill-Hamburg: Ueber amöboide Glia. (Virch. Arch.,
Bd.216, H. 3.) Die von Alzheimer entdeckte und benannte amöboide
Glia, deren Zellen kleinen, stark färbbaren Kern, reichliches Plasma mit
pseudopodienartigen Fortsätzen besitzen, und der die Fasern fehlen,
kommt nach den Untersuchungen des Verf. bisweilen beim postmortalen
Zerfall der Glia vor. Ebenso findet man amöboide Glia bei Infektions¬
krankheiten, die ante mortem cerebrale Erscheinungen hervorgerufen
babeo, und bei gröberen Veränderungen des Centralnervensysteras, ins¬
besondere bei den durch Circulationsstörungen bewirkten. Die Art der
Entstehung der Gliaveränderung lässt Verf. unentschieden, doch vermutet
er, dass sie auf Quellungsvorgängen beruht. Da die zwischen Tod und
Sektion verflossene Zeit für den Befund der amöboiden Glia ohne Belang
ist, so glaubt Verf., dass es sich meist um eine vitale Veränderung
handelt.
B. Heye-Hamburg: Untersuchungen über die Cerebrospinalflnssig-
u\\ ii der Leiche. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Der in gleicher
Weise wie beim Lebenden durch Lumbalpunktion gewonnene Liquor
wurde bakteriologisch und cytologisch untersucht. Es fanden sich ausser
den Erregern der eitrigen Meningitis im allgemeinen nur in einigen
Fallen Bakterien, deren Vorhandensein nach des Verf.’s Erfahrungen
einen Schluss auf histologische Veränderungen der Hirnhäute zu lasst.
Während sich die im Liquor der Leiohe nachweisbaren Mikroorganismen
*7 mit Ausnahme der Dipbtberiebacillen — auch aus dem Leichenblut
rächten lassen, bleibt die Liquorkultur bei positivem Blutbefund häufig
steril. Eine postmortale Einwanderung der Bakterien in den Liquor
nimmt Verf. nicht an. — Der Zellgehalt des Liquors ist an der Leiche
stets relativ erhöht, entsprechend der nach dem Tode verflossenen Zeit.
Der Gestalt nach wiegen die Lympbocyten vor, doch findet man auch
grosse einkernige Zellen, die von anderen Autoren für überlebende, post
mortem eingewanderte Makrophagen gehalten werden, deren Herkunft
Verf. aber unentschieden lässt.
J. Zange-Jena: Ueber umschriebene Entzündungen des Obrlaby-
(Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) In 3 Fällen fand Verf. umschrie¬
bene Entzündung des Vestibularapparates, ohne andere Veränderungen
Mi Labyrinth als Degeneration der Nerven. In allen 3 Fällen handelte
w eich um primäre Entzündung, die sich von chronischer Otitis media
bei Cholesteatom aus entwickelt hatte.
W. H. Schnitze-Braunschweig: Tödliche Menorrhagie in einem
faue von Thyreoaplasie mit Hanptzellenadenom der Hypophyse,
i™. Arch., Bd. 216, H. 3.) Die Pat. ist seit ihrem 8. Lebensjahre
g«wu arzlich beobachtet worden, sie war myxödematös, körperlich und
zurückgeblieben. Im 26. Lebensjahre starb sie an menstrueller
wblutung. Die Sektion ergab vollkommene Thyreoaplasie. Dass Pat.
trir m das verhältnismässig hohe Alter erreicht hat, ist dadurch zu
i , areD * dass sich im Zungengrunde ein aus Schilddrüsengewebe be¬
endet Tumor befand, so dass man eigentlich nur von „dystopisoher
Tbyreohypoplasie“ sprechen kann.' Die Hypophyse zeigte eine bis zur
Adenombildung gehende Hyperplasie und Hypertrophie.
A. W. Pinner.
L. L6vy und R. Boulud-Lyon: Glykosarie beim Hände doreh
intravenöse Injektion der Cerebrospinalflüssigkeit eines Akromegalen.
(Revue de med, 1914, No. 6.) Das im Titel angedeutete Experiment er¬
gab einwandfreie Glykosurie. Diese trat besonders nach vorheriger Ver¬
abreichung von Glukose hervor, die an sich noch keine Zuckerausschei-
dung hervorgerufen hätte. A. Münzer.
G. Lusku u. J. A. Ricbe-New York: Ueber die Beeinflussung des
diabetischen Stoffwechsels durch die Nebennieren. (Arcb. of int. med.,
1914, Bd. 18, Nr. 5.) Auf Grund von Tierversuchen, bei denen die Verff.
das Verhalten des Respirationsquotienten nach subcutaner Epinephrin¬
injektion beim Hunde genauer studierten, kommen sie zu folgenden
Schlüssen: Die Theorie, dass Epinephrin eine Zuckerproduktion aus Fett
hervorruft bei gleichzeitiger Abnahme der Glukoseoxydationskraft durch
Aufhebung der PaDkreasfunktion, ist unrichtig. Auch die Annahme einer
Steigerung des Eiweissstoffwechsels durch Epinephrin ist nicht zutreffend.
C. Kayser.
F. Bonhoff-Hamburg-Eppendorf: Ueber Paratyphnsbaeilleibefirode
an der Leiche. (Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Im Blute von 6500 syste¬
matisch untersuchten Leichen fand sich 29 mal B. paratyphus B, 2 mal B.
paratyphus A. Verf. teilt die Fälle, in denen er positive Befunde erhob,
nach Schottraüller in 4 Gruppen: 1. Paratyphus abdo ninalis, der
dem Typhus abdominalis entspricht, mit Milzscbwellung und Schwellung
der Darmlymphknoten einhergeht; 2. Gastroenteritis paratyphosa acuta
und chroDica, in denen die entzündlichen Darmveränderungen, die bis¬
weilen der Dysenterie ähneln, durch B. paratyphus hervorgerufen werden;
3. sekundäre Mischinfektion anderweitiger Infektionen, wie Scharlach,
Diphtherie, Masern, Gelenkrheumatismus u. a. m. durch Paratyphus-
bacillen; 4. reine Bakteriämien ohne Reaktionserscheinungen, die durch
Infektion von Geschwüren des Magendarmkanals zustande kommen und
reine Nebenbefunde bilden. Diese Bakteriämien sind vielleicht auch nur
postmortalen Ursprungs. A. W. Pinner.
Parasitenkunde und Serologie.
M. Hetzer-Bonn: Studien über Protozoen, insbesondere des
Darms. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 304.) Es wurden 427 Stühle
durch die Kultur auf Amöbenagar geprüft und in etwa 5 pCt. der Fälle
Kulturen von Amöben aus mehr oder weniger normalen Fäces gewonnen.
Die aus dem Darm gezüchteten Amöben hatten mit der echten parasitischen
Form der Entamoeba coli nichts zu tun, da sie eine völlig verschiedene
Struktur ihres Protoplasmas, ihres Kernes und ihrer Cystenmembran auf¬
wiesen. Eine Züchtung der Entamoeba coli ist bisher nicht gelungen.
J. Basten - Bonn: Beiträge zur Methodik der Untersuchung der
Bakterienflora des Sänglingsstuhles und zur Kenntnis seiner wichtigsten
Bakterien typen. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 282.) Neben dem
Bacillus bifidus bildet nach den Untersuchungen des Verf. der Bacillus
acidophilus einen Hauptbestandteil der Bakterienflora des Säüglings-
stuhles bei Brust- und Flaschenkindern. Bei der kulturellen Züchtung
wurde der Bacillus bifidus meist noch in der 8. bis 9. Verdünnung,
der Bacillus acidophilus nie über die 6. Verdünnung hinaus und in
10 pCt. der Fälle überhaupt nicht gefunden.
K. Ujihara - Formosa: Studien über die Amöbendysenterie.
(1. Mitteilung.) (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 329.) Die auf Formosa
vorkommenden Dysenterieamöben sind Tetragena Viereck. Es scheint,
dass die Dysenterieamöbencyste, wenn sie unter Vermeidung direkten
Sonnenlichtes allmählich getrocknet wird, auch nach Verlauf eines
Monats noch lebensfähig ist. Die Cystenbülle ist im Magensaft schwer
löslich, doch wird sie im Trypsin leicht verdaut. Für die Behandlung
der Cystenträger wirken Thymol und Filmaron sehr intensiv, bei der
vegetativen Form dürften die Gemische von Chinin und Gerbsäure wirk¬
samer sein, als die bisher angewandten Medikamente. Verabreicht man
ein ChiDin-Tanninsäuregemisch, so wird zweifellos die Chininresorption
verspätet.
R. Oehler- Frankfurt a.M.: Untersuchungen über den Dimorphismus
von Trypanosom» Brneei. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 356.) Der
Dimorphismus eines von Braun und Teichmann erhaltenen Nagana-
stammes (St. 63) blieb bei den Untersuchungen des Verf. bei Einzellen-
übertragung unverändert «rhalten; er ist also offenbar kein Geschlechts¬
dimorphismus, vielmehr zeigte die genauere VerlaufsbeobachtuDg, dass
die Schmalform die Wucherungsform, die Breitform die Remissionsform
des Trypanosoma Brucei darstellte.
Th. Messerschmidt und Keller - Strassburg: Befunde bei
Psendotiiberkalose der Nagetiere, verursacht durch den Baeillns psende-
tnberculosis rodentinm (Pfeiffer). (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 289.)
Verff. berichten über eingehende Untersuchungen der morphologischen,
kulturellen und serologischen Eigenschaften des Bacillus pseudotuber-
culosis rodentium (Pfeiffer). Bei histologischen Kontrolluntersuchungen
von tuberkulösen und pseudotuberkulöseD Organveränderungen waren
wesentliche Unterschiede zu verzeichnen. Während die Pseudotuber¬
kulose neben den Zeichen der akuten Entzündung weitgehenden Gewebs¬
zerfall aufweist, tritt die Tuberkulose teils in Form von lympboiden,
teils in epitheloiden Zellanhäufungen auf und lässt in dem weitgehenden
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UNIVERSUM OF IOWA
1374
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
Mangel ausgesprochener nekrotischer Centren einen viel weniger pro¬
gredienten Charakter erkennen.
W. Hagemeister - Berlin*. Ueber die Züchtung pathogener Try¬
panosomen auf künstlichen Nährböden. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77. H. 2,
S. 227.) Rindertrypanosoraen vom Typus des Trypanosoma Theileri
kommen auf Rinderblutnäbrböden bei 37° nur in erster Generation zur
Vermehrung; dagegen gelingen Subkulturen dieser Trypaoosomenart auf
mit Ziegenblut bergestellten Novyagar. Dextrose hat einen begünsti¬
genden Einfluss auf die Lebensfähigkeit und die Vermehrung pathogener
Trypanosomen in vitro. Bei Dextrosezusatz ersetzen andere Blutarten
(Ziegen-, Pferde-, Esel-, Kätberblut) das kostspielige Kanincheublut nicht
nur, sondern übertreffen jene Blutart sogar noch. Auf Dextrosennähr¬
böden erhalten sich pathogene Trypanosomen infektiös, jedoch vermindert
sich ihre Virulenz. Trypanosama brucei erhält in den Kulturen seine
Virulenz besser und regelmässiger als Trypanosoma equiperdum.
Möllers.
R. Kraus - Buenos Aires: Ueber neuere Ergebnisse in der Er¬
forschung des flltrierbaren Virus. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.) Historischer
Ueberblick. Wir kennen bis jetzt etwa 40 Krankheiten, welche durch
filtrierbares Virus hervorgerufen werden. Es ist wahrscheinlich, dass
auch die Ursache des Scharlachs, Masern, Mumps usw. filtrierbares
Virus ist. P. Hirsch.
J. P. Houget und F. Beckara - New York: Tuberkaloseimmnni-
sierungsversuche mit dem Serum von Kühen. (Arch. of int. med.,
1914, Bd. 13, Nr. 5.) Die Verf. berichten über ihre im Laufe von zehn
Jahren an Rühen vorgenommenen Versuche mit lebenden, virulenten und
schwachvirulenten Tuberkelbacillen. Wohl fanden sie im Serum der be¬
handelten Tiere spezifische Agglutinine, Präcipitine, Opsonine usw., aber
nie in höherem Grade. Bacteriolysine waren nicht nachweisbar. Lebende
menschliche Tuberkelbacillen zeigten mit dem Immunserum sensibilisiert
eine erhöhte Infektiosität bei Meerschweinchen und Kaninchen. Dieses
eigenartige Verhalten des Immunserums ist wahrscheinlich dadurch zu
erklären, dass die mit Antikörper beladenen Bacillen rascher phagocytiert
werden. Jedenfalls ist ein Vaccin, das mit sensibilisierten, lebenden
Tuberkelbacillen von der immunisierten Kuh gewonnen wird, nicht
brauchbar. C. Kayser.
W. Spät-KIadno: Zur Frage der Herkunft des lnetisehen Re-
aktioiakörpers ii der Cerebrospinalflüssigkeit. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.)
Die Versuche Spät’s stehen im Widerspruch mit der Annahme von
v. Wassermann und Lange (B.kl.W., 1914, Nr. 11), dass die Lyropbo-
cyten der Cerebrospinalflüssigkeit die Ursprungsstätte für den lueti¬
schen Reaktionskörper darstelfeD. Auch andere Zellon nichtluetischer
Provenienz vermochten den Hemmungstiter erhitzter Cerebrospinal¬
flüssigkeiten zu steigern.
G. Helling-Dresden: Blutseromunterfiiiehaageii bei Careiso-
matösen mit neuer, verbesserter Methode. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.)
Die Methode knüpft sich an das Abderbalden’sche Verfahren an. Es ist
durch sie möglich, die hemmenden Stoffe im Serum durch Eigenbau zum
Verschwinden zu bringen und hinterher das verstärkte Lösungsvermögen
nachzuweisen Unter 250 untersuchten Fällen, welche hauptsächlich
Erkrankungen de 9 MagendarrakaDals betrafen, befanden sich 65 Carciuome
und von diesen wareD 58 positiv (= 90pCt.). P. Hirsch.
0. Melikjanz - Arosa: Ueber die Anstellung des Abderhalden-
schen Dialysierverfahrens mit der Koch’schen Toberknlinbacillen-
emilsion. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) M. fand im Serum Leicht- und
Schwertuberkulöser mit der Abderhalden’schen Reaktion Abwehrfermente,
welche die Kocb’sche Bacillenemulsiön abbauen. Die Kontrollen reagierten
negativ.
A. Bisgaard und A. Korsbjarg - Kopenhagen: Kritische Be¬
merkungen zu Abderhalden’s Dialysierverfahren. (D.m.W., 1914, Nr. 27.)
Die Verff. konnten die von Fauser mit der Abderhalden’scben Reaktion
ermittelten Resultate nicht bestätigen. Zur Feststellung der Proteasen-
wirkung scheint die Ninhydrinmetbode nicht fein genug. Bis jetzt
konnten die Verff. mit der Abderhalden’schen Reaktion keine Ferment¬
wirkung im Blute von Geisteskranken entdecken. Wolfsohn.
H. Pfeiffer: Ueber das Auftreten peptolytiseher Fermente im
Serum verbrühter Kaninchen. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) Bemerkungen
zur Notiz von C. Ferrai in M.m.W., 1914, Nr. 23.
M. Mandelbaum - München: Auftreten peptolytiseher Fermente
im ßlnte. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) M. hat niemals, wie Pfeiffer meint,
behauptet, dass das Auftreten peptolytiseher Fermente im Tode eine
agonale Erscheinung ist. Dünner.
Innere Medizin.
0. An sei min o und J. Schi Hing - Berlin: Fiebtennadelbäder.
(Ther. Mb., Juli 1914.) Zurzeit bestehen vier verschiedene Kategorien
dieser Badezusätze: 1. Fichtennadelextrakte in dickflüssiger und fester
Form; 2. Koniferenöl-Alkoholpräparate; 3. Koniferenöl Seifenpräparate;
4. pulverförmige Zusätze, imprägniert mit ätherischem Oel. Kritische
Besprechung und Untersuchung der einzelnen Arten. H. Knopf.
M. Levy-Berlin: Ueber Transfusionen am Menschen mit sernm-
baltigem und serumfreiem Blot (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.)
Bei der Transfusion defibrinierten Blutes kommen gelegentlich kleine
Fiebersteigerungen vor, die aber ganz gefahrlos sind. Auch nach Trans¬
fusion von gewaschenen serumfreien Blutkörperchen beobachtet man diese
Beeinflussung der Temperatur. Die Wirksamkeit der Transfusion ist die¬
selbe, ob man serumhaltiges oder serumfreies Blut einspritzt. Man soll
serumfreies Blut zur Transfusiou benutzen, wenn das Serum des Spenders
Agglutinine oder Hämolysine gegen die Blutkörperchen des Blutempläogers
enthält.
Jürgensen-Kopenhagen: Eine Modifikation der Hayem’sehen Lässig.
(Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) Verf. findet, dass bei Benutzung
der Hayem’schen Lösung deshalb leicht Zählfehler Vorkommen, weil die
Erythrocyten zu schnell zu Boden sinken. Um dies zu verhindern und
sie langsamer sich senken zu lassen, empfiehlt Verf. nur */ 2 pM. Sublimat
bei der Herstellung zu nehmen. Das Rezept seiner Modifikation lautet:
Uydr. bichlor. 0,05; Na. sulf. 2,5; Natr. chlor. 0,5; Aq. dest. 100,0g.
Wol pe - Smolensk: Ueber den Einfluss des Pflanzeiphosphors auf
den Blutbestand. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) W. hat den
Einfluss des Phytins (inositphosphorsaures Calcium und Magnesium) auf
die Zusammensetzung des Blutes studiert. Die Darreicbungsdauer des
Mittels wahrte im Durchschnitt 65 Tage, dabei vermehrte sich die
Erythrocytenzahl um 5,7 pCt., die Leukocytenzahl um 10,6 pCt., der
Hämoglobingebalt um 7 pCt. H. Hirschfeld.
E. Fraenkel - Hamburg: Ueber die Beziehungen der Leikiaie n
geschwolstbildeadea Prozessen des hisi&topoetischen Apparates.
(Virch. Arch., Bd. 216, H. 3.) Zusammenfassender Vortrag über den
Zusammenhang zwischen den verschiedenen Formen der Leukämie und
dem Lymphosarkom, dem Chlorom und dem Myelom.
A. W. Pinner.
H. HirschfeId - Berlin: Die generalisierte alenkänisehe Myelose
und ihre Stellung ira System der leukämischen Erkrankungen. (Zschr. f.
klin. M., Bd. SO, H. 1 u. 2.) Die Existenz des Hrankbeitsbildes der
aleukämischen Myelose war bisher bestritten. Verf. hat 3 Fälle klinisch
und pathologisch-anatomisch sehr eingehend beschrieben und zeichnet
ein Bild der klinischen und anatomischen Besonderheiten dieser Krank¬
heit. Im Mittelpunkt steht ein grosser Milztumor, eine Leberschwellung
und eine zunächst schwere Anämie und Kachexie. Das Blut ist nicht
leukämisch, höchstens sind einige Myelocyten vorhanden. Zur Differential¬
diagnose gegenüber Banti wird die Milzpunktion empfohlen, die myeloide
Umwandlung ergibt. Pathologisch-anatomisch findet man die Ver¬
änderungen der myeloiden Leukämie, besonders in der Leber. Verf.
zeigt an der Hand der Literatur, dass viele Fälle unter den verschiedensten
Namen publiziert worden sind (Anaemia splenica, atypische Leukämie usw.),
die in Wahrheit als aleukämische Myelosen aufzufassen sind. Auch eine
akute Form kommt vor, von der eine eigene Beobachtung als Beispiel
kurz beschrieben wird. H. Hirschfeld.
O’Kelly*. Lenkosarkomatosta. (Dublin med. journ., 1914, Nr. 510.)
Kasuistischer Beitrag eines abweichenden Falles. Schelenz.
F. Klemperer - Berlin: Ueber Taberkelbaciilen im strömeodei
Blut. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, Nr. 1 u. 2.) Verf. hat in 50 Fällen
das strömende Blut auf Tuberkelbacillen untersucht; 8 Gesunde und 17
von 18 an anderen Kraukheiten Leidende zeigten keine Bacillen im
Blut, dagegen 21 von 24 Lungentuberkulosen. Die mikroskopische Unter¬
suchung (Stäubli-Schnitter) ergibt weit häufiger ein positives Resultat
als der Tierversuch. Diagnostisch und prognostisch ist der Tuberkel¬
bacillennachweis im Blut wegen seiner Unregelmässigkeit und schwierigen
Technik bedeutungslos.
L. Dünner-Berlin: Zur Klinik und pathologischen Anatomie der
angeborenen Herzfehler. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Die
genaue Diagnose der angeborenen Herzfehler ist immer eine unsichere,
weil die Symptome sehr unbeständig sind. Selbst die Blausucht kann
bei demselben Herzfehler bei einem Individuum vorhanden sein, beim
andern fehlen. Selbst bei hochgradigen Entwicklungsstörungen kann der
Blutkreislauf eine Zeitlang funktionieren. Bei einem 10 Wochen alten
Kind vermutete Verf. ein kongenitales Vitium; die Sektion zeigte, dass
drei Pulmonalvenen, zwei Foramina ovalia, eine gemeinsame Ventrikel-
höhle, Transposition der Gefässe, offener Ductus Botalli, Missbildung
der Tricuspidalis und Verlagerung der beiden Herzobren vorhanden waren.
In einem zweiten Falle (21 Tage altes Kind) bestand Cyanose vom
Halse abwärts, gleichzeitig Bronchopneumonie. Sektion ergab Persi9tenx
und Erweiterung des Ductus Botalli -{- offenes Foramen ovale. Durch
die Stauung in der rechten Kammer infolge der Lungenentzündung wurde
ein Teil des venösen Blutes durch den Ductus in die Aorta geschleudert.
Infolgedessen die beschriebene Cyanose. Die Gefässe, die das Gesicht
und den Hals versorgten, entsprangen aus dem Teil der Aorta, der rem
arterielles Blut führt.
Libensky - Prag: Die Orthodiagraphie als Kontrolle der Wirkung
der Digitalistherapie. (Zschr. f. klin. M. t Bd. 80, H. 1 u. 2.) Die Ortho¬
diagraphie gestattet, die Wirksamkeit der Digitalistherapie nachzuweisen.
Man kann eine Verkleinerung des Herzens feststellen. Am stärksten is
die Digitaliswirkung nach dieser Richtung hin bei erstmaliger Dar¬
reichung, bei längerer wird sie immer undeutlicher. Die durch Digita 11 ®*
Wirkung an den Orthodiagrammen der einzelnen Klappenfehler herDei-
geführten Veränderungen standen durchaus im Einklang mit den gelten
Erfahrungen über Indikationen und Gegenindikationen der^Digitalistherap
L. Caussade: Die Cytodiagoostik der Magenflflsfiigkeit und ihr«
klinische Bedeutung. (Rev. möd., 1914, Nr. 6.) Wenn man einen *««
Magen im Normalzustände ausspült, so finden sioh in der Spulflussig
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- UNIVERSITY OF IOWT"
20. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1375
regelmässig dreierlei Elemente: 1. Pflasterzellen, die aus der Schleim¬
haut des Mundes, Pharynx und Oesophagus stammen; 2. Zelltrümmer,
die sich meist als isolierte Kerne darstellen, und deren Ursprung unklar
ist; 3. Leukocytendetritus. Io pathologischen Fällen finden sich ab¬
weichende Verhältnisse. Man konstatiert hier das Vorkommen von
weissen und roten Blutkörperchen; die Pflasterzellen können stark ver¬
mehrt sein; schliesslich sieht man Zellen epithelialer Herkunft, und
xwar sowohl Epithel der Magenschleimhaut wrie auch Zellen der Magen¬
saftdrüsen, Hauptzellen und Belegzellen. Gewisse Erkrankungen des
Oesophagus und des Magens lassen sich durch eine ganz bestimmte
Zusammensetzung der pathologischen Zellformen charakterisieren.
A. Münzer.
Rebfuss: Eine neue Methode zur Magens&ftnntersnchnng. (Americ.
jouro. of med. Sciences, 1914, Nr. 507.) R gibt eine Modifikation des
Binhorn’schen Eimerchens an, mit dem es gelingt, in jeder Zeit die Ein¬
wirkung der Verdauung auf eingeführte Speisen zu prüfen.
Schelenz.
Saski - Warschau: Ergebnisse der bakteriologischen Blutuntersuchung
io 50 Fällen von Abdominaltyphns. (Zschr. f. klio. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.)
Das durch Venenpunktion entnommene Blut wurde nach Castellani
in Kolben mit 150—200 ccm Peptonbouillon verimpft oder seltener nach
Schottmüller mit verflüssigtem Agar gemischt und in Platten ge¬
gossen oder nach der Anreicherungsmethode von Kayser-Conradi unter¬
sucht. Es wurde festgestellt, dass Bakteriämie in der ersten Krankheits¬
woche fast konstant vorkommt und im Laufe der ersten Wochen erlischt.
1 q schweren und mittelschweren Fällen findet man auch in der zweiten
und dritten Woche noch Bacillen im Blut. Noch im Laufe der zweiten
Woche fällt die Blutkultur häufiger positiv aus, als die Widal’sche Reaktion.
H. Hirschfeld.
B. Hannes - Hamburg: Ueber das Vorkommen von Typhnsbacillen
i* Liqtor cerebrospinalis bei Typhuskranken. (Vircb. Arch., Bd. 216,
H. 3.) Unter 41 untersuchten Typhuskranken konnten zweimal Typhus¬
bacillen in der sonst normalen CerebrospinalflÜ9sigkeit nachgewiesen
werden. Aus der Tatsache, dass in den positiven Fällen eine besonders
schwere Bewusstseinstrübung bestand, schliesstVerf.auf einen Parallelismus
zwischen dieser und dem Vorkommen von Bacillen. Irgendwelche
prognostischen oder diagnostischen Schlüsse werden aus der geringen
Anzahl der Fälle nicht gezogen. Meningitis bestand in keinem der Fälle.
A. W. Pinner.
E. Wilbrand - Hamburg: Einwirkung von Natrium bicarbonicnm
auf die Pankreassekretion. (M.ra.W., 1914, Nr. 26.) Die Versuche
zeigen, dass Alkalizufuhr beim Diabetes mellitus den Pankreas schont.
Es setzt die Pankreassekretion herab. In Lösung wirkt es besser als
in Substanz. Dünner.
G. Lepehne - Freiburg i. B.: Experimentelle Untersuchungen über
das „Biligewebe“ ii dar Leber. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Nach Milz¬
exstirpation bei Ratten findet man in den Kupfer’schen Sternzellen der
Leber eine Eisenspeicherung sowie eine Phagocytose roter Blutkörperchen.
Dieses Bild ist fast immer in der Leber normaler Vögel zu sehen. Es
gelingt also durch Milzexstirpation quasi, die Säugetierleber in eine
Vogelleber umzuwandeln. Man muss annehmen, dass normalerweise eine
bestimmte Menge von roten Blutkörperchen untergeht und in der Ratten-
oilz verarbeitet wird. Fehlt die Milz, so strömt freies Hämoglobin der
Leber zu. Es kommt dann auch zur Hämoglobinämie. Wolfsohn.
Wagner - Wien: Klinische Untersuchungen über die Bedeutung der
rencbiedenen Zackerproben für die Beurteilung der Leberfunktion.
(Zschr. f. klio. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) Verf. behauptet auf Grund seiner
Untersuchungen, dass der Galaktoseprobe eine grosse Bedeutung für die
Differentialdiagnose in der Leberpathologie zukomme. Galaktosurie be¬
deutet eine Funktionsstörung des Leberparenchyms. Besonders für die
Differentialdiagnose zwischen Icterus catarrhalis und anderen Formen des
Icterus wird die Galaktoseprobe Dienste leisten. Die Lavuloseprobe ist
»eit weniger zuverlässig. H. Hirschfeld.
Eustis: Diabetes Melittas and alimentäre Glykosnrie. (Americ.
joum. of med. Sciences, 1914, Nr. 507.) Verf. weist an 2 Fällen auf
die erheblichen Unterschiede der alimentären Glykosurie gegen den
echten Diabetes hin. Schelenz.
... .^auritzen-Kopenhagen: Ueber Aeidosebestimmnngen und ihre
siinüche Anwendbarkeit bei Diabetes mellitus. (Zschr. f. klin. M.,
öd. 80, H. 1 u. 2.) Zur Acidosebestimmung empfiehlt Verf. die Ein-
pk ? er ^ orm °Ritrierung zur Feststellung der Totalacidität des Urius.
ebenso die Lungenluftanalyse nach Fridericia eine gute Methode,
eine Versuche zeigten, dass mittelstarke Acidosen mit 2—3 g Ammoniak
« . mit diätetischer Behandlung gut niedorgehalten werden können,
w in den vorgeschrittenen Fällen ist gleichzeitig Alkalitherapie in
aiaahlich steigender Dosis notwendig.
. .,^^^ er i c ia - Kopenhagen: Ueber die Bestimmung der diabetischen
h»ft 8 durch Untersuchung der Koblensäurespannung in der Langen-
? chr - f - klin * Bd. 80, H. 1 u. 2.) Die Untersuchung der
0 önsäurespannung der Lungenluft kann methodisch angewendet
inH* 11 ’ Um diabetische Aoidosis zu bestimmen und die Schwankungen
eiesem Zustand zu verfolgen. Verf. wird demnächst einen einfachen
HU? ar ^ ^ esc b r ®iben, der sich zur klinischen Anwendung eignet und mit
. C dessen man die Kohlensäurespannung in der Lungenluft leicht und
w *toell bestimmen kann. H. Hirsohfeld.
F. HirschfeldrBerlin: Die Erhöhung des Blatsaekers bei greisen
Zuckerkranken. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Vortrag im Verein f. inn.
Med. u. Kinderheilk. in Berlin am 16. März 1914. Wolfsohn.
Reiss - Frankfurt a. M.: Zur Klinik und Einteilung der Urämie«
(Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) Verf. versucht eine neue Ein¬
teilung der Urämien auf Grund der klinischen Entstehungsweise zu be¬
gründen. Er unterscheidet 4 Gruppen: die asthenische Urämie, die
Krampfurämie oder epileptische Urämie, die psychotisohe Urämie und
die Minenformen. Nur die beiden ersten Gruppen bespricht er an der
Hand von Krankengeschichten. Bei der asthenischen Urämie sind die
wesentlichsten Symptome körperliche und geistige Schwäche, bei der
Krarapfurämie epileptiforme Krämpfe.
Sorme-Kopenhagen: Uebt das Antithyreoideil eine spezifische Wir¬
kung gegenüber dem Morbas Basedowii aus? (Zschr. f. klin. Med.,
Bd. 80, H. 3 u. 4.) Im staatlichen Seruminstitut in Kopenhagen wird
Antithyreoidin von tbyreodektomierten Ziegen und Pferden gewonnen.
Viele Basedowkranken und auch viele Aerzte berichten von Erfolgen
dieser Therapie. Verf. hat nun zunächst festgestellt, dass nur ein Teil
dieser Tiere myxödematös wird, während andere gesund bleibeü, weil sie
eine Nebenschilddrüse haben, die nicht mitentfernt wurde. Er verglich
nun die Wirkung des Blutserums dieser Tiere mit dem der mxyödema-
tösen im Tierversuch. Meerschweinchen und Kaninchen bekamen Schild¬
drüse und gleichzeitig Antithyreoidin. Es zeigte sich kein Unterschied
im Verhalten der Tiere, gleichviel ob das Antithyreodin von myxödema-
tösen oder gesunden Tieren stammte. Ganz ebenso fielen Versuche bei
Basedowkranken aus: auch solche Patienten gaben Besserung an, die
Antithyreoidin von gesunden Tieren genommmen hatten.
H. Hirschfeld.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
H. Claude, R. Porak und J. Rouillard: Untersuchungen über
klinische Manometrie mit spezieller Bezugnahme auf das Studium des
Druckes der Cerebrospina)fliissigkeit. (Revue de möd., 1914, Nr. 6.)
Mit Hilfe eines besonders konstruierten Manometers unternahmen die
Verff. eine Reihe von Druekbestimmungen an der Cerebrospinalflüssigkeit,
sowie an serösen Flüssigkeitsergüssen (Pleura, Bauchhöhle). Die Druck¬
messung ist als wertvolle klinische Untersuchungsmethode anzusehen und
gibt interessante Aufschlüsse über das Wesen einer Krankheit.
A. Münzer.
Schellong: Zur Bewertung der Nenraetheniediagnose nach ob¬
jektiven Merkmalen. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 1 u. 2.) Auf Grund
von sehr zahlreichen Untersuchungen und Erfahrungen ist Verf. zu dem
Resultat gekommen, dass für die Diagnose „Neurasthenie“ die sog. ob¬
jektiven Merkmale derselben, gesteigerte Kniereflexe, schnelles vasomo¬
torisches Nachröten, erhöhte Pulsfrequenz, Augenlider-, ZuDgen- und
Fingerzittern an und für sich wertlos sind, weil sie sich auch bei vielen
Gesunden finden. Nur dort, wo mehrere dieser Symptome, etwa 4, ver¬
einigt auftreten, lässt sich mit Wahrscheinlichkeit auf eine erhöhte Nerven¬
erregbarkeit schliessen, ohne dass die Neurasthenie damit strikte bewiesen
wäre. Dem Augenliderzittern und den gesteigerten Kniereflexen kommt
die geringste diagnostische Bedeutung für die Neurasthenie zu.
Chanutina: Ein Fall von Paralysis Laadry. (Zschr. f. klin. M.,
Bd. SO, H. 1 u. 2.) Verf. verficht den Standpunkt, dass dem Symptomen-
komplex der Landry’scben Paralyse verschiedene pathologisch-anatomische
Krankbeitsbilder oder auch eine differente Pathogenese zugrunde liegen,
ln einem raitgeteilten Fall ergab die pathologisch-anatomische Unter¬
suchung eine Neuritis und eine degenerative Myelitis.
H. Hirschfeld.
L. Bcriel: Klinische Bemerkungen über obere Bnlbärsyndrome.
(Lyon med., 1914, Nr. 22, 23 u. 24 ) Klinische Beobachtungen zeigen,
dass Läsionen der höher gelegenen Bulbusabschnitte einen ganz bestimmten
Symptomenkomplex erzeugen. Er setzt sich aus folgenden Erscheinungen
zusammen: 1. Zerebellare Störungen, die auf der Seite der Läsion ge¬
legen sind. 2. Nucleäre, gleichfalls homolateral auftretende Störungen.
Sie betreffen das sensible Gebiet des Trigeminus, die sensomotorischen
Bahnen des Glossopbaryngeus, vielleicht auch des Pneumogastricus, bis¬
weilen schliesslich das motorische Gebiet des Facialis. 3. Störungen des
allgemeinen sensomotorischen Bahn, die kontralateral auftreten: flüchtige
oder nur sehr gering hervortretende Hemiplegie, Hemianästhesie vom
Typus der Syringomyelie. Das geschilderte Syndrom ist in bezug auf
seine Einzelerscheinungen mehr oder minder variabel. A. Münzer.
M. Berliner-Hütteldorf-Hacking: Ueber einen Fall von hysterischer
Monoplegie. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.) Der Fall betrifft einen 15jährigen
Knaben. Es bestand bei ihm seit über 1 Jahr völliges Fehlen aktiver
Beweglichkeit des rechten Armes, ferner Katalepsie dieses Armes, dabei
aber normales elektrisches Verhalten und Pehlen von Muskelatrophie.
_ P. Hirsch.
Kinderheilkunde.
Elliot: Wagsermann’sche Reaktion bei lindern der ärmeren
Klasse. (Glasgow med. Journ., 1914, Nr. 5.) In 8 pCt. fand sich eine
positive Reaktion. Es ist das eine erhebliche Meoge. Einen wesentlichen
Einfluss auf den Allgemeinzustand konnte man nicht ableiten.
Schelenz.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
1376
Chirurgie.
A. Hoffmann und M. K o chm an n - Greifswald: Untersuchungen
über die Kombination der Lokalanaesthetiea mit Kaliamsalfat, nebst
Angabe einer einfachen Wertbestimmungsmetbode der Lokalanaesthetica.
(Beitr. z. kliü. Cbir., 1914, Bd. 91, H. 3.) Zu einem kurzen Referat
nicht geeignet. Hervorgehoben mag nur werden, dass wiederum die
starke Wirkungsverstärk sog des Novocain durch Kombination mit Kalium-
sulfat bestätigt wird. W. V. Simon.
Franz-Berlin: Eine Transportsebiene für Hüftgelenksverletzungen
und Oberschenkelfrakturen. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Dorsale Stahl¬
blechschiene, vom Nabel bis zum Unterschenkel reichend; filiert das
Hültgelenk im gestreckten Winkel; ist schnell und handlich anzulegen.
Abbildungen. Wolfsohn.
Schmidt-Moskau: Bogenförmige Osteotomie bei Winkelankylosen
nnd arthrogenen Kontrakturen des Knies. (Beitr. z. kiin. Cbir., 1914,
Bd. 91, H. 3.) Die Technik ist folgende: Man macht an der Längsachse
des Oberschenkels 2 Seitenschnitte von 6—7 cm Länge; nach Spaltung
der Aponeurose arbeitet man sich stumpf aus den Knochen vor, schiebt
ein Elevatorium aus dem einen Schnitt frei zwischen dem Knochen und
Muse, quadriceps auf die andere Seite des Femur und führt das Ende
des Instruments durch den primären Weichteilschnitt auf der entgegen¬
gesetzten Seite heraus. Gleich nachdem das Elevatorium entfernt ist,
wird die schmale Bogensäge oder die Giglisäge durebgeführt und im
Bereich der Kondylen eine bogenförmige Osteotomie ausgeführt. Die
Vorzüge der Methode vor der linearen Osteotomie und Keilresektion be¬
stehen in der Möglichkeit, eine volle Korrektion der Eitremität zu erzielen,
ohne jegliche Verkürzung und bajonettartiges Hervortreten der Knochen¬
enden.
A. Hüssy-Unter-Aegeri (Schweiz): Ueber die Erfolge der Helio¬
therapie im Hochgebirge bei Tuberkulosen der Hand. (Beitr. z. kiin.
Chir., 1914, Bd. 91, H. 3.) Das Material entstammt der Rollier’schen
Anstalt in Zupin. Es sind wieder sehr schöne Erfolge, über die uns der
Verf. in seiner Arbeit berichten kann, Resultate, wie wir sie sonst bei
Handtuberkulosen nicht im entferntesten zu sehen bekommen. Eine
Verbindung der Heliotherapie mit der konservativen Chirurgie ist nötig,
weswegeu von dem heliotherapeutisch tätigen Arzt verlangt werden
muss, dass er chirurgisch und orthopädisch vorgebildet ist.
G. Iwaschenzoff und W. Lange - Petersburg: Zur Frage der
Salvarsantberapie der chirurgischen Lues. (Beitr. z. kiin. Chir., 1914,
Bd. 91, H. 3.) Berichtigung zu der Arbeit derselben Autoren in Bd. 89,
H. 2 u. 3 der Beitr. z. kiin. Cbir. W. V. Simon.
Schlössmann-Tübiogen: Wiederanheiluog einer fast vollständig
abgeschnittenen Band mit guter Funktion. (M.m.W., 1914, Nr. 26.) Es
bestand nur noch eine kleine Hautbrücke, in der die Arterie und der
N. ulnaris verlief. Operation. Naht von 22 Sehnen, N. medianus wurde
auch genäht; der N. radialis wurde nicht genäht, ebenfalls die Radial¬
arterie Dicht, da hinreichende Anastomosen der Ulnaris bestanden. Guter
Heilverlauf und sehr gutes funktionelles Resultat. Sogar die Sensibilität
stellte sich allmählich ein. Dünner.
M. Tiegel-Dortmund: Ueber Behandlung von Handphlegmoneu.
(Beitr. z. kiin. Chir., 1914, Bd. 91, H. 3.) Um den freien Abfluss des
Eiters möglichst zu erreichen, empfiehlt Verf. die Verwendung kleiner
Spreizfedern, durch die die Wundränder auseinandergehalten werden.
Die Tamponade, der viele Misserfolge zur Last zu legen sind, wird ver¬
worfen. Das Verfahren eignet sich auch gut für Sehnenscheidenphlegmonen.
Trotz ausgiebiger Freilegung der Sehnen wird die Nekrose derselben
bintenaDgehalteu. Die Sehnen bedecken sich schnell mit Granulations¬
gewebe. Weiterhin ist eine Ruhigstellung der Finger oder Hand durch
einen fixierenden, dorsal (bei volaren Affektionen) anzulegenden Schienen¬
verband nötig. Doch muss diese Fixierung räumlich wie zeitlich auf
das notwendigste Mindestmaass beschränkt bleiben und den beteiligten
Fingern doch eio gewisses Maass Bewegungsmöglichkeit gestatten. Angabe
einer Schiene.
Peuckert-Zwickau: Die Technik ausgedehnter Thoraxresektionen
bei veralteten Empyemen. (Beitr. z. kiin. Chir., 1914, Bd. 91, H. 3.)
Verf. führt die Operation in 4 Akten aus, deren Reihenfolge streng ein¬
zuhalten ist. Nach jedem Akt kann die Operation unterbrochen werden
und soll es immer bei Totalempyemen. 1. Breite Eröffnung des Thorax
am unteren Ende der Empyemhöhle. Nachbehandlung mit Spülungen
und Tamponade. 2. Durchscbneidung der Thoraxwand am hinteren
Rande der Empyemhöhle. 3. Desgleichen am vorderen Rande der
Empyemböhle. 4. Ablösen des Scbede’schen Lappens und Entfernung
der bereits vorn und hinten durchschnittenen Rippen nebst Pleura¬
schwarte in einem Stück. Gitterförraiges Einsebneiden der pulmonalen
Pleuraschwarte. W. V. Simon.
J. Galpern-Twer: Die Dauerresultate der Pylornsaasschaltnng.
(M.m.W., 1914, Nr. 26.) G. hatte seine Fälle, bei denen er Pylorus-
ausschaltung (speziell nach Bogoljuboff-Wilms machte) nach längerer
Zeit nachkontrolliert und röntgenologisch gefunden, dass in fast allen
Fällen der Pylorus undurebgängig war. Dünner.
Dur and-Lyon: Die Frühoperation mit Schluss der Baach wand
ohne Drainage in der Behandlung der akuten Appendicitis. (Lyon
med., 1914, Nr. 24.) Verf. berichtet, dass er in einer ganzen Reihe von
Fällen bei akuter Appendicitis die Frühoperation mit sofortigem Schluss
der Bauchwandungen durebgeführt und hiermit ausgezeichnete Resultate
erzielt habe.
L. Arnaud: Abdominalkontosion dnreh Hnfsehlag lieb 24 Stnidei.
(Lyon med., 1914, Nr. 25.) Bei einem ins Krankenhaus eingelieferten
Patienten, der 24 Stunden vorher einen Hufschlag gegen den Leib be¬
kommen hatte, wurde als einziges Symptom eine Kontraktur des Ab¬
domens gefunden. Hierauf allein wurde die Diagnose „Perforation“ ge¬
stellt, die durch die sofortige Operation bestätigt wurde. Partielle
Resektion der verletzten Darmschlingen, Naht, Schluss der Bauchwand
ohne Drainage, Heilung. A. Münzer.
Reich-Tübingen und Beresnegowski - Tomsk: Untersuchungen
über den Adrenalingehalt der Nebeinierei bei akntei Infektioiei,
besonders Peritonitis. (Beitr. z. kiin. Chir., 1914, Bd. 91, B. 3.) Bei
akuter Peritonitis des Menschen befinden sich in mehr als der Hälfte
der Fälle die Nebennieren in einem anatomischen Zustande der Chrom¬
affinverarmung, der mit einer normalen Adrenalinsekretion nicht vereinbar
ist. Dementsprechend ist in einem Teil der menschlichen Peritonitis¬
fälle wahrscheinlich eine akute Nebenniereninsuffizienz an der Erzeugung
der Kreislaufschwäche neben einer centralen Vasomotorenlähmung ursäch¬
lich beteiligt. Es ist vorerst nicht wahrscheinlich, dass die verschiedenen
Arten tödlicher Infektionen das Nebennierenmark gleich rasch und gleich
intensiv schädigen, hierin steht vielmehr die akute Peritonitis obenan.
Baggerd-Posen: Zur Kenntnis der Massenblntangen ins Nierei-
lager. (Beitr, z. kiin. Chir., 1914, Bd. 91, B. 8.) Mitteilung eines ein¬
zelnen Falles, dessen interessante Einzelheiten im Original nachgelesen
werden müssen, mit Ausführungen zur Pathologie, Aetiologie und Klinik
dieser Erkrankung. W. V. Simon.
Röntgenologie.
H. Bichler-Wien: Zur Kasuistik des Rtiatgencareinoms. (W.kl.W.,
1914, Nr. 26.) Kasuistik. Die Fälle gehören in ihrer Eotstehungszeit
einer Periode au, in welcher noch niemand die Gefahren der scheinbar
so harmlosen Röatgenstrahlen ahnte. Bei voller Beherrschung der Technik
und gewissenhafter Anwendung derselben ist es möglich, schwere Röntgen¬
schädigungen mit Sicherheit zu vermeiden. W. V. Simon.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
N. Woronysch-Wien: Zur Frage der menstruellen Schilddrösen-
vergrössernng. (W.kl.W., 1914, Nr. 26.) Der Verf. konstatierte nach
seinen Beobachtungen, dass weder prämenstruell noch menstruell eine
zahlenmässig nachweisbare Vergrösserung der Schilddrüse stattfinde.
Nur in einem geringen Prozeusatz der Fälle waren nachweisbare
Grössenschwankungen festzustellen, und bei diesen war es nicht sicher
zu entscheiden, ob wirklich menstruelle Einflüsse allein die Ursache
der Volumsveränderungen waren. P. Hirsch.
A. Hirschberg - Berlin: Ueber die vikariierende bzw. kom¬
plementäre MeBStrn&tionsblntug. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 26.) Be¬
kanntlich gibt es Blutungen, die als Ersatz bzw. gleichzeitig mit
Blutungen aus anderen Organen auftreten. Es sind als solche Hämat¬
urie, Hautblutungen, Nasenblutungen, Morbus Werlhofit beschrieben
worden, seltener solche aus der Mamma. Verf. beschreibt einen solchen
Fall, bei dem komplementäre Blutungen aus den beiden Mammae auf-
trateD, und zwar stärker aus der rechten. Diese Blutungen sistierten
auch bei der Gravidität, bestanden vom 17. bis 27. Jahre, und hörten
dann plötzlich auf. Siefart.
Richter - München: Ueber Luftembolie bei krimineller Abtreibiig.
(Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) 2 Fälle, in denen Frauen tot aufge¬
funden wurden, neben ihnen eine Klysopompe. Die Sektion ergab in
beiden Fällen reichliche Luftblasen im HerzeD, der Vena cava, den
Venae uterinae und im Uterus. In allen plötzlichen Todesfällen jüngerer
weiblicher Personen ist die Sektion des Herzens so vorzunebmeD, dass
eine etwaige Luftembolie zur Beobachtung kommen kann. Die Klyso¬
pompe ist gefährlicher als der Irrigator wegen des hohen Drucks, mit
dem sie arbeitet. L. Zuntz.
Ph. Jung - Göttingen: Die Behandlung bedrohlicher Blutungen
nach der Geburt. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Klinischer Vortrag.
Wolfsohn.
Winter - Königsberg: Ueber Bedeutung und Behandlung retinierter
Placentarstücke. (Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) Das retinierte
Placentarstück macht an sich niemals schweres Puerperalfieber, sondern
die gleichzeitig mit der Retention auftretenden schweren Fieber sind die
Folgen direkter Infektion. Die aktive Ausräumung retinierter Placentar¬
stücke bei fiebernden Wöchnerinnen verläuft nur in etwa einem Drittel
der Fälle fieberlos, und in 7—9 pCt. ist der Tod die Folge des Eingriffs.
Die Ausräumung scheint bei Anwesenheit hämolytischer Streptokokken
besonders gefährlich zu sein. Das Suchen nach einem vermuteten
Plaoentarstück ist nur durch Blutungen und nicht durch das bestehende
Fieber indiziert. Das bei der Geburt sicher erkannte retinierte
Placentarstück ist sofort zu entfernen; ebenso im Wochenbett bei
fieberlosen Wöchnerinnen. Bei schwerer Blutung ist auch der Uterus
fiebernder Wöchnerinnen sofort auszutasten und ein anwesendes
Placentarstück sofort zu entfernen. Wenn Blutungen fehlen, ist bei
Polypen, welche in die Vagina ragen oder im Cervix sitzen, zu Qa cte
die spontane Ausstossung einige Tage abzuwarten oder durch Er# 0 «- 11 *
gaben zu befördern. Wenn auf eine spontane Ausstossung zunacns
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20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1377
nicht gerechnet werden kann, so hangt die weitere Behandlung von dem
Resultat der bakteriologischen Untersuchung ab; finden sich nur sapro-
phytiscbe Keime, so ist die Ausräumung sofort vorzunehmen. Sind viru¬
lente Bakterien, vor allem hämolytische Streptokokken, vorhanden, so
ist die Ausräumung zu unterlassen und die spontane Ausstossung oder
das Verschwinden der virulenten Keime abzuwarten und dann erst aus-
luräumen. Bei sicher nachgewiesener Erkrankung des Peritoneum, der
Parametrien und der Adnexe ist nur ein konservatives Verfahren am
Platze, nur bei akuter Verblutungsgefahr ist eine vorsichtige Aus¬
räumung gestattet. Die Ausräumung ist, wenn irgend möglich, nur mit
dem Finger und niemals mit scharfen Instrumenten vorzunehmen.
Sachs-Königsberg: Ueber innere Ueberdrehnng des Rückens in-
feige Ansvorfalls. (Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) Es handelte sich
um eine Gesichtslage bei ausgetragenem Kinde mit Arm-, Nabelschnur-
und Fussvorfall, die nach Zurückschieben des Fusses spontan zu Ende
ging. Das Kind war infolge des Nabelschnurvorfalls bei Uebernahme
des Falles schon abgestorben. Das Kind lag so, dass der Rücken ent¬
sprechend einer ersten Lage uach links gerichtet war, während die
Gesichtslinie im linken schrägen Durchmesser, Kinn links hinten, stand,
also entsprechend einer zweiten Gesichtslage. Die Ursache hierfür
war, dass die vorgfallene Hand den Kopf an einer der Stellungsänderung
des Rückens entsprechenden Drehung hinderte. L. Zuntz.
E. Schwarzenbach - Zürich: Der diagnostische Hinterdammgriff.
(Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 27.) Die stets sehr wichtige Frage, ob der
kindliche Schädel den BeckeneiDgang passiert und zangengerecht steht,
lasst sich durch äussere Untersuchung allein nicht, oder nur sehr schwer
entscheiden. Um nun eine innere Untersuchung überflüssig zu machen,
lässt Verf. die Kreissende. sieb auf die rechte Seite legen und drückt
mit der rechten Band zwischen Kreuzbein und After so tief als möglich
ein. Nach seinen sehr reichlichen Erfahrungen ist der Schädel ganz
sicher ins kleine Becken eingetreten, wenn er bei dieser Untersuchungs¬
methode zu fühlen ist, und stebt sicher noch nicht zangeogerecht, wenn
man ihn bei dieser Methode noch nicht fühlt. Siefart.
Benthin-Königsberg: Bakteriologische Untersuchungen bei gynäko¬
logische! Erkrankungen. Ein Beitrag zur (rage der Selbstinfektion
der Gynäkologie. (Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) Bei systematischer
Abimpfung des Vaginalsekrets finden sich hämolytische Streptokokken
bei Carcinomen in etwa 25 pCt. der Fälle, bei Prolapsen in 15 pCt., und
zwar auch bei solchen ohne Decubitalgeschwür, bei Myomen in etwa
5pCt Nahezu alle letalen Ausgänge und fast alle Schwererkrankungen
fallen auf ihr Konto. Gegenüber einer Mortalität von 17 pCt. bei
Gegenwart von hämolytischen Streptokokken betrug sie bei ihrer Ab¬
wesenheit nur 1 pCt., entsprechend ist die Morbidität 56 und lOpCt.
Speziell bei den Carcinomen sind die entsprechenden Zahlen für die
Mortalität 29,4 und 4,2 pCt. Es gelingt aber, durch entsprechende Vor¬
behandlung (Spülungen mit Sublimat, mit 5 prom. Milchsäure) in einem
Teil der Fälle die hämolytischen Streptokokken zum Verschwinden zu
bringen und damit die Operationsprognose erheblich zu verbessern.
Flatau: Erfahrungen mit Peristaitin nach Laparotomien. (Mschr.
f. Geburtsh., Mai 1914.) Das parenteral gegebene Peristaltin ist im¬
stande, eine echte Peristaltik des Darms zu wecken und zu unterhalten,
fe kürzt das Stadium der postoperativen Parese entschieden ab. Es
kann durch Verhinderung einer Adhäsionsbildung gegen die Operations-
achädiguug und ihre eventuellen Folgen — mechanischen Ileus, sekun¬
däre Sepsis auf Grund von Bacterium coli-Durchwanderung — pro¬
phylaktisch wirken und ist in der empfohlenen Anwendung unschädlich.
Es sollte daher 24 Stunden nach jeder Laparotomie in der Dosis von
0,5 ccm intramuskulär gegeben werden. L. Zuntz.
F. Schauta Wien: Die Radinmbebandlnng bei Gebärmutterkrebs.
(Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 27.) ln der Wiener Klinik hatte man vor dem
Kongress in Halle nur mit geringen Mengen Bestrahlungen gemacht. Da
ton Berlin, Freiburg und München über MesotbormmbestrabluDgen mit
Dosen von 150 bis 200 mg berichtet wurde, so fing man nun auch in
Wien an, entsprechende Mengen von Radium anzuwenden. Verf. be¬
richtet nun über drei Gruppen von Fällen: Die erste Gruppe sind Dauer¬
bestrahlungen mit 100—150 mg 5—11 Tage lang, die zweite inter¬
mittierende Bestrahlungen von 7 bis 15 Nächten, und die dritte inter¬
mittierende Bestrahlungen von 5 bis S mit wesentlich kleineren Dosen
Jon 80 bis 50 mg. Die Filtrierung fand mit Blei oder Platin statt.
Die Resultate der ersten Gruppe waren sehr schlecht, indem nämlich
mcht nur alle Patientinnen dieser Gruppe gestorben sind, sondern auch
bei ihnen Gewichtsabnahme, Kachexie, Diarrhöen, Verminderung der
«ythrocyten, Fieber, Erbrechen usw. anftraten, bei der zweiten und
Jntten Gruppe wurden von 22 Patientinnen 11 geheilt (primär) gleich
JOpCt. Verf. wird mit der Technik der dritten BestrahiuDg9gruppe,
\ nachts Bestrahlung von 12 Stunden mit Pausen von 12 Stunden,
“«T 0 ’^ a ä eö und Intervallen von 2 bis 4 Wochen sowie mit 5 bis
8 Jo tra - luD K en > und derselben Filtrierung fortfahren, aber alle ope-
ftblen ^Sille nach wie vor operieren, da er sich zum Bestrahlen solcher
noch nicht für berechtigt hält, solange keine Dauerresultate vorliegen.
Siefart.
11 er-Wiesbaden: Die kontinuierliche Rtintgenisation, eine neue
St^n J ^ er .^ e f en bGstrahlung. (Mschr. f. Geburtsh., Mai 1914.) An
eile der serienweisen Bestrahlung mit sehr starken Dosen und vielen
UMlfeldern, wie sie in Freibnrg üblich ist, bestrahlt Verf. mit wesent¬
lich kleineren Dosen von vier Feldern aus, zwei vorn, zwei am Rücken,
unter Anwendung eines Aluminiumfilters so lange, bis Amenorrhoe ein-
tritt. In 5 Fällen gelang dies in 54—74 Tagen ohne jede Schädigung.
L. Zuntz.
Augenheilkunde.
Dutoit: Nachtrag zur Mitteilung: Ueber die Bedeutung und den
Wert des PellidoU in der Augenheilkunde. (Graefes Arch., Bd. 88,
H. 1.) Hinweis auf die Arbeit Schreiber’s über die Behandlung der
recidivierenden Hornhauterosionen mit Scharlacbsalbe. (Graefes Arcb.,
Bd. 87, S. 174.)
Dutoit: Ueber die Bedeutung und den Wert des Pellidols in der
Augenheilkunde. (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Die im Gegensatz
zum Scharlachrot nicht färbende Pellidolsalbe gibt in der Behandlung
ekeematöser Bindehaut- und Hornhauterkrankungen zum Teil überraschend
günstige Heilerfolge. Auch traumatische und infizierte Substanzverluste
der Cornea heilen, wenn zuvor die nekrotischen Gewebsreste beseitigt
wurden, sehr schnell. Antiseptisch wirkt Pellidol nicht.
Rauch: Ueber den Einfluss des Embarins bei luetischen Affektionen
des Auges. (Graefes Arch., Bd. 88, H. I.) Embarin, quecksilbersalicyl-
sulfosaures Natrium, wird intramuskulär eingespritzt; die Injektionen sind
schmerzlos, die Resorption erfolgt rasch. In 4 von 8 Fällen von paren¬
chymatöser Keratitis blieb das Mittel ohne Einfluss auf den Verlauf der
Erkrankung; 4 mal setzte nach der Injektion eine langsame Besserung
ein. Eine leichte Iritis verschwand auf Embarin schnell. Ein Iritis-
recidiv mit Hypopyon besserte sich unter Salvarsan und Embarin schnell.
Periorbitale Tumoren bei einem kongenital-luetischen Individuum, die
unter spezifischer Kur erweichten, heilten unter mehrmaliger Schmierkur
zum grössten Teil. Die letzte Schraierkur löste Erbrechen, Kopfschmerzen,
Schwindelanfälle aus, so dass zum Embarin übergegangen wurde, das gut
vertragen wurde und die Ausheilung der Tumoren weiter förderte.
K. Steindorff.
J. Stroebel-Zürich: Keratitis gonorrhoica nach Reinjektion von
Gonokokkenvaceine. Conjunctivitis metastatiea gonorrhoica. (M.mW.,
1914, Nr. 26.) Dünner.
E. Haslinger: Komplizierte ßindesabstanzgeschwülste der Tränen¬
drüse. (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Die Geschwülste der Tränen¬
drüse geboren fast ausnahmslos einer einheitlichen Geschwulstgrnppe an,
es sind keine Misehgeschwülste. Sie sind endothelialer Herkunft uad
sind, ebenso wie die sehr ähnlich gebauten Tumoren der Parotis, für
diese Drüse, wie für die Tränendrüse charakteristisch. Sie sind gutartig,
wachsen sehr langsam, erreichen nur geringe Grösse, machen keine Meta¬
stasen, haben aber nach anscheinend radikaler Operation grosse Neigung,
in loco zu recidivieren. K. Steindorff.
Rollet, Sechs Exstirpationen von Orbitalcarcinomen unter Er¬
haltung des Auges; Fernresultäte. (Lyon med., 1914, Nr. 23.) Verf.
schildert sein Vorgehen bei der Operation von 6 Carcinomen der Orbita,
in denen es ihm gelang, die Geschwulst unter Erhaltung des Auges zu
exzidieren. Die Dauerresultate waren sehr gute: nur in einem Falle
trat ein Recidiv auf. Münzer.
K. Steindorff: Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung
des Aalserums auf das menschliche and tierische Auge. (Graefes Arch.,
Bd. 88, H. 1.) Vgl. Bericht über die Sitzung der Berliner ophth&lmo-
logischen Gesellschaft vom 22. Januar 1914 in B.kl.W., 1914, Nr. 10.
A. v. Szily: Bemerkungen zu der Arbeit von A. Fuchs und Melles
über pathologische Anatomie der anaphylaktischen Ophthalmie.
(Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Ref. hat dieselben histologischen Befunde
schon früher in zahlreichen Untersuchungen erhoben und veröffentlicht.
Tertsch: Die spontane Iriscyste. (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.)
Verf. unterscheidet zwei Gruppen spontaner Iriscysten. Zur ersteren ge¬
hören die, deren Wand allseits ausser von Epithel noch von uvealem
Gewebe gebildet wird, zur zweiten die, deren Wand sich ausschliesslich
aus dem Pigmentepithel der Irishinterfläche zusammensetzt (intraepitheliale
Cysten). Die Cysten der ersten Gruppe unterscheiden sich von denen
der zweiten dadurch, dass sie nicht wie diese Wucherung des inneren
Epithelbelags, noch sekundäre Drucksteigerung zeigen. Verf. beschreibt
genau das klinische und histologische Bild einer von ihm beobachteten
spontanen Iriscyste, deren Wand ausser von Epithelzellen auch von
mesodermalem Gewebe gebildet wurde. An der Hinterfiäche der Cyste
fanden sich echte Ciliarfortsätze. Durch Verkleben eines normalen
Ciliarfortsatzes mit dem Pupillarrand oder mit einem dort persistierenden
Ciliarfortsatz bildete sich, so deutet T. die Genese der Cyste, ein Hohl¬
raum, der sich nachträglich dehnte.
Ginsberg und Spiro: Ueber Angiogliomatosis retinae (sogenannte
v. Hippel’sche Krankheit). (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Vgl. Sitzungs¬
bericht der Berliner ophthalmologischen Gesellschaft vom 23. Okt. 1913
B.kl.W., 1914, Nr. 4.)
Seidel: Beiträge zur Frühdiagnose des Glaukoms. Untersuchungen
über das centrale Gesichtsfeld mit Prüfungsobjekten unter kleinem Ge¬
sichtswinkel (Psjerrum). (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.) Die Gesiohts-
felduntersucbung nach Psjerrum ist von grossem Wert. Man findet
mit dieser Methode ringförmige Scotome, die vom blinden Fleck aus¬
gehend, den Fiiierpunkt umkreisen und in vorgerückteren Stadien den
sogenannten „nasalen Sprung“. Für die Frühdiagnose sind kleine
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1378
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 29.
Scotome höchst bedeutungsvoll, die vom blinden Fleck nach oben oder
unten ziehen, nach dem Fixierpunkt leicht concav sind und sich leicht
suspitzend beginnen. Sie finden sich auch in Augen, die noch keine
klinischen Zeichen von Glaukom, auch keine tonometrisoh nachweisbare
Hypektomie aufweisen, während das andere Auge bereits an sicherem
Glaukom erkrankt ist. Auch solche Augen, deren Druck noch nicht er¬
höht ist, bei denen aber Anamnese und Augenspiegelbefund auf bestehendes
Glaukom hin weisen, zeigen diese Scotome. Eine nicht seltene Früh¬
erscheinung des Glaukoms ist die einfache Abblassung der Papille. Die
kleinen Scotome wie die grösseren Ringscotome können wieder ver¬
schwinden und bei erneuter Drucksteigerung wieder erscheinen. Die
Ringscotome können zu den kleinen Scotomen zusammenschrumpfen, sie
finden sich auch bei tabischer Sehnervenatrophie, Papillitis und retro¬
bulbärer Neuritis, während die kleinen Scotome am blinden Fleck für
Glaukom typisch sind.
Roclofs und Zeemann: Zur Frage der biaocuUrei Helligkeit
ud der biioenlarei Sehwelleiwerte. (Graefes Arch., Bd. 88, H. 1.)
Beim Sehen naoh Feldern von mehr als minimaler Helligkeit existiert
keine binoculare Reizsummation. Sowohl bei Hell- wie bei Dunkel¬
adaption ist der binoculare Schwellenwert kleiner als der monoculare.
E. Steindorff.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten*
G. Heuser-Buenos-Aires*. Entfernnig einer Nadel ans der Trachea.
(D.ra.W., 1914, Nr. 27.)
Seyffarth-Hannover: Ueber direkte Laryngoskopie and Tracheo-
broaehoskopie. (D.m.W., 1914, Nr. 27.) Der Wert der Methoden,
besonders für subglottische Stenosen, tuberkulösen Drüsendurohbruch
u. dergl. wird an der Hand mehrerer Beobachtungen skizziert.
Wolfsohn.
Hygiene und Sanitätswesen.
A. Silbermann-Bern: Ueber die Sterilisation von Waeoer durch
altraviolette Strahlen. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 189.) Verf.
hält das Verfahren der Gewinnung sterilen Trinkwassers mit Hilfe der
durch Quecksilberdampfquarzlampen erzeugten ultravioletten Strahlen
bei richtiger Kontrolle und Anordnung als durchführbar: Die richtige
Wirkung des Apparats ist aber an bestimmte Vorsaussetzungen geknüpft.
Die Stromstärke und Spannung sind für den zu benutzenden Apparat
genau einzustellen und zu kontrollieren. Die Durchfiussgeschwindigkeit
darf eine bestimmte Hohe, die je naoh der Qualität des Wassers festzu-
stelien ist, nicht überschreiten. Das Wasser darf einen bestimmten
Trübungs- und Färbungsgrad nicht überschreiten, ausserdem darf der
Gehalt an* gelöster organischer Substanz nicht zu gross sein. Wenn
diese Bedingungen erfüllt sind, liefert die Quecksilberdampflampe, Type
Nogier-Triquet M 5, ein keimfreies Wasser. Der Ansicht des Verf., dass
die Lampe zu Militärzwecken Verwendung finden könne, sohliesst sich
Referent nicht an, da die Einhaltung der gesetzten Bedingungen sich
unter militärischen Verhältnissen kaum durchführen lässt.
Grassl-Kempten: Die optimale Sterblichkeit der ekeüeken Kiader
ii Bayern. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 217.) Die Tabellen über
die Kindersterblichkeit in den bayerisohen Bezirksämtern ergeben die
deutlich erkennbare Erscheinung: Je grösser die Säuglingssterblichkeit
in der Ehe, desto grösser der zweijährige eheliche Aufwuchs. Diese
paradoxe Beobachtung ist nur dadurch möglich, dass die hohe Sterb¬
lichkeit der Säuglinge der Ehe mittels Nacherzeugung überkompensiert
wird. Ein Vorteil der Kunstpfiege und Kunsternährung in völkischer
Beziehung, also in der Zunahme der Aufwucbsmenge, ist in der Gegen¬
wart in Bayern nicht nachweisbar. Obwohl die Ehefrauen des bayerischen
Waldes in ihrer Kindersterblichkeit durchschnittlich um lOpCt. höher
belastet sind als die Ehefrauen der südlichen Alpenländer, bringen 100
gebärfähige Ehefrauen des bayerischen Waldes doch ebensoviel Kinder
bis zum Ende des zweiten Lebensjahres, wie 140 Ehefrauen der geringen
Kindersterblichkeit der Alpen. Die optimale eheliche Säuglingssterblich¬
keit in den bayerischen Aemtern liegt gegenwärtig zwischen 20—30 pCt.
für nichtgestillte Kinder; für gestillte Kinder liegt sie um 15 pCt.
Daraus folgt, dass die Herabdrückung der Säuglingssterblichkeit, wenn
sie keinen völkischen Schaden bringen soll, lediglich durch Erhöhung
der Zahl der Stillenden und Verlängerung der Stillperiode erstrebt
werden darf. Möllers.
Hayhurst: Kritische Untersuchung von 100 Maleni auf Blei¬
vergiftung. (Americ. journ. of med. Sciences, 1914, Nr. 507.) Akute
Symptome fanden sich in keinem Fall, wohl aber bei 70 Patienten
Zeichen der chronischen Bleivergiftung. Schelenz.
R. Emmerich und 0. Loew: Ueber Kalkmangel in der mensch¬
lichen Nahrung. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 311.) Der Kalkgehalt
der gemischten Kost kann zwischen weiten Grenzen variieren, je nach
den Nahrungsmitteln, welche gemischt genossen werden. Gerade die
kalkreichsten Nahrungsmittel, nämlich die Kuhmilch und die Blattgemüse,
werden in breiten Schichten der Bevölkerung in viel zu geringer Menge
genossen, während Fleisch, Kartoffeln und Mehlspeisen einschliesslich
Brot also die kalkarmsten Nahrungsmittel, die gemischte Kost weiter
Bevölkerungsschicbten ausmachen. Fleisch, Kartoffeln, Schwarzbrot und
Vollkornbrot haben noch den weiteren Uebelatand, dass sie mehr Magnesia
als Kalk enthalten, was dem Körper eine grosse Regnlierungsarbeit auf¬
erlegt; denn das für die Zelltätigkeit so wichtige Blutserum enthält im
Durchschnitt 3 mal so viel Kalk als Magnesia, während umgekehrt in
der erwähnten gemischten Nahrung 1 l f 2 —2 mal so viel Magnesia als Kalk
enthalt ist. Verff. empfehlen deshalb einen Zusatz von Chlorcalcium zu
Brot, der so bemessen ist, dass sein C&lciumgehalt und das Kalkmagoesia-
Verhältnis beim Weissbrod und den helleren Roggenbrotsorten dem der
Kuhmiloh ungefähr gleichkommt.
G. Lockemann und F. Croner-Berlin: Ueber den MetkyUlktktl-
gehalt der Formaldehydwasserdimpfe bei den verschiedenen Raum¬
desinfektionsverfahren. (Zschr. f. Hyg., Bd. 77, H. 2, S. 257.) Verff.
haben vergleichende Untersuchungen über die Mittelwerte der entwickeltes
Mengen Formaldebyd und Methylalkohol bei den verschiedenen Raum¬
desinfektionsverfahren gemacht. Es wurden untersucht der Formalin-
apparat von Flügge, das Formaliopermanganatverfahren ohne Kalk
(nach Doerr-Raubitschek) und mit Kalk (nach Gins), das Grutau-
verfahren (nach Eichengrün) und das Paraformpermanganatverfahreu
ohne Kalk (nach Lockemann-Croner) und mit Kalk. Die Unter¬
suchungen ergaben grosse Unterschiede in den Ausbeuten an Formal¬
debyd und Methylalkohol bei den verschiedenen Verfahren. Jedenfalls
wird dem Methylalkohol neben dem Formaldebyd eine gewisse Rolle bei
der desinfizierenden Wirkung der entwickelten Dämpfe zuzuschreiben sein.
Möllers.
Fürst- Münoben: Die Vemhleppugmögliehkeit patkegeier Dtrw-
blkteriea direh Brot. (M.w.M., 1914, Nr. 26.) F. eruierte, dass eine
Typhusepidemie in einem Orte durch Verschleppung aus einem Nach-
bardorf entstanden war. Ais Zwischenträger kommt wahrscheinlich
Brot aus einer bestimmten Bäckerei in Frage. Verf. hat Versuche über
die Uebertragungfähigkeit der Brote angestellt Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner jpedizinische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Nachtrag zur Sitzung vom 24. Juni 1914.
Diskussion über die Vorträge der Herren Gtldfteheifor und Steiiitl:
Ueber atypische Gicht. (Siehe Origio&lartikel in Nr. 28 und 29.)
Hr. A. Mayer. (Erscheint unter den Originalien dieser Wochen¬
schrift.)
Hr. Umber: Die Gicht hat ein vielseitiges Gesicht. Die alten
Gicbtärzte wie Sydenham, Garrod haben es schon meisterlich ge¬
schildert. Es ist auch keine Frage, dass die Gicht von denjenigen
Aerzten, die siob weniger eingehend mit ihr beschäftigt haben, häufig
verkannt wird. Die Gicht wird im allgemeinen zu selten diagnostiziert!
Das habe ieb auch in meinem eigenen Wirkungskreis konstatieren
können: z. B. sind von den letzten 20 sicheren Gichtfällen, die bei mir
in Westend auf der Stoffweobselabteilung eingeliefert und beobachtet
worden sind, nur 8 unter der richtigen Diagnose aufgenommen, and
nicht weniger als 10 unter der Diagnose Rheumatismus.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Aerzte, die den Begriff
„Gicht* viel zu weit fassen und allerhand sonst schlecht oder gar nicht
zu rubrizierende Krankheitserscheinungen als Gicht deuten. Manche be¬
kennen ganz frei, dass sie nicht allein die Arthritis urica, sondern auch
die Osteoarthritis deformans und andere chronische destruierende Gelenk¬
leiden als Gicht betrachten. Darüber gehe ich hinweg!
Oft genug wird aber auch der Begriff der eigentlichen Arthritis
urica bzw. der gichtischen Diathese ohne genügende Grundlage so will¬
kürlich erweitert, dass man dagegen protestieren muss! Das habe ich
bereits in meinem früheren Hamburger Wirkungskreis wiederholt getan,
vornehmlich gegenüber den Anschauungen mancher Dermatologen, die
alle möglichen ekzematöse, psoriatiforme und andere Hautleiden durch
gichtische Diathese erklären wollten. Ebenso muss ich heute aussprechen,
dass ich den Deduktionen des Herrn Goldsoheider in vielen Punkten
nicht zu folgen vermag.
Herr Goldscheider baut seine Statistik meines Erachtens auf an-
fechtbarer Grundlage auf. Er fasst unter den Begriff „atypische Giobt
Zustände, für deren gichtische Natur er uns den Beweis durchaus
schuldig bleibt.
Zur Diagnose der Gicht genügt nicht der Nachweis eines Tophus!
Nur der gichtische Tophus, in dem Urate liegen, ist beweisend für
eine gichtische Stoffwechselstörung! Es gibt aber gar nicht selten Tophi
an scheinbar typischen Stellen, die bei genauerer Untersuchung mit
Gicht nichts zu tun haben.
So sah ich erst kürzlich bei einer 42 jährigen Patientin meiner
Stoffwechselabteilung mit typischer, primärer, chronischer Polyartbritis
destruens, die auch im Stoffwechselversuch keine Abweichungen des
Purinstoffwechsels im Sinne einer Gicht darbot, haselnussgrosse Tophi
der beiderseitigen Olecranonschleimbeutel. Die exzidierteo Tophi be¬
standen aus derbem, fibrösem Bindegewebe und zeigten weder mikro¬
skopisch noch chemisch die geringsten Spuren von Urateinlagerung; sie
waren sicher rein entzündlicher Natur. .
Herr Goldscheider sagt, wenn der Tophus keine Urate mehr ent¬
hält, so kann er deshalb doch gichtischer Natur sein! Damit wäre also
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UNiVERSITY OF IOWA
20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1379
jeder Tophus nach seiner Ansicht ein Beweis für die Gicht des Trägers,
and das ist eben sicher nicht zutreffend. Wie häufig sind doch z. B.
die Tophi an den ersten und zweiten Phalangen der Finger —
Heberden’sche Knoten — klimakteristischer Frauen mit und ohne Poly-
artbritis destruens. Sie haben mit eohter Gicht gar nichts zu tun. Das
hat schon Heberden selbst präzise ausgesprochen. Natürlich kann es
ausnahmsweise einmal Vorkommen, dass echte gichtische Ablagerungen
wie Heberden’sche Knoten lokalisiert sind.
Das „Knirschen“ in den Gelenken! Es beweist nichts anderes
als Unebenheiten der aufeinandergleitenden Knorpelflächen. Die Ursache
hierfür kann gelegen sein in Uratablagerungen, aber ebensogut auch in
irgendwelchen destruktiven Prozessen der Knorpel, in erster Linie durch
Osteoarthritis deformans. Gerade die Fettleibigen, die häufig statische
Anomalien der Füsse aufweisen, neigen besonders zu statischer Osteo¬
arthritis deformans der Kniee. Das im Beginn dieses Leidens auftretende
feine Reiben in den Kniegelenken, lässt sich vom echten „Gicht¬
knirschen“ nicht unterscheiden. Ich bin überzeugt, dass eine ganze
Reihe atypischer Gichtfälle Goldscheider’s hierunter zu rubrizieren ist.
Die Schwierigkeit, aus rein klinischen Symptomen heraus Fälle
von irregulärer Gicht von anderen nichtgichtischen Gelenkprozessen
(Osteoarthritis deformans, Polyarthritis chronica destruens, chronische
infektiöse Arthritis) zu unterscheiden, ist zuweilen unüberwindlich.
Han muss unbedingt daran festhalten, dass man nur
dann von Gicht — typischer oder atypischer, regulärer oder
irregulärer — sprechen darf, wenn Störungen des Purin¬
stoffwechsels vorliegen! Auch Friedrich Müller bat sich in
seinem Londoner Referat im vergangenen Jahre auf denselben Stand¬
punkt gestellt, er sagt: „Echte Gicht besteht nur da, wo entweder Ab¬
lagerung von Harnsäuresalzen in den Geweben oder wenigstens krankhafte
Storungen des harnsauren Stoffwechsels vorliegen.“
Zwar sind die Störungen des harnsauren Stoffwechsels offenbar nicht
die einzigen pathologischen Abartungea im Stoffwechsel der Gich¬
tischen. Zum Belege dessen verweise ich z. B. auf die Studien über die
Glykokollausscheidung bei der Gicht aus meinem Laboratorium (Hirseh-
stein, Unna, neuerdings Bürger und Schweriner).
Die Harnsäurestoffwechselstörungen sind aber charakteristisch und
geben bislang immer noch die besten Anhaltspunkte für die Differential¬
diagnose klinisch zweifelhafter Fälle. Leider ist ihre Erforschung in der
allgemeinen Praxis oft schwer durchführbar und systematisch eigentlich
nur auf solchen klinischen Abteilungen anwendbar, die überhaupt auf
derartige Fragestellungen eingestellt sind. Als solche diagnostischen
Anhaltspunkte haben zu gelten:
1. Der Verlauf der endogenen Harnsäurekurve mit ihren typi¬
schen Schwankungen im Anfall.
2. Die Resultate der Blutharnsäurebestimmungen: Sie dürfen
aber nur mit Vorbehalt verwertet werden, da der nichtgichtische hohe
Blutbarnsäurewerte haben kann und der gichtische harnsäurefreies Blut.
3. Die Retention intravenös injizierter Harnsäure: Sie wird
auf meinen Abteilungen seit 5 Jahren systematisch geprüft, seitdem ich
sie zusammen mit meinem damaligen Assistenten Retzlaff mitgeteilt
habe. Unsere Beobachtungen umfassen nachgerade eine sehr grosse Zahl
von Fällen, und ich will but kurz zusammenfassend sagen: Der Gichtische
retiniert intravenös injizierte Harnsäure, die der Gesunde total als Stoff¬
wechselendprodukt aussebeidet, ganz oder zu einem beträchtlichen Teile.
Auch Alkobolisten und chronisch Bleivergiftete retinieren; hier ist also
das Resultat nicht eindeutig. Was die Rolle der Niere anlangt, so kann
ein Gichtischer mit gesunder Niere total retinieren, ein Nierenkranker
ohne Gicht retiniert bedeutend weniger als der Gichtische. Ein Gich¬
tischer mit vorgeschrittener Nierenerkrankung darf nicht injiziert werden!
4. Auch die Glykokollkurve — nicht die einmalige Glykokoll-
ansacheidung — hat nach unseren Erfahrungen pathognomischen Wert.
Die Glykokollausscheidung ist vermehrt in den Harnsäureretentions¬
perioden des Gichtikers. Sie ist auch vermehrt nach intravenöser Harn-
säureinjektion beim Gichtiker, sowie endlich nach intravenöser Glykokoll-
wjektion bei demselben. Der Gesunde verbrennt 1,0 Glykokoll — intra¬
venös — total. Der Gichtische aber ist nach unserer Beobachtung
giykokollintolerant.
Zum Schluss eine, wie ich glaube, sehr lehrreiche Illustration hierzu:
hin 54jähriger Gichtiker. Vor 2 Jahren 1. Podagraanfall, V* Jahr später
Podagraanfall, dann später mehrfach Gichtanfall in Händen, Füssen
ood Kuien. Am 7. März 1912, nachts, Urticariaanfall über den ganzen
horper; am 10. März 1912 Goaagraanfall. Die für den Gichtanfall typische
hwitankung der von vornherein bearbeiteten endogenen Harnsäurekurve
üt bei dem Urticariaanfall deutlich ausgesprochen. Man kann hier also
Toa "P rt * car i Ä u ric*“ sprechen, und wir dürfen hier wohl zum ersten-
Tori») ^ ewe ’ s 8 e föhrt sehen, dass wirklich gichtische Hauteruptionen
. ® r * Hanse mann: Es ist ungefähr 30 Jahre her, dass ich bei
ir selbst das Knieknirschen und auch das Halswirbelknirschen ent-
^ on dem Herr Goldscbeider gesprochen hat. Ich bemerke
glücklich, es war ganz genau, wie es Herr Goldscheider schildert,
Ä r nicht et *a das Knacken und derbe Reiben, das man bei Arthritis
UD( * ^ n ^ en Erkrankungen finden kann. Bald darauf war
_ un d gleichzeitig chirurgischer Assistent in Kiel. Ich
P cb damals mit meinem Chef, Herrn Professor Petersen, über diese
^ .!^ un 8 mir, die mich als jungen Mediziner einigermaassen be-
W und er wunderte sich darüber, dass ich nicht wüsste, dass
das bei ganz normalen Menschen vorkommt und dass das gar keine Be¬
deutung hat.
Nun, Herr Goldsoheider könnte vielleicht sagen: Ich wäre ein
atypischer Giobtiker. Ich habe zwar selbst davon nichts gemerkt, und
ich war es auch damals nicht.
Aber ich habe dann Gelegenheit genommen, bei 100 Matrosen, die
mir als Marinearzt leicht zugänglich waren, also jungen Menschen aus
allen Gegenden Deutschlands, darauf zu untersuchen, und ich habe in¬
zwischen meine Notizen aus diesen damaligen Untersuchungen nach-
gesehen. Ich habe bei 74 von diesen 100 willkürlich ausgewählten
jungen Leuten das deutliche Knirschen im Kniegelenk fühlen köonen,
und 26 haben mir angegeben, dass sie selbst das Halswirbelknirschen
hören könnten.
Ich habe aber auch einmal Gelegenheit gehabt, eine anatomische
Untersuchung eines solchen Kniegelenks zu machen. Es betraf eine
Dame, die damals gerade in Kiel war uod die dieses Knirschen in ganz
ausgesprochenem Maasse hatte. Sie ist nachher hier in Berlin an einem
Darmcarcinom in verhältnismässig jungen Jahren gestorben, und ich
habe da das Kniegelenk, weil mich das natürlich sehr interessierte,
genau untersucht, und kann Sie versichern, dass dasselbe vollständig
normal war. Es waren weder gichtische Ablagerungen darin zu sehen,
noch irgendwelche atrophischen oder deformierenden Veränderungen.
Ich habe mir deshalb die Vorstellung gebildet, dass dieses Knirschen
eine Erscheinung ist, die unter normalen Bedingungen lediglich durch
irgendwelche Zustände der Gelenkformen zustande kommen kann, und
dass man es natürlich wohl unterscheiden muss von dem deutlichen
Knacken, den groben Geräuschen, die bei der Arthritis deformans zu¬
stande kommen können. Ich will auch nicht leugnen, dass bei gichti¬
schen Ablagerungen dieses Knirschen stärker sein kann. Aber jedenfalls
ergibt sich aus diesen Beobachtungen, dass es ganz sicher bei ganz nor¬
malen Menschen eine gar nicht seltene Erscheinung ist.
Das Knirschen wechselt übrigens sehr bedeutend. Man kann es
einmal haben und hat es den anderen Tag nicht. Also wenn ich an
einem anderen Tage die Matrosen untersucht hätte, würde ich vielleicht
mehr oder weniger gefunden haben, die das gleiche Symptom erkennen
Hessen. Aus alledem möchte ich schliessen, dass man in der Beurteilung
dieses Symptoms für die Stellung der Diagnose einer atypisehen Gicht
doch vorsichtig sein muss.
Hr. Brugsch: Herr Goldscheider hat die atypische Gicht rein
nosologisch zu klassifizieren und abzugrenzen versucht. leb glaube,
wenn wir dieser nosologischen Abgrenzung folgen, so werden wir eben
alles, was eine chronische Gelenkkrankheit darstellt und was nicht ein
Gelenkrheumatismus auf infektiöser Basis im engeren Sinne ist oder nicht
eine ausgesprochen chronisch destruierende Poiyarthritis ist, als Gicht
ansprechen müssen.
Ich glaube aber, es ist der grosse Fortschritt der letzten 10 Jahre,
dass wir gelernt haben, aus der Fülle aller akuten und chronischen
Gelenkerkrankungen eine Gruppe herauszunehmeD, die wir als Gicht be¬
zeichnen, weil ihr eine ganz bestimmte Harnsäurestoffwechselstörung zu¬
grunde liegt. Die Stoffwechselanomalie bezieht sich dabei, wie ich vorweg
betonen möchte, nicht nur auf das Bild der Urikämie, sondern es ist
meist die Trias vorhanden: vermehrte Blutharnsäure, niedriger Harn¬
säurewert der Ausscheidung, verschleppter Purinumsatz. Das Charakte¬
ristische ist, dass es auch gestattet ist, in den Fällen, wo eben die
typischen Stoffwechselanomalien vorhanden sind, die Gicht, ich möchte
sagen, zu diagnostizieren, ganz gleichgültig, ob ein Topbus vorhanden
ist oder nicht. Sie sehen also, wenn man an die Diagnose der atypi¬
schen Gicht aus klinischen Gesichtspunkten herangeht, so soll man mit
dem, was wir gelernt haben und was sicherlich zutrifft, als Grundlage
arbeiten, soll alles auf dieser Grundlage abgegrenzte gruppieren und
dann nach bestimmten Gesichtspunkten die atypische Gicht klinisch
einteilen.
Ich habe z. B. 45 Fälle willkürlich herausgesucht, die mir von
Aerzten als atypische Gicht zugeschickt worden sind. Von diesen Fällen
sind nur 3 typische Fälle von Gicht gewesen. Das sind Fälle, die Tophi¬
bildungen aufwiesen, Fälle, die das weiche Knirschen im Knie darboten,
Fälle, die präpatellare Schleimbeutel darboten, und Fälle, die am Olecranon
Schleimbeutel zeigten. In den übrigen Fällen hätte ich, wenn ich
klinisch geurteilt hätte, in manchen Fällen gesagt: Das ist eine Gicht.
Aber der typische Nachweis der fehlenden Harnsäuredyskrasie hat die
Fälle glatt als Gicht ausschliessen lassen, und ich glaube, wir müssen
daran festhalten, wenn wir über die Frage der Gicht weiterkommen
wollen, dass wir die Purinstoffwechselanomalie, d. h. die Harnsäure und
Harnsäureablagerungen als Unterlage annebmen und erst dann, wenn wir
die Fälle als Gicht nach dieser Seite klassifiziert haben, sie als atypische
Gicht einzureihen versuchen 1 )*
Nun werden Sie sagen: Das ist leicht gesagt, aber schwer getan.
Wie soll man Gelenksherde, Schleimbeutelerkrankungen, Knoten auf die
Harnsäure zurückführen? Ich kann sie doch nicht anstechen, nioht
punktieren? Es gibt aber mehr Hilfsmittel, als Sie glauben, die eine
diagnostische Bestimmung der Gicht ausserordentlich erleichtern, z. B. ge¬
statten, die Exostosen der Finger in Form der Heberden’sehen Knoten abzu-
1) Anmerkung bei der Korrektur: Bei Olecranon und prä-
patellaren Schleimbeutelbildungen, wenn sie doppelseitig sind, gehören
die Fälle nach jetzt etwa 50 Untersuchungen meinerseits der echten
Gicht an.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
grenzen von den Bildungen bei atypischer Gicht, die Knochenherde die
durch Urate bedingt sind, zu erkennen usw. Dazu dient das Röntgen-
verfahren, das uns gestattet, an den Knochen der Extremitäten jene
grossen dunklen Herde, die von einem hellen Hofe umgeben sind, als
gichtisch zu erkennen. Versagt diagnostisch diese Möglichkeit, dann
bleibt immer noch für uns die Möglichkeit, die Diagnose der Gicht auch
in atypischen Fällen nach der Seite der Harnsäure bin zu führen. Ich
berühre hierbei zunächst die Frage der Blutharnsäure.
Schittenbelm und ich sind die ersten gewesen, die in aus¬
gedehnten Blutuntersuchungen bei Gicbtikern vermehrte Harnsäuremeogen
trotz purinfreier Diät gefunden hatten. Schon im Jahre 1909 siud von
mir eine ganze Reihe von Angaben über die Grösse der Harnsäure im
Blute bei der Gicht gemacht worden auf Grund von Untersuchungen,
die nach der alten Methodik angestellt worden sind, bei der die Harn¬
säure kristallinisch dargestellt wurde und ibr Stickstoffgehalt bestimmt
wurde, also eine Methode, bei der wir die Harnsäure rein und exakt
durch die quantitative Analyse nachgewiesen haben. Da habeu wir be¬
wiesen, dass Gichtiker, sei es typische, sei es atypische Gicht, immer ver¬
mehrt Harnsäure im Blut enthalten trotz purinfreier Diät, und dass beim Ge¬
sunden der Harnsäurewert des Blutes, trotz verhältnismässig grosser
Ausscheidung im Harn, gegenüber einem Gichtiker ausserordentlich ge¬
ring ist, und zwar so gering, dass man ihn nicht nachweisen kann. Ich
habe ihn zu etwa 1 mg im Blute angenommen, da wir ihn mit unserer
Methode nicht nachweisen konnten; diejenigen, die ihn dann zum ersten
Male exakt im Blute des Gesunden bestimmten, wareu Bass und
Wichowski; sie fanden, dass Gesunde im Blute bei purinfreier Nahrung
1 —2 mg Harnsäure enthalten. Dazu aber haben die Autoren so
grosse Blutmengen verarbeitet, dass ihre Methode praktisch für die
Diagnostik gar Dicht in Frage kommt. Nun hat Herr Steinitz eine
Reihe von Fällen von Gicht angeführt und bat sie nach ihrem Harn¬
säurewert, ich möchte sagen, um 1 mg herum klassifiziert. Das darf
man nicht. Ich habe selber eine Methode mit Herrn Kristeller aus¬
gearbeitet, die gestattet, in 0,1 emm Blutserum die Harnsäure leicht
quantitativ nachzuweisen. Aber obgleich die Methode, trotzdem die
Blutmenge so klein ist, noch leichter arbeitet als die Folin’sche
Methode, die erst enteiweisst, dann die Harnsäure fällt und dann die
Harnsäure colorimetrisch nachweist, würde ich es als bedenklich halten,
die Blutharnsäurewerte so zu klassifizieren, wie es Herr Steinitz tut.
Das heisst denn doch den Wert der Laboratoriumsmethoden verkennen.
Aber nehmen wir einmal die Werte der Blutharnsäure, wie sie sind,
so können wir folgendes zugrunde legen: Die Harnsäuremenge beträgt
beim Gesunden bei purinfreier Ernährung auf 100 ccm Blut 1—2 mg,
und die Harnsäuremenge beim Gichtiker beträgt etwa 4—5 und mehr
Milligramm. Sie schwankt manchmal etwas nach unten, sie kann nach
oben geben, dagegen aber muss ich protestieren, dass bei der atypischen
Gicht die Mittelzablen (etwa um 3 mg Harnsäure) vorherrschen. Es mag
einmal vorübergehend die Harnsäuremenge im Blute gering befunden
werden, im grossen und ganzen sind aber auch hier die Werte hoch,
oft sogar sehr hoch, und einen Typus von atypischer Gicht, bei dem der
Wert an der oberen Grenze der Norm liegt, habe ich nicht gesesehen.
Nun werden Sie sagen: dann ist ja doch die Bestimmung der Blut-
harnsäure beim Gichtkranken eine ganz gute Methode, denn wenn der
Harnsäurewert hoch ist, kann ich ohne weiteres die typische und die
atypische Gicht von dem nicht gichtischen Zustande abscheiden. Ich
sage, die Bestimmung kann mal in einem Falle geringer ausfallen. Wir
wissen nicht: Sind das Fehlerquellen in der Methodik? Eine Kontroll-
untersuchuog will man vielleicht nicht gleich ausführen. Andererseits
kann auch ein Gesunder vorübergehend einen höheren Blutharnsäurewert
aufweisen, z. B. im Fieber, bei Leubocytose usw. Darum ist das dia¬
gnostisch Wichtigste: die Bestimmung der endogenen Harnsäure. Was
wir, Schittenhelm und ich, besonders urgiert haben, und was ganz
aus den Diskussionen über die Gicht verloren gegangen ist, das ist das
eigenartige Verhalten der endogenen Harnsäure gegenüber dem Gesunden.
Es gibt mit Sicherheit zwei Typen der Gichtiker. Der eine Typ hat
einen hohen endogenen Harnsäurewert und einen sehr hohen Blutbarn¬
säurewert. Da finden Sie die Harnsäureausscheidung von etwa 0,6 g
pro die unter purinfreier Diät. Diese Form verläuft meist polyarticulär
und stellt eine schwere Erkrankung dar, die allerdings sehr selten ist.
Die Mehrzahl der Gichtiker aber hat einen verhältnismässig hohen
Blutharnsäurewert von 4—5 mg und einen dabei verhältnismässig sehr
geringen Harnsäurewert im UriD, wogegen der Gesunde auf 0,4 bis 0,5
bleibt; z. B. ein Gichtiker hat 5 mg Harnsäure in 100 ccm Blut; der
endogene Harnsäure wert beträgt (24 ständige HarnsäureausscheiduDg) 0,2 g.
Dann kann man beide Faktoren in einem Quotienten ausdrücken, den
ich einmal den urikämischen Quotienten nennen will: ich berechne
dabei den Harnsäurewert für die ganze Blutmenge und dividiere diesen
Wert durch den endogenen Harnsäurewert. Atso in unserem Falle,
wenn man die Blutmeuge zu 5 Litern annehmen will, erhält man
50 X 5 mg __ __ der urikämische Quotient beträgt also 1,25. Im
Gegensatz dazu der Gesunde. Es betrage der Blutharnsäurewert (endogen)
1 5 mg in 100 ccm Blut, der endogene Harnsäurewert 0,4, dann ist der
urikämische Quotient -” 55 ^- = °- 19 - Als0 mit “deren Worten,
Gichtkranke und Nicbtgicbtbranke unterscheiden sich durch diesen Quo¬
tienten wobei der Gichtkranke einen Wert aufweist über 0,5; der Gesunde,
d b der nicht Gichtkranke einen Wert unter 0,5. Dariu liegt das wirklich
unterscheidende, und nicht darin, ob einmal das Blut 1 oder 2 mg mehr
Harnsäure aufweist. Und wenn man mir einmal entgegenhält, dass Ne-
phritiker ähnliche Werte wie Gichtkranke aufweisen können, so verschlägt
das nichts, weil atypische Gelenkserscheinungen bei Scbrumpfoieren-
kranken unter solchen Verhältnissen auf die Harnsäure bezogen werden
können. Jedenfalls sind diese Diüge auf die Gicht zurückzuführen. Das ist
ein sehr gutes Mittel zur Differentialdiagnose, nicht aber die absolute
Beurteilung der Harnsäurewert«. Da schickt man ein bisschen Blut ein¬
fach in die Apotheke und lässt feststellen: Hier ist viel oder wenig darin.
Bei 4 mg ist es ein Gichtiker, bei 3 mg ist es ein Mittelding, eine
Gicht, die vielleicht im Werden ist, oder atypische Gicht, bei 2 mg ist
es ein Gesunder. Das ist nicht möglich, so einfach liegen die Dinge
nicht, und dagegen möchte ich mich ganz energisch wehren. Auffallend
höbe Harnsäurewerte sprechen allerdings für die Diagnose der Gicht von
vornherein, wenn Schrumpfniere, Fieber, Leukocytosen auszuschliessen siod.
Wie schwer es mit der Giebtdiagnose aus der Blutharnsäure ist,
will ich Ihnen erzählen. Wir haben die Methode des Nachweises der
Harnsäure im Blute beim purinfrei ernährten Gichtkranken veröffentlicht
und haben lange Zeit geschwiegen, und da sind die Leute über uns
hergefallen und haben gesagt: Es existiert ja gar keine vermehrte Harn¬
säure beim Gichtiker. Aus dem Goldscheider’schen Institut hat
Ehrmann selbst Fälle von Gicht ohne Blutharnsäure, oder wo die Harn¬
säure negativ geworden ist, publiziert. Ich habe selbst immer gesagt,
ebenso wie Schittenhelm, wie schwer die Methodik ist. Aber unsere
Untersuchungen sind glänzend bestätigt. Die Poiin’sche Methode xeigt
in bereits publizierten Untersuchungen von Kocher, dass die Harnsäure
bei allen Giehtikern mehr oder weniger vermehrt ist. Einmal fällt ein
weisses Schaf auf, das ist ein Gichtiker mit wenig Harnsäure im Blute.
Aber mau darf nicht vergessen, dass die Gichtiker jetzt mit Atophan
behandelt werden, und das treibt die Harnsäure aus dem Blute ausser¬
ordentlich herunter. Wenn ich einen Gichtiker habe, der mehrmals
Atophan bekommen hat, so sinkt der Harnsäurewert des Blutes von 5 bis
6 mg auf 1 bis 2 mg. Deshalb sind die Werte von Steinitz auch
nicht so zu übersehen, weil ich nicht weiss, ob die Betreffenden Atophan
genommen haben.
Nun noch ein Wort über die Gichttherapie. Das Atophan ist, wie
Sie wissen, ein Mittel, das einmal die Harnsäure besser zur Ausscheidung
bringt und zweitens die Harnsäure mobilisiert. Da werden grosse Mengen
von Harnsäure im Körper mobilisiert, in den Kreislauf geworfen und
ausgesebiedeo. Dieses Atophan hat als Basis einen Körper, das ist das
Chinolin, und zwar stellt es eine C&rboosäure, mit einem Phenylrest
gepaart, vor. Wir haben nun durch Herrn Professor Wolffenstein
Oxychinoline prüfen köonen und ihre Wirkung auf den Puriostoff-
wechsel untersucht und haben die ausserordentlich interessante Tatsache
entdeckt: Es gibt ein Präparat, das genau umgekehrt wirkt wie das
Atophan. Atophau wirft aus den Depots die Harnsäure heraus, d. h. es
mobilisiert die Harnsäure und bringt sie zur Ausscheidung. Ein solches
Präparat vermag die Harnsäure so zu vermindern, dass ein normaler
Mensch, der etwa 0,3 g Harnsäure im Durchschnitt ausscheidet, nur
noch Milligramme ausscheidet. Merkwürdigerweise wirkt das Mittel auch
bei der Gicht. Sie sehen, in einem Falle wird die Harnsäure beraus-
geworfen und entlastet den Patienten, im anderen Falle wird die
Harnsäurebildung verhindert. Beides kann zum Ziele führen.
Ich will mich über dieses Präparat nicht weiter auslasseu. Die ja
ausserordentlich interessanten Tatsachen zeigen, wie die Kenntnis der
Purinstoffwechselanomalie auch in dieser Richtung uns weiter bringt
Hr. F. Hirschfcld: Ich wollte nur auf einen der letzten Punkte
eingeheD, die Herr Goldscheider erwähnte. Wenn ich ihn recht ver¬
standen habe — er sprach zum Schluss in sehr gedrängter Kürze —,
schien Herr Goldaoheider der Gicht keine solche toxische Bedeutung
beizumesseD, wie man allgemein bisher angenommen hatte. Es würde
dies Berührungspunkte mit Anschauungen haben, die ich vor mehreren
Jahren wiederholt aussprach. Auf Grund meines Materials stellte ich
fest, dass die gichtische Albuminurie auffallend gutartig verlief, obgleich
ich bei genauerer Untersuchung oft genug Symptome entdeckte, die auf
eine Nierenaffektion bindeuteten, wie erhöhter Druck und vasomotorische
Störungen der verschiedensten Art. Ich habe dann in einem Aufsatz
der von v. Leyden und Klemperer berausgegebenen Deutschen Klinik
auf Veröffentlichungen der Lebensversicherungsgesellscbaften biDgewiesen,
wonach tatsächlich der Verlauf der Gicht durchschnittlich eio günstiger
ist und eine Lebensverkürzung, wie sie beim Diabetes z. B. unbestreitbar
nachweisbar ist, und wie sie auch bei der Fettleibigkeit so oft vom
Herzen her droht, bei der Gicht kaum bemerkbar ist. Das widerspricht
eigentlich der Anschauung, wie sie in den Werken von Senator, von
Minkowski und auch in dem neulich erschienenen Buch des Herrn
Umber angegeben ist. Auch dort ist diese Gutartigkeit der Gicht und
der gichtischen Nephritis meiner Ansicht naoh nicht gebührend Fervor-
gehoben. Naturgemäss habe ich mich weiter mit dieser Frage beschäftigt
und kann meine frühere Ansicht nur bestätigen. Ferner habe ich einen
klassischen Zeugen auffinden können. In dem bekannten, 1890 er¬
schienenen Werk von Charcot: „Ueber die Krankheiten im Ureisen-
alter“ erwähnt er auf Grund seiner Erfahrungen den auffallend gutartigen
Verlauf der gichtischen Albuminurie. Interessant ist ein Fall, den er
in plastischer Weise genau schildert. Bei einer 84 Jahre alten rrao
waren während des Lebens nur Symptome von chronischem Rheumatismus
nachweisbar. Der Tod erfolgte an einer Pneumonie. Bei der Sektion
wurde die linke Niere normal gross gefunden; sie enthielt eine Meng
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20, Joli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1381
von uratischen Depots. Die rechte Niere war sehr klein, stark ge
schraropft, die Arterien hochgradig arteriosklerotisch verändert. Es ist
also wenn man das zusammennimmt, eine typisch gichtische arterio¬
sklerotische Schrumpfniere. Trotzdem waren bei der Frau keine Symptome
von Nephritis nachweisbar, und von einer Lebens Verkürzung wird man
bei einer 84 jährigen Patientin wohl kaum sprechen können. Aehnliche
Fälle habe ich wiederholt gesehen.
Ich habe noch vor kurzem darauf hingewiesen, dass die arterio¬
sklerotische Schrumpfniere, so wie sie von dem Anatomen festgestellt
wird, ebenso wie die senile Atrophie der Niere kaum Symptome während
des Lebens macht. Wenn also auch der Anatom bisweilen gewisser-
m&assen den Beweis für eine schwere gichtische arteriosklerotische
Sohrompfoiere in der Hand hat, so entspricht dies klinisch doch keinem
schweren Krankheitszustand, wenn wir auch intra vitam eine Albumin¬
urie häufig feststellen können.
Ich möchte noch auf die Analogie bei der Fettleibigkeit hinweisen.
Bei fettleibigen kommen schwere Schrumpfnieren ebenfalls häufiger als
bei nicht fettleibigen Personen vor. Ausserdem findet man nach meinen
Beobachtungen bei Fettleibigen sehr häufig leichte Albuminurien, die
verschwinden, nach einiger Zeit bei leichten Infektionen wiederkommeo,
aber im wesentlichen sich doch gutartig verhalten. Ich glaube, dass in
sehr vielen Fällen von Gicht es sich um eine ähnliche gutartige Albumin¬
urie handelt und schwere, unter dem Bilde der Schrumpfniere verlaufende
Fälle zu den seltenen Ausnahmen gehören. Wofern ich Herrn Gold¬
scheider richtig verstanden habe, dass der Gicht eine relativ geringe
toxisohe Bedeutung beizumessen ist, würde dies mit meinen Anschauungen
gut im Einklang stehen.
Hr. His: Ich bekam heute den Separatabdruck einer Arbeit zu¬
geschickt, die mit den Worten beginnt: Die Gicht ist die häufigste
Volkskraukheit. Nein, die Gicht ist eine verhältnismässig seltene Krank¬
heit und zeigt sehr scharfe soziale Abstufungen. Bei dem Arbeiter- und
Handwerkermaterial im Krankenhause gehört sie zu den seltenen Krank¬
heiten, und wenn sie einmal vorkorarat, so ist sie meist durch Saturnis-
mus hervorgerufen. Häufiger kommt sie vor im Mittelstände, namentlich
gewisse Berufskreise, bei Schlächtern und vor allen Dingen bei Restau-'
»teuren. Erst wenn man in die Klassen kommt, die über das Bedürfnis
hinaus Nahrung und Getränke zu sich nehmen, wird die Gicht zu einer
häufigeren Krankheit.
Als vor etwa P/a Jahren Herr Kollege Goldscheider seine erste
Arbeit in der Zeitschrift für physikalische Therapie publizierte, freute
ich mich darüber, weil darin atypische Formen beschrieben waren, von
denen wir heute ganz genau wissen, sie gehören zur Gicht, welche aber
in früheren Werken, zum Beispiel bei Minkowski, mit emer etwas
weitgehenden Kritik als unsicher dargestellt waren. Zu meinem grossen
Bedauern haben die Arbeiten des Herrn Goldscheider hernach eine
Richtung genommen, der ich nicht folgen kann. Er bat sich immer aus¬
schliesslicher auf klinische Symptome gestützt. Was bedeuten diese
Symptome, was bedeutet ein präpatellarer Scbleimbeutel, was bedeutet
ein Knirschen? Das bedeutet eine mechanische Veränderung im Gewebe
des Knorpels oder des synovialen Bindegewebes. Von solchen Verände¬
rungen wissen wir aber beute ganz genau, dass sie auf sehr verschiedene
Art Zustandekommen können, zum Beispiel durch infektiöse Vorgänge
im Körper, durch Eiterherde in den Tonsillen und was derartige Dinge
mehr sind. Wir wissen ferner, und zwar durch eine Untersuchung,
welche Herr Professor Beitzke auf meine Veranlassung und mit mir
xusammen vorgenommen hat, dass bei einer ungemein grossen Zahl von
Menschen, welche gar nicht über Gelenkschmerzen geklagt hatten, Auf¬
faserungen des Knorpels Vorkommen, und zwar etwa vom 25. Jahre ab
in grosser Häufigkeit. Wir wissen fernerhin auch, wie oft bei Frauen
um die Zeit der Menopause herum Gelenkaffektionen auftreten, UDd unter
diesen Gelenkaffektionen sind wiederum das Knirschen, die Schwellung
der Synovialmembranen ausserordentlich häufige Erscheinungen.
Dürfen wir nun mit Herrn GoldscheideT alles dieses zur Gicht
reahnen? Davor möchte ich auf das dringendste warnen. In Berlin und
auch anderswo ist es vielfach Sitte, jede chronische Gelenkaffektion als
Gicht zu bezeichnen. Nun schlagen die Leute das Konversationslexikon
u»ch, oder sie kaufen sich ein Buch über Gicht und lesen oder hören
von anderen Mitleidenden alles, was die Gichtkranken esseD, und was er
nicht essen kann. Nun habe ich schon einmal, ich glaube an dieser
«eile, auseinandergesetzt, dass die Meinungen über die Diät bei der
jjicht sehr stark auseinandergeben, selbst unter denjenigen, welche diese
Meinungen durch exakte Laboratoriumsuntersuchungen zu begründen
Bnternehmen, und ich habe nicht einen, sondern Dutzende von Patienten
gesehen, die halb verhungert waren, weil sie alles nicht assen, wovon
irgend einmal gehört oder gelesen hatten, es sei bei Gicht nicht gut.
Jso dürfen wir schon aus praktischen Gründen mit dieser Diagnose
weht leichtfertig umgehen.
g .^!* n es sich: wie kommt Herr Goldscheider dazu, derartige
awv* Dgen * u erklären, die auch bei anderen rheumatischen
imff i° Den vor ^ ommen ? Da moohte ich vor allen DiDgen auf den Be-
tt>i I T J°P*\ US eingehen. Herr Goldscheider beschreibt zum Bei-
2 d?i ^ie hinten am Kreuzbein sitzen. Ich habe eine ziemliche
»ohi V °k ^t^anken gesehen, aber noch keinen Tophus am Kreuzbein,
» t * tominei i am Kreuzbein, am Nacken, den Schultern, an der
sehm^u a * ur 8e ^ r häufig jene kleinen, etwas derb anzufühlenden
DoaemT? 60 ®kUen vor, die so vielerlei Namen haben, und die in
er Literatur so ausserordentlich stiefmütterlich behandelt worden
sind. Das sind häufig die Ursachen der Ischias, häufig die Ursachen des
von Edinger besohriebonen Schwielenkopfschmerzes, das sind die Noduli
rheumatici englischer und französischer Autoren, das sind die Schmelz¬
punkte, auf die Herr Cornelius seine Lehre und Behandlung aufbaut,
und die Herr Mü Iler - München-Gladbach ausführlich bearbeitet hat.
Man fiodet solche Knoten bei Gichtkranken und ihren Abkömmlingen
viel häufiger aber als selbständige Krankheit oder als Begleitsymptome
anderer Konatitutionsanomalien ohne Gicht. Herr Gold so hei der hat
eine Anzahl von Symptomen angegeben, die bei atypischer Gicht Vor¬
kommen können. Aber die Sache steht nicht so, dass derartige Vor¬
kommnisse stets auch die Gicht beweisen. Sie können bei Gicht Vor¬
kommen, sie können aber auch bei anderen Zuständen vorhanden sein,
und deswegen bedeuten diese Symptome an sich noch nicht die Gicht.
Die Gicht ist eine Stoffwechselkrankheit, daran müssen wir festbalten,
wenn wir nicht hinter Garrod zurückreiohen sollen. Die Frage ist nur:
wie erkennen wir diese Stoffwechselkrankheit? und da besteht in der
Tat eine methodische Schwierigkeit.
Es ist zurzeit noch nicht entschieden, welche der Methoden die
Harnsäure im Blute mit Sicherheit nachzuweisen und zu messen gestattet.
Am sichersten sind jedenfalls die Analysen nach Calkowski-Krüger
und nach Folin, sowie die Dialysiermethode, welche die Substanz rein
darstellen und prüfen; doch kommen bei diesen Methoden zweifellos
gelegentlich Versager vor. Wie weit aber die bequemeren kolorimetrischen
Methoden zuverlässig sind, ist noch nicht völlig erwiesen; sie werden
aber jetzt so vielfach geprüft, dass wir binnen kurzem Gewissheit über
ihren Wert erwarten dürfen. Inzwischen bediene ich mich noch der
älteren Methoden, die uns zwar gelegentlich die Harnsäure im Blute
vermissen lassen, wo sie vorhanden ist, aber niemals sie Vortäuschen,
wo sie nicht vorhanden ist.
Diese noch vorhandene Unsicherheit darf uns jedoch nicht irre
machen an der sieb Garrod immer wieder als richtig erwiesenen An¬
schauung, dass die echte Gicht eine gut charakterisierte Stoffwechsel-
störung ist, die wir nach der Aberration des Stoffwechsels und nicht
nach unsicheren und vieldeutigen klinischen Symptomen diagnostizieren
dürfen.
Hr. Holländer: Ich möchte eine ganz kurze therapeutische Be¬
merkung machen. Nachdem ich vor etwa 15 Jahreu einen Infanterie-
ofüzier, der wegen grosser, ihn molestierender Tophi an den Füssen den
Abschied nehmen wollte, durch die Exstirpation dieser wieder voll¬
kommen marschfähig gemacht batte, und der auch viele Jahre noch
seinen Dienst verrichten konnte, habe ich in den Fällen, in denen der
Tophus entweder sehr gross geworden war oder er durch seinen Sitz an
dem Ellenbogen mechanisch genierte, diese Uratgeschwülste exstirpiert.
Man muss sie wie einen malignen Tumor entfernen, ohne dass der lobalt
die Wunde berührt. Dann aber habe ich sehr gute Resultate erzielt.
Die Heilung ist manchmal etwas verzögert, aber doch per primam er¬
folgt, und, was ich besonders bemerken möchte, nie habe icb Reoidive
an der Stelle, an der die Exstirpation stattfand, beobachtet. Es ist im
übrigen ziemlich unverständlich, wie es überhaupt zu Uratablagerungen
gerade an Stellen kommen kann, die eigentlich fast ganz aus dem Kreis¬
lauf ausgeschaltet sind. Es blutet bei der Operation fast gar nicht.
Vielleicht können wir da von den Inneren eine Erklärung be¬
kommen, warum einmal überhaupt diese Absonderung an Stellen er¬
folgt, deren Gefässversorgung eine so minimale ist, und wieso durch
diese dicken Schwarten hindurch ein dauerndes Wachstum derselben
möglich ist.
Hr. Bergeil: Ich möchte nur eine kurze Bemerkung machen und
eine Frage an Herrn Goldscheider richten. Es ist mir bei einigen
ganz eklatanten Fällen der atypischen Gicht ein eigenartiges Verhalten
der Harnsäureausscheidung aufgefallen. Es handelt sich um Fälle, die
ganz zweifellos echte Gioht waren. Ich habe sie, entsprechend der
Forderung des Herrn Brugsch, auch durch das Röntgenbild diagnosti¬
ziert, abgesehen davon, dass das ganze klinische Bild entsprechend war.
Es handelte sich um Leute, die in der Mitte der 60 er Jahre standen
und seit 15 bis 20 Jahren diese Tophi dauernd wachsen sahen und
dabei nicht den geringsten Anfall gehabt haben. Es sind 3 Geschwister
und noch 2 andere Fälle. Bei allen diesen Fällen sah ich durchweg,
dass die Harnausscheidungen ausserordentlich gering waren, und zwar
nicht nur bei purinärmster Nahrung, sondern auch bei etwas mehr
purinreicher Nahrung. Die Harnmenge war sehr reichlich, 2 1 und
darüber, der Urin war tiefgestellt, und die gesamte ausgeschiedene Harn¬
säuremenge, nach Hopkins bestimmt, war ausserordentlich gering,
manchmal unter 0,1.
Ich möchte nun die Frage stellen, ob bei den eklatanten Fällen
von atypischer Gicht es im allgemeinen aufgefallen ist, dass Wochen
hindurch, lange Zeit hindurch diese Patienten immer eine ausserordent¬
lich geringe Harnsäuremenge ausscheiden. Das wäre eventuell wichtig,
wenn man tatsächlich eine grosse Anzahl von atypischen Gichtikera
zusammenstellen kÖDnte, bei denen im Vordergründe steht, dass die
Harnausscheidung ausserordentlich gering ist, so könnte man da ja einen
Zusammenhang sehen zu dem ganzen Begriff der atypischen Gicht.
Denn das Atypische ist ja, dass sie atoxisch auftritt, dass Anfälle die
als toxische Erscheinungen anzusehen sind, sich nicht zeigen. '
Hr. Steinitz (Schlusswort): Wir waren uns bewusst, dass wir uns
mit den Ergebnissen unserer Untersuchungen in einen Gegensatz zu
früheren Resultaten stellten. Wir haben deshalb eine ziemliche Zeitlang
abgewartet, ehe wir etwas veröffentlichten, bis die Zahl der Unter-
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UNIVERSITÄT OF IOWA
1382
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
suchungen in die Hunderte ging und -wir über 50 Fälle untersucht
hatten; jetzt sind es bereits über 100 Fälle. Herr Brugsch hat sich
auf seine früheren Untersuchungen berufen. Es -war im Verhältnis zu
den heutigen Erfahrungen nur eine geringe Zahl von Fällen, und es
konnte nur eine geringe Zahl sein wegen der erforderlichen grossen
Blutmengen und wegen der Kompliziertheit der Methode. Herr Schiften -
heim, der die Untersuchungen mit Herrn Brugsch damals gemeinsam
machte, sagt in einer neueren Arbeit: „Uebrigens schien uns die Methode
der Harnsäurebestimmung im Blute bisher nicht so auf der Höhe ge¬
wesen zu sein, dass man daraufhin nach der einen oder anderen Richtung
hin sichere Schlüsse ziehen kann. Man findet zuweilen mit den bisher
üblichen Methoden, selbst bei ausgesprochenen Gichtkranken, keine
Harnsäure im Blut.“
Also danach ist entweder die Methode unzureichend, oder es gibt
Gichtiker, die im Blut bei purinfreier Kost keine Harnsäure haben.
Wir habeu die Folin’sche Methode für unsere Untersuchungen nicht
aus Bequemlichkeit oder wegen der geringen Blutmenge gewählt, die wir
brauchten, sondern weil wir sie, ganz abgesehen davon, für zuverlässiger
hielten. Die früheren Methoden, mit denen Herr Brugsch arbeitete und
auch die Herren Bass und Wiechowsky in Prag, haben den Nach¬
teil: sie isolieren am Schluss die Harnsäure auf Grund ihrer Löslichkeit
bzw. Unlöslichkeit, und die Löslichkeit der Harnsäure ist ein sehr viel
umstrittenes Kapitel. Die Frage ist heute durchaus noch nicht sicher
beantwortet. Es ist uns bei Versuchen mit den alten Methoden, die
Harnsäure zu bestimmen, vorgekommen, dass wir am Schluss, wenn die
Harnsäure auf dem Filter sein sollte, dort keine Harnsäure fanden, im
Filtrat dagegen eine positive Murexidprobe bekamen.
Herr Brugsch hat dann die früheren Resultate durch eine ganz
neue Methode zu stützen versucht. Diese Methode ist sehr einfach.
Ich glaube, es muss noch eine grössere Anzahl von Erfahrungen damit
abgewartet werden, ehe man auf Grund dieser Methode wissenschaftliche
Schlussfolgerungen ziehen kann. Bisher hat sie sich mir bei einigen
Probeversuchen nicht bewährt.
Kocher in der Friedrich Müller’schen Klinik in München bat
ebenso wie ich mit der Foiin’schen Methode gearbeitet und hat Resultate
bekommen, die im wesentlichen mit meinen übereinstimmen. Er hat
nicht bei allen Gichtikern hohe Werte gefunden. Ueber ein Drittel
seiner Gichtiker hat Zahlenwerte, die zu den von Herrn Brugsch an¬
geschriebenen Zahlen nicht stimmen, also die unter 4 liegen, und wenn
Herr Brugsch für die Nichtgicbtiker als höchsten Wert 2 angibt, so
hat Kocher in einer ganzen Anzahl von Fällen, die mit Gicht nichts
zu tun haben, zu hohe Werte gefunden. Herr Kocher hat also eben¬
falls Werte gefunden, die zwischen 2 und 4 liegen in der Zone, die ich
das letzte Mal als neutrale bezeichnet habe.
Ich habe schou das vorige Mal darauf hingewiesen, dass man bei
niedrigen Giehtwerten immer daran denken muss, dass die Leute be¬
handelt sind, und zwar nicht bloss, dass sie etwa mit Atophan behandelt
sind, sondern mit Brunnenkuren, Schwitzkuren, Diät u. a. Mit dem
Atophan ist es nicht so gefährlich, wie Herr Brugsch das hier hiu-
gestellt hät. Das Atophan setzt den Blulharnsäurewert herunter, aber
diese Wirkung lässt, wenn nicht sehr langdauernd und intensiv behandelt
wird, wieder nach. Wir sind darüber ziemlich genau unterrichtet, weil
wir mit unserer einfachen Methode das Blut unserer Patienten wieder¬
holt untersuchen konnten, und das gibt uns auch eine grössere Sicher¬
heit. Wir haben bei einer ganzen ÄDzabl das Blut 10 mal unsersuebt,
den Rekord schlägt ein PatieDt mit 13 Blutuntersuchungen. Danach
wissen wir, dass es Dicht am Atophan liegt, wenn wir bei einem Teil
der Gichtiker niedrige Werte gefunden haben.
Ich kann also nur dabei bleibeD, dass trotz der alten Unter¬
suchungen von Brugsch und Schittenhelm der Normale Harnsäure
im Blute hat, oft mehr als 1 bis 2 mg, und der Gichtiker zuweilen
weniger als 4 mg, dass also eine UebergaDgszone existiert, in die ein
Teil der atypischen wie auch der echten Gichtlälle gehört.
Hr. Goldscheider (Schlusswort): Wenn sich jemand auf das
Gebiet der Diathese begibt, so muss er darauf gefasst sein, eine Anzahl
von Widersprüchen zu erfahren. Die Widersprüche, welche mir heute
entgegengetreten sind, beziehen sich zum Teil auf meine Diagnose, zum
Teil auf den Stoffwechselversuch.
Was die Diagnose betrifft, so ist mir entgegengehalten worden, dass
das Gelenkknirschen nicht beweisend sei. Nun, ich habe ja schon in
der ersten Arbeit gesagt, dass das Gelenkknirschen mit Vorsicht zu ver¬
werten ist, und ich habe auch jetzt wiederholt, dass ich nicht jedes
Gelenkknirschen als Gicht ansehen möchte. Andererseits aber hiesse es
die Bedeutung dieses wichtigen Symptoms unterschätzen, wenn man es
nun ganz vernachlässigt. In der Tat ist es etwas, wovon niemand
etwas weiss. Der Chirurg meint, dass das Gelenkknirschen eine
chirurgische Erkrankung bedeute. Ein anderer meint, es sei eingedickte
Synovia oder irgendetwas, was man nicht definieren kann. Nur die
Herren in Hamburg und Umgegend wissen es ganz genau: es ist das
Hamburger Knie. Es muss aber doch irgendetwas auch dem Hamburger
Knie zugrunde liegen. Ist es Rheumatismus — nun gut, dann weise
man es nach. Aber der Nachweis besteht darin, dass Herr Umber
sagt, das Hamburger Klima sei ein sehr rheumatisches. Aber auch bei
Gicht üben Witterungsverbältnisse einen sehr grossen Einfluss aus. An
einer Stelle seines Buches sagt Umber, dass er io Hamburg sehr viel
Gichtiker zu behandeln gehabt habe. Es ist bekannt, dass in Hamburg
und Schleswig-Holstein sehr viel Fleisch gegessen wird. Es sind ebenso¬
viele Gründe für die Gicht beizubringen, wie hier Gründe für den
Rheumatismus beigebracht sind. Ich glaube, es sind bessere Gründe
für die Gicht als gegen die Gicht. Ich meine nicht, das jedes Knirschen
gichtisch ist. Aber es scheint, dass die Gicht in ihren leisesten
Schattierungen ausserordentlich verbreitet ist. Ich höre von Herrn
v. Hansemann, dass er in Kiel — viele nennen es übrigens auch das
Holsteiner Knie — das Knirschen sehr häufig gefunden habe. Ueber
seine exorbitanten Zahlen erlaube ich mir kein Urteil. Wenn er von
100 Matrosen bei 74 das Knieknirschen gefunden bat — ich weiss nicht,
bei wievielen er Halsknirschen gefunden hat —, so kann ich ihm nur
sagen, ich verstehe das nicht. Denn ich habe sehr sorgfältig einige
Tausende von Patienten untersucht und habe es bei weitem nicht so
oft gefunden. Vielleicht ist es doch ein anderes Knirschen gewesen.
Im übrigen bemerke ich, dass das Knirschen in der Tat einen
Wechsel zeigt. Das gerade, meine ich, spricht doch wenig dafür, dass
es dauernde Veränderungen sind im Sinne der von Herrn Umber als
Grund des Knirschens hingestellten schweren Gelenkverändenrng. Auch
kann ich bezeugen, dass die Patienten mit Knieknirschen fast niemals
erhebliche Schmerzen im Knie habeD, wie man es doch voraussetzen
müsste, wenn schwere Gelenkveränderungen die Ursache des Knirscheos
waren. Der Wechsel lässt sich ja sehr leicht verstehen, Harosäureaus-
scheidungen wachsen, sie kommen und gehen, sie werden resorbiert, uncl
ich glaube, dass sie in Zusammenhang stehen mit Ueberschwemmungeo
des Körpers mit Purinnährmaterial. Das ist ja gerade der Punkt, den
ich für einen der wichtigsten in meinem Vortrag gehalten habe, nämlich
dass die Gicht als Diathese und die übermässige alimentäre Belastung
mit Purinstoffen sehr ähnliche Symptome erzeugen, ein Punkt, der heute
in der Diskussion in keiner Weise auch nur berührt worden ist.
Ein anderer Widerspruch gegen meine Diagnose bezieht sich auf
die Tophi. Wenn Herr Arthur Meyer sagte, dass die Dinge, die ich
Tophi nenne, ebensogut Atherome oder Fibrome sein können, so kann
ich das überhaupt gar nicht ernst nehmen. Ich habe iü meinem Vor¬
trage gerade davor gewarnt, jeden scheinbaren Tophus als einen Gicht-
tophus aozuseben. Weiche Tophi in den Schleimbeuteln beweisen mir
nichts, man muss vielmehr eine Härte oder eine Art von Knirschen
'fühlen. Ich habe selbst ein weiches Fibrom aus dem Olecranonscbleim-
beulel auf meiner Abteilung eistirpieren lassen. Es war in der Tat
harnsäurefrei. Ich kann also Herrn Umber bestätigen, dass Fibrome in
Schleimbeuteln Vorkommen, die nichts mit hainsauren Tophi zu tun
haben. Beweist das denn etwas gegen Harnsäuretophi in den Schleim¬
beuteln, wenn hin und wieder einmal ein Fibrom an derselben Stelle
vorkoramt?
Dieselbe Bemerkung muss ich gegen Herrn His richten. Es ist
nicht richtig, dass, wie Herr His bemerkte, hier eine Verwechselung mit
Noduli rheuraatici und irgendwelchen schmerzhaften Knötchen an den
Muskeln und Faseien vorliegt. Es ist auch nicht richtig, wenn Herr His
die Existenz der Tophi am Kreuzbein bezweifelt. Ich bin sehr streng
gegen mich selbst. Ich habe in sehr vielen Fällen Tophi, die mir als
solche von Kollegen gezeigt wurden, abgelehnt. Ich erkenne dieselben
nur an, wenn sie zweifelsohne sind oder mir wenigstens zweifelsohne tu
sein scheinen. So leichter Hand, wie Herr His und andere glauben,
kriegen Sie mich doch nicht unter, sondern untersuchen Sie nur selbst
Hunderte von Fällen genau, dann werden Sie anders über die Sache
urteilen. Die Tophi am Kreuzbein sind unzweifelhaft vorhanden. Aber
es kennt sie allerdings fast niemand. Man muss das eben einmal ge¬
fühlt haben, und ich bin gern bereit, Herrn Kollegen His diese Tophi
zeigen, wenn ich einen solchen Fall habe. Der einzige, der sie be¬
schreibt, ist Gemmel in Salzschlirf.
Nun ist dann weiter aber ein viel ernsterer Einwurf gemacht worden.
Er betrifft den Punkt, dass man nosologisch oder klinisch überhaupt
keine Gruppierung vornehmen könne und dürfe, sondern die Gruppierung
müsse sich auf den Stoffwechselversuch stützen. Nun, da kann ich auch
nicht mit. Ich spreche offen aus, dass ich das für einen Standpunkt
halte, der unklinisch ist. Herr Brugsch geht so weit, zu sagen, dass
nach mir jede beliebige Gelenkaffektion eine gichtische sein müsste. Sie
sagen: Nur das ist Gicht, was in Stoffwechselversuchen Harnsäare-
retention macht. Sie finden, dass das zutrifft bei echter paroiysmaler
Gicht, und verallgemeinern nun, indem Sie es als Postulat für alle Formen
von Gicht aufstellen. Das ist das Recht des Laboratoriums, aber nicht
das Recht der Klinik. Ich sage dagegen, ich sehe klinisch die Gicht,
und es ist weiter 2u prüfen, ob auch diese Gicht den Anforderungen
entspricht, welche das Laboratoriumsexperiment an die echte, reine
Gicht stellt.
Wir wissen vorläufig noch nicht, ob eine Gicht stets von vornherein
eine Diathese ist, ob sie sich nicht aus einer Pnrinüberernährung ent¬
wickeln kann. Jedenfalls scheinen gichtische Erkrankungen durch
Ueberernährung mit Purinstoffen zustande zu kommen. Ich habe auch
bei echter Gicht die schweren cardiovasculären Erkrankungen haupt¬
sächlich dann gesehen, wenn der Gichtiker sich einer alimentären
Schädigung durch eine Uebereroährung aussetzte. Ueberall spielen in¬
einander die Diathese Gicht und die alimentäre Schädigung, und da, wo
keine Diathese vorliegt, sondern nur die alimentäre Schädigung stattbat,
wird der Stoffwechsel, welcher die Harnsäureretention betrifft, nichts be¬
weisen.
Herr Brugsch hat ja schon öfter sein Antlitz gewendet, er hat es
heute aber in einer ganz überraschenden Art getan. Herr Brugscn
hat in BeiDen früheren Gichtarbeiten Schleimbeuteltopbi pur neben*
sächlich erwähnt. Es war gewiss nur zufällig, dass nach meiner vorige 0
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UNIVERSITY OF IOWA ^ ^
20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1388
Arbeit eine Bearbeitung der Gicht von Brugsch erschien, in der er
mit einem Male den Schleimbeuteltophi die allergrösste Bedeutung
beilegt.
Ja, er sagt in diesem Buche, dass der Befund der Schleimbeutel¬
tophi die Gicht beweise, und dass es gar nicht darauf ankommt, in diesen
Tophi Harnsäure nachzuweisen *). Nun vergleichen Sie mit diesem Satz
das, was Herr Brugsch heute sagt, wo er sich ganz despektierlich
über die Schleimbeuteltophi ausdrückt und sagt: nach Goldscheider
ist ja überhaupt jede Gelenkaffektion Gicht.
Zu dem Gelenkknirschen, weil hier heute Kasuistik angeführt worden
ist, will ich Ihnen auch einen Fall erzählen. Ich hatte auf der Abteilung
eine russische Patientin, die an Gelenkrheumatismus erkrankt war, ein
Vitium cordis hatte, seit ihrer Kindheit von wiederkehrenden Gelenk¬
affektionen befallen wurde. Es war schliesslich zu Versteifungen in
mehreren Gelenken gekommen. Der Fall wurde von uns als chronischer
Gelenkrheumatismus angesehen wegen der Anamnese und wegen des
Vitium cordis. Sie hatte aber in beiden Knien Knirschen. Bei dem
Durchleuchten der Fingergelenke zeigte sich, dass auch eine Gicht vor-
lag, trotz der Anamnese!
Ich bedaure, dass in der Diskussion eigentlich von dem, was ich in
meinem Vortrage für die Hauptsache hielt, sehr wenig gesagt worden ist.
Kür mich war die Hauptsache, zu zeigen, dass eine Reihe von Symptomen,
nervöse, cardiovasculäre, renale Symptome, durch zwei verschiedene Stoff¬
wechselstörungen hervorgebracht werden können, eine uratische und eine
dyskrasische oder dyscbymische, dass diese beiden Stoffwechselstörungen
fast identische, nur in der Intensität voneinander abweichende Verände¬
rungen in den Organen und ineinandergehende Symptome hervorrufen.
Dieser Punkt ist meiner Ansicht nach für die Praxis äusserst wichtig.
Mit einem Wort möchte ich nur noch den Standpunkt des Herrn
His beleuchten. Herr His sagt, er bedaure, dass ich einen anderen
Weg gegangen bin, als in meiner ersten Arbeit. Nun, nach der ersten
Arbeit schrieb mir Herr Kollege His einen sehr freundlichen Brief, wie
ich damals überhaupt von einer ganzen Reihe von Kollegen, Klinikern
und Nichtklinikern, zu hören bekam, dass meine Mitteilung über die
Fälle von atypischer Gicht, die vorher gänzlich unter den Tisch gefallen
waren, wie eine Erlösung auf sie gewirkt habe. Nun, wenn mein jetziger
Vortrag dem Herrn His nicht gefällt, so .bedaure ich, konstatieren zu
müssen, dass mein Standpunkt von dem seinigen insofern divergiert,
als ich meinen jetzigen Vortrag für viel besser halte, als die damalige
Arbeit.
Berliner physiologische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 26. Juni 1914.
HHr. Martin Jacoby und N. Umeda: Ueber Aminosäure Wirkungen.
Im Kaninchenserum findet sioh eine nicht dialysable, kochbeständige
Amosubstanz für die Soja-Urease, die nach Trennung von den Eiweiss¬
körpern dialysabel wird. Aminosäuren aktivieren die Soja-Urease er¬
heblich, ohne selbst angegriffen zu werden, optisch aktive Aminosäuren
ebenso wie inaktive. Vielleicht kommt es intermediär zur Bildung von
üraminosauren, die dann besonders leicht gespalten werden. Robinia-
Ureasei wird sowohl von Serum wie von Aminosäuren kaum aktiviert.
Gegenüber Soja wurde das Serum von Kaninchen, Hammeln, Kälbern
und Menschen aktiv befunden, ferper Casein, Witte-Pepton und Glycyl-
hyptophan. Eine Reihe Substanzen, die zur Kontrolle untersucht
wurden, aktivieren nicht. Der Einfluss der Reaktion wurde nach
modernen Gesichtspunkten geprüft, die Serumwirkung und die Wirkung
der Aminosäuren lässt sich aber nicht auf den Einfluss von Säuren und
Alkalien zimickführen. Die Serurafuuktion ist eine durchaus neuartige.
Inwiefern sie als Aminosäurewirkung, die in enger’Beziehung zum Eiweiss
steht, zu deuten ist, wird an anderer Steile ausführlich erörtert werden.
Die Versuche sind auch von Bedeutung für die von Jacoby früher
diskutierten Hypothesen von der spezifischen Einstellung von Serum-
eraenten durch den Uebertritt spezifischer Auxosubstanzen aus den
urganen in das Blut, ferner für die Rolle der äusseren Aminosäure-
grappen der Eiweisskörper des Serums bei der Resorption. Auch be-
stebeo Beziehungen zur Serologie. Die Untersuchungen werden nach
allen Richtungen fortgesetzt.
n. ÖHr. P. v. Szily-Budapest und H. Friedenthal:
1 n "jr* ÄB,MÄI ® Kombination von Quecksilber, Arsen and Jod.
... . Wirkung einer ganzen Reihe von Giften ist ausserordentlich
/ T0Q einer physikalischen Konstanten, welche wir am ein-
c sten und ohne jede Hypothese als Protoplasmalöslichkeit bezeichnen
aoen. Stoffe, welche protoplasmalöslich sind, werden in vielen Fällen,
k f V N a ®hträglicher Zusatz. Der Satz lautet: „Die Schleim-
. . am Glecranon und der Patella.sind in solchen Fällen
bent«r U *t ?- Sc ^‘ lediglich das Feststellen der selbst kleinsten Schleim-
verdi htt w S * gem Inhalt, aber auch ohne diesen, nur mit Feststellung
iff, an( * u ?& genüg* zur Diagnose; wenigstens haben wir unter
Blute« a leD deinen gefunden, wo nioht der Harnsäuregebalt des
bestäti f t“ a * US «? em Vorhandensein der Schleimbeutel gestellte Diagnose
von V Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten
S. 210 &raus un< * Brugsch. Gicht von Th. Brugsch. I. Bd.,
besonders bei Einbringung in die BiutbahD, um so rascher und kräftiger
wirken, je hoher ihre Protoplasmalöslichkeit steigt. Es ist nicht richtig,
Protoplasmalöslichkeit durch Lipoidlöslichkeit zu ersetzen, wenn auch in
vielen Fällen Substanzen, welche langsam in Zellen eindriDgen, wie so
sehr viele Salzanionen durch Veresterung zugleich protoplasmalöslich
und lipoidlöslich werden. Mit der Veresterung geht boi den Schwer¬
metallen, aber auch bei zahlreichen Säureanionen (ich nenne hier die
Experimente von Wolfgang Pauli über das Rhodan) häufig eine ausser¬
ordentliche Steigerung der Giftwirkuog der Steigerung der Protoplasma*
löslicbkeit parallel. Umgekehrt kann die Giftwirkung zahlreicher Ionen
durch Komplexbildung so gut wie aufgehoben werden. Das bekannteste
Beispiel für Entgiftung eines Ions durch Komplexbildung liefert wohl
das Blutlaugensalz, welches die Giftigkeit des Blausäureions gar nicht
mehr erkennen lässt, vermutlich weil das Cyanradikal in dem pTOto-
plasmaunlöslichen Blutlaugensalz nicht mehr iu die Zellen hineingelangt.
Wir können zwei Protoplasmagifte der schlimmsten Art, Quecksilber
und CyaD, dadurch unschädlich machen, dass wir sie zu einem proto¬
plasmaunlöslichen Ion zusammentreten lassen. Die Ungiftigkeit des
Quecksilbereyanides, ja selbst des Doppelsalzes aus Quecksilbercyanid
Hg(CN)> und Cyannatrium ist bekannt. Quecksilbercyanid ist so gut
wie gar nicht dissociiert, bildet also keine giftigen Quecksilber- oder
Cyanionen; Jlas Doppelsalz soll das ungiftige (protoplasmaunlösliohe)
Ion Hg(CN)< enthalten. Das Quecksilber findet sich hier im Anioo.
Wir stellten uns die Aufgabe, die drei wirksamsten Mittel gegen Lues,
Quecksilber. Arsen und Jod in anorganischer Lösung so zu vereinigen,
dass die Giftwirkung möglichst aufgehoben sein sollte, während die
pharmakologische Wirkung durch die Kombination gesteigert in Er¬
scheinung treten sollte. Der im Anfang des vorigen Jahrhunderts viel¬
fach empfohlene Liquor Jiydrojodolis arsenici et bydrargyri Danavaoi
enthielt die Arzneistoffe in einer nicht optimal erscheinenden Form,
namentlich Jodüre statt Jodiden. Quecksilber bildet mit Jod
und Natrium ein Salz NaHgJ 8 • 1,5 H 2 0, welches das Queck¬
silber in dem Komplex HgJ~ enthält, also im Säureanteil, wobei
die Quecksilberreaktionen, welche Reaktionen auf Hg]£ sind, anormal
werden. Arsentrijodid AsJ 3 dissooiiert fast quantitativ in Jodwasser¬
stoff und Arsentrioxyd HJ und As 2 0 3 . In Lösungen von Jodsalzen wird
diese Dissociation erheblich zurückgedrängt, doch sind die Doppelsalze
wasserfrei sehr unbeständig. Arsenjodid fällt Eiweiss selbst in sehr
verdünnten Lösungen, kombiniert man aber Arsenjodid mit Quecksilber¬
jodidjodkalium und fügt geringe Mengen Natronlauge hinzu, um die
stark saure Reaktion zur Neutralität zurückzuführen, dann erhält man
eine Lösung, welche Eiweiss in keiner Konzentration mehr fällt, dagegen
ausserordentlich stark baktericid und, wie Versuche ergaben, auch
stark antiluetisch wirkt. Entsprechende Lösungen der Rbodanreihe,
statt der Jodreihe, lassen sich ebenfalls herstellen, sollen aber nicht
näher behandelt werden, da sie kohlenstoffhaltig sind und daher
trotz ihrer reinen Salznatur als nicht anorganisch bezeichnet
werden können. Das wesentliche Moment bei der Herstellung anorga¬
nischer Mischungen von Quecksilber, Arsen und Jod ist die Ausschaltung
der zwei äusserst giftigen Ionen HgJ, As+ und des freien Jodes J 6 . Jod
ist umgekehrt wie Quecksilber und Arsen in elementarem Zustand
protoplasmalöslich, also giftig, während die Jodionen in den Salzen
schwer iu die Zellen eindringen und die Salze daher erst in sehr grossen
Dosen giftig wirken. Das wesentlichste Moment für die Wirksamkeit
einer Substanz, ebenso wie für ihre Resorbierbarkeit im Darmkanal ist,
wie oben gesagt, ihre Protoplasmalöslichkeit 1 ). Die Lösung dieser Auf¬
gabe scheint in der oben erwähnten Kombination mit genügender An¬
näherung in einfachster Weise gelöst. Ueber die therapeutische Nütz¬
lichkeit dieser physikalisch-chemischen Betrachtungen soll erst nach aus¬
reichender klinischer Erprobung ein Urteil gefällt werden. Die Membran¬
stoffe der Bakterien bewirken, dass protoplasmalösliche Stoffe, die in
Körperzellen und nackte Zellen nicht eindringen, ihre baktericide Wirk¬
samkeit trotzdem voll entfalten können.
Hr. Hans Friedenthal - Berlin-Nikolassee:
Die Bekämpfang der bösartigen Geschwülste anf der Grundlage der
Wachstanisphysiologie.
Man hat bisher versucht, die bösartigen Geschwülste auf drei ganz
verschiedenartige Weisen zu bekämpfen, mit dem Messer, mit Strahlungen
und in jüngster Zeit im Tierversuch mit chemotherapeutischen Maass¬
nahmen durch intravenöse Injektionen von starken Protoplasmagiften.
Weder einzeln noch in Kombination genügen die bisherigen Verfahren
in zahlreichen Fällen.
Der Vortr. glaubt, dass die Wachstumsphysiologie uns einen vierten
aussichtsreichen Weg zeigt, um Wachstum zu verhindern an Stellen
wo es uns unbequem zu werden droht. Dieser Weg besteht darin, lokal
unter Ausschluss aller Gifte die Zufuhr eines der für Wachstum not¬
wendigen Stoffe zu verhindern. Rasch wachsendes Gewebe, ebenso wie
der wachsende Embryo verstehen es, durch Auflöseu der Nachbargewebe
mit verdauenden Fermenten sich zeitweilig alle zum Weiterwachseo not¬
wendigen Stoffe zu verschaffen; sie können also die Zufuhr von Wachs¬
tumsbausteinen von aussen lange Zeit entbehren, nur für den Sauer¬
stoff, welchen rasch wachsende Teile in erhöhtem Maase nötig haben
besteht eine Ausnahme. Sauerstoffhunger ist, wie Verf. annimmt, die*
1) Siehe Friedenthal, Gesammelte Arbeiten, I, S. 107. Jena 1908.
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UNIVERSUM OF IOWA
1384
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
Ursache für das Eindringen rasch wachsender Gewebe mit Fermenten in
ihre Umgebung, um sich Sauerstoffzufubr zu erringen. Das Placentar-
gewebe des Embryo wächst wie eine bösartige Geschwulst, bis eine
genügende Blut- und Sauerstoffversorgung erzwungen ist. Wenn dies
der Fall, hört das parasitäre Wachstum auf; es ist daher nicht paradox,
wenn entweder gänzliche Entziehung des lebensnotwendigen Sauerstoffs
oder Uebersättigen von Geschwulatgewebe mit Sauerstoff zum Aulhören
des Wachstums führen würde. Halbe Maassregeln werden statt Ver¬
besserungen nur Verschlimmerungen herbeiführen, namentlich Ge/äss-
abbindung ohne Wärmezufuhr. Die Leukocyten, welche bei den bös¬
artigen Geschwülsten wie überall auch bei normalem raschen Wachstum
eine wichtige Rolle spielen, bringen Kernstoffe und nach Unna auch
Sauerstoff an die rasch wachsenden Tumorteile heran, durch die Gefässe
müssen immer neue Leukocyten herangescbafft werden. Unterbrechen
wir die Gefässversorgung einer mit bösartiger Geschwulst behafteten
Körpergegend für einige Zeit, so sinkt die Organteroperatur, und es kann
die Mehrzahl der Körperzellen eine Absperrung der Sauerstoffzufubr für
einige Zeit vertragen, wenn wir von dem Centralnervensystem absehen.
Beschleunigen wir dagegen durch Erwärmung die Zellteilung während
Absperrung des Sauerstoffs, so steht zu vermuten, dass dadurch die
allergefährlicbsten jüngsten und vermehrungsfähigsten Zellen am ehesten
unter dem Sauerstoffmangel zu leiden haben werden, während die
ruhenden Körperzellen ein weit geringeres Sauerstoffbedürfnis aufweisen
werden. Durch Injektion geeigneter reduzierender wassserstoffgesättigter
Lösungen in den Tumor UDd seine ganze Umgebung vor lokaler Unter¬
brechung der Blutzufuhr würden wir die Schädigung der Tumorzellen
durch Sauerstoffmangel sehr erheblich unterstützen können. Eine lokale
Erwärmuog des tumorhaltigen Gewebes auf 42° wird durch die modernen
Diatherraieverfabren ermöglicht. Dass die lokale Erschwerung der Sauer¬
stoffzufuhr bei gleichzeitiger Steigerung der Zellteilungsgeschwindigkeit
durch Wärme geeignet erscheint, Wachstum zu hemmen, wo immer es
vorhanden ist, also atich das Wachstum bösartiger Tumoren, wird jedem
einleuchten, der versucht, vom Standpunkt der Wachstumsphysiologie
aus zu einer Beherrschung der Wachstumsvorgänge zu gelangen.
Berliner orthopädische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 4. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Wollenberg.
Schriitlührer: Herr Böhm.
Hr. Radike:
Knochen- nnd Gelenkerkranknngen bei Framboesia tropica.
Vortr. weist auf die Aebnlichkeit der Erkrankung bin mit Lues in
Genese, Verlauf und Therapie, sowie auf die Differenz in der Art der
Infektion und Malignität.
Demonstration von Röntgenbildern, in denen die verschiedenen Typen
von Periostitis, Ostitis und Osteoperiostitis genau wie bei Lucs sich nach-
weisen lassen.
Hr. Mosenthal-Berliu; Um die Daraluminiumeinlagen, die ihrer
Leichtigkeit und Elastizität wegen gute Dienste leisten, durch Schweiss
aber derartig angegriffen werden, dass sie in kurzer Zeit manchmal zu
Pulver zerfallen, weiter brauchbar zu machen, verwendet Vortr. ein
papierdünnes Celluloidblättchen, das zwischen Metall und Leder montiert
wird und den Schweiss von dem Metall abhält. Als Ersatz für Rind¬
leder, das ebenfalls stark durch Schweiss leidet, wird das sogenannte
Fusswohlleder verwendet, das im Gegensatz zu Rindleder durch Feuchtig¬
keit nicht hart und brüchig wird, sondern stets weich bleibt. Zur Supi¬
nation des Fusses bat sich eine keilförmig geschnittene Gummiplatte be¬
währt, die auf die gewöhnliche Duraluminiumeinlage montiert wird;
auch bei dieser wird zweckmässig das oben erwähnte Celluloidplättchen
eingelegt, weil der schwefelhaltige Gummi das Aluminium gleichfalls
angreift.
Hr. Wollenberg: Ueber Gelenkgicht
Demonstration makroskopischer und mikroskopischer Befunde bei
giohtischer Erkrankung der Gelenke.
Der Tophu9 des Knochens zeichnet sich durch ausgedehnte Gewebs-
nekrose aus, die allmählich durch ein zellreiches Bindegewebe unter
Mitwirkung zahlreicher Rieseozellen ersetzt wird. Die Knochen werden
im Bereiche des Tophus zerstört, es wird aber in der Peripherie unter
der Einwirkung von Osteoblasten auch Knochengewebe neugebildet. Der
Knochentophus ist scharf begrenzt.
Im Knorpel findet Inkrustation mit Craten statt, während hier um¬
schriebene Tophusbildung vermisst wurde. Die Knorpelzellen werden
teilweise, aber nicht sehr ausgedehnt nekrotisch; es findet aber anderer¬
seits eine lebhafte Zellregeneration statt.
Die Synovialis des Gicbtgelenkes zeigt bei fehlender Inkrustation
keine oder äusserst geringfügige Veränderungen, während die inkrustierte
Synovialis ausgedehnte Nekrosen aufwies. Teilweise war fast nur noch
das bindegewebige Stroma vorhanden.
Demonstration von Röntgenbefunden bei Gicht der Knochen und
Gelenke.
Hr. Waehsaer: Ueber bilaterale Asymmetrie des Körpers. Zu¬
gleich Beitrag zur Kenntnis des Naegeli’schen Beckens.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Hr. Bibergeil: Klaget der soziales Ffirsorge bei Bervfe-
deformilätea.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Zuelzer: Was Kollege Bibergeil über die Schwierigkeit der
Einlagen- und Stiefelbeschaffung für Ortskrankenkassenmitgljeder er¬
wähnte, kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Um der Schwierig¬
keit der StiefelbescbaffuDg für die Fusskranken zu entgehen, habe ich
eine einfache Riemenvorricbtung seit einiger Zeit bei solchen Patienten
mit Erfolg angewendet, und deshalb erlaube ich mir zu den theoretischen
Ausführungen des Vorredners diese praktische Neuerung zu erwähnen.
Die meisten fusskranken Patienten kommen mit ausgeweiteten, wenig
Halt bietenden Schnürschuben zur Behandlung, und wollte man nun
die stützenden Einlagen dahineiDlegen, so rutscht der Fuss über die
schiefe Ebene der Einlage leicht nach aussen, von der Sohle seitwärts
mehr oder weniger herunter, so dass selbst die bestanliegenden Sohlen
erheblich an Wirkung und Wert einbüssen müssen. Die äussere Fuss-
kappe gibt eben sehr bald zu viel nach — ein Fehler, der bei richtig
fest gebauten orthopädischen Stiefeln leicht vermieden werden kann.
Ein sogenannter Fussschoner, den ein Hauptmann d. L,, Hinkel-
Cbemnitz, angegeben hat, legte nun den Versuch nabe, mittels Riemen
dem Schuh die nötige Festigkeit zu geben. Der Hinkel’sche Fuss¬
schoner greift nach meinem Dafürhalten durch die unter der Fusssohle
durchgeführte Stahlspange den Schuh nicht richtig fest an. So habe
ich eine Vorrichtung, die aus drei Teilen für jeden Fuss besteht, zu¬
sammengestellt. Die beiden kleineren Teile sind kurze Riemen, etwa
G cm jeder lang, welche schräg vor dem Hackenansatz am Stiefel aussen
festgenäht werden. Am freien Ende ist eine derbe viereckige Schnalle
aus Eisen (ohne Dorn) angebracht. Durch diese beiden Schnallen rechts
und links wird ein Lederriemen durchgezogen und über dem Fussgelenk
fest zugescbnallt. Damit die beiden Seitenschnallen nicht drücken, wird
unter denselben an den kleinen Riemen eine breitere, derbe Lederplatte
festgeuäbt.
In den Stiefeln mit solcher Vorrichtung kann die Einlage sich nicht
verschieben: der Patient hat einen schönen, angenehmen Halt. Das gute
Publikum wird wohl solche aussen sichtbare Riemen Verschnürung in der
Stadt nicht tragen wollen, aber auf Touren dürften sie hier auch an¬
gebracht sein.
Vielleicht machen die Herren Kollegen bei ihren Kassenpatienten
auch einen Versuch mit dieser billigen Vorrichtung, die leicht herzu¬
stellen ist und sich mir vielfach schon bestens bewährt hat.
Hr. Kölliker bestätigt das Besteben von äusseren Schwierigkeiten
bei der Behandlung der Skoliose jugendlicher Arbeiter. Er bat für diese
zum Sonnabend nachmittag nach Geschäftsschluss eine Stunde für ortho¬
pädische Gymnastik eingerichtet und empfiehlt ihnen weiter möglichst
häufige flache Rückenlage in der freien Zeit.
Hr. Pettesohn: Die Schwierigkeiten und die bisherige Erfolglosig¬
keit der Behandlung der Lehrlingsdeformitäten werden nur durch An¬
gliederung orthopädischer klinischer Stationen an die Krankenhäuser be¬
hoben werden. So gehört der an kontraktem Plattfuss Erkrankte nicht
auf die chirurgische Station, wo er nicht selten einer Knochenoperation
unterzogen wird, die doch nur eine vorübergehende Besserung erzielt.
Der juvenile Plattfuss ist orthopädisch zu behandeln, was länger dauert,
aber viel bessere Resultate gibt.
Hr. Böhm: Nach meinen Erfahrungen kommt der Plattfusskranke
zumeist auf die innere Station der statischen Krankenhäuser.
Verein für innere Medizin and Kinderheilkunde zn Berlin.
(Innere Sektion.)
SitzuDg vom 6. Juli 1914.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Ewald demonstriert die anatomischen Präparate eines 47 jährigen
Mannes mit MediastiBaltnmer. Die Speiseröhre Hess die Magensonde
passieren. Die Diagnose konnte nur röntgenologisch gestellt werden.
Der Aortenscbatten war verbreitert, auch im schrägen Durchmesser, ohne
Pulsation. Der nur faustgrosse Tumor — ein Lymphosarkom — sass
zwischen Luft- und Speiseröhre.
Diskussion.
Hr. Davidsohn berichtet über die Sektion eines gleichen Tumors.
Hr. Kraus fragt nach der Ursache des Todes, die bei dem kleinen
Tumor nicht ersichtlich sei.
Hr. Ewald (Schlusswort): Die Todesursache bat sich nicht eruieren
lassen.
Tagesordnung.
Hr. Loeb- Göttingen (a. G.):
ExperineBtalutersicbnng itr Stoffwechsel genese der Arteriosklerose.
Kaninchen leiden selten an spontan arteriosklerotischen Erkrankungen,
relativ häufig zeigen sie noch Veränderungen der Media; auch bei anderen
Haustieren ist Arteriosklerose selten.
Man hat nun neuerdings vielfach versucht, Arteriosklerose bei Tieren
experimentell zu erzeugen, Josue durch Adrenalin; jedoch ist die er¬
zeugte Veränderung mit der menschlichen Arteriosklerose mikroskopisch
nicht identisch; ist ja auch die Intima des Kaninchens anders gebaut.
Es lassen sich der menschlichen Arteriosklerose ähnliche Veränderungen
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UNIVERSITY OF IOWA -
■ata
20. Joli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1386
beim Kaninchen durch Alkohol und veränderte Ernährung hervorbringen.
Eine nahe Verwandtschaft dieser arteriosklerotischen Prozesse mit den
menschlichen ist schon darum anzunehmen, weil die gleichen Ein-
Wirkungen beim Kaninchen Media-, beim Hunde Intimaveränderungen
bervorbriogen. Die Substanzen wurden bei den Versuchen nur per os
einrerieibt und immer Parallel versuche mit Tieren gleichen Wurfs an-
gestellt. Hundespontanarteriosklerose fand sich bei 46 Hunden im Alter
von 1 bis 4 Jahren nie, während sie sich bei Hunden im Alter von 8 bis
16 Jahren oft fand.
Der Vortr. prüfte dann auf Grund einer alten Beobachtung die
Wirkung der aliphatischen Aldehyde und bei der Verfütterung dieser
Stoffe und ihrer Muttersubstanzen, wie z. B. der Milchsäure, wurden in
14 von 16 Fällen in 8 — 16 Tagen beim Kaninchen Arteriosklerose hervor¬
gerufen (z. B. 0,5 g milchsaures Natrium 4 Wochen lang gefüttert).
Die Natriurasalze der Isobuttersäure und der Isobaldriansäure er¬
zeugen Arterieoveränderungen, aber nicht die Salze der Norraalsäuren.
Essigsaures Natrium war in bezug auf Erzeugung der Arteriosklerose
unwirksam, freie Essigsäure konstant wirksam, Salzsäure unwirksam.
Die Milchsäure entsteht bekanntlich bei der Muskelarbeit und bei
vielen Vergiftungen, so dass ihr auch beim Zustandekommen der mensch¬
lichen Arteriosklerose eine Rolle zugeschrieben werden dürfte.
Auf Grund einer von ihm aufgestellten Arbeitshypothese über das
Ammoniumion ernährte er Hunde eiweissarm und führte dann Milchsäure
bzw. Kohlehydrate zu. Neunmal bekam er nach längerer Versuchsdauer
experimentelle Arteriosklerose. Umgekehrt wirkte bei Kaninchen, die
mit milchsanrem Natrium behandelt wurden, Zufuhr von 20 bis 30 g
Huhnereiweiss oder des Ammoniumions das Zustandekommen der Arterio¬
sklerose verhindernd.
Der Vortr. fasste die Ergebnisse seiner Untersuchungen folgender-
maassen zusammen.
Es ist ihm bei zwei Tierarten nahezu konstant gelungen, arterio¬
sklerotische Veränderungen zu erzeugen, die beim Hunde der mensch¬
lichen Arteriosklerose entsprechen. Die Milchsäure ist als ein Prototyp
einer Reihe von wirksamen Substanzen aufzufassen.
Diskussion.
Hr. Ben da bebt als bedeutsam hervor, dass es mit so einfachen
Mitteln gelungen sei, eine der menschlichen Arteriosklerose ähnliche Er¬
krankung zu erzeugen. Die aufgestellten mikroskopischen Präparate
ergeben tatsächlichIotimaveränderuDgen. Gemeinsam mit G. Klemperer
bat er eine Nachuntersuchung im Kraokenhause Moabit eiogeleitet.
Hr. Davidsohn weist auf die Schwierigkeit hin, die darin liegt,
bei Tieren, die nicht spontan an Arteriosklerose erkranken, Arterio¬
sklerose experimentell zu erzeugen. Bei Vögeln, speziell Papageien,
sind arteriosklerotische Veränderungen häufig, und darum empfiehlt er diese
zur Anstellung solcher Versuche.
Hr. Rothmann fragt an, ob an den Hirngefässen arteriosklerotische
Veränderungen ebenfalls vorhanden waren, und ob Jod die experimentelle
Arteriosklerose verhinderte.
Hr. Loeb hat die Gehirogefasse bisher nicht untersucht. Er lässt
die Frage der Jodwirkung offen.
Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie zu Berlin.
Sitzung vom 26. Juni 1914.
Vorsitzender: Hprr Franz.
1. Demonstrationen. Hr. Strassuann demonstriert ein mit
Kauterisationsapparat vorhandenes Cystoskop, das zur leichten Ver¬
schorfung dient. Hierfür kommen namentlich die blutenden Blasen¬
tumoren in Betracht. Bei einer Patientin, die ausserdem an Brust-
fibromeu und Myomen litt, waren die Blasenblutungen durch Spülungen
wf 10 Jahre zum Stillstand gebracht worden. Nach Entfernung der
Myome traten die Blasenblutungen wieder auf. Es handelte sich um
flottierende Papillome. Es fanden 3 Sitzungen von 10—15 Sekunden
statt. Nach 8 Monaten war die Bläschenschleimhaut glatt. Der Tumor
Pf>g in einzelnen Fetzen ab. Weil ein hochfrequenter Strom angewendet
vird, ist die Anwendung schmerzlos.
Diskussion.
Hr. Siegwart hat ein ebenfalls vor 2 Jahren operiertes, jetzt reci-
öiviertes Papillom, von dem auch eine Photographie gezeigt wird, in
Sitzungen durch den elektrischen Strom entfernt. Es wurde dabei
«um em Tropfen Blut verloren. Mikroskopisch erwies sioh der Tumor
? 9 Ob die Behandlung auch für maligne Tumoren genügt,
wmifrit er. Für grössere Tumoren ist sorgfältige Umstechung des
|cla nötig. Er hat bei einem Carcinom eine schwere Nachblutuog ge-
St h e * ne Wiederholung der Sectio alta nötig machte.
. . \ ^ norr: Zu bedenken ist, dass wir nioht wissen, mit was wir
Del der Elektrocoagulation zu tun haben. Es ist also zu überlegen,
vorher etwas mit der Schlinge herausnehmen. Es ist nicht
sind ■ 3 Kettelten Tumoren immer gutartig sind. Nach Frisch
™ Drittel bösartig. Sind viele und grosse Tumoren da, oder
wen/ 1Q J* er ^ es B ,as enhalses, so ist die Methode nicht anzu-
tw*!'-. n erre i c ht die Tumoren nicht. Der Apparat ist ein grosser
Drtschntt, aber auch nicht allmächtig.
rivas r ü D< ^ : Hygroskopische Untersuchung genügt es nicht,
»uch t+w ^ er klinge von der Oberfläche zu entnehmen, man muss
^Mtriexi Y ° ü ^ er ® as * 9 ^aben. Entsprechende Präparate werden de-
Hr. Strassmann glaubt, dass alle Papillome zunächst so behandelt
werden sollten; so viel er weiss, ist die Prognose der Carcinome sehr
sohlecht.
Hr. Franz ist der Ansicht, dass die Operation sehr undankbar ist,
und möchte auch immer erst die Coagulation versuchen. Der Zustand
der Kranken ist nach der Operation ein sehr trauriger. Ausserdem ist
bekannt, dass es auch sehr leicht zu Nachblutungen kommt. (Der
Apparat wird vom Ingenieur demonstriert)
2. Fortsetzung des Vortrages von Herrn R. Meyer: Beiträge zur
Pathologie der Ovarien.
Vortr. setzt seine Demonstration von Ovarialtumoren fort und de¬
monstriert entsprechende Bilder. Die Tumoren bestehen teils aus Binde¬
gewebe, teils aus Epithel. Das Epithel kann sich zerstreuen, in die
Lymphbahnen eindriogen oder sich zu soliden, harten Tumoren ver¬
dichten, auch können die Vacuolen grösser werden und der Tumor einen
cystischen Charakter annehmen. Endlich kann auch das Bindegewebe
prävalieren und eine Form in die andere übergehen. Die Tumoren
zeigen nicht immer alle diese Bilder, sondern gewöhnlich nur eine Art.
Unter seinen 13 Fällen ist eine grosse Auswahl, und man ist nicht
immer iD der Lage, die Verwaodtschatt der Bilder festzustellen. Einige
sind als Carcinoma follicolit. beschrieben, einige als Cylindroma. Viele
gelten als Carcinom und haben doch damit gar nichts zu tun. Von
Wichtigkeit ist, wie weit die Tumoren genetisch zusammengehören. Das
Ziel ist immer noch die Feststellung der Zellentwicklung, obgleich wir
in letzter Linie an die Chemie denken müssen. Am meisten interessiert
die Entstehung und das morphologische Verhalten. Vor allem ist es
nötig, die Tumoren bei Kindern und Erwachsenen zu vergleichen. Es
ist Wert darauf zu legen, dass die Tumoren, die sioh bei Erwachsenen
finden, bei Kindern nicht Vorkommen. Zur Betrachtung sind dringend
Vergleiche nötig. Ein System ist nur durch ein sehr grosses Material
zu erreichen. Oft wird nicht objektiv genug geurteilt und rein zufällige
Dinge in den Vordergrund gestellt. Auch chronologisch können wir
nicht immer das Alter durch die Befunde bestimmen. Aus allen diesen
Gründen ist eine systematische Gruppierung sehr schwer. Es gehört
dazu das Zusammenwirken vieler Untersucher. Trotz differenter End¬
stadien müssen die Tumoren eine gemeinsame Genese haben, z. B. die
Teratoideo-Geschwülste. Weniger different sind die Mischgeschwülste
(mesodermale). Von diesen auf die einzelnen Geschwülste übergehend,
muss man trotzdem eine gemeinsame Histogenese annehmen. Jede Ge¬
schwulst ist aber im einzelnen verschieden von der anderen. Wenn wir
Ordnung hineinbringen wollen, so müssen wir trotz der grossen Ver¬
schiedenheit zusammen fassen. Und es sind nicht nur sekundäre Ver¬
schiedenheiten, deren es natürlich sehr viele gibt, der Tumorkeim kann
schon vor der Geschwulstbildung sich verändert haben. Das Ideal der
Forschung ist, alle Geschwulstformen zusammenzustellen. Man kann aus
100 Bildern 100 einzelne Formen herausfinden, damit ist der Forschung
aber nicht gedient. Nötig sind Saramelforschungen, und gerade dabei
machen die Ovarialtumoren besonders Schwierigkeiten. Hierbei sind
viele für primär gehalten worden, die eigentlich sekundär sind. Sodann
sind die Teratome zu erwähnen. Es kommen z. B. in einem Dermoid
Strumareste vor und umgekehrt. (Es werden einige Bilder demonstriert.)
Der Genese gegenüber können wir also bisher kein abschliessendes Ur¬
teil haben. Kahlden hat die Geschwülste als vom Epithel ausgehend
betrachtet. Alle diese follikulären und ähnliche Genesen sind aber nicht
bewiesen. Eine maligne Wucherung ist noch nicht gefunden. Zweifellos
ist aber etwas da, das an die Follikelepithelien erinnert. Jedoch ist die
organoide Tendenz doch sehr ausgesprochen.
Hr. Nagel fragt, ob sich der klinische Verlauf von dem anderer
Epithelgeschwülste unterscheidet, z. B. Verdrängung des Epithels durch
Bindegewebe sich findet.
Hr. Meyer: Das Epithel wirkt auf das Bindegewebe natürlich ein,
spielt aber gewöhnlich keine selbständige Rolle. Das Zurückdrängen
des Epithels kommt vor z. B. beim Cirrhus. Siefart.
Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik
zu Berlin.
Sitzung vom 14. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Grotjahn.
Schriftführer Herr Lennhoff.
Tagesordnung.
1. Hr. Wachsner:
Orthopädische Jugendfürsorge und körperliche Erziehung.
Der rein körperlichen Erziehung, der Gesundung und Gesunderhal¬
tung des rein statischen Apparates unserer Jugend ist bis vor kurzem
nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt worden. Während für die heim¬
bedürftigen Krüppel jetzt gesorgt wird, ist für die nichtheimbedürftigen
praktisch nur wenig erreicht. Namentlich das vorsohulpflichtige Alter,
das das Hauptkontingent der heilbaren Krüppel bildet, ist nach wie vor
jeglicher staatlichen oder kommunalen Fürsorge, wenigstens was seine
körperliche Entwicklung an betrifft, entzogen. Hier muss aber durch
Prophylaxe und Therapie die Skoliosenbekämpfung einsetzen, da es eine
Schulskoliose nicht gibt, die vielmehr in die Schule mitgebracht und
erst in der Schulzeit manifest wird.
Jede schwerere Skoliose ist entweder auf eine angeborene Asymmetrie
der Wirbelsäule zurückzuführen oder beruht bei rachitischen Kindern
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UNIVERSUM OF IOWA
1386
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
auf Fehlern in der körperlichen Erziehung im frühesten Lebensalter. Auf¬
gabe der orthopädischen Fürsorge muss es sein, die Skoliosen so früh
wie möglich therapeutisch in Angriff zu nehmen und anderseits aus¬
gedehnte Prophylaxe zu treiben dadurch, dass die Kenntnisse der richtigen
körperlichen Erziehung des Kindes in immer weitere Kreise dringt. Um
eine gröbere Deformierung hervorzubriogeD, muss ein prädisponierendes
Moment vorhanden sein, nachdem festgestelit ist, dass die Lehre von
der Belastungsdeformität sich als unrichtig erwiesen hat. Zur ortho¬
pädischen Prophylaxe gehört demnach die Mitwirkung der internen
Kinderärzte bei den orthopädischen Fürsorgestellen, die in Verbindung
mit den internen Fürsorgestellen stehen müsson.
Neben der Behandlung, die viele Mittel erfordert, ist das wichtigste
die populäre Aufklärung in solchen Fürsorgestellen über vernunftgemässe
körperliche Erziehung und Vermeidung der zu Deformitäten führenden
äusseren Schädlichkeiten. Dahin gehört das zu frühe Aufsitzenl&ssen der
Säuglinge, wodurch ein Vornüberfallen oder gar Einknicken der Wirbel¬
säule hervorgerufen wird. Wird diese Stellung nun öfter durch Stunden
eingenommen, so formen sich die zu dieser Zeit auch beim nächtrachiti¬
schen Säugling noch äusserst plastischen Knochen entsprechend dieser
bogenförmigen Stellung. Die Bänder und Muskeln passen sich dieser
Lage an, dehnen sich auf der konvexen, verkürzen sich auf der konkaven
Seite, und die fixierte Kyphose ist fertig.
Nicht minder gefahrvoll in ihren Folgeerscheinungen für die Wirbel¬
säule ist das zu frühe und einseitige Aufnehmen der Kinder, wodurch
bei rachitischen Kindern seitliche Verbiegungen entstehen. Durch das
Frühredressement nach Böhm lässt sich viel erreichen. Ausserdem ist
durch Kriechen, da9 die beste Vorschule für das spätere Gehen bildet
und der biologischen und physiologischen Stellung des Kindes, d. h. der
Vierfüsslerstellung, entspricht, eine möglichst gesunde Entwicklung des
statischen Apparates zu erzielen und eine allmähliche Anpassung von
Muskeln und Knochen an den umwälzend wirkenden aufrechten Gang.
2. Diskussion über den Vortrag der Herren Etaenstadt und Onradze:
Die Zahl and die häufigsten Krankheiten der Kinder der aittirren
Postbeamten.
Hr. Mayet findet, dass einige Zahlen in der Krankheitsstatistik von
der von ihm bei der Leipziger Ortskrankenkasse festgestellten abweioben,
wofür zum Teil die verschiedene Alterszusammensetzung der Familien¬
mitglieder verantwortlich ist.
Hr. Teilhaber meint, dass, wenn die höheren Postbeamten weniger
Kinder haben als die mittleren und unteren, dieses daran liegt, dass
von jenen nach der amtlichen Reichsatatistik, im Gegensatz zu den
mittleren und unteren Beamten, nur ein Verheirateter unter SO Jahren
gezählt wird.
Hr. Grotjahn macht darauf aufmerksam, dass die Postbeamten
unterfrüchtig sind.
Hr. Hamburger fragt nach der Höhe der Kindersterblichkeit.
HHr. Eisenstadt und Guradze (Schlusswort).
J. Lilienthal.
Forensisch-medizinische Vereinigung za Berlin.
Sitzung vom 26. Juni 1914.
In der Diskussion zum Vortrage des Herrn Magnus 1 ) macht Herr
Marx auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die der Patentierung körper¬
licher Behandlungsmethoden entgegenstehen; ehe sich eine derartige
Behandlungsmethode das Bürgerrecht in der praktischen Medizin erwirbt,
muss sie in zahlreichen Kliniken, Krankenhäusern und in der allgemeinen
Praxis erprobt werden, so dass sie eigentlich längst Allgemeingut der
Aerzte geworden ist, wenn ihre Patentierung erfolgen kann. Im Interesse
einer wisenschaftlichen Medizin ist es empfehlenswerter, die Arzneimittel
selbst als deren Namen zu schützen. Es gibt auf dem pharmakologischen
Markt eine Unmenge von Mitteln mit Namen, unter denen man sich
kaum etwas vorstellen kann, Namen, aus denen nicht im entferntesten
auf die Natur des Mittels geschlossen werden kann. Dadurch wird der
Arzt zu einem pharmakologischen Dilettantismus verleitet, der unbedingt
zu verurteilen ist. Die Methode, den Namen eines Mittels von der
Krankheit herzuleiten, gegen die es bestimmt ist, ist unbedingt zu ver¬
urteilen. Schliesslich verweist Marx auf die von Münsterberg ange-
stellten Experimente zu dem Kapitel der ähnlich klingenden Namen und
Warenzeichen, die eine Täuschung des Publikums bedingen können.
Münsterberg hat experimentell untersucht, welche Bedingungen zu
erfüllen sind, um auch dem unaufmerksamen Publikum die Verschiedenheit
der Waren schon durch die Bezeichnung deutlich zu machen.
Hr. Ephraim spricht über die Patentierbarkeit der Benutzung
physiologischer Wirkungen. In solchen Patentfällen bedarf das Patent¬
amt der Hilfe des sachverständigen Mediziners. Verwechslungsfähige
Zeichen sollen überhaupt nicht eingetragen werden; den Ausschluss der
Patentierbarkeit hygienischer Mittel hält er für unrichtig.
In seinem Schlusswort betont Hr. Magnus, dass er die Patentier¬
barkeit körperlicher Behandlungsmethoden nicht fordert, er sei nur gegen
den Ausschluss der Arzneimittel von der Patentfähigkeit. Auf den
Namenschutz können wir einstweilen schon deswegen nicht verzichten,
weil darüber bestimmte internationale Vereinbarungen vorliegen; anderer-
1) Vgl. den Berioht über die Sitzung vom Mai d. J. in Nr. 24.
seits aber auch deshalb nicht, weil Aerzte und Publikum ein Interesse
daran haben, dass bestimmte pharmazeutische Präparate aus bestimmten
zuverlässigen chemischen Betrieben herrühren.
Sodann hält Hr. Marx einen Vortrag: Ueber die gewalttätige
Selbsthilfe der modernen Fran. Vortr. bespricht das Thema unter den
Gesichtspunkten einer allgemeinen Krimioalantbropologie. Die Wurzeln
der Bewegung sieht er in der besonderen psychischen Artung des
Weibes. Die moderne Frauenbewegung hat die Schranken der natür¬
lichen eingeborenen Passivität des Weibes durchbrochen; ein Zusammen¬
wirken von sozial-patbologiseben und individual-pathologischen Momenten
bedingt schliesslich das Phänomen der Femina milit&ns. Wenn auch
die Ziele der Ftiuioa militans politica (Suffragettes) und diejenigen der
Femina militans privata oder erotica ganz verschiedene sind, so waltet
doch über beiden Erscheinungen eine bestimmte Gesetzmässigkeit, das
Gesetz des „kürzesten Weges“, das seinerseits in einer zunächst natür¬
lich bedingten Unreife der Frauenpsyche ihren Ursprung hat. Wie dieses
Gesetz ganz allgemein für die allgemeine Kriminalität seine Geltung hat,
so sehen wir bei der Femina militans und ihren Aeusserungen auch alle
Zeichen kriminalistischer Betätigung. Die Anwendung eines bestimmten
Krankheitsbegriffes, wie etwa desjenigen der Hysterie, lehnt der Vortr.
ab. Wenn auch hier und da in den motorischen Aeusserungen der
Femina militans das hysterische Grundmotiv nicht zu verkennen ist Es
kommen aber ebenso häufig paranoide und andere Krankheitszüge zum
Vorschein, und so wird man im psychiatrischen Sinne einen einheitlichen
Typus nicht konstatieren können. Daher kann auch die „Behandlung*
der Femina militans keine einheitliche sein. In einem Teil der Fälle
ist eine zweckentsprechende Strafe mit verständigem Strafvollzug am
Platze, in anderen Fällen, wo vorwiegend individualpathologische
Momente von wesentlichem Umfang mitwirken, wird man an eine Ver¬
wahrung der Femina militans in entsprechenden Krankenanstalten mit
etwaiger Entmündigung denken müssen. Jedenfalls ist die Femina
militans nur ein Sonderfall allgemeiner Kriminalität, dem unter den
Gesichtspunkten krimineller Typenforschung und unter der Berück¬
sichtigung der Biologie des Weibes am besten beizukommen ist.
In der Diskussion vermisst Hr. A. Leppmann eingehendere
kasuistische Mitteilungen. Nach seiner Erfahrung spielen gewisse Ano¬
malien in der Gefühlssphäre, Stimmungsschwankungen, Unstetigkeit eine
besonders entscheidende Rolle bei der Femina militans. Was die
Suffragettes betrifft, so vermutet er, dass viele der Täterinnep nur be¬
zahlte Personen sind.
Hr. Kronecker glaubt, dass man den allgemeinen Begriff der
Femina militans nicht aufstellen könne. Er meint im übrigen, dass
eine zielbewusste Kriminalpoiitik der Bewegung der Suffragettes wohl
ein Ende machen könne.
Hr. F. Leppmann glaubt, dass die Methoden der Femina militans
mit denjenigen des gewobnheitsmässigen Verbrechertums nichts gemeinsam
haben, er verweist auf die Bedeutung des Schwachsinns und des
psychischen Infantilismus für das Zustandekommen der gewalttätigen
Selbsthilfe der Frau.
Hr. Krön meint, dass die Hauptvertreterinnen der Suffragetten-
bewegung keineswegs bezahlte Individuen seien. Bei den pathologischen
Individuen sollte man im allgemeinen nicht versuchen, einen bestimmten
Rrankbeitsbegriff herauszusebälen. Man sollte nur ganz allgemein die
konstatierte Minderwertigkeit hervorbeben.
Nach Hrn. F. Strassmann’s Informationen ist die Bewegung der
Suffragettes als eine Massenpsychose aufzufassen. Die Ursache für die
Erfolglosigkeit ihrer Bekämpfung liege nicht offen zutage. Jeder Fall
der Femina militans sei besonders zu beurteilen; die Hysterie spiele bei
den Liebesverfolgerinnen eine besondere Rolle.
Hr. K&de betont, dass Mann uDd Frau de lege lata vor dem Gesetz
gleich sind, und dass deshalb kein anderer Gesichtspunkt für Mann und
Frau in der strafrechtlichen Beurteilung maassgebend ist als eben diese
Gleichstellung vor dem Gesetz.
Hr. Otto Maas glaubt nicht, dass ein geistig normaler Mensch
imstande sei, einen Hungerstreik wirklich durchzuführen; trotz aller Vor¬
sätze wird dieser nach einer gewissen Zeit der Nahrungsverweigerung
doch wieder Nahrung zu sich nehmen, Individuen, die unter Ueberwiodung
des Selbsterhaltungstriebes und des Hungergefühls einen Hungerstreik
durchführen, leiden — falls keine ausgesprochene Psychose besteht —
seines Eraohtens an Hysterie.
Einen ziemlich breiten Raum nahm in der Diskussion die Psycho¬
logie der Schwurgerichte ein. Die scheinbaren Fehlsprücbe der Ge¬
schworenen werden zum Teil, wie von HHr. A. Leppmann und
F. Strassmann, in Schutz genommen, insofern solche Feblsprüobe oft
zwar der äusseren Gerechtigkeit zu widerlaufen scheinen, während sie
doch zugleich eine gewisse innere Gerechtigkeit zum Ausdruck bringen.
In seinem Schlusswort betont Hr. Marx, dass es ihm vor allem
darum zu tun gewesen sei, die Erscheinung der Femina militans, wie es
auch Lin den au versucht hat, vom Standpunkte einer allgemeinen
Kriminalantbropologie zu untersuchen. Das Gemeinsame sei die besondere
Psyche des Weibes, bei dem sich infolge der modernen Frauenbewegung
pathologische Momente sozialer oder individueller Natur wirkungsvoller
geltend machen als bei der in ihre enge Häuslichkeit eingeschlossenen
Frau. Die Trägerinnen der Bewegung der Suffragettes sind keineswegs
bezahlte Personen; man findet unter ihnen Frauen und Mädchen aus
den besten Familien. Die Wirkungslosigkeit des Kampfes der englischen
Regierung bat zum Teil rein politische Ursachen; der erste Todesfai
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20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1387
einer Suffragette infolge von Hungerstreik in einem englischen Gefängnis
würde voraussichtlich unabsehbare Konsequenzen haben. Auf eine aus¬
führliche Kasuistik hat der Vortr. verzichtet mit Rücksicht auf das oben
angedeutete Prinzip seines Vortrages. Die Pathologie der Suffragettes
erhellt schon aus der ungeheuerlichen Tatsache, dass unbestrafte Frauen
und Mädchen aus den besten Gesellschaftsschichten zu Mitteln greifen,
die in ausgesprochenem Maasse verbrecherisch und gemeingefährlich sind.
Bei der Erscheinung der Femina militans ist schliesslich die besondere
Artung der Frauenpsyche das besondere und zugleich allgemeine
Moment; hier stehen der kriminellen Typenforschung noch grosse Auf¬
gaben bevor. Marx-Berlin.
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬
ländische Cnltnr zn Breslau.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 8. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Uhthoff.
Schriftführer: Herr Tietze.
Diskussion zu dem Vortrage des Herrn Köttner: Wie vermeiden
wir Irrtnmer bei der Diagnose der Appendicitis?
Hr. Tietze: Die Frage der Fehldiagnosen bei Appendicitis ist auch
von anderen Autoren schon vielfach besprochen worden, selten so ein¬
gehend wie in dem Referat von Herrn Küttner. Die Diskussion über
dieses Thema ist um so wichtiger, als es sich hierbei nicht nur um eine
Erkrankung handelt, die ja den Praktiker sehr vielfach beschäftigt,
sondern weil auch — und mit Recht — von den Chirurgen die Früh¬
operation in diesen Fällen verlangt wird. Soll dieser Forderung genügt
werden, so ist es absolut notwendig, die Diagnostik so zu verfeinern,
dass Fehler vermieden werden. Aus der Küttnergehen Darlegung geht
hervor, dass es kaum eine Bauchaffektion gibt, die nicht nach dieser
Richtung hin zu Verwechslungen Anlass gegeben batte. Der Grund ist
su suchen in der wechselnden Lage des Wurmfortsatzes (Redner hat ihn
einmal in einer linksseitigen Hernie gefunden), ferner in dem Umstande,
dass bei bestehender Peritonitis das Bild so verwischt sein kann, dass
es nicht mehr möglich ist, den Ausgangspunkt festzuBtellen — und
schliesslich in einer Art Massensuggestion. Bei einer Krankheit, die so
sehr das Tagesgespräch bildet, die in so vielgestaltigem Bilde auftritt,
die sich so oft bei unklaren Erscheinungen doch als Lösung des Rätsels
entpuppt hat, ist es verständlich, dass sie als Deutung auch da heran¬
gezogen wird, wo der Wurmfortsatz entweder gar nicht beteiligt ist oder
in dem ganzen Symptomenkomplex doch höchstens eine sekundäre Rolle
spielt. Wir sind in der Diagnose der Appendicitis zu schnell geworden
und können auch nicht leugnen, dass wir auch manchmal mit der Ope¬
ration zu eilig vorgegangen sind, was namentlich für die sogenannte
Intervalloperation gültig sein dürfte. Wir sollen nicht vergessen, dass
auch eine scheinbar leichte Intervalloperation der Gefahren nicht ent¬
kleidet ist (Embolie!) und dürfen von dem alten, guten Grundsatz nicht
abgeben, unsere Operationen nur von strengen Indikationen abhängig zu
machen.
Hr.Robert Asch: Die Differentialdiagnose zwischen Entzündungen
des Wurmfortsatzes und der rechten Tube wird palpatorisch stets ge¬
wisse Schwierigkeiten bieten; beide Erkrankungen kommen oft zusammen
vor; das gegenseitige Verhältnis ist aber so, dass bei einer auf die Serosa
übergreifenden, einen Abscess bildenden Appendicitis die Tube in ihrer
physiologischen Bereitschaft alles Fremdkörperhafte aus dem Umkreis
ihrer Ampulle dem Peritonealraum zu entführen, bei dieser Hilfsaktion
selbst recht schwer erkranken kann; so schwer, dass die dadurch ent¬
stehende purulente Endosalpingitis auch nach Entfernung des Vermis
watehen bleibt und bestenfalls zu einer die Umgebung weniger ge¬
fährdenden, aber genügende Beschwerden verursachenden Pyosalpinx
wird. Die genitalfremde Infektion mit dem Bact. coli ruft dann oft auch
«ioe langdauernde, recht schwer zu beseitigende Endometritis hervor.
Anders bei primärer Tubeneiterung: bat diese eine Perisalpingitis, eine
lokale, aber sich auf die Nachbarorgane erstreckende Peritonitis zur
Mge, so wird oft auch der Wurm mit hineinbezogen; der aber erkrankt
flann nicht besonders schwer; er muss gelöst werden, kann auch der
icherheit halber und weil das leicht und ungefährlich angeschlossen
werden kann, amputiert werden; der Stumpf kann gut mit seinem Mesen-
nolum überkleidet werden; das alles geschieht bequem vom Mittel-
omtt aus. Viel schwerer aber gestaltet sich die Uebersioht und Ope-
atioosmöglichkeit, wenn die Appendicitis vom seitlichen Schnitt aus
penert ist und eine Revision der Tuben angeschlossen werden muss;
“K 63 schon recht unvorteilhaft, von diesem Schnitt aus das
entofk D6X sor 8fältig so zu exstirpieren, dass keine Stumpfexsudate
Wien; dazu muss der Schnitt schon erheblich verlängert werden;
q \ un ®öglich ist aber die Revision der anderen Seite oder gar ein
ich 5° d f e8er 5 u °d bei mancher abscedierenden Appendicitis habe
einm i ° ^ le sekundär erkranken sehen, ja erst vor kurzem
der W zue . rst tpd viel schwerer als die rechte. In diesem Falle lag
verwach™ 1 m se * ner ff 40 *® 0 beträchtlichen Länge auf dem Rectum fest¬
ig w ö f: un< * re *°kt e mit seinem in einen Abscess mündenden
in Kn W . ^ en Ich möchte also empfehlen, bei Frauen
an. ,„ 0Q fraglicher Erkrankung beider Organe lieber vom Medianschnitt
us * u operieren.
Was nun die von Herrn Tietze schon zur Sprache gebrachten Fehl¬
diagnosen anbelangt, so möchte ich glauben, dass sie ebenso häufig, wie
nicht bestehende Adnexerkrankungen vorgetäusebt werden, durch eine
Schmerzhaftigkeit in den Bauchdecken, die viel häufiger, als bisher ange¬
nommen wurde, vorkommt.
Durch verhältnismässig leichten Druck ruft man in solchen Fällen
bei fehlender Defense musculaire schon eine Schmerzäusserung hervor,
die sich — und das ist das Charakteristische dieser Erscheinung —
bei willkürlicher, auf Erfordern hervorgerufener Anspannung der
Bauchmuskeln sofort erheblich steigert Man kann diesen Schmerz
deutlich, zumal durch Vergleich mit der Steigerung durch Psoas-
kontraktion, als einen solchen erkennen, der seine Entstehungsursache
innerhalb der Bauchwand, oberhalb der sich kontrahierenden Muskellage
verdankt. Er erweist sich als nicht hervorgerufen durch den Druck auf
ein inperhalb der Bauchhöhle gelegenes Organ. Solche Schmerzen können,
zumal bei Frauen, über die ich ja nur aus Erfahrung sprechen kann,
innerhalb der Muskulatur oder auf ihrer Oberfläche, oder, letzteres be¬
sonders häufig, innerhalb der Unterhautfettschicht entstehen.
Innerhalb der Muskulatur sind es neben dem doch nicht ganz ab-
zuleugnenden Rheumatismus nicht selten kleinste Verletzungen, wie sie
in den oft so dünnen, atrophischen, in einzelnen Strängen duroh-
zufühlenden Obliquusplatten entstehen; kleinste Hämatome nach fibril¬
lären Zerreissungen machen oft monatelang Schmerzen. Erhebliche
Schädigungen durch vielfache Partus sprechen hier mit; ich habe mich
in einer demnächst erscheinenden Arbeit darüber genauer ausgesprochen
und möchte hier nur kurz erwähnen, dass auch in den Fettschichten
häufig der Sitz des durch Druck hervorgerufenen Schmerzes nachgewiesen
werden kann, wenn man die Haut mit dieser isoliert einem die Intestina
nicht im geringsten alterierenden seitlichen Drucke aussetzt.
Wohl weiss ich, dass auch bei Erkrankung der Organe des Beckens
und der Unterbauchgegend eine wohl nachweisbare Schmerzhaftigkeit
der benachbarten Bauchwand als Begleiterscheinung auftreten kann;
ich habe solche bei entzündlichen Erkrankungen nicht nur, sondern so¬
gar auch bei Extrauterinschwangerschaften mit Blutergüssen ins retro-
peritoneale Gewebe gesehen; doch häufig genug habe ich Fehldiagnosen
zu sehen bekommen, deren Erklärung nur in einer der beschriebenen,
isolierten, nicht durch Erkrankung innerer Organe hervorgerufenen
Empfindlichkeit der über den betreffenden Organen gelegenen Tegumente
zu suchen war.
Hr. Schmeidler: Wir inneren Mediziner und Hausärzte sehen die
Appendicitis in den frühesten Stadien. Dennoch sind Irrtümer oder zum
mindesten Schwierigkeiten bei der Diagnose nicht ausgeschlossen, wenn
der Schmerz an einer ganz anderen Stelle des Leibes auftritt — was
häufig der Fall ist — wegen der verschiedenartigen Lage und Länge des
Appendix. Namentlich links statt rechts tritt der Schmerz sehr häufig
auf. Besonders schwierig aber wird die Diagnose, wenn schon heim
ersten Eintritt der Erkrankung der Appendix spontan perforiert ist,
nach oft nur unbedeutenden Prodromalerscheinungen, aber dann mit
Schmerzen in der Mitte des Leibes oder links. Glücklicherweise sind
solche Fälle immerhin selten. Die bald hinzutretende Peritonitis verwischt
dann das Krankheitsbild, wie schon Herr Tietze erwähnte, noch mehr.
Es folgt ein Bericht über mehrere solcher Fälle. Der eine betraf einen
kräftigen Mann von 50 Jahren mit starkem Panniculus adiposus, be¬
sonders am Leibe. Die Erkrankung trat eines Freitags abends auf mit
leichtem Fieber und allgemeinem Unwohlsein. Sonnabend früh heftiger
Schüttelfrost. Erst da wurde ich gerufen. Fieber 39°. Der Leib massig
aufgetrieben, rechts wenig druckempfindlich, auch nicht amMacBurnay-
schen Punkte in der Tiefe, vielmehr schmerzhaft links. Es kam in¬
folgedessen ausser anderen Ursachen des Schüttelfrostes (Pneumonie usw.)
etwaige Eiterung infolge eines Traumas in Frage, welches Patient drei
Wochen vorher durch Fallen auf der Treppe erlitten zu haben angab;
er habe danach links Schmerzen bekommen. Ein von mir hinzugerufener
Chirurg dachte gleich mir an die Möglichkeit einer Appendicitis,
fand aber die Situation zu unklar, als dass er hätte aufs unbestimmte
hin zu einer Operation schreiten wollen, zumal sich schon peri-
tonitische Symptome bald einstellten. Obwohl sich in den ersten
Tagen Fieber und Schmerz minderten, auch die gemachten Eingüsse
noch einigen Erfolg von Stuhlgang hatten, trat doch am 8. Tage Collaps
und Exitus ein. Die Autopsie, welche von den Angehörigen selbst ge¬
wünscht wurde, um die etwaige Veranlassung der Erkrankung durch
Trauma der Unfallversicherung gegenüber festzustellen, ergab, dass der
Appendix sicher schon bald im Anfang, bei dem Schüttelfrost, spontan
perforiert sei, denn er wies eine daumendicke Perforationsöffnung mit
Eitererguss auf, während die Seite nach dem Darm zu duroh einen Kot¬
stein verschlossen war. Auf der linken Seite des Leibes war nichts zu
finden, auch keine Folge eines Traumas.
Von einem zweiten Falle, der viele Jahre zurückliegt, berichtet Redner.
Er betraf ein junges Mädchen von 18 Jahren, bei welchem der Anfang der
Appendicitis unter dem Bilde von Molimina menstrualia in der Uterin¬
gegend auftrat, an denen sie öfter zu leiden pflegte. Die Diagnose der
Appendicitis wurde dadurch, dass gleichzeitig die Menses eintraten gänz¬
lich verschleiert, der Exitus trat nach hochgradigem Meteorismus au
Peritonitis ein. Die Sektion ergab die Tatsache, das der Appendix
sehr lang und bis über Uterus und Blase gelagert, dort aber
bald im Anfang der Erkrankung spontan perforiert war. Die Gas¬
auftreibung des Leibes erfolgte deshalb nicht innerhalb, sondern ausser¬
halb der Därme im freien Abdomen durch Eiterzersetzung. Hervor-
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UNIVERSITÄT OF IOWA
1388
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
ragende Autoritäten waren von ihm, dem Redner, rechtzeitig zugezogen
worden, ohne die Diagnose ganz klar stellen zu können.
In» Gegensatz zu diesen beiden Fällen steht ein dritter, welcher
günstig verlief, weil die Diagnose frühzeitig gestellt werden konnte. Ein
junges Mädchen erkrankte eines Sonnabends an leichten Beschwerden in
der Blinddarmgegend. Dieselben waren am nächsten Tage fast ganz
verschwunden, die Stelle wenig druckempfindlich, dagegen trat Montag
mittag ganz plötzlich ein heftiger akuter Schmerz über der B lasen -
gegend ein, welcher die sofortige Operation dadurch indizierte, dass
die Appendicitis vorher sicbergestellt war. Die Operation wurde duroh
Herrn May ausgeführt; der soeben spontan perforierte Appendix war so
lang, dass er bis über die Blase lag und dort perforiert war. Auftupfen
des Eiters und Entfernung des Appendix führten glücklicherweise noch
zur Heilung.
Redner, welcher immer für eine möglichst frühzeitige Operation bei
Appendicitis nach Herrn Küttner’s Rat eingetreten ist und diesen
Standpunkt nie bereut hat, im Gegenteil ihm viele Heilungen verdankt,
glaubt durch vorstehende Ausführungen gezeigt zu haben, wie sehr
durch das Auftreten des Schmerzes an anderer Stelle und die Verlage¬
rung und Verlängerung des Appendix nach ungewöhnlichen Richtungen
hin das Krankheitsbild, besonders nach Auftreten spontaner Perforation
gleich im Anfang durch nachfolgende Peritonitis verschlimmert werden
kann.
Hr. Kobrak glaubt nicht, dass die von Herrn Asch angeführten
Bauchmuskelzerrungen und isolierten Rheumatismen der Bauchmuskulatur
zur Klärung der Diagnose der Appendicitis beitragen. Er bat wiederholt
gesehen, dass diese gern angenommenen Affektiooen sich schliesslich doch
als peritoneale Reizerscheinungen, ausgehend vom Appendix, heraus¬
gestellt hatteo.
Hr. Koznitzky demonstriert einen Fall von Lnes, die der Psoriasis
ähnelt und als Bombensyphilis nach Lesser zu bezeichnen ist.
Hr. Wegkowski:
Meine weiteren Erfahrungen in der Radinmhestrahlnng maligner
Beschwingte.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Tietze: Die sorgsame Ausarbeitung der Technik, über die
Herr Wegkowski berichtet hat, verdient alle Anerkennung. Trotzdem
muss Redner einem Teile der Ausführungen des Vortragenden widersprechen.
Seit den letzten Vorträgen der Herren Simon und Wegkowski sind
auf dem Allerheiligenhospital, an dem Herr Simon tätig ist, und
das jetzt über eine genügende Menge von Mesothorium verfügt, eine Reihe
von Geschwülsten zur Behandlung zugesandt worden, so auch Haut¬
krebse, die früher selten zur Beobachtung kamen. In diesen von Herrn
Simon behandelten Fällen hat sich Redner davon überzeugen können,
wie selbst bei verzweifelten Fällen eine teilweise sogar überraschende
Heilung zustande kam, mit der namentlich bezüglich der kosmetischen
Erfolge da9 operative Verfahren nicht konkurrieren konnte. Es ist ja
auch wahrscheinlich, dass die verschiedenen Carcinomformen sowohl nach
ihrer Lage al9 nach ihrem Aufbau ein verschiedenartiges Resultat bei
der Bestrahlung aufweisen werden. Trotzdem ist selbst für den Haut¬
krebs, für welchen scheinbar die Verhältnisse recht günstig liegen, die
Frage insofern noch nicht ganz abgeschlossen, als bei der immerhin noch
kurzen Zeit ein sicheres Urteil über die Recidivfähigkeit noch Dicht ab¬
gegeben werden kann. Auch mit Röntgen strahlen hat man schon vor
Jahren recht günstige Erfolge beim Hautkrebs erzielt, musste aber
doch sehr oft das anfänglich gute Resultat durch ein Recidiv ver¬
nichtet sehen.
Wenn nun Herr Wegkowski jetzt auch das Mammacarcinom
als ein sehr geeignetes Objekt für die Strahlenbehandlung bezeichnet
und zur Begründung seiner Ansicht auf die angeblichen Misserfolge der
Chirurgie diesem Leiden gegenüber hinweist, so ist demgegenüber äusserste
Vorsicht am Platze. Die von dem Vortragenden nach seinen Mitteilungen
mit Radium behandelten Mammacarcinome waren an sich sehr wenig
zahlreich. Einer dieser Fälle (von Redner Herrn Wegkowski über¬
wiesen) scheidet überhaupt für die Beurteilung der Erfolge aus, weil er,
reoidivfrei, bald nach der Operation zur Nachbehandlung dem Radio-
tberapeuten überwiesen worden war. Zwei andere Fälle des Vortragenden
stammen ebenfalls aus der Klientel des Redners. Er erkennt sehr gern
an, dass eine bedeutende Besserung in diesen Fällen erzielt worden ist,
geheilt sind sie aber ebensowenig, wie alle anderen Fälle von Mamma¬
carcinom, über die Herr Wegkowski berichtet hat. Dabei ist die Frage
der Reeidive bzw. der Metastasen von Herrn Weg ko wski ebensowenig
besprochen, wie man sich aus günstigen Fällen aus der Literatur darüber
ein Bild machen kann. Spätraetastasen kommen nach scheinbar glücklich
verlaufenen Operationen selbst nach IO Jahren noch vor, und es ist klar,
dass wir in dieser Beziehung von den Resultaten der aktivischen Therapie
noch gar nichts wissen können. Angesichts dieser Schwierigkeiten und
auf Grund eines einseitigen und doch noch recht kleinen Materials den
Satz aufstellen zu wollen, auch selbst operable Mammacarcinome sollten
nicht operiert, sondern bestrahlt werden, hält Redner denn doch noch
für etwas verfrüht.
Demgegenüber stehen nun die Resultate der vom Vortragenden so
sehr angegriffenen chirurgischen Statistik. Redner besitzt darüber eigene
Untersuchungen aus der Zeit seiner Tätigkeit im Augustahospital, die
in einer Doktorarbeit von Henkel niedergelegt sind. Daraus ergab sich,
dass ungefähr 75 pCt. der Patientinnen (gestorben nach der Operation
ist von den vom Redner operierten Frauen nur eine) an der Operations¬
stelle reoidivlrei blieben, d. h. sie bekamen weder in der Haut noch in
der Achselhöhle, noch in der Infraclaviculargrube Rückfälle, allerdings
waren nur 20—25 pCt. länger als 8 Jahre gesund, d. h. trotz Recidiv-
freiheit der Operationsstelle kam es zu Fernmetastasen in Supraclavi-
culargrube, Knochen, inneren Organen. So traurig dieses Ergebnis immer¬
hin ist, so ist es doch durchaus nicht so schlecht, wie es von Herrn
Weg ko wski und auch von anderen Autoren behauptet wurde; es lässt
sich vielleicht auch noch verbessern, wenn man prinzipiell bei der Ope¬
ration nicht am Schlüsselbein Halt macht, sondern primär auch die Ober-
schlüsselbeingrube revidiert, denn gerade hier finden sich nicht selten
Dach 2 bis 3 Jahren bei intaktem Operationsgebiet Metastasen, die also
aus Schlummerkeimen, die bei der Operation wahrscheinlich schon vor¬
handen waren, sich entwickelten. Es ist noch abzuwarten, ob die Radio¬
therapie ähnliche Leistungen aufzuweisen haben wird. A priori müsste
man doch auch annehmen, dass es vorteilhafter ist, das mit dem Messer
Erreichbare zunächst wegzunehmen und dann erst zu bestrahlen, weil
dadurch vielleicht dem Radiotherapeuten seine Aufgabe erleichtert wird,
und weil auch vielleicht die Resorption der durch Bestrahlung einge-
schmolzenen Geschwulstmassen für den Körper nicht gleichgültig ist,
denn ob diese im Sinne einer aktiven Immunisierung verwandt werden
können, ist doch gewiss Doch sehr fraglich. Mit der Strahlenbehandlung
der malignen Tumoren ist ein Problem angeschnitten, das uns nicht
mehr zur Ruhe kommen lassen wird, es ist sicher das Programm wissen¬
schaftlicher Forschung der nächsten Zukunft. Aber in einer so wichtigen
und folgenschweren Frage dürfen wir doch nur schrittweise Vorgehen und
uns vor allzu frohem Optimismus ebenso hüten, wie vor kleinlichem und
nörgelndem Pessimismus. Bei den Hautcarcinomeü, für welche ausserdem
die Frage der Kosmetik eine grosse Rolle spielt, hält sich auch Redner
nach seinen Erfahrungen zu der primären Anwendung von Röntgen- oder
Radiumbehandlung für berechtigt, ohne dieselbe so sehr in dieLäüge zu
ziehen, wie dies in zwei Fällen geschah, über die er früher berichtet hat
Ueber die Carcinome der weiblichen Genitalien fehlen ihm die Erfah¬
rungen, für operable, dem Chirurgen zufallende Carcinome sieht er die
zurzeit richtige Behandlung in der Operation, gefolgt von präventiver
Bestrahlung.
Hr. Fritz Hei mann: M. H.I loh möchte mir gestatten, ganz kurz
den Standpunkt zu präzisieren, den die Küstner’sche Klinik in der
Strahlenbehandlung der Carcinome einnimmt. Seit l 1 /* Jahren werden
bei uns die Krebse bestrahlt, und wir verfügen zurzeit über eine Er¬
fahrung von etwa 50 Fällen. Betont muss werden, dass nur inoperable
Uteruscarcinome der Bestrahlung unterworfen werden, die operablen Fälle
werden sämtlich operiert, in letzter Zeit werden auch die operablen
Carcinome gewissermaasen zur Vorbereitung für die Operation und die
Patientinnen nach abdominaler Radikaloperation prophylaktisch zur
HiDtanhaltung des Reeidivs mit Röntgenstrahlen behandelt. Ich will
auf die Technik heute nicht eingehen, ich möchte nur so viel sagen, dass
wir uns nur kleiner Dosen Mesothor, höchstens 50—100 mg, bedienen,
und dass ich es nicht für richtig halte, 187 mg, wie es Herr Wegkowski
mitgeteilt hat, auf einmal einzulegen. Schon bei meinen kleinen Dosen
sehe ich zuweilen sehr schwere Nebenerscheinungen — Teoesmen, Diar¬
rhöen, Temperatursteigerungen, eventuell sogar Blutungen —, ioh ver¬
stehe nicht, wie Herr Wegkowski bei seinen Fällen das niemals beob¬
achten konnte. Was die Filterfrage anlangt, so muss auch da streng
individuell vorgegangeo werden. Ich konnte durch experimentelle Ver¬
suche am Kaninchenovarium zeigen, dass der therapeutische Effekt bei
der Anwendung der Bleifilter, wenn die Dosen genügend klein sind, ein
ausgezeichneter ist, ja sogar besser, als wenn man Messing und Aluminium
anwendet. Vielleicht spielt hier die Sekundärstrahlung, die vom Blei
ausgeht, und die durch ß Strahlen dargestellt wird, eine recht günstige
Rolle. Stärkere Nebenerscheinungen wurden beim Blei nieht beobachtet
als bei Aluminium und Messing. Infolgedessen gehe ich jetzt so vor,
dass jauchende Carcinome zunächst mit Bleifiltern angegangen werden,
um die Oberfiächenwirkung recht auszunützen. Haben Blutungen und
Sekretion aufgehört, dann wird mit den Filtern, die die y-Strahlen nur
sehr gering absorbieren — Messing, Aluminium — bestrahlt. Auf einen
Punkt muss ich noch ganz besonders hinweisen, auf den Herr Wegkowski
nicht eingegangen ist. Ich halte die kombinierte Bestrahlung Röntgen +
Mesothor für ausserordentlich wichtig. Unsere Erfolge sind sehr gute,
wenn wir auch selbstverständlich heute noch Carcinome sehen, die sich
den Strahlen gegenüber refraktär verhalten. Von einer Heilung darf
natürlich vorläufig noch nicht gesprochen werden; die Strahlentberapie
zeitigt jedoch bereits Resultate, die bisher durch keine andere Methode
erreicht worden sind.
Hr. Simon: Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass die
Strahlentberapie der Geschwülste heute Erfolge zu erzielen versteht, die
Doch vor einigen Jahren für unmöglich gehalten wurden. Dass dieser
Fortschritt in erster Linie dem sorgfältigen Ausbau der zu beob¬
achtenden recht komplizierten Technik zuzuschreiben ist, ist ebenso klar.
Noch etwas anderes aber fördert allmählich die ausgedehnte Beschäftigung
mit diesem neuen Zweig der Therapie immer klarer zutage, und davon
möchte ich hier sprechen, Dämlich die Erkenntnis der Grenzen
der Strahlentherapie. Diese Grenzen sind, sofern wir den voim
Erfolg, also die Dauerbeilung verlangen, zum Teil recht enge, w
müssen uns darüber klar sein, dass die Strahlenwirkung eine stre g
lokale ist; Fern Wirkung, etwa durch Resorption oder durch ein
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Gougle
Original frn-m
UNtVERSITY OF IOWA
20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1889
anderen, rätselhaften Vorgang findet nicht statt: die kleinste Metastase
also, die wir nioht in derselben Weise wie den Primärtumor unserer
Therapie unterwerfen oder unterwerfen können, wird schliesslich den
vollen Erfolg zunichte machen. Aber auch die lokale Wirkung der
Strahleo wird beeinträchtigt durch die verhältnismässig geringe Tiefen¬
wirkung derselben. Zwar ist es uns gelungen, durch geeignete Technik,
besonders hinsichtlich der Filterung, dann aber auch durch Erhöhung
der verwendeten Menge strahlender Substanz diese Tiefenwirkung nicht
unerheblich zu steigern, doch ergibt sich mit zunehmender Sicherheit,
dass wir hier die obere Grenze, die mit Rücksicht auf das gesunde
Gewebe nicht überschritten werden darf, bereits erreicht haben. Die
von dem Herrn Vortragenden genannte Zahl stellt ja noch lange nicht
das Höchste der bereits zur Verwendung gekommenen Mengen dar.
Andere haben ja sogar mit 800 mg gearbeitet, die teilweise bis zu 8 Tagen
an Ort und Stelle verblieben sind. Diese obere Grenze ist aber er¬
reicht worden, ohne dass uns dabei ein voller Erfolg beschieden gewesen
wäre. Wie wir stets aus unseren Misserfolgen mehr lernen als au9 den
Erfolgeu, so lege ich Wert darauf, zu betonen, dass es bezüglich des
von dem Herrn Vortragenden besonders angezogenen Uteruskrebses bisher
in keinem einzigen Falle gelungen ist, durch Operation oder Obduktion
einen Uterus zu gewinnen, der durch intensivste Bestrahlung vollkommen
von Carcinom befreit worden wäre. Stets fanden sich an irgendeiner
Ecke oder sonst in der Peripherie noch lebensfähige Carcinomzellen, die
schliesslich doch zum Recidiv geführt hätten.
Gegen die Behauptung, dass das Mammacarcinom ein besonders ge¬
eignetes Objekt zum Studium der Strahlenwirkung sei, muss ich mich
ganz entschieden wenden. Jeder Chirurg kennt den mitunter ausser¬
ordentlich protrahierten Verlauf des Mammacarcinoms; gerade hier sehen
wir jene Spätrecidive nach 10 und mehr Jahren, die uns berechtigen,
auch nach einer Heilung von 5 Jahren noch bezüglich der Dauerheilung
einen gewissen Skeptizismus zu zeigen. Gerade bezüglich des Mamma¬
carcinoms wird also das Urteil über eventuelle Behandlungsmethoden
über eine sehr lange Zeit hinaus zurückzustellen sein, die jedenfalls ein
Vielfaches der Zeit betragen muss, in der die Strahlentherapie desselben
in systematischer Weise bisher angewendet worden ist.
Ich bitte, mich nicht misszuverstehen: auch wir im Allerheiligen-
Hospital machen von der Strahlentherapie bei Geschwülsten in aus¬
gedehntestem Maasse und, wie ich wohl sagen darf, mit allmählich zu¬
nehmendem Erfolge Gebrauch; nur glaube ich, dass wir dann, wenn die
Geschwülste die ihnen zunächst gesetzten lokalen Schranken über¬
schritten und sich im Körper verallgemeinert haben, vollen Erfolg nur
von einer ebenfalls allgemein angreifenden Behandlung erwarten dürfen,
also etwa von den chemo-therapeutischen Verfahren oder den Methoden,
die eine Immunisierung des Körpers anstreben. Damit komme ich auf
den Punkt, der mich heute veranlasst hat, das Wort zu ergreifen; ich
glaube, und dieser Eindruck ist durch den Vortrag eher noch verstärkt
worden, dass wir über der intensiven Beschäftigung mit der Strahlen¬
therapie, die anderen nicht operativen Verfahren, die doch teilweise
theoretisch sehr gut fundiert sind und im Tierexperiment bereits höchst
verheissungsvolle Ergebnisse gezeitigt haben, etwas zu vernachlässigen
geneigt sind. Auf diese Verfahren im einzelnen einzugehen, habe ich
hier kerne Veranlassung, wohl auch kein Recht; ich darf Sie in dieser
Beziehung auf meinen am 7. November 1913 hier gehaltenen Vortrag
sowie auf meine sonstigen, dieses Gebiet behandelnden Arbeiten hin-
weisen.
Hr. Silberberg wendet sich gegen die Verwendung extrem hoher
Dosen.
Hr. Rosenfeld hat 1905 einige Oesophaguscarcinome mit Radium
iü Sonden behandelt, wo bei den wenigen Milligrammen, die zur Verfügung
standen, kein Erfolg erzielt wurde. Er findet, dass bei der Erörterung,
ob initiale Operation oder Strahlenbehandlung maligner Tumoren die
grossartige, lindernde, mancbmal wie Heilung anmutende Einwirkung der
Strahlenbehandlung inoperabler Tumoren zu kurz kommt, wie sie jetzt
auf dem Wiesbadener Kongress Werner berichtet hat. Werner hat
grosse, inoperable Abdominaltumoren so weit günstig beeinflusst gesehen,
dass die Patienten 2—3 Jahre ohne Beschwerden und ohne Befund ge¬
blieben sind. Das empfiehlt die Strahlenbehandlung mehr als andere
Resultate.
Hr. W^okowski (Schlusswort): M. H.l Auf die Ausführungen von
Herrn Tietze möchte ich erwidern, dass die von Mikulicz er¬
zielten 16,8 pCt. Dauer heil ungen bei Radikaloperation des Brustdrüsen-
carcinoms in der Staatsklinik und in der Privatklinik 80,8 pCt. doch
nicht ein solch hervorragendes Resultat bedeuten, um nicht durch die
modernen Hilfsmittel der Radiumbestrahlungstherapie eine Erhöhung der
e f*ähnten Prozentsätze anzustreben. Besonders bei dem letzten
(30,8 pCt.) muss man bedenken, dass gerade die Brustdrüsencarcinome
in Privatpraxis meist schon in den allerersten Anfängen zur Beobachtung
und Operation gelangen. Ausserdem sind die 2 pCt. Todesfälle nicht
^ersehen, die als Folge der Operation selbst beobachtet werden *)•
Bevor ich auf den zweiten Einwand des Herrn Tietze ein-
gehe, dass er „überhaupt noch keine durch Radiumbestrahlung geheilten
Ule gesehen hätte“, möchte ich mich zunächst mit ihm darüber aus¬
einandersetzen, was man unter Heilung verstanden haben will. Fordert
e ^ lD e fünfjäh rige Beobachtungszeit, in der weder Recidive noch Meta-
U Priestley-Lesch-Halifax, Resultate von 100 Brustkrebsope-
rationen. Brit med. journ., 8. Januar 1910, Nr. 2558.
stasen aufgetreten sind, so muss ich ihm darauf erwidern, dass eine so
lange BeobashtuDgszeit bei einer erst seit so kurzer Zeit ausgeübten
Therapie im allgemeinen nur in den wenigsten Fällen vorliegen kann.
Immerhin existieren solche Fälle in der Tat. So berichtet z. B. die
Münchener medizinische Wochenschrift, Nr. 47, 1910, von 4 Gesichts-,
Wangen-, Lippen-, Oberkiefercarcinomen, die, mit Radium bestrahlt,
jahrelang, davon einer bereits 7 Jahre, recidivfrei geblieben sind.
Weiter berichtete Robert Abbö - New York auf dem internationalen
Kongress in London 1913 über Epitheliome an den Lidern, den Wangen
und an der Nase, die bereits 8 Jahre dauernd geheilt waren, ausserdem
über verschiedene Patienten mit inoperablem Mammacarcinom, die er
bei Anwendung der Radiumstrablen bis 7 Jahre am Leben erhalten
konnte. Sein ältester Fall reicht bis zum Jahre 1905 zurück. Es handelt
sich um eine Frau mit blutendem Cervixcarcinora, welches nach einer
Auskratzung sorgfältig mit Radium behandelt wurde. Durch die histo¬
logische Untersuchung war ein typisches Carcinom festgestellt worden.
Ohne jede andere Behandlung blieb die Frau nun seit 8 Jahren voll¬
ständig gesund. Der Fall wurde häufig mikroskopisch kontrolliert. Auch
andere, sehr schwere Fälle von grossen, pilzartigen Cervixcarcinomen,
bei denen nach Auskratzung eine Radiumbebandlung vorgenommen wurde,
zeigten noch nach 3—6 Jahren vollkommene Gesundheit. Ausserdem
verfügt A. über 2 Fälle von Sarkomen, die nach Radiumbestrablung
nunmehr 9 Jahre geheilt geblieben sind (Strahlenther., Bd. 4, H. 1.)
Aus den Mitteilungen von Chöron und Rubens-Duval erfährt
man von einem Uteruscarcinom, das nach RadiumbestrahluDg jetzt vier
Jahre recidivfrei geblieben ist.
Freudenthal erzielte Heilung in einem Falle von Carcinom der
Tonsillen, der 4 Jahre nachher noch recidivfrei war (Arch. f. Laryngol.,
1911, Bd. 25, H. 1).
Ist dagegen das Allgemeinbefinden des Patienten maassgebend, seine
Arbeitsfähigkeit, das Verschwinden der klinischen Symptome, seine wieder¬
gekehrte Lebenskraft und -Fieude, so sind solche Fälle in der Literatur
ausserordentlich zahlreich niedergelegt. Um nur die maassgebendsten her¬
vorzuheben, verweise ich auf die Werner’schen Ausführungen aus dem
Samariterhause, auf die der Freiburger Klinik, die Resultate des Lon¬
doner Radiuminstitutes, die Arbeiten von Wiekham und Degrais,
und die Mitteilungen von Robert Abbö - New York.
Herr Simon behauptete, dass man, was die Erfolge der Radium¬
bestrahlungstherapie betrifft, bereits an den Grenzen des Erreichbaren
angekommen wäre. Sollte dies Urteil das Resultat seiner persönlichen
Erfahrungen seio, so kann dieses nicht als maassgebend gelten, da, wie
mir bekannt, Herr Simon nur mit kleinen Mengen von 10—20 mg Meso¬
thorium bestrahlt.
Für die Behauptungen des Herrn Hey mann, dass die RÖntgen-
strahlen durchdringender wären als die Radiumstrahlen, liegen keinerlei
physikalische Unterlagen vor. Im Gegenteil haben die neuesten Unter¬
suchungen von Keetman - Berlin und K önigsberger- Freiburg die
den Röutgenstrahlen überlegene Durchdriogungskraft der y-Strahlen be¬
wiesen. Ausserdem muss ich seinen Behauptungen, dass die Wirkung
der Radiumstrahlen ausserordentlich obeiflächlich wäre, entgegenhalten,
dass Wiekham, Degrais und Gaud seinerzeit an mikroskopischen
Schnitten eines Carcinoms der Brust, das am 16. Tage nach einer
48 stündigen Bestrahlung mit 190 mg RaBr 2 exstirpiert war, deutlich
regressive Veränderungen in 9 cm Tiefe demonstrierten. In der Achse
der Radiumstrablen waren noch in 14 cm Tiefe Veränderungen, wie sie
in mehrbestrahlten Teilen häufig sind.
Schädigungen der Radiumbestrahlung9therapie, wie sie ganz be¬
sonders zur Zeit des Wiener Kongresses beobachtet und berichtet wurden,
besonders Mastdarm- und Blasenscheiden fisteln werden jetzt infolge der
verbesserten Operationstechnik immer seltener und sind zum geringsten
Teil auf die grossen Dosen zurückzufübren.
Was die biologische Wirkung änbelangt, so scheinen doch Unter¬
schiede zu existieren zwischen den Strahlen der Röntgenröhre und den
Radiumstrablen, so sehr sie einander auch sich physikalisch ähneln; eine
Beobachtung, die schon durch mehrere Jahre hindurch festgestellt und
verfolgt worden ist berichtet z. B. Bayet 1 )'- «Die erste Gruppe dieser
Fälle wird durch das Lippenepitheliom gebildet. Man weiss, daas sehr
oft die Wirkung der Röntgenstrahlen auf diese Krebsart ungenügend, oft
sogar schädlich ist. Mit Radium hingegen erzielt man eine Heilung mit
staunenswerter Leichtigkeit, selbst wenn es sich um ein recht voluminöses
Epitheliom bandelt.
Die zweite Gruppe wird gebildet von unerklärlichen Fällen, welche
auf Röntgenstrablenbehandlung absolut keine Besserung zeigen, die aber
auf Radium vorzüglich reagieren. Hierher gehört hauptsächlich das Ulcus
rodens des Gesichts. Ich habe eine Anzahl Fälle gesehen, die den
Röntgenstrahien gegenüber absolut refraktär waren, während sie mit
Radium in der üblichen Zeit geheilt wurden.
In allerjüngster Zeit berichtete Prigl au9 der Abteilung v. Frisch-
Wien über einen Fall von Melanosarkom des Penis, bei dem Röntgen¬
bestrahlung ohne Erfolg vorgenommen worden war, auf Radiumbestrahlung
hingegen die Geschwulst fast vollständig zurückging.
Schliesslich spricht für die biologische Verschiedenheit die bekannte
Tatsache der Röntgen carcinome auf der einen Seite, und auf der anderen
Seite vollkommenes Fehlen solcher Erscheinungen aus der Radiumpraxis,
die doch schon 15 Jahre hinter sich hat. Aus dem Jahre 1909 besteht
1) Strahlenther., Bd. 3, H. 2, S. 477.
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Google
Original frnm
UNIVERSUM OF IOWA
1390
Nr. 29.
BggUNER KUNISC;HE WOCHENSCHRIFT
eine Statistik von Coenen, welcher 33 Fälle von Röntgencarcinomen
aus der Literatur gesammelt hat mit der recht hoben Mortalitätsziffer
von 24 pCt, Es handelt sich also keineswegs um gewöhnliche Haut-
cancroide.
Aerztlicher Verein zu Hamburg.
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 16. Juni 1914.
Hr. Knack: Blntbefnnd im Dankelfeid.
Im normalen und pathologischen Blut des Menschen und der Tiere
(Affe, Hund, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte Maus, Taube,
Huhn) finden sich bei Dunkelfelduntersuchung eigentümliche fädige,
3—30lange Gebilde mit graugrünlichera Protoplasmaleib und leuch¬
tenden Kügelchen an den Enden, die mit einer wellenförmigen Bewegung
sich zwischen den corpusculäron Elementen des Blutes hindurchscblängeln;
keine schraubenförmige Bewegung wie bei den Spirochäten. Im Hellfeld
sind die Gebilde nicht zu sehen. Io Blutausstrichen lärben sie sich mit
methylalkohoiischer Eosinlösung. Zur Untersuchung im Dunkelfeld Ver¬
mischen von 2 ccm 4 pCt. Magnesiumsulfatlösung mit der gleichen MeDge
Blut oder von 5 ccm Gelatine Merck mit der gleichen Menge Blut; Auf¬
bewahren im Brutschrank, da die Gebilde sonst schnell ihre Beweglichkeit
verlieren.
Die Gebilde sind sehr zahlreich bei Scharlach, Masern, Röteln,
selten bei Anämie und Icterus haemolytieus und fehlen ganz bei Typhus
abdominalis.
In der Lumbalflüssigkeit und in Transsudaten finden sie sieb nur,
wenn Beimengungen von Blut daria sind.
Ueber die Herkunft und die Natur der Gebilde kann noch nichts
Sicheres ausgesagt werden.
Diskussion.
Hr. Cohnheim fragt an, ob das Blut auf Quarz aufgefaDgen worden
sei, da man auf Glas sehr leicht Zerfallsprodukte von ähnlichem Aus¬
sehen bekommen kann.
Hr. Plaut hat die beschriebenen Gebilde häufig gesehen und hält
sie für Zerfallsprodukte; sie finden sich im frischen Blut nur spärlich
und nehmen dann rasch an MeDge zu; man kann sic auch durch Er¬
wärmen des Blutes künstlich erzeugen.
Hr. Schottmüller kennt die Gebilde schon seit 15 Jahren; erbat
damals Blut in Kochsalzlösung aufgefangen und in den Brutschrank
gebracht, über die Natur der Gebilde ist er nicht ins Klare gekommen,
vielleicht handelt es sich um Fibrin.
Hr. Simmonds weist darauf bin, dass Arnold schon vor länger
als 25 Jahren diese Gebilde beschrieben bat.
Hr. Knack (Schlusswort): Auf Quarz ist nicht untersucht worden.
Da sich die Gebilde auch im mit Ammoniuraoxalat aufgefangenen Blut
finden und nicht mit den Fibrinfärbungsmetboden dargestellt werden
können, kann es sich nicht um Fibrin handeln. Die Frage, ob es sich
um Degenerationsprodukte bandelt, muss noch offen gelassen werden.
Hr. Key«: Zar Aetiologie der Endocarditis verrucosa.
Mikroskopische Untersuchung von 23 und kulturelle Untersuchung
der Knötchen an den Klappen von 13 Fällen von Eodocarditis verrucosa.
Mikroskopisch konnten mit der Methylgrün-Pyrouinfärbung, zum Teil
jedoch erst nach sehr mühsamem Suchen, in allen 23 Fällen innerhalb
der Auflagerungen spärliche feine Doppelkokken gefunden werden. Die
kulturelle Untersuchung ergab bei 8 Fällen auf Blutagar fein wachsende,
den Boden zuerst leicht grünlich färbende und später hämolysiereude,
Drigalski-röteode Kolonien. Die 5 negativen Fälle erklären sich aus der
infolge der geringen Zahl der Keime unzulänglichen Technik. Die Blut¬
entnahmen ergaben bei allen Fällen sowohl vital als auch postmortal
Sterilität.
Tierversuche mit den isolierten Kokken blieben bei Maus und Meer¬
schweinchen ohne Resultat, während es beim Kaninchen in mehreren
Fällen mit intravenöser Injektion grösserer Mengen gelang, an den Klappen
rötliche Auflagerungen zu erzeugen, in denen wieder der eingeführte
Erreger nachgewiesen werden konnte.
Danach ist die Endocarditis verrucosa bakteriellen Ursprungs und
der gefundene Streptococous ist der Erreger. Der Streptococcus ist
seinem morphologischen und kulturellen Verhalten nach mit dem von
Sobottmüller als den Erreger der Eodocarditis lenta beschriebenen
Streptococcus raitior identisch. Die Unterschiede zwischen Endocarditis
verrucosa und Endocarditis lenta sind nur gradueller Natur und sind
auf Verschiedenheiten in der Widerstandsfähigkeit des befallenen Orga¬
nismus zurückzuführen.
Diskussion.
Hr. Sobottmüller trägt keine Bedenken, den von Reye gezüch¬
teten Streptococcus als Streptococcus mitior anzusehen. Da die Endo¬
carditis lenta ausschliesslich bei Personen vorkommt, die früher einen
Rheumatismus durchgemacht habeD, so muss der Grund, warum es in
dem einen Falle zur Eodocarditis lenta und im anderen Falle zur Endo¬
carditis verrucosa kommt, in einer lokalen Disposition der Klappen
liegen.
Hr. Reye (Schlusswort): Der gelungene Nachweis ist vor allem der
Pyronin-Methylgrünfärbung zu danken.
Qr. Trömner: Zar Pathologie der Paralysis agitang.
Mitteilung seiner Erfahrungen über 36 in den letzten 15 Jahren
beobachtete Falle. Als Ursache waren selten Heredität, niemals körper¬
liche Traumen, dagegen oft depressive Erregungen und körperliche Ueber-
anstrengungen (zweimal auf Infektionskrankheiten folgend) zu erkennen.
Bei Frauen fiel der Beginn mehrmals ins Klimakterium. Den motori¬
schen Kardinalsyraptoraen, Zittern und Rigidität, ging in mehreren
Fällen ein neurasthenieähnlicbes Prodromalstadium mehrere Jahre vor¬
aus, in einem Falle 5 Jahre (Herzklopfen, Schlafstörungen, Hitzegefühl,
Scbweisse, körperliche Mattigkeit, Gliederparästbesie, Schwindelgefühl
bzw. Schwindelanfälle, seltener rheumatoide Schmerzen in Nacken,
Schulter und Armen). Das Zittern wurde mehrmals in Mundfacialia und
Orbicularis oculi beobachtet; einmal in sehr scbnellschlagiger Form in
den Fingern, viermal als deutlicher lutentionstremor. Zwischen Tremor
uud Rigidität besteht nach Trömner im allgemeinen ein konträres
Verhältnis, sofern Tremor iu den am meisten willkürlich inoervierten
MuskelD, Rigidität in den der Statik dienenden Rücken-Schulter-Becken-
muskeln auftritt. Für erstere dürften corticale, für letztere cortico-
cerebellare Leitungswege bzw. Centren als Krankheitsort in Frage kommen.
Konstante Reflexanomalien fand Trömner nicht; bei einem durch
Rigidität der Beine ausgezeichneten, sonst aber symptomreineo Falle
war deutliches Babinski- und Oppenheimpbänomen vorhanden; Bechterew-,
Mendel-, Rossolimo- und WadenphänomeD fehlten dagegen. Sensible
Störungen objektiver Art fand Trömner nicht, bezweifelt auch ihr Vor¬
kommen. Die nicht selten zu findenden sogenannten bulbären Paresen
in Facialis-, Zungen- und Scblundgebiet sind als pseudobulbäre antu-
seben und auf Schädigungen suprabulbärer Innervationswege zu beziehen.
Ebenso die Supersekretion von Speichel, Schweiss, Tränen und manch¬
mal Hautfett. Als tropbische Störungen sab Trömner Hautatrophie
einmal mit main succulente und zweimal die Fräokel’sche Hautsklerose
im Nacken, einmal Runzelung der Fingernägel. Als Hirnsymptom be¬
sonderer Art demonstrierte Trömner früher schon einen Fall mit nächt¬
lichen Muskelzuckungen und drei epileptiforraen Anfällen. Psychosen
sah er zweimal nach deutlichem Beginn der Krankheit auftreten, einmal
eine paranoide Psychose mit Wahnideen körperlicher Beeinflussung,
ähnlich Kräpelin’s präsenilem Beeinträchtigungswahn. Mit den von
König und Uband zusamraengesteüten Fällen verglichen, hat diese
Form vielleicht als eine Art spezifischer Parkinsonpsychose zu gelten.
Diskussion.
Hr. Böttiger bat Id seinen Fällen immer die Rigidität als das erste
Symptom gesehen, nicht den Tremor. Die bulbären Symptome köunen
auch durch die Rigidität der beteiligten Muskeln erklärt werden, ebenso
die Salivation. Babinski bat er in reinen Fällen nie gesehen.
Hr. Plate hat in 2 Fällen eine Arthritis deformans beobachtet.
Hr. Fraenkel betont, dass es eine pathologische Anatomie der
Paralysis agitans noch nicht gibt.
Hr. Kafka kann in den geschilderten Psychosen nichts Charakte¬
ristisches finden. Aelinliehe Symptome finden sich auch bei sonstigen
geistigen Erkrankungen.
Hr. Schottmüller hat bei einem Falle Paratbyreoidin gegeben
mit dem Erfolge, dass der Zustand sich entschieden verschlimmerte; es
wurden daraufhin die 4 Glandulae parathyreoideae bei dem Patienten
entfernt, ohne dass eine Besserung eintrat.
Hr. Fraenkel hat die exstirpierten Epithelkörperchen untersucht
und sie vollkommen normal gefunden.
Hr. Trömner (Schlusswort) gibt die Wichtigkeit der Rigidität für
die Diagnose zu, betont aber, dass es Fälle gibt, welche nur mit Zittern
beginnen. Die Salivation kann nicht von Rigidität abbängen, da sie
manchmal selbst im Schlaf so stark ist, dass die Kranken vom Ver¬
schlucken von Speichel erwachen. Ausserdem bestehen ja noch andere
Supersekretionsanomalien. Herrn Plate entgegnet er, dass chronische
Arthritis auch bei Parkinsonkranken vorkommt, dass aber ausgebreitete
Rigidität ohne Gelenkveränderungen häufiger ist. Nebenbei werden die
Artbropatbies parkinsonieunes französischer Autoren von Oppenheim
mit Recht als begleitende Arthritis deformans gedeutet. Bei Chorea
werden häufiger deliröse und manische Psychosen als paranoide der hier
geschilderten Art beobachtet. Gleich Herrn Schottmüller hat auch
Trömner mit Parathyreoidin keine Erfolge gesehen.
Hannes - Hamburg.
Sitzung vom 23. Juni 1914.
1. Hr. Saner berichtet über einen Fall von fast totaler Dickdarn-
ansschaltnng. Das jetzt 18 jährige Mädchen leidet seit einer vor
12 Jahren wegen Heus (?) vorgenommenen Operation an profusen, un-
beeinflussbaren Diarrhöen, schwerer Albuminurie und Cylindrurie und
starker Ernährungsstörung. Bei erneuter Operation findet man das
untere Ueum mit der Fiexura sigmoidea anastomosiert, den Rest des
Dickdarms unten blind verschlossen. Es wurde eine Fistel an dem aus*
geschalteten Stück angelegt und dasselbe durch wochenlange Spülungen
allmählich entleert. Versuch einer Wiedereinschaltung des gesund er¬
scheinenden Colon ascendens und eines Teils des Colon traosversum
durch Einleitung des Ileums ins Coecum, der Flexur ins Colon trans*
versum. Tod an Peritonitis. Auffallend, dass die Niere makroskopisch
normal erschien. Heutzutage weiss man, dass so grosse Darmabscbnitte
nicht gefahrlos ausgeschaltet werden können.
2. Hr. Drei fass demonstriert einen Fall von Hydrops
mittens. Bemerkenswert an dem Fall ist, dass Heredität bestem:
Die Mutter leidet seit der Gravidität (mit diesem Patienten) ebenfalls
an der Erkrankung, und zwar in demselben 13 tägigen Typus.
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Gck igle
Original frn-m
UMIVERSITY OF IOWA
20. Juli 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1891
Nach Jodoform -Glyceriniojektion hörten bei dem Patienten die
Gelenkergüsse auf, ein Erfolg, der wohl durch Suggestion zu erklären
ist. Statt dessen tritt jetzt vikariierend ein urticariaähnliches
Exanthem auf.
8. Hr. Böttiger demonstriert a) einen Fall von Myastheiia gratis
pBCidoparalyticA, bei dem vorerst im wesentlichen nur die Bulbär-
gebiete ergriffen sind, während die Arme nur wenig, die Beine gar nicht
affiziert sind.
b) Einen Fall von stbeorticaler motorischer Aphasie, aufgetreten
nach Schädelfraktur. Zunächst war, abgesehen von einer Parese des
7. und 12. Hirnnerven und des Armes, Sprechen, Nachsprechen, Lautlesen
völlig aufgehoben bei erhaltenem Sprachverständnis und Lese- und
Schreib vermögen. Die Muskulatur der Sprachwerkzeuge, insbesondere
des Kehlkopfs, war offenbar »praktisch, Intonation unmöglich. Schnelle
Besserung unter Zurückbleiben dysarthrischer Störungen. Verletzt waren
offenbar die Centren für Hand und Finger sowie für Facialis, Zunge,
Kehlkopf. Die aphasischen Störungen auf diese corticalen Läsionen
zurüokzuführeo, ist unmöglich. Sie müssen offenbar subcortical aus¬
gelöst sein und sind wahrscheinlich durch Diaschisis zu erklären.
4. Diskussion zu dem Vortrag des Herrn Simmoads: lieber Tober-
kilose des mliBllchen tienitalsystems.
Hr. Kropeit bespricht die konservativen Behandlungs¬
methoden der Samenblasenerkrankungen: Spülungen des Organs nach
Freilegung oder Katheterismus der Duct. ejaculatorii, sowie die dia¬
gnostische Bedeutung der Uretbroskopie.
Hr. Wiesinger hat die Samenblasentuberkulose bisher nicht ope¬
rativ in Angriff genommen, weil der Eingriff ein grosser ist und man
früher annahm, dass die Erkrankung nach Kastration spontan heile.
Da das nach Simmonds’ Untersuchungen nicht der Fall ist, beab¬
sichtigt er, in Zukunft aktiver vorzugehen, will aber doch nur bei sehr
dringender Indikation operieren. Er empfiehlt dazu den iscbo-
rectaleo Schnitt.
Hr. Kümmell: Die Blasentuberkulose ist stets sekundär,
meist nach Nierentuberkulose, seltener nach Genital tuberkulöse. Die
klinischen Erfahrungen über die Prognose der Genitaltuberkulose sind
andere als die pathologisch-anatomischen: von 62 operativ behandelten
Fällen sind 81 geheilt, 21 gebessert, 7 mit Bastei entlassen, 3 ge¬
storben. Ueber die Dauerresultate kann er allerdings keine Angaben
machen. Er empfiehlt konservative Behandlung.
Hr. Simmonds (Schlusswort): In eine tuberkulöse Samenblase
kann man nichts einspritzen. Die Statistik Kümmell’s ist nicht be¬
weisend, weil die Fälle nicht lange genug beobachtet sind. Die Ope¬
ration ist nicht so gefährlich. Nach Völcker starben 9 pCt., aber kein
Fall an der Operation selbst.
5. Hr. E. Fraenkel:
Aiateaiiche Befunde bei Flecktyphus. (Mit Demonstrationen.)
Das Material F.’s besteht aus intra vitam eizidierten Roseolen
vom 5. bis 17. Krankheitstag (4 Falle des Eppendorfer Krankenhauses,
2 aus der Türkei) sowie aus Leichenorganen (ein B'all aus Ozerno-
litx). Die histologischen Veränderungen betreffen fast ausschliesslich
das Gefässsystem, und zwar in erster Linie die kleinen Arterien.
Am konstantesten findet man Schwellung und Vermehrung der
Adventitiazellen, die — oft nur einseitig — als Zellmäntel den
Gelassen anliegen. Sie nehmen erst spindelige, weiterhin kugelige, end¬
lich wieder spindelige Form an. Die Gefässwand selbst ist oft — eben¬
falls meist einseitig — amorph verwandelt, nekrotisch, bisweilen auch
wie gequollen; das Gefässlumen bisweilen stark verengt. In den
Capillaren finden sich sehr häufig hyaline Thromben und Ansammlungen
von Leukocyten. In der Haut finden sich diese Veränderungen am
häufigsten und ausgesprochensten in der tiefen Subcutis (es muss daher
*u diagnostischen Zwecken möglichst tief exzidiert werden). Oft sind
besonders die die Knäueldrüsen begleitenden kleinen Arterien betroffen.
Id einem Fall (Leiohenhaut) ist es zu einer ganz circumscripten
Schädigung der Gefässwand gekommen: hier ragt ein kleines, intensiv
jarbbares, von Endothel Überklei de tes, polypöses Gebilde ins Lumen
hinein. Es zeigt sich nun, dass in allen untersuchten Organen — mit
Ausnahme der Lunge — prinzipiell die gleichen Veränderungen an
den Gefässen bestehen. Im Gehirn ist der Virchow-Rubin’sche Lymph-
raum mit den gewucherten Zellen aDgefüllt. Sowohl die Pialgefässe
*1° die intracerebralen sind betroffen, namentlich auch am Kleinhirn.
Die Parenchyme selbst sind überall völlig intakt. Der Prozess an
den Arterien ist ein ganz spezifischer, er hat entfernte Aehnlichkeit mit
der Periarteriitis nodosa, doch fehlen im Gegensatz zu dieser fibrinöse
Exsudate in der Gefässwand und kleine Aneurysmen. Wichtig ist
Fixierung in Müller-Formol, zu warnen vor Alkoholfixierung.
Diskussion.
P Dr. Simmonds hält es für naheliegend, dass der Prozess vom
efassionern ausgeht, also keine Periarteriitis darstellt.
Hr. Hegler betont die Wichtigkeit der Befunde für die klinische
du auch für die Sektionsdiagnose, da auch letztere sonst sehr
« wierigist. Für klinische Zwecke ist die lange Dauer der Untersuchung
iraeürere Tage) und die Notwendigkeit, sehr tief zu exzidiereD, hinderlich.
_ p. r ' ® ann Qfflaon weist auf die Quellen der Einschleppung
i i/'^typhua für Hamburg bin, es sind das: 1. die Seeseite (Gefahr
n ™ Hch), 2. die Auswanderer, 3. die auswärtigen Arbeiter,
w. Fraenkel (Schlusswort).
(Biologisohe Abteilung.)
Sitzung vom 30. Juni 1914.
1. Hr. Delbaoco demonstriert a) einen Fall von Majocchi’scher
Kraikheit (Purpura annullaris teleangiectodes).
Es finden sich an den Beinen eine Reibe von bräunlichroten Flecken,
die auf Teleangiektasien, umscheidet von Blutungen, beruhen und
unter Pigmentbildung mit oder ohne Atrophie abheilen (Stadium tele-
angiectaticum, Stadium pigmentosum, Stadium atrophicum);
b) einen B’all von Syphilis bei einem Homosexuellen, entstanden
durch Coitus in anum. Zunächst beherrschte ein periproctitischer Abscess
das Krankheitsbild. Bericht über zwei weitere Fälle von Primäraffekt
zwischen Hämorrhoiden bei Homosexuellen;
o) das Aquarell eines Falles von maltiplea Caicroidea an weit
voneinander entfernten Stellen.
2. Hr. Müller: Demonstration ilmfester Zellbestaidteile.
Die chemische Natur des bei den Tuberkolbacillen die Säurefestig¬
keit bedingenden Körpers ist noch unbekannt. Vortr. hat Meerschweinchen
das an sich nicht säurefeste Tuberculonastin intraperitoneal injiziert.
Nach einiger Zeit erscheinen in den Makrophagen des Peritonealexsudats
nach Ziehl und nach Gram-Much färbbare Einschlüsse. Die¬
selben verlieren nach einiger Zeit ihre Säurefestigkeit, sind aber noch
nach Gram-Much färbbar, schliesslich verschwinden sie ganz. Mit
Injektion anderer Bakterienbestandteile erzielt man dies Resultat nicht.
Vortr. glaubt, dass für die Säurefestigkeit der Tuberkelbacillen das
Tuberculonastin jedenfalls mit verantwortlich zu machen ist.
Diskussion.
Hr. Cohnheim regt an, auf ohemisohem Wege diese Bestandteile
darzustellen.
Hr. Delbanco: Die Botaniker haben schon bei Pflanzen vor¬
kommende säurefeste Zellbestandteile chemisch untersucht. Ihnen folgend
ist D. zu dem Resultat gekommen, dass es sich um eine Eiweissfett-
verbindung handelt.
Hr. P. Unna jun. hält den Beweis, dass die säurefesten Einschlüsse
dem Tuberculonastin entstammen, nicht für erbracht.
Hr. Müller (Schlusswort).
3. Hr. Schottmttller demonstriert Präparate and Kaltarea eines
Bacteriam8, das er in einer grösseren Versuchsreihe zweimal aus Ex¬
sudaten einer Polyarthritis rheuraatica gewonnen hat. Die geringe
Ausbeute ist dadurch zu erklären, dass die polyarthritischeu Exsudate
äusserst spärlich sind; sie sitzen in den periartikulären Sch leim beuteln
und Sehnenscheiden. Grössere Ergüsse, wie man sie im Kniegelenk
findet, sind als sympathische aufzufassen und haben mit dem primär
infektiösen Prozess nichts zu tun. Es handelt sich um einen gram-
negativen ovoiden Diplococous von der B’orm der Gono- und
Meningokokken, der in NaCl Serum spärlich wächst und in Trauben¬
zucker-Serum-Agarröhrchen die Besonderheit zeigt, dass er nur in einer
in geringem Abstand von der Oberfläche gelegenen Schicht gedeiht.
Ueberschicbtet man mit Paraffin, so wächst er bis an die Oberfläche des
Agars; er ist also obligat aerob, aber gegen die 0 Spannung der Luft
sehr empfindlich. Durch diese Kultureigenschaft, die von pathogenen
Keimen sonst nur noch dem Bang’schen Rinderabortbacillus zu¬
kommt, ist der Keim als ein besonderer charakterisiert. Ueber seine
ätiologische Rolle will Vortr. sich bei der Kleinheit des Materials zurück¬
haltend aussern, er macht aber auf die Aehnlichkeit im klinischen Ver¬
halten der morphologisch verwandten Gono- und Meningokokken auf¬
merksam.
Diskussion.
Hr. Jacobsthal: Das Wachstum in bestimmter Zone ist den
Botanikern bekannt. Bei Züchtung in reiner O-Athmosphäre kann man
es z. B. auch bei Anthraxbacillen beobachten. Manche Bakterien zeigen
zwei optimale Zonen.
Hr. Reye: Bei einer Reihe von Fällen frischer Endocarditis bei
Polyarthritis rheuraatica hat er nur den grampositiven Strepto¬
coccus gefunden, über den er in der vorigen Sitzung berichtete. Man
kann dies sich höchstens so vorstellen, dass die Infektion mit dem Erreger
des Gelenkrheumatismus die Prädisposition für das Hafteo des Strepto¬
coccus virid. an den Herzklappen schafft.
Hr. E. Fraenkel betont die Verschiedenheit der Kultureigen-
sebaften gegenüber den Gono- und Meningokokken. Der Schottmüller -
sche Coccus müsste wohl eher an aerob genannt werden.
Hr. Knaak.
Hr. Schottmüller (Schlusswort).
4. Hr. Cohnkeim: Blut untersuch nagen im Hochgebirge.
a) Eine Konzentration des Blutes durch Austrocknung findet
beim Menschen und bei Tieren mit geregelter Wärme- und Wasser¬
abgabe im Hochgebirge nicht statt. Eine Vermehrung der Blutkörperchen
beim Gesunden wird erst nach mehreren Wochen beobachtet, 9ie be¬
trägt in einer Höhe von 1800 m 4—5pCt., bei 2900 m 10—15 pCt., bei
4500 m bis 30 pCt. Viel deutlicher sind die Wirkungen beim künst¬
lich durch Aderlass oder toxisch (durch Pyrodin) anämisierten Tier:
Die Regeneration des Blutes tritt dann im Hochgebirge viel schneller,
ausgiebiger und unter Bildung einer grösseren Zahl von Normo-
blasten ein, gleichgültig, ob der Versuch erst im Hochgebirge und
dann in der Ebene oder umgekehrt vorgenommen wurde, b) Um fest¬
zustellen, welcher Faktor des Hochgebirges diese erhöhte Regener&tions-
tendenz bedingt, ist zunächst der Einfluss des O-Mangels zu
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UNIVERSUM OF IOWA
1392
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
studieren. Ein solcher macht sich zumeist nur in einer Höhe von über
3000 bis 3500 m geltend in Gestalt des Saussure’schen Phänomens —
stark erhöhter muskulärer Ermüdbarkeit — und der eigentlichen Berg¬
krankheit (Schwindel, Kopfschmerz, Erbrechen in der Ruhe). Beide
Erscheinungen tretea — aus bisher unbekannten Gründen — heftiger
auf, wenn die Höhe schnell und ohne Muskelarbeit (in der Bergbahn)
gewonnen wird. Unterhalb der genannten Höhe fehlen diese Er¬
scheinungen. Damit stimmen sehr gut die Werte der Dissociationskurve
des Hämoglobins überein, die von dem einer solchen Höhe entsprechenden
O-Partialdruck ab eine starke Abnahme des Hämoglobin 0 zeigt. Dass
in einer Höhe von 2900 m eine wesentliche O-Verarmung des Blutes
nicht besteht, konnte Vortr. durch direkte 0 Bestimmung des durch
eine Carotiskaniile gewonnenen arteriellen Blutes der Versuchstiere
sowie dadurch nachweisen, dass er den Milchsäuregehalt des Blutes in
dieser Höhe nicht erhöht fand. Die erhöhte Regenerationsfäbigkeit des
Blutes muss also auf anderen Faktoren beruhen, unter denen die
Strahlenwirkung als die wahrscheinlichste erscheint, wenn auch
darauf gerichtete Versuche mit Bogenlichtbestrahlung keine eindeutigen
Resultate ergaben, c) Muskelarbeit und Blutzusammensetzung:
Bei Muskelarbeit nimmt der Hämoglobingebalt ab, das Plasma wird an
sich konzentrierter. Das beim Schwitzen abgegebene H 2 0 und NaCl
entstammt, wie Untersuchungen am Esel ergaben, im wesentlichen dem
Muskel. Was den Wiederersatz betrifft, so zeigt sich bei anstrengenden
Bergtouren, dass sehr erhebliche Gewichtsverluste bei normaler Kost
innerhalb 18 Stunden ersetzt werden, bei kochsalzarmer Diät jedoch
bestehen bleiben. Das Salzessen erleichtert sehr das Durststillen. In¬
folge der NaCl-Verarmung leidet auch sehr die Magen-HCl-Produklion,
wodurch vielleicht ein Teil der fälschlich Bergkrankheit benannten
Beschwerden bei Bergtouren zu erklären ist.
Diskussion.
Hr. Schottmüller fragt, ob die erhöhte Regenerationsfähigbeit des
Blutes auch schon in niederen HöheD, die für einen Kuraufenthalt in
Betracht kommen, zu beobachten ist.
Herrn Rumpfs Erfahrungen bei Lungentuberkulosen sprechen nicht
für einen erheblichen Einfluss der Höhenlage.
Hr. Zeissler.
Hr. Cohn heim (Schlusswort) glaubt, dass auch in geringerer Höhe
der Einfluss auf die Blutregeneration statthat.
Fr. Wohl will - Hamburg.
Unterelsässischer Aerztererein zu Strassfonrg I E.
Sitzung vom 27. Juni 1914.
I. Hr. Roederer: Ueber Pallidinreaktion.
Die an dem Material der Strassburger dermatologischen Klinik an-
gestellten Nachprüfungen dieser Reaktion ergaben, dass dieselbe kein
sicheres Diagnosticum darstellt. Auch klinisch sichere Fälle von Lues
mit positivem Wassermann, die genau nach der Vorschrift Klausner’s
behandelt wurden, ergaben eine negative Pallidinreaktion.
Diskusssion: Hr. Mentberger.
II. Hr. Fehling:
Ueber den Wechsel der Indikationsstellnng in der heutigen Geburtshilfe.
Diese Wandlung in den Anschauungen zeigt sich zunächst in der
Verwendung der Narkose. Auf die Chloroformnarkose folgte der
„Dämmerschlaf“. Dieser wurde vom Pantopon verdrängt. Vortr. wendet
jetzt unmittelbar vor dem Durchschneiden des Kopfes einen kurzen
Aetherrausch an. Während der Austreibungsperiode hingegen vermeidet
er jedes Narkoticum.
Die Verwendung von Pituitrin in der Eröffnungs- und Austreibungs¬
periode hat die Anwendung der Zange herabgedrückt, so zwar, dass
bei der zahlenden Klasse die Zangenfrequenz von 20 auf 10 pCt. ge¬
sunken ist. Einen Einfluss auf dieses Absinken bat nach Meinung des
Vortr. bei den sogenannten besseren Ständen auch die Zunahme des
Sportes und damit eine bessere Entwickelung der Bauchpresse.
Mit der Anwendung und technischen Durchbildung des extra¬
peritonealen, cervikalen Kaiserschnittes wurde die prophy¬
laktische Wendung beim engen Becken, deren Erfolge schlecht
waren, überflüssig, das Geltungsgebiet der künstlichen Frühgeburt,
der Perforation und der Pubotomie beträchtlich eingeeugt. Erläute¬
rung einer eigenen transperitonealen Methode des cervikalen Kaiser¬
schnittes, die bis jetzt in über 50 Fällen mit gutem Erfolg ausgeführt
wurde, wobei sich nur ein Todesfall ereignete.
III. Hr. Gnleke: a) Eise seltene Form von Pylorusstenose.
Bei der Operation einer G5 jährigen Frau, die zunächst mit un¬
regelmässigem Erbrechen und schliesslich unter ileusartigen Symptomen
erkrankt war, fand sich als Ursache ein über die Pars pylorica ventriculi
quer hinwegziehender Netzstrang.
b) Ueber Darminvagination bei Kindern. (Krankenvorstellung.)
Bericht über 9 Fälle von Darminvagination, die bis auf 2 halbjährige
Kinder, die starben, geheilt wurden. Die besseren Chancen gibt die
Desinvagination. Ob Desinvagination gemacht werden darf oder Resektion
angezeigt ist, hängt weder von der Dauer der Invagination, noch von
der Läoge des invaginierten Darmstückes ab, sondern lediglich davon,
wie fest die Invagination fixiert ist, und wie hochgradig die Störungen
in der Darmwand und am Mesenterium sind. Mit der unblutigen Des¬
invagination, mit Insufflation von Luft oder Einläufen wird in der Regel
kein Dauerresultat erzielt, weil alsbald ein Recidiv eintritt. Die Fixation
der Spitze des Ißtussuscepturas, als welche sehr häufig die Kuppe des
Coecums gefunden wurde, am Peritoneum parietale ist unbedingt er¬
forderlich.
Diskussion: HHr. Salge, Chiari, Guleke.
IV. Hr. Ahreiner: 1. Demonstration seltener Nierenpräparate.
a) Durch Nephrektomie gewonnene Niere mit grossem Stein und
einem hühnereigrossen Hypernephrom; b) Niere mit grösserem bis ans
Nierenbecken reichenden Tumor Uüd mandelkerugrossem Konkrement im
Nierenbecken; c) Nierentuberkulose und kleines Konkrement in einem
Kalix.
2 . Demonstration eines Falles familiärer multipler Exostosen.
10jähriger Knabe mit zahlreichen Exostosen sowohl am Rumpf¬
skelett als an den Extremitätenknochen. Der Vater, der Grossvater und
die Schwester des Vaters leiden gleichfalls an solchen multiplen Exostosen.
Diskussion: HHr. v. Lichtenberg, Chiari.
V. Hr- v. Lichtenberg: Ueber lokale Anästhesie.
Die Anwendung der epiduralen Applikation von Novocain empfiehlt
sich bei allen chirurgischen Eingriffen am After, am äusseren männlichen
und weiblichen Genitale, sowie bei der transvesikalen Prostatektomie.
Sehr gute Dienste leistet dieselbe bei schwieriger Cystoskopie, insbesondere
bei der Blasentuberkulose. Ti 1p - Strassburg i.E.
Freiburger medizinische Gesellschaft.
Sitzung vom IG. Judi 1914.
1. Hr. Determann: Ueber das Wästenklima.
Für das Wüstenklima charakteristisch ist die ausserordentliche Rein¬
heit der Luft von Bakterien, die gros e Lichtintensität, grosse Amplitude
der täglichen Temperaturschwankung und die geringe Feuchtigkeit der
Luft. Die Luftfeuchtigkeit hängt stark von der Entfernung eines Ortes
vom Nil ab, ist im Mittel 20 pCt. und mehr niedriger als in Berlin.
Die grosse Lichtintensität wirkt auf die Psyche anregend, oft er¬
regend. Die Trockenheit der Luft bewirkt eine grosse Perspiration von
Flüssigkeit durch die Haut, inwieweit auch dementsprechend feste Stoffe
durch die Haut sezerniert werden, ist noch unerforscht, obwohl davon
die Indikation für die Nephritis abbängt. Es wird dadurch eine Ein¬
dickung des Bluts verursacht, die von Schieffer durch Bestimmung
von Hämoglobin und Eivthrocyten festgcstellt wurde. Die Untersuchung
des Plasmas steht jedoch noch aus. Indirekt verursacht wohl im
wesentlichen die Lufttrockenheit eine grosse Beanspruchung der Circu-
lationsapparate, durch die starke Tacbycardien und Blutdrucksenkungen
Zustandekommen. Im Zusammenhang damit entsteht eine grosse Unlust
zu aller körperlicher Arbeit.
Koutraiodiziert sind deshalb Orte mit Wüstenklima für alle Leute
mit nicht völlig intakten Kreislauforganen sowie für solche, denen
Muskeltätigkeit erforderlich ist. Rheumatiker werden sehr günstig be¬
einflusst, offenbar nach Art von Sonnen- und Wärmetherapie. Die In¬
dikation für Nephritis bedarf noch dringend der experimentellen Be¬
gründung, da nicht erwiesen ist, dass in diesem Klima die Haut wirklich
die Niere durch Ausscheidung fest Substanzen entlastet. Tuberkulöse
sollten nur in ersten Anfangsstadicn nach Aegyten geschickt werden.
Heliotherapie, entsprechend Rolli er, sollte Doch systematisch mit ent¬
sprechenden Kautelen versucht werden.
Diskussion.
Hr. Hahn betont, dass ein Unterschied der relativen Feuchtigkeit
im Betrag von 20pCt. schon für ein Klima ein ganz erheblicher ist.
Hr. Aschoff betout die günstige Wirkung des Wüstenklimas auf
chronische Bronchitiden und asthmatische Zustände.
Hr. Determann: Die Wirkung auf diese Fälle beruht nicht
allein auf der Verminderung des Auswurfs, die unerheblich ist, sondern
ist eine spezifische.
2. Hr. Ziegler: Ueber die Banti’sche Krankheit.
Die Banti’sche Krankheit ist durch in drei Stadien auftretendc typische
Syraptomkomplexe gekennzeichnet: Zuerst beginnt ein anämisches
Stadium mit Milztumor und Leukopenie, daun tritt eine hypertrophische
Lebercirrhose hinzu, schliesslich geht diese in die atrophische Form
über. Im ersten Stadium, das jahrelang dauern kann, wirkt Milz¬
exstirpation heilend.
Vom anatomischen Befund der Erkrankung ist in der Milz Quellung
des Reticulums mit Verödung der Follikel hervorzuheben, dann tritt
eine Endophlebitis des Pfortadersystems hinzu, die schliesslich cirrhotische
Veränderungen der Leber im Gefolge hat. Forschungen nach der Aetio-
logie waren bisher erfolglos.
Mit der Lebercirrhose hat die Banti’sche Krankheit den Endzustand
gemeinsam und unterscheidet sich nur durch die Reihenfolge der Er¬
krankung der Organe. Die Erkrankung kann im ersten Stadium be¬
stehen bleiben. Der mikroskopische Befund der Milz ist bei der
Lebercirrhose ein anderer als bei der Banti’schen Krankheit: dort
Stauungsveränderungen, hier eine Fibroadenie. Die degenerativen Ver¬
änderungen in den Organen geben nichts für einen bestimmten ätio¬
logischen Faktor Charakteristisches.
Die Theorie einer hämatogenen Intoxikation erklärt die Befunde
nicht restlos. Für die Theorie einer lymphogenen Intoxikation sprechen
eigene Versuche des Vortragenden: Einspritzung von Aufschwemmungen
von körperlichen Elementen in beliebige Lymphgefässe des Netzes ver-
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UNIVERSITY OF IOWÄ"
20. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1393
ursacht eine Ausschwemmung derselben in Leber und Milz in gleicher
Weise: das zusammengehörige Lymphgefässsystem erklärt kombinierte
Erkrankungen der beiden Organe.
Diskussion.
Hr. Landau weist auf die Untersuchungen von Lepehne hin:
Die in Leber and Milz in gleicher Weise vorkommenden spezifischen
Zellen (Kupfer’sohe Sternzellen) können als ein Organsystem zusammen¬
gefasst werden (reticulo-endotbelialer Stoffwechselapparat). Es könnte
sioh also bei gemeinsamen Erkrankungen dieser Organe um eine Er¬
krankung dieses Organsystems handeln.
Hr. Ziegler: Es handelt sich bei der Banti’schen Krankheit um
den Weg einer Infektion und um allgemeine Gewebsschädigungen, nicht
um Schädigungen eines Zellsystems.
3. Hr. Hotfc:
a) Ueber feruentatire Blutstillung. b) Versacke der D&aer&nüsthesie.
a) Zur Blutstillung wurde eine Substanz mit Fermenteigenschaften
unter dem Namen Coagulen eingeführt, die bei Operationen Unter¬
bindungen überflüssig machen soll. Vortr. empfiehlt die Benutzung von
Coagulen für Wunden in Leber, Prostata und bei Gehirnoperationen.
Im übrigen ist die Unterbindung gewöhnlich vorteilhafter. Innerlich
wild Coagulen für Hämophilie, Werlbof’sche Krankheit und Hämoptyse
empfohlen. Ferner prophylaktisch für Operationen. Kontraindiziert bei
Trombophlebitis, Lues und ähnlichen Zuständen.
b) Zur Vermeidung des Operationsshocks soll nach Crile eine
langdauernde Anästhesie des Operationsgebietes in der Heilungsperiode
erstrebt werden. Unterstützt wird die Erfüllung der Crile’schen Forde¬
rungen durch möglichste Verkleinerung der Eingriffe. Der psychische
Sbock wird durch Morphium-Scopolamin eingeschränkt. Zur Erreichung
einer Daueranästhesie in der Nachperiode verwendet Crile HCl-Harn-
stoffchinininjektionen. Vortr. versuchte Orthoform, Anästhesin und
Novokaintannat. Orthoform ist unbrauchbar wegen Nekroseubildung,
Novokaintannat ist unwirksam, weil nicht in genügender Menge löslich.
Dagegen wurden durch Einpulvern von Anästhesin in die Wunden gute
Resultate erzielt. Der Heilungsverlauf wird nicht gestört. Ein Nachteil
ist nur die Unübersichtlichkeit des Operationsgebietes.
Diskussion.
Hr. Kahler bestätigt die Brauchbarkeit des Coagulens, besonders
für Knocbenwunden, doch ist mit anderen Mitteln, z. B. Wasserstoff¬
superoxyd, dasselbe zu erreichen und Coagulen sehr teuer.
Hr. Noeggerath empfiehlt Anästhesin zur Behandlung von
Rhagaden der Mammae bei stillenden Frauen. Fromherz.
Aerztliclier Yerein zu München.
Sitzung vom 10. Juni 1914.
1. Hr. Herzog: Demonstration eines Falles von allgemeiner Be¬
ll aaraoe: and Frühreife bei 3jührigem Kinde.
Vortr. stellt ein 4jähriges Kind vor, das aus einer gesunden All¬
gäuer Familie stammt. Bis zum 3. Jahr entwickelte sich das Kind voll¬
kommen normal und zeigte keinerlei Abnormitäten. Dann wurde die
Stimme allmählich immer tiefer und am Körper traten reichlich Haare
auf. Jetzt ist das Kind stark entwickelt, die Muskulatur ist direkt
athleleuhaft ausgebildet, die Körpergrösse beträgt 10 cm mehr, als der
Durohschnittsgrösse seines Alters entspricht. Dabei spricht das Kind
mit einer äusserst tiefen Stimme. Mit Ausnahme der Hände ist das
Kind am ganzen Körper behaart, und zwar besonders stark im Gesicht
(Backenbart, Schnurrbart und Fliege), in der Genitalgegend und am
ganzen Rücken. Die Röntgenphotographie ergibt normalen Befund; die
Sella turcica ist nicht vergrössert, die Mammae sind nicht angedeutet
und es besteht keine Menstruation. Die gynäkologische Untersuchung
ergab normalen Befund. Ovarien oder ein Tumor waren nicht feststell¬
bar. Vortr. berichtet, dass derartige Entwicklungsstörungen bei Ver¬
änderungen an den Genitalien, der Hypophyse oder den Nebennieren
auftreten, und zwar im Sinne einer Hypertrophie, Atrophie oder Tumor¬
bildung. Im vorliegenden Fall nimmt er Veränderungen im Bereich der
Nebennieren an. Das Kind wurde zwecks Entfernung der Haare in
spezialärztlicbe Behandlung geschickt, da nach Ansicht der dortigen Be¬
völkerung die starke Behaarung eine Strafe Gottes wäre.
2. Frhr. v. Notthaft. Aas der modernen Gonorrhöetherapie.
Vortr. berichtet über die moderne Behandlung der Gonorrhöe. Früher
hatte die Ansicht, die Gonorrhöe ausser mit allgemeiner Ruhe und Zu¬
fuhr reichlicher, nichtreizender Flüssigkeitsmengen zwecks Ausspülung
der Harnröhre zu behandeln, viel Anhänger gefunden, doch wendet man
sich jetzt immer mehr und mehr der Lokaltherapie zu. Am besten
haben sich dabei als Desinficientien die Silberpräparate bewährt, und
*war die prozentualiter relativ wenig Silber enthaltenden besser als die
silberreicben Lösungen. Von grosser Wichtigkeit hierbei ist die Art der
Silberbildung: anorganische desinfizieren zwar reichlicher, organische sind^
jedoch weniger reizbar und daher für die Praxis mehr zu empfehlen.
Zum Schluss der Therapie adstringierende Mittel zu verwenden, hält der
Vortr. für einen Kunstfehler; denn erstens heilt der Katarrh von selbst
aus und zweitens wird durch dieses Mittel die normale Sekretion und
me dadurch bedingte Wegspülung der Gonokokken unterbrochen; diese
gelangen in die Crypten und veranlassen so das Zustandekommen der
chronischen Gonorrhöe. Dagegen empfiehlt Vortr. die Anwendung von
»alksauren Salzen zusammen mit Silberpräparaten, da erstere durch
Zellauflösung die Gonokokken ihrer schützenden Hülle berauben und so
die Ag-Salze erfolgreicher wirken können. Zur Abortiv behänd lung mit
Protargol, Argentum nitricum oder Kal. permauganic 1:4—8000 eignen
sich nur die initalen Fälle mit geringer Sekretion. Bei einmal auf¬
getretener reichlicher Sekretion ist die bisherige Therapie anzuwenden.
Auf jeden Fall warnt Vortr. vor der Auwenduog von Kathetern
wegen der Verschleppung der Gonokokken in die hiutereo Partien der
Harnröhre. In hohem Rufe standen früher die ätherischen Oele, Terpen¬
tine, Cedernöl, Copaivabalsam, Sandelholzöl usw., denen jedoch keine oder
nur geringe desinfizierende Wirkung zukommt, so dass sie jetzt nicht
mehr empfohlen werden können.
Gute Erfolge sind mit der neuen Bakterientherapie durch Ein¬
spritzung fremder oder körpereigener Stämme unter die Haut zu ver¬
zeichnen. An der Einstichstelle entsteht dabei eine mehr oder weniger
ausgedehnte Rötung und Schmerzhaftigkeit mit Temperatursteigerung.
Die lokalen gonorrhoischen Beschwerden, besonders bei Gelenkgonorrhöe
usw., lassen im allgemeinen schnell nach. Nobiling.
Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik.
Sitzung vom 11. Juni 1914.
Hr. Weigel demonstriert einen IG jährigen Jungen mit Elephantiasis
der 3., 4. and 5. Zehe, des Mittelfusses und der Weichteile an der Ferse
links. Bereits bei der Geburt soll der Fuss grösser gewesen, aber später
unverhältnismässig gewachsen sein. Allmählich wurde auch Wade und
Oberschenkel dicker. Das linke Bein ist auch etwas länger als das
rechte. Auf der Röntgenphotographie zeigt sieb, dass der Mittelfuss-
knochen der 3. Zehe nur wenig vergrössert, stärker der der 4., am
stärksten der der 5., er ist noch einmal so lang als der der 1. Zehe.
Man glaubt deshalb nicht einen linken sondern einen rechten Fuss vor
sich zu haben. Es besteht Syndaktylie der drei hypertrophischen
ZeheD. Es findet sich ausserdem noch geringe Hypertrophie der 2. Zehe
rechts.
Hr. J. Müller berichtet über einen Fall von Nierensteinen, der
dadurch interessant ist, dass die Schmerzen stets in der rechten
Seite geklagt wurden. Die Röntgenaufnahme, die demonstriert wird,
zeigt, dass im linken Nierenbecken 3 Steine sind, rechts dagegen
keine. Die Steine gingen naeh und nach spontan ab, und es konnte
durch Röntgenaufnahme jedesmal nachgewiesen werden, dass ein Stein
weniger im Linken Nierenbecken war. Es waren Oxalatsteine.
Hr. Grünbnnm berichtet über einen Fall von Spontanperforation
des Uterus in der Gravidität.
27 jährige Frau, bat 2 mal normal entbunden, doch musste jedes¬
mal der Arzt wegen Blutungen post partum zugezogen werden. Ob
Placentarlösung vorgenomraen wurde, liess sich nicht feststellen. Im
3. Monat der 3. Gravidität trat Blutabgang und Schmerzgefühl im Unter¬
leib auf, nächsten Tag wieder ohne Beschwerden. 4 Tage später heftige
Schmerzen, Druckempfindliuhkcit des Abdomens, Ohnmacbtsanfall. Ueber
Nacht Zunahme der Schmerzen, Verfall der Patientin. Vortr. wurde
nun zugezogen, fand die Pat. mit aufgetriebeuem Leib, fast pulslos und
totenblass. Diagnose per exclusionem: geplatzte Extrauteringravidität.
Operation: nach Eröffnung des Peritoneums viel geronnenes und flüssiges
Blut im Abdomen. Ovarien und Tuben intakt. Uterus vergrössert, fast
in Nabelhöbe. Beim Hervorzieben des Uterus mit einer Kugelzange
platzt der Uterus im Fundus, wo die Wand papierdünn ist, auseinander,
und die Frucht und Fruchtwasser gelangen in die freie Bauchhöhle.
Supravaginale Amputation nach Porro. — Die Uteruswand zeigte sich
im Fundus äusserst verdünnt. Wodurch ist die Ruptur eingetreten?
Was ist die Ursache der Verdünnung? Angeborene Hypoplasie des
Uterus wird für unwahrscheinlich gehalten. Partielle Aussackung durch
Verletzung bei der 1. oder 2. Geburt hat viel Wahrscheinlichkeit für sich.
Vortr. glaubt aber, dass es sieb in diesem Fall um eine Divertikel¬
gravidität handelte, wobei das Divertikel über dem Abgang der Tuben lag.
Hr. Görl: Zar Röntgentherapie in der Gynäkologie.
Sitzung vom 25. Juni 1914.
Hr. Kirste berichtet über einen Fall von Rnptnr des Uterns
während der Gravidität. 29jdhrige Frau hatte 2 mal geboreu, 1 mal
abortiert, jedesmal musste manuelle Placentarlösung vorgenommen werden,
von denen besonders die letzte von dem Gynäkologen als die schwerste
bezeichnet wurde, die er je vornabm. Im 5. Monat der 4. Gravidität
bekam die Frau plötzlich heftige Schmerzen in der Kreu 2 gegend, so dass
sie nicht selbst heimzugehen vermochte. Ara nächsten Tage wieder
gesund. 8 Tage später wieder Schmerzen in Kreuz- und Leistengegend.
Vortr. dachte an kriminellen Abort trotz fehlender Blutungen und Wehen.
Uterus 2 Querfinger über dem Nabel. Nach 3 Tagen wurde Puls immer
schlechter, Erbrechen, allgemeiner Verfall. Innerer Befund immer gleich.
Der zugezogene Gynäkologe Herr S. Flatau entschloss sich, da der
Allgemeinzustand sich weiter verschlechterte, zur Operation. Vaginaler
Kaiserschnitt. Der Uterus wurde leer befuuden, ira Fundus ein Loch,
in dem noch die Placenta lag. Nunmehr Laparotomie. Leibhöhle voll
Blut, Fötus oben hinter der Leber im rechten Hypochondrium. Amputatio
uteri nach Porro. Trotz desolaten Zustandes nach der Operation,
Pat. pulslos und kalt, erholte sie sioh wieder. Die Pat. und die Photo¬
graphien des Operationspräparates gleich nach der Operation, sowie der
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 29.
exstirpierte Uterus werden demonstriert. Die starke Verdünnung der
Uterusmuskulatur wird auf die vorangehenden drei schweren Placentar-
lösungen zurückgeführt.
Er. Heinlein berichtet über einen Fall von Hüftgeleukstuberkulose
kombiniert mit Tnberknlose der Wirbels&ule bei einem 54 jährigen
früheren Schreiner. Beginn der Erkrankung vor 4 Jahren mit rheuma¬
tischen Beschwerden. Aus dem Krankenhaus ungeheilt entlassen. Bei
Untersuchung durch Vortr. waren Beschwerden nicht mehr mul tiartikulär,
sondern aufs rechte Hüftgelenk beschränkt. Konnte nicht auftreten,
beträchtliche Steifigkeit des Gelenks, HemmungsbeweguDgen schmerzhaft.
Da Spitzendämpfung, viel Husten, abends schwaches Fieber, Puls über
100 stellte Vortr. die Diagnose auf Tuberkulose des Hüftgelenks. Stütz-
Gipsverband, danach noch ein zweiter solcher, Pat. entzog sich der Be¬
handlung und nahm den 2. Verband selbst ab. Erst nach 2 Jahren sah
Vortr. den Kranken, der nicht arbeitsfähig geworden war, wieder. Pat.
klagte über Schmerzen im linken Bein. Senkungsabscess unter dem
Poupart’schen Band. Kein Gibbus. Punktion des Abscesses, Formalin-
glycerininjektion, Erfolg nicht so günstig als links, es blieb eine Fistel.
Eröffnung des Psoasabscesses. Die Gegend des Hüftgelenks wurde nun
wieder schmerzhaft, es bildete sich in der Nähe der ersten eine zweite
Fistel; unterhalb und nach einwärts vom Trochanter Fluktuation. In¬
zision brachte keine Erleichterung, Fieber blieb, es war kein Zweifel,
dass der alte Herd im Hüftgelenk aufgefiackert war. Gestern Operation.
Sprenger’sche SobnittführuDg, Sohenkelkopf bis zum Trochanter cariös,
Resektion. Wahrscheinlich ist der Abscess in der Fossa iliaca nach
dem Gelenk durchgebrochen.
Hr. Führ wahr demonstriert einen Patienten mit Myotonia atrophica.
Atrophie am rechten Oberschenkel, myotODische Erscheinungen besonders
an Unterschenkel und Händen. Handmuskulatur nicht atrophisch.
Geringe Atrophie der Genitalien. Patellar-Achillessehnenreflexe fehlen.
Familienanamnese nihil. Kraue.
Medizinische Gesellschaft zu Basel.
Sitzung vom 11. Juni 1914.
Hr. de Qaervain-. Chirurgisch« Demonstrationen.
1. Pneumokokkenperitonitis bei einem Kinde. Kochsalz-
spüluog der Bauchhöhle. Ausgangspunkt der Pneumokokkenperitonitis
unbekannt.
2. 77 jähriger Patient, dem vor 18 Jahren ohne Erfolg die Prostata
teilweise entfernt worden war wegen Hypertrophie. In den
18 Jahren ca. 40 000 mal Autokatheterismus. Die Reste der Prostata
wurden jetzt operativ entfernt. Nach 18 jähriger Untätigkeit hat die Blase
ihre Funktion wieder übernommen; Pat. uriniert im Strahl, und kaon i
das Wasser bis zu 4 Stunden halten.
3. Urethradivertikel. Bei dem Pat. war wegen gonorrhoischer
Striktur ein Eingriff vorgenommen worden, der eine ungenügende
Funktion des Sphincter urethrae zur Folge gehabt hatte. Pat. hatte
sich daraufhin selbst eine Art „Sohlauchklemme“ konstruieren lassen,
mit welcher er seinen Penisschaft komprimierte. Hinter der Klemme
hat sich mit der Zeit ein Urethradivertikel ausgebildet, das jetzt
operativ entfernt worden ist. Demonstration des Präparats; das
Divertikel fasst 100 ccm.
4. Hypophysen tu mor: Pat. mit bitemporaler Hemianopsie, ein¬
geschränktem Gesichtsfeld, Herabsetzung des Visus beiderseits. In
Lokalanästhesie wurde die Nase nach rechts hinüber-, der Oberkiefer¬
körper nach links herübergeklappt. An Stelle der Hypophyse fand sich
ein cystischer Hohlraum. Derselbe wurde entleert. Nach 4 Wochen
Visus auf dem einen Auge etwas gebessert. Einige Zeit nach
der Operation stellten sich Zeichen einer Meningitis ein. Die Lumbal¬
punktion ergab trübe Flüssigkeit mit Streptokokken. Nach wiederholten
Lumbalpunktionen wurde die Cerebrospinalflüssigkeit wieder klar, ent¬
hielt keine Streptokokken mehr, ein Beweis dalür, dass auch von den
Meningen diese Mikroorganismen resorbiert werden können. Die Rekon-
valescenz ist bei der Pat. ganz normal.
5. Magendivertikel. Vortr. hatte Gelegenheit, eine bis jetzt
unbekannte Form von Magendivertikel zu beobachten. Auf dem
Röntgenbild zeigte sich ein auffallend grosses Divertikel mit Gasblase,
das der Form nach einem Haudek-Divertikel nicht unähnlich sah, der
Grösse nach aber ein solches bei weitem übertraf. Die Pat. wurde
operiert wegen einer Gallenblasenaffektion. Der Magen erwies sich als
vollkommen normal; sowie die Magenwand durch Kneifen mechanisch
gereizt wurde, entstand vor den Augen des Operateurs ein grosses
Divertikel. Dieses war später bei Kontrollröntgenaufnahmen, besonders
bei Durchleuchtung von der Seite, wiederholt nachweisbar. Die Ursache
für dieses Divertikel ist nach der Ansicht des Vortr. zu suchen in einer
umschriebenen Parese der Magenwand. Vortr. beobachtete einen analogen
zweiten Fall, ebenfalls mit Gallenblasenaffektion; das Röntgenbild zeigte
ein gleiches, sehr grosses Divertikel der Magenhinterwand. Keine
Operation.
Hr. Iselin: Kleine chirurgische Mitteilungen.
1. Patientin mit Tumoren des Schädeldaches, Tumor des
rechten Sohambeinastes, Tumor in der Magengegend. Probe¬
exzision aus einem Sohädeldachtumor ergab, dass es sich um Struma¬
metastasen handelte.
2. Röntgenaufnahmen in zwei zueinander senkrechten
Ebenen. Vortr. empfiehlt bei Röntgenaufnahmen des Schultergelenks,
eventuell auch des Hüftgelenks, sich nicht mit der Aufnahme von einer
Seite zu begnügeD. Er konnte eine Fraktur unterhalb des Humerus¬
kopfes, die bei der Aufnahme von der Seite nicht erkennbar war, da¬
durch nachweisen, dass er das Schultergelenk von oben aufnehraen Hess.
Die Röntgenplatte braucht nicht, wie sonst allgemein für unumgänglich
notwendig erachtet wird, dem Gelenke direkt aozuliegen. Es empfiehlt
sich eventuell die Röntgenröhre unterhalb des Scbultergelenkes anzu¬
bringen, die Platte oberhalb des Scbultergelenkes. Man erhält auf diese
Weise klare Detailbilder der einzelnen Gelenkpartien.
8. Zwerchfellchirurgie. Vortr. bat Hunden Zwerch fellstich-
wunden beigebracht; die Tiere wurden daraufhin sich selbst überlassen.
Eine Hündin hat nach einem solchen Eingriff eine normale Gravidität
durcbgemacht und hat normale Junge geworfen. Bei der Autopsie der
Hunde zeigte es sieb, dass die Zwerchfellwunden schön vernarbt waren.
Vortr. schfiesst daraus, dass es nicht absolut notwendig sei, jede
Zwerchfellwunde operativ zu schliessen; es kann dadurch, was besonders
wichtig ist, die Operationsdauer abgekürzt werden.
4. Bemerkung zur Geschichte der Chirurgie. Vortr. weist
nach, dass die hintere Gastroenterostomie zuerst von Prof. Courvoisier-
Basel ausgeführt worden ist, 2 Jahre bevor v. Hacker diese Methode
angegeben hat.
Hr. de Montmollin: Ueber Milztuberkulose. (Mit Demonstrationen.)
41jährige Patientin mit unbestimmten Beschwerden, Kräftezerfall,
Abmagerung, Druckgefübl im Abdomen links. Die Untersuchung ergab
einen derben, bimanuell gut abtastbaren, länglichen Tumor mit Dach
vorne gerichteter Kante. Ein langer linksseitiger Flankenschnitt führte
auf die vergrösserte Milz; dieselbe wurde entfernt; sie war auf das drei¬
fache vergrössert, zeigte vermehrte Resistenz} Höckerbildung; Gewicht
520 g *
Diskussion. Hr. Schönberg bespricht das histologische Bild der
exstirpierten Milz, das charakterisiert war durch zahlreiche Epitheloid-
tuberkel ohne Nekrosen, mit spärlichen Langhans’schen Riesenzellen,
sowie sehr spärlichen Tuberkelbacillen im Antiformiüpräparat; ein Be¬
fund, der bisher in der Milz nicht erhoben wurde, und der in Analogie
steht mit der als „körniges Lymphom“ bekannten Form der Lymph-
drüsentuberkulose.
Hr. Hüssli: Weitere Demonstrationen zir Milzchirnrgie.
Drei Fälle von Milzexstirpation: 1. Eine Malariamilz, von 500 g
Gewicht, wurde entfernt, weil sie ein mechanisches Hindernis bildete.
Die Hoffnung mit der Milzexstirpation auch das ätiologische Moment der
Malaria entfernt zu haben, erfüllte sich nicht. Während der Rekon-
valescenz hatte die Pat. Malariaanfälle mit Plasmodien im Blute. Nach
Chininmedikation Heilung.
2. Milzexstirpation bei Morbus Banti. Erfolg, besonders bezüglich
des Blutbefundes, gut.
3. Milzexstirpation bei pernieiöser Anämie. Pat. erholt sich nur
langsam,
Diskussion.
Hr. K. Hagenbach erkundigt sich nach den Erfahrungen der
chirurgischen Klinik mit dem Coagulen Kocher Fonio, welches von
Dr. de Montmollin in seinem Bericht über die Exstirpation der tuber¬
kulösen Milz erwähnt worden war.
Hr. de Quervain: Das Coagulen Rocher-Fonio macht die
Gefässligatur nicht überflüssig; wo unterbunden werden kann, da ist das
Unterbinden viel einfacher, rascher und hauptsächlich sicherer. Bei
Blutungen in Höhlen, bei denen tamponiert werden muss, da scheinen
unter der Wirkung des Coagulens die Coagula rascher zu entstehen und
zäher, fester zu sein. Io diesen Ausnahmefällen kann das Coagulen eine
Erleichterung der Blutstillung bringen. Vielleicht können auch Blutungen
bei Operationen an Hämophilen und an Leukämikern mit Hilfe des
Coagulens besser gestillt werden.
Hr. Suter: In einem Fall von Blasencarcinom mit heftigen
Blutungen hat das Coagulen Kocher-Fonio vollkommen versagt.
Lüdin-Basel.
K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien.
Sitzung vom 19. Juni 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Chiari demonstriert eine kleine Spitzkugel, welche er aus dem
rechten Recessus pyriformis eines 9jährigen Knaben extrahiert hat.
Hr. Manchik führt einen 63jährigen Mann vor, bei welchem er ein
Careinom der Traehea mit Radium behandelt hat.
Hr. Fröschels stellt einen 8jährigen Knaben mit klonischem Stottern
vor; dieses erstreckt sich auch auf einzelne Laute, und zwar auf Ex*
plosivlaute. „
Hr. Oser stellt einen Mann mit Aneurysma racemosum der Maxii-
laris externa vor. . ,
Hr. Goldscbmidt demonstriert mehrere Fälle von chirurgischer
Tuberkulose, welche mittels der Höhensonne (Licht der Quarzlampe)
bestrahlt worden sind.
Ein Mädchen hatte ein faustgrosses Paket scrophulöser Drüsen am
I Halse, nebst einer Fistel. Auf 20 malige Bestrahlung sind die Drusen
I bis auf einen kleinen Rest zurückgegangen.
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20. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1396
Bio Mädchen hatte einen Sehnenscheidenfnngus über dem ganzen
Dorsum einer Hand und ebenfalls eine Fistel; nach 22maliger Bestrah¬
lung sind die Erscheinungen zurückgegangen und die Fistel hat sich
geschlossen.
Eine Heilung erfolgte auch bei einer Frau mit einem kariösen Pro¬
zess an der Grundphalanx eines Fingers, wobei zwei Fisteln vorhanden
waren.
Bei einem Manne wurden Lymphomata colli inzidiert, worauf Fisteln
zurückblieben; nach Bestrahlung sind die Lymphome zurückgegangen
und die Fisteln haben sich geschlossen.
Bei einem Manne heilte nach 5 Bestrahlungen Caries einer Rippe
mit einem grossen kalten Abscess aus.
Die tuberkulösen Fisteln werden durch Quarzlicht günstig beeinflusst,
besonders gut heilen beginnende Fälle und solche ohne Mischinfektion.
Hr. Hofbaaer zeigt einen Fall als Beitrag zur Symptomatologie
des listens.
Das vorgestellte Mädchen erkrankte vor 20 Monaten an quälendem
Husten mit geriuger Expektoration; die Untersuchung ergab eine gering¬
gradige Bronchitis, welche mit dem schweren Husten nicht im Einklang
staud. Da Pat. blass wurde, wurde sie für tuberkulös gehalten. Röat-
genologiscb wurden fleckige Herde in den Lungen gefunden. Die genaue
Anamnese ergab, dass Pat. au einzelnen Tagen gar nicht hustet, dass
sie dauu plötzlich einen stundenlang anhaltenden Husten bekommt, der
dann mit einem Schlage aufhört. Das deutete auf einen Fremdkörper
im Respirationstrakte hin. Pat. batte wirklich vor 20 Monaten ein zwei-
kronenstückgrosses Stück Blech geschluckt; es wurde eine Erdäpfelkur
duTohgelührt. Eins neuerliche Röntgenaufnahme zeigte in der Höhe des
Jogulum einen runden Schatten, welchen Vortr. auf die Anwesenheit des
Fremdkörpers im unteren Teil des Rachens zurückführt. Es wird die
laryngoskopische Untersuchung vorgenommen werden.
HHr. Arzt und Kerl:
Weitere Mitteilung über Spiroehätenbefonde bei Kaninehen.
Vortr. hatten vor einigen Wochen anlässlich des Berichtes über ihre
Untersuchungen betreffs Syphilisübertragung auf Kaninchen mitgeteilt,
dass sich bei einzelnen Kaninchen, welche nicht experimentell mit Syphilis
infiziert waren, eine Erkrankung des Genitales mit Spirochäten fand.
Diese waren von der Spirochaeta pallida nicht zu unterscheiden. Vortr.
erklärten sich diese Befunde dadurch, dass entweder bei Kaninchen eine
spontane Spiroohätose vorkommt oder dass die Tiere irgendwie mit
Spirochaeta pallida infiziert worden sind. Vortr. haben daher mehrere
Zuchten von Kaninchen untersucht. Unter 267 erwachsenen Tieren
fanden sich 72 mit einer Genitalaffektion und Spirochätenbefund, bei
vielen war die Genitalaffektion ulceröser Natur; in einer Drüse wurden
Spirochäten nachgewiesen. Bei einem Kaninchen fand sich auch eine
papulöseEfflorescenz an der Unterlippe; in dem Reizserum dieser Efflores-
cenz wurden Spirochäten gefunden. Es wurden bei mehreren Tieren
Ueberimpfungsversuche vorgenommen, es blieb aber nur ein Tier am
Leben, dieses bekam am 27. Tage Erosionen an der Clitoris mit positivem
Spirochätenbefund. Ferner wurden 2 Affen von den Kaninchen geimpft;
bei einem Tiere traten papulöse Effiorescenzen am Genitale auf, in
welchen bisher keine Spirochäten nacbgewiesen wurden.
Die bei den Tieren gefundene Spirochäte lässt sich vorläufig nicht
von der Spirochaeta pallida differenzieren. Die Natur der Krankheit ist
noch nicht geklärt und es werden weitere Versuche vorgenommeu werden.
_ H.
Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde zn Wien.
Sitzung vom 18. Juni 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Fimi stellt einen 22jährigen Mann mit einem Tumor des Nasen-
raebeiraimes mit Metastasen an der Gehirnbasis und im Rücken¬
mark vor.
Hr. Biaeh demonstriert einen Fall von Dystonia mnsealoram de-
foraai8 (progressiver Torsionsspasmus, Ziehen-Oppenheim’sche Er¬
krankung).
Der 20jährige Mann begann vor 5 Jahren den rechten Fuss nach¬
zuschleppen, seit 3 Jahren hat er in ihm Schmerzen und ein drehendes
Gefühl, ausserdem hat er stechende Schmerzen im Rücken. Wenn Pat.
sich aufstellt, so wird das rechte Bein in Torsionsstellung gehalten, der
Fuss befindet sich in einer klumpfussähnliehen Stellung, infolge eines
Spasmus der Rüekenrauskulatur treten Lordose und Skoliose ein; der
Spasmus lässt nach, wenn Pat. sich anhält, oder wenn er gestützt wird.
Die kleinen Fussmuskeln sind atrophisch. Der Kopf sinkt leicht nach
hinten, infolgedessen werden die Halsmuskeln stark angespannt. In der
Muskulatur sieht mau kleine Zuckungen. Der Gang des Pat. ist hoch¬
gradig erschwert. Dieses progressive Leiden, von welehem bisher kein
geheilter Fall bekannt ist, beruht auf einer organischen Veränderung
des Centralnervensystems, welche vielleicht im Kleinhirn oder in den von
ihm abgebenden Bahnen lokalisiert ist.
Hr. Nenda: Zar Pathogenese des Qnincke’schen Oedems.
Die Untersuchungen des Vortr. erstreckten sich auf 5 Fälle, in
welchen allen sich die Befunde, die Vortr. im ersten Falle erheben konnte,
la den Grundzügen bestätigt fanden. Vortr. hält sich im grossen ganzen
an einen Fall von periodischem Erbrechen mit Schwellungen, den er im
Oktober in dieser Gesellschaft vorgestellt hat, und an dem er alle Be-
unde in den einzelnen Punkten erheben konnte, die er für eine Pathogenese
dieser Affektion geltend macht. Es handelt sich vor allem um drei
Kardinalsymptome, die für den Anfall sich als charakteristisch erwiesen
haben: 1. die Miizschwellung, welche palpatorisch und perkutorisch nach¬
weisbar ist; 2. die exquisite Urobilinurie, eventuell Albuminurie, diese
aber nicht so konstant wie die erstere; 3. Eigentümlichkeiten des Blut¬
befundes, wie Anstieg des Hämoglobingebaltes und des Färbeindex un¬
mittelbar vor dem Anfall und im Anfall.
Die 3 klinischen Befunde weisen übereinstimmend auf einen hämo¬
lytischen Vorgang hin. Ein interessantes und wichtiges Ergebnis brachte
die täglich durebgeführte Resistenzbestimmung der Erythrocyten. Ausser¬
halb des Anfalls war die Minimalresistenz ziemlich gering, bei 0,54, im
Anfall jedoch 0,42, also gesteigert; die Maximalresistenz war vorher auf¬
fallend hoch, bei 0,1, sie sank im Anfall auf 0,34. Vortr. scbliesst dar¬
aus, dass im Anfall jene ausserordentlich resistenten Erytbrocyten wahr¬
scheinlich zugrunde gehen (also wieder die Hämolyse). Die Steigerung
der Minimalresistenz lässt nach experimentellen Versuchen, die in der
Literatur vorliegen und nach denen Injektion von lackfarbeuem Blut
eine Resistenzsteigeruug macht, folgende Erklärung zu: Der hämolytische
Vorgang mit seiner Konsequenz, der Hämoglobinämie, kann die Resistenz¬
steigerung erklären. Den Hämoglobingehalt des Serums bat Vortr. für
den Anfall zweimal nachweisen können. Das Charakteristische der
Quincke’schen Affektion, die akute circumscripte Schwellung, erklärt
Vortr. durch eine Art von Hydrämie, welche durch die Wassersparung
vor dem Anfall, wie sie sich klinisch durch Harn- und Stuhlverhaltung,
Trockenheit im Munde und ständiges Durstgefühl dokumentiert, entsteht.
H.
Aus Pariser medizinischen Gesellschaften.
Acaddmie de mddecine.
Sitzung vom 5. Mai 1914.
Hr. Borrel hat die Piguentzellen der gewöhnlich kongenitalen
Naevi untersucht, beim Menschen und bei Tieren. Beim Menschen finden
sich diese Zellen namentlich um die Haarfollikel. Es siud die gleichen
Zellen, welche den Federn der Vögel deu besonderen Glanz verleihen.
Es sind Zellen, welche unlösliche Produkte und Abfälle des Zellebens
nach aussen ausscheiden und andererseits die Epidermis vor den Licht¬
strahlen schützen müssen, ln einem gewissen Alter tritt eine besondere
Tätigkeit der Zellen des ganzen Haarsystems ein, die Haare werden
grau; dieses Alter ist für Carcinom am günstigsten. Das Carcinom ist
nicht eine einfache Folge dieser erhöhten Tätigkeit; das Pigment spielt
auch nicht die Rolle eines Mikroorganismus. Vortr. meint, es bestehe
ein besonderes Virus, das sich in den Pigmentzellen entwickle. Eine
äussere Ursache allein könnte erklären, warum trotz der ausserordent-
licheu Häufigkeit der Naevi die Naevicarcinotne so selten sind.
Nach Hrn. Conteand genügt eine gut geleitete Behandlung von 8
bis 10 Tagen, um eine Sehlüsselbeinfraktar zu heilen. Er hat 6 Fälle
in 8 Tagen geheilt. Seine Methode ist vom Prinzip der kontinuierlichen
Extension abgeleitet. Patient soll in Bettruhe successiv zwei Stellungen
einuebmen. Zuerst wird der Arm der kranken Seite vertikal nach unten
aus dem Bett gestreckt, während die Schulter nicht auf dem Bett ruht,
und zwar wahrend einer Stunde. Nachher lässt man den rechtwinklig
gebeugten Arm aus dem Bett hängen; der Vorderarm ruht auf einer
tiefer als der Bettrand angebrachten Unterlage. Die Methode ist seit
10 Jahren erprobt. Der Callus ist schöD, die Claviculae behalten
normale Länge, die kranke Clavieula kann eventuell sogar länger werden
als die gesunde. Die Resultate sind besser als bei chirurgischer Be¬
handlung oder mit Verbänden.
Sitzung vom 19. Mai 1914.
HHr. Ferd. Bezan^on und de Serboines haben die experimeitelle
Tuberkelbacillenreinfektioi der Lunge versucht. Wenn maa einem
gesunden Meerschweinchen 1—2 mg menschlicher Toberkelbacillen in
die Trachea injiziert, erzeugt man eine tuberkulöse Bronchopneumonie,
die rasch zu massiver Verkäsung führt. Die inoculierten Bacillen ent¬
wickeln sich in Menge in den Alveolen, die das Bild der käsigen Pneu¬
monie aufweisen. Wenn man die gleiche Injektion Bchon vorher tuber-
kulisierten Meerschweinchen macht, die durch subcutane Injektion schon
tuberkulöse Granulationen verschiedener Organe aufweisen, ist der Ver¬
lauf ein ganz anderer. Schon am Tage der Injektion entsteht starke
Kongestion der Alveolencapillaren und starke Dyspnoe, die zum Tode
führen kann. Meist widerstehen die Tiere, die Dyspnoe nimmt ab, und
zwar häufiger als bei den vorher gesunden Tieren. Bei Reinfektion tritt
nicht käsige Pneumonie ein, sondern katarrhalische Entzündung der
Alveolen, die zu interstitieller Sklerose führt, die Bacillen sind selten
und schwer in den Alveolen zu färben. Diese Untersuchungen unter¬
stützen die Ansicht, dass das, was man einen tuberkulösen Boden nennt,
ein bakteriologischer Zustand ist, abhängig von einer vorausgegangenen
leichten Infektion, die eine relative Immunität schafft und den Organismus
resistent macht; während beim Fehlen dieser Infektion der Organismus
für Tuberkulose empfindlich ist. Diese Untersuchungsresultate bestätigen
auch die Forschungen von Metsohnikoff, Burnet und Calraette,
die bei bis jetzt tuberkulosefreien Völkerschaften die Häufigkeit des
raschen Verlaufes und der massiven Verkäsungen der Tuberkulosen nach¬
gewiesen haben, im Gegensatz zu der Häufigkeit der langsam verlaufenden,
sklerosierenden Formen der zivilisierten Völker, die von Jugend an
leichten Infektionen ausgesetzt sind. Sie erklären auch die scheinbar
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Nr. 29.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
paradoxe Tatsache, dass Tuberkulöse lange den häufigen Autoreinfektionen,
denen sie bei offenen Tuberkulosen beständig ausgesetzt sind, wider¬
stehen können, und die Tatsache, dass Kinder für die erste Infektion
sehr empfindlich sind, während Erwachsene für neue Infektionen wenig
empfänglich sind.
Hr. Marcel LabbA erinnert, dass die Operationsgefahr bei Diabetikern
von der Hyperglykämie und von der Acidose abhängig ist und ausser¬
dem von den Gefässveränderungen, die nicht speziell dem Diabetes eigen
sind. Die Hyperglykämie begünstigt die Eiterung, die aber durch gute
Asepsis vermieden werden kann. Es ist besser, vor der Operation den
Zuckergehalt des Blutes durch geeignete Diät herabzusetzen. Die Aci¬
dose ist gefährlicher, ihr sind das Coraa und der Tod nach Operationen
zuzuschreiben. Diese treten bei Diabetes mit Acidose ein, aber auch
bei Diabetes ohne Abmagerung, die vorübergehend Acidose haben, end¬
lich auch bei Diabetes ohne Abmagerung und Acidose nach Operationen
unter Chloroform. Das Trauma der Operation, schwere Operation, die
Aufregung vor der Operation können Acidose erzeugen, aber die Gefahr
liegt mehr im Narcoticum als in der Operation. Am gefährlichsten ist
Chloroform, es erzeugt oft sofort Acidose, aber nicht immer. Aetber ist
weniger gefährlich, Chloräthyl noch viel weniger. Die Rachianästhesie
mit Cocain ist ungefährlich, am besten ist Lokalanästhesie nach Reclus.
Demnach sollen 1. an Diabetikern nur absolut notwendige Operationen
gemacht werden. 2. Zuerst müssen Acidose und Glykämie durch Diät
behandelt werden. 3. Vor der Operation sollen 40 g Natr. bicarb. ver¬
abfolgt werden und 4. zur Anästhesie mit Vorliebe die lokale Anästhesie
oder Chlorätbyl verwendet werden. Nach der Operation wird Natr.
bicarb. in hoben Dosen verwendet und möglichst bald als Nahrung
trockene Gemüse, Hafersuppen und Milch.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin, ln der Sitzung der Berliner dermatologischen Gesell¬
schaft vom 14. Juli stellte zunächst Herr Erwin Franck (a. G.) vor
der Tagesordnung einen Fall von Alopecia totalis im Anschluss an
Trauma vor (Diskussion: die Herren R. Ledermann, J. Heller,
0. Rosenthal, 0. Sprinz, F. Pinkus, E. Franck). Dann demon¬
strierte Herr H. Isaak erstens einen Fall von Psoriasis vulgaris mit
Beteiligung der Zunge (Diskussion: die Herren 0. Rosenthal,
R. Ledermann, A. Lippmann, H. Isaak), sodann einen Fall von
Lichen ruber verrucosus. Herr 0. Sprinz zeigte einen Fall von Pseudo¬
pelade, Herr C. A. Hoff mann einen Fall von Sclerodermia linearis und
demonstrierte dann mikroskopische Bilder von Ringelhaaren. Zum
Schluss stellte Herr R. Ledermann einen Knaben mit synovialer
multipler Arthritis auf kongenital luetischer Basis vor und Herr
F. Pinkus besprach die Genese der Primeldermatitis.
— Die Münchener medizinische Wochenschrift macht mit Recht
darauf aufmerksam, dass es im Jahre 1917 wiederum zu Kollisionen
wichtiger Kongresse kommen wird: insbesondere wird ausser dem grossen
Internationalen Kongress auch die Internationale Gesell¬
schaft für Chirurgie ihre Tagung, und zwar in Paris, abhalten. Wir
haben an dieser Stelle schon oft darauf hiDgewiesen, dass das einzige
Mittel, dem vorzubeugen, in der Annahme eines vierjährigen Turnus
auch seitens der internationalen Spezialkongresse liegen würde — dann
würde jede Kollision unmöglich werden. Leider besteht bei letzteren
vorläufig wenig Neigung, ihre Statuten zu ändern, und ebensowenig wird
man damit rechnen dürfen, dass der Internationale Chirurgenkongress
etwa als Sektion sich dem Internationalen medizinischen Kongress ein-
ordnen werde — dem widerspricht schon der völlig geschlossene Charakter
der Chirurgischen Gesellschaft. Erreichen wird man hoffentlich wenigstens,
dass die chirurgische Tagung in zeitlichem Zusammenhang mit dem
Münohener Kongress stattfiuden wird, damit die ausländischen Fach¬
männer an beiden Veranstaltungen teilnehmen können. Die Annahme
übrigens, dass der internationale Anatomenkongress sich 1917 der
Münchener Organisation einreihen werde, trifft — soweit wir orientiert
sind — nicht zu; der nächste Internationale Anatomenkongress findet
1915 in Amsterdam statt, der folgende erst 1920; es kann sich also
wohl nur um eine etwaige Eingliederung der Deutschen anatomischen
Gesellschaft als Sektion handeln.
— Das Orgaoisationskomitee des vorjährigen Internationalen
medizinischen Kongresses zu London hielt am 7. d. Mts. unter
dem Vorsitz von Sir Thomas Barlow seine Schlusssitzung ab; der
Generalsekretär, Sir Wilmot Herringbam erstattete ein Resümee über
die geleistete Arbeit, Dr. Makins berichtete über das finanzielle Er¬
gebnis, welches mit einem Ueberschuss von 45 Lstr., 15 sh. 2 d. abschliesst,
allerdings nur dadurch, dass seitens vieler gelehrter Gesellschaften so¬
wie der einzelnen Sektionen freiwillige Beiträge geleistet wurden. Die
Verhandlungen des Kongresses, die bereits nach kaum mehr als einem
halben Jahre vollständig erschienen, umfassen die gewaltige Zahl von
12 489 Seiten. — Das Komitee konstituierte sich schliesslich als per¬
manentes Nationalkomitee für Grossbritannien und Irland, unter
Vorsitz von Sir Thomas Barlow; als Sekretäre fungieren Dr. Clive
Riviere und Dr. H. J. Paterson.
— Der Bericht über die vorjährige Englandfahrt des Zentralkomitees
für ärztliche Studienreisen — herausgegeben von San.-Rat Dr. Oliven —
liegt nunmehr im Druck vor; er wird auch vielen, die nicht an der
Reise selbst teilgenommen haben, als Erinnerung an die Londoner
Kougresstage, über die Lennhoff anschaulich berichtet, willkommen sein.
— Die Retroflexionsoperationcn werden den im September 1915 in
New-York tagenden VII. Internationalen Kongress für Geburts¬
hilfe und Gynäkologie beschäftigen. Ein Bericht über die Spät¬
resultate der verschiedenen Operationsmethoden (Referent: Van de Velde-
Haarlem) wird die Grundlage für die Diskussion bilden. Zur Erhaltung
eines grossen statistischen Materiales ist die Mitarbeit vieler Operateure
notwendig. Eine Kommission, bestehend aus den Herren: A. Martin-
Berlin, F. Schauta-Wien, J. L. Faure-Paris, E. Pestalozza-Rom,
Dm. de Ott-Sfc. Petersburg, J. Riddle Goffe-New-Vork, H. Spencer-
London, Th. H. van de Velde-Haarlem, vom VI. Kongress (Berlin 1912)
ernannt, hat die Fachkollegen aller Länder um diese Mitwirkung nach-
gesucht und schon zahlreiche Zusagen erhalten. Die Kommission
bittet diejenigen Operateure, die sich noch nicht zur Teilnahme an der
Untersuchung gemeldet haben, aufs dringlichste, sich noch zur Mit¬
arbeit zu entschlossen und dieses dem Referenten (Adresse: Vrouwen-
kliniek-Haarlem) mitzuteilen, der zu jeder gewünschten Auskunft gerne
bereit ist.
— Gebeimer Medizinalrat Prof. Dr. Fasbender, der bekannte
Berliner Gynäkologe, ist 71 Jahre alt verstorben.
— Herr Dr. Georg Meier, Assistent am Kgl. Institut für Infek¬
tionskrankheiten „Robert Koch“, wurde zum Leiter des bakteriologischen
Instituts in Daressalem ernannt.
Hochschulnachrichten.
Berlin. Prof. Albrecht wurde als Direktor der Hals-Nasenklinik
nach Tübingen berufen. — Giessen. Habilitiert: Dr. Göring für
Psychiatrie.— Heidelberg. Geheimer Hofrat Kossel wurde Gebeimrat.—
Königsberg. Der Direktor des pharmakologischen Instituts, Professor
Ellinger, erhielt einen Ruf an die Universität Frankfurt. Der Privat¬
dozent Dr. Fetzner wurde zum Direktor der Landeshebammenschule in
Stuttgart ernannt. — Rostock. Habilitiert: Dr. Moral für Zahnheil¬
kunde. — Bern. Ausserordentlicher Professor Asher wurde als Nach¬
folger Krön eck er’s zum Ordinarius für Physiologie ernannt. — Zürich.
Der Privatdozent für Chirurgie Dr. Schumacher ist gestorben.
Amtliche Mitteilungen.
Personal len.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: San. - Räte Dr.
Neumeister in Breslau und Dr. Waechter in Altona.
König!. Kronen-Orden 2. Kl: Direktor des Instituts für Schiffs¬
und Tropenkrankheiten, Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Nocht in Hamburg.
Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: Oberstabsarzt d. L. a. D, Dr. Gutsch
in Karlsruhe i. B.
Rote Kreuz-Medaille 2. KL: dirigierender Arzt des Auguste
Viktoria-Heims in Eberswalde, Prof. Dr. A. Hildebrandt.
Prädikat Professor: Vorsteher des Medizinaluntersuchungsamtes in
Koblenz, Kreisarzt Dr. Hilgermann.
Ernennungen: Stadtassistenzarzt Dr. L. Wellguth in Flensburg zum
Kreisassistenzarzt in Danzig; Assistent am Institut für Infektionskrank¬
heiten „Robert Koch“ in Berlin Dr. J. Wanke 1 zum Kreisassistenz¬
arzt und Assistenten bei dem Medizinaluntersuchungsamte in Breslau.
Versetzung: ordentl. Professor Dr. E. v. Hippel von Halle nach
Göttingen.
Niederlassungen: Dr. G. Ladisch in Betsche, Dr. K. Spoin-
berger in Murowana-Gosliu, Dr. A. Kawczeski in Miloslaw, Dr.
H. W. Mosenthin in Posen, K. Traugott in Frankfurt a. M., Dr.
K. Tholl in Eltville, Dr. A. Goldschmidt in Laufenselden.
Verzogen: Dr. K. Böttger von Bernstadt, Dr. 0. Hagmaier von
Weinsberg, Dr. J. Hauerstein von München, K. Huldscbinsky von
Reisen, H. Loew und Aerztin Dr. E. Reinicke von Charlotten Burg,
G. Reichelt von Strassburg sowie Dr. J. Strübe von Bertin-
Weissensee nach Berlin; Dr. M. Boustmann von Berlin-Friedenau,
W. Hohmann von Berlin und Dr. H. Lange von Breslau nach Char¬
lottenburg, W. Wygodzinsky von Berlin nach Neukölln, Dr. R.
Goedel von Berlin und Dr. E. Rosenfeld von Frankfurt a. 0. nach
Berlin-Schöneberg, Dr. L. Laband von Berlin Schöneberg nach Berlin-
Wilmersdorf, Dr. H. Hensen von Berlin nach Hamburg, Dr. K. Lang-
ner von CÖln nach Jezewo, Dr. H. Krüger von Murowana-Goslm
nach Posen-Wilda, A. Ncuberg von Flatow (Westpr.) nach Nieder¬
orschel, F. Specht von Radebeul, Dr. R. Habermanu von Bonn,
Dr. A. Tassius von Breslau, Dr. R. v. Lippmann von Halle a. S„
Dr. W. Unger von Freiburg i. B. und Dr. K. Beer von Naurod
(Heilstätte) nach Frankfurt a. M., Dr. 0. Wolff von Frankfurt a. M.
nach Wildungen, Dr. W. Göbel von Siegen i. W. nach Dillenburg.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. A. Gutb-
mann von Berlin-Schöneberg auf Reisen, Dr. W. Lidkowski von
Posen, Dr. G. Hundhammer von Limburg a. L. _
Gestorben: San.-Rat Dr. P. Juliusburger in Berlin, Dr. A.
Schober in Klaushagen (Kreis Neustettin), Dr. F. H. Hilbrenner
in Borgloh. _ _
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hane Kahn, Berlin W., Bayreuth« Strass««.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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Ol« ßeritetr KlinUcIi® WoehetiMChrM erscheint Jedes
lfonta* In Nammera roa ca. 5—6 Bojon gr. 4, —
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BERLINER
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▼olle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin KW., Unter den Linden
Kr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCEENSCHETFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
j.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Koha. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin.
Montag, den 27. Juli 1914.
M 30 .
Einimdfunfzigster Jahrgang.
I N H
Origlnalie»: Göppert: lieber manifeste und latente Insuffizienz der
Exspiration im Kindesalter. (Illustr.) S. 1898.
Bernhardt: Beitrag zur Lehre von der ErrötuDgsfuroht (Ereutho-
phobie). S. 1400.
Friedberger: Weitere Versuche über ultraviolettes Licht. (Aus
dem pharmakologischen Institut der Universität Berlin, Abteilung
für Immunitatsforscbung und experimentelle Therapie.) S. 1402.
Schiff*. Ueber das serologische Verhalten eines Paares eineiiger
Zwillinge. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität
Berlin, Abteilung für experimentelle Therapie und Immunitäts¬
forschung.) S. 1405.
Jacoby und Umeda: Ueber Auxowirkungen und gebundene Amino¬
säuren des Blutserums. (Aus dem biochemischen Laboratorium
des städtischen Krankenhauses Moabit in Berlin.) S. 1407.
Alexander und Unger: Heilung eines bemerkenswerten Grosshirn¬
tumors. (Illustr.) S. 1408.
Friedmaun: Ueber die wissenschaftlichen Vorstudien und Grund¬
lagen zum Friedmann’schen Mittel. S. 1410.
Praktische Ergebnisse. Innere Medizin. Stern: Beiträge zur
Frühdiagnose der Lungentuberkulose. (Aus der Luugenheilanstalt
Tannenberg im Eisass.) S. 1419.
V&Biliu: Eine neue Spritze zur intravenösen Injektion von kon¬
zentriertem Neosalvarsan und anderen sehr reizenden Lösungen.
(Aus der III. medizinischen Klinik zu Bukarest. (Illustr.) S. 1421.
BftefcerbMpreehangen: Basch, Bayer, Borchardt, Ehrmann,
Foges, Hofier, Eohn, Pineies, Wagner v. Jauregg: Lehr¬
buch der Organotherapie. S. 1422. (Eef. Münzer.) — Quetsch:
Die Verletzungen der Wirbelsäule durch Unfall. S. 1422. (Ref.
Köhler.) — v. Bruns, Garrö und Küttner: Handbuch der prak-
Ueber manifeste und latente Insuffizienz der
Exspiration im Kindesalter.
Von
Prof. F. GÖppert-Göttiogen.
(Nach einem Vortrag, gehalten in der Göttinger medizinischen Gesellschaft.)
Unter der grossen Anzahl von Kindern, die an chronischem
nnd recidivierendem Hasten leiden, findet man in einzelnen Fällen
einen recht erheblichen Tiefstand der Lungengrenzen, wo weder
klinische Erscheinungen noch der auscultatorische Befund uns
vorher dies hätten erwarten lassen. Nun muss mau bei den im
Schulalter befindlichen Kindern nicht jeden Tiefstand der hinteren
Lungengrenzen als pathologisch ansprechen. Vielmehr ist oft der
untertf Rand der 11. Rippe bei nach vorn gebeugtem Oberkörper
*1* normaler Zwerchfellstand anzusehen. Dass es sich
aber in jenen Fällen um einen pathologischen Befund handelt,
leicht dadurch beweisen, dass, wenn man manuell beim
öMpiriuin die Luft exprimieren hilft, die Lungengrenzen beider-
*®its hinten und rechts vorn oft über 2 cm in die Höhe rücken
and in diesem Zustand bei der gewöhnlichen Inspiration minuten-
tas halbe Stunden lang verweilen. Als Beispiel seien folgende
"alle angeführt, von denen der erste zeitweise fälschlicherweise
geradezu als Pharynxhusten erklärt worden war.
Wilhelm R., 10 Jahre alt, mit 2 1 /* und 7 Jahren Lungenentzündung.
» . J w br oft bei jeder kleinen Erkältung. Periodische Appetitlosigkeit,
^aben 5. und 8. Lebensjahr oft heiser.
10. XU. Untersuchung wegen „Anfälligkeit“. Gewicht 82,5 kg.
ALT.
tisohen Chirurgie. S. 1422. v. Bruns: Neue deutsche Chirurgie.
S. 1422. (Ref. Adler.)
Literatur- Asslüge: Physiologie. S. 1428. — Pharmakologie. S. 1428. —
Therapie. S. 1428. — Allgemeine Pathologie und pathologische
Anatomie. S. 1424. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1425. —
Innere Medizin. S. 1425. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1427. — Kinderheilkunde. S. 1427. — Chirurgie. S. 1427. —
Röntgenologie. S. 1429. — Haut- und Geschlechtskrankheiten.
S. 1429. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1429. — Augenheil¬
kunde. S. 1430. — Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 1430. —
Hygiene und Sanitätswesen. S. 1430.
Verhaadlnogea ärztlicher Gesellschaft«»: Berliner medizinische
Gesellschaft. Landau: Demonstration eines Uterus myomatosus
III mensium von ll l / 2 Pfund Gewicht. S. 1431. Fuld: Zur Be¬
handlung der Colitis gravis mittels Spülungen von der Appendioo-
stomie aus. S. 1431. Eckstein: Unbekannte Wirkung der Röntgen-
strablen und ihre therapeutische Verwertung. S. 1432. — Berliner
mikrobiologische Gesellschaft, S. 1432. — Vereinigung
zur Pflege der vergleichenden Pathologie. S. 1434. —
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin.
S. 1436. — Berliner Gesellschaft für Chirurgie. S. 1436. —
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für
vaterländische Cultur zu Breslau. S. 1437. — Aerzt-
licher Bezirksverein zu Erlangen. S. 1440. — Physi¬
kalisch-medizinische Gesellschaft zuWürzburg. S.1440.—
Ans Pariser medizinischen Gesellschaften. S. 1441.
Friedemann: Psyohobiologie. (Zum Andenken au August Pauly.)
S. 1441.
Tagesgeschichtl. Notizen. S.1444. — Amtl. Mitteilungen. S.1444.
Jugulardrüsen höhnen- bis haselaussgross. Keine hypertrophischen Ton¬
sillen, aber gerötete hintere Rachenwaud. Auscultatorisch über den
Lungen kein Befund. Die Lungengreuzen rechts hinten am unteren
Rand der 11. Rippe, links hinten unterer Rand der 12. Rippe. Rechts
vorn unterer Rand der 6. Rippe. Expression heute uioht durchführbar
(ungebärdig).
12. XII. Pirquet negativ. Lungengreuzen wie vorher. Durch
systematische Uebung der Ausatmung steigen die Lungengrenzen beider¬
seits hinten um mehr als 2 cm, vorn um mehr als l cm (12 mm). Dieser
Zustand bleibt 2 Minuten unverändert. Als dann der Junge aufgefordert
wird, tief einzuatmeu, tritt der alte Zustand wieder ein. Nach noch¬
maliger Expression rückt die Lungengrense gleichfalls nach vorn um
2 cm herauf.
Elisabeth W., 5 Jahre alt, früher Strophulus. Hypertrophische Ton¬
sillen. Phlyktene. Pirquet positiv. Seit Mitte Dezember 1913 Husten.
7.1. 1914. Ausoultatorisch nur etwas grobe bronchitische Geräusche.
Lungeugreuze beiderseits hinten 11. Rippe. Eucalyptusöleinatmung.
Atemübungen.
13.1. Hustet leiohter und bricht nicht mehr dabei. Lungengreuzen
hinten beiderseits 11.—12. Brustwirbel, reohts vorn oberer Rand der
6. Rippe. Herzdämpfung verschwunden. Nach Aus&temübungeo hintere
Lungengrenze in der Höhe des 10. Brustwirbels (Differenz 3 om), vorn
Mitte der 5. Rippe (Differenz 1 om).
28.1. Husten war geringer geworden, erst in der letzten Nacht
etwas mehr. Lungenbefund wie am 13.1.
11.11. Trotzdem das Kind weniger hustet und weniger auswirft,
Lungeogreuzen eher noch tiefer stehend (hinten 12. Brustwirbel, vorn
7. Rippe). Durch Atemübung Heraufrücken der Grenze vorn um 2,
hinten um 2 1 /* cm. Ausoultatorisch nur vereinzelte Ronchi. Die
Atemübungen in letzter Zeit nioht mehr richtig ausgeführt.
24.11. Husten in Abnahme. Lungengrense hinten beiderseits
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
11. Brustwirbel (10. Interoostalraum). Durch Atemübungen heute hinten
nur Doch um 1 cm Heraufrücken zu erzielen.
10. IV. Keine Beschwerden mehr. Lungengrenzen hinten 10. bis
11. Brustwirbel (unterer Rand der 10. Rippe), rechts vorn oberer Rand
der 6. Rippe, links unterer Rand der 3. Rippe. Die LuDgengrenzen gut
verschieblich; ein Versuch mit forcierter Inspiration lässt sioh nicht
machen, da das Kind statt dessen, wie es zu Hause geübt worden ist,
forciert ausatmet.
10. VI. Lungengrenzen beiderseits 10. Rippe. Vom oberer Rand
der 5. Rippe. Das Kind lässt sich zu forcierten Inspirationen diesmal
bewegen, doch bleibt die schädliche Wirkung aus.
An diese Fälle mit unbedeutendstem, ja fast fehlendem aus-
cultatorischem Befunde schliessen sich gradweise solche mit er¬
heblicheren broncbitischen Erscheinungen bis zu den aus¬
gesprochenen Fällen diffuser chronischer Bronchitis des asth¬
matischen Typus an, welch letztere uns hier nicht beschäftigen
sollen. Interessant ist, dass auch dann, wenn stärkere bronchitische
Erscheinungen auf eine erheblichere Sekretion hinweisen, die Ex¬
pression gelingt und nun mehr oder weniger lange die Reduktion
des Lungenvolumens bestehen bleibt. Oft tritt erst bei den Ex¬
spirationsübungen reichlicher Auswurf ein, der vorher entweder
überhaupt nicht oder nur in geringem Grade bestanden hatte.
Mitunter Hess sich beobachten, dass mit Eintritt der Besserung
das Volumen länger vermindert blieb.
Elisabeth K., 10 Jahre alt, leidet seit einem Jahre an häufigem
Husten. Oft auch Fieber. Nie völlig frei von Husten. Eine Schwester
leidet viel an Ausschlägen. In der Familie besteht Neigung zu Katarrhen
der Luftwege, aber keine Tuberkulose.
25. II. Diffuses Schnurren und Giemen. LuDgengrenzen beiderseits
hinten 12. Brustwirbel, rechts vorn oberer Rand der 7. Rippe. Absolute
HerzdämpfuDg 4. Rippe. Nach Exspirationsübungen steigt die Lungen¬
grenze links hinten um IV 2 * rechts hinten um 2, vorn um 3 cm (unterer
Rand der 5. Rippe). Im Gegensatz zu den anderen Fällen verschwindet
die Verringerung des Lungenvolumens in kurzer Zeit spontan.
7. II. Pirquet negativ. Sehr starker Hustenreiz bei den Atem¬
übungen, die bisher wobl nicht gut gelungen sind.
13. II. Die Ausatemübungen gelingen jetzt auch zu Hause. Dabei
massenhaft Auswurf. Die Lungengrenzen zu Anfang wie beim ersten
Male. Nach Ausatemübungen, die die Mutter allein leitet, rücken die
Lungengrenzen beiderseits hinten um 2 l l 2 cm, rechts vorn um 0/2 cm
in die Höhe. Der starke Hustenreiz wird durch Vermeidung von forcierter
Inspiration überwunden. Dabei entleert sich massenhaft eiteriger klumpiger
Auswurf. Nunmehr bleibt das verminderte Volumen einige Zeit bestehen.
20. II. Noch reichlich Auswurf, LuDgengrenzen rechts hinten 10. bis
11. Brustwirbel, links hinten 11. Brustwirbel, rechts vorn 4., links vorn
3. Rippe. Nach Atemübung noch um 1 cm Heraufrücken der Grenzen.
9. III. Akuter fieberhafter Katarrh. Lungengrenzen hinten 11. bis
12. Brustwirbel.
2. IV. Derselbe Befund. Die Behandlung soll wieder aufgenomraen
werden.
16. IV. Katarrh geringer, aber wieder Fieber. Lungengrenze hinten
11. Brustwirbel.
25. V. Soll immer noch weiter husten, aber fieberfrei sein. Sehr
starker frischer Schnupfen. Chronische Pharyngitis mit sulzig gequollenen
Tonsillen. LuDgengrenzen links hinten 11. lntercostalraum, links 11. Rippe,
rechts vorn 7., links vorn 4. Rippe. Wenig Giemen.
Nur selten wurde ein Zusammenhang mit akuteü, asthma-
ähnlichen Anfällen ermittelt.' So wurde ich einmal bei einem
6jährigen Kinde, das ich wegen nervöser Augenbescbwerden unter¬
suchen sollte, durch eine solche Lungenblähung ohne jeden aus¬
kultatorischen Befund überrascht, und erst direktes Befragen er¬
gab, dass das Kind 2 Tage vorher nachts einen Anfall mit Husten
gehabt hatte.
Hans L., 6 Jahre alt, Vater als Kind Lungenerweiterung, seit dem
4. Lebensjahre Schnupfenbeschwerden, die durch Nasenrachenoperation
nicht geändert werden. Seit 2 Jahren hie und da einmal vorübergehendes
Stechen in den Schläfen, jetzt alle möglichen Beschwerden beim Lesen,
die ophthalmologisch nicht begründet sind. Kommt wegen dieser Be¬
schwerden zur Untersuchung, hatte aber vor 5—6 Wochen Husten, der
zeitweise etwas besser war, vorgestern aber nachts brüllender Husten
und Atemnot. Lungengrenzen beiderseits hinten 12. Rippe, rechts vorn
6. Rippe. Durch Expirationsübungen lässt sich die Lungengrenze um
2 Querfinger hinaufschieben und bleibt in dieser Stellung, bis das Kind
zu forcierter Inspiration aufgefordert wird.
Diese Krankbeitsbilder stellen an und für sich gewiss nichts
allzu seltenes dar, sind aber keineswegs banale Begleiterschei¬
nungen von Lungenkatarrhen. Wenn auch diese unerwartete Form
von Lungenblähung der ärztlichen Beachtung wert ist und auch
therapeutisch energischer, als gemeinhin geschieht, angegriffen
werden sollte, so hätte mich das allein nicht veranlasst, dies zum
Gegenstand eines besonderen Vortrages zu wählen. Die genauere
Besprechung dieser Krankheitsbilder schien mir vielmehr deswegen
von Wichtigkeit, weil wir vollständig analoge Fälle in derselben
Abstufung beobachten, bei denen im Moment der Untersuchung
eine Lungenbläbung nicht besteht. Wenn wir aber diese Kranken
einige Male tief inspirieren lassen, so tritt oft schon nach 3 bis
4 tiefen Atemzügen, in anderen Fällen erst nach etwas länger
fortgesetzten Atemübungen, eine Lungenblähung auf, die nun einige
Zeit lang bestehen bleibt. Husten, selbst erheblicher, vermag
diese Blähung nicht zu beseitigen.
Wir finden diese Erscheinung bei Hustenden ohne oder mit
erheblichen Lungenbefund, wovon 2 Beispiele angeführt sein sollen.
Bertha B., 7 Jahre. Im Juni Lungenentzündung mit nachherigem
Keuchhusten. Seitdem bei jedem Witterungswechsel Husten.
25. XI. 1913. Nach mehrmaligem tiefen Einatmen beiderseits, hinten und
rechts vorn, Tieferrücken der Lungengrenzen um 2 A / 2 cm. Starke Ex¬
pektoration, die vorher nicht bemerkt war. Nach Expressionsübung wird
die vorhergehende LungeDgrenze wieder vollkommen hergestellt. Therapie:
Atemübungen.
27. XI. Nach den Atemübungen immer sehr reichliche Expektora¬
tionen von geballtem Sputum, viel mehr wie früher.
1. XII. Husten vermindert, nur zeitweise nooh Auswurf nach länger
dauernden Uebungen. Temperaturen bei poliklinischer Untersuchung
zwischen 37,7 und 37,9 schwankend. Hier keine Blähungen mehr zu
erzielen.
Erich M., 4 Jahre alt. Seit 25 Tagen trockener Husten und schleimiger
Auswurf. Vor 16 Tagen auch 2 Tage lang Fieber. Litt früher sehr an
Ausschlägen.
6. I. 1912. Lungenbefund auskultatorisch sehr unbedeutend. Lungen¬
grenzen rechts hinten unterer Rand der 10. Rippe, links hinten
unterer Rand der II. Rippe bzw. 10. Brustwirbel. Rechts vorn 4. Inter-
costalraum. Absolute Herzdämpfung beginnt am oberen Rand der 4. Rippe.
Nach tiefem Atmen verschwindet die Herzdämpfung, Lungengrenzen rechts
vorn unterer Rand der 5. Rippe und hinten 12. Brustwirbel, Differenz
rechts 2*/ 2 cm, links 2 cm.
1. V. Bei einer gelegentlichen Untersuchung hinten beiderseits oberer
Rand der 10., rechts vorn unterer Rand der 4. Rippe. Absolute Herz¬
dämpfung von der 3. Rippe an. Tiefes Einatmen ist bei dem Kinde
nicht zu erzielen, da es durch die systematischen häuslichen Uebungen
nur stark exspirieren gelernt hat.
Abbildung 1.
Im Röntgenbilde 1 ist bei spontaner Exspirationsstellung die
gewöhnliche Haltung des Brustkorbs, im Bild 2 die Haltung nach
künstlicher Blähung durch einige tiefe Atemzüge, und zwar während
der gleichen Atemphase wie im ersteu Bilde dargestellt. Auch
in diesen Fällen wird durch Expirationsübungen oft erst Auswurf
hervorgerufeu oder vermehrt.
Interessant war die Beobachtung eines 10jährigen Knaben,
der bei geringer spontaner Lungenblähung eine sehr viel erheb
lichere, künstlich hervorzurufende aufwies. Hier blieb anfangs
der provozierteTiefstand der Lungengrenzen halb- bis viertelstunden-
lang bestehen. Wenn man den spontanen Tiefstand des Zwerch¬
fells, der etwa die Hälfte des künstlich provozierten betrug
(1 : 2^2 cm), beseitigte, so blieb umgekehrt dieser günstige Zustand
anfangs nur wenige Minuten erhalten. Mit der zunehmenden
Besserung kehrte sich das Verhältnis um. Immer längere Zeit
blieb der Hochstand, immer kürzere der Tiefstand des Zwerch¬
fells bestehen. Auch hier hatten die Atemübungen anfangs ein
Auftreten reichlichen Auswurfs zur Folge gehabt. Nach 5 Wochen
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UNIVERSUM OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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war die Lungenerkrankung beseitigt und ist wenigstens vorläufig
nicht recidiviert. Hieran schliesst sich eine grosse Anzahl von
Fällen, bei denen reichliches Rasseln und Giemen, namentlich in
den abhängigen Lungenpartien, dauernd oder noch häufiger re-
cidivierend auftreten. Spontan fehlt jedoch jedes Zeichen von
Lungenblähung. Als Beispiel für mehrere sei noch kurz folgender
Fall angeführt.
Heinz F., 5 Jahre alt. Mutter an Asthma gestorben. Seit frühester
Kindheit bis zum 4. Lebensjahre an schwerstem konstitutionellen Ekzem
leidend, von dem im übrigen noch im 7. Lebensjahre erhebliche Reste
vorhanden sind. Starke Vergrösserung der Adenoiden, die entfernt
werden. Ira 5. Lebensjahre immer häufiger auftretende Bronchitiden.
Deutliche Erscheinungen asthmatischer Natur nicht bemerkt. Bei Unter¬
suchung während einer frischen Bronchitis und während einer Remission
nach einigen forcierten Atemzügen deutliches Tiefertreten des Zwerch¬
fells. Naoh mehrmonatigem Seeaufenthalt sind diese Erscheinungen
nicht mehr hervorzurufen.
Während also bei der ersten Gruppe von Krankheitsbildern
die Insuffizienz der Exspiration manifest ist, lässt sie sich bei
der zweiten jederzeit hervorrufen und demonstrieren. In der
vorgeschlagenen Untersuchungsart dürfen wir daher eine funk¬
tionelle Prüfung der Exspirationskraft erblicken. Auf diese ein¬
fache Weise ist es möglich, eine Gruppe aus der grossen Zahl
der chronischen Huster auszusondern, die einer besonderen
klinischen Beachtung und Behandlung bedürfen. Es sind dies
Kinder, die zweifellos eine Neigung zur Lungenlähmung be¬
sitzen und die unter ungünstigen Umständen zum Emphysem dis¬
poniert sind.
Fragen wir uns, warum diese Insuffizienz der Exspiration,
mag sie latent oder manifest auftreten, den einzelnen Patienten
betrifft, so muss zunächst betont werden, dass nicht etwa die
Art der Infektion schuld ist. Keuchhusten und gehäufte akute
Bronchitiden, chronischer heftiger Husten irgendwelchen Ur¬
sprungs führen an und für sich nicht zu dieser Störung. So ist
die Erklärung nur in der Konstitution des Kindes zu suchen.
Gerade die charakteristischen Fälle zeigen in sehr ausgesprochener
Weise Symptome der exsudativen Diathese. Häufig sind Haut¬
ausschläge bei dem Kranken und seinen Angehörigen. Doch
gibt es zweifellos Fälle, bei denen nur die üblichen geringen
Symptome ira Pharynx auf diese Konstitutionsanomalie hinweisen.
In dieser Beziehung scheint es mir wichtig, dass Lichtwitz in
der Diskussion zu meinem Vertrag über das gleiche Thema er¬
klärte, diese latente Exspirationsinsuffizienz auch bei jugendlichen
Erwachsenen gefunden zu haben, die an ausgeprägtem konstitu¬
tionellen Ekzem litten. Doch muss ausser der exsudativen
Diathese noch eine spezielle Beanlagung hinzutreten. Für die
Entstehung dieses Symptomkomplexes muss man zunächst an ein
besonderes Atemhindernis denken, das bei der Inspiration leicht
überwunden, bei der Exspiration jedoch nicht überwunden werden
kann. Wir sehen dies am häufigsten auftreten bei dem Bronchial¬
muskelkrampf. Vereinzelt sehen wir auch in unseren Fällen
Andeutung von Beklemmungen, die ein oder das andere Mal in
der Nacht beobachtet worden sind. Die Fälle mit geringem aus-
cultatorischem Befunde würden sich so gewiss am einfachsten
| erklären lassen. Wenn ich aber auch bei der ganzen Natur
j dieser Fälle fest überzeugt bin, dass Beziehungen zum Asthma
ein oder das andere Mal sich werden nachweisen lassen, so muss
j ich doch daran festhalten, dass in der überwiegenden Mehrzahl
der Fälle akute Steigerung der Beschwerden in Form von Be¬
klemmung und Atemnot fehlten. Die Annahme eines chronischen
Broncbialmuskelspasmus in dieser symptomlosen Weise stösst aber
auf Hindernisse. So liegt doch wohl der Gedanke näher, dass
in der Tat das gesuchte Hindernis bedingt ist durch eine katar¬
rhalische Schwellung. Hierfür kann angeführt werden, dass
durch Exspirationsübungen wiederholt eine unerwartet reichliche
! Expektoration erzielt wurde. So dürfte die Auscultation uns
über den Grad der Störung täuschen. Bekanntlich hat
Ephraim bei den* sogenannten reinen Fällen von Asthma
nervosum im symptomlosen Zwischenstadium das Fortbestehen
einer Sekretionsanomalie nachweisen können. Also sind der¬
artige latent bleibende Symptome auch anderweitig beobachtet
worden. So finden wir das gesuchte Hindernis in der chronischen
katarrhalischen Schwellung der kleineren Bronchen. Hierzu kann
bei ein oder dem anderen Kinde (vgl. Hans L.j ein Bronchial-
spasraus hinzutreten.
Gemeinhin aber genügt dieses Hindernis allein nicht, um die
Symptome der manifesten und latenten Blähung hervorzurufen.
Es bedarf dazu einer Störung der austreibenden Kräfte, der
elastischen oder der muskulären. Wir können uns sehr wohl
denken, dass die Elastizität der Lunge bei diesen Kindern ge¬
ringer ist, und zwar muss die Schwäche angeboren, nicht er¬
worben sein, denn sie findet sich gerade bei Kindern, bei denen
eine chronische Schädigung der Lunge nicht vorhergegangen ist.
Eine Schwäche des muskulären Apparates ist nicht anzunehmen,
wohl aber ist es denkbar, dass die automatische Regulation
mangelhaft funktioniert, die sonst überall nach Bedarf für die
Heranziehung der muskulären Kräfte der Ausatmung zu sorgen
bestimmt ist.
In dieser relativen Insuffizienz ist der Grund zu suchen,
warum bei dieser Art Kindern die durch die exsudative Diathese
bedingten chronischen Katarrhe besonders schwer heilen, und so¬
mit erlaubt uns diese Funktionsprüfung einen Rückschluss auf
die Prognose. Dieselbe ist ohne zweckentsprechende Therapie
zweifellos ungünstiger als in anderen Fällen. Wird aber durch
die gleich zu besprechende Behandlung die Ventilation der Lunge
günstiger gestaltet, so ist therapeutisch sicher mehr zu erreichen
als in den anderen Fällen, in denen wir keine entsprechende
Möglichkeit, etwas Nützliches zu tun, haben. Für die Zukunft
aber bleiben diese Kranken ein Gegenstand der Sorge. Sie sind
bis zum gewissen Grade disponiert zum chronischen Emphysem,
wenn auch nur bei einem Teile, und zwar, wie ich glaube, bei
dem kleineren die Befürchtung zur Wirklichkeit wird. Wenn
auch nur leichte Anfälle von akuter Beklemmung das Bild kom¬
plizieren, so wird die Gefahr dringender.
Wenn wir daher manifeste oder latente Insuffizienz der Ex¬
spirationskräfte festgestellt haben, so ist es unsere nächste Auf¬
gabe, die muskulären Hilfskräfte zur Ausatmung heranzuziehen,
da wir einen Einfluss auf die Elastizität der Lunge nicht be¬
sitzen. Wir lassen die Kinder nach einem kurzen Inspirium tief
exspirieren. Anfangs muss die Ausatmung durch die breit von
hinten her den Thorax umklammernden Hände eines Erwachsenen
in ihrer letzten Etappe forciert, die Einatmung gehemmt werden.
Auch empfiehlt es sieb, ähnlich wie es bei der Asthroatherapie
üblich ist, mit gespitzten Lippen durch eine kleine Oeffnung ein-
atmen und mit breit geöffnetem Munde ausatmen zu lassen.
Diese Uebung wird selbst von 4 bis 5 jährigen Kindern erlernt
und auch von nicht gebildeten Eltern oft recht gut geleitet.
Gerade jüngere Kinder prägen sich diesen Atemtypus so gut ein,
dass sie nachher, auf Aufforderung tief zu atmen, überhaupt nicht
mehr zum tiefen Inspirium zu bewegen sind. Wie schon oben
erwähnt, vermehrt sich die Auswurfsmenge nach diesen Uebungen
oft beträchtlich. Es ist daher besser, die Eltern von vornherein
darauf aufmerksam zu machen. Bei systematischer Durchführung
dieser Uebungen erreicht man sehr oft auch ohne andere Maass¬
regeln Besserung bzw. Heilung eines solchen protrahierten Husten¬
zustandes, der vorher nicht beeinflusst werden konnte.
2—3 mal täglich nehme man bei diesen Kindern die Atemübungen
vor. Je 3—4 mal werden drei Exspirationen hintereinander gemacht
und dazwischen eine Pause von 2 bis 3 Minuten eingeschoben. Bei
stärkerer Sekretion lässt man nach den Uebungen 10 Minuten lang
trockene Eucalyptusöldämpfe durch Maske einatmen.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80.
Von einer Tüte wird die Spitze abgeschnitten, so dass ein Loch von
etwa 5 cm Durchmesser entsteht. An einer durchgesteckten Haarnadel
befindet sich in der Mitte der Oeffnung ein kleiner, mit Eucalyptusöl
getränkter Watteflocken, so dass reichlich Luft nebenbei in die Maske
tritt. Ich habe den Eindruck, dass auch hier das Eucalyptusöl heilungs-
besohleunigend wirkt. Doch ist dies nicht so sicher wie bei der seltenen
Bronchorrhöe und Bronchoblennorrhöe älterer Kinder, wo man fast von
einer spezifischen Wirkung reden könnte.
Der Nutzen dieser Therapie ist meist eklatant. Doch genügt
sie in manchen Fällen von latenter Insuffizienz mit reichlicheren
Rasselgeräuschen nicht, und auch dann ist der Erfolg unbe-
friedigend, wenn häufige frische Infektionen das kaum beseitigte
Leiden wieder aufflammen lassen, wie es z. B. beim Fall Elisa¬
beth Th. zutrifft. Dann ist, wenn es die Verhältnisse erlauben,
eine klimatische Therapie an der Nordsee oder im Hochgebirge
anzuraten. Doch scheint mir auch in den anderen Fällen der
Zustand ernst genug, um eine solche Maassregel nicht für über¬
flüssig zu halten.
Als Resultat dieser Betrachtungen möchte ich folgendes zu¬
sammenfassen: Bei einer Anzahl durch ihre Konstitution zu chro¬
nischer Schleimhautschwellung disponierten Kindern tritt auch
bei scheinbar unbedeutenden, auscultatorisch oft kaum nachweis¬
baren chronischen Bronchialkatarrhen ein Tiefstand des Zwerch¬
fells ein, bei einzelnen spontan, bei anderen erst, wenn sie einige
Male tief inspiriert haben. Die hierdurch nachgewiesene In¬
suffizienz der Exspirationskräfte ist eine relative. Das Atem¬
hindernis ist auch in den Fällen geringen aoscultatorischen Be¬
fundes in einem Katarrh der feineren Bronchien zu suchen, zudem
sich BroncbialmuskelSpasmus gelegentlich wohl hinzugesellt,
keineswegs aber notwendigerweise vorhanden ist. Die Schwäche
der austreibenden Kräfte beruht wahrscheinlich in einem an¬
geborenen Mangel an Elastizität der Lunge oder auch in der un¬
vollkommenen Funktion der automatischen Regalation der Ex¬
spirationskraft.
Der Ausfall der Funktionsprüfung ergibt therapeutische und
prognostische Gesichtspunkte.
Beitrag zur Lehre von der Errdtungsfurcht
(Ereuthophobie).
Yon
Prof. M. Bernhardt -Berlin.
Die vor nunmehr 5 Jahren in dieser Wochenschrift er¬
schienene Arbeit von 0. Aronsohn 1 ): „Zur Psychologie und
Therapie des krankhaften Errötens“ hat mich veranlasst, zwei
Briefe von Patienten, die an dieser Affektion litten, der Oeffent-
licbkeit zu übergeben, obgleich die dort gemachten Mitteilungen
unvollständig sind und ein Versuch therapeutischen Eingreifens
nicht gemacht wurde oder besser Dicht gemacht werden konnte.
Der eine der nachfolgenden Briefe ist überhaupt nicht unter¬
zeichnet, der Schreiber des anderen Briefes hat sich offenbar,
nicht zutreffende Gründe vorschützend, meiner Beobachtung resp.
Behandlung entzogen.
Die Briefe lauten so:
1. Mit Nachstehendem wende ich mich au Sie als Arzt, und zwar
schriftlich, da mir ein Kommen nicht möglich ist.
Schon seit ungefähr 10 Jahren leide ich aD einer Nervosität, die
ihren stärksten Ausdruck findet in grundlosem Erröten vor jedermann
bei den geringsten Anlässen, was in meinem Alter, ich bin 237s Jahre
alt, zu den unangenehmsten Situationen Anlass gibt.
Als Ursache kann ich vielleicht folgendes ansehen:
Bei allerhand kleinen Naschereien und sonstigen jugendlichen Un¬
taten, die ich als Junge nicht lassen konnte, stellte sich jedesmal bei
sofortigen Entdeckungen, wie es ja auch natürlich ist, Erröten und Ver¬
legenheit ein, und zwar um so leichter und schneller, je öfter ich Ver¬
botenes tat. Das jahrelange Fortführen meiner Handlungsweise und das
jedesmal als Folge sich einstelleDde Erröten hat meine Gesichtsnerven,
wenn ich so sagen darf, erschlafft, so dass, während früher nur ein wirk¬
licher Grund, nämlich das plötzliche Erschrecken bei der Entdeckung
der unerlaubten Handlung mir das Blut in die Wangen trieb, jetzt so¬
gar schon ein etwas schärferes An gesehen werden mioh verlegen macht.
Ich sehe also in meinem Zastand eine Ueberreizung der Gesichts¬
nerven und wende mich deshalb an Sie mit der Bitte um ein Mittel,
das diesen krankhaften Zustand beheben kann.
Einige Tage später, nachdem ich den Patienten aufgefordert hatte,
mioh zu besuchen, erhielt ich folgenden Brief:
1) 0. Aronsohn, B.kl.W., 1909, Nr. 81,
Meine Absicht, Sie heute morgen in Ihrer Sprechstunde aufxusuchen,
habe ich leider nicht ausfuhren können. Morgen werde ich nicht kommen
können und Mittwoch werde ich schon wieder abgereist sein, da ioh hier
nur auf kurze Zeit war, und infolgedessen mich wegen Zeitmangels nnr
schriftlich an Sie wenden konnte, wie ich Ihnen schon schrieb.
Könnten Sie deshalb nicht auf Grand der in meinem vorigen Briefe
dargelegten Tatsachen mir eine Anweisung zur Abstellung der betreffenden
Beschwerden geben? Mündlich würde ich ja doch nicht mehr Material
geben können, als ioh es schriftlich schon getan habe. Es käme doch
hier, soweit ich das als Laie beurteilen kann, elektrische Behandlung in
Betracht.
2. Seit etwa meinem 10. Jahre leide ich an Angstzustanden, Furcht vor
Erröten und deren furchtbaren Folgen. Der Anfang war so: Wir waren
mehrere SchuljuDgen beim Baden, und da der eine sich dabei recht
zimperlich benahm, hob ich ihm für einen Augenbliok das Hemd hoch
und lachte. Der Junge erzählte dieses seinen Eltern und diese es dem
Lehrer. Ich bekam eine ganz gehörige Tracht Prügel usw. Der Vor¬
gang war an und für sich ziemlich harmlos (wollte ich schreiben, doch
will ich mioh eines Urteils enthalten); die Folgen für mioh waren aber
schlimme. Von dieser Zeit ab, wenn mioh der Lehrer ansah, wurde ich
immer rot. Mit der Zeit verschlimmerte sich dies. Von meinen An¬
gehörigen merkte dies jedoch keiner. Ich arbeitete nach meiner Schul¬
entlassung eine Zeitlang bei meinem Vater, welcher in einer kleinen
Stadt Gerichtsvollzieher war. Später arbeitete ich beim Magistrat, aber
bei allen Gelegenheiten, so auf dem Wege von und zur Arbeitsstelle
hatte ich häufig, später fast regelmässig, das Missgeschick zu erröten,
und zwar so heftig, dass ich fast sohwindlig wurde. Und vor wem ich
einmal errötete, errötete ich immer. So wurde mir das Leben eine Qual,
und ich blieb auch niemals lange bei einer Arbeit. Es war mir immer,
wenn ich auf der Strasse giDg, als ob ich Spiessruten liefe. Etwas Er¬
leichterung wurde mir durch Alkohol. Da nicht zu grosse Mengen ge¬
nossen, ging es dann nachmals ganz gut. Häufig wurde es zu viel und
in diesem Zustande wurde ioh rabiat. So vergingen die Jahre; versuchte
auch bei der Post als Gehilfe anzukommen; sehr tüchtig bin ioh niemals
gewesen. Fiel durch mit der Prüfung (ganz uüohtero war ich bei der
Prüfung auch nicht), sollte es nooh einmal probieren, war jedoch nicht
dazu zu bewegen. Hatte ja auch viel zu viel Angst, am Schalter mit
dem Publikum zu verkehren.
So vergingen nooh einige Jahre; ich wurde Soldat, um zu kapitu¬
lieren. Inzwischen hatte ich mioh aber sohon recht gehörig dem Sufi
ergeben und war etwas liederlich geworden. Im zweiten Jahre erhielt
ioh einige Tage Arrest; im dritten folgten 2Va Jahre Festung. Mein
Leiden hatte sich beim Militär insofern etwas gebessert, als ich beim
vielen Aufenthalt im Freien ein etwas gerötetes Gesicht bekam. Nur
liess es mich auch manchmal im Stich. Ich war und blieb ein Stümper.
Den Sommer, wenn ich sonnverbrannt war, ging es ein wenig besser.
Nach meiner Entlassung giDg ich nach Amerika, wo ich 9 Jahre blieb.
Mein Charakter hatte sehr gelitten. Unstät wie der ewige Jude irrte
ich durchs Land, manchmal heiss mit aller Seele zu Gott bittend um
Besserung, manchmal dem Wahnsinn nahe, alles verachtend und zer¬
trümmernd.
Meine Eltern waren wohl sehr gut zu mir, doch verstanden sie mich
nicht, und ihre ganze Unterstützung, weil nach meiner Ansicht falsch
verwendet (wie hätten sie *es auch anders machen sollen?), blieb frucht¬
los. loh hatte mir, als ich nach Amerika ging, gesagt, ich muss meinen
eigenen Weg gehen, fremd, ungekannt, es brauchte niemand von meiner
Qual etwas zu wissen. Weil die Erfolge auch in Amerika ausblieben,
habe ich schiesslich nacbgegeben und bin wieder zurüekgekommen, um
mit dem für mich bestimmten Restvermögen hier ein kleines Geschäft
anzufangen.
Ich habe in Amerika ein wildes Leben geführt. Dabei habe ich
mein Leiden weniger gefühlt. Zermürbt hoffte ich schliesslich hier ein
kleines, bescheidenes Dasein zu führen — aber alle Hilfe, die mir ge¬
boten wird, scheint zu versagen. Ich habe keine Courage mehr. Die
fürchterliche ADgst, zu erröten, treibt mioh dem Verfolgungswahnsinn
in die Arme. Was habe ich gelitten, was haben meine Eltern durch
meine gelegentliche Rabiatbeit schon gelitten; ioh mache nooh meine
ganze Familie unglücklich. Und kein Geld kann mir helfen. Wenn ich
manchmal so viel saufe, zittern mir die Glieder, und dann bin ioh ganz
kaput. Dann schwöre ich das Trinken ab; neulich habe ich zehn Tage
nichts getrunken, getraue mich aber in nüchternem Zustande nicht ins
Haus, wo man mioh kennt, weil es mit dem Erröten in letzter Zeit
wieder schlimmer geworden ist. Und schliesslich trinke ioh doch wieder.
Das stetig sich wiederholende Spiel, abwechselnd Besserung gelobend,
und immer nooh mal probierend und dann wieder scheussliche Angst,
halber Wahnsinn, unfähig zum Arbeiten trotz aller Hilfe und Geld.
Zum Selbstmord habe ioh nicht die Courage, andererseits habe ioh
immer wieder Hoffnung auf Besserung, und ioh möchte meinen alten
Eltern das auch nicht antun. Und doch quäle ich sie durch mein Leben
schlimmer, als ich es durch meinen Tod tun könnte. Aber wie habe
ioh sie schon gequält, sie müssen mich für ein Scheusal halten, und doch
kann ioh nicht dafür. Wo gibt es Hilfe! Aber noch Schlimmeres habe
ich zu schreiben. Wenn ioh so gesoffen habe, kommen mir fürchterliche
Gedanken (ich wehre mioh verzweifelt dagegen), als ob ioh, wenn ich
gelegentlich bei der Mahlzeit das Messer in der Hand habe, meine Eltern
damit schneiden müsste. Um mioh davor zu sohützen, gehe ioh aus
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TJ
V tftt)I
27. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1401
dem Zimmer und weine stein erweichend. Ist der Tod nicht vorzuziehen ?
Ob ich es tun werde, weiss ich nicht, ich lürchte mich aber so sehr
daror. Und doch kann ich meinen Eltern nichts davon sagen, wie
wurden sie erschrecken, wie würden sie sich fürchten. Und das alles,
nachdem sie in treuer Sorge um mich so alt geworden sind. Nun kann
man mein wahnsinniges Leid etwas begreifen. Und doch habe ich immer
noch gehofft, durch vielleicht landwirtschaftliche Arbeit Besserung 2 u
finden. Nach Amerika bin ich schon sechsmal unterwegs, mein Mut ist
gebrochen, mein Geld fliegt zum Fenster hinaus. Und zuletzt?
(Bier endet das Schreiben ohne jede Unterschrift.)
Nach Aronsohn’s Erfahrungen stellt eine grosse Zahl der
Fälle von krankhaftem Erröten ein selbständiges Leiden dar, das
eventuell nur mit geringfügigen nervösen Erscheinungen kom¬
biniert ist; nicht Angst ist das auslösende psychische Moment,
sondern genau wie beim physiologischen Erröten das Scham¬
gefühl; zu den Zwangsvorstellungen oder Phobien sei das Leiden
nicht zu rechnen. Dagegen ist nach Aronsobn der Charakter
des an Erentbophobie Leidenden unnatürlich und unwahr, aus
dieser Erkenntnis der Unwahrbaftigkeit entspränge das Scham¬
gefühl und damit das Erröten. Ob sich diese Erklärung für alle
Fälle aufrecht erhalten lässt, erscheint mir zwar sehr zweifelhaft,
denn die Leute, die anders erscheinen wollen, als sie sind, die
sich, wie Aronsohn sagt, in ein besonders günstiges Licht setzen
wollen usw., sind wohl durch lange Gewöhuung und die durch
ihre Verstellung errungenen Ei folge so abgehärtet, dass sie kaum
noch wie etwa zur Anfangszeit ihrer Verstellung zu erröten ge¬
zwungen sein sollten. Dagegen mag hier ein anderes Moment
hervorgehoben werden, was auch von Aronsohn wohl beachtet
und mitgeteilt ist, das ist das häufig sexuell wüst geführte Leben,
wie es z. B. im ersten Fall A.’s als heimlich ausgeübte Onanie
und im vierten Falle bei dem unglücklich verheirateten Manne,
der sexuell nur wenig verkehrte, der Fall war.
Auch in meinem ersten Fall gibt der Briefschreiber an: „Als
Ursache meines Leidens kann ich vielleicht Folgendes ansehen:
Bei allerband kleinen Näschereien und sonstigen jugendlichen
Untaten (als solche ,Untat* darf man hier wohl mit der aller¬
grössten Wahrscheinlichkeit Onanie annehmen), die ich als Junge
nicht lassen konnte, stellte sich jedesmal bei sofortiger Ent¬
deckung, wie es ja auch natürlich ist, Erröten und Verlegenheit
ein, und zwar um so leichter und schneller, je öfter ich Ver¬
botenes tat.“
In meinem zweiten Falle schreibt der Betreffende:
Der Anfang des Leidens war so: Wir waren mehrere Schul¬
jungen beim Baden, und da der eine sich dabei recht zimperlich
benahm, hob ich ihm für einen Augenblick das Hemd hoch und
lachte. Der Junge erzählte das seinen Eltern und diese es dem
Lehrer. Ich bekam eine ganz gehörige Tracht Prügel usw. Der
Vorgang war an und für sich ziemlich ha r mlos, wollte ich
schreiben, doch will ich mich eines Urteils enthalten (sagt der
Briefschreiber), die Folgen für mich waren aber schlimme. Von
dieser Zeit ab, wenn mich der Lehrer ansah, wurde ich immer
rot. Wenn Briefschreiber oben sagte, dass er sich über die Harm¬
losigkeit seines Benehmens beim Baden gegenüber dem Kameraden
des „Urteils enthalten wolle“, so scheint mir darin doch ein Zu¬
geständnis zu liegen, dass der Vorgang damals nicht ganz so
harmlos gewesen ist.
Bekanntlich hat v.Beebterew im Neurolog.Centralblatt, 1B97,
S. 386, 720, 985, in zwei Arbeiten seine Erfahrungen und Ansichten
über das Wesen der Errötungsangst niedergelegt, ln der zweiten Mit¬
teilung (S. 985) macht er dort für seinen ersten Fall darauf aufmerk¬
sam, dass es sich bei dem 26jährigen Manne um Onanie gebandelt
hat; er sagt: Nach dem Bekenntnis des Patienten selber ist dieses
Laster (Onanie) nicht ohne direkten- Einfluss auf die Entwicklung
seiner Krankheit geblieben, da er stets wähnte, dass jede ihn
scharf betrachtende Person es erfahre, dass er onaniert, infolge¬
dessen er befangen und rot würde. In Anbetracht dessen, fährt
v. Bechterew fort, wäre es richtig, die Bedeutung der Onanie als
eines ätiologischen Moments in anderen Fällen der Errötungsfurcht
klarzulegen.
Diesem Wunsche ist nun A. Friedländer in seiner Studie:
»Zur klinischen Stellung der sogenannten Erythrophobie“ 1 ), dem
wir einen höchst eingehenden Literaturnachweis über den be¬
treffenden Gegenstand verdanken, nacbgekoromen. Hier finden
* ,r im Falle Vespa’s, einen 22jährigen Mann betreffend, die
otiz: Als Kffabe hatte Patient wenig Lust zum Arbeiten; von
Kindheit an Masturbation bis zum 21. Lebensjahr. In einem
1) A. Friedläuder, Neurol. Zbl., 1900, S. 848, 889, 950.
anderen Falle desselben Autors (Fall 24 bei Friedländer) heisst
es von dem 41jäbrigen Witwer: Vom 1L Jahre an Onanie, an¬
dauernd, doch mässig. Ferner, ein 25jähriger lediger Musiker,
schwer neurastbeniscb (Fall 26 bei Friedländer, aus der
Kasuistik Brassert’s) trieb bis zum 21. Jahre Masturbation.
Ich erlaube mir hier noch die bei Oppenheim zitierte An¬
sicht Freud’s 1 ) raitzuteilen über die Art des Zustandekommens
unwillkürlicher, gewissermaassen zwangsweise auftretender Vor¬
stellungen.
Wenn eine disponierte Person zur Abwehr einer unerträg¬
lichen, meist dem Sexualleben entstammenden Vorstellung diese
durch Verdrängung von ihrem Affekt trennt, so muss dieser Affekt
auf psychischem Gebiet verbleiben. Die nun geschwächte Vor¬
stellung bleibt abseits von aller Association im Bewusstsein, ihr
frei gewordener Affekt hängt sich an andere, an sich nicht un¬
erträgliche Vorstellungen, die durch diese falsche Verknüpfung
zu Zwangsvorstellungen werden. Die psychischen Vorgänge, welche
zwischen der auf Abwehr der peinlichen Vorstellung gerichteten
Willensanstrengung und dem Auftreten der Zwangsvorstellung
liegen, spielen sich im Unbewussten ab. Später hat Freud, fährt
Oppenheim fort, die Zwangsvorstellungen dahin definiert, dass
es verwandelte, aus der Verdrängung wiederkehrende Vorwürfe
sind, die sich immer oder meist auf eine sexuelle mit Lust aus¬
geführte Aktion der Kinderzeit beziehen.
Wenn nun auch geschlechtliche Verirrungen in der Jugend
wenigstens in meinen Fällen und in nicht wenigen Beobachtungen
anderer Autoren die Ursache des Sichschämens und als Folge
dessen des Errötens hingestellt werden können, so bin ich doch
weit davon entfernt, nun in jedem Falle krankhaften Errötens
diese Ursache oder vielleicht besser ausgedrückt, diese Ursache
allein als vollgültige Erklärung des io Rede stehenden Leidens
zu betrachten. Bedenkt man, wie weitverbreitet leider die Onanie
jugendlicher Individuen ist, und wie häufig Eltern und Lehrer
Gelegenheit haben, diese Unart bei ihren Kindern bzw. Pflege¬
befohlenen zu entdecken und zu strafen, wie häufig ferner die
überführten Individuen bei diesen Entdeckungen erröten werden,
so muss man sich wundern, dass nicht noch viel mehr Fälle von
Ereuthophobie beobachtet oder beschrieben werden.
Schon v. Bechterew hat in seiner zweiten Arbeit über die
Errötungsangst darauf bingewiesen, dass die Abstammung von
nervösen Eitern und ein Zustand von Neurasthenie wichtige
ätiologische Momente für das in Rede stehende Leiden abgeben.
Noch deutlicher hat dies Friedländer in seiner oben schon
zitierten Arbeit ausgesprochen. Die Tatsache der Belastung, sagt
er, wird bei fast allen Fällen mehr oder minder betont. Man
liest, fährt er fort, in den Krankengeschichten von Individuen,
die den Keim zu nervösen oder psychischen Anomalien mit äuf
die Welt bringen, von Individueo, die eben wegen ihrer Belastung
an übergrosser Erregbarkeit im allgemeinen, der vasomotorischen
Centra im besonderen leiden. Nach Friedländer ist es die
Neurasthenie, bei der es in schwereren Fällen zur Ausbildung
der verschiedensten Phobien kommen kann, die als besondere
Krankheiten nicht gelten können, sondern wie die Ereutho¬
phobie nur als Symptom der Neurasthenie betrachtet werden
müssen.
Leider bin ich nun, trotzdem ich mich dieser Anschauung
anschliesse, nicht imstande, aus meinen eigenen, oben beschriebenen
Fällen dieses prädisponierende und belastende Moment der Erb¬
lichkeit nacbweisen zu können. Meine beiden Patienten scheuten
sich offenbar, zu mir zu kommen, sich mir anzuvertrauen, und
haben die Ursachen ihres Leidens nur skizziert und mit der Wahr¬
heit offenbar zurückgehalten, da die Scham sie abhielt, sich offen
und rückhaltlos dem Arzte anzuvertraueu. Ich kann also über
diesen wichtigen Punkt leider keine Aussagen machen.
Wenn ich soeben von den verschiedenen Phobien sprach, die
im Gefolge oder vielleicht besser als Symptom der Neurasthenie
auftreten können, so möchte ich doch betonen, dass zwischen den
verschiedenen Phobien, wie der Agora-Claustro Mysophobie und
anderen derartigen Zuständen und der Furcht, zu erröten, insofern
ein nicht unwesentlicher Unterschied besteht, als die Patienten
nicht wie die an den eben genannten Affektionen Leidenden etwa
wie diese eine Furcht vor grossen, weiteo Plätzen, vor spitzen
Gegenständen, mit denen sie andere Personen schädigen könnten,
nsw. haben, sondern dass sie nnr im Verkehr mit anderen
Menschen im Bewusstsein, irgend etwas Unrechtes getan zu
1) Freud, sit. in Oppenheim’s Lehrbuch der Nervenkrankheiten,
6. Aufl., S. 1530.
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Gck igle
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UNIVERSUM OF IOWA
1402
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
babeo, verlegen und verwirrt werden; sie fürchten, dass man
irgend etwas Unrechtes, was sie begangen, entdecken könnte, und
ängstigen sich davor, dass man ihr Erröten als einen Beweis
irgendeines Vergehens ansehen könnte. Ist der an Ereutbophobie
Leidende allein, ist er im Dunkeln (diese Tatsachen finden sich
in verschiedenen Krankengeschichten erwähnt), so wird er nie
rot und denkt ancb nie an etwa begangenes Unrecht oder seine
frühere Unmoralität.
Von der bei allen diesen Patienten vorhandenen grossen und
abnormen Erregbarkeit des vasomotorischen Nervensystems spricht,
wie schon v. Bechterew es in seiner ersten Arbeit bervorhebt,
auch Friedländer.
Wie schon andere Autoren, die denselben Gegenstand be¬
handelten, habe auch ich in meinem zweiten Falle einen freilich
nicht lange anhaltenden günstigen Einfluss auf die Furcht vor
dem Erröten zu betonen, das ist der Genuss des Alkohols, der
die aufsteigende Angst momentan oder für kurze Zeit betäubt und
in den Hintergrund treten lässt. Diese Tatsache hat nun bei
meinem zweiten Patienten allmählich daza geführt, dass sich dieser
offenbar psychopathische und schwer neurasthenische Mensch
rückhaltlos dem Alkoholmissbrauch ergeben hat. Interessant ist
auch die am Schluss seiner vor mir schriftlich abgelegten Beichte
von ihm mitgeteilte und natürlich direkt mit seiner Errötungsangst
nur sehr lose bzw. überhaupt nicht im Zusammenhang stehende
Tatsache der Zwangsvorstellung, dass er seine Eltern mit Messern
verletzen könnte. Derartige zwangsweise sich aufdrängende Vor¬
stellungen sind bei dem durch ein wüstes Leben und Alkohol¬
missbrauch heruntergekommenen Menschen als ein weiteres und
vorgeschrittenes Zeichen eines schweren psychopathischen Zu¬
standes wohl zu begreifen, haben indessen mit der Errötungsangst
direkt höchstens in entfernter Weise und nur in diesem Falle etwas
zu tun.
Schliesslich mache ich noch darauf aufmerksam, wie bei
diesem meinem zweiten Patienten mehr als einmal der Wunsch,
ans dem für ihn kaum noch erträglichen Leben zu scheiden, auf¬
getaucht ist.
Ich bin nicht in der Lage, etwas Bestimmtes über die etwa
ausgeführte Absicht des Suicidiums mitzuteilen.
Auf diese Neigung zam Selbstmord ist in den verschiedensten
Mitteilungen über Erythropbobie hingewiesen worden, and so endete
aucTi der erste in der Literatur bekannt gewordene Fall von Casper
(1846), wie dies von A. Hocbe 1 ) berichtet ist, mit Selbstmord.
Ueber therapeutische Maassnabmen zur Bekämpfung des eigen¬
tümlichen, schwer neurasthenischen, durch das Symptom der
Ereutbophobie ausgezeichneten Zustandes kann ich ans eigener
Erfahrung, da ich eben von meinen Kranken nur durch ihre Briefe
etwas weiss, nichts anderes mitteilen, als was durch v. Bechterew,
Friedländer, Aronsohn in ihren Beobachtungen schon gesagt
worden ist. Neben dem Gebrauch abnorme Erregungen des Nerven¬
systems herabsetzender Mittel wird es sich hauptsächlich um
eine psychische Behandlung, eventuell um hypnotische Ein¬
wirkung und eine die Kräftigung des Nervensystems im allge¬
meinen ins Auge fassende physikalische Therapie handeln.
Aus dem pharmakologischen Institut der Universität
Berlin (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. A. Helfter), Ab¬
teilung für Immunitätsforschung und experimentelle
Therapie (Vorsteher: Prof. Dr. E. Friedberger).
Weitere Versuche über ultraviolettes Licht.
UL Mitteilung.
Von
Prof. Dr. E. Friedberger,
Privatdozenl für Hygiene.
(Vortrag, gehalten in der Berliner mikrobiologischen Gesellschaft,
Sitzung vom 14. Mai 1914. 2 )
M. H.! In der Sitzung vom 23. Februar batte ich die Ehre,
Ihnen ausführlicher über Versuche betreffend die Abtötung von
Keimen in der Mundhöhle dnrch ultraviolettes Licht und kurz über
eine elektive Sterilisierung des Vaccinevirns durch diese Strahlen
zu berichten.
1) A. Hoche, Neurol. Zbl., 1897, S. 528.
2) Diskussion siehe diese Nummer, Seite 1433.
Ehe ich heute über die Fortsetzung dieser Versuche and die
dabei gewonnenen Resultate spreche, möchte ich Ihnen über
einige weitere Versuche Mitteilung macheD, die zum Teil in Ge¬
meinschaft mit Herrn cand. med. Scbuscha, zum Teil mit
Dr. Mirounescu angestellt worden sind 1 ). ,
1. Ueber den Einfluss der ultravioletten Lichtstrahlen
auf Amboceptor, Komplement und Antigen.
Hier liegen bereits eine Reihe von Untersuchungen vor von
Baroni*), Hertel 8 ), Doerr und Moldowan 4 ), Scott 5 ), Löwen¬
stein 6 ) u. a.
Während wir mit unseren eigenen Versuchen beschäftigt
waren, erschienen dann noch die wichtigen Arbeiten von Abelin
und Stiner 7 ) ans dem Institut von Ko Ile in Bern.
Wir bedienten uns bei diesen Versuchen, über die später Herr
Schuscha ausführlich in seiner Dissertation berichten wird, noch nicht
der Kromayerlampe, sondern einer einfachen Quecksilber-Quarzlampe
älterer Konstruktion, ähnlich der, die in der bekannten „künstlichen Höhen¬
sonne“ der Quarzlampengesellschaft Hanau sich befindet. Da diese Lampe
eine besondere Kühlanlage nicht besitzt, wurden die zu bestrahlenden
Flüssigkeiten, um eine Erwärmung zu verhüten, stets direkt auf Eis
bestrahlt.
Wir verwandten cur Aufnahme der ca bestrahlenden Flüssig¬
keiten offener Porzellanschiffcben von 9,35 cm Länge und 1,53 cm
Breite. Das Material wurde in diesen Schiffchen in ganz dünner
Schicht bestrahlt. Die Entfernung von der Lampe betrug 7 cm.
Stets wurde zur Kontrolle nnter sonst gleichen Bedingungen eine
Probe mit schwarzem Papier bedeckt bestrahlt. Hier trat
keinerlei Beeinflussung ein. Die Wirkung in den übrigen Ver¬
suchen dürfte also lediglich auf das ultraviolette Licht zurückzu-
führen sein.
Einfluss des ultra violetten Lichtes auf den Amboceptor.
Wir haben zunächst Versuche mit amboceptorhaltigen Seris
angestellt, und zwar mit hämolytischen Antibammelblutkaninchen¬
seris. In Uebereinstimmung mit Abelin und Stiner fanden wir,
dass die ultravioletten Lichtstrahlen den Amboceptor zerstören,
und zwar in verdünntem Serum schneller. Diese Zerstörung war
zum Beispiel bei einem Amboceptor vom Titer 0,U004 bei der
VerdÜDnuDg 1:10 nach 60 Minuten, bei der Verdünnung 1:100
schon nach 20 Minuten vollständig.
Wir suchten nun weiterhin zu ermitteln, wovon die schnellere
Zerstörung des Ameboceptors im verdünnten Serum abhängt. Beruht
sie auf der dabei eintretenden Verdünnung des Serumeiweisses,
oder ist die Amboceptorverdunnung an sich daran schuld? Zur
Entscheidung haben wir denselben Amboceptor mit bei 66° in¬
aktiviertem normalen Sernm statt Kochsalzlösung verdünnt. Jetzt
erfulgt die Zerstörung, die in Kochsalzlösung in der Verdünnung
1:100 nach 20 Minuten vollständig war, erst nach 50 Minuten. Die
stärkere Resistenz im konzentrierten Serum beruht alo wesentlich
auf seinem höheren Eiweissgehalt. Beruht sie aber auf diesem
allein? Wir haben zur Entscheidung einige Sera verschieden hohen
Amboceptorgehalts alle in der Verdünnung 1: 10 (also gleicher
Eiweissgehalt) bestrahlt. Die nachstehende Zusammenstellung
zeigt den Titer dreier Sera und die Bestrahlangsdauer bis zur
völligen Amboceptorzer8töruog.
Verdünnung
Titer
Zeit bis zur völligen
des Serums
Amboceptorzerstörung
VlO
0,0004
60 Minuten
Vio
0,006.
30 ff
VlO
0,008
20 ^
Wir sehen, dass bei gleicher Verdünnung in den ambo-
eeptorärmeren Seris eine schnellere Zerstörung erfolgt. Die
Intensität der Schädigung durch das ultraviolette Licht ist also
1) Ausführliche Veröffentlichung erfolgt später in der Zeitschrift für
Immunitätsforschung und experimentelle Therapie.
2) V. Baroni, et C. Jonescu-Mihausti, Compt. rend. soo. biolog.,
1910, T. 68, Nr. 9; 1910, T. 69; 1911, T. 70, Nr. 3.
3) E. Hertel, Zschr. f. allgem. Pbysiol,, 1904, Bd.4, S.24.
4) Doerr und Moldowan, W.kl.W., 1911, Nr. 16* S. 555.
5) W. M. Scott, Journ. of path. aud bact, 19U, Vol. 1 L6 ; f' 4 ,
6 ) Löwenstein, Zschr. f. exper. Patb. u. Ther., 1914, Bd .j 90
7) 0. Stiner und S. Abelin, Zschr. f. Immun.Forscb., 1914, Bd, ,
H. 6, S. 598.
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Gck igle
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UNIVERSUM OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1403
abhängig: 1. vom Ei weissgebalt der Serum Verdünnung, 2. von der
Konzentration des Antikörpers im Serum.
Schon bei geringer Zunahme der Entfernung des Serums
von der Lampe ist die Amboceptorzerstörnng bedeutend geringer.
Die Verdünnung 1 : 100 eines Amboceptor», die in 7 cm Distanz
in 20 Minuten zerstört ist, braucht in 10,6 cm Distanz bereits
85 Minuten.
Wir haben durch Dialyse und Kohlensäureausfällungen eine
Trennung amboceptorbaltiger Sera in Albumin- und Globulinfraktion
vorgeoommen; dann wurden beide Fraktionen wieder auf das Ur¬
sprungsvolumen gebracht. Die Albuminfraktion war dabei voll¬
kommen klar, die Globulinfraktion war trüb. Trotzdem erfolgt
eine bedeutend intensivere Einwirkung des ultravioletten Lichtes
auf die Globulinfraktion als auf die Albuminfraktion; z. B. war
bei einem Serum durch 20 Minuten lange Bestrahlung derGlobulin-
fraktion deren Amboceptoranieil vollkommen zerstört, in der
Albuminfraktion war er noch völlig erhalten. In anderen Fällen
war wenigstens der Amboceptor des Globulinanteiles innerhalb
der Versuchszeit erheblich geschwächt worden.
Friedberger und Pinczower 1 ) haben gefunden, und
Kumagai 2 ) bat es jüngst gegenüber abweichenden Angaben von
Bessau 8 ) erneut bestätigt, dass die an das Antigen gebundenen
Agglutinine eine erhöhte Resistenz gegenüber thermischen Schädi¬
gungen besitzen. Es wurde das gleiche von uns für den an die
homologen Blutkörperchen gebundenen hämolytischen Amboceptor
nachgewiesen.
Tappeiner und Jodlbauer 4 ) haben gezeigt, dass eine
Reihe von (fluoreszierenden) Farbstoffen eine eigentümlich „photo-
dynamische“ Wirkung auf Mikroorganismen, Körperzellen, Fermente,
Toxine usw. entfalten.
An sich ohne nennenswerte Wirkung erhöben sie die an sich
gleichfalls minimale Wirkung des Sonnenlichtes. Wir haben nun
beobachtet, dass eine Reibe derartiger Farbstoffe auch die ambo-
ceptorzerstörende Wirkung der ultravioletten Lichtstrahlen erhöht.
Hierher gehören Eosin, Methylenblau, besonders aber Estergelb
nnd Cyanosin. Aehnlich wie diese Farbstoffe, wenn auch in sehr
geringem Grad, wirkt die Galle. Als unwirksam erwiesen
sich: Neutralrot, Auramin, Safrantetramin, Fuchsin, Rhodamin,
Malachitgrün.
Einfluss der ultravioletten Lichtstrahlen auf das
Komplement.
Die intensive zerstörende Wirkung auf das Komplement war
schon von Abel in nnd Stiner und anderen nacbge wiesen.
Aus den Untersuchungen von Friedberger 5 ) ist es bekannt,
dass Komplement in hypertonischer Lösung gegenüber thermischen
und anderen schädigenden Einflüssen ausserordentlich resistent ist.
Die Methode der Besalzung wurde deshalb direkt zur Konservierung
des Komplements empfohlen. Wir versuchten, ob das Komplement
unter diesen Verhältnissen auch der Wirkung der ultravioletten
Lichtstrahlen besser widersteht. Das ist nicht der Fall. Selbst
bei Erhöhung des Kochsalzgebaltes um das Zehnfache findet eine
ebenso schnelle Zerstörung des Komplements statt wie in der on-
besalzenen Kontrolle. Dagegen erfährt das Komplement, wenn es
trocken und fein gepulvert bestrahlt wird, innerhalb 30 Minuten
keine nachweisbare Abschwächung, unter Bedingungen, unter denen
es flüssig in 25 Minuten völlig zerstört ist. Die Erhaltung in
ersterem Fall dürfte zum Teil wohl auf der geringen Tiefen¬
wirkung der ultravioletten Strahlen beruhen.
Bei der Trennung des Komplements in Mittel- and
Endstück durch Kohlensäure nach Liefmann, erweist sich das
Endstück resistenter als das Mittelstück. In einem Versuch zum
Beispiel, in dem das gesamte Komplement nach 25 Minuten zer¬
stört war, war das Endstück nach 20 Minuten, das Mittelstück
bereits nach 15 Minuten zerstört.
Einwirkung ultravioletter Strahlen auf das Antigen.
Normales 1:10 verdünntes Menschenserum erfuhr durch ultra¬
violettes Licht in unseren Versuchen eine Abschwächung seiner
rräcipitabilität bereits nach 16 Minuten.
HammeJbiutkörperchen, die in 6 proz. Aufschwemmung eine
H Fried berger und Pinczower, Zbl. f. Bakt., 1908, Bd. 45, S. 852.
*) Kumagai, Zschr. f. Immun.Forsch., Bd. 14, H. 3.
3) Bessau, Zbl. f. Bakt., 1911, Bd. 60, S. 363.
o - Tappeiner und A. Jodlbauer, M.m.W., 1904, Nr. 17,
J; ~ Berichte d. Deutschen chem. Gesellschaft, 1903, Bd. 86, S. 3035.
o) Friedberger, Zbl. f. Bakt, 1908, Bd. 46, S. 441.
Stunde lang bestrahlt wurden, zeigten Hämolyse, banden aber
noch Amboceptor wie unbestrahlte.
Aalserura hat seine hämolytische Fähigkeit gegenüber
Kaninchenblut nach 10 Minuteo noch so gut wie vollständig be¬
wahrt. Die Giftigkeit (geprüft am Meerschweinchen) ist aber
erheblich geringer geworden. Es entspricht das den Erfahrungen,
die Camus und Giey 1 ) bei anderen schädigenden Einwirkungen
auf das Aalserum beobachtet haben.
Lässt man ultraviolette Strahlen auf Trypanosomen in 1:60 ver¬
dünntem Blut infizierter Mäuse einwirken, so zeigen die Protozoen
nach 5 Minuten noch lebhafte Beweglichkeit. Auch nach 10 Minuten
sind noch viele bewegliche Trypanosomen da. Trotzdem erfolgt
jetzt keine Infektion mehr. Die mit 5 Minuten lang bestrahltem
Material geimpfte Maus zeigt ein erheblich verzögertes Angehen
der Infektion. Die mit 10 Minuten bestrahltem Material geimpften
Mäuse erwerben, trotzdem sie mit zum Teil noch beweglichen,
also noch lebenden Trypanosomen behandelt sind, keine Immunität
gegen die spätere Infektion mit virulenten Trypanosomen; erst
nach 20 Minuten ist die Beweglichkeit vollkommen geschwunden,
die meisten Trypanosomen beginnen dann auch zu zerfallen.
II. Das Verhalten vonBakterien gegenüber ultraviolettem
Licht in Urin nnd Blut.
Ich habe bereits in meinem früheren Vortrage kurz erwähnt,
dass Bakterien, die in Kochsalzlösung ausserordentlich leicht
durch ultraviolettes Licht abgelötet werden, in Urin selbst bei
langdauernder Bestrahlung vollkommen geschützt sind, wie
Strebei 2 ) zuerst gezeigt hat.
Prodigio8usbacillenaufschwemmuogen, die in Kochsalzlösung
bei einer Distanz von 20 cm von der Kromayerlampe in weniger
als 10 Minuten abgetötet sind, zeigen in Urin suspendiert unter
gleichen Bedingungen nach 35 Minuten noch keine nachweisbare
Keimverminderung. Auch im verdünnten Urin bis etwa zur Ver¬
dünnung 1:25 macht sich die schützende Wirkung bemerkbar.
Sie fehlt nach unseren Untsuchungen, sobald der Harnfarbstoff
durch Kohle entfernt ist.
Ich habe nun in Gemeinschaft mit Mironescu versucht,
ob die schützende Wirkung des Urins auf Prodigiosusbakterien in
irgend einer Weise aufgehoben werden könnte. Wir dachten auch
hier wiederum au die pbotodynamiscb wirksamen Farbstoffe. Wir
wählten im wesentlichen solche, die an sich, selbst in hohen Kon¬
zentrationen, relativ wenig baktiericid wirkten.
Folgende seitens der Höchster Farbwerke in dankenswerter Weise
zur Verfügung gestellten Farbstoffe wurden von uns untersucht; Methylen¬
blau, Eosin, Rhodamin, Auramin, Rotfluorescin, Malachitgrün, Estergelb,
TetramethylsafraniD, Fuchsin. Sie wurden in Lösung verschiedener
Konzentrationen mit Urin zu gleichen Teilen versetzt, und auf je 1 ccm
dieser Mischung wurde 0,1 einer Aufschwemmung von 2 OeseD Prodigiosus-
bacillen in 10 ccm Kochsalzlösung zugefügt.
Die Suspensionen wurden in Quarzcapillaren eingefüllt und in einer
Entfernung von 25 cm von der Lichtquelle eine halbe Stunde lang be¬
strahlt. Zur Kontrolle wurde je eine in gleicher Weise infizierte Urin¬
probe, die jedoch mit Kochsalzlösung statt Farblösung versetzt war,
bestrahlt. In einem weiteren Kontrollversuch wurde der Urin mit
Bakterien und der maximalen zur Anwendung gelangten Farbstoff-
konzentrationen in schwarzes Papier eingehüllt vor die Lichtquelle ge¬
bracht. Diese Kontrolle sollte den Einfluss des Farbstoffes allein auf
die Bakterien feststellen. E9 ergab sich nun, dass eine ganze Reihe von
Farbstoffen in stärkeren Verdünnungen, etwa 1; 100 000 bis 1 ; 1 000 000,
nicht aber in höheren Konzentrationen, die an sich minimale
Wirkung des ultravioletten Lichts auf die im Urin befindlichen Pro¬
digiosusbakterien*) ganz erheblich verstärkte. Es bandelt sich dabei
meistens um Farbstoffe, die allein die im Urin suspendierten Bakterien
so gut wie gar nicht schädigen. Zur Abtötung der Bakterien im Urin
erwiesen sich als besonders wirksam Eosin, Fuchsin und Säurerhodamin.
Als Beispiel lasse ich einen Versuch mit Urin und Eosin folgen.
Der frisch gelassene klare, normale Urin war vor Farbstoffzusatz in
der oben beschriebenen Weise mit Prodigiosusbakterien versetzt worden.
(Versuch 1.)
Wir sehen aus diesem Versuch, dass das Eosin in der
maximalen Konzentration, die zur Anwendung gelangte (1:100),
die bakterientötende Wirkung der ultravioletten Strahlen auf die im
Urin suspendierten Prodigiosnsbacillen in keiner Weise befördert. Mit
zunehmender Verdünnung des Farbstoffes aber wird die Wirkung
immer stärker und erreicht ihr Optimum bei 1 :1 000 000. Bei
1:10 000 000 lässt wieder die den baktericiden Effekt des Lichtes
1) Camus und Gley, Ann. de l’lnstitut Past., 1899, T. 13 p. 779.
2) Strebei, D.m.W., 1901. *
8) Aebnlioh war die Wirkung bei Zusatz von Staphylokokken zum
Urin; dagegen erwies sich B. coli als bedeutend resistenter.
2 *
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UNIVERSUM OF IOWA
1404
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80.
Versuch 1.
Dauer der Bestrahlung 30 Minuten. Entfernung 0,25 m.
V ersuchsanordnung
Wachstum
auf Agar
Urin + Eosiu 1:100
+ + 4 -
Urin -f- Eosin 1 : 1000
4 - 4 -
Urin -}- Eosin 1:10 000
4 -
Urin -f Eosia 1:100000
Urin 4- Eosin 1:1 000 000
—
* ® fUrin 4- Eosin 1: 100 dunkel
4 - 4 - 4 -
§ ©(Urin 4" Eosin 1: 1000 dunkel
4 -+ 4 -
* ** lürin 4“ NaCl bestrahlt
4 - +
verstärkende pbotodynamische Wirkung des Farbstoffes nach. Aus
den Kontrollversuchen ergibt es sieb, dass Eosin an sieb im
Dunkeln selbst in der maximalen Konzentration 1:100 die Bakterien
im Urin nicht deutlich schädigt. Aus der weiteren Kontrolle ist er¬
sichtlich, dass die ultravioletten Strahlen allein die Bakterien, die
im Urin suspendiert sind, nicht merklich abzutöten imstande sind.
Aber selbst solche Farbstoffe, die an sich in stärkeren Konzen¬
trationen baktericid wirken, wie z. B. das Malachitgrün, zeigen
ihre optimale Wirkung bei der Kombination mit ultravioletten
Strahlen wiederum nur in Verdünnungen von etwa 1: 100 000
bis 1 000 000. (Versuch 2.)
Versuch 2.
Dauer der Bestrahlung 30 Minuten. Entfernung 0,25 m.
Versuchsanordnung
•Wachstum
auf Agar
Urin 4 “ Malachitgrün 1
100
+
Urin 4 * Malachitgrün 1
1000
+
Urin 4 * Malachitgrün 1
10 000
—
Urin 4 * Malachitgrün 1
100 000
—
Urin 4" Malachitgrün 1
1 000 000
—
Urin 4 " Malachitgrün I
10 000 000
+ +
Urin 4- NaCl
4 ~ 4 - +
Kontrollen nicht bestrahlt
Urin 4 “ Malachitgrün 1 :
: 100
+
Urin 4 - Malachitgrün 1
: 1000
4 - 4 -
Als unwirksam erwiesen sich von den von uns untersuchten
Farbstoffen gegenüber Prodigiosus das Rhodamin, Rotfluorescin,
Estergelb und Tetramethylsafranin.
Im defibrinierten Blut ist bekanntlich die Wirkung der ultra¬
violetten Strahlen auf Bakterien vollkommen aufgehoben, weil
sie vom Hämoglobin absorbiert werden. Selbst in 5 proz. Blut¬
körperchenaufschwemmung sind die Bakterien vor der abtötenden
Wirkung der ultravioletten Strahlen noch geschützt. Aber auch
hier vermochten in unsere Versuchen die im Urin als wirksam
befundenen Farbstoffe die bakterientötende Wirkung des ultra¬
violetten Lichtes zu verstärken.
III. Ueber den Einfluss der Bestrahlung mit ultra¬
violettem Licht unter gleichzeitiger Verwendung
von Farbstoffen auf den Keimgebalt der Mundhöhle.
In meinem früheren Vortrag 1 ) habe ich ausführlich über die
Versuche berichtet, in denen es mir in Gemeinschaft mitShioshi
gelungen war, durch Bestrahlung der Mundhöhle mittels eines
besonderen Quarzansatzes eine erheblich, ja fast vollständige Ver¬
nichtung der Bakterien in der Mundhöhle herbeizufübren.
Längere Bestrahlung wirkt aber namentlich auf die empfind¬
lichere Schleimhaut des Menschen stark entzündungserregend
Wenn ähnlich wie bei der Hautbestrablung eine weitgehende Ge¬
wöhnung auch hier allmählich erfolgen dürfte, so waren wir
doch bestrebt, die Wirkung auf andere Weise intensiver zu gestalten,
um dadurch vielleicht die Zeit der Bestrahlung auch für die mensch¬
liche Therapie möglichst zu verkürzen. Wir haben auch hier
Farbstoffe zur Verstärkung der Lichtwirkung herangezogen. Die
Versuche wurdeu in der Weise ausgeführt, dass Verdünnungen
der betreffenden Farbstoffe 1:100 000 mittels eines Spray¬
apparates während der Bestrahlung wiederholt in die Mundhöhle
des Kaninchens gebracht wurden. Um den Effekt dieser kombi¬
nierten Prozedur zu beurteilen, wurde jeweils bei einem Kontroll¬
ier die Lichtbehandlung in der gleichen Weise durchgeführt,
1) Friedberger und Shioshi, D.m.W., 1914.
jedoch statt der Farblösung physiologische Kochsalzlösung ver-
sprayt.
In einem weiteren Kon troll versuch endlich wurde lediglich
die Farbstofflösung in der gleichen Weise, wie beim ersten Tier,
in die Maulböhle gesprayt, ohne dass eine Bestrahlung mit der
Ultraviolettlampe erfolgte. Wir wandten in diesem Versuch die
intermittierende Bestrahlung von 8 Minuten Dauer an bei 5 Minuten
Pause. Den Gang einer solchen Versuchsserie zeigt der folgende
Versuch 8.
Versnob 3. (Gang des Versuches.)
3 Kaninchen mit Prodigiosus in die Mundhöhle infiziert.
Kaiiinchen A
Kaninchen B
Kaninchen C
Farblösung
Kochsalzlösung
Farblösung
ohne Bestrahlung
uod Bestrahlung
und Bestrahlung
Entnahme
Entnahme
Entnahme
Eosin
Kochsalzlösung
Eosin
—
3 Min. bestrahlt
3 Min. bestrahlt
Entnahme
Entnahme
Entnahme
—
5 Min. Pause
5 Min. Pause
Eosin
Kochsalzlösung
Eosin
—
3 Min. bestrahlt
3 Min. bestrahlt
Entnahme
Entnahme
Entuahme
—
5 Min. Pause
5 Min. Pause
Eosin
Kochsalzlösung
Eosin
—
3 Min. bestrahlt
3 Min. bestrahlt
Entnahme
Entnahme
Entnahme
—
5 Min. Pause
5 Min. Pause
Eosin
Kochsalzlösung
Eosin
—
3 Min. bestrahlt
3 Min. bestrahlt
Entnahme
Entnahme
Entuahme
—
5 Min. Pause
5 Min. Pause
Eosin
Kochsalzlösung
Eosiu
—
3 Min. bestrahlt
8 Min. bestrahlt
Entnahme
Entnahme
Entnahme
—
Va Std. Pause
Vj Std. Pause
Entnahme
Entnahme
Entnahme
—
2 Std. Pause
2 Std. Pause
Entnahme
Entnahme
Entnahme
—
1 Tag Pause
1 Tag Pause
Entnahme
Entnahme
Entnahme
Von einer grossen Reihe von uns untersuchter Farbstoffe
erwies sich als besonders wirksam das Eosin nnd-Fuchsin. Wir
haben vor allen Dingen Versuche mit Tieren angestellt, denen in
gleicher Weise, wie früher, grosse Mengen Prodigiosus vor der
Behandlung in das Maul gebracht worden waren. Ist schon die
Wirkung des Lichtes an sich auf die Bakterien der Mundhöhle
eine ausserordentlich intensive, so wird sie durch das Eosin, wie
sich aus dem nachstehenden Versuch 4 ergibt, noch beträchtlich
verstärkt. Die Keimabnahme bezieht sich sowohl auf die künstlich
eingebrachten Prodigiosusbakterien als auch auf die natürliche
Mundflora. In diesem Versuch war die Menge der eingebrachten
Prodigiosusbakterien nicht sehr gross, so dass auch beim Kon¬
trollier, das mit Eosin allein behandelt wurde, eine Abnahme
der roten Kolonien erfolgte, die allerdings nicht zu vergleichen
ist mit der bei den beiden behandelten Tieren.
Versuch 4. (Eosinversuch.)
1 Prodigiosus !
| Normale Keime
Eosm
ohne
Licht |
1 Licht
ohne
Eo'dn
i Licht
und
Ensin
Eosin
ohne Licht
Licht
ohne Eosin
Eosin
und Liebt
0 Min.
CO |
co
! co
v. Prodig.
überwueb.
v. Prodig.
überwueb.
v. Prodig.
überwueb.
8 „
4230
2675
2162
do.
do.
do.
6 *
758
265
1 26
2560
145 !
87
9 „
414 1
51
1 8
—
132
23
12 *
312
6
: 4
1664 j
57
19
15 *
275
5
i —
3200 !
41 i
5
V 2 Std. später
252
3
_
1300 1
32
13
2 „
189
3 !
j _
2765
120
30
1 Tag „
67 |
— ;
: —
2675 ;
2560 !
1245
In dem folgenden Versuch 5 mit Fuchsin wurden erheblich
grössere Prodigiosusmengen angewandt, die sieb wenigstens zwei
Stunden lang in annähernd unverminderter Menge in der Mund¬
höhle hielten. Auch hier zeigt sich wiederum, in wie hohem
Grade der Farbstoff die Wirkung des Lichtes unterstützt.
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Original fro-m
UNIVERSIT7 OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1406
Versuch 5. (Fuchsinversuch.)
Prodigiosus
Normale Keime
Fuchsin
ohne
Liebt
Liebt
ohne
Fuchsin
Licht
und
Fuchsin
Fuchsin
ohne Licht
Licht ohne
Fuchsin
Licht und
Fuchsin
0 Min.
00
oo
oo
v. Prodig.
überwuch.
1
v. Prodig. i v. Prodig.
überwuch. überwuch.
3 ,
oo
3136
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do.
832
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do.
125
107
12 ,
00
22
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57
33
15 *
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20
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5
y« Std. spater
1
00
1 18 ;
0
do.
__
—
2 .
OO
! o
0
do.
—
—
Ich habe bereits früher ausgefübrt, dass die Wirkung des
Sonnenlichtes auf Bakterien, wenigstens bei uns, sehr gering ist.
Nachdem wir den ausserordentlich begünstigenden Effekt der Farb¬
stoffe auf die baktericide Wirkung des ultravioletten Lichtes
kennen gelernt hatten, lag es nahe, auch entsprechende Versuche
unter Verwendung des Sonnenlichtes anzustellen.
Wir haben diese auf dem Dach unseres Instituts an den
sonnigen Tagen im Mai ausgeführt. Dabei wurde den Ka¬
ninchen mittels eines Sperrklotzes das Maul aufgebalten und
sie auf dem Brett so fixiert, dass das Sonnenlicht direkt in
das Maul hineinscbien. Im übrigen war die Versuchsanordnung
die gleiche wie bei den Versuchen mit der Quarzlampe, d. b. ein
Kaninchen wurde bestrahlt unter gleichzeitiger Besprayung der
Mundhöhle mit Farbstoff, ein zweites wurde ohne Farbstoff be¬
strahlt, und ein drittes erhielt allein Farbstoff, ohne dass sein
Maul gewaltsam geöffnet den Sonnenstrahlen ausgesetzt wurde.
Der Effekt der Bestrahlung ist natürlich geringer als bei Ver¬
wendung des ultravioletten Lichtes. Aber er ist doch ein so über¬
raschender, dazu noch angesichts des Umstandes, dass die Ver¬
suche im Centrum der Stadt, also in einer höchst verunreinigten
Atmosphäre vorgenommen wurden, dass wir derartige Ver¬
suche unter günstigeren äusseren Bedingungen auch für
den Menschen bei Rachenerkrankungen und speziell für
Bacillenträger empfehlen möchten.
Versuch 6. (Sonnenlicht. Normale Flora der Mundhöhle.)
Dauer
Fuchsin ohne
Sonne
Sonne
der Behandlung
Sonne
undNaCl-LÖsung,
und Fuchste
0 Minuten
9 984
12 800
12 096
3 n
10 240
11 050
2 496
6 *
14 400
9 230
1 280
9
11 520
8 640
508
12 „
8912
3 648
213
15 .
13 704
1 344
121
nach Va Stunden
12 280
1 560
158
2 Stunden
| 9 800
i 3 942
256
1 Tag später
12 508
11 025
9 408
Die Farbstoffe an sich dürften gänzlich unschädlich sein bei
der kolossalen Verdünnung, die zur Anwendung kam, angesichts
des Umstandes, dass z. B. für den Menschen reines Fuchsin ganz
oogiftig ist. Versuche mit künstlich in die Mundhöhle gebrachten
Prodigiosusbakterieo fielen bei Sonnenbestrahlung in der gleichen
Weise au9, wie das der nachstehende Versuch 7 zeigt.
Versuch 7. (Sonnenlicbt-Prodigiosus.)
Dauer
dar Behandlung
Fuchsin
ohne Sonne
Sonne
und NaCl
Sonne
und Fuchsin
0 Minuten
oo
00
CO
* .
oo
00
8 384
o *
CO
28416
660
• ■■
! CO
2 560
384
! ■
CO
302
119
j® .
00
162
85
2 Stunden später
oo
128
4
IV. Ueber die Befreiung des Vaccinevirus von den Be¬
gleitbakterien durch die Einwirkung ultravioletter
Lieh tstrahleo.
Ich habe gleichfalls in meinem früheren Vortrag schon kurz
wo in Gemeinschaft mit Dr. Mironescn aasgeführten Versuche
znr elektiven Sterilisierung des Vaccinevirus erwähnt Wir haben
diese Versuche fortgesetzt, und ich will zum Schluss in Kürze
über die Resultate berichten.
Das Vaccinevirus enthält, wie wir wissen, reichlich Bakterien.
Das Glycerin bedingt nur eine nnvollkommene Keimvernichtung.
Ausserdem dauert sie sehr lange. Chemische Desinfektionsmittel
schädigen in Konzentrationen, die sicher keimverniebtend wirken,
auch das Vaccinevirus. Verreibt man aber im Achatmörser Vaccine
mit Kochsalzlösung im Verhältnis 1:10 vollständig homogen, filtriert
sie durch Papier, füllt sie in Quarzröhrchen und bestrahlt sie dann
mit ultravioletten Strahlen, so werden bei bestimmter Lichtintensität
nnd Entfernung von der Lichtquelle die unter natürlichen Ver¬
hältnissen vorkommenden Begleilbakterien in etwa 20 Minuten
vernichtet, selbst dann, wenn es sich schon um in Fäulnis über¬
gegangenes Ausgangsmaterial handelt. Künstlich in reichlicher Menge
zugesetzte Antraxsporenaufschwemmungen werden in y 2 Stunde
bis 40 Minuten, Subtilissporen in 1 Stunde, spätestens in l l / 3 Stunden
abgetötet. Das Vaccinevirus aber ist unter gleichen Bedingungen
nach iy 2 ständiger Bestrahlung noch voll virulent am KaDinchen-
auge und auf der Kaninchenhaut. Io neueren Versuchen mit frischer
Lapine war das Virus auch nach 2 Stunden nicht abgetötet. Die
Lymphe bleibt, nach der Bestrahlung dunkel aufbewahrt, mindestens
noch 4 Wochen haltbar. In einem Fall sahen wir nach 6 Wochen
eine Abschwächung, aber immerhin noch volle Wirksamkeit in
der Verdünnung 1 :10 (statt wie vorher 1:100); doch handelte es
sich hier um ein fast 14 Tage altes Ausgangsmaterial. Fasse ich das
Resultat unserer zahlreichen Versuche mit Lymphe zum
Schluss zusammen, so ergibt sich, dass es uns in allen
Fällen mit verschiedenen Vaccinen und Lapinen ge¬
lungen ist, die natürlich vorkommenden Begleitbakterien
in weniger als 30 Minuten zu vernichten, während die
Vaccine selbst 3—4 mal solange virulent blieb. Es ge¬
lingt also praktisch ohne Zusatz eines Antisepticums,
und ohne dass ein störender Effekt noch nachwirken
kann, die Lymphe keimfrei zu machen unter Wahrung
ihrer Virulenz.
Aus dem pharmakologischen Institut der Universität
Berlin (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Heffter), Ab¬
teilung für experimentelle Therapie und Immunitäts¬
forschung (Vorsteher: Prof. Dr. Friedberger).
Ueber das serologische Verhalten eines Paares
eineiiger Zwillinge.
VOD
Fritz Schiff.
(Vortrag, gehalten in der Sitzung der Berliner mikrobiologischen Gesell¬
schaft vom 14. Mai 1914.)
Poll 1 ) hat seit einer Reihe von Jahren sich das Studium von
Zwillingen vom Standpunke der Erblichkeitsforschung aus zur Auf¬
gabe gemacht. Die prinzipielle Bedeutung der Zwiliingsforscbung
für die Erblicbkeitslebre liegt, soweit eineiige Zwillinge in Be¬
tracht kommen, darin, dass sie es ermöglicht, die Modifikations¬
breite bestimmter Merkmale festzustelleo, da sie es mit Individuen
zu tun bat, deren Erbanlagen identisch sind.
Unterschiede zwischen diesen gleicberbigen „isozy gotischen“
Individuen können nicht Unterschiede des Erbgutes, sondern
müssen unabhängig von der Erbanlage erworben sein; sie be¬
ruhen auf „Modifikation“ im Sinne der Erblichkeitslehre 2 ). Die
Zwillingsforschung leistet so bei solchen Untersuchungen als Me¬
thode etwa dasselbe wie in der Bakteriologie das Arbeiten mit
Einzellkulturen. Herr Prof. Poll hatte Herrn Prof. Friedberger
gebeten zu prüfen, inwieweit die Methoden der Serologie ent¬
sprechende Ergebnisse liefern 2 ).
Die Untersuchungen an einem eineiigen Zwillingspaar, A. und
P. K., wurden mir durch meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Prof.
1) Vgl. Poll, Vortrag in der Berliner Gesellschaft für Anthropologie,
Novembersitzuog 1913. Zschr. f. Ethoolog., 1914, H. 1, S. 87—105.
2) Im speziellen verdanken wir der liebenswürdigen Vermittelung
Yon Herrn Prof. Poll auch die Gelegenheit zur Untersuchung des hier
besprochenen Zwillingspaares. Herrn Prof. Poll sowie auch denjenigen
Damen und Herren, die durch Gewährung von Blutentnahmen diese
Untersuchung ermöglicht haben, sei auch an dieser Stelle mein Dank
ausgesprochen.
3
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1406
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
Friedberger, übertragen; ich möchte ihm hierfür anch an dieser
Stelle besonders danken.
Es war za prüfen, ob serologische Unterschiede zwischen den
Zwillingen vorhanden seien, und wenn nicht, ob die Ueberein-
stimmung der Zwillinge sieb auch auf solche Merkmale erstreckt,
die in der Regel nur einem einzigen Individuum zukommen.
Die Zwillingsuntersuchungen haben gezeigt, dass eineiige
Zwillinge sich in frühem Lebensalter in zahlreichen Merkmalen
ausserordentlich ähneln, ja gleichen, und dass grössere Unter¬
schiede erst in späteren Jahren hervortreten. Bei zweieiigen
Zwillingen liegen die Verhältnisse anders, nämlich annähernd
ebenso wie überhaupt bei gewöhnlichen Geschwistern. Demnach
sind im allgemeinen, und besonders auch schon in früher Jugend,
die Unterschiede zwischen zweieiigen Zwillingen viel grösser als
zwischen eineiigen. Einzelne Merkmale können aber bei zwei-
eiigeo Zwillingen ebenso wie auch sonst bei Geschwistern völlig
übereinstimmen.
Ich benutzte zu dieser Prüfung das Verhalten der im menschlichen
Blute normalerweise vorhandenen Agglutinine, und zwar zunächst
derjenigen, die gegen Menschenblutkörperchen gerichtet sind.
Nach den Untersuchungen von Landsteiner 1 ) unterscheiden sich die
Sera mancher Menschen durch das Fehlen oder Vorhandensein einer
Agglutinationsfähigkeit für die Blutkörperchen bestimmter anderer
Menschen. Hierbei hat sich gezeigt, dass die Blutkörperchen einer ganzen
Reihe von Menschen übereinstimmend von den Seren einer Reihe anderer
Menschen agglutiniert oder nicht agglutiniert werden. Auf diese Weise
konnte Landsteiner eine beschränkte Zahl von Typen aufstellen, in
die sich nach ihrem agglutinatorischen Verhalten sämtliche untersuchten
Sera oder Blutkörperchen (4 Typen) einreihen Hessen.
v. Düngern 2 ), der mit seinen Mitarbeitern später unsere Kenntnis
dieser Verhältnisse wesentlich erweitert hat, konnte zeigen, dass diese
„Typen“ oder wie er sich ausdrückt „gruppenspezifischen Strukturen“,
als deren Ausdruck eben das typische Verhalten der Agglutination
angesehen werden kann, sich gesetzmässig vererben, und zwar ent*
sprechend den MendeTschen Kegeln.
Es war zunächst zu prüfen, ob die Zwillinge ein und demselben
Typus angeboren, wie es die Theorie erfordert.
Nach den Feststellungen v. Dun gern’s, aus denen das Vor¬
handensein bestimmter Erbanlagen für den Agglutinationstypus
erschlossen werden muss, war das zu erwarten. Der folgende
Versuch zeigt, dass es in der Tat der Fall ist.
Es wurden die Sera der Zwillinge mit den Blutkörperchen
von 8 anderen Menschen zusammengebraebt und zum Vergleich
Blutkörperchen derselben Menschen auf ihr Verhalten gegen jedes
der Sera dieser Menschen einzeln geprüft.
Versuch 1.
Das Blut wurde in Natrium citricum-Lösung aufgefangen, die Blut¬
körperchen einmal gewaschen und in 3 proz. Aufschwemmung verwendet.
Blutkörperchenaufschwemmung 0,5; Gesamtvolumen 1,0. Es wurden
kleine Reagenzgläser von etwa 0,6—0,8 mm Weite benutzt. Das Serum
wurde 30 Minuten bei 50° inaktiviert.
Ablösung nach zweistündigem Aufenthalt im Brutschrank; Kontroll-
ablesung nach 2 Stunden; Zimmertemperatur.
Agglutination.
Serum
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I Zwillinge
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4~ 4 sehr starke Agglutination, (-f-) deutliche, aber schwache Agglutination.
Die Sera der Zwillinge (A. u. P.) verhalten sich ganz gleichartig.
Sie stimmen prinzipiell mit Serum „Hü.“ überein. Dagegen unter¬
scheiden sie sich völlig von den untereinander ganz gleichartigen
Seren n E. Bo. w , „0. Bo.“, „Ha.“ und dem diesen sehr nahe¬
stehenden Serum „Pr.“.
1) Landsteiner, W.kl.W., 1901; Handb. d. Biochem. 1909, Bd. 2.
2) v. Düngern und Hirschfeld, Zschr. f. Immun.Forsch., Bd. 4.
S. 531, Bd. 6, S. 284, Bd. 8, S. 526.
3) Brüder.
Das übereinstimmende Verhalten der Zwillinge in diesem
Versuch ist noch kein Beweis für eine weitgehende serologische
Aehnlichkeit, da, wie ersichtlich, auch Sera nicht blutsverwandter
Personen in der Tabelle einander gleichen.
Nun haben die Untersuchungen v. Düngern’s aber gezeigt,
dass sich auch Sera desselben Typus nicht in allen Fällen
gleichartig verhalten; Unterschiede kommen zum Vorschein, wenn
man eine sehr grosse Zahl von Individuen in die Untersuchung
einbezieht, v. Düngern bat hieraus den Schluss gezogen, dass
auf diesem Wege eine individuelle Blutdifferenzierung prinzipiell
möglich ist. Praktisch kommt das Verfahren wegen seiner Um¬
ständlichkeit und der grossen Anzahl verschiedener Blutkörperchen¬
aufschwemmungen, die notwendig ist, kaum in Betracht. Für
den vorliegenden Fall habe ich aber noch weitere Sera und Blut¬
körperchen geprüft. Da schon Landsteiner gefunden hatte, dass
die Agglutinine, wenn sie überhaupt vorhanden sind, auch in starken
Verdünnungen (1:10 und 1 : 100) wirken, so wandte ich, zu¬
nächst in der Absicht, die zur Verfügung stehenden nur geringen
Serummengen auszunutzen, die Sera in 10 facher Verdünnung an.
Bei dieser Verdünnung fallen die Agglutinationen nicht so
stark aus, wie bei unverdünntem Serum; man erhält aber noch
zahlreiche zweifellos positive Reaktionen verschiedenen Grades.
Unsichere Befunde wurden immer als negativ gerechnet. Der
Nachteil der schwächeren Reaktion wird wetfgemacht dadurch,
dass die Differenzierungsmöglicbkeit eine grössere ist, indem
quantitative Unterschiede des Agglntiningehaltes häufiger hervor¬
treten als bei unverdünntem Serum.
Den Ausfall zeigt Versuch 2.
Versuch 2.
Serum 1:10 verdünnt. Im übrigen Technik wie Versuoh 1.
Agglutination.
Serum
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Blut-
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Die Sera der Zwillinge verhalten sich wie im vorigen Ver¬
such vollkommen gleich, ebenso die Blutkörperchen. Wenn man
die deutliche aber schwache Agglutination unberücksichtigt lässt,
die mit (-{-) bezeichnet ist, so stimmt das Verhalten der Zwillings¬
sera (in den Vertikalreihen) noch überein mit Serum „Gu. M , „Po. w ,
„Ri.“ „We.-.
Gegenüber diesen Individuen besteben aber Unterschiede in
der Agglutinierbarkeit der Blutkörperchen (Horizontalreihen).
Die Blutkörperchen von „We“ werden nicht, wie die der Zwillinge,
von Serum „La.“ agglutiniert, die von „Gu.“ werden zum Unterschied
von den Zwillingen noch von „Ne“ agglutiniert, die Blutkörperchen
von „Po.“ noch von Serum „Zu.“, die von „Ri.“ noch von Serum
„Zu“ und „Ob.“.
Die Zwillinge sind demnach in dieser Tabelle von
allen anderen Individuen zu unterscheiden. Es gibt aber
in der Tabelle noch zwei weitere Individuen, die nicht vonein¬
ander zu unterscheiden sind, nämlich „Mo.“ und „Sc.“. Eine
Blutsverwandtschaft besteht hier nicht.
Bei Ausdehnung der Untersuchung auf mehr Sera und Blut¬
körperchen könnten zunächst noch Individuen gefunden werden,
die ebenfalls einem der angeführten gleichen. Immerhin liesse
sich nach den bisherigen Erfahrungen die Untersuchung auf so
viele Menschen ausdehnen, dass irgendwelche Unterschiede auch
zwischen einander sehr ähnlichen Individuen schliesslich zum Vor¬
schein kämen. Es wäre za prüfen, ob unter diesen Bedingungen
die Zwillinge immer noch völlig übereinstimmten.
Man kann aber durch andere Methoden rascher zum Ziele
gelangen. Eine der durch v. Düngern angewandten Methoden,
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Original fro-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1407
die hier wahrscheinlich za verwerten wäre, bestände in der Ver-
Wendung agglutinierender Immunsera, denen durch Absättigung
bestimmte Agglutinine genommen sind. Diese Methode habe ich
noch nicht angewendet. Dagegen habe ich andere, ebenfalls
durch v. Düngern studierte Verhältnisse herangezogen, nämlich
den Gebalt des Blutes an Normaiagglutininen für heterologe Blut¬
körperchen. v. Düngern hat fes: gestellt, dass diese Normalagglu-
tinine ebenso wie die gegen die homologen Blutkörperchen nur
für manche Individuen wirksam sind, und dass bis zu einem ge¬
wissen Grade zwischen den korrespondierenden Typen verschiedener
Spezies Beziehungen bestehen. Da diese nicht regelmässig hervor¬
treten, so ist in der Prüfung der Normalagglutinine für art¬
fremde Blutkörperchen ein weiteres Mittel zur Differenzierung
gegeben. Ich führe einen solchen Versuch 3 mit Meer¬
schweinchenblutkörperchen an.
Versuch 8.
Agglutination von Meerschweinchenblutkörperchen durch Menschen-
serum (1:5). Technik entsprechend Versuch 1.
Mensohenserum {
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i
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Blut¬
körperchen
Zwillinge
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Auch in dieser Tabelle stimmen die Zwillinge völlig überein.
Sie unterscheiden sich durch ein mehr oder minder starkes
Agglutinationsvermögen für alle Blutkörperchenarten von anderen
Menschenseris, die insgesamt die Blutkörperchen wenigstens von
4 Meerschweinchen nicht agglutinieren.
Ausserdem zeigen in diesem Versuch auch die Sera „Mo.“
und „Sc. u , die einzigen, die sich in den Versuchen I und II völlig
wie die Zwillingssera verhielten, hier nunmehr deutliche Unter¬
schiede.
Zusammen fassend lässt sich sagen, dass Unterschiede
im serologischen Verhalten des untersuchten Paares
eineiiger Zwillinge sich nicht haben auffinden lassen
bei Anwendung von Methoden, die es erlaubten, nicht
nur das Blut der Zwillinge von dem der andern unter¬
suchten Menschen zu unterscheiden, sondern überhaupt
das Blut jedes einzelnen ontersuchten Individuums von
dem aller andern.
Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass bei Untersuchung
eines grösseren Rontrollmaterials doch noch Unterschiede zwischen
den Zwillingen zum Vorschein kommen könnten; umgekehrt könnte
auch wohl ein Individuum gefunden werden, das mit einem andern
ihm nicht blutsverwandten völlig übereinstimmt.
Vom Standpunkt der Zwillingsforschung kann festgestellt
werden, dass eine sehr weitgehende Uebereiostimmnng in bezug
auf bestimmte Eigentümlichkeiten des Blutes bei eineiigenZwillingen
bestehen kann. Durch Untersuchung weiterer eineiiger Zwillinge
muss geprüft werden, ob dies Verhalten für alle eineiigen
Zwillinge charakteristisch ist.
Dass es zweieiige Zwillinge gibt, die sich nach ihren
Krappenspezifischen Strukturen der Blutkörperchen unterscheiden,
darf nach den Untersuchungen von Poll über Zwillinge und denen
ran v. Dungernvuber das serologische Verhalten von Geschwistern
ohne weiteres angenommen werden, ebenso aber, dass zweieiige
Zwillinge Vorkommen, die in ihren gruppen spezifischen Strukturen
übereinstimraen. In diesem Fall wäre zu prüfen, ob es sieb, wie
bei den untersuchten eineiigen Zwillingen, auch um eine Ueber-
eio8timmung der Individuum spezifischen Strukturen handelt.
Das braucht z. B. auch bei gleicher gruppenspetifischer Struktur
Dicht der Fall zu sein, wenn Vater und Mutter demselben Typus
ragehören, und ein Kind in Wirklichkeit der Struktur des Vaters,
das andere der der Mutter folgt.
Es könnten aber auch, wenn bei verschiedenem „Typus“ der
filtern beide Kinder dem „Typus“ des e i QeQ Elters folgen,
individuelle Differenzen der zweieiigen Zwillinge bestehen, und
zwar dadurch bedingt, dass vom Agglutinations-„Typus“ unab-
hängig agglutinatorische Eigenheiten von dem andern Elter ver¬
erbt werden. Es ist noch nichts darüber bekannt, wie weit
Einzelheiten des agglutinatoriscben Verhaltens, z. B. das Agglu¬
tinationsvermögen gegen arteigene Blutkörperchen einerseits, gegen
bestimmte artfremde Blutkörperchen andererseits, unabhängig von¬
einander bestehen und unabhängig voneinander vererbt werden
können.
Dass es auch, abgesehen vom Agglutinations-„Typns“, Quali¬
täten gibt, die vererbt werden können, folgt mit Sicherheit
aus dem übereinstimmenden Verhalten der beiden untersuchten
Zwillinge.
Es ist selbstverständlich möglich, dass es andere Qualitäten
gibt, die im Laufe des Lebens erworben werden, z. B. bei Er¬
krankungen. Nach den Untersuchungen von Landsteiner scheint
das aber znm mindesten sehr selten zu sein.
Zusammenfas sang.
Es Hessen sich serologische Unterschiede bei einem Paar
eineiiger Zwillinge nicht auffinden, trotzdem Methoden zur An¬
wendung kamen, die es erlaubten, das Blut aller andern unter¬
suchten Individuen individuell zu differenzieren.
Zur individuellen Blutdifferenzierung empfiehlt sich die Kom¬
bination mehrerer der von v. Düngern und anderen Autoren
(Todd) zur Untersuchung gruppen- und individuumapezifischer
Strukturen benutzten Methoden.
Aus dem biochemischen Laboratorium des städtischen
Krankenhauses Moabit in Berlin.
Ueber Auxowirkungen und gebundene Amino¬
säuren des Blutserums.
Von
Martin Jacoby und N. Umeda.
Vor einiger Zeit hat M. Falk 1 ) in unserem Laboratorium
eine neue Eigenschaft des Blutserums anfgefunden, welche sofort
der genauesten Beachtnog wert erschien. Es zeigte sich nämlich,
dass Kaninchenserum imstande ist, die Wirkung des in der Soja¬
bohne vorhandenen harnstoffspaltenden Fermentes erheblich zu
verstärken, während es einer aus Robinia pseudacacia stammenden
Urease gegenüber ohne Wirkung war. Diese neue Substanz des
Serums wurde zunächst unverbindlich Auxourease genannt, um
anzudeuten, dass hier vielleicht eine Beziehung zu den in unserem
Laboratorium von Gnggenheimer 2 ) naebgewiesenen auxoauto-
lytiscben Substanzen des Blutserums bestehen könnte. Da schon
M. Falk beobachtete, dass die Auxourease zwar nicht dialysabel,
aber kochbeständig ist, so musste es aussichtsvoll erscheinen,
eine Isolierung der Auxourease zu versuchen. Wir haben diese
Untersuchung ausgeführt und sind dabei ohne Schwierigkeiten zu
sehr interessanten Resultaten gelangt, über die wir hier kurz be¬
richten wollen, während die Einzelheiten and die Protokolle an
anderer Stelle ausführlich mitgeteilt werden sollen.
Zunächst konnten die Resultate Falk’s vollkommen bestätigt
werden: Das native wie das verdünnt gekochte Serum aktivierte
sehr stark die Sojaurease, die Auxosubstanz dialysierte nicht.
Bei IsolieruDgsversQChen zeigte sich, dass die Auxosubstanz nach
der Coagulation der Eiweisskörper durch Siedehitze bei Zusatz
von Essigsäure in das eiweissfreie Filtrat gebt, dass sie nach
Ausfüllung der Ei weisskörper durch Alkohol aus dem Coagulum
mit Wasser extrahierbar ist. Nach der Beseitigung der Ei weiss¬
körper ist die im nativen Serum undialysable Auxosubstanz nun¬
mehr dialysabel.
Nach diesen Vorversucben schien es uns sehr wahrscheinlich,
dass die AnxoWirkung den Aminosäuren zukommen würde, eine
Vermutung, die sich in vollem Umfange bestätigte. Eingehende
Versuche lehrten ans, dass Glykokoll, Alanin, Glutaminsäure,
Leucin, Tyrosin, ferner auch ein Amid einer Aminosäure, das
Asparagin, sehr stark die Sojaurease aktivieren, während sie
allein nicht Harnstoff spalten. Da wir anoabmen, dass das Vor¬
handensein von eDdständigen Aminosäuregruppen das ausschlag¬
gebende ist, haben wir auch Gasein und Wittepepton untersucht
1) Biochem. Zsohr., 1914, Bl. 59.
2) D. Aroh. f. klin. M., 1913, Bd. 112.
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UNIVERSUM OF IOWA
1408
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80 .
und wirksam befanden. Diese Befunde wurden nach jeder
Richtung durch Kontrollen gesichert, insbesondere auch durch
Heranziehung anderer Substanzen erwiesen, dass das Entscheidende
der Aminosäurencharakter der Substanzen ist.
Der Mechanismus der Aminosäurewirkung bedarf noch besonderer
Untersuchung. In dieser Hinsicht verfügen wir bereits über die Fest¬
stellung, dass optisch aktive Aminosäuren nicht anders als die inaktiven
wirken. Wir haben die d-Glutaminsaure mit der inaktiven verglichen,
ferner d-Alanin, das uns Herr Professor Neuberg in liebenswürdigster
Weise überlassen hat, wofür wir ihm zu grösstem Danke verpflichtet
sind, mit inaktivem Alanin. Vorläufig ist es wohl am wahrscheinlichsten,
dass der Harnstoff sich vorübergehend mit der Aminosäure verbindet
und diese Verbindung besonders für die Fermentspaltung geeignet ist.
Darüber wird später mehr zu berichten sein.
Uns musste es zunächst darauf ankommeo, die to'etierkannte
Sdrumfunktion analytisch aufzuklären, da augenscheinlich hier
weitgehende physiologische und wohl auch pathologische Zu
8ammenhänge zu entschleiern sind. Ist nun die Auxowirkung
des Serums als Aminosäurewirkung aufzufassen? Sollte das er¬
laubt sein, so mussten die Aminosäuren gegenüber der Robinia-
urease ebenso an Wirksamkeit zurücksteben, wie das für das
Serum durch Falk und uns festgestelit war. Das ist in der Tat
der Fall: Aminosäuren aktivieren kaum die Robiniaurease.
In Parenthese seien einige methodische Punkte erwähnt, die uns
die Durchführung dieser Arbeit ermöglichten und durch ihre Einfachheit
Untersuchungen ähnlicher Art sehr erleichtern werden. Einmal haben
wir alle Versuche mit einem bereits vor längerer Zeit in der Physio¬
logischen Gesellschaft demonstrierten Sojatrockenpräparat ausgeführt,
das in Wasser löslich ist und ein sehr bequemes, exaktes Arbeiten zu¬
lässt. Herr Dr. Sugga wird das sehr einfache Darstellungsverfahren
demnächst schildern. Bei der Untersuchung des Serums bedienten wir
uns, um möglichst exakte Vergleichsanalysen ausführen zu können, eines
bei Zimmertemperatur im Luftstrom getrockneten Serumpulvers, dessen
Auxowirkung durch Monate unverändert blieb.
Die AuxowirkuDg kommt allen bisher untersuchten Seram¬
arten (Kaninchen-, Hammel-, Kälber- und Menschenserum) zu.
Man muss daher annebmen, dass entweder an die Bi weisskörper
des Serums Aminosäuren angelagert sind, oder dass das Serum-
eiweiss durch seine endständigen Aminosäuregruppen bisher un¬
bekannte Aminosäurereaktionen zu geben vermag.
Durch diese Feststellung wird auch eine von Jacoby 1 )
früher aufgestellte Hypothese über die Bedeutung der Blut¬
eiweisskörper für die ResorptioDSvorgänge gestützt. Danach
sollten die vom Darm dem Blut 2 uflie*senden Stoffe nicht frei
im Blute kreisen, sondern an die Ei weisskörper des Blutserums
gekuppelt werden. Aus den EiweissverbinduDgen spalten dann
die Organe mit Hilfe ihrer spezifischen Enzyme die von ihnen in
Anspruch zu nehmenden Materialien ab, ebenso die Niere die zur
Ausscheidung bestimmten. So kommt es, dass Stoffe, wie die
Salicylsäure oder die Bromkörper, zum Teil als Aminosäure-
verbinduDgen (in Paarung mit Glykokoll, Cystein usw.) aus¬
geschieden werden.
So gewinnt denn auch die von Jacoby auf Grund der
Falk’scben Versuche aufgestellte Hypothese, dass durch den
Uebertritt chemisch einfach gebauter Organprodukte Enzyme des
Blutserums spezifisch eingestellt werden können, an Wahrschein¬
lichkeit. Wie beim Icterus Bilirubin in das Serum Übertritt, so
könnten bei manchen Krankheiten Aminosäuren, die als direkte
Spaltungsprodukte der Eiweisskörper bei erhöhtem Stoffwechsel
im Uebermaasse produziert werden, aus den Organen in das Blut
übertreten und hier als spezifische Aktivatoren von Enzymen wirk¬
sam sein.
Auch für die Hämolyse und damit für das Gebiet der Sero¬
logie dürfte der Nachweis der gebundenen Aminosäuren des
Serums von Bedeutung sein. Denn schon vor mehreren Jahren
hat Sasaki 2 ) in Morgenroth’s Laboratorium beobachtet, dass
Meerschweinchenserum, welches an und für sich sehr wenig hämo¬
lytisch auf Ziegen- und Pferdeblutkörperchen wirkt, durch Alanin
nnd Glykokoll stark aktiviert wird.
Endlich ist noch zn prüfen, ob diese so exakt und bequem
bestimmbaren Serumwirkungen auch diagnostisch und prognostisch
von Bedeutung werden könnten. Nach diesen Richtungen sind in
unserem Laboratorium bereits Untersuchungen in Angriff genommen.
1) Biochem. Zscbr., 1908, Bd. 9.
2) Biochem. Zschr., 1909, Bd. 16.
Heilung eines bemerkenswerten Grosshirn-
| tumors.
|
Wv Aiefcäidfe? und E. Uiger.
Alexander: M. H.I Wir gestatten uns, Ihnen folgenden Fall
vorzustellen, der in mehrfacher Richtung Interessantes bieten dürfte.
Der jetzt 26jährige Bureaubeamte A. K. stammt aus geSuhder Familie,
in der insbesondere keine Krampfkrankhblteh vorgekommen sind. Er
selbst war nie krank, hatte keihe Lues, kein Trauma. Er war ein mittel-
mlssiger Schüler bnd batte während der Schulzeit fast täglich Kopf-
BchtteNfen. Diese verloren sieb später, so dass er 1905/07 beim Militär
dienen konnte und allen Strapazen gewachsen war»
Im Januar 1910 bekam er nachts nach feinefti Alköholekcess ’onoe
Vorboten im Schlaf einen Krampfanfall; die Wirtin hörte-ihn im
Nebenzimmer röcheln, fand ihn beWuäst lös, er hatte sich auf die Zunge
gebissen und Verfiel danach ih tiCfen Schlaf. Der nächste Anfall er¬
folgte aus Vollkommener Gesundheit im März 1910, gleichfalls naohts,
der dritte im Mai 1910 auf der Strasse. In der Folgezeit traten noch
einige grosse Anfälle mit Bewusstlosigkeit und Zungenbiss auf, daneben
aber zahlreiche kleine Anfälle, in denen Patient (bei erhaltenem Bewusst¬
sein) abnorme Sensationen Im linken Gesicht und linken Arm Und Rand
sowie einen bitteren Geschmack auf der linken Eungenhälfte fühlte. Diese
sensiblen Auren Waren mit einem aufsteigenden Angstgefühl Verbundeb
und verliefen jedestaäl gabz gleichartig, ln letzter Zeit ginget] Solche
Auren auch dem grossen Krampfanfall häufig vorab, sö dass Patient
stets fccit hatte, zur Verhütung des ßungbhbisses ein Taschentuch zwischen
die Zähne zu steckefcu
tm September 1910 wurde er 4 Wochen in der Nervenklinik der
Charite 2 ) beobachtet. Es wurden dort mehrere typische epileptische
Anfälle mit Pupi lienstarre ärztlich beobachtet, die jedesmal im llbkfeh
Facialis begannen, nachdem sieb der Kopf nach links gedreht hätte;
auf linken Arm und linkes Bein übergingen und zuletzt unteir
Bewusstseinsverlust auch die rechte Seite beteiligten. Einmal Wurde nach
dem Anfall deutlicher Habinski links beobachtet. Nach Einleitung dfet
Bromkur (8 g pro die) trat kein grosser Anfall mehr auf, nur noch
Auren. Röntgen: Erweiterung der Sella türcica, Aufhellungen am Occiput
und oberen Schädeldach, die von der Klinik als verdächtig bezeichnet
wurden, während die Sella noch für normal angesehen wurde. Befund
der Augenklinik: Völlig normal. Der klinische Befund war vollkommen
negativ, insbesondere fehlten Lähmungen, Sensibilitätsstörungen und
Klopfempfindlichkeit des Schädels. Die Diagnose wurde unter diesen
Umständen auf Epilepsie, pseudo-Jackson’sche Form, gestellt
und Aufnahme in die Epileptikeranstalt Wuhlgarten empfohlen.
Im März 1911 Aufnahme in die Edel’sohe Anstalt 4 ) in CharlOtten-
burg. Hier hatte er bis zum 80. Juni 3 grosse Anfälle. Befund negativ.
Diagnose: Epilepsie.
Im Jahre 1913 hatte Patient 5 grosse Anfalls, jeden 8.-8. tag
eine Aura,
Anfangs August 1918 trateb Zum erstenmal Kopfschmerzeb
auf, bald auch ein taubes Gefühl in der linken Hand, der gelegebt-
lich Gegenstände entfielen. Zunahme der Kopfschmerzen. Wenn er itn
Liegen den Kopf nach links drehte, Schwindel, Erbrechen. Nach
14 Tagen schmerzhaftes Druckgefühl am fechten Auge.
Ara 29. XI. 1913 wurde K. durch Herrn Dr. Wollenberg der Klinik
überwiesen mit der Diagnose „Hirntumor*, nachdem ein Augenarzt
Stauungspapille festgestellt hatte.
Befund: Sensorium frei, Pupillen in Ordnung. Leichte Parese im
linken unteren Facialis. Augenmuskeln, Zunge, Gaumensegel ohne Be*
Sonderheiten, Trigeminus in Ordnung. Cornealreflexe -f-. KeiD Nystagmus.
Keine Ataxie, Adiadokokinesis, Klopfempfindlichkeit des Schädels. Sensi¬
bilität für alle Qualitäten einschliesslich der Stereognosie intakt. Stauungs¬
papille rechts > links bei normalem Gesichtsfeld (Prof. Helbron). Puls
im Liegen 64, im Sitzen 86. Organe und Urin frei. Kraft der Extremi¬
täten, Reflexe, Sprache, Gehör, Geruch in OrdnuDg. Temperatur normal.
Die Diagnose bot keine besonderen Schwierigkeiten. Die
allgemeinen Hirndruckerscheinungen (Kopfschmerzen, Erbrechen,
Schwindel, Pulsverlangsamung, Stauungspapille) sprachen zwingend
für einen raumbeschränkenden Prozess. Die Seitendiagnose war
durch den stets gleichbleibenden Ablauf der motorischen nnd
sensorischen Reizerscheinungen sowie die Facialisparese und den
Babinski auf der gekreuzten Seite gegeben. Die Jackson’schen
Anfälle mussten auf eine Reizung der Centralwindungen bezogen
werden und gestatteten, bei dem Ueberwiegen der sensorischen,
sowie dem Fehlen nennenswerter Lähmungserscheinnngen trotz
der langen Dauer des Prozesses, den Schluss, dass der Prozess
die hintere Centralwindung mehr als die vordere bedrängte. Aus
dem Fehlen von Lähmung und Sensibilitätsstörung konnte auch
mehr auf eine Verdrängung als auf eine Zerstörung der Central-
1) Nach einer Demonstration in der Berliner med. Gesellschaft am
17. Juni 1914.
2) Die Krankengeschichte wurde uns freundlichst zur Verfügung
gestellt.
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UNIVERSUM OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1409
Windungen geschlossen werden. Deshalb war auch mehr auf sub-
corticalen als auf corticalen Sitz des Herdes zu rechnen, um so
mehr, als auch Klopfempfindlichkeit und Dämpfung des Per-
kussionsschalls am Schädel vermisst wurden, die bei Rindenherden,
wenn auch keineswegs immer, aber doch häufig gefunden werden.
Gegen subcorticalen Sitz sprachen auch nicht die Jackson’schen
Anfälle, da sie hier ebenso wie beim corticalen Sitz Vorkommen
können. Wegen des langen Wachstums (4 Jahre) der Geschwulst
konnte auf eine beträchtliche Grösse gerechnet werden, ohne dass
wegen der „Stummheit“ der ja rechtsseitigen Nachbargegenden
weitere Symptome (Sprache usw.) zu erwarten waren. (K. ist
rechtshändig.)
Demnach lautete die Diagnose: Tumor im Marklager der
rechten Hemisphäre, gegen die Rinde zu wachsend,
wahrscheinlich mehr unterhalb der hinteren Central¬
windung.
Die Diagnose wurde noch durch das Röntgenbild in er¬
freulicher Weise bestätigt und ergänzt. Sie sehen auf dieser
Seitenaufnahme (Abbildung 1) einen deutlichen, unregelmässigen
Schatten, etwa 6 cm tief unter der Schädelkapsel. Durch die
beiden Bleimarken hatten wir vor der Aufnahme die ange-
Abbildung 1.
Abbildung 2.
noramene Lage desTumors durch Kocher s Kraniometer
fixiert. In der Frontalaufnahme (Abbildung 2) sehen Sie den¬
selben Schatten 1 cm von der Schädelkapsel bis 4 cm in die Tiefe
reichend. Ein so starker Schatten konnte nur von Verkalkungen
des Tumors herstammen. Da diese aber erfahrungsgemäss fast
nie den ganzen Tumor, sondern nur mehr oder minder grosse
Teile desselben betreffen, so sprach auch der nicht unbeträchtliche
Schatten für eine erhebliche Grösse der Geschwulst.
Iu den folgenden Tagen nahmen Kopfschmerzen und Stauuogspapille
rapide zu, es traten noch Doppelbilder infolge einer rechtsseitigen Ab-
ducensparese auf, die wohl durch Fernwirkung auf den VI. Nerven in
seinem basalen Verlauf zu deuten war. Wir entschlossen uns nunmehr
zur Operation.
Unger: 6. I. 1914 Operation: Lokalanästhesie, Bildung eines
über handtellergrossen Knochenlappens, entsprechend der rechten Scheitel-
lappeDgegend. Die Dura ist stark gespannt, man fühlt eine Resistenz
am oberen Pol der freigelegten Stelle, also nicht weit von der Mittel¬
linie. Bildung eines viereckigen Duralappens, mit der Basis nach unten.
Man sieht in der oberen Hälfte der hinteren CentralwinduDg, mehr zum
Scheitellappen hin, eine einpfenniggrosse dunkelblaue Masse aus der
Gehirnsubstanz hervorquellen, an einer Stelle der Dura adhärent. Der
Knochen wird bis dicht an die Medianlinie abgetragen. Man fühlt unter
der Hirnrinde unregelmässige Resistenzen, die nach Abschieben der
deckenden Hirnrinde fast allein hervorquellen, teils mittels Saugglas
(nach Krause) zum Vorschein kommen, kleinapfelgross; schliesslich
hängt noch in der Tiefe ein TumorzapfeD, nach dessen Entfernung der
Seiten Ventrikel in Fünfmarkstückgrösse freiliegt; der Ventrikel ist er¬
weitert, mit klarem Liquor gefüllt, in der Tiefe flottiert Tela chorioidea.
Die Atmung stockt; der Kranke wird wiederholt laut angerufen: „tief
Luft holen“, und schon nach einer Minute setzt regelmässig die
Atmung ein.
Zur Ueberbriickung des grossen Duradefektes und um den Ventrikel
zu deckeö, wird ein freier Fascienlappen mit erheblicher Fettauflagerung
aus dem Oberschenkel entnommen (etwa 7:7 cm), nach allen Richtungen
unter die Dura geschoben und so vernäht, dass er nur wenig gespannt,
das Loch im Seitenventrikel (wie ein geblähtes Segel etwa) verschloss;
das aufgelagerte Fett diente etwas dazu, den Defekt zu füllen, darüber
wird die Dura vernäht.
Die Heilung der Wunde erfolgte glatt, bis auf wiederholt sich ab-
stossende Knochensequester.
Der Tumor, ein Eodotheliom, von Prof. Bielschowski untersucht,
wog 85 g, war 7 cm lang, 5 cm breit, von der Duraoberfläche 7 cm in
die Tiefe reichend; er enthält Kalksubstanz.
Um Ihnen Lage und Grösse der Geschwulst zu veranschau-
liehen, haben wir die exstirpierte Geschwulst in ein fremdes Ge¬
hirn eingelegt, und Sie sehen auf Abb. 3 wie der Befund nach
Eröffnung des Schädels ungefähr aussah. Die Geschwulst sah als
dunkle Masse zwischen den Hirnwindungen heraus. Auf der
anderen Hemisphäre haben wir durch Schnitte die Ausdehnung
angedeutet.
Abbildung 3.
Abb. 4 zeigt die in den ausgeschnittenen Defekt eingesetzte
Geschwulst, Abb. 5 zeigt, nach der Tiefe der Geschwulst be¬
messen, dass sie in den Seitenventrikel hereioreichen musste.
Daneben die Originalgeschwulst.
Vom Gesichtspunkte des Chirurgen sei hervorgehoben: Die
Operation ist hier einzeitig durchgeführt, während von den meisten
4
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Nr. 30.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Abbildung 4.
Abbildung 5.
Offenor SeJteiiveiitrikpl.
die zweizeitige Methode empfohlen wird; ich versuche, wo es
irgend geht, stets einzeitig vorzugehen. Der ganze Akt liess sich
in Lokalanästhesie durchführen, der Patient blieb auch während
der Atemstockung bei vollem Bewusstsein, auch die Entfernung
des Tumors tief aus dem Gehirn verursachte keinen Schmerz.
Die Blutung, die bekanntlich recht unangenehm werden kann
und eine Ursache zum zweizeitigen Vorgehen sonst bildet, be¬
herrsche ich leicht durch kontinuierliches Absaugen; ich habe
auf diesen Hilfsgriff wiederholt hingewiesen, doch ist er nicht
beachtet oder falsch verstanden worden.
Alexander: Nach der Operation erholte sich Patient schnell. Aus
der VII-Parese war zunächst eine Paralyse geworden, die jedoch in
einigen Tagen zurückging. Die Kopfschmerzen Hessen schnell nach, kein
Erbrechen mehr. Die Stauungspapille war noch unverändert. Ara 28. I.
1914 bekam Pat. einen schweren epileptischen Anfall. Danach
bestand eine sogenannte mimische Facialisparese links, d. h. der
Facialis gehorchte bei willkürlicher Innervation dem Willen, blieb aber
bei unbewussten, psychoreflektorischen Bewegungen (Lachen) deutlich
zurück. Diese Erscheinung, welche als Herdsymptom des Thalamus
opticus bekannt ist, konnte in unserem Fall nicht überraschen, da bei
der bedeutenden Verschiebung der Teile durch die Entfernung eines so
grossen Tumors sehr wohl auch der Thalamus in der Tiefe durch Blutung
oder Oedem geschädigt werden konnte. Die Temperatur verlief im ganzen
normal, mehrfach traten kleine Steigerungen durch Liquorstauung auf,
die durch Punktion von der Wunde aus beseitigt wurden. Am 4. II.
wurde Ataxie und Hypästbesie für alle Qualitäten im linken Arm, be¬
sonders in den Fingern, festgestellt. Am 11. II. abermals ein schwerer
epileptischer Anfall. Babinski links. Die mimische Vll-Parese besteht
weiter. Brorabehan d lung.
19. II. Mehrfach sensorische und motorische Auren im linken Arm.
Kein Krampfanfall mehr.
31. III. Entlassung. 11. V. Aufnahme der Arbeit. Seitdem ist Pat.
beschwerdefrei. •
Der jetzige Status ist der folgende:
Demonstration: Facialis in der Ruhe und bei Bewegungen (ge¬
wollten und unbewussten) intakt. Als Rest der früheren Lähmung be¬
steht, wie Sie sehen, nur noch das bekannte Symptom, dass Patient wohl
das rechte, nicht aber das linke Auge isoliert schliessen kann.
Die grobe Kraft des linken Armes ist normal. Sie sehen, wie
er einen schweren Stuhl bis zur Horizontalen hebt. Er steht mit ge¬
schlossenen Augen und macht eine prompte Kehrtwendung ohne
Schwanken. Es besteht keine Spur von Ataxie, der Fingernasenversuch
fällt tadellos aus. Die Reflexe sind in Ordnung. Die Stauungspapille
ist verschwunden. Das einzige Symptom, welches noch festzustellen
ist, ist folgendes: Am linken Arm ist die Sensibilität für alle
Qualitäten auch nicht andeutungsweise gestört: Berübrungs ,
Schmerz- und Temperaturempflndung, DrucksioD, Gelenksinn, und Lokali¬
sation sind intakt. Und doch ist Patient nicht imstande, Gegen¬
stände, die man ihm in die linke Hand legt, zu erkennen.
Diese Störung, welche in solcher Reinheit nur äusserst selten beschrieben
ist, nennt man Stereoaguosie; sie gilt als Herdsymptom der hinteren
C’entralwindung und des anstossenden Scheitellappens. Da sie vor der
Operation nicht bestand, ist sie als, allerdings einzige, Operations-
scbädiguDg anzuseheu.
Noch ein Wort über die Prognose. Wir glauben dieselbe
günstig stellen zu dürfen, aus folgenden Gründen: Der Tumor
war abgekapselt und ist anscheinend in toto entfernt worden. Er
ist sehr langsam gewachsen und hatte an sich die Tendenz zu
regressiven Vorgängen (Verkalkung). Der Kranke ist nun seit
G Monaten geheilt, während gerade bei Hirntumoren Recidive
häufig schon in den ersten Wochen und Monaten beobachtet
werden. Mit der Möglichkeit des Eintretens einer Narbenepilepsie
muss natürlich gerechnet werden.
M. H.! Die Bedeutung des Falles liegt, kurz zu-
sammengfasst, in folgenden Punkten: Trotz fast dauernder,
sachverständigster Beobachtung treten erst nach vierjähriger
Dauer der Epilepsie die ersten Tumorsymptome auf.
Auch daun blieben die Lokalsymptome nur äusserst gering bei
der enormen Grösse der .Geschwulst. Der Tumor ist — gleich¬
falls ein sehr seltenes Vorkommen — direkt im Röntgenbilde
sichtbar. Die Operation wird gänzlich in Lokalanästhesie durch¬
geführt und der Seitenventrikel weit eröffnet. Als einziger Defekt
bleibt eine reine Stereoagnosie. Und schliesslich, was das
wichtigste ist: es tritt vollkommene Heilung ein.
Ueber die wissenschaftlichen Vorstudien und
Grundlagen zum Friedmann’schen Mittel.
Von
F. F. Friedmann.
Es dürfte bekannt sein, dass ich den Schildkrötentuberkel¬
bacillus 1902/03 entdeckt 1 )» reingezüchtet 2 ) und die Schildkröten¬
tuberkulose eingehend beschrieben 3 ) habe. Ich erhielt damals
zwei an hochgradiger Lungentuberkulose eingegangene Seeschild¬
kröten und konnte hier zum erstenmal spontane Lungen¬
tuberkulose bei einem Kaltblüter überhaupt feststellen.
Der aus der zweiten dieser Schildkröten von mir reingezüchtete
Tuberkelbacillus vermochte in warmblütigen Tieren Knötchen zu
erzeugen, die jedoch, wenn die Dose nicht zu enorm hoch gewählt
wurde, abheilten; die Tiere gingen niemals an Tuberkulose zu¬
grunde. Wenn dieser Stamm also auch fast avirulent war, und
wenn auch die Knötchen im Meerschweinchenkörper nie zur Tuber¬
kulose führten, so waren doch diese Bacillen noch nach Jahren
im Körper dieser Versuchstiere nachweisbar.
Da jedoch dieser Bacillus nicht nur bei niederen Temperaturen,
sondern auch bei 37° gut wuchs, und da ausserdem seine bei
37° gewachsenen Kulturen den Kulturen der menschlichen Tuber¬
kulose und der Rindertuberkulose zum Verwechseln ähnlich sahen,
so lag mir der Gedanke nahe und ist von mir auch bereits io
den Jahren 1903—1905 ausgeführt worden, diesen Tuberkelbacillen-
stamm lebend zu immunisierenden und therapeutischen
Tierversuchen zu verwenden.
1) D.m.W., 1903, Nr. 2 u. Nr 26
2) Zbl. f. Bakt., 1903, Bd. 34.
3) Zschr. f. Tub., 1903, Bd. 4, H. 5.
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27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE 'WOCHENSCHRIFT.
1411
In der Tat gelang es, Meerschweinchen, die für die Tuber*
kuloseiofektion allerempfänglichsten Säugetiere, durch Vorbehand¬
lung mit jenem Stamm soweit zu immunisieren, dass sie, wenn
sie in den ersten Monaten nach der Infektion mit menschlichen
Tuberkelbacillen zu einer Zeit, wo die Eontrolltiere bereits an
allgemeiner Tuberkulose gestorben waren, zugrunde gingen oder
getötet wurden, gewöhnlich noch frei von Tuberkulose waren;
schliesslich gingen sie auch zugrunde, doch überlebten sie die
Kontrollen um das 2—3 fache, ja noch länger.
Ein mit jenem Stamm 2 mal injiziertes, perlsüchtiges Rind 1 ),
welches vor der Behandlung auf 0,6 ccm Koch’scbes Tuberkulin
von 38,5°—41° reagiert hatte, wurde geheilt; es zeigte 6 Monate
später mit der 4 fachen Menge Tuberkulin wie das erste Mal
(2,0 ccm) geprüft, keine Spur einer Reaktion mehr, war auch nach
Körpergewicht und Temperaturverlauf als geheilt zu betrachten.
Sektionsbefund: Zwei Trachealdrüsen enthalten alte verheilte, ver¬
kalkte bzw. in Verkalkung begriffene Herde und beide Drüsen
sind von derbem, mehrschichtigem Bindegewebe umgeben und
vollständig abgekapselt. Alle sonstigen Körperdrüsen des Rindes
und alle inneren Organe sind vollkommen freigeblieben und zeigen
keine Spur tuberkulöser Erkrankung.
Längere Zeit nachdem ich 1903 meine Meerschweinchen-
Immunisierung publiziert hatte 2 ), erschien 1904 Möller’s erste
Veröffentlichung über seine Immuni9ierungsversucbe mit seinen
Blindscbleichenbacillen, sowie über seinen Versuch am eigenen
Körper. Beides wurde von Liebreich 3 ) kritisch widerlegt, der
ausführte 4 ), dass der Möller’sche Meerschweinebenversuch miss¬
glückt und sein Autoinoculationsversuch ohne Beweiskraft sei.
Und in der Tat ist ja, da Dach den Veröffentlichungen des
Kaiserlichen Gesundheitsamts von Weber und Taute alle diese
nach Art der Möller’schen Blindschleichenbacillen bei niederen
Temperaturen wachsenden, säurefesten Sapropbyten auch in
zahlreichen gesunden, kaltblütigen Tieren Vorkommen,
die von Möller behauptete Transformation der menschlichen
Tuberkelbacillen in „Blindschleicbentuberkelbacillen“ als wider¬
legt und irrig anzusehen und ein immunisatorischer oder thera¬
peutischer Erfolg durch diese den Tuberkelbacillen viel zu fern¬
stehenden 5 ) Saprophyten, die allenthalben, auf der Weide, auf
Gräsern, in der Erde, am Moose zufällig Vorkommen, nicht zu
erwarten und auch nicht erzielt worden 6 ).
Seit 1902 habe ich daun die biologischen, bakteriologischen
und klinischen Studien mit Schildkrötentuberkelbacillen ununter¬
brochen fortgesetzt und habe mit verschiedenen Stämmen gearbeitet.
1904 habe ich 7 ) gelegentlich kurz berichtet, dass mir die Züchtung
eines zweiten Schildkrötentuberkelbacillenstammes gelungen war,
der einer wiederum spontan eingegangenen Schildkröte, diesmal
einer seltenen Landschildkröte entstammte, bei Temperaturen über
25° nicht wuchs und mir seiner ganzen Beschaffenheit nach un¬
geeignet, dem menschlichen Bacillus viel zu fernstehend schien,
nm immunisatorisch oder therapeutisch Erfolg zu versprechen.
Die mit diesem Stamm behandelten Säugetiere reagierten zwar
auch auf Koch’scbes Tuberkulin, aber nicht so prompt und typisch,
wie die mit Stamm I behandelten.
Uebrigens ist die Schildkrötentuberkulose * keine Seltenheit,
v. Betegh züchtete aus frisch gefangenen Schildkröten (wie ich
seinen brieflichen Mitteilungen entnehme, waren es Seeschildkröten)
Tuberkelbacillen. Ferner veröffentlichte Professor Dr. A. Möller
in der Staatsbürgerzeitung (Berlin, 25. Juli 1913), er hätte
im Frühjahr 1913 auch einen Schildkrötentuberkelbacillus aus einer
spontan eingegangenen Schildkröte, die er aus einem Tierexport-
gesebäft erhalten hätte, gezüchtet. Weber und Taute vom Kaiser¬
lichen Gesundheitsamt impften mit den von ihnen gewonnenen
Kaltblütertuberkelbacillen einige Landschildkröten, dieselben zeigten
in Leber, Milz, Nieren, besonders zahlreich auch in den Lungen,
graugelbe Knötchen.
Auch ich selbst züchtete dann noch einige weitere Bacillen¬
stämme aus spontan eingegangenen Schildkröten. Die meisten
derselben hatten ihr Temperaturoptimum bei 26°, über 30° kamen
sie nicht mehr fort.
Unter den weiteren zu Versuchszwecken frisch ange¬
schafften griechischen Landschildkröten (Testudo graeca), ging
1) vgl, Friedmann, D.ra.W., 1904, Nr. 46.
2) D.m.W., 1903, Nr. 50 und Ther. Mh., 1904.
3) vgl. Friedmann, D.m.W., 1904, Nr. 46.
4) Ther. Mb., 1904.
5) D.m.W., 1914, Nr. 18.
6) B.kl.W., 1912, Nr. 49, S. 2329.
7) 1904, Nr. 5.
eine, bevor sie in Versuch genommen werden konnte, im
Januar 1906 spontan ein. Aus ihren Organen züchtete ich den
dritten Scbildkrötentuberkelbacillenstamm. Das Tier war in einem
Kasten isoliert gehalten worden, niemals mit anderen in Berührung
gekommen und hatte als Futter ausschliesslich das übliche Schild-
kröteufutter, nämlich Salat, erhalten.
Bei der Sektion zeigten sich beide Lungen, die dorsal nur
mit Sobstauzverlust von der Schildplatte abgelöst werden konnten,
mit Knötchen, die zum Teil bereits käsig erweicht waren,
durchsetzt. Mehrfach waren diese Gebilde konfluierend, zu grösseren
Konglomeraten verschmolzen, die im Centrom Eioschmelzuog
zeigten. Auf diese Weise waren mehrfach kleine Höhlenbildungen
entstanden.
Mikroskopisch zeigten Bich die käsig erweichten Partien aus
ausserordentlich grossen Massen säurefester Bacillen bestehend,
dazwischen fanden sich abgestossene Epithelien, mono-polynucleäre
Leukocyten, Rundzellen und Zelldetritus. Die noch nicht erweichten
Knötchen besteben aus epitheloiden Zellen und hier und da spär¬
lichen Rieseuzelleo; auch in diesen eigentlichen Tuberkeln finden
sich intra- und extracelluläreBacillen, aber lange nicht so reichlich,
wie in den verkästen Partien. Zwischen den Knötchen bzw. den
verkästen Partien bemerkt man ganz normales, bacillenfreies
Lungengewebe.
Die Leber zeigte einige submiliare Knötchen, ist im übrigen
makroskopisch ohne pathologische Besonderheiten. Milz und Nieren
makroskopisch ebenfalls normal; mikroskopisch fanden sich in
allen drei Organen zahlreiche säurefeste Bacillen, aber nicht in
annähernd solchen Massen, wie in den Lungen.
Die Methode der Kultivierung war die gewöhnliche, wie
sie Koch angegeben hat, und wie ich sie nicht nur 1903 bei
meiner Züchtung meines ersten Schildkrötentuberkelstammes,
sondern auch bereits bei meinen 1901 veröffentlichten 1 ), aber bis
1898 zurückreichenden experimentellen Tuberkulosevererbungs¬
arbeiten im hiesigen hygienischen Institut angewandt habe, die
icb damals mit den von der Kgl. Preussiscben Akademie der
Wissenschaften und der Berliner medizinischen Fakultät gewährten
Geldmitteln ausführen konnte. Dieser kleine historische Hin¬
weis ist deshalb erforderlich, weil neuerdings von einer Seite be¬
hauptet wird, auf mein Ersuchen 1903 Reinkulturen aus einer
tuberkulösen Schildkröte herausgezücbtet und mich damals in der
Kulturzüchtung unterwiesen zu haben. Dieselbe Stelle behauptet
übrigens einerseits, dass sie, angeblich durch Verfütteruug bacillen¬
haltigen Sputums (??), bei zwei Fröschen und einer Schildkröte
die „gleichen“ Kulturen“ wie die „Friedmann’scben Kulturen“
gezüchtet haben will nnd versucht andererseits dieses Präparat,
also einfach Friedmann’sche Bacillen, unter eigenem Namen und
als angeblich eigenes Geistesprodukt mit besonderen „Schutz¬
zeichen“ der Aerztescbaft anzubieten.
Die Kultivierungsmethode bestand also einfach darin, dass
auf den für Tuberkelbacillen Üblichen Nährböden sowohl aus der
Lunge wie aus Leber uud Milz Kulturen angelegt wurden Aus
den Lungen wurde einerseits der schmierig-käsige Inhalt der er¬
weichten kleinen Höhlen direkt anf die Nährbodenoberfiäche ver¬
strichen, andererseits wurden Lungengewebsstückchen, die die noch
nicht erweichten Knötchen enthielten, zwischen Bterilen Glasplatten
zerquetscht und auch mit dem so erhaltenen, bacillenbaltigen
Gewebsbrei Kulturen angelegt. Auf allen aus der Lunge ange¬
legten Röhrchen wuchsen reichliche Kolonien, während von den
aus der Leber angelegten Röhrchen nur die Hälfte, von den aus
der Milz überhaupt nur ein Röhrchen vereinzelte, kümmerliche
Kolonien zeigte. Die Kolonien erwiesen sich mit den aus den
Lungen gewonnenen identisch.
Die ersten Kolonien erschienen am 6. Tage als kleinste eben
sichtbare Pünktchen, sie vergrösserten sich ziemlich gleich-
mässig und schnell, die kleinen weissgelblichen runden Gebilde
konfiuierten, und am 10.—12. Tage waren die meisten Röhrchen,
auf denen die Kultur angegangen, von einem feinen Belag über¬
zogen.
Das Wachstum der bei gewöhnlicher Zimmertemperatur
(18—25°) aufbewahrten, sowie der im Thermostaten von 37* ge¬
haltenen Kulturröhrchen war ein annähernd gleich intensives,
nur zeigten die ersteren eine mehr feuchte Oberfläche, während
die 37 °-Kulturen, wiederum den Säugetierkultureo sehr ähnlich,
ein trockenes feinkörniges Aussehen batten; es entstanden
da, wo sich die Bacillenrasen mehr flächenförmig ausdehnten,
trockene schilfende Schüppchen, die als ganzes von der Nähr-
1) Zsohr. f. klin. Med., Bd. 48, H. 1 u. 2.
4*
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30,
bodenoberfläche abhebbar waren, während an anderen Stellen die
Kolonien stark über die Näbrbodenoberfläche hervorwachsen, un¬
regelmässig prominierten und so die Kulturen schliesslich das
bekannte blumenkohlartige Aussehen der Tuberkulosekulturen ge¬
wannen. Schon die primär gewonnenen Kulturen und alle ihre
Abkömmlinge zeigten einen eigenartigen feinen charakteristischen
Geruch: etwas faulig, süsslich und doch nicht widerlich, manche
erinnert der Geruch an den Geruch der Hefe, andere wieder an Spargel.
Am intentivsten ausgesprochen ist dieser Geruch der Kulturen
auf flüssigen Nährböden, wo der Bacillus in Form von zarten
schwimmenden Oberflächenhäutchen, dann mit fortschreitender Ver¬
mehrung in Form immer dicker werdender, faltiger, runzeliger Häute
ebenfalls sehr gut fortkommt. Bei der mikroskopischen Unter¬
suchung zeigten sich die Bakterien als feine, ziemlich gleich-
mässig geformte, meist gerade verlaufende, seiten geschwungene,
2—4 ;t lange Stäbchen, die in der überwiegenden Mehrzahl
vollständig alkobol- und säurefest waren; auch bei stärkster
Entfärbung der Präparate durch absoluten Alkohol bzw. durch
Säuren behalten die allermeisten Bacillenindividuen ihre Tinktion
(durch Anilinwasserfuchsin, Carboifuchsin usw.) als leuchtend
rote Farbe bei, nur in ganz jungen, erst wenige Tage bestehenden,
so wie andererseits in alten, mehrmonatigen Reinkulturen finden
sich Bacillen, die nach der Entfärbung nur noch ganz blassrosa,
schemenhaft aussehen und dann auch sehr leicht durch die Kon¬
trastfarbe (Methylenblau) blau gefärbt werden oder aber eine
Zwischenfarbe (rotviolett) annehmen.
Tierversuche.
Mit der Reinkultur dieses Scbildkrötentuberkelbacillenstammes
wurden Meerschweinchen, Kaninchen und Schildkröten geimpft
und zwar sowohl mit der dem Nährboden mit der Platinöse frisch
entnommenen Kultur durch Implantierung in eine Hauttasche als
auch mit einer homogenen Emulsion bzw. Suspension der Kultur
in Bouillon, Kochsalz, Wasser usw. durch subcutane, intraperi¬
toneale, intramuskuläre, intravenöse Injektion.
Die in der ersten Zeit nach Gewinnung der Kultur (Fe¬
bruar/März 1906) geimpften Landschildkröten verloren bereits in
der zweiten Woche nach der Impfung die Fresslust und gingen
nach s / 4 —1 1 / 2 Monaten an allgemeiner Tuberkulose zugrunde,
während die 3 /a Jahre später (November, Dezember 1906) ge¬
impften Schildkröten viel weniger unter der Impfung litten: sie
blieben leben und wenn sie nach 3 und 4 Monaten getötet wurden,
so fanden sich wohl die injizierten Bacillen in die inneren
Organe (Lunge, Leber, Milz, Nieren) verschleppt, auch sah man
mikroskopisch Rundzellenanbänfungen, aber zu einer makro¬
skopisch erkennbaren, tödlichen Tuberkulose kam es nicht mehr.
Die in der ersten Zeit nach Gewinnung der Kultur (Februar,
März 1906) geimpften Säugetiere (Meerschweinchen und Kaninchen)
zeigten in den ersten Wochen nach der Impfung etwas ver¬
minderte Fresslust, Gewichtsverlust, weniger glattes Aussehen,
erholten sich aber dann, wenn sie nicht ah anderen interkurrenten
Krankheiten zugrunde gingen, allmählich und blieben am Leben:
kein einziges Tier ging an Tuberkulose zugrunde.
Schildkröte. 6. II. 1906. 1 Platinöse Reinkultur, Hauttasche.
15. III. Tot. Ueber erbsengrosser, teils käsig bröckeliger, teils
eiterig erweichter Herd, von sulzigem Gewebe umgeben an der Implan¬
tationsstelle. Lungen, Milz, Leber, Niere, zahlreiche kleine graue und
grössere gelbgraue Knötchen, die sämtlich dieselbe histologische Struktur
wie bei der Ausgangsschildkröte zeigen und ebenso wie der Herd an
der Stelle der Hauttasche zahlreiche, vollständig säurefeste Tuberkel¬
bacillen enthalten.
Schildkröte. 6. II. 1906. 0,5 com Kulturemulsion intraperitoneal.
3. III. Tot. Peritoneum, Leber und Milz mit zahllosen Knötchen
dicht durchsetzt, Lungen und Nieren nur vereinzelte, äusserst feine
Knötchen. Während die Peritoneal- und Leberknötchen mehr weiss¬
gelblich gefärbt sind und käsig weichen Charakter zeigen, sind die
Knötchen in den übrigen Organen grau. Letztere zeigen mikroskopisch
den typischen Tuberkelbau und enthalten nur spärliche Bacillen, während
die Peritonealknötchen, die mikroskopisch verkäsendes Gewebe zeigen,
von dichten Maasen von Bacillen vollgestopft sind.
Schildkröte. 16. XL 1906. 2 Platinösen Reinkultur, Hauttasohe.
12. III. 1907. Getötet. An der Hauttaschenstelle kleiner narbig
umschlossener käsiger Herd, der mikroskopisch zerfallenes Gewebe mit
zahlreichen Bacillen zeigt. Innere Organe makroskopisch ohne Befund.
Mikroskopisch enthalten LuDgen, Leber, Milz und Nieren, besonders
zahlreich Lungen und Leber, Anhäufungen kleiner Rundzellen mit ver¬
einzelten, meist intracellulär gelegenen Tuberkelbacillen.
Schildkröte. 17. XI. 1906. 1,0 ccm Kulturemulsion intra¬
peritoneal. , , _ .
13. II. 1907, Getötet. Zahlreiche kleine Knötchen auf dem Peri¬
toneum, sowie auf der Oberfläobe der Leber; Milz, Nieren und Lungen
zeigen makroskopisch keine Veränderungen, dagegen mikroskopisch Rund-
zellenanhäufungen mit Bacillen.
Graues Kaninchen. 6. II. 1906. 3 Platinösen Reinkultur, Haut¬
tasche.
5. V. 1906. Getötet. An der Stelle der Hauttasche stecknadelkopf¬
grosses, bröckelig körniges Herdchen, das lediglich aus Zelldetritus mit
ganz spärlichen, sich blassfärbenden, körnig zerfallenden Bacillen be¬
steht. Alle inneren Organe und Drüsen spiegelblank, normal, ohne ein
Knötchen. Mikroskopisch ebenfalls keinerlei Besonderheiten und keine
Bacillen nachweisbar.
Mit dem Herde der Hauttasche wird am 5. V. ein gelbweisses
Meerschweinchen Hauttasche implantiert. Dasselbe zeigt bei der am
1. VIII. vorgenommenen Tötung sich vollständig normal. Nirgends
Bacillen nachweisbar, auch nicht an der Impfstelle.
Weisses Kaninchen. 6. II. 1906. 0,5 com Kulturemulsion intra¬
venös. Linke Ohrvene.
6. V. 1906. Getötet. An der Oberfläche der Lungen 3 submiliare
harte Knötchen, sonst Lungen vollständig normal, ebenso die inneren
Organe und Drüsen makroskopisch normal. Mikroskopisch zeigen die
Knötchen sich aus Epitheloiden und Rundzellen mit ganz vereinzelten
zerfallenden Bacillen bestehend; die Knötchen sind scharf bindegewebig
umgrenzt. Das umgebende Lungengewebe ist völlig normal und b&cillen-
frei, ebenso zeigen die Lungen im übrigen, auf sehr zahlreichen Schnitten
untersucht, ganz normalen Bau, keinerlei pathologische Besonderheiten
und nirgends einen einzigen Bacillus.
Ein Stückchen der Kaninchenlunge mit einem Knötchen wird einem
orangeschwarz gescheckten Meerschweinchen in eine Haut¬
tasche implantiert am 6. V. 1906. Am l. VIII. wird das Meerschwein¬
chen getötet. Es zeigt vollkommen normale Organe, und es lassen sich
mikroskopisch auch an der Impfstelle keine Bacillen nachweisen.
Schwarzes Meerschweinchen mit weisser Blässe. 260 g.
6. II. 1906. 1,0 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
20. II. 310 g. Impfstelle verhärtet, regionäre Leistendrüsen, etwas
geschwollen, etwas druckempfindlich.
27. II. 290 g. Impfstelle erbseDgrosser Knoten, Drüsen stärker
geschwollen, auch rechtsseitige Leistendrüsen beginnen zu schwellen.
6. III. 280 g. Drüsen etwas kleiner geworden. Impfstelle entleert
etwas käsigen Eiter.
15. III. 250 g. Kleines Ulcus an der Impfstelle, fortdauernde
Sekretion. Drüsen wieder fast normal, unempfindlich.
28. III. 320 g. Ulcus fast verheilt. Drüsen normal.
12. IV. 890 g. An der Stelle des ehemaligen Impfgeschwürs junge
gesunde Haut, Drüsen normal.
25. IV, 425 g. Getötet. In der Milz und Leber mässig zahlreiche
weissgraue Knötchen. Uebrige Organe und alle inneren und äusseren
Drüsen ohne Veränderung. Die mikroskopische Untersuchung zeigt die
Knötohen aus Epitheloiden, hin und wieder eine Riesenzelle, bestehend,
in ihnen vereinzelte Bacillen.
Ein Stückchen der knötchenbaltigen Leber und Milz wird einem gelb*
grauen Meerschweinchen Hauttasche implantiert am 25. IV. 1906,
getötet 15. VII.: Alle. Organe makroskopisch und mikroskopisch voll¬
ständig normal, frei von Tuberkulose und von Baoillen, auch an der
Impfstelle keine Bacillen nachweisbar.
Schwarzweisses Meerschweinchen. 315 g. 6. II. 1906.
1,5 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
20. II. 340 g. An der Impfstelle bereits kleines Geschwür mit
käsigem Grunde. Regionäre Leistendrüsen diffus gesohwollen, druck¬
empfindlich.
27. II. 320 g. Geschwür vergrössert. Gegenseitige Leistendrüsen
intakt.
6. III. 360 g. Gesobwür wieder in Verkleinerung. Drüsen nicht
mehr druckempfindlich.
15. III. 400 g. Ulcus geheilt. Drüsen normal. — 12. IV. 470 g.
25. IV. 510 g. Bei bestem Wohlsein getötet. In der nur wenig
vergrösserten Milz einige soharfumsohriebene, kaum steoknadelkopfgrosse
Körnchen, alle übrigen Organe vollständig normal. Mikroskopisch: die
Knötchen bestehen aus epitheloiden Zellen, zeigen im Centrum be¬
ginnende Verkäsung und naoh langem Suohen vereinzelte zerfallende
Bacillen.
Einige herausgeschälte Milzknötchen, die regionären Leistendrüsen,
ein Stückchen Subcutangewebe von der Impfstelle werden einem orange-
schwarzen Meerschweinchen Hauttasche implantiert am 25. IV. 1906,
getötet 20. VII.: Alle Organe makroskopisch und mikroskopisch voll¬
ständig normal, frei von Tuberkulose und von Bacillen.
Orangeweisses Meerschweinchen. 300 g. 6. II. 1906. 1,5 ccm
Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
20. II. 825 g. An der Impfstelle kleinerbsengrosses Knötchen.
Eine regionäre Leistendrüse vergrössert und verhärtet.
27. II. 360 g. Derselbe Befund.
6. III. 875 g. Impfknötchen bedeutend verkleinert, weinbeerenk® rD '
gross, Drüse zurückgegangen.
15. III. 405 g. Impfstelle nicht mehr fühlbar. Drüsen normal.
12. IV. 450 g. Normal. ... .
25. IV. 475 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Auf der Oberfläche
der nicht vergrösserten Milz sowie der Leber ganz vereinzelte (8 oder v
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27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1413
weissgrane Fleckchen, im übrigen diese und alle übrigen Organe normal.
Tier in ausgezeichnetem Ernährungszustand. Mikroskopisch: Rundzellen-
anhäufungen mit intracellulären Bacillen, das umgebende Gewebe normal
und bacillenfrei.
Bin kleines Stückchen der Leber und Milz, welches die erwähnten
Fleckchen enthält, sowie ein Stückchen der yergrössert gewesenen
Leistendrüse werden einem schwarzgelben Meerschweinchen
in die Hauttasche implantiert am 25. IV. 1906; getötet 30. VII.: Alle
Organe makroskopisch und mikroskopisch vollständig normal, frei von
Tuberkulose und von Bacillen.
Gelbes Meerschweinchen. 275 g. 6.11.1906. 1,0 com Kultur*
emulsion intraperitoneal.
20. II. 240 g. Frisst schlecht. Haar struppig. — 27. II. 220 g.
Desgleichen. — 6. III. 270 g. Fühlt sich besser an. — 15. III. 310 g.
Offenbar gesund. — 12. IV. 390 g. Desgleichen. — 25. IV. 435 g.
Bei bestem Wohlsein getötet. Auf dem Netz einige gelbliche, scharf um¬
schriebene Knötchen, Milz mit der Bauchwand verwachsen, nicht ver-
grossert, keine Knötchen. Leber stellenweise mit Darmschlingen ver¬
wachsen, spiegelblank, keine Knötchen. Auch übrige Organe normal.
Netzknötchen mikroskopisch: Epitheloide und polynucleäre Leukocyten,
im Centrum beginnende Verkäsung, Zelldetritus, ganz vereinzelte Bacillen.
Einige Netzknötchen sowie adhärente Stellen der Leber und Milz werden
auf ein gelbgraues Meerschweinchen in die Hauttasche im¬
plantiert am 25. IV. 1906; getötet 25. VII.: Alle Organe normal, auch
mikroskopisch keinerlei Besonderheiten. Nirgends Bacillen nachweisbar,
auch nicht an der Impfstelle.
Weisses Meerschweinchen. 250 g. 20.11.1906. 1,5 ccm Kultur¬
emulsion intraperitoneal.
27. II. 190 g. Mager. Struppiges Haar, sitzt still zusammengekauert.
— 6, IIL 200 g. Desgleichen. — 15. III. 230 g. Frisst besser. —
12. IV. 290 g. Normal. — 25. IV. 355 g. Gut imstande. — 10. V.
890 g. Bei bestem Wohlsein getötet: Einige weisse Fleckchen auf der
Oberfläche der Leber, sonst ganz normal, nirgends Adhäsionen, auch
übrige Organe völlig normal.
Ein fleckchenhaltiges Stückchen der Leber wird einem neuen weissen
Meerschweinchen in eine Hauttasche implantiert, dasselbe wird am
1. VIII. getötet: völlig normal, auch mikroskopisch keinerlei Besonder¬
heiten. Nirgends Bacillen nachweisbar.
Gelbgraugelbes Meerschweinchen. 300g. 20.11.1906. 1,5 ccm
Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
27. II. 320 g. Impfstelle kirschkerngrosses Knötchen. Regionäre
Leistendrüsen etwas druckschmerzhaft und geschwollen.
6. III. 355 g. Knötchen höchstens noch weinbeerenkerngross. Drüsen
nicht mehr schmerzhaft. Schwellung geringer.
15. III. 380 g. Impfstelle und Drüsen normal. — 12. IV. 470 g.
Normal. Gut imstande. — 25. IV. 500 g. Desgleichen. — 10. V. 520 g.
Desgleichen. — 15. Mai. 535 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Voll¬
kommen normaler Befund. Alle Organe normal.
Graues Meerschweinchen. 240 g. 20.11.1906. 1,0 ccm Kultur¬
emulsion subcutan linke Bauchseite.
27. II. 220 g. Impfstelle kleine diffuse Verhärtung. Von dieser
führt ein schmaler Strang zu den regionären Leistendrüsen, die druck-
schmerzhaft und etwas geschwollen sind.
6. III. 265 g. Impfstelle weicher. Strang und Drüsen nicht mehr
schmerzhaft
15. III. 290 g. Impfstelle kaum noch fühlbar. Drüsen zurück-
gegangen.
12. IV. 350 g. Impfstelle und Drüsen normal. — 25. V. 385 g.
Sehr gut imstande.
10. V. 450 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Auf der Leber und
Milz einige weissgraue Knötchen, die mikroskopisch spärliche in Körnchen
zerfallende Bacillen zeigen. Die übrigen Organe makroskopisch und
mikroskopisch normal.
Mit Stückchen der Leber, der Milz sowie der geschwollen gewesenenen
Leistendrüsen werden ein orangeweisses Meerschweinchen sowie
eine Landschildkröte in die Hauttasche implantiert.
Resultat (am 1. August beide Tiere bei gutem Wohlsein getötet):
Meerschweinchen bei makroskopischer und mikroskopischer Unter¬
suchung normal, auch keine Bacillen mehr nachweisbar.
Schildkröte: An der Hauttaschenstelle kleinerbsengrosser käsiger
Herd mit massig zahlreichen Bacillen, innere Organe (Lunge, Leber,
Milz, Nieren) makroskopisch normal, zeigen bei mikroskopischer Unter¬
suchung mitten im sonst ganz normalen Gewebe Häufchen von Rund¬
eten mit Bacillen.
Der käsige Hauttaschenherd der Schildkröte sowie Stückchen der
jungen, Leber und Milz werden wiederum auf ein neues orange¬
farbiges Meerschweinchen in die Hauttasobe am 1. VIII. verimpft.
dasselbe zeigt vorübergehende Schwellung au der Impfstelle mit Drüsen-
Terhartung, ist aber, am 7. XI. getötet, vollkommen normal; innere Or¬
gane ohne jede Besonderheit, nirgends mehr Bacillen nachweisbar.
Weissgelbschwarzes Meerschweinchen. 260 g. 27. II. 1906.
° CC ? ^ uIturen *ulsion subcutan linke Bauchseite.
|jL 285 g. Impfstelle und regionäre Leistendrüsen verhärtet.
19 tu ff- Impfstelle und Drüsen stärker geschwollen.
IV. 380 g. Impfstelle nicht mehr fühlbar. Drüsen normal.
25. IV. 415 g. Normal.
10. V. 450 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Alle inneren Organe
und Drüsen vollkommen normal, auch mikroskopisoh ohne pathologischen
Befund. Bacillen nicht nachweisbar.
SchwarzweissesMeerschweinchen. 250g. 6.III. 1906. 1,5com
Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
, 15. III. 290 g. Kleines Ulcus an der Impfstelle, regionäre Leisten¬
drüsen etwas verhärtert und geschwollen.
25. III. 305 g. Ulcus io Heilung. Drüsenschwellung geringer.
12. IV. 350 g. Getötet. Impfstelle und Drüsen normal. Vereinzelte
Knötchen in der wenig vergrösserten Milz und in der Leber.
Aus den zerquetschten Milz- und Leberknötchen werden
Kulturen angelegt: es wachsen äusserst spärliche Kolonien
der unveränderten Stammkultur der Schildkrötentuberkel¬
bacillen.
Orangeschwarzweisses Meerschweinchen. 270 g. 27. IIL
1906. 2,0 ccm Kolturemulsion subcutan linke Bauchseite.
6. III. 290 g. Geringe Schwellung an der Impfstelle. Regionäre
Drüsen verhärtet und etwas geschwollen.
15. III. 320 g. Ganz kleine stecknadelkopfgrosse Ulceration an der
Impfstelle. Drüsenschwellung geringer, aber noch etwas verhärtet.
25. III. 360 g. Ulceration entleert noch etwas dünnkäsiges Sekret.
I Drüsen unverändert.
12. IV. 405 g. Impfstelle verheilt, mit feinem Schorf bedeckt.
Drüsen wieder fast normal.
25. IV. 430 g. Impfstelle fast vernarbt. Drüsen normal.
10. V. 450 g. Normal.
19. V. 475 g. Getötet bei bestem Wohlsein. Alle Organe voll¬
ständig normal, nirgends ein Knötchen. Auch mikroskopisch nichts
Pathologisches, nirgends Bacillen nachweisbar.
Orangeschwarzes Meerschweinchen mit weisser Blässe-
225 g. 27. II. 1906. 1,0 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
6.111. 240 g. Schmerzhafte Schwellung an der Impfstelle.
15. IIL 230 g. Schwellung an der Impfstelle etwas yergrössert,
regionäre Leistendrüsen etwas verhärtet.
25. III. 250 g. Schwellung an der Impfstelle etwas härter und
schärfer umschrieben, zeigt keine Neigung zum Durchbruch. Drüsen
unverändert.
12. IV. 290 g. Impfsehwellung kleiner, aber nicht weicher. Drüsen
zurückgegangen.
25. IV. 325 g. Aeusserer Befund unverändert. Bei Palpation ist
eine geringe schmerzhafte Milzschwellung deutlich fühlbar.
10. V. 315 g. Status idem. Milztumor etwas stärker.
25. VI. 390 g. Impfstelle und Leistendrüsen ganz normal. Milz¬
tumor kaum noch wahrnehmbar, auch ist die Palpation der Milzgegend
gar nicht mehr schmerzhaft.
12. VII. 440 g. Normal. Sehr gut imstande.
25. VIII. 525 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Vollständig nor¬
maler Befund. Auch mikroskopisch nichts Pathologisches und keine
Bacillen nachweisbar.
Schwarzgelb gesprenkeltes Meerschweinchen mit weisser
Blässe. 260 g. 27.11.1906. 1,5 ccm Kulturemulsion subcutan linke
Bauchseite.
15. III. 250 g. Impfstelle zeigt bohnengrosse Verhärtung. Geringe
druokschmerzhafte Schwellung der regionären Leistendrüsen.
12. IV. 300 g. Impfstelle nur noch als stecknadelkopfgrosses
Knötchen fühlbar. Drüsen schmerzlos, selbst bei stärkstem Druck, nicht
mehr geschwollen, dagegen scheint eine geringe Vergrösserung der Milz,
deren Palpation aber nicht schmerzhaft ist, zu besteben.
10. V. 370 g. Milzschwellung nicht mehr nachweisbar. Normaler
Befund.
25. VI. 425 g. Desgleichen. Normaler Befund.
12. VII. 480 g. Sehr gut imstande.
25. VIII. 600 g. Bei bestem Wohlsein getötet. Alle Organe spiegel¬
blank, normal, ohne Knötchen. Milz klein, glatt, nirgends Knötchen,
nirgends Adhäsionen, nirgends Narben. Auch mikroskopisch nichts Patho¬
logisches und keine Bacillen nachweisbar.
Zusammenfassung. Die in der ersten Zeit mit der
frisch gewonnenen Schildkrötentuberkelbacillenkultur
geimpften Meerschweinchen gingen niemals infolge der
Impfung zugrunde und wurden auch niemals tuberkulös:
Die inneren Organe blieben entweder ganz ohne jede
Veränderung, oder aber, was häufiger der Fall war, es
kam in den ersten Monaten durch Verschleppung einiger
Bacillen zu regionären DrüsenschWellungen, zur Ent¬
wicklung einzelner Knötchen in Leber, Milz, auf dem
Netz; dieselben waren aber stets harmloser, regressiver
Natur und verschwanden samt den Bacillen bei den
Tieren, die länger am Leben gelassen wurden, von selbst.
Auch wurde durch Weiterverimpfung solcher Drüsen und
Knötchen auf frische Meerschweinchen niemals irgend¬
ein pathogener Effekt erzielt: Die Impftiere wurden
nie in ihrem Wohlbefinden gestört, blieben vollständig
frei, und diese Impfungen verliefen ausnahmslos negativ.
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UNIVERSUM OF IOWA
1414
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
Aus alledem ergibt sich, dass dieser Schildkrötentuberkel-
bacilleostamm von Anfang an avirulent, nicht etwa schwach virulent
war. Unter einem schwach virulenten Erreger versteht die Bakterio¬
logie einen solchen, der eine zwar langsame, milde, aber doch
stetig fortschreitende Infektion zu erzeugen imstande ist, und der
sich in dem betreffenden befallenen Individuum (Tier oder Mensch)
dauernd am Leben erhält. Beides ist hier nicht der Fall: Der Bacillus
ist im Meerschweinchen, dem tuberkuloseempfänglichsten Säuge¬
tierkörper, den wir kennen, keine fortschreitende Infektion zu er¬
zeugen imstande, und er hält sich in demselben nicht dauernd
am Leben. Es kommt vielmehr nur zu einer vorübergehenden,
regelmässig abortiv verlaufenden Knötchenbildung; später gehen
Knötchen und Erreger zugrunde.
Aber auch diese knötcbenbildende Fähigkeit gelang es dem
Bacillus durch fortgesetzte Umzüchtungen zu nehmen oder die¬
selbe jedenfalls auf ein Minimum zu reduzieren. Nachdem nämlich
die Kultur nicht, wie früher immer üblich war, alle 4—6 Wochen
uberimpft, sondern jahrelang in sehr kurzen Intervallen, bereits
nach wenigen Tagen auf neuen künstlichen Nährboden übertragen
war, war diese knötcbenbildende Fähigkeit fortschreitend ver¬
ringert worden, ja nahezu verschwunden, so dass nur noch äusserst
selten die, natürlich stets vorübergebende, Entwicklung von Knötchen
überhaupt beobachtet wurde. Es batte also die lange Zeit
konsequent fortgesetzte, alle paar Tage erfolgende Umzüchtung
von Nährboden zu Nährboden, durch welche die kaum entwickelten
Bacillenkolonien immer wieder gezwungen wurden, sich immer
wieder plötzlich neuen Lebensbedingungen anznpassen, diesen
günstigen Effekt
Ganz schwarzes Meerschweinchen. 400 g. 1. XII. 1907.
2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5.1. 1908. 550 g. An der Injektionsstelle Infiltrat. Leistendrüsen
etwas verhärtet.
15. III. 750 g. Kleiner Rest eines weichen Infiltrats. Drüsen nur
noch wenig vergrössert. Tier sehr gut imstande.
15. IV. 770 g. Infiltrat und Drüsenschwellung verschwunden.
31/2 Uhr 38,4°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’scbes Tuberkulin sub-
cutao. l l l 2 Uhr 38,65°.
30. IV. 780g. II. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
20. V. 800 g. Sehr gut imstande. 2. VII. 800 g. Desgleichen.
9. VIII. 820 g. III. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion subcutan.
30. IX. 850g. Tot. Enteritis. Sonst ganz normal. Alle Organe
gesund. Nirgends ein Knötchen.
Schwarzweisses Meerschweinchen mit schwarzen Augen-
flecken und weisser Blässe. 375 g. 5.1. 1908. 1 ccm Kultur¬
emulsion subcutan linke Bauchseite.
15. III. 550 g. Impfstelle und Drüsen normal. Keine Schwellung.
5, IV. 575 g. Desgleichen. 3Va Uhr 39,2°. Unmittelbar darauf
0,01 ccm Koch’scbes Tuberkulin subcutan. 7*/ 2 Uhr 39,2°.
30. IV. 625g. II. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
2. VII. * 700 g. Normal.
9. VIII. 720 g. III. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion subcutan.
11. XI. 75*0 g.
31 I 1909 750 g. 12 Uhr 38,9°. Unmittelbar darauf 0,02 ccm
Koch’sches Tuberkulin. 5 Ubr 39,15°. 31. III. 750 g. Normal. 20. VI.
760 g. Desgleichen.
2. III. 1910. Tot. Frische Pneumonie. Alle Organe frei von
Knötchen. Auch bei mikroskopischer Untersuchung nichts
Pathologisches und nirgends Bacillen nachweisbar.
Weisses Meerschweinchen, hinten schwarzer Fleck, am
Kopf zwei orange Flecke. 425 g. 1. XII. 1907. 1 ccm Kultur¬
emulsion subcutan linke Bauchseite.
5.1.1908. 550 g. Geringes Impfinfiltrat. Keine vergrösserten Drüsen.
15. III. 625 g. Normal. Kein Infiltrat mehr.
5. IV. 3 S /4 Uhr 38.8°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. 7 3 / 4 Ubr 39,0°.
30. IV. II. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion intraperitoneal.
15. VI. 650 g. Normal.
9. VIII. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan.
II. XI. 750 g. Von der letzten Impfung besteht noch ein kleiner
subcutäner Strang, der von der Stelle des Infiltrats zur Leistendrüse
zieht. 12 Uhr 38,5°. Unmittelbar darauf 0,02 ccm Koch’sches Tuberkulin.
5 Uhr 40,4°. * ,
31. I. 1909. Infiltrat und Strang völlig verschwunden.
20. VI. 850 g. Sehr gut imstande.
23. VI. 1910. 900 g. Vollständig Dormal.
21. I. 1911. Bei bestem Wohlsein getötet. Frei von
Knötchen. Alle Organe Dormal.
Gelbes Meerschweinchen mit schwarzweisser Fleckung,
Kopf gelb mit weisser Blässe. 400 g. 1. XIL 1907. 1 ccm Kultur¬
emulsion intraperitoneal. ... , x ..
5. 1. 1908. 550 g. Sehr gut imstande, nichts Abnormes zu konstatieren.
15. III. 750 g. Desgleichen. 1
5. IV. 3 3 / 4 Uhr 38,55°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. 8 Ubr 38,85°.
30. IV. 800 g. II. Kulturimpfung. 1 / 2 ccm Emulsion intra-
peritoneal.
25. VI. 800 g. Normal.
9. VIII. 800 g. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan
linke Seite.
11. XI. 900 g. Normal.
31.1.1909. Desgleichen. 12 Uhr 38,8°. Unmittelbar darauf 0,02 ccm
Koch’sches Tuberkulin subcutan. 5 Uhr 38,5°. 27. VI. 875 g. Desgleichen.
15. XI. 900 g. Desgleichen.
20. V. 1910. Tot. Todesursache beiderseitige Pneumonie. Sonst
normaler Befund aller Organe. Nirgends Knötchen. Auch
mikroskopisch nirgends Knötchenbildung oder Bacillen
nachweisbar.
Schwarzorangeweisses Meerschweinchen. 600g. 5.1.1908.
2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. III. 775 g. Gut imstande. Impfstelle nicht mehr auffindbar.
5. IV. 4 Uhr 39,3°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuber¬
kulin subcutan. 8 Uhr 39,2°.
30. IV. II. Kulturimpfung. V 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIII. 800 g. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan
rechte Bauchseite.
11. XI. 925 g. Gut imstande. Kein Impfinfiltrat, keine Drüsen.
81.1. 1909. 1000 g. Normal. 20. VI. 950 g. Normal. 15. XL 980 g.
Normal.
23. III. 1910. Tot. Todesursache Pneumonie. Sonst ganz normaler
Befund. Alle Organe normal. Nirgends Knötcbenbildung.
Mikroskopisch nirgends Bacillen nachweisbar.
Schwarzorange Meerschweinchen mit weissem Quer¬
streifen. 600 g. 1. XIL 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke
Bauchseite.
5. I. 1908. 700 g. Normal. Kein Impfinfiltrat, keine Drüsen¬
schwellungen.
15. III. 750 g. Gut imstaade.
5. IV. 4 Uhr 39,1 °. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuber¬
kulin subcutan. 8 Uhr 38,9°.
20. IV. Tot. Beiderseitige Pneumonie. Sonst ganz normale Organe.
Nirgends Andeutung von Knötchen, auch mikroskopisch
normal, nirgends Bacillen nachweisbar.
Orangeschwarzes Meerschweinchen mit orange Querbarid.
750g. 5. I. 1908. 2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. III. 825 g. Kein Impfknoten, keine Drüsenschwellungen.
5. IV. 4 Uhr 39,1°. Gleich darauf 0,01 ccm Kocb’scbes Tuberkulin
subcutan. 8 Uhr 39,1®.
30. IV. 850 g. II. Kulturimpfung. 1/2 ccm Emulsion intraperi-
toneal. 15. VI. 875 g. Normal.
9. VIII. Desgleichen. III. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion sub¬
cutan rechte Seite. 11. XI. 900 g. Gut. Normal.
31.1.1909. 1000 g. Normal. 20. VI. Desgleichen. Normal. 15. XL
Desgleichen. 975 g. 24. VI. 1910. 1000 g. Normal.
20. VIII. 1910. Tot. Enteritis. Alle inneren Organe normal,
frei von Knötchen. Auoh mikroskopisch nirgends Knötchen¬
bildung oder Bacillen nachweisbar.
Gelbscbwarzweisses Meerschweinchen. 400g.
I. XIL 1907. 1 ccm Kulturemulsion intraperitoneal.
5. I. 1908. 500 g. Kein Infiltrat, aber geringe DrüsenverbärtuDg.
15. III. 525 g. Drüsen wieder weicher.
5. IV. 600 g. V 46 Uhr 38,4°. Gleich darauf 0,01 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. 1 / 4 \0 Uhr 38,6°.
30. IV. 675 g. II. Kulturimpfung. l /a ccm Emulsion intraperi-
toneal. 10. VI. 720 g. Normal.
9. VIII. 825 g. III. Kulturimpfung. 1,5 ccm Emulsion subcutao,
rechte Seite.
II. XI. 925 g. Gut imstande.
31.1. 1909. 1000 g. 12 Uhr 39,1°. Gleich daraaf 0,02 ccm Kocb-
scbes Tuberkulin subcutan. V 2 ® Uhr 39,3°.
20. VI. 1000 g. Normal.
24. VI. 1910. Desgleichen. Normal.
20. IX. 1910. Tot. Pneumonie. AIle Organe frei von Knötchen.
tfikroskopiSch nirgends Bacillen auffindbar.
Schwarzorangeweisses Meerschweinchen mit orange Kopf*
25 g
1. XIL 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5.1. 1908. 550 g. Kein Infiltrat. Regionäre Leistendrüsen ilem,
ielleicht etwas verhärtet.
15. III. 675 g. Ganz normal. Sehr gut imstande.
5. IV. y 4 S Ubr 38,7°. Gleich darauf 0,01 ccm Koch’sches TuDer-
ulin subcutan, l / 4 9 38,7°. . .. 1
30. IV. 750g. II.KuIturimpfung. */ 2 ccm Emulsion mtrapentoneai.
10. VI. 700 g. Normal. , .
9. VIII. 700 g. Normal. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion
ibcutan rechte Bauchseite. 11. XL Normal. „ .
31.1. 1909. 750 g. 12 Uhr 38,6°. Gleich darauf 0,02 ccm Kocn-
hes Tuberkulin. Vs® Uhr 38,75°. 20. VI. 750 g. Normal.
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UNIVERSITY QEi
27 . Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1416
24. VI. 1910. 800 g. Gut. Normal.
21.1.1911. Bei bestem Wohlsein getötet. Normal. Ganz
frei von Knötchen. In keinem Organ Baoillen auffindbar.
Schwarzes Meerschweinchen mit orangeweisserFlockung.
625 g.
5.1.1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. Kleines Ulous an der Impfstelle. Geringe Drüsenverhärtung.
15. III. 650 g. Impfstelle noch immer kleines Ulcus. Drüsen noch
etwas verhärtet.
5. IV. Desgleichen. Vz4 Uhr 89,7°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. */,9 Uhr 40,2°.
15. VI. Impfstelle und Drüsen normal.
9 . VIIL 750 g. II. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan
reohte Bauchseite.
15. IX. Impfstelle und Drüsen glatt, normal. 11. XI. 825 g.
Normal. Sl. I. 1909. 825 g. Normal. 20. VI. 900 g. 24. 6. 1910.
Desgleichen. Normal. 21.1.1911. 920 g. Normal.
17. VII. 1911. Tot. Pneumonie. Sonst normaler Befund. Nirgends
Knötchen. Keine Bacillen nachweisbar.
Langhaariges weisses Meerschweinchen mit drei kleinen
orange Flecken. 500 g.
5.1.1908. 2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. Impfstelle, Drüsen glatt.
15. IIL 550 g. Impfstelle, Drüsen glatt.
5. IV. V24 Uhr 89,15®. Darauf 0,01 com Koch’sches Tuberkulin
subcutan. t l%9 Uhr 38,8°.
30. IV. 650g. II.Kult ü rimpfung. l j 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIII. 650 g. UI. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan
reohte Bauohseite.
24. XII. Tot. Enteritis. Alle inneren Organe frei von
Knötchen. Mikroskopisch nirgends Bacillen nachweisbar.
Schwarzes Meerschweinchen mit zwei kleinen weissen '
Flecken. 500 g.
5.1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite.
15. III. Impfstelle und Drüsen glatt.
5. IV. Vt4 38,8°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin subcutan.
*/*9 38,30.
30.1V. Tot. Pneumonie. Alle Organe frei von Knötchen.
Keine Bacillen mehr nachweisbar.
HellgelbweisssGhwarzes Meerschweinchen mit gelben
Augenfleoken. 500 g.
5.1.1908. 1 com Kuituremulsion subcutan, linke Bauchseite.
15. IIL 575 g. Impfstelle nicht mehr auffindbar. Keine Drüsen¬
schwellungen.
5. IV. a / 4 4 Uhr 38,85°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin
subcutan. 8 / 4 9 Uhr 39,1°.
30. IV, 625 g. II. Kulturi mp fung. l /a cc,n Emulsion intra¬
peritoneal.
9. VIII. 750 g. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan,
reohte Bauchseite.
9. XI. Tot. Pneumonie. Alle Organe frei von Knötchen. Auch
mikroskopisch normaler Befund. Keine Bacillen auffindbar.
Weisses Meerschweinchen mit einem schwarzen Rücken¬
fleck und 2 orangeschwarzen Augenflecken. 500 g.
5. L 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. 550 g. Impfstelle, Drüsen ganz normal.
15. III. 600 g. Ganz normal.
5. IV. */ 4 4 Uhr 38,9°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬
cutan. >/«9 Uhr 38,65°
80. IV. II. Kulturimpfung. V 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
15. V. Tot. Todesursache Pneumonie. Sonst allle Organe gesund.
Keine Knötchen, keine Bacillen nachweisbar.
Weisses Meerschweinchen mit einem grauen Fleck hinten
und 2 grauen Kopfflecken. 500 g.
5.1.1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite.
15.11. 600 g. Impfstelle, Drüsen normal. 15.111. 700 g. Normal.
5. IV. 4 Uhr 38,85°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub-
outan. 9 Uhr 39,05®.
80. IV. 700 g. II. K u 11 u r i m p f u n g. l / 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIII. 800 g. III. Kulturimpfung. 1 ccm Emulsion subcutan,
reohte Seite. 11. XI. 850 g. Normal.
28. 1. 1909. Tot. Beiderseitige Pneumonie. Sonst normale Organe.
Keine Knötchen und keine Bacillen nachweisbar.
Schwarzes Meerschweinchen mit einem kleinen weissen
Halsfleck. 250 g.
L XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5.1. 1903. 325 g. Rest eines kleinen Infiltrates, sowie eines von
demselben zu den linksseitigen Leistendrüsen führenden Stranges.
15. III. 600 g. Impfstelle und Leistendrüsen ganz normal.
5. IV. 4 Uhr 38,8°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬
cutan. 9 Uhr 88,5°.
.30. IV. 575 g. II. Kulturimpfung. \U ccm Emulsion intra-
Pentooeal. v 5
9. VIII. 700 g. Normal. III. Kulturirapfun g. fl ccm Emulsion
subcutan, rechte Bauchseite. 11. XI. 800 g. Normal.
31.1. 1909. */ 4 l Uhr 38,35°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches Tuber¬
kulin suboutaD. 8 / 4 6 Uhr 38,8°.
20 . VI. 850 g. Gut. Normal.
24. VI. 1910. Getötet. Alle Organe gesund. Frei von
Knötchen und Baoillen.
Orange Meerschweinchen mit 2 weissen Fleckchen. 500 g.
5.1.1908. 1 ccm Knltnremulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. Impfstelle und Drüsen glatt. 550 g.
5. IV. 4 Uhr 38,9°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬
cutan. 5 Uhr 39,3°.
30. IV. 675 g. II. Kulturimpfung. V 2 ccm Emulsion intra-
peritoneal.
9. VIII. 700g. IIL Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion subcutan,
rechte Bauchseite.
25. IX. Tot. Todesursache: perforierende Bisswunde mit an¬
schliessender Peritonitis. Im übrigen ganz normale Organe. Weder
Knötchenbildung, noch Bacillen nachweisbar.
Orange weisses Meerschweinchen mit orange Augen¬
flecken. 500 g.
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite.
15. II. 600 g. Kein Impfknoten, keine Drüsenschwellung.
15. III. 700 g. Gut. Normal.
5. 4. V 4 4 Uhr 38,65°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin
subcutan. J / 4 9 Uhr 38,8°.
30. IV. 725 g. II. Kulturimpfung. I ccm Emulsion intra¬
peritoneal.
9. VIII. 800 g. IU. Kulturimpfung. 2 ccm Emulsion suboutan.
11. XI. 950 g. Sehr gut. Normal. 31.1. 1909. 925 g. Des¬
gleichen. 20. VI. 1000 g. Desgleichen. 24. VI. 1910. 1000 g. Des¬
gleichen.
19. X. 1910. Tot. Pneumonie. Keine Spur von Knötchen. Alle
Organe normal. Keine Baoillen nachzuweisen.
Braunschwarzes Meerschweinchen mit weissen Flecken.
275 g.
1. XII. 1907. 2 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite.
5.1. 1908. 375 g. Drüsen etwas verhärtet.
15. III. 600 g. Impfstelle und Drüsen ganz normal.
10. IV. Getötet. Ganz normale Organe. Nirgends Knötchen.
Keine Bacillen naGhzuweisen.
Schwarzweissgelbes Meerschweinchen mit gelben Aueen-
flecken. 350 g,
1. XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite.
5.1. 1903. 450 g. Kein Impfinfiitrat. Linksseitige Leistendrüsen
wenig verhärtet.
15. II. 540 g. Drüsen und Impfstelle normal. 15. IIL 650 g.
Normal. 8
5. IV. 4 Uhr 38,7°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub-
cutaD. 8 Uhr 38,4°.
80.IV. 750g. II. Kulturimpfung. Va ccm Emulsion intraperi¬
toneal. 31. V. 800 g. Normal.
24. VI. Getötet. Nirgends Knötchen oder Bacillen nach¬
weisbar.
Orangeweissschwarz gesprenkeltes Meerschweinchen.
325 g.
1 . XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5.1.1908. 350 g. Etwas verhärtete linksseitige Leistendrüsen.
15. II. 1908. 425 g. Leistendrüsen noch etwas verhärtet.
15. III. 500 g. Drüsen wieder normal.
5. IV.. 3 Uhr 38,4°. Unmittelbar darauf 0,01 ccm Koch’sohes Tuber¬
kulin subcutan. 8 Uhr 38,7°.
30. IV. 500 g. II. Kulturimpfung, 7* ccm Emulsion intraperi-
toneal. 20. VI. 575 g. Normal.
9. VIII. 625 g. III. Kulturimpfung, 1 ccm Emulsion suboutan
rechte Bauchseite. 11. XI. 750 g. Normal.
31. I. 1909. 750 g. 1 Uhr 38,0°. Unmittelbar darauf 0,02 ccm
Koch’sches Tuberkulin subcutan. 6 Uhr 38,2. 20. VI. 850 g.
24. VI. 1910. Sitzt trübe da, aber glatt im Fell, keine Drüsen,
kein Milztumor.'
21 . I. 1911. 1000 g. Sehr gut imstande.
2. V. 1912. Tot. Todesursache Darmdurchbruch infolge perforierender
Bisswunde. Ganz normale Organe. Nirgends Knötchen oder
Bacillen nachweisbar.
Schwarzweisses Meerschweinchen mit zwei schwarzen
Augenflecken. 450 g.
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15.11. 500 g. Normal.
10 . III. Tot. Pneumonie. Impfstelle und Drüsen'ganz glatt. Innere
Organe gesund. Nirgends Knötchenbildung. Keine Bacillen
nachweisbar.
Schwarzweiss-hellgelbes .Meerschweinchen mit weissein
Kopf. 500 g,
5.1.1908. 1 ccm Kulturemulsion intraperitoneal. 15.111. 525 g.
5. IV. 5 Uhr 38,4®. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬
cutan. 10 Uhr 38,6°.
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UNIVERSUM OF IOWA
1416
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80.
80. IV. II. Kulturimpfung, 1 ccm Emulsion intraperitoneal. 15. VI.
700 g.
9. VIII. 750 g. III. Impfung, 2 ccm Emulsion subcu tan linke Bauch¬
seite.
11. XI. Knoten au der Milz palpabel. 1 Uhr 38,7°. Darauf 0,09
Koch’sches Tuberkulin subcutan. 6 Uhr 39,9°.
81. I. 1909. 800 g. Normal.
20. VI. 825 g.
I. V. 1910. Tot. Alle inneren Organe frei von Knötchen.
Keine Bacillen nachweisbar.
Sohwarzes Meerschweinohen mit rechtseitigem weissen
Fleck und weissen Kopf. 400 g.
5. 1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. Impfstelle und Drüsen normal.
15. III. 500 g. Desgleichen.
5. IV. 2Vs Uhr 38,65°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin
subcutan. 7Vs Uhr 38,7°.
30. IV. II. Kulturimpfung, x / 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
15. VI. 600 g. Normal.
9. VIII. 750g. III. Impfung, 1,5 ccm Emulsion subcutan linke
Bauchseite. 11. XI. 775 g.
26. XI. Tot. Todesursache Enteritis. Alle Organe normal
und glatt, nur in der Milz, die klein, von ganz normaler
Grösse ist, 2 kleine ausschälbare Knötchen. Drüsen normal.
Die ganze Milz wird einem schwarzen Meerschweinchen in
eine Hauttasche transplantiert. Dasselbe wird am 24. II. 1909, also nach
3 Monaten, getötet, ist vollkommen gesund. Auch an der Stelle der
Hauttasche sind keine pathologischen Veränderungen oder Bacillen nach¬
weisbar.
Graugelbes Meerschweinchen. 325 g.
1. XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5. I. 1908. Impfstelle und Drüsen glatt. 420 g. 15. III. 575 g.
Gut. Normal.
30. IV. 625 g. II. Kulturimpfung, V 2 ccm Emulsion intraperi¬
toneal.
23. V. Tot. Alle Organe gesund. Keine Spur von Knötchen¬
bildung. Nirgends Bacillen nachweisbar.
Schwarzweissgelbes Meerschweinchen mit gelbem Kopf.
300 g.
I. XII. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5. I. 1908. 375 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15. II. 500 g.
Desgleichen. 15. III. 625 g. Desgleichen.
5. IV. 2 3 / 4 Uhr 38.7°. Darauf 0,01 ccm Koch’scbes Tuberkulin sub¬
cutan, 73/4 Uhr 38,9°.
30. IV. II. Impfung, V 2 ccm Kulturemulsion intraperitoneal.
15. VI. 700 g. Normal.
9. VIII. 750 g. III. Impfung. 1 ccm Kulturemulsion subcutan
linke Bauchseite.
II. XI. 875 g. Sehr gut imstande.
31. I. 1909. 850 g. 2 Uhr 38,9°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. 7 Ubr 39,1°. 20. VI. Normal.
24. VI. 1910. 900 g. Normal.
21.1. 1911. Bei bestem Wohlsein getötet. Völlig normale
Organe. Nirgends Knötchenbildung oder Bacillen nach¬
weisbar.
Hellgelbweisses Meerschweinchen mit zwei schwarzen
Augenflecken. 350 g.
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. 430 g. Impfstelle und Drüsen glatt.
15. III. 500 g. Desgleichen.
5. IV. 4 V 2 Uhr 38,75°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin
suboutan. 9 i / 2 Uhr 38,9°.
80. IV. II. Impfung. V 2 cc ® Emulsion intraperitoneal. 15. VI. 550 g.
9. VIII. 700 g. 111. Impfung, 1 ccm Emulsion subcutan rechte
Bauchseite.
11. XL 800 g. Normal.
31. I. 1909. 800 g. I Uhr 39,0°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. 6 Uhr 39,3°. 20. VI. 850 g. Normal. 24. VI.
1910. 875 g. Normal. 21. I. 1911. 920 g. Normal.
I.IV. 1912. Tot. Ganz gesunde Organe. Nirgends Knötchen-
bildung oder Bacillen nachweisbar.
Weissgelbes Meerschweinchen mit schwarzgelben Augen-
/Jecken. 400 g.
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. Impfstelle kleines UJcus. 490 g.
15. III. 600 g. Ulcus. Dabezu verheilt, nur noch minimale Sekretion.
5. IV. 3 Uhr 38,5°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin aub-
cutaD. 8 Ubr 39,6°.
30. IV. II. Impfung, V 2 ocm Emulsion intraperitoneal. 15. VI.
Normal. 700 g.
9. VIII. 800 g. III. Impfung, 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte
Bauchseite.
II. XI. 875 g. Sehr gut imstande.
31. I. 1909. 925 g. IV 2 Uhr 38,6°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. 6V ’2 Uhr 38,95°.
27. II. 1909. Tot. Pneumonie. Sonst ganz normal. Nirgends
Knötchenbildung oder Bacillen nachweisbar.
Weisses Meerschweinchen mit einem gelbsohwarzen
Augenfleck. 275 g.
I. XII 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5. I. 1908. 350 g. Kleines Infiltrat, minimale regionäre Drüsen¬
verhärtung.
15. II. Impfstelle und Drüsen glatt. 15. 3. 500 g. Normal.
5. IV. 2 3 / 4 Uhr 38,8°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬
cutan. 73 / 4 Uhr 38,9°.
30. IV. 600 g. Normal. U. Impfung, Va com Emulsion iotraperi-
toneal. 15. VI. 675 g. Normal.
9. VIII. 775 g. Normal. Iil. Impfung, 1 ccm Emulsion subcutao
linke Bauchseite. 11. XI. 800 g. Normal.
15. XII. 1908. Tot. Ganz gesunde Organe. Nirgends
Knotohenbildung oder Bacillen nachweisbar.
Weisses Meerschweinchen mit 3 orange Flecken. 375 g*
5. 1. 1908. 2 ccm Kutturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. (1. 500 g. Impfstelle und Drüsen ganz normal. 15. IIL 625 g.
Desgleichen.
5. IV. 3 Uhr 39,1 °. Darauf 0,01 ccm Koch’scbes Tuberkulin sub¬
cutan. 8 Ubr 39,1 g°.
30. IV. II. Impfung, V 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
15. VI. 725 g. Normal.
9. VIII. 800 g. III. Impfung, 2 ccm Emulsion subcutan rechte
Bauchseite.
II. XL 800 g. Normal. Gut.
31. I. 1909. 900 g. Gut. l l f 2 Uhr 38,8°. Darauf 0,02 ccm Koch-
sches Tuberkulin subcutan. 6 V 2 Uhr 38,8°.
20. VI. 1000 g. Sehr gut.
24. VI. 1910. Getötet. Ganz normale Organe. Nirgends
Knötcbenbildung oder Bacillen nachweisbar.
Gelbweisses Meerschweinchen mit gelbschwarzem Augen¬
fleck. 325 g.
1. XII. 1907. I ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5. I. 1908. Impffiltrat, keine Drüsen. 400 g.
25. II. 525 g.
15. IIL 600 g. Gut imstande.
5. IV. 3 Uhr 38,65°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬
cutan. 8 Uhr 38,7°.
30. IV. II. Impfung, V 2 ccm Emulsion intraperitoneal. 15. VI.
630 g. 9. VIII. 750 g. 111. Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan.
11. XL 850 g. Normal.
31. I. 1909. 950 g. 2 Ubr 39,1°. Darauf 0,02 ccm Koob’scbes
Tuberkulin subcutan. 7 Ubr 38,4°. 20. VI. 1000 g. Normal. 24. VI.
1910. Desgleichen.
1. X. 1910. Tot. Ganz normale Organe. Nirgends Knötchen-
bildung oder Bacillen nachweisbar.
Weissschwarzes Meerschweinchen mit weisser Blesse.
450 g.
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. Impfstelle und Drüsen normal. 575 g. 15. IIL 700 g.
Desgleichen.
5. IV. IIV 2 Uhr 39,1°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin
subcutan. 4 1 / 2 Uhr 39,1°.
30.1V. 750 g. Normal. II. Impfung. 1 } 2 ccm Emulsion intraperito¬
neal. 15. VI. 750 g. Normal.
9. Vlll. 800 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion suboutan rechte
Bauchseite. 11. XI. 925 g. Normal.
31. I. 1909. 875 g. Normal. 12 3 / 4 Uhr 38,6° Darauf 0,02 ccm
Koch’sches Tuberkulin subcutan. 5 3 / 4 Uhr 38,6°.
20 . VI. 900 g. Normal.
24. VI. 1910. Getötet. Vollkommen gesunde Organe. Keine
Knötchenbildung oder Bacillen nachweisbar.
Sch warzorangeweisses Meerschweinchen mit orange¬
schwarzen Augenflecken. 500 g.
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. Impfstelle, Drüsen glatt. 625 g. 15. IIL 700 g. Normal.
30. IV. 750 g. II. Impfung. 1 / 2 ccm Emulsion intraperitoneal.
15. VI. 750 g. Normal.
9. Vlll. 750 g. IIL Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte
Bauchseite. 11 . XL 825 g. Normal.
31. I. 1909. 825 g. 1 Uhr 38,6°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches- Tuber¬
kulin subcutan. 6 Ubr 38,7°. 20. VL 900 g. Normal. 24. VI. 1910.
925 g. Normal. 21.1.1911. 925 g. Normal.
6 . XI. 1911. Tot. Ganz gesunde 0rgane. Nirgends Knochen¬
bildung oder Bacillen nachweisbar.
Orangebraungestreiftos Meerschweinchen. 250 g.
5.1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. IL 350 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15.111. 450 g. Des¬
gleichen.
5. IV. 475 g. 1 Uhr 39,5°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin
subcutan. 6 Ubr 39,3°.
30. IV. 500 g. V 2 ccm Emulsion intraperitoneal. IL Impfung.
15. VI. 525 g. Normal.
9. VIII. 550 g. IIL Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte
Bauchseite. 2. X. 625 g. Normal. 11. XL 700 g. Normal.
31. I. 1909. 700 g. 1 Uhr 39,1°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches Tuber¬
kulin subcutan. 6 Uhr 39,3°.
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UNIVERSUM OF IOWA
27. Joli X9U.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1417
24. V. 1909. Tot. Alle Organe gesund. Keine Knötchen¬
bildung oder Baoillen nachweisbar.
Weissschwaries Meerschweinchen mit kleinem gelben
Fleck. 260 g.
5.1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. 400 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15. III. 500 g. Des¬
gleichen.
5. IV. l l U TO* r 38,7°. Darauf 0,01 ccm Koeh’sches Tuberkulin sub-
cutan. 6 1 /* Uhr 88,9°.
80. IV. 625 g. II. Impfung. 1 / s oem Emulsion intraperitoneal.
15. VI. 680 g. Normal.
20. VII. Tot. Pneumonie. Sonst alle Organe gesund. Nirgends
Knötchenbildung oder Bacillen nachweisbar.
Schwarzes Meerschweinchen mit weissen Streifen. 325 g.
5.1.1908. 1 ccm Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. 475 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15. III. 600 g.
Desgleichen.
80. IV. H. Impfung. V* com Emulsion intraperitoneal. 15. VI.
600 g. Normal.
9 . VIII. 675 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion subcutan reohte
Bauchseite. 11. XI. 750 g. Normal.
31.1. 1909. 825 g. 27* Uhr 39,8°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches
Tuberkulin. T 1 /* Uhr 39,4°.
17.11.1909. Tot. Pneumonie. Sonst normale Organe. Nirgends
Knötchenbildung oder Baoillen nachweisbar.
Weisses Meerschweinchen mit zwei kleinen schwarzen
Flecken. 375 g.
I. XII. 1907. 1 ccm Kuljturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5. I. 1908. 450 g. Kirschgrosses Infiltrat. Linksseitige Leisten¬
drüsen etwas verhärtet.
15. II. 600 g. Infiltrat resorbiert. Leistendrüsen noch etwas hart.
15. III. 700 g. Leistendrüsen wieder ganz normal.
30. IV. II. Impfung. 7a ccm Emulsion intraperitoneal. 15. VI.
750 g. Normal.
9. VIII. 850 g. III. Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte
Seite.
II. XI. 1908. 925 g. Sehr gut.
29. XII. 1908. Getötet. Alle Organe normal. Nirgends
Knötchenbildung oder Bacillen nachweisbar.
Gelbschwarzes Meerschweinchen. 300 g.
I. XII. 1907. 2 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5.1. 1908. 350 g. Impfstelle und Drüsen glatt. 15. II. 475 g.
Desgleichen. 15. III. 650 g. Desgleichen.
5. IV. 3 1 /* Uhr 39,3°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub-
entan. 8 V 4 Uhr 39,2°.
30. IV. II. Impfung, 7* ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIIL 800 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte
Seite.
II. XI. 1000 g. Sehr gut.
31.1. 1909. 1000 g. 1 % Uhr 39,0°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches
Tuberkulin. 6»/ 4 Uhr 89,3°.
9.11.1909. Tot. Ganz normale Organe, nirgends Knötchen
oder Bacillen zu finden.
Schwarzgelbes Meerschweinchen mit schwarzen Augen-
fleoken. 250 g.
5.1.1908. 1 ccm Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite.
15.111. 350 g. Impfstelle und Drüsen normal.
30. IV. 450 g. 11. Impfung. i } 2 ccm Emulsion intraperitoneal,
9. VIII. 550 g. III. Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte
Bauchseite. 11. XI. 625 g. Normal.
31.1. 1909. 725 g. 1 Uhr 89,0°. Darauf 0,01 ccm Koch’sohes Tuber- 1
kulin subcutan. 6 ühr 39, 8 «. 20. VI. 750 g. Normal. 24. VI. 1910.
800 g. Normal.
21.1. 1911. Getötet. Alle Organe normal. Nirgends Knötchen
oder Bacillen nachzuweisen.
Braunes Meerschweinchen mit kleinem weissen Fleck.
225 g.
5.1. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan Unke Bauchseite.
15. II. 300 g. Impfstelle und Drüsen glatt. 15. III. 400 g. Des¬
gleichen.
30,1V. 450 g. II. Impfung. 1 ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIIL 500 g. III. Impfung. 2 ccm Emulsion subcutan rechte
Bauchseite.
24. XI. Tot. Alle Organe normal, nirgends Knötchen oder
Bacillen naohwei&bar.
Weissoranges Meerschweinchen mit schwarzen Augen¬
necken. 500 g.
5.1.1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan Unke Bauchseite.
15.11. 620 g. Impfstelle und Drüsen normal. 15.111. 700 g. Des¬
gleichen.
5. IV. 474 Uhr 39,4°. Darauf 0,01 ccm Kooh’sches Tuberkulin sub-
cutao. 9V 4 Uhr 39,7°.
30.1V, 750 g. U.Kulturimpfung. 7*ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIIL 875 g. III. Kulturimpfung. * 1,5 ccm Emulsion subcutan
rechte Seite. 11. XI. 900 g. Normal.
30. XL Tot. Pneumonie. Sonst alle Organe gesund. Nirgends
Knötchen oder Baoillen nachweisbar.
Schwarzweisses Meerschweinchen mit orange Querband.
375 g.
1. XII. 1907. 2 oem Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite.
5.1.1908. 450 g. Kein Infiltrat. Keine Drüsenschwellungen. 15.11.
550 g. Normal. 15. III. 600 g. Desgleichen.
5. IV. 4 V* Uhr 89,4°. Darauf 0,01 cm Koch’sohes Tuberkulin sub¬
cutan. 9>/2 Uhr 39,7°.
SO. IV. II. Impfung. 7a ocm Emulsion intraperitoneal. 15. VI.
675 g. Normal.
9. VIIL 750 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte
Seite. II. XI. 775 g. Normal.
31. L 1909. 825 g. 2 Uhr 38,7°. Darauf 0,02 com Koch’sches Tuber¬
kulin subcutan. 7 Uhr 38,7°.
22.11.1909. Tot. Pneumonie. Sonst ganz normale Organe. Nirgends
Knötchen oder Baoillen nachweisbar.
Orange Meerschweinchen mit weissem schrägen Band.
550 g.
5.1.1908. 1 ccm Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite.
15. U. 675 g. Impfstelle und Drüsen ganz glatt. 15. II. 800 g.
Desgleichen.
5. IV. 47a Ubr 39,1 °. Darauf 0,01 ccm Kooh’sches Tuberkulin snb-
outan. 972 Uhr 39,0°.
30. IV. II. Impfung. 72 ccm Emulsion intraperitoneal.
23. V. Tot. Ganz gesunde Organe. Keine Knötchen oder
Bacillen nachweisbar.
Weisshellgelbgeschecktes Meerschweinchen. 250g.
1 . XU. 1907. 2 ocm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
5.1. 1908. 325 g. Grosses Infiltrat. Keine Drüsenschwellungen.
15.11. 500 g. Sehr gut entwickelt. Infiltrat resorbiert.
15. III. 600 g. Ganz normal.
5. IV. 472 Uhr 39,0°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬
cutan. 97a Uhr 39,1°.
30. IV. II. Impfung. 7a ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIII. 725 g. III. Impfung. 1 ccm Emulsion subcutan rechte
Seite. 11. XL 750 g. Normal.
31.1.1909. 900 g. 27 4 Uhr 38,7°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. 77 4 Uhr 38,6°.
20. VI. 900 g. Sehr gut imstande.
24. VI. 1910. Desgleichen. Getötet. Alle Organe vollständig
normal. Nirgends Knötchen oder Bacillen auffindbar.
Hellgelbweisses Meerschweinchen mit hellgelben Augen¬
flecken. 325 g.
I . XII. 1907. 1 ccm Kulturemnlsion subcutan linke Bauchseite.
5.1.1908. 400 g. Kein Infiltrat, keine Leistendrüsenschwellungen.
15. II. 525 g. Desgleichen. 15. III. 650 g. Normal.
5. IV. 472 Uhr 39,4°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches Tuberkulin sub¬
cutan. 97, Uhr 39,4°.
30. IV. II. Impfung. 72 ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIII. 800 g. 111. Impfung. 1 com Emulsion subcutan rechte
Seite.
II. XI. 850 g. Gut imstande.
31. I. 1909. 950 g. Normal. 2 8 / 4 Uhr 88,45°. Darauf 0,02 ccm
Koch’sches Tuberkulin subcutan, 7% Uhr 38,75°.
20. VI. 1000 g. Normal. 24. VI. 1910 desgleichen.
11. II. 1911. Getötet. Alle Organe spiegelblank. Nirgends
Knötchen oder Bacillen zu finden.
Graugelbes Meerschweinchen mit 2 weissen Fleoken, 500g.
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan linke Bauchseite.
15. II. 625 g. Impfstelle und Drüsen ganz glatt.
15. III. 700 g. Desgleichen. Normal.
30. IV. II. Impfung, 7» ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIII. III. Impfung, 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte Bauchseite.
11. XI. 875 g. Sehr gut imstande.
31. I. 1909. 900 g. 27, Uhr 38,45°. Darauf 0,01 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan, 77* Uhr 38,6°,
20. VI. 1909. Getötet. Ganz normale Organe. Nirgends
Knötchen oder Bacillen auffindbar.
Orangegelb- und braungeflecktes Meerschweinchen, 275 g.
5. I. 1908. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite.
15. II. Impfstelle und Drüsen etwas verhärtet. 425 g.
15. HL Impfstelle und Drüsen wieder normal. 475 g.
5. IV. 27* Uhr 38,3°. Darauf 0,01 ccm Koch’sohes Tuberkulin
subcutan. 77* Ubr 38,5°.
80. IV. 550 g. II. Impfung. 7a ccm Emulsion intraperitoneal.
9. VIII. 675 g. III. Impfung. 1,5 ccm Emulsion subcutan rechte
Bauchseite.
11. XI. 1908. 725 g. Normal.
81. I. 1909. 750 g. 1 Uhr 38,65°. Darauf 0,02 ccm Koch’sches
Tuberkulin subcutan. 6 Uhr 38,5°.
20. VI. 800 g.
9. V. 1910. Tot. Rechtsseitige Pneumonie. Sonst normale Organe,
nirgends Knötchen.
Orangeweisses Meerschweinchen mit schwarzem Augen
fleck. 200 g.
1 . XII. 1907. 1 ccm Kuituremulsion subcutan linke Bauchseite.
6
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UNIVERSUM OF IOWA
1418
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80.
5. I. 1908. 280 g. Uebererbsengroases Impfinfiltrat, linke Leisten-
drüsen verhärtet.
15. II. 400 g. Infiltrat viel kleiner, Drüsen noch unverändert.
15. III. 500 g. Impfstelle und Drüsen glatt.
80. IV. 550 g. II. Impfung, Vs ccm Emulsion intraperitoneal.
20. Y. Tot. Alle Organe gesund, nirgends Knötchen.
Orangeweisses Meerschweinchen mit einem orange und
einem schwarzen Augenfleck, 250 g.
I. XU. 1907. 1 ccm Kulturemulsion subcutan, linke Bauchseite.
5. 1. 1908. 850 g. Kein Infiltrat.
15. III. 550 g. Normal. 5. IV. 600 g.
30. IV. 550 g. II. Impfung, l 2 3 /s ccm Emulsion intraperitoneal.
15. VI. 650 g. Normal.
9. VIII. 700g. III. Impfung, 1 ccm Emulsion subcutan, reohte Seite.
II. XI. 1908. 750 g. Normal. 81.1.1909. 800 g. 20. VI. 875 g.
Normal.
10.11.1910. Tot. Alle Organe normal. Nirgends Knötchen
oder Bacillen nachweisbar.
Es ergibt sich also, dass in der grossen Mehrzahl der Fälle
selbst beim Meerschweinchen eine vollständige glatte Auflösung
meiner gänzlich avirulenten Bacillen erfolgt, und dass es nur in
seltenen Fällen zor vorübergehenden Knötchenbildung in inneren
Organen kommt. Ich verweise bezüglich solcher Fälle auf das
eine der vorstehenden Protokolle (schwarzweisshellgelbes Meer¬
schweinchen mit weissem Kopf) sowie auf die in meiner Publi¬
kation in D.m.W., 1914, Nr. 18, angeführten Meerschweinchen¬
protokolle. In den wenigen Fällen aber, wo sich wirklich noch
Knötchen bilden, werden dieselben — und darauf kommt es an —
wenn man die Geduld besitzt, zu warten, nicht nach Tagen
und Wochen, sondern nach vielen Monaten schadlos und restlos
aufgelöst. Zu allen Toberkulosearbeiten gehört nun eben einmal
Geduld, worauf in richtiger Erkenntnis des chronischen Charakters
dieser Infektion kürzlich z. B. auch Kraus 1 ) hinweist, indem er
sagt: „Ein abschliessendes Urteil über Erfolg oder Nichterfolg
werde ich aber erst in einem oder zwei Jahren gewonnen haben“,
ferner u. a. Heisler*).
Das Impfinfiltrat, das sich an der Injektionsstelle der Tiere
bildet, besteht aus einem Granulatioosgewebe, das Riesenzellen und
Bacillen enthält. Dieses ganze Gewebe ist niemals dauernder
oder gar progressiver, sondern stets temporärer, vergänglicher
Natur.
So war also, lange bevor ich die erste KultQrimpfung am
Menschen vornahm, die Unschädlichkeit der Kultur, ihre voll¬
ständige Avirulenz und Atoxicität für das tuberkuloseempfindlichste
und tuberknloseempfänglichste Säugetier, das wir kennen, das
Meerschweinchen, in einer grossen Reihe von Versuchen nach¬
gewiesen, bei denen viele Tiere zwei, drei Jahre, ja sogar noch
länger, am Leben gehalten wurden 8 ). Durch das Ergebnis
dieser Versuche ist jede Möglichkeit eines etwaigen
„späteren Virulentwerdens“ ausgeschlossen, denn aus
der Tatsache, dass später auf Tuberkulininjektion
keine Temperatursteigerung eintrat, sowie dass bei
mikroskopischer Sektionsuntersucbung keine Bacillen
mehr nachgewiesen werden konnten, ergibt sich der
zwingende Schluss, dass alle injizierten Bacillen auf¬
gelöst, also verschwunden sind. Daher ist die Vermutung,
„dass vielleicht doch noch einige Bacillen virulent werden könnten“
eine absurde Phrase.
So sagt Kraus 4 ) kürzlich: „Ich wusste und weiss, dass es
sich um eine aus einem tuberkulösen Tier gezüchtete Kaltblüter-
tuberkelbacillenkultur bandelte, die bei warmblütigen Versuchs¬
tieren nicht Tuberkulose hervorruft“.
Was die therapeutischen und Immunisierungsexperimente mit
meiner Kultur bei vorher oder nachher künstlich tuberkulös in¬
fizierten Meerschweinchen anbetrifft, so kann, wenn die infizierende
Dosis nicht zu gross bemessen wird (bekanntlich gehen ja Meer¬
schweinchen schon durch l how mg virulenter Tuberkelbacillen
regelmässig und prompt an allgemeiner Tuberkulose zugrunde),
das Leben der mit dieser Kultur vorbehandelten und später mit
virulenten menschlichen Bacillen infizierten Tiere über viermal so
lang als dasjenige der Kontrollen, d. b. der nnr mit menschlichen
1) D.m.W., Nr. 19.
2) Fortscfar. d. M., Juli 1914.
3) Nach einer von v. Behring im Berliner Verein für innere Medizin
gegebenen Berechnung entsprechen 3 Monate Lebenszeit des Meer¬
schweinchens etwa 18 Jahren Lebenszeit des Menschen (vgl. D.m.W.,
1904, Nr. 5, S. 167).
4) D.m.W., 1914, Nr. 19, S. 967.
Bacillen infizierten Tiere erhalten werden. Während ferner tuber¬
kulös gemachte unbehandelte Tiere nach durchschnittlich 110 Tagen
erlagen, konnten dieselben dnrch nachträgliche Injektionen der
Kultnr durchschnittlich 363 Tage am Leben erhalten bleiben.
Es ist also die Kultur auch für bereits tuberkulöse Meer¬
schweinchen nicht nnr unschädlich, sondern auch nützlich.
Kürzlich schreibt Aronson 1 ): „Jedoch hat Fried mann
sicher bei einigen Meerschweinchen eine gute Widerstandsfähigkeit
durch seine Vorbehandlung erzielt; zwei von ihm dem Laboratorium
des Kaiser Friedrich-Kinderkrankenhauses übergebene Meer¬
schweinchen wurden zu gleicher Zeit mit einer grösseren Zahl
von Kontrollieren subcutan mit Tuberkelbacillen infiziert. Die
letzteren erlagen der Infektion sämtlich io 3 bis 5 Monaten,
während die geimpften Tiere noch nach einem Jahr völlig munter
waren und sich in gutem Ernährungszustände befanden. . . Wenn
es auch nur gelingt, einzelnen Meerschweinchen einen solchen
Impfschutz zu verleihen, so ist dies immerhin als ein grosser Er¬
folg zu bezeichnen. Denn jeder, der sich mit Immunisierungs-
Versuchen am Meerschweinchen beschäftigt hat, weiss, wie ausser¬
ordentlich selten and schwer eine solche Widerstandskraft za
erzielen ist.“
Wird die Infektionsdosis nnveroünftig hoch genommen, so
gehen selbstverständlich alle Tiere, sowohl die behandelten als
die Kontrollen, rapide, nach ein bis zwei Monaten zugrunde.
Es wird sicher möglich sein, Meerschweinchen mit dieser
Kultur bei sorgfältiger, nicht schematischer, sondern individueller
Behandlung des einzelnen „Falles“ immunisatorisch bzw. thera¬
peutisch, d. h. durch Behandlung vor oder nach der tuberkulösen
Infektion gegen eine geringe infizierende Dosis vollständig zu
schützen.
Doch wird der Wert solcher Feststellung für die menschliche
Pathologie vielfach überschätzt, weil nämlich die Art der künst¬
lichen Meerschweinchentaberknlose und die der spontanen mensch¬
lichen Tuberkulose in keiner Weise in Analogie gesetzt werden
kann. Mit Recht sagt Behring*): „Bekanntlich unterliegen
Meerschweinchen nnd andere Tiere nach der Einführung virulenter
Tuberkelbacillen unter die Haut, in die Bauchhöhle und in die
Blutbahn einem Krankheitsprozess, der gar keine Aebnliobkeit
besitzt mit der menschlichen Lungenschwindsucht.“ Ebenso
treffend betont Maragliano den „grossen Unterschied zwischen
der natürlichen Infektion des Menschen und der experimentellen
des Meerschweinchens, da wir im ersten Falle gegen keine so
grosse Menge von auf einmal eingedrungenen virulenten Bacillen
zu kämpfen haben, wie es der Fall ist, wenn ein Meerschweinchen
experimentell infiziert wird“, und ferner, „dass normalerweise bei
dem Menschen die Infektion nicht so stürmisch stattfindet wie
bei der experimentellen Tuberkulose der Tiere“.
Es ist also nicht etwa zu schliesseo, dass ein Tnberkulose-
schutz- und Heilmittel, um für den Menschen wirksam und nütz¬
lich zu sein, auch dem künstlich krank gemachten Meerschweinchen
absoluten Schutz verleihen müsse, vielmehr muss geschlossen
werden, dass ein Mittel, welches sogar dem künstlich krank ge¬
machten Meerschweinchen relativ hoben, wenn anch keinen*
absoluten Schutz verleiht, gegenüber der milder verlaufenden
Infektion des Menschen noch viel mehr leistet.
Nachdem so nicht nnr die vollständige Avirnlenz und
Atoxizität der Kultur, sondern auch ihre Nützlichkeit in Tier¬
versuchen erwiesen war, ging ich daran, das Mittel, welches,
wie an dieser Stelle nochmals betont werden soll, nichts weiter
als die Emulsion der oben beschriebenen völlig avirulenten
lebenden Tuberkelbacillen ist, beim Menschen anzuwenden.
Zunächst spritzte ich es einem klinisch vollständig Gesunden,
nämlich mir selbst ein, tarn erstenmal im Oktober 1909, sodann
| im Juli 1910.
Ueber die klinischen Erfahrungen am tnberknlös erkrankten
Menschen werde ich an Hand der demnächst an dieser Stelle
folgenden Krankengeschichten eingehend berichten. Dieselben
werden zeigen, dass nicht nur meine Methode der Behandlung
mit lebenden Bacillen — wie selbst meine schärfsten Gegner
zugeben — die richtige ist, sondern dass man auch mit dem
Mittel bei richtiger Anwendung die von mir angegebenen Er¬
folge erzielt.
Ich habe niemals ein Allheilmittel proklamiert, ich habe
vielmehr in meinem Vorträge in der Berliner medifinischep
1) D.m.W., 1914, Nr. 10.
2) D.m.W., 1904, Nr. 6.
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
27. Jnli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1412
Gesellschaft 1 ) ausdrücklich betont: „Selbstverständlich sind Fälle,
die bereits unaufhaltsam dem Tode entgegengehen,.auch
durch dieses Mittel nicht an retten“.
Das Mittel ist für die zahllosen, noch Heilungsfebigeu, noch
nicht dem Tode Verfallenen, denen es nicht nnr Besserung der
Symptome, sondern wirkliche Heilung bringt, und es soll die
Kinder aus tuberkulöser Umgebung, die dauernd der Ansteckungs¬
gefahr ausgesetzt sind, durch Schutzimpfung vor der verderblichen
Infektion bewahren.
Diese Grenzen der Leistungsfähigkeit einerseits,
die nicht zu bestreitenden Heilwirkungen bzw. Hei¬
lungen andererseits, sowie die Unschädlichkeit des
Mittels dem menschlichen Organismus gegenüber werden
aus den Krankengeschichten ersichtlich sein.
Praktische Ergebnisse
aus dem Gebiete der inneren Medizin.
Aus der Lungenheilanstalt Tannenberg im Eisass
(Direktor: Dr. Scheib).
Beiträge zur Frühdiagnose der Lungentuberkulose.
Von
Erich Stera.
Von den grossen Volkssenchen erreicht keine einzige die
Bedeutung der Tuberkulose; ihr fallen jährlich Tausende von
Menschen im besten Alter zum Opfer, und ein grosser Teil der
Erwerbsunfähigkeit wird durch sie bedingt. Deshalb hat sich
gerade das soziale Interesse in ständig wachsendem Maasse der
Bekämpfung dieser Krankheit zugewandt, und der Erfolg ist auch
nicht ausgeblieben; denn während in Preussen z. B. im Jahre
1876, auf 10 000 Lebende berechnet, noch etwa 80 Personen an
Tuberkulose starben, ist diese Zahl im Jahre 1910 auf 15, also
die Hälfte gesunken.
Die schlechte Prognose, die man früher jedem Tuberkulösen
stellte, hat sich io einer grossen Anzahl der Fälle als irrig er¬
wiesen, und es ist dies besonders dadurch offenkundig geworden,
daBs man bei 80 bis 90 pCt. aller sezierten Leichen Spuren durch-
gemachter und zur Heilung gekommener Tuberkulose fiodeD kann.
Man kann sich somit nicht der Einsicht verschliessen, dass die
Tuberkulose im allgemeinen, besonders aber auch die Lungen¬
tuberkulose einer vollständigen Heilung zum mindesten im
klinischen Sinne fähig ist. Pathologisch-anatomisch tritt ja wohl
kaum eine restitutio ad integrum ein, aber ein paar Kalkherde
und Schwielen in einer Lungenspitze schaden einem sonst gesunden
Menschen ebensowenig, wie z. B. eine durch übermässige Callus-
bildung entstandene Verdickung an der Bruchstelle eines fraktu-
rierten Knochens.
Gerade diese Erkenntnis, dass die Lungentuberkulose heilbar
ist, mahnt uns aber dazu, keiüe Zeit zur Behandlung zu versäumen
and möglichst bald mit allen Mitteln, die uns zu Gebote stehen, mit
der Behandlung zu beginnen, denn der Erfolg wird naturgemäss
am so grösser sein, je früher die Therapie einsetzt. Gerade
darum ist es von ungeheurer Wichtigkeit, die Krankheit frühzeitig,
möglichst noch vor Manifestwerden der Lungenerscheinungen zu
diagnostizieren. Die ersten Anzeichen der beginnenden Erkrankung
spielen sich nicht stets an der Longe ab, nnd darum werden sie
oft übersehen, wenigstens in der Allgemeinpraxis, der ja die erste
Untersuchung und Behandlung zufällt. In den Heilanstalten, wo
sieb, wie auch hier in Tannenberg, die Patienten hauptsächlich
aus Leichtkranken zusammensetzen, kann man eine Reihe von
Erscheinungen beobachten, die gerade im allerersten Stadium für
die Stellung der Diagnose von Wichtigkeit sind. Grösstenteils
sind diese Erscheinungen früher schon beschrieben worden, jetzt
finden sie aber zumeist weniger Berücksichtigung. Zweck dieser
Arbeit ist es, über diese Symptome im Zusammenhang zu be¬
richten und so die Aufmerksamkeit wieder auf sie zu lenken.
Oft führen ganz unbestimmte Beschwerden die Patienten zum
Arzt: Klagen über Müdigkeit, Mattigkeit, Unlust zur Arbeit, schlechten
Appetit kann man häufig hören. Ganz besonders sind es zwei
"iogs, die sofort auf Tuberkulose der Langen verdächtig siod:
Anämie und dyspeptisebe Beschwerden. So erinnere ich mich
dos Falles einer 21jährigen Patientin, die sich matt und ab-
l) B.kl.W., 1918, Nr. 47.
gespannt fühlte, keinen Appetit, häufiges Aufstossen hatte und
deshalb den Arzt aufsuebte. Dieser hielt das Leiden für ein
Ulcus ventriculi, verordnete Bettruhe, strenge Diät osw. Anstatt
einer auch nur geringen Besserung verfiel die Patientin immer
mehr und kam erst nach fast einem Jahre in klinische Behand¬
lung. Sie hatte inzwischen 30 Pfund abgenommen. Die chemische
und röntgenologische Untersuchung des Magens ergab dessen
völlige Intaktheit Hingegen fand man bei der sofort ange¬
schlossenen Durchleuchtung der Lungen beide Spitzen affiziert,
was übrigens auch perkutorisch und auscultatorisch nachweisbar
war. Eine Allgemeinbehandlung besserte den Zustaad der Patientin
so weit, dass sie nach 3 Monaten einer Heilanstalt überwiesen
werden konnte. Dass aber hier viel kostbare Zeit schon verloren
war, bedarf keiner besonderen Betonung. - Diese Magensymptome
bilden nach Bourdon io */ 8 , nach Hutschinson in 1 ( i der
Fälle ein Frühsymptom der Lungenschwindsucht. Bedingt können
diese Erscheinungen sein einmal durch Resorption von Toxinen,
die von den Tuberkelbacillen produziert werden, oder aber durch
Beeinflussung des Vagus durch geschwollene Lymphdrüsen (Guenau
de Mussy, Peter). Klemperer 1 ) fand ferner bei initialer
Lungentuberkulose sehr häufig eine mehr oder weniger ausge¬
sprochene motorische Schwäche des Magens, verbunden mit Hyper¬
acidität.
Vom Magendarmkanal geht übrigens noch ein Symptom aus,
das man häufig beobachten kann; es wurde zuerst von Meissen*)
beschrieben, später fand Aufrecht*) die gleichen Erscheinungen:
Es ist dies die Neigung zu diarrhöischen Stühlen. Meissen er¬
wähnt einen Fall, in welchem erst ein Jahr nach Beginn der
Diarrhöen sich die Lungenerscheinungeu manifestierten. Die Ur¬
sache für diese Erscheinung ist wohl in einer Infektion von
Mesenterialdrüsen oder Beeinflussung des Vagus durch vergrösserte
ßronchialdrüsen zu suchen, auch die von Klemperer gefundene
Hyperacidität könnte in Betracht kommen.
Andere Beschwerden, welche im Beginn der Lungenphthise
oft auftreten, sind Herzklopfen. Untersucht man solche Kranken,
so findet man am Herzen meist nichts Pathologisches, vielleicht
eine geringe Verbreiterung der Herzdämpfnng. Auch Aufrecht 8 )
erwähnt diese bereits und glaubt, sie auf Retraktion der vorderen
Lungenränder beziehen zu können. Das halte ich für nicht wahr¬
scheinlich, da dies nur für die Verbreiterung der absoluten
Dämpfung in Betracht kommen könnte. Die Vergrössernng, die meist
nach rechts statthat, ist auch im Röntgenbilde deutlich sichtbar,
und ich gebe die Möglichkeit einer Erschlaffung des Herzmuskels
zu. Wahrscheinlicher jedoch handelt es sich um frühzeitig ein¬
tretende Verwachsung zwischen Pleura und Serosaüberzug des
Herzens und der grossen Gefässe. Ueber diesen Punkt sind ein¬
gehende Untersuchungen im Gange, und es soll später ausführlich
darüber berichtet werden. Nach Regnault 4 ) handelt es sich
um Vergrösserung des rechten Ventrikels. Es muss aber aus¬
drücklich betont werden, dass nicht, wie vielfach behauptet wird
[Potain 8 )], eine Hypoplasie des Herzens die Regel ist, sondern
dass im Gegenteil im Initialstadium eine geringe Vergrösserung
Vorkommen kann, und dass es erst in den letzten Stadien zu einer
Atrophie des Herzmuskels kommt.
Sehr häufig findet sich bei Phthisikern eine ausgesprochene
Tachycardie; 100 bis 120 Pulse und mehr sind nicht selten;
selbst paroxysmale Tachycardie ist von Proebsting 6 ) beobachtet
worden. Er sowohl wie Kr edel 7 ) sehen die Ursache in einer
Parese des Vagus, die durch vergrösserte und verkäste Bronchial¬
drüsen veranlasst wird. Da nach unserer heutigen Ansicht die
Infiltration der Bronchialdrüsen der Infektion der Lunge voraus-
geht, so legt das Bestehen von Tachycardie bei gleichzeitig vor¬
handener Anämie oder Dyspepsie eine Untersuchung und weitere
Beobachtung der Lungen eines Patienten dringend nahe.
Audere Klagen, die den Patienten oft zuerst zum Arzt führen,
sind Stiche und Schmerzen. Sind diese auf der Brust lokalisiert,
1) Klemperer, Ueber Dyspepsie der Phthisiker. B.kl.W., 1889,
Nr. U.
2) Meissen, Ueber die frühe Erkennung der Lungentuberkulose.
Ther. Mb., Nov. 1898, sowie Beiträge zur Kenntnis der Lungentuber¬
kulose. Wiesbaden 1901.
3) Aufrecht, Pathologie und Therapie der Lungenschwindsucht.
Wien 1905.
4) Regnault, Le coeur chez le tuberculeux. These de Paris, 1898.
5) Potain, Le coeur des phthisiques. Med. mod., 1892, Nr. 52.
6) Proebsting, Ueber Tachycardie. Arch. f. klin. Med., 1882.
7) Kredel, Vagusneurosen. Aroh. f. klin. Med., 1882.
C*
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UNIVERSUM OF IOWA
1420
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
so deutet das von selbst auf den eudothorakaleu Ursprung hin.
Viel häufiger jedoch treten diese Schmerzen in den benachbarten
Regionen auf, und zwar besonders im Abdomen und in der
Scbultermuskulatur, im letzten Falle werden sie dann häufig mit
Gelenkrheumatismus, im ersten mit Appendicitis verwechselt.
Gerhardt 1 ) sah im Laufe von 2 Jahren 7 Fälle von Pneu¬
monie, die wegen Verdacht auf Appendicitis in chirurgische Be¬
handlung gekommen waren. Diese Schmerzen sind stets ein Aus¬
druck von Erkrankung der Pleura, mit der ja oft auch eine
Lnngentuberkulose beginnt oder Hand in Hand geht. Der Schulter¬
schmerz war bereits von Mackenzie 2 ) in seiner Ursache erkannt.
Dabei ist oft der Phrenicusstamm auf Druck empfindlich. Ger¬
hardt 1 ) gibt für diese Erscheinungen folgende Erklärung. Der
Erregungszustand pflanzt sich in den sensiblen Phrenicusfasern
von der entzündeten Pleura fort und greift an der Einmündungs-
stelle (4. Cervicalwurzel) auf die anliegenden Fasern der Hals¬
nerven über und erzeugt dadurch Schmerzen, welche ins periphere
Ursprungsgebiet dieser Fasern verlegt werden. Noch eine andere
Erklärung ist möglich. Wie Autopsien lehren, kommen sehr
frühzeitig Verwachsungen der Pleuren vor; einmal können durch
Zug an diesen bei der Inspiration Schmerzen entstehen, dann
aber können Nervenäste in diese Verwachsungen einbezogen sein
und so durch den Reiz Schmerzempfindung zustande kommen.
Neben diesen subjektiven Symptomen gibt es nun eine Reihe
objektiv nachweisbarer Störungen, die dem Patienten keine Be¬
schwerden verursachen, die aber für die frühzeitige Stellung der
Diagnose von ausserordentlicher Bedeutnng sind, da sie lange vor
Manifest werden der Lungenerscheinungen auftreten. Da ist in
erster Linie das Larynxsymptom zu nennen, welches jetzt fast
völlig unbekannt ist. Soweit ich aus der Literatur ersehen konnte,
ist dasselbe zuerst von Luschka, dann von Schnitzler beob¬
achtet worden; genauer studiert und eingehend beschrieben wurde
es dann 1883 von Schaeffer 8 ). Dieser fand bei vielen Patienten,
die im Anfänge der Beobachtung noch keine Lungenerscheinungen
boten, bei denen sich solche aber im weiteren Verlauf der Er¬
krankung entwickelten, mit grosser Regelmässigkeit beim Laryngo-
skopieren die Parese des einen Stimmbandes, und zwar stets der
Seite, auf welcher sich später die Lungenaffektion entwickelte.
Er rät daher, alle Patienten, welche über ein unbestimmtes Druck¬
gefühl über dem Thorax, eine Art rheumatischer Schmerzen,
leichte Atembeschwerden, Dypepsie nsw. klagen, zu Jaryngo-
skopieren, um zu einer frühzeitigen Diaguose zu gelangen. Nach
unseren Erfahrungen in der Heilanstalt Tanueuberg kann man
diesen Satz nur bestätigen. Schaeffer betont übrigens, dass
auch gleichseitige Pharyngitis granulosa lateralis, Hypertrophie
der entsprechenden Tonsille, Erkrankungen im Cavum pharyngo-
nasale, Otitis media purulenta sowie Parese des Velum palatinum
molle auf der gleichen Seite häufig Vorkommen.
Wenn wir nun auf die erwähnten Erscheinungen etwas näher
eiogehen, so müssen wir folgenden Larynxbefund als ganz charak¬
teristisch schildern: fast stets findet sich ein leichter, chronischer
Larynxkatarrh, der Kehldeckel sowie der Kehlkopfeingang und
die Hinterwand sind mässig gerötet. Lässt man den Patienten
intonieren, dann zeigt sich eine mehr oder weniger ausge¬
sprochene, aber bei genauer Beobachtung stets deutliche Parese
eines Stimmbandes. Das paretische Stimmband ist gerötet, ebenso
das gleichseitige Taschenband. Dieses ist auch stets merklich
geschwellt. Auf dem paretischen Stimmband liegt mehr Schleim
als auf dem anderen, was sich leicht aus der erschwerten Fort-
scbaffung infolge der gestörten Bewegung erklärt. Der innere
Rand des paretischen Stimmbandes ist meist nicht glatt, sondern
gezahnt. Nach Schech 4 ) ist die Stimmbandparese das Primäre;
der Katarrh entsteht infolge einer Ueberanstrengung, um die Parese
auszagleichen. Klinisch äussern sich diese Erscheinungen in einer
geringen, oft nur abends merklichen Heiserkeit, rauhem Halse
und häufigem Räuspern, wobei nur wenig Schleim zutage gefördert
wird. Tuberkeibacillen werden nicht im Auswurf gefunden, Lungen¬
erscheinungen sind noch nicht vorhanden.
Schaeffer betont ferner, dass nach Besserung der Lungen
die Kehlkopfsymptome verschwinden, hingegen mit einer Ver¬
1) Gerhardt, Ueber Schultersohraerz bei Pleuritis. M.m.W., 1913,
Nr. 52.
2) Mackenzie, Krankheitszeichen und ihre Auslegung. Citiert
nach Gerhardt, 1. c.
3) Schaeffer, Zur Diagnose der Lungentuberkulose. D.m.W., 1883,
S. 306.
4) Schech, Klinische und histologische Studien über Kchlkopf-
sch windsucht. Aerztl, Intelligenzbl., 1881, Nr. 41 und 42.
schlimmerung letzterer meist ein Fortschreiten des Lungenprozesses
einhergeht, was auch ich aus eigener Beobachtung bestätigen kann.
Dass bei Lungentuberkulose überhaupt Erscheinungen von seiten
des Kehlkopfes sehr häufig sind, bat auch Lipowski 1 ) fest¬
gestellt, der solche in 95 pCt. aller Fälle von Phthisis fand.
Dabei handelte es sich meist nicht um Kehlkopftuberkulose,
solche bildete nur io 23—30 pCt. eine Komplikation der Lungen¬
schwindsucht.
Wie kommen nun diese Erscheinungen zustande? v. Luschka 1 )
gibt hierfür bereits die Erklärung: „Der Brustteil des Vagus stebt
mit dem Halse insofern in Beziehung, als sein Ramus recurrens
in diesem emporsteigt . . . Der Nerv ist somit störenden Ein¬
wirkungen seitens der Lunge ausgesetzt. Damit steht die oft ge¬
machte Beobachtung im Einklänge, dass Alteration der Stimme
bei Lungenschwindsucht schon im ersten und zweiten Stadium
eintreten können, ohne durch entzündliche Vorgänge im Larynx
bedingt zu werden. Der genannte Nerv kann, wie leicht ein¬
zusehen ist, durch Tuberkel iu der Lungenspitze einen Drack
erfahren, welchem der genannte Effekt wohl zugeschrieben
werden kann. w
Auch hier also ist das Wesentliche der Einfluss der ver¬
änderten Lungenspitze, oder, wie ich hinzufügen möchte, der
tuberkulösen Bronchialdrüsen auf den Nervus vagus. Aber noch
etwas anderes spricht hier mit. Fränkel 8 ) bat die Kehlkopf¬
muskeln von Lungenphthisikern untersucht und dabei regelmässig
pathologische Veränderungen an den Keblkopfmuskeln gefunden;
besonders betroffen war die kontraktile Substanz, das Perimysium
internum, in zweiter Linie die Muskelkörperchen. Aach dieser
Prozess, der wahrscheinlich schon sehr früh einsetzt — das be¬
tont auch Fränkel bereits — hat sicher einen Einfluss auf die
Bewegung der Ligamenta vocalia, wenn mir auch die erste Er¬
klärung (Luschka, Schaeffer) zutreffender erscheint.
Wir finden ferner sehr häufig bei Tuberkulösen eine Atrophie
der Muskulatur der befallenen Seite. Ueber den Muskelschwund
bei Lungentuberkulose hat Fränkel 4 ) eingehende Untersuchungen
angestellt. Allerdings beziehen sich diese mehr auf die Vorgänge
an der gesamten Körpermuskulatur, die erst im Verlaufe der
Krankheit sich einstellen; worauf ich hinweisen möchte, ist die
schon vor Ausbruch der Tuberkulose vorhandene schlechtere Aus¬
bildung der Muskulatur der einen Körperbälfte; besonders fällt
dies auf, wenn man den Rücken des Patienten betrachtet. Die
von der Scapula entspringende bzw. dort inserierende Muskulatur
ist auf der erkrankten Seite schwächer als auf der gesunden.
Freilich bleibt hierbei die Frage offen, ob es sich um eine Folge¬
erscheinung der Tuberkulose bandelt. Ich halte dies für unwahr¬
scheinlich und glaube, dass hier etwas Primäres vorliegt. Diese
Muskelhypoplasie ist der Ausdruck einer allgemeinen Schwächung
dieser Seite, ähnlich, wie ich dies für abnorme Hautpigmentationen,
Naevi usw. dargelegt habe 5 ). Wir würden darin also ein dispo¬
nierendes Moment erblicken können, anders hingegen ist es mit
der schlechten Beweglichkeit der einen Tkoraxbälfte. Dieses
respiratorische Schleppen ist ja bekannt, es ist der Ausdruck
eines Prozesses im Thorax und spricht für eine Erkrankung der
Pleuren.
Ich komme nun zu einem andern Symptom, welches zuerst
von Roque 6 ), später von Destree 7 ) beschrieben worden ist, es
ist die ungleiche Weite der Pupillen, die man bei Tuberkulösen
häufig findet, und zwar ist auf der erkrankten Seite die Pupille
weiter. Roque erwähnt, dass diese Differenz besonders bei er¬
weiterter Pupille, also in mässig verdunkelten Räumen, zu beob¬
achten sei. Dies rührt nach den genannten Antoren von einer
Erregung des Sympathicus durch tuberkulöse Drüsen her und tritt
auch oft schon vor Manifestwerden der Lungenerscheinungen auf.
Dass es sich wirklich um einen Einfluss der Drüsen auf den
Sympathicus handelt, bat Deströe dadurch bewiesen, dass er
1) Lipowski, Klinische Beobachtungen über Larynxerkrankungen
bei bestehender Tuberkulose der Lungen. Ther. Monatsh., 1898.
2) Lusohka, Die Anatomie des menschlichen Halses. Tübingen 1862.
3) Fränkel, Ueber pathologische Veränderungen der Kehlkopf¬
muskeln bei Phthisikern. Virch. Aroh., 1877, Bd. 71.
4) Fränkel, Ueber Veränderungen quergestreifter Muskeln bei
Phthisikern. Virch. Arch., 1878, Bd. 73.
5) Stern, Zur Frage der Disposition zur Lungentuberkulose. Zschr.
f. Tbc., 1914.
6) Roque, Note sur l’inögalite des pupilles dans les affections des
poumons, des ganglions bronchiques et du pericard. Gazette mödioale
de Paris, 1869.
7) Destr6e, Ein prämonitorisches Symptom der Lungentuberkulose.
Wien. med. Presse., 1894, Nr. 14.
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UNIVERSUM OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1421
zeigte, dass jede mechanische Reizung des Plexus sympathicus in
der Brusthöhle in der Nähe des Lungenhilus eine Erweiterung
der Pupille auf der gereizten Seite zur Folge hat. Ein solcher
Reiz wird aber von den vergrösserten Bronchialdrüsen ausgeübt;
er geht von den Fasern des Plexus sympathicus pulmonalis auf
das Ganglion thoracicum und von hier durch Vermittlung des
Ganglion cervicale inferius auf das Ganglion ophthalmicum über
(Deströe). Deströe behauptet ferner, dass dieses Symptom für
Tuberkulose und Pleuritis pathognomonisch sei, es fehle bei Pneu¬
monie, chronischer Bronchitis und Emphysem. Ob dies wirklich
der Fall ist, möchte ich nicht ohne weiteres entscheiden. Ich
selbst habe diese Erscheinung bei einer sehr grossen Anzahl
unserer Patienten beobachtet, und ich habe ferner wiederholt ge¬
sehen, dass die Pupille auf der erkrankten Seite etwas träger auf
Licht reagierte. Hier bandelt es sich möglicherweise um eine
Uebertragung des auf den Sympathicus ausgeübten Reizes durch
Vermittlung des Ganglion ciliare auf den Oculomotorius.
Noch eines möchte ich kurz erwähnen. Hörard 1 ) vertritt
den Standpunkt, dass der Husten eines der ersten Symptome der
Tuberkulose sei. Aufrecht 2 ) hält dies für unrichtig, und er
zitiert Henle, der behauptet, dass die Ursache zum Husten meist
in den komplizierenden Kehlkopfkatarrhen läge, eine Ansicht, der
Aufrecht sich anschliesst. Nun erfolgt aber, und das sagt auch
Henle, die den Husten auslösende Reizung meist im Gebiete des
Nervus vagus, und dass hier schon im frühesten Stadium der
Lungenaffektion, vor Manifestwerden derselben, Gelegenheit zu
derartigen Reizen durch die geschwellten Drüsen gegeben ist,
wurde bereits oft erwähnt. Sahli 3 ) vertritt daher die Ansicht,
dass die Tuberkulösen, die nicht husten, den bei ihnen in geringer
Intensität auftretenden Husten nur nicht beachten. Er rät des¬
halb, den Patienten leichte Hustenbewegungen vorzumachen, um
ihnen zu zeigen, was man unter diesem Ausdruck versteht.
Staebelin 4 ) ist der Meinung, dass der Husten, welcher trotz
zweckmässiger Behandlung nach 4—6 Wochen nicht verschwindet,
immer den Verdacht auf Tuberkulose erregen soll, wenn auch
chronische Pharyngitis als Ursache in Betracht kommen kann,
diese ist jedoch leicht auszuschliessen.
Wenn wir nun die geschilderten Symptome überblicken, so
muss unbedingt eines auffallen: der Einfluss des Ramus recurrens,
des Nervus vagus und des Sympathicus auf die Initialsymptome
der Tuberkulose, der sich von der Kompression des Nerven durch
die vergrösserten Bronchialdrüsen herschreibt. Dass diese Sym¬
ptome auf der gleichen Seite zu beobachten sind, auf der die Er¬
krankung im Thorax sich abspielt, kann bei der halbseitigen An¬
ordnung des centralen und peripherischen Nervensystems nicht
Wunder nehmen. Dadurch, dass diese Symptome vor Auftreten
der an den Lungen nachweisbaren Veränderungen bereits zu beob¬
achten sind, geht unzweideutig hervor, dass die Lungentuberkulose
nicht in den Spitzen beginnt, sondern von den Drüsen ihren Aus¬
gang nimmt, was ja meist anerkannt wird. Aber noch mehr,
dass wir auch diese Drüsentuberkulose feststellen können und da¬
mit mit unserer Therapie beginnen können zu einer Zeit, wo die
Lunge selbst noch fast völlig frei ist. Dabei müssen wir uns
folgende Punkte, die ich hier noch einmal kurz zusammenfassen
möchte, vergegenwärtigen:
1. Die Diagnose der Lungentuberkulose wird erleichtert und
vorzeitig, im Stadium der Bronchialdrüseninfektion, ermöglicht,
durch richtige Würdigung einer Reihe von subjektiven und ob¬
jektiv nachweisbaren Störungen, wie dies bereits von der Anämie
und dyspeptischen Beschwerden — auch die diarrhöiscben Stühle
sind zu erwähnen — bekannt ist.
2. Von seiten des Circulationssystems weisen Tachycardie,
die auch als sogenannte paroxysmale Tachycardie auftreten kann
sowie eine leichte Verbreiterung der Herzdämpfung nach rechts
auf Tuberkulose hin.
3. Schmerzen in der Schultergegend oder im Abdomen sind
oft auf eine beginnende Tuberkulose der Thoraxorgane zu beziehen;
sie sind ein Zeichen von bestehender Pleuritis.
4. Von besonderer Wichtigkeit ist das Keblkopfsymptom, das
m der Parese des der Lungenaffektion gleichseitigen wahren
Stimmbandes, verbunden mit leichter chronischer Laryngitis,
besteht.
1) Herard, Cornil, Hanot, La phtise pulmonaire. Paris 1888.
2) Aufrecht, 1. c.
3) Sahli, Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 6. Aufl.
Le ‘gzig 1918.
4) Staehelin, Der Husten. Jahreskurse für ärztliche Fortbildung,
^ebruarheft 1914.
5. Die häufig vorkommende schlechtere Entwicklung der
Muskulatur auf der befallenen Seite ist ebenfalls diagnostisch ver¬
wendbar, wenn sie auch wahrscheinlich keinen Folgezustand, sondern
ein disponierendes Moment darstellt. Das respiratorische Schleppen
jedoch ist ein Zeichen bestehender Pleuritis.
6. Die Pupille des Auges der befallenen Seite ist oft weiter
und reagiert träger auf Licht.
Zum Schluss möchte ich nicht verfehlen, Herrn Direktor
Dr. Scheib meinen aufrichtigsten Dank für die Anregung zu
dieser Arbeit sowie für die Ueberlassung seines reichhaltigen
Krankenmaterials auszusprechen.
Aus der III. medizinischen Klinik zu Bukarest
(Direktor: Prof. I. Nanu-Muscel).
Eine neue Spritze zur intravenösen Injektion
von konzentriertem Neosalvarsan und anderen
sehr reizenden Lösungen.
Die Neorekordspritze.
Von
Dr. Tito Vasilin, Assistenten der Klinik.
Es ist bekannt, welchen Schwierigkeiten man begegnet, eine intra¬
venöse Injektion bei Personen mit dünnen und unter der Haut ver¬
schiebbaren Venen vorzunehmen. Es kommt in solchen Fällen oft vor,
dass die Substanz in das die Vene umgebende Gewebe gelangt.
Bei dem heutigen Bestreben, das Neosalvarsan in sehr konzentrierten
Lösungen anzuwenden (Ravaut, Alexandrescu), kann ein solcher
Fehler der Technik eine heftige, ausgebreitete, von grossen Schmerzen
begleitete Entzündung verursachen; eine unangenehme Komplikation,
welche uns für eine gewisse Zeitdauer, wenn nicht für immer, die intra¬
venöse Bahn verschliesst.
Mit der nach meinen Angaben von der Firma „Sanitaria“ in
Ludwigsburg konstruierten Spritze wird diesem abgeholfen.
Diese Spritze besteht aus zwei Rekordspritzen von 5 oder 2 com
Inhalt, welche in ihren oberen Teilen mittels einer Doppelklemme ver*
bunden sind; die unteren Enden der Spritze sind durch einen hohlen,
abnehmbaren Metallbogen verbunden, in dessen Mitte sich ein Einsatz
befindet, worauf die Nadel befestigt wird. Dieser Bogen ist mit zwei
Hähnen versehen, welche es ermöglichen, separat den Inhalt jeder Spritze
durch die Nadel zu entleeren.
Technik. Man füllt beide Spritzen mit physiologischer Kochsalz¬
lösung und schliesst den Hahn einer Spritze. Ein Teil des Inhalts der
anderen Spritze wird in die Ampulle, die das Neosalvarsan enthält,
hineingelassen und die Substanz mittels der Nadel verrührt, bis man
eine klare Lösung erhält, die man in die Spritze einsaugt; dann schliesst
man diesen zweiten Hahn. Man öffnet den Hahn der ersten Spritze
und spritzt durch die Nadel etwas Kochsalzlösung hindurch, um zurück¬
gebliebene Teilchen des Neosalvarsans wegzuspülen.
Die Nadel wird in die Vene eingeführt, man spritzt dann etwas
Kochsalzlösung, um zu sehen, ob sich die Flüssigkeit nicht unter der
Haut sammelt und eine Beule bildet. In diesem Falle wird die Nadel
zurückgezogen und ein neuer Einstich versucht. Im entgegengesetzten
Falle wird der Inhalt der mit Salvarsan gefüllten Spritze langsam in die
Vene entleert, nachdem der Hahn der mit Kochsalzlösung gefüllten
Spritze vorher geschlossen worden ist.
Auf diese Weise gelangten wir dazu, die Injektion von
Salvarsan nur dann vorzuuehmen, wenn wir uns volle Gewiss¬
heit verschafft haben, dassdieNadel sich wirklich im Lumen
der Vene befindet.
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UNIVERS1TY OF IOWA
1422
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80.
Bücherbesprechungen.
Lehrbuch der Organotherapie, mit Berücksichtigung ihrer anatomi¬
schen und physiologischen Grundlagen- Bearbeitet von Karl
Baoeh-Prag, Gustav Bayer- Innsbruck, L. Borehardt-Königsberg,
Rudolf Ehrnann Berlin, Artur Foges-Wien, M. Hüfler Bad Tölz,
Alfred Kohn-Prag, Friedrich Piueles -Wien, Julius Wagner
v. Jauregg-Wien. Herausgegeben von Wagner v. Jauregg und
Gustav Bayer. Mit 82 Textabbildungen. Leipzig 1914. Verlag
G. Thieme. 516 S. Preis 13 M.
Mit welchen Riesenschritten unsere Wissenschaft vorwärts eilt, wird
uns wieder einmal vor Augen geführt, wenn wir das vorliegende Werk
sur Hand nehmen. — Die Organotherapie, deren Anfänge bis in graue
Vorzeiten zurückreiohen, ist in ihrer jetzigen Gestalt ein Kind der Neu¬
zeit. Konzentrierte sich bis vor wenigen Jahren unser ganzes organo-
therapeutisches Können auf die Schilddrüse, so haben die neuesten
Forschungen unsern Wirkungskreis in ungeahnter Weise erweitert und
hiermit die Notwendigkeit einer zusammenfassenden Bearbeitung des ge¬
samten Gebietes klar erwiesen.
Das „Lehrbuch der Organotherapie“, an welchem die berufensten
Vertreter der einzelnen Spezialdisziplinen mitgearbeitet haben, breitet
vor uns das ganze Arsenal der uns zur Verfügung stehenden Organ¬
stoffe aus. Die Einleitung des Werkes bildet eine Geschichte der Organo¬
therapie (Höfler). Weiterhin werden abgehandelt: die morphologischen
Grundlagen der Organotherapie (Kohn), die Schilddrüse (Wagner), die
Epithelkörperchen (Pineies), die Thymus (Basch), die Hypophyse
(Borchardt), das Panereas (Ehrmann), die Nebennieren (Bayer),
die Keimdrüsen (Foges); den Schluss bilden organotherapeutiscbe Ver¬
suche mit nicht innersekretorischen Organen (Bayer). — Eine Fülle von
Material galt es zu bewältigen. Wenn auch vieles noch Hypothese ist,
so stehen wir andererseits doch Bchon vor einer Reihe tatsächlicher For-
sohungsresultate, an deren grundlegender Bedeutung nicht mehr zu
zweifeln ist.
Den einzelnen Abschnitten ist ein anatomisch-physiologischer Teil
vorangestellt, der allerdings stellenweise etwas breit geraten ist; hier¬
durch kommt bisweilen der therapeutische Grundgedanke nicht klar
genug zum Ausdruck.
Für künftige Auflagen würde es sich empfehlen, am Schlüsse
jedes Abschnitts eine tabellarische Debersicht über die Indikationen und
die Dosierung der betreffenden Organbehandlung beizufügen; so würde
der Gebrauch entschieden erleichtert werden. — Besonders wünschens-
weit erschiene aber ein zusammenfassendes Kapitel über die Möglich¬
keiten und Aussichten der Organotherapie im allgemeinen. Die spe¬
ziellen Lehren, welche wir aus der therapeutischen Verwertbarkeit eines
bestimmten Organs ziehen, müssen miteinander verglichen, das Gemein¬
same im Zusammenhang erläutert, das Trennende ursächlich begründet
werden. Es müssen die Grenzen der Organotherapie gezogen werden.
Vor allem sind die Gründe für die vielfachen Fehiscbläge aufzusuchen.
Das Kardinalproblem der Organotherapie ist und bleibt noch immer:
Warum gelingt es nicht, die gleichen Erfolge, welche uns die Schild¬
drüsenbehandlung gewährt, mit anderen Drüsenorganen zu erzielen?
Ueber diese Frage sind wir noch nicht hinaus; in ihr ruht vielleicht
die Lösung manches dunklen Rätsels.
Das Lehrbach der Organotherapie bedeutet eine wertvolle und wirk¬
lich nutzbringende Bereicherung der medizinischen Literatur. Der Arzt,
dessen vornehmste Aufgabe von jeher in der Heilung kranker Menschen
gelegen, wird aus ihm lernen, die Ergebnisse der jüngsten Forschungen
praktisch zu verwerten; so wird er den Kreis seiner Heilmethoden
ständig ausdehnen, und hiermit wird sich die Strecke, die ihn von seinem
hochgesteckten Ziele trennt, immer mehr und mehr verkleinern.
A. Münzer.
Die Verletzungen der Wirbelsäule durch Unfall. Ein Beitrag zur
Versicherungsmedizin. Auf Grund von etwa 200 Eigenbeob-
aohtungen von Dr. med. Franz Otto Quetsch, Spezialarzt für
orthopädische Chirurgie und Unfallheilkunde. 155 Seiten mit
103 Textfiguren. Berlin 1914, Verlag A. Hirschwald. Preis
4 M. 50 Pf.
Viele Aerzte, auch Unfallärzte, wird es nicht geben, die in 5 Jahren
eine so grosse Zahl von Wirbelverletzungen beobachten, behandeln und
begutachten konnten, wie es dem Verf. dieses interessanten „Beitrags
zur Versioherungsmedizin“ möglich war. Das Material stammt aus der
orthopädischen Heilanstalt „Hüffer-S tiftung“ zu Münster i. W. — Die
Diagnosen wurden natürlich durch die Röntgenuntersuchung festgestellt;
wenn aber der Verf. betont, dass damit beim Lebenden in jedem Falle
eine exakte Diagnose zu stellen und mit Sicherheit jede Verwechslung
auszuschHessen sei, so möchte ioh dem doch widersprechen. Gerade an
der Wirbelsäule (und am Becken) sind Täuschungen auf Grund von
Röntgenbildern leider gar nicht selten, was für den V. Lendenwirbel
übrigens auch vom Verf. (S. 98) bestätigt wird. Dasselbe gilt von der
Differentialdiagnose zwischen Wirbelbruch und Wirbelcaries in frühen
Stadien der letzteren. In der Regel wird allerdings das Röntgenbild
(s. S. 117) Aufschluss geben; Verf. betont aber selbst, welche anderen
Gesichtspunkte (Alter, Schwere des Unfalls usw.) dabei von Wichtigkeit
sind. Zn derselben Gruppe gehört die sogenannte Kümmell’sche
(nicht Kümm ersehe!) Kyphose (S. 118) und der traumatische Hexen¬
schuss, der zuweilen durch Fraktur eines Fortsatzes verursacht und
durch operative Entfernung des abgebrochenen Stückes geheilt ist. —
Das grosse Material von 121 Fällen wird auf den ersten 111 Seiten des
Buches ausführlich und nach Art und Ort der Verletzung besprochen;
es ist so mannigfaltig, dass man für eigene Beobachtungen wohl immer
Vergleichs- und Musterbeispiele finden kann. Vielleicht sind aber die
folgenden Abschnitte, in denen die Hauptsymptome der Wirbelverletzung,
die Deformitäten, ferner die Zeichen der Mitbeteiligung des Rücken¬
markes und der Nervenwurzeln und endlich der Schluss, die Prognose,
die Beurteilung und die Behandlung der Verletzungen der Wirbelsäule
gerade für den Unfallarzt von noch grösserer Bedeutung. Ich möchte
besonders hinweisen auf die Schlussfolgerungen, die der Verf. auf Grund
seines grossen und genau beobachteten Materials für die Prognose dieser
Verletzungen im allgemeinen und für die Wiederherstellung der Enrerbs-
fähigkeit im besonderen gibt. — Eine grosse Zahl von Röntgenbildern,
Photographien und schematischen Zeichnungen erläutern den Text nnd
erleichtern das Verständnis von oft recht komplizierten Verletzungs-
folgen. Das Buch kann jedem Arzte, der mit Kassen- und Unfall-
kranken zu tun hat, aber auch jedem Chirurgen aufs Beste empfohlen
werden. A. Köhler.
v. Brus, Garr£ und Kttttaer: Haidbueh der praktische! Chirurgie.
Vierte umgearbeitete Auflage. Fünf Bände. V. Band. Mit 770
teils farbigen Textabbildungen. Stuttgart 1914, Ferdinand Enke.
. 1313 Seiten. Preis broschiert 35,20 M., gebunden 38,20 M.
Von dem in fast allen Weltspraohen verbreiteten Handbuch ist jetzt
auch der V. Baud in der Neuauflage erschienen, und das Werk geht
damit, da nur noch die Chirurgie der Wirbelsäule und des Beckens
(Band IV) aussteht, seiner Vollendung entgegen. An der voliegenden
Extremitätenchirurgie sind Schulter und Oberarm von v. Hofmeister
und Schreiber unter Berücksichtigung aller Neuerungen, wie auto¬
matische Extension der Humerusfrakturen nach Hof mann, RechtwinkeJ-
extension nach Christan - Zuppinger, Knoohentransplantation usw.
bearbeitet. Wilms hebt die glänzenden Erfolge der Helio- und Thalasso¬
therapie bei Ellbogengelenktuberkulose hervor, berichtet aber gleichzeitig
über so günstige eigene Resultate mit Röntgenbestrahlung, dass in seiner
Klinik seit 4 l / 2 Jahren keine operative Behandlung mehr nötig war.
Die Resultate der Stauungsbehaudlung sind nicht konstant. Tuber¬
kulinkur wird nur bei negativer Pirquet’scher Reaktion empfohlen.
Friedrich empfiehlt bei akuten entzündlichen Prozessen der Hand und
des Vorderarms grundsätzlich die Spaltung aller Eiterherde vor der
Hyperämiebehandlung; wird letztere zuerst versucht, so kann durch das
Oedem die Auffindung der primären Eiterherde erschwert werden. Die
bisher von Hoffa bearbeitete Chirurgie der Hüfte und des Ober¬
schenkels ist jetzt durch v. Brunn dargestellt. Bei der Coiitis wird
wohl die Wichtigkeit der Allgemeinbehandlung neben der chirurgischen
und orthopädischen Behandlung betont, dagegen ist nicht erwähnt, dass
die konsequent durchgeführte Heliotherapie allein schon zum Ziele führen
kann. Als begeisterten Anhänger dieser Therapie bekennt sich Reichel,
welcher die Chirurgie des Kniegelenks und Unterschenkels bearbeitet hat,
auf Grund seiner in Leysin gewonnenen Eindrücke: „Dies sind Erfolge,
denen alle mit den bisher üblichen Behandlungsmethoden erreichten
Resultate bei weitem nachstehen und hinter welchen auch —- namentlich,
was die Heilung mit beweglichem Gelenk betrifft — jedes operative
Verfahren erheblich zurück bleibt.“ Mustergültig ist endlich die Be¬
arbeitung der Chirurgie des Fussgelenks und des Fusses durch
M. Borchardt. Zahlreiche wohlgelungene und instruktive Illustrationen
ergänzen den überaus anschaulich gehaltenen Text. Hervorgehoben seien
u. a. die schönen Bilder von Talus- und Calcaneusfrakturen, Caleaneus-
sporn, von Os trigonum, Os peroneum und Os tibiale.
Das Ganze erscheint trotz der Vielheit der Mitarbeiter dank der
Einheitlichkeit der Grundsätze, nach welche die Darstellung erfolgte, wie
aus einem Guss: eine durchaus moderne Extremitätenchirurgie, welche
neben dem wertvollen alten Bestände alles wichtige Neue enthält und
welche durch ihre glückliche Anlage ebenso wie das gesamte grosszügig
angelegte und in fast allen Weltsprachen verbreitete Werk dazu ge¬
schaffen ist, dem praktischen Arzte ebenso nützlich zu sein, wie dem
Fachchirurgen, welchem es längst unentbehrlich geworden ist Die
Namen v. Bergmann und ▼. Mikulicz müssten mit ehernen Lettern
seinen Titel zieren!
P. ?. Brus: Nene deutsche Chirurgie. XI. Band: Die allgemeine
Chirurgie der Gehirnkrankbeiten von A. Knoblauch, K. Brod¬
ln an n und A. Hauptmann. Zwei Teile. I. Teil. Mit H9
teils farbigen Textabbildungen und 12 Kurven. Redigiert von
F. Krause. Stuttgart 1914, Ferd. Enke. 580 Seiten. Preis
24 M. (für Abonnenten 20 M.).
Als XL Band der von P. v. Bruns herausgegebenen „neuen
deutschen Chirurgie“, deren bisherige Lieferungen wir an dieser Stelle
bereits besprochen haben, ist unter der Redaktion von F. Krause das
oben bezeiohnete Werk erschienen. Die engen Beziehungen der anato¬
mischen, experimentell physiologischen und klinischen Erforschung des
Centralnervensystems Hessen eine eingehende Bearbeitung der wichtigen
Grundlagen, welchen die Hirnchirurgie ihren grossen Aufschwung ver¬
dankt, besonders erwünscht erscheinen, und so finden wir hier diese
unter Berücksichtigung der neuesten Ergebnisse von berufener Seite
dargestellt: A. Knoblauch - Frankfurt hat die Anatomie und Topo-
; i: K:
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UNIVERSUM OF IOWA
27. Jnli 1914.
BERLfNER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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graphie des Gehirns und seiner Hüllen bearbeitet und dabei in
instruktiver Weise allenthalben auf die chirurgisoh besonders wichtigen
anatomisohen Verhältnisse hingewiesen (Verlauf der Frakturlinien des
Schädels, Wichtigkeit des Sinus sagittalis sup. und transv. in chirur¬
gischer Hinsicht, abnormer Verlauf des Sinus transversus, anatomische
Rindenlokalisation, Kommunikationen des Subaraohnoidealraumes mit
dem Ventrikelsystem usw. usw.). Die Darstellung der Hirnphysio¬
logie durch K. Brodmann - Tübingen führt uns besonders anschaulich
den stoben Bau vor Augen, su welchem die fundamentalen Ent¬
deckungen von Hitzig, Fritsch und Munk die ersten Bausteine ge¬
liefert haben. Insbesondere finden wir die moderne Lehre von der
Agnosie und Apraxie, Aphasie und Alexie, die Physiologie der centralen
Ganglien, der Hypophyse und der Glandula pinealis mustergültig und
objektiv erörtert. Einen besonders breiten Raum nimmt naturgemäss
die Physiologie des Kleinhirns ein, welohe durch die geistvollen Unter¬
suchungen Baräny’s über die Beziehungen des Vestibularapparates
zum Kleinhirn in ein neues Stadium getreten ist. Das Studium dieses
unter eingehender Berücksichtigung der grossen Fortschritte der letzten
Jahre verfassten Kapitels ist besonders reizvoll. Den dritten Haupt¬
abschnitt des Buches bildet die von Haup tmann - Freiburg i. B. be¬
arbeitete Hirndruoklehre. Nachdem Verf. die für das Verständnis
wichtige Anatomie des Gefass- und Lymphsystems des Gehirns- und
Rückenmarks, sowie die Blut- und Liquorcirculation in der Schädel-
uud Rückgratshöhle vorausgeschickt hat, erörtert er systematisch Patho¬
genese, Symtomatologie, Diagnose und Therapie des chronischen Hirn¬
drucks (Compressio eerebri) und der akuten Hirnpresung, Hirnerschütte¬
rung (Commotio cerebri). Jedem einzelnen Abschnitt ist ein sorgfältig
geführtes Literaturverzeichnis beigefügt.
Das mit zahlreichen vorzüglichen Illustrationen versehene Buch, in
welchem wir neben dem wertvollen alten Bestände gewissenhaft alles
Nene einverleibt finden, wird sicher in den Fachkreisen mit Freude be-
grüsst werden und im Verein mit dem hoffentlich recht bald er¬
scheinenden zweiten Teil ein getreues Bild des gegenwärtigen Standes
einer Disziplin bieten, welche trotz der mannigfachen noch vorhandenen
Lücken unseres Wissens durch die besonders intensive experimentelle
Erforschung und vor allem duroh das Hand-in-Hand-Arbeiten von
Laboratorium und Klinik zu ihrer jetzigen Höbe gediehen ist.
Adler - Berlin-Pankow.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
M. Cloetta und E. Waser-Zürich: Ueber den Einfluss der lokalen
Erwärmung der Temperaturregulierungscentren auf die Körpertempe¬
ratur. (Zur Kenntnis des Fieberanstiegs. 3. Mitteilung.) (Arch. f. exp.
Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 u. 2.) Barbour’s Theorie, dass
die Erhöhung der Bluttemperatur auf die wärmeregulierenden Centren
antipyretisch wirkt, stützte er durch Experimente, bei denen den Wärme-
oentren trepanierter Kaninchen Wärme durch Leitung zugeführt oder
entzogen wurde. Die Verff. bewirkten die Wärmezufuhr ohne Hirnver¬
letzung durch Diathermie und kommen zu entgegengesetzten Ergebnissen.
Die Berechtigung obiger Theorie Ist zweifelhaft.
P. Jangmann-Strassburg: Ueber die Beziehungen des Znckerstichs
znm sogenannten Salutieh. (Aroh. f. exp. Path. u. Pharm., 1914, Bd.77,
H. 1 u. 2.) Die Folge des Zuokerstichs bei Kaninchen an der Stelle
01. Bernard’s ist ausser Glykosurie Polyurie und Mebrausscheidung
ton NaCl in gesteigerter prozentualer Konzentration, genau so wie nach
dem Salzstich im Funioulus teres. Die Zunahme der NaCl-Ausfuhrprozente
ist nicht durch Hyperglykämie bedingt. Nach dem Zuokerstich besteht
meist Blutdruckzunahme, nach dem Salzstich Blutdruckabnahme, beide
M&le mit Hydrämie. Zucker- und Salzsticb wirken durch den Splanch-
nicus auf die Niereufuuktion. Periphere Splanchnicusdurchschneidung
verhindert die Zuckerstiohwirkung auf die Nierenfunktion, alleinige Durch¬
schneidung des linken Splanchnicus verhindert nur die Wirkung auf die
Leberfunktion. W i r t h.
E. Leschke - Berlin: Untersuchungen über die Funktion der
(M.m.W., 1914, Nr. 27.) Vortrag und Demonstrationen, ge¬
aalten auf Einladung des ärztlichen Vereins in Hamburg am 12. Mai
1914. Cf. Gelellschaftsbericht der B.kl.W., 1914, Nr. 24.
Dünner.
G. C. Parnell-London: Eine klinische Probe zur Bestimmung des
««ergekiltes in Prozenten. (Brit. med. Journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.)
Vcn. hat die Moore’sche Zuckerprobe dadurch zur quantitativen Bestim-
mung benutzbar gemacht, dass er gefärbte Gläser hat herstellen lassen,
Qle “ er Bräunung dea Urins bei bestimmten Zuokergehalten entsprechen.
Weydemann.
C. Hess -München: Neue Versuche über Lichtreaktionen hei
jwei ud Pflanzen. (M.m.W., 1912, Nr. 27.) Vortrag, gehalten in
iSij *l? ener Go s «ll8chaft für Morphologie und Physiologie am 19. Mai
Cf. Gesellschaftsbericht der B.kl.W., 1914, Nr. 24.
Dünner.
Pharmakologie.
K. Sech er-Kopenhagen: Untersuchungen über die Einwirkung des
Coffeins anf die quergestreifte Muskulatur. (Arch. f. exp. Path. u.
Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 u. 2.) Durobströmung der Froschmuskulatur
mit sehr schwachen Lösungen von Coffein oder verwandten Stoffen ver¬
ändern die Muskulatur histologisch; bei Säugetieren erst bei Anwendung
starker Lösungen.
E. Starkenstein-Prag: Ueber die pharmakologische Wirkug
caleiumfällender Säuren und der Magnesiumsalze. (Arch. f. exp. Path.
u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 u. 2.) Ebenso wie die Oxalsäure wirken
calciumentziebend eine Reihe von Phosphorsäuren und Fluorwasserstoff¬
säure, mit denselben klinischen Symptomen. CaCl-Injektion auf der Höhe
der Vergiftung rettet das Tier; vorherige Injektion verhindert die Ver¬
giftung. Die Giftwirkung ist durch Calciumentziehung und nicht durch
das Aniou calciumfällender Salze bedingt, denn lösliche Magnesiumsalze
der Oxalsäure oder von Phosphorsäurea sind nicht giftig, da Magnesium
das Ca im Organismus teilweise funktionell ersetzt. Nur bei der Mag¬
nesiumnarkose sind Ca- und Mg-Ionen antagonistisch. Auch Phosphate
sind blutgerinnungshemmend. Wirth.
Therapie.
Johannessohn und Sohaechte - Berlin: Klinischer Beitrag zur
Strophantnsfrage. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) „Purostrophan“ enthält
0,5—1 mg g-Strophantin (aus Gratussamen hergestelltes, kristallisiertes
Strophantin). Rasche, intensive Wirkung auf Herz und Gefässe, ohne
erhebliche allgemeine Blatdrucksteigerung. Stom&ch&le Anwendung wirkt
kräftig. Starke diuretische Wirkung. Kumulation kaum zu fürchten.
Wolfsohn.
K. Kall - Freiburg i. B.: Anwendung kl eilt? Salvarsandosen bei
sekundärem Anämien and Ernährungsstörungen. (M.m.W., 1914, Nr. 27.)
K. empfiehlt kleine Dosen von 0,05—0,075 Salvarsan (intravenös) gegen
sekundäre Anämien. Er macht 10—15 Injektionen und will gute Er¬
folge erzielt haben.
A. Lichtenstein-Stockholm: Erfahrungen mit Eiweissmilck.
(M.m.W., 1914, Nr. 27.)
F. Föhrenbaoh - Tübingen: Poliklinische Erfahrungen mit Larosan.
(M.m.W., 1914, Nr. 27.) Gute Erfolge. Dünner.
P. Soharff-Stettin: Gicht und Harnröhrenstriktnr. (Derm. Wscbr.,
1914, Bd. 59, Nr. 27.) Verf. empfiehlt die Radiummineralbäder in Bram¬
bach i. Vogtl. gegen Gioht, Harnröhrenstrikturen, sowie gegen Diabetes
und Harn- und Blasenleiden. Immer wahr.
v. Cappellen: Ueber die Behandlung der Parapkimosis. (Ned.
Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 21.) Verf. rühmt sehr die fran¬
zösische Methode, welche vor der Reposition eine Cooain-Adrenalinein-
spritzung vorschreibt. Verf. machte eine kleine Variation, indem er statt
des Cooain 1 pCt. Eucain verwendete und sich mit 4 Tropfen Adrenalin
begnügte. v. Suchtelen.
M. Dübi: Ueber die wissenschaftlichen Grundlagen der Sahli’schen
Methode der Behandlung der Tnberknlose durch multiple cutaue Tuber¬
kulinimpfungen. (Beitr. z. Klin. d. Tab., Bd. 29, H. 2.) Die Vorteile der
cutanen Methoden vor der lojektionstherapie können zweifacher Natur
sein. Man kann sich vorstellen, dass einmal dadurch, dass man die
Tuberkuiinreaktion lokal festhält, die Gefahren der AUgemeinreaktion
her&bgemindert werden durch die angeführte lokale Entgiftung. Anderer¬
seits ist auch zu erwarten, dass die entzündliche Qautreaktion spezifische
Antikörper liefert, welche allgemeine immunisatorische Heilwirkungen ent¬
halten. Verf. hat eine eigene Technik herangebildet vermittelst eines
Tuberkulinschneppers, der mit zahlreichen Nadeln versehen ist. Man
steigt allmählioh mit der Tuberkulinkonzentration, um zu guten, kräftigen
Lokalreaktionen zu gelangen. Dabei ist auf die eventuellen Temperatur¬
erhöhungen und sonstige Zeichen von Allgemeinreaktion zu achten, und
wenn solche auftreteu, mit der Konzentration herabzugehen. Zu heftige
Lokalreaktionen sind zu vermeiden. Von dem Moment an, wo mau
genügende Haatreaktionen erhält, steigert man die Wirkung im Sinne
des S ah 1 i’schen Prinzips der Oberflächen Vergrößerung und um Allgemein¬
reaktionen zu vermeiden, nicht durch weitere Konzentrationserhöhung,
sondern duroh Vermehrung der Impfstellen. Die therapeutischen Wir¬
kungen können als günstig bezeichnet werden. Bemerkenswert ist, dass
Patienten, die auf subcutane Injektionen reagiert haben, bei der Tuber¬
kulinanwendung duroh die Haut reaktionsfrei bleiben bezüglich ihrer
Herd- und Allgemeinerscheinungen. Besonders geeignet für die Impf¬
behandlung sind gerade solche Fälle, die bei kräftiger Lokalreaktion
Zeichen von Allgemeinerscheinungen darbieten. Da jedoch auch Fieber-
und Herdreaktionen beobachtet worden sind, ist die Befolgung einer
genauen Methodik dabei unumgänglich notwendig. J. W. Samson.
H. Mowat- London: Die Röntgenbehandlung tuberkulöser Drüsen.
(Brit. med. Journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.) Die Resultate sind bei allen
Drüsen sehr befriedigend, da mit harten Röhren auch tief liegende er¬
weicht werden können. Die harten Röhren sind überhaupt angezeigt
unter Benutzung von 1,5 mm dicken Aluminiumfiltern. Es ist eine volle
Sabouraud’sche Dosis nötig, manchmal bis ein Viertel mehr, in wöchent¬
lich 2 Sitzungen. Weydemann.
K. Kaufmann - Schömberg: Zur Vinlenx des Friedm nun'gehen
Tuberknlosemittelg. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) Das „Friedmaun’sohe
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Nr. 80.
Virus“ ist von Meerschweinchen auf Meerschweinchen übertragbar. An
seiner Pathogenität ist nicht zu zweifeln. Seine Anwendung beim
Menschen muss unbedingt unterbleiben.
Ed. Kahn und 0. Seemann - Bonn: Schlechte Erfahrungen bei
cbirirgiseher Tuberkulose mit dem Friedmana’schen Mittel. (D.m.W.,
1914, Nr. 28.) Das Friedmann’sche Mittel ist kein „Heilmittel“ der
Tuberkulose. Die Vaccine ist verunreinigt. Vor Anwendung wird streng
gewarnt (Klinik Gar re).
R. Drechter - München: Erfahrungen mit dem Friedminn’sehei
Heilmittel bei chirurgischer Tiberkulose. (D.m.W., 1914, Nr. 28.)
Meist keine Beeinflussung. In wenigen Fällen auffallende Besserung, in
anderen erhebliche Verschlechterung. Wolfsohn.
H. Eggers: Erfahrungen mit der Knpferbehaidlniig bei innerer
und Kasserer Tuberkulose. (Beitr. z. Ktin. d. Tub., Bd. 29, H. 2.) Die
durch das Tierexperiment erwiesene Affinität des Kupfers zu tuberkulös
erkranktem Gewebe findet in 5 Fällen äusserer Tuberkulose ebenso wie
die durch Strauch mitgeteilten Fälle auch für Menschen ihre Bestätigung.
Die therapeutische Wirkung der lokalen Kupferbehandlung bei lupösen
und verrucösen Ulcerationen war überraschend günstig. Auch durch die
Inunktion und innerliche Medikation ersohien ein Einfluss auf die endogene
Natur der Haut und chirurgischen Tuberkulose ausgeübt zu werden. Bei
innerer Tuberkulose konnte mittels der Darreichung per os und der
Schmierkur keine unbedingt einwandfreie Beeinflussung erzeugt werden.
J. W. Samson.
M. Münch - Frankfurt a. M.: Heilung eines Falles von Chorioiditis
disseminata dnreh intravenöse Tabercnproseeinspritnnngen. (D.m.W.,
1914, Nr. 28.) Tubercuprose ist eine 1 prom. Lösung von Cuprum
formicicum, mit Zusatz einiger Tropfen von Ac. formicicum. Es kommt
in Ampullen in den Handel und wird intravenös injiziert. In dem mit¬
geteilten Fall wird die Heilung einer Lungenphtbise und einer Chorio¬
iditis disseminata auf dieses Mittel zurückgeführt. Wolfsohn.
M. Goldschmidt-Leipzig: Die Chemotherapie der Pnenmo-
kokkenerkranknngen des Auges, insbesondere des Ulcus serpens durch
Optoohinsalbe (Aethylhydrocuprein). (M.m.W., 1914, Nr. 27.) G. be¬
nutzt folgende Salbe: Optochin. hydrochl. 0,1, Atr. sulf. 0,2, Amyl. titr.
2,0, Vasel. flav. am. Cheseborough ad 10,0, 5—6 mal pro die einreiben.
Eventuell vorher mit 3 proz. Cocain anästhesieren. Sehr gute Resultate.
E. Kraus-Brünn: Zur Anästhesierung des Uterus. (M.m.W.,
1914, Nr. 27.) K. taucht Hegarstifte in Syrupua simplex, dem Novo-
cain-Suprarenin zugesetzt ist und lässt den Sirup erstarren. Bei der Ein¬
führung der Stifte erfolgt Anästhesie. Dünner.
W. C. Stevanson - Dublin: Vorläufiger klinischer Bericht über eine
neue und wirtschaftliche Methode der Radiumbehandluug durch Ema-
■atioBSuadeltt. (Brit. med. Journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.) Verf. sticht
bei inoperablen Geschwülsten eine Anzahl von Hohlnadeln ein, in die
kapillare Glasröbrchen mit Radiuraemanation eiogeführt werden. Die
Nadeln bleiben 24—48 Stunden liegen und werden dann in einer anderen
Richtung eingeführt. Die Erfolge waren sehr ermutigend. Die Vorzüge
sind die Billigkeit des Verfahrens, die leichte Ausführbarkeit, die genaue
Dosierung und die gleichmässige Verteilung der Emanation in der Ge¬
schwulst. Die Nadeln sollen nicht weiter als etwa 3 cm voneinander
entfernt sein, da so weit die weichen Strahlen menschliches Gewebe
durohdringen. Weydemann.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
G. Mita(-Japan)-Braunschweig: Physiologische und pathologische
Veränderungen der menschlichen Keimdrüse von der fötalen bis zur
Pubertätszeit, mit besonderer Berücksichtigung der Entwicklung.
(Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. 3.) Verf. bat eine grössere Zahl HodeD von
Föten, Kindern und Erwachsenen untersucht und tritt auf Grund seiner
Ergebnisse der Behauptung Kyrie’s entgegen, dass ein grosser Teil der
Kinder mit unterentwickelten Keimdrüsen zur Welt komme. Es handele
sich nicht um eine mangelhafte Entwicklung infolge von primärer Keim¬
schädigung, sondern um eine Fehlentwicklung infolge der Einwirkungen
ektogener Noxen; sie besteht in übermässiger Ausbildung des Intersti-
tiums und Hemmung der Parenchymausbildung, die bereits bei der Ge¬
burt vorhanden sein können, wenn die Schädigung des Organs schon
während des Fötallebens stattgefunden hat. Auch noch in den ersten
Lebensjahren können derartige Schädigungen den Hoden treffen, der dann
in seiner weiteren Entwicklung gehemmt wird. Von Krankheiten, die
die beschriebenen KeimdrüseuveränderuDgen im Gefolge haben, sind
ausser der kongenitalen Lues hauptsächlich Tuberkulose und Rachitis
zu nennen. Blutungen, die man häufig in den Hoden Neugeborener
findet, und die traumatischen Ursprungs sind, werden ohne weitere Folgen
resorbiert.
D. D. Krylow-St. Petersburg: Experimentelle Studien über Neben-
nierenrinde. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. 3.) Fütterungsversuche bei
Kaninchen: 1. Mit Kuhmilch, Lecithin und Eigelb in verschiedenen
Mengen und von verschieden langer Dauer. Die Tiere nehmen an Ge¬
wicht zu, die Nebenierenrinde zeigt eine teilweise (Eigelbnahrung) kolos¬
sale Steigerung des Lipoidgehaltes. 2, Mit Cholesterin. Die Tiere
magern stark ab, die Nebennieren nehmen an Grösse enorm zu, ihre
Rinde enthält grosse Mengen doppeltbrechender Substanzen. Ausserdem
weisen die Nebennieren degenerative Veränderungen in Aufbau und
Zellstruktur sowie Entzündungserscheinangen auf, die Verf. auf die Ver¬
giftung mit Cholesterin znrückführt. 3. Alkoholfütterung per os bringt
bei längerer Dauer geringe Grössenzunahme der Nebennieren sowie massige
Vermehrung der doppeltbrecbenden Substanz in ihrer Rinde hervor.
4. Alkohol intravenös bewirkt keine Veränderung der Nebennieren.
5. Cholesterin -f* Alkohol per os wirkt wie Cholesterin allein. Bei allen
diesen Versuchen waren die ersten Erscheinungen der Lipoidvermehrang
in den Nebennieren nachweisbar, während die anderen Organe, die von
den Mitarbeitern des Verf.’s eingehend untersucht wurden, erst später
Lipoide aufwiesen. Verf. schliesst daraus, dass die Nebennierenrinde
den Lipoidstoffwechsel des Körpers reguliert, dass aber die doppelt-
brechenden Substanzen kein Produkt ihrer inneren Sekretion sind.
M. Landau und Mc Nee-Freiburg i. B.: Zur Physiologie des Chole-
gteriastoffwechgels. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. 3.) Die Nebennieren-
rinde ist das Speicherungsorgan der Cholesterinester, das als intermediäres
Organ des Cholesterinstoffwechsels vor die Leber geschaltet ist. Sie hat
bei den verschiedenen Tierspezies wahrscheinlich verschiedene Bedeutung.
A. W. Pinn er.
W. Johnson-London: Eine pathologische Untersuchung von vier
Fällen von HypopbyoenUiiorei. (Lancet, Nr. 4740, 4. Juli 1914.) Es
handelt sich um zwei frische Falle und zwei ältere Museumspräparate,
die eingehend beschrieben werden. In den beiden frischen Fällen hatte
eiöe Stauung des Chiasmas eine Degeneration von Fasern in dem Tract.
opt. verursacht, die aber nicht weiter als bis zu den primären optischen
Ganglien zu verfolgen war. Die Veränderungen am Tractus waren in
einem Falle grösser, als sich aus der GesiohtsfeldeineDgung sch Hessen
liess. Weydemann.
J. Novak: Ueber knngtlieke Tnoroa der Zirbeldrüseogegoid.
Vorläufige Mitteilung. (W.kl.W., 1914, Nr. 27.) Um die Sohädigung,
welche die Zirbeldrüse durch Tumoren erleidet, zu studieren, bat Verf.
bei jungen Hunden Paraffin in die Zirbeldrüseugegend injiziert. Die
Operation ist technisch ausführbar, das Paraffin bleibt an der Injektions¬
stelle liegen, ist also geeignet, die gewünschte Schädigung der Gehirn¬
partie herbeizuführen. P. Hirsch.
B. R. G. Russell-London: Drei bemerkenswerte Fälle von Lympho¬
granulomatose. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. S.) Kasuistik.
A. W. Pinner.
O. Weltmann-Wien: Ueber Fettintoxikatioi. (W.kl.W., 1914,
Nr. 27.) Die Hämolyse, welche man nach forzierter Fettfütterung be¬
obachtet, beruht auf dem Uebertritt eines Fett- oder Lipoidkörpers in
das Blut. Bei den entstehenden Anämien kommt 69 zu beträchtlicher
Abnahme der roten Blutkörperchen, zu ausgesprochener Anisocytose
und Polychromasie, ferner zum Auftreten von Erythroblasten. Das Sinken
des Hämoglobingebaltes geht ungefähr parallel der Erythrocytenabnahme.
P. Hirsch.
L. v. Stubenrauch - München: Oie deformierende Gelenkentsu-
i»»S (Arthritis deformans) im Lichte neuer Forschungen. (M.m.W.,
1914, Nr. 27 u. 28.) Referat erstattet in der Sitzung des ärztlichen
Vereins in München vom 20. Mai 1914. Cf. Gesellsohaftsbericht der
B.kl.W., 1914, Nr. 28. Dünner.
A. Girardet - Essen: Doppelte Perforation eines Tnherkelkioteis
in die Aorta und die Bifirkation der Traehea. (D.m.W., 1914, Nr. 28.)
Inhalt im Titel enthalten. („Tuberkelknoten“ ist ein Pleonasmus! Ref.)
H. Ribbert - Bonn: Ueber den Bau der in der Pulmonalarterie
enbolisierten Thromben. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) Die frei ins Venen¬
lumen bineiohängenden, leicht abreissenden und zu tödlicher Embolie
führenden Thromben sind in der Hauptsache Gerinnungsprodukte.
Daher besteht die Möglichkeit, durch eine Herabsetzung oder Aufhebung
der Gerinnungsfähigkeit des Blutes die Bildung dieser Thromben zu ver¬
hindern. Wolfsohn.
B. Strassburg-Bern*. Die Gitterfasorn der Leber bei kongenitaler
Syphilis. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58, H. 8.) Nach den Untersuchungen,
die Verf. an 13 Lebern kongenital syphilitischer Kinder angestellt hat,
kann man 2 Formen der Leberveränderung bei Lues congenita unter¬
scheiden: 1. Starke intraacinöse Bindegewebswucherung mit entsprechen¬
dem Schwund des Parenchyms und Vergrösserung der Leber. 2. Ver¬
mehrung des periportalen Bindegewebes ohne erhebliche intraacinöse
Wucherung. Im ersten Falle findet man die Gitterfasern überall im
Gewebe vermehrt und verdickt, im zweiten Falle zeigen nur die Glisson-
schen Scheiden Vermehrung der Gitterfasern, während das Parenchym
freibleibt. Die Konsistenz entspricht der Masse des Bindegewebes und
nimmt daher mit der Wucherung der Gitterfasern zu. Diese verdanken
ihren Ursprung den zahlreichen Bindegewebszellen. Sie steilen ein prä-
kollagenes, „nicht bis in die letzten Differenzierungsmöglichkeiten aus¬
gebildetes Bindegewebe“ dar. Ihre diffuse Vermehrung ist spezifisch für
kongenitale Syphilis.
P. Hei nrichsdorff - Breslau: Ueber Formen und Ursachen der
Leberentartung bei gleichzeitiger Staunag. (Ziegler’s Beitr., Bd. 58,
H. 3.) Bei Herzfehlern und anderen Stauung hervorrufenden Krankheiten
findet man öfters eine Form der Leberentartung, die zunächst das Bild
der Muskatnussleber zu bieten scheint, sich aber bei näherer Unter¬
suchung als eine ringförmige Nekrose der sogenannten intermediären
Zone der Leberläppcben erweist. Diese Zone nekrotischen Gewebes er¬
hält durch hämorrhagische Infarcierung eine rote Farbe, während Peri¬
pherie und Centrum des Läppchens infolge von Fettinfiltration gelb er*
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27. Juli 1914.
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seheinen. Dieser Zustand ist nach Verf. das Resultat einer Intoxikation,
da er bei Eklampsie ähnliche Bilder gefunden hat. Die mechanische
Wirkung des Blutdruckes in den genannten Gapillaren hält er nicht für
genügend, um so starke Veränderungen hervorzubringen.
A. W. Pinn er.
R. Stein er'Wien: Vier Fälle von sogenannter „weisser Galle“.
(W.kl.W., 1914, Nr. 27.) In der Literatur fand der Verf. nur 29 Fälle
von sogenannter „weisser Galle“, richtiger Hydrops des gesamten Gallen¬
systems genannt, verzeichnet. Der Verf. präzisiert seine Ansicht über
die Bedingungen zur Entstehung des Hydrops in folgenden Punkten:
Der Choledocbusverscbluss muss absolut und genügend lang dauernd
sein, dabei muss der Druck im Gallenwegsystem erhöht sein. Die Sekre¬
tion der Gallenwegsohleimhaut kann normal, vermehrt und — bei länger¬
währendem Verschluss — sogar vermindert sein. In der Gallenblase
dürfen keine hochvirulenten Bakterien enthalten sein, sonst kommt es
zum Empyem.
J. Kyrie und K. J. Schopper-Wien: Auffällige Befunde bei ex-
perimemtolleB Stadien an Nebenhoden. (W.kl.W., 1914, Nr. 27.) Ver¬
suche an Hunden haben gezeigt, dass man durch Unterbindung des Vas
deferens den Hoden nicht zur Atrophie bringen kann. Ebenso beob¬
achteten die Verff. nach partieller Epididymisresektion das Erhaltensein
der Testikelfunktion. Bei Untersuchung des Nebenhodenrestes fanden
sie Sperma zu grösseren Herden gehäuft im Bindegewebe ausserhalb der
Kanälchen, bei einem Tiere wurden Spermien in den Gefässen des
Nebenhodens gefunden, und zwar sowohl in Arterien als in Venen.
P. Hirsch.
Duker: Das hämorrhagische Syadrom bei verschiedenen Krank¬
heiten. (Nederl. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 26.) Bei allen
mit dem hämorrhagischen Syndrom vergesellschafteten Krankheiten findet
man neben dem Blute auch die Gefässwände verletzt, und zwar am
meisten das Endothel. Hierin erblickt Verf. einen Beweis für die Ver¬
wandtschaft der Blutzellen und der Endothelzellen, wie er dann auch
in seiner Arbeit an der Hand von Untersuchungen von Schridde,
Maximow u. a. und ferner von . eigenen Untersuchungen den weiteren
Beweis für diese Verwandtschaft erbringt. v. Suchtelen.
Parasitenkunde und Serologie.
A. Kirobenstein: Die Bedingungen der Phagocytose von Tuberkel-
haaUloa. ££& -Beitrag zum Phagocytoseproblem. I. (Beitr. z. Klin. d.
Tbc., Bd. 29, H. 2.) Das Verhalten der Phagocytose in vitro kann
nicht immer maassgebend für den Verlauf dieser Reaktion in vivo sein.
Ueber den Verlauf der Phagocytose und den Zusammenhang dieser Re¬
aktion mit anderen immunisatorischen Vorgängen im Organismus können
genügende Aufklärung nur graphische Darstellungen dieser Prozesse
geben. Bindende Schlüsse in bezug auf die Ursachen des Wechsels der
Phagocytose können nur gezogen werden, wenn za gleicher Zeit ein¬
gehend das bakterioskopische Bild des Objekts der Phagocytose berück¬
sichtigt wird. Das bezieht sich hauptsächlich auf Mikroorganismen, wie
z. B. Tuberkelbacillen, welche starken Formenwechsel aufweisen. Das
Opsonin muss als identisch mit den lytischen Antikörpern angesehen
werden. Die Opsonie ist die bakteriotrope sensibilisierende Wirkung des
verdünnten Lysins nach C. Spengler. Das Aggressin entspricht den
durch die lysierenden Antikörper frei gewordenen bzw. von den Mikroben
abgeschiedenen Toxinen. Es besteht gewöhnlich ein umgekehrtes Ver¬
hältnis zwischen der Stärke der Phagocytose und der Temperaturhöhe.
Nur bei mittleren Temperaturen ist diese Parallelität gut sichtbar.
Eine Vermehrung der Bacillenzahl geht gewöhnlich parallel mit dem
Anstieg der Temperatur. Die Leukocyteozahl wechselt in Abhängigkeit
der Toxinmenge und der Temperatur. Die eigentlichen Ursachen der
Phagocytose sind elektrochemischer Natur. J. W. Samson.
M. Wetzel - Marburg: Ueber das Verhalten des Komplements bei
4«r Paakre&tinvergiftnng. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1914,
Bd. 77, H. 1 u. 2.) Der Befund Kirchheim’s einer weitgehenden
formalen Uebereinstimmuog zwischen den Symptomen der Anaphylaxie
und der Pankreatinvergiftung wird auch für das Verhalteu des Kom¬
plements bestätigt. Das Komplement nimmt sowohl beim spezifischen
Vorgang der Anaphylaxie wie bei der unspezifischen Wirkung von
Rinderpankreatin auf Meerschweinchenserum ab, was für die Ansicht
von Dörr spricht, der im Gegensatz zu Friedberger den Komplement-
rerbrauch bei der Anaphylaxie als nebensächlich bewertet.
Wirth.
E. Herzfeld - Zürich: Eine colorimetrische Bestimmungsmethode
der mit Triketohydrindenhydrat reagierenden Verbindungen. (M.m.W.,
*914, Nr. 27.) Die Menge der bei der Abderhalden’scben Reaktion ab¬
gebauten Stoffe lässt sich mit Hilfe eines Colorimeters durch Vergleich
rait einer in geeigneter Weise hergestellten Glykokolllösung schnell be¬
stimmen. Dünner.
du I 8 , 8a tschenko - St. Petersburg: Ueber die Spezifität der gegen
iqi Äime * we * M Schichteten proteolytischen Fermente. (D.m.W.,
.14, Nr. 28.) Nach parenteraler Zuführung von Pflanzen ei weiss bilden
sich im Tierorgauismus Fermente spezifischer Natur, wie sich das mit
gr Abderhalden’schen Reaktion nachweisen lässt. Es kann daher diese
Reaktion ähnlich wie die übrigen serodiagnostischen Methoden zur Diffe¬
renzierung von Pflanzeneiweias herangezogen werden.
E. Mosbacher und F. Port - Göttingen: Beitrag zur Anwendbar¬
keit des Abderhalden’schen Dialysierverfahrens. (D.m.W., 1914, Nr. 28.)
Untersuchungen an Graviden und Nichtgraviden gaben ganz unspezifische,
sehr unbefriedigende Resultate. Zum Teil siod Hülsenfehler schuld
daran; sämtliche Versager können aber keineswegs auf diesen Fehler
zurückgefübrt werden. Von einer Anwendung der Methode bei inneren
Erkrankungen haben die Verff. deshalb vorerst Abstand genommen.
Wolfsohn.
L. Flatow - München: Abbau von Caseii durch Blutserum.
(Ein Vorschlag zur Bestimmung des „proteolytischen Index“.) M.m.W.,
1914, Nr. 27.) Casein wird von jedem Normalserum deutlich, von
Gravidenserum meist verstärkt abgebaut. Damit ist ein weiterer Beweis^
für die Unspezifität der Serumfermente geliefert. Caseinlösung dürfte
zur Bestimmung des „proteolytischen Index“ eines Serums geeignet sein.
Dünner.
Innere Medizin.
Holitscher: Alkoholismus und Tuberknlose. (Beitr. z. Klin. d.
Tbc., Bd. 29, H. 2.) Unter den jugendlichen Tuberkulösen gibt es viel
weniger Trinker als dem Bevölkerungsdurchschnitt entsprechen würde.
Das Verhältnis verschiebt sich aber mit zunehmendem Alter immer
mehr, so dass bei den Schwindsüohtigen des höheren Alters ein ganz
überraschend grosser Prozentsatz von Alkoholikern festgestellt werden
kann. Der Tuberkulöse wird in den meisten Fällen nicht Alkoholiker,
aber der Alkoholiker läuft Gefahr, tuberkulös zu werden.
P. Vollmer: Tuberknlose im schulpflichtigen Alter und ihre Be¬
kämpfung. (Beitr. z. Klio. d. Tbc., Bd. 29, H. 8.) Das allgemeine Ab-
sinken der Tuberkulosesterblicbkeit hat mit dem im schulpflichtigen
Alter nicht gleichen Schritt gehalten. Das schulpflichtige Alter ist in
weit höherem Maasse mit Tuberkulose durchseucht und gefährdet, als
man es vor wenigen Jahren annehmen konnte. Der Bekämpfung der
Tuberkulose nach dieser Richtung ist künftig ein grösseres Interesse
entgegenzubringen. Lehrer und Eltern sind über die Eigentümlichkeit
der Tuberkulose im schulpflichtigen Alter zu unterrichten.
W. Kn oll: Die Scrofulose der Züricher Heilstätte von 1885 bis
1911. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 3.) Ausführlich wird das
Allgemeine, die Symptomatologie, die Tuberkulosemanifestationen und
Resultate sowie die Behandlung der Scrofulose in der Züricher Heil¬
stätte besprochen. Theoretisch kommt Verf. zu dem Schluss, dass es
weder eine einzige Ursache für die manifeste, klinisch bemerkbare
Tuberkulose gibt, denn die Infektionsgetegenheit genügt wohl zur In¬
fektion, nicht aber zur manifesten Tuberkulose, noch eine einzig wirksame
Therapie.
Sandberg: Planithorax. Ein neues Thoraxschema ad modum
Freudweiler-Hildebrand. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 2.) Vordere,
hintere und seitliche Partien des Thorax sind in einer Ebene aufgerolJt
zum Einträgen des Lungenbefundes.
N. Küchenhoff: Ueber die Bedeutung von Wirbelsäalenanomalien
für die Entstehung der Lungentuberkulose. (Beitr. z. Klin. d. Tbc.,
Bd. 29, H. 2.) Bei der Beurteilung der mechanischen Disposition muss
mehr Wert als bisher auf die Haltung der Wirbelsäule gelegt werden.
Leichte kyphotisebe Krümmungen des oberen Teils der Brustwirbelsäule
führen zu Raumbeeinträchtigungen der Lungenspitzen und deren Schädi¬
gungen. Die tuberkulöse Infektion der Lungen erfolgt durchaus nicht
immer in der Spitze, die Spitzentuberkulose zeigt jedoch sehr oft Neigung,
voranzuschreiten, während die primäre Tuberkulose der übrigen Teile
meistens zur Ausheilung neigt. Die Gründe dafür sind hauptsächlich
in mechanischen Verhältnissen gegeben. J. W. Samson.
Brückner-Berlin: Ueber die sogenannte granuläre Form des
Tnberknlosevirns. Zugleich ein Beitrag zum Eiweissgehalt des
Spatnms. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Nach B.’s Unter¬
suchungen ist das Much’sche granuläre Virus nur dann als tuberkulöser
Natur aufzufassen, wenn es in Körnehenreihen liegt. In solchen Fällen
findet man aber immer auch mit Ziehl’scher Färbung solche granulären
säurefesten Bacillen. Die Eiweissreaktion des Sputums steht bei der
Lungentuberkulose in einem gewissen Verhältnis zum Grade der Krank¬
heit und ist bei vorgeschrittenen Fällen fast immer stark positiv. Bei
nichttuberkulösen Erkrankungen zeigt das Sputum meist keine oder nur
geringe Eiweissreaktion. H. Hirscbfeld.
E. Maliwa-Innsbruck: Beiträge zur Chemie des Spatoms. II. Ueber
Fermente des Sputums. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.)
Untersuchungen über die Spaltungs-, Reduktions- und Oxydationsvorgänge
im Sputum. Zion.
O. Br. hn: Ueber die praktische Bedeutung der Circulationsände-
rong durch einseitigen Lungencollaps bei therapeutischen Eingriffen
an der Lunge. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 2.) Die Bedeutung
der Circulationsverminderung für die HeilungsvorgäDge in tuberkulösen
komprimierten Lungen ist: 1. Dass in der komprimierten luftleeren
Lunge sich da9 Blut weder mit Sauerstoff anzureichern noch seine
Kohlensäure abzugeben vermag. Sauerstoffmangel aber erschwert emp¬
findlich die Lebensbedingungen der Tuberkelbacillen, die bekanntlich
ein ganz besonders hohes Sauerstoffbedürfnis haben. 2. Die Verlang¬
samung der Blutcirculation bat auch eine VerlaDgsamung der Lymph-
bewegung zur Folge. Damit aber ist die Ausbreitung für Tuberkel-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 30.
bacillen auf die Nachbarschaft, auf Blut- und Lymphbahnen erschwert.
3. Ferner ist die Resorption der Toxine der Tuberkelbaoillen wesentlich
verschlechtert. Damit hängt es zusammen, dass unmittelbar oft nach
dem Anlegen des künstlichen Pneumothorax die toxischen Allgemein-
erscheinungen verschwinden. Aus histologischen Präparaten ergibt sich,
soweit sich eine Bindegewebsvermehrung in der komprimierten Lunge
findet, ist sie entzündlichen Ursprungs. Die Auffassung, dass durch die
Pneumothoraxtberapie hzw. durch die Circulationsverlangsamung in kom¬
primierten Lungen eine universelle Wucherung des interstitiellen Lungen¬
bindegewebes hervorgerufen werde, kann nicht aufrecht erhalten werden.
In komprimierten Lungen nachgewiesene Bindegewebsvermehrung ist also
kein Zeichen einer Heilungstendenz. Aber auf dem Umweg entzünd-
• licher Veränderungen vermag so in der Tat die Collapstherapie den
Heilungsvorgang zu unterstützen.
Real: Künstlicher Pneumothorax während der Schwangerschaft.
(Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 3.) Die Schwangerschaft bildet
keine Kontraindikation, bei einseitiger Lungentuberkulose den künst¬
lichen Pneumothorax auzulegen. Derselbe ist vielmehr direkt angezeigt
in Fällen mit fortgeschrittenen Destruktionsprozessen. In bezug auf die
sogenannte gesunde Lunge müssen dabei die Grenzen besonders eng
und exakt gezogen werden. Die weitere intrauterine Entwicklung de9
Fötus wird dadurch nicht gestört. J. W. Samson.
Fr. To biesen - Kopenhagen: Die Znsammensetznng der Pnenmo-
thoraxluft. (D. Arcb. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Werden
Stickstoff, Sauerstoff, Kohlensäure oder Mischungen von diesen Gasen in
die Pleurahöhle eingebracht, tritt die eingeführte Luft mit den Geweben
in Diffusion, und es bildet sich eine Gasmischung von etwa 90 pCt.
Stickstoff, 4 pCt. Sauerstoff und 6 pCt. Kohlensäure. Bei bestehender
Pleuritis ändert sich die Zusammensetzung der Gasmischung, indem der
Sauerstoff vollständig oder beinahe vollständig verschwindet. Dieses
Verschwinden des Sauerstoffs ist diagnostisch verwertbar, weil es früher
als das Exsudat nachweisbar ist. Zinn.
A. Jürgenson: Ueber den Wert der quantitativen Teberknlose-
diagaostik und Therapie. (Beitr. z. Klin. d. Tbc , Bd. 29, H. 3.) Die
Gefahr der Tuberkulose überhaupt kann sehr eingeschränkt werden,
wenn wir nicht erst beim Versagen, sondern schon beim Absinken der
Fermentation auf Grund einer sorgfältigen quantitativen Diagnostik die
Tuberkulinbehandlung ansetzen.
E. Nohl: Rheumatismus tnberculosns und andere Fälle larvierter
Tuberkulose. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 2.) Von larvierter
oder latenter Tuberkulose sind folgende Formen zu unterscheiden:
1. Inaktiv latente Tuberkulose ohne klinische Symptome, durch spezi¬
fische Diagnostik zu erkennen. 2. Aktiv latente Tuberkulose, d. h.
echte tuberkulöse Erkrankung irgendeines Organs unter anderen Sym¬
ptomen sich verbergend (Sokolowski). 3. Tuberkulöse Intoxikation
ohne die Lokalisierung echter Tuberkulose oder als Nachspiel klinisch
geheilter Tuberkulose (Hollos, Poncet und Leriche). Als Haupt¬
art können gelten: a) tuberkulöse Intoxikation ohne örtliche deutliche
Veränderung, b) tuberkulöse Intoxikation mit Örtlichen deutlichen Ver¬
änderungen (entzündliche Tuberkulose, Paratuberkulose, Rheumatismus
tuberculosus articularis et abarticularis).
Ph. d’Onghia: Die Bedeutung und Wichtigkeit der Albuminurie
bei Tuberkulösen. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, H. 3.) Im Verlaufe
der Lungentuberkulose findet man mit äusserster Häufigkeit und bei¬
nahe beständig im Harn Eiweiss. Diese Albuminurie nimmt einen bei¬
nahe konstanten Verlauf mit zeitweisen Erhöhungen während der
Digestionsperioden, nach Strapazen, während Fieberanfällen U9W. Mit
diesen Verschlimmerungen können eventuelle Erscheinungen von miliaren
Elementen im Sediment Vorkommen. Durch die Verschlimmerung der
Krankheit allein erfährt die Quantität des Albumins keine Vermehrung.
In Perioden vermehrter Albuminausscheidung findet man auch Cylinder,
meist einfache hyaline oder hyaline mit seltenen und kleinen Granu¬
lationen oder mit den anhaftenden lymphoiden Elementen besetzt. In
solohen Fällen kann man auch die einfache Albuminurie als ein Symptom
einer beginnenden Nierenentzündung auffasseu, deren letzte Phasen oft
Nieren- und Cardialinsuffizieoz zeigen. Die Ausbildung der klassischen
Symptome der chronischen Nephritis wird bei den Kranken meist da¬
durch gehindert, weil bei der ersten Schwierigkeit der Circulation nach
einem vergeblichen und erfolglosen Versuch das Herz versagt und die
Hyposystolie schnell das Krankheitsbild beherrscht.
J. W. Samson.
Benjamins: Ueber die Unterhaching des Herzens durch den
Oenophagns. (Ned. Tijdschr. V. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 24.) Verf.
hat die Untersuchungen Luciani’s, Fredericy’s, Rautenberg’s usw.
wieder aufgenommen. Er benutzt die sehr dünne Sonde nicht nur zum
Erhalten eines Oesophagocardiogramms, sondern auch zum Auscultieren
der Brustorgane. Sehr lesenswerte Arbeit. v. Suchtelen.
Karfunkel - Breslau: Einige während längerer Beobachtungszeit
festgestellte elektrocardiographiscbe Veränderungen. (Zschr. f. klin.
M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Schilderung des Verhaltens des Elektrocardio-
gramms in einigen Fällen von Herzfehlern, die längere Zeit in Beob¬
achtung standen, und Reproduktion der Kurven. H. Hirschfeld.
Zweig und Gerson: Zur Serodiagnostik der Tuberkulose. (Beitr.
z. Klin. d. Tbc., Bd. 29, II. 3.) Im ersten Teile ist die ausführliche
technische Besprechung einer Modifikation des Kompleraentbindungs-
versuches gegeben. Im zweiten Teil die Verwertbarkeit dieser Modi¬
fikation und Diagnose der Tuberkulose. 72 pCt., darunter viele Früh¬
fälle ergaben die Reaktion. Unspezifische Reaktion kommt bei Scharlach
und grösseren Eiterungen vor. An zwei später zur Sektion gekommenen
Patienten wird durch Sektion der Ausfall der Serumreaktion bestätigt.
J. W. SamsoD.
Roth-Zürich: Ueber isolierte linksseitige VorhofstachysystoUe.
(Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Verf. beobachtete in zwei Fällen
(Aorteninsuffizienz und arteriosklerotische Herzinsuffizienz) auf dem Röntgen¬
schirm ein isoliertes Flimmern des linken Vorhofs. Es wurden etwa
270—380 Kontraktionen desselben in der Minute gezählt. Auch die Re¬
gistrierung dieses Vorhofsflatterns mit Hilfe des Oesophagocardiogramms
gelang. H. Hirschfeld.
W. Achelis - Strassburg: Ueber adhäsive Pericarditis und über
den Verlust der beim Uebergang aus der horizontalen zur aufrechten
Körperhaltung normalerweise eintretenden Vertikal Verschiebung des
Herzens. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Eingehende
klinische und röntgenologische Untersuchungen. Der Verlust der normalen
Vertikalverschieblicbkeit des Herzens ist ein wichtiges Zeichen der
adhäsiven Pericarditis und nicht durch die äusseren, sondern durch die
inneren Verwachsungen des Herzbeutels bedingt. Ferner kann bei sorg¬
fältiger Beobachtung des Atmungsvorgangs auf ausgedehnte Pericard-
Verwachsungen geschlossen werden, wenn der untere Teil des Sternums
nicht wie normal gehoben, sondern eher eingezogen wird. Es ist bei
der klinischen Untersuchung gelegentlich da9 einzige sichere Zeichen für
Pericarditisadhäsion (Wenckebacb). Zinn.
Pawinski - Warschau: Ueber den Einfluss unmässigen Raiehens
(des Nikotins) auf die Gefässe und das Herz. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80,
H. 3 u. 4 ) Nach einer Statistik des Verf. nimmt unmässiges Rauchen
unter den ätiologischen Faktoren der Arteriosklerose die zweite Stelle
ein, während Fettleibigkeit die Hauptrolle spielt. In der Aetiologie der
Coronarsklerose nimmt das unmässige Rauchen die erste Stelle ein.
Unter den Kranken mit Angina pectoris waren etwa die Hälfte un¬
mässige Raucher, unter den Kranken mit Sklerose der übrigen Gefässe
nur ein Viertel. Unter unmässigen Rauchern versteht Verf. solche, die
täglich 50—100 Zigaretten rauchen. Verf. gibt dann eine kurze Ueber-
sicbt über die Toxikologie des Nikotins. H. Hirschfeld.
J. Zadek-Neukölln: Herzstürungen nack Pneumonie. (D. Arch.
f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) 1. Postpneumonische Endocarditis
mit Entwicklung einer gutkompensierten Aorteninsuffizienz bei einem
13jährigen Knaben. 2. Zwei günstig verlaufene Fälle von funktionellen
Herz- udö Gelässstörungen. 3. Zwei Fälle von akuter tödlicher Herz¬
insuffizienz, längere Zeit nach gut überstaudener Pneumonie. Die Wichtig¬
keit der sorgfältig geleiteten Rekonvaleszenz wird damit aufs neue ein¬
dringlich gelehrt.
M. Sem rau-Strassburg: Beiträge zur Lehre vom Pnlsns paradox».
(D. Arch. f. kliu. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Unterscheidung von zwei
Gruppen von Pulsus paradoxus. Untersuchung in jedem einzelnen Falle,
in welchem Verhältnis zur Atmung die Schwankungen der Pulsgrösse
stehen. Diagnostische Bedeutung hat hauptsächlich der mechanisch be¬
dingte Pulsus paradoxus, der in der grossen Mehrzahl der Fälle für eine
adhäsive Pericarditis pathognomonisch ist. Der dynamisch bedingte
Pulsus paradoxus kann prognostisch verwertet werden, indem er eine
drohende Herzschwäche oder in weniger eindeutigen Fällen eine Zu¬
nahme des negativen intrathorakalen Druckes anzeigt.
H. Straub-München: Dynamik des Säugetierherzens. (D. Arch. f.
klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Analyse der natürlichen Zuckung
des Säugetierherzmuakels und ihrer Veränderungen durch dosierte
Aenderung von Aortendruck und Schlagvolum. Als Mittel der Analyse
diente die Darstellung von Spannung und Länge (Druck und Volum).
Die einzelnen wichtigen Ergebnisse werden mitgeteilt. Der Nachweis,
dass die Kontraktion des Säugetierherzens denselben Gesetzen folgt, wie
diejenige des Skelettmuskels, ist ein zwingender Beweis für die An¬
schauung, dass die Herzmuskelkontraktion einer einfachen Muskelznckung
entspricht, und dass es sich nicht um einen kurzdauernden Tetanus handelt
Zinn.
Gäli - Budapest: Ein Fall von leikämiseher Lympkomatese bei
paroxysmaler Hämoglobinurie. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.)
In dem mitgeteilten Fall war die paroxysmale Hämoglobinurie die ältere
Krankheit. Im Anfall wurde eine Ausschwemmung myeloischer unreifer
Elemente beobachtet. Verf. sucht es auf Grund theoretischer Er¬
wägungen wahrscheinlich zu machen, dass beide Erkrankungen dem¬
selben infektiös-toxischen Einfluss ihre Entstehung verdanken.
Schatzmann - Sahli: Untersuchungen über die Hämatologie der
Variola and Vaccine. (Zschr. f. kliu. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Es wurden
7 Fälle von echten Pocken und 10 Vaccinate untersucht. Bei der
Variola lässt sich schon im Inkubationsstadium eine polynucleäre Leuko-
cytose nachweisen, während des papulösen Stadiums des Ekzems findet
man normale oder subnormale Leukocytenzahl, im vesiculären Stadium
eine Gesamtvermehrung der Leukocyten, die auf einer Lympbocytose be¬
ruht. Polynucleose deutet auf eine Komplikation hin, Myelocyten und
Normoblasten auf einen schweren Fall. Bei der Vaccine besteht während
der ersten Tage nach der Impfung eine Polynucleose, dann normale oder
subnormale Leukocytenzahl, später gerade wie bei Variola, eine
Lymphocvtose mit Vermehrung der Gesamtleukocytenzahl.
H. Hirschfeld.
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Original frum
UNIVERSUM OF IOWA
27 Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1427
p. Wack- Marburg: üeber Lenkoeytenbefnnde bei Miliar tuber¬
kulöse und ihre diagnostische Bedeutung. (D. Arch. f. klin. M., 1914,
Bd. 115, H. 5 u. 6.) Bei Miliartuberkulose besteht eine relative Lympho-
cytogenie bzw. relative Polynucleose. Zinn.
M. TraIlero-Berlin: Zur Frühdiagnose des Magenkrebses und zur
Differentialdiagnose der Aehylien, mit besonderer Berücksichtigung der
quantitativen EiweUsbestimmnng und der Fermentabscheidangen im
Mageninhalt. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) „Selbst hohe Eiweisswerte sowie
das Salzsäuredefizit können nicht in Betracht gezogen werden bezüglich
der Frühdiagnose des Magencarcinoms. Das Salzsäuredefizit hat keine
klinische Bedeutung, da es meistens hoch ist (über 20), wo die Gesamt¬
acidität sehr niedrig ist (5—8). Hohe Eiweisswerte (400) in Verbindung
mit niedrigen Pepsin- und Labwerten können bei der Differentialdiagnose
zwischen benigner und maligner Achylie die Annahme der letzteren
stützen. Niedrige und normale Eiweisswerte (160) sprechen nicht gegen
Carcinom. Man kann die nervösen Aehylien von solchen, die durch
Gastritis bedingt sind, auch dadurch unterscheiden, dass sie eine auf¬
fällige Inkonstanz in der Abscbeidung der Fermente erkennen lassen/
Wolfsohn.
Landau und Rzasnicki - Warschau: Klinisohe Untersuchungen
über die Leistungsfähigkeit des Pankreas. I. Mitteilung. (Zschr. f.
klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Die Schlüsse der Verff. sind folgende:
Der Mageninhalt nach dem Probefrühstück enthält in 55 pCt. aller Fälle
nennenswerte Trypsinmengen. Man kann in solchen Fällen mittels
Untersuchung des Magensaftes die äussere Sekretion des Pankreas fest¬
stellen. Es sind aber nur positive Resultate maassgebend, denn das
Nichtauffiuden von Trypsin im Magensaft ist kein genügender Beweis,
dass krankhafte Störungen der äusseren Pankreassekretion vorliegen.
Wo im Magensaft Trypsin nicht nachweisbar ist, führe man die Ein-
horn’sche Sonde ein. Die Sekretion von Trypsin, Diastase und Lipase
geht nicht gleichzeitig vor sich, man muss daher nach allen drei Fer¬
menten suchen.
Landau und Rzasnicki - Warschau: Klinische Untersuchungen
über die Leistungsfähigkeit des Pankreas. II. Mitteilung. (Zschr. f.
klin. M., Bd. 80, H. 3 u. 4.) Weitere Untersuchungen der Verff. be¬
fassen sich mit der Frage, ob es möglich ist, im Magen die Pankreas-
und Speioheldiastase voneinander zu unterscheiden. Tatsächlich gelingt
das nicht, denn die verdauenden Eigenschaften dieser beiden Fermente
und ihre Empfindlichkeit gegenüber Magensaft sind einander gleich.
H. Hirschfeld.
M. Landsberg-Greifswald: Zur Frage der Znekerverbrennnng im
Pankreasdiabetes. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.)
Von einem direkten Beweise für die Verminderung, geschweige denn
Aufhebung der Zuckerverbrennung im diabetischen Organismus kann
keine Hede sein. Weder in den Versuchen zur Frage der Glykolyse
noch in dem Verhalten diabetischer Muskeln Hess sich diese Erscheinung
feststellen. Die Befunde sind für die Theorie des Diabetes von Be¬
deutung, sie sprechen gegen die Notwendigkeit des Pankreashormons für
den Zuckerverbrauch der Körperzellen. Zinn.
v. Noorden: Bemerkungen über die Ursachen, die Theorien und
die Behandlung des Diabetes mellitus. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914,
Bd. 1, Nr. 24.) Ein in der Amsterdamer Universität gehaltener Vor¬
trag, in dem v. Noorden innerhalb enger Grenzen, jedoch überaus klar
und deutlich obiges Thema abhandelt. v. Suchtelen.
Pletnew - Moskau: Ueber das B&sedowsyndrom, eintretend mit
akitea infektiösen Thyreoitiden nid Strnmitiden. (Zschr. f. klin. M.,
Bd. 80, H. 3 u. 4.) P. hat in mehreren Fällen den nach verschiedenen
Infektionskrankheiten auftretenden Symptomenkomplex des Basedow
studiert. Es entwickelt sich eine akute Thyreoiditis, die zu Dystbyreose
oder Hyperthyreoidismus führt. Im ganzen werden 8 solche Fälle be¬
sprochen. Auch andere Drüsen mit innerer Sekretion können bei akuten
Infektionen leiden, und es kann so zu einer pluriglandulären Affektion
kommen. H. Hirschfeld.
M. Rhein - Strassburg i. E.: Zur Technik der Indikanprobe nach
Jaffe. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Anstelle der schlecht haltbaren Chlor¬
kalilösung oder Natriumhypochlorit und Chlorwassers empfiehlt R. die
Verwendung von Antiformin, das 7,5 pCt. Natriumhydroxyd und 5,6 pCt.
Natriumhypochlorit enthält. Dünner.
Sturgis: Splenekteuie bei ßauti’seher Krankheit. (Boston med.
jouro., 1914, Nr. 22.) Operation mit gutem Erfolg. Noch 14 Monate
nach der Entfernung der Milz bestanden Veränderungen im Blutbild,
so dass Verf. glaubt, noch andere ätiologische Momente als allein die
Milz annehmen zu dürfen. Schelenz.
F. Fisohl-Wien: Ueber den Cholesteringehalt des Serams bei
Dermatosen. (W.kl.W., 1914, Nr. 27.) Der Verf. hat über 100 Fälle
untersucht und gefunden, dass in der Mehrzahl der Fälle von Urticaria,
Eczema chronicum, Pemphigus, Dermatitis herpetiformis, Pruritus senilis
und Mycosis fangendes auffallend hohe Cholesterinwerte im Serum sich
nachweisen Hessen. Interessant ist, dass die meisten dieser Hautaffektionen
mit einer Eosinophilie eiohergehen. Ob nun diese beiden Erscheinungen
ela zufälliges Nebeneinander zu betrachten ist, oder ob gewisse Giftreize
gesetzmässig beide Phänomene hervorrufen, ist vorläufig nicht möglich
*u entscheiden. P. Hirsch.
W. Schultz * Charlottenburg: Scharlacbbehandlnng mit Human-
wnm ud Serumlipoid«. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.)
Die mit Aetherextraktsuspension von Humanserum behandelten Fälle
zeigten kaum wesentliche Abweichungen von unbehandelten Fällen.
Demnach ist die entfiebernde Wirkung des Humanserums (Nollserum)
bei der akuten Scharlachinfektion nicht in seinem in der Kälte extrahier¬
baren Lipoidgehalt darstellbar. Zinn.
A. Plehn - Berlin: Ein Beitrag zur Kenntnis der aknt hämo¬
lytischen Malaria (Sohwarzwasserfieber). (D.m.W., 1914, Nr. 28.) Vor¬
trag im Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde in Berlin am
4. Mai 1914. Wolf so hn.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
v. Valkenburg: Sensible Paukte auf der menschlichen Grosshirn-
rinde. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 23.) Bis jetzt sind
es hauptsächlich die motorischen Rindenfelder, die eingehend untersucht
wurden, und deren Kenntnis sich sehr erweitert hat. Verf. macht noch¬
mals darauf aufmerksam, dass in vielen Fällen von Epilepsie anfänglich
nur sensible Erscheinungen auftreten. Solche Fälle benutzte er, um
später, als sie zur Operation kamen, die mit den betroffenen Haut¬
bezirken korrespondierenden Rindenfelder zu bestimmen. Soweit Verf.
bekannt, hat nur der amerikanische Chirurg Cushing derartige Unter¬
suchungen angestellt. Die Resultate des Verf. stimmen mit denen
Cushing’s überein und ergänzen dieselben zum Teil.
v. Suchtelen.
Eichhorst-Zürich: Ueber latenten Meningealkrebs. (D. Arch. f.
klin. M., 1914, Bd. 115, H. 5 u. 6.) Bei einer 50 jährigen Frau entwickelt
sich das Bild einer mit Muskelkontrakturen verbundenen Lähmung der
Beine. Neben der motorischen Lähmung nur geringe sensible Störungen.
Exitus nach fast einem Jahre. Mikroskopisoh keine Veränderungen am
Rückenmark, welche die Lähmung hätten erklären können. Die mikro¬
skopische Untersuchung dagegen ergibt eine ausgedehnte Krebsbildung
in der Pia mater spinalis. Zinn.
* E. G. Fearnsides - London: Erkrankungen der Hypophyse und
ihre Wirkung auf die Gestalt der Seil» tarcka. (Lancet, 4. Juli 1914,
Nr. 4740.) Der Verf. gibt in der Hauptsache eine tabellarische Ueber-
sicht über den Befund bei 12 Fällen von Erkrankungen der Hypophyse
nebst den nach Röntgenbildern bestimmten Maassen der Sella turcica.
Weydemann.
Bolten: Hemiplegia altern ans nach Alkohol» jektion in das
Ganglion Gasseri. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 25.)
Die Mitteilung dieses Falles beabsichtigt nicht, den Wert der Alkohol¬
injektionen zu verringern. Verf. berichtet über einen Fall, wo kurz
nach der Injektion, die den Erscheinungen nach richtig in dem Ganglion
Gasseri stattgefunden hatte, eine zweitägige Bewusstlosigkeit auftrat,
welche eine Hemiplegia alternans hinterliess. Nach viermonatiger
KrankenhausbehandluDg konnte Patientin geheilt entlassen werden.
▼. Suchtelen.
Lier-Wien: Ueber Nenroflbromatose. (Zschr. f. klin. M., Bd. 80,
H. 3 u. 4.) L. beschreibt einen sehr interessanten Fall, die Kom¬
bination einer Neurofibromatose mit Dystrophia adiposo-genitalis bei
einem SVojährigen Knaben. Er vermutet, dass in unmittelbarer Nähe
der Hypophyse ein Neurofibrom sitzt, da das Röntgenbild deutlich eine
Depression am Tuberculum sellae turcicae zeigt und beiderseitige Seh¬
nervenatrophie vorhanden ist. Die Kombination von Neurofibromatose
mit Dystrophia adiposo-geoitalis ist sicher noch nicht beobachtet worden,
wohl aber mit Akromegalie. Die Neurofibromatose ist als eine System¬
erkrankung aufzufasseD, die unter Umständen auch gewisse endocrine
Drüsen mitbefallen kann. H. Hirschfeld.
Kinderheilkunde.
L. Langstein - Berlin: Zur Diätetik des gesunden nnd kranken
Kindes. (Ther. Mh., Juli 1914.) Ueberblick und Besprechung einiger
neuerer Präparate und Milchbereitungsarten und deren Wirkung. Die
Fortschritte der Säuglingsdiätetik sind sehr erheblich. Man kann ohne
Uebertreibung sagen, dass Hunderte von Kindern, die früher verloren
waren, dank den Fortschritten der diätetischen Kunst heute gerettet
werden; es dürften sich noch manche Fortschritte erzielen lassen, wenn
sie den Erkenntnissen folgen, die durch das Studium der Reaktion des
gesunden und kranken Kindes auf bestimmte Ernährungsarten gewonnen
worden sind. H. Knopf.
Chirurgie.
P. W. Siegel - Freiburg i. Br.: Die parayertebrale Leitnngs-
anästhesie. (D.m.W., 1914, Nr. 28.) Bei der paravertebralen Anästhesie
werden die Nerven kurz nach ihrem Austritt aus der Foramina inter¬
vertebral ia unterbrochen. S. hat die paravertebrale Anästhesie mit der
parasacralen kombiniert und hat damit eine für sämtliche Laparotomien
ausreichende Schmerzlosigkeit erzielt. Er benutzt l j 2 proz. Novocain¬
lösungen, von denen grosse Mengen schadlos injiziert werden können.
In den einzelnen Interoostalräumen wird das Anästhetioum direkt, ohne
vorherige subcut&ne Infiltration, eingespritzt. Die ausführliche Be¬
schreibung der Technik ist in der Originalarbeit einzusehen.
Wolfsohn.
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
1428
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80.
Sir. V. Horsley: Blutstillung dureh Anwendung lebenden Ge¬
webes. (Brit. med. journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.) Zur Blutstillung
auf blutenden Flächen, z. B. an Gehirn oder Leber, hat der Verf. er¬
folgreich Muskelstückchen desselben Tieres benutzt. Die blutende
Fläche wird unter leichtem Druck abgetupft und sofort ein Stück
Muskel darauf gedrückt; nach 15—20 Sekunden haftet es fest. Bei
Katzen und Hunden hielt ein solches haftendes Muskelstückcben, auf
durchschnittene Arterien (einschliesslich der Aorta) gedrückt, einem
Blutdrucke von 60 — 80 mm Hg stand. Schon 5—10 Minuten nach dem
Aufdrücken enthielt der sehr enge Raum zwischen Gewebe und Muskel¬
stück Blutplättchen, Fiberinfasern usw. Gedrehter Muskel hatte keine
blutstillende Wirkung; Fascie haftet nicht so gut wie Muskelgewebe.
Wey demann.
H. A. v. Beckh - Widmanstetter: Ligaturen an schwer zogäng-
lichen Stellen. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Angabe eines Instrumentes.
Dünner.
R. Sievers: Die Arthritis aeromio elavicnlaris als wichtiges
Glied in der Pathologie der stumpfen Schnlterverletznngen. (D. Zschr.
f. Chir., Bd. 129.) Sie charakterisiert sich durch Schmerzen in der
Subakromialgegend, Druckempfindlichkeit unter dem Akromialrand,
Hemmung der Abduktion. Oft bedingen stumpfe Scbulterverletzungen
die Auslösung des Krankheitsbildes. Bei der akuten Form leisten
Novocaininjektionen gutes. Bei den chronischen solt zunächst sympto¬
matisch, später eventuell mit Resektion des Akromialgelenks unter Im¬
plantation eines Fettlappeos vorgegangen werden.
E. Payr: Weitere Erfahrungen über die operative Mobilisierung
aakylosierter Gelenke mit Berücksichtigung des späteren Schicksals
der Arthroplastik. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Verf. berichtet in
einer ausführlichen Arbeit über seine Erfolge und Misserfolge, die er
mit der Mobilisierung ankylosierter Gelenke und Einpflanzung von Fett¬
oder Fascienlapppen in dieselben erzielte. Einzelheiten hinsichtlich der
Technik usw. sind in der Arbeit einzusehen. Er erzielte gute Erfolge
bei Ankylose der Finger-, Ellenbogen-, Knie- und Hüftgelenke.
J. Becker.
F. D. Bird - Melbourne: Die operative Reduktion einer alten
Ellenbogen Verrenkung. (Brit. med. journ., 4. Juli 1914, Nr. 2792.)
Bildung eines rundlichen Lappens über dem Olecranon, das dann mit
einer starken Knochenzange dicht über dem Schafte der Ulna ab¬
geschnitten wird. Es wird von Verwachsungen gelöst und nach oben
gelegt. Vorhandenes Bindegewebe muss entfernt werden, bis die Hinter¬
seite des Gelenks frei liegt. Es wird nun ein Hebel unter die Trochlea
geschoben und mit diesem und durch Bewegungen des Vorderarms die
Einrenkung bewerkstelligt, wenn nötig, unter weiterer Trennung von
hemmendem Gewebe. Dann wird das Olecranon wieder mit Draht oder
Platte befestigt. Der Erfolg dieser Operation war recht gut.
Weydemann.
Brand: Ueber Coxa vara. (Ned. Tijdscbr. v. Geneesk., 1914,
Bd. 1, Nr. 19.) Erfahrungen bei 16 Patienten. Die Coxa vara muss
im allgemeinen als bleibende Missbildung, die oft zu fortwährenden Be¬
schwerden führt, betrachtet werden. Bei der Lorentz’schen Redression
gelingt es, fast ohne Ausnahme, in frischen und nicht zu alten Fällen
von Coxa vara adolescentium dem Schenkelhals die normale Form
wiederzugeben. In den übrigen Fällen von Coxa vara darf man von
dieser Behandlung keine anatomische Besserung erhoffen, wohl aber oft
Verringerung der Beschwerden, sei es auch mehrmals mit bedeutender
Bewegungsbeschräokung im Hüftgelenk. v. Suchte len.
W. Sandrock: Beitrag zur Frage der offenen Patellarnaht mit
Nachuntersuchungen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Mitteilung der Re¬
sultate der offenen Patellarnaht bei 116 Frakturen. Die Resultate sind
ideale. Interessant ist die Angabe des Verf., dass Trendelenburg
1878 als erster in Deutschland die aseptische Patellarnaht ausführte.
J. Becker.
Dünkelsloh: Beitrag zur kongenitalen Patellarluxation. (Arch.
f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 39.) Baetzner.
Guye: Der Koupressionsbrneh und die traumatische Erweichung
des MondbeinB. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 1 u. 2.) Es kommen
primäre Frakturen dieses Knochens und auf der Basis von Ernährungs¬
störungen desselben Erweichungen zustande, die man nur röntgenologisch
feststellen kann. Die Ernährungsstörungen sind wohl meist durch Trauma
(Kompression) bedingt, wodurch eine Störung der Blutcirculation und
später eine Nekrose im Knochen veranlasst wird. Schmerz, Schwellung,
Funktionsstörung des Handgelenks führen die Kranken zum Arzt. Thera¬
peutisch kommt eventuell die Entfernung des Lunatum in Betracht.
J. Becker.
Heller - Leipzig: Experimentelle Untersuchungen über die Trans¬
plantation des Iitermediärknorpels in Form der halbseitigen Gelenk¬
transplantation. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 29.) Verf. kommt
auf Grund zahlreicher Tierexperimente mit autoplastiscber und homoio-
plastischer Transplantation des Intermediärknorpels bei blutsverwandten
und nichtblutsverwandten Individuen zu dem Schluss, dass die Ver¬
pflegung des Intermediärknorpels mit einem beiderseits anliegenden
Knochenstück weder als Auto- noch Homoioplastik praktische Verwert¬
barkeit besitzt, da das Knochen Wachstum weit hinter der Norm zurück¬
bleibt. Bei der Verpflanzung der Knorpelfuge ohne jede anhaftende
Knochenschicht als schmale Scheibe sind vielleicht positive Erfolge zu
erwarten. Baetzner.
stierlin: Ostitis fibrosa bei angeborener Fraktur. (D. Zschr.
f. Chir., Bd. 130, H. 1 u. 2.) An der Hand eines einschlägigen Falles
bespricht Verf. das Krankheitsbild der Ostitis fibrosa. Sein Fall zeichnet
sich dadurch aus, dass er mikroskopisch untersucht wurde und somit
den Forderungen v. Recklinghausen’s genügt. Die Therapie besteht
in Fixierung der Fragmente, eventuell in Naht und Bolzung der
Knochen. Wegen der häufigen Pseudarthrosen ist die Prognose un¬
günstig. J. Becker.
Lothrop*. Operation der Adleraase. (Boston med. journ., 1914,
Nr. 22.) Mitteilung einer Deuen plastischen Operationsmethode mit
einem operierten Fall. Guter Erfolg. Schelenz.
0. Kleinschmidt - Leipzig: Experimentelle Untersuchungen über
den histologischen Umbau der freitraisplantierten Fascia lata und
Beweis für die Lebensfähigkeit derselben unter Heranziehung der vitalen
Färbung. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 30.) Die am Leben
bleibende Fascie wird durch funktionelle Beanspruchung im Sinne der
Zugrichtung umgebaut. Es ist zweckmässig, die Fascie in ihrer Längs¬
richtung einzufügen bei Ueberbrücken von Defekten am Bewegungs¬
apparat. Baetzner.
Markull: Ueber Meaiagitis nach subcutanen Verletzungen des
Schädels and der Wirbelsäule. (D. Zschr f. Chir., Bd. 130, H. 1 u. 2.)
Die Annahme, dass eine Meningitis ohne äussere Verletzung nicht ein-
treten könne, ist nicht mehr zu Recht bestehend. Irgendwo im Körper
vorhandene Kokken können sich am Ort der Verletzung, der ja einen
Locus minoris resistentiae bildet, absetzen und die Meningitis veran¬
lassen. Therapeutisch leistet gutes die Lumbalpunktion, die bei spinaler
Meningitis vielleicht sehr gut durch L&minektomie ersetzt werden kann.
J. Becker.
Lücken-Leipzig: Ein- und gleichseitige Vagas- and Aeeessorius-
läsion und vollkommene Tanbhcit nach JBchädelhaaUfraktir. (Arch.
f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 33.) Baetzner.
Wilms: Die Fortschritte der operativen Behandlung der Lugen-
tnberknlose. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Verf. berichtet über die
Technik der von ihm angegebenen Operation, die sich heute so gestaltet,
dass er Rippenstücke von 6—8 cm reseziert. Es werden so von der 2.
bis 10., auch 11. Rippe Stücke reseziert. Die Erfolge sind besonders
bei zu Schrumpfung neigenden Prozessen günstige.
Maisei: Die 1911 und 1912 mit der Wilms’schen Pfeilerresektion
behandelten Lungentuberkulosen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 1
u 2.) Nach Schilderung der bis jetzt üblichen Methoden zur Heilung
der Lungentuberkulose (Phrenicotomie. Pneumothorax usw.) berichtet
Verf. über die nach der Wilms’scben Methode der Pfeilerresektion
operierten Fälle. Die Resultate sind gute und fordern zur Nach¬
ahmung auf. J. Becker.
Laewen und Jurasz - Leipzig: Experimentelle Untersuchungen über
die freie Uebertragnng von Maskelslüeken aufs Herz und in einige
andere Organe zum Zwecke der Blutstillung. (Arch. f. klin. Chir.,
Bd. 104, H. 4, Nr. 30.) Die Uebertraguog von Muskelstücken zur Stillung
von Blutungen bei Herz-, Leber- und Nierenwunden ist sehr zu emp¬
fehlen.
Hohlbaum-Leipzig: Beiträge zur fanktionellen Magendiagnostik.
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 36.) Der positive Ausfall der
Salomon’schen Probe ist für einen Ulcerationsprozess im Magen beweisend.
Beim Ulcus pylori kann das Gluzinski’sche Verfahren gute Resultate
geben. Baetzner.
G. Perthes': Zur chirurgischen Behandlung des Magengeschwürs
nebst Mitteilungen zur Technik der Magenresektion. (D. Zschr. f. Chir.,
Bd. 129.) Das ideale Ziel bei Ulcus ventriculi zur Beseitigung der Be¬
schwerden sieht Verf. io der Resektion des Magens. Auch ist wegen
der schon bei einer Operation bestehenden Möglichkeit des Bestehens
eines Carcinoms (Ulcus callosum!), die Resektion zu erstreben. Vielleicht
ist von einer gleich bei der Operation ausgefübrten pathologisch-ana¬
tomischen Untersuchung Gutes zu erwarten. J. Broker.
Jurasz - Leipzig: Die Mobilisierung des Duodenum. (Arch. f.
klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 37.) In der Payer’schen Klinik wird
prinzipiell die Mobilisierung der Duodenums — die Serosa des Peri¬
toneums wird von der oberen Duodenalflexur an entlang und parallel
dem absteigenden Schenkel eingeritzt, das Duodenum hierdurch von seiner
Unterlage abgelöst und nach links herumgeklappt — geübt, in denen
ein Hindernis in dem papillären oder retroduodenalen Anteile vermutet
wird. Baetzner.
v. Assen: Ein Fall von akuter Pankreatitis. (Ned. Tijdsohr. v.
Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 15.) Die Diagnose wurde frühzeitig und
richtig gestellt. Verf. erwähnt den Fall deshalb, weil er von der üb¬
lichen Operation abgewichen hat. Sobald er das kranke Organ erreicht
hatte, spaltete er nicht die Kapsel, sondern begnügte sich mit sorg¬
fältiger Tamponade auf und um das Pankreas herum. Sein Erfolg war
ein guter. Y . Suchtelen.
Pohl: Ueber Ein kl emmuug des Wurmfortsatzes. (D. Zschr. f. Chir.,
Bd. 130, H. 1 u. 2.) Kasuistische Mitteilung eines hierhergehörigen
Falles. Die Diagnose der Einklemmung eines Appendix in einer be¬
stehenden Bruohpforte vor der Operation ist bis jetzt nicht möglich.
J. Becker.
r ,• ,£ rs l aW: . A kllte eltri S® Appendieitis. (Glasgow med. journ.,
Juli 1914.) Kritische Besprechung von 100 Fällen. Schelenz.
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UNIVERSUM OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1429
W. Wolf: Ueber Beschwerden nach Blinddarmoperatiosen. (D.
Zschr. f. Chir., Bd. 129.) Mitteilung über 83 Frühoperationen an
Appendioitis, die 0 pCt. Mortalität aufwiesen. Postdperative Beschwerden
traten nie auf, was für Beurteilung von eventuellen Rentenansprüchen
im Zivilleben sehr wichtig ist. J. Becker.
Sohmiedt- Leipzig: Versuche über Adhäsiousbeschränkiuig in der
Baichhtfhle durch HlrudiBbehandluDg (Arch. f. klin. Chir., Bd. 104,
0.4, Nr. 35.) Im Tierversuch werden durch Hirudineinspritzungen in
die Bauchhöhle künstlich gebildete Adhäsionen verhindert. Eine Nutz¬
anwendung beim Menschen ist noch nicht zu beurteilen.
Baetzner.
H. Rimann: Ueber retroperitouesle CyßteiMldung. (D. Zschr.
f. Chir., Bd. 129.) Eine vom Verf. mit Erfolg operierte retroperitoneale
Cyste, die nicht mit dem Pankreas zusammenhing, glaubt dieser als
Blutcyste erklären zu müssen, die durch ein. vor 11 Jahren erfolgtes
Trauma hervorgerufen wurde. Solche Cysten sind selten.
J. Becker.
Kleinschmidt - Leipzig: Ein solitärer Netzechiuococcus. (Arcb.
f. klin. Chir., Bd. 104, H. 4, Nr. 38.) Baetzner.
Korencan -Wien: Operative Verlagerung der kongenitalen dystopeu
Niere. (W.kl.W., 1914, Nr. 27.) Der Verf. berichtet über zwei Fälle,
die operiert wurden. Die Verlagerung ist als die weniger gefährliche
Operation der Exstirpation jedenfalls vorzuziehen; auch darf dem Prinzip
der Erhaltung eines so wichtigen Organs auch einmal eine zweite
Operation zur Last fallen. P. Hirsch.
Tichy: Klinischer und experimenteller Beitrag zur Operation der
Wanderniere. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 1 u. 2.) Uebersicht über
die bisher üblichen Methoden der Operationen der Wanderniere. Die
neuen plastischen Methoden sind bestrebt, die Funktion des Organs
möglichst wenig zu schädigen (Fascienplastik). König bildete aus dem
Periost der 12. Rippe einen längeren Streifen, den er durch die Nieren¬
kapsel führte und dann wieder an der Rippe vernähte. Das Resultat
war ,gut. Mikroskopische Untersuchungen des Verf. bei gleichartigem
Vorgehen am Hund ergaben Intakt bleiben des Periosts.
Scherers und Wagner: Ueber ein primäres Rnndzellensarkom
beider Nieren bei einem Kinde. (D. Zschr. f. Chir., Bd. ISO, H. 1 u. 2.)
Doppelseitiger Nierentumor imponierte als Cystenniere, was später die
Sektion nicht bestätigte. Es handelte sich um doppelseitiges Rund-
zellensarkom. Auf die Diagnose Nierentumor intra vitam muss die
Schnelligkeit des Wachstums, die Kachexie, Drüsenmetastasen, eventuell
Blut und Tumorteilchen im Urin hinleiten. J. Becker.
Sonntag-Leipzig: Ausgedehntes Haemangioma cavernosum der
Uiterlippe.nnd Zange sowie dessen Behandlung. (Arcb. f. klin. Chir.,
Bd. 104, H. 4, Nr. 32.) Die Operationsmethode der Wahl ist die totale
Exstirpation. Bei Hautoaroinomen ist die Payer’sche Magnesiumspickung
wertvoll. Baetzner.
Röntgenologie.
Huismans - Cöln: Eine einfache Methode, die „Herzspitze“ für
die Messung des Längsdarchmesser des Herzens sichtbar za machen.
(D.m.W., 1914, Nr. 28.) Durch mehrstündiges Fasten, eventuell durch
Magenspülung wird vor der Röntgenaufnahme der Magensohatten be¬
seitigt, so dass die Herzspitze im Bilde gut sichtbar ist.
Wolfsohn.
H. Rieder-München: Zur Röntgenuntersuchung des Wurm¬
fortsatzes, besonders bei Appendioitis. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Der
Wurmfortsatz ist röntgenologisch darstellbar sowohl durch Einlauf als
auch durch Kontrastmahlseit. Letztere Methode ist wohl physiologischer.
Die Füllung des Wurmfortsatzes beginnt etwa 7—8 Stunden post coenam,
kann sich aber auch viel länger hinziehen. Man sieht eventuell Eigen¬
bewegungen und Segmentationen. Wertvoll kann die Röntgendiagnostik
für die Appendioitis noch werden, indem Lageveränderungen, unter
Umständen Adhäsionen, Stauungen von Darminhalt usw. gefunden
werden kann. Dünner.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
P. de Galatz - Bukarest: Beitrag zum klinisohen und histopatho-
logischen Studium der Dystrophia papillaris et pigmentaria (Acanthosis
nigricans) verbunden mit einem Lungenkrebs. (Ann. de derm. et de
*ypb., Juni 1914.) Fall von Acanthosis nigricans, welcher zur Sektion
kam und ein Carcinom der Lunge hatte. Die Diagnose wurde schon bei
Lebzeiten gestellt, da nach Darier bei Acanthosis nigricans sich stets
ein Carcinom in irgendeiner Körperhöhle findet, aber nicht in der Bauch¬
höhle.
J. T. Lenartowicz - Lemberg: Beobachtungen über cutane Re-
»•rptiou der Salicylsftire aus Pflastern. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59,
Nr. 27.) Verf. beschreibt 2 Fälle von Salicylsäurevergiftung und An¬
wendung von grösseren Mengen von 40 proz. Salicylseifenpflaster bei
Lupus vulgaris. Die Fähigkeit des Resorbiertwerdens besitzt nur die
Salicylsänre, aber nioht deren Salze.
Werther-Dresden: Ein Fall von chronischer lymphatischer Lenk-
«ie mit generalisierter miliarer Lymphadenia cntis. (Derm. Zschr.,
J ali 1914.) Der Kranke zeigte vom Scheitel bis zur Sohle eine Ver¬
steifung, düsterrote bis blaurote Färbung und Abschuppung der Haut,
eine generalisierte Erythrodermie mit stellenweise lichenoider und
ekzematöser Abwandlung. Alle fühlbaren Lymphdrüsen, Milz und Leber
waren geschwollen. Im Blute fand sich das Bild der Leukämie. Die
histologische Hauptveränderung der erkrankten Haut bestand in einer
lymphatisch-leukämischen Wucherung, welche Koötchen an Knötchen im
oberen Teile der Cutis in der Höhe des subpapillären Gefässnetzes
bildete. Die Erkrankung führte nach 3 Jahren zum Tode.
K. Herxheimer und H. Köster - Frankfurt a. M.: Ueber sekundäre
lichenoide Trichophytie. (Derm. Zschr., Juli 1914.) Der Fall der Verff.
unterscheidet sich in jeder Beziehung von den von Guth mit demselben
Namen bezeichoeten Krankheitsfällen. Deshalb schlagen die Verff. vor,
die Guth’sche Affektion als primäre, ihr Krankheitsbild aber als sekundäre
lichenoide Trichophytie zu benennen. Immerwahr.
An ton i - Heidelberg: Zur Kenntnis der Dermatosen hei Hysterie.
(M.m.W., 1914, Nr. 27.) Kasuistik. Dünner.
C. Gutmann-Wiesbaden: Liquorhefande bei unbehandelter Früh-
Syphilis. (Derm. Wscbr., 1914, Bd. 58, Nr. 25.) Etwa 28 pCt. patho¬
logisch veränderten Liquor hat Verf. zu verzeichnen, ein Prozentsatz, der
auf etwa 56 pCt. steigt, wenn auch die Fälle von Drucksteigerung als
pathologisch angesehen werden.
K. Rübl- Turin: Zur Technik der Anwendung der Ztaler’schen
40 proz. Calomelemnlsion in der Luesbehandluog. (Derm. Wschr., 1914,
Bd. 58, Nr. V5.) Zur besseren Füllung der Rekordspritze bat Verf. die
Calomelemulsion in Ampullen füllen lassen; den Inhalt der erwärmten
Ampulle lässt man nach Herausziehen des ganzen Spritzenkolbens in die
Spritze bineinlaufen, nachdem die Ampulle auf beiden Seiten ge¬
öffnet ist.
B. Fuchs - Przemysl: Luesbehandluug und Wassermann. (Derm.
Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 28) Bericht über 2520 Salvarsaneinverleibungen
bei 843 Kranken. Die intraglutaale Einverleibung übertraf in ihrer
Wirkung die intravenöse Infusion. In einer grossen Anzahl der Fälle
wurde die Wassermann’sche Reaktion dauernd negativ.
F. Munk-Berlin: Diagnostik und Therapie syphilitischer diffuser
Nierenerkrankungen (syphilitische Nephritis). (Derm Zschr., Juli 1914.)
Die akute syphilitische Nierenerkrankung stellt einen eigenen Typus
einer degenerativen Nephritis dar, der durch ein charakteristisches Krank-
heitsbild ausgezeichnet ist und durch den Urinbefund diagnostiziert
werden kann. Die häufig bei der Syphilis vorkommende Albuminurie
kann in eine substantielle Erkrankung der Nieren übergehen; deshalb
ist es erforderlich, in allen Fällen von Albuminurie bei Syphilis eine
regelmässige Untersuchung des Urinsedimentes im Polarisationsmikroskop
auf doppeltbreohende Lipoide vorzunehmen. Therapeutisch ist Queck¬
silber und Salvarsau in kleinen, vorsichtigen Dosen indiziert.
L. M. Pautrier - Paris: Sarkoide und Syphilis. Notwendigkeit
einer Revision der Gruppe der Sarkoide. (Ann. de derm. et de syph.,
Juni 1914.) Die Sarkoide bleiben fast stets subcutan, ohne sich zu er¬
weichen. In gewissen Fällen werden sie der Sitz gummöser Produkte.
Diese Fälle haben eine positive Wassermaun’sche Reaktion und heilen
unter Salvarsan. Die Sarkoide scheinen also verschiedene Aetiologie zu
haben. Es gibt syphilitische und tuberkulöse Sarkoide; und nur die
von Boek’scbem und Darier’schem Typus verdienen den Namen
Sarkoide. Immerwahr.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
D. A. de J ong - Leiden: Intradermale uud coujunctivale Schwaiger-
schaftsreaktion. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Verf. hat mit fötalem und
maternem Placentaantigen bei Rindern intradermale und conjunctivale
Schwangerschaftsreaktion versucht und als Kontrolle Rindermuskel¬
gewebe benutzt. Er erzielte keine spezifischen Reaktionen, die dazu
ermuntern, die Methode praktisch bei Menschen zu verwenden.
Dünner.
R. Cohn - Berlin: Pituglaudol bei Placenta praevia. (D.m.W.,
1914, Nr. 28.) In einem Falle von Placenta praevia mit starken
Blutungen in der Eröffaungsperiode wurde Pituglandol mit gutem Erfolg
angewendet. Wolfsohn.
Kamerling: Zwei Fälle von Foetus compressus. (Ned. Tijdschr.
v. üeneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 23.) Die Fälle waren deshalb interessant,
weil in beiden die plattgedrückte Frucht vor der zweiten gesunden ge¬
lagert war. v. Sucbtelen.
W. Ko Id e - Magdeburg: Chorea gravidarum. (Zbl. f. Gyn., 1914.)
Mühl bäum ist der Ansicht, dass man bei leichteren Fällen exspektativ
verfahren soll. Man soll medikamentös und diätetisch den Gesamtzustand
heben, bis das Kind ausgetragen ist. Bei vorangegaogener jugendlicher
Chorea ist mit Wahrscheinlichkeit auf einen günstigen Erfolg zu hoffen.
In zweifelhaften und akut auftretenden Fällen ist frühzeitig ein arte-
fizieller Eingriff zu maohen. Infaust sind diejenigen Fälle, bei denen
schon frühzeitig endocarditische und psychotische Komplikationen auf-
treten und wenn schon in früheren Schwangerschaften Chorea voran-
gegangen ist. Verf. beobachtete einen Fall, bei dem er die Gebart
durch einfachen Blasenstich einleitete. Der Erfolg war eiD so in die
Augen springender, dass er bei fortdauernder Chorea immer zur sofortigen
künstlichen Entbindung rät.
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UNIVERSUM OF IOWA
1430
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
H. Freund - Strassburg: Eine neue Methode der Ovariotomie. (Zbl.
f. Gyn., 1914, Nr. 28.) F. hält es für nötig, bei Ovariotomien mehr als
bisher Reste vom Ovarium zu erhalten, wegen der Gefahr der Ausfalls¬
erscheinungen. Achtet man darauf, so findet man, wenn auch nicht
immer, so doch sehr oft, neben den erkrankten Partien gesunde Reste
von ganz normalem Ovarialgewebe. Er schlägt daher vor, stets das
Ovarium zu spalten und, wenn es irgend möglich ist, gesunde Teile
zurückzulassen. (Da wir aber wohl kaum durch blosse äussere Inspektion
sicher sein können, ob wir nicht maligne Teile zurücklassen, will Verf.
doch scheinen, dass man damit recht vorsichtig sein muss.)
Siefart.
Augenheilkunde.
Salzer-München; Die Abstannniig der KeratobJasten bei der
Regeneration der Bornhaut. Zugleich eine Erwiderung auf Bonnefon
und Lacoste. (M.m.W., 1914, Nr. 27.) Vortrag in der Gesellschaft
für Morphologie und Physiologie am 5. Mai 1914. Cf. Gesellschaftbericht
der B.kl.W., 1914, Nr. 24. Dünner.
Speleers: Einschlag* von Parafflnkngeln in Sclerabentel nnd
Tenen’scher Kapsel. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 2, Nr. 1.)
Seit einiger Zeit benutzt Verf. eine Paraffinkugel (50—60° Schmelz¬
punkt) zur Ausfüllung der durch Ausschälung oder Auslöffeln des Auges
entstandenen Bohle. Der kosmetische Effekt ist ein sehr guter und die
Bewegung des Kunstauges eine ausgiebige. Der Fremdkörper wird an¬
standlos vertragen.
v. Bou wdijk - Bastiaanse: Hemiopische Papillenreaktion als Dia-
gnostikum. (Ned. Tijdschr. v. Geneesk., 1914, Bd. 1, Nr. 15.) Bis jetzt
batte diese Reaktion einen grossen Nachteil. Bei der Bestrahlung der
blinden Netzhauthälfte wurde die andere immer noch von zerstreutem
Licht getroffen, weshalb die Existenz dieser Reaktion sogar bestritten
wurde. Verf. beschreibt nun eine einfache Vorrichtung, welche die oben¬
genannte Schwierigkeit beseitigt, v. Suchtelen.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
W. Schoetz-Berlin: Gibt es eine kongenitale örtliche Disposition
zur Bildung otosklerotischer Knochenherde? (Arch. f. Ohrenhlk.,
Bd. 95, H. 3 u. 4.) Sch. bejaht nach seinen histologischen Untersuchungen,
die mit den Ergebnissen anderer Autoren übereinstimmeD, die Möglich¬
keit obiger Frage. Es scheint 9ich nach ihm um mangelnde Resorption
der fötalen bzw. kindlichen Labyrinthkapselknorpel zu handeln. Für
die interne Therapie der Otosklerose würde ffas bedeuten, dass sie, wie
auch schon anderweitig aDgeregt wurde, bei Angehörigen hereditär be¬
lasteter Familien viel früher als die Symptome, am besten schon im
Fötalleben, einsetzen müsste, um ihre Erfolge zu verbessern.
Linck-Königsberg i. Pr.: Beitrag zur Lokalanästhesie bei Opera¬
tionen am äusseren Gehörgang nnd im Mittelohr. (Arch. f. Ohrenhlk.,
Bd. 95, H. 3 u. 4.) L.’s Methode beruht auf der Unterbrechung der
sensiblen Nervenleitung, sie lehnt sich an die bekannten gleichartigen
Verfahren allerdings mit einigen Unterschieden, so hinsichtlich der Ein¬
spritzungsstellen an. Mittels Rekordspritze wird eine selbstbereitete ein¬
prozentige Novocain-Suprareninlösung durch eine kurze dünne Kanüle
um die Ohrmuschel und den Gehörgang subcutan eingespritzt. Nach
10 Minuten ist völlige Anästhesie des äusseren Gehörganges und Trommel¬
felles eingetreten, die Mittelobrschleimbaut zeigt allerdings noch eine
gewisse, wenn auch sehr herabgesetzte Empfindlichkeit. Es wurden aus¬
geführt: Radikaloperationen, Hammer-Ambosextraktion und die Ent¬
fernung von Polypen im Gehörgang und Mittelohr, was sonst besonders
schmerzhaft ist; ferner Trommelfellparacentese bei akuter Mittelohr¬
entzündung, obwohl der geringfügige, kurze Eingriff in gewissem Miss¬
verhältnis zu der umständlichen, unangenehmen Anästhesierung stand.
Schliesslich werden Inzisionen von Gehörgangsfurunkeln und Ausspülung
der Mittelohrräume mittels Paukenhöhlenröhrchen sowie Sondenexploration
daselbst namentlich bei Kindern und Aengstlichen gemacht.
Streit; Einige plastische Operationen an der Ohrmnschel. (Arch.
f. Ohrenhlk., Bd. 95, H. 3 u. 4.) Bei Operationen der Ohrmuschel, die
wohl weniger aus kosmetischen Gründen erforderlich sind, werden selten
allgemein gültige Grundsätze aufgestellt werden können, und zwar wegen
der Schwierigkeit des Operationsfeldes und der Verschiedenheit der Indi¬
kation. Immerhin kommen auch hier gewisse typische Richtlinien vor.
St. berichtet dann von seinen einschlägigen Fällen. Einmal handelte es
sich um Ersatz des ganzen Ohrmuschelrandes wegen Erfrierung; das Er¬
gebnis war gut, obwohl die Ohrmuschel etwas kleiner erschien als die
gesunde. In einem zweiten Falle handelte es sich um Beseitigung des
Abstebens beider Ohrmuscheln; das recht gute kosmetische Resultat
wurde durch ein grösseres Narbenkeloid hinter der Ohrmuschel beein¬
trächtigt. Schliesslich hatte St. die Aufgabe, aus sozialen Gründen die
Verkleinerung einer ungewöhnlich grossen Ohrmuschel vorzunehmen; der
Zweck wurde durch die Operation erreicht und gleichzeitig wurde, ohne
ursprünglich geplante Operation, auch damit das Abstehen des Ohres
beseitigt.
M. Mai er-Strassburg i. Eis.: Erfahrungen übes den otitisclien Hirn-
abseesg. (Arch. f. Ohrenhlk., Bd. 95, H. 3 u. 4.) In prognostischer Hin¬
sicht ergab M.’s Material, dass der Hirnabscess ein ernstes, prognostisch
nicht sehr günstiges Leiden ist, das den therapeutischen Bestrebungen
noch grosse Ziele setzt; nur ein Viertel der Hirnabscesse konnte der
Heilung zugeführt werden, während drei Viertel dem Leiden erlagen. Als
Haupttodesursache fanden sich: Hirnabscess als solcher, Meningitis, Re¬
spirationslähmung durch Druck auf das Atemcentrum, Durchbruch in
einen Ventrikel oder nach den Meningen und fortschreitende Encepha¬
litis; manchmal schien es aus dem Verlauf, als ob nach geglückter Ope¬
ration ein voller Heilerfolg erzielt würde, plötzlich aber erlag der
Patient dem Durchbruche eines zweiten Abscesses, der der Diagnose ent¬
gangen war. Gehäuftes Vorkommen von Hlrnabscessen bei ein- und
demselben Patienten ist selten, immerhin wird es gelegentlich beobachtet.
Ob Absces.se nach akuter Mittelohrentzündung eine bessere Proguose
haben, als solche nach chronischer, ist noch unentschieden. Die thera¬
peutischen Grundsätze sind folgende: Bei akuten Eiterungen wird zu¬
nächst die typische Aufmeisselung gemacht, bei chronischen die Radikal¬
operation. Knocbeofisteln sind ein willkommener Fingerzeig für weiteres
Vorgehen; nach Freilegung der mittleren, auch mitunter erst der hinteren
SchadeIgrube können aus der Spannung und Beschaffenheit der Dura
richtige Schlüsse gezogen werden. Die Diagnose wird alsdann durch
Punktion der vorliegenden Hirnteile erhärtet, oft sind mehrere Punktionen
notwendig. Der Abscess wird nach DurehtrenDung der Dura und der
deckenden Hirnscbicbt breit eröffnet und entleert, die Abscesshöble mit
Jodoformgaze tamponiert und der Wundverlauf angelegt. Sorglättige
Nachbehandlung, die jede Eiterverhaltung vermeidet, ist unbedingtes Er¬
fordernis. Die Narkose erfordert die denkbar grösste Vorsicht. Die pri¬
märe Entleerung des Abscesses ohne vorherige Ohroperation, also z. B.
direkte Trepanation der Schläfenbeinschuppe wurde nie vorgenommen.
Um die Gefahr der Meisseierschütterung zu vermeiden, wurde möglichst
mit der Knocheüzange gearbeitet. Die Hirnpunktion birgt entschieden
Gefahren in sieb, sie ist aber gleichwohl als diagnostisches Hilfsmittel
nicht zu entbehren, wenigstens so lange die Diagnose und Lokalisation
des Hirnabscesses nicht absolut sicher ist. Es wurde stets mit breiten
Canülen, selbst mehrmals und nach allen Richtungen des Hirns punktiert.
Probeinzision an Stellen der Punktion wurde ausnahmsweise nnr daun
gemacht, wenn die Spritze lediglich erweiohte Hirnmasae ansog.
Max Senator.
Hygiene und Sanitätswesen.
A. Calderini-Turin: Der Einfluss von Salz avf den Bakterien
gehalt von Wasserproben. (Revue d’byg., 1914, Nr. 5, S. 502.) Verf.
kommt zu einer Ablehnung dieses Verfahrens.
Loir und Legangneux - Le Havre: Essig znr Verhütung des
Typhus. (Revue d’hyg., 1914, Nr. 5, S. 545.) Es genügt, frisches Ge¬
müse 1 V< Stunde in Wasser zu legen, dem auf 1 Liter ein Löffel Essig
zugesetzt ist, um eine Typhusübertragung durch dasselbe zu verhindern.
Viereck.
A. W. Bacot-London: Naphthalin zur Vernichtung von Mosqiitos
iB verdeckten Cigternen und Brunnen. (Brit. med. journ., 4. Juli 1914,
Nr. 2792.) Auf die Wasserfläche gestreutes oder in Beuteln darüber
gehängtes Naphthalin tötete Mücken und Larven in weniger als
24 Stunden. Das aufgestreute Naphthalin gab etwas von seinem Ge¬
schmack an das Wasser ab und ist daher nicht so geeignet.
Weydemann.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medizinische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Ausserordentliche Generalversammlung am 8. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Orth.
Schriftführer: Herr v. Hansemann.
Statutenänderung: §1 endet mit den Worten „Medizin fördern“-
$ 7 Absatz 1 soll lauten: >
„Die Gesellschaft veranstaltet wissenschaftliche Sitzungen und
unterhält ein mit der Bibliothek verbundenes Lesezimmer. In
den Sitzungen der Gesellschaft können auch die
ideellen Interessen des Aerztestandes erörtert werden.
Vorsitzender: M. H.I Wir haben heute eine ausserordentliche
Generalversammlung, und zwar zum Zweoke einer Statutenänderung.
Der § 26 unserer Satzung lautet:
„Ueber Abänderungen der Satzungen kann die General¬
versammlung der Mitglieder nur besobliessen, wenn die Einladung
zu derselben mit Angabe des Zweckes mindestens 14 Tage vorher
erfolgt ist.“
Ich konstatiere hiermit, dass die Veröffentlichung im roten Blatt
vor über 14 Tagen zum erstenmal erschienen ist, dass also dieser Be¬
stimmung der Statuten genügt ist.
Was die Sache selbst anbetrifft, so handelt es sich um einen Antrag
des Herrn v. Hansemann, den Vorstand und Ausschuss geprüft una
der Gesellschaft zu empfehlen beschlossen haben. Herr v. Hansemann
wird die Begründung geben.
Hr. v. Hansemann begründet den Antrag.
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Coug le
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UNIVERSITY OF IOWA
27. Jnli 1914.
BERLINER KHN1SCHE WOCHENSCHRIFT.
1481
Vorsitzender: Wünscht noch jemand das Wort? Wenn das nicht
der Fall ist, so köonen wir zur Abstimmung schreiten. Die beiden An¬
träge auf Aenderung des § 1 und des § 7 hängen so innig untereinander
zusammen, dass ich glaube, wir können das mit einer Abstimmung er¬
ledigen. Das, was dem § 1 weggenommen wird, wird dem § 7 zum
grössten Teile wieder hinzugesetzt.
Ich möohte vielleicht noch das eine bemerken: unter 1700 Mit¬
gliedern ein kollegiales Verhältnis zu pflegen, ist wirklich unmöglich,
dafür sind die Standesvereine, die kleineren Vereine da, wo alle Mit¬
glieder persönlich untereinander Fühlung haben können, bei uns ist das
unmöglich. Die idealen Standesinteressen sind durch den Zusatz zu
§ 7 gewahrt.
Wer für die Aenderung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
(Geschieht.) Das ist angenommen.
Ich habe Ihnen eine Einladung bzw. das Programm zu dem 3. inter¬
nationalen Kongress für Radioaktivität und Elektronik in Wien vom
27. Juni bis 2. Juli 1915 vorzulegen. Ich lege die Programme hier zur
etwaigen Entnahme aus.
Ferner habe ich initzuteilen, dass die Deutsche Luftscbiffahrts-
Aktien-Gesellschaft an uns geschrieben hat:
An die
Berliner medizinische Gesellschaft,
Berlin, Ziegelstr. 10/11.
Um weiteren Kreisen die Möglichkeit zu verschaffen, einmal eine
Fahrt mit einem Zeppelin-Luftschiff mitzumachen, haben wir uns ent¬
schlossen, Mitglieder von Vereinen, Klubs, geschlossenen Körper¬
schaften, Teilnehmer an Kongressen u. dgl. m. unter nachstehenden
Bedingungen zu fahren, die nach der Zahl der gleichzeitig erfolgenden
Anmeldungen abgestuft werden sollen.
Die Entnahme der Fahrscheine hat durch den Verein, Klub,
Kongress u. dgl. als solchen zu geschehen.
Bei Entnahme von 20 Fahrscheinen beträgt der Preis per Fahrschein 70 M.
. » «40 „ * * „ * « 65 „
. 60 „ „ „ „ * 60 „
„ „ „80 „ „ „ „ „ „ 55 „
v » » IDO n r» w » * » 50 „
Die Fahrscheine werden mit dem Stempel des Vereins, Kon¬
gresses usw. versehen und berechtigen den Inhaber zur Teilnahme an
einer der täglichen normalen Fahrten von rund l l / 2 ständiger Dauer,
die in der Regel um 8 Uhr morgens und 5 Uhr abends stattfinden.
Eventuell kann auch bqi genügender gleichzeitiger Beteiligung solcher
Iohabrr von Vereinsfahrscheinen eine besondere Fahrt für Sie, Ihren
Wünschen und Vorschlägen entsprechend, angesetzt werden. Die
Teilnahme an einer regulären Fahrt kann an jedem beliebigen Tage,
an dem gefahren wird, erfolgen, der Fahrscheininhaber hat nur seine
Fahrt auf dem Bureau der Hamburg-Amerika-Linie, Abteilung Luft¬
schiffahrt, Berlin W. 8, Unter den Linden 8, Telephon Centrum 9197,
oder unmittelbar bei der Fahrten lei tun g in der Luftschiffhalle Potsdam,
Telephon Potsdam 1850—52, am Tage vorher oder spätestens am
Vormittage anzumelden, um bei eventuell stärkerer Beteiligung die
Dispositionen der Fahrtenleitung zu erleichtern.
Wir nehmen an, dass sich auoh in Ihren Kreisen Interesse für
diese Fahrten zeigen dürfte, und bitten Sie ergebenst, unsere vor¬
stehenden Vorschläge zur Kenntnis Ihrer Mitglieder gelangen zu lassen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Deutsche Luftschiffahrts- A.-G.
Stationsleitung Potsdam.
A. Heinen.
Wir sind bereit, von der Gesellschaft aus, wenn eine genügende
Anzahl von Mitgliedern den Wunsch dazu uns schriftlich zu erkennen
gibt, diese Ermässigung für die Mitglieder der Berliner medizinischen
Gesellschaft zu verschaffen. Ich lege ein Programm auf deu Tisch des
Hauses nieder.
Vor der Tagesordnung.
Hr. L. Ludai:
Deaaiatrattoi eins Uterus myomatosas III mensiam von ll >/ 2 Pfwd
Gewicht.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Tagesordnung.
_ Hr. E. Ftld;
Zir Behandlung der Colitis gravis mittels Spülungen von der
Appeidicostomie ans. (Kurze Mitteilung mit Krankengeschichten.)
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Albu: Es lag ja nicht in der Absicht des Herrn Kollegen
t uld, wie er selbst schon sagte, hier eine allgemeine Aussprache über
me8e8 uns noch unklare Krankheitsbild der Colitis ulcerosa herbeizu-
mhren. Wir haben ja erst in Homburg vor einigen Wochen eine Er¬
örterung darüber gehabt, ohne dass eine wesentliche Klärung eingetreten
‘st. Ich möchte trotzdem zu dem, was Herr Fuld über die Diagnose
gesagt hat, einiges wenige hinzufügen, was mir notwendig erscheint.
bo pessimistisch, wie er die Schwierigkeit der Diagnose dargestellt
M, ist die Situation in der Mehrzahl der Fälle keineswegs. Im Gegen-
j J 4er überwiegenden Zahl der Fälle lässt sich die Krankheit mit
w Sicherheit erkennen, und zwar oft schon aus der ausserordent-
Rr fkarakteristischen Anamnese. Es handelt sich ja in der Regel um
anke, aie seit Monaten oder Jahren krank sind und immer dieselben I
Beschwerden habeD, dass sie dauernd Blutungen haben, die auch unab¬
hängig von der Detäkation auftreten, oft sogar ohne Defäkation erfolgen,
die häufig noch mit Eiter untermischt sind. Diese Anamnese ist eine
derartige, wie wir sie bei keiner anderen Krankheit haben. Man muss
also in solchen Fällen sehr sorgfältig die Anamnese aufnehmen. Dazu
kommt aber — und darauf lege ich das noch grössere Gewicht — ein
ganz konstanter rectoskopischer Befund. Ich habe schon in Homburg
hervorgeboben, dass, wenn man dieses Krankheitsbild kennt, es in der
Mehrzahl der Fälle auch in typischer Weise zu sehen bekommt, nämlich
eine Durchlöcherung der Schleimhaut von unzähligen kleinsten Ge¬
schwüren, die nur punktförmig sind, dicht gedrängt beieinander stehend,
aber meist nur herdförmig ausgebreitet, so dass immer einzelne Inseln
ganz intakter Schleimhaut noch dazwischen stehen bleiben. Das ist ein
Krankheitsbild, das in der Tat der Dysenterie' ausserordentlich ähnlich
ist. Wenn man etwa grosse, flächenförmige Ulcerationen zu finden er¬
wartet, wird man allerdings enttäuscht sein. Nur seltener sieht man
weisse, oberflächliche, nekrotische Herde von unregelmässiger Gestalt und
im allgemeinen nicht mehr als etwa Erbsengrösse.
Noch vor wenigen Tagen habe ich wieder einen solchen Fall ge¬
sehen, der auf den ersten Blick carciuomverdächtig erschien. Aber das
Rectoskop hat in einer Höhe von 18 bis 25 mm ab ano das typische
Krankheitsbild gezeigt. Es muss eben gelingen, bis an den Krankheits¬
herd heranzukommen. Das gelingt allerdings nicht immer, weil manche
Patienten gegen die Rectoskopie ausserordentlich empfindlich sind. Die
Verwechslung mit Carcinom ist gerade durch eine sorgfältige Rectoskopie
für den Kenner mit Sicherheit auszuschliessen.
So viel wollte ich in bezug auf die Diagnose sagen.
Nun zu der Therapie, die der Herr Kollege hier empfohlen hat. Ich
verfüge allerdings auch nur über eine Erfahrung von Appendicostomie
bei Colitis ulcerosa. Es war eine Amerikanerin, die mich vor mehreren
Jahren besuchte und das typische subjektive und objektive Krankheits¬
bild bot. Sie wollte sich damals in Berlin keiner längeren Behandlung
unterziehen. Sie ging nach Amerika zurück und wurde in New York
von einem der ersten dortigen Chirurgen, naohdem einige Wochen
eine innere Behandlung vergeblich versucht worden war, appendi-
costomiert. Die Fistel blieb vier Monate offen. Der Darm wurde mit allen
möglichen Mitteln, desinfizierenden und adstringierenden, durebgespült.
Es war anfänglich ein anscheinend guter Erfolg, so dass die Fistel wieder
geschlossen wurde. Einige Wochen ging es der Patientin gut, dann
aber trat ein vollständiges Recidiv in die Erscheinung. Sie hat sich
einige Jahre damit herumgequält und ist unlängst wieder zur Konsultation
nach Berlin gekommen. Ich fand genau dasselbe objektive Krankheits¬
bild wie vor der Operation. Es ist also ein vollkommener Misserfolg,
den auch der dortige Chirurg anerkannt hat.
Ich leugne nicht, dass diese Operation in dem einen oder anderen
Falle einen Erfolg haben kann, aber ein sicheres Hilfsmittel ist es
ebensowenig wie die Coecalfistel, von der aus in manchen Fällen monate¬
lang Darmspülungen mit den verschiedenartigsten Mitteln gemaobt
wurden, ohne eine Heilung zu erzielen.
Bei der therapeutischen Bewertung dieser Behandlungsmethode darf
man nicht vergessen, dass die Colitis ulcerosa ausserordentlich zahlreiche
spontane Intermissionen macht. Wir sehen Fälle, die monatelang fast
ganz ohne Beschwerden sind, die ganz geheilt erscheinen, bis ein einziger
Diätfohler die ganze Misere des Krankheitsbildes wieder herbeifübrt.
Der Erfolg der medikamentösen Durchspülung des Darms ist übrigens
vor allem abhängig von der vorherigen gründlichen Reinigung des Darms,
und diese gelingt von der Appendixfistel aus noch viel schwieriger als
von einer Coecalfistel.
Ich will mich also dahin resümieren, dass wir in verzweifelten
Fällen, die wir mit der internen Therapie nicht heilen können — solche
Fälle gibt es leider immer wieder —, auch dieses operative Mittel
werden heranziehen müssen, aber wir haben darin nicht eine Panacee
zu sehen, sondern nur eins von den Mitteln, die man versuchen muss.
Hr. Katzenstein: Ich habe Gelegenheit gehabt, die beiden Fälle
mit zu beobachten, und muss ergänzend bemerken, dass die Fälle doch
viel schwerer waren, als es nach der Schilderung des Herrn Fuld
scheinen könnte. Besonders der Mann verliess meine Klinik meiner An¬
sicht nach als Todeskandidat. Ich hätte nicht geglaubt, dass wieder
etwas aus ihm würde. Herr Fuld hat dies ja angedeutet, aber doch
nicht klar genug ausgesprochen. Er war enorm abgemagert, befand sich
in desolatem Zustande, und die Frau hatte ihn, offen gestanden, zum
Sterben nach Hause genommen, und ich hatte auch geglaubt, dass er
dort sterben würde. Es ist tatsächlich ein Triumph der internen
Therapie, den Herr Fuld vielleicht in etwas zu bescheidener Form vor¬
getragen hat. Der Fall unterscheidet sich ganz sicher von dem des
Herrn Albu. Weder er noch die zweite vorgestellte Kranke wäron im¬
stande gewesen, überhaupt eine Reise nach Amerika hin oder xurück
auszuführen.
Das, was Herr Fuld ausgeführt hat, unterscheidet sich auch noch
wesentlich von den Angaben des Herrn Albu, denn Herr Fuld hob
ja gerade hervor, dass die Fistel bestehen bleiben soll. In dem einen
Falle — das ist vielleicht auch nicht ganz klar aus den Mitteilungen
des Herrn Fuld hervorgegangen — liegt die Operation schon fast zwei
Jahre zurück. Die Heilung hat 1 l f 2 Jahre gebraucht, um einzutreten.
Bezüglich der Diagnose muss ich doch sagen: Aus der Anamnese
allein kann man die Fälle doch nicht erkennen, wie Herr Albu be¬
hauptet, denn sie gleicht der Anamnese des Rectumcarcinoms. Beim
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UNIVERSUM OF IOWA
1432
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
Rectumcarcinom haben Sie gewöhnlich genau den Blut- und Eiterabgang.
Also anamnestisch lässt sich die Diagnose nicht stellen. Ich glaube,
die Fälle sind doch recht schwierig zu erkennen, und ich muss offen
sagen, bei diesem einen Mann hatte ich die Ueberzeugung, dass es sich
nicht um eine Colitis handelt. Ich glaubte, es wäre doch ein Carcinotn^
das wir nicht erkannt haben. Um so erfreulicher ist der endgültige Erfolg.
Hr. Fuld (Schlusswort): Auf die Frage der Diagnose möchte ich
nicht eingehen. Darüber ist ja in Homburg ausreichend geredet worden.
Ich möchte bloss noch einmal betonen: die Colitis gravis ist kein
scharf umschriebenes Krankheitsbild. Wir kennen den Erreger nicht, wir
haben nicht die leiseste Garantie dafür, dass alle Fälle einheitlich sind, und
anamnestisch liegt eine ganz dysenterieähnliche Krankheit vor. Wir
wissen nicht einmal, ob es sich um eine Infektion des Dickdarms handelt
oder bloss um eine Abscheidung yon Toxinen auf ihn.
Was nun die Appendicostomie anbetrifft, so sagte ich, es wird meist
auf Grund eines unzureichenden Materials geurteilt. Herr Albu hat
nun einen einzigen Fall gesehen, der nicht ihm gehört, sondern der sich
bloss von Zeit zu Zeit vorgestellt bat. Die Fistel wurde nach 4 Monaten
geschlossen, während ich gerade betont habe: die Appendicostomie hat
den Vorteil, eine Dauerbehandlung zu gewähren. Die Patientin bat
nach Schluss der Appendixfistel einen Rückfall bekommen, während ich
gerade betont habe, dass die dauernde Spülung von der Appendicostomie
während längerer Zeit uns eine gewisse Garantie gegen die Recidive ge¬
währen soll. Dieser Fall gehört nicht hierher, und wenn die Spülung
nicht gut möglich war, so kann ich bloss sagen: ich habe dreimal
appendicostomieren lassen; sie war in allen Fällen möglich. Man kann
nicht in allen Fällen ein ideales Resultat verlangen. Io der Methode
an sich liegt es aber nicht, wenn es nicht geht.
Nun vollends, wenn gesagt worden ist, wir sollen die Methode für
verzweifelte Fälle aufbewahren, — ja dann könnten wir die Methode
lieber gleich ganz einpacken, denn in verzweifelten Fällen nützt keine
Methode, damit kann man jeder Methode eine schlechte Statistik
machen. Ich möchte die Fälle gerade davor bewahren, verzweifelt zu
werden, und gerade daza ist die Methode gut. Bei der gewöhnlichen
inneren Behandlung der Colitis gravida bleiben die geheilten Fälle in
der Minderzahl. Die Statistik von Herrn Sohraidt wird noch in aller
Gedächtnis sein.
Hr. H. Eckstein:
Unbekannte Wirkung der Rtintgenstrablen und ihre therapeutische
Verwertung.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Evler: Bei vielen bestrahlten Entzündungen habe ich den
Schmerz, der sich als erste Röntgenschädigung zeigt, in nichts von einem
Eützündungsschmerz unterschieden gefunden; er ist ebenso pochend und
raubt die Nachtruhe.
Wenn sich nach der ersten Bestrahlung der Schmerz weiter zeigen
sollte, wäre also von weiteren Bestrahlungen abzusehen.
Was nun die Wirkung der Röntgenstrahlen aul die Nerven selbst
anbetrifft, so könnte für eine solche der Erfolg bei Pruritus sprechen.
Es wird nämlich das schmerzhafte Hautjucken an den Füssen bei Cirrhosis
hepatis durch die Röntgenbestrahlung absolut nicht beeinflusst.
Die Wirkung der Röntgenstrahlen wird aber bei der Reizdosis haupt¬
sächlich eine resorptive sein. Bei Entzündungsprozessen kann man eine
Steigerung der Resorption beobachten, und ebenso, wenn man Ascites
und Pleuritis bestrahlt.
Selbstverständlich wird man nur für den einzelnen Fall entscheiden
können, wie weit man dem Körper selbst ein beschleunigtes Aufsaugen
zumuten kann.
Hr. Fritz M. Meyer: Es ist ein bekanntes Gesetz in der Röntgen¬
therapie, dass zwischen der Bestrahlung als solcher und dem Eintritt
eines biologischen Effektes eine Latenzzeit vorhanden ist, die in um¬
gekehrtem Verhältnis zur Strahlenmenge steht, welche man appliziert
hat. Die Wirkung kann nach einigen Tagen, eventuell aber auch erst
nach einigen Wochen manifest werden. Nun berichtet Herr Eckstein
von Wirkungen, die momentan bei der Bestrahlung bzw. in sofortigem
Anschluss an die Bestrahlung aufgetreten sind, und zwar in ganz schweren
verzweifelten Fällen, wo z. B. ein Mensch sich auf zwei Krücken in ein
Zimmer begeben musste und hinterher ohne jede Krücke das Zimmer
verlassen konnte. Dieses bekannte Fundamentalgesetz in der Röntgen¬
therapie wird ja durch diese Erklärung vollständig umgestürzt und in
seinem Wesen erschüttert. Es ist hier eine Umwälzung von fundamen¬
taler Bedeutung vorhanden, und man muss doch erwarten, dass, wenn
eine solche Umwälzung erfolgt, sie in irgendeiner Weise erklärt wird.
Diese Erklärung hat aber vorläufig noch nicht stattgefunden.
Die Annahme, dass die Nervenendigungen primär beeinflusst werden
sollen, würde zu den Erfahrungen in Widerspruch stehen, die wir bisher
gesammelt haben. Man könnte höchstens daran denken, dass in diesem
Falle die biologische Umstimmung nicht durch die Röntgenstrahlen er¬
folgt, sondern dass es rein elektrische Wirkungen sind. Nun sind aber
auch nach dieser Richtung Versuche vorgenommen, die gerade zeigen,
dass rein elektrische Wirkungen bei der Beeinflussung von Geweben
durch Röntgenstrahlen mit aller Wahrscheinlichkeit auszuschliessen sind.
Ich glaube also, dass nach dieser Richtung hin eine Erklärung erfolgen
muss, und ich wäre Herrn Eckstein dankbar, wenn er un9 diese Er¬
klärung geben würde.
Ausserdem möchte ich Herrn Eckstein noch bitten, uns über die
Dosierung etwas mitzuteilen. Herr Eckstein sagte, er bestrahlt mit
Röhren von 0,4 Milliampere, eventuell mit Röhren von 2 Milliampere in
einem Abstande von 15—30 cm, wenn ich ihn richtig verstanden habe,
und 2—7 Minuten lang. Das ist natürlich keine Angabe der Dosierung.
Wir wissen heute, wo wir die Dosimeter kennen, dass eine Röhre in
7 Minuten z. B. den dreifachen Effekt leisten kann, den eine andere in
dieser Zeit gibt. Wir können eine halbe Volldose in 7 Minuten geben,
und wir könneD mit dem modernen Instrumentarium, wie es heisst, so¬
gar 7—10 Volldosen in 7 Minuten geben. Das ist also keine Dosierung,
und ich möchte bitten, uns hierüber aufzuklären.
Dann möchte ich um Aufklärung bitten, warum teilweise ohne, teil¬
weise mit Filter behandelt wird, und ob das abwechselnde Bestrahlen
mit oder ohne Filter in Zwischenräumen erfolgt oder hintereinander.
Hr. Eckstein (Schlusswort): Herr Evler bat bemerkt, das9 man
nicht weiter bestrahlen dürfe, wenn nicht vollständige Schmerzlosigkeit
eintritt, weil die Schmerzlosigkeit, die eine ernst zu nehmende Reaktion
der Röntgenstrahlen einleitet, doch damit verwechselt werden könnte.
Darauf möchte ich entgegnen, dass ich ja immer so ausserordentlich
geringe Dosen angewendet habe, dass ich niemals eine Schädigung erlebt
habe und auch nicht glaube, damit eine Schädigung erleben zu können.
Herrn Meyer gegenüber möchte ich sagen, dass die Verschiedenheit
in der Technik, wie sie ihm aufgefallen ist, sich dadurch erklärt, dass
ich bereits vor 5 Jahren angefangen habe, in dieser Weise zu behandeln,
und dass ich damals ebenso behandelt habe, wie man allgemein be¬
handelt bat. Die Filtertherapie ist ja jüngeren Datums, und ich habe
sie aufgeDommen, als sie proklamiert wurde, und als ich mich davon
überzeugt hatte, dass sie gut war. Ich möchte aber trotzdem nicht unter¬
lassen zu bemerken, dass ich dadurch, dass ich in »moderner“ Weise
bestrahlt habe, kaum eine Aenderung in der Wirkung bemerkte. Es
mag ja sein, dass vielleicht die Wirkung noch etwas stärker war, aber
gross war der Unterschied keinesfalls.
Weiter aber muss ich dagegen protestieren, dass Herr Meyer von
mir auf jeden Fall eine Erklärung der Symptome verlangt. Ich habe ja
gesagt, dass ich keine Erklärung besitze, und ich habe ausdrücklich hin¬
zugefügt, dass ich die Erklärung, dass es sich hier um eine Beeinflussung
der Nervenendigungen handelt, nicht acceptieren kann, vor allem mit
Rücksicht darauf, dass ich Krepitation in einem Kniegelenk unmittelbar
beeinflussen konnte, und dass man das natürlich nicht mit einer Beein¬
flussung der peripheren Nervenendigungen erklären kann.
Wenn es richtig ist, was H«rr Meyer sagt, dass meine Beobachtung
ein Fuodamentalgesetz in der Röntgenologie umstösst, dann muss sich
Herr Meyer und dann muss ich mich damit abfinden, dass das Funda¬
mentalgesetz umgestossen ist. Aber ich muss es leider anderen über¬
lassen, zu erklären, in welcher Weise diese Erscheinung zustande
kommt.
Wenn ich die Frage nach der Dosis noch kurz beantworten darf,
so muss ich ja sagen, dass, wenn man nach 15 Sekunden bereits eine
beginnende Wirkung hat, eine solche Dosis natürlich nur winzig klein
sein kann. — Im Durchschnitt werden die Dosen etwa 1—3 X entsprechen.
Berliner mikrobiologische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 14. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Löffler.
Schriftführer: Herr Friedberger.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Sehiff:
Demonstration über das Verhalten des Serums nnd der Blutkörperchen
bei einem Paar eineiiger Zwillinge.
(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.)
Tagesordnung.
I. Hllr. Lange und Roos:
Ueber den Befand von Typhnsbaeülen im Blnt von Kaninchen nach
Verimpfnng in die Gallenblase.
In die Gallenblase von Kaninchen wurden Typhusbouillonkulturen
in Menge von 0,2 bis 0,5 ccm injiziert; Dach 1, 2, 5, 15 usw. Minuten
wurden aus der Ohrvene mit der Spritze Blutproben entnommen und in
Galleröhrchen angereichert. Bei den drei ersten derartigen Versuchen
wurden Typhusbacillen jedesmal schon nach 1 bis 2 Minuten im Ohr-
venenblut festgestellt. Später als 30 Minuten nach der Injektion waren
sie nicht mehr zu finden. Bei einer grösseren Anzahl weiterer Versuche
gelang nun der Naohweis der Typhusbacillen nicht mehr oder nur aus¬
nahmsweise. Erst nach Anstellung von vielen Kontrollversuchen wurde
eine Aufklärung darüber erhalten, wann und unter welchen Bedingungen
die Typhusbacillen so rasch im circulierenden Blut erscheinen. Es wurde
nämlich festgestellt, dass die Bacillen unmittelbar an der Einstichstelle
durch die Btutcapillaren der Gallenblasenwand in den Blutkreislauf em*
treten. Wird bei der Injektion die Umgebung der Einstichstelle mit der
Pinzette so gefasst und wird so rasch und in so genügender Ausdehnung
unterbunden, dass die Bacillen, die an dem durch Spritze uüd Pinzette
verletzten bzw. gequetschten Teile der Gallenblasenwand eintreten, nicht
oder vielleicht nur in ganz wenigen Exemplaren die AbschnürungsgreDze
überschreiten können, dann verläuft der Versuch negativ. Die Vortr.
hatten es also schliesslich völlig in der Hand, oh sie bei Befolgung der
UNIVERS1TY OF IOWA
Berliner klinische Wochenschrift.
27. Jqji 1914. -.
elien erwähnten „glatten“ Technik den raschen Uebergang der Typhus*
bacillen in den Blutkreislauf verhindern oder ob sie durch absichtlich
mangelhaftere Technik das rasche Erscheinen der Bacillen im Ohrvenen¬
blut mit Sicherheit herbeiführen wollten. Bei Injektion von Typhus¬
bacillen in das Duodenum, in den Dünndarm, in die Harnblase, bei
intraperitonealer Injektion in der Lebergegend, bei Aufträufeln von
Kulturen auf Leberwiinden, be,i subCutaner Injektion itti rechten flypo-
phöndttüni ünd bei noch anderen in vielfachster Weise modifizierten
Kontrollversuchen gelang der rasche Bacillennacbweis niemals. Nur
wenn man Injektionen direkt in die Leber macht, sind die Bacillen nach
1—2 Minuten im Ohrvenenblut aufzufinden. Die Blutcapillaren der
Gallenblase nehmen also eine gewisse Sonderstellung ein. (Die ausführ¬
liche Veröffentlichung der Versuche und weiterer mehr beiläufig ge¬
machter Befunde erfolgt in den Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesund¬
heitsamt.)
2. Hr. Friedberger:
lieber die Wirkung des ultravioletten Lichtes.
(Nach Versuchen mit den Herren Scbuscba, Mironescu und
Shioshi.) ... iii
(Ist unter den Originälien dieser Nummer abgearucKi)
Diskussion,
Ür. Löffler: Die Untersuchungen des Hetrn Kollegen Friedberger
über die Sleriliäjerbdrkeit dbr Vaccinelymphb halte ibh für boch-
tieaentüDgsWi. Einer der Haupteinwände der Impfgegner gegen die
Impfung ist ja der, dass die Lymphe, mit der geimpft tferde, eine Menge
von Bakterien enthalte, die zu Infektionen der Impfschnitte Anlass geben
könnten. Man ist deshalb eifrig bemüht, um diesem Einwand zu
begegnen, eine bakterienfreie wirksame Lymphe zu gewinnen. Mit den
bisher angegebenen Verfähreh gelingt es wobb die Lymphe bakterien frei
ftd dachen; zugleich ist dann aber auch das Vaccinevirus vernichtet oder
doch derärt in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt, dass die Lymphe
praktisch nicht mehr brauchbar ist. Herrn Kollegen Friedberger ist
e$ hun, iHe er glaüfet, gezogen, mit Hjlfe des Ultravidletten Lichtes das
Ptobleni zü lösen. Nach */z ständiger BestrabluÜg wird die Lymphe von
Bakterien befreil, Während däs Vaccinevirus noöh nach IV2 ständiger
Bestrahlung wirksam bleibt. Mit solcher Lymphe hat er noch nach
3—4 Wochen mit Erfolg impfen können. Die Versuchsergebnisse müssen
natürlich auf das Sorgfältigste nacbgeprüft werden. Da Herr Kollege
Friedberger als ein zuverlässiger Arbeiter bekannt ist, so werden,
hoffe ich, die Nachprüfungen eine Bestätigung seiner Versuche bringen.
Wenn sich die durch ultraviolettes Licht bakterienfrei gemachte Lymphe
bei der Kinderimpfung als gut wirksam erweist, dann hat Herr Kollege
Friedberger eines der wichtigsten Probleme auf dem Gebiete der
Schutzpockenimpfung gelöst.
Hr. Lentz: Die mit ultravioletten Strahlen bakterienfrei gemachte
uymöhe hät doch nüf eine beschränkte Lebensdauer des Pockenvirus
fefgebeh. Ich Möchte demgegenüber nochmals daräiif hintffciseti, dass die
vön dns mit 1 proz. Carbol versetzte Lymphe erheblich länger vitulent
bleibt. So haben lkir mit cärbolisierter Lapine noch nach 2ty* Monaten än
einem fcrstimpfling, mit einer anderen carbolisierten Lapine nach zwei
Monaten an einem Erstimpfling und einem Wiederimpfung vollen Erfolg
gehabt. An Kaninchen haben wir mit einer carbolisierten Lapine noch
nach 6 V 2 Monat einen vollen Impferfolg gehabt; ausserdem besitzen
wir 5 Lapinen und je 1 Vaccine und Asine, die wenigstens 2 Monate
lang voll virulent sich erwiesen haben.
Die Lymphen waren nach dem Carbolzusatz nach 8—14 Tagen
steril, auch wenn Schimmelsporen darin waren, die in Kontrollversuchen
mit dem Fornet-Verfahren nicht abgetötet wurden. Nur wenn Subtilis-
sporen und eine Streptotrichee in der Lymphe vorhanden waren, er¬
forderte die Abtötung etwa 5 Wochen.
Hr. Aronson: Die Bemerkungen des Herrn Lentz veranlassen mich
*n der Mitteilung von Versuchen, die ich in Gemeinschaft mit Herrn'
Stabsarzt Huhn vor etwa 10 Jahren über die Uebertragbarkeit der
afrikanischen Pferdesterbe gemacht habe. Es hat sieh hierbei gezeigt,
dass diese bekanntlich auch auf einem mikroskopisch nicht sichtbaren
Erreger beruhende Erkrankung durch Injektion des Serums in Afrika
gefallener Pferde hier stets mit den typischen klinischen Erscheinungen
und typischem Obduktionsbefund erzeugt werden konnte, obwohl das
Serum vor vielen Monaten mit 0,5 proz. Carbolsäure versetzt und ohne
besondere Vorsichtsmaassregeln aufgehoben war.
Es scheint also die Widerstandsfähigkeit gegen Carbolsäure und viele
andere bei Bakterien wirksame Desinficitien allen ultravisiblen Virus¬
arten gemeinsam zu sein.
Hr. Friedberger (Schlusswort): Uns ist nicht nur die regelmässig
sichere Abtötung der Begleitbakterien, sondern auch zugesetzter resistenter
Sporen in spätestens einer Stunde gelungen, was ja natürlich bei dem Carbol
ausgeschlossen ist. Meine Ausführungen über die Lebensdauer hat Herr
Lentz anscheinend missverstanden. Ich möchte deshalb noch ergänzend
bemerken, dass wir über die endgültige Lebensdauer der bestrahlten
Lymphe noch keine Erfahrungen haben. In dem von mir erwähnten Fall, in
pom die bestrahlte Lymphe nach l 1 /* Monaten eine geringe Abschwächung
ihrer Virulenz zeigte (indem positive Impfresultate nicht mehr wie ur-
aprücglich mit der Verdünnung 1 :100, sondern nur noch mit 1: 10 er¬
holt wurden), handelte es sich um ein Material, das erst 12 Tage nach
^ Entnahme zu einer Zeit, wo es schon vollkommen faul war, der Be¬
strahlung ausgesetzt wurde. Nach tjer Bestrahlung wurde die Lymphe
- ÜiS
dann zwar in einem Eisschrank aufgehoben, aber in einem solchen, in
dem leider nicht immer Eis vorhanden war. Selbst bei einem so un¬
günstigen Ausgangsmaterial und unter so ungünstigen Verhältnissen hat
1 sich die Lymphe nach 6 Wochen noch wirksam erwiesen. Versuche
über längere Konservierung liegen bis jetzt nicht vor. Wir können also
von einer beschränkten Lebensdauer keineswegs reden; es ist vielmehr
tu erwarten, dass; da ja das Desinfizienz hier nicht nachwirkt, die
Lebensdauer eine bedeutend längere sein wird als bei den üblichen
Methoden.
3. HHr. Schiff, Fried berger und Moor«: Versiel® Öber Afispiylaii#,
a) Ueber Blutkörperchenanaphylaxie beim Mensohen.
Von Schiff und Moore wurde untersucht, ob Meerschweinchen sich
gegen Blutkörpercheu unter denselben Bedingungen und ebenso regel¬
mässig anaphylaktisoh machen lassen wie z. B. gegen Serum,
Den Ausgangspunkt der Versuche bilde die Beobachtung, dass eine
Heibe stark harameihämolytischer tmrauosera vom Kaninchen ungeeignet
befunden wurde zur Erzeugung passiver Anaphylaxie beim Meerschweinchen.
Diese Beobachtung stand in Uebereinstimmung mit einer früheren An¬
gabe von Dörr und Pick, die die Erscheinung zurückführen wollten
auf die ton Forssmänn entdeckten eigenartigen Wechselbeziehungen
zwischen Hämfflelblutkörperchen und Meerschweinchenorganzellen. Nach
dieser Auffassung bandelt es Bich also um ein besonderes Verhalten der
Blutkörperchen des Hammels bzW. solcher Tierspecies, deren Blut¬
körperchen in der erwähnten Beziehung zu Organzellen des Meer¬
schweinchens stehen. Für Blutkörperchen dieser Tierarten (ausser dem
Hammel ist nach den bisherigen Untersuchungen nur noch die Ziege
hinzuzurechnen) müsste die Auslösung der aktiven Anaphylaxie ebenso
auf Schwierigkeiten stossen wie die der passiven Anaphylaxie. Dagegen
müsste mit den Blutkörperchen aller anderen Tierarten eine Präparierung
für aktive und passive Anaphylaxie ohne weiteres gelinget!.
Diesem Gedankengang entsprechend wurde zunächst geprüft, ob
eine aktive Anaphylaxie gegen Hammelblutkörperchen beim Meer*
schWeinchen existiert.
Besonderer Wert wurde darauf gelegt, durch gründliches (sieben¬
maliges) Waschen mit reichlichen Mengen physiologischer Kochsalz¬
lösung die Blutkörperchen von anhaftendem Serum zu befreien, um
Täüscbuhgen dütch eine gleichzeitig erzeugte Serumanaphylaxie zu ver¬
meiden.
Es ergab sich in mehreren Versuchsreihen; dass auch bei hohen
Reinjektionsdosen nur ausnahmsweise, nämlich in etwa lOpCt. der Fälle,
Anaphylaxie eintritt. Diejenigen Tiere, die nicht akut starben, zeigten
meist überhaupt keine Krankheitserscheinungen.
Dies Ergebnis entsprach der Auffassung von Dörr und Pick. Es
zeigte sich aber, was mit dieser Auffassung nicht zu vereinen ist, dass
eine Sensibilisierung mit den Blutkörperchen des Rindes oder des
Menschen ebenfalls nur ausnahmsweise gelingt.
Das Verhalten der Menschenblutkörperchen ist deshalb von be¬
sonderem Interesse, weil früher von verschiedenen Seiten der Versuch
gemacht wurde, mit Hilfe der anaphylaktischen Reaktion zu einer forensisch
brauchbaren Methode der Blutdifferenzierung zu gelangen.
Für den positiven Ausfall der zahlreichen früheren Versuche über
Blutkörperchenanapbylaxie beim Meerschweinchen kommt neben anderen
Fehlerquellen in Betraoht, dass in einem Teil der Versuche unbeabsichtigt
auch kleine Mengen von Serum sensibilisierend wirkten, wodurch ein
quantitativer Unterschied gegenüber den bewusst mit grösseren Serum-
raengen sensibilierten Tieren zustande kam. Das Bestehen einer Serum¬
anaphylaxie kann nur dann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, wenn
eine Reinjektion von Serum die mit „Blutkörperchen sensibilisierten“
Tiere unbeeinflusst lässt.
Zu anderen als den beschriebenen Resultaten gelangten auch die¬
jenigen Autoren, die Versuche mit hämolysiertem Blut anstellten, wobei
die primäre Hämoglobingiftigkeit bzw. die Giftwirkung ausgelaugter
Kalisalze (Gottlieb) nicht genügend berücksichtigt wurde.
b) Versuche über den anaphylaktischen Antikörper bei der
passiven Anaphylaxie.
Es wurde in von Friedberger, Schiff und Moore ausgeführten
Untersuchungen das Verhalten des anaphylaktischen Antikörpers bei
der Trennung von Immunseris in Globulin- und Albuminfraktion unter¬
sucht.
Bei der Trennung mittels Dialyse und nachfolgender Koblensäure-
ausfällung erwies sich ausschliesslich oder fast ausschliesslich die Albumin-
fraktion als Trägerin der Antibörperwirkung.
Bei der Trennung durch Ausfälluog mit Magnesiumsulfat war die
Albuminfraktion unwirksam; die Globulinfraktion enthielt den durch die
Schädigung des langwierigen Trennungsmodus regelmässig abgeschwächten
Antikörper.
Es geht also bei beiden Verfahren der Antikörper in eine ganz be¬
stimmte Fraktion über.
Bei der Dialyse und Kohlensäureausfällung verhält sich der Anti¬
körper anders, als es vom hämolytischen Amboceptor für dasselbe
Trennungsverfahren bei Seris derselben Tierspecies bekannt ist; der
anaphylaktische Antikörper verhält sich dagegen ebenso, wie nach
Fried berger und Goretti jener Faktor, der die primäre Antiserum¬
giftigkeit bedingt. Dies kann in Uebereinstimmung mit der Anschauung
von Friedberger und Castelli im Sinne eines engen Zusammen¬
hanges zwischen primärer Antiserumgiftigkeifc und passiver Präparierungs-
fähigkeit aufgefasst werden.
Digitized by
Gck igle
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1434
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80.
Diskussion.
Hr. Neufeld: Die Anaphylaxie gegen Blutkörperchen lässt sich
wohl mit der Anaphylaxie gegen Bakterien (die ebenfalls corpusculäre
Elemente darstellen) besser vergleichen als mit der Anaphylaxie gegen
gelöste Eiweissstoffe. Auch bei der Bakterienanaphylaxie begegnen -wir
ähnlichen Schwierigkeiten und Unregelmässigkeiten, wie es nach den
vorgetragenen Versuchen bei der Blutkörperchenanaphylaxie der Fall zu
sein scheint.
Rr. Friedberger: Zu den Ausführungen des Herrn Neufeld
möchte ich bemerken, dass die Anaphylaxie gegenüber Bakterien regel¬
mässig gelingt; nur der Index ist ein geringerer als bei der gewöhnlichen
Eiweissanaphylaxie. Eine Reihe von Autoren hatten zwar bei Bakterien
negative Resultate erhalten. Das liegt aber daran, dass sie nicht mit
genügenden Dosen präparierten und reiDjizierten. Wenn man mit Serum
Anaphylaxie regelmässig erzielen will, muss man wenigstens mit 0,01
präparieren; das ist wenig für Serum, aber auf das Eiweiss berechnet
bedeutet es eine kolossale Bakterienmenge, wie sie von jenen Autoren,
die unregelmässige oder negative Resultate erhalten haben, nicht ange¬
wandt wurden.
Hr. Schiff: Auf die Anfrage des Herrn Neufeld bemerke ich, dass
die von sensibilisierten Tieren ertragenen Dosen an die Grenze der von
Normaltieren vertragenen Blutkörperchenmenge heranreichten.
Hr. Neufeld: Gerade wenn man die quantitativen Verhältnisse
berücksichtigt, lassen sich die Blutkörperchen als anaphylaktisches
Antigen mit den Bakterien wohl vergleichen. Während es z. B. bei der
Serumanaphylaxie mit Leichtigkeit gelingt, sensibilisierte Tiere durch
Vioo oder weniger der für Normaltiere unschädlichen Dosis zu töten,
liegen die quantitativen Verhältnisse bei den Bakterien ganz anders;
hier ist der Unterschied in der Empfindlichkeit der vorbehandelten und
Kontrolltiere weit geringer 1 ).
Hr. Aronson: Die Resultate meiner Versuche über Bakterien-
anaphylaiie stimmen mit denjenigen Friedberger’s überein. Selbst
bei Milzbrandbacillen, gegen welche nach Angaben Sobernheim’s eine
Anaphylaxie nicht existieren soll, gelang es mir, unter Berücksichtigung
der quantitativen Verhältnisse stets eine deutliche Ueberempfindlich-
keit bei Meerschweinchen zu erzielen. Nach der Reinjektion sterben die
Tiere unter typischen Symptomen nach Vs bis l /io derjenigen Dasis, die
bei normalen Meerschweinchen tödlich wirkt.
Die neuen Versucbsergebnisse von Herrn Schiff und Herrn Fried¬
berger scheinen mir nicht in Uebereinstimmung zu stehen mit den An¬
schauungen über Anaphylaxie, die wir uns auf Grund des früher vor¬
gelegenen Materials gebildet hatten. Wenn das anaphylaktische Gift
aus dem Zusammen treffen von Antigen, Antikörper und Komplement
entstehen soll, so ist es nicht zu erklären, warum die Albuminfraktion
des Serums zur passiven Uebertragung der Anaphylaxie in erster Linie
geeignet ist, während doch der Globulinanteil den Hauptteil des Anti¬
körpers enthält. Auch mit Zuhilfenahme neuer Hypothesen wird diese
Erscheinung nicht verständlich gemacht.
Hr. Friedberger: Ich freue mich, dass Herr Aronson im Gegen¬
satz zu den Ausführungen des Herrn Neufeld meine Angaben über die
Regelmässigkeit der BakterieDanapbylaxie unter geeigneten Bedingungen
bestätigen kann. Dass, wie ich mit Goretti früher festgestellt habe, die bei
der Dialyse entstehende Albuminfraktion die Trägerin der Giftwirkuog
ist und, wie meine heutigen Versuche mit Schiff und Moore zeigen, auch
die passive Praparierungsfähigkeit bedingt, ist keine Hypothese, sondern
eine Tatsache. Dass sie keineswegs mit unseren sonstigen Anschauungen
über Anaphylaxie im Widerspruch steht, habe ich ausführlich in meinem
früheren Vortrag auseinandergesetzt, auf den ich Herrn Aronson hin-
weisen möchte. Neue Hypothesen bedürfen wir danach zur Erklärung
nicht. Das wesentliche ist bei der ganzen Frage eben, dass nur ein be¬
stimmter Teil des Antikörpers, der mit einer ganz bestimmten Eiweiss¬
fraktion ausfällt, der Träger der Giftigkeit und passiven Präparierungs-
fähigkeit ist.
1) Nachträgliche Anmerkung. Während Friedberger und
Mita für Vibrio Metschnikoff die akut tödliche Dosis bei sensibilisierten
Tieren 10 mal kleiner als bei den Kontrollen fanden (nämlich 0,025 g
Bakterien gegen 0,25g pro 100g Meerschweinchengewicht), sah Müller
(Zscbr. f. Immun.Forsch., Bd. 14) bei Milzbrand, Proteus, Typhus erheb¬
lich geringere, bei Dipbtberiebacillen gar keine Differenzen zwischen vor¬
behandelten UDd nicht vorbehandelten Meerschweinchen. Mag hier auch
die Sensibilisierung vielleicht nicht so stark gewesen sein, wie in Fried-
berger’s Versuchen mit Vibrio Metschnikoff, so bleibt vor allem die
Differenz bestehen, dass die Kontrolltiere von den letztgenannten Bak¬
terienarten auch Dicht annähernd so grosse Mengen vertrugen, sondern
häufig nach 0,01—0,02 g pro Tier akut eingingen. Hiernach möchte ich
Doerr beistiromen, wenn er (Kol 1 e-Wassermann’s Hb., Bd. 3, S. 1099)
die Versuche über Bakterienanaphylaxie dabin resümiert, dass dabei im
Vergleich mit der Serumanaphylaxie „die Steigerung der Empfindlichkeit
durch die Vorbehandlung relativ gering und inkoostant* ist.
Vereinigung zur Pflege der vergleichenden Pathologie.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 30. Januar 1914.
Vorsitzender: Herr Georg Schneidemühl.
Schriftführer: Herr Heller.
1. Hr. Kliigner:
Praktische Erfaknigei über de* Vmtaad der Tiere.
Der Vortragende nahm zuerst Bezug auf Darwin, der verschiedene
Definitionen für Instinkt gibt. Eine Definition nennt Instinkt: Erb¬
weisheit der Gattung; eine andere: unbowusstes Gedächtnis der Materie.
Er gibt zu, dass Tiere Empfindungen von Trauer und Freude haben.
Für höherstehende Tiere nahm er nicht nur Bewusstsseinselemente,
sondern sogar individuelle Fähigkeiten an. Die Fähigkeiten haben dann
die Aufgabe, das Funktionieren des Gattungsverstandes immer mehr ein-
zuschränken, bis zuletzt in der höchsten Spitze der EntwickluDgsreihe
beim Menschen der Instinkt durch die Vernunft und Willenskraft völlig
in Sohrankeu gehalten wird.
Ebenso äussert sich Bette in seinem Buch: „Zweifel* folgender-
maassen: Wir sehen Tiere mit unfehlbarer Weisheit die ihnen zuträg¬
liche Nahrung aufsuchen oder mit mathematischer Genauigkeit ihre Zelle
bauen oder aufs trefflichste und zweckmässigste für ihre von ihnen ganz
verschiedene Nachkommenschaft sorgen; da sprechen wir von Instinkt.
Auch viele andere Forscher bemühen sich, den Ausdruck Instinkt zu
definieren, doch auch dem eifrigsten Verfechter dieses Begriffes dürfte es
sehr schwer fallen, eine ausreichende und klare Definition für ihn zu
finden. Der Vortragende führt dann aus, dass, wenn wir uns nieht
immer an den Ausdruck Instinkt klammerten, wir sicher in dem Kampfe
um die Erforschung der Tierseele viel weiter wären. Jeder Forscher
legt dem rätselhaften Wort verschiedenen Sinn und Inhalt unter. Alles
muss das Wort Instinkt decken. Alle Vorgänge im Tierlebeo, die wir
uns infolge mangelnder Erkenntnis nicht erklären können, nennt man
Instinkt.
Alle diese Tatsachen lassen sich aus der Analogie mit der mensch¬
lichen Psychologie leicht aus Verstandesäusserungen deuten.
Der Vortragende gibt dann einige Beispiele aus der Praxis. Zuerst
spricht er über seine Erfahrungen mit dem klugen Hans des Herrn
von Osten. Er habe schon eia Pferd vor dem klugen Hans beim Herrn
von Osten kennen gelernt, das war aber nach der Meinung des Herrn
von Osten zu zerstreut. Der kluge Hans war zwar auch oft zerstreut,
aber es war doch nach mehreren vergeblichen Bemühungen aus ihm
etwas herauszubekommen. So klopfte er die Namen Betbmann-Hollweg
mit th, zwei n und zwei 1. Beim Namen Hahncke vergass er weder
das kleine b, noch das ck. Der Vortragende bat dann folgenden Trick
angewandt, um zu zeigen, dass Herr von Osten bzw. das Publikum
dem Pferde die zu klopfende Zahl suggerierten. Er zeigte dem Pferde
seine Uhr, die er vorher Herrn von Osten gezeigt hatte. Herr
von Osten hatte sich überzeugt, dass die Zeiger auf 3 / 4 l2 standen.
I Bei der WeflduDg vom Herrn von Osten zum Pferd drehte der Vor-
| tragende jedoch die Zeiger weiter, so dass sie auf 5 zeigten, Hans
j klopfte aber nach einigen Irrtümern 3 /*12. Ausserdem war die Uhr dem
klugen Hans so vorgehalten worden, dass er sie überhaupt nicht sehen
konnte. Die skeptische Auffassung führt der Vortragende auf die Er¬
fahrungen in seiner 19jährigen Zirkuspraxis zurück. Er erzählte einige
Beispiele, hei denen er lange Zeit an eine überlegte Handlung der vor¬
geführten Tiere geglaubt hatte, die sich aber später als ganz einfache
Tricks entpuppten. Zum Schluss äussert er sich über Verstand oder In¬
stinkt bei Tieren so, da9s er nach seinen Erfahrungen annimmt, dass es
Tiere gibt, die einen derartig entwickelten Instinkt hatten, dass man
ihn schon als Verstand auffassen musste, und dass der UebergaDg von
Instinkt zum Verstand ebensowenig scharf festgestellt werden könne,
wie der Uebergang der tierischen und pflanzlichen Zelle.
Diskussion.
Hr. Robert Meyer berichtet aus eigener Erfahrung mit Hunden
über Gedächtnis und Urteilsfähigkeit und betont, dass es ganz belanglos
1 sei, wie weit man die Ausdrücke Verstand oder Instinkt anzuwenden für
angebracht halte. Hunde lasssen sich nicht foppen, wenn man ihnen
fälschlich sagt, dass man mit ihnen spazieren gehen will; sie erkennen
aus den Stiefeln, Hüten usw., ob man überhaupt ausgeht, und ob sie
mitgenommen werden. Das ist eine alltägliche Erfahrung vieler Hunde¬
besitzer. M. besass einen jungen Jagdhund, der niemals zuvor im
Wasser gewesen war, als er mit einem Pudel zusammengebracht, und
im „ehrgeizigen* Wettstreite um das Apportieren eines Spazierstockes
zum ersten Male an einen strömenden Fluss kam. Der Pudel war ge¬
wohnt, auch aus dem Wasser zu apportieren und vollführte das Kunst¬
stück einige Male: dann sprang der Jagdhund hinterher, erfasste den
Pudel am Schwänze, kletterte auf dessen Rücken, so dass er unter¬
tauchte und schliesslich den Stock lo9liess, worauf der Jagdhund ihn
erfasste und apportierte. Nach mehrmaliger Wiederholung in genau der¬
selben Weise musste das Experiment aufgegeben werden, weil beim
letzten Male der Pudel eigensinnig eine längere Zeit den Stock unter
Wasser festbielt, bis zum äussersten, so dass er dem Ertrinken nahe
war. — Raffinierte Diebe unter den Hunden vergraben ihre Beute weit
entfernt von der Wohnstätte, wenn sie satt sind, und eilen früh am
folgenden Tage sofort an das Versteck, wie M. wiederholt beobachtet hat.
Hunde haben oft ein glänzendes Gedächtnis und finden sich nach Jahren
in grossen Städten sofort wieder zurecht.
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_ Origij :l
UMIVERSITY
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1435
Die grösste Gedächtnisprobe legte ein kleiner Seidenspitz ab, welcher
von M. aus äusseren Gründen verschenkt, nach nochmaligem Besitz-
Wechsel in den Wohnort von M. nach zweijähriger Abwesenheit zufällig
für wenige Tage zurückkehrte. Der Spitz erkannte auf der Strasse seinen
früheren Herrn M. sofort wieder, wurde aber von diesem nicht gleich,
sondern erst am nächsten Tage erkannt, als er durch die nochmalige
zärtliche Begrüssung aufmerksam wurde. Auf die Anrede mit dem
Namen ging das Tier mit M. nach Hause, wurde dort zunächst von
Niemanden erkannt, erkannte selbst jedoch die Personen, welche früher
bereits im Hause gewesen waren, sofort heraus. Dann begann er mit
der Wiederaufnahme aller früheren, grösstenteils angelernten Gewohn¬
heiten, ohne jede Aufforderung mit einer unglaublichen Genauigkeit;
nahm seine gewohnten Plätze ein, z. B. während des Mittagsmahles, lief
nachher, wie vor 2 Jahren, zur Küche, um sein Futter zu fordern, ver¬
langte zur Nacht an gewohnter Stelle seine Ruhestätte, nahm spontan,
wie vor 2 Jahren, des morgens um 8 Uhr das Wecken der Herrschaft
auf, verlangte wie früher jeden Morgen die Aussicht auf dem Balkon
und ging, ebenfalls spontan, um 9 Uhr zu seinem neuen Besitzer zurück
und ward nicht mehr gesehen. Kein verständnisvoller Hundebesitzer
kann seinen Pfleglingen Gedächtnis und Urteil absprechen.
Ausserdem sprachen noch zur Diskussion die Herren Pfungst,
Heller, Klingner.
2. Hr. Robert Meyer:
Ztr Vergleiehnig embryonaler Gewebseinschliisse and Gewebsaao-
malien bei Measeh and Tier. Teil II.
X. setzt seinen Vortrag aus der vorigen Sitzung fort und berichtet
über „abnorme Abschnürung“; er erkennt an eine „aktive AbschoüruDg“
im Sinne Beneke’s, unter aktivem Vorgehen des Epithels durch Sonder-
differenzieruQg mit sekundärer abhängiger Differenzierung des Binde¬
gewebes. Ausserdem gibt es jedoch auch eine passive Abschnürung,
wie man an ganz groben Beispielen häufig sehen kann. Zufälligkeiten
im Wachstumstempo, die ihrerseits von speziellen Wuchsstoffen abhängig
sein können, bringen Gewebsarten in räumliche Kollision, die normaler¬
weise nicht zusammengehören. Es gibt Uebergänge von der Norm zur
Anomalie in dieser Beziehung. M. nennt den Vorgang „illegale Gewebs-
verbindung“, der keinerlei pathologische Veränderungen der Zellen zur
Voraussetzung hat; erst im Laufe weiterer Entwicklung werden bei Aus¬
einanderrücken der ursprünglich benachbarten Organe einzelne Teilchen
passiv von ihrem Mutterboden abgelöst, weil sie mit oder in dem Nacb-
barorgan fest verankert siad. — Im feineren Maassstabe spielen sieb
dieselben Vorgänge ab als „illegale Zellverbiodung“, ein fehlerhaftes In¬
einandergreifen kleiner Teilchen ohne irgendwelchen Gewebsüberschuss.
Solche lokale Unstimmigkeiten sind vom Zufalle der Ernäbrungs-
bediogungen abhängig; denn es gibt keinen Präzisionsmechanismus in
der Entwicklung, da sonst Variationen unmöglich wären.
M. demonstriert ausser fehlerhafter Gewebemiscbung (diffuse und
circumsoripte Hämatome), die bei Tieren auch bekannt sind, auch Ge-
websüberscbu9s in Gestalt von Polypen und abnormen Einstülpungen
bei Föten und Neugeborenen. Von den eigentlichen Abschnürungen
interessieren hier namentlich Sehleimhautinseln, welche in ganz gleicher
Weise beim Orang-Utang und Mensch demonstriert werden, ferner Epithel¬
cysten verschiedener Herkunft in der Milz beim Embryo von Mensch und
Schwein. Schliesslich eine Reihe mesenchymaler Aberrationen, welche
nnr als passive Abschnürung zu verstehen sind, und kombinierte meso¬
dermale Abschnürungen, die bisher nur im Urogeoitalgebiet gefunden
sind, wo die bekannten Mischgeschwülste bei Mensch und Tier (Schwein)
Vorkommen.
Ein Teil der embryonalen Gewebsanomalien lässt sieb noch nicht
verstehen und manche nicht einwandsfrei einreihen. Das Studium
tierischer Embryonen in dieser Richtung dürfte manchen Aufschluss auch
für die menschliche Pathologie liefern.
Hr. Heller stellt den Antrag: Die Vereinigung wolle sich als solche
an der Ausstellung eines in Berlin tagenden internationalen Kongresses
(für Urologie) beteiligen.
Der Antrag wird angenommen.
Sitzung vom 27. Februar 1914.
Vorsitzender: Herr Knutb.
Schriftführer: Herr Heller.
Hr. Max Schmey: Dos Magencarcinom bei Tieren.
Im Gegensatz zu dor ausserordentlichen Häufigkeit, mit der eine
krebsige Erkrankung des Magens beim Menschen beobachtet worden ist,
gehört das Magencarcinom bei Tieren zu den seltensten Befunden. Unter
Krebsfällen, über die Casper und Johne berichten, fiadet sich nur
«fl einziger Fall von Magenkrebs beim Pferde. Kitt citiert in seinem
bekannten Lehrbuch der pathologischen Anatomie der Haustiere 2 Fälle
von Scirrhus im Magen von P/erd und Rind, und beschreibt selbst zwei
ralle von Plattenepithelkrebs beim Pferde. Eber lein endlich beob¬
achtete einen Cylinderepithelkrebs bei einem Hunde. Es sind also im
ganzen, so weit ich die Literatur übersehen kann, 6 Fälle von Magen¬
krebs beim Tiere bekannt und davon entfallen 5 Fälle auf reine Herbi-
oren_ und der 6. auf einen Karnivor, der allerdings durch Domestikation
am Herbivoren geworden ist. Ich bin nun in der Lage, bei einem
auven Omnivoren, bei einem Affen, einen Magenkrebs zu demonstrieren.
I» handelt sioh um eine 8—10 Jahre alte, weibliche Meerkatze —
analog dem Alter von 40 Jahren beim Menschen —, die Herr Professor
Matsohie als Carcopithecus Rufo viridis bestimmt bat. Das Tier wurde
wegen vorgeschrittener Ascites von Herrn Kollegen Klingner, dem ich
für die Ueberlassung des Kadavers dankbar bin, mit Blausäure vergiftet.
Die Sektion ergab: Sehr schlecht genährtes Tier; in der Bauchhöhle be¬
findet sieb etwa 1 Liter mit Fibrinflocken untermischte, rötliche, dünne
Flüssigkeit. Frei im Raum der Bauchhöhle und zwischen den Darm¬
schlingen liegen grosse Mengen rötlichgelbe, gleichmässig geronnene
Fibrinmassen. Die linke Niere fehlt. Die übrigen Organe der Bauch-
und Brusthöhle weisen, soweit sie nicht noch Gegenstand unserer Be¬
sprechung sein sollen, nichts auf, was nicht durch die Blausäurevergiftung
erklärt werden könnte. Den interessantesten Befund gewährt nun der
Magen.
Der vorliegende Magen ist am Oesophagus abgetrennt und bat ein
etwa 5 cm langes Stück Duodenum am Pylorus haften. Was bei
diesem kleinen Affen besonders auffällt, ist die enorme Erweiterung
des Organs zu fast Kleinkindskopfgrösse. Aussenfläche und Innenfläche
weisen beide gleich schwere Veränderungen auf. Auf der Aussenfläche
fioden sich massenhaft überaus derbe Adhäsionen auf der inj zierten
Serosa, daneben flache, gelbliche, 1—2 cm im Durchmesser haltende
Buckel, die auf dem Einschnitt aus weicher, gelblicher, homogener, tief
in die Magenwand dringender Masse bestehen. Während aber diese
Kuoten auf der Magenaussenfläcbe immerhin nur in geringer Zahl zu
finden sind, ist die Mageninnenfläcbe in einer sehr grossen Ausdehnung
verändert. Zunächst sitzt oberhalb des Pylorus in über fünfmarbstück-
grosser Ausdehnung der Innenfläche eine graugelbliche, weiche Ge¬
schwulstausbreitung auf, die auf dem Durchschnitt sich allerdings nur
auf die Schleimhaut beschränkt; sie schneidet mit dem Pylorus ab.
Sodann finden sich allerwärts teils flachere, teils etwas mehr erhabenere,
zum Teil isolierte, zum Teil konfluierende Wucherungen auf der übrigen
Schleimhaut, nicht selten auch von hämorrhagischem Charakter. Dicht
unter der Cardia an der Vorderwand ist ein besonders grosses, aus drei
Knollen zusammengesetztes, breit vorspringendes Beet von 25 mm Durch¬
messer. Hier setzen sieh auf dem Durchschnitt die Geschulstmassen
durch alle Schichten bis ganz an die Serosa fort, während an den
übrigen Stellen der flachen beetartigen und isolierten Plaques das makro¬
skopische Verhalten verschieden ist. Bald ist hier die Magenwand nur
im Bereiche der Schleimhaut für das blosse Auge ergriffen, bald auch
in tieferen Schichten. Da, wo die Magenwand von Tumoren frei ist,
ist die Schleimhaut sehr dünn, eher atrophisch, aber im ganzen gerötet.
Von den Lymphdrüseu in der Abdomimalhöhle sind am iu- und
| extensivsten die die Aorta umlagernden retroperitonealen befallen, vom
Hiatus des Zwerchfels ab bis hinunter zur Teilungsstelle der Iliacae.
Die Drüsen sind zum Teil über haselnussgross, auf der Schnittfläche
mavkig, weich, lassen milchigen Saft abstreifen; auch lateral unter dem
Diaphragma und im Mesenterium finden sich mehr oder weniger veränderte
Drüsen von der geschilderten Beschaffenheit.
Für die mikroskopische Untersuchung wurden nach Formalin¬
härtung aus den verschiedenen Partien des Magens Stücke entnommen,
nach Paraffiaeinbettung geschnitten und nach den üblichen Methoden
gefärbt. Das Bild des Carcinoma ist allerwärts ein vollkommen über¬
einstimmendes. Es ergibt sich ein ziemlich klein- und polymorphzelliges,
medulläres Carcinom von einem rein soliden Typus, d. b. ohne Bildung
von Drüsen oder drüsenähnlichen Bildern (Adenocaroinom). Das ver¬
schiedene Verhalten der Carcinommasseo zur Magenwaud lasst sich auch
bei der mikroskopischen Untersuchung leicht erweiseD. Es ist teilweise
die Schleimhaut diffus substituiert und die Submucosa von Carcinom frei,
während entweder Muscularis und Serosa oder auch bloss die Serosa
von medullärer Krebsmasse erfüllt ist. An solchen Stellen fällt eine
bedeutende Verdickung und sklerotische Umwandlung der Submucosa
auf. Die Lymphdrüsen sind allerwärts total von Krebsmassen substituiert.
Alles io allem also eine ausserordentlich ausgedehnte krebsige Erkran¬
kung des Magens mit reichlichen Metastasen auf der Serosa der Bauch¬
eingeweide und in den Lymphdrüsen. Welche Stelle des Magens zuerst
erkrankt ist, wird sich wohl kaum mit Sicherheit sagen lassen, im
Gegenteil wird man mit der Annahme einer multiloculären Erkrankung
kaum fehlgehen, womit natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass eine Reihe
der zahlreichen Magenherde nicht wieder Metastasen darstellen.
Sicherlich ist in diesem Falle der Beweis für das Vorkommen des
Carcinoma im Magen der Omnivoren Tiere geliefert. Unterschiede gegen¬
über manchen Carcinomformen im Magen des Menschen ergeben sich
kaum, weder io den makroskopischen Erscheinungsformen, noch für die
mikroskopische Struktur. Auch beim Menschen kommt gelegentlich eine
ausgedehnte Infiltration der retroperitonealen Lymphdrüsen beim Magen¬
carcinom vor.
Diskussion. Hr. Kantorowioz hat ein Pyloruscarcinom mit
multiplen Metastasen in der Leber bei einem 3 jährigen Box gefunden
und das Präparat an Schütz geliefert, von dessen Institut die Diagnose
„Carcinom“ bestätigt wurde.
Hr. Max Schmey: Das perirenale Cystoid bei Measeh and Tier.
(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift.)
Diskussion.
Hr. Max Koch: Die Bezeichnung der von Herrn Schmey demon¬
strierten Veränderungen beim Schwein als perirenales Cystoid erscheint
wenig glücklich. Auf Grund eines von mir in Elberfeld beobachteten
Falles beim Menschen, der seinerzeit von Herrn Prof. Coenen publiziert
warde, möchte iob doch glauben, dass diese eigenartigen Veränderungen
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERS1TY OF IOWA
1436 _BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. __Nr. 80.
beim Menschen wie beim Schwein durch Blutungen in das Fettgewebe
der Niere zustande kommen, wie das für das Schwein von Kitt auch
schon angenommen wurde.
Hr. L. Pick ergänzt die Ausführungen und die in seinem Institut
ausgeführten Untersuchungen von Herrn Schmey.
Eine Genese des Cystoids aus Blutungen um die Nieren (Apo¬
plexien des Nierenlagers) ist deswegen ausserordentlich unwahrscheinlich,
weil in sämtlichen drei Fällen auch nicht eine Spur von Blutpigment
sich in der Wand des Cystoids hat nachweisen lassen. Es müsste also
zunächst wenigstens ein positiver Fall in dieser Richtung gefunden
werden, um diese Auffassung für die vorliegenden Objekte diskutierbar
zu machen. Die aus pathologischen Resten des WolfFschen Herzens,
des Müller’schen Ganges oder der Keimdrüsen hervorgehendeo pararenalen
Cysten sind wesentlich einseitig und haben im Verhältnis zur Niere eine
durchaus andere Lage.
Der Name „perirenales Cystoid“ charakterisiert Eiter und die
genetisch unbestimmte Art der blasigen Ansammlung vorläufig am
besten. Eine exaktere Benennung kann erst erfolgen, wenn die Genese
aufzuklären ist.
Hr. S. L evi: Ich möchte erstens darauf hinweisen, dass es doch
eine merkwürdige Tatsache ist, dass die Erkrankung des perirenalen
Cystoids bei fast allen hier angeführten Fällen doppelseitig ist, ähnlich,
wie beim Menschen die cystiscbe Degeneration der Nieren auch fast
ausnahmslos doppelseitig eintritt, und zweitens, dass ich mir wegen der
doppelseitigen Erkrankung die Entstehungsart des Herrn Vorredners
nicht erklären kann, wo zufällig auf beiden Seiten gleichzeitig eiü
Stehenbleiben auf einer früheren Entwicklungsstufe oder ein AbspreDgen
von Keimen des Müller’schen Ganges oder des WollFschen Körpers ein-
treten müsste.
Hr. L. Pick: Herr Levi bat mich offenbar missverstanden. loh
habe gerade für die aus Resten des WolfFschen Körpers usw. hervor¬
gehenden Cysten neben der Niere die Einseitigkeit betont im Gegen¬
satz zu der anscheinend gesetzmässigen Doppelseitigkeit des perirenalen
Cystoids.
Hr. Emil Küster:
Ueber die Bedentnng der Züchtang von keimfreien Tieren.
Die Untersuchungsergebnisse des Vortragenden werden im nächsten
Heft der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts publiziert
werden.
Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Berlin.
(Pädiatrische Sektion.)
Sitzung vom 13. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr A. Baginsky.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Paderstein demonstriert einen Fall von Dermoid der Con-
jnnctiva. Auffallend ist der Sitz im äusseren Augenwinkel. Die Ge¬
schwülste sind gutartig, wachsen langsam, ohne das Sehvermögen zu
bedrohen.
Tagesordnung.
Hr. Peritz:
Demonstration von Hydrocephalnsfällen mit hypophysären Symptomen.
Vortr. stellt 4 Kinder vor. Die Wirkung des Hydrocephalus kann
ausser durch Geschwulst des Hinterlappens oder der Zwischeupartie der
Hypophyse auch durch Abknickung der Zufuhr des Sekrets auf dem
Wege durch das Infundibulum und den Liquor cerebrospinalis erfolgen.
Auch so kommt es zur Ausschaltung der Fermente, welche die Zucker¬
verbrennung fördern bzw. dem Fettansatz entgegenarbeiten. Der Balken¬
stich hat sich zur Beseitigung des Hydrocephalus nicht bewährt; er
wirkt nur vorübergehend. Andere Methoden, z. B. von Payr (Ableitung
in die Jugularis) sind zu gefahrvoll. Vortr. ist zurzeit mit einer neuen
Methode beschäftigt.
Diskussion.
Hr. A. Baginsky sah bei Gummi der Hypophyse schweren Diabetes
insipidus.
Hr. Peritz (Schlusswort) hat ihn nie bei Menschen gesehen. Er
ist eine Reiz-, keine Ausfallserscheinung.
Diskussion zum Vortrage des Herrn Stier: Abgrenzung und Be¬
griff des nenropathischen Kindes.
Hr. Stier rekapituliert: Er trennt das neuropatbisebe vom psycho¬
pathischen und vom intellektuell pathologischen Kinde. Zu ersterem
gehört Uebererregbarkeit in der Bensibel-seusorischen Sphäre mit starker
motorischer Reaktion, Enuresis, MuskelzuckuDgen, Schlaflosigkeit, ferner
betonte Unlustgefühle bei schwachen Reizen. Dazu kommt Perseveration
sogenannter hässlicher Angewohnheiten, Nägelknabbero, Daumenlutscben,
Furcht vor dem Anblick von Blut.
' Hr. Peritz rechnet zu den neuropathischen auch die spasmophilen
Kinder mit schlankem Habitus und schlaffer Muskulatur sowie kühler
Haut. Sie zeigen Uebergang zur Epilepsie und Kopfschmerzen, ferner
nervös- körperliche Unruhe, zuweilen Asthma nervosum.
Hr. Stier (Schlusswort) gibt Kombinationen zu, lehnt aber Ueber-
gange zur Epilepsie ab.
Hr. Falk: Zar Therapie des Tetanus leonatoram.
Vortr. sah 3 Fälle in 4 Monaten im Kinderkrankenbause; er be¬
handelte mit Magnesium sulfür.-Injektionen (8—25 pCt.); die lähmende
Wirkung bekämpfte er im Uebermaass durch Injektion von Galcium
chloratum. Alle Kinder kamen durch. Das Magnesium wirkt krampf¬
hemmend.
Diskussion.
Hr. Finkeistein: Die Dauer des Leidens wurde nicht verringert;
aber ein grosser Vorteil ist die Verhütung heftiger Stösse, in denen die
Kinder oft sterben, und der Inanition.
Hr. Czerny bezweifelt, dass der Tetanus neonatorum eine Infektions¬
krankheit sei.
HHr. Finkeistein und A. Baginsky widersprechen.
Hr. Falk (Schlusswort): Man muss auf der Höhe der Magnesium-
wirkuDg füttern, aber an Schlucklähmung denken. Füttert man zu spät,
entstehen Krämpfe.
Berliner Gesellschaft für Chirurgie.
Sitzung vom 13. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Körte.
Schriftführer: Herr F. Krause.
1. Hr. Schliep (a. G.):
Demonstration eines operativ geheilten Falle« von Blaseispalte.
Vortr. gibt zunächst einen Rückblick der bisher gewonneneu Re¬
sultate, die zum grossen Teile wenig befriedigend waren, da wegen
bleibender Inkontinenz mit der Schliessung der Blase allein wenig ge¬
holfen war. Man unterscheidet die drei Formen der Missbildung:
1. Fissura vesicae inferior. 2. Fissura vesicae superior (Spalt
mehr am Nabel). 3. Ectopia vesicae: Fehlen der vorderen Blaseu-
wand, Spaltung der Symphyse, der Bauchdecken und der äusseren
Genitalien. Daneben finden sich noch: Leistenhernien, Kommunikation
des Darms und der Blase. Die drei meist angewandten Operations«
methoden sind: 1. Die plastische Methode. Decken des Defektes
durch Lappen aus der Bauchhaut. Aber auch die Modifikationen von
Thiersch und Billroth haben keine Kontinenz erzielt. In einer Zu¬
sammenstellung in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie (Bd. 109) ist
unter 26 Fällen kein geheilter, 7 starben kurz nach der Operation.
2. Plastik aus dem Darm, wodurch eine Vergrösserung des Cavum
vesicae angestrebt wird. 3. Methode von Sonnenburg, die die
Blase durch Exstirpation ganz ausschaltet, die Ureteren in die Flexura
sigraoidea einpflanzt und den Hautweichteildefekt plastisch deckt. Diese
Methode wurde anfangs viel geübt und gerühmt, bis auch hier die
Reaktion eintrat (Mortalität 35—40pCt., 31 pCt. allein an Pyelo¬
nephritis). Modifikationen von Moynihan, Borelius, Müller u. a.
brachten nicht wesentlich bessere Resultate.
Vortr. berichtet nun über einen Fall, in dem er eine direkte Ver¬
einigung der Spaltränder mit Glück vornahm. Es handelte sich um
ein 8 Monate altes Kind, das im Juni 1913 in die Bier’sche Klinik
kam, an der Wurzel des Penis eine etwa zehnpfennigstückgrosse, mit
Schleimhaut ausgekleidete, trichterförmige Oeffuung aufwies, aus der
Urin austrat. Operation: Die Blasenschteimhaut wurde Umschnitten und
versenkt, darüber die Haut vereinigt. Dauerkatheter. Es blieb danach
zunächst eine kleine Fistel, die sich allmählich schloss. Am 7. IX. 1913
geheilt entlassen. Also: E’all von Fissura vesicae superior. Die Cysto-
skopie ergab nach der Heilung normale Schleimhaut.
2. Hr. E. Holländer-. Die Entwicklung der ehirargiseben Säge.
Vortr. gibt unter Vorbemerkungen über die objektive Entwicklung
der Medizingeschichte im letzten Decennium einen Ueberblick über die
aus dem Altertum überkommenen Sägen teils in Originatstücken, teils
aus antiken Darstellungen. Er behandelt den Gegenstand nach den
Verhältnissen der Steinzeit, der Bronzezeit, des Mittelalters und der
Neuzeit. Vortr. demonstriert Originalsägen aus der Steinzeit und be¬
spricht die Operationsmöglichkeit mit diesen. Gleichzeitig liefert die
Geschichte der Knochensäge einen Ueberblick über die Geschichte der
KnochenoperationeD, die er als Trepanation und Amputation zusammen-
fasst. Mit den Steininstrumenten hat er in wenigen Minuten eine
Trepanation ausgeführt. Er bespricht deren technische Möglichkeiten
und das Instrumentarium. Dann hat er aber auch mit zwei Original¬
messern und Sägen aus der Steinzeit in 4 Minuten die Amputation eines
Vorderarms ausgeführt, deren glatte Wundränder demonstriert werden.
Broncezeit: Es werden die Broncesägen des Altertums demonstriert,
deren chirurgischer Zweck fraglich ist. Es besteht die Unmöglichkeit,
mit diesen eine Amputation auszuführen. Auch der Leicbenversuch mit
einer La Teno-Säge fällt negativ aus. Die literarische Umschau zeigt
aber die genaue Bekanntschaft der Alten mit der Amputationsteebnik.
Vortr. zeigt nun die Sägemodelle, die den Alten in anderen Gewerben
genau bekannt waren und die bei den Etruskern, Griechen, Römern und
Aegyptern mit unseren modernen Instrumenten übereinstimmend sind.
Da nun überall, wo ärztliche Instrumente plastisch und im Bilde dar¬
gestellt werden, die Säge fehlt, so scbliesst der Vortr. daraus, dass die
Kuochenoperationen im Altertum unpopulär waren. Es kommt als Unter¬
stützung hinzu, dass auf anderen Gegenständen der Kunst Darstellungen
von Amputierten völlig fehlen, und dass die zwei antiken Persönlichkeiten
mit amputierten Gliedmaassen, Sergius und Hegesistratus, die Extremitäten
nicht durch die Kunst der Aerzte verloren.
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ir sity qf iowa
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27. Joli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1437
Dagegen waren SchädelOperationen häufig. Holländer demon¬
striert nun zwei neuere Funde von Instrumenten aus der La T&ne-
*eit, die als chirurgische Sammelfunde ein besonderes Interesse
verdienen. Die beiden Sägen, die sich vorfanden, sind offenbar bisher
in ihrem Zweck verkannt worden. Es sind feine, gestielte Instrumente,
deren Sägeblatt im Querschnitt conisch gebildet ist. Es ist technisch
unmöglich, mit diesen Sägen einen Knochen zu durchsägen, der dioker
ist als die Schädelkapsel; denn sofort keilt sich die Verdickung des
Sägeblattes nach oben ein. Das ist aber wieder ein Vorteil bei der
Trepanation zur Vermeidung von Verletzungen der Hirnhaut. Auch die
weiteren Instrumente dieser Funde sprechen für diesen Zweok, nament¬
lich der Knochenlöffel. Auch stimmen die Instrumente mit denjenigen
überein, die die Naturvölker heute noch benutzen. Vortr. zeigt eine
Trepanation, die er mit der Berliner Säge ausgeführt. Er demonstriert
dann die Entwicklung der Säge im Mittelalter aus dem reichen Bestände
der Sammlung im Kaiserin Friedrich-Haus.
3. Hr. A. Israel:
Blutgerinnung ia Körperhöhlen. (Nach gemeinsamen Versuchen mit
Herrn A. Herzfeld.)
Es ist eine bekannte Tatsache, dass Blutungen z. B. aus Leber-
wnnden durch Ueberpfianzung von Netz gestillt werden können. Dabei
ist zu erwägen, ob das Netz als Tampon oder durch unbekannte
chemische Eigenschaften blutstillend wirkt. Wenn nun auf der anderen
Seite den serösen Höhlen im allgemeinen gerinnungshemmende Eigen¬
schaften zugeschrieben werden, so wäre im Hinblick darauf, dass ja das
Netz der Bestandteil einer serösen Höhle ist, ein Widerspruch in dieser
Hypothese zu konstatieren.
Ferner hat man in der Gelenksmembran das Gerinnungshemmende
gesehen und sie darin mit der Intima der Gefässe in Parallele gestellt,
so z. B. Lübbe (als Assistent Lauenstein’s), der eine Schädigung der
Gelenkswand als für die Gerinnung notwendig ansah, während Jaff6
die Gelenkschmiere als gerinnungshemmeod ansah. Riedel hat als einer
der ersten die Frage experimentell durch Einspritzen von Blut in Hunde-
gelenke behandelt und gefunden, dass 2 /s des Inhalts nach l J 2 Stunde
noch ungeronnen war, während Kocher noch nach 3 Wochen flüssiges
Blut fand.
Vortr. bat nun erst einmal, was merkwürdigerweise bisher nicht ge¬
schehen, die Frage beantwortet: Was wird aus dem Punktat? Ge¬
rinnt es sofort? Er fand, dass in 6 Fällen von Hämarthrose das Blut
ungeronnen blieb, da sich ergab, dass in jedem Falle der Inhalt un-
gerinnbar, weil fibrinogenfrei war, also aus Serum bestand. Auch
im Experiment, im Anschluss an die Riederschen Versuche, ergab sich,
dass das Punktat, welches nach einer Viertelstunde geronnen war, nach
2—3 Stunden eine flüssige, fibrioogenfreie Masse, also Serum darstellte.
Dass die Synovia keine gerinnungshemmende Eigenschaft besitzt, ist ein-
waodsfrei erwiesen, denn trotz Zusatz von Synovia (gewonnen aus mehreren
Hundegelenken) trat nach Zerstörung des Thrombins durch Hirudin —
keine Gerinnung ein! — Aehnlich waren die Resultate bei Punktaten
der Pleura und des Peritoneum, die immer ergaben: wenig Coagula,
grössere Mengen anscheinend flüssigen Blutes, das aber immer Serum,
nie Plasma enthielt.
Diskussion: Hr. Katzenstein. Holler.
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬
ländische Cnltnr zn Breslau.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 15. Mai 1914.
Hr. Tietze: Ueber eine eigenartige traumatische Oelenkkontraktnr.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion. Hr. Coenen zieht aus den Ausführungen Tietze’s
über die eigentümlichen Krallenstellungen der Hand bei der arthrogenen
Kontraktur und aus dem von 0. Foerster zur Erklärung herangezogenen
phylogenetischen Moment, das durch das Fehlen des Willenimpulses
die menschliche Hand zu einem krallenartigen Gebilde herabsinken lässt,
den Schluss, dass die normale Entwicklung und Stellung der mensch¬
lichen Hand auf die Willenskraft und Intelligenz, also auf die Grosshirn-
Jmktion, zurückzuführen ist. Damit stimmt längst die Auffassung des
Volkes überein, indem das Wort „Begreifen“ nicht das Betasten mit den
Fingern, sondern da9 Verstehen mit dem Gehirn bedeutet.
Hr. Coeien; Ueber das Hidradenoma eylindromatosum der Kopf-
schwarte ist eine typische pilzförmig autsitzende, meist etwas gelappte
Geschwulstform, die in Jahrzehnten langsam bis zu Kastaniengrösse oder
Eigrösse beranwächst und gutartig ist. Mikroskopisch ist der Aufbau
ganz typisch. Der Tumor besteht aus langen und dicken hyalinen
Schläuchen, die von cylindrischen Zellen ausgefüllt sind, indem sie
manchmal die Schläuche vollständig a'nfüllen, gelegentlich aber auch
humina freilassen, die von zweischichtigen, grossen Zellen umsäumt werden.
Dadurch, dass die die Geschwulstzellen umgebenden und durch hyaline
Umwandlung des'Bindegewebes entstandenen hyalinen Schläuche kolbige
ond riffartige Fortsätze in die Alveolen hereinschicken, entsteht intra-
Uweolares Hyalin, das zwischen den Geschwulstzellen liegt. Der Vortr.
derartige Tumoren an der Kopfschwarte bisher 3 mal; einmal be-
•»M Mültipliiität der Gewächse. Identisch mit diesen Beobachtungen
die Fälle von Mulert und von van Leeuwen. Die sonst in der
Literatur beschriebenen Schweissdrüsentumoren, z. B. die Fälle von
Perthes und Klauber und L. Pick, haben eine andere mikroskopische
Struktur als das Hidradenoma oylindromatosnm der Kopfschwarte, das
nach seinem klinischen Verhalten und seinem mikroskopischen Aufbau
eine scharf umschriebene, streng charakterisierte typische Geschwulst-
form ist, die man, wenn man daran denkt, schon nach der makroskopi¬
schen Beurteilung diagnostizieren kann, obwohl sie sehr selten ist.
Diskussion.
Hr. Rosenfeld: Die Bezeichnung Hydradenoma für eine Geschwulst
der Scbweissdrüsen ist sprachlich nicht gerechtfertigt: es müsste Hidra¬
denoma heissen (unter Analogisierung der Composita mit Hydro ).
Hr. Tietze berichtet über ein tubulöses Schweissdrüsenadenom bei
einem Hunde.
Hr. Rosenfeld: Wenn die Hidradenome von den Scbweissdrüsen
abgeleitet werden und dieser Hundetumor ein Hidradenom war, so würde
das den Irrtum der histologisohen Herleitung beweisen, da Hunde keine
Scbweissdrüsen haben.
Hr. Rosen fei d:
Ueber Diabetes innoenas and einige Pinkte der Dinbetesthernpie.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Sitzung vom 22. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr übt ho ff.
Schriftführer: Herr Tietze.
Hr. Hfirtbie:
1. Ueber die Natnr der pilsatoriseh - elektrischen Arterienströue
(Aktions* oder Strb'mnngsstrtiine?). (Mit Demonstration der Diapositive.)
Nach Versuchen mit Herrn Dr. Blumenfeldt- Berlin.
Verfasser erinnert zunächst an seine Mitteilung vom 17. Januar 1913,
in der berichtet wurde, dass sich an den Arterien des lebenden
Tieres sowie bei küastlicher Durchströmung überlebender Arterien elek¬
trische Ströme im Rhythmus der Pulse nachweisen lassen; die Frage,
ob hier Aktionsströme vorliegen, sollte später entschieden werden.
Am 4. Juli 1913 wurde mitgeteilt, dass sich auch bei künstlicher
Darohströmung toter Arterien elektrische Ströme im Rhythmus
der Pulse nachweisen lassen, die vermutlich ins Gebiet der elektro-osmo-
tischen Erscheinungen gehören. Auf Veranlassung des Vortr. hat nun
Herr Dr. BlumenfeIdt- Berlin im vergangenen Winter die Frage in
Angriff genommen, ob die an lebenden Arterien nachgewiesenen Ströme
als Aktionsströme (durch reaktive Kontraktion der Musoularis entstanden)
zu betrachten oder physikalischer Natur sind.
Zur Entscheidung der Frage wurden zunächst die Faktoren fest¬
gestellt, von welchen die in der Physik bekannten, beim Strömen von
Flüssigkeiten durch Capillaren auftretenden und als Strömungsströme
bezeiebneten elektrischen Potentialdifferenzen abhängen. Zur Erklärung
derselben wird angenommen, dass an der Grenze von Wand und Flüssig¬
keit sich eine elektrische Doppelschicbt bildet, deren eine positiv geladene,
deren andere negativ geladene Ionen enthält. Bei der Strömung werden
die Schichten getrennt, und es entsteht eine Potenzialdifferenz.
Die elektrischen Ströme wurden mit Hilfe eines Saitengalvanometers
registriert.
Bei den an Glascapillaren angestellten Versuchen ergab Bicb, zum
Teil als Bestätigung früherer Festellungen, folgendes:
Die elektromotorische Kraft ist abhängig von der Natur der Flüssig¬
keit, grösser bei destilliertem Wasser als bei Salzlösungen, steigt mit
der Temperatur und der Geschwindigkeit der Flüssigkeit und ist bei
Capillaren unabhängig von Länge und Querschnitt, während sie bei
weiteren Röhren mit Zunahme des Querschnittes stark abnimmt. Sie
tritt ferner nicht allein bei konstanter, sondern auch bei rhythmischer
Durohströmung auf und zeigt sich dann in der Form von monophasischen
Stromschwankungen.
Zu den Versuchen mit abgetöteten Arterien wurden solche
vom Hund, Pferd und Rind in ihren natürlichen Dimensionen getrocknet,
nach Tagen oder Monaten wieder mit RingerlösuDg aufgeweicht und
rhythmisch durchströmt. Für besondere Zwecke wurden in Alkohol ge¬
bartete Arterienstücke verwandt. Bei der rhythmischen Durcbströmung
dieser Arterien zeigten sich im allgemeinen dieselben Faktoren lür die
Entstehung der elektromotorischen Kraft wirksam wie bei Glasröhren,
und auch die Form der Schwankungen war übereinstimmend. Die elektro¬
motorische Kraft war grösser bei Verwendung von destilliertem Wasser
als bei Salzlösungen, nahm zu mit der Temperatur und mit der Ge¬
schwindigkeit. Dagegen zeigte sich ein wesentlicher Unterschied im
Einfluss des Durchmessers: während eine Glasröhre von 8 mm Durch¬
messer kaum sichtbare Ausschläge lieferte, gaben Carotiden vom Pferd
und Aorten vom Hund, deren Durchmesser etwa dreimal so gross ist,
cet. par. sehr deutliche Ausschläge von 0,1 M.-V. Dass diese Ver¬
schiedenheit nicht vom Unterschied der Elastizität der Röhren abhäogt,
wurde in besonderen Versuchen festgestellt. Man muss aunebmen, dass
er auf der Imbibitionsfäbigkeit der Wand beruht, da gehärtete und wieder
anfgeweichte Gelatineröhrchen sich ebenso verhalten. Zur Erklärung
kann man hypothetische Annahmen machen, die hier übergangen werden
sollen.
Zur Untersuchung überlebender Arterien wurden Hunde¬
arterien unmittelbar nach der Entnahme aus dem Körper benutzt, während
die vom Sohlachthof bezogenen Rinder- und Pferdearterien vor der
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UNIVERS1TY OF IOWA
1438
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
Untersuchung einige Stunden unter Druck gesetzt und bei Körper¬
temperatur gehalten wurden. Die bei rhythmischer DurchströmuDg von
diesen gewonnenen elektrischen Schwankungen waren in ihrer Form von den
von toten Arterien abgeleiteten nicht zu unterscheiden, waren also gleich¬
falls monophasisch und zeigten sich in gleicher Weise abhängig von der
Stromstärke, der Temperatur und der Natur der Flüssigkeit. Auch die
Zeit hatte keinen deutlichen Einfluss mit Ausnahme eines einzelnen
Falles, in welchem der 2 Stunden nach der Entnahme beobachtete Aus¬
schlag 0,06 M.-V. betrug, nach 4 Stunden auf 0,38 stieg, um nach
6 Stunden wieder auf 0,1 M.-V. zu fallen (ohne Aenderung der Form).
Da diese Erscheinung nur einmal beobachtet wurde, kann ihr eine aus¬
schlaggebende Bedeutung nicht zugescbrieben werden, und man kommt
daher zu dem Ergebnis, dass die tür Strömuugsstrome verantwortlichen
Faktoren in den elektrischen Erscheinungen überlebender Arterien in
gleicher Weise wirksam sind wie bei toten. Unter diesen Umständen
wurde von der Anwendung gefässerregender Mittel (Adrenalin
u. a.) der Nachweis eines entscheidenden Unterschiedes zwischen totem
und lebendem Material erwartet. Tatsächlich zeigte sich fast in allen
Fällen ein Einfluss dieser Mittel auf die elektrischen Ströme, bestand
aber merkwürdigerweise bald in einer Verstärkung, bald in einer Ab-
schwäcbuog der Ausschläge, und da auch bei den abgetöteten Arterien
ein Zusatz dieser Mittel zur DurchströmuDgsflüsaigkeit häufig die Grösse
des Ausschlags änderte, konnte auch mit dieser Methode ein unzwei¬
deutiger Unterschied zwischen toten und lebenden Arterien nicht fest¬
gestellt werden. Das Ergebnis dieser Versuche besteht daher darin,
dass die an lebenden Arterien nachweisbaren pulsatorisch-
elektrischen Ströme im wesentlichen von denselben Faktoren
veranlasst werden, die für die Strömungsströme an leblosen
Röhren maassgebend sind. Sollten daneben noch Aktionsströme
mitwirken, so müssten diese von einer GrÖssenordnung sein, die dem
Nachweis durch die angewandte Methode entgeht.
Schliesslich wurden die Arterien frischer menschlicher
Nabelschnüre der künstlichen Durchströmung unterworfen. Die von
diesen abgeleiteten elektrischen Ströme verhielten sich nun wesentlich
anders als die der Körperarterien: In erster Linie war die Form nicht
monophasisch, sondern es traten bei jedem Pulse eine Reihe von Einzel¬
schwankungen auf. Zweitens verschwanden diese Schwankungen
nach Verlauf von etwa 4 Stunden, und drittens hatte das
Adrenalin einen regelmässigen Einfluss im Sinne einer Abschwäobung
der Ausschläge. Aus diesen Unterschieden ist zu schliessen, dass die
von der Nabelschnur ableitbaren elektrischen Ströme anderer Natur sind
als die an toten oder lebenden Arterien fest gestellten. Und die näcbst-
liegende Annahme ist die, dass es Aktionsströme sind, welche durch die
pulsatorische Dehnung der Wand entstehen. Wodurch der Unterschied
im Verhalten der Körper- und Nabelarterien veranlasst ist, ob prinzipielle
Verschiedenheiten der Muskulatur oder in der Anordnung oder Masse
der Muskeln entscheidend sind, diese Fragen zu beantworten, muss
späteren Untersuchungen Vorbehalten bleibeD.
II. Kritischer Bericht über das Bach von K. Hasebroek: Ueber
den extracardialen Kreislauf des Blutes vom Standpunkt der Physio¬
logie, Pathologie und Therapie. Jena 1914.
Der Vortr. beabsichtigt nicht, einen fortlaufenden Bericht über den
Inhalt des Buches zu geben, sondern nur die eigenartigen Vorstellungen
des Verfassers zu erörtern und sich zu den Gründen zu äussern, mit
denen Verfasser seioe Ansicht zu stützen sucht. Das wesentliche dieser
Ansicht ist die Annahme, dass das Herz nicht die einzige treibende
Kraft des Blutstromes darstellt, sondern durch aktive Tätigkeit nicht
allein der Arterien, sondern auch der Capillaren und Venen unterstützt
wird. Diese Ansicht wird durch physiologische, pathologische, pharmako¬
logische und histologische Erfahrungen, sowie durch vergleichend
anatomische Betrachtungen zu begründen versucht. Von diesen Er¬
fahrungen ist zwar keine einzige derart, dass sie als Beweis für die
Ansicht des Verf. gelten könnte, und Verf. gibt im Rückblick zu,
dass seine Ansicht eine „nur mögliche 0 oder „wahrscheinliche 0 Deutung
sei; allein im Laufe des Buches erscheinen viele dieser Deutungen als
Tatsachen, die geeignet sind, irrige Vorstellungen zu verbreiten und
daher Dicht ohne Widerspruch bleiben dürfen. Für die Arterien
wird die „grundlegende Annahme einer puls&torisch ver¬
einigten Aspiration-Propulsion 0 aufgestellt, die sich aus „pres-
soriscber Systole“ und aspiratorisch wirkender Diastole zusammensetzt.
„Je weiter stromabwärts die Eigenarbeit des Systems einsetzt, um so
mehr dominiert eine aspiratorisobe Vergrösserung des Blutdruckgefälles
von seiten der Peripherie, und je weiter stromaufwärts die Eigenarbeit
des Systems mitwirkt, um so mehr kommt dies in einer propulsatori-
schen Vergrösserung des Blutdruckgefälles nach der Peripherie hin zum
Ausdruck.“ „Beide Effekte zusammengeDommen müssen aber für die
Aorta, als am weitesten central gelegen, immer eine Aspiration bedeuten.“
Diese Tätigkeit wird durch die pulsatorische Druckschwaukung ausgelöst,
ausserdem nimmt Hasebroek an, „dass mit hoher Wahrscheinlichkeit
das sympathische System es ist, das an der Lieferung spezifisch rhyth¬
mischer Reize beteiligt ist“.
Die Gründe, die Hasebroek für seine Ansicht anführt, bestehen
zunächst aus den von mir beobachteten Erscheinungen, unter welchen
dem „Nachweis der pulsatorischen Aktionsströme 0 die grösste Bedeutung
beigelegt wird. Was es damit für eine Bewandtnis hat, haben wir ge¬
sehen. loh bin aber nooh nicht überzeugt, dass Hasebroek daraufhin
den „Beweis“ fallen lassen wird, denn abgesehen von den Beobach¬
tungen an der Nabelarterie hat Hasebroek im Anschluss an meine
Mitteilung in dieser Gesellschaft vom 4. Juli 1913 in seinem Buche be¬
reits zu „dieser scheinbar für unsere Beweisführung gefährlichen Fest¬
stellung“ sich geäussert: Er zweifelt, ob die getrockneten Arterien
wirklioh „molekular tot“ sind und hält es für mögtich, „dass gerade
durch Eintrocknen latent gewordene Erscheinungen des Zelllebens durch
zugefübrtes Wasser wieder bemerkbar werden.“ Da diese Meinung
höchstens für gewisse Pflanzensamen gilt, . erübrigt sich hier eine
weitere Erörterung. Die weiteren Erscheinungen, die von Hasebroek
zum Beweis für die aktive Tätigkeit der Gefässe angeführt werden,
sind: die grössere Amplitude des Cruralis — im Vergleich zum Carotis¬
puls, die „systolische Schwellung“ des arteriellen Biutstroms, sowie
teilweise veröffentlichte Versuche meines Schülers Fritz Schaeferüber
den Vergleich der Stromstärke im künstlich durchströmten Hinterbein
des Frosches bei rhythmischem und konstantem Druck, mit und ohne
Anwendung gefässerregender Mittel. Die hier beobachteten Erscheinungen
lassen sich tatsächlich nicht ohne weiteres aus den Gesetzen der Strom-
und Wellenbewegung ableiten und haben mich selbst veranlasst, die
Hypothese einer aktiven Tätigkeit der Arterien dafür in Betracht zu
ziehen. Allein die Tatsachen sind bis heute noch nicht so weit analysiert,
dass sie als Beweis für die Hypothese betrachtet werden düiften. Das¬
selbe gilt für die weiteren von Hasebroek beigebracbten indirekten
Beweise, die, noch weniger klargestellt als die erstgenannten, zum Teil
einer anderen Deutung fähig oder unrichtig sind. So z. B. die Angabe
von Bayliss, dass die Arterien auf Drucksteigerung mit Kontraktion
reagieren, die in Wirklichkeit einer im Versuch erzeugten und un¬
bemerkt gebliebenen Erhöhung des Adren&lingebalts des Blutes zuzu¬
schreiben ist (v. An rep).
Die Behauptung, dass zur Erklärung der Hypertrophie der Arterien-
w&nd die Erhöhung des Innendrucks unzulänglich oder „misslich“ sei,
weil sie „nur vermehrte Widerstände setzen könnte“, kann ich nicht für
zutreffend halten, weil die Hypertrophie der Arterienwand durchaus
nicht notwendig mit einer Verengerung des Lumens verbunden ist.
Zusammenfassend kann ich mich über diesen Teil der Hasebroek-
schen Anschauungen folgendermaassen äussern: Wenn ich auch den Be¬
weis für eine aktive Tätigkeit der Arterien nicht als erbracht betrachte,
gebe ich doch die Möglichkeit oder sogar eine zurzeit bestehende Wahr¬
scheinlichkeit dieser Hypothese zu. Dagegen ist mir unklar geblieben,
womit Hasebroek die Annahme einer aktiven Diastole und damit einer
aspiratorischen Wirkung der Arterien rechtfertigen will. Die Haupt¬
stütze scheint mir das Verhalten des Blutdrucks bei der Muskelarbeit
zu sein, der nach Hasebroek bei mässigen Graden der Arbeit sinkt,
bei höheren Graden aber steigt. Das Steigen wird durch verstärkte
Tätigkeit des Herzens unter Mitwirkung der „pressoriseben Funktion“
der grösseren Gefässe erklärt, während die Senkung einer Aspiration im
Gebiet der peripheren Arterien zugeschrieben wird. Ich wüsste aber
nicht, was einer Erklärung dieser Erscheinung mit Hilfe des „land¬
läufigen Tonus“ im Wege stünde, und habe den Eindruck, dass Hasebroek
nur durch eine mir nicht verständliche Vorstellung über die Wirkung
der Erweiterung und Verengerung der Arterien auf Druck und Strom zu
seiner Annahme kommt. Dieser Eindruck beruht auf einer Anzahl von
Sätzen, von welchen ich als Beispiel den folgenden anführe: „Dass die
Nierengefässe unter steigender Diurese aspirieren, steht fest, da nach
Landergren und Tigerstedt bei Transfusion von Diureticis der
Seitendruck in der Nieren&rterie abnimmt unter Zunahme der die Niere
durchströmenden Blutmenge.“ Dieser „Beweis“ für die aspiratorisobe
Wirkung der Gefässe erscheint mir ebenso zwingend, wie wenn man
einem Wasserhahn, dessen verstärkte OeffnuDg verstärkten Abfluss zur
Folge hat, eine aspiratorisobe Wirkung zuschreiben wollte. Die Hypo¬
these der aspiratorischen Wirkung der Arterien scheint mir daher aus
der Luft gegriffen.
Die zweite, auf Rosenbaoh zurückgehende Vorstellung Ut die An¬
nahme selbständiger Triebkräfte im Capillargebiet, die teils
auf „vitale Kräfte“ des Stoffwechsels, teils auf „rhythmisch inter¬
mittierende CapillarbeweguDgen“ zurückgeführt werdeD. Die Berechti¬
gung dieser Hypothese wird zunächst aus der Behauptung abgeleitet, dass
die Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen zur Unterhaltung des
Blutstroms in den Capillaren nicht ausreiche, und diese Behauptung
ihrerseits wird auf die Autorität von Reoklinghausen gestützt, nach
welchem angeblich „bei der Entzündung keineswegs das Lumen der
Gefässbahnen über den Grad der Strömung entscheidet, denn
er stellte fest, dass das Blut in der Stase bei offenen Arte¬
rien und Venen stillsteht“. Ich habe nun das zitierte, 24 Seiten
lange Kapitel III durcbgelesen, ohne diese Behauptung bestätigt zu
finden; vielmehr gibt Recklinghausen in allen Fällen eine ErklaraDg
für das jeweilige Verhalten des Blutstroms. Die andere Begründung, die
Annahme „rhythmisch intermittierender Capillarbewegungen“ wird auf
Abbildungen von Gradin es cu gestützt, in welchen Blutcapillaren unter An¬
wendung von Adrenalin ein perlschnurähDliehes Aussehen annebmen, sowie
auf dessen Angabe, dass bei einer gewissen Konzentration des Adrenalins
die Geschwindigkeit in den Capillaren zunähme. G. beobachtete den
Strom in den Capillaren des Froschmesenteriums bei künstlicher Durch-
strömung der Aorta mit Locke’scber Lösuüg, der Adrenalin zugesetzt
war. Seine kurze Beschreibung lautet 1 ): „Man bemerkt im Anfänge ein
Zunebmen der Geschwindigkeit der Strömung in den Capillaren; spater
nimmt diese fortwährend ab, und manchmal hört sie sogar auf; letzteres,
1) Pflüg. Arch., Bd. 152, S. 222.
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UMIVERSITY OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1439
tenu der Gebalt der Lösung an Adrenalin zu gross ist. Die Capillaren
«eigen Einschnürungen, und an einigen Stellen verengt sich die innere
Oefinung, so dass sie eine wirkliche ringförmige Strikter ihrer Bahn
zeigen. Die roten Blutkörperchen können trotz ihrer Elastizität nicht
durch diese Verengungen durchkommen.“ Ueber die Ursache der Zu¬
nahme der Geschwindigkeit im Beginn der Wirkung macht G. keine An¬
gabe; es steht daher gar nichts im Wege, sie einer vorübergehenden Er¬
weiterung der Capillaren zuzuschreiben. Eine „aktive Erhöhung der
Stromgeschwindigkeit“ kann man nur mit einer vorgefassten Meinung
d&ria sehen. Was die Formänderung der Capillaren betrifft, so ist ihre
Wirkung auf den Strom von G. in unzweideutiger Weise geschildert, und
es wird die Beobachtung in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man den
Aenderungen der Capillaren, von denen zudem mit keinem Wort gesagt
ist, dass sie rhythmisch erfolgen, einen fördernden Einfluss auf den Strom
zuschreibt.
Die zweite Vorstellung, dass der Stoffwechsel zwischen Blut und
Geweben zu den treibenden Kräften des Blutstroms gehöre, übersiebt
nicht allein, dass Zu- und Abstrom aus den Capillaren im Durchschnitt
gleich gross sind, sondern auch, dass eine solche Flüssigkeitsbewegung,
selbst wenn sie einseitig erfolgen würde, niemals einen Strom von
bestimmter Richtung erzeugen könnte. Das Experiment, mit dem
H. seine Vorstellung zu beweisen sucht, zeigt nur, wie irreführend
Versuche an einem Schema sind, wenn die Bedingungen nicht dieselben
sind wie im lebenden Körper. H. beweist, dass, wenn man durch
eiue Seitenöffnung an einer wasserdurchströmten Röhre mit einer Spritze
saugt, „die Seitendrücke prinzipiell peripherwärts erniedrigt“ werden.
Das ist selbstverständlich, und zwar muss die Erniedrigung um so
stärker ausfallen, je rascher das Ansaugen stattfiodet; beim langsamen
Zuruckzieben des Spritzenstempels wird es unmerklich, und wenn man
auf der anderen Seite der Röhre ebensoviel Zuströmen lässt, als man
auf der einen absaugt, heben sich die Wirkungen auf. ln dieser Weise
musste man aber das Experiment anstellen, um die Wirkung des Stoff¬
wechsels auf die Strömung in den Capillaren zu schematisieren.
Das Heranziehen komplizierter „biologischer“ Erklärungen in Fällen,
in denen man einer einfachen physikalischen Auslegung kaum ausweichen
kann, wird nur dadurch einigermaassen verständlich, dass H. die
physikalischen Grundbegriffe nicht in der üblichen Weise benutzt. Das
gilt in erster Linie für den Begriff des Widerstandes, dessen An¬
wendung das folgende Beispiel zeigen möge: Es gibt Hunde, bei denen
Adrenalin keine Blutdrucksteigerung bewirkt trotz „Blässe der Schleim¬
haut und Blutarmut der Muskeln“. Das ist gewiss sehr merkwürdig,
und es müsste zunächst das Verhalten des Herzens sowie der übrigen
Gofässprovinzen festgestellt werden, ehe eine Erklärung dieser Erschei¬
nung ausgesprochen wird. H. zieht aber den Schluss: „Das beweist,
dass die sichtbare Verengerung der kleinsten Gefässe in einem selbst
grossen Gebiet an sich nicht notwendig Widerstände für das ganze System
zu schaffdn braucht.“ Nach der „exakten Physiologie“ wird der Wider¬
stand bestimmt durch die Viscosität des Blutes einerseits und die Di¬
mensionen des Röhrensystems andererseits, und zwar haben die Durch¬
messer den grössten Einfluss. Wenn daher H. der Verengerung der
Gefässe einen notwendigen Einfluss auf den Widerstand absprioht,
so setzt er sich in Widerspruch mit den physikalischen Grundbegriffen
und macht damit jede Diskussion unmöglich. Eine Unklarheit im Be¬
griff des Widerstandes sehe ich auch darin, dass H. den Lungengefässen
eine „pressorische und aspiratorische Eigentätigkeit“ zuschreiben zu
müssen glaubt, um den „merkwürdig“ geringen Widerstand dieser Bahn 1 2 )
zu erklären. Oder wenn er die Leber als „ein wirklich biologisches,
seitlich eingeschaltetes Pumpwerk“ betrachtet, um ihren geringen
Widerstand verständlich zu machen. Hier fehlt die Einsicht, dass die
Durchflussmenge, die ja dem Widerstand umgekehrt proportional ist, in
einem zusammenhängenden System von Röhren, nicht allein vom Durch¬
messer und von der Länge, sondern auch von der Zahl der Röhren, ins¬
besondere der engsten, abbängt: durch 10 nebeneinander geschaltete
Capillaren fliesst cet. par. zehnmal soviel ab als durch eine, oder um
durch 10 Capillaren in der Zeiteinheit dieselbe Flüssigkeitsmenge zu
treiben wie durch eine Capillare, ist nur ein Zehntel des Drucks er¬
forderlich*). Für die Wirkung dieser Anordnung ist die Verzweigung
der Pfortader in der Leber ein typisches Beispiel, sofern in den Läpp¬
chen das Blut durch eine Unzahl von Capillaren aus den Venae inter-
lobulares zur Centralvene strömt.
Eine weitere Veranlassung zur Nötigung, Muskelkräfte zur Er¬
klärung von Aenderungen des Blutdrucks beranzuziehen, besteht darin,
dass mitwirkende Faktoren gänzlich unberücksichtigt bleiben. So wird
*• B. nicht in Erwägung gezogen, ob oder inwieweit die unter Adrenalin¬
wirkung auftretende Vergrösserung der pulsatorischen Druckschwankung,
die angeblich ohne Steigerung des Druckminimums verläuft, auf einer
Aeoderung der Dehnbarkeit des Aortensystems beruht, eine Möglichkeit,
auf die ich H. gleichfalls schon früher aufmerksam gemacht habe.
Der letzte Punkt ist „die aktive Wandtätigkeit der Venen“,
die gleichfalls rhythmisch erfolgen und in verschiedener Weise ausgelöst
▼erden soll.
Auf eine Diskussion der einzelnen indirekten Gründe lasse ich mich
1) Auf wessen Autorität H. die Behauptung stützt: „trotzdem die
Durchflussgeschwindigkeit des Blutes in der Lunge eine zehnmal so
rasche ist als im grossen Kreislauf“, ist nicht angegeben.
2) Auf diesen Sachverhalt habe ich schon früher (Pflüg. Arch.,
ßa - 147, S. 591) hingewiesen.
hier nicht ein, da die Erörterung der grundlegenden Tatsachen vom
Venenstrom die Vorstellungen Hasebroek’s in ausreichender Weise
kennzeichnet. Auf Grund der direkten Messungen des Venendrucks, wie
sie von anerkannten Beobachtern, z. B. von Jakobson ausgefübrt
wurden, nimmt der Druck im Venensystem von der Peripherie nach dem
Herzen zu allmählioh ab. In den kleinsten einem Manometer zugäng¬
lichen Venen hat er etwa eine Höhe von 10 cm Wasser, in den grossen
in den Thorax einmündenden Veoen ist er negativ; es besteht also ein
natürliches Gefälle von der Peripherie nach dem Centrum, das zur Er¬
klärung des Stroms ausreicht. Nach Hasebroek dagegen ist das Ver¬
halten des Drucks ein ganz anderes: Der Druck zeigt ein Maximum in
den mittleren Venen und lallt von hier nach beiden Seiten ab, indem
er nicht nur in der Nähe des Herzens, sondern auch in der Nähe der
Capillaren negativ wird. „Man mache sich physikalisch die Konsequenzen
dieser Entdeckung für die Auffassung über die Rückströmuug des Bluts
durch die Venen klar: am Anfang und am Ende des venösen Systems
herrscht negativer Druck, dazwischen befinden sich Strecken mit posi¬
tivem Druck!“ Die „Entdeckung“, von der die Rede ist, ist in einer
vorläufigen Mitteilung zweier klinischer Assistenten beschrieben, die bei
der Verbindung der Oeffnung eines Röhrenknochens mit einem Mano¬
meter negativen Druck beobachtet haben wollen. Diese allen Erfah¬
rungen widersprechende Angabe wurde von meinem ehemaligen
Assistenten Dr. Roth mann mit Registrierung der auftretenden Drucke
nachgeprüft, wobei sich keine Spur von negativen Werten ergab. Die
„Entdeckung“ beruht ohne Zweifel auf der Art der Handhabung des
Manometers. Am Ausfall des Experiments konnte man von vornherein
nicht zweifeln; sobald der Knochen angebohrt ist, fliesst Blut aus, und
es ist meines Wissens nicht bekannt, dass bei der Verletzung von Ex¬
tremitätenknochen Luftembolien entstehen. Obwohl Hasebroek die
Widerlegung durch Rothmann bekannt war, verwertet er doch die von
vornherein unwahrscheinliche Behauptung zur Konstruktion seines sonder¬
baren Gefälles im Venenstrom, zu dessen Erklärung allerdings weitere
periphere Kräfte erforderlich wären.
Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich in vielen Punkten der
Beweisführung Hasebroek’s die Bemühung vermisse, die Erscheinungen
des Blutkreislaufs in Einklang mit den physikalischen Grundtatsachen
zu bringen. Wer für neue Anschauungen in der Wissenschaft An¬
erkennung sucht, der muss den Nachweis erbringen, dass die vor¬
liegenden Erfahrungen sowie die geltenden Vorstellungen und Begriffe
zur Erklärung gewisser Tatsachen unzureichend sind, oder dass sie mit
diesen in Widerspruch stehen. Die „Tatsachen“ aber dürfen nicht
zweifelhafter Natur sein. Ich bedauere, den Bemühungen eines viel¬
beschäftigten Arztes, vor dessen Streben nach Erkenntnis ich die grösste
Hochachtung habe, nicht mehr Beifall zollen zu können, glaube aber
doch, dieses Urteil Ihnen nicht vorenthalten zu sollen, weil ich be¬
fürchte, dass das Buch bei manchem mit den Tatsachen weniger ver¬
trauten Leser zu einer Verwirrung der Vorstellungen und Begriffe
führen kann.
Sitzung vom 12. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Uhthoff.
Schriltführer: Herr Rosenfeld.
Hr. Jeger: Der gegenwärtige Stand der Blatgefftssehirnrgie.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Coenen berichtet über einen 60jährigen Patienten mit einem
schnellwachsenden, kleinzelligen Rundzellensarkom der linken Leisten¬
gegend, bei dem die Vena femoralis oberhalb des Zuflusses der Vena
saphena 5 cm reseziert werden musste, während die Sobeukelarterie sich
von dem Tumor abschieben liess. Da während der Abklemmung der
Scbenkelvene die ganze Extremität blau wurde und anscbwoll und nach
und nach eine totenfleckenähnliche Verteilung des Blutes bekam, so
schien das linke Bein stark gefährdet, und es wurde dem Patienten die
linke Vena jugularis interna exstirpiert und rechtläufig in den Defekt
der Vena femoralis eingenäht; hierbei kam der Bulbus jugularis nach
oben zu liegen (s. nachstehende Abbildung). Als die Klemmen von der
Vene abgenommen wurden, füllte sich sofort die transplantierte Gefäss-
strecke prall an, und das angestaute kalte Blut am linken Bein zog
augenblicklich ab, so dass daselbe eine normale Farbe und Wärme
bekam. Wegen des bei der Exstirpation des Sarkoms entstandenen
grossen Hautdefekta musste eine ausgedehnte Lappenplastik gemacht
werden, die das überpflanzte Gefäss bedeckte. Heilung.
Man kann vielleicht einwenden, dass möglicherweise nach der
Venenligatur die Gangrän der Extremität nicht eingetreten wäre, dem¬
gegenüber muss aber auf die eklatanten, äusserlich gut sichtbaren, be¬
drohlichen Erscheinungen am linken Bein aufmerksam gemacht werden,
die nach der Gefässüberbrückung sofort verschwanden. Ferner hat
Wilh. Braune 1 ) die Col lateral bahnen genau studiert und auf Grund
seiner ausgezeicbnetea anatomischen Studien erklärt, dass die Ligatur
der Vene am Poupart’schen Bande im höchsten Grade zu fürchten ist.
Zugleich teilt er eine Beobachtung von Roux mit, wonach die Unter¬
bindung der Vena femoralis -über der Einmündung der Vena profunda
die Gangrän der ganzen Extremität bei einem Vierzehnjährigen erzeugte.
Ferner stellte Frankel*) unter 58 Fällen von Unterbindung der Vena
1) Die Oberschenkelvene des Menschen. Leipzig 1871.
2) Beitr. z. kl in. Chir., 1901.
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BERLINER KLINISCHE WO CHENSCHRIFT.
Nr. BO.
Implantation eines Stückes der Vena jugularis in die Vena femoralis
eines 60jährigen Mannes mit Sarkom der Leistengegend. Heilung.
femoralis den Eintritt der Gangrän in 2 pCt., Wolff 1 ) dasselbe unter
59 Fätlen in etwa 5 pCt. der Fälle fest. Nach diesen Literaturangaben
ist man verpflichtet, die Naht der Vena femoralis zu machen, wenn, wie
in diesem Falle, nach der Ligatur bedrohliche Erscheinungen sichtbar sind.
Bezüglich der vom Vortr. erörterten Ueberleitung des arteriellen
Blutes auf den Venen weg zur Heilung der angiosklerotischen Gangrän
verweist Redner auf seine in Gemeinschaft mit Wiewiorowski an-
gestellten Leichenversuche und auf die physiologischen Versuche von
Roth mann und Breslauer, die diese Methode als höchst unsicher
erscheinen lassen.
Hr. Triepel: Das Alter menschlicher Embryonen.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. L. Fraenkel: Meine Angabe, dass die Ovulation 18 Tage nach
der Menstruation erfolge, und dass die Schwangerschaft demnach wesent¬
lich jünger ist und kürzer dauert, als man bisher annahm, ist von
kompetenter embryologischer Seite nunmehr für die Früchte selbst be¬
stätigt. Die Tabelle, welche uns Herr Triepel vorlegte, ist geeigneter wie
alle bisherigen Bestimmungsmethoden, das Alter der Embryonen zu er¬
mitteln, weil sie eine Menge der verschiedensten Faktoren berücksichtigt.
Es ist bemerkenswert, dass er auf diese Weise eine Anzahl junger
Embryonen erst richtig im Alter bestimmen konnte, ferner dass seine
Grenzzahl für das Erscheinen der Ovulation fast genau in den gleichen
Werten sich bewegten wie meine autoptischen Befunde bei der Laparo¬
tomie: 11—26 Tage nach der Menstruation. Der Vortragende hat aber
vollkommen recht, wenn er darauf hinweist, dass das nur selten vor¬
kommende Grenzwerte sind, vielmehr im allgemeinen fast immer die
Zahlen 18 oder 19 oder deren Nachbarn wiederkehren. Das hat sich
mir auch wieder in der letzten Serie von 88 Laparotomien ergeben, die
in meiner „Normalen und pathologischen Sexualphysiologie des Weibes“
mitgeteilt sind. .
Vielleicht darf ich bei Gelegenheit der uns heute demonstrierten
Tabelle darauf hinweisen, dass in der Entwicklungsgeschwindigkeit der
Embryonen das individuelle, ungleichmässige, ja sprunghafte Wachstum
eine grosse Rolle zu spielen scheint. Die Beweismittel dafür sind zum
Teil klinische, also nicht vollwertige, die erst durch die stete Wieder¬
holung der Beobachtung an Wert gewinnen. Wir werden sehr häufig
gefragt, ob Schwangerschaft besteht, und können trotz ausgebliebener
Regel eine Uterusvergrösserung nicht feststellen; wenige Tage später ist
die Diagnose dagegen absolut sicher, der Uterus erscheint schon er¬
heblich gewachsen. — In der Mitte der Schwangerschaft finden wir mit¬
unter eine Grösse des Uterus, die der Zeit der Schwangerschaft weit
voraus ist. Wir denken schon an alles mögliche Pathologische, um
nach 4 oder 8 Wochen durch nunmehr verlangsamtes Wachstum den
Ausgleich herbeigelührt zu sehen. Sind diese klinischen Beobachtungen
gelegentlich nur vorgetäusebt, so sind diejenigen dagegen sicher, die
wir bezüglich des Endes der Schwangerschaft machen. Die Graviditäts¬
dauer schwankt bei Tieren ganz erheblich, bei Kaninchen mindestens um
3 auf 30 Tage, bei Schafen um 26 auf 151, bei Stuten sollen sogar noch
1) Beitr. z. klin. Chir., 1908.
uuuoro uinerenzen Del einer Tragzeit von <U 7
beobachtet sein. Beim Menschen wissen wir vollends, dass sicher über
tragene Kinder durchaus nicht überreif und Frühgeburten mit all™
d - er a Rei i e *J ,r c Welt kommen könuen. Aus diesen Beobachtungen
geht das individuell Sprunghafte und Ungleiche des Wachstums ber?or
wodurch natürlich der Wert der obenerwähnten Tabelle nicht ge-
handelt'* erSChemt ’ weü ea sioh j a hi8r nur u “> Durchscbnittsmaafse
Aerztlicher Bezirksverein zu Erlangen.
Sitzung vom 30. Juni 1914.
Hr. F. Hauser: Vorführung der Zeiss schen Panktallinse.
Die Bedeutung der Zeiss’sehen Punktallinse beruht darauf, dass beim
schiefen Blick durch die Linse die Fehler der sphärischen Aberration und
der Farbenzerlegung vermieden werden könuen. Die Oberfläche der
neuen Linse ist nicht mehr ein Teil einer Kugeloberfläche, sondern sie
ist asphärisch. Besondere Bedeutung besitzt die Linse für Staroperierte.
Der Preis ist noch sehr hoch.
Diskussion: Hr. Küramell.
Hr. Königer-. Krankendemonstration.
Bei einem 20 jährigen Mädchen hatten sich seit einem Jahre all¬
mählich Bewegungsstörungen eingestellt: Ausserordentliche Schwäche der
Arme, besonders der Oberarme, der Rumpf- uud Nackeumuskulatur und
der Beine, Ptosis duplex, maskeDartiger Gesichtsausdruck, Opbthalmo-
plegia externa. Keine ’Sensibilitätsstörungen, keine Atrophie, keine Eot-
artungsreaktion. Besserung der Erscheinungen nach vorhergehender Ruhe.
Hervorstechendstes Symptom: ungewöhnliche Ermüdbarkeit der
Muskeln, auch gegen den faradischen Strom. Diagnose: Myasthenia
gravis pseudoparalytica (Jolly). Vortr. schliesst sich der Ansicht
an, dass es sich bei dem vorliegenden Symptomenkomplex um eine
Störung innersekretorischer Organe handeln könne (Thymus, Nebenniere,
Nebenschilddrüse). Nach Abderhalden baute das Serum der Patientin
in besonders starkem Maasse gerade Tbymus ab, im RöntgeDbilde ist ein
Thymusscbatten nicht mit Sicherheit nachweisbar. Das Wesen der
Erkrankung beruht wahrscheinlich auf einer mangelnden Entgiftung des
Körpers, wenigstens liefert das gelegentliche Zusammentreffen mit Basedow,
Tetanie, Addison einen Hinweis dafür.
Diskussion: HHr. Kleist, Penzoldt, Jamin, Hauser.
Hr. Kümmell: Ueber die Pulsation der Netzhautgefässe.
Mit Hilfe des Güllstrand’schen Apparates, welcher eine 40—50 fache
Vergrösserung der Netzhaut gestattet, wird nicht Dur die physiologische
Erscheinung des Venenpulses bestätigt, sondern auch festgestellt, dass
auch unter normalen Verhältnissen stets ArterieDpuls erkennbar ist.
HHr. Seitz und Wintz:
Ueber die biologische Funktion des Corpus lntenm, seine chemischen
Bestandteile und deren therapeutische Verwendung hei Störungen
der Menstruation.
Aus dem Corpus luteum der Kuh konnten 2 wirksame Stoffe isoliert
werden, welche Luteolipoid und Lipamin genannt wurden.
Das Luteolipoid findet sich in verstärktem Maasse bei völlig aus¬
gereiften Corpora lutea, es beschleunigt die Blutgerinnung, bei kastrierten
Tieren verlangsamt es dieselbe. Therapeutisch erwies es sich bei schweren
Pubertätsblutungen und bei zu starken Blutungen älterer Leute äusserst
wirksam, es verlängert die Intervalle zwischen den einzelnen Blutungen,
verkleinert den Blutverlust und vermindert die Schmerzen bei der Men¬
struation. Unwirksam, sogar blutuDgsteigernd, wirkt es bei Myomen.
Am kreissenden Uterus wirkt es nicht wehenerregend, die Einwirkung
auf den menstruellen Uterus beruht wahrscheinlich in einer Anregung
der Gefässrückbildung.
Das Lipamin (Lipoproteid, enthält eine Aminosäuregruppe) erzeugt
bei längerer Injektion bei Kaninchen Uterushypertrophie, auch beim
kastrierten Tier. Therapeutisch verwendbar bei Amenorrhoen oder Oligo¬
menorrhoen, in 14 Fällen wurden nach 7—10 tägigem Gebrauch aus¬
nahmslos Menstrualblutungen erreicht, selbst in einem Falle, in welchem
nur noch ein kleiner Ovarialrest vorhanden war, das übrige war wegen
Ovarialcystom entfernt. ,
Zur therapeutischen Verwendung mussten beide Stoffe einige Tage
lang subcutan injiziert werden; Anapbylaxiegefabr besteht nicht, denn
sie wirken nicht sensibilisirend.
Wahrscheinlich werden bei dem normalen Ablauf der Menses auch
im menschlichen Corpus luteum diese Stoffe gebildet, und zwar nach
Vollendung der Ovulation das Lipamin, während das Luteolipoid später
entsteht und das Ende der Menstrualblutung herbeifübrt.
Diskussion: HHr. Toeniessen, Wintz, Spuler, Pentzolat,
Jamin. Stettner.
Physikalisch-medizinische Gesellschaft zu Würzburg.
Sitzung vom 25. Juni 1914.
Hr. Wessely: Demonstrationen: a) Befunde bei experimentellem
Katarakt.
Durch Injektion geringer Mengen gallensaurer Salze in den Glas¬
körper gelingt es, beim Kaninchen eine langsam lortschreitende Degene¬
ration der Netzhaut und Aderbaut zu erzeugen, die im ophthalmoskopi¬
schen Bilde einschliesslich der aufsteigenden Sehnervenatropbie den beim
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27. Joli 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1441
Mensehen zur Beobachtung gelangenden Chorioretinalatrophien sehr
ähnelt. So wie dort, kam es auoh in den Versuchen zu einer am hinteren
Fol der Linse beginnenden Kataraktbildung, die in einer Reihe von
Fällen total wurde. Die mikroskopischen Präparate ergaben dabei voll¬
ständige Analogien zu den beim subkapsulären Rindenstar auftretenden
Veränderungen.
b) Experimentelle isolierte Hornhaatanästhesie.
Einmaliges Umfahren des Limbus corneae bei Kaninchen mit dem
Dampfkauter schädigt die zutretenden Trigeminusendigungen derart, dass
eine sich über 2—4 Wochen erstreckende vollständige Hornbautanästhesie
entsteht. Eine Keratitis neuroparalytica tritt dabei niemals auf, auch
wenn die Tränendrüse gleichzeitig exstirpiert wird. Es wird dadurch
von neuem bestätigt, dass zur Entstehung der neuroparalytiscben Ent¬
zündung die Schädigung im Nerven weiter central wärts sitzen muss,
c) Physiologische falsche Lokalisation.
Bei abwechselnder Belichtung der Augen durch die geschlossenen
Lider wird der Lichtschein falsch, nämlich stets temporalwärts lokalisiert,
was auf den monokularen Anteil des diffus belichteten Auges im Gesichts¬
feld zuriickzuführen ist. Aehnlioh wird auch an geeigneten stereoskopi¬
schen Vorrichtungen die Zunahme der Lichtstärke eines der Bilder von
der Mehrzahl der Untersuchten an einer temporalen Erhellung des
Gesichtsfeldes des zugehörigen Auges erkannt. Dieser Unterscheidbarkeit
rechts- und linksäugiger Eindrücke ist bei einer Reihe von Simulations-
proben Rechnung zu tragen.
d) Form der AngeDpnlskarve.
Bei der graphischen Registrierung des Augendrucks stellen sich die
einzelnen Pulse für gewöhnlich als einfache wellenförmige Erhebungen
ohne katakrote Erhebungen dar. Letztere treten indessen auch am
Augenpalse auf, sobald die Carotispulse stark erhöbt werden (z. B. durch
Adrenaliniojektionen). Auch künstlich erzeugte Allorbythmen (Pulsus
bigeminus und trigeminus) spiegeln sich in der Augenpulskurve wieder.
Obwohl das Auge eine plethysmographische Kurve schreibt, gibt sich also
unter Umständen sogar in der Pulsform eine völlige Uebereinstimmung
zwischen Augen- und Blutdruck zu erkennen. Vortr. erörtert im Anschluss
hieran von neuem diese Beziehungen und vor allem die von ihm bereits
früher dargelegte Bedeutung der Blutdruckverschiebung im Organismus
für die jeweilige Höbe des Augendruoks.
Hr. Horowiti:
Ueber di« Beziehugei zwischen Aagendnck- und Blntdrnekschw&n-
kungen beim Menschen.
Vortr. demonstriert das Schiötz’sche Tonometer, beschreibt dessen
Anwendung, berichtet sodann über seine Beobachtungen und kommt zu
dem Ergebnis, dass der Augendruok zum Blutdruck in festem Abhängig¬
keitsverhältnis steht Zahlreiche Versuche wurden angestellt an Frauen
vor und nach dem Gebären, sowie an Patienten, bei denen eine Schwitz¬
kur indiziert war. Nur in einzelnen Fällen ergaben sich geringe Ab¬
weichungen des Augendruckes, die auf vasomotorische Veränderungen,
besonders nach der Schwitzkur, zurückzuführen sind.
Hr. E. Seifert: Scrodiagnostik von Staphylokokkenerkranknngen.
Nach eingehender Schilderung des Prinzips und AnweDdung9weise
berichtet Vortr. über seine Versuche mit dem Merk’schen Lysin. Von
110 Personen hat er folgende Resultate: bei 40 Gesunden oder an in¬
differenten Leiden (Asthma, Herzfehler usw.) Erkrankten: negativ;
bei SO an nicht eitrigen Erkrankungen Operierten: negativ; bei 16 nicht
durch Staphylokokken hervorgerufene Eiterungen: negativ; bei 24 Staphylo¬
kokkeneiterungen: positiv. Ferner fand Vortr. noch einige positive
Resultate bei schwereren Störungen nach Schutzpockenimpfung, wobei
wahrscheinlich durch die Impfung eine Staphylokokkeninfektion statt¬
gefunden hatte, und 11 unklare Fälle, wobei weder durch Anamnese
noch Befand eine Staphvlokokkenerkrankung sich hat n&chweisen lassen.
Knochenerkrankung altier Leute sind oft auf Staphylokokken zurückzu¬
führen, nicht auf Tuberkulose. Mau soll auch andere Knochenerkrankungen,
wie Ostitis fibrosa, ferner Hirnabscesse usw. einer Serodiagnostik auf
Staphylokokken unterziehen. Knochenerkrankungen geben stärker posi¬
tive Resultate als Weiohteilerkrankungen.
Aus Pariser medizinischen Gesellschaften.
Acadömie de mödecine.
Sitzung vom 26. Mai 1914.
Hr. Xeszreir bespricht die vom Spitalpersonal heftig angefochtene
Verordnung der obligatorischen TyphnsimpfoDg für Anwärter des
arukeipersonals. Im November 1912 wurde die fakultative Impfung
hei den Schülerinnen der Pflegerinnenscbule eingeführt und ohne Zwischen-
»11 durohgeführt. Die Schülerinnen erhielten nach jedem der 4 Impf¬
te einen Ruhetag. Im Januar 1914 wurde die Antityphusimpfung für
föstulanten der Spitalpflege obligatorisch, weil diese Postulanten, meist
junge, aus der Provinz stammende Leute, besonders leicht an Typhus
«krankten. Die Angriffe der Impfgegner stützen sich alle auf Fälle,
me nichts beweisen; entweder handelt es sich um Wärter, die schon vor
der Impfung Typhus acquieriert hatten, oder es handelt sioh um zufällig
oei Geimpften eingetretene Appendicitis oder Haodphlegmone. Es wurden
o 1064 Angestellten 4000 Impfungen ohne irgendeine Komplikation
Diskussion.
Hr. Chauffard erachtet es wie Herr Mesureur als Pflicht, das
Krankenpersonal zu impfen, bei dem sonst Typhus so häufig auftritt.
An 200 Pflegerinnen seiner Abteilung wurden nur einige leiohte Reaktionen
beobachtet. Die Verordnung Mesureur’s ist also ein schöner Fort¬
schritt. Immerhin gibt es Fälle, die man nicht impfen soll; besonders
Tuberkulöse zeigen leicht Komplikationen; leider sind gerade diese
besonders der Typhusinfektion ausgesetzt.
Hr. Vincent: In der Armee wurden zuerst die Krankenwärter ge¬
impft; unter denen, die sieb weigerten, traten zahlreiche Typhusfälle
auf. Die Akademie billigt einstimmig die Verordnung Mesureur’s.
Hr. Tnffler zeigt einen Fall von Virilisnos infolge Nebennieren-
affektion. Die 62 jährige Frau trat im Dezember 1913 wegen reichlicher
Metrorrhagien ein, welche im Zusammenhang mit einem Fibrom standen-
Patientin hatte damals 70 g Zucker im Harn, weshalb nicht operiert
wurde. Auffallend war die starke Entwicklung der Haare. Infolge Diät
fiel der Zucker im Januar auf 6 g. Patientin, die sich selbst nicht
pflegen und rasieren konnte, zeigte damals einen starken schwarzen Bart
und Schnurrbart, stark gerötetes Gesicht mit leichtem Exophthalmus
und eine frontoparietale Calvitis, wie sie Männern eigen ist. Ferner fiel
die männliche Stimme und starke Entwicklung der Muskulatur auf. Die
Genitalien zeigen starke Hypertrophie der Clitoris, die 4 cm misst und
von einem starken Präputium bedeckt ist. Alle diese Veränderungen
waren nach der Menopause eingetreten; Patientin hat seither auch ihre
Lebensweise geändert und machte nur schwere Handarbeiten. Am
3. Februar wurde die Laparotomie gemacht. Der kindskopfgrosse Uterus
wurde entfernt. Die Exploration der Nebennieren zeigte beiderseits eine
Gesohwulst von Fibrolipomkonsistenz über den Nieren. Der Uterus war
nicht fibromatös, sondern nur stark hypertrophiert. Die Affektion ent¬
spricht dem von Gi bbert-Ballet beschriebenen Nebennierenvirilismus.
Bei Virilismus muss man an Nebennierentumoren denken und dem¬
entsprechend behandeln.
Sociötö mödlcale des höpitaux.
Sitzung vom I. Mai 1914.
HHr. Crouton und Foix zeigen ein Mädchen mit heredosyphilitischer
Vitiligo. Vom 10. Jahre an entwickelte sich eine sehr starke Vitiligo
gleichzeitig mit beredosyphilitischen. Zahnmissbildungen. Die Mutter
bat beginnende Tabes mit positivem Wassermann, so dass die Aetio-
logie sicher scheint und eine spezifische Behandlung verlangt.
Diskussion. Hr. Milian hält die Vitiligo direkt für eine syphi¬
litische Erscheinung, direkt durch Syphilis bedingt ohne Mitwirkung
tropbischer Störungen.
Hr. Pagniec beschreibt oscillouetriaeke Beobachtungen bei einem
Fall von Arteriitis bumeralis. Der 62 jährige Patient war wegen Schwache
des linken Arms mit Sohmerzen im Ellenbogen in Behandlung ge¬
treten. Es fehlten Störungen bei oberflächlicher Circulation und der
Temperatur des Arms. Daneben fehlte der Radialpuls vollkommen.
Rechts konstatierte man eine Tensio maxima 19 und minima 9 mit
Amplitude der Oscillationen von 7 Teilstrichen. Links konnte man den
Blutdruck nicht messen, die sehr kleinen Oscillationen von nur einem
Teilstrich zeigten sich bei einem Druck von 10. Nach 2 Tagen war der
Befund der gleiche, naob 8 Tagen waren die Pulsschläge des Radialis
wieder fühlbar; es bestand ein Druckmaximum von 15 und -Minimum von
8 mit Amplitude der Oscillationen von 4 Teilstrichen. Nach einem Monat
erreichten diese 5 Teilstriche, auf der gesunden Seite 7. Die Dauer der
Erscheinungen war so lang, dass von einem Arterienspasmus nicht die
Rede sein kann. Wahrscheinlich handelt es sioh um eine Atherompustel,
die nach ihrem Platzen das Lumen der Arterie wieder frei machte.
Hr. Comby und Frl. Cond nt haben mit Erfolg den Nicolle’sohen
Antigonokokkenimpfstoff bei akuter gonorrhoiseber Vulvovaginitis der
kleinen Mädchen verwendet. Ausser 15 solcher Fälle wurden noch eine
gonorrhoische Peritonitis, eine Ophthalmie und Urethritis eines kleinen
Knaben behandelt, und zwar mit gleich gutem Erfolg. Der Impfstoff
wurde alle 3—4 Tage tief in die Oberscbenkelmuskeln injiziert, und
zwar 1—lVs com mit 2 com NaCl-Serum vermischt. Die lokale und
allgemeine Reaktion sind gering, etwas Schmerz, Rötung, selten Tempe¬
ratur von 39°. Rasch nimmt die Soheidensekretioo, ohne gleichzeitige
Lokalbehandlung, ab. Der Nioolle’scbe Impfstoff wirkt also nicht nur
gegen die Komplikationen, sondern gegen die Krankheit selbst.
Psychobiologie.
Zum Andenken an August Pauly.
Von
Dr. Max Friedemann-Berlin.
Am 12. Februar d. J. starb August Pauly, Professor der ange¬
wandten Zoologie in München. Mit ihm ist einer der unermüdlichsten
Vorkämpfer für den Neo-Lamarckismus in Deutschland dahingegangen,
dessen Werk „Darwinismusund Lamarckismus“*) weit über den Kreis der
Fachgenossen hinaus Verbreitung und Anerkennung fand. Wir wollen
I) Pauly, Darwinismus und Lamarckismus. Versuch einer psycho-
pbysisohen Teleologie. München 1905. 335 S.
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1442
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 30.
das Andenken des anoh menschlich so sympathischen Forschers dadurch
ehren, dass wir heute ein Bild von der Forschungsriohtung zu entwerfen
versuchen, deren Ausbau Pauly einen grossen Teil seiner Lebensarbeit
gewidmet bat, nämlich der Verbindung von Biologie und Psychologie
oder der sogenannten „Psychobiologie“.
Unter diesem Worte lassen sioh eine Reihe verschiedener Strömungen
in der modernen Biologie zusammenfassen, die unter sich in vieler Be¬
ziehung verschieden, von einer gemeinsamen Tendenz getragen werden.
Worin diese besteht, wollen wir am besten durch einen summarischen
Ueberbliok über die Lehren einzelner ihrer Hauptvertreter anschaulich
maohen.
Die heutige Facbpsyohologie arbeitet vorwiegend mit zwei Methoden,
mit dem Experiment und mit der reinen Introspektion (Phänomenologie
Busserl, Brentano u. a.). Beiden Richtungen gemeinsam ist, dass
sie die subjektiv zu erfassenden Bewusstseinsvorgänge zum Gegenstand
der Forschung nehmen 1 )* Von diesem Prinzip muss aber schon die ver¬
gleichende Psychologie abweichen, denn in der Tierpsychologie können
ja die Bewusstseins Vorgänge naturgemäss nur als wahrscheinlich er¬
schlossen werden. Mit je tieferen Tiergattungen der Psychologe arbeitet,
desto unsicherer wird der Boden, und so ist es nicht zu verwundern,
dass die einzelnen Forscher je nach ihrer persönlichen Anschauung mehr
zu einer seelischen (z. B. Forel, Fahre, Maeterlinck) oder einer
mechanisch-physiologischen (z. B. Bethe, Jacques Loeb) Interpretation
ihrer Beobachtungen hinneigen. Biologen, wie v. Uexküll, lehnen die
Möglichkeit einer vergleichenden Psychologie überhaupt als eine contra-
dictio in adjecto radikal ab, während Forel mit Recht geltend macht,
dass man streng genommen dann nur Individualpsychologie treiben
dürfe. Einen Mittelweg sucht die sogenannte „objektive Psychologie“
(Morgan, Thorndike, Bechterew u. a.) einzuschlagen, die sich die
Erforschung des objektiven Verhaltens (animal bebaviour) zur Aufgabe
macht Allerdings erhalten ihre Ergebnisse erst wieder durch Analogie
mit Bewusstaeinsvorgängen einen Sinn.
Einen wesentlichen Schritt weiter gebt nun die Psychobiologie. Für
sie ist im Grunde genommen Bios und Psyche identisch und die Be-
wusstseinsschranke von nicht ausschlaggebender Bedeutung. In den
Lebensäusserungen des einfachsten Organismus offenbaren sich einerseits
Gesetzmässigkeiten, die uns eigentlich nur in der psychischen Welt un¬
mittelbarer gegeben sind, und andererseits tritt uns — was auf dasselbe
hinauskommt — in den höheren Bewusstseinsphänomenen nur intro¬
spektiv und in grösster Vollkommenheit das Walten desselben Lebens-
prinzipes entgegen, dessen Zweckmässigkeit das gesamte organische Reich
beherrscht. Nur die Einseitigkeit der physikalisch-chemischen Aera
konnte das eigentliche Wesen der Lebenstätigkeit übersehen. Hier be¬
rührt sich also die Psychobiologie mit dem Neovitalismus, der ja heute
zwar noch erbittert bekämpft wird, unzweifelhaft aber in den letzten
25 Jahren an Boden gewonnen hat. Es wäre aber ungerechtfertigt,
in der Psychobiologie nichts weiter als ein Wiederaufleben der aristoteli¬
schen Entelechie oder eine Fortsetzung der alten Naturphilosophie er¬
blicken zu wollen, vielmehr betont sie gerade mit Nachdruck die Not¬
wendigkeit empirischer Forschung. Biologie und Psychologie sollen sich
zu vereinbarter Arbeit die Hände reichen, um auf Grund empirisch auf-
zuatellender gemeinsamer Begriffe das beide Disziplinen umfassende Leben
zu erforschen.
Zu diesem Zwecke muss gerade die von der modernen Natur-
forsohung unter dem faszinierenden Einfluss des Darwinismus als
„Anthropomorphismus“ bei Seite geschobene Zweokmässigkeit des organi¬
schen Geschehens, die Teleologie, das Ziel ihrer Arbeit sein. Zwar ist
es richtig, dass wir den Zweckbegriff ursprünglich aus der Selbstbeob¬
achtung des menschlichen Handelns entnommen haben; das scbliesst
aber keineswegs aus, dass wir die Zweckmässigkeit als empirisch zu er¬
forschende Realität gleichberechtigt mit dem Kausalgeschehen anerkennen,
woran im übrigen die älteren grossen Naturforscher und Philosophen
kaum je gezweifelt haben.
Schon Schopenhauer 2 ), der eigentliche Vater der Psychobiologie,
erkannte mit genialem Blick die nahe Verwandtschaft der zweckmässigen
Lebensvorgänge mit der Psyche, verblieb aber mit seinem Willen in der
Welt der Natur auf rein metaphysischem Gelände.
Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt ging erst E. Pflüger (1877)
in seiner teleologischen Mechanik an das Problem heran, indem er die
Rolle des Bedürfnisses betonte und den bedeutsamen Satz aufstellte,
dass die Ursache eines Bedürfnisses stets auch die Ursache seiner Be¬
friedigung darstelle.
In der heutigen Psyohobiologie ist der Gesichtspunkt der einzelnen
Forscher ein etwas verschiedener, je nachdem sie als Biologen durch
eine psychologische oder mehr als Psychologen durch eine biologische
Betrachtungsweise ihre Wissenschaft zu vertiefen oder schliesslich für
beide Disziplinen eine gemeinsame Unterlage zu gewinnen suchen.
In die erste Gruppe gehört Pauly. Ausgehend von der zweck¬
mässigen Anpassung stellt er dem Darwinismus wieder das alte
Lamarck’sche Prinzip entgegen und versucht au einem grossen Tat¬
sachenmaterial darzutun, dass die Anpassung eines Organs nur aus seiner
Funktion verstanden werden könne. Mit der Funktion befindet er sioh
aber sogleich auf psychischem Gebiet. Denn die Funktionsänderung
setzt ein Bedürfnis dazu voraus, und die Befriedigung dieses Bedürfnisses
1) Auch in der soeben erschienenen ausgezeichneten Psychologie
von Messer wird ausdrücklich dieser Standpunkt vertreten.
2) Schopenhauer, Der Wille in der Natur. Kleinere Schriften.
erfolgt wiederum durch Wahl eines geeigneten Mittels. Die Zweck¬
mässigkeit dieser Wahl wird uns aber nur verständlich, wenn wir der
lebendigen Substanz dem Gedächtnis und dem Urteilsvermögen analoge
Eigenschaften zuerkenuen. Das Streben, durch in Funktion setzen eines
Organs auf veränderte Lebensbedingungen in zweckmässiger Weise zu
reagieren, findet sein adäquates Analogon nur in Willensvorgängen. Die
Entwicklungsgeschichte bietet nun für Pauly eiue Möglichkeit, diese
primitiven Psycbismen auf allen Stufen der Lebenswett empirisch unter¬
suchen und ihre Entwicklung in höhere Stadien verfolgen zu können.
Eine die Welt beherrschende Zielstrebigkeit (im Sinne von Nägeli’s
nisus formativus) ist abzulehnen; der Organismus entwickelt sich nur
entsprechend des durch Milieueinflüsse geweckten Bedürfnisses, auch ist
das zur Befriedigung des Bedürfnisses dienende Mittel keineswegs ein
beliebiges, sondern — und das ist ein biologisch wichtiges Moment in
Pauly’s Ausführungen — es wird stets an eine zufällig vorhandene
Eigenschaft angeknüpft. Ein Beispiel möge zur Erläuterung dienen:
Viele Insekten besitzen einen Apparat zur Reinigung ihrer Fühler,
der sich bei den einzelnen Gattungen aber merkwürdigerweise an ver¬
schiedenen Extremitäten befindet. Der entwicklungsgeschichtlicbe Grand
ist, dass zufällige Vorsprünge an den Beinen zur Erzeugung eines spalt¬
artigen Apparates benutzt werden, durch den das Tier die Fühler in
rhythmischer Bewegung bei der Reinigung hindurohzieht.
Zur weiteren Bestätigung könnten hier auch Beobachtungen von
Jennings an Paramaecien angeführt werden. Jennings erzeugte bei
diesen Protozoen durch Uebertragung aus einem armen in ein nahrungs-
reiches Milieu einen bornartigen Protoplasmavorsprung, der dann in
späteren Generationen allmählich als Gleitvorrichtung verwendet wurde.
Voraussetzung für die Benutzung eines solchen Mittels ist natürlich,
dass einmal eine diesbezügliche Erfahrung gemacht sein muss. Ferner
muss zwischen den einzelnen Teilen des Organismus eine Art Ver¬
ständigung über die jeweiligen Bedürfnisse stattfinden. So gelangt
Pauly schliesslich in konsequenter Weise dazu, auch der Zelle psychische
Qualitäten zu erteilen. Dieselbe Gesetzmässigkeit tritt uns aber auch
auf höchster Entwicklungsstufe entgegen, z. B. in der mit bewusster
Intelligenz geschaffenen Technik, die gewissermaassen ein treues Abbild
der phylogenetischen Entwicklung bildet So entwirft Pauly das Zu¬
kunftsbild einer biologischen Psychologie, in der auch die Aesthetik aus
biologischen Gesichtspunkten abzuleiten wäre. Auf den Versuch einer
philosophischen Begründung seiner Lehre, die er mit der Energetik ver¬
binden will und der mir recht anfechtbar erscheint, soll hier nicht näher
eingegangen werden.
Nachdem Haberland’s Entdeckung von Sinnesorganen bei Pflanzen
und die Auffindung von dem Web ergeben Gesetz entsprechenden
funktionellen Beziehungen in der Pflanzensensibilität die Botanik Wieder
psychischen Problemen nähergeführt hatte, wurden auch im botanischen
Lager Stimmen laut, die für ähnliche Ideen wie Pauly eintraten.
Besonders ist hier neben Franc6 Adolf Wagner 1 ) zu nennen, der in
seiner geistvollen vergleichenden Tier- und Pflanzenkunde die Annahme
psychischer Eigenschaften bei Pflanzen als unumgänglich zu beweisen
sucht. Sein Werk ist reich an Beispielen komplizierter Associations¬
vorgänge, die er auf Gedächtnis, Empfindung und primitive Urteils¬
prozesse zurückführt; ja, vor der bekanntlich meist bestrittenen An¬
nahme von Reflexvorgängen bei Pflanzen schreckt er nicht zurück und
glaubt auch in der Reizleitung (im Anschluss an Fitting’s Versuche)
von einem psychischen Prinzip nicht absehen za können. In neuester
Zeit ist von italienischer Seite, wenn auch in sehr zurückhaltender
Weise, Camillo Acqua 2 ) für die Existenz psyohischer Eigenschaften
im Pflanzenreich eingetreten.
Gegen Pauly’s Neo-Lamarokismus ist von biologischer Seite
[Goldsohmidt 8 )] die Unmöglichkeit experimenteller Prüfung ins Feld
geführt worden, ferner die Niohtvererbbarkeit erworbener Eigenschaften.
Auch die de Vries’schen Mutationen dürften 4pm Lamarckismus noch
Schwierigkeiten bereiten. Was die Nichtvererbung erworbener Eigen¬
schaften an betrifft, so scheint sioh in letzter Zeit ein entschiedenes Ab-
schwenken aus dem extremen Weissmaun’schen Lager in der Biologie
bemerkbar zu maohen (unter anderen Standfuss, Kämmerer und
seine Schule, Semon, Tower mit Betonung der sensiblen Phase). In
seinen psychologischen Deutungen wird man Pauly nicht so ohne
weiteres folgen können. Denn die Anwendung einer aus der mensch¬
lichen Psychologie entlehnten Terminologie auf die niedersten Stufen der
lebendigen Welt erscheint mir recht bedenklich und zu sehr der Gefahr
des Anthropomorphismuus zu unterliegen, vor dem schon Kant gewarnt
hat, abgesehen davon, dass uns ja auch für die Möglichkeit weit¬
gehender morphologischer Veränderungen dnreh Willensvorgänge jede
Erfahrung fehlt. Ohne Voraussetzung lässt sich nur so viel sagen, dass
die Lebensvorgänge so abliefen, „als ob“ sie von Willen, Urteil usw.
begleitet würden. An Stelle von „psychisch“ sollte man vorläufig den
von Gustav Wolff vorgeschlagenen und von Driesch adoptierten
Terminus „psychoid“ setzen, um das Missverständnis zu beseitigen, als
ob man damit siohere Bewusstsei ns Vorgänge bezeichnen wolle. Trotz
1) Adolf Wagner, Vorlesungen über vergleichende Tier- und
Pflanzenkunde. Leipzig 1912. 518 S. Ferner seine Geschichte des
Lamarckismus.
2) Camillo Acqua, Eaistouo fenomeni psichologici nei vegetali?
Scientia 1914, Bd. 15, Nr. 84, 2.
3) Richard Goldschmidt, Einführung in die Vererbungswissen-
sebaft. Leipzig 1911. S. 185,
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UNIVERSUM OF IOWA
27. Juli 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1448
der Wesensähnlichkeit von Psyche und Bios erscheint es mir geboten,
an Stelle von Wille, Urteil usw. besser voraussetzungslose Begriffe ein¬
xuführen, denn die menschlichen Bewusstseinsvorgänge stellen jedenfalls
eine solche spezielle Differenzierung dar (vgl. unten Berg so n), dass sie
zweckmässigerweise nicht zur Grundlage für die gesamte Lebewelt ge¬
wählt werden sollten.
Zu den Hauptvertretem derjenigen Forschungsrichtung, die die
Psychologie auf biologische Basis zu stellen bestrebt ist, gehört Oskar
Kobnstamm 1 2 ), der überdies das Wort „Psychobiologie“ geprägt bat.
E. siebt in dem organischen Geschehen zwei verschiedene Prinzipien, ein
zwecktätiges (teleoklines) und em ausserzweokhaftes. Das Wesen des
ersten fasst er in dem Begriff der „Reizverwertung“, charakterisiert da¬
durch, dass die Reaktion auf den Reiz passt wie die Schale auf das
Ei (z. B. Sekretion des Magensaftes auf den Nahrungsreiz). Das zweite
wird durch die „Ausdruckstätigkeit u im weitesten Sinne repräsentiert.
Der Ausdruck einer Gemütsbewegung ist z. B. verständlich, aber keines¬
wegs in seiner speziellen Form durch das zugehörige Gefühl eindeutig
bestimmt. Sowohl die Lebenserscheinungen als auoh die Bewusstseins-
vorgänge werden von diesen Prinzipien in gleicher Weise beherrscht.
Die Willenshandlung ist biologisch nichts weiter als eine Reizverwertung,
als deren Subjekt ich mich fühle. Die Intelligenz ist als bewusste
Reizverwertung der Anpassung in der organischen Natur biologisoh an
die Seite zu stellen.
Die scheinbare Zweckmässigkeit vieler Ausdruckstätigkeiten erklärt
Kobnstamm ähnlich wie Piderit als symbolische, im Gegensatz zu
Darwin, der sie ja bekanntlich auf vererbte gewohnbeitsmässig assoziierte
Zweckhandlungen zurückführte. Es werde z. B. moralischer Abscheu
(eine echte Ausdruckstätigkeit) durch eine Würgbewegung wie beim
physischen Ekel (wo es zweckmässig ist, also eine Reizverwertung
bedeutet) ausgedrückt. Dem Würgen entspricht dabei kein vitales
Interesse des Organismus, sondern es klingt nur auf dem Wege der
Gefühlsassoziation an, weil moralischer und physischer Ekel durch den¬
selben Gefühlston verknüpft sind (Resonanztheorie der Gefühle). Zu
den Ausdruckstätigkeiten gehören biologisch betrachtet die Kunst,
Religion, die Sprache bei ihrem Ursprung usw. Der Künstler beseelt
das Kunstwerk mit seiner Ausdruckstätigkeit durch „projektive Ein¬
fühlung“, die künstlerische Kontemplation erfolgt auf dem Wege der
„reoeptiven Einfühlung“. Die unmittelbar wahre Verständlichkeit, mit
der sich das Wesen eines Organismus ausdrückt, ist das biologische
Vorbild für die Kunst (was Göthe bereits, wenn auch ohne strenge
Formulierung, vorgesohwebt hat) und die biologischen Gesetze der Aus¬
druckstätigkeit müssen daher die Grundlage der Aethetik bilden. In
bezug auf die Anwendung der Kohnstamm’schen Ideen auf medizinische
und andere Probleme muss auf die Arbeiten des Verfassers verwiesen
werden.
Der Hauptwert der Kohnstamm’schen Theorien scheint mir in der
scharfen Formulierung, der geschickten Terminologie sowie in seiner
Theorie der Ausdruckstätigkeit zu liegen. Dadurch aber, dass er dem
Ausserzweckhaften auch biologisch die Gleichberechtigung mit dem
Zweckhaften in der Welt erteilt, wirkt er in philosophischer Beziehung
befreiend und legt zugleich den Grundstein zu einer biologischen Welt¬
anschauung. ln den Einzelheiten wird man Kohnstamm nicht so ohne
weiteres folgen können. Zunächst fehlt noch die breitere Durcharbeitung
auf der Basis der Tatsachen. In der „ReizVerwertung“ eine letzte, weiter
nicht auflösbare Eigenschaft der lebendigen Substanz zu erblicken, er¬
scheint mir ein der Biologie nicht empfehlenswertes Dogma. Dass die
Ausdruckstätigkeit nicht das alleinige ausserzweckhafte Prinzip in der
Natur darstellt, bemerkt Kohnstamm in seiner letzten Arbeit mit
Recht. Vielleicht deuten manche neuentstehende Variationen (z. B.
Farbenzeichnungen mancher Tiere), ferner ein Teil der Mutationen bei
Oenothera Lamarckiana, bei denen sioh bisher der Charakter einer zweck-
haften Anpassung noch nicht erkennen lässt, auf ein solches weitumfassendes
Prinzip. Auch über den reinen Zweokcharakter der Mimikry kommt
man in letzter Zeit ins Schwanken (Cuönot, Rabaud), und von
paläontologisoher Seite hat bereits Stein mann auf die Existenz direkt
unxweckmässiger zum Aussterben führender Entwicklungstendenzen hin¬
gewiesen. Was die Theorie der Ausdruokstätigkeit anbetrifft, so scheint
sie mir, obwohl auf dem richtigen Wege, nur einen Teil der Tatsachen
ungezwungen erklären zu können. Vor allem berührt sie das Problem
nicht, wodurch Gemütsbewegung und Reizbewegung denselben Gefühlston
erwirbt. Hier hat eine zukünftige Entwicklungsgeschichte der Gefühle
ergänzend einzusetzen.
Unter den Forschern der dritten Gruppe (Schaffung einer mehr
neutralen Grundlage für Biologie und Psychologie) muss neben seinen
Vorgängern Hering und Samuel Buttler Richard Semon*) an
erster Stelle genannt werden. Sein Werk, in dem er die gesamten Re¬
produktionserscheinungen der lebendigen Substanz (Vererbung, Regene¬
ration usw.), mi t denen des Bewusstseins (Gedächtnis, Assoziation) unter
das gemeinsame Prinzip der „Mneme“ bringt, ist wohl zu bekannt, als
1) 0. Kohnstamm, Kunst als Ausdruckstätigkeit, München 1907.
Derselbe, Zwecktätigkeit und Ausdruckstätigkeit. Aroh. f. Psych., 1913,
Bd. 29; siehe ferner seine „Intelligenz und Anpassung“, sein System
der Neurosen vom psychologischen Standpunkt und andere Arbeiten..
2) Richard Semon, Die Mneme als erhaltendes Prinzip im
Weohsel des organischen Gesohebens, 1908, 2. Aufl.; Bd. 2, Die mnesti-
echen Empfindungen.
dass an dieser Stelle näher darauf eingegangen zu werden brauohte. Es
sind hier die Vorteile einer voraussetzungslosen Terminologie (Engramm,
Ekphorie, mnestisohe Homophonie) mit denen einer gewissenhaften
wissenschaftlichen Durcharbeitung an der Hand von einem grossen Tat¬
sachenmaterial vereinigt. Wenn Semon selbst es vielleicht ablehnen
wird, als „Psycbobiologe“ in unserem Sinne genannt zu werden, so
liegt das daran, da9s er zwar die mnestische Fähigkeit als Grundeigen¬
schaft der lebendigen Substanz ansieht, aber trotzdem keine neo¬
vitalistische Konsequenz daraus zieht. Einen Fehler des Semon’sohen
Werkes, dessen Ideengehalt sich bereits auf den verschiedensten Ge¬
bieten als fruchtbar erwiesen hat, möchte ich darin erblicken, dass
Semon allzu einseitig seine Mneme für alles organische Geschehen ver¬
antwortlich macht und dabei zu sehr in das Fahrwasser einer öden
Assoziationspsychologie gerät.
Unter den Fachphilosophen können vornehmlich zwei, Eduard
v. Hartmann und Henri Bergson als Psyobobiologen angesehen
werden. (Herbert Spencer dürfte hier kaum in Betraoht kommen.)
E. v. Hartmann 1 ), neben dem auch einige Vertreter des Neo¬
vitalismus angeführt werden könnten, ist schon frühzeitig in seiner
Philosophie des Unbewussten mit Nachdruck für die unbewusst psychische
Natur der Lebensvorgänge eingetreten, deren Wesen er sich in unräum¬
lichen Gestaltungskräften vorstellte (analog Driesch’s Entelechie,
R e i n k e ’s Gestaltungsdominanten). Mit gleich meisterhafter Beherrschung
von Psychologie und Biologie hat er später namentlioh in seinem „Problem
des Lebens“ eine philosophische Fundierung der Psychobiologie versucht.
Das Bewusstsein ist für ihn nicht wesenverschieden von dem organischen
Geschehen; ja er schreckt nicht von der Annahme einer psychophysi¬
schen Kausalität zurück, über die ja die Akten auch heute noch lange
nicht geschlossen sind. Die scharfe Schranke zwischen Bewusstsein und
Physischem, die in dem psychophysischen Parallelismus grell zutage
tritt, sollte durch die Mittelstellung des unbewusst Psychischen, das mit
dem Bewusstsein im Verhältnis einer „allotropen Kausalität“ steht, über-
brückbar sein.
Weit tiefer in die Metaphysik führt uns Henri Bergson*), über
dessen revolutionäre Philosophie wir an dieser Stelle nur ein Streiflicht
werfen können. Für ihn vermag keine der biologischen Theorien (Dar¬
winismus, Orthogenese, Lamarckismus) das eigentliche Wesen des Lebens
restlos zu erfassen, wie dasselbe überhaupt nicht durch wissenschaftliche
Begriffe zu erschöpfen ist. Denn unser Verstand hat sich als differenzierte
Anpassung an unsere Bedürfnisse als handelnde Wesen berausgebildet
und lässt uns die Realität quasi nur als kinematographisehes Moment¬
bild erkennen. Das Leben aber ist ein Ganzes, gleich einem mächtigen
Strome (elan vital), der durch die Materie braust und durch sie in seinem
Impulse aufgehalten wird. Sich in viele Arme gabelnd, treibt er in stetiger
Neuschöpfung zur fortschreitenden Entwicklung. Intelligenz und Instinkt
sind zwei verschiedene Pole dieses Prozesses. Erst beide zusammen
könnten uns ein Abbild des Lebensstromes geben. Aufgabe der Philo¬
sophie ist es, sich durch eine „Intuition“ in den ursprünglichen Lebens¬
strom zurückzuversenken. Dann erscheint uns auch unser Bewusstsein
als eine unteilbare Qualität von wahrer qualitativer und nicht quantita¬
tiver Dauer (duree reelle), in ständiger Neuschöpfung begriffen. Leben
und Bewusstsein sind ein und dasselbe. In dem Werke „Mattere et
memoire“ hat dann Bergson auf der Basis eines dynamischen Dualis¬
mus eine Vereinigung von Realismus und Idealismus versucht.
So wenig eine solche gewiss recht angreifbare metaphysische Philo¬
sophie der Naturwissenschaft Positives zu geben vermag — und Berg-
son’s Auffassung von der Wissenschaft 9chliosst das geradezu ans — so
wird sich jeder Leser von der anregenden Wirkung Bergson’s be¬
sonders in seiner Kritik von Biologie und Psychologie überzeugen. Für
unsere psychobiologische Betrachtung fällt ins Gewicht, dass Bergson
die Erkenntnis biologisch orientiert und Bios und Psyche als Ausfluss
eineu und desselben Prinzipes auffasst. Gerade seine biologische Ab¬
leitung der Intelligenz wird uns aber eine Warnung sein können, unsere
psychobiologiscben Begriffe nicht zu sehr nach dem Vorbild unserer
eigenen psychologischen Erfahrung zu prägen.
Hiermit wollen wir unseren keineswegs auch nur annähernd voll¬
ständigen Ueberblick abschliessen. Gewiss noch schwankend und noch
wenig ausgearbeitet ist bisher das Fundament, auf dem die Psycbobio-
logie ruht. Es ist eben die ganze Forschung noch zu sehr im Fluss,
um schon jetzt endgültige Ergebnisse gezeitigt zu haben. Eins aber
scheint schon heute hervorzugehen, dass eine biologische Weltanschauung
gegenüber der mechanischen berufen ist, uns tiefer in die Geheimnisse
des Lebens und der Psyche hineinzuführen. Und wenn die Wissenschaft
auf diesem Wege fortschreitet, so ist auoh August P au ly’s Lebens¬
werk nicht umsonst gewesen.
1) E. v. Hartmann, Das Problem des Lebens. Biologische Studien.
1906, 440 S.
2) Henri Bergson, L’övolution cröatrice. 18 6dit. 1918, 408 p.
— Derselbe, Essai sur les donnäes immödiates de la oonscienoe.
12 6dit. 1918, 184 p. — Derselbe, Matfere et mömoire* Essai sur
la relation du corps ä Pesprit. 10 6dit 1918, 279 p.
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UNIVERSITV OF IOWA
1444
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 80.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In der SitauDg der Berliner medisin. Gesellschaft
vom 22. Juli demonstrierte vor der Tagesordnung Herr Erwin Frank
eine totale Alopeoie. Hierauf hielt Herr Hans Virchow den aDge-
kündigten Vortrag über Situs der Brusteingeweide bei Kyphose, und die
Herren Krusius und Borchard ihren Vortrag über Refraktions¬
bestimmung bei Schulkindern. Herr Skalier sprach dann noch über
die Untersuchung des Magens mittels Sekretionskurve (Diskussion: die
Herren Fuld, Bickel, Ullmann).
— ln der Sitzung vom 17. Juli der Vereinigung zur Pflege
der vergleichenden Pathologie (Vorsitzender: Herr Geheimrat
Prof. Dr. Regenbogen) wurde die durch eine Petition des Geschäfts¬
ausschusses der Berliner ärztlichen Standesvereine an den Polizei¬
präsidenten aufgeworfene Frage, ob die Verunreinigung der Strassen
Gross-Berlins durch Hundekot als ein erheblicher sanitärer Missstand an¬
zusehen sei, besprochen. Herr Regenbogen verneinte in einem auf
reichem klinischen und statistischen Material gestützten Vortrag die
Frage für alle Infektionskrankheiten mit Ausnahme der Echinokokken¬
affektion. Durch die Fleischbeschau aber ist die Verfütterung von
Echinokokkenblasen enthaltendem Fleisch an Hunde fast unmöglich ge¬
worden. Vortr. selbst hat unter 187 000 Hunden keinen Fall von Taenia
echinococcus beobachtet. Die Gefahr, dass also gerade durch den Hunde¬
kot Bandwurmeier auf den Menschen übertragen werden sollten, sei
minimal. In der Diskussion bestätigten die Herren Eberlein und
Sohmey die Seltenheit des Hundebandwurms nach eigenem, sehr
grossem Material, die Herren v. Siegfried und Heller berichteten, dass
aus dem pathologischen Material der Herren Benda, Westenhöfer,
Koch, Rheindort sich kein Anhaltspunkt für die Schädlichkeit des
Hundekots für den Menschen ergäbe. Die Echinokokkenkrankheit des
Menschen sei trotz der Zunahme der Hundehaltung seltener geworden.
Herr E. Patscbkowski hielt die Unschädlichkeit der Strassenverun-
reinigung doch für nicht ganz bewiesen und trat für die auch aus
ästhetischen Gründen zu begrüssende schleunige Entfernung der Hunde-
exkremente von den Strassen ein. Herr Bruno Hey mann berichtet, dass
er sehr oft im Hundekot Paratyphusbacillen (Typus B) gefunden habe, und
glaubt, dass eine Verschleppung des Paratyphus durch Hundekot mög¬
lich sei. — Herr Heller demonstrierte Favus der Lerche und der
Nachtigall (bisher in der Literatur nicht beschrieben) an makro¬
skopischen und mikroskopischen Präparaten. Herr Regenbogen zeigte
Präparate von Taenia echinococcus im Hundedarm und demon¬
strierte an einem erfolgreich geimpften Meerschweinchen, dass die Tuber¬
kulose des Augenlids eines Papageies dem Typus humanus
angeb orte.
— Der IV. Internationale Laryngo-Rhinologenkongress
wird vom 9. bis 12. September in unmittelbarem Anschluss an den eben¬
falls in Hamburg stattfindenden Internationalen Otologenkongress tagen.
Aus Gründen der Zweckmässigkeit ist beschlossen worden, beide Kongresse
gemeinsam am Sonntag, dem 5. September, zu eröffnen. Als Themata
für die Referate sind seitens des Internationalen Komitees bestimmt
worden: 1. Pathogenese und Aetiologie der Ozaena. 2. Pathogenese und
Behandlung des Heuschnupfens. 3. Der Krebs des Kehlkopfes, seine
Diagnose und Behandlung. 4. Indikationen und Anwendungsweise der
physikalischen Methoden für die Behandlung der Kehlkopftuberkulose.
5. Die Erkrankungen der Nase und ihrer Nebenhöhlen im Kindesalter.
Präsident ist G. Killian, Berlin W., Lützowufer 2; Generalsekretär
G. Finder, Berlin W-, Augsburger Strasse 38.
— In der medizinischen Fakultät der hiesigen Universität habilitierten
sich folgende Herren: Dr. med. et phil. Otto Warburg (Vorlesung:
„Ueber die Rolle des Eisens im Mechanismus der Sauerstoffatmung“),
Dr. Friedrich Lotsoh („Der Infektionsmodus bei Kriegsschussver¬
letzungen“), Dr. Kurt Warnekros («Zur Prognose des Puerperalfiebers“).
— Zum Rektor der Universität München für das Studienjahr 1914/15
ist Prof. Friedrich v. Müller gewählt worden.
— Dr. Hans Guggenheimer, Assistent am poliklinischen Institut
der Universität Berlin, erhielt den Alvarenga-Preis der Hufelandischen
Gesellschaft über das Thema „Die Rolle der Fermente im tierischen
Stoffwechsel“. . _ , , _ __ . „„ ,
— Baineologischer Kurszyklus in Karlsbad. Unter Forde¬
rung des Internationalen Komitees für das ärztliche Fortbildungswesen
findet in Karlsbad in der Zeit vom 27. September bis 3. Oktober ein
Kurszyklus über Balneologie und Balneotherapie statt, in dem erste
Autoritäten aus der gesamten Kulturwelt als Dozenten mitwirken
werden. Alles Nähere ergibt der der heutigen Nummer beiliegende
Prospekt.
Hoch sch ulnachrichten.
Berlin. Geh. Ober-Medizinalrat Abel erhielt einen Ruf nach Jena
als Ordinarius für Hygiene. — Frankfurt a. M. Die medizinische Fakultät
wird folgende Zusammensetzung haben: Innere Medizin: Scbwenken-
beoher, Chirurgie: Rehn, Gynäkologie: Walthard, Dermatologie:
Herxheimer, Laryngologie: Spiess, Pädiatrie: v. Met'tenbeimer,
Otiatrie: Vobs, Ophthalmologie: Schnaudigel, Pharmakologie: Ehrlich
und Ellinger, Psychiatrie: Sioli und Raecke (als Extraordinarius),
Pathologie: Fischer, Neurologie: Edinger, Physiologie: Bethe und
Embden, Anatomie: Göppert, klinische Neurologie: Knoblauch,
Hygiene: Neisser, experimentelle Therapie: Sachs, experimentelle
Pathologie: Apolant, orthopädische Chirurgie: Ludloff, physikalische
Therapie: Strassburger. — Göttingen. Habilitiert: Dr. Blühdorn
für Pädiatrie. — Jena. Prof. Wittmaak erhielt die goldene Schwartze-
Medaille. — Leipzig. Habilitiert: Prof. Selter und Dr. Bürger für
Hygiene. — München. Habilitiert: Dr. Benjamin für Pädiatrie. —
Wien. Habilitiert: Dr. Ritter Aberle ▼. Horstenegg für ortho¬
pädische Chirurgie, Dr. Fischer für Geschiohte der Medizin.
Amtliche Mitteilungen.
Perwonalien.
Auszeichnungen: Königl. Krone zum Roten Adler-Orden
4. Kl.: Kreisarzt, Geb. Med.-Rat Dr. Behrend in Kolberg.
Roter Adler-Orden 4. Kl.: Kreisarzt a. D., Med.-Rat Dr. Bremer
in Anger bürg, Geh. San.-Rat Dr. Le Blanc in Opladen, Direktor n.
leitender Arzt des Oskar-Helene-Heims für Heilung und Erziehung ge¬
brechlicher Kinder io Zehlendorf, Kr. Teltow, Prof. Dr. Biesalski,
San.-Rat Dr. Preuss in Hannover, San.-Rat Dr. Berns in Mülheim
(Ruhr), San.-Rat Dr. Voigt in Erfurt.
Königl. Kronen-Orden 3. Kl. am weissen Bande mit sohwarzer
Einfassung: Oberstabsarzt a. D., Prof. Dr. Kuhn, bisher in der
Schutztruppe für Kamerun und kommandiert lur Dienstleistung beim
Reichs-Kolonialamt.
Ernennungen: ausseretatsroässiges wissenschaftliches Mitglied der
KöDigl. Landesanstalt für Wasserbygiene in Berlin-Dahlem Dr. med.
B. Bürger zum etatsmässigen Mitgliede der Anstalt; Arzt Dr. K.
Kauffmann in Willenberg zum Kreisassistenzarzt daselbst; Arzt Dr.
K. Tiling in Waldenburg i. Schl, zum Kreisassistenzarzt in Bialla.
Niederlassungen: Dr. C. Ebertshäuser in Vandsburg, F. Held
in Schwetz, H. Parow in Berlin-Lichterfelde, Dr. A. Herzberg in
Berlin-Tempelhof, Dr. W. Sandrock in Egeln, Dr. P. Keding in
Aschersleben, Dr. G. Trampedach in Weissenfels, Dr. E. Heintze
in Hannover, 0. Henrich in Schwelm, F. Stöcker in Boohum, 0.
Baum in Dortmund, Dr. F. Rueben in Aachen.
Verzogen: Aerztin Dr. F. Leuss von Bendorf a. Rh. naeh Limburg
a. L., Dr. H. Neu von Aachen, Dr. K. Schäfer von Baden-Baden
und Dr. H. Müller von Biebrich nach Wiesbaden, Dr. O. Wappen-
scbmidt von Wiesbaden nach Berchtesgaden, Dr. H. Müller von
Biebrich nach Dresden, Dr. K. Richter von Wehrawald i.Schwarzwald
nach Naurod (Heilstätte), Dr. A.Sommerfeld von Duisburg und Dr.
W. Hessel von Westerland (Sylt) nach Danzig, Dr. H. Foethke von
Berlin nach Elbing, Dr. L. Landsberg von Berlin nach Joachima-
tbal, H. Bing von Berlin naoh Woltersdorf, N. Roller von Berlin
nach Hoppegarten, V. Grzibek von Posen und Dr. A. Moritz von
Berlin nach Berlin-Reinickendorf, Dr. W. Klopsch von Kolberg nach
Freienwalde a. 0., Dr. W. Schasse von Berlin und Dr. P. Mollen¬
hauer von Dresden nach Grunewald-Forst b. Zehlendorf, Dr. B.
Künne von Berlin nach Berlin-Steglitz, Dr. A. Sandleben von
Berlin nach Südende, Dr. R. Weichbrodt von Berlin nach Sohlachten¬
see, E. Ho ff mann von Emmendingen nach Potsdam-Forst, Oberstabs¬
arzt a. D. Dr. K. Förster von Charlottenburg nach Spandau, Dr. E.
Wilke von Stuttgart nach Kolberg, Dr. B. Völker von Harbke nach
Vogelsang b. Gommern, Dr. R. F. W. Schulze von Hildesheim nach
Wolfen, Dr. E. Bertram von Niederorschel nach Hannover, Dr. W.
Wienert von Mors und J. Orths von Cöln nach Münster, Dr. K.
Hansen von Hombruch-Burg nach Olsberg i. W., F. Radefeldt von
Danzig nach Gelsenkirchen, F. P. Holtschmit von Braunschweig und
H. Schubert von Hagen nach Hamm, P. Hupe von Duisburg-Meide-
rich und Horstrup gen. Köddewig von Dortmund nach Letmathe,
0. Pott von Steinach naoh Hemer, W. Ammenhauser von Reck¬
linghausen nach Beisingbausen, M. Krng von Giessen nach Schwelm,
Oberstabsarzt z. D. L. Nordhof von Cöln-Deutz nach Dortmund,
W. Poller von Dortmund nach Bochum, P. Eichstädt von Erfurt
nach Flörsheim, Dr. M. Schieppers von Bingerbrück nach Oberlahn-
stein, Dr. K. Th. Bieger von Freiburg i. B. und Dr. 0. Sommer
von Buenos-Aires nach Bad Ems, Dr. P. Brandtner von Hamburg,
Dr. H. Dünschmann und Dr. 0. Rozenraad von Wiesbaden sowie
Dr. W. Braunschweig von Heidelberg naoh Bad Homburg v. d. H. t
Dr. E. Friedländer von Kemel nach Linkenhaus b- Lemgo.
Gestorben: San.-Rat Dr. 0. Herzfeld in Ascbersleben, Geh. San.-
Rat Dr. A. Schmitz in Dortmund, Kreisarzt a. D., Geh. Med.-Rat
Dr. E. Gleitsmann in Wiesbaden, Dr. E. Schnell in Oberlahnstein.
Berichtigungen.
In der Bücherbesprechung über Joachim und Korn: „Grundriss
des deutschen Aerzterechts“ in Nr. 29, Seite 1371 dieser Wochenschrift
muss es in der 6. Zeile heissen: und so eine Lücke in seinem Wissen
entsteht; in der 9, Zeile statt Rechts Reichs und in der 15. Zeile statt
Prägung Prägnanz. — m
In der Bemerkung „Zur Frage über die Konstitution der Nisslkorner
von M. Mühlmann in dieser Wochenschrift, Nr. 25, muss es in Zeile o
statt dass denn heissen.
För die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Han• Kohn, Berlin W., BayreutherStrww4t.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N. 4.
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Kr. 68, adressieren.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
64 Med.-R&t Prof. Dr. C. Posner and Prot Dp. Hans Rohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung iu Berlin.
Montag, den 3. August 1914. M31. Einundfiinfzigster Jahrgang.
INHALT.
Origtualiei: Landau: Myom und Schwangerschaft. (Aus der L. und
Th. Landau’scheu Frauenklinik zu Berlin.) S. 1445.
Klieneberger: Die Behandlung der Lungentuberkulose nach
Friedman d. S. 1446.
Gutmann: Salvarsan and latenter Mikrobismus. (Aus dem städti¬
schen Krankenhause zu Wiesbaden.) (Illustr.) S. 1448.
Martinotti: Epithelisierende Wirkung der Aminoazobenzole. (Aus
der dermatologischen Klinik der Universität Modena.) S. 1451.
Wqokowski: Weitere Erfahrungen in der Radiumbestrahlung
maligner Geschwülste. S. 1458.
Rabinowitsch: Urobilin und Diazoreaktion beim Flecktyphus.
(Aus der chemisch-bakteriologischen Abteilung des Gouvernements-
Semstwo-Krankenhauses in Charkow.) S. 1456.
Babinowitsch: Ueber den Flecktyphuserreger. (Aus der chemisch-
bakteriologischen Abteilung des Gouvernements-Semstwo-Kranken-
hauses in Charkow.) S. 1458.
Bendersky: Ein Fall von hochgradiger Fettleibigkeit (bzw.
Elephantiasis). (Illustr.) S. 1459.
Schmidt: Neuerungen im Bereiche der preossischen Heeressanitäts-
Verwaltung während des Jahres 1913. S. 1460.
Biekerkespreehuuge»: Volhard und Fahr: Bright’scbe Nierenkrankbeit.
S. 1468. (Ref. v. Hansemann.) — Boas: Die okkulten Blutungen.
S. 1463. Jehle: Die Albuminurie. S. 1468. Herz: Die Störungen
des Verdauungsapparates. S. 1463. Babkin: Aeussere Sekretion
der Verdauungsdrüsen. S. 1463. (Ref. Albu.) — Gaultier: Pröcis
de ooprologie olinique. S. 1463. (Ref. Ehrmann.) — Kruse und
Selter: Gesundheitspflege des Kindes. S. 1464. (Ref. Göppert.) —
Röder, Bieling, Spinak, Wienecke, Bickel: Geländebehand¬
lung herzkranker Kinder im Mittelgebirge. S. 1464. (Ref. Birk.) —
Tigerstedt: Physiologische Methodik. S. 1464. Hammarsten:
Physiologische Chemie. S. 1464. (Ref. Jacoby.) — Schmieden:
Der chirurgische Operationskurs. S. 1464. (Ref. Simon.) — Gocht:
Röntgenlehre. S. 1464. (Ref. Sohmidt.) — Kays er: Diagnose und
Therapie der Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. S. 1465.
(Ref. Brühl.) — Walb: Brüche des knöchernen Trommelfellrandes.
S. 1465. (Ref. Haike.) — v. Drigalski, Flachs, Fröhlich,
Granpner, Leubuscher, Sohmidt, Wehrhahn, Selter:
Deutsche Schulhygiene. S. 1465. (Ref. Lewandowsky.) — Hertwig
und v. Wettstein: Kultur der Gegenwart. S. 1465. Romani:
Pentosuria. S. 1466. (Ref. Neuberg.) — Lochte: Gerichtsärztliche
und polizeiärztliche Technik. S. 1466. Becker: Aerztliche Sach¬
verständigentätigkeit für die Unfall-, Invaliden-, Hinterbliebenen-
und Angestelltenversicherungsgesetzgebung. S. 1466. (Ref. Marx.)
Literatur- Auszüge: Physiologie. S. 1466. — Pharmakologie. S. 1467. —
Therapie. S. 1467. — Allgemeine Pathologie und pathologische
Anatomie. S. 1468. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1469. —
Innere Medizin. S. 1469. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1469. — Kinderheilkunde. S. 1469. — Chirurgie. S. 1470. —
Röntgenologie. S. 1471. — Haut- und Geschlechtskrankheiten.
S. 1472. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1472. — Hals-, Nasen-
und Ohrenkrankheiten. S. 1472. — Hygiene und Sanitätswesen.
S. 1472. — Schiffs- und Tropenhygiene. S. 1472. — Militär-
Sanitätswesen. S. 1473.
Verhaudluiige» ärztlicher Gesellschaft«»: Hufelandische Gesell¬
schaft zu Berlin. S. 1473. — Gesellschaft der Charit4-
Aerzte. S. 1477. — Berliner Gesellschaft für Psychiatrie
und Nervenkrankheiten. S. 1478. — Berliner mikrobio¬
logische Gesellschaft. S. 1481. — Berliner Gesellschaft
für Chirurgie. S. 1483. — Gesellschaft für Geburtshilfe
und Gynäkologie zu Berlin. S. 1484. — Medizinische
Sektion der schlesischen Gesellschaft für vaterländische
Cultur zu Breslau. S. 1485. — Medizinische Gesellschaft
zu Kiel. S. 1487. — Nürnberger medizinische Gesellschaft
und Poliklinik. S. 1488. — Aerztlioher Verein zu München.
S. 1488. — Gesellschaft für Morphologie und Physiologie
zu München. S. 1489. — Med. Gesellschaft zu Basel. S. 1489.
— Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde
zuWien. S.1489. — Aus Pariser med. Gesellschaften. S.1489.
Vindobonensis: Wiener Brief. S. 1491.
Tagesgesohichtl. Notizen. S.1492. — Amtl. Mitteilungen. S.1492.
Aus der L. und Th. Landau’schen Frauenklinik zu
Berlin.
Myom und Schwangerschaft.
Uterus myomatosus gravidus III mens, von IIV 2 Pfand
Gewicht.
Von
L. Lauda«.
(Nach einer Demonstration in der Berliner medizinischen Gesellschaft
am 8. Juli 1914.)
Trotz mancher Erfolge bei der symptomatischen Behandlung
von Myomen mittelst Mesothorium, Radium und Röntgenstrahlen
®ind wir doch noch häufig gezwungen, Myome chirurgisch zu be¬
handeln, insbesondere wenn es sich um die Komplikation einer
Myomatosta uteri mit Schwangerschaft handelt.
Wir tun gut, für die Behandlung dieser Komplikation im
ganzen vier Kategorien zu unterscheiden.
Bei der ersten, wohl die meisten Fälle umfassenden, ist die
genannte Komplikation bedeutungslos, Schwangerschaft und
Niederkunft gehen wie bei einem normalen Uterus vor sich,
h« « *^tive Behandlung wäre gänzlich überflüssig, ja schädlich;
ftanfig werden Myome nur zufällig während einer Untersuchung
in der Schwangerschaft oder nach der Niederkunft entdeckt, ohne
Klagen des Allgemeinbefindens und ohne jegliche lokale Störung.
In einer zweiten Kategorie von Fällen verursachen die
Myome schon in der Schwangerschaft derartige Erscheinungen,
dass ein exspektatives Verhalten für Mutter und Kind verderblich
wäre, und dass man genötigt ist, aktiv einzugreifen. Wenn irgend
angängig, soll man hier konservativ vorgeben und die Myome
mit Schonung des graviden Uterus enucleieren. Ich selbst habe
diese Operation bei 14 Franen ausgeführt, die die Operation nicht
nur sämtlich Überstunden, sondern bis auf einen Fall, bei welchem
der Abort eintrat, ausgetragen haben. Mehrere dieser Operierten,
bei welchen über mannsfaustgrosse Myome enucleiert wurden,
haben dann noch wiederholt, eine, welche ich vor 10 Jahren
operiert habe, noch fünfmal rechtzeitig geboren. Der grösste Teil
dieser Fälle ist in dem von Th. Landau herausgegebenen Buche
Myom und Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, Berlin 1910,
tabellarisch aufgeführt. 1
Bei einer dritten Reihe von Fällen verläuft die Schwanger¬
schaft trotz Komplikation mit Myom ohne jegliche Beschwerden;
aber Sitz und Grösse der Myome, Verdrängung der Gebärmutter
durch Myome, kurz mechanische Ursachen lassen erkennen, dass
exspektatives Verhalten am Ende der Schwangerschaft Mutter und
Kind aufs äusserste gefährden würde. Bei manchem retrouterinen
und retrovesicalen Myom würde sogar die Niederkunft per vias
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UNIVERSUM OF IOWA
1446
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 31.
naturales überhaupt unmöglich sein, ln solchen Fällen haben
wir uns während der Schwangerschaft jeglichen Eingriffes ent¬
halten und diesen für das Ende der Schwangerschaft oder für den
Wehenbeginn beschlossen und ausgeführt. Für uns kam hier
lediglich die Entwicklung der Frucht durch Sectio caesarea in
Betracht, an die sofort die totale oder supravaginale Entfernung
des myomalösen Uterus angeschlossen wurde. Auch hier haben
wir keinen Verlust weder der Mutter noch des Kindes zu beklagen.
Die vierte Kategorie von Fällen — und damit komme ich
auf den Fall, den zu demonstrieren ich mir jetzt erlauben
will — bezieht sich auf diejenigen Myome, bei welchen die Fort¬
dauer der Schwangerschaft das subjektive und objektive Befinden
verschlimmern und das Leben der Kranken gefährden wurde. Hier
etwa durch Einleitang eines Abortes helfen zu wollen, was leider
hier und da vorgescblagen wird und geschieht, halte ich nach
meinen Erfahrungen für durchaus verfehlt. An sich schon ist der
Abort wegen ungünstiger Lage der Gebärmutter und ungünstiger
Lage des Kanales bei Myomatosis uteri in einzelnen Fällen technisch
schwer auszufuhreu und wegen der Komplikationen gefährlich.
Gelingt er aber, so setzt man die Kranke der Gefahr einer neuen
Schwangerschaft aus und belässt ihr ihre Erkrankung.
Hier kommt nur die von meinem Bruder und mir bis jetzt
31 mal stets mit dem günstigsten Erfolge ausgeführte Hystero-
myomectomia uteri gravidi totalis oder supravaginalis in Betracht.
Die Ausführung der Operation ist im allgemeinen leicht; sie
wird nur da schwierig, wo die Myome sich besonders stark retro-
vesical oder intraligamentär entwickelt haben. leb zeige Ihnen
aus dem Atlas der Publikation von Tb. Landau naturgetreue
Abbildungen von vier ähnlichen Fällen von intraligamentärer
Entwicklung vor. Schon die Grösse der Myome zeigt Ihnen, dass
ein exspektatives Verfahren hier nieht am Platze war, und die
Zahl und der Sitz der Myome, dass eine konservative Myom-
enucleation nicht in Frage kommen konnte, sondern dass man im
Interesse der Gesundheit der Frau radikal vorgehen musste.
Der Fall, den ich heute morgen operiert habe und dessen
Präparat ich Ihnen jetzt demonstriere, ist den auf den Tafeln
gezeigten ähnlich.
Es handelt sioh um eine 31jährige, erst seit 4 Monaten verheiratete
Frau A. G., bei der seit 3 Monaten die Menses ausgeblieben waren. Das
Abdomen war bis zum linken und rechten Hypochondrium von soliden
Tumoren eingenommen. Den Gedanken, die Tumoren zu enucleieren,
musste maD, abgesehen von der Grösse dieser, schon darum fallen lassen,
weil, wie die Laparotomie zeigte, der Haupttumor, auf welchen der
3 Monate schwangere Uterus wie ein breiter Pilz aufsass, mit diesem
eine gemeinsame Wand hatte. Dieser grosse Tumor lag voll auf dem
kleinen Becken und hatte den schwangeren Uterus fast in toto bis in
das rechte Hypochondrium geschoben. Die beiden Blätter des linken
Ligamentum latum waren von ihm entfaltet, er selbst lag der linken
Darmbeinschaufel auf und war überdies durch primetritische Auflage¬
rungen fest mit dem Mesenterium und einigen Dünndarmschliogen ver¬
wachsen. Erst als ich das Myom aus seinem Bett ausgesebält und die
Darmverwachsungen gelöst hatte, konnte ich an die rechte Seite des
Uterus gravidus gelangen und diesen unter Zurücklassung des rechten
Ovariums supravaginal amputieren; das linke Ovarium war von dem
grossen linksseitigen, intraligamentär entwickelten Tumor so in die Höhe
geschoben, dass es ihm in der Höhe des Epigastrium, stiellos geworden,
breitbasig und plattgedrückt auflag und naturgemäss mit dem Tumor
entfernt werden musste.
Unter den 544 Fällen von Myomektomien und Hystero-
myomektomien, welche mein Bruder und ich in den letzten 9 Jahren
per laparotomiam ausgeführt haben — die vaginalen Myom-
operationen sind hier nicht mitgerechnet —, haben wir eine
Mortalität von etwa 1,8 pCt. Unter diesen 544 Fällen be¬
finden sich zwei Reiben: eine von 152 hintereinander operierten
Fällen ohne Todesfall and eine Reihe von 131 Fällen ohne Todesfall.
Sämtliche 51 Frauen mit myomatösen Uteris gravidis, welche
bis jetzt zur Operation kamen, sei es, dass es sich um eine
Enncleation von Myomen während der Schwangerschaft, sei es,
dass es sich um totale oder supravaginale Hysteromyomectomia
uteri gravidi, sei es endlich, dass es sich um Sectio caesarea
mit anschliessender Totalexstirpation handelte, haben die Operation
glücklich überstanden und sind genesen.
Auch in dem beute operierten Falle glaube ich eine gute
Prognose stellen zu dürfen 1 ).
Wenn ich mir gestattet habe, Ihnen über diesen Fall zn be¬
richten, so geschah dies nicht sowohl wegen der Demonstration
1) Anmerkung bei der Korrektur: Die Operierte ist inzwischen ge¬
nesen und hat bereits am 10. Tage nach der Operation das Bett und
am 17. Tage die Klinik geheilt verlassen.
des frischen, interessanten Präparates, sondern weil ich glaubte, dass
es nützlich sei, doch wieder einmal die Aufmerksamkeit auf die
Myomatosis uteri gravidi za richten, deren Tragweite, wie ich mich
mehrfach in der letzten Zeit überzeugt habe, hier und da nicht
richtig eingeschätzt wird. In der Tat bat der Arzt, welchen
unsere Patientin vor der Verheiratung um Rat fragte, sein Gut¬
achten dahin abgegeben, dass sie ruhig heiraten könne; die Ge¬
schwülste der Gebärmutter seien so gross, so hart und so zahl¬
reich, dass sie eine Schwangerschaft nicht zn befürchten hätte.
Sie müsse ihrem Manne nur davon Mitteilung machen, dass das
Verhalten ihrer Gebärmutter nicht normal sei. Mit der Annahme
aus früheren Zeiten, dass Myomatöse zur Sterilität verurteilt
seien und omgekehrt Sterile zur Myomatosis neigen, müssen wir
aufräumen. Auf der anderen Seite lehrt die grosse Zahl spon¬
taner glücklicher Entbindungen bei Myom und ebenso die aus¬
gezeichneten Erfolge der Enucleation der Myome bei Gravidität
und die für Mutter und Kind günstigen Erfolge der Porro’schen
Operation am Ende der Schwangerschaft, dass die Komplikation
der Schwangerschaft mit Myomen nicht besonders zu fürchten
ist. Die Myome als solche brauchen daher weder eine Ver¬
heiratung zu Verbindern noch die Hoffnung auf Kindersegen aus-
zuschliessen.
Die Behandlung der Lungentuberkulose
nach Friedmann.
Von
Carl Klieneberger,
dirigierendem Ante des Sudtkrankenbauses ZiUao.
(Vortrag, gehalteu auf der 10. Versammlung der Freien Vereinigung für
innere Medizin im Königreich Sachsen am 21. Mai 1914.)
In den letzten Jahrzehnten haben in der Tuberknlosefrage
die Aera der Tuberkulinbehandlung, der Heilstättenbewegung und
der Haut-Schleimhautimpfung weitgehendes allgemeines Interesse
erregt. Von deo sanguinischen Hoffnungen der AnfaDgsära ist
wenig geblieben, und die nüchterne Kritik der Erfahrung hat die
anfängliche Begeisterung zurückebben lassen. Ich erinnere daran,
dass einzelne diagnostische Methoden (z. B. Ophthalmodiagnostik)
und gewisse therapeutische Bestrebungen (Wandlungen der Tuber*
kulinbehandlung) zum Teil nur noch geschichtliche Bedeutung
besitzen. Wieder stehen wir in einer die Allgemeinheit erregenden
Zeit, io der Friedmannbewegung. Nach den Angaben des Autors
besteht das Friedrich Franz Friedmann’sche Heil- und Schutz¬
mittel zur Behandlung der Tuberkulose und Scrofulose aus lebenden
aviruienten für Menschen und warmblütige Tiere, selbst in grössten
Dosen, vollständig unschädlichen Schildkrötentuberkelbacillen, die
im Gegensatz zu anderen Präparaten nicht toxisch wirken.
Friedmann will bei seinem Impfungsverfahren 1 ) an die Methode
von Jenner und Pasteur anknüpfen bzw. Behring’schen
Prinzipien folgen. Nach seinen Angaben kann nicht nnr bei
leichteren Lungenerkrankungen, sondern auch bei ganz schweren,
durch Cavernen oder Mischinfektionen oder Kehlkopfaffektionen
komplizierten Fällen sein Mittel erfolgreich angewandt werden.
Es sollen selbst weit vorgeschrittene Fälle schnell und fort¬
schreitend günstig mitunter durch die erste Injektion, gelegentlich
freilich erst durch die zweite beeinflusst werden. Wenn bei solcher
Empfehlung Friedmann gegenüber Angriffen („Wirkungslosig¬
keit des Mittels in vorgeschrittenen Fällen“) behauptet, die an¬
gezogenen Beobachtungen seien zu weit vorgeschrittene Er-
krankungsfälle gewesen, so fehlt die klinische Präzisierung pro¬
gressiver Symptome sowie die klare Kontraindikation Friedmann¬
scher Behandlung. Voraussetzung übrigens für den Erfolg der
an sich absolut unschädlichen InjektioDskur ist die glatte Re¬
sorption. Fried mann betrachtet die Schildkrötentuberkelbacillen-
behaudlung nach seinen Angaben als die Behandlung der
Tuberkulose und empfiehlt prophylaktische Impfang, besonders
von Kindern in gefährdeten Familien. Die Bedeutung der an¬
geschnittenen Frage erhellt u. a. aus den Zahlenangaben, dass
bislang über 5000 Personen geimpft worden sind, dass Hunderte
von kleinen Kindern der Schutzimpfung unterzogen wurden, und
dass Friedmann-Anstalten in Amerika und Deutschland ins Leben
gerufen worden oder werden.
Im allgemeinen und öffentlichen Interesse liegt eine Klärung
der Frage, ob die Friedmann Impfungen berechtigt sind und
wirklich Erfolg versprechen, am so mehr, weil die Tagespresse
1) Vgl. B.kl.W., 1912, Nr. 47.
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UMIVERSITY OF IOWA
3. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1447
and die Reklame in einer der deutschen Heilkunde sonst fremden
Weise in dieser speziell medizinischen Frage wie in einer politischen
oder religiösen in leidenschaftlichem Fanatismus Stellung ge*
nommen haben. Bei der mir zur Verfügung stehenden Zeit will
ich chronologisch und in kurzen Abrissen meine bisherigen
Erfahrungen (nunmehr 22 Fälle) aus einem Zeitraum von 5 Monaten
skizzieren.
Von pathologisch-anatomischer und bakteriologischer Seite
ist Friedmann vorgeworfen worden, dass das in den Handel
gebrachte Präparat nicht rein und nicht ungefährlich sei. Lydia
Rabinowitsch stellte unter 10 Proben sechsmal Verunreinigungen
fest. Staphylokokkenabscesse nach der Injektion wurden u. a.
von diesem Autor (Meerschweinchen), von Brauer und W. Treupel
(Mensch) festgestellt. Lydia Rabinowitsch und Westenhöfer
haben in ihren Mitteilungen mit Bestimmtheit dargetan, dass das
verwandte Material zuweilen nicht völlig unschädlich, mitunter
sogar für den Menschen durchaus pathogen ist. Sie verurteilen
deshalb scharf die prophylaktische Impfung und plädieren an¬
gesichts der Möglichkeit der Virulenzsteigerung eingeimpfter
Bakterien für weitere klinische und anatomische Beobachtung,
ehe man die menschliche Behandlung mit dem Friedmann’schen
Präparat anraten kann. Auch Orth hält die Meerschweinchen*
versuche Priedmann’s nicht für absolut eindeutig. Von klinischen
Erfahrungen (mittlere und grössere Zahlenreihen) nenne ich von
amerikanischen Autoren zunächst Mannheimer und Lee Barnes,
von deutschen besonders Brauer und Treupel. Ich beschränke
mich in der Literaturberücksichtigung, entsprechend meiner eigenen
Nachprüfung, hauptsächlich auf die Erfahrungen, die bei
Behandlung von Lungentuberkulose vorliegen. Mannheimer
beobachtete, abgesehen von lokaler Abscessbildung, keinen be¬
stimmten Schaden als Folge der Einspritzung, niemals aber
Besserung. Lee Barnes sah nichts von den unmittelbaren und
wundervollen Resultaten, wie sie Fried mann berichtet hat. Im
Gegenteil, in 17 pCt. der Fälle hatte eine Progredienz der Er¬
scheinungen statt, wie sie unter der gewöhnlichen Sanatorium¬
behandlung nicht zu erwarten gewesen waren. Ueber den
bleibenden Nutzen oder Schaden der Injektionen möchte Barnes
sich erst nach ein bis drei Jahren äussern. Auch die bei Gelenk¬
tuberkulose erfolgten Aenderungen zeigten keine ungewöhnliche
Besserung oder bedurften weiterer Kontrolle durch chirurgisch-
orthopädisch geschulte Aerzte. Die Spiethoff’sche Klinik
(Lupusbebandlung) hat angesichts des Fehlens praktisch in Be¬
tracht kommender Besserung bzw. angesichts von unerwünschten
Komplikationen Abstand von weiterer Verwendung des Mittels
genommen. Braner (18 Patienten, Versuche seit einem halben
Jahre) sah durchaus ungünstige Resultate, schwere Reaktionen,
frische Schübe, Exitusbeschleunigung usw. Aus den Demonstrationen
io der Berliner medizinischen Gesellschaft ist, abgesehen von
dem begeisterten Eintreten von Schleich, Mueller, Thalheim
für Friedmann von der Reserve, die Bier, Goldscheider,
Wolff-Eisner eingenommen haben, die Redewendung von Kraus,
dass das Friedmann’scbe Verfahren ein günstiges Vorurteil für
sich habe, sowie die Worte, dass nach der Behandlung rasches
Nachlassen der toxischen Symptome beobachtet wurde, dass
Schädlichkeiten nicht gesehen wurden und in einem Falle über¬
raschende Besserung zutage trat, am meisten bemerkenswert. Kraus
hat die ruhige Nachprüfung des Friedmann’scben Mittels empfohlen.
Wenn Kraus behauptet, dass das Friedmann’scbe Verfahren
sich nicht eines Geheimmittels bediene, so trifft das erst jetzt
Im Anfang ist zweifellos Geheimnistuerei getrieben und un
schöne Reklame gemacht worden. Es gibt auch zu denken, wenn
George Mannheimer in seiner Publikation erklärt, dass jeder,
der mit Friedmann in Berührung kam, iu eine VerteidiguDgs
Stellung hineingedrängt wurde. Es ist auffallend, wenn Brauer,
in dessen Krankenhaus die Injektionen grösstenteils von Fried-
mann selbst ausgeführt wurden, ihm den Vorwurf wechselvoller,
unklarer und irreführender Angaben macht. Es ist mindestens
merkwürdig, dass der Staat New York, die erste grösste Stätte
Friedmann’scber Behandlung das Friedmann’sche Mittel als ge¬
fährlich kurzerhand verboten hat. Ich selbst habe, nach den
oiedergelegten Mitteilungen Friedmann’s, durchaus nicht den
Eindruck einer klaren Theorie gewonnen. Die Angaben, dass
man von der Einwirkung bei zu vorgeschrittenen Fällen (Westen¬
höfer) nichts mehr erwarten konnte, stehen durchaus in Wider¬
spruch za der Empfehlung des Mittels bei den schwersten Tuber-
kaloseforraen in dem dem Mittel beigegebenen Circular. Die
scharfe Trennung der Tuberkulose in solche des Lymph- und
Blntapparats, die spezielle Inangriffnahme der Behandlung mit
Zwischeninjektionen sieht aus wie ein festgefügtes mathematisch-
physikalisches Lehrgebäude. Für den Aufbau fehlen aber Beweis¬
gründe. Die Bestimmtheit, mit der die Behandlungszeiten vor¬
geschrieben werden, entbehrt deduktiver Begründung. Warum
vorausgehende Tuberkulinbehandlnng zunächst gegen die erste
Injektion des Mittels refraktär macht, ist unerfindlich. Während
im Anfang die Injektionsbehandlung einzig und allein in Betracht
kommen sollte, heisst es neuerdings, dass die altbewährten
hygienisch-diätetischen usw. Maassnahmen nicht ausser acht ge¬
lassen werden sollen. Durchaas vermisse icb wissenschaftlich klar¬
gestelltes Material, klinische Beurteilung und klinischeBestimmtheit.
Eine Nachprüfung einer von Gunst und Ungunst hergezogenen
Methodik muss ruhig und skeptisch sein. Bei einer Krankheit,
wie die Tuberkulose, die ein Menschenalter hindurch andauern
kann, die ans jeden Tag durch ungewohnte Zwischenfälle, abnorm
raschen und staunenswert langsamen Verlauf überrascht, ist Vor¬
aussetzung einer kritischen Nachprüfung, jahrelange Beobachtung
der behandelten Fälle und grössere Zahlenreihen, Berichterstattung
von Zeit zu Zeit. Die erste Voraussetzung einer sachgemässen
Prüfung ist es, dass überhaupt Tuberkulose vorliegt. Es klingt
das etwas paradox, ist aber berechtigt, wenn man überlegt, wie¬
viel Nichttuberkuio8en oder sogenannte inaktive Tuberkulosen in
Lungenheilanstalten und der Praxis als Tuberkulosen behandelt
und gebeilt werden. Ich halte also im allgemeinen es für nötig,
dass man offene Lungentuberkulosen behandelt, wenn man ein
Urteil sich bilden will. Bei der Beurteilung des Erfolgs warne icb
vor der Ueberschätzung des Röntgen Verfahrens sowie vorder kritik¬
losen Verwertung der am meisten irreführenden subjektiven Angaben.
Ich habe sechsmal die von der Firma Haase zum Versand
gebrachte Bacillenemulsion bakteriologisch geprüft und bei diesen
sechs Prüfungen keine Verunreinigung mit Eitererregern feststellen
können. Was die Injektionen selbst anbelangt, so entstanden
dreimal länger fortbestehende Infiltrate, deren eines, nach einem
brieflichen Bericht (die Patientin verüess bald nach der Injektion
das Krankenhaus), zu einer angeblich 2 Monate fortdauernden
Eiterung führte, ln den beiden anderen Fällen erfolgte ohne
Zwiscbeninjektion langsame Rückbildung des Infiltrats. Auf die
intraglutäalen Injektionen batte in der Regel gar keine Reaktion
statt, d. h. es blieb nicht nur vorübergehende Infiltratbildung aus,
sondern es fehlte sogar jede fieberhafte Reaktion, einerlei ob 0,25
oder 0,4 intraglutäal injiziert worden war. Nur ausnahmsweise
und vorübergehend erhöhte sich bestehendes Fieber. Bei den
Simultaninjektionen folgte ziemlich rasch nach der Injektion ein
einige Tage anhaltendes oder sich erhöhendes Fieber (es wurden
Temperaturausschläge — 40° beobachtet). Die Ausgangstempe¬
raturen aber waren in der Regel nach 2—3 Tagen wieder er¬
reicht. Gleichzeitig waren gewöhnliche Erscheinungen: Kopf¬
schmerzen, Appetitlosigkeit, Mattigkeit, mitunter Erbrechen und
mehr Husten. Ehe ich kurz auf die Ergebnisse der Behandlung
der 22 Kranken eingehe, erwähne icb aus subjektiven Angaben,
dass wiederholt über Nachlassen des Hustens und über besseres
Allgemeinbefinden berichtet wurde. 3 Patienten etwa des zweiten
Stadiums glauben an die günstige Einwirkung derart, dass sie
bereits Monate voraus sich für weitere stationäre Behandlung an¬
gemeldet haben. Von den behandelten Fällen des dritten Stadiums
der Tuberkulose sind zwei unerwartet rasch nach der Injektion
gestorben bzw. haben eine Zunahme der subjektiven Krankheits¬
symptome derart verspürt, dass sie von vornherein weitere In¬
jektionen ablebnten.
Von den klinisch behandelten 22 Patienten sind 14 aus der
stationären Behandlung ansgeschieden. Es sind von diesen 7 ge¬
storben, und zwar 6, 9, 19, 26, 30, 75, 90 Tage nach der ersten
Injektion (ohne dass eine spezifische Vorbehandlung voraus-
gegangen war).
Es hat in diesen 7 Fällen das Friedmann’scbe Mittel wahr¬
scheinlich (ein Fall mit unerwartet raschem Exitus, ein Fall mit
besonders hervortretender subjektiver Allgemeinverschlechterung)
nichts geschadet, sicherlich nicht den geringsten günstigen Ein¬
fluss gehabt.
Die übrigen 7 bereits zur Entlassung gelangten Fälle betrafen
offene Lungentuberkulosen, einmal des zweiten bis dritten Turban¬
seben Stadiums, zweimal etwa des zweiten, vier des ersten bis
zweiten Stadiums. Die Tuberkulose des zweiten bis dritten
Stadiums batte vor der Friedmann Behandlung in dreiwöchiger
Liegekur 5 Pfund zogenommen, seit der Injektion (im allgemeinen
wurde als erste Injektion 0,25—0,3 gewählt [die Patientin ver-
liess das Krankenhaus bald nach der Einspritzung]) ist nach nun¬
mehr über 2 Monaten eine Besserung nicht eingetreten. Die
1 *
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1448
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
übrigen Kranken, die mit einer Ausnahme bereits bei Liege- und
Diätkur vor der Injektionsbehandlung Gewichtszunahme und Ent¬
fieberung erfahren hatten, haben nach den Injektionen weitere
Fortschritte gemacht und sind bisher (2—8 Monate nach der Ent¬
lassung) arbeitsfähig geblieben. Eine bemerkenswerte Aenderung
im physikalischen Befund ist nicht erfolgt. Der Auswurf enthält
noch immer Tuberkelbacillen. Die erzielte Besserung entspricht
durchaus den Erwartungen, die ich auf Grund der Erfolge der
diätetisch-klimatischen Behandlung vor den Injektionen voraus¬
gesagt hatte, bäDgt also in keiner Weise mit der Friedmann-
Behandlung zusammen.
Es bleiben 8 nach Friedmann behandelte Kranke, die sich
noch in Krankenhausbebandlung befinden bzw. vor der Entlassung
stehen. Davon scheiden für die heutige präliminare Besprechung
2 Fälle aus, da die Beobachtungszeit nach der Einspritzungszeit
noch zu kurz ist 1 ). Es ist übrigens, abgesehen von einer rasch
vorübergehenden Injektionsreaktion, bisher weder eine günstige
noch ungünstige Veränderung zutage getreten. Von den anderen
6 Kranken, die bereits zwei- bzw. dreimal (zweite Injektion 0,6,
dritte Simultanreaktion) injiziert sind, bespreche ich 2 — eine
fieberlose Lungentuberkulose ersten bis zweiten Stadiums und eine
Lungen-Darmtuberkulose mit geringer Progredienz, Arbeitsfähig¬
keit noch beim Eintritt in die Behandlung — zunächst. Dieser,
ein 39 jähriger Patient, hatte vor der Simultaninjektion 11 Pfund
zugenommen. Im Anschluss an die Simultaninjektion erfolgte
zunächst bei vorübergehendem Fieber bis 39,6° ein Gewichtssturz
um 4 Pfund. Nun hat wieder fortschreitende Gewichtszunahme
eingesetzt. Die Entlassung erfolgt in diesen Tagen. Der andere
Kranke hat im Anschluss an zwei Injektionen 15 Pfund zu¬
genommen. In beiden Fällen wäre mit grösster Wahrscheinlich¬
keit auch ohne Friedmann-Injektionen oder bei Tuberkelbacillen-
emulsionsbehandlung als unterstüzendem Faktor der gleiche Effekt
erzielt worden. Es erübrigt, auf 8 Fälle, die seit 4 Monaten
stationär behandelt werden (zwei bzw. drei Injektionen: 1. 0,25;
2. intraglutäal, 8. 0,5 Simultaninjektion) einzugehen. Bei
2 Fällen handelt es sich um hauptsächlich einseitige Tuberkulose¬
ausbreitung nach Pneumonie (zweites Stadium), das dritte Mal
um eine chronische fibrile Form, zweites bis drittes Stadium. Die
Fieberbewegungen und die toxischen Symptome wurden durch die
Injektionen nicht umgestimmt. Es wird von diesen Kranken eine
25 jährige Patientin in befriedigendem Allgemeinbefinden mit
10 Pfund Gewichtszunahme in diesen Tagen entlassen. Sie hat
übrigens in dem Intervall zwischen zwei Injektionen eine nicht
unbeträchtliche Hämoptöe gehabt. Die beiden anderen fiebern
dauernd, halten sich aber im Gewichte ziemlich stationär. Eine
günstige allgemeine oder lokale Einwirkung ist ebensowenig wie
eine ungünstige zutage getreten. Bei einer chronischen subfebrilen
Tuberkulose zweiten bis dritten Grades endlich lässt sich* jegliche
Einwirkung nach nunmehr einem Monat vermissen.
Nach diesen Erfahrungen kann ich sicher nicht loben, ich
möchte noch nicht ganz verwerfen. Verunreinigungen des Präparats
scheinen jetzt gewöhnlich nicht vorzukommen. Sichere andauernde
Schädigungen durch die Injektionen habe ich bisher nicht fest¬
gestellt. Die in der Reaktion und ihren Folgen zutage tretende
Schädigung scheint ungefährlich und vorübergehend zu sein.
Zweifellose Förderung aber, Umschläge im lokalen oder allge¬
meinen Befund habe ich in keinem einzigen Falle gesehen. Was
irreicht wurde, war bereits vorher erreicht worden und wäre
jeher auch ohne Friedmann-Injektionen mit der lange bewährten
Methodik (zumal mit Einschluss von Pneumothoraxbehandlung) in
^eigneten Fällen mit Tuberkulin, mit Tuberkelbacillenemulsion
Irzielt worden. Wenn ich trotzdem zur weiteren Prüfung rate
ind eine Prüfungsverpflichtuug für vorliegend halte, so geschieht
is aus folgenden Gründen: Das Prinzip der Immunisierung mit
ebenden avirulenten, atoxischen Bacillen entspricht der heutigen
heoretischen Auffassung einer Erfolg versprechenden Heilmethode.
f ür die Nachprüfung einer solchen Immunisierung nach Fried-
nann sind kritische Autoren eingetreten. Endlich aber durch
»resse und Reklame ist eine weitgehende Beunruhigung des
»ublikums erfolgt. Es sind Laienanfragen an mich herangetreten,
ib ich zur Reise nach Berlin und zur Friedmann-Behandlung rate,
ch rate dringend von der allgemeinen Anwendung des Friedmann-
ferfahrens in der Praxis ab, da die Brauchbar^ der Methode
d keiner Weise feststeht. Die Frage der Zweckmäßigkeit bzw.
Brauchbarkeit der Friedmann-Behandlung ist eine noch ungeklärte
1) Anm. bei der Korrektur: Keine bemerkenswert günstige oder un¬
günstige Beeinflussung.
Laboratoriums- bzw. Krankenhausfrage. Wir werden darüber in
Jahr und Tag zu sprechen haben, wenn wir dann überhaupt noch
davon reden.
Ob für die Immunisierung nach Fried mann bestimmte
Indikationen in Frage kommen, ob sie neben anderen Verfahren
in Betracht kommt, wird später besprochen werden müssen. Fest
steht schon heute, dass die Friedmann-Impfang einen besseren
Einfluss als andere erprobte Methoden bei Lungentuberkulose im
Zeitraum von 5 Monaten nicht ausübt.
Aus dem städtischen Krankenhause zu Wiesbaden.
Beiträge zu dem Kapitel: S&lvarsan und latenter
Mikrobismus. 1 )
Von
C. Gutmaai - Wiesbaden.
M. H.! Fieberhafte Erkrankungen, wie z. B. Angina,
Influenza, Bronchitis, Epididymitis osf. erhöben bekanntlich in
mehr oder minder hohem Maasse die Toxicität des Salvarsans.
Und wenn nun auch vielleicht die Ansicht von Almkvist*) eine
zutreffende sein mag, dass nicht allen Infektionen diese Eigen¬
schaft anzuhaften scheine — sah er doch bei 2 Fällen mit
gewöhnlicher Erkältung (Rhinitis, Pharyngitis und leicht erhöhte
Temperatur) eine Salvarsaniojektion ganz reaktionslos verlaufen —,
so wird es doch angebracht sein, in allen mit Fieber einher¬
gehenden Krankheitszuständen ausnahmslos eine, wie
Gennerich*) sagt, „temporäre Kontraindikation“ gegen
die Sal varsanbehandlung zu erblicken und demgemäss letztere
zu unterbrechen. Weiterhin aber hat die Erfahrung gelehrt, dass
die Träger obengenannter und ähnlicher Affektionen auch noch
nach dem Abklingen der klinischen Erscheinungen eine
Herabsetzung der Toleranz gegenüber dem Salvarsan
aufweisen, die, nach Gennerich wenigstens, der Fortsetzung der
Salvarsantherapie in genügend intensiver Weise ausserordentliche
Schwierigkeiten bereitet. Diese Herabsetzung der Verträglichkeit
des Salvarsans dürfte einmal darin ihren Grund haben, dass
trotz scheinbarer Gesundheit die betreffenden Mikro¬
organismen doch noch eine Zeitlang im Organismus vor¬
handen sein können, dass also, wie Ruhemann 4 ) sich ausdrückt,
ein „latenter Mikrobismus 11 vorliegt, nnd zum zweiten wird
Schuld daran haben die durch die Bakterien bzw. durch
ihre Toxine gesetzte Hinfälligkeit der Gewebe, deren
völlige Erholung natürlich eine gewisse Spanne Zeit erfordert.
Da man aber im gegebenen Falle niemals imstande sein wird,
mit Sicherheit den Zeitpunkt der völligen Restitutio ad integrum
genau auf den Tag festzustellen, so wird man auf alle Fälle
gut daran tun, eine ganze Reihe von Tagen bis zur Wieder¬
aufnahme der Sal varsanbehandlung verstreichen zu
lassen und stets mit einer kleinen, sozusagen informa¬
torischen Salvarsaniojektion wieder anzufangen. Bei
dieser Art des Vorgehens werden wir uns, glaube ich, im grossen
und ganzen vor allzu unliebsamen Ueberraschungen zu schützen
vermögen. Ganz anders liegen dagegen die Dinge, wenn
eine der obigen Erkrankungen im Anzuge ist, wenn zwar
bereits ein latenter Mikrobismus vorliegt, aber noch
kein sichtbares Krankheitszeichen und keine Störung
des Allgemeinbefindens. Geraten wir mit einer Salvarsan-
injektion, womöglich mit einer Volldosis, in ein solches Stadium
hinein, dessen Vorhandensein unserer Erkenntnis natürlich sich
entziehen muss, so werden wir unfehlbar mehr oder minder schwere
Störungen, eventuell einen unglücklichen Ausgang erleben, ohne
dass den Therapeuten irgendeine Schuld daran träfe.
M. H.! Mit diesen hier kurz skizzierten, durch Erfahrungen
am Krankenbett erkannten Wechselbeziehungen z *‘® c “ en
Salvarsan und intercurrenten, bakteriellen Erkran¬
kungen stehen nun die Ergebnisse der bekannten, auf V er *“'
lassung von Exzellenz Ehrlich durch Yakymoff und Nina Ko
Yakymoff*)angestelltenTierexperimente in gutem Einklang.
Die beiden Forscher konnten zunächst einmal nachweisen, nss
1) Vortrag, gehalten im Verein der Aerzte Wiesbadens am 4. Fe¬
bruar 1914.
2) D.m.W., 1912, Nr. 1. . <nio
3) Die Praxis der Salvarsanbehandlung, Berlin 1912.
4) Med. Klin., 1912, Nr. 12.
5) M.m.W., 1911, Nr. 49 und 1912, Nr. 3,
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Original fram
UNIVERSITY 0E_U
3. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1449
bei Mäusen durch gleichzeitige intravenöse Injektion von geringen
Mengen Endotoxin des Bact. coli comm. und Salvarsan die Toxi¬
cität des letzteren 2,4 mal erhöht wird. Dieselbe erhöhte sich
aber um das Achtfache, wenn die Mäuse ausserdem mit Trypano¬
somen, und zwar schwach, infiziert waren, und gar um das 15 fache,
wenn diese Infektion eine starke war. Weitere Versuche zeigten
alsdann, dass auch andere Bakterien, wie Bact. pyocyan. und
Staphylococcus aureus, die Toxicität des Salvarsans steigern, wenn
auch nicht in dem Maasse, wie das Bact. coli, während der
Pneumobac. Friedländeri und Bac. subtilis nur einen geringen und
das Bact. tetragenum gar keinen Einfluss nach dieser Richtung
hin erkennen Hessen. #
Bei diesen Versuchen entfaltete also das Salvarsan eine
besonders starke Toxicität dann, wenn die Tiere gleich¬
zeitig auch noch Trypanosomen in ihrem Blute beher¬
bergten. Auf Grund gerade dieses Ergebnisses im Tierexperiment
wird daher im frühen Sekundärstadium der Lues mit
seinem grossen Spirochätenreichtum, und zwar ganz speziell
bei Beginn der Behandlung, besonders sorgfältig auf andere
bakterielle Erkrankungen von eingangs erwähntem
Charakter gefahndet werden müssen; liegt doch in einem
solchen Moment die Gefahr einer Doppel Wirkung des Salvarsans
besonders nahe, nämlich einmal auf die Spirochäten selbst, zum
anderen auf die sowohl durch die Spirochäten, wie durch die
anderen Bakterien bzw. deren Toxine zweifach und derart ge¬
schädigten Körperzellen, dass dieselben, wie Ehrlich 1 ) meint,
unter dem Einflüsse der bakteriellen Infektion eine Erhöhung ihrer
Arsenavidität erlitten haben, sei es, dass sie mehr vom Arsenikale
aufnehmen, sei es, dass sie dasselbe intensiver spalten.
M. H.! Ich bin mit voller Absicht etwas ausführlicher auf
diese Dinge ein gegangen, weil ich mich des Eindruckes nicht
erwehren kann, dass die Kenntnis derselben noch keineswegs
Allgemeingut der Aerzte geworden ist; und doch scheint mir das
völlige Vertrautsein damit für die Praxis der Salvarsanbehandlung
von nicht geringer Bedeutung zu sein. Ich habe diese Ausein¬
andersetzungen aber auch deshalb so weit ausgesponnen, weil
immer und immer wieder von einigen Seiten versucht wird, einzig
und allein das Salvarsan zum Sündenbock für alles und jedes
Unglück zu stempeln. *
M. H.l Als Beleg für die Richtigkeit der soeben ent¬
wickelten Anschauungen möchte ich nunmehr vier Kranken¬
geschichten mitteilen, aber gleichzeitig vorweg bemerken, dass
wir bei diesen Fällen zum Teil die oben geforderte Vorsicht nicht
in vollem Umfange haben walten lassen, weil wir über die Dauer
des latenten Mikrobismus Aufschluss gewinnen wollten. Einer
der Fälle hat sich bei Verwendung von Neosalvarsan abgespielt,
die übrigen drei im Verlaufe von Versuchen mit Salvarsan-
Kupfer, einer von Ehrlich und Karrer dargestellten,
komplexen Metallverbindung von Salvarsan und Kupfer,
mit einem Kupfergehalt von etwa 10 pCt. und der Labora-
toriumsbezeicbnnng K. 3. In neuerer Zeit ist an die Stelle dieses
Präparates das Natriums&lz des K. 3 getreten, welches die
Laboratoriumsnummer K. 201 führt und dadurch ausgezeichnet
•st, dass es sich leicht in Wasser aufiöst und alsdann sofort ver¬
wendungsbereit ist, während die Auflösung des K. 3 in Doppelt-
Normal-Natronlauge geschehen muss 2 ).
Fall 1«). Martha B., 21 Jahre alt.
Status am 1. X. 1913: Kleine, zierliche Person. Gravida mens. VII.
hianth. maculo-papulös, univers., Lympbaden. hyperplast. inguin. et
cervi«., Primäraffekt nicht zu ermitteln.
Wassermann -\—|-, Urin o. B. Bisher keine Behandlung,
71 / c X " 2( ^ * n ccm Aqua. Höchsttemperatur 38,5°.
' ' 2 Stunden post inject. Kopfschmerzen, einige Stunden anhaltend,
oo i- X - °’ 05 ’ 6 - x - °.L 9. X. 0,1, 13. X. 0,1, 16. X, 0,1, 20. X. 0,1,
fo v ° l1 » 27 * x - 30. X. 0.1, 2. XL 0,1, 6. XI. 0,1, 9. XI. 0,1,
13. XL 0,05, 15. XI. 0,05, 17. XI. 0,05, 19. XI. 0,1, 24. XI. 0,1, 27. XI.
1-X1I. 0,1 K. 201.
Höchste, jemals erreichte Temperatur nach den Injektionen 37,3 °.
«ach einigen derselben Blutandrang nach dem Kopfe, Kopfschmerzen,
hchwiudelgefühl, Erscheinungen, die nach spätestens 15 Minuten stets
Wieder behoben sind; sonst keine Störungen.
4. XII. Entbindung von einem scheinbar gesunden Knaben, 48 om
Gewicht 2280 g. Stillt das Kind. Normaler Wochenbetts verlauf.
1) Abhandlungen über Salvarsan, Bd. 2, S. 549.
") Bezüglich des Salvarsankupfers sei auf die Arbeiten von Baer-
in der M.m.W., 1914, Nr. 1 und von van den Branden im
Arch.f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1913, Bd. 17, verwiesen.
, 3) Die Krankengeschichten enthalten nur die für das Verständnis
es Themas notwendigen Daten.
11. XII. Wiederaufnahme der Behandlung bei völligem Wohlbe¬
finden und einer Temperatur von 37,0°. 0,05 K. 201. Temperatur¬
anstieg bis 38,3°, ohne sonstige subjektive Beschwerden.
12. XII. Wohlbefinden. Im Urin Spuren von Albumen. Tempe¬
ratur morgens 36,8°, abends 37,5°.
13. XII. Vormittags 86,9°, Wohlbefinden; auch objektiv nichts
nachweisbar. 0,05 K. 201. Temperaturerhöhung bis 37,6°.
14. XII. Morgens 37,2°, abends 37,6°.
15. XII. 0,1 K. 201, bei gutem Befinden und einer Temperatur
von 36,8°. Temperaturanstieg bis 38,2°, ohne Störung des Allgemein¬
befindens.
16. XII. Morgens 36,8°, abends 37,7°.
17. XII. Morgens 36,80, abends 37,2°.
18. XII. Vormittags 36,6°. Da Patientin über nichts zu klagen
hat, auch objektiv nach wie vor nichts nachzuweisen ist, 0,05 K. 201.
Wieder Temperaturanstieg bis 37,6°, ohne sonstige Nebenwirkungen.
19. XII. Heute klagt Pat. erstmalig über Schmerzen in beiden
Brüsten, nahe der Mamille. Objektiv ist beiderseits oberhalb der
Brustwarze eine leichte Rötung und Schwellung festzustellen,
desgleichen Druckempfindlichkeit. Morgens 36,4°, abends 37,6°.
20. XII. Vormittags 37,0°, abends 39,1°. Schwellung heute beider¬
seits etwa markstückgross, Fluktuation deutlich.
21. XII. Temperatur schwankt zwischen 38,0 bis 39,8°.
22. XII. 38,0 bis 39,10.
23. XII. Operation: Es finden sich zwei ganz oberflächlich gelegene,
abgekapselte Eiterherde. Temperatur abends 40,0°.
24. XII. und folgende Tage: Allmähliche Entfieberung und schnelle
Heilung.
M. H.! Eine Gravida mens. VII mit recenter Lues II reagiert
auf die erste Injektion von 0,04 K. 201 mit einem Anstieg der
Temperatur auf 38,5° und verträgt alsdann eine Serie von 19 In¬
jektionen mit einer Gesamtdosis von 1,7 g K. 201 ohne Tempe¬
raturerhöhung; nur sind einige derselben von rasch vorübergebenden
Störungen, wie Kopfweh, Schwindelgefühl usf. gefolgt. Nach
10 tägiger Behandlungspause, bedingt durch Partus und Wochen¬
bett, werden bei völligem Wohlbefinden und in fieberfreiem Zu¬
stande der Patientin die Injektionen wieder aufgenommen, mit dem
Effekt, dass die Patientin nunmehr nach jeder der vier noch ver¬
abfolgten Injektionen fiebert, und zwar bis 38,3, 37,6, 38,2 und
37,6°. Ein einwandsfreier Grund dafür ist zunächst nicht zu
eruieren, wenn auch die an den injektionsfreien Tagen des öfteren
abends festzustellende leichte Temperaturerhöhung darauf hinweist,
dass irgend etwas im Anzüge ist. Erst die der letzten Ein¬
spritzung folgenden Tage bringen die Klärung der Situation durch
den Nachweis eines beiderseitigen kleinen Mammaabscesses. Nach
Eröffnung derselben klingt das zuletzt hohe Fieber lytisch ab, ein
Beweis dafür, dass dieses Fieber in den letzten Tagen vor dem
operativen Eingriff einzig und allein durch die Injektion, ohne
Mitwirkung des Salvarsankupfers, bedingt war. Dagegen ist meines
Erachtens der jedesmalige Temperaturanstieg nach den letzten
vier Injektionen im wesentlichen auf das Schuldkonto des K. 201
zu setzen, das offensichtlich unter dem Einfluss der eingedrungenen
Eiterbakterien und ihrer Toxine eine Steigerung seiner Giftigkeit
erfahren hatte. Wenn nun diese Reaktionen keinen ernsten oder
gar bedrohlichen Charakter annabmen und nur von kurzer Dauer
waren, wie die jedesmalige prompte Entfieberung der Patientin
am Vormittage des der Injektion folgenden Tages zeigt, so dürfte
das darin seine Erklärung finden, dass erstens die bakterielle
Erkrankung ganz allmählich sich entwickelte, und dass zweitens
doch nur sehr kleine Dosen des K. 201 verabfolgt wurden.
Nach Ausheilung der Abscesse habe ich von der Wiederauf¬
nahme der Injektionen Abstand genommen, da durch die bis¬
herige Behandlung wenigstens zunächst einmal der Umschlag der
Wassermann’schen Reaktion in die negative Phase erreicht war.
Ich kann daher für den vorliegenden Fall nichts darüber aus-
sagen, über welchen Zeitraum, vom Tage der Heilung an ge¬
rechnet, die Herabsetzung der Toleranz gegenüber dem K. 201
sich erstreckt bat.
Fall 2. Paula St., 38 Jahre alt.
Status am 10. XI. 1913: Kleine, dürftig genährte Person mit starker
Kyphoskoliose. Lues latens, Wassermann -f-f-. Eitriger Ausfluss aus
Harnröhre und Cervix; Gonokokken trotz wiederholter Untersuchung
nicht nachweisbar.
14. XI. Therapie: Trotz Fehlens von Gonokokken vorsichtshalber
Hegononinjektion in die Harnröhre und Protargolglycerin, lOproz., zum
Auswiscben der Cervix. 0,05 K. 201. Höchsttemperatur 37,5°, sonst nihil.
16. XI. 0,05 K. 201. Höchsttemperatur 37,2°, sonst nihil.
18. XI. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 37°, sonst nihil.
21. XI. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 37,5°, ohne sonstige Be¬
schwerden.
22. und 23. XI. ohne Besonderheiten.
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1460
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
24. XI. Pat. fühlt sich nicht wohl, klagt speziell über Schmerzen
in der rechten Unterbaucbgegegend. Kein Fieber.
25. XL Allgemeine Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen,
Schnupfen, Herpes der Oberlippe, Exacerbation einer ent¬
zündlichen Adnexerkrankung beiderseits (Dr. Kretschmar).
Temperatur vormittags 38,3°, abends 38,8°.
26. XL Befinden etwas besser, Temperatur 37° bzw. 38°.
27. XI. Fieberfrei. Allgemeinbefinden wieder gut, Leibschmerzen
nur noch im geringen Grade vorhanden.
28. XI. 0,1 K. 201, Temperaturanstieg bis 37,8°, sonst nihil.
I. XII. 0,05 K. 201. Höchsttemperatur 37,2°.
3. XII. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 37,1°.
6. XII. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 36,9°.
9. XII. 0,1 K. 201. Höchsttemperatur 37°.
12. XII. 0,15 K. 201. Höchsttemperatur 36,7°.
(Behandlung wird ambulant fortgesetzt.)
Es handelt sich also, m. H., um eine Patientin mit latenter
Lues und eitrigem, keine Gonokokken enthaltenden Katarrh der
Harnröhre und der Cervix. Nachdem dieselbe auf die erste In¬
jektion mit einer geringen Temperaturkuppe (37,6°) reagiert hat,
verlaufen die zweite und dritte Injektion trotz Steigerung der
Dosis fieberlos. Nach der vierten Injektion, die bei vollem Wohl¬
befinden gemacht wird, steigt nun die Temperatur wiederum
auf 37,6°. In den nächsten Tagen setzt unter allgemeiner Ab¬
geschlagenbeit ein heftiger Schnupfen, begleitet von einem Herpes
labialis und Temperaturanstieg, ein. Ausserdem wird eine beider¬
seitige Adnexitis festgestellt. Nach völliger Entfieberung und
Nachlassen der Schmerzen im Leibe erhält Patientin wiederum
eine Injektion mit dem Ergebnis, dass Fieber bis 37,8° eintritt,
ohne sonstige Störungen. Tags darauf ist Patientin wieder ent-
fiebert und verträgt nunmehr weitere fünf Injektionen trotz all¬
mählicher Steigerung der Dosis völlig reaktionslos.
Wir sehen also, wie unter dem Einflüsse einer sich ent¬
wickelnden Erkältungskrankheit das Salvarsan-Kupfer eine Steige¬
rung seiner Giftigkeit erfährt, woran vielleicht bis zu einem ge¬
wissen Grade auch die, eventuell durch unsere Therapie pro¬
vozierte Adnexitis einen gewissen Anteil hat. Jedoch ist die
Toxizitätssteigerung nur eine unbedeutende, wie aus dem nur ge¬
ringen Anstieg der Temperatur und dem Fehlen anderweitiger
Störungen klar hervorgeht, auch hält sie nur eine kurze Spanne
Zeit an; denn bereits 5 Tage, nachdem die klinischen Erschei¬
nungen im wesentlichen abgeklungen sind, zieht die Wiederauf¬
nahme der Injektionen keinerlei Reaktionen mehr nach sich.
Fall 3. Luise H., 46 Jahre alt.
Status am 6. XII. 1913: Kräftige, gesund aussehende Frau ohne
Luessymptome. Wassermann -|—f—
Pat. erhält zunächst vom 19. bis 26. XII. Kal. jodat.
27. XII. Neosalvarsan Dosis II intravenös. Temperatur abends 36,9°
(keine genaue Messung), keine sonstigen Beschwerden.
4.1. 1914. Die für heute angesetzte Salvarsaninjektion unterbleibt
aus äusseren Gründen.
5. I. Pat. .fühlt sich nicht wohl, klagt über Kopf- und Hals¬
schmerzen. Diagnose: Angina follicularis. Temperatur abends 38,2°.
7. I. Angina gebessert, entfiebert.
8. I. Angina geheilt, Wohlbefinden.
9. I. Neosalvarsan Dosis II intravenös 10 ühr vormittags.
Einige Stunden später schlechtes Befinden, Frost, Uebel-
keit, immer intensiver werdende Kopfschmerzen. Anstieg der
Temperatur bis 38,5° (etwa 14 Stunden post injectionem).
10. I. Vormittags 6 ühr noch immer 38,2° und schlechtes All¬
gemeinbefinden. Am Abend 37,4°, noch immer Kopfschmerzen und
Appetitlosigkeit.
II. I. Befinden wieder völlig normal. Temperatur unter 37°.
12. bis 16. I. ohne Besonderheiten.
17. I. Neosalvarsan Dosis II intravenös. Höchsttemperatur 37,3°,
geringe, bald vorübergehende Kopfschmerzen.
18. bis 20. I. ohne Besonderheiten.
21. I. Neosalvarsan Dosis III intravenös, Höchsttemperatur 37,4°;
sonst nichts Besonderes.
22. bis 25. 1. ohne Besonderheiten.
26. I. Neosalvarsan Dosis III intravenös. Höchsttemperatur 37,4°;
etwas eingenommener Kopf während mehrerer Stunden.
27. I. Nachmittags Entlassung bei völligem Wohlbefinden.
M. H.l Eine Patientin mit Lues lateos verträgt am 27. XLI.
1913 Neosalvarsan Dosis II glatt. Am 6. I. 1914 wird Angina
follicularis festgestellt. Am 7. I. ist Patientin wieder entfiebert,
am 8. die Angina beseitigt und das Allgemeinbefinden wieder ein
ungestörtes. Am 9. I. wird mit der Neosalvarsanbehandlung
wieder begonnen, und obwohl nur Dosis II injiziert wird, ent¬
wickelt sich im Anschluss daran unter Anstieg der Temperatur
bis 38,6° ein recht bedrohlich ausgehendes Krankheitsbild, das
erst am 11. I. wieder völlig normalem Befinden Platz macht.
Am 17. I. verträgt die Patientin dieselbe Neosalvarsandosis so
gut wie reaktioDslos, desgleichen noch zwei weitere am 21. und
26. I., obwohl beide Male die nächst höhere Dosis appliziert wird.
Auch in diesem Falle erkennen wir also, aber weit evidenter,
wie in den beiden bisher beschriebenen Fällen, den schädlichen
Einfluss, welchen eine eben überstandene Infektion auf die Ver¬
träglichkeit einer Salvarsaninjektion ausübt, zugleich aber geht
aus der Schwere der Krankheitserscheinungen, die sich nach der
Einspritzung einstellen, hervor, in wie hohem Grade ganz speziell
eine eben überstandene Angina follicularis, also eine Strepto¬
kokkeninfektion, die Organotropie des Salvarsans zu steigern
vermag. Und dabei wurde nur die kleine Dosis von 0,3 Neo¬
salvarsan injiziert.
Was aber hätte sich, so frage ich, ereignet, wenn statt dessen
eine grössere Menge inkorporiert worden wäre?! Es zeigt aber
auch diese Beobachtung, dass hier verhältnismässig schnell die
normale Resistenz der Organzellen sich wieder herausbildet;
bereits etwa 8 Tage nach diesem Zwischenfall wird nämlich die
gleiche Dosis, von minimalen Beschwerden abgesehen, recht gut
vertragen, und ebenso iu der Folgezeit noch zwei weitere, etwas
höher dosierte Injektionen.
Fall 4. Ida B., 22 Jahre alt.
Status am 10. XI. 1913: Lues U recid., bisher nicht behandelt.
Leukoderma fere univers.; vereinzelte pigmentierte Narben am Stamm.
Roseola trunci; Papul. squam. capillit.; Papul. eros. region. pudend. et
cren. ani.; Syphil. papulo-squam. plantar, ped.; Lymphadenit. byperplast.
multipl. Wassermann +-J-.
10. XI. 0,05 K. 201 1
18 XI 0,? 5 K. 201 ( völlig reaktioQsloser Verlauf.
16] XL 0,’l X 201 J
19. XL 0,12 K. 201, bei völligem Wohlbefinden, 12 Uhr mittags.
Allmählicher Anstieg der Temperatur bis 38,8° (10 Uhr abends); dabei
abwechselnd Frost- und Hitzegefühl; intensive Kopfschmerzen,
Appetitlosigkeit, Somnolenz.
20. XI. Mittags 12 Uhr noch 87,6°. Befinden zwar besser, doch
bestehen die Kopfsohmerzen noch fort, wenn auch weniger heftig.
Abends entfiebert. Allgemeinbefinden leidlich gut.
21. XL Vormittags 37,8°. Fühit sich wieder nicht wohl; objektiv
nihil. Abends 39°. Klagt über Kopf- und Halsschmerzen. Objektiv:
Beide Tonsillen stark gerötet.
22. XL Heute typische Angin a follioul. beiderseits. Temperatur
schwankt zwischen 38,8 bis 40°. Im Urin Spuren von Albumen.
23. 11. Vormittags 38,7°; abends 37,4°. Angina gebessert. All¬
gemeinbefinden gleichfalls.
24. XL Fieberfrei, abends Beläge auf den Tonsillen beseitigt. All¬
gemeinbefinden gut. Uria eiweissfrei.
25. XL Fieberfrei und völliges Wohlbebefinden.
26. XL Pat. fühlt sich absolut wohl, ist fieberfrei und verlangt
unbedingt behandelt zu werden, trotz dringenden Abratens.
0,05 K. 201. Temperaturanstieg bis 89,2°; Frösteln, Kopf¬
schmerzen usw. wie am 19. XI.
27. XI. Nachlassen der subjektiven Beschwerden; Temperatur je¬
doch um 12 und 3 Uhr wieder 38,1°, abends 36,7°.
28. bis 30. XL Befinden und Temperatur normal.
1. XII. 0,05 K. 201
3. XII. 0,1 K. 201
6 . XII. Neosalv,, Dos
10. XII. 0,1 K. 201
12. XII. Neosalv., Dos
16. XII. 0,15 K. 201
19. XII. Neosalv., Dos
22. XII. 0,15 K. 202
Behandlung wird abgeschlossen.
Ein junges Mädchen mit recidivirender Lues II verträgt zu¬
nächst vier K. 201 - Injektionen ohne jegliche Reaktion. Auf die
fünfte jedoch (19. XI.) folgt hohes Fieber bis 38,8°, verknüpft mit
schweren sonstigen Nebenerscheinungen, wie Kopfschmerzen usw.,
die noch am Vormittag des nächsten Tages, wenn auch in ver¬
mindertem Maasse vorhanden sind.
Am 21. XI. steigt die Temperatur erneut in die Höhe;
gleichzeitig klagt die Pat. über Kopf- und Halsschmerzen. Am
22. XL wird eine typische beiderseitige folliculäre Angina kon¬
statiert. Am 24. XI. ist die Augina geheilt, völliges Wohl¬
befinden wiedergekehrt, das Fieber verschwunden. Am 26. XL
setzt die Behandlung auf dringenden Wunsch der sich völlig g®*
suud fühlenden Pat. wieder ein, mit dem Ergebnis, dass trotz
Herabsetzung der Dosis die Temperatur im Anschluss an die In¬
jektion bis 39,2® steigt und ähnliche Störungen wie am 19. XI.
sich einstellen, die auch am nächsten Tage, wenn auch in ver¬
mindertem Maase, noch andauern. Am 1. XII., also 5 Tage
Bpäter, wird mit den Einspritzungen wieder begonnen, die von
j Keinerlei Störungen. Höchste nach
v f einer oder der anderen Injektion er-
> reichte Temperatur 87,3°, die auch
1V 1 an den injektionsfreien Tagen bis-
TV i weilen gemessen wird.
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UNIVERSUM OF IOWA
3. Aug ust 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1451
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nun an sämtlich, acht an der Zahl (teils K. 201, teils Neo-
salvarsan) wieder völlig reaktionslos überstanden werden (siehe
vorstehende Kurve).
M. H.! Weitere Erörterungen zu diesem Fall erscheinen
mir völlig überflüssig. Derselbe beweist wohl am ekla¬
tantesten von allen, einem Experiment gleich, dass in
Wahrheit ein latenter Mikrobismus existiert und zugleich
anch, welch unheilvolle Wirkungen aus dem Zusammen¬
treffen eines solchen mit einer Salvarsaninjektion im
Organismus resultieren können und müssen.
Wenn hier und natürlich auch ebenso in den vorher¬
geschilderten Krankengeschichten diese Verhältnisse in so klarer,
eindeutiger Weise zutage treten, so liegt das eben daran, dass
wir das K. 3 und K. 201 in kleinen Dosen und in kurzen
Intervallen injizieren und auf diese Weise gegebenen Falles
während der Behandlung natürlich ganz leicht einmal auf
das Stadium eines latenten Mikrobismus treffen können,
viel leichter jedenfalls, als bei Verwendung von Alt- und Neo-
salvarsan, das wir im allgemeinen — eine Ausnahme macht nur
Fall 3 — doch in grösseren Dosen und demgemäss auch in
grösseren Zwischenräumen zu injizieren gewohnt sind. In der
Anwendung dieser kleinen Dosen liegt aber zugleich auch
bis zu einem gewissen Grade eine Gewähr dafür, dass
nicht allzu üble Folgen in einem solchen Falle sich ein¬
stellen werden, wie das ja auch aus den mitgeteilten Kranken¬
geschichten erhellt.
M. H., betrachten wir zum Schlüsse die hier geschilderten
Fälle noch einmal zusammenfassend, so ergeben sich da, wie mir
scheint, einige allgemeine Gesichtspunkte. Die Fälle zeigen
zunächst ganz einwandfrei, dass es unter dem Einflüsse
einer accidentellen fieberhaften Erkrankung zu einer
Steigerung der Toxicität des Salvarsans kommt, und dass
zweitens diese Erhöhung der Giftigkeit nur eine vor¬
übergehende Erscheinung ist.
Weiter lehren die Fälle, dass, ähnlich wie in den eingangs
erwähnten Tierexperimenten, bei den einzelnen interkurrenten
Erkrankungen die Steigerung der Toxicität sehr ver¬
schieden hohe Grade erreichen kann, und dass dies offen¬
sichtlich abhängig ist von der Art der Krankheits¬
erreger. Verhältnismässig harmlos scheinen sogenannte Er¬
kältungskrankheiten zu sein, wie z. B. unser Fall 2 zeigt, und
ebenso auch die in der Einleitung erwähnten Beobachtungen von
Almkvist; desgleichen solche Fälle, wo es zur Entwicklung
kleiner, abgekapselter Abscesse kommt (siehe Fall 1). Dagegen
sind in dieser Beziehung Anginen, also Allgeraeininfektionen
mit Streptokokken, zweifellos sehr gefährlich und be¬
wirken, wie das Fall 3 und 4 evident beweisen, schwere Störungen
der Gesundheit trotz der Verwendung nur geringer Dosen von
Salvarsan.
Endlich lässt sich aus dem Ablauf unserer Beobachtungen
e in gewisses Urteil darüber gewinnen, welche Zeitdauer die
durch bakterielle Erkrankungen bedingte Herabsetzung der
Toleranz gegenüber dem Salvarsan umfasst. So wird bei¬
spielsweise im Fall 1 bereits 8 Tage, bevor sich die ersten An¬
zeichen eines Brustdrüsenabscesses feststellen lassen, eine K. 201-
lojektion nicht mehr gut vertragen. Fall 2 lässt die Steigerung
der Toxicität erkennen, 3 Tage, bevor sich die ersten Krankheits¬
zeichen bemerkbar machen, und Fall 4 reagiert ca. 2 Tage vor
dem die Angina einleitenden Temperaturanstieg sehr schwer auf
Salvarsankupfer, nachdem beide Fälle noch wenige Tage zuvor
eine Injektion ohne irgendwelche Störung ver¬
tragen hatten. Fall 2, jene Patientin mit dem
fieberhaften Schnupfen und nur geringfügiger
Steigerung der Empfindlichkeit gegenüber dem
Salvarsan, verträgt bereits 5 Tage nach ein¬
getretener Entfieberung wieder ohne jegliche
Störung 0,05 K. 201, und die beiden Patien¬
tinnen mit Angina follicul. (Fall 4 und 3)
reagieren 7 bzw. 9 Tage nach völliger Heilung
derselben auf 0,05 K. 201 resp. 0,3 Neo-
salvarsan nicht mehr, während ein paar Tage
vor diesen Terminen alle drei Fälle auf eine
solche Injektion hin noch mehr oder weniger
gefiebert hatten, obwohl dieselbe bei völ¬
ligem Wohlbefinden ausgefübrt worden war.
Aus diesen Zeitangaben geht hervor, dass, in
unseren Fällen zum wenigsten, weder
jener vor dem Einsetzen von Erkran¬
kungserscheinungen bereits vorhandene latente Mikro¬
bismus, noch derjenige nach Abheilung der klinischen
Symptome bestehende eine allzulange Dauer hatte, sich
vielmehr nur auf verhältnismässig wenige Tage beschränkte.
Ein weiterer Beweis hierfür liegt darin, dass bei den Patientinnen
2—4 die Behandlung nicht nur wieder aufgenommen,
sondern auch trotz allmählicher Steigerung der injizierten Sal-
varsanmengen in durchaus befriedigendem Maasse ohne
weitere Störungen durchgeführt werden konnte. Demnach
trifft die bereits eingangs zitierte Meinung Gennerich’s, dass
solche Fälle nur ausserordentlich schwierig in hinreichender Weise
mit Salvarsan behandelt werden könnten, offenbar doch wohl nicht
ausnahmlos zu.
M. H., für die Praxis der Salvarsanbeliandlung
dürften sich auf Grund dieser Auseinandersetzungen folgende
Lehren ergeben:
1. In der Entwicklung begriffene, akute, fieberhafte Er¬
krankungen mit ihrem latenten Mikrobismus entziehen sich
fast ausnahmslos unserer Erkenntnis, weil jegliche Krankheits¬
symptome fehlen. Es ist deshalb gerade mit Rücksicht auf
die Gefahren, die der latente Mikrobismus in sich birgt, unter
allen Umständen auf das peinlichste an dem wohl zuerst von
Genuerich aufgestellten Grundsatz festzuhalten, dass nur bei
völligem Wohlbefinden eines Patienten nach jeder Richtung hin
eine Salvarsaninjektion gemacht werden darf. Bei strikter
Erfüllung dieser Forderung trifft dann wenigstens den Therapeuten
keine Schuld, wenn doch einmal gelegentlich, trotz aller Vorsicht
infolge des Zusammenstossens einer Salvarsaninjektion mit einem
latenten Mikrobismus mehr oder minder üble Folgen sich ein¬
stellen sollten.
2. Nach Abheilung irgendwelcher, akut fieber¬
haften, in eine Salvarsankur fallenden Erkrankung
muss mit Rücksicht auf den wohl fast ausnahmslos noch be¬
stehenden Mikrobismus eine mindestens 8-, noch besser
14 tägige Behandlungspause innegehalten werden.
3. Bei Wiederaufnahme der Salvarsanbehandlung
darf zunächst nur eine sehr kleine Dosis Salvarsan, eine
probatorische Dosis, wie Wechselmann 1 ) das nennt, ge¬
geben werden, und nur ganz allmählich darf eine Steigerung
der Dosis eintreten.
Aus der dermatologischen Klinik der Universität
Modena (Direktor: Prof. P. Colombini).
Epithelisierende Wirkung der Aminoazobenzole. 2 )
Von
Dr. Leonardo Martinotti, Assistenzarzt und Privatdozent.
(Ucborsetr.t von Geh. San.-Rat Dr. Lewin.)
Nach den interessanten Experimenten von Fischer, welche
bewiesen, dass das medizinische Scharlachrot-Biebrich eine be¬
sonders anregende Wirkung auf die Wucherung der Epithelien
besitze: Experimente, welche von zahlreichen Autoren (Jores,
Wessely, Stahr, Seckel, Schreiber, Wengher, Stöber,
Fricke, Werner usw ) bestätigt wurden uud heutzutage all-
1) Die Behandlung der Syphilis mit Dioxydiamidoarsenobenzol, Bd. II.
2) Eine vorläufige Mitteilung über diese Arbeit wurde in der medi¬
zinischen Gesellschalt von Modena am 16. Januar 1914 gemacht.
2 *
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UMIVERSITY OF IOWA
1452
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81 .
gemein anerkannt sind, führte Schmieden als Frucht dieser
Untersuchungen eine 8 proz. Scharlachrotsalbe in die Praxis ein
und empfahl sie dringend zur Epithelialisierung von Wunden.
Dieses Medikament erwies sieb schnell als durchaus wirksam uDd
ist jetzt in die therapeutische Praxis übergegangen. Es wurde
von zahlreichen Autoren zur Vernarbung von Wunden sehr ver¬
schiedenen Ursprungs, wie Verbrennung, X-Strahlen, postopera¬
tiver Lupus usw., empfohlen. Ich erinnere unter den vielen
Arbeiten an die von Sprecher, Auerbach, Crajca, Strauss,
Seifert, Rammstedt, Staige-Davis, Neumeyer, Scba-
retzky, Enderlen, Hübner usw.
Stöber fand 1909, dass auch die basischen Komponenten des
Scharlachrots udü des Sudans III, d. h. des Amidoazotoluols und des
Amidoazobenzols, desgleichen des Paratoluidins, der Aminoderivate des
Naphthalins, des Naphthylamins dieselbe anregende Wirkung auf die
Proliferation der Epithelien besässen, und er folgerte daraus, dass ge¬
rade dem Amidoazotoluol die Wirksamkeit des Scbarlaohrots zuzu¬
schreiben sei.
Stöber machte darauf Experimente*nicht nur an Kaninchen, sondern
auch am MenscheD.
Hayward führte 1909 das Amidoazotoluol in die Therapie ein.
Michaelis empfahl 1911 die Anwendung des Medikaments in
Pulverform in Verbindung mit Zinkperhydrol und Bismut. subnitricum.
Bortlin (1911) empfahl schliesslich das Pellidol (Dimethyl-
amidoazotoluol) und das Azodolen (Pellidol -+- Jodoien aa). Schliess¬
lich gelang es Petzlow, Dobrawoiskaja, Schwerdt, Sachs in
neuerer Zeit zu beweisen, dass verschiedene Farbstoffe, z. B. das
Brillantrot, das Säuregelb, das Säuregrün und andere noch diese epi-
thelialisierende Eigenschaft besässen. Besonders wurde das Brillantrot
in Pulverform empfohlen.
Unter den zahlreichen anderen Autoren, welche auf diesem Gebiet
gearbeitet haben, erinnere ich an Wessely, Rutschinski, Bentbin,
Wacker und Schmincke, Mori, Haga, Katz usw.
Seit einiger Zeit mit zahlreichen Farbsubstanzen experi¬
mentierend, fand ich, dass eine Gruppe derselben in hohem
Grade und in einer ganz besonderen Eigenart diese narben¬
bildende Eigenschaft besässe. Die in Rede stehenden Substanzen
gehören zumeist dem Aminoazobenzoi oder dem Amidoazotoluol an.
Der Kürze wegen werde ich ohne weiteres in den Haupt¬
punkten die Resultate meiner Studien und Untersuchungen mit
teilen.
1. Die Farbstoffe, welche dem Aminoazotoluol und Amino¬
azobenzoi angehören, haben alle eine mehr oder weniger starke
und sichtbare Wirkung auf die Epithelien. Diese Wirkung äussert
sich in Form von Epitbelwucherungen nach Injektionen von
Lösungen oder Emulsionen dieser Substanzen in das Polster des
Ohrläppchens des Kaninchens oder bei lokaler Anwendung auf
Wunden, die durch Hautverletzung von Kaninchen entstanden
sind. Bei den letzteren Applikationen beobachtet man eine einiger-
maassen verschiedene Wirkung, je nachdem die angewandte
Substanz in einem öligen, glycerinbaltigen oder wässerigen Mittel
enthalten ist, worüber ich mich später äussern werde.
Dieselben Wirkungen zeigen dieselben Substanzen auf Wunden
der menschlichen Haut.
2. Das Epithelisierungsvermögen erreicht sein Maximum
bei den niederen Aminoazotoluol- und Aminoazobenzoi Verbin¬
dungen und nimmt im allgemeinen stets mehr ab, wächst jedoch
bei den Disazo-, Trisazo- usw. Derivaten, so dass, um ein Beispiel
auzuführen, diese Wirkung grösser beim Aminoazobenzoi ist als
beim Scharlachrot.
3. Die Aminoazobenzolverbindungen sind im allgemeinen weit
wirksamer als die Aminoazotoluolverbindungen. Einige Autoren
haben widersprechende Resultate beim Gebrauch des Scharlachrots
gehabt. Nun ist zu bemerken, dass das Scharlachrot Biebrich
(Scharlach 3R, Ponceau 3 RB [Pappenheim 1 ), Nietzky 2 ) und
Enzyklopädie 3 )]) ein Disulfoderivat des Aminoazobenzols-azo-
/JNapbthols ist; das Fettponceau oder Scharlachrot [Nietzky 2 )
und Enzyklopädie 4 ), Michaelis 5 )] ein Amidoazotoluol -azo-
/iNaphthol. Nach der Formelangabe von Kalle würde dagegen
das Scharlachrot-Biebrich R diese letztere Zusammensetzung haben.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die beiden in den Handel
gebrachten Proben von Scharlachrot R verschieden zusammen¬
1) Pappenheim, Grundriss der Farbchemie, 1901, S. 401.
2) Nietzky, Chemie der organischen Farbstoffe, 1906, S. 74, 75, 76.
3) Enzyklopädie der mikroskopischen Technik, 2. Aufl., 1910, Bd. 1,
S. 106.
4) Ebenda, S. 455.
5) Michaelis, Fett. Ebenda, S. 450.
gesetzt sind und deshalb verschiedene Resultate bervorgerufen
haben, obwohl es nach meinen Versuchen für mich, wie bereits
gesagt, feststeht, dass die Aminoazobenzolverbindungen stets
wirksamer sind als die Aminoazotoluolverbindungen.
4. Von allen Aminoazobenzolverbindungen bat das salzsaure
Diaminoazobenzol die grössere Wirkung, eine FarbsubstaDz, welche
im Handel unter dem Namen „Chrysoidin“ gebt. In zweiter
Linie steht das salzsaure Amidoazobenzol (Aniiingelb); alle
anderen Aminoazolbenzolverbindungen haben eine geringere Wirkung.
5. ln Uebereinstimmung mit allem, was ich zuvor gesagt
habe, empfehle ich vom praktischen Standpunkte vor
allem das Amidoazobenzol hydrochlor. (oder Phenylazo-
meta-Pbenyiendiamin chiorydr.) als Vernarbungsmittel
bei Wunden im allgemeinen als das wirksamste, kräf¬
tigste und vielleicht am wenigsten giftige von allen
beute bekannten Präparaten 1 ).
Ich wandte es an bei atoniseben varikösen Geschwüren, bei
Brand Verletzungen, bei grossen ulcerierten Flächen, Residuen von
Excochlea!ionseffekten usw. In allen diesen Fällen bewies es ein
ausserordentliches, in einigen ein geradezu wunderbares Narben-
bildung8vermÖgen.
Man kann es in öliger (5 proz.), Salben- (10 proz.) oder
wässeriger (1 — 2 proz.) Form verwenden. Bei wenig ausge¬
dehnter Fläche benutzte ich es auch als reines Pulver ohne
irgendwelche toxische Erscheinung oder in Verbindung mit anderen
unschädlichen Pulvern. Die Glycerinlösung (3—5 proz.) leistet
schlechte Dienste.
Vor allen Medien ziehe ich die wässrige Lösung vor. Denn
die fettigen Medien (das trifft auch für die des Amidoazotoluols
zu) führen zu einer mehr oder weniger wuchernden Vernarbung,
während die wässerige Lösung eine flache, glatte und sehr schnelle
Epithelialisiernng bewirkt. Ausserdem hält diese letztere die
Wunde ganz rein, während die Salben und fettigen Lösungen eine
Art Oedem des Bindegewebes erzeugen. Einen Nachteil hat die
wässerige Lösung, und der besteht darin, dass die neugebildete
Epidermis zu trocken ist (und dafür werden wir bald die Gründe
erfahren); man kann jedoch diese Unannehmlichkeit vermeiden,
wenn man alle 3—5 Tage die wässerigen Lösungen mit Salben
vertauscht.
Die wässerigen Lösungen werden in der Weise verwendet,
dass man Gaze damit tränkt und auf die Teile legt. Im Centrum
der Wunde bildet sich eine Anhäufung einer festen, sahnenartigen
Masse, nach deren Entfernung der Boden rosig und ganz rein
erscheint. Das Chrysoidin übt keine sichtbaren Wirkungen auf
das Bindegewebe aus und hat die Tendenz, eine Vernarbung mehr
auf der Oberfläche als in der Tiefe berbeizufübren.
Es ist von Wichtigkeit, sich den Mechanismus klar zu machen,
mit welchem diese Substanzen wirken. Ueber diesen Punkt sind
die Meinungen verschieden und alle mehr oder weniger hypo¬
thetisch.
Fischer schreibt die Tatsache einer Art von Chemotaxis zu, wie
sie von diesen Substanzen (Attraxine) ausgeübt wird: eine Chemotaxis,
welche auch bei den neoplastisohen Wucherungen sich geltend machen
könnte. Diese Ansicht haben viele acceptiert.
Stahr denkt eher an das Faktum der Reizung, herrührend von
einem Komplex von Ursachen, die bei der Injektion dieser Substanzen
ins Spiel kommen.
Meyer misst den chronisch-entzündlichen Prozessen, welche in Be¬
ziehung zu den lokalen CirculationsstÖrungen stehen, eine Bedeutung bei.
Greisoher legt grosses Gewicht auf die Ciroulationsverhältnisse.
Benthin und Sachs führen verschiedene Ursachen ins Feld:
Ciculationsstörungen, Spannung der Gewebe und vor allem das Er¬
scheinen besonderer chemischer Substanzen.
Mori und Haga führen das Faktum auf eine entzündliche Reaktion
zurück.
Sachs leugnet auf Grund der Tatsache, dass zahlreiche verschiedene
Substanzen von ganz verschiedener Zusammensetzung oin Narben¬
bildungsvermögen besitzen, jeden spezifischen Charakter derselben.
Ich erinnere hier an Wyss, welcher annahm, dass das Phänomen
eine Folge der mechanischen Wirkung der reinen, einfachen Oelinjektion
sein dürfte.
Schliesslich legen Wacker und Schmincke der Löslichkeit der
Lipoide eine grosse Bedeutung bei. Es ist das ohne Zweifel die inter¬
essanteste Hypothese, aber die Frage ist meiner Ansicht nach von den
Autoren nicht gut begründet worden.
Das sind die Hauptansichten, die in dieser Beziehung aus¬
gesprochen worden sind. Ohne in eine Diskussion derselben ein-
1) Ich gebrauchte die Proben von den Firmen Schucbardt, Kahl¬
baum und Grübler.
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Gougle.
Original fro-m
UMIVERSITY OF
8. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1458
satreteu, möchte ich jedoch offen erklären, dass keine von ihnen
dem wirklichen Mechanismus entspricht: Die Existenz einer
Chemotaxis ist rein hypothetisch, die Wichtigkeit der lokalen
Circulationsstörangen und der sekundären Bildung von atypischen
Wucheruogsherden, desgleichen die Idee, dass es sich um ein
banales mechanisches Reizphänomen handle, sind zu einfach, um
ein so kompliziertes und so offenkundiges Faktum, wie das starke
Epithelisierungsvermögen zu erklären, welches einige Substanzen
besitzen. Es würde wahrlich leicht sein, den Einwand zu er¬
beben, warum andere Ursachen, welche dieselben Erscheinungen
liefern, nicht eine ebenso schnelle wie intensive Epithelisierung
herbeiführeo. Von anderen Autoren ist behauptet worden, auch
auf Grund von experimentellen Versuchen, dass dieselben öligen
Substanzen, wenn sie als Lösungsmittel (besonders das Olivenöl)
gebraucht würden, ein mehr oder weniger starkes Epethelisierungs-
vermögen besässen. Darauf ist zu erwidern, dass ein banales Reiz¬
phänomen, welches auf verschiedenen Ursachen beruhen und zu
Epithelwucherungen fuhren kann, durchaus verschieden ist von einer
spezifischen Wirkung der echten Epithelialisierung, wie sie durch
diese Substanzen hervorgerufen wird. Zweitens ist die Bedeutung
des Excipiens ganz ohne Belang, wenn man bedenkt, dass ich, wie
gesagt, die Farbsubstanz (Chrysoidin) nicht nur in wässeriger
Lösung (wie es auch die anderen getan haben) angewandt habe,
sondern auch in Pulverform. Wenn schliesslich das Olivenöl und
die Excipientien dieses Epithelisieruogsvermögen besässen, so
erscheint es doch .seltsam, dass es sich nicht äussert, wenn sie
als Excipientien anderer Medikamente verwendet werden.
Können auch endlich banale chemische oder physikalische
Vorgänge Bpithelwucherungen hervorrufen, so bandelt es sich
doch immer om gewöhnliche Reaktionen, welche nichts mit der
spezifischen Tatsache der iutensiven Proliferation zu tun haben,
die durch besondere Substanzen erzeugt werden, welche gerade
beweisen, dass sie diese besondere Eigentümlichkeit besitzen. Die
Ursache liegt in ganz anderen Faktoren höherer Art, welche in
die Reihe der biochemischen Erscheinungen eintreten. Ich habe
schon die Bedeutung betont, welche die von Wacker und
Scbmincke ausgesprochene Ansicht besitzt nnd zwar deshalb,
weil diese Autoren sich mehr als die anderen dem richtigen
Punkte dieser Frage genähert haben. Ihre Annahme ist jedoch
gerade das Gegenteil dessen, was sich in Wirklichkeit vollzieht.
Sie haben behauptet, dass, wenn sie Substanzen verwenden,
welche die Lipoide lösen, alsdann die Epithelwucherungen be¬
obachtet werden; wenn sie jedoch Substanzen verwenden, in
welchen die Lipoide unlöslich sind, so tritt dieses Phänomen
nicht auf.
Ich bin bei Lösung dieser Frage von anderen Gedanken aas¬
gegangen: Ich suchte vielmehr zu erfahren, welche Affinität
diese Substanzen zeigen, wenn man mit ihnen eine intravitale,
supravitale oder postmortale Färbung der Gewebe vornimmt.
Mit den beiden ersten Methoden erhielt ich nur zweifelhafte
Resultate, und deshalb gab ich sie auf. Mit der letzteren da-
S e £* D gelangte ich durch verschiedene Stufen zu sehr wichtigen
Schlüssen, welche man kurz folgendermaassen zusammen fassen
kann: Alle Substanzen, welche in vivo ein Epithelisierungs¬
vermögen haben, besitzen in vitro eine besondere Affinität für
Fette. Es sind das meistenteils Derivate des Aminoazobeozols
und Amiooazotoluols. Während jedoch die höheren Azoderivate
dieser beiden Snbstanzen keine besonders bemerkenswerten Eigen¬
schaften besitzen, so haben die Monoazoverbindungen zum grossen
Teil die Fähigkeit, sich auf den Fetten des Fettzellgewebes zu
fixieren und in Gegenwart eines energisch oxydierenden Agens
sich mehr oder weniger lange Zeit hiudurch nicht aufzulösen.
Uiese Eigenschaft ist weit grösser bei dem Aminoazobenzol als
heimi Aminoazotuol. Sie ist bisweilen so flüchtig, dass sie un¬
beachtet voröbergehen kann. Man beobachtet das bei den ent¬
sprechenden Monazoderivaten. Diejenige Substanz, welche vor
kJ 0 aa< * e f en diese Fähigkeit besitzt, ist das Diamidoazobenzol
ydrochloricnm. Das Experiment wird auf sehr einfache Weise
ausgeführt. Man kann kleine Stückchen des subcutanen Zell¬
gewebes nehmen, sie in eine wässerige Chrysoidinlösang und als-
aon ] n das oxydierende Agens legen. Weit bequemer und mit
grosserem Erfolg kann man die Reaktion auf Hautschnitten
jweicne man dem subcutanen Zellgewebe entnimmt) mit dem
e nerm^rotom machen, oder nachdem man sie wenigstens zuvor
ftrV°k* fatert hat. Das Formol ist nicht hinderlich, sondern
fach ^ q- 8 * e Gegenteil und macht die Methode weit ein-
er * ” ,e w * r e also besser in folgender Weise auszuführen:
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1. Kleine sehr frische Hautstücke werden lebend oder bei chirur¬
gischen Operationen entnommen, in lOproz. Formol fixiert und mittels
Gefriermikrotoms geschnitten.
2. Die Schnitte werden 5—10 Minuten oder noch länger in eine
wässerige 1 proz. Chrysoidinlösung getaucht.
3. Kurze Waschung im Wasser.
4. Eintauchung auf wenige Augenblicke (etwa 1 Minute) in eine
wässerige Lösung von Kal. bichrom. oder lOproz. Chromsäure.
5. Kurze Wasohung und schnelle Ueberführung in absolutem
Alkohol, Benzol, Xylol und Einscbliessung in Balsam.
Unter dem Mikroskop untersucht, zeigeo diese Schnitte die Fette
des subcutanen Gewebes intensiv braungelb gefärbt. Diese Fette sind
unlöslich gemacht worden, so dass man sie Fettlösungsmittel passieren
lassen und in Balsam einschliessen kann, ohne dass sie sioh verändern.
Diese Unlöslichkeit ist, wie gesagt, eine temporäre, hört in einem
Zeitraum von einigen Stunden oder einigen Tagen auf und verliert sich
ganz. Es ist also gut, sofort die mikroskopische Untersuobung der Prä¬
parate zu machen.
Der Einwand, der sich sofort erhebt, ist natürlich der, ob
nicht doch eine Beziehung besteht zwischen diesem Faktnm,
welches sich in vitro vollzieht, und dem, was man in vivo be¬
obachtet, d. h., ob man in dieser Unlöslichkeit der Fette das
gleichwertige biochemische Phänomen des Mechanismus der
starken Epithelialisierung findet, welche diese Substanzen erzeugen.
Ich behaupte, dass eine Beziehung hier besteht. Zwar kann ich
zurzeit noch nicht von den Experimenten sprechen, welche ich
bei Tieren über diese Frage zu machen im Begriff bin; ich kann
jedoch nicht verschweigen, dass theoretisch wie praktisch diese
Annahme zulässig ist. Theoretisch wissen wir, dass sich Oxy¬
dationsprozesse in jedem Moment im Organismus vollziehen, und
wir wissen auch, dass überall sich Fette und Lipoide vor¬
finden. Praktisch sieht man, wenn man auf eine in Vernarbung
befindliche Wunde Gaze legt, welche in eine wässerige Lösung
von Chrysoidin getaucht war, an dea Rändern in Behr schneller
Weise ein glattes flaches Epidermisgewebe vorsebreiten, welches
jedoch besonders trocken ist, und, wenn die wässerigen Ver¬
bindungen des Chrysoidins nicht mit den öligen abwechseln, so
ist das neugebildete Epithelgewebe äusserst arm« an Fotten.
Wenn wir dagegen nar Lösungen oder Oelemulsionen anwendeo,
so ist das neugebiidete Gewebe weniger trocken, viel krankhafter,
viel fetter.
Daher ist es für mich wahrscheinlich genug, dass w-ir in
dieser Fixierung nnd Unlöslichkeit der Fette, in dem, was man
Lipotropismus nennen könnte, ein Fundament der Therapie
finden müssen, welches den Mecbanismns der Wirkung der narben¬
bildenden Snbstanzen erklärt.
Der Entziehung oder ünlöslichmachung der Fette des Epithel¬
gewebes würde eine aktive Epithelwacherung entsprecheu.
Das Phänomen der Epithelwucherungen, welches als Wirkung
der genannten Farbsubstanzen beobachtet wurde, haben einige
Autoren vom Felde des Experiments und der Therapie auf das der
Pathogenese übertragen. Sie suchen zu erforschen, ob ein Zu¬
sammenhang zwischen dem in Rede stehenden Faktum nnd den
atypischen Proliferationen der Neoplasmen besteht.
In dieser Hinsicht befindet man sich natürlich anf dem Gebiet
der Hypothese, auf welches man auch das Phänomen des Lipo¬
tropismus übertragen kann, von welchem ich gesprochen habe
und das man in die zahlreichen Theorien über den Mechanismus
der Genese der neoplastiseben Proliferationen einreihen kann.
Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass zu den Sub¬
stanzen, welche den Lipotropismus besitzen, auch das Salvarsan
gehört, über welches ich mich schon anderswo ausführlich aus¬
gesprochen habe. 1 )
Weitere Erfahrungen in der Radiumbestrahlung
maligner Geschwülste.
Von
Dr. Weckewski- Breslau.
(Vortrag, gehalten in der medizinischen Sektion der schlesischen Gesell¬
schaft für vaterländische Kultur zu Breslau am 8. Mai 1914)
M. H.! Seit meinem letzten Vortrage im vorigen Semester
anlässlich dessen die Radiumfrage hier in extenso behandelt
worden ist, sind viele neue Beobachtungen und Erfahrungen auf
dem Gebiete der Radiumtherapie bekannt geworden, die uns in-
stand setzen, in dieser Frage klarer zu sehen wie bisher.
cembre ^913^° deIle S ° C * italiane di Derm *tologia. Roma, 19 di-
3
Original fro-rn
UNIVERSUM OF IOWA
Nr. 81.
1454 BERLINER KLINISCHE WOCIIENSC’HRIFT.
Es schien eine Zeitlang, als ob bei der grossen Menge der
Skeptiker die neue Therapie nicht imstande wäre, sich erfolgreich
durchzusetzen.
Alle irgendwie bekannten Misserfolge und angeblichen Schä¬
digungen derselben wurden hervorgeholt und zur Diskreditierung
der neuen Heilmethode herangezogen.
Es gibt in der ganzen Heilkunde weder ein Mittel noch
eine Methode, die nicht in gewissen Fällen trotz richtigster
Anwendungsweise im Stiche liesse. Bei der Radiumbehaodlung
liegt der Fall noch um soviel komplizierter, als hier erst reiche,
persönliche Erfahrung, subtile Technik und ausreichendes Be
strablungsmaterial den Ausschlag geben bzw. zum Erfolg ver¬
helfen.
Die einzelnen Misserfolge beweisen nichts gegen die Radium¬
therapie; beweiskräftig ist nur das Positive, und solches Material
ist im letzten Semester genügend zutage gefördert worden.
Die sofortigen Erfolge, die die sogenannte Radikaloperation
uns zu bieten scheint, sind derart bestechend, dass seit der Aera
der antiseptischen und aseptischen Operationsmethode keine andere
Therapie des Krebses als diese Platz greifen konnte.
Hierdurch entstand das Dogma von der allein Erfolg ver-
heissenden Carcinombehandlung durch Radikaloperation. Zurzeit
liegen die Verhältnisse so, dass die Chirurgen der Radiumtherapie
nur die postoperative Behandlung, ausserdem die Bestrahlung der
bereits inoperablen Geschwülste und der Recidive einräumen
möchten.
Demgegenüber muss hervorgehoben werden, dass die Radium¬
bestrahlung der Hautcarcinome die Erfolge der operativen Heil¬
methode unbestritten überholt hat, und in der Gynäkologie ver¬
spricht die neue Behandlungsweise des Uteruscarcinoms nicht nur
Ebenbürtigkeit mit der Radikaloperation zu erreichen, sondern
ihre Ueberlegenheit zu beweisen.
Die operative Carcinomtherapie bat die ihr zu Gebote stehen¬
den Möglichkeiten der Krebsbehandlung bereits erschöpft und ihren
Höhepunkt gewissermaassen bereits überschritten. Die Bestrah¬
lungstherapie im Gegenteil ist heute erst in der Entwicklung be¬
griffen und mit ihrer fortschreitenden Ausarbeitung und Verbesse¬
rung der Technik erweitern sich immer mehr die Indikationen
ihrer Anwendung.
So lange der chirurgischen Behandlung nur die operablen
Fälle zuerteilt werden und die Bestrahlungstherapie der inope¬
rablen Fälle sich annimmt, ist ein Vergleich der Erfolge beider
Behandlungsmethoden kurzerhand nicht ohne weiteres möglich.
Wenn man bedenkt, in welch überwiegender Mehrzahl Reci¬
dive eintreten, selbst nach der aussichtsreichst ausgeführten so¬
genannten Radikaloperationen, so kann man wohl verstehen, dass
die Radiologen auch die operativen Carcinome in den Bereich
ihrer Indikationen hineinziehen wollen und zwar kommt hierbei
zunächst das Carcinom der Mamma in Betracht, das ähnlich
günstige Angriffspunkte für die Bestrahlung bietet, wie das Uterus-
carcinom.
In den l l /a Jahren meiner Tätigkeit als Radiologe hatte ich
Gelegenheit, an vielen Patienten die biologische Wirksamkeit der
Radiumstrahlen kennen zu lernen.
Es muss zunächst besonders bervorgehoben werden, dass
sämtliche Fälle inoperabel waren. Davon waren viele Fälle der
art in extremis, dass sie kurz nach der Bestrahlung an zu¬
nehmender Cacbexie zugrunde gingen.
Einige Fälle haben auf Veranlassung der überweisenden
Kollegen ihre Kur unterbrochen, z. T. weil dieselben der Meinung
waren, dass eine Bestrablungsserie genügen müsse. Andere
Patienten wiederum haben auf eigenen Antrieb, aus Furcht vor
etwaigen Schädigungen, wie solche nach dem Wiener Kongress
sehr häufig in der Tagespresse berichtet wurden, ihre begonnene
Kur aufgegeben.
Ueber das Carcinom in der Gynäkologie möchte ich mich
nicht allzusehr ausbreiten, da hierzu genügende Beiträge zusammen¬
getragen worden sind, speziell hier in Breslau aus der Klinik von
Herrn Geh.-Rat Küstner.
Die von dort berichteten Ergebnisse habe ich vielfach bestätigt ge¬
funden, in allerletzter Zeit an einer Frau, bei der nach Radikaloperation
wegen Portiocarcinom ein stark blutendes und jauchendes Recidiv ent¬
stand. Heute — G Monate seit Beginn der Bestrahlung — ist die Ope¬
rationswunde absolut glatt, an einer Stelle dringt eine dünne Sonde
mehrere Millimeter in einen engen Kanal ein, sonst ist auch nach bi-
manueller Untersuchung nichts Besonderes an ihr mehr festzustellen.
Vom Rectum fühlt man noch eine etwa haselnussgrosse Drüse und ver¬
dickte Stränge, die aber durchaus nicht den Charakter carcinomatöser
Infiltrationen aufweisen. Die Frau bat zusehends zugenommen, und zwar
um annähernd 10 Pfund.
Ein anderer Fall betrifft ein Corpuscarcinom mit Metastasen der Vagma.
Etwa 3 Monate nach Beginn der Bestrahlung gingen die Metastasen
vollkommen zurück, das Corpuscarcinom dagegen änderte sich verhältnis¬
mässig wenig, vielleicht infolge zu kurz dauernder Bestrahlung.
Immerhin ist dieser zunächst vollkommen inoperable Fall nach
Schwund der Metastasen operabel geworden.
Ein anderer Fall betrifft eine Patientin mit einem kindskopfgrossen
Myom, die seit August vorigen Jahres sich in Behandlung befindet.
Der Tumor sass an der Vorderwand des Uterus und war vom
Abdomen mit einer Hand ohne weiteres palpabel. Die vor 8 Tagen
stattgefuudene Untersuchung ergab folgendes Resultat:
Vom Abdomen allein nichts festzustelien. Vorhandensein des Tumors,
aber verkleinert um mindestens die Hälfte, wenn nicht mehr.
Patientin wird weiter bestrahlt.
Ich gebe über zu einer Gruppe von Carcinomen, die vielleicht
am häufigsten zur Bestrahlung gelangen, und von deren Behandlung
ich mir in der Zukunft eine Aenderung gegenüber heute noch gel¬
tenden Anschauungen verspreche. Es ist dies das Mammacarcinom.
Die Radiumbesrahlung des Mammacarcinoms ist ganz besonders
dankbar und lehrreich, weil man in der Lage ist, durch Palpation
und Anschauung sich von der biologischen Wirksamkeit der Be¬
handlungsmethode ein unzweideutiges Bild zu verschaffen, viel
mehr, als dies beim Rectum Uterus- oder Magen carcinom der Fall
sein kann. Ausserdem lassen sich die verschiedenen Stadien
durch die Hilfsmittel der Photographie und «des Gipsabdruckes
bzw. der Moulage festhalten.
Ganz besonders sind es die beiden letzteren, der Gipsabdruck
und die Moulage, die am meisten imstande sind, den jeweiligen
Zustand treuestens zu veranschaulichen.
ln meiner Praxis bat sich folgende Methode am besten und
zweckmäs.sigsteu bewährt:
Gleich zu Anfang der Behandlung und in geeigneten Zeitabständen
werden von den betreffenden Partien der Mamma möglichst grosse Gips¬
abdrücke abgenommen, hierauf mit Hilfe von farbig getöntem Paraffin
die entsprechenden Moulagen ausgegossen.
Gipsabdruck und Moulage stellen alsdann das Negativ und Positiv
vor, die beide genau ineinander passen.
Durch dieses Verfahren werden die Konturen absolut naturgetreu
wiedergegebeo, die Farbentonung dagegen kann der Wirklichkeit nur an¬
genähert werden und hängt von der jeweiligen Geschicklichkeit des Her¬
stellers ab.
Nur eins ist bei der Moulage unmöglich, nämlich die verschiedenen
Grade der Konsistenz festzuhalten.
Aus der Gesamtzahl der behandelten Mammacarcinome habe ich aus
dem Anfang meiner Tätigkeit 2 Todesfälle zu verzeichnen. Bei dem
ersten haudelte es sich um ausgebreitete Recidive nach Radikaloperation
bei einer sehr pastöaen Patientin; im zweiten Falle handelte es sich
um recht ausgedehnte Fälle von Metastasen, besonders in der Lunge,
Leber und im Magen.
Ich bebe hervor, dass diese Fälle mit der seinerzeit üblichen, ausser¬
ordentlich starken 2—3 mm-Bleifilterung bestrahlt worden sind. Es wäre
falsch, anzunehmen, dass diese 2 Fälle sich der Bestrahlungstherapie gegen¬
über absolut refraktär verhalten hätten — im Gegenteil, die zunächst
bestrahlten Stellen zeigten eine deutliche Beeinflussung, indem sie weich
und kleiner wurden.
Während der darauf folgenden Bestrahlungspause entstanden an
anderen Stellen Metastasen in solcher Menge, dass es aussichtslos wurde,
sie zu beherrschen.
In solchen Situationen empfindet man ganz besonders die Notwendig¬
keit, sieh weniger eines einzigen, kräftigen Präparates zu bedienen, als
mehrerer schwächerer, aber ungefähr gleichwertiger, um gegen die zer¬
streuten Metastasen gleichzeitig erfolgreich anzukämpfen.
Anlässlich der beiden soeben erörterten, letal verlaufenen Fälle, die
zunächst doch unzweifelhaft eine günstige Beeinflussung zeigten, möchte
ich betonen, dass alle mit Radium bestrahlten Tumoren eine nach dieser
oder jener Hinsicht günstige Veränderung zeigten, die in den einzelnen
Fällen nur dem Grade nach einige Unterschiede aufwiesen.
Ich möchte nicht weitergehen, ohne zunächst epikritisch
einige Betrachtungen angestellt zu haben, und zwar knüpfen
sich diese an die Aufwerfung der Frage: Sind diese zwei eben ge¬
schilderten, letal verlaufenen Fälle als Misserfolge glatt auf die
Liste des Radiumkontos zu setzen oder nicht?
Es wäre zweifellos ein Unterfangen, diese Frage nach der
einen oder der anderen Seite ohne weiteres beantworten zu wollen,
um so mehr, als ich nicht in der Lage war, eine Sektion der
betreffenden Fälle vorzunehmen. Meine nun folgenden Ausführungen
haben deshalb nur den Wert von Vermutungen.
Solange wir noch immer über den Umfaog der Maximal-
dosis nicht im Klaren sind, laufen wir stets Gefahr, eventuell
eine Unterdosierung vorzunehmen.
Digitized b'
Google
Original frnm
UMIVERSITY OF IOWA
3. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1455
Wohl ist uns die Maximaldosis selbst noch unbekannt, doch
wissen wir heute mit Bestimmtheit, dass sie ausserordentlich hoch
liegen muss.
Ganz allgemein gehalten, komme ich auf Grund meiner bis¬
herigen Erfahrungen zu-der Ueberzeugung, dass 143 bzw. 187 mg
Radiumbromid in selbst lOOstündiger (natürlich nicht hinter¬
einander) Anwendung8dauer sich der Maximaldosis durchaus noch
nicht nähert.
Aus diesem Grunde möchte ich auf die Einwendungen gegen
die hohen Dosen, die seinerzeit in der Diskussion, die meinem
letzten, hier gehaltenen Vortrage folgten, heute erwidern, dass die
bei Rectumcarcinom (dies war der Gegenstand der damaligen
Diskussion) auftretenden Tenesmen von der Aktivitätswertigkeit
unabhängig sind.
Sie treten vielmehr bei jeder Bestrahlung auf, ganz gleich,
ob sie mit grossen oder kleinen Dosen erfolgt, und müssen mit
der physiologischen Funktion des Rectums iu Verbindung gebracht
werden, das — lokal, chemisch oder mechanisch gereizt — mit
Tenesmen antwortet.
Auf diese Weise ist die Empfindlichkeit des Rectums das
ungeeignetste Dosimeter für die Bestrablungstecbnik und gibt uns
durchaus keinen Anhaltspunkt für die Art der Bestrahlung an
anderen Körperstellen.
Hierbei möchte ich betonen, dass an den verschiedenen
Körperteilen die Bestrahlung in ganz verschiedener Weise vorge¬
nommen wird, insbesondere was Zeit, Filter und Form der Radium-
träger an belangt.
Um nur zwei Körperstellen anzuführen: Leber und Speise¬
röhre. Hier kurzdauernde, 1—2 ständige Bestrahlungen durch
dünnere Filter mit röhrchenförmigen Radiumträgern in Intervallen
von 1—2 Tagen; dort Anwendung von dickeren Filtern, selbst
tagelanges Liegenlassen in rasch wiederkehrender Folge, gleich¬
zeitig von verschiedenen Stellen aus.
Ueber die Gründe, welche diese verschiedenartige Behandlungs¬
weise rechtfertigen, möchte ich hinweggehen, weil mich das zu
weit führen würde.
In der Diskussion nach meinem ersten Vortrage ist noch über eine
angebliche Schädigung, hervorgerufen durch Radiumbestrahlung, berichtet
worden, und zwar seitens des Herrn Prof. Frankel. Es handelte sich
um heftige Diarrhöen, die vom Diskussionsredner als Folge der Radium-
behandiung angesprochen worden war.
loh habe damals diese Behauptung unbeantwortet gelassen, weil ich
erst auf diesem Gebiete Erfahrungen sammeln wollte, und ich kann beute
nur aussagen, dass ich die Beobachtung des Kollegen in keinem einzigen
Falle bestätigt gefunden habe, trotz Verabreichung von 15—20 000 Milli-
grammstuuden.
Es muss daher angenommen werden, dass — da es sich in dem
damals diskutierten Falle um ein Carcinom des Peritoneums mit hoch¬
gradigem Ascites handelte — die Diarrhöen aus einer anderen, nicht
näher zu erklärenden Ursache aufgetreten sind, was ja bei Ascites ge¬
legentlich beobachtet wird.
Ich habe während meiner Tätigkeit — es handelt sich
um einige 80—90, zum Teil wochen- und monatelang be¬
strahlte Fälle — den Eindruck gewonnen, dass die Radium¬
bestrahlungen überraschend gut vertragen werden, ohne jegliche
namhafte Störung des Allgemeinbefindens, dass Bestrahlungen,
selbst des Herzens, wie sie bei der Mammacarcinom-Behandlung,
besonders auf der linken Seite nicht zu umgehen sind, ohne
Schaden vertragen werden trotz 10—15 000 und mehr Milli¬
grammstunden.
Diesen Umstand möchte ich ganz besonders hervorheben, da
ich gehört habe, dass bei Anwendung von Röntgenstrablen in
ähnlichen Fällen häufig böse Erfahrungen gemacht worden sind.
Zur Klärung der Frage bezüglich der biologisch verschiedenen
Wirkung der Radiumstrahleu auf der einen und der Röntgen¬
strablen anderen Seite würde viel beitragen, wenn hier anwesende
Herren mit einschlägigen Kenntnissen der Röntgenbehandlung sich
über ihre persönlichen Erfahrungen äussern würden.
Meine Beobachtungen bezüglich der relativen Unschädlichkeit
der grossen Radiumdosen decken sieb im übrigen durchaus mit
den an der Freiburger Klinik gemachten Erfahrungen.
Aus diesem Grunde bediene ich mich in fast jedem Falle
meiner sämtlichen Radiumträger, und würde deren noch mehr
verwenden, falls mir solche zur Verfügung ständen.
Ich komme nunmehr auf meine bei der Behandlung des
lammacarcinoms gemachten therapeutischen Erfahrungen zu
sprechen.
Auf Veranlassung eines hiesigen Kollegen bestrahlte ich 2 Fälle
wegen Mammacareinoms nach erfolgter Radikaloperation.
In dem einen Falle konnte man zwar in der Operationsnarbe Recidive
und in der Umgebung Metastasen nicht mit Sicherheit palpatorisch
nachweisen, es befanden sich jedoch an diesen Stellen Schmerzen, so
dass beginnende Recidive angenommen werden mussten.
In dem anderen Falle bestanden ausserordentlich quälende, schon
monatelang anhaltende Schmerzen in der Gegend der Operationsnarbe,
ausserdem eine schmerzhafte, pralle, ödematöse Schwellung des Ober¬
und Unterarms bis zu den Fingerspitzen.
Auch hier waren Recidive wegen des bestehenden Fettpolsters nicht
mit Sicherheit palpatorisch festzustellen.
Die in beiden Fallen vorgenommene Bestrahlung hatte zur Folge,
dass die Schmerzen ziemlich prompt aufhörten, und die Ödematöse
Schwellung des Armes zurückging.
Der dritte Fall betraf eine Patientin, die nacheinander beiderseits
wegen Mammacarcinoms radikal operiert worden war; bald darauf auf beiden
Seiten ausgedehnte, flächenhafte Recidive, die quer an der Vorderseite
des Brustkastens denselben wie ein Kürass umpanzerten, ausserdem
carcinomatöse Pleuritis mit serösem Erguss, der allwöchentlich durch
Pleurapunktion entleert werden musste.
Dieser Eingriff wurde im Allerheiligenhospital vorgenommen, woselbst
die Patientin daher wohl bekannt ist.
Die Patientin war infolge ihres Zustandes ausserordentlich schwach,
und es bestand wenig Hoffnung auf eine günstige Beeinflussung.
Die Dispoöe war so stark, dass die Patientin sich stets zu Wagen
zu mir begeben musste.
Nach erfolgter energischer Bestrahlung war sie so weit wieder her¬
gestellt, dass sie ihre Tätigkeit als Leiterin eines Modesalons wieder auf¬
nehmen konnte, die Atemnot war vollkommen verschwunden, die flächen¬
haften Recidive zum grossen Teil zurückgebildet und die Pleurapunktionen
für die folgenden 5 Monate, d. h. bis jetzt, unterbleiben konnte.
Angesichts ihres relativen Wohlbefindens lehnte die Patientin weitere
Radiumbestrahlungen, trotz dringenden Anratens ab, und liess sich
später im Allerheiligenhospital mit Röntgenstrahlen weiter behandeln.
Der Erfolg der Röntgenbestrahlung blieb jedoch aus, indem während der¬
selben neue lenticuläre Aussaat auftrat, weshalb die Patientin nunmehr
jetzt vor etwa 4 Wochen mich von neuem zwecks Radiumbestrahlung
aufsuchte. Das vorläufige Ergebnis derselben ist, dass die Aussaat
beginnt, sich jetzt langsam zurückzubilden.
Im vierten Falle handelte es. sich um eine Patientin, der ein Viertel¬
jahr vorher linksseitig die Mamma abgenoraraen und die Drüsen aus¬
geräumt worden waren. Sie wurde mir recidivfrei zur Bestrahlung über¬
wiesen. Seit der Bestrahlung sind jetzt etwa 8 Monate vergangen, ohne
dass die Patientin recidiviert wäre.
Es ist dies der einzige Fall, der recidivfrei in meine Behandlung
gekommen ist, und ist als solcher für die Wirksamkeit der Therapie ohne
grössere Bedeutung.
Erst die statische Gegenüberstellung von bestrahlten und un¬
bestraften reeidivfreien Fällen kann den Beweis für die Zweckmässig¬
keit der prophylaktischen Bestrahlung erbringen.
Der fünfte Fall betrifft eine Petientin, über die bereits in meinem
Vortrage am 7. November vorigen Jahres referiert worden ist. Es ist
jene Kranke, die Herr Kollege Winkler-Bethesda wegen Mammacarcinom
operiert hat, und die danach recidivierte.
Sie hatte ausserdem noch 40—50 lenticuläre Metastasen auf der
operierten Seite, eine Metastase in der anderen Brust und vergrösserte
schmerzhafte Axillar- und Supraclaviculardrüsen gehabt.
Zur Zeit meines damaligen Vortrages war sie, wie ich berichtete,
infolge der Radiumbestrahlung frei von Recidiv und Metastasen und ist
es heute noch nach Ablauf von 7 J / 2 Monaten.
Der sechste Fall von Mammacarcinom betrifft eine Patientin, der von
einiger Zeit die rechte Mamma radikal entfernt worden war.
Hierauf mehrmals Recidive, die fünfmal hintereinander operativ in
Angriff genommen worden sind.
Zuletzt ein Recidiv in der rechten Achselhöhle in Form einer flachen,
markstückgrossen, auf der Unterlage unverschieblichen Infiltration, die
nicht mehr operabel war. Infolgedessen Radiumbestrahlung.
Die letzte, vor ungefähr 10 Tagen stattgefundene Untersuchung er¬
gab folgendes Resultat: Von der carcinomatösen Infiltration ist nichts
mehr zu fühlen. Die daselbst vorhanden gewesenen Schmerzen haben
aufgehört.
Die Radiumbestrahlung der Mammacarcinome bietet ganz be¬
sonders Gelegenheit zu beobachten, wie verschieden normales
und pathologisches Gewebe auf die Strahlung reagiert.
Das den Tumor bedeckende Integument zeigt verschiedene Stufen
der Reaktion, die als Erythem, Blasenbildung, eventuell Ulceration
sichtbar werden.
Die Erfahrung lehrt, dass Ulcerationen des gesunden Integuments,
die selbst mehrere Millimeter tief ins Gewebe eindringen, makroskopisch
mit einer Restitutio ad integrum wird er ausheilen.
Es bildet sich keine Narbe, auch keine Niveaudifferenz, sondern nur
eine Pigmentverlagerung und zwar derart, dass an Stelle des ursprüng¬
lichen Ulcus zunächst eine Pigmentanhäufung eintritt, später ein Pig¬
mentschwund. Gelegentlich habe ich das entgegengesetzte Verhalten
des Pigments beobachtet.
Ganz anders verhält sich das Tumorgewebe. Befindet sich dasselbe
an der Oberfläche, so treten auch hier die 3 Phasen der Reaktion auf.
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UNIVERSITÄT OF IOWA
1456
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
Eine eventuell entstehende Ulceration heilt narbenfrei zu, doch ent¬
steht hierbei im Gegensatz zum normalen Gewebe an Ort und Stelle und
in der Umgebung zumeist eine deutliche Niveaudifferenz, die beweist,
dass hier Zellengewebe aufgelöst und verschwunden sind.
Befinden sich solide Tumormassen in der Tiefe, so beobaohtet man
günstigenfalls eine Aenderung der Konsistenz, sozusagen ein Schwammig-
und Lappigwerden des Gewebes, eine Erscheinung, die bis dabin beim
Bestrahlen gesunder Gewebe keine Analogie zeigt.
Sie kann nicht schlechterdings durch den höheren Grad der Strahlen¬
absorption im Tumorgewebe erklärt werden und drängt zu der Auf¬
fassung, dass hier besondere, noch nicht geklärte Verhältnisse eine Rolle
spielen, die seinerzeit die Hypothese der spezifischen Selektion der
Radiumstrahlen mit sich braohten.
Es ist «urzeit leider unmöglich, einen Tumor von grösseren
Dimensionen, wie es die inoperablen Fälle meist sind, durch eine
einmalige Bestrahlung einzuschmelzen, auch wenn dieselbe
48 Stunden hintereinander oder mehr vorgenommen wird.
Jeder Radiologe wird die jeweilige Applikationsdauer uDd Menge
nur bis zu einer gewissen, seinen Erfahrungen entsprechenden Höhe an-
wachsen lassen, um durch unliebsame Komplikationen nicht überrascht
zu werden.
Hierauf folgt eine Bestrahlungspause, in welcher die in den Zellen
absorbierte Strahlenenergie eine erwünschte oder unerwünschte Wirkung
entfaltet, und nachdem die aus persöolicher Erfahrung bekannte Zeit
verstrichen ist, in welcher infolge der Bestrahlung etwaige Kom¬
plikationen sich hätten einstellen müssen, kann die weitere Applikation
vorgeDommen werden.
Diese Abwechslung von Applikation und Pause muss den Umständen
entsprechend fortgesetzt werden, wodurch gewissermaassen ein chronisch¬
intermittierender BehandluDgsmodus zustande kommt, wie er wohl am
anschaulichsten mit der chronisch-intermittierenden Quecksilberbehandlung
bei Lues zu vergleichen ist.
Diese eben beschriebene Behandlungsmethode stellt eine
fundamentale Forderung und Notwendigkeit dar, die sich unbe¬
dingt noch zur allgemeinen Kenntnis durchriDgeD muss.
Die Filtertechnik, sozusagen der wundeste Punkt der ganzen
Therapie, ist noch arg im Felde.
Weder gibt es ein Filtermaterial, das allgemein in Anwendung wäre,
noch weniger präzise Vorschriften für die anzuwendenden Filterstärken.
Es ist somit wiederum jeder auf seine eigenen Erfahrungen angewiesen.
In der letzten Zeit machte viel die Sekundärstrahlung von sich reden,
die man für die oft heftigen Reaktionen im gesunden Integument oder
in der Schleimhaut, z. B. der Vagina und des Rectums, verantworlich
machte.
Daher wurde die Frage aufgeworfen, wie man die Sagnao’sche
Strahlung eliminieren oder wenigstens reduzieren könnte, und glaubte
dies letztere besonders bei Anwendung von Messingfiltern erreichen zu
können; ich selbst habe sie über einem Vierteljahr im Gebrauch gehabt
und konnte in praxi besondere Vorzüge an ihnen bezüglich der Sekundär¬
strahlen nicht entdecken 1 ).
Was die Filterstärke des angewendeten Messings anbelangt, so be¬
nutzte ich in Fällen, die sonst durch 1,5 mm Silber geschützt wurden,
1,9 mm Messing, und zwar kam ich zu dieser Filterstärke, indem ich
als Vergieichsbasis für beide Metalle ihre Absorptionsfähigkeit für
/1-Strahlen zugrunde legte.
Diese Vergieichsbasis hat sich bei mir für Berechnung der korre¬
spondierenden Filterschichten bzw. der zu eliminierenden weichen
^-Strahlung ausserordentlich bewährt. Dem Einführen der Messingfilter
in die Radiumbestrahlungspraxis liegt noch eine zweite Ueberlegung zu¬
grunde:
Wie ich in meinem ersten Vortrage bereits auseinandergesetzt habe,
bedeutet jede unnötige Verstärkung des häufig angewendeten Bleifilters
eine starke Beeinträchtigung der ^-Strahlenintensität.
Hieraus folgte im allgemeinen, dass man dünne Filter in Anwendung
bringen müsste, oder ein anderes Filtermaterial, das die ^-Strahlen
weniger absorbierte.
Das letztere scheint im Messing gefunden worden zu sein, woraus
fast allgemeine Anwendung resultierte.
Ich selbst bin heute Dach vierteljähriger Anwendung der
Messingfiiter noch nicht in der Lage zu entscheiden, ob beim
Gebrauche dieser ein grösserer therapeutischer Effekt zu erzielen
ist als bei der Verwendung des anderen Filtermaterials.
(Eine bequeme Veranschaulichung der entsprechenden Filterstärken
vermittelt Ihnen die nebenstehende Tafel.)
sind und daher gesondert, gesammelt werden müssen. Ich werde
daher die Erfahrungen bei anders lokalisierten Carcinomen, wie
Rectum- und anderen Carcinomen, einem besonderen, späteren Vor¬
trage zugrunde legen.
Meine bisherigen Erfahrungen susammenfassend, komme ich
zu folgenden Schlüssen:
1. Die Bestrahlungsquanten von 187 bzw. 143 mg, mit denen
ich bis dahin bestrahlt habe, erwiesen sich in keinem einzigen
Falle als schädlich.
2. Carcinome, die unter Röntgen fortschreitend sich ver¬
schlimmern, verlieren bei Radiombestrablong ihre Bösartigkeit,
indem sie sich zurückbilden (Beobachtung von 4 Fällen).
3. Die Carcinome verhalten sich nach den bisherigen Erfah¬
rungen (der Radiumbestrahlung gegenüber) der Lokalität nach
verschieden, was wohl jedoch weniger auf innere Ursachen zurück-
zuführen ist, als vielmehr auf immer noch mangelhaft aus¬
gebildete Applikationstechnik.
4. Aehnlich günstige Resultate, wie sie in der Gynäkologie
beim Uteruscarcinom zu erzielen sind, erreicht man in der Chir¬
urgie zurzeit bei den Mammacarcinomen.
Aus der chemisch - bakteriologischen Abteilung des
(jouvernements-Semstwo-Krankenhauses in Charkow.
Urobilin und Diazoreaktion beim Flecktyphus.
Von
Dr. Marcus Rabiiowitscb,
Leiter der Abteilung.
Unsere Kenntnisse über die Eigentümlichkeiten im Harn der
Flecktyphuskranken sind sehr spärlich, und auch das, was schon
bekannt ist, wird bis jetzt nicht allgemein anerkannt, da die An¬
gaben der Autoren nicht übereinstimmend sind.
Wenn wir darauf sich beziehende Literatur nachschlagen, so finden
wir nur einige Mitteilungen über die Diazoreaktion und gar keine über
die Urobilinausscheidung beim Flecktyphus.
„Bemerkenswert ist es — sagt Gurschmann in seiner klassischen
Monographie über das Fleckfieber 1 ) —, dass neuere Beobachter
(Vierordt u. a.) ziemlich regelmässig bei Untersuchung Fleckfieber¬
kranker auf Diazoreaktion ein positives Ergebnis hatten* (l. c. S. 79).
Ueber Urobilinausscheidung wird nichts erwähnt.
Kurz darauf hat Gedgowd 8 ) bei 30 Flecktyphuskranken den Harn
auf Diazoreaktion untersucht und in s / 4 der Fälle ein positives Resultat
erhalten. Die Diazoreaktion soll nach diesem Autor am vierten Krank¬
beitstage zum Vorschein kommen und bis zum sechsten bis neunten
Tage erhalten bleiben; ausserdem soll der Krankheitsprozess um so
kürzer und leichter verlaufen, je schneller die Diazoreaktion beim
Kranken verschwindet und umgekehrt.
Port 8 ), der im Jahre 1908 vier nach Deutschland eingeschleppte
Fälle von Flecktyphus zu beobachten Gelegenheit hatte, erwähnt nur kurz,
dass bei sämtlichen Kranken die Diazoreaktion schwach positiv war.
Endlich sind noch die Untersuchungen von Balaschew 4 ) zu er¬
wähnen, die sich auf 113 Fälle beziehen, bei denen die Diazoreaktion
im ganzen 538 mal ausgeführt wurde. Auf Grund dieser seiner Unter¬
suchungen kommt der Autor zu dem Schluss, dass die Diazoreaktion beim
Flecktyphus in 96 pCt. der Fälle positiv ist, dass sie meist gleichzeitig
mit dem Exanthem auftritt und in den ersten Krankbeitstagen scheinbar
negativ ist. Am stärksten soll die Reaktion am fünften bis achten
Krankheitstage ausgebildet sein und ein bis zwei Tage vor der Krise
soll sie verschwinden.
Im Gegensatz zu Gedgowd betont Balaschew, dass die Diazo¬
reaktion weder mit der Temperatur noch mit der Intensität des Krank¬
heitsprozesses in irgendeinem Zusammenhang steht.
Wir sehen also, dass sämtliche Autoren, die beim Fleck¬
typhus die Diazoreaktion geprüft haben, dieselbe in der Mehrzahl
der Fälle nach weisen konnten; widersprechend sind nnr die
Schlüsse, die von den zuletzt erwähnten Autoren aus ihren Unter¬
suchungen gezogen wurden.
Was die Urobilinurie beim Flecktyphus aobelangt, so habe
icji, wie erwähnt, darüber in der Literatur wie auch in den Lehr¬
büchern keine Angaben finden können 5 ).
Ich habe mit Absicht meine Erfahrungen über die Radinm-
bestrablnng der Mammacarcinome herausgegriffen, weil diese bei
mir am häufigsten vorkommt und ich der Ansicht bin, dass die
Resultate der Radiumbebandlnng nach Lokalisation verschieden
I) Jetzt nach weiteren zweimonatigen Erfahrungen muss zugegeben
werden, dass bei ihrer Anwendung Uicerationen seltener auftreten als
bei Verwendung anderen Filtermaterials.
Bd Fleokfieber * NotbnagePs spezielle Path. u. Ther„ 1900,
Nr 51 Kr0nika Lekarska ’ 15 * Nov * 1902. Ref. Russky Wratach, 1902,
4) Russky Wratach, 1911, Nr. 25.
miwlm er * Geheim 5 a * Dr. Bäumler hat mir in einem Privatbrief
mitgeteilt, dass er beim Flecktyphus Urobilin im Harn beobaohtet hat
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UNIVERSUM OF IOWA
3. Angast 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1467
Aas diesem Grande wie auch in Anbetracht der Tatsache,
dass bis zar letzten Zeit verschiedene Theorien über das Zu¬
standekommen der Urobilinurie bestehen and keine Einigung in
den Ansichten der verschiedenen Autoren erzielt worden ist, schien
mir von besonderem Interesse, auch dieser Frage beim Flecktyphus
oachzuforschen.
Wie bekannt, wird von einigen Autoren behauptet, dass ver¬
mehrter Urobilingehalt des Harns für eine mehr oder weniger
intensive Erkrankung der Leberzellen und eine hepatische In¬
suffizienz spricht. Es wird auch behauptet, dass Urobilin nur
dann im Harn Vorkommen soll, wenn Bilirubin in den Darm ge¬
langt und dort von den Bakterien in Urobilin umgewandelt wird.
' Nun sind aber in der Leber beim Flecktyphus, wie meine
vorläufigen Untersuchungen gelehrt haben, von einer mehr oder
weniger ausgesprochenen parenchymatösen Degeneration der Leber¬
zellen, die regelmässig von mir auch bei der Febris recurrens
beobachtet wurde 1 ), abgesehen, keine weiteren pathologisch¬
anatomischen Veränderungen wahrzunehmen.
Andererseits unterscheidet sich der Flecktyphus von der
Recurrens dadurch, dass sein Erreger — der Diplobacillus
exanthematicus — hämolytische Eigenschaften besitzt, die eine
hämatogene Grobilinurie verursachen können.
Um diese theoretischen Erwägungen nachzuprüfen, habe ich bei
49 Fleoktyphuskranken täglich während des ganzen Krankheitsverlaufes,
wie auch mehrere Tage nach der Krisis den Harn auf Diazoreaktion und
Urobilingehalt gleichzeitig untersucht.
Ausserdem wurde ia ähnlicher Weise auch der Urin von 12 Re-
currenskranken untersucht.
Zum Nachweis des Urobilins habe ich von den verschiedenen
Methoden diejenigen von Florence und Bogomolow als die besten
befunden. Da aber durch das sehr empfindliche Verfahren von Florence
auch minimale Quantitäten des Urobilins im Garn von gesunden Menschen
nacbgewiesen werden, so habe ich bei meinen Untersuchungen folgende,
etwas modifizierte Methode von Bogomolow benutzt.
Zu 10 com Harn werden 0,5 ccm gesättigter CuSO**Lösung und
1,0 ccm CHG1 8 binzugefügt und umgeschüttelt; beim Vorhandensein von
Urobilin wird die Chloroformschicht, je nach der Urobilinmenge, bell-
bis dunkelrot verfärbt.
Es muss aber dabei darauf geachtet werden, dass zum Nachweis
des Urobilins nur ganz frischer Harn benutzt wird, denn beim längeren
Stehenbleiben des Harns am Tageslicht können Spuren von Urobilin
beinahe in jedem Urin nacbgewiesen werden.
Die Diazoreaktion wurde nach Ehrlich’s Vorschrift ausgeführt.
Was die Recurrenskranken anbelangt, so habe ich in deren Harn
weder während der Paroxysmen, noch während der Apyrexien, noch nach
Ablauf der Krankheit Diazoreaktion und Urobilin nachweisen können.
Eine Ausnahme davon stellte nur ein sehr schwerer, mit Kompli¬
kationen verlaufener Fall, bei dem zweimal gleichzeitig eine schwach
ausgebildete Diazoreaktion und deutliche Spuren von Urobilin nach¬
gewiesen wurden.
Von den untersuchten 49 Flecktyphuskranken wurde die Diazo¬
reaktion in 45 Fällen oder in 91,8 pCt. und Urobilin in 38 Fällen oder
in 77,6 pCt. der untersuchten Fälle nacbgewiesen.
Was die Zeit des Erscheinens der Diazoreaktion betrifft, so war es
unmöglich, dieselbe genau zu ermitteln, da die meisten Kranken am 6.
bis 8. Krankheitstage ins Krankenhaus eingeliefert Wurden, doch hatte
ich die Gelegenheit, in zwei Fällen am 2. und in drei am 3. Krankbeits¬
tage die Diazoreaktion auszuführen und habe dabei in zwei Fällen eine
schwach und in einem Falle eine stark ausgebildete Reaktion feststellen
können.
Die Dauer der positiven Diazoreaktion und die Zeit des Ver¬
schwindens derselben ist je nach dem Fall verschieden, und an ver¬
schiedenen Tagen ist sie selbst bei ein und demselben Individuum ver¬
schieden stark ausgebildet. Sie kann auch ein bis zwei Tage fehlen,
um dann wieder aufzutreten. In der Mehrzahl der Fälle war die Reaktion
bis zum 8. bis 12. Krankheitstage stark ausgebildet.
Irgendeinen Zusammenhang zwischen der Dauer und der Intensität
der nachweisbaren Diazoreaktion und der Schwere der Erkrankung
konnte ioh nicht konstatieren; in einigen schweren Fällen war die Diazo¬
reaktion mehrere Tage vor der Krisis verschwunden, dagegen konnte ich
in einem ganz leichten und in einem schweren Fall noch mehrere Tage
nach der Krisis dieselbe nachweisen.
Meist verschwindet die Diazoreaktion kurz vor der Krisis; es muss
aber erwähnt werden, dass ich zweimal in der zweiten Woche nach der
Krisis bei subnormaler Körpertemperatur die vor der Krisis verschwundene
Diazoreaktion wieder habe nachweisen können.
Das Urobilin erscheint dagegen im Harn der Flecktyphuskranken
«rat einige Tage vor der Krisis oder selbst nach derselben und ist
auch je nach dem Fall mehrere Tage bis zwei Wochen laDg nachweisbar.
Manchmal verschwindet das Urobilin aus dem Harn für ein bis zwei
Tage und erscheint dann wieder.
Die Menge des Urobilins im Harn ist je nach dem Fall wie auch
an den verschiedenen Tagen verschieden, und es konnte auch hier
1) Virch. Arch., Bd. 194, Beiheft, S. 38—168.
irgendein Zusammenhang zwischen der Menge des Urobilins im Harn
nnd der Intensität des Krankheitsprozesses im betreffenden Falle nicht
konstatiert werden.
Zur Demonstration will ioh hier nur kurz den Verlauf der Reaktion
bei zwei Kindern erwähnen, da bei deo Kindern, wie bekannt, der Fleck-
typhos sehr leicht und ohne Komplikation verläuft.
Beide Kranken waren 13 Jahre alt, bei beiden verlief der Krank¬
heitsprozess sehr leicht und ohne Komplikationen, und die Dauer des
P&roxysmus im Krankenhaus« war bei denselben 8 bzw. 9 Tage.
Bei einem dieser Kranken war die Diazoreaktion stark aasgebildet
nnd 7 Tage lang nachweisbar; das Urobilin kam dagegen kein einziges
Mal im Harn zum Vorschein, weder vor noch nach der Krisis.
Beim anderen kranken Kinde war die Diazoreaktion nur schwach
ausgebildet und 4 Tage lang nachweisbar; das Urobilin erschien im
Harn 2 Tage vor der Krisis und konnte noch am 7. Tage der Apyrexie
nacbgewiesen werden.
Von besonderem Interesse sind noch zwei andere Fälle, bei denen
am nächsten Tage nach der Aufnahme ins Krankenhaus im Paroxysmus
eine stark ausgebildete Diazoreaktion und viel Urobilin im Harn nach-
gewiesen wurden.
Es handelte sich in beiden Fällen um kräftige Männer, von denen
der eine im bewusstlosen Zustande ins Krankenhaus eingeliefert wurde
und am 5. Tage nach der Aufnahme starb.
Beim zweiten traten schon in deo nächsten Tagen Bewusstlosigkeit
und Delirien auf; der Paroxysmus dauerte noch 13 Tage, und am 14. Tage
seines Aufenthalts im Krankenhause starb der Patient.
Beim ersten Kranken konnte der Urin nur zweimal untersuoht
werden, und beidemal wurde eine stark ausgebildete Diazoreaktion und
viel Urobilin nacbgewiesen.
Beim zweiten konnte die Harnuntersuchung sechsmal ausgeführt
und regelmässig auch hier stark ausgebildete Diazo- und Urobilinreaktion
konstatiert werden.
Auf Grund dieser beiden Fälle ist es selbstverständlich nicht
erlaubt, weitgebende Schlüsse zu ziehen; jedenfalls ist es sehr
merkwürdig, dass in beiden letal verlaufenen Fällen das Urobilin
schon in den ersten Krank bei tstagen im Harn erschienen ist,
während es in keinem einzigen der übrigen 47 Fälle beobachtet
werden konnte. Zieht man aber dabei in Betracht, dass die
hämolytischen Eigenschaften des Flecktyphuserregers je nach dem
Stamm, wie es von mir 1 ) und Furth 2 ) festgestellt wurde, ver¬
schieden stark ausgebildete hämolytische Eigenschaften besitzen
und meist einige Tage vor der Krisis im Blute der Flecktypbus¬
kranken erscheinen, so drängt sich der Gedanke auf, dass die
Urobilinausscheidung, die auch gewöhnlich knrz vor oder nach
der Krisis auftritt, hämatogenen Ursprungs ist und durch die
hämolytischen Eigenschaften des Flecktyphuserregers bedingt wird.
Durch diese Anoahme kann das erwähnte Erscheinen des
Urobilins im Anfang des Paroxysmus bei den letal verlaufenen
Fällen in der Weise erklärt werden, dass es sich in diesen Fällen
um sehr virulente, stark hämolytische Stämme des Diplobacillus
exanthematicus handelte, die schon in den ersten Krankheitstagen
ins Blut eingedrungen sind.
Zusammenfassung.
1. In der Mehrzahl der Fälle sind beim Flecktyphus Diazo-
und Urobilinreaktion im Harn deutlich ausgebildet.
2. Die Diazoreaktion ist schon in den ersten Krankheits¬
tagen deutlich ausgebildet; sie verschwindet meist kurz vor der
Krisis, kann aber auch nach derselben noch nachweisbar sein.
3. Die Diazoreaktion ist je nach dem Fall verschieden stark
ausgebildet und steht in keinem Zusammenhang mit der Intensität
des Krankheitsverlaufs.
4. Das Urobilin erscheint im Harn der Flecktyphuskranken
gewöhnlich kurz vor oder nach der Krisis, sein Erscheinen und
Dauer desselben ist je nach dem Fall verschieden.
5. ln beiden letal verlaufenen Fällen ist das Urobilin schon
in den ersten Krankbeitstagen im Harn erschienen und war
dauernd parallel mit der Diazoreaktion nachweisbar.
6. Beim Flecktyphus ist das Urobilin hämatogenen Ursprungs
und wird durch die hämolytischen Eigenschaften des Flecktypbus¬
erregers bedingt 8 ).
1) Arch. f. Hyg., 1909, Bd. 71, S. 331—379. Wratschebn. Gazelta,
1913, Nr. 37.
2) Zschr. f. Hyg., 1911, Bd. 70, S. 333.
3) Nachtrag bei der Korrektur: Nachdem der Artikel der Re¬
daktion übersandt wurde, sind Mitteilungen über Flecktyphus erschieneo,
die nicht berücksichtigt werden konnten, auf die ich aber in einer
späteren Publikation zurückkommen werde.
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Original fram
UNIVERSUM OF IOWA
1458
BERLIN ER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Aus der chemisch - bakteriologischen Abteilung des
Gouvernements-Semstwo-Krankenhauses in Charkow.
Ueber den Flecktyphuserreger.
Von
Dr. Harens Rabino witsch,
Leiter der Abteilung.
Die Frage über den Flecktyphuserreger beschäftigt schon
über 50 Jahre die Forscher verschiedener Länder. Schon am
Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat Hailier 1 )
Mikrokokken beschrieben, die er im Blute und Fäces der Fleck*
typhuskranken beobachtete, und dabei die Behauptung aufgestellt,
dass diese seiner Meinung nach ganz eigentümlichen Mikrokokken
die Erreger des Flecktyphus sein sollten.
Seit dieser Zeit sind wiederholt und von zahlreichen Autoren
ähnliche Mikrokokken, wie auch verschiedene andere voneinander
abweichende Keime beschrieben und als die spezifischen Erreger
des Flecktyphus gedeutet worden.
Wie gross die Zahl der auf den Flecktyphus sich beziehen¬
den und bis zum Jahre 1909 erschienenen Untersuchungen ist,
kann man daraus schliessen, dass die kurze Besprechung derselben,
soweit sie mir zugänglich waren, in meiner im Archiv für Hygiene,
Bd. 71, erschienenen Arbeit — „Zur Aetiologie des Flecktyphus“ —
19 Druckseiten in Anspruch genommen hat.
Bei der genauen Nachforschung der zahlreichen, meinen
Untersuchungen vorausgegangenen Mitteilungen über den Fleck-
typbuserreger ist mir die merkwürdige Tatsache aufgefallen, dass
man, trotz der widersprechenden Angaben der verschiedenen Autoren,
in der Schilderung ihrer Untersuchungen etwas Uebereinstimmendes
finden kann, und das ist die Tatsache, dass die meisten
Autoren bei ihren Untersuchungen kurze, paarweise
liegende Gebilde wahrgenommen haben.
Io meiner erwähnten Arbeit, in der ich diese merkwürdige
Tatsache hervorgeboben habe, konnte ich an der Hand von eigenen
UntersuchnDgen Beweise dafür liefern, dass die meisten Autoren
in der Tat denselben Flecktuphuserreger beobachtet haben; ich
war auch imstande, die Erklärung dafür zu geben, warum die
verschiedenen Autoren auf Grund ähnlicher Beobachtungen zu
einander widersprechenden Schlüssen kommen konnten und sogar
mussten.
Die Sache ist nämlich die, dass der Flecktyphuserreger ein
kurzes, plumpes Stäbchen darsteilt, das je nach der Färbungsart
entweder ganz homogen aussieht, oder, dem Pestbacillus ähnlich,
eine belle mittlere Zone aufweist.
Und da diese Stäbchen ihrer typischen Anordnung nach mit
dem längeren Durchmesser sich paarweise aneinander, manchmal
aber auch einzeln oder der Länge nach nacheinander oder endlich
in Haufen lagern, so können sie, je nach der Färbnngsart, ent¬
weder als einzelne und Doppelstäbchen oder als Diplo-, Tetra-,
Strepto- oder Staphylokokken wabrgeDommen werden.
Färbt man die Präparate mit einfachen Anilinfarben, dann
kommt die homogene Stäbebenform zum Vorschein; wird dagegen
das Löffler’sche Methylenblau zur Färbung benutzt, dann erscheinen
dieselben Stäbchen als Diplokokken, und nur bei Färbung mit
der Giemsafarbe kann man deutliche Stäbchen mit heller
mittlerer Zone oder „Spalt“ und intensiv gefärbten Polen wahr¬
nehmen.
Dass dieses StäbcheD, das ich Diplobacillus exanthe-
matiens genannt habe, in der Tat der Flecktyphuserreger ist,
konnte ich durch zahlreiche Untersuchungen an Flecktyphuskranken
intra vitam und post mortem 2 3 ), wie auch durch Komplement-
bindungs- 8 ) und Agglutinationsversuche und endlich durch Impf-
versuebe an Meerschweinchen und Ferkeln 4 ) nachweiaen.
1. Diese Stäbchen habe ich systematisch in den verschie¬
denen Organen von an Flecktyphus Verstorbenen durch die Silber¬
imprägnation wie auch durch die Gram’sche und Giemsa’sche
Färbung in Schnitten und Ausstrichen naebgewiesen.
2. Diese Stäbchen wurden systematisch in den Blntausstrichen,
in den Schnitten durch die Gerinnsel des venösen Blutes, wie
auch im Centrifugat des sterilen Serums, das von dem Blut-
1) Virch. Arch., Bd. 43.
2) Zbl. f. Bakt., I. Abt., 1909, Orig., Bd. 52, S. 173. — Arcb. f.
Hyg., 1909, Bd. 71, S. 331. — Wratschebnaja Gazetta 1913, Nr. 37.
3) Russky Wratscb, 1912, Nr. 85. —■ D.m.W., 1912, Nr. 35. —
M.m.W., 1913, Nr. 44. — Wratschebnaja Gazetta, 1913, Nr. 43.
4) Arch. f. Hyg., Bd. 78, S. 186.
Nr. 81.
gerinnsei ausgeschieden wurde, von Flecktyphuskranken nach-
ge wiesen.
3. Die Stäbchen habe ich aus dem steril entnommenen
venösen Krankenblnt in Reinkultur gezüchtet.
4. Die Reinkultur dieser Stäbchen warde durch das Seram
der Kranken, die den Flecktyphus überstanden haben, agglutiniert.
5. Aus der Reinkultur dieser Stäbchen bergestellter wässe¬
riger Extrakt hat mit dem Rekonvaleszentenserum der Flecktypbus¬
kranken die Kompiementbindung hervorgerufen.
6. Die Reinkultur dieser Stäbchen hat sich in gleicher Weise
wie das Krankenblut als virulent für die Meerschweinchen er¬
wiesen; dabei erkrankten die Meerschweinchen nach gleicher In¬
kubationszeit, wenn sie mit dem Krankenblute oder aus demselben
gezüchteten Stamm des Diplobacillus intraperitoneal geimpft
wurden.
7. Die Virulenz und Inkubationszeit eines jeden Stammes
des Diplobacillus für die Meerschweinchen ist eine verschiedene,
aber dieselbe für ein und denselben Stamm, sei es in Reinkultur
oder im Krankenblute.
8. Diesen Diplobacillus habe ich regelmässig ans dem Herz¬
blut der geimpften Tiere während des Paroxysmus in Reinkultur
gezüchtet, ganz unabhängig davon, ob die Tiere iotraperitoneal
mit Reinkultur oder Krankenblut geimpft wurden.
9. Mit der Reinkultur des Diplobacillus bzw. mit Kranken¬
blut geimpfte Meerschweinchen, die die Krankheit überstanden
haben, werden für eine zweite Impfung mit Reinkultur oder
Krankenblut unempfänglich.
10. Der Diplobacillus ist auch für ganz junge Ferkel viru¬
lent, bei denen nach der Infektion ein stark ausgebildetes Exanthem
zum Vorschein kommt.
11. Auf 60° erwärmt, verliert der Diplobacillus seine Virulenz.
12. Endlich hat dieser grampositive Diplobacillus ganz eigen¬
tümliche kulturelle Eigenschaften, die 1. c. genau geschildert
werden.
Diesen Diplobacillus exanthematicus haben beinahe
sämtliche zahlreiche Autoren, die in den letzten Jahren mit
dem Flecktyphus sich beschäftigt haben, in den Blutausstrichen
von Fl ecktyphuskranken wahrnehmen können 1 ).
Trotzdem haben nicht sämtliche Forscher das Blut der Fleck¬
typhuskranken bakteriologisch untersucht, und von den Autoren,
die die Züchtungsversuche ausgeführt haben, ist auch Ricketts
und Wilder 2 ), Fürth 8 ), Wilson 4 ), Silberger 8 ) und P. Th.
Müller 6 ), die Reinkultur des Diplobacillus zu züchten
gelungen.
Die Tatsache, dass einige Forscher bei der bakteriologischen
Untersuchung des Krankenblutes den Diplobacillus, den sie in
den Blutausstrichen wabrgenommen haben, in Reinkultur nicht
gewinnen konnten, kann nicht wundernebmen, denn derselbe er¬
scheint im Blute, wie es auch bei anderen Krankheitserregern der
Fall ist, zu einer bestimmten Krankheitsperiode, die beim Fleck¬
typhus dem Ende des Paroxysmus entspricht, wie es auch Fürth
bei seinen eingehenden Untersuchungen konstatieren konnte.
Zieht man dabei in Betracht, dass der Paroxysmus beim Fleck¬
typhus, je nach dem Fall, wie es aus den klassischen Werken
von Murebison 7 ), Griesinger 8 ) und Curschmann 9 ) bekannt
Ist, 6 bis 25 Tage dauern kann, so wird es klar sein, dass bei
der Züchtung des Erregers nicht der Krankheitstag, sondern der
Tag der Krisis berücksichtigt werden muss.
Jedenfalls kann auf Grund der geschilderten Tatsachen mit
Recht behauptet werden, dass der Diplobacillus der Fleck¬
typhuserreger ist.
Bemerkenswert muss es deshalb erscheinen, dass neuerdings
Hegler und von Prowazek bei ihren Untersuchungen über den
Flecktyphuserreger, wie es aus ihrer in Nr. 44 der Berl. klm.
Wochenschrift erschienenen Mitteilung zu entnehmen ist, nicht
einmal versucht haben, das Krankenblut bakteriologisch zu unter-
1) Predtjetscbensky, Zbl. f. Bakt., I. Abt, 1910, Orig., Bd. 55,
S. 212; ebenda, I. Abt., 1911, Orig., Bd. 58, S. 106. - Mc. Campen.
Journ. of med. researeb, 1910, Vot. 23, p. 71. — Nicolle, Annal. de
l’inst. Pasteur, 1910, T. 24, p. 243; ibidem, 1911, T. 25, p. 1.
2) Journ. of the Amer. med. assoc., 1910, Vol. 54 und 55. — Aren,
of int. med., 1910, Vol. 5.
3) Zschr. f. Hyg., 1911, Bd. 70, S. 333.
4) Journ. of byg., 1910, Vol. 10, p. 155.
5) Obtschestwerny Wratseh, 1912, Nr. 6.
6 ) M.m.W., 1913, Nr. 25.
7) Die typhoiden Krankheiten. Braunschweig 1867.
8 ) Virchow’s Handb. f. spez. Path. u. Ther., H. Aufl.
9) Fleckfieber in Nothnagel’s Handb. d. spez. Path.u. Ther., 1900.
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UNIVERSUM OF IOWA
8. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1459
suchen, und um so mehr, als sie den Diplobacillus in den Blut' I
ans8trichen beobachtet haben.
„Auf eingehende bakteriologische Blutuntersuchungen,“ sagt
von Prowazek, „wurde von vornherein als nicht im Rahmen
unserer Untersuchungen Hegend verzichtet. 1 2 3 4
Und trotzdem, dass auf die bakteriologische Blutuntersuchung
überhaupt verzichtet wurde, glaubt von Prowazek doch folgendes
über den Diplobacillus, den er auch, wie erwähnt, in den Blut-
ausstrichen beobachtet bat, behaupten zu können:
„Die Bedeutung dieser Gebilde ist sehr unklar, und ihre
ätiologische Beziehung zum Flecktyphus scheint uns 1 ) nicht
bewiesen. 4
Hervorgehoben muss dabei werden, dass merkwürdigerweise
Hegler und von Prowazek in ihrer Mitteilung, in der zahl¬
reiche Autoren zitiert werden, keinen einzigen derjenigen
Forscher er wähnen,dieden Dip lobacillusex an thematicus
in Reinkultur gezüchtet und seine ätiologische Bedeu¬
tung für den Flecktyphus nachgewiesen haben.
Unbegreiflich ist es auch, warum Hegler und von Pro¬
wazek, die „zum genaueren Studium 4 des Flecktyphus nach
Serbien gesandt wurden, „auf die bakteriologische Blut-
Untersuchung von vornherein verzichtet haben?“
Mir scheint es, dafür sprechen auch die obenerwähnten neueren
Forschungsergebnisse, dass gerade in der eingehenden bakterio¬
logischen Blutuntersuchung die wichtigste Aufgabe der Expedition
liegen musste.
Es ist allgemein bekannt, dass der klinische Verlauf der
Krankheit in erschöpfender Weise von Murchison, Griesinger,
Carschmann und von anderen eingehend erforscht und geschil¬
dert wurde.
Dasselbe ist auch über die Impfversuche, die von Prowazek
an Meerschweinchen und sechs Affen ausgeführt hat, zu sagen,
denn Ricketts und Wilder 2 ), Nicolle, Conor und Conseil 8 ),
M. Rabinowitsch 4 ), Anderson und Goldberger 5 ), Gavino
und Girard*), Piquet 7 ) und endlich Fürth 8 ) haben schon längst
an Hunderten von Affen und Meerschweinchen Impf- und Ueber-
tragungsversuche mit dem Krankenblute bzw. aus demselben ge¬
züchteter Reinkultur des Diplobacillus mit positivem und an ver¬
schiedenen anderen kleinen und grossen Tieren mit negativem
Resultat ausgeführt, und im Vergleich mit diesen zahlreichen Ver¬
suchen sind die sechs Versuche an Affen von v. Prowazek
wohl ohne jede Bedeutung, und um so mehr, als diese nicht ein¬
deutig sind.
So behauptet von Prowazek, dass es ihm gelungen ist,
den Flecktyphus durch eine Laus auf einen Macaccus rhesus
zu übertragen.
Wenn man aber die Kurve 2 dieses Macacus rhesus mit der
Kurve 1 des Macacus rhesus, der mit Krankenblut geimpft wurde,
verleicht, so kann mau sich davon überzeugen, dass der Tempe¬
raturverlauf bei beiden Tieren ein ganz verschiedener ist, und es
ist nicht ausgeschlossen, dass der durch die Laus angeblich in¬
fizierte Affe an einer intercurrenten Krankheit, die nach den An¬
gaben der meisten Forscher sehr häufig bei den Affen beobachtet
werde, eingegangen ist.
Diese Annahme ist um so wahrscheinlicher, als die Inkubations¬
zeit bei diesem durch eine Laus angeblich infizierten Macacus
im Vergleich mit derjenigen bei durch zahlreiche Läuse infizierten
Affen von Nicolle sehr kurz ist, und als es sich in diesem
Falle, wie es v. Prowazek selbst hervorbebt, um ein „kleines
weibliches, schwächliches Tier“*) gehandelt hat.
Bei derartigen Uebertragungsversucben an Affen durch Läuse
koonte überhaupt das Ergebnis der Versuche nur dann als positiv
betrachtet werden, wenn beim infizierten Tier während des
Paroxysmus der Krankheitserreger im Blute nacbgewiesen werden
konnte und dabei jede Möglichkeit der Infektion durch andere
infizierte Tiere ganz ausgeschlossen wäre, da die Affen häufig
ohne bekannte Ursache zu fiebern anfangen.
1) Meine Sperrschrift.
2 ) 1. c.
3) Annal. de l’inst. Pasteur, 1912, T. 26, p. 246.
4) l.e.
3) Journ. of med. research, 1910, Vol. 22, p. 409.
6 ) Bull, de l’inst. Pasteur, 1910, p. 841. — Brochure. Mexiko 1911.
~ Zbl. f. Bakt., 1. Abt., 1912, Ref., Bd. 53, S. 342.
7) Bull, de la soe. de pathol. exotique, T. 2, p. 564.
8 ) 1. c.
3) Meine Sperrsobrift.
Endlich muss ich noch vorläufig in aller Kürze auf die Zell¬
einschlüsse zurückkommen, deren Beschreibung v. Prowazek viel
Platz in seiner Mitteilung eingeräumt bat.
Derartige und verschiedene andere ZelleiDSchlüsse sind, wie
es allgemein bekannt ist, von zahlreichen Autoren bei den ver¬
schiedensten Infektionskrankheiten beschrieben und als die ent¬
sprechenden Krankheitserreger gedeutet worden, aber nie und
keinem dieser zahlreichen Autoren, die die Zelleinschlüsae be¬
schrieben haben, ist es gelungen, den Beweis dafür zu erbringen,
dass es sich um Krankheitserreger und nicht um Farbennieder¬
schläge oder Degenerationserscheinungen in den Zellen handelt.
Es ist selbstverständlich, dass die abgeschwächten oder toten
Krankheitserreger von den Zellen aufgenommen werden können,
in der Mehrzahl der Fälle handelt es sich aber bei diesen „Ein¬
schlüssen“, wie die neueren Forschungen lehren, um Reaktions-
erscheinuogen in den Zellen.
Derartige Reaktionserscheinungen in den neutrophilen Leuko-
cyten beim Flecktyphus, in denen in ähnlicher Weise wie bei
anderen Infektionskrankheiten eine Gliederung und Fragmentation
des Kerns wahrgenommen wird, habe ich häufig beobachten
können.
Häufig kann man in den Leukocyten einen oder mehrere
Kernsplitter von verschiedener Gestalt wahrnehmen, die manch¬
mal untereinander wie auch mit dem Kern durch feine Fäden
verbunden sind, nicht selten aber auch frei im Protoplasma
liegen.
Aber niemals habe ich bei meinen Untersuchungen,
die auf Tausende von Blutausstrichen sich beziehen,
abgesehen vom Diplobacillus, der manchmal in den Zellen beob¬
achtet wird, irgendwelche ZAlleinschlüsse wahrnehmen
können, die man als Parasiten deuten konnte.
Uebrigens gibt v. Prowazek selbst zu, dass er in den Leuko-
cyten der Flecktyphuskranken auch die Doehle’schen und
trachomähnliche Einschlüsse beobachtet hat.
Es ist deshalb sehr zu bedauern, dass Hegler und
v.Prowazek die Gelegenheit nicht ausgenutzt haben, um
das Blut der Flecktypbuskranken bakteriologisch zu
untersuchen, denn wenn sie es getan und dabei die
schon vor ihnen gesammelten zahlreichen Erfahrungen
berücksichtigt hätten, dann konnten sie auch die Ueber-
zeugung gewinnen, dass der von mir im Jahre 1908 ent¬
deckte Diplobacillus der Flecktyphuserreger ist, und
die verschiedenen „Zelleinschlüsse“, die beim Fleck¬
typhus wahrgenommen werden, nichts anderes als Re¬
aktionsprodukte der Zellen sind.
(Nachtrag bei der Korrektur.) Seit der Absendung
dieses Artikels hatte ich Gelegenheit, weitere Untersuchungen über
den Flecktyphuserreger auszuführen; diese wie auch die früheren
abgeschlossenen Untersuchungen werden in kurzer Zeit io einer
ausführlichen Monographie mitgeteilt werden.
Gin Fall von hochgradiger Fettleibigkeit
(bzw. Elephantiasis).
Von
J. BenderskyKiew.
Ich habe im Laufe der letzten 7 bis 8 Jahre eine Patientin beob¬
achtet, welche schon wegen ihrer Dimensionen allein ein gewisses Inter¬
esse bietet. Es handelt sich nämlich um eine jetzt 60 jährige wohl¬
habende Dame S., deren Mutter und Bruder auch sehr dick waren —
Vater und andere Geschwister normal. Vom 14. Lebensjahre, nach dem
Eintreten der Pubertät, hat sie angefangen, Fett anzusetzen und nach
der ersten Entbindung hat sich ihre Fettleibigkeit schon in prägnanter
Weise bemerkbar gemacht. Bei mittlerem Wuchs macht die Dame den
Eindruck eines Hippopotamus. Ich habe Gelegenheit gehabt, eine
ganze Reihe von Dickleibigen zu untersuchen und zu beobachten —
darunter auch einige Phänomene — Unica. Es weilt auch jetzt in Marien¬
bad, wo ich diese Zeilen schreibe, ein Aegypter, dessen Gewicht, als
ich ihn einmal untersuchte, 230 Kilo betrug. Das ist der „schwerste“
Mensch, den ich je gesehen habe. Unsere Patientin hat vor 4 Jahren
8 V 2 Pud (340 russische Pfund) gewogen. Jetzt konnte ich das Gewicht
nicht feststellen. Die Wage, die in meiner Poliklinik aufgestellt ist,
hätte nicht gereicht, es war zufällig unmöglich, eine Wage in die Wohnung
der Kranken zu bringen, es gelang mir auch nioht, die Kranke zu be¬
wegen, Bich aus der Wohnung (oder gar aus dem Bette) nach aussen
zu begeben, um sich wiegeu zu lassen.
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UNIVERSITY OF IOWA
1460
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 31
Abbildung 1.
Abbildung 2.
Sie liess sich in solche Sachen nicht gerne ein, so wie ich es auch
bei anderen excessiv Dicken beobachtet habe. Nicht ohne gewisse
Hinterlist ist es mir gelungen, die Kranke durch eine meiner Kranken¬
schwestern photographieren zu lassen.
ln den inneren Organen lässt sich nur eine Bicuspidalinsuffizienz
konstatieren. Der Querdurchraesser des Herzens beträgt (bei der aus¬
kultatorischen Perkussion) 3 7 cm.
Die untere MageDgrenze steht sehr hoch, 32 cm oberhalb des Nabels.
Bemerkenswert sind die Diameter verschiedener Körperteile. Der
Umfang des Halses 51 cm. Der Unterarm 26 cm, der Oberarm 43 cm
(beide Hände gleich). Der rechte Unterschenkel (unten) 62 cm, in der
Mitte der Waden 70 cm. Oberschenkel 77 cm. Links etwas dicker,
64, 71 und 79 cm. Der grösste Diameter des Brustkorbes 142 cm. Der
Bauch hängt. Wie eine Schürze hängt ein fetter Lappen herunter, der
vom Scrobiculum cordis gemessen 73 cm lang ist. Für den grössten
Leibdiameter hat auch unser Centimetermaass nicht gereicht, da er
hundertzweiundachtzig Centimeter beträgt.
Unsere Patientin steht also sozusagen ausser Maass und ausser
Gewicht.
Der Beschaffenheit der Gewebe und dem Aussehen nach dürfte dieser
Fall, wie auch der oben genannte Aegypter, in die Klasse der Elenhan-
tiatiker eingereiht werden.
Der Aegypter wiegt jetzt 180 Kilo, er hat 50 Kilo verloren Er
befolgt eine strenge Diät und macht oft die Manenbader Kur durch
Dagegen gelingt es kaum, das Gewicht unserer Patientin herunterzusetzeD
da sie sich keiner systematischen Kur, ausser der allgemeinen Massave’
unterziehen will. 6 ’
Neuerungen im Bereiche der preussischen
Heeressanitätsverwaltung während des
Jahres 1913.
Von
Oberstabsarzt Dr. Georg Schmidt -Berlin.
1. Persönliches.
Am 4. Oktober feierte Seine Exzellenz der Generalstabs¬
arzt der Armee, Chef des Sanitätskorps und der Medizinal¬
abteilung des Kriegsministeriums, Direktor der Kaiser Wilhelms-
Akademie und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Senates bei
der Akademie Prof. Dr. v. Schjerning den 60. Geburtstag. Seine
Majestät der Kaiser und König ehrte ihn und das Sanitätskorps durch
ein in warmen Worten gehaltenes Telegramm. Von Sanitäts¬
offizieren und sonstigen Heeresangehörigen sowie aus den Kreisen
der Wissenschaft wurden zahlreiche Huldigungen dargebracht.
Auch diese Wochenschrift steuerte eine Festnummer bei.
2 . Kriegssanitätsdienst und Feldsanitätsausrüstung.
Im Balkankriege weilten von preussischen Sanitätsoffizieren:
die Stabsärzte Goldammer, Lotsch, Eckert, Otto,Aumaon,
Brüning und der Assistenzarzt Regendanz. Ihre Erfahrungen
werden verwertet.
Der Wissenschaftliche Senat bei der Kaiser Wilhelms-Akademie
beriet am 8. Februar über Gesundheitsdienst auf Schlachtfeldern,
am 29. März über neuere FeldsanitätsausrüstuDg, auch über
Mastixverfahren und Fortentwicklung des Verbandpäckchens, am
28. Juni und 20. Juli über Trinkwasserbeurteilung und -Versorgung
beim Feldheere, insbesondere im Operationsgebiete.
Von Dienstvorschriften und Veröffentlichungen kommen in
Betracht:
a) Kraftfahrtruppen im Felde (Kraftf.-Tr. i. F.). Entwurf vom
27. März 1913. (Krankenkraftwagen, bergericbtete Kraftomnibusse
als Hilskrankenkraftwagen, als Behelfskrankenkraftwagen aus¬
gestattete leichte Lastkraftwagen des Etappensanitätsdepots usw.).
b) Sublimat und sein Ersatz bei der Durchtränkung der Ver¬
bandstoffe. Heft 54 der Veröffentlichungen aus dem Gebiete des
Militär-Sanitätswesens. (Vgl. Abschnitt 6.)
c) W. Niehues, Die Sanitätsausrüstung des Heeres im Kriege.
Band XXXVII der Bibliothek v. Coler-v. Schjerning. (Vgl.
Abschnitt 6.)
Bei der Krankenträgerausbildung, bei Krankenträger- und
Feldsanitätsübungen wird geprüft, inwieweit das Krankenträger¬
personal der Truppe und Sanitätskompagnien darin besonders zu
unterrichten sei, dass es sich auf dem Gefechtsfelde unter Aus¬
nutzung von Geländedeckungen an die Verwundeten heranarbeitet
und sie ebenso zurückscbafft, nötigenfalls für sie vorübergehend
Deckungen herstellt.
Feldsanitätsübungen fanden beim IV., VIII. und XX. Armee¬
korps während der Manöver statt.
Krankenträger im Felde erhalten eine Dienstmütze neuer Art.
Nach langjährigen Versuchen gelangten zur Einführung ver¬
besserte Muster der Krankentrage, nämlich eine zusammenlegbare
Einheitstrage, sowie eines Sanitätswagens für Sanitätskompagnien
und eines solchen für Feldlazarette.
Die 1912 beschlossenen und 1913 noch im einzelnen er¬
weiterten Neuerungen in der Feldsanitätsausrüstung konnten im
Laufe des Jahres 1913 in den Beständen fast vollständig durch¬
geführt werden.
Für den fahrbaren Trinkwasserbereiter, der in vermehrter
Zahl beschafft wird, gelangten ein endgültiges Muster sowie
Prüfungs-, Behandlungs-, Ausbildungsvorschriften zur Annahme.
Erwähnt seien noch Verbesserungen an den Novocain Supra-
renin- und den Tropacocain-Suprareninröhren, am Verschlüsse der
Nähseideröhren, am Harngefässe der Feldsanitätsformationeu,
am Truppenbesteckkasten, an der Schleifung der Sezierbesteck¬
messer, an Form und Verwendung der Atropintabletteü, an den
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UNIVERSUM OF IOWA
3. AognSt 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1461
Augensalbengrundlagen, am Nadelkästchen, am Anstriche des Feld¬
sanitätsgerätes.
Eine besondere Vorschrift regelte die Anfertigung möglichst
keimfreier Borsalbe in ZinnrOhren mit Schraubverschluss.
Als Fusssch weisssalbe dient nunmehr Formaldehydsalbe in
ZinnrOhren mit Schraubverschluss.
Für die neuen Weinsäuretabletten der Krankentragetasche
trat ein Blecbkasten hinzu.
Bei der Sanitätsabteilung des Güterdepots der Sammelstation
ist nunmehr auch Brunnenbohrgerät angesetzt.
Verbandkästen erhielten die Personen- und Lastkraftwagen
sowie die Luftschiffe des Heeres.
In Erprobung und Prüfung standen Henle’s Spiralfeder¬
leinenbinde für Blutleere, Noviform als Jodoformersatz, die Her¬
stellung von gebrauchsfertig abgeteilten ScopolaminlOsungen,
Jodointabletten, Gelionhohlnadeln am Glasröhrenfüligeräte, zu
entkeimendes Kautschukb eftpflaster, eine Einheitsbeinschiene,
Aenderungen am Verbandpäckchen, an der elastischen Binde, an
der Sanitätspacktasche, am zahnärztlichen Kasten und am Behelfs¬
werkzeugkasten, Leibbinden neuer Art.
Da sich unter Heffter’s Mitarbeit ergab, dass abgeteilte
keimfreie Losungen von g-Strophanthinum cristallisatum in zu¬
geschmolzenen Glasröhren haltbar sind, dürfen sie hinfort für
den Krieg niedergelegt werden.
Unter genauerer Benennung der Instrumente und sonstigen
Geräte bekamen die Bestecke, Mikroskope, Sanitätstornister und
•Kästen, Reagentienkasten usw. Inhaltsverzeichnisse und Lage¬
rungszeichnungen.
Es traten an die Stelle der Operationstücher von Schirting
solche von KOper, an die Stelle gewöhnlicher Handtücher für
Aente der Feldsanitätsformationen feine Handtücher.
Der Ersatz der Verbindezelte der Sanitätskompagnie durch
das neue Muster 00 ist durchgeführt.
Zeitbedarf und Art der Aufstellung der von 21 auf 42 ver¬
mehrten Krankenzelte des Etappensanitätsdepots unterlagen einer
eingehenden Nachprüfung.
3. Fortentwicklung des Sanitätskorps im Frieden.
Nachdem bereits am 1. April 1913 einige Sanitätsoffizier¬
stellen hinzngetreten waren, brachte die grosse Heeresverstärknng
am 1. Oktober 1913 deren eine erhebliche Menge, zum Teil be-
beutungsvoller Art. Für den Dienstbereich der Generalinspektionen
des Militärverkehrswesens and des Militärerziehungs- nnd Bildung®-
wesens sowie der Inspektion der Infanteriescbulen wurde das
Sanitätsamt der militärischen Institute mit einem Generalarzt an
der Spitze geschaffen. Es untersteht unmittelbar dem Kriegs-
ministerium, Medizinal-Abteilung. Patentierte Generaloberärzte
sind hinfort die Garnisonärzte grösserer Standorte und die Chef¬
ärzte wichtigerer Garnisonlazarette. Daneben brachte die Er¬
richtung vieler Truppenteile eine namhafte Zahl neuer Ober¬
stabsarzt-, Stabsarzt-, Ober- oder Assistenzarztstellen mit sich.
Ober- oder Assistenzärzte des Beurlaubtenstandes, die während
der Uebungen Rationen beziehen, erhalten statt 120 M. 160 M. Ein¬
kleidungsgeld.
Zur Kaiser Wilhelms - Akademie in Berlin gehörten am
L April 1913 410 Studierende für das preussische uud württera-
bergwche Heer sowie 60 für die Marine. In den nächsten 5 Jahren
kommen je 20 weitere hinzu für Preussen, sowie je 4 nunmehr
weh für Sachsen, so dass von 1918 ab jährlich rund 100 Studierende
als Unterärzte des Heeres die Akademie verlassen werden.
Zeichenunterricht an der Akademie wurde eingeführt.
Mit der Heeres Verstärkung hängt die Einstellung von je eiuem
Stabsapotheker in grösseren Garnisonlazaretten an Orten ohne
General- oder Divisionskommando zusammen.
Korpsstabsapotheker und Stabsapotheker nehmen hinfort an
Lehrgängen teil, die sich in Berlin an Fortbildungskurse für
Nahrangsmittelchemiker anschHessen und die Feldsanitätseinrich-
toogen berücksichtigen, und erhalten Entschädigungen für Reit-
nnterricht.
Die Zahl der Lazarettbeamten ist anlässlich der Heeres¬
verstärkung erheblich vermehrt worden.
Stellen für 3 Sanitätsfeldwebel grösserer Garnisonlazarette,
för sonstige Sanitätsmannschaften nnd für Militärkrankenwärter J
worden geschaffen.
Die SanitätsmaDnschaften tragen nnnmehr die Uniform ihres
Truppenteils mit einem Aeskulapstab als Aermelabzeichen. s
Wie die Unterkunft der Unteroffiziere in den Kasernen wurde
auch die der Sanitätsunteroffiziere in den Lazaretten in der Geräte¬
ausstattung erheblich verbessert.
Infolge der Heeres Verstärkung sind weitere Stellen in grösserer
Zahl für Armeeschwestern in Garnisonlazaretten errichtet worden.
4. Friedenslazarett- und Krankenpflegedienst.
Friedenssanitätsausrüstung.
Neu herausgegebene Dienstvorschriften, die sich auf den
Sanitätsdienst beziehen:
a) Die am 1. April 1914 in Kraft getretene Garnison-Ver-
waltnngsordnung. Vom 4. September 1913.
b) Vorschrift für die Verwaltung der Truppenküchen. Vom
2. Oktober 1918.
Kosten für Fahrten Angehöriger anlässlich schwerer Er¬
krankungen von Soldaten sowie für Ueberführung von Soldaten¬
leichen in die Heimat und für Beerdigung daselbst bestreitet
der Staat.
Lazarett-Neu- und Erweiterungsbauten sind fertiggestellt in
Wünsdorf, Wreschen, Trier und Gera,
j Id Ausführung befinden sich reichseigene Neu- uud Erweite¬
rungsbauten in Colmar i. E., Metz (III) und Darmstadt (Garnison¬
lazarett) sowie in Ohrdruf, Heuberg und Bitsch (Barackenlazarette),
ferner Mietbauten in Swinemünde, Dt. Krone, Neustettin, Heide,
Scbwetz, Elbing und Borkum (Militärknrhaus und Genesungsheim).
Es traten hinzu Militärkrankenabteilungen in Gemeindekranken¬
häusern zu Eschweiler, Euskirchen, Geldern und Stuhm.
Die Militärkurgäste in Bad Rehburg erhielten bessere Unter¬
kunft; es kommen hinfort nur Lungenkranke in Betracht, und zwar
das ganze Jahr hindurch.
ln Eberbach (Rheingau) entstand ein Genesungsheim für das
XVIII. Armeekorps.
Die fortdauernde Heeresverstärkung führte zu einer Erweite¬
rung der Krankenunterkunft in zahlreichen sonstigen Garnison-
nnd Barackenlazaretten, zur Einrichtung des erwähnten Sanitäts¬
amtes der militärischen Institute und von Arbeitstätten für die
in Lazaretten grosser Standorte ohne General- oder Divisions¬
kommando eingeführten Stabsapotheker.
Je eine fachärztlich geleitete für mehrere Armeekorps be¬
stimmte Geisteskranken-Lazarettabteilung wird in Berlin-Charlotten-
bnrg und in Danzig geschaffen (ausser Poseo, Strassburg I, Mainz).
Die Einrichtung des Militärkurhauses Bad Nauheim wurde
verbessert.
Die von zahnärztlich approbierten Sanitätsoffizieren geleiteten
Lazarettabteilangen für Zabnkranke entwickeln sich in Zahl und
Ausstattung stetig weiter. Es waren im Betriebe die Abteilungen
in Berlin (1), Königsberg, Stettin, Magdeburg, Posen, Breslau,
Coblenz, Altona, Hannover, Cassel, Karlsruhe, Strassburg i. E. (I),
Metz (I), Mainz, Allenstein, Saarbrücken; weitere sind im Ausbau.
Au die Stelle fehlender, beurlaubter, abkommandierter derartiger
leitender Sanitätsoffiziere treten vertraglich verpflichtete Zivil-
zahnärzte.
Die Muster für Lazarettbesichtigungsberichte der Korpsärzte
sind erheblich vereinfacht.
Neue Bestimmungen betrafen die Mitbenutzung von Lazarett¬
röntgeneinrichtungen für Zivilpersonen.
Zur Selbstbewirtschaftung der Verpflegung, die vom 1. Januar
1914 ab in allen Garnisonlazaretten und ßarackenlazaretten ein- *
setzte, schufen Vorversuche eine verheissungsvolle Grundlage.
Für die Beigabe von Röntgenbildabzugen an militärärztliche
Zeugnisse bewährte sich ein besonderes Verfahren. Die mit Pferden
bespannten Garnison kranken wagen and die Garnisonkrankenkraft
wagen wurden wieder vermehrt. Von diesen besass bisher die
Heeresverwaltung je zwei in Berlin and in Metz, sowie je einen
in Wünsdorf bei Berlin, Posen, Cöln, Strassburg, Mainz; 1913
kamen hinzu je einer in Coblenz, Graudenz und Thorn; ausserdem
erhielt Karlsruhe einen früher in Metz verwendeten Wagen. 1914
wird beschafft je 1 Wagen für Königsberg, Trier, Altona, Han¬
nover, Danzig, sowiefürStettin, Breslau und Darmstadt(=21 Wagen).
Weitere Kraukenkraftwagen verwendet die Generalinspektion des
Militärverkehrswesens für Flugplätze usw.
Innerhalb der erweiterten Fürsorge für kranke Soldatenfrauen
und -kinder erhielten die behandelnden fachärztlich vorgebildeten
Sanitätsoffiziere Aufwandsentschädigungen. Die Mittel für Be¬
nutzung von Beförderungsgelegenheiten im Krankendienste wurden
vermehrt. Erprobungen erstrecken sich auf Eisbeutel neuer Art,
Scbiessbrillen (in Verbindung mit einer Sitzung des Wissenschaft¬
lichen Senates bei der Kaiser Wilhelms-Akademie am 26. Juli 1913),
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UNIVERSUM OF IOWA
1462
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 31.
Sauerstoff atmungsgerät als Schutz- und Rettungsvorrichtung bei
Pionierübungen, Bolus alba als Mittel gegen Brechdurchfall, neue
Matratzenmuster für Schwerkranke, Roh- oder Milchglasplatten
an Stelle von Marmor- oder Granitplatten auf KrankenbettischeD,
Lazarettkrankenkleidung usw.
Das Stobbe’sche Gerät zum Schneiden und Aufrollen von
Kautschukpflasterstreifen wurde eingeführt.
5. Gesundheitsdienst.
Der Wissenschaftliche Senat bei der Kaiser Wilhelms-Akademie
beriet am 28. Juni und am 26. Juli 1913 über Trinkwasserbeur-
teilung und -Versorgung beim Feldheere, am 28. Juni auch über
die etwaige Herabsetzung der täglichen Eiweissmenge in der
Soldatenkost.
An den Ausbildungskursen und Prüfungen bei den vermehrten
fahrbaren Trinkwasserbereitern nehmen auch nicht besonders
hygienisch vorgebildete Sanitätsoffiziere teil.
An der Einführung von Felddesinfektionseinrichtungen auf
Kraftwagen wird gearbeitet.
Am 7. Juli 1913 erschien die Seuchenvorschrift, als Anhang II
zur Militär- Veterinärordnung vom 17. Mai 1910, mit Bestimmungen
für die Verhütung der UebertraguDg von Tier-, insbesondere
Pferdeseuchen auf Heeresangehörige.
Im medizinischen Untersuchungsamte der Kaiser Wilhelms-
Akademie sowie in den hygienisch-chemischen Untersuchung¬
steilen der Sanitätsämter am Sitze der Generalkommandos wurden
u. a. folgende Fragen, zum Teil in Verbindung mit Versuchen bei
der Truppe und im Lazarett, geprüft: Yatren als keimtötendes
Mittel, insbesondere für Keimträger, Schweissfusspulver, die
Alkoholseifenpaste Festalkol zur Händedesinfektion, Formaldehyd¬
desinfektion tuberkulös infizierter Räume, Vacuumformaldebyd-
desinfektion, Brauchbarkeit des Perhydrits, Enthärtung von Kessel¬
wasser, Aluminium- und Bronzelegierungen, Haltbarmachung von
Lymphe, Ermüduogsbekämpfung durch Antikenotoxin, Keimfrei¬
machung des Trinkwassers mit Brom, Chlorkalk, ultravioletten
Strahlen nach Stabsarzt Kunow und noch andere Verfahren,
zentrale Versorgung der Untersucbungstellen mit Trockennähr¬
böden, Erweiterung des tragbaren bakteriologischen Laborato¬
riums usw. Dazu kommen Untersuchungen über Pocken-, Trachom-,
Scharlacherreger, über Ruhrimpfstoffe, über Maul- und Klauen¬
seuche, über eiweissfreie Typhusimpfstoffe, über Quecksilber-
oxycyanid und Afridol als Sublimat- sowie Grotan als Karbolsäure¬
ersatz, der Braatz’scben Einwände gegen die Keimfreimachung der
Verbandstoffe im Wasserdampfe, über Lederbehandlung, über Uni-
formreinigungs- und Mottenvertilgungsmittel, über keimtötende
Kraft des Aetbers, über Keimgebalt der kondensierten Milch und
der Verbandpäckchen, über Fleisch- und Fischkonserven, über
Gefrierfleisch, über Abderhaldeu’scbe Reaktionen, über Kalium¬
permanganatparaformpackungen, über Gesundheitscbädigungeu
durch destilliertes Wasser, über zusammenlegbare Brutschränke
und Filtertrichter, über poröse Deckel für Bakteriennäbrboden usw.
Das Kriegsministerium erliess am 29. Mai 1913 die endgültigen
Bestimmungen über die militärische Unterstützung der nationalen
Jugendpflegebestrebungen.
6. Heeresersatz. Entlassung and Versorgung. Statistik.
Die mit der grossen Webrvorlage 1913 verbundene Heeres-
verstärkang von 126 000 Mann bedingt eine jährliche Mehr¬
einstellung von 63 000 Rekrnten. Der Ersatz vollzog sich glatt.
In der Wehrordnung wurden Vereinfachungen und Verbesse¬
rungen des Ersatzgeschäftes vorgesehen: An einem Tage sollen
nur ausnahmsweise mehr als 130 Militärpflichtige gemustert
werden. Ferner sind stets Leute aller Jahrgänge für jeden Tag
zur Musterung heranzubolen. Endlich ist für die Reihenfolge der
Militärpflichtigen nicht mehr das Los, sondern der Grad der
Tauglichkeit maassgebend. Zweifellos Taugliche, gut Geeignete
bilden die Klasse I, minder Taugliche die Klasse II. Auch die
Dienstanweisung znr Beurteilung der Militärdienstfähigkeit wurde
entsprechend abgeändert.
Es erschien: Sanitätsbericht über die Königlich Prenssische
Armee, das XII. und XIX. (1. and 2. Königlich Sächsische) und
das XIII. (Königlich Württembergische) Armeekorps für den Be¬
richtszeitraum vom 1. Oktober 1910 bis 30. September 1911.
Bearbeitet von der Medizinalabteilang des Königlich Preussischen
Kriegsministeriums. Mit 37 Karten und 10 graphischen Dar¬
stellungen. (E. S. Mittler & Sohn, Berlin.)
Ein vorläufiger Jahreskrankenrapport über vorstehende Heeres¬
teile für das Berichtsjahr vom 1. Oktober 1911 bis 30. Sep¬
tember 1912 wurde in der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift,
1913, S.226, bekanntgegeben. Hiernach betrugen bei einer Kopfstärke
von 553 345 der Krankenzugang in Lazarett und Kaserne 546,3
auf das Tausend der Kopfstärke (im Vorjahre 589,1) und starben
innerhalb militärärztlicher Behandlung 751 = 1,4 auf das Tausend
(im Vorjahre 720 = 1,5 auf das Tausend). Insgesamt starben
1081 = 2 anf das Tausend (im Vorjahre 1071 = 1,9 auf das
Tausend). Die Zahl der Todesfälle durch Krankheiten blieb gleich;
tödliche Unglücksfälle und Selbstmorde waren seltener.
7. Sonstige grössere Veröffentlichungen.
Die vom Kriegsministerium, Medizinalabteilnng, heraus¬
gegebenen „Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militär¬
sanitätswesens“ (A. Hirschwald, Berlin) wurden fortgesetzt durch:
Heft 54. Sublimat und sein Ersatz bei der Durcbtränkung
der Verbandstoffe. Bearbeitet in der Medizinalabteilung des
Königlich Preussischen Kriegsministeriums.
Heft 55. Arbeiten aus den hygienisch-chemischen Unter¬
suchungsstellen. Zusammengestellt in der Medizinalabteilnng des
Königlich Preussischen Kriegsministeriums. VI. Teil.
Heft 66. A. Köhler, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung
des Militärbadewesens und der v. Pfuel’schen Schwimmanstalt in
Berlin.
In der Bibliothek v. Coler - v. Schjerning (A. Hirschwald,
Berlin) kamen hinzu:
Band XXXV: H. Bischoff, W. Hoffmann, H. Schwiening,
unter Mitwirkung von H. Findel, H. Hetsch, K. H. Kutscher,
0. Martineck, B. Möllers: Lehrbuch der Militärhygiene. V. Band.
Mi 1 itärsanitätsstatistik. Bearbeitet von H. Schwiening.
Band XXXVII: W. Niehues, Die Sanitätsausrüstung des
Heeres im Kriege. Mit Genehmigung des Königlich Preussischen
Kriegsministeriums unter Benutzung amtlicher Quellen.
Ferner erschien als unentbehrliches Nacbschlagebuch für
Friedens- und Kriegschirnrgen:
Schjerning, Thöle und Voss, Die Schassverletzungen.
2. Auflage, bearbeitet von Franz und Oertel. Archiv und Atlas
der normalen und pathologischen Anatomie in typischen Röntgen¬
bildern. Ergänzungsband VII der Fortschritte auf dem Gebiete
der Röntgenstrahlen, herausgegeben von Albers - Schönberg
(Luchs Gräfe & Sillem-Hamburg).
Des 25 jährigen Regierungsfestes Sr. Majestät des Kaisers ge¬
dachte auch die ärztliche und militärärztliche Fachpresse in Jubel-
beften und -arbeiten. In dem grossen Pracbtwerke: „Soziale Kultur
und Volks Wohlfahrt während der ersten 25 Regierungsjahre Kaiser
Wilhelms II.“ verfasste 0. v. Schjerning den Abschnitt: Militär¬
sanitätswesen.
In Virchow’s Jahresbericht der gesamten Medizin, 1912,
2. Band (A. Hirschwaid, Berlin) behandelte A. Köhler: „Kriegs-
cbirurgie“, F. Paalzow: „Militärsanitätswesen, Armeehygiene,
Armeekrankheiten“.
Auf der 42. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie,
Ostern 1913, zu Berlin wurden die Erfahrungen der Balkan¬
kriege eingehend erörtert.
Weitere facbwissenschaftliche Mitteilungen finden sich in der
Deutschen militärärztlicben Zeitschrift (mit Roth’s Jahresbericht)
und im Militär-Wochenblatt (E. S. Mittler & Sohn, Berlin) sowie
in den regelmässigen Buch- und Zeitschriftenbesprecbungen dieser
Wochenschrift.
8. Freiwillige Krankenpflege.
Das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz
entsandte in den Balkankrieg 36 Aerzte, 20 freiwillige Kranken¬
pfleger, 48 Schwestern.
Am Ausbildungskurse für Delegierte der freiwilligen Kranken¬
pflege im Februar zu Berlin nahmen 41 Johanniter-, 13 Malteser-
ordensritter, 27 Mitglieder der Vereinigungen des Roten Kreuzes
teil. Dabei wnrde mit bestem Erfolge ein gross angelegtes
Sanitätskriegsspiel durchgeführt, das das Heeressanitätswesen und
die freiwillige Krankenpflege im Kriege in praktischer Darstellung
und unter Mitwirkung von Sanitätsoffizieren und Delegierten um¬
fasste.
Der Kaiserliche Kommissar und Militärinspektenr der frei¬
willigen Krankenpflege, Fürst Solms, und die Sanitätskolonnen
betätigten sich bei den Jahrhundertfeiern der Befreiungskriege
zu Berlin und Breslau nnd bei den Kaiserparaden in Breslau und
Posen.
Aerzte, die Kolonnen- und Verbandsmitglieder aasbilden und
dem Beurlanbtenstande angehören, dürfen als Zuschauer an Kranken¬
trägerübungen teilnehmen.
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UNIVERSI - OFOOi
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1468
3. August 1914.
Den Militärmusikkapellen wurde gestattet, unter denselben
Bedingungen, die für vaterländische Jugendvereine gelten, auch
bei den Veranstaltungen der Männervereinigongen des Roten
Kreoxes mitinwirken.
Für die Felduniform, auch der Johanniterordensritter, die
Delegierte im Etappengebiete sind, ist das feldgraue Tuch ein-
geführt worden. _
Bßcherbesprechungen.
F. Volhard und Th. Fahr : Die Bright’sche Nierenkraakheit. Klinik,
Pathologie und Atlas. Berlin 1914. Preis 45 M.
Das vorliegende Werk ist von allergrösster Bedeutung sowohl für
die Klinik als auch für die Pathologie der Nierenkrankheiten. ln der
richtigen Erkenntnis, dass die Erforschung dieser Krankheiten nur durch
gemeinsame Arbeit der klinischen Beobachtungen und der pathologischen
Anatomie gefördert werden kann, haben diese beiden Autoren sich der¬
selben in umfangreichster Weise unterzogen. Das Resultat ist denn
auch ein ausgezeichnetes. Und wenn auch die Schlussfolgerungen der
beiden Autoren in manohen Punkten Widerspruch erfahren werden, so
kann man doch das Buch als ein geradezu klassisches bezeichnen. Es
ist ihnen auch gelungen, eine, wie es scheint, zutreffende und brauchbare
Einteilung der Nierenkrankheiten zu finden, die sowohl der klinischen
Betrachtung als auch der pathologischen Anatomie genügt und beide in
UebereinstimmuDg miteinander bringt. Von manchen Seiten war an
dieser Möglichkeit gezweifelt worden, doch immer nur von solchen, die
sich einseitig auf den klioischeu oder einseitig auf den pathologisch¬
anatomischen Standpunkt gestellt hatten. Das Buch ist so eingeteilt,
dass zunächst Fahr als Anatom die pathologischen Veränderungen
makroskopisch und mikroskopisch ausführlich schildert, ln einem zweiten
Teil gibt dann Volhard eine klinische Uebersicht. Der Hauptteil des
Werkes aber ist der genauen Besprechung mit Anführung der Kranken¬
geschichten der einzelnen Fälle gewidmet. Auf 4S Tafeln und mehreren
Figuren im Text sind die ausgezeichneten Präparate reproduziert. Das
ganze Beweismaterial für die Behauptung der Autoren liegt also zur
Nachprüfung durch den Leser vor. Die Verff. schlossen sich denjenigen
Autoren an, die nicht jede Nierenerkrankung als eine Entzündung auf¬
fassen. Die einfachen degenerativen Erscheinungen zählen sie nicht zu
den Entzündungen und bezeichnen sie als Nephrose. E 3 ist ganz
offenbar, dass diese Einteilung mehr bedingt ist durch eine veränderte
Definition des Entzündungsbegriffs als in der Erscheinung selber, und
deswegen gelingt auch die Scheidung nicht vollständig scharf. Aber
immerhin wird ganz allgemein heutzutage anerkannt, dass nicht jede
degenerative Erscheinung in den Nieren schon ohne weiteres eine Ent¬
zündung bedeutet. Einen besonderen Wert hat Volhard darauf gelegt,
die einzelnen Falle auf die Blutdrucksteigerung, die Konzentrationsfähig¬
keit und die Herzhypertrophie zu untersuchen. Hiermit sind dann die
pathologischen Befunde in UebereinstimmuDg gebracht. Danach lassen
sich drei Gruppen von Nierenkrankheiten aufstellen, degenerative, ent¬
zündliche und arteriosklerotische Prozesse. Die erstereu bezeichnet
Volhard als Nephrosen nach dem Vorgang von Müller, die entzünd¬
lichen als Nephritiden, die arteriosklerotischen als Sklerosen. Für den
Leser möchte es sich empfehlen, zunächst einmal die Tabelle auf S. 78
zu betrachten, die, wenn man .schon etwas in die Materie eingeführt ist,
schon vorweg einen Ueberblick gewährt über das, was die Autoren wollen
und erreicht haben. Ueberhaupt empfiehlt es sich, nach dem Studium
des klinischen Teils den anatomischen Teil noch einmal zu rekapitu¬
lieren. Es ist natürlich ganz unmöglich, dieses bemerkenswerte Werk
ausführlich zu referieren. Ein Referat würde nicht annähernd das wieder-
gebeu können, was das Buch bedeutet. Es muss also gelesen und aus¬
führlichst studiert werden. v. Hansemann.
J. Boas: Die Lehre voi dea okkulten Blutungen. Mit 5 Text¬
abbildungen und einer farbigen Tafel. Leipzig 1914, Verlag von
Georg Thieme. 149 S.
Mit unermüdlichem Eifer istVerf. an dem Ausbau der von ihm be¬
gründeten Lehre von den okkulten BlutuDgen beschäftigt, die heute einen
der wichtigsten Bausteine der modernen Magendarmdiagnostik bildet.
Io der vorliegenden Monographie gibt er die erste zusammenfassende
und gleichzeitig erschöpfende Darstellung dieses Gebietes, die sich auf
die Technik und die Indikationen der Untersuchungsmethode erstreckt
und dann die Bedeutung des positiven Befundes bei den einzelnen Er¬
krankungen des Verdauungstraotus und schliesslich die Prognose und
Therapie bespricht. Manche neue Einzelheiten werden dabei mitgeteilt.
Besondere Anerkennung verdient die ernste Kritik, mit der das Buch
geschrieben ist. Den Beschluss bildet ein ausführliches Literatur¬
verzeichnis.
k Johle: Die Albiniiarie. Klinische und experimentelle Beiträge
zur Frage der orthostatisoh-lordotischen und der nephritischen
Albuminurie. Mit 35 Abbildungen im Text und 2 Abbildungen
auf einer Tafel. Berlin 1914, Julius Springer. 109 S. Preis
4M.
Zu der von ihm vertretenen lordotischen Pathogenese der ortho-
statischen Albuminurie bringt der Verf. hier neue wertvolle Beweise.
Gegenüber dem Einwande, dass es sich bei dieser Anomalie im letzten
Grunde wohl um den Folgezustand einer angeborenen Minderwertigkeit
der Nieren handle, scheint der Nachweis Jehle’s bemerkenswert, dass
es nicht nur gelingt, durch gewisse Versuchsanordnung bei einem lordo¬
tiseben Individuum die orthosiatische Albuminurie auszugleichen und zu
verhindern, sondern auch bei gesunden Kindern eine solche Albuminurie
zu erzeugen. „Sie ist demnach nichts anderes als ein Zeichen der Ab¬
hängigkeit und der Labilität der Nierenfunktion von der Körperstellung
und der damit verbundenen physikalischen Bedingungen, die sich unter
dem Einfluss der pathologischen Lordose bis zu einer Albuminurie
steigern kann.“ Und zwar infolge eintretender Cireulationsstörungen,
einer venösen Stase, wie sie meines Erachtens auch als ausschliessliche
Ursaohe der sportlichen Albuminurie anzusprechen ist, die der ortho-
statischen sehr nahe steht.
H. Herz-Breslau: Die Stfiroogea des Verdaoingsapparttes als Ur¬
sache and Folge aaderer Erkraakaagea. 111. Teil: Die chroni¬
schen Infektionskrankheiten in ihren Beziehungen zum VerdauuDgs-
apparat. Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage. Berlin
1914, Verlag von S. Karger. 726 S.
Nachdem Verf. im ersten Teil seines Werkes die Krankheit des
Blutes, des Stoffwechsels und der Konstitution, im zweiten Teil die
akuten Infektionskrankheiten abgehandelt hat, werden im jetzt vorliegen¬
den dritten Teil die chronischen Infektionskrankheiten in ihren Be¬
ziehungen zum Veidauungsapparat erörtert, und zwar die Tuberkulose,
Lepra, Aktinomykose Sklerora und Syphilis. Die Darstellung zeugt von
derselben Sorgfalt und Ausführlichkeit wie in den früheren Teilen, und
auch die sachliche Kritik ist zu ihrem notwendigen Rechte gekommen.
Mit Bienenfleiss ist das Literaturverzeichnis zusammengestellt. Auf
Einzelheiten der Darstellung kann hier nicht eingegangen werden. Die
Veränderungen jedes einzelnen Organs des Verdauungstraotus werden
nach ihren anatomischen Grundlagen und klinischen Erscheinungen ein¬
gehend beschrieben und gewürdigt. Dem Werke kommt ein hoher pro¬
pädeutischer Wert zu.
B. J. Babkin: Die äussere Sekretion der Verdannngsdrfisev. Mit
29 Textfiguren. Berlin 1914, Verlag von Julius Springer. 407 S.
Obwohl an neueren Darstellungen dieses Gebietes kein Mangel ist,
muss diese Bearbeitung aus der Hand eines der besten Schüler Paw-
low’s als sehr willkommen geheissen werden, zumal sie eine Ausführ¬
lichkeit und Gründlichkeit in der Behandlung des Themas bietet wie
kein anderes Lehrbuch dieses Gebietes. Es wird die Physiologie der
Speicheldrüsen, der Magen-, Dünn-, Dickdarmdrüsen, des Pankreas und
der Galle sowohl nach den Beobachtungen am Menschen wie in Tier¬
experimenten abgehandelt; zu letzteren fügt Verf. zahlreiche ältere und
neuere eigene Forschungsergebnisse hinzu, die grösstenteils in tabellari¬
scher Form übersichtlich gemacht sind. Wie ich mich insbesondere
durch die Lektüre des Pankreaskapitels überzeugt habe, steht die Dar¬
stellung, was bei einem Pawlowschüler selbstverständlich erscheint,
durchweg auf der Höhe der derzeitigen Wissenschaft. So finden wir da z. B.
eine detaillierte exakte Analyse sowohl all der Faktoren, welche als Er¬
reger der Pankreasfunnktion in Betracht kommen, als auch des nervösen
und humoralen Mechanismus derselben. Das ernste Werk stellt ein un¬
entbehrliches Nachschlagebuch für alle auf diesem Gebiete forschend
Tätigen dar und gibt auch selbst zahlreiche neue Anregungen für die
weitere Forschung. Albu.
Reuö Gaultier: Precis de coprologie clinique. 2. ödition, Paris 1914,
Bailliere & Fils. 536 Seiten mit 98 zum Teil kolorierten Ab¬
bildungen.
Das Buch enthält zu einem Teil die von dem Verf. angegebene
Methode zur funktionellen Darmprüfung, gibt aber auch sonst eine, teil¬
weise sehr ausführliche, Beschreibung der verschiedenen Methoden der
Kotuntersuchung. Da vom Verf. Krankengeschichten und Therapeutisches
sowie von ihm ausgeführte Tiereiperimente mit eingeflochten sind, hat
die Uebersichtlichkeit dadurch etwas gelitten. Eine spezielle Literatur¬
angabe ist nicht vorhanden. Da wir bereits das Werk von Schmidt
und Strassburger besitzen, wird wohl kaum eine grosse Nachfrage für
das Buch bei uns vorhanden sein. Trotzdem wird der speziell auf
diesem Gebiet Arbeitende das Werk mit Interesse lesen. Merkwürdig
ist, dass der Autor, nachdem er gezeigt hat, wie absolut sicher Krank¬
heitsbilder durch die FäcesuntersucbuDg erkannt werden konnten, zum
Schluss in seinen „Conclusions“ wieder vollkommen resigniert ist. Dazu
liegt aber gerade bei dem dort angeführten hypothetischen Fall, der
zeigen soll, wie nicht die Stuhluntersuchuogen, sondern erst die klinische
„Ueberlegung“ unter den beiden möglichen Diagnosen zu entscheiden
hat, durchaus kein Gruud vor. Denn gerade in diesem geschilderten
Falle muss die, allerdings vom Kliniker vorgenommene, Stuhlunter¬
suchung nach entsprechender Belastung des Darms ohne jede andere
weitere „Ueberlegung* die eine oder die andere der beiden angegebenen
möglichen Diagnosen absolut sicher bejahen bzw. aussohliessen lassen.
R. Ehrmann.
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UNIVERSUM OF IOWA
1464
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
W. Kruse und P. Selter: Die Gesundheitspflege des Kindes. Für
Studierende, Aerzte, Gesundheitsbeamte und alle Freunde der
Volksgesundheit. Stuttgart, Verlag von Enke. 794 Seiten.
Der Inhalt des Buches ist äusserst mannigfaltig. Alles, was die
Entwicklung des Kindes, seine Ernährung und seine Pflege betrifft. Schule
und Schulhygiene, Fürsorgeanstalten für Säuglinge, Kranke, Krüppel,
Schwachsinnige, Verwahrloste werden von kompetenten Mitarbeitern
besprochen. Ganz besonders dankbar wird empfunden werden, dass alle
diese Punkte nicht nur für Kinder bis zum 15. Jahre, sondern bis zum
20. Jahre behandelt sind. Da das Buch keineswegs nur für Aerzte be¬
stimmt ist, sind ärztliche Fachausdrücke tunlichst vermieden. Im allge¬
meinen darf also der Plan der Herausgeber, die Gesundheitspflege des
jugendlichen Menschen nach allen Richtungen hin für ein breiteres Publikum
verständlich und doch nicht verschwommen darzustellen, als geglückt
betrachtet werden. Doch wird der Leser von dem Buch auch verlangen,
dass es ihm nach Möglichkeit ein Nacbschlagen in Spezialwerken erspart.
In dieser Beziehung wäre einiges zu beanstanden. So fehlen im Kapitel 2
Angaben über den Umfang des kindlichen Schädels. Im Kapitel 3 er¬
schweren nicht vollständige Tabellenüberschriften das Nacbschlagen.
Auch wäre (S. 37) die Angabe über die Sterblichkeit an Scharlach im
1. Lebensmonat einer Kritik wert gewesen, das absolut Unzureichende
der Statistik über Lymphdrüsenschwellung und Rachen Wucherung des¬
gleichen. Namentlich die Beziehung auf die Spezialuntersuchungen
Nadoleozny’s und Edm. Meyer’s hätten die Bedeutungslosigkeit der
anderen Statistiken dargetan. Gerade für Laien hätte ich eine schärfere
Ablehnung der standesamtlichen Rubrik „Krämpfe“ und eine kurze Er¬
klärung über die Bedeutung von agonalen und andererseits selbständig
eine Todesursache abgebenden Krämpfen gewünscht. Bei der Erkrankungs¬
häufigkeit der jugendlichen Arbeiter (S. 91) wäre eine Vergleichszahl
mit den älteren erwünscht. Im übrigen ist freilich gerade dieses Kapitel
durch seinen Reichtum an Angaben ganz besonders lesenswert.
Im Kapitel 4 (Banti) waren einige Angaben über das Colostrum
wünschenswert. Bei der Ernährung des älteren Säuglings möchte ich
Mahlzeiten, die nur aus Gemüse bestehen, in keiner Weise für praktisch
halten. Die als normal empfohlene Ernährung im 2. Lebensjahre basiert
allzusehr auf Milch und führt daher zu häufig zu Misserfolgen, als dass
sie als Norm empfohlen werden dürfte. Bei dem Leserkreise des Buches
hätte auch die andere Methode, die die Ernährung des 2. Lebensjahres
mehr der älterer Menschen annähert, eine Erwähnung finden müssen.
In welcher Beziehung ist übrigens die Kohlehydratzufuhr in Gestalt von
Mehlen vor dem 10. Lebensmonat unmodern?
Einige praktische Angaben über die Ausübung der Milchkontrolle
scheinen mir wünschenswert. Im übrigen scheint mir Bauer die Auf¬
gabe, im Rahmen dieses Buches die Ernährung des Kindes zu besprechen,
recht glücklich gelöst zu haben. Dagegen ist das Kapitel von Schmidt
über Geistes- und Körperübungen zu allgemein gehalten. Es fehlen auch
im § 3, S. 313, genauere Angaben über die zeitliche Folge der seelischen
Entwicklung des Kindes, für die allerdings ein eigenes Kapitel hätte
bestimmt werden müssen.
Bei der Frage des Seuchenscbutzes ist nur besprochen, was bisher
üblich war und die Kritik desselben zu milde. Die wichtige Frage, wie
man einen tuberkulösen Lehrer, der arbeitsfähig ist, aus der Schule ent¬
fernen kann, ist nicht einfach zu lösen, wenigstens bisher nicht gelöst.
Bei den Plänen von Krankenhäusern fehlt in einigen Plänen die
Angabe des Maassstabes. Eine ausführlichere Darstellung der Stellung
der Ziehfrauen den polizeilichen Bestimmungen gegenüber wäre wünschens¬
wert. Auch wäre eine schärfere Beurteilung und Verurteilung der Folgen
erwünscht, die sich für den Säugling durch das Gesetz über den Unter¬
stützungswohnsitz und das daraus entspringende HerumschiGken des
Kindes von einer Pflege in die andere ergibt. Ohne eine Uebernahme
der Säuglingsfürsorge durch den Kreis oder die Provinz wird hier wohl
keine Besserung zu erreichen sein.
Zum Schluss noch die Frage: Was wird aus den Säuglingen, die
von noch nicht notorisch ortsarmen Müttern in Pflege gegeben werden
müssen, weil die Mütter einige Wochen Gefängnis zu verbüssen haben?
Bisher verlangt sogar mitunter eine Gefängnisverwaltung, dass das Kind
möglichst bald abgesetzt werden soll. Wenn derartige Kinder ehelich
sind, tritt eineUeberwachung in der Pflege überhaupt nicht, im anderen
Falle nicht überall und meist zu spät ein. Auch hierüber müsste eine
künftige Auflage Auskunft geben. F. Göppert.
H. Rüder, C. Bieling, W. Spiiak, E. Wieneeke, A. Biekel: Gellnde-
behandlnng herzkranker Kinder im Mittelgebirge. Klinische
und experimentelle Untersuchungen an herzkranken Kindern bei
einem Kuraufenthalte im Thüringer Wald. Berlin 1914, Verlag
von Hirschwald. 184 Seiten.
Herzkranke Schulkinder sind gegenüber ihren gesunden Kameraden
in mancher Hinsicht im Nachteil, indem sie z. B. vom Turnen, von
Sohulausflügen, von den Ferienkolonien u. a. ausgeschlossen werden
müssen. Es wird nun hier über Versuche berichtet, ihnen wenigstens
in einer modifizierten Form die mannigfachen Wohlfahrtseinrichtungen
für Schulkinder zugute kommen zu lassen. Es wurde mit 12 herzkranken
Kindern im Alter von 12 bis 14 JahreD, wovon 9 an organischen, die
übrigen an funktionellen Herzerkrankungen litten, eine Exkursion in den
Thüringer Wald (Friedrichroda) gemacht und eine GeländebehandluDg
im Sinne der Oertel’schen Terrainkur eingeleitet. Ueber die Begründung
dieses Unternehmens sowie über die Beobachtungen während der Kur
berichten die einzelnen Abhandlungen des Baches, die wir der Reihe
nach nennen: Bickel, Zur Einführung. Bewegung und Kreislauf in der
Physiologie. Röder, Physiologische Beziehungen zwischen Kreislauf
und Atmung. Röder, Weitere wissenschaftliche Unterlagen für eine
Geländebebandlung herzkranker Kinder. Röder, Die Exkursion nach
dem Thüringer Walde zur klinisch-experimentellen Beobachtung des Ein¬
flusses der Geländebehandlung bei 12 herzkranken Kindern im Sommer
1913 nebst den Krankengeschichten. Bieling, Orthodiagraphische und
elektrocardiographische Untersuchungen an den 12 herzkranken Kindern.
Spinak, Untersuchungen des Blutdrucks, des Pulses, des Blutes und
des Urins bei den 12 herzkranken Kindern. Wienecke, Psychologische
Untersuchungen über das Verhalten herzkranker Kinder im Pubertats-
alter im allgemeinen wie speziell die dahinzielenden Beobachtungen bei
der Exkursion mit diesen Kindern im Sommer 1913. Röder, Zusammen¬
fassende Darstellung der Ergebnisse aus dem gesamten Material.
Bieling, Praktische Durchführung der Geländebehandlung io den Luft¬
kurorten des ThüriDger Waldes unter Berücksichtigung von Friedrich¬
roda. Röder, Schlusswort.
Der Inhalt des Buches geht aus diesen Kapitelüberschriften hervor.
Näher auf den Inhalt einzugehen, erübrigt sich. Neue Tatsachen wurden
nicht festgestellt, aber ein guter Einfluss der Geländetherapie auf das
Allgemeinbefinden der Kinder beobachtet. Birk-Kiel.
Handbuch der physiologischen Methodik. Herausgegeben von Tiger-
stedt. Band 3, Abteilung III b. Mit 100 Figuren im Text und
einer Tafel. Leipzig 1914, S. Hirzel. Preis 8 M.
Das wichtige Werk, dessen Lieferungen hier wiederholt angezeigt
worden sind, geht nun bald seiner Vollendung entgegen. Der neu vor¬
liegende Abschnitt bringt „die nicht akustischen Funktionen des inneren
Ohres“, die J. R. Ewald bearbeitet hat und die „Untersuchungsmethode
der akustisohen Funktionen des Ohres“, aus der Feder von K. L. Schäfer.
Oiof Hammarsten: Lehrbuch der physiologisch» Chemie. 8 . völlig
umgearbeitete Auflage. Wiesbaden 1914, J. F. Bergmann. 961 S.
24 M.
Die neue Auflage, bei deren Bearbeitung Professor S. G. Hedin den
Verfasser unterstützt hat, besitzt dieselben Vorzüge, welche die früheren
Auflagen so wertvoll machten: sorgfältigste Berücksichtigung der Literatur,
klare Schreibweise und Kürze der Darstellung bei hinreichender Gründ¬
lichkeit. Es ist sehr erfreulich, dass dieses ausgezeichnete Lehrbuch
wieder in moderner Fassung vorliegt. Es eignet sich ebenso zum
systematischen Studium wie zum Nacbschlagen. M. J&ooby.
V. Schmieden-Halle a. S.: Der chirurgische Operattoaskars. Dritte
erweiterte und verbesserte Auflage. 416 Seiten mit 467 Ab¬
bildungen. Leipzig 1914, Joh. Ambr. Bartb. Preis geb. 16 M.
Der „Chirurgische Operationskurs“ hat sich schnell einen geachteten
Platz in der Literatur erobert. Das beweist am besten die Tatsache,
dass, nachdem noch nicht 2 Jahre seit der letzten Auflage verflossen
sind, bereits wieder eine Neuauflage notwendig wurde, die sich den
vorangegangenen würdig anscbliesst und mancherlei Erweiterungen auf¬
weist. Völlig neu aufgenommen sind die Operationen an der Vena
saphena, die Freilegung des retrobulbären Raumes nach Krönlein, die
Hemilaryngektomie, die quere Resektion des Pharynx und des Oeso¬
phagus im Halsteil und die Lumbalpunktion. Andere wichtige Kapitel, wie
die über Sehnennaht, Larynx-Pharynxchirurgie, Freilegung des Rücken¬
marks, sind wesentlich umgearbeitet, zahlreiche neue Abbildungen sind
hinzugekommen. Das vorliegende Lehrbuch ist nicht nur für den Ge¬
brauch des Studenten bei dem ohirurgischen Operationskurs an der
Leiche durch die kurze, präzise Darstellung und die trefflichen Ab¬
bildungen hervorragend geeignet; in gleicher Weise findet der Praktiker,
besonders auch der angehende Chirurg wertvolle Hinweise in ihm. Die
äussere Ausstattung ist, wie auch in den früheren Auflagen, vorzüglich.
Mit einem Wort: Es ist ein Buch, für das wir dem Verf. dankbar sein
müssen, und dem wir wünschen, dass es sich in gleioher Weise wie
bisher immer neue Freunde erwerben möge.
W. V. Simon-Breslau.
Hermann Docht-Halle a.S.: Handbnck der Röntgenlehre. 485 Seiten,
249 Abbildungen; 4. Auflage. Stuttgart 1914, Verlag von Ferdinand
Enke. Preis broschiert 13,80 M.
Das vortreffliche Buch Gocht’s liegt jetzt in 4. Auflage vor. Der
rastlos fortschreitenden Entwicklung der Röntgendiagnostik und Röntgen¬
therapie ist vollauf Rechnung getragen, und besonders alle technischen
Neuerungen haben die gebührende Würdigung gefunden.
Speziell die Abschnitte, welche das Röntgeninstrumentariura und
die Röntgenröhre, die diagnostische Verwendung der Röntgenstrahlen in
der Geburtshilfe und bei Erkrankungen des Magendarmtractus behandeln,
haben eine weitere Ausgestaltung erfahren.
Auch der Abschnitt über Röntgentherapie gibt ein gutes Bild von
der Entwicklung und dem gegenwärtigen Stand dieser Behandlungs¬
methode unter Berücksichtigung der neuesten Fortschritte, insbesondere
auf dem Gebiete der Tiefenbestrahlung, trotzdem er von den 485 Text-
seiten nur 65 beansprucht. Die Abbildungen sind durchweg gut. Auch
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Go g le
Ürigiinal fro-m
M = PI~P-' fiF
8. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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die 4. Auflage kann also jedem, der sieb mit der Röntgendiagnostik und
Röntgentherapie vertraut machen will, angelegentlichst empfohlen werden.
H. E. Schmidt-Berlin.
Richard Kayser- Breslau: Anleitung zur Diagnose und Therapie der
Kehlkopf-, Nasen- nnd Ohrenkrankheiten. 8 ., verbesserte Auf¬
lage; mit 136 Abbildungen. Berlin 1914, Verlag von S. Karger.
Die weite Verbreitung des Buches spricht für seine Zweckmässigkeit
und das praktische Bedürfnis nach einer gemeinsamen Abhandlung über
Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkrankbeiten in kompendiöser Form. Diesem
rein praktischen Gesichtspunkt gegenüber müssen die wissenschaftlichen
Bedenken, in einem Büchlein zwei grosse selbständige Spezialdisziplinen
zur Darstellung bringen zu wollen, in den Hintergrund gerückt werden.
Auf 210 Seiten werden die Untersuchungsmethoden, Krankheiten und
Behandlungsweisen des Kehlkopfes, der Nase und des Ohres in an¬
schaulicher Form besprochen; dabei ist der Verf. bemüht, auch alle
Neuerungen auf den Spezialgebieten, z. B. die Schwebelaryngoskopie, zu
erwähnen. Ueberflüssig erscheint mir, dass so gefährliche und meist
entbehrliche Verfahren, wie z. B. die Choanaltamponade mit dem Belloc-
schen Röhrchen, ausführlich dargestellt werden; die an dieser wie
allerdings auch an den meisten anderen Stellen beigegebenen Ab¬
bildungen lassen viel an Deutlichkeit zu wünschen übrig; vor allem
waren die Trommelfellbilder besser gänzlich weggelassen worden. In so
kurzen Kompendien erscheint mir ferner das Citieren von Autoren nicht
nötig zu sein. Wenn aber z. B. in einem Gebiete, wie der Otosklerose,
von dem Verfasser nur der Name „Fröschels“ erwähnt wird, so lässt
sich dagegen Erhebliches ein wenden. Dass bei der Therapie dieser Er¬
krankung ausserdem das problematische Kinesiphon von Dr. Maurice
erwähnt wird, welches übrigens keine „elektrisch betriebenen Stimm¬
gabeln“ enthält, ist auch auffallend.
Diese und ähnliche Ausstellungen mehr werden sich bei der
Darstellung zweier auf winzigen Raum zusammengedrängten Spezial¬
gebiete nicht vermeiden lassen. Die Brauchbarkeit des Buches für den
Praktiker wird dadurch nicht eingeschränkt, und so wird auch dieser
neuen Auflage der alte Erfolg treu bleiben. G. Brühl.
Heinrich Walb: Ueber Brüche des knöchernen Trommel fellrandes.
Ein Beitrag zur Unfall-Lehre. Mit 18 Figuren auf 4 Tafeln. 67 S.
Bonn 1914, Verlag von A. Markus und E. Weber. Preis 3 M.
Die Abhandlung liefert einen bedeutsamen Beitrag zur Unfall¬
heilkunde. W. beleuchtet auf Grund einer umfassenden Erfahrung, Gut¬
achtertätigkeit und klinischer Beobachtung die differentiell diagnostische
Wichtigkeit der Brüche des knöchernen Trommelfellrandes, einer Ver¬
letzung, die sehr häufig unbeachtet bleibt, oder deren augenfälligstes
Symptom, starke Blutung aus dem Gehörgang, vielfach falsch gedeutet
wird, meist als Folge einer Schädelbasisfraktur. Da mit dieser ein
Bruch des knöchernen Trommelfellrandes verbunden sein kann und
andererseits der letztere gewöhnlich mit Bewusstlosigkeit als Folge von
Hirnerschütterung einhergeht, so wird unmittelbar nach der Verletzung
die sichere Diagnose nicht immer möglich sein, wohl aber einige Zeit
danach, wenn die Mahnung W.’s beherzigt wird, in solchen Fällen
möglichst frühzeitig eine genaue ohrenärztliche Untersuchung zu ver¬
anlassen. Wer die Schwierigkeiten gutachtlicher Entscheidungen, be¬
sonders bei lange zurückliegenden Verletzungen kennt, wird die in der
Abhandlung niedergelegten kritischen Beobachtungen als wertvolle Hilfe
bei der Beurteilung solcher Schädel Verletzungen begrüssen.
H. Haike.
Haidbteh der deutschen Schulhygiene. Unter Mitwirkung von Stadt-
arzt Prof. Dr. W. v. Drigalski - Halle a. S., Kinderarzt Dr.
R. Flachs-Dresden, Prof. Dr. Fr. W. Fröhlicb-Bonn, Bürgerschul-
lebrer H. Granpner- Dresden, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Leu-
buscher- Meinin gen, San.-Rat Prof. Dr. F. A. Schmidt-Bonn, Stadt-
sohulrafc Dr. Wehrhahn -Hannover. Herausgegeben von Professor
Dr. med. Hag® Selter-Bonn. Leiikonoktav, VIII und 760 Seiten.
Mit 149 Abbildungen und zahlreichen Tabellen. Preis 28 M., in
Leinenband 30 M., in elegantem Halbfranzband 32 M. Dresden
und Leipzig 1914, Verlag von Theodor Steinkopff.
Unter Führung des Herausgebers H. Selter, der selber den ersten
Teil-. „Die Hygiene des Schulhauses und seiner Innenein¬
richtung“ beigesteuert hat, haben sich zu diesem Handbuch der
deutschen Schulhygiene eine Reihe von Männern zu gemeinsamer Arbeit
zusammengetan, deren Namen in allen Fragen der Schulhygiene schon
seit langem einen guten Klang haben. Es ist daher unnötig, des
breiteren die Vortrefflichkeit des Gebotenen darzulegen. Leubuscher
gibt einleitend eine kurze Gesohichte der Schulhygiene, behandelt
dann im Schlusskapitel des dritten Teils „Schularztwesen und
schulärztlichen Dienst“, den darzustellen und zu beurteilen keiner
berufener ist Im vierten Teil hat er noch die „Erkrankungen der
Lehrer und Lehrerinnen“ und „die Ausbildung der Lehr¬
amtskandidaten in Gesundheitspflege“ behandelt. Einen breiteren
Kaum nimmt in diesem Handbuch die Hygiene des Unterrichts
®jn, der der ganze zweite Teil überlassen wird. Die Leistungen des
p e) [7® Q sy8tems und seine Beziehung zur Unterricbtshygiene hat
*rohlich-Bonn übernommen, den speziellen Teil Bürgerschullehrer
H. Granpner-Dresden, der treue Besucher und Freund unserer sohul-
hygienischen Kongresse. Dieser spezielle Teil ist mit ausserordentlicher
Gründlichkeit bearbeitet. Auch dem spürendsten Auge wird kaum eine
Lücke auffallen. Auch die ganz moderne, vielleicht seit gestern nicht
mehr moderne Frage der Linkskultur wird untersucht und in ange¬
messene Würdigung gerückt. Der wohlbekannte Standpunkt, die gesund¬
heitliche Belehrung in den Schulen nicht durch den Arzt bzw. Schul¬
arzt, sondern durch die Lehrer vornehmen zu lassen, der auch von
Leubuscher, Selter, Stephani geteilt wird, wird auch von
Graupner vertreten. loh kann mich auch durch seine Ausführungen
von meinem Standpunkt, diese wichtige Funktion des hygienischen
Schulunterrichts möglichst ärztlichen Kräften anzuvertrauen, nicht ab-
bringen lassen. Die mannigfachen Beleuchtungen, die die bisher ver¬
nachlässigten Fragen der Unterricbtshygiene durch Graupner erfahren,
werden gewiss dem ärztlichen Leser sehr viel des Anregenden und
Fruchtbaren bringen. Dem dritten Teil, der eigentlichen Hygiene
des Schulkindes, ist dankenswerterweise eine Ouvertüre voran¬
geschickt, indem der Dresdener Kinderarzt R. Flachs die Fürsorge
für das vorschulpflichtige Alter vom Säuglingsalter bis zur Ein¬
schulung behandelt. Referent begrüsst diese „Vorgeschichte“ des Schul¬
kindes als einen Fortschritt in der Wertung und Bearbeitung der Schul¬
hygiene und sieht darin ein erfreuliches Zeichen der wachsenden Einsicht
in die notwendigen Zusammenhänge der gesamten Jugendhygiene, die
von ihm seit Jahren immer betont worden. F. A. Schmidt-Bonn be¬
spricht in bekannter Frische die körperliche Entwicklung und
Pflege des schulpflichtigen Alters, während der Hallenser Stadt¬
arzt v. Drigalski die krankhaften Störungen des Schulkindes
abhandelt. Der fünfte und letzte Teil ist dem Hilfsschulwesen ge¬
widmet. Von seiner Entwicklung und seinem hohen Stand in Deutsch¬
land gibt. Stadtschulrat Dr. Wehrhahn - Hannover eine treffliche
Schilderung. Die Ursachen des jugendlichen Schwachsinns
und seine Behandlung in der Hilfsschule bilden den Schluss des
Handbuchs und haben wiederum F. A. Schmidt-Bonn zum Verfasser.
In einem Handbuch der Schulhygiene kann natürlich die Stellungnahme
zur sexuellen Pädagogik nicht fehlen. R. Flachs-Dresden be¬
handelt diese delikate Frage, die man gern für einige Zeit aus der
öffentlichen Behandlung verschwinden sehen möchte, in einem zwar
kurzen, aber doch die verschlungenen Beziehungen des Problems durch¬
aus umfassenden Aufsatz. Mit Recht erhebt er gegen die sogenannte
„sexuelle Aufklärung“ und deren Unfug Einspruch. Er wünscht die
sexuelle Pädagogik allmählich in die allgemeine Hygiene als Fach ein¬
gerückt zu sehen. Ganz einverstanden! Aber dann dürfte wohl als
Lehrer dieser Hygiene am besten der Fachmann, der Arzt, der Schul¬
arzt, in Frage kommen. Das Handbuch wendet sich an alle, welche
mit dem Wohle unserer Jugend und ihrer Erziehung zu tun haben, Ver¬
waltungsbeamte, Aerzte, Architekten und vor allem an die Lehrerschaft.
Möge sein Studium allen diesen Kreisen reichen Nutzen und Belehrung
eintragen. Zahlreiche Abbildungen und Tabellen illustrieren die Dar¬
stellung. Ein Sach- und Autorenregister erleichtert die Orientierung.
Alfred Lewandowski-Berlin.
Die Kultur der Gegenwart. Dritter Teil. Vierte Abteilung. Vierter
Band. Abstammungslehre,Systematik, Paläontologie,Biogeographie.
Unter Redaktion von R. Hertwig und R. v. Wettstein. Bearbeitet
von R. Hertwig, L. Plate, R. v. Wettstein, A. Brauer,
A. Engler, 0. Abel, W. I. Jongmans, K. Heider und
I. E. V. Boas. Leipzig-Berlin 1914, B. G. Teubner. Preis ge¬
bunden 22 M
Wie bei einem früher in dieser Wochenschrift zur Besprechung ge¬
langten Band dieses gross angelegten Sammelwerkes ausgeführt wurde,
ist es unmöglich, in Form einer kurzen Besprechung den reichen Inhalt
mehr als anzudeuten. Bekanntlich ist die Darstellung in den Bänden
der „Kultur der Gegenwart“ allgemeinverständlich gehalten, aber nach
Form und Inhalt derart, dass selbst der Fachmann Belehrung und
Genuss daraus schöpfen kann. Das gilt naturgemäss insbesondere für
solche Wissensgebiete, die dem einzelnen Forscher an sich ferner liegen;
aber das Buch bezweckt und erreicht, die grossen Gesichtspunkte der
geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Gebiete heraus¬
zuheben und zu verbinden. Im vorliegenden Werk behandelt R. Hertwig
die Abstammungslehre mit besonderer Berücksichtigung des Artenbegriffs,
und anschliessend legt L. Plate die Prinzipien der Systematik nament¬
lich mit Berücksichtigung des Systems der Tiere dar. Es folgt sodann
aus der Feder R. v. Wettstein’s das System der Pflanzen und dann
das für jeden Biologen hochinteressante Kapitel A. Brauer’s über die
Biogeographie. Die eigentliche Pflanzengeographie behandelt A. Engler,
die spezielle Tiergeographie A. Brauer. Ueber die Bevölkerung der
Erde in Urzeiten unterrichten die Kapitel von 0. Abel über Paläonto¬
logie und Paläozoologie, sowie die Abhandlung von W. I. Jongmans
über die Paläobotanik. Der Schluss des Werkes ist der Lehre von der
Phylogenie gewidmet: R. v. Wettstein bespricht die Phylogenie der
Pflanzen, K. Heider die Phylogenie der Wirbellosen und I.E. V. Boas
die Phylogenie der Wirbeltiere.
Selten bietet ein Werk so reiche Gelegenheit zur Erweiterung des
Allgemeinwissens, wie das vorliegende; und wer nicht die Müsse hat,
sich in alle Abschnitte zu vertiefen, findet in dem ausführlichen Namen-
und Sachregister bequeme Hinweise auf die Spezialfragen.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF IOWA
1466
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
Dario Romani: Pentosiria. Siena 1918, bei S. Bernardino.
Die theoretisch interessante Stoffwecbselstörung der Pentosurie be¬
handelt Yerf. in einer 528 Seiten langen Monographie. Ausser den be¬
kannten Tatsachen bringt der Autor eine grosse Reihe eigener sorgfältiger
Untersuchungen über die eigentliche und die alimentäre Pentosurie. Das
Autorenregister 'weist 335 Nummern auf, und schon diese Tatsache be¬
zeugt, mit welch ausserordentlichem Fleiss und welcher Literaturkenntnis
der Autor seiner Aufgabe gerecht wird. Der Kliniker wie der physio¬
logische Chemiker werden das Werk jederzeit mit Nutzen zu Rate ziehen.
C. Neuberg-Berlin.
Th. Lochte -Göttingen: (Jerichtsärztliche and polizeiärztliche Techiik.
Ein Handbuch für Studierende, Aerzte, Medizinalbeamte und
Juristen. Wiesbaden 1914, J. F. Bergmann. 794 Seiten mit
193 Abbildungen im Text und einer Spektraltafel. Preis 27 M.
Wir geben zunächst die Liste der Mitarbeiter des Herausgebers und
der von ihnen bearbeiteten Abschnitte: Lochte selbst hat die Identi¬
fikationsmethoden, die Untersuchung von Federn, die ärztlichen Kunst-
fehler bearbeitet. Hildebrand - Marburg gibt die Darstellung des
Röntgenverfahrens in der gerichtlichen Medizin; von Reuter - Hamburg
wird die Bedeutung der Photographie im Dienste der gerichtlichen
Medizin gewürdigt. In das Kapitel der Untersuchung von simutations-
verdächtigen Personen teilen sich Schi ec k - Königsberg (Simulation von
Augenerkrankungen), der inzwischen verstorbene Bürkner - Göttingen
(Simulation von Taubheit und Schwerhörigkeit) und Fr. Leppmann-
Berlin (Simulation von Krankheiten im allgemeinen und bei Ver¬
letzungen). Die Untersuchung von Blutspuren stammt aus der Feder
Ziemke’s - Kiel. Die Untersuchung von Haaren ist von Hildebrand-
Marburg bearbeitet. P. Fränckel - Berlin hat die Abschnitte Sperma-,
Mekonium-, Gras-, Vernix-caseosa, Milch-, Eiter-, Kot- und Harnflecken
und die speziellen Sexualdelikte und die Hermaphroditen bearbeitet.
Bohne - Hamburg liefert die forensische Bakteriologie, Bäumer-
Greifswald die Unterscheidung von Menschen- und Tierknochen, und
die Untersuchung von Leichen erstickter Personen. Richter-München
erörtert die Untersuchung bei plötzlichen Todesfällen, Revenstorf-
Rummelsburg die Untersuchung der Leichen Ertrunkener. Von Puppe-
Königsberg stammt das Kapitel Schussverletzungen, von Reuter-
Hamburg noch der Abschnitt über Verletzungen durch stumpfe Gewalt.
Ger 1 ach - Göttingen trägt den Abschnitt über Verbrennen, Erfrieren,
Verhungern, Tod durch Elektrizität und die Unterscheidung zwischen
vitalen, agonalen und postmortalen Verletzungen bei. Die forensische
Gynäkologie ist von Zoeppritz - Göttingen, das Kapitel der Frucht¬
abtreibung von Stumpf - München bearbeitet. Ungar-Bonn schreibt
über den Kindesmord. Von der Anatomie der Vergiftungen, dem
botanischen und biologischen Giftnachweis handelt Flury-Würzburg,
während Ipsen - Innsbruck die Methoden des chemischen Giftnachweises
darstellt. Es fehlt der Abschnitt über Verletzungen durch Stich und
Schnitt, vielleicht hätte auch die Technik der Untersuchung der Leichen-
Veränderungen, wie auch diejenige einer Reihe von anderen dem
Gerichtsarzte vorkommenden Untersuchungen, wie z. B. der Wohnungs¬
untersuchung, in ein derartiges Handbuch gehört. Das sind indessen
kleinere Lücken, die bei einer zweiten Auflage ausgefüllt werden
können.
Wenn sich einzelne Abschnitte des Buches nicht ausschliesslich auf
die engere Technik beschränken, so ist das nur ein Vorzug des Hand¬
buches, der dem Käufer des Buches schon deswegen willkommen sein
wird, weil es ihm bis zu einem gewissen Grade zugleich ein Lehrbuch
der gerichtlichen Medizin ersetzen kann.
Die Namen der Mitarbeiter bürgen für die Trefflichkeit ihrer
Leistungen, die Literatur ist fast überall ausgiebig gewürdigt. Die
Ausstattung des Buches ist durchaus würdig, die Abbildungen sind
durchweg ausgezeichnet.
Vor allem hat der Herausgeber es verstanden, für die Darstellung der
einzelnen Kapitel Mitarbeiter heranzuziehen, die auf den von ihnen be¬
handelten Einzelgebieten den Ruf gediegener Spezialisten beanspruchen
dürfen.
Alles in allem darf man dem Lochte’schen Handbuch die wärmsten
Empfehlungen auf den Weg geben. Möge ihm der verdiente Erfolg be-
sebieden sein. _
L. Becker.* Lehrbuch der ärztlichen Sachverständieentätigkeit für
die Unfall-, Invalides-, [Unterbliebenes- and Angestellten-
versichernngsgesetzgebnng. 7. umgearbeitete und vermehrte
Auflage. Berlin 1914, Richard Schoetz. 623 Seiten. Preis 15 M.
Die veränderten Bestimmungen der Reiohsversicherungsordnung und
die Angestelltenversicherung machten eine neue Bearbeitung und Ver¬
mehrung des Buches notwendig. Das Becker’scbe Lehrbuch beweist
schon durch die Zahl seiner Auflagen den Grad seiner Bewährung. Der
Referent ist daher in der angenehmen Lage, auf eine langatmige Be¬
sprechung verzichten zu können, das Becker’sche Buch hat sich so gut
eingebürgert, dass es einer Empfehlung nicht mehr bedarf, man be-
irrüsst das Buch wie einen alten Freund im neuen Kleide.
H. Marx - Berlin.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
J. S. Szymanski: Lern verasche bei weissen Ritten. (Pflüg.
Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Verf. wollte feststellen, wie Ratten lernen
zweckmässig auf die gleichen, häufig wiederholten kinästhetischen oder
optischen Reize zu reagieren, inwieweit also bei ihnen durch verschiedene
Sinnesorgane vermittelte Associationen zustande kommen. Die Ergebnisse
mit Hilfe des einfachen dafür vom Verf. konstruierten Apparats waren
die, dass die Ratten auf kinästhetisebe Reize viel leichter Associationen
bildeten als auf optische, wobei allerdings in der Lernfähigkeit grosse
individuelle Unterschiede bestehen, so dass z. B. manche RatteD, im
Gegensatz zu anderen, einen Lichtreiz von 10 Kerzen nicht von Dunkel¬
heit unterscheiden lernten. — RatteD, die sich von optischen Reizen
leiten Hessen, bildeten Associationen auf Grund kinästhetischer Reize
langsamer als solche, die keine optischen Associationen bildeten.
J. P. Karplus und Al. Kr ei dl: Ein Beitrag zur Kenntnis der
Scbmerzleitnng im Rückenmark. (Nach gleichzeitigen Durchschneidungen
beider Rückenmarkshälften in verschiedenen Höhen bei Katzen.) (Pflüg.
Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Unmittelbar Dach Querdurcbschneidung beider
Rückenmarkshälften in verschiedenen Höhen wird Schmerzempfindung
durch das Rückenmark zum Gehirn geleitet in normaler Stärke. Danach
müsste die SchmerzempfinduDg nicht nur durch die weisse Substanz
fortgeleitet werden, vielmehr muss die graue Substanz eine wesentliche
Rolle bei der Schmerzleitung spielen. Wie das geschehen kann, dafür
geben die Verff. ein einfaches Schema an.
J. S. Szymanski: Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- nnd
Aktivitätsperioden bei Tieren. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Verff.
beschreibt Methoden, um graphisch Ruhe und Tätigkeit bei Insektea,
Fischen, Salamandern, Mäusen, Vögeln darzusteilen, besonders den
Wechsel von Ruhe und Tätigkeit während 24 Stunden. Bezüglich der
benutzten Apparate muss auf das Original verwiesen werden. — Verf.
findet, dass die Küchenschaben während der Tag- und Nachtstunden
in Ruhe bleiben, nur in den Abendstunden zeigen sie eine Periode der
Beweglichkeit, wobei innerelmpulse die Oberhand über die sonst wirk¬
samen äusseren Reize zu gewinnen scheinen. — Bei den Goldfischen
wechseln Ruhe und Bewegung mit Nacht und Tag, ebenso bei den
Kanarienvögeln. Dunkelheit setzt bei ihnen niebt nur die Intensität
der einzelnen Bewegungen, sondern auch deren Gesamtsumme herab. —
Die weisse Maus zeigt in 24 Stunden je 16 Ruhe- (Schlaf*) und
Aktivitäts-(Wach-) Perioden von je 45 Minuten, die graue Maus 19 Perioden
von je etwa 38 Minuten. A. Loewy.
C. Funk: Studien über Beriberi. XI. Die Rolle der Vitamine
beim Kohlehydratstoffwechsel. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 5,
S. 378.) Steigende Mengen von kohlehydratreichen Nahrungsmitteln be¬
wirken eine Beschleunigung des Ausbruchs der Beriberi. Ebenso be¬
schleunigt ein Zusatz von Kohlehydraten (Stärke, Zucker) zu einer
Standarddiät den Eintritt des Beriberiausbruchs. Offenbar spielen die
Vitamine beim Kohlehydratstoffwechsel eine aktive Rolle.
C. Funk: Studien über Beriberi. X. Experimentelle Beweise gegen
die toxische Theorie der Beriberi. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89,
H. 5, S. 373.) Es besteht kein Unterschied in der Wirkung von ge¬
kochtem und ungekochtem Reis; vorausgesetzt, dass man gleiche Mengen
verfüttert, erkranken Tauben bei Fütterung mit gekochtem Reis ebenso
schnell wie bei Fütterung mit ungekochtem. Ein Nahrungsgemisch, be¬
stehend aus Casein, Fett, Stärke, Zucker und Salzen, erzeugt Beriberi.
Das Handelscasein enthält Spuren Vitamine; werden diese durch Kochen
oder Extraktion mit Alkohol zerstört bzw. entfernt, so wird der Aus¬
bruch der Beriberi bedeutend beschleunigt. Alkoholische Extrakte aus
Beriberitauben vermögen Beriberi tauben zu heilen, ohne irgendwelche
Giftwirkung zu entfalten. Demnaoh ist bei den an Beriberi erkrankten
Tieren der Vitaminvorrat ihres Organismus keineswegs gänzlich erschöpft.
| Wohlgemuth.
K. Nakashima: Zur Frage der Resorption des Fettes im Diek-
nnd Mastdarm. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Die Versuche N.’s
sind an Mäusen angestellt, denen Fett in den Enddarm gebracht wurde.
Zur Klärung der Resorptionsverhältnisse wurde deren Blut dann bei
Dunkelfeldbeleuchtung untersucht und auch die Dickdarmschleimhaut
histologisch durchmustert. N. findet, dass, im Gegensatz zur Zufuhr per
os, bei rectaler Zufuhr Fettteilchen im Blute meist fehlen. Nach Ein¬
führung grösserer Fett-(Mileh-) mengen finden sich zuweilen Fettteilchen,
jedoch nicht nach Unterbindung der Bauhin’scben Klappe. Eine Fett¬
resorption in gewöhnlicher Form findet also vom Rectum aus nicht
statt, was auch das histologische Bild des Dickdarms erweist. Ob das
Fett vielleicht in anderer Form (gelöst) aufgenommen "wird, wäre noch
zu entsoheiden.
K. Nakashima: Untersuchungen über die Resorption des Fettes
ans der Bauchhöhle mittels Donkelfeldbeleuchtang. (Pflüg. Arch.,
Bd. 158, H. 6—8.) Versuche an Mäusen und Fröschen, bei denen ausser
Fett auch die Resorption anderer Substanzen aus der Bauchhöhle durch
Untersuchung des Blutes im Dunkelfeld festgestellt wurde. — N. findet,
dass Fett in corpusculärer Form aus der Bauchhöhle ins Blut übergeht,
und zwar beim Frosch leichter als bei der Maus. Noch leichter als
Fett tritt Casein über. Sie sind beim Frosch schon naoh 10 bis
15 Minuten, bei der Mau9 naoh 20 Minuten im Blute nachweisbar und
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3. Augost 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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bleiben es bei ersteren 48 Standen, bei letzteren 24 Stunden lang. —
Lecithin wird viel langsamer resorbiert; dagegen werden die Teilchen des
wasserunlöslichen Gummigutt so schnell wie Fett ins Blut aufgenommen.
Die fettresorbierende Kraft der Pleurahöhle ist viel geringer als die der
Bauchhöhle. — Die Resorption aus entzündetem Peritoneum ist bei
Mäusen aufgehoben, bei Fröschen fast normal; auoh Adrenalininjektion
in die BauohhÖhle hemmt dessen Resorptionsfähigkeit, indem es als
reizendes Gift wirkt, nicht durch seine gefässkontrahierende Wirkung. —
Fett und Gasein werden durch die Lympbbahnen resorbiert, ohne dass
sich die Blutgefässe beteiligen. A. Loewy.
F. Knoop: Ueber Aminosänreabb&u and Glykokollbildung. (Zschr.
f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 3, S. 151.) Die Aminosäuren werden im
tierischen Organismus bekanntlich so abgebaut, dass über die a-Keton-
sauren die nächst niederen Fettsäuren gebildet werden. Die Substitution
von Sauerstoff am /J-C-Atom von a-Aminosäuren verändert aber, wie die
vorliegenden Untersuchungen zeigen, die Angreifbarkeit des Moleküls
derart, dass die Oxydation nunmehr an dieser Gruppe ansetzt. So wird
beispielsweise /8-Phenylserin zerlegt in Benzoesaure und Glykokoll:
C,H s -CH0H-CH(NH 2 )-C00H -f 0-> C 6 H 6 -C00H + CHjCNB^-COOH.
0. Baudisch und E. Meyer: Photochemisehe Studien znr Ni trat -
«id Nitratassimilation. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 3, S. 175.)
Nitrite spalten ebenso wie Nitrate im Lichte Sauerstoff ab; das wirk¬
same Agens bei dieser Reaktion sind hauptsächlich die ultravioletten
Strahlen. Durch Belichtung von alkoholischen bzw. aldehydischen
Kaliumnitritlösungen entstehen intermediär die entsprechenden Hydroxam-
säuren. Duroh längere Belichtung solcher Lösungen erhält man nach
dem Verschwinden von Nitrit und Hydroxamsäure aminartige und höhere,
wahrscheinlich ringförmige stickstoffhaltige Verbindungen. Es ist damit
zum erstenmal gelungen, Nitrat- bzw. Nitritstickstoff in organische Stick¬
stoffverbindungen durch blosse Sonnenenergie umzuwandeln, ein Vor¬
gang, der sich auch in der Pflanzenzelle abspielen kann, da der grünen
Pflanze die dazu notwendigen Faktoren Nitrat, Formaldehyd und
Sonnenlicht in ausgiebigem Maasse zur Verfügung stehen.
A. Loeb: Ueber die Atmung der künstlich durchbluteten Hande¬
leber. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 5, S. 325.) Die mit einer
Suspension von gewaschenen Rinderblutkörperchen in zucker- und
bicarbonatfreier Ringerlösung durchstiömte Leber eines hungernden Hundes
verbraucht an Sauerstoff pro Kilogramm und pro Minute 27,7—66,0, im
Durchschnitt 50,1 ccm 0 2 . Unter gleichen Versuchsbedingungen ist
das Sauerstoffbedürfnis der Phloridzinfettleber höher; es beträgt 40,6 bis
82,0, im Durchschnitt 68,5 ccm 0 2 .
H. Palme: Eine Methode zur elektrolytischen Bestimmung von
Qieeksilber im Ham. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 89, H. 5, S. 345.)
Die Methode besteht darin, dass man die organischen Substanzen im
Harn mittels Schwefelsäure und Kaliumpermanganat zersetzt, in das
klare Filtrat 0,1—0,2 Kupfersulfat, in Wasser gelöst, einträgt und nun
40 Minuten lang Schwefelwasserstoff einleitet. Das Gemenge von Kupfer-
und Quecksilbersulfid wird nach dem Auswaschen in verdünnter Schwefel¬
säure durch Zusatz von Brom oder Bromwasser gelöst, der Ueberscbuss
an Brom entfernt und nun das Kupfer sowohl wie das Quecksilber
elektrolytisch auf eine Platinkatbode abgeschieden und gewogen. Das
Quecksilber wird sodann durch Erhitzen im Kohlendioxydstrom entfernt.
Die Gewichtsdifferenz gibt die Menge des Quecksilbers an.
Wohlgemuth.
Al. Kreidl und A. Neumann: Ueber die Verlängerung der Zeit
bis zum Auftreten terminaler Atmungen bei wiederholtem, unmittelbar
aufeinanderfolgendem Aufenthalt eines Warmblüters im abgesperrten
Loftranm. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 6—8.) Bringt man Mäuse mehr¬
mals bald nacheinander in einen kleinen abgesperrten Raum, so
treten die terminalen Erstickungserscheinungen mit jedem folgenden
Aufenthalt immer später auf, so dass die Zeit bis zum Erstickungsbeginn
bis zum Zehnfachen verlängert werden kann. Das tritt nicht ein, wenn
zwischen je zwei Aufenthalten mindestens 15 Minuten vergehen. Die
Verlängerung der Zeit bis zur Erstickung tritt auch nur ein bei Zimmer¬
temperatur, nicht, wenn die Tiere bei höherer Temperatur gehalten
werden. Sie erklärt sich daraus, dass bei dem Sauerstoffmangel, der in
dem engen Raum erzeugt wird, die Körpertemperatur der Tiere sinkt
und die abgekühlten Tiere einen verringerten Sauerstoffverbrauch haben.
A. Loewy.
F. Rolly und A. Christiansen - Leipzig: Beitrag zum Stoffweehsel-
Mtt Koebsnlifieber. (Arch. f. exp. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1
und 2.) Injektionen physiologischer NaCl-Lösung an Kaninchen machen
nur bei einem Teil der Tiere Temperaturerhöhung, verbunden mit geringer
N-Mehrausscheidung; Injektionen von 3 proz. NaCl-LösuDg bewirken stets
Temperaturerhöhung, höhere N-Ausscheidung und Steigerung des respi¬
ratorischen Stoffwechsels. Es wird angenommen, dass konzentrierte Koch¬
salzlösung zur ZellschädiguDg mit Abgabe von Eiweiss an das Blut führt,
das neben dem Kochsalz ebenfalls das Wärmeregulationscentrum reizt
und den Stoffwechsel beeinflusst.
J. Donath-Wien: Ueber den Einfluss der Nebenuierenexstirpation
und des d-Snprarenins auf die Blntkonzentration bei Katzen. (Arch.
i- exp. Path, u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 1 u. 2.) Nach Nebennieren¬
exstirpation ist bei Katzen der Trockenrückstand des Blutes vermehrt,
fohl wegen der erhöhten Durchlässigkeit der Blutgefasskapülaren. Nach
abnorm grosser d-Suprareninzufuhr wird das Blut verdünnt wegen Gefasa-
dichtung; wenn akute Blutdrucksteigerung vorher eintritt, kann es auch
eingedickt werden. Wirth.
Pharmakologie.
E. Rost: Zar Kenntnis der bantreizenden Wirkungen der Becher¬
primel (Primala obeonica Hance). (Sonderabdruck aus den „Arbeiten
des Kaiserl. Gesundheitsamtes“, Bd. 47, H. 1, S. 133—144, mit 3 Tafeln.
Berlin 1914, Julius Springer.) Von der Primula obeonica scheinen bisher
ungiftige Spielarten nicht bekannt zu sein; absolute Immunität gegen
dieses Primelgift besteht bei keinem Meoschen. Monate nach dem Ab¬
heilen einer Primelvergiftung können noch Recidive auftreten, die auf
Nervenwirbung zu beruhen scheinen. M. Jacoby.
Therapie.
B. Lewinsohn-Altheide: Ueber Elarson. (D.m.W, 1914, Nr. 29.)
L. empfiehlt Elarson überall da, wo Arsen per os gegeben werden soll
(z. B. Neurasthenie, Chlorose, Leukämie, Basedow, Psoriasis usw.). Rascher
Eintritt der Araenwirkung. Keine üblen Nebenerscheinungen.
Wolfsohn.
R. Thierfelder - Plauen: Salophen, ein bewährtes Salicylpräparat.
(Ther. d. Gegenw., Juli 1914.) Günstige Erfahrungen bei Neuralgien,
Nierenkoliken, Pyelitis und Cystitis, Migräne usw. Dosis 3—4 mal täg¬
lich 0,5—1 g.
0. Neugebauer-Wien: Scabiesebaga an Stelle von Ungt. snlfurat.
Wilkinsonii in der Scabiestherapie. (Tber. d. Gegenw-, Juli 1914.) Scabies¬
ebaga ist nach Ansicht des Verf. ein äusserst wirksames Mittel gegen
Scabies, völlig gleichwertig der Ungt. Wilkinsonii. Die Anwendung ist
jedoch viel annehmlicher und reinlicher, wenn auch der Preis höher ist
(100 g-Tube kostet 2 Kr. 50 Heller). Die Patienten werden jedoch in
ihrem Berufe nicht gehindert, so dass die Anwendung- des Scabiesebagas
weit ökonomischer ist. R. Fabian.
M. Sohmid - Potsdam: Erfahrungen mit Lipojodin-Ciba. (M.m.W.,
1914, Nr. 28.) Lipojodin ist ein angenehm zu nehmendes Jodpräparat,
welches trotz seines relativ hohen Jodgehaltes (41 pCt.) bei langsamer
Resorption, günstiger Orgaospeicberuug infolge seiner polytropen Eigen¬
schaften und gleichmässigen protrahierten Ausscheidung in den zweck¬
mässigen therapeutischen Dosen nie die Symptome von Jodismus auftreteu
lässt und als vollwertiger Ersatz der üblichen Jodalkalien gelten kann.
A. Masarey-München: Adalin im Hochgebirge and in heissen
Landern. (M.m.W., 1914, Nr. 28.) Verf. empfiehlt Adalin auf Grund
eigener Erfahrungen zur Beseitigung von Gereiztheit und Schlaflosigkeit,
von denen man öfters in heissen Ländern befallen wird. Es scheint ihm
auch bei drohender Bergkrankheit indiziert.
K.Stromeyer-Jena: Magoesinmbehandlung desTetanis. (Mm.W.,
1914, Nr. 28.) 5 Fälle, die nicht mit Serum, sondern nur mit intra¬
lumbaler Injektion von 8 ccm der 10 proz. Magnesiumsulfatlösung be¬
handelt sind. Nur 1 Fall genas, die anderen starben. Auffallend war
bei einzelnen das Auftreten von Hautanästhesie. Die Wirkung des
Magnesiums auf die Allgemeinerscheinungen war eine deutliche.
Dünner.
H. Weiss - Barmen: Zwei weitere mit Kupfer and Quarzlampe
geheilte Fälle von Ulcus rodeng. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Mitteilung
der abgebildeten Fälle. Kupferpräparat: Lecutylsalbe nach Strauss.
Wolfsohn.
H. Weiss - Barmen: Ein mit Lecatyl (Kapfer-Lecithin) geheilter
Fall von Blasentaberkalose. (M.m.W., 1914, Nr. 28.) Der Kranke erhielt
3 mal täglich 2 Pillen und machte mit 1 — 2 g Lecutylsalbe eine Schmier¬
kur durch (entsprechend der Schmierkur bei Lues). Dünner.
F. Pentimalli - Freiburg i. B.: Zur Frage der chemotherapeuti¬
schen Versuche auf dem Gebiete der experimentellen Krebsforschung
(nebst einer Mitteilung über die Wirkungen des kolloidalen Wismuts).
(D.m.W., 1914, Nr. 29.) Ia Uebereinstimmung mit v. Wassermann
konnte Verf. feststellen, dass der Mammakrebs der Mäuse gegen
y-Strahlung um so viel widerstandsfähiger ist als der menschliche Krebs,
dass er für experimentelle vergleichende Prüfungen nicht in Betracht
kommt. Auch Bestrahlungen von Tumorbrei in Ringerlösuog haben bei An¬
wendung stärkster Dosen nur negative Resultate gegeben. Die chemo¬
therapeutischen Versuche mit SelenverbinduDgen und zahlreichen anderen
empfohlenen Präparaten haben niemals ein eindeutiges positives Resultat
gegeben. In Verfolg der von v. Wassermann inaugurierten Chemo¬
therapie sind auoh Pentimalli und Aschoff auf spezifisch wirkende
Zellgifte gestossen, unter denen besonders das kolloidale Wismut als
Niereugift bzw. direktes Reizmittel für das hämatopoetisohe Gewebe ge¬
nannt wird. Wolf sohn.
F. Klemperer: Klinische Erfahrungen über das Friedmann-
sche Taberknlosemittel. (Ther. d. Gegenw., Juli 1914.) Verf. gibt im
Auschluss an den Bericht über den Karewski’schen Vortrag in der
Berl. med. Ges. (18. Mai 1914) eine zusammenfassende Uebersicht über
weitere klinische Erfahrungen, die in der letzten Zeit erschienen sind.
Verf. kommt zu dem Ergebnis, dass für den Praktiker das Mittel als er¬
ledigt gelten darf. Es ist nicht ungefährlich und stellt kein Heilmittel
der Tuberkulose dar. Für die therapeutische Forschung bedarf die Fried-
mann’scbe Methode weiterer Prüfung.
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1468
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81 .
J. Bergmann-Nesslau (St. Gallen): Erfahrungen über die Anwen-
Wendung von Tnberkalin Rosenbach bei Lungentaberkolose. (Schweiz.
Korr. Bl., Nr. 23.) Verf. fasst seine Erfahrungen dahin zusammen, dass
das Tuberkulin Rosenbach ohne Zweifel ein spezifisches Heilmittel gegen
Tuberkulose darstellt. Es empfiehlt sich, dasselbe mit der Liegekur und
den übrigen hygienischen diätetischen Verfahren zu kombinieren, da da¬
durch die Heilungstendenz entschieden günstiger beeinflusst wird als durch
blosse ambulatorische Behandlung.
A. Oswald - Zürich: Zur Behandlung des'endemischen Kretinismus.
(Schweiz. Korr. Bl., Nr. 24.) Verf. berichtet über 2 Fälle von endemi¬
schem Kretinismus (16 jähriger Jüngling und 18jähriges Mädchen), die
durch längere Jodthyreoglobulinbehandlung äusserst günstig beeinflusst
wurden. Bei dem einen Patienten nahm das Wachstum in 3 Jahren
um 28,5 cm zu. Die übrigen kretinischen Merkmale sind erheblich
zurückgegangen, teilweise völlig geschwunden. R. Fabian.
Th. Nogier und CI. Regaud: Abnahme der Radiosensibilit&t
maligner Tumoren, die mit Röntgenstrahlen behandelt sind; Auto-
immunisation gegen die Strahlen. (Compt. rend. de l’acad. des Sciences,
1914, Nr. 23, S. 1711.) An der Hand von mehreren in genauen Ab¬
ständen histologisch untersuchten Tumoren — Carcinomen und Sar¬
komen —, die mit Röntgenstrahlen behandelt wurden, zeigen die Veiff.
die interessante Tatsache, dass allmählich nach mehreren Bestrahlungen
eine Immunität des Tumorgewebes gegenüber den Strahlen sich heraus¬
bildet, die wohl duroh die Resorption der zerstörten Tumorzellen her¬
vorgerufen wird; sie sprechen von einer Autoimmunisation der Neo¬
plasmen gegenüber den Strahlen. Für die praktische Anwendung ergibt
sich daraus, dass man, gleich nach der ersten Bestrahlung, die bestrahlte
Partie nach Möglichkeit von jedem Tumorgewebe mit dem Messer be¬
freien muss, da gerade dieses Gewebe für den Organismus eine Quelle
der Intoxikation und für die Radiotherapie eine Quelle des Misserfolges
darstellt. B. Valentin.
Newkomet - Philadelphia: Bericht über hundert Fälle von mit
Radium behandelten malignen Erkrankungen. (Fortschr. d. Röntgenstr.,
1914, Bd. 22, H. 3.) Verf. stellt keine allgemeinen Folgerungen auf.
Alle angeführten Resultate wurden durch Applikation von 1—20 mg
Radium erzielt Erfolge können nicht bezweifelt werden, wenn die
applizierte Radiummenge und die Technik jede Fehlerquellen ausschliessen.
Das Radium hat oft dauernden, bisweilen nur vorübergehenden Effekt ge¬
zeitigt. Es gibt gewisse Fälle, die mit der Röntgenbestrahlung bessere
Resultate geben. Zwei lokale Bedingungen begünstigen ihre Anwendung:
Behandlung von in Körperhöhlen situierten Affektionen und Fälle, in
denen eine intensive Lokalwirkung mit möglichst geringer Störung der
benachbarten Gewebe gewünscht wird. Bei oberflächlichen Prozessen
wurde geringe Filterung, bei tiefliegenden 1 mm dicker Bleifilter an¬
gewandt. Verbrennungen in einigen Fällen wurden prompt geheilt.
Tabelle.
Freund-Wien: Zur Strahlenbehandlung der Vnlvaaffektionen.
(Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) Bei vielen Vulvaaffektionen
ist Röntgenbestrahlung kaum noch zu entbehren. Vielfach Heilung, in
verzweifelten Fällen langandauernde Besserungen! Der Erfolg hängt
stets in hohem Grade von der Bestrahlungstechnik ab. In vielen
Fällen ist ausgiebige Entfaltung aller in Betracht kommenden Teile
unerlässlich, was am besten mit dem vom Verf. angegebenen Instrument
(Vulvaspreizzange) zu erzielen ist. Schilderung der Zange, die von
Odelga Wien VIII/1 zu beziehen ist.
Siel mann - München: Hundert Fälle von Frauenleiden mit Röntgen¬
strahlen behandelt. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.)
Myome, Metropathien, klimakterische Blutungen und Dysmenorrhöen sind
in den meisten Fällen durch Röntgenstrahlen zu heilen. Hierzu genügen
kleine und mittlere Röntgenlichtdosen. Nur in einem geringen Prozent¬
satz verhalten sich diese Krankheiten refraktär gegen Röntgenbestrahlung,
und kommt dann andere, besonders chirurgische Therapie in Frage.
Maligne Erkrankungen der Genitalien und der Mamma sind in erster
Linie operativ zu behandeln. Jeder operierte Fall muss der prophylak¬
tischen Röntgenbestrahlung zugeführt werden. Alle nicht operablen
malignen Tumoren sind ausgiebig und in grösseren Dosen mit Röntgen-
strahlen zu behandeln. Tabellen, Schnütgen.
H. Hirschfeld: Die Strahlentherapie der Blntkrankheiten. (Ther.
d. Gegenw., Juli 1914.) Zusammenfassende Uebersicht, nach einem Vor¬
trage im Dozentenverein in Berlin (April 1914). R. Fabian.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
F. March and-Leipzig: Eine lebende erwachsene Doppelmissbildang
(Epigastricus parasiticus). (M.m.W., 1914, Nr. 28.) Vorgestellt in der
Sitzung der medizinischen Gesellchaft zu Leipzig am 12. Mai 1914.
Dünner.
K. Ob ata-München: Ueber Transplantation von Gelenken bei
jungen Tieren mit besonderer Berücksichtigung des Verhaltens des Inter¬
mediärknorpels (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 1.) Verf. transplantierte bei
jungen Kaninchen das Metacarpophalangealgelenk, und zwar erstreckten
sich seine Versuche auf Autoplastik, Homoioplastik und Heteroplastik.
In jedem Falle zeigte sich eine Hemmung des weiteren Wachstums, die
Knochen heilten mit Ausnahme der Heteroplastiken stets an, die Be-
wegungsfähigkeit war fast stets erhalten, dagegen zeigten sich Knorpel-
usuren und Zeichen von Arthritis deformans in den transplantierten
Gelenken. Bezüglich der Ergebnisse der histologischen Untersuchung sei
auf das sehr ausführliche Original verwiesen.
C. Hart-Berlin-Schöneberg: Ueber die anatomische Grundlage der
Osteopsathyrosis idiopathiea, insbesondere der Osteogenesis imperfecta.
(Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 2.) Bei einem vom Verf. sezierten Knaben
fand sich neben hochgradiger Fettsucht erhebliche Brüchigkeit aller
Knochen, insbesondere des Rumpfskeletts. Da sich keine Störungen der
endochondralen Knochenbildung nachweisen Hessen, so lässt sich Rachitis
ausschliessen, ebenso wie Osteomalacie durch das Fehlen von patho¬
logischen Resorptionserscheinungen am Knochen. Nach ausführlichster
Besprechung der einschlägigen Literatur erklärt Verf. seinen Fall, dessen
anatomische Einzelheiten genau beschrieben werden, als Osteogenesis con¬
genita imperfecta. Bezüglich der Aetiologie weist er auf die Möglichkeit
hin, dass es sich um Störungen der inneren Sekretion handeln könne,
schliesst aber den Einfluss einer Thymusveränderung aus. Auch können
ähnliche KnochenveränderuDgen auf Grund schwerer Stoffwecbselstörungen
(z. B. durch Fisteln der grossen Darmanhangsdrüsen), entstehen.
S. Shiuya-München: Experimentalversuche über Maskeltr&nsplan-
tation mit Berücksichtigung der Innervation der neugebildeten Muskel¬
fasern. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 1.) Bei der Transplantation von
Skelettmuskeln an Nerven ergab sieb, dass autoplastische und homoio-
plastische Transplantationen erfolgreich waren, nicht dagegen hetero¬
plastische. In diesem Falle wird das Transplantat nekrotisch und unter
Entzündungserscheinungen der Umgebung resorbiert. Auch bei der auto-
und homoioplastischen Transplantation geht ein Teil der Muskelfasern
zugrunde, der Rest aber wuchert, und es entsteht so Neubildung von
Muskelfasern, die in die Schwann’schen Scheiden eindringen, deren Inhalt
degeneriert ist. Daneben wird Degeneration von Nervenfasern beob¬
achtet, deren Endigungen jedoch von normalen Endplatten stark ab¬
weichen. Die Regeneration der Muskelfasern ist bei Autoplastik und
Homoioplastik verschieden. A. W. Pinner.
P. Baum garten-Tübingen: Das Verhältnis der Lymphogrannlo-
matose zur Tuberkulose. (M.m.W., 1914, Nr. 28.) (Nach einem im
medizinisch-wissenschaftlichen Verein in Tübingen am 15. Juni 1914 ge¬
haltenen Vortrag.) Wenn man (Lichtenstein, Sasaki) Meer¬
schweinchen mit fallenden Mengen eines virulenten Tuberkelbacillen¬
stammes infiziert, so ergibt sich, dass die mit minimalen Mengen ge¬
impften Tiere an einer Tuberkulose von sehr protrahiertem Verlaufe er¬
kranken, deren Produkte grosse Aehnlichkeit mit jenen Fällen von
Lymphogranulomatose darbieten, in welchen die Granulomstruktur mit
der typischen Tuberkelstruktur verbunden ist. B. schlägt daher den
Namen Lymphogranulomatosis tuberculosa vor und stellt ihr das fibrös
käsige Lymphom gegenüber. Diese beiden Typen sind Unterarten der
von B. sogenannten pseudoleukämieähnlichen Lymphdrüsentuberkulöse.
Dünner.
W. Lahm-Karlsruhe: Ein Fall von Polyposis adenomatosa inte-
stini, zugleich ein Beitrag zur Histogenese des Schleimhautcarcinoms.
(Ziegler’s Beitr., B. 59, H. 2.) Ausser auf entzündlicher Basis (Schleim¬
hautinseln bei Dysenterie) können multiple Darmpolypen auch als echte
Neubildungen entstehen. Sie stellen dann einen präoancerösen Zustand
dar; ihre Epithelien können destruierend das submucöse Bindegewebe
durchwuchern. Nach Verf. sind es nicht nur die „indifferenten“ Epi¬
thelien, die entweder auf embryonaler Stufe stehen geblieben oder wieder
zu ihr zurückgekehrt sind. Das Kriterium der krebsigen Entartung ist
immer die Durchwucherang der Submucosa. A. W. Pinner.
J. L. Burokhardt-Basel: Ueber den Sektionshefnnd bei Infek¬
tionen mit Bacterinm enteritidis Gärtner. (Schweiz. Korr. Bl., Nr. 22.)
Bei den akuten Infektionen durch Baoterium enteritidis ist der patho¬
logisch-anatomische Befund ebenso wie beim Baoterium p&ratyphiB äusserst
gering, oft sogar völlig negativ, im Gegensatz zu der Rapidität des Ver¬
laufes. Bei den langsam verlaufenden Fällen gleicht der Sektionsbefond
annähernd dem des Typhus, wenn auch die Ulcerationen der Peyer-
schen Plaques meist nicht so regelmässig und häufig sind.
R. Fabian.
H. Violle: Die Pathogenese der Cholera. (Compt. rend. de l’acad.
des Sciences, Paris 1914, Nr. 23, S. 1710.) Aus den Untersuchungen und
Experimenten geht hervor, dass die Einführung von Cholerakulturen
direkt in den Dünndarm niemals Attacken von Cholera hervorruft,
welches auch der Ort der Iuoculatiou sein mag; wenn man dagegen den
Ductus coledochus unterbindet und nun unterhalb der Einmündungs¬
stelle die Injektion vornimmt, wird ein typischer Choleraanfall erzeugt.
Es wird also jede Verdauungsstörung, die mit Gallenstauung einhergeht,
die Entwickelung der Choleravibrionen begünstigen, uod als praktische
Folgerung ergibt sich, dass man gegebenenfalls das normale Funktionieren
der Leber unterstützen wird. B. Valentin.
A. Tschernischoff - St. Petersburg: Die Eieratocksnberpflanztig,
speziell bei Säugetieren. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. I.) Bei Kaninchen
wurden Ovarien transplantiert. Einige Zeit nach der Transplantation
werden die Follikel und da9 Keimepithel nekrotisch, wogegen die
Zwischenzellen sich gut halten bzw. regenerieren. Daher macht Verf.
sie für die Erhaltung der sekundären Geschlechtscharaktere verantwort¬
lich. Die transplantierten Ovarien wachsen fast immer auf dem neuen
Boden fest und erhalten ihre Ernährung durch neugebildete Gefässe.
Verf. hat dann noch bei Tieren transplantiert, die mit intraperitoneal
einverleibter Leber vorbehandelt waren, und gefunden, dass die Vor-
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3. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1469
behandlung schädigend auf die Entwicklung der implantierten Ovarien
einwirkt, während die Ovarien vorbehandelter Tiere in nicht vorbehan¬
delten sich gut entwickeln. A. W. Pinn er.
Parasitenkunde und Serologie.
S. Tamura: Zur Chemie der Bakterien. III. Ueber die chemische
Zusammensetzung der Diphtheriebacillen. (Zschr. f. pbysiol. Chemie,
Bd. 89, H. 4, S. 289.) In dem alkoholischen Extrakt von Diphtherie-
baoillen wurde ein Monoamidopbosphatid gefunden. Von Eiweissbausteinen
konnten mit Sicherheit nachgewiesen werden: Arginin, Histidin, Lysin,
Tyrosin, Leucin, Isoleucin, r- und 1*Prolin, Valin und durch Reaktion
Tryptophan. Dagegen geben die Diphtheriebacillen keine Schwefelblei¬
reaktion. Die mit Aether und Alkohol extrahierten Diphtheriebacillen
sind nach dem Gram’schen Verfahren mit absolutem Alkohol leichter zu
entfärben als die nicht entfetteten. Aus dem ätherischen und alkoholischen
Extrakt wurde eine lipoide Substanz gewonnen, welche nach Gram
charakteristisch färbbar ist. Wohlgemuth.
W. Kruse - Leipzig: Die Erreger tob Hasten and Schnepfen.
(M.m.W., 1914, Nr. 28.) Vorgetragen in der Sitzung der medizinischen
Gesellschaft in Leipzig vom 23. Juni 1914.) Auf Grund von Ueber-
impfung des Nasensekrets kommt K. zu dem Schluss, dass die Erreger
mindestens einer Form des Hustens und Schnupfens zu der Gruppe der
unsichtbaren oder filtrierbaren Keime gehören, für die K. den Namen
Aphanozöen vorschlägt.
A. v. Domarus und W. Barsieck - Berlin-Weissensee: Zur Frage
der Abwehrfermente. (M.m.W., 1914, Nr. 28.) Unter peinlichster
lonehaltung aller Vorschriften konnten die Verff. nicht immer Resultate
erzielen, die die Abderhalden’sche Reaktion schon heute als praktisch
verwertbar erscheinen lassen. Um die Richtigkeit der Abderhalden’schen
Behauptung, dass die Abwehrfermente Reaktionsprodukte auf das Ein¬
dringen plasmafremder Stoffe ins Blut sind, nachzuprüfen, Hessen die
Verff coaguliertes menschliches Serum durch Serum abbauen; in 25 von
66 Fällen erfolgte ein deutlicher Abbau. Das weist darauf hin, dass
(ohne parenterale Zufuhr von Serum) schon im Blute auf den Abbau
von Blutserum eingestellte Fermente bestehen, die sich in entsprechenden
Fallen zu den spezifischen Fermenten gesellen und eventuell falsche
Resultate bewirken können. Man musste eine Methode haben, die un-
spezifischen Fermente zu eliminieren. Dünner.
A. P ei per- Berlin: Ueber Adsorptionserscheinungen bei der
Abderh&lden’schen Reaktion. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) In Ueberein-
Stimmung mit Friedemann und Schönfeld fand Peiper, dass ad¬
sorbierende Substanzen wie Baryumsulfat, Kaolin, besonders Stärke, einen
deutlich nachweisbaren Einfluss besitzen auf das Auftreten dialysier-
barer, mit Ninhydrin reagierender Substanzen. Wolfsobn.
Innere Medizin.
G. Klemperer: Die Prognose der arteriosklerotischen Herz
erkraaking. (Ther. d. Gegenw., Juli 1914.) Verf. unterscheidet drei
Stadien. Das Anfangsstadium ist häufig schwer von einer Herzneurose
zu unterscheiden. Objektiv am Herzen nachweisbar: verstärkter, klap¬
pender 2. Aortenton, oft ein systolisches Geräusch über Basis, normale
Herzdämpfung, häufige Verstärkung des Spitzenstosses. Prognose ist
günstig, die Dauer ist fast als unbegrenzt anzusehen. Im 2. Stadium
findet sich eine Dilatation des Herzens mit einem diastolischen Geräusch.
Prognose relativ günstig, die Krankheitsdauer kann noch viele Jahre
snbalten. Das 3. Stadium ist charakterisiert durch gestörte Kompensation
des insuffizienten Herzens, mit cardialem Asthma und Oedemen. In
diesem Stadium ist das Leben unmittelbar gefährdet. Für die Prognose
von Wichtigkeit ist die Feststellung der Komplikationen. Hier sind zu
nennen: Gangrän der Zehen, Arteriosklerose der Hirngefässe, Granular-
atrophie der Nieren, Sklerose der Pankreas- und Darmarterien, die zu
tödlichen Blutungen führen können. Die Prognose wird um so günstiger,
je früher die Ursachen beseitigt werden können. In Betracht kommen
bier Infektionen (Lues usw.), Intoxikation, durch Alkohol und Tabak,
körperliche und geistige Überanstrengungen. Als Medikamente kommen
Jod und Arsen in Betracht. R. Fabian.
H. Neugebauer - Kassa: Beitrag zur Klinik der Vagotonie.
(W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Der Verf. bericht über zwei Fälle. Der eiue
betrifft einen 23jährigen Mann mit vagotoniscbem Cardiospasmus, im
»weiten Falle handelt es sich um eine vagotonische Dysmenorrhöe. In
beiden Fällen Heilung durch AtropindarreichuDg. P. Hirsch.
di Jena: Behandlung aknt bedrohlicher Znstttnde bei der
"leiritis. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Klinischer Vortrag.
Wolfsohn.
, 9' Weltmann -Wien: Untersuchungen über die klinische Verwert¬
barkeit der Hämokonien. (W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Verzögerung in der
jumokonienausscheidung weist vor allem auf eine gestörte Leberfunktion
’ö. Mangelhafte oder fehlende Hämokonienbildung spricht für ein
Msagehindernis im Gallenabfluss, vollkommenes Ausbleiben nach Fett-
nahrung für kompletten Gallenverschluss. P. Hirsch.
s . c hirokauer- Berlin: Zur PhenolphthaleiDprobe auf occnltes
all ■ (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Die Reagentien der Probe
® JD können eine positive Reaktion (Rosafärbung) Vortäuschen, welohe
durch Eisessig bei Ueberschuss von Alkali bedingt wird. Der Wert der
Probe wird dadurch beeinträchtigt.
J. Boas-Berlin: Bemerknigen za den vorstehenden Artikel.
(D.m.W., 1914, Nr. 29.) Die Fehlerquelle kommt in praxi kaum in
Betracht. Mau muss jedoch vermeiden, Alkali im Ueberschuss zuzu¬
setzen. Wolfsobn.
Förster-Karlsbald: Beiträge zur Therapie des Diabetes nellitvs.
(Ther. d. Gegenw-, Juli 1914.) Verf. behandelt die Kombinationen des
Diabetes mit Gicht und Neurasthenie. In diesen Fällen ist im all¬
gemeinen eine milde, reizlose Ernährung auf die Dauer einer strengen
Diät vorzuziehen. R. Fabian.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
M. Rothmann - Berlin: Ueber die Ansfallsersekeinnngen Bach
Affektionen des Centralnervensystems nnd ihre Rückbildung. (D.m.W.,
1914, Nr. 29.) Vortrag, gehalten im Verein für innere Medizin und
Kinderheilkunde in Berlin am 25. Mai 1914. Wolfsohn.
Lee und Hai ton: Die Ooldreaktion Lange’s im Liquor eerebro-
opiiallo. (Amerio. journ. of med. scienoes, 1914, Nr. 508.) Die Unter¬
suchungen der Verff. ergaben den sicheren Wert der Reaktion für Lues
im Vergleich mit zahlreichen anderen Erkrankungen. Schelenz.
v. Malaise - München: Hirntnmordiagnosen. (M.m.W., 1914,
Nr. 28.) Drei interessante Fälle. Dünner.
G. C. Bolten-Haag: Ueber Wesen und Behandlung der so¬
genannten „genuinen“ Epilepsie. (W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Die
genuine Epilepsie ist eine chronische Autointoxikation, welch hervor¬
gerufen ist durch eine Hypofermentation des Intestinaltractus und des
intermediären Stoffwechsels als Folge einer Hypofunktion der Schild¬
drüse und der Epithelkörperchen (oder des Nervus sympathicus). Sie
ist vollkommen heilbar durch rectale Eingabe frischen Presssaftes der
insuffizienten Organe, bzw. man kann durch diese Behandlung den
Patienten ganz frei von Erscheinungen machen. P. Hirsch.
M. Nikitin - St. Petersburg: Einfluss der SchutzimpfnBgen gogoa
Lyssa auf den Verlauf der Anfälle bei Epilepsie. (M.m.W., 1914,
Nr. 28.) (Vortrag, gehalten in der Sitzung der psychiatrischen Gesell¬
schaft in St. Petersburg am 22. Februar 1914.) N. machte die inter¬
essante Beobachtung, dass eine Epileptikerin, deren Krankheit seit
11 Jahren bestand, nach einem Hundebiss bzw. der sich anschliessenden
Schutzimpfung ihre Anfälle verlor. In weiteren Untersuchungen konnte
er sich davon überzeugen, dass Rückenmarksinjektionen vom gesunden
Kaninchen auf die Epilepsie ohne Einfluss sind. Die Injektionen des
abgeschwächten Lyssavirus Hessen keine eindeutigen Resultate erkennen.
Bei einigen Kranken wurde vielleicht eine Besserung erzielt.
Dünner.
Fraser: Klinische Beobachtungen an 90 Fällen akuter Polio¬
myelitis. (Americ. journ. of med. Sciences, 1914, Nr. 508.) An der
grossen Zahl von 90 Fällen hatte Verf. Gelegenheit, eingehend das Auf¬
treten der Poliomyelitis klinisch durchzuarbeiten. Er berichtet aus¬
führlich über seine Erfahrungen.
Drinker: Wirkung von Extraktes der Thyreoidea des Sebafes
and der pathologischen Thyreoidea des Menschen. (Amerio. journ. of
med. Sciences, 1914, Nr. 508.) Verf. machten experimentelle Unter¬
suchungen, die ergaben, dass die Wirkung eines Extraktes der Thyreoidea
des Schafes und der bei Basedow gleich war. Die Versuchsreihe ist zu
klein, um sicheren Anhalt zu geben.
Barkon: Das gleichzeitige Auftreten von Basedow nnd Tabes.
(Boston med. journ., 1914, Nr. 75.) Verf. glaubt auf Grund mehrerer
Fälle einen Zusammenhang von Basedow mit Tabes annehmen zu dürfen.
Jodkalibehandlung kommt eventuell als auslösendes Moment in Frage.
Sohelenz.
Kinderheilkunde.
B. Erlanger: Zur Kenntnis angeborenen lymphangiektatiscben
Oedems. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Kasuistik.
K. Morgenstern: Elektocardiograpbische Untersnchnngen über
die Beziehungen des HerzmnskeJs znr 8pasmophilie (Tetanie) im frühen
Kindesalter. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Ausgehend von
der Auffassung Ibrahim’s, dass das plötzliche Versagen des Herzens
bei Tetanie in einem Teil der Fälle ein primäres Tetaniesymptom (Herz-
tetanie) darstellt, bat Verf. bei 15 Säuglingen und 2 älteren Kindern
mit Tetanie elektrocardiograpbische Aufnahmen gemacht; er findet, dass
alle Zacken auffallend gross sind, dass eine ausgeprägte Ia-Zacke, eine
starke Fa-Zacke und ein spitzes F auftreten.
C. J. Huerekens: Die Acidität des Mageninbnlts im Säuglings-
und Kindesalter bei Milch- und fleischhaltiger Probenahrung. (Zschr. f.
Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Zum Referat nicht geeignet.
E. Thomas: Ueber die Beziehungen chronischer Unterernährung
zur Infektion und die klinischen Zeichen der herabgesetzten Immnnität.
(Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Auf Gruod der im Kaiserin
Auguste-Viktoria-Hause Charlottenburg beobachteten Fälle kommt Verf.
zu dem Schluss, dass einfache chronische Unterernährung (Pylorus¬
stenose) nicht zu einer Herabsetzung der Immunität führt, ausser wenn
eine erhebliche Ernährungsstörung binzutritt. Im Gegensatz zu Bohrend
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UNIVERSUM OF IOWA
1470
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
fand er in 11 Fällen, dass starke Gewichtsstürze keine Disposition für
die Entstehung von Lungenentzündungen schaffen.
Castro: Ueber Erythrocyturia minima im Säuglings- und Kindes-
alter. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 11, H. 4.) Von etwa 200 Säug¬
lingen fanden sich in 10 pCt. der Fälle im Urin nach langem Centrifugieren
(30 Minuten lang) neben vereinzelten Leukocyten und Epithelien mehr
oder minder zahlreiche Erythrocyten verschiedener Grösse mit ver¬
ringertem Farbstoffgehalt und Schrumpfungserscheinungen (etwa 5 — 15
pro Gesichtsfeld), Eiweiss fehlte völlig oder war nur in Spuren nach¬
weisbar. Diese Erythrocyturie dauerte woeben- bis monatelang. Verf.
bezeichnet diese Erscheinung als Erythrocyturia minima. Das Aussehen
der roten Blutkörperchen sowie der pathologisch-histologische Befund in
zwei Fällen zeigen, dass der Sitz der Blutung die Niere ist. Eine
Nephritis konnte nicht nachgewiesen werden. Die Erythrocyturia trat
im Anschluss an Infekte auf (Grippe, Vaccination, Tuberkulininjektion).
Doch muss für das Zustandekommen dieser Erkrankung noch eine be¬
sondere Disposition der Nieren angenommen werden, da bei der Mehr¬
zahl der untersuchten Säuglinge unter denselben Bedingungen, die bei
diesen Kindern Erythrocyturia hervorriefen, keine roten Blutkörperchen
im Urin auftraten. Die sonstige körperliche Entwicklung der Säuglinge
war sehr gut. Verf. bringt diese bei Säuglingen gefundene Erytbrocyt-
uria mit den von Herbst bei älteren Kindern festgestellten analogen
Befunden in Beziehung. Ausser diesen reinen Formen findet sich eine
Erythrocyturie auch bei Pyelitis vor, sowohl der Pyelitis vorangehend
als auoh im Anschluss an eine Pyelitis entstehend. Orgler.
M. Kusonoki: Die peruieiöse Allste im frühen Kindesalter.
(Sohweiz. Korr. Bl., 1914, Nr. 27.) Verf. berichtet über einen Fall
pernieiöser Anämie bei einem 6 jährigen Mädchen, das im pathologischen
Institut Basel zur Autopsie kam: Die Patientin litt an einer schweren
Anämie ohne nachweisbare Ursache, mit Hautblutungen und Blutbrechen.
Unter fortschreitender Anämie erfolgte der Exitus nach einer Krank¬
heitsdauer von 2 l / 2 Monaten. Die roten Blutkörperchen schwankten
zwischen 1 868 000 bis 510 000, Hämoglobin (Sahli) = 40pCt. bis
lOpCt. Färbeindex während der ganzen Zeit etwas erhöht. Geringe
Verminderung der Leukocyten, niemals Leukocytose. Eine grosse An¬
zahl kernhaltiger roter Blutkörperchen, besonders Megaloblasten nach¬
weisbar. Bei der Autopsie wurden schwere Anämie und Siderosis in den
verschiedenen Organen festgestellt. Blutungen im Augenhintergrund;
Blutbildungsberde in den Lymphdrüsen, Leber, Milz usw. Schwellung
verschiedener Lymphdrüsen, der Tonsillen und Follikel im Darm, rotes
Knochenmark an Femur, Rippen und Wirbeln. Im Knochenmark ausser
reichlichen Normo- und Megaloblasten und Myelocyten auch zahlreiche
Myeloblasten festzustellen. R. Fabian.
H. Koch: Die Beziehungen der Masern zu anderen pathologischen
Processen. (Zschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. II, H. 4.) Verf. erörtert die
Beziehungen der verschiedenen Stadien der Masern zu anderen Krank¬
heiten; er findet, dass im Prodromalstadium (Leukopenie) eine Herab¬
setzung entzündlicher Prozesse (Eiterungen, chronische Nephritis, Granu¬
loma malignum) beobachtet wird, dass im exanthematiseben Stadium
(Anergie) die allergischen Prozesse herabgesetzt sind (Tuberkulin¬
reaktion, Revaccination usw ), und dass im dritten Stadium (letztem
Exanthemtage und postexanthematische Periode) eine Resistenzverminde¬
rung gegenüber Infektionen auftritt. Orgler.
Chirurgie.
G. Ho tz-Freiburgi. B.: Fermentative Blutstillung durch Coagulen.
(D.m.W., 1914, Nr. 29.) Auf Grund seiner Erfahrungen empfiehlt Verf.
das Coagulen: 1. zur Prophylaxe vor der Operation für solche Eingriffe,
welche voraussichtlich mit stärkerer Blutung einhergehen werden; 2. zur
Therapie in den Fällen, wo eine verborgene oder unzulängliche Blutung
nicht mit mechanischen Mitteln gestillt werden kann (z. B. parenchy¬
matöse Organe, Icterus, im Innern des Magendarmkanals usw.). in der
gewöhnlichen Wundbehandlung dürfte die Gefässunterbindung doch
sicherere Resultate geben. Wolfsohn.
W. Goldschmidt-Wien: Zur Behandlung der Gasphlegmonen.
(W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Der Verf. bat während seiner Tätigkeit im
Balkankriege Gelegenheit gehabt, 11 Fälle von Gasphlegmonen zu be¬
handeln. Auf Grund dieser Erfahrung hält er sich für berechtigt, auch
in der Kriegsohirurgie die konservative Behandlung als Initialtherapie
zu empfehlen. P. Hirsch.
W. Pohl: Tuberkulose der Fasele des Bicepsmuskels am Oberarm.
(Ther. d. Gegen*., Juli 1914.) 22jährige Patientin, mit normalem
Knochen und normalen Gelenken. Ausser einer Wundbehandlung (Er¬
öffnung der Fisteln) erhielt Patientin Jodkali, Stauung und Sonnen¬
behandlung. Heilung. Mikroskopische Untersuchung der Granulationen
ergab keine Tuberkelbacillen, wohl aber Riesenzellen.
Muskat-Berlin: Die Luxatiou der Peroueussekueu. (Ther. d.
Gegenw., Juli 1914.) Vortrag, gehalten auf dem Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Orthopädie 1914. R. Fabian.
Vulpius-Heidelberg: Knockeuplastik bei Lamiuektonie. (Zbl. f.
Chir., 1914, Nr. 26.) Verf. transplantiert einen Tibiaspan an Stelle der
weggefallenen Wirbelbögen.
Mysch-Tomsk: Ein neues Verfahren zur Beseitigung einer beider¬
seitigen Ankylosis ossea des Kiefergeleiks. (Zbl. f. Chir., 1914,
Nr. 31.
Nr. 26.) Verf. empfiehlt breite Resektion des Gelenkkopfes des Unter¬
kiefers samt Collum oder eine Osteotomie des Collam processus arti-
cularis.
Frankel - Charlottenburg: Die günstige Einwirkung der Rditgen-
strahlenreizdosen auf die Heilung der Kuochenbriieke. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 26.) Verf. teilt Fälle mit, in denen X-Strahlenbehandlung
eine auffallend rasche Konsolidierung zur Folge hatten. Sehrt.
Syring-Bonn: Beziehungen zwischen Plattfass tad Fasstiber-
knlose. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Beginnende Fusstuberkulosen zeigen
bei Erwachsenen, besonders im jugendlichen Alter, die Tendenz zur
Kontraktur in Planus- und Valgusstellung. Insbesondere bei der Tuber¬
culosis talo-navicularis gehört die Valgusstellung zum typischen Krank¬
heitsbild, sie kann aber auch bei Tuberkulose des Talocruralgeleoks
Vorkommen. Die Gefahr der Verwechselung mit idiopathischem Platt-
fuss ist nicht zu unterschätzen, die Diagnose kann sehr schwer sein.
Im Material an Fussgelenkstuberkulosen der Klinik Garre’s war in fast
lOpCt. der Fälle zunächst eine Fehldiagnose auf Plattfuss gestellt
worden. Abwarten des Erfolgs einer ruhigstellenden Therapie und
wiederholte Röntgenaufnahmen sind sehr zu empfehlen.
Wolfsohn.
Holfelder-Wernigerode: Heftpflasterverbaid bei Haseuschartei-
Operationen» (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 27.) Verf. klebt auf jede Backe
einen fünfmarkstückgrossen Heftpflasterstreifen. Durch die Heftpflaster
geht ein dicker Zwirnsfaden, der quer durch die Mundöffnung läuft und
durch seine Spannung die Oberlippe entspannt.
Narath - Heidelberg: Eine zweckmässige Modifikatioi des Heft-
pflasterverbandes bei Uasenschartenoperationen. (Zbl. f. Chir., 1914,
Nr. 27.) Verf. legt einen Heftpflasterstreifen rechts und links so an:
rechte Waoge, Nasenwurzel, linke Stirn, linkes Scheitelbein und um¬
gekehrt. Gute Entspannung der Oberlippe.
Jeger, Joseph, Schober - Breslau: Das endgültige Resultat einer
Aortenplastik aus der Carotis desselben Tieres. (Zbl. f. Chir., 1914,
Nr. 28.) Die Autoren ersetzten Aorta abdominalis durch Carotis, so
dass sie das resezierte Carotisstück der Länge nach aufgeschnitten und
dann das so erhaltene Band der Quere nach zusammenfalteten und dann
End-zu-End mit dem Aortadefekt vereinigten. Brillantes Resuttat, keine
Thromben. Sehrt.
Dobbertin-Berlin: Erieuto Atemnot laeh gelungene! Kropf-
Operationen. (D.m.W., 1914, Nr. 29.) Unter 25 Fällen von Kropf¬
operierten beobachtete Verf. 4 mal eine später eintretende Atemnot.
Als Ursachen hierfür kommen in Betracht: 1. recidive Strumen; 2. Narben-
fixation der erweichten und verengten Trachea an der Haut, den Muskeln
oder dem Sternalrand. Es wird dadurch die Luftröhre nach der ope¬
rierten Seite hin abgeknickt und verzogen. Brüskes Verziehen der
Muskeln ist bei der Operation zu vermeiden, sie sollen lieber, nach
Kocher, quer durchtrennt und exakt wieder vernäht werden. Dadurch
vermeidet man die narbigen Kontrakturen. Zur Heilung der Atemnot
kommt eine operative Tracheolyse mit eventuell folgender autoplastischer
Fettumlagerung der skelettierten Trachea iu Frage. Differential¬
diagnostisch zu trennen ist die Dyspnoe von der Kurzatmigkeit
Kropfiger infolge emphysematoser Lungenblähung nach Trachealstenosen.
Wolfsohn.
Dreyer - Breslau: Zur Freilegung des Brustabsehaittes der Speise¬
röhre. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 28.) Verf. empfiehlt den Zugang von
rechts.
Payr - Leipzig: Zur Indikationsstellung der operativen Behandlung
des Ulcus callosam ventriculi. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 25.) Verf.
reseziert alle Ulcera im Durchschnitt, nur das Ulcus simplex ohne er¬
heblichere, ausgedehnte Wandveränderungen, das Ulcu9 duodeni, die
klassische Pylorusstenose anf Ulcusbasis behandelt er mit Gastroentero¬
stomie.
Wagner - Lübeck: Zur operativen Behandlung des Saudubraiagens
infolge Ulcus der kleinen Curvatur. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 25.) Verf.
teilt einen Fall mit, in dem er den am Pylorus gelegenen Sack des
Magens einstülpte durch Kappnähte. Auf diese Weise wurde das Lumen
des pyloruswärts gelegenen Sackes auf ein Minimum reduziert, zugleich
das Ulcus sozusagen „tamponiert“. Am cardiawärts gelegenen Magen¬
teil führte er eine Gastroenterostomie aus.
Wagner - Lübeok: Zum Nachweis okkulter Blutnugei il den Flces.
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 28.) Verf. empfiehlt die trockene Benzidin¬
probe (eine Messerspitze Benzidin in ein reines Reagenzglas -f 2 ccm
Eisessig -f- 20 Tropfen einer 3proz. Wasserstoffsuperoxydlösung), mit
einem Glasstab streicht man etwas Kot auf einen Objektträger, setzt ein
paar Tropfen der Lösung zu, dann entsteht bei Blutvorhandensein blaue
Färbung.
Joseph - Berlin: Zur Technik der Pyelographie. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 27.) Eine Pyelographie ist nur auszuführen mit dünnen,
den Ureter nicht ausfüllenden Kathetern und mit Einspritzung kleiner
Mengen. Wenn etwa zu viel ein gespritztes Collargol Gelegenheit zum
Rückfluss hat, ist jede Gefahr ausgeschlossen. Sehrt.
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3. Anglist 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1471
Röntgenologie.
Urano-Wien: Eine wichtige Fehlerquelle bei Untersuchungen über
die motorische BedetUrag des Magensäureinhalts des Magens. (Fortschr.
d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) Verf. ist auf Grund seiner Versuche
der Ansicht, dass man durch Natriumbicarbonat in röntgenologischen
Arbeiten die Magensaure nioht ausreichend neutralisiert und empfiehlt
als dafür naoh seinen Versuchen sehr geeignet die Magnesia usta.
Hida-Tokio: Methode zum Erreichen einer konstanten Hirte der
ßöhre. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, fl. 3.) Die von den
Röntgenstrahlen durchdrungene Hälfte der Röntgenröhre, insbesondere
die der Antikathode direkt gegenüberstehende Wand gibt während des
Betriebes bei der Erwärmung Gas ab. Um einen möglichst gleich-
bleibenden Rohrenhärtegrad zu bekommen, muss deshalb auch die Glas¬
kugel gekühlt werden. Die Kühlvorrichtung war ein kleiner Ventilator
mit Elektromotor in 50—60 cm Entfernung von der Röhre. Versuche
waren günstig, die Strahlenqualität war sehr konstant, wodurch die
Dosis genauer festgelegt werden kann und die Röhre länger lebensfähig
bleibt.
Günther und Bosselmann - Erlangen: Vergleichende Versuche
mit modernen Röntgeninstrumentarien für Tiefentherapie. Entgegnung
auf die Arbeiten der Herren Wendt, Kress und Dessauer (Bd. 21,
H. 6 und Bd. 22, H. 1 der Fortschr. d. Röntgenstr.). (Fortschr. d.
Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 8.) Verf. erkennen den Standpunkt der
genannten Herren nicht an und stellen im Interesse der Rontgenologen
Unrichtigkeiten in den Arbeiten der genannten Herren klar. Ferner
stellen sie fest, dass 1. der benutzte Reformapparat nach Aussage von
Beamten der Veifa-Werke zur Zeit der angestellten Versuche das beste
Instrumentarium für Tiefentherapie war, 2. die Härtemessungen sämtlich
auf photographischem Wege vorgenommen wurden, 3. die Gegenüber¬
stellung der Kurven vom Reform- und Apexapparat keine willkürliche,
aus verschiedenen Zeiten stammende war und 4. die veröffentlichte
Tiefenkurve des Apexapparats in einer Gesamtbestrahlungszeit von
10 Minuten erhalten worden ist, und zwar ohne Rhythmeur, unter Ver¬
wendung des Spezial-Gas-Therapie-Unterbrechers.
Cermak - Giessen und Dessauer - Frankfurt a. M.: Ueber das
Röatgeistrahlengpektram. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.)
Vom EmissionsVorgang einer Röntgenröhre kann man sich folgendes Bild
machen: Die Antikathode sendet ein kontinuierliches Spektrum aus, das
aus um so zahlreicheren Einzelkomponenten besteht, d. h. um so umfang¬
reicher ist, je kräftiger der Bremsvorgang der Kathodenstrahlen ist. Das
Antikatbodenmaterial bedingt, dass einzelne Komponenten dieses Spektrums
besonders betont werden. Sowohl der Bremsvorgang wie die Intensität
und Zahl der betonten Komponenten des Spektrums können durch die
Art des Instrumentariums, mit dem die Röhre betrieben wird, beeinflusst
werden. Praktisch ist jenes Instrumentarium am meisten zu bevorzugen,
das ein möglichst gleichmässiges und reichhaltiges Röntgenstrab len-
spektrum liefert.
Hanausek-Prag: Von den Fehlers, die durch die Bewegung des
Körpers zwischen zwei Expositionen bei der Abbildung und Ausmessung
der Stereorfotgenröhren entstehen. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914,
Bd. 22, H. 3.) Angabe verschiedener Fehler. Konstruktiv veranschaulicht
wurden einige sozusagen typische Vorfälle. Selbst bei unmerklichen, zur
Platte parallelen Verschiebungen sind die Fehler schon sehr bedeutend;
Beispiele. Bei der auf der Basis vertikalen Verschiebung sind die Fehler
nur unmerklich. Das Bild kann sich so verzeichnen, dass man jene
Körperpartien, die beim Röntgenographieren sioh zur Platte anlegten,
im Stereoskop hinter der Röntgenplatte sieht. Auch einfache geometrische
Formen verzeichnen sich unregelmässig bei einfachen Verschiebungen.
Die Entfernung der Körperpartie von der Platte ist in allen Fällen der
Verschiebung ohne Einfluss auf Grösse und Qualität der Fehler. Bei
vergrosserter Basis erhält man im Stereoskop jene verzeichneten Bilder,
die mathematisch den für die normale Basis festgestellten gleichen, aber
verkleinert und dem Auge näher proportional zur Basis. Die bei anderen
Verschiebungen als den gerade erwähnten Verzeichnungen sind kompliziert.
Zur Vermeidung dieser Fehler ist vollkommene Fixation der Körperpartie
nötig, die Atmung muss bei Rumpfaufnahmen angehalten, das Stereo-
röotgenogramm des Herzens in derselben Phasis der Herzaktion genommen
werden. Mitteilungen über Sicherstellung, ob der Patient bei der Stereo-
röotgenaufnahme sich nicht bewegt hat.
Hanausek-Prag: Zur Theorie der stereoskopischen Abbildung
nnd der Ausmessung der Röntgenogramme. (Fortschr. der Röntgenstr.,
1“14, Bd. 22, H. 3.) Wir erzielen bei der Lage der Platten mit den
konvergenten Achsen zwar nicht eine vollkommene Akkommodation, aber
trotzdem sind durch diese Plattenlage die Akkommodationsverhältnisse
besser. Vollständige Uebereinstimmung zwischen Akkommodation beim
Betrachten auf einen wirklichen Gegenstand und zwischen der bei der
stereoskopischen Betrachtung kann aus zwei Gründen nicht erreicht
»erden. Angabe der Gründe.
Loeffler-Halle a. S.: Ueber Fremdkörper im Röntgenbild mit
61 Berücksichtigung der Glassplitter. (Fortsch. d. Röntgenstr.,
P? 1 *» Bd. 22, H. 3.) Gegenstände aus Schwermetall lassen sich durch
«ontgenstrahlen leicht nachweisen. Ein eiserner Fremdkörper von nur
* “K Gewicht konnte mit voller Sicherheit in der Hand nachgewiesen
"«raen. Auch Glassplitter kann man bis za einer beträchtlichen Klein¬
heit, bis zu einem Bruchteil eines Milligramms, Beispiel, auffinden; alle
Porzellan- und Glassorten bilden sioh auf der Röntgenplatte selbst in
dünnster Schiebt ab.
Freund-Wien: Kongenitale FingerkoitrakUren. (Fortschr. d.
Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) 1. Kongenitale symmetrische Kontraktur
der Articulatio interphalangea prima der beiden Kleinfinger. Beide
Finger waren im Winkel von 120° gebeugt. 2. Missgestaltung der drei
Finger der linken Hand in den beiden letzten Gliedern. Sie erschienen
kegelförmig zugespitzt und standen in Beugestellung von 120° fixiert.
In beiden Fällen in der Familie ähnliche Anomalien. Röntgenologisch
im ersten Falle Abschrägung des Köpfchens der zweiten Fingerphalanx,
im zweiten komplette knöcherne Ankylosen zwischen den vorletzten und
Endphalangen. Diese Knochen erscheinen an Volumen reduziert, in ihrer
Struktur dichter.
Müller-München: Zur Frage der diagnostischen Deutung des ver¬
breiterten Aortenbandes. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.)
Verf. sagt, dass man nicht immer bei dem röntgenologischen Nachweis
der schattenverdichteten und vor allem verbreiterten Brustaorta den
Verdacht einer luetischen Aortitis rechtfertigen und differential-diagnostisch
zwischen centraler Gefässsklerose und Lues unterscheiden kann. Er hat
auch bei jungen Leuten ein verbreitertes Aortenband gefunden, wo tat¬
sächlich Lues und Gefässsklerose ausgeschlossen werden konnten. Eine
erschöpfende Erklärung kann zurzeit nicht gegeben werden. Verf. wirft
die Frage auf, ob nicht vielleicht individuelle oder Ursachen schon
embryonal-physiologischer Natur oder solche auf dem Wege allmählicher
Entwicklung unter andauernden körperlichen Anstrengungen in jugend¬
lichem Alter vorhanden sein können. Sohnütgen.
G. Helling-Dresden: Tastsonde für die Röntgennntersnchnng
des Magens. (W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Die Tastsonde gestattet, unter
dem Röntgenschirm jede Stelle des Magens zu treffen und auf Uneben¬
heit, Härte und Ulceration zu untersuchen. Herstellung bei Eugen
Albrecht, Dresden, Zirkusstrasse 40. P. Hirsch.
Schneider-Bonn: Vergleichende röntgenologische Untersuchungen
über Form nnd Lage des Magens nach Anfbllhnng mit Koklenslnre
und nach Eingabe der Bariumsulfatmahlzeit mit besonderer Berück¬
sichtigung der Perkussion des aufgeblähten Magens. (Fortschr. d.
Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) Die nach Aufblähung mit Kohlensäure
und nach Einführung der Bariummahlzeit gewonnenen Magenformen
zeigen grosse Verschiedenheiten. Letztere Magenform entspricht dann
den natürlichen Verhältnissen, erstere ist dann ein Kunstprodukt. Die
untere Grenze des aufgeblähten Magens ist im Liegen annähernd genau
zu perkutieren, die seitlichen Grenzen sind nicht zu perkutieren. Die
untere Grenze des aufgeblähten Magens steht im Liegen und Stehen
beträchtlich höher als die des mit Bariummahlzeit gefüllten Magens.
Die perkutorische oder röntgenologische Bestimmung der unteren Grenze
des im Liegen aufgeblähten Magens hat eine gewisse diagnostische
Bedeutung.
Burchard - Rostock: Bezoare in der alten und in der modernen
Medizin. (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914, Bd. 22, H. 3.) Geschichtliche
Daten über den Bezoarstein im Magen der Tiere. Der Bezoarstein wurde
bekanntlich in der alten Medizin als Heilmittel angewandt. Da Röntgen¬
untersuchungen über diese Steine nicht vorhanden waren, unternahm
Verf. dies und erzielte dabei beachtenswerte Befunde, die genauer an¬
gegeben werden. Er untersuchte den orientalischen und occidentalischen
Bezoar. Auch geht er auf den Trichobezoar ein, der oft im Magendarm¬
kanal der deutschen Haustiere gefunden wird, in seltenen Fällen auch
im menschlichen Magen vorkommt, wo er erhebliche Dimensionen an¬
nehmen und ganz erhebliche Störungen machen kann. Angabe von Bei¬
spielen mit Röntgenuntersuchungen. Verf. ist der Ansicht, dass mit
Hilfe der Röntgenstrahlen und in Verbindung mit den anderen Unter¬
suchungsmethoden jetzt in allen Fällen die Diagnose ante operationein
möglich ist.
Kienböck-Wien: Nachtrag über einen Fall von Eehinoeoeeus
hydatitosiu der Leber, durch Röntgenuntersuchung erkannt. (Bd. 21,
S. 77 der Fortschr. d. Röntgenstr.) (Fortsohr. d. Röntgenstr., 1914,
Bd. 22, H. 3.) Die Operation ergab, dass ein grosser Tumor vorhanden
war, der aber nicht subphrenisch, sondern intrathorakal, und zwar retro-
pleural, lag und nicht ein Echinococcus, sondern ein Fibrom war.
Robinsohn-Wien: Graphische Darstellung zahnrö’Dtgeiologiseher
Diagaosen (Odonto-Diagnostographie). (Fortschr. d. Röntgenstr., 1914,
Bd. 22, H. 3.) Schilderung bisheriger Versuche (Zeichnungen). Verf. hat
eine eigene graphische Darstellungsweise (Diagnostographie) wiedergegeben,
die auf wissenschaftlichen Prinzipien aufgebaut ist und eine korrekte,
einfache und vollständige Wiedergabe aller diagnostisch wichtigen Einzel¬
heiten der Kiefer und Zähne bezweckt. Angabe des Aufbaues der
Methode der Darstellung: 1. Konstruktion eines Platydiagramms, erhalten
durch schematische Umwandlung des röntgenperspektivisohen, lokal
projizierten Einzelbildes in eine übersichtliche Flachprojektion und
Kombination der Einzelbilder zu einem Gesamtbild. 2. Graphische
Charakterisierung der normalen und pathologischen Formelemente durch
symbolische Zeichen (wie bei der Geo-Kartographie) und 3. verbale, auf
ein Minimum beschränkte Interpretierung. Genaueres über diese drei
Punkte. Abbildungen. Illustrationsbeispiele. Erläuterungen und Be¬
merkungen zur Kasuistik.
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UNIVERSUM OF IOWA
1472
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 81.
Wohlauer-Berlin: Plattcischaiikasten zur Demonstration einer
grösseren Anzahl von Röntgenbildern. (Fortschr. d. RÖntgenstr., 1914,
Bd. 22, H. 3.) _ Schnütgen.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
G. S t ü m p k e - Hannover: Gonnorrhoische Granalationen. (M.m.W.,
1914, Nr. 28.) St. berichtet über 5 Gonorrhöekranke, die am Anus und
Damm — speziell der Anus war befallen — hahnenkammartige Wuche¬
rungen hatten. Daneben bestanden Geschwürsflächen. Differentialdiagnose:
Hämorrhoiden, Lues. Mikroskopisch handelt es sich um diffuses, zell¬
reiches Entzündungsgewebe, mit Leukocytenherden durchsetzt, das viel¬
fach bis an die Epidermis heranreioht. Ausserdem besteht Gefässreichtum
der der Epidermis unmittelbar angrenzenden Gewebsschichten des Corium.
Dünner.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
A. Lebbardt-Basel: Ein häufiges Fröhzeichen der Schwanger¬
schaft. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 29.) Verf. ist der Ansicht, dass ein
sehr frühes Schwangerschaftszeiohen die livide Verfärbung ist, und zwar
ganz besonders diejenige, welche ein dicht unter der Urethralmündung
von rechts nach links verlaufender bläulicher Streifen aufweist. Verf.
erklärt dieses Phänomen dadurch, dass hier Venen von rechts nach links
verlaufen, die eine Verbindung zwischen den beiderseits in der Tiefe
liegenden Bulbi vestibuli darstellen, und betont, dass diese Erscheinung
nicht mit den von Sohäffer und Rosthorn angegebenen farbigen
Streifen identisch ist.
Zengerle-Ravensberg: Ein Fall von Sectio caesarea post morten.
(Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 29.) Das Kind lebt. Siefart.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
E. Paul-Innsbruck: Kurze Mitteilung zur Kasuistik der Fremd¬
körper in den Luftwegen. (W.kl.W., 1914, Nr. 28.) Ein öjähriges
Kind hatte eine kleine Stimmpfeife von 7 mm Breite und 12 mm Länge
aspiriert. Extraktion in Narkose mittels Tracheotomia inferior und Ein¬
fuhren eines Bronchoskoprohres von 8 mm Durchmesser.
P. Hirsch.
Hygiene und Sanitätswesen.
Wallich und Der esse: Die Gründe des Nichtstillcns. (Revue
d’hyg., 1914, Nr. 5, S. 565.) Verff. fanden bei ihren Nachforschungen,
dass in 20pCt. ärztliche Gründe für das Nichtstillen bestanden, dass in
10 pCt. diese Fälle ärztlich zu beheben waren. Weiter, dass 66 pCt.
ihrer Frauen aus sozialen Gründen nicht stillen konnten. Material der
Klinik Baudeloque’s. Viereck.
S. Mc Murray: Nystagmus der Grubenarbeiter. (Miners’ nystag-
mus.) (Journ. of state med., 1914, Bd. 22, Nr. 5, S. 303.) Nystagmus
ist unter den Grubenarbeitern weit verbreitet, Dach neueren Schätzungen
bei 20 pCt. aller Arbeiter in Kohlengruben. Nur bei den Arbeitern in
den Kohlenbergwerken findet sich die Krankheit. Die Ursache liegt in
dem Mangel von Farbe und Licht in der Grube und der dadurch be¬
dingten unvollkommenen Fixation und zu sehr angestrengter Akkommoda¬
tion. Das Hauptmittel zur Verhütung der Krankheit ist Verbesserung
der Beleuchtungsverhältnisse in der Grube durch künstliches Licht.
Weiter ist es wichtig, die Arbeiter regelmässig zu untersuchen; sobald
Krankheitszeichen auftreten, müssten die Arbeiter bei Tageslicht be¬
schäftigt werden, bis Besserung erzielt ist.
W. H. Hoffmann-Tsingtau.
Kohn-Abrest: Kohlenoxyd Vergiftungen. (Revue d’hyg., 1914,
Nr. 5, S. 550.) Verf. wünscht, dass jede Wohnung einen besonderen
Rauchabzug habe.
Fleury und Emeric-St. Etienne: Pockenepidemie in St. Etienne
und im Loirebezirk. (Revue d’hyg., 1914, Nr. 5, S. 457.) Verff.
schieben die Hauptschuld an der grossen Verbreitung der Epidemie der
mangelhaft durchgeführten Schutzimpfung zu. Isolierung und Impfung
der Umgebung sind die zu ergreifenden Maassnahmen. Es ist vielleicht
nicht uninteressant, dass sie unter Umständen eine Isolierung in der
Wohnung für durchführbar halten.
Sergent und Negre-Algier*. Undulierendes Fieber in Algier.
(Revue d’hyg., 1914, Nr. 5, S. 493.) Infektion durch Genuss infizierter
Milch oder Berührung mit dem Urin infizierter Tiere. Die Verff. fanden
von 303 Ziegen 10 infizierte, von 41 anderen Haustieren 6 (Pferde,
Maulesel, Esel, Hunde). Sie wollen mit einem antitoxischen Serum gute
Erfolge gehabt haben. Viereck.
Conan: Gesundheitswesen von Französisch - Aeqnatorialafrika.
(Service de santö en Afrique equatoriale fran<jaise.) (Journ. of state
med., 1914, Bd. 22, Nr. 3—5.) Die Hauptkrankheiten in Französisch-
Aequatorialafrika sind Schlafkrankheit und Pocken. Sie bedingen noch
eine schreckliche Sterblichkeit. Es wird weitere Vermehrung der Aerzte
und Krankenhäuser gefordert. Jede Verbesserung der allgemeinen Lebens¬
verhältnisse der Eingeborenen bedeutet eine Verbesserung des Gesund¬
heitsstandes. Die Arbeit enthält zahlreiche für den Tropenarzt lehrreiche
Einzelheiten über die Entwicklung des Gesundheitswesens in dem franzö¬
sischen Schutzgebiet. W. H. Hoffmann-Tsingtau.
Sergent und Negre - Algier: Die Lepra in Algier. (Revue d’hyg.,
1914, Nr. 6, S. 611.) Uebersicht über die Verbreitung der Lepra in
Algier. Verff. wüeschen gleiche Bekämpfungsvorschriften wie im Mutter-
lande, besonders Maassnahmen gegen die Einschleppung neuer Fälle.
Viereck.
Schiffs- und Tropenhygiene.
Rodenwaldt: Ueber ein Behelfsmittel zur Konservierang utf
Versendung von Pockenlymphe in den Tropen. (Arch. f. Schiffs u.
Trop. Hyg., 1914, Bd. 18, H. 12.) Versuche mit der von französischer
Seite empfohlenen Methode, zum Transport und zur Aufbewahrung voq
Pockenlymphe in den Tropen ausgehöhlte Banauenstengel zu verwenden.
Die Stengel sollen bei einer lichten Weite von 5 cm noch eine Wand¬
stärke von 5 cm haben. Bei zweckmässiger Aufbewahrung behielten sie
eine ziemlich gleichmäßige, relativ niedrige Temperatur von 23 bis 25°.
Durch täglich mehrmals wiederholte kräftige Vereisung der unter den
Lymphbehältern liegenden trockenen Watte mittels des Aethylcblorid-
sprays liess sich auch unter den ungünstigsten Verhältnissen im Inneren
der Hülse eine relativ niedrige Temperatur längere Zeit erhalten. Bei
einer praktischen Erprobung der Methode, wobei der Transport der
Bananenkloben in einer Holzkiste mit Polsterwatte erfolgte, blieb die
Lymphe während der ganzen Reise, d. h. etwa 4 Wochen, voll wirksam.
Muss die Lymphe über grosse Strecken durch Farbige transportiert
werden, so empfiehlt es sieb, sie in BananensteDgel einzuschliesseD, da¬
bei aber auf alle sonstigen Manipulationen zu verzichten und den Träger
nur in den Nachtstunden marschieren zu lassen.
Wick-Rabaul: Gnnda in Neu-Guinea. (Arch. f. Schiffs u. Trop.
Hyg, 1914, Bd. 18, H. 12.) An der Hand zweier Abbildungen be¬
schreibt Verf. einen Fall von Gundu, den er längere Zeit zu beobachten
Gelegenheit batte. Die Krankheit hatte bei dem etwa 20jährigen
Kranken kurz nach der Geburt mit runden Anschwellungen zu beiden
Seiten der Nase begonnen und zeichnet sich durch einen äusserst lang¬
samen Verlauf aus. Ausser der äusserlich sichtbaren Geschwulst be¬
stand eine MiterkrankuDg der Nasenschleimhaut. Von den differential-
diagnostisch in Betracht kommenden Krankheiten konnten Lues und
Frambösie durch die Therapie, Lepra und Rhinosklerom durch das
Fehlen der charakteristischen Bacillen im Nasensekret ausgeschlossen
werden. Um Sarkom konnte es sich wegen des frühen Beginns und des
relativ gutartigen Verlaufs nicht handeln. Therapeutisch hatten zwei
intravenöse Injektionen von je 0,75 Neosalvarsan, ebenso 8 Einspritzungen
von je 2,3 ccm Fibrolysin (Merck) direkt in die Geschwulst hinein
keinerlei Heilerfolge.
Seyffert-Aruscha: Bericht über Uxara bei Anöbenrnhr. (Arch.
f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1914, Bd. 18, H. 12.) Bericht über 11 mit
Uzara behandelte Fälle von Amöbenruhr. Durchschnittliche Behand-
lungsdauer 20 Tage. Todesfälle kamen bei diesen 11 Fällen nicht vor.
Das Mittel, welches per os angewandt wurde, wurde in den gewählten,
ziemlich hohen Dosen ohne jede Störung und Nebenwirkung vertragen.
Verf. kommt zu dem Schluss, dass Uzara ein Medikament ist, dem im
akuten Stadium der Dysenterie eine hervorragende und prompte Heil¬
wirkung zukommt, da es die toxische Komponente der Amöbenwirkung
rasch und in günstigem Sinne beeinflusst, wodurch es die Mortalität des
akuten Anfalls herabzusetzen imstande ist. Ausserdem wirkt es toni-
sierend auf das Gefässsystem, stellt den Darm ruhig und vermindert da¬
durch die Blutungen; endlich bringt es die Kolikschmerzen und den
Tenesmus nach den ersten Dosen zum Schwinden. Amöbocide Wirkungen
hat das Präparat nicht. Deshalb ist seine Medikation in Verbindung
mit Ipecacuanha usw. zu empfehlen. Wahrscheinlich wird sich dadurch
die Behandlungsdauer weiterhin herabsetzen lassen.
F. van den Branden und A. Dubois-Löopoldsville: Neosalvarsan
bei Tropenkrankheiten. (Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1914, Bd. 18,
H. 11.) Es wurden insgesamt 242 Schwarze mit Neosalvarsan behandelt.
In der Regel wurde das Mittel intravenös angewandt. Ueble Zwischen¬
fälle wurden nicht beobachtet. Im allgemeinen hat sioh das Mittel
bei den verschiedenen Tropenkrankheiten ebensogut bewährt wie das
Salvarsan, nur war namentlich bei der Syphilis und der Frambösie die
Wirkung vielleicht etwas weniger prompt als beim Salvarsan. Dafür
ist aber die Anwendung erheblich einfacher, und der Organismus besitzt
eine derartige Toleranz gegen das Mittel, dass häufige wiederholte
Injektionen auch verhältnismässig grosser Dosen möglich sind. Gut
bewährt hat sich Neosalvarsan bei menschlicher Trypanosomiasis;^ viel¬
leicht sind hier Dauerheilungen, namentlich im ersten Stadium, möglich.
Zwei Fälle von Amöbendysenterie wurden durch intravenöse Injektionen
geheilt, zwei andere blieben vollständig unbeeinflusst.
A. Leber - Göttingen und S. v. Prowazek - Hamburg: Zur Kenntnis
der Elephantiasis in Samoa. (Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1914,
Bd. 18, H. 11.) Die Arbeit enthält eine Reihe interessanter geschicht¬
licher Mitteilungen sowie Angaben über die altere Literatur und eigene
Beobachtungen der Verff. bezüglich des Zusammenhangs der in Samoa
ausserordentlich verbreiteten Filariosis mit der Elephantiasis. Die
sogenannten Mumu* oder Filarienfieber wurden bereits von Turner in
genauer Weise beobachtet und in einen Kausalzusammenhang mit der
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8. Angost 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 1473
Elephantiasis gebracht. Auch Europäer können, selbst wenn sie längere
Zeit den Ort ihrer Filarieninfektion verlassen und sich in einem kälteren
Klima aufhalten, noch an wiederholten Mumufieberschüben erkranken.
Charakteristisch für die Anfälle sind die „Symptome von Lymphgefäss-
entzündungen“. Nicht immer verschwindet die Mikrofilarie während der
Fieberanfälle aus dem Blut. In einem Muskelabscess wurden Konvolute
Fon Mikrofilarien und grampositiven Kokken, vermutlich Staphylokokken,
gefunden. Ferner liessen sich in einer lipomartigen Geschwulst Mikro¬
filarien nachweisen. Wahrscheinlich ist dieser Befund in eine Reihe zu
setzen mit ähnlichen, in Samoa häufig vorkommenden Anschwellungen,
die gelegentlich als Tumor albus auf tuberkulöser Basis angesprochen
wurden. Pathologisch-anatomisch wäre die Geschwulst selbst wohl am
besten au/zufassen als eine durch die als Fremdkörper wirkende Mikro-
filarie ursprünglich hypertrophierte, später verdickte Lymphdrüse.
_ J. Schuster.
Militär-Sanitätswesen.
Krause-Cassel: Ein Lehrbuch der Armeekrsnklieiteii aus dem
Jahre 1772. (D. miiitärztl. Zscbr., 1914, H. 11.) Verf. gibt Auszüge
aus dem 1. und 2. Teil des Buches, die hygienische und statistische
Abhandlungen betreffen, wieder. Den grössten, dritten, interessantesten
Teil, der Beobachtungen über die verschiedenen Krankheiten und ihre
Behandlung enthält, will er demnächst in einem besonderen Aufsatz zu
charakterisieren versuchen.
Adam-Cöln: Der bulgarische, serbische und griechische Kriegs-
gaaitStsdiensft. (D. miiitärztl. Zschr., 1914, BL 11.) Verf. gebt genauer
auf die Organisation des bulgarischen, serbischen und griechischen Kriegs¬
sanitätsdienstes ein, wie sie in dem nach dieser Richtung hin einen sehr
lehrreichen Einblick gewährenden Werke des französischen Oberstabs¬
arztes Consergue, der sich 1912 im Aufträge des Kriegsministers zum
Studium des Feldsanitätsdienstes auf den Schauplatz des Balkankrieges
begeben hatte, geschildert ist. Das Buch (Fonctionnement du Service
de sante des armees coalisdes par M. Consergue-Paris) ist 1913 in der
Librairie Chapelot erschienen.
Grütz mach er-Berlin: Die Selbstbewirtschaftiing der Verpflegung
io den Garnigonlazaretten. (D. miiitärztl. Zscbr., 1914, H. 13.) Die
mit der Einführung der Selbstbewirtschaftung der Verpflegung in den
Garnisonlazaretten (1. Januar 1914) beabsichtigte Verabfolgung guter und
reichlicher Kost an Kranke und Personal und Erzielung von Ersparnissen
für besondere Falle liess sieb gut ermöglichen. Die in Frage kommen¬
den Dienststellen müssen natürlich jede unnötige Ausgabe verhüten und
die fest umgrenzten Geldmittel (Beköstigungsgeld) in wirksamster Weise
ausnützen. Die beabsichtigte Vereinfachung des Buch- und Rechnungs¬
wesens hat sich bisher nicht in dem erwünschten Umfange durchführen
lassen; dies ist aber bei vermehrter Erfahrung auch zu erzielen.
Müller-Cöln: Erwiderung auf den Artikel von J. Frank in der
D. miiitärztl. Zschr., 1914, Nr. 9: Wie kann man die Mortalitätsziffer
der Bauchschnsswunden im Kriege herabsetzen? (D. miiitärztl. Zscbr.,
1914, H. 13.) Verf. verwirft die Ansicht Frank’s, nach der die Drainage
aller penetrierenden Bauchwunden, und zwar möglichst bald nach der
Verletzung durohzufübren ist. Sie bedeute einen grossen Rückschritt in
der modernen Kriegschirurgie. Im Gegensatz zu Frank’s Vorschlag kann
nur die strengste konservative Therapie auf Grund der Erfahrungen der
letzten Feldzüge empfohlen werden; etwa 50 pCt. aller Bauchschüsse
kommen so mit dem Leben davon.
Frank-Chicago: Antwort auf vorstehende Erwiderung. Verf. be¬
leuchtet seine Ansicht und sagt, dass alle Kranken, die in den ersten
Stunden (60 Friedensschussverletzungen!) nach der Verletzung zut Ope¬
ration kamen, schnell und glatt genasen. Diejenigen, die erst spat oder
gar nicht operiert wurden, gingen entweder an Peritonitis zugrunde oder
schwebten lange Zeit in Lebensgefahr. Tierversuche sollen diese seine
Ansicht bestätigen.
Noll-Würzburg: Die Bekänpfang der Tuberkulose. (D. miiitärztl.
Zschr., 1914, H. 11.) In der Arbeit sind zwar nicht ganz erschöpfend
me Mittel zur Bekämpfung der Tuberkulose aufgezählt und erläutert,
jedoch sind die wichtigeren in zum Teil jahrzehntelangem Kampfe er¬
probten zusammen gefasst worden.
Posen: Das Elektroeardiogramm. (D. miiitärztl. Zschr.,
»ii (Vortrag, gehalten in der Posener militärärztlichen Ge¬
sellschaft am 16. Januar 1914.)
Mälzer-Berlin: Erfahrungen mit Arthigon bei gonorrhoischen
awnpllkatiouen. (D. miiitärztl. Zschr., 1914, H. 13.) Die Artbigon-
injektionen leisten dabei, namentlich bei Nebenhoden- und Gelenkentzün-
uogen ausgezeichnete Dienste. Erfolge: Beschleunigung des Rückgangs
er Erscheinungen, des Krankheitsverlaufs und der Wiederherstellung der
üb? ii 8kdt ‘ Eerzgesunden können die intramuskulären Injektionen
erali gegeben werden, die intravenösen sollten wegen der starken
attionen vorläufig noch dem Spezialisten überlassen bleiben. Beein-
^ ono ^°kkenbefundes im Harnröhrensekret kann nicht mit
k » .® rbl erwartet werden. In der ambulanten Praxis empfiehlt es sieb,
ere Dosen, etwa 0,3—0,6—0,9 ccm zu verabfolgen.
Di® Behandlung des Trippers mittels intravenöser
«riaigoninjektionen. (D. miiitärztl. Zschr., 1914, H. 13.) Sie sind ein
Dlikati« 6 ™^ 7 ^® Mittel zur Bekämpfung der oft so hartnäckigen Kom¬
men des Trippers, namentlich bei Arthritis gonorrhoica und Epidi-
dymitis. Ein Allheilmittel sind sie nicht, denn ea wird Fälle geben, die
durch Arthigon nicht beeinflusst werden.
Mohr-Posen: Die Aigensch&dignngen im Heere infolge Beob¬
achter der Sonnenfinsternis am 17. April 1912. (D. miiitärztl. Zschr.,
1914, Nr. 12.) 76 Fälle. Nur wenige meldeten sich bald nach dem
Eintritt der Schädigung krank; meist erst machten schlechte Sohiess-
ergebnisse sonst guter Schützen darauf aufmerksam. Schilderung der
subjektiven Beschwerden: Flimmern, Sehen rötlicher, gelber, dunkler
Flecke vor dem Auge, Verschwinden einzelner Buchstaben beim Lesen
usw. Herabsetzung der Sehschärfe wurde in allen Uebergängen beob¬
achtet. Bei vielen wurde beim Geradeaussehen ein schlechteres Seh¬
prüfungsergebnis erzielt, als bei etwas eicentrischem Sehen (die Macula
war wohl central geschädigt, an der Peripherie funktionstüchtig). Cen¬
trale Skotome traten vielfach in Erscheinung — Ringskotome nicht —;
sie bildeten sioh meist zurück oder wurden von den Betroffenen all¬
mählich übersehen. Schilderung des Wesens der Schädigung, die in einer
Nekrose der äusseren Netzhautschichten mit Transsudation aus der Ader¬
haut und Zerfall des Pigmentepithels besteht. Die Sohädigung ist meist
in der Macula lutea lokalisiert. Verf. erwähnt auch die Schädigungen
an anderen Augenteilen. Besprechung der Fälle, die auf die praktische
Wichtigkeit der Kenntnis der Augen-Sonnenschädigung hinweisen, z. B.
von Hysterie. Es wurde auch versucht, die Schädigung auf Erkältung
zurückzuführeu (vielleicht, um materielle Vorteile zu erlangen). Angeb¬
liche oder wirkliche Sonnenblendung von Militärpflichtigen könnte zum
Versuch benutzt werden, sich der Dienstpflicht zu entziehen. Mitteilung
eines Falles. Am Schluss Besprechung der Prophylaxe und Therapie.
Sohnütgen.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Hnfelandische Gesellschaft za Berlin.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 11. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr A. Fraenkel.
Schriftführer: Herr J. Ruhemann.
1. Hr. W. Körte:
Drei Fälle von P^nkreastnmor and eil geheilter Fall von Pancrea-
titls acuta.
a) Fibrom des Pankreas.
Fr., 52 Jahre alt. PrKI. 5. VIII. 1908.
Sonst gesunde Frau. Pankreastumor langsam gewachsen, jetzt Druck
besabwerden auf den Magen.
5. VIII. 1908. Exstirpation des zwischen Leber und Magen ge¬
legenen, vom oberen Rande des Pankreas ausgehenden Tumors. Aus¬
lösung aus der Drüse, Uebernähung.
Wegen peritonitischer Reizung am 6. Tage Bauch zum Teil geöffnet,
seröses Exsudat ausgetupft. Drainage.
Dann glatte Heilung. Mikroskopische Untersuchung ergibt Fibrom.
Pat. ist gesund geblieben.
b) Multiloculare Pancreascyste.
D., 31jährige Frau. 22.54/1910. 10. XI. 1910 bis 31. XH. 1910.
Patientin ist seit 1904 mehrfach in Russland wegen einer Pankreas¬
cyste operiert worden. Die Geschwulst kam nach der Einnahung stets
wieder.
Gut kindskopfgrosse Geschwulst im Epigastrium, von der Leber ab-
grenzbar, etwas beweglieh.
15. XL 1910. Exstirpation der Cyste, welche zahlreiche gefassreiche
Verbindungen hat, in der Tiefe aus dem Pankreas ausgelöst werden
muss. Gazestreifen und Drainrohr.
Glatte Heilung. — Nach 1 Jahr gute Nachricht.
Mustiloculäre Cyste mit Epithelauskleidung der Wände.
c) Pancreascyste mit Caroinom.
25jähriger Patient. PrKI. XVIII. 424. Wurde 1 Jahr vor der Auf¬
nahme wegen eines beweglichen cystischen Pankreastumors operiert
mittels Einnahung. Es blieb eine verschieden stark absondernde Fistel,
und die Geschwulst verkleinerte sieh nicht. Daher 1 Jahr naob der
ersten Operation Exstirpation der Cyste, aus sehr dichten Adhäsionen
heraus, zwischen Magen und Quercolon. Unten sitzt ein markiger Tumor
an, welcher sich rein aus dem Pankreas ausschälen lässt. Naht und
Gazesfreifen. Glatte Heilung.
Die Cyste ist multiloculär, 'die einzelnen Kammern mit Epithel
ausgekleidet. Der kleinere anhaftende Tumor zeigt carcinomatösen Bau.
Diskussion.
Hr. Körte: Die Anamnese gibt diagnostische Anhaltspunkte, da die
Cystadenome ohne Beschwerden wachsen. Sodann hat man ein opera¬
tives Diagnosticum, indem bei Freilegen die Cystenwand, die continuier-
lich in die seröse Bekleidung übergebt, von dieser nicht abgrenzbar ist.
Hr. Ewald weist auf die Unsicherheit der funktionellen Prüfungs¬
ergebnisse bei Pankreasaffektionen hin.
Hr. Körte bestätigt dieses, besonders die Unzuverlässigkeit der
Cammidgeprobe und des Zuokeroachweises.
Hr. Albu: Wurde der Cysteninhalt auf Fermente untersucht?
Hr. Körte: Dies geschah nicht, der Inhalt war alt und eitrig.
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UNIVERSUM OF IOWA
1474
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
Hr. H. Strauss betont, dass auch da, wo manifeste Erscheinungen
von Pankreasaffektion vorliegen, die komplizierten Proben selten noch
weitere Anhaltspunkte liefern, als sie durch die makroskopische und
mikroskopische Untersuchung des Stuhls ohnehin schon gewonnen werden.
Hr. Körte: d) Pancreatitis acuta.
Th., 62jähriger Mann. 500/1716. 3. V. 1914.
Früher stets gesund gewesen. Erkrankte etwa 10 Tage vor der
Aufnahme mit Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Mattigkeit, einmaligem
Erbrechen. Die Schmerzen nahmen zu, der Leib trieb auf.
5. V. 1914. Kein Fieber, geringer Icterus. Leib aufgetrieben,
empfindlich.
Im Epigastrium rechts am Rippenbogen eine entzündliche An¬
schwellung fühlbar.
Schräge Inzision im rechten Epigastrium über dem entzündlichen
Tumor. Eröffnung einer grossen Eiterhöhle mit fetziger Wand, Fett-
gewebsnekrosen. Gallenblase, Magen, Duodenum zeigen keine Perforation.
Unter reichlicher Eiterung und Abstossung nekrotischer Fettgewebs-
bröokel tritt Heilung ein.
2. Hr. Wildegans:
Demonstration eines geheilten Lnngenabscesses.
Ich möchte mir erlauben, Ihnen in aller Kürze eine 63jährige
Patientin zu zeigen, die Ende März dieses Jahres in das Krankenhaus
am Urban (chirurgische Abteilung) aufgenommen wurde. Sie hatte vier
Wochen vor der Aufnahme eine Pleuritis durchgemacht und kam zu uns
mit der Diagnose Empyem der Pleurahöhle rechts. Wir fanden bei der
Frau die physikalischen Zeichen eines rechtsseitgen Empyems, im Sputum
und bei der Probepunktion, die dicht hinter der Thoraxwand Eiter er¬
gab, keine elastischen Fasern, keine Fett-, Hämatoidin-, Cholestearin-
kristalle, wie sie häufig bei Lungenabscessen Vorkommen. Die Patientin
hatte keine beträchtlichen Exspectorationen, nur wenig eitrigen Auswurf,
im Bereioh der Dämpfung auch nach ausgiebiger Exspectoration keine
Andeutung eines tympanitischen Schalles, keinerlei sonstige Höblen-
symptome bei Perkussion und Auskultation. Wir resecierten in Lokal¬
anästhesie die 8. Rippe rechts, um den vermeintlichen Eiter aus der
Pleurahöhle zu entleeren, fanden das Cavum pleurae aber frei von akuten
Entzündungsprodukten, dagegen Verwachsungen zwischen den Pleura¬
blättern und eine fluktuierende Vorwölbung im Bereich des rechten
Unterlappens, der im übrigen atelektatisch war und sich nicht an der
Atmung beteiligte. Die Punktion ergab einen putriden Brei mit kleinen
Lungengewebsfetzen. Da ausgedehnte Pleuraverwachsungen bestanden,
konnten wir von der sonst üblichen circulären Einnähung der Lunge
absehen und nach Abstopfen der Pleura an die Pneumotomie gehen,
die dicht unter der Lungenoberfläcbe in dem atelektatischen Lungen¬
gewebe eine grosse Eiterhöhle eröffnet©, in der sich mehrere kleine
Lungensequester fanden. Die Höhle wurde gründlich gesäubert, die darin
hängenden Gewebsfetzen aber unberührt gelassen, um Blutungen zu
vermeiden, die ja neben der Pleurainfektion die Prognose der Lungen-
abscesse ungünstig gestalten können. Wir drainierten mit umwickelten
Gummiröhren, umwickelten, um die Arrosion von Gelassen zu vermeiden,
und tamponierten. Im weiteren Verlaufe waren die LungengraDulationen
anfangs wie gewöhnlich sehr spärlich, die Patientin konnte aber schon
vor einigen Tagen mit guter Funktion der Lunge geheilt entlassen
werden, ohne dass die betroffene Brustseite infolge der Lungenschrumpfung
erheblich eingesunken wäre.
Der Deoursus morbi lehrt, dass man die Diagnose eines Lungen-
abscesses nicht abhängig machen darf von dem Nachweis elastischer
Fasern, dass ferner bei genügenden Pleuraadhäsionen das Druckverfahren
von untergeordneter Bedeutung ist, und dass schliesslich die Behandlung
der Lungenabscesse, so lange sie solitär und oberflächlich liegen, zu
einer dankbaren Aufgabe der Lungenchirurgie gehören.
Diskussion.
Hr. Bönniger fragt nach dem Röntgenbild. Auf diesem lässt sich
der Lungenabscess leicht vom einfachen Empyem unterscheiden, wenn
er das bekannte Bild des Flüssigkeitsspiegels mit einer Luftblase
darüber zeigt.
Hr. Körte: Röntgenaufnahme wurde nicht gemacht. Der Fall lag
operativ ungemein günstig.
3. Hr. A. Fraenkel:
a) Ueber Eventratio diaphragmatica nnd subphrenischen Abscess.
Vortr. berichtet zunächst unter Demonstration eines Röntgenbildes
über einen vor Jahren auf seiner Abteilung im Krankenhause am Urban
beobachteten und seinerzeit von F. ^Glaser 1 ) publizierten Fall von
Eventratio, in welchem die Diagnose anfänglich auf Hernia diaphragmatica
gestellt war. Dazu hatte, wie das Röntgenbild deutet, eine Art Achsen¬
drehung des eventrierten Magens stattgefunden, wodurch sich nicht nur
die Schwere der Magensymptome (Bluterbrechen), sondern auch der
Irrtum der Diagnose erklärte. In gleicher Weise war der Fall einige
Monate vorher auf der Gerhardt’schen Klinik der Kgl. Charite falsch
gedeutet worden. Durch die von Körte ausgeführte Laparotomie wurde
der wahre Tatbestand festgestellt. Als der Patient ein Jahr später an
einem Zungenkrebs starb, konnte das Ergebnis der Autopsie in vivo
durch die Sektion bestätigt werden. Es handelte sich um eine myogene
Muskelatrophie (Prof. Ben da) der linken Zwerchfellhälfte, eioe Art
lipomatöse Pseudohypertrophie, welche zu der höchstwahrscheinlich er-
I) D. Arch. f. klin. M., Bd. 78.
worbenen Lähmung geführt hatte; der Stamm des N. phrenicus, des¬
gleichen sein Kerngebiet im Rückenmark war intakt.
Neuerdings beobachtete Vortr. einen zweiten Fall bei einer 70 jähr.,
an Arteriosklerose leidenden Dame, bei der neben Atembeschwerden
gleichfalls die Magensymptome im Vordergründe standen. Hier wurde
von vornherein auf Grund des physikalischen Befundes: hoher tympa-
nitischer Schall in der linken Thoraxseite, sowie im Bereich der Hinter-
wand bis hinauf zur Mitte der Scapula unter abgeschwächtem Atem¬
geräusch daselbst und Verschiebung des Herzens nach rechts, die richtige
Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestellt. Das Röntgenbild bestätigte sie in
unzweifelhafter Weise. Es zeigte sich ausser dem abnormen Hochstand
der linken Diaphragmahälfte nebst aussergewöhulich grosser Magenblase
sowie der beträchtlichen Dislokation des Mediastinums eine starke
Scbattenbildung am Hilus der Lunge, so dass vielleicht Druck ver-
grösserter Drüsen bzw. ein paradenitischer Prozess lur Lähmung des
N. phrenicus, der bekanntlich beiderseits auf der Aussenseite des Herz¬
beutels herabläuft, bei dieser Patientin geführt hatte.
Die Eventratio diaphragmatica, welche in der Regel links¬
seitig ist, ist in einem Teil der Fälle angeboren, in einem anderen, wie
bei den Beobachtungen des Vortr., erworben. Bei den angeborenen
Fällen sind meist noch andere Bildungsanomalien, z. B. DreilappenbilduDg
der linken Lunge, Hasenscharte mit und ohne Gaumenspalte, Iriscolobom
vorhanden welche für kongenitale Entstehung sprechen. Bei den er¬
worbenen halbseitigen Lähmungen handelt es sich, abgesehen von Traumen,
welche den N. phrenicus in seinem Verlaufe am Halse treffeD, um ent¬
zündliche Prozesse, welche den Nerven, da wo er auf den Herzbeutel
hinausläuft, schädigen bzw. um Druck von Tumoren, oder die Lähmung
beruht auf einer myopathiseben Erkrankung des Diaphragma (Fall Glaser,
Ben da), oder sie ist endlioh durch einen den Muskel beteiligenden, ent¬
zündlichen Vorgang (Pleuritis diaphragmatica — subphrenischei Abscess)
verursacht.
Die Symptome der Eventration sind dreifacher Art: i. subjektive
Beschwerden der Kranken, bestehend in Uebelkeit, Erbrechen, Atmungs¬
und Herzbeschwerden, letztere bedingt durch die Verschiebung des
Mediastinums und Druck auf das Herz, sowie die Lunge der anderen
Seite. 2. Lauter, tympanitischer Schall über der unteren Thoraxhälfte
der Seite der Lähmung mit abgeschwächtem Atmen daselbst, ferner Dis-
locatio cordis nach der entgegengesetzten Seite, sowie ein mit der
normalen inspiratorischen Hervorwölbung des Epigastriums in Widerspruch
stehendes, halbseitiges Einsinken desselben bei tiefem Luftholen, dem
umgekehrt bei der Exspiration eine Hervortreibung der betreffenden
Hälfte des Epigastriums folgt. Dieses paradoxe Verhalten der einseitigen
epigastrischen AtmungsbeweguDg beruht darauf, dass infolge zunehmender
Druckverringerung im Cavum thoracis während des Inspiriums die ge¬
lähmte Zwerchfellseite in verstärktem Maasse nach oben aDgesaugt wird.
3. Das Röntgenbild, welches einen abnorm hohen Stand der betreffenden
Diaphragmahälfte nebst Verlagerung der darunter befindlichen Eingeweide
(besonders Magen nach oben) zeigt; doch kann gerade dieses Bild, wie
der erste Fall des Vortr. beweist, gelegentlich auch Irrtümer der Diagnose
erzeugen.
Als Typus einer durch entzündliche Zwerchfelllähmung
verursachten Eventration demonstriert Vortr. die Röntgenbilder eines
Falles von rechtsseitigem subphrenischen Abscess. Derselbe
betraf eine 52 jährige Frau, welche seit 3 Jahren an periodischen Magen¬
schmerzen litt, die meist 1— V/ 2 Stunden nach der Nahrungseinnahme
auftraten. Die Lebergegend war bei der Patientin znr Zeit der Auf¬
nahme stark druckempfindlich, die Leber selbst wenig vergrössert. Am
2. Tage nach der Aufnahme in das Krankenhaus trat Fieber auf and
2 Tage später machte sich pleuritisches Reiben hinten rechts unten
bemerkbar. Allmählich gingen diese Symptome wieder zurück, bis drei
Wochen später unter erneutem Temperaturanstieg sich plötzlich lauter
tympanitischer Schall über der unteren rechten Thoraxhälfte entwickelt,
welcher vorn rechts sich bis zur 2. Rippe, hinten vom Rippenrand bis
zur Spina scapulae nach aufwärts erstreckt. Im Bereiche dieser Zonen
war das Atemgeräusch völlig aufgehoben. Das Herz war stark nach
links verdrängt, der Befund über dem Abdomen gegen früher insofern
verändert, als die Leber jetzt abnorm tiefstehend, d. h. nach abwärts
gedrängt war' und noch druckempfindlicher als früher erschien. Auf
Grund dieser Zeichen wurde die Diagnose: subphrenischer Abscess in¬
folge eines perforierten Darm- oder Magengeschwürs gestellt. Die Röntgen¬
aufnahme bestätigte die bestehende rechtsseitige Zwerchfelllähmung,
indem die Kuppe des Diaphragmas auf dieser Seite bis zur 2. Rippe
nach aufwärts reichte. Bedauerlicherweise war der Allgemeinzustand
der Kranken ein so bedenklicher, dass von einem operativen Eingriff
Abstand genommen werden musste. Zwei Tage nach der Feststellung
der Perforationssymptome erfolgte der Exitus. Die Autopsie ergab ein
Ulcus perforans duodeni, welches zu einem abgekapselten Gasabscess
unter der rechten Zwerch fellhälfte geführt hatte.
Schliesslich macht der Vortr. auf die Unterschiede der Symptome
aufmerksam, welche — im Gegensatz zu anderen Entstehungsweisen der
Eventratio diaphragmatica — bei solchen Fällen von einseitiger Zwercb-
felllähmung bestehen, die auf subphrenischer Abscessbildung mit starker
Gasentwicklung beruhen. Während bei letzteren die Unterleibsorgane
auf der erkrankten Seite so stark nach abwärts gedrängt werden, dass
namentlich die Leber manchmal zugleich eine völlige AchsendrebuDg er¬
fährt, findet (vgl. oben) bei anderen Entstehuogsweisen der Eventratio
ein Teil der Organe der Bauchhöhle in dem erweiterten Cavum subdia*
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UMIVERSITY OF IOWA
8. Angust 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1475
phragmaticum der betreffenden Thoraxhälfte Platz, d. h. wird nach oben
verlängert.
b) Ueber Pneumothorax artifleialis bei Lungentuberkulose.
Die Anlegung und Unterhaltung des Pneumothorax ist, von sach¬
kundiger Hand ausgeführt, ein durchaus gefahrloses Unternehmen. Die
Kontrolle wird durch das Wassermanometer geübt. Nur, wenn dieses
deutliche und regelmässige, mit den Iuspirationsbewegungen synchrone,
negative Schwankungen aufweist, dürfen die Stickstoffeinblasungen vor¬
genommen werden. In keinem einzigen Falle haben sich naoh dem Vortr.
bedrohliche Erscheinungen ereignet. Die Indikationsstellung ist im Laufe
des letzten Jahres von ihm dahin geändert worden, dass nicht vorwiegend
vorgeschrittene einseitige Lungentuberkulosen in Behandlung genommen
wurden, sondern vielmehr solche Fälle, welche nach der Turban’schen
Einteilung sich an der Grenze zwischen erstem und zweitem Stadium
befanden, dabei aber eine unverkennbare Neigung zur Progredienz
zeigten. Bei diesen Kranken sind die Aussichten auch insofern günstiger,
als meist das Fehlen ausgedehnter Verwachsungen nicht störend wirkt.
Dementsprechend waren die Erfolge durchaus zufriedenstellende.
Was das Verhalten der Pleura nach längere Zeit unterhaltenem
künstlichen Pneumothorax betrifft, so haben zur Autopsie gelangte Fälle
gezeigt, dass ein leichter Grad fibrinöser Entzündung sich entwickelt;
man findet an Stelle der spiegelnden Oberfläche des Brustfelles feine,
diffuse, spinnengewebeartige Faserstoffauflagerungen. Diese geringfügige
Entzündung bewirkt auch, dass naoh dem Aussetzen der Einblasungen
sich lockere Adhäsionen bilden, die, wenn nach Monaten die Wiederauf¬
nahme des Verfahrens angezeigt erscheint, sich relativ leicht lösen, so
dass es meist unschwer gelingt, von neuem einen freien Pneumothorax
anzulegen. Bestehen von vornherein ältere circumscripte Verwachsungen
au verschiedenen Stellen des Pleuraspaltes, so kommt es vor, dass selbst
nach Einblasungen von 400—500 ccm Gas auf der Röntgenplatte nichts
von dem eingeführten Stickstoff zu sehen ist, indem derselbe sieb in den
Maschenräumen zwischen den Adhärenzen verteilt und dadurch auf der
Platte unsichtbar wird. Bei grösserer Ausdehnung der Verwachsungen,
welche sich durch mangelnde Ausschläge des Manometers oder durch
schnellen Uebergang des letzteren in positiven Druck auch beim Inspi¬
rieren verraten, soll von den Einblasungen überhaupt Abstand genommen
werden. Jedenfalls ist der Versuch, die Adhäsionen durch Anwendung
stärkerer Drucke zu sprengen, aufs Energischste zu widerraten. Man
riskiert sonst bei Vorhandensein von Cavernen, die in der Lungenober-
fläche sich befinden, eventuell das Einreissen der Wand und die Ver¬
wandlung des Pneumothorax artifleialis in einen Pneumothorax verus,
welcher leicht in einen Pyopneumothorax übergehen kann, was den
Patienten sicher zum Naohteil gereicht. Auf Läsionen der Pleura beruht
wahrscheinlich auch die Entwicklung serös-fibrinöser Ergüsse. Solche
Läsionen bzw. Einrisse des pulmonalen Brustfellüberzuges können sich
bei vorhandenen circumsoripten Adhärenzen leicht ereignen, wenn zu viel
Gas eingeblasen wird. Vortr. pflegt daher in einer SitzuDg durchschnitt¬
lich nicht mehr als 400, höchstens 500 ccm einzuführen, dafür aber die
Injektionen öfter — jede Woche 1—2 mal — zu wiederholen. Diese
geringen Mengen bieten den Vorteil, dass durch sie nicht das Herz be¬
lastet wird, während sie andererseits zur RuhigstelluDg der erkrankten
Lunge genügen. Drei von dem Vortr. vorgestellt'e weibliche Kranke
zeigen den Erfolg der Behandlungsmethode. Bei zweien von ihnen be¬
stehen mehrfache circumscripte Verwachsungen, weswegen trotz regel¬
mässig fortgesetzter Einblasungen auf dem Röntgenbildo der Pneumo¬
thorax nicht erkennbar ist. Die dritte Kranke hatte sich nach drei¬
monatiger Behandlung deren Fortsetzung entzogen, kehrte aber 8 Wochen
später ins Krankenhaus zurück. Der Pneumothorax erwies sich als voll¬
ständig verschwunden. Trotzdem gelang seine Wiederherstellung — und
zwar einer freien, nicht duroh Adhärenzen verdeckten Luftansammlung,
wie die Röntgenplatte zeigt — in leichter Weise.
Zur Technik bemerkt der Vortr., dass er seit langer Zeit das
Brauer’sche Verfahren der Durchschneidung der intercostalen Weiohteile
bis zur Pleura-verlassen hat und die Einblasungen einfach mit der Nadel
voraimmt unter vorheriger Anlegung eines 1 cm langen, lediglich die
Epidermis und das Corium durchtrennenden Sohnittes.
Diskussion.
Hr. Umber betont die Notwendigkeit der Beobachtung im Röntgen¬
schirm bei der Diagnose der Zwerchfelllähmung. Er erwähnt einen Fall
von rechtseitiger, postdiphtherischer ZwerchfelIlähmuDg bei einerKranken
seiner klinischen Beobachtung; hier war im Röntgenschirm bei der In¬
spiration eine exquisite inspiratorische Ansaugung der rechten Zwerch-
iellhälfte naoh oben zu erkennen, die dem äusserlich sichtbaren Ein-
sinken des Epigastriums entsprach.
Hr. Zinn: Von 78 Fällen, bei welchen Pneumothoraxbehandlung
sugezeigt war, gelang die Anlegung in 57 Fällen. Von diesen 57 Fällen
sind relativ geheilt 7. Gebessert, meist arbeitsfähig, 17. Unbeeinflusst
i Ungünstig beeinflusst 2. Gestorben, während der Behandlung, 10
(von vornherein schwere aussichtslose Fälle). Noch in Behandlung 12.
Sowohl die Schnitt- wie die Stichmethode ist mit gleich gutem Er¬
gebnis anwendbar. loh bevorzuge meist die Schnittmethode, weil sie
vielleicht doch noch etwas sicherer ist.
~ v. e ^ was vreiter gehenden Indikationsstellung des Herrn Fraenkel
mochte ich durchaus zustimmen. Die Resultate werden günstiger, wenn
man nicht nur die sehr schweren einseitigen Fälle in vorgerücktem
p •t* 11 ? Gehandelt, sondern zu einer Zeit, bevor sie dieses Stadium er¬
reicht haben, die Behandlung einleitet. Wenn möglich, schicken wir
die Kranken erst in eine Heilstätte, welche bei ungünstiger Tendenz des
Leidens uns die Fälle zu Pneumothoraxbehandlung zurüokschickt.
Bezüglich der Stickstofimengen halte ich in der Mehrzahl der Fälle
für die ambulante Behandlung die seltenere Füllung etwas grösserer
Mengen (600, 800 ccm N) für praktischer.
Die Erfolge der Behandlung bei günstig gestellten Patienten, die
sich alle Vorteile der Tuberkulosetherapie sonst gewähren können, sind,
das wird jeder bezeugen können, der darüber Erfahrung hat, immer
wesentlich bessere als die Krankenbausfälle, deren ungünstige soziale
Lage natürlich nachteilig wirkt. Alles in allem bleibt die Pneumo¬
thoraxbehandlung ein wesentlicher Fortschritt, der uns ermöglicht,
manchen Kranken, der früher sicher verloren war, zu retten und eventuell
zu heilen.
Hr. Derendorf berichtet kurz über die Resultate der Pneumo-
thoraxbehandlung im Krankenh&use Bethanien. Der künstliche Pneumo¬
thorax wurde anzulegen versucht bei 35 Kranken. Wegen Pleura¬
verwachsungen war er 9 mal überhaupt nicht ausführbar, 2 mal ganz
unzulänglich, so dass man den Pneumothorax, als aussichtslos, naoh
einigen Wochen eingehen liess. Einmal sah D. einen günstigen Erfolg
von einem partiellen Pneumothorax. In der Regel war der Erfolg der
Pneumothoraxtherapie um so besser, je vollkommener der erreichte
Lungcncollaps war. Vollkommener Lungencollaps — ohne jeden Ver¬
wachsungsstrang — wurde nur bei zwei Fällen erreicht, das eine Mal
bei einer Kranken, die wegen lebensbedrohender, auf andere Weise nicht
still barer, Hämoptoe operiert wurde. Der Erfolg war ein vollkommener.
Der zweite Fall betraf einen Kranken mit ganz akut in die Erscheinung
tretender und rapid fortschreitender Tuberkulose. Auch hier prompte
Entfieberung, Aufhören des Hustens und Auswurfs, Gewichtszunahme,
Wiederkehr voller Arbeitsfähigkeit. Der Pneumothorax wird noch weiter
unterhalten.
Schmale VerwachsuDgsstränge beeinträchtigen den Erfolg der
Therapie nicht, sofern sie dehnbar sind und nicht durch ihren Sitz eine
besonders ungünstige Wirkung üben. Zwei Kranke, bei denen eine
Caverne durch lateral ausetzende Pleurastränge am Zusammensinken
gehindert wurde, sind an Verblutung aus einem arrodierten Cavernen-
gefäss zugrunde gegangen.
Von den 23 Kranken mit meist schwerster Phthise, bei denen die
Anlegung eines grossen Pneumothorax gelang, sind 7 gestorben.
Zwei Kranke sind jetzt ein Jahr naob dem Eingehen des Pneumo¬
thorax gesunde, voll arbeitsfähige, blühende Menschen geworden (Ge¬
wichtszunahme 35 bzw. 26 Pfund). Abgeschlossen ist die Behandlung
sonst nur noch bei zwei Patienten. Erfolg sehr gut. Alle anderen sind
noch in Behandlung. Der grössere Teil von ihnen ist durch die Therapie
sehr günstig beeinflusst und lässt ein gutes Endresultat erwarten. Ob
alle Hoffnungen sich schliesslich erfüllen werden, stebt dahin; sicher
aber ist, dass die Mehrzahl der Kranken ohne diese Therapie jetzt ent¬
weder tot oder kachektisch wäre-
Hr. Karewski fragt, wieviel Fälle in relativer Heilung sich be¬
finden, wenn nach Jahr und Tag der Pneumothorax zu existieren auf-
gehört hat.
Hr. A. Fraenkel betont, dass es sich um Stillstände des Prozesses
handelt, welche durch die Behandlung erzielt werden, also um eine, wie
Herr Karewski bemerkt, relative Heilung, deren Dauer bei der noch
nicht zu langen Erfahrung nicht feststeht.
Hr. J. W. Samson: Zu der Frage des Herrn Prof. Karewski,
wieviel Dauerheilungen mit dem künstlichen Pneumothorax bei Lungen¬
tuberkulose erzielt werden können, möchte ich mir folgende kurze Be¬
merkung erlauben. Solche Dauerheilungen sind von einer grossen An¬
zahl von Autoren berichtet worden. Ich selbst habe ganz kürzlich erst
Gelegenheit genommen, einen Fall von ausserordentlich schwerer ein¬
seitiger Lungentuberkulose, der vollkommen ausgeheilt ist, in der
medizinischen Gesellschaft vorzustellen. Mein bisheriges gesamtes Material
beträgt einige 30 Fälle, von denen ich zwei zur völligen Ausheilung
bringen konnte. Brauer und Sprengler haben in ihrer grossen Arbeit
vor einigen Jahren insgesamt über 120 Fälle berichtet, wovon 15 voll¬
kommen ausgeheilt worden sind, d. h. sie haben sich bis zu 4 Jahren
nach Eingehen des Pneumothorax wohl befunden und keine klinischen
Erscheinungen von Lungentuberkulose mehr dargeboten. Es ist ohne
weiteres zuzugeben, dass diese vollkommenen Heilungen im Verhältnis
zu der Gesamtzahl der mit dem Verfahren behandelten Fälle nur eine
kleine Anzahl betragen, aber diese Heilungen sind eben mit keinem
anderen Verfahren bei so schweren Fällen von Lungentuberkulose so zu
erreichen wie mit künstlichem Pneumothorai. Ausserdem darf man
aber die grosse Anzahl von relativen Heilungen auf längere Zeiträume
nicht unterschätzen. Ein anderer Punkt, den ich erwähnen möchte, be¬
trifft die Menge des Stickstoffs, der eingefüllt werden soll. Herr Ge¬
heimrat Fraenkel hat, wenn ich recht verstanden habe, gesagt, dass er
seine Patienten zweimal wöchentlich nachfüllt und jedesmal 400 ccm
einfliessen lässt. Es ist ohne weiteres zuzugeben, dass derartig kleine
Stickstoffmengen, oft sogar noch wesentlich kleinere Mengen vollkommen
genügen, das gewünschte Resultat zu erreichen, nämlich eine Ruhe¬
stellung der Lunge. Diese hängt nämlich viel weniger von den Stick¬
stoffmengen, als von den Druckverhältnissen ab, und der Erfolg kann
ein durchaus guter sein, wenn es gelingt, den Druck so zu regulieren,
dass keine wesentlichen negativen Schwankungen bei der Inspiration
mehr entstehen, also die Lunge bei der Atmung stille steht. Indessen
dürften diese häufigen kleinen Mengen doch gewisse Naoh teile haben.
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UNIVERSUM OF IOWA
1478
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
Solange die Patienten im Hospital sich befinden, lässt sich ja eine so
häufige Stickstoffeinfüllung ohne weiteres vornehmen. Wie aber, wenn
sie aas dem Hospital entlassen sind? Es wird schwer sein, die
Patienten auf so lange Zeiträume bin, wie die Behandlung mit künst¬
lichem Pneumothorax sie erforderlich macht, wöchentlich zweimal zu
einer Nachfüllung zu bekommen, besonders wenn sie ihrer Arbeit wieder
nachgehen. Denn die Behandlung mit dem künstlichen Pneumothorax
muss eine sehr langdauernde sein. Die pathologisch-anatomischen Ver¬
änderungen, welche die Lungentuberkulose in dem erkrankten Organ
setzt, heiten erst nach sehr langen Zeiträumen aus, d. h. es bedarf
einer sehr langen Zeit, um bindegewebige Vernarbungen hervorzurufen, ln
dem einen eben erwähnten Falle habe ich im ganzen 20 Monate gebraucht,
in einem anderen Falle 24 Monate, also volle 2 Jahre, ln wesentlich
kürzeren Zeiträumen wird sich kaum eine wirkliche Heilung erzielen
lassen. Indessen glaube ich, kann man mit den Stickstoffmengen wohl
ohne jeden Schaden für den Patienten etwas kühner sein. Ich habe
zurzeit etwa 10—12 Fälle in ambulanter Behandlung. Die Stickstoff¬
mengen bei den Patienten schwanken, je nach der Grösse des Pneumo¬
thorax, von 250 ccm in dem Fall mit geringster Menge bis zu 1500 ccm,
also IV 2 Liter. Man kann selbst, wenn man den Zustand der Kranken
genau und gut beobachtet, noch wesentlich grössere Mengen ohne
Schaden für den Kranken einfüllen. Meine Patienten, die nach Anlage
des künstlichen Pneumothorax fast sämtlich ihrer gewohnten Beschäfti¬
gung wieder nachgehen, kommen in Abständen von etwa 3, 4, auch
6 Wochen zu mir in die Privatklinik, werden nachgefüllt und fahren
dann wieder nach Hause, um am folgenden Tage ihrer Arbeit nachzu¬
gehen.
4. Hr. A. Plehü:
a) Fall von gleichzeitiger Entleerung eines Leherabscesses durch
die Bronchien and durch die Brnstwand. b) Arteficieller Sero-
pnenmothorax.
a) C.-K. A, Anfang 1912 in Ostasien Blinddarmbeschwerden.
Operation, die alte Prozesse zeigt. 7 Monate später Pleuritis, die
punktiert wurde. Darauf trat ein Leberabscess hervor, der durch
das Zwerchfell in die Lunge und die Bronchien durchbrach und teil¬
weise ausgehustet wurde; zugleich aber bahnte er sich auch den direkten
Weg nach aussen und wurde kurz vor der Perforation durch Rippen¬
sektion operiert.
Auf der Rückreise in Colombo Amöbenenteritis; durch subcutane
Injektion — wohl mit Emetin — geheilt.
Mai 1913. Bis auf ziehende Schmerzen in der Brust und Ver¬
dauungsstörungen Wohlbefinden.
Status: Lunge hinten in normaler Ausdehnung lufthaltig; vorn
Dämpfung bis zur 3. Rippe nach aufwärts; bis 2 Querfinger oberhalb
der Rippenbogen tympanitischer Darmschall.
Schirm: Zwerchfell rechts ganz unbeweglich. Platte: Kuppel¬
förmiger, scharfbegrenzter Schatten rechts bis zur 3. Rippe empor¬
reichend; anfangs für Leber gehalten.
Strahlenförmige Narben im rechten Lungenfeld, vom Gipfel der
Kuppel ausgehend.
Ordination: Erst Kissingen, dann Gebirge.
Mai 1914. Platte: Geringe Aulheilung des Schattens rechts.
Sohirm: Zwerchfell gut beweglich. Der oberhalb desselben
befindliche, jetzt deutlich davon abgrenzbare, scharf konturierte kuppel¬
förmige Schatten macht die Bewegungen des Zwerchfells mit.
Es kann sich demnaoh nicht um Pleuraschwarten handeln, sondern
wahrscheinlich um die derb-fibröse Wand des ausgeheilten Lungen-
abscesses. — Der Herr ist vollkommen dienstfähig und hat keine Be¬
schwerden.
(Demonstration der Platten.)
b) C. W., 39 Jahre alt, 1914, Nr. 155. Mitte März auswärts wegen
Pleuritis punktiert; danach Steigerung seiner Beschwerden; hatte das
Gefühl, als wenn sich Flüssigkeit in seiner Brust bewegte. Später Husten
und Auswurf.
8. IV. Aufgenommen. Etwas Dyspnoe; leichte Cyanose. Inter-
costalräume rechts verstrichen; rechte Seite bleibt bei der Atmung
zurück. Tympanitischer Klopfschall; Metallklang bei Plessimeterstäbchen¬
perkussion. Atemgeräusch abgeschwächt. Fremitus aufgehoben; Suceussio
Hippokratis; vom 7. Darmfortsatz abwärts intensive Dämpfung. Leber
etwas nach abwärts gedrängt, Herzlage fast normal. Im Auswurf
Tuberkelbacillen. Unregelmässiges Fieber.
15. IV. Zustand unverändert. Mit Fürbringer’schem Apparat werden
650 ccm klares Exsudat und viel Luft abgesaugt. Die Punktion wurde
möglichst tief — im 8. Intercostalraum — gemacht.
Einige Tage darauf zeigte sich auf dem Röntgenschirm die merk¬
würdige Erscheinung, dass zwei, offenbar durch Verwachsungen und
Luftreste getrennte, übereinanderlie’gende Flüssigkeitsspiegel zu beob¬
achten waren, die bei Körpererschütterung unabhängig voneinander
Wellen gaben.
Auch auf der Platte traten die beiden geraden horizontalen Linien
deutlich hervor, welche der Flüssigkeitsoberfläche entsprachen. (Demon¬
stration.)
In der Folge gingen die Temperaturen allmählich zurück; die Lunge
entfaltete sich, und die Exsudatreste wurden organisiert.
Am 27. V., etwa 6 Wochen nach der Punktion im Krankenhaus,
konnte Pat. arbeitsfähig entlassen werden.
(Demonstration der Röntgenbilder.)
5. Hr. A. Brentano:
Ein Fall von operativ geheiltem Pankreaoeareinom.
In dem Falle, über den ich beute abend berichten möchte, bandelte
es sich um ein Carcinom des Pankreaskopfes. Das Bemerkenswerte des
Falles beruht darin, dass der Tumor auch nach seiner operativen Frei¬
legung gar nicht den Eindruck einer Geschwulst, geschweige denn eines
Carcinoms machte, sondern wegen seiner prall elastischen Konsistenz,
seiner kugeligen Form und seiner deutlichen Abkapselung viel eher für
einen Abscess oder eine umschriebene Nekrose als für eine maligne
Neubildung gehalten werden musste. Dementsprechend wurde er nicht
exstirpiert, was vielleicht möglich gewesen wäre, sondern nur inzidiert,
ausgekratzt und das Geschwulstbett tamponiert. Erst die mikroskopische
Untersuchung der ausgekratzten Massen deckte die maligne Beschaffen¬
heit der Geschwulst auf. Wenn nun auch der Fall nach einer lange
bestehenden Pankreas- und Duodenalfistel schliesslich zur Heilung kam,
so wage ich doch nicht zu hoffen, dass diese Heilung von langer Dauer
sein wird.
Die Patientin, um die es sich handelt, erlaube ioh mir Ihnen vor-
zustellen. Sie ist 48 Jahre alt und litt seit etwa 2 Jahren an Schmerz-
anfällen, verbunden mit Gelbsucht, die als Gallensteiokoliken gedeutet
werden mussten. Die Zunahme ihrer Beschwerden seit Weihnachten 1913
veranlasste sie am 20. Februar 1914 zur Aufnahme in das Krankenbaus
am Urban. Der Befund, der hier erhoben wurde, machte eine Gallen-
blasenentzüodung infolge von Steinen wahrscheinlich. Es bestand leichter
Icterus bei normaler Temperatur und eine deutlich fühlbare Resistenz
in der Gallenblasengegend. Der Stuhlgang war gefärbt, der Urin aber
gallenfarbstoffhaltig.
Am 25. Februar d. J. operierte ich die Patientin, fand eine stark
vergrösserte Gallenblase ohne ausgesprochene Wandveränderungen. Die
Blase enthielt keine Steine, sondern nur grüngelbe, normal aussehende
Galle. Auch die Gallengänge schienen bei der Betastung von aussen
und der Sondierung von innen keine Steine zu enthalten. Dagegen
fühlte man hinter dem Duodenum, dem Pankreaskopf entsprechend,
einen rundlichen Tumor von prallelastiscber Konsistenz und der un¬
gelähren Grösse eines kleinen Apfels, der im ersten Augenblick ganz
den Eindruck eines Abscesses machte. Mehrfache Probepunktionen blieben
aber erfolglos. Ich inzidierte deshalb die Geschwulst, nachdem ich das
Peritoneum über ihr und eine dünne Schicht Pankreasgewebe zwisohen
zwei Ligaturen durchtrennt hatte. Nach der Inzision quollen schwammig¬
weiche blauschwarze Massen aus der Geschwulst heraus, die durchaus
an nekrotisches Pankreasgewebe erinnerten. Beim Eingeben mit dem
Finger fühlte man deutlich, dass die Geschwulst eine glattwandige
Kapsel hatte, wie man sie bei malignen Tumoren in der Regel nicht zu
finden pflegt. Die weichen Massen wurden nach Möglichkeit mit dem
Steinlöffel entfernt und das leere Gesohwulstbett mit Jodoformgaze
tamponiert. Vorher war der Choledochus von dem gespaltenen Cysticus
aus drainiert worden. In der Folge entwickelte sich nach der Ent¬
fernung der Tamponade eine Pankreas- und Duodenalfistel, aus der sich
fast alle aufgenommene Nahrung entleerte, und die die Patientin sehr
herunterbracbte. Schliesslich schlossen sich aber die beiden Fisteln von
selbst, und Pat. erholte sich so, dass man an der Diagnose der Malignität
des Tumors irre werden konnte, wenn nicht das mikroskopische Präparat,
das ich Ihnen unter dem Mikroskop aufgestellt habe, und das von Herrn
Prosektor Dr. Koch aogefertigfc ist, die Diagnose sicherstellte. Immerhin
ist es bemerkenswert, dass die Patientin jetzt mehr wiegt wie jemals
vor der Operation, sich ganz wohl fühlt, und dass von einem Tumor
zurzeit, also etwa 4 Monate seit dem Eingriff, nichts zu fühlen ist.
Sie wird gegenwärtig noch mit Röntgenstrahlen weiter behandelt.
6. Hr. Max Koch: a) Fall von Mediastinalaktinomykose,
Sehr dekrepide 38 jährige verheiratete Frau, die seit 6 Monaten naoh
Angabe des behandelnden Arztes an Herzbeschwerden, Stichen, Atemnot
und Oedemen der Beine gelitten. Herzdämpfung nach rechts und links
um 3 Querfioger verbreitert, Spitzenstoss ausserhalb der Mammillarlinie;
typischer Galopprhythmus über dem ganzen Herzen. Kein Fieber. Pals
anfangs vom Typus des Pulsus bigeminus, später gleichmässig stark,
Frequenz 120. Am Abend des zweiten Tages ihres Krankenhaus¬
aufenthalts plötzlicher Exitus.
Bei der Sektion fand sich eine totale Concretio perioardii. Media¬
stinum und Umgebung des Herzens werden von dicken, schwieligen
Massen eingenommen, die eine auffallende, hellgrüne (bei der Kon¬
servierung verschwundene) Färbung zeigen und vielfach von Grauulations-
gewebe mit Actinomycesdrusen durchsetzt sind. Eiter und Actinomyces¬
drusen zeigten ebenfalls die auffällige hellgrüne Färbung. Die für
Actinomyces sonst so charakteristischen verzweigten bräunlicbgelben
Einsprengungen, die von der Verfettung des Granulationsgewebes in der
Umgebung der einzelnen Drusen herrühren, waren nur an einigen Stellen
wahrnehmbar. Im Herzfleisch selbst fanden sich einige wenige, höchstens
erbsengrosse Herde. Beide Herzohren waren mit parietalen Thromben
ausgekleidet, in denen ebenfalls Actinomycesdrusen nachgewiesen wurden.
Ob auch die in der rechten Lunge vorhandenen hämorrhagischen und die
in Milz und Nieren vorhandenen anämischen Infarkte derartige Pilzmassen
enthalten, muss erst eine weitere mikroskopische Untersuchung erweisen.
Die Eintrittspforte für die Infektion liess sich in diesem Falle nicht
mit Sicherheit nachweisen; da die Veränderungen an den Bronchial¬
drüsen am weitesten fortgeschritten, so dürfte sie wohl mit einiger Wahr¬
scheinlichkeit hier zu suchen sein.
(Demonstration von makroskopischen und mikroskopischen Präparaten.)
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UMIVER5ITY O F IOWA
3, August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1477
b) Demonstratio» eia er eigentümlichen Oesiehtemissbildang dnrch
Anftreihug der mittleren Nasenmoscheln.
Yortr. zeigt 2 Fälle von symmetrischer blasenförmiger Auftreibung
der mittleren Nasenmuscheln, die bei dem ersten je ungefähr die Grösse
einer Walnuss, bei dem zweiten die eines Gänseeies erreichte.
In dem ersten Falle handelt es sieb um eine 21 jährige Arbeiterin,
die an Lungentuberkulose verstorben ist. An dem Gesicht fällt der
breite Zwisohenraum zwischen den Augen (5 cm) und der verbreiterte
nnd wie gespalten erscheinende Nasenrücken auf. An der Oberlippe
findet sich eine oberflächliche mediane Spaltung, ebenso am Gaumen.
Nach Angabe des Bruders wurde Pat. im ersten Lebensjahre im Elisabeth-
Kinderkrankenhause operiert, „wodurch der bis dahin wie ein „Klump“
aussehende Schädel erst eine Nase und ein erträgliches Aussehen er¬
halten habe“. Ob der Zwischenraum zwischen den Augen von Anfang
an abnorm breit gewesen oder ob er sich allmählich erst verbreitert und
ob die Verbreiterung schliesslich sistierte, darüber Hess sich nichts in
Erfahrung bringen.
Durch diesen Fall wurde Yortr. veranlasst, ein in der Sammlung
des pathologischen Instituts des städtischen Krankenhauses am Urban
befindliches, noch von Herrn Prof. Ben da herrührendes Präparat, dessen
weitere Bearbeitung ihm freundliehst von Herrn Prof. Ben da überlassen
wurde, einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Pathologisch¬
anatomisch war dieser Fall bisher unter der Bezeichnung „Osteome des
Siebbeins“ rubriziert worden, während die klinische Diagnose auf „ossi-
fizierte Fibrome des Nasenrachenraumes mit Gesichtsmissbildung“ ge¬
lautet batte. Ein Frontalschnitt durch den Schädel brachte Vortr. die
Bestätigung, dass auch die ungeheuerliche Deformation des Schädels in
diesem Falle lediglich durch eine blasenförmige Auftreibung der mittleren
Nasenmuscheln bedingt war.
Das Präparat stammte von einem 47 jährigen Patienten ohne Beruf,
der bis zum 12. Lebensjahre völlig gesund gewesen und im Gesicht
nichts Auffälliges zeigte. Nach dem 12. Lebensjahre traten allmählich
die Augen nach vorn und seitlich aus dem Kopfe heraus und die Nasen¬
wurzel und mittlere Gesichtspartie wurde breiter und immer breiter.
Allmählich liess der Geruchsinn und die Sehkraft (auf beiden Augen
ziemlich gleichzeitig) nach. Im 16. Lebensjahre war Pat. völlig blind
und anosmotisch. Er hatte häufiges Nasenbluten und litt an Ver¬
stopfung der Nase. Behandlung wegen „Polypen“. Im 20.—21. Lebens¬
jahre hörte das Breiterwerden der Nasengegend auf und das Nasenbluten
liess allmählich nach. In den letzten 27 Jahren bat sich im Gesichte
nicht das Geringste mehr geändert. Nie Erscheinungen von seiten des
Gehirns. Pat. hat sich in den letzten 30 Jahren in der Häuslichkeit
seiner Mutter nützlich gemacht. Er soll geistig völlig normal gewesen
sein und ein auffällig gutes Gedächtnis, besonders gutes Zahlengedächtnis,
gehabt haben.
Noch erhaltene photographische Aufnahmen von den Gesichtszügen
des Pat. zeigen die fürchterliche Entstellung, die einen auffallend thero-
morphen Charakter hatte. Unwillkürlich wird man dabei an die antiken
Darstellungen des Aegopan oder von Faunen und Satyren erinnert.
(Demonstration von Präparaten und Lichtbildern.)
Ueber die Entstehung dieser blasenartigen Auftreibung der mittleren
Nasenmuscheln hat die bisherige Untersuchung noch keinen Aufschluss
ergeben. Da das Leiden bei beiden Patienten in der Jugend begann und
später sistierte, so darf man wohl an eine kongenitale Störung (Ver¬
lagerung einer Siebbeinzelle in die mittlere Muschel oder dergl.) denken.
Ob die hier gezeigten Fälle zu dem aus der Tropenpathologie als „Gundu“
bekannten Krankheitsbilde irgendwelche Beziehungen haben, lässt sich
zurzeit nicht sagen, da genauere pathologische Untersuchungen über
dieses Leiden noch nicht vorliegen.
7. Hr. Ht8s«sii zeigt als seltenere Röntgenbefunde Bilder von
Osteopsathyrosis mit multiplen Frakturen, besonders der oberen
Extremitäten; weiter wird demonstriert das Bild einer Pyonephrose,
eines Haematopneumothorax traumaticus mit Abgrenzung des
Mittel- und Unterlappens, eines Oesophaguscarcinoms mit gewöhn¬
licher, einfacher Technik hergestellt, eines mehrkammerigen Ex-
^ats, eines Aortenaneurysma bei Lues mit abnormer Verkalkung der
Als Fälle mit pathologisch-anatomischer Unterlage wurden die
Kontgenbilder eines Nierenechinococcus, einer Kalkspange in
der Aorta bei einer Reizleitungstörung, hervorgerufen durch Druck
eines Kalkherdes auf den linken Tawar’schen Schenkel, eines primären
Lungentumors — Bronchialcarcinoms und eines metastatischen
hungentu mors bei Hypernephrom demonstriert.
Gesellschaft der Charitd-Aerzte,
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 11. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Scheibe.
Schriftführer: Herr Glasewald.
L Hr. Killiai: Ueber Bronchial fremdkür per.
Eingehende Besprechung von 25 Fällen bronchoskopisch aufgesuchter
na extrahierter Fremdkörper, von denen nur 8 bisher veröffentlicht sind.
m!f’Q+ S ^ er ^ en ^ r P er sind 1° der grossen Mehrzahl Knochenstücke, die
hall* 3 E. 8360 von Suppen, die ja sehr oft Knochenstückchen ent-
ten, und gleichzeitigem Sprechen, Husten oder Lachen in die Luft¬
röhre geraten. Sie gelangen fast ausnahmslos in den rechten Stamm-
bronohus.
Diagnostisch ist das nicht wieder verschwindende Hüsteln, oft blutiger
Auswurf und nach einiger Zeit auch übler Geruch von grösserer Bedeu¬
tung als die perkutorischen und auskultatorischen Lungenerscbeinungen
und als das Röntgenbild. Besonders wenn es sich um Knochenstückchen
handelt, ist letzteres nur in Ausnahmefällen überhaupt zu verwerten.
Nur bei völlig abschliessenden Fremdkörpern und erst nach einigen Tagen
kann durch Sekretanhäufung über dem betreffenden Lungenabschnitt
Dämpfung und abgeschwächtes Atemgeräusch sowie veränderter Stimm-
fremitus hervorgerufen werden. Beschreibung der Bronchoskopie und
einer neuen vom Vortragenden selbst angegebenen Krallenzange.
In jedem Falle von Verdacht auf aspirierten Fremdkörper ist die
Bronchoskopie gerechtfertigt, zumal sie jetzt sehr schonend und ohne
Narkose ausgeführt werden kann. Unangenehme Erscheinungen sind da¬
bei bisher nicht vorgekommen, mit Ausnahme eines bei einer zum siebenten
Male wiederholten Bronchoskopie eingetretenen Pneumothorax, der aber
von selbst zurückging. Die Pneumotomie bringt im Gegensätze dazu
grosse Gefahren für den Kranken mit sich und leistet nicht entfernt das
gleiche, da es äusserst schwierig ist, bei der Pneumotomie den Fremd¬
körper überhaupt zu finden.
(Der Vortrag erscheint in umgearbeiteter und erweiterter Form in
Bd. 38 der Charite-Annalen.)
2. Hr. Weingaertner:
Demonstration von Rö’ntgenMldern ans dem Gebiete der Laryngologie.
M. H.! Ich möchte Ihnen zunächst einige Röntgenbilder vom
Larynx projizieren. Die Aufnahmen sind Transversalaufnahmen. Das
erste Bild soll Ihnen zeigen, was wir an einem derartigen Bilde sehen
können: das Zungenbein, den Köiper mit seinen zwei Hörnern, Wirbel¬
säule, die Epiglottis, d&9 Ligamentum aryepiglotticum, den Sinus
Morgagni und vor allem den Schild- und RiDgknorpel. Letztere bekommt
man besonders schön auf die Platte bei älteren Patienten, weil bei
diesen die normale Verknöcherung des Kehlkopfs stärker ausgeprägt ist
als bei jüngeren Individuen. Ueber den Vorgang der Verknöcherung
selbst sind von Scbeier und anderen Autoren schon eine grosse An¬
zahl vou Untersuchungen gemacht worden. Es verhält sich im all¬
gemeinen so, dass die Ossifikation als normaler Prozess im Alter von
15 bis 18 Jahren anfangend bis zum 30. Lebensjahre bei beiden Ge¬
schlechtern vollkommen gleichmassig verläuft. Sie beginnt in der Nähe
des unteren Horns und beschränkt sich zunächst auf den unteren und
hinteren Schildknorpelrand. Dann tritt jenseits des 30. Lebensjahres
ein Unterschied in der Ossifikation ein. Beim Weibe geht sie in gleich-
massiger, paralleler Breite nach vorn, die sogenannte Ossifikation in
breiter Front, oder sie geht (als zweite Möglichkeit) stufenweise nach
vorn, so dass der untere Schildknorpelrand mehr vergrössert ist als die
obere Partie. Beim Manne hingegen schreitet auch etwa um das
30. Lebensjahr herum die Ossifikation am unteren Schildknorpelrand ent¬
lang und trifft sich hier mit einer Ossifikationszone, die von einem am
unteren Ende des Schildknorpelwinkels auftretenden Knocbenkern aus¬
geht. Von da verläuft die Ossifikation weiter um den vorderen und
oberen Schildknorpelrand herum. Vom Tuberculum inferius geht ein
nach vorn und oben schräg ziehender Knochenzapfen, der die Schild¬
knorpelplatte gewissermaassen in zwei Knorpelinseln teilt. Schliesslich
kann statt des Schildknorpels ein Schildknochen entstehen, dadurch,
dass die Schildknorpelplatte vollkommen verknöchert. Etwa in einem
Drittel der beobachteten Fälle bleibt ein kleines Foramen in der Platte
hinten oben offen, durch das unter Umständen die Arteria laryngea
superior durchgeht.
Nun will ich Ihnen Röntgenbilder vom normalen Larynx, am
Lebenden gewonnen, zeigen; sie stellen die Ossifikation in verschiedenen
Lebensaltern und bei verschiedenen Geschlechtern dar. Im allgemeinen
ist der Grad der Ossifikation direkt proportional dem Alter; aber man
darf aus der Intensität der Verknöcherung des Larynx nicht in jedem
Fall einen Schluss auf das Alter der Patienten ziehen, da individuelle
Schwankungen häufig zu beobachten sind. Zunächst zeige ich Ihnen
eine Serie von Männerkehlköpfen. (Demonstration.)
1. 34 jähriger Mann. Hier sind die Ossifikationsvorgänge noch nicht
charakteristisch für den Mann, auch nicht für die Frau; um das
30. Lebensjahr herum kann es noch unentschieden sein. — 2. 52 jähriger
Mann. Hier sieht man das Charakteristische der Ossifikation schon
besser: Sämtliche Ränder des Schildknorpels sind verknöchert, besonders
stark der hintere Rand; Ringknorpelplatte zum grössten Teil ossifiziert. —
3. 55 jähriger Mann mit einer nahezu totalen Verknöcherung von Schild¬
knorpel und Ringknorpel; sogar einzelne Trachealringe sind ver¬
knöchert. — 4. 65 jähriger Mann, bei dem der schräge Knochenzapfen
sehr schön zur Darstellung kommt; er begrenzt die vorhin besprochenen
beiden Knorpelinseln des Schildknorpels.
Nun einige Frauenkehlköpfe. 1. An dem Schild- und Ringknorpel
einer 31 jährigen Frau erkennt man nur eine ganz schwache Schattierung
durch Kalkeinlagerungen. — 2. Bei dem nächsten Bild von einer 36 jäh¬
rigen Frau ist der hintere Rand des Schildknorpels und der untere
Rand deutlich ossifiziert. — 3. Eine 34 jährige Frau mit terrassen¬
förmiger Verknöcherung am Schildknorpel. — 4. und 5. Dasselbe noch
deutlicher ausgesprochen bei einer 43 jährigen und einer 65 jährigen
Frau. Man sieht die Ossifikation wie eine Treppe von oben nach unten
schräg verlaufen.
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UNIVERS1TY OF IOWA
1478
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
Die Kenntnis dieser normalen Ossifikationsvorgänge ist
unbedingt nötig zur richtigen Deutung der Radiogramme so¬
wohl des normalen, wie besonders des kranken Kehlkopfs.
Yon pathologischen Fällen stammen die nächsten Bilder.
I. 4jähriges Kind: relativ gut zu erkennen die Larnyxkonturen,
deutlich die Epiglottis, der Sinus Morgagni, das Zungenbein, das Liga¬
mentum aryepiglotticum. Es handelt sich um ein Kind, das wegen
Diphtherie tracheotomiert wurde und später wegen erschwerten Dekanüle-
ments infolge Narbenstenose zu uns kam. Bei genauem Hinsehen er¬
kennt man im Larynx einen schwachen Streifen, durch den die unge¬
nügende Luftpassage unterhalten wird. — 2. Das nächste Bild stammt
von einem 12 jährigen Knaben, der schon seit einer Reihe von Jahren
die Kanüle trägt. Es soll uns nur zeigen, was schon durch Unter¬
suchungen von Thost und anderen bekannt ist, dass nämlich in der
Nähe der Trachealkanüle vorzeitige Verknöcherungen stattfinden. —
3. 24jähriger Mann mit Larynxtuberkulose. Im Vergleich mit den
anderen bis jetzt gezeigten Bildern fällt hier auf, dass ein leichter
Schleier über dem ganzen Bilde ist. Das ist als charakteristisch bei
Tuberkulose angegeben worden. Es bandelt sich wahrscheinlich um
eine merkwürdige Art der Kalkverteilung in der Schildknorpelplatte;
möglich ist auch, dass Inßltrationsprozesse diesen Schleier bedingen.
Dies scheint mir in anderen Fällen, die ich jetzt zeigen will, wahrschein¬
licher. — 4. Ein 38 jähriger Larynxtuberkulöser. Sie sehen die Epi¬
glottis stark infiltriert, auch viel grösseren Schatten bildend als bei
den vorher gezeigten Fällen. Das Ligamentum aryepiglotticum stärker
und breiter als im normalen Bild. Iu diesem Larym findet sich ein
Fremdkörper, der im Kehlkopfspiegel nicht zu sehen war. Der Mann ist
schon oft laryngologisch behandelt worden. Wahrscheinlich ist gelegent¬
lich eines solchen Eingriffs einmal ein Stückchen eines Instruments
irgendwo im Larynx sitzen geblieben, das jetzt diesen Schatten wirft.^ —
5. Das nächste Bild zeigt Ihnen einen Lupus, der hauptsächlich die Epi¬
glottis ergriffen hat. Die dicke Anschwellung und die starke Schatten¬
bildung der Epiglottis fällt im Vergleich mit den. vorher gezeigten
Bildern auf. Auf der erkrankten hinteren Partie liegt ein Schleier
im Röntgenbild, vorn, wo keine pathologischen Prozesse nachweisbar
waren, ist die Knochenstruktur und die ganze Zeichnung klar und deut¬
lich ausgesprochen. In dem Falle ist der Schleier sicherlich durch In¬
filtration bedingt. -— 6. Larynxtuberkulose mit Infiltration der hinteren
Larynxwand. Sie sehen den halbkugelförmigen Schatten, der bei
genauem Zusehen zum Teil mit der Ossifikation des Kehlkopfs zusammen¬
hängt, zum anderen durch Infiltration im Laryoxinnern bedingt ist. —
7. Ein Larynxcarcinom bei einem 67 jährigen Manne. Sehr starker
Schatten im Arygebiet. Das Carcinom sass in der rechten Arygegend
am Sinus pyriformts und ging am Ligamentum aryepiglotticum hoch.
Es besteht eine fast vollkommene Verknöcherung des Schildknorpels. —
8. 74 jähriger Mann mit derselben Erkrankung und auch nahezu in der¬
selben Gegend. In der Arygegend ein Carcinom, das sich nach oben
und unten ausbreitet. Nahezu vollkommene Verknöcherung der Schild¬
knorpelplatte.
Starke Verknöcherung des Kehlkopfs ist hei Carcinoma laryngis
relativ häufig zu beobachten, eine Erscheinung, die schon als für
Larynxcarcinom charakteristisch bezeichnet wurde, die meines Erachtens
aber für die Mehrzahl der E’älle eine ungezwungene Erklärung findet in
der Tatsache, dass es sich bei dieser Krankheit meist um ältere Männer
handelt, die an und für sich schon starke Ossifikationsprozesse im
LaryDi aufweisen.
9. Dieses Bild stammt von einer 35 jährigen Frau, die P/a Jahre
ein reoht grosses Knochenstück im Laryoxinnern beherbergte. Ich habe,
da der Knochen in dicke Granulationen eingebettet war und starke
Stenose des Larynx bestand, eine Röntgenaufnahme gemacht, um zu
sebeD, ob eventuell Aufschluss gewonnen werden kann über die Grösse
des Knochens. Der Schatten in diesem Bild könnte als normaler Ver¬
knöcherungsvorgang aufgefasst werden, wahrscheinlich zu deuten als
nebeneinander projizierte Verknöcherungsfiguren im Schildbnorpel. Dass
ein Teil dieses Schattens aber mit dem Knochen zusammenhängt, beweist
das Bild 10, das wir einige Tage nach der Extraktion des Knochens er¬
halten haben. Man sieht da nur noch einen kleinen Teil der oben als
Verknöcherung aufgefassten Schattierung; im übrigen erscheint das
Larynxlumen und der Sinus Morgagni viel freier. Hier war infolge der
Granulationen vorher ein Schleier. Die Granulationen sind nach der
Extraktion des Fremdkörpers spontan ebne jede Behandlung zurück¬
gegangen. — 11. Nun ein etwas merkwürdiger Fremdkörper, den man
im allgemeinen im Röntgenbild nicht zu sehen bekommt, nämlich eine
Fischgräte. Der Patient hatte vor einigen Tagen eine solche ver¬
schluckt. Wir konnten nur ihr oberes Ende seheD, da sie in der seit¬
lichen Pharynxwand eingespiesst war. Ich wollte versuchen, ob eine
Fischgräte im Röntgenbild zu sehen ist; wenn ja, dann mussten wir
auch über ihre Grösse Aufschluss erhalten. Im Röntgenbild verläuft
die Fischgräte hier von der Zungenbeinhöhe nach dem Ligamentum ary¬
epiglotticum. Die Grösse der extrahierten Gräte stimmte mit der auf
der Platte vollkommen überein.
Endlich noch drei Röntgenbilder, die Ihnen eine Illustration zu dem
Kapitel Wismut im Bronchialbaum geben sollen. Im allgemeinen ist,
soweit ich die Literatur überblicke, von den Röntgenologen Wismut im
Bronchial bäum nur veröffentlicht worden in Fällen von Oesopbagus-
carcinom, bei denen eine Perforation nach der Trachea vorlag. In den
drei Fällen, von denen Sie die Bilder jetzt sehen, ist ganz bestimmt
keine Kommunikation zwischen Oesophagus und Trachea vorhanden ge¬
wesen (in einem Fall konnten wir uns sogar durch die Autopsie davon
überzeugen). Alle drei Fälle waren Oesophagusoarcinome. Wie ist das
zu erklären? Zunächst die Bilder. Sie sehen hier Trachea und Oeso¬
phagus, den wismutgefüllten linken und rechten Bronchus mit seinen
Aufteilungen.
Das nächste Bild zeigt sehr schön wie beim Ausguss an der Leiche
den linken Bronchus, der ausser dem Wismut zum Teil Luftblasen ent¬
hält, vor allem aber sehr schön den rechten Bronchus und den Ober¬
lappenbronchus. — Das dritte Bild ist gerade während eines Husten-
anfalls gemacht worden. Der Wismutzapfen sitzt im rechten Bronchus.
Wie schon gesagt, bestand bei diesen drei Patienten keine Perforation
nach der Trachea. Wohl aber hatten alle drei Patienten eine mehr
oder weniger schwere Lähmung des Recurrens. Infolgedessen haben sie
sich leicht verschluckt, und das Wismut konnte dadurch, dass die
Recurrensläbmung keinen genügenden Verschluss des Larynx zustande
kommen Hess, leicht in die Trachea und die Bronchien kommen.
3. Hr. Stephan*, a) Krankenvorstellaagen nnd Demonstrationen.
M. H.! Ich möchte Ihnen zwei Patienten vorstellen, bei denen
wegen Carcinoms die Exstirpation des Larynx gemacht worden ist.
Von den aufgesteilten mikroskopischen und makroskopischen Präparaten
bitte ich nachher Kenntnis zu nehmen. Die Patienten sind nach der
von Gluck angegebenen Methode operiert worden. Ich will gleich an
einigen Bildern die Methode kurz vorführen. Der eine Patient ist im
Juli v. J., der zweite im November operiert worden. Bei dem zweiten
besteht noch eine kleine Fistel, die zum Hypopharynx bzw. Oesophagus
führt. Mehrfach ist versucht worden, sie zu schliessen, sie ist immer
wieder aufgegangen; sie hat sich jedoch wesentlich verkleinert, so dass
der Patient in keiner Weise dadurch belästigt wird. Ich darf vielleicht
bitten, die Patienten nachher zu besichtigen. (Demonstration an Licht¬
bildern.) Das erste Bild zeigt den torflügelförmigen Hautschnitt, den
senkrechten Schnitt in der Medianlinie, dazu oben in Höhe des Zungen¬
beins und unten in Höhe des Ringknorpels je einen Querschnitt, so dass
sich die beiden Hautlappen wie zwei Torflügel auseinanderschlagen lassen.
Der Larynx ist freigelegt. — 2. Bild. Es ist der Augenblick, wo bereits
der Musculus tbyreobyoideus durchschnitten ist. Man sieht oben die
Arteria laryugea superior, die nachher noch eine wesentliche Rolle spielen
wird. Unten ist die Schilddrüse und Arteria thyreocricoidea. — 3. und
4. Bild. Es ist natürlich notwendig und wichtig, nach Drüseoerkran-
kuDgen zu suchen bei einem Carcinom des Kehlkopfs. Ich möchte nur
kurz auf den Verlauf der Drüsen hinweisen, die sich hier an den grossen
Gefässen entlangziehen. — 5. Bild. Zweite Phase der Operation. Hier
ist die Arteria thyreocricoidea durebtrennt, hier gefasst und durch¬
schnitten. Oben erscheint die Laryngea superior unter der KnopfsoDde.
Der ganze Kehlkopf ist nach links herausgedreht, so dass das obere Horn
des Schildknorpels sichtbar und zur Durchtrennung bereit ist. — 6. Bild.
Hier ist die Laryngea superior durchtrennt, das obere Horn ebenfalls,
das Ligamentum byotbyreoideum bzw. die Membrana hyothyreoidea an¬
gespannt, — 7. Bild. Hier ist bereits der ganze Kehlkopf mit der Epi¬
glottis und dem Schildknorpel vom Pharynx losgelöst. Sie sehen die
grosse Oeflhung, die Einblick in den geöffneten Pharynx gewährt. Der
Kehlkopf ist nach vorn herausluxiert. — 8. Bild. Dies ist der Augen¬
blick, wo der Pharynx schon durch Nähte geschlossen ist, ehe man den
Kehlkopf abträgt. Es ist wichtig der Infektion wegen, die aus den
Bronchien in die Pharynxwunde hineingeschleudert werden kann, diese
Wunde zuerst zu schliessen, ehe man die Trachea nachher abschneidet.
Sis sehen hier das Skalpell angesetzt, um die Trachea quer zu durch-
schueiden. Diese Teile fallen weg, der Trachealstumpf wird in die
untere Hautwunde hineingenäbt,
b) Behandlung des Asthma bronchiale mit dem Rndobronehialspray.
Die Spraytherapie ist wegen sehr guter Erfolge und zweifelloser
Dauerheilungen zur Weiterverbreitung geeignet und sehr zu empfehlen.
Genaue Erläuterung der Technik. Erprobt wurde hier nur eine Lösung
von Novocain und Adrenalin, und zwar 5—10 ccm 1 l 2 —l pCt. Novocain
mit 6—20 Tropfen 1:1000 Adrenalin. Durch das Bronchoskop werden
erst die Schleimmassen entfernt und dann der Zerstäuber eingeführt bis
an die Lamina der Bronchien höherer Ordnung. Der Ephraim’sche bieg¬
same Zerstäuber ist unzweckmässig, weil die Entfernung von Schleim
und Sekret bei seiner Anwendung nicht möglich ist. Bisher wurden
hier 10 Kranke behandelt; die Erfolge sind sehr günstig, doch müssen
die Fälle sorgfältig ausgesucht werden; besonders ist nasales Asthma
auszuschalten.
(Der Vortrag erscheint in umgearbeiteter und erweiterter Form in
Bd. 38 der Charitö-Annalen.)
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 15. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Bonhoeffer.
Schriftführer: Herr Henneberg.
1. Hr. K. Mendel:
Krankenvorstellong. I. Herpes zoster nach Unfall.
37jähriger MetalIschleifer. Trauma am 9. IV. 1914: Eine Holzkiste
mit Metallplatten fiel gegen die rechte Brustseite vorn mit scharfer Kante
auf. Hinten, insbesondere an der Wirbelsäule, keine Verletzung. Keine
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3. Aogpst 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1479
Wando, keine Kontinuitätstrennung der Haut, kein Rippenbraoh, keine
Erscheinungen von seiten der Lunge. Alsbald naoh dem Trauma Sohmersen
in der rechten Brustseite. Am Abend des Unfalltages Schüttelfrost. Am
nächsten Tage Bläschen an der rechten Brustseite, zuerst vorn an der
Stelle der Verletzung. Es entwickelte sich eine Gürtelrose, deren typische
Narben jetzt noch sichtbar. Hyperästhesie in der Herpeszone. Sonst
negativer Befund. Wassermann negativ.
Der Unfall hat wohl einen Locus minoris resistentiae geschaffen,
vielleicht die Bakterien mobil gemacht, ähnlich wie wir es bei der trau¬
matischen Pneumonie annehmen. In solchen Fällen kann man vielleicht
— da das Spinalganglion völlig unverletzt blieb — an eine reine
peripher-neuritisohe Form des Herpes denken, gegenüber der centralen
im Ganglion; oder aber man müsste eine bis zum Ganglion ascendierende
traumatische Neuritis annehmen.
II. Myotonia Atrophie».
33jähriger Arbeiter. Keine ähnliche Erkrankurg in der Familie.
Früher gesund. Seit 2 Jahren — Ursache: Erkältung — Steifwerden
der Finger, dann der Arme, schliesslich der Beine. Objektiv: Bei Will-
kürbewegungen deutliche Myotonie in Armen und Beinen, typische
mechanische und elektrische myotonische Reaktion daselbst (besonders
an Daumen- und Kleinfingerballen sowie an den Waden), starke Hyper¬
trophie der Muskulatur an Daumen, Kleinfinger, Waden; neben dieser
Hypertrophie starke Muskelatrophie an den Vorderarmen (besonders Ex¬
tensorenseite), Oberarmen, Infraspinati und Sternocleidomastoidei (letztere
kaum bleistiftdick). Keine Facies myopathica, nichts an den Gesichts¬
und Zungenmuskeln. Als Degenerationszeichen: beiderseits an den Füssen
starke Syndaktylie. (Als Degenerationszeichen ist bei der Myotonie
Hodenatrophie angegeben; im vorliegenden Falle Hoden intakt.)
Vielleicht ist die Myotonia atrophica von der gewöhnlichen Thomsen-
schen Krankheit als besonderes Leiden abzugrenzen. Im Gegensatz zur
gewöhnlichen Myotonie beginnt die Myotonia atrophica — wie auch im
vorliegenden Falle — erst in den 30er Jahren; sie tritt anch nicht so
deutlich familiär auf wie erstere.
In der Diskussion fragt Herr Kramer, ob Patient Störungen
der Potenz hatte (Hodenatrophie in Steinert’s Fällen!), was Vortr.
verneint
1IL Metaparalytische psychogene Akinesie.
17jähr. Kellner. Seit dem 4. Lebensjahre rechtsseitige Gesichts¬
lähmung. Jetzt: typische schwere peripherische Facialislähmung mit
leichter Kontraktur im obereu Facialis, leichten Tic- und Mitbewegungen.
Auffällig ist nun, dass die elektrische Untersuchung völlig normale Ver¬
hältnisse ergibt: faradisch und galvanisch ist sowohl vom Nerven als
vom Mnskel aus alles gut erregbar, rechts == links. Bis vor drei
Wochen, wo Patient in meine Behandlung kam, hatte nie eine Behand¬
lung stattgefunden. Patient wurde vom Chirurgen überwiesen mit der
Anfrage, ob eine Nervenpfropfung indiziert sei.
Dieser Fall schliesst sich den von Toby Cohn und Gatz-
Emanuel im Neurol. Centralbl., 1912, S. 147, publizierten Fällen an.
Hier wie dort ist der N. facialis für elektrische Reize durchaus leituDgs-
flhig, während er keinerlei Willensimpulse zu leiten vermag, also
bleibender Beweglichkeitsverlust bei Ausheilung infantiler peripher-orga¬
nischer Lähmung. In UebereinstimmuDg mit den genannten Autoren
nehme ich auch in diesem Falle an, dass durch den Wegfall von Be-
wegUDgsempfindungen, den die Gesichtslähmung zur Folge hatte, bei
dem damals im kindlichen Alter stehenden Patienten sekundär eine
gewisse Verkümmerung der Bewegungsvorstellungen im Cortex ein¬
getreten ist, ähnlich wie ein in frühester Kindheit taub gewordenes In¬
dividuum bekanntlich die Sprechfähigkeit verliert. Der Verlust der Be¬
wegungsvorstellungen ist also eine Folge der langjährigen Inaktivität’;
hinzu kommt dann noch das Fehlen jeglicher Behandlung, welche die
Bewegungsempfindungen von der Peripherie aus hätte auslöseu können.
Auch in meinem Falle hat nun in der Tat — und dies spricht auch
für die Richtigkeit der Hypothese — die von mir eingeleitete Behand¬
lung (Elektrisieren und Uebungen vor dem Spiegel) bereits in 3 Wochen
eine eklatante Besserung herbeigeführt: in den früher völlig unbeweg¬
lichen Muskeln tritt bereits deutliche Beweglichkeit ein. Eine Nerven-
pnropfung ist nicht indiziert; ich werde versuchen, durch den elektrischen
ötrom und die Uebungen weiterhin Impulse zum Facialiscentrum hinzu¬
fuhren und so die verkümmerten Bewegungsvorstellungen wieder zu er¬
wecken. Toby Cohn bezeichnet diese nach abgelaufener Lähmung
zurückgebliebene Bewegungsstörung psychischen Ursprungs als „meta-
paralytische psychogene Akinesie“.
. Nach dem Gesetze der Duplizität der Fälle stellte sich mir gestern
em 23jähriges Mädchen vor, welches seit seinem 9. Lebensjahre an einer
schweren rechtsseitigen peripheren Facialislähmung (nach Ohraffektion)
leidet und bei dem, trotz der Schwere und langen Dauer der Lähmung,
nie elektrische Untersuchung völlig normale Verhältnisse ergibt.
Diskussion.
p ® c .^ U8 ^ er: Da ich zufälligerweise zurzeit gleichfalls eine
Patientin mit den von Herrn Mendel geschilderten Facialisersoheinungen
behandle, so habe ich die Arbeiten von Cohn, Gatz-Emanuel und
▼on Bernhardt kürzlich noch einmal durchgelesen. Die in jenen Ar¬
beiten enthaltenen Erklärungsversuche des Phänomens der Akinesie
weisen zwar schon darauf hin, dass die Bewegungen im Facialisgebiet
~~ ln J Gegensatz zu denjenigen der Extremitäten — meist doppelseitig
and dabei nur halb willkürlich erfolgen. Hiermit ersohöpfen sie jedoch
das nioht, was meiner Ansicht nach zur Erklärung der Akinesie be¬
deutungsvoll sein könnte.
Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Bewegungen der Ex¬
tremitäten und den meisten Gesichtsbewegungen bestehen in folgendem:
Die Extremitätenbewegungen sind im allgemeinen Zweckbewegungen
und haben den lokomotorischen Effekt als solchen zum Ziel. Dies ist
bei den mimischen Bewegungen, welche bei weitem die Mehrzahl der
Faeialisinnervationen ausmachen, nioht der Fall.
Die Extremitätenbewegungen können ferner von ihrer Entstehung
an während ihres ganzen Ablaufes von den Augen des Bewegenden ver¬
folgt und kontrolliert werden. Auch dies ist bei den mimischen Be¬
wegungen, wenn es sich nioht gerade um Schauspieler handelt, welche
ihre Gesichtsbewegungen vor dem Spiegel einstudieren, nicht der Fall.
Schliesslich bin ich der Meinung, dass die kinästhetischen Empfin¬
dungen bei allen Gesichtsbewegungen schwächer sind als bei den Ex¬
tremitätenbewegungen (ohne diese Annahme hier näher begründen zu
wollen).
Das Gesagte lässt es erklärlich erscheinen, dass eine verloren ge¬
gangene Facialisbeweglichkeit — besonders beim Rinde — leichter ver¬
loren bleiben kann als eine Extremitätenbewegung. Denn, wenn bei
einer lang andauernden Facialislähmung die — von Hause aus
schwachen — kinästhetischen Empfindungen allmählich verschwinden, so
steht das Individuum viel hilfloser da, als wenn die kinästhetischen
Empfindungen einer Extremitätenbewegung abhanden gekommen sind.
Trotzdem man somit eine ganze Reihe von physiologischen Momenten
zur Erklärung der Akinesie anführen kann, bin ich dennoch nicht recht
befriedigt von allen bisherigen Erklärungsversuchen, weil die Bewegungs¬
vorstellungen, deren Verlust iu letzter Linie für die Akinesie verant¬
wortlich gemacht wird, bei sehr vielen Facialisbeweguogen offenbar keine
Rolle spielen. Denn wir wissen, dass die affektiven Innervationen des
Gesichts ohne MitbeteiliguDg der Rindengebiete vor sich gehen können.
Hr. Toby Cohn: Obwohl die Bemerkungen des Herrn Sobuster
geeignet sind, meine Annahme der psychogenen Entstehung der meta¬
paralytischen Akinesien zu unterstützen, muss ich doch einen Irrtum in
seinen Ausführungen richtig stellen. Der Facialis ist nämlich weder der
einzige Nerv, der bei der Mimik eine Rolle spielt, noch hat er eine aus¬
schliesslich mimische Funktion. Es sind auch im Facialisgebiet sehr
wohl Zweck- und Zielbewegungen vorhanden. Man tut deshalb gut
— wie ich es schon gegenüber Bernhardt betont habe —, die Frage
der mimischen Innervation hier ganz auszuschalten, zumal die indivi¬
duellen, nationalen u. a. Schwankungen im Bereiche der Gesichtsmimik
sehr beträchtlich sind.
Hr. Roth mann betont, dass die Akinesie nach Lähmungen der
Extremitäten doch viel häufiger zu beobachten ist, als es nach den Aus¬
führungen scheinen möchte. Bei Hemiplegien kommt es nicht allzu
selten zu abnorm lange anhaltenden schlaffen Lähmungen, die dann
in zwei bis drei Sitzungen mit Elektrizität oder Uebungstherapie weit¬
gehend gebessert werden, offenbar nur durch Ueberwindung eines
psychischen bewegungshemmenden Faktors. Ganz das Gleiche kann
man aber auch häufig bei poliomyelitiseben Lähmungen feststellen; eine
Reihe von Muskeln zeigen keine oder nur minimale aktive Funktion,
trotz guter elektrischer Erregbarkeit, werden daun aber bei der Uebungs¬
therapie in wenigen Tagen zur Funktion gebracht. Auch die über¬
raschend schnellen Erfolge nach einem operativen Eingriff in dem von
Cohn und Katzenstein hier demonstrierten Fall von spinaler Kinder¬
lähmung hat R. damals bereits auf solche Verhältnisse zurückgeführt.
Hinsichtlich der Akinesie im Facialisgebiet, die ja vorübergehend bei der
Restitution nach Facialislähmung bei völlig wiedergekehrter elektrischer
Erregbarkeit häufig zu beobachten ist, verweist R. besonders auf den
von Saenger mitgeteilten Fall, bei dem eine Frau vom 2.-35, Jahr
nach Ohroperation eine totale rechtsseitige Facialislähmung bei elektrisch
intakter Muskulatur zeigte und dann in 3 Wochen völlig geheilt wurde.
Hr. Toby Cohn: Der von Herrn Rotbmann erwähnte Fall von
Katzenstein und mir gehört nicht hierher. Bei diesem kann von rein
psychischer Wirkung der Therapie darum nicht die Rede sein, weil in
einem Teil der Muskeln die früher nicht vorhandene elektrische Reaktion
nach der Operation wiedergekehrt ist.
Hr. Mendel (Schlusswort) hält gleichfalls den Ausdruck „psychogen“
nicht für glücklich gewählt.
Hr. Rotbmann erwidert Herrn Cohn, dass in dem von Katzen¬
stein operierten Fall keine elektrische Reizung des Plexus brachiatis
bei der Operation vorgenommen worden ist, wie Katzenstein auf die
Anfrage Rothmann’s selbst angegeben hat.
Hr. Kramer stimmt Herrn Rotbmann bei.
Hr. Bon ho eff er fragt den Vortr. im Hinbliok auf den Ausdruck
„psychogene Akinesie“, ob für das Ausbleiben der Willkürinnervationen
nach Restitution des peripheren Neurons intercurrente affektive Momente
heranzuziehen sind. Wenn das nicht der Fall ist, scheint die Wahl des
Ausdrucks „psychogen“ nicht glücklich, sowohl im Hinblick auf den bis¬
herigen Gebrauch des Ausdrucks, als auch weil das Ausbleiben der
willkürlichen Innervationsfähigkeit bei wiedergekehrter normaler Tropbik
und Erregbarkeit in diesen Fällen pathogenetisch doch wohl nichts gemein
hat mit psychischen Vorgängen im engeren Sinne.
Hr. Sohnster: Hierzu möchte ich bemerken, dass ioh einen grossen
Teil der von Herrn Cohn als „Willkürbewegungen“ bezeiohneten Inner¬
vationen nioht als rein willkürlich auffasse. Zum Beispiel stellt das
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UNIVERSUM OF IOWA
1480
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
Mundspitzen beim Pfeifen keine echte Zielbewegung dar, sondern ist
eine anfänglich unbewusste Innervation, welohe unter Zuhilfenahme
des Eispirationsstromes nur den Zweck verfolgt, eine bestimmte
akustische Erscheinung hervorzurufen. Das Mundspitzen beim
Pfeifen entspricht dabei durchaus den Bewegungen des Kehlkopfes und
des Mundes beim Sprechen.
Hr. TobyCohn: Es ist doch nicht zu bezweifeln, dass Lichtaus-
blasen, Pfeifen, Küssen, Augenzudrücken usw. willkürliche, nicht
mimische Bewegungen darstellen. Das Wort „psychogen“ soll bezeichnen,
dass es sich um eine auf dem Wege über die Bewegungserapfindungen
und BewegUDgsvorstellungen zustande kommende Störung handelt. In
meiner mit Frau Emanuel gemachten Publikation haben wir besonders
hervorgehoben, dass dabei nicht an hysterischen Entstehungsmechanismus
zu denken ist. Der Zusatz „nicht hysterisch“ zu „psychogen“ wurde
nur fortgelassen, um den Terminus nicht allzu schwerfällig zu machen.
„Psychogen“ und „hysterisch“ sind aber keine identischen Begriffe.
2. Hr. Schuster: Deber gehäufte postdiphtherische Lähmungen.
Vortr. demonstriert 3 Patienten, Vater, Mutter und 11jährigen Sohn,
welche nach einer vor etwa 3 Monaten überstandenen Diphtherie¬
erkrankung postdiphtherische Lähmungen bekamen. Alle 3 Patienten
wurden mit Seruminjektion (4500 bzw. 1500 I.-E.) behandelt, und bei
der Entlassung wurde eine bakteriologische Untersuchung vorgenommen.
Die Symptome sind in allen 3 Fällen die gewohnten: Parästhesien
in den Fingern und Zehen, ataktische Störungen, Fehlen der Sebnen-
reflexe usw. Der elektrische Befund war im wesentlichen normal.
Die — nur bei dem Vater vorgenommene — Lumbalpunktion ergab
nichts Abnormes. Keine Störungen der Hautsensibilität; die Mutter
hatte ausgeprägte Lagegefühlsstörung an den Füssen.
Die besondere Veranlassung der Demonstration bildet der Umstand,
dass von drei an Diphtherie gleichzeitig erkrankten Individuen alle
drei an neuritischen Erscheinungen erkrankten. Mit der SerumiDjektion
haben die Lähmungen — entgegen der Auffassung der Patienten —
nichts zu tun- (Bekanntlich behaupten amerikanische und französische
Autoren im Gegenteil, dass die Neuritiden bei den ungenügend ge¬
spritzten Fällen zur Entwicklung gelangen.) Nach den neueren Statistiken
sind die postdiphtherischen Lähmungen usw. jetzt gerade so häufig,
wie in der Zeit der Serurabehandlung. In der Literatur ist das gehäufte
Auftreten von Neuritiden nach Diphtherie nur sehr selten beschrieben.
Feilchenfeld hat io einer Familie von 7 an Diphtherie erkrankten
Personen bei 5 Lähmungen auftreten sehen, Kayser hat 3 Kinder einer
Familie an Diphtherie und postdiphtherischen Störungen erkrankt ge¬
funden.
In den vom Vortr. demonstrierten Fällen kann das gehäufte Auf¬
treten der postdiphtherischen Erscheinungen nicht — wie bei Kayser —
in einer durch irgendein Gift (Alkohol) erzeugten allgemeinen nervösen
Schwächung seinen Grund haben. Auch kann eine etwaige familiäre
Disposition nicht zur Erklärung herangezogen werden, da ja Vater und
Mutter erkrankt waren. Schon per exclusionem kommt man deshalb zu
der Annahme einer besonderen, direkt oder indirekt neurotoxischen Ab¬
art des Diphtherievirus. Mit dieser Annahme, welche übrigens auch von
Feilchenfeld in seiner Arbeit gemacht wird, stimmt die verschieden
grosse Häufigkeit der postdiphtherischen Affektionen in den verschiedenen
Epidemien überein.
Die Annahme einer neurotoxischen Modifikation oder Abart des
Virus erklärt am besten die Erfolglosigkeit der Serumbehandlung hin¬
sichtlich der nervösen Erscheinungen.
An dem leicht zu überschauenden Beispiel der Diphtherie exempli¬
fiziert Vortr. schliesslich auf die Verhältnisse der syphilitischen Infektion
und der postsyphilitischen Erkrankungen. Auch hier werden wir uns
der Annahme einer neurotoxischen Abart des Virus gegenüber keines¬
wegs durchaus ablehnend verhalten dürfen.
Diskussion.
Hr. Bernhardt: Dreyfus und Schürer (Med. Klin., 1914, Nr. 23)
haben neuerdings einen Patienten beobachtet, bei dem noch längere Zeit
nach einer akuten Diphtherie Recidive und Verschlimmerungen durch
erneute Giftzufuhr von den Tonsillen her hervorgerufen wurden. Die
bei dem Kranken auftretende Polyneuritis zeigte sich besonders im Be¬
reich der sensiblen Nerven. Durch häufig auftretende Schmerzattacken
wurde sie dem Patienten sehr unangenehm. Da sich noch 3 Monate
nach der Infektion virulente Diphtheriebacillen im Rachenabstrich fanden,
wurde die Tonsillektomie vorgeschlagen und ausgeführt. Nach dieser
Operation trat eine auffallende und rapide Besserung aller Krankheits¬
erscheinungen ein.
Als interessant mag hier noch die Meinung der Verff. erwähnt
werden, dass von den in den Mandeln oder sonstwo im Körper befind¬
lichen Diphtheriebacillen auch noch längere Zeit nach Ablauf der akuten
Erscheinungen Gift produziert und resorbiert werden kann und dass
hierdurch eine Möglichkeit gegeben wird, die Erfolge einer Serum¬
behandlung bei postdiphtherischen Krankheits- und Lähmungserschei¬
nungen zu erklären.
Hr. Schuster (Schlusswort): Der interessante, von Herrn Bern¬
hardt erwähnte Fall scheint mir keineswegs unbedingt gegen die von
mir vertretene Auffassung zu sprechen.
3. Hr. Stier: Juvenile Paralysis agitans. (Demonstration.)
43 jähriger Militärinvalide mit hochgradiger Starre der gesamten
Skelettmuskulatur, Zittern, Unsicherheit beim Stehen, fast völlige Un¬
fähigkeit zu gehen; in den corticospinalen Bahnen keine Störungen,
Sensibilität intakt. Aus den sehr ergiebigen Akten lässt sich zurück¬
verfolgen, dass die Gliederstarre vor der Militärzeit im Sommer 1892
schon in geringem Grade bestanden, dann während der Militärzeit schnell
zugenommen bat, so dass Pat. nach wenigen Monaten entlassen werden
musste, und dass dann die Arbeitsfähigkeit bis zum Jahre 1897 langsam
auf den Nullpunkt gesunken ist. Vortr. glaubt Wilson’scbe Krankheit
wegen des relativ gutartigen Verlaufs und des Mangels einer Leber-
affektion ausschliessen und Paralysis agitans annehmen zu dürfen.
Diskussion.
Hr. Mendel hält nach dem ganzen Verhalten des Pat. und dem
Befunde seitens des Vortr. eine Hysterie für vorliegend. Jede „Paralysis
agitans“ vor dem 40. Lebensjahre lenke den Verdacht auf Hysterie.
Jedenfalls hätte Vortr. die Differentialdiagnose mit der Hysterie in Er¬
wägung ziehen müssen.
Hr. Bonhoeffer: Ich habe aus der Demonstration gleichfalls den
Eindruck eines psychogenen Zustandsbildes bekommen, insbesondere fallt
es mir auf, dass, während bei der durch den Arzt vorgenommenen passiven
Bewegung des Armes des Patienten starke Widerstände vorzuliegen
scheinen, der gebeugte Arm dann später, der Aufmerksamkeit entzogen,
ohne Widerstand der Schwere entsprechend herabsinkt.
Hr. Stier (Schlusswort): Einen rein hysterischen Zustand, mit dem
das Krankheitsbild bei erster Betrachtung grosse Aehnlichkeit hat, halt
Vortr. nach mehrwöchiger Beobachtung des Mannes im Lazarett nicht
mehr für vorliegend. Denn gegen reine Hysterie sprechen aus dem
Symptombild das Fehlen der Sensibilitätsstörungen und das Anhalten
der Starre im Schlaf. Aus den Akten sprechen dagegen die nach¬
gewiesene langsame Entstehung der Starre und des Zitterns vor der
Militärzeit ohne Trauma und ohne nachweisbares gefühlsbetontes Er¬
lebnis, ferner das langsame Absinken der Arbeitsfähigkeit von 1893
bis 1896, das durch amtliche Erkundigungen Jahr für Jahr verfolgt
werden kann; bemerkenswert ist auch, dass Pat. beim Militär nicht auf
eigene, sondern auf Veranlassung seiner Vorgesetzten, denen die Starre
und Schwäche an ihm aufgefallen war, sich krank gemeldet hat und
beim Militär keiuerlei Bemühungen gemacht, eine Rente zu erhalten;
erst als ihm schliesslich in Anerkennung seiner Bedürftigkeit eine Unter¬
stützung bewilligt wurde und seine Arbeitsunfähigkeit ihn in grosse
Notlage brachte, erwachte der Rentenhuoger.
4. Hr. M. Rothmann:
Demonstration inr Ausschaltung der Rinde des Mittellappeis des
Kleinhirns.
Vortr. betont die Fortschritte, die die Rindenlokalisation des Klein¬
hirns in den letzten Jahren gemacht bat. Hinsichtlich der Lokalisation
der Extremitätenfunktion in der cerebellaren Hemisphärenrinde haben
die Ergebnisse des Vortr., vor allem auch in Bezug auf die Lagestörungen
nach bestimmten Richtungen bei partiellen Ausschaltungen der Extremi-
tätencentren, eine erfreuliche Bestätigung durch die Untersuchungen von
Andre -Thomar und Durupt erfahren. Vortr. demonstriert zunächst
das Gehirn eines Hundes, bei dem eine Rindenläsion im vordersten Ab¬
schnitt des Lobus medianus posterior ein 11 Monate angehaltenes Nein¬
schütteln des Kopfes als einziges Symptom ausgelöst hatte. Es handelt
sich, um die klassische Stelle der ersten durch van Rijnberk nachge¬
wiesenen cerebellaren RindeDlokalisation. Vortr. zeigt dann zuerst die
Photographie und die Serienschnitte des Kleinhirns eines Hundes, bei
dem die Totalentrindung des Mittellappens (Lobus anterior und
Lobus medianus posterior) bei intakten Hemisphären und intaktem Kern¬
gebiet im wesentlichen gelungen ist. Der Hund lebte derart 3 1 /* Monate
und zeigte, nachdem er erst nach einem Monat wegen stärkster Asynergie
zum Laufen gekommen war, bis zum Tode ausgesprochene Ataxie am
Kopf, Rumpf und Extremitäten bei Aufhebung des Bellens und cere-
bellarer KehlkopfstöruDg. Die Extremitäten waren weder zu verstellen
noch zu versenken. Die mikroskopischen Kleinhiroschnitte lassen die
völlige Zerstörung der Rinde des Lobus anterior und des Lobus
medianus posterior bis auf Reste der Lingula und des Nodulus erkennen.
Die Kleinhirnhemisphären zeigen im wesentlichen erhaltene Rinde. Die
Masse der Kleinhirnkerne ist erhalten, ebenso die sämtlichen Kleinhirn-
arme. Doch sind die medialen Kleinhirnkerne atrophisch geworden in¬
folge der Abtrennung der Tractus fastigio-bulbares. Während sich hier¬
durch die hochgradige „Asynergie cerebelleuse“ erklärt, hat das Erhalten*
sein der Hemisphärenrinde und der lateralen Kleinhirnkerne inklusive
der vorderen Kleinhirnschenkel das Auftreten von Lagestörungen der
Extremitäten verhindert. Im Vergleich hierzu werden die mikroskopischen
Präparate eines Hundes mit totaler Entrindung einer ganzen Kleinhirn¬
hemisphäre demonstriert bei Intaktsein des Wurms und des medialen
Kleinhirnkerns und massiger Atrophie des lateralen Kleinhirnkerns. Bei
diesem Hunde, der drei Monate die Operation überlebte, bestand stärkste
Lagestörung der gleichseitigen Extremitäten mit positivem Versenkungs¬
versuch ohne ausgesprochene Asynergie.
Indem Vortr. die von Lewandowsky und Simons gegen seine
Kleinhirnuntersuchungen erhobenen Angriffe zurückweist, hebt er die
Bedeutung derartiger ausgedehnter möglichst reiner Entrindungen des
Kleinhirns für das Verständnis der Funktion sowohl der Rinde als auch
der Kerne des Kleinhirns hervor.
5. Hr. Erich Schlesinger:
Demonstration eines Papillenmessapparates.
Nach Besprechung einer Reihe von Problemen, die für die Kon¬
struktion eines objektiv arbeitenden Pupillenmessers wichtig sind (Wahl
der Lichtquelle, Vermeidung des diffusen Zerstreuungslichtes, soharfe
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3, August 1914.
Abbildung desReizliobtea auf der Retina bei allen Refraktionszuständen usw.)
demonstriert der Yortr. zunächst an der Hand einer schematischen Zeich¬
nung das von der Firma Carl Weiss hergestellte Pupillometer, das in¬
sofern eine Verbesserung der bisherigen Modells darstellt, als eine Ein¬
richtung getroffen ist, die es ermöglicht, die Akkommodation des Unter¬
suchten vollständig auszuschalten.
Des ferneren beriohtet der Vortr. über die Resultate der Messung
des Schwellenwertes und des reflexempfindlichen Bezirkes der Retina.
Neu sind seine Erfahrungen über die Ermüdbarkeit des Pupillenreflexes
für weisses Licht und Farben, die den Schluss sulassen, dass die centri-
petalverlaufenden Percepttonsfagern für einzelne Spektralfarben in ge¬
trennten Bündeln verlaufen.
6. Hr. Borehardt:
Denoistration: Timor des oberste! Halsiiarkes.
Bei dem in der letzten Sitzung demonstrierten Patienten, bei dem
ein Tumor des oberen Halsmarkes angenommen worden war, ist die
Laminektomie in der Höhe des 2. bis 5. Halswirbels vorgenommen worden,
aber ohne dass ein Befund erhoben werden konnte. Der Erfolg der
Operation bestand lediglich darin, dass die heftigen Nackenscbmerzen
sich erheblich besserten, im übrigen aber verschlechterte sioh die Krank¬
heit zunehmend und rapide. Bei der Autopsie fand sich ein Tumor —
histologisch ein Fibrom — innerhalb der Schädelhöhle, der auf das
oberste Halsmark von rechts her drückte. Der Tumor liess sioh am
Präparat sehr leicht herauslösen und lag nicht in der Substanz des
Nervensystems. Offenbar ging er von austretenden Nervenfasern aus;
an welcher Stelle, war nicht festznstellen, weil das Präparat in toto er¬
halten bleiben sollte und deshalb nicht bis in alle Details inspiziert
werden konnte. Ein Teil der klinischen Symptome ist durch den ana¬
tomischen Befund erklärt. Ungeklärt bleibt aber die Tatsache, dass der
Deltoideus und Supra- und Infraspinatus der rechten Seite atrophisch
waren, während andererseits das Zwerchfell gut funktionierte. Auch
das Intaktbleiben der kleinen Halsmuskeln findet durch den anatomi¬
schen Befund keine ausreichende Erklärung.
Diskussion.
Hr. M. Roth mann fragt zunäohst an, ob bei dem hohen Sitz des
Tumors, der ja bis zur Medulla oblongata zu reichen soheint, keine
Storung der Stimme oder der Kehlkopfinnervation zu beachten war. Da
Yortr. bei Läsionen im 1. Cervicalsegment experimentell solche Störungen
häufig beobachten konnte, so wäre eine solche Feststellung eventuell für
die Lokaldiagnose von Bedeutung. Besonders auffällig aber in dem vor¬
liegenden Fall ist das Fehlen einer Störung der Zwerchfellinnervation.
Da die Atembahnen im oberen Cervicalmark an der Peripherie des Vorder¬
seitenstranges verlaufen, so müsste ja ein Tumor von dem Sitz, wie er
hier demonstriert wurde, einen direkten Druck auf dieselben ausüben.
Hr. Henne borg: Auch bei sorgfältiger Präparation bleibt es in
derartigen Fällen von parabulbären Neurofibromen — diese Benennung
dürfte am zweckmässigsten sein — oft ungewiss, von welcher Nerven¬
wurzel der Tumor ausgeht. Die Geschwülste gehen von einem Primitiv¬
bündel der Wurzel aus, dieses wird bei weiterm Wachstum der Ge¬
schwulst gedehnt und zerreisst. Die Tumoren können dann ohne er¬
kennbaren Zusammenhang neben der Medulla obl. liegen. Auch bei
den AcusticusgeschWülsten (Kleinhirnbrückenwinkeltumoren) bleibt es
bisweilen unsicher, ob die Geschwulst tatsächlich vom Acustious ausgeht.
7. Hr. Bonhoeffer: Kleiihiribefand bei Delirium tremeis.
Es werden ausgesprochene Marchidegenerationen im Marklager
desKleinhirnwurmes bei Delirium tremens demonstriert. Klinisch
hatte es sich um die Kategorie von Delirium tremens gebandelt, bei
welcher eine von dem Vortr. früher genauer beschriebene Störung der
Orientierung über die Stellung des Körpers im Raum und beim Auf-
jtellen auf die Beine ein Bild der Asynergie cdrebelleuse vorliegt. Vortr.
hat auf diese Prädilektion des Kleinhirns und speziell des Kleiohirn-
^jrms in der pathologischen Anatomie des Delirium tremens Vorjahren
schon hingewiesen und zugleich auch die Beziehung des anatomischen
Befundes zu der eigenartigen cerebellar aussehenden Desorientierung in
brwagung gezogen. Der Befund ist späterhin auch von anderer Seite,
von Alzheimer und Kürbitz, bestätigt worden. Der Vortr. hält es
für erlaubt, ihn wieder einmal zu demonstrieren, weil er den Eindruck
hat, dass die Befunde schwerer anatomischer Veränderungen beim Delirium
tremens seltener geworden sind als früher. Wie das Delirium überhaupt
m Häufigkeit abnimmt (vgl. die Untersuchungen Jeske’s), so scheint
es dass der delirante Prozess selbst leichter wird und seltener
zum Korsakoff und zum Tode führt. Es ist möglioh, dass neben dem
auckgang des Sohnapskonsums auch die Zusammensetzung des Schnapses
eine andere weniger deletäre geworden ist, insofern die schädlichen
höheren Alkohole aas dem Triukschoaps sorgfältiger ausgesohiedeo werden.
Diskussion.
p . ~_ r * Rothmann: Da der bei den Delirauteu vom Vortr. erhobene
ernnd einer Degeneration im Mittelteil des Kleinhirns mit der Asyuergie
cerebelleuse zusammeofällt, so wäre es natürlich von grossem Interesse
*u wissen, ob in diesen Fällen der Bäräny’sche Zeigeversuch ent¬
sprechend dem normalen Befund der Kleinhirnhemisphäre intakt war.
wenn auch ein Teil der Befunde des Vortr. vor der Einführung dieser
otersuchungsmetbode erhoben ist, so liegen vielleicht doch neuere
«Pachtungen na °b dieser Richtung vor.
., .“ r * Bonhoeffer (Schlusswort): Im vorliegenden Falle ist auf Bäräuy
moht untersucht worden.
Berliner mikrobiologische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 11. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Löffler.
Schriftführer: Herr Friedberger.
Tagesordnung.
1. Hr. Leoaor Michaelis:
Weitere Untersichnngei über Agglntiaiie md über Säore-
agglntiiation.
a) Die Säureagglntination der Typhusbaoillen.
Sgalitzer hat den Ein wand gemacht, dass das vom Verf. auf¬
gestellte Gesetz der Säureagglutination, dass das Optimum derselben nur
von der Wasserstoffionenkonzentration abhänge, nur für die organischen
Säuren, nicht für HCl gelte. Es wird nun gezeigt, dass dieses Gesetz
auch für HCl gilt. Mau muss der HCl, um Agglutination zu erreichen,
ein wenig ClNa zufügen, und die [H*j darf nicht berechnet, sondern
muss elektrometrisch gemessen werden, weil die Berechnung der [H‘]
wegen der hohen Verdünnungen derselben und der unvermeidlichen Ver¬
unreinigungen illusorisch ist.
b) Die Agglutination des Bact. coli durch Menschen¬
serum.
Jedes Menschenserum agglutiniert Bact. coli bis zu einem Titer von
1:3000 oder etwas mehr, wenn man die Agglutination bei einer Wasser-
stoffionenkonzentration zwischen 10— 5 and 10~ 4 n vor sich gehen lässt.
Die verschiedenen Sera, selbst die von Typhuskranken, verhielten sioh
gleich; die Agglutinabilität verschiedener Colistämme schwankte in
engen Grenzen. Es dürfte sich nicht um einen spezifischen Antikörper
im biologischen Sinne handeln, sondern um die gegenseitige Fällung
eines eiweiss- und nuoleoproteidartigen Körpers.
Auoh die Säureagglutination der Typhus- und Paratyphusbacillen
wird in bezug auf ihr Optimum durch Gegenwart von Serum, Gelatine
u. a. verschoben.
Diskussion.
Hr.Lentz fragt, ob die Säureagglutination praktisch zur Identifizie¬
rung schwer agglutinabler Typhustämme verwandt worden ist.
Hr. Michaelis: Der richtige Ausfall der Säureagglutiuation hat
sich durchweg als ein sicheres Kriterium des Typhusbacillus erwiesen.
Ich habe eine einzige Ausnahme erlebt: aus den Faeces eines vor drei
Jahren an Typhus erkrankt gewesenen Mannes Hessen sich zu wieder¬
holten Malen sonst typische Colibacillen züchten, die aber das Säure-
agglutinationsoptimum des Typhusbacillus gaben. Spezifische Serum¬
agglutination gaben die Bacillen nicht. Beim Weiterzüchten gab ein
Stamm diese Eigenschaft bald wieder auf, ein zweiter hat sie bis jetzt
(etwa 8 Wochen lang) bewahrt.
Hr. Lentz: Die eben erwähnte Erscheinung erinnert sehr an die
Paragglutination aus Coli- und Typhusstühlen. Auch das sohnelle Ver¬
schwinden der Säureagglutination bei diesem Coli entspricht ganz der
Paragglutination, die ja auch nach wenigen Ueberimpfungen verschwindet.
Die Beobachtung von Michaelis ist meines Erachtens ausserordentlich
interessant.
Hr. Löffler fragt, wie die Reaktion bei nahe verwandten Bakterien¬
arten verläuft. Zum Beispiel bei den Vertretern der Fleischvergiftungs¬
gruppe.
Hr. Michaelis: Auch bezüglich der Säureagglutiuatioo gibt es
leicht- und schweragglutinable Stämme. Diese Eigenschaft geht oft,
aber nicht ganz regelmässig parallel mit der spezifischen leichten oder
schweren Agglutinabilität. Sofern die Säureagglutination überhaupt noch
erkennbar ist, ist Schweragglutinabilität keine Erschwerung der Diagnose,
sondern eher eine Erleichterung, weil das Optimum der Säureaggluti-
oation dann eher noch schärfer ausgeprägt wird. Dies ist ein Unter¬
schied gegen die spezifische Agglutination urd hat praktische Bedeutung.
Eine zweite praktische Bedeutung liegt darin, dass eine grosse Gruppe
vor paratyphus- und paracoliähnlichen Bakterien gemeinschaftlich vom
Bact. coli durch ihr gemeinsames Säureagglutiuationsoptimum bei 16 bis
32.10-« erkannt werden kann, während bisher ihre Zugehörigkeit zu
dieser Gruppe nur durch Anstellung zahlloser spezifischer Agglutinations¬
proben mit den einzelnen Imraunseren erkannt werden kann. Es ist
deshalb ratsam, dieses gemeinschaftliche Säureagglutinationsoptimum als
eine Gruppencharakterisierung zu verwenden, denn es scheint die kon¬
stanteste gemeinsame Eigenschaft zu sein. Das echte Bact. coli ist über¬
haupt nicht säureagglutinabel.
Hr. Poppe: Es ist die Frage angeschnitten worden, ob mittels der
Säureagglutination die kulturell mit der Paratyphusgruppe überein¬
stimmenden Stämme, die jedoch von spezifischen Sera nicht agglutiniert
werden, differenziert werden können. Frühere von mir im Kaiserlichen
Gesundheitsamt angestellte und auf der letzten Tagung der Freien Ver¬
einigung für Mikrobiologie bereits bekanntgegebene Versuche haben nun
gezeigt, dass eine Trennung der Paratyphus B- und Paratyphus B-
ähnlichen Bacillen mittels der Säurefällung bis zu einem geringen Grade
möglich ist. Während die Bakterien der Paratyphus B-Gruppe (Bacillus
paratypbi B, suipestifer, psittacosis, typhi muriuml, ebenso wie die Mehr¬
zahl der Gärtnerbacillen einer [H'J von 16—32.10~* gefällt werden,
werden Paratyphus B-ähuliche Stämme (Blaustämme aus Fleisch, die
sogenannten Dahlemstämme und aus gesunden Kälbern gezüchtete
Stämme), die darob spezifisohes Serum nicht agglutiniert werden, durch
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Säure nicht beeinflusst. Bemerkenswert war jedoch, dass die Kälber¬
ruhrstämme, die sogenannten Voldagsen- und Glässerstämme und der
Paratypbus C bei der gleichen [H*] gefällt werden wie die echten Para¬
typhus B-Baoillen. Es scheint somit, dass die aus kranken Menschen
und Tieren gezüchteten Paratyphus B- und ähnlichen Stämme das gleiche
Fällungsoptimum haben (16—32.10“*), im Gegensatz zu den sapro-,
phytischen Stämmen, die durch Säure nicht beeinflusst werden.
Beiläufig ist noch zu erwähnen, dass die den Paratyphusbakterien
(Salmonellagruppe) nicht zu fernstehenden Bacillen der hämorrhagischen
Septikämie (Pasteureliagruppe) mittels der Säureagglutination ebenfalls
in zwei Gruppen getrennt werden können: Geflügelcholera-, Schaf- und
KanarienseptikämiebaoiUen werden durch Säure nicht beeinflusst,
während der Bao. suiseptious bei einer [H.] = 8.10~ 5 ausgefällt
wird.
2. Hr. R. Otto: Ueber Antianaphylaxie.
Vortr. berichtet über Versuche, die (absichtlich künstlich erzeugte)
Antianaphylaxie (d. b. die nach Injektion bestimmter Serumdosen
bei überempfindlichen Individuen folgende Unempfindlichkeit gegenüber
dem injizierten Antigen) als Prophylacticum gegen den ana¬
phylaktischen Shock zu benutzen. Bereits von verschiedener Seite
(Neufeld, Besredka, Doerr, Friedberger usw.) ist vorgeschlagen,
die Antianaphylaxie zu diesem Zwecke auch beim Menschen zu ver¬
wenden, besonders dann, wenn intravenöse oder intraspinale Serum-
iDjektionen vorgenommen werden sollen.
Auf Grund der vorliegenden Erfahrungen, vor allem der Studien
von Pirquet’s und Schick’s und der Ergebnisse der Laboratoriums¬
untersuchungen hielt man bisher fast allgemein nur die wiederholte
Injektion des Heilserums auch beim Menschen für gefährlich. Es zeigt
sich aber heim Studium der „Serumkrankheit“, dass die schwersten Zu¬
fälle (Todesfälle) häufiger bei Personen Vorkommen, die bis dahin nicht
mit Serum behandelt sind. Die Ursache dieser Ueberempfindlichkeit
„Erstinjizierter“ ist noch nicht genügend geklärt. Nach Ansicht des
Vortr. darf man auf Grund von experimentellen Erfahrungen (Heil ner,
Uhlenhuth und Händel, Hailer, Steffenhagen, Clou gb,
Billard und Barbes, Zunz, Wels und Osborne, Bürger) an-
nehmeD, dass es sich hierbei nicht notwendig um eine voraufgegangene
spezifische Sensibilisierung durch Pferdeeiweiss handeln muss. Die
Ueberempfindlichkeit kann sehr wohl durch heterologes Ei weiss erzeugt
und unspezifisch sein. Es sind daher auch nach der Applikation von
Schaf- oder Rinderserum solche Zufälle nicht auszuschliessen. Neben
der auf isopathischer Disposition beruhenden Ueberempfindlichkeit gegen
Pferdeserum sei auch mit dem Vorkommen von Uebererapfindlichkeits-
erscheinungen bei Leuten mit idiopathischen Dispositionen zu rechnen
(siehe v.Bebring’s Einteilung der verschiedenen „Dispositionen“). Leider
besitzen wir noch keine Methode, welche in kürzester Zeit die Diagnose
auf das Vorliegen einer solchen idio- oder isopathischen Disposition ge¬
stattet. Andererseits ist aber bei Erkrankungen häufig die möglichst
schnelle Serumanwendung dringend erforderlich.
Die bisherigen Erfahrungen mit der Antianapbylaxie als Schutz¬
mittel gegen die Anaphylaxie sind nicht ungünstig, und die Erfolge
lassen sich sogar z. B. bei Laboratoriumsversuchen sehr günstig ge¬
stalten. Allerdings sind die im Laboratorium brauchbar befundenen
Methoden (z. B. die von Priedberger) in der Praxis beim Menschen
kaum anwendbar; auch müssen alle die Verfahren für die menschliche
Prophylaxe fortfallen, die sich nicht der subcutanen (oder intracutaneü)
Injektion bedienen. Aber gerade bezüglich der nach dieser Methode zu
erwartenden Schutzwirkung liegen wenig experimentelle Untersuchungen
vor. Daher schwanken auch die Angaben über die beim Menschen an¬
zuwendenden Serumdosen. Aus diesen Gründen hat Vortr. in Gemein¬
schaft mit Dr. Hoefer nach dieser Richtung hin erneute, umfangreiche
Versuche angestellt.
Auf Grund der bisher vorliegenden Erfahrungen blieb dabei zu be¬
rücksichtigen, dass es vereinzelte hocbüberempfindliche Menschen gibt,
für die selbst die subcutane Injektion von einigen Zentimetern Serum
lebensgefährlich sein kann. Es war daher in erster Linie zu prüfen, ob
sich auch durch geringe Antigendosen (bis 1 ccm Serum etwa) im Tier¬
versuch genügende „Antianaphylaxie“ erzeugen lässt. Um den er¬
langten Schutz zu messen, wurden möglichst schwere Versuchsbedin-
gungen gewählt (Verwendung der mehrfach tödlichen Serumdosis und
intravenöse Applikation des Serums).
Wie die Versuche ergaben, gelingt es tatsächlich, durch subcutane
Injektionen von 0,5 bis 1,0 ccm Serum beim überempfindlichen Meer¬
schweinchen eine hochgradige Unempfindlichkeit zu erzielen, die
etwa naeh 3—4 Stunden einsetzt. Bei besonders stark empfindlichen Tieren
gelang durch diese Dosis allerdings keine völlige Beseitigung des Shocks,
aber doch die Abwendung des Exitus. Die intravenöse Injektion erwies
sich auch bei diesen Versuchen als wenig brauchbar, weil sicher
schützende Dosen der tödlichen Serumdosis sehr nahe kamen, abgesehen
davon, dass die individuelle Empfänglichkeit der überempfindlichen Meer¬
schweinchen gegenüber Pferdeserum bei der intravenösen Reiojektion oft
schwankte. Der subcutanen Injektion wird von dem Vortr. auch deshalb
der Vorzug gegeben, weil die bei überempfindlichen Menschen auftretende
sofortige „lokale“ Reaktion auf das Vorliegcn von hochgradiger Ana¬
phylaxie aufmerksam machen kann. Aus diesem Grunde ist die sub¬
cutane Methode auch der intramuskulären überlegen. Neben der sub¬
cutanen leistete die intracutane Methode gute Dienste.
Zur Vermeidung der Serumkrankheit — speziell der schweren
Zufälle — beim Menschen empfiehlt der Vortr., ganz generell in der
Weise vorzugehen, dass man bei Injektionen zu Heilzwecken, wenn die
klinischen Erscheinungen es gestatten, zunächst immer nur 0,5 bis
1,0 ccm Heilserum „subcutan“ injiziert und nach mehreren Stunden
(eventuell am nächsten Morgen) die weitere Seruminjektion folgen lässt
Handelt es sich um „Reinjizierte“ oder um Personen, die an asthmatischen
Beschwerden, Idiosynkrasien usw. leiden, so ist dieses Verfahren unter
allen Umständen geboten; ebenso dann, wenn die Injektion grosser
Serumdosen oder die intravenöse bzw. intraspinale Applikation des
Serums beabsichtigt ist. Für die prophylaktischen Schutz¬
impfungen mit Diphtherieserum bei Gesunden in der Umgebung
Kranker spielt die Gefahr der Serumkrankheit keine Rolle. Da für der¬
artige Injektionen 100—250 Immunitätseinheiten nach den vorliegenden
Erfahrungen genügen, so kommt man beim Menschen mit so geringen
Serumdosen aus, dass keine ernsteren Störungen zu erwarten sind (0,2 bis
0,5 ccm eines 500 fachen Serums).
Im Vergleich zum Nutzen der Schutzimpfung ist der Gefahr einer
leichten Serumkrankheit keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen 1 ).
Vortr. berichtet dann noch kurz über experimentelle Versuche, durch
die gleichzeitige Injektion von Adrenalin eine lokale Kontraktion der
Capillargefässe und damit eine Verlangsamung der Serumresorption und
eine Abschwächung der anaphylaktischen Erscheinungen zu erzielen.
Die Versuche fielen ungleiohmässig aus. (Verschiedenheit der Präparate?)
Weiter hat er das von der Firma E. Merck zu prophylaktischen In¬
jektionen neu eingeführte Oeltrockenserum und ein ihm von
Dr. B lumenthal - Moskau zur Verfügung gestelltes sogenanntes „ge¬
reinigtes“ Serum auf ihre anaphylaxieauslösenden Eigenschaften an
überempfindlich gemachten Meerschweinchen geprüft.
(Die Arbeit erscheint ausführlich an anderer Stelle.)
Diskussion.
Hr. Friedberger: Die umfassenden Versuche, über die uns Herr
Otto berichtet hat, zeigen erneut, wie regelmässig man Tiere anti-
anaphylaktisch machen kann. Allerdings ist in den Versuchen, deren
Tabellen hier projiziert worden sind, der Grad der Antianaphylaxie ein
relativ geringer gewesen. Es liegt das daran, dass entsprechend der
praktischen Fragestellung keine sehr grossen Dosen und diese noch sub¬
cutan verwandt wurden, und dass die Injektion auf Prüfung der Anti¬
anapbylaxie schon nach kurzem Intervall erfolgte.
Nach der von mir aufgestellten Theorie beruht die Antianaphylaxie
auf einer Absättigung der Antikörper durch das in untertödlicher Dosis
eingespritzte Antigen. Ich habe deshalb auch diese „Anaphylaxie
refracta dosi“, wie ich die Antianaphylaxie bezeichnet habe, als streng
spezifisch befunden, was experimentell auch von Weil und Cooa be¬
stätigt wurde. Das leugnete Bessau früher auf Grund unzulänglicher
Versuche aber auch wieder in einer jüngst erschienenen Arbeit. Er
begeht jedoch auch jetzt den prinzipiellen Fehler, dass er die Anti-
anapbylaktisierung nicht richtig ausführt.
Um die notwendige Absättigung der Antikörper zu erzielen, muss relativ
viel Antigen zugeführt werden. Wenn man wie dieser Autor das Serum intra¬
venös gibt, so kann man das aktiv präparierte Meerschweinchen überhaupt
nicht ordentlich antianaphylaktisch machen, weil in Anbetracht der
hohen Empfindlichkeit der präparierten Tiere die Dosis minima tolerata
viel zu klein ist. Man muss, wie das von mir und meinen Mitarbeitern
früher bereits geschehen ist, subcutan oder am besten intraperitoneal
präparieren. Dann erreicht man bequem eine 100 mal so starke Ab-
sättigung als bei dem für die Antianaphylaktisierung ganz ungeeigneten
Verfahren der intravenösen Antigenzufuhr.
Sodann hat Bessau noch den Fehler begangen, zur gemischten
Präparierung neben einem ungiftigen ein hocbgiftiges (Rinder-) Serum
zu benutzen, wobei in seinen Versuchen die normale Toxizität bei etwas
grösseren Dosen interferiert. Gleichwohl tritt auch bei dieser unzweck¬
mässigen Versuchsanordnung die Spezifizität der Antianaphylaxie zutage,
und zwar in noch höherem Grade, als es aus Bessau’s Berechnung
selbst zahlenmässig hervortritt (er hat die tödlichen Dosen des Rinder¬
und Pferdeseruma für die gemischt präparierten Tiere nicht richtig be¬
rechnet). Es muss also an der Spezifizität der Antianaphylaxie ent¬
sprechend ihrem Entstehungsmodus festgehalten werden.
Nun haben wir in der jüngsten Zeit ein anderes Phänomen, das
mit der Antianaphylaxie gewisse Aehnlichkeit hat, aber wohl als Resistenz
in meinem Sinne aufzufassen ist, näher untersucht.
Bei dem Bestreben, das noch am wenigsten geklärte Phänomen,
nämlich das zeitliche Intervall in der passiven Anaphylaxie, näher zu
erforschen, haben wir uns die Frage wieder vorgelegt, die ich schon vor
Jahren diskutiert habe, dass vielleicht das Kanincbeneiweiss des prä¬
parierenden Serums an dem Intervall schuld sei. Ich hatte die Vor¬
stellung, dass dieses Eiweiss erst ausgesohaltet sein müsse, ehe die
gleichzeitig injizierten Antikörper mit dem nach gespritzten Antigen in
Aktion treten könnten. Tatsächlich gelingt es nun auch, bei passiv
präparierten Meerschweinchen, die etwa 24 Stunden nach der Antiserum¬
zufuhr vorhandene maximale Ueberempfindlichkeit wieder auszulöschen
durch die Injektion von aktivem oder inaktivem Normalkaninchenserum.
(Vgl. auch die Versuche von Weil.)
1) Siehe auch Verhandlung des Internationalen Hygienekongresses 1903
sowie die Berichte von Geheimrat Gaffky und Heubner.
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3. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Nach umfassenden Untersuchungen, die ich zusammen mit Fräulein
S. Hjelt-Helsingfors ausgeführt habe, gelingt es 24 Stunden nach der
passiven Präparieruog durch Injektion von 1,0 aktivem oder inaktivem
Normalkaninchenserum, die passive Anaphylaxie gegenüber Hammel-
eiweiss innerhalb einer Stunde aufzubeben (Prüfung meist mit lOfachem
Multiplum der tödlichen Dosis). Diese Resistenz dauert wenigstens
24 Stunden. Die die Anaphylaxie auslösende Wirkung kommt auch dem
Hammelserum in gleicher Weise gegenüber Antipferdeserum zu, dagegen
haben wir sie gegenüber Antikatzenserum vermisst. Das Kaninchenserum
dagegen löscht sowohl die passive Antikatzenserum- wie Antipferde-
serumanapbylaxie aus.
Wir haben nun diese Versuche auch auf die aktive Anaphylaxie
ausgedehnt und dabei das gleiche gefunden. Das Kaninchenserum löscht
hier bei hochgradig gegen Hammeleiweiss überempfindlichen Tieren bei
intravenöser Zufuhr in Dosen von 1 bis 0,2 die Anaphylaxie aus; 1,0 aktiven
Kaninchenserums wirkt unter Umständen sofort, jedoch nicht so prompt
wie bei mit Hammelserum präparierten Tieren, bei mit Pferdeserum prä¬
parierten. Die auslösohende Wirkung dauert wenigstens 15 Stunden. Sie
kommt dem Kaninchenserum nicht in gleicher Weise zu, wenn es mit
dem Antigen der Reinjektion gemischt gegeben wird. Pferdeserum,
Hühnereiweiss, Menschenserum und Meerschweinchenserum besitzen unter
Bedingungen, in denen das Kaninchenserum die aktive Anaphylaxie
gegenüber Hammelserum aufhebt, keinen Effekt.
Bei mit Pferdeserum aktiv präparierten Meerschweinchen besitzt das
Kaninchenserum bei intraperitonealer Applikation zunächst keine aus¬
löschende Wirkung. In geringerem Grade scheint sie sich nach 48 Stunden
geltend zu machen.
Herr Otto hat dann noch auf meine Methode zur Verhütung der
Anaphylaxie bei SerumiDjektion hingewiesen. Ob und inwieweit die
Methode der langsamen Injektion, wie ich sie mit Mita angegeben habe,
in die Klinik Eingang gefunden hat, darüber habe ich keine Erfahrung.
Im Laboratorium und bei der Gewinnung von Antiseris am Tier ist sie
jedenfalls mit Erfolg vielfach benutzt worden. Ich halte sie auch für
durchaus anwendbar in der Klinik, zumal sie bei richtiger Handhabung
die therapeutisch ja viel wirksameren intravenösen Seruminjektionen
ohne Gefahr ermöglicht. Die Kältemethode, die ich mit Kumagai an¬
gegeben habe, ist ja wohl nur vom theoretischen Gesichtspunkte aus
beachtenswert, weil sie eben ein Beweis für die Intervention des Kom¬
plements darstellt und das Ausbleiben der Ueberempfindlichkeit bei
ungenügender Komplementfunktion zeigt. Es könnte aber Fälle geben,
wo man sie immerhin auch in der Praxis versuchen dürfte.
Was die Adrenalinversuche des Herrn Otto anlaogt, so stellen sie
ja eine teilweise Bestätigung der unter meiner Leitung von Galambos
ausgeführten Experimente dar. Vielleicht beruht das negative Ergebnis
in einer Versuchsreihe tatsächlich auf der bekannten leichten Zersetzlich¬
keit des Präparats.
Hr. Friedemann glaubt nicht, dass die Versuche Friedberger’s
ausreichen, das Latenzstadium bei der passiven Anaphylaxie zu er¬
klären, da dieses auch bei der Uebertragung von Meerschweinchenserum
zur Beobachtung kommt.
Hr. Aronson: Die primäre Giftigkeit des Pferdeserums für
Menschen scheint mir nicht so gross zu sein, wie Herr Otto annimmt.
Ein Teil der bekanntgewordenen Todesfälle, speziell der Fall Langer-
hans, sind sicher nicht dem Serum zuzuschreiben.
Die Giftigkeit des Pferdeserums ist nicht allein durch ein anaphy¬
laktisches Toxin zu erklären. Es gibt noch im Serum schädlich wirkende
Körper, die direkt nichts mit Anaphylaxie zu tun haben. So habe ich
*• B. beobachtet, dass die primäre Giftigkeit für Menschen nicht allein
von einer besonderen Disposition der Kranken herrührt, sondern dass
das Serum bestimmter Pferde für alle Individuen toxischer ist als
das Serum anderer. Speziell dem Serum schwarzer Pferde (Rappen)
kommt, wie ich gefunden habe, im allgemeinen eine erhöhte Giftigkeit,
die sich in gehäuftem Auftreten von Urticaria, Gelenkerscbeinungen
aussert, zu. Ich habe daher früher zur Serumgewinnung für thera¬
peutische Zwecke nur möglichst helle Pferde verwendet.
Hr. Friedberger: Zu den Ausführungen des Herrn Friedemann
möchte ich noch bemerken, dass wir mit unseren Versuchen ja nicht das
Latenzstadium bei der passiven Anaphylaxie erklären oder gar restlos
erklären wollten. Bei den zur Analyse dieser Tatsache angestellten Ver¬
suchen haben wir unter anderem auch nach der angegebenen Richtung
gearbeitet und die vorerwähnten Resultate erhalten, die vielleicht mit
dem Lateozstadium Zusammenhängen.
Hr. Otto (Schlusswort): Gegenüber den Bemerkungen des Herrn
Friedberger möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass für unsere
Untersuchungen nur die subcutane (bzw. intracutane) Reinjektion in
Frage kommen konnte, weil sie die einfachste und ungefährlichste ist.
Hass man mit anderen Methoden (z. B. intravenös und intraperitoneal)
schnellere und höhere Grade der Antianaphylaxie im Tierexperiment
ornelen kann, war uns nicht unbekannt.
Was die Schutzwirkung des normalen Kaninchenserums anbetrifft,
so habe auch ich die gleiche Beobachtung gemacht und zwar bei Ge¬
legenheit von Versuchen, welche von mir ausgeführt sind zur Analyse
des von Loeffler jun. beschriebenen Phänomens. Bekanntlich hat
Loeffler gezeigt, dass nach der intraperitonealen Injektion eines hämo¬
lytischen Systems bei intraperitoneal sensibilisierten Tieren kein Sbock
Antritt, wenn man die Tiere eine Stunde später intraperitoneal mit dem
Antigen reinjiziert. Loeffler führt diese Erscheinung auf Komplement¬
mangel zurück, da er nacbweisen konnte, dass durch die Hämolyse das
Komplement in der Bauchhöhle der Tiere aufgebraucht wurde. Nach
unseren bisherigen Versuchen ist der Komplementschwund nicht das
ausschlaggebende. Das Ausbleiben des anaphylaktischen Shocks ist
vielmehr auf eine Form von Antianaphylaxie zurückzuführen, für deren
Entstehung mehrere Faktoren in Frage kommen dürften. Bei diesen
Versuchen zeigte sich nun, dass auch normales Kaninchenserum allein
und ebenso unter gewissen Bedingungen bestimmte Immunserum vom
Kaninchen einen aspezifischen (vorübergehenden) Schutz bei über¬
empfindlichen Meerschweinchen auszuüben vermögen. Da unsere Ver¬
suche, denen vielleicht eine grosse praktische Bedeutung zukommt, noch
nicht endgültig abgeschlossen sind, möchte ich heute nicht näher auf
dieselben eingehen, sondern behalte mir vor, später auf dieselben zu¬
rückzukommen.
Herrn Aronson gegenüber möchte ich bemerken, dass auch wir
daran gedacht haben, ob nicht für die Auslösung der „Serumexantheme*
beim Menschen ausser dem Eiweiss noch andere Stoffe im Heilserum ver¬
antwortlich zu maebeD sind. Ich selbst habe früher mehrfach Sera, die
verhältnismässig viel Exantheme gemacht hatten, nach dieser Richtung
hin untersucht, ohne dass es mir damals gelungen ist, festzustellen,
welche Stoffe hierbei noch mitspielen können.
3. Frau Liechtenstein:
Heber die Differenziernng einzelner Hefearten mit Hilfe spezifischer
Agglutinin«.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Löffler fragt an über die Möglichkeit, verschiedenfarbige Hefen
zu differenzieren.
Hr. Lange: Aus den interessanten Versuchen der Frau Liechten¬
stein ergibt sich, im grossen und ganzen, dass durch die Agglutination
die zwei Gruppen der ober- und der untergärigen Hefen getrennt werden
können. Es drängt sich der Gedanke auf, ob niobt bei der Immuni¬
sierung der Kaninchen gewisse eiweissartige Umsetzungsprodukte aus
dem Nährmedium oder Zerfallsprodukte der Hefezellen das wirksame
Agens darstellen. Der chemische Vorgang ist, wenn auch vielleicht
nur in bezug auf Einzelheiten, ein verschiedener, je nachdem untergärige
oder obergärige Hefe in Wirkung tritt. Es wäre vielleicht von Interesse
zu prüfen, ob durch wiederholte Injektion von gewaschenen Hefe¬
zellen Sera gewonnen werden, die andere Eigenschaften zeigen. Ich
möchte hiermit nur eine Vermutung ausgesprochen haben, zu der ich
dadurch komme, dass frühere Untersucher Agglutinine gegen Hefe
überhaupt nicht oder wenn, dann nur solche, die gar keine Differenzierung
der Hefearten gestatteten, gefunden haben.
Berliner Gesellschaft fttr Chirurgie.
Sitzung vom 27. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Körte.
Schriftführer: Herr Riese.
1. Hr. Dö’nitz:
Demonstration eines Präparates von Mediastinaleyste.
Es handelte sich um einen Patienten, der 1906 mit Hustenreiz und
Atemnot erkrankte, bei dem 1909 das Röntgenbild einen Schatten hinter
dem Sternum ergab, und bei dem 1912 durch Punktion neben dem
Sternum eine erst hellgelbe, später kaffeebraune Flüssigkeit punktiert
wurde. Es bestand hochgradige Cyanose, der Thorax war fasslörmig er¬
weitert. Operation: Es wurde ein mehrere Centimenter grosses quadra¬
tisches Stück des Sternums herausgemeisselt, und versuobt, aus dieser
Oeffnung den Tumor herauszuziehen; da aber die Vena anonyma mit¬
folgte, wurde die Mediastinaleyste (um eine solche bandelt es sich) er¬
öffnet und in den Wundrand eingenäht. Nach anfänglicher Besserung
erfolgte in kurzem der Tod unter zunehmender Atemnot. — An einem
Modell demonstriert Vortr., dass nach Eröffnung der Cyste' der intra-
thoracale Druck derart verändert wurde, dass die Lunge nicht mehr
atmete, und schlägt vor, in solchen Fällen durch eine Gummiplatte die
Cystenöffnung zu verschliessen. — Aanatomisch handelte es sich um
eine Dermoidcyste.
Diskussion.
Hr. A. Fraenkel berichtet über zwei Dermoidcysten des Mediastinums,
die er im Urbankrankenhause beobachtete: 1. Bei einem 12 jährigen
Jungen (Dämpfung hinter und neben dem Sternum), Punktion ergab
einen emulsiven Fettbrei. Exstirpation der Cyste durch Herrn Körte.
Tod nach 2 Jahren an Tuberkulose. 2. Bei einer Dame ergab sich vor
8 Jahren eine Dämpfung, Schatten im Röntgenbild. Differentialdiagnose
zwischen Struma retrosternalis und Dermoidcyste des Mediastinums.
Von Kocher wurde später von der Fossa supraclavicularis dextra aus
die Cyste eröffnet, entleert, mit Alkohol ausgespült. Die Cyste
schrumpfte, so dass man von Heilung sprechen kann.
Hr. Riese rät von Exstirpation ab und ist für Einnähung. Ein so
operierter Fall ist gut verlaufen, aber die Cyste nicht geschrumpft.
Hr. Körte berichtet von zwei Fällen, deren einer der von Herrn
Frankel berichtete ist. Beide Cysten hatten dicke Wandungen, wurden
nicht exstirpiert.
Hr. Bier berichtet von mehreren ebenso operierten Fällen, die
nachher noch lange gelebt haben.
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1484
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
2. Hr. t. Huseatui: Ueber Krebs probleme.
Vortr. kann keine neuen Tatsachen anführen. Er will aus der auch
vom Spezialisten kaum zu bewältigenden Literatur nur ein kurzes
Resum6 geben, in dem Sinne: welche Bedeutung den Ergebnissen für
die praktische Behandlung zukommt.
Er unterscheidet mehrere, derZeit nach nicht scharf zu trennende
Perioden der Krebsforschung:
1. Die histologisch-morphologische, die höchst eiakt und
streng wissenschaftlich verfuhr und erreichte, dass heute die Diagnose
des Carcinoms auch aus kleinsten Gewebsstücken mit hoher Sicherheit
möglich ist, nicht mit absoluter, da die Grenzen zwischen gutartigen
und bösartigen Formen nicht immer zu ziehen sind, selbst für den Ge¬
übtesten. Jedoch ist auch die frühzeitige Diagnose ermöglicht, frei¬
lich nicht durch die biologische Reaktion, da ja erst fortschreitende
Carcinome im Körper reaktive Stoffe erzeugen.
2. Die ätiologische Periode, die im Gegensatz zur ersten einem
trüben Wasser gleicht, in dem alle fisohen wollen, namentlich auch
Nicbtfachleute, nachdem Koch als Outsider voranging. Vortr. erinnert
an die Leydenia gemmipara u. a. Ausser der Parasitentheorie spielte
die Reiztheorie eine grosse Rolle, während jetzt als festgestellt gilt,
dass derselbe Reiz verschiedene Geschwülste hervorrufen kann.
Die ätiologische Forschung bat als wichtigstes ergeben: die Ent¬
stehung der Röntgencarcinome, ferner die durch Fiebiger inaugurierte
Geschwulstentstehung bei Ratten durch Parasiten. Dabei muss betont
werden, dass die Parasiten nicht etwa die Erreger des Krebses sind,
sondern nur den Reiz darstellen, der zu Carcinom führt, aber auch
andersartige Geschwülste hervorrufen kann, ebenso wie die Bilharzialarve.
8. Die experimentelle Periode, die die Entstehung, Entwick¬
lung und endlich die Krebsbehandlung erforschen will. Die Resultate
waren äusserst gering, da die einzige gelungene Krebsübertragung die
von Hanau voltführte Cancroidübertragung von der Ratte ist. Wenn
Ehrlich vor einigen Jahren der experimentellen Forschung einen nahen
Sieg prophezeite, so ist zu konstatieren, dass sie, mit äusserst reichen
Mitteln arbeitend, wohl eine Fülle interessanter Tatsachen gezeitigt bat,
doch für die Praxis bei allem nicht viel herausgekommen ist, ausser
etwa der Mäuseimmunisierung, Wachstumsbeeinflussung u. a. Dabei
muss immer wieder betont werden, dass Mäusetumor mit menschlichem
Carcinom ganz und gar nicht identisch, also kein echtes Carcinom ist.
Jedoch ist zuzugeben, dass wir durch Fiebiger’s Versuche doch zu
echten Carcinomen kommen werden, dass also jetzt erst die resultat-
verheissende Forschung einsetzt.
4. Die therapeutische Periode. Es ist bekannt, dass es ge-
gelingt, Mäusetumoren in kurzer Zeit zum Schwinden zu bringen. Ins¬
besondere sind sie durch Wassermann’s Methode sehr gut zu beein¬
flussen, so dass schon nach 24 Stunden ein förmlicher Zerfall eingetreten
ist Angenommen, dies Verfahren Hesse sich nun auch auf den Menschen
anwenden, so wäre die Wirkung eine höchst deletäre, wenn man durch
die schnelle Erweichung an Stelle eines Magen carcinoms ein grosses Loch
bekäme. Was die Radiotherapie betrifft — von der chirurgischen
soll hier nicht gesprochen werden —, so ist die Strahlenschädigung
nicht so hoch zu veranschlagen, da bekanniermaassen jede Therapie mit
einer Schädigung beginnt, ehe sie zweckmässig ausgebaut wird. Auch
kann die Strahlenwirkung eine doppelte sein, einmal eine zerstörende,
zum anderen eine reizende, so dass von dem Geschwulstrest ein
neuer, alsdann äusserst resistenter Tumor durch neue Wucherung heraus¬
wächst.
Man muss unterscheiden zwischen chirurgischer, d. h. zer¬
störender Behandlung der einzelnen Krebsgeschwulst (wozu auch
die Strahlenbehandlung zu rechnen ist) — und eigentlicher all¬
gemein therapeutischer Behandlung der Krebskrankheit. Da ist
zu konstatieren, dass wirkliche therapeutische Versuche bisher
völlig fehlgeschlagen sind. Wenn durch das vielgerühmte Arsen
z. B. Gesichtsoarcinom geheilt sei, so besteht die Schwierigkeit der
Diagnose, da die histologische Definition nicht ausreicht und auch das
klinische Verhalten maassgebend ist. Es ist eben Tatsache, dass echtes
Carcinom noch nie spontan geheilt ist. Auch bei der „Heilung“ von
„Dünndarmcaroinomen“ muss man skeptisch sein, da Dünndarmtumoren
eben fast nie echte Carcinome sind. Es ist also sicher, dass das Arsen
das Caroinom nicht heilt. Da man überhaupt nur die Krankheiten
heilen kann, die auch gelegentlich spontan heilen, so wäre thera¬
peutisch das Carcinom bis jetzt überhaupt nicht zu beeinflussen, nur
(chirurgisch oder radiologisch) zu zerstören.
3. Hr. Bier: Demonstratio« iar Krebsbehandlang.
Vortr. erinnert an seine 1901 und 1902 unternommenen Versuche,
bösartige Geschwülste durch Injektion von Blut gesunder Tiere zu be¬
handeln, Versuche, die nie zu einer Heilung führten, nur zu vorüber¬
gehender Besserung, der dann eine um so bösartigere Verschlimmerung
folgte.
Hieran anknüpfend hat Vortr. nun eine Kombination von Blut-
injektion mit Röntgenbestrahlung versucht, als deren Resultat er heute
einen bemerkenswerten Fall vorstellt. Es handelt sich um einen
Patienten, dem Herr Gluck im Januar 1913 ein Tonsillencarcinom,
später ein Drüsenrecidiv operierte. Nachdem 1913 ein neuer Tumor
sich gebildet, der 1914 unter Röntgen- und Radiumbehandlung weiter
wuchs, kam der Patient am 14. Mai 1914 in die Klinik des Vortr. in
einem höchst desolaten Zustande: Grosser Tumor der rechten Gesichts¬
seite bis zum Jochbogen und tief nach dem Halse herab, Blumenkohl¬
tumoren in der ganzen rechten Rachen-, Gaumen-, Zungen- und Mund¬
bodenseite, die stark bluteten, Kieferklemme, jauchig stinkender Ausfluss
aus dem Munde, fast unmögliche Ernährung, allgemeiner Kräfteverfall.
(Abbildung.) Es wurde bestrahlt und gleichzeitig, im ganzen fünfmal,
je 10 ccm Schweineblut (nicht Serum) injiziert mit dem Erfolge, dass
der Patient jetzt den Mund öffnen und schlucken kann. Der Tumor
des Gesichts ist sehr abgeschwollen, am Halse zeigt sich eine tief ein-
gezogene Narbe, die Tumoren der Mundhöhle sind, soweit man es sehen
kann, geschwunden und von normaler Schleimhaut überzogen. Es
handelte sich um ein Piattenepithelcarcinom. (Demonstration.)
Vortr. will nun nicht eine Heilung behaupten, auch nicht sich dar¬
über schlüssig werden, ob Blut oder Bestrahlung das Maassgebende sei,
ehe er seine Versuche abgeschossen habe. Er wollte nur diesen einen
eklatanten Fall vorstellen und verspricht, über ihn später wieder zu be¬
richten, sowie über seine übrigen Versuche. Er glaubt jedenfalls jetzt
schon den grossen Erfolg gleichzeitiger Blutinjektion annehmen zu
können.
Diskussion zu 2 und 3.
Hr. Rotter bestreitet die Behauptung Herrn v. Hansemann’s,
dass noch nie eine spontane Heilung eines Carcinoms beobachtet worden
sei, und erinnert an einen von ihm operierten Fall von Mastdarmcarci-
nom, der später recidivierte, als ungeheilt entlassen wurde und drei
Monate später mit vollkommen ausgeheiltem Mastdarmcarcinom sich
wieder vorstellte. Die Frau starb nach drei Jahren, die Sektion konnte
die Heilung bestätigen; es bestand zwar ein Tumor der Beckenschaufel,
der sich jedoch* als Adenooarcinom erwies. Während der Mastdarm¬
tumor ein malignes Adenom war, Geschwulstformen, die streng von¬
einander zu trennen seien. Das Mastdarmcarcinom wäre demnaoh als
geheilt anzusehen.
Hr. v. Hanse mann widerspricht ganz entschieden dieser irrtüm¬
lichen Auffassung und betont, dass der Fall des Herrn Rotter, der ihm
sehr wohl bekannt sei, das ganze Unheil, den Glauben an die spontane
Heilbarkeit eines Carcinoms, angericbtet habe. Die beiden erwähnten
Geschwulstformen seien eben nicht ihrem Wesen nach, sondern nur
graduell voneinander unterschieden, da Uebergänge zwischen ihnen ver¬
kämen. Es bleibt demnaoh der Satz bestehen, dass die Krebskrankheit
spontan nicht heilbar ist.
Hr. Bier erwidert auf eine Anfrage des Herrn Israel betreffs
der histologischen Veränderungen, dass unter seiner Behandlung
die Carcinomzellen zugrunde giDgen, indem sie in Leukocytennester von
ungeheurer Reichlichkeit eingebettet seien, dass ferner grosse Tumoren
in toto nekrotisieren, so dass sie herausgeboben werden können.
Hr. Martin schliesst noch weitere biologische Merkmale an.
Holler.
Gesellschaft für Geburtshilfe and Gynäkologie xa Berlin.
Sitzung vom 10. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Mackenrodt.
Demonstrationen: Hr. Fraix lässt über einen Fall von Ureter-
verletznng berichten, welche bei einer Wertheim’sohen Operation zu¬
stande gekommen war. Die Verletzung fand so hoch statt, dass es aus¬
geschlossen war, den Ureter in die Blase einzunähen. Man wandte daher
die Methode der Invagination an. Es ist eigentlich unpbysiologisch, da
die gleich weiten Teile ineinander genäht werden. Trotzdem war die
Heilung eine glatte, und der Ureter lässt sich gut katheterisieren, so
dass der Erfolg ein guter ist bis auf einen geringen Grad von Polyurie.
Der Urin ist klar und ohne pathologische Bestandteile.
Diskussion. Hr. Mackenrodt teilt mit, dass er in solchem
Falle ein Stück Schleimhaut reseziert. Er bat erst kürzlich eineu von
ihm in dieser Weise behandelten Fall genauer zu untersuchen Gelegen¬
heit gehabt. Die betreffende Patientin starb zwei Jahre nach der Ope¬
ration an einer intercurrenten Krankheit. Bei der Sektion fand sich,
dass der genähte Ureter nur für eine Borste durchgängig war. Er
glaubt nicht, dass derselbe jemals funktioniert hat, ebenso die be¬
treffende Niere. Die Erfolge sind nur Augenblickserfolge, die Niere gebt
später doch ein.
Hr. Nagel spricht über einen geheilte« Fall UterovesieallUtel.
Eine 48jährige Patientin, die viermal geboren hat, wurde noch einmal
gravide. 12 Stunden nach dem Wehenbeginn erfolgte der Blasensprung.
Als nach 24 Stunden die Geburt noch nicht beendet war, wurde die
Zange angelegt, wobei ein Myom gefühlt wurde. Das Kind war bereits
abgestorben. Das Wochenbett verlief normal. Pat. stand nach 14 Tagen
auf. 6 Tage nach dem ging durch die Scheide Urin ab. Ausfluss und
übler Geruch nahmen so zu, dass sie sioh an eine Hebamme wendete,
die eine Fistel konstatierte. Vortr. fand eine Stenose, die den Finger
eben passieren Hess. Die Fistel zu Gesicht zu bekommen war unmög¬
lich. Der Katheter lag im Uterus. Es handelte sich also um eine
Uterovaginalfistel. Dieses Ereignis ist sehr selten, wenn auch Neu-
ge bau er das bestreitet. Uterovesicalfisteln mögen häufiger sein, ohne
dass zugleich die Vagina beteiligt ist, sie heilen aber anscheinend sehr
oft spontan. Ursache ist Quetschung bei lange dauernden Geburten.
Seltener ist die Ursache eine Verletzung. Das reichliche feste Narben¬
gewebe spricht dafür, dass die Fistel die Folge einer Uteroveaicovaginal-
fistel ist. ln diesem Falle lag offenbar auob Gewebsnekrose vor. Was
die Therapie anbetrifft, so kommt wohl nur die operative Behandlung in
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UNIVERSITY OF IOWA
3. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1485
Betracht. Am besten ist sofortige Vernäbung, sonst ist es richtig, nicht
zu lange mit der Operation zu warten, damit nicht erst Blasen-
scbrumpfuog ein tritt Neugebauer hat in 48 Fällen das exspektative
Verfahren aDgewendet mit 37 spontanen Heilungen, das soll uns aber
an der Notwendigkeit der Operation nicht irre machen, da die Aus¬
dehnung der Verletzung wesentlich mitspricht und wir diese zu schlecht
beurteilen können. Wesentlich ist, dass die Blase gut von der Cervix
abpräparier- wird, damit die Fistel gut zugänglich ist. In diesem Falle
war eine Operation von der Scheide aus unmöglich. Es wurde die ab¬
dominale Totalexstirpation gemacht und die Vernähung der Fistel mit
Drainage nach der Scheide zu. Der Dauerkatheter verursachte Be¬
schwerden. Die Heilung der Bauchwunde war zwar glatt, trotzdem be¬
gann am vierten Tage der Harnfluss von neuem. Die Fistel musste uuu
noch einmal wieder angefrischt und mit Silk genäht werden. Die Heilung
war dann eine glatte. Die Exstirpation ergab ein Myom, das gezeigt wird.
Diskussion.
Hr. Bardel eben hält Silk als Nahtmaterial für schlecht, da es zu
leicht durchschneidet.
Hr. Gerstenberg teilt mit, dass er die betreffende Geburt geleitet
hat, und dass ein Kolpeuryntber angewendet worden ist. Dieser hat
einen Riss in der Vagina und eine Scheidenmastdarmfistel verursacht,
welche bereits geheilt war, ehe die Pat. überhaupt zu Herrn Nagel
kam. Sehr erheblich war die Myombildung.
Hr. Mainzer hält das Vorgehen des Herrn Nagel für gefährlich
wegen der stets dabei vorhandenen Jauchung.
Hr. Nacke bespricht ebenfalls einen Fall von Blasenmastdarm¬
scheidenfistel. Es handelte sich um eine ganz leichte Zange wegen
Eklampsie. Er beschreibt genauer die Art der Operation.
Hr. Nagel sagt, dass er der Darstellung der Pat. gefolgt sei. Von
der Vagina aus an die Fistel zu kommen war unmöglich. Er habe auch
nicht behauptet, dass dies die Methode der Wahl sein solle. Er habe
den Fall eben gerade deshalb vorgetragen, um zu zeigen, dass es Fälle
gäbe, bei denen man abdominal Vorgehen müsste. Dass die Naht zuerst
nicht heilte,, führt er darauf zurück, dass zuerst die Catgutnähte sämt¬
lich im Narbengewebe gelegen hätten. Die Bedenken gegen Silkworm
teilt er nicht, nur muss man die Fäden vier Wochen liegen lassen.
Um die Blasenschleimbaut braucht mau sich dabei gar nicht zu kümmern.
Hr. Fromme: Heber Aiwendniig der „ultravioletten Strahlen“.
Die ultravioletten Strahlen werden geliefert von der Quarzlampe,
welche glühende Quecksilberdämpfe entwickelt. Es ist nun die Frage,
ob wir damit mehr erreichen als mit den sonstigen konservierenden
Methoden, welche alle den Zweck der intensiveren Blutzuführung haben
wie die heissen Bäder und Spülungen. Die Strahlen werden durch jedes
Medium, durch das sie hindurchgehen, absorbiert, haben also keine
grosse Tiefenwirkung wie die Röntgen usw.-Strahlen. Dagegen haben
sie sehr starke baktericide Eigenschaften. Sie wirken auch entzündungs¬
erregend, z. B. in der Mundhöhle. Bei Einwirkung auf die Haut erfolgt
schon nach einer Minute Verfärbung derselben, welche 2—3 Tage an¬
hält wie bei Gletscherbrand. Durch die Hauthyperämie wird der Blut¬
druck herabgesetzt und der Stoffwechsel gesteigert. In der Chirurgie
und Dermatologie hat man schon vielfach günstige Resultate, obwohl
eine Tiefenwirkung nicht vorliegt. Desgleichen bei eiternden Bauch¬
wunden und für die Vagina scheint nach Heine mann namentlich die
Tuberkulose in Betracht zu kommen. Vortr. hat es namentlich bei
Adnextumoren angewendet. Die Erfolge sind ausserordentlich gute. So¬
weit palpatorisch festzustellen, sind von 23 Fällen von Pyosalpinx 11 ge¬
heilt. Die übrigen sind noch in Behandlung, aber schon wesentlich ge¬
bessert Die Resultate werden im einzelnen besprochen. Nur zwei
Kranke konnten gar nicht beeinflusst werden. Bei diesen liegt entweder
eine Cyste vor, oder es handelt sich um eine Fehldiagnose. Um keine
Verbrennungen zu machen, muss die Haut erst allmählich au die Be¬
strahlung gewöhnt werden. Man fängt also praktisch mit derselben in
D /2 m Entfernung an und macht sie nur zwei Minuten lang. Allmäh¬
lich steigt man bis auf 20 Minuten und 15 cm Entfernung. Die Neben¬
wirkungen sind gering, wenn auch zuerst oft Rötung der Haut und Ab¬
schuppung statthat. In einzelnen Fällen tritt auch Resorptionsfieber
auf. Die übrige Haut muss mit leineuen Tüchern bedeckt und die
Augen der Pat. und der Aerzte mit Gläsern geschützt werden. Be¬
handelt wurden ebenfalls 6 Fälle von chronischem Pruritus, von denen
2 geheilt sind. 4 sind wesentlich gebessert. Es wurden 13—15 Be¬
strahlungen gemacht. Mehrere Fälle waren vorher vergeblich mit anderen
Methoden behandelt. Die Bestrahlung wird demonstriert.
Diskussion.
Hr. Brose fragt, ob die Behandlung ambulant stattfinden kann,
was bejaht wird.
Hr. Baur hat am eigenen Leibe die Folge der Bestrahlungen er¬
fahren und warnt dringend davor.
Hr. Barde leben bespricht einen Fall von Gesichtsekzem, bei dem
die Folgen ebenfalls sehr schwere waren.
Hr. Strassmann hält es für bedenklich, dass eine starke Pigmen¬
tierung eiotritt, die sich nicht wieder beseitigen lässt.
Hr. Mackenrodt kann das nicht so schlimm finden, wenn wir da¬
durch in den Stand gesetzt werden, PyosalpiDX ohne Operation zu heilen.
Hr, Fromme glaubt, dass die Pigmentierung wieder schwindet, und
hält jedenfalls einen Bauchbrucb, wie er nach Operationen statthaben
wnn, für viel schlimmer. Siefart.
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬
ländische Cultur zn Breslau.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 19. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Küstner.
Hr. Heimann:
1. Die Wirkung gefilterter Mesothorinmstrahlen aif Kaninchenovartei.
Demonstration mikroskopischer Präparate von Raninchenovarien, die
mit 80 bzw. 100 mg Mesothor bestrahlt wurden. Als Filter wurde 1 mm
dickes Messing, 3 mm dickes Aluminium, 3 mm starkes Blei und das
von der Fabrik gelieferte 0,2 mm starke Silberröhrchen benutzt. Zum
Teil wurde vom Bauch, zum Teil vom Rücken aus bestrahlt. Die beste
therapeutische Wirksamkeit wurde bei Anwendung der Bleifilter gesehen,
die Versuche sollen eine Ergänzung der klinischen Resultate darstellen;
auch hierbei wurden bei Anwendung der Bleifilter niemals Nachteile ge¬
sehen, im Gegenteil konnte bei ulcerösen Cardnomen eine bedeutend
rasohere Epithelialisierung der zerfallenen Partien konstatiert werden.
Vielleicht spielt die Sekundärstrahlung, die vom Blei ausgeht, hierbei
eine recht günstige Rolle.
Diskussion.
Hr. Wpckowski: Die Vermutung des Herrn Heimann, dass bei
Verwendung von Bleifiltern ein besonderes, bisher unbekanntes Agens
wirksam wäre, kann meinerseits nicht geteilt werden. Die demonstrierten
Unterschiede sind vielmehr auf folgende physikalishhe Grundlagen zurück-
zuführen: Jedes Element, das von jff-und y-Strahlen getroffen wird, sendet
eine komplexe, ihm eigentümliche Strahlung aus: die Sekundärstrahlung.
Je höher das Atomgewicht eines Elements ist, desto grösser ist die Pene¬
trationskraft der von ihm ausgehenden Sekundärstrahlung. Diese setzt
sioh bekannterweise aus in der Hauptsache dreierlei Arten zusammen: den
zerstreuten, den fluoreszierenden und den corpusculären Sekundärstrahlen.
(Die penetrierenden Sekundärstrahlen des Bleies möchte ich übergehen,
weil sie sehr in der Minderheit sind.) Für die in Frage stehenden Vor¬
gänge kann nur die corpusculäre Sekundärstrahlung des Bleies verant¬
wortlich gemacht werden. Es ist dies eine Elektronenstrahlung wie die
^•Strahlung des Radiums. Elemente mit höheren Atomgewichten (Pb)
haben penetrationskräftigere Elektronenstrahlung als solche mitniedrigem
Atomgewicht (Al).
Folgender Versuch rechtfertigt obige Behauptung: Lässt man ein
Radiumröhrchen aus einiger Entfernung auf eine photographische Platte
einwirken, so entsteht eine annähernd gleichmässige Schwärzung der¬
selben. (Eine vollkommene Schwärzung kann nur entstehen, wenn die
Platte die Schale eine Cylinders darstellt.) Bringt man in die Nähe
der Platte eine Bleischeibe, so wird die gleiohmässige Schwärzung noch
verstärkt durch die Sekundärstrahlen des Bleies, so dass ein getreues
Abbild der Bleischeibe resultiert. Die Versuchsanordnung gestaltet sieb
olgendermaassen:
1. Radium.
2. Photographische Platte mit der Bromsilbergelatiueschicht nach
unten gekehrt.
3. Bleischeibe.
Bringt man zwischen 2. und 3. Glasscheiben von verschiedener
Dicke, so kann man die Penetrationskraft der sekundären Bleistrahlung
mit der anderer Metalle vergleichen. Bei solcher Anordnung ergibt sieb,
dass eine Glasscbicht von 2 mm nioht imstande ist, die sekundäre Elek¬
tronenstrahlung des Bleis zurückzuhalten. Eine Glassoheibe von 2 mm
Stärke entspricht in der Absorptionsfähigkeit für ^-Strahlen einer Schicht
von 5 mm tierischen Gewebes.
Da, wie Herr Heimanu eben mitteilt, das Kaninohenovarium un¬
gefähr V 2 cm unter dem Integument gelegen ist, so muss es noch von
den Sekundärelektronenstrahlen des Bleis getroffen werden, dagegen nioht
von denen des Aluminiums oder Messiugs, deren Elektroueustrahlung
geringer ist.
(Demonstration einer in obiger Weise erhaltenen photographischen
Platte.)
Naohtrag: Da obige Versuchsanordnung bei dickeren Glasschiohten
infolge der aus der Umgebung stammenden Sekundärstrahlen bisweilen
Schwierigkeiten zeitigt, hat sioh nachträglich eine andere Versuchsanord-
nung als zweckmässiger herausgestellt: Die Radiumstrahlen werden durch
einen Schlitz auf eine unter 45° gestellte Bleiplatte gerichtet. Die
Secundärstrahlen des Bleies werden von photographischen Platten aufge-
fangen, die zur Primärstrahlung parallel gerichtet sind. Das Resultat
ist dasselbe wie oben.
(Erscheint ausführlich in der Strahlentherapie.)
Hr. Heimann: In einem Punkte ist vielleicht ein Missverständnis
vorgekommen. Die Carcinome werden, nur solange sie ulceriert sind,
mit bleigefiltertem Mesotbor bestrahlt. Hat sioh der Krater geschlossen,
haben Blutung und Sekretion aufgehört, dann werden Messing- und
Aluminiumfilter, die nur 3 pCt der ^-Strahlen absorbieren, benutzt.
Hr. Heinaia: 2. Zur Histologie bestrahlter Careiaone.
(Erscheint unter den Originalien dieser Woohenschrift)
Diskussion.
Hr. W$ckowski: Herr Heimann hat uns mitgeteilt, dass patho¬
logisch-anatomische Veränderungen beim Portiooarcinom nach Meso¬
thoriumbestrahlung nur in 2—2,5 cm Tiefe beobachtet würden. Diese
Angaben dürfen natürlich unter keinen Umständen als allgemein geltend
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UMIVERSITY OF IOWA
1486
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 31.
betrachtet werden, und es kann nicht etwa der Schluss gezogen werden,
dass eine tiefere Beeinflussung nicht möglich wäre. Sie besagen nur,
dass auf die, leider nicht genügend präzisierte (es fehlt Angabe von Be¬
strahl ungsmasse, Zeit, Filter), Weise seiner Bestrahlungstechnik Gewebs-
änderungen beim Carcinom in etwa 2—2,5 cm Tiefe beobachtet worden
sind. Hierbei darf nicht ausser acht gelassen werden, dass es durchaus
noch nicht feststeht, wann nach der Bestrahlung das Optimum des
Effekts erreicht wird. (Eine Wartefrist von 14 Tagen halte ich sicher
nicht für ausreichend.) Es bestehen Gründe, um anzunehmen, dass der
Umfang der GewebsäDderung und ihre Tiefe direkt proportioniert sind
der Bestrahlungsmenge, der angewandten Zeit, dagegen umgekehrt der
Absorption durch Filter und dem Quadrat der Entfernung. Der thera¬
peutische Effekt lässt sich daher durch Vergrösseruog der einen und
Verkleinerung der anderen Komponenten variieren. Auf diese Weise
sind die verschiedenen, sich widersprechenden Beobachtungen zu erklären,
insbesondere, dass Wickham, Degrais und Gand über Gewebs-
änderungen in der Achse der Radiumstrahlen berichten konnten in 14 cm
Tiefe bei Anwendung von 19 cg Radiumsulfat und 48 Stunden 16 Tage
nach der Bestrahlung eines Carcinoma der Brust (nicht am Phantom).
(Ref. in der B.kl.W., 1910.)
Hr. Küstner: Wenn ich trotz der bestehenden Beobachtungen, die
auch wir mit der Bestrahlung der Carcinome machen, weiter daran fest-
halte, operierbare Uteruscarcinome weiter zu operieren, so fühle ich mich
dazu gezwungen, weil mir die Kontrollmöglichkeit der Leistung der
Strahlentherapie am Uterus der Lebenden nicht ausreichend erscheint
Ein zutage liegendes Hautcarcinom kann daraufhin, ob es durch Strahlen¬
behandlung geheilt wird oder nicht, gut kontrolliert werden. Beim
Collumcarcinom ist das nicht der Fall.
Dagegen erkennen wir in der Bestrahlung operierbarer Carcinome
eine ausgezeichnete und sehr wirkungsvolle Vorbereitungskur. Das
Mucose und Geschwürige des Carcinoms wird zum Wegfall gebracht, die
Anreicherungsstätte für diejenigen Mikroben, die auch bei der Ope¬
ration den Kranken noch gefährlich werden können, wird epithelialisiert,
das Carcinom kommt in einem reineren Zustande zur Operation; eine
Infektion vom Carcinom aus ist nicht in dem gleichen Maasse zu fürchten
wie ohne diese Vorbereitung. Dadurch, dass das Krebsgescbwür zum
Ausheilen gebracht wird, kann auch eine weitere Chance für die Ope¬
ration gewonnen werden. Von dem geschwungen Carcinom aus gehen
EntzÜDdungsprozesse in die Nachbarschaft und auch in die Parametrien.
Auch diese können durch die Heilung des Krebsulcus einer Heilung
entgegeogeführt werden. So kann es möglich sein, dass ein Parametrium,
welches uns zur Zeit des Bestehens eines Krebsulcus hart erscheint,
nach der Abheilung desselben als relativ zart und dehnungsfähig imponiert,
und so kann es kommen, dass ein von Hause aus unoperierbar er¬
scheinendes Carcinom auch auf diesem Wege in ein operierbares über¬
geführt wird.
Hr. Hei mann: Ich bin absichtlich infolge der Kürze der Zeit auf
Technik, klinische Einzelheiten und Literatur nicht eingegangeo. Die
Arbeit Bayet, die Herr Wqckowski erwähnt, ist mir selbstverständlich
bekannt, und ich möchte betonen, dass diese Tiefenwirkung am Phantom
nacbgewiesen worden ist. Dass es sich bei der Anwendung in vivo
anders verhält, beweisen auch die Untersuchungen aus der Berliner
Klinik von Händly, wo bei intensivster Bestrahlung nur mit einer
Tiefenwirkung von etwa 5 cm gerechnet werden konnte. Die Ansicht
von Herrn Wgckowski über meine Anwendung des Mesothors ist mir
nicht klar. Die sogenannten centralen Strahlen kommen doch immer
znr Wirkung, gleichgültig, welche Form das Instrumentarium besitzt.
Natürlich wird die Wirkung eine um so intensivere sein, je länger man
die Bestrahlungen vornimmt.
Hr. 0. ßondy: Nacbgebnrtsblatnng und Wochenbettinfektion.
Die Frage, inwieweit eine akute Anämie als prädisponierendes
Moment für das Entstehen einer Infektion anzusehen ist, ist weder ex¬
perimentell noch klinisch hinlänglich beantwortet. Als Beitrag zur Ent¬
scheidung hierüber wurde untersucht, inwieweit der Wochenbettverlauf
durch starken Blutverlust bei der Geburt beeinflusst wird. Unter etwa
9000 Geburten fanden sioh rund 120 Fälle, bei denen ein Blutverlust
von 1000 ccm oder mehr verzeichnet ist. Unter diesen befinden sich
24 Fälle von manueller Plaoentarlösung. Hinzu wurden zum Vergleich
genommen 10 Fälle von manueller Piacentarlösung ohne stärkeren Blut¬
verlust. Eine weitere Gruppierung wurde vorgenommen zwischen
spontaner Geburt und Geburt mit Kunstbilfe, endlich wurden noch die
Fälle mit Blutverlust von 1000—1200 ccm von denen mit noch höherem
unterschieden. Die so gewonnenen Zahlen ergeben eine nur sehr un¬
bedeutende Steigerung der Morbidität bei spontaner Entbindung und
einem Blutverlust bis zu 1200 ccm. Die Morbidität bei operativer Ent¬
bindung ist beträchtlich höher, auch bei spontaner Entbindung und
Blutverlust über 1200 ccm überragt sie die Norm. Die manuellen
Placentarlösungen bei starkem Verlust geben sowohl in bezug auf
Häufigkeit wie auf Schwere der WochenbettiDfektionen ungünstigere
Zahlen, als die ohne starken Blutverlust. Im allgemeinen kann ge¬
folgert werden, dass ein Blutverlust, der selbst das Doppelte des
normalen beträgt, an sich keine Resistenz Verminderung des Organismus
gegenüber der Infektion hervorruft, dass eine solche aber durch Hinzu-
treten noch anderer infektionsbegünstigender Momente befördert wird.
Hr. Küster demonstriert 1. ein walnussgrosses Lymphangiom der
Tnhe, das als Zufallsbefund bei einer abdominalen Totalexstirpation
wegen Carcinoms gewonnen wurde. Die Lympbräume sind zum Teil
cystisch erweitert.
2. Einen Tnmor der Fimbria ovariea, der nach dem Typus des
intrakanalikulären Adenofibroms gebaut ist; van Gieson- und Biel-
schowskifärbung erweisen die Fibromnatur des Gerüstes. Die spärlichen
Kanäle sind mit hohem, flimmerntragendem Cylinderepithel ausgekleidet,
das Schleim produziert; ausserdem findet sich eine Hydrosalpinx nicht
entzündlicher Art und eiu erbsengrosser Fibromknoten an der gleichen
Tube. Vortr. ist daher geneigt, eine Entwicklungsstörung des proxi¬
malen Teils der Müller’schen Gänge als gemeinsame Ursache dieser
Bildungen anzunehmen, zumal die andere Seite vollständig gesund war.
3. Gut ausgebildeter Graafscher Follikel im Ovar eiaes Neu¬
geborenen, in dem sich ausserdem noch zwei in Entwicklung begriffene
Primordialfollikel fanden; man könnte solche ungewöhnlichen Vorgänge
am Ovarium des Neugeborenen mit der Menstruatio praecox, auch wohl
mit den Genitalbtutungen neugeborener Mädchen in Beziehung denken.
Doch fehlen zurzeit noch beweisende Befunde. Corpus luteum-Bildung
war in dem Ovar nicht vorhanden.
4. Cyste der rechten Nebenniere eines Nengeborenen. Die Cyste,
welche ganz wasserklaren Inhalt hatte und etwa walnussgross war, sasa
in einer Delle am oberen Nierenpol. Mikroskopisch besteht ihre Wand
aus Nebennierengewebe, das nicht den für das Neugeborene charakte¬
ristischen Aufbau zeigt, sondern eher einem späteren Stadium entspricht
Der Vortr. denkt sich die Cyste entstanden durch Erweiterung eines der
Bindegewebsfächer, in welche die Sympathicusbildungszellen einwandern.
5. Ventilverschluss des vesicalen Ureterendes bei einem Nen¬
geborenen. Hydronepbrose, Bydrnreter. Es besteht, wie die mikro¬
skopischen Schnitte zeigen, kein Verschluss der Uretermündung durch
epitheliale Verklebung, wie man bisher annahm, sondern ein Ventil¬
verschluss, der wohl bedingt ist durch primäre Engigkeit des vesioalen
Spbincters zusammen mit ungleicbmässiger Ausbildung des Sphincter-
ringes.
6. Hirntorttom boi einem nengeborenen Hydmephtlns. Der
Tumor besteht im wesentlichen aus Glia mit sehr reich liehen Neuro-
epitbelkanäleD, hier und da findet man eine Insel von hyalinem Knorpel,
drüsenähnliche Formationen unbestimmten Charakters. Es ist der dritte
bekannte Fall, seinem Aufbau wesentlich aus Centralnervensystem nach
bisher einzig.
Diskussion. Hr. Stumpf zeigt im Anschluss an die Demonstration
des Herrn Küster eine Nebennierencyste bei einer 58jährigen Frau, die
als Lymphcyste aufzufassen ist, und betont die oft schwierige Er¬
klärung solcher Hohlraumbildungen.
Hr. Küstner stellt vor: 1. ein Präparat einer geheilten ßlaseuebeidei-
fiste! , welche nach seiner metroplastischen Methode operiert war. Die
Kranke war nach der Heilung der Fistel an einer Pneumonie erkrankt
und dieser in der vierten Woche nach der Operation erlegen. Man kann
am Präparat die zarte Narbe von der Scheide aus sehen, kann aber auch
von der Blaseninnenfläche aus konstatieren, dass auch hier eine lineare
Narbe besteht, obwohl Vortr. bei der Fisteloperation niemals die Blasen-
scbleitnbaut näht. Er tut es nicht, um nicht gelegentlich, was immer¬
hin bei grossen Fisteln möglich wäre, einen Ureter oder beide zu
schnüren.
2. Eine Frau mit grossem Scheidencareineni, bei welcher der
Primärtumor ausserhalb operiert worden war und welcher im hoch¬
graviden Zustande, mit einem grossen lokalen Recidtv und zwei in dem¬
selben bestehenden Recto-Vaginalfisteln in die Klinik kam. Der Recidiv-
tumor verlegte den grössten Teil des Beckens, es bestand fast absolute
Indikation für den Kaiserschnitt. Es wurde Porro gemacht, ein grosses,
lebendes Kind entwickelt. Das war vor 5 Wochen. Vor 2 Wochen
traten infolge des obturierenden Carcinoms K&nalisationsstörungen des
Darms auf, welche die Anlegung eines Anus praeternaturalis not¬
wendig machten.
In derartigen desolaten Fällen bevorzugt Vortr. den Porro nach der
ursprünglichen Methode mit extraperitonealer Stumpflagerung. So ist
die Operation am einfachsten, am schnellsten auszuführen und für einen
so schwer geschädigten Organismus, wie der einer unheilbaren Carcinom-
kranken ist, am leichtesten verträglich.
In gleicher Weise hat Vortr. vor Jahresfrist wegen eines unoperier¬
baren Vulvacarciooms mit faustgrossen Metastasen in den Inguinaldrüsen
mit gleichem, gutem Erfolge den Porro gemacht.
3. Einen extraperitonealen Kaiserschnitt, der vor einigen Wochen
auf der Klinik gemacht wurde, und zwar zum zweiten Male an derselben
Frau. Beide Male gelang die Operation völlig extraperitoneal. Vortr.
zeigt im Epidiaskop Bilder, welche die von ihm geübte, wiederholt be¬
schriebene Methode erläutern. Der extraperitoneale Kaiserschnitt ist be¬
rufen, sich ein grosses Terrain auf dem Gebiete der praktischen Geburts¬
hilfe zu erobern, die Hebosteotomie vielleicht ganz zu verdrängen, ebenso
die Perforation des lebenden Kindes, die prophylaktische Wendung bei
engem Becken einzuengen, aber auch ausserdem zu einem Verfahren sich
zu entwickeln, welches uns aus Dilemmen, in denen wir uns bei un¬
günstigen Kopfeinstellungen, bei Stirnlage, bei mentoposteriorer Gesichts¬
lage, eventuell bei Nabelscbnurvorfall befinden, zu befreien.
Da er schwieriger ist als der einfache, klassische und auch der
transperitoneale Kaiserschnitt, so muss er au den Kliniken geübt werden,
damit genügende Dexterität damit erworben wird, darnit^ er gekannt
wird. Deshalb darf an den Kliniken keine Gelegenheit vorüber gelassen
werden, bei der er gemacht werden kann, und er muss für jede andere
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JIVERSITY OF IOWA
8. Aflgost 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1487
Kaisersohnittmethode substituiert werden, wenn nicht besondere Ver¬
hältnisse zu einer anderen Methode zwingen.
Zurzeit Hegt auf des Vortr. Klinik der 110. extraperitoneale Kaiser¬
schnitt. Von den 110 Frauen war die grössere Hälfte infiziert oder infek¬
tionsverdächtig in die Klinik eingeliefert worden. Keine der Frauen ist
einer puerperalen Wundinfektion erlegen. Nur eine ist an Narkotikum¬
wirkung unmittelbar nach der Operation gestorben, gestorben ist eine
andere, welche die Infektionsform, der sie erlag, mit in die Klinik
brachte, nämlich einem Tetanus.
Hr. Halmes : Ganz kurz möchte ich Ihre Zeit durch Mitteilung einiger
nicht ganz alltäglicher Beobachtungen in Anspruch nehmen. Ich gebe
Ihnen zunächst diese von einem reifen Neugeborenen stammende Leber
herum. An Ihrer Konvexität sehen Sie den Serosaüberzug auf eine ge¬
wisse Strecke hin abgelöst, und Sie sehen weiter die Lebersubstanz an
einer kleinen Stelle zertrümmert; es handelt sich um eine sogenannte
Leberrnptnr. Die Tatsaohe der Leberruptur, welche natürlich durch
Verblutung zum Tode des Kindes geführt hat, ist an sich nicht so inter¬
essant. Bemerkenswert ist die Art ihrer Entstehung. Wir finden bei
Gelegenheit der Obduktion toter Neugeborener nicht so übermässig selten
Leberverletzungen, wenn ein Trauma den Leib des Kindes getroffen hat;
also in Fällen von Kindesmord, bei Sturzgeburten und namentlich auch
in Fällen, wo die helfende Hand des Arztes bei der Wendung oder der
Extraktion durch ungeeignete Manipulationen am Rumpfe des Kindes
solche Verletzungen erzeugt. Die Obduktion erweist dann einen grösseren
Bluterguss in der Bauchhöhle, und als dessen Ursache eine Verletzung
der Leber, seltener eine solche der Milz oder der Nieren. Ganz eigenartig
ist nun die Entstehungsursache der Ruptur in diesem Falle, den ich
Ihnen hier herumzeige. Hier ist die Entstehung auch traumatisch, aber
nicht direkt ist das Kind von dem Trauma getroffen worden, sondern
das Trauma traf die Mutter vor ihrer Niederkunft. Am Tage vor ihrer
Niederkunft erlitt die Mutter ein Trauma im Sinne einer Pfählungs¬
verletzung, indem sie von einer Scheune fallend auf den Rand eines
Eimers mit der Scbossfuge aufschlug. Es entstand an der Clitoris eine
ziemlich beträchtliche und recht blutende Wunde, die vom Arzt, der
dann sogleioh die Frau in die Klinik sandte, tamponiert wurde. Sie
kam am Tage nach dem Unfall in die Klinik und zeigte regelmässige
Wehen. Kind in II. Schädellage mit sehr leisen, nicht ganz regel¬
mässigen Herztönen. Blasensprengung, schon 5 Minuten nachher wird
der Kopf sichtbar und alsbald geboren. Das Kind scheint bleich-
asphyktisch und ist nicht wieder zu beleben. Die Obduktion erweist
das Abdomen voll Blut und als deren Ursache die besagte Leberruptur.
Der Stoss, welcher die Unterbauchgegend der Mutter traf, hat sicher¬
lich diese Verletzung beim Kinde gezeitigt. Denn allein traumatischen
Ursprungs kann diese Substanzzertrümmerung in der Leber sein, und
ein anderes Trauma hat nicht eiogewirkt. Zunächst mag die Blutung
eine massige subserös noch abgekapselt gewesen sein, mit welcher ein
Weiterleben des Kindes noch vereinbar war. Die Aenderungen des
Druckes seitens der Umgebung auf das Kind durch den Geburtsakt, die
Aenderungen der Druckverhältnisse im Gefässsystem des Kindes, eben¬
falls wiederum durch den Geburtsakt, mögen dann zu einer Erneuerung
und Verstärkung der Blutung geführt haben. So kam das Kind moribund
zur Welt
Es wäre noch die Frage zu erörtern, ob es sich nicht um eine rein
asphyktische Blutung gehandelt haben kann, ob nicht vielleicht infolge
einer traumatischen vorzeitigen partiellen Ablösung der Placenta diese
Asphyxie bedingt ward, und ob nicht vielleicht die zur Wiederbelebung
angewandten Sohultze’schen Schwingungen, denen ja von manchen
Seiten solche Folgen zugeschrieben werden, die Ursache der Leber-
verletzung sein können. Zuzugeben ist, dass umfängliche Blutergüsse
in die Körperhöhlen auf rein asphyktischer Basis Vorkommen. Aber
einmal ist im vorliegenden Falle eine Substanzzertrümmerung vorhanden
and andererseits fehlten Blutungen in anderen Körperhöhlen, wie Schädel-
und Brusthöhle. Es fehlen Ecehymosen an der Leber. Bezüglich der
Frage, ob die Schultze’scben Schwingungen die Substanzzertrümmerung
ausgelöst haben könnten, ist zu sagen, dass einmal unsere Erfahrung
naoh richtig ausgeführten Schwingungen nie eine Gefahr für die inneren
Organe der Frucht bedingen.
Schliesslich scheint mir gerade die Kleinheit der Substanzzertrümme-
ran K gewichtig dafür zu sprechen, dass ein das Kind nur mittelbar
treffendes Trauma ihre Ursache darstellt.
Dadurch gewinnt der Fall ein nicht unwichtiges gerichtsärztliches
Interesse. Er scheint mir zu beweisen, dass ein die Frucht im Mutter¬
leibe treffendes Trauma eine tödliche Verletzung ihrer inneren Organe
auch dann hervorrufen kann, wenn die Verletzungen der ebenfalls vom
gleichen Trauma betroffenen Mutter unbedeutend, ja vielleicht gar nicht
objektiv mehr erweisbar sind. Es müssen also solche Verletzungen des
Kindes nicht notwendigerweise durch Manipulationen nach der Geburt
oder bei der Geburt entstanden sein.
Nun möchte ich Ihnen noch ganz kurz über einen Fall berichten,
?°, ein Kind bei uns in der Klinik nach einer rituellen, von nichtärzt-
ficher Seite ausgeführten Circumcision zugrunde ging. Am 7. Lebens-
»ge wurde bei dem nicht ikterischen, über 4000 g schweren Knaben die
ir ® u » c ’ 8 ' 0n vorgenommen. 2 Stunden nachher ist Verband, Windel
na Bettchen durchblutet. PareDcbymatöse Blutung der ganzen Wunde,
bfltr-k •stechungen und Kompressionsverband schliesslich steht. Sehr
achtliche Anämie; es werden 80 ccm Kochsalzlösung infundiert und
ccm defibriniertes mütterliches Blut intramuskulär injiziert; im Laufe
des Nachmittags nochmals 90 ccm Kochsalzlösung infundiert und Campher
injiziert. Besserung des Befindens. Kleine Kratzwunden, welche sieh
das Kind am Finger und am Fuss beigebracht hat, bluten so lebhaft,
dass die Blutung erst auf einen festen Kompressionsverband hin zum
Stehen kommt. Am nächsten Tage blutete es wieder durch den Ver¬
band, sowohl am Penis als am Finger. Es werden wiederum einige
Unterbindungen an der Circumcisionswunde gemacht und dort sowie am
Finger ein Kompressionsverband angelegt, worauf die Blutung wieder
steht. Sehr schlechtes Allgemeinbefinden. Es werden dem Kinde noch
8 ccm Blutserum eines anderen Menschen intramusculär injiziert; doch
geht das Kind in den nächsten Stunden unter den Erscheinungen der
Anämie zugrunde. Obduktion nicht gestattet.
Dieses hämophile Kind war das 3. Kind seiner Eltern, die anderen
Kinder waren nicht hämophil; sein Bruder war auch bei uns in der
Klinik geboren und oircumcidiert worden. Die Verblutung ex haemo-
pbilia ist im allgemeinen nach der Circumcision sehr selten; wir haben
im Laufe der Jahre immer wieder einmal stärkere Nachblutungen nach
der rituellen Circumcision gesehen; doch immer war die Blutung durch
Umstechung und Kompressionsverband zu stillen gewesen, nie war es zu
einer Verblutung gekommen.
Von anderen üblen Zufällen im Gefolge der rituellen Circumcision,
wie septisoh-luetische und Tuberkuloseinfektion, Karbolvergiftungen uaw.,
von denen in früherer Zeit in der Literatur alljährlich eine nicht ganz
kleine Kasuistik zu finden war, ist es in der Literatur in den letzten
10—15 Jahren sehr ruhig geworden. Die bessere Informierung der „Be-
schoeider“ und die Tatsache, dass seit Jahren nicht wenige der rituellen
Circumcisionen von Aerzten au9geführt werden, haben die eben ge¬
schilderten Gefahren beträchtlich gemindert, fast völlig in den Hinter¬
grund gedrängt.
Bestehen geblieben ist nur die Gefahr der Verblutung, entweder in¬
folge von Hämophilie oder stärkerer Entwicklung der Präputialgefässe. In
unserem Falle handelte es sich um eine klassische Hämophilie, weswegen
mir dieser Fall mitteilenswert erschien. Als exceptionell verdient eine
in der Literatur von Wittner niedergelegte Beobachtung angeführt zu
werden, wo sich in einer Familie zwei Brüder und acht Onkel dieser
Brüder im Anschluss an die rituelle Circumcision ex haemophilia ver¬
blutet hatten. Ein solches Vorkommnis erscheint sehr wunderbar, wenn
man bedenkt, dass der Ritus, wie mir mitgeteilt wurde, vorschreibt, dass
kein weiterer Knabe beschnitten werden solle, wenn drei seiner Brüder
sich dabei verblutet haben. Ist die Hämophilie als solche in der Familie
der Eltern schon bekannt, so wird man vom ärztlichen Standpunkte aus
schon bei der Geburt des ersten Knaben von der Circumcision abzuraten
haben, um nicht erst Lehrgeld zahlen zu müssen. Solchen Fällen, wie
den mitgeteilten gegenüber, wird man prophylaktisch wenigstens immer
machtlos gegenüberstehen. Gelegentlich wird ja einmal die Serumtherapie
oder auch Gelatineinjektion einen Erfolg erzielen können. Wie aber aus
dem so lebhaften Bluten kleinster Kratzwunden in unserem Falle hervor-
geht, handelte es sich am einen ganz besonders schweren Grad von
Hämophilie.
Medizinische Gesellschaft zu Kiel.
Sitzung vom 18. Juni 1914.
1. Hr. Graf-Neumünster:
Zar blutigen Behandlung Begünstiger Schenkelhalsbrüche.
Vortr. berichtet über fünf mediale Schenkelhalsbrüche, die er im
Jahre 1912 und 1913 operativ behandelt hat. Er hat nach vorher¬
gehender Bohrung etwa 8 mm dicke Elfenbeinstifte durch Hals und Kopf
zu treiben versucht und die betreffenden Patienten bereits nach zwei
Wochen aufstehen lassen unter ganz allmählicher Belastung des Beins.
Die Methode gebt bis auf Langenbeck zurück. Die Erfolge waren
bereits früher zufriedenstellend, doch hat der grossartige Ausbau der
Streokverbandbehandlung und die Gefahr der Narkose sie sehr einge¬
schränkt. Die Narkose ist heutzutage durch die örtliche Betäubung bei
dieser Operation ganz oder teilweise zu vermeiden, so dass Vortr. selbst
bei einer 74 jährigen Patientin ohne Schaden das Verfahren angewandt
hat. Schwierigkeiten macht das centrale Ein treiben der Stifte. Zweimal
geriet die Spitze des Nagels unter den Kopf. Der Schaft hatte dadurch
zunächst einen guten Halt; die fibröse Vereinigung von Kopf und Schaft
erfolgte auch hier, obwohl die Nägel nachträglich abbrachen. Die beiden
Frakturen sind fest und tragfähig geworden. Es wurden auf diese Weise
eine 10 Wochen und eine 22 Wochen alte Fraktnr behandelt, beide
Patienten sind völlig arbeitsfähig geworden; ferner drei frische sub-
capitale Frakturen bei drei Frauen. Eine Fraktur wurde völlig arbeits¬
fähig und heilte knöchern, vielleicht war die Fraktur von vornherein
eingekeilt, die zweite wurde ebenfalls fest, so dass die 76 jährige Patientin
mit Hilfe des Stockes auf dem Bein stehen kann. Ebenso kann die
dritte nur mit Stock, aber */* Stunde auf der Strasse gehen.
Gesamtergebnis: Drei völlig arbeitsfähige Leute, zwei fibrös geheilte
Frakturen.
Vortr. sieht den Vorteil der Methode in folgenden Punkten: a) Die
Patienten können frühzeitig das Bett verlassen, ohne in Gefahr zu sein,
die Fragmente zu verschieben, b) Die funktionelle Belastung des Beins
als Heilfaktor kann schon sehr frühzeitig gestattet werden.
Diskussion: Hr. Anschütz.
2. Hr. Gö'bell bespricht die Pathologie der akuten Pankreasnekrose
und die verschiedenen experimentellen Arbeiten über die Entstehung
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1488
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 81.
derselben (Hildebrand, Opie, Hess, Guleke, Polya, H. Seydel,
Knope und Natus). Er charakterisiert das Krankheitsbild, weist auf
die häufige Kombination von Cbolelithiasis und akuter Pankreasnekrose
hin und zeigt im besonderen au zwei geheilten Fällen, dass es möglich
ist, eine Frühdiagnose zu stellen und an der Hand einer Statistik,
dass die Frühoperation innerhalb der ersten 24 Stunden die besten
Resultate gibt (9 geheilt zu 4 gestorben), während in den zweiten
24 Stunden das Verhältnis schon 2 zu 3, in den dritten 24 Stunden
gar 2 zu 8 ist. Die vorgestellten Patienten (60 und 78 Jahre alt)
wurden in Lokalanästhesie operiert; bei dem 60jährigen fand sich be¬
ginnende Fettgewebsnekrose, bei dem 78 jährigen ausgedehntere Fett-
gewebsnekrose. Der Paokreasüberzug wurde geritzt, die Bursa omentalis
mit Vioformgaze tamponiert und drainiert. Wohlgemuth’sche Diät und
länger durcbgeführte Tamponade und Drainage sicherten vor dem Auf¬
treten einer Pseudocyste des Pankreas.
Diskussion: HHr. Richter, Lubarsch, Hoppe-Seyler, An¬
schütz. Graf.
3. Hr. Göbell demonstriert eine 29jährige Frau, bei welcher er am
II. Juli 1912 eine echte Pankreascyste, welche mit dem Pankreaskopf
verwachsen war, entfernt hatte. Die Cyste war gut apfelgross, ihr In¬
halt war schwarz wie Tusche, die mikroskopische Untersuchung ergab,
dass die Cyste innen von Cylinderepithel mit basal stehendem Kern
ausgekleidet war. Die Untersuchung des Cysteniohalts im Physio¬
logischen Institut ergab: Inhalt schwach alkalisch, verdaut kein Eiweiss,
kein Fett, verzuckert Starke wie jede Körperflüssigkeit. Gallenfarbstoff
und Gallensäuren fehlen.
Vortr. demonstriert aü mikroskopischen Präparaten den Unterschied
zwischen echter Pankreascyste und Pseudocyste des Pankreas.
Diskussion: Hr. Lubarsch bestätigt die Diagnose Cystis pau-
creatis vera.
4. Hr. Göbell demonstriert a) einen 5 jährigen Knaben mit isekämi*
scher Kontraktur und Medianuslähmung nach Extensionsfraktnr des
linken Hamerns, bei welchem die Neurolysis durch freie Fetttransplan¬
tation zur Umhüllung des aus den Narben oberhalb der Ellenbeuge frei¬
präparierten N. medianus und freie Fascientransplantation zum Ersatz
der geschrumpften Oberarmfascie einen guten Erfolg am Medianus er¬
zielt batte.
b) Eine Frau, die an Mamma pendnla und heftiger Mastodyiie
litt, und bei welcher beiderseits durch freie Fascientransplantation ein
an der 2. Rippe befestigtes Ligamentum Suspensorium mammae mit
kosmetisch gutem Erfolg geschaffen wurde. Die Mastodynie ist völlig
verschwunden.
c) . Einen 32 jährigen Patienten, bei welchem eine 1 / i Jahr alte
Lnxatio clavicnlae retrosternalis inveterata durch blutige Reposition
und die Retention des sternalen Endes mittels zweier die Clavicula mit
dem Sternum und der 1. Rippe verbindender, frei transplantierter Fascien-
streifen erzwungen wurde. Resultat bis dahin ausgezeichnet.
d) Zwei Mädchen, bei welchen nach Reposition einer Lnxatio coxao
congenita trotz Beseitigung der Anteversion mittels Osteotomie nach
Schede wieder Relaxationen aufgetreten waren. Es wurde blutig
reponiert, das Ligamentum teres aus der Gelenkpfanne entfernt, nach
der Reposition und Naht der Kapsel aus frei transplantierter Fascie ein
von der Eminentia ilei pectinea zum Trochanter major ziehendes breites
Band geschaffen, welches nunmehr forcierte Aussenrotation verhindert.
Diskussion: HHr. Brandes, Göbell, Anschütz.
E. Richter.
Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik,
Demonstrationsabend im Allgemeinen städtischen Krankenhaus zu Nürn¬
berg am 2. Juli 1914.
Hr. von Rad demonstriert 2 Patientinnen mit manisch-depressivem
Irresein.
Hr. Scheidemandel demonstriert 1. eine Basedow-Kranke mit
einseitigem Exophthalmus.
2. Einen Patienten mit Hämatoporphyrinnrie. Bei Aufnahme ins
Krankenhaus bestand hohes Fieber, Erbrechen, Schmerzen in der Blind¬
darmgegend. Leukocytose 20 000. Zunehmende Dunkeliärbung des Harns
beim Stehen. Urobilin war vorhanden, dann gelang der Nachweis der
Hämatoporphyrinurie. Bereits 1912 war der Kranke in ähnlicher Weise
erkrankt und damals von anderer Seite Diagnose auf Appondicitis ge¬
stellt. Patellarreflexe gesteigert, Fussklonus, Radialisparese und seit
einigen Tagen degenerative Veränderungen im Peroneusgebiet. Vielleicht
bereitet sich eine Landry’sche Paralyse vor. SulfoDal und Trional bat
der Pat. nie bekommen.
3. Einen kräftig gebauten Mann mit ziemlicher Adipositas mit
Thrombose der Vena axillaris links. Seit 10 Wochen Schwäche im
linken Arm, der bei ganz geringen Anstrengungen anscbwillt und sich
blau verfärbt. Anschwellen der Venen. Kein Trauma oder Tumor liegt
vor. Es besteht Bradykardie. Patient ist Mechaniker, dessen linke
Hand bei der Beschäftigung stets geringen Erschütterungen ausge¬
setzt war.
Hr. Borkhardt demonstriert 1. ein 38 jähriges Fräulein bei der vor
4 Wochen wegen Osteoms der linke Oberkiefer reseziert wurde, und
bei der in nächster Zeit das kolossale Osteom des Unterkiefers der
gleichen Seite operiert werden soll. Mit 6 Jahren habe die Geschwulst
am linken Oberkiefer sich entwickelt, mit 14 Jahren wurde Pat. zweimal
von Heiaecke operiert. Die Geschwulst kehrte wieder, wuchs aber
zunächst sehr langsam. Die Operation wurde in Kopf tief lagerung vor¬
genommen, Weber’sche Schnittführuog, Unterbindung der Carotis externa,
Umschlingung der Carotis communis mit einem Faden, durch Zusammen¬
ziehen der Schlinge zeitweise Kompression. Blutstillung mit Wachs.
2. Einen Pat., bei dem wegen Carcinomrecidivs Totalresektion des
linken Oberkiefers nebst vollständiger Ausräumung der Sieb- und Keil-
beinzelleo nach Skelettierung des aufsteigenden Unterkieferastes vor¬
genommen wurde. Ein Teil der Haut wurde gangränös, durch dieses
Loch Bestrahlung der Schädelbasis.
3. Eine 60 jährige Pat., bei der dem Carcinom die ganze Oberlippe,
Nase, Oberkiefer beiderseits grösstenteils zum Opfer gefallen sind.
4. Eine 33 jährige Pat., die wegen Leibschmerzen, Diarrhöe mit
Blntabgang ins Krankenhaus eingewiesen war. Pat. machte einen
sohwerkranken Eindruck, Fieber, Erbrechen bestand nicht. Laparatomie.
Ileum blauverfärbt. Mesenterialthrombose. Resektion von 1 m
Ileum. Ausgang in Heilung.
5. Einen 28 jährigen Mann, der vor 7 Jahren das erste Mal Magen¬
schmerzen bekam, die in der Folge öfter UDd anhaltender auftraten,
Tumor in der rechten Bauchseite. Operation: Appendieitischer Ileo-
COecaltBBOr. Resektion des Ileocoecums. Chronisch entzündliche Ver¬
dickung der Coecalwand, primär erkrankt der Appendix.
6. Einen 24 jährigen ManD, eingeliefert wegen Herzschass. */*Stunden
nach dem Suicid. Symptome des Herzblocks. Operation. In der linken
Pleura über 1 Liter Blut, im Herzbeutel keine Einschussöffnung zu finden.
Inzision des Pericards, Herzbeutel voll Blut, Einschuss in der vorderen
Wand des linken Ventrikels. Ausschussöffoung ist nicht zu Hoden.
Drainage der Pleura. Heilung durch hämorrhagische Nephritis kompliziert.
Von 7 vom Vortr. im hiesigen Krankenhaus wegen Herzschuss operierten
Patienten ist dies der 5., der zur Genesung kommt.
7. Eine Pat., der er durch Seetio alta eine Haarnadel, die von
einem hühnereigrossen Stein umschlossen war, aus der Blase entfernte.
8. Eine Pat., bei der sieh der Tumor im Abdomen bei der Operation
als eine das Ileum ausfüllende Mullkompresse erwies. Die 44jährige
Frau machte ausserhalb eine aseptische Operation durch. 1913 wurde
ein Douglasabscess bei ihr eröffnet, bald aber wieder Beschwerden, Fieber
sowie Durchfälle. Februar 1914 wurde sie wieder laparotomiert, aber
wegen ausgedehnter Verwachsungen der Därme von weiterem Vorgehen
abgesehen. Im Mai kam sie ins hiesige Krankenhaus, daselbst zum
4. Mal operiert. Durchtrennung des Ileums oberhalb des Tumors, es
zeigte sieb, dass der Tumor durch eine Kompresse im Darm bedingt
war. Resektion des Darmstückes, Einnäbung des Ileums ins Colon trans-
versum. Operation durch Verwachsungen sehr erschwert, im kleinen
Becken Eiter. Ein 2. Tumor, der noch gefühlt worden war, entpuppte
sioh als grosser Kottumor. Eine Darmoperation war nie vorgenommen
worden. Die Operationspräparate werden demonstriert.
Hr. Müller spricht über pbarmakodynamisebe Prüfang des vege¬
tativen Nervensystems und demonstriert 3 Patienten, bei denen es auf
diese Weise gelang festzustellen, dass der eine ein Vagotoniker, der
zweite ein Sympathikotoniker ist, während der dritte eine Mischform
repräsentiert.
Vortr. demonstriert 2. einen Pat. mit Hypertrophie der linken unteren
Extremität. Varicenbildung an Ober- und Unterschenkel. Der Kranke
litt als Kind an Scrofulose, mit 10 Jahren Verletzung am Unterschenkel,
Narben in der Inguinalgegend. Die Hypertrophie wird auf Stauung
zurückgeführt durch Kompression der Femoralis. Ausserdem besteht
Verkürzung des linken Ober- und Unterarms (Osteomyelitisfolge).
3. Eine 33jährige Patientin mit schwieliger Mediastinitis. Schmerzen
am unteren Ende des Brustbeins; auffallend ist die merkwürdige Art
des Atmens und die Kontraktionen des Abdomens synchron mit dem
Puls, dabei verschiebt sich die Baucbwand nach rechts und nach oben.
Perkussion ergibt normale Grenzen, Spitzenstoss nicht verstärkt; Röntgen¬
bild Schwartenbildung im Mediastinum. Kraus.
Aerztlicher Verein zu München.
Sitzung vom 23. Juni 1914.
1. Hr. v. Notthafft: Demonstration.
N. warnt vor den sogenannten Schönheitsinatituten, die unter hoch¬
trabenden, fabelhaften Anpreisungen sich verpflichten, alle Falten und
Unschönheiten des Körpers durch Einspritzungen zu entfernen. Iojiziert
wird hauptsächlich Paraffin und Vaselin oder eine Mischung beider.
Häufig sind im Anschluss an diese Einspritzungen Phlegmonen, Erysipele,
Abscesse und sogar Carcinome beobachtet worden. Nach vorheriger aus¬
giebiger Reklame erscheint ein Agent, der die Patienten zur Vornahme
dieser harmlosen Operation überredet und etwaige Bedenken zerstreut.
Nach einigen Tagen nimmt dann meist ein französischer, amerikanischer
oder italienischer „Arzt“ die Einspritzung vor. Die Unschön beiten, be¬
sonders kleine Gesichtsfalten, sind jetzt für einige Zeit schön ausge¬
glichen, aber bald nimmt der Gesichtsausdruck ein starres, maskenhaftes
Aussehen an, da durch die Einspritzung die Muskulatur mehr oder weniger
in ihrer Tätigkeit behindert und so das Mienenspiel oft gauz aufgehoben
wird. Trotz gegenteiliger Versicherung ist ein späteres Wiederaufsaugen
des eingespritzten Paraffins unmöglich, da an Stelle des Paraffindepots
ein sklerotisches, derbes, blutgefässarraes Bindegewebe entstanden ist.
An der Hand von Projektionen berichtet N. über einen Fall aus
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8. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1489
der Literatur bei dem nacb Jahr und Tag in der Nähe der Einspritzung
eine Schwellung der Lider auftrat. Die Infiltration des Gesichts nahm
im Laufe des folgendes Jahres zu und verwandelte die ganze obere Ge¬
sichtshälfte in eine höckerige, wulstige, das Gesioht vollkommen ent¬
stellende Masse. Auch hier war das Mienenspiel vollkommen aufgehoben.
Diese Veränderungen blieben trotz aller Versuche stationär und Hessen
sich in keiner Weise entfernen oder mildern.
2. Hr. Craemer:
Der biologische Unterricht an den bayerischen Gymnasien und die
nene Sehnlordnnng.
Vortr. berichtet über die Bemühungen der Münchener Aerzte, in den
Gymnasien den bisher stiefmütterlich behandelten naturwissenschaftlichen
Unterricht besser auszugestalten. Bisher wurde er in zwei wöchentlichen
Stunden von der 6. Klasse (Obersekunda) ab erteilt, und zwar begann
er mit dem schwersten Gebiet: der Gesundheitslehre und dem Menschen.
Schon vor 5 Jahren versuchte man den zweistündigen Unterricht bis auf
die 5. Klasse (Untersekunda) auszudehnen, leider jedoch ohne Erfolg.
Von gegnerischer Seite wurde hauptsächlich Ueberbürdung der Schüler
mit Schulstunden befürchtet. Wenn auch von medizinischer Seite eine
Verlängerung der Unterrichtszeit durchaus nicht gewünscht wird, so glaubt
doch Vortr., dass nach einer Reihe quälender Spraohstunden ein inter¬
essant erteilter naturwissenschaftlicher Unterricht vom Schüler mehr als
eine Erholung angesehen wird. Die Folge dieses eigentlich von sämt¬
lichen deutschen Staaten einzig und allein nur in Bayern so mangelhaft
erteilten Unterrichts ist nach Ansicht Craemer’s ein mangelhaftes Ver¬
ständnis der Schüler oder Studenten für die Vorstellung eines Vorganges,
da er in dieser Beziehung in keiner Weise geschult ist.
Um den Gymnasialunterricht mehr der Neuzeit anzupassen, wurde
von der Schule selbst, leider bisher aber vergeblich, die Umwandlung
in ein Reformgymnasium vorgeschlagen, nämlich 8 jähriger, lateinloser
Unterbau mit wöchentlich 6 Stunden Französisch sowie einigen Stunden
naturwissenschaftlichen Unterrichts, und erst von der 4. Klasse (Unter¬
tertia) ab sollte Latein eingeführt werden.
In den bayerischen Oberrealschulen wird ein guter naturwissen¬
schaftlicher Unterricht in sämtlichen Klassen erteilt. Nobiling.
Gesellschaft für Morphologie und Physiologie zu München.
Sitzung vom 16. Juni 1914.
Hr. L. Neumayer: Zur Phylogenie des Wirbeltierdarmes.
Vortr. verfolgte die phylogenetische Entwicklung des Wirbeltier¬
darmes bei geeignetem fossilen Material (Ganoiden, Knochenfische). Die
Befunde bestätigten die Anschauung, dass der Darmkanal der Wirbel¬
tiere ursprünglich eine einfache Röhre darstellt, an der später Spiral¬
touren auftreten; während die Spirale an das Ende des Mitteldarmes
wandert, tritt kompensatorisch am vorderen Abschnitt des Mitteldarmes
Schlingenbildung auf. Die Eindrücke des Spiraldarmes an Fossilien
werden an Hand von Diapositiven und epidiaskopischen Projektionen de¬
monstriert unter Berücksichtigung der differentialdiagnostischen Schwierig¬
keiten. Die sog. Koprolithen sind, wie mikroskopische Studien an Quer-
schliffen lehren, jedenfalls zum Teil Darmkanal mit Inhalt.
K. S üp fl e - München.
Medizinische Gesellschaft zu Basel.
Sitzung vom 25. Juni 1914.
Hr. voi Bunge: Ueber die Ursachen der Stillunfähigkeit.
Schon im Jahre 1898 hat Vortr. begonnen, den Ursachen der Still¬
unfähigkeit näher zu treten. Er hat zu diesem Zwecke Fragebogen aus¬
gearbeitet, welche an 40 000 Aerzte im ganzen deutschen Sprachgebiet,
m Holland, Dänemark, Schweden und Norwegen versandt wurden. Die
Fragebogen wurden ferner übersetzt ins Englische, Französische, Italieni-
«ohe, Spanische, Neugriechische und Japanische. Im Verlaufe von
15 Jahren sind von 300 Aerzten 2700 ausgelüllte Fragebogen eingegangen.
Als nor ? nal die Stillfähigkeit dann angesehen, wenn die Mutter
mr Kind mindestens während neun Monaten an der Brust ernähren
kann, ohne dass eine andere Nahrung beigegeben werden muss. Auf
urand des statistisch geordneten Materials kommt der Vortr. zu dem
Schlüsse, dass die Stillunfähigkeit erheblich sei; in 40 pCt. der Fälle
patte die Mutter die Fähigkeit zum Stillen noch besessen, die Tochter
J . P^- nicht mehr. Die Stillunfähigkeit ist in rapidem Wachstum
begriffen; sie ist ein Zeichen der Degeneration. Der Verlust der Still-
laaigkeit ist nicht isoliert, sondern nebenher gehen auch die Widerstands-
osigkeit gegen Tuberkulose, gegen Nervenleiden, gegen Geisteskrankheiten.
^ eso Degeneration, speziell für die zunehmende Still-
UMahigkeit ist nach dem Urteil des Vortr. im Alkoholismus des Vaters
suchen. An Hand von zahlreichen Tabellen wird der Zusammenhang
örtert ^oholismus des Vaters und Stillunfähigkeit der Tochter er-
Th ^ er ^ or ^ r * we ' s t die verschiedenen Einwände, welche gegen seine
eone vorgebracht worden sind, als nicht stichhaltig zurück. Nach
. ° 0rzeu 8 UD K ist die Stillunfähigkeit die wichtigste medizinische
* Qd 80 ^c Frage der Gegenwart. Lüdin-Basel.
Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde za Wien.
Sitzung der pädiatrischen Sektion vom 25. Juni 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Monti demonstriert einen Fall von Gangrän eines Meckel’sehen
Divertikels infolge Volvnlns.
Frau Gertrnde Bien führt 1. ein Mädchen mit Raynaud’sehen Sym-
ptomenkonplex vor.
Das Kind wurde mit schwerer Pericarditis aufgenommen, es zeigte
Cyanose der Nase und der Lippen und eine dunkelblaue Verfärbung der
Finger. Mit Besserung des Herzleidens verschwand die Cyanose, aber
an den Fingerspitzen tritt sie zeitweise auf, besonders nach Kälteeinfluss.
Die Wassermanu’sche Reaktion ist negativ.
2. Dieselbe demonstriert ferner ein 21 Monate altes Kind mit
einem Sternaldefekt.
Vom Sternum ist nur der Schwertfortsatz erhalten, an Stelle des
Corpus und des Manubrium ist ein dreieckig, mit der Basis nach abwärts
sehender Defekt, welcher nur von narbiger Haut überkleidet ist.
Hr. Reaeh stellt zwei Kinder vor, bei welchen er Papaverin gegen
Pertussis mit Erfolg angewendet hat
Es wurde von 0,3 Papaverin : 1000 Aqua stündlich ein Haffelöffel
voll gegeben, worauf die Zahl der Anfälle geringer und diese selbst
leichter wurden. Das Erbrechen hörte auf und nach vier Wochen trat
Heilung ein. Vortr. hat ausserdem noch 19 Fälle auf diese Weise be¬
handelt, er konnte sich überzeugen, dass in jedem Falle nach Verab¬
reichung des Papaverins das Erbrechen sofort sistierte und die Anfälle
kürzer und seltener wurden.
Hr. Lehndorff demonstriert mikroskopische Präparate von einem
Falle von Mikromyeloblastenlenkämie.
Dieselben stammen von einem Kinde, welohes vor einigen Monaten
mit chronischem Gelenkrheumatismus von Strauss vorgestellt worden
ist. Es hatte keinen Milztumor, die Blutuntersuchung ergab l l j 2 Mill.
rote und 6000 weisse Blutkörperchen, unter den letzteren waren 40 pCt.
anscheinend typische kleine Lymphocyten. Im weiteren Verlaufe traten
immer wieder Attacken von Gelenkaffektionen auf.
Hr. Nobel zeigt 1. ein IV 2 Jahre altes Kind mit akuter lympha¬
tischer Leukämie.
2. Derselbe stellt den Knaben vor, welchen er vor einiger Zeit mit
angeborenem, chronischem, acholnrisehen Icteras demonstriert hat.
Bei dem Knaben ist vor 10 Tagen die Splenektomie ausgeführt
worden. Schon 24 Stunden nach derselben ist der Icterus zurück¬
gegangen, jetzt ist er ganz geschwunden, und das Kind sieht blühend
aus. Der Hämoglobingehalt ist von 46 auf 71 pCt. angestiegen und die
Zahl der roten Blutkörperchen hat zugenommen.
Hr. K&ssowitz demonstriert ein 472 Jahre altes Kind mit der vor¬
läufigen Diagnose: aknte lymphatische Leukämie.
Hr. v. Peyerer zeigt ein 2 J / 2 Jahre altes Kind mit Mikromelie.
Hr. Knöpfelmacher zeigt 1. ein 3jähriges Kind mit ehroiisehem
Gelenkrheumatismus.
Beide Handgelenke, die Ellbogengelenke, die Knie- und Sprung-
gelenke sind geschwollen, die Schwellung ist elastisch und nicht druck¬
empfindlich. Die Krankheitsdaner beträgt bereits 2 Jahre, jetzt kann
das Kind nicht mehr gehen. Es hat chronisches intermittierendes Fieber,
die Schwellungen sind aber nicht tuberkulöser Natur, wie sich Vortr.
durch Untersuchung eines exoidierten Stückchens überzeugen konnte.
Behandlung mit Radium war bisher ohne Erfolg.
Derselbe demonstriert 2. ein 21 Monate altes Kind mit heredi¬
tärer Lues und Pleioeytose der Cerebrospinalfiüssigkeit.
Das Kind wurde mit Salvarsan behandelt, und es hat jetzt ein papu¬
löses Exanthem. Als das Kind 6y 2 Monate alt war, wurde bei ihm die
Lumbalpunktion vorgenommen, welche Pleioeytose der Cerebrospinal-
flüssigkeit ergab. Die jetzt vorgenommene Lumbalpunktion ergab eine
noch stärkere Pleioeytose. Das Kind hat Hydrocephalus und eine geringe
lntelligenzstörung. Die Wassermann’sche Reaktion ist in der Cerebro¬
spinalflüssigkeit negativ, im Blute positiv. Bei luetischen Säuglingen
ist die Pleioeytose ziemlich häufig, bei älteren ist sie selten; sie deutet
auf ein Befallensein der Meningen oder des Gentrainervensystems hin.
Hr. K&ssowitz bespricht die Maassnabmen, welche er anlässlich einer
Diphtherieepidemie in einem Kindergarten zur Verhütung der Ausbreitung
der Seuche ergriffen hat.
Bei der ersten Erkrankung wurden alle 52 Kinder des Kindergartens
untersucht, bei 8 fanden sich Bacillen in der Kultur aus dem Abstrioh
der Tonsillen. Die Anstalt wurde desinfiziert und gesperrt. Es kamen
dann später noch 4 Erkrankungen vor, die Erkrankten wurden isoliert
und serologisch behandelt, die Bacillenträger wurden ebenfalls isoliert
und wiederholt untersucht. Die Bacillenträger wurden prophylaktisch
mit Serum behandelt. Nach Wiedereröffnung der Anstalt, welche vor
17z Monaten erfolgte, ist kein neuer Erkrankungsfall mehr vorgekommen.
_ H.
Aus Pariser medizinischen Gesellschaften.
Acaddmie de medecine.
Sitzung vom 8. Mai 1914.
HHr. Caussade und Levl-Fraeukel beschreiben einen Fall von
ieterisehem Symptemenkomplex nach Hanoi bei sekundärer Syphilis.
5 Monate nach einem indurierten Schanker trat langsam intensiver Icterus
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UNIVERSUM OF IOWA
1490
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 31.
ein ohne Entfärbung der Fäces, mit Pruritus und Bradycardie. Der
Urin enthielt Gallensalze und Pigmente. Die Leber war sehr gross,
ebenso die Milz. Das reohte Hypoohondrium war druckempfindlich;
während 8 Tagen bestand leichtes Fieber bis 38°. Dabei bestanden
leiohte Magendarmstörungen, während Meteorismus, Ascites und collaterale
Blutcirculation fehlten. Es handelte sich um den von Hanot be¬
schriebenen icterisohen Symptomenkomplex. Dieser war hier syphi¬
litischer Natur: der Wassermann war positiv; in den ersten Tagen be¬
standen papulöse Syphilide des Thorax und Abdomens, ciroinäre Syphilide
des Scrotums, welche nach Hg-Cyanürbehandlung verschwanden. Der
Icterus verschwand, die Hypertrophie von Leber und Milz ging nur
langsam zurück, erst nach 3 Monaten. Die Hg-Behandlung wurde gut
vertragen, weil keine Leberinsuffizienz bestand und Nieren und Blut
nicht verändert waren. Die Behandlung musste lange fortgesetzt werden,
trotzdem bekam Pat. nach einem Jahr einen leichten Rückfall. Die
Leberafiektion hat offenbar rasch nach der Infektion begonnen. Die
Leber muss also bei Lues genau überwacht werden, besonders bei so¬
genanntem oatarrhalischem syphilitischen Icterus.
HHr. Aehard und Leblanc berichten über 25 Fälle von Herab-
sinken der Ambard’schen Konstante* unter die Norm. Es bandelte
siob fünfmal um Rekonvaleszenten von akuten Krankheiten oder um
leicht Fiebernde (darunter 5 Tuberkulosen), fünfmal um Polyurie und
zweimal um Oligurie. Die tiefste Zahl, 0,025, fand man bei einem aus¬
gehusteten Empyem und 0,026—0,028 bei 2 Tuberkulosen. Bei den
meisten Fällen war der Harn stoffgeh alt des Blutes herabgesetzt auf
0,10—0,15 pM. Dieser Harnstoffgehalt des Blutes geht mit den
Schwankungen der Konstanten nicht parallel. Die Konstante zeigt Un¬
regelmässigkeiten, sobald der Patient nicht in einer gewissen physio¬
logischen Stabilität ist. Verstärkte Diuresen, CirculationsstÖrungen,
Blutveränderungen nach Krankheiten können die Ambard’sche Konstante
beeinflussen, ohne dass man berechtigt wäre, daraus auf entsprechende
Veränderungen der Nierenpermeabilität zu schlossen.
HHr. Felix Ramond und Poiranlt beschreiben einen Fall von
Herpes zoster facialis. Der Ausschlag beschränkte sich genau auf das
Gebiet des Nervus maxill. inf. Er war begleitet von syringomyelitischer
Dissociation der Sensibilität der Haut und Schleimhaut, Verschwinden
der Geschmacksempfindung in den beiden vorderen Dritteln der ent¬
sprechenden Zungenhälfte, welche übrigens nachher stark abhäutete und
durch ihre Rötung auffiel. Ferner bestand gleichzeitig eine Facialis-
parese der gleichen Seite. Alle diese Erscheinungen verschwanden im
Laufe eines Monats. Die Erscheinungen erklären sich durch die An¬
nahme, dass die Veränderungen bis zum Bulbus sich ausdehnen, in
welchem der Kern des Facialis denjenigen des Maxillaris inf. umrahmt
und somit an dessen Entzündung sich beteiligen kann.
HHr. G. Guillain und J. Onbois haben ein 20 jähriges Mädchen mit
doppelseitiger Athetosis beobachtet, bei welchem die Augen¬
kompression hemmend auf die Athetosisbewegungen wirkte.
Pat. zeigte intellektuelle Störungen, Athetosebewegungen des Gesichts,
der Zunge und der Glieder, spastisch-cerebellären Gang, Veränderungen
der Haut und Sehnenreflexe. Der Augenberzreflex war verstärkt, er¬
zeugte eine Pulsverlangsamung von 29 Pulsationen pro Minute. Die
Kompression erzeugte Blässe des Gesichts und Neigung zu Ohnmacht,
und während derselben verschwanden die Athetosebewegungen des
Gesichts und der Glieder fast ganz, was auffällig ist, da sonst im Gegen¬
teil die ärztlichen Untersuchungen die Bewegungen vermehren.
Sitzung vom 15. Mai 1914.
HHr. Laigncl Lavastile und Frl. Romme zeigen einen 51jährigen
Patienten mit symmetrischer Lipomatose, die seit 8 Jahren besteht
und sich mit Facialisparalyse nach cervicofacialem Zoster
komplizierte. Die Lipome am Hals, Thorax und Abdomen sind sehr
gross und haben sich nirgends auf Lymphdrüsen entwickelt. Der Zoster
war auf Naoken, Hals und Gesicht ausgedehnt und erreichte auch die
Ohrmuschel. Es blieben Sensibilitätsstörungen zurück, und zwar heftige
paroxystische Schmerzen und auf dem ganzen Ausschlaggebiet eine
Hypoästhesie für Berührung, Schmerz und Wärme, besonders im Nacken
und unteren Teil der Wange (2. und 3. Cervicalnerv) und am Ohr¬
läppchen, Helix und Antihelix des rechten Ohrs. Ohne Kopfschmerz
oder andere klinische Zeichen komplizierte sich der Zoster mit starker
meningealer Reaktion.
HHr. Dnfonr, Legras und Ravina zeigen einen Fatl von chronischer
Osteomalaeie bei einer 67jährigen Virgo. Die Affektion hatte im
ersten Lebensjahr begonnen und das ganze Leben gedauert, mit Frakturen
der verschiedenen Diaphysen, schlechter Konsolidation derselben, heftigen
multiplen Schmerzen, Abnahme der Körperlänge bis 1,30 m, dorsale
Kyphose usw. Pat. war vom 12. bis 46. Jahre normal menstruiert; die
Menopause hat die Affektion nicht beeinflusst. Im ganzen lassen sich
21 Frakturen nacbweisen.
HHr. Hallä, Foix und Bloch beschreiben einen relativ seltenen
Fall von diphtherischer organischer Hemiplegie. In dem Falle, der
pathologisch-anatomisch untersucht werden konnte, war die vorüber¬
gehende Hemiplegie bedingt durch einen scharfbegrenzten Herd der
hinteren Hälfte des Linsenkerns. Es handelte sich um einen Erweichungs-
berd, wahrscheinlich embolischen Ursprungs.
HH. Marod Lattä und Baumgartner besprechen den diagnostischen
Wert der Acidose für Leberinsnffisienz. Ein 86jähriger Patient kam
mit Coma, rechtsseitiger Hemiplegie, Ptosis und Mydriasis zur Behand¬
lung und zeigte gleichzeitig starke Reaktion für Acidose im Harn. Es
bestand kein Diabetes und keine Zeichen von Leberaffektion. Liquor
cerebrospinalis und Sehnenreflexe Hessen eine Erkrankung des Nerven¬
systems ausschliessen. Bei der Autopsie fand man eine total degene¬
rierte Leber; keine Nierenveränderung noch Gehirnveränderungen, die
die Paralysen erklären würden. Es handelt sich um toxische Lähmung,
wie man sie bei Urämie und Hepatotoxämie findet. Die Acidose hat
erlaubt, die Diagnose auf Leberinsuffizienz zu stellen.
Nach HHr. Mosny und Javol besteht bei chronischer Bleivergiftung
zur Zeit einer Bleikolik eine Harnstoffretention im Blut, die vorüber¬
gehend ist und mit der Oligurie gleichzeitig besteht, mit der Polyurie
und Heilung der Kolik wieder zurückgeht.
Hr. Qneyrat zeigt einen Patienten mit Schanker der Lippe nid
grosser Driisenschfvellung unter dem Kinn. Nach Injektion von 0,3 g
Salvarsan entstand gleichen Tags eine faustgrosse Schwellung mit Rötung
wie bei Lymphdrüseneiterung. Es handelt sich um eine starke Herx-
heimer’sche Reaktion, gleichzeitig trat bei den anderen Sekundärerschei-
nungen starke Reaktion ein. Zurzeit sind die Entzündungserscbeinungen
im Rückgang begriffen.
Hr. Gnisez bat bei 11 Patienten mit Lungengangrän durch massive
intrabroncbiale Injektionen Heitung erzielt. Von 3 neuen Fällen heilten
2, der 3. starb an Septicopyämie, während der Lungenherd geheilt war,
wie die Sektion ergab.
Sitzung vom 22. Mai 1914.
Hr. BenBaude beschreibt einen neuen Fall von Acidose mit Coat
ohne Diabetes. Eine 38 jährige Frau litt seit 8 Jahren an Gallenstein¬
kolik mit Icterus und dauernder Entfärbung der Stühle. Bei der Auf¬
nahme bestanden deutliche Zeichen von Cholecystitis und Perichole¬
cystitis, leichtes Fieber, sehr frequenter Puls bis 130 und 140 und
Durchfall. Kurz vor dem Exitus wurde Patientin somnolent und fiel
durch säuerlichen Geruch des Atems und des Urins anf. Dieser ent¬
hielt Aoeton und Diuretsäure, aber keinen Zucker. Mit Injektionen von
Natr. bicarbon.-Lösungen ging das Coma vorübergehend zurück, trotzdem
starb Patientin 4 Tage nach Eintritt des komatösen Zustandes.
Hr. Merklen und Leblanc beschreiben einen Fall von Vitiligo hei
einem Tuberkulösen, bei dem gleichzeitig Lues (Argyll Robertson) be¬
steht. Wassermann des Blutes und des Liquor waren negativ.
HHr. Castaigne und Paillard zeigen einen 25 jährigen Patienten mit
totalem spontanem, rechtsseitigen Pneumothorax. In vollem Wohl¬
befinden bekam Patient Schmerzen und Atemnot, konnte aber trotzdem
heimgehen und in einen 7. Stock steigen. In wenigen Tagen ging die
Atemnot zurück, aber Patient fühlte sich doch nicht ganz wohl und
stellte sich vor Wiederaufnahme der Arbeit im Krankenhause vor. Da stellte
man klinisch und radiologisch einen totalen, rechtsseitigen Pneumothorax
fest. Seit l l J 2 Monaten beobachtet man die langsame Resorption des
Luftergusses, deren Fortschritt radiologisch festgestellt wird. Der Flüssig-
keitserguss war nur gering und radiologisch festzustellen, nur einmal
fand man Succussio Hippocratis. Patient ist nicht tuberkulös belastet,
hat nur leichte Veränderungen des Vesicularatmens an der linken Spitze.
Fieber fehlt, Patient nimmt an Gewicht zu und fühlt sich wohl.
Hr. A. Leri hat bei 7 Fällen von Gehirn- ud Meningealblntong
untersucht, ob im Serum eiweisszerstörende Fermente bestehen. Iq
6 Fällen bestanden solche, 5 mal in sehr starker, 1 mal in geringer Menge;
im 7. Fall war das Resultat am 2. Tag negativ, nach 8 Tagen leicht
positiv. Gewöhnlich ist die Reaktion schon in den ersten Tagen, in
denen die Diagnose schwierig ist, positiv. Zum Vergleich wurde die
Seroreaktion mit Fibrin in 11 Fällen von Gehirnerweichung und bei
18 verschiedenen Erkrankungen untersucht. Bei den 11 Gehirn¬
erweichungen war sie nur lmal positiv. Bei den 18 anderen Patienten
war sie negativ, ausser bei anderswo als im Gehirn lokalisierten Blutungen
oder wenn infolge Eiterung oder Leukämie ausgedehnte Zerstreuung der
weissen Blutkörperchen bestand; dabei handelte es sich nicht um spezi¬
fische Fermente, sondern um solche, die durch Zerstörung der Leuko-
cyten freigeworden waren. Die Seroreaktion auf Fibrin gibt also ge¬
wöhnlich positive Resultate, besonders bei Gehirnblutungen, negative in
anderen Fällen, und ist somit wichtig, wenn die Diagnose für Gehirn¬
blutung zweifelhaft ist. Es muss aber daneben nicht eine anders lokali¬
sierte Blutung bestehen, denn die Reaktion deutet auf Bluterguss und
gibt keine Lokalisation an. Ausserdem dürfen neben der Blutung keine
Massenzerstörungen der Leukocyten bestehen, wie bei Leukämie.
Sitzung vom 29. Mai 1913.
Hr. Bensande hält gegenüber Herrn Laignel-Lavastine an seiner
mit Herrn Lannois aufgestellten Theorie des lymphogenen Ursprungs
der symmetrischen Lipomatose fest. Es genügt nicht, zu zeigen, dass
die Geschwülste da entstehen, wo gewöhnlich keine Lymphdrüsen be¬
stehen. Diese können an Orten bestehen, wo man sie gewöhnlich nicht be¬
schreibt (Schulter, Schulterblattgegend, Wirbelsäulengegend, BauchdeckeD,
Pubes); gewisse Krankheiten, besonders Syphilis, haben eine Prädilektion
für solche, sonst nicht beschriebene Drüsen. Für die lymphogene Natur
dieser Lipome sprechen noch: die häufigen Tumoren des Mediastinums;
das gleichzeitige Bestehen von Elephantiasis der Haut und Varizen der
Lymphgefässe; die Tatsache, dass die Fettinfiltration längs der Gefäss-
Nervenbündel weitergreift; das rasche Wachsen und Schwinden der Ge¬
schwülste; die Aebnlichkeit mit anderen Krankheiten lymphatischen
Ursprungs, wie Lymphadenie; die engen Beziehungen zwischen Fett¬
gewebe und Lymphsystem, wie sie durch Verschwinden der Drüsen bei
letten Ochsen ersichtlich sind.
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UNIVERSUM OF IOWA
8. Aagast 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1491
HHr. Flau di n und Paateir-Vallery Radot beschreiben einen Ver-
gifttigafall mit 8aoerkleesalz. Trotz der grossen Menge absorbierten
Salzes und der schweren Erscheinungen im Beginn wurde Patient rasoh
gesund. Die Radioskopie zeigte bei dem scheinbar geheilten Patienten eine
gestörte Magenkontraktionsfähigkeit, die auf später eintretende Störungen
des Magens deuten. Die Harnstoffbestimmungen im Blut ergaben einen
Gehalt von 3,86 g während der Periode der Oligurie. Diese Harnstoff-
reteotion versohwand langsam, sobald die Diurese eintrat und verschwand
in wenig Tagen ganz. Es handelt sich also um vorübergehende Azothämie
toxischen (in anderen Fällen infektiösen oder mechanischen) Ursprungs,
die keinen prognostischen Wert hat, nicht wie bei chronischer Nephritis,
bei der die Prognose sohleoht wird, wenn der Harnstofifgehalt 1 g
übersteigt.
HHr. Oettisger. Fiessinger und Marie geben ihre Resiltate mit
der Abderhalden’seliei Reaktion zur Diagnose des Carcinoms, besonders
des Caroinoms des Verdauungsapparats. Bei sicheren Oarcinom war die
Reaktion in 61,2 pCt. positiv und in 38,8 pCt. negativ. Bei nichtcarci-
nomatösen Affektionen waren nur 32,2 pCt. positiv, die anderen negativ.
Die positiven Reaktionen sind häufig, namentlich bei Mägendarmblutuugen.
Die Methode ist also zu diagnostischen Zwecken nicht genau genug.
Eine positive Reaktion ist nur ein Wahrscheinlichkeitszeichen, mit dem
die anderen klinischen Symptome in Betracht gezogen werden müssen.
HHr. Jeauelme und Sehalmaan beschreiben einen Fall von tertiärer
Lies mit besonderer Beteiligung der Milz, die so enorm war, dass ein
Chirurg die Exstirpation vorschlug. Die genaue Untersuchung ergab
multiple, schmerzhafte Exostosen, nächtliche Schmerzanfälle, stark posi¬
tiven Wassermann. Eine erste Injektion von 0,1 cg Neosalvarsan brachte
die Schmerzen zum Schwinden; nach der 5. Injektion war der Durch¬
messer der Milz von 21 cm auf 11 cm gesunken; ebenso war die Leber¬
schwellung zurückgegangen. In solchen Fällen muss vor der Chirurgie
eine genaue Untersuchung stattfinden, wenn man Syphilis ahnt.
Wiener Brief.
Die wohlverdienten Sommerferien der Wiener medizinischen
Fakultät werden durch einen Ukas des Dekanats gestört, der nichts
mehr und nichts weniger als den Numerus olausus an der Reichs-
universität diktiert. Der Wortlaut dieser historischen Kundmachung
lautet wie folgt:
»Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht hat mit Erlass
vom 24. Juni 1914, Z. 14 309, Aufnahmsbeschränkungen an der
Wiener medizinischen Fakultät für das Studienjahr 1914/15 ge¬
nehmigt, auf Grund welcher das Professorenkollegium der Wiener medi¬
zinischen Fakultät in seiner Sitzung vom 1. Juli 1914 folgendes be¬
schlossen hat:
1. Die Zahl der in den ersten Jahrgang (erstes und
zweites Semester) neu aufzunebmenden, zur Immatrikulation
zuzulassenden Studierenden der Medizin wird mit 400 fest¬
gesetzt.
2. Von den Studierenden, welche die Aufnahme anstreben und den
vorgesohriebenen Bedingungen entsprechen, werden jene aus Nieder¬
österreich und denjenigen Kronländern, in welchen eine Uni¬
versität mit medizinischer Fakultät nicht besteht, sowie aus
Bosnien und der Herzegowina in erster Linie inskribiert;
sie haben die Inskription in der Zeit vom 23. September bis 8. Oktober
durchzuführen.
3. Studierende aus den übrigen im Reichsrate vertretenen König¬
reichen und Ländern, dann Ausländer können erst nach den Vor¬
genannten, bis die genannte Gesamtzahl von 400 erreicht ist, aufgenommen
»erden. Diese haben sich bis zum 12. Oktober, 12 Uhr mittags, vorschrifts-
mässig unter Vorweisung des Nationales und der Dokumente wie die
übrigen schriftlich im Dekanat zu melden; über ihre eventuelle Aufnahme
»ird am 13. Oktober entschieden sein. Zum Nachweise ihrer Zu¬
ständigkeit haben sämtliche die Immatrikulation anstrebenden Studierenden
des ersten Jahrganges aus dem Nachweise ihrer österreichischen Staats¬
angehörigkeit ihre Heimatscheine beizubringen. Studierende anderer
Fakultäten können sich für die Uebungen im Seziersaale nicht inskri¬
bieren. Spätere Inskriptionen, sei es mit Gesuchen an das
Dekanat oder den akademischen Senat, sind, sobald die Ge¬
samtzahl von 400 erreicht ist, nicht zulässig; dasselbe gilt
für eventuelle Uebertritte von anderen Fakultäten.*
Die Motive, die unsere Fakultät bewogen haben, zum Verfahren
wr Drosselung des Zuflusses zu greifen, um dem derzeitigen Mangel an
Kaum und an Material, besonders für das anatomische Studium, ein
Bnde zu bereiten, sind Ihren Lesern aus einem „Wiener Briefe“ be-
aaunt. Im Jabre 1913/14 gab es an der Wiener medizinischen Fakultät
663 erstjährige Mediziner! Diese Anziehungskraft der Reichs-
Universität ist gewiss mit Freude und Stolz zu begrüssen; leider fehlt
M derzeit an Raum und Material, um 663 Mediziner in Wien zu
wichtigen, theoretisch und praktisch vorgebildeten Aerzten zu erziehen.
fehlt in beiden anatomischen Instituten an dem Material; das ist die
Hauptsache. Denn Raum Hesse sich gewinnen; entweder durch Ein¬
richtung von Parallelvorlesungen, wie sie an allen grossen Universitäten
nach Bedarf eingelührt werden (Auoh in Wien! In früheren Jahren auoh
w» den anatomischen Lehrkanzeln!), oder durch provisorische Verwen¬
dung des recht gut eingerichteten anatomischen Instituts an der
historischen Josefs - Akademie für Militärärzte, dem aufgelassenen
„Josephinum“, oder — horribile diotu — durch Neueinrichtung einer
dritten anatomischen Lehrkanzel. Diese Auswege werden vom Collegium
nicht gegangen, sondern es wird durch den Ukas, der einer Lehr- und
Lernfreiheit an Hochschulen nicht entspricht, die Zahl der Mediziner
restringiert und dezimiert. Studierende anderer Fakultäten dürfen an
den Sezierübungen überhaupt nicht mehr teilnehmen, eine Maassregel,
die nach der Ansicht der Juristen den Universitätsgesetzen nicht ent¬
spricht. Der Mediziner darf philosophische, philologische, historische,
zoologische und andere Institute und Seminare frequentieren — der
Nichtmediziner ist von dem anatomischen Studium ausgeschlossen.
Warum das alles? Zu welchem Zweck und Ende die drakonische
Strenge, die mit unseren Universitätsgesetzen in Widerspruch gerät?
Das Professorenkollegium motiviert diese Strenge folgendermaassen:
„Da im Seziersaai die erst-, zweit- (als Rigorosanten), auch die dritt-
jährigen Mediziner Zusammentreffen, hat es sich ergeben, dass im Winter¬
semester 1913/14 ca. 1700 Studierende an den Sezierübungen teil-
nahmen. Wenn auch infolge der Vermehrung der Seziersäle der Raum
lür eine solche Frequenz zur Not noch ausreichen würde, so ist das
schon läogst nicht mehr der Fall beim Seziermaterial. Nur 116 ganze
Leichen standen in diesem Wintersemester zur Verfügung für 1700
Sezierende, also für 15 Sezierende eine ganze Leiche. Es ist klar, dass
unter solchen Umständen eine vollständige Ausbildung in der Anatomie
unmöglich erzielt werden kann. Es mussten infolgedessen die Anforde¬
rungen, welche als Bedingung für die Testierung der Sezierübungen
gestellt werden, bereits um ein Drittel herabgemindert werden; ein
offenkundiger Schaden für die Ausbildung der Mediziner in der grund¬
legenden Disziplin der Anatomie.“
Wir hören, dass es in Wien derzeit an Leichen für die Anatomie
fehlt; die staatlichen Spitäler haben ihre Prosekturen, die Privatspitäler
wehren sich gegen das Ansinnen, Leichen zu Studienzwecken auszu¬
folgen, und Versuche, Leichen und Leichenteile aus der Ferne, z. B.
Kehlköpfe aus Triest, nach Wien zu transportieren, gaben zu heftigen,
auch politisch gefärbten Polemiken, ja sogar zum Einschreiten der Ge¬
richte Anlass. Die alten Verordnungen sind veraltet, und das Gesetz,
das die Beschaffung des Studienmaterials für die Wiener Anatomien
sichert, muss erst geschaffen werden. Nach den obigen Ausführungen
des Professorenkollegiums wird es an Arbeitsmaterial fehlen, auch wenn
nur 400 Mediziner pro Jahr zur Inskription zugelassen werden. Die
Wiener medizinische Fakultät muss das wichtigste Studienmaterial für
den zukünftigen Arzt auf gesetzlicher Basis erhalten, nicht durch
Bitten und Betteln.
So weit das anatomische Studium. Auch an den Kliniken fehlt es,
nach einer Erklärung des Professorenkollegiums an Platz: „Ebenso
schlimm steht es mit den Kliniken. Die interne Klinik soll durch
4 Semester gehört werden. Es sind also, eine gleichmässige Verteilung
der Studierenden auf Winter- und Sommersemester vorausgesetzt, zwei
Jahrgänge zugleich an der internen Klinik inskribiert. Es sollen also,
da der zweite Jahrgang ungefähr 470 Hörer zählt, 1100 Mediziner die
interne Klinik besuchen. Daher entfallen', eine gleichmässige Verteilung
auf alle drei Kliniken vorausgesetzt, auf eine Klinik über 870 Hörer.
Keine der drei Kliniken hat aber einen Hörsaal, der mehr als 220
bis höchstens 250 Hörer fasst. Es kann also ein Drittel der Hörer die
Vorlesungen nicht besuchen, weil kein Platz da ist. Aber nicht nur die
Hörsäle sind ganz ungenügend; auch das Krankenmaterial. Dasselbe
reicht allenfalls für die Abhaltung der Vorlesungen aus. Aber wie soll
diese Anzahl von Hörern an dem vorhandenen Material sioh praktisch
durch Betätigung an den Kranken ausbilden, ohne dieses Material in
einer ganz unmenschlichen Weise in Anspruch zu nehmen? Noch ärger
sind die Zustände an den ohirurgischen Kliniken, die auch durch
vier Semester inskribiert werden müssen. Di$ Verteilung auf Winter-
uud Sommersemester ist aber hier eine ganz ungleichmässige, denn die
grosse Mehrzahl der Mediziner hört Chirurgie durch ein Wintersemester,
aber durch drei Sommersemester. Es kommen also au der chirurgischen
Klinik im Sommersemester drei Jahrgänge zusammen. Daher werden im
Sommersemester 1916/17 gegen 1500 Mediziner die chirurgische Klinik
besuchen wollen, für deren Unterbringung drei Hörsäle mit einem
Gesamtfassungsraum von etwa 600 Plätzen zur Verfügung stehen werden.“
Selbstverständlich muss hier Abhilfe geschaffen werden. Wenn drei
medizinische Kliniken nicht genügen, muss eine vierte — provisorisch
oder definitiv — eingerichtet werden. Wien besitzt übergenug interne Ab¬
teilungsvorstände, die Universitätsprofessoren sind und sowohl als
Forscher wie auoh als Lehrer in der ersten Reihe genannt werden.
Auch hat man eine vierte medizinische Klinik systemisiert und — nach
kurzem Bestehen — wieder aufgelassen. Das imposante Krankenmaterial
der Abteilungen wird leider nicht berangezogen — warum? Und nun
die chirurgischen Kliniken! Wir besitzen deren zwei (eine dritte hat
schon Billroth für unbedingt notwendig erklärt!); wir besitzen eine
propädeutische chirurgische Klinik, und schliesslich hat ein Extra¬
ordinarius an der Poliklinik einen Lehrauftrag für Chirurgie und einen
grossen Hörsaal erhalten. Man könnte, wenn schon die Errichtung der
dritten Klinik umgangen werden muss, noch mehrere sehr tüchtige
Extraordinarii mit Lehraufträgen auszeichnen. Also*. Internes und
chirurgisches Material ist in Hülle und Fülle da; die Kliniken können
vermehrt, vergrössert werden; die Abteilungen mit Professorenohefi
können zum klinischen Unterricht herangezogen werden.
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UNIVERS1TY OF IOWA
1492
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 31.
Das Professorenkolleginm bringt noch folgende Motive, die für eine
gewaltsame Verringerung der Schülerzahl sprechen sollen: „Wo soll der
Professor der Physiologie in seinem Hörsaale für 308 Hörer, der
Professor der pathologischen Anatomie in seinem Hörsaale für
250 Hörer die 633 Studierenden unterbringen? Wie sollen am
chemischen, am histologischen Institut die praktischen Uebungen
abgehalten werden, da ersteres im Jahre höchstens 520, letzteres aller¬
dings nur in skandalöser Weise 260 Hörern Arbeitsmöglichkeit bietet?
Und so geht es auch allen anderen Instituten und Kliniken.“ Wenn
ein physiologisches, ein pathologisch-anatomisches, ein medizinisch¬
chemisches, ein histologisches Institut zu wenig Baum und Arbeits-
mögliohkeiten bieten, müssen eben Parallelinstitute errichtet werden.
Auch für 400 Erstjährige genügen diese Institute nicht mehr.
Die Wiener Aerzteschaft, die ja im allgemeinen für eine Vermehrung
der Aerzte in den Gross- und Universitätsstädten nicht eintreten kann,
billigt das Vorgehen des Wiener medizinischen Professorenkollegiums
nicht. Die Wiener Aerzteschaft wünscht, dass die Reichsuniversität mit
medizinischen Instituten auf das reiohste ausgestattet und dass keinem,
der lernen will, mag er In- oder Ausländer, mag er aus einer Universitäts¬
stadt gebürtig sein oder nicht, die Tore der Wiener medizinischen
Fakultät verschlossen werden. Die geplante Ausschliessung widerspricht
dem Prinzip der Freizügigkeit des Hochschülers, der Lehr- und Lern¬
freiheit, der Geschichte und der Würde der Wiener Universität, der
Universitas litterarum Vindobonensis. Tatsächlich fehlt es an Material
für die beiden anatomischen Institute, auch für 400 Erstjährige. Dieses
Material muss eben beschaffen werden, etwa nach dem Muster Sachsens
und der Leipziger Universität auf gesetzlicher Basis. Das Experiment,
die Studentenzahl dem derzeitigen, allzu engen Rahmen gemäss zu
restringieren, ist ein misslungenes. Wir hoffen, dass man schon im
Studienjahr 1915/16 zu dem biologisch und logisch begründeteren Ex¬
periment greifen werde, den Rahmen der Studentenzabl entsprechend zu
erweitern.
Sonst ist es still im medizinischen Wien. Wir sammeln Kräfte für
mehrere Kongresse und Veranstaltungen des Septembers und Oktobers,
für den internationalen Kongress für Gewerbehygiene, den Kurs-
cyklus für Balneologie und Balneotherapie in Karlsbad und den
deutschen Baineologenkongress in Baden (bei Wien).
Vindobonensis.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Den Brief unseres Wiener Korrespondenten, den wir in
dieser Nummer abdrucken, haben wir vor knapp einer Woche erhalten —
wieviel hat sich in dieser kurzen Spanne Zeit ereignet, wie ganz anders,
als durch innere Sorgen um die Ausbildung der Studierenden, ist die
„Ferienruhe“ unterbrochen worden! Mit lebhaftester Spannung und Teil¬
nahme haben wir die Ereignisse in dem Nachbarstaate sich vollziehen
sehen — insbesondere gelten natürlich unsere Wünsche den Kollegen,
welche, dessen sind wir gewiss, auf dem Schlachtfeld wie im Lazarett
ihren humanen Beruf treu und erfolgreich ausüben werden. Zur Stunde
ist noch nicht abzusehen, ob und inwieweit auch an unsere Armee der
Ruf zur Kampfbereitschaft ergehen wird — auch hier beseelt uns das
Vertrauen, dass unser wohlgeschultes und trefflich geleitetes Sanitäts¬
offizierkorps auf der Höhe seiner Aufgabe stehen und in ernster Zeit
dem deutschen Namen Ehre machen wird! P.
— Der Anthropologenkongress, welcher vom 1. bis 5. August
in Hildesheim tagen sollte, ist mit Rücksicht auf die politische Lage
abgesagt worden — ein Schicksal, welches wohl auch manchen anderen
wissenschaftlichen Veranstaltungen, die für diesen Herbst in Aussicht
genommen waren, beschieden sein dürfte.
— Der erste internationale Kongress für Sexualforschung,
veranstaltet von der internationalen Gesellschaft für Sexualforschung,
findet in Berlin in den Räumen des Abgeordnetenhauses vom 31. Oktober
bis zum 4. November d. J. statt. Fast alle Kulturländer werden durch
ihre ersten Sexualforsoher vertreten sein. Der Kongress wird allgemeine
und Sektionssitzungen veranstalten. Als Sektionen sind eine kultur¬
geschichtlich-soziale, eine medizinisch-biologische, eine für Geburten¬
rückgang und Eugenik, eine juristische und eine pädagogisch-psycho¬
logische vorgesehen. Von den Vortragenden seien folgende genannt:
August von Wassermann-Berlin, Julius Wolff-Berlin, Steinach-
Wien, Seeberg-Berlin, von Strauss und Torney-Berlin, Mingaz-
zini-Rom, Dessoir-Berlin, Mi chels - Basel, Goldscheid-Wien,
Mittermaier-Giessen, Rene Worms-Paris, Edward Carpenter-
England, Finger-Halle, von Liebermann-Budapest, Klumker-Frank-
furt, Leppmann - Berlin, Seilheim-Tübingen, Montesano-Rom,
Corbett-Smith - London, Asnaourow-Genf, Poussep-Petersburg.
Stanley Hall-Worcester, Steinmetz-Amsterdam, Ruh 1 and-Würzburg,
Veit-Halle, Men ge-Heidelberg, Ziemann-Berlin, Broman-Lund,
Havelock Ellis-London, Flournoy-Genf, Ursin-Helsingfors, S. Sergi-
Rom, Gini-Padua, Roberty-Petersburg, Talmey-New-York, Ufer-
Elberfeld, Dück-Innsbruck. Alle Anfragen betreffend den Kongress
sind an das Kongressbüro (Sanitätsrat Dr. Moll, Berlin W. 15, Kur¬
fürstendamm 45) zu richten.
— Herr Geheimrat Abel, Vortragender Rat in der Medizinalabteilung
des Ministeriums des Innern, hat den an ihn ergangenen Ruf als Professor
der Hygiene in Jena angenommen. Mit dem Bedauern darüber, dass
wir die hervorragende Persönlichkeit dieses in Wissenschaft und Praxis
gleich erfahrenen Mannes verlieren, verbinden wir den Wunsch, dass ihm
in seinem neuen Wirkungskreise eine vollbefriedigende und erfolgreiche
Tätigkeit beschieden sein möge.
— Seinen 70. Geburtstag feiert am 5. August Geh. Med.-Rat Prof.
Dr. Schöler. Schöler ist zu Fellin in Livland geboren, studierte in
Dorpat, ist aber seit 1870 in Berlin tätig; er habilitierte sich 1874, ist
seit 1879 ausserordentlicher Professor und wurde 1896 zum Geh. Medi¬
zinalrat ernannt. Zahlreiche Arbeiten aus dem Gebiete der Augen¬
heilkunde, die zum Teil in unserer Wochenschrift publiziert worden sind,
haben ihn in die vorderste Reihe der deutschen Ophthalmologen gestellt.
— Der ausgezeichnete Anatom der Strassburger Universität, Pro¬
fessor Schwalbe, begeht am 1. August seinen 70. Geburtstag; eine
grössere Feierlichkeit ist seitens seiner Fachgenossen in Aussicht ge¬
nommen — sein Jubiläum bedeutet zugleioh einen Abschied, daSohwalbe
sich leider entschlossen hat, mit Ablauf des Semesters vom Lehramt
zurückzutreten, welches er, als Wal deyer’s Naohfolger, seit dem Jahr 1883
bekleidet.
Hochschulnachrichten.
Düsseldorf. Oberstabsarzt z. D. Dr. Haberling hat einen Lehr¬
auftrag für Geschichte der Medizin an der Akademie für praktische
Medizin erhalten. — Giessen. Habilitiert: Dr. Huntemüller für
Hygiene. — München. Habilitiert: DDr. Straub (innere Medizin) und
Leier (Chirurgie). — Prag. Habilitiert: Dr. Imhofer (Laryngologie). —
Bern. Habilitiert: Dr. Rusca (Chirurgie).
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: San.-Rat Dr.
Grüneberg in Altona, Oberstabsarzt a. D. Dr. Förster, bisher
Regimentsarzt des Husarenregiments von Ziethen (Brandenburgisches)
Nr. 3.
Stern zum Königl. Kronen-Orden 2. Kl.: Königl. württembergischer
Obergeneralarzt z. D. Dr. v. Wegelin, bisher Inspekteur der
3. Sanitätsinspektion.
Ernennungen: Geh. Med.-Rat im Ministerium des Innern Dr. Finger
zum Geh. Ober-Med.-Rat; Korpsarzt des III. Armeekorps, Generalarzt
Dr. Schmidt in Berlin zum ärztlichen Direktor des Charitö-Kranken¬
hauses daselbst; Arzt Dr. A. Oberstadt in Berlin zum Kreisassistenz¬
arzt in Göttingen; Arzt Dr. F. Scultetus in Ranis (Kr. Ziegenrück)
zum Kreisassistenzarzt daselbst.
Niederlassungen: Dr. A. Krüger in Garz a. R., E. Asser in
Beuthen O.-S., A. Lück in Laurahütte, Oberstabsarzt a. D. Dr. W.
Gühne in Bad Bramstedt, Dr. G. Leendertz in Marburg, Dr. F.
Sippell in So öden a. d. W., Dr. E. Burk und C. H. Flamm in
Frankfurt a. M., Dr. W. Bürmann in Ohligs, Dr. E. Portmann in
Elberfeld.
Verzogen: Dr. K. Th. Willich von Flensburg nach Frankfurt a. 0.,
F. Metterhausen von Bremen nach Altgurkowschbruch, Dr. F.
Rieke von Kiel nach Landsberg a. W., Dr. H. Zeller von Berlin nach
Greifswald, Dr. J. Ho ff mann von Reisen zur See, Dr. S. Lob von
Ahrweiler, Dr. E. Rösner von Worms, Dr. E. Mathias von Königs¬
berg, Dr. E. Fraenkel von Ohlau und Dr. E. Janus von Berlin
nach Breslau, Dr. W. Jenetzny von Breslau nach Peisterwitz (Kreis
Ohlau), Dr. W. Bibrowicz von Breslau nach Reinerz, Dr. F. Klemm
von Scheibe (Kreis Glatz) nach Glatz, Dr. L. Gretschel von Breslau
und Dr. M. Zieher von Jena nach Scheibe (Kreis Glatz), Dr. B. Bar-
czewski von Berlin-Sohöneberg nach Landeck i. Schl., Oberstabsarzt
a. D. Dr. E. Jacobitz von Diedenhofen nach Beuthen O.-S.,
A. Skuppe von Beuthen nach Rudahammer, Dr. E. Boehnke von
Beuthen nach Quasnitz, Dr. F. Klinge von Rybnik nach Malapane,
Dr. A. He im an n von Zabrze naoh Kunzendorf (Kreis Zabrze), Dr. R.
Köster von Frankfurt a. 0. naoh Flensburg, Dr. W. Meyer von
Nürnberg nach Altona, Dr. W. Frioke von Kiel naoh Freiburg l.B.,
Aerztin M. Heimbach von Bonn nach Altena i. W., M. 0. Schir¬
mer von Marburg nach Salzschlirf, Dr. W. Külz von Kiel nach
Neuenahr, Dr. J. v. Ehrenwall von Reisen nach Ahrweiler.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. E. Hei-
necke von Beuthen O.-S., Dr. H. Berberioh von Altona, F. Hoff-
mann von Neustadt (M. W. B.), Dr. E. Senn von Frankfurt a. M., Dr.
K. Michler und Dr. K. Sulzer von Aachen.
Gestorben: B. Poozka in Rastenburg, San.-Rat Dr. A. Kuznitzki
in Frankfurt a. 0., Dr. R. Raschkow in Breslau, San.-IUt Dr. K.
Walter in Deutsch-Lissa (Kreis Neumarkt), R. Lorenz in Hamm
a. d. S., Dr. F. Savels und Dr. F. Wöhler in Aachen.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Rohn, Berlin W., Bayrenther Strass«4J.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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Original frnm
! ' r ■ - .
Dl* Berliner Klinisch* Woclionschrffi erscheint Jeden
UoaUg In Nummern tob e*. 5—6 Bogen gr. 4. —
frei« rluleljihrlieb 6 Varl. Bestellungen nehmen
dl« Buehbandlungen und Porlanmtten an.
BERLINER
in« länaondungen f&r di« ftedaktimi and MxpeditloA
wolle man portofrei an die Yerlagabuehhandlnng
Auguat Hinchvald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 63, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
6e(. Mei-fiat Prof. Pr. C. Posner and Prof. Dr. Hans Kok August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 10. August 1914. M 32. Einundfüafzigster Jahrgang.
INHALT.
Origlialtai: Tietze: lieber eine eigenartige traumatische Gelenk'
kontraktur. (Aus dem Allerheiligen-Hospital in Breslau.) (Illustr.)
S. 1493.
Wolff: Die Behandlung der Lungentuberkulose mit dem Heil¬
mittel von Friedmann. (Aus der Universität« - Poliklinik für
Lnngenleidende in Berlin. Direktor: Geb. Med.-Rat Professor
Dr. Mai Wolff.) S. 1496.
Asohoff: Sind die Würmer, besonders die Oxyuren, direkt oder
indirekt schuld ao der Appendicitis? S. 1504.
Mühsam: Milzschuss, durch freie Netztransplantation geheilt. (Aus
der chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses Moabit
in Berlin.) S. 1507.
Huntemüller und Eckard: Beiträge zur Frage der Hände¬
desinfektion. (Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten
»Robert Koch“. Direktor: Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Löffler,
Abteilungsvorsteher: Prof. Dr. Neufeld.) S. 1508.
Bernheim: Ueber Afridolseife. (Ans der Königlichen dermato-
, logischen Universitätsklinik zu Breslau. Direktor: Gebeimrat
Prof. Dr. Neisaer.) S. 1514.
Heimann: Zur Histologie bestrahlter Carcinome. (Aus der Kgl.
Universitäts-Frauenklinik zu Breslau. Direktor: Geheimrat Prof.
Dr. 0. Küstner.) S. 1516.
Henszelmann: Kleine röntgenologische Vorrichtung zur Erzeugung
von Wurmfortsatzbildern. (Aus der I. medizinischen Klinik der
Universität in Budapest. Direktor-Stellvertreter: Professor Baron
Dr. L. v. Ketly.) (Illustr.) S. 1517.
Mayer: Ueber die Beziehungen der atypischen Gicht zu Erkran¬
kungen der Respirationsorgane. (Aus der Friedrichstadt-Klinik
für Lungenkranke. Dirigierender Arzt Dr. A. Mayer.) (Illustr.)
S. 1518.
Meyer: Die „Hellseher“, ihre Tricks und ihre Opfer. S. 1521.
Bieherhespreehniigeo : Schmor 1: Die pathologisch-histologischen Unter-
suchungsmethoden. S. 1523. (Ref. Hart.) — Wolff und Mulzer:
Lehrbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1523. Uhlen -
hutb und Mulzer: Atlas der experimentellen Kanioohensyphilis.
S. 1523. (Ref. Bruhns.) — Brunton: Therapeutics of the circu-
lation. S. 1524. (ßef. Fleischmann.) — Külbs: Das Reizleitungs-
system im Herzen. S. 1524. (Ref. Mönokeberg.) — Pearson und
Jaederholm: Mendelism and the problem of mental defekt. S. 1524.
(Ref. Münzer.)
Literatur-Auszüge : Physiologie. S. 1524. — Pharmakologie. S. 1525. —
Therapie. S. 1526. — Allgemeine Pathologie und pathologische
Anatomie. S. 1526. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1526. —
Innere Medizin. S. 1526. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1527. — Kinderheilkunde. S. 1527. — Chirurgie. S. 1527. —
Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1529. — Geburtshilfe und
Gynäkologie. S. 1529. — Augenheilkunde. S. 1530. — Hygiene und
Sanitätswesen. S. 1531.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Gesellschaft der Charite -
Aerzte. S. 1531. — Berliner otologische Gesellschaft.
S. 1533. — Berliner urologische Gesellschaft. S. 1534. —
Naturwissenschaftlich-medizinischeGesellschaft zu Jena.
S. 1535.
Tagesgesohichtliohe Notizen. S. 1536.
Amtliche Mitteilungen. S. 1536.
Aus dem Allerheiligen-Hospital in Breslau.
Ueber eine eigenartige traumatische Gelenk¬
kontraktur«
(Reflexkontraktur steifgehaltener Gelenke.)
▼ob
Prof. Alexander Tietze.
(Vortrag, gehalten in der medizinischen Sektion der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Kultnr am 15. Mai 1914.)
M. H.! Zur Erklärung der vorzustellenden, nach meiner An¬
sicht höchst eigenartigen Fingerkontraktur nach Trauma sehe ich
mich veranlasst, ganz kurz den Inhalt eines Vortrages zu re¬
kapitulieren, den ich soeben auf dem Chirurgenkongress in Berlin
wter der Bezeichnung „Zur Theorie der sogenannten arthrogenen
Kontraktur“ gehalten habe. Ich kann mich in diesem Kreise in
meinen Feststellungen um so mehr auf das knappste Maass be-
whränken, als vor dieser Versammlung Herr Foerster seine An¬
schauungen über das phylogenetische Moment in der Kontraktur,
mif die ich mich im folgenden beziehen werde, ausführlich er¬
örtert hak ln der sich an seinen Vortrag anschliessenden Dis¬
kussion bin ich auch schon auf die Gelenkkontrakturen einge-
gwgen.
Berr Foerster und ich hatten uns seit Jahren bemüht, eine
wkllrung für die Gelenkkontrakturen zu finden, die wir sehr
zahlreich an dem Material des Allerheiligen-Hospitals gemeinsam
beobachten konnten und deren Reichhaltigkeit durch viele Beob¬
achtungen aus dem Claassen’schen Siecbenhaus, die mir durch
das grosse Entgegenkommen von Herrn Primärarzt Dr. Freund
ermöglicht worden, ergänzt wurde.
Um die Theorie, die wir glauben bieten zu können, am
klarsten zu entwickeln, habe ich mich in der Darstellung auf die
Kontrakturen an der Hand und den Fingern beschränkt, wie sie
in den beifolgenden nach Photographien gezeichneten Abbildungen
gegeben sind, ln einer grösseren gemeinsamen Abhandlung, die
wir hoffen aachliefern zu können, werden sie durch die Original-
anfnahmen ersetzt werden. Zn bemerken ist, dass Abbildung 1
bis 13 Gelenkkontrakturen wiedergebeu; Abbildung 14—17 sind
Fälle spastischer Lähmungen bei Little’scher Krankheit, Abbil¬
dung 18—20 sogenannte primitive Hände.
Während nun die Untersuchung abgelaufener Fälle sogenannter
chronischer Arthritis, wie sie unsere Siechenhäuser bevölkern,
infolge schwerster Knochenveränderungen, welche die anatomische
Präparation oder das Röntgenbild aufdecken, durchaus den Ein¬
druck erwecken muss, als handle es sich bei diesen eigentüm¬
lichen Geienkverstellungen am Knochenprozesse, Abscbleifung der
Gelenkenden, Fixation durch Knochenspangen und Bänder-
schrumpfung in der pathologischen Haltung, so zeigt ein Blick
auf frischere Fälle dieser sogenannten chronischen Arthritis (Ab¬
bildung 1 u. 2), dass dieselbe Abweichung in derselben typischen
Weise auch vorhanden ist zn einer Zeit, wo von destruktiven
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Original fro-m
UNIVERS1TY OF IOWA
1494
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
kendes Muskelspiel eingestellt sind, so
drängt sich uns diese Ueberzeugung noch
viel lebhafter auf, wenn wir beobachten,
dass unter diesen Gelenkstellungen eine
immer wiederkehrt, die wir willkürlich
gar nicht erzeugen können, das ist jene
auf Abbildung 1, 3 u. 8 besonders gut
ersichtliche Haltung der vier Aussen-
finger, die im wesentlichen darin be¬
steht, dass diese vier Finger mehr oder
weniger eine ulnare Ablenkung erfahren,
während sie in den Grundgelenken ge¬
beugt, im ersten Zwischenfingergelenk
überstreckt und in der Nagelphalanx
krallenartig gebeugt oder gestreckt sind.
Es handelt sich bei dieser Stellung um
eine Wiikung der Interossei allein oder
(Krallenstellung) kombiniert mit einer
solchen des tiefen Fingerbeugers, wobei
ich nicht verfehlen will, darauf hinzu¬
weisen, dass Herr Foerster darauf auf¬
merksam macht, dass bei elektrischer
Reizung des Ulnarisstammes über dem
Handgelenk die abducierende Komponente
der Interossei überwiegt und die genannten Finger in ulnare Ab¬
duktion überführt. Auf diese Gesamtwirkung der Zwischenknochen¬
muskulatur führt er auch die Abduktion der Zehen zurück, die wir
so typisch bei chronischer Arthritis der Zehengelenke beobachten
(Abbildung 12). Diese eigentümliche Haltung der Finger fanden wir
ausser jenen schon skizzierten Fällen chronischer Arthritis auch
bei akuteren Prozessen, bei akutem Gelenkrheumatismus und bei
einem Gichtanfall. Da wir jene Fingerhaltung willkür¬
lich nicht hersteilen können, muss es sich um einen re¬
flektorischen Vorgang handeln.
Nun ist es interessant festzustellen, dass diese Kontrakturen
in ihrer merkwürdigen Form ebenso auftraten bei manchen spasti¬
schen Lähmungen, namentlich dann, wenn die Patienten aufge¬
fordert werden, gewisse Bewegungen auszuführen (Abbildungen 14
bis 17), und Foerster hat nun in seinem schon erwähnten Vor¬
trage auf das phylogenetische Moment in diesen Krampfformen
aufmerksam gemacht. Indem er, gestützt namentlich auf Unter¬
suchungen vonKlaatscb, von den Kletter- und Greifbewegungen
der Affen ausgeht, kommt er zu dem Schluss, dass es als eine
Fortsetzung früherer Zustände im Menschen gewisse subcorticale
Reflexmechanismen gibt, die gewisse Muskelsynergien in Szene zu
setzen imstande sind, für gewöhnlich aber durch inbibitorische
Pyramidenbahnen unterdrückt werden und nur bei Störung dieser
Einflüsse wieder frei walten können. Die reflektorische Inner¬
vation der Interossei, für sich allein oder in Kombination mit
dem tieferen Fingerbeuger, scheint nun eine solcher Energien
oder Synergien darzustellen, und zwar glaube ich das letztere be¬
sonders daraus zu schliessen und deshalb die Foerster’sche
Theorie annehmen zu dürfen, weil es nun auch noch Leute mit
primitiven Händen gibt, d. h. völlig gesunde Leute, die noch im¬
stande sind, derartige, den meisten andern unnachahmliche Stel¬
lungen willkürlich einzuschalten (Abbildungen 18—20). Bei ihnen
hat sich also dieser Synergismus noch bis zur Fähigkeit der will¬
kürlichen Benutzung erhalten.
Aus dem vorgetragenen Zusammenhänge glaubte ich schliessen
zu können, dass ein Patient mit einem erkrankten, schmerzhaften
Gelenk, dasselbe ruhig zu stellen, die Herrschaft des Willens über
dasselbe auszuschalten sucht, so dass nun unter dieser Ausschal¬
tung der Einflüsse der Grosshirnrinde subcorticale Centren in
J Tätigkeit treten können.
Knochenprozessen noch gar keine Rede ist und bei der relativen
Jugendlichkeit des Prozesses auch an eine Schrnmpfung der Kapsel
als stellungsgebenden Faktor noch nicht gedacht werden kann,
wo ferner eine stärkere Füllung der Kapsel etwa im Sinne Bonnet’s
wegen des negativen klinischen Befundes als Erklärung auch nicht
in Frage kommen kann. Es handelt sich also im Anfangsstadium
jedenfalls nur um myogene Kräfte, während allerdings später das
reine Bild der myogenen Kontraktur durch allerhand sekundäre
Momente, unter denen neben den anatomischen Veränderungen
auch die Lagerung der Glieder eine hervorragende Rolle spielt,
vielfach verwischt und umgestaltet wird. Wird es nun dadurch
schon fast zur Gewissheit, dass reflektorisch vom Gelenk aus
wirkende Kräfte auf ein eigentümliches, in typischer Weise wir-
Diese Theorie, welche einen scheinbaren Ausnahmefall be¬
friedigend erklärt und gerade dadurch vielleicht einen gewissen
Anspruch auf Allgemeingültigkeit gewinnt, weiter auszubauen und
an den Verhältnissen der unteren Extremität zu prüfen, wird
Aufgabe weiterer Studien sein. F’oerster hat sich, soweit
spastische Lähmungen in Frage kommen, mit den Erscheinungen
an den Unterextremitäten schon ausführlich beschäftigt; wenn es
aber für die eigentlichen Gelenkkontrakturen an Hüfte, Knie und
Fuss nicht ganz einfach gelingen sollte, sie in dieses System zu
zwängen, so ist darauf aufmerksam zu machen, dass die Entwick¬
lung des peripheren Abschnittes der vorderen Extremitäten zu einer
Kletter- und Greifhand ein sehr viel späteres Stadium darstellt,
als die Benutzung dieser Gliedabschnitte zum Laufen, dass ferner,
wie bereits Herr Goerke zum Foerster’schen Vortrage bemerkt,
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Gri-gmal fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
.32.
10. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1495
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Foerster gegebene Analyse der Fuss-
bewegungen bei Krampfzuständen ver¬
weisen will.
Nun sind verschiedene Momente in der
Pathologie der Gelenkstellungen bereits
klargestellt und zur Erklärung herangezogen
worden, es wurde auf das Ueberwiegen
einzelner Muskelgruppen, der Beuger über
die Strecker, der Adduktoren über die
Abduktoren, der polyartikulären über die
monartikulären Muskeln hingewiesen — die
vorgetragene Theorie soll das alles gar
nicht entkräften, sondern sie sucht nur
nach einem einheitlichen 7 Gesichtspunkt,
unter welchem diese verschiedene Entwick¬
lung der Muskelkraft und -tätigkeit zu
verstehen ist.
Mag nun aber Foerster’s Anschauung
über die Bedeutung des phylogenetischen
Momentes in der spastischen Lähmung auf
die Verhältnisse der Gelenkkontraktur zu
später erworbene Eigenschaften unter pathologischen Verhält¬
nissen am zeitigsten verschwinden, so dass uns also bei der Ana-
jyse pathologischer Eigenschaften von Finger- und Hand-
bewegungen unter Abstraktion der später aufgepfropften Be-
^egungsmöglichkeiten viel leichter eine Urform entgegentritt, als
der Unterextremität, die sich funktionell viel weniger weit
entwickelt hat, d. h. also, wenn die Foerster’sche Theorie von j
^“ Phylogenetischen Moment in der Kontraktur auch für Ge-
enkkontrakturen Gültigkeit hat, so wird es an sich leichter sein,
J?.™* die Verhältnisse an Arm und Hand zu erweisen als für
Diejenigen am Bein, wobei ich allerdings nochmals auf die von j
übertragen sein oder nicht, jedenfalls glaube ich mich auf Grund
meiner Beobachtungen und Ueberlegungen den Autoren anschliessen
zu sollen, die, wie es schon Lücke vor vielen Jahren getan
hat, in den pathologischen Gelenkstellungen mehr oder weniger
einen Reflexakt erblicken.
Das gibt nun aber auch den Schlüssel für den vorzustellen¬
den Fall, der sonst in vielfacher Beziehung ein schwer zu lösen¬
des Rätsel darstellen würde. Nämlich, während bisher immer
nur von Kontrakturen der Gelenke nach erwiesenen artikularen
Prozessen die Rede war, trifft dies für den nachfolgenden Fall
trotz aller sonstigen Gleichheit insofern nicht zu, als die primäre
Erkrankung dieses Patienten sich weitab von den später kon¬
trakten Fingern abgespielt hat. Der Patient hatte eine schwere
Verletzung am Oberarm; Hand und Finger waren an sich gar
nicht beteiligt, Nervenlähmungen waren nicht vorhanden, Muskel¬
schrumpfungen im Sinne einer ischämischen Kontraktur kamen
gar nicht in Frage, konnten auch das Bild nicht erklären, eine
hysterische Kontraktur ist auszuschliessen. Kurz und gut, das
uns von Gelenkerkrankungen vertraute typische charakteristische
Bild reflektorischer Fingerkontraktur ohne den vorläufigen Nach¬
weis einer Erkrankung der Gelenke selbst. Nun hat mir aber
schon bei der Bearbeitung meines Gelenkraaterials ein Fall Vor¬
gelegen, der ganz ähnlich war: komplizierte, infizierte Vorderarm¬
fraktur, Hand und Finger nicht beteiligt, keine Läsion eines
Nervenstammes, keine Muskelschrumpfungen, d. h. keine nutri¬
tive Verkürzung, und doch typische Fingerstellung, namentlich
am Zeigefinger. Diese traumatischen Kontrakturen scheinen also
einen gewissen Typ darzustellen, und ich glaube nicht fehl¬
zugehen, wenn ich sie doch, scheinbar widersprechend ihrer Ana¬
mnese, als echte, arthrogen ausgelöste Kontrakturen betrachte,
genau so wie die vorigen. Ich vergleiche sie mit dem „Hydrar-
thros steifgehaltener Gelenke“ und will, ohne dieser uns wieder
weit abseits führenden Frage weiter zu folgen, nur darauf hin-
weisen, dass in immobilisierten Gelenken gewisse Veränderungen
auftreten müssen, die, gewöhnlich erst nach beginnender Be¬
lastung, zu Ausschwitzungen in den Kapselinnenraum führen und
zu der eben genannten Bezeichnung die Veranlassung geben.
Ich nehme an, dass auch bei meinen beiden Patienten
die durch die Verletzung bedingte Fixierung durch
Verbände, in denen auch die Hand und die Finger teil¬
weise eingeschlossen werden mussten, jene minimalen
Gelenk Veränderungen setzten, die an den unteren Ex¬
tremitäten zum Teil zum Hydrarthro9, in unseren
Fällen zur arthrogenen Reflexkontraktur führten.
Der folgenden Krankengeschichte habe ich nichts weiter hin¬
zuzufügen, als dass die kombinierte Interosseuswirkung bei der
gewöhnlichen Haltung der Hand voll ausgesprochen war, dass
aber im Grundgelenk willkürlich eine, wenn auch nicht voll¬
kommene Streckung ausgeführt werden konnte. An den anderen
Gelenken war die Haltung allmählich durch Bänderschrumpfung
fixiert, wenn auch keine vollkommene Ankylose bestand.
Gottfried H., 69 Jahre alt, Bierfahrer. (Figur 21 und 22.) Die
Verletzung ist dadurch entstanden, dass der Verunglückte von durch¬
gehenden Pferden vom Wagen geschleudert und überfahren wurde. Es
bildeten sich ausgedehnte Weichteilwunden am rechten Ellenbogen und
I rechten Oberarm, die im Krankenhause zu Canth behandelt wurden und
| unter erheblicher Eiterung und Abstossung von Haut und Weichteilen
1*
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UNIVERSUM OF IOWA
1496
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
innerhalb von mehreren Monaten ausheilten. Der Verunglückte bat seit'
dem niemals mehr gearbeitet, da das rechte Ellenbogengelenk durch die
Verletzung steif geworden war. Die jetzt an seinen Fingern zu beob¬
achtenden Verkrümmungen hat er nach Abschluss der Krankenhaus-
behandluog bemerkt, er weiss jedenfalls nicht genau anzugeben, wann
dieselben entstanden sind. Aueh eine längere medico- mechanische
Behandlung in dem Institut für Unfallverletzte in Breslau führte nach
seinen eigenen Angaben eine wesentliche Besserung nicht herbei.
Der objektive Befund bei dem mittelgrossen, seinem Alter ent¬
sprechend aussehenden Manne ist folgender:
Der rechte Arm hängt bei ruhiger Stellung im Ellenbogengelenk
massig gebeugt, gerade von dem Rumpfe herab. Die rechte Schulter
steht höher und ergibt für die Inspektion gegenüber links keinen wesent¬
lichen Unterschied. Die Muskulatur des rechten Oberarms ist stark
atrophisch; auf der Haut sind tief eingezogsne Narben zu sehen, die
sich hauptsächlich auf der Aussenseite des Oberarms und der Hinterseite
finden, an der Hinterseite fest mit den Knochen verwachsen sind und
den Arm scheinbar einschnüren und sich dann weiter an der Aussen¬
seite des Ellenbogens entlang erstrecken. Der Vorderarm ist atrophisch,
zeigt aber sonst keine Besonderheiten. Das Handgelenk wird für ge¬
wöhnlich in gerader Stellung gehalten. An den Fingern findet sich eine
höchst eigentümliche Steilungsabweichung, die darin besteht, dass für
gewöhnlioh der Daumen in Mittelstellung zwischen Adduktion und Ab¬
duktion und in dem Nagelglied leicht gebeugt gehalten wird. Die vier
Aussenfinger zeigen eine deutliche ulnare Abweichung. Sie sind im
Grundgelenk leicht gebeugt, im linken Zwischenfinger überstreckt und
in dem Nagelglied wieder gekrümmt. Am stärksten ausgesprochen sind
die Veränderungen am zweiten und dritten Finger, weniger am vierten;
am kleinen FiDger sind sie gerade noch angedeutet, doch bat der Nagel
dieses Fingers einen eigentümlichen, krallenartigen Wuchs bekommen.
Hinzugefügt sei gleich, dass die Beugestellung der Finger im Grund-
gelenk durch die Wirkung des langen Fingerstreckmuskels zum grossen
Teil, aber nicht völlig aufgehoben werden kann.
Im einzelnen ergibt die Untersuchung der Extremität folgendes.
Im Sohultergelenk ist bei Bewegungen ein deutliches Knirschen wahr¬
nehmbar. Die Bewegung ist erheblich beschränkt und geht über einen
rechten Winkel nach vorn, oben und seitwärts nicht hinaus bzw. erreicht
ihn noch nicht einmal. Das Ellenbogengelenk ist in einem Winkel von
132° nahezu versteift Es sind sowohl aktiv wie passiv nur sehr geringe
Beugebewegungen möglich, die Streckung geht über den genannten
Winkel nicht hinaus. Das Handgelenk ist ebenfalls in gerader Stellung
fast steif, Beugung ist aktiv und passiv kaum möglich; etwas besser
steht es mit Adduktion und Abduktion, während die Streckung bis zu
einem nach oben offenen Winkel von 147° aktiv und passiv möglich ist.
Pro- und Supination nicht möglich. An den Fingern sind folgende Be¬
wegungen möglich: 1. Spreizung; am Daumen normal, an den anderen
vier Fingern ebenfalls ziemlich vollständig. 2. Adduktion des Daumens
ebenfalls vollständig. 3. Opposition dieses Fingers etwas vermindert.
4. Zweiter bis vierter Finger Beugung im Grundgelenk aktiv bis zum
rechten Winkel. Bei diesem Manöver tritt aber auoh ein Ausgleich der
Ueberstreckung im ersten Zwischenfingergelenk ein, so dass die Finger
sogar leicht gebeugt sind, und ferner eine stärkere Krümmung des
Nagelgliedes (Wirkung der langen Fingerbeuger). Faustschluss ist nicht
möglich. Streckung siehe oben.
Die Carpometacarpalgelenke erscheinen etwas verdickt, und man
bemerkt bei Bewegungen in denselben ein leichtes Knirschen. Schmerz¬
haft sind dieselben nioht, auch nie gewesen. In den anderen Gelenken
ist für das Gefühl nichts Pathologisches festzustellen. Der Umfang der
Gelenke ist vermindert (Kapselschrumpfung). In den Nagelgliedern be¬
hauptet Patient häufig heftige Schmerzen zu haben. Die Haut an den
Fingern zeigt die Erscheinungen der sogenannten Glanzhaut, auch am
Zeigefinger. An der Zeigefingerseite des Daumens ist die Haut etwas
rauher und abgenutzt. Die Haut sonst am Arm, mit Ausnahme der
Narbengegenden, zeigt keine besonderen Veränderungen. Das Gefühl
ist nicht beeinträchtigt, mit Ausnahme des Bereiches der Narben.
Die elektrische Untersuchung ergibt, dass durch Faradisation der Nerven*
stamme sämtliche Muskeln des Vorderarms in Kontraktion gebraeht
werden können (Prof. Foerster). Faradisation des Uinaris oberhalb
des Handgelenks ergibt starke Abduktion der vier Aussenfinger.
Aus der Universitäts-Poliklinik für Lungenleidende in
Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Max Wolff).
Die Behandlung der Lungentuberkulose mit dem
Heilmittel von Friedmann.
Von
M. Wolff.
I.
In den Sitzungen der Berliner medizinischen Gesellschaft
Ende Mai und Anfang Juni d. J. 1 ) stand die Behandlung der
Tuberkulose mit dem Heilmittel von Herrn Dr. Fried mann zur
1) B.kl.W., 1914, Nr. 22, 24, 25.
Diskussion. Nachfolgend teile ich etwas ausführlicher, als es bei
der Kürze der dem einzelnen Redner in der Diskussion sage-
gemessenen Zeit möglich ist, meine damals gemachten Bemerkungen
sowie die Belege für diese mit.
Der Friedmann’8che Tuberkuloseimpfstoff ist von mir in
der Poliklinik für Lungenleidende bisher in 60 Fällen von
klinisch und röntgenologisch sicherer Lungentuberkulose ange¬
wendet worden. •
Klinisch zweifelhafte Fälle worden von der Behandlung aas-
geschlossen. Ich bebe dies ausdrücklich hervor, weil unter den
von anderer Seite nach Fried mann behandelten Fällen nach
Durchsicht der Literatnr sich auch solche zweifelhafte Fälle von
Lungentuberkulose befanden; in der Diskussion wurde sogar direkt
hervorgehoben, dass auch sicher NicbttuberkulÖse mit dem Mittel
behandelt worden sind.
Die überwiegende Anxahl meiner Patienten, 60, sind 3 bis
7 Monate in Behandlung, darunter 27 Fälle zwischen 5 bis
7 Monaten. Es handelt sich also um Zeiten, in denen von ver¬
schiedenen Seiten, auch von solchen, die von Herrn Fried mann
anerkannt sind, Endergebnisse veröffentlicht worden sind.
Die Behandlung wurde genau nach den Vorschriften durch-
gefübrt, die Friedmann in seinen „Indikationen zur Anwendung
des Dr. Friedrich Frans Friedmann’schen Heil- und Schutzmittels
zur Behandlung der Tuberkulose und Scrofulose u Oktober 1913
gegeben hat.
Bei der Behandlung wurde ich in dankenswerter Weise von
meinem Assistenten Herrn Dr. Frank unterstützt.
Was nun meine Resultate mit der Behandlung anbetrifft,
so sind Heilungen io bezug auf den physikalischen Lungen-
befund, besonders ein endgültiges Verschwinden der charakte¬
ristischen Rasselgeräusche niemals beobachtet worden. Ich habe
mehrfach Stillstand des Lungenprozesses, wie derselbe auch sonst
vorkommt, gesehen, häufig habe ich aber auch während der Be¬
handlung erhebliche klinische Verschlechterung an den erkrankten
Lungen, Vermehrung der Katarrhe, Zunahme der Dämpfung, zu¬
weilen auch Auftreten von cavernösen Erscheinungen beobachtet,
ebenso wie ein Debergreifen der Erkrankung auf die bisher freie
Lunge.
Diese klinischen Fortschritte des tuberkulösen Prozesses, die
im einzelnen aus den nachher folgenden Krankengeschichten zu
ersehen sind, konnten auch in zahlreichen Röntgenaufnahmen be¬
stätigt werden. Die Röntgenbilder selbst sind, da in der Sitzung
keine Zeit vorhanden war, an anderer medizinischer Stelle de¬
monstriert worden.
Ein andauerndes Nachlassen der bekannten Symptome,
Husten, Auswurf, Atemnot, Bruststechen, Nachtschweisse, Mattig¬
keit, Appetitmangel, Fieber war nur in sehr seltenen Fällen
zu konstatieren. Meist waren diese Symptome wechselnd, ver¬
schwanden, kamen wieder, und irgendein überraschendes Resultat
gegenüber dem, was man auch sonst mit und ohne Behandlung
bei Tuberkulösen sieht, ist durch das Friedmann’sche Mittel nicht
erreicht worden. Ich muss dies besonders bervorbeben gegenüber
Herrn Dr. Thalheim, der in der bekannten CharitSsitzung 1 ) be¬
hauptete, dass er unter allen Umständen mit dem Friedmaoo-
schen Mittel ein Aufhören dieser Kraokheitssymptome erreicht
habe. Häufig musste ich während der Friedmann’schen Behand¬
lung wegen andauernden, die Nachtruhe raubenden Hustens za
den bewährten Narcoticis zurückgreifen.
Tuberkelbacillen sind in allen Fällen, mit Ausnahme
von 1 oder 2 Fällen, in denen dieselben nicht nachweisbar ~
ich will nicht sagen verschwunden — waren, auch nach der Be¬
handlung meist leicht nachweisbar geblieben, selten erst nach der
Antiforminmethode. Diese wichtige Tatsache bemerke ich des¬
halb, weil z. B. in der überwiegenden Anzahl der von Herrn Pro¬
fessor Müller ebenfalls in der Cbaritesitzung mitgeteilten Fälle
von behandelter Lungentuberkulose jede Angabe fehlt, ob Tuberkel-
bacillen vorhanden waren' bzw. ob die vorhandenen Tuberkel-
bacillen nach der Behandlung verschwunden waren.
Was die schädlichen Wirkungen beim Menschen nach An¬
wendung des Friedmann’schen Verfahrens anbetrifft, so entstanden
an der intramuskulären glutäalen Injektionsstelle ziemlich häufig
Infiltrate, die sich meist zurückbildeten. Seltener kam es zur
Abscedierung der Infiltrate. Solche Abscesse kamen aber auch
dann zustande, entgegen der Angabe von Friedmann, wenn
ganz frühzeitig nach Entstehen der Infiltrate eine isolierte
1) B.kl.W., 1913, Nr. 45, Sonderabdruck S. 17.
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Original frn-m
UNiVERSUY OF IOWA
10. August 1914.
Berliner klinische Wochenschrift
1497
intravenöse Injektion gemacht wurde, die nach Friedmann
mit Sicherheit die Abscedierimg eines Infiltrats verhindern soll.
Sehr auffallend kam es zuweilen zur Recidmerung von In¬
filtraten an der ersten Injektionsstelle, nachdem dieselben hier
schon längere Zeit gänzlich verschwunden waren, wenn eine
zweite fällige Injektion an einer ganz anderen Stelle gemacht
wurde, also z. B. bei erster linksseitiger und zweiter rechtsseitiger
Qlotäalinjektion.
Von anderer Seite sind häufiger, als ich das gesehen habe,
Impfabscesse beobachtet worden; Barnes in Amerika z. B. sah
dieselben in 25 pCt. der Fälle. Jedenfalls ist aber der Unter¬
schied in der lokalen Wirkung des Friedmaon’schen Mittels und
der verschiedenen Tuberkuline sehr bemerkenswert. Es kommt
ja auch bei den letzteren zn Infiltraten, aber ich entsinne mich
nicht, bei den vielen Tausenden von Tuberkulininjektionen, die
ich gemacht habe, auch nicht bei der Bacillenemulsion, jemals
einen Abscess gesehen zu haben.
Von viel grösserer Bedeutung aber als diese lokale
Schädigung an der Impfstelle ist die sehr häufig gemachte Be¬
obachtung einer ganz erheblichen Verschlechterung des
Allgemeinbefindens während der- Behandlung. In der ganz
überwiegenden Mehrzahl der Fälle, unter 47 Fällen, die gewogen
sind, ist 28mal eine Gewichtsabnahme während der Behandlung
gesehen worden, darunter öfter eine sehr erhebliche Abnahme von
4, 6, 7, 10 kg. Io 10 Fällen ist das Gewicht stationär geblieben
und nur in 9 Fällen eine Zunahme des Gewichtes gefunden
worden, die aber niemals so erheblich war, als die beobachtete
Gewichtsabnahme. - Die Zunahme war 6 mal nur zwischen 1 l 2 bis
2 kg, 2 mal 3, 1 mal 4,5 kg. Die Gewichtsabnahme ist nicht nur
bei besonders schweren Fällen während der Behandlung gesehen
worden. Der Tod erfolgte bisher in 7 Fällen.
Ich habe auch, was besonders hervorzuheben ist, mehrfach
bei anfangs fieberfreien oder nur massig fiebernden Patienten
während der Behandlung das Fieber ansteigen und weiter
ein höher remittierendes Fieber bis 39° und darüber mit starkem
Verfall der Patienten und Nachtschweisseu gesehen.
Hier ist in der Tat die von Herrn Dr. Thal beim ebenfalls in
der bekannten Cbaritöutzung angegebene „vollständige Umstimmung
der Konstitution“ eingetreten, aber in pejns. Was nützt mir da
der von Herrn Dr. Thal heim (I. c., S. 17) aufgestellte allgemeine
Satz: „Unter allen Umständen stelle ich Gewichtszunahme (ohne
Päppelung), dauerndes subjektives Wohlbefinden und Arbeits¬
fähigkeit höher als den durch Perkussion und Auscultation fest-
lusteilenden eventuell noch übrigbleibenden Rest eines früher
aktiven Herdes.“ Was nützt mir dieser rein akademische Satz,
der übrigens als solcher auch noch bestreitbar ist, wenn die in
demselben angegebenen schönen Dinge, Gewichtszunahme, dauerndes
subjektives Wohlbefinden und Arbeitsfähigkeit, so äusserst selten
nach der Anwendung des Friedmann’schen Mittels, meiner Er¬
fahrung nach, zustande kommen.
Die bakteriologische Prüfung der bezogenen Ampullen
ist von mir wiederholt vorgenommen worden. Es sind darin
wiederholt ausser den säurefesten Bacillen auch Kokken un¬
mittelbar nach dar Eröffnung der frisch zugesandten Ampullen in
mehr oder weniger erheblichen Mengen gefunden. Einige Male
sind solche Kokken in den frisch übersandten Ampullen nicht sofort,
sondern erst später gefunden worden, nachdem die Ampullen
mehrere Tage bei Zimmertemperatur oder im Brutofen aufbewahrt
wurden. Es muss hier eine spätere Entwicklung in der Impf¬
flüssigkeit stattgefunden haben, da eine anderweitige Verunreinigung
bei den erst unmittelbar vor der Untersuchung unter allen Kautelen
eröffneten Ampullen ansgeschlossen war. Solche spätere Ent¬
wicklung kann selbstverständlich auch beim Menschen nach
der Injektion vor sich gehen.
Ausser den Kokken wurden einige Male auch nichtsäurefeste
Stäbchen in den Ampullen angetroffen. Vielleicht ist auf diese
Verunreinigungen mit andersartigen Organismen die Abscedierung
an der glutäalen Injektionsstelle zurückzuführen.
Iü der Mehrzahl der Fälle waren aber die von mir mikro¬
skopisch untersuchten Ampullen rein, wie auch die daraus von
mir angelegten Kulturen ergeben haben, und enthielten nur säure¬
feste Bacillen. - -
Schliesslich noch einige Bemerkungen über die von mir an-
gestellten Tierversuche.
Zunächst die interessante Tatsache, dass Schildkröten
»«1 b81 gegen die sogenannten Schildkrötentuberkelbacillen voll¬
kommen immun waren. Ich habe derartige Versuche Ende
vorigen Jahres mit Land- and Wasserschildkröten, die meist aus
Griechenland und Italien bezogen wurden, angestellt. Dieselben
wurden wiederholt injiziert und gefüttert mit grossen Dosen
Friedmann’scber Scbildkrötenbacillen, sind aber niemals tuber¬
kulös geworden. Auch mit menschlichen Tuberkelbacillen ist es
mir nicht gelungen, die Schildkröten tuberkulös zu machen.
Dieses Resultat ist in voller Uebereinstimmung mit den Angaben
von Frau Professor Rabinowitsch. Es gibt aber verschiedene
Species von Schildkröten, und möglicherweise gehört die erste
spontan erkrankte des Herrn Friedmann, von der.seine Schild-
krötentuberkelbacillen herstammen, einer anderen Species an.
Darüber, wie über den Punkt, ob es ihm gelungen ist, weitere
Schildkröten mit Erfolg zu impfen, existieren von Friedmann
keine Angaben.
Eine zweite grössere Reihe von Versnchen ist von mir an Warm¬
blütern angestellt worden, und zwar an den für Tuberkulose-
versuche besonders geeigneten Meerschweinchen. Diese Versuche
sind in der Weise angestellt, dass die Meerschweinchen mit
menschlichen Tuberkelbacillen vorgeimpft Warden und dann
mit Friedmann’scben Bacillen in Reinkulturen verschiedener,
auch von mir selbst isolierter Stämme, teils mit der Friedmann-
scben Impfflüssigkeit selbst frühzeitig und energisch nach-
bebandelt worden sind. Andererseits sind A Kontrolliere mit
menschlichen Tuberkelbacillen allein geimpft nnd sonst nicht
weiter nachbehandelt werden.
Das Resultat dieser Versuche war, dass in beiden
Versuchsreihen ein prinzipieller Unterschied weder in
bezug auf den zeitlichen Verlauf der Tuberkulose, d. h.
in bezog auf die Verlängerung des Lebens durch die
Nachbehandlung nach Friedmann, noch in bezog auf
die anatomische Entwicklung der Tuberkulose statt¬
gefunden hat. Die Kontrolliere haben sogar oft länger gelebt
als die behandelten Tiere (s. Versuchsreihe I, III, IV, V), und in
beiden Versuchsreihen, sowohl bei den behandelten Tieren wie
bei den nichtbehandelten Kontrollieren, erhielt man exquisite
tuberkulöse Veränderungen in den verschiedenen Organen (Lympb-
drüsen, Netz, Milz, Leber, Lungen), trotzdem die Behandlung sehr
oft frühzeitig, d. b. bereits am 6. oder 7. Tage nach der Infektion
einsetzte (s. Versuchsreihe I, III, IV, V) und jedenfalls niemals
bereits erheblich kranke Tiere in Behandlung genommen wurden,
und trotzdem behufs kräftiger Wirkung die injizierte Gesamtdosis,
berechnet auf das Körpergewicht des Meerschweinchens, immer
grösser, oft sehr erheblich grösser war als die beim Menschen
angewandte Menge. So z. B. bekamen in Versuchsreihe IV vier
mit menschlichen Tuberkelbacillen vorbehandelte Tiere, 7 bzw.
13 Tage nach der Infektion innerhalb 1 / 2 —2 3 / 4 Monaten 4, 10,
14 und 15 Injektionen von einer Reinkultur von Schildkröten¬
tuberkelbacillen, und zwar jedesmal 0,5 ccm injiziert. Die be¬
handelten Tiere gehen sämtlich innerhalb 23 Tagen,
IVz? 37 4 und 6 1 /* Monaten nach der menschlichen Infektion
zugrunde. Die beiden zugehörigen, nur mit mensch¬
lichen Tuberkelbacillen geimpften, aber nicht mit
Schildkrötentuberkelbacilleu nachbehandelten Kon¬
trolliere starben 37* und 6 3 / 4 Monate nach der Impfung,
also später als die zugehörigen, behandelten Tiere, und
die Sektion ergab bei den behandelten Tieren ebenso
ausgedehnte tuberkulöse Veränderungen (in Lymph-
drüsen, Milz, Netz, Leber, Lungen) wie bei den nicbt-
behandelteo Kontrollieren.
Dasselbe lehrte auch Versuchsreihe III, bei der vier Meer¬
schweinchen bereits am 6. Tage nach der Infektion mit mensch¬
lichen Tuberkelbacillen mit Friedmann’schen Bacillen in Behand¬
lung genommen wurden und innerhalb 1—272 Monaten 9, 13,
14, 13 Injektionen zu je 0,6 ccm Reinkultur von Schildkröten¬
tuberkelbacillen erhalten haben. Auch hier sind trotz der
energischen and frühzeitigen Behandlung mit grossen
Dosen die behandelten Tiere sämtlich innerhalb 17 2 bis
3 3 / 4 Monaten nach der Impfung mit den menseblichen
Tuberkelbacillen an Tuberkulose der verschiedenen
Organe (Inguinaldrüsen, Axillardrüsen, Netz, Milz,
Leber, Lungen) zugrunde gegangen, und zwar erfolgte
der Tod bei zweien von den behandelten Tieren eben¬
falls früher als bei dem nichtbehandelten Kontrollier,
das erst nach 3 Monaten starb.
Bei den weiteren Versuchsreihen I und II wurde die Be¬
handlung 7 bzw. 14 Tage nach der Verimpfung mit den mensch¬
lichen Tuberkelbacillen eingeleitet. Die in diesen Versuchsreihen
verwandten Dosen von Schildkrötentuberkeibacillen nähern sich
mehr den bei der Behandlung des Menschen gebräuchlichen Dosen;'
2
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UNIVERS1T7 OF IOWA
1498
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 82.
es wurden 1—3 Injektionen zu je 0,3—0,6 ccm zur Behandlung
angewendet. Auch in diesen beiden Versuchsreihen I und
II sind sämtliche behandelte Tiere an Tuberkulose in
den verschiedenen Organen gestorben, und zwar inner-
halb l 1 /*—3 Monaten nach der Infektion mit den mensch¬
lichen Tuberkelbacillen, während das Kontrolltier nach
l®/ 4 Monat zugrunde ging. *
Dasselbe, wie nach der Impfang mit den Reinkulturen der
Scbildkrötentuberkelbacillen sah man auch bei den mit der
Friedmann’schen Impfflüssigkeit selbst behandelten Meer¬
schweinchen (s. Versuchsreihen V, VI, VII). Die Tiere in diesen
Versuchsreihen sind zu verschiedenen Zeiten, nicht ganz 7, nicht
ganz 11 und nicht ganz 22 Tage, meist nach subcutaner, nur
2mal nach peritonealer Verimpfung mit menschlichen Tuberkel¬
bacillen in Behandlung mit Friedmann’scher Flüssigkeit ge¬
nommen worden und zwar zu einer Zeit, als dieselben noch gar
keine oder jedenfalls keine erheblichen Erkrankungserscbeinungen
zeigten. Sämtliche in diesen Versuchsreihen V bis VII
behandelten Tiere sind 2—3 3 / 4 Monate nach der Vor¬
impfung mit den menschlichen Tuberkelbacillen an
Tuberkulose verschiedener Organe (käsige Drüsen, käsige
Knoten in Netz, Milz, Leber, besonders reichlich io den Lungen)
gestorben, bis auf 1 Tier, das noch lebt, aber deutliche Zeichen
der Erkrankung, grosse Inguinaldrüsen beiderseits, zeigt. Die
Kontrolliere sind ungefähr in derselben Zeit wie die
behandelten Tiere an Tuberkulose gestorben, und ein
Kontrolltier (Versuchsreihe V) hat sogar viel länger
gelebt als die behandelten Tiere und ist erst über fünf
Monate nach der Impfung mit den menschlichen Tu¬
berkelbacillen gestorben.
Hervorheben muss ich noch, dass durch die Behandlung mit
den Friedmann’schen Bacillen nicht etwa in ihrer Virulenz „ab-
gescbwächte u Tuberkel in den mitgeteilten Tierexperimenten ent¬
standen sind. Das lehren die 'Weiterimpfungen mit tuber¬
kulösen Organstücken (Netzknoten, Lungenknoten) von Meer¬
schweinchen, die trotz energischer Behandlung mit Friedmann-
schen Bacillen gestorben waren; die mit solchen Stücken ge¬
impften Meerschweinchen sind ebenfalls an exquisiter Tuberkulose,
wie die vorgelegten Präparate zeigen, innerhalb 2— 2 1 / 4t Monaten
zugrunde gegangen.
Alle die mitgeteilten Versuche sind ganz eindeutig und be¬
rechtigen zu dem oben aufgestellten Satz, dass kein prinzipieller
Unterschied zwischen behandelten und nichtbebandelten Tieren
existiert; ein Verbindern der Entwicklung oder eine Heilung der
Tuberkulose ist in keinem Fall durch die Behandlung erreicht
worden; alle Tiere sind in gleicher Weise tuberkulös geworden.
Auf die Ergebnisse, die ich mit den Schildkrötentuberkel¬
bacillen der Konkurrenten des Herrn Fried mann, nämlich der
Herren Piorkowski und Karfunkel, bei Tieren und Menschen
erhalten habe, gehe ich hier nicht ausführlich ein; dieselben
waren ebenso ungünstig wie die mit den Friedmann’schen
Bacillen selbst. Die negativen Resultate der Tierversuche mit
den Bacillen des Herrn Piorkowski sind bereits in der Sitzung
der Berliner medizinischen Gesellschaft im Juni v. J, mitgeteilt
und die erhaltenen Präparate liegen in der heutigen Sitzung aus.
Sie zeigen ebenfalls, dass bei Tieren, die mit menschlichen Tu¬
berkelbacillen vorher infiziert wurden, die Nachbehandlung mit
der Piorkowski’scben, Schildkrötenbacillen enthaltenden Emul¬
sion und seines Schildkrötentuberkulins das Leben der Tiere
nicht zu verlängern vermochte; die behandelten Tiere sind sogar
fast sämtlich früher gestorben, als die nichtbehandelten Kontroll¬
tore. Und was die Sektionen anbetrifft, so ergeben dieselben eben¬
falls bei den mit Piorkowski’scher Impfflüssigkeit behandelten
Tieren dieselbe ausgedehnte Tuberkulose in den verschiedenen
Organen, wie bei den Dichtbehandelten Kontrollieren.
Schliesslich habe ich mit Herrn Dr. Karfunkel, der früher
in der Berliner medizinischen Gesellschaft voq einer ausserordent¬
lich grossen Zahl günstiger Resultate berichtet bat, eine Anzahl
von Fällen (12) im Sommer vorigen Jahres zusammen behandelt.
Es waren meist Fälle im zweiten Stadium. Die Fälle sind nach
seiner Angabe 1 x / 2 —3 1 /* Monate gespritzt worden und zwar zu¬
nächst mit der von Herrn Piorkowski an Herrn Karfunkel
abgegebenen Schildkrötenbacillenemulsion, und als auch hier, wie
so häufig in dieser Affäre, häuslicher Zwist eintrat, mit einer von
Herrn Karfunkel selbst gezüchteten Kultur, die nach seiner An¬
gabe aus einem nach Friedmann’schen Injektionen entstandenen
Abscess herrübrte. Die Injektionsdosen betrugen */*—1 ccm, die
Zahl der Injektionen 3—6.
Ich muss nun zunächst die höchst auffallende Tatsache er¬
wähnen, auf die ich Herrn Karfunkel wiederholt hingewiesen
habe, dass in den von ihm selbst angelegten Kulturen ans dem
Friedmann’schen Abscess entweder gar keine oder nur in der
erheblichsten Minderzahl säurefeste Bacillen nachweisbar waren.
Es fanden sich fast stets nur Stäbchen, die nach der Ziebl’scheo
Färbung die Gegenfarbe, Methylenblau, annabmen und die sich
auch einfach mit Methylenblau färbten, also des charakteristischen
Merkmals der säurefesten Bacillen entbehrten. Ausser den glatten
Stäbchen waren in den Kulturen auch zahlreiche Iovolutionsformen
nachweisbar.
Herr Dr. Karfunkel meinte nun aber wiederholt, dass die
mit seinen oben beschriebenen Kulturen beim Menschen erhaltenen
Resultate ganz identisch mit den Resultaten von Friedmann
seien und dass er auch daraus auf eine Identität seiner und der
Friedmann’scben Bacillen schlossen müsse.
Dass ich unter solchen Umständen nur sehr zögernd an die
Behandlung mit diesen Kulturen ging, liegt auf der Hand, und
nur die wiederholte ausdrückliche Versicherung von Herrn Dr.
Karfunkel, dass er bei sehr zahlreichen Injektionen beim
Menschen keinen Schaden davon gesehen habe, konnte mich zur
Benutzung seiner Kultnr veranlassen.
Was ich nun bei der Behandlung mit der von Herrn
Karfunkel bergesteilten Kulturflüssigkeit gesehen habe, war
folgendes: Lokal trat in den meisten Fällen eine totale Re¬
sorption der injizierten Flüssigkeit ein; seltener kamen in den
ersten Tagen etwas schmerzhafte, nicht erhebliche Infiltrate zu¬
stande, die meist resorbiert wurden; einmal habe ich einen klein¬
wall nussgrossen Abscess gesehen. Der physikalische Lungen¬
befund zeigte aber in den meisten Fällen keinerlei
Besserung, derselbe blieb stationär; einmal erhebliche Zunahme
der Dämpfung und des Bronchialatmens. Wenn einige Patienten
angaben, dass sie weniger Husten und Auswurf hätten, so kann
ich bei dem wechselnden Bild der Symptome bei der Tuberkulose
nur wiederholt darauf hinweisen, dass das ja auch ohne jede
Behandlung vorkommt; bei einer grösseren Anzahl von Patienten
war aber der Husten und Auswurf vermehrt, blieb der Appetit
schlecht, war hohes, remittierendes Fieber, 39,2°, und zum Teil
erheblicher Gewichtsverlust, bis 6 kg, zu konstatieren. Günstige
Erfolge, Heilung oder Besserung habe ich also nach
der Behandlung von Herrn Karfunkel durchaus nicht
beobachtet.
Fasse ich nun alles das zusammen, was ich im
Laufe der Zeit klinisch, experimentell und in Röntgen¬
bildern gesehen habe, so sind die Resultate der Fried¬
mann’schen Behandlung ausserordentlich wenig zu¬
friedenstellende gewesen. Das beweisen auch zahlreiche
Briefe, die ich von Patienten bekommen habe, und die ich vorzu¬
legen in der Lage bin. Die behandelten Patienten, soweit sie
nicht gestorben sind (7) oder zu Hause andauernd bettlägerig
oder wegen zunehmender Verschlechterung ins Krankenhaus
übergeführt, bin ich gern bereit, in der Poliklinik zu demon¬
strieren.
Wenn ich zarückblicke auf das, was in den letzten 30 Jahren
alles, zum Teil auch in dieser Gesellschaft, als Heilmittel oder
als besonders wirksam bei Tuberkulose empfohlen ist, und was
davon übrig geblieben, so war der Pessimismus auch diesem
neuen Mittel gegenüber erklärlich. Benzoesäure, Zimmtsäure, mit
der ich selbst zahlreiche Versuche aDgestellt habe, Igazol,
Guderin, Mesbe, Mallebrein, Dioradin, mit dem ich ebenfalls viel
experimentiert habe, die verschiedenen Gujacolpräparate, Menthol,
Eucalyptol, Thymol, Schmierseife, verschiedene Jodpräparate
und zahlreiche andere Mittel, die für die Behandlung der Tuber¬
kulose besonders empfohlen sind, sind im Laufe der Jahre als un¬
wirksam wieder verschwunden oder im Verschwinden begriffen.
Auch die verschiedenen spezifischen Behandlungsmethoden,
sowie die Behandlung mit chemotherapeutischen Mitteln haben
nicht die gehofften ausgiebigen günstigen Erfolge geliefert.
Ich bin nach alledem der Meinung, dass man die armen
Tuberkulösen endlich einmal ein wenig in Ruhe lassen sollte, und
dass man nicht immer mit neuen Heilmitteln, bevor dieselben
von den verschiedensten Seiten klinisch und experimentell in
einwandfreier Weise durcbgeprüft sind, neue Hoffnungen erwecken
sollte, deren Rückschlag nur von deletärster Bedeutung für die
Patienten sein kann.
Nach Schluss der Diskussion (10. Juni 1914) in der Berliner
medizinischen Gesellschaft veröffentlicht Herr Dr. Fried mann
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Gck igle
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UNIVERSUM OF IOWA
10. Aqgmt 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1499
jetzt neue Vorschriften für die Anwendung seines Heilmittels 1 ).
Selbstverständlich konnte von allen Rednern nnr nach den doch
sehr ausführlich mitgeteilten früheren „Indikationen zur An¬
wendung des Dr. Friedrich Franz Friedmann'schen Heil- und
Schutzmittels zur Behandlung der Tuberkulose und Scrophulose u ,
Oktober 1913, diskutiert werden, nach denen Friedmann selbst
und seine Anhänger in Deutschland und Amerika doch so aus¬
gezeichnete Resultate erhalten haben wollen. Man wird in Ruhe
abwarten und, wer dann mit dem Mittel noch weiter arbeiten will,
ernstlich nachprüfen müssen, wie es sich mit seinen Erfolgen
nach dieser Wandlung verhält. Jedenfalls kann jeder, der
reichlich Tuberkulose zu sehen Gelegenheit gehabt bat, sagen, dass
bei der jetzt empfohlenen Wartezeit von 4—5 Monaten nach der
ersten intramuskulären Injektion, und von fast einem Jahr, in vielen
Fällen noch weit länger nach der Simultaniojektion, bevor eine
zweite Injektion erfolgen soll, bei Tuberkulösen sich sehr vieles,
auch ganz ohne Behandlung, sowie bei jeder anderen Behandlung
in bonam partem wenden kann.
II. Vor und nach der Behandlung mit dem Fried-
mann’8chen Mittel erhobene klinische und röntgeno¬
logische Befunde beim Menschen.
Nachfolgend wird ein Teil der behandelten Fälle mitgeteilt;
die übrigen verliefen im wesentlichen ebenso.
Fall 1. A. S., 17 Jahre alt. Vater und Geschwister lungenkrank.
Seit einem Jahre Husten, Auswurf, Abmagerung. Mehrfach in See¬
hospizen und Heilstätten gewesen. Keine Tuberkulin kur.
7. XL 1913. Status: Links hinten oben Schallverkürzung bis
Spina scapulae; vereinzelte feuchte Rasselgeräusche. Links vorn oben
Sohallverkürzung bis Costa 3, darüber saccadiertes Atmen, mässig reich¬
liches, mittelgrossblasiges, feuchtes Rasseln. Rechts vorn oben broncho-
vesieuläres Atmen, kein Katarrh; + Tuberkelbacillen. Gewicht 42 kg.
Röntgen bi Id: Vor der Behandlung nur links oben oberhalb der
Clavicula Verschattung; rechts wesentlich frei.
23. V. 1914. Resultat: Nach 6 V 2 monatiger Behandlung mit drei
intramuskulären und einer intravenösen Injektion (wegen schmerz¬
hafter, mandelgrosser Infiltration an der ersten intramuskulären In¬
jektionsstelle). Erhebliche Verschlechterung des Allgemein¬
befindens.
Pat. ist hoohgradig anämisch geworden, hat häufig Ohnmachts-
anfälle. Gewichtsabnahme 3 kg, -f- Tuberkelbacillen. Fieber, das vor
der Injektion nur mässig war, stieg nach der intravenösen Injektion bis
auf 40,8°, ging aber dann wieder herunter auf subfebrile Temperaturen;
gegen Ende der Behandlung aber war andauernd remittierendes Fieber
bis 39,7° vorhanden.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis zur Mitte des Inter-
scapularraums; darüber bronchiales Atmen und Katarrh.
Links vorn Dämpfung bis Costa 3, schwach bronchiales Atmen und
Katarrh. Rechts hinten supraspinat Verkürzung; Katarrh, der auch
interseapular hörbar. Reohts vorn supraclavicular und infraolavicular
Verkürzung und Katarrh. Also Verschlechterung des pbysika-
lisohen Befundes, insofern links Zunahme der Dämpfung und in der
rechteo Spitze Verkürzung und Katarrh hinzugekommen ist.
Röntgenbild: Links oben starke Zunahme der Versohat¬
tun g; dieselbe ist jetzt nicht bloss, wie zu Anfang der Behandlung,
oberhalb, sondern auch unterhalb der Clavicula in grosser Ausdehnung
sichtbar. Rechts wesentlich frei.
Fall 2. Mann Sp., 23 Jahre alt. Krank seit 3 Jahren; Husten,
Auswurf.
23. XL 1913. Status: Rechts hinten oben Dämpfung bis zum
oberen Drittel des Interscapularraums; darüber abgeschwächtes Atmen;
Rasseln bis zur Basis. Rechts vorn oben Dämpfung bis Costa S, ab-
geschwächtes Atmen. Links supraspinal und supraclavicular geringe
Verkürzung; rauhes Atmen; spärlicher Katarrh; -f- Tuberkelbacillen.
Gewicht 58,5 kg.
Röhtgenbild: Rechts multiple Sehattenherde zwischen 2 . und
4. Rippe; zwischen den einzelnen Schattenherden noch helles Lungen¬
gewebe sichtbar.
, 16* IV. 1914. Resultat: Nach beinahe 5 monatiger Behandlung
®it zwei intramuskulären und einer Simultaninjektion. Erhebliehe
Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Gewichtsabnahme
* h Kilo, -f- Tuberkelbacillen. Pat. sehr anämisch geworden, das an¬
fangs remittierende Fieber bis zu einer Maximaltemperatur von 38,8°,
steigt nach der SimultaniDjektion 2 Tage aul 39,8 bis 40,3°, sinkt dann
wieder am 3. Tage bis 38,6°; gegen Ende der Behandlung aber an¬
dauernd hohes Fieber bis anf 40°; Husten sehr stark, so dass wieder-
ooit Narcotica gegeben werden mussten.
. Lun gen befand: Reohts hinten supraspinat Dämpfung; von da
an Verkürzung bis zur Lungenbasis; supraspinat schwach bronchiales
Atmen; Katarrh bis zur Lungenbasis. Rechts vorn tympanitiach ge-
ampft bis Costa 2; supraolavicular abgeschwächtes Atmen; infra-
laricalar leicht bronchiales Atmen und spärlioher Katarrh. Links
upraspinat un d supraclavicular Verkürzung.
1) Sieb« D.m.W., 18. Juni 1914, Nr. 25.
Röntgenbild: Sehr starke Zunahme der Sohattenbildung
von oben bis zur Lungenbasis. Wegen starker Verschlechterung des
Allgemeinbefindens geht Pat. ins Krankenhaus; ohne besondere Be¬
handlung bessert sich dort sein Zustand; er nimmt wieder an Gewicht
zu, bis zu 59,5 kg; der Lungenbefund aber bleibt unverändert wie
sub 16. IV. -f Tuberkelbaoillen.
Fall 3. Mann Schl., 35 Jahre alt. Rippenfellentzündung vor
17z Jahren. Seit 8 Wochen Husten, Auswurf, Nachtsohweisse.
27. XI. 1913. Status: Links supraspinat Verkürzung, rauhes
Atmen, vereinzeltes Knacken. Links supraclavicular Verkürzung, ver¬
schärftes und verlängertes Exspirium, spärlicher Katarrh. Links infra-
clavicular geringe Verkürzung, scharfes Exspirium. Rechts supraspinat
Dämpfung, bronchovesiculäres Atmen, mittelgrossblasiges Rasseln, ver¬
einzelt bis zum ÄDgulus soapulae. Rechts supraclavicular und infra-
clavicular Verkürzung, bronchovesiculäres Atmen, spärlicher Katarrh.
+ Tuberkelbacillen; 66 kg Gewicht.
Röntgenbild: Beiderseitig Verschattung in der Spitze, links wesent¬
lich bis zum 3. lntercostalraum; rechts weiter nach abwärts reichend
bis znm 5. lntercostalraum.
16. VI. 1914. Resultat: Nach 6 */« monatlicher Behandlung mit drei
intramuskulären Injektionen; eine Simultaninjektion wird nicht gemacht
wegen andauernden Fiebers. Erhebliche Verschlechterung des
Allgemeinbefindens. Gewichtsabnahme 6 kg, -j- Tuberkelbaoillen.
Husten und Nachtsohweisse stärker; anfänglich geringe Temperatur-
Steigerung, seit etwa 87z Monaten aber andauernd remittierendes Fieber
bis 39 bzw. 39,4°.
Lungenbefund: Links supraspinat Dämpfung, abgeschwächtes
Atmen; links supraolavicular bis Costa 3 ebenso, und Katarrh; rechts
supraspinat Scballverkürzung, bronchiales Exspirium, Katarrh. Rechts
supraolavicular Schallverkürzung, bronchovesiculäres Atmen, Katarrh.
Links also Zunahme der Dämpfung.
Röntgenbild: Beiderseits erhebliche Zunahme der Ver¬
schattung.
Fall 4. Frau St., 25 Jahre alt. Schwester tuberkulös. Krank seit
7 Jahren. Heilstätte 1909. Keine Tuberkulinkur. Hämoptoe 1912;
Husten, Auswurf.
6 . XL 1913. Status; Rechts supraspinat und supraolavicular
scharfes vesiculäres Atmen. Links hinten oben Scballverkürzung bis
zur Spina, daselbst bronchovesiculäres Atmen, spärliohes mittelgross¬
blasiges Rasseln, Pfeifen und Schnurren bis zur Lungenbasis. Links
vorn oben Schall Verkürzung bis Costa 3, scharfes vesiculäres Atmen,
mässig reichlicher Katarrh, -f Tuberkelbaoillen. Gewicht 61 kg.
Röntgenbild: Links oberhalb und unmittelbar unterhalb der
Clavicula Verschattung. Rechts wesentlich frei.
1. VII. 1914. Resultat: Nach beinahe 8 monatlicher Behandlung
mit zwei intramuskulären und einer Simultaninjektion. Verschlechte¬
rung des Allgemeinbefindens. Gewichtsabnahme 17* kg; Husten
und Auswurf sehr stark, 4- Tuberkelbaoillen.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Mitte des Interscapular-
raum 8 ; reichlicher Katarrh. Links vorn Dämpfung bis unten, reichliches
RasselD, zum Teil klingend. Rechts supraspinat Dämpfung, Rasseln,
verschärftes Atmen. Rechts supraclavicular Verkürzung, verlängertes
Exspirium.
Also: Links Zunahme der Dämpfung und des Katarrhs;
rechts neue Erkrankung des Oberlappens.
Röntgenbild: Links unterhalb der Clavioula zunehmende
Verschattung bis zur 7. Rippe.
Fall 5. Mann Sob., 26 Jahre alt. Keine Heredität; krank seit
einem Jahre; Husten, Ausirurf, Atemnot; 4 Monate in Heilstätte;
-f- Tuberkelbaoillen; Gewicht 64 kg.
3. XL 1913. Status: Links hinten Dämpfung bis Angulus scapulae,
darüber bronchovesiculäres Atmen, Katarrh bis zur Lungenbasis. Links
vorn supraclavioulare Dämpfung, ebenso infraclavioular; von da ab
Verkürzung bis zur Basis, überall unbestimmtes Atmen, reichliche,
zum Teil klingende Rasselgeräusche. Rechts hinten oben vereinzeltes
GiemeD, rechte Lunge Bonst frei, -f Tuberkelbacilen, Gewicht 64 kg.
Röntgenbild: Links starke Verschattung der ganzen Seite. Rechts
wesentlich frei.
26. V. 1914. Resultat: Nach 6 8 /i monatlicher Beobachtung mit
zwei intramuskulären und einer SimultaniDjektion. Allgemeinbefinden
viel schlechter; Gewichtsabnahme fast 7 kg; früher subfebril; nach
der SimultaniDjektion 2 Tage bis 40,2*; in den folgenden 8 Tagen
remittierendes Fieber bis 38,9 das dann wieder abnimmt bis 88 °;
sehr starker Husten, der die Nachtruhe raubt, so dass wiederholt Codein
gegeben werden musste; Auswurf sehr reiohlich; -f- Tuberkelbaoillen.
Lungenbefund: Links unverändert. Reohts Auftreten
von Verkürzung und Katarrh im Oberlappen.
Röntgenbild: Links Verschattung der ganzen Seite, wie zum Be¬
ginn der Behandlung. Reohts war zum Beginn der Behandlung wesent¬
lich frei, jetzt starke Zunahme der Verschattung.
Fall 6 . Fräulein Z, 28 Jahre alt. Vor einem Jahre von mir mit
Dioradin ohne jeden Erfolg behandelt; viel Husten und Auswurf;
2 Monate in Heimstätte.
20. XI. 1913. Status: Links hinten supraspinat Dämpfung; im
oberen Drittel deslntersoapularraums. Sohallverkürzung, darüber Bronohial-
atmen mit Katarrh, der bis zur Lungenbasis reicht. Links vorn
Dämpfung bis Costa 2; Bronohialatmen, reichliches Rasseln, infraolavi-
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UNIVERSUM OF IOWA
1500
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
cular klingend. Rechts supraspinat und supraclavicular Schall etwas
verkürzt, Exspirium verlängert, nirgends Katarrh hörbar; kein Fieber;
-f Tuberkelbacillen; Gewioht 47 kg.
Röntgenbild: Links oberhalb, besonders aber unterhalb der Clavi-
oula Verschattung wesentlich bis Costa-5. Rechts nur am inneren Ende
der Clavicuia Verschattung, sonst wesentlich frei.
24. VI. 1914. Resultat: Nach 7 monatlicher Behandlung mit zwei
intramuskulären uud einer Simultaninjektion. Verschlechterung des
Allgemeinbefindens. Gewichtsabnahme 2 kg; 4 " Tuberkelbacillen;
Husten und Auswurf ebenso wie vor der Behandlung.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis zum inneren Ende
der Spina, darüber bronchiales Atmen und feuchter Katarrh, der bis
zum Angulus reicht. Links vorn Dämpfung bis Costa 3, Bronchial-
atmen, reichlicher feuchter Katarrh. Rechts hinten supraspinat Schall-
Verkürzung, scharfes Atmen. Rechts vorn Schallverkürzung, supraclavi¬
cular reichlich feuchter Katarrh, infraclavicular Pfeifen.
Also: Links wesentlich derselbe Befund, rechts Ver¬
schlechterung, insofern supraclavicular reichlicher, feuchter
Katarrh hinzugekommen ist.
Röntgenbild: Beiderseitig erhebliche Zunahme der Ver¬
schattung.
Fall 7. Mann Geh., 29 Jahre alt. Keine Heredität; Husten und
Auswurf seit 2 Jahren; keine Tuberkulinkur.
6. I. 1914. Status: Links hinten oben Schallverkürzung bis zur
Spina, unbestimmtes Atmen, feuchtes Rasseln bis zum Angulus. Links
vom supraclavicular und infraclavicular Verkürzung, unbestimmtes
Atmen, feuchtes Rasseln, letzteres bis zur Basis. Rechts hinten inter-
scapular vereinzeltes Rasseln. Rechts vorn supraclavicular spärlicher
Katarrh; + Tuberkelbaoillen; Gewicht 70 kg.
Röntgenbild: Vor der Behandlung links Verschattung oberhalb
und unterhalb der Clavicuia bis zum 5. Intercostalraum. Rechts Ver¬
schattung bis zur Clavicuia.
9. V. 1914. Resultat: Nach 4 monatlicher Behandlung mit zwei
intramuskulären und einer Simultaninjektion. Allgemeinbefinden
verschlechtert. Gewichtsabnahme 2,6kg; -f- Tuberkelbacillen; Husten
und Auswurf sehr stark; Atemnot.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Mitte des Inter-
scapularraums, Katarrh nach unten abnehmend bis zur Lungenbasis. Links
vom Verkürzung bis Costa 2, schwaches Atmen, Katarrh bis unten.
Rechts supraspinat, supraclavicalar und infraclavicular Verkürzung, reich¬
licher Katarrh. Rechts hinten unten und seitlich pleuritisches Reiben.
Also: Links hinten Zunahme der Dämpfung und des
Katarrhs; rechts Zunahme von Katarrh, rechts unten Auf¬
treten von Pleuritis sicoa.
Röntgenbild: Starke Zunahme der Schattendichtigkeit,
besonders links,
Fall 8. Frau Br., 31 Jahre alt. Krank seit 4 Jahren; dreimal in
Heilstätten; keine Tuberkulinkur; vor 3 Jahren Hämoptoe.
6. I. 1914. Status: Rechts hinten oben Dämpfung bis zur Spina,
bronohovesiculäres Inspirium, schwach bronchiales Exspirium, kein
Katarrh; weiter abwärts vesiculäres Atmen. Rechts vorn supraclavicular
und infraclavicular Verkürzung, schwach bronchiales Exspirium, ver¬
einzeltes Knacken. Links hinten Verkürzung bis Spina, bronchovesi-
culäres Atmen, vereinzelter Katarrh. Links vorn supraclavicular und
infraclavicular Verkürzung, schwach bronohovesiculäres Atmen, kein
Katarrh; Gewicht 51 kg; — Tuberkelbacillen.
Röntgeobild: Beide Spitzen verschüttet, links mehr als rechts.
15. IV. 1914. Resultat: Nach 3 l / t monatlicher Behandlung mit zwei
intramuskulären Injektionen; Patientin lehnt weitere Injektionen ab
wegen erheblicher Verschlechterung des Allgemeinbefindens.
Gewichtsabnahme 3 1 /} kg; Auftreten von Fieber bis 38,7° und
von Tuberkelbacillen während der Behandlung bei der an¬
fangs fieberfreien Patientin, bei der vor der Behandlung
wiederholt auch keine Tuberkelbacillen im Sputum ge¬
funden waren.
Lungenbefund: Rechts hinten oben Dämpfung bis oberes Drittel
des Interscapularraums, bronohovesiculäres Atmen, Katarrh. Rechts
vorn oben Verkürzung bis Costa 3, schwaches Atmen, kein Katarrh.
Links hinten oben Dämpfung bis inneres Ende der Spina, scbwaohes
Atmen, Katarrh; weiter abwärts ebenfalls Katarrh. Links vorn oben
Verkürzung bis Costa 3, spärlicher Katarrh.
Also: Rechts hinten oben und rechts vorn oben Zunahme
der Dämpfung bzw. Verkürzung; Auftreten von Katarrh
rechts hinten oben; ebenso links vorn und hinten.
Röntgenbild: Starke Zunahme der Verschattung, be¬
sonders rechts, reicht hier bis zur Lungenbasis.
Fall 9. Mann H., 30 Jahre alt. Keine Heredität; vor 11 Jahren
Pleuritis; seit l l f 2 Jahren Husten, Auswurf; 4 Monate Heilstätte.
25. XI. 1913. Status: + Tuberkelbacillen; Gewicht 74 kg.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Spina; darüber mittel¬
grossblasiges Rasseln. Rechts vorn supraclavicular Dämpfung bis Costa 2,
verschärftes Atmen, mittelgrossblasiges Rasseln.
Links hinten interscapular Verkürzung, darüber mittelgrossblasiges
Rasseln. Links vorn supraclavicular und infraolavicular Dämpfung,
Katarrh.
9. V. 1914. Resultat: Nach 5V*monatlicher Behandlung mit 2 intra¬
muskulären und 1 Simultaninjektion. Patientfühltsiohvielschlechter
als vor der Behandlung, lehnt deshalb weitere Injektionen ab. Ge¬
wichtsabnahme 10 kg; 4- Tuberkelbacillen; Nachtschweisse; Husten stärker,
so dass Patient wiederholt Narcotica bekommen musste.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bisSpina, schwach bronchiales
Atmen, Rasseln bis fast zum Angulus. Rechts vorn Dämpfung bis Costa 2
bronchiales Atmen, klingendes Rasseln. Links supraspinat Verkürzung]
schwaches Atmen; von der Spina ab bis zur Basis reichlicher Katarrh!
Links vorn supraclavicular und infraclavicular Verkürzung, vesiculäres
Atmen, spärlicher Katarrh bis unten.
Also: In der Lunge rechts hinten und links hinten Zu¬
nahme des Katarrhs; rechts vorn Bronohi&latmen, klingendes
Rasseln biuzugekommen.
Fall 10. Mann Bre., 42 Jahre alt. Krank seit 3 Jahren; viel
Husten und Auswurf.
24. XI. 1913. Status: -f- Tuberkelbacillen; Gewioht 50 kg.
Lungenbefund: Rechts hinten supraspinat Schallverkürzung;
weiter abwärts LuDgenscball. Rechts vorn Dämpfung bis Costa 3; über
den gedämpften Partien verlängertes und verschärftes Eispiiium, massig
reichliches mittelgrossblasiges Rasseln, das vorn bis zur unteren Lungen¬
grenze geht. Links supraspinat und supraclavicular Schallverkürzung,
spärliches Rasseln; im übrigen vesiculäres Atmen.
Röntgenbild: Rechts in der Spitze verschattet, supraclavicular,
infraclavicular und supraspinat.
25. III. 1914. Resultat: Nach 4monatlicher Behandlung mit 2 intra¬
muskulären Injektionen. Patientsehrelend. Gewichtsabnahme 4 kg;
-f- Tuberkelbacillen. Während der Behandlung mussten wiederholt wegen
starken Hustens Narcotica gegeben werden; während der Behandlung
stark remittierendes Fieber bis 39,2° C, das nicht aufhörte.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Spina; weiter ab¬
wärts Sehallverkürzung bis Angulus, darüber schwaches Atmen, spär¬
licher Katarrh bis Spina. Rechts vorn tympanitische Dämpfung bis
Costa 3; bronchiales Exspirium, reichlich grossblasiges, zum Teil klin¬
gendes Rasseln bis unten. Links supraspinat Dämpfung, rauhes Atmen;
Katarrh.
Also: Rechts hinten Zunahme der Dämpfung. Rechts
vorn Cavernensymptome aufgetreten.
Röntgenbild: Starke Zunahme der Verschattung beider¬
seits, besonders rechts.
Fall 11. Mann W., 37 Jahre alt. Bruder gestorben an Tuber¬
kulose. Husten und Auswurf seit 10 Jahren.
6.1. 1914. Status: Gewicht 66 kg; -f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis zur Mitte des Inter¬
scapularraums, broncbovesiculäres Atmen, Katarrh, trockene Geräusche
bis zur Lungenbasis. Links vorn oben supraclavicular und infraclavicular
Dämpfung, bronohovesiculäres Atmen, reichliches, feuchtes, zum Teil
klingendes Rasseln. Rechts supraspinat und supraclavicular Ver¬
kürzung, bronohovesiculäres Atmen, kein Katarrh.
Röntgenbild: Starke Verschattung der 1. Seite; in der rechten
Spitze mehrfache Schattenberde.
23. VI. 1914. Resultat: Nach b 1 /-, monatlicher Behandlung mit 2 intra¬
muskulären und 1 Simultaninjektion. Allgemeinbefinden sehr
schlecht. Gewichtsabnahme Vl t kg; Husten und Auswurf sehr stark;
-j- Tuberkulose; Appetit sehr schlecht.
b Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Mitte Scapula; über
der Dämpfung Katarrh. Links vorn Dämpfung über der ganzen Seite,
bronchiales Atmen und feuchtes, zum Teil klingendes Rasseln. Rechts
supraspinat Schall Verkürzung, bronohovesiculäres Exspirium, ebenso im
Interscapularraum. Rechts supraclavicular und infraclavicular Schall-
verkürzung, verlängertes Exspirium.
Also: Links Zunahme der Infiltration.
Röntgenbild: Links Schatten etwas dichter; rechts deut¬
liche Zunahme der Schattendichtigkeit.
Fall 12. Frau Wo., 40 Jahre alt. Krank seit 4 Jahren; Bruder
tuberkulös; geringe Hämoptoe vor einem Jahr.
9. XII. 1913. Status: Gewicht 51,8 kg; viel Husten und Auswurf;
-f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Spina, geringe Ver¬
kürzung bis Basis; supraspinat bronchiales Atmen, von der Spina ab
Rasseln bis Angulus. Rechts vorn supraclavicular tympaDitische
Dämpfung, bronchiales Atmen; infraclavicular Dämpfung, bronchovesi-
culäres Atmen, Bpärlicher Katarrh. Links supraspinat und supraclavicular
geringe Verkürzung, broncbovesiculäres Atmen, vereinzeltes Knacken.*
Röntgen bild: Rechte Spitze supra- und infraclavicular verschattet.
17. VI. 1914. Resultat: Nach 6 1 /*monatlicher Behandlung mit 2 intra¬
muskulären und 1 Simultaninjektion. Allgemeinbefinden schlecht.
Gewichtsabnahme 2 kg; Husten und Auswurf sehr reichlich; + Tuberkel-
baoillen.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Spina, weiter ab¬
wärts Sohallverkürzung; über der Dämpfung bronchiales Atmen, feuchter
Katarrh; von der Spina ab Katarrh weniger bis Angulus. RecbtB vorn
Dämpfung bis Costa 2; supraclavicular lautes Bronchialatmen mit
Katarrh; infraclavicular verschärftes Atmen mit Katarrh. Links supra¬
spinat und supraclavicular geringe Verkürzung; supraspinat kein Katarrh;
supraclavicular verschärftes Atmen mit spärlichem Katarrh.
Also: Lungenbefund wesentlich unverändert.
Röntgenbild: Reohta starke Zunahme der Verschattung.
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Original fro-rn
UNIVERSUM OF IOWA
10. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1501
Fall 13. Kind S., 10 Jahre alt. Vater tuberkulös; krank seit 2 Jahren.
22. XI. 1913. Status: Gewicht 29 kg; kein Auswurf; Husten; Brust-
sticbs.
Lungenbefund: Links hinten Verkürzung bis zum Angulus, scharfes
bronchovesiculäres Atmen, kein Katarrh. Links vorn supraclavicular
und infraolavioular Verkürzung, bronchiales Atmen. Rechts hinten
Verkürzung fast bis zum Angulus; supraspinat bronchiales Atmen,
weiter abwärts verschärftes bronchovesiculäres Atmen. Rechts hinten
unten vereinzeltes Rasseln und Schnurren. Reohts vorn Dämpfung bis
Costa 2, Bronchialatmen, Rasseln.
Röntgenbild: In beiden Lungen multiple'Schattenherde, zwischen
denen noch reichlieh helles Lungengewebe durchscheint.
10.2.1914. Resultat: Nach 2 l /amonatlicher Beobachtung mit2 intra¬
muskulären Injektionen. Zunehmende Verschlechterung des All¬
gemeinbefindens; zunehmender Katarrh; stark remittierendes Fieber
zwischen 86,8—39°; starke Mattigkeit; Tod 2 l / 2 Monate nach Beginn der
Behandlung.
Röntgenbild: Lungenschatten ociderseits viel dichter
geworden.
Fall 14. Frau Ge, 33 Jahre alt. Krank seit 1 ( 2 Jahr; Husten,
Auswurf, zeitweise Nachtschweisse.
11. XII. 18. Status: Gewicht 46,5 kg; -f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links supraspinat Verkürzung, schwaches Vesiculär-
atmen, spärliches feuchtes Rasseln, Giemen und Schnurren; die trocknen
Geräusche bis zur Lungenbasis. Links supraclavicular und infraclavi-
cular geringe Verkürzung, schwaches vesiculäres Atmen, trockne Ge¬
räusche bis unten. Rechts ohne nachweisbare Veränderungen.
Röntgenbild: Linke Lunge Schattenbildung in der Gegend der
V. und VI. Rippe, vom Hilus nach der Scapula hinziehend.
6. VL 1914. Resultat: Nach 6monatlicher Behandlung mit 3 intra¬
muskulären Injektionen. Allgemeinbefinden unverändert; Gewicht
stationär; + Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung und reichlicher Katarrh
bis Mitte Scapula. Links vorn Verkürzung bis Costa 3, sehr reichlicher
Katarrh, der das Atmen verdeckt und vereinzelt bis unten reicht. Rechts
supraspinat und supraclavicular Verkürzung; Giemen bis unten.
Also: Links vorn und links hinten erhebliche Zunahme
der Dämpfung und der Rasselgeräusche. Rechts vorn und
rechts hinten Verkürzung und trockner Katarrh hinzuge¬
kommen.
Röntgenbild: Links Zunahme der Schattenbildung.
Fall 15. Frau Pu., 46 Jahre alt Seit 1*/* Jahren Husten, Aus¬
wurf, Brustschmerzen; im Sommer 1913 4 V 2 Monate in Heilstätte.
29. Xi. 1913. Status: Guter Ernährungszustand; Gewicht 80,5 kg;
+ Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links supraspinat Verkürzung, abgeschwächtes
Atmen, feuchtes Rasseln bis zur Basis. Links vorn Verkürzung bis zur
2. Rippe; supraolavicular, schwach-bronchiales Exspirium, feuchtes
Rasseln, infraclavicular, vereinzelter Katarrh. Rechts supraspinat,
supraclavicular und infraclavicular Lungenschall, vereinzelter Katarrh.
Röntgenbefund: Linke Spitze dunkel; ferner multiple Schatten¬
knoten, zwischen denen noch helles Gewebe sichtbar ist.
8 . IV. 1914. Resultat: Nach 4^2monatlicher Behandlung mit zwei
intramuskulären und einer intravenösen Injektion keine Besserung
des Allgemeinbefindens; 2 kg Gewichtsabnahme; -4- Tuberkel¬
bacillen.
Lungenbefund: Links hinten Verkürzung bis Spina; reichlicher
Katarrh über der ganzen Seite bis unten. LiDks vorn Verkürzung bis
.3; supraclavicular, leicht bronchiales Atmen, Katarrh reich¬
lich bis unten. Rechts hinten und vorn in der Spitze Verkürzung und
einzelner Katarrh.
Also: Links Zunahme von Verkürzung und Katarrh.
Rechts Verkürzung vorn und hinten in der Spitze hinzu¬
gekommen.
Röntgenbild: Wesentlich gleich geblieben wie vor der
Behandlung. Patientin verweigert weitere Injektionen mit dem Be-
J 1 ” « ’ *^ ass Heilkraft des Mittels kein günstiges Resultat gezeitigt
Fall 16. Mann R., 38 Jahre alt. Hämoptoe vor 6 Jahren; seit
einem Jahre Husten, Auswurf, Abmagerung; keine Heilstättenbehand-
lung; keine Tuberkulinkur.
11. XI. 1913. Status: Gewicht 57 kg; + Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Rechts hinten Verkürzung bis Spina; darüber
Katarrh bis zur Lungenbasis. Rechts vorn supraclavicular und infra-
clavicular Schallverkürzung und Katarrh. Links hinten supraspinat
geringe Verkürzung, Katarrh bis unten. Links vom Verkürzung, Katarrh
Dis Costa 3; beiderseits abgeschwächtes Atmen.
Röntgenbild: Beide Spitzen oberhalb und unterhalb der Clavi-
Schatte^ 110 ^^ unc * Intercostalraum rechts und links multiple
. . 30. Vl. 1914. Resultat: Nach 7^2monatlicher Behandlung mit drei
tramoskulären und einer Siraultaninjektion Allgemeinbefinden
J?y° ran d 0r t* Atemnot, Husten und Auswurf wechselnd; + Tuberkel-
Gewicht beinahe stationär; eine Drüse am Unterkiefer wuchs
«irend der Behandlung kl ein apfelgross, abscedierte.
Sch it n Renbefund: Links hinten Dämpfung bis Spina, von da ab
oallverkürzung bis zur Mitte des Interscapularraums; über der Dämpfung
abgeschwächtes Atmen und Katarrh, der bis zum Angulus reicht. Links
vorn supraclavicular, infraclavicular Dämpfung bis Costa 3; darüber
feuchtes klingendes Rasseln; das Rasseln reicht bis unten. Rechts hinten
Dämpfung; supraspinat abgesohwächtes Atmen bis zur Mitte des Inter¬
scapularraums; rechts vorn supraolavicular, infraclacicular Schall Ver¬
kürzung und Katarrh.
Also: Links Zunahme der Dämpfung und des Katarrhs;
das Rasseln klingend gewordeu.
Röntgenbild: Beiderseits sehr starke Zunahme der Ver¬
schattung.
Fall 17. Mann Bu., 87 Jahre alt. Krank seit 6 Jahren; 1908
4 Monate in Heilstätte; seit einem halben Jahre sehr viel Husten, Aus¬
wurf, Brustschmerzen, Nachtschweisse.
22. XI. 1918. Status: Gewicht 61 kg; -f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Rechts supraspinat geringe Verkürzung,
schwaches Atmen, spärliches Rasseln bis zur Lungenbasis. Rechts vorn
geringe Verkürzung, bis Costa 2; infraclavicular, schwach bronchiales
Exspirium; links nichts besonderes.
Röntgenbild: Rechts supraclavicular dunkler als links; sonst die
rechte Lunge stärker marmoriert als die linke.
16. VI. 1914. Resultat: Nach 7monatlicher Behandlung mit drei
intramuskulären und einer Simultaninjektion Allgemeinbefinden
schlechter. Gewichtsabnahme 4 kg; Husten und Auswurf sehr stark;
-}- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Reohts hinten Schall Verkürzung bis zum oberen
Drittel des Interscapularraums; darüber scharfes Atmen, Katarrh bis zur
Basis. Rechts vorn supraclavicular und infraclavicular Schallver-
kürzung, Katarrh; links vorn und hinten ohne Befund.
Also: Lunge im wesentlichen unverändert.
Röntgenbild: Wesentlich unverändert.
Fall 18. Frau L., 35 Jahre alt. Krank seit einem Jahre; Husten,
Auswurf, geringe Nachtschweisse.
9. XII. 1913. Status: Gewicht 54,2 kg; -j- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund; Rechts hinten Dämpfung bis Mitte Scapula: sehr
schwaches Atmen, Rasseln bis zur Basis. Rechts vorn supra- und
infraolavioular tympanitische Dämpf ung; supraclavicular schwaches
Atmen, Rasseln; infraolavioular schwaches Atmen, kein Rasseln.
Links hinten supraspinat, links vorn supraclavicular Verkürzung,
schwaches Atmen, spärlicher Katarrh.
Resultat: Nach 4monatlicher Behandlung mit zwei intramuskulären
Injektionen erhebliche Verschlechterung des Allgemein¬
befindens; Patientin ist dauernd bettlägerig; Gewichtsabnahme in
3 Monaten 5,7 kg; Fieber, das vor der Behandlung nur gering war, er¬
reicht während der Behandlung häufig Temperaturen bis 39,8 und 40°C,
so dass Antipyrin, Pyramidon gegeben werden mussten.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Mitte Scapula.
Rechts supraspinat amphorisches Atmen, klingendes Rasseln. Rechts
vorn tympanitische Dämfung bis unten; infraclavicular amphorisches
Atmen, klingendes Rasseln. Links hinten Verkürzung bis Mitte Sca¬
pula, schwaches Atmen. Links vorn supraclavicular und infraclavicu¬
lar Dämpfung; Katarrh reichlich.
Also: Rechts Dämpfung ausgedehnter; Cavernen-
symptome entstanden. Links Zunahme von Dämpfung und
Katarrh. Naoh brieflicher Mitteilung 3 Monate später geht
es der Patientin sehr schlecht, sie ist dauernd bett¬
lägerig.
Fall 19. Frau E. Sch., 32 Jahre alt. Krank seit 2 Jahren; Heil¬
stätte vor einem Jahr; keine Tuberkulinkur; viel Husten und Auswurf.
23. II. 1914. Status: Gewicht 60,5 kg; -f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links supraspinat Verkürzung, spärlicher
Katarrh, vereinzelt auch weiter abwärts. Links supraclavicular, infra-
clavicular Verkürzung, bronchovesiculäres Atmen, spärlicher Katarrh.
Rechts supraspinat Verkürzung, schwaches Atmen, kein Katarrh. Rechts
supraclavioular Lungenschall, kein Katarrh.
Röntgenbild: Linke Spitze oberhalb und unterhalb der Clavicula
dunkler als rechts; weiter abwärts ist die Lunge ebenfalls undurch¬
sichtiger als rechts; im 3. lntercostalraum kleine Caverne.
17. VI. 1914. Resultat: Nach 4 monatlicher Behandlung mit einer
intramuskulären und einer intravenösen Injektion. Allgemeinbefinden
unverändert. Gewichtsabnahme 2,5 kg; + Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links Verkürzung bis Spina, abgeschwächtes
Atmen, reichlicher Katarrh bis zum Angulus. Links supraolavicular
Verkürzung, feuchter und trockener Katarrh, bis zum 2. lntercostalraum.
Rechts supraspinat und supraclavicular spärlicher Katarrh.
Also: Links Zunahme des Katarrhs. Rechts Auftreten von
Katarrh.
Röntgenbild: Beiderseits starke Zunahme der Ver¬
schattung, besonders links.
Fall 20. Frau B., 44 Jahre alt. Krank
Auswurf, Hämoptoe, Frösteln; Mann tuberkulös.
seit % Jahr; Husten,
28. XI. 1913. Status: Gewicht 60,5 kg; 4 - Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Rechts supraspinat Verkürzung bis Mitte der
Scapula, schwaches Atmen, massig reichlicher Katarrh, vereinzelt bis
Angulus. Rechts vorn geringe Verkürzung bis Costa 2; schwaches
Atmen, reichlich feuchtes Rasseln. Links oben frei, unten und seitlich
Katarrh.
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 82.
9. IV. 1914. Resultat*. Nach 4 1 /* monatlicher Behandlung mit zwei
intramuskulären und einer intravenösen Injektion. Erhebliche Ver¬
schlechterung des Allgemeinbefindens.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Angulus, broncho-
vesiculares Atmen. Rechts vorn tympanitische Dämpfung bis Costa 3;
bronchiales Atmen über der ganzen Seite, reichliches, zum Teil klingendes
Rasseln. Links vorn oben, links hinten oben Dämpfung, bronchiales
Atmen und reichliches, zum Teil klingendes Rasseln.
Also: Erheblicher Fortschritt der Lungenerkrankung; in
der rechten Lunge Zunahme der Dämpfung; Auftreten von
Bronohialatmen und klingenden Rasselgeräuschen; hinzu-
gekommen ist ferner ein Infiltrat des linken Oberlappens,
das vorher fehlte.
Fall 21. Frau R., 36 Jahre alt. Krank seit U/s Jahren; Husten,
viel Auswurf, Brustschmerzen, Heiserkeit; Nachtschweisse; wenig Appetit.
21.11. 1914. Status*. Gewicht 61 kg; -f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Mitte Scapula,
schwaches Atmen, massig reichlicher Katarrh, nach unten zu abnehmend.
Rechts vorn tympanitische Dämpfung bis Costa 3; supraclavicular
bronchiales Atmen, massig reichlicher Katarrh. Links hinten oben Ver¬
kürzung bis Spina, schwaches Atmen, vereinzeltes Rasseln. Links vorn
geringe Verkürzung bis Costa 2, vereinzelter Katarrh.
Röntgenbild: Rechts supraclavicular und infraolavicular starke
Verdunkelung, ebenso in der Scapulargegend; linke Lunge wesentlich frei.
1. VII. 1914. Resultat: Nach ± l j 4 monatlicher Behandlung mit zwei
intramuskulären und einer intravenösen Injektion. Allgemeinzustand
verschlechtert. Gewichtsabnahme 6 kg; viel Husten und Auswurf;
-}- Tuberkelbacillen; mehrmals Fieberperioden während der Behandlung.
Lungenbefund: Rechts hinten Dämpfung bis Mitte des Inter-
scapularraums, sehr reichlicher Katarrh, weiter abwärts scharfes Atmen
und spärlicher Katarrh. Rechts vorn tympanitische Dämpfung, sehr
reichlicher Katarrh bis Costa 3. Links supraspinat, supraclavicular,
infraclavicular Schallverkürzung, verschärftes Atmen; kein Katarrh.
Also: Rechts Zunahme des Katarrhs. Links wesentlich
ebenso.
RöDtgenbild: Starke Zunahme der Verschattung der
ganzen rechten Seite; auch die linke Lunge ist im ganzen
undurchsichtiger geworden.
Fall 22. Mann Mo., 27 Jahre alt. Krank seit l ] /s Jahren; keine
Heredität; Nachtschweisse; viel Husten, Auswurf, AbmageruDg, Hämoptoe;
3 Monate in Heilstätte; keine Tuberkulinkur.
3. XI. 1913. Status: Gewicht 71 kg; -f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis zur Spina, von da ab
Verkürzung bis zur Lungenbasis; über der Dämpfung abgeschwächtes
Atmen, reichlich feuchtes Rasseln bis fast zur Lungenbasis. Links
vorn supraclavicular Dämpfung; supraclavicular und infraclavicular
feuchtes Rasseln. Rechts supraspinat Verkürzung, vesiculares Atmen, spär¬
lich feuchtes Rasseln; in der Mitte des Interscapularrauros das Rasseln
reichlicher; in der Gegend des Angulus scapularis deutliches Reiben.
Rechts vorn supraclavicular und infraclavicular Verkürzung, spärlicher
Katarrh.
Röntgenbild: Linke Lunge supraolavicular und infraclavicular
verschattet bis Costa 6. Rechts wesentlich frei bis auf verstärkte
Schattenbildung in der Hilusgegend.
7.1V. 1914. Resultat: Nach 5monatlicher Beobachtung mit zwei
intramuskulären Injektionen. Sehr erhebliche Verschlechterung
des Allgemeinbefindens; bereits 2 Monate nach Beginn der Be¬
handlung bat Patient 4 kg an Gewicht abgenommeD; die Abnahme
dauert weiterhin an, wie Patient sohreibt; andauernd Fieber; andauernd
bettlägerig; unter starker Atemnot ist rechts ein oircum-
scripter Pneumothorax entstanden, 2 1 /* Monate nach Beginn
der Behandlung.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Angulus, broncho-
vesiculäres Atmen. Katarrh bis zur Lungenbasis. Links vorn tympanitische
Dämpfung, Bronchialatmen, Katarrh bis unten. Rechts vorn oben und
rechts hinten oben lauter Sohall mit kaum hörbarem Atemgeräusch an
der Stelle, wo der Pneumothorax im Röntgenbilde sichtbar ist. Reobta
hinten von der Mitte der Scapula ab Sohenkelschall (pleuritisches Ex¬
sudat). ' -
Also: Links Zunahme der Dämpfung vorn und hinten;
vorn Auftreten von Bronohialatmen, Ausdehnung des
Katarrhs. Rechts oben Entwicklung eines Pneumothorax,
rechts unten pleuritisches Exsudat entstanden.
Röntgeobild: Links Zunahme der Verdunklung; multiple
Schattenknoten. Rechts Pneumothorax zwischen dem 3. und
5. Intercostalraum sowie Zunahme der Verdunklung von der
7. Rippe ab.
Fall 23. Mann W., 31 Jahre alt. Viel Husten und Auswurf;
ein Bruder an Tuberkulose gestorben; 1903 in Heilstätte; 1912 Hämoptoe;
kein Fieber; keine Nachtschweisse.
11. XL 1918. Status: Gewicht 51,7 kg: -f- Tuberkelbacillen.
Lnngenbefund: Links hinten oben Verkürzung bis Mitte Scapulae,
darüber abgeschwächtes Vesiculäratmen, spärliches Rasseln bis zur
Lungenbasis. Links vorn oben supraclavicular und infraclavicular Ver¬
kürzung, bronchovesiouläres Atmen, reichlich Rasseln, zum Teil klingend.
Rechts supraclavicular und supraspinat geringe Verkürzung, kein
Katarrh, nur am Angulus vereinzeltes Knacken.
Röntgenbild: Beiderseits Verschattung, links oben mehr wie rechts.
16. VI. 1914. Resultat: Nach 7 monatlicher Behandlung mit drei
intramuskulären und einer Simultaninjektion. Allgemeinbefinden un¬
verändert. Gewichtsabnahme 1 kg; Husten, wie gewöhnlich im Sommer,
besser; -f* Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links hinten oben supraspinat Dämpfung, darüber
spärlicher Katarrh; interscapular, broncho vesiculares Atmen; weiter
abwärts Atmen vesiculär. Links vorn oben supraclavioular und infra¬
olavicular Dämpfung, Katarrh; besonders infraclavicular reichlich, zum
Teil klingend. Rechts supraspinat Dämpfung, schwach bronchiales
Atmen, Katarrh, der bis zur Lungenbasis reicht. Rechts supraclavioular
Dämpfung bis 2. Intercostalraum; supra- und infraolavicular Katarrh.
Also: Kliuisoh links wesentlich ebenso. Rechts Zunahme
von Dämpfung und Katarrh.
Röntgenbild: Beiderseits starke Zunahme der Sohatten-
dichtigkeit.
Fall 24. Frau H. 58 Jahre alt. Krank seit Vs Jahr; Husten,
Auswurf, Abmagerung; Heilstätte 2 Monate; keine Tuberkulinkur.
12 . XI. 1918. Status: Gewicht 53,5 kg; -f - Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links hintea oben Dämpfung bis Mitte Soapula;
darüber Bronohialatmen, feuchter und trockener Katarrh; letzterer ver¬
einzelt bis Lungenbasis. Links oben supra- und infraclavicular Dämpfung
bis 1. Intercostalraum, verschärftes Atmen, reichlich Rasseln. Rechts
supraspinat und supraclavicular Verkürzung, bronchovesiculäres Atmen;
spärlicher Katarrh.
Röntgenbild: Links oben Trübung der Spitze, oberhalb der
Clavicula.
17. VI. 1914. Resultat: Nach 7 monatlicher Behandlung mit zwei
intramuskulären, einer intravenösen und einer Simultaninjektion. Allge¬
meinbefinden unverändert. Gewichtsabnahme 1 kg; Husten uod
Auswurf reichlich; -f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links hinten supraspinat Dämpfung bis Mitte
des Interscapularraums; darüber bronchiales Atmen; reichlicher Katarrh,
fast bis zum Angulus. Links vorn supra- und infraclavicular Dämpfung;
supraclavicular Rasseln, unbestimmtes Atmen. Rechts supraspinat
Verkürzung, kein Katarrh. Rechts supraclavicular Verkürzung, rauhes
Atmen.
Also: Lungenbefund wesentlioh ebenso.
Röntgenbild: Starke Zunahme der Verschattung in der
linken Spitze.
Fall 25. Mann Jo., 19 Jahre alt. Krank angeblich erst seit
5 Wochen; Husten, Auswurf, Hämoptoe.
5. XII. 1913. Status: Gewicht 69,5 kg; -f Tuberkelbacillen; gut
genährt.
Lungenbefund: Links hinten oben Verkürzung, schwach vesi-
culäres Atmen; kein Katarrh. Links vorn oben Verkürzung, rauhes
Atmen, ohne Katarrh. Rechts ohne Besonderheiten.
Röntgenbild: Ganze linke Seite undurchsichtiger, mit einzelnen
hellen Inseln; rechte Lunge wesentlich frei.
23. VI. 1914. Resultat: Nach 6 1 /* monatlicher Behandlung mit drei
intramuskulären und einer Simultaninjektion. Allgemeinbefinden
unverändert. Gewichtszunahme 1 */t kg; Husten und Auswurf unver¬
ändert; -f- Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links hinten supraspinat Dämpfung bis zur
Spina; über der Dämpfung abgeschwäohtes Atmen, spärlicher Katarrh.
Links vorn supra- und infraclavicular Verkürzung, spärlicher Katarrh.
Rechts überall schwaches Vesiculäratmen.
AIbo: Links hinten oben Zunahme der Dämpfung. Links
vorn oben und links hinten oben ist spärlicher Katarrh hinzu¬
gekommen.
Röntgenbild: Links zunehmende Dichtigkeit der Schatten-
bildung.
Fall 26. Frau U., 36 Jahre alt. Krank seit 4 Jahren; Heredität;
Brustschmerzen, Abmagerung, Husten, Auswurf.
10. XI. 1913. Status: Gewicht 59,5 kg; + Tuberkelbacillen.
Lungenbefund: Links hinten supraspinat Verkürzung, broncho-
vesiculares Atmen, spärliches, feuchtes Rasseln bis zur Lungenbasis.
Links vorn oben supra- und infraclavicular Verkürzung, bronebovesi-
culäres Atmen. Rechts oben frei. Rechts hinten unten geringe Ver¬
kürzung, sohwaobes Atmen, kein Katarrh. Rechts vorn supra- und infra*
clavioular Verkürzung, rauhes Atmen, vereinzeltes Knaokep.
Röntgenbild: Links supraclavioular fleckig getrübt, infraolavicular
Schattenbildung neben dem Sternalrande. Rechts unten Sobattenbildung
neben dem Herzen.
10. VI. 1914. Resultat: Nach 7 monatlicher Behandlung mit zwei
intramuskulären und einer Simultaninjektion. Allgemeinbefinden
stationär. Gewichtszunahme 2 1 { Z kg.
Lungenbefund: Links hinten Dämpfung bis Mitte Scapula,
schwaches Atmen; reichlicher Katarrh bis Angulus; weiter hbwärts ver¬
schärftes Atmen. Links vorn Dämpfung bis Costa 8, bronchovesiculäres
Atmen; supraclavicular spärlicher Katarrh, infraclavicular Giemen. Recht»
supraclavioular und supraspinat scharfes Atmen.
Also: Links erhebliche Zunahme der Dämpfung und des
Katarrhs.
Röntgenbild: Links und rechts erhebliche Zunahme der
Verschattung.
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UNIVERSITY OF IOWA
10. Aogost 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1608
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III. Tierversuche.
Ich teile xunächst einige Versuche mit Reinkulturen
Friedmann’scher Bacillen mit.
Versuchsreihe L Im November vorigen Jahres inirden 4 Meer¬
schweinchen mit je 0,5 ccm einer Reinkultur von mensohliohen
Tuberkelbaoillen suboutan vorgeimpft. Nach nicht ganz 7 Tagen,
sobald die ersten Zeichen der Infektion an der Impfstelle auftraten,
wurden 3 von diesen Tieren mit je 0,5 ccm einer starken Aufschwemmung
von einer Reinkultur von SohildkrÖtenbacillen nachbehandelt und intra¬
muskulär am Oberschenkel injiziert. 10 Tage später erfolgte bei allen drei
Meerschweinchen die zweite intramuskuläre Impfung von je 0,5 ocm Schild-
krotenbaoillen; 8 Tage später die dritte Impfung von je 0,5 ccm derselben
Reinkultur. Die mit den SohildkrÖtenbacillen nachbehandelten
Tiere sind sämtlich lty 3 bis 2*/* Monate nach der Impfung
mit den mensohliohen Tuberkelbaoillen an Tuberkulose zu¬
grunde gegangen.
Sektionsbefund: Behandeltes Meerschweinchen 1,gestorben
272 Monate nach der Impfung mit den menschlichen Tuberkulosebacillen.
An der Impfstelle bohnengrosses Iofiltrat, beiderseits vergrösserte und
verkäste Inguinaldrüsen. Milz vergrössert, Leber mit Knötchen und
mehrfachen grauweissen, stellenweise durch Gallenfarbstoff gelb imbi-
bierten Herden durohsetzt. In den Lungen sehr reichliche, kleinere und
grössere graugelbe Knoten.
Die mikroskopische Untersuchung ergab in Milz, Leber und LuDge
teils circumscripte zellreiche, aus runden lymphoiden und epithelioiden
Zellen bestehende Knoten, mit spärlichen Riesenzellen, teils diffuses,
tuberkulöses Granulationsgewebe, mit überall nachweisbaren säurefesten
Bacillen.
Behandeltes Meerschweinchen 2 stirbt ebenfalls 2Vs Monate
nacfi der Impfung mit den menschlichen Tuberkelbacillen.
Sektion: Beiderseits überbohnengrosse, käsige Inguinaldrüsen. Milz
stark vergrössert, mit grossen, weissgrauen Inseln durchsetzt. Leber
vergrössert, höckrig; einzelne graue Knötchen und multiple hellere,
nekrotische Inseln. In beiden Lungen sehr zahlreiche, linsengrosse hya¬
line und gräugelbe Knoten.
Mikroskopisch derselbe Befund wie bei dem vorigen Meerschweinchen.
Behandeltes Meerschweinohen 3 stirbt l 1 /? Monate nach der
Infektion mit den menschlichen Tuberkelbaoillen.
Sektion: Inguinaldrüsen rechts bohnengross, mit käsigen Herden:
Milz vergrössert mit prominenten Knötchen und mehrfachen, hellgrauen
losein; Leber reiohliche, hirsekorngrosse Knötchen; LuDgen zahlreiche
graue und hyaline Knoten.
Das zu dieser Versuchsreihe zugehörige, mit mensohliohen
Tuberkelbaoillen geimpfte, aber nicht mit Sohildkröten-
bacillen behandelte Kontrolltier stirbt l 8 /« Monate nach der In¬
fektion.
Sektion: Beiderseits käsige Inguinaldrüsen; Milz nicht vergrössert;
Leber vereinzelte Knoten; Lunge ziemlich reichliche graugelbe Knoten.
Die mikroskopische Untersuchung ergibt in den Leber- und Lungen-
berdeu ganz denselben Typus der Wucherung, Rundzellen und Epithe-
lioidzellen mit spärlichen Riesenzellen und geringer Nekrose, wie bei
den behandelten Tieren; in der Milz, Leber, Lungen säurefeste Bacillen
nachweisbar.
Versuchsreihe II. In der folgenden Versuchsreihe sind 5 Meer“
schweinchen mit je 0,5 ccm einer Reinkultur menschlicher Tuberkel'
bacillen subcutan vorgeimpft. Nach nicht ganz 14 Tagen erfolgt die
Nachbehandlung mit einer von mir aus Ampulle Grün 1 Friedmann
hergestellten Reinkultur von Schildkrötentuberkelbacillen. Von dieser
Kultur bekommen innerhalb l®/ 4 Monaten Meerschweinchen 1 eine intra¬
muskuläre Injektion von 0,3 ocm; Meerschweinchen 2 und 3 je drei In¬
jektionen von 0,3 ccm; Meerschweinchen 4 zwei Injektionen von je 0,3 ccm
Fnedmann’scher Bacillen. Als dieNachbehandlung anßng, waren nur im Be¬
reiche der Impfstelle der menschlichen Tuberkelbacillen geringe Zeichen der
Infektion vorhanden, geringe Infiltration und kleine Inguinaldrüsen.
Sämtliche mit Friedmann nachbehandelten Tiere sind inner¬
halb U/ 4 bis 3 Monaten nach der Infektion mit den mensch¬
lichen Tuberkelbacillen gestorben. Alle Tiere ergaben bei
der Sektion tuberkulöse Organveränderungen, di© besonders
8 ^ Mr k waren bei den Tieren 2 und 3, gestorben naoh 2 3 / 4 und 3 Monaten.
Behandeltes Meerschweinchen 2. Sektion: Rechts zwei
bohneogrosse, käsige Inguinaldrüsen und Axillardrüsen; Milz stark ver-
pösaert, mit submiliaren Knoten, in denen säurefeste Bacillen nach¬
weisbar; Leber miliare Knoten und grauweisse, nekrotische Herde;
T Tuberkelbaoillen; Lunge ausserordentlich reiohliche grauweisse Knoten;
T Tuberkelbacillen.
Behandeltes Meerschweinchen 3. Sektion: Ueber Bohnen-
pwse, käsige Inguinal- nnd Axillardrüsen; sehr grosse Milz mit Knoten
uoq grauweissen nekrotischen Einsprengungen; reichliche grüngelb imbi-
bierte Leberherde; sehr zahlreiche graue Knoten in der Lunge.
Mikroskopische Untersuchung von Leber und Lungen: Umschriebene
Knoten aus epithelioiden und lymphoiden Zellen bestehend, ferner be-
•onaera in der Leber ausgedehnte Züge von tuberkulösem Granulatious-
durchsetzt von Bindegewebsfasern; säurefeste Bacillen in Milz,
Leber, Lungen nachweisbar.
Versuchsreihe III. Bereits am 6 . Tage nach der Vorimpfung
out V, der bisher gebrauchten Dosis menschlicher Tuberkelbaoillen
»erden 4 Meersohweipchou mit einem neuen Stamm von SchUdkrptep-
tuberkelbacillen nachbehandelt. Die Tiere bekamen innerhalb 1 bis
272 Monaten 9, 13, 14, 13 Injektionen, und zwar jedesmal 0,5 ccm
Schildkrötentuberkelbacillen injiziert. Die mit Schildkrötentuberkel'
bacillen naohbehandelten Tiere sind sämtlich gestorben,
1V* bis 3*/ 4 Monate naoh der Infektion mit den mensohliohen
Tuberkelbacillen.
Behandeltes Meerschweinchen 1. Intraperitoneal vorgeimpft
mit menschlichen Tuberkelbaoillen, bekommt 9 Injektionen von
Schildkrötentuberkelbacillen, je 0,5 ccm. Tot 17t Monate nach der In¬
fektion mit den menschlichen Tuberkelbacillen.
Sektion: An der Injektionsstelle käsiger Herd in der Bauchwand;
Netz verdickt mit käsigen Knoten; Milz vergrössert mit grauweissen,
nekrotischen Herden; Leber zahlreiche miliare Knötchen; Lungen sehr
reichliche miliare und grössere hyaline und grauweisse Knoten; Aus¬
strichpräparate von dem käsigen Abscess an der Impfstelle, von Leber,
Milz, Lungen, reichliehe Tuberkelbacillen.
Behandeltes Meerschweinchen 2. Intraperitoneal mit den
mensohliohen Tuberkelbacillen vorgeimpft; darauf 13 Injektionen mit
Schildkrötentuberkelbacillen, je 0,5 ccm; tot 3 Monate nach der Impfung
mit den menschlichen Tuberkelbacillen.
Sektion: Rechts und links bohnengrosse käsige Iogunialdrüsen;
Netz zusammengerollt mit sechs erbsengrossen käsigen Knoten; Milz
erbeblich vergrössert, mit grauweissen, über die Oberfläche promi-
nierenden Knötchen; Lungen mit zahlreissen grauweissen, kleinen und
grösseren konfluierten Knoten.
Mikroskopisch: Io Schnittpräparaten von Milz, Leber, Lungen, teils
umschriebene Knoten aus Epithelioiden- und Rundzellen zusammengesetzt,
teils diffuses, tuberkulöses Granulationsgewebe, das auch von Spindel-
zelten durchsetzt ist; in den Sohnitten der verschiedenen Organen säure¬
feste Tuberkelballen nachweisbar.
Behandeltes Meersohweinohen 3. Subcutan mit menschlichen
Tuberkelbacillen vorgeimpft; danaoh 14 Injektionen mit Schildkröten¬
tuberkelbacillen; tot 8% Monate nach der Infektion mit den mensch¬
lichen Tuberkelbacillen.
Sektion: Ueber bohnengrosse, käsige Inguinal- und Axillardrüsen;
grosse Milz; Leber mit zahlreichen kleinen und grösseren weissgrauen
Herden; Portaldrüse vergrössert, mit käsigen Einsprengungen; Lunge
sehr reichlich hirsekorn- bis linsengrosse grauweisse Knoten; in Aus-
strichpräparateo aus Milz, Leber, Lungen säurefeste Bacillen.
Behandeltes Meerschweinchen 4. Subcutan mit menschlichen
Tuberkelbaoillen vorgeimpft; danach 13 Injektionen mit Schildkröten¬
tuberkelbacillen, je 0,5 ccm; tot 27s Monate nach der Infektion mit
den mensohliohen Tuberkelbaoillen.
Sektion: Beiderseits über bohnengrosse käsige Inguinaldrüsen
und beiderseits über erbsengrosse käsige Axillardrüsen; Milz erheblich
vsrgrossert; Leber mehrfache grauweisse Herde; beide Lungen übersät
mit birsekorogrossen grauweissen Knoten.
Mikroskopisch: Schnitte au9 Milz, Leber, Lunge Tuberkel aus
Epitheloid- und Rundzellen bestehend, sowie mehr diffuses tuberkulöses
Granulationsgewebe mit Tuberkelbacillen.
Kontrollmeersohweincben 5. Das nur mit menschlichen
Tuberkelbacillen geimpfte, aber nicht mit Schildkrötentuberkelbacillen
nachbehandelte Kontrollmeersohweinchen stirbt ebenfalls erst 3 Monate
nach der Impfung, also später, als zwei von den behandelten Tieren.
Sektion: Rechts bohneogrosse, käsige Inguinaldrüsen; Milz stark
vergrössert; Lunge sehr zahlreiche graue Knoten; Bronchialdrüsen ver¬
grössert, mit käsigen Einsprengungen.
Die tuberkulösen Veränderungen der inneren Organe
sind bei dem nichtbebandelten Kontrolltier nicht erheb¬
licher als bei den mit Schildkrötentuberkelbacillen naoh¬
behandelten Tieren.
Versuchsreihe IV. Die hierher gehörigen Tiere sind in 2 Fällen
7 Tage nach intraperitonealer Vorimpfung, in 2 Fällen 13 Tage nach
suboutaner Verimpfung mit menschlichen Tuberkelbacillen zu einer Zeit,
als die Inguinaldrüsen eben anfiogen, anzuschwellen, mit Schildkröten¬
tuberkelbacillenkultur in Behandlung genommen. Die Tiere bekamen inner¬
halb , / 2 —2 3 / 4 Monaten 4, 10, 14, 15 Injektionen mit Schiidkrötentuberkel-
bacillen und zwar jedesmal 0,5 ccm injiziert. Meerschweinchen 1
bekommt entsprechend der intraperitonealen Vorimpfung die 4 Iojektionen
Schildkrötentuberkelbacillen intraperitoneal; die anderen drei Meer¬
schweinchen intramuskulär injiziert. Die behandelten Tiere gehen
sämtlich innerhalb 23 Tagen, 17s. 57s» 87i Monaten nach der
Vorimpfung mit den mensohlichenTuberkelbaoillen zugrunde.
Die beiden nur mit mensohliohen Tuberkelbacillen ge¬
impften, aber sonst nicht weiter mit Schildkrötentuberkel'
bacilleu naohbehandelten Kontrolliere starben 37« resp.
erst 6 8 / 4 Monate nach der Impfung; also jedenfalls verlängerte die
Behandlung nicht das Leben der Tiere gegenüber den nicht behandelten
Kontrollieren. Die Sektion ergab bei den behandelten Tieren
verkäste Inguinaldrüsen, starke tuberkulöse Erkrankungen des Netzes
mit käsigen Knoten bei den intraperitoneal geimpften TiereD, Tuberkulose
der Leber und Milz und besonders die Lungen übersät mit stecknadel¬
kopfgrossen und grösseren konfluierten, im Centrum zum Teil verkästen
Knoten. Die tuberkulösen Veränderungen sind bei den mit
der Reinkultur behandelten Tieren ebenso reichlich wie bei
dep nichtbebandelten Tieren.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 82.
In den bisher mitgeteilten Versnchen sind die mit
den menschlichen Tuberkelbacillen vorbehandelten
Tiere mit Reinkulturen von Schildkröte nt uberkel-
bacillen nachbehandelt worden. Nach Freigabe des
Friedmann’scben Mittels sind nun in weiteren Versuchs¬
reihen mit menschlichen Tuberkelbacillen vorgeimpfte
Meerschweinchen mit der von Friedmann hergestellten
Impfflüssigkeit selbst behandelt worden.
Versuchsreihe V. Vier Meerschweinchen werden nicht ganz 7 Tage
nach der Vorimpfung mit 0,5 ccm menschlicher Tuberkelbacillen —
die Impfung geschah io 2 Fällen intraperitoneal und in 2 Fällen subcutan —
innerhalb I 3 /*—2 Ä /* Monaten mit 4 Injektionen von je 0,5 ccm Impfflüssig¬
keit (grün 1) nachbehandelt. Drei von den mit der Impf¬
flüssigkeit nachbehandelten Tieren gehen 2, 3' 3 , 3% Monate
nach der Vorimpfung mitden menschlichen Tuberkelbacillen
zugrunde; eines von diesen Tieren lebt nooh, zeigt aber
deutliche Zeichen der vorhandenen Erkrankung; beider¬
seits starke Inguinaldrüsen.
Die Sektion ergab ausser käsigen Inguinaldrüsen bei dem sub¬
cutan geimpften Tier sowie käsigen, säurefeste Bacillen enthaltenden
Knoten im Netz bei den intraperitoneal geimpften Tieren, in allen Fällen
Tuberkel in Milz und Leber sowie besonders zahlreiche kleinere udü
grössere Tuberkuloseherde in den Lungen; die Bronchialdrüsen in zwei
Fällen vergrossert, mit käsigen Einsprengungen; Tuberkelbacillen in den
Knoten uq,d Herden der einzelnen Organe nachweisbar.
Das ebenfalls mit 0,5 ccm menschlicher Tuberkelbacillen
intraperitoneal geimpfte Kontrolltier starb erst über fünf
Monate nach der Infektion, also viel später als die be¬
handelten Tiere.
Sektion des Kontrolltiers: Tuberkulose von Netz, Milz, Leber,
Lunge.
Versuchsreihe VI. Zwei Meerschweinchen werden nicht ganz
II Tage nach der subcutanen Vorbehandlung mit 0,5 ccm mensch¬
licher Tuberkelbacillen, innerhalb l 1 /* Monaten mit 2 Injektionen von
je 0,25 ccm Friedmann’scher Impfflüssigkeit (grün I) nachbehandelt.
Beide mit der Impfflüssigkeit behandelte Tiere sind 2 bzw.
2 l ft Monate nach der Vorimpfung mit den menschlichen
Tuberkelbacillen gestorben. Das nur mit den menschlichen
Tuberkelbacillen geimpfte, sonst nicht weiter behandelte
Kontrolltier geht ebenfalls 2 Monate nach der Impfung mit
den menschlichen Tuberkelbacillen ein.
Die Sektion ergibt bei den behandelten Tieren wie bei dem nicht-
bebandelten Kontrolltier ausser verkästen Inguinaldrüsen besonders in
den Lungen reichliche stecknadelkopf- bis linsengrosse Knoten; Ausstrich¬
präparate aus Milz, Leber, Lunge Tuberkelbacillen.
Versuchsreihe VH. Zwei Meerschweinchen, subcutan vorgeimpft
mit 0,5 ccm menschlicher Tuberkelbacillen. Beginn der Behandlung
22 Tage nach der Vorimpfung; beide Tiere bekommen innerhalb l l / 2 Monaten
je 4 subcutane bzw. intramuskuläre Injektionen von je 0,25 ccm Fried-
mann'scher Impfflüssigkeit (grün I). Beide behandelte Tiere sind
2 Monate nach der Impfung mit den menschlichen Tuberkel-
bacitlen gestorben.
Das zugehörige, nur mit den menschlichen Tuberkel¬
bacillen geimpfte, sonst nicht weiter behandelte Kontroll¬
tier starb gleichfalls 2 Monate nach der Impfung.
Sektion, sowohl die mit der Impfflüssigkeit behandelten Tiere als
das Kontrolltier: Vergrösserte und verkäste Inguinaldrüsen; vergrösserte
Milz mit Tuberkelbacillen; Lunge mit hyalinen und graugelben Knoten,
die Tuberkelbacillen enthalten, und die bei den behandelten Tieren
sogar viel reichlicher sind als bei dem nicbtbehandelfcen Kontrolltier.
Sind die Würmer, besonders die Oxyuren, direkt
oder indirekt schuld an der Appendicitis?
Von
L. Aseheff.
Im Jahre 1911 schrieb ich in der zweiten Auflage meines
Lehrbuches über die Ursachen der Appendicitis: „Noch weniger
begründet ist die Beschuldigung von Eraaillesplittern, einseitiger
PflanzennahruDg, der Würmer wie der Oxyuren, Trichocephalen usw.
Noch niemals ist der Beweis für die ätiologische Bedeutung be¬
sonders der in der Literatur so beliebten Würmer erbracht. Da¬
gegen kann nicht scharf genug betont werden, dass bei der all¬
gemeinen Appendicitisangst Wurmfortsätze in grosser Zahl ex-
stirpiert werden, die keine Spur von akuter oder abgelaufener
Entzündung anfweisen, in denen auch nichts von Fieber oder Peri¬
tonealreizung bestand, in weichen aber eine starke Wurminfektion
appendicitisäbnliche Erscheinungen auslöste. Eine Kotnntersuchung
hätte die Exstirpation unnötig gemacht, falls man dieselbe nicht
als allgemeine prophylaktische Maassnabme durchführen will. u
Aus diesen Sätzen geht hervor, dass ich die Häufigkeit der Wurm¬
infektion des Wurmfortsatzes und auch ihre klinische Bedeutung
sehr wohl kannte, indem ich ausdrücklich darauf hinwies, dass
dadurch appendicitisähnliche Bilder hervorgerufen werden können.
Ich habe das auch wiederholt in Fortbildungsvorträgen und Dis¬
kussionen über diesen Gegenstand in Freiburg zum Ausdruck ge¬
bracht. Allerdings habe ich darüber nicht eingehender publiziert;
aber jedenfalls beweist der obige Passus genügend, dass mir die
Wurminfektion des Wurmfortsatzes und seine Folgen nicht un¬
bekannt gewesen sind.
Erst ein Jahr später begannen die Publikationen von Rhein-
dorf, in welchen derselbe nicht nur auf die relative Häufigkeit
der Oxyureninfektion des Wurmfortsatzes erneut aufmerksam macht,
sondern daraus auch die Schlussfolgerung zieht, dass durch dieselbe
echte Appendicitis, d. b. die bekannte entzündliche Wurmfortsatz¬
erkrankung mit allen ihren Folgen direkt oder indirekt hervorgerafen
werden könnte. Ich habe mich zwar gegen diese letzten Schluss¬
folgerungen Rheindorf gewandt, im übrigen aber in seinen Aus¬
führungen durchaus eine Bestätigung der von mir 1911 vertretenen
Anschauung gesehen, dass eben durch Oxyuren Infektionszustäode
hervorgerufen werden können, welche dem behandelnden Arzt eine
echte Appendicitis Vortäuschen. Ich habe auch meine Gründe an¬
gegeben, warum ich trotz der von Rheindorf beschriebenen Be¬
funde den Oxyuren nicht die Rolle als direkte oder indirekte
Appendicitiserreger zuschreiben kann und habe besonders darauf
aufmerksam gemacht, dass viele der von ihm beschriebenen Schleim-
hautveränderungen als Kunstprodukte aufzufassen sind. Im übrigen
habe ich durch die Arbeit meines Schülers Hu eck 1 ) noch genauer
über die Häufigkeit der Oxyureninfektion und die dadurch her¬
vorgerufenen Zustände in der Schleimhaut des Wurmfortsatzes be¬
richten lassen. In der neuesten Auflage meines Lehrbuches habe
ich daher an meinem ablehnenden Standpunkt in Bezug auf die
Bedeutung der Oxyuren als Erreger der Appendicitis festgebalten,
andrerseits meinen früheren Passus über die klinische Bedeutung
der Wurminfektion erst recht unverändert bestehen lassen.
In den Nummern 26/27 dieser Wochenschrift erhebt nun Rhein ¬
dorf eine mir nicht ganz begreifliche heftige Anklage gegen mich,
dass ich trotz seiner vielfachen Publikationen über die Bedeutung
der Oxyureninfektion für die Appendicitis dieser seiner Auffassung
keinen Raum gegeben hätte und damit die Bedeutung der Oxyuren-
infektion in den Augen der praktischen Aerzte heruntersetzte. Er
glaubte auch besondere Kritik an meinen früheren Arbeiten vor¬
nehmen zu müssen, indem ich der Oxyureninfektion viel zu wenig
gedacht hätte. Er glaubt, dass durch seine Arbeiten die Appen-
dicitisfrage in ein ganz anderes Liebt gerückt worden wäre. Dar¬
über vermag ich als Beteiligter natürlich nicht zu urteilen. Aber
ich darf mich wohl hier gegen die von Rheindorf erhobenen Vor¬
würfe kurz verteidigen. Ich würde das nicht getan haben, wenn
nicht Reindorf die ganze Frage auf die Bedeutung der Wurm¬
infektion für die Appendicitis zuspitzte, nnd da glaube ich aller¬
dings mit meiner Auffassung nicht zurückhalten zu dürfen.
Wenn ich in meinen früheren Publikationen nur nebenbei auf
die Oxyurenfrage eingegangen bin, so batte das seinen besonderen
Grund. Mir kam es damals vor allem darauf an, die ganze Ent¬
wicklung des appendicitischen Anfalles klarzustellen, und so habe
ich mich natürlich vorwiegend mit den entzündeten Wurmfort¬
sätzen beschäftigt und dabei feststellen können, dass irgendwelche
direkten Beziehungen zwischen Oxyuren und der Entstehung der
Primärinfekte, welche den ganzen entzündlichen ProzesB einleiten,
nicht besteben. Da ich die akut entzündeten Wurmfortsätze ziem¬
lich genau an Stufen- und vielfach auch an Serienschnitten unter¬
sucht habe, so hätten mir derartige Beziehungen, besonders wenn
sie etwa häufiger waren, gewiss nicht entgehen können. Ueber
die Verhältnisse in nicht entzündeten Wurmfortsätzen habe ich
seinerzeit keine weiteren Angaben gemacht, weil, ich von den ge¬
legentlichen Befunden von Oxyuren in unveränderter Scbleimhaat
abgesehen, keine positiven Angaben über histologisch-pathologisch
nachweisbare Erscheinungen der Oxyureninfektion machen konnte,
die Tatsache aber, dass Trichocephalen, ja anch Oxyuren in die
Schleimhaut eindringen, durch die Arbeiten Askanazy’s und seiner
Schüler bekannt war. Erst der Umstand, dass ich relativ häufig
ganz intakte Wurmfortsätze zugeschickt bekam, in deDen sich keine
histologischen Veränderungen fanden, in deren kotigem Inhalt ich
aber Oxyuren oder Eier von Trichocephalen nachweisen konnte,
brachte mich auf die Vermutung, dass in diesem Falle die Würmer
die Ursache der klinisch beobachteten dumpfen Schmerzempfindnng
in der lleocoecalgegend gewesen sein könnten. Ich habe dann
1) Siehe dort auch die Literatur.
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UNIVERSUM OF IOWA
10. Angqst 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1505
genauer nacbgefragfc und in der Tat feststellen können, dass in
der Mehrzahl der Fälle die betreffenden Kranken ausser dem lokali¬
sierten Schmerz und den Druckempfindungen weder eine ausge¬
sprochene Temperatursteigerung noch Zeichen peritonealer Reizung
aufgewiesen batten. Diese Tatsachen brachten mich zur Ueber-
zeugung, dass eine nicht unerhebliche Zahl sogenannter pseudo-
appeodicitischer Anfälle durch eine Wurminfektion bedingt ist,
und dieser Auffassung habe ich in meinem Lehrbuch Ausdruck
gegeben. Die später erschienenen Arbeiten von Rheindorf haben,
wie ich bereits früher hervorgehoben, diese meine Anschauung in
vollem Umfang bestätigt, und ich kann Herrn Kollegen Rheindorf
für seine Mitarbeit auf diesem Gebiete nur dankbar sein; denn
auch seine Untersuchungen haben gezeigt, dass in einem nicht
kleinen Prozentsatz von Appendixoperationen an dem Wurmfort¬
satz nichts anderes als eine Oxyureninfektion festzustellen war,
ohne dass irgendwelche Zeichen eines entzündlichen Zustandes im
Sinne einer beginnenden oder fortschreitenden Appendicitis bestanden.
Freilich behauptet Rh eindorf, und damit komme ich zu der
zwischen uns bestehenden Differenz, dass die Oxyuren nicht nur
appendicitisähnliehe Erscheinungen hervorrufen, sondern dass sie
auch an der echten Appendicitis schuld sind, und dass auch dort,
wo keine echte Appendicitis vorliegt, sehr erhebliche mit Fieber
verbundene Veränderungen am Wurmfortsatz hervorgerufen werden
können. Ich meinerseits habe behauptet, dass die pseudoappen-
dicitiscben Anfälle von den echten appendicitischen Anfällen vor
allem durch das Fehlen des Fiebers zu unterscheiden wären, und
dass ferner die von Rheindorf an den nicht entzündeten Wurmfort¬
sätzen beschriebenen Veränderungen gar nicht auf die Würmer zurück-
zuführen sind, sondern nichts anderes als Kunstprodukte darstellen.
Da mich Rbeindorf von neuem in einer ziemlich brüsken
Form zur Rede stellt, indem er meine Schlussfolgerungen als
unhaltbar und für die Praxis irreführend bezeichnet, weil ich von
ganz irrigen Voraussetzungen ausginge, so muss ich kurz darauf
eingehen. Mir sind allerdings solche irrigen Voraussetzungen
nicht bekannt. Anscheinend meint Rh ein dorf damit, dass ich
die Oxyureninfektion des Wurmfortsatzes nicht genügend gekannt
habe. Demgegenüber verweise ich auf die Ausführungen in meinem
Lehrbuch. Die Tatsache des Vorkommens von Oxyuren in ge¬
sunden Wurmfortsätzen war ja vor meinen und Rheindorf’s Ar¬
beiten schon genügend beschrieben, so dass ich darüber keine
weiteren Worte zu verlieren brauchte. Es bleibt also nur die
Frage: Rufen die Oxyuren iu der Regel fieberhafte Anfälle hervor,
die sowohl klinisch wie pathologisch anatomisch mit der echten
Appendicitis identifiziert werden können, oder nicht? Was das
klinische Bild anbetrifft, so muss ich nach wie vor daran Fest¬
halten, dass der pseudoappendicitische Anfall, der durch die
Wurminfektion hervorgerufen werden kann, in der Regel fieberfrei
verläuft. Dass natürlich bei schweren Infektionen Fiebersteige
mögen Vorkommen können, und dass man nicht nach dem Fieber
allein die Fälle trennen kann, halte ich für so selbstverständlich,
dass ich nicht weiter darauf einzugehen brauche. Dass es auch
echte Appendicitisanfälle ohne Fieber gibt, ist mir natürlich be¬
kannt, und ich habe das ja ausdrücklich in meiner Monographie
hervorgehoben. Wenn ich das Fehlen des Fiebers bei der Pseudo-
appendicitis betont habe, so wollte ich eben die Aufmerksamkeit
darauf lenken, dass gerade in solchen Fällen, wo der Anfall
fieberfrei verläuft, an Würmer gedacht werden muss. Dass ich
aber deswegen die sofortige Verabreichung eines Abführmittels
vorgeschlagen hätte, wie es nach den Worten Rheindorf’s er¬
scheinen könnte, ist nicht richtig. Ich würde damit 3ie Tradition
verleugnen, die ich aus den Händen eines erfahrenen Praktikers
empfangen habe. Wenn ich nun auf Grund meines Materials
gerade das Fehlen der Temperatursteigernng — von Ausnahmen
selbstverständlich abgesehen — als charakteristisch hervorgehoben
habe, so kann ich mich auch nicht durch das von Rheindorf vor¬
gebrachte Material davon überzeugen lassen, dass es sich bei mir
nur um einen Zufall gehandelt haben konnte.
Ich habe schon einmal hervorgehoben, dass unter den hier in Be¬
tracht kommenden Fällen von Rhein dorf von Oxyureninfektion ohne
anatomisch nachweisbare Zeichen einer echten Appendicitis — es sind
das im ganzen 9 Fälle — keiner eine Temperatur von über 37,6 0 gehabt
«at- Bheindorf macht mich darauf aufmerksam, dass es sich hier um
^P^utcmperaturen handelt, und ich muss zugeben, dass 37,6° am Morgen
erhöhte Temperatur bedeutet. Ich lasse nun die 9 Fälle noch einmal
wlgeu: Nr. 10 Temperatur 37,3°, Nr. 12 ohne Fieber, Nr. 13 kein Fieber
Jfeitens des Arztes festgestellt), Nr. 22 ohne Fieber, Nr. 23 kein Fieber,
2 r ? em P«atur 37,6°, Nr. 26 Temperatur 37,4°, Nr. 28 kein Fieber,
Nr. 29 kein Fieber.
Das heilst also von 9 Fälle 6 sicher ohne Fieber, 3 mit erhöhter
Morgentemperatur. Dem stehen 14 Fälle von akuter Appendicitis in
anatomischem Sinne, ohne Oxyurenbefund, gegenüber. Die Temperaturen
sind folgende:
Nr.
Temperatur
Nr.
Temperatur
3
39,0«
11
39,30
4
37,8°
14
37,5°
5
37,6°
16
37,9°
6
37,8«
18
38,7°
7
37,3°
20
38,5°
8
38,6°
25
37,6°
9 1
37,60
27
38,3°
Unter diesen Fällen findet sich kein einziger fieberfreier Fall, und
nur 5 sind darunter, bei welchen die Morgentemperatur 37,3 bis 37,6°
beträgt, also so viel wie die 3 Fälle von Pseudoappendicitis mit erhöhter
Morgentemperatur. Wenn schon diese grosse Differenz durchaus zu¬
gunsten meiner Anschauungen spricht, so darf ich vielleicht noch hervor¬
heben, dass selbstverständlich neben der Temperatur, die ja bekanntlich
nicht immer eindeutig ist, der Puls berücksichtigt werden muss. Nun
ist zu beachten, dass unter den 3 Fällen von Pseudoappendicitis, wo die
Morgentemperatur zwischen 37,3 und 37,6° lag, der Puls, soweit ange¬
geben, stets normal war, nämlich 84 betrug. Dagegen zeigen von den
5 Fällen echter Appendicitis mit Morgen temperatur von 87,3° und 37,6°
3, nämlich die, bei denen die Pulszahl angegeben ist, die Zahlen 94,
100 und 116. In 2 Fällen ist der Puls nicht vermerkt. Ich glaube
also, dass gerade das Material von Rhein dorf, wenn es reoht kritisch
von den Augen eines praktischen Arztes betrachtet wird, doch genügend
Anhaltspunkte bietet, um eine Unterscheidung zwischen der durch Würmer
hervorgerufenen Pseudoappendicitis und der echten Appendicitis durch¬
zuführen. Auch unter den in seiner neuesten Publikation angeführten
Fällen finde ich keinen Fall von reiner Wurminfektion vermerkt, bei
dem etwa die pseudoappendicitischen Anfälle mit typischen Fiebersteige-
rungen verbunden gewesen wären. Damit will ich selbstverständlich
nicht leugnen, dass gelegentlich einmal Fieber auftreten kann oder auch
eine leichte Erhöhung der Temperatur. Aber selbst dann ist die Frage,
wie weit die Gegenwart der Würmer im Wurmfortsatz schuld an der
Temperatursteigerung war, schwer zu beantworten. Ich habe wiederholt
Fälle gesehen, io denen bei Kindern mit plötzlicher Fiebersteigerung und
Schmerzen im Leib, besonders in der Ileocoeealgegend der sofort exstir-
pierte Wurmfortsatz gar keine Zeichen von Entzündung, auch keine Wurm¬
infektion aufwies, das Fieber aber anscheinend im Anschluss so die
Operation verschwand. WeDn man nun berücksichtigt, dass gerade bei
Kindern leicht FiebersteigeruDgen bei anderweitig bedingten intestinalen
Reizungen nicht selten auftreten, so wird man bei der relativen Häufig¬
keit der Wurminfektion nicht ohne weiteres jede Temperatursteigerung
mit den etwa im Wurmfortsatz Vorgefundenen Würmern in Verbindung
bringen wolleD.
Ich glaube also nachgewiesen zu haben, dass das Material
von Rheindorf selbst in entscheidender Weise zu meinen
Gunsten spricht. Ich bin aber in der Lage, auch noch neues
Material vorzulegen. Aus Rheindorl’s Entgegung könnte man
herauslesen, dass ich mich um das von ihm neuerdings intensiver
bearbeitete Problem der Oxyureninfektion gar nicht kümmerte,
während das Gegenteil der Fall ist. Ein Schüler von mir,
Dr. Matsuoka, wird demnächst Gelegenheit nehmen, ausführ¬
licher über eine genau untersuchte Serie von 103 Wurmfortsätzen
mit spezieller Berücksichtigung der Wurminfektion zu berichten.
Davon waren 33 Fälle von frischer (histologisch bestätigter)
Appendicitis, darunter 3 Fälle mit Oxyuren (9 pCt.) und 70 Fälle
ohne frische Entzündung, darunter 26 Fälle mit Oxyuren (37 pCt.).
Von diesen 26 Fällen mit OxyureD, von denen 20 Druckempfind¬
lichkeit oder Schmerzen der Ileocoeealgegend aufwiesen und zum
Teil wegen dieser appendicitischen Schmerzen zum Chirurgen ge¬
schickt worden waren, bei denen aber keine akute Appendicitis
histologisch nachweisbar war, waren 18 Fälle völlig fieberfrei, dar¬
unter gerade 2 Fälle mit ganz akuten Anfallserscheiuungen, nur
in 6 Fällen waren Temperaturen bis 37,5° beobachtet, in 2 Fällen
wurden keine Temperaturmessungen vorgenommen. Ich glaube,
dass ich mir keine bessere Bestätigung meiner früheren Be¬
hauptung als diese Zahlen wünschen kann.
Nun aber bestreitet Rheindorf nicht nur die klinischen Unter¬
schiede zwischen der durch Würmer bedingten Pseudoappendicitis
and der echten Appendicitis, sondern er behauptet, dass die Würmer
auch eine im histologischen Sinne echte Appendicitis hervorrufen
können, allerdings weniger direkt als indirekt, indem sie ein sehr
lebhaftes Zerstörungswerk an der Wurmfortsatzschleimbaut ver¬
richten and zwar ganz besonders in der Tiefe der Buchten
Epitbelläsionen hervorrufen, welche durch sekundäre Infektion
zu den von mir beschriebenen Primäraffekten bzw. zur echten
Appendicitis sich entwickeln sollten. Für diese Behauptung, die
natürlich eine besondere Tragweite besitzt, ist nun Rheindorf
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Original frn-m
UNIVERSITV OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
16Ö6
jeden Beweis schuldig geblieben. Ich habe schon früher hervor*
gehoben, dass die vielen von ihm beschriebenen Spaltbildungen,
soweit es sich um unregelmässig begrenzte Spalten mit Zer¬
trümmerung des Gewebes handelt, nur Kunstprodukte sind, und
dass diese Spalten mit den Würmern gar nichts zu tun haben.
Es wäre doch höchst merkwürdig, wenn die Oxyuren, im Gegen¬
satz zu den ebenfalls die Schleimhaut durchdringenden Tricho-
cephalen so ganz andere Bilder hervorrufen sollten. Nun sind
aber die Veränderungen, welche die Tricbocephalen hervorrufen,
durch Askanazy und in neuester Zeit durch Christoffersen
so eingehend geschildert worden, dass es eigentlich überflüssig
erscheint, hier es noch einmal zu betonen, dass von solchen
Epitheldefekten, wie sie Rheindorf beschreibt, oder von Zer¬
trümmerung der Gewebe, die zur Bildung unregelmässiger Spalten
führten, nirgends die Rede ist. Auch habe ich mich selbst da¬
von überzeugt, dass eine massenhafte Einwanderung von Triclio-
cephalen io die Dickdarmschleimbaut keine anderen Erschei¬
nungen auslöst, als wie sie von Christoffersen beschrieben
worden sind. Ich aber betone, dass das gleiche auch für die
Oxyuren gilt. Wie leicht an einem so zarten Gewebe, wie es
die Schleimhaut des Wurmfortsatzes darstellt, traumatische Zer¬
trümmerungen Vorkommen, weiss jeder, der sich eingehender mit
diesen Dingen beschäftigt hat. Hier sind es vor allem die Kot¬
verschiebungen bis in die Tiefe der Submucosa, die so charakte¬
ristisch für das operative Trauma sind, ferner die Spaltbildungen
und Zerreissungen an den Grenzen der Follikel und die Quet¬
schungsfiguren an dem lymphatischen Gewebe. Wenn Rheindorf
die Rotverschiebungen auf eine Verschleppung durch die Würmer
zurückfübren will, so muss er, da diese Behauptung allen Er¬
fahrungen von den Trichocephaleninfektionen des Dickdarms, wo
die operativen Traumen nicht in Frage kommen, widerspricht,
bündige Beweise dafür bringen. Wenn er die Bedeutung der
Quetschfiguren leugnet, so kann ich nur auf die Erfahrung hin-
weisen, dass diese Quetscbfiguren jederzeit künstlich erzeugt
werden können. Man braucht nur eine Klemmpinzette an den
Wurmfortsatz zu legen, um sie auf das Deutlichste hervortreten
zu lassen. Viel wichtiger aber ist die Tatsache, dass die meisten
der von Rheiodorf beobachteten Spalten gar keine Würmer ent¬
hielten. Auf meine Frage, was dann in diesen Spalten des
Wurmfortsatzes während des Lebens vorhanden gewesen sei, habe
ich keine befriedigende Antwort bekommen. Wenn wirklich die
eindringenden Würmer für längere Zeit persistierende Spalten
hinterlassen, so müsste eine Coecumschleimhaut, die mit Triclio-
cepbalen gespickt ist, geradezu wabig durchlöchert erscheinen.
Davon ist aber keine Rede, wie die einfache Beobachtung zeigt.
Dass aber gerade nur der Oxyuris und nicht der Trichocephalus
solche Löcher hinterlassen sollte, wäre sehr merkwürdig. Ferner
sind alle Wurmkanäle, die von Trichocephalen erzeugt werden,
ganz glattwandig, so dass es unverständlich ist, warum die
Oxyuren gerade solche unregelmässigen, wie gerissen aussehenden
Spalten erzeugeo sollten. Um nachzuweisen, dass in echten Wurm¬
kanälen stets auch Würmer zu finden sind, habe ich bei vor¬
sichtig entfernten Wurmfortsätzen durch Herrn Dr. Matsuoka
einen Teil mit dem Gefriermikrotom schneiden, einen anderen in
Paraffin und einen dritten Teil in Celloidin einbetten lassen. Das
Glück wollte, dass in den untersuchten Wurmfortsätzen auch
solche mit WurmkaDälen waren. Während in dem Celloidin-
präparat nahezu sämtliche Querschnitte der Wurmkanäle auch
Würmer enthielten und durch die Verfolgung der Serienschnitte
nacbgewieseo werden konnten, dass es sich in dem einen wie dem
anderen Schnitt mit anscheinend leeren Kanälen nur am ein zu¬
fälliges Ausfallen des Wurmquerscbnittes handelte, war an den
Paraffinschnitten bzw. Gefriermikrotomschoitten ein viel öfterer Aus¬
fall zu beobachten. Damit war der Beweis geliefert, dass glattwandige
WurmkaDäie auch stets Würmer enthalten, und dass die Würmer
nur durch das Schneiden ausfaiien. Da diese Wurmkanäle, welche
Würmerenthielten oder aus denen die Würmer beim Schneiden heraus¬
gefallen waren, stets glattwandig waren, soweit nicht zufällig ein
nicht zu vermeidender traumatischer Riss bis in einen solchen
Wurmkanal führte, so kann man schliessen, dass die von Rhein¬
dorf beschriebenen unregelmässigen Spalten keine Würmer im
Moment der Fixation enthalten haben. Sie müssen also auf
andere Weise entstanden sein, und da man nun durch künst¬
liches Quetschen des Wurmfortsatzes die Zahl dieser traumati¬
schen Risse willkürlich vermehren kann, so halte ich vorläufig
an meiner Ueberzeugung fest, dass es sich bei den Rheindorf-
schen Spalten um Kunstprodukte handelt, bis Rhein dort durch
sorgfältig durchgeführte Celloidineinbettung bewiesen hat, dass in
allen diesen Spalten Warmer liegen, oder andererseits den Beweis
erbringt, dass es persistierende Spaltbildungen ohne Würmer an
einem lebenswarm fixierten, aber nicht traumatisch geschädigten
Darrastück gibt. Da nun Rbeindorf gelegentlich in solchen un¬
regelmässigen Spalten Oxyuren gefunden hat, so kann es sich
entweder um einen echten Wurmkanal bandeln, der nachträglich
durch ein Trauma in einen Gewebsriss umgewandelt worden ist,
oder aber die in der Lichtung des Wurmfortsatzes vorhanden ge¬
wesenen Würmer sind durch das Trauma in die künstlich ent¬
standenen Risse eingepresst worden. Es gibt also soviel Mög¬
lichkeiten der Täuschungen, dass alle diese erst ausgeschlossen
sein müssen, ehe man mit der Sicherheit, mit der Rheindorf
seine Behauptungen aufstellt, die Abhängigkeit der von ihm be¬
schriebenen Spaltbiidungen von der Wurminfektion als bewiesen
annebmen kann.
Solange das nicht der Fall ist und solange von keinem
Forscher glaubhaft gemacht worden ist, dass Würmer wie
Oxyuren und Trichocephalen gewobnheitsmässig ausgedehnte
Epitheldefekte 1 ) und grobe Gewebszertrümmerung machen können,
solange fühle ich mich berechtigt, an der Hypothese Rhein-
dorf’s, dass sich die von den Würmern angeblich erzeugten De¬
fekte zu echten Primärinfekten umwandeln, zu zweifeln. Auch
hier ist, glaube ich, Rheindorf einem Irrtum zum Opfer ge¬
fallen; denn gerade die Zerreissungen in der Tiefe der Buchten
sind etwas ungemein Charakteristisches für die traumatischen
Verschiebungen der Schleimhaut. Sollten wirklich Würmer an
diesen Epitheldefekten und Einrissen schuld sein, so müsste man
unbedingt die Zeichen der Regeneration, der Epithelisierung an
diesen Defekten nachweisen können, und zwar bei der Häufigkeit
dieser Veränderungen auch an zahlreichen Stellen des Wurmfort¬
satzes. Auch ist ein solcher Epitbeldefekt ohne Reaktion des
unterliegenden Gewebes nicht oder nur schwer denkbar. Wenn
Rbeindorf schreibt, dass nicht jeder Defekt zur Entzündung
führen müsste, da doch aach die tuberkulösen Geschwüre nicht
immer zu Entzündungen der übrigen Darmwand Veranlassung
geben, so kann ich allerdings über diesen Punkt mit ihm nicht
streiten, denn das tuberkulöse Geschwür ist eben bereits ein ent¬
zündliches Geschwür und nicht ein einfacher Epitheldefekt und
durch die Bildung des tuberkulösen Granulationsgewebes charak¬
terisiert. Bekanntlich bildet aber das Granulationsgewebe jeder Art
einen mehr oder weniger wirksamen Schutz gegen Weitereinfektionen.
Dass die akute Appendicitis nicht durch die Würmer direkt
hervorgerufen wird, das gibt ja Rheindorf selbst zn, und dafür
spricht auch die bekannte Tatsache, dass gerade in entzündeten
Wurmfortsätzen, wie ich das immer behauptet habe, und wie es
Rheindorf ’9 eigene Untersuchungen bestätigen, nur äusserst selten
Oxyuren gefunden werden. Wenn aber Rheindorf jetzt behauptet,
dass die Oxyuren an der Appendicitis schuld wären, indem er letztere
auf die Bildung von Epitheldefekten durch die Würmer zurück¬
führt, die dann sekundär infiziert würden, so ist das so lange
eine unbewiesene Behauptung, als der Vordersatz, dass nämlich
die Würmer Epitheldefekte machen, noch ganz der Begründung
entbehrt. Aber selbst, wenn die Würmer solche Epitheldefekte
machen würden, so würden diese sicher wie alle oberflächlichen
Epitheldefekte sehr schnell durch Regeneration geschlossen werden
und somit keine Veranlassung zur Sekundärinfektion geben. Man
könnte nun sagen: es muss eben ein ungünstiger Zufall Zusammen¬
treffen, nämlich die Bildung des Epitheldefektes durch Oxyuren
und gleich oder sehr bald darauf die Infektion mit Bakterien.
Wie kommt es dann aber, dass so gut wie alle Appendicitiden
in dem abgebogenen Teil des Wurmfortsatzes beginnen? Ent¬
weder dürften die Würmer nur dort ihre Epitheldefekte erzeugen,
was kaum anzunehmen ist, falls sie überhaupt entstehen, was ich
leugne, oder aber die Bakterien dürften gerade nur in dem
distalen Abschnitt vorhanden sein. Dann müssten sie die Epithel¬
defekte des proximalen Abschnittes glatt überwandert haben.
Und wie kommt es, dass man so häufig Recidive beobachtet
hinter eingedickten Kotmassen oder Concrementen, die wie ein
Pfropf den abgebogenen Teil verscbliessen, so dass sie schwer¬
lich einem Oxyuris das Hin- und Rückwandern glatt gestattet
haben würden. Gerade in solchen Fällen, die doch ungemein
häufig sind, sollte man die Oxyuren in dem abgeschlossenen ent¬
zündeten Teil noch vorfinden. Aber wie selten sind solche Be*
1) Christoffersen spricht zwar am Schluss seiner Abhandlung
von Ulcera, aber die Lektüre zeigt, dass er nur die momentan entstehen¬
den Lücken meint, die der Parasit beim Eindringen von den Drüsen aus
erzeugt. Von persistierenden Spalten und Defekten des Oberflächen¬
epithels findet sich nichts in den Abbildungen von Christoffersen.
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UNIVERSITY OFJQÜÜ
10. Anglist 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1607
fände. Jedenfalls scheiden also die Recidive, soweit sie mit Con-
crementen kompliziert sind, ans der Oxyurisätiologie ans. Es
kann also jedenfalls die Appendicitis auch ohne jede Wurm¬
infektion zustande kommen, und wenn man berücksichtigt, dass
die Trichocephaleninfektion fast ebenso häufig, in manchen
Ländern noch häufiger als die Oxyurisinfektion vorkommt, warum
entstehen dann nicht viel häufiger schwere Entzündungen des
Coecums, in dessen Schleimhaut die Trichocephalen sich mit
Vorliebe einbohren? Denn wenn erst die durch die Würmer an¬
geblich gesetzten Epitheldefekte die Sekundärinfektion ermög¬
lichen, so müsste diese an dem Coecum genau so zustande
kommen wie in dem Wurmfortsatz. Ist es aber die Retention
des Inhaltes in dem distalen Teil des Wurmfortsatzes, die haupt¬
sächlich an dem Zustandekommen der Appendicitis schuld ist, so
beweisen die Recidive, dass die Stagnation allein bei Anwesen¬
heit bestimmter Mikroorganismen den appendicitischen Prozess
auslösen kann. Daher wird man recht daran tun, in dieser Stag¬
nation bei Infektion des Wurmfortsatzes mit bestimmten Mikro¬
organismen so lange die eigentliche Ursache der Appendicitis zu
erblicken und nicht unnötig auf Epitheldefekte durch Würmer zu
rekurrieren, bis bewiesen worden ist, dass die Oxyuren überhaupt
imstande sind, persistierende Epitheldefekte zu erzeugen. Aber
auch dann wäre nur die Möglichkeit einer appendicitischen
Infektion von einem solchen Epitheldefekt wahrscheinlich ge¬
macht, die Behauptung aber, dass nun wirklich eine grössere
Zahl von Appendicitisfällen oder gar die Mehrzahl derselben von
einem solchen Epitbeldefekt ihren Ausgang nehmen, ist in keiner
Weise bewiesen, denn gerade in entzündeten Wurmfortsätzen
werden Würmer sehr selten gefunden.
Ich habe mich hier vorwiegend mit kritischen Gegenäusse¬
rungen begnügt, möchte aber nicht unterlassen, darauf auf¬
merksam zu machen, dass in einer kürzlich aus dem Institut
Askanazy’s, eines der besten Kenner der WurminfektioD, her-
vorgegaDgenen Arbeit Sagredo auf Grund eines sorgfältig unter¬
suchten Materials von Wurmfortsätzen zu der gleichen Ablehnung j
der Oxyuren als Erreger der Appendicitis kommt wie ich. Aber |
ich werde auch in Zukunft nicht unterlassen, eigenes Material
für meine Behauptungen aufzubringen. Heute möchte ich nur
mit folgender Feststellung abschliessen:
1. Die relative Häufigkeit der Oxyureninfektion des normalen
oder nicht akut erkrankten Wurmfortsatzes ist schon seit längerer
Zeit bekannt (Zenker, Hoepfl, Unterberger).
2. Das von mir vor mehreren Jahren kurz geschilderte Bild
der durch die Oxyuren hervorgerufenen Pseudappendicitis ist
durch die Untersuchungen Rbeindorf’s in den wesentlichen
Punkten bestätigt und in seiner Häufigkeit anerkannt worden.
3. Die von Rheindorf geschilderten Befunde von Spalt
bildungen in der Schleimhaut der Wurmfortsätze, welche von ihm
auf das Einwandern von Oxyuren zurückgeführt werdeD, sind im
wesentlichen nichts anderes als Kunstprodukt'e.
4. Solange keine Beweise dafür erbracht sind, dass die
Oxyuren überhaupt gröbere, einige Zeit persistierende Epitbeldefekte
oder Gewebszertrümmerung herbeiführen können, ist auch die Be¬
hauptung Rbeindorf's, dass die Oxyuren indirekt mit der akuten
Appendicitis etwas zu tun haben, als unbewiesen anznseben.
5. Die Bedeutung der Wurminfektion für die pseudo-
appeotici tischen Anfälle sollte die Aerztescbaft veranlassen, noch
sorgfältiger als bisher auf Wurminfektion, besonders bei Kindern,
zu achten. Eine erfolgreiche Wurmkur wird die Kinder vor
pseudoappendicitischen Anfällen und damit vor etwaiger unnötiger
Operation bewahren, unnötig, weil, wie auch die Rheindorf’schen
Beobachtungen zeigen, die pseudoappendicitischen Anfälle trotz
operativer Entfernung des Wurmfortsatzes bei persistierender
Wurminfektion immer von neuem auftreten können.
Aus der chirurgischen Abteilung des städtischen
Krankenhauses Moabit in Berlin.
Milzschuss, durch freie Netztransplantation
geheilt.')
Von
Richard Mühsam.
?j e Verwendung des Netzes zur Blutstillung an der Leber
. <fer Milz in der Form von gestielten oder freien Netzlappen
verhältnis mässig neueren Datums. Sie geht auf die klinischen
1) Nach einer Demonstration in der Berliner medizinischen Gesell¬
schaft am 24. Juni 1914.
Erfahrungen Sandulli’s, Mastrosimone’s und Mauclaire’s
(1 Fall von Lebertumor, 1 Fall von Stich Verletzung) znrück. Io
umfangreicher Weise wurden Netzlappen am Petersburger Obuchow-
Krankeohause verwendet.
Hesse 1 ) berichtet über 10 Fälle von Leberverletzungen, welche
mit Netzplastik und nachfolgender primärer Naht behandelt und geheilt
worden sind. Boljarski 2 ) stellt in seiner letzten Arbeit 18 Fälle zu¬
sammen, in denen die freie Netztransplantation erfolgreich zur Tam¬
ponade bzw. Uebernäbung von Leberwunden verwendet worden ist.
Stuckey 3 ) hat zur Blutstillung nach Gallenblasenexstirpation in drei
Fällen das Leberbett mit Netz bedeckt und das Aufhören der BlutuDg
erreicht. Da der Patient 3 Tage später an Herzschwäche zugrunde
ging, so konnte durch die Obduktion der Beweis geliefert werden, dass
das transplantierte Netzstück mit der Leber an den Stellen, wo kein
Serosaüberzug vorhanden war, fest verlötet war. Zwischen Serosaüberzug
und Netz gab es keine Verwachsungen, Auf dem Querschnitt war
deutlich zu sehen, dass das Netz überall fest dem Lebergewebe anlag.
Dasselbe Bild gab auch die mikroskopische Untersuchung; nur hier und
da waren geringe Blutaustritte zwischen Netz und Lebergewebe zu
finden.
In ähnlicher Weise hat Körte mehrfach nach Cholecystektomien
einen gestielten Netzlappen über das blutende Leberbett der Gallen¬
blase gebreitet und mit einigen Nähten fixiert.
Die experimentellen Grundlagen des Verfahrens rühren von Loewy 4 )
her, welcher feststellte, dass das Netz schnell mit der Leber verwächst
und zwar entweder unmittelbar oder mit Hilfe eines fibrinösen Exsudats.
In Gegensatz hierzu konnte Girgoi&ff 5 ) eine direkte Verwachsung des
frei transplantierten Netzes mit seiner Unterlage nicht beobachten. An
den Stellen, an welchen das Netz in unmittelbare Berührung mit der
unverletzten Leber kommt, findet keine Verwachsung der endothelialen
Oberflächen statt, man findet dagegen stets ein fibrinöses Exsudat oder
aus den benachbarten Gefässen eingedrungenes Blut. Auch Girgolaff
fand isolierte und transplantierte Netzlappen durchaus lebensfähig und
sab, dass die Tamponade der Lieberverletzungen mit freien Netzlappen
die Blutung stillt. Springer 6 ), welcher im übrigen nicht für eine sehr
weitgehende Anwendung der freien Netzplantation ist, war überrascht,
wie gut nach einer Leberresektion, die er mit einem ungestielten Netz¬
lappen bedeckte, die parenchymatöse Blutung zum Stehen kam. Weitere
Versuche wurden von Boljarski 7 ) angestellt mit dem Ergebnis, dass
durch die freie Netztransplantation selbst in Fällen riesiger Resektionen,
in welchen die Wundfläche 30:4 cm betrug, trotz einer Reihe klafiender
Gefässe ein günstiges Resultat erzielt wurde. Die freie Netzplastik
bringt die Blutung prompt zum Stillstand und verhindert eine Nach¬
blutung. Das Netzt schützt vor dem Durchschneiden der Nähte, falls
trotzdem eine Naht durohschneiden sollte, wird die Stelle sofort durch
Netz bedeckt. In jüngster Zeit hat Jaquin 8 ) die Frage der Blut¬
stillung bei Leberwunden durch gestielte und freie Netzlappen von
neuem experimentell studiert Selbst bei Fortnahrae von einem Viertel
der Leber wurde durch Aufnähen von Netz völlige Blutstillung erzielt.
Ob die Wirkung des Netzes rein mechanisch ist, oder ob chemische
Faktoren eine Rolle spielen, lässt er unentschieden. Bei Blutungen aus
dem Leberbett der Gallenblase beim Menschen haben sich gestielte
Lappen als sehr geeignet erwiesen. Bei Leberresektionen an Hunden
wurden wegen der besseren Fixierung rings am Wundrande freie Netz¬
lappen verwendet.
Endlich seien noch Beresnegowsky’s Versuche 9 ) erwähnt, welcher
nicht ganz so günstige blutstillende Wirkungen sab und darum die An¬
wendung des Netzes mit durchgreifenden ununterbrochenen Matratzen¬
nähten verbindet.
Weniger Erfahrungen als über die Verwendung des Netzes
zur Behandlung von Leberwunden liegen über die Behandlung
von Milzwunden vor.
Stassow (russisch) (citiert nach Hesse) deckte eine transdiaphrag¬
matische Milzstiohverletzung mit Netz und schloss Diaphragma und Bauch
primär.
Lange 10 ) berichtet über einen günstig verlaufenen Fall von Stich-
verletzuDg der Milz. Die Milzwunde wurde mit einem freien Netzzipfel
tamponiert. Die Blutung stand momentan, Patient wurde geheilt.
Ebenso soll Tuffier, wie der Arbeit Boljarski’s zu entnehmen ist,
die Netzplastik bei einem Fall von Milzverletzung verwendet haben.
Die Originalmitteilung konnte ich nicht auffinden.
Diese spärlichen Erfahrungen über die Anwendung des
Netzes zur Blutstillung bei Milz Verletzungen möchte ich durch
1) Chirurgenkongress 1911 und Beitr. z. klin. Chir., Bd. 82, H. 1.
2) Langenb. Arch., Bd. 93, S. 507.
3) Langenb. Arch., Bd. 99, S. 384.
4) Compt. rend. hebd. des sceances et mem. de 1a soc. de biol.,
1901, citiert nach Boljarsky und Grigolaff.
5) Zbl. f. Chir., 1906, Nr. 46, und citiert nach Boljarsky.
6) Zbl. f. Chir., 1906, Nr. 49.
7) 1. c.
8) Langenb. Arch., Bd. 102, S. 502.
9) Langenb. Arch., Bd. 104, H. 1.
10) Zbl. f. d. ges. Chir., 1913, Bd. 2, S. 383.
4 *
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1508
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
Mitteilung eines Falles erweitern, bei dem ich mit gutem Erfolge,
wie der Ihnen hier vorgestellte Patient beweist, von der freien
Netztransplantation bei einer Schussverletxung der Milz Gebrauch
gemacht habe.
Die Krankengeschichte ist folgende: Aleiander K., 20 Jahre alt,
aufgenommen am 25. Y. 1914.
Anamnese: Patient hat sich abends um 8 Uhr mit einem Re¬
volver eine Kugel in die linke Brustseite geschossen. Er wurde gegen
9 Uhr gefunden und vom Schutzmann ins Krankenhaus gebracht.
Befund: Mittelgrosser, schmächtig gebauter, junger Mann, sehr
blass, klagt über heftige Schmerzen in der linken Brustseite.
Drei Q.uerfioger unterhalb der linken Brustwarze Einschussöffnung
mit deutlichen Zeichen des Nahschusses. Die Einschussöffnung ist
blutig suggilliert, die Haut etwas verkohlt. Es blutet stark aus der
Einschussöffnung. Die Herzdämpfung ist nicht verbreitert. Auscultation
des Herzens ohne Besonderheiten. Ein grösserer Erguss im Pleuraraum
ist nicht festzustellen.
Bei der Inspektion des Rückens bemerkt man etwa 4 Querfinger
breit, oberhalb der linken Spina post. sup. ossis ilei ein frisches
Hämatom, in welchem die Kugel dicht unter der Haut zu fühlen ist.
Das linke Hypogastrium ist sehr druckschmerzhaft. Es besteht hier
ausgesprochene Muskelspannung. Auf der linken Seite ist eine FlankeD-
dämpfung nachzuweisen, die sich bei Lagewechsel etwas verschiebt. Die
Leberdämpfung ist erhalten, der Urin ist frei von Blut.
Diagnose: Aus der Schussrichtung ergibt sich mit grösster Wahr¬
scheinlichkeit, dass die untersten Abschnitte des Brustraums sowie der
Bauchraum getroffen ist. Für die Annahme einer peritonealen Ver¬
letzung spricht die defence musculaire links, für die einer Blutung die
mit Lageveränderung einhergehende Flankendämpfung. Annahme einer
Magen- oder Milzverletzung.
Operation etwa 2 Stunden nach der Verletzung.
Die Bauchhöhle wird durch einen dem linken Rippenbogen parallel
gehenden Schnitt eröffnet. Sie enthält eine grosse Menge teils flüssigen,
teils geronnenen Blutes. An der vorderen Partie des Zwerchfells ist ein
Loch mit blutig imbibierten Rändern zu sehen. Eine etwa fünfmark¬
stückgrosse Partie an der grossen Curvatur des Magens ist blutig unter¬
laufen, jedoch ohne Verletzung, und zeugt davon, dass die Kugel hier
die Magenwand gestreift hat. Die Milz ist schräg von vorn nach hinten
von der Kugel durchbohrt. Aus dem Kanal, durch den man zwei Finger
hindurchführen kann, fliesst reichlich /rischrotes Blnt; andere Organe
der Bauchhöhle sind anscheinend nicht verletzt. Die Stelle, an der die
Kugel den Bauchraum verlassen bat, ist nicht zu sehen.
Ein grosses Stüek Netz wird nunmehr abgebunden, abgetragen und
durch den Schusskanal der Milz mit Hilfe einer Kornzange hindurch¬
gezogen. Die beiden freien Enden des Netztampons werden miteinander
vernäht, so dass das Netzstück ringartig die Milz umgibt und keinesfalls
den Scbusskanal verlassen kann. Schluss der Wunde durch Etagennähte.
Die am Rücken unter der Haut sitzende Kugel wird durch einen
kleinen Hautschnitt entfernt. Es ist ein 9 mm-Bleigeschoss. Während
der Operation mehrere Campherspritzen.
Verlauf: 26.V. Puls besser, Leib weich, nirgends druckempfindlich.
29. V. Links hinten unten Dämpfung und aufgehobenes Atem¬
geräusch bis zur SpiDa scapulae. Probepunktion ergibt Blut. Die Ver¬
mutung einer gleichzeitigen Verletzung des Brustraumes wird hierdurch
bestätigt.
Der weitere Verlauf war bis auf eine geringe Absonderung aus der
Wunde glatt. Die Dämpfung ist immer mehr zurückgegangen. Das
Atemgeräusch ist durchzuhören.
Es darf wohl als sicher angenommen werden, dass in diesem
Falle eine durch Milzschuss bervorgerufene schwere Blutung durch
die freie Netztransplantation geheilt worden ist.
Eine Nabt der Milz, welche ich überhaupt für sehr schwer
und bei Verletzungen wegen der Gefahr der Nachblutung für recht
gefährlich halte, wäre in diesem Falle unmöglich gewesen. Sie
hätte auch keinen Erfolg haben können, da sie die aus der Tiefe
der Milz kommende Blutung nicht hätte stillen können. Es wäre
also nur die Milzexstirpation in Frage gekommen, und wenn diese
bei Verletzungen auch ein relativ einfacher Eingriff ist und von
den Patienten, wie ich selbst in zwei Fällen sab, gut vertragen
wird, so erschien mir nach den vorliegenden günstigen Berichten
über die blutstillende Wirkung des frei transplantierten Netzes ein
Versuch konservativer Behandlung nach dieser Methode für geboten.
Das Verfahren empfiehlt sich ganz besonders auch wegen seiner
grossen Einfachheit. Der Weg war vorgeschrieben. Der abge¬
tragene Netzteil wurde durch den Schusskanal durchgezogen und
seine Enden wurden über der Milz vernäht. So konnte der Netz¬
streifen jedenfalls nicht den Scbusskanal verlassen.
Dass durch das Netz allein in diesem Falle die Blutstillung
bewirkt worden ist, geht meines Erachtens daraus hervor, dass
keinerlei Nähte unmittelbar am Schusskanal angelegt worden sind.
Offenbar bat hier auch bald die von den experimentellen Unter-
Suchern beobachtete Verklebung des Netzes mit der Wundfläche
stattgefunden und die Blutung schnell zum Stehen gebracht. Sonst
hätte der sehr ausgeblutete Patient die Verletzung nicht überlebt
Digitized by Goi igle
Ich glaube daher die bei Leberblutungen schon bewährte, bei
Milzverletzungen bisher erst selten ausgeführte freie Netztransplan¬
tation auch bei dieser Art Verletzungen in geeigneten Fällen
empfehlen zu können.
Aus dem Königl. Institut für Infektionskrankheiten
„Robert Koch“ (Direktor: Geh. Ober-Med.-Rat Prof.
Dr. Löffler, Abteilungsvorsteher: Prof. Dr. Neufeld).
Beiträge zur Frage der Händedesinfektion.
Von
Dr. Hnntenhller, und Dr. B. Eckard,
Assistenten am Institut, Stabsarzt in der Scbutstruppc
für Deutsch-Ogtafrika.
I- 1 )
M. H.! Wir möchten Ihnen über Händedesinfektionsversuche
berichten, die mit verschiedenen Methoden und verschiedenen
Präparaten ausgeführt wurden.
Herr Dr. Neumark hat kürzlich an dieser Stelle die Er¬
gebnisse von Desinfektionsversuchen mitgeteilt, die im städtischen
Untersuchungsamt mit einem neuen Präparat gemacht worden
sind. Dieses Präparat ist ebenso wie Festalkol von salben- bzw.
pastenartiger Konsistenz und bietet hierdurch den Vorteil bequemer
Handbabuug und leichten Transportes. Wir hatten bei unseren
Versuchen zunächst die Frage im Auge, ob die beiden Mittel sich
für die Hebammendesinfektion eignen; hierbei würden die
genannten Eigenschaften besonders wertvoll sein.
Das von Herrn Dr. Neu mark geprüfte, als „Kodan“ be-
zeichnete, unseres Wissens aber bisher nicht im Handel befind¬
liche Mittel enthält Cblormetakresol in 40 proz. Alkohol gelöst
und ist durch einen aus Seetang gewonnenen Zusatz in eine
gelatinöse Form gebracht.
Von dem Mittel sollen laut Gebrauchsanweisung ohne vorheriges
Waschen etwa 6 g gut auf die Hände verrieben werden. Nach An¬
trocknen des Mittels resultiert ein feiner Ueberzug, der abgewaschen
werden oder während der Operation haften bleiben kann.
Der Festalkol ist ein von Selter eingeführtes Präparat, über
dessen gute Wirkung auch von anderer Seite (Martius, Süpfle,
Borrmann) berichtet und das auf Grund eines Gutachtens des
Hygienischen Instituts in München in Bayern in die Hebammen¬
praxis eingeführt wurde. Festalkol besteht aus 80 pCt. Alkohol
und 20 pCt. palmitin- und stearinsaurer Kernseife.
Die ungenügenden Resultate, die Kutscher mit einem ähn¬
lichen Präparat erhielt, sind nach Martius auf den geringeren
Alkoholgehalt (etwa 70 pCt.) zurückzuführen. Um das Verdunsten
des Alkohols zu verhindern, wird das Präparat jetzt in Glas¬
röhrchen mit einem luftdichten Heftpflaster-Paraffinverschluss in
den Handel gebracht 2 ).
Nach der Vorschrift sollen die Hände mit heissem Wasser, Bürste
und Seife gereinigt und dann eins der drei in einem Glasröhrchen luft¬
dicht verschlossenen Stücke ohne vorheriges Abtrocknen auf der Hand
verrieben werden, bis die Hände trocken zu werden beginnen, darauf
das zweite und später das dritte Stück. Hierauf wird kurz mit steriler
Flüssigkeit abgespült.
Auch diese Methode bietet den Vorteil, dass die Desinfektion un¬
abhängig von der Uhr ausgeführt wird; die Verreibung der drei Stücke
soll etwa 6 Minuten dauern.
Wir haben mit dem Kodan keine so günstigen Ergebnisse
erzielt, wie sie von Neu mark berichtet wurden, und zwar möchten
wir dies auf die verschiedene Versuchstechnik zarückführen.
Wir fanden nämlich bei unseren Versuchen die Verwendung
von festen Agarplatten, die durch Bestreichen mit dem Finger
bzw. mit der Platinöse nach Abkratzen bestimmter Hautpartien
beimpft wurden, nicht geeignet und griffen daher auf die Ab-
impfungsmetbode in flüssigem Agar zurück, wobei wir Wert darauf
legten, das Desinfiziens durch Spülung möglichst zu entfernen;
diese Methode liefert ausserordentlich zahlreiche und gleicbmässig
verteilte Kolonien und scheint uns auch den natürlichen Verhält¬
nissen am meisten zu entsprechen, denn auch der Chirurg führt
seine Manipulationen meist mit den äussersten Fingergliedern in
einem körperwarmen und feuchten, d. h. blutigen Medium aus.
1) Nach einem Vortrag, gehalten am 19. März d. J. in der Berliner
mikrobiologischen Gesellschaft.
2) Der Preis der für eine Desinfektion erforderlichen drei Stück
beträgt nach Martius 30 Pfg. und in grösseren Mengen aus der Fabrik
bezogen 15 Pfg. Bei Benutzung von steuerfreiem Alkohol liesse sich
dieser Preis bedeutend herabsetzen.
Original from
UMIVERSITY OF IOWA
10. Auggst 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1509
Bei dieser von Schumburg, Kutscher, Otto und anderen Unter¬
suchern benutzten Methode werden die Nagelglieder der Finger — Beuge¬
nd Streckseite — 45 Sekunden lang in eine Schale mit etwa 45°
warmem, flüssigen Agar eingetaucht und durch dauerndes Kneten und
Reiben aneinander und an den Boden der Schale auch tieferliegende
und unter den Nägeln befindliche Keime mit dem Agar abgespült.
Bei einigen Versuchen wurde der Unternagelraum noch mit sterilen
Nagelreinigern ausgekratzt und der erhaltene Nagelschmutz auf die Ober¬
fläche von festen Agarplatten mit dem Spatel verrieben, um die Masse
gleiobmässig zu verteilen.
Die Platten — wir benutzten Petrischalen von gewöhnlicher Grösse —
kamen 24 Stunden bei 37° oder bei den Versuchen mit Prodigiosus zweimal
24 Stunden bei 22° in den Brutschrank, um dann ausgezählt zu werden.
Zur Beurteilung der Desinfektiouswirkung sollten unseres Er¬
achtens stets zwei Prüfungen herangezogen werden: einmal ist
das Verhalten der an der Tageshand haftenden nnd
zweitens das der aufgebrachten, fremden Keime zu
prüfen. Diese Prüfungen sind beide durchaus nötig, um
die Tauglichkeit eines Mittels zur Händedesinfektion
zu beweisen. Denn, wie unsere Versuche zeigen werden, kann
ein Verfahren die in den Drüsengängen vorhandenen Keime der
Tagesband recht gut, die angetrockneten fremden Keime aber ganz
ungenügend beeinflussen.
Bekanntlich gelingt es nur sehr schwer, die Hände völlig
keimfrei zu machen. Ja, nach dem Waschen mit heissem Wasser,
Seife und Bürste finden sich häufig mehr Keime als vorher -
eine Beobachtung, die auch alle anderen Untersucher vor uns
gemacht habeo, und die jedenfalls darauf zurückzuführen ist,
dass die vermutlich in den Drüsengäugen schmarotzenden
Bakterien durch das Kneten und Auf weichen der Haut aus der
Tiefe an die Oberfläche gebracht werden. Man muss staunen, wieviel
Tausende von Keimen einer gut gewaschenen Hand noch anhaften,
und es wäre nicht uninteressant, sich in Scbnittpräparaten durch die
Haut näheren Aufschluss über den Sitz dieser Keime zu verschaffen.
Wenn diese Hautsaprophyten auch meist harmlos sind, so ist
es doch schwer, exakt festzustellen, ob sich nicht doch einmal
infektiöse Keime darunter finden, die, zumal wenn sie in grösserer
Menge vorhanden sind, eine pathogene Wirkung in einer Wunde
zu entfalten vermögen. Die Möglichkeit, dass überhaupt durch
vorher saprophytische Keime der Haut bzw. Schleimhaut schwere
septische Infektionen entstehen können, ist nicht zu bestreiten.
Die sogenannte Selbstinfektion der Wöchnerin während oder kurz
nach der Geburt in Fällen, wo nicht innerlich untersucht wurde,
ist kaum anders zu erklären. Es wird sich hier allerdings immer
um verhältnismässig seltene Vorkommnisse bandeln, während es
keines weiteren Beweises bedarf, dass infektiöse Keime, die aus
Eiter oder Blut auf die Hände des Chirurgen oder der Hebamme
gelangen, zu den schwersten Wundinfektionen führen.
Wir möchten daher zwar nicht Krönig und Blumberg bei¬
stimmen, die gelegentlich vorschlugen, die Desinfektionswirkung
einer Methode allein danach zu bewerten, ob künstlich auf die
Hände gebrachte infektiöse Keime (die Autoren benutzten Tetra¬
genus und infizierten mit der Spülflüssigkeit Mäuse) unschädlich
gemacht werden; wir müssen nach dem Gesagten aber die beiden
Prüfungen verlangen, Desinfektionswirkung auf saprophytische und
auf künstlich aufgebrachte fremde Keime, wobei wir die ße-
seitiguDg der letzteren für das in derPraxis weitaus Wichtigere halten.
Für unzulässig halten wir es, dass ein Verfahren, wie
esneuerdiDgs mehrfach geschehen ist,nur anf Grund derPrü-
fung der Keime der Tageshand für brauchbar erklärt wird.
Die pathogenen Keime gelangen an die Hände des Arztes meist mit
Eiter und Blut vermischt, während sie bei Desinfektionsversuchen meist
in wässeriger oder Bouillonaufsohwemmung aufgebracht werden. Be¬
kanntlich gelingt die Desinfektion von Bakterien in eiweisshaltigen
Lösungen recht schwer, auch sind selbst Bakterien, die sonst sehr hin¬
fällig sind, auffallend resistent, wenn sie in Blut oder Organsaft ange¬
trocknet sind.
Um diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen, haben wir die Keime —
vif bedienten uns bei unseren Versuchen stets des Bac. prodigiosus —
io der Mehrzahl der Versuche nicht mit Bouillon, sondern mit Blut ver¬
bucht auf die Finger, besonders in die Unternagel- und Nagelfalzräume,
clÜ. ^ a am sc h* ers ten au desinfizieren sind, gebracht und etwa eine
stunde angetrocknet
Ueber die Resultate unserer Versuche geben folgende Tabellen
Aufschluss.
Zum Vergleich mit den vorher genannten neuen Desinfektions¬
verfahren wurden die in der Praxis eingefübrten Methoden von
Ahlfeld, Schumburg, Fürbringer und Krönig berangezogen.
Das Waschen wurde mit heissem Wasser, Seife und Bürste
*Q8geführt nnd dabei die Uuternagelräume ausgekratxt.
A. Häidedesinfektioa aa der Tageshaad.
I. Kodan.
Von dem Präparat wurde mit oder ohne vorheriges Waschen mit
Seife und heissem Wasser 6—8 g auf die Hände gebracht und fest ver¬
rieben, bis es völlig trocken war und die Haut mit einem feinen Häutchen
überzog. Danach wurde die erste Abimpfung in flüssigem Agar vor-
genommen, dann, nachdem das Mittel mit heissem Wasser und steriler
Kochsalzlösung abgespült war, die zweite.
oo = > 500000 Keime auf der Platte. (Tabelle 1.)
Tabelle 1.
Person
Art
des Verfahrens
Keimzahl
vorher
nach dem
Waschen
mit Mittel
Mittel
abgespült
N.
mit Waschen
40000
3 000
40000
N.
do.
3 000
30 000
20 000
20 000
Bör.
do.
1000
2 000
2 000
12 500
Bör.
do.
4 500
25 000
0
25 000
E.
do.
45 000
40 000
25 000
35 000
N.
ohne Waschen
35 000
—
0
5000
H.
do.
100 000
—
100 000
100 000
E.
do.
10 000
—
2 000
i 5 000
N.
do.
1500
—
350
1500
II. Festalkol.
Mit oder ohne vorheriges Waschen mit heissem Wasser, Seife und
Bürste wurde auf die trockenen (bzw. abgetrockneten Hände) ein Stück
Festalkol gebracht und kräftig vorrieben, bis die Hände trocken zu
werden begannen, darauf ein zweites Stück genommen und in gleicher
Weise verfahren. Dauer des Verreibens etwa 5—6 Minuten. Es wurden
gegen die Vorschrift nur zwei Stück verwandt, da die Unterarme nicht
mit desinfiziert wurden. Fenier wurden die Hände nach dem Waschen
mit sterilem Tuch getrocknet, da das aufgebrachte Präparat dann besser
einen trockenen Ueberzug auf der Haut bildete.
Nachdem die Hand gut trocken war, wurde sie erst mit reich¬
lich fliessendem, heissen Wasser und darauf mit steriler
Kochsalzlösung abgespült und die Hand mit sterilem Tuche ab¬
getrocknet; dann wurden die Platten angelegt. Hier waren übrigens
ohne vorheriges Abspülen die Resultate die gleichen. (Tabelle 2.)
Tabelle 2.
Person
Art
des Versuchs
Keimzahl
vorher
nach dem
Waschen
nach
Festalkol
Abnahme
in pCt.
N.
ohne Waschen
oo
150
99,97
E.
do.
80 000 ,
—
0
100
K.
do.
2000
—
0
100
E.
mit Waschen
50 000
12 500
3
99,99
H.
do.
CO
60 000
io !
99,99
Bör. 1 )
do.
1
0
0
—
K.
do.
15000
10 000
50
99,96
Kah.
do.
10000
40000
20 000
Zunahme
Sir. 1 )
do.
20
250
0 1
—
1) Hände am selben Tage mit Sublimat gewaschen.
III. Verschiedene in der Praxis angewandte Methoden.
Die Schumburg’sche lässt sich vergleichen mit dem Festalkol
ohne Waschen und die Ahlfeld’sche mit dem Festalkol bei vorherigem
Waschen. (Tabelle 3.)
Tabelle 3.
0
O
Art des Versuchs
Keimzahl
u
9
PM
vorher
nach dem
Waschen
nach Des¬
infektion
1 Abnahme
i in pCt.
E.
(Schumburg)
100 000
100
99,9
N.
4 Min. Alkohol 96 proz.
16 000
—
25
99,84
H.
(Ahlfeld)
5 Min. Waschen
26 000
1000
10
99,99
5 Min. Alkohol 96 proz.
—
—
—
—
H.
(Fürbringer)
1 Min. Waschen
oo
100
99,99
1 Min. Alkohol 96proz.
—
—
—
—
1 Min. Sublimat 1 prom.
—
—
—
—
E.
(Krönig)
5 Min. Waschen
5 Min. Sublimat lprom.
oo
0
*
100
Digitized by
Gougle
Original from
UNIVERSUM OF IOWA
1610
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
Diese Desinfektionsversnche an der Tageshand
zeigen, dass das Festalkolverfahren die saprophyti-
schen Reime annähernd gleich gnt beeinflusst wie die
zum Vergleich herangezogenen praktisch erprobten
Methoden, während das Kodan erheblich schlechter
wirkt.
B. Häadedesinfektion bei anfgebraehtea, fremden Keimen.
(Prodigiosus in Blut bzw. Bouillon angetrocknet.) (Tabelle 4—6.)
Tabelle 4. (Kodan.)
Person
Art des Versuchs
Zahl der Prodigiosuskolonien
vorher
Prodigi
nach
Waschen
i
osus angeti
in Blut
nach
Desinfek¬
tion
rocknet
in Bouillon
nach
Desinfek¬
tion
D.
ohne Waschen
CO
1
oo
l
3 000
D.
do.
CO
—
1 60
100
Bör.
do.
oo
—
! 20 000
10 000
N.
do.
CO
—
i —
oo
H.
mit Waschen
oo
—
1 —
250 000
Bör.
do.
CO
5000
1 0
0
E.
do.
CO
j 5000
o
10
Tabelle 5. (Festalkol.)
Person
Art des Versuchs
Za!
&
'S
s
bl der Prodigi<
Prodigiosus
in Blut
nach
Desinfek¬
tion
)suskolonien
angetrocknet
in Bouillon
nach
Desinfek¬
tion
N.
ohne Waschen
00
0
_
E.
do.
oo
0
—
H.
do.
CO
0
—
Bör.
do.
oo
1 000 1
0
E.
do.
oo
249 000
24 000
N.
do.
CO
cc
CO
E.
mit Waschen
oo
0
—
N.
do.
OO
8
—
Bör.
do.
oo
0
—
N.
do.
oo
0
—
D.
do.
CO
0
—
H.
do.
cO
0
—
D.
do.
oo
0
—
Sch. i
do.
oo
0
1 —
Tabelle 6. (Verschiedene Methoden zum Vergleich.)
Zahl der Prodigiosuskolonien
a
1 Prodigiosus angetrooknet
5
Art des Verfahrens
jj
in Blut
in Bouillon
£
■e
©
nach
nach
nach
nach
►
Desin-
Desin-
Waschen
fektion
Waschen
fektion
Boe.
00
_
50
_
500
E.
N.
H.
( (Schumburg)
/ 4 Min. Alkohol 96proz.
00
00
CO
-
0
OO
00
-
0
56 000
0O
Boe.
oo
—
0
—
—
Sch.
.
00
00 |
0
00
0
E.
f (Ahlfeld)
00
50
0
—
Bör.
\ 5 Mio. Waschen
oo
1000
0
-20
0
H.
1 5 Min. Alkohol 96 proz.
oo
oo
50
23 000
0
D.
CO
50 000
3
—
—
Sch.
\ (Fürbringer)
00
—
0
—
0
Bör.
l 1 Min. Waschen
00
—
i 0
—
0
E.
J 1 Min. Alkohol 96 proz.
oo j
— |
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—
0
Sch.
I Min. Sublimat 1 prom.
oo '
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i 0
—
—
Bör.
(Krönig)
CO
1
— ,
0
—
—
5 Min. Waschen
—
—
—
—
5 Min. Sublimat 1 prom.
—
—
—
—
Wie die Tabellen 4—6 zeigen, wirkt das Kodan auch gegen¬
über den künstlich auf die Haut gebrachten, fremden
Keimen — die ja sonst im allgemeinen leichter zu beeinflussen
sind, da sie mehr oberflächlich sitzen — auch bei vorherigem
Waschen mit Seife nur unsicher, während das Festalkol ver¬
fahren mit vorhergehendem Waschen dem entsprechen¬
den Ahlfeld’schen Verfahren gleichwertig ist.
Ohne vorhergehendes Waschen zeigt aber der Fest¬
alkol ebenso wie das Schumburg’sche Verfahren wohl
eine gute DesinfektionsWirkung auf die Keime der Tages¬
hand, während die aufgebrachten Keime durchaus unge¬
nügend beeinflusst werden.
Wir sehen hier die Berechtigung unserer Forderung, dass bei
der Prüfung der Desinfektionswirkung eines Präparates nicht nur
die Einwirkung der Keime auf die Tageshand, sondern vor
allem auch auf die fremden, aufgebrachten Keime berücksichtigt
werden muss.
Nach dem Ausfall unserer Versuche können wir weder die
Anwendung des Festalkols ohne vorheriges Waschen, noch die
Schumburg’sche in ihrer ursprünglichen Form, nämlich Abreiben
der trockenen, vorher nicht gewaschenen Hand mit 96proz.
Alkohol für ausreichend erachten.
Allerdings gehen die Angaben der Autoren über die Ausführung
des Schumburg’schen Verfahrens in diesem Punkte auseinander, und viele
sind der Ansicht, dass man in praxi auf ein wenn auch nur kurzes
Waschen mit Wasser und Seife nicht verzichten soll. Auch Kutscher
bat sich in diesem Sinne geäussert und ist bei allen seinen Versuchen
so verfahren, obwohl er andererseits sagt, man solle „jedes unnötige
Aufweichen der Haut vor und nach der Alkoholbehandiung möglichst
vermeiden, da der Alkohol seine keimvermindernden und zurückhalten¬
den Eigenschaften am besten entfalten kann, wenn er möglichst kon¬
zentriert wirkt.“
Der entscheidende Einfluss, den eine wenn auch nur
kurze Seifenwaschung vor der Anwendung des konzentrierten
Alkohols auf die Beseitigung der auf die Hände gelangten
fremden Keime bat, ist jedenfalls von den Nacbprüfern des
Schumburg’sohen Verfahrens nioht genügend hervorgehoben
worden.
Wenn wir auch mit Kutscher der Ansicht sind, dass der
Alkohol um so stärker wirkt, je konzentrierter er ist, so kann
er seine baktericiden Eigenschaften nnr gegenüber feuchten
Objekten äussern, da er, wie bekannt, in trockene Medien, wie
Blut u. dgl., nicht einzodringen vermag.
Die Verkennung dieser im Grunde einfachen, von Ahlfeld
und Vahle u. a., neuerdings wieder von Martins klargelegten
Verhältnisse hat zu mancherlei unrichtigen Ansichten über die
Alkohol Wirkung geführt, z. B. zu der Ansicht, dass verdünnter
Alkohol an sich stärker wirke, als konzentrierter. In Wirklich¬
keit verhält sich der Alkohol in dieser Hinsicht wohl ebenso wie
alle anderen Desinfektionsmittel, er wirkt an sich um so stärker,
je konzentrierter er ist. Es wirkt aber wie alle anderen Mittel
nur da, wo er hinkommt.
Es ist daher die Anwendung von konzentriertem
Alkohol auf die trockene Hand zu verwerfen, denn er
vermag hier nicht genügend einzudringen und seine
baktericide Wirkung zu entfalten, auf der unserer Ueber-
zeugung nach die Bedeutung des Alkohols für die Hände¬
desinfektion beruht 1 ). Oft wird ja die natürliche Feuchtigkeit
der Hand genügen, um die Desiufektiouswirkung des konzentrierten
Alkohols zu ermöglichen, aber unsere Prodigiosusversuche zeigen,
dass wir uns darauf nicht verlassen dürfen. Wir konnten bei
unseren Versuchen beobachten, dass das mit den Bakterien an der
Hand angetrocknete Blut durch Abreiben mit 96 proz. Alkohol
1) Merkwürdigerweise ist die Tatsaohe der überaus schnellen bak¬
tericiden Wirkung des unverdünnten Alkohols auf feuchte Bakterien in
dünner Schicht, von der man sich durch einen einfachen Versuch jeder¬
zeit überzeugen kann, offenbar vielen Autoren unbekannt, während die
Hypothese, dass die keimvermindernde Wirkung des Alkohols gegenüber
den Bakterien der Hand hauptsächlich auf Fixation und Schrumpfung
beruhe, als erwiesene Tatsache von einer Arbeit in die andere über¬
nommen wird, so z. B, noch jüngst in die von K. Borrmann, während
die eigenen Versuche der Verfasserin die schnelle Keimtötuog durch
Alkohol aufs neue beweisen. Wenn Kutscher findet, dass Prodjgiosus
nach 10 Minuten langer Einwirkung von 96 proz. Alkohol unverzögertes
Wachstum zeigte, so hat er mit an Seidenfäden angetrockneten Bakterien
gearbeitet, also unter Bedingungen, die sich mit denen bei seinen Des-
infektionsversuohen an einer mit Wasser und Seife gereinigten Hand nicht
vergleichen lassen. Bei der Unschädlichmachung fremder, auf die Haut
gelangter Keime spielt unserer Ansicht nach die schrumpfende und
fixierende WirkuDg des Alkohols gar keine Rolle; wie unsere Prodigiosus¬
versuche an der trockenen Hand zeigen; werden solche Keime durch
Alkohol gar nicht wirksam fixiert.
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UMVERSITY OF IOWA
10. Augnst 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1511
nicht entfernt, sondern fixiert wurde. Es war noch nach erfolgter
Desinfektion an der Hand und besonders unter den Nägeln vor¬
handen und löste sich erst beim Eintauchen in den flüssigen Agar,
wo dann die beigemiscbten Keime auswuchsen.
Wenn wir also gründliches Reinigen und Anfweichen der Haut
vor der Alkoholdesinfektion verlangen müssen, so können wir dem
langdauernden Waschen, wie es in manchen Kliniken sogar bis
15 Minuten und länger üblich ist, nicht das Wort reden; denn
ein besseres Resultat wird dadurch nach den Versuchen früherer
Autoren sowie nach unseren eigenen nicht erzielt.
Was nun die Dauerwirkung bei der Desinfektion mit Fesfc-
alkol betrifft, so hat Martius mitgeteilt, dass nach dem Ope¬
rieren in Gummihandschuhen der Keimgehalt der mit Festalkol
desinfizierten Hände nicht wesentlich zunabm.
Einige von uns nach dieser Richtung hin angestellte Versuche
halten ein ähnliches Resultat, doch erscheint es erwünscht, sie
noch in der Klinik unter praktischen Verhältnissen genauer zu
prüfen.
Wir haben zunächst auf die Dauerwirkung nicht so grossen
Wert gelegt, da es uns in erster Linie auf die Brauchbarkeit des
Festalkols für die Hebammen praxis ankam. Hier ist die lange
Nachwirkung nicht in gleicher Weise erforderlich, wie bei chir¬
urgischen Eingriffen. Der Festalkol bietet dagegen den Vorteil
der Einfachheit und der automatischen Kontrolle der Desinfektions-
zeit. Er ist auch zunächst hauptsächlich für diesen Zweck von
Selter, Martius und Süpfle empfohlen worden.
Ein für alle Zwecke geeignetes und in jeder Hinsicht voll¬
kommenes Verfahren der Händedesiofektion ist bisher wohl nicht
gefunden, und wir müssen uns bemühen, uns auf diesem schwie¬
rigen Gebiete von Einseitigkeit freizuhalten.
Trotz der grossen Vorteile, die die Einführung des Alkohols
bei der Händedesinfektion gehabt hat, ist doch die Unvollkommen¬
heit der reinen Alkoholmethoden nicht zu verkennen und das
Bestreben berechtigt, durch Anwendung von anderen Antiseptica
eine bessere und vor allem eine nachhaltigere Wirkung zu er¬
reichen. Zweifellose Vorteile hat aber in dieser Hinsicht bisher
wohl nur das Sublimat gezeigt, gegen dessen allgemeine Ver¬
wendung aber die bekannten Bedenken vorliegen.
Was die Sublimat Wirkung anbetrifft, so konnten wir bei
unseren Versuchen einige Beobachtungen über einen besonderen
Vorzug derselben, nämlich ihre lange Dauerwirkung, sammeln;
die Hände von einigen Versuchspersonen, die sich am selben Tage
mit Sublimat gewaschen hatten, zeigten sieb nämlich noch nach
Stunden fast steril (Tabelle A II, sowie eine grössere Anzahl hier
nicht mitgeteilter Versuche). Diese Nachwirkung, die jedoch bei
unseren Versuchspersonen durchaus nicht gleichmässig vorhanden
war, ist bekanntlich schon von Speck aus dem Flügge’schen
Institut beschrieben worden.
Von anderen Mitteln haben wir inzwischen noch das von Heusner,
v. Brunn und Meyer erprobte Jodbenziuverfahren geprüft (3 Minuten
laogeB Waschen in: Jod 1,0, Benzin 750,0, Paraffin 250,0, dann 2 Mi¬
nuten langes Naohwaschen in 96 proz. Alkohol). Dabei wurden die auf¬
gebrachten Prodigiosuskeime abgetötet, während die Saprophyten der
Tageshand ungenügend beeinflusst wurden.
Zum Schluss möchten wir noch mit einigen Worten auf das
Mastisol zu sprechen kommen. Das Prinzip, durch Klebstoffe
die Bakterien zu fixieren und dadurch unschädlich zu machen,
ist gewiss für viele Zwecke durchaus richtig, und nach zahlreichen
Berichten soll ja das Mastisol für die Wundbehandlung — speziell
im Felde für die ersten Verbände — Gutes leisten. Nun ist es
neuerdings aber von Oettingen und Jaquet auch zur Hände¬
desiofektion empfohlen worden. Nach den von uns gemachten
Beobachtungen ist es in der angegebenen Form zu diesem Zwecke
völlig ungeeignet. Rieben wir die Hände nach der von den Autoren
gegebenen Vorschrift gründlich mit Mastisol ein und tauchten,
nachdem der Ueberzug erstarrt, eventuell mit sterilem Talkum be¬
streut war, die Fingerspitzen kurz in flüssiges Agar oder in körper¬
warmes, flüssiges Serum, so gingen ausserordentlich zahlreiche
äeime in die Nährlösung über, offenbar weil das Mastisol in dem
nussigen Agar sowohl wie im Serum gelöst wird, so dass die
eabsichtigte Fixierung auch nicht annähernd erreicht wird. Auch
wenn wir die vorher mit Prodigiosus infizierten Hände in der-
se Den Weise mit Mastisol behandelten, gingen von den Fingern
usserst zahlreiche Prodigiosuskeime in die flüssigen Nährböden
er. Es ist daher unrichtig, derartige üeberzüge als
u (d* b. den Körperflüssigkeiten gegenüber) un-
‘ösDch zu bezeichnen. 8 6
II. i)
Wir haben seitdem noch eine grössere Anzahl von Versuchen
mit Festalkol an der Tageshand gemacht, deren Resultate in
Nummer 1 der Tabelle am Schluss der Arbeit summarisch zu¬
sammengestellt sind.
Zum Teil wurden dabei im Gegensatz zu unseren ersten Versuchen
die Hände nach der Seifenwaschung nicht getrocknet; die Verreibung
des Mittels erforderte dann etwas längere Zeit, die Resultate waren aber
keine anderen wie sonst. Auch bei diesen Versuchen haben wir anstatt
3 jedesmal nur 2 Stücke Festalkol für eine Desinfektion genommen und
nur die Hände, nicht auch die Unterarme desinfiziert, da hier doch keine
Proben entnommen wurden und die Entfernung der Bakterien von den
Fingern, speziell von den Nagelgliedern, allgemein als das schwierigste
gilt. In praxi müsste bei der Desinfektion der Unterarme entsprechend
mehr von dem Mittel genommen werden.
Wie bei allen Desinfektionsverfahren, mag auch bei diesem
die Sorgfalt, mit der es ausgeführt wird, und die Uebung, die
mau darin bat, einen gewissen Einfluss auf das Ergebnis haben;
von grösserem Einfluss waren aber individuelle Unterschiede, in¬
dem gewisse Hände deutlich schlechtere Resultate ergaben als
andere und andrerseits anch die täglich zu Desinfektionsversncben
benutzten Hände sich im Laufe der Versuche etwas leichter keim¬
frei machen Hessen als im Beginn. Wir haben aber nicht selten
anch dann unbefriedigende Resultate gesehen, wenn die Des¬
infektion von einer geübten Person, deren Hände vor und nach¬
her sehr gute Resultate ergaben, mit aller Sorgfalt geschah. Aehn-
liche Erfahrungen haben wir jedoch auch bei den andern von uns
angewandten Methoden gemacht, so bei dem von zahlreichen
Autoren anerkannten Ahlfeld’schen Verfahren (bei dem wir jedoch
die Zeit der Seifenwaschung auf 5 bzw. 2 Minuten herabsetzten);
siehe Nnmmer 8 n. 9 der Scblusstabelle. Auch in den Tabellen von
Kutscher, Otto und Kannengiesser finden sieb mit dem
Schnmbnrg’schen und Ablfeld'schen Verfahren neben vielen guten
einzelne unbefriedigende Ergebnisse verzeichnet. Entschieden sind
die Ergebnisse des Verfahrens nach Ahlfeld durchschnittlich
etwas besser als beim Festalkol, vor allem ist die Zahl der sterilen
Platten grösser, aber auch die Platten mit recht hohen Keimzahlen
sind seltener. Die gleichmässigere Wirkung wird man natürlich
zunächst dem energischen mechanischen Bearbeiten der Hände
and der grossen Menge des benutzten Alkohols (10 mal mehr als
beim Festalkolver fahren!) losch reiben; der Vergleich unserer Ver¬
suche in Nummer 8 u. 9 der Tabelle spricht allerdings — obwohl
Scbumburg u. a. in diesem Punkt za anderen Ergebnissen ge¬
kommen sind — dafür, dass auch das vorhergehende längere
Bürsten mit Seife an dem Erfolg beteiligt ist. Aber auch beim
Festalkol wird man gegenüber der überwiegenden Zahl von guten
Ergebnissen den einzelnen Misserfolgen keinen entscheidenden
Wert beilegen dürfen; auf Grand unserer Ergebnisse an künstlich
infizierten und normalen Händen sowie der entsprechenden Be¬
funde von Selter, Martius und Borrmann und unter Berück¬
sichtigung der Untersuchungen Süpfte’s über die starke bakteri-
cide Wirkung des Mittels auf Staphylococcus aureus möchten wir
vielmehr das Festalkol verfahren sowie die Anwendung der so¬
gleich zu besprechenden flüssigen Seifenalkoholpräparate speziell
für die Hebammenpraxis, wo die Handlichkeit der Methode be¬
sonders ins Gewicht fällt, für praktisch genügend ansehen.
Wir haben nun Versuche mit ähnlichen, teils 80, teils 88 proz.
Alkohol enthaltenden Präparaten gemacht, denen jedoch noch ein
Zusatz von 0,1 —0,25 pCt. von Gblor-m-Kresol oder verwandten
Antiseptica gegeben wurde. Die Versuche mit diesen Mitteln, die
untereinander keine dentlichen Differenzen zeigten und daher in
Nnmmer 2 der Tabelle zusammen fassend wiedergegeben sind, er¬
gaben jedoch keine nennenswerte Verbesserung der Resultate
gegenüber dem Festalkol.
Nun hat kürzlich Laubenheimer 2 ) bei Desinfektionsver¬
suchen mit Festalkol an 14 Händen unter Anwendurg der Paul-
Sarwey’schen Prüfungsmethodik zum grossen Teil ungünstige Re¬
sultate erhalten; er hält danach das Präparat für ungeeignet und
führt die abweichenden Ergebnisse der anderen Untersucher dar¬
auf zurück, dass sie fast ausschliesslich die auch von uns benutzte
Prüfung nach Schumburg durch Bewegen der Fingerspitzen in
1) Die nachstehend besprochenen Versuche sind zum grossen Teil
erst nach dem Ausscheiden von Herrn Dr. Huntemüller aus dem
Institut in meiner Abteilung ausgeführt worden; über diese Untersuchungen
wird alsbald von den Herren Stabsarzt Eokard und Medizinalpraktikanten
Börnstein ausführlich berichtet werden. Neufeld
2) Hyg. Rundschau, Nr. 9.
5*
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Gck >gle
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1512
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
flüssigem Agar anwendeten, anstatt des Abschabens der Nagel¬
räume usw. durch Hölzchen nach Faul und Sarwey.
Derart widersprechende Resultate sind bekanntlich in Desinfektions¬
fragen schon mehrfach vorgekommen, und die Wertschätzung sowohl der
Desinfektionsmittel als auch der Prüfungsmetboden hat manchmal von
einem Extrem zum andern geschwankt. Wir möchten, wohl in Ueber-
einstimmung mit der Mehrzahl der neueren Untersucher, die Schumburg¬
sohe Art der Keimentnahme, bei welcher, den natürlichen Verhältnissen
entsprechend, die Keimabgabe der Finger gegenüber einem flüssigen
kolloiden Medium (vergleiche hierzu auch die neuesten Untersuchungen
von Bechhold) geprüft wird, für weit besser halten als die ältere
Paul - Sarwey’sche Methode. Io keinem Fall aber ist die Lauben-
heimer’sche Ansicht zutreffend, dass bei unserer Methodik nur die
oberflächlichen Keime in den Nährboden übergehen, „während der leim¬
artige Agar alle Poren verstopft .... und die Keime in den Nagel¬
betten geradezu festklebt“. Diese Vorstellung ist bereits durch zahl¬
reiche frühere Versuche widerlegt, und auch wir haben uns überzeugt,
dass, wenn man die Finger vielfach hintereinander in flüssigen Agar
ausdrückt, immer wieder Tausende von Keimen sich ablösen. Kannen-
giesser (1. c. S. 33) erhielt bei mehrmals wiederholtem Abimpfen einer
Hand in flüssigen Agar jedesmal sehr zahlreiche Keime, dann, nachdem
er durch Bürsten viele Millionen Bakterien entfernt batte, bei Eintauchen
der Finger in drei Agarschalen hintereinander jedesmal sogleich wieder
über 100 000 Keime. Wenn schon nach diesen Beobachtungen, die wir
vielfach bestätigt haben, keine Rede davon sein kann, dass der Agar
die Poren verstopft, so sprechen dagegen auch die überaus zahlreichen
Versuche, in denen nach der Schum bürg’schen Methodik an den mit
den verschiedensten Desinfizientiei), Sublimat, Lysol, Formaldehyd,
Alkohol usw., behandelten Händen sehr zahlreiche Bakterien nachgewiesen
wurden. Man darf wohl annehmen, dass durch alle diese Mittel die
Hauptmasse der oberflächlichen Hautkeime beseitigt wird.
Wie schon Kutscher und andere gezeigt haben, lässt sich
mit der gleichen Methodik anch die Dauerwirkung eines Mittels
ausgezeichnet verfolgen. Bei unseren einschlägigen Versuchen,
deren Einzelheiten demnächst mitgeteilt werden sollen, war die
Danerwirkung beim Festalkol sowie bei unseren sogleich zu
erwähnenden Seifenspirituspräparaten zwar keineswegs ideal, aber
nicht prinzipiell schlechter als bei anderen Desinfektionsmethoden.
Es lag nun nach den Erfahrungen mit Festalkol nabe,
flüssige Präparate von ähnlicher Zusammensetzung za versuchen;
wird doch die Verwendung des festen Seifenpräparats bisher im
allgemeinen nnr für besondere Fälle, wie bei Hebammen, in der
ambulatorischen Präzis, auf dem Lande oder im Felddienst,
empfohlen; auch Süpfle glaubt, dass im Krankenhausbetrieb der
Alkohol stets als Flüssigkeit Verwendung finden wird. Wir haben
daher eine Aozahl flüssiger Seifenpräparate hergestellt, die im
Gegensatz tu dem offizinellen (etwa 40 proz.) Seifenspiritus, der
bekanntlich von Mikulicz seinerzeit zur Händedesinfektion
empfohlen, aber auf Grund späterer Resultate mit Recht als un¬
genügend abgelehnt worden ist, einen Alkoholgehalt von etwa
75 und 88 pCt. (Gewichtsprozent!) hatten.
Wir verwendeten diese Präparate in der Weise, dass wir, wie auch
bei den Versuchen mit Festalkol und den meisten anderen Mitteln,
die Hände zunächst kurz, etwa 2 Minuten lang, in fliessendem warmen
Wasser mit Seife wuschen, und zwar meist ohne Anwendung von Bürste
und Nagelreiniger; wir möchten jedoch für die Praxis die Anwendung
der Bürste für die Seifenwaschung in jedem Falle empfehlen und halten
sie für selbstverständlich da, wo etwa sichtbarer Schmutz sich unter
den Nägeln befindet. Dann wurden die Hände teils nass, teils nach
leichtem Abtupfen mit Gaze mit geringen Mengen des Seifenspiritus ge¬
waschen, indem mehrmals einige Kubikzentimeter davon in die Hohl¬
hand gegeben und, ohne eine Bürste anzuwenden, einfach auf den
Händen, natürlich mit besonderer Berücksichtigung der Nagelglieder, so
lange verrieben wurden, bis die Hände trocken waren. Dies dauerte
bei einem Gesamtverbrauch von 10 bis 15 cm im ganzen etwa 5 bis
6 Minuten. Darauf gründliches Abspülen mit fliessendem heissen Wasser
und schliesslich mit steriler Kochsalzlösung. Auch hier haben wir, wie
bei allen unseren Versuchen, auf eine Desinfektion der Unterarme, die
natürlich entsprechend mehr von dem Mittel erfordern würde, verzichtet.
Von derartigen Mitteln haben, wie ans Nummer3—6 derSchluss-
tabelle hervorgeht, einige mit Ricinnsseifen hergestellte Präparate
bei einer grösseren Zahl von Versuchen recht gute Resultate er¬
geben, während die Ergebnisse mit einigen ähnlichen Präparaten
ungünstiger waren. Die Anwendung dieser Mittel in der
beschriebenen Form ist für die Hände angenehm, ein¬
fach aaszuführen und billig und kommt bei dem ge¬
ringen Materialverbrauch insbesondere für die ambu¬
lante Praxis and für die Verwendung bei Hebammen in
Betracht. Nach weiteren, alsbald näher mitzuteilenden Ver¬
suchen mit künstlich aufgebrachten Golibakterien sind diese Mittel
auch für die Händedesinfektion am Krankenbett, bei Typhus¬
bacillenträgern und dergleichen sehr geeignet.
Wir verwendeten zunächst mit gutem Erfolg einen Seifenspiritus
aus palroitiusaurem Kali, das Herr Dr. Croner im Institut in liebens¬
würdiger Weise für uns aus reinem Ausgangsmaterial herstellte; wir
verrieben davon im Mörser 20 g mit etwa 4 ccm Wasser und 80 ccm
96 proz. Alkohol. Wir haben bei Wiederholungen aber nicht immer ein
gleichmässiges Präparat erhalten, dabei schienen sich kleine Differenzen
im Wasser- und Alkaligehalt bemerkbar zu machen; aus diesem Grunde
haben wir dann von einer weiteren Herstellung im Laboratorium abgesehen.
Die Seifenspirituspräparate zu 3—7 sind für uns von der Firma Schülke
& Mayr-Hamburg bergestellt worden, die bereits das Kodan und die
Präparate zu 2 geliefert hatte.
Besonders geeignet erscheint der za den Versuchen in Zeile G
and 7 benutzte Seifenspiritus aus Ricinusöl mit 75 proz. Alkohol¬
gehalt 1 ). Nun sind gerade die Resultate in Nummer 6 (und ferner
in Nummer 5) erheblich dadurch beeinträchtigt, dass sich darunter
eine Anzahl von Versuchen an einer Person mit besonders schwer
za desinfizierenden Händen befinden; zieht man diese ab, so erhält
man die weit günstigeren Zahlen, die wir, um den Einflnss dieses
individuellen Faktors za zeigen, daneben in Klammern gesetzt
haben.
Nun kann man aber auch, wenn es nicht darauf ankommt,
mit ganz geringen Mengen des Mittels aaszukommen, denselben
Seifenspiritus in der Weise verwenden, dass man damit, wie bei
dem Ahlfeld’sclien Verfahren, einen Watte (oder Gaze-) bansch
tränkt und mit diesem die Hände abreiht; man braucht dann
immer noch weniger Material als bei der Desinfektion nach
Ahlfeld oder Schumburg; auch wurde der Seifenspiritus selbst
bei dieser immerhin eingreifenden Art der Anwendung im all¬
gemeinen angenehmer empfunden als der reine Alkohol. Die in
Nummer 7 der Tabelle enthaltenen Resultate sind ausgezeichnete;
es zeigt sich auch hier, dass, wie ja von vornherein za erwarten
ist, das einfache Verreiben geringer Mengen des Präparats doch
nicht so sicher wirkt wie das der längeren Bearbeitung der Hand
mittels eines Wattebausches. Insbesondere sehen wir dann anch
bei sonst schwer zu desinfizierenden Händen eine sichere Wirkung,
wie der Vergleich mit den eingeklammerten Zahlen (s. oben) zeigt.
Die Ergebnisse sind wohl die besten unter allen unseren
Versuchen und gewiss weiterer Nachprüfung wert.
Die Versuche unter Nr. 14 der Tabelle zeigen die wichtige
Rolle der Beimischung der Seife znm Alkohol, dessen Eindringen
dadurch offenbar erleichtert wird. Alkohol ohne Seife bat beim
einfachen Verreiben (ohne Watte oder Bürste) selbst in doppelter
Menge einen ganz mangelhaften Erfolg. Hieraus geht unseres Er¬
achtens deutlich hervor, dass die Zufügung einer geeigneten
Seife zn hochprozentigem Alkohol einen wesentlichen
Fortschritt in der Desinfektionstechnik bedeutet 2 ). Sinkt
der Alkoholgehalt erheblich, so ist die Wirkung des Seifenspiritus
offenbar keine andere als die einer gewöhnlichen Seife (Nr. 13, Ver¬
such mit offizinellem Seifenspiritus). Das Einreiben mit dem ein¬
gangs beschriebenen „Kodan“ (etwa 40 pCt. Alkohol) ist fast ganz
erfolglos (Nr. 11). Auch die Anwendung wässeriger Lösungen
der drei neuen Chlorkresolpräparate, die freilich in dieser Form
(vgl. auch Okada) von vornherein kaum Erfolg versprachen,
ergab durchaus ungenügende Resultate; dieselben sind hier nur
zum Vergleich mitgeteilt (Nr. 12 der Tabelle). Erwähnt sei,
dass das Grotan insofern noch am besten wirkt, als es wenigstens
die künstlich aufgebrachten Prodigiosuskeime annähernd, wenn
auch nicht vollständig beseitigte.
Auf Grund der Empfehlung von Lanbenheimer, Okada,
Bierast und Lamers machten wir ferner einige Versuche, bei
denen wir die Hände in einer grossen Schüssel mit Pbobrol-
alkohol (Phobrol 10, 70 pCt. [Vol.-pCt.] Alkohol ad 1000) 3 Mi¬
nuten bürsteten; die Resultate waren im ganzen gut, doch er¬
hielten wir auch hier mehrfach Platten mit mehreren hunderten
1) Das Präparat ist von Sohülke & Mayr - Hamburg zu beziehen.
Preis ab Fabrik ohne Packung 3 M. per Liter.
2) Sohrauth glaubt dagegen (in seinem Handbuch „Die medika¬
mentösen Seifen“, Berlin 1914, S. 52), dass die festen Spiritusseifen in¬
folge des zu hohen Alkoholgehalts (!) nicht genügend desinfizieren, dass
vielmehr daraus erst durch Zusatz eines Antisepticums ein gutes Des-
infizienz gewonnen werden könne. Der Alkohol sei dabei geeignet, die
Seife und das etwa zugesetzte Antisepticum in die tiefen Schichten der
Haut einzuföbreo; er selbst verdunste aber grösstenteils beim Verreiben,
„während sich Seife und Antisepticum in der Haut anreichern“. Diese
letztere Hypothese findet in unseren Ergebnissen mit den Chlorkresol-
alkoholseifen leider keine Stütze. Ob sich mit Quecksilberpräparaten
besseres erzielen lässt, bleibt abzuw&rten; einige Versuche mit Sublimat¬
zusatz zu flüssigem Seifenspiritus unmittelbar vor dem Gebrauch — was
uns nach Martius’ Beobachtungen, die wir bestätigen können, nicht
aussichtslos erschien —, zeigte keine deutliche Verbesserung der Wirkung.
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10. August 19X4.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1513
Tabelle 7.
u
a>
0
0
3
Ä
Seifen¬
waschung
(fliess. warmes
Wasser)
Dauer (Bürst.?
Desinfektionsmittel
(ca..... Gewichtsprozent Alkohol)
Ver¬
brauchs¬
menge
Art der Anwendung
Zahl
der
Ver¬
suche
(Hände)
Die prozen
Keimabnahme
.... ma
100 %| 99 %
(sterii) 'u.mehr
;uale
betrug
1
unter
99 %
Die al
nach
t
0-100
>solut<
der De
rügen .
100 bis
1000
sn Keim
sinfektk
... mal
1000 b.
10 000
zahlen
m be-
über
10 000
1
ca. 2"
meist
Festalkol (80%)
ca. 12 g
5—6' einf. Verreiben
31
13
12
6
23
3
1
4
2
do.
nein
do.
Festalk. m.Kresolen (80bzw.88°/ o )
do.
do.
33
13
18
2
23
7
2
1
3
do.
nein
( Ricinussäure (88%)
ca. 15 ccm
do.
40
3
29
8
24
12
3
1
4
do.
do.
.. do. (75 7o)
do.
do.
40
8
22
10
31
4
2
3
5
do.
do.
g 3 < Ricinusöl (88%)
do.
do.
*22(18)
5 (5)
9(8)
8(5)
14(14)'
1 1 (0)
1 3 (3)
4(1)
6
do.
do.
•• / do. (75 %)
do.
do.
56(50)
29(29)116 (12)
11 (9)
39(28),
8(5)
: 5 (5)
4(2)
7
do.
do.
<g \ do. (75»/.)
ca. 50 ccm
5' mit Watte abreiben
37(31)
18(13)
18(17)
1
34(28)!
2
i 1 1
0
8
ca. 5'
ja!
Alkohol (96 o/o)
ca. 60 ccm
do.
1 20
14
3
3
16
2
! 2 1
0
9
oa. 2'
nein
do.
do.
do.
l 30
3
21
6
24 i
5
1 i
0
10
do.
do.
1 proz. Pbobrolalkohol (63 %)
1 Liter
3' bürsten
! 16
4
9
3
10
5
- 0 |
1
11
do.
do.
Kodan (40 %)
ca. 5 g
ca. 5' einf. Verreiben
9
0
0
9
0
0 i
3 1
6
12
do.
do.
7t proz. Phobrol, 0,3 proz. Grotan,
1 Liter
2' bürsten
8
0
1
7
0 ;
1 i
2 !
5
l proz. Sagrotan (0 %)
(
1
13
do.
do.
offiz. Seifenspiritus (43%)
ca. 15 ccm
ca. 5' einf. Verreiben
10
0
0
10
0
0 !
0 1
10
14
do.
do.
Alkohol (75 bzw. 90%)
25 ccm
do.
10
0
4
6
1
2
1
3 !
4
Die Desinfektionsmittel wurden stets durch sorgfältige Spülung vor der Abimpfung entfernt; die Abimpfung geschah stets durch Reiben und
Ausdrücken der Nagelglieder sämtlicher Finger in flüssigem Agar während 45 Sekunden. — Eine Anzahl von Platten, die nur einzelne oberflächliche,
offenbar aus Luftkeimen hervorgegangenen Kolonien zeigten, sind als steril aufgeführt.
(bei Prüfung der Dauerwirkung mit mehreren Tausenden) von
Kolonien; das Verfahren ist zudem kostspielig und dürfte für die
ambulante Praxis ohnehin nicht in Betracht kommen.
In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse der von uns
hauptsächlich herangezogenen Methoden nach zwei Gesichts¬
punkten zusammengestellt, indem wir einmal im Anschluss an die
von Schumburg, Kutscher, Otto, Martius und anderen ge¬
übte Berechnung die prozentuale Abnahme des Keimgehaltes (im
Vergleich mit dem Keimgehalt derselben Hand vor der Des¬
infektion) angeben, ferner aber auch absolute Keimzahlen nach
vollendeter Desinfektion summarisch wiedergeben. Die Bewertung
dieser Zahlen bei Versuchen an der Tagesband ist wohl immer
etwas willkürlich. Wir möchten glauben, dass gerade die
absoluten Keimzahlen zur Beurteilung des Erfolges am
wesentlichsten sind; eine Keimabnahme um 99 pCt. kann an
sich noch nicht als genügend angesehen werdeD, da z. B. bei
Anfangszahlen von 100000 Keimen oder mehr, wie sie sehr
häufig Vorkommen, die Endplatte dann immer noch 1000 Keime
enthalten kann. Will man etwa angesichts der Mangelhaftigkeit
aller Methoden der Händedesinfektion die Versuche, bei denen
die absolute Keimzahl nach der Desinfektion nicht über 100
hinausgeht, als befriedigend anseben und die einzelnen Ver¬
fahren danach beurteilen, wie häufig dieses Ziel erreicht wird, so
können wir unter den Verfahren zu 1—10, abgesehen etwa von
Nr. 7, keine Unterschiede konstatieren, die ganz sicher über Zu¬
fälligkeiten hinausgehen. Nimmt man aber als weiteres Kriterium
den Prozentsatz der sterilen Platten hinzu, so steht unter den
einfacheren Verfahren 1—6 (geringer Materialverbrauch, kein
mechanisches Bearbeiten der Hände) Nr. 6 am günstigsten, unter
den anderen vor allem 8, alsdann 7; bei diesen letzteren Verfahren,
bei denen die Hände energisch abgerieben oder gebürstet werden
(Nr. 7—10), ist ferner, was wohl kein Zufall ist, das unerfreuliche
Ereignis einer ganz hohen Keimzahl (über 10000) an der des¬
infizierten Hand sehr selten.
Die ganz unzulängliche Wirkung der Verfahren 11—14 im
Vergleich mit den anderen geht aus der Tabelle 5 ohne weiteres her¬
vor; es ergibt sich daraus in "Uebereinstimmung wohl mit allen
neueren Autoren, dass eine befriedigende Händedesinfektion ohne
Anwendung von Alkohol in Konzentrationen über 60 pCt. bisher
nicht möglich ist.
Die in der Tabelle 7 wiedergegebenen Resultate beziehen
«ich nur auf die saprophytischen Keime der „Tageshand“; nach
unseren früheren Ausführungen können natürlich solche Ver¬
ehren, die sich in dieser Hinsicht als ganz unzureichend er¬
weisen, trotzdem durch Beseitigung der Mehrzahl der von aussen
*uf dfe Hand gelangten Bakterien überaus nützlich wirken, wie
y» ja zweifellos bereits bei der einfachen Seifen Waschung der Fall
ist. Wie oben bervorgehoben wurde, sind die Bedingungen für
die Abtötung einerseits der normalen Haut-(Drüsen ) Schmarotzer,
ond andererseits der fremden Keime nicht immer die gleichen,
da die Bakterien an verschiedener Stelle sitzen und Feuchtigkeits¬
grade und Einbettung verschieden sein können. Bis zu einem
gewissen Grade gehen jedoch die Wirkungen eines Desinfektions¬
mittels auf beide Arten von Keimen parallel, und im allgemeinen
werden die an der Tageshand wirksamsten Mittel auch die von
aussen stammenden Keime am zuverlässigsten beseitigen. Im
Grunde beruhen unsers Erachtens beide Wirkungen auf derselben
Ursache, nämlich auf der starken baktericiden Kraft und auf
seinem schnellen Eindringungsvermögen; speziell für die Haut¬
schmarotzer kommt in Betracht die Fähigkeit, in capillare Räume,
wie es die DrüseDgänge sind, einzudringen. Wir sind in dieser
Hinsicht zu derselben Anschauung gekommen, wie sie soeben
Bechhold dargelegt hat; wir vermuten aber, dass auch
die Dauerwirkung des Alkohols nicht, wie jetzt allgemein
angenommen wird, auf Keimfixierung und Schrumpfung der
Haut, sondern auf Abtötung der Bakterien in den Drüsengängen
beruht.
Die ausführlichen Protokolle über unsere Versuche sollen
alsbald in einer weiteren Arbeit zusammen mit weiteren Ergeb¬
nissen mitgeteilt werden, dabei werden wir auch auf einige all¬
gemeine Gesichtspunkte, die für die Beurteilung der Frage der
Händedesinfektion und ihrer Methodik in Betracht kommen, näher
eingeben.
Schlusssätze.
1. In Bestätigung früherer Versuche konnten wir ein$ ge¬
nügende Händedesinfektion nur mit hochprozentigem (von etwa
70 Gewichtsprozent an) Alkohol erreichen. Notwendig ist aber
vorhergehende Seifen Waschung, da z. B. in Blut angetrocknete
Keime sonst der abtötenden Wirkung des Alkohols, auf der seine
Bedeutung für die Desinfektion beruht, entgehen können.
2. Als einfaches und billiges Verfahren ist zu empfehlen das
Verreiben kleiner Mengen von Festalkol oder geeignetem flüssigen
Seifenspiritus; als solcher bewährte sich besonders ein 75 proz.
Ricinusseifenspiritus. Hierdurch wurden fremde Keime regel¬
mässig unschädlich gemacht und der Keimgehalt der Tagesband
stark herabgesetzt.
Noch erheblich bessere Resultate erhält man, wenn man etwas
grössere Mengen des flüssigen Seifenspiritus mit einem Watte¬
bausch auf den Händen verreibt.
Literatur.
Ahlfeld und Vahle, D.m.W., 1896, S. 81. — Bechhold, Zschr.
f. Hyg., Bd. 77, S. 436. — Bierast und Lamers, Zbl. f. Bakt. Orig.,
Bd. 68, S. 207. — Borrmann, Hyg. Rdsch., 1914, Nr. 6. — v. Brunn,
M.m.W., 1908, S. 893.— Heusner, D. Zschr. f. Chir., Bd. 87, S. 482.—
Jaquet, D.m.W., 191$, S. 2044.— Kanneugiesser, Experim. Unter¬
suchungen über die Händedesinfektion mit Alkohol. Diss. Giessen
1909. — Krönig und Blumberg, M.m.W., 1900, Nr. 29 u. 30. —
Kutscher, Vöff. MilitSanitätsw., Jahrg. 44, S. 1. — Kutscher, B.kl.W.,
1911, S. 758. — Laubenheimer, Phenol und sein Derivat, 1909. —
Laubenheimer, Hyg. Rdsch., 1914, Nr. 9. — Martius, D.m.W., 1903,
6
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERS1TY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
1514
S. 2088. — Meyer, M. KL, 1910, S. 1329. — Okada, Untersuchungen
über Händedesinfektionen. Diss. Giessen 1910. — Otto, Vöff. Milit.
Sanitätsw., Jahrg. 44, S. 47. — Selter, D.m.W., 1910, S. 1563. ——
Speck, Zscbr. f. Hyg., Bd. 50. — Süpfle, Arch. f. Hyg., Bd. 81, S. 1.
Aus der Königlichen dermatologischen Universitäts¬
klinik zuBreslau (Direktor: GeheimratProf.Dr.Neisser).
Ueber Afridolseife.
VOB
Dr. Beriheia,
Stabsarzt beim Inf.-Regt. Nr. 5S, ehemals kommandiert zur Klinik.
A. Experimenteller Teil.
In den folgenden Versuchen wurde überall dort die von
Scholl und Gelarie 1 ) gewählte Anordnung der Experimente be¬
vorzugt, wo eine Heranziehung der von diesen Autoren gefundenen
Werte «um Vergleiche mit den uoserigen erwünscht erschien.
Die in dem Prospekt der Firma Bayer behauptete Nentrali-
tät der Afridolseife konnte durch Titrationsversuche der alkoholi¬
schen SeifenlÖsung mit Normalschwefelsäore erwiesen werden.
Wie Scholz undGelarie 1 ) zeigten, spalten non auch „neu¬
trale“ Grundseifen bei Lösung in Wasser eine geringe Menge Alkali
ab. Die Quantität dieses Alkalis nimmt nicht parallel der wach¬
senden Verdünnung zu, sondern es wird zunächst in schneller,
dann in langsamer Steigerung bei einer gewissen Konzentration
der Lösung ein End wert für das überhaupt dissoziier bare Alkali
Bei der grossen Beliebtheit, der sich die Benutzung medizini¬
scher, speziell anti septisch er Seifen in der ambulanten dermato¬
logischen Praxis erfreut und bei der Weite des Anwendungs¬
gebietes, insbesondere der Quecksilberseifen, erscheint es merk¬
würdig, dass sich gerade mit den letzteren nur eine äusserst
geringe Zahl von Publikationen aus Fachkreisen beschäftigt.
Der Grund für diese Erscheinung ist ein mehrfacher. Bei
einem Teile der Dermatologen bat sich infolge der schlechten Er¬
fahrungen mit den früheren Hg Seifen, die nur den geringsten
Teil der ihnen in den Prospekten nachgerühmten Vorzüge wirk¬
lich aufwiesen, eine Skepsis gegenüber jeder Neuerscheinung auf
diesem Gebiete eingenistet. Ein anderer Teil dagegen überträgt
infolge der hohen Bewertung der Seifenmedikation durch die Ham¬
burger Schule auf alle als antiseptiscbe Seifen angepriesenen Prä¬
parate ein Vertrauen, das nach Unna nur ganz bestimmte von
ihm geprüfte Handelsprodukte verdienen.
Die Zusammensetzung der unter gleicher Signatur in den
Handel gebrachten Marken ist gerade bei den Hg-Seifen so viel¬
gestaltig, dass die mit einer derselben erworbenen Erfahrungen
bei einer zweiten völlig im Stich lassen.
Durch eine grosse Reihe von chemischen und bakteriologischen
Arbeiten über die Desinfektionskraft der Seifen im allgemeinen,
auf die hier im einzelnen einzugehen zu weit führen würde, bat
sich eine Anzahl von Grundsätzen herausgebildet, die für eine
sachgemässe Darstellung medizinisch-antiseptiscber Seifen maass¬
gebend sein müssen. Allgemeine Geltung haben folgende Normen
erlangt:
Von der mechanisch reinigenden Kraft der Seifen (Kera-
tolyse und Transport der Keime durch den Schaum), die nach
den neueren Anschauungen auf ihrem Emulsionsvermögen beruht,
ist scharf zu trennen ihre Desinfektionswirkung. Das Vor¬
handensein von freiem Alkali bedingt die Reizwirkung der Seife
auf die Haut, während für diese Frage das durch Hydrolyse sich
bildende Alkali wegen seiner geringen Quantität nicht berück¬
sichtigt zu werden braucht. Von den zu Seifen verarbeiteten
Grundstoffen weisen die Salze der gesättigten Fettsäuren, unter
diesen wieder das Palmitat, die erheblichste Desinfektionskraft
auf. Die Desinfektionswirkung der fertigen Seifen beruht auf der
an sich geringen, aber sich gegenseitig steigernden antiseptischen
Kraft zweier Komponenten, nämlich der Seifenmasse und des
Alkali, bzw. der alkalischen Zusätze. Nur durch Zuführung
alkalisch reagierender Desinfektionsmittel wird die baktericide
Kraft der Seife das mögliche Höchstmaass erreichen, doch wird
die Haltbarkeit solcher Seifen nur dann gewährleistet, wenn in
dem alkalisch reagierenden Desinfiziens der Giftbestandteil komplex
gebunden ist, während saure Desinfizienten mit den alkalischen
Bestandteilen der Seife Bindungen eingehen und hierdurch thera¬
peutisch unwirksam werden.
Eine diesen Anforderungen gemäss von Schranth und
Scböller 1 ) kombinierte Hg-Seife bringen die Farbenfabriken vorm.
Friedr. Bayer & Co. seit einer Reihe von Jahren unter dem Namen
„Afridolseife" in den Handel. Dieses Präparat ist dem Prospekt
nach eine völlig neutrale Seife, vornehmlich aos ge¬
sättigten Fettsäuren mit einem 4 proz. Zusatz von oxy-
mercuri-o-toluyl8aurem Natrium.
Da auch manches theoretisch richtig anfgebaute Präparat den
io der Praxis zu stellenden Anforderungen nicht genügt, erstreckte
sich diePrüfungder Afridolsei f eso wohl auf ihre chemisch-
bakteriologischen Eigenschaften, als auch auf ihre
klinische Verwendbarkeit.
1) Schrauth und Scböller, Ueber die desinfizierenden Bestand¬
teile der Seifen an sich und über Afridolseife, eine neue antiseptische
Quecksilberseife. Med. Klin., 1910, Nr. 36.
gefunden.
Versuch 1.
Es wurde zweimal je 0,5 g Afridolseife im Mörser mit je 5 ccm
neutralem destillierten Wasser, welches im ersten Versuche 15—20°, im
zweiten 70—80° Wärme zeigte, aufgenommen und nach Zusatz von
Phenolphthalein mit Normalschwefelsäure austitriert; nach weiterer Ver¬
dünnung mit entsprechend temperiertem Wasser wurde wiederum bis
zur neutralen Reaktion Säure hinzugefügt, bis naoh fernerem Zusatz de»
Lösungsmittels kein Alkali mehr frei wurde.
Zur Neutralisation von 0,5 g Afridolseife wurden verbraucht bei
Lösung in:
5 ccm kaltem (warmem) HoO 0,8 (0,35) ccm N-H 2 S0 4
10 * * »I 0,5(0,55) *
20 * „ * 0,6 ( 0 , 6 ) „
40 „ „ „ * 0,7 (0,7) „
80 „ * n 0,7 (0,7) „
Die hier mitgeteilten Werte stellen stets das Mittel aus einer grösseren
Anzahl von Einzelversuchen dar.
Scbolz und Gelarie, die wegen der schweren Löslichkeit ihrer
stark überfetteten Versuchsobjekte nur mit heissem Wasser als Lösungs¬
mittel arbeiteten, erhielten bei sonst gleichen Bedingungen folgende
Durchschnittszahlen für
Albumosen-Basisseife (Mielk) . 0,4—0, 6—0, 6—6, 7—0, 7
Neutrale Kernseife (Gramm) . 0,2—0, S—0, 32—0, 35—0, 35
Basisseife Nivea (Beiersdorf) . 0,5—0, 7—0, 8—0, 8—0, 8.
Die durch Hydrolyse aus der Afridolseife abspaltbare Alkalimenge
ist bei Lösung in kaltem und beissem Wasser in ihrem Endwerte genau
gleich, nur wird derselbe bei höherer Temperatur entsprechend schneller
erreicht. Trotz des Afridolzusatzes stellen sich die Alkaliwerte nicht
hoher, als die der reinen Kernseifen, so dass die Afridolseife in Be¬
zug auf ihre Neutralität den mildesten Seifen des Handels
gleicbkommt.
Die Haltbarkeit der Afridolseife unter den natürlichen wie
unter den willkürlich geänderten Bedingungen kennen zu lernen,
wurde je eine Probe der Seife: 1. 3X24 Stunden offen stehen
gelassen; 2. 1 / 2 Stunde dem Strahlenkegel einer grossen Quarz¬
lampe ausgesetzt; 3. 3X24 Stunden in mit schwarzem Papier
umhüllter Petrischale im Brutschrank bei einer- Temperatur von
37° gehalten; 4. 24 Stunden in neutralem destillierten Wasser
gelöst, aufbewahrt (0,5 g Seife auf 40 ccm H*0).
Nach Ablauf der verzeichneten Zeiten wurde jedesmal gemäss
Versuchsanordnung I auf Atkalihydrolyse geprüft; es ergaben
si-ch stets dieselben Werte wie bei Verwendung der
frischen trocknen Seife.
Die bakteriologi8che*Unter8uchung der Afridolseife er¬
streckte sich auf die durch sie bewirkte Entwicklungshemmung
und ihre baktericide Kraft.
Es wurden zu den Versuchen benutzt Reinkulturen von Pro-
digiosus, Stapbylococcus anrens, Streptococcus und Thyphusbacillus.
Versuch I. (Entwicklungshemmung.)
Es wurde von der Afridolseife bei einer Temperatur von 20 bis 25^
eine 20 proz. und eine 1 proz. Lösung in sterilem destillierten Wasser
hergestellt. Dem Nährboden wurde dann im Wasserbade (etwa 40°)
unter Umrühren die entsprechende Menge der SeifenlÖsung zugefügt und
die fertigen Röhrchen sterilisiert. Bei jedem Versuch wurde einerseits
eine Kontrolle des Seifenagar auf Sterilität angelegt, andererseits eine
solche auf Lebensfähigkeit der verimpften Keime. Die Versuchsröhren
wurden nach 48 Stunden Brutschrank abgelesen 2 ). (Tabelle 1.)
1) Scholz und Gelarie, Ueber den Desinfektionswert der Seifen
mit besonderer Berücksichtigung des Alkaligebalts und der Zusätze von
Riechstoffen. Arch. f. Derm. u. Syph., 1910, Bd. 101, S. 127. (Daselbst
ein 50 Nummern umfassendes Literaturverzeichnis über den Desinfektions¬
wert von Seifen.)
2) In sämtlichen Versuchen bedeutet 0 = kein, -j- = spärliches,
+-b — reichliches, -f—|—|- = ungehemmtes Wachstum. In Klammern
ist bei einigen Fällen sehr spärlichen Wachstums die Anzahl der Kolonien
hinzugefügt.
Digitized b'
^ Go ogl e
Original fro-m
mVERSUXJ QE-IQWA
10. Angnst 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1515
Tabelle 1.
Konzentration
des Seifenagar
Prodigiosus
Staphylococcus
aureus
Streptococcus
Typhus¬
bacillus
5:100
s. spärliche
Kolonien
0
r
0
1 0
1:100
~h
0
0
0
1:500
++ !
0
0
+
1:1000
+■+•■+■ i
+~b i
+
++
Versuch II.
Um auch eine etwaige Einwirkung des Afridolseifenzusatzes
zum Nährboden auf die Entwicklung von Schimmelpilzen zu studieren,
worden Platten von reinem und solche mit durch Beimischung der
Afridolseife verändertem Agar offen für 24 Stunden der Luft ausgesetzt
und das Resultat der Ansammlung, nach 43 ständigem Aufenthalt der
Objekte im Brutschrank, erstmalig notiert. (Tabelle 2.)
Tabelle 2.
Aufentbaltszeit
im Brutschrank:
2 mal 24 Std.
3 mal 24 Std.
4 mal 24 Std.
Reines Agar
++
++
+++
Afridelseifenagar
5:100
0
0
0
1:100
0
sp. Kolonien
+
1:500
sp. Kolonien
+
++
1:1000
+
++
+++
Die geringe Affinität aller Desinfizientien gegenüber den
Schimmelpilzen teilt somit auch die Afridolseife.
Versuchsreihe III. (Baktericide Kraft.)
Zur Feststellung der baktericiden Kraft der Afridolseife wurde in
folgender Weise vorgegangen: Es wurden vier sterile Röhrchen mit den
verschieden konzentrierten Afridolseifenlösungen beschickt (mit je 1 ccm
5:100, 1:100, 1:500, 1:1000). Von der als Versuchsobjekt dienenden
Bakterienreinkultur wurde nun eine möglichst dichte Aufschwemmung in
sterilem Wasser gemacht und von dieser wieder 0,1 ccm einem jeden
der vorbereiteten Afridolseifenröhrchen hinzugesetzt. Die Abimpfung auf
reinen Agar erfolgte nach verschieden langer Zeit der Einwirkung (5, 10,
30 und 60 Minuten). Nach 48 Stunden im Brutschrank wurden die er¬
haltenen Kulturen hinsichtlich ihres Wachstums abgelesen. (Tabelle 3.)
Tabelle 3.
Konzentration der Afridol-
8eifenlösung
5 Min. |
Zeit der Einwirkung
10 Min. | 30 Min. |
[ 60 Min.
A. Staphylokokken.
5:100
2
0 1
0 |
o
1: 100
+
1 3
0
0
1:500
++
+ !
+ S. sp.
5
1:1000
++
i + ;
+ sp.
17
B. Streptokokken.
5:100
0 I
I 0
0
0
1:100
0 I
0
0
0
1:500
0
0
0
0
1:1000
+ 1
5
0
[ o
C. Typhus.
5:100
+ 1
1 0 1
0
1 0
1:100
+ 1
o i
; o
i 0
1:500
1 3
3
1:1000
+++
i ++ -
1 +
! o
D. Prodigiosus.
5 : 100
0
1 o
0
1 0
1:100
0
1 d
0
1 o
1:500
H—b
1 2
0
1 0
1:1000
+-f~b
! ++
0
! o
Die mit der 5 pro*. Afridolseifenlösung erzielte Desinfektions-
1 * 8t a * so 8 e g en über den von mir gewählten Stämmen eine
in ? er beim Wascbprozess erzeugte Schaum jedoch
pCt. feste Seife enthält, so entspricht das Handelsprodukt
Afridolseife“ allen Anforderungen, die man an eine
S**te Hg-Seife theoretisch zu stellen berechtigt ist.
B. Klinische Erprobung der Afridolseife.
Um möglichst rasch eine Uebersicht über die Brauchbarkeit
gewinnen, wurde zunächst der Kreis der mit Afridolseife be¬
reiten Auktionen so weit gezogen, als theoretische Er¬
wägungen eine Wirkung erhoffen Hessen. Der Wert jedes Mittels
bei irgendeinem Krankheitszustande ist in gewisser Beziehung ein
relativer, d. b. er ist nur unter Würdigung der mit dem neuen
in Konkurrenz tretenden schon bekannten Präparate zu beurteilen.
Der Spezialist wird auf Grand seiner weitgehenderen Erfahrung
des „ob, wann und wie ein bestimmtes Therapeuticum angezeigt
ist“, sich oft dort einer energischeren and schneller zum Ziele
führenden Medikation bedienen, wo für den weniger Geübten Vor¬
sicht bei der Wahl des Anzuwendenden am Platze ist. Ans
diesem Grande wird au$h ein minder wirksames Mittel seine Da¬
seinsberechtigung behalten, wenn es dafür bequemer anwendbar
und weniger störend ist.
Die Art der Anwendung ist die denkbar einfachste
und sauberste: Man weist den Patienten an, die betreffenden
erkrankten Partien kräftig einzaseifen and den entstandenen
Schaum entweder nach einiger Zeit (1—2 Stunden) mit lanem
Wasser abzuwaschen oder auf der Haut völlig eintrocknen zu
lassen. In einem Falle wurde auch eine entsprechende Menge
der Seife einem Bade zugefügt.
Da für eine grosse Reihe dermatologischer Heilmittel die
durch sie erzeugte Hyperämie als Hanptfaktor ihrer Wirkung an¬
gesprochen wird, habe ich mich durch Versuche am eigenen
Körper überzeugt, dass nicht die Hyperämie, sondern die Des¬
infektionswirkung unter den praktisch in Frage kommenden
Verhältnissen die durch Afridolseife erzielten therapeutischen Er¬
folge bedingt. Die Tiefenwirkung des in der Seife suspendierten
Desinfiziens ist allerdings an sich eine geringe and erreicht nur
bei schon vorhandener oder künstlich erzeugter Hyperämie der
zu behandelnden Hautpartie erheblichere Intensität. Dass das
Afridol in der Seife sich auch bei höherer Temperatur nicht zer¬
setzt, ist durch Wahl des heissen Wassers als Lösungsmittel auch
ohne mechanische Reize (Bürsten) leicht die therapeutisch wirk¬
samere Kombination der Hyperämie und der Desinfektionswirknng
za erzielen.
Wenn auch die Irritation der Haut dnrch Afridolseife
kaum nennenswert ist, wird man doch zweckmässig, besonders
bei Patienten mit sehr empfindlicher Haut (Idiosynkrasie gegen
Fette), zunächst nur eine kleine Hautpartie probeweise behandeln.
Bei einem Patienten mit hochgradiger Empfindlichkeit gegen
Quecksilber konnte die Afridolseife ohne Schädigung grösseren
Hautstrecken appliziert werden. Von den bei umfangreicherer,
änsserlicher Hg Behandlung häufigeren Störungen (Erythem,
Nierenreizung) habe ich bei der Afridolseifenmedikation nie etwas
gesehen.
Eine besondere Bedeutung kommt der Afridolseife als Prä-
ventivmittel zu 1 ). Die von Schranth and Scböller unter¬
nommenen Versuche einer Händedesinfektion zeigen, dass die
Afridolseife den vom Praktikers zn stellenden Anforderungen
genügt, nicht jedoch den höheren der Chirurgen.
Instrumente greift die Afridolseifenlösnng nicht an, wie
ein kleines Experiment überzeugend nach weist. Es wurden in
einer Afridolseifenlösnng (0,5:40) verschiedene blanke Metall-
münzen 1 / i Stunde lang gekocht, ohne dass eine Veränderung an
der Oberfläche der Objekte wahrnehmbar wurde. Für die speziellen
Zwecke des Venerologen erscheint es wichtig, dass die der Afridol-
seifenlösnng entnommenen Instrumente eine erhebliche Schlüpfrig¬
keit anfweisen, so dass z. B. die Verwendung eines Gleit¬
mittels bei Einführung der Vaginalspekula sich erübrigt.
Ob auch andere Schleimhäute als die der weiblichen Genitalien
eine genügende Resistenz gegen Afridolseifenlösung der nötigen
Konzentration besitzen and ob somit dieses Desinfektionsverfahren
auch anf die nrologische Praxis sich aasdehnen lässt, steht
noch dahin.
Zur Frage der Verwendbarkeit der Afridolseife bei der prä¬
ventiven Sexaaldesinfektion konnten wir keine Erfahrungen
sammeln, da hier Tierversuche im Stiche lassen und beim Menschen
nnr gelegentlich einwandsfrei überzeugendes Material za ge¬
winnen ist.
Das aassichtsreichste Betätigangsgebiet für die Afridolseifen¬
medikation stellen die oberflächlichen Staphylokokkosen
dar. Bei den sonst sehr hartnäckigen Nackenfurunkeln wurde
sowohl einer Weiter Verbreitung der Infektion anf gesunde Haar¬
follikel Einhalt getan, als auch deT Krankheitsprozess selbst sicht¬
bar günstig beeinflasst. Bei ausgedehnten impetiginösen
Affektionen der Gesichtshaut, der Bartgegend und des
1) Peters, Eine Seife für Aerzte und Hebammen. M.m.W., 1918,
Nr. 30.
6 *
Digitized by
Gougle
Original from
UNIVERSUM OF IOWA
1516
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
Kopf es wurde einerseits eine gefahrlose tägliche Reinigung bzw.
ein Rasieren der befallenen Partien ermöglicht, andererseits deut¬
liche Besserung der Krankheitsherde erzielt. Acne der verschie¬
denen Formen wies unter längerer Afridolseifenbehandlung eine
erhebliche Tendenz zur Abheilung auf. Bei tiefer liegenden In¬
filtraten und bei schon central erweichten, isolierten Furunkeln
wird selbstverständlich eine energischere Therapie angezeigt sein.
Von den Pilzerkrankungen der Haut halten wir eben¬
falls nur diejenigen mit oberflächlichem Sitz der Krankheitserreger
für geeignet für eine Afridolseifenbehandlung: Pityriasis vesicolor,
Erytbrasma, oberflächliche Trichophytie. Drei Fälle von Pityriasis
rosea zeigten eine deutliche Abkürzung des Heilungsverlaufes. Bei
Favus hat schon Kusunoki 1 ) die Zwecklosigkeit eines derartig
milden therapeutischen Vorgebens experimentell erwiesen.
Bei Seborrhoea capitis oleosa haben wir schöne Erfolge
mit Afridolseife gesehen, während bei der Seborrhoea sicca
und den zur Schuppenbildung neigenden Formen des mykotischen
Ekzems leicht, infolge der aastrocknenden Wirkung jeder Seifen¬
behandlung, eine Vermehrung der subjektiven Beschwerden
(Schuppenbildung, Juckreiz) zu konstatieren ist.
Bestimmt durch die fast spezifische Wirkung der Quecksilber¬
präparate gegen gewisse Dermatozoonosen des Menschen wurde
die Afridolseife gegen Phthirii pubis und Pediculi capitis erprobt.
Durch zweimaliges je einstündiges Einwirken des Afridolseifen-
scbaumes wurden die ausgewachsenen Tiere abgetötet; ein Dauer¬
erfolg wurde jedoch erst nach weiterer etwa achttägiger Behand¬
lung (täglich einmal) erzielt. Wenn es gelingt, den Patienten zu
bewegen, sich an den befallenen Partien die Haare abschneiden
zu lassen, so wird natürlich die Behandlungszeit erheblich verkürzt.
Namentlich bei der Pediculosis capitis der Frauen sind ja oft die
Haare so verfilzt, dass schon allein dieser Umstand, sowie das
fast stets vorhandene Ekzem des Haarbodens zu dieser Maass-
nahme zwingt.
Bei einer Anzahl von Pigmentanomalien konnte ich weiter¬
hin den Einfluss einer Afridolseifenmedikation beobachten. Unter
der Behandlung konnte eine gewisse Aufhellung der pigmentierten
Stellen bei Chloasma uterinum und bei Epheliden kon¬
statiert werden, während die nach Ulcera cruris und luetischen
Exanthemen (Leucoderma colli) zurückbleibenden Veränderungen
nicht beeinflusst wurden, zumal für letztere die bisherige Behand¬
lungszeit zu kurz war.
Unsere vorläufigen klinischen Erfahrungen mit der Afridol¬
seife können wir dahin zusammenfassen, dass dieselbe in ihrem
Indikationsgebiete gute Erfolge erzielt und praktisch
alles das hält, was theoretisch von ihr zu erwarten steht.
Literatur,
Goerl, Erfahrungen mit Afridolseife (Bayer). Nürnberger med.
Gesellschaft und Poliklinik, Sitzung vom 12. Oktober 1911. Ref.: B.kl.W.,
1911, Nr. 52. — Müller, Ueber die Afridolseife. D.m.W., 1912,
Nr. 12. — Schmid, Gibt es brauchbare Quecksilberseifen? Ther. d.
Gegenw., 53. Jahrg., 1912, Juniheft. — Neumark, Afridol und
Afridolseife. Untersuchungen über die desinfizierenden Eigenschaften
eines neuen Quecksilberpräparates. Hyg. Rdsch., 1912, Nr. 21.
Aus der Kgl. Universitäts-Frauenklinik zu Breslau
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. 0. Köstner).
Zur Histologie bestrahlter Carcinome.
Von
Privatdozent Dr. Fritz Beimann,
Assistenten der Klinik.
(Vortrag, gehalten am 19. Juni 1914 in der medizinischen Sektion der
schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.)
Wohl alle Autoren, die sich eingehend mit der Strahlen¬
therapie der Uteruscarcinome beschäftigt haben, sind sich einig
darüber, dass wir mit den Strahlen eine Behandlungsart in unsere
Hände bekommen haben, die an Erfolgen bisher durch keine
andere Methode erreicht worden ist. Jauchende blutende Car¬
cinome sehen wir unter dem Einfluss der Strahlen sich so zurück¬
bilden, dass Blutung und Sekretion aufhören, dass der Krater
1) Kusunoki, Experimentelle und klinische Studien zur Lehre der
Dermatomykosen (Infektion, Prophylaxe und Immunität). Arch. f. Denn,
u. Syph., 1912, Bd. 114, H. 1.
verschwindet und eine epithelialisierte Neubildung der Portio au
Stelle der ulcerösen Partien sich bildet. Diese Stellen hat man
in der ersten Zeit, in der die Bestrahlung aufkam, gewählt, um
die Heilung der Carcinome zu beweisen. Es ist ja nach allem,
was wir von den Strahlen wissen, selbstverständlich, dass wir an
diesen oberflächlichen Partien die Carcinomzellen entweder nur
in sehr veränderter Form oder überhaupt nicht mehr finden.
Auch wir haben in der ersten Zeit, in der wir die Bestrahlung
übten, dieses Verfahren gewählt und konnten, wie ich an anderer
Stelle bereits publiziert habe, die Befunde anderer Untersucber
bestätigen und ergänzen. Schon damals habe ich auf die Un¬
zulänglichkeit dieser Methode hingewiesen. Vor allen Dingen
handelt es sich doch bei der Behandlung des Carcinoms um die
Frage, wie tief die Wirkung der Strahlen geht, eine Frage, die
für die Zukunft der Strahlenbehandlung von einschneidender Be¬
deutung ist. Aus diesem Grunde habe ich schon in früheren
Arbeiten betont, dass man für die histologischen Untersuchungen
eigentlich nur die vor der Operation intensiv bestrahlten Uteri
verwenden dürfe. An der Klinik werden duq seit einiger Zeit
sämtliche operablen Fälle vor der Operation eine Zeitlang kombi¬
niert (Röntgen und Mesothor) bestrahlt. Abgesehen davon, dass
man infolge Aufbörens der Blutung und Jauchung die Operation
gewissermaassen ungefährlicher macht, sind solche Präparate in
gewissem Maasse geeignet, uns ein Bild von der Tiefenwirkung
der Strahlen zu geben. Es müssen hier allerdings gewisse Bin-
schränkungeu gemacht werden. Die Strahlung ist ja natürlich
nicht so intensiv wie in den Fällen, in denen z. B. ein inoperables
Uteruscarcinom angegangen wird. Während hier im Durchschnitt
2—3000 X und 15 000 Milligrammstunden Mesothor verabreicht
werden, um einen offensichtlichen klinischen Erfolg konstatieren
zu können, werden zur Vorbereitung natürlich viel geringere
Dosen, etwa 600 X und 5000 Milligrammstunden, gegeben. Ein
weiterer Punkt ist aber noch wichtiger. Ich habe bereits früher
betont, dass wir die ersten frappanten Erfolge bei der Bestrahlung
gleichsam nach der ersten Serie sehen, wenn also die erste
grössere Pause gemacht worden ist. Erst wenn die Patientinnen
nach einigen Wochen zur erneuten Bestrahlung sich einstellen,
finden wir die bekannten günstigen Beeinflussungen. Man müsste
demnach nach der ersten Bestrahlung erst einige Zeit verstreichen
lassen, ehe man zur Operation schreitet, um den vollen Effekt
abzuwarten; auch dieser Modus kommt zurzeit an der Klinik znm
Teil zur Anwendung. Ich will heute auf die Technik der Be¬
strahlung, auf die klinischen Einzelheiten nicht eingehen, sondern
will nur die Befunde bei einer Anzahl von nach der Bestrahlung
exstirpierten Uteri demonstrieren.
Fall 1. Fr. B., 29 Jahre alt. Es bandelt sich um ein massig
grosses, kraterförmiges Cervixkanalcarcinom, das bereits etwas auf die
Scheide übergreift. Uterus normal. Parametrien zart. Pat. erhält in
einem Zeitraum von etwa 3 Wochen 530 X Röntgenstrahlen und 18 Stunden
100 mg und 46 Stunden 50 mg Mesothor in 3 mm Blei.
Bei der Operation ergibt sich, dass das kraterförmige Geschwür sich
in sehr gutem Heiluögszustande befindet. Sekretion und Blutung haben
vollkommen aufgehört. Die Operation, die Herr Geheimrat Küstner
ausführte, war leicht.
Besonders instruktiv musste natürlich die mikroskopische
Untersuchung dieses Uterus seiD, und so wurde das Präparat in
seinem ganzen Durchschnitt studiert (Einbettung in Paraffio, Hämatoxilin-
Eosinfärbung).
Schnitt aus dem Affekt. Die unterste Begrenzung wird von einem
feinen Granulationsgewebe gebildet, das auch die Epithelialisierung bei
der klinischen Untersuchung vorgetäuscht hat. Darüber sehen wir aus¬
gedehnte Herde carcinomatöser Zellen, nicht wie sonst in Nestern zu¬
sammenliegend, sondern diffus über das ganze Gesichtsfeld ausgebreitet;
jede Zelle ist als solche einzeln zu erkennen, kaum eine einzige ist als
normal anzusprechen. Aufquellungen des Protoplasmas, reichliche
Vacuolenbildung, die Kerne sind gross, stark färbbar und meist in
einzelnen Trümmern zu erkennen. Dazwischen schiebt auch hier sich
ein feines Granulationsgewebe, das fast den ganzen Schnitt durchzieht;
hier und da starke Anhäufungen von kleinzelliger Infiltration.
Schnitt: obere Grenze zwischen Cervix und Affekt.
Die Cervixschleimhaut ist, was Drüsen und Epithel anlangt, voll¬
kommen intakt, von Schädigungen ist nichts zu erkennen.
Das Bild des Carcinoms an den Stellen des Affekts, wo er an die
Cervii herangeht, ähnelt sehr dem Bilde des ersten Schnittes. Die
Carcinomzellen liegen wieder in dieses Granulationsgewebe eingebettet
und zeigen die Veränderungen, die wir bereits weiter unten am Uterus
beobachten konnten. Hyaline Degeneration der Gefässwände. Eme
Schädigung der Muskelzellen, hyaline Degeneration derselben, Zugrunde¬
gehen der Kerne, wie es Hand ly beschreibt, konnte hier nicht gesehen
werden.
Schnitt an der Grenze zwischen Corpus und Cervix.
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UNIWRSITY nF IOWA
10. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1617
Das Carcinom ist bis hierher nicht gedrungen, an der Muskulatur
der Schleimhaut sind keine Anomalien zu sehen, vielleicht fällt eine
etwas stärkere Anwesenheit von Leukocyten im Gewebe auf. Selbst¬
verständlich sind auch die Schnitte durch das Corpus und die Para¬
metrien ohne Besonderheiten.
Fall 2. Fr. F., 50 Jahre alt. Sehr zerklüftete Portio, Ränder
hart, etwas uloeriert, geringer blutig-wässriger Aufluss. Uterus normal.
Parametrien zart.
In einem Zeitraum von etwa 14 Tagen erhält Pat. 900 X Röntgen-
strablen und 50 Stunden 80 mg Mesothor in 3 mm Aluminium.
Vor der Operation wird notiert: Das Carcinom sieht ausgezeichnet
aus, die Portio ist fast vollständig formiert, nur rechts geht in das
Scheidengewölbe ein wenig umfänglicher Krater hinein. Besondere
Schwierigkeiten wurden bei der Operation nicht gefunden.
Schnitt aus der Portio.
An manchen Stellen sind die von den Probeexzisionen her bekannten
Bilder zu sehen: Neubildung eines niedrigen Epithels, Narbengewebe
zum Teil sklerosiert, Neubildung von Gefässen; von CarcinomzeUen ist
nichts zu entdecken. Andere Stellen dagegen lassen noch ganz deutlich
die zerstörten CarcinomzeUen erkennen; hier ist besonders um die
Nester herum eine sehr starke kleinzellige Infiltration zu bemerken, ja,
an manchen Stellen sieht es so aus, als ob eine ausgesprochene Phago-
cytose mithilft, die geschädigten CarcinomzeUen fortzuschaffen, denn
diese Schädigung ist auch hier wieder sehr ausgesprochen: Vacuolen-
bildung, Quellung des Protoplasmas, Zerstörung der Kerne. Sehr starke
hyaline Degeneration der Gefässe.
Schnitt: Cervix, oberhalb des Affekts.
Auch hier sind deutlich Nester von CarcinomzeUen zu sehen, doch
hat eine Einwirkung der Strahlen in bedeutendem Maasse stattgefunden.
Dieselben Schädigungen sind auch an diesen Stellen, die etwa 2—3 cm
von der Portio entfernt liegen, zu beobachten; die über dem Affekt
liegende Cervixscbleimhaut ist vollkommen intakt, ein gleiches ist von
der Muskulatur zu sagen.
Auch hier ist das Carcinom nicht hoher hinaufgegangen, da an der
Grenze von Corpus und Cervix CarcinomzeUen nicht mehr zu sehen sind.
Fall 3. Fr. W., 48 Jahre alt. Massig grosser, zum Teil schon
zerfallener Cauliflower, wenig auf die Scheide übergehend. Uterus und
Adnexe normal. Parametrien leidlich zart.
Pat. erhält in 3 Wochen 550 X Röntgenstrahlen und 41 Stunden
50 mg Mesothor in 1 mm Messing.
Bei der Operation sieht der carcinomatöse Affekt gut aus, er hat
sich fast vollkommen epithelialisiert, Sekretion und Blutung haben völlig
aufgehört.
Schnitt aus Portio und Affekt.
Hier ist das Granulationsgewebe an manchen Stellen bereits in
Narbengewebe übergegangen, nur ganz vereinzelt sind degenerierte
carcinomatöse Zellen zu sehen, die wie in den früheren Fällen von klein¬
zelligen Infiltrationen direkt umlagert sind. Auch hier ähnelt der Schnitt
sehr den Bildern, die wir von den Probeexzisionen her kannten, mit
denen die Heilung des Carcinoms bewiesen wurde.
Auch der Affekt selbst zeigt hier eine sehr weitgehende Beeinflussung.
Die carcinomatösen Nester sind klein, völlig in die Haufen der Leuko-
oyten eingegraben. Die Zellen selbst sind völlig zerfallen, die Kerne
nur noch stark mit Farbe tingierte Trümmer, das Bild schwerster De¬
generation. Etwas weiter oberhalb ist das Bild ein anderes. Hier sind
noch die Zellnester sehr deutlich als solche zu erkennen, aber die
Strahlen sind doch mit ihrer Wirkung bis zu diesen Stellen gelangt.
Auch hier sind die schon oben geschilderten Veränderungen zu sehen,
also Quellung des Protoplasmas, Vacuolenbildung, Kerntrümmer usw.
Besonders auffallend ist hier eine Riesenzellbildung, etwas, was bereits
auoh von anderen Autoren (Händly, Gauss, Krönig) gesehen
worden ist.
Die Grenze zwischen Corpus und Cervix zeigt keine carcinomatöse
Stellen mehr.
Fall 4. Frau P., 43 Jahre alt. Massig grosser carcinomatöser
Zerfallskrater der Portio und des unteren Teils der Cervix. Uterus ver-
grüssert, xetroflektiert mobil. Parametrien anscheinend zart.
Im Verlaufe von etwa 14 Tagen erhält Pat. 35 Stunden 50 mg
Mesothor in 3 mm Aluminiumfilter und 700 X Röntgenstrahlen.
Vor der Operation wird notiert: Krater viel kleiner geworden, fester,
epithelialisiert, massige Sekretion.
Die Operation ist leicht.
Schnitt durch den ganzen Uterus; makroskopisch sieht man an dem
gefärbten Präparat, dass das Carcinom etwa 3—4 cm tief in den Uterus
biueingedrungen ist. Dies wird mikroskopisch bestätigt. Oberhalb dieser
Partien ist weder in der Schleimhaut noch in der Muskulatur etwas von
CarcinomzeUen zu sehen.
Die Portio zeigt wie in allen früheren Schnitten dasselbe Bild. Sehr
zellreiches Granulationsgewebe, keine CarcinomzeUen, Neubildung von
CapiUarep, zum Teil homogen gefärbte, zum Teil schollige Klumpen, die
als Fibrinmaasen angesprochen werden müssen. Schon etwas höher
hinauf, also etwa a / 4 cm von dem Rand der Portio entfernt, sieht man
<jie waten Carcinomnester, die aber ein sehr verändertes Aussehen haben;
«as Protoplasma ist gleichsam coaguliert, weist aber daneben wieder
sehr zahlreiche Vacuolen auf, deutliche Kerndegenerationen, der Kern
wt in mehrere Trümmer zerfallen, Riesenzellbildung, die Herde stark
umsaumt von kleinzelliger Infiltration; ein derartiges Bild kann man
eine Strecke von etwa I cm weit verfolgen, dann werden die degene-
rativen Veränderungen geringer, doch ist auch hier noch an manchen
Stellen eine Einwirkung der Strahlen zu konstatieren, die Zerstörung ist
aber lange nicht so ausgesprochen wie weiter unten. Je näher man
hinaufkommt, um so deutlicher treten unverändert gebliebene Carcinom¬
nester zutage; die Einwirkung ist also bis zu einer Tiefe von etwa 2 cm
gegangen.
Fall 5. Fr. Sch., 52 Jahre alt. Befund: Starkes Lacerations-
ektropium, in seiner ganzen Ausdehnung von einem Carcinom betroffen,
welches noch wenig Zerfall zeigt, jedoch teilweise schon auf die Aussen-
fläcbe der Portio vagina übergegriffen hat. Uterus klein retrovertiert.
Linkes Parametrium verkürzt und gespannt, rechts anscheinend frei.
Pat. bekommt in etwa 3 Wochen 54 Stunden 50 mg Mesothorium in
3 mm Aluminiumfilter und 720 X Röntgenstrahlen.
Vor der Operation ist folgender Befund: Collumdefekt sehr gut
durch Bestrahlung beeinflusst. Portio epithelialisiert, keine Blutung
oder Sekretion.
Leichte Operation.
Schnitt durch den ganzen Uterus.
Auch hier ist das Carcinom bereits makroskopisch zu erkennen.
Auffallend ist die scharfe Absetzung des gesunden Gewebes. Der Affekt
geht etwa 2 cm in die Tiefe von den Rändern der Portio aus gerechnet.
Besonders springt hier die sehr starke Leukocyteninfiltration in die
Augen, fast die ganze Portio ist dicht von dieser kleinzelligen Infiltration
durchzogen, und hier und da sind einzelne klecksig tingierte, kaum als
Zellen zu erkennende Trümmer zu sehen; sehr starke Riesenzellbildung,
hyaline Degeneration der Gefässe; höher hinauf sind dann wieder die
zerstörten Garcinommassen zu erkennen, die von den Leukocyten gleichsam
umsäumt werden. Hier sind die Strahlen bis ans Ende des Affektes
gedrungen, denn selbst die am tiefsten gelegenen Krebsnester zeigen
noch die für die Bestrahlung charakteristischen Veränderungen, obwohl
sich natürlich auch noch intakte Zellen darunter finden werden. Auch
hier ist also die Beeinflussung eine recht gute gewesen.
Zusammenfasseod möchte ich aus diesen Befanden folgende
Schlüsse ziehen. Selbstverständlich hat eine weitgehende Beein¬
flussung der carcinomatösen Stelleu durch die Strahlen statt¬
gefunden, und zwar können wir nach unseren Erfahrungen mit
einer Tiefenwirkung von etwa 3 cm rechnen. Natürlich können
wir aus dieser Beeinflussung noch absolut keinen Schluss ziehen,
ob eine Heilung von Carcinomen jemals möglich sein wird.
Findet man, auch wenn man sehr intensiv bestrahlt hat, noch
intakte Krebszellen, so werden die Enthusiasten der Strahlen¬
therapie geltend machen, dass eine weitere Bestrahlung auch noch
diese Zellen zerstört hätte. Die histologische Untersuchung gibt
also heute noch keinen Aufschluss über die Heilungsmöglicbkeit
der Carciuome; wie immer betont werden muss, werden es erst
die nächsten Jahre zeigen, ob die Strahlentherapie imstande sein
wird, die Erfolge, die das Messer uns bisher gebracht hat, za
verdrängen. Soviel steht jedoch schon heute fest, dass die Be¬
einflussung der carcinomatösen Zellen durch die Strahlen, wie
wir ans unseren Untersuchungen gesehen haben, eine phäno¬
menale ist.
Aus der I. medizinischen Klinik der Universität in
Budapest (Direktor-Stellvertreter; Professor Baron
Dr. Ladislaus v. Ketly).
Kleine röntgenologische Vorrichtung zur Er¬
zeugung von Wurmfortsatzbildern.
Von
Dr. Aladär Henszelnann, Assistenzarzt der Klinik.
Die Füllung des Wurmfortsatzes mit Kontrastmitteln ist nach
den heutigen Anschauungen ein Zufallsereignis. Ueber die Gründe,
warum sich diese Füllung nur ausnahmsweise vollzieht und
warum sie in den meisten Fällen ausbleibt, hat man bisher keine
Erklärung gesucht, obwohl die radiologische Darstellung des
Wurmfortsatzes mit der Füllung zusammenhängt.
Ich will mich in die Behandlung dieser interessanten und
hochwichtigen Frage nicht einlassen. Es sei mir hier erlaubt,
mich nur auf die eingehenden Untersuchungen, weiche dies¬
bezüglich auf unserer Klinik gegenwärtig eingeleitet sind, berufen
zu dürfen. Die bisherigen Resultate sind schon vielversprechend.
Meine Absicht ist, hier einiges über die zufälligen Füllungsbilder
zu sagen. Ich bin auf einen jedesmal anwendbaren Kunstgriff gekommen,
mit welchem ich die Zahl der zufälligen Füllungen bedeutend erhöht habe.
Die Darstellung des Processus vermiformis gelingt bisher sehr selten.
Jedesmal bereitet es Freude und Ueberraschung, wenn sein sehr charakte¬
ristisches Bild auf dem Schirm oder auf der Platte erscheint. Statistische
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UNIVERSUM OF IOWA
1518
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
Abbildung 1.
Abbildung 2.
Angaben und einen historischen Rückblick will ich hier nicht geben und
berufe mich nur auf Groedel’s Studien. Alle, die sich mit der
Radiologie des Wurmfortsatzes befassen, geben das Kontrastmittel ent*
weder per os oder als Klysma. Jedenfalls hält man mehrfache Dar¬
stellung für nötig, und zwar nicht nur während der Füllung des Blind¬
darms, die 2—4 Stunden nach der Rieder’sehen Wismutmahlzeit beginnt,
sondern auch nach der Ausleerung derselben. So hält es Groedel für
nötig, dass man im Falle eines Wismutklysmas auch nach der Aus¬
leerung eine Aufnahme mache. Zu diesem Verfahren wird er von dem
Gedanken geleitet, auch jene Wurmfortsätze, welche durch den Schatten
des Coecums verborgen sind, sichtbar zu machen. Groedel glaubt, dass
der Wurmfortsatz nach vollständiger Ausleerung des Coecums noch
immer Kontrastmittel enthalten kann.
Bei der Beobachtung des Colons betrachte ich, nachdem ich das
Coecum gesehen habe, auch immer die Gegend des Wurmfortsatzes.
Ich untersuche, ob er gefüllt und beweglich ist, und in welchem Ver¬
hältnis er zur Umgebung steht. Zu dieser Untersuchung wie zum Auf¬
schluss aller Fragen, die bei den Untersuchungen der Baucheingeweide
auftauchen können, mache ich von meinem „Kompressionsexponator“
Gebrauch J )- Mit meiner Vorrichtung kann ich nach nötiger Kompression
bis zum Blinddarm eindringen und ihn scharf und kontrastreich im
Rahmen des Kompressors fixieren. Das erhaltene Bild ist licht und
scharf und weist auch den kleinsten Teil kontrastreich mit etwaiger
Projektionsvergrösserung auf. Wer einmal das so erzeugte, sehr lehr¬
reiche und plastische Bild siebt, wird nie versäumen, zur Untersuchung
des Coecums diese Vorrichtung in Anspruch zu nehmen.
Während meiner Untersuchungen über den Blinddarm habe ich oft
wahrgenommen, dass auch das Bild des Wurmfortsatzes sichtbar
wird wenn ich mit dem Kompressor deD Blinddarm aufhebe.
1) A Henszelmann, Eine einfache Aufnahmetechnik zur Röntgen¬
untersuchung der Baucheingeweide. (Publikation erfolgt in dieser
Wochenschrift.)
Ich muss hier angeben, dass meine bisherigen Beobachtungen normale
Falle betreffen. Bei ileocoecaler Empfindlichkeit habe ich möglichst
keine Untersuchung vorgenommen. Mir war die Frage interessant, wie
oft der Wurmfortsatz hinter dem Coecum liegt, d. h. wie oft
solche Füllungsbilder des Wurmfortsatzes zur Darstellung gebracht
werden können, welche ich bisher nur deshalb nicht gesehen habe, weil
sie verdeckt waren. Ich kann auf Grund meiner Untersuchungen be¬
haupten, dass das Bild des gefüllten, hinter dem Coecum liegenden
Wurmfortsatzes im Verhältnis zu den bisherigen Füllungsfällen sehr oft
eintritt. Wenn wir drei oder vier Fälle beobachten, so werden wir in
einem gewiss das sehr charakteristische Bild des Wurmfortsatzes wahr¬
nehmen, manchmal noch in mehreren. Man braucht nichts anderes zu
tun, als den Kompressor in der ileocoecalen Gegend durch die Bauch¬
wand drücken. Die erste Aufgabe ist, dass man die Stelle, wo das
Ileum in den Blinddarm mündet, sucht. Es gelingt leicht. Man sucht
nur .das sackartige, gewöhnlich sehr gut gefüllte Coecum, in das die quer-
fiagerdicke Dünndarmpartie rechtwinklig mündet. Man braucht nur wenig
Uebung zu haben, um diese Mündung in den meisten Fällen in wenigen
Augenblicken aufsuchen zu können, um so mehr, da die Orientierung
durch das genaue Betrachten der kontrastreichen Bilder sehr erleichtert
wird. Wenn wir die Stelle der Einmündung gefunden haben, so haben
wir nicht nur einen wichtigen Wegweiser, sondern es wird uns das
sichtbare Ileum auch vor dem Irrtum behüten, dass wir eine mangelhaft
gefüllte Dünndarmpartie für den Wurmfortsatz halten. Nachdem wir
die unterste Partie des Ileums aufgesucht haben, schieben wir die Dünn¬
darmschlingen nach oben links, wenn wir es für nötig halten, mit dem
Kompressor selbst oder mit der Hand oder aber mit einem Distinktor.
Den Blinddarm heben wir so weit wie möglich auf, wodurch die Retro-
coecalgegend sozusagen eröffnet wird. Wenn der Wurmfortsatz sich ge¬
füllt bat, kann seine charakteristische, aber immerhin wechselnde Ge¬
staltung auf dem lichten, von nichts gestörten Grunde unserer Auf¬
merksamkeit nicht entgehen. Gewöhnlich sehen wir, wie er in das
Coecum mündet. Manchmal aber scheidet sie ein Spatium von einigen
Millimetern. Bei wiederholten Aufnahmen, auch bei derselben Person,
erhalten wir gewöhnlich ein von der Füllungsgrösse abweichendes Bild.
Natürlich sind in allen diesen Fällen Mesocolon und Mesoappendix frei
beweglich. Hebt man das Coecum nur partiell auf, so sieht man auch
den Wurmfortsatz nur teilweise.
Meine Aufnahmen habe ich 4—6—12 Stunden nach der Rieder’schen
Wismutmahlzeit verfertigt. (Abbildung 1 und 2.)
Anmerkung bei der Korrektur. Inzwischen erschien die inter¬
essante Arbeit: Zur Röntgenuntersuchung des Wurmfortsatzes besonders
bei Appendicitis von Prof. H. Rieder, M.m.W., 1914, Nr. 27.
Literatur.
F. Groedel, Die röntgenologische Darstellung des Processus vermi¬
formis. M.m.W., 1913, Nr. 14. — M. Cohn, Die röntgenologische Dar¬
stellung des Wurmfortsatzes. M.m.W., 1913, Nr. 19.
Aus der Friedrichstadt-Klinik für Lungenkranke
(dirig. Arzt Dr. Arthur Mayer).
Ueber die Beziehungen der atypischen Gicht
zu Erkrankungen der Respirationsorgane.
Von
Dr. Arthur Mayer.
Dass zwischen gewissen Erkrankungen der Respirationsorgane,
vor allem zwischen dem Asthma bronchiale und der typischen
Gicht, enge Beziehungen bestehen, ist schon lange bekannt und
studiert. Die ersten Mitteilungen von Goldscheider 1 ) über das
Wesen der atypischen Gicht haben mich zu Untersuchungen
darüber angeregt, ob derartige Beziehungen auch zwischen der
atypischen Gicht und zwischen dem Asthma bestehen. Gold¬
scheider selbst führt ja auch in seiner ersten Monographie
einen Fall an, bei dem atypische Gicht mit Asthma bronchiale
vereinigt war.
Bei meinen Untersuchungen habe ich aber von vornherein
den Begriff der atypischen Gicht ganz anders gefasst, als es
Goldscheider getan hat. Ich konnte mich nicht dazu ent¬
schlossen, bei meinen Patienten kleinen Verdickungen an irgend¬
welchen Körperteilen, die möglicherweise Tophi, ebensogut aber
auch kleine Fibrome, Atherome oder dergleichen sein konnten,
eine entscheidende pathognostische Bedeutung zuzusprechen, ganz
besonders nicht, nachdem ich mich einmal überzeugt hatte, dass
eine kleine tophusartige Geschwulst am Olecranon in der Tat ein
Fibrom war. Auch dem Gelenkknirschen konnte ich nicht bei
meinen Patienten den Wert zumessen, dass aus ihm allein die
1) Zschr. f. physik. u. diät. Ther., Bd. 16.
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IJNIVFRSITY OF 10W&
10. Aagost 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1519
Diagnose der Gicht gemacht werden konnte. Denn das Gelenk-
knirschen ist swar bei Gichtikern häufig, kommt aber wohl auch
bei Menschen, die zweifellos nicht gichtig sind, recht oft vor,
and scheint .unter anderem auch in bestimmten Gegenden, viel¬
leicht durch Witterangsverhältnisse, so häufig zu sein, dass mau
z. B. in Hamburg ganz allgemein im Volke von dem „Hamburger
Knie“ spricht.
Für die Diagnose der atypischen Gicht war für mich etwas
ganz anderes entscheidend, nämlich der Nachweis, dass bei den
Patienten der Purinstoffwechsel gestört ist, ohne dass es zu
den charakteristischen Paroxysmen gekommen ist.
Um diesen Nachweis führen zu können, ist zunächst bei den Kranken
der Harnsänregehalt des Blutes bestimmt worden. Indessen
möchte ich auch — und damit komme ich auf die Mitteilungen von
Steinit* 1 ) — der Höhe des Harnsäurespiegels im Blute bei Patienten,
die im übrigen keine klinischen Symptome der Gicht haben, keine ent¬
scheidende Rolle zusprecben. Erstens aus methodischen Gründen. Denn
alle Bestimmungsmethoden, die bisher angegeben worden sind, haben
beträchtliche Fehlerquellen. Ich will zugeben, dass der Zusatz von
Talcum bei der Enteiweissung, wie ihn Steinitz eingeführt hat, zweifellos
eine Verbesserung darstellt, aber trotzdem ist dadurch die sogenannte
Folin’sche Methode noch nicht in dem Maasse klinisch brauchbar geworden,
dass man z. B. die Harnsäurewerte, die man mit ihr ermittelt, in Parallel-
beiiehungen zu der Zahl der Tophi bringen kann, wie es Steinitz getan hat.
Eine Minderung dieser Fehlerquelle wird voraussichtlich erst dann möglioh
sein, wenn wesentlich geringere Blutmengen zur Bestimmung notwendig
sind, wie das scheinbar bei einer neuen, von Brugsoh und Kristeller 2 )
angegebenen Methode der Fall ist. Dazu kommt, wie es ja auch
Steinitz hervorgehoben hat, dass die physiologische Breite des Harn-
sanrespiegels im Blute so gross ist, dass eigentlich nur ganz grosse Aus¬
schläge klinisch verwandt werden können. Schliesslioh ist aber auch das
Quantitative gar nicht die Hauptsache. Es scheint doch vielmehr darauf
anzukommen, in welcher Form die Harnsäure im Blute kreist — und
darüber sagt eben naturgemäss die quantitative Bestimmung der Harn¬
säure im Blute gar nichts, selbst wenn man, was aber wohl auch nicht
der Fall ist, behaupten wollte, dass die Harnsäure allein das Wesent¬
liche bei der gichtischen Erkrankung ist.
Viel weiter kommt man, wenn man den gesamten endogenen Harn¬
säurewert bestimmt, d, h. also auch die Ausfuhr der Harnsäure,
und wenn man — und das scheint mir ganz besonders wichtig zu sein —
eine funktionelle Probe anstellt, wie weit das Retentionsvermögen
des Organismus für die Harnsäure reicht. Denn gerade der Nachweis
der erhöhten Retention, der verschleppten Ausscheidung ist ja das Ent¬
scheidende.
Ich habe nun bei meinen Patienten von diesen Erwägungen
aas die Harnsäure im Blut und die Harnsäureausfuhr bestimmt
und — was mir am wichtigsten scheint — die von Umber und
Retzlaff angegebene funktionelle Harnsäureprobe angestellt.
Diese Methode besteht darin, dass den Patienten 0,5 g Harnsäure
mit etwas Piperacin intravenös injiziert wird. Gesunde scheiden die
Harnsäure in den nächsten zwei Tagen fast quantitativ wieder aus,
Kranke mit gestörtem Parinwechsel retinieren die injizierte Harnsäure
io sehr erheblichem Maasse.
Meine Untersuchungen erstreckten sich auf 40 Patienten mit
chronischer Bronchitis und Asthma, die angeblich niemals einen
Gichtanfall gehabt haben, und bei denen sich auch die üblichen
klinischen Symptome nicht nachweisen Hessen.
Von diesen 40 Patienten zeigten 9 die charakteristische Störung im
Purinwechsel, die wir von der echten Gicht her kennen, und die sich in
der Höhe des endogenen Harnsäurewertes und in einer starken Retention
bei der funktionellen Prüfung dokumentierte.
Der Harnsäuregehalt des Blutes lag in guter Uebereinstimmung
mit den Mitteilungen von Steinitz zwischen den normalen und den
gichtischen Werten, zeigte aber bisweilen ein recht schwankendes Ver¬
halten.
Bei 4 von diesen 9 Patienten zeigten sich zum Teil an den von
Goldscheider beschriebenen ungewöhnlichen Stellen kleine Ver¬
dickungen, die sehr wahrscheinlich Tophi gewesen sein können, auch
mod sich zweimal Gelenkknirschen. Bei 5 dieser Patienten fanden sich
diese Symptome indessen nicht, und umgekehrt liess sich Gelenkknirschen
Jod hier und da ein kleiner Tophus (?) bei den Patienten nachweisen, bei
denen eine Störung des Purinstoffwechsels nicht bestand.
Es ist bemerkeoswert, dass bei fast allen diesen 9 Patienten
festgestellt werden konnte, dass in der Ascendenz oder in der
nächsten Verwandtschaft echte Gicht und Diabetes vorgekommen
war, und dass die Kinder der Patienten so häufig das Bild der
exsudativen Diathese boten, dass an einem Zusammenhänge dieser
Juankheitsbilder kaum gezweifelt werden kann. Es darf wohl
daran erinnert werden, dass die Existenz solcher Beziehungen
J) B.kl.W., 1914, D.m.W., 1914, Zschr. f. phys. Ch., Bd. 90.
2) D.m.W., 1914.
schon wiederholt behauptet worden ist, und dass z. B. Strümpell 1 )
den Standpunkt vertritt, dass das echte Asthma bronchiale als
Ausdruck einer exsudativen Diathese der Bronchialschleimbaut
anzusehen ist. Exakte Untersuchungen des Parinstoffwechsels bei
exsudativen Kindern liegen indessen, soweit ich sehe, nicht vor.
Die Affektion der Respirationsorgane bot bei all diesen
Kranken ein scharf umschriebenes Bild. Es bandelte sich in allen
Fällen um eine chronische trockene Bronchitis, wie sie auch
schon von Laennec als charakteristisch für die Gicht beschrieben
worden ist, mit der stets eine leichte chronische expiratorische
Dyspnöe vereinigt war, also ein Zustand, der sich wohl am
besten als chronisches Asthma oder als Status asthmaticus be¬
zeichnen Hesse.
Verhältnismässig leicht, bisweilen ohne jede nachweisbare
Ursache kommt m zu Exacerbationen und zu einem Zustande,
der sich bis zum Höhepunkt eines echten asthmatischen Anfalles
steigert. Dieser Zustand der Exacerbation währte bisweilen
mehrere Stunden, klang aber in den meisten Fällen in kürzerer
Zeit ab.
Bei einigen Patienten machte es den Eindruck, als ob das
Frühjahr ganz besonders disponierend wirkt, bei anderen konnte
indessen eine Abhängigkeit von der Jahreszeit nicht festgestellt
werden, eine Beobachtung, die deswegen wichtig ist, weil manche
Autoren das Heuasthma in einen Zusammenhang mit der Gicht
gebracht haben. Exakte Beweise für diese Zusammengehörigkeit
sind indessen nicht erbracht worden.
Sehr interessant war es nun, dass- es gelang, bei mehreren
Patienten diese anfallartigen Exacerbationen durch dieselben
Schädlichkeiten auszulösen, die als die Veranlassung eines typi¬
schen Gichtanfalls bekannt sind, vor allem durch Alkohol und
durch Zufuhr von Nucleinen.
Diese Exacerbationen waren äusserlich dem Bilde des bron¬
chialen Asthmas sehr ähnlich, unterschieden sich aber vom
echten Bronchialasthma dadurch, dass sich weder Charcot-
Leyden’scfae Kristalle noch eine Vermehrung der eosinophilen
Lenkocyten nachweisen liess. Ich möchte das deswegen besonders
hervorheben, weil bereits vor mehreren Jahren K. Reicher und
E. H. Stein Mitteilungen über diesen Gegenstand gemacht haben,
und gleichfalls nachweisen konnten, dass Purinkörper unter Um¬
ständen Asthmaanfälle auslösen 2 ). Sie fanden aber auch gleich¬
zeitig eine starke Vermehrung der eosinophilen Zellen and zogen
daraus weitgehende theoretische Schlüsse, deren Berechtigung
schon damals von Brugsch und Hirschfeld bestritten worden
sind. Diese Fälle waren damals auch deswegen nicht ganz be¬
weisend, weil möglicherweise bei dem einen oder anderen dieser
Patienten eioe Achylie bestanden haben kann, die zu einer ver¬
schleppten Ausscheidung der Harnsäure führt. Das war aber bei
den von mir untersuchten Patienten ganz bestimmt nicht der Fall.
In einigen meiner Fälle konnte ich nun den Purinstoffwecbsel
vor, während und nach Exacerbationen beobachten. Da zeigte
sich nun, dass sich bei diesen Patienten die Harnsäureaus¬
scheidung genau so verhielt, wie man es von der echten Gicht
her kennt: Es entstand eine ausserordentlich charakteristische
Harnsäureflut, die auf der Höhe des Anfalls einsetzte, am zweiten
oder dritten Tag ihren Höhepunkt erreichte und im postkritischen
Stadium wieder zur Norm herabsauk. Auch im anakritischen
Depressionsstadium zeigte sich das von His entdeckte Sinken
der Harnsäureflut in unverkennbarer Weise, wenn auch aller¬
dings die Differenz zwischen Tiefstand und Hochstand der Kurve
nicht so gross war, wie man es bei der echten Gicht zu sehen
gewohnt ist. (Kurve 1 und 2.)
In einer, wie wir von den Umber’schen Untersuchungen her wissen,
charakteristisch entgegengesetzten Kurve verlief während des Anfalls die
Kurve der Glykokollausscheidung: Dem Sinken der Harnsäure im
„anakritischen Stadium“ entsprach ein Steigen der Glykokollausscheidung,
der Harnsäureflut ein Sinken der Glykokoilkurve.
Das sind also alles Verhältnisse, wie sie bei der echten Gicht studiert
und hinreichend bekannt und absolut pathognostisch sind.
Bedürfte es noch eines Beweises, dass bei diesen Patienten eine
beträchtliche Neigung zur Harnsäureretention bestand, so wurde er
durch die intravenöse Injektion von Harnsäure und der Bestimmung der
Ausfuhr erbracht. Hier zeigte sich, dass die Patienten zwar nicht so
grosse Harnsäuremengen retinierten, wie es bei der echten Gicht ge¬
schieht, aber die Retention bewegte sich doch immerhin bis zu 30pCt.
und zeigte damit zweifellos eine Störung des Purinstoffwechsels an.
Bemerkenswert ist übrigens, worauf ich nur mit wenigen Worten
eingehen will, dass sich eine purinfreie Kost und das Atophan auch hier
1) Med. Klin., 1910.
2) Fol. haem., 1910, Bd. 9.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
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säurebelastuog des Blutes als die Ursache der beschriebenen Erkrankung
beschuldigen; denn selbst sehr grosse Harnsäuremengen, die man der
Blutbahn einverleibt, schädigen, wie auch schon Minkowski hervor-
hebt, die Respiration nicht, oder wenigstens nicht in der hier in Betracht
kommenden Form. Das einzige, was man i. B. auch nach der Umber-
Retzlaff’schen Injektion sieht, ist, dass die Atemzüge während der In¬
jektion sehr erheblich vertieft werden, dass also eine derartige In¬
jektion, wie das auch Umber hervorhebt, zwar einen chemischen Reiz
auf die Atemcentren ausübt, dass aber diese Einwirkung doch ganz vor¬
übergehend ist.
Nun lag mir die Frage nahe, weshalb niemals trota aller
dieser Beobachtungen Uratdepots in den Lungen gefunden werdeo.
Es musste festgestellt werden, ob etwa das Absorptionsvermögen
der Lunge ganz besonders gering ist; denn die meisten Stoffwechsel-
patbologen sind jetzt mit Umber der Meinung, dass bei der Pathogenese
der Gicht eine gesteigerte Affinität der Gewebe zur Harnsäure eine ent¬
scheidende Rolle spielt.
Aehnliche Untersuchungen am Knorpel liegen von Almagia 1 ) und
Brugsch und Citron 2 ) vor, die feststellen konnten, dass in der Tat eine
besondere Affinität der Harnsäure im Knorpel besteht. Ob aber diese
Affinität grösser oder kleiner als die anderer Gewebe ist, ist bisher noch
nicht untersucht worden. Es wurden nun von mir die verschiedensten
Gewebe in eine bestimmte Lösung von Harnsäure gebracht und die Harn¬
säure nach 14 Tagen wieder quantitativ bestimmt. Da zeigte sich nun,
dass von allen Geweben, die untersucht wurden, der Knorpel bei weitem
die grösste Affinität zur Harnsäure besitzt, dann folgt das Bindegewebe,
die Niere, Milz, Muskel und zuletzt das Lungengewebe. Bemerkens¬
wert ist, dass sich krankes Gewebe anders verhält als gesundes, und
dass z. B. die Affinität einer tuberkulösen Lunge nooh viel geringer
ist als die einer gesunden.
Damit komme ich za dem zweiten Teil meiner Bemerkungen,
nämlich za den Beziehangen der TaberkaloBe zar atypischen
Gicht.
Dass zwischen Tuberkulose und Gicht ein bemerkenswerter Ant¬
agonismus besteht, ist ja seit langem bekannt (Minkowski, H. Strauss).
Aber auch hier hat man naturgemäss nur sein Augenmerk darauf ge*
richtet, ob sich die echte (paroxysmale) Gicht seltener oder öfter mit der
Tuberkulose vereint, hat aber der atypischen Gicht, die sich nur in der
Harnsäureretention dokumentiert, keine Aufmerksamkeit entgegeDgebracht
Unter welchen Umständen echte Gioht und Tuberkulose zusammen¬
trifft und wie dann der Purinstoffwechsel beeinflusst wird, darüber will
ich in diesem Zusammenhänge nicht sprechen. Ich will nur über Unter¬
suchungen an Tuberkulösen berichten, die niemals einen Gicht¬
anfall gehabt haben, dagegen in einigen Fällen «Tophi* und
„Gelenkknirschen“, in allem aber eine charakteristische Stö¬
rung des Purinstoffwechsels aufwieseD.
Und zwar waren das Tuberkulöse, die fieberfrei waren und keine
grösseren Einschmelzungsherde hatten, bei denen man also von vorn¬
herein nicht annehmen konnte, dass sie infolge ihrer Tuberkulose eine
Vermehrung der Harnsäure haben konnten. Die Auswahl der Patienten
wurde dadurch sehr erleichtert, dass eben, worauf ich noch ganz kurz
zu sprechen kommen werde, die Gicht, auch die Gicht ohne Paroxysmen,
die Tuberkulose sehr günstig beeinflusst und sehr rasch zu fibrösen
Schrumpfungen führt, eine Erfahrung, auf der bekanntlich die in Frank¬
reich immer noch beliebte Purintherapie der Tuberkulösen beruht. Es
ergab sioh nun, dass von 27 derartigen von mir untersuchten Tuber¬
kulösen 8 Patienten eine charakteristische Störung des Purinstoffweohsels
aufwiesen und eine erhebliche Neigung zar Harnsäureretention hatten.
Es scheint demnach, dass die Vereinigung von Gicht und
Tuberkulose nicht so selten ist, wie man annimmt, nur dass die
Gicht sich bei Tuberkulösen in einer sehr milden Form dokn-
montiert and dass es za einem Anfall scheinbar ausserordentlich
Belten kommt.
Ein atypischer Verlauf der Gicht wird überhaupt fast immer
erzwungen, sobald eine Tuberkulose hinzutritt. Selbst bei Patienten,
die vorher die schwersten Anfälle gehabt haben, hören — w®
verfüge über mehrere derartige Krankengeschichten — die An¬
fälle fast ganz auf, sobald sich eine Tuberkulose manifestiert * •
Dass umgekehrt die Tuberkulose durch die Gicht * a88er ‘
ordentlich günstig beeinflusst wird und es auffallend oft zu nbr se *j
Schrumpfungen kommt, ist bekannt und kann von mir in vollem
Umfange bestätigt werden. Für dieses Verhalten kommt
wie ich hier kurz erwähnen will, nicht die Uricidämie an sic
Betracht, denn die Harnsäure hemmt nicht die Entwicklung
Virulenz der Tuberkelbacillen, und auch das Blut von GicntiKeru
setzt nicht, wie ich mich im Gegensatz zu Raw 8 ) überzeugen k »
die Virulenz der Tuberkelbacillen irgendwie herab.
In diesem Zusammenhänge sind 3 Fälle von den
T H » A »n/>kfAn hoannriAra intArpssant. Diese
Poti An tan.
von mir
die ein®
1) Hofmeisters Beitr., Bd. 7.
2) Zsohr. f. exp. Path. u. Ther., 1909.
3) The Lancet, 1911.
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Original fram
UNIV'ERSITY QF IOWA
10. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
1521
ausgesprochene Harnsäurediathese and eine ausserordentlich gering¬
fügige and zur Schrumpfung neigende tuberkulöse Erkrankung
hatten, litten an erheblichen, immer wiederkehrenden Lungen-
blntangen, die u. a. mit experimenteller Sicherheit auftraten, so¬
bald den Patienten minimale Dosen von Tuberkulin injiziert wurden.
Derartige „arthritische Lungenblutungen“ sind ja bei echten
Gichtikern mehrfach beschrieben worden, ohne dass ein Sektions¬
befand den Zusammenhang zwischen Gicht und Lungenblutung
gesichert hätte (Huchard, Clark, Lanceraux). Es ist auch
bekannt und konnte von mir bestätigt werden, dass das Tuber¬
kulin so lange, bis eine Gewöhnung an das Tuberkulin eintritt,
eine starke Leukocytose und damit eine erhebliche Harnsäure*
Vermehrung auslöst. Aber was das besondere bei diesen Pa¬
tienten war, das ist eben der Umstand, dass die Harnsäure*
Vermehrung im Anschluss an die* Tuberkulininjektion sich zu
einer schon vorher bestehenden Uricidämie addierte, zu einem
sehr hoben Werte anstieg, und dass auf dem Höhepunkt
dieser Harosäurevermebrung eine Blutung auftrat. Die Harnsäure-
ausfahr verhielt sich während der Blutung genau so, wie bei
einem gichtigen Anfall: es kam während und nach der Blutung
zu einer erheblichen Harnsäureausscbeidung, die erst mit dem
Abklingen der Tuberkulinwirkung und dor Blutung zur Norm
sank. Die Glykokollausscheidung verlief in typischer Weise ent¬
gegengesetzt. Dass die Blutung nicht einfach als Tuberkulin-
wirkung aufgefasst werden kann, gebt u. a. auch daraus hervor,
dass im übrigen jede Tuberkulinreaktion fehlte. Die Temperatur
blieb völlig normal.
Ohne diese Beobachtungen verallgemeinern zu wollen, legen
sie doch die Vermutung sehr nahe, dass manche Lungenblutungen,
deren Aetiologie unklar ist. das Aequivalent eines Anfalles bei
einer im übrigen latenten Gicht ist. Wie diese Blutungen aber
zustande kommen, ob es sich in der Tat um eine „gichtige Kon¬
gestion“ handelt, das lässt sich natürlich nicht sagen. Jedenfalls
lassen sich aus diesen Beobachtungen neue Gesichtspunkte für
die Pathologie der Lungenblutuogen und der Klinik der atypischen
Gicht abieiten.
Die „Hellseher“, ihre Tricks und ihre Opfer.
Von
Prof. Dr. Robert Meyer-Berlin.
In Nr. 23 und 24 dieser Wochenschrift, 1914, habe ich eines
„Hellsehers“ Erwähnung getan, weil der Pall in aussergewöhn-
iicher Weise gut beglaubigt schien; unter denkbar günstigen
äusseren Umständen — es handelte sich um einen Gefangenen —
stellen einwandfreie Männer aller Fakultäten, darunter erfahrene
Kriminalisten, Versuche mit ihm an, zwei beamtete Mediziner
werden vom Gericht als Sachverständige betraut, den Fall zu
untersuchen und geben unter Eid ihr Zeugnis ab.
Die Mitteilungen und Zeugnisse mehrerer der Herren liegen
wörtlich vor in einem Aufsatz von Schottelius in einem an¬
gesehenen medizinischen Facbblatt, und meine persönlichen Er¬
kundigungen Hessen die Tatsache kaum bezweifeln, dass einwand¬
frei experimentiert nnd berichtet wurde, so dass ich lieber vorzog,
eine verzweifelte Hypothese heranzuzieben, als zu misstrauen.
Wer die Zeugnisse liest, wird das begreifen.
Das Hellsehen als solches habe ich dagegen geleugnet und
betont, dass ich mich eines endgültigen Urteils enthalten müsse,
bis der Fall geprüft sei. Leider hat der Mann sich mir mit
vielem Trug und List und mit einem Vorschuss entzogen, aber
dafür hat sich ein Ersatzmann gefunden, welcher genau dasselbe
leistet. Ich wusste damals nicht, dass ein noch berühmterer
Hellseher existiere, „Professor“ Reese (ursprünglich Ries, auch
Reess geschrieben).
In Amerika seit langem hochberübmt — er ist 74 Jabre
a “> angeblich, in Wirklichkeit etwa 64 Jahre —, machte er
schon früher und zuletzt im Jahre 1913 viel von sich in Deutsch¬
land reden, nachdem Felix Holländer im Berliner Tageblatt
* om 31. Juli 1918 über das „Phänomen“ berichtet hatte. Prof.
Deasoir u. a. haben zwar sieb abfällig über ihn geäussert, aber
die Tagespre8se hat für die weitere Verbreitung des Wunders
gesorgt. Herr Prof. Dessoir hatte die Liebenswürdigkeit, mir
Zeitungsberichte und private Mitteilungen über Reese zu geben,
und auch von anderen Seiten wurde mir Material zugetragen.
Herr v. Sch re nck-Notzing hat Reese geprüft, seine hell¬
seherische Tätigkeit anerkannt und daran die Folgerung geknüpft,
dass die Lehre von den Sinneswahrnebmungen revisionsbedürftig
sei. Der Fall Reese goss natürlich reichlich Wasser auf die
Mühlen der Mystiker aller Richtungen, und im Zentralblatt für
Okkultismus, 1913, H. 4, wurde von Surya unter den partei¬
üblichen Ausfällen gegen das materialistische fy’ofessorentum in
Deutschland kühnlich behauptet: „dass ein Hellsehen in
Raum und Zeit Tatsache ist. Der transcendentale
Idealismus, die metaphysische Weltanschauung, der
Experimentalokkultismus stehen nun abermals glänzend
gerechtfertigt und unerschütterlich da.“
Ferner wird Reese als „Bahnbrecher und Heros für
eine höhere Weltanschauung and als Markstein eines
neuen Zeitalters“ bezeichnet. In Wahrheit ist Reese ein ganz
gewöhnlicher Schwindler von auffallender Geistesarmut, der seine
Taschenspielerkunst nicht nur zu seiner Bereicherung, sondern
in gemeingefährlicher Weise ausbeutet, die Menschen irrezuführen,
aber freilich weder Bildung noch Verstand genug besitzt, um
dafür ein Verantwortlichkeitsgefühl zu kennen.
Mit der Verleihung von Titeln pflege ich mich sonst nicht
zu befassen, aber hier tue ich es absichtlich, um Reese Gelegen¬
heit zu geben, seine nie versagenden Fähigkeiten vor Gericht zu
beweisen.
Der Humbugprofessor Reese hat einen einzigen Trick mit
geringen Variationen, ausserdem besitzt er die Gottesgabe der
Unverfrorenheit und einer allerdings einseitigen Menschenkenntnis.
Er rechnet mit der mangelhaften Beobacbtungsfähigkeit der
Menschen, und damit kann er sich kaum irren, denn die Beob¬
achtungsgabe der Menschen ist erstaunlich gering. Auf diesem
Fehler fussen die Erfolge der Taschenspieler, und wenn erst das
Wunderbare Ereignis scheint, dann ist es um alle Vernunft ge¬
schehen; dann sieht man nur noch das Wunder und übersiebt,
zumal man durch allerlei kleine Tricks zur rechten Zeit ab¬
gelenkt wird, trotz aller guten Vorsätze genau beobachten zu
wollen, den plumpsten Schwindel. Reese macht folgenden Trick:
er lässt in seiner Abwesenheit Zettel schreiben, und zwar schlägt
er meistens vor, den Mädchennamen der Mutter aufzuschreiben
und einige Fragen zu stellen; die Fragen sind wegen der Un-
konlrollierbarkeit an die Zukunft zu richten und werden dem¬
entsprechend mit ganz vagen Redensarten beantwortet. Beziehen
sich die Fragen auf die Vergangenheit, so werden die Antworten
vom Fragesteller gleich dazu geschrieben; so verlangt es Reese.
Geschieht das nicht, so hütet sich Reese darauf zu antworten,
sondern sagt grob: „Warum fragen Sie denn so etwas, das wissen
Sie doch selber“. Meine Fragen: „Welchen Traum ich letzte
Nacht hatte“, „Welches Buch ich zuletzt gelesen hätte“, „Welche
Nummer meine Uhr habe“, liess er unbeantwortet, nachdem er
eine kurze Zeit sich scheinbar stark angestrengt hatte. Diese
Anstrengung, welche verschiedenen Personen als geistige Kon*
zentration imponierte und ihnen „elektrische Schläge“ in den
Armen verursachte, wenn sie ihre Hände an seine Schläfe hielten,
beruht auf rein äusserlicher Mache, die jeder Mensch naebahmen
kann. Er benutzt die Bauchmuskulatur und das Zwerchfell nach
Einatmung zum „pressen“, bis er rot wird und bis ibm die Blut¬
gefässe an der Schläfe schwellen und ruft ausserdem ein will¬
kürliches Zittern des Kopfes mittels schneller clonischer
Zuckungen der Halsmuskulatur hervor, eine unbedeutende Leistung,
die ich selber ohne Vorübung sofort ausführen konnte.
Im übrigen kann er weiter nichts, als unbemerkt den Inhalt
der Zettel lesen, nnd dafür bat er kleine Variationen ein und
desselben Tricks, der auf dem Vertauschen der Zettel beruht 1 ).
1) Ich hatte, um Täuschung zu vermeiden, während Reese im Neben¬
zimmer war und sich mit einer mir bekannten Dame laut unterhielt, bei
geschlossener Tür und Vorhang mit Rückendeckung auf dicker Papier¬
unterlage, die ich nachher vernichtete, meine Fragen geschrieben. Einen
Zettel hatte ich schon in meiner Wohnung geschrieben und mitgebracht,
und zwar teils mit Rotstift und teils mit Tinte geschrieben. Reese las
diesen Zettel eben so schlank wie die anderen und sagte, der obere Teil
sei mit Rotstift, der untere sei mit Tinte geschrieben. Mit Schreib¬
unterlagen oder Gedankenlesen konnte das nichts zu tun haben; das
musste er gesehen haben. Reese machte keinerlei Versuch, meine Frage¬
stellung vorher zu beeinflussen oder durch Unterhaltung nachher zu
sondieren, vielmehr vollzog sich der ganze Akt gesebäftsmässig routiniert,
ohne Federlesen mit amerikanischer Kühle. Von einem Fühlen des
Zettelinhaltes hätte keine Rede sein können, denn ich hatte die Zettel
nach dem Schreiben gut geglättet und hielt sie ihm stets gefaltet nur
mit einer Seite, also ein Viertel an die Stirn. Die Zettel waren so ver¬
tauscht, dass ich ihren Inhalt nicht kannte und ausserdem waren meine
Fragen so schnell improvisiert, dass ich sie selbst vergessen hatte und
erst wieder daran erinnert wurde, als er sie vorlas. Uebrigens las er
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1522
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
Voraussetzung bei diesem Trick ist, dass der Zettelschreiber die
Zettel nicht unterscheiden kann, deshalb lässt Reese 4—6 oder
mehr Zettel durcheinander mischen und in verschiedene Taschen
stecken, z. B. in jede Tasche einen Zettel, oder die Zettel werden
in verschiedene Schubladen eingescblossen oder an verschiedene
Personen verteilt, die sie in der Hand halten. Die Zettel werden
vorher mehrfach gefaltet, damit man nicht erkennen soll, welchen
Zettel man gerade zur Hand bat und in welchen Taschen oder
Schubladen sie stecken; das ist nämlich sehr wichtig, weil man
sonst das Vertauschen der Zettel merken wurde. Nun lässt sich
Reese einen Zettel an die. linke Schläfe halten; dabei hält man
die Hand gewöhnlich nicht flach an seine Schläfe, dann greift er
mit seiner Hand zu, um zu zeigen, wie man die Hand auflegen
soll und tauscht dabei den Zettel aus, indem er einen leeren
Zettel unterschiebt, den man ahnungslos weiter an seine
Schläfe hält.
Auf einen Papierzettel schreibt er einige Zeilen voll
hebräischer (?) Zeichen, deren Bedeutung erst später klar wird.
Dann sagt er: „Nehmen Sie bitte einen anderen Zettel“, und
während man durch diesen Wechsel abgelenkt wird, liest er un¬
bemerkt den ersten Zettel; dabei beobachtet er gleichzeitig, wohin
der Blankozettel wandert, um ihn wenn möglich wieder einzu¬
kassieren; gelingt das nicht, so stört das nicht. Nun beginnt das
„Wunder“, und wer bis dahin nichts gemerkt, wird in der
Schnelligkeit, mit der sich das Weitere vollzieht, verwirrt und
starr vor Staunen. Denn jetzt sagt Reese den Inhalt des ersten
entwendeten Zettels oder beantwortet die darin enthaltene Frage
mündlich oder schriftlich. Wenn man nun den an seine Stirn
gehaltenen Zettel 2 öffnen will, um sich zu überzeugen, ob es
wirklich der richtige Zettel sei, so erweist sich Reese dabei so
geschickt nützlich, dass er nochmals austauscht, indem er Zettel 1
seinem Opfer in die Hand spielt und sich dafür Nr. 2 eintauscht,
der ihm jetzt mehr nützlich ist. Jetzt geht das Spiel schneller
weiter, indem er Zettel Nr. 2 beantwortet, während man Nr. 3
an seine Schläfe hält, es wiederholt sich der Kniff, indem er
scheinbar Nr. 3 öffnet, in Wirklichkeit aber Nr. 2 usw.
Um Zeit zum unbemerkten Lesen der Zettel zu finden, lässt
er den Zettelschreiber zwischendurch einzelne Zeichen der hebräi¬
schen (?) Worte sich aussuchen und durchstreichen, oder er fragt
nachher, welche Zeichen man durchgestrichen habe, obgleich das
ganz deutlich zu sehen ist, oder er stellt einige Fragen. Der¬
gleichen kleine Kniffe hat er mehrere auf Lager, um die Auf¬
merksamkeit im gewünschten Moment von sich abzulenken. Es
ist natürlich nicht nötig, dass alle Zettel an seine Stirne gehalten
werden, der erste würde genügen, aber er lässt die gleiche Prozedur
weiterfübren, um ira Stile zu bleiben. Eine kleine Variation beruht
darauf, dass er sich einen Zettel zunächst gehen lässt und an¬
geblich diesen, in Wirklichkeit einen untergeschobenen verbrennt;
er spielt sich auf diese Weise noch viel bequemer den ersten
Zettel in die Hände, aber dieser Trick ist so durchsichtig, da es
analoge Kartenkunststücke in Masse gibt, dass er den vorgenannten,
etwas schwierigeren Trick bevorzugt.
Wenn man die Berichte der Zeugen liest, so sollte man es
im ersten Augenblick nicht für möglich halten, dass sie gerade
das Wesentliche übersehen haben, obgleich doch viele von ihnen
mit dem dringenden Wunsche an die Sache herangingen, den Trick
zu entlarven. Das erklärt sich jedoch daraus, dass die Meisten
unvorbereitet an die Sache herangehen. Als ich Reese zum
erstenmal sab, hatte ich von der Literatur über ihn noch gar
keine Kenntnis und wusste nichts von seiner Arbeitsmethode; ich
hatte zwar verschlossene und versiegelte Kuverts mitgebracht,
welche die Zettel enthielten aber das lehnte Reese natürlich ab.
Er wusste wobl, warum. So gelang es ihm dann mühelos, seinen
gewohnten Trick auszuführen, erst hinterher fielen mir die Einzel¬
heiten auf, die ich aber erst verstand, als ich von Herrn Professor
Dessoir erfuhr, Reese selbst habe einmal gesagt, er substituiere
dW ^clTbalte es danach für ganz selbstverständlich, dass man
unvorbereitet nicht leicht in der Lage ist, den Trick au durch¬
schallen Dass es jedoch Menschen gibt, die in mehreren Sitzungen
bei der typischen Wiederholung der Einzelheiten des Experiments
nicht stutzig werden, das ist freilich ein Beweis von sehr geringer
.in ffanz wortgetreu; nur den Namen meiner Mutter las er nicht ganz
richtig Von Gedankenlesen hätte also ebensowenig die Rede sein koimen
Suggestion Es blieb nur Hellsehen oder ein Trick. Ich werde
Z Einzelheiten°bei Gelegenheit einer Kritik der Schottelius’schen
Mitteilungen zurückkommen.
Beobachtungsgabe. Wer möchte sich jedoch darüber verwundern?
Ist doch die Tatsache durch Massenexperimente oft genug, z. B.
im juristischen Seminar in Berlin, erwiesen, dass nur einzelne
Ausnahmen unter den Menschen in der Lage sind, einen Vorgang
wahrheitsgetreu wiederzugeben, wie er sich zugetragen hat. ln
diesem Falle kommt hinzu, dass der Vorgang, wie gesagt, der-
maassen überraschend wirkt, dass man weder vor lauter Staunen
kühl genug beobachtet, noch dazu Zeit findet. Ich batte mir
sofort nach der Sitzung alle Einzelheiten aufgescbrieben, so dass
ich nachträglich in der Lage war, sie zu prüfen und zu verstehen.
Nun noch einige Daten zur Kennzeichnung unseres Heros;
relata refero:
Schon als junger Mann wegen seiner Schwindeleien von seiner
achtbaren Familie nach Amerika exportiert, hatte er das Glück,
als Handlanger eines Taschenspielers und „Wahrsagers“ dessen
Frau zu entführen, der er das grosse Geschäftsgeheimnis seines
Vorgängers und Prinzipals entlockte nämlich seinen Trick des
Zettellesens. Also nicht einmal die Idee des Tricks stammt aus
seinem eigenen Kopf, sondern auch die ist von ihm erschwindelt
worden. Dass er die Frau nachher verlassen hat, tut für uns
nichts zur Sache.
Auffällig ist nur, dass ebenfalls ein in früher Jugend nach
Amerika verschickter Mann genau denselben Trick erlernt hat
Ludwig Kahn, auch Professor Akldar genannt, 41 Jahre alt
(Wohnsitz „New-York, Paris, London“), hat in Deutschland das
Gericht beschäftigt wegen verschiedener Betrügereien und wurde
im Gefängnis und in der psychiatrischen Klinik zu Freiburg mit
dem obenerwähnten Resultat untersucht. Ludwig Kahn ist weniger
gerissen und wenn möglich noch ungebildeter als Bert Reese,
aber sie haben zweifellos nicht nur die gleiche Schule durebge-
macht im Erlernen ihres Tricks (Kahn will von einem ameri¬
kanischen „Professor“ angelernt sein), sondern sie haben auch
wesensverwandte Züge. Aeusserlich sehr unähnlich, haben sie
beide die gleiche Eigentümlichkeit, zu lügen und zu renommieren,
so oft sie den Mund öffneu, und sich mit Biederkeit zu schmücken.
Reese hat freilich eine auffallend hässliche Galgenpbysiognomie,
Kabn dagegen ist ein schöner Mann, dessen Augen nur ab und
zu lauernd und spitzbübisch dreinschauen, während er ihnen sonst
einen treuherzigen Ausdruck zu geben versteht. Kahn ist nicht
ganz ohne Sentimentalität, während Reese diese nur zuweilen
simuliert. Beide sind in der Kunst der Verstellung meisterlich
geübt; das gehört zum Handwerk. Beide sind Spielernatnren,
beide haben sich in der Erwerbung von Menschenkenntnis bewusst
geübt. Kahn bat weniger Uebung und zieht daher vor, seinen
Trick nur in Gegenwart eines einzigen Menschen vorzuführeo.
Auch er lässt sich den ersten Zettel an die Stirn führen oder
führt ihn selber an seine Stirn, um ihn zu vertauschen; gelegent¬
lich verschafft er sich ihn auch scheinbar ohne dieses, soweit man
aus den Angaben der Voruntersucher etwas entnehmen kann. In
der Gefangenschaft gelang das Kunststück nicht immer, entweder
weil er kein Papier zum Austausch besass, oder wenn er befürchten
musste, dass die öftere Wiederholung des Tricks vor demselben
Gutachter zur Entdeckung führen könne. Er schützte dann In¬
disposition vor.
Sonst gelang es ihm angeblich stets gleich gat ausnahmslos
bei allen Menschen. Auch er betreibt das Geschäft schon über
20 Jahre. In gleicher Weise nutzen beide „Hellseher“ das Staunen
und Grauen ihrer Opfer aus, um ihnen aus Vergangenheit und
Zukunft zu wahrsagen. Diese „Professoren“ werden zu „Propheten ,
mit denen ein Journalist Reese wirklich verglichen hat, und finden
dadurch leider viele Gläubige und Gläubiger. Die Opfer des
Schwindels werden so kopflos, dass sie fortan die lächerlichsten
und einfachsten Dinge von der Welt als Ausfluss einer Wunder¬
gabe betrachten. Das Staunen nimmt kein Ende, denn Reese
sieht durch die Kleider der Damen hindurch Schnürsenkel am
Korsett oder Leberflecke an der Hüfte und sagt einem Herrn au
den Kopf zu, er sei dann und dann vorbestraft worden; als 0
es keine Schlüssellöcher, bestechliche Kammerjungfern und us
kunfteien gäbe. Wer will sich über die Machenschaften eine
notorischen Schwindlers wundern? Die Wahrsagungen sin gro
Plattheiten und treffen meistens nicht zu; unter 1000 Losen •
regt aber ein Treffer bekanntlich mehr Aufsehen, als 99 >
und so wundern sich sogar diese Leute, wenn Reese e,n H t
vorher richtig als Gewinner bezeichnet; nebenbei eine P
beschäftigung Kahn’s, der ausgedehnte Beziehungen zu de
büreaus unterhält.
Reese’s Prophezeiungen sind stereotyp; mf
einen glücklichsten Tag des Lebens in ein bis
ist prophezeit er
zwei Jahren oder
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Gck igle
Original
UNIVERSITT OF IOWA
10. Aognst 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1523
einen besonderen Erfolg; auch ein Missgeschick an einem be¬
stimmten Tag, wenn man eine Wagenfahrt macht, zu der man
eingeladen wird. Er verfehlt aber nicht, vor der Fahrt zu warnen,
damit das Unglück nicht eintrifft. Gute Freunde von mir haben
sich bereits verabredet, mich an dem betreffenden Tage einzu¬
laden. Ferner schreibt er auf ein Blatt Papier, wieviel Kinder
die Mutter batte und das wievielte von ihnen man selbst ist.
Bevor Reese das Blatt überreicht, fragt er jedoch: „Wieviel Kinder
batte Ihre Mutter und das wievielte sind Sie?“ Ohne diese Fragen
gelingt der Schwindel nicht, denn er schreibt die Zahlen, die man
richtig oder falsch angibt, unglaublich schnell in die dafür frei-
gelassenen Stellen seines Zettels. Dass die Zahlen dabei etwas
zu gross oder schief geraten, stört bei seiner schwindelhaften
Handschrift nicht sehr.
Die Prophezeiungen bewegen sich im übrigen auf dem
dürftigsten Niveau allgemeiner Schicksalsmöglicbkeiten, trotzdem
erregt gelegentliches Eintreffen, auch wenn es nur ungefähr
stimmt, stets das gebührende Aufsehen der Beteiligten.
Es würde sich wirklich nicht lohnen, diese Dinge ausführlich
zu erwähnen, wenn sie nicht von so bedeutsamem allgemeinstem
psychologischem Interesse für die gläubigen Opfer wären, und
wenn sich nicht im besonderen die Lehre daraus ziehen liesse,
den „übernatürlichen“ Gaben seiner Mitmenschen ebenso wie ihrer
Beobachtungsfähigkeit unter allen Umständen mit dem grössten
Misstrauen zu begegnen; man hat die Wahl zwischen bewusstem
und unbewusstem Schwiudel.
Man kennt jetzt also den Trick des Hellsehens; es gehört
dazu eine geschickte Hand, ein schnelles Auge und Licht, denn
im Dunkeln geht es nicht. Die Probe auf das Exempel jeder
Art von Hellsehen und Gedankenlesen beruht im Prinzip auf dem
Ausschluss aller Sinneseindrücke. Die Durchführung der hierzu
nötigen Maassregeln ist bewussten und unbewussten Schwindlern
gegenüber gleich schwierig. Im Falle Reese-Kahn ist es leicht;
die Dunkelheit allein genügt, um ihren Trick unmöglich zu
machen, und wenn sie sich mit Ausflüchten dagegen sträuben, so
ist doch das mindeste Verlangen, dass man strengstens eine Be¬
rührung der Zettel oder auch nur der Hand des Opfers durch
den Hellseher untersagt und auf diesen Punkt das Augenmerk
dauernd richtet oder durch einen Dritten richten lässt. Ferner
kann man die Zettel zusammenkleben oder in undurchsichtige
und nicht ohne Gewalt eröffenbare Umschläge scbliessen oder
wechselnde Papierfarben nehmen, die der „Hellseher“ nicht kennt.
Man kann auch die Zettel von aussen nummerieren oder mit
besonderen Zeichen versehen, oder man kann die Zettel so halten
oder so verstecken, dass man weiss, welche Inschrift er trägt,
um das Austauschen zu verhindern, letzteres insbesondere bei
dem Verbrennungstrick.
Wer sich den Experimentbedingungen der Humbugprofessoren
unbedingt beugt, erfährt selbstversändlich unfehlbare Täuschung.
Es werden natürlich die Freiburger Herren behaupten, Kahn
tausche die Zettel nicht aus, das würden sie bemerkt haben; sie
mögen sich tfösten, tausend andere, darunter sehr berühmte
Männer haben es bei Reese auch nicht bemerkt. Jedenfalls lehne
ich eine Diskussion mit der Begründung ab, dass sie das nach¬
träglich unmöglich wissen können und verlange von ihnen, dafür
Sorge zu tragen, dass Kahn vor Unparteiischen, unter Anwendung
der von mir angegebenen Vorsichtsmaa^sregeln, Proben seiner
Kunst gebe. Ich prophezeie jedoch, dass Kahn sich der Unter¬
suchung entziehen wird.
Nach allen äusseren und inneren Anzeichen haben nach
meiner Ueberzeugung Reese und Kabn die gleiche Schule des
Schwindels summa cum laude absolviert.
Die weiteren Lehren ergeben sich von selbst; wenn scheinbar
ungewöhnlich gut beglaubigte Fälle ausserordentlicher „Tatsachen“
wie im Fall Kahn sich als so einfacher Schwindel aufklären, was
hat man dann von den zahllosen Angaben und Zeugnissen der
Laien über andere Wunderdinge zu halten? Nichts oder weniger
als nichts! Einer ernsthaften Prüfung halten sie nicht stand.
Aerzte sind nicht die berufenen Sachverständigen in Fragen der
Taschenspielerkünste; dazu sollte das Gericht Leute von Profession
bestellen, und die Aerzte sollten sich für inkompetent erklären.
Ich komme auf die im Eingang berührten Aeussernngen
Surya’8 znrück, der unter Berufung auf v. Schrenck-Notzing
eine Revision unserer Weltanschauung verlangt. Wenn jeder
Schwindler berufen wäre, unsere Weltanschauung zu beeinflussen,
so lange er als Schwindler nicht entlarvt ist, dann müsste man
seine Weltanschauung öfter wechseln als seine Kleider.
Ich weiss zwar nicht, was Paetzold leistet, von dem Surya
erzählt, seine Gabe als Hellseher sei vom Gerichte in Elberfeld,
der Stadt der klugen Pferde, anerkannt; wenn letzteres jedoch
der Fall sein sollte, so würde ich es lieber als einen bösen
Justizirrtum zu betrachten vorziehen, als ihm eine Revision meiner
Weltanschauung zuzubilligen, obgleich ich sie vor unleugbaren
„Tatsachen“ schmerzlos opfern würde.
Weltanschauung ist unter allen Umständen Glaubenssache.
Soweit sich jedoch die Weltanschauung auf sogenannte „Tat¬
sachen“ bezieht, sollte man stets abwarten, bis sich die „Tat¬
sachen“ einer dauernden Anerkennung erfreuen, also möglichst
lange. Das ist die Lehre des Falles Reese-Kahn für die Okkultisten
und Mystiker, die gerne Mitteilungen mit „Tatsachen“ verwechseln
und danach schreien, die Wissenschaft solle ihnen auf ihrem
Gebiet Folge oder Vorspann leisten.
Okkultismus, als Wortbildung unsinnig, besagt das Gegenteil
von dem, was es sagen will. Ist das nicht unfreiwillig bezeichnend?
Alle Dinge, die wir nicht kennen, sind dunkel; sie aufzuklären
ist in der Tat Sache der Wissenschaft. Schöpfungen der Phantasie
und der Urteilslosigkeit als Tatsachen hinzustellen, ist wirklich
Okkultismus. Mehr Kritik und weniger Glauben, das ist die
Tagesförderung der Wissenschaft.
Der Fall Reese und der Fall Kahn hören somit auf, die
Wissenschaft anzugehen; es gibt dafür nur ein kriminalistisches
Forum.
BQcherbesprechungen.
6. Schmort: Die pathologisch-histologischen Untersnchnngsmethoden.
7, neubearbeitete Auflage. Leipzig 1914, Vogel. 430 Seiten.
Preis 10 M.
Die schnelle Aufeinanderfolge der Auflagen zeigt, welch grosser
Beliebtheit sich das vortreffliche Buch erfreut. Schon fängst ist es allen
pathologisch-anatomisch Arbeitenden ein unentbehrlicher und stets zu¬
verlässiger Ratgeber geworden, der in keinem Laboratorium fehlen sollte.
Nur wirklich brauchbare und wertvolle Methoden sind in das Buch auf-
genommeo, übersichtlich dargestellt und durch praktische Winke viel¬
fach ergänzt. In der neuen Auflage haben namentlich die Kapitel über
die Celloidincinbettung, den Nachweis der Pigmente und die Oxydase-
reaktion eine Umarbeitung erfahren, während ein Abschnitt über vitale
Färbung neu hinzugekommen ist und auch die Literaturangaben reicher
geworden sind. Hart-Berlin.
Wolff und Mnlzer: Lehrbnch der Hant- and Oeschlechtskrank-
heiten. 2. Aufl. Stuttgart 1914, Ferdinand Enke. Preis 16 M.
Das vorliegende Lehrbuch hat in seiner zweiten Auflage gegenüber
der vor über 20 Jahren erschienenen ersten Auflage eine gründliche
Neubearbeitung erfahren müssen, die weniger die klinischen Bilder als
vielmehr die Aetiologie und Therapie besonders der Syphilis und be¬
züglich der Behandlung auch der Gonorrhöe betreffen. Die Darstellung
ist überall eine sehr eingehende, zum Teil über den Rahmen der ge¬
wöhnlichen Lehrbücher hinausgehende, speziell das Kapitel der Syphilis
ist auf einen Raum von ca. 400 Seiten abgehandelt. Es sind dement¬
sprechend überall die neuesten Erfahrungen gewürdigt und kritisch
beleuchtet. In der Beurteilung des Salvarsans und besonders des Neo-
salvarsans nehmen die Verff. ihreu bekannten, zum Teil ablehnenden,
aber sicherlich nicht von allen geteilten Standpunkt ein. Die Darstellung
ist überall sehr klar, eine grössere Anzahl schwarzer Bilder und zwei
farbige Tafeln sind dem Text beigegeben. Das Lehrbuch wird sich
sicherlich, besonders durch die Reichhaltigkeit seines Inhalts auch in
dieser seiner neuen Form wieder viel Freunde erwerben.
Uhlenhnth und Mälzer: Atlas der experimentellen Kaninchen-
Syphilis. Berlin 1914, Jul. Springer. Preis 28 M.
In dem vorliegenden Atlas bringen die Verff. ihre dem Inhalt nach
zum grossen Teil schon in verschiedenen Veröffentlichungen mitgeteilten,
sehr wertvollen Arbeiten über Kaninchensyphilis in bildlicher Dar¬
stellung. Sie geben hier ein vollständiges Bild der Kaninchensyphilis
mit allen Einzelheiteu, mit Recht geben sie auch noch einmal eine ge¬
naue Technik der Impfung in allen einzelnen Phasen wieder, denn die
Infektion gelingt nur bei sorgfältig ausgeführter Technik, dann erst
kann die Kaninchenimpfung in der Tat die Inokulationen an dem viel
schwieriger zu behandelnden und viel kostspieligeren Affenmateri&l er¬
setzen. Dargestellt sind zunächst die Syphilisübertragungen auf das
Kaninchenauge, dann in zahlreichen Abbildungen die Hodenimpfungen.
Es folgen die Allgemeinsymptome der Lues beim Kaninchen und die
histologischen Bilder der syphilitischen Krankheitsprozesse, dann die
syphilitischen Manifestationen bei niederen Affen, die mit Kaninchen-
syphilis geimpft wurden. Die Darstellung der ausgedehnten experimen¬
tellen Arbeiten Ublenbuth’s über die Chemotherapie der Spirochätosen,
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1624
BERLINER KLINISCHE WOCH ENSCHRIFT.
über die Schutz- und Heilwirkung des Atoxyls, des atoxylsauren Queck¬
silbers, des Salvarsans an Hühnern und Kaninchen bildet den Schluss
des Werkes. Ein grosses und ausserordentlich bedeutungsvolles Arbeits¬
gebiet, dem wir sehr wertvolle Bereicherungen unserer Kenntnis der
Syphilispathologie und -therapie verdanken, ist hier noch einmal zu¬
sammenfassend, in ausgezeichneten, meist farbigen Abbildungen dar¬
gestellt, vor dem Leser aufgerollt. C. Bruhns - Berlin.
Lander Brnnton: Tberapenties of the cirenlation. Zweite Auflage.
536 Seiten mit Abbildungen. London 1914, John Murray. Preis
5 Sh.
Lauder Brunton’s Werk über die Therapie der Circulations-
störungen, das trotz seinem Umfang von 536 Seiten in einem handlichen
Bändchen in zweiter Auflage vorliegt, unterscheidet sich inhaltlich von
ähnlichen Werken recht erheblich. Der Grundzug des Werkes ist in
einem sehr treffenden Vergleich im Vorwort gegeben: „Sehr schnell“,
heisst es da, „ist beim Bau einer Brücke der Schlussstein, der die Brücke
erst gangbar macht, eingefügt, aber lange Zeit braucht der Bau der
Pfeiler, auf denen die Brüoke ruht.“ So sehen wir in dem Werke die
Grundpfeiler jeder rationellen Herztherapie: die genaue Kenntnis der
Herztätigkeit in gesundem und krankem Zustande und unter der Ein¬
wirkung von Medikamenten in höchst anschaulicher Weise dargestellt.
Durch zahlreiche Kurven und einfache Zeichnungen ist der Text wirksam
unterstützt. Für eine solche Art der Darstellung ist wohl niemand be¬
rufener gewesen als Lauder Brunton, vor beinahe einem halben
Jahrhundert in Ludwig’s Laboratorium gelbst Mitbegründer der ex¬
perimentellen Aera in der Erforschung des Circulationssystems.
Dass dieser Gelehrte trotz einer immensen Praxis und einer jahr¬
zehntelangen Lehrtätigkeit den Fortschritt seines Spezialgebietes bis in
die neueste Zeit verfolgt und durch eigene Experimente stets weiter
ausgebaut hat, davon legt das vorliegende Werk Zeugnis ab. Physio¬
logie, Pharmakologie, reiche klinische Erfahrung sind hier zu einem
Ganzen verschmolzen und in 19 Kapiteln zu einer Darstellung gebracht,
deren Lektüre ein wirklicher Genuss ist. Fleischmann.
Frann Kttlbs: Das Reizleitongssystem im Herzen. Berlin 1913,
J. Springer. Preis 2 M.
Der Verf., dem wir wertvolle Beiträge zur Kenntnis des Atrio¬
ventrikularsystems bei niederen Wirbeltieren verdanken, gibt in der
vorliegenden Broschüre einen kurzen klaren Ueberblick über das anato¬
mische Verhalten des Systems in den verschiedenen Wirbeltierklassen,
über seine Funktionen und seine Pathologie. Eine Anzahl, zum Teil
bunter Abbildungen soll die Anschaulichkeit der Beschreibung erhöhen.
Da der Ueberblick offenbar dazu bestimmt ist, den Praktiker in die
neueren Forschungsergebnisse einzuführen, wären Abbildungen, die das
Verhalten des Systems im normalen und pathologischen menschlichen
Herzen darstellen, nach Ansicht des Referenten zweckdienlicher ge¬
wesen, als solche von offenbar sehr schönen Modellen niederer Wirbel¬
tierherzen. Ziemlich zahlreiche Druckfehler bei den im Text angeführten
Autornamen hätten sich vermeiden lassen.
J. G. Mönckeberg - Düsseldorf.
Karl Pearson and Gustav A. Jaederholm: Mendelism and the pro-
Wem of mental defekt. II. On tbe continuity of mental defeet.
47 S. London 1914, Dulan and Co.
Die vorliegenden Untersuchungen präzisieren im Gegensatz zu be¬
sonders in Amerika geäusserten Anschauungen den Standpunkt, dass
normale Intelligenz und geistige Schwäche nicht durch eine sobarfe
Grenze getrennt sind. Vielmehr verläuft eine kontinuierliche Linie von
höchsten geistigen Qualitäten bis zu offenkundig hervortretenden Defekten.
Nicht statthaft ist es, zu sagen, dass volle geistige Wirksamkeit durch
eine bestimmte „Determinante“ ermöglicht wird, bei deren Fehlen
geistige Schwäche zutage treten müsste. An der Kontinuität der
geistigen Arbeitsleistungen muss festgehalten werden.
Der Kliniker, der psychische Anomalien in allen möglichen Ab¬
stufungen beobachtet Und hierbei nicht so sehr die trennenden Schranken,
wie vielmehr die mannigfachen Zusammenhänge der einzelnen Bilder
sich einprägt, wird den Thesen der beiden Autoren in vollem Umfange
zustimmen. A. Münzer.
Literatur-Auszfige.
Physiologie.
S. Kostytschew und W. Brilliant: Die Synthese stickstoff¬
haltiger Stoffe im Macerationshefensaft. (Zschr, f. physiol. Chemie,
Bd. 91, H. 5, S. 372.) Der Macerationshefensaft enthält immer eine be¬
trächtliche Menge von Eiweissstoffen und die Endotryptase. Bei der
Autolyse des Saftes werden zunächst die Eiweissstoffe zerlegt. Dann
aber spielen sich bei längerer Dauer der Autolyse synthetische Vorgänge
ab. Es findet eine Zunahme des nach der Stützer’schen Methode mit
Kupferbydroxyd fällbaren Stickstoffs statt. In günstigen Fällen erreicht
Nr. 32.
die Zunahme des „Proteinstoffs“ 16 pCt. der im frischen Saft vor der
Autolyse enthaltenen Mengen.
G. Chr. Hirsch: Zur Kritik der Seidenpeptonmethode und der
intracellnlären Protease. (Zschr. f. physiol Chemie, Bd. 91, H. 1 u. 2,
S. 78.) Die Seidenpeptonmethode wurde in der Weise ausgeführt, dass
der zu untersuchende Gewebsteil auf einen Objektträger ausgebreitet,
dann mit 3—5 Tropfen Peptonlösung und einem Tropfen Toluol be¬
schickt und in eine feuchte Kammer bei Zimmertemperatur gebracht
wurde. Nach 18—19 Stunden hatten sich Tyrosinkristalle abgeschieden.
Diese Methode ist für den Nachweis einer intracellulären oder Gewebs-
protease sehr gut brauchbar.
E. Abderhalden und H. Strauss: Beitrag zur Kenntnis des Um¬
fanges der Hippnrsänrebildnng im Organismus des Schweines. (Zschr.
f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, H. 1 u. 2, S. 81.) Durch Fütterung von
benzoesaurem Natrium wurde eine möglichst hohe Ausscheidung von
Hippursäure bewirkt. Die Menge der ausgesohiedenen Hippursäure
konnte noch erheblich gesteigert werden durch Zugabe von Glykokoll,
Bei gleichzeitiger Verfütterung von Alanin wurde diese Wirkung nicht
erzielt. Zusatz von Ammoncarbonat zu Natriumbenzoat bewirkte ein
rasches Abfallen der Hippursäurebildung.
S. J. Thannhauser: Experimentelle Studien über den Nnelein-
Stoffwechsel. I. Mitteilung. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, H. 5,
S. 329.) Verf. liess menschlichen Duodenalsaft 3 Tage auf Hefenuclein-
säure ein wirken und konnte aus dem Verdauungsgemisoh eine Substanz
isolieren, die nach den erhaltenen analytischen Daten noch ein Poly-
nucleotid ist und sich nur um einen Phosphorsäurezuckerkomplei von
der ursprünglichen Nucleinsäure unterscheidet. Die Substanz kristalli¬
siert nicht, gibt aber ein schön kristallisierendes Brucins&lz und dreht
im Gegensatz zur Nucleinsäure nach links (—19,6°). Bei der ammonia-
kalischen Hydrolyse im Autoklaven konnten Guanosin, Adenosin und
Cystidin isoliert werden.
S. J. Thannhauser und A. Bommes: Experimentelle Studien
über den Nneleiostoffweehsel. II. Mitteilung. Stoffwecbselversuche mit
Adenosin and Gnanosin. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, H. 5,
S. 336.) Die Injektion von Guanosin oder Adenosin führt beim Kanin¬
chen zu einer Vermehrung der Allantoinausscheidung um das Doppelte
gegenüber den Vortagen. Der gesunde Mensch scheidet nach Injektion
von 1 g Guanosin oder Adenosin 0,4—0,5 g mehr Harnsäure aus als an
den Vortagen. Der schwer Gichtkranke dagegen zeigt keine Vermehrung
der Harnsäureausscheidung, der leicht Gichtkranke eine verzögerte Harn-
säuremehraussebeidung. Dagegen ist der Harnsäuregehalt des Blutes
bei den Gichtkranken nach der Injektion höher als vor der Injektion.
Von vier Gichtkranken bekamen drei nach der Injektion einen Gicht¬
anfall.
F. Blum und R. Grütznerj Studien zur Physiologie der Schild¬
drüse. IV. Mitteilung. Schicksal des Jods in der Schilddrüse. (Zschr.
f. physiol. Chemie, Bd. 91, H. 5, S. 400.) Der bei weitem grösste Teil
des Jods der Schilddrüse befindet sich in fester Eiweissbindung. Da¬
neben findet sich ein kleiner Anteil von in Aceton löslicher Jodsubstanz.
Ein Teil hiervon konnte als Jodkali erwiesen werden. Dieses Jodkali
fand sich unabhängig von einer etwaigen Verfütterung von Jodkali auch
bei solchen Tieren, die nur mit Milch, Reis oder Fleisch ernährt waren.
Eine Regelmässigkeit des Jodgehalts der Schilddrüse ist nach den bis¬
herigen Erfahrungen mindestens bei Hunden nicht vorhanden. Hingegen
findet bei Einnahme von Jodkali eine beträchtliche Vermehrung des
Fortbestandes der Drüse statt. Bei dieser Anreioherung erfolgt eine
Umwandlung von vorher anorganischem in organisch gebundenes Jod.
Dieser Prozess ist für die Schilddrüse spezifisch. Der Jodeiweisskörper
der Schilddrüse (Thyreoglobulin) hat eineD inkonstanten Jodgehalt. Der¬
selbe wird nachweisbar vermehrt nach Eingabe von Jodkali. Bei Weg¬
nahme einer Schilddrüse und Eingabe von Jodkali vermehrt sich die
Menge und der Jodgehalt des Thyreoglobulins der stehengebliebenen
Drüse. Bei ausbleibender Jodzufuhr bewahrt die Schilddrüse ihren Fort¬
bestand. — Diese Befunde sprechen nicht zugunsten einer inneren
Sekretion eines Jodeiweisskörpers durch die Schilddrüse; wohl aber
stützen sie die Lehre von der intraglandulären Entgiftung der Thy¬
reoidea, wobei dem nachgewiesenen Jodstoffwechsel eine wichtige Rolle
zukommt.
F. Blum und R. Grützner: Studien zur Physiologie der Schild¬
drüse. V. Mitteilung. Kommt Jod im Blat vor? (Zschr. f. pbysiol.
Chemie, Bd. 91, H. 6, S. 450.) Ein Vorkommen von Jod im kreisenden
Blut darf nur dann auf thyreogenen Ursprung zurüokgeführt werden,
wenn das Halogen in organischer Eiweissbindung nachgewiesen wird.
Solch organisch gebundenes Jod ist niemals im normalen Blut gefunden
worden, ln anorganischer Bindung befindliches Jod stammt aus der
Nahrung und bedeutet nur einen vorübergehenden zufälligen Befund.
Jodfrei ernährte Tiere, deren Schilddrüsen jodreich sind, haben in ihrem
Blut auch kein anorganisches Jod. In bestimmten pathologischen Zuständen
(Eklampsie, Hirntumor) enthält das menschliche Blut in einem gewissen
Prozentsatz der Fälle kleinste Mengen organisch gebundenen Jods von
wahrscheinlich thyreogener Herkunft.
J. Lifschütz: Der Abbau des Cholesterins in den tierischen
Organen. VI. Mitteilung. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 91, H. 5,
S. 309.) Das Cholesterin wird im tierischen Organismus zunächst ver¬
wandelt in das wesentlich reaktionsfähigere und dem weiteren Abbau
zugänglichere Oxycholesterin. Dieses ist gekennzeichnet durch seine
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W¥ERSlT¥-QflOWJ
10. Angü8t 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1625
spezifische Färb- und Spektralreaktion in EisessiglösuDg mit kon¬
zentrierter Schwefelsäure) und mit dieser sehr empfindlichen Reaktion
lässt sich das Oxycholesterin in fast allen tierischen Organen und Ge¬
weben neben dem Cholesterin leicht nachweisen. Es findet sich am
reichlichsten im unverseifbaren Anteil des Blutfettes, am spärlichsten in
der Leber, Das Unverseifbare des Leberfettes besteht jedoch noch zur
Hälfte aus Cholesterin und zur anderen Hälfte aus den sogenannten
Niohtcholesterinen, deren Natur noch völlig unbekannt ist. Man weiss
nur, dass sie Cbolesterinabkömmlinge sind, da sich auch bei ihnen durch
Oxydation die Essigschwefelsäurereaktion hervorrufen lässt. Wahrschein¬
lich dienen sie als Bausteine für die N-freie Komponente der Gallen-
säurepaarlinge. Denn auch die Gallensaure und die Galle selbst geben
die Essigschwefelsäurereaktion.
L. Martinotti: Ueber eine neue Reaktion der Fette (Chrom*
chrygoidinreaktion). Ueber die Fettkörper des Hautgewebes im all¬
gemeinen. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 91, H. 6, S. 425.) Eine den
Aminoazoverbindungen angehörige Gruppe von Farbstoffen hat die Eigen¬
schaft, Fette zu fixieren und bei Gegenwart eines Oxydationsmittels un¬
löslich zu machen. Das Prototyp dieser Körper ist das Chrysoidin
(m-Diamidoazobenzolchlorhydrat), und als Oxydationsmittel sind am
besten verwendbar Chromsäure und die Bichromate. Mittels dieser
Reaktion lässt sich die Anwesenheit von Fettkörpern in der mensch¬
lichen Epidermis, namentlich im Keratohyalin, Eleidin und den Eleidin¬
abkömmlingen der Nägel und Haare nachweisen. Dadurch wird zugleich
im Gegensatz zur bisherigen Auffassung die grosse Bedeutung, welche
den Fetten im Verhornungsprozess, namentlich der Hautanhänge, zu-
kommfc, demonstriert. Wahrscheinlich sind es die Fettsäuren, Neutral¬
fette und FetteiweissverbinduDgen, welche die Chromchrysoidinreaktion
geben.
G. Embden und W. Griesbach: Ueber Milchoänre- and Zacker-
kilding in der isolierten Leber. (Zschr. f. pbysiol. Chemie, Bd. 91,
H. 4, S. 251.) Bei der Durchblutung glykogenarmer Hundelebern be¬
wirkte Zusatz von d-Sorbose zur Durchströmungsflüssigkeit in einem Falle
d-Milcbsäurebildung, in zwei anderen Versuchen nicht. Die künstlich
durchblutete Leber phloridzinvergifteter Tiere kann d-Sorbose in d-Glu-
kose umw&ndeln. Der Chemismus des Ueberganges von d-Sorbose in
d-Glukose ist nicht aufgeklärt und ohne unmittelbare chemische Ana¬
logie. Es wäre denkbar, dass d-Sorbose zunächst in d-Sorbit übergebt.
Jedenfalls bildet d-Sorbit bei der künstlichen Durcbströmung der Hunger¬
leber sehr reichlich d-Milchsäure und geht in der künstlich durch¬
strömten Phloridzinleber in Zucker, und zwar in ein Gemenge von
d-Lavulose und d-Glukose über. Im Gegensatz zum d-Sorbit ist d-Mannit
nicht imstande, in der isolierten Leber Zucker oder Milchsäure zu
bilden. Ebenso sind auch Dulzit und Inosit auf die Kurve der Zucker¬
bildung in der künstlich durchströmten Phloridzinleber ohne Einfluss.
E. Hirsch und H. Reinbaob: Ueber psychische Hyperglykämie
■■4 Nnrkosehyperglykämie beim Hund. (Zschr. f. pbysiol. Chemie,
Bd. 91, H. 4, S. 292.) Der normale Blutzuckergehalt des Hundes
schwankt zwischen 0,08 und 0,12 pCt.; ein höherer Blutzuckergehalt als
0,12 pCt. muss als hyperglykämisch angesehen werden. Der Blutzucker¬
spiegel des Hundes unterliegt im allgemeinen bedeutend geringeren
Schwankungen als der des Kaninchens. Dauernde psychische Erregungen,
hervorgerufen durch Fesselung, Freilegung von Gefässen verursachen eine
Hyperglykämie. Die Narkotika Morphium, Aether, Chloroform üben eine
gleichmässig steigernde Wirkung auf den Blutzucker aus. Die Steige¬
rung des Blutzuckergehalts sowohl bei gefesselten wie bei gefesselten
und narkotisierten Hunden ist mit einem Temperaturabfall verbunden.
Wohlgemuth.
A. Fröhlich und L. Pol lack-Wien: Ueber Znckermobilisiernng
io der überlebenden Kaltbliiterleber. (Arcb. f. exper. Path. u. Pharm.,
1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Versuch an mit Riügerlösung durchströmten
Froschlebern, ob bestimmte Substanzen in der Leber aus Glykogen
Zuoker frei machen. Die interessanten Ergebnisse und Folgerungen
müssen im Original gelesen werden. Für eine gaüze Reibe chemisch
verschiedener Stoffe, wie z. B. Adrenalin, Uransalze, Ketonsäuren, Aether,
Hypophysensubstanzen, wird festgestellt, dass sie aus der Leber Zucker
mobilisieren, und zwar stammt dieser Zucker mit hoher Wahrscheinlich-
keit aus intracellulär abgebautem Glykogen. Der Angriffspunkt wird
für Adrenalin und Brenztraubensäure an den sympathischen Endungen
aer Lebernerven gesucht, wobei für letztere Substanz der direkte Ueber-
^ u ^ ose a,s wahrscheinlich bingestellt wird. Ergotoxin hemmt
am Wirkung von Adrenalin und Brenztraubensäure, dagegen nicht die
von Hypophysensubstanzen, die also einen anderen Angriffspunkt haben
müssen.
• UD( * L. Pollack-Wien: Steigerung der Znckerbildnng
in der Senildkrätenleber als Folge der Pankreasexstirpation. (Arch.
exper. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) In gleicher Weise wie
* der vorstehenden Arbeit werden Schildkrötenlebern durchströmt;
Adrenalin mobilisiert hier kaum Zucker, bei pankreaslosen Tieren da¬
gegen eher. Es scheint, dass die Reizschwelle der Leberzellen für
uckermobilisation hier allgemein nach unten verschoben ist.
P‘? reun< ^ E. Schlagintweit-Heidelberg: Ueber die Wfirme-
Bd 77 n* eir ® r ^^ p ^ r Tiere. (Arob. f. exper. Path. u. Pharm., 1914,
^ 'L “■ 5 u. 4.) Nach bisherigen Anschauungen ist der Hauptfaktor
er chemisohen Wärmeregulation verstärkte Zersetzung in den Muskeln.
a gegen sprachen schon Versnobe von Frank und Voit und jetzt die
der Verff. Curarisierte Kaninchen, die durch die Tracheotomiekanüle
mit feuchter erwärmter Luft ventiliert wurden, halten ihre Körper¬
temperatur innerhalb bestimmter Grenzen normal und können fiebern.
Es kann also die chemische Wärmeregulation auch ohne motorische
Muskelinnervation arbeiten.
H. B äumer - Halle: Ein Beitrag zur Chemie der Lipoidsubstanxen
in den Nebennieren. (Arch. f. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.)
Nächst dem Centralnervensystem ist die Nebennierenrinde besonders
reich an Lipoidsubstanzen. Es werden aus Ochsen- und Hammelneben¬
nieren eine Reihe von Phosphatidgruppen isoliert und eine zweite,
jekorinartige Substanz gefunden. Cholesterin kam meist frei vor. Die
Cholesterinester des Serums haben offenbar keine Beziehung zu denen
der Nebennieren. Letztere können überschüssige Cholesterinmengen
aufspeichern. Die Nebennieren sind reich an freien Fettsäuren.
Wirth.
Pharmakologie.
O. Gross - Leipzig: Ueber die letale Dosis des Cnrarin für das
Kaninchen bei intravenöser oder coujunctivaler Applikation. (Arcb. f.
exper. Patb. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Dosis minima letalis
des Curarin für Kaninchen bei intravenöser Gabe 0,13 bis 0,14 mg
pro Kilo, bei conjunctivaler Darreichung je nach Konzentration der
Lösung.
R. Kuenzer - Freiburg i. B.: Ueber Resorption und Ausscheidung
von Strychnin nach parenteraler Einverleibung der Strychninbase
beim Meerschweinchen. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77,
H. 3 u. 4.) Strychninb&sen, die fast wasserunlöslich sind, haben nach
subcutaner Injektion am Meerschweinchen keine Giftwirknng, werden
langsam resorbiert und durch Nieren und Darm ausgeschieden. Ein
Teil scheint im Organismus zerstört zu werden.
Y. Kuno- Leipzig: Ueber die Wirkung der einwertigen Alkohole
auf den überlebenden Kaninchendarm. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm.,
19L4, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Wie in einer früheren Arbeit (obige Zschr.,
Bd. 74, H. 6) für das Herz, wird die Wirkung verschiedener Alkohole
auf den Kaninchendarm untersucht. Methyl- und Aethylalkobol in ge¬
ringster Konzentration fördern die Darmbewegung; Propyl-, Butyl- und
Amylalkohol hemmen sie. In höherer Konzentration lähmen alle ge¬
nannten Alkohole. Die Giftigkeit wächst mit der Zunahme des Siede¬
punktes. Gewöhnung war nicht nachweisbar.
P. Gensler - Zürich: Ueber die Wirkung der Hypnotiea (Neuronal)
hei normalen nnd bei psychisch erregten Zuständen. (Arch. i exper.
Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Zur Erklärung warum
Schlafmittel bei Aufregungszuständen in grösserer Menge als in Ruhe
vertragen werden, erhalten Hunde in Ruhe und nach künstlich er¬
zeugtem Aufregungszustand Neuronal. In letzterem Falle versagt die
sonst wirksame Dosis. Der Neuronalgehalt des entbluteten Gehirns, der
ziemlich konstant ist, war bei erregten Hunden etwas gesteigert. Das
Versagen des Neuronais wird auf die funktionelle Mehrleistung der Hirn¬
zellen zurückgefübrt. Wirth.
Th. Arndt - Breslau: Untersuchungen über die Wirkungen einiger
neuer Derivate der 2 Phenyichinoiin-4 Carbons&nre im Vergleich mit
dem Atophan and Acitoin. (Diss., Breslau 1914.) Die neuen Präparate
zeigten klinisch — die Prüfung erfolgte auf der Minkowski’seben Klinik —
keine Ueberlegenheit gegenüber dem Atophan und dem ihm nahe¬
stehenden Acitoin. Die Methode der Beeinflussung der Senfölconjuncti¬
vitis des Kaninchens ist ein sehr interessantes Experiment. Man darf
aber ein antiphlogistisches Mittel nicht nach dem Ausfall dieses Ver¬
fahrens in Bezug auf seine klinische Brauchbarkeit bewerten.
M. Jacoby.
M. Cloetta und E. Anderes - Zürich: Zur Kenntnis der Lnngen-
vasomotoren. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3u. 4.)
Weitere Mitteilung zu dem Nachweis von Lungengefässkonstriktoren in
einer früheren Arbeit und Polemik gegen E. Weber über die Wirkung
von /Mmidozolyläthylamin auf die Lungenvasomotoren. Die entgegen¬
gesetzten Resultate weiden auf die ungeeignete Methode Web er’s
zurückgefübrt. Wirth.
A. Stühmer - Frankfurt a. M.: Zur Topographie des Salvarsans
und Neosalvamns. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd, 120, H. 2.)
Von allen drei untersuchten Präparaten ist die Verteilung im gesamten
Körper beim Neosalvarsan am gleichmässigsten. Nur wenig steht ihm
in dieser Beziehung Dach das alkalische Altsalvarsan, während das
saure Salvarsan eine besondere Vorliebe lür die Lungen zeigt, durch die
es in gefälltem Zustand wie auf einem Filter zurückgehalten wird. In
konzentriertem Zustand geschieht dies auch mit dem alkalischen Sal¬
varsan. Neosalvarsan verteilt sich auch in höchster Konzentration ganz
gleichmässig. Schon kurze Zeit nach der Einspritzung werden alle Prä¬
parate zum grössten Teil von den Organen gespeichert. Lunge, Leber
und Milz haben hieran den grössten Anteil zu fast gleichen Teilen.
Hier wird also ein Depot mit grosser Obeifläche gebildet, ans welchem
nun der Blutstrom dauernd kleioe Mengen auslaugt. Diese im Blute
enthaltenen Mengen kommen zur klinischen Wirkung. Beim sauren und
alkalischen Salvarsan hält diese Wirkung am längsten an, unter Um¬
ständen bis zu 3 Tagen. Beim Neosalvarsan ist das Depot in der
Hauptsache bereits nach 24 Stunden erschöpft. Das Salvarsan wird zu
gutem Teile wahrscheinlich unverändert durch die Nieren, ganz be-
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UNIVERSUM OF IOWA
1526
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 82.
sonders aber durch den Darm ausgeschiedeu. Durch mehrfache wieder¬
holte Injektionen wird die Aufnahmefähigkeit der speichernden Organe
gesteigert. Das Nervensystem selbst bleibt bei allen Präparaten ganz
frei, nur das Neosalvarsan zeigt für die Hüllen des Centralnerven¬
systems eine gewisse Vorliebe.
A. Takahashi - Tokio: Ueber das Scbioksal von intramskilär
und snbentau injizierten, unlöslichen Arzneien, speziell des SaL
varssuB. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Das Sal-
varsan erzeugt an der InjektioDsstelle eine weitgehende Nekrose, die
sich über alle Gewebe erstreckt und schliesslich nach etwa 14 Tagen
unter akut entzündlichen Erscheinungen durch einen starken Leuko-
cytenwali von dem gesunden Gewebe abgegrenzt wird. Um die Nekrose
bildet sich ohronisch entzündliches Granulationsgewebe, welches langsam
central vordringt und die abgestorbenen Massen resorbiert. Dieser
Regeneration folgt eine Vernarbung. Bei der Beseitigung des Salvarsans
von der Injektionsstelle kann man drei Stadien unterscheiden. In dem
ersten, der Gewebsnekrose entsprechenden, wird das gelöste Salvarsan
und die feinsten Körner in die Lympbgefässe aufgenoromen, zum
grössten Teil aber wieder im Harn ausgeschiedeü; nur eine geringe
Menge bleibt im Körper. Im zweiten Stadium, dem der chronischen
Gewebsentzündung, wird das SalvarsaD, welches sich allmählich in grobe,
schwer lösliche, trübe Körner verwandelt, gar nicht oder nur in sehr
geringer Menge resorbiert. Bei Abscessbildung wird sogar das meiste
mit dem Eiter nach aussen entleert. Im dritten Stadium werden die
groben, an der Injektionsstelle verbliebenen Salvarsankörner von den
Elementen des Granulationsgewebes, besonders den Riesenzellen, zer¬
kleinert und aufgelöst. Die Zeit bis zur totalen Resorption beträgt
beim Menschen mindestens 400 Tage. Immerwabr.
Therapie.
J. Feldner-Wien: Schwere Phthisen unter Tuberkulomucin Wele-
miusky. (W.kl.W., 1914, Nr. 29.) Verf. hat in einem aussichtslos er¬
scheinenden Falle eine unerwartete Besserung nach Behandlung mit dem
Tuberkulomucin „Weleminsky“ gesehen und empfiehlt daher das Präparat
für schwere, ulceröse Phthisen. P* Hirsch.
A.Götzl und R.Spannann: Zur Behandlung chirurgischer Tuber¬
kulosen mit dem Tuberkulomucin. (Grenzgebiete, Bd. 28, H. 1.) Das
Präparat kann als spezifisch wirksames Mittel angesehen werden. Besse¬
rung bis Heilung wurde in 22 von 49 Fällen erzielt. Die Dosierung des
subcutan zu verabreichenden Präparates beginnt mit 4 mg (Erwachsene!)
und steigt bis höchstens 10 mg. Starke Stichreaktion bei der 1. Injektion
ist prognostisch günstig. Die besten Erfolge werden bei Lokalisation des
Prozesses in Knochen erzielt; Gelenkleiden werden nicht so günstig,
Lymphome mit sehr ungleichmässigem Resultat beeinflusst.
Th. Müller.
Kakowski: Die Kürbisbehaudluug der Oedeme. (Zschr. f. phys.-
diät. Ther., 1914, Juni u. Juli.) Der Genuss gekochten Kürbisfleisches
wirkt harntreibend, selbst in schweren chronischen Nephritisfällen, in
denen alle anerkannten Diuretica versagt hatten. Die aufgespeicherten
Cylinder werden in den ersten Tagen ausgeschieden, neue werden be¬
deutend weniger gebildet. Die Wirkung des Kürbisses wird nur in der
Periode seines Gebrauchs beobachtet, wobei sie ebenso rasch, wie sie
sich einstellt, auch wieder verschwindet. E. Tobias.
H. B. Day und A. R. Ferguson-Cairo: Die Behandlung der Ankylo-
8lomaanämie. (Lancet, 11. Juli 1914, Nr. 4741.) Beobachtungen an
300 Fällen. Die Anämie war sehr schwer, im Durchschnitt war der Hämo-
globingehalt des Blutes bei Beginn der Behandlung nur 22 pCt. Als
Wurmmittel bevorzugten die Verff. eine Mischung von je 3 g Thymol und
^-Naphthol, die, wenn nötig, wiederholt gegeben wird. Die Zahl der
roten Blutkörperchen nimmt in der Regel eher zu als der Hämoglobin¬
gehalt. Zur raschen Besserung ist Eisen erforderlich, unter dessen Wirkung
das Hämoglobin in den ersten Wochen schon um 20—30 pCt. zunimmt.
Steigt das Hämoglobin nicht regelmässig, so sind noch nicht alle Würmer
entfernt. Die Form der Eisendarreichung ist gleichgültig; organische
Präparate haben keine Vorzüge; Hämoglobinpräparate sind nutzlos. In
schweren Fällen ist neben Eisen Arsen von grosser Bedeutung, doch hat
es für sich allein keinen Nutzen für die Häraoglobinbildung. Bleibende
Eosinophilie nach völliger Abtreibung der Würmer deutet auf Vorhanden¬
sein lebender .Larven in den Geweben. Weydemann.
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie.
St. Rosenthal: Zur Methodik der Sehädelkap&zitätsbestiiniiliDg
mit Hinsicht auf einen Fall von Hirnschwellnng bei Katatonie. (Neur.
Zbl., 1914, Nr. 13.) Die Hirnsohwellung ist ein physikalischer Sektions¬
befund. Der Beweis, dass es intravitale Hirnschweltung gibt, ist bisher
nicht erbracht. Es lässt sich nicht ausschliessen, dass Hirnschwellung
post mortem entstehen kann. Verschiedene histologische Befunde geben
eine Erklärungsmöglichkeit für eine VolumensvermehruDg des Gehirns,
einerseits die amöboide Umwandlung der Neuroglia, andererseits Struktur¬
veränderungen, die nur auf intravitalen Krankheitsvorgängen im Gewebe
beruhen können.
H. Richter: Zur Histogenese der Tabes. (Neur. Zbl., 1914, Nr. 14.)
ln jedem Tabesfall findet man als konstantes Symptom die von Nageotte
beschriebene Affektion der Rückenmarkswurzeln im Gebiet des N. radi-
cularis. Die Affektion der motorischen Wurzel ist derartig häufig bei
Tabes, dass prinzipielle Unterschiede zwischen sensiblem und motorischem
Neuron diesbezüglich überhaupt nicht bestehen. R. konnte in 2 Fällen
reiner Tabes die Spirocbaete pallida im Granulationsgewebe des N. radi-
cularis zweifellos nacbweisen. E. Tobias.
Parasitenkunde und Serologie.
L. Arzt und W. Kerl-Wien: Weitere Mitteilungen über Spirt*
ebSteibafaade bei Kaninchen. (W.kl.W., 1914, Nr. 29.) Vorgetragen
in der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien am 19. Juni
1914. Referat siehe den Sitzungsbericht. P. Hirsob.
M. Loewit-Innsbruck: Anaphylaxiestudien. VII. Mitteilung. Die
Beziehung des anaphylaktischen Shocks zur Dyspntia bei Meersebweiiebei.
Ein Beitrag zur Kenntnis der Oxydasegrannla im Herzen. (Arch. f. exper.
Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 8 u. 4.) Bei Meerschweinchen sind
manche anaphylaktischen Sbocksymptome Folge der Dyspnoe und treten
auch bei fehlendem Bronchialmuskelkrampf nach doppelseitiger Halsvagus¬
durchschneidung, nach Streckreflexen oder nach Koblensäurezufuhr auf.
Die Oxydasegranula längs der Herzmuskelfibrillen fehlen nach anaphy¬
laktischem Shock und Herzstillstand, sowie nach CO*-Vergiftung, treten
aber wieder auf, wenn der Herzmuskel längere Zeit der Luft auagesetzt
war. Dies spricht für die Auffassung dieser Granula als Oxydasegranula.
Wirth.
E. Abderhalden, G. Ewald, Isbiguro und R. Watanabe:
Weiterer Beitrag zur Frage der spezifischen Wirknng der Zellfermeite.
III. (Zschr. f. physiol. Chemie, Bd. 91, H. 1 u. 2, S. 96.) Lebermace-
rationssaft baut Pepton aus Leber ab, dagegen nicht Pepton aus Lunge,
Gehirn, Niere, Pankreasdrüse, aus Seidenfibroin und aus Gelatine.
Lungenmacerationssaft baut Pepton aus Lunge ab, nicht jedoch solches
aus Muskelgewebe, aus Leber und Niere. Nierenmacerationssaft aber
spaltet alle möglichen Peptone, nur nicht Gelatinepepton. Die Versuche
ergaben im allgemeinen keine Artspezifität. Wohlgemuth.
0. Melikjanz-Sülzhayn: Vergleiche zwischen den Resultaten des
Abderhalden’schen Dialysierverfabrens mit Tier- lad Mensebealuge.
(W.kl.W., 1914, Nr. 29.) M. hat 20 Vergleichsversuche mit Menschen-,
Ziegen-, Kaninchen- und Meerschweinchenlungen angestellt. Verf. rät,
sich sehr kritisch gegenüber den Reaktionen mit TierluDgen zu verhalten.
P. Hirsch.
Innere Medizin.
W. P. Morgan-London: Der künstliche Paenmotborax ; grund¬
sätzliche Fehler des üblichen Verfahrens und deren Beseitigung. (Landet,
11. Juni 1914, Nr. 4741.) Das übliche Verfahren, durch direkte Mano¬
meterbeobachtung festzustellen, ob die Nadel die Pleurahöhle erreicht
hat, ersetzt der Verf. durch ein neues indirektes. Er bringt zwischen
Gasbehälter und Nadel ein regulierbares Drosselventil an, und man er¬
hält den intrapleuralen Druck indirekt durch Ablesung zweier Mano¬
meter, auf jeder Seite des Drosselventiles eines. Es werden die dazu
nötigen Formeln abgeleitet und der Apparat eingehend beschrieben und
die Handhabung desselben an Beispielen erläutert. Weydemann.
P. Szel - Wien: Ueber alimentäre Gal aktosurie bei Morbns Basedowii.
(W.kl.W., 1914, Nr. 29.) Beim Morbus Basedowii findet sich in 86,9 pCt.
der Fälle eine Galaktosurie, welche oft zu sehr hohen Werten ansteigt.
Die alimentäre Galaktosurie findet sich häufig gleichzeitig mit einer
alimentären Dextrosurie; es wurde kein Fall von Dextrosurie ohne gleich¬
zeitige Galaktosurie beobachtet. Woher die alimentäre Galaktosurie bei
Morbus Basedowii kommt, lässt sish nicht mit Sicherheit entscheiden;
es ist leicht möglich, dass die Leber an ihrem Zustandekommen be¬
teiligt ist. G. Hirsch.
L. Czapski - Berlin: a) Ein Fall extremster Acidosis im Verlaufe
des Diabetes mellitus. — b) Experimentelles über Alkalitherapie. (Aren,
f. exper. Path. u. Pharm., 1914, Bd. 77, H. 3 u. 4.) Ein Diabetiker, der
nach einem zweiten Anfall hoher Acidosis stirbt, scheidet einmal mehrere
Tage je 90 g ß Oxybuttersäure im Urin aus, das andere Mal 10 Tage
hindurch durchschnittlich je 109 g ß -Oxybuttersäure -f- Acetessigsäure.
Die ß -Oxybuttersäure ist dabei frei im Harn. Nach Berechnung musste
eine fast totale Hemmung der Oxydation und Spaltung des Eiweisses und
Fettes bestehen. Ferner hatte er ungewöhnlich grossen Stickstoflyerlust
von 8,5 g pro Tag, für den ausser Unterernährung und einer eitrigen
Meningitis noch ein besonderer toxischer Faktor angenommen wird. Intra¬
venös und subcutan wurde Mononatriumcarbonat (NaHCOg) gegeben.
Theoretische Begründung und Erfahrungen über diese Theorie enthalt
die zweite Arbeit; der Vorzug ist Vermeidung von Nekrosen.
Wirth.
0. Cohn heim: Experimentelle Pathologie des Verdaitugskaiials.
(Hamburgische med. Ueberseehefte, Jabrg. 1, Nr. 2.) Die bei der Aus¬
heberung nach Probemahlzeit und Probefrühstück erhaltenen Resultate
sind richtig. Die klinische Titration mit Phenolphthalein (Gesamtacidi-
tät) und Günzburg oder Kongopapier (freie Salzsäure) sind „im ganzen
richtig. Andere titrimetrisohe Untersuchungen und Bestimmung der
lonenkonzentration sind unnötig. Fermentbestimmungen im Magensafte
sind wertlos, da Salzsäure und Pepsin parallel gehen. Labuntersucbungen
sind gegenstandslos, da Lab mit Pepsin identisch ist. Gegen die Unter¬
suchung peptonspaltender Fermente im Magensaft (zur Tumordiagnose)
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10. Angost 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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ist einzuwenden, dass aus Angst vor der Sonde Danninhalt in den Magen
dringen kann, und so natürlich das Vorkommen peptonspaltender Fer¬
mente im Magen vorgetäuscht werden kann. Durch Einführung von
stärkeren Salzlösungen in den Dünndarm lässt sich eine Einwirkung auf
Magensekretion (Menge und Acidität) erzielen; Gärungssäuren im Dünn¬
darm bewirken Motilitätsverlangsamung des Magens und Hyperacidität;
Salzsäureüberschuss im Darm — Verlangsamung der Motilität des Magens,
verminderte Sekretion; Reflexlähmung des Dünndarms (Novocain) —
Hypermotilität des Magens, hohe Gesamtacidität und freie HCl. — Bei
der Gallensekretion ist wichtig zur Diagnose entzündlicher usw. Vorgänge
Brauer’s Beobachtung (an Fistelgalle) von einer Albuminocbolie, ent¬
sprechend der normalen Albuminurie, da die Galle sonst nur Mucin ent¬
hält. — Der Dünndarm ist zwar, auch pharmakologisch, das Gentrum
der Verdauungsorgane, aber wir besitzen noch zu wenig Untersuchungs¬
methodik.
W. P. Dunbar: Ueber den Nutzen der Vaeeiiatlon gegen Typhös.
(Hamburgische med. Ueberseehefte, Jahrg. 1, Nr. 2 u. 8.) Hinweis auf
die statistisch nachweisbare Verminderung der Typhussterblichkeit nach
Sanierung der Wasserwerke; eines Impfzwanges für die Grossstädte be¬
dürfen wir nicht, dagegen ist Pflegepersonal zweckmässig zu impfen,
besonders aber die Armee in Kriegszeiten. Bedenkliche Erscheinungen
naoh der Vaocination treten nicht auf; nach 12—60 Stunden sind die
Nebenerscheinungen, die oft ausbleiben, verschwunden. Besredka
schwächt Typhusbacillen mit Immunserum ab (sensibilisiert); gute Er¬
fahrungen mit dieser Methode, aber bisher noch allgemeine Abneigung
gegen eine Impfung mit lebenden Kulturen. Die Typhusvaccination
fand in der nordamerikanischen Armee unter F. F. Russell statt. Verf.
zitiert dessen Ergebnisse. Nachdem im Burenkrieg die britische Armee
21,08 pM. Mortalität, 151,56 pM. Morbidität an Typbus hatte, haben die
geimpften Truppen der Briten im Burenkrieg 11,84 pM. Morbidität,
2,04 pM. Mortalität. Typhusepidemien in amerikanischen Truppen lagern
vor Einführung der Typhusvaccination zeigen bei 10 759 Mann 1729
sichere Typhusfälle und 243 Typhusmortalität; nach Vacoination bei
12 801 Mann 2 sichere Typhusfälle (es waren zum Vergleich Heere mit
gleich ungünstigen Bedingungen gewählt).
Schottmüller: Zur Frage der Niere»- und Nierenbeckeninfektion.
(Hamburgische med. Ueberseehefte, Jahrg. 1, Nr. 2 u. 3.) Verf. unter¬
sucht bei Bakteriämien, welche und wieviel Keime aus der Blutbahn
beim Menschen die Niere durchwandern und im Urin erscheinen. Staphylo-
cocous fast regelmässig auch im Urin und sehr viel; dabei meist kloinere
und grössere Nierenabscesse; dies bei Sepsis, nach Panaritium usw. Kom¬
plikation paranepbritisoher Absoess. Streptococcus bei Bakteriämie nicht
so häufig im Urin. Gasbacillus: nach einer Abortausräumung ein Ueber-
gang in den Urin. Verf. nimmt an, dass Keime nur nach Schädigung
des Nierengewebes aus dem Blut in den Urin übertreten. Bacterium
coli ist der häufigste Infektionserreger bei Nierenerkrankungen, meist
Nierenbeckenerkrankung. VeTf. polemisiert gegen die hämatogene In¬
fektionstheorie der Pyelitis; der urethrale und lymphogene Weg ist ihm
plausibler. Verf. vertritt therapeutisch absoluten Konservativismus; viel
Lindenblütentee; Wert der Nierenbeckenspülung fraglich.
A. Döblin.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
H. Liepmann-Berlin: Bemerkungen zu v. Monako * 9 Kapitel
„Die Lokalisation der Apraxie“ in seinem Buch: Die Lokalisation im
Grossbirn (1914). (Mschr. f. Psych., Juni 1914.) Gutfundierte Polemik
Verf.’s gegen Monakow, dessen neues Buch „zu seiner schmerzlichen
Ueberraschung an lrrtümern und Missverständnissen reich ist.
E. Loewy.
Zimkin, Versuche zum objektiven Nachweis der Intelligennbesse-
Jing bei Paralytikern nach Salvarsantherapie. (Neurol. Zbl., 1914,
Nr. 14.) Z. teilt Versuche zur Prüfung der kombinatorischen Fähigkeit
bei Paralytikern nach Salvarsanbehandlung mit. Kombinatorische Tätig¬
keit ist eine psychische Fähigkeit, die, von einem Hauptziele beherrscht
und von gewissen Gefühlstönen begleitet, einem Gleichgewichtszustände
zustrebt. E. Tobias.
W. P. Ossipow-Kasan: Ueber die Dosierung der Absinthessenz
beim Hervorrufen von Anfällen experimenteller Epilepsie bei Hunden.
(Mschr. f. Psych., Jnni 1914.) Minimaldosen, die typische epileptische
Anfälle hervorrufen, sind Dosen von 0,03—0,05 pro Kilo Gewicht, Dosen
▼on 0,12 pro Kilo Gewicht sind Maximaldosen.
A. Münzer-Schlachtensee: Zur Pathologie des Personlichkeits-
bewisstseins. (Mschr. f. Psych., Juni 1914.) M. beschreibt einen sehr
interessanten Fall von „Depersonalisation“, den er — bei circulärem
Verlauf mit günstigem Ausgang — zum manisch-depressiven Irresein
zählt, wo sich Zwangsideen dominierend in den Vordergrund drängen.
E. Loewy.
Rothfeld und v. Schilling-Siengalewicz, Experimentelle Unter¬
suchungen über das Verhalten des Liqnor cerebrospinalis bei Kohlen-
’ ^ rMB " Bleivergiftung. Vorläufige Mitteilung. (Neurol. Zbl.,
1914, Nr. 13.) Bei experimenteller Koblenoxydvergiftung tritt im Liquor
cerebrospinalis eine erhebliche Vermehrung der Lymphocytenzahl auf.
Oje Globulinreaktion ist oft positiv, der kryoskopische Punkt gesteigert.
Diese Veränderungen im Liquor sind so lange nachweisbar, als im Blute
ms Kohlenoxyd noch vorhanden ist. Im Blute besteht stets Leukocytose.
Die experimentelle Arsen Vergiftung bewirkt ebenfalls eine, wenn auch
geringere, Lymphooytenvermehrung im Liquor. Die Globulinreaktion ist
positiv, der kryoskopische Punkt hoch. Das Arsen ist im Liquor nicht
nachweisbar. Im Gegensatz zu der Wirkung des Kohlenoxyds und des
Arsens finden wir bei akuter Bleivergiftung absolut keine Veränderungen
im Liquor cerebrospinalis. Im Blute besteht Leukocytose.
E. Tobias.
P. Schröder-Greifswald: Grosshirnveränäerangen bei pernicitiser
Anämie. (Mschr. f. Psych., Juni 1914.) Sch. fand neben den lange
bekannten Lichtheim’schen Herden im Rückenmark bei perniziöser
Anämie im Gehirn kleine miliare Herdchen, und zwar an den Markleisten
der Grossbirnwinduogen. Sie sind mikroskopisch kleine, von Zellen
gebildete Ringwälle, mit hellem, fast zellfreiem Centrum. Die Zellen
sind Gliazellen, häufig sind rote Blutkörperchen beigemischt, sie stammen
wohl aber nicht aus primären Blutungen. E. Loewy.
W. N. Russkscb - Moskau: Ein Fall von Gehirnerweicktng.
(Mschr. f. Psych., Juni 1914.) Der Fall ergab völlige Kongruenz des
klinischen Bildes und der anatomischen Untersuchung (Atheromatose der
A. fossae sylvii, 2. Ast der Art. lobi tempor. und Art. lenticulooptica).
G. Ki esse Ibach- Erlangen: Anatomischer Befund eines Falles von
Hintington’scher Chorea. (Mscbr. f. Psych., Juni 1914.) ln dem Fall
faDd sich besonders neben sklerotischen Gelassen eine Atrophie der
nervösen Elemente des ganzen Centralnervensystems und ganz vorwiegend
der kleinzelligen Striatumteile. Die Gliazellen, besonders die kleinen,
waren ausserordentlich vermehrt. Ferner fanden sich reichliche kalkartige
Einlagerungen. E. Loewy.
P. Schuster: Gehäufte postdiphtherische Lähmungen; ein Beitrag
zur Frage der Neurotropie gewisser lofektioosstoffe. (Neurol. Zbl., 1914,
Nr. 14.) Vater, Mutter und Sohn sind gleichzeitig an Diphtherie erkrankt
und haben sich offenbar an einer Infektionsquelle infiziert. Sch. kommt
per exclusionem zur Annahme einer besonderen, direkt oder indirekt
neurotropischen Abart des Diphtheriegiftes.
Haenel: Neue BeoDachtungen an den Elberfelder Pferden. (Neurol.
Zbl., 1914, Nr. 13.) Durch Versuche, die jeden Zweifel ausschliessen
und allen Anforderungen an Genauigkeit entsprechen, ist es nach Verf.
sicher, dass die beiden Pferde Muhamed und Hänschen selbständig
Zahlen lesen und mit ihnen einfache Rechenaufgaben ausfübren können.
E. Tobias.
H. See 1 ert-Berlin: Schwere symmetrische Gangrän. (Mschr. f.
Psych., Juni 1914.) Kasuistische Mitteilung eines Raynaud’schen Sym-
ptomenkomplexes, die besonders dadurch praktisch wichtig ist, weil die
Frage des Zusammenhanges mit 2 Unfällen, die Hoden Verletzung und
Fieber zur Folge hatten, gestreift und bejaht wird. Die geringe
Arteriosklerose und Lues sind „bei der Häufigkeit dieser Leiden und der
Seltenheit der Gangrän allein nicht ausreichend, das Entstehen der Gan¬
grän ätiologisch zu begründen“. E. Loewy.
Kinderheilkunde.
J. Biernacki-Londoo: Eine gewöhnliche Ursache später Todes¬
fälle nach Tracheotomie wegen Diphtherie. (Lancet, 11. Juli 1914,
Nr. 4741.) Diese Todesfälle werden gewöhnlich einer Pneumonie zugeschoben;
es handelt sich aber häufig statt dessen um Erstickung durch einen
Pfropf eingetrockneten Trachealsekretes. Diese Pfropfe müssen durch
geeignete Zangen von der Tracheotomie wunde aus entfernt werden; es
bilden sich aber fast stets neue und in immer kürzeren Zwischenräumen,
bis der Tod erfolgt. Zur Verhütung dieser Pfropfbildung sollen sich die
Patienten bis zur Entfernung der Kaoüle, sonst mindestens aber eine
Woche in einem dampferfüllten Raume aufhalten. Bilden sich neue
Pfropfe nach Entfernung der ersten, so bringt man einen Spray von
einer Lösung von Natrium bicarbonicum io die Luftröhre.
Weydemann.
Chirurgie.
H. Kümmell - Hamburg: Das neugestaltete Operationsgebände des
Eppendorfer Krankenhauses. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92.) Der
vorliegende Aufsatz bildet die Einleitung zu dem Festband des Eppen¬
dorfer Krankenhauses zur Feier seines 25 jährigen Bestehens.
Scholz-Hamburg: Ueber das Narkotisieren ängstlicher Menschen.
(Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Verf. hat
die Blutdruckscbwankungen während der Narkose gemessen und gibt
beherzigenswerte Hinweise, wie besonders bei ängstlichen Patienten die
Narkose gehandhabt werden soll.
H. Kümmel 1 - Hamburg: Weitere Erfahrungen über intravenöse
Aetbernarkose. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Fest¬
band.) Die Erfahrungen, die am Eppendorfer Krankenhause an etwa
250 Fällen gemacht worden sind, sind ausserordentlich günstige. Besonders
eignet sich die intravenöse Narkose, bei der man kontinuierlich Aether-
kochsalzlösung abwechselnd mit physiologischer Kochsalzlösung eiofiiessen
lässt, für Operationen im Gesicht, Kopf, Mundhöhle, weiter bei schwachen
und ausgebluteten Patienten. Das Erwachen aus der Narkose erfolgt
rasch, ohne Unbehagen. Uebelkeit und Erbrechen wurden in keinem
Falle beobaohtet. Die Gefahren der intravenösen Narkose werden be¬
deutend überschätzt. Seit Verbesserung der Technik durch koutiouier-
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1628
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
liohea Einfliessenlassen der Kochsalzlösung wird die Thrombenbildung
verhindert. Kontraindiziert ist die intravenöse Narkose bei Arteriosklerose,
bei schwerer Myooarditis und allgemeiner Plethora. Zur Beschleunigung
des Eintritts der Narkose empfiehlt sich die Verwendung einer 1—l,5proz.
Isopratlösung.
Wiebrecht - Braunsobweig: Zur Behandlung der postoperativen
Tetanie. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.)
Therapeutisch kommt io Betracht: Versuch der Implantation von frischer
menschlicher Nebenschilddrüse. Per os kann man entweder frische
tierische Nebenschilddrüse verabreichen oder die bekannten Tabletten
geben. Eventuell kann man auch Calciumpräparate versuchen (Calo,
laot, Calcine-tferck).
Wieting-Pascha - Konstantinopel: Ueber 120 Banchschnssver-
letznngen ans dem Balkankriege, beobachtet in dem osmaniscben Fort*
bildnngskrankenhause Gülbane. (Beitr. z. klin. Obir., 1914, Bd. 92,
Eppendorfer Festband.) Frühoperationen sind unter den im Kriege
herrschenden Verhältnissen grundsätzlich nicht auszufübren. Es ent¬
scheidet sich das Schicksal der Bauchgeschossenen zumeist auf dem
Sohlachtfelde. Man soll sie möglichst in Ruhe lassen, nicht transportieren,
wenn möglich Morphium und Eisblase, nichts zu trinken geben. Was
die Frage betrifft, ob man frühsymptomatisch operieren soll, d. h. bei
Verschlechterung des Allgemeinbefindens aus vitaler Indikation ver¬
suchen soll, operativ einzugreifeD, so kann zwar wohl ein Fachchirurg
hier von Fall zu Fall individuell unterscheiden. Der nicht Erfahrene
soll aber die Hände auch davon lassen, denn es kommt eine grosse An¬
zahl dieser Verwundeten dennoch durch, und er kann mehr schaden als
nützen. Später ist es dann angebracht, wenn die erste Lebensgefahr
beseitigt ist, zur Behebung mehr oder weniger lokalisierter ausgesprochener
Symptome und Störungen operativ einzugreifen.
Kayser-Cöln: Zur Frage der Infektion der Schnsgverletznngen.
(Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Die Schuss¬
wunden sind als primär infiziert anzusehen. In vielen Fällen spielt
gleichzeitig die primäre und die sekundäre Infektion eine Rolle und sind
diese auch klinisch praktisch oft nicht zu trennen. Zu dem klinischen
Bilde der Infektion braucht diese Keimübertragung in die Wunde nicht
zu fuhren. Das wirksamste therapeutische Prinzip zur Vermeidung der
Ausbildung der klinischen Infektion ist vor allem die Immobilisation und
der Schutz vor sekundärer Infektion.
H. Hoffmann * Dresden: Ueber Kiefergelenksankylose mit „Vogel-
gesieht u -Bildnng. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer
Festband.) Mitteilung zweier Fälle und Besprechung der ätiologischen
und klinischen Momente. Therapeutisch kommt am meisten die Resektion
des Gelenkes und des Proc. coronoid. mit eventueller Weichteil-Muskel¬
interposition in Betracht.
H. Kümmell- Hamburg: Operative Behandlnng des Aorten¬
aneurysmas. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.)
Es bandelte sich um eine Aneurysma der Aorta thoracica, das bereits
rupturiert war. K. ging so vor, dass er die Aorta retropleural bzw.
retroperitoneai freilegte, was leicht ohne Verletzung der Pleura gelang.
Unter Fingerkorapression der Aorta wurde der geplatzte Sack entfernt,
annähernd normal gestaltet und durch Naht vereinigt. Vielleicht empfiehlt
es sich, in Zukunft diese Naht mit einem Fascienstreifen zu sichern.
Leider ging der Pat. an Herzschwäche zugrunde, doch verspricht der an¬
gegebene Weg für zukünftige Fälle Erfolg.
Hildebrand-Marburg: Ueber Eventratio nnd Hernia diaphrag-
matica. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.)
Die Arbeit enthält wertvolle Angaben zur röntgenologischen Diagnose
bzw. Differentialdiagnose der beiden erwähnten Krankheitsbilder.
Hauch - Hamburg: Ueber unsere Radikaloperationen beim Careinom
der Speiseröhre in ihrem thorakalen und abdominalen Abschnitt. (Beitr.
z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Der Inhalt der
Arbeit, in der sich das Material des Eppendorfer Krankenhauses in ein¬
gehendster Weise verarbeitet findet, und die zahlreiche chirurgisch inter¬
essante Einzelheiten enthält, lässt sich in einem kurzen Referat nicht
wiedergeben.
Treplin-Sahlenburg: Ein Phytotriehobezoar. (Beitr. z. klin. Chir.,
1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Mitteilung des Falles eines 6jähr.
Kindes. Der Bezoar hatte eine Grösse von 21:12 cm; an seinem Pylorus-
teil hing ein dünner Haarzopf, der tief in das Duodenum gereicht haben
muss. Zar Stellung der Diagnose wird die Röntgenuntersuchung
empfohlen.
E. Roedelius - Hamburg: Bericht über die während der letzten
3 Jahre chirurgisch behandelten Magenerkranknngen. (Beitr. z. klin.
Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Von 495 Magenfällen der
1. chirurgischen Abteilung des Eppendorfer Krankenhauses in den letzten
3 Jahren wurden 312 einem chirurgischen Eingriff unterzogen, über
welche in der vorliegenden Arbeit berichtet wird.
H. Kümmell-Hamburg: Zur Chirurgie des Uleos dnodeni. (Beitr.
z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festbaud.) Das Ulcus duodeni
kommt in Deutschland in neuerer Zeit weit häufiger vor als früher, was
wahrscheinlich auf der besseren Diagnosenstellung beruht. Ausser¬
ordentlich häufig findet es sieb mit Appendicitis vergesellschaftet, auf
deren ätiologische Bedeutung hingewiesen wird. Verf. geht dann aus¬
führlich auf die Diagnose des Ulcus duodeni ein und betont in dieser
Hinsicht den Wert der Anamnese (lange Dauer der Erkrankung, Periodi¬
zität derselben, Hunger- und Nachtschmerz). Von objektiven Symptomen
sind zu nennen der lokalisierte Druckschmerz neben der Mittellinie,
Nachweis von Blut im Stuhl, Hyperchlorhydrie und eventuell noch
Hypersekretion. Sehr genau wird auf die röntgenologische Untersuchung
eingegangen, zu der zahlreiche charakteristische Röntgenpausen gegeben
werden. Bei der schlechten Heiltendenz wird die interne Behandlung
nicht sehr viel Aussicht auf Erfolg haben. Die am meisten bewährte
operative Methode ist die Gastroenterostomie mit Pylorusabschnürung,
zu deren Ausführung sich K. meist des Ligamentum teres hepatis bedient.
J. Oeh ler - Freiburg: Beitrag zu den Abnormitäten der Gallen-
wege. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Bei
2 Fällen war eine abnorm späte Vereinigung der Hepaticusäste vor¬
handen. Bei dem einen dieser Fälle, der zur Obduktion kam, fanden
sich in dem einen Ast mehrere kleine Steine. Der andere Ast war
gallenblasenartig erweitert und von einem grossen Stein verschlossen,
der aus der Gallenblase hier eingewandert sein muss und dort von einer
sekundären dicken Pigmentschale umhüllt worden ist. In der Er¬
weiterung des HepaticusgaDges lagen ausserdem zwei grosse, reine
Hepaticussteine, die sich hinter diesem Verschlussstein gebildet haben.
J. Schulz-Barmen: Ein Beitrag zur Gallensteinehirnrgie. (Beitr.
z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Verf. teilt einige
seltene Fälle mit, so die Fälle eines drei- und eines fünfjährigen
Mädchens, einen Fall von Riesenstein im Choledochus, der zur Diagnose
eines Magencarcinoros Veranlassung gegeben hatte. Weiter ist inter¬
essant ein Fall von Situs inversus und wohl einzig in der Literatur
dastehend ein Fall von vollständiger Doppelbildung der Gallenblase und
der ersten Cysticushälfte. Therapeutisch hat die Cbolecystostomie in
über ein Drittel der Fälle kein gutes Resultat gezeitigt. Sehr gut da¬
gegen sind die Erfolge bei der Ektomie und der mit Choledochotomie
kombinierten Ektomie, Die Operation führt Verf. aus bei akuten, das
Leben bedrohenden Cholecystitiden, bei chronischer Cholelithiasis richtet
er sich nach der sozialen Lage. Bei der arbeitenden Klasse operiert
er nach dem zweiten oder dritten Anfall, sonst rät er wiederholte und
häufige Bäderbehandlung &d. Bei chronischem Choledocbusverscbluss
geht er nach 6 Wochen operativ vor, falls der Stuhl noch ungefärbt ist,
weiter erfordert das Empyem und der chronische Hydrops, ebenso wie
die infektiöse Cholangitis den chirurgischen Eingriff.
Gr aff und Weinert-Bonn: Warum bleiben nach Exstirpation der
Gallenblase so häufig Beschwerden zurück? (Beitr. z. klin. Chir., 1914,
Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Graff hat sich durch Versenden von
Fragebogen an seine Patienten und durch Nachuntersuchungen über diese
Frage zu informieren gesucht. Eine Quelle späterer Misserfolge bietet
das Zurückbleiben von Steinen im Choledochus, mit dessen Möglichkeit
immer gerechnet werden muss. Besonders ungünstig in dieser Beziehung
liegen die Fälle mit weichen Steinen und eingedickter Galle. Graff hat
in diesen Fällen später das Drain nicht wasserdicht eingenäht, sondern
die lozisionsstelle am Choledochus offen gelassen, damit noch auf diesem
Wege ConcrementbrÖckel ausgeschieden werden können. Mehrere Male
hat Verf. einige Zeit nach der Exstirpation der Gallenblase ein Carcinom
des Hepaticus festgestellt. Weitere Veranlassung für ein scheinbares
Recidiv können narbige Veränderungen des Gallenganges geben. Als
weitere postoperative Beschwerden sind zu nennen solobe, die entschieden
mit dem Magen und Darmtraktus Zusammenhängen, dann vor allem
richtige Adhäsionsbeschwerden, weiter Beschwerden durch einen von der
Operation zurückgebliebenen Bauchbruch und allgemeine nervöse Be¬
schwerden. Zur Bekämpfung der Adhäsionen ist die subseröse Aus¬
schälung der Gallenblase und die Peritonealisierung des Gallenblasen¬
bettes sehr zu empfehlen. Weiterhin soll die Tamponade nicht grösser
sein, als es unbedingt nötig ist. Gut eignet sich zur Tamponade das
Dreesmann’sche Glasdrain.
H. Hoffmann - Dresden: Zur Chirurgie der Milx. (Beitr. z. klin.
Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Verf. berichtet über
17 Fälle der Kümmell’schen Klinik. Abgesehen von 9 traumatischen
Fällen sind hervorzuheben 2 Fälle von isolierter Tuberkulose und ein
Fall von wahrscheinlicher Lues. Ferner wurde die Splenektomie aus¬
geführt bei einem Fall von Erythrocytosis megalosplenica und bei einem
Milztumor bei Osteosclerosis universalis. Es folgen noch 2 Bantifalle
und ein Fall von Leberoirrhose mit Milztumor und hämolytischem
Icterus, bei dem durch die Operation ein sehr guter Erfolg erzielt wurde.
H. A. Dietrich - Göttingen: Panereatitis acuta. (Beitr. z. klin.
Chir., 1914, Bd. 92.) Verf. berichtet über 17 Fälle des Eppendorfer
Krankenhauses, darunter einen der seltenen Fälle von traumatischer
Pankreatitis. Die Entstehung der akuten Pankreatitis ist noch nicht
geklärt; eingehend wird auf den Zusammenhang mit Gallensteinleiden
eingegangen. Die Diagnosenstellung ist in letzter Zeit bedeutend präziser
geworden. Wertvoll scheint in dieser Beziehung im Gegensatz zur Cam-
midge’sche Reaktion die Abderhalden’sohe Reaktion zu sein. Thera¬
peutisch wird möglichst frühzeitige Laparotomie aoempfohlen. Entfernen
des Exsudates durch reichliche Kochsalzspülung und Austupfen. Frei¬
legen des Pankreas durch das Lig. gastrocolicum, Kapselspaltang und
breite Drainage nach aussen. Bei Gallen blasensteinen, wenn es der
Zustand erlaubt, Cholecystektomie oder Cholecystostomie. Wenn auch
die Prognose immer noch eine sehr schlechte ist, hat sie sich doch auch
in der letzten Zeit infolge der verbesserten Diagnosenstellung gegen früher
verbessert.
Ed. Birt - Shanghai: Ueber Appendicitis in Ostwie*, speziell
Shanghai und Umgebung. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppen-
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UNIVERSITV OF IOWA
10. Äugest 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1529
dorfer Pestband.) Bericht über die innerhalb eines Zeitraums von vier
Jahren operierten Fälle. Fast alle Patienten sind Europäer, nur sehr
wenige sind Chinesen. Bei diesen tritt die Appendioitis ebenso gut und
sohlimm auf wie bei den Europäern, doch stösst die Behandlung auf
sehr grosse Schwierigkeiten, sowohl die konservative als auoh ganz be¬
sonders die chirurgische, zu der sich der Chinese nur sehr selten enfc-
schliesst.
Ringel-Hamburg: Ueber den Anton v. Bramnnn’sehen Balken-
stich. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Verf.
hat mit dem Balkenstich günstige Erfahrungen gemacht. Es ist eine
einfache und ungefährliche Operation und sollte man ihn daher in Fällen
von Hydrocephalus und bei Hirntumoren, bei denen eine grössere An¬
sammlung von Flüssigkeit in den Ventrikeln vermutet wird, ausführen
und erst beim Versagen dieser Methode zu eingreifenderen Operationen
seine Zuflucht nehmen.
Weispfenning-Hamburg: Erfahrungen über die positive Bebaad-
lug der geiuinen ud traumatischen Epilepsie. (Beitr. z. klin. Chir.,
1914, Bd. 92, Eppendorfer Festband.) Der Arbeit liegen sämtliche Fälle
von genuiner Epilepsie zugrunde, die Kümmel 1 seit den achtziger Jahren
operiert hat. Ausserdem sind noch 11 Fälle von traumatischer Epilepsie
besprochen und anhangsweise 2 Fälle von Jacksonepilepsie, die durch
Paobymeningitis und Araobnitis luetica bzw. Tumor cerebri bedingt
waren und wegen des günstigen Operationsresultates interessant sind.
Einzelheiten der Arbeit müssen im Original nacbgelesen werden.
Löffelmann - Hamburg: Der Schultemhmerz (das Fernsymptom
des Nervus phrenicus) bei den akiten chirurgischen Erkrankungen
der Bauchhöhle. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer Fest¬
band.) Der isoliert auftretende Sehultersehmerz bildet, wenn er auch
nioht in seiner Bedeutung überschätzt werden darf, immerhin ein be¬
achtenswertes Moment bei der Diagnose und mithin auoh bei der Wahl
des Operationsweges bei akuten chirurgischen Erkrankungen der Bauch¬
höhle. Die Ursache dieses Schmerzes können mechanische, entzündliche
und chemische Reizung des Phrenicus sein; meistens wird eine Kombi¬
nation dieser vorliegen. Er weist stets auf eine Beteiligung des Zwerch¬
fells hin. So trat bei fast allen perforierten Magen- und Duodenalulcera
dieser Schulterschmerz auf, während die akute Appendicitis ihn nie ver¬
ursachte, ausser in einigen Fällen, bei denen eine Verlagerung der
Appendix unter das Zwerchfell vorhanden war. ln ähnlicher Weise
lässt sich das Auftreten des isolierten Sohultersohmerzes für andere
Erkrankungen von Organen der Bauchhöhle differentialdiagnoatisch ver¬
werten.
P. Su deck -Hamburg: Zur pathologischen Anatomie und Klinik des
Merbus Basedowii. (Beitr. z. klin. Chir., 1914, Bd. 92, Eppendorfer
Festband.) Eingehende Betrachtungen pathologisch-anatomischer Natur
leiten die Arbeit ein. Die weiteren Ausführungen beziehen sich haupt¬
sächlich auf die bei Morbus Basedowii vorhandenen Herzerscheinungen
und auf die chirurgische Teohnik. W. V. Simon.
Haut« und Geschlechtskrankheiten.
ß. Bernhardt und St. Rygier-Warschau: Ueber sekretorische
Niereninsnffixienz bei dem vulgären nnd beim parasitären Ekzem.
(Arch. f. Denn. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) In 55 pCt. der Fälle
konnten die Verff. beim gewöhnlichen Ekzem eine sekretorische Nieren¬
insuffizienz feststellen, beim parasitären Ekzem nur in33pCt. der Fälle.
Beim seborrhoischen Ekzem ist die Niereninsuffizienz viel seltener.
Jedenfalls ist es therapeutisch von Wert, bei Ekzemfällen duroh Diät
und Diuretica die Nferenfunktion zu heben.
S. L. Bogrow - Moskau: Behandlung von Röntgendermatitiden.
Ein Fall von RÖntgenulcns behandelt naeb Pfaueistiirs Methode.
(Arob. f. Denn. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Verf. empfiehlt
Pfanuenstill’s Methode, Jod in statu nascendi auf die Ulcera ein¬
wirken zu lassen. Das geschieht, indem man Sol. Natr. jodat. 10,0:200,0
tagiioh 3—6 Esslöffel innerlich verabreicht und die Uloera gleichzeitig
mit einer 3 pro*. Lösung des Merck’schen Perhydrols, der noch 1 pCt.
Essigsäure zugesetzt werden, behandelt. Die Gesohwürsränder werden
durch Vaselin und Wachspapier gegen Reizung geschützt. Das Geschwür
selbst wird mit einer 5—6 fachen Gazeschioht bedeckt, welche alle
5—10 Minuten mit der Perhydrollösung getränkt wird.
A. Buscbke und Matthissohn - Berlin: Symmetrische Lipo-
■Atoiii. (Uebersicht nebst Mitteilung von 2 Fällen kombiniert mit
Psoriaafo und Arthritis.) (A»oh. f. Demi. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.)
Beide Fälle sind vielleicht rheumatischen Ursprungs. Ebenso darf wohl
der ätiologische Zusammenhang alter Psoriasis mit rheumatisohen und
Gelenkerkrankungen einerseits und mit Stoffwecbselstörungen anderer¬
seits als gesichert angesehen werden. Jedenfalls ist das gleichzeitige
Bestehen der drei Krankheiten nebeneinander zum mindesten sehr
auffällig.
0 M* Winkler - Luzern: Ueber einen Fall von eigenartig lokalisierten
»yriigomeii in Kombination mit anderen EntwicklnngsanomaHen.
(froh. f. Denn. u.Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) In diesem Falle bestand
Kombination einer mangelhaften Entwicklung der Seiualorgane
(Testikel nnd Penis) und des damit zusammenhängenden Mangels des
Stimmwechsels und der Haarentwicklung einerseits, der Syringome und
der atheromähnliohen Cystenbildang an der Scrotal- und Penishaut
wdererseits.
B. Lipschütz - Wien; Ueber ein eigenartiges, durch den Typtl
gaüinaceus hervorgerufenes Krankheitsbild der Tuberkulose, nebst Be¬
merkungen über den Nachweis und die Bedeutung der einzelnen Typen
des Tuberkelbaoillus bei klinisch verschiedenartigen Formen der Haut¬
tuberkulose. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Sämtliche
Typen des Tuberkelbacillus (humanus, bovinus und gatlinaceus) kommen
beim Menschen als Erreger klinisch verschiedenartiger Formen der Haut¬
tuberkulose in Betracht. Der Typus bovious kommt regelmässig bei
der Tuberculosis verrucosa cutis vor, die daher als echte Impftuberku¬
lose mit Rinderbacillen zu definieren ist. Die Bedeutung des Typus
gallinaceus für die Genese selten auftretender Formen der Hauttuberku¬
lose ist nach der Beobachtung des Verf. nicht zu unterschätzen. Als
praktische Folgerung ist die Forderung abzuleiten, bei einem für Meer¬
schweinchen wenig oder fast gar nicht pathogenen Impfmaterial die Dia¬
gnose Tuberkulose nicht ohne weiteres abzulehnen, sondern die Möglich¬
keit einer Geflügeltuberkulose in Erwägung zu ziehen und die Impf-
versuebe an Hübnern zu wiederholen. Für die Geflügeltuberkulose des
Menschen scheinen folgende Befunde charakteristisch und diagnostisch
wertvoll zu sein: Auffallend reichlicher Bacillenbefund, fast ausschliesslich
intracelluläre Lagerung der Bacillen und Gewebsveränderungen, die sich
sowohl klinisch als auch mikroskopisch von dem typischen Aussehen ge¬
wöhnlicher Tuberkulose deutlich unterscheiden.
A. Buschke und M. J. Michael-Berlin: Zur Kenntnis der
hyperkerato tisch-vesikulösen Exantheme bei Qenorrköe. (Arch. f.
Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Im Verlaufe von durch ander¬
weitige Prozesse komplizierten gonorrhoischen Harnröhrenerkrankungen
erkrankt zuweilen die Haut an einem Exanthem, das sich nach kurzem,
vesikulösem Stadium in Form lange bestehender hornartiger Kuppen,
umgeben von den Resten der früheren Blasen, repräsentiert. Die Lieb¬
lingslokalisation stellen Fusssohleu und Fussrücken, nächstdem Hand¬
rücken und Beugeflächen einschliesslich der Nagelbetten dar. In
selteneren Fällen kommt es zu einer Ausbreitung des Exanthems auoh
auf andere Körperstellen. Das Neuauftreten des Exanthems bei neuen
gonorrhoischen Infektionen bzw. Rückfällen lässt die ätiologische Ab¬
hängigkeit des Exanthems von der Gonorrhöe trotz des mangelnden
bakteriologischen Nachweises als gesichert erscheinen. Das Exanthem
tritt meist im Gefolge von gonorrhoischen Gelenkerkrankungen auf und
kann zugleich mit diesen einen jahrelangen Verlauf mit ungünstiger
Prognose annehmen. Histologisch handelt es sich um einen in den
höheren Cutislagen beginnenden, im Papillarkörper und im Rete Mal-
pighii am intensivsten ausgeprägten Entzündungsprozess.
E. Klausner - Prag: Die Cntisreaktionen hei Syphilis mit besonderer
Berücksichtigung der Pallidinreaktion. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914,
Bd. 120, H. 2.) Mit Organextrakten aus Lungen mit den Veränderungen
der Pneumonia alba gelingt es, ganz charakteristische Cutanreaktionen
bei Syphilis zu erzielen. Auch anderes spirochätenreiches Material,
Nebennieren, Lymphdrüsen, syphilitische Föten, Sklerosen und Papel¬
extrakte, eignet sich, wenn die Extraktbereitung nach der Fischer’schen
Methode geschieht, zur Herstellung wirksamer Impfflüssigkeiten. Das
Kriterium der vom Verf. zuerst beobachteten und beschriebenen Cutan-
reaktion (Pallidinreaktion) ist ein entzündliches Infiltrat um die lmpf-
striohe, das fast in allen Fällen zu einem zweihellergrossen Herde kon-
fiuiert und von einem oft bis fünfkronenstückgrossen Erythemhofe um¬
geben ist. Diese geschilderte Reaktion hat innerhalb 36—48 Stunden
den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht zu einer Zeit, wo bei nicht
reagierenden Fällen die Impfstelle völlig reaktionslos erscheint. Die
Pallidinreaktion ist spezifisoh für Syphilis, und zwar für die beiden
Spätstadien derselben, für die Lues gummosa und Lues hereditaria tarda.
Die Pallidinreaktion ist eine klinisch brauchbare Methode zur Diagnose
der Syphilis, der Lues gummosa und Lues hereditaria tarda, eine Er¬
gänzung der Wassermann’schen Reaktion.
K. Vignolo-Lutati - Turin: Beitrag zum Studium der scrofuloiden
Adenopathien hereditär-syphilitischer Individuen. (Arch. f. Derm. u.
Syph., 1914, Bd. 120, H. 2.) Verf. lenkt die Aufmerksamkeit auf einige
scrofuloide Adenopatbien des Halses, die man zuweilen bei hereditär-
syphilitischen Individuen findet, Adenopathien, die rapid unter spezi¬
fischer Behandlung heilen, und die als eine mehr oder weniger späte
Manifestation von Erbsyphilis angesehen werden müssen.
Immerwahr.
J. Saphier-Wien: Abortivbehandlnag der Lnes. (W.kl.W., 1914,
Nr. 29.) S. fordert eine energische Frühbehandlung der Lues. Die
Notwendigkeit dieser Forderung erbliokt er in der Tatsache, dass die
meisten Luetiker trotz konsequenter Belehrung nur die erste Kur syste¬
matisch durobzuführen pflegen. P. Hirseb.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
K. Reifferscheid-Bonn: Ueber die Anwendung von Bnphyllin
snr Hebung der Diurese bei der Eklampsie. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 30.)
Verf. hat das Eupbyllin in 16 Fällen systematisch angewendet, und da¬
mit dem Anschein nach sehr gute Erfolge erzielt, zumal unter seinen
Fällen, wie er sagt, recht sohwere waren. Einmal stieg die Harnmenge
in 2 Tagen auf 1200 ccm. Aber auch sonst war der Eindruck, den man
von dem Mittel batte, ein recht guter, so dass nur einmal der Kaiser¬
schnitt bei einem engen Becken, einmal der vagioale Kaiserschnitt in
einem besonders schweren Falle, sonst nur Beokenausgangszange, Metreu-
ryse oder bei totem und nicht lebensfähigen Kinde, Perforation und
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UNIVERSUM OF IOWA
1530
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 82.
Kranioklasie angewendet wurde. Im übrigen machte man noch Gebrauch
von Venesectio, wenn sehr starke Cyanose vorhanden war, und zwar
mit sehr gutem Erfolg.
F. Ahlfeld-Marburg: Heilung von Nabtlgehnnrbrficheo auf koi-
Bervativem Wege. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 30.) Gründliche Reinigung
des Bruchsackes und der umgebenden Haut, Zurückdrängen des Inhalts
in leichter Narkose, Bedeckung mit in Alkohol getränkter Watte und
Einwicklung des ganzen Unterleibes mit einer eng anschliessenden Binde,
die verhindern muss, dass auch beim Schreien die Bauchdecken ausein¬
ander gedrängt werden, nur alle paar Tage abgenommen und wieder
angelegt, bis die Bauebränder sich vereinigt haben. Wenn auch nicht
immer Radikalheilung erzielt wird, so wird doch die nachfolgende Ope¬
ration wesentlich erleichtert, und die Methode ist auch auf dem Lande
und vom praktischen Arzt ausführbar. Je früher es geschieht, desto
besser ist der Erfolg, und deshalb sollte darauf gehalten werden, dass
alle Hebammen Weingeist, Watte und geeignete Binden mit sich führen.
Rieck-Altona-Hamburg: Therapie der Amenorrhö'e. (Zbl. f. Gyn.,
1914, Nr. 80.) Verf. berichtet über 22 Fälle, in denen er zum Zweck
der Hebung der Amenorrhoe und der mit ihr verbundenen Beschwerden,
wie Fettleibigkeit, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl usw. mit grossem
Vorteil den Intrauterinstift angewendet hat. Nur in 4 Fällen versagte
der Stift ganz. In diesen Fällen hatten sich aber die Patientinnen der
Behandlung entzogen. Der Stift lag von 14 Tagen bis zu 8 Monaten,
ohne dass er besondere Störungen gemacht hätte. In den meisten Fällen
kam es zu dauernder Heilung, indem die Menses auch wieder ihren
richtigen Typus nach Entfernung des Stiftes annahmen, mindestens aber
trat eine so bedeutende Besserung ein, dass die Patientinnen beschwerde¬
frei waren. Siefart.
Augenheilkunde.
C. H. Sattler - Giessen: Ueber die Wirkung des Aeoins hei sub-
cotjtnctivafer Injektion. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Beim
Kaninchen macht subconjunctivale Injektion von 1,0 ccm 1 proz. Acoin-
lösung schon nach 1—2 Stunden starke Irishyperämie, Miosis und Horn¬
hautmattigkeit. Vom 1. bis 6. Tage besteht Ciliarrötung, Mattigkeit und
Trübung der Cornea, Irishyperämie, Miosis, bisweilen Fibrinflocken im
Kammerwasser. Vom 6. Tage bis zur 4. Woche und länger ist die von
neugebildeten Gefässen durchzogene Cornea mehr oder weniger dicht
getrübt. Bindehaut und Sclera verwachsen immer fester und schrumpfen
schliesslich, je öfter die Einspritzungen wiederholt werden. Die Eiweiss¬
vermehrung im Humor aqueus zeigt, dass der Injektion eine Hyperämie
des Ciliarkörpers folgt. Von 0,1 bis 0,3 ccm der Lösung wird wohl
eine Verwachsung zwischen Sclera und Conjunctiva, aber nicht immer
eine Hornhauttrübung verursacht, 0,5 ccm ruft eventuell vorübergehende,
0,7—1,0 ccm dauernde Hornhauttrübung hervor. ZersetzuDgsprodukte
des Acoins, wie sie durch den Alkaligehalt des Glases bei alten
Lösungen auftreten, sind meist die Ursache der Schädigung. Acoin
wirkt auf Diphtheriebacillen und Staphylokokken hemmend. Es ist von
leicht vasokonstriktorischer Wirkung.
C. H. Sattler - Giessen: Ueber die Wirkung von Anaestheticis bei
sabconjnnetivaleB Injektionen. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Die
Wirkung mechanischer und genau dosierter Reize auf die Eiweiss¬
ausscheidung im Kammerwasser wird durch vorhergehende Anwendung
von Anaestheticis (Cocain, Tropacocain, Holocain) wesentlich vermindert.
Ebenso wird die Wirkung suboonjunctivaler NaCl-Einspritzungen auf
den Eiweissgehalt des Kammerwassers durch vorherige Cocainisierung
der Bindehaut oder durch Cocainzusatz zur Iojektionsflüssigkeit bedeutend
verringert. Wird die Untersuchung des Humor aquens erst längere Zeit
nach der Einspritzung (50 Minuten) vorgenommen, so ist die Differenz
zwischen dem Eiweissgehalt des anästhesierten und dem des nicht
anästhesierten Auges geringer, als wenn die Punktion bald (schon nach
20 Minuten) erfolgte. Bei späterer Punktion ist die Wirkung des
Cocains abgeklungen, die NaCl-Lösung durch Diffusion verdünnt. Die
duroh die NaCl-Injektionen hervorgerufene Verminderung der Hyperämie
des Corpus eil. beruht nicht auf einer vasokonstriktorisohen Wirkung
der Anaesthetica, sondernder von Wessely angenommene Reflexvorgang
wird durch die AnästhesieleituDgsunterbrecbung gestört, die reflektorische
Erregung der Vasodilatatoren bleibt aus. Einzelne Anaesthetica haben
neben einer anästhesierenden noch eine Reizwirkung, der entsprechend
eine Blutüberfüllung im Corpus oii. bzw. Eiweissvermehrung im Kammer¬
wasser eintritt; ihr parallel geht der bei ihrer Einträufelung oder sub-
conjunctivalen Einspritzung ausgelöste Schmerz. Bei suboonjunctivaler
Injektion wird der Eiweissgehalt am stärksten durch Akoiu vermehrt,
weniger durch Holocain, Alypin, Stovain, Tropacooain, am wenigsten
durch Cocain. Dementsprechend vermindert Akoinzusatz zu subconjuoc-
tival eingespritzter NaCl-Lösung die Wirkung der Einspritzung kaum,
die anderen Anaesthetica aber in einem mit Abnahme der Reizwirkung
zunehmendem Grade. Besonders geeignet als Zusatz bei subconjunctivalen
Injektionen ist Novocain (0,1 der 5 proz. Lösung zu 0,5 NaCl 5 proz.).
Bei Injektionen hinter den Bulbus tritt ein bis au den Limbus reichendes
Oedem auf, dessen Stärke einen Parallelismus mit dem Eiweissgehalt im
Kammerwasser zeigt. Das Verfahren ist zur klinischen Verwendung un¬
geeignet.
E. Hertel: Experimentelle Untersuchungen über die Abhängigkeit
des AngeidrnekB von der Blatbesehaffenheit. (Graefe’s Arch, Bd. 88,
H. 2.) Intravenöse Einspritzungen von Losungen seilreicher Salze in
verschiedener Konzentration, von Traubenzucker und Harnstoff, von -
kolloidalen Lösungen, wie Gelatine, Eiweiss, Eigelb und verschiedene
Sera ändern den Augendruck, und zwar ohne Beeinflussung des Blut¬
drucks. Die Infusionen ändern sowohl die Zusammensetzung des Blutes
wie auch die Konzentration in den Augen, und die Aenderung der Blut¬
beschaffenheit ist es, auf der in letzter Linie die Beeinflussung des
Augendrucks beruht Die Wirkung von Bluttransfusionen steht mit
diesen Befunden vollkommen im Einklang.
J. Meller: Ueber Fälle von sympathischer Ophthalmie ohne
charakteristischen Befund im ersten Auge. (Graefe’s Arch., Bd. 88,
H. 2.) Der Fuchs’schen Anschauung, dass das histologische Bild der
sympathischen Augenentzündung eiu spezifisches, wohl charakterisiertes
sei, stehen die Anschauungen gegenüber, dass zwischen einer einfachen
traumatischen, fibrinös-plastischen Uveitis und einer sympathisierenden
Entzündung keine prinzipiellen, sondern nur graduelle Unterschiede be¬
stehen, eine Anschauung, die besonders von Rüge, Schirmer und
Gilbert vertreten wird. Es gibt nun Fälle, die das klassische histo¬
logische Bild vermissen lassen. Verf. bringt nun aus der Fuchs’schen
Klinik 7 Fälle, deren klinisches und histologisches Bild eingehendst be¬
schrieben wird. Im ersten Falle, einer klinisch sicheren sympathischen
Ophthalmie, wurde das histologische Bild von der Endophthalmitis septica
beherrscht, und es war unmöglich, beide Piozesse voneinander zu
scheiden. Im zweiten Falle gestattete der histologische Befund nicht,
mit absoluter Sicherheit die Diagnose sympathisierende Infiltration zu
stellen. In 4pCt. aller Fälle besteht eine solche Unsicherheit, es sind
zumeist solche Falle, iu denen das zweite erst nach der Enucleation des
ersten Auges erkrankte. Offenbar hatte der Prozess nicht genügend
Zeit, sich zu typischer Deutlichkeit des histologischen Bildes zu ent¬
wickeln. Bei dem dritten Falle entstand aus einer septischen End¬
ophthalmitis eine chronische plastische Uveitis. Ia zwei weiteren Fallen
war die klinische Diagnose sympathische Ophthalmie von vornherein un¬
sicher bzw. der weitere Verlauf sprach gegen ihre Richtigkeit; der histo¬
logische Befund ergab dann auch, dass kein sympathischer Prozess vor-
lag. Zuletzt bringt Verf. 2 Fälle, in denen eingehende Untersuchung
den ersten Beginn der Affektion erkennen liess, Dachdem man sie an¬
fangs für „negativ“ gehalten hatte. Im letzten Falle wurde die Dia¬
gnose aus der Gesamtheit der Einzelheiten gestellt, von denen jede für
sich nicht hätte maassgebend sein können.
El sehnig: Studien zur sympathischen Ophthalmie. (Graefe’s
Arch., Bd. 88, H. 2.) VII. Uebersioht und Kritik über neuere Arbeiten.
A. Elschnig: Studien zur sympathischen Ophthalmie. VIII. Re-
fraktometrische Untersuchungen über die sympathische Ophthalmie.
(Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Weder Kaninchen noch Affen oder
Hunde zeigen nach Erzeugung einer lange dauernden Entzündung (Ein¬
spritzung von Crotonöl, Papayotin, Cholerabacillenemulsion u. ä.) eine
Beeinflussung des zweiten Auges im Sinne einer Veränderung seiner
Circulations- und Ernährungsverhältnisse, wie sie sich in der mit
Pufrich’s Refraktometer bestimmten Aenderung des Brechungsindex
des Kammerwassers dokumentieren müsste.
M. Goldschmidt - Leipzig: Der Mechanismus des Abbais nndder
Resorption der Linse. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Wurden asep¬
tisch in der Kapsel extrahierte Ochsenlinsen mit Chloroformwasser und
Toluol Überschichtung im Dialysierschlauch der Autolyse gegen steriles
Aqua destillata ausgesetzt, so ergab eine N-Bestimmung des Dialysats
allmählichen Abbau des Linseneiweisses; wird das Dialysat nicht ent¬
fernt, so wird die Autolyse duroh Anhäufung der Abbauprodukte ge¬
hemmt. In einer diszindierten Linse fiudet im Gegensatz zur intakten
Linse eine Konzentrationszunahme des proteolytischen Ferments statt
Dieses Ferment fehlt dem normalen Kammerwasser fast ganz, nimmt
aber bei wiederholten Punktionen an Menge zu. Während die intakte
Linse kein proteolytisches Ferment aus dem Humor aquens aufnimmt,
steigt das Adsorptionsvermögen der diszindierten Linse für dieses
Ferment beträchtlich, und zwar infolge veränderter Oberflächen Wirkung;
ausserdem wirkt die Anwesenheit der quellenden Linsenmassen ähnlich
der wiederholten Punktion steigernd auf den Uebergang des proteo¬
lytischen Ferments in das Kammerwasser. Dieses in der Liose fest sich
verankernde Ferment baut das Linseneiweiss zu löslichen, kleinmole¬
kularen Produkten ab. Weiter fördern die in der Linse selbst vor¬
handenen autolytiseben und die proteolytischen Fermente der einge¬
wanderten Blutelemente die Linsenresorption, die einen rein physikalisch¬
ohemischen Vorgang darstellt.
Vogt: Klinischer und anatomischer Beitrag zur Kenntnis der
Cataracta senilis, insbesondere zur Frage des sabkapsnlären Beginnes
desselben. (Graefe’s Aroh., Bd. 88, H. 2.) Der Altersstar beginnt nicht,
wie Hess annimmt, subkapsulär, sondern meist supranuolear bzw. in
den tiefen Rindensohichten, wie Verf. an zahlreichen klinisch und
50 mikroskopisch untersuchten Linsen feststellen konnte. Beides ist
weder ein klinischer noch ein anatomischer Beweis für die Häufigkeit
der Cataracta supracapsularis incipieos erbracht worden. Verf. fwd,
dass über 90 pCt. aller über 60 Jahre alten Menschen an mehr oder
weniger ausgedehnten senilen Linsentrübungen leiden. Subkapsulare
bzw. subepitheliale Trübungen finden sich nur da, wo der Star der
tieferen Rinde schon entwickelt ist.
Lindner: Ueber Pigmentstreifeobildtig io der Betioa. (Graefe’s
Arch., Bd. 88, H. 2.) Die Pigmentstreifenbildung ist stets doppelseitig.
Die Streifen sind scharf, aber unregelmässig begrenzte, radiäre, unter
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1531
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10. Augast 1914.
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elen Netzhautgefässen verlaufende, meist braune Gebilde, die nahe der
Papille entspringen. Mit der Zeit ändern sie ihre Farbe und werden
dunkel. Sie liegen zwischen Pigmentepithel und Retina oder in den
äussersten Netzhautschichten. L. beobachtete 8 Fälle, von denen 2 ein
Brüderpaar betrafen. Ein Patient litt an Neuroretinitis albuminurica
mit Iridocyclitis. Bei 3 Fällen waren die Streifen aus unregelmässigen
Pigmentkrümeln zusammengesetzt, die tiefschwarz, häufig parallel und
gestreckt angeordnet waren. Diese Beobachtungen erinnern an den von
Magitot 1908 veröffentlichten Fall, den einzigen anatomisch unter¬
suchten. Nach Magitot handelt es sich um Blutungen in die äusseren
Netzhautschichten. L. führt die Streifenbildung zurück auf capilläre
Blutungen in die tieferen Netzhautschichten; das Blut habe bei seinem
Vordringen ins Gewebe in radiärer Richtung den geringsten Widerstand
gefunden. Unterstützend mag die bei Erkrankungen der Netzhaut so
häufige Höhlenbildung in der äusseren plexiformen und der Corneaschicht
mitgewirkt haben. Die die Blutungen auslösende letzte Ursache bleibt
unbekannt, vielleicht liegt eine lokale Netzhautaffektion entzündlichen
Charakters vor.
K. Lindner: Ueber einen Fall von Hemeralopie mit weissgran
verfärbtem Fundus. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 2.) Der 16 Jahre alte
Patient stammt aus blutsverwandter Ehe. Der Augenhintergrund ist
auf beiden Augen in weitem Umkreis um die Papille weisslicbgrau ver¬
färbt, der Uebergang in die normal rote Peripherie erfolgt allmählich.
Die Gegend der Macula ist duokel, rechts von radiären, faltenartigen,
hellen Streifen durchzogen, links liegen um die Macula an das Bild der
Retinitis punct. albescens erinnernde Reihen heller Fleckchen. Die Seh¬
schärfe war erheblich herabgesetzt. Das in seiuen Ausseogrenzen nor¬
male Gesichtsfeld zeigte rechts ein kleines centrales Skotom für Rot,
links ein absolutes grösseres für Weiss. Die Maculaveränderungen waren
nach U /2 Jahren wesentlich andere: Die Streifung rechts verschwand,
die Färbung war hellgrau geworden, in der Fovea lag ein dunkelroter
Fleck, links bot sich ein ähnliches Bild. Es bestand ausgesprochene
(angeborene) Nachtblindheit. Oguchi, Komoto, Dor, Miyno und
Nakamura haben ähnliche Fälle veröffentlicht. Das Fortschreiten der
weisslicbgrauen Verfärbung spricht dafür, dass sie keine angeborene,
sondern eine erworbene Veränderung darstellt. Der Prozess dürfte wohl
in das Pigmentepithel zu lokalisieren sein. Vielleicht handelt es sich
um einen degenerativen Prozess, der mit Veränderungen entzündlicher
Natur vergesellschaftet ist. Die Erkrankung hat mancherlei Berührungs¬
punkte mit dem Bilde der Retinitis punctata albescens, und L. möchte
die Erkrankung als Fundus albescens cum hemeralopia congenita be¬
zeichnen. K. Stein dor ff.
Hygiene und Sanitätswesen.
A. Ph. Mitchel l - Edinburg: Bericht über taberknlüse Milch in
Edinbarg. (Brit. med. journ., II. Juli 1914, Nr. 2793.) In einer früheren
Arbeit hat der Verf. festgestellt, dass ein grosser Teil der tuberkulösen
Lymphdrüsen bei Kindern in Edinburg durch den bovinen Bacillus
infiziert ist. Bei einer Untersuchung von Milchproben (400) fanden sich
in 20 pCt. Tuberkelbacillen. Weydemann.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Gesellschaft der Charile-Aerzte.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 2. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Scheibe.
Schriftführer: Herr Glaswald.
DiroW f ' f ra H? : . Hochgeehrter Herr Obergeneralarzt! Verehrter Herr
sehen °h * .^Küchen Charite und Präsident dieser Gesellschaft! Sie
natürlich* w 1D 5 zahlreicllere Versammlung als gewöhnlich. Die ist
es mir Tk 010 , durcb unsere bescheidene Tagesordnung herbeigelockt,
Cbaritp wieder einmal Abschied zu nehmen von der
in kraftvniwtf^i Wird uns dieser Abschiefl J a dadurch, dass wir Sie
ziehen in h* *f lscbe ^ or uns . seben > und dass Sie sich nicht zurück¬
rettet ah eruchtigte otium cum dignitate, wohin jeder so viel
Wir sehen < 3 ,- 0 P b y s, sche und geistige Kraft noch zu ertragen vermag.
wL Stelluni T m c hr 3e ! bs,; » ,d, e schreiten in eine neue
Wwn. die Sif Ä?. , p?*-.? Ch ." lbst ge ’ ,ählt haben ' Aber iD den zebn
erweitert worden niw^ l ® lt ® t . habei1 » da ist sie nicht bloss baulich
®anche der besten «• Gbanl ®. bat in der Zeit viele Menschen verbraucht;
einsam um uns ™ 1Q d geschieden. Es will Abend werden, und es ist
heraus ich sprechen ^m eD 5 ^ JSt d ° Ch die Grun(lstim mung, aus der
«ll.n I<: den ba A e emteT' Herr Obergeneralarzt, zu danken in
JÜem zu danken im n b j? r aus K eübt habe. Ich habe Ihnen vor
da » einige Band ist dl^nn« n'T, Charit e-Gesellschaft, die ja bisher
! Dd Unterärzte . Aente - Stabs- und Zivilärzte
» er Scheibe gewesen ist gt ’ ^ enn wir einmai UDS fra S en werden,
be ™»gLISn s id e l“ Wlr . nooh älter geworden oder wenn die
Sie“°Ü ““ V«»"oh’ rdCn W ' rsageu: «war ein untadiiger
moht bloss die Charite zielbewusst geführt. Sie haben
auch mir Ihre Freundschaft erwiesen. Wenn Sie es konnten, haben Sie
uns ausgeholfen, und wenn Sie uns auch nur mit kleinen Summen bei¬
springen konnten — dass es nicht grössere waren, das liegt in den Ver¬
hältnissen —, Sie haben es gern getan, und das tut einem Direktor¬
berzen wohl. Wir als Zivilisten wissen die Vorteile sehr zu schätzen,
die aus der Verbindung eines militärischen und eines Universitätsinsti¬
tuts hervorgehen. Dass Sie aber Ihre Sonne haben leuchten lassen in
gleicher Weise über Ihre militärischen und über die zivilistischen Aerzte
und Assistenten, das wird Ihnen gewiss auch bei letzteren unvergessen
bleiben.
Ich selbst habe Ihnen persönlich zu danken, dass ich Gelegenheit
gehabt habe. Ihnen auch freundschaftlich gegenüberzutreten, und ich
hoffe, dass Sie auch mich in freundlichem Andenken behalten werden.
Wenn ich nun schliesse, so möchte ich Sie bitten, Sie möchten recht
gern und oft an die Charite zurückdenken, in der Ueberzeugung, dass
Treue und herzliche Wünsche Sie begleiten in eine, wie wir alle hoffen,
nur angenehme Zukunft! (Langanhaltendes lebhaftes Bravo und Hände¬
klatschen.)
Vorsitzender: M. H.! Hochverehrter Herr Gebeimrat! Sie sehen
mich tief bewegt. Wenn ich heute nach zehn Jahren hier von dieser
Gesellschaft Abschied nehme, so ist es mir ganz besonders schwer ge¬
macht worden durch diese Worte, die Sie, hochverehrter Herr Geheimrat,
an mich zu richten die Güte hatten. Ich bin wirklich tief gerührt über
die Worte der Anerkennung, und ich kann nur versichern, dass ich alles,
was in meinen Kräften gestanden hat, getan habe, um zu fördern, wo
ich fördern konnte. Dass Sie aber mir in dieser freundschaftlichen Weise
näher getreten sind, hochverehrter Herr Geheimrat, das beglückt mich,
und ganz besonders, dass Sie das hier auch zum Ausdruck gebracht
haben. Ich hoffe, wenn mich nun meine Schritte westlich führen, dass
auch die Herren, die hier mit mir zusammen gearbeitet haben, ab und
zu ein klein wenig meiner gedenken. Ich werde stets mit grosser Liebe
und Dankbarkeit an die Zeit zurückdenken, die mich hier in der Charite
und speziell an der Spitze dieser Gesellschaft gesehen hat, von deren
Mitgliedern Herr Geheimrat Orth und ich noch die einzigen sind, die
seinerzeit auch die Gründung der Gesellschaft, und zwar Herr Geheimrat
Orth als Assistent von Virchow, ich als Unterarzt, mitgemacht haben.
(Zuruf): Und Herr Geheimrat Ewald! Jawohl, verzeihen Sie, tres faciunt
Collegium. Um so mehr freuten mich aber die Worte, die Sie an mich
gerichtet haben, und ich danke Ihnen von Herzen dafür. Behalten Sie
mich in gutem Andenken! (Lebhaftes Bravo und Händeklatschen.)
Vor der Tagesordnung.
Hr. Brüning: Demonstration eines Kranken mit Prothese.
M. H.! Ich möchte Ihnen einen Kranken zeigen, der am 23. Oktober
v. J. in der Pulverfabrik in Spandau bei einer Explosion verunglückt
ist, und zwar hatte er neben der Verbrennung der Hände auch eine
solche des Gesichts und des Schädels davongetragen. Der ganze obere
Schädel war eine grosse Wunde; beide Ohren sind verloren gegangen,
die Stirn ist bis hinten zum Opticus in Mitleidenschaft gezogen, die
Abbildung 1.
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UNIVERSUM OF IOWA
1532
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
ganze Schädelhaut ist verbrannt, die Augen haben stark not gelitten.
Der rechte Bulbus ist verloren gegangen, im linken Bulbus ist nur noch
etwas Lichtempfindung und Projektion vorhanden.
Die chirurgische Behandlung war zu Anfang sehr schwer. Der arme
Kranke bot einen furchtbaren Anblick, und es war zuerst dafür zu sorgen,
dass der Kopf überall mit Haut bedeckt wurde. Das wurde nach Thiersch
gemacht, und zwar — der Unfall war am 23. Oktober, die erste Ope¬
ration am 1. Januar, und bis zum 9. Januar brauchte die Wunde, um
sich zu reinigen — wurden Hautplättchen nach Thiersch transplan¬
tiert, und Sie sehen, es ist gelungen, den ganzen Schädel wieder zu be¬
decken. Ferner wurde versucht, das Ektropium zu bessern. Das ist
nicht gelungen; es muss nach Ansicht der Augenklinik damit noch ein
Jahr gewartet werden.
Unsere zweite Sorge war, den armen Kranken so weit wiederherzu¬
stellen, dass er sich draussen in der menschlichen Gesellschaft zeigen
kann, und dazu haben wir folgendes vorgenommen. Der Ersatz der Ohren
durch Transplantation war ausgeschlossen, weil die ganze Umgebung
vernarbt war, und ausserdem der Ersatz der Ohrmuscheln niemals ein
gutes Resultat gibt. Da hat sich ein Verfahren bewährt, das ein Wärter
der Ohrenklinik erfunden hat: es werden künstliche Ohren aus Kautschuk
hergestellt, die werden angeklebt. Ausserdem haben wir ihm eine Perücke
und eine Brille gegeben, so dass er dann ganz anders aussieht. Der
Mann wird nun draussen zurecht gemacht werden, und ich werde ihn
dann nochmals zeigen.
Inzwischen möchte ich Ihnen noch kurz dieses Verfahren der Ohren¬
plastik erläutern. Hier sind die Formen, in denen die Ohren gegossen
werden. Es ist eine Kautschukraasse, die das Geheimnis des Wärters
ist — soviel ich weiss, wird das ausser hier io Berlin nur in Wien ge¬
macht, und man benutzt es auch zum Ersatz von Nasen —, eine Kaut¬
schukmasse, die bei 50 bis 60 Grad flüssig in diese Form hineingegossen
wird. Wenn die Masse erstarrt ist, wird sie in drei Teile auseinander¬
genommen, und nun ist hier die fertige Ohrmuschel drin. Wichtig ist,
dass diese Fläche, die nachher angeklebt wird, möglichst plan ist; sie
muss nachher etwas abgeschabt werden. Dann werden die Ohren mit
Mastix angeheftet, und sie sitzen so gut, dass der Kranke über Nacht
damit ins Bett gehen und sich sogar aufs Ohr legen kann. Die Farbe
ist noch nicht ganz recht; da kann man leicht durch Fettschminke usw.
nachhelfen. Die Ohren können längere Zeit getragen werden, und wenn
der Kranke im Besitz der Form ist, kann er sich selbst die Ohren neu
giessen (Heiterkeit), so dass er die Ohren, wenn sie abgeschliffen sind,
sich selber wieder neu machen kann. (Erneute Heiterkeit.) —- Ich darf
Ihnen die Ohren und eine Form herumgeben.
Um die Perücke aufzusetzen, war es nun nötig, die Haut zunächst
widerstandsfähig zu machen. Zu diesem Zweck ist die Haut monatelang
massiert worden; erst wurde sie mit Borsalbe eingefettet und dann
massiert. Auf diese Weise ist es gelungen, dass er den Tag über ganz
gut seine Perücke tragen kann, und Sie werden gleich sehen, dass er
doch nicht den abschreckenden Eindruck macht, wie ohne diese Behelfe.
Tagesordnung.
1. Hr. Kraus. Das Herz bei Asthma bronchiale.
(Der Vortrag erscheint in erweiterter und durchgearbeiteter Form in
Band 38 der Charitö-Annalen.)
Nunmehr wird der Kranke des Herrn Brüning mit seiner Prothese
vorgeführt.
Hr. Brüning: Hier sind also die Ohren befestigt. Er hat etwas
Abbildung 3.
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10. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1683
Couleur bekommen, und Sie sehen, er kann ganz schon mit den Ohren
wackeln; vie gesagt, er kann in der Nacht darauf liegen, ohne dass sie
verloren gehen. Später soll noch das Ektropium verbessert werden.
Immerhin aber kann der Kranke drausaen auf der Strasse so spazieren
gehen.
Diskussion: Hr. Kraus: Es ist ja sehr erfreulich, dass die
Henen Chirurgen wieder anfangen, sioh um solche kleine Sachen zu
kümmern. Aber ich möchte nur sagen: was speziell diese angeschminkte
Nase betrifft, so hat neulich ein Herr in einer hiesigen Gesellschaft
ein ganz analoges Verfahren gezeigt, nicht für die Ohren, sondern für
die Nase. Und da möchte ich, weil heute doch ein Tag der Erinne-
rangen ist, auf einen Fall zurückkommen, den ich gemeinsam mit
Herrn von Bergmann beobachtet habe. Herr von Bergmann hatte
12 Jahre laog einen berühmten spanischen Parlamentarier in Behandlung,
dem er ein Sarkom des Kiefers entfernt hatte. Durch diese Operation
war die ganze untere Gesichtshälfte weggenommen, auch ein Stück Nase
war fort. Die Operation war im übrigen gelungen, und der Patient hat
dann eine Prothese angeschminkt bekommen, die ganz ähnlich gemacht
war wie diese hier. Der Mann war Ministerpräsident und hat nachher
nooh die glänzendsten Reden gehalten; den Namen kann ich nicht
nennen, Sie alle kennen ihn aber. Naoh 12 Jahren bekam er erst ein
Reoidiv; es trat ein intraoranieller Tumor auf, der dann zum Exitus
führte.
2. Hr. Bragseh: Lues iod Mageierkrankungen.
(Erscheint in den Charitö-Annalen, Bd. 38.)
Diskussion.
Hr. Ewald: M. H.! Die Auseinandersetzungen des Herrn Kollegen
Brugsoh waren mir deshalb von besonderer Wichtigkeit und Interesse,
weil ich in meiner langjährigen Praxis nur das bestätigen kann, was er
über die Seltenheit des Vorkommens von greifbaren luetischen Affektionen
am Magen gesagt hat. Ich habe seit sehr vielen Jahren mein Augen¬
merk immer darauf gerichtet, und zwar aus einem Grunde, der etwas
vulgären Charakter hat; es gab nämlich hier früher einen Arzt namens
Pancritius, der hatte die Eigentümlichkeit, dass er alles, was von
Krankheiten irgendwie existierte und womöglich darauf zu beziehen war,
auf Syphilis bezog. Und so bezog er auch einen grossen Teil der Magen¬
krankheiten, die ihm vorkamen, auf syphilitische Genese und schickte
die Leute immer nach Nenndorf; Nenndorf war ein Spezialkurort für
diesen Herrn. (Er hatte auoh ein Buch geschrieben über die Syphilis
der Lunge, das seinerzeit ziemliches Aufsehen erregte.) So wurde ich
denn also sehr früh auf diese syphilitischen Prozesse beim Mageo auf¬
merksam gemacht. Das kann ich aber dem Kollegen Brugsch auch be¬
stätigen, dass es eine ganze Reihe von Erkrankungen gibt, die diesen Charakter
der gastrischen Krise in abortiver Form haben. Mein Oberarzt Dr. Wolff
hat eine ganze Reihe von diesen Fällen in der Poliklinik bei uns ge¬
sammelt, und wir haben das immer als abortive gastrische Krisen oder
als pseudogastrische Krisen bezeichnet, obgleich sie — wie ich auch dem
Kollegen Brugsch zugeben muss — gar nicht deu Charakter einer
Krise haben, sondern sioh über lange Zeit gleichmässig erstrecken. Iu
solchen Fällen wird also eine antiluetische Kur jedenfalls des Versuches
wert sein. Darin kann ich ihm nun aber nicht beistimmen, dass sie
immer und jedesmal einen Erfolg bat — ich weiss nicht, ob Sie das
gesagt haben, oder nicht —; das ist nicht der Fall. Aber in einzelnen
Fällen haben wir tatsächlich Resultate damit erzielt. Wir haben niemals
Salvarsan angewendet, sondern immer nur eine luunktionskur mit Jod¬
kalium gewählt. Die Diagnose der Syphilis des Magens ist immer eine
Vermutungsdiagnose; mit Sicherheit lässt sie sich meines Erachtens über¬
haupt nur auf dem Obduktionstiscbe stellen, eventuell aus dem Erfolg
einer solchen antiluetisohen Kur abstrahieren.
Hr. Citron: M. H.! loh möchte nur ein paar Worte zu dem be¬
merken, was Heir Brugsch gesagt bat. Einen Teil der Fälle kenne
ich aus eigener Ansohauung, habe sie auch selbst untersucht, und ich
kann mich nicht ganz dem anschliessen, was Herr Brugsch gesagt hat,
dass wir diese Magenerscheinungen so häufig auf Lues beziehen dürfen.
Wir wissen, dass die Lues leider eine der häufigsten Krankheiten in
Berlin ist; speziell bei unserem Charitematerial spielt der Prozentsatz
der Wassermann’schen Reaktion eine grosse Rolle, und dass es unter
diesem natürlich auch Patienten gibt, die alle möglichen uncharakte¬
ristischen Magenerscheinungen haben, das scheint mir selbstverständlich.
Nun hat Herr Brugsoh aber nooh eine bestimmte Gruppe herausge-
griffeu, und ich glaube, auf die müssen wir ganz besonderen Wert legen.
Er hat vou Patienten gesprochen, die keine sonstigen Zeichen von Tabes
bieten, die aber von Zeit zu Zeit gastrische Erscheinungen darbieten,
welche an Krisen erinnern, teilweise kontinuierlicher Form, teilweise aber
weh intermittierend; und da kann es vorkommeD, dass, wenn man die
Wassermann’sehe Reaktion anstellt, man auch ein negatives Resultat
bekommt. Wenn er aber auch die Lumbalfiüssigkeit, wie ich es tue,
nnt zur Untersuchung heranzieht, dann sieht er, dass es sich um Leute
bandelt, die tabische Lyraphooytose haben und auoh einen positiven
Wassermann geben. loh glaube also, dass die Auffassung dieser Fälle
weit eher die sein muss, dass es sich um beginnende oder abortive Tabes-
falle handelt, und nicht um gastrische Syphilis, wobei wir uns die An¬
wesenheit der Spirochäten im Magen selbst vorzustellen haben. Dass es
syphilitische Magenerkrankungen gibt, will ich keineswegs bestreiten;
r*® 8 sie aber insbesondere nicht im tertiären Stadium sehr stark hervor-
.ten, sondern im sekundären, das soheint mir weit einleuchtender zu
sein. Denn im sekundären Stadium erfolgt die erste Eruption, die Ueber-
säung des Organismus mit Spirochäten; dann dringen sie in alle Organe
ein. Aber dass alle möglichen gastrischen Verstimmungen zur Zeit der
ersten Eruption bestehen, das ist etwas ganz Alltägliches, und bei der
dann fast immer einsetzenden Behandlung wegen der Allgemeinsymptome
gehen dann auch diese Erscheinungen zurück. Ob es nun in allen diesen
Fällen zu anatomischen Veränderungen, Gastritis kommt, oder ob es sich
bloss um toxische Erscheinungen handelt, die infolge der begleitenden
toxischen Ueberschwemmung des Körpers mit Spirochäten beruht, lässt
sioh ärztlich nicht entscheiden, auoh anatomisch nicht, weil diese Leute
selten auf deu Sektionstisch kommen oder, wenn sie darauf kommen,
keine charakteristischen Erscheinungen mehr bieten.
3. Hr. Plesek:
Demonstration eines Apparates cir Blntmengebestimmnng.
4. Hr. Döhrer:
Colitis mit retrograder Peristaltik im aosgesehalteten Colon descendens.
(Beide Vorträge erscheinen in ausgearbeiteter und erweiterter Form
in Band 38 der Charitö-Annalen.)
Hr. Scheibe: Nunmehr schliesse icb die heutige Sitzung mit ver¬
bindlichstem Danke für Sie, Herr Geheimrat, und die übrigen Herren
Redner, und ich sage auch Ihnen allen nochmals meinen herzlichsten
Dank für die festliche Sitzung, die Sie mir bereitet haben. (Bravo! und
Händeklatschen.)
Berliner otologische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 24. April 1914.
Vorsitzender: Herr Passow.
Schriftführer: Herr Beyer.
Der Vorsitzende begrüsst als Gast Herrn Dr. Mallito aus Moskau.
Tagesordnung.
Hr. Spituer stellt einen Fall vor von Spontanfraktnr der vorderen
unteren Wand des rechten äusseren, knöchernen Gehörgangs bei einem
60jährigen Mann. Der Bruch war eutstandeu beim Essen eines
Brötchens. Der Patient leidet weder au Lues noch an Diabetes. Als
Nebenbefuud wurde bei der Röntgenuntersuchung ein ausserordentlich
stark entwickelter Processus styloideus festgestellt, sowohl hinsichtlich
seiner Länge als auch seiner Dicke. Nach Ansicht des Vortr. hat mög¬
licherweise bei Zustandekommen der Fraktur der vergrosserte Processus
eine wesentliche Rolle gespielt, indem durch Hebelwirkung beim Kauen
die Fraktur zustande gekommen ist.
Diskussion.
Hr. Passow hält die Verlängerung des Processus für die ver¬
knöcherte Sehne, glaubt aber doch, dass die Fraktur vielleicht durch
Anstossen des Kopfes des Proc. condyl. des Unterkiefers gegen die
dünne Gehörgangswand entstanden sein kann.
Hr. Spitzner: Es ist auffallend, dass der Processus nur auf dieser
einen Seite so stark entwickelt ist, wie es auf der Röutgenplatte deut¬
lich zu sehen ist. Beim weiten Aufklappen des Unterkiefers stösst die
Spitze gegen den Processus.
Hr. Bosch: Isoliertes Nenrorecidiv im Ramus vestibaiaris.
Die 23jährige Patientin hat 1913 Lues erworben, seitdem drei
Kuren mit Hg, einmal mit Salvarsan gebraucht. War bis vor 14 Tagen
ohrgesund, dann bekam sie plötzlich ohne Veranlassung Schwindel,
Uebelkeit, Erbrechen, Ohrsausen rechts. Trommelfellbefund negativ,
Flüstern 15 cm beiderseits, spontaner Nystagmus horizontal und rota¬
torisch nach links. Rechtes Labyrinth kalorisch unerregbar. Es scheint
hiernach also ein isoliertes Neuroreoidiv im Ramus vestibularis vor¬
zuliegen.
Diskussion.
Hr. Beyer meint, dass nach dem einseitigen Vorbeizeigen beim
Barany’schen Zeigeversuch auch an einen gummösen Prozess au den
Meningen zu denken wäre.
Hr. Passow: Es ist eine Frage, ob man hier, wenn es eine ganz
isolierte Vestibularislähmung ist, die Lumbalpunktion machen soll oder
nicht. Bei isolierter Acusticusaffektion würde auch Salvarsan ange¬
zeigt sein.
Hr. Claus hat Fälle gesehen, in denea allerdings nicht isolierte
Vestibularisreizung, sondern Acusticusreizung nach Salvarsan bestand,
die recht gut geworden sind, nachdem wieder Salvarsan angewandt
wurde. (Zuruf: Das ist ja nicht naoh Salvarsan!)
Hr. Busch: Sie bat im Januar die Salvarsaneinspritzung bekommen,
jetzt vor 14 Tagen hat der Anfall eingesetzt
Hr. Passow: Mich würde es interessieren, ob absolute Taubheit,
wie wir sie jetzt nach Salvarsan gesehen haben, nach einer erneuten
Dosis wieder rückgängig wird.
Hr. Blumenthal: Dieser Fall gehört zweifellos zu den Fällen, wie
wir sie in der ersten Zeit der Salvarsantherapie häufig gesehen haben,
wo lediglich Salvarsan injiziert wurde, ohne Kombination mit Queck¬
silber. Es wäre daher auch in diesem Falle auzura^o, die Salvarsan-
therapie mit Quecksilber zu kombinieren.
Hr. Busch: Patientin hat zuerst nur Quecksilber bekommen und
dann im Januar Salvarsan. Jetzt soll sie eine Queoksilberinjektionskur,
kombiniert mit Salvarsan erhalten, und zwar beginnend mit 0,3 Sal¬
varsan, dann in etwa 8 Tagen 0,4, in weiteren 8 Tagen 0,5 Salvarsan.
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UMIVERSITY OF IOWA
1534
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 32.
Hr. Peyser: Es wird behauptet, dass noch 3—6 Monate nach der
Salvarsaninjektion derartige Erscheinungen auftreten können. Wichtig
iräre es, nach dem Vorbilde von Knick und Zalocsieski die Lumbal¬
punktion zu machen. Knick fand bekanntlich Meningitis basalis auf
luetischer Basis.
Hr. Wolff: Die Injektion liegt 3 Monate zurück, und es liegen
differente centrale Symptome vor.
Hr. Peyser bemerkt dazu, dass nach seinem Dafürhalten nicht ein
einziger Fall von toxischer Arsenscbädigung des Cochlearis nachweisbar
sei. Gerade durch die Arbeiten von Knick und Beck ist doch be¬
wiesen, dass in den meisten Fällen mindestens zweifelhaft ist, ob nicht
doch Lues vorliegt, zum Teil ist es sogar mit Sicherheit bewiesen, dass
es sich um keine Arsenschädigung handeln kann.
Hr. Karrenstein hat in einem ähnlichen Falle die Liquorunter¬
suchung gemacht, nach deren Befund keine luetische centrale Erkrankung
vorlag, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass doch eine Arsenintoxikation
bestehen kann, grösser ist.
Hr. Herzfeld: Ich habe zufällig in einer Woche drei schwere
Labyrinthaffektionen gesehen bei Leuten, die kein Salvarsan bekommen
hatten. Wenn Schwerhörigkeit und Nystagmus schon vor 14 Tagen auf¬
getreten sind, ist es merkwürdig, dass die Patientin heute noch diesen
ausgesprochenen Nystagmus hat. Denselben sehen wir doch gewöhnlich
viel früher verschwinden. Auch stehen die ganz geringen Gleichgewichts¬
störungen in keinem Verhältnis zum Nystagmus. Daher möchte ich an¬
nehmen, dass es sioh hier um Schädigung des Vestibularis im retro¬
labyrinthären Teil handelt.
Hr. Sehmidt-Hackenberg: Primäre Naseidiphtherie bei Kindern.
Die Nasendiphtherie wird leicht übersehen. Hartnäckiger Ausfluss
aus der Nase bei wenig veränderter Schleimhaut und intakten Neben¬
höhlen führt makroskopisch zur Diagnose, die durch bakteriologische
Methodik gesichert wird. Jeder operative Eingriff an Nase, Nasopharynx
und Ohr ist — wenn nicht quoad vitam — kontraindiziert wegen der
Schwere eintretender Komplikationen. Sehr bald sind Dipbtheriebacillen
im Ohr nachweisbar. Therapeutisch kommt nur Diphtherieheilserum in
Frage, das intravenös, auch intramuskulär, nicht subcutan, und bei
leichten unkomplizierten Fällen auch lokal appliziert wird.
Diskussion.
Hr. Max Senator beanstandet nach seiner Erfahrung die Angabe
des Redners, dass die Rhinitis fibrinosa nicht mit der Diphtherie iden¬
tisch ist und die dabei gefundenen Diphtheriebacillen nur Saprophyten
seien. Allerdings gibt ja die Rhinitis fibrinosa nicht das ausgesprochene
klinische Bild, von dem wir eben gehört haben, sondern ein abge¬
schwächtes, trotzdem wird man gut tun, an sie genügende Kautelen zu
knüpfen.
Da wahrscheinlich die Diphtherie mehr in der Bucht der Rachen¬
mandeln zu suchen ist, müsste man eher von einer Diphtheria retro¬
nasalis sprechen.
Wenigstens spricht ein Fall eigener Beobachtung dafür, bei dem
postrhinoskopisch die Rachenmandeln erkrankt gefunden wurden und die
bakteriologische Untersuchung vollvirulente Diphtheriebacillen nachwies
und durch typische Seruminjektionen Besserung und allmähliche Heilung
eintrat. .
Hr. Blumenthal bezweifelt, dass Seruminjektionen bei Nasen¬
diphtherie noch günstig wirken, wenn wir sie nach 2 bis 3 Wochen
machen, wie hier bei den Kindern mit Nasendipbtberie, da es doch be¬
kannt ist, dass Seruminjektionen bei Diphtherie sonst nur in den ersten
Tagen der Erkrankung wirksam sind, später keine Wirkung mehr haben.
Hr. Schwerin bat eine grössere Anzahl von Nasendiphtherien nur
lokal mit weisser Präcipitatsalbe behandelt und damit recht gute Er¬
folge erzielt. Das Behring’sche Serum ist ein Antitoxin. Die toxischen
Erscheinungen sind bei Kindern meist recht minimal, gleich Null. Ich
sehe nicht ein, warum wir in diesen Fällen eine Indikation sehen
sollen, das Serum anzuwenden.
Hr. Schmidt-Haokenberg: Die Fälle von Rhinitis fibrinosa und
von sekundärer Nasendiphtherie waren von der Betrachtung ausge¬
schlossen. Die Diphtherie der Rachenmandel streift ein Gebiet, das ich
absichtlich nicht berührt habe. Präcipitatsalbe bringt günstigstenfalls
die Excoriationen zum Abheilen. Nachschübe aus der Nase kann sie
nicht verhindern.
Hr. Gütlich: Vestibnlarisreiz als Todesursache beim Baden.
Hat jemand eine offene Pauke, dann kann beim Baden kaltes Wasser
bei ihm kalorischen Nystagmus auslösen, es kann zum Erbrechen und
zum Collaps kommen. Diese Tatsache ist noch nicht gebührend ge¬
würdigt. Alle Theorien, mit denen man den plötzlichen Tod beim Baden
zu erklären sucht, sind unzuläüglioh. Das Erbrechen figuriert immer
noch als Haupttodesursache. Es ist jedoch nur ein Symptom, und zwar
wahrscheinlich eines der Vestibularreizung. — Stellen Sie sich vor, Sie
würden bei einem unter Wasser befindlichen Menschen kalorischen
Nystagmus auslösen, so wird er sofort mit seiner gesamten Muskulatur
die Bärany’schen Abweichereaktionen ausfübren, er wird also für sein
Schwimmen und für das Zurückkehren an die Wasseroberfläche voll¬
ständig unzweckmässige Bewegungen ausführen. Dann kommt die Fall¬
reaktion dazu. Der betreffende Mensch wird sich wahrscheinlich um
seine eigene Achse drehen. Schliesslich kann dann noch Erbrechen und
Collaps eintreten. Jedoch schon die durch die Abweichereaktion und
die Fallreaktion ausgelöste örtliche Desorientierung kann zur Erstickung
und zum Exitus führen.
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Diskussion.
Hr. Passow bemerkt, dass japanische Tanzmäuse, wenn man sie
ins Wasser tut, sofort ertrinken, während eine gewöhnliche Maus längere
Zeit schwimmt.
Hr. Katzenstein bemerkt, dass Normale beim Tauchen mit offenen
Augen besser orientiert sind als mit geschlossenen, dass es ferner, da
im Wasser die Körperschwere um so viel geringer wird, als Wasser durch
den Körper verdrängt wird, hier in Frage käme, ob es sich vielleicht
nicht um den Vestibularis, sondern um veränderte Sohwerebedingungen
des Körpers bandle.
Hr. Busch glaubt, dass die Theorie des Herrn Vortragenden nicht
ganz neu ist, sondern dass Troeltsch schon in seinem Jahrbuch (1881)
darauf hingewiesen bat, dass eine Anzahl von plötzlichen Todesfällen im
Wasser durch Reizung des N. vestibularis nach Eindringen von kaltem
Wasser ins Ohr zu erklären ist.
Hr. Halle: Es ist interessant, dass Körner in Müritz Kinder, selbst
wenn sie grosse Perforationen batten, ruhig baden liess, ohne das Ohr
zu schützen. Er hat weder Mittelohrentzündungen noch Labyrinth¬
reizungen gesehen.
Hr. Peyser warnt davor dringend, da er neulich bei einem Fall
nach Aufmeisselung, nachdem mit grosser Mühe die Heilung erzielt war,
durch Baden ein schweres Recidiv beobachtete.
Hr. Passow: Dass in jedem Sommer Leute Otitiden bekommen,
die durch Baden entstanden sind, ist ganz sicher, besonders bei der
Truppe ist es beobachtet worden. Ob die Eiterung allein vom Wasser
kommt oder von Bakterien, ist natürlich eine andere Frage. Was Körner
mit den Kindern gemacht hat, halte ich für sehr gewagt.
Hr. Güttich: Die Theorie, dass man überhaupt die plötzlichen
Todesfälle beim Baden, die ziemlich häufig sind, mit der offenen Pauke
erklären kann, ist meiner Ansicht nach neu. Wenn man bedenkt, dass
bei Kopfsprüngen Trommelfell risse zustande kommen, ist auch die Mög¬
lichkeit gegeben, dass auch bei Leuten, die eine geschlossene Pauke
haben, die Todesart durch Desorientierung infolge Vestibularreiz eintreten
kann. Natürlich kann das nur bewiesen werden, wenn bei den Fest¬
stellungen darauf geachtet wird.
Berliner nrologische Gesellschaft,
Sitzung vom 30. Juni 1914.
1. Hr. K. Frans: Pyelitis gravidaran.
Pyelitis gravidarum ist keine für die Schwangerschaft spezifische
Erkrankung, besser spricht man von Pyelitis in der Gravidität. Nach
statistischer Erhebung ist zu Pyelitis das weibliche Geschlecht mehr dis¬
poniert als der Mann, in der Schwangerschaft besondere Häufung der
Pyelitis. 2 / 3 ^ er Fälle von Schwangersohaftspyelitis betreffen Erst¬
gebärende. Die Pyelitis tritt kaum vor dem 5. Monat ein, nach dem
8. Monat sehr selten. 2 /s der Fälle sind rechtsseitig, doppelseitig höch¬
stens 1 / 8 . Der Erreger der Pyelitis ist das Baoterium coli. Aetiologiscb
muss eine Disposition vorhanden sein. Die Ursache ist Harnstauung.
Das rechte Nierenbecken ist in 65 pCt., das liuke in 14 pCt., beide in
19 pCt. befallen (Zangemeister). Rechts konnte Vortr. immer eine
trägere Tätigkeit des Ureters beobachten. Mit Sicherheit ist nicht zu sagen,
wie die Harnstauung zustande kommt. Beim Ureterenkatheterismus
stösst man zuweilen auf ein Hindernis an der Stelle, wo die Linea ter-
minalis das Becken kreuzt, physiologisches Hindernis. Bei Operationen
wird bei Freilegung des Ureters dieses Hindernis nicht konstatiert. Eine
andere Erklärung ist, dass das Hindernis im Ureter bedingt ist durch
die Lage des Kindes und Verlagerung des Uterus nach rechts, dies ist
jedoch anatomisch unhaltbar wegen der Weichheit des Uterus und des
Ureters. Auch durch Schwellung der Schleimhaut des Ureters und Ver¬
lagerung der Blase durch den wachsenden Uterus soll die Stauung zu¬
stande kommen.
Alle diese Erklärungen geben keinen befriedigenden Aufschluss.
Eine weitere Frage ist, wie kommen die Keime in den Ureter hinein?
Zwei Theorien bestehen hierüber, von aussen auf dem Wege durch die
Blase, auf dem inneren Wege durch die Blutbahn. Die Gewebe der
Schwangeren sind für den Eintritt des Baoterium coli disponiert, zu
finden in Bartholini’schen Drüsen und auch im katheterisierten Harn.
Es besteht jedoch keine Cystitis, dies spricht gegen die Annahme. Be¬
steht Cystitis, so ist gar keine Pyelitis vorhanden. Man kann daher
den ascendierenden Weg nur durch die Lymphbabnen des Ureters an¬
nehmen. Franz schliesst sich mehr der Auffassung an, dass die Iq-
fektion des Nierenbeckens auf deto Wege der Blutbabnen stattfindet.
Pyelitis schliesst sich an an Angina. Das Wahrscheinlichste ist eine
Infektion auf dem Wege der Lymphbabnen vom Darm aus. Dies ist
erwiesen durch die Arbeiten von Posner und Löwin. Weg vom Wurm¬
fortsatz nach dem rechten Nierenbeken durch die Lympbbahnen (Franke).
Als ätiologisches Moment gilt die bei Graviden häufige Stuhlverstopfung
jind das Aufflackern einer aus der Kindheit stammenden Pyelitis. Sym¬
ptome sind Temperatur 39—41°, Schüttelfröste. Allgemeinbefinden ira
ganzen gut. Schmerzen sind oft im ganzen Bauch, unten in der rechten
Seite, nioht in der Nierengegend. Die unklare Schmerzempfindlichkeit
führt oft zu falsche Diagnosen: Appendicitis, Cholecystitis, kryptogene¬
tische Septikämie, Malaria. Der oft klare Urin gibt ebenfalls zu
Täuschungen Veranlassung. Cystoskopisch findet man oft nichts, erst
Kulturen bringen Aufklärung. Bei unbestimmtem Sitz der Sohmerzen
Ureterenkatheterismus. Differentialdiagnostisch kommen in Betracht
Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
10. Aflgost 1914.
BERLINER KLINISCHE) WOCHENSCHRIFT.
1685
Tuberkulose und Steine. Vortr. hat dies noch nicht beobachtet, es ist
dies eine theoretisehe Annahme. Bei Tuberkulose andere Fieberkurve,
anamnestisch war das Leiden schon vor der Gravidität vorhanden. Bei
Steinen findet sioh Blut im Urin. Verlauf ist günstig. Prognose im
allgemeinen gut. Alteration des Nierenbeckens auch bei schweren
Fällen selten. F. hat zwei Todesfälle unter einem grossen Material be¬
obachtet.
Durch Einfluss der Pyelitis oft Frühgeburt durch Wärmestauung.
Unterbrechung der Schwangerschaft zwecklos, schafft nicht mehr als die
Behandlungsmethoden. Bettruhe, Umschläge, Zufuhr grosser FJüssigkeits-
mengen, Urotropin usw. Führt dies nicht zum Temperaturabfall, Ein¬
führung des Ureterkatheters, danach prompter Abfall. Dies spricht für
Harnstauung. Ureterkatheter kann 6—12 Stunden liegen bleiben,
Nierenbeckenspülungen, wenn Temperatur nicht sinkt, mit 1— Vj 2 proz.
Wasserstoffsuperoxyd, etwa 10 ccm, 3—4 mal hintereinander. Der Rest
bleibt im Nierenbecken. Mit dieser Behandlung Heilung erzielt. Diese
Behandlung nicht ad infinitum fortzusetzen. In dem einen tödlich ver¬
laufenen Fall ging die Patientin kurz nach der Geburt an Sepsis zu¬
grunde, die septische Infektion entstand durch die Unruhe bei der Ge¬
burt Deswegen schlägt Franz vor, wenn die oben angeführte Behand¬
lung nicht zum Ziele führt, lieber die Niere fortzunehmen.
Bei den klinisch geheilten Fällen bestand Ausscheidung von Bak¬
terien noch monatelang. Recidive sind häufig, die sofort wieder be¬
handelt werden müssen.
Diskussion.
Hr. Freudenberg wendet sich gegen die Auffassung, dass Nieren¬
steine Blutungen makroskopisch machen müssen, mikroskopisch immer.
Bei Pyelitis ist mikroskopisch manchmal Blut vorhanden. Bei Bak-
teriurie im Nierenbecken ist der Urin klar, daher klarer Urin, bei
Pyelitis.
Hr. Posner: Zur Aetiologie hat Franz an die physiologischen Ver¬
engerungen des Ureters erinnert. Es gibt zwei Verengerungen, die
untere ist an der Kreuzung mit den Vasae iliacae, die obere an der
Kreuzung mit den Vasae spermaticae. Beide spielen wohl bei der
Stauung eine Rolle durch Kompression. Die meisten der Pyelitiden ent¬
stehen auf dem Wege des Säftestroms.
Hr. Casper hat zahlreiche Fälle von Pyelitis während der
Schwangerschaft gesehen. Diagnostische Zweifel durch Ureterenkathete-
rismus beseitigt. Typisch sind die Schüttelfröste. Differentialdiagnostisch
kann septische Infektion mit kleinen Herden im Parenchym gleiche Er¬
scheinungen machen. Empfiehlt zu Spülungen Arg. nitr. 1—2:200; nur
bis zum Gefühl der Spannung spülen. Im Wochenbett kommt es oft zu
chronischen Pyelitiden.
Hr. Mankewitz: Durch die Eigenbewegung der Colibacillen kommt
es zu einer Einwanderung derselben in die Lymphwege und im Anschluss
daran zur Infektion des Nierenbeckens.
Hr. Knorr: Im Gegensatz zu Franz, der Anhänger der descen-
dierenden Aetiologie ist, nehmen die meisten Gynäkologen eine ascen-
dierende Ursache an. Die hauptsächlichste Veranlassung für die
Stauung ist wohl die obere Verengerung des Ureters. Kelly hält
Senkung der vorderen Wand oder Drehung der Niere für die Ursache.
Therapeutische Uebereinstimmung mit dem Vortr., hauptsächlich damit,
die Schwangerschaft nicht zu unterbrechen.
Hr. Hammesfahr zeigt an einem Präparat vom Hunde, dass durch
relativ kleine Veränderungen am Ureter, durch eine Falte, nach drei
Wochen Pyelitis uud Hydronephrose entstehen kann.
Hr. Franz (Schlusswort): Es wurde makroskopisch und mikro¬
skopisch Blut im Urin nachgewiesen. Arg. nitr., ebenso Collargol wurden
früher ebenfalls za Nierenbeckenspülangen verwandt, Xeroformsesamöl
batte keine Wirkung, beste Resultate Wasserstoffsuperoxyd in schwacher
Konzentration.
2. Hr. K. Hammeofahr*.
Experimentelle Beobachtungen über den Sekretionsdruek der Nieren.
Beobachtung bei Hunden nach Anlegung von Fisteln. Schon früher
war festgestellt, dass Blutdruok und Sekretiousdruck parallel laufen.
H. hat den Ureter retroperitoneal freigelegt, blasenwärts unterbunden
uud aus der Wunde heraushängen lassen, Steigrohr eingebunden. Bei
den Beobachtungen sind die Schwankungen bei der Atmung berück¬
sichtigt. Bei normalem Hund und klarem Urin Anstieg in der zweiten
Stunde, steigt weiter in der dritten Stunde, bleibt dann konstant. Nach
drei Stunden Maximalhöhe. Normaler Druck sohwankt zwischen
50—60—70 om. Relative Abflusshindernisse beeinträchtigen sehr stark
den Sekretionsdruck. Beobachtungen bei Vergiftungen: bei Cautharidin-
vergiftung erste Stunde langsamer Anstieg, bei Chromvergiftung umge¬
kehrt. Bei Wasserdiurese Steigerung Ton 15 cm, ebenso bei Euphyllin.
Die Druoksteigerung meist nach einer halben Stunde vorbei. Bei Nar¬
kose Senkung des Sekretionsdrucks, hängt wahrscheinlich mit Blutdruck-
seokung zusammen. Der Sekretionsdruok sinkt rapide ab bei Abfluss¬
storungen und eitrigen Erkrankungen der Niere. ^Vorführung zahlreicher
Kurven zur Erläuterung de9 Vorgetragenen.)
Diskussion.
Hr. Roth: Bei rechtsseitigem Nierentumor, bei dem Phloridzin- und
Pbenolphthaleinaussoheidung normal war, war bei durch Blutung ein¬
tretender plötzlicher Anurie, auch nach Beseitigung derselben, ^ noch
längere Zeit die Zuckerausscheidung nach Phloridzininjektion gestört.
Hr. Franz: Unterbindung des Ureters führt zu keiner Störung
durch plötzliches Sinken des Sekretionsdrucks.
Hr. Roth hat bei Hunden Ureterunterbinduugen gemacht, bei denen
die Niere sofort die Tätigkeit einstellte.
Hr. Hammesfahr (Schlusswort) hat die Rückwirkung durch die Niere
früher schon behauptet, später kategorisch verneint. Sie ist regelmässig
vorhanden bei Ausdehnung des Versuchs über 24 Stunden.
3. Hr. E. Wossidlo: a) Demonstration eines Falles von seltener
ex Yaeno-ßlntnog. 39jähriger Mann mit Striktur nach Gonorrhöe. Bei
Urethrotomia iaterna wenig eitriger Urin entleert. 3 Stunden später
unstillbare Blutung ex vacuo trotz Blaseneröffnung und Tamponade. Bei
der Sektion Blase, Ureteren und Nieren mit Blutung in das Parenchym
unter die Schleimhaut durchsetzt.
b) Demonstration zur Meoothoriumbehandlnng von Blaoentumoren.
Inoperables Blasencarcinom mit Mesothorium bestrahlt. Zuerst Wohl¬
befinden, später Verschlechterung. Gollaps, Exitus. Bei der Sektion
zahlreiche Metastasen in Leber usw.
Diskussion zu a.
Gr. Freudenberg hält die Blutung für keiao ex vacuo-Blutung,
sondern für miliare Blutungen, septische Blutungen usw. Der Fall ist
nicht zu erklären.
Hr. Wossidlo (Schlusswort): Dis seltene an dem Fall ist das Auf¬
treten der Blutung nach Entleerung der relativ kleinen Flüssigkeits
menge. L. Lipman - Wulf.
Naturwissenschaftlich-medizinische Gesellschaft zu Jena.
(Sektion für Heilkunde.)
Sitzung vom 18. Juni 1914.
Hr. Wrede berichtet über die Operation eines Falles von Cardia-
careinoin.
Diskussion: Hr. Rehn spricht an der Hand seiner früher ver¬
öffentlichten Experimente und einiger operierter Fälle über Technik und
Prognose der Resektion. Vortr. hält die totale Entfernung des Oeso¬
phagus mittels Invagination von oben nach unten für das Verfahren
'der Wahl.
Hr. Lexer: Demonstration eines Teratoms, das bei einem Neu¬
geborenen auf dem Abdomen im epigastrischen Winkel sass. Bei der
Operation hatte sich gezeigt, dass der Gefässstiel des Teratoms sich in
das Ligamentum Suspensorium hepatis des Kindes fortsetzte.
Hr. Stemmler:
a) Isolierte Frakturen der Lendenwirbelqnerfortsätze.
Im allgemeinen werden für diese Verletzung folgende Symptome als
spezifisch angesehen: 1. Einschränkung und Schmerzhaftigkeit der Beuge-
fäbigkeit des Rumpfes nach der gesunden Seite, desgleichen die der Ro¬
tation; 2. Schmerzhaftigkeit beim Vorbeugen und Wiederaufrichten oder
beim Beugen des gestreckten Beines der verletzten Seite in der Hüfte
bei Rückenlage; 3. lokale Druckempfindlichkeit neben der Wirbelsäule
in der Gegend der Querfortsätze bei sonst normalem Befund an der Wirbel¬
säule. Vortr. erkennt bloss das erste als spezifisches Symptom an. Die
andern kommen auch bei einfachen Hämatomen in der Muskulatur vor.
b) Eine neue Operationsmethode der Mastdarmfistel.
Der Fistelgang wird von aussen präpariert und mit einer Sonde in
den Mastdarm invaginiert. Der Vorteil der Methode besteht in der
schnellen Heilung (4—6 Tage) und in der Schonung des Sphincters.
Hr. Biedermann:
Klinik, Pathologie nnd Therapie der isolierten Fraktnr des Os navi-
cniare der Hand.
In frischen Fällen wird mit konservativer Behandlung (Ruhigstellung,
späteT Massage) gute Funktion erreicht. In verschleppten Fällen mit
grossen Beschwerden gibt die Resektion des zertrümmerten Knochens
befriedigende, zum Teil gute Erfolge. Der Defekt wird mit Jodoform¬
plombe oder noch besser mit einem frei transplantierten Fettlappchcn
ausgefüllt (Demonstration von Patienten und Röntgenbildern).
Hr. Zange:
Die pathologisch-anatomischen Grindlagen der Funktionsstörungen
de« inneren Ohres bei Mittelohreiternngen nnd ihre Entstehung.
Demonstration zahlreicher Präparate. Vortr. kommt zu folgenden
Schlüssen: 1. Es können Entzündungen der verschiedensten Art im
Labyrinth bestehen, ohne dass Degeneration in den Nervenendapparaten
eintritt; 2. es kann Entzündung von gleicher Art und Dauer bestehen
ohne und mit Degeneration des nervösen Apparates; 8. die Entzündung
im Labyrinth vermag auch direkt Degeneration zu erregen; 4. es gibt
reine Degeneration ohne jede Spur von Entzündung im Labyrinth.
Gr. Schnitz: Nene körperliche Symptome hei Dementia praeeox.
Vortr. fand 1. Veränderungen des Blutbildes. Besonders wichtig
sind Erythrocytenvermehrung in der Mehrzahl der frischen Fälle, bei
vielen chronischen im Verlauf frischer Schübe und bei vielen End¬
zuständen.
2. Die Abderhalden’schen Untersuchungen, die Vortr. in Chemnitz
ausführte, Hessen in Uebereinstimmung mit den Befunden der Jenaer
Klinik häufig Abbau von Keimdrüsen, Schilddrüse und gelegentlich Ge¬
hirn, nie von Uteruswand und -Schleimhaut erkennen.
3. Dementia praecox-Kranke zeigten in der Hälfte der Fälle Adre-
nalin-Mydriasis massigen bis erheblichen Grades; ein Fünftel zeigte
keinerlei Adrenalinwirkung; bei einem weiteren Fünftel trat eine mässige
bis deutliche Verengerung der Pupille nach Adrenalin ein (paradoxe
Adrenalin wirkuDg). Warsow.
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Original fro-m
UNIVERS1TY OF IOWA
1536
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 82.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Wenn beim Abschluss der vorigen Nummer noch eine schwache
Möglichkeit bestand, dass unserem Vaterlande die Teilnahme am Welt¬
kriege erspart bleiben könnte, so sind inzwischen die Würfel gefallen,
und die Entscheidung der Waffen ist angerufen worden. Mit dem festen
Entschluss, ihre Pflicht zu erfüllen, sind unsere Volksgenossen, ohne
Unterschied von Rang, Partei oder Glaubensbekenntnis hinausgezogen —
Meinungsverschiedenheiten und innerer Zwist sind gegenüber den
schweren, unser harrenden Aufgaben verstummt. Ein grosser Teil
unserer Kollegen steht im Felde — und auch jenen, die in der Heimat
verbleiben, wird Arbeit genug erwachsen. Wir entbieten ihnen allen
unseren Gross; unsere wärmsten Wünsche begleiten sie, wohin auch
immer ihre Pflicht sie ruft. Unsere heimische Tätigkeit wird nicht still
stehen, und wir hoffen, dass die stille Arbeit der Klinik und des
Laboratoriums unseren Kranken und Verwundeten zum Segen gereichen
und manche Wunde heilen wird, die der Krieg schlägt. So sehen wir
den kommenden schweren Zeiten mit Vertrauen und Entschlossenheit
entgegen! Mit Gott für Kaiser und Reich!
— In dem Wirbelsturm der Ereignisse, der über uns dahinbraust,
ist es nicht leicht, den Standpunkt ruhiger Ueberlegung für Rückblicke
zu gewinnen. Ein jeder von uns, er gehöre welcher Partei auch immer
an, kennt jetzt nur eine Empfindung: den heissen Wunsch, dem Vater¬
lande zu dienen und seiner gerechten Sache zum Siege zu verhelfen.
Von Feinden umgeben, im Kampf um die Existenz sind wir überzeugt,
dass auch gerade wir deutschen Aerzte zu unserem Teil an der Er¬
reichung dieses Zieles mitwirken werden. Und da mag wohl manohem
unter uns die Erinnerung daran aufsteigen, dass kaum ein anderer Stand
so viel internationale Beziehungen angebahnt, so viel gemeinsame Be¬
strebungen mit den Vertretern anderer Völker gepflegt hat wie der*
unsere. Genau ein Jahr ist verflossen, seit der grosse internationale
Kongress in London getagt hat — und gerade Deutschland war es,
welches damals die nächste Tagung in unser Reich zu Gaste lud. Zahl¬
reiche internationale Gesellschaften haben sich seither versammelt oder
sollten binnen kurzem zusammentreten — und nun ist mit eiserner
Faust in Stücke geschlagen, was in sorglichem Bau und mit vieler Hin¬
gabe jahrelang aufgerichtet worden war!
Kein Wort des Bedauerns hierüber ist in dieser Stunde zulässig.
Aber wer zu seinem bescheidenen Teile an solchen Bestrebungen mit¬
gewirkt hat, mag sich heut die Frage vorlegen, ob es der Mühe lohnte,
an internationaler Arbeit so lebhaft teilzunehmen und soviel Kraft
darauf zu verwenden. Da mag man sioh daran erinnern, dass die Ver¬
tretung Deutschlands bei solchen Gelegenheiten den besten Männern
unseres Faches, einem Virchow, v. Bergmann, v. Schjerning,
Waldeyer anvertraut war. Beweis genug, dass es sich nicht um
unklare Verbrüdenrngsschwärmerei, sondern vielmehr darum gebandelt
hat, die Stellung unseres Vaterlandes mit nachdrücklicher Energie
zu wahren. Das war unser Ziel: im friedlichen Wettstreit mit allen
übrigen Nationen den Rang deutscher Wissenschaft, deutscher Kraft
zu behaupten, und wir dürfen rühmen, dass dieses unseren Ver¬
tretern stets in hervorragender Weise gelungen ist. Gerade die gewaltige
Entwicklung der Medizin in Deutschland ist überall mit höchstem Erfolg
zur Geltung gebracht worden — und wenn wir jetzt beweisen werden,
wie in jeder Hinsicht die überkommenen Eigenschaften der Pünktlich¬
keit, der Selbstentäusserung, der Hingabe an das Allgemeinwohl auch
der heutigen Generation eignen, so haben wir über unser ärztliches
Wissen und Können wahrlich nie einen Zweifel aufkommen lassen.
Dieses soll, so hoffen wir, nun auch im Felde bewährt werden — getreu
dem humanen Beruf, dem wir dienen. Unbeirrt durch Vergangenes
richten wir den Blick vorwärts! P.
— Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 1. August 1914 be¬
schlossen: 1. die zuständigen Landescentralbehörden — § 1 der Prüfungs¬
ordnung für Aerzte — zu ermächtigen, den Kandidaten der Medizin,
die die ärztliche Prüfung abgelegt, das praktische Jahr aber noch nicht
beendet haben, unter Befreiung von der Ableistung des Restes des
praktischen Jahres die Approbation als Arzt sofort zu erteilen; 2. die
nach Nr. 1 erteilte Ermächtigung bis auf weiteres auoh auf diejenigen
Kandidaten der Medizin zu erstrecken, die nach dem Ergehen
dieses Beschlusses die ärztliche Prüfung ablegen; 3. die zuständigen Be¬
hörden zu beauftragen, den gemäss Nr. 1, 2 zu approbierenden Kandidaten
der Medizin bei Erteilung der Approbation zu Protokoll zu eröffnen, die
Erteilung erfolge in der Erwartung, dass die Kandidaten, soweit sie nicht
heeresdienstpflichtig und -fähig sind, den Behörden zur Verwendung an
solchen Orten zur Verfügung stehen würden, in denen eine Verstärkung
des ärztlichen Personals erforderlich erscheine. — Auf allen deutschen
Universitäten haben bereits zahlreiche solcher Notexamina stattgefanden.
— Für Berlin ist eine „Kriegsvertretung“ der Aerzte ein-
geriohtet worden; alle in Berlin zurückbleibenden Kollegen werden auf¬
gefordert, dem Bureau der Aerztekammer (Schelling-Strasse 9) mitzu¬
teilen, ob und eventuell in welchem Umfange sie Vertretung einberufener
Aerzte übernehmen. Im übrigen haben sioh wohl die meisten Kollegen,
auch die Aerztinnen, den Militärbehörden lur Verfügung gestellt und
harren nur auf den Moment, wo von ihren Diensten Gebrauch gemaoht
wird!
— S&nitätsrat Dr. Wilhelm Stern, Arzt in Berlin und bekannter
philosophischer Schriftsteller, feiert am 11. August seinen 70. Geburtstag.
Sein Geburtsort ist Sandberg (Provinz Posen). Seine schriftstellerische
Tätigkeit liegt fast ausschliesslich auf philosophischem Gebiete und zwar
hauptsächlich auf dem der Ethik, Psychologie und Rechtsphilosophie.
— Das Denkmal für den berühmten Universitätslehrer und Ohren¬
arzt, den Reformator des Unterrichtswesens für teilweis Taube, Friedrich
Bezold, wurde in den Anlagen des Krankenhauses 1. d. I. in München
enthüllt
— Der bekannte amerikanische Automobilfabrikant Henry Ford
hat dem neuen Krankenhaus von Detroit eine Stiftung in Höhe von
4 Millionen Mark überwiesen zum Zwecke von Forschungen und Experi¬
menten über das Wesen und die Bekämpfung des Krebses. Ein eigenes
Krebslaboratorium wird geschaffen. Der medizinischen Fakultät der
Yale-Universität ist von der Familie Länder eine Stiftung in Höhe von
1 600 000 M. überwiesen worden zum Zwecke der Errichtung eines Lehr¬
stuhls für öffentliche Gesundheitspflege.
Hochschulnacbrichten.
Freiburg. Prof. Knoop wurde die etatsmässige ao. Professur für
physikalische Chemie übertragen. — Leipzig. Geheimrat Hering,
Ordinarius für Physiologie, feierte seinen 80. Geburtstag. — Marburg.
Prof. Hübner erhielt einen Ruf als Leiter der Abteilung für Haut-und
Geschlechtsleiden am städtischen Krankenhaus in Elberfeld. — Buda¬
pest. Habilitiert: DDr. v. Liebermann (Ophthalmologie), Kiralyfi
(innere Medizin),. Orsos (pathologische Anatomie), Schmidleobner
(Gynäkologie). — Klausen bürg. Habilitiert: Dr. Issekutz (für
Pharmakologie).
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: Königl. baye¬
rischer Oberstabsarzt Dr. v. Reitz, Regimentsarzt des 1. Fussartillerie-
regiments vakant Bothmer.
Rote Kreuz - Medaille 2. Kl.: Generaloberarzt a. D. Dr. Hermann
in Hildesheim, Arzt, Stabsarzt d. L. Dr. Neusitzer in Elbing.
Rote Kreuz-Medaille 8. Kl.: Arzt Dr. Freytag in Wiesdorf
(Niederrhein').
Prädikat Professor: Dozent der Akademie für praktische Medizin in
CöId, Landes-Med.-Rat Dr. H. Knepper in Düsseldorf.
Ernennung: Oberstabsarzt a. D. Dr. E. Jacobitz in Diedenbofen
zum etatsmässigen wissenschaftlichen Mitgliede des Königl. hygieni¬
schen Instituts in Bentben O.-S.
Niederlassungen: Dr. G. Baummgart in Bolkenhain, St Meiss¬
ner in WarmbrunD, Dr. E. L. M. Simon in Ilten.
Verzogen: Dr. H. Jüsgen von Charlottenburg nach Koblenz, Dr. L.
Weil von Strassburg nach Kreuznach, Dr. R. Asch von Berlin nach
Merxheim, Dr. G. Kremer von Freimengeu i. L, Dr. F. Kindt von
Stuttgart und Dr. L. Remy vom Ausland nach Aachen, Dr. E. Kell¬
ner von Galkhausen nach Düren, Dr. Tb. Mahler von Buch bei
Berlin, Dr. F. Sauer von Trier, Prof. Dr. W. Kraus von Berlin-
Wilmersdorf und Dr. J. Mayer von Hamborn nach Düsseldorf, Dr.
G. Riedmeier von München nach Duisburg, Dr. H. Ortloff von
Freiburg nach Elberfeld, Dr. G. Queiser von Wilhelmshaven nach
Essen, B. J. Kuhlenborn von Trier nach Johannistal b. Süchteln,
Dr. W. Lossen von Cölu und Dr. P. Weste von Duisburg nach
Moers, Dr. F. Froning von Cöln und Dr. E. Malinkrodt von Wien
nach Wesel.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. £. Bay,
M. Hobelmann und 0. Halm von Düsseldorf, Dr. 0. Saynisch von
Elberfeld auf Reisen.
Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. J. Eich ho ff in Elberfeld, San.-Rat Dr.
C. Claus und Dr. L. Bircks in Rees, San.-Rat Dr. F. Bloebaum
in Cöln.
An unsere Leser und Mitarbeiter.
Angesichts der durch den Krieg bedingten Verhältnisse wird
nusere Wochenschrift in der nächsten Zeit nnr in verringertem Um¬
fange erscheinen können. Aach wird es selbstverständlich unmöglich
sein, sie unseren Abonnenten immer pünktlich zncistellen. Wir
brachen nsere Leser and ebenso unsere Mitarbeiter wohl nicht erst
um Nachsicht eh bittim.
Redaktion und Verlag
der Berliner klinischen Wochenschrift.
Fßr die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Ha na Sohn, Berlin Bayreuther Strasse 41.
Verlag und Eigentum von August Hirschwaid in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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UNIVERSUM OF IOWA
I>1* B«rlin«r Klinisch« Wochonschrlft erscheint jeden
Montag 1*» Nummern von ca. 5—6 Bogon gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestell«ngon nehmen
«11« Buchhandlungen und Postanstalten an.
BERLINER
An« Einsendungen für die Redaktion and Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHEIET.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Mei-fial Prof. Dr. C. Posoer und Prof. Dr. Hans Rohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin.
Montag, den 17. August 1914. M 33 . Einundfünfzigster Jahrgang.
INHALT.
Originalton: Beitzke lieber eine schwere, tödlich verlaufene Infektion
des Menschen mit Rindertuberkulose. (Aus dem pathologischen
Institut der Universität Lausanne.) S. 1537.
Starke: Zur Behandlung des Lupus mit dem Fried man naschen
Mittel. (Aus der Licht- und Radiumabteilung der Königlichen
dermatologischen Universitätsklinik in Breslau.) S. 1540.
Scholtz: Die Heilung der Syphilis durch die kombinierte Salvarsan-
Quecksilberbehandlung. S. 1541.
Strauas: Ueber die diagnostische Bedeutung des Nischensymptoms
bei der radiologischen Magenbetrachtung. S. 1545.
Ehrenreioh: Zur Diagnose der beginnenden sekretorischen In¬
suffizienz des Magens. (Aus dem medizinisch - poliklinischen
Institut der Universität Berlin.) S. 1546.
Friedlaender: Ein Fall von Neuritis postdiphtherica. S. 1548.
Triepel: Das Alter menschlicher Embryonen. S. 1549.
fifteherbeaprechiingen : Friedenthal: Allgemeine und spezielle Physio¬
logie des Menschen Wachstums. S. 1550. (Ref. Klaatach.) — Preis¬
werk- Magyi: Lehrbuch und Atlas der zahnärztlich-stomatologischen
Chirurgie. S. 1551. (Ref. Proeil.) — v. Hofmeister: Verband-
teohnik. S. 1551. Rydygier v. Ruediger: Sammlung der bis
jetzt veröffentlichten Arbeiten. S. 1551. (Ref. Adler.) — Klinke:
Die operativen Erfolge bei der Behandlung des Morbus Basedowii.
S. 1551. (Ref. Simon.) — Sommer: Klinik für psychische und
nervöse Krankheiten. S. 1551. Pappenheim und Grosz: Die
Neurosen und Psychosen des Pubertätsalters. S. 1551. Gruhle
und Wetzel: Verbrechertypen. S. 1551. Anton: Psychiatrische
Vorträge für Aerzte, Erzieher und Eltern. S. 1551. (Ref. SeifFer.) —
Oberndoerffer: Roth’s klinische Terminologie. S. 1552. Stein:
Die Fadenpilzerkrankungen des Menschen. S. 1552. (Ref. H. Kohn.) —-
Spinner: Aerztliches Recht, unter besonderer Berücksichtigung
deutschen, schweizerischen, österreichischen und französischen Rechts.
S. 1552. Perlmann: Rentenlehre für Aerzte. S. 1552. Entschei¬
dungen des preussischen Ehrengerichtshofes für Aerzte. S. 1552.
Ko bl er und Miller: Leitfaden der Rsichsversicherung für den be¬
handelnden und begutachtenden Arzt. S. 1552. (Ref. Vollmann.)
Literatnr-Ansziige: Physiologie. S. 1552. — Pharmakologie. S. 1553. —
Therapie. S. 1554. — Allgemeine Pathologie und pathologische
Anatomie. S. 1554. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1554. —
Innere Medizin. S. 1554. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1555. — Chirurgie. S. 1555. — Geburtshilfe und Gynäkologie.
S. 1556. — Augenheilkunde. S. 1557. — Technik. S. 1557,
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner mikrobio¬
logische Gesellschaft. S. 1557. — Berliner physiologische
Gesellschaft. S. 1559. — Berliner ophtbalmologische
Gesellschaft. S. 1559. — Gesellschaft für soziale Medizin,
Hygiene und Medizinalstatistik zu Berlin. S. 1560. —
Medizinische Gesellschaft zu Kiel. S. 1560. — Medizinische
Gesellschaft zu Leipzig. S.1561. — Naturwissenschaftlich¬
medizinische Gesellschaft zu Jena. S. 1562. — Medizinische
Gesellschaft zu Göttingen. S. 1562. — Unterelsässischer
Aerzteverein zu Strassburg i. E. S. 1563. — Natur¬
historisch-medizinischer Verein zu Heidelberg. S. 1563. —
Aerztlicher Bezirksverein zu Erlangen. S. 1564. — Frei¬
burger medizinische Gesellschaft. S. 1565. — Aus Pariser
medizinischen Gesellschaften. S. 1565.
Simon und W^ckowski: Berichtigungen. S. 1567.
Tagesgeschichtliche Notizen. S. 1567.
Amtliche Mitteilungen. S. 1568.
Aus dem pathologischen Institut der Universität
Lausanne.
Ueber eine schwere, tödlich verlaufene Infektion
des Menschen mit Rindertuberkulose.
Von
Prof. H. Beitzke.
Der folgende Fall erscheint mir in mehr als einer Beziehung
einer Mitteilung wert.
Ernest B. aus Prölaz bei Lausanne, 14 Jahre alt, leidet seit Juni
1912 an subdiaphragmatischen Schmerzen. Der Appetit nimmt ab, es
stellen sich Erbrechen und Abmagerung ein, seit Oktober auch Husten.
Verschiedene Aerzte werden konsultiert; Dr. C. weist den Knaben am
11. XL 1912 mit der Diagnose „schwere Anämie“ ans Kantonsspital.
Status bei der Aufnahme*. Schmächtiger, blasser Knabe. Tempe¬
ratur 88°. Die Leber überragt den Rippenbogen um zwei Querfinger.
Die Milz gut palpabel, überragt den Rippenbogen um einen Querfinger,
rleuritisches Reiben rechts hinten unten. Rote Blutkörperchen 5 660 000,
weisse 8439. Sonst nichts Besonderes.
Verlauf: Stuhlgang täglich, oft diarrböisoh. Temperatur unregel¬
mässig bis 89°. Unter zunehmender Schwäche, allmählichem Auftreten
von Oedemen und Ascites erfolgt der Exitus am 24. XII. 1912 früh
• Uhr.
Die Sektion (Nr. 307, 1912), am gleichen Tage um 1X 1 /* Uhr
von m * r Ausgeführt, ergab folgenden Befund:
Männliche Leiche von etwa 140 cm Länge, von schwachem Körper¬
bau und ziemlich schlechtem Ernährungszustand.
„ Leib stark aufgetrieben. In der Bauchhöhle 4 Liter einer gelb-
gnmhchen, leicht triiben Flüssigkeit. Das grosse Netz ist dünn und
wetzt mit zahlreichen grauen Knötchen von Stecknadelkopf- bis Reis-
korogrösse. Auf dem Peritoneum finden sich gruppenweis gelbe Knoten
von Linsen- bis Kirschkerngrösse, besonders in der Ileocoecalgegend.
Die untere Zwerchfellfläche, besonders rechts, ist von diesen linsen¬
förmigen Knoten dicht besetzt; das Zwerchfell ist an der Leber leicht
adhärent. An anderen Stellen sieht man vielmehr kleine, graue, steck¬
nadelkopfgrosse Knötchen in Gruppen mehr oder weniger zusammen¬
gedrängt. Zwischen diesen Knoten und Knötchen ist das Peritoneum
im allgemeinen glatt, weisslicb, leicht verdickt; hier und da finden sich
leichte Verwachsungen. Zwerchfellstand rechts 4. Rippe, links 4. Iuter-
costalraum.
In der linken Pleurahöhle etwa 1200 ccm schmutzigrötliche, leicht
trübe Flüssigkeit. Die linke Lunge ist fest mit Herzbeutel und vorderem
Mediastinum verwachsen, hinten oben nur leicht. In der rechten Pleura¬
höhle 300—400 com trübe gelbe Flüssigkeit. Die rechte Lunge ist oben,
hinten und unten angewachsen, die Verbindung mit dem Zwerchfell ist
so fest, dass es mit der Lunge entfernt werden muss. Die freien Teile
der parietalen Pleura, besonders links, weisen zahlreiche prominente
gelbe Knötchen von Reiskorn- bis Linsengrösse auf.
Das Herz ist nur 2 /a so gross wie die Faust der Leiche. Das
Myocard ist braunrot, ziemlich fest. Die Klappen sind zart, die Coronar-
arterieQ und Aorta ascendens ohne Veränderungen.
Lungen: Die Pleuren sind teils mit fibrösen Fetzen bedeckt, teils
glatt oder zeigen nur leicht abziehbare, dünne gelbe Beläge. An ihrer
Oberfläche prominieren ziemlich zahlreiche graue oder gelbe Knötchen
von Hirsekorn- bis Kirsohkerngrösse. Auf der Schnittfläche ist das Ge¬
webe rot und weich. Es finden sich hier ähnliche Knoten bis zu Hasel¬
nussgrösse; ihre Farbe ist gelb, ihre Konsistenz hart, sie springen auf
der Schnittfläche vor. Sie sind im Gewebe ganz gleichmässig verteilt
ohne Bevorzugung der Spitzen. Die grössten Knoten sind augenschein¬
lich aus zahlreichen kleinen von Stecknadelkopfgrösse zusammengesetzt.
Die Bronchien enthalten viel gelben oder gelblichrötlichen Schleim, ihre
Schleimhaut ist geschwollen und dunkelrot. Keine Veränderungen an
den Lungengefassen. Die Bronchialdrüsen sind haselnuss- bis mandel-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 33.
gross, von schwärzlicher Farbe; sie stecken voll gelber, stecknadelkopf¬
grosser Knötchen.
Halsorgane: Die Schleimhaut des Pharynx, besonders an der
Hinterwand, ist gerötet. Im Oesophagus eine schwärzliche, breiige Masse;
die Schleimhaut ist hellbrau, ira unteren Teile maceriert. Die Schleim¬
haut des Larynx ist rosa, die der Trachea gerötet. Schilddrüse und
Aorta ohne Besonderheiten. Die Cervicaldrüseo sind kaum linsengross,
blaurot. Die linken Supraclaviculardrüsen sind geschwollen, die grösste
baselnussgross; sie sind mehr oder weniger verkäst. Rechts findet sich
nur eine erbsengrosse, verkäste Supraclaviculardrüse. Alle Mediastinal-
drüsen sind geschwollen und verkäst, die untersten am stärsten; die un¬
mittelbar über dem Zwerchfell gelegenen haben Walnussgrösse. Der
Ductus thoraeicus verläuft zwischen den verkästen Drüsen ohne makro¬
skopisch wahrnehmbare Veränderungen.
Milz 18: 14:9 cm, violett, mit zahlreichen gelben, haselelnuss-
grossen, an der Oberfläche vorspringenden Knoten. Konsistenz sehr derb.
Die Schnittfläche bietet das gleiche Aussehen. Am unteren Pole eine
Nebenmilz von Walnussgrösse mit den nämlichen Veränderungen.
Die Mesenterialdrüsen sind stark geschwollen, eiuige klein¬
hühnereigross, völlig verkäst. Die portalen, peripankreatitiscben, cardialen
und lumbalen sind gleichfalls verkäst, bis haselnussgross.
Das Coecum und die Flexura splenica des Dickdarms sind einge-
schnürt durch die angelagerten Drüsenpakete und Serosaherde. Bei Er¬
öffnung des Darmes finden sich an diesen beiden Stellen schwere
Ulcerationen. Sie nehmen im Coecum die ganze Innenfläche ein und
erstrecken sich auch auf das unterste Ende des lleum; die Ileocoecal-
klappe ist fast völlig zerstört. Der Geschwürsgrund ist schmutziggrün.
Das Geschwür an der Flexura splenica hat Fünffrankstückgrösse und
senkt sich in die umgebenden Käsemassen ein. Man hat den Eindruck,
dass die Verkäsung der Wand von ausseu nach innen fortgeschritten
ist. Im übrigen Darm ist die Schleimhaut grau; es findet sich hierund
da ein stecknadelkopfgrosses gelbes Knötchen in einem Peyer’schen
Haufen.
Magen, Pankreas ohne Veränderungen.
Leber: 24:19:9 cm, hat etwa die Grösse der Leber eines Er¬
wachsenen. Farbe saffraDgelb mit einem Stich ins Rötliche, besonders
am rechten Lappen. Auf der Oberfläche Reste der Verklebungen mit
der schwer tuberkulösen Zwerchfellserosa. Auf der Schnittfläche sind
die Läppchen sehr gross, ihre Farbe ist gelb. Die Konsistenz des Organs
ist ziemlich derb.
Nieren: 14:4'/ 2 '■ 3 l / 2 cm, rot mit einem Stich ins Gelbe, ziemlich
derb. Auf Ober- und Schnittfläche ein Dutzend gelbe, prominente, bis
stecknadelkopfgrosse Knötchen. Am unteren Pol der linken Niere eine
leicht eängezogene Stelle, etwas blasser als die Umgebung. Beim Ein¬
schneiden findet sich ein keilförmiger, etwa apfelsinenkerngrosser
Käseherd.
Nierenbecken, Nebennieren, Beckenorgane, Hoden, Aorta ohne Ver¬
änderungen.
Schädelhöhte: Schädeldach, Dura, Sinus ohne Veränderungen.
Pia zart, durchscheinend, enthält zwischen ihren Maschen ziemlich viel
wässerige Flüssigkeit. Ueber dem linken Occipitallappen findet sich in
der Pia ein derber, gelber hanlkorngrosser Käseherd. Io der Spitze des
lioken Schläfenlappens ein runder, scharf begrenzter, haselnussgrosser
Käseherd. Ein dritter, apfelkerngrosser Käseherd findet sich in der
Rinde der linken Kleinhirnbälfte. Die Hirnsubstanz ist im übrigen
ziemlich weich; in den Ventrikeln nur wenige Tropfen klare Flüssigkeit.
Schädelbasis, Felsenbeine ohne Veränderungen.
Diagnose: Schwere Verkäsung aller abdominalen und thorakalen
Lyraphdrüsen. Tuberkulöse Darmgeschwüre. Perlsuchtähnliche Peri¬
tonitis und Pleuritis tuberculosa. Grossknotige Tuberkulose von Milz,
Lungen und Gehirn. Miliartuberkulose der Nieren. Fettleber.
Die mikroskopische Un tersucbung deckte eine ausserordentlich
vorgeschrittene Verkäsung aller tuberkulösen Herde auf. Kaum dass
von der Peripherie noch ein schwacher Saum vom lebenden Granulations¬
gewebe übrig blieb. Meist reichte die Verkäsung bis an das gesunde
oder noch wenig veränderte Gewebe der Nachbarschaft heran. Ver¬
narbungsvorgänge fehlten so gut wie gänzlich. Dagegen fanden sich
überall ungeheure Massen von Tuberkelbacillen, so dass man oft schon
mit schwacher Vergrösserung in den nach Ziehl gefärbten Schnitten
die rot getöntea Herde erkannte. Namentlich die Lungenknoten, die
sieb als ziemlich frische käsige Hepatisationen erwiesen, enthielten
Milliarden von Bacillen.
Es handelt sich also um einen 14 jährigen Knaben, der mit
allerlei unbestimmten Zeichen erkrankt und innerhalb 6 Monaten
unter zunehmendem Marasmus zugrunde geht. Die Sektion deckt
eine allgemeine Tuberkulose von ungewöhnlicher Form und
Schwere auf. Ich erinnere mich nicht, jemals solche gewaltigen
Drüsenverkäsungen und vor allem so grosse Käseknoten in der
Milz gesehen zu haben; auch die gleichmässige Verteilung relativ
grosser runder Käseherde in den Lungen ist etwas durchaus Un¬
gewöhnliches. Der Hauptsitz der Erkrankung in den Bauch¬
organen, namentlich den Mesenterialdrüsen, das offensichtlich
sekundäre Uebergreifen von dort auf die mediastinalen bis zu den
Supraclaviculardrüsen liess ohne weiteres auf eine alimentäre
Tuberkulose schliessen. Der ganze Befund forderte geradezu dazu
auf, den Typus der hier vorliegenden Tuberkelbacillen festzu-
stellen.
Zu diesem Zwecke wurden zwei Meerschweinchen und ein Kaninchen
mit Stückchen von hinteren unteren Mediastinaldrüsen subcutan am
Bauche infiziert. Das erste Meerschweinchen verendete am 17.11.1913
mit schwerer allgemeiner Tuberkulose, besonders der Bauchorgane, das
zweite wurde am 19. II. mit ähnlichem Befund getötet und aus beiden
Tieren Kulturen auf Serum und Glycerinkartoffeln angelegt. Das Kanin¬
chen wurde am 20. III. schwerkrauk getötet und folgender Befund
erhoben: An der Impfstelle fünffrankstückgrosser, 5—6 mm dicker,
zum Teil ulcerierter, erweichter Käseherd. Mehrere kleine subcutane
Käseherdchen an der rechten Brustseite. Lungen vollgepfropft mit
hirsekorn- bis erbsengrossen Käseherden. Ein miliarer verkäster Tuberkel
in jeder Niere. Ein neues Meerschweinchen wurde von der Lunge des
Kaninchens subcutan infiziert und von den OrganeD des Kaninchens
ebenfalls Kulturen angelegt. Sämtliche Röhrchen, auch die mit Material
von den ersten beiden Meerschweinchen beimpften, blieben steril. Der
Stamm wurde nunmehr im Meerschweinchen weitergezücbtet und beim
Tode jedes Tieres Kulturen angelegt, stets mit demselben negativen Er¬
folg, während aus einem anderen Tuberkulosefall auf den gleichen Nähr¬
böden im gleichen Brutschrank die Isolierung des Bacillenstammes ohne
Schwierigkeit gelang. Die augenscheinliche Virulenz für das Kaninchen,
die Unmöglichkeit, Kulturen zu erhalten, legten den Verdacht nabe,
dass es sich um Rinderbacillen handle; haben doch auch andere Unter-
sueber [Gaffky *), Lydia Rabinowitsch 2 )] angegeben, bei der Züohtnng
des Typus bovinus mitunter auf unüberwindliche Schwierigkeiten ge-
stosseu zu sein („dysgonisches“ Wachstum der englischen Kommission).
Um diesen Verdacht zu begründen oder aber auszuschalten, schien mir
zunächst die Vornahme eines quantitativen Kaninebenversuches wünschens¬
wert zu sein. Eine Kultur stand mir zwar nicht zur Verfügung, doch
waren aus den Organen infizierter Meerschweinchen mittels Antiformin
die Tuberkelbacillen zu erhalten; freilich Hessen sich auf diese Weise
nicht leicht die für den subcutanen Versuch erforderlichen 2 mg ver¬
schaffen, sehr wohl hingegen eine für die Schieck’sche intraoculare
Methode genügende Menge. Schieck 3 ) bat bekanntlich gezeigt, dass bei
intraocularer Impfung des Kaninchens mit einer Dosis Tuberkelbacillen,
die zur Erzeugung einer tuberkulösen Lokalaffektion gerade noch aus¬
reicht, der Typus bovinus bei dieser Dosierung nur eine auf das Auge
beschränkte, oft ausheilende, nie aber eine metastasierende Tuberkulose
erzeugt. Die kleinste krankmachende Dosis erhielt Schieck durch
successive Verdünnung eines abgewogenen Quantums Tuberkelbacillen
mittels physiologischer Kochsalzlösung. Wegen des nie ganz zu ver¬
hindernden Zusammenklumpens der Bacillen war diese Dosis nicht mit
mathematischer Exaktheit zu bestimmen. Sie lag etwa zwischen 0,000001
und 0,0000001 mg, was nach einer von Findel 4 ) aogestellten Berechnung
einer Anzahl zwischen 40 und 4 Tuberkelbacillen entspricht. Ich ging
folgendertnaassen vor:
Von einem frisch verendeten Meerschweinchen (es war von dem er¬
wähnten Kaninchen ab das zweite, also im ganzen das dritte Tier der
zur Fortzüchtung des Virus dienenden Serie) wurden am 2. VII. 1913
Milz und Leber unter aseptischen Kautelen zerkleinert und eine Stunde
lang in 20proz. Antiforminlosung bei Brutwärme gehalten. Die äusseren
Schichten der Organstückchen waren gelöst; das gelöste Material Wurde
abgpgosseu, centrifugiert, mit sterilem destillierten Wasser gewaschen
und abermals centrifugiert, alsdann dekantiert. Von dem weisslicben
Bodensatz wurde eine Oese auf einen Objektträger ausgestrichen, mög¬
lichst vorsichtig nach Ziehl gefärbt, und alsdann mittels beweglichen
Objekttisches die Tuberkelbacillen gezählt. Es fanden sich 12 gut iso¬
lierte Exemplare. Nahm man an, dass bei der Prozedur des Färbens
einige Bacillen verloren gegangen waren, so enthielt die Oese doch
schwerlich mehr als 20. Ich stellte nun mit physiologischer Kochsalz¬
lösung eine Emulsion her, derart, dass in je 0,1 ccm je eine Oese des
Materials enthalten war, und injizierte in die vier Augen von zwei
Kaninchen nach der detaillierten Vorschrift von Sobieck je 0,2 ccm
der Emulsiou. Ich konnte dabei die Erfahrung von Schieck bestätigen,
dass stets etwa die Hälfte des Materials wieder herausfliesst. Jedes
Auge hatte also allerhochstens 20 Bacillen erhalten. Dass ich wirklich
dicht an der infizierenden Grenze geblieben war, bewies der Umstand,
dass von den geimpften vier Augen nur drei erkrankten und dass io
diesen die Veränderungen mit blossem Auge erst nach drei Wochen
wahrnehmbar waren. Es entwickelte sich bei allen drei Bulbis eine
fortschreitende Tuberkulose mit mehr oder minder schwerer Verkäsung.
Am 14. IX. starb das Tier mit doppelseitiger Augenaffektion. Das
Sektionsprotokoll lautet: Stark abgemagertes Tier. Rechter Bulbus in
der vorderen Hälfte rot und schmutziggelb gemasert, Cornea, Iris, Sclera
nicht zu unterscheiden; am Aequator löst sich die massige, käsige In¬
filtration in einzelne submiliare gelbe Knötchen auf. Der linke Bulbus
1) Gaffky, Zur Frage der Infektionswege der Tuberkulose. Tuber-
cutosis, Bd. 6, S. 437.
2) Rabinowitsch, Untersuchungen über die Beziehungen der Tuber¬
kulose des Menschen und der Tiere. Arbeiten a. d. Patbol. Institut zu
Berlin. Festschrift 1906, S. 365.
3) Schi eck, Die Differenzierung des Typus humanus und bovinus usw.
Veröff. der Robert Koch-Stiftung, 1913, H. 5/7.
4) Findel, Vergleichende Untersuchungen über Inhalations- und
Fütterungstuberkulose. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 57, S. 104.
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17. Aagpst 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1539
weist 2—3 Reihen dichtgedrängte, submiliare gelbe Knötchen am Cor*
nealrand auf. Cornea trüb, schmutziggrau, in der Mitte weisslich, leicht
staphylomatös vorgewölbt. Cervicaldrüsen bis bohnengross, graurot, mit
miliaren und submiliaren gelbweissen Knötchen, ebenso Tracheobronobial*
drüsen. Lungen und die vergrösserte Milz dicht voll miliarer und sub¬
miliarer gelber und weisser Knötchen. In den Nieren einzelne, in
der Leber zahlreiche submiliare graue Knötchen. Portaldrüsen bohnen¬
gross, voll gelber Herdchen, Axillar- und Kniefaltendrüsen reiskorn- bis
linseogross, mit submiliaren grauen Knötchen. Mikroskopisch zeigen die
Herde starke Verkäsung, aber an der Peripherie immer noch deutliches
Granulationsgewebe. Bacillen sind ziemlich zahlreich.
Das zweite Tier verendete am 9. IX. Der noch einige Tage vorher
stark prominente, total verkäste und bereits oberflächlich ulcerierte linke
Bulbus war geplatzt und zusammengesunken, eine käsig teigige Masse
quoll auf leichten Druck heraus. Beide Ohren inwendig von grau¬
braunen, dicken, schilfrigen Krusten bedeckt, die den äusseren Gehör-
gang fast völlig ausfüllen und nach oben allmählich abnehmen (Ekzem);
in den Mittelohren keine Veränderungen. Lungen dicht durchsetzt von
erbsengrossen Käseknötchen, so dass nur sehr wenig Lungengewebe
übrig bleibt. Die Milz enthält etwa ein Dutzend reiskorngrosse, die
Leber einzelne bis hanfkorngrosse gelbe Käseherde. Nieren durchsetzt
von zahlreichen gut hirsekorngrossen, grauweissen Knötchen. Im unter¬
sten Peyer’schen Haufen, dicht vor der Ileocoecalklappe zwei reiskorn¬
grosse tuberkulöse Geschwüre. Fast alle Lymphdrüseu vergrössert, mehr
oder minder verkäst. Mikroskopisch überall schwere Verkäsungen,
wenig Granulationsgewebe, ungeheure Massen von Tuberkelbacillen.
Nachdem somit der ganz eindeutige Ausfall des Kaninchen¬
experiments bereits mit ziemlicher Sicherheit die Diagnose „Typus
bovinus“ hatte stellen lassen, beschloss ich, noch einen Rinder¬
versuch anzuschliessen und zugleich über die etwaige Infektions¬
gelegenheit des Knaben Emest B. Nachforschungen anzustellen.
Was zunächst den letzteren Punkt angeht, so erfuhr ich folgendes:
Beide Eltern und acht Geschwister des Knaben leben und er¬
freuen sich völliger Gesundheit; klinisch ist niemand von ihnen
auch nur auf Tuberkulose verdächtig. Der Knabe Emest bat
jedoch als einziger ans der Familie seit Frühjahr 1912 täglich
auf einem benachbarten Bauernhof, besonders im Kuhstall ge¬
spielt und dort jeden Abend 1—2 Glas frischgeroolkene, un¬
gekochte Milch getrunken. Herr Tierarzt Dr. Louis Roux, Leiter
des kantonalen bakteriologischen Untersucbungsamts, batte die
Freundlichkeit, mit mir zusammen die Kühe des betreffenden
Bauern zu besichtigen.
Der Bestand hatte leider seit dem Tode des Knaben bereits ge¬
wechselt. Zwei Kühe waren verkauft, an wen und wohin, war aus dem
misstrauischen Bauern, der für seinen Milcbbandel fürchtete, nicht
herauszubekommen. Eine Kuh mit verdächtigem Euterviertel wurde
sofort als fremdes Eigentum und nur vorübergehend „in Pension be¬
findlich“ bezeichnet. Es blieben drei Kühe, die auch schon zur Zeit des
Knaben Emest B. dem Bestände angehört hatten. Herr Dr. Roux war
so liebenswürdig, Milch von diesen drei Tieren unter aseptischen
Kautelen zu entnehmen und sein Laboratorium zur sofortigen Verimpfung
zur Verfügung zu stellen. Das Material wurde bei 9000 Touren pro
Minute eine Viertelstunde lang centrifugiert, Satz und Rabm jeder Probe
gemischt und je zwei Meerschweinchen damit geimpft, eins subcutan,
eins intraperitoneal; jedes erhielt etwa 3 ccm. Die Tiere wurden nach
6 Monaten in bestem Wohlbefinden getötet. Die mit Milch von Kuh
Nr. 2 geimpften Tiere boten keine Veränderungen, dagegen gaben von
Nr. 1 und 3 die intraperitoueal infizierten Meerschweinchen eiu positives
Resultat. Bei Nr. 1 fand sich in der Milz ein stecknadelkopfgrosses,
bei Nr. 3 in der Leberoberfläche ein hirsekorngrosses, grauweisses
Knötchen. Beide erwieseD sich histologisch als Tuberkel aus Epitbeloid-
und Lympboidzellen, bei Nr. 1 mit einer Langhans’schen Riesenzclle,
bei Nr. 3 mit beginnender fibröser Vernarbung. Tuberkelbacillen waren
nicht auffindbar. An der tuberkulösen Natur der Knötchen Hess trotz¬
dem die histologische Struktur keinen Zweifel. Die in den verimpften
Proben enthaltenen Tuberkelbacillenmengen waren augenscheinlich so
gering, dass sie bei subcutaner Infektion nichts hinterliessen und bei
intraperitonealer nur geringe Veränderungen setzten, von denen 6 Monate
nach der Impfung nur einige in Heilung begriffene Miliartuberkel
übrig waren.
Für den Rinderversuch erhielt ich durch Vermittelung
des Chefs des kantonalen Medizioalamts, Herrn Dr. Delay, ein
Kalb zur Verfügung gestellt, dass in der Oekonomie der Landes¬
irrenanstalt Cery bei Lausanne in einem Isolierstalle unter¬
gebracht war.
Es war einem tuberkulosefreien Bestände entnommen, wurde während
der ganzen Dauer des Versuchs von dem Oberaufseher gewartet und mit
sorgfältig sterilisierter Milch gefüttert; in der letzten Zeit wurde etwas
Kcu hinzugegeben. Herr Tierarzt Huber überwachte den Versuch.
Die ImpfuDg geschah mit einer unter aseptischen Kautelen bereiteten
Emulsion aus Milz und J / 4 Leber des siebenten Tieres der zur Fort-
*üchtung des Stammes successive geimpften Serie. Das betreffende
Meerschweinchen war 47 Tage vorher infiziert und bereits stark ab¬
gemagert. Bei der Sektion befand sich ein Geschwür an der Impfstelle
und schwere Tuberkulose der inneren Organe. In Quetscbpräparaten
von Milz uod Leber waren gleichwohl nur wenig Tuberkelbacillen sicht¬
bar; etwa je einer auf etwa drei Gesichtsfelder. Aus den mit Stückchen
von Milz und Leber auf Serum und Kartoffel angelegten Kulturen gingen
nur einige Staphylokokken auf. Nachstehend gebe ich das (erw&9 ge¬
kürzte) Versucbsprotokoll:
Stierkalb, 3 Wochen alt, 60 kg schwer, wird am 11. XII. 1913 von
Herrn Tierarzt Huber der Tuberkulinprobe unterworfen; die Tempe¬
ratur schwankt 24 Stunden vor wie nach der Probe zwischen 39,3 und
39,4°; die Probe ist somit negativ ausgefallen. Impfung mittels In¬
jektionsspritze am 13. XII. subcutan an der linken Schulter. Am 21. XII.
beginnt sich an der Impfstelle ein Abscess zu bilden. Temperatur am
31. XII. 40,4°; Abnahme des Gewichts von 78 auf 77 kg. Am 6. und
7.1. 1914 Temperatursteigerung auf 40,4 bzw. 40,6°. Am 16.1. Punktion
des faustgrossen Abscesses (Tierarzt Huber); im Eiter spärliche
Staphylokokken. Temperatur von da ab normal. 29.1. zweite Punktion
des kleinkindskopfgrossen Abscesses (Tierarzt Huber); im Eiter Staphylo¬
kokken, Streptokokken und anaerobe Kurzstäbchen. Die Temperatur
bleibt iudes normal. Das Tier entwickelt sich gut, ist nur kurz vor
Beendigung des Versuchs etwas weniger munter als vorher. Am 7. III.
wird das Tier geschlachtet. Die in Herrn Hu her’s und meiner Gegen¬
wart ausgeführte Sektion hatte folgendes Ergebnis.
Ziemlich gut entwickeltes Stierkalb. Gewicht 115 kg. An der
Impfstelle ein übelriechender Abscess, ausgekleidet mit zweifingerdickem,
käsigem, missfarbenem Granulationsgewebe. Linke Bugdrüse faustgross,
hart, das Messer knirscht beim Einschneiden; Schnittfläche braungelb-
licb. Rechte Bugdrüse kaum walnussgross mit einem gelben, hirsekorn-
grossen Knötchen. Sublingualdrüsen ohne Veränderungen. Bronchial-
und Mediastinaldrüsen bis hühnereigross, hart, unter dem Messer
knirschend. Die Schnittfläche ist blassbräunlich mit zahlreichen feinen,
harten, gelblichen Rippchen. An den Pleuren zahlreiche hirsekorn- bis
bohnengrosse, graue bis graurötliche, mit schmaler Basis oder deutlichem
kurzen Stiel angeheftete Knoten. Im rosaroten Lungengewebe unregel¬
mässig verteilt ziemlich zahlreiche hirsekorn- bis erbsgrosse graue
Knötchen. An der Oberfläche der Leber einige schmalbasige graue,
linsengrosse Knoten. Im Parenchym von Leber und Nieren vereinzelte
miliare graue bis gelbe Knötchen. Milz dicht durchsetzt von zahlreichen
hirsekorngrossen gelben Knötchen. Portaldrüsen walnussgross, im übrigen
wie die Bronchialdrüsen verändert. Mesenterialdrüsen äusserlich un¬
verändert; beim Einschneiden finden sich einzelne bis erbsgrosse bräun¬
lichgelbe Herde. Die übrigen Organe ohne Veränderungen.
Mikroskopisch findet sich an allen veränderten Stellen ein an
Riesenzellen reiches, tuberkulöses Granulationsgewebe, in den Lympb-
drüsen mit Neigung zu VerkäsuDg und Verkalkung. Tuberkelbacillen
sind bei ZielfärbuDg nur äusserst spärlich zu finden.
Der Befund lässt somit gar keinen Zweifel darüber, dass
das Kalb an generalisierter Perlsucht erkrankt war, und dass die
Krankheit von der Impfstelle ihren Ausgang genommen bat.
Fasst man nun noch einmal das Ergebnis der vorstehenden
Untersuchungen zusammen, so bandelt es sieb um folgendes: Ein
vierzehnjähriger Knabe aus vollkommen gesunder Familie, der
monatelang täglich im Kuhstall gespielt and täglich rohe Milch
von Kühen getrunken hat, die Tuberkelbacillen mit der Milch
ausschieden, erkrankt und stirbt innerhalb 3 / 4 Jahren an einer
ungemein schweren, ausgebreiteten Tuberkulose, die ihren primären
Sitz im Verdauungsapparat hat Züchtung der Tuberkelbacillen
auf künstlichem Nährboden gelingt trotz zwölf Monate lang fort¬
gesetzter Versuche nicht. Dagegen tötet eine minimale Menge der
betreffenden Bacillen, nach dreimaliger Tierpassage auf Kaninchen
intraoeular verimpft, die Tiere unter Erzeugung einer schweren
Allgemeintuberkulose. Ein Kalb, das relativ wenig desselben
Virus (nach siebenmaliger Tierpassage) subcutan injiziert erhält,
erkrankt innerhalb dreier Monate an ausgebreiteter Perlsucbt, die
von der Impfstelle ihren Ausgang nimmt. Die Tatsachen zusammen¬
genommen führen zu dem Schluss, dass Emest B. an einer In¬
fektion mit Riudertuberkelbacillen gestorben ist.
Die vorliegende Veröffentlichung bat nicht lediglich den
Zweck, die Zahl der bereits bekannten bovinen Tuberkulose¬
infektionen beim Menschen um eine zu vermehren. Schon 1912
zählte Weber 1 ) 138 Fälle, darunter 56 tödliche, und ich habe seit¬
dem in der mir zugänglichen Literatur weitere 126 sammeln
können; einschliesslich der für mich nicht erreichbaren Literatur¬
angaben dürften über 150 neue Fälle herauskommen. Wenn da¬
her Weber 1 ) sagt: „Diese Zahlen bedeuten eine nicht zu unter¬
schätzende Gefahr für die menschliche Gesundheit, die jedenfalls
die erforderlichen Vorsicbts- und Vorbeugungsmaassregeln erfordert.
Von diesem Standpunkt aus muss man denjenigen, welche in der
Rindertuberkulose eine ernste Gefahr für die menschliche Ge¬
sundheit erblicken, recht geben . . so dürfte diese Ansicht
heutzutage allgemein geteilt werden mit Ausnahme weniger
1) Weber, Zur Tuberkulose des Menschen und der Tiere. Zbl.
f. Bakt., Orig., Bd. 64, S. 243.
1 *
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1540
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 33.
Autoren, die an dem ablehnenden Koch’scben Standpunkt von
1901 feathalten. Indessen wird neuerdings immer wieder auf
den fast völlig negativen Erfolg der Sammeiforschungeu über die
Folgen des Genusses der Milch eutertuberkulöser Kühe hinge¬
wiesen, und man sucht auf Grund dessen die Bedeutung der Milch
als Infektionsstelle für die Menschen abzuschwächen. Orth 1 2 ) hat
bereits vor mehr als Jahresfrist in dieser Wochenschrift ausein¬
andergesetzt, weshalb diesem Ergebnis keine entscheidende Be¬
weiskraft zukommt, und ich habe seinen Ausführungen nichts
hinzuzufügen. Bei der gleichen Gelegenheit hat indes Orth 1 ) ge¬
sagt, der Ausspruch Robert Koch’s „es ist deshalb sehr die
Frage, ob jemals ein Fall von menschlicher Tuberkulose einwurfs¬
frei auf den Genuss von Fleisch oder Milch von tuberkulösen
Tieren zurückgeföbrt wird“, habe auch heute noch Gültigkeit.
Der vorliegende Fall dürfte dazu angetan sein, diese Lücke aus-
zufüllen. Es ist zwar in der Literatur bisher häufig angegeben,
dass die Individuen, bei denen der Typus bovinus konstatiert
wurde, längere oder kürzere Zeit unsterilisierte Milch getrunken
hatten. Soviel ich selbst die Literatur einsehen konnte, ist mein
Fall aber der erste, in dem Tuberkelbacillen in der Milch der
betreffenden Kühe nachgewiesen wurden. Wäre die Feststellung
des Tuberkelbacillentypus nicht so umständlich und zeitraubend,
so würde dieser Nachweis wohl öfter gelingen, namentlich in
ländlichen Bezirken, wo sieb die Verhältnisse besser übersehen
lassen und wo auch viel mehr rohe Milch genossen wird als in
den Städten. Wenn Monate nach dem Tode des Patienten die
Diagnose „Typus bovinus“ gestellt werden kann, so ist in der
Grossstadt mit ihrem ewigen Wechsel die Infektionsquelle oft
auch nicht mehr vermutungsweise aufzufinden, wie ich aus eigener
Erfahrung weiss.
Noch in einer anderen Hinsicht scheint mir der raitgeteilte
Fall interessant. Es wird häufig auf die relative Harmlosigkeit
der bovinen Infektion bingewiesen. Auch Weber 3 ) bat in dieser
Wochenschrift noch im vorigen Jahr demselben Gedanken Raum
gegeben. Nun sind tödlich verlaufene Rindertuberkulosen nach
und nach in recht erheblicher Anzahl veröffentlicht. Ich halte
es aber doch für wesentlich, ausdrücklich zu bemerken, dass der
vorliegende Fall die schwerste allgemeine Tuberkulose ist, deren
ich mich aus vierzehnjähriger pathologisch-anatomischer Tätigkeit
erinnern kann. Man bat früher den Typus bovinus vorzugsweise
bei primärer Intestinaltuberkulose gesucht, die bekanntlich viel
seltener ist als primäre Lungentuberkulose und sehr oft nnr zur
stationär bleibenden Verkäsung einer oder mehrerer Drüsen führt,
eben weil der Verdauungsapparat einen weit ungünstigeren Boden
für die Tuberkulose abgibt als der Respirationstrakt. Da hat sich
denn die Meinung gebildet, der Typus bovinus sei für den Menschen
relativ wenig virulent. Wenn jetzt einmal eins vergleichende
Statistik aller auf den Typus der Bazillen untersuchten Tuber¬
kulosefälle angestellt würde — die Unzugänglichkeit mancher
Veröffentlichungen macht es mir hier in Lausanne unmöglich, es
selber zu tun —, so dürfte für den Typus bovinus kein geringerer
Prozentsatz an tödlichen Fällen herauskommen als für den Typus
humanus. Schon die Statistik von Weber zeigt, dass fast die
Hälfte der vor zwei Jahren bekannten bovinen Infektionen töd¬
lich verlief. Wir sind gewiss alle darüber einig, dass die Haupt-
ansteckungsgefahr vom tuberkulösen Menschen droht. Dass aber
auch das tuberkulöse Rind eine wesentliche Infektionsquelle bildet,
darf nicht mehr bezweifelt oder unterschätzt werden, und ich
möchte den mitgeteilten Fall als Material in dieser Hinsicht ver¬
wendet wissen.
Aus der Licht- und Radiumabteilung (Oberarzt
Dr. Kuznitzky) der Königl. dermatologischen Univer¬
sitätsklinik in Breslau (Direktor: Geheimrat Neisser).
Zur Behandlung des Lupus mit dem Fried-
mann’schen Mittel.
Von
Dr. Starke, Assistent der Klinik.
Das Friedmann’sche Mittel wurde in unserer Klinik — ab¬
gesehen von einigen bereits früher von Herrn Dr. Friedmann
selbst behandelten Fällen — bei 7 Lupuspatienten, also nur einer
1) Orth, Ueber die Bedeutung der Rinderbacillen für den Menschen.
B.kl.W., 1913, S. 429.
2) Weber, Ueber die Bedeutung der Rinderbaoillen für den Menschen.
B kl.W., 1913, S. 538.
relativ geringen Anzahl, in Anwendung gebracht. Da wir jedoch
überzeugt sind, mit der gerade in diesem Falle ganz besonders
erforderlichen Objektivität unsere Beobachtungen angesteiit zu
haben, sowie in 4 Fällen über eine Beobachtungszeit von 3 1 /, bis
5 Monaten verfügen, halten wir uns für veranlasst, auch diese
geringe Anzahl unserer Resultate einer weiteren Beurteilung zur
Verfügung zu stellen.
Ich möchte hier eingangs schon hervorheben, dass wir in
diesen 7 Fällen kein einziges praktisch verwertbares
Resultat erzielt haben, und dass wir stets gezwungen waren,
wieder zu unserer alten Therapie zurückzogreifen. Der einzige
Einwand, der uns allenfalls gemacht werden könnte, besteht viel¬
leicht darin, dass wir in nur einem Fall zu der voo Fried¬
mann bei der Lupusbebandlung vorgeschlagenen zweiten simul¬
tanen Injektion gegriffen und uns bei den übrigen Fällen mit
einer intramuskulären und einer nach langem Intervall folgenden
intravenösen Injektion begnügt haben; doch waren die Resultate
der isolierten Injektionen so wenig ins Auge springend oder voll¬
kommen negativ, dass nicht recht zu erwarten stand, dass auf eine
Kombination von intravenöser und gleichzeitig intramuskulärer
Behandlung die Erfolge eklatanter geworden wären.
Bei unseren Fällen handelte es sich sowohl um lupöse Er¬
krankungen der Haut und Schleimhäute ohne objektiv nachweis¬
bare Veränderungen der inneren Organe, als um Fälle, die mit
einer tuberkulösen Erkrankung der Lunge kompliziert waren.
Einer der Fälle betrifft eine Patientin mit gleichzeitiger Drüsen¬
tuberkulose und tuberkulöser Gelenkerkrankung. Naturgemäss
erstreckten sich unsere Beobachtungen in erster Linie auf das
am besten kontrollierbare Objekt, den Lupus. Erwähnt sei noch,
dass fünf von diesen Fällen bereits längere Zeit mit ausgedehntem
Lupus in unserer Behandlung nach den üblichen Methoden standen.
Doch befanden sich diese Patienten immer noch in einem Zustand,
der uns für eine Beurteilung einer neuen Heilmethode geeignet
erschien.
Die Behandlung wurde stets mit der intramuskulären In¬
jektion Nr. I 0,5 eingeleitet, mit Ausnahme des einen Falles von
Gelenktuberkulose (Fall VII), bei dem Nr. III 1,0 intramuskulär
injiziert wurde. Eine gleichzeitige intravenöse Injektion von
Nr. II 0,5, wie sie Fried mann für derartige Fälle vorschreibt,
unterblieb hierbei, da wir bei dem elenden Zustand der Patientin
eine höhere und eventuell länger anhaltende Temperatursteige¬
rung nach Möglichkeit vermeiden wollten. Bei drei Fällen fühlten
wir uns genötigt, eine intravenöse Zwischeninjektion zwecks Be¬
seitigung des Infiltrates an der Injektionsstelle, nach l 1 /* und
3 Monaten, aoszuführen (Fall I, II, IV). Einmal (Fall V) wurde
8 Wochen nach der ersten Injektion eine zweite isolierte intra¬
venöse (II 0,5) verabfolgt und in Fall I erhielt der Patient ausser
einer zweiten intravenösen Zwiscbeninjektion als dritte noch eine
Simnltaninjektion, 3 Monate nach der ersten intramuskulären Ein¬
spritzung. In Summa haben wir also 7 intramuskuläre Injek¬
tionen, 4 intravenöse und 1 simultane verabfolgt. Zwecks einer
genaueren Orientierung lasse ich einen kurzen Auszug aus den
Krankengeschichten folgen.
Fall I. 47 Jahre alt. Lupus seit dem 11. Lebensjahr. Aus¬
gedehnter Lupus des Gesichts, Kopfes, Halses, des Stammes und der
Extremitäten. Bis 1901 mit den üblichen Methoden behandelt; vor¬
wiegend mit Röntgen und Tuberkulin. Seit 1907 keine Behandlung mehr.
20. XI. 1913. Injektion I 0,5 intramuskulär. Weder Lokal-
noch Allgemeiureaktion.
3.1. 1914. Bisher unverändert. Seit 8 Tagen Schmerzen an der
Injektionsstelle. Kirscbkerngrosses, derbes Infiltrat, intensiv gerötet.
4.1. Intravenöse Zwischeninjektion II 0,3.
5.1. Abendtemp. 39,3°. Starke Kopfschmerzen. Temperatur geht
in 4 Tagen auf die Norm zurück. Herde sämtlich in schwacher, aber
deutlicher Reaktion (Rötung der sonst ziemlich blauen Ränder).
20. II. Herde nach Angaben des Pat. an einzelnen Stellen flacher
und blässer. Objektiv keine deutlich wahrnehmbare Veränderung.
24.11. Simultaninjektion 0,5 intravenös -f- 1,0 intramuskulär.
25.11. Abendtemp. 39,7°. Fieber hält noch 2 Tage an. Lokali¬
sation sehr fraglich.
2. III. Herde unverändert, auch nach Angabe des Pat.
Beobachtungszeit 8*/* Monate.
Fall II. 47 Jahre alt. Ausgedehnter Lupus vulgaris des Gesichts,
seit dem 18. Lebensjahr bestehend. Seit 1909 in Behandlung, vor¬
wiegend mit Röntgen und Tuberkulin, bis 1910. Dann nur noch Quarx-
lampenbehandlung. Die centralen Partien der lupösen Herde vernarbt,
mit vereinzelten Knötchen durchsetzt. An den Rändern grösstenteils
Fortschreiten des Prozesses.
17. X. 1918. Intramuskuläre Injektion I 0,5. Temperaturen
stets normal, keine Lokalreaktion.
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17. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1541
15.1. 1914. Befand vollkommen unverändert. Etwa erbsengrosses»
derbes, nicht schmerzhaftes Infiltrat an der Injektionsstelle.
16. I. Intravenöse Injektion II 0,5.
Abendtemp. 40 0 , dann lytischer Abfall innerhalb 4 Tagen. Starke
Kopfschmerzen, Debelkeit. Brennen in den lupösen Herden, keine deut-
liehe Lokalreaktion.
20.1. Nach Abklingen der Allgemeinreaktion Herde an den Rand¬
partien zweifellos flacher und blasser.
20. II. Kein Dauerresultat.
Beobachtungszeit von 5 Monaten.
Fall III. 22 Jahre alt. Ausgedehnter Lupus exulcerans des Ge-
sichts und der Extremitäten. Früher bereits behandelt. Lupöse Affektion
der Mundschleimhaut.
7.1.1914. Intramuskuläre Injektion I 0,5.
Abendtemp. 87,8°, im übrigen keine Beschwerden. Keine Lokal-.
reaktion.
Injektionsstelle bleibt reaktionslos. Einzelne Herde werden mit
Quarzlampe und Röntgen behandelt. Kontroilberde, die unbehandelt
bleiben. Beobachtungszeit H/s Monate. Keinerlei Veränderungen.
Fall IV. 14 Jahre alt. Lupöser Herd etwa handtellergross über
dem rechten Glutaeus, von da über die Innenfläche des Oberschenkels
zum Mona veneris ziehend. Handtellergrosser Herd am Rücken und in
der Kniekehle. Pat. ist früher einmal geröntgt worden, ohne Erfolg.
Im übrigen vollkommen unbehandelt. Zwei Herde werden mit Quarz¬
licht behandelt, die übrigen bleiben zur Kontrolle frei.
7. XU. 1918. Intramuskuläre Injektion 1 0,5.
8. XII. Morgentemp. 38,5°. Fiebert bis 20. XII. (Abendtemperaturen
zeitweise bis 38 und 39 °). Dann subfebrile Temperaturen. Temperatur
vor der Injektion stets normal. Keine LokalreaktioD.
16.1. 1914. Bisher unverändert. Kirscbkerngrosser Knoten an der In¬
jektionsstelle.
Zwisoheninjektion II 0,3 intravenös.
Abendtom. 38,8°. Daun normal. Keine Lokalreaktion. Heftige
Kopfschmerzen, Erbrechen, sehr matt.
20.1. Kontrollherd in der Kniekehle anscheinend etwas flacher,
Resultat praktisch, aber kaum verwertbar.
20. II. Keine Besserung zu konstatieren; auch an den mit Quarz¬
licht behandelten Herden kein sonderlich auffallendes Resultat.
Beobachtungszeit 2 l / 2 Monate.
Fall V. 14 Jahre alt. Lupus seit 10 Jahren bestehend. Klein-
band tellergrosser, serpiginöser lupöser Herd an der rechten Wange, stark
über das Niveau der gesunden Haut vorspringend. Ein ebensolcher Herd
in der rechten Ohrgegend. Kleiner Herd am linken Ohrläppchen. Hais¬
und Kinndrüsen beiderseits ziemlich stark geschwollen. Lupus der Nase,
des Pharynx und Larynx. Positiver Lungenbefund. Subfebrile Tempe¬
raturen.
18. XI. 1913. Intramuskuläre Injektion I 0.5. Abendtemp. 37,8°.
Keine Beschwerden. Fiebert noch 2 Tage bis 38°, dann wieder sub¬
febril bis Mitte Dezember. Keine Herdreaktion.
17. XII. Herde erscheinen zeitweise deutlich flacher (sehr wechselnder
Befund, speziell des Herdes an der Wange). Nasen-, Pharynx- und
Larynxbefund unverändert.
5.1. 1914. Herde gegenüber dem Aufnahmebefund unverändert.
Operative Behandlung des Schleimhaut!upus.
22.1. Intravenöse Injektion II 0,5.
23.1 Morgentemp. 39,4°, abends 38,9°, dann allmähliche* Rück¬
gang. Temperatur nach 6 Wochen noch subfebril. Deutliche Herd-
reaktion.
Beobachtungszeit 4 Monate. Keine deutliche Veränderung.
Fall VI. 17 Jahre alt. Lupus exulcerans des Gesichts, des rechten
Armes und des rechten Handrückens. Rechte Spitze suspekt. Mit
Quarz- und Finsenlicht bereits längere Zeit behandelt. Herde grössten¬
teils gat vernarbt, zeigen aber überall noch vereinzelt Knötchen. Letzte
Finsenbehandlung Oktober 1913.
18. XI. 1913. Intramuskuläre Injektion I 0,5.
Keine Allgemeinreaktion, keine Lokalreaktion. Injektionsstelle stets
reaktiooslos.
BeobachtuDgszeit 5 Monate. Keine Veränderung.
Fall VII. 21 Jahre alt. Lupus (granuläre Form) am Naseneingang,
vornehmlich am Septumabschnitt. Tuberculosis arthritis des linken
Kniegelenks. Erweichte Drüse am Halse. Bisherige Behandlung ohne
joden Erfolg. Positiver Luogenbefund.
6.1.1914. Intramuskuläre Injektion III 1,0 (von der vor¬
geschriebenen gleichzeitigen intravenösen Injektion wurde in Anbetracht
des elenden Zustandes der Patientin Abstand genommen). Keine All-
gemeinreaktion, keine Lokalreaktion. Heftige Schmerzen an der In¬
jektionsstelle, die nach einigen Tagen spontan schwinden.
5. II. Pat. wird auf Wunsch der Eltern entlassen. Befund voll¬
kommen unverändert.
Beobachtungszeit 1 Monat.
Was zunächst die Reaktionen auf die einzelnen Ein¬
spritzungen anbetrifft, so wäre zusammenfassend folgendes zu er¬
wähnen: Auf sieben intramuskuläre Injektionen erfolgte dreimal
woe Allgemeinreaktion bis 37,8 und 38,5°. .Fall IV fieberte
etwa 14 Tage lang mit zeitweise auftretenden Abendtemperaturen
bis 38 und 39°. Fall V roaass noch zwei Tage lang etwa 38°
und zeigte etwa einen Monat lang subfebrile Temperaturen. Die
Temperaturschwankungen vor den Injektionen lagen stets inner¬
halb normaler Grenzen. Herdreaktionen waren nach den intra¬
muskulären Injektionen in keinem Falle zu konstatieren. Anf
die vier intravenösen Injektionen trat stets eine Allgemeinreaktion
ein. Temperaturen bis 39 und 40°, die aber spätestens in vier
Tagen auf die Norm znrückgingen, und Fall V wies noch nach
6 Wochen subfebrile Temperatnren auf. Ebenso trat bei der einen
Simultaninjekrion ein Temperaturanstieg auf 39,7° ein, der aber
ebenfalls rasch — innerhalb 2 Tagen — zurückging. Die sub¬
jektiven Beschwerden hielten sich stets innerhalb erträglicher
Grenzen und entsprachen im allgemeinen der Höhe der Tempe¬
raturen. In zwei Fällen zeigte sich eine deutliche Herdreaktion
mit „Brennen“ an den lupösen Stellen and geringer Rötung der
Randpartien, wie sie sich bei Tuberkulinreaktionen mässigen
Grades präsentiert. Einmal war die Reaktion fraglich, ebenso
nach der Simultaninjektion.
Was die Erfolge mit der Friedmann’schen Bebandlnngsweise
anbetrifft, so haben wir eine dauernde oder prompt ein¬
setzende Besserung, wie eingangs bereits erwähnt, nie
beobachten können. Weder die am längsten beobachteten
Patienten noch die ohoe jede vorherige Therapie behandelten Fälle
wiesen schliesslich eine einwandfrei zu deutende Besserung auf.
Selbst bei den beiden lokal reagierenden Fällen, wo wir am
ehesten eine Besserung erwartet hatten, war das Endstadium un¬
verändert. Durch die intramuskulären Injektionen blieben sechs
Fälle vollkommen unbeeinflusst, nur einmal schien es uns (Fall V),
als ob der Herd zeitweise flacher und blässer würde, doch waren
diese Veränderungen derart wechselnd und kaum einen Monat an¬
haltend, dass wir ihnen einen praktischen Wert nicht beimessen
konnten. Nach den vier intravenösen Injektionen sahen wir ein¬
mal eine deutliche, aber nicht fortschreitende Abflachung und
Abblassung von etwa vierwöchiger Dauer (Fall II). Eine Lokal¬
reaktion war in diesem Falle nicht deutlich vorangegangen. Ein
Schwinden der Knötchen oder Infiltrate wurde in keinem Falle
beobachtet. Was die Schleimhautaffektionen anbetrifft, so waren
ebenfalls keine Veränderungen zu konstatieren. Auch in dem
einen Falle von Drüsen- und Gelenktuberkulose war nach einem
Monat nicht die mindeste Beeinflussung zu erkennen. Das Körper¬
gewicht wies nie erhebliche Zunahme auf, jedenfalls nicht mehr,
als auch sonst allein durch einen Krankenbausaufenthalt be¬
dingt wird.
Als Resume ergibt sich also, dass wir unangenehme
Nebenwirkungen, die zu einer Schädigung der Patienten hätten
führen können, nicht beobachtet haben, dass wir aber auch in
keiner Weise einen Vorteil in diesem als Spezifikum gegen Tuber¬
kulose gepriesenen Mittel erkennen können, und dass eine
wirklich fortschreitende Heilung, selbst eine deutliche
Besserung auch nach mehreren Monaten in keinem
Falle zu konstatieren war. '
Die Heilung der Syphilis durch die kombinierte
Salvarsan-Quecksilberbehandlung.
Von
Prof. W. Scholtz-KÖuigsberg i. Pr.
Während die überraschend schnelle und zuverlässige Wirkung *
des Salvarsans auf die klinischen Erscheinungen der Syphilis
auch von den Gegnern der Salvarsanbebandiung zugegeben wird,
besteht über den Wert der Salvarsanbehandlung für die Dauer¬
heilung der Syphilis und in bezug auf die mit der Salvarsan¬
bebandiung verbundenen Gefahren noch immer eine lebhafte
Diskussion.
So wichtig und notwendig es nun auch ist, alles Material
in bezug auf Misserfolge und Schädigungen der Salvarsanbehand¬
lung zu sammeln und zu publizieren, so ist die Salvarsaudebatte
jetzt doch in ein falsches Fahrwasser gekommen. Man hat sich
nämlich vielfach daran gewöhnt, die Erfahrungen, die mit dem
Salvarsan bei einer bestimmten Anwendungsform und
Dosierung gemacht worden sind, zu verallgemeinern, und ob¬
wohl ich schon wiederholt, unter anderen auch anf dem inter¬
nationalen Dermatologenkongress in Rom auf das Unberechtigte
einer derartigen Verallgemeinerung hingewiesen habe, geschieht
dieses besonders von den Gegnern der Salvarsanbehandlung leider
noch immer in ausgedehntem Maasse.
2
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UNIVERSUM OF IOWA
1542
BERLIN KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 38.
Heute handelt es sich bei der Beurteilung des Wertes der
Salvarsantherapie nicht mehr um die Frage, inwieweit durch eine
ungeeignete Anwendung oder Dosierung des Salvarsans geschadet
werden kann, und wie häufig nach einer ungenügenden Salvarsan-
behandlung, *. B. einer nur einmaligen Injektion, Rückfälle bei
der Syphilis auftreten, sondern einzig und allein darum, was
man bei zweckmässiger Form der Salvarsanbebandlung
bzw. Salvarsan-Quecksilberbehandlung ohne Gefahren
für den Kranken erzielen kann. Um das zu beurteilen,
darf man aber nicht die Erfolge bzw. Misserfolge und Unglücks-
fälle, die von den verschiedenen Autoren bei den verschiedensten
Formen der Anwendung erzielt sind, zu einer Sammelstatistik
zusammen werfen, sondern die Beurteilung dieser Frage muss
eben auf Grund der Berichte and Statistiken derjenigen Autoren
erfolgen, welche in beiden Richtungen, sowohl bezüglich der
Dauerwirkung des Salvarsans wie bezüglich der Gefahrlosigkeit
des Heilmittels, die besten Resultate erzielt habeD. Die dabei
gewählten Formen der Behandlung sind dann in sorgfältigster
Weise unter Einhaltung der Originalanweisungen nacbznprüfen,
und auf diese Weise ist dann schliesslich die beste Anwendungs¬
form des Salvarsans festzustellen.
Würde sieb dabei zeigen, dass die Salvarsanbebandlung in
keiner Form eine genügende Dauerwirkung bat, und dass die
Salvarsanbehandlung in keiner Form für den Kranken genügend
ungefährlich ist, so wäre die Salvarsanbebandlung bzw. Salvarsan-
Quecksilberbebandlung gewisserwaassen als Standartmethode der
Syphilisbehandlung aufzugeben und nur für gewisse Fälle zu
reservieren. Ergibt sich aber, dass es Methoden der Salvarsan¬
behandlung gibt, die nicht nur auf die momentanen klinischen
Erscheinungen in der bekannten prompten Weise einwirken,
sondern auch eine Dauerwirkung haben, d. h. die Syphilis
definitiv zu heilen vermögen und dies ohne nennenswerte Gefahr
für den Kranken, so sind diese Methoden eben als Universal-
metboden der Syphilisbehandlung zu acceptieren.
Ich hoffe, den Leser durch meine folgenden Ausführungen
und statistischen Mitteilungen davon zu überzeugen, dass es bereits
jetzt derartige Methoden gibt.
Inder Deutschen medizinischen Wochenschrift, in der Wochen¬
schrift für praktische Dermatologie und auf dem Kongress zu
Rom habe ich bereits wiederholt nachdrücklich auf die Dauer¬
wirkung der Salvarsan-Quecksilberbebandlung in der von uns aus¬
gearbeiteten Form hingewiesen und mich schliesslich auf Grund
unserer Resultate vor fast einem Jabr nicht mehr gescheut, in
diesen Fällen — wenn auch mit einer gewissen Reserve — von
einer Heilung der Syphilis durch eine einmalige Salvarsan-
Quecksilberkur zu sprechen.
Die Methode unserer Behandlung ist kurz die folgende: Wir
machen im Beginn der Kur zunächst an zwei aufeinanderfolgenden
Tagen an jedem Tage je zwei Salvarsaninjektionen in mittleren
bzw. kleinen Dosen (gewöhnlich zwei Injektionen zu 0,25—0,3
und zwei zu 0,2, im ganzen 0,85—1,0 Salvarsan auf vier In¬
jektionen). Wir geben also in der Regel das erstemal, morgens,
0,25—0,3 Salvarsan, dann mittags, nach etwa vierstündiger Pause,
0,2 Salvarsan und am nächsten Tage dann wiederum morgens
0,2—0,25 Salvarsan und mittags als letzte Injektion 0,2 Salvarsan.
Wir verwenden so gut wie ausschliesslich Altsalvarsan, da
wir Neusalvarsan einerseits in der Wirkung für ein wenig
schwächer und andererseits besonders wegen sein er raschen Ze r¬
s etzlichkeit für qtwas toxischer und daher für etwas gefährl icher
als Altsalvarsan halten .
Dass dabei der ,7Wasserfehler“ peinlich berücksichtigt wird,
d. h. nur ganz frisches destilliertes Wasser zur Herstellung der
Salvarsanlösung und Kochsalzlösung verwandt wird, versteht sich
von selbst.
Wir injizieren das Salvarsan in dieser Form, in mehreren
aufeinanderfolgenden kleinen Dosen, um eine länger dauernde
Einwirkung des Medikamentes zu erzielen. Bekanntlich ist das
Salvarsao bei intravenöser Injektion aoeh bei Anwendung relativ
grosser Dosen schon nach etwa 3 Stunden aus dem Blute ver¬
schwanden und daher eine prolongierte Wirkung nur durch
mehrere in Pausen von einigen Stunden aufeinanderfolgende In¬
jektionen möglich.
Unter diesen Umständen pflegen bei kleinen, jungen Primär¬
affekten und bei den meisten Fällen von latenter Lues irgend¬
welche Reaktionen ganz zu fehlen, und nur bei frischen Exanthemen
oder älteren Primäraffekten mit multipler Drüsenschwellung treten
meist nach der ersten, bisweilen auch erst nach der zweiten
Salvarsaninjektion rasch vorübergehende Temperatursteigerungen
bis zu 39°, selten darüber, auf. Es ist daher ratsam, bei aus¬
gebreiteten Exanthemen und ebenso bei älteren Primäraffekten
mit stärkeren Drüsenschwellungen und vor allen Dingen beim
Vorhandensein irgendwelcher Prodromalerscheinungen entweder
mit kleineren Dosen — 0,2, bei starken Prodromen selbst nur
0,1 oder 0,15 zu beginnen und die zweite und dritte Injektion
dafür etwas grösser zu nehmen bzw. an Stelle von 4 Injektionen
5 auszuführen. Oder man schickt der Salvarsankur in solchen
Fällen 1—2 Quecksliberinjektionen mit Hydr. aal. bzw. 40 proz.
Calomel oder 6—8 Quecksilboreinreibungen voraus, um auf diese
Weise stärkere Allgemein- und Lokaireaktioneo zu vermeiden
(E. Ho ff mann u. a.). Doch sei nicht verschwiegen, dass uns
leichte Allgemein- und Lokalreaktionen ganz erwünscht erscheinen,
.da das Salvarsan nach Eintritt lokaler Reaktionen bei der nächsten
Injektion besonders kräftig in die byperämischen Spirochätenherde
eindringen dürfte.
Nach der Salvarsaniojektion lasse ich den Kranken sofort im
Bett warm einpacken, so dass er leicht transpiriert und das
Salvarsan auf diese Weise besonders io der Haut etwas lebhafter
cirkuliert. Vor jeder Salvarsaneinspritzung soll der Urin auf
Eiweiss untersucht und möglichst auch durch Messung der Urin-
meoge festgestellt werden, dass die Nieren gut funktionieren.
Bei Verwendung der konzentrierten Injektionen von Neo -
salvarsan lässt sich die Kur in dieser Form auch in <ler Behausung
des Kranken sehr bequem und leicht durchführen. Man kocht zu
diesem Zwecke einfach 5—10 ccm Leitungswasser einige Minuten
im Reagenzglase auf, lässt etwas abkuhlen und löst darin dann
0,3 bzw. 0,4 Neosalvarsan auf, und diese Lösung wird dann sofort
intravenös eingespritzt. Jeder praktische Arzt, der die Technik
der intravenösen Injektionen beherrscht, vermag daher die Kur
mit Leichtigkeit durchzuführen. Freilich muss die Lösung tadellos
in die Vene fliessen, und es darf kein Tropfen in das umgebende
Gewebe gelangen, da sich sonst Thrombosen uod Nekrosen bilden.
Wir selbst bevorzugen vorläufig noch immer Altsalvarsan in
grösseren Flüssigkeitsmengen gelöst (auf 0,1 Salvarsan 50 bis
60 ccm 0,6 proz. Kochsalzlösung), da wir glauben, dass die mit
den grösseren Infusionen verbundene „Auswaschung* 1 der Gewebe
für das Eindringen des Salvarsans in die Gewebe vielleicht nicht
ohne Bedeutung ist.
Sofort im Anschluss an die Salvarsanbebandlung — gewöhn¬
lich schon am 2. Salvarsautage — beginnen wir eine Quecksilber¬
kur, und zwar fangen wir meist mit Einreibungen an und schieben
dann zwischen die einzelnen Einreibungstouren nach Möglichkeit
Quecksilberinjektionen mit Hydr. salicyl. oder besser 40 proz.
Calomel — pro Injektion 0,08 Hydr. salicyl. oder 0,05—0,06 Ca¬
lomel — ein. Auch Mercinol — das 40 proz. Quecksilberöl der
Engel-Apotheke in Breslau — verwenden wir häufig zu Injektionen,
jedoch niemals allein, sondern stets abwechselnd mit Hydr. salicyl.,
da das Mercinol nur langsam resorbiert wird 1 ) und dadurch leicht
eine kumulierende Wirkung eintritt.
Die Schmierkur selbst pflegen wir in der Weise ausführen za
lassen, dass wir an 4 aufeinanderfolgenden Tagen jeden Tag ein
Viertel des Körpers mit 4—5 g Quecksilberresorbin einreiben lassen.
Am 1. Tage wird also der eine Arm und die eine Rumpfseite des
Körpers eingerieben, am folgenden Tage die gleichen Körperteile
der anderen Seite, dann folgt das eine Bein mit Hüfte und Gesäss-
fläche und zuletzt das andere Bein in gleicher Weise. Am 5. Tage
bleibt der Kranke eingerieben, am 6. Tage nimmt er ein Bad und
erhält an diesem Tage eine Quecksilbereinspritzung. Nach der
Injektion wird 1 — 2 Tage pausiert, dann folgt ein neues Bad und
im Anschluss hieran wird der Einreibungsturnns in gleicher Weise
wiederholt und nach 5 Schmiertagen wieder eine Einspritzung wie
vorher gemacht und so fort.
Wir wählen gewöhnlich diese letztere Form der kombi¬
nierten Injektions-Schmierkur, weil diese nach unseren Erfahrungen
relativ gut vertragen wird, man dabei dem Organismus verhältnis¬
mässig viel Quecksilber zufübren kann und die Vorteile beider
Methoden, der Schmierkur wie der Injektionskur, ausgenutzt werden.
Besonders bei ausgedehnten Exanthemen hat ja die Schmierkur
zweifellos dadurch einen besonderen Wert, dass es dabei auch zu
einer lokalen Einwirkung des Quecksilbers auf die Giftdepots
in der Haut und durch Resorption von der Haut aus auch za
einer stärkeren Einwirkung des Heilmittels auf die Drüsen kommt.
Ferner ist es möglich, dass die besondere Form, in der das Queck¬
silber bei der Scbmierkur aufgenommen wird (Einatmung durch
die Lungen!) und durch die damit vielleicht verbundene Art der
1) Vergl. Döhring, D.m.W., 1914.
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17. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1543
Circulation des Quecksilbers (Dampfform?) besonders gute Wir¬
kungen ausgelöst werden. Aber auch die Einspritzungen haben
durch die mehr schubweise Resorption und durch die Art, in
welcher das Quecksilber hierbei cirkuliert, wohl besondere Wir¬
kungen, und es ist schon hiernach ganz plausibel, dass man durch
Kombination dieser beiden Methoden möglicherweise noch
günstigere Einwirkungen auf die Krankheit erzielt als durch eine
dieser Methoden allein. Dazu kommt, dass wir trotz sehr reich¬
licher Qaecksilberzufuhr weniger leicht Intoxikationen oder Stoma¬
titis bei der gemischten Injektions-Schmierkur zu fürchten haben,
als bei der Einspritzungs- oder ßinreibungskur allein, weil wir
die Quecksilberzufuhr besser in der Hand haben und bei Ein¬
reibungskuren die Gefahr der Stomatitis, bei Injektionskuren die
Gefahr einer allgemeinen Intoxikation vorherrscht..
In dieser Form führen wir die Quecksilberkur reichlich vier
Wochen durch, dann folgt die zweite Salvarsankur, welche im
wesentlichen in gleicher Weise wie die erste durchgeführt wird,
nar kann sie — besonders bei schwächlichen Patienten — etwas
milder gestaltet werden. Man gibt z. B. am 1. Tage nur 0,25 und
0,2, am 2. Tage zweimal 0,2, oder man beschränkt sich eventuell
auf 3 Injektionen von 0,25—0,8, dann 0,2 und am 2. Tage wieder
0,2—0,3 Salvarsan.
Im Anschluss an die 2. Salvarsankur wird dann die Queck¬
silberkur in gleicher Weise nochmals 14 Tage bis 3 Wochen
durch geführt.
Die Intensität sowohl der 2. Salvarsankur wie besonders
aucji der weiteren Quecksilberkur bängt wesentlich von dem
Resultat der Blutuntersuchung ab, welche gelegentlich
der 2. Salvarsankur ausgeführt wird. Ergibt dieselbe noch
ein positives, wenn auch nur schwach positives Resultat, so ist die
Salvarsankur möglichst gleich intensiv wie das erstemal zu gestalten
und die Quecksilberkur noch reichlich 3 Wochen in gleich kräf¬
tiger Weise durchzuführen. Ist die Reaktion ausnahmsweise bei
der 2. Salvarsanbehandiung oder selbst noch nach Beendigung der
2. Qaecksilberkur noch ausgesprochen positiv, so bat möglichst noch
eine 3. Salvarsanbehandiung, wenigstens von einem Tage (2 Injek¬
tionen zu 0,3 und 0,2) stattzufinden, ln der Regel ist die Wasser-
maon'sche Reaktion bei primärer and frischer sekundärer Lues zur
Zeit der 2. Salvarsanbehandiung aber bereits völlig negativ, ord-
nungs.massige Durchführung der Kur natürlich vorausgesetzt.
Dass sich die Art der Durchführung der Salvarsankur — und
ebenso der Qaecksilberkur — natürlich auch nach der Konsti¬
tution des Kranken, nach seinem Körpergewicht und dergl. zu
richten bat und danach kleine Abweichungen, besonders in der
Dosierung vorzunehmen sind, bedarf keiner näheren Ausführung.
Die Salvarsan-Quecksilberkur, in dieser Weise durcbgeführt,
stellt immer gewisse Anforderungen an den Organismus, und die
Kranken werden dadurch gewöhnlich etwas mitgenommen und
pflegen auch an Körpergewicht etwas zu verlieren. Die Kranken
müssen daher während der Kur nach Möglichkeit ihrer Gesundheit
leben und alle unnötigen körperlichen und geistigen Anstrengungen,
vor allen Dingen aber unnötige Vergnügungen, Nachtleben, Alkohol
und dergleichen meiden. Die Kunst des Arztes ist es im übrigen,
io Fällen, in denen die Kur die Kranken zu sehr angreift, Stomatitis
u.dgl. droht durch rechtzeitige Einschiebung von Ruhetagen, durch
Nährmittel (Sanatogen) u. dgl. mehr wirklichen Schädigungen des
Organismus vorzubeugen. Eine genaue Urinkontrolle, eine Kon¬
trolle des Gewichtes und ebenso eine genaue Kontrolle des Mundes
und peinlichste Mundpflege sind natürlich unerlässlich. Zum
Spülen des Mundes bevorzuge ich noch immer Perbydrollösung
(Sol. Perhydroli 10/400, hiervon einen Teelöffel voll auf J /2 Glas
Wasser) und lasse bei drohender Stomatitis mit der unverdünnten
Lösang morgens und abends auch noch das Zahnfleisch pinseln.
Uebrigens pflegen sich die Kranken bald nach der Kur fast
ausnahmslos sehr rasch zu erholen nnd aufzublühen, selbst wenn
*ie während der Kur etwa 10 Pfund an Körpergewicht verloren
hatten.
Die Resultate, welche wir mit dieser Form der Salvarsan-
Quecksilberkur erzielt haben, sind nun ausserordentlich gute und
speziell bei primärer und frischer sekundärer Lues im 1.
his 2. Jahre nach der Infektion geradezu glänzende, wie aus der
folgenden Statistik ein wandsfrei bervorgeht.
Wir haben vor etwa einem Jahr alle Fälle, in denen wir
nach durchgeführter Kur die Kranken längere Zeit regelmässig,
gewöhnlich in Abständen von 4—5 Monaten, haben klinisch und
serologisch untersuchen können, zusammengestellt und haben die
oabei gewonnene Statistik in der deutschen medizinischen Wochen¬
schrift, 1913, Nr. 30, veröffentlicht. Um dabei richtige Prozent¬
sätze zu gewinnen, haben wir auch die Kranken, welche wir nur
3 bis 6 Monate lang klinisch und serologisch kontrollieren konnten,
mit in die Statistik aufgenommen. Die Fälle, in denen Recidive
eingetreten sind, haben nämlich auch vielfach nur 8—6 Monate
unter unserer Kontrolle gestanden und wurden natürlich in die
gtatistik aufgenommen, auch wenn sie nicht weiter verfolgt werden
konnten. Infolgedessen mnssten auch die recidivfreieo Fälle von
gleicher Beobachtungsdauer in der Statistik mit verwertet werden.
Die Gesamtzahl der Fälle von primärer und frischer sekundärer
Lues (erstes und zweites Jahr nach der Infektion), auf die wir
uns in dieser Weise stützen konnten, betrug 316 Fälle 1 ).
Einen Teil dieser Fälle haben wir dann im letzten Jahre
noch weiterhin unter Beobachtung und serologischer Kontrolle
behalten können, so dass die Statistik jetzt noch grösseren Wert
I hat. Besonders ist infolge dieser weiteren Beobachtung die Zahl
der Fälle, welche nur 3—6 Monate nnter Beobachtung gestanden
haben, nur noch relativ klein (etwa 15 pCt. der Gesamtzahl),
während 2 / 3 der Fälle 1 bis 2 Jahre unter Beobachtung ge¬
standen haben und bei etwa 15 pCt. die Beobachlungszeit bereits
2— 3 V 2 Jahre beträgt.
Im ganzen sind bei den 31Q Fällen 41 Rückfälle einge¬
treten und zwar handelt es sich in 28 Fällen um klinische Reci-
\dive, in 13 Fällen nur um positive Wassermann’sche Reaktion,
hei es, dass diese überhaupt nicht negativ geworden ist, sei es,
/dass sie wieder positiv wurde. Es würde einem Prozentsatz von
rnnd 18 pCt. Rückfällen entsprechen, etwa 9 pCt. klinische und
4 pCt. serologische Recidive.
Von primärer Lues haben wir im ganzen 85 Kranke ge¬
nügend lange beobachtet und dabei 6 Rückfälle gesehen, gleich
7,5 pCt.
Von sekundärer Lnes innerhalb der ersten 2 Jahre nach
der Injektion konnten wir unter 281 Kranken 35 Rückfälle, gleich
15,3 pCt., beobachten.
Nun ist aber der Unterschied zwischen den Resultaten in der
Poliklinik und der Privatpraxis recht erheblich, so dass es
zweckmässig ist, nochmals die Prozentsätze für beide Rubriken
getrennt zu berechnen.
Von primärer Lues wurden in der Privatpraxis 44 Kranke
behandelt, alle ohne Recidive, davon sind 2 nur 3—6 Monate,
8 sind 6 —12 Monate, 25 1—2 Jahre, 9 schliesslich 2— d 1 j t Jahre
beobachtet und serologisch kontrolliert worden.
Von sekundärer Lues wurden in der Privatpraxis
109 Kranke genügend lange beobachtet und dabei nur bei 11
derselben später Recidive bzw. positive Wassermann’sche Reak¬
tion beobachtet. Die Beobachtungszeit beträgt bei den recidiv-
freien Kranken 16mal 8—6 Monate, 19mal 6—12 Monate, 47 mal
1—2 Jahre, 16 mal 2—8 1 /* Jahre.
Wir hätten also in der Privatpraxis bei frischer
sekundärer Lues nur etwa 10pCt. Recidive, bei primärer
Lues 100 pCt. Heilungen; bei primärer und sekundärer
Lues zusammen 6,4 pCt. Recidive und das bei einer regel¬
mässigen serologischen Kontrolle von meist 1—3 Jahren.
In der Poliklinik wurden dagegen bei gleicher Beobachtungs-
dauer in 168 Fällen von primärer und sekundärer Lues 30mal
Recidive bzw. positive Wassermann’scbe Reaktion beobachtet, das
sind rund 18 pCt.
Dass die Resultate in der Privatpraxis noch erheblich besser
als in der Poliklinik sind, obwohl die Privatpatienten im all¬
gemeinen noch regelmässiger klinisch und serologisch nachunter¬
sucht worden sind als die Kranken der Poliklinik, ist in erster
Linie wohl darauf zurückzuführen, dass die Kranken in der Privat¬
praxis die ganze Behandlung in noch sorgfältigerer und inten¬
siverer Weise durchzuführen pflegen, als dies bei den poli¬
klinischen Kranken der Fall ist. Diese führen nicht nur die
Einreibekur bisweilen wenig sorgfältig aus, sondern kommen auch
häufig zu den Quecksilberinjektionen unregelmässig und haben
auch oft zwischen der 1, nnd 2. Salvarsankur eine grössere Pause
gemacht, als wir verordnet batten. Auch ist die Zahl der Sal¬
varsan injektionen in der Poliklinik häufiger als in der Privatr
praxis bei jeder Kur auf 2 oder 3 Einspritzungen beschränkt worden.
1) Die Zahl der mit Salvarsan von uns behandelten Syphilitiker
überhaupt beträgt etwa 3500, und ungefähr bei der Hälfte handelt es
sich um primäre oder frische sekundäre Syphilis, aber in regelrechter
Weise ist die Kur dabei nur etwa von der Hälfte der Kranken duroh-
geführt worden. — Von einer VergrösseruDg der Statistik durch Hinzu¬
nahme der im letzten Jahre behandelten und regelmässig kontrollierten
Kranken haben wir abgesehen, zumal die Resultate die gleichen ge¬
blieben sind.
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 33.
Vielleicht sind die schlechteren Resultate in der Poliklinik
aber auch nur scheinbare und darauf zurückzufübren, dass die
poliklinischen Patienten, wenn sie keinerlei Symptome der Krank¬
heit bemerken und sich dementsprechend geheilt fühlen, bei
weitem nicht so zahlreich zu den Kontroi(Untersuchungen kommen
wie die Privatpatienten. Es wäre also möglich, und scheint mir
nach der Art unseres poliklinischen Materials sogar wahrschein¬
lich, dass die Kranken, welche Ruckfälle bekommen haben, sich
auf Grund dieser so gut wie ausnabmlos wieder vorgestellt haben,
während sich die geheilten Kranken nur zum Teil wieder gezeigt
haben.
Hieraus gebt auch hervor, dass unsere Statistik ziemlich
sicher schlechtere Resultate angibt, als tatsächlich erzielt
worden sind. Die Kranken mit klinischen Rückfällen zeigen
Bich so gut wie ausnabmlos, die Kranken, welche keine Rück4
fälle bekommen, verlieren auch wir zum nicht geringen Teil aus!
den Augen. I
Hiernach beträgt also die Wahrscheinlichkeit der Heilung!
bei regelrechter Durchführung der Kur bei primärer Lues von!
vornherein 95—lOOpCt., und nach einjähiiger Kontrolle dürfte
die Wahrscheinlichkeit eines späteren Rückfalles bei primärer
Lues tatsächlich fast Null sein. :
Bei sekundärer Lues beträgt die Wahrscheinlichkeit der
Heilung bei regelrechter Durchführung der Kur von vorn¬
herein etwa 85 pCt. und schon nach halbjähriger Kontrolle
und Freibleiben von Sypbiliserscbeinungen ist ein Rückfall ganz
ausserordentlich wenig wahrscheinlich und mit reichlich 95 pCt.
Wahrscheinlichkeit Heilungen anzunebmen, während nach ein¬
jähriger Kontrolle Rückfälle nur noch in 1 bis höchstens 2 pCt.
der Fälle eintreten dürften.
Den Ehekonsens werden wir freilich, besonders bei se¬
kundärer Lues, nach ein- ja selbst nach zweijähriger Kontrolle
noch nicht geben, denn wenn auch die Wahrscheinlichkeit eines
Rückfalles ganz ausserordentlich gering ist, so würde doch das
Recidiv aller Voraussicht nach sekundärer Natur und mithin
stark ansteckend sein. Aus diesem Grunde würde ich auch weiter¬
hin in der Regel eine 2- .bis 3jährige regelmässige Kontrolle vor
Erteilung des Ehekonsenses verlangen. Nach 2—3 Jahren können
wir ihn allerdings, wie ich glaube, mit weit mehr Recht und
weit grösserer Zuversicht geben, als das früher selbst nach fünf¬
jähriger regelrecht durchgeführter chronisch-intermittierender Be¬
handlung der Fall war.
Eine weitere Frage ist es nun, ob wir überhaupt in unseren
Fällen, sofern sie sich 1, 2, 3 Jahre und darüber regelmässig
klinisch und serologisch als gesund erwiesen haben, nun tatsäch¬
lich von Heilung sprechen dürfen, oder ob wir mit der Mög¬
lichkeit rechnen müssen, dass trotz dieses Freibleibens während
der ersten 2 oder 3 Jahre mit dem späteren Auftreten tertiärer
oder sogenannter metaluetischer (quartärer) Erkrankungen ge¬
rechnet werden muss. Ich glaube, tu einem derartigen Skepti¬
zismus liegt kein besonderer Grund vor, vielmehr zwingt uns
die Erfahrung über den klinischen Verlauf der Syphilis iu solchen
Fällen wirklich definitive Heilung anzunebmen.
Freilich verläuft die Syphilis chronisch und kann noch nach
10 und 2U Jahren zu Krankbeitserscheinungen führen, nachdem
jahrelang speziell an der Haut keinerlei klinische Zeichen der
Krankheit mehr nachweisbar waren. Aber erstens dürfte nach
unseren jetzigen Erfahrungen das Blut solcher Patienten während
der ganzen vorausgegangenen, sogenannten latenten Periode
meist positive Wasserroann’sche Reaktion zeigen, und zweitens
ist der Verlauf der Syphilis, wenigstens in den ersten
^Jahren nach der Infektion, ein ausserordentlich typi¬
scher und gesetzmässiger, mag der Verlauf in der Spät¬
periode in den einzelnen Fällen auch ein recht ungleichmässiger
sein. Mit grösster Regelmässigkeit tritt bei frischer Syphilis
7—8 Wochen nach der Infektion die typische Blutreaktion ein
und bleibt ohne Behandlung — von unbedeutenden, vorübergebenden
Schwankungen abgesehen — während der nächsten Jahre in der
•grossen Mehrzahl der Fälle positiv, und in den Fällen, die später
Späterscheinungen irgendwelcher Art zeigen, dürfte diese positive
Reaktion nach unseren jetzigen Erfahrungen meist während des
ganzen „latenten“ Verlaufes positiv gewesen sein.
Nach Vornahme einer Quecksilberkur bei primärer und
frischer sekundärer Lues verschwinden wohl die klinischen
Erscheinungen, und die Wassermann’sche Reaktion wird negativ,
aber mit st-ltener Regelmässigkeit wird die Reaktion meist schon
wenige Monate nach Beendigung der Kur, spätestens aber nach
i/ bis 1 Jahr, wieder positiv. Die ganz seltenen Ausnahmen
bestätigen hier tatsächlich nur die Regel. Genau ebenso wie
nach Quecksilberbehandlung ist es aber nach Salvarsanbeband-
Jung, die nicht zur definitiven Heilung führt. Das haben uns die
häufigen Rückfälle nach unvollständiger Salvarsan-Queeksilber*
behandlung zur Genüge gezeigt, und auch bei den seltenen Febl-
scblägen nach gründlicher Durchführung unserer Salvarsan-Queck-
silberbehandlung ist das nicht anders. Auch in diesen Fällen
zeigt das Blut meist schon nach 3 — 6 Monaten, spätestens aber
nach 6—12 Monaten, wieder positive Reaktion, und das Wieder*
auftreten positiver Reaktion nach mehr als einem Jahr ist ein
so seltenes Ereignis, dass wir es nicht weiter berücksichtigen
brauchen.
Wir sehen also immer wieder, dass die Rückfälle
bei fehlscblagender Salvarsan-Queckaiiberbehandlung
genau in derselben Weise und in derselben Zeit aufzu¬
treten pflegen wie nach einer einfachen kräftigen Queck¬
silberkur, und wir haben mithin nicht die geringste Berechti¬
gung zu der Annahme, dass durch die Salvarsanbebandlung der
gante Verlauf der Syphilis verändert und verschoben würde.
Wenn nun bei einer Erkrankung die typischen Er¬
scheinungen, welche mit absoluter Regelmässigkeit
wenige Woeben nach der Infektion erscheinen und in
gleich regelmässiger Weise wenige Monate nach einer
wesentlich symptomatisch wirkenden Behandlung wieder¬
auftreten, nach Vornahme einer bestimmten Kur aus-
bleiben, so dürfen, ja müssen wir doch daraus den
Schluss ziehen, dass die Krankheit geheilt ist.
Wir haben uns grossenteils bei der Syphilis so in die*Vor-
stelluDg der „Latenz“ bineingedaebt — ich möchte fast sagen
darin verrannt —, dass wir dem Verlauf nicht zu trauen wagen,
auch wenn keinerlei Erscheinungen voibanden sind. Aber nach
allem, was wir jetzt über den Verlauf der Syphilis, wenigstens
in der Frühperiode, wissen, gibt es während dieser Zeit
keine länger dauernde wahre Latenz. Wohl können ge¬
legentlich alle Erscheinungen an der Haut ausbleiben, aber die
Wassermann’scbe Reaktion stellt sich, wie schon erwähnt, mit
grösster Regelmässigkeit ein und tritt nach einer nur sympto¬
matisch wirkenden Kur ebenso regelmässig nach wenigen Monaten
wieder auf. Wenn also nach Salvarsan Quecksilberbebandlung in
geeigneter Form bei primärer Lues in etwa 95 pCt., bei sekun¬
därer in etwa 85 pCt. der Fälle alle Krankheitserscbeinungen,
auch positive Wassermann’scbe Reaktion jahielang ausbleiben,
in 5 resp. 16 pCt. dagegen genau zu der gleichen Zeit üüd in
der gleichen Art wie nach einer Quecksilbevkur wieder auftreten,
so ist doch der einzig logische Schluss der, dass in der ersten
Serie durch die Kur definitive Heilung erzielt wurde, während die
Kur in der zweiten Serie der Fälle eben feblgescblagen ist.
Garantieren können wir für die definitive Heilung zwar nicht, das
tue ich auch nicht, aber wir haben das volle Recht, in diesen
Fällen endgültige Heilung anzunehmen und dementsprechend zu
handeln.
Schwieriger ist es. sich bezüglich der definitiven Erfolge
wirksamer Salvarsan Quecksilberkuren im Spätstadium zu
äussern, denn in diesem Stadium haben wir über den Verlauf
der Blutreaktion sowie die Zeit des Wiederauftretens der Reaktion
nach einer Kur noch nicht genügend Kenntnisse.
Im übrigen erreicht man im Spätstadium mit der von uns
geübten Kur reichlich in zwei Drittel der Fälle ein Negativwerden
der Reaktion, und ein späteres Umschlagen der Reaktion wird
dabei nur recht selten beobachtet. Unsere Erfahrungen decken
sich in dieser Beziehung auch mit denen von Gennerich.
Im Sinne einer Heilung bei der Behandlung der Syphilis im
Fröbstadium durch kombinierte Salvarsan-QuecksiIberbehand¬
lung spricht ferner die Beobachtung, dass wir bei 8 Kindern der
von uns behandelten Kranken, welche 8 / 4 —l 1 /* Jahre nach der
Rur gezeugt bzw. 1V 2— 21 /2 Jahre nach der Kur geboren wurden —
dreimal waren beide Eltern luetisch — keinerlei Erscheinungen
von Syphilis haben feststellen können und dreimal auch das Blut
der Kinder haben untersuchen können, und zwar mit völlig
negativem Ergebnis. In gleichem Sinne sprechen schliesslich drei
Beobachtungen, die wir als einwandsfreie Reinfektionen auffassen
dürfen. Es bandelte sich in diesen Fällen um typische Primär¬
affekte mit mehr oder weniger ausgesprochener und allmählich
zunehmender Drüsenschwellung bei im Anfang negativer oder nur
ganz schwach positiver Blutreaktion und vor allen Dingen typi¬
scher Inkubationszeit nach einem Coitus mit Prostituierten.
Bei einer Anzahl unserer Kranken haben wir zur Sicher¬
stellung der Heilung auch sogenannte provokatorische Io*
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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jektionen gemacht und dabei bei jenen Kranken, die wir als
geheilt betrachtet hatten, stets negative Resultate bekommen. Einige
wenige Kranke haben wir nach der Kur auch lumbal punktiert und
bei der Liquoruntersuchung normale Verhältnisse gefunden.
Nach alledem stehen wir auch weiterhin auf dem Standpunkt,
dass durch die Salvarsan-Quecksüberbebandlung der Syphilis in der
von uns geübten Form bei primärer Syphilis in 95—100 pCt., bei
sekundärer Syphilis in etwa 85 pCt. der Fälle Heilung erzielt
wird uod wir tatsächlich berechtigt sind, anzunehmen, dass die
Heilung dabei, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, eine
definitive sein dürfte.
Auch stehen wir mit unserem Urteil nicht allein, und be¬
sonders die soeben erfolgte letzte Publikation von Gennerich in
der Münchener medizinischen Wochenschrift zeigt, dass man auch
mit anderen Formen der kombinierten Salvarsan-Quecksilber-
behandlung gleich gute Resultate wie wir erzielen kann.
Anmerkung bei der Korrektur: E. Hoffmann-Bonn,
welcher vor einem Jahre unsere auf Grund einer sorgfältigen
Krankenstatistik mit aller Reserve vertretene Ansicht bezüglich
der Dauerheilung der Syphilis durch unsere Salvarsan-Quecksilber-
hehandlung als voreilig kritisierte und dann schon im Sep¬
tember 1913 auf der Naturforscherversammlung in Wien ohne
Beibringung genaueren statistischen Materials mit einer gewissen
Emphase die Heilbarkeit der Syphilis durch die Salvarsan Queck-
silberbehandlung verkündete, schreibt jetzt unter Hinweis auf nur
16 Fälle primärer Lues in Nr. 23 der Deutschen medizinischen
Wochenschrift: „Die Salvarsaninjektionen am Beginn und Schluss
der Qaecksilberkur nach dem Vorschlag von Scholtz gehäuft
zu geben, ist nach meiner Erfahrung unnötig und erhöht nur die
Gefahren der Kur“. Es ist das eine recht nichtssagende Be¬
hauptung, die jedes Beweises entbehrt. Haben wir doch bei der
von ans bevorzugten Behandlung mit Altsalvarsan noch nie eine
schwere oder dauernde Gesundbeitsschädigung bei unserer
Salvarsankur gesehen! Wir bemühen uns einfach mit vielen
anderen Autoren, z. B. Gennerich, durch sorgfältige Beobachtung
die beste Behandlungaform der Syphilis zu finden. Ob das
schliesslich die von nns jetzt angewandte Methode oder eine
andere Form der SalvarsanbebandluDg sein wird, ist uns bei
unserer Arbeit ganz gleichgültig.
Ueber die diagnostische Bedeutung des Nischen-
symptoms bei der radiologischen Magen¬
betrachtung.
Von
Stabsarzt Dr. Strangs.
An dieser Stelle bat Faulhaber eine Betrachtung über den
diagnostischen Wert des Sechsstundenrestes bei pylorusfernem
Magengeschwür veröffentlicht und dabei hervorgehoben, dass er
in allen Fällen von pylorusfernem Ulcus ventrieuli eine Nischen¬
bildung bei der Röntgenuntersuchung gefunden habe. Faulhaber
knüpft daran die Bemerkung, „um so befremdlicher muss es nach
obigem anmuten, wenn in jüngster Zeit Strauss das Nischen¬
symptom für sehr selten und in den meisten Fällen für einen
Beobachtungsfehler erklärt“. Die Faulhaber’sche Ausführung
nötigt mich, zu dieser äusserst strittigen Frage der Magenradio¬
logie das Wort zu nehmen.
Das Nischensymptom wurde zuerst von Reiche beobachtet
and beschrieben, fand indessen eine allgemeine Beachtung damals
nicht. Erst durch die unabhängig voneinander gemachten Beob¬
achtungen von Haudek und Faulbaber wurde das Interesse
aller Röntgenologen auf dieses Symptom hingelenkt. Die Be¬
schreibung des Nischensymptoms fehlt heute in keinem Lehrbuch,
nnd es hat sich, namentlich in den der Radiologie ferner stehenden
Kreisen, die Ansicht berausgebildet, dass das Nischensymptom za
don alltäglichsten Erscheinungen gehört und bei jedem Fall von
Mageoulcus nacbzuweisen wäre, eine Auffassung, die ich stets bei
ärztlichen Fortbildungskursen vernehme.
Handek hat das Nischensymptom in vielen Hunderten von
Fällen beobachtet, sein Vorkommen ist in Wien ein ganz allge¬
meines, Faulhaber hat es in allen zur Operation gelangten
Fällen vorher festgestellt und seine Diagnose durch die Operation
bestätigt gefunden. Gegenüber der Darstellung von Haudek und
Faulhgber, der beute die Allgemeinheit folgt, betonte ich nun,
dass das Nischensymptom ausserordentlich selten ist, und bin bis
jetzt noch nicht in der Lage, diesen Standpunkt zu ändern. An¬
gesichts dieser ausserordentlichen Gegensätze sind zur Erklärung
nur 3 Möglichkeiten gegeben: 1. Die Eigenart der Geschwürs¬
bildung am Magen ist eine regionär verschiedene, der südliche
Teil Deutschlands verhält sich anders als der nördliche. Dieser
Satz mag vielleicht beim ersten Augenblick befremden, aber ebenso
wie die Carcinomstatistik uns hier ausserordentliche Verschieden¬
heiten zeigt, wie fernerhin der Salzsäuregehalt des Magensaftes
regionäre Differenzen aufweist, so wäre es auch hinsichtlich der
Geschwürsbildung möglich. 2. Es herrscht im Terminus technicus
keine Uebereinstimmung, indem der eine Beobachter irgendeine
substantiierte Erscheinung am Magen als Nische deutet, die von
einem anderen nicht als solche angesprochen wird. 3. Es liegen
Beobachtungsfebler vor.
Dass Beobachtungsfehler möglich sind, hat Faulhaber in
seiner „Röntgendiagnostik der Magenkrankheiten“ selbst zugegeben
und den Zusatz gemacht, dass sie ihm selbst aber nicht passiert
sind. Ich kann Faul haber hier erwidern, dass diese Beobachtungs¬
fehler indessen häufiger sind, als man denkt. Erst jüngst habe
ich gesehen, dass ein ganz hervorragender Kenner der Materie
auf Grund eines Nischensymptoms ein callöses Ulcus an der kleinen
Curvatur an nahm, während die Operation einen absolut normalen
Magenbefund ergab. Es kommen also auch bei genauer Kenntnis
der Untersucbnngstecbnik solche Beobachtungsfehler vor, und was
oftmals nun gar erst von weniger Geübten als Nische angesprochen
wird, sind Adhäsionen, Kontrastpartikel im Dünndarm oder
gar nur physiologische Verhältnisse. Nun kann aber das Vor¬
kommen von Beobachtungsfehlern im vorliegenden Falle nicht
zur Widerlegung Faulhaber’s herangezogen werden, denn Faul¬
haber berichtet ja nur über operierte Fälle, und ist so in der
Lage, für die Zuverlässigkeit seiner Angaben den Beweis zu er¬
bringen. Auch Haudek versicherte mir auf dem diesjährigen
Röntgenkongress, dass ihm zahlreiche operative Ergebnisse zur
Stütze seiner Ansicht zur Verfügung stehen. Es trifft also für
diese Antoren der Beobachtungsfebler sicherlich nicht zu.
Bleibt also die regionäre Verschiedenheit und die Differenz
im Terminus technicus übrig.
Zur regionären Verschiedenheit möchte ich nun folgendes
sagen: Die von mir beobachteten, chirurgisch behandelten Ulcera
sind vorwiegend am Pylorns lokalisiert gewesen, hatten also einen
Sitz, von dem Faulhaber selbst auf Seite 46 seines erwähnten
Buches sagt, dass hier das callöse Ulcus ein Nischensymptom
nicht aufweise. Ich fand dasselbe in diesen Fällen auch nie nnd
befinde mich also vollständig mit Faulhaber in Uebereinstimmung,
Ich halte es gar nicht für unwahrscheinlich, dass eben das pylorus-
ferne Ulcus im südlichen Deutschland häufiger ist als im Norden.
Was nun die Differenz im Terminus technicus betrifft, so
scheint eine solche hier sogar eine ziemliche Rolle zu spielen.
Ich bezeicbnete als Nischensymptom bis jetzt immer nur ein
solches, das man im gewöhnlichen Spracbgebrauche ein führendes
Symptom nennt. Wenn ich an einer Stelle der kleinen Curvatur
den pilzartigen Vorsprung im Sinne der Re ich e’schen Darstellung
finde, so deute ich dies — die Wahrung gewisser technischer
Kautelen vorausgesetzt — als Nische. In allen Fällen aber, in
denen der Nischenvorsprung mit einem organischen Sanduhrmagen
vergesellschaftet ist, betrachtete ich bis jetzt den Sandubrmagen
als das führende Symptom. Dass allerdings das callöse Ulcus,
das im Röntgenbild die Nische verursacht, ätiologisch für das
ganze Krankheitsbild verantwortlich zu machen ist, kann nicht
bestritten werden. Insofern pflichte ich auch Haudek bei, wenn
er überhaupt einer anderen Nomenklator beim Sandubrmagen das
Wort redet, und ich gebe dann absolut zu, dass das Nischen¬
symptom, wenn ich die Fälle von nacbgewiesenem Sanduhrmagen
mit callöser Nische den Nischenfälle zuzäble, allerdings nichts
Seltenes ist. Der Nachteil dieser Betrachtung liegt meines Er¬
achtens aber darin, dass man daun die Nische als führendes
Symptom bezeichnet, während tatsächlich Nische -|- Sandubrmagen
vorhanden ist. Auf jeden Fall — mag man nun die Nische oder
den Sanduhrmagen als den das Krankbeitsbild beherrschenden
pathologischen Zustand ansehen — liegen diese Fälle diagnostisch
so absolut einfach, dass sie ausserhalb aller Diskussion stehen.
Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes gebe ich gern zu,
dass man die Nische beim pylorusfernen Ulcas sehr selten vermisst.
Was nun die Häufigkeit der Nische betrifft, so bin ich —
wenn ich selbst in allen Punkten Haudek und Faulhaber so¬
weit entgegenkomme als nur möglich — nicht in der Lage, meine
Ansicht zu ändern. Die Nische ist nichts Häufiges, keioesfalls
etwas Alltägliches. Auch Faulhaber’s Veröffentlichung spricht
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UMIVERSITY OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 33.
mehr gegen als für ein häufiges Vorkommen, denn die 18 Fälle,
von denen er spricht, sind doch nur eine kleine Ziffer. Die
Bedeutung der Faulbaber’schen Mitteilung liegt in dem strikten
Nachweis des steten Auftretens der Nische bei pylorusfernem Ulcus,
sicherlich eine sehr wichtige und ausserordentlich wertvolle Be¬
kundung, da es sich nur um autoptisch kontrollierte Fälle handelt.
Hinsichtlich der Masse aber kann Faulbaber’s Angabe mich nicht
überzeugen, denn 18 Beobachtungen, die sieb, wie ich annehme,
auf einen Zeitraum von 4—6 Jahren erstrecken, sind ebenso ein
Belag für meine Auffassung von der relativen Seltenheit der Nische,
wie die Veröffentlichung Schüller’*, der unter 1200 Beobachtungen
auch nur 5 Nischen gesehen hat. Die Haudek’sche Nische ganz allein
— ohne begleitenden Sanduhrmagen — habe ich nur ganx selten
beobachtet, und es wäre eine ziffernmässige Angabe sicherlich
von allgemeinem Interesse, wenn Faulbaber einmal mitteilen
wollte, wie oft er solche Fälle gesehen hat, die er auf S. 41 und
42 seines Baches und den Figuren 1, 2, 3 und 5 der Tafelabbil-
dungen wiedergibt 1 ). In meinem Beobachtungsmaterial sind solche
Fälle Raritäten, und ich habe bis jetzt bei der Operation es noch
nie erlebt, dass sich ein pylorusfernes Ulcus gefunden hat, das
ich übersehen hätte. Es kann also eine mangelhafte Beobachtung
meinerseits nicht die Ursache sein. Dass man allerdings mit der
Verwendung des Operationsbefundes vorsichtig sein soll, bewies
mir jungst ein sehr drastischer Fall. Ich fand bei einem Kranken
an der kleinen Curvatur eine bochsitzende Haudek’scbe Nische
und diagnostizierte daraufhin ein Magenulcus, eine Diagnose, die
mit den Ansichten der Internisten im Widerspruch stand. Bei der
Operation wurde der Magen intakt gefunden, und noch an dem¬
selben Tage besprach der betreffende Internist den Fall in einer
ärztlichen Gesellschaft, betonte die Unzuverlässigkeit der Radio¬
logie uud die Ueberlegenbeit der klinischen Uutersuchungsmethoden.
Nach einigen Tagen verschied der Kranke an einer intercurrenten
Erkrankung. Der Prosektor fand nun tatsächlich 7 cm unter der
Cardia das callöse Ulcus, das sich bei der Operation der Fest¬
stellung entzogen hatte.
Ich möchte nach all dem Mitgeteilten zusammenfassend sagen:
1. Das Nischensymptom ist, sobald es vorhanden ist und
ein Beobachtungsfehler nicht vorliegt, absolut beweisend für das
callöse Ulcus*
2. Es kommt ihm beim pylorusfernen, callösen Ulcus eine
sehr hohe Bedeutung zu, beim Ulcus simplex spielt es keine Rolle.
3. Als reines Symptom — also ohne gleichzeitig vorhandenen
Sanduhrmagen — ist es sehr selten.
4. Die Nische ist meistens beim penetrierenden Ulcus vor¬
handen, doch kann man sie gelegentlich auch bei ganz kleinen
callösen Ulcera ohne penetrierenden Charakter beobachten.
Aus dem medizinisch-poliklinischen Institut der Uni¬
versität Berlin (Direktor: Geheimer Medizinalrat
Prof. Dr. Goldscheider).
Zur Diagnose der beginnenden sekretorischen
Insuffizienz des Magens.
Von
Dr. M. Ehrenreieh - Bad Kissingeo.
In ungezählten Abhandlungen und Lehrbüchern finden sich
Erörterungen über die Frage, welche diagnostische Bedeutung
dem Vorhandensein oder Fehlen der freien Salzsäure beim Magen-
carcinom zukommt. Trotzdem diese Frage nunmehr seit
35 Jahren im Anschluss au v. d. Velden’s 2 ) Mitteilung ventiliert
wird, und die namhaftesten Autoren das Wort dazu ergriffen
haben, ist sie bis jetzt noch nicht in allseitig befriedigender
Weise entschieden worden, ja es scheint, als ob man neuerdings
von der Wahrheit weiter denn je entfernt sei, nachdem einige
Publikationen der neuesten Zeit dem Verhalten der HCl jegliche
diagnostische Bedeutung überhaupt absprecheu. Dieser Wider¬
streit der Meinungen ist um so erstaunlicher, als es sich um eine
Frage handelt, deren Lösung doch ausserordentlich einfach zu
sein scheint. Es ist nicht schwer, die Ursache für die an¬
scheinend vorhandenen Schwierigkeiten anzugeben. Sie liegt
1) Nach einer in den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie,
XXVIII, 1 erschienenen Arbeit von Faulhaber und Redwitz scheint
sich diese Beobachtung auf 12 Fälle zu stützen.
2) R. von den Velden, Zschr. f. klm. M., 1870, S. 369.
darin, dass die Frage an sich fatsch gestellt ist und daher in
dieser Form nur schwer oder gar nicht restlos beantwortet werden
kann.
Wenn man auf freie Säure untersucht, so tut man dies doch
zu dem Zweck, sich über den Zustand der sekretorische Funktion
zu informieren, da man weiss, dass diese durch die Entwicklung
des Carcinoms stark beeinträchtigt wird. Nun ist es aber
durchaus falsch, aus dem Vorhandensein oder Fehlen der freien
Säure in jedem Falle Schlüsse auf ein gleichsinniges Verhalten
der sekretorischen Funktion ziehen zu wollen. Denn einmal
kann diese trotz vorhandener freier HCl aufs schwerste geschädigt
sein, oder sie kann umgekehrt ganz intakt sein, obwohl freie
HCl nicht gefunden wird (bei Absättigung durch neutralisierende
Substanzen wie Schleim, zurückgeflossenen Duodenaliobalt u. dgl.).
Ferner ist das Auftreten freier Säure in hohem Grade abhängig
von der Art der gereichten Probemahlzeit, und der Zeit nach
welcher diese ausgehebert wird. In diesen Punkten wird jedoch
durchaus nicht von allen Untersuchern einheitlich vorgegangen.
Aber selbst wenn immer die gleiche Mahlzeit gereicht und stets
nach gleicher Zeit ausgehebert werden würde, so gäbe das Ver¬
halten der freien Säure dennoch keinen Maassstab für die Be¬
urteilung der sekretorischen Funktion ab. Denn das Versiegen
der Magensaftsekretion ist doch kein plötzlicher, sondern ein
langsam im Verlauf längerer Zeit sich vollziehender Vorgang,
uud das Verschwinden der freien HCl bildet in diesem Prozess
nur eme Etappe, die überdies nicht weit von dessen Endstadium
liegt. Es ist absolut kein Grund vorhanden, der uns berechtigen
könnte, gerade dieser Phase im Ablauf der ganzen Erscheinung
eine besondere diagnostische Bedeutung beixulegen. Das Wieder¬
aufleben des Streites um den diagnostischen Wert der freien
Säure zeigt im Gegenteil, zu welcher Verwirrung die einseitige
Beachtung dieses aus dem Gesamtbild der Sekretiousstörung
herausgegriffenen Moments führt. Offenbar sieht man jetzt mehr
Carcinome mit freier HCl im Mageninhalt als früher. Das
kommt natürlich daher, dass mau durch die diagnostischen Fort¬
schritte der letzten Zeit — insbesondere durch Boas’ Lehre von
den okkulten Blutungen, und die von Rieder, Holzknecht u.a.
inaugurierte röntgenologische Magendiagnostik — heutzutage in
der Lage ist, das Mageucarciuom in einem früheren Stadium zu
diagnostizieren als vordem. Infolgedessen sieht man eben auch
mehr Carcinome, bei denen die Sekretion noch wenig geschädigt,
also freie HCl noch vorhanden ist. Die Häufung solcher Fälle
hat einige Autoren zu dem Irrtum geführt, dass die Prüfung des
Mageuchemismus für die Diagnose belanglos sei. Aus alledem
folgt, dass, wenn wir funktionelle Diagnostik treiben wollen
— was beim Mageucarcinom auf alle Fälle berechtigt ist —,
wir bestrebt sein müssen, die funktionelle Schädigung bereits in
ihren Anfängen zu erkennen, nicht erst in ihrem Eodstadium.
Die richtige Fragestellung lautet also nicht: in welchem
Prozentsatz der Fälle fehlt beim Magencarcinom die freie HCl?
sondern — da das Wachstum des Carcinoms stets mit einer Zer¬
störung der sezernierenden Drüsen einhergeht — in welchem
Prozentsatz der Fälle können wir die Beeinträchtigung der
sekretorischen Funktion, auch leichterer Grade, erkennen und
diagnostisch verwerten?
Die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass wir über
Methoden verfügen, mit deren Hilfe es möglich ist, die motorische
Insuffizienz bereits in ihren Anfängen zu diagnostizieren. Nichts
zeigt besser, wie wenig GedaDkengänge, wie der eben dargelegte,
den auf diesem Gebiete tätigen Autoren geläafig waren, als der
Umstand, dass bisher fast gar keine Versuche zur Schaffung einer
derartigen Methode unternommen wurdeo. Als einziger hat
Gluziüski 1 ) vor 12 Jahren Untersuchungen nach dieser Richtung
angestellt; seine Methode, auf die wir noch zurückkommen
werden, fand jedoch keinen Eingang in die allgemeine Praxis.
Ausser ihm wäre noch Albu 2 ) zu nennen, der darauf hingewiesen
hat, dass ein stäodiges Zurückgehen der Säurewerte bei längerer
Beobachtung auf die Entwicklung eines Carcinoma hindeute, ein
Symptom, dessen Richtigkeit von Boas bestätigt wurde, dessen
Nachweis aber mit dem Verlust kostbarer Zeit verbunden ist, so
dass wir uns seiner nur faute de mieux bedienen.
Die solchergestalt vorhandene Lücke in unserem diagnosti¬
schen Rüstzeug veranlasst uns, auf eine Beobachtung zur “®
zukommen, die sich gelegentlich einer klinischen Studie über
1) A. Gluzinski, Mitt. Grenzgeb., Bd. 10, H. 1. —
1912, S. 553.
2) Albu, D.m.W., 1906, Nr. 52.
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“ : : I n "
17, August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1547
operative Magenfälle von Scb mieden, Ehrmann 1 ) und mir ergab,
und die zeigt, dass es bereits mit den jetzt gebräuchlichen
Methoden in einer Reihe von Fällen möglich ist, die beginnende
sekretorische Insuffizienz zu erkennen, und deren weiterer Ausbau
zu einer für sämtliche Fälle brauchbaren Methode zu fuhren ver¬
spricht. Bei unserer Arbeit hat sich nämlich ergeben, dass die
Vergleichung der Säurezahlen des Nüchternrestes mit denen des,
nach dessen Entleerung gegebenen, Probefrühstücks ein grund¬
sätzlich verschiedenes Verhalten beim Carcinom einerseits und
den ulcerösen und postulcerösen Erkrankungen andererseits offen¬
barte. Bei den letzteren waren die Säurezahlen des Probefrüh¬
stücks im allgemeinen grösser oder doch mindestens ebenso gross
als die des Restes, beim Carcinom dagegen war in den aller¬
meisten Fällen das umgekehrte Verhalten zu konstatieren, auch
in dem Falle, der mit gesteigerter Sekretion einherzugehen schien.
Wir bringen hier nochmals die betreffende Tabelle. (Siehe Tabelle 1.)
Tabelle 1.
Name
Diagnose
Im Nüchtern¬
inhalt
HCl | G.-A.
Nach Probe¬
frühstück
HCl | G.-A.
H. Ha.
Ulcus duodeni .
36
44
56
64
19
32
64
86
A. B.
Ulcus duodeni et pylori . .
42
46
80
104
A. Hi.
Ulcus pylori.
56
80
41
59
A. Me.
Ulcus pylori.
19
32
38
53
F. Do.
Ulcus pylori ......
0
?
30
42
Du.
Ulous pylori.
20
40
28
; 36
A. Wu.
Ulcus ventriculi.
4
12
16
, 44
40
50
35
47
Scb. B.
Carcinom der kleiuen Curvatur
82
108
72
94
E. Sch.
Carcinom der kleinen Curvatur
0
68
0
28
M. Bau.
Carcinom des Pylorus . . .
28
48
30
50
Kr.
Carcinom des Pylorus und der
kleinen Curvatur ....
16
52
0
12
Ag. K.
Caroinom des Pylorus und der
| kleinen Curvatur....
0
72
0
i 36
H. Sa.
Carcinom der kleinen Curvatur
32 |
82
0
1 28
Wie haben wir nun die Erscheinung, die in dieser Tabelle
zum Ausdruck kommt, zu deuten? Die Erklärung ist nicht schwer.
Wir wissen, dass der Nuchternrest auf die Magenschleimhaut als
ein adäquater Sekretionsreiz wirkt. Wenn wir also den Rest
aashebern und dann den Magen mit dem Probefrühstück beschicken,
so reizen wir nicht — wie das sonst der Fall ist, wenn wir ein
Probefrübstück in einen nüchtern leeren Magen geben — einen
ausgernhten Magen znr Sekretion, sondern einen solchen, der bis
zu diesem Moment bereits einem Sekretionsreiz unterworfen war.
Wir nehmen also zwei Reizungen nacheinander vor. Da ist es
denn nicht weiter auffallend, dass der ohnehin schon zur Ueber-
prodnktion von Saft neigende Ulcusmagen anf den zweiten Reiz
eine andere Antwort gibt, als der Carcinommagen, sobald dessen
sekretorischer Apparat auch nur eine geringe Schädigung bereits
erlitten hat. Dies zeigt unsere Tabelle, und wir ziehen daraus
den Schluss, dass es gelingt, durch zwei hintereinander
gesetzte Sekretionsreize schon geringe Grade sekre¬
torischer Insuffizienz manifest zu machen.
Wollen wir das geschilderte Verhalten diagnostisch nutzbar
machen, so müssen wir zunächst feststellen, bis zu welchem Grade
es konstant gefunden wird, da sich ja schon aas unserer Tabelle
ergibt, dass Ausnahmen Vorkommen. Als ganz einwandsfreies
Material können nur durch Autopsie kontrollierte Fälle gelten.
Wir verfügen über 4 weitere, durch Operation bestätigte Fälle,
die eine gute Uebereinstimmung mit denen der Tabelle 1 zeigen.
Tabelle 2.
Name
Diagnose
Im Nücbtern-
rest i
HCl | G.-A.
Nach Probe¬
frühstück
HCl j G.-A.
A. Ha.
Pylorusstenose durch periton.
Strangulation. Katarrh
0
l
i
1 20
30
1
1
i 50
M. Kl.
Pylorusstenose, Ulcus ventr. .
40
i 58
40
62
F. Ka.
Ulcus pylori.
18
1 30
12
32
S. Bo.
Pyloruscarcinom.
20
i 52
12
35
Ä 1) Schmieden, Ehrmann und Ehrenreicb, Mitt. Grenzgeb.,
Bd. 27, S. 479.
Spricht somit alles dafür, dass unser Befand nicht das Produkt
gehäufter Zufälle ist, so haben wir uns doch durch oft wieder¬
holte Ausheberungen von Patienten, bei denen eine Operation
nicht in Frage kam, und die daher in unserer Tabelle nicht auf¬
geführt sind, davon überzeugt, dass die Resultate noch nicht die
wünschenswerte Konstanz haben and Ausnahmen immerhin noch
za häufig Vorkommen, als dass es ohne weiteres angäDgig wäre,
in jedem Falle einfach ans dem Verhältnis der Säurewerte im
Rest zu denen im Probefrübstück die Entscheidung über den be¬
nignen oder malignen Charakter der Stenose zn treffen. Wir
haben ans bemüht, die Ursachen dieser Inkonstanzen zu eruieren,
and bis jetzt gefunden, dass die Menge der festen Reste nicht
gleichgültig ist. Ist sie zu gross, so erschöpft der Rest die
Sekretion in einem Maasse, dass der zweite Reiz auch beim Ulcus
eine mindere Sekretion bewirken kann als der Reiz des Restes.
Ist sie andererseits zu klein, so bewirkt gelegentlich der Rest
eine zu unerhebliche Sekretion, als dass durch das folgende Probe¬
frühstück eine sehr geringfügige sekretorische Insuffizienz genügend
in die Erscheinung treten könnte. Es scheint nach unseren bis¬
herigen Beobachtungen, dass das Resultat am einwandfreiesten zu
verwerten ist, wenn die Menge der festen Rückstände ungefähr
denen des Probefrühstücks gleichkommt, oder um ein Geringes
hinter ihnen zurückbleibt, worauf man bei der öfteren Wieder¬
holung der Untersuchung, die ja au sich schon geboten ist, bis
zu einem gewissen Grade einen Einfluss ausznüben in der Lage ist.
Andere Fehlerquellen wird die Zukunft vielleicht noch auf¬
decken. Man wird sich durch sie zu einer Fehldiagnose so leicht
nicht verleiten lassen, wenn man nicht rein schematisch die
Säurezahlen miteinander vergleicht, sondern auch andere Faktoren,
wie die Saftschicht, den Grad der Chymifikation, etwa vor¬
handenen Rückflass aus dem Duodenum, u. dgl. m. kritisch be¬
achtet, um eine leichte sekretorische Insuffizienz des Magens als
solche zu erkennen, oder eine Beeinflussung der Sekretion im
Sinne einer Reizung für die Diagnose eines Ulcus zu verwerten.
Diese Untersuchung eignet sich jedoch nur für motorisch
insuffiziente, ihren Inhalt abnorm lange retinierende Mägen, d. b.
also nur, wenn eine gut- oder bösartige Pylorusstenose vorliegt.
Es besteht aber ausserdem das Bedürfnis znr Erkennung der be¬
ginnenden sekretorischen Insuffizienz auch in jenen Fällen, bei
denen das Carcinom nicht am Pylorus sitzt. Zur Schaffung
einer für derartige Fälle geeigneten Methode werden wir uns
unserer Beobachtung erinnern, dass die sekretorische Insuffizienz
durch zwei hintereinander applizierte Sekretionsreize manifest ge¬
macht werden kann. Mit der Ansarbeitang einer Methode auf
dieser Basis sind wir noch beschäftigt.
Nun noch ein paar Worte über die einzige bis jetzt zum
Nachweis geringerer Grade von sekretorischer Insuffizienz erdachte
Methode, die von Gluzinski. Er gab an, ein Verfahren ge¬
funden zu haben, mit dessen Hilfe es in jedem Falle von Pylorus¬
stenose gelinge, festzastellen, ob es sich um einen gutartigen
oder carcinomatÖ8en Prozess am Pylorus bandle. Sein Vorgehen
ist folgendes: zuerst wird der Nüchternrest ausgehebert und der
Magen gründlich mit Wasser ausgespült. Dann wird ein aus
Hühnereiweiss bestehendes Probefrühstück gereicht und nach
a / 4 Stunden wieder ausgehebert. Hierauf wird eine Probemabl-
zeit gegeben, die nach 4 Stunden wiedergewonnen wird. Alle
diese drei Proben müssen an ein und demselben Tage vorgenommen
werden. Fehlt in einer der drei ausgeheberten Proben freie HCl
oder ist sie nur schwach positiv, so liegt nach Gluzinski stets
Carcinom vor. Das stimmt nnn aber sicher nicht. Es ist doch
allgemein anerkannt,, dass auch bei ulcerösen Erkrankungen
gelegentlich ein vollkommenes Darniederliegen der Sekretion be¬
obachtet wird, und es kommt ferner anch bei erhaltener Sekretion
beim Ulcus nicht allzu selten vor, dass im Nüchterninbalt keine
freie HCl vorhanden ist. Schmieden, Ehr mann und ich
haben bei sieben benignen Pylorusstenosen zweimal ein derartiges
Verhalten gesehen. Bei dem Falle A. Ha. der Tabelle 2 fehlte
die freie HCl wochenlang im Nüchternrest. Auch in der Lite¬
ratur finden sich derartige Fälle von Ulcus beschrieben, die alle
nach Gluzinski’s Argumentation als Carcinome hätten dia¬
gnostiziert werden müssen, ohne es zu sein. Trotz dieser auf der
Hand liegenden Unrichtigkeit kam doch Fonio 1 ), der die Methode
von Gluzinski an einem grösseren Material nachprüfte, zu einem
für diese günstigen Resultat. Fonio hat es allerdings vermieden,
den durch falsche Voraussetzungen entstandenen Fehlschlüssen
Gluzinski 1 » zu folgen, und hat den richtigen Kern der Methode
1) Fonio, D. Zsohr. f. Chir., Bd. 116, S. 76.
3*
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
1548
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 33.
herauszuscbälen verstanden. Statt des Eiweissfröbstöckes nahm
er, dem Vorschlag Kocher’s folgend, das E wald-Boas’acbe
Probefrühstuck nnd legte den Hauptwert darauf, ob die Säure¬
werte der drei aufeinander folgenden Mahlzeiten eine steigende
oder fallende Richtung zeigten. Das leiztere Verhalten spricht
nach ihm für Carcinom. Ein anderer Nachuntersucber, Ruska 1 2 ),
kam allerdings zu entgegengesetzten Resultaten. Es muss also
vorläufig offen bleiben, ob das modifizierte Gluzinski'sche Ver¬
fahren sich als eine brauchbare] Methode zur Erkennung der
Frühstadien der sekretorischen Insuffizienz erweisen wird. Das
Verdienst Gluzinski’s bleibt es jedenfalls, dass er als erster
die Notwendigkeit einer solchen Methode erkannt und auf ihre
Ausarbeitung hingearbeitet hat.
Zusammenfassung: Nicht die Frage, ob freie HCl vor¬
handen ist oder fehlt, ist für die Differentialdiagnose zwischen
Ulcus und Carcinom von Wichtigkeit, sondern die, ob die sekre¬
torische Funktion als Ganzes im Sinne einer Reizung oder
Lähmung verändert ist.
Das Frühstadium der sekretorischen Insuffizienz kann man
beim Pyloruscarcinom oftmals aus dem Verhältnis der Säure¬
zahlen des Nüchternrestes zu denen des Probefrühstücks erkennen.
Für Fälle mit pylorusfernem Carcinom muss eine geeignete
Methode zur Erkennung der Anfangsstadien der Sekretions¬
schädigung noch gefunden werden. Als dafür gangbarer Weg er¬
scheint die Anwendung des Verfahrens der zweimal nacheinander
vorzunehmenden Reizung des sekretorischen Apparates.
Ein Fall von Neuritis postdiphtherica.-)
(Kurze Mitteilung.)
Von
P. Friedlaender.
Gestatten Sie mir, m. H., dass ich Ihnen über einen Fall
von Polyneuritis oder Neuritis nach Diphtherie berichte, den ich
an mir selbst zu beobachten Gelegenheit hatte.
Ich behandelte am 15. und 16. Mai vorigen Jahres zwei Kinder
wegen Diphtherie in der üblichen Weise und bemerkte am 19., also drei
Tage später, abends, dass ich eine kleine Drüsenscbwellung an der
linken Halsseite hatte. Am selben Abend wurde ich von Schüttelfrost
befallen, und am 20. Mai wurde ein Belag der linken Mandel von dem
hinzugezogenen Kollegen konstatiert. Der Kollege hielt die Infektion
zuerst für eine Mischinfektion. Nach einigen Tagen, am 22. und
23. Mai, wurde die Affektion als Diphtherie angesprochen, und zwei Ein¬
spritzungen, jedesmal von 1500 Einheiten, gemacht. Die Diphtherie hatte
sich über den ganzen Gaumen, die beiden Tonsillen, den Racheneingang
bis hinunter zum Kehlkopfeingang entwickelt. Die Nase blieb frei. Die
Maximaltemperatur war 39,2°, der Puls zwischen 90 und 100 und
darüber. Die Affektion war eine durchaus schwere, hin und wieder
traten Collapszustände ein, der Puls setzte aus. Es fand eine zwei¬
malige Applikation von Digalen statt. Ich möchte dabei bemerken,
dass diese Einspritzungen, die natürlich ganz aseptisch ausgeführt
wurden, ausserordentlich schmerzhaft waren und jedesmal ein An¬
schwellung am Arm bervorriefen.
Im Drin war niemals Eiweiss, das Allgemeinbefinden, der schweren
Iafektion entsprechend, wenig gut, Schlaflosigkeit und ziehende Schmerzen
in den unteren Extremitäten, die allerdings auf die Darreichung von
kleinen Dosen Aspirin verschwanden oder wenigstens nachliessen.
Die Diät war sehr kräftig. Es wurde Wein und alles mögliche ge¬
reicht. Nach drei Wochen waren die lokalen Erscheinungen geschwunden.
Doch blieb eine auffallende Empfindlichkeit im Gaumen, die Empfindung,
als wenn die Uvula immer noch aufläge, das Gefühl, als wenn ein Woll-
faden im Munde wäre, das mich bei allen Schluckbewegungen besonders
peinigte.
Am 19. Juni, also ungefähr nach vier Wochen, fuhr ich zur Er¬
holung nach Warnemünde. Hier wurde ich am 20. Juni, am Tage nach
meiner Ankunft, auf einem Spaziergang nach der Mole von einem sehr
heftigen Schmerz in der Sacralgegend befallen. Ich hielt das zuerst für
einen Hexenschuss. Allein der Schmerz war in ganz kurzer Zeit so
intensiv geworden, dass ich nur mit Mühe nach dem 5 Minuten entfernten
Hotel zu gehen vermochte. Nach 1 g Aspirin Hessen die Beschwerden
nach, ich konnte schlafen, und am anderen Morgen hatte ich nur ein
dumpfes Gefühl in der Lenden- und Kreuzbeingegend. Vielleicht 7
oder 8 Tage später, am 27. Juni, also in der fünften Woche ungefähr
nach der Infektion, bemerkte ich beim Gehen ein pelziges Gefühl in
der linken Fusssohle und Ameisenkribbeln. Dieses Gefühl verschärfte
1) Ruska, Schweiz. Korr. Bl., 1913, S. 1498.
2) Vortrag, gehalten in der Sitzung der Berliner medizinischen
Gesellschaft vom 29. April 1914.
sieh in den nächsten Tagen, nach 3 Tagen trat dasselbe Gefühl auch
auf der rechten Fusssohle auf. Ich bemerkte, dass meine linke Hand
beim Spreizen der Finger und Greifen etwas schwerfälliger war und
konnte damals schon die Diagnose Polyneuritis stellen. Ich hatte aber
noch niemals einen Fall von Polyneuritis nach Diphtherie gesehen
und war in dem Glauben, dass das Leiden nach einigen Wochen ver¬
schwinden würde.
Der Gang wurde von Tag zu Tag unsicherer, ich taumelte, und es
entwickelte sich allmählich eine Ataxie mit Verlust des Kniephänomen¬
reflexes.
Am 7. Juli kehrte ich nach Berlin zurück; ich war nicht mehr
fähig, zu gehen, und die Ataxie nahm von Tag zu Tag zu. Mit Mühe
konnte ich in das Eisenbahnabteil kommen. Die Nacht verlief sehr
schlecht. Die Schmerzen in den Beinen waren ganz unerträglich. Am
anderen Morgen bzw. einen Tag später nahm ich die liebenswürdige
kollegiale Hilfe der Herren Professoren Bernhardt und His in An¬
spruch, die die Diagnose Neuritis postdiphtherica bestätigten.
Die Ataxie nahm von Tag zu Tag zu, und die Schmerzen wurden
immer heftiger. Sie wurden bekämpft mit Morphiumeinspritzungen
von 0,02. Besonders in der Nacht hatte ich damals das eigentümliche
Gefühl, dass ich nicht wusste, wo meine Beine waren. Am 20. Juli trat
bei dem Versuch, das Klosett zu besuchen, ein Vorfall des Mastdarms
ein, der unter Blutungen allmählich zurückgebracht wurde. Von zwei
Personen gestützt, wurde ich mit Mühe und Not ins Bett gebracht und
verblieb von da an im Bett bis zum 29. Juli, an welohem Tage ich das
Sanatorium in Neubabelsberg, das von dem Kollegen Korytkowsky
geleitet wird, aufsuchte.
Herr Kollege His war so liebenswürdig, sich meiner besonders an¬
zunehmen, er hatte mir geraten, da auch meine Psyche sehr ungünstig
beeinflusst wurde und er von einem Sanatoriumsaufentbalt sich eine
langsame Besserung versprach, mich in ein Sanatorium zu begeben.
Hier gingen die Störungen weiter. An dem Tage, als ich in das
Sanatorium aufgenommen wurde, konnte ich mit Mühe und Not noch
essen. Am nächsten Tage hörte auch das auf. Ich konnte nicht mehr
greifen, musste gefüttert werden, konnte meine Lage überhaupt nicht
mehr verändern und hatte auffallend starke Schmerzen. Es war also
bei diesen Lähmungserscheinungen, die sich nunmehr einstellten, das
besonders Unangenehme, dass die Sensibilitätssphäre sehr stark ergriffen
war. Ich wusste nicht, wo meine Beine waren, wusste nicht, wo mein
Nabel, mein Penis war, batte den Ortssinn vollkommen verloren und
die Empfindung, als wenn die Fersen und die Gegend des Kreuzbeins
durcbgelegen wären. Decubitus war aber niemals entstanden.
Die Störungen von seiten des Mastdarmes waren Behr unangenehm.
Es bestand zwar keine absolute Sphincterlähmung, aber es war nur mit
Unterstützung von zwei Personen möglich, mich so zu lagern, dass die
Defäkation überhaupt vor sich gehen konnte. Die Arme konnten zum
Teil noch erhoben werden, aber ein Greifen mit den Fingern war aus¬
geschlossen. Störungen von seiten der Blase waren nicht da. Sehkraft,
Gehör, Schluckbewegungen normal. Die Sprache etwas rauh und heiser.
Immer das peinliche Gefühl im Munde und Gaumen, als wenn ich einen
Wollfaden hätte. Der Puls war normal, es bestand aber Präcordial-
angst. Bei Gewitterneigung geriet ich in auffallende Erregung.
Der Höhepunkt der Krankheit wurde ungefähr Mitte August erreicht.
Ich konnte bis dabin, wie gesagt, keine Bewegungen machen. Erst am
20. August hatte ich die Freude, konstatieren zu können, dass ich eine
ganz minimale Bewegung des Gesässes vornehmen konnte. Der Appetit
lag sehr darnieder, eine ausgesprochene Anorexie bestand nicht, aber ein
starker Widerwille gegen Fette, Käse, Wurst und Fleisch, und dazu
immer diese Empfindung, die mich bei allem Schlucken peinigte, das
verlängerte Zäpfchen usw. Die Sch Weissabsonderung fehlte vollständig.
Reflexe, Gähnen, Niesen waren verschwunden. Die Hand war eiskalt,
fühlte sich wie eine Totenhand an, die Muskulatur atrophisch, an den
Waden besonders, dann ausserdem an den Fingern die Interossei, der
Abductor pollicis und der Opponens. Von den Nerven waren ergriffen
der Peroneus, der Tibialis, die Hautnerven, Medianus, Radialis, Ulnaris.
Der Ischiadicus selbst muss frei gewesen sein, und ich habe niemals in
dieser Gegend Schmerzen gehabt.
Ende August ungefähr oder Anfang September wurde eine leichte
Besserung festgestellt, und am 10. oder 12. September gelang es mir,
einen Stehversuch und im Anschluss daran ganz minimale Gehversuche
zu machen, die aber nach B Wochen so weit fortgeschritten waren, dass
ich nunmehr einen Weg von etwa 10 Minuten zurücklegen konnte. Io
dem Augenblick, wo ich gehen konnte, waren auch die Mastd&rm-
beschwerden geschwunden. Der Stuhlgang erfolgte in normaler Weise
wie früher.
Am 20. Oktober verliess ich das Sanatorium. Am 27. Oktober
suchte ich dann Gardone auf, wo ich mich 4 Woeben bei herrlichster
Sonne in ausgezeichneter Weise erholte. In Gardone war ich im¬
stande, wohl hin und wieder eine kleine Tour zu machen, das heisst
eine Viertelstunde, wohl auch eine halbe Stunde zu gehen. Aber am
angenehmsten war es für mich, wenn ich in der Sonne sitzen konnte.
Gerade Gardone hat einen wunderbaren Einfluss ausgeübt. Im November
war die Maximumtemperatur 46° C in der Sonne. Von Gardone fuhr
ich dann, um mich vollständig wiederherzustellen, nach Aachen. Es ist
ja bekannt, dass Aachen ein ausgezeichnetes Bad ist für die metallischen
Vergiftungen, Arsenvergiftungen, Quecksilbervergiftungen, und in Aachen
habe ich dann Duschenbäder mit Massage genommen, die mich so gut
wie ganz herstellten.
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UNIVERSSTY OH
17. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Am 4. Januar kehrte ich nach Berlin zurück, und am 5. Januar
nahm ich meine Praxis wieder auf, nachdem ich vom 20. Hai bis 4. Januar
pausiert hatte.
Die Beschwerden sind fast vollständig verschwunden. Es besteht
nur noch eine Schwäche der linken Extremität. Das ist auch die
Extremität, bei der das Leiden begonnen hat.* Die motorische Kraft in
den Armen ist nicht ganz vollständig, und hin und wieder habe ich
noch das Gefühl im Halse, als wenn das Zäpfchen verlängert wäre, auch
ist die Stimme noch nicht so rein wie früher. Im übrigen ist eine
Restitution eingetreten, nur noch beim Treppensteigen leichtes Er¬
müden.
Ich moohte bemerken, dass die Behandlung, die mir im Sanatorium
zuteil wurde, natürlich exspektativ war. Ich bekam Salol, weil Aspirin
angeblich das Herz etwas belästigen könnte. Das Salol ist ein Medi¬
kament, das ausserst unangenehm schmeckt, sich gar nicht auflöst. Ich
habe es genommen, weil man eben in diesen Fällen alles tut, in dem
Glauben, es könnte vielleicht wirken. Dann bin ich galvanisiert worden
von 2 Milliampere bis 5 Milliampere. Das ist eine recht hübsche Unter¬
haltung, aber ich kann mir nicht recht denken, dass es irgendeinen
Einfluss gehabt hat. Auch die Anwendung der Massage und des Föns
hatte meiner Ansicht nach wenig Zweok. Sie haben nur dann einen
Wert, wenn der Prozess abgeklungen ist, wie das in Aachen der Fall
war, wo sich die Massage und die warmen Bäder vorzüglich bewährt
haben.
Dieser Fall hat nnn eine auffallende Aebnlichkeit mit dem
Fall des Kollegen v. Hansemann, der im Jahre 1889 von
einer Polyneuritis postdiphtherica befallen war und seine Beob¬
achtaogen im Virchow’schen Archiv, Bd. 115, niedergelegt bat.
Hansemann hat in geradezu klassischer Weise alles beschrieben.
Er hat vorher schwere Infektionen gehabt, ist am 19. Juni an Diphtherie
erkrankt and wurde am 20. Juli von Kribbeln, wie er schreibt, und
eigentümlichen Sensibilitätstörungen in der Zunge, im GaumeD, am Kopfe
befallen. Er bat dann am 8. August Lähmungserscheinungen bekommen,
und ich glaube, die Höhe der Krankheit war Ende August. Anfang
September hat er wieder den Versuch gemacht, zu gehen. Er ist dann
am I. Oktober so ziemlich hergestelit gewesen. Auch bei Hansemann
haben die Störungen noch sehr lange angehalten, er hat im gauzen ein Jahr
mit diesem Leiden zu tun gehabt. Bei Hansemann sind nun — das
ist bei mir nicht der Fall gewesen — von Nerven der Olfactorius, der
zweite und dritte Ast des Trigeminus, der Abducens, der Glossopharyngeus,
der Vagus, Accessorius und Bypoglossus ergriffen gewesen, und eben diese
eigentümlichen Hautsensibilitätsstörungen, von denen ich frei war. Auch
Hansemann klagte über kontinuierliche Schlaflosigkeit, hat aber, so
viel ich von ihm gehört habe, Morphium niemals angewandt. Die bei
mir angewandten Schlafmittel, Adalin, Veronal, Sulfonal, Trional, Bro¬
mural und wie sie alle heissen, haben gar keinen Effekt gehabt. Es
sind ja eben nur Hypnotica, aber zum Unterschied vom Morphium keine
Analgetica. Es bleibt als einziges Residuum das Morphium, das ich
allerdings leider nur in ganz kleinen Dosen bekam, weil der Herr Kollege
sehr vorsiohtig war. Ich würde nicht Anstand nehmen, Patienten mit
solchen Beschwerden viel grössere Dosen zu geben, und glaube nicht,
dass sie dadurch Morphinisten werden.
Was nun die Häufigkeit dieser Lähmungen betrifft, so sind
in der Literatur von Myers, einem Engländer, 1816 Fälle von
Diphtherie zusammengestellt worden, bei denen 275 Lähmungen
konstatiert wurden. Von diesen 275 Lähmungen sind 80 tödlich
verlaufen. Es ist also doch nicht ganz richtig, was wir so hin
und wieder in Lehrbüchern lesen, dass diese Krankheit mit
Genesung endet, vorausgesetzt, dass eben nicht der Tod durch
Vagus- oder Phrenicuslähmung eiotritt. Also hier ist ein Pro¬
zentsatz von 29 pCt. Mortalität, ein anderer englischer Autor bat
io neuerer Zeit den Prozentsatz der Mortalität auf 23 angegeben.
In dem Alter, in dem ich mich befand — ich hatte das 57. Lebens¬
jahr erreicht —, ist die Krankheit eine Seltenheit. Landouzi
hat 68 Fälle von Lähmungen zusammengestellt, darunter 62 Fälle
von 6 bis 63 Jahren, und Ross hat 6 Fälle über 50 Jahre fest¬
gestellt.
Es ist früher, wie den meisten Herren ja bekannt sein dürfte,
Strychnin in hohen Dosen angewendet worden, tägliche Ein¬
spritzungen von 0,001 bis 0,01. Aber mit Recht hat Herr Ba-
ginsky darauf aufmerksam gemacht, dass das Strychnin wohl
▼on gar keinem Wert ist und in vielen Fällen wahrscheinlich den
Herztod beschleunigt.
In der letzten Zeit ist nun von Love geäussert worden, dass
seit Einführung des Heilserums die postdiphtherischen Lähmungen
an Zahl abgenommen haben. Er hat in den Jahren von 1908
bis 1911 85 Lähmungen beobachtet und dabei eine Sterblichkeit
von 23 pCt. festgestellt, es ist ja möglich; aber ich glaube —
wie Oppenheim in seinem Buche hervorgeboben hat —, dass
diese Lähmungen nichts mit dem Serum zu tun haben und trotz
Serum anftreten können.
154Ö
In neuester Zeit ist empfohlen worden, grosse Dosen Serum
gegen diese schweren Lähmungen anzuwenden, und zwar soll man
dem Kranken bis 100 000 Einheiten geben. Meine Herren, die Kol¬
legen, die mich behandelt haben, haben das nicht versucht. Ich
würde auch darauf nicht eingegangen sein, denn immerhin glaube
ich doch, dass es eine sogenannte Anaphylaxie gibt, nnd man kana
sich doch nicht dazu entschliessen, wenn es auch vielleicht vom
Laboratorium aus berechtigt erscheint, solche Dosen bei einem
Menschen anzuwenden.
Das Alter menschlicher Embryonen. 1 )
Von
Prof. H. Triepel - Breslau.
M. H.! Im vorigen Sommer (4. Juli 1913) sprach an dieser
Stelle Herr Prof. Fraenkel über Ovulation, Menstruation, Kon¬
zeption und Schwangerschaftsdauer. Er war durch verschiedene
Ueberlegungen und besonders durch die Untersuchung der Ovarien
bei Laparotomien zur Ueberzeugung gekommen, dass Ovulation
und Menstruation nicht zusammeufallen, dass vielmehr die Ovulation
während des Intermenstruums stattfindet und zwar im Mittel aus
zahlreichen Fällen am 18. bis 19. Tage nach Beginn einer
Menstruation. Von dieser mittleren Zahl können nach jeder
Richtung hin noch Abweichungen von wohl höchstens 7 Tagen
Vorkommen. Die Festsetzung dieses Verhältnisses, das übrigens
auch von Villemin und anderen Forschern bestätigt wurde, hat
für den Embryologen die grösste Bedeutung, aus verschiedenen
Gründen, unter anderem deswegen, weil sie ihm für die Bestim¬
mung des Alters menschlicher Embryonen neue Anhaltspunkte
bietet.
Ich habe nun bei einer Reihe jüngerer Embryonen, die in
der Literatur zusammen mit einer genauen Angabe der Men-
straationageschicbte veröffentlicht worden sind, auf Grund der
Fraenkel’schen Regel das Alter berechnet, unter der Voraus¬
setzung, dass die Imprägnation des Eies sehr bald nach der
Ovulation erfolgt. Aber gerade bei den jangen and besonders
den jüngsten Stadien kommt man doch mit dem neuen Hilfs¬
mittel nicht zu eindeutigen Resultaten, weil die angegebene
Regel noch einen zu weiten Spielruum offen lässt. Man muss
hier in weitem Umfange auf die Grösse der Embryonen, ihren
Entwicklungszustand und auf etwa bekannt gewordene Kobabi-
tationen Rücksicht nehmen.
Tabelle I.
Menstrual¬
alter
Tage
Wahres
Alter
Tage
Grösste
Länge
cm
Wahres
Alter
Woeben
om
Bryce-Teacher .
38
14
0,015
Peters ....
30
15
0,019
2
0,02
Graf Spee v. H. .
40
17
0,037
Frassi ....
42
19
0,117
Eternod . . .
34
19
0,13
Graf Spee Gle .
40
20
0,154
His Lg . . . .
40
22
0,215
3
0,2
His BB . . .
48
25
0,32
His a ... .
51
28
0,4
4
0,4
Kollmann . . .
50
33
0,6
Keibel-Elze 24 .
49
33
0,65
Mall 208 .. .
49
84
0,7
His Stt. . . .
57
35
0,775
5
0,8
His-Ecker . . .
60
39
1,0
His Br 1 . . .
61
40
1,1
Rabl P . . . .
55
40
1,1
His M 2 . . .
64
42
1,3
G
1,3
His Br 2 . . .
63
43
1,36
Rabl W . . .
66
43
1,4
Mall 26 . . .
75
55
3,0
8
3,0
Aber immerhin führen doch die Rechnungen, die ich vor¬
genommen habe, zu einigen bemerkenswerten Ergebnissen. In
der Tabelle I habe ich zunächst neben dem Namen des Autors
das Menstrualalter des Embryos angegeben, worunter die Zeit zu
verstehen ist, die zwischen dem Beginn der letzten Menstruation
und dem Abort bzw. der operativen Gewinnung des Embryos ver¬
strichen war. Das wahre Alter des Embryos, das in der nächsten
1) Nach einem in der medizinischen Sektion der schlesischen Gesell¬
schaft für vaterländische Cultur am 12. Juni 1914 gehaltenen Vortrag,
4
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UNIVERSUM OF IOWA
1650
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 83.
Kolumne verzeichnet ist, wurde auf Grund einer Schätzung ge¬
wonnen, die sich, wie ich vorhin bemerkte, auf verschiedene
Daten stützte. Beiläufig stimmen meine Schätzungen bei den
ersten sechs Embryonen so ziemlich mit denjenigen von ßryce
und Teacber überein. Die grösste Länge (nächste Kolumne) ist
bei denselben jungen Stadien gleich der LäDge des Keimschildes,
nachher deckt sie sich fast überall mit der Nackensteisslänge,
nur in den beiden letzten Fällen ist sie gleich der Scheitelsteiss-
länge. Zuletzt habe ich zur Gewinnung einer besseren Uebersicht
die Längen der Embryonen angegeben, die sie am Ende der ein¬
zelnen Wochen erreichen.
Es zeigt sich nun, dass Menstrualalter und wahres Alter der
Embryonen streng auseinander zu halten sind. Die Differenz
entspricht dem Zeitraum zwischen dem ersten Tage der letzten
Menstruation und der Ovulation. Bei den Fällen der Tabelle
schwankt ihr Betrag zwischen 15 und 24 Tagen, was vollkommen
der Fraenkel’8chen Regel entspricht. Bei einem Abort ist es
üblich, als Anfang der unterbrochenen Schwangerschaft den An¬
fang der letzten Periode anzusehen, und so kommt es, dass in der
Literatur das Alter von Embryonen oft zu hoch angegeben wird.
Andererseits halten sich manche Aerzte und Embryologen auch heute
noch an die ältere Theorie von Reichert und His, nach der
der Schwangerschaftsbeginn (annähernd) mit dem Beginn der
ersten ausgebliebenen Periode zusammenfällt. Bei einem solchen
Verfahren wird man die Embryonen stets merklich zu jimg ein¬
schätzen. His hielt die von ihm beschriebenen Embryouen, also
auch die in der vorstehenden Tabelle angeführten, für wesentlich
jünger, als ich es tue.
Noch über einen weiteren Punkt gibt die Tabelle I Aufschluss,
nämlich über die Wacbstumsgeschwindigkeit der Embryonen. Frei¬
lich über die Art des Wachstums in den ersten drei Wochen kann
man nicht viel erkennen, weil hier die Zeitzunahmen im Ver¬
gleich zu den Längenänderungen zu gering sind. Dagegen sieht
man deutlich, dass von der 8. bis zur 8. Woche eine Beschleuni¬
gung des Wachstums stattfindet. Es folgen aufeinander während
gleicher Zeiten Längenzunahmen von 0,2, 0,4, 0,5 und 0,85 cm.
Um auch das Alter grösserer Embryonen in den Kreis der
Betrachtung ziehen zu können, habe ich eine zweite Tabelle ent¬
worfen, in der die Grössen der Embryonen am Ende der einzelnen
Menstrualmonate angegeben sind. Die Tabelle II ist aus einer
grösseren Zusammenstellung Mall 1 » 1 ), der über ein sehr grosses
Material verfügt, durch Interpolieren und ein paar unbedeutende
Aenderungen der ersten Dezimalstellen gewonnen worden. An¬
gegeben ist hier nur das Menstrualalter, in Monaten zu 28 Tagen,
für eine Bestimmung des wahren Alters würden, wenn sie genügend
zuverlässig sein soll, doch die ausreichenden Unterlagen fehlen.
Ferner enthält die Tabelle die Standhöhe (Scheitelfersenlänge)
der Embryonen und ihre Sitzhöhe (Scheitelsteisslänge). Man findet
heute oft, dass jÜDgere Embryonen nur durch ihre Sitzhöbe,
ältere nur durch ihre Staudhöhe charakterisiert werden; ich habe
der Vollständigkeit halber beide Maasse notiert.
Tabelle II.
Menstrualalter
Standhöhe
cm
Sitzböhe
cm
Monate
Tage
1 1
28
_
_
2
56
1,6
1,5
3
84
7
5
4
112
16
11
5
140
23
15
G
168
30
19
7
196
35
23
8
224
40
27
9
252
45
31
10
280
50
34
Auch aus der Tabelle II lassen sich bemerkenswerte Schlüsse
auf die Wacbstumsgeschwindigkeit der Embryonen ziehen. Die
Werte für die Standhöhe zeigeD, dass das Wachstum vom Ende
des 3. bis zum Ende des 6. Menstrualmonates sich verlangsamt;
wir sehen in aufeinanderfolgenden Monaten erst eine Längen¬
zunahme von 9 cm, dann von 7 cm and weiterhin von 5 cm. Vom
1) Handb. der Entwicklungsgesetz des Menschen, herausgegeben von
Keibel und Mall, 1910.
Ende des 6. bis zum Ende des 10. Menstrualmonates schreitet das
Wachstum gleichmässig fort, die Länge des Embryos nimmt in
jedem Monat um 5 cm zu. Diese monatliche Längenzunahme um
5 cm in den späteren Monaten der Schwangerschaft ist schon
seit langem bekannt, sie ist meines Wissens zuerst von Haase
1877 (Cbariteannalen) ferwähot worden. Schon zu einer früheren
Zeit der Schwangerschaft zeigt die Sitzhöhe der Embryonen ein
gleichmässiges Wachstum. Kopf ond Rumpf zusammen nehmen
vom Ende des 4. Menstrualmonates an fast bis zum Schluss der
Schwangerschaft im Monat um 4 cm zu.
Man ersieht ans solchen Zusammenstellungen, dass das
Menstrualalter, auch wenn es von dem wahren Alter des Embryos
abweicht, doch immer für die Bestimmung des Alters mensch¬
licher Embryonen von Bedeutung ist. Das Menstrnalalter wird
sich immer leicht aus der Anamnese ermitteln lassen. Nur muss
man sich stets daran erinnern, dasB das wahre Alter im Mittel
um 18 bis 19 Tage geringer ist als das Menstrualalter. Die
Differenz zwischen beiden Werten wird vielleicht nnr selten die
von Fraenkel beobachteten Grenzwerte 11 und 26 erreichen.
Bücherbesprechungen.
Hans Friedenthal: Allgemeine und spezielle Physiologie des Menschen»
Wachstums. Für Anthropologen, Physiologen, Anatomen und
Aerzte dargestellt. Mit 34 Textabbildungen und 3 Tafeln. Berlin,
Verlag von Julius Springer. 151 Seiten. Preis 8 Mk.
In diesem, dem Physiologen Hugo Kronecker zu seinem 75. Ge¬
burtstag gewidmeten Werke setzt sich der in seinen Forschungen un¬
ermüdliche Verfasser die Aufgabe, eine wesentliche Lücke der bisherigen
Physiologie auszufüllen, in deren modernen Lehrbüchern für das Wachstum
sich kein Raum findet. Namentlich die besondere Berücksichtigung des
Menschenwachstums fehlte bisher. In der ihm eignen geistreichen Weise
unter Anwendung neuer Methoden, um die Wachstumsvorgänge zu re¬
gistrieren und zu messen, behandelt Verf. die physikalischen und energeti¬
schen Grundlagen des organischen Wachstums mit besonderer Rücksicht
auf die chemischen Bausteine desselben, auf die reizenden und die
hemmenden Einflüsse des Nervensystems, der inneren Sekretion, der Ge¬
schlechtsverschiedenheiten. Aus den „Rohgewichtskurven“ leitet der
Verfasser neue Wachstumsregeln ab:
1. Die prozentische Zunahmegeschwindigkeit der Säugetiere ist vor
allem eine Funktion des absoluten Lebensalters, gerechnet von der Be¬
fruchtung der Eizelle an.
2. Die prozentische Zunahmegeschwindigkeit der Säugetiere sinkt
von den ersten Lebensstadien mit geringen Schwankungen durch die
ganze Wachstumsperiode hin ab, ebenso der Wachstumsquotient
3. Die zu erreichende Eadgrösse ist ein wichtiger Faktor für die
prozentische Zunahmegeschwindigkeit. Gleich grosse Tiere aus ganz
verschiedenen Säugerordnungen wachsen annähernd gleich rasch, wenn
man gleiche Altersstufen vergleicht, wachsen dagegen ganz ungleich
rasch, wenn man die Neugeborenen vergleicht.
4. Die Wachstumsgeschwindigkeit ist annähernd proportional der
Masse der lebendigen Substanz im Rohgewicht.
5. Die intrauterine Wachstumsgeschwindigkeit der Säuger ist in der
Regel annähernd gleich der Wachstumsgeschwindigkeit bereits geborener
Säuger von gleiobem absoluten Alter und gleichem Gewicht.
6. Die gesamte Wachstumsarbeit der Tiere ist um so kleiner im
Verhältnis zur Gesamtlebensarbeit der Tiere, je grosser der Cepbali-
sationsfaktor der Säugetiere und Vögel ist. Unter Cephalisationsfaktor
versteht Verf. das Verhältnis von Masse des Centralnervensystems zur
Masse der lebendigen Substanz im Rohgewicht. (S. 42.)
„Die klügsten Tiere leben am längsten und leisten die grösste
Lebensarbeit. Die Klugheit der Tiere hängt ab von der Zahl der zu
verarbeitenden Aussenweltreize in der Zeiteinheit. Die klügsten Tiere
besitzen die vollkommenste Fibrillenmaschine, die die grösste Lebens¬
arbeit zu leisten imstande ist.“
Den Versuch, fundamentale Wachstumsgesetze energetischer Art aus
Rohgewichtsmessungen ableiten zu wollen, erklärt der Verfasser für ge¬
scheitert, da sich herausstellt, dass, um ein Kilo Tier zu erzeugen, durch¬
aus nicht immer der gleiche Arbeitsaufwand erforderlioh ist bei mög¬
lichst gleichen Bedingungen. Die Anwendung der Ergebnisse des Ver¬
fassers auf die „Sonderfonn des menschlichen Wachstums“ (S. 47ff.) ist
von höchstem Interesse. „Will der Mensch auf indirektem Wege Ein¬
fluss auf sein Wachstum gewinnen und seine Körperform nach den An¬
forderungen der maximalen Arbeitsfähigkeit zugleich und des sinnlichen
Wohlgefallens gestalten, so ist das erste Erfordernis ein genaues Studium
des unbeeinflussten natürlichen Ablaufs der Wachstumsvorgänge. Die
Sonderform der menschlichen Gswichtskurve gegenüber allen anderen
Säugetierarten beruht in der Länge des Pubertätsgewiohtsanstieges,
namentlich beim Kulturtypus. Zu der vollen Zeugungsreife des Kultur¬
menschen sollte der Entwicklungsgrad seiner Grosshirnrinde nicht wenige
gerechnet werden als der Reifegrad seiner Zeugungsorgane.
Die typisch menschliche Gliederung des Körpers ist bereits in den
ersten Monaten der Entwicklung nach der Befruchtung der Eizelle aus-
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UNIVERS1TY OPteWfr
17. August 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1651
gesprochen. Aehnüch isoliert wie der Mensch stehen einige spezialisierte
Säugetiere, wie der Elefant. Der aufrechte Gang des Menschen bean¬
sprucht eine solche Fülle von Spezialanpassungen, dass nur einige im
Gezweige aufrecht stehende Affenarten Aehnlichkeit der Gesamtgliederung
mit dem Menschen aufweisen. (S. 88.)
Dem Längenwachstum des Menschen widmet der Verfasser sehr aus¬
führliche Studien und sucht die bestehenden Methoden der Messung mit
Recht zu reformieren. Die Kritiklosigkeit auf diesem Gebiete war ja
eine so grosse, dass die meisten Zahlenanhäufungen gänzlich wertlos
sind. Ob nun freilich die Bemühungen F.’s eine endgültige Lösung dieser
schwierigen Probleme bedeuten, müssen wir noch als fraglich bezeichnen.
Als Grundmaass benutzt er die ventrale Rumpflänge, gemessen von der
Symphyse zum obern Sternairand, eine Grösse, die am Lebenden sehr
schlecht zu ermitteln und an Skeletten infolge der inkorrekten Auf¬
stellung der Wirbelsäule meist von sehr problematischem Werte ist.
Originell ist die Umsetzung der Längenmaasse in Volumina für Kopf,
Hals und Körper; die so gewonnenen Vergleichungsfiguren haben immer¬
hin etwas recht Anschauliches für sich.
Für die Berechnungen des Wachstums des Menschen vor und nach
der Geburt muss auf das Original mit seinen zahlreichen Tabellen ver¬
wiesen werden. Von besonderem Interesse sind die Angaben und Ab¬
bildungen über so schwer zu erlangende Objekte, wie Schimpanse- und
Tschegofetus. Letzterer zeigt deutlich die Absetzung einer Kopfkappe
nach menschlichem Habitus, sowie einem ausgedehnten Lippensaum. Für
Rassenforscbungen sind die Vergleichungen der Europäer mit Negern,
Zwergnegern, Malayen u. a. von Bedeutung, sowie die Abbildungen eines
Sudanesen- und eines Papuafetus. Beim Sudanesenfetus treten bereits
die langen Extremitäten des fertigen Rassetypus hervor. Auch die üe-
schiechtsverschiedenheiten kommen zu ihrem Recht.
Da wir zwei Idealkaoons aufstellen müssen, einen für den Mann und
einen für das Weib, so erhebt sich wohl die Frage, welcher von beiden
den menschlichen Bewegungen am besten entspricht. Beim Manne ist
die für den Menschen vor allem charakteristische Schulterbreite im Ver¬
hältnis zur Rumpflänge stärker ausgeprägt als bei der Frau. Die Frau
zeigt breites Beckeu, eine Anpassung an die Kopfgrösse des Neugeborenen,
als rein menschliche Besonderheit; ihr kleineres Gesicht kann ebenfalls
als eine menschliche Wuchsform bezeichnet werden, in der die Frau den
Mann an Ausprägung menschlicher Eigenart übertrifft. Die männliche
Bauart bietet Vorteile bei hohen Sprüngen; die längeren Hebelarme
der Beine erlauben langsamere Pendelbewegung bei ausdauerndem Laufe
und eine Ersparnis an Laufarbeit (S. 150). Die grössere Befähigung des
weiblichen Körpers für Richtungsänderungen tritt beim menschlichen
Tanz zutage.
Mit zunehmender Kenntnis der Wachstumsfaktoren wird es „eine
der idealsten Aufgaben der Aerzte sein, auf dem Wege zur höchsten
Körperschönheit als richtungsweisende Führer zu geltend
Ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis, bei dem auch besonders
die chemischen Publikationen berücksichtigt werden, bescbliesst das Werk,
dessen hoher Wert sich immer mehr bei eiodringendem Studium offenbart.
H. Klaatsoh-Breslau.
Paal Preuwerk-Magyi - Basel: Lehrbuch und Atlas der zabnärztlieh-
stOH&tologischen Chirurgie. Lehmann’s medizinische Hand¬
atlanten. Bd. XXXIX. 235 Seiten. 35 vielfarbige Tafeln und
230 schwarze Abbildungen. München 1914, J. F. Lehmann’s
Verlag. Preis geb. 12 M.
Vorliegender Band stellt eine Ergänzung der im Lehmann’schen
Verlage bereits erschienenen die Zahnheilkunde behandelnden Atlanten
dar und macht die Leser mit den chirurgischen Erkrankungen der
Mundhöhle bekannt, welche für den Zahnarzt und Stomatologen Inter¬
esse haben. Diese zahnärztliche Kleinchirurgie ist ein in sich ab¬
geschlossenes Gebiet geworden und wird in den Lehrbüchern der grossen
Chirurgie nur gestreift. Eine selbständige und ausführliche Darstellung
dieses Spezialgebiets aus der Feder eines Praktikers ist daher eine
dankenswerte Aufgabe. — Nach anatomischen Vorbemerkungen widmet
der Verf. der Schmerzverhütuog ein längeres Kapitel, sodann folgt die
Beschreibung der Extraktionstechnik, die chirurgische Behandlung der
Kiefergeschwülste und Zahncysten, der Erkrankungen der Kieferknochen
und -höhle. In den meisten Punkten folgt P.-M. der Schule
Parts ob's, der die moderne zahnärztliche Chirurgie entwickelt hat.
Einige nicht unwesentliche und in der Prakis erprobte Neuerungen
werden mitgeteilt. Theorien und die verschiedenen Ansichten der
Autoren fanden nur insoweit Erwähnung als der Rahmen des Buches es
zulasst. Pro eil - Königsberg i. Pr.
P« v. Hofmeister: Verbandtechnik. Zweite Auflage. Mit 131 Ab¬
bildungen im Text. 136 S. Tübingen 1914, H. Laupp. Preis 4 M.
* Hofmeister’s Verbandtecbnik ist bei ihrem ersten Erscheinen an
dieser Stelle eingehend besprochen und gewürdigt worden. Sie will dem
studierenden einen kurzen Leitfaden an die Hand geben, welcher den
U ^ rr ? ch . t * m Verbandkurs durch Wort und Bild ergänzen und auch
selbständige Uebungen im Verbinden ermöglichen soll. Durch die zahl¬
reichen halbschematischen und doch naturgetreuen Illustrationen und
den knapp erläuternden Text wird dieser Zweck sicher erreicht werden.
ln j ersc ^ en enen zweiten Auflage haben diejenigen Verband-
methoden, welche sioh in der Zeit seit dem Erscheinen der ersten Auf¬
lage praktisch bewährt haben (Mastix und Klebroverband, Zuppinger’s
ExteDsionssohiene, Steinmann’s Nagelextension usw.), die gebührende
Berücksichtigung gefunden. _
Ludwig Ritter Rydygier v. Rnediger: Sammlung der bis jetzt ver¬
öffentlichten Arbeiten. 1267 S. Lemberg 1912, Verlag des
Autors.
Der vorliegende Band ist bereits im Jahre 1912 anlässlich des
25 jährigen Professorenjubiläums v. Rydy gier’s erschienen und von ihm
„seinen lieben Freunden und Bekannten, nicht weniger seinen Feinden"
gewidmet. Er enthält in chronologischer Folge 149 von ihm bis jetzt
publizierte Arbeiten, zum Teil in polnischer Sprache, sowie ein Ver¬
zeichnis der Arbeiten seiner Schüler. Adler-Berlin-Pankow.
0. Klinke - Lublinitz: Die operativen Erfolge bei der BebandUng
des Morbns Basedowii. Berlin 1914, S. Karger.
Der Verf. steht der chirurgischen Therapie des Morbus Basedowii, die
als keine einheitliche und auf die Schilddrüse lokalisierte Krankheit an¬
zusehen sei, bisher noch recht skeptisch, wenn auch nicht völlig ablehnend
gegenüber. Als besonders gefährlich sieht er den chirurgischen Eingriff bei
Vorhandensein des Status tbymicolymphaticus an. Auch zu der neuer¬
dings dabei empfohlenen Exstirpation der Thymus sollte man nur in ver¬
zweifelten Fällen raten. Jedenfalls betrachtet er bisher die Behandlung
der Basedow’sohen Krankheit noch als Domäne der internen Medizin
bzw. der Neurologen, die beim Versagen aller innerer Therapie den
Chirurgen zu Hilfe rufen sollen. Wenngleich die Anschauungen des
Verf. manchen Widerspruch besonders aus chirurgischem Lager erfahren
werden, so bietet die Arbeit mit ihrem umfangreichen Quellenmaterial
viel Interessantes und Wertvolles. W. V. Simon.
Robert Sommer: Klinik für psychische nnd nervöse Krankheiten.
Bd. IX. Heft 1. Halle a. S. 1914, Carl Marhold, Verlagsbuch¬
handlung.
Das 1. Heft des IX. Bandes der Sommer’schen „Klinik für psychische
und nervöse Krankheiten“ enthält einen interessanten experimentell-
psychologischen Beitrag von Muth: „Bildbescbreibungsversuche bei einem
Falle von Dementia praecox“ und einen Aufsatz von Küster über das
neue Schlafmittel „Diogenal“, ein milderes Veronal.
Martin Pappenheim und Carl Gross: Die Nenrosen nnd Psychosen
den Pabertätsalters. (I. Heft der „Zwanglosen Abhandlungen
aus den Grenzgebieten der Pädagogik und Medizin“, heraus¬
gegeben von Th. Heller-Wien und G. Leubuscher-Meioingen).
Berlin 1914, Verlag von Julius Springer. 129 S. Preis 3 M.
Die von Heller und Leubuscher neu begründete Sammlung zwang¬
loser Abhandlungen dient zur Pflege der Berührungen zwischen Päda¬
gogik und Medizin und will ihre gemeinsame Arbeit fördern helfen. Das
vorliegende erste Heft behandelt gleich eins der wichtigsten und
schwierigsten Kapitel dieser Grenzgebiete: die Neurosen und Psychosen
des Pubertätsalters. Die Verfasser, M. Pappenheim und Carl Grosz,
mussten sich natürlich mit Rücksicht auf Publikum, Zweck und Raum
der Abhandlung grosse Beschränkung in der Bearbeitung des umfang¬
reichen Gebietes auferlegen. Immer im Hinblick auf ein pädagogisches
und allgemein medizinisches Leserpublikum behandeln sie kurz, klar
und übersichtlich die leichten Formen des Schwachsinns, das manisch-
depressive Irresein, die Epilepsie, die Dementia praecox, einige exogene
Neurosen und Psychosen und am ausführlichsten mit Recht die psycho¬
pathischen Persönlichkeiten im Pubertätsalter.
Die kurze, modern wissenschaftliche Darstellung dieser Anomalien
der Entwicklungsperiode wird nicht nur die Pädagogen, sondern auch
die ärztlichen Praktiker lebhaft interessieren.
Verbrechertypen. Herausgegeben von Haas W. Grüble und Albrecht
Wetze], Bd. 1, Heft 2: Säufer als Brandstifter, von
H. W. Gruhle, K. Wilmanns und G. L. Dreyfus. Berlin
1914, Verlag von Julius Springer. 83 S. Preis 3,20 M.
Das 2. Heft der „Verbrechertypen“, eines neuen Archivs krimineller
Persönlichkeiten, schildert vier Alkoholisten, die auf der Grundlage der
Psychopathologie des Trinkers zu Brandstiftern wurden. Diese Grund¬
lage, die charakteristische Trinkerpsyche, und der Zusammenhang des
Delikts mit ihr wird durch die von Gruhle, Wilmanns und Dreyfus
beigebrachten vier Fälle sehr gut illustriert, am besten wohl durch den
von Wilmanns dargestellten Fall Bitter. Sie repräsentieren vier
Säufertypen aus verschiedenen sozialen Schichten, mit verschiedenen
Schicksalen, aber der gleichen Geistesbeschaffenheit und sozialen Un¬
brauchbarkeit.
G. Anton: Psychiatrische VortrSge für Aerzte, Erzieher and Eltern.
(Dritte Serie.) Berlin 1914, Verlag von S. Karger. 91 S. Preis
2,40 M.
Die dritte Serie der Anton’scben Vorträge über psychiatrische
Fragen für ein breiteres Publikum, besonders für Aerzte, Erzieher und
Eltern enthält fünf ausgezeichnete Aufsätze bzw. Vorträge: I. Gehirn¬
bau und Seelenkuode. II. Ueber gefährliche Menschentypei). III. Wieder¬
ersatz der Funktion bei Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarkes,
4*
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UNIVERSUM OF IOWA
1552
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 83.
IV. Aerztlicbes über Sprechen und Denken. V. Geistige ArtuDg und
Rechte der Frauen.
Das Thema eines jeden der vier ersten Vorträge betrifft wichtige
neurologisch psychiatrische Fragen, welche auch für Nichtärzte von
Iateresse, in Richtung der Pädagogik eventuell von grosser Bedeutung
sind. Diese Fragen in allgemein verständlicher Form und fruchtbringend
zu behandeln ist meist sehr schwer, dem Verf. aber vorzüglich gelungen.
Indessen, auch für den Arzt, nicht bloss für den Laien, bilden die Vor¬
träge eine anregende Lektüre. Der letzte Aufsatz behandelt die geistige
Artung und Rechte der Frauen vom ärztlichen Standpunkt aus und
vertritt eine Auf fassungsweise, welche verdiente, immer mehr Eingang in
die heutige Frauenbewegung zu finden. W. Seiffer.
Roth’s klinische Terminologie. Neubearbeitet von E. Oberndoerffer.
8. Aufl. Leipzig, Thieme. Preis 12 M.
Mit dieser Auflage erscheint die alte Terminologie Roth’s in völlig
neuer Bearbeitung. Der Begründer des Buches hatte sich eine engere
begrenzte Aufgabe gestellt, seine Terminologie auf die Pathologie be¬
schränkt und sie deshalb — a potiori fit denominatio — eine klinische
genannt. Die Herausgeber der späteren Auflagen sind nicht wesentlich
von seinem Plane abgewichen und auch in der Erklärung der einzelnen
Ausdrücke hielten sie sich im grossen und ganzen an Roth’s Vorbild.
Die jetzige Bearbeitung weicht an Ausdehnung des Gebietes und Tiefe
seiner Bearbeitung ganz gewaltig davon ab. Zur „Pathologie“ im Sinne
Roth’s kommt in der neuen Bearbeitung das grosse Gebiet der
chemischen Pathologie — noch io der 7. Auflage würde man ein
Wort, wie Purinkörper, vergeblich suchen — die Arzneimittellehre,
die trotz aller Uebertreibungen der Industrie eine immer grössere Be¬
deutung für deD Arzt gewinnt, es kam hinzu die Anatomie, Embryo¬
logie und Physiologie, uDd endlich eine grosse Zahl biographischer
Notizen. So ist aus dem alten und wenig brauchbaren Buche, das in
den letzten Jahren mit Recht fast völlig verdrängt worden war, ein
Werk geworden, das sich sicherlich aufs neue einen hervorragenden
Platz in der medizinischen Literatur erwerben wird.
Rob. Otto Stein -Wien: Die Fadenpilzerkrankungen des Menschen.
Lebmann’s medizinische Handatlanten. Preis 10 M.
Von einem Atlas muss man in erster Linie gute Abbildungen ver¬
langen; diese gibt das vorliegende Werkchen, das somit seinem Haupt¬
zweck vollkommen gerecht wird. Auch der Text ist im allgemeinen
bei aller Kürze klar und hinlänglich orientierend; doch muss die Will¬
kür beanstandet werden, mit der Autoren Verdienste zuerkannt werden,
die ihnen nicht zukommen und umgekehrt die entscheidenden Namen des
öfteren unerwähnt gelassen werden. Zum Beispiel ist es ungerecht, bei
den Erkrankungen an Aspergillus fumigatus gerade Renon die Beob¬
achtung der Lungenaspergillose zuzusebreiben, die viel älteren Datums ist;
wer vom Soor innerer Organe spricht, darf F. A. v. Zenker nicht un¬
erwähnt lassen, wer von Aktinomykose spricht, darf sich nicht auf die Er¬
wähnung Boström’s beschränken, Ponfick und J. Israel aber mit
Stillschweigen übergehen. Man kann bei einem kleinen Atlas ohne
Literatur auskommen; citiert man aber, so tue man es sorgfältig und
gewissenhaft. _ Hans Kohn.
J. R. Spinner: Aerztliches Recht, nnter besonderer Berücksichtigung
deutschen, schweizerischen, österreichischen nnd französischen
Rechts. Berlin 1914, Julius Springer. 556 Seiten. Preis 16 M.
Bei den immer lebhafter und verzweigter werdenden Beziehungen
des Arztes zu Staat und Gesellschaft in unserem sozialen Zeitalter ist
es nur natürlich, dass die Öffentlich-rechtliche Stellung der Aerzte in
erhöhtem Maasse Gegenstand der literarischen Bearbeitung wird. Das
vorliegende Werk, hervorgegangen aus den Grenzgebieten zwischen Recht
und Medizin, will nicht sowohl eine systematische Darstellung der ge¬
samten Rechtsbeziehungen gebeD, als vielmehr das ärztliche Recht in
seinen brennendsten Zeitfragen vom Standpunkt der allgemeinen Pro¬
phylaxe und Rassenhygiene aus behandeln. Sein besonderer Wert liegt
darin, dass die Rechtsverhältnisse der wichtigsten Kulturländer berück¬
sichtigt werden, namentlich die einschlägigen Kodifizierungen der drei
deutschsprachigen Länder vergleichend zusammengestellt sind. Bekannt¬
lich sind gerade in diesen Ländern Reformen der Strafgesetzgebung im
Gange, und da ist es sehr willkommen, dass der Verf. auch die bezüg¬
lichen Entwürfe und Gegenentwürfe tunlichst berücksichtigt. Durch die
hierdurch ermöglichte vergleichende Betrachtung wird der Weitblick der
Darstellung gehoben, die Erfassung der Probleme grosszügiger und viel¬
seitiger.
Die bürgerlichen Rechtsbeziehungen des ärztlichen Standes sind be¬
sonders im Hinblick auf die aus der Approbation fiiessenden Rechte und
Pflichten dargestellt; recht bemerkenswert ist ferner das der Kur¬
pfuscherei, ihren Erscheinungsformen und ihrer Bekämpfung gewidmeten
Kapitel. Den breitesten Raum aber nehmen die gegenwärtig ja so be¬
sonders aktuellen Fragen der strafrechtlichen Stellung des Arztes ein,
der ärztliche Eingriff in die körperliche Integrität, in die Fortpflanzung
des Menschen, das ärztliche Berufsgeheimnis. Man muss dem Autor zu¬
gestehen, dass er diese so überaus diffizilen und vielumstrittenen Pro¬
bleme nicht dilettantisch oberflächlich, sondern auf Grund einer staunens¬
werten Literaturbeherrschung in eindringendster, gründlichster Weise
uach ärztlichen, rechtstheoretischen und sozialen Gesichtspunkten ana¬
lysiert. Dabei nimmt er selbst, zuweilen temperamentvoll, Stellung,
weist auf die bestehenden Mängel und Lücken hin und versucht aus der
Darstellung der Entwicklung die Richtlinien der künftigen Gestaltung
zu entwerfen. Wenn man ihm auch hier nicht durohweg folgen kann,
hinter manche recht subjektivistischen Ausführungen ein Fragezeichen
setzten möchte, so wird der eigentliche Wert des Buches dadurch nicht
berührt. Es ist ein ausgezeichnetes Orientierungswerk für alle hier
Interessierten, bietet dem Lernenden gründlichste Einführung und reiche
Anregung, dem selbständig Arbeitenden willkommene Erleichterung in
der Sammlung und Sichtung des Materials.
Alfred Perlmano: Rentenlehre für Aerzte. Leipzig 1914, Georg
Thieme. 264 Seiten. Preis 6,20 M.
Ausgehend von der Erwägung, dass das Studium der ausgiebig klar¬
gelegten und vom Reichsversicherungsamt beurteilten Fälle die beste
Einführung und Vorbildung für die Gutachtertätigkeit ist, hat der Autor
aus der Ueberfülle der seit 30 Jahren ergaDgeneo Entscheidungen des
R.V. A. die für den Arzt wertvollen Fälle gesammelt und nach praktisch
wichtigen Gesichtspunkten zusammengestellt. In diesem ersten Bande ist
das allgemeine Material verwertet, das dem Belehrung Suoheoden viel¬
seitigen Aufschluss über die allmählich entwickelte Begriffsbestimmung
im Rentenwesen, die Grundsätze für Bemessung und Abänderung der
Rente, Bedeutung des Gutachtens, Verhältnis des Arztes zum Verletzten,
zu Behörden und Berufsgenossenschaften und manches andere in der
Praxis des Gutachters Wissenswerte gibt. Ein unzweifelhaft nützliches
und verdienstliches Werk, das nicht nur in die schwierige Materie gut
einführt, sondern im Einzelfalle durch die mit Kritik geübte Zusammen¬
stellung der einschlägigen Judikatur gute Dienste leistet.
Entschcidangeii des preissischen Rhrengeriehtshofes für Aerzte.
Dritter Band. Berlin 1914, Richard Sohoetz. 290 Seiten. Preis
5,80 M.
Wieder liegt ein recht stattlicher Band Entscheidungen vor, in dem
sich das ärztliche Leben der Gegenwart spiegelt; die vielfältigen Kolli¬
sionen mit der ärztlichen Standesehre, die hier ihre Aburteilung finden,
geben so recht eio Bild von den Begleiterscheinungen des verschärften
Kampfes um die Existenz. Der maassvolle, abgeklärte, wahrhaft objektive
Geist, den die Urteile des ärztlichen Obergerichts in zunehmendem Maasse
zeigen, wird auch die etwa noch vorhandenen grundsätzlichen Gegner
des Ehrengerichts entwaffnen; die Fülle des Stoffs demonstriert ihnen die
Notwendigkeit der Institution. — Auch im vorliegenden Falle ist die
frühere Gruppeneinteilung des Materials beibehalten; bei den Entschei¬
dungen von materieller Bedeutung erregen namentlich diejenigen Interesse,
die von dem Verhalten des Arztes gegenüber seinen Kollegen und den
Aerztevereinen, sowie von dem Verhalten ausserhalb des Berufes handeln.
Prinzipiell neue Rechtssätze treten nicht hervor, es befestigt sich zu¬
sehends die Sprucbpraxis des Ehrengerichtshofs. Zweifellos bilden seine
Entscheidungen die Bausteine zu einem zukünftigen ärztlichen Sitten¬
kodex; bis dahin aber müssen Uebung und Erfahrung weiter ausreifen,
und daher begrüssen wir es mit grosser Befriedigung, dass im vorliegen¬
den Band die Gepflogenheit beseitigt ist, fast aus jedem Urteil einen
allgemeinen Rechtssatz abzuteiten, wie das früher in oft unliebsamer
Weise hervortrat. Diesmal wird mit wenigen Ausnahmen lediglich der
abstrakte Gegenstand des jeweiligen Verfahrens in gesperrter Schrift
vorangestellt, was der Orientierung sehr zu statten kommt. Durch ein
vorzügliches Register ist auch weiterhin bestens hierfür gesorgt.
Franz Kobler und M. Miller: Leitfaden der Reichsversieberung für
den behandelnden nnd begutachtenden Arzt. München 1914,
J. F. Lehmann. 100 Seiten. Preis 1,50 M.
Die grosse Reichsversicherungsreform hat naturgemäss viele flinke
Federn in Bewegung gesetzt, um das gesetzgeberische Riesenmaterial für
die Bedürfnisse des ärztlichen Publikums auszumünzen. Vorliegendes
Werkchen ist im Aufträge des Kgl. bayerischen Staatsministeriums des
Innern entstanden und bringt in verständiger Arbeitsteilung einen Extrait
der wissenswerten Grundsätze und Bestimmungen der Reichsversicberupgs-
ordnung von einem höheren Regierungsbeamten, die versicherungsärzt¬
liche Untersuchung und Begutachtung von einem beamteten Mediziner.
Uebersichtlicb, knapp und prägnant in der Darstellung, kommt das Buch,
namentlich in seinem zweiten Teil, den Bedürfnissen der Praxis sehr
entgegen, vermeidet allen Ballast und gibt für die praktische Aufgabe
des Einzelfalles willkommene Orientierung und belehrende Anleitung.
Es wird sich auch über die blauweissen Pfähle hinaus einen grossen
Kreis von Freunden erwerben. Voll mann.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
M. Koehler: Ueber die willkürliche Beschleunigung des flerz-
Bcblages beim Menschen. (Pflüg. Arcb., Bd. 158, H. 9—12.) Nach Mit¬
teilung der einschlägigen Literatur berichtet K. über an sich selbst an-
gestellte Versuche zur willkürlichen Veränderung der Herzschlagfrequenz.
K. vermochte durch Konzentrierung des Willens und eine nicht genau
definierbare Muskelanstrengung, die mit der zur Ausführung von stark
anstrengenden Muskelkontraktionen aufgewendeten vergleichbar ist, seine
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UNIVERSITY OF IOWA
17. Aogost 1914.
BERLIN KK KUNISCHK WOCHENSCHRIFT
1663
Pulsfrequenz um 30—35 Schlage zu steigern. Eine Verminderung der
Pulszahl konnte er nicht willkürlich zustande bringen. Dabei nahm die
Höhe des Pulses ab, und er wurde dikrot. Aenderungen der Atmung
hatten nichts mit dem Phänomen zu tun. Der Blutdruck nahm während
der Pulsbeschleunigung zu. — Kurz nach Beendigung der willkürlichen
Pulsbeschleunigung zeigte sich eine starke Abhängigkeit des Pulses von
den Atmungspbasen: bei der Inspiration nahm die Pulsfrequenz zu, seine
Höbe ab; bei der Exspiration war es umgekehrt. — Aus einer Ver¬
gleichung mit den Ergebnissen der Tierversuche kommt K. zu dem Er¬
gebnis, dass es sich bei der von ihm erzeugten Pulsbeschleunigung um
einen direkten Effekt auf die Acceleratoren des Herzens handelt, viel¬
leicht unterstützt durch eine Tonusabnahme des Vagus.
Yas Kuno: Ueber den Einlings warmer Bäder auf den Blut-
driek iad aaf die Polsfreqnenz des Kaninchens. (Pflüg. Arch.,
Bd. 158, H. 9—12.) K.’s Versuche sind an mit Urethan narkotisierten
Kaninchen ausgeführt. In warmen und heissen Bädern tritt für Bruch¬
teile einer Minute eine unregelmässige initiale Blutdrucksenkung auf.
Dann steigt der Blutdruck und bleibt während der ganzen Dauer des
Bades über die Norm erhöht. Diese Steigerung ist nach K. auf die
Kompression der Gefässe des grossen Kreislaufes durch den hydrosta¬
tischen Druck des Badewassers zurückzuführen, dazu kommt wohl auch
reflektorische Wirkung des thermischen Reizes. Letztere spielt eine
erhebliche Rolle in kalten Bädern. Ausschaltung der No. splancbnici
oder Ligatur der Arterien der Baucheingeweide ändert an der Wirkung
der Bäder nichts. Die Pulsfrequenz steigt in warmen, sinkt in kalten
Bädern. Das fand sich auch an Tieren, deren Herznervensystem aus¬
geschaltet war. Es dürfte sich hierbei also um eine direkte Wirkung
der Bluttemperatur auf den Herzmuskel bandeln. A. Loewy.
J. M. Lahy: Die vergleichenden Wirkungen auf den Blutdruck
zwischen einer physischen Ermüdung, hervorgerufen durch einen laoge
fortgesetzten Marsch und zwischen der psychischen Ermüdung, be¬
wirkt durch fortgesetztes Anspannen der Aufmerksamkeit. (Compt.
rend. de J’acad. des Sciences, 1914, Nr. 25, S. 1913.) In früheren Ver¬
suchen war gezeigt worden, dass die Erhöhung des Blutdrucks ein
objektives Zeichen der Ermüdung bei den Berufen, die keine Muskel¬
arbeit erfordern, darstellt. Auf der einen Seite wurden Soldaten nach
einer längeren militärischen Uebung untersucht, ohne dass vor oder
nach dem Marsche eine Aenderung des Blutdrucks sich zeigte; dagegen
trat — wie es vorauszusehen war — bei Dactylograpben, die in sitzender
Stellung 7 Stunden am Tage zu arbeiten hatten, deren Aufmerksamkeit
also fortwährend angespannt ist, stets eine Erhöhung des Blutdrucks
auf. In praktischer Hinsicht müsste für die Festsetzung der Arbeits¬
dauer diese regelmässig auftretende Erhöhung mit herangezogen werden.
B. Valentin.
F. Verzär: Ueber glatte Mnskelzellen mit myogenem Rhythmus.
(Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Das Amnion des Hühnchens im Ei
zeigt rhythmische Kontraktionen. V. weist darauf hiD, dass das
Amnion nervenfrei ist und nur aus glatten Muskelzellen besteht. Wir
haben hier also Kontraktionen rein myogenen Ursprungs.
A. Jarisch: Ueber den Mechanismus der Piqüre-GIykosorie. (Pflüg.
Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Der Zuckerstich wirbt noch glykosuriscb,
wenn allein die Innervation der Nebennieren erhalten ist, die Leber je¬
doch sowohl vom Centrum wie von der Nebenniere nervös isoliert ist.
Er vermag weder Glykosiirie noch deutliche Hyperglykämie zu erzeugen,
wenn die Nebenniere nervös isoliert ist, das übrige Splanchnicusgebiet
jedoch mit dem Centrura in leitender Verbindung bleibt. Der Piqure-
reiz läuft demnach zur Nebenniere, und von hier aus wird die Glykogen¬
abgabe aus der Leber bewirkt. Wie J. weiter findet, hängt der Erfolg
des Zuckerstichs bei Tieren, bei denen nur eine Nebenniere entnervt ist,
vom körperlichen Zustande dieser Tiere ab. Eine centrale Glykosurie
kommt nooh zustande, wenn die Leber ca. 1 pCt. Glykogen enthält.
Der Zuckerstich reizt das Zuckercentrum intensiver als Diuretin.
A. Jarisch: Ueber den Mechanismus der Dinretinglykosnrie. (Pflüg.
Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Diuretin macht Hyperglykämie, und zwar
auch noch, wenn durch Durchschneidung der Nd. splanchniei jeder cen¬
trale Einfluss ausgescbaltet ist. Diese Hyperglykämie ist also peri¬
pherischen Ursprunges.
E. Berger-. Nachtrag zu meiner Arbeit: Ueber die mit Hilfe des
Stereoskopen nachweisbare Verschiedenheit der Lokalisation zwischen
den in den gekreuzten und ungekreuzten Sehnerven fasern fortgeleiteten
üeiiehtsempflndugen. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Aenderung
der Versuohsanordnung, um einem von Claparede gemachten Einwande
zu begegnen.
R. Cords: Bemerkung zu der Arbeit von Berger: Die mit Hilfe
aer Stereoskopie nachweisbare Verschiedenheit usw. (Pflüg. Arch.,
“d. 158, H. 9 —12.) C. bestreitet, dass Berger’s Versuch eine ver¬
schiedene Funktion der gekreuzten und ungekreuzten Sehnervenfasern
beweist, und gibt für B.’s Versuche eine einfache Erklärung.
G. Modrakowski: Beobachtungen an der überlebenden Sänge-
tierlnige, I. Mitteilung. Dnrehströmnngsgeschwindigkeit und Ver¬
halten des Toms der Gefässe nnd Bronchien an der überlebenden
Katxenlunge. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Die Versuche sind
® ro< ^ e ’ ac h® n Apparate an der überlebenden Katzenlunge aus-
fföführt, die mit defibriniertem Katzenblut durchströmt wurde. Dabei
t F ^ onu9 ^er befasse allmählich nach. Bei Druckwerten, wie sie
«wa dem Durchschnitt bei normalen Tieren entsprechen, bei einem Ge¬
falle von 20 mm Hg, kann die durch die Lunge strömende Blutmenge
bis zu 272 ccm in der Minute betragen. Auch der Bronchialmuskeltonus
lässt allmählich nach, wie die allmähliche Zunahme der Atemexkursionen
bei gleichbleibender künstlicher AtmuDg beweist.
G. Modrakowski: Beobachtungen an der überlebenden Säuge¬
tierlunge. 11. Mitteilung. Ueber die experimentelle Erzeignng von
Lnngenb'dem. (Pflüg. Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Die Versuche sind
in gleicher Weise wie die vorstehenden ausgeführt. Sie ergeben, dass
durch arteriellen Hochdruck kein Lungenödem erzeugt werden kann.
Die Druckwerte stiegen bis zu 82 mm Hg. Dauern die hohen Druck-
werte nur kurze Zeit, so kehren Lungenvolumen und Atmungsexkursionen
wieder zur Norm zurück. Venöse Stauung, so dass die Durchströraung
der Lunge stillsteht oder selbst umgekehrt wird, bewirkt kein Oedem,
solange die arteriellen Drucke 35 mm Hg nicht überschreiten. Von
diesem Druck an entsteht Lungenödem, wenn der venöse Abfluss derart
erschwert wird, dass das Gefälle auf 8 mm sinkt. Bei einem arteriellen
Druck von 44—65 mm Hg tritt Oedem auch schon bei einem Gefälle
von 13—29 mm auf. An pathologisch veränderten Lungen kann
arterielle Drucksteigerung allein ohne venöse Stauung Oedem machen.
Bei Lungeaschädigung, z. B. durch Ammoniak, kann Lungenödem schon
bei normalem Blutdruck auftreten.
E. v. Elischer: Ueber den Einfluss der Ansschaltnng der Kehl¬
kopfnerven auf das Wachstum des Kehlkopfes. (Pflüg. Arch, Bd. 158,
H. 9—12.) Versuche an wachsenden Hunden, denen die Nn. laryngei
superiores durchschnitten oder die von ihnen versorgten Mm. tbyreo-
cricoidei entfernt wurden. Danach bleiben die Kehlkopfknorpel im Wachs¬
tum zurück, der ganze Kehlkopf bleibt kleiner. Insbesondere bleiben
die Stimmbänder im Längenwachstum zurück.
A. Baron und Th. Bärsony: Ueber die Einwirkung der Chloro¬
form- nnd Aethernarkose auf die motorische Magenfnnktion. (Pflüg.
Arch., Bd. 158, H. 9—12.) Die Beobachtungen sind im Röntgenbilde
an Hunden nach Fütterung mit Wismutbrei ausge/ührt. Chloroform-
wie Aethernarkose führen zu einer Tonusverminderung, Dehnung des
Magens. Aber beim Chloroform kommt es zu einer mehrere Tage dauernden
Nachwirkung, die in Abnahme der motorischen Funktion des Magens be¬
steht. Die Wirkungen des Chloroforms sind also intensiver als die des
Aethers, sein Gebrauch bei B&uchoperationen sollte also zugunsten des
Aethers eingeschränkt werden. A. Loewy.
S. Secerov: Ueber den Einfluss der ultravioletten Strahlen aaf
die Färbung des Felles von Kaninehen nnd Meerschweinchen. (Compt.
rend. de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 24, S. 1826.) Die Schluss¬
folgerungen sind folgende: 1. Die weissen Felle von Kaninchen und
Meerschweinchen können unter dem Einfluss der ultravioletten Strahlen
gelblich und rötlich werden; das Rot und Gelb wird als Vorstufe
(Propigraent) für das Melanin angesehen. Ebenso ist es möglich, dass
eine lange fortgesetzte Wirkung der Strahlen das Auftreten von
schwarzem Pigment bewirkt. 2. Die Verfärbung des weissen Felles bei
denjenigen Tieren, die sonst noch am Körper schwarze oder gelbe
Flecken haben, geht schneller vor sich als bei den Kaninchen, die ganz
weiss siad. 3. Die Hitze kann ebenfalls das Gelbwerden des Felles
hervorrufen, aber man muss sie dann bei einer so hohen Temperatur
einwirken lassen, dass man in biologischer Hinsicht dem nicht Rechnung
tragen kann. 4. Wenn man die dem Tiere entnommenen Haare be¬
strahlt, werden sie ebenfalls gelb, aber weniger schnell, als am Tiere
selber. B. Valentin.'
F. Verzar und M. Felter: Untersuchungen zur Theorie der so¬
genannten Veratrinkontr&ktion. (Die Wirkung von Aldehyden auf die
Kontraktion des quergestreiften Muskels.) (Pflüg. Arch., Bd. 158,
H. 9—12.) Das Veratrin zeichnet sich dadurch aus, dass elektrische
Reize an den mit ihm vergifteten Muskeln (des Frosches) eine Zuckung
mit nachfolgendem Tetanus erzeugen. Die Verff. heben nun hervor, dass
ganz ebenso wie Veratrin eine Anzahl niederer Aldehyde wirken:
Formaldehyd, Glyoxal, Acetaldehyd, Acrolein u. a. Aber auch zahl¬
reiche anorganische Salze, organische Säuren (Propion-, Buttersäure),
Alkaloide und Glykoside habeD dieselbe Wirkung. In der Erklärung
weichen die Verff. von der gangbaren aber ab. Nach ihnen kommt die der
Zuckung folgende Dauerkontraktion dadurch zustande, dass erstere die
Erregbarkeit des Muskels erhöbt und nun die genannten chemischen
Reize imstande sind, schon in kleinen Dosen einen Tetanus hervor¬
zurufen, was sie sonst nur in viel grösseren tun. Das Veratrin zeichnet
sich nur dadurch aus, dass es schon in ausserordentlich kleinen Mengen
den Tetanus zustande kommen lässt. A. Loewy.
Pharmakologie.
W. Weygandt, A. Jakob, V. Kafka - Hamburg: Klinische und
experimentelle Erfahrungen bei Salvars&ninjektionen in das Central-
nervensystem. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Bei intralurabalen Salvarsan¬
injektionen am Affen in Dosen, die den beim Menschen üblichen im
grossen und ganzen entsprechen, zeigte sich, dass das Salvarsan stark
reizend auf das Duraendothel, die austretenden Nervenbündel und die
Endothelien der Gefässe und unter Umständen auch auf das nervöse
Parenchym des CentralnerveDsystems selbst einwirkt und hier zu aus¬
gesprochenen degenerativen und proliferativen Vorgängen und herd¬
förmigen Prozessen Veranlassung geben kann, bei deoen die Gefässwand-
veränderungen am meisten in die Augen fallen. Ebenso entstanden bei
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UNIVERSUM OF IOWA
1554
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 33.
subduralen und intracerebralen Injektionen Schädigungen des Nerven¬
systems. Injiziert man hingegen sehr kleine Mengen, so lassen sich nicht
die geringsten Veränderungen nachweisen. Dünuer.
A. Fröhlich: Die Pharmakologie der Hypopbysensubstanzeii.
(W.m.W., 1914, Nr. 20.) Die Wirkungen der Hypophysine sind auf das
vegetative (sympathische und parasympathische) Nervensystem gerichtet,
und zwar auf seine peripher gelegenen Anteile, die vegetativen Nerven¬
endigungen. Eine elektive Bevorzugung des einen oder des anderen der
genannten nervösen Systeme lässt sich nun nicht mit Sicherheit erkennen.
Dagegen muss man nach neueren Untersuchungen annehmen, dass in
den Hypophysinen zweierlei wirksame PriDzipe vorhanden sind: solche,
welche die nervösen Endapparate direkt erregen und solche, welche die
sympathischen Nervenendigungen sensibilisieren, sie erregbarer machen.
Eisner.
Therapie.
G. Stümpke - Hannover: Thigao, ein neues äusserliches Anti-
gonorrhoicum. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Thigan ist eine Verbindung
von Tbigenol (wirkt antiphlogistisch) und Silber (baktericid), Fünfmal
täglich Injektion. Gute Erfolge. Dünner.
J. Ehrl: Antisklerosin ii der Praxis. (W.m.W, 1914, Nr. 20.)
Antiskierosin vermag viele Beschwerden des Sklerotikers wesentlich zu
mildern und dem Patienten dadurch bescbwerdefreie Intervalle zu ver¬
schaffen. Es ist zur Nachprüfung zu empfehlen.
W. B alb an: Zur Sypbilisbehaiidliiiig nit Embarin. (W.m.W.,
1914, Nr. 21.) Es ist warm zu empfehlen. Es dürfen aber die beim
Quecksilber üblichen Kautelen nicht ausser acht gelassen werden, da es
zu Intoxikationserscheinungen kommen kann. Nervensystem und Magen
darmtractus scheinen am leichtesten betroffen zu werden. Albuminurie
wurde nicht beobachtet. Eisner.
E. Bumm und K. Warnekros - Berlin*. Heilung tiefliegender
Careinome dirch Röntgenbestrahlung von der Körperoberfläche aus.
(M.m.W., 1914, Nr. 29.) (Vortrag in der Hufelandischen Gesellschaft am
9. Juli 1914.) Vergleichende Untersuchungen zwischen radioaktiven
Substanzen und Röntgenstrahlen zeigten, dass bei den Röntgenstrahlen
eine viel grössere Menge der Strahlen durch die Gewebe durchgehen.
Zur Bestrahlung tiefliegender Gewebe (etwa 10 cm von der Oberfläche
entfernt) sind 3500 X erforderlich. Die Verff. haben nun eine Reihe von
Carcinomen nach diesem Prinzip behandelt und sehr gute Erfolge erzielt.
B. Baisch - Heidelberg: Die Behandlung chirurgischer Tober-
knlosen Bit Enzytol (Borcholin). (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Enzytol ist
borsaures Cholin. Es erscheint durch die chemische Imitation der
Strahlenwirkung und durch eine möglichst direkte Wirkung auf die
Tuberkelbacillen zur Behandlung der Tuberkulose geeignet. Bei gleich¬
zeitiger Anwendung von Bestrahlung und Enzytol ist auf die grössere
Empfindlichkeit der Haut durch die Injektion Rücksicht zu nehmen.
Der grössere Vorteil besteht in der ergänzenden Hilfe der Einspritzung
da, wo der Wirkung der Bestrahlung ein Ziel gesetzt ist. Die Erfolge
sind ermutigend. Dünner.
W. Falta und Steinberg: Ueber eine neue Kohlenbydratkur
(gemischte Amylaeeenknr) bei Diabetes. (W.m.W., 1914, Nr. 21.)
Es handelt sich um eine Kur, bei der man die verschiedensten Amylaceen
in Suppen oder Breiform verwendet, die bei Diabetikern ähnlich gute
Resultate gibt wie die Verwendung von Hafer- oder Weizenmehl allein.
Bei ausschliesslicher Ernährung des Diabetikers mit Kohlehydraten und
Pflanzeneiweiss wird der komplizierte Regulierungsmechanismus, durch
den beim normalen Individuum die Ueberschwemmung des Blutes mit
Zucker verhindert wird, mehr oder weniger wiederhergestellt, dadurch
wird die Verbrennung des Zuckers erleichtert, die Ketonkörperbildung
eingeschränkt und Eiweiss gespart. Die Amylaceenkur weist nicht in
allen Fällen den gleichen Erfolg auf. Eisner.
E. Holzbach - Tübingen: Die Danerirrigation der Harnblase nnd
des Nierenbeckens. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Die Dauerirrigation wird
vorgenomraen mit einem doppelläufigen Dauerkatheter, der 10 —14 Tage
liegen bleiben kann. Dünner.
J. Mark: Zur Frage der Innnnnkörperbebandlnng. (W.m.W.,
1914, Nr. 21.) Vortrag. Verf. berichtet über Erfolge mit dem Spengler-
schen I.-K.-Serum. Eisner.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
R.Trenkler*. Ein Fall vollkommener angeborener Penisspaltnng
(Doppelpenis). (W.kl.W., 1914, Nr. 20.) Kasuistische Mitteilung.
Eisner.
Parasitenkunde und Serologie.
Ch. Richet: Ueber die Unmöglichkeit, Mikroorganismen an wenig
nabrnng8reiche Nährböden zn gewöhnen. (Compt. reod. de l’acad.
des Sciences, 1914, Nr. 24, S. 1749.) In Anlehnung an frühere Ver¬
suche, die gezeigt hatteD, dass der Milchsäurebacillus sich sehr wohl
daran gewöhnt, in Medien weiterzuleben, denen toxische Substanzen
zugesetzt waren, prüfte R., ob sich der Bacillus ebenso gewohnt in
einem an Näbrsubstanzen armen Medium, d. h. im Zustande der
Inanition zu wachsen. Während nun im toxischen Medium die Art sich
umformt, Varietäten bildet und neue eigenartige, spezifische physio¬
logische Eigenschaften aufweist, bleibt dagegen im armen Medium stets
in allen Generationen der Bacillus der gleiche; mit anderen Worten:
Der Milchsäurebacillus gewöhnt sich an Gifte, er gewöhnt sich aber nie
an Inauition.
Cb. Nico Ile und G. Blanc: Sind die Recnrrensspirillen in den
verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung beim Floh virulent? Demon¬
stration ihrer Virulenz in einem unsichtbaren Stadium. (Compt. rend.
de l’acad. des Sciences, 1914, Nr. 24, p. 1815.) Die Recurrensspirillen
machen im Floh, der der Ueberträger ist, so schnelle Entwicklungen
durch, dass einige Stunden nach der Infektion schon sie selbst für das
Ultramikroskop unsichtbar sind. Nach ungefähr 8 Tagen erscheinen sie
wieder in der Form von sehr feinen und sehr beweglichen Individuen,
die bald die Grösse der Spirillen des Blutes erreichen. Die Verff.
prüften nun die Virulenz dieser verschiedenen Entwicklungsplänen und
fanden, dass die Spirillen virulent sind, und zwar besonders in der
Phase, wo sie unsichtbar sind, und dann in der ersten Zeit ihres Wieder¬
sichtbarwerdens.
Edm. Sergent und H. Foley: Ueber Latonzperioden der Spirillea
bei einem Reenrrenskranken. (Compt. rend. de l’acad. des Sciences,
1914, Nr. 25, p. 1926.) Einem Recurrenskranken in Nord-Afrika wurde
in einer fieberfreien Periode Blut entnommen und mit diesem ein Affe
geimpft. In dem Blute selber Hessen sich histologisch, obgleich ver¬
schiedene Beobachter daraufhin untersuchten, niemals Spirillen nach¬
weisen; dagegen wurden sämtliche mit demselben Blut geimpfte Affen
infiziert. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass das Virus im
lieberfreien Stadium eine andere, sehr kleine Entwicklungsform annimmt.
B. Valentin.
H. Mautner: Eine bisher nicht beobachtete Moaiiiaart bei chro¬
nischer Bronchitis. (W.m.W.. 1914, Nr. 20.) Bei einem 10 jährigen
Mädchen mit chronischer Bronchitis fand sich im Sputum ein den Soor¬
arten nahe verwandter Pilz, der als Parendomyces pulmonalis Plaut be¬
zeichnet wird. Möglicherweise ist dieser Pilz durch Tauben übertragen
worden. Eisner.
A. Fauser-Stuttgart: ,, Passive“ Uebertragnag der Fermente
von Geisteskranken auf Kaninchen. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Die
UebertraguDg will Verf. durch die Injektion des Blutes von Geistes¬
kranken auf Kaninchen nachweisen. Das Serum dieser Tiere soll dann
die Fermente gegen Organe enthalten, die vorher im Serum des Kranken
nachweisbar waren. Dünner.
E. P u p p e 1 - Mainz: Die biologische Schwangersekaftsreaktion und
ihre Ergebnisse in der Praxis. (Mschr. f. Geburtsb., Bd. 39, H. 6.) Die
Ausführung der Reaktion darf nicht auf die Kliniken beschränkt bleiben,
auch der Praktiker kann sie, wenn er ein entsprechend eingerichtetes
Laboratorium bat, exakt ausführen. Die Ergebnisse erwiesen sich in der
grossen Mehrzahl, aber nicht in allen Fällen, als dem klinischen Be¬
fund, wie ihn die weitere Beobachtung ergab, entsprechend. Man sollte
die Reaktion nur in solchen Fällen ausführen, in denen ein gewichtiger
Grund zur frühzeitigen Feststellung der Gravidität vorliegt, nicht aber,
wenn die Patientinnen nur, wie es häufig der Fall ist, ihre Gravidität
festgestellt wissen wollen, um möglichst frühzeitig einen kriminellen
Eingriff machen zu lassen. L. Zuntz.
E. Sch warz - Berlin: Erfahrungen mit der Abderhalden’selen
Blatnntersacbnngsmetbode. (Mschr. f. Psych. u. Neurol., Juli 1914.)
Die Untersuchungen, die an der Nervenklinik der Charite angestellt
wurden, ergaben durchaus uneinheitliche „regellose“ Ergebnisse Auf¬
fallend gross ist die positive Reaktion mit Ovarium bei männlichen
Seren. Verf. lehnt es ab, irgendwelche Schlüsse für Diagnostik oder
Kenntnis der Aetiologie der Psychosen zu ziehen.
E. Loewy-München.
Innere Medizin.
A. Lehndorff-Prag: Zur Frage der Sangwirknng des Hemis.
(D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) In geeignetem Versuch
zeigt sich, dass die dem Blut durch die Kontraktion der Ventrikel allein
erteilte Beschleunigung noch hinreiohen kann, um ganz ohne unter¬
stützende Momente rückwirkend durch Capillaren, Venen und sogar noch
durch die Vorhöfe hindurch die Ventrikel wieder genügend zu füllen.
Das Herz wirkt also nur als Druckpumpe, nicht als Säugpumpe.
E. Weiser-Prag: Präsystolische Geräasche bei Vorhofsflimmera.
(D. Arch. f. klin. Med., 1914, Bd. 116, H 1 u. 2.) In einem Falle, in
dem der Vorhof dazu neigt, aus feinschlägigem in grobschlägiges Flimmern
überzugehen, treten vereinzelt derart starke Kontraktionen des Vorhofes
ein, dass der durch ein verengertes Mitralostium durchgepresste Blutstrom
ein präsystolisches Geräusch erzeugen kann. Aus vereinzelten präsysto¬
lischen Geräuschen darf nicht auf einen Vorhofventrikelrhythmus ge¬
schlossen werden, sondern Phlebogramm und Elektrocardiogramm müssen
zur Aufklärung des Falles herangezogen werden; auch prognostisch ist
dies von Wichtigkeit, denn im allgemeinen ist die Lebensdauer eines an
einem Mitralfehler leidenden Menschen beschränkter, wenn die Schlag-
folge seines Herzens auf Vorhofflimmern beruht, als wenn etwa eine
geringere oder grössere Zahl von Extrasystolen den normalen Vorhof-
ventrikelrbythmus unterbricht.
R. Hertz und M. Ehrlich: Ueber den Einfluss kleiner Gaben
Toiiyleidiasaias auf das Blut mit einem Beitrag zur Lehre über die
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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17. Angast 1914.
Entstehung experimenteller Hyperglobalie. (D. Areh. 1. klin. M., 1914,
Bd. 116, H. 1 u. 2.) Kleine Gaben von Toluylendiamin rufen Erythro-
cytenzerfall hervor; hin und nieder wird Erhöhung der Resistenz der
Erythrocyten beobachtet. Kleine Gaben von Toluylendiamin führen zur
Entstehung der Hämatopoetine bzw. verstärken die Tätigkeit derjenigen,
welche sich normaliter in Organen befinden; sie können Hyperglobulie
hervorrufen. Die Untersuchungen beweisen auf experimentellem Wege
die Existenz eines kausalen Zusammenhanges zwischen Hyperglobulie
und Anämie.
Z. Tanji - Leipzig: Experimentelle Untersuchungen über das Ver¬
hältnis der Ammoniak- und Gesamtstickstoffaasscheidang im Urin bei
verschiedener Kostform, und besonders bei Reisfütternng. (D. Arch. f.
klin. ML, 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) Das Verhältnis Ammoniakstickstoff:
Gesamtstickstoff im Urin beim Menschen, Hunde und Kaninchen bat
wahrend vorwiegender Eiweiss- (auch Fleisch ) Nahrung im Gegensatz
zur eiweissarmen (oder cerealiscben) Kost die Neigung zur Verminderung.
Das Verhältnis ist deutlich vermehrt bei Reisfütterung. Die Ursache
der relativen Ammoniakvermehrung bei Reisfütterung beruht auf einer
Blutalkaleszenzabnabme im Organismus.
R. Siebeck-Heidelberg: Beitrag zur Analyse sehr kleiner Stick-
steffmengen in organischem Material (Harnstoffbestimmungen in einigen
Tropfen Blut. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) Be¬
schreibung und Abbildung eines geeigneten Apparats, der die gasometriscbe
Methode zur Analyse sehr kleiner Mengen Stickstoff exakt ermöglicht.
Die Bestimmung des nichtcoagulablen Stickstoffs im Blutserum hat u. a.
für die Beurteilung der Nierenleistung eine grosse Bedeutung.
E. Wall erstein-Heidelberg: Untersuchungen über das Verhalten
von Gesamtstoffweehsel and Eiweissnmsatz bei Careinoai&tffsen. (D.
Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) In Jangdauernden Respira-
tionsversuchen wird das Verhalten der Wärmeproduktion nüchterner,
nicht fiebernder Carcinomatöser geprüft, ferner wird der Eiweissstoff¬
wechsel dieser Kranken nicht wie bisher* losgelöst, sondern im Rahmen
der Gesamtverbrennungen untersucht. Bei etwa 10 pCt. der Fälle von
Carcinom zeigte sich eine erhebliche Steigerung des Gesamtstoffwechsels.
Mit einer ausreichenden Ernährung liess sich in den Fällen, die eine
einwandfreie Untersuchung möglich machten, stets annähernd ein Stick-
stoffgleicbgewicht erzielen. Die nachgewiesene Steigerung des Stoffwechsels
bei Carcinom wird am besten im Sinne von Fr. Müller als eine toxische
Steigerung aufgefasst, wobei das Wort im weitesten und allgemeinsten
Sinne einer Alteration des Stoffwechsels durch das Geschwulstgewebe bzw.
dessen Produkte angewandt sei, die nicht nur den Eiweissstoffwechsel,
sondern auch, und wohl in erster Linie, den Gesamtstoffwechsel trifft.
P. v. Monakow-Münohen: Beitrag zur Kenntnis der Nephropathien.
3. Teil: Miscbformen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H, 1 u. 2.) Von
den Ergebnissen der ganzen Arbeit seien erwähnt: Es gibt Fälle von
schwerer Störung der NaCI-Ausscheidung bei gleichzeitig intakter N-Eli¬
mination. Bei diesen Fällen pflegen urämische Erscheinungen zu fehlen,
der Blutdruck ist niedrig, dagegen besteht Neigung zur Oedembildung.
Diesen Fällen hypochlorurischer Nephropathie entsprechen anatomisch
wahrscheinlich Veränderungen der gewundenen Harnkanälchen. Heilung
ist häufig. Bei chronischen Formen kommt es später durch den sekun¬
dären Ausfall vieler Giomeruli auch zu schlechter N-Ausscheidung: nach
früherer Bezeichnung sekundäre Schrumpfniere. Demgegenüber stehen
die Fälle von Störung der N-Ausscbeidung: hoher Blutdruck, chronische
urämische Beschwerden; anatomisch Erkrankung der Giomeruli. Verf.
nennt diese Form die hypazoturische Nephropathie. Akute Formen selten,
heilbar, meist chronische Erkrankungen, die früher der genuinen Schrumpf¬
niere zugezählt wurden, die sich entweder aus einer akuten Glomerulitis
entwickelt haben oder auf dem Boden einer chronischen Erkrankung der
Gelasse (namentlich der Glomerulusgefässe; Jores) entstanden sind. Neben
dieser eigentlich renalen Hypertonie gibt es Fälle mit hohem Blutdruck,
leichtester Albuminurie, sonst intakter Nierenfunktion. Ursache: peri¬
phere Gefässveränderungen (Sklerose der Arteriolen Jores). Ausser den
genannten reinen Formen gibt es sehr zahlreiche Mischformen. In bezug
auf die Ausscheidung der körperfremden Stoffe, Jod und Milchzucker,
konnten prinzipielle Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen
jron Nephropathien nicht gefunden werden. Deshalb hält Verf. das Ver¬
halten dieser Stoffe im Gegensatz zu Schlayer für ungeeignet zur
Beurteilung der Art und des Sitzes der Störung.
Schlayer-München: Bemerkungen zu der Arbeit v. Monakow’s,
Beitrag zur Kenntnis der Nephropathien. — v. Monakow, Erwiderung
zu obigen Bemerkungen. (D. Aroh. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.)
Lichtwitz und Stromeyer-Göttingen: Untersuchungen über die
Mereafanktion. L Die Funktion der Niere im Diabetes insipidns. (D.
"oh. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) Untersuchungen bei zwei
au Diabetes insipidus leidenden Männern, an einem Kranken mit einer
olyurie unklaren Ursprungs und an einer gesunden Person. Besondere
erucksichtigung des Einflusses, den die Hypophysenpräparate auf die
lerenfunktion ausüben. Bei Fall 1 und 2 hochgradige Schädigung der
onzentrierung des Chlorions. Die Niere war dagegen fähig, Stickstoff in
hohen Werten zu konzentrieren. Primäre Polydipsie war dera-
-* 1,er D icht die Ursache des Diabetes insipidus, sondern die Funktions-
K ^ er ^ ere Sinne einer Schädigung der Partialfuoktion der
chsalzkonzentrierung. Fall 3 zeigte keine Störung des Konzentrations-
i r . m ^ ens für NaCl und Harnstoff, war demnaoh nicht als Diabetes
8, pidus, sondern als primäre Polyurie (unklaren Ursprungs) aufzufassen.
W. Kaiser und J. Löwy-Prag: Ueber Schwankungen der 8erun-
konzentration bei Searlatiia. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116^
H. 1 u. 2.) Bei einer Reihe von Fällen von Scharlach ohne Komplikation
finden sich während des Krankheitsverlaufes keine nennenswerten Schwan¬
kungen des Brechuogsindex des Serums, während bei eiaer anderen Reihe
eine Erhöhung der Serumfraktion im Stadium der Schuppung vorhanden
ist. Bei dem Falle von Nephritis und Albuminurie war die Serum¬
konzentration vor dem Auftreten des Eiweisses im Harne erhöht. Prak¬
tische Bedeutung hat die Bestimmung der Serumfraktion bei Scharlach
wegen ihrer Schwankungen nicht.
Goebel-München: Protensmeniagitis and Proteassepsis bei einem
Neugeborenen nebst Bemerkungen über Proteus als Krankheitserreger
des Menschen. (D. Arcb. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 1 u. 2.) An dem
Falle (9 Tage alter Knabe) war bemerkenswert: das Vorkommen von
Bacterium Proteus als einzigem Erreger einer eitrigen Meningitis (nur
einmal sonst beschrieben) und der fieberlose Verlauf der Krankheit; der
im Leben erbrachte Nachweis der sonst nur postmortal bei tuberkulöser
Meningitis beschriebenen Mandelbaum’schen Endothelien; die auffallenden
Unterschiede zwischen Ventrikel- und Lumbalpunktat in Farbe, spezifi¬
schem Gewicht und Fibringehalt; der diagnostisch vielleicht verwertbare
charakteristische Proteusgeruch des Patienten. Zinn.
G. Singer: Aetiologisches in der Rheamatisainsfrage. (W.m.W.,
1914, Nr. 22.) Die akute Polyarthritis ist das Produkt der Iofektion
mit den verschiedenartigsten Erregern. Ihr Kernbild, der sogenannte
akute Gelenkrheumatismus, geht aus einer Infektion mit pyogenen Kokken,
speziell Streptokokken, hervor und gehört als Varietät zur grossen Krank¬
heitsfamilie der Pyämie. Eisner.
C. v. Pirquet-Wien: Graphische Analyse cntaner Reaktionen.
(M.m.W., 1914, Nr. 29.) Die Methode besteht in einer durch mehrere
Tage hindurch ausgeführten Registrierung der cutanen Effekte inbezug
auf Flächenausdehnung, Hyperämie und Exsudation, der Darstellung in
Kurvenblättern auf Grund eines unterlegten Schemas der zuerst pro¬
visorischen, dann definitiven Zusammenfassung in Kurvenbildern. Bei¬
spiel von cutaner Tuberkulinreaktion.
R. Schütz-Wiesbaden: Chronische Magen-Danndyspepsie, Colitis
gravis and Lebercirrhose. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Vortrag, gehalten
auf der ersten Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten,
Homburg, April 1914. Verf. weist auf den Zusammenhang der Magen-
Darmdyspepsie mit Colitis gravis hin. Er hat Fälle beobachtet, bei
denen dyspeptische Erscheinungen denen der Colitis vorangingen und
die zum Teil eine Zeit nach Abklingen der Colitis weiter bestanden.
Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
A. Gregor-Leipzig: Intelligenzantersaehangen mit der De-
finitionsmethode. (Mschr. f. Psych. u. Neurol., Juli 1914.) Gregor
hat grössere Reihenuntersuchungen mit einer neuen Methode unter¬
nommen, die im Gegensatz zu den meist gebräuchlichen Assoziations-
metboden und der nach Binet-Simon nur Definitionen verwendet. Er
kommt zu dem Schluss, dass man mit dieser Untersuchung intellektuelle
Defekte ermitteln und in ihrer Intensität bewerten kann, und dass sie
darüber hinaus Einblick in das individuelle Geistesleben und die be¬
sondere Art seiner krankhaften Störungen gewährt.
K. Togami - Kiushu (Japan): Lehre vom Stoffwechsel bei
Psychosen. (Mschr. f. Psych. u. Neurol., Juli 1914.) Die sehr genauen
und ausführlichen Untersuchungen des Verf. führen zu ziemlich dürftigen
Resultaten. Einerseits sind es ziemlich offen zutage tretende Dinge
(geringe Harnmenge bei Paralyse, Einfluss der Harnverhaltung auf die
katatone Psyche), andererseits sehr unscharfe und — vorläufig wenig¬
stens — kaum brauchbare Resultate, die er erhält (gelegentlich Störungen
der Zuckerassiroilation).
H. Hacke und F. H. Lewy - München: Klinik und Pathologie eines
atypischen Falles von Verschloss der Art. cerebelli post. inf. (Mschr.
f. Psych. u. Neurol., Juli 1914.) Bei einer 60jährigen Patientin mit
chronischer Mittelohreiterung trat Schwindel, Kopfschmerz, Nystagmus
auf, ferner Schmerzhaftigkeit der rechten Gesichtsseite und Tränen des
rechten Auges. Beim spontanen Zeigeversuch Abweichen des rechten
Armes nach rechts; Adiadokokinese, Ataxie rechts; abnorme Kopf-
einstellang, Romberg nach hinten, wechselnd nach links und rechts; Ver¬
kleinerung der rechten Lidspalte, Exophthalmus. Nach Freilegung des
Kleinhirns (erster Akt) Exitus. Die Sektion ergab hochgradige Hirn¬
arteriosklerose, besonders cerebellar, ferner ältere Erweichungen und
frische Blutungen im Kleinhirn, in der Oblongata nur geringfügige
Störungen. Io der Rinde hatte die Arteriosklerose zu ausgedehnten Ver¬
ödungsherden geführt. Im Kleinhirn bestand ein eigenartiger histologi¬
scher Prozess mit Auftreten massenhafter fucbsinophiler Granula.
E. Loewy - München.
Chirurgie.
G. Hotz - Freiburg i. B.: Daneranästhesie. (M.m.W., 1914, Nr. 29.)
Vortrag, gehalten in der Freiburger medizinischen Gesellschaft am
19. Juni 1914. Cf. Gesellsohaftsbericht der B.kl.W., 1914, Nr. 29, S. 1392.
R. Draohter-München: Die Gaamenspalte und deren operative
Behandlung. (M.m.W., 1914, Nr. 29.) Der operative Verschluss der
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UNIVERSUM OF IOWA
1566
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 33.
Hasenscharte bewirkt mechanisch eine Annäherung des Alveolarfortsatzes,
von dem aus die Ränder der Gaumenspalte in einem spitzen Winkel
auslaufen, deren Enden sich in einem bestimmten Stadium („Stadium
der optimalen Spaltbreite“) am Zäpfchen wieder nähern. In dieser Zeit
soll nach Yerf. operiert werden. Verf. bevorzugt die Langenbeck’sche
Methode. Dünner.
Haehner: Zur Luxatio elavicnlae retrosternalis. (D. Zschr. f.
Chir., Bd. 130, fl. 3 u. 4.) Mitteilung eines Falles, bei dem es im
sternoclavicularen Gelenk zu einer Luxatio retrosternal is claviculae ge¬
kommen war. Die Reposition gelang durch Zurückziehen der Schulter
ad maximum und Gegendruck vom Rücken zwischen den Schulter¬
blättern her. Die Entstehung erfolgt meist durch indirekte Gewalt.
Prognose günstig.
Schmitt: Zur operativen Behandlung der Talnslnxation.
(D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 3 u. 4.) Mitteilung eines Falles, der
nach blutiger Reposition mit tadellosem funktionellen Resultat ausheilte.
Wichtig ist, dass man sich bei dem operativen Vorgehen über den Zu¬
stand der Bänder vergewissert, dabei sind die Ligg. talocaicanea und
Lig. interosseum einer besonderen Revision zu unterwerfen, weil darin
die ernährenden Gefässe laufen. J. Becker.
W. S. Handley-London: Ein Fall von Cheilotomie. (Lancet,
11. Juli 1914, Nr. 4741.) Des Verfasser hat in einem ausführlich mit¬
geteilten Falle einer traumatischen Arthritis des Hüftgelenkes mit grossem
Erfolg lippenartige Knochenvorsprünge am Oberschenkelkopfe abge-
roeisselt. Wey de mann.
Schtnidseder: Ueber primäre Beckensarkome (mit einer Zusammen¬
stellung von 178 Beckensarkomfällen aus der Literatur und einem selbst
beobachteten Fall.) (D. Zschr. f. Chir , Bd. 130, H. 3—4.) Besprechung
der verschiedenen Arten der Sarkome, die am Becken Vorkommen können,
weiterhin Besprechung der in differential-diagnostischer Beziehung in
Betracht kommenden Tumoren. Oft Verwechslung mit Ischias durch
Druok des Tumors auf den Nerven. Radikalmittel ist die operative
Entfernung, Gutes leisten auch Röntgen- und Radiumbestrahlungen.
Literaturverzeichnis. Becker.
Br. Glaserfeld: Die Erfolge der operativen Behandlung des
Morbns Basedowii. (Grenzgebiete, Bd. 28, H. 1.) Preisgekrönte Arbeit
der Möbiusstiftung. Die gehaltreiche Arbeit kann in der gebotenen
Kürze nicht referiert werden.
Sh. Marnyama: Beitrag zur Kenntnis deä Pnlsionsdivertikels der
Speiseröhre. Mit 1 Abbildung. (Grenzgebiete, Bd. 28, fl. 1.) Mikro¬
skopische Untersuchung eines operativ gewonnenen Präparates ergab,
dass die Wandung des Divertikels nirgends quergestreifte Muskelfasern
enthält, mit Ausnahme des an die Oeffnung angrenzenden Abschnittes.
Das Divertikel kommt demnach durch Ausstülpung der Mucosa und
Submucosa zwischen den Fasern des Constrictor pharyngis inf. zustande.
Bei Entstehung des Divertikels spielen Verknöcherungsprozesse am Kehl¬
kopf eine Rolle insofern, als bei normalem Kehlkopf dessen Knorpel
dem Bissen, der in den Oesophagus gleitet, ausweichen kann; ist er
nicht mehr dazu fähig, so wird die Entstehung eines Divertikels an der
physiologisch engen Stelle des Oesophagus hinter dem Ringkorpel be¬
günstigt. Der mitgeteilte Fall war operiert und starb an einer Blutung
aus der Art. thyreoid. inf., die durch eitrige Prozesse im Wundbett
arrodiert war.
A. Wydler: Zur radikalen Behandlung der Bronehektasien. (Grenz¬
gebiete, Bd. 28, H. 1.) In einem Falle kongenitaler diffuser Bronch-
ektasie des linken Unterlappens wurde zunächst in 4 Sitzungen durch
ausgedehnte Rippenresektionen die linke Thoraxseite um 5—6 cm ein¬
geengt, ohne Erfolg. Als auch nach Ligatur der Art. pulmonalis keine
Besserung eintrat, wurde der linke untere Lungenlappen amputiert mit
dem Erfolg, dass der Patient nun seit 2 Jahren arbeitsfähig und bis
auf Absonderung massiger Mengen Sputums beschwerdefrei ist. Verf.
plaidiert für radikales Vorgehen (Abtraguug des erkrankten Lappens)
von Anfang an, ohne den Umweg über das ergebnislose Einengungs¬
verfahren zu machen. Theo Müller.
Alberts: Ein Beitrag zur operativen Behandlung der akuten
Magenblntnngen. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 3 u. 4.) Braun
unterband in mehreren Fällen blutender Ulcera die zuführenden Arterien
und kombinierte dies Verfahren mit einer Jejunostomie oder Gastro¬
enterostomie. Die Erfolge waren gute und fordern zur öfteren Nach¬
ahmung auf. J. Becker.
Faulhaber und E. Frbr. v. Redwitz: Zur Klinik und Behand¬
lung des „pyloruafernen“ Ulcus ventricnli. Mit 47 Abb. (Grenzgebiete,
Bd. 28, H. 1.) Die wertvollste Stütze für eine topische Diagnose ist das
Röntgenbild; alle anderen klinischen und anatomischen Ergebnisse sind
unsichere Merkmale. Periodizität der Schmerzen ist meist nachzuweisen,
doch ist sie ein Symptom aller chronischen tiefgreifenden Geschwüre
des Magens und Duodenums, sie kanD daher für die Lokalisation nicht
in Betracht kommen. Die von vielen Chirurgen als Operation der Wahl
anzusehende Gastroenterostomie kann Ausheilung eines pylorusfernen
Geschwürs und Ausbleiben gefährlicher Komplikationen, Perforation und
Blutung nicht garantieren. Vorzuziehen sind radikale Resektionsmetboden,
neben Billroth II besonders die Resektion des mittleren Magenteils. Diese
Methode gab bei 27 von 30 Fällen schon gute, zum Teil klinisch und
röntgenologisch genau nach untersuchte Resultate; nur 2 Todesfälle —
Nahtinsuffizienz und Ruptur einer Oesophagusvarix und ein Misserfolg —
Reoidiv — sind zu verseiohnen. Exzision und Keilresektion sind mög¬
lichst einzuschränken, bei letzterer kommt es leicht zu anatomischem
Sanduhrmagen. Die physiologisch richtigsten Verhältnisse schafft die
Resektion der Magenmitte; sind hohe Säurereste zu finden, so ist ein
genügend grosser Magenabschnitt nach Billroth II wegzunehmen.
W. Pfänner: Kasuistischer Beitrag zur Kenntnis der tuberkulösen
Pylorusstenosen (Grenzgebiete, Bd. 28, H. 1.) Die Wahrscheinlichkeit»-
diagnose auf tuberkulöses Ulcus konnte vor der Operation gestellt werden.
Der Pylorus wurde reseziort, der Magenstumpf nach Pölya versorgt,
der unsichere Duodenalstumpf durch Aufnähen des Pankreas und der
Gallenblase gedeckt. Das Präparat zeigte ein typisches tuberkulöses
Ulcus am Pylorus. Theo Müller.
ingebrigtsen: Unterbliebene Drehung des Colons, Coecum
mobile, Ileus. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130, H. 3 u. 4.) Bericht über
einen Sektionsfall, bei dem sich ein grosses Mesenterium fand, das Duo¬
denum, PaDkreas, Dünndarm und Colon umfasste. Es war ausserdem
eine Hyperplasie des ganzen Darmtractus mit dem Colon ascendens links
der Wirbelsäule vorhanden. Einzelheiten sind in dem Original nachzu¬
lesen. J. Becker.
T. Bärsony • Budapest: Beiträge zur Diagnostik des postopeia-
tiven jejunalen und Anastomosennlcns. (W.kl.W., 1914, Nr. 29.) Die
iDitialiälle von postoperativem Ulcus kann man zurzeit noch nicht dia¬
gnostizieren. Es dauert immer längere Zeit, bis die Diagnose „post¬
operatives Ulcus“ gestellt werden kann; dabei kann aber häufig noch
nicht festgestellt werden, ob es sich um ein jejunales oder Anastomosen-
ulcus handelt. Von praktischem Wert für die Differenzierung ist die
Tatsache, dass die typischen Jejunalulcera meist ohne begleitende Re-
tentionserscheinungen bestehen. P. Hirsch.
Al. Einer und E. Schwarzmann: Gastrische Krisea und Vago-
tomie. (Grenzgebiete, Bd. 28, H. 1.) Wenn bei gastrischen Krisen die
Schmerzleitung auf der Bahn des Vagus erfolgt, so kann die subdia-
phragmatisebe Resektion der Vagi die Krisen günstig beeinflussen, ja
sogar Heilung bringen, wie aus tabellarisch und kursorisch mitgeteilten
Krankengeschichten erhellt. Zur Indikationsstellung des genannten Ein¬
griffs ist die Anästhesierung der hinteren Wurzelregionen mit Novocain
nach Heile wichtig: Gelingt die Coupieruog eines Anfalls mit Leitungs¬
anästhesie, so ist lür den einzelnen Fall bewiesen, dass die Schmerzen
durch die Rami communicantes dem Rückenmark zufliessen, und eine
Operation am Vagus nicht am Platz ist, die Förster’sche hat Aussicht
auf Erfolg; versagt dagegen die Anästhesie, so sind die Schmerzen durch
das Vagusgebiet verursacht, und , die Vagotomie nach Einer tritt in
ihre Rechte. Die Erfolge der Operation sind dann dadurch zu erklären,
dass in den Reflexbogen, der zur Entstehung der gastrischen Krisen
nötig ist, auch der Vagus eingeschaltet ist, und die Unterbrechung der
Leitung auch,an dieser Stelle helfen kann. Theo Müller.
Rost: Experimente! le Untersuchungen über eitrige Parotitis. (D. Zschr.
f. Chir-, Bd. 130, H. 3—4.) Die Ansichten, ot> die Parotitis aszendierend
oder auf hämatogenem Wege entsteht, sind geteilt. Verf. suchte dies
klarzulegen dadurch, dass er vom Ausführungsgang aus oder von der
Arterie aus die Parotis infizierte. Seine Resultate gipfeln darin, dass
bei hämatogener Infektion der Parotis stets primär eine eitrige Entzün¬
dung in den Ausführungsgängen war, und dass dabei ein Unterschied
gegenüber dem anatomischen Bilde einer aszendierenden Parotitis nicht
bestand.
Wagner: Ileas durch Gallensteine. (D. Zschr. f. Chir., Bd. 130,
H. 3 u. 4.) Dieser Ileus befällt hauptsächlich Frauen im höheren Alter.
Ueber eine gewisse Wahracbeinlicbkeitsdiagnose kommt man dabei nicht
hinaus. Sitz des Verschlusses ist meist das untere Ileum. Das Krank-
heitsbild ist durch relative Häufigkeit gekennzeichnet und durch den
Wechsel von intensiver Peristaltik mit Aufstossen und Erbrechen faku-
lenter Massen. Die Therapie ist eine operative. Literaturverzeichnis.
Troell: Zur Kenntnis der anormalen Appendixlagen. (D. Zschr.
f. Chir., Bd. 130, H. 3 u. 4.) Mitteilung dreier Fälle, in denen der
Appendix in der Lebergegend lag. Verf. führt diesen Zustand auf die
lötale Entwicklung zurück, indem die normalen Drehungen der Darm¬
sohlingen und das Herabsteigen des Blinddarms in die Fossa iliaca Aus¬
bleiben. J. Becker.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
Adam-Berlin: Ueber Augenveräuderungen bei Schwangerschaft
and Gebart. (Mscbr. f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) Da die Retinitis
albuminurica häufiger bei chronischen als bei akuten Nephritiden vor¬
kommt, findet sie sich bei Schwaogerscbaftsniere nicht sehr häufig. Bei
reichlichem Albumengehalt kommt zur Verhütung ihres Auftretens die
Unterbrechung der Schwangerschaft in Betracht. Ist sie erst vorhanden,
so bedeutet ein Hinausschieben der Geburt, falls es im Interesse des
Kindes erwünscht scheint, keine bedeutende Verschlechterung der Pro¬
gnose in bezug auf die spätere Funktion des Auges. Häufig ist sie mit
einer Netzhautablösung verbunden, die aber eine bessere Prognose gibt
als diejenige auf anderer Basis. Die Sehstörungen bei Eklampsie sind
meist cerebraler Natur. Ohjektive Veränderungen lassen sich meist
nicht nach weisen. Ihre Prognose ist daher eine bessere.
0. Bondy - Breslau: Zur Lehre von der Hyperemesis gravidaran.
(Mschr. f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) Ein Fall von schwerem Schwanger¬
schaftserbrechen wurde durch 2 malige intramuskuläre Injektion von
je 10 ccm normalem Schwangerenserum geheilt. Dieser Erfolg spricht
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UNIVERSITY OF IOWA
17. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
1557
für die Annahme einer Intoxikation als ätiologischer Faktor. In bezug
auf die Indikationsstellung zur Unterbrechung der Schwangerschaft haben
sich die verschiedenen, einzeln angegebenen Indikationen (dauernder
schneller Puls, verminderte Urinausscheidung, vermehrte Ammoniak¬
bildung usw.) nicht als eindeutig erwiesen. Immerhin darf man bei
einer Häufung derartiger Anzeichen nicht zu lange warten, da man sonst
mit der Unterbrechung zu spät kommen kann, wie durch einen Fall
illustriert wird, in dem sich der Exitus nicht mehr aufhalten Hess.
M. Malinowsky - Kasan: Tokodynamometrisehe Unters ach nagen
über die Wirkung des Pituitrins anf die (Jternskontraktionen unter
der Geburt. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 40, H. 1.) Die Untersuchungen
wurden mit einem dem Sohatz’schen Tokodynamometer nachgebildeten
Apparat angestellt und ergaben folgendes: Am meisten ausgesprochen
sind die Sturmwehen dort, wo das Pitutrin in frühen Stadien der Er-
öffnungsperiode zur Anwendung gekommen ist. Die mittlere Dauer
solcher an Tetanus erinnernden Uteruskontraktionen beträgt ungefähr
10—15 Minuten. Irgendwelche unangenehme Folgen scheinen die
Stumwehen nicht zu haben, ebensowenig für die Mutter wie für das
Kind. Eine Pituitrindose von 1 ccm ist für einen therapeutischen Effekt
vollkommen ausreichend. Fraktionierte Dosen haben eine schwächere
Wirkung. Die maximale Einzeldose, welche Verf. mit gutem Erfolg an¬
wandte, betrug 1,5 ccm. Wiederholungsgaben von Pituitrin geben immer
einen Effekt. Die Wirkung beginnt 2—10 Minuten, ira Durchschnitt
5,8 Minuten nach der Injektion. Die mittlere Wirkungsdauer einer
Pitutrindose von 1 ccm beträgt ungefähr eine Stunde. In 3 Fällen
unter 60 hatte das Mittel gar keine Wirkung; in 4 anderen Fällen hatte
es keinen merkbaren Einfluss auf den Fortschritt der Geburt.
T. Hausmann - Berlin: Ergebnisse der methodischen Palpation
der Ileecoecalgegend mit besonderer Berücksichtigung der ektopischen
Eileiter. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) Die vom Verf. schon
früher vielfach beschriebene Methode gestattet, wie durch instruktive
Fälle erläutert wird, in diagnostisch schwierigen Fällen eine Unter¬
scheidung der Appendicitis von Erkrankungen der oberen Harnwege
einerseits, der Geschlechtsorgane andererseits. Die Schmerzhaftigkeit des
Mao-Burney’schen Punktes ist nicht eine solche der Appendix, sondern
des Musculus psoas, kann durch alle drei Arten von Erkrankung hervor¬
gerufen werden und genügt also nicht zur Diagnose.
F. Heinemann - Breslau: Wert der Antitrypsinbestimmnng in
der Gynäkologie und Geburtshilfe. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.)
Uoter 50 Fällen von Gravidität stimmte klinischer Befund und Reaktion
nur 3 mal nicht überein. Die Erhöhung des antitryptischen Titers kann
also als unterstützendes diagnostisches Moment zur Erkennung der
Schwangerschaft gebraucht werden. Auch bei Carcinom waren die
Resultate leidlich güostig. Für die allgemeine Praxis kann sich die
Methode nicht einbürgern, da zu viel Einschränkungen gemacht werden
müssen, um die Diagnose sioherstellen zu können.
E. Brattström - Lund: Ein Fall von viereiigen Vierlingen nebst
einigen Beobachtungen betreffs der Vierlingsgeburten im allgemeinen.
(Mschr. f. Geburtsh., Bd. 40, H. 1.) Von den vier Kindern war eins
maceriert, die drei anderen wurden lebend aus der Klinik entlassen,
doch starb eins nach 5 Wochen. Das Gesamtgewicht der Kinder betrug
1227 g, das der Placenteu 1900 g. Da sehr viel Fruchtwasser vor¬
handen war, so dürfte das Totalgewicht, vod dem die Mutter durch die
Geburt befreit wurde, 18 kg betragen haben. Entsprechend hatte vorher
erhebliche Atemnot bestanden. In Schweden betrug in den letzten
160 Jahren die Häufigkeit der Vierlingsgeburten 1 : 236 034, eine hohe
Zahl. Statistiken anderer Länder gehen bis auf 1 *.750 000.
J. Fabricius - Wien: Ueber ein primäres Carcinom der Bartho-
lili’schei Drüse. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 40, H. 1.)
0. Nebesky - Innsbruck: Beitrag zur Kenntnis der Chorio&ngiome.
(Mschr. f. Geburtsh., Bd. 40, H. 1.) Zu den in der Literatur bisher
beschriebenen 88 Fällen fügt Verf. einen selbst beobachteten hinzu.
Die mikroskopische Uutersuohung ergibt, dass es sich bei dem faust¬
grossen Tumor um ein wirkliches Angiom handelte, dass also die An¬
sicht von Gräfenberg, diese Tumoren seien durch regressive Prozesse be¬
dingt, nicht zutreffe. Für die Mutter haben diese Geschwülste keinerlei
Bedeutung; dagegen wird die Prognose für das Kind in hohem Grade
ungünstig beeinflusst.
S. A. Kriwsky - St. Petersburg: Ueber die chirurgische Behandlung
der entzündlichen Adnexerkranknngen. (Mschr. f. Geburtsh., Bd. 39,
H. 6.) Bei 3683 klinisch beobachteten Adnexerkrankungen wurde bei
252 eine vaginale Inzision eines Abscesses gemacht, 88 Operationen an
den Adnexen selbst, und zwar fast ausschliesslich auf abdominalem
Wege; war Eiter zu erwarten, wurde der Längsschnitt gewählt, sonst
der Querschnitt. Von 19 wegen eitriger Adnexerkrankungen operierten
Frauen starb eine, von 17 bei schon bestehender Peritonitis operierten 6;
▼on 51 nicht eitrigen Fällen starb eine. Es wurde stets versucht, einen
Rest des Eierstockes zu erhalten.
H. Cramer - Bonn: Das Terpentinöl in der Prophylaxe und
Behandlung puerperaler nnd gynäkologischer Infektionen. (Mschr.
f. Geburtsh., Bd. 39, H. 6.) Das Terpentinöl hat eine starke des¬
infizierende und entwicklungshemmende Kraft, die tagelang aohält. Es
setzt keinen Aetzschorf und bewirkt eine starke Leukocytose. Aus
diesen Gründen hat Cr. es bei jauchiger Endometritis post part. et
äbort. und auch nach der Ausräumung fieberhafter Aborte in der Weise
angewandt, dass der Uterus gründlich entleert, trocken gewisoht und
dann mit einem Wattebausch, der mit Terpentinöl getränkt ist, aus¬
gewischt wird. Die ausgezeichneten Erfolge werden durch kurze Kranken¬
geschichten und Kurven illustriert. Besonders empfiehlt es sich auch,
wenn man ausnahmsweise bei Placenta praevia gezwungen ist, die
Scheide zu tamponieren, den Tampon mit Terpentinöl zu tränken, um
so Zersetzung zu verhüten. L. Zuntz.
Augenheilkunde.
Bonnefon und Lacoste*. Experimentelle Untersuchungen über
die Transplantation der Hornhaut. (Compt. rend. de Pacad. des
Sciences, 1914, Nr. 26, p. 2017.) Es wurden auto- und heteroplastische
Transplantationen von Cornea beim Kaninohen ausgeführt. Bei der
Autotransplantation wurde ein Stück fortgenommen und auf das andere
Auge gesetzt, bei dem künstlich ein gleich grosser Defekt geschaffen
war. Die Heterotransplantation fand vom Meerschweinchen oder Huhn
auf das Kaninchen statt. Das Transplantat heilt bei beiden Arten
nicht ohne weiteres als solches ein, sondern wird grösstenteils durch
ein Regenerationsgewebe ersetzt, das vom Wirt stammt.
L. Valentin.
Technik.
0. Berneker- Berlin: Eine neue Vorrichtung zur Vereisung
kleinerer eircnmseripter Hanthezirke mit Aetbylchlorid. (M.m.W.,
1914, Nr. 29.) Mit Hilfe eines Trichters. Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner mikrobiologische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 9. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Löffler.
Schriftführer: Herr Friedberger.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Küster:
Eine Capillardesinfektionsmethode znr Entkeimung von Milch,
Wasser u. dgl.
Vortr. macht Mitteilung über eine von ihm ausgearbeitete Capillar-
methode zur Entkeimung, Entgiftung und Haltbarmachung von Flüssig¬
keiten. Sie beruht darauf, dass die betreffende Flüssigkeit allein oder
unter Beimengung von verschiedenen Zusätzen unter Druck bzw. mittels
Saugkraft durch eine feine Capillarröhre durcbgetrieben wird. Die
Capillarröhre wird durch Einlegen in ein Wasserbad o. dgl. auf einen
bestimmten Wärmegrad gebracht. Durch Variieren von Capillarlänge,
-weite, von Druck und Wärmezufuhr ist man imstande, die Einwirkung,
welcher die Flüssigkeit während ihres Durchlaufs durch das Capillarrohr
ausgesetzt ist, so zu regulieren, dass z. B. nur für Bruchteile einer
Sekunde eine Erwärmung auf eine bestimmte beliebige Temperatur statt¬
findet. Dies ermöglicht auf die schonendste Weise eine Sterilisierung
durchzuführen, indem man Temperaturböhe und -Einwirkungsdauer so
wählt, dass eben die in Betracht kommenden Keime mit Sicherheit ver¬
nichtet werden. Unerwünschte und unter gewissen Verhältnissen, wie
etwa bei der Milchpasteurisierung, schädliche Nebenumsetzungen der
Flüssigkeit können so am vollkommensten vermieden werden. Patho¬
gene Spaltpilze bedürfen zu ihrer Abtötung, wie die Versuche mit der
Capülarmethode ergaben, einer wesentlich kürzeren Einwirkung auch
niederer Wärmegrade als nach der allgemeinen Anschauung und nach
den Angaben der bakteriologischen Lehrbücher bisher angenommen
wurde. So starben z. B. Typhus-, Coli-, Gärtnerbacillen in Milch schon
bei 0,3 Sekunden langer Erwärmung auf 75° C. Die grosse Desinfektions¬
wirkung in der Capillarröhre ist mit der grössten Wahrscheinlichkeit
auf den Umstand zurückzuführen, dass die Flüssigkeiten in feinster
Schicht erwärmt werden und kein Teilchen sich der Einwirkung ent¬
ziehen kann. Die biologischen Reaktionen der Milch: der Enzymgehalt,
das AufrahmungsverraÖgen, die Gerinnbarkeit bleiben, soweit sich bis¬
her übersehen lässt, weitgehend erhalten. Die Versuche sind noch nicht
abgeschlossen, doch lässt sich aus den bisherigen vorzüglichen Resultaten
mit ziemlicher Sicherheit Voraussagen, dass die Capillardesinfektion eine
grosse praktische Anwendung finden kann. Insbesondere sei darauf hin-
gewiesen, dass dieselbe auch zur Trmkwasserbereitung in den Fällen, wo
jetzt der Berkefeldfilter am Platz ist oder bei richtiger Wahl des
Capillarmaterials zur elektrischen und Strahlenbehandlung von Flüssig¬
keiten sich als brauchbar erweisen dürfte.
Diskussion.
Hr. Löffler fragt, ob die Staphylokokken unter den vom Vortr.
gewählten Bedingungen gleichfalls absterben, was doch für die Kinder¬
milch von erheblicher Bedeutung ist.
Hr. Hey mann bittet den Herrn Vortr. um Auskunft, wieviel Zeit
grössere Flüssigkeitsmengen, wie etwa 10 Liter .Milch, zur Passage
durch den Capillardesinfektionsapparat beanspruchen.
Hr. Küster (Schlusswort): Staphylokokken werden bei 0,3 Sekunden
Durchlaufszeit und Erwärmung auf 73—75° nicht getötet, ihre Erhaltung
wird bei der Milchpasteurisierung auch gewünscht, weil eine solche Milch
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UNIVERSUM OF IOWA
1558
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 33.
sicherer eine normale Säuorung eiogeht. Bei der Kindermilcbgerinnung
könnte man zu ihrer Abtötung leicht mit Temperatur und Durchlaufs¬
zeit in die Höbe gehen, um auch die Kokken zu vernichten, musste aber
dann eine stärkere Veränderung der Milchenzyme in Kauf nehmen.
Die hier demonstrierte Capillare leistet 4 Liter pro Stunde; die
Ergiebigkeit des Apparates lässt sich durch Vermehrung der Capillar-
zahl oder durch Erhöhung des Drucks und entsprechende Einstellung
von Länge und Temperatur beliebig steigern.
Tagesordnung.
1. Hr. H. Ziemans:
Ueber eigenartige (eventuell neue?) Malariaparasitenfomen.
Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Forscher unterscheidet be¬
kanntlich Tertian-, Quartan- und Perniciosaparasiten. Die letzteren
werden von einigen in maligne Tertian- und Quotidianparasiten, die
QuotidiaDparasiten ihrerseits von Mannaberg und Manson in pigmen¬
tierte und unpigmentierte eingeteilt, was ich nicht anerkennen kann.
Dagegen trenne ich die Perniciosaparasiten in Laverania malariae (Syno¬
nym Plasmodium praecox bzw. falciparum, die Parasiten der Perniciosa
in Italien und den meisten Tropen- und subtropischen Gegenden, und
Plasmodium perniciosum). Mit letzterem Namen bezeichne ich die
speziell an der westafrikanischen Küste vorkommenden Formen, da sie
sich morphologisch von den ersteren durch die Bildung von weniger
und weniger klumpigem Pigment, durch frühzeitigeres Verschwinden aus
dem peripherem Blute nach Erreichen der Siegelringformen, durch das
Fehlen der Messingfarbe der infizierten roten Blutkörper und seltenere
Neigung zu Halbmondbildung unterscheiden. Kommt es zur Bildung der
letzteren, sind sie auch kleiner und plumper als speziell die in Italien
zu beobachtenden Parasiten, die sich gelegentlich in Kamerun durch
besonderen Chromatinreichtum auszeichneten, möchte ich zunächst als
Spielarten bezeichnen. Später hat auch Mine in Formosa von dem ge¬
wöhnlichen Perniciosaparasiten Formen abgeteilt, die in gewisser Be¬
ziehung an mein Plasmodium perniciosum erinnern.
In dem III. Report of the Welcome Research Labora¬
tories in Khartoum wurden nun 1908 Formen abgebildet, die
vollkommen den Parasiten glichen, wie sie kürzlich Stephens
offenbar in Unkenntnis der vorigen Parasiten als „Plasmodium tenue“,
nova species aus Iadien beschrieben hat. Dieselben zeigten ausser¬
ordentlich starke amöboide Beweglichkeit, schwache Entwicklung des
Protoplasmas, welches spinnwebenartige Zeichnung aufwies und eine im
Verhältnis zum Volumen des Parasiten besonders starke Entwicklung
des Chromatins. Da aber weitere Angaben über Scbizogonie und
Gametenbiidung bei diesen Formen noch fehlten, kann ich die Namens¬
gebung von Stephens (Plasmodium tenue) für die Khartoumer und
indischen Parasiten noch nicht anerkennen und schlage daher als vor¬
läufigen Namen zur Bezeichnung der Formen, und da die eigenartigen
Khartoumer Parasiten eher abgebildet sind als das „Plasmodium tenue“,
den Namen „Plasmodium Kbartoumense“ vor.
Kürzlich beschrieb ferner Ahmed Emin im Bulletin de la sociötö
de pathologie exotique eigenartige Parasitenformen, die er auf der Insel
Camar&n im Roten Meer fand und als „Plasmodium vivax, varietas
minuta“ bezeichnete. Diese Formen sollten sich im Jugendstadium
sehr den Perniciosaparasiten, im erwachsenen Stadium mehr den Tertian-
parasiten nähern. In Präparaten, die mir von Marchoux gesandt
wurden, konnte ich die Befunde von Emin zum Teil bestätigen
und in einigen Punkten ergänzen. Das Chromatin zeigte sich im
allgemeinen schon im Jugendstadiura stark entwickelt. Häufig waren
Absplitterungen von Cbromatinteilchen bzw. Teilungen des Chro¬
matins in zwei bis drei Teilstücke. Während der Kernteilung
konnte es zuweilen auch zu feinster Auflockerung des Chromatins kommen.
Kernteilung tritt meist schon ein, wenn der Parasit V *— l U Grosse des
roten Blutkörpers erreicht hat. Im Jugendstadium zeigen die Parasiten
deutliche Ringform, wie auch die Perniciosaparasiten. Später können
auch schleifenförmige Fortsätze von dem Plasmaleibe ausgeben. Die
Blaufärbung des Plasmaleibes ist sehr zart und oft recht ungleichmässig
verteilt, nach Eintritt der Kernteilung oft schwer oder gar nicht nacb-
zuweisen. Die maximale Grösse der Schizonten entsprach a /s bis 4 /s
eines roten Blutkörpers. Mehrfach war drei-, einmal auch vierfache In¬
fektion der roten Blutkörper, was bei Tertianaparasiten äusserst selten,
bei Quartanaparasiten wohl nie vorkommt. Die Zahl der Merozoiten be¬
trug 6—12, wie schon Emin angegeben. Vielfach waren Parasiten mit
Kernteilung (Sporulation) in den Gesichtsfeldern, so dass also wie bei
gewöhnlichen Tertian- und Quartan Parasiten die Kernteilung schon im
peripheren Blute vorkommt. Das Pigment war im Jugendstadium ausser¬
ordentlich feinkörnig, bräunlich, fast staubförmig, jedenfalls erheblich
zarter als beim Quartanparasiten, um erst im erwachsenen Stadium
dunkelbräunliche, mehr körnige Beschaffenheit zu gewinnen. Schüffner¬
sehe Tüpfelung habe ich, im Gegensatz zu Emin, nicht gesehen. Die
infizierten roten Blutkörper waren nicht aufgebläht, nicht abge¬
blasst wie beim Tertianpar&siten, die Gameten waren nicht halb¬
mondförmig, sondern rund. Auch Jugendstadien der Gameten
kamen vor, aber seltener als erwachsene. Die maximale Grösse betrug
2 Ja bis Vs der roten Blutkörper. Die Gameten waren deutlich von den
Sobizonten zu trennen, schon wegen der anderen Färbung des Plasma¬
leibes (bei den weiblichen Formen mehr dunkelblau, bei den männlichen
mehr ein zartes, fast hyalin erscheinendes Himmelblau) und wegen Nicht¬
teilung des Chromatins. Das Pigment der Gameten war mehr stäbchen¬
förmig und zeigte grünlichen Farbenton. Der Parasit ist demnach zu
trennen vom Tertianparasiten durch Fehlen der Aufblähung und Ab¬
blassung der roten Blutkörper, durch Fehlen der Schüffner’schen
TüpfeluDg, geringere Zahl der Merozoiten und frühzeitige Kernteilung
im peripheren Blute. Gegen Quartana spricht das sehr frühzeitige Ein¬
treten der Cbromatinteilung, das Fehlen der bei Quartana so ausser¬
ordentlich charakteristischen Bandformen und das feinere, bräunliche
Pigment, speziell in jugend- und halberwachsenen Stadien, gegen Perniciosa
das Auftreten eines feinkörnigen, dunkelbräunlichen statt klumpigen
schwarzen Pigments, Einsetzen der Kernteilung schon im peripheren
Blute, Auftreten sämtlicher Entwicklungsstadien der Gameten im peripheren
Blute, völliges Fehlen der Halbmondformen. Gegen eine Mischinfektion
junger Perniciosa- und älterer Quartanparasiten spricht der Umstand,
dass zwischen den jüngsten und älteren Entwicklungsstufen alle mög¬
lichen Uebergänge schon im peripheren Blute Vorkommen, die sich eben
scharf von den Perniciosa- und Quartanparasiten unterscheiden. Ohne
Zusammenfassung aller dieser Momente war es nicht leicht, eine genaue
Differentialdiagnose gegenüber Tertiao-, Quartan- bzw. Perniciosapara¬
siten vorzunebmen. Den Namen „Plasmodium vivax, varietas minuta“
lehne ich aus den obenerwähnten Gründen ab und schlage als vorläufige
Bezeichnung den Namen „Plasmodium camaranenae“ vor.
Weitere Untersuchungen müssen lehreD, ob es sich bei denKbartoumer-
(Stephens’ plasmodium tenue) und Camaranparasiten wirklich um neue
Arten handelt.
Diskussion.
Hr. Löffler fragt an, ob bereits Untersuchungen über die Entwick¬
lung der Parasiten in der Mücke vorliegen.
Hr. Plehn: Die Ausführungen des Herrn Ziemann haben mich
von der Artkonstanz der verschiedenen Plasmodienformen nicht über¬
zeugen können. Ich bitte um die Erlaubnis, Ihnen einige seinerzeit für
die Dresdener Hygieneausstellung hergestellte Tafeln das nächste Mal
demonstrieren zu dürfen; Sie werden daraus ersehen, welche Variationen
sogar in demselben Präparat Vorkommen. Man darf doch nicht ver¬
gessen, dass die grösseren, plasmareioben Parasitenformen während der
vegetativen Periode ihrer Entwicklung eine lebhafte Beweglichkeit be¬
sitzen und es deshalb vom Zufall abhängt, in welcher Form sie fixiert
werden. Auch die sogenannte Bandform ist keineswegs so charakteristisch
für Quartana wie manche glauben. Sie kommt bei anderen Fiebertypen
auch vor. Ueberhaupt können wir die ktinisohe Beobachtung für die
Parasiteneinteilung noch nicht entbehren, so wenig die Fieber/orm oft
von bestimmten Parasitenformen abhängig ist.
Die Intensität der Plasmafärbung als ein Moment für die Parasiten¬
unterscheidung zu verwerten, halte ich, namentlich wenn man nach
Romanowski färbf (was sicher am besten ist), für sehr heikel.
Demonstrieren muss ich gegen den Ausdruck „Züchtung“. Es
ist doch noch keine „Züchtung“, wenn man die Entwicklung eines Para¬
siten im künstlichen Medium bis zur Teilung — oder eben darüber hin¬
aus verfolgt und ihn dann absterben sieht. Weiter ist bis jetzt nichts
gelungen, soviel ich weiss, und dies hat mein Bruder in seinen „Malaria¬
studien“ schon 1889 mit feineren Methoden geleistet.
Hr. Rodenwald fragt an, ob über den klinischen Verlauf der Fälle
etwas bekannt ist und mit welcher Technik die Präparate hergestellt
sind. Er betont die grosse Aehnlicbkeit der beschriebenen Parasiten¬
formen mit Quartanparasiten, für welohe die Bandform keineswegs immer,
ja nicht einmal für die Mehrzahl der Fälle zum regelmässigen Befund
gehöre.
Zur Neuaufstellung einer neuen Spezies der Malariaparasiten be¬
dürfe es der Anwendung der modernsten Methode der Protozoentechnik,
vor allem der feuchten Fixierung.
Die Nomenklatur der Malariaparasiten bedarf besonders bezüglich
des Tropicaparasiten dringend einer Klärung.
Hr. Ziemann (Schlusswort): Den Herren Plehn und Rodenwaldt
möchte ich erwidern, dass ich selbstverständlich, nachdem ich viele
Tausende von Malariaparasitenpräparaten aus den verschiedensten Ländern
gesehen, mir ganz von selbst strengste Kritik bei Beurteilung dieser
Parasiten auferlegte. loh kann nur wiederholen, dass, wie ja auch
Tertian-, Quartan- und Perniciosaparasiten in manchen Entwicklungs¬
stadien oft einander sehr ähnlich sein können, natürlich auch diese
neuen Formen Anknüpfungspunkte an schon bekannten darbieten. Dass
speziell Perniciosa-, Quartana- und Tertianaringe, ferner Perniciosa- und
Quartanaschizonten während der Kernteilung manche Vergleichspunkte
bieten, ist ja längst bekannt. Es kommt eben auf die Zusammen¬
fassung aller differentialdiagnostischen Momente an, die die Camaran¬
parasiten vom Tertian-, Quartan- und Perniciosaparasiten unterscheiden.
Gewiss können auch in Präparaten von gewöhnlicher Tertiana, Quartana
und Pernioiosa vereinzelt mal eigenartige Formen auftreten, die gewisser-
maassen aus dem Rahmen fallen. Das sind aber Ausnahmen. Wir haben
jedoch nur den grossen Durchschnitt der Parasiten unserer Beurteilung
zugrunde zu legen. Wenn nun alle die in den Gesichtsfeldern meist
sehr zahlreichen Parasiten stets die von mir geschilderten Charaktere
aufweisen, so spricht das eben für eine besondere Varietät, vielleicht
sogar Art. Es ist nooh zu bemerken, dass an einer fehlerhaften Technik
die eigenartige Zeichnung und Beschaffenheit der Parasiten nicht gelegen
haben kann, da jede Spur von Deformation der roten Blutkörper, die
infolge des Ausstriches hätte entstehen müssen, fehlte. Junge Quartan-
parasiten, die derartige amöboide Ausläufer zeigen, gibt es einfach nicht,
wie ja überhaupt die amöboide Beweglichkeit des Quartanparasiten
ausserordentlich gering ist. Herrn Plehn speziell erwidere ich, dass
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UMIVERSITY OF IOWA
17. Aiigast 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1659
ich bei all den vielen Präparaten, die ioh bei aus den Tropen Heim¬
kehrenden zu sehen Gelegenheit hatte, nie Unterschiede gegenüber den
in den Tropen beobachteten gefunden habe. Das einzige, was auffallend
bei afrikanischer Perniciosa ist, wäre, dass in Europa häufiger Halbmonde
auftreten. Die Parasiten selber aber verhalten sich morphologisch
absolut identisch und behalten ihre Arteigentümlichkeiten
bei. Mit dem von mir im Vortrag angewandten Ausdruck: „Kultur der
Malariaparasiten“ habe ich absolut nicht diese sogenannte Kultur mit
der von Bakterien auf eine Stufe stellen wollen. Ich habe mich in der
Beziehung bereits deutlich in zwei Arbeiten im Archiv für Schiffs- und
Tropenhygiene 1913 und 1914 ausgelassen und kann auf diese verweisen.
Jedenfalls hat diese künstliche Weiterentwicklung, die es gestattete,
zwei bis drei Generationen des Parasiten in vitro zu erzeugen, sehr wohl
interessante Resultate ergeben und einen weiteren Beweis für die Art¬
verschiedenheit der Malariaparasiten erbracht. Die von Herrn Plehn
citierte Beobachtung seines verstorbenen Bruders, Friedrich Plehn,
über angebliche Weiterzüchtung des Malariaparasiten kann ich nicht an¬
erkennen. Hr. Plehn drückt sich in seiner Notiz darüber sehr kurz
und unbestimmt aus, unterstützt auch seine damaligen angeblichen Be¬
funde nicht durch nähere Abbildungen und ist auch später meines
Wissens niemals wieder darauf zurückgekommen. Auch andere Forscher
haben keine Bestätigung dieser Befunde erbracht. Dieselben kommen
also für uns hier gar nicht in Frage.
Herrn Bodenwald erwidere ich noch, dass klinisch über die
Malariafälle auf der Insel Camaran nichts Näheres mitgeteilt ist. Emin
schreibt nur, dass es sich um „schwere Fälle“ gehandelt hätte; er ent¬
schuldigt den Mangel weiterer Bearbeitung dieser Fälle mit ausserordent¬
licher Belastung (40—60 000 Pilger).
Was die Nomenklatur anbelangt, so muss man Herrn Rodenwald
recht geben, dass da eine Aenderung wünschenswert wäre. Die Ameri¬
kaner und Engländer sprechen beim Perniciosaparasiten von „Plasmodium
falciparum“, die Italiener vom „Plasmodium praecox“, ein Name, der
allerdings ja schon vergeben ist, andere wieder von Laverania malariae.
Es wäre wünschenswert, dass bei einem internationalen medizinischen
Kongress in der tropenmedizinischen Abteilung einmal eine definitive
Einigung der Namensgebung betreffs des gewöhnlichen Perniciosaparasiten
erzielt würde. Im übrigen stehe ich Herrn Rodenwald gegenüber auf
dem Standpunkt, dass es für neue, interessante Formen durchaus
wünschenswert ist, vorläufig Namen zu finden, um eine Eingruppierung
der verschiedenen Formen zu erleichtern. Stellt sich der Name als un¬
richtig heraus, muss er eben wieder verschwinden. Aus diesem Grunde
beharre ich zunächst auf dem Namen „Plasmodium perniciosum“, da er
andere Formen bezeichnet als die gewöhnlichen.
Im übrigen erinnere ich noch einmal daran, . dass ich am Schlüsse
klar und deutlich gesagt habe, dass noch weitere Untersuchungen über
die Khartoum-, indischen und Gameranparasitenformen notwendig sind.
2. Hr. Blnmenthal Anaphylaxie und intraeutane Injektion.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Friedberger: In den Tabellen des Herrn Blumenthal fallt der
geringe Grad der erzielten Antianapbylaxie auf. Es dürfte das vielleicht
daran liegen, dass das zur Antianaphylaktisierung subcutan gespritzte
Antigen zur Zeit der Prüfung (24 Stunden) noch nicht völlig resorbiert
ist Vielleicht wären die Ausschläge später deutlicher geworden. Im
übrigen zeigen die Tabellen deutlich, dass die Antianaphylaxie, die mit
dem homologen Antigen erzeugt wird, stärker ist als die unspezifische
Resistenz durch ein heterogenetisches Antigen; das stimmt mit den
früheren Befunden von Friedberger und seinen Mitarbeitern überein.
Das gleiche ergibt sich auch, wie ich bereits in der vorigen Sitzung be¬
tont habe, aus den Versuchsprotokollen Bessau’s, wenn dieser Autor
selbst auoh auffallenderweise aus ihnen nicht den gleichen Schluss
zieht.
3. HHr. Friedberger und Bassani:
Kme NotU über vergleichende Wirkung einiger Desinfektionsmittel.
Im Anschluss an Untersuchungen über die Einwirkung von drei-
und fünfwertigen anorganischen Arsenverbindungen auf den höheren
Organismus sowie auf Hefezellen, die in unserem Institut von Herrn
Dr. Joachimoglu angestellt worden sind, haben wir den Einfluss drei-
und fünfwertiger Arsensalze auf Bakterien vergleichend untersucht.
Dabei wurden Lösungen mit gleichem Arsengebalt angewandt. Es ergibt
«ich, dass das dreiwertige Arsen ebenso wie auf höhere Organismen auch
auf die Bakterien bedeutend intensiver einwirkt als das fünfwertige.
Das gleiche ist der Fall bei drei- bzw. fünfwertigen Antimonverbindungen.
Eine derartige Abhängigkeit der desinfizierenden Kraft, nicht von ab¬
soluten Mengen des Desinfektionsmittels, sondern von der Wertigkeit
waren meines Wisseus bis dahin nicht bekannt. Die Versuche werden
fortgesetzt und sollen namentlich auf organische Arsenverbindungen aus¬
gedehnt werden.
4. Hr. Tsurnmi:
Ueher Verwendung von Amboceptordissoziation znr Diagnose von Er-
regem der Typbus- und Paratyphnsgrnppe.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
(Diskussion vertagt.)
Berliner physiologische Gesellschaft,
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 24. Juli 1914.
HHr. A. Loewy und 8 . Rosenberg:
Beobachtungen über die Natnr des 0. Loewi’schen Papillenphänomeis.
0. Loewi hatte im Jahre 1908 eine Beobachtung beschrieben, wo¬
nach Adrenaliniostillation ins Auge von Hunden und Katzen, denen das
Pankreas exstirpiert war, zu einer Pupillendilatation führte. Loewi
bezog dieses Phänomen auf den Fortfall sympathischer Hemmung, die
das Pankreas auf den Pupillenerweiterer ausüben sollte.
Wir fanden nun, dass das Pupillenphänomen unter allen Versuohs-
bedingungen eintrat, unter denen wir Hyperglykämie erzeugen konnten.
So nach intravenöser und stomacbaler Zufuhr grösserer Zuckermengen,
nach intravenöser Iofusion konzentrierter Salzlösung (Salzdiabetes), nach
Injektion von Extrakten diabetogener Drüsen, wie Thyreoidea, Hypophyse,
Nebennieren, allein oder wirksamer noch in Verbindung mit Morphin.
Es trat nicht ein bei dem durch Phloridzin erzeugten Nieren¬
diabetes, und blieb aus bei einem Hunde mit experimentellem Pankreas¬
diabetes, dem Phloridzin in so grosser Menge eingespritzt wurde, dass keine
Hyperglykämie mehr bestand. Vor der Phtoridzineinspritzung, also bei be¬
stehender Hyperglykämie, war die Pupillenreaktion stark positiv gewesen.
Danach hat das Pupillenphänomen jedenfalls direkt nichts mit
dem Fortfall des endokrinen pankreatischen Sekretes zu tun, höchstens
indirekt insofern, als nach Pankreasexstirpation Hyperglykämie ei nt ritt
und das Phänomen eine Indikation für Hyperglykämie darstellt.
Auf Grund unserer Beobachtungen dürfte das Loewi’sche Phänomen
diagnostisch wertvolle Dienste leisten können zur Unterscheidung ver¬
schiedener Glykosurieformen, Dämlich solche die mit und solche die
ohne Hyperglykämien einhergehen. Bedingung ist dabei allerdings, den
Versuchsindividuen vor der Adrenalininstillation so grosse Mengen von
Kohlehydraten zu geben, dass bei normalen Personen noch keine Hyper¬
glykämie eintritt, während sie bei Störungen des Kohlehydratstoffwechsels
zu erwarten ist.
Hervorgehoben werden muss, dass die Beobachtung der Pupille nach
der Instillation längere Zeit sorgfältig geschehen muss, da die Pupillen¬
erweiterung zu verschiedener Zeit nach der Instillation eintritt und ver¬
schieden schnell wieder schwindet.
Hr. N. Züutz berichtet über Versuche, die Dr. Pirogoff aus
Wologda in seinem Institut ausgeführt hat. Anlass zu diesem Versuche
gaben praktische Erfahrungen, wonach bei Diabetes die Zuckeraus-
scheidung durch sogenannte „Nährhefe“ (getrocknete, entbitterte
Hefe) herabgesetzt werden soll. Die Versuche wurden in der Art
durebgeführt, dass in einer aus 200 g Fleisch, 70 g Reis, 20 g Fett und 30 g
Zucker bestehenden Kost 10 g Hefe an Stelle der gleichen Stickstoffmenge
enthaltenden Quantität Fleisch und Reis traten. Es wurde eine zweifache,
sehr charakteristische Wirkung der Hefe auf die Oxydationsprozesse fest¬
gestellt. Einmal war in den ersten 7 Stunden nach der Fütterung der
Respirationsquotient bei Hefe durchschnittlich um 0,02 — 0,06 höher als in
den Kontrollreihen. Andererseits war die absolute Grösse des Sauerstoff-
verbrauebs bei Hefe merklich höheT als in den Kontrollversuchen. Das
war sowohl in den Nüchternversuchen, 21—23 Stunden nach der letzten
Mahlzeit, als auch in den ersten 7 Stunden nach der Nahrungsaufnahme
der Fall.
Eine ausführliche Beschreibung der Versuche erscheint demnächst
in der Biochemischen Zeitschrift.
Hr. P. Rona:
Beobachtungen über die Wirknngsbedingnngen der Urease.
Marshall hat vor einiger Zeit angegeben (Journ. of biol. ehern.,
vol. 17, p. 351), dass die Urease aus Sojabohnen in ihrer Wirkung in
weiten Grenzen von der H-Ionenkonzentration des Mediums unabhängig
ist. Diese Angabe habe ich in Gemeinschaft mit Herrn v. Slabey
nachgeprüft und fand im Gegenteil, dass die Reaktion (H-Ionenkonzen-
tration) des Mediums die Wirkung der Urease sehr stark beeinflusst.
Das Optimum des Fermentes liegt in einem ganz engen Bereich der
H-Konzentration, bei pu 6-9 bis 71. Sowohl nach der saueren
wie nach der alkalischen Seite hin wird dann die Wirkung schwächer.
Diese Versuche wurden mit Phosphatgemiscben als Regulatoren angeatellt.
Arbeitet man ohne Regulatoren, so ändert sich die H-IonenkoDzentration
von pH ca. 70 bis 9 0; von einer gut defioierten Reaktion des
Mediums kann also nicht gesprochen werden. — Fügten wir dem Ferment,
das unter optimalen wie auch nicht optimalen Reaktionsbedingungen
arbeitet, Serum hinzu, so konnten wir in keinem Falle eine Erhöhung
des Umsatzes (unter sonst gleichen Bedingungen) erzielen. Weitere Unter¬
suchungen müssen lehren, wie weit diese Befunde mit den Auxokörpern
vonJacoby vereinbar sind. Nach den Wanderungsversuchen zu urteilen
sind die Fermentanionen die Träger der Fermentwirkung. Ueber diese
und weitere das Ferment betreffende Punkte sind die Untersuchungen
im Gange.
Berliner ophthalmologlsche Gesellschaft.
SitzuDg vom 25. Juni 1914.
1. Hr. West (a. G.):
Ueber zwei Jabre Erfahrungen mit der endoiiasalen Erüffituag des
Tränensackes bei Dacryostenose.
Unter Beifügung von Photographien gibt Vortr. eine Uebersicbt über
die nach seinem Verfahren operierten Fälle. Der Bindehautsack war in
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 33.
den so operierten Fällen schon nach 1—2 Tagen keimfrei, was nach der
Exstirpation des Träuensackes mehrere Wochen dauert.
Diskussion. Hr. v. Haselberg: Die Indikationsstellung für die
West’sche Operation muss noch genau fixiert werden, denn in einem
Falle, der von West operiert werden sollte, trat die Heilung auch bei
friedlicher Behandlung ein.
2. Hr. Schwartzkopff:
Erfahrneren mit Aethylhydrocnprein bei Ulen» serpens.
Die bisherige Therapie hat nicht befriedigt, und zwar aus drei un¬
beeinflussbaren und variablen Ursachen: wegen der Virulenz der Keime,
wegen der Widerstandsfähigkeit des Organismus bzw. der Cornea, wegen
des zu späten Nachsucbens spezialärztlicher Hilfe, Die Optocbintherapie
wurde in der Berliner Universitäts-Augenklinik seit August 1913 bei
allen Fällen von Ulcus serpens mit positivem Pneumokokkenbefund —
insgesamt 27 Fällen — angewendet. Zuerst wurde von 7 Uhr früh bis
9 Uhr abends 1 proz. wässerige Lösung stündlich eingeträufelt, später
eine I proz. Optochin-Atropiosalbe zweistündlich eiDgerieben, da die Wirk¬
samkeit der wässerigen Lösung nach 14 Tagen nachlässt. Der brennende
Schmerz, den die erste Anwendung auslöst, ist durch vorherige Ein¬
träufelung von Cocain zu verhüten. Für die weitere Verabreichung des
Mittels braucht man kein Cocain, da Optochin selbst hinreichend an¬
ästhesiert. Länger als 3—4 Tage Optochin zu geben ist unzweckmässig
und überflüssig, weil die meisten Fälle dann schon zum Stillstand oder
zur Rückbildung gekommen sind. Zur Nachbehandlung wurde gelbe
Präcipitat- oder Noviformsalbe benutzt. Bei eitriger Dacryocystitis
wartet man mit der Entfernung des Tränensackes so lange, bis sich das
Ulcus gereinigt bat, weil die Erfolge bei der dann möglichen offenen
Behandlung zweifellos besser sind. In 2 Fällen von Dacryocystitis ver¬
sagte Optochin. Von der Aufnahme an gerechnet war die Krankheits¬
dauer im Durchschnitt 15 Tage. Sehschärfe \j 2 —1 wurde in 18,5 pCt.
erzielt, in 30 pCt. U 4 —1; bei 37 pCt., die Finger in 1—3 m zählten,
bestanden gleichzeitig Komplikationen, die die Sehschärfe verminderten;
22 pCt. wurden mit dem Erkennen von Haudbewegungen oder Lichtschein
entlassen. Die schlechten Resultate betrafen stets Fälle mit sehr
schweren, schon längere Zeit bestehenden Geschwüren, bei denen die
Prognose von vornherein schlecht gestellt werden musste. Bei 2 Fällen
war die Exenteration notwendig, einmal wegen Ringabscesses, das andere
Mal wegen perforierender Verletzung — bei beiden war der Pneumo¬
kokkenbefund positiv. Die guten Resultate wurden bei Anwendung der
Salbe erzielt. Jedenfalls ergibt trotz der kleinen Zahl der Fälle ein Ver¬
gleich mit anderen Statistiken, dass Optochin bei Ulcus serpens gut wirkt.
Diskussion.
HHr. Mühsam und Paderstein berichten über gute Erfolge bei
Ulcus serpens und bei Tränensackleiden.
Hr. Morgenroth empfiehlt, die Salbe als Notverband vom prak¬
tischen Arzt draussen anwenden zu lassen. Die Spezifität des Mittels
scheint nicht ganz eng begrenzt zu sein. M. hat Mitteilungen erhalten, nach
denen Diplobacillenerkrankungen und Blennorrhoe gut beeinflusst wurden.
Im Reagenzglase gibt es keine gegen Optochin resistenten Pneumo¬
kokkenstämme. Deshalb interessieren die langsam sich reinigenden Ge¬
schwüre besonders. Hier kann eine auch im Reagenzglase zu beob¬
achtende Resistenz sich entwickeln, nämlich dann, wenn das Medikament
nicht dauernd angewendet wird, sondern wenn längere Zeiträume (Nacht¬
ruhe) zwischen den einzelnen Applikationen liegen; die Mikroorganismen
können sich dann erholen und giftfest werden. Aus diesem Grunde
dürfte auch die Wirkung der längere Zeit im Bindebautsack verweilenden
Salbe günstiger sein. Theoretisch ist die Salbenapplikation eigentlich
zu beanstanden, weil ja das Optochin auch bei feinster Verteilung an
umschriebenen Stellen einwirken könnte. Doch haben die praktischen
Erfolge die theoretischen Bedenken widerlegt. Das Mittel wirkt wohl
direkt ohne Mitwirkung der Körperzellen, insbesondere der Leukocyten,
wie es auch die anderen Chininpräparate tun. Es bandelt sich also um
eine reine Desinfektion. Die schlechte Haltbarkeit der wässerigen Lösung
beruht wohl auf Abgabe von Alkali aus dem Glase, auch Aufbewahrung
unter Lichtabschluss empfiehlt sich.
Hr. Meisner: Die refraktären Fälle von Ulcus serpens sind zum
Teil dadurch ausgezeichnet, dass sich die Oberfläche wohl schnell reinigt,
die Infiltration in der Tiefe aber lange bestehen bleibt. Interessant
wäre es, festzustellen, ob Optochin auch bei intraocularen Pneumo-
kokkeneiteruogen wirkt.
Hr. Fehr sah wenig gute Erfolge mit Optochin.
Hr. Ginsberg führte das Mittel in Verdünnungen von 1:1000
experimentell in die Vorderkammer des Kaninchens ein, ohne dass sich
die Linse trübte.
Hr. Morgenroth: Eine Trübung der Cornea könnte durch Ab¬
lagerung der Optochinbase entstehen; aber diese Trübungen hellen sich
sicher schnell wieder auf. Die schlechtere Beeinflussung tiefer Hornbaut-
iofiltrate erklärt sich daraus, dass bei Einführung des Mittels vom Binde¬
hautsack aus ein Konzentrationsgefälle entstehen muss.
Hr. Wertheim wendete selbst 2 proz. Lösung ohne Schaden an.
3. Hr. v. Haselberg:
Eia erfolgreicher Fall von Hornhanttransplantation. (Mit Kranken¬
vorstellung.)
Vor einem Jahre wurde bei der 60 Jahre alten Patientin wegen
doppelseitiger Hornhauttrübungen die Ueberpflanzung nach v. Hippel
gemacht. Das Material stammte von einem 22 jährigen Mädchen. Der
Lappen blieb durchsichtig, S = V 6 o.
Diskussion.
Hr. Hirschberg erinnert an eine 1879 von Wolfe angegebene
Transplantationsmethode.
Hr. Brückner zeigt einen vor 1 */ 2 Jahren nach Löh lein trans¬
plantierten Fall, bei dem das überpflanzte Stück glatt einbeilte und die
Sehschärfe von Lichtschein auf Fingerzählen stieg. Aber der Erfolg war
nicht von Dauer, denn von der durch eine alte Verätzung narbig ver¬
änderten Conjunctiva wucherte ein dichtes Narbengewebe wieder auf die
Hornhaut hinüber. Kurt Steindorff.
Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene and Medizinalstatistik
zn Berlin.
Sitzung vom II. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr May et.
Schriftführer: Herr Lennhoff.
Tagesordnung.
1. Hr. Hamburger:
Vorschlag zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit ii Miets¬
kasernen.
Vortr. geht von der Tatsache aus, dass die Säuglingssterblichkeit
im Sommer im wesentlichen verursacht wird nicht von der bakteriellen
Milchzersetzung, sondern direkt von der Einwirkung der Hitze in den
Wohnungen, wie Me inert zuerst nachgewiesen hat. Diese Ansicht
Meinert’s ist in den letzten Jahren durch die verschiedensten Autoren
bestätigt worden (Finkeistein, Rietschel usw.). Die bisher ge¬
machten Vorschläge Liefmann’s, die Säuglinge in den Kellern unter¬
zubringen, oder Tugendreich’s, schwimmende Säuglingskrippen einzu-
richten, sind nicht durchführbar.
Hamburger schlägt vor, für den Säugling die Dächer der Miets¬
kasernen zu benutzen durch AubriDgen einfacher gärtnerischer Anlagen
und sonneodichter, etwa den vierten Teil des Daches einnehmender
Zelte, vor allem in neu zu bebauenden Strassenreiben. Dass aber selbst
in alten Häusern die Anbringung nicht überall mit unüberwindlichen
Schwierigkeiten verknüpft ist, beweisen Dachgärten, die schon im
Centrum von Berlin angelegt sind. Ueber die Kosten eines Dachgartens
geben zwei Baupläne Auskunft, die von zwei Baumeistern unabhängig
voneinander aufgestellt ergeben, dass eine Zweizimmerwohnung sich im
Jahre um ungefähr 13 M. teurer stellen würde. Rauohbelästigung
kommt im Sommer wenig in Frage, und die Hitze ist geringer als in den
besonders häufig schwer oder gar nicht durchlüftbaren Proletarier¬
wohnungen, in denen, wie festgestellt ist, die Durcbschnittstemperatur
um 8,5° höher ist als im Freien und erst um 9 Uhr ihr Maximum
erreicht.
2. Diskussion zu dem Vortrage des Herrn Mayet: Bio Siebartig
der Volksvermehrang.
Hr. Roesle hält zur Sicherung der Volksvermehrung die Schaffung
hinreichender Erwerbsmöglichkeiten für die zunehmende Bevölkerung für
die Hauptaufgabe, da sonst der Geburtenüberschuss durch den Wande¬
rungsverlust aufgehoben würde. Die tatsächliche Volksvermehrung
richtet sich nicht allein nach der Höhe des Geburtenüberschusses,
sonderu auch nach den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen. Sind
diese ungünstig, dürften die vorgeschlagenen Maassnahmen zur Er¬
tüchtigung der Jugend nicht dazu ausreicheD, die Volksvermehrung in
dem gewünschten Maasse zu sichern.
Hr. Theilhaber macht darauf aufmerksam, dass nach der besseren
Sterbeordnung der neueren Zeit ungefähr 75 000 männliche Personen
mehr das 20. Lebensjahr erreichen, dass aber die Einsparung infolge
der besseren Sterbeordnung wettgemacht werden wird durch die grössere
Einsparung an Geburten.
Hr. Guradze hält neben der Lebensmittelteuerung das Eindringen
der Frau in viele Berufszweige, die früher fast ausschliesslieh dem
Manae reserviert waren, für das späte Abschliessen von Ehen und
damit den Geburtenrückgang für verantwortlich.
Hr. Eisenstadt glaubt, dass infolge des höheren Heiratsalters eine
höhere Geburtenzahl nicht zu erwarten ist. Infolge der Kinderarmut
steigert sich zwar die Zahl der 15 bis 50 Jahre alten Personen. Es ist
aber fraglich, ob dieser Zunahme die Zunahme der Ebeschliessuogen
parallel geht. Die Aufhebung des Zölibats bei den Beamtinnen in
anderen Staaten hat die Heiratslust derselben nicht vermehrt. Die Aus¬
bildung der Mädchen im Kochunterricht hätte nur Wert, wenn sie
später genug Zeit und Geld hätten, um das Erlernte auch praktisch
auszuführen. Die Familienversicherung ist hauptsächlich für das Alter
von 0 bis 5 Jahren notwendig, gleichzeitig müsste hier die Versicherung
als „Ernährungsversicherung“ Einrichtungen für eine rationelle Bf*
nahrung der Säuglinge und Kleinkinder schaffen, um deren Erkrankung
und Tod zu verhüten.
Hr. Mayet (Schlusswort). J. Lilienthal.
Medizinische Gesellschaft za Siel.
Sitzung vom 9. Juli 1914.
Hr. Oloff:
a) Ein sehr seltener Fall von Tanor des Sehiemakopfes.
20 jähriger Matrose vom Linienschiff „Posen“, der seit einigen
Jahren eine zunehmende Herabsetzung des linksseitigen Sehvermögens
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UMVbKSl I V Uh lüS'TE
17. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1661
verspürt. Er vermag jetzt nur noch die oberste grosse Buchstabenreihe
der Snellen’schen Tafeln, und zwar nur noch exzentrisch in l /* m Ent¬
fernung zu erkennen (S = °» 5 /8o)» während eine vor einem Jahre vor¬
genommene Untersuchung noch «/*o S. ergeben hatte. Auge äusserlich
vollkommen reizlos und frei von Entzündung.
Bei der Augenspiegeluntersuchung findet sich ein fester, konsistenter
Tumor, der vom Sehnervenkopf ausgeht, keulenförmig bis etwa in die
Mitte des Glaskörpers hineinragt und eine ziemlich glatte, grauweisse,
von Netzhautgefässen durchzogene, etwa P /2 Papillendurchmesser grosse
Oberfläche zeigt. Umgebende Netzhaut vollkommen frei. Gegen para¬
sitären Charakter (Echinococcus, Cysticercus) sprachen die feste Kon¬
sistenz und der Mangel an Bewegungserscheinungen. Syphilis und
Tuberkulose, wie sie in seltenen Fällen in Form von Gummen bzw.
konglobierten Tuberkeln an der Papille beobachtet worden sind, liessen
sioh auf Grund der spezifischen Diagnosen (Blutuntersuchung nach
Wassermann, probatorische Tuberkulineinspritzung unter die Haut)
ausschliessen. Trotz sehr energischer antiluetischer Behandlung und
einer monatelang durchgeführten Tuberkulinbehandlung Dabm der Tumor
unter weiterer Verschlechterung des Sehvermögens an Grösse zu, ohne
dass sich bisher begleitende entzündliche Erscheinungen des übrigen
Auges bemerkbar gemacht haben.
Aus diesem Grunde, und da die wenigen sonst bisher beobachteten
präpapillaren Tumoren sich durchweg als Sarkome herausgestellt haben,
wird auch hier die Wabrscheinlichkeitsdiagnose auf Sarkom gestellt und
Enucleation des Augapfels vorgescblagen.
(Ausführliche Publikation, insbesondere auch des Ergebnisses der
pathologisch-anatomischen Untersuchung in den „Klinischen Monats¬
blättern für Augenheilkunde“ in Aussicht genommen.)
b) Ueber Snicidalverletzangen des Auges.
An der Hand eines zum Teil auf der Augenabteilung des Marine-
lazaretts Kiel befindlichen Falles von Selbstmordversuch (Revolverschuss
io die rechte Schläfe) bespricht Vortr. kurz das Zustandekommen der¬
artiger Augenverletzungen. Nähere Erläuterung der Flugbahn des Ge¬
schosses und der Lage des Projektilstückes an den bei dieser Gelegen¬
heit aufgenommenen Röntgenphotographien, die sehr gut erkennen lassen,
dass es sioh im vorliegenden Falle um eine sogenannte indirekte Kon¬
tusion der Sprengwirkung handelt, ohne dass die Projektilstücke in die
Orbita hineingedrungen sind, und ohne dass sie den Orbitalinhalt ge¬
troffen haben.
Zum Schluss Demonstration einschlägiger Bilder von intraocularen
Tumoren und Selbstmordverletzung der Augen am Epidiaskop und Be¬
sichtigung der beiden Fälle im Augenspiegelzimmer mit dem elektrischen
Augenspiegel von Wolff.
Hr. Aner:
Zwei Fälle von Atrophie und Lähmung im Bereich der Schnlter-
mnskniatnr.
Demonstration von zwei Matrosen. Die degenerative Lähmung er¬
streckte sieb bei dem einen auf den M. cucullaris, serratus anticos,
supra- und infraspinatus der rechten Seite und war die Folge einer
postinfektiösen Polyneuritis (Erysipel).
Der andere Matrose war vor Auftreten seiner Muskelatrophie im
linken Deltoides und Serratus anticus nicht in ärztlicner Behandlung.
Er befand sich angeblich einige Tage nicht recht wohl und hatte rheuma¬
tische Schmerzen in allen Gliedern, versah aber seinen Dienst weiter.
Neuritische Erscheinungen fehlten vollkommen, so dass die Annahme
berechtigt erscheint, dass es sich um die im ganzen seltene subacute
Form der atrophischen Spinallähmung handelte.
Diskussion. Hr. Lubarsch.
Hr. Kaerger:
Ueber die Behandlung von Muskelbrüehen durch freie Faseientrans-
plaatation.
Vortr. berichtet im Anschluss an den Vorfrag von Göbell (18. VI.
1914) über seine Erfolge mit der freien Fascientransplantation bei
Muskelbrüehen. Das früher oft verkannte Krankheitsbild ist erst durch
neuere Untersuchungen geklärt worden. Bei den wahren Muskelbrüehen
handelt es sich um eine Zerreissung der Fascie und des Muskels. Der
mehr oder weniger verletzte Muskel wölbt sich aus dem Risse der Fascie
hervor, wodurch Schmerzen und Ermüdungserscheinungen im Muskel,
sowie Neuralgien, Sensibilitätsstörungen und Läbmungserscheinungen in¬
folge Läsion der darunterliegenden Nerven hervorgerufen werden können.
Die früher üblichen Nähte der Fascie ergaben meist schlechte Resultate
und die Dienstfähigkeit der betreffenden Patienten blieb in Frage
gestellt.
Vortr. hat bei einem schweren Fall von Muskelbruch infolge alter
komplizierter Fraktor de9 rechten Wadenbeins mit erheblicher Zer-
reissung der Fasoia cruris ein 18 cm laDges und 10 cm breites Stück
sus der Fascia lata auf die Fascia cruris transplantiert und vollkommene
DieQstfähigkeit des Patienten, eines 23 jährigen Matrosen, erreicht.
Man kann bei der Fascia lata an der Aussenseite des Oberschenkels
ohne Gefahr auch noch grössere Stücke entnehmen, da der M. vastus
ext. eine eigene Fascie besitzt. Die Fascia lata muss nur nach der Ent¬
nahme durch starke Catgutnäbte möglichst wieder genäht werden.
Nach diesem guten Erfolg der Behandlung eines Muskelbruches
durch freie Fascientransplantation hat Vortr. das Verfahren noch an
siner ganzen Reihe von Fällen angewandt. Abbildungen des Zustandes
▼or der Operation und Skizzen des Operationsverfahrens werden demon¬
striert.
Vorstellung eines geheilten Falles von Muskelbruch an beiden
Unterschenkeln vorn im unteren Drittel an der Austrittsstelle des
N. peroneus, bei dem eine erfolglose früher vorgenommene Nabt der
Fascie zu einem Recidiv und zu Störungen im Gebiet des rechten
N. peroneus geführt hatte.
Vorstellung eines geheilten Recidivs nach Muskelbruch (M. semi-
membranosus) iu der rechten Kniekehle).
Vorstellung eines doppelseitigen Muskelbruohes an der Beugeseite
beider Unterarme im Bereiche der Mm. pronator teres, flexor carpi
radialis und ulnaris, sowie der Flexoren, durch freie Fascientransplan-
tation geheilt.
An der Hand dieser Erfolge wird das Operationsverfahren zur Be¬
handlung des Muskelbruches warm empfohlen. E. Richter.
Medizinische Gesellschaft za Leipzig.
Sitzung vom 12. Mai 1914.
1. Hr. Rische demonstriert eine 63 Jahre alte Frau mit einer aus-
esprochenen Dermatitis idiopathica atrephieaas progressiva chronica
iffasa, die sich auf die unteren Extremitäten vorn bis zu den Inguinal¬
beugen und hinten bis zum oberen Rand der Nates beschränkt. Bis zu
den Kniekehlen besteht mehr eine schlaffe Atrophie der. Haut, während
im Bereiche der Streckseite der Unterschenkel und der Füsse die
atrophische, mehr gelblichrote, glatte, glänzende Haut auf ihrer Unter¬
lage fest aufliegt und dadurch auffallend dem Bilde einer Sklerodermie
gleicht. In einem zweiten Falle hat der gleiche Prozess auch die oberen
Extremitäten ergriffen. Kompliziert ist dieser Fall durch halbkugelige
fibromartige Verdickungen über den Streckseiten der Unterarme. Da¬
neben bestehen atrophische Herde am Stamm in Form von umschriebenen,
bis markstückgrossen, blaurot bis graubraun verfärbte Flecke (maculöse
Form der Dermatitis atrophicans). Die Hautaffektion ist in beiden Fällen
von einem lästigen Juckreiz begleitet.
2. Hr. Marchand:
Vorstellnng einer lebenden Doppelmissbildaig (Epigastrin#).
Es handelt sich um einen etwa 30 Jahre alten Italiener von mittel¬
grosser, massig kräftiger Statur. Er trägt in der Gegend des Epi-
gastriums einen unvollkommen entwickelten zweiten Körper mit vier
Extremitäten. Der parasitäre Körper hängt herab und ist an seiner
oberen Grenze durch einen knochenharten Stiel mit dem Processus ensi-
formis des Autositen verwachsen. Der Kopf fehlt, es macht den Ein¬
druck, als ob der Parasit aus dem Körper seines Bruders hervorwüchse.
Das Körperskelett ist sehr mangelhaft, eine Wirbelsäule und Brustkorb
ist nicht nachweisbar, ebenso fehlt da9 Herz. Anscheinend wird die
Circulation durch einen Ast der Art. mamroaria interna oder epiga9trioa
des Autositen unterhalten. An Stelle des Rumpfes wölbt sich zwischen
Ober- und Unterextremitäten eine halbkugelige weiohe Masse hervor.
Der After ist nicht ausgebildet, dagegen ist ein kleiner Penis, das
Scrotum und ein kleiner Hoden vorhanden. Der Penis entleert tropfen¬
weise eine harnabnliehe Substanz. Sensibilität ist kaum vorhanden,
aktiv kann der sonst leicht bewegliche Parasit nicht bewegt werden.
Die Missbildung geht aus einem sich abnorm teilenden Ei hervor.
3. Hr. Zalowiecki demonstriert eiuen 20jährigen Dienstknecht, bei
dem sich ein bisher nur bei der sogenannten Westphal-Strümpell’schen
Pseudosklerose beschriebener grünlichbraniier, etwa i j 2 mm breiter
Horohaatsaam findet. Daneben findet sich eine bräunliche Verfärbung
der Haut, die Anzeichen einer leichten Mitralinsuffizienz, Albuminurie
und eine Lebercirrhose mit Milztumor. Von seiten des Nervensystems
besteht keine besondere Intelligenzherabsetzung, dagegen eine an Zwangs¬
lachen erinnernde, sehr leichte Auslösbarkeit des Lachens und eine
eigentümliche Schwerfälligkeit in der Innervation der willkürlichen
Muskulatur. Vortr. glaubt, dass diese somatischen Symptome der voll
entwickelten Pseudosklerose vorangehen, und dass deshalb den be¬
schriebenen Pigmentierungen, besonders dem Cornealring, beizugesellenden
Individuen mit chronischer Leberaffektion eine besondere Bedeutung bei¬
zumessen ist.
4. Hr. Seidenberger:
Vorstellung eiaes Falles voa Dystonia mascaloram deform aas
(Oppenheim).
5. Hr. Rille: Demonstration eines Falles von lebthyosis serpeitina.
Der junge Mann ist 16 Jahre alt und leidet seit seinem zweiten Lebens¬
jahre an dieser Hautaffektion, die fast die ganze Körperoberfläche er¬
griffen bat. Am stärksten ist der Prozess an den Armen und Beinen
ausgeprägt. Hier finden sich ausgedehnte dicke, schwartige, graugrüne,
vollständig trockene, derb, rauhe Verhornungen. Die Behandlung mit
äusserer Anwendung von Lebertran, Wilkinsonsalbe und Einpinselungen
von Borglycerin bringt nur vorübergehend Besserung.
Sitzung vom 26. Mai 1914.
1. Hr. Weichsel stellt zwei Kranke mit angetforeiem Herzfehler
(offenem Ductus Botalli) vor. Die erste Patientin ist 84 Jahre, die
zweite 32 Jahre alt. Die Herzerscheinungen sind bei beiden erst in
späteren Jahren aufgetreten. Beide Patientinnen haben Herzklopfen,
Schmerzen in der linken Brustseite und sind kurzatmig. Iq letzter Zeit
sind wiederholt Obnmachtsanfälle aufgetreten, dabei stärkere Cyanose.
Bei beiden findet sich eine bandförmige, fingerbreite Dämpfung, dem
Huken Sternalrand aufsitzend und bis zur 2. Rippe reichend. Daselbst
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 33.
ist ein systolisches Geräusch und ein verstärkter 2. Pulmonalton zu
hören. Im Röntgenbilde eine deutliche Vorwölbung des Pulmonalbogens.
Das Elektrocardiogramm hat bei beiden eine deutlieh ausgeprägte S-Zacke.
2. Hr. Rille: Demonstration von 2 Fällen mit Lichen syphiliticus
bei erworbener und kongenitaler Lues. Es tritt hauptsächlich als
Recidiv auf, jedoch ein halbes Jahr nach der Infektion, und lokalisiert
sich in der Kreuzbeingegend. Gegen Quecksilber ist es sehr resistent,
weniger gegen Salvarsan. Anatomisch geht es von den Follikeln aus
und enthält Riesenzellen. Es bat grosse Aehnlichkeit mit dem Lichen
scropbulosorum.
3. Hr. Zweifel: Erfahrungen über Mesothorininbehaudlung.
Nach einleitenden Bemerkungen über die Entdeckung des Meso--
thoriums und der verschiedenen Strahlen, bei denen er den Ausdruck
„weiche“ und „harte“ Strahlen durch „matte“ und „durchdringende“
ersetzt wissen möchte, zeigt Z. an Lumierephotographien die Wirkung
der Strahlen bei einem Vulvacarcinom. Mikroskopisch konnte der Unter¬
gang der Krebszellen verfolgt werden. Sicher ist die Wirkung der y-
Strahlen auf die Krebszellen elektiv, doch nicht ausschliesslich. Wieder¬
holt hat Z. nach der Bestrahlung die Kranken an qualvollem Tenesmus
erkranken sehen, dabei wurden per anum Gewebsfetzen und Schleim ent¬
leert. Günstige Erfolge bei inoperablen Carcinomen kommen unzweifel¬
haft vor, aber es ist noch nicht der Beweis erbracht, dass Carcinome
durch Mesothoriumbehandlung geheilt wurden; dazu gehört mindestens
eine Recidivfreiheit von 5 Jahren. Auf Grund seiner guten Operations¬
erfolge (51 pCt.) hält Z. daran fest, alle operablen Fälle zu operieren
und nur inoperable Fälle und solche, die sich nicht operieren lassen
wollen, oder bei denen ein Kontraindikation besteht, mit Strahlen zu
behandeln.
4. Hr. Schweitzer:
Die bisherigen Erfolge der Mesotborinmbehavdling beim Gebärmutter*
und Scheidenkrebs.
Der Vortr. berichtet über die therapeutische Beeinflussung der
Uterus- und VaginalcarciDome durch Mesothorium an der Leipziger
Frauenklinik seit Januar d. J. Es wurden vorwiegend /-Strahlen ver¬
wendet. Anfangs wurden 2—3 mm dicke Bleifilter, später 1—1,5 mm
dicke Messingfilter verwendet. Das Mesothorium war mit einem dicken
bleifreien Gummi überzogen, der wiederum mit einfacher steriler Gaze
umwickelt war und von einem Condomgummi umgeben wurde. In dieser
Armierung wurde das Mesothorium in die Vagina und je nach Lage des
Falles die umgebenden Weichteile durch Hartgummicelluloid oder Metall¬
abdeckung geschützt. Die verwendete Dosis schwankte zwischen 50 mg
bis 150 rag, die auf 8 bis höchstens 24 Stunden eingelegt wurde. Mit
etwa zweitägigen Pausen wurde diese Menge noch 1—2 mal eingelegt
(1. Serie) und damit eine Mesothoriumquantität von 3—4 mg-Stunden
erzielt. Die Patienten blieben für diese Zeit in der Klinik und wurden
dann nach 8—4 Wochen wiederbestellt, um nach dieser Zeit eine zweite
Serie zu absolvieren. Auf diese Weise wurden jedem Patienten 3, 4 und
nach Bedarf mehr Serien verabreicht. Unangenehme Nebenwirkungen
wurden wiederholt beobachtet. Schmerzen im Leib, Fieber, Pulssteige¬
rung, zuweilen auch Erbrechen, Stuhldrang und Tenesmus. Nach 14 Tagen
besserte sich häufig das Befinden der Frauen. Blutung und Jauchung
sistierten schon meist nach der 1. Serie, während die Schmerzen erst
nach der 3. und 4. Serie aufhörten. In vielen Fällen war die Besserung
augenfällig, es stellte sich guter Appetit ein und Gewichtszunahme. Das
Carcinora schrumpfte schon nach der 1. Serie meist um ein Drittel oder
gar um die Hälfte seines Umfanges zusammen. Die Tiefenwirkung der
Strahlen beträgt etwa 5 cm. Bisher wurden 31 Fälle behandelt. Zwei
unvollständig operierte Carcinome und zwei Scheidencarcinome wurden
günstig beeinflusst, 1 Fall von isoliertem Scheidencarcinom so günstig,
dass nichts Pathologisches mehr nachzuweisen ist. Von den weiteren
26 Fällen (9 Portiocarcinome, 8 Carcinoma cervicis, 9 Carcinoma colli
et vaginae) haben 10 Fälle erst die 1. Serienbestrahlung durcbgemacht;
die 2. Serie haben 7 Überstunden, davon 6 gebessert, 1 gestorben; naoh
der 3. Serie sind von 3 Fällen l gebessert und in 2 Fällen die Be¬
handlung beendet, da klinisch geheilt; nach der 4. Serie unter 6 Fällen
1 gebessert und 5 klinisch geheilt. Erreicht wurden diese Resultate allein
durch Mesothorium UDd zwar durchschnittlich mit 10 600 mg-Stunden bei
einer klinischen Behandlung von 28 Tagen und einer Gesamtbehandlungs¬
dauer von 4 Monaten.
Diskussion.
Hr. Payr wendet sich gegen die Ansicht von Krönig, der auch
operable Tumoren bestrahlen will und auf schlechte Resultate der gynäko¬
logischen wie chirurgischen Krebsoperationen hingewiesen hat. Payr
steht auf dem Standpunkt, dass man operable Tumoren operieren und
nicht operable bestrahlen soll.
Hr. Ver9o demonstriert die anatomischen Präparate einer Frau, die
wegen eines Portiocarcinoms in der Frauenklinik io 2 Serien mit fast
9000 mg-Stunden bestrahlt worden war.' Die Frau war später an Lungen-
gaogrän ad exitum gekommen. Während in der Vagina mikroskopisch
kein Carcinom mehr nachzuweisen war, fanden sich in der Cervix frische
Carcinoranester. In einem 2. Falle von Leberkrebs, der ebenfalls intensiv
bestrahlt worden war, waren die centralen Teile der Knoten zwar einge-
schmolzen, aber an den Rändern der Knoten wurde an vielen Stellen
lebensfähiges, junges Krebsgewebe nacbgerwiesen. Rösler.
NatarvrlssenBChaftllch-iuediciiiische Gesellschaft zn Jena.
(Sektion für Heilkunde.)
Sitzung vom 2. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Lex er.
Schriftführer: Herr Berger.
Hr. Gärtner: Ankylostomiasis.
Vortr. geht zunächst auf die Geschichte und die Einwanderung
dieser Krankheit in Europa und speziell in Deutschland ein, die in
stärkerem Maasse zuerst beim Bau des St. Gotthard-Tunnels auftrat und
von hier aus nach Deutschland auf die Ziegelfelder Cölns und in den
Oberbergaratsbezirk Dortmund verschleppt wurde. In den nächsten
Jahren häuften sich die Fälle in den Bergwerken des westfälischen
Industriebezirkes erheblich, und zwar trat die Affektion als eine bös¬
artige Anämie auf, die auch Todesfälle aufzuweisen hatte. Peroncido
wies als erster nach, dass die Würmer nicht die Folge, sondern die Ur¬
sache der Krankheit waren und heilte diese durch Extractum filicis.
Vortr. geht dann genau auf das Ankylostomum duodenale ein, be¬
spricht sein Aussehen, Vorkommen, Lebensdauer usw. Aufgenoramen
werden die Larven durch den Mund des Menschen. Der zweite In-
fektiousweg ist der von Loos angegebene durch die Haut.
Die Symptome der Krankheit bestehen zunächst in leichten Ver¬
dauungsstörungen, dann in Schmerzgefühl in der Oberbauchgegend. Dem
folgen Zeichen der Anämie, als: Müdigkeit, Herzgerausche, Abnahme der
roten Blutkörperchen, Verminderung des Hämoglobingehalts usw. Be¬
deutsam ist eine Vermehrung der eosinophilen Leukocyten.
Vortr. geht dann im einzelnen auf die Möglichkeit der Bekämpfung
der Krankheit sowie auf die zu treffenden und von den Bergbehörden
bereits getroffenen Maassnahmen ein. Vor allem müssen die jetzt vor¬
handenen, weitgehenden Reinlicbkeitsbestrebungen in den Bergwerken
bestehen bleiben, die besonders bei dem sicherlich eine grosse Rolle
spielenden Infektionsmodus durch die Haut ausserordentlich wichtig sind.
Die kulturelle Untersuchung nach dem Vorgänge von Loos dient zur
besseren Erkennung der vorliegenden Erkrankung. Wichtig ist eine
Kontrolle der Wurmträger, wenn auch mit allerhand Schwierigkeiten
verknüpft. Helfend tritt hinzu, dass die Ankylostomen sich im Menschen
nur etwa 5—8 Jahre halten und dann absterben.
Hr. Klunker-.
Ueber Milehpastenrisierung, insbesondere über biovisierte Milch.
Vortr. gibt zunächst einen Ueberblick über die gebräuchlichsten
PasteurisieruDgsraethoden im Grossbetriebe, die sich in der Hauptsache
physikalischer Hilfsmittel bedienen. Von den chemischen Mitteln hat
nur der Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd eine gewisse Bedeutung. Vortr.
berichtet sodann über eigene Versuche mit dem „Biovisator“, einem
Apparat, in welchem die unter einem Druck von 4 Atmosphären stehende
Milch aufs feinste verstäubt und hierbei wenige Sekunden hindurch einer
Temperatur von etwa 75° ausgesetzt wird. Die Biovisation der Milch
bat keinen nennenswerten Einfluss auf ihre chemisch-physiologische Be¬
schaffenheit. Die Milch bleibt gegenüber dem unbehandelten Natur¬
produkt so gut wie unverändert; andererseits tritt durch die Ver¬
arbeitung im Biovisator eine überraschende Keimverarmung und ins¬
besondere Vernichtung aller Krankheitserreger ein. Eine Ausnahme
hiervon machen nur die Staphylokokken, die nicht völlig vernichtet
werden; von ihnen sowie von den eigentlichen Milchsäurebildern bleibt
eine kleine Anzahl am Leben. Sehr günstig gestalteten sich die Ver¬
suche mit Tuberkelbacillen. Aus einer Reihe von Tierversuchen geht
hervor, dass auch die Koch’schen Stäbchen vermittels des neuen Ver¬
fahrens völlig unschädlich gemacht werden. Da ausserdem die im Bio¬
visator behandelte Milch eine um über 100 pCt. erhöhte Haltbarkeit
gegenüber der Robmilch besitzt, so kann sie als eine hygienisch ein¬
wandfreie Milch bezeichnet werden, die aller Wahrscheinlichkeit nach
eine grosse Bedeutung für die gesamte Volksernährung erlangen wird.
Warsow-Jena.
Medizinische Gesellschaft zn Göttin gen.
Sitzung vom 2. Juli 1914.
Hr. Schnitze demonstriert 1. einen 60jährigen Mann mit Oesophagus-
carcinom and Metastase in der Halsanscbwellung der Medulla; es be¬
steht eine Atrophie des linken Unterarms und der Hand. Temperator-
und Scbmerzempfindung sind am linken Arm fast völlig erloschen.
2. Mann mit Tabes and Mnskeiatrophie an der linken Hand.
3. Mann mit Tabes und gastrischen Krisen.
4. Bericht über einen ähnlichen Fall und bespricht an der Hand
der 3 letzten Fälle die Bedeutung der Wassermann’schen Reaktion
in Liquor cerebrospinalis; dieselbe war bei allen 3 positiv, während
die Wassermann’sche Reaktion im Blut negativ ausfiel. Auch die Nonne-
sche Reaktion war stots positiv; ausserdem bestand Pleooytose.
Hr. Hacker: Die Wirkung des Antikenotoxins auf den Menschen.
Vortr. konnte in eigenen Versuchen weder durch Verstäuben bei
Schulkindern, noch durch Injektionen bei Erwachsenen eine Erhöhung
der körperlichen oder geistigen Leistungen erzielen; er spricht dem Anti¬
kenotoxin jegliche Wirkung ab, während er bei dem Coffein einen günstigen
Einfluss auf die körperliche und geistige Ermüdung feststellen konnte.
Hr. Hacker.-
Ueber die lokalanästhetisehe Wirking der Morphinmsalie.
Das Morphium hat selbst keine lokalanästhetische Wirkung, viel-
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UNIVERSUM OF IOWA
17 August 11)14. _BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT, 15G3
mehr beruht dieselbe bei dem Morphium hydrochloricum auf der Wirkuog
der Salzsäure. Stärker dissociierte Säureu hinterlassen eioe längere
Analgesie. Bei Salzen, wo das Morphium an schwache Säuren gebunden
ist, ist die lokalaoästhetiscbe Wirkung nicht vorhanden.
Ur. Kittel:
Ergebnisse der Intelligenzpräfiin^ lach Einet Lisa« bei Hilfsschtl-
Vortr. hat seine Untersuchungen an Göttinger Sohulkindern der
Hilfsschule angestellt und fand bei keinem Kind eine dem Alter ent¬
sprechende Intelligenz. Die Methode ermöglicht es, in relativ kurzer
Zeit festzustellen, ob das lutelligenzalter dem wirklichen Alter entspricht.
An der Hand der Testtabelle nach Binet-Liman wird die Methode in
ihren Einzelheiten besprochen.
Sitzung vom 16. Juli 1914.
Hr. Usener demonstriert einen durch Magnesiumsulfatbehandlung
geheilten Fall von Tetanns. Das Magnesiumsulfat wurde in etwa 25 proz.
und 20 proz. Lösuog in der empirisch als wirksam gefundenen Einzel¬
dose von 0,18 bis 0,2 pro Kilogramm Körpergewicht gegeben. Eioe
volle Wirkung wurde erst durch wiederholte (5—8 mal tägliche) zwei-
stundlicbe Dosen sicher erzielt (Kumulation). Die Applikation muss
suprafascial sein, da sonst Fettgewebsnekrosen entstehen. Die Wirkung
der Magnesiumbehandlung auf die Zahl der Anfälle und die Ausdehnung
des Dauerspasmus wird an einer Kurve gezeigt.
% Hr. Göppert berichtet über experimentelle Untersuchungen, die in
seiner Klinik mit 30 proz. Magnesiumlösungen an Meerschweinchen an¬
gestellt wurden und sich auf die Wirkling bei sabent&ner bzw. intra-
eitaier Injektion bezogen. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass
die Magoesiumsalze nur dann unschädlich für das Gewebe bleiben, wenn
grössere Lymphräume zu ihrer schleunigen Resorption zur Verfügung
stehen.
Hr. Ebbeeke:
Ueber lokale vasomotorische Reaktion der Hant and der inneren
Organe.
Vortr. zeigt das nach mechanischer ReizuDg auf tretende Nachröten
(Dermographie) an der Kaninchenniere und einen einfachen Reizapparat
mit quantitativ graduierbarer Druckstärke und auswechselbaren Reiz¬
flächen. Nach kurzer Uebersicht über die neurologischen und dermato-
i logischen klinischen Befunde beschreibt E. neun verschiedene Haupt-
typen von Farbänderung nach mechanischer, thermischer, chemischer
and elektrischer Reizung, von denen sowohl das „Nachlassen“ (Dermo¬
graphismus albus) als die Quaddelbildung (Urticaria factitia) normal
, sind. Klinisoh wichtig ist das Verwenden wiederholter, sich summierender
Reize, das Beachten der die Laten*, Intensität und Dauer der Reaktion
stark beeinflussenden Hauttemperatur und die Abtrennung eines nervösen
und eines muskulären Faktors von einem dritten ursächlichen Moment,
I als welches E. eine Gewebsreizung mit Entstehung von die Gefässweite
regulierenden Stoffweohselprodukten in Analogie mit Organextrakten und
‘: Hormonen ansieht.
Hr. Port:
Beitrag zzr Anwendbarkeit des Abderhaldei’schen Dialysierverfahrens.
(Nach gemeinsam mit Herrn Mosbacher angestellten Versuchen.)
Nach kurzer Darlegung der dem Verfahren zugrunde liegenden
Theorie Abderhalden’s bespricht Vortr. die überaus wechselnde
:' Peptondurchlässigkeit der Dialysierschläucbe, wodurch Dicht ausschalt¬
bare Fehlerquellen in der Methodik bedingt werden. Die Prüfung der
Hülsen auf Eiweissundurchlässigkeit nach der Methode von Swart und
Terwen mittels Casein ergab einwandfreie Resultate. Die Unter-
>'■; Buchungen, über welche berichtet wird, erstrecken sich auf 50 Gravide
im 7. bis 8. Monat, 25 Männer und 25 sicher nicht gravide Frauen.
Eine Spezifität der sogenannten Abwehrfermente liess sich aus diesen
t Befunden nicht erkennen, vielmehr handelte es sich um quantitative,
i nicht qualitative Unterschiede. Auch das Serum von Nichtgraviden und
von Mäanern vermochte in einem grossen Teil der Falle Placenta abzu-
bauen, während in einzelnen Fällen Gravidaserum keinen Abbau zeigte.
Zq den Versuchen wurden vier verschiedene Placenten abwechselnd
verwendet, oha© dass sich ein wesentlicher Unterschied in dem Ausfall
.&> der Reaktion zeigte. Mit inaktiviertem Serum waren die Reaktionen
stets negativ.
Hr. Mosbacher: Hülsen, die in üblicher Weise 8—10 Stunden in
giessendem Wasser gespült waren, wurden mit je 1 ccm frisch destil¬
liertem Wasser angesetzt. Die Dialysate enthielten meist Stoffe, die
kolloidale Goldlösung schützten, zum Teil aber auch fällten. Die
vechselnde Peptondurchlässigkeit könnte wohl auf diese in kolloid-
chemischer Beziehung aktiven Stoffe zurückgeführt werden.
F. Port.
Unterelsässiscber Aerzteverein zu Strassbarg i. E.
Sitzung vom 25. Juli 1914.
... 1* Hr* Adrian: Demonstration eines Falles von Lapis plan iS
■Ularig disseminatus non exedens. 47 jährige Frau leidet seit 6 Jahren
an dieser Erkrankung auf der Brust.
.?• Hr. Mentberger: Demonstration eines Falles von Syndaktylie.
beide^^^d^ 11 ^ 6 hochgradiger Verschmelzung aller 5 Finger an
3. Hr. Stolz.- Ueber das perirenale Hämatom.
Vortr. berichtet über zwei eigene Beobachtungen, von denen einer
operativ geheilt werden konnte, während der andere starb. Beide Fälle
betrafen Männer in den mittleren Jahren. Die Aetiologie blieb in beiden
Fällen unklar. Bei dem einen Fall schlossen sich die ersten Symptome
an eine brüske Bewegung des Körpers bei der Arbeit an. Besprechung
der Symptomatologie, Aetiologie, anatomischen Befunde und der Therapie
dieser Erkrankung.
Diskussion. HHr Schickele, Cahn, Ghiari, Stolz.
4. Hr. Schickele:
Ueber Waehstnmssttirnngen nnd ihre Beziehungen znr inneren
Sekretion.
Nach einer übersichtlichen Erörterung der Wechselbeziehungen
zwischen den Drüsen mit innerer Sekretion und den Waohstumsvorgängen
beim Weibe demonstriert Vortr. drei Patientinnen, zum Teil in natura,
zum Teil in effigie, deren Wachstumsstörungen in die hierher gehörigen
bekannten Krankheitstypen nicht recht hineinpassen, und zwar a) eine
24 jährige Frau mit 1,82 m Körperlänge mit sehr hoben BeineD, mit
kleinem Kopf; keine Schilddrüsenvergrösserung, keine typische Akro¬
megalie. Sella turcica nach dem Röntgenbild normal. Uterus hypo-
plastisch, Ovarien nicht tastbar, äusseres Genitale klein, aber normal.
Vortr. möchte diesen Fall doch am ehesten noch der Akromegalie oder
dem Riesenwuchs im Sinne von Klebs zurechnen. b) Frau von 28 Jahren,
Hypoplasie des Skeletts, Grösse 1,37 m, grosser Kopf, geringe Behaarung,
stärkere Fettansammlung am Mons veneris. Hypoplasie des Uterus und
der Ovarien. Menstruation erst mit 21 Jahren, Dieser Fall lässt sich
weder zum eunuchoiden Typus noch zur Dystrophia adiposogenitalis
rechnen, e) 19jähriges Mädchen. Grosse untere Extremitäten, geringe
Behaarung. Ein Uterus auch in der Narkose nicht zu tasten, kleine
Ovarien. Hat nie menstruiert. Epiphysen geschlossen. Vielleicht
eunuchoider Typus.
Diskussion. HHr. Cahn, Rosenfeld, Chiari, Wissmann,
Fehling, Sohiokele.
5 Hr. Blnm:
Benee-Jones-Eiweisskörper bei Inetischer Knochenaffektion.
24 jähriger Mann, vor einem Jahre luetisch infiziert. Meningitis
luetica. Intravenös Salvarsan und Quecksilber. Seit 6 Monaten Schmerzen
im Sternum. Anämie, Zeichen myeloider Reizung. Vortr. nimmt als
Grand für die Ausscheidung dieses Eiweisskörpers eine luetische Rnochen-
markerkrankung an.
Diskussion. Hr. E. Meyer.
6. Hr. Cahn:
Eine besondere Form von Sklerodermie. (Demonstration.)
Vortr. sah im Verlauf eines chronischen Gelenkrheumatismus, der
vor 5 Jahren begann und zur Ankylosierung der Gelenke führte, bei
einer 34 jährigen Frau Sklerodermie nicht nur in der Nähe der Gelenke,
sondern auch an anderen Körperstellen, z. B. im Gesicht, auftreten. Die
Gelenkerkrankung hatte sich an einen gonorrhoischen Adnextumor an-
geschlossen. Demonstration von Röntgenaufnahmen der Gelenke, die
Knorpelusuren ohne Knocbenneubildung aufweisen. Besprechung eines
zweiten Falles von Sklerodermie bei einem Mann in den mittleren Jahren
mit Gele&kversteifungen.
Diskussion. HHr. Blum, E. Meyer, Wolff.
Tilp-Strassburg i. E.
Naturhistorisch-medizinischer Verein za Heidelberg.
Sitzung vom 9. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Hermann Kossel.
Schriftführer: Herr Carl Franke.
Hr. Siebeck:
Ueber den Chlorgehalt der roten Blutkörperchen and seine Ab¬
hängigkeit von der Sispensionsflässigkeit.
Die Erscheinungen und Bedingungen des Salzwechsels am gesunden
und kranken Menschen sind so mannigfach, dass es im einzelnen Falle
kaum möglich ist, die Verhältnisse befriedigend zu erklären. Daher er¬
scheint es wünschenswert, die Grundlagen unserer Vorstellungen durch
die Untersuchung einfacher, übersichtlicher Vorgänge zu erweitern,
d. b. den Salzwechsel einzelner Zellen zu untersuchen. Von mensch¬
lichen Zellen kommen praktisch die Blutzellen in Betracht, vor allem
die roten Blutkörperchen, die allerdings wegen ihrer minimalen vitalen
Funktion Nachteile haben. Ueber das Verhalten der roten Blutkörperchen
wurden verschiedene Vorstellungen entwickelt: während die Blut¬
körperchen einerseits vor allem auf Grund der umfassenden Unter¬
suchungen Overton’s im wesentlichen mit osmotischen Systemen ver¬
glichen wurden, nahm andererseits besonders Hamburger demgegenüber
immer eine weitgehende Salzdiffusion an. Die berichteten Unter¬
suchungen beziehen sich zunächst nur auf Chlor. Analysen; trockene
VeraschuDg nach Bau mann, Titration nach Volhard. Volumen-
bestimmuDg der roten Blutkörperchen durch die ursprünglich von
Hamburger angegebene Stickstoffmethode. Ergebnisse: Es wurde
zunächst der Chlorgehalt des Serums und der Blutkörperchen unter ver¬
schiedenen Verhältnissen bei Gesunden und Kranken (auch die Störungen
des Salzwechsels) verglichen. Es ergab sich ein ganz konstantes Ver¬
hältnis: Das Serum enthielt immer etwa zweimal soviel Chlor als die
Blutkörperchen. Weiter wurde der Chlorgehalt der roten Blutkörperchen
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UNIVERSUM OF IOWA
1564
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 63.
io verschiedenen Lösungen untersucht: Es wurden gleiche Volumina
Blutkörperchenbrei und neutrale isotonische Rohrzucker- oder Natrium¬
sulfatlösung mehrere Stunden lang dauernd gemischt (bei Zimmer¬
temperatur): in der Lösung wurde dann stets erheblich mehr Chlor
gefunden, als dem Chlor aus dem Serumrest des Blutkorperchenbreies
entsprach. Es trat also Chlor aus dem Blutkörperchen in die
Lösung. Der Austausch erfolgte im Natriumsulfat viel rascher als in
Rohrzucker. Er trat auch dann ein, wenn die Kohlensäure aus dem
Blutkörperchenbrei ausgespult worden war. Bringt man dem Blut¬
körperchenbrei nach dem Austausch in Serum oder Kochsalzlösung, so
geht Chlor aus der Lösung in die Blutkörperchen. Wurde vor oder
nach dem Versuche das Verhältnis des Chlorgehaltes im Suspensions¬
mittel zu dem in den Körperchen bestimmt, so ergab sich, dass es
genau das gleiche war, wenn der Blutkörperchenbrei bei Zimmer¬
temperatur 4 Stunden dauernd mit Natriumsulfatlösung gemischt wurde.
Danach scheint sich das Chlor in ganz bestimmtem Verhältnis (1:2)
auf die Blutkörperchen und das Suspensionsmittel zu verteilen. Es war
nun die Frage zu entscheiden, ob die Zeilen in diesen Versuchen
dauernd geschädigt waren oder ob der Austausch ein reversibler Vor¬
gang ist. Es ist schon erwähnt, dass sowohl aus Serum als auch aus
Kochsalzlösung Chlor in die Zellen giög. Weiter wurden mit solchen
Zellen, die Chlor abgegeben hatten, „osmotische Versuche“ angestellt,
d. h. die Zeilen wurden in isotooischer und hypotonischer Kochsalz¬
lösung aufgeschwemmt und 1—3 Stunden gemischt. Die Zellen nahmen
dann ebenso an Volumen zu wie normale. Es gelang auch, rote Blut¬
körperchen durch wiederholtes Auswaschen mit Natriumsul/atlösung
vollkommen chlorfrei zu machen, ihr Chlorgehalt wurde in der ge¬
sammelten Spülflüssigkeit quantitativ gefunden: auch diese Zellen
nahmen in hypotonischer Kochsalzlösung ebenso Wasser auf und hielten
es in mehreren Stunden unverändert fest. Es kann also zwischen Blut¬
körperchen und umgebender Lösung ein Chloraustausch stattönden, und
dennoch ist der Wassergehalt der Zellen von osmotischem Drucke der
umgebenden Lösung abhängig, was eben nach der herrschenden Ansicht
bedeutet, dass nur Wasser, nicht aber Salz in die und aus den Zellen
diffundiere. Man kann die Verhältnisse auch nicht durch die Annahme
erklären, dass Wasser viel langsamer als Salz in die Zellen diffundiert
(Hamburger, Jaques Loeb), da der Wassergehalt der Zeilen in der
hypotonischen Lösung auch in 3 Stunden nicht abDimmt. Will man die
osmotischen Vorstellungen festhalten und nicht annehmen, dass der
Wassergehalt der Zellen in erster Linie vom Quellungsgrade der Zell¬
kolloide abhängt — und wirklich findet eine grosse Reihe Tatsachen
in den osmotischen Vorstellungen die einfachste Erklärung —, so bleibt
nur übrig anzunehmen, dass die Grenzschicht der Zellen ganz
komplizierte Funktionen hat, dass der Widerstand, den sie
der Diffusion entgegensetzt, vom Milieu abhängig ist: er ist
zum Beispiel in Sulfatlösuog geringer als in Rohrzuckerlösung.
Hr. B. Baisch:
Die Behänd lang chirurgischer Tuberkulosen mit Encytol (Borcholin).
Das Encytol erscheint durch die nachgewiesene chemische Imitation
der Strahlenwirkung und durch eine mögliche direkte Wirkung auf die
Tuberkelbacillen zur Behandlung von chirurgischen Tuberkulosen ge¬
eignet. Bei gleichzeitiger Anwendung von Bestrahlung und Encytol ist
auf die erhöhte Empfindlichkeit der Haut durch die Injektion Rücksicht
zu nehmen. Der grössere Vorteil besteht in der ergänzenden Hilfe der
Einspritzungen, da wo der Wirkung der Bestrahlung ein Ziel gesetzt ist.
Die bisherigen Erfolge, über die anderweitig berichtet werden wird, er¬
mutigen zu weiteren Versuchen in dieser Richtung.
Diskussion.
Hr. Bettmann betont, dass er bei der Hauttuberkulose nur sehr
geringe Wirkung mit Encytol gesehen hat, was aber durch die bekannte
Resistenz der Hauttuberkulose auch gegen Röntgenbestrahlungen eine
Erklärung findet.
Hr. Schreiber hat experimentell bei Kaninchen durch Einbringen
des Enoytols in die vordere Augenkammer Depigmentierung der Iris er¬
zielt, was sonst mit keinem anderen Mittel zu erreichen war.
Hr. Werner will festgestellt wissen, dass nicht der Gehalt an
Lecithin an sich die Radiosensibilität eines Gewebes bedinge, sondern
dass die Anwesenheit von Sauerstoff (reichliche Vascularisierung) zum
Abbau notwendig sei. Er bestätigt die Einwirkung des Cholins, wie
sie vom Vortr. angegeben wurden, und bat bei Tumoren die beste
Wirkung durch gleichzeitige Anwendung von Encytol und Bestrahlungen
erzielt. _
Sitzung vom 23. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Hermann Kossel.
Schriftführer: Herr Carl Franke.
Hr. Neil: Cystoskopische Demonstration eines entlang dem rechten
Ureter nach der Blase zu durcbgebrochenen paranephritisehen Abscesses
bei einer 21jährigen landwirtschaftlichen Arbeiterin.
Nach der Anamnese bestand bei der Patientin vom zweiten
Schwangerschaftsmonate ab eine während der ganzen Gravidität an¬
dauernde rechtsseitige Pyelitis; gelegentlich heftige Schmerzattacken in
der rechten Seite, Schüttelfröste. Uebliche interne Behandlung. Am
6. Wochenbetttage Abgang von stark eitrigem, stinkendem Urin. Acht
Wochen später Aufnahme in die Universitätsfrauenklinik. Befund:
Aus beiden Ureteren klarer Urin. Rechts neben der rechten Ureter-
münduDg eine kraterartige Einziehung (Perforationsöffnung), aus der sich
zäher Eiter, besonders bei Druck auf die vergrösserte rechte Niere ent¬
leert. Rechter Ureter als deutlich verdickter Strang zu tasten. Uterus
retrovertiert-flektiert. Rechte Adnexe und Beckenzellgewebe elastisoh.
Palpatorisch und röntgenologisch ist die rechte Niere enorm vergrößert;
das Pyelogramm ergab keine erkennbare NierenbeckenerweiteruDg. Die
Diagnose einer auf einer früher bestandenen Pyelitis in graviditate
beruhenden Paranephritis abscendens ist nach alledem gesichert. Die
Patientin wird operiert werden; von dem Befund bei der Operation
wird die Ausdehnung des chirurgischen Eingriffes abhängig zu machen sein.
Hr. Bettmann: Demonstration eines Falles von Anthrax, geheilt
durch Salvarsan, und eines Falles von sekundären Syphilid mit
Primäraffekt an der Tonsille.
Zum ersten Falle bemerkt Vortr., dass er seine letzten 14 Fälle von
Anthrax mit Salvarsan behandelt habe und alle Fälle geheilt seien. Er
glaubt berechtigt zu sein, die Salvarsantherapie bei Anthrai empfehlen
zu dürfen, da bei den sonstigen Behandlungsmethoden eine Mortalität
von 20 pCt. zu erwarten ist.
Hr. Moro: Ueber den Einfluss der Molke anf das DamepitheL
Die Ueberlegenheit der natürlichen Ernährung und die Minder¬
wertigkeit der Kuhmitchnahruog beim Säugling ist unter anderem auf
die differente Wirkung beider Molken zurückzuführen, und zwar ergaben
Atmungsversucbe am überlebenden Darmepithel verschiedener Tierarten,
dass die am Oxydationseffekt gemessene Lebensenergie der isolierten
Darmzellen im Medium artentsprecbender Molken wesentlich höhere
Werte erreicht als im Medium heterologer Molken. Dieser Einfluss der
Molken auf das Darmepithel beruht zum Teil auf spezifischer Salz¬
wirkung, vor atlem aber auf der Wirkung gewisser wahrscheinlich mit
Lipoidsubstanzen zu identifizierendem Molkenstoffe. Das Molkeneiweiss
(homolog oder heterolog) übt auf die Oxydationsgrösse in Darmzellen
keinen erkennbaren Einfluss aus; wohl aber auf die resorptive Funktion,
wie in besonderen Versuchen (Freudenberg und Schofmann) gezeigt
werden konnte. Uebertebender Kälberdarm nahm aus Frauenmolke
wesentlich weniger Milchzucker auf als aus Kubmolke. Als resorptions-
bemmendes Prinzip wurde das heterologe Molkeneiweiss erkannt.
Kolb - Schwenningen a. N.
Aerztlicher Bezirksverdii zu Erlangen.
Sitzung vom 21. Juli 1913.
Hr. Kümmell demonstriert einen Fall von hysterischer Selbstver-
letznng der Augen mit frisch kristallisierter Soda, der anfangs die
grössten diagnostischen Schwierigkeiten bereitet hatte. Die Verände¬
rungen bestanden in eigenartig nekrotisierenden Verätzungen der Con-
junctiva palpebrae et sclerae und der Cornea, Verwachsungen und Bildung
von Narbeosträngen.
Diskussion: HHr. Kleist, Königer, Jamin.
Hr. Hanek: Ueber Haattnberknlide.
Zunächst erschöpfendes Referat über die ganze Tuberkulidfrage, dann
Demonstration eines Falles von subcutanem Sarkoid Darier-
Roussy. Die Patientin batte mit 25 Jahreo Lungenbluten gehabt und
war vor 5 Jabren angeblich wegen Kreuzbeincaries in Behandlung ge¬
wesen. Der Beginn des jetzigen Leidens war im Februar 1913; unter
der Haut des Rumpfes waren Knoten entstanden, die sich zu breiten,
derben, wulstigen Sträugen umbildeten. Bis zur völligen Entwicklung
der Veränderungen waren Schmerzen vorhanden, welche dann verschwanden.
In einem mikroskopischen Präparat dieses Falles fanden sich die für
einen tuberkulösen Prozess charakteristischen Riesenzellen, weshalb Vortr.
der Ansicht der echten Tuberkulidnatur der vorliegenden Erkrankung
zuneigt. Der wissenschaftliche Nachweis wird von noch laufenden Tier¬
versuchen erhofft
Diskussion: Hr. Spuler.
Hr. Kleist:
Zar Kenntnis der Geistesstörungen nach inneren Erkrankingen ind
nach Operationen.
Nach Beobachtungen in der chirurgischen und Frauenklinik treten
im Anschluss an grössere Operationen (oft Rectumcarcinom) psychische
Veränderungen auf, welche besonders durch ihre Fremdartigkeit dem
normalen Seelenleben gegenüber ausgezeichnet sind; psychopathische
Veranlagung ist zum Entstehen des Symptomenkomplexes nicht erforder¬
lich. Nach einer Latenzzeit von 2—14 Tagen werden die Erscheinungen
manifest, dauern oft nur kurze Zeit und können völlig ausheilen, 50 pCt.
der beobachteten Patienten starbeD. Die Geistesstörung kann in Form
tiefster Benommenheit oder als deliranter Zustand, als ängstliche Rat¬
losigkeit, als Stupor, als hyperkinetische Verwirrtheit oder als paranoi¬
scher Zustand auftreten. Wahrscheinlich entstehen diese Krankheits¬
bilder nicht durch Erschöpfung, durch Narkoseschädigung oder auf dem
Boden einer psychopathischen Anlage, sondern sie stehen in naher Be¬
ziehung zur Anaphylaxie. Eiweissspaltprodukte, die bei den grossen
Wundflächen immer entstehen, gelangen in die Blutbahn des anämisierten
Patienten und erzeugen nach einer Latenzzeit die oben geschilderten
Symptome.
Diskussion: HHr. Kreuter, Weiohardt, Königer, Seitz.
Jamin, Spuler. Stettner.
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UNIVERSITÄT OF IOWA
17. Aagaat 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1566
Freiburger medizinische Gesellschaft.
Sitzung vom 7. Juli 1914.
HHr. Stnber, Winter und Heim: Stadien zur Blatgerinnnngslehre.
a) Hr. Heim: Fettsäuren, Kohlensäure und Blutgerinnung.
Auf Anregung von Herrn Stüber unternommene Versuche ergaben:
1. Die Triglyceride der höheren Fettsäuren beschleunigen die Blut¬
gerinnung. Die Beschleunigung nimmt mit der Spaltung der Glyceride
anfänglich zu, bei zu weit gehender Spaltung ab. Diese Abhängigkeit
ist durch das Vorhandensein der freien Fettsäuren und ihrer Wasserstofi-
iooenkonzentration bedingt, wie durch das Kohlensäurebindungsvermögen
des Plasmas festgestellt wurde.
2. Alle Fettsäuren beschleunigen die Gerinnung. Die Beschleunigung
nimmt in der homologen Reihe mit der Koblenstoffzahl der Fettsäuren
stetig zu und ist bei der Stearinsäure am höchsten. Sie ist, abgesehen
von der Wirkung der Wasserstoffionenkonzentration, eine spezifische.
3. Kohlensäure beschleunigt die Gerinnung. Vortr. fand, dass die
Kohlensäure imstande ist, den an Eiweiss gebundenen Teil des Fettes
des Gesamtblutes aus der Verbindung mit dem Eiweiss zu verdrängen
und in den ätherlöslichen Zustand überzuführen. Dadurch wird die
Wirkung der Kohlensäure mit der der Fette in Zusammenhang gebracht.
4. Fett in Verbindung mit einem fettspaltenden Ferment ist in
gerinnungsbefördernder Wirkung der Morawitz’schen Thrombokinase
überlegen. Die Wirksamkeit der Thrombokinase entfällt zum grössten
Teil auf ihre (ätherlösliohen) Fettbestandteile. Sie kann durch diese
ersetzt werden. Ferner enthält die Thrombokinase ein lipolytlsches
Ferment.
5. Die befördernde Wirkung verschiedener Lipasen auf die Blut¬
gerinnung ist der lipolytischen Fähigkeit parallel.
6. Von den verschiedenen Eiweisskörpern des Blutplasmas hat das
Fibrinogen eine spezifische Fähigkeit, sich mit Fettsäuren zu unlöslichen
Verbindungen zu vereinigen unter Mitwirkung von einem lipolytischen
Ferment.
b) Hr. Stüber: Eine chemische Theorie der Blutgerinnung.
Die bestehenden Theorien der Blutgerinnung gründen die auf die
Befunde von A. Schmidt und der späteren Autoren. Zuletzt wurde
der Gerinnungsvorgang von Morawitz dahin gedeutet, dass zunächst
drei Bestandteile, das Thrombogen, ein Ferment, die Thrombokinase und
ein Kalksalz das Thrombin bilden. In eiuer zweiten Reaktion verbindet
sich das Thrombin mit dem Fibrinogen des Plasmas zu Fibrin.
Zusammen mit Winter und Heim ausgeführte Versuche führen nun
zu den folgenden Auffassungen. Thrombogen ist Fett, Thrombokinase
eine Lipase, die das Fett in Fettsäuren und Glycerin spaltet. Mit
Kalksalzen verbinden sich die Fettsäuren zu Kalkseifen, die das Thrombin
darstellen. Fibrinogen verbindet sich mit Kalkseifen zu Fibrin. Durch
diese Theorie ist die bisher dunkle Rolle des Kalks bei der Gerinnung
befriedigend berücksichtigt. Sie erklärt die Abhängigkeit der Gerinnung
von den Fettsäuren (s. o.) und die Resultate der Untersuchung der
Thrombokinase.
^ Diskussion.
Hr. Knoop: Eine Synthese aus Kalkseife und Fibrinogen lässt sich
nicht als chemisch ohne weiteres definierbarer Vorgang denken. Ein
solcher synthetischer Vorgang lässt sich bei dem raschen Verlauf der
Gerinnung durch einen fermentativen Prozess nicht erklären. Ferner
müssten sich unter der Voraussetzung der Richtigkeit der Theorie von
Stüber quantitative Beziehungen zwischen Fettsäuren und Fibrinogen
nachweisen lassen.
Hr. Hahn: Die Richtigkeit der Annahme einer synthetischen Bildung
des Fibrins aus Fibrinogen und Kalkseifen müsste sich durch die Unter¬
suchung des Fibrins kontrollieren lassen.
Hr. Stüber: Die Möglichkeit 30 rasch verlaufender Fermentreaktionen
ist durch die Untersuchungen von Bertscheller gegeben. Versuche,
das Fibrin zu analysieren, sind im Gange. Fibrin enthält jedenfalls
Fettsäuren. Die von Knoop vorgeschlagene Untersuchung mit ver¬
schiedenen Fettsäuren hergestellter Fibrine muss nicht notwendig zu
einer Lösung der Frage führen, weil die Reaktion wahrscheinlich nur
bis zu dem isoelektrischen Punkt verläuft, also sich nicht in konstanten
Proportionen abspielen muss.
Hr. Asch off weist auf die Bedeutung von Ruhe und Bewegung für
die Gerinnung des Blutes hin. Nach vorangehender Agglutination der
Blutblättchen schiesst das Fibrin nach Art von Kristal Inadeln an.
Froraherz.
Aus Pariser medizinischen Gesellschaften.
Acadömie de mödecine.
Sitzung vom 2. Juni 1914.
HHr. Pierre Marie und Löri besprechen ein Verfahren der Chromo-
serodiagBostik der Gehirn bl atangen. Bei 5 Gehirnblutungen haben
8ie eio eigentümlich grünliches, mehr oder weniger fluorescierendes Aus¬
sehen des Blutserums beobachtet, das wahrscheinlich auf den Uebergang
der Zersetzuogsprodukte des Hämoglobins des extravasierten Blutes in
das oirculierende Blut zu beziehen ist. Um diese Färbung des Serums
nachzuweisen, genügt es, 10—20 ccm Blut in einem Gefäss aufzufangen
und das Blutgerinnsel von den Gefässwänden loszutrennen, so dass es
sich zusammenziehen kann; dann trennt man das Serum durch Ab-
pessen oder mit einer Pipette und kann seine Färbung feststellen. Das
Verfahren bedarf also keines Apparates und keines Reactivs und gibt
in kurzer Zeit ein praktisches Resultat. Es ist schon in den ersten
Stunden nach der Blutung positiv und hält einige Tage an. Das Ver¬
fahren erlaubt die Differentialdiagnose zwischen Gehirnblutung und Ge¬
hirnerweichung und kann wahrscheinlich auch zur Diagnose anderer
Blutungen dienen.
HHr. Kirnisson und Perrin haben auf ihrer Abteilung zwei
Tetanastodesfälle erlebt infolge Infektion durch den zur Behand¬
lung der Skoliose nach Abbot verwendeten Filz. Bei einem
17jährigen Mädchen mit starker Skoliose wurde am 10. Februar der
Gipsverband angelegt und am 14. und 21. Februar, 7. und 21. März
zwischen Verband und Gibbus die Filzplatten geschoben. Am 1. April
trat Trismus auf; der Exitus erfolgte innerhalb 24 Stunden. Nach Ent¬
fernung des Apparates fand man kleine Excoriationen auf dem Gibbus.
Ein anderes Mädchen von 19*/2 Jahren starb auf gleiche Weise an
akutem Tetanus am 15. April. Von dem sofort verdächtigten Filz wurde
ein Teil zur bakteriologischen Untersuchung geschickt; es konnten aus
demselben reichliche Kolonien virulenter Tetanusbacillen gezüchtet
werden. Der Filz sollte also gründlich sterilisiert sein und seine Fabri¬
kation ernst überwacht werden.
Hr. Teissier beschreibt eine Reihe von tödlichen eitrigen früh¬
zeitigen Peritonitisfallen bei Scharlach; diese beruhen auf Strepto¬
kokkeninfektion. Diese Fälle widersprechen der allgemeinen Ansicht,
dass die frühzeitig entwickelte Peritonitis bei Scharlach eine gute Pro¬
gnose habe, während die Spätformen schwer seien.
Hr. Souqnes beschreibt einen Fall von dauernder Paralyse der
Extremitäten nach lange fortgesetztem Gebrauch von Colchicin. Pat.
hatte aus Furcht vor einem Gichtanfall während 3 Wochen täglich
Colchicinpräparate genommen. Plötzlich trat komplette, totale Lähmung
der Extremitäten ein, mit Hautanästhesien und tiefen Schmerzen. Das
Gesicht, das Herz und die Sphincteren blieben frei, ebenso fehlten
psychische Störungen. Die Lähmung ging langsam zurück, war aber
nach 6 Monaten nicht ganz verscwunden. Es gibt also neben der
akuten Colchieinvergiftung eine subakute, nach oft wiederholten kleinen
Dosen, die zu Lähmungen führen kann. Solche Colchicinbebandlungen
bedürfen also der ärztlichen Ueberwachung.
Sitzung vom 9. Juni 1914.
Da Herr Marinesco erklärt hat, dass das Leben der Gewebe
ausserhalb des Organismus unmöglich sei, gibt Herr Pozzi Bericht
über den Zustand des von Herrn Carrel seit 28 Monaten
ausserhalb des Körpers lebend erhaltenen Bindegewebes.
Der dynamische Zustand des Gewebes misst sich an der Geschwindig¬
keit seines Wachstums. Dieses kann ziemlich genau gemessen werden.
Ein Stück der Gewebekultur wird genommen, in Ringer’scher Flüssigkeit
gewaschen und auf einen neuen Nährboden gebracht. Es wird rasch von
einem Ring neuen Gewebes umgeben, nach 48 Stunden wird die Dicke
dieses Ringes gemessen. Im allgemeinen verdoppeln die Gewebe ihr
Volumen nach 48 Stunden; das Wachstum ist aber je nach der Natur
der Nährflüssigkeit und je nach dem Zustand der Gewebe im Moment
der Einpflanzung verschieden. Der Vergleich der innerhalb 48 Stunden
entwickelten Gewebsmassen mit Zellen der heutigen Kultur und mit
Zellen der gleichen Kultur vor Jahresfrist zeigt, dass die Tätigkeit der
Zellkolonien sich gesteigert hat Vor einem Jahre war der innerhalb
48 Stunden gebildete Ring 1,5—1,8 mm dick, während er heute in guten
Verhältnissen 2—2,8 mm misst, ln eine gleiche Kulturflüssigkeit wurden
Herzstücke eines achtagigen Hühnchens und Stücke der seit über zwei
Jahren in vitro entwickelten Gewebe eingelegt. Die Fermente der alten
Kultur entwickelten sich schneller, das Proliferationsvermögen dieser
Zellkolonien hat also nicht abgenommen; diese raschere Entwicklung ist
vielleicht der Verbesserung des Verfahrens zuzusehreiben.
Hr. Claude zeigt, dass die paralytische Myasthenie von Erb,
selbst in ihren heilbaren und geschwächten Formen von den astheni¬
schen oder adynamischen Symptomenkoraplexen durch Neben¬
niereninsuffizienz, die bei infektiösen und toxischen Zuständen be¬
obachtet werden (namentlich im Morbus Addisonii), zu unterscheiden
ist. Es bestehen sichere klinische und anatomische Unterschiede. Bei
den asthenischen Zuständen besteben Zeichen einer allgemeinen Intoxi¬
kation, CirculationsstöruDgen, Herabsetzung des Blutdrucks, Muskel¬
ermüdung, aber es fehlen Lähmungen, Muskelatrophien, Aenderungen
der elektrischen Reaktionen der Muskeln. Bei der Myasthenie dagegen
bestehen neben der leichten Ermüdung der Muskeln vorübergebende
Lähmungen gewisser Muskelgruppen, besonders des Auges, des weichen
Gaumens, der Lippen, Aenderungen der elektrischen Erregbarkeit der
Muskeln. Die Herabsetzung des arteriellen Blutdrucks ist nie bedeutend.
Beim Addison und den toxisch-infektiösen Asthenien findet man bei der
Autopsie destruktive Prozesse der Nebenniereo. Bei der paralytischen
Myasthenie sind die Nebennieren eher vergrössert, aber durch die Ueber-
anstrengung erschöpft. Diese Ueberanstrengung ist die Folge der im
Körper circulierenden Gifte der Nerven- und Muskelzellen, die ver¬
schiedenen Ursprungs sind, aber in gewissen Fällen von der veränderten
Thymus stammen. Bei schweren Myasthenien bestehen bedeutende Er¬
nährungsstörungen, welche durch Harnanalysen und Untersuchung der
Toxizität des Harns sich kundgeben und sich in der Rekonvaleszenz der
heilbaren Fälle nicht mehr finden. Die Insuffizienz der direkten Drüsen
mit innerer Sekretion durch funktionelle Erschöpfung ist bei der Erb-
schen Krankheit eine sekundäre Erscheinung, während die Nebennieren¬
insuffizienz bei Addison oder dynamischen Zuständen die primäre
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UMIVERSITY OF IOWA
1566
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 83.
ErscheiDUDg ist. In diesen Fällen ist somit die Nebennierenopotherapie
besonders angezeigt, während bei den myasthenischen Zustäoden die
Polyopotberapie, Behandlung mit Phosphor, Strychnin und Elektrizität
angezeigt ist.
Nach Herrn Trillat besteht neben dem trockenen Staub in der Luft
der bewohnten Räume feuchter Staub, welcher überimpft werden
und einen wahren Duft von Mikroben bilden kann. Es setzen sich
wahre Tropfen ab, deren Gentrum der Mikroorganismus ist, dessen Ent¬
wicklungsfähigkeit erhalten wird durch Anwesenheit der ernährenden
Gase der Atmungsluft. Diese Tröpfchen sind um so beweglicher, als
der Mikroorganismus klein ist, wie das bei den durch Luft am leichtesten
übertragbaren Krankheiten der Fall ist. Gestützt auf die Tatsache, dass
diese Tröpfchen durch abgekühlte Flächen abgezogen und getrennt
werden können, stützt Herr Trillat die Ansicht, dass es in von
Kranken besetzten Räumen für die Ansteckung günstige Stellen gibt.
Er empfiehlt Anwendung abkühlender Flächen zur Desinfektion der
Räume.
Sitzung vom 16. Juni 1914.
Hr. Enriqnez spricht über die gastralgische Form der Pylorus¬
stenose. Es ist zweifellos, dass der spät, zu bestimmter Stunde ein¬
tretende Scbmerzanfall auf eine Störung der Entleerung durch den Pylorus
deutet. Bei wiederholter Beobachtung dieses Symptomenkomplexes, ver¬
bunden mit in Serien gemachten Radioskopien, hat der Autor mit
Durand zusammen eine besondere Form der Pylorusstenose, ohne Stase
des Mageninhalts, ohne dauernde Hypersekretion, mit beständigem Leer¬
sein des nüchternen Magens entdeckt. Diese Stenose wurde in allen
Fallen bei der Operation richtig gefunden. Die Veränderungen sassen
bald am Pylorus, bald an der kleinen Curvatur, oder auf der duodenalen
Seite des Pylorus.
Das klinische Bild der Affektion ist sehr verschieden, je nachdem
die Stenose sich an einem hypertonischen, hypotonischen oder atonischen
Magen entwickelt. Ein hypertonischer Magen kann lange trotz Verände¬
rungen am Pylorus die Leerung des Magens sichern, das einzige Zeichen
des erschwerten Durchgangs ist dann der späteintretende Schmerz, der
durch seine Persistenz und Wiederholung aufmerksam macht. Das Haupt¬
zeichen dieser Stenosen ist der Schmerz, der 2—4 Stunden nach der
Mahlzeit eintritt, durch Aufnahme Beuer Speisen oder durch Natr. bicarb.
gestillt wird. Oft ist dieser Schmerz von Aufstossen, Sodbrennen, Brech¬
reiz oder Brechen begleitet oder hört häufiger damit auf. Aus dem
nüchternen Magen kann nie Flüssigkeit ausgepumpt werden; Hyperchlor-
hydrie ist häufig. Im grossen und ganzen gleicht das Bild der hyper-
sthenischen Dyspepsie. Seltener verlauft die Affektion unter dem Bilde
der hyposthenischen Dyspepsie mit früh eintretendem Magendruck, Blut¬
wallungen zum Kopf und Schmerzen lange nach dem Essen. Nie wurden
peristaltische Bewegungen noch intermittierende oder dauernde Distensiou
im Epigastrium beobachtet. Dagegen bestand immer mehr oder weniger
starke Dilatation, oft nur relative Dilatation. Diese kann sich nur auf
den Pylorusteil beschränken, besonders bei hypertonischem Magen.
Der Verlauf ist besonders intermittierend, die Diagnose in der Regel
schwer. Vorerst müssen alle ausserhalb des Magens liegenden Gründe
der Pylorusspasmen ausgeschaltet werden (Nervensystem, Leber, Gallen¬
blase, Appendix und Uterus). Dann bleiben noch drei Zustände, die der
Pylorusstenose in den Erscheinungen sehr ähnlich sind und die durch
die therapeutische Differentialdiagnose ausgeschaltet werden. Die Hyper-
chlorbydrie mit schmerzhaften Anfällen ohne organische Veränderungen
verschwindet mit der Kochsalzentziebung. Die Schmerzen bei Magen-
ptose mit starker Abknickung des Duodenums verschwinden mit An¬
wendung der Binde, welche die Ptose ohne Organveränderung bessert
Wenn trotz dieser therapeutischen Eingriffe die Schmerzen fortbestehen
und die Magenerweiterung Fortschritte macht, hat man es, besonders
wenn der Allgemeinzustand schlechter wird, mit einer Stenose zu tun,
die einen chirurgischen Eingriff, womöglich die Pyloreotomie verlangt,
oder doch wenigstens die Gastroenterostomie mit totalem Ausschluss des
Pylorus.
Sitzung vom 23. Juni 1914.
Hr. B&zy hält die Bezeichnung Prostatektomie für unrichtig, denn
man entfernt eigentlich nicht die Prostata, sondern die Adenome, welche
die Prostatahypertrophie bedingen, es ist also eher eine A denektomie.
Diese Operation beseitigt nicht allein die mechanischen Störungen und
die damit verbundenen Harninfektionen und Intoxikationen, sondern sie
behebt auch die schädlichen Einflüsse, welche von den Tumoren auf den
Körper ausgeübt werden. Bei einem 71jährigen Patienten wurde vor
2 Jahren wegen schwerer Infektion und Unmöglichkeit des Katheterismus
die Cystotomie gemacht. Patient war damals mit Albuminurie und
Oedemen mit schweren Herzstörungen behaftet, die nach der Operation
nicht verschwanden, trotzdem Retention beseitigt worden war. Es wurden
dann die Prostataadenome (im ganzen 105 g) entfernt. Progressiv ver¬
schwanden alle Störungen. Die Heilung hält nun über 2 Jahre an.
Hr. Kirmisson bespricht die tiefliegenden, schmerzhaften Angiome
der Extremitäten an Hand von 3 Fällen. Diese tiefen, unter den
Fascien der Extremitäten gelegenen Angiome verursachen sehr heftige,
lokale und auf das ganze Glied ausgedehnte Schmerzen. Diese Angiome
liegen so tief, dass sie kaum eine leichte diffuse Schwellung erzeugen,
oft sogar das nicht. Man muss daran denken bei gutem Allgeraein-
zustaod, Fehlen von Diatbesen und bei jugendlichen Individuen. Ohne
Kenntnis dieser Angiome könnte man lange nutzlos mit schmerzstillenden
Mitteln behandeln, was eine kleine Operation leicht beseitigen kann.
Diskussion. Hr. Le Den tu hat bei einem Mädchen ein solches
tiefliegendes Angiom der Wade operiert. Die Exstirpation war sehr
einfach.
SitzuDg vom 30. Juni 1914.
Hr. Sambon bat Untersuchungen über die Aetiologie der Pellagra
gemacht, die er im Balkan, in den Antillen, in England und Südfrank-
reicb untersucht hat. Die historischen und ätiologischen Tatsachen er¬
lauben nicht mehr, die schädliche Wirkung des Maises verantwortlich zu
machen. Die Krankheit bestand vor der Einführung von Mais als
Nahrungsmittel. Infiziert werden nur Leute, die in bestimmten Gegenden
gewissen Insektenstichen der Gruppe der Simuliden ausgesetzt sind. Die
Krankheit ist ausserhalb der endemischen Herde nicht übertragbar.
Hr. Voronoff berichtet über einen Fall von Myxödem bei einem
8jäbrigen Kinde nach Masern. Dem jetzt 14jährigen Kmde wurde vor
6 Monaten in die rechte Halsgegend der rechte Lappen der Schilddrüse
(mit Parathyreoidea) eines grossen Affen (Tapio) transplantiert. Auf
diese Operation folgte eine regelmässig fortschreitende, deutliche Besse¬
rung des physischen und psychischen Zustandes. Die Transplantation
muss rasch geschehen und in einer gefässreicben Gegend gemacht werden,
indem durch Nähte zahlreiche Adhärenzen der Gewebe mit dem trans¬
plantierten Gewebe geschaffen werden.
Socidtd medicale des höpitanx.
Sitzung vom 5. Juni 1914.
HHr. 6 . Bron&rdel, L. u. 6 . Giro« besprechen an der Hand eines
Falles die tranmatisehe LnngeBtuberkiilose. Der sonst nie kranke
Patient bekam nach Kontusion der rechten Brusthälfte tuberkulöse
Läsionen, die sehr rasch fortschritten und zum Tode führten. Die ersten
Erscheinungen fanden sich deutlich an der Stelle des Traumas. Die
Lungenspitzen erkrankten erst nachträglich, wie die Radioskopien be¬
stätigten. Die Autoren berichten gleichzeitig über experimentelle Unter¬
suchungen, die zu beweisen scheinen, dass das Trauma (Rippenfraktur
bei mit einer 1 Monat alten Bacillenkultur geimpften Kaninchen) die
Tuberkulose lokalisiert. Bei den sogenannten traumatischen Tuberkulosen
bandelt es sich meist um Traumen der Brustwand, einfache Kontusionen,
seltener Rippenbruch, noch seltener penetrierende Wunden. Die tuber¬
kulösen Veränderungen treten sofort oder nach einigen Tagen ein, sitzen
auf der gleichen Seite wie die verletzte Partie, selten, wie im vorliegen¬
den Falle an der Stelle des Traumas selbst. Selten entwickeln sich
die Veränderungen auf der entgegengesetzten Seite. Meist erzeugt das
Trauma die Entwicklung einer lokalen latenten Tuberkulose. Der Ein¬
fluss der im Blut eirkuüerenden Bacillen ist grösser als man meint, der
latente tuberkulöse Herd braucht nicht in den Lungen zu sein.
Hr. Simonin betrichtet über 10 Fälle traumatischer Lunge»- nnd
Plenratnberknlose. Sie wurden bei Soldaten beobachtet und entstanden
nach Kompression oder Kontusion des Thorax ohne Wunden oder Frakturen.
Die Lungenblutung fehlte nur einmal in einem Falle, in dem die erste
krankhafte Reaktion auf der Pleura sich zeigte. Die BlutuDg folgt sehr
rasch nach dem Trauma, ist nicht von Fieber begleitet und nur gering.
Die Pleura- und LuDgenveränderung liegt der getroffenen Stelle
gegenüber und entsteht bald nach dem Trauma. Die Lungenreaktionen
sind häufiger als diejenigen der Pleura. Das Trauma der Brust dient
nur, um eine latente Tuberkulose aufzudecken. Hereditäre oder persön¬
liche verdächtige Antecedentien fehlen selten.
Ausser dem Trauma werden in der Armee als Faktoren, die latente
Tuberkulose aufdecken, starke und dauernde Erkältung und der lang¬
dauernde Dienst in Betracht gezogen. Eine Statistik des Val de Grace
zeigt, dass l /io der Entschädigungen an Unteroffiziere und Berufssoldaten
wegen Tuberkulose nach einem bestimmten Trauma oder langer Dienst¬
dauer ausbezahlt werden. Nach Simonin ist die traumatische Tuber¬
kulose mit 1,52 pCt. vertreten, im Deutschland 1,37 pCt.
HHr. G. Vitry und Henri Lab he beschreiben einen Fall von periodi¬
schem Brechen beim Kind. Während 3 Krankheitsperioden konnten sie
täglich den Harn untersuchen und fanden einige Besonderheiten der
Harnacidose, wie bei Diabetikern mit drohendem Coma. Die Acidität
des Harns ist stark während des ganzen Anfalles und wird normal, so¬
bald die Ernährung wieder möglich ist; ebenso verhält sich der Ammoniak¬
gehalt des Harns. Der Stickstoffgehalt ist hoch infolge des Abbaus des
Eiweisses des Gewebes des Körpers, da während des Anfalles die Er¬
nährung ganz ausbleibt. Der Acetongehalt kann nach dem Verfahren
von Gerhardt, Legal und Lichen deutlich nachgewiesen werden
und verschwindet, sobald die Ernährung möglich ist. Die intensive Be¬
handlung mit Alkalien durch Clysmen mit Natr. bicarbon.-Lösungen hat
die Erscheinungen etwas gebessert.
Sitzung vom 12. Juni 1914.
HHr. Canssade und 6 . Leyi-Fraenkel haben einen Fall von Syphilis
beobachtet, der den Symptomenkompiex der Ban’ti’schen Krankheit
aufwies. Während 5 Jahren hatte Pat. einen grossen Milztumor, der
zuletzt das ganze linke Hypochondrium ausfüllte und von da nach unten
bis ans rechte Hypogastrium reichte. Diese Partien waren leicht druck¬
empfindlich und schmerzhaft infolge Perisplenitis. Zwei bis drei Jahre
nach Beginn trat zunehmende Anämie ein. Zuletzt sanken auch die
weissen Blutkörper von 4500 auf 1500. In der letzten Zeit trat Glykosurie
ein, und 2 Monate vor dem Exitus Ascites. Der Tod trat infolge schweren
Icterus ein. Die Affektion betraf atso zuerst die Milz, dann das Pankreas
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UNIVERSITY OF IOWA
17. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1567
and zuletzt die Leber. Alle Erscheinungen sind diejenigen der Banti-
sehen Krankheit. Die Lues wurde durch den Wassermann festgestellt
und durch die bei der Obduktion gefundene deutliche spezifische
Aortitis, deutliche Perisplenitis, Sklerose der Milz durch Endoperiarteritis,
ebensolche des Pankreas. Die Leber zeigte namentlich nekrotische Ver¬
änderungen, erzeugt durch die toxischen Produkte der anormalen Milz
und des Pankreas. Die Autoren betrachten deshalb die Banti’sche
Krankheit nicht als Krankheit, sondern als Symptomenkomplex, der auch
durch andere Ursachen als durch Syphilis ausgelöst werden kann. Die
spezifische Behandlung blieb ohne Erfolg, da sie zu spät einsetzte, als
schon fibröse und nekrotische Veränderungen bestanden.
Hr. Rist beschreibt einen Fall von dysenterischem Lnngenabseess
bei latenter Dysenterie. Patient war im April wegen reichlicher Hämo¬
ptysen aufgenommen worden. Man fand keine Tuberkelbacillen, und radio-
skopisch war in der rechten Lunge eine Eiteransammlung mit scharfer Um¬
grenzung sichtbar, so dass man an Blasenwurm dachte. Die Punktion
forderte schokoladenfarbenen Eiter zutage ohne Baoillen und Amöben.
PatieDt hat 5 Jahre früher in Tunis Icterus durebgemaebt, aber nie Dys-
senterie. Da der Zustand sich verschlimmerte, wurde Pat. von Herrn Hart-
mann operiert. Aus der Abscesshöhle floss etwa 1 Liter nichtstinkenden
Eiters ab. Pat. starb andern Tags. Der LuDgenabscess kommunizierte mit
einem kleinen Leberabscess, welcher noch Amöben enthielt. Ferner
fanden sich im Dickdarm dysenterische Geschwüre mit AmöbeD. Lungen
und Leberabscess haben sich unabhängig voneinander entwickelt und
gingen erst sekundär ineinander über.
BHr. Kuss und Rubinstein haben an 100 Patienten des Sanatoriums
von Angicourt die Serodiagnose der Tnberknlose mit dem Antigen von
Besredka untersucht. Die Nichttuberkulösen, die nur als verdächtig
ins Sanatorium kamen, batten negative Reaktion mit Tuberkulin UDd
negative Seroreaktion, während man bei den verschiedenen Formen der
Tuberkulose 75 pCt. positive Seroreaktionen erzielte. Diese positiven
Reaktionen verteilen sich auf die verschiedenen Formen der Tuberkulose
folgendermaassen. Bei beginnender Tuberkulose ist die Reaktion in 100 pCt.
positiv. Bei schweren Formen, altern Datums, mit langsamem Verlauf
ohne Fieber, war sie in 90 pCt. positiv; bei käsigen schweren, fortge¬
schrittenen Prozessen ohne Kachexie in 86 pCt. positiv. Bei sicherer
Tuberkulose mit geschlossenen Herden, schleichendem Verlauf nur in
50pCt. positiv, endlich bei leichter, inaktiver Tuberkulose war die Re¬
aktion meist negativ. Bei leichter Tuberkulose mit leichten Zeichen
von Aktivität wird die Reaktion in 2 /s der Fälle positiv. Bei älteren
Patienten ist also eine beständig positive oder eine wiedereintretende
positive Reaktion ein Zeichen vom neuen Erwachen der Bacillentätigkeit.
Sitzung vom 19. Juni' 1914.
HHr. Aeh&rd und Ronillard berichten über einen Fall von Lnngen-
pigrii nach Kc nsion der Brost. Die 25jährige Patientin hat bei
einem Streit eine Kontusion der Thoraxbasis rechts erhalten. Während
14 Tage bestanden Schmerzen, dann trat Fieber ein, schlechtes All¬
gemeinbefinden, Husten, reichliche fötide, leicht mit Blut vermischte
Expektoration, ln der erkrankten Gegend bestand leichte Dämpfung,
Bronchial atmen mit krepitierendem Rasseln; radiographisch eine helle
Zone, umgeben von einem dunklen Rand verdichteten Gewebes. Die
Rippen waren frei. In der Pleura zeigt die Probepunktion wenig trübe
aseptische Flüssigkeit. Operation wird verweigert. Das Fieber schwankt
zwischen 38 und 40°, die Expektoration ging zurück, Patientin war nach
3 Wochen geheilt. Das Trauma hat wahrscheinlich eine kleine Blutung
erzeugt; die blutig infiltrierte Partie wurde sekundär infiziert.
HHr. Henri Dnfonr, Legras und Crow haben in zwei Fällen die
passive Anaphylaxie therapeutisch verwendet, um die Gerinnbarkeit des
Blutes zu erhöhen und die Blutungen des Typhus zu stillen. Zwei
Kaninchen wurden durch Diphtherieserumiojektionen vorbereitet und
nach II Tagen nach der ersten Injektion ihr Blut genommen, etwas
früh, um sicher zu sein, dass sie in voller Anaphylaxie waren. Das Serum
pes einen Kaninchens A coagulierte Blut in 3 Minuten, das des andern B
in 4 Minuten. Das Gerinnsel A war innerhalb 3 Stunden stark zusammen-
gezogeD, das von B gar nicht. Das Serum dieses letzteren hat, auch
auf Patienten injiziert, die Gerinnbarkeit gar nicht beeinflusst, während
dasjenige des Kaninchens A sehr günstig wirkte. Vor der Injektion
erfolgte die Gerinnung des Blutes des Patienten in 23 Minuten. 3 bis
4 Stunden nach Injektion von 2 ccm Serum A trat die Coagulation nach
6 Minuten ein. Nach 4 Tagen brauchte sie 17 Minuten, und 3 Stunden
nach einer Injektion von 1 ccm 7 Minuten. Mit diesem Serum wurden
dann auch Typhuspatienten behandelt, die im Kraokheitsbeginn starkes
Nasenbluten und Zahnfleischblutungen aufwiesen, und starke Blutung
nach blutigen Schröpfköpfen. Bei einem Patienten, der vorher in 15 Mi¬
nuten Coagulation zeigte, war diese 3 Stunden nach 3 ccm Serum A
schon nach 7 Minuten vorhanden. Nach 1 ccm Dipbtherieserum brauchte sie
8 Minuten. Die Blutungen hörten auf. Der andere Patient zeigte Ge¬
rinnung nach Ja/ 2 Stunden; nach Injektion von 3 ccm Serum braucht
die Gerinnung 8 Minuten, nach 1 ccm Diphtherieserum 5 Minuten. Die
Blutungen hörten auf und kamen nicht wieder. Der Verlauf des Typhus
Vurde sonst nicht beeinflusst.
Hr. Simoiin beschreibt einen Fall von multiplen unabhängigen
Aueessen der Leber nnd der Lnnge nach Amöbendysenterie. Patient
wurde auf dem Marsch nach Fez krank. Nach 2 Monaten Dauer der
Amöbendysenterie traten febrile Zustände ein, dann unbestimmte
Schmerzen in der Leber, Perihepatitis mit Reiben. Dann kamen Fieber-
aofälle mit grossen Temperaturschwankungen, mit vorausgehendem Frost
und nachfolgendem Schweiss. Weder durch Radioskopie noch durch
Punktionen konnte ein Abscess entdeckt werden. Einige Stunden vor
dem Exitus, 8 Monate nach Beginn der Dysenterie trat ein Hustenanfall
ein mit Auswurf von eitrigem Sputum. Der Tod erfolgte infolge Throm¬
bose der Lungenarterie. Bei der Obduktion fand man drei Absoesse
im rechten Leberlappen, von Mandarinen- bis Haselnussgrösse. Ausser¬
dem fanden sich in der rechten Lunge zwei baselnussgrosse Eiterherde,
von denen sich einer in den Bronchus entleerte, ln den Leberabscessen
waren keine Amöben nachweisbar, aber in deo Lungenberden. Die
Kultur des Eiters ergab Staphylokokken. Diese Beobachtung wurde vor
der Einführung der Eraetinbehandlung gemacht.
HHr. Hirtz und Debrä berichten über die Autopsie eines Patienten,
der 1912 mit allen Zeichen des Morbus Addisoiii (Asthenie, Pigmen-
tationen der Haut und Schleimhäute, Magendarmstörungen, Abmagerung)
auf die Abteilung kam und nach 6monatiger Opotherapie geheilt
vorgestellt und entlassen wurde. Dieser Patient hatte seither ver¬
schiedene psychische Störungen, die dem Alkoholismus zuzuschreiben
sind, und starb zuletzt an Magencarcioom. Bei der Autopsie fand sich
keine makroskopische Veränderung der Nebennieren oder des Pleius
solaris. Mikroskopisch fand man in der linken Nebenniere eine kleine
Narbe, deren Aetiologie (Tuberkulose oder Syphilis) nicht zu bestimmen
ist. Die Addison’sche Krankheit kann also durch eine sehr kleine
Läsion bedingt werden, vorausgesetzt, dass diese die Sympathicus-
elemente der Nebennieren betrifft. In dem Fall haben die Nerven-
veränderungen die Drüseninsuffizienz bedingt.
Hr. Lonste und Frl. Conto berichten über einen Fall, bei dem ein
Schilddriisentamor ein Aneurysma des Aortenbogens vorgetäuscht bat.
Die 40jährige Patientin batte alle Zeichen der mediastinalen Kompression:
paroxystische Dyspnoe, Tachycardie, Stimmveränderung, Krampf¬
husten, collaterale venöse Circulation, bronchiales Atmen durch Kom¬
pression des Bronchus, linke Carotis kaum zu fühlen. Herzbypertrophie.
Da ausserdem Patientin sicher syphilitisch war (Pupillenungleichheit,
Argyll Robertson, aufgehobene Sehnenreflexe, positiver Wassermann)
wurde die Diagnose auf Aneurysma aortae gestellt und durch Radio¬
skopie von Herrn Beelere selbst bestätigt. Nach drei Bijodürinjektionen
starb Patientin. Die Obduktion zeigte eine Atberomatose, Aorta mit
normalem Kaliber und über derselben einen 240 g schweren Schild¬
drüsentumor.
Berichtigung.
Nach dem soeben erschienenen Sitzungsberichte (Berliner klinische
Wochenschrift, 1914, Nr. 29, S. 1389) äusserte Herr Dr. W^ckowski in
dem Schlusswort zu seinem Vortrage in der Medizinischen Sektion der
schlesischen Gesellschaft lür vaterländische Cultur am 8. V. 1914, dass
meine in der Diskussion gemachten Bemerkungen über die Grenzen des
Erreichbaren in der Strahlentherapie nicht auf persönlicher Erfahrung
beruhen könnten, da ich, wie ihm bekannt, nur mit kleinen Mengen
(10—20 mg) Mesothorium arbeite. Obwohl anwesend, habe ich diese
Aeusserung nicht gehört, hätte übrigens auch nicht darauf antworten
können, da es das Schlusswort des Herrn Vortragenden war. Ich lege
aber Wert darauf, festzustelleo, dass diese Behauptung nicht den
Tatsachen entspricht: wir verfügen im Aller hei ligenhospital über
200 mg Mesothorium, so dass meine Ausführungen sich nicht nur auf
ausgedehntes Literaturstudium, sondern auch sehr wohl auf eigene per¬
sönliche Erfahrung stützten. Hermann Simon - Breslau.
Zu obiger Berichtigung teile ich mit, dass ich für noch zu Recht
bestehend angenommen hatte, was mir Herr Simon seinerzeit (November
1913) mitgeteilt hat.
In der Folgezeit hat sich das Allerheiligenhospital, wie es aus der
Berichtigung von Herrn Simon hervorgeht, mit 200 mg Mesothorium
versehen, was mir aber unbekannt geblieben ist. Aus diesem Grunde
wird mein Zweifel an seiner persönlichen Erfahrung mit grösseren
Mengen hinfällig. W^ckowski.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der Minister des Innern erlässt folgendes Rundschreiben
an die Regierungspräsidenten und den Polizeipräsidenten von Berlin:
„Mit Rücksicht auf den beginnenden Feldzug gegen Russland,
wo stets die Pocken in grösserer Ausdehnung herrschen, ersuche ich
Euere Hochwohlgeboren ergebenst, um den Ausbruch von Pocken¬
epidemien tunlichst vorzubeugen, die Kreisärzte gefälligst unverzüglich
zu veranlassen, dass sie pockenverdächtigen Erkrankungen ihre volle
Aufmerksamkeit zuwenden und die praktischen Aerzte veranlassen,
solche Erkrankungen sofort zu melden. Bei einem Pockenausbruch
sind die durch §§ 55 und 56 des Regulativs vom 8. August 1835
vorgesebriebenen ZwaDgsimpfuogen aller ansteokungsfähigen Personen
unverzüglich vorzunehmen. Die Königlichen Impfanstalten sind an¬
gewiesen, die zu diesem Zweck erforderlichen Lymphemengen bereit
zu halten.“
Diese Aufforderung bezieht sich, wie weiterhin bekannt gegeben
wird, gleicherweise auch auf Cholera.
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 83.
1568
— Ein Orientierungskurs für freiwillige Kriegsärzte wird
vom Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen in Preussen
unter Förderung des Kriegsministeriums vom 17. bis 20. August 1914
im Kaiserin Friedrich-Hause nach folgendem Programm veranstaltet:
Montag: Generalarzt Dr. Paalzow, Chef der Medizinalabteilung des
Kriegsministeriums: Einleitung. Dr. Holzhauer Stabsarzt an der
Kaiser Wilhelms-Akademie: 1. Organisation der Armee mit besonderer
Berücksichtigung der Organisation des Sanitätskorps. 2. Heeressanitäts¬
dienst: a) Operationsgebiet, b) bei der Etappe, c) im Heimatsgebiet.
Dienstag: Dr. Neu mann, Stabsarzt in der Medizinalabteilung des Kriegs¬
ministeriums: Verwendung des nicht dienstpflichtigen Zivilarztes im
Dienste der Armee, sein persönliches Verhältnis und Ratschläge für seine
Ausrüstung. Stabsarzt Dr. Holzhauer: Die freiwillige Krankenpflege
und ihre Verwendung im Kriege. Mittwoch: Prof. Dr. v. Oettingen:
Allgemeine Gesichtspunkte der chirurgischen Tätigkeit in Front, Etappe,
und Heimat. Donnerstag: Oberstabsarzt Geheimrat v. Wassermann:
Seuchenbekämpfung im Kriege. Generalarzt Dr. Grossheim, stell¬
vertretender Subdirektor der Kaiser-Wilhelms-Akademie: Schlusswort. —
Die Vorträge finden sämtlich von S 1 /* bis 10 Uhr abends irn grossen
Hörsaal des Kaiser Friedrich-Hauses statt. Teilnehmerkarten werden
daselbst wochentäglich von 9 bis 4 Uhr ausgegeben. Die Einschreibe¬
gebühr beträgt wie üblich 2 M., die in diesem speziellen Falle an das
Rote Kreuz abgeführt wird.
— Schutzmaassnahmen gegen Seuchengefahr. Gegenüber
der Besorgnis, ob die zurzeit in Russland angeblich herrschende
Cholera auf Deutschland übergreifen wird, sei auf folgendes hingewiesen:
Russland ist im letzten Jahrzehnt wiederholt von Cholera heimgesucht
worden und hatte z. B. im Jahre 1905 eine schwere Choleraepidemie.
Obgleich aber die lange deutsch-russische Grenze dem Vordringen der
Krankheit nach Deutschland keinerlei natürliche Hindernisse bietet, im
Gegenteil die Weichsel mit ihrem Schiffahrtsverkebr geradezu ein Eiufall-
tor für sie darstellt, so ist die Seuche niemals über die Grenze hinaus
vorgedrungen. Einzelne bei uns eingeschleppte Fälle sind dicht an der
Grenze sogleich erkannt und durch die erforderlichen Vorsichtsmaass¬
regeln alsbald unschädlich gemacht worden. Diesen Erfolg verdankt
Deutschland seinem vorzüglich organisierten Seuchenschutz. Ueber das
ganze Reich sind zahlreiche Medizinaluntersuchungsämter (bakteriologische
Stationen) ausgebreitet, welche zur sofortigen Feststellung ansteckender
Krankheit dienen. Treten irgendwo solche Krankheiten gehäuft auf, so
können diese Aemter „fliegende Laboratorien“ in die gefährdete Gegend
senden, um an Ort und Stelle noch rascher und nachdrücklicher die
Seuche zu unterdrücken. Durch Isolierungen und Desinfektion wird die
Ansteckungsquelle unschädlich gemacht und die Ausbreitung der Krank¬
heit dadurch verhindert. Auch bei unserem Heere befinden sich zahl¬
reiche tragbare bakteriologische, nach den neuesten Anforderungen der
hygienischen Wissenschaft eingerichtete Laboratorien, damit jeder
Seucbenverdacbt sofort au Ort und Stelle geklärt werden kann. Hygie¬
nisch wohlgeschulte Sanitätsoffiziere begleiten die Truppen; je ein
hygienisch-spezialistisch ausgebildeter Sanitätsoffizier befindet sich bei
jedem Korpsarzt, und schliesslich bei jedem Armeearzt je ein „beraten¬
ter Hygieniker“, die aus den ordentlichen Professoren der Hygiene an
den Universitäten und Instituten ausgewählt sind. Sachverständiger Rat
in gesundheitlichen Fragen steht hiernach ausreichend zur Verfügung.
Gegen Typhus und Cholera gibt es ferner eine zweckmässige Schutz¬
impfung, welche das Kriegsministerium natürlich längst in seinen Plan
zur Bekämpfung dieser Seuchen einbezogen hat. Der Impfstoff steht
zur Verfügung. Zum Abkochen des Wassers sind fahrbare Trinkwasser¬
bereiter, zur Ausführung von Desinfektionen fahrbare Desinfektions¬
apparate vorhanden. Ein solcher neuzeitlicher, auf einem Kraftwagen
montierter Desiofektionsapparat ist mit einer grossen Feldwäscherei-
anlage, gleichfalls auf Kraftwagen montiert, verbunden. Gegen Pocken
ist das Heer durch die Impfung geschützt. Wir dürfen hiernach mit
Sicherheit darauf vertrauen, dass wir auch für den Kampf mit Seuchen
auf das beste gerüstet sind.
— Die Hilfsbereitschaft derjenigen Berliner Aerzte, welche nicht ins
Feld ziehen oder in sonstiger Stellung zur Verfügung der Militärbehörden
stehen, macht sich insbesondere im Dienste des Roten Kreuzes
geltend. Zunächst zind zahlreiche Kurse eingerichtet woideD, in denen
Helferinnen ausgebildet werden sollen. In eiuer stark besuchten Aerzte-
versammlung, welche Fürst Solms - Baruth leitete und in der die
Herren Präsident Bumm, Ministerialdirektor Kirchner, Geheimrat
Pannwitz das Wort nahmen, wurden die Einzelheiten festgestellt. Auch
an dieser Stelle sei der Wunsch ausgesprochen, dass keinerlei Kräfte¬
zersplitterung eintreten möge, sondern dass alle, die der gemeinsamen
Sache dienen wollen, sich auch dieser gemeinsamen Organisation an-
schHessen mögen!
— Eine Centralmelde- und Auskunftsstelle des Roten
Kreuzes für weibliches und männliches Personal, welches sich der frei¬
willigen Krankenpflege im Kriege widmen will, ist im Reichstagsgebäude,
Eingang Portal 4, unter Leitung von Geheimrat Pannwitz eröffnet.
— Bakteriologisch geschulte Aerzte, welche nicht militär¬
pflichtig sind, werden für den Dienst in den Königlichen Medizinaluoter-
suohungsämtern und hygienischen Instituten sofort gesucht. Anmel¬
dungen in der Medizinalabteiluog des Ministeriums des Innern in Berlin,
Schadowstrasse 10.
— Auf Grund einer kaiserlichen Verordnung vom 31. Juli wird für
eine grosse Zahl von Arzneimitteln (reine Carbolsäure, Quecksilber
und Sublimat, Jod und seine bekannten Abkömmlinge, Chloroform, Pyra-
zolorium phenyldimethylicura und seine Abkömmlinge, Opium, Morphium,
Codeiu, Formalin, Chinin, Arecolin, Salvarsan), ferner Verbandstoffen,
ärztlichen Instrumenten, bakteriologischen Geräten und Nährböden, Impf¬
stoffen und Sera und endlich Versuchstieren die Ausfuhr und Durch¬
fuhr verboten.
— Durch Verfügung des Staatssekretärs des Innern ist gestattet,
dass Medizinalpraktikanten und Kandidaten der Medizin, die
bereits zwei Semester hinter sich haben, für die Kriegszeit als Vertreter
in der kassenärztlichen Praxis tätig sein dürfen.
— Laut Erlass vom 4. August wird für Desinfektoren eine Ver¬
kürzung der Ausbildungszeit auf sechs Tage in den Desinfektoren¬
schulen gestattet.
— Laut Erlass vom 3. August wird PersoneD, welche zur Kranken¬
pflege im Heeresdienst in Lazaretten beschäftigt werden sollen, auf
Antrag eine abgekürzte Prüfung (Notprüfung) gestattet, wenn sie
wenigstens sechs Monate in einer staatlich anerkannten Krankenschule
am Unterricht mit Erfolg teilgenommen haben. Die Prüfungsgebühr wird
auf 12 Mark festgesetzt.
— Von der Einrichtung des Notexamen9 haben bis jetzt gegen
2000 Aerzte Gebrauch gemacht.
— In Freiburg i. B. starb am 6. d. M. Alfred Hegar, der lang¬
jährige Leiter der gynäkologischen Frauenklinik im Alter von 84 Jahren.
— Der Kriegszustand macht die Abhaltung des III. Internatio¬
nalen Kongresses für Gewerbekrankheiten, der vom 21. bis
26. September in Wien tagen sollte, unmöglich. — Auch die „Jahres¬
versammlung deutscher Nervenärzte“ fällt in diesem Jahre aus.
— Der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums wurden von der
süddeutschen pharmazeutischen Fabrik F. Hoffmann-La Roche 4 Co-,
Greuzach-Baden, grössere Mengen pharmazeutischer Präparate im Werte
von über 40 000 M. für die Behandlung und Pflege der im Felde ver¬
wundeten Krieger als Geschenk zur Verfügung gestellt. Diese Spende
(Digalen, Pantopon usw.) wurde am 4. August vom Kriegsministerium
angenommen.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Königl. Krone zum Roten Adler-Orden
3. Kl. mit der Schleife: Geh. San.-Rat Prof. Dr. Thiem in
Cottbus.
Roter Adler-Orden 3. Kl.: Direktor des Pathologischen Instituts am
Friedrichstädter Krankenhause in Dresden, Geh. Med.-Rat Prof. Dr.
Scbmorl.
Königl. Kronen-Orden 4. Kl.: Kreisarzt Dr. Stoll in Heydekrug.
Zu besetzen: die Stelle des Kreisassistenzarztes und Assistenten bei
dem Mcdizinaluntersucbungsamt in Hannover. Jahresremuneration 2500M.
Bakteriologische Vorbildung erforderlich. Die Stelle kann auch einem
noch nicht kreisärztlicb geprüften Arzte vorläufig kommissarisch über¬
tragen werden, wenn er den Bedingungen für die Zulassung zur kreis-
ärztlichen Prüfung genügt und sich zur alsbaldigen Ablegung der
Prüfung verpflichtet.
Niederlassungen: Dr. R. Reich, Dr. J. Saphra, Th. Wirts, Dr.
F. Grass, Dr. M. Westenberger und Dr. 0. Beck in Cöln,
M. van Wersch in Bonn.
Verzogen: Dr. H. Vossenberg von Münster i. W. nach Ringen¬
berg, Dr. 0. Hu eck von Lüdenscheid und Dr. W. Hörg von Breslau
nach Solingen, Dr. Th. Laup von Barmen nach Giessen, Dr. W.
Bockstroh von Essen nach Hamburg, Dr. F. Epple von Essen nach
Wassenburg am Bodensee, Dr. A. Bippus von Wesel nach Tübingen,
Dr. E. Buschke von Solingen nach München, J. van Husen von
Klein-Netterden b. Emmerich nach Cleve, H. Thom von Düsseldorf
nach Rheydt, Dr. M. Rahm von Reisen nach Mülheim (Ruhr), Dr. H.
Schlüter von Hamborn nach Rees, Dr. G. Anders von Breslau nach
Lüben, Aerztin Dr. G. Weng er von Berlin nach Liegnitz, Dr. R.
Steincke von Gera(Reuss) nach Mallmitz, Dr. F. Block von Berlin
nach Sagan, 0. Henop von Hannover, Geh. San.-Rat Dr. F. Simon
von Lüben und Dr. E. Haslinger von Halle a. S. nach Görlitz, Dr.
A. Kaul von Sanatorium Woltersdorfer Schleuse nach Sanatorium
Birkenbof bei Greiffenberg, Dr. E. Braun von Hirschberg i. Schl,
nach Brückenberg, Dr. L. Gross von Liegnitz nach Kissingen,
E. Stad tl ander von Ilten nach Bremen, Dr. A. Lehnert von Frank¬
furt a. M. nach Bad Dürkheim, F. Bender von Frankfurt a. M. nach
Giessen, Dr. Th. Schenk von Heidelberg, Dr. W. Nourney von
Selters i. W., Dr. W. Kaess von Kreuznach nach Frankfurt a. M.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. P- Kapischke
von Cöln auf Reisen.
Gestorben: Kreisarzt, Med.-Rat Dr. P. Müller in Berlin, Geh. San.-
Rat Dr. E. Fliegei in Hirschberg i. Schl., Dr. K. Hütlenmüller
in Rothenburg O.-L., Dr. Tb. QuelI horst in Scharnebeck.
För die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreuther8tr**se41.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
Diätes r: b
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UNIVERSTTTÖF
i ■■
01. Berliner Klinische Wochenschrift erscheint Jeden
u neu in Nummern »on ca. 5—6 Bogen gr. 4, —
Prels rlertoljahrlich 6 Mark. Beateilungen nehmen
alle Buchhandlungen und PoaUnatalten an.
BERLINER
ADe Änaendungen fttr die Redaktivu und Expedition
wolle man portofrei an die Yerlagabuchhandlnng
Angust Himchwald in Berlin NW., Unter den Lindeo
Nr, 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
߻k. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kok _ Angnst Hirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin.
Montag, den 24 . August 1914. J|£ 34. Einundfünfzigster Jahrgang.
I N H
Origtialiei: Frans: Praktische Winke für die Chirurgie im Felde.
S. 1569.
Fritsch: Netxtorsion mit Einschluss einer Darmschlinge. (Aus der
KÖnigl. chirurgischen Universitätsklinik in Breslau.) S. 1572.
Ehrmann: Ueber Rückfluss und röntgenologische Antiperistaltik
des Duodenums als Folge von Adhäsionen. (Aus dem medizinisch-
poliklinischen Institut der Universität Berlin.) (Illustr.) S. 1572.
Piesch: Ueber die Verteilung und Ausscheidung radioaktiver Sub¬
stanzen. (Illustr.) S. 1573.
Zondek und Frankfurther: Die Beeinflussung der Lungen durch
Sohilddrüsenstoffe. (Aus dem physiologischen Institut der Uni¬
versität Berlin.) S. 1574.
ßflckerlesprechiDgea : Stransky: Lehrbuch der allgemeinen und
speziellen Psychiatrie. S. 1576. (Ref. SiemerliDg.) — Mann: Lehr¬
buch der Tracheo-Bronchoskopie. S. 1576. (Ref. Albrecht.) —
Meyer und Gottlieb: Die experimentelle Pharmakologie als Grund¬
lage der Arzneibehandlung. S. 1577. (Ref. Jacoby.) — Schwarz:
Klinische Röntgendiagnostik des Dickdarms und ihre physiologischen
ALT.
Grundlagen. S. 1577. (Ref. Frankel.) — Schönwerth: Vademecum
des Feldarztes. S. 1577. (Ref. H. Kohn.)
Literatir-Aosztge: Physiologie. S. 1577. — Pharmakologie. S. 1577. —
Therapie. S. 1577. — Allgemeine Pathologie und pathologische
Anatomie. S. 1578. — Diagnostik. S. 1579. — Parasitenkunde und
Serologie. S. 1579. — Innere Medizin. S. 1$79. — Psychiatrie und
Nervenkrankheiten. S. 1581. — Kinderheilkunde. S. 1581. — Chir¬
urgie. S. 1581. — Röntgenologie. S. 1582. — Geburtshilfe und
Gynäkologie. S. 1582. — Augenheilkunde. S. 1582. — Gerichtliche
Medizin. S. 1582. — Unfallheilkunde und Versicherungswesen.
S. 1582. — Technik. S. 1582.
Verhaidlugra ärztlicher Gesellschaft*!: Medizinische Sektion
der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur
zu Breslau. S. 1582. — Südostdeutsche Chirurgen-Ver¬
einigung. S. 1586.
Aufruf! S. 1588.
Tagesgescbichtliohe Notizen. S. 1588.
Amtliche Mitteilungen. S. 1588.
Praktische Winke für die Chirurgie im Felde.
Von
Oberstabsarzt
A. Geschosse.
Russland: Spitzgeschoss, Modell Mossim, leichter an Gewicht,
kürzer, etwas kleineres Kaliber als das deutsche. Die Ver¬
letzungen werden im grossen und ganzen denen des deutschen
S-Geschosses gleich sein.
Frankreich: Spitzgeschoss (D balle), länger und schwerer
als unser Geschoss, hat einen kleinen Führungsring, besteht aus
reinem Kupfer, ist in seinen Wirkungen hinsichtlich Deformation
den Mantelgeschossen gleich. Verletzungen etwas schwerer als
durch unser Geschoss, namentlich bei Querschlägern, wegen
grösserer Länge. Frankreich bat aber das schlechteste Gewehr
von allen Grossstaaten, weil Vorderschaftsmagazin, und daher
jede Patrone einzeln geladen werden muss.
England: Ogivales Geschoss, Lee Matford oder Lee Enfield.
Geschoss hat dicht vor dem Boden eine Rinne, staucht sich daher
leicht. Kaliber nicht ganz 8 mm. Verletzungen gleich denen mit
unserem alten 88-Geschoss.
Maschinengewehre: Geschosse gleich denen der Gewehre.
Handgranaten: Nach der Petersburger Konvention und
Haager Konferenz nicht verboten, wenn über 400 g Gewicht.
Artilleriegeschosse: Schrapnellkugeln haben 10—12 g Ge¬
wicht bei jedem der drei Staaten. Anzahl der Granatsplitter
unbestimmt, hängt von Sprengladung ab, machen häufig ganz
leichte, oberflächliche Verletzungen. Jedoch bei ihnen häufiger
Tetanusinfektion.
B. Allgemeines.
Vor Gefechten hat der Arzt seine Injektionsspritze zu prüfen.
Für das Feld empfehlen sich die gewöhnlichen Pravaz9pritzen mit
Leder- oder Asbeststempel. Um einen wasserdichten Abschluss des
Uderstempels zu gewährleisten, ist es notwendig, dass der Stempel
®it dem in der Truppensanitätsaasrüstung mitgeführten Ungaentnm
«olle eingefettet wird. Für das Gefecht hat sich der Arzt mit zwei
Spritzen zu versehen, eine für Morphium und eine für Campheröl.
Dr. Franz.
Ferner hat er für die subentanen Injektionen nicht die Ampullen,
sondern zweckmässig zwei Fläschchen mit 30 —50 g Inhalt, das
eine mit 3 proz. MorphiumlÖsuDg (jede 1 ccm-Spritze, also Maxi¬
maldosis!), das andere mit 01. camphoratum forte bei sich zu führen.
Der Chefarzt der Sanitätskompagnie hat beizeiten
Vorsorge für Lampen, Lichte, Petroleum durch Requisition zu
treffen. Ferner muss er für den Fall, dass der Hauptverbandplatz
nicht in einer Ortschaft angelegt wird, sich 10—12 Böcke zum
Heraufstellen von Tragen als Verbandtische sowie zum Belegen
mit ebenfalls zu requirierenden Holzplatten als Schreibtische und
Tische für Verbandmaterial mitnehmen.
Berechnungen über das Schienen- und Verbandmaterial haben
ergeben, dass bei einem Gefecht einer Division, wenn man die
Sanitätskompagnie wieder schnell bewegungsfähig machen will,
bei einem Verlust von 10 pCt. Personal und Material von 1 Feld¬
lazarett, bei einem Verlust von 20 pCt. von 2, bei einem Verlost
von 30 pCt. von 3 Feldlazaretten Bofort ein setzen muss.
Da die Auftreibung von Wagen, insbesondere aber von Pferden
für die Rückbeförderung von Verwundeten vom Hauptverband¬
platz immer Schwierigkeiten macht, so empfiehlt es sich, dass der
Chefarzt sich sofort bei Einrichtung des Hauptverbandplatzes die
Krankenwagen der der Division zngeteilten Feldlazarette vom
Divisionskorps eiofordert.
C. Wunden.
I. Weichteil wunden.
75 pCt. aller Schusswunden.
1. Durch Gewehrgeschosse.
Ein- und Ausschuss bei senkrechtem Auftreffen kalibergross,
manchmal schlitzförmig. Unterschied zwischen beiden schwer zu
erkennen, denn die nekrotische Randzone am Einschuss beruht
auf Eintrocknung, ist daher an frischer Schussöffnnng nicht
sichtbar, sondern erst 12—24 Standen später, Derartige Ver-
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Gck igle
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UMIVERSITY OF IOWA
1570
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 84.
wundete brauchen aach vom Arzt bei Mangel an Zeit nicht un-
bedingt verbunden zu werden, da sekundäre Infektionen bei ihnen
nicht zu fürchten sind. Anschauung über Infektion gegen früher
geändert; die primäre Infektion spielt die Hauptrolle, sie steigert
sich mit der Anzahl der Bekleidungsstücke, tritt daher an den
unteren Gliedmaassen eher ein. Sekundäre Infektion ist erst zu
befürchten, wenn Schussöffnungen über Kalibergrösse hinausgehen.
Wegweiser für kalibergrosse oder davon abweichende Schuss¬
öffnungen sind für den Arzt, wenn Verwundeter nicht entkleidet
werden soll, Grösse der Schussöffnungen in der Montur.
Verbunden werden Weichteilschüsse trocken. Desinfektion
der Umgebung mit Jodtinktur und anderen unnötig. Durch¬
schnittlich genügt Verbandpäckchen. Verrücken desselben durch
Heftpflasterstreifen zu vermeiden. Mastixpinselungen unnötig.
Nur bei grösseren Weichteilwunden einmaliger 5 proz. Jodtinktur¬
anstrich. Da, wo Blutung stärker, Verband mit sterilen Mull¬
streifen, Mullbinde, gestärkte Binde. Alle Stärkebinden zum
Unterschied von Gipsbinden sehr fest anziehen, weil Verband sieb
sonst lockert. Wenn Verband durcbgeblutet, nicht gleich neu
verbinden, sondern Verbandstoffe überwickeln. Verwundete
mit kalibergrossen Scbussöffnungen können zuweilen,
nachdem sie verbanden sind, wieder in Feuerlinie ge¬
schickt werden; ausgenommen sind Schüsse, die durch
die ganze Dicke der Muskulatur der einzelnen Glied¬
abschnitte gehen. Aber auch hier sind Unterschiede nach
Waffengattung zu machen. Verwundete bei vorrückender Infan¬
terie sind eher auf .Truppenverbandplatz zurückzuschicken, weil
sie keine Sprünge mitmachen können. Wadenschüsse sind grund¬
sätzlich zurückzuschicken, müssen Stützverband erbalten und nach
rückwärts getragen werden. In die Feuerlinie sind nur Verwundete
wieder zu senden, wenn Arzt sich von der Funktionstüchtigkeit
des betreffenden Gliedes überzeugt hat.
Heilungsdauer der unkomplizierten Weichteilgewehrscbuss-
wunden 10—15 Tage. Daher hat Truppenarzt unter Berück¬
sichtigung der Aufgaben seines Truppenteils für die nächste Zeit
nur diejenigen Verwundeten nach Leichtverwundetensammelplatz
abzuschieben, welche die Kompagniewagen belasten würden 1 ).
2. Durch Schrapnell.
Verband der gleiche wie unter I. Die Verwundeten sind
immer nach Leicbtverwundetensammelplatz abzusebieben, ausser
bei kleinen Streifschüssen, weil diese Wunden 3—4 Wochen zur
Heilung bedürfen und andererseits infolge mitgerissener Tuch¬
fetzen leicht eitern.
3. Durch Granatsplitter
sind häufig so gering, dass Verwundete mit kleinem Schutz¬
verband wieder in Front geben können.
Jeder Truppenarzt hat Verpflichtung, jedes Gewehr
der Truppe möglichst lange zu erhalten. Jeden Leicht¬
verwundeten wahllos nach rückwärts abzusebieben ist
falsch, weil grosse Anzahl dieser Wunden auch bei
Truppe heilen können und eine vorschnelle Evakuation
diese Verwundeten für Wochen der Truppe fernhält.
II. Gefässschüsse.
Unterbindungen und elastische Binde kommen nur ausnahms¬
weise in Betracht, da meistens Verblutung, und sonst die
Blutung durch Kompressionsverband steht. Hämatom nicht immer
sofort gross. Da auch erhaltener peripherer Puls nicht gegen
Schuss Verletzung der zuführenden Arterie spricht, ist einziges
untrügliches Zeichen das Wahl’sche Symptom nachweisbar durch
Stethoskop: kontinuierliches oder intermittierendes Gefässgeräusch.
Wo Gefässschuss sicher oder nach anatomischer Lage des Schuss¬
kanals höchst wahrscheinlich ist, ist das betreffende Glied mit
viel Verbandmull und Druckverband zu versehen und durch
Schienen zu fixieren. Derartige Verwnndete sind immer abzu¬
schieben. Primäre Arterienunterbindung nicht aDgezeigt. Operation
am besten in der 3. Woche. Vor Verwechselung mit Phleg¬
monen im späteren Wund verlauf wird gewarnt.
III. Nervenscliiisse.
Primär keine Operation, erst wenn nach 5—6 Wochen keine
Aenderung im Zustand der Neuralgien und Paralysen eingetreten,
Freilegen des Nerven.
1) Nach Heilung bleiben häufig neuralgische Schmerzen zurück.
Diese heben aber für gewöhnlich Felddienstfähigkeit nicht auf, nur
Paresen und Paralysen machen felddienstunfähig.
IV. Schädelschüsse.
Der sekundären Infektion am meisten ausgesetzt, daher immer
Schädel in Umgebung der Wunde rasieren, einmaliger 6proz. Jod-
tinktnranstricb, viel Verbandgaze, Mullbinde, immer Stärke¬
bindenverband.
a) Tangentialschüsse, d. h. Streifschüsse, bei denen
Schädelknochen und Gehirnoberfläche verletzt sind. Sie sind
immer so schnell wie möglich zu operieren. Operation: Keine
grossen Weicbteilschnitte, gewöhnlich genügt Einsetzen von
scharfen Haken in die Wundränder, lose Knochensplitter werden
mit Pinzette entfernt, Knochenränder werden mit Luer’scher Hohl-
meisselzange abgeknabbert (kein Hammer, kein Meissei). Ver¬
nähen der Wnndränder (nicht eng) bis auf kleine Hautlücke, um
Gebirnvorfall zu vermeiden. Keine Tamponade, nur Jodoformgaze
anflegen. Operation, wenn Zeit vorhanden und aseptisches
Operieren möglich, schon auf Hauptverbandplatz, jedenfalls mög¬
lichst nicht später als nach 24 Stunden nach der Verletzung.
Die ersten 5 Tage nach Operation nicht transportieren.
b) S eg mental schösse, d. h. Durchschösse mit getrenntem
Ein- und Ausschuss, wo Hirnschusskanal nicht weit von Hirn¬
oberfläche verläuft, z. B. Stirnschuss, Hinterhauptschuss, ober¬
flächlicher Sckeiteischuss. Im allgemeinen abwarten. Hierbei
Individualisieren hinsichtlich der Operation. Indikation nur von
Chirurgen zu stellen.
c) Diametralschuss. Niemals operieren.
d) Steckschuss, d. h. Schüsse, wo kein Ausschuss ist.
1. Durch Mantelgeschosse nicht operieren. 2. Durch Schrapnell
immer operieren, weil Kugel gewöhnlich nur 3—5 cm unterhalb
der Hirnoberfläche sitzt.
Segmental-, Diametral- und Steckschüsse nicht vor 5 Tagen
transportieren.
V. Gesichtschüsse
geben günstige Prognose selbst bei schweren Knochenschüssen.
Nasenlöcher nicht länger als 24 Stunden tamponieren, wegen
Gefahr einer Otitis media. Bei Verletzungen des Wundbodens
uud Unterkieferschussbrüchen Tracheotomie in Betracht ziehen.
Bei Unterkieferschussbrüchen Keil aus Kork, Holz oder Watte
zwischen die erhaltenen Zähne des Ober- und Unterkiefers, Kinn¬
schleuderverband mit Mull- und Stärkebinden.
VI. Halsschüsse.
Luftröhrenverletzungen durch Mantelgeschoss erfordern nicht
immer Luftröbrenschnitt; letzterer ist notwendig, wenn längerer
Transport bevorsteht. Bei Verdacht auf Speiseröhren Verletzung
5 tägige Enthaltsamkeit von Speise und Trank, Lagerung Kopf
tief, Beine hoch!
VII. Lungenschüsse.
Nicht immer Bluthusten! Prognose entscheidet sich gewöhn¬
lich nach 24 Stunden; sind Atemnot und Blausucht dann besser
geworden, dann Aussicht günstig, Abtransport möglich. Trans¬
versal-und Longitudinalschüsse des Brustkorbes nicht transportieren!
Randscbüsse der Lungen können transportiert werden. Behand¬
lung: Morphium. Selbst bei Fieber und bestehendem Hämothorax
nicht punktieren I. wegen Gefahr der Nachblutung, 2. wegen
Gefahr der Infektion.
Ausnahmen nur bei Indicatio vitaliä, d. h. wenn entweder
schwere Herzverdrängungserscbeinungen oder Erguss bis vorn zur
2. Rippe und hinten bis Spina scapulae reicht.
VIII. Herzschüsse
dürfen auf Gefechtsfeld nicht liegen bleiben, weil sie spontan
heilen können.
IX. Bauchschüsse
sind immer vom Transport auszuscbliessen. Prolabierte Därme
nicht reponieren! Behandlung: Enthaltung von Speise und Trank
für 5 Tage. Morphium. RocbsalzeingiessuDgen im Mastdarm
oder besser intravenöse Adrenalin-Kochsalzinfusionen. Im weiteren
Verlauf auf intraperitoneale Hämatome und deren Vereiterung
achten. Brust-Baachsebüsse gefährlicher als einfache Bauch¬
schüsse.
X. Rückenmarkschüsse
möglichst schnell in stehende Kriegslazarette oder Etappenlazarette,
ja sogar nach Heimat transportieren, weil ihre Pflege wegen
Mangel an Personal unmöglich ist. Gummiring, Dauerkatheter in
derBUse.
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UNIVERSUM OF IOWA
24 August 1914.
BERLIN KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1571
XI. Knochen- und Gelenkschüsse.
Allgemeines über die Behandlung der Knochen- und
Gelenkschüsse.
Umgebung der Schussöffnung mit 5 pro*, einmaligem Jod¬
anstrich desinfizieren, ln operativer Hinsicht sind sie primär ein
noli me tangere. Nor die in oder auf den Schassöffnungen
liegenden Knochsplitter dürfen entfernt werden. Sondieren sowie
primäres Freilegen der Bruchstelle ist verboten, desgleichen
primäre Kontinnitätsresektionen der langen Knochen oder Gelenk¬
resektionen. Tamponaden, in welcher Art sie auch immer statt¬
finden mögen, sind selbst bei stärkerer Blutung verboten. Es
sind nur Verbandstoffe aufznlegen, nie in die Wunde einzuführen,
weil eingeführte Gaze mit den Granulationen des Unterhautzell-
gewabes schnell verbäckt und dem Wundsekret den Abfluss ver¬
stopft. Erscheint dem Arzt eine Drainage notwendig, weil die
Wunde bereits infiziert ist, dann sind Gummidrains einzuführen.
Allgemeines über fixierende Verbände.
Gipsverband ist das Ideal, erfordert aber technische Fertig¬
keit und längere Zeit.
Der Stärkebindenverband hat den Nachteil, dass er nicht
gleich trocknet und man ohne unterstützende Schiene den Ver¬
wundeten dem Transport nicht gleich aussetzen kann.
Beide erhärtenden Verbände haben den Nachteil,
dass sie bei Schnee und Regen überhaupt nicht an¬
gewandt werden können. Deshalb sind Schienenmaterial und
trockene Binden und Verbandtücher denTruppensanitätsausrüstungen
und den beweglichen Sanitätsformationen in grosser Menge mit¬
gegeben. Sie sind, weil ein Umschlag der Witterung möglich und
weil die Verbände mit ihnen leicht sind, in den vordersten
Linien durchschnittlich anzuwenden.
Es empfiehlt sich, die Pappetafeln in Streifen von 1 m zu
7 cm zu schneiden, die Schusterspanschienen von 20 cm Breite in
solche von 5 cm zu vierteilen, die zu 15 und 13 cm in solche
von 7,5 cm und 6,5 cm zu halbieren. Die Teilungen sind aus
Sparsamkeitsrücksichten unbedingt notwendig und schon vor den
Gefechten vorzunehmen, da die Pappe sich schwer schneidet.
Die Polsterung erfordert viel Material; das mitgeführte
Wattematerial genügt aber nicht, daher sind Kleider grund¬
sätzlich bei der Polsterung zu verwenden. Ueberhaupt ist
die Entkleidung des Verwundeten möglichst zu vermeiden, weil
man ihn dadurch des Schutzes gegen die Witterung beraubt. Ist
Auftrennung des Kleidungsstückes zum Verbinden der Wunde
durchaus notwendig, so empfiehlt es sich, die Teile durch Zu-
sammenstecken mit Sicherheitsnadeln zu vereinigen. Für gewöhn¬
lich genügt Ausschneiden der betreffenden Stellen über den Schuss¬
öffnungen mit der Kleiderschere.
Hinsichtlich der Polsterung ist zu erwähnen, dass in jedem
Pressstück 6 Rollen Watte sind. Es genügen bei entkleideten
Patienten für die obere Extremität eine Watterolle, für Ober¬
schenkel- und Hüftgelenkschüsse 4—5 Watterollen, für Unter¬
schenkel- und Kniegelenkschüsse 2—3 Watterollen.
Binden: In den vorderen Linien sind wegen Wassermangels
und aus oben angeführten Gründen im allgemeinen trockene
Binden zu verwenden. Vor Anlegung derselben sollen die Schienen
grundsätzlich durch einige dreieckige Verbandtücher fixiert werden,
weil dadurch an Bindenmaterial gespart wird. Reine Gipsverbände
sind vorn zu vermeiden, weil neben den anderen Gründen der
Gipsvorrat nicht aasreicht. Von erhärtenden Binden sind Gips¬
binden nur im Verein mit Stärkebinden zu benutzen. Für obere
Extremitäten kommen solche als Transportverbände nicht in Frage.
Für Oberschenkel verbände sind durchschnittlich, zusammen mit
Schienenmaterial, notwendig: 6 Stärke- und 4 Gipsbinden, welche
letztere als Spica coxae angelegt werden, für Kniegelenks- und
Unterschenkel verbände 2 Stärke- und 2 Gipsbinden. Gipsbinden
dürfen bei Anwickeln nicht angezogen, Stärkebinden müssen
sehr fest aogezogen werden. Sobald Knochenscbüsse in stationäre
Behandlung kommen, gilt als Grundsatz, die inficierten Frakturen
®it gefensterten Gipsverbänden, die nicht inficierten mit Exten¬
sionsverbänden zu behandeln.
1. Obere Extremität.
Als Transporteinheitsverband für sämtliche Schüsse genügt
Einheitsverband, d. h. eine Rolle Watte, 2—3 breite Mullbinden:
Eine dicke Lage Watte kommt zwischen Innenseite des Armes
ond Thorax, der andere Teil der Watte auf die Vorderseite.
Durch Kreistouren wird die rechtwinkelig im Ellenbogen ge¬
krümmte Extremität an den Thorax angewickelt. Die Hand wird
mit eingebunden. Es ist darauf zu achten, dass auch Binden¬
touren das Schultergelenk feststellen. Es brauchen keine typischen
Dösaulttouren zu sein. Beim Anlegen steht der Verwundete am
besten, wenn er nicht zn erschöpft ist, die Hilfsstellung: kniet
auf der Erde. Richtlinie: Acromion, Tuberculum majus und
Condylus externus bumeri. Weder Stärkebinden noch Schienen
sind unbedingt notwendig. Vor allem ist vor Innenschiene zu
warnen, weil ihre Anlegung schwer ist und viel Schmerzen macht.
2. Untere Extremität.
a) Hüftgelenks- und Oberschenkelschussbrüche. Die
natürliche Schiene ist das gesunde Bein. Beide Beine sind daher
grundsätzlich durch 3 dreieckige Verbandtücher zusammenzubinden.
Für diese Verletzungen ist immer das Knie und Hüftgelenk fest-
zustellen.
Vol km an nsche Schiene allein genügt nicht, weil Hüftgelenk
dadurch nicht fixiert. Zur Fixation des Hüftgelenks ist, abgesehen,
von allem anderen Scbienenmaterial, immer notwendig eine starre
Vorderschiene, deren Mitte dem Hüftgelenk entspricht. Dieselbe
muss mindestens 30 cm lang sein. Aus dem vorschriftsmässigen
Schienenmaterial eignet sich am besten dazu die englische Schiene
und die Holzschiene mit Blechhülse. Die nicht starren Schienen
der Sanitätsausrüstung wie Schusterspan, Pappschienen, Siebdraht'
schienen, Aluminiumschienen kommen, nur wenn starre Schienen
nicht vorhanden sind, in Frage. Sie sind aber dann an der
Vorder- and Aussenseite zwei- bis dreifach zu nehmen.
Sehr zu empfehlen ist eine Aussensebiene, hergestellt aus 4
ineinandergefügten Holzschienen mit Blechhülsen und eine Vorder¬
schiene aus 3 ineinandergefügten Holzschienen mit Blechhülsen.
Ist Langstroh vorhanden, so ist der Einheitsverband nach
Steuber sehr zweckmässig. Derselbe besteht aus 2 Einheits-
Strohmatten 100 X 50 cm, einer Steigbügelmatte 100:25 cm,
einer Holzlatte 150 cm lang, 1 cm dick, 3 cm breit. Derselbe
wird so angelegt, dass in der Steigbügelmatte der Fuss wie in
einem Steigbügel ruht. Eine Eioheitsmatte umgibt kreisförmig
das ganze Bein und reicht bis zur Gesässfurche. Die zweite Ein¬
heitsmatte wird nur an die Aussenseite angelegt, so dass sie vom
Kniegelenk bis etwa zur Brustwarzengegend reicht. An die
Aussenseite dieser Strohmatte kommt die Holzlatte. Durch
2 grosse und 4 kleine dreieckige Verbandtücher wird das Schienen¬
material befestigt. Die Holzlatten müssen requiriert werden.
Bei den Etappensanitätsdepots werden vorrätig gehalten:
1. Die Cramer’schen Schienen. Auch von diesen ist eine
lange Vorder- und eine lange, bis zur Nabelhöhe euerseits und
unter das Kniegelenk andrerseits reichende Aussenschieue notwendig.
2. Schiene nach Oberstabsarzt Franz. Diese ist eine starre
Vorderschiene der ganzen Vorderfläche des Beines entsprechend,
welche von Nabelhöhe bis unter das Kniegelenk reicht. Sie
zwingt den Verbindenden, das Hüftgelenk zu fixieren, braucht
wenig Bindenmaterial, ist schnell anzulegen and ist daher auch in
der Hand von Sanitätsunterpersoual gut zu verwenden.
Sehr zu empfehlen ist die Requisition von 3 cm breiten,
1 cm dicken, 90 cm langen Holzstäben, von denen einer als
Aussen-, bis znr Nabelhöbe reichende Schiene, der zweite als Vorder¬
schiene anzulegen ist. Rückseite und Innenseite des Oberschenkels
sind mit Pappe oder Schusterspanschienen zn bedecken.
Anf dem Gefechtsfeld und dem Truppenverband¬
platz sind bei Vorhandensein grundsätzlich Gewehre,
Kolben kopfwärts gerichtet, zu verwenden. Richtlinie für
Steilnng des Beines: Zwischenraum zwischen grosser und zweiter
Zehe, Mitte der Kniescheibe und Mitte der Ligamentum Poupartii.
, b) Kniegelenk: Die Knochenschüsse sind meistens Epiphysen¬
schüsse ohne Fraktur der Gelenkteile. Infolgedessen ist in diesen
Fällen von gleichzeitiger Fixation des Fuss- und Hüftgelenks ab¬
zusehen, und es genügen zwei seitliche starre Schienen und eine
vordere und hintere nachgiebige Schiene (Schusterspan, Pappe,
und Siebdrahtschiene). Besteht dagegen eine Fraktur der Gelenk¬
teile, so hat die Schienung analog der bei einer Oberschenkel¬
fraktur stattzufinden.
c) Unterschenkel- und Fussgelenkscbüsse. Es sind not¬
wendig 2 seitliche starre und eine vordere und hintere biegsame
Schiene. (Schusterspan, Pappe, Siebdrahtschiene ist ungeeignet.)
Für die reinen Lochschüsse des Kniegelenks und die Unter¬
schenkel- und Fussgelenkschüsse kommen, wenn vorhanden, die
Volk mann'sehen Schienen in Betracht. Für erstere jedoch nur,
wenn dieselbe annähernd bis zum Sitzbeinknorren reicht.
Die Verwendung des Seitengewehrs des Verwundeten ist stets
bei Kniegelenks- und Unterseitenkelscbüssen in Betracht zu ziehen.
1
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UNIVERSITY OF IOWA
1572
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 84.
Aus der Königl. chirurgischen Universitätsklinik in
Breslau (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Küttner).
Netztorsion mit Einschluss einer Darmschlinge. 1 2 )
Von
Privatdozent Dr. Karl Pritsch,
Assistent der Klinik.
Obgleich unsere Kenntnisse fiber die Netztorsion noch nicht
alt sind, denn erst 1882 veröffentlichte Oberst den ersten Fall
im Centralblatt für Chirurgie, so sind dieser ersten Beobachtung
doch so viele gefolgt, dass wohl jede Klinik über mehrere Fälle
verfügt und Balduin bereits 1910 78 Fälle von Netttorsion aus
der Literatur und einen selbst beobachteten zusammenstellen
konnte 3 ).
Wenn ich trotzdem zu diesem Thema das Wort ergreife, so
geschieht es, weil ich in der Lage bin, einen Fall von Netztorsion
zu beschreiben, der, soweit mir die Literatur bekannt ist, mit
einer bisher noch nicht veröffentlichten Komplikation verbunden
war, die nicht nur als Seltenheit, sondern auch bezüglich der
Therapie aller Fälle von Netztorsion grosses Interesse verdient.
Ich lasse zunächst die Krankengeschichte folgen:
Es handelt sich um einen 44 Jahre alten Kann, der schon seit
Jahren über Stuhlverstopfung klagt und bei der Ausstossung der sehr
harten Kotballen immer starke Schmerzen hat, die besonders in den
letzten Tagen an Heftigkeit zugeuommen haben. Vor 2 Tagen, nach
einer Stuhlentleerung, sehr heftige Schmerzen in der linken Unterbauch¬
gegend. Seitdem Bettruhe. Stuhl und Winde immer sp'arlioher, bis seit
gestern Abend sowohl Stuhl als Winde gänzlich angehalten sind.
Bei der Aufnahme in die Klinik wird bei dem sehr fetten, in bestem
Ernährungszustand befindlichen Manne ein stark aufgetriebenes, straff
gespanntes Abdomen festgestellt, das überall leicht druckempfindlich ist.
In der linken UDterbauchgegend lässt sich eine etwa handteilergrosse,
sehr schmerzhafte Resistenz abtasten. Rectal, palpatorisch völlig nor¬
maler Befund. Lunge und Herz ohne Besonderheiten. Puls klein,
frequent (100), Temperatur 39.
Die Diagnose schwankt zwischen paralytischem Ileus infolge Appendi-
citis mit links verlagertem Wurm, Fremdkörperperitonitis oder Ileus
infolge Volvulus, innerer Hernie oder dergl. Ein maligner Tumor wird
wogen des ausgezeichneten Ernährungszustandes und des stürmischen
Verlaufs erst in letzter Linie in Erwägung gezogen.
Die Operationsindikation war durch den kompletten Ileus gegeben.
In Aethernarkose Schrägschnitt in der Gegend der erwähnten Resistenz
in der linken Unterbaucbgegend. Nach Eröffnung des Peritoneums pro-
labiert sofort ein überfaustgrosser, aus Netz bestehender Tumor, von
dem einzelne Stränge tief herunter nach dem kleinen Becken führen.
Das Netz, das den Tumor bildet, ist leicht injiziert, zeigt aber sonst
ausser ziemlich erweiterten und geschlängelten Venen keine Veränderung.
Nach Unterbindung und Durobtrennung der in die Tiefe führenden
Netzstränge gelingt es leicht, das Netzkonvolut zu entwirren und aus
ihm entwickelt sich nun eine bläulich verfärbte Dünndarmschlinge, an
der deutlich die Stellen, wo sie in die Netzdrehung ein- und wieder
ausgetreten ist, markiert sind. Der Darm oralwärts dieser Schlinge ist
stark gebläht, während er analwärts völlig collabiert ist, so dass mit
Sicherheit hier die Stelle des Darmverschlusses liegt. Da das Netz kaum
verändert ist, wird von einer Resektion abgesehen und nach Kontrolle
der Flexur und des Rectums, die sich frei von Tumor erweisen, Netz
und Darm wieder reponiert und die Bauchhöhle in Etagen geschlossen.
Nach der Operation erfolgt schon am nächsten Tage Abgang von
Winden, die nach einer PeristaltiniDjektion sehr reichlich werden. Stuhl
tritt jedoch erst am 5. Tage post Operationen! ein. Danach ständige
Zunahme des Wohlbefindens, bis die Rekonvaleszenz durch eine absce-
dierende Fettnekrose gestört wurde. Nach Ueberwindung dieser Kom¬
plikation erholt sich der Patient schnell und konnte nach etwa sechs¬
wöchigem Aufenthalt aus der Klinik entlassen werden.
Ehe ich auf die Einzelheiten dieses Falles eingebe, muss ich
kurz einige statistische und anatomische Daten über Netztorsionen
vorausschicken.
Legen wir die Balduin’sche Zusammenstellung zugrunde
und fügen noch zwei später veröffentlichte Fälle 3 ) und einen
kürzlich in der Breslauer Klinik beobachteten nicht veröffent¬
lichten Fall hinzu, so verfügen wir über 81 Beobachtungen. In
diesen 81 Fällen handelte es sich 63 mal um Netztorsion mit
gleichzeitiger Hernienbildung. Ferner überwiegt bei weitem die
rechte Seite. Beide Eigentümlichkeiten lassen sich durch ana¬
tomische Verhältnisse erklären. Das grosse Netz wächst nämlich
1) Vortrag, gehalten in der Sitzung der schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Cultur am 26. Juni 1914.
2) Prag. med. Wscbr., 1910, Nr. 45 u. 46.
3) R. M. Vick: Acute torsion of tbe great omentum. Brit. med.
journ. 18. März 1911. — Alfr. Schönwerth: Ueber intrahermäre
Netztprsion, Beitr. z, klin. Chir„ Bd. 70, H. 1.
häufig rechts io einem längeren Zipfel aus (Omentum colicom
Hallen); besteht nun eine rechtsseitige Hernie, so gelangt dieser
Zipfel leicht in den Bruchsack, es bilden sich dort Adhäsionen,
und damit ist die Achse für eine Drehung geschaffen. Durch
Behinderung des Blutkreislaufes in der Bruchpforte tritt bald
Stauung und Schlingenbildung in den schon physiologisch die
Arterien an Länge übertreffenden Venen auf und diese Schlingen
begünstigen eine Drehung um die gebildete Achse. Ein weiteres,
förderndes Moment ist starke Fettansammlung im Netz, denn in
fast allen Fällen handelte es sich am sehr wohlbeleibte Patienten.
In dieser, von Riedel unter Payr gegebenen Erklärung der
Netztorsionen mit Hernienbildung liegt auch ohne weiteres der
Schlüssel für die Torsionen ohne Hernienbildung. Auch in solchen
Fällen muss durch Fixierung von einem oder mehreren Netzzipfeln
eine Achse geschaffen werden, um die die Drehung vor sich
gehen kann.
AetiologUch kommen hier aknte und chronische Entzündungen
in Betracht, wie Appendicitis, Pericolitis, tuberkulöse und maligne
Tumoren, und zu dieser Art von Netztorsion ist unser Fall zu
zählen. Durch eine infolge der chronischen Obstipation ent¬
standene Pericolitis war es zu Netzadbäsionen in den tiefsten
Partien des Colon gekommen, die zunächst symptomlos blieben,
bis eines Tages die Torsion anfing. Dadnrch nun, dass eine
Darmschlinge in die Drehungen bineingezogen wurde, kam es zu
stürmischen lleuserscheinungen, die eher, als es gewöhnlich bei
Netztorsionen der Fall ist, znr Operation führten. Bei der Lapa¬
rotomie hatte man nun das interessante Bild einer völlig frischen,
sozusagen noch in der Entwicklung begriffenen Netztorsion, die
sich ohne Schwierigkeiten entwirren liess, wodurch die Darm¬
schlinge befreit wurde. Bei alten Netztorsioneo wäre dies un¬
möglich und auch nicht richtig, da selbst nach Resektion tor-
quierter Netzstücke infolge lokaler Tbrombenbildung embolische
Pneumonien häufig beobachtet werden. Die Therapie besteht
deshalb stets in Resektion des Netztumors. Auf Grund des vor¬
liegenden Falles wird man aber mit der Eventualität eines Darm¬
einschlusses in die Netzdrehungen zu rechnen haben nnd bei der
Resektion die nötige Vorsicht in dieser Richtung niemals ausser
acht lassen dürfen.
Aus dem medizinisch-poliklinischen Institut der Uni¬
versität Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Gold-
scheider).
Ueber Rückfluss und röntgenologische Anti¬
peristaltik des Duodenums als Folge von
Adhäsionen.
Von
Privatdozent Dr. Ehrmain, Assistenzarzt.
Im folgenden soll über zwei Fälle berichtet werden, die fast
übereinstimmende Befunde sowohl des Chemismus als auch der
Röntgendurchleuchtung des Duodenums ergaben. Es handelte sich
um zwei ältere Männer, bei denen ein Carcinom der kleinen
Curvatur des Magens vorhanden war, das sowohl palpatorisch
sowie auch röntgenologisch nacbgewiesen werden konnte.
Die Ausheberung ergab keinen Rückstand der am AbeDd
zuvor genommenen Speisen. Im Probefrübstück fehlte freie Salz¬
säure, und es fanden sich grosse Mengen zähschleimiger, intensiv
galliger Flüssigkeit, die durch ihren Geruch den jauchigen Zer¬
fall der Geschwulst erkennen Hessen.
Bei beiden zeigte sich nun, dass der Röntgenbrei direkt ins
Duodenum überfloss und sich dann beim Uebergang des Duo¬
denums in das Jejunum staute. Es zeigte sich dann eine von
hier aus einsetzende Antiperistaltik, wobei das Duodenum etwa
die doppelte bis dreifache Weite wie gewöhnlich aufwies und
eine deutliche Segmentierung, ähnlich wie das sonst am Dick-
darm zu beobachten ist. Besonders deutlich ist diese Segmentie¬
rung, die wohl durch die Kerkring’schen Falten hervorgerufen
wird, nach dem Ende des Duodenums hin.
Bei dem einen Patienten M. (Abbildung 1) konnte nun an
der Stelle, von der die rückläufige Bewegung des Duodenums
ausgiög, eine kirschgrosse, harte, offenbar roetastatische Druse
gefühlt werden. Im zweiten Falle Gl. (Abbildung 2) ergab * e
Sektion, dass an der Stelle, von der die Antiperistaltik des Du -
denuras ausging, carcinomatöse Drüsen an der Darmwand vo -
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UNIVERSITY-OE-LQ
24. August 191 4.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1573
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Abbildung 2.
*4
banden waren, ohne dass aber das Duodenum an dieser Stelle
irgendwie verengt war.
Das etwa einen Monat später aufgenommene Sektionsprotokoll,
für das ich Herrn Prosektor Dr. Rheindorf zu Dank verpflichtet
bin, lautete bei Fall 2 folgendermaassen:
28. IV. 1914. Nr. 68. Magen weit, zeigt an der kleinen Curvatur
ein über handtellergrosses, jauchig belegtes Geschwür, das beim Ein-
schneiden einen 1 cm dicken, grauweisslich derben, fast homogenen
Grund zeigt. Es ist fest mit der Leber verwachsen und an mehreren
Stellen in die Leber in knotiger unregelmässiger Weise eingewachsen.
Dicht hinter dieser teils jauchig veränderten Wand iü der Leber mehrere
jauchige Abscesse, die durch jauchig aussehende Leberabschnitte mit den
eingangs erwähnten subkapsulären Leberabscessen in Verbindung steheu.
Sonst Leber gestaut mit mehreren bis aprikosengrossen Krebsknoten von
grauweisslichem, rötlich geflecktem Aussehen. An der Serosa, ander
Grenze zwischen Duodenum und Jejunum zwei bohnengrosse
Krebsknoteu, von denen der eine die Darmwand durchwachsen hat
und in die Schleimhaut vorgedrungen ist. Letztere sieht hier in hanf¬
korngrosser Ausdehnung grauweisslich homogen aus. Das Duodenum massig
erweitert, das Jejunum und Ileum eng. Sonst Darm ohne Besonderheiten.
Aus den mitgeteilten beiden Fällen ergibt sich, dass es auch
ohne Verengerung des Duodenums — es bestand keinerlei
Stauung — zu einer Anti peristaltik mit starker Erweite¬
rung des Duodenums und Fältelung des Organs kommen kann.
Die Ursache der Antiperistaltik muss wohl in Spasmen gesucht
werden, die durch A dhärenzen am Duodenum bedi ngt waren.
Als Erfolg dieser ausserordentlich gesteigerten Antiperistaltik
kommt die abundante Rück Strömung von Duodenalsaft
zustande, die sich speziell an dem starken Gallegehalt zu er¬
kennen gibt.
Zur Röntgenologie des Duodenums sei hier noch be¬
merkt, dass man hier zweckmässig, statt allein die gewöhnlichen
Beobachtungen von vorn oder von der rechten Seite vorzunehmen,
auch die Beobachtungen vom Rücken aus machen kann.
Besonders die Bewegungen an der kleinen Curvatur, am Pylorus
uad Duodenum werden bei ventrodorsaler Durchleuchtung
erheblich vergrössert und deutlicher. Dass der Verlauf des
Bariumbreies durch Duodenum und Dünndarm nur undeutlich
normaliter zu verfolgen ist, und dass er nur da deutlich sichtbar
wird, wo es sich um Verengerungen handelt oder um Ver¬
wachsungen, wie oben gezeigt wurde, ist wohl in erster Linie auf
die Verdünnungen des Breies durch die verschiedenen Darm¬
säfte, speziell durch den Pankreassaft zurückzuführen.
Bei einem Patienten, bei dem durch Carcinom des Pankreas¬
kopfes so gut wie kein Pankreassaft sich in den Darm ergiessen
konnte, konnte in der Tat der ziemlich dicke Bariumbrei in den
oberen Teilen des Dünndarms als fingerdicke und -lange wurst-
artige Massen deutlich durch den Röntgenschirm beobachtet werden.
Ueber die Verteilung und Ausscheidung radio¬
aktiver Substanzen.
Von
J. Plesch.
(Vortrag, gehalten in der Berliner physiol. Gesellschaft am 13. Juni 1914. D
M. H.! Nachdem ich mit meinen Mitarbeitern Karczag,
Keetman, Pappen heim zeigen konnte, dass die radioaktiven
Stoffe im allgemeinen eine grosse Affinität zu dem häraatopoeti-
schen System besitzen, ist dieser Befund von vielen Seiten be¬
stätigt worden. Auch die Klinik hat daraus ihren Nutzen ge¬
zogen. Es war unsere Pflicht, den Befund, den wir erhoben
haben, auf allen uns zu Gebote stehenden Wegen zu beweisen,
und ich will Ihnen heute meine Beweise vorlegen.
Vergiften Sie ein Tier, so werden Sie neben den übrigen
sehr charakteristischen und interessanten makroskopischen und
mikroskopischen Veränderungen die auffallendsten Veränderungen
am Knochenmark finden. Die Röhrenknochen des vergifteten
1) Siehe Gesellschaftsbericht in Nr. 27.
Tieres enthalten kein Fettmark, sondern sie sind durch ein Blut-
coagulum bzw. mit flüssigem Blut gefüllt. Mikroskopisch sieht
man an derartigen Präparaten eine mascbige, fettlückenhaltige
Grundsubstanz, lauter kernlose rote Blutkörper, also freie Blutung,
man bemerkt Reste von spindligeu Bindegewebselementen, aber
nichts von eigentlichem Knocbenraarksgewebe oder von
juvenilen Blutzellen. Mit einem Wort, das Knochenmark ist
total vernichtet. .
Untersuchen wir die einzelnen Organe eines mit radioaktiver
Substanz intravenös gespritzten Tieres, so finden wir folgende
Zahlen (Tabelle 1) der Verteilung.
Also schon nach einer Stunde finden sich 38 pCt. und nach
24 Stunden G4 pCt. des einverleibten Thorium X im Knochen¬
mark Dasselbe ist mit dem Radiumbromid der Fall, welches zu
75 pCt. im Knochenmark enthalten ist.
Wenn man ein Tier, nachdem es mit radioaktiver Substanz
behandelt, 24 Stunden leben lässt, dann tötet und auf eine in licht-
undurcblässigem Papier gewickelte photographische Platte aus¬
breitet, so sehen Sie, wie hier auf diesem Bilde, dass sich
das Knochengerüst selbst abphotographiert. Lazarus,
der meine Befunde bez. der Verteilung der radioaktiven Stoffe
mit Actiuium nachgeprüft hatte, konnte auf diese Weise meine
Angaben verifizieren. Wir können auf Grund dieser Unter¬
suchungen sagen, dass die Affinität zu dem bämatopoetischen
System nicht die Eigentümlichkeit einzelner radioaktiver Stoffe
ist, sondern dass sich alle radioaktiven Stoffe in gleicher W'eise
verhalten.
Was die Ausscheidung von radioaktiven Stoffen anlangt, so
können sie sich aus dieser Tabelle informieren (Tabelle 2.)
Tabelle 1 zeigt, dass schon nach 2 Stunden die grösste
Menge der durch die Nieren ausscheidbaren Aktivitäten aus¬
geschieden ist. Am ersten Tage wurde fast alles eliminiert; am
zweiten Tage ist die Ausscheidung minimal, nach 42 Stunden 0,1,
um dann am dritten Tage inaktiv zu werden. Es wurden
insgesamt durch den Harn 62,7 elektrostatische Einheiten
(= Macb ^^ nheit ) entleert; das macht 2,19 pCt. der gesamten
einverleibten radioaktiven Substanz.
Wesentlich verschieden verhält sich demgegenüber die Aus¬
scheidung durch den Darm. Am ersten Tage wird auch hier die
grösste Masse entleert, die Ausscheidung ist aber protrahierter
wie durch die Niere, denn wir sehen uoch am dritten Tage
2
Abbildung 1.
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UMIVERSITY OF IOWA
1574
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 34.
Tabelle 1.
1
Stande im Kaninchen
ebendgewicbt von
_
2
neben
on
«
Verteilung nach 1
von 2450 g L
Verteilung nach 24 Std. im Kan
von 1460 g Lebendgewicht v
Verteilung
chen von
nach 24 Std. im KaDin-
2210 Lebendgewicht von
Thorium X
Thorium A
Thorium X
Thorium A
0,1 mg Radiumbromid
Organ¬
gewicht
1 s
S J 1
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2o
u
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2*2 °
100 g
Organs
Organ¬
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P 03
— 4,
'K3
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2»
P 03
— ©
-o
ff
Menge
Organs
Darmtrakt mit Inhalt . . .
514
6
1.1
6
1,1
353
13 !
3,7
10
2,8
290
8,2
2,8
Leber und Gallenblase . . .
94
10
10,6
33
35.2
68
9
13,3
9
13.2
90
3,4
3,7
Blut.
131
16
12,2
17
12,9
57
1,4
2,4
4,6
8,8
140
0,8
0,5
Uropoet. System mit Harn J )
25
9
36,0
4
16,0
/ U 34
1 H 86
1.5
3.6
4,4
4.2
3,7
11,8
Ul
2,3/
150
4,0
3,6
Knochen.
412
38
9,2
14
3,4
173
64
37,0
26
15,0
485
75,0
15,4
Muskel und Herz.
789
12
1,5
12
1,5
524
8
1,5
6,4
12,2
755
0
0
Haut.
327.5
4
1,2
4
1,2
146
0
0
0
0
340
0
0
Luugen und Trachea . . . .
13,5
4
1 29,6
4
29,6
12
0
0
0
0
14
5
1 35,6
Milz.
1,4
0
1 0
0
0
0,5
0
0
0
0
2
0,3
15,0
Gehirn, Rückenmark ....
14.5
0
1 0
0
0
8,0
0
0
0
0
13
1,2
9,2
Schilddrüse.
2,0
0
1 0
0
0
1,0
0
0
0
0
2
0
0
Augen.
7,0
0
| 0
0
0
5,0
0
0
0
j o
7
0
0
Hoden, Ovarien.
7.5
0
0
0
0
0,5
0
0
0
1 0
7
1,6
22.8
Summa . .
2336,5
99
! _
1
94
i ~
1453
100
-
60
1
2195
99,5
’
1) In Versuch 2: U = Uropoetisches System, H = Harn.
Tabelle 2.
-!■
Fall I
Fall 11
Urin
Fäces
1 LS -A
£ , g*
g 1
m m ® c
^ cw
1 M.-E.
g ,1000
| Urin
! Fäces
nach Stunden
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| M.-E.
ccm i 1000
nach Stunden
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( M.-E.
ccm; 1000
nach Stunden
ff
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5 ©"
< W
M.-E.
1000
2
130' 12,7
j 1
11 55, 52,4
3
1
570 3,8
8
67
5,75
4
205| 9,4
29 45 220,0
4
330 1 2,3S
32
72
142,0
5,5
150, 4,9
40 23 | 7,7
5
50 j 1,79
40
107
77,0
6,45
60 1,9
49,5 92 92,2
7
110j 1,66
11
202' 4,8
59 1501 13,2
16,5
265j 3,27
14.5
182, 3,9
75 60 0,5
23
1020 13,50
17,5
130 3,2
"■' 'f ‘ #• '1
1
20
248' 2,6
|
23,5
3901 9,2
43
920j 0,1
L* ■$ *
1
Sa. |
I
2617j 52,7
Sa. 1 430 | 386,0
Sa:
2345 26,40
l
Sa.
246
224,75
Ausgeschieden:
Ausgescbieden:
Ausgeschieden:
Ausgeschieden:
2,19 pCt.
16,10 pCt.
1,13 pCt.
9,69 pCt.
Fall III. Schweiss.
Aktivität der Watte in M.-E. = 260 ) zurückgerechnet auf den Tag
„ Wäsche „ „ = 1100 / der Iojektion.
Summa: 1360 M.-E. = 0,08 pCt.
13,2 E. st. in den Fäces. Ara vierten Tage wird auch durch
den Darm nichts allsgeschieden. Gegenüberden 2,9 pCt.
Ausscheidung durch die Nieren sehen wir in diesem Falle eine
Darraausscheidung von 16,6 pCt. der einverleibten Aktivität.
Im zweiten Falle wurden durch den Harn 1,13, durch den
Kot 9,69 pCt. ausgeschieden. Woran diese Differenzen liegen, ist
schwer zu sagen. In einem Falle haben wir die Ausscheidung
des Thorium X im Schweiss untersucht. Der Fall betraf einen
schwer Tuberkulösen mit profusen Schweisseu. Wir Hessen den
Patienten 3 Tage lang baumwollene Wäsche tragen, dann wurde
der ganze Körper mit Alkoholwatte abgerieben und die aus¬
geschiedene Aktivität sowohl in der Watte, wie in der ver¬
aschten Wäsche nacbgewiesen. Der gefundene Wert wird in An¬
betracht der Tuberkulöse des Patienten, wohl als maximalster
Wert zu betrachten sein.
Addieren wir die auf den drei verschiedenen Wegen aus-
gescbiedenen Mengen-, so ergibt sich eine Ausscheidung von
12—18 pCt., die übrigen 80 pCt. werden im Körperzurück-
i gehalten und bilden dort sicherlich Depots. Wir können also,
1 der Lebensdauer des Präparates eutsprechend, andauernde Wir-
! kungen erwarten. Es ergibt sich weiterhin aus diesem
! Ergebnis der therapeutische Fingerzeig, dass wir uns
j bei Einverleibung von neuen Dosen auf eine kumu-
i lierende Wirkung gefasst machen müssen.
I Ich zeige Ihnen noch das mikroskopische Bild der Leber
! eines vergifteten Tieres. Neben dem Knochenmark und der Niere
| ist die Leber das zellempfindlichste Organ gegenüber den radio¬
aktiven Substanzen. Bei höchsten Dosen, einerlei ob per os oder
| intravenös, kommt es zu circumscripten centralen NekroseD. Die
centrale Gefässanschoppung mit folgenden Hämorrbagien und
Parenchymscbädigungen hat ihr Seitenstück in der Lungen¬
kongestion im Gebiet der zufübrenden venösen Lungenarterie;
die Bronchialarterien und Bronchialvenen der Lunge sind weniger
I betroffen, ebenso wie die Leberarterie und Pfortader.
Dieser Befund an der Leber liess Zweifel wach
| werden, ob auch die mit den Fäces ausgeschiedenen
Aktivitäten de facto durch die Darmwand abgesondert
würden, oder ob die Stoffe von der Leber sezerniert
und mit der Galle in den Darm geraten sind.
Ich stellte also einen Versuch aD, indem ich bei einem
Hunde eine Gallenfistel bei völligem Verschluss des Choledochus
anlegte. Diesem Tier wurde dann Thorium X intravenös ge¬
geben nnd der Kot und die Galle gesondert aufgefangen nnd anf
ihre Radioaktivität untersucht. Die Untersuchung ergab,
dass in der Galle nnr 1,6 pCt. der im Kot enthaltenen
Radioaktivität vorhanden war. Angenommen, dass die ge¬
samte ausgeschiedene Menge laut unserer Untersuchungen 20pCt.
des gesamten dargereichten Stoffes betragen bat, so würde mit
der Galle etwa 0,3 pCt. der gesamten Ausscheidung ausgeschieden
werden. Es ist also durch diese Untersuchung erwiesen,
dass die radioaktiven Stoffe hauptsächlich durch den
Darm sezerniert werden.
Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.
Die Beeinflussung der Lungen durch Schild-
drüsenstoffe.
Von
Bernhard Zondek und Walter Frankfnrther,
cand. med. Assistent am Institut
Zwei Methoden müssen Zusammenwirken, um die Erkenntnis
von der Funktion der Drüsen mit innerer Sekretion zu fördern.
Einmal müssen die Verändernngen beobachtet werden, die die
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1575
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24. Augost 1914.
Ausschaltung des zu untersuchenden Organs am Organismus und
seinen Funktionen herbeiführt, dann aber muss untersucht werden,
wie die von der Druse abgesonderte wirksame Substanz bei plötz¬
lichem Eintritt in grösserer Menge in die Blutbahn wirkt. Die
Ausfallserscheinungen nach Exstirpation der Schilddrüse sind
auch in der menschlichen Pathologie als die Krankheitsbilder des
Myxödems und der Cachexia strumipriva bekannt. Auch für die
übermässige Zufuhr von Schilddrüseostoffen bietet die Patho¬
logie ein Beispiel in der Basedowschen Krankheit, bei der
schon der Kropf auf eine zum mindesten nicht normale Funktion
der Schilddrüse hioweist. Die experimentelle Analyse der
Wirkungen plötzlicher Schilddrüsenzufuhr bat sich, woht im An¬
schluss au die hauptsächlich vasomotorischen Symptome bei der
Basedowschen Krankheit im wesentlichen auf die Untersuchung
des Kreislaufes beschränkt. Oliverund Schäfer 1 ) erzeugten
durch die intravenöse Injektion von Schilddrüsenextrakten eine
Blutdrucksenkung, die Cyon und Oswald 2 ) auf eine Erregung
intracardialer Hemmungscentren zurückführen wollten. Fürth
und Schwarz 8 ) bekamen nach intravenöser Injektion von Jodo-
thyrin, dem oder richtiger einem der wirksamen Schilddrüsen¬
stoffe, einen Abfall des Blutdrucks und grosse langsame Pulse,
die durch Reizung des Vaguscentrums im verlängerten Mark be¬
dingt sein sollten, und nach Vagusdurchschneidung verschwandet).
Das Respirationssystem dagegen ist bisher nicht auf seine Be-
einflus8barkeit durch Schilddrüsenstoffe untersucht worden, obwohl
sowohl klinische Beobachtungen, wie die experimentellen Ergeb¬
nisse über die durch Jodothyrin bedingte Vagusreizung für einen
solchen Zusammenhang sprechen mussten.
Um den Einfluss der Schilddrüsenstoffe auf die glatte
Muskulatur der Bronchien zu beobachten und graphisch darzu¬
stellen, benutzten wir die Methode von Brodie und Dixon 4 ), die
von Weber 5 ) noch vervollkommnet worden ist. Die Methode
besteht darin, dass den Tieren nach Kurarisierung und Einleitung
der künstlichen Atmung der Thorax weit eröffnet wird. Ein
günstig gelegener Luogenlappen wird nun in eine Guttapercha¬
kapsel eingeschlossen und der durch die Mündung austretende
Bronchus mit seinen Gefässen durch Lanolin, das wasserfrei sein
muss, ringsum abgediebtet. Die Guttaperchakapsel wird dann
mit einer Marey’schen Kapsel verbunden, die auf diese Weise die
Volumschwankungen der LuDge innerhalb der Kapsel auf der
berus8ten Fläche eines Kymographions zu registrieren vermag.
Tritt jetzt ans irgendwelchen Ursachen eine Bronchokonstriktion
ein, so kann bei der künstlichen Atmung weniger Luft durch die
verengerten Bronchien in die Lunge eintreten, der Lungenlappen
wird nicht mehr so stark aufgeblasen und die registrierten Ex¬
kursionen werden als Zeichen dieser Bronchokonstriktion merklich
kleiner. Die so registrierten Atemkurven geben nun neben den
Aenderungen der Lu/tfülle in den Lungen des öfteren auch die
Veränderungen der Blutfülle wieder, die aber neben den beträcht¬
lichen Atemschwankungen weit an Grösse zurücktreten. Da aber das
Verhalten der Blntgefässe in der Lunge gleichfalls von ausser¬
ordentlicher Wichtigkeit ist, wandten wir ausserdem die von
E. Weber angegebene Methode der Blutvolumschreibung in der
Lunge an. Bei dieser wird der zu untersuchende Lappen durch Unter¬
bindung des Hauptbronchus unter Schonung der Gefässe von der
Atmung ausgeschlossen und der Lappen auf die gleiche Weise
wie oben in die Guttaperchakapsel eingeschlossen und seine
Volumschwankungen registriert, die jetzt nur durch Verände¬
rungen der Blutfülle bedingt sein können. Es gelingt sehr gut,
an dem einen Lappen die Atemschwankungen und an einem
Lappen der anderen Lunge die Blutvolumschwankungen bei dem¬
selben Tiere gleichzeitig aufznnehmen. Bei unseren Versuchen,
die wir an etwa 25 Katzen anstellten, wurde ausserdem noch
gleichzeitig der Blutdruck mit einem Gad’schen Manometer
registriert 8 ).
1) Oliver und Schäfer, Oo tbe physiological actioo of extracts
of pituitary body and certain other glandular Organs. Journ. of physiol.,
1895, Bd. 18, p. 277.
2) v. Cyon und E. Oswald: Ueber die Wirkung einiger aus der
Schilddrüse gewonnenen Produkte. Pflüg. Arch., 1901, Bd. 83.
3) v. Fürth und Schwarz, Ueber die Einwirkung des Jodothyrins
auf den Circulationsapparat. Pflüg. Arch., 1908, Bd. 124.
4) Brodie und Dixon, Tbe bronchial muscles, their innervation
and action of drugs upon them. Journ. of physiol., 1903, S. 92.
5) E. Weber, Neue Untersuchungen über experimentelles Asthma
und die Innervation der Bronchialmuskeln. Arch. f. Physiol., 1914,
Physiol. Abt. S. 563.
6) Die ausführliche Veröffentlichung unter Beigabe der Kurven er¬
folgt im Arch. f. Physiol,
Um die Schilddrüsenstoffe bzw. ihre wirksamen Bestandteile
intravenös zuführen zu können, wählten wir zunächst den Pt ess¬
saft der Drüse (vom Hammel), den wir zunächst mit Zusatz von
Chloroform zur Konservierung, später aber nur frisch ohne jeden
Zusatz verwendeten. Die Injektion des Presssaftes hatte regel¬
mässig einen Einfluss auf den Blutdruck. Der Druck sank zu¬
nächst, und es traten häufig, wenn auch nicht regelmässig,
Vaguspulse auf. Dieser Presssaft wirkte auch stets auf die
Bronchialrauskulatur, wenn auch nicht immer gleichmässig stark.
Dies mag teils an einer verschiedenen Empfindlichkeit der Tiere,
teils an Unterschieden in der Zusammensetzung des Presssaftes
liegen. Jedenfalls bestand die Wirkung stets in einer Ver¬
engerung der Bronchien, die gleichzeitig mit der Blutdruck¬
senkung einsetzt und noch fortdauert, wenn der Blutdruck schon
wieder zur alten Höhe zurückgekehrt ist. Gleichzeitig mit dieser
Verengerung der Bronchien erfolgt eine sehr starke Erweiterung
der Lungengefässe. Dass diese Wirkung des Presssaftes nicht
etwa auf das diesem zugesetzte Chloroform zurückgeführt werden
konnte, zeigte sich schon darin, dass auch der chloroformfreie
Presssaft die gleiche Wirkung ausübte. Ferner zeigte ein Kon-
trollversucb, dass durch Chloroform allein eine ähnliche Wirkung
nicht auszulösen war. Es schien vielmehr, als ob das Chloro¬
form der Wirkung des Presssaftes etwas entgegenarbeite und der
frische Presssaft einen wesentlich stärkeren Einfluss ausübe.
Sollte diese Wirkung des Schilddrüsenpresssaftes auf einen
bestimmten Bestandteil des Presssaftes bzw. der Schilddrüse
zurückgefuhrt werden, so musste zunächst an das Jodothyrin ge¬
dacht werden, das Baumann 1895 aus der Schilddrüse isoliert
bat und das den für die Schilddrüse charakteristischen Bestandteil,
das Jod, enthält. Die für den innerlichen Gebrauch bestimmten
Präparate von Jodothyrin konnten wir aber wegen ihrer Wasser¬
unlöslichkeit nicht benutzen und gebrauchten daher ein besonderes,
extra hergestelltes, wasserlösliches Jodothyrin. Die Wirkung auf
den Blutdruck war im allgemeinen die gleiche wie die des Press¬
saftes, doch waren die Vaguspulse weniger ausgesprochen,
wenigstens bei Dosen, die schon eine sehr ausgesprochene Wirkung
auf die Broncbialmuskulatur ausübten. Diese Wirkung auf die
Bronchialmuskulatur liess sieb, je nach der Dosis, von leichter
Verengerung der Bronchien bis zum völligen Krampf der Bronchien
steigern, wie er z. B. durch genügend grosse Dosen Muskarin
herbeigeführt wird. Auch gegen Jodothyrin war die individuelle
Empfindlichkeit der Tiere verschieden. Die Lungengefässe er¬
weiterten sich auf Jodothyrin ebenso, wie durch den Presssaft.
Mehrere Male konnten wir auch feststellen, dass die Tiere nur
auf die erste Injektion des Mittels reagierten, weitere Injektionen
aber, auch nach längerer Zeit, ohne jede sichtbare Beeinflussung
ertrugen, was auch für andere Mittel gelegentlich festgestellt
worden ist. Jedenfalls scheinen also von dem einen charakte¬
ristischen Bestandteil der Drüse, dem Jodothyrin, die gleichen
Wirkungen auf die glatten Muskeln der Lungen auszugehen, wie
von dem Presssaft der gesamten Drüse.
Es war nun möglich, dass diese Wirkung der Schilddrüsen¬
stoffe auf das in ihnen enthaltene Jod zurückzuführen sei. Aller¬
dings war es nach klinischen Erfahrungen unwahrscheinlich, dass
Jod eine bronchokonstriktorische Wirkung ausüben sollte, da es
ja gerade als Gegenmittel gegen die Erscheinungen des Asthma
bronchiale in Gebrauch ist. Ein Kontrollversuch mit einer intra¬
venösen Injektion von Jodkali bestätigte diese Vermutung denn
auch. Bei Jodmengen, die weit über die mit den Schilddrüsen¬
stoffen zugeführten Mengen binausgingen, war niemals ein ver¬
engernder Einfluss auf die Bronchialmuskulatur zu beobachten.
Kleinere Dosen waren auch in bezug auf den Blutdruck ganz un
wirksam, und erst grössere Dosen führten eine vorübergehende
Blutdrucksenkung herbei. Wohl trat dagegen eine geringfügige
Erweiterung der Lungengefässe auf.
Ferner musste daran gedacht werden, dass bei der Wirkung
des Presssaftes und vielleicht auch des Jodothyrins das Cholin
beteiligt sei. Das Cholin, das Triraethyloxäthylammoniumhydroxyd,
wurde zuerst von Strecker in der Galle gefunden und dann in
allen Arten von muskulösem Gewebe nachgewiesen, ferner aus
Niere, Leber, Milz, Hoden, Pankreas, Ovarium, aus Schilddrüse,
Nebenniere und Hypophyse extrahiert. Modrakowsky 1 ) und
ebenso Biedl konnten feststellen, dass das Cholin sich leicht
zersetzt und durch die muskarinartigen Zersetzungsprodukte
leicht falsche Resultate vorgetäuscht werden können. Wir wählten
1) Modrakowsky, Ueber die physiologische Wirkung des Cholins.
Pflüg. Arch., 1908, Bd. 124, S. 601.
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UNIVERSUM OF IOWA
1576
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 84.
daher zur Kontrolle das Cholinchlorid, das von Kahlbaum be¬
zogen und unmittelbar vor der Injektion erst gelöst wurde. Auch
bei recht beträchtlichen Dosen, die über die Menge des über¬
haupt verwendeten Jodothyrins schon hinausgingeD, war ein Ein¬
fluss des CholiDS auf die Bronchialmuskulatur nicht nachzuweisen.
Es erfolgte eine Blutdrucksenkung und eine beträchtliche Er¬
weiterung der Lungengefässe.
Waren so das Cholin und das Jod als Ursache der Broncho-
konstriktion ausgeschaltet, so war es noch möglich, dass andere
im allgemeinen in Presssäften vorkommende Substanzen, oder das
artfremde Eiweiss selbst, diese Wirkung ausüben könnten. Allerdings
pflegt artfremdes Eiweiss in den Dosen, in denen es bei unseren
Versuchen zugefübrt wurde, bei so grossen Tieren, wie Katzen, keine
toxischen Wirkungen auszuüben. Um aber auch diese Möglichkeit
auszuschliessen, stellten wir Kontrolluntersuchungen mit dem
Presssafte eines anderen drüsigen Organs, des Ovarium, an, da
uns dieses gerade zur Verfügung stand. Dieser Ovarienpresssaft
war wesentlich giftiger als der Schilddrüsenpresssaft, da bei
grösseren Dosen die Tiere unter rascher Blutdrucksenkung fast
augenblicklich starben. Erfolgte der Tod etwas langsamer oder
bei nicht tödlichen Dosen, so Hess sich niemals ein Einfluss auf
die Bronchialmuskulatur feststellen.
Es muss somit der Schluss gezogen werden, dass es sich
bei der durch die Schilddrüsenstoffe erzeugten Bronchokonstriktion
um die Wirkung von Stoffen handelt, die für die Schilddrüse
spezifisch sind.
Es wurde nun versucht, den Angriffsort dieser Stoffe auf die
Bronchialmuskulatur festzustellen, was nach Beobachtungen über
die Vaguswirkung der Schilddrüsenstoffe von besonderem Interesse
sein musste. Diese Feststellung kann nach Weber’s Vorgang
auf zwei einander ergänzende Weisen erfolgen. Die eine Möglich¬
keit liegt darin, dass durch Injektion bestimmter Gifte die
nervöse Leitung in bestimmten Bahnen abgeschnitten werden kann.
So gelang es Langley, durch intravenöse Injektion von Nikotin
die Leitung in sämtlichen sympathischen Ganglien zu unter¬
brechen und so den Einfluss des sympathischen Systems auf die
Bronchialmuskulatur völlig auszuschalten. Diese Ausschaltung
des sympathischen Systems beeinflusste die Jodothyrinwirkung auf
die Bronchialmuskulatur nicht. Auch die Vagusdurchschneidung
hatte auf diese Wirkung keinen Einfluss, so dass das Jodothyrin
sicherlich peripherisch angreift, wobei sich die Wirkung auf die
Muskulatur selbst oder auf die intramuskulären Nervenendigungen
erstrecken kann. Um eine eventuelle Wirkung auf die Nerven¬
endigungen gleichfalls auszuschliessen, lähmten wir diese durch
Atropin, wonach gleichfalls dnrch Jodothyrin noch eine Ver¬
engerung der Bronchialmuskulatur ausgelöst werden konnte.
Auch die blutdrucksenkende Wirkung blieb nach der Nikotin-
und Atropininjektion erhalten. Es kommt also dem Jodothyrin
eine direkte Wirkung auf die Bronchialmuskulatur zu.
Um zu entscheiden, ob vielleicht neben dieser sicherlich
peripherischen Beeinflussung auch noch eine gleichgerichtete, vom
Centrum ausgehende Wirkung vorliegt, kann der zweite, von
Weber angegebene Weg benutzt werden, die Nervenleitung aus¬
schliesslich au einem Lungenlappen auszuschalten, während die
übrige Lunge normal innerviert wird. Dies gelingt durch Ein¬
führung eines MessiDgröb rohen s in den Bronchus des zu entnerven¬
den Lappens, über das der Bronchus uuter Schonung der Hilus-
gefässe zweimal fest geschnürt wird. Durch die Umschnürung werden
sämtliche in der Bronchialwand verlaufenden Nervenfasern ge¬
quetscht und leitungsunfähig gemacht, während der Lappen in
seiner Luft- und Blutversorgung nicht eingeschränkt ist. Dieser
„entnervte“ Lungenlappen kann nun gleichzeitig mit einem nor¬
malen verglichen werden.' Für eine vom Centrum ausgehende,
neben der peripherischen Beeinflussung bestehende Wirkung würde
es sprechen, wenn die Wirkung auf den intakten Lappen wesent¬
lich stärker als auf den von der nervösen Versorgung abge¬
schnittenen wäre. Dieses ist aber nicht der Fall Es schien im
Gegenteil sogar der nervös isolierte Lappen eine energischere
Bronchokonstriktion zu zeigen als der normal innervierte, so dass
jedenfalls eine die Verengerung unterstützende Wirkung vom
Centrura nicht ausgeht. Auch nach Rückenmarks- und Vagus¬
durchschneidung änderte sich dieses Verhältnis nicht, so dass
also die von Weber im Rückenmark nacbgewiesenen erweitern¬
den und verengernden Centren für die Bronchien bei der Wirkung
des Jodöthyrins jedenfalls keine Rolle spielen. Ein strenger Be¬
weis, dass es sich lediglich um eine peripherische — d. h.
an der Bronchialmuskulatur angreifende — Wirkung handelt,
ist nicht zu führen, da die peripherische Wirkung des
Mittels niemals ausgeschlossen werden kann. Jedenfalls sprechen
aber die Versuche dafür, dass es sich im wesentlichen um eine
peripherische Wirkuog der Schilddrüsenstoffe handelt, an der eine
gleichsinnige centrale Wirkung nur ganz unwesentlich beteiligt
Bein könnte.
Ob die so festgestellte Wirkung der Scbilddrüsenstoffe auch
im normalen Stoffwechsel des Organismus eine Rolle spielt, muss
dahingestellt bleiben, da hier nur immer verhältnismässig geringe
Mengen auf einmal in die Blutbahn gelangen. Immerhin mag
aber wohl doch die festgesteilte bronchokonstriktorische Wirkung
der Schilddrüsenstoffe für die Erklärung mancher klinischer Er¬
scheinungen bei Schilddrüsenerkrankungen in Betracht kommen.
Bücherbesprechungen.
Erwin Stransky: Lehrbneh der allgemeinen nnd speziellen
Psychiatrie. Zur Einführung für Studierende und als Merkbuch
für in der allgemeinen Praxis stehende Aerzte. I. Allgemeiner
Teil. Mit 11 Abbildungen, einer farbigen Tafel und einem
pharmabologiscben Anhang, bearbeitet von Dr. Karl Feri in
Wien. Leipzig 1914, Verlag von F. C. W. Vogel. 257 S. Preis 8 M.
Mit einer beachtenswerten persönlichen Note ist das vorliegende
Lehrbuch geschrieben; es gewährt uns einen Einblick in den Werdegang
des Verfassers und seine Einführung in die Psychiatrie. Welch begeisterter
Anhänger seiner Wissenschaft Stransky ist, zeigt uns das Temperament
und der Enthusiasmus, mit dem das Werk geschrieben ist. Das verleibt
dem Buch auch einen besonderen Reiz.
Für lernende Anfänger und für praktische Aerzte ist das Buch
bestimmt.
Der erste allgemeine Teil bringt eine Darstellung der Störungen
des Affektlebens, der Störungen im Bereiche der Wabrnehmungs-, Auf-
fassungs- und Vorstellungsvorgänge, der Störungen auf dem Gebiete des
Willens und der Psychomotilität. Es werden dann die körperlichen
Symptome, der Verlauf der Geistesstörungen, die allgemeine Aetiologie
und Pathogenese der psychischen Störungen erörtert.
Besondere Abschnitte sind der Degeneration und den Degenerations-
zeicheD, der pathologischen Anatomie der Psychosen, der Prognostik
der Geisteskrankheiten gewidmet. Die allgemeine Therapie der Geistes¬
krankheiten hat eine eingehende Berücksichtigung erfahren. Diesem
Abschnitt dient auch der Anhang über die Wirkungsweise und An¬
wendung der wichtigen Arzneimittel. Den Schluss bilden Abschnitte
über die rechtlichen Gesichtspunkte in der praktischen Psychiatrie, in
denen die reichsdeutsche und österreichische Gesetzgebung Berück¬
sichtigung finden. Daran schliesst sich ein Schema zur Krankenunter¬
suchung.
Ueberall tritt das Bestreben zutage, den Anfänger mit den prak¬
tischen Ergebnissen der Untersuchung und Behandlung vertraut zu
machen. Eingefügte gute Abbildungen dienen zur Illustration der Aus¬
führungen. Die äussere Uebersichtlicbkeit und die Lektüre würden
durch zweckmässige Verwendung verschiedener Drucktypen erleichtert
werden. Sie merling- Kiel.
M. Mann: Lehrbneh der Tracheo-Bronchoskopie. (Technik und
Klinik.) Mit 50 Abbildungen und 5 schwarzen Tafeln im Text,
10 farbigen Tafeln im Anhang. Würzburg, Verlag von Curt
Kabitzsch. Preis broseb. 10,50 M., geh. 12,50 M.
Das Buch umfasst 208 Textseiten und gliedert sich in die beiden
Hauptteile: Technik und Klinik der Tracheo-Bronchoskopie.
In dem technischen Teil werden zunächst die verschiedenen Instru¬
mentarien gründlich besprochen und in zahlreichen Abbildungen dar-
gestellt. Die Einteilung nach Schulen und Ländern ist dabei geschickt
und übersichtlich durebgeführt. Bei der Methodik wird die Art der Ein¬
führung, die Vorbereitung, die Anästhesie usf. genau behandelt, doch
vermisste ich hier die Darstellung im Bilde, welche die einzelnen Etappen
während der Einführung, die Haltung des Patienten, die Verdrängung
u. dergl. am anschaulichsten wiedergeben kann. Es sind nur zwei
photographische Platten reproduziert, die das eingeführte Rohr am
sitzenden Patienten demonstrieren.
Im klinischen Teil wird die Literatur mit grosser Sorgfalt verarbeitet.
Wohl um ihre Wichtigkeit besonders hervorzuheben, stellt Mann den
einzelnen Kapiteln eine Literaturzusaramenhang voran. Die wichtigsten
Beobachtungen werden im Auszug wiedergegben, und auf Grund der be¬
schriebenen Fälle und der eigenen Erfahrung folgt am Schluss des
Kapitels eine kritische Zusammenfassung. Durch diese Art der Dar¬
stellung erreicht Mann eine geschlossene, vollständige Wiedergabe des
bisher Erreichten, wenn auch unter dieser detailierten Schilderung die
didaktische Seite etwas zu leiden hat. Besonders gründlich sind die
Fremdkörper verarbeitet, und ihre sorgfältige Darstellung erscheint als
besonders dankenswerte Leistung.
Die klinischen Abbildungen sind teils endoskopische Bilder, teils
Reproduktionen pathologischer Präparate. Sie sind in den natürlichen
Farben wiedergegeben und gut gelungen.
Das Werk stellt eine vollständige Sammlung dessen dar, was auf
den verschiedensten Gebieten der Tracheo-Bronchoskopie bisher geleistet
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Qrifinial frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
24. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1677
wurde. Es wird darin zum erstenmal die gesamte Literatur kritisch
verarbeitet. Sein spezieller Vorteil ist, dass es uns in allen Fragen
durch seine übersichtliche Form sehr rasch und gründlich orientiert.
_ Al brecht-Tübingen.
Hais H. Meyer und R. Gottlieb: Die experimentelle Pharmakologie
als Grundlage der Arzneibehandlnng. Ein Lehrbuch für
Studierende und Aerzte. III. neubearbeitete Auflage. Mit 66
zum Teil farbigen Textabbildungen und einer farbigen Tafel.
Berlin und Wien 1914, Urban & Schwarzenberg. Preis 17 M.
Die zahlreichen Interessenten des in der kurzen Zeit seines Be¬
stehens bereits unentbehrlich gewordenen Meyer - Gottlieb’scben
Lehrbuches werden mit Freuden die neue Auflage begrüssen. Das Werk
ist in der ganzen Anlage unverändert geblieben, die Fortschritte der
Wissenschaft sind in weitem Umfange berücksichtigt worden.
_ M. Jacoby.
Klinische Röntgendiagnostik des Dickdarms nid ihre physiologischen
Grundlagen. Von Privatdozent Dr. Gottwald Schwarz, Assistent
und Leiter des Röntgeninstituts der k. k. I. med. Universitäts¬
klinik in Wien. 153 S. Mit 108 Abbildungen. Berlin 1914, Ver¬
lag von Julius Springer. Preis 10 M. ungebunden.
Der Inhalt dieser zu9ammenfassenden Darlegung kommt im Titel zu
prägnantem Ausdruck. Es ist eine klinische Diagnostik im besten Sinne.
Der Verf. zieht alles Experimentelle, alles Spekulative und alles Rönt¬
genologische nur insoweit heran, als es für eine klinische Durchdringung
des Gegenstandes unbedingt erforderlich ist. Gerade durch diese straffe
Konzentration auf das praktisch Wichtige wird das Studium des Büch¬
leins zu einem wahren Genuss, und es kann aufs wärmste allen empfohlen
werden, die sich irgendwie mit der Pathologie des Dickdarms zu be¬
fassen haben. Bekannt sind die speziellen Verdienste des Verf. auf dem
Gebiete der Darmbewegung und der chronischen Obstipation. Auch in
diesen Kapiteln ist die vielfach unerlässliche Polemik des Verf. in so
vornehme Formen gekleidet, dass sie dem weniger Eingeweihten über¬
haupt nicht als Kritik bewusst werden wird. Kurz, das Buch gibt
mustergültig nach Inhalt und Form eine treffliche Uebersicht, welche
grossen Dienste uns die Röntgenuntersuchung leisten kann, wenn sie
sich in den Rahmen der allgemeinen klinischen Untersuchung einfügt.
Schon allein das Kapitel über den Darmkrebs wäre Anlass genug, dass
jeder Internist und jeder Chirurg das Büchlein besä9se. Die Abbildungen
sind ausserst lehrreich und technisch so vorzüglich, wie ich es bei
autotypischer Wiedergabe noch nicht gesehen habe.
Arthur Frankel - Berlin.
Oberstabsarzt Prof. A. Schönwerth: Vademecnm des Feldarztes.
München 1914, Lehmann. Preis 4 M.
Das Verlangen nach kurzen chirurgischen und besonders kriegs¬
chirurgischen Anleitungen macht sich gegenwärtig allenthalben geltend, wo
Tausende von Aerzten in verantwortliche Stellungen rücken müssen, für
die sie zum grösseren Teil nur wenig vorbereitet sind; wenigstens scheint
es so für den ersten Blick. Wer aber die von autoritativer Seite
stammenden „kriegschirurgischen Winke“ auf den ersten Blättern
dieser Nummer gelesen hat, muss allerdings bald zur beruhigenden
Ueberzeugung kommen, dass für den „Truppenarzt“ nicht allzuviel Chir¬
urgie vonnöten ist. Es genügt für die ersten Tage, d. b. bis der Ver¬
wundete io chirurgische Hände gelangt, die allgemein-ärztliche Grund¬
lage, gesichert durch den festen Entschluss, nicht durch Uebereifer
Schaden zu stiften.
Beurteilt man von diesem Gesichtspunkte aus das vorliegende Werk-
chen, das sich dem Vorwort nach an den Nichtchirurgen wendet, „der
sich im Feldlazarett plötzlich in die Lage versetzt sieht, hauptsächlich
chirurgisch zu arbeiten“, so wird man zur Annahme geneigt sein, dass
es an manchen Stellen zuviel bietet und Operationen beschreibt, die
man im Interesse des Verwundeten lieber dem Fachmann überlassen
sollte. Davon abgesehen gibt es eineu recht guten Anhalt zur raschen
Information in den zahlreichen Fällen, die auch der Nichtchirurg zu be¬
handeln oder wenigstens zu beurteilen hat. Einiges darf aber nicht unbe¬
anstandet bleiben. So z. B. die Verordnung von Aetherinjektionen
gegen Herzschwäche beim Erysipel, was eine völlig unnötige Grausam¬
keit genannt werden muss, die um so unverständlicher ist, als Verf.
auf derselben Seite gegen Herzschwäche bei Sepsis mit Recht Campher-
injektionen (natürlich Campheröl) empfiehlt. Die eitrige Strumitis auf
S. 111 hat mit Cystenkropf nichts zu tun, die Einführung einer Kanüle
in die Trachea ist falsch abgebildet u. a. m. Trotz dieser Ausstellungen
wird da9 Werkchen zweifellos sich schnell die Gunst der neuen Truppen¬
ärzte erwerben und ihnen ein brauchbarer Ratgeber sein.
Hans Kohn.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
J. T raub -Charlotten bürg: Physikalisch-chemische Untersuchungen
von Blitsfsrls. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Eine sehr interessante Arbeit,
deren Details sich leider nicht zum Referat eignen. Sicherlich werden
die Traube’schen Methoden Anlass zu vielen Untersuchungen geben.
A. Rovighi und R. Secchi - Bologna: Die Hyperleakocytose dnreh
Kfilteeinwirknng. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Mässige Körperabkühlung
führt zu peripherischer Leukocytose (speziell Polynucleäre) und Leuko¬
penie im Herzblut. Sehr starke Körperabkühlung bewirkt Leukopenie,
die sich bei Rücktritt zur mässigen Kälte rückbildet. Lokale Kälte¬
applikation geht mit lokaler Leukocytose einher. Bei vielen Leuko-
cyten findet sich eine grossere Kernfragmentierung (Steigerung der Vis-
cosität). Dünner.
Pharmakologie.
P. Trendelenburg: Pbarmakotechnisches zu Tampospnman.
(M.m .W., 1914, Nr. 31.) Verf. weist nach, dass das Hämostaticum bei
der bestehenden Zusammensetzung keine potenzierende Wirkung ent¬
falten kann; im Gegenteil.
E. Hamack- Halle a. S.s Chronische Knpfervergiftnng durch das
Tragen schlechter Goldlegiernng im Munde. (D.m.W., 1914, Nr. 30.)
Die betreffende Patientin hatte zahlreiche cariöse Zähne; sie trug eine
Goldplatte, die aus schlechter Goldlegierung bestand. Erscheinungen
von Kupfervergiftung (Appetitmangel, Darmkoliken, Muskelzittern, Luft-
beklemmuDg, Aenderung der Haarfarbe) verschwanden, nachdem die
Platte entfernt worden war.
A. Czapek und S. Wassermann-Wien: Die akute Harnverhaltung,
eine wenig beachtete Wirkung des Morphins. (D.m.W., 1914, Nr. 31.)
Schon therapeutische Dosen von Morphin erzeugen häufig Harnverhaltung,
bedingt durch Sphinkterkrampf der Blase. Dünner.
Therapie.
E. Barth-Berlin: Das Coagnlen Kocker-Foiio in der Rhinochirargie.
(D.m.W., 1914, Nr. 3t.) Auch hier bewährt es sich.
H. Grabi - Berlin: Weiterer Beitrag zur Lnminalbchandlong der
Epilepsie. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Verf. besserte Anfälle und psychi¬
sches Verhalten bei einer sich auf lange Zeit ausdehnenden Luminal-
medikatioo.
A. Mager - Potsdam: Erfahrungen mit dem Tuberkulin Rosenbach
bei Lungentuberkulose. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) Gute Erfolge. Vor
anderen Präparaten zeichnet es sich durch geringe Giftigkeit, gute Be¬
kömmlichkeit und leichte Dosierbarkeit aus. Die von anderer Seite be¬
richteten starken Stichreaktionen sah Verf. selten. Dünner.
G. Spiess und A. Feldfc: Tuberkulose und Goldkantharidin, mit
besonderer Berücksichtigung der Kehlkopftuberkulose. Mit einem An¬
hang: Lautenschläger: Zur Technik der intravenösen Goldinfnsionen
und Injektionen. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 2.) Die Tuber¬
kuloseaffinität des Kantharidins bleibt im Aethylendiaminkondensations-
produkte erhalten. Dasselbe ist UDgiftig, speziell passiert es die Nieren
ohne Reizung. Das Kantharidinätbylendiamin dient als Träger (Trans¬
portmittel) für das spezifisch wirkende Goldcyan. Das letztere zeigt so-
ipit potenzierte Nosotropie, neben reduzierter Organotropie, die durch
Anlagerung der organischen Base erreicht wird. Gold tötet akut (als
Gold-Natriumchlorid) in der Dosis von 49 mg pro Kilogramm Körper¬
gewicht, die therapeutische Dosis von 0,7 mg ist der 70. Teil der letalen.
Bei Pyknokolloiden (= Kolloid + Schutzkolloid) geht die Entgiftung für
den Tierkörper einer WirkungsabschwächuDg auf den Tuberkelbacillus
parallel. Das dreiwertige gesättigte Gold ist in vitro 100—1000 fach
weniger wirksam als das einwertige. Die Beeinflussung des tuberkulösen
Herdes durch Goldinfusionen besteht in dreierlei: in einer direkten Ein¬
wirkung derselben auf den Erreger im Verein mit den gleichgerichteten
Körperenzymen bzw. Antikörpern, in einer direkten resorptions¬
befördernden Wirkung auf die Reaktionszellen, d. h. die Epitheloiden,
Lympbo- und Leukocyten, in der Anregung der Bindegewebswucherung
als Resultante der beiden vorhergehenden.
Hagedorn: Die Behandlung chirurgischer Tuberkulose mit Tuber¬
kulin Rosenbach. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Tuberkulin
Rosenbach ist ein wirksames Mittel, dem weiter Vertrauen geschenkt
werden kann. Nur darf man es nicht als Mittel in der Erwartung an¬
wenden, ein Heilmittel im wahren Sinne des Wortes an ihm zu haben.
Das würde enttäuschen. Es soll nur mithelfen im Verein mit den
anderen bewährten Heilfaktoren.
K. Weirauch: Behandlungserfolge mit Mesbd. (Beitr. z. Klin. d.
Tbc., Bd. 30, H. 3.) Eine auffallend günstige Beeinflussung des Lungen¬
befundes konnte in keinem Falle, der Mesbe innerlich genommen hatte,
festgestellt werden. Die Erfolge waren vielmehr gleichwertig denen, die
ohne Mesbebehandlung nach einer gewöhnlichen Heilstättenkur eintreten.
Unangenehme Nebenwirkungen wurden nur in zwei Fällen beobachtet,
wo nach der Inhalations- und Trinkkur Brechreiz eintrat. Die chir¬
urgischen Tuberkulosen Hessen eine günstige Einwirkung des innerlich
genommenen oder örtlich angewandten Mesbe völlig vermissen, zeigten
hingegen bei anderweitiger Behandlungsweise Heilung oder völlige
Besserung. J. W. Samson.
H. Mül ler-Mainz und E. Bender-Wiesbaden: Versuche mit dem
Nicolle’schen Gonokokkenvacein (Dmegon). (M.m.W., 1914, Nr. 30.)
Dmegon entfaltet ebenso wie andere ßonokokkenvaccine seine besondere
therapeutische Wirkung bei Gonorrhöekomplikationen; in einem Teil der
Fälle wurde ein Erfolg erzielt, bei denen die anderen Vaccine versagt
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1578
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 34.
hatten. Es treten die auch sonst üblichen Nebenerscheinungen auf. Es
unterscheidet sich durch seinen tiehalt an grampositiven, den Gono¬
kokken ähnlichen Diplokokken.
A. Neisser - Breslau: Venerische Krankheiten bei den im Felde
stehenden Trappen. (D.m.W., 1914, Nr. 33.) 1. Syphilis. Im all¬
gemeinen beeinträchtigen die Erscheinungen des ersten und zweiten
Stadiums so gut wie gar nicht die Leistungsfähigkeit im Felde, Eine
Therapie lässt sich auch im Feldzuge durchführeu, und zwar sowohl mit
Hg wie mit Salvarsan. Als einfachste Quecksilbertherapie empfiehlt Verf.
die intraglutäale Injektion von Vio bis höchstens l j 4 ccm von Oleum
cinereurn einmal wöchentlich. Daneben selbstverständlich genaue Mund¬
pflege. Wichtiger als die Hg-Behandlung ist die Salvarsankur, um so
mehr, als es sich meistens um frische Luesfälle handelt. Man soll so¬
bald wie möglich intravenös in 6—10 ccm gut destilliertem Wasser ge¬
löst 0,4 Neosalvarsan injizieren. 8 Tage später 0,6 g. Die dritte,
vierte und fünfte Injektion mit 0,9 erfolgen in 8 tägigen Zwischenräumen.
Die Neosalvarsan- und Oleum cinereum-Injektionen können am selben
Tage gemacht werden. Man soll alle erosiven Fälle, selbst dann, wenn
sie als reine Fälle von Ulcus molle imponieren, wie Lues nach den
obigen Vorschriften behandeln: man schadet, wie Verf. ausführt, damit
jedenfalls nicht, nützt aber sehr viel, wenn es sieb um eine Misch¬
infektion mit Syphilis handelt. Lokal soll man die Ulcerationen exakt
in allen Winkeln und Buchten mit unverdünnter Carbolsäure auswaschen
und dann 10 proz. Jodoformvaseline applizieren. Erweichte Bubonen
müssen punktiert und die Höhle mit 10 proz. Jodoformvasaline gefüllt
werden; Pflaster. 2. Schwierig ist die Behandlung der frischen Gonorrhöe.
Eine Abortivbehandlung ist auch im Felde möglich: vorsichtige tägliche
Injektion durch den Arzt einer 4 proz. Protargollösung mit Zusatz vou
2 proz. Alypin bzw. 5 proz. Antipyrin. Ausserdem täglich zwei In¬
jektionen von 1 ] 4 bis 1 i 2 proz. Protargol mit Zusatz von 3 proz. Anti¬
pyrin oder Vo proz. Alypin. Tragen eines guten Suspensoriums. Statt
der Abortivbehandlung schlagt Verf. die Injektion der „Novinjectol“-
Salbe (Engel-Apotheke, Breslau) vor, die, ein- oder zweimal injiziert, die
Gonorrhöe detiuitiv heilen kann. Man muss die Salbe erst erwärmen
und dann in die Spritze geben, 6 — 10 ecra injizieren und dann die In¬
jektion 8 —10 Stunden halten lassen. Daneben Gonos.au usw. Zur Pro¬
phylaxe gegen lufektion empfiehlt Verf.: reichliche Einfettung des Penis,
post coitura Einträufeln einer 10—20 proz. Protargol-Glycerinlösuug.
Den besten Schutz gewährt der Condom. Eine genaue Ueberwacbung
der Prostituierten ist notwendig, die man alle nach Neisser einer
Salvarsankur unterziehen sollte.
M. II e n i us - Berlin •. Zur medikamentösen Behandlung der Diarrhöen.
(D.m.W., 1914, Nr. 30.) Verf. prüfte die von Fuld vorgeschlagene
Therapie mit Cocain nach. Verf. weist darauf hin, dass die Diarrhöen
auf Uebererregbarkeit der Magenschleimhaut zuriiekzuführen siud, die
wir durch Cocain beseitigen können. Er schlägt vor, vor jeder Mahlzeit
10 Tropfen einer 3 proz. Cocainlösung zu nehmen. Bequemer zu nehmen
ist das Cocain als Gelonida neurenterica (Goedecke & Cie., Berlin),
dreimal täglich 3 Tabletten. Verf. kann das Fu 1 d’scho Verfahren warm
empfehlen.
Grober-Jena: Behandlung akut bedrohlicher Zustände beim
Pneumothorax. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Klinisch-therapeutischer Vortrag.
J. A. A mann - München: Wandlungen in der Krebsbebandlong
mit Röntgenstrahien. (M.ra.W., 1914, Nr. 31.) (Vortrag, gehalten auf
dem deutschen Chirurgentag in München am 11. Juli 1914.) Verf. tritt
für die Röntgenbestrahlung der Carcinome mit hohen Dosen ein, von
denen er gute Erfolge sab. Die vom Retormapparat gelieferten Strahlen
sind denen des Radium-Mesothorium ähnlich; jedenfalls aber sind sie
anders als die früher angewandten Röntgenstrahien; man sieht jetzt
trotz hoher Dosen keine Verbrennungen, oder sie heilen, wenn sie ent¬
stehen, leicht aus.
B. Krönig - Freiburg: Die biologische Reichweite der Radium-,
Mesothorium- und Röntgenstrahien. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Verf.
opponiert gegen die speziell von Bumm vertretene Ansicht, dass die
Penetrationskraft des Radium und Mesothorium im Gegensatz zu den
Röntgenstrahien nicht ausreicht, um tiefliegende Carcinome zu zerstören.
Er will die Leistungsfähigkeit der Röntgenstrahien nicht aberkennen,
glaubt aber, dass zwischen diesen und Radium bzw. Mesothorium Diffe¬
renzen in der biologischen Wirkung bestehen, die nicht ohne weiteres
schon beute die Bevorzugung der Röntgenstrahien gestatten.
G. Schwarz - Wien: Heilung tiefliegender Carcinome durch
RÖntgenbefltrahlnng von der Körperoberfläche aus. (M.m.W.. 1914,
Nr. 31.) Bemerkungen zu der Arbeit von Bumm und Warnekros in
Nr. 29 der M.m.W. Verf. zweifelt daran, dass man so grosse Dosen,
wie es Bumm und Warnekros getan haben, ungestraft an wenden
kann; oder die Messung von Bumm und Warnekros ist nicht richtig.
K iih 1 mann Strassburg i. E.: Die Röntgenbehandlung der tuber¬
kulösen Lymphdräsen. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Gute Erfolge.
Dünner.
E. Meyer-Frankfurt a. M. : Zur Wertung der intrauterinen Radinm-
applikation bei Carcinoma nteri. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 31.) Radium
und Mesothorium wurden bei Fällen von Carcinoma nteri cervicis und
corporis in derselben Weise angeweudet, wie die Laminaria. Bei einer
30jährigen Patientin entstand im linken Parametrium eine cystische,
fluktuierende Geschwulst unter Fiebererscheinungen, welche auf Behand¬
lung mit Bettruhe zurückging. Bei der Entlassung war die hintere Lippe
der Portio zerstört. Die Portio blutete bei Berührung nicht mehr, jedoch
war im Douglas und in beiden Parametrien eine Inflltration vorhanden,
welche die Cervix fixierte und eine Verengerung des Rectums in Höhe
des Sphincter tertius zur Folge hatte. Allgemeinbefinden gut, Gewichts¬
zunahme. Im zweiten Falle bandelte es sich um eine 68 jährige Patientin
mit Carcinoma corporis, welche nach fünfwöchiger Behandlung gesund die
Klinik verliess. Aber schon am nächsten Tage trat Fieber auf, und nach
6 Tagen Exitus. Die Sektion zeigte den Befund der allgemeinen Sepsis.
Es liegen also hier zwei Fälle vor, bei denen in einem Falle eine schwere
parauterine Entzündung, im anderen eine foudroyante Sepsis entstanden
war. Da keine Laminariabehandlung voranging und falsche Applikation
geleugnet wird, so bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass die
Affektionen von den stets bei älteren Carcinomen vorhandenen sekundären
Streptokokkeninvasionen hervorgerufen waren.
P. Zweifel: Erfahrungen mit Mesothoriumbehuidluug. (Zbl. f:
Gyn., 1914, Nr. 31.) Zweifel hat im allgemeinen mit der Mesothorium¬
behandlung gute Erfahrungen gemacht und will in seinem Artikel be¬
kannte Sachen nicht wiederholen. Jedoch warnt er dringend vor Ueber-
schätzungen und vertritt die Ansicht, dass vorläufig wenigstens die erste
und Haupttherapie die chirurgische bleiben muss. Siefart.
Weih-Cöln a. Rh.: Erfahrungen mit Triealcolmilch beim kranken
Säugling. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) Tricalcot ist gleich Larosan und
Eiweissmilch ein eiweissreiches, fettarmes, an Phosphosphorsäure und
CaO reiches Präparat, das bei Ernährungsstörungen, Spasmophilie, Rachitis
usw. sich sehr gut bewährte. Dünner.
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie.
G. Link - Freiburg i. B.: Ueber Hydrops eongenitus bei fötaler
Thrombose. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 2.) Gleichzeitig mit mehreren
Missbildungen (Aplasie des Kleinhirns u. a.) bestand eine ausgedehnte,
zum Teil verkalkte Thrombose der unteren Hohlvene und ihrer Zweige,
die starke Oedeme des Körpers des Kindes hervorgerufen hatte. Die
Beobachtung, dass gleichzeitig Hydramnion bestand, spricht für den
fötalen Ursprung des Fruchtwassers. Verf. führt die Thrombose auf
ein Trauma zurück, das die Mutter im 5. Schwangerschaftsmonat ge-
troffeu hat.
A. Krokiewicz - Krakau: Nachtrag zum Fall von Situs viscerum
inversus completus. (Virch. Arch., Bd. 217, H. 1.) Sektionsbericht
zu eiuem in Virch. Arch., 1913, Bd. 211 beschriebenen Fall.
Th. Bauer und J. F leissig - Wien: Zur Frage des Fremdkörper-
grannlatlonsgewebes. (Virch. Arch., Bd. 217, H. 1.) Nach Injektionen
von Kieselgur bei Kaninchen entstanden entzündungsähnliche Bilder:
Granulationsgewebe aus epitheloiden Zellen und Fibroblasten, zwischen
denen zahlreiche Riesenzellen mit Einschlüssen von Rieselgurkristallen
lagen. Am besten traten diese Bilder im Unterhautgewebe hervor, bei
der Injektion ins Parenchym beschränkte sich die Zellwucberuog auf das
Iuterstitium, während die Parenchymzellen selbst frei blieben. Daher
kann von einer Identität mit echten Tumoren, wie sie von anderen
Autoren behauptet wird, keine Rede sein.
N. Ani tschkow - Freiburg i. B.: Ueber die Atherosklerose der
Aorta beim Kaninehen und über deren Entstehungsbedinguogen.
(Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 2.) Experimentelle Erzeugung vou athero-
matösen Veränderungen in der Kaninchenaorta durch Cholesterinfütte¬
rung. Die Veränderungen, die von der durch Adrenalin bewirkten
Medtanekrose durchaus verschieden sind, werden schneller hervorgebracht,
wenn man die toxische Wirkung des Cholesterins durch die mechanische
der Aufhängung uach Klotz unterstützt. Ausserdem ist bei dieser
Kombination eine geringere Menge Cholesterin notwendig. Bei Kombi¬
nation von Adrenaliobehandluog mit Cholesterinfütterung entsteht in der
infolge der Adrenalinwirkung hypertrophisch gewordenen Aortenintima
typische Atheromatose schon bei Einführung kleiner Cholesterinmengen.
Die Resultate sprechen für die Annahme des Zusammenwirkens
mehrerer Faktoren für die Entstehung der Atherosklose.
A. W. Pinner.
U. Stenge 1 e - Radolfszell: Ein Fall von Aneurysma abdominalis
mit Heilongstendenz. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Bei der Autopsie fand
sich der Sack mit grossen Thrombenmassen ausgefüllt, die zum Teil
organisiert waren. Dünner.
M. Fukushi Tokio) - Berlin: Ueber das Verhalten der Broichial-
muskulatur bei akuter und chronischer Bronchitis. (Virch. Arch.,
Bd. 217, H. 1.) Verf. hat in der Hälfte der von ihm untersuchten Fälle
Verfettung der Bronchialmuskulatur feststellen können.
M. Lissauer - Königsberg: Lebercirrhose bei experimenteller In¬
toxikation. (Virch. Arch., Bd. 217, H. 1.) Durch Vergiftung mit Toxinen
von Fäulniserregern konnte Verf. bei Kaninchen cirrhotische Verände¬
rungen erzeugen. A. W. Pinner.
W. T. Freeman - Reading: Primärer Leberkrebs bei einem drei¬
jährigen Kinde. (Lanc., 18. Juli 1914, Nr. 4742.) Kurze Mitteilung.
Bemerkenswert war das Fehlen aller Metastasen, Schmerzen, Empfind¬
lichkeit und Verdauungsstörungen. Der Appetit war bis kurz vor dem
Ende gut. Weydemaon.
W. Hülse - Königsberg: Beitrag zur Pathogenese des tuberkulösen
Ileocoecaltumor8. (Virch. Arch., Bd. 217, H. 1.) Die Veränderung be¬
steht in einer tumoräbnlichen Verhärtung der Blinddarmwand, die zu
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24. Anglist 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Steoose und Ileus führt. Die mikroskopische Untersuchung ergibt, dass
es sich um vernarbende Tuberkulose handelt, die durch wenig virulente
Bacillen bewirkt wird; die epitheloiden Zellen wandeln sieb zu Binde¬
gewebszellen um, während eine Verkäsung ausbleibt. Diese Form der
Tuberkulose tritt primär, ohne sonstige tuberkulöse Darmverände-
rungen auf.
S. S. Ghalatow - Petersburg: Zur Frage über die metastatische
Gesekwnlstbildnng in der Milz. (Virch. Arcb., Bd. 217, H. 1.) Die
Milz ist verhältnismässig selten Sitz von Geschwulstmetastasen, was
Verf. auf die Wirkung der Fermente des Organs zurückführt, die die
Tumorzellen sohädigen.
J. Wätjen - Freiburg i. B.: Ueber die Histologie der eitrigen Sal¬
pingitis und ihre Beziehung zur Frage der Aetiologie. (Ziegler’s Beitr.,
Bd. 59, H. 2.) 1. Die Dilatation mit Laminariastift ruft bei Graviden
eine bis zur phlegmonösen Infiltration der Tubenwand gehende Salpin¬
gitis hervor, die klinisch gutartig ist. 2. Bei Tubentuberkulose kann
ein Katarrh mit bacillenbaltigcm Exsudat oder typische Tuberkelbildung
auftreten. Der Eiter enthält im ersten Falle keine Plasmazellen. 3. Bei
Appendicitis kann die Tube ein dieser ähnliches Bild darbieten. 4. Bei
Gonorrhöe zeigt sich hauptsächlich die lymphocytare Zusammensetzung
des Eiters und die Plasmazelleninfiltration, die jedoch auch 5. bei der
Streptokokkensalpingitis Vorkommen kann. Dagegen besteht der Strepto¬
kokkeneiter hauptsächlich aus Leukocyten. In chronischen und Misch¬
fallen ist eine sichere histologische Diagnose bezüglich der Aetiologie
unmöglich.
E. Bumke - Berlin: Epitheliale Neubildungen im rectogenitalen
Zwischengewebe beim Weibe, ein Beitrag zur Pathologie des Gärtner-
Sehen Ganges. (Virch. Arcb., Bd. 217, H. 1.) Im rectogenitalen Ge¬
webe können sich aus den häufig dort nachweisbaren fötalen und post¬
fötalen Keimen die verschiedenartigsten Neubildungen entwickeln. Unter
diesen Keimen nimmt der Gärtnerische Gang eine besondere Stellung als
Residuum der WoIfFschen Gänge ein. Aus ihm köunen sich Cysten,
bösartige und gutartige Adenome entwickeln, zu denen Verf. einen Fall
von Cancroid hinzufügt. Die sogenannten tiefen Cervixkrebse gehen
meist von Resten der WolfPscheu Gänge aus.
A. A. Ponomarow - Tomsk: Ueber den Ursprung der Fett-
snbstanzen in der Nebennierenrinde. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 2.)
Bei der Fütterung von Mäusen mit Speck, der mit Scharlachrot gefiirbt
ist, wird das Körperfett sowie das der Nebennierenriude rot gefärbt,
während die Fütterung mit gefärbter Stärke keine Färbung des Fettes
ergibt. Während das Fettbindegewebe die Farbe länger hält, schwindet
diese aus der Nebenniere rasch. Die stets in der Nebennierenrinde vor¬
handenen Fettsubstanzen, Neutralfett und Lipoide, nehmen beim Hungern
oder bei fettloser Ernährung der Tiere allmählich ab, und zwar die
Lipoide stärker als die Neutralfette. Füttert inan nur mit Speck, so
nimmt der Fettgehalt der Nebenniere zunächst übermässig stark zu,
daun, da die Tiere zuletzt den Speck verweigern, in der gleichen Weise
ab wie bei fettloser Nahrung oder beim Hungern. Aus diesen Beob¬
achtungen schliesst Verf., dass die Nebennierenrinde ihren Fettgehalt
einer Infiltration mit Fettsubstanzen verdankt, die im Blutplasma gelöst
oirkulieren. Die Nebenniere speichert diese, wie sich aus den Versuchen
mit vitaler Färbung ergibt, auf und gibt sie nach einiger Zeit wieder
ab, nachdem sie möglicherweise durch die spezifische Tätigkeit der
Nebennierenzellen chemisch verändert worden sind.
E. J. Kraus-Prag: Ueber einen Fall von pigmentiertem Gliom
bei multiplen Gliomen des rechten Seitenventrikels. (Virch. Arch.,
Bd. 217, H. 1.) A. W. Pinner.
Diagnostik.
H. Stern -New York: Ein Frnbsymptom der pernieiüsen Anämie.
(D.m.W., 1914, Nr. 30.) Wundsein der Zunge und des Gaumens.
01 pp -Tübingen: Zur Stimmgabelstethoskopmethode. (M.m.W.,
1914, Nr. 30.) (Vortrag, gehalten am 11. Mai 1914 im medizinisch-
naturwissenschaftlichen Verein in Tübingen.; Auscultiert man mit dem bin-
auriculären Stethoskop ein OrgaD, auf dem eine angeschlagene ^-Stimm¬
gabel steht, so klingt der Ton laut; dieser Ton wird sofort leise, wenn
die Gabel die Grenze des Organs verlässt. Man kann so z. B. die Leber
nach der Lunge und Darm genau abgrenzen, auch gegen ein pleuri-
ritisches Exsudat. Darin i9t ein grosser Vorteil gegenüber der Perkussion
gegeben. Auch andere Organe kann man mit dieser Methode, die von
Cantlie stammt, gegeneinander abgrenzen. Dünner.
Parasitenkunde und Serologie.
R. Kraus und B. Barbara - Buenos-Aires: Zur Frage der Züchtung
Lyssavirns nach Nognchi. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Die Annahme
von Noguchi, dass die von ihm beschriebenen Körperchen als Rein¬
kultur des Lyssavirus aufzufassen sind, ist auf Grund der Nachunter¬
suchungen nicht ganz sicher. Mit den Kulturen konnten die Verff.
keine Lyssa experimentell erzeugen. In Nährböden ohne Ascites miss¬
langen die Kulturen (bei Noguchi auch). Andererseits konnten sie
aus Ascites allein Gebilde züchten, die den Körperchen gleichen. Da
aber Noguchi experimentell Lyssa hervorrufen konnte, wäre es möglich,
^83 io der Kultur Formen sind, die sich von denen in der Ascites-
Mssigkeit differenzieren lassen.
M. Weinberg - Halle a. S.: Bewertung des Abderhalden’sehen
Dialysierverfahrens zur Diagnose und Differentialdiagnose maligner
Geschwülste. (M.m.W., 1914, Nr. 29 u. 30.) Verf. hält die Reaktion für
brauchbar.
M. Weinberg-Halle a. S.: Zur Technik des Abderhalden’schen
Dialysierverfahrens. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Angabe eines Koch¬
apparates.
P. Lindig - Giessen: Zur Snbstr&tfrage bei der Anwendung des
Abderhalden’schen Dialysierverfahrens. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) L.
empfiehlt gepulverte Placenta, die er so berstellt, dass er Placenta
normaliter entblutet und mit Ninbydrin prüft, durchsiebt, dann bei 85°
24 Stunden trocknet und die Substanz zerreibt. Nochmalige Prüfung
mit Ninbydrin und Trocknung. Einfüllen in sterile Flaschen und Ver¬
schlüssen mit Toluolstöpsel. Es tritt keine Infektion ein. Mit diesem
Pulver kann man quantitativ arbeiten; es sind Mengen von 0,1—0,2
erforderlich. L. machte auch Versuche mit Casein (an Stelle von
Placenta).
H. Oeller und R. Stephan - Leipzig: Kritik des Dialysier¬
verfahrens und der Abwehrfermentreaktion. (D.m.W., 1914, Nr. 31.)
Auch Männer hatten Abwehrfermente auf Placenta. Die Verff. ziehen
aus ihren Untersuchungen mit der Vordialyse den Schluss, dass nicht
der Wegfall eigendialysabler Körper das Ablesen der Reaktion erleichtere,
sondern dass antifermentative Körper entfernt werden, deren Anwesenheit
im Dialysierverfahren die Proteolyse bei genügender Konzentration auf¬
zuheben vermögen. Schaltet man die fermentscbwächende Komponente
des Serums aus, so vermag fast jedes Serum Placentagewebe abzubauen.
L. Nieszytka - Tapiau: Untersuchungen zum Abderhalden’schen
Verfahren. (D.m.W,, 1914, Nr. 30.) Im Tierversuche lassen sich bis¬
weilen differente Fermente gegen verschiedene Abschnitte des Nerven¬
systems erreichen. Die Frage, ob das auch bei Kranken vorkommt,’
erfordert weitere Prüfung. Der Grad der Fermentspeziiität ist abhängig
von der Eiweissreinheit des Antigens, ferner von der Resorptions¬
geschwindigkeit des letzteren. Es besteht Dach N. keine Identität
zwischen Fermenten und Amboceptor.
P. Hirsch-Jena: Eine neue Methode zum Nachweis der Abwehr¬
fermente. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) (Zugleich zweite Mitteilung zur
Frage ihrer Spezifität.) H. beschreibt eine Methode zur quantitativen
Verfolgung der Abwehrfermentwirkung, die darauf beruht, dass die durch
den Abbau eines bestimmten Substrates durch spezifische Fermente be¬
wirkte Peptonbildung in einem Serum eine Konzentrationsänderung ver¬
ursacht, die durch Vergleich mit einer unter gleichen Bedingungen auf¬
gehobenen Probe desselben Serums ohne Substrat mit Hilfe des Löwe-
Zeiss’scben Interferometers quantitativ bestimmt werden kann. Diese
Untersuchungen ergaben eine Spezifität der Abwehrfermente.
R. Freund und C. Brahm - Berlin: Weitere Erfahrungen mit der
Abderhalden’schen Reaktion allein und ein Vergleich mit der Anti¬
trypsinmethode. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) Die Verff. haben mit der
Abderhalden’schen Reaktion bei grossen Versuchsreihen keine einheit¬
lichen spezifischen Resultate erzielt. Versuche mit Vordialy.se und Ent-
eiweissung nach Michaelis fielen besser aus. Ein Vergleich zwischen
Abderhalden’scher Reaktion und Rosenthal’scher Antitrypsinmethode fiel
zugunsten der letzteren aus. Dünner.
Innere Medizin.
Engelen - Düsseldorf: Brachialis-Wellenschreibnng. (D.m.W.,
1914, Nr. 30.) E. erklärt nochmals seine Methode und deren Vor¬
teile.
K. Binderspacher-Dortmund: Zur Kasuistik der periodischen
Unregelmässigkeit des Pulses. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Es kommen
bei Kindern periodisch Herzarytbmien vor, die auf Reizleitungsstörungen
zwischen Sinus und Vorhof zurückzuführen sind, die durch eine fuuktio-
nelle Schädigung der Ueberleitungsfasern und gleichzeitige Stauung in
den Coronarveuen abhängig ist. Die a'-Welle ist eine Stauungswelle
des Blutes, herrührend aus dem rechten Ventrikel. Verf. glaubt, dass
diese Stauung durch eine aktive Tonusvermehrung der Ventrikelmuskulatur
zustande kommt. Eine derartige aktive Tonusvermebrung scheint durch
einen mechanischen Reiz des den Ventrikel füllenden Blutes ausgelöst
zu werden. Vielleicht spielt die toxische Schädigung der Muskulatur
(Diphtherie, Nikotin) bei dieser erhöhten Empfindlichkeit eine Rolle.
Dünner.
P. Lehmann: Vorkommen viralenter Tnberkelbaeillen im strömen¬
den Blot bei Kindern. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Der
Nachweis säurefester Stäbchen im Blutausstrich von Tuberkulösen oder
der Tuberkulose verdächtigen Patienten beweist keineswegs eine Bacill-
ämie mit Tuberkelbacillen. Denn diese gefundenen Stäbchen sind meist
keine Koch’schen Bacillen. Die Tierversuche haben in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle nur zu einem geringen Prozentsatz positive Resultate
ergeben. Bestimmte Formen der Tuberkulose mit einem gehäuften Auf¬
treten der Erreger im Blut konnten hierbei nicht festgestellt werden.
Hage: Ueber das Vorkommen von Tnberkelbaeillen im strömenden
Blnte beim tuberkulösen und tuberkulinisiertcu Meerschweinchen. (Beitr.
z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Aus den Versuchen des Verf. ergibt
sieb, dass sowohl bei unbehandelten tuberkulösen Meerschweinchen als
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 34.
auch unregelmässig oder systematisch behandelten tuberkulinisierten
tuberkulösen Meerschweinchen weder nach einer einmaligen noch einer
wiederholten TuberkulineinspritzuDg, weder bei der regelmässigen noch
während der unregelmässigen Tuberkulinbehandlung eine sogenannte
Mobilisierung von Tuberkelbacillen erfolgt in der Weise, dass sie im
Tierversuche aus dem Blut nacbgewiesen werden können.
M. Cohn: Ueber die Bedeutung der intracellulären Lage der
Tnberkelbacillen in Aaswarf. Eine mikroskopisch-klinische Unter¬
suchung. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., ßd. 31, H. 1.) Verf. untersucht die
Kennzeichen der intracellulären Lage der Tuberkelbacillen, die Bedeutung
des Schleims für das mikroskopische Sputumbild, das Verhalten des
Schleims zu den Leukocyten, die Bedeutung des Schleims für die Lage¬
beziehungen der Leukocyten und Tuberkelbacillen und endlich die Be¬
deutung des Schleims für die Hofbildung um die Bacillen. Zusammen-
fassend lässt sich sagen, dass die intracelluläre Lage der Tuberkel¬
bacillen im Auswurf keinen Schluss auf den Verlauf der Lungenschwind¬
sucht zulässt.
Kirchenstein: Beobachtungen über die Entwicklung and Zahl
der Tnberkelbacillen in Spntnn in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf.
Beitrag zur Morphologie und Biologie der Tuberkelbacillen IV. (Beitr.
z. Klin. d. Tub., Bd. 31, H. 1.) Die verschiedenen Formen des Tuber¬
kulosevirusstehen in bestimmtem genetischen Zusammenhang miteinander.
Die Art der Zusammengehörigkeit lässt sich am besten mit Hilfe der
Strukturmethode nachweisen. Der Spengler’sche „Splitter“ ist die ruhende,
sporoide Form des Tuberkulosevirus. Das Much’scbe „Granulum“ ist
mit dem „Splitter“, „Korn“ Spengler’s, identisch. Der Splitter besitzt
Sporennatur. Die Widerstandsfähigkeit der Splitter gegen die physikalisch-
chemischen Faktoren ist geringer als die der meisten Sporen (andere
Mikroben). Statt der Bezeichnung Splitter empfiehlt es sich, allgemein
in die Terminologie der Tuberkulosevirusformen die passendere Be¬
zeichnung Sporoidenum (F. Spengler) oder sporoide Wuchsform einzu¬
führen. Die vegetativen Formen entstehen durch Auswachsen der sporoiden
Wuchsform und nicht durch Teilung. Die scheinbaren Teiluogsformen
sind als Anfangsstadium der Sporenbildung aufzufassen. Die Tuber¬
kulosevirusformen lassen sich in zwei Gruppen, in die Gruppe der pro¬
gressiven und in die der regressiven Entwickluogsreihe zusammenfassen.
Aus der Temperaturhöhe lässt sich nicht immer ein Schluss auf die quali¬
tativen und quantitativen Verhältnisse des Tuberkulosevirus ziehen. Nur
mit Hilfe der Strukturmethode lässt sich sicher feststelleD, ob in einem
Falle die Bacillenvermehrung progressiver Natur oder mechanischen
Ursprungs ist. Die zuweilen plötzlich auftretende stärkere Zunahme
der Bacillen ist gewöhnlich als sogenannte „Ausstossung“ aufzufassen.
Ausstossungen sind nicht progressiver Natur. Die Ausstossungen und
das Auswerfen tuberkulöser Linsen werden durch lokale Reaktionen her¬
vorgerufen. Die Bedingungen für das Auftreten lokaler Reaktionen sind
gewöhnlich in den lytischen Reaktionen in den tuberkulösen Herden
gelegen. Ein Ausbau der Untersuchungen in der Zukunft kann dahin
führen, dass man aus dem bakterioskopischen Bilde, besonders wenn man
den Wechsel der verschiedenen Formen und der Bacillenzabl vorsichtig
darstellt, Schlüsse auf den Status und weiteren Verlauf der Erkrankung
wird ziehen können.
Isager: v. Pirqnet’s Probe in der praktischen Vorbeugung der
Tuberkulose. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Verf. schildert an
der Hand seiner statistischen Untersuchungen, die hygienischen Verhält¬
nisse in der dänischen Erziehungsanstalt Himmelbjerggaarden. Er be¬
tont die Möglichkeit, dass man durch solche Untersuchungen Resultate
gewinne, die der praktischen Vorbeugung dienen können.
F. Klemperer*. Untersuchungen über die Tnberknlinreaktion.
(Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Durch Vorbehandlung mit Tuber¬
kulin lässt sich beim nichttuberkulösen Tiere Tuberkuiinüberempfindlich-
keit nicht erzeugen. Das spricht dagegen, dass die Tuberkulinreaktion
eine anaphylaktische Reaktion ist. Mit der Exstirpation des tuberkulösen
Herdes erlischt beim lokaltuberkulösen Tiere momentan die Tuberkulin-
überempfindlichkeit. Das spricht dagegen, dass die Tuberkulinreaktion
durch die im Blute kreisenden oder sonstwie im Organismus verbreiteten
Antikörper bedingt ist.
H. Nothmann: Ueber cntane Impfang mit humanem and bovinem
Toberkalin. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Die Impfung mit
Tuberkulinen von verschiedenen Bacillen ist nicht geeignet, Aufschluss
darüber zu geben, mit welcher Bacillenart der Organismus infiziert ist.
Dagegen gibt die gleichzeitige Impfung mit bovinem und humanem
Tuberkulin wichtige Aufschlüsse über die Tuberkulinempfindlichkeit des
Organismus, nämlich der tuberkulös, infizierte Organismus verhält sich
bei cutaner Einverleibung von bovinem und humanem Tuberkulin diesen
beiden Antigenen gegenüber insofern gleich, als er bei mehrfacher
Impfung in fast allen Fällen auf beide Tuberkuline mit Papelbildung
reagiert. Die Tuberkulinempfindlichkeit des Organismus gegen die beiden
Tuberkuline ist zu verschiedenen Zeiten wechselnd. Primär besteht eine
grössere Empfindlichkeit des Organismus gegenüber dem humanen Tuber¬
kulin. Denn primär reagieren mehr Individuen auf humanes Tuberkulin
als auf bovines, und auch bei mehrfachen Impfungen bleibt die Zahl
der nur humanen Reaktionen höher als die der nur bovinen. Subcutane
Vorbehandlungen mit menschlichem Tuberkulin sensibilisiert den Körper
auch für bovines. Alle diese Tatsachen lassen sich nur durch die An¬
nahme erklären, dass in beiden Tuberkulinen gleiche Gruppen an Re¬
aktionskörpern vorhanden sind, und dass ferner die homologen Gruppen
stärker sind als die spezifischen, so dass in der Mehrzahl der Fälle,
gleichgültig, welche Infektion vorliegt, eine Doppelreaktion auftritt.
Kögel: Die Beziehungen der Enpfindlicbkeit Taberkalöser aif
Partialantigene (Deycke-Much) und auf Alttnberknlin zur prognosti¬
schen Form der Lungentuberkulose und zur Prognose (Diagnose) und
Therapie von Tuberkulosekrankheit. (Beitr. z. Klin. d. Tub., Bd. 80,
H. 3.) Es gelingt mit Hilfe der cutanen Impfung quantitativ und quali¬
tativ, genügend differenzierte Diagnosen auf Partialantigeoe zu erzielen,
mit M.-Tb.-R. mit A. und mit L. Für die Impfung mit N. und F. ist
die intracutane Impfung zu empfehlen. Die systematische Prüfung der
Empfindlichkeit Tuberkulöser auf Partialantigene hat prognostisch-dia¬
gnostische Bedeutung für die Form der Tuberkulose wahrscheinlich in
höherem Maasse als die Empfindlichkeitsprüfungen nur auf Alttuberkulin.
Die zeitlichen Reaktionen sind zu berücksichtigen. Der temporäre Mangel
an Schutztoxin ist bei unkomplizierten Fällen ein Schutzmittel zur Er¬
kennung von Tuberkulosekrankbeit. In der Dauer dieser Anergie bei
chronischen Prozessen liegt eine erhebliche prognostische Bedeutung.
Der Mangel an Schutzstoffen im Entwicklungsalter gibt eine Erklärung
für die Altersdisposition Jugendlicher. Krankhafte Zustände des Blutes,
der Drüsen, der inneren Sekretion usw. bewirken eine Anergie, ohne
Tuberkulose auszuscbliessen. Die erhaltene Reaktivität auf diese Antigene
trotz Tuberkulosekrankheit ist prognostisch günstig und erlaubt im all¬
gemeinen eineD Schluss auf einen gutartigen Verlauf der Krankheit. Die
hygienisch-diätetische Kur, die sensibilisierende Tuberkulinbebandlung
und andere therapeutische MaassDahmen steigern die Hautempfindlicbkeit
auf Partialantigene. Für die spezifische Therapie mit Partialantigenen
hat sich zur Bestimmung der Anfangsdosen eine Kombination der cutanen
mit der intracutanen Methode bewährt. Die Ueberempfindlichkeit auf A.
ist nicht in allen Fällen erstrebenswert. J. W. Samson.
A. Mayer-Berlin: Die Beziehungen der im Blut kreisenden Taberkel-
baeillen zu der Entstehung von Partialantikörpern. (D.m.W., 1914,
Nr. 31.) Verf. fand, dass bei denjenigen Patienten, in denen im Blut Tuberkel¬
bacillen sind, durchweg Fettantikörper fehlen oder sehr spärlich sind,
und zwar fehlen in erster Linie Fettsäureantiköiper, in geringerem Um¬
fang Neutralfettantikörper. Diese Beziehung wird verständlich, dass die
Fettsäuren Träger der Farbstoffe bei der Ziebl’schen Methode sind. Sind
keine Fettsäureantikörper vorhanden, so ist die Fettsäurehülle des Bacillus
unversehrt und folglich darstellbar. Dünner.
K. Spengler: Einige Bemerkungen zu dem Aufsatz Prof. PetruschkiV.
Ueber eine Vereinfachung der spezifischen Therapie für die spezifische
Tuberkulosebekämpfung im grösseren Stil. Brauer’s Beitr., Bd. 30, H. 1.
(Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.)
Petruscbki: Ergänzung zu den vorstehenden Bemerkungen
Speogler’s. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 81, H. 1.)
Galecki: Die Inspektion nnd die Palpation des Thorax in der
Diagnose der Lnngentnberknlose. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.)
Nach einer kurzen Literaturübersicht bespricht Verf. zunächst die Ein¬
senkungen des Brustkorbes und der Ober- und Unterschlüsselbeingruben.
Ferner die einseitige Tiefersteüung der Schulter, die Ungleichmässigkeit
der Atmungsbewegungen des Brustkorbes, die Muskelrigidität der Lungen¬
tuberkulose, die lokalen Muskelatrophien, die leichte Tastpalpation, die
Venenerweiterungen der Haut und gibt so im ganzen einen Ueberblick
darüber, wie sich die Prozesse, die im Innern des Thorax verborgen sind,
auf seiner Oberfläche abspielen.
Nicol: Die Entwicklung und Einteilung der Lingenphthioe.
Pathologisch-anatomische und klinische Betrachtungen. (Beitr. z. Klin.
d. Tbc., Bd. 30, H. 2.) Monographisch angelegte Arbeit. Verf. legt
seiner neuen Einteilung der Lungenphthise vorwiegend die Ergebnisse
seiner pathologisch* anatomischen Untersuchungen zugrunde. Patho¬
logisch-anatomisch unterscheidet er drei Hauptformen der Lungen-
phtbise, 1. den acinös-nodösen Herd, 2. den käsig-bronchopneumonischen
Herd und 3. die käsige Bronchitis als Bindeglied zwischen 1 und 2. So¬
dann werden die übrigen Formen der Lungenphthise und Gefässverände-
rungen bei der Lungenphthise besprochen. Bei der Ausbreitung der
Phthise innerhalb der Lungen werden zwei Abschnitte scharf gesondert
behandelt, 1. die Lungenphthise des Erwachsenen und 2. die Lungen-
phtbise der Kinder. Hierbei werden Ausbreitungsweg, Ausbreitungsart
und die Bedeutung der respiratorischen FunktionsänderuDgen innerhalb
der Lungenabsobnitte für die cranio-caudale Ausbreitung der Lungen-
phtbise ausführlich erinnert. In dem mehr ätiologisch und klinisch ge¬
haltenen dritten Teil werden die Infektionsperioden der Lungenphthise,
die Bedeutung der Latenz im Infektionsgang, Reinfektion, Immunität
und Disposition, ihre Bedeutung für den Werdegang der Lungentuber¬
kulose behandelt. Am Schluss der Arbeit werden die bisherigen klini¬
schen Einteilungen der Lungenphthise mit den neuen des Verf. ver¬
glichen und die neue Einteilung der Lungenphthise besonders unter dem
Gesichtspunkte dargelegt, dass künftighin eine stärkere Verschmelzung
der pathologisch-anatomischen Befunde mit den klinischen erstrebenswert
ist. Die Mittel und Wege hierzu bleiben den künftigen klinischen
Forschungen Vorbehalten unter genauer Berücksichtigung der Ergebnisse
des Röntgenverfahrens.
Hofvendahl: Beitrag zur Technik bei Pneunothoraibehandling*
(Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Angabe eines Apparates, bei
dem aus einer hochgestellten Flasche die Flüssigkeit in das tiefer¬
liegende Gasometer hineinläuft und dort das Gas austreibt. Erzeugung
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UNIVERSUM OF IOWA
24. Aogqst 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1581
positiven und negativen Druckes ist möglich, so dass also vor Beginn
der Einblasung jede Druckeinstellung im Apparate geschehen kann.
Troell: Zur Kasuistik der akuten tuberkulösen Peritonitis. (Beitr.
a. Klin. d. Tbc., Bd. 31, H. 1.) Kasuistik, awei Fälle.
Die Vereinigung der Lnngenheilanstaltsärzte: Erklärung. (Beitr.
a. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 2.) Die genannte Vereinigung protestiert
gegen die reklamenhafte und entstellte Berichterstattung in amerika¬
nischen Zeitungen über einen Besuch ihrer Mitglieder bei einer Demon¬
stration Friedraann’s, welche im Februar 1914 stattfand.
Landmann: Ein reines Tuberkuliüpräparat (Tabolytin). Be¬
merkungen au der Arbeit von Friedberg und Römer in Brauer’s
Beitr., Bd. 26, H. 2. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.) Polemik.
Friedberg und Römer: Erwiderung auf vorstehende Ausführungen
des Herrn Landmann. (Beitr. z. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.)
Landmann: Schlusswort zu der obenstebeuden Erwiderung. (Beitr.
a. Klin. d. Tbc., Bd. 30, H. 3.)
Friedberg und Römer: Schlusswort. (Beitr. z. Klin. d. Tbc.,
Bd. 30, H. 3.) J. W. Samson.
W. Autenrieth und W. Montigny - Freiburg i. B.: Kolori-
metrisehe Bestimmungsmethoden: Die Bestimmung des Zockers im
Blute. (M.m.W., 1914, Nr. 30.) (9. Mitteilung.) Mit Hilfe einer ver¬
dünnten Bang’schen Lösung lässt sich mit dem Königsberger-Autenrieth-
sohen Kolorimeter mit 2,5 Blut der Zuckergehalt bestimmen. Man ent-
eiweisst am besten mit kochender Vioo n Essigsäure; eventuell Zusatz von
NaCl, um die Bildung kolloidaler Lösungen zu verhindern. Normal¬
zuckergehalt des Blutes 0,05—0,07 pCt.
J. Broekmeyer- Greifswald: Blutzucker bei Morbus Addisonii.
(D.m.W., 1914, Nr. 31.) Mitteilung eines Falles, der zeigt, dass
Adynatnie bei Addison’scher Krankheit auch bei normalem Blutzucker¬
gehalt auftreten kann und dass die Schwere des Krankheitsprozesses
nicht von auschlaggebender Bedeutung für das Symptom der Hypo¬
glykämie ist. Dünner.
A. Caddy und B. Molony - Calcutta: Hämorrhagischer Typbus.
(Lanc., 18. Juli 1914, Nr. 4742.) In einem Falle bestand ein aus¬
gedehnter Purpuraausbruch mit Schleimbautblutungen, im zweiten
Hämatemese auf der Höhe des Fiebers gleichzeitig mit Darmblutungen,
im dritten Darmblutungen. Dieser dritte genas, die ersten beiden
starben. Alle drei waren erst als Malaria angesehen und mit grossen
Chiningaben behandelt werden. Purpura als Komplikation von Typhus
ist selten. Weydemann.
R. Kraus und S. Mazza - Buenos-Aires: Zur Frage der Vaccine¬
therapie des Typbus abdominalis. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Der von
verschiedenen Autoren beobachtete jähe Temperatursturz nach der
intravenösen Injektion von Typhusvaccine bei Typhus ist nicht, wie man
vielleicht annehmen sollte, eine anaphylaktische Erscheinung, denn er
erfolgte auch, wie die Verff. feststellen konnten, nach intravenöser In¬
jektion von Colivaccin. Diese Tatsache muss klinisch weiter nach¬
geprüft werden, nicht nur bei Typhus, sondern auch bei anderen
Infektionskrankheiten.
C. Klieneberger - Zittau: Agglutinationstiter bei Infektions¬
krankheiten, insbesondere bei Typhus und Paratyphns. (D.m.W.,
1914, Nr. 30.) Die in der Literatur vertretene Meinung, dass beim
Typhus z. B. Agglutinationswerte von 1:20 000 sehr hohe Verände¬
rungen darstellen, die nur ganz ausnahmsweise Vorkommen, besteht
nach den Mitteilungen K.’s nicht zu recht; er fand einmal einen Widal
1:163 840.
J. Schumacher-Berlin: Vortäuschung von Eiweiss nach Hexa¬
methylentetramin. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Die von Schmitz be¬
schriebene Reaktion, dass der Esbach von Hexamethylentetraminurinen
einen erhöhten Albumenniederschlag anzeigt, ist nicht spezifisch. Die
Verbindung entsteht durch Reduktion des Kaliumpikrats und ist ein
Aminophenolkörper. Das reduzierende Formaldehyd bedingt die Reaktion.
Bei der quantitativen Zuckerbestimmung nach Fehling ist es zweck¬
mässig, auf das Vorhandensein von Hexamethylentetramin ira Urin zu
achten.
P. L. de Bloerae, S. P. Swart und A. J. L. Ter wen - Amsterdam:
Her kolloidale Stickstoff des Harns und seine Bedeutung für die
klinische Carcinomdiagnostik. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Der Kojo-
Niederschlag enthält ausser Harnsäure und Purinbasen noch andere N-
haltige Substanzen, deren N zwischen 0,4 und 2,25 pCt. des Gesamt-N
schwankt. In den Fällen der Verff. decken sich aber die hohen Werte
nicht mit den Carcinomen, die mittlere Werte hab°n. Das Kojo-Ver¬
fahren ist für die Carcinomdiagnostik nicht verwertbar. Es wäre
nur dann zu gebrauchen, wenn sich ein qualitativ oder quantitativ
definierbarer Bestandteil des Kojo-Niederschlages naohweisen liess, der
für Carcinom charakteristisch wäre. Das scheint den VerfT nach der
beschriebenen Methode gelungen zu sein; sie fanden eine Vermehrung
des adialysablen N. Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
II böiger - Frankfurt a. M. : Ein geheilter Fall von schwerer
neaingitig cerebrospinalis mit einseitiger Erkrankung des inneren
0hr * 8 - (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Dünner.
Kinderheilkunde.
A. H eisler-Königsfeld: Erythema Infeetiosnm. (M.m.W., 1914,
Nr. 30.) Epidemie von 25 Fällen, bei denen sich die Ansteckung sehr
gut verfolgen liess. Nur selten Prodrome in Gestalt von Drüsenschwellung
an Kieferwinkel, Obr und Nacken. Fieber, gedunsenes Gesicht mit
makulo-papulösem Erythem, Weiterscbreiten auf den Körper bzw. Ex¬
tremitäten.
N. Dracinski und J. Mehl mann-Kimpolung: Mnmpskomplikation-
Pankreaiitis. (D.m.W., 1914, Nr. 31.) Die Verff. beobachteten bei
einer Mumpsepidemie einige Fälle, bei denen nach Parotitis Pankreatitis-
symptome und auch Fehlen der Patellarreflexe, Pulsverlangsamung und
Cheyne-Stokes’sches Atmen auftraten. Das Fehlen der Patellarreflexe
erklären sich die Veiff. durch Uebergreifen der Entzündung vom Plexus
solaris auf die ersten Lendenwurzeln. Sie fanden bei etwa lOpCt. der
übrigen Parotitisfälle fehlende Patellarreflexe.
C. T. Noeggerath und H. Zondeck-Freiburg: Zur Kenntnis der
Nierenerkranknng im Kindes<er. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) II. Mit¬
teilung. Klinische und funktionelle Untersuchungen. Zu einer Standard¬
kost wurden Zulagen von NaCl und N (Plasmon) gegeben und die Aus¬
scheidung beobachtet. Interessant ist, dass eine Zulage von N zu einer
Retention von NaCl führt, und ebenso umgekehrt. Wenn diese wechsel¬
seitige Beeinflussung verschwindet, so steht die Ausheilung der Nephritis
in Aussicht. Dio Konstatierung der Beeinflussung von NaCl und N
gestattet natürlich auch therapeutische MaassnahmeD. Die Untersuchung
mit Mehrbelastung von NaCl und N bei einer orthotischen Albuminurie
zeigte eine funktionelle Störung der Nieren.
M. Wilhel m-Weissensee: Ein Beitrag zu den nervösen Aeqai-
valenten im Säuglingsalter. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Bei einem Kinde,
dass an unstillbarem, monatelang fortdauerndem Erbrechen leidet, sistiert
das Erbrechen mit dem Eintreten einer schweren Erkrankung, nach deren
Abklingen es wieder auftritt. Das Kind starb, und man fand bei der
Autopsie einen antrumkontrahierten Magen. Verf. erklärt sich die Er¬
scheinung so, dass bei dem (neuropathischen) Kinde, bei dem früher
einmal eine von Erbrechen begleitete Ernährungsstörung bestanden hat,
sich ein bedingter Reflex herausgebildet hat, der erst erlosch, als die
Errkrankung, die sozusagen als Hemmnis wirkte, eintrat. Dünner.
Chirurgie.
H. M. Page-London: Interpharyngeale Einfnhrang von warmem
Aetherdampf durch die Nase. (Lancet, 18. Juli 1914, Nr. 4742.) Injektion
von Morphin und Atropin, wenn nötig mit Skopolamin. Beginn der
Narkose in gewöhnlicher Art, Einführung zweier Gummikatbeter durch
die Nase bis in den Pharynx hinter die Zunge und Verbindung dieser
mit dem Aetherverdampfungsapparat. Bei Kindern genügt oft ein Katheter.
Weydemann.
M. K atzen stein - Berlin: Die Gerbung der Bänder zur Heilung
des Plattfnsses und anderer Knochendeformitäten. (D.m.W., 1914,
Nr. 30.) Vortrag in der Berliner Gesellschaft für Chirurgie am 9. März
1914, cf. Gesellscbaftsbericht der B.kl.W., 1914, Nr. 12.
P. Babitzki-Kiew: Eröffnung des Kniegelenkes bei Menisens-
verletznngen durch Längsschnitt mitten über die Patella und deren
Durchsägung. (D.m.W., 1914, Nr. 31.)
E. Eitner-Wien: Zwei Anroplastiken. (M.m.W., 1914, Nr. 20.)
Dünner.
W. H. CI. Greene-London: Eine durch Knochenäberpflanznng ge¬
heilte Schenkelhernie. (Lancet, 18. Juli 1914, Nr. 4742.) Ein 5 cm
langes Stück der 11. Rippe wurde abgestemrot, der Länge nach gespalten
und beide Stücke in Periosttaschen an der Hinterseite des Schambeins
eingepflanzt. Sie waren leicht zu befestigen. Das Lig. Poupartii wurde
dann auf die Fase, pectin. herabgezogen. Die Wunde heilte fest. Der
Versuch, beim Verschluss der Schenkelbrüche fremdes Material, wie
Silberdrahtgeflecht, durch Knochen zu ersetzen, erscheint völlig gelungen;
Greene glaubt aber selbst, dass man statt eines Stückes Rippe besser
ein Tibiastück nähme. Weydemann.
H. L. Baum-MÜQchen: Diagnostische Eigentümlichkeiten der Car-
cinome des Magenkörpers. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Die Arbeit ent¬
hält uichts Neues. Dünner.
A. G. T. Fi sh er-Bristol: Unvollständige Drehnng der Darmschlinge
als Ursache einer Hernia retrocolica. (Lancet, 18. Juli 1914, Nr. 4742.)
Verf. bespricht die Anatomie der hinter dem Colon liegenden Bauchfell¬
taschen und die Entwicklung der Fossa retrocolica. Die bisher be¬
schriebenen 6 Fälle von Hernia retrocolica werden kurz angeführt und
der Fall des Verf. ausführlich beschrieben. Weydemann.
G. Hirschel-Heidelberg: Die Resektion des Dnodennms mit der
Papille wegen Carcinoms. (M.m.W., 1914, Nr. 31.) Resektion des
Duodenums und eines Stückes des Pankreaskopfes. Bildung eines Deuen
Choledochus mit einem Drain, Einnähen des Pankreas, Gastroenterostomie.
Th. Müller-Augsburg: Zur operativen Behandlung der Herzschüsse.
(M.m.W., 1914, Nr. 30.) 1. Fall: Naht des rechten Ventrikels. Kom¬
plikationen: Pneumothorax, Pneumonie, Angina und EiteruDg der Schuss¬
wunde. Heilung. 2. Fall: Verletzung des Herzens durch einen kleinen
Glassplitter. Exitus infolge Anämie; die Naht selbst war gut geglückt.
Dünner.
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UNIVERSUM OF IOWA
1582
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 34.
Röntgenologie.
W. Nonnenbruch - Wurzburg: Sandnhrm&gen bei nicht tief¬
greifendem Ulcus ventriculi. (M.m.W., 1914, Nr. 81.) 2 Fälle von
persistierendem Sandubrmagen, die bei sicherlich nicht tiefgreifendem
Magenulcus bestanden und mit der Besserung schwanden. Die Sanduhr¬
form war wohl durch lokale tetanische Muskelkontraktionen bedingt.
Dünner.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
L. Seitz, H. Wintz und L. Fingerhut-Erlangen: Die biologische
Funktion des Corpus luteum, seine chemischen Bestandteile und deren
therapeutische Verwendung bei Menstruation. (M.m.W., 1914, Nr. 30
u. 31.) Die Menstruation hängt von der Funktion des Corpus luteum
ab. Das Corpus luteum enthält zwei Körper: 1. Das Luteolipoid hat
blutungshemmende Eigenschaften und vermindert subcutan eingespritzt
die Blutung der Menstruation. 2. Das Lipamin bewirkt im Tierexperiment
beschleunigtes Wachstum der Genitalien. Seine Injektion bewirkt bei
Amenorrhoischen Menstruation. 1 und 2 sind Antagonisten.
Dünner.
Augenheilkunde.
F. Best-Dresden: Die Diathermie in der Augenheilkunde.
(M.m.W., 1914, Nr. 31.) (Nach einem Vortrag in der Gesellschaft für
Natur- und Heilkunde in Dresden.) Die Diathermie leistet mehr als
Wärme in anderer Form. Dünner.
S. Stephensen - London: Die Beteiligung des bovinen Tuberkel-
bacillus bei phlyktännlären Erkrankungen der Augen. (Lanc.,
18. Juli 1914, Nr. 4742.) Nach dem Vorgänge von Bywater hat der
Verf. 20 Kinder im Alter von 1 '/ a —12 Jahren mit verschiedenen Formen
von Phlyktänulose mit der v. Pirquet’schen Methode untersucht und in
allen Fällen mit beiden Formen des Tuberkulins positive Reaktion er¬
halten. In der Hälfte der Fälle war die Reaktion mit beiden gleich
stark, in sechs war die bovine, in vier die humane stärker.
W. H. H. Jesrop - London: Schwere Augenverlefzuug durch den
Inhalt eines Golfballes. (Lano., 18. Juli 1914, Nr. 4742.) Schwere
Verätzung der Hornhaut und der Umgebung des Auges. Der Patient
wollte einen Golfball mit einem Taschenmesser zerlegen. Der Ball war
nicht solid, sondern beim Anstechen des Kernes fuhr aus dem Innern
eine ätzende Flüssigkeit mit grosser Gewalt heraus dem Patienten ins
Gesicht und an die über 3 m hohe Zimmerdecke. Weydemann.
Gerichtliche Medizin.
M. Richter - München: Temperaturmessungen an Leichenorganen.
(Aerztl. Sachverst. Zfcg., 1914, Nr. 11 u. 12.) Auf Grund von Tempe¬
raturmessungen an Leichenorganen lassen sich Anhaltspunkte zur Be¬
stimmung der Zeit des Todes gewinnen. Doch muss die Obduktion bald
nach Auliindung der Leiche erfolgen. Der Temperaturausgleich zwischen
den einzelnen Leichenorganen und der Umgebung erfolgt ungleichmässig,
namentlich das Gehirn kühlt sich viel ungleichmässiger ab als die
anderen Organe.
Schilling - Schöneberg: Ein kasuistischer Beitrag zur Frage der
Mängel im Entmündiguug8- und Pflegschaftsverfahren. (Aerztl.
Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 12.)
Liniger - Frankfurt a. M.: Drei interessante Haftpflichtfälle aus
angeblich unrichtiger Behandlung seitens des Arztes. (Aerztl.
Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 12.) H. Hirschfeld.
Unfallheilkunde und Versicherungswesen.
Markus - Posen: Das neue städtische Krankenbans in Cottbus.
(Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 7.) Beschreibung der Einrichtungen
dieses, der Leitung von Thiem unterstellten, besonders der Behandlung,
Beobachtung und Begutachtung Versicherter bestimmten Krankenhauses.
Es enthält eine chirurgische, orthopädische und medicomechanische Ab¬
teilung, eine für innere, Nerven- und Kinderkrankheiten bestimmte
Station, geburtshilflich-gynäkologische Räume, Abteilungen für Ohren-,
Hals- und Nasenkranke, eine zahnärztliche Abteilung, Infektionsbaracken
und ein Institut für bakteriologische und pathologisch-anatomische Unter¬
suchungen.
Magnus: Die Gesetzentwürfe betreffend den gewerblichen Rechts¬
schutz und die Medizin. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 12.)
R. Grünbaura-Wien: Ein einfacher Gelenkwinkelmesser für die
Praxis. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 6.) Beschreibung und Abbildung
eines Gelenkwinkelmesser9, der sehr praktisch sein soll und zum Preise
von 10 M. bei Skotnitza in Wien zu haben ist.
H. Engel- Berlin: Beitrag zur Beurteilung von Lungenentzündungen
auf dem Gebiete der Versicherungsmedizin. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914,
Nr. 7.) Erörterungen dieses interessanten Kapitels an der Hand eines
Gutachtens.
Pietrzikowski-Prag: Beitrag zur Beurteilung eines Leisten-
bruches als Unfallfolge. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 6.) Mitteilung
eines Gutachtens, in welchem der Nachweis geführt wird, dass die auf
einen Unfall zurückgeführte Verschlimmerung eines Leistenbruches un¬
abhängig vom Unfall entstanden sein muss. Besonders wird darauf Wert
gelegt, dass längere Zeit nach der angeblich übermässigen Anstrengung
keine Beschwerden bestanden, und dass sich bei der späteren Operation
keine frischen Verletzungen der Brucbpforte zeigten, die übrigens ausser-
gewÖbnlich gross war und auf ein schon langes Bestehen des Bruches
hinwies.
Meltzer-Freiberg: Die Schätzung der Erwerbsunfähigkeit bei der
Neurasthenie. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 11.) Die sogenannten
objektiven Symptome der Neurasthenie berechtigen an sich noch Dicht
zur Annahme einer Beschränkung der Erwerbsfähigkeit. Die erstmalige
Beurteilung der ErwerbsbeschränkuDg Neurasthenischer ist stets nur nach
längerer Beobachtung, am besten in einer Klinik, vorzunehmen; sie soll
zunächst stets eine zeitige, unter Annahme der zulässig kürzesten Fristen
sein.
Froehlicb: Ueber einen Fall von posttranmatischer Psychose.
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 11.) Bei einer 49jährigen Frau ent¬
wickelte sich nach einem Eisenbahnunfall, bei dem wahrscheinlich nur
ein heftiger Schreck stattgefunden hatte, eine posttraumatische Psychose,
die eine Zeitlang eine Anstaltsbehandlung notwendig machte. Be¬
merkenswert ist, dass in diesem Falle, obwohl es sich um kleine Leute
handelte, das Heilverfahren im Laufe von 5 Monaten 2065,55 M. kostete,
wobei für nicht weniger als 260,70 M. Medikamente verbraucht wurden.
Krüger-Franke - Cottbus: Ueber Schwangerschaft ausserhalb
der Gebärmutter und Unfall. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 6.) Eine
durch ein Trauma zum Platzen gebrachte Tubargravidität ist ausser¬
ordentlich selten, im Gegensatz zur Häufigkeit der Spontanruptur. Auch
Verf. teilt einen Fall mit, in welchem der Zusammenhang einer platzenden
Tubargravidität mit einer vorher stattgefundenen Kontusion des Bauches
nicht angenommen werden konnte. Der Unfall hatte nämlich etwa
7 Tage vor den ersten bedrohlichen Erscheinungen stattgefunden, nach¬
dem die Verletzte inzwischen wieder gearbeitet hatte. Etwa 17 Tage
nach dem Unfall erfolgte der Tod, der auf eine Spontanruptur zurück¬
zuführen war. Um bei einer extrauterinen Gravidität mit solchem Aus¬
gang die ursächliche Folge eines Unfalls anzunehmeD, müssen folgende
Bedingungen erfüllt sein: Es muss ein plötzliches und dem regelmässigen
Betriebe fremdes Ereignis vorangegangen sein, es müssen sofort die
Zeichen des Platzens einer schwangeren Tube aufgetreten sein, und es
muss sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden.
H. Mohr - Bielefeld: Traumatisches Narbencarcinom der Ellen¬
bogenhaut; Tod infolge Carcinose der inneren Organe. (Mschr. f. Un¬
fallhlk., 1914, Nr. 6.) M. beschreibt die Entstehung eines Carcinoms an
der Haut des Ellenbogens, die schon längere Zeit infolge einer Ver¬
brennung starke, zum geschwürigen Zerfall neigende Narben aufwics.
Nach einem Schlag dieser Region gegen eine scharfe Eisenkante ent¬
wickelte sich eine eiternde, nicht zur Heilung kommende Wunde, die
sich schliesslich als Plattenepithelcarcinom eiwies. Bei der Sektion fand
man ausgedehnte Metastaseubildung.
L. Hoffmann - Stettin: Der Bergonie-Apparat in der Unfallheil¬
kunde. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 6.) Empfehlung des Bergonie-
Apparates, um kräftige und schmerzlose Muskelzuckungen an atrophi¬
schen Gliedern auslösen zu können. H. Hirschfeld.
Technik.
W. N. Clernm - Dresden: Eine neue Speiseröhre- und Magensonde
mit Vorrichtung zn elektrischer Behandlung. (D.m.W., 1914, Nr. 31.)
H. Lohnstein-Berlin: Ein Urethroskop zur Hoohfrequenzbehand-
lung von Affektionen der Harnröhre und des Blasenhalses. (D.m.W.,
1914, Nr. 30.)
A. Schwarz-Dresden: Bandagen für Appendieitisnarhen und Bauch¬
brüche. (D.m.W., 1914, Nr. 30.) Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬
ländische Cnltur zn Breslau.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 26. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Küttner.
Hr. Küttner:
Bericht über 1100 in den letzten 7 Jahren behandelte Magenfälle.
Redner legt seinen Standpunkt dar zu den wichtigsten Fragen der
Magenchirurgie an der Hand eines reichen Materials, über das er be¬
richtet. Zur Erläuterung wird eine grosse Anzahl von Patienten vorge¬
stellt. Die Demonstrationen betreffen vor allem Carciuome, welche durch
Resektion seit 3—21 Jahren geheilt sind und pylorusferne Ulcera, bei
denen die einfache Gastroenterostomie die Heilung herbeiführte.
Diskussion.
Hr. Oppler: Da die Kürze der Zeit, die für die Diskussion heute
zur Verfügung steht, leider ein genaueres Eingehen auf die zahlreichen
interessanten Einzelfragen, die der Herr Vortragende bei seinen inbalts-
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UNIVERSITY OF IOWA
24. Augost 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1583
reichen Darlegungen angeschnitten hat, verbietet, so beschränke ich mich
auf wenige Bemerkungen, die ich zudem nicht so ausführlich begründen
kann, wie es wohl notwendig wäre. Höchst erfreulich ist die grosse
Anzahl der Dauerheilungen bei den resezierten Carcinomen. Sie geht
nicht nur über den von anderen Seiten publizierten Prozentsatz hinaus,
sondern ist auch erheblich grosser, als das leider bei meinem Material
der Fall ist. Sie macht uns Mut und legt die Verpflichtung auf, jeden
einigermaassen geeigneten Fall dem Chirurgen zuzuführen. — Nicht ganz
so gut wie die des Herrn Vortr. sind meine Erfahrungen über die Wirkung
der einfachen Gastroenterostomie beim pylorusfernen Geschwür; sie sind
nicht so schlecht, wie die vielfach von anderen Autoren behaupteten,
aber in einer grösseren Anzahl bestehen doch — wenn auch das Ulcus
vielleicht geheilt ist — noch recht erhebliohe Beschwerden, die zum
Teil wohl auf den dauernden Gallerückfluss in den Magen, die Anacidi¬
tät, Verwachsungen und ähnliches zurückzuführen sind. Es wäre dooh
genau zu prüfen, ob das nicht in grösserem Umfange auch bei den ge¬
heilten Fällen der heute vorgetragenen Statistik zutrifft. — Sehr denen
der Internisten genähert haben sich die Anschauungen des Herrn Vor¬
tragenden über die sogenannte Frühdiagnose. Was ich bereits vor
4 Jahren in der Breslauer chirurgischen Gesellschaft ausgeführt habe,
besteht, wie wir gehört haben, noch heute zurecht: Die Kranken suchen
wegen zu geringer Beschwerden oft zu spät den Arzt auf; tun sie es
erst, so sind unsere diagnostischen Mittel schon jetzt in 99 pCt. der
Fälle ausreichend, die Diagnose zu stellen. Eine „Frühdiagnose“ im
Sinne der „Frühoperation“ ist es aber auch dann in den seltensten
Fällen. Für die Diagnose der übrigbleibenden Fälle haben auch die
neueren Methoden, wie Röntgenbild, Abderhalden usw., noch nichts ge¬
fördert, während für Lokalisation und Differentialdiagnose das erstge¬
nannte Verfahren manches leistet. Sollte es aber selbst einst gelingen,
diesen kleinen Rest diagnostisch zu fassen, so wird das aus dem zuerst
genannten Grunde auf die chirurgischen Resultate ohne wesentlichen
Einfluss bleiben. Es kommt bei den zweifelhaften Fällen alles auf
die klinische Erfahrung des einzelnen Arztes an, und deswegen glaube
ich auch nicht, dass in einer grösseren Anzahl Fälle — wie der Herr
Vortragende meint — zu lange konservativ behandelt wird, wenigstens
nicht von genügend vorgebildeten Aerzten. Zudem spielt die Wachs¬
tumsenergie des Tumors im Einzelfalle für die Dauerprognose eine viel
grössere Rolle als der in Betracht kommende Zeitverlust. — Sehr inter¬
essant war mir noch, dass Herr Küttner sich eines von chirurgischer
Seite so oft für eine operative Behandlung des Ulcus geltend gemachten
Arguments — in Uebereinstimmung mit meinen Erfahrungen — begeben
hat, nämlich des häufigen Ueberganges des Ulcus io ein Carcinom. Man
kann bei der Häufigkeit beider Erkrankungen den geringen Prozentsatz
der Fälle, wo beide Erkrankungen sicher nachgewiesen sind, wirklich
sehr wohl aus einem einfachen Neben- oder Nacheinander ohne Causal-
neius erklären.
Hr. Henke: Ich möchte zunächst Herrn Küttnor dafür danken,
dass er auch als Kliniker sich auf den Standpunkt stellt, dass für die
Frage, ob aus einem runden Magengeschwür, speziell dem Ulcus callosum,
häufig oder selten ein Carcinom später entsteht, die genaueste anato¬
mische Untersuchung resezierter oder bei der Obduktion gewonnener
Mageopraparate für ausschlaggebend hält. Ich möchte an dieser Stelle
nur ganz kurz den Standpunkt zum Ausdruck bringen, den ich mir auf
Grund der Untersuchungen eines seit langem gesammelten Materials ge¬
bildet habe, das ich zu einem Teil auch der Liebenswürdigkeit des
Herrn Kollegen Küttner verdanke. — In erfreulicher Uebereinstimmung
mit dem Herrn Vortragenden komme ich gegenüber den Anschauungen
der amerikanischen Chirurgen, besonders von Mayo und seiner Schule,
zu der Auffassung, dass das Hervorgehen eines Carcinoms aus einem
Ulcus im ganzen als ein seltenes Ereignis betrachtet werden muss. Da¬
gegen ergibt die genaue histologische Untersuchung, dass eine ganze
Anzahl von Geschwüren mit verhärteten Rändern, bei denen makro¬
skopisch die Diagnose, ob Carcinom oder Ulcus, zweifelhaft bleibt oder
die gar als Ulcus callosum direkt imponieren, sich bei der mikroskopi¬
schen Untersuchung als sichere Carcinome erweisen. Daraus würde sich
der ja auch von Payr besonders betonte praktische Standpunkt ergeben,
dass man ein solches zweifelhaftes Ulcus lieber reseziert, weil die Mög¬
lichkeit besteht, dass ein Carcinom vorliegt. Für die Begründung meiner
Ansichten verweise ich im übrigen auf die auf der letzten Tagung der
deutschen pathologischen Gesellschaft in München gemachten Aus¬
führungen.
Hr. Weil: Rö'ntgenMlder von Magenoperierten.
Demonstration von zahlreichen typischen Röntgenbildern, zuerst von
Magenresektionen, nach der Methode von Billroth I und II. Die
Röntgenbilder zeigen die Form des Magenrestes und die ausserordent¬
lich rasche Entleerung desselben. Schon nach 15 Minuten kann die ge¬
wöhnliche Wismutmenge in den Dünndarm vollständig übergetreten sein.
Die Entleerung des resezierten Magens erfolgt teils kontinuierlich, teils
beschleunigt durch Kontraktion der Magenwand. Der Magenrest nach
CarciDomresektion entleert sich in derselben Weise wie der nach Ulcus-
resektion. Der Säurereflex des Duodenums wirkt nicht auf die Gastro¬
enterostomie. Recidive nach Carcinomresektionen sind zuweilen auf dem
Röntgenbild zu erkennen,, häufiger versagt das Röntgenbild. „Magen¬
drücken“ wird zuweilen empfunden, wenn der Magen schon völlig ent¬
leert ist, kann also vom Darm ausgelöst werden.
Für die Beurteilung der Gastroenterostomie ist die Durchleuchtung
öfters wichtiger als das Radiogramm. Nur recht selten, in 4 Fällen von
etwa 120 Untersuchten, fand sich die neue Magendarmverbindong zuge¬
wachsen. Die Gastroenterostomie funktioniert auch bei offenem Pylorus.
Es besteht hier ein Gegensatz zu den Tierexperimenten, bei denen Ver¬
schluss des Pylorus Vorbedingung einer Entleerung durch die Gastro¬
enterostomie ist. Je rascher der Magen sich entleert, desto besser ist
das Resultat der Operation. Demonstration von Bildern, bei denen nur
die Gastroenterostomie vom Wismutbrei benützt wird und von anderen,
bei denen sowohl der Pylorus wie die Gastroenterostomieöffoung benutzt
wird.
Demonstration eines Bildes einer Pylorusausachaltung nach v. Eiseis¬
berg, bei dem sich das Duodenum rückläufig mit Wismutbrei füllte.
Fascienumschnürungen des Pylorus und Pylorusverengerungen durch Naht
werden, wie demonstriert wird, wieder durchgängig. Demonstration eines
Bildes eines Sanduhrmagens mit Gastroenterostomie, auf dem die Ent¬
leerung sowohl durch die Gastroenterostomie wie durch die Sanduhrenge
gut erkennbar ist.
Demonstration mehrerer Bilder von pylorusfernen Ulcerationen an
der kleinen Kurvatur, mit Gastroenterostomie behandelt. In mehreren
Fällen entleert sich der Magen so rascb, dass kein deutliches Bild zu¬
stande kommt. In anderen Fällen sieht man noch, obwohl der Patient
klinisch geheilt ist, den Ulcuskrater an der kleinen Kurvatur, Spasmen
an der grossen Kurvatur bei gut funktionierender Gastroenterostomie.
Zuletzt werden Bilder gezeigt von Patienten, bei denen die Gastro¬
enterostomie keinen Erfolg hatte. Auf einem Bilde sieht man, dass die
Gastroenterostomie fast völlig wieder zugegangen ist und der Magen in¬
folge von Pylorospasmus sich ausserordentlich langsam entleert.
Auf einem weiteren Bild ist ein Ulcus pepticum jejuni, das dann
später operativ entfernt wurde, schön erkennbar.
Zuletzt warnt der Vortragende davor, nach Operationen am Magen
allzufrüh Wismutaufnahmen zu machen, ln einem Falle, bei dem
12 Tage nach der Gastroenterostomie Wismut gegeben wurde, trat von
da ab unstillbares Erbrechen ein, das nicht zu bekämpfen war, und der
Patient starb trotz Relaparotomie und neuer Gastroenterostomie. Die
Sektion ergab die erste Gastroenterostomie für zwei Finger durchgängig,
wenige Verwachsungen in ihrer Umgebung.
Hr. W. V. Simon:
Erfahrungen mit dem Friedm&nn’schen Tnberknlosevacein.
M. H.! Als Friedrich Franz Friedmann am 6. IX. 1912 in
der Berliner medizinischen Gesellschaft über das von ihm angegebene
Heil- und Schutzmittel zur Behandlung der Tuberkulose und Scrofulose
gesprochen batte und zum ersten Male über anscheinend ausserordent¬
lich günstige mit diesem Mittel erzielte Erfolge berichtet wurde, glaubte
wohl die Mehrheit der deutschen Aerzte — ungeachtet einer gewissen
Reserve, die wir ja derartigen Mitteln, durch die Erfahrung gewitzigt,
entgegenzubringen pflegen, vor einer neuen Aera der Behandlung der
Tuberkulose zu stehen.
Selbst Aerzte, die noch keine überzeugenden Resultate gesehen
hatten, konnten sieb doch des Eindrucks, dass eine Beeinflussung durch
das Mittel statthabe, nicht erwehren.
Die Demonstrationen, die am 25. X. 1913 Schleich, Müller,
Thalheim, Immelmann undFriedmanu in der Kraus’schen Klinik
abhielten, bestärkte noch mehr den guten Eindruck, auch Kraus selbst
schien das beste von dem Mittel zu erhoffen, so dass, da in dieser
Sitzung den Aerzten das Mittel freigegeben wurde, es als Pflicht ange¬
sehen werden musste, dasselbe bei der Behandlung der Tuberkulose an-
zuwenden.
So hat auch mein Chef, Herr Küttner, die Verwendung des Fried-
mano’schen Mittels bei der Behandlung der chirurgischen Tuberkulosen
an unserer Klinik angeordnet und mich freundlicherweise mit deren Aus¬
führung beauftragt. Ueber die Resultate möchte ich Ihnen im folgen¬
dem berichten:
Voransschicken möchte icb, dass die viel zu lesende Bezeichnung
„Friedmann’sches Tuberkuloseserum“ nicht zutreffend ist. Viel¬
mehr handelt es sich um ein Vaccin, und zwar um ein lebendes Vaccin,
das aus angeblich völlig avirulenten Kaltblütertuberkelbacillen bestehen
soll, die schon von Natur avirulent, noch durch verschiedene Züchtungen
und Passagen weiter mitigiert sein sollen. Diese AVirulenz der Bacillen
wird übrigens von Lydia Rabinowitsch auf Grund von Tierversuchen
angezweifelt.
Auch möchte ich an dieser Stelle auf die von einigen Autoren fest¬
gestellte Tatsache hinweiseD, dass sich die Fried man n’schen Bacillen
von anderen Kaltblütertuberkulosebacillen dadurch auszeichneo, dass sie
bei 37° im Brutschrank üppig wachsen, eine Tatsache, die doch bezüg¬
lich der Frage ihrer Pathogenität für den Warmblüterkörper nicht ganz
zu vernachlässigen ist.
Die dem Friedman n’schen Mittel zugrunde liegende theoretische
Erwägung, zur Immunisierung lebende Bakterien zu verwenden, ist nicht
neu. Ich verweise auf ähnliche Versuche, die von Pasteur, Behring,
Möller u. a. ausgeführt worden sind.
Wir haben mit dem Friedmann’schen Vacoin 26 Fälle gespritzt.
Drei weitere Patienten wurden ebenfalls einer Injektion unterworfen,
doch müssen sie von der Besprechung ausgeschaltet werden. Bei dem
einen handelte es sich wahrscheinlich um eine Fehldiagnose (Spondy¬
litis), auch kam die Patientin so unregelmässig in die Klinik, dass eine
sachgemässe Behandlung unmöglich war. Es bildete eich bei ihr ein
Abseess an der Stelle der Gesässinjektion. Zwei andere Patienten
wurden einige Tage nach der Injektion operiert.
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1584
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 84.
Einen weiteren Fall, bei dem nach dem histologischen Bilde die
Diagnose auf Tuberkulose nicht sicher ist, möchte ieh — er ist unge-
bessert — nicht mit zur Beurteilung heranziehen.
Es bleiben also 26 Fälle übrig, die ich nach dem klinischen Bilde,
das wir von ihnen bei der Aufnahme und nach dem bisherigen Verlauf
hatten, in leichte, mittelschwere, schwere und infauste Fälle eingeteilt
hatten.
Unsere Resultate waren nach dieser Einteilung folgende:
Von 5 leichten Fällen sind gebessert 3. Eine auffallende
Besserung ist nicht darunter. Anderen bisher gebräuchlichen Tuberku¬
losenmitteln hat sich in diesen Fällen das Friedmann’sche Vaccin
nicht überlegen gezeigt.
Ungebessert: 2. Der eine von diesen ist sogar etwas schlechter,
bei dem anderen muss hervorgehoben werden, dass Friedman» nach
neuerlichen Angaben diese Form der Erkrankung auf andere Weise
spritzt, wie es bei uns geschehen ist.
Von 8 mittelschweren Fällen sind gebessert: 1. Dieser Fall
ist ganz auffallend gebessert, und hätte dieses Resultat kaum mit
einem Mittel erreicht werden können.
Ungebessert: 4 Fälle. Einer von diesen ist sogar vielleicht etwas
schlechter geworden, bei einem anderen bat sich das Allgemeinbefinden
sicher verschlechtert.
Verschlechtert: 3 hülle, wenn auch bei dem einen die Schmerzen
besser sind. I
Von 9 schweren Fällen sind gebessert: 1 Fall in geringem
Maasse; doch hätte sich dies auch wohl mit einem anderen Mittel er¬
reichen lassen.
Unverändert: 3 Fälle.
Verschlechtert: 5 Fälle, und zwar alle in hohem Maasse.
Von 4 infausten Fällen fehlt eine Antwort von einem Fall.
Gebessert: Kein Fall.
Unverändert: Kein Fall.
Gestorben: 3 Fälle. Bei dem einen dieser Falle hat doch viel¬
leicht das Mittel den traurigen AusgaDg beschleunigt.
Sie sehen also, dass unsere Resultate nicht nur nicht befriedigend,
sondern sogar im höchsten Grade deprimierend sind, uud dass die Re¬
sultate mit zuoehmeuder Schwere der Fälle immer schlechter werden.
Der erzielten Besserungen sind nur wenige, ln 4 dieser Fälle ging
die Besserung nicht über das Maass dessen heraus, was wir zm minde¬
sten auch mit den bisher üblichen Mitteln erreicht hätten.
Nur in einem Fall von fistelnder Schultergclenkstuberkulose, der
ausserordentlich stark und atypisch auf die Injektion reagierte und
deutliche Ueberempfindlichkeitssymptome zeigte, war die Besserung so¬
wohl in klinischer als in funktioneller Hinsicht eklatant. In diesem
Fall müssen wir unbedingt zugeben, dass wir wohl mit keinem anderen
Mittel, eine Sonnenkur in Leysin vielleicht ausgenommen, etwas ähn¬
liches, besonders in der relativ kurzen Zeit, hätten erreichen können.
Erwähnen muss ich auch die Besserung, die man zuweilen im
direkten Anschluss an die Injektion zu sehen bekommt, und die in der
Tat zuweilen erstaunlich ist.
Ein äusserst elendes und erbärmliches Kind, das mit starken
Schmerzen in dem tuberkulösen Ellenbogen, mit Blepharospasmus in¬
folge phlyktänulöser Conjunctivitis zu uds kam, war bereits am 2. Tage
nach der Injektion wie umgewandelt. Die Schmerzen waren im hohen
Grade vermindert, der Blepharospasmus geschwunden, das Kind sprach
und spielte in seinem Bettchen. Auch bei einem anderen Fall war ein
Schwinden der tuberkulösen Eczeme und der phlyetäuulüsen Kerato¬
conjunctivitis zu verzeichnen, welch letztere allerdings später in starker
Verschlimmerung recidivierte.
Ebenso zeigten viele andere Fälle zuerst eine allerdings schnell
vorübergehende Besserung der Bewegung und besonders auch der
Schmerzen, welch letztere zuweilen selbst bei bedeutender klinischer
Verschlechterung andauerten.
Bevor ioh auf die Verschlechterung eingehe, die ich bei den von
mir behandelten Fällen gesehen habe, möchte ich noch kurz die in der
Literatur viel diskutierte Frage der Fieberreaktion und der In-
filtratbildung streifen. Während nach der intramuskulären Injektion
Temperaturanstiege nicht häufig und meist nur subfebril sind, so ist
nach der intravenösen bzw. nach der Simultaninjektion hohe Fieber¬
reaktion bis um 40 Grad und hoher die Regel, die etwa innerhalb dreier
Tage abzufallen pflegt. Während von anderer Seite sehr bedrohliche
Reaktion gemeldet wurde, sogar einzelne Todesfälle zur Beobachtung
kamen, haben wir nichts dergleichen erlebt. Der eine Fall — der einzige
übrigens, bei dem ein glänzendes Resultat erzielt wurde, hatte allerdings
eine ziemlich laDgdauernde atypische Fieberuog mit Herderscbeinungen,
die uns etwas beunruhigte. Jedoch war der Allgemeinzustand nicht
direkt bedrohlich. Ein anderer Patient, den ich gemeinsam mit Herrn
Weber behandelte, zu dessen Klientel er gehörte, bekam am
5. Tage nach der Injektion nach anfänglicher Besserung eine starke
Herzattacke. Es handelte sich hier jedoch um einen völlig hoffnungs¬
losen Fall mit ausgedehnter Lungen- und Fusstuberkulose, bei dem diese
Herzattacke, die sich auch wieder besserte, nicht mit Sicherheit dem
Vaccin zur Last gelegt werden kann.
Einige Autoren wollen, nachdem sich die Verunreinigung des Mittels
mit andern Bakterien herausgestellt hat, die Temperaturanstiege und
überhaupt die Reaktionserscbeinuogen in ihrer Gesamtheit auf die bak¬
terielle Infektion des Vaceins zurüokführen. Diese Ansicht muss ich
in dieser Verallgemeinerung zurückweisen. Auch der von Vulpius
mitgeteilte Todesfall scheint mir keine akut tödlich verlaufende Sepsis
zu seiD, wie er es auffasst. Vielmehr glaube ich, dass es sich hierbei
um typische Ueberempfindlichkeitssymptome handelt. Fieber,
Dyspnoe, Exantheme, DrüsenschwellungeD, die andere Autoren und auch
ich beobachten konnten, schliesslich Exitus letalis unter krampfartigen
Zuckungen, wie es Vulpius erlebte, das alles entspricht mehr dem
Bilde der spezifischen Ueberempfindlichkeit als dem der Sepsis. Uebrigens
möchte ich hervorheben, dass auch Herdreaktionen, z. B. vermehrter
Eiterausfluss aus den Fisteln beobachtet werden.
Ebenso möchte ich das Infiltrat, das sich an der glutäaien la-
jektionsstelle zu bilden pflegt, und dem Friedmann und Schleich
als organische Apotheke soviel Gewicht beilegen, lediglich als Ueber-
erapfindlichkeitssymptom und als nichts anderes als eine sozusagen sub-
cutane Pirquet’sche Reaktion ansehen. In den stark progressiven
Fällen sowie bei Säuglingen bildet sich weder die Pirq uet’sche-Reak¬
tion noch das Gefässinfiltrat aus. In meiner im Druck befindlichen
grösseren Arbeit 1 ) bin ich ausführlich auf diese Frage eingegangen. Ich
habe die Vermutung ausgesprochen, dass der Umstand, dass nach der
isolierten intravenösen Injektion nach anfänglicher starker Besserung
plötzlich ein Stillstand des Heilprozesses stattfinden soll, dass weiter
durch die Simultaniojektion bzw. durch die intravenöse Zwischen inj ektion
das Infiltrat leichter resorbiert wird, d. h. leichter verschwindet, wohl
so zu erklären ist, dass der Körper durch die Ueberschwemmung des
Organismus mit den Tuberkelbacillen genau wie bei progressen Phthisen
die Fähigkeit der Antikörperbildung verliert. Ich habe daraus die Un¬
statthaftigkeit der intravenösen Applikation gefolgert.
Als Heildepot kann man das Gesässinfiltrat natürlich nur so lange
ansehen, als in ihm lebende BacilleD vorhanden sind, die zur Antikörper¬
bildung Veranlassung geben. Wie lange diese aber in ihm vorhanden
sind, weiss man nicht. Gegen die Bedeutung als Heildepot spricht
ausserdem, dass das Infiltrat, nachdem es schon längere Zeit verschwunden
war, wiederaufflackern kann. Auch klinisch habe ich keine Beziehungen
zwischen Gesässinfiltrat und Heiltendenz feststellen können.
Abscedierungen des Infiltrats, über die von anderer Seite
sehr geklagt wird, habe ich unter meinen simultan gespritzten Fällen
nur einmal gesehen. Dieser aber kann, wie ich oben erwähnte, aus
mehreren Gründen nicht mit zur Beurteilung herangezogen werden. Bei
den intramuskulär injizierten Fällen bildeten sich einige Male Abscesse,
deren Durchbruch durch die in diesen Fällen vorgeschriebene intravenöse
Zwischeninjektion wohl etwas aufgebalten und wahrscheinlich auch ver¬
mindert, aber nicht völlig verhindert werden konnte.
Als Ursache für die Abscedierungen muss man in einem Teil der
Fälle wohl Infektionen primärer (durch das Mittel) oder sekundärer
Art (durch lufektion des lojektionsstiches) annebmen.
Im allgemeinen aber glaube ich, dass Friedmann recht bat, wenn
er sie ebenfalls für eine Ueberempfmdlichkeitserscheinung hält und be¬
dingt durch die in den Tuberkelbacillen enthaltenen wachsartigen Sub¬
stanzen, die die Resorption des Eiweisses verhindern.
Wir kommen nun zu dem traurigen Kapitel uoserer Friedmann’schen
Versuche, zu den Verschlechterungen, die wir gesehen haben: be¬
stehende Fisteln vermehrten und vergrösserten sich, es kam bei ge¬
schlossenen Tuberkulosen zur Bildung von Abscessen und Fisteln. la
anderen Fallen traten neue Herde auf, schon bestehende Herde ver¬
schlimmerten sich in starker Weise. Auffallend war auch die häufige
Exacerbierung und Ausdehnung von Lungenerscheinungen. Io
einigen Fällen habe ich eine eigentümliche Periostitis beobachten
können, deren Vorkommen ja sonst bei Tuberkulosen nicht allzubäufig,
wenn auch zuweilen zu beobachten ist.
Traurig war es für uns, dass sich gerade einige der Fälle, die zuerst
eine so erstaunliche Besserung gezeigt batten, nachher desto eklatanter
verschlechterten. So recidivierte bei dem einen Knaben die Keratitis
so, dass sie zur völligen Zerstörung der Cornea führte. Bei dem kleinen
Mädchen mit Ellenbogentuberkulose, das, wie ich ebenfalls früher be¬
richtet habe, zuerst eine so erfreuliche Besserung aufwies, trat ebenfalls
später ausser einem neuen Herde am Fusse eine eDorme Verschlechte¬
rung des Ellenbogens auf. Es bildeten sich grosse Fisteln, die ausser¬
ordentlich stark sezernieren und auch nicht die geringste Heiltendenz
aufweiseD. Der Nachweis, ob es sich bei diesen Verschlechterungen um
den natürlichen Verlauf der unbeeinflussten Krankbeit handelte oder ob
ein direkter Zusammenhang mit der Behandlung besteht, ist natürlich
sehr schwierig. Abgesehen von einem Patienten, der eine Thrombose des
Beines bekam, die wohl ganz sicher auf die Injektion zu beziehen ist,
spricht in einigen anderen Fällen die zeitliche Aufeinanderfolge der
Verschlechterungen für diese Annahme.
Besonders scheinen die Fälle zur Verschlechterung zu neigeD, bei
denen noch ein anderer Herd (z. B. in der Lunge) vorliegt.
Schon bevor die Veröffentlichungen erschienen, die die von den in
den Friedmann’schen Vaccin gefundenen bakteriellen Verunreinigungen
berichteten, hatte ich den Verdacht, dass es sich um Mischiofektionen
handeln könne, ein Glaube, der sich nach dem Erscheinen dieser
Arbeiten noch befestigte. Für einen Teil der Fälle ist dies auch sicher
als wahrscheinlich anzunehmen, doch bin ich im allgemeinen von dieser
Ansicht zurückgekommen, da in einigen von mir untersuchten Fällen
der Eiter steril war.
12 Ampullen, die ich mir nach dem Erscheinen der Arbeit von
Laubenheimer usw. kommen liess, und für deren bakteriologischen
1) Beitr. z. klin, Chir., 1914.
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24. AogPSt 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1585
Untersuchungen ich dem hygienischen Institut dankbar bin, erwiesen sioh
als nicht verunreinigt. Vorher hatte ich eine solche Untersuchung nicht
▼orgenommen, da mir die Annahme einer bakteriellen Verunreinigung
des zum Teil intravenös anzuwendenden Mittels als ausserhalb des
Bereichs der Möglichkeit liegend erschien. Dass doch — wie es nun¬
mehr aus zahlreichen Untersuchungen sichergestellt ist — Verunreini¬
gungen des Vaccins Vorkommen konnten, ist bedauerlich. Noch weit
bedauerlicher ist es aber, dass die Fabrik gar kein Verständnis für
diese ihre Fahrlässigkeit zu haben soheint, wurde doch E. Frank auf
eine Anfrage die Antwort zuteil, das müsste er doch wissen, dass, wenn
im Laboratorium Röhrchen abgefüllt würden, ein Luftzug Staphylokokken
und andere Bakterien hereinbringen könnte.
Worauf nun sonst die Verschlechterungen beruhen können, kann
man noch nicht entscheiden: ob sie den natürlichen Verlauf der Krankheit
darstellen, ob sie als protrahierte Herdreaktionen aufzufassen sind, be¬
dingt durch die Anwesenheit lebender Bacillen oder ob eine Aenderung
der Virulenz resp. Avirulenz der Tuberkelbacillen eine deletäre Rolle
spielt (Bildung neuer Herde), das kann man bisher noch nicht wissen.
Auch muss man daran denken, dass es sich um ähnliche Vorgänge
handeln kann, wie wir sie bei der Bildung von verkäsenden Knötchen
im Tierversuch (Rabinowitsch) und bei der Bildung von Impf-
absoessen sehen.
Ich komme nun zur Frage der Beurteilung des Mittels. Und da
muss ioh ungeachtet meiner schlechten Erfolge an dem festhalten, was
ich schon auf dem diesjährigen Orthopädenkongress ausführte. Wir
können das Mittel bisher nicht beurteilen und zwar aus folgenden
Gründen.
Wir haben das Mittel klinisch nicht völlig ausgeprobt, denn wir
haben nach der Nachricht, dass Verunreinigungen gefunden waren, das
Mittel nioht mehr angewandt. Daher ist ein grosser Teil der Fälle nur
einmal gespritzt. Allerdings wurde dies nach einer Erklärung, die
Fried mann neuerdings abgegeben bat — ioh komme gleich darauf
zurück — gerade den Friedmann’soben Indikationen entsprechen.
Zweifellos müssen wir offen zugeben, dass wir solche Verschlechterungen
gesehen haben, die uns schon deshalb zum Abbruch der Friedmann’schen
Behandlung veranlassen, aber wir wissen ja gar nicht, was wir injiziert
haben, was für Bakterien resp. bakterielle Toxine wir mitinjiziert haben,
ob sich das Vaccin bei der nachlässigen fabrikatorischen Darstellung
nicht verändert hat.
Denn dass eine Aenderung gegen früher stattgefunden haben muss,
ist sicher, sonst Hessen sich nicht die guten Erfolge früherer Unter¬
sucher erklären, die man doch nicht einfach alle, wie Brauer es tut,
als „Friedmann und seine Helfer“ abfertigen kann. Ich erinnere
z. B. an Immelmann, der doch objektive rontgenologisohe Unterlagen
zeigte. Worauf diese Aenderung beruht, das können wir bisher noch
nicht wissen.
Sehr eigenartig und verstimmend muss es allerdings wirken, dass
fast keiner von denen — Immelmann ausgenommen —, die früher so
gute Resultate gesehen hatten, in der auf Karewski’s Vortrag in der
Berliner medizinischen Gesellschaft folgenden eingehenden Diskussion
das Wort ergriff. Weder Friedmann noch Schleich, Thalheim,
E. Müller Hessen sich hören. Man weiss nicht, was man zu diesem
Verhalten, was auch Karewski in seinem Schlusswort gebührend ge¬
tadelt hat, sagen soll.
Eine ganz schwache Erklärung hat Fried mann in der letzten
Nummer der Deutschen medizinischen Wochenschrift abdruoken lassen.
Hiernach scheint er alle Misserfolge darauf zurückfübren zu wollen, dass
die Fälle zu oft gespritzt sind. Neuerdings hält er es für ratsam, bei
den intramuskulären gespritzten Fällen 4, 5 Monate und länger, bei den
simultan gespritzten Fällen gar 10—12 Monate, mindestens bis zur
zweiten Injektion zu warten. Die Verschlimmerung, z. B. neu auf¬
tretende Herde, sei in der Regel nur vorübergehender Natur und
bildete sich ohne jeglichen Eingriff zurück, wenn man nur die Geduld
hätte, ein paar Monate zu warten.
Nun, m. H., ich habe schon oben gesagt, dass meine meisten Fälle
nur einmal injiziert sind. Sie würden also der neuerdings von Fried-
mann aufgestellten Indikation vollauf entsprechen. Ich habe trotzdem
nichts von Erfolgen gesehen. Die Verschlechterungen haben sich nicht
xurückgebildet, sondern haben im Gegenteil weiter um sich gegriffen,
und den Mut, noch einige Monate zu warten, habe ich auch nicht ge¬
habt. Denn dann hätte ich mich moralisch und wohl auch juristisch
strafbar gemacht. Vielmehr haben wir nunmehr eine rationelle Be¬
handlung eingeleitet.
Zusammenfassend müssen wir sagen: In seiner jetzigen Gestalt —
denn dies können wir beurteilen — ist das Mittel völlig unbrauchbar.
Es ist weder unschädlich, noch wirkt es prophylaktisch. Seine An¬
wendung am Menschen wäre — auch nach den anderen gemachten Er¬
fahrungen — ein Verbrechen. Es ist daher mit Genugtuung zu be-
gpüssen, dass die Medizinalbehörde neuerdings in einem offiziösen Artikel
in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ vor der Anwendung des
Friedmaun’schen Mittels warnt. Ein Verbot, das Mittel überhaupt an¬
zuwenden, bevor nicht seine Unschädlichkeit durch sorgfältig durch¬
geführte Laboratoriumsversuche garantiert ist, konnte die Regierung aus
juristischen Gründen nicht aussprechen. Das Mittel ist viel zu früh
zur Behandlung der menschlichen Tuberkulose herausgekommen, und
das ist daher zu tadeln. Seine PrüfuDgszeit im Laboratorium ist noch
lange nicht beendigt; vor allem müssen wir endlich auf genaueste An¬
gabe der Art und der Zubereitung des Vaccins dringen, was uns immer
von Friedmann versprochen, aber nie gehalten ist Andere Appli-
kations- und Dosieruogsarten — ioh bin in meiner ausführlichen Arbeit
darauf naher eingegangen — werden vielleicht bessere Erfolge zeitigen.
Trotz aller bisherigen Misserfolge geben manche berichteten Erfolge so¬
wie manche unmittelbar in die Injektion eintretende Besserungen zu
denken. Vielleicht wird fleissige, stille, auf eingehende Laboratoriums-
versuohe gestützte Forscberarbeit doch noch später einmal dies Mittel
oder ein ihm theoretisch ähnliches Mittel der Therapie der Tuberkulose
zugänglich machen können. Diese Hoffnung ist allerdings, das können
wir uns nicht verhehlen, nach den in letzter Zeit von allen Seiten her
ein treffen den ungünstigen Berichten nur ausserordentlich gering.
Diskussion.
Hr. E. Neisser: Die optimistischen Artikel in der Tagespresse vor
und unmittelbar nach der Einführung des Friedmann’schen Mittels
hatten die Situation der Aerzte in der Aussenpraxis gegenüber dem
Publikum ausserordentlich erschwert. Die Verwirrung ist durch Fried-
mann, der das Mittel eben nicht genügend geprüft an die Oeffentlicb-
keit brachte, noch gesteigert worden, indem er in der ursprünglichen
Indikationsstellung als Zeitpunkt der zweiten intramuskulären Injektion
8 Wochen Zwischenraum seit der ersten gelten liess, neuerdings aber
die zweite nicht vor dem 4.-5. Monat gemacht wissen will. Eine Ver¬
schlechterung des Befundes infolge der zweiten Injektion erscheint nioht
ausgeschlossen bei einem elfjährigen Mädchen, das wegen Drüsen- und
Lungenaffektion ein Jahr zuvor nach ergebnislosem Aufenthalte in
Görbersdorf eine erfolgreiche Tuberkulinkur durchgemacht hatte, in den
ersten Januartagen 1914 Friedmann I 0,25 intramuskulär wegen Testie¬
render Halsdrüsen erhielt und zunächst (ohne Abscessbildung an der
Injektionsstelle, lediglich geringes Infiltrat) eine schnell auftretende, ge¬
wisse Besserung aufwies: Zerteilung der Drüsenpakete in kleinere Einzel¬
drüsen, Gewichtszunahme von 8 Pfund in einer Woche — vorher nie
beobachtet. Entsprechend der aus dem Friedmann’schen Institut ge¬
gebenen Auskunft, „dass eine zweite Iojektion auch nach vorhergehender
Tuberkulinisierung erst dann in Frage kommt, wenn ein mehrwöchiger
Stillstand in dem durch das Mittel angebahnten Heilungsprozess ein¬
getreten ist,“ erfolgte die zweite Einspritzung Anfang April, also
8 Monate später; in den nächsten Wochen Abnahme um 8 Pfund, starke
Drüseopakete an anderer Stelle (Achselhöhle) und Temperaturen zwischen
37—37,5° im After, früher nie über 37°.
Weitere drei Beobachtungen (Lungentuberkulose und Reotalaffektion)
waren gleichfalls nicht ermutigend und festigten die Ueberzeugung, dass,
auch wenn man dem Tuberkulin kritisch von Fall zu Fall gegenüber¬
steht, mit einer unter allen Kautelen vorgenommenen Tuberkulinkur
bessere Resultate erzielt werden können.
Hr. Minkowski hat 10 Fälle von Lungentuberkulose mit dem
Friedmann’sohen Mittel behandelt. Von diesen verliess nur einer die
Klinik in gebessertem Zustande. Aber auch diesem soll es später
wieder schlechter gegangen sein. In mehreren Fällen konnte man sioh
dem Eindruck nicht entziehen, als ob durch die Injektionen der un¬
günstige Ausgang beschleunigt wurde.
Hr. Küttner warnt eindringlich vor dem nicht nur nutzlosen,
sondern schädlichen und gefährlichen Mittel. Er betont die vollkommene
Einmütigkeit in der Verurteilung, welche bei allen an der Konferenz im
Ministerium des Innern Beteiligten, mochten sie Internisten, Chirurgen,
Heilstätten- oder Kreisärzte sein, zutage trat.
Hr. W. V. Simon (Schlusswort): M. H.! lob möchte voll und ganz
unterstreichen, was Herr Neisser über den schädlichen Einfluss der in
den Tageszeitungen erschienen Artikel gesagt hat. Ich bin auch auf
diesen Punkt in meiner Arbeit ausführlich eingegangen und habe doch
speziell den in der Schlesischen Zeitung erschienenen Feuilletonartikel
zweier Breslauer Aerzte kritisiert. Nicht nur, dass durch solohe
Schreibereien die Patienten in ein Uebermaass der Hoffnungsfreudigkeit
geraten, um nachher desto jäher enttäuscht und entmutigt zu werden.
Es wird duroh solche Zeitungsartikel ungewollt — ich betone das
ausdrücklich — Reklame gemacht. Denn wenn ein Arzt sich weigert,
seinen Kranken mit dem Wundermittel zu behandeln, dann geht er
natürliob zu dem, der den begeisterten Aufsatz in der Zeitung ge««-
schrieben bat. Das ist die zweite bedenkliche Seite dieses Auswuchses
der ärztlichen Publizistik, wenn auch, ich möchte das nochmals aus¬
drücklich hervorheben, an der bona fides der betreffenden Kollegen
nicht zu zweifeln ist.
Hr. Fritsch: Ueber Netatorsioaen.
(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.)
Hr. Dreyer spricht an der Hand mehrerer Fälle: a) Aber stampfe
BaacbverletEingen, b) über Mal perforant bei Jagendliehea.
Hr. Renner:
Behandlung der Blasentamoren mit Hoebfreqaeaistrb'mea.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Hr. Melchior: Zar Kasnistik ebirargischer Protenserkraaknngea.
Der bis dahin gesunde, 28 jährige Patient S. erkrankte vor einem
Jahre im Anschluss an eine „Erkältung“ an Blasenkrampf mit Urin-
retention. Nach einmaliger Anwendung des Katheters gingen die Be¬
schwerden wieder zurück. Am 10. Mai d. J. kam es wieder naoh einer
„Erkältung“ zur Urinverhaltung. Ein auswärts versuchter Katbeterismns
hatte die Entstehung eiaes falschen Weges zur Folge; bei der am
13. Mai erfolgten Einlieferung des Patienten in die Klinik wurde die
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1586
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 34.
Ausführung der Blasenpunktion notwendig. Am nächsten Tage Hess
sich ein Dauerkatheter einführen; eine Stenose bestand nicht, keine
Gonorrhöe. Während nun die cystitischen Erscheinungen bei ent¬
sprechender Behandlung schnell zurückgingen, bildete sich allmählich
unter Temperaturanstieg ein tiefes Infiltrat an der Punktionsstelle aus;
die Haut wurde teigig ödematös; am 2. Juni wurde durch Eingehen
beiderseits neben den Recti abdominis ein grosser, dem Carum Retzii
angebörender, mit der Blase nicht kommunizierender Absoess eröffnet.
Die im hiesigen Kgl. hygienischen Institut vorgenommene Untersuchung
des Eiters ergab die Anwesenheit des Bacillus proteus in Rein¬
kultur. Prompte Wundheilung. Patient ist jetzt entlassungsfäbig.
Derartige bakteriologische Befunde, d. h. die alleinige Anwesen¬
heit des Bacillus proteus in Phlegmonen oder Abscessen sind selten.
Relativ häufiger lassen sich Allgemeinerkrankungen septischer Art, die
unter dem Bilde des Typhus, des Icterus infectiosus Weillii oder der
Fleischvergiftung verlaufen können, auf die Gegenwart dieses „Prole¬
tariers unter den Bakterien“ zurückfübren. Möglicherweise lag jedoch
auch im vorliegenden Falle primär eine derartige leichtere, als „Er¬
kältung“ imponierende Allgemeininfektion vor, welche dann auf dem
Wege der bakteriellen Ausscheidung zur Cystitis führte. Eine solche
kann ganz besonders leicht durch den Proteus hervorgerufen werden,
da hierzu allein die Gegenwart dieses Mikroorganismus in den Harn wegen
genügt, während bei den übrigen bakteriellen Erregern der Cystitis zu¬
meist noch das Vorhandensein einer Harnstauung oder einer Epitbel-
läsion zum Eintritt der Blasenentzündung notwendig ist. Die Infektion
des Cavum Retzii erfolgte dann nachträglich durch direkte Inoculation
bei der Blasenpunktion. Es spricht dies für eine besondere Virulenz
der Bacillen, da wir sonst, trotz häufiger Ausführung der Blasenpunktion
an der Küttner’schen Klinik, niemals eine hierdurch bewirkte Infektion
des prävesicalen Raumes beobachtet haben.
Hr. Melchior: Zur Kenntnis der Strnnitis posttyphosa.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Hr. Bauer: Hypoplasie des Femur.
Gestatten Sie mir, Ihnen ein Kind von l 8 /* Jahren zu demonstrieren,
bei dem naoh Angabe der Mutter seit Geburt eine Verkürzung des
rechten Beines besteht, das heute in der Tat 4 cm Längendifferenz
gegenüber dem anderen Bein aufweist.
Die Geburt soll normal gewesen sein, in der Familie sind irgend¬
welche Anomalien und Wachstumsstörungen nicht zur Beobachtung ge¬
kommen. Das Kind ist das einzige seiner Eltern.
Wie Sie ans dem Röntgenbilde ersehen, erscheint der Femur weit
graciler, weit kürzer als der der anderen Seite; die Epiphysen sind nicht
auffällig verändert.
Drehmann hat für Femurdefekte zwei Gruppen aufgestellt, eine,
bei der nur die Diapbyse verändert erscheint, während Hüft- und Knie¬
gelenk normal ist (ich glaube unseren Fall dieser Gruppe zurechnen zu
dürfen), eine zweite, bei der die Defektbildung nur das obere Femur¬
ende betrifft, während die untere Epiphyse deutlich vorhanden ist.
Bei der zweiten Gruppe glaube ich mit Reiner ein sogenanntes
modellierendes Trauma im embryonalen Leben verantwortlich machen
zu können.
Reiner und vor ihm Langer hat die Blutversorgung am embryo¬
nalen Femur untersucht und feststellen köoDen, dass die Regio sub-
trochanterica am schwächsten versorgt wird, während der obere Femur¬
teil durch die Arterie des Ligamentum rotundum, der untere durch die
Kniekehlenarterie und der grösste Teil der Diaphyse durch die Arteriae
nutriciae versorgt wird. Er behauptet ausserdem, dass die an der Linea
aspera ansetzenden Muskeln eine ausgiebige Versorgung dieser Gegend
nach sich ziehen, während die obengenannte Regio subtrochanterica von
einer solchen Blutversorgung freibleibt. Diese stelle deshalb einen Locus
minoris resistentiae dar, der, wenn er durch Einhüllen einen abnormen
Druck erfährt, leicht eine Verkümmerung des proximalen Femurendes
nach sich ziehen könnte.
Es erscheint mir nach anatomischen Bildern und Injektionspräparaten
zweifelhaft, dass wirklich diese Gegend der anderen gegenüber hinsicht¬
lich der Blutversorgung stark benachteiligt ist; dagegen scheint es mir
denkbar, dass durch eine über die Norm hinausgehende Introtorsion, die
der normale embryonale Femur durchmaohen muss, eine Schädigung
dieser Gegend eintreten kann, zumal diese Torsion sich in der genannten
Gegend vorzüglich abspielt.
Sicher wird für einen Teil der Fälle die Ansicht von Drehmann
zutreffen, der bei diesen Defektbildungen an das Vorstadium einer
hochgradigen kongenitalen Coxa vara glaubt, mit AbknickuDg im oberen
Diaphysenende. _
Südostdeutsche Chirurgen-Vereinigung*
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 13. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Küttner.
Schriftführer; Herr Goebel.
Vor der Tagesordnung.
Hr. A. Seiffert-Breslau stellt einen Fall mit einer Naseiprotbese
vor, die aus Hennig’scher Masse hergestellt ist. Da der Uebergang der
Prothese zur Haut unmerklich ist und die elastische Prothese sich bei
mimischen Bewegungen des Gesichts in natürlicher Weise passiv mit¬
bewegt, macht die künstliche Nase einen vollkommen natürlichen Eindruck.
Diskussion. Hr. Küttner hat das Verfahren ebenfalls angewandt.
Der Patient lernte schnell, sich die Prothese, welche immer nur einige
Tage brauchbar blieb, selbst anzufertigen.
Tagesordnung.
Hr. Philipowics Breslau: Choiedochascbirnrgie.
Vortr. präzisiert zuerst den Standpunkt der Küttner’schen Klinik
in der Behandlung des Gallensteinleidens. Stets Cholecystektomie.
Nachfolgende Hepathicusdrainage unterbleibt in den Fälleo, wo die
Anamnese nichts für vorausgegangene Cholangitis oder Choledochusstein
ergibt, wenn der Choledochus und seine Umgebung zart und nicht ent¬
zündlich verändert ist, keine Dilatation vorliegt, die Palpation negativ
ausfäiit und die Leber keine Veränderung zeigt. Die jeweilige Indikation
muss auf das Stadium der Krankheit Rücksicht nehmen.
Der akute Choledochusverschluss wird am besten zuerst intern be¬
handelt. Doch darf man bei wiederholten Zeichen beginnender Chol¬
angitis und stärkerer peritonealer Reizerscbeinungen nicht zögern.
Haidenbein’s Standpunkt der absoluten Frühoperation ist nicht zu
weitgehend. Im allgemeinen ist nach 8 Tagen vergeblichen Wartens zur
Operation zu raten. Ein zu langes Warten verschlechtert die Chancen
in jeder Beziehung.
Bei der supraduodenalen Choledochotomie muss man die grösste
Sorgfalt auf Entfernung aller Steine verwenden. Mobilisierung des Duo¬
denums kann nicht genug empfohlen werden. Niemals Naht, stets
Drainage. Wichtigkeit der Drainage für die Behandlung der Bacillen¬
träger. Zweizeitige Methoden sind nicht zu empfehlen. Cboledocho-
duodenostomie kann bei starker Papillenschwellung von Vorteil sein.
Bei retroduodenalem Sitz des Steines Mobilisierung, sonst trans-
duodeoale Choledochotomie. Bei grösserem Sohlitz der Papille Chole-
dochoduodenostomia interna indiziert Transpankreatisohes Vorgehen ge¬
fährlich.
Bei nicht zu beseitigendem Verschluss GallenwegdarmverbinduDg,
am besten Gallenblase mit Duodenum. Deshalb vor der Cholecystektomie
stets Revision des Choledochus vorzunehmen. Aufsteigende Gallen¬
infektion nicht hoch anzuscblagen.
Bei grossen Totaldefekten transduodenale Hepathicusdrainage. Er¬
fahrungen darüber noch nicht gross. Plastischer Ersatz aus der Nach¬
barschaft. Anführung der verschiedenen Methoden.
Bei Obliteration des duodenalen Anteils Ersatz durch Gummidrain
nach Verhoogen und Jenckel, eventuell transintestinale Methoden.
Im Notfall zweizeitige Verbindung mit Drain nach GallenfistelanleguDg
und Jejunostomie oder Hepatocholangioenterostomie.
Besprechung der Nachbehandlung. Akuter Duodenalverschlusä
vielleicht durch vorhergehende Mobilisierung nach Kocher zu vermeiden.
Idiopathische Cyste ist mit dem Darm zu anastomosieren. Neueste
Statistiken der Ektomie und Drainage ergeben 2—3 pCt. Mortalität und
über 90 pCt. Dauererfolg.
Nochmalige Betonung der Wichtigkeit den Bedürfnissen des Indi¬
viduums im Einzelfalle Rechnung zu tragen und allzu strenge Schemati¬
sierung zu vermeiden.
Hr. Schnltze-Posen: Zar Chirargie der akuten Cholecystitis.
Die Aetiologie der akuten Cholecystitis ist keine einheitliche. Io
einem Falle sind die Steine bzw. die durch sie hervorgerufeDe Stauung
das Primäre, dem dann die Infektion des Blaseninhaltes folgt; im
anderen Falle tritt unabhängig vom Vorhandensein von Steinen auf dem
Wege der Metastase eine Phlegmone der Blasenwand zuerst auf. Da¬
zwischen viele Mischfälle. Die akute Cholecystitis erheischt die Früh¬
operation, und zwar mit Entfernung der Gallenblase als Operation der
Wahl. Cholecvstostomie nur in Ausnahmefällen. Die Gründe, die be¬
sonders von ausländischen Autoren gegen diesen Standpunkt angeführt
werden, können als berechtigt nicht anerkannt werden, insbesondere sind
physiologische Schädigungen nach dem Verlust der Gallenblase nicht
mit Sicherheit erwiesen und klinisch nicht beobachtet. Unter 25 selbst¬
beobachteten Fällen wurde 21 mal die Ektomie ausgeführt. Kein Todes¬
fall, Heilung in durchschnittlich 29 Tagen. In 4 Fällen mit sehr
schlechtem Allgemeinbefinden Stomie mit einem Todesfall. Unter den
Ektomiefälien waren zwei mit galliger Peritonitis ohne Perforation an
den Gallenwegen. Beide wurden geheilt.
Hr. Baruch: Zar Pathologie des Aneurysma arteriae hepatieae.
Vortr. spricht an der Hand eines von ihm operierten Falles über
die Erfahrungen der vier übrigen Chirurgen, die dieses seltene Leiden
während der Operation entdeckten. Nur besonders günstige Umstände
werden eine Diagnose vor der Operation erlauben. Differentialdiagnostisch
neben den Kompressionserscheinungen sind jugendliches Alter, männ¬
liches Geschlecht und durchgemachte rechtsseitige Pneumonien zu ver¬
werten. Therapeutisch kommt die Unterbindung des erkrankten Ge-
fässes nur dann in Frage, wenn eine rückläufige Blutung aus der Leber¬
arterie nachgewiesen werden kann. Andernfalls soll zweizeitig operiert
werden.
Hr. Borchard- Posen: Demonstration eines Präparates von Cartiao®
der Gallenblase, das mit Leberresektion und Ausräumung der Drüsen
am Cysticus radikal entfernt werden konnte (Heilung und Recidivfreiheit
nach 3 / 4 Jahren). Das Präparat zeigt einen kleinapfelgrossen Tumor
von dem vorderen Rand der Gallenblase, die mit Steinen und eitrigem
Inhalt gefüllt war, ausgehend, der die Leber durchwachsen hatte. Im
Anschluss daran wird das Krankheitsbild des Gallenblasencarcinoms,
die Indikationsstellung besprochen.
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Diskussion.
Hr. V. E. Mertens-Zabrze erwähnt einen anderweitig zu publi¬
zierenden Fall von Choledocbustumor, den er bei einer 36 jährigen
Patientin fand. Choledochus, Gallenblase und Magen waren miteinander
verlötet und kommunizierten an dieser Stelle. Im Choledochus sass ein
14 mm langer, 5—6 mm dicker Zapfen, der sieh anatomisch (Prosektor
Dr. Stahr - Danzig) als Adenomyofibrom erwies und samt einem Stück
Choledochus entfernt wurde. Die Patientin ist jetzt gesund.
Hr.-Pendl berichtet über einen Fall von akuter eitriger Entzündung
der Gallenblase, in deren Inhalt Typhusbacillen in Reinkultur vor¬
gefunden wurden; in der Gegend der Cysticusmündung lag ein Stein.
Die Patientin wurde am 13. Januar 1914 operiert (Cholecystektomie).
Am 26. Januar waren noch Typhusbacillen im Stuhl nachweisbar; das
Blut war kulturell steril. Agglutination 1 :80. Am 5. Februar waren
die Typhusbacillen aus dem Stuhl definitiv verschwunden. In diesem
Falle beseitigte also die Cholecystektomie ohne Hepathicusdrainage die
Bacillen dauernd aus dem Stuhl.
Hr. Goebel ist kein Anhänger der Cbolecystostomie, der Fall des
Herrn Borchard spricht wiederum für die Unzulänglichkeit der Ope¬
ration. Wo irgend angängig, ist Cholecystektomie und primärer Bauch¬
deckenschluss, wenigstens mit nur kleinem Drainloch, anzuwenden. Die
primäre Exstirpation (Frühoperation) wäre ebenso wie beim Appendix
das Erstrebenswerte. In Fällen akutesten Hydrops, in denen äussere
Verhältnisse (dicke Bauchdecken, schlechtes Allgemeinbefinden, ungünstige
Operationsverhältnisse, z. B. der Assistenz) die Exstirpation der Gallen¬
blase zu schwierig machen, hat er sich ein paarmal mit der Punktion
der Gallenblase begnügt — Steine nicht nachweisbar. Das Organ wurde
an das Peritoneum parietale angeheftet, ein dünner Tampon bis auf
dasselbe durch die Bauchdecken geführt und letzterer im übrigen ge¬
schlossen. Reaktionslose Rekonvaleszenz. Die Patienten sind ohne Be¬
schwerden entlassen und nicht wieder gekommen, was ja allerdings nicht
beweist, dass sie nicht erneute Anfälle erlitten haben.
Hr. Küttner fragt, ob bei allen operierten Typhusbaoillenträgern
die exstirpierten Gallenblasen steinhaltig gewesen sind. Soweit K. die
Literatur übersieht, ist dies stets der Fall gewesen, so dass offenbar
die Concremente die Ansiedelung und das Verweilen der Typhusbaoillen
begünstigen.
Hr. Hüben er-Liegnitz erinnert hinsichtlich der Dauer des symptom¬
losen Aufenthaltes von Typhusbacillen im Organismus an einen von ihm
publizierten Fall von Strumitis typhosa aus der v. Mikulicz’schen
Klinik, in welchem sich etwa 26 Jahre nach einem überstandenen Typhus
echte Typusbacillen aus dem Strumitiseiter isolieren Hessen. Durch
genaue Nachforschungen liess sich feststellen, dass die Patientin seit
dieser Zeit eine Erkrankung an Typhus nicht mehr durchgemaoht hatte.
Auch sonst sind analoge Fälle in der Literatur beschrieben.
Hr. Jeger-Breslau kann auf Grund zahlreicher Experimente be¬
stätigen, dass eine Abklemmung des Ligamentum hepatoduodenale zwecks
blutleerer Ausführung von Leberoperationen unzweckmässig ist, da eine
40 Minuten überschreitende Kompression der Vena portae im allgemeinen
nicht vertragen wird. Ferner erwähnt er, dass es ihm einmal gelungen
ist, die Arteria hepatica bei einem Hund freizulegen, zu durchschneiden
und die Arterie durch Naht wieder zu vereinigen. Er empfiehlt daher,
künftig bei Aneurysmen der Arteria hepatica die Ausführung einer
idealen Aneurysraaoperation (je nach den speziellen Verhältnissen seit¬
liche Naht, End-zu Endnaht oder Gefässtransplantation) in Erwägung zu
ziehen.
Hr. Borchard-Posen spricht zur Operation der akuten Chole¬
cystitis und Choledochitis und empfiehlt die Frühoperation im akuten
Anfall bei höherem Fieber, peritonitischen Erscheinungen, Schüttelfrost
und wenn eine andere Eiteiinfektion vorhergegangen ist, die Erkrankung
der Gallenblase also eine Metastase darstellt. Wie die aus seiner Ab¬
teilung von Sobultze mitgeteilte Statistik beweist, sind die Resultate
gut. Tamponade und Drainage ist auf ein Minimum zu beschränken,
freie Netztraosplantation zur Blutstillung und Ausschaltung der Wund-
fiächen anzuwenden. Der Kehr’sche Schnitt gibt gute Qebersicht bei
geringer Hernienbildung. Als Methode der Wahl kommt nach Revision
der Gallengäoge die Cholecystektomie in Betracht, nur bei besonderen
Verhältnissen (schwerem Collaps) die Cholecystostomie.
Hr. Baruob: Nach den Erfahrungen der Breslauer Klinik gehört
dw Carcinom der Gallenblase und der Gallengänge zu den ungünstigsten,
die wir überhaupt kennen. Die meisten Carcinorae sind bereits inoperabel,
wenn sie zu diagnostizieren sind. Aber auch in denjenigen Fällen, in
denen ein kleines Caroinom gelegentlich einer unter falscher Diagnose
unternommenen Operation entdeckt wird, können selbst ausgedehnte
Operationen den Kranken nicht retten- So ging ein auf die Gallenblase
beschränktes Carcinom, bei dem B. eine Keilresektion aus der Leber
machte und die — carcinomfrei befundenen — Drüsen ausräumte, naoh
5 Monaten an Caroinom zugrunde. Drei weitere radikal operierte
Patienten erlagen ihrem Leiden in 4—6 Monaten. Bei den übrigen
Patienten musste man sich mit Probelaparotomien bzw. Palliativ-
operationen bescheiden. Bei ersteren betrug die primäre Mortalität
pCt. Dringendst zu warnen ist vor Palliativeingriffen, bei denen
nioht weniger als 75 pCt. primäre Mortalität zu beklagen war.
Hr. Kftttner: Zir Gallensteinehirnrgie.
Vortr. gibt seinem Erstaunen Ausdruck, dass manche Operateure
so häufig die Kooher’sche Mobi lisi erung des Duodenum und die trans¬
duodenale Choledochotomie aaszuführen genötigt sind. Selbst bei dem
ungewöhnlich schweren Breslauer Gallensteinmaterial — in 75 pCt. aller
Fälle waren Choledochuskomplikationen vorhanden — gehörten die ge¬
nannten Eingriffe zu den Seltenheiten, fast stets kam man mit der supra¬
duodenalen Choledochotomie aus. Dass zwischen den amerikanischen
und deutschen Chirurgen so grosse Differenzen bezüglich der Frage der
Gallenblasenexstirpation bestehen, erklärt sich daraus, dass in dem
operationsfreudigen Amerika die Fälle im allgemeinen weit früher zur
Operation gelangen. Bei der Choledochotomie forciert Vortr. unter
schwierigen Verhältnissen die Exstirpation der Gallenblase nicht immer,
sondern eröffnet sie, räumt sie aus, und näht wasserdicht ein Drain ein,
ohne die meist geschrumpfte Gallenblase an die Bauchwand zu fixieren.
Die Schwierigkeiten wiederholter Eingriffe 9ind weniger durch eine
vorausgegangene Exstirpation, als durch die oft ungeheuren Verwachsungen
bedingt. Bei der Hepaticusdrainage verwendet Vortr. das T-Rohr nicht
mehr, sondern drainiert meist nur den Hepaticus; wenn nötig jedooh
auch den Choledochus mit einem besonderen Rohr, durch das man im
Notfälle den Patienten während der ersten Tage künstlich ernähren
kann. Von Spülungen ist er abgekommen. Bei der einfachen Chole¬
cystektomie schliesst er die Bauchhöhle gern primär, da die Blutung
aus dem Gallenblasenbett bei subseröser Exstirpation leicht zu stillen
ist, überhaupt tamponiert er äusserst sparsam. Die Tampons werden
frühzeitig entfernt, meist unter Zuhilfenahme einer Morpbiuminjektion,
in Ausnahmefällen auch im Aetherrauscb. Die nach Gallensteinoperationen
so häufige Magenatonie verliert sich oft, nicht immer, prompt nach
Entfernung der Tampons. Was die Indikationsstellung bei der akuten
Cholecystitis anlangt, so steht Vortr. auf dem Standpunkt der Früh¬
operation aller irgendwie schweren Fälle. Beim akuten Choledochus-
verschluss ist er zurückhaltender, doch operiert er sofort bei septischen
Erscheinungen und wartet auch sonst nicht länger als 8 — 10 Tage.
Bei jedem Icterus gebt der Operation eine intensive Behandlung mit
Chlorcalcium, Calcine, Gelatine voraus, trotzdem bleibt die hämorrhagi¬
sche Diathese die gefährlichste Komplikation. Das Carcinom wird bis¬
weilen übersehen, man soll alle irgendwie verdächtigen Gallenblasen
mikröskopisch untersuchen. In zwei Fällen fand sich der Krebs histo¬
logisch — und der Verlauf bestätigte die Diagnose —, wo die Operation
wegen heftiger akuter Cholecystitis ausgeführt worden war.
Hr. BoTehard-Posen berichtet über 2 Fälle von doppelter Invagi-
nation bei Kindern. Einmal wurde bei der Operation einer lovaginatio
ileocolica eine solche des obersten Jejunums übersehen (Exitus), ein
andermal trat nach Lösung einer Invaginatio ileocolica 10 Tage später
eine Invagination in der Mitte des Ileum ein, die ebenfalls operativ be¬
seitigt werden konnte (Heilung).
Hr. v. Mieczkowski-Posen:
Beiträge zir Klinik und Lokalisation der Dermoide.
1. Ein in der rechten Lumbalgegend bei einem 41jährigen alten
Fräulein lokalisiertes retroperitoneales Dermoid, das 10 Tage vor der
Operation vereiterte und einen perityphlitischen Abscess vortäuschte.
Nach langdauernder Eiterung Ausgang in Heilung nach 3 Monaten.
2. Ein Ovarialdermoid, das auf der rechten Darmbeinschaufel fixiert
war und wegen Stieldrehung in Gangrän überging. Auch hier lautete
die Diagnose: Perityphlitis abscedens. Exstirpation des Tumors. Heilung
in 3 Wochen.
3. Einem 28 jährigen Diener wurde ein sanduhrförmiges Dermoid
exstirpiert. Der eine Sack lag auf dem rechten M. glutaeus, der andere
unterhalb des Trochanters, die VerbinduDgsbrücken beider auf dem
Trochanter.
Diskussion.
Hr. Goebel hat in Aegypten einen grossen, mehrfach fistulösen
Tumor der Trochantergegend eines alten Fellachen operiert, der sich als
ein Dermoid entpuppte. Er erstreckte sich nach vorne in die Leisten-,
naoh hinten in die Glutäalgegend und wies auch Verkalkungen auf. Die
Operation war eine sehr ausgedehnte und schwierige wegen zahlreicher
entzündlicher Verwachsungen.
Hr. Weil demonstriert ein grosses vereitertes retroperitoneales Dermoid,
das bei einem 14 jährigen Jungen in der linken Nierengegend beobachtet
wurde. Inhalt: Cholestearinbrei, Knochen, Zähne und zungenähnliches
Gewebe.
Hr. Eyff-Nimptsch berichtet über eine Dermoidcyste im Bereich des
Steissbeins bei einer 20 jährigen Dame.
Klagen: Leichte Spannung. Geringfügiges Nässen aus einigen steck¬
nadelfeinen Oeffnungen. Inzision eröffnet die Höhle und lässt atherom¬
breiähnliche Massen nebst einer grösseren Zahl feiner Härchen erkennen.
Exzision. Offene Behandlung. Heilung.
Hr. Küttner: Die Dermoide über dem Kreuzbein gehören zu den
häufigsten, die der Chirurg zu sehen bekommt. Die aus ihnen hervor¬
gehenden Fisteln werden oft mit tuberkulösen Knochenfisteln verwechselt,
die jedoch an dieser Stelle entschieden seltener siüd. Ausserdem lässt
die mediane Lage, die völlige sonstige Gesundheit der Patienten und
das gelegentliche Hervorragen feiner Haare aus den meist multiplen,
nahe beieinanderliegenden Fisteln die richtige Diagnose stellen.
(Schluss folgt.)
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UMIVERSITY OF IOWA
1588
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 84.
Aufruf!
Ihre Majestät die Kaiserin und Königin haben dem Präsidium des
Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose Allerhöcbst-
ihre lebhafte Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass die unter Auf¬
wendung grosser Mittel erreichten glänzenden Erfolge in der Bekämpfung
der Tuberkulose durch den uns aufgezwungenen Krieg in Frage gestellt
werden könnten. Selbstverständlich erfordert die augenblickliche Not
des Vaterlandes, dass alle verfügbaren Kräfte und Mittel zuerst dafür
eingesetzt werden, um den Sieg zu erringen und für die Opfer des
Kampfes, unsere verwundeten und kranken Krieger, zu sorgen. Dadurch
werden nicht nur die grössten Anforderungen an die öffentliche Wohl¬
tätigkeit gestellt, sondern es werden auch eine grosse Anzahl derjenigen
Personen, die sich in Friedenszeiten der Tuberkulosebekämpfung wid¬
meten, dieser Tätigkeit entzogen. Schon haben zahlreiche Lungenheil¬
stätten geschlossen werden müssen und viele Auskunfts- und Fürsorge¬
stellen für Lungenkranke ihre vorbeugende Tätigkeit eingestellt. Damit
erhebt sich die Gefahr, dass der Kampf gegen die Tuberkulose, den
gefährlichsten Feind des Volkes, erlahmen könnte. Aber noch weit
Schlimmeres ist zu befürchten. Durch die vorzeitige Entlassung von
Kranken mit offener Tuberkulose aus den Heilstätten werden die Keime
der Tuberkulose im Volke verbreitet. Durch die Schliessung der Aus¬
kunfts- und Fürsorgestellen wird den Kranken Hilfe und Beratung ent¬
zogen und der Ansteckung der gesunden Familienmitglieder durch die
Kranken Tür und Tor geöffnet. Es sollte aber gerade während der
Kriegszeiten alles geschehen, um zu verhüten, dass dieser Würgeengel
von neuem sein Haupt erhebe; denn sonst droht unseren aus dem Kriege
heimkehrenden Volksgenossen in der Heimat, am eigenen Herd, eine
neue, viel schlimmere Gefahr, als der Krieg gegen den äusseren Feind.
Es ergeht deshalb der Aufruf an alle diejenigen Stellen, die sich
bis jetzt mit der Tuberkulosebekämpfung beschäftigt haben, diese Tätig¬
keit auch während des Krieges fortzusetzen und mit allen Kräften dafür
zu sorgen, dass der Gefahr einer erneuten Ausbreitung der Tuberkulose
in unserem Volke wirksam begegnet werde. Die Tuberkulosefürsorge
darf keine Unterbrechung erfahren; wer immer, sei es beruflich, sei es
ehrenamtliob, in der Fürsorge für die Tuberkulösen tätig gewesen ist,
möge auf seinem Posten verharren, und mögen sieh, wo Lücken in den
Reihen der Tuberkulosekämpfer entstanden sind, recht bald freiwillige
Helfer und Helferinnen finden, die bereit sind, an diesem edlen Werke
für die Volksgesundheit mitzuarbeiten.
Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose wird
naoh dem Wunsche Ihrer Majestät der Kaiseriu in unveränderter Weise
bemüht sein, die Tuberkulosearbeit zu fördern und auch während des
Krieges Hat und Hilfe in allen auf die Tuberkulosebekämpfung bezüg¬
lichen Angelegenheiten zu gewähren.
Berlin, den 15. August 1914.
Das Präsidium des Deutschen Zentralkomitees
zur Bekämpfung der Tuberkulose.
Delbrück, Vorsitzender. Dr. Helm, Generalsekretär.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der Magistrat hat eine besondere Kommission zur vorbera-
tenden Bearbeitung aller den städtischen Sanitätsdienst während des Krieges
betreffenden Maassnahmen eingesetzt, der die Städträte Geheimrat
Dr. Strassmann, Selberg und Runge, Magistratsrat Dr. Gordan,
der ärztliche Direktor des Rettungswesens Dr. Frank, der Leiter des
Bureaus der Krankenanstalten Oberstadtsekretär Geissei angeboren.
Es ist zweckmässig, alle Anträge, Anregungen, Anfragen, Meldungen
usw., die den Sanitätsdienst in der Stadt betreffen, ausschliesslich an
das Bureau der Krankenanstalten zu Händen des Oberstädtsekretärs
Geissei gelangen zu lassen.
— Der Orientierungskurs für freiwillige Kriegsärzte,
welcher vom Centralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen unter
Förderung des Kriegsministeriums im Kaiserin Friedrich-Hause veranstaltet
wird, hat unter den Aerzten von Gross-Berlin einen derartigen Anklang
gefunden, das9 eine Wiederholung des Kurses vom 21.—25. August in
den Abendstunden von S l J 2 —10 Uhr im Kaiserin Friedrich-Hause statt¬
findet. Daselbst werden Teilnehmerkarten in der Zeit von 9—4 Uhr
gegen eine Einschreibegebühr von 2 M. (zum Besten des Roten Kreuzes)
entgegengenommeo. Eine weitere Wiederholung ist nicht vorgesehen.
— Für Kriegsärzte veranstaltet das Zentralkomitee für das ärztliche
Fortbildungswesen in Preussen einen Demonstrationskurs der
topographischen Anatomie, mit besonderer Berücksichtigung der
Schussverletzungen, der von Herrn Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Wal-
deyer yoq Montag den 24. bis Sonnabend den 29. August, mittags von
1 Uhr (pünktl) bis 2 Uhr im Anatomischen Institut, Luisenstrasse 52,
abgehalten wird. Zutritt hat jeder reichsdeutsehe Arzt, soweit der Platz
ausreicht (ca. 350 Plätze), gegen eine Einschreibegebühr von 2 M., die
für das Rote Kreuz bestimmt ist. Die Karten werden von 12 Uhr ab am
Eingang des Hörsaals ausgegeben.
— Ein Kurs über spezielle Kriegschirurgie ist für die
nächste Zeit in Aussicht genommen. Nähere Auskunft von Montag ab
im Kaiserin Friedrich-Haus, NW. 6, Luisenplatz 2—4.
— Die Darlehaskommission der Berlin-Brandenburger Aerztek&mmer
bat die Gewährung zinsloser Darlehen an kriegsdienstleistende Aerzte
und deren Familien beschlossen.
— Unter den ersten Opfern, die der Krieg gefordert hat, befindet
sieb, wie wir mit tiefer Teilnahme melden, der einzige Sohn des bis¬
herigen Direktors der Charitö, Obergeneralarzt Scheibe. Auch Exzellenz
Erb in Heidelberg hat den Tod eines Sohnes zu beklagen.
— Die diesjährige Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte,
die im September in Hannover stattfinden sollte, fällt des Krieges
wegen aus.
— Angesichts des nunmehr ausgebrochenen Krieges dürften folgende
Angaben über die militärärztliche Versorgung des uns verbündeten
Oesterreich von Interesse sein. Der Gesamtbestand an aktiven Militär¬
ärzten beträgt bei dem k. und k. gemeinsamen Heere 1091, bei der
k. und k. Kriegsmarine 86, bei der österreichischen Landwehr 218, bei
der ungarischen 157: das sind zusammen 1552 Personen des ärztlichen
Aktivstandes. Dazu treten naoh dem österreichischen Jahrbuch für
Militärärzte von 1914 an Reserve-Militärärzten in der gleichen Reihenfolge
wie oben 1198, 30, 299 und 205, das sind zusammen 1752 Reserve -
Militärärzte.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 3. Kl. mit der Königl.
Krone: Med.-Rat Prof. Dr. Krukenberg, dirigierender Oberarzt am
Herzogi. Krankeohause in Braunschweig.
Roter Adler-Orden 4. KL: Königl. bayerischer Oberstabsarzt Dr.
Schmitt, Regimentsarzt des 2. Fussartillerieregiments.
Königl. Kronen-Orden 3. KL: Königl. bayerischer Generaloberarst
Dr. Fruth, Garnisonsarzt in München; Königl. württemb. General¬
oberarzt Dr. Hopfengärtner, Divisionsarzt der 38. Division, bisher
im Kriegsministerium.
Charakter als Medizinalrat: Privatdozent und Mitglied des Medi-
zioalkollegium9 der Rheioprovinz, Prof. Dr. R. Thomson in Bonn.
Zum Dr. med. promoviert: Arzt W. Gordon in Hildesheim.
Ernennung: Privatdozent Prof. Dr. B. Heymann in Berlin zum Ab¬
teilungsvorsteher am Hygienischen Institut der Universität daselbst.
Versetzung: Kreisarzt Dr. Ehlers von Grosskamsdorf nach Genthio.
Zu besetzen: die Stelle des Kreisassistenzarztes und Assistenten bei
dem Medizinaluntersuchungsamt in Hannover. Jahresrerauneration2500K.
Bakteriologische Vorbildung erforderlich. Die Stelle kann auch einem
noch nicht kreisärztlich geprüften Arzte vorläufig kommissarisch über¬
tragen werden, wenn er den Bedingungen für die Zulassung zur kreis-
ärztlichen Prüfung genügt und sich zur alsbaldigen Ablegung der
Prüfung verpflichtet.
Niederlassungen: W. Zurbonsen in Göttingen, Dr. W. Raabe
in Fulda.
Verzogen: Oberarzt Dr. J. Janssen von Potsdam und Dr. R. Jenisch
von Berlin-Schöneberg nach Frankfurt a. M., Dr. E. Bindseil von
Eichberg nach Weilmünster, Dr. 0. Lade von Düsseldorf nach Eich¬
berg, Dr. H. Strakosch von Baden-Baden nach Laogenschwalbacb,
Dr. G. Erbach von Flonheim und Dr. J. M. Laurentius von Leipzig
naoh Wiesbaden, Dr. F. Mörchen von Ahrweiler nach Sonnenberg
bei Wiesbaden, Dr. H. Wolff von Strassburg nach Cöln, F. Bösen¬
berg von Klütz (Meckl.), 0. Erbach von Rastatt und 0. Fricke von
Bonn nach Godesberg, Aerztin Dr. M. Wolf von Tübingen, Dr. 0.
Homuth von Ohligs und Dr. H. Stamm er von Cöin nach Bonn,
R. Schürmann von Paderborn Dach Sulzbach, Dr. A.Brunke von
Chile, Dr. L. Cohn von Mannheim, F. Sobolowski und Dr. F.
Westhoff von Charlottenburg, R. Fiebach von Königsberg i. Pr.,
Dr. S. Klempner von Berlin-Schöneberg, Dr. E. Miller und Dr. G.
Riemann von München sowie Dr. H. Schmidt von Berlin-Wilmers¬
dorf nach Berlin, Dr. R. Lenel von Freiburg und Dr. E. Schede von
Magdeburg nach Charlottenburg, Dr. M. Kruchen von Rudolstadt
und Dr. W. Mi rauer von Mannheim nach Berlin-ScbÖneberg, Dr. E.
Martin von Berlin-Schöneberg nach Berlin-Wilmersdorf, A. Kiehl von
Bingen a. Rh. nach Bergquell (Bez. Stettin), Dr. Schacht von Berlin
nach Wiesbaden, J. Stawicki von Breslau nach Jastrzemb, Dr. H.
Büttner von Gera nach Kleinschmalkalden, Dr. F. Scheidler von
Königshütte nach Volkmarsen, Dr. A. Noelle von Essen (Ruhr) nach
Hessisch-Lichtenau, Dr. F. W. Gille von Strassburg nach Saar¬
brücken.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. B. Gutkind
von Berlin auf Reisen.
Gestorben: Dr. J. Brix und Geh. Med.-Rat Prof. Dr. H. Fasbender
in Berlin, Kreisarzt a. D., Geh. Med.-Rat Dr. Th. Frey er in Nau-
gard, San.-Rat Dr. K. Schwarz in Stettin, Dr. L. Buppert in
Kleinschmalkalden.
För die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayreather BtrtsM4i.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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St 1330 bcs Kriegsfanitätsbienftes.
Beilage jur Berliner fltnifdjen iDocfyenfcfyrift, Br. 35.
(Perla$ r>oit 21 uft fjirfdjnntlb, Berlin HIP. 7, Unter beu Cinben <>8.)
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(Etappengebiet
Einiges über die Kis
Von den zahlreichen Zivilärzten, die sich jetzt in den Dienst
der Armeeverwaltung stellen, werden manche mit dem Kriegs¬
sanitätsdienst nicht vertraut sein. Viele dem „gedienten“ Arzt
geläufigen Begriffe sind ihm fremd oder doch in ihrer Bedeutung
nicht völlig klar, nnd so dürfen wir hoffen, mit den nachfolgenden
Ausführungen ihnen den Eintritt in den neuen Wirkungskreis zu
erleich e Kartengkizze j st mit E r \ ail bni8 der Medizinalabteilung
des Kriegsministeriums der „Kriegssanitätsordnung“ vom 17. Januar
1907 entnommen. _ . . . ,
Beginnen wir zunächst mit dem Dienst bei den höheren
Komroandobehörden, so liegt die Leitung des gesamten Sanitäts¬
dienstes in den Händen des Chefs des Feldsanitätswesens
(in Friedenszeiten ist sein Titel Generalstabsarzt der Armee);
er befindet sich im grossen Hauptquartier, also am Sitz des
Kommandos über das gesamte Heer, und er ist der unmittelbare
Vorgesetzte des gesamten Sanitätspersonals im Felde, Etappen-
und Heimatgebiet. Unter ihm folgen die Armeeärzte, deren je
einer jedem Armeeoberkommando zugeteilt ist. Jede Armee be¬
steht aus mehreren Korps, an deren Spitze jeweils ein General¬
kommando steht, dem ein Korpsarzt angehört; jedes Korps aus
Divisionen, dem je ein Divisionsarzt zugehört.
Bei jedem Generalkommando befindet sich ausserdem ein
beratender Chirurg“, der aus der Reihe der Chirurgen von an¬
erkannter wissenschaftlicher Tüchtigkeit ausgewählt wird und,
falls er nicht schon dem Heere angehört, einen bestimmten mili¬
tärischen Rang erhält. Eine Parallelstellung nimmt der „beratende
Hygieniker“ ein, der jedoch nicht der mobilen Truppe, sondern
dem „Etappenarzt“ zugeteilt ist, aber bei Bedarf auch im Opera¬
tionsgebiet Verwendung finden kann. ...
Aus den nun weiter folgenden Abstufungen ist noch ein be¬
sonderer Sanitätskörper herauszuheben, die Sanitätskompag¬
nien, wovon eine jeder Infanteriedivision zugeteilt wird.
Etwa gleichbedeutend mit der Sanitätskompagnie ist der Aus¬
druck Sanitätsstaffel, der sich auf die Kavallerie bezieht, aber nur
bei Bedarf aus dem Sanitätspersonal der Truppe formiert wird.
Kommen wir nun zu unserer Skizze, so ergibt sich zunächst
eine Einteilung in das „Operationsgebiet“, das „Etappen¬
gebiet“, dessen Unterabteilung gegebenenfalls ein „General¬
gouvernement“ (z. B. bei Errichtung eines solchen in einem
eroberten Land) darstellt und das „Heimatsgebiet“.
Operationsgebiet. Bei Märschen grösserer Truppeo¬
verbände wird vor dem Uebergang zur Ruhe ein Kranken¬
sammelpunkt bestimmt, an welchen die zurückzulassenden
Kranken zu schicken sind. Bei längerer Ortsunterkunft werden
nach Bedarf Ortskrankenstuben bzw. Ortslazarette ein¬
gerichtet nach den im Frieden geltenden Grundsätzen.
Im Gefecht werden bei Eintritt grösserer Verluste Truppen¬
verbandplätze eingerichtet.
Diese sind in nächster Nähe der fechtenden Truppe, tunlichst
geschützt gegen feindliches Feuer, anzulegen. Es ist wünschens¬
wert, dass für jedes Regiment ein Truppenverbandsplatz errichtet
wird, doch sind Abweichungen unter Umständen notwendig und
gestattet. Der Truppenverbandplatz wird vom Sanitätspersonal
des betreffenden Truppenkörpers versorgt; doch hat ein Teil der
Sanitätsoffiziere und des Personals unmittelbar der Truppe ins
Gefecht zu folgen.
Etwas rückwärts liegt der Hauptverbandplatz. Er soll
dem Gewehrfeuer, tunlichst auch dem Gescbützfeuer entzogen,
in der Nähe einer fahrbaren Strasse und von Feuer- und Wasser-
I stellen gelegen sein. Er soll in grösserem Maassstabe für die
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Verwundeten sorgen und ihre eventuelle Ueberföhrung in die
Feldlazarette vermitteln. Den Dienst auf dem Hauptverband¬
platz übernimmt die Sanitätskoropagnie.
Feldlazarette besitzt jedes Armeekorps, wie oben erwähnt,
12. Sie sollen den schwerer Verwundeten so lange Lazarettpflege
angedeihen lassen, bis eine Rückbeförderung oder Uebemahme
durch die Etappe möglich ist. Jedes Feldlazarett ist für die
Aufnahme von 200 Verwundeten ausgerüstet, kann jedoch noch
erweitert werden.
Um die Truppen- und Hauptverbandplätze von den marsch¬
fähigen Kranken zu entlasten, wird ausserdem vom Divisionsarzt
ein Leichtverwundetensammelplatz eingerichtet; er soll
weiter zurückliegen und ein Bindeglied zu den Etappen darstellen;
doch wird ein Teil der Verwundeten von hier aus wieder nach
vorwärts zur Truppe beordert.
Der Reservedivision werden eine Reservesanitätskom¬
pagnie und vier Reservefeldlazarette überwiesen.
Die mobilen Landwehrtruppen sind anf ihre eigene
Sanitätsausrüstung bzw. die des Etappengebiets angewiesen.
Etappengebiet. Es zerfällt in Etappeninspektionen.
Den Sanitätsdienst im Bereich einer solchen Inspektion leitet der
Etappenarzt. Wie oben bemerkt, ist dem Etappenarzt für den
Gesundheitsdienst ein beratender Hygieniker beigegeben und
für jedes Armeekorps ein Kriegslazarettdirektor. Für den
Dienst in den Kriegslazaretten sind die Kriegslazarett-
abteilungen bestimmt, in welchen neben Militär- auch Zivil¬
ärzte Verwendung finden. Die Kriegslazarette sind zur Ab¬
lösung der Feldlazarette bestimmt, welch letztere sich mit ihrer
Truppe weiter zu bewegen haben; darin liegt gegeben, dass auch
die Kriegslazarette weiter wandern durch Umwandlung von Feld- in
Kriegs!azarette. Anders die nun folgenden Etappenlazarette.
Diese sind am Etappenhauptort und nach Bedarf an anderen
geeigneten Orten festgelegt. Sie nehmen Kranke der Etappen¬
truppe und Behörden, sowie der Transporte auf, sowie gegebenen¬
falls Verwundete, die nach einem Gefecht in den Feldlazaretten
keine Aufnahme mehr finden können. Ihre Chefärzte dürfen nur
aktive oder ehemalige Sanitätsoffiziere sein. Stehen solche nicht
zur Verfügung, so sind Lazarettkonimissionen aus je einem
Offizier und einem Zivilarzt zu bilden. Unter- und Parallel-
abteilungen der Etappenlazarette sind Leich tkrankenabtei-
lungen, Seuchenlazarette, Genesungsstätten.
Heimatsgebiet. Die im Frieden bestehenden Sanitäts¬
inspektionen werden aufgelöst; die Leitung des gesamten Sanitäts¬
wesens im Besatzungsheere wird nach den Friedensbestimmungen
von der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums geführt. Und
wie für jedes Generalkommando eines Armeekorps, das ja im
Felde ist, ein stellvertretendes Generalkommando eingesetzt wird,
so für jeden Korpsarzt ein stellvertretender Korpsarzt. Auch ihm
können nicht dienstpflichtige fachärztliche Beiräte zur Seite ge¬
stellt werden.
Alle Lazarette im Heimatgebiet heissen von der Mobilmachung
ab Reservelazarette, die in Festungen Festungslazarette.
Der Transport der Kranken erfolgt zunächst per Wagen,
dann mit Hilfe von eigenen Lazarettzügen und HilMazarettzügen,
sowie Lazarettschiffen und Hilfslazarettschiffen. Diese Lazarett¬
züge sind geschlossene Formationen mit ständigem Personal und
schon im Frieden vollständig bereit gestellter Einrichtung, die
einem Chefarzt unterstellt sind, der ein aktiver oder reaktivierter
Sanitätsoffizier sein soll. Hans Kohn.
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Die Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden
Montau in Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4 . —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmon
«Ue Buchhandluitgon und Postanstalten an.
BERLINER
Alle ‘Einsendungen für die Kedakti^n and Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschnald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinal Verwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. August llirscliwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Moutag, den 31. August 1914. J»2 35. Einundfünfzigster Jahrgang.
INHALT.
Originalien : Coenen: Handkrebs als Spätfolge einer Kriegswunde?
(Aus der Königl. chirurgischen Klinik in Breslau.) (Illustr.) S. 1589.
Kohrs: Das cytologische Bild der Iutracutanreaktionen mit den
Deycke-Much’schen Partialantigenen der Tuberkelbacillen und dem
Alttuberkulin. (Aus der Direktorialabteilung des Allgemeinen
Krankenhauses zu Lübeck.) (Illustr.) S. 1590.
Meyer: Ueber Neuralgia bracbialis und ein eigentümliches Symptom
bei derselben. (Illustr.) S. 1593.
Ehrmann: Zur Diagnostik der Erkrankungen der Lungenspitzen.
(Aus dem medizin.-poliklin. Institut der Universität Berlin.) S. 1596.
Bächerbesprechangen : Brauer, Schröder und Blumenfeld: Hand¬
buch der Tuberkulose. S. 1597. (Ref. Alexander) — Rovsing:
Die Gastro-Coloptosis, ihre pathologische Bedeutung, ihre Krank¬
heitsbilder, Diagnose und Behandlung. S. 1598. (Ref. Ewald.)
Literatur-Auszüge: Therapie. S. 1598. — Allgemeine Pathologie und
pathologische Anatomie. S. 1599. — Diagnostik. S. 1599. — Para¬
sitenkunde und Serologie. S. 1599. — Innere Medizin. S. 1599. —
Chirurgie. S. 1600. — Röntgenologie. S. 1600. — Haut- und
Geschlechtskrankheiten. S. 1600. — Geburtshilfe und Gynäkologie.
S. 1600. — Technik. S. 1600.
VerhandluDgen ärztlicher Gesellschaften: Südostdeutsche Chir-
urgen-Vereinigung. S. 1600. — Aus Pariser medizinischen
Gesellschaften. S. 1603.
Tagesgeschichtliche Notizen. S. 1604.
Amtliche Mitteilungen. S. 1604.
Beilage: Einiges über die Kriegssanitätsordnung, mit Skizze.
Aus der Königl. chirurgischen Klinik in Breslau
(Direktor: Geheimrat Köttner).
Geschwulstknoten. Der linke Vorderarm ist rot und ödematös, in der
linken Achselhöhle sitzt ein hühnereigrosses Drüsenpaket unter deutlich
geröteter und mit Geschwulstknoten besetzter Haut (s. Abbildung 1).
Handkrebs als Spätfolge einer Kriegswunde?
Von
Prof. Dr. H. Coenen, Oberarzt der Klinik.
Ueber die Spätfolgen der Verwundungen im Kriege liegen
Dur einige zusammenfassende Berichte vor, obwohl es an Einzel¬
beobachtungen auf diesem Gebiete nicht mangelt. So starb
Ernst v. Bergmann (1907) an den Folgen eines im russisch¬
türkischen Krieg erworbenen Ruhrgeschwürs, dessen ringförmige
Narbe den Dickdarra verschlossen hatte. Da Narben, wie die
Friedenschirurgie lehrt, in nicht seltenen Fällen im höheren
Alter der Ausgang der Krebsentwicklung werden können, so
schwebt diese Gefahr über mancher ruhmvoll erworbenen Narbe
des Kriegsinvaliden, wenn auch dies Ereignis nicht häufig ist.
Wir beobachteten folgenden Fall:
Der jetzt 74jährige Eisenbahnscbaffoer K. Sch. aus Nieder-Salzbrunu
machte beim Grenadierregiment Nr. 10 die glorreichen Tage von Düppel
und Alsen (1864) mit. Am 3. Juli 1866 focht er unter der Fahne des
Breslauer Infanterieregiments Nr. 50 mit bei Königgrätz. Während
der Schlacht krepierte in seiner Nähe eine Granate; diese erfasste den
vor seiner Rotte marschierenden Feldwebel, ihn vollständig zerfleischend
und zugleich verschüttend; seinem Vordermann aus Habelschwerdt
riss sie ein Bein weg und ihm selbst zersplitterte sie, das rechte Bein
streifend, das Gewehr, welches er in der rechten Hand hielt. Hierbei
drang ein fingerlanger Holzsplitter in den rechten Handteller ein, der
zwei Tage später in Reichenbach (unter der Eule) entfernt wurde. Die
Wunde heilte gut und hinderte nicht, dass der alte Krieger im Jahre
1870/71 in Schweidnitz beim Gefangenendienst verwendet wurde und
auch späterhin seine rechte Hand gut gebrauchen konnte.
Erst im Anfang des Jahres 1913 bildete sich auf dem Rücken der
rechten Hand im Bereich der alten Kriegsnarbe eine warzenartige Wuche¬
rung, die sich der Patient zweimal hintereinander mit einem Rosshaar
abband. Bald darauf bildete sich ein Geschwür an dieser Stelle, das
sich schnell unter Eiterung vergrösserte. Jetzt sieht man bei dem ge¬
alterten, aber noch gut konservierten Krieger den ganzen rechten Hand¬
rücken zerstört und in ein Krebsgeschwür verwandelt, das die Haut und
btreckfasern vollständig bis an die Knoohen zerfressen hat, in der Tiefe
jaucht und von graugrünlichen Gewebsteilen ausgefüllt ist. Der Rand
springt wie ein dicker Wall hervor und zeigt mehrfache dickwulstige
Abbildung 1.
Handrückenkrebs bei einem 74 jährigen Invaliden.
Die Diagnose konnte keinem Zweifel unterliegen: in dem
Bereiche der alten Feldzugsnarbe aus dem Jahre 1866 hatte sich
nach 47 Jahren ein schnell wachsender Hautkrebs entwickelt, der
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UNIVERS1TV OF IOWA
rf.rliner klinische w ochenschw^
jetzt die Amputation des Ar d “ eS ““torge^chrTttenen Verbreitung
hOhle erforderte und wegen der wen 1 znliess.
in den Lymphwegen k ® lne ,f l S tion (Oberarzt Dr. Wrobel,
Am 22. Juh wurde die °P« raW ° D . 1 mikroskopische ünter-
Feldartillerie Regiment 21) gemacht. Die m,kro P
suchung ergab Plattenepithelkrebs.
„ Abbildung 2.
Schuss durch die Hand mit kleinem volaren Einschuss und grossem |
sternförmigen Ausschuss.
Die Hautkrebse an der Hand haben ihren bevorzugten Sitz
am Handrücken. Dies ist eine immer wiederkehrende Erschei¬
nung. In den 90er Jahren stellte E. v. Bergmann in der Klinik
einen alten Schäfer mit einem ähnlichen ausgebreiteten Hand-
, 1 ko vnr der seine Entstehung zurückleitete auf eine in
rückenkrebs vor der B d . e ^ ^
der Vater dicke wulstige Narben hinterlassen hatte. Einen
durch den v ® , , . h | n w j r j n derselben Klinik bei einem
08 jährigen*). Er hatte sich angeblich aus einem warzenartigen
Coachs entwickelt Kattne r’schen Klinik befinden sich
ln aer & Handrücken bei hochbetagten Patienten,
dre ‘ dcnen^eine/aulf eine Wunde der Kartoffelhacke zurückgeführt
Ä *von tÄÄÄ
ÄVlt Klarheit ÄS jSÄ -hl E
der"VV^ar'ze U der'Ausgaligspimkt^des zelsdörende^^Krebsge^diwüres
WUrd Mikroskopisch handelt es sich beim Handrückenkrebs
a'usgedehn te *'Vertaornung un^KÜgeS^htung nie-
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S.'feJX'S’JSWSiJtfÄSJ-
l"=^ 3 T i ; SS?=S
Erm€beÄs
er meist als vielfaches Krebsgeschwur auftntt und geraoe
""MSÄ - “ «S« I*'“ 7SSJÄS
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obachtung auch ein gewisses aktuelles Interesse ni Häufig-
denn die g !et1ten Balkaokriege haben von neuem die gnrsse Hinflg
ttn d bä üss ^
(s* Abbild. ^ Vdffibei zurückblmbenden N«benzerst»rungen
SÄKÄ Ättr
Vorstehenden für diese häufigen Han s n am it tritt aber
späteren Krebsentwicklung nicht »biuwdsen. ‘ Atzungen,
der Krebs ein in die Reihe der Spätfolgen der Kriegsverletz g
mit denen praktisch zu rechnen sein wird.
Aus der Direktorialabteilung des Allgemeinen Kranken¬
hauses zu Lübeck (Prof. Dr. Deycke)
Das cytologische Bild der Intracutianr«t* n
mit den Deycke-Much’schen P^^erkuUn.
der Tuberkelbacillen und dem AlttuberKuu
Von
Theodor Kohrs. ^
Während den roten Blutkörperchen im wesentliche^f j ffliner
Leben direkt erhaltende Tätigkeit zukomm , e ^er we j 8S en
mehr, dass es die Aufgabe wenigstens elD . Schädigung J es
Blutkörperchen ist, bei allgemein« oder loWe SJt ^ 6^, dje
Körpers schützend, abtötend und heilend einzugre
1) Langenbeck’s Arch., Bd. 78, S. 688, Fall 32.
2) Bruns’ Beitr., 1891, Bd. 7.
3) D.m.W., 1904, Nr. 30. 1909 Nr. 7.
4) Coenen, Das Röntgen oarcinom. 19 *
5) Beitr. z. Kriegsohirurgie, Rotes Kreuz, iyi^.
6) Bruns’ Beitr., 1914.
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Original from
31. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Phagocyteßtheorie, jedenfalls in dem anmittelbaren und univer¬
sellen Sinne Metschnikoff’s, für den Menschen mehr als pro¬
blematisch bleibt.
Es ist ferner gefunden worden, dass die polynucleären
Leukocyten wie auch die Lymphocyten diese Tätigkeit zum Teil
dem Umstande verdanken, dass sie für gewisse komplizierte che¬
mische Verbindungen fermentähnliche Stoffe besitzen oder pro¬
duzieren, die diese abzubauen vermögen.
Verschiedentlich ist darauf hingewieseu worden, dass ebenso,
wie Pepsin Eiweiss verdaut, wie Galle Fett spaltet usw., so auch
bestimmte Arten von weissen Blutkörperchen eine bestimmte
lytische Wirkung ausüben. Diese lytische Fanktion weisser Blut¬
zellen scheint auch bei der Bakteriolyse eine wichtige Rolle zu
spielen. Wie nun zur Verdauung der Nahrung die verschieden¬
artigsten Fermente nötig sind, da die Nahrung aus den ver¬
schiedensten Bestandteilen besteht, so sind auch mehrere ver¬
schiedene fermentartige Stoffe, kurz gesagt Antikörper nötig, um
ein Bacterium aufzulösen, da dieses, wie alle Lebewesen, nicht
aus einem einheitlichen, sondern aus verschiedenen, chemisch
ganz differenten Stoffen zusammengesetzt ist [Bergei 1 )].
Diese Erkenntnis, die für die säurefesten Bakterien besonders
von Deycke 2 ) chemisch näher erforscht und begründet wurde,
ist von Wichtigkeit bei der aktiven Immunisierung geworden.
Speziell beruht die therapeutische Methode von Deycke 2 ) bei
bei Lepra und das Immunisierungsverfahren von Deycke und
Much 8 ) bei Tuberkulose auf dieser Anschauung. Bei der Tuber¬
kulosebehandlung nach ihrem Programm wird angestrebt, dem
Körper die Bestandteile* des Bacillus in nativer Form und indi¬
viduell angepasster Dosis einzuverleiben und ihn so anzuregen,
die einzelnen nötigen fermentartigen Stoffe bzw. Reaktionskörper
zu bilden.
Eine Trennung der einzelnen Antigene ist durch eine mecha¬
nische Aufschliessung der Tuberkelbacillen nach Ansicht Deycke’s
und Much’s 4 ) nicht möglich, dagegen gelang es Deycke und
Much, auf chemisch-physikalischem Wege durch schwach kon¬
zentrierte Lösungen von organischen und anorganischen Säuren
(Salzsäure, Phosphorsäure, Milchsäure, Weinsäure, Zitronen¬
säure usw.) bei 56° Tuberkelbacillen so aufzuschliessen, dass sie
durch Filtration in ein Filtrat (L) und in einen Rücktand M.Tb.R.
zerlegt werden konnten.
L enthält alle löslichen Bestandteile der Bacillen, und der
Rückstand enthält: 1. die unlöslichen albuminoiden Sub¬
stanzen (A), 2. das Fettsäure-Lipoidgemisch (F), 3. das Neutral¬
fett (Tuberkulona8tin) (N).
In diesen Anfschliessungen (L -j- A -f- F -f- N) müssen sämt¬
liche Bestandteile der Tuberkelbacillen enthalten sein, und zwar
in nativer Form. Diese Stoffe verwenden Deycke und Much
zu immunisatorisch therapeutischen Zwecken, nachdem vorher
nachgewiesen war, dass Meerschweinchen und viele andere Tier¬
arten durch sie immunisiert werden konnten 8 ).
Von diesen Teilsubstanzen der Tuberkelbacillen konnten
Much und seine Schüler auf serologischem Wege zeigen, dass
sie sämtlich — auch die Fettkörper — antigenen Charakter be¬
sitzen. Sie werden daher mit Recht als die Partialantigene der
Tuberkelbacillen bezeichnet. Einfacher noch und jedenfalls an¬
schaulicher lässt sich die geradezu fabelhafte spezifische Aktivität
der Partialantigene durch die zuerst von Mendel, dann von
Mantoux, Roux und Roeroer empfohlene intracutane Stich¬
reaktion demonstrieren. Es hat sich nun gezeigt, dass die
einzelnen Partialantigene sich bei den Stichreaktionen nach In-
QDd Extensität sowie nach Art und Aussehen der Hauterschei¬
nungen durchaus nicht gleich verhalten, sondern deutliche quanti¬
tative und qualitative Unterschiede erkennen lassen. Da nun die
Bewertung der intraentanen Reaktivität gegen die Partialantigene
•m klinischen Einzelfall für die Methode der Tuberkulosetberapie
nach Deycke - Much grosse praktische Bedeutung gewonnen hat,
ßo dürfte es von Interesse sein, zu erfahren, wie sich die ana¬
tomischen Verhältnisse gestalten, d. b. ob und welche Ver¬
schiedenheiten die lokalen Reaktionsprodukte der verschiedenen
Partialantigene im cytologiscben Bilde bieten. Denn nach
dem eingangs Gesagten müssen sich an den Injektionsstellen in
erster Linie die Zellen sammeln und aßhäufen, die geeignet sind,
1) M.m.W., 1910, Nr. 82.
2) D.m.W., 1907, Nr. 3.
3) M.m.W., 1913, Nr. 3 u. 4.
4) Beitr. z. Klin. d. Tub., Bd. 20, H. 3.
5) M.m.W., 1913, Nr. 3 u. 4.
die gesetzte Schädigung durch Abbau der injizierten chemischen
Stoffe zu beseitigen. Um dies zu untersuchen, wurden Intracutan-
reaktionen, die zur Feststellung der bestehenden cellulären Im¬
munität gemacht wurden, bei sechs verschiedenen Menschen ex-
stirpiert, und zwar alle am 4. Tage, nachdem das Antigen in die
Haut eingespritzt war.
Bezüglich der Technik sei erwähnt, dass sämtliche Reaktionen mit
Spritzen und Kanülen gemacht wurden, die nur für das betreffende
Partialantigen benutzt wurden, also nicht mit anderen in Berührung ge¬
kommen waren. Unter Aufhebung einer Hautfalte wurden tangential
zwischen Epidermis und Corium jedesmal 0,1 ccm der betreffenden
Antigenverdünnung eingespritzt, so dass eine gut linsengrosse weisse
Hautquaddel entstand. Diese Art des Vorgehens gibt die grösstmögliche
Gewissheit, dass die zu prüfenden Substanzen wirklich an Ort und Stelle
bleiben und nicht fortgewischt oder verunreinigt werden, wie es zum
Beispiel bei der cutanen Reaktion nach v. Pirquet nicht immer zu
vermeiden ist. Verwendet wurden von den Deycke - Much’schen Prä¬
paraten die durch MilcbsäureaufschliessuDg gewonnenen Partialantigene
der Tuberkelbacillen, deren Verdünnung auf Trockensubstanz berechnet
wurde, ausserdem noch das Koch’sche Alttuberkulin.
Auf diese Weise gelang es, 2 Reaktionen von Alttuberkulin,
2 Reaktionen von M.Tb. = L -f- M.Tb.R., 2 Reaktionen von L
(Filtrat), 3 Reaktionen von M.Tb.R. (Rückstand), 3 Reaktionen
von A (Tuberculoalbumin), 3 Reaktionen von F (Tuberculo-
Fettsäurelipoid), 3 Reaktionen von N (Tuberculonastin) histo¬
logisch zu untersuchen.
Auf das makroskopische Aussehen der Stichreaktion einzu¬
gehen, erübrigt sich nach den Veröffentlichungen von Deycke-
Much 1 ) und Altstaedt 2 ), die diese Reaktionen eingehend, ver¬
gleichend und zusammenfassend beschrieben haben. Es sei hier
nur bervorgehoben, dass sieb auch bei diesen Untersuchungen
der mit blossem Auge sichtbare Unterschied der Stichreaktionen
mit Alttuberkulin und L. einerseits und mit den unlöslichen
Partialantigenen andererseits bestätigt bat.
Histologisch zeigte es sieb, dass in den Reaktionen teilweise
kleine Nekroseherde sich fanden, in denen reichlich Zell¬
detritus mit ausschliesslichen Anhäufungen polynukleärer Leuko¬
cyten vorhanden waren. Zur Bestimmung des prozentualen Ver¬
hältnisses der einzelnen Zellarten gegeneinander wurden diese
Partien nicht verwandt, weil hier die Verhältnisse durch die
Gewebszerstörung, die ja ein Auftreten von Leukocyten erklärlich
macht, kompliziert bzw. verwischt werden und nicht mehr das
reine Bild der Antigenwirkung zeigen. In den nichtnekrotischen
Stellen wurden Leukocyten und Lymphocyten mittels Oelimmersion
ausgezählt.
Fall 1. 22 Jahre alt. Tuberkulose der Luügen und Nieren, bis
jetzt nicht spezifisch behandelt.
M. Tb.R 1/1000 Millionen: Im Corium findet sich eine Anhäufung
von Leukocyten und Lymphocyten. Eine Zerstörung der Bindegewebs*
bündel ist nicht eingetreten. Die weissen Blutkörperchen sind zwischen
die einzelnen Fasern eingebettet. Leukocyten 42 pCt., Lymphocyten
A. 1/1000 Millionen: Im Corium Anhäufungen von Leukocyten und
Lymphocyten. Keine Gewebsstörung. Leukocyten 39 pCt., Lymphocyten
61 pCt.
F. 1/1 Million: Reichliche Zellanhäufung im Corium und im Stratum
subcutaneum. Keine Bindegewebsschädigung. Fast nur Lymphocyten.
Leukocyten 4 pCt., Lymphocyten 96 pCt.
N. 1/1 Million: Sehr reichliche Zellaobäufung im Corium und im
Stratum subcutaneum. Keine Gewebseinschmelzung. Leukocyten 57 pCt.,
Lymphocyten 43 pCt.
Nirgends Epitheloid- oder Riesenzellen.
Fall 2. 47 Jahre alt, gesund. Kein Anhaltspunkt für aktive Tuber¬
kulose, nie spezifisch behandelt.
M. Tb.R. 1/1000 Millionen: Sehr reichliche Zellanhäufungen mit
einem Nekroseherd. An den nicht nekrotischen Stellen: Leukocyten
57 pCt., Lymphocyten 43 pCt, (Abbildung 1.)
A. 1/1000 Millionen: Gewebseinschmelzung mit Blutungsherden im
Stratum papillare. Sonst reichliche Zellanbäufungen ohne Zelldetritus.
Leukocyten 35 pCt, Lymphocyten 65 pCt.
F. 1/1 Million: Schwache Reaktion, nur wenig ZellanbäufuDgen mit
wenig Leukocyten. Leukocyten 8 pCt, Lymphocyten 91 pCt.
N. 1/1 Million: Ein Einschmelzungsherd mit reiner Leukocyten-
anbäufung im Corium. In den übrigen Partien: Leukocyten 62 pCt.,
Lymphocyten 38 pCt.
Bei keiner der Reaktionen Epitheloid- oder Riesenzellen.
Fall 3. 23 Jahre alt. Tuberkulose beider Lungen. Spontanpneumo-
thorax. Bisher nicht spezifisch behandelt.
M.Tb.R. 1/1000 Millionen: Keine Einschmelzungsherde. Zellanhäu-
1 ) M.m.W., 1918, Nr. 3 u. 4.
2) Beitr. z. Klin. d. Tub., 1914, Jubiläumsheft,
1*
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UNIVERSITV OF IOWA
1592
BERLINER KLINISCHE WOC HENSCHRIFT .
Nr. 35.
Abbildung 1.
Jungen im Corium und Stratum subcutaneum. Leukocyten 43 pCt.,
Lymphocyten 57 pCt.
A. 1/1000 Millionen: Keine Einschmelzungsherde. Geringe Zell-
anbäufuDgeD. Leukocyten 33 pCt., Lymphocyten 67 pCt.
F. 1/1 Million: Im Corium ein Einschmelzungsherd, in dem Leuko¬
cyten und Lymphocyten gleichmässig gemischt auftreten. In den übrigen
Zellanhäufungen überwiegen die Lymphocyten erheblich. Leukocyten
10 pCt., Lymphocyten.
N. 1/1 Million: Kein Einschmelzungsherd. Geringe Zellanhäufung,
vorwiegend aus Leukocyten bestehend. Leukocyten 66 pCt-, Lympho¬
cyten 34 pCt.
Nirgends waren Riesenzellen oder Epitheloidzellen sichtbar. Auch
makroskopisch war die Reaktion mit F. am stärksten.
Fall 4. 24 Jahre alt, gesund. Kein Anhaltspunkt für aktive Tuber¬
kulose. Nie spezifisch behandelt.
M. Tb. 1/1000 Millionen: Grosser Einschraelzungsherd mit Leuko¬
cyten. In den Zellanhäufungen des übrigen Gewebes sieh#*raan sowohl
Leukocyten wie Lymphocyten, ohne Riesenzellen oder Epitheloidzellen.
Leukocyten 21 pCt., Lymphocyten 79 pCt.
L. 1/100 000 Millionen: Starke diffuse Zellanhäufungen ohne Ein¬
schmelzung des Gewebes. Recht zahlreich finden sich diese Verände¬
rungen im Stratum papillare. Es bandelt sich hier um eine reine Lympho-
cytenansammlung, ohne dass Leukocyten zu finden sind. Keine Epithe-
loid- oder Riesenzellen. Lymphocyten 100 pCt.
Alttuberkulin 1/1000 Millionen: Auch hier sieht man eine diffuse
flächenhafte Einlagerung von Lymphocyten. Keine Leukocyten, keine
Epitheloid- oder Riesenzellen (Abbildung 2). Lymphocyten 100 pCt.
Abbildung 2.
Fall 5. IS Jahre alt. Gonitis tuberculosa. Nicht spezifisch be¬
handelt.
L. 1/100 000 Millionen: Zahlreiche Lymphocytenanhäufungen ohne
Beimengung von Leukocyten im Corium. Reichliche Ausbreitung der
Lymphocyten in den Lympbräumen des Stratum papillare. Keine Ge¬
webseinschmelzung. Keine Epitheloid- oder RiesenzelleD. Lymphocyten
100 pCt. ,
Alttuberkulin 1/1000 Millionen: Keine Gewebseinschmelzungen.
Reicbliobe Lymphocytenanhäufung im Corium, besonders in den Lymph-
räumen des Stratum papillare. Keine Epitheloid- oder Riesenzellen.
Lymphocyten 100 pCt.
Fall 6. 33 Jahre alt, gesund. Kein Anhaltspunkt für aktive
Tuberkulose. Nie spezifisch behandelt.
M. Tb. 1/1 Million: Reichliche Anhäufung von Lymphocyten und
Leukocyten im Corium. Keine Nekrosen. Keine Epitheloid- oder Riesen¬
zellen. Leukocyten 25 pCt., Lymphocyten 75 pCt.
Fassen wir diese Resultate zusammen, so ist es auffallend,
dass bei keiner Reaktion Riesenzellen oder Epitheloidzellen vor¬
handen sind. Es widerspricht dieser Befund bei der Alttuber¬
kulinreaktion den Befunden, die Bandler und Kraibisch 1 ) er¬
heben konnten. Beide beschreiben in Impfpapeln RiesenzelleD,
sowie epitheloide Zellen. Daeis 2 ) beschreibt sogar die typische
Struktur eines Tuberkels. Allerdings enthält das von ihm ver¬
wendete Material tote ßacillenleiber; es handelt sich also wobl
nicht um einen nur chemisch, sondern um einen biologisch
reaktiven Stoff.
Uebereinstimmend mit der makroskopischen Aehnlichkeit der
Stichreaktionen von Alttuberkulin und L., auf die schon hin¬
gewiesen wurde, sehen wir auch mikroskopisch das gleiche Ver¬
halten. Bei beiden haben wir eine reine Lymphocytenanhäufung,
ohne dass auch nur irgendwo Leukocyten aufgetreten wären.
(Abbildung 1.)
Alttuberkulin.
Fall
4
5
Lymphocyten ....
. . 100 pCt. |
100 pCt.
L.
Lymphocyten.| 100 pCt. 100 pCt.
Ganz anders verhalten sich, schon makroskopisch deutlich
sichtbar und auch mikroskopisch hervortretend, die fünf Partial¬
antigene A., F., N., sowie M. Tb. R. und M. Tb. Hier sehen wir
mehr oder minder ein Auftreten von Leukocyten, die bei A. etwa
1 f 3 der Zellen ausmachen.
A.
Fall
1
2
3
Leukocyten . . .
39 pCt.
35 pCt.
33 pCt.
Lymphocyten . . .
! 61 ■
65 jf |
67 .
Nach der zurzeit geltenden Anschauung über die Tätigkeit
der polynucleären Leukocyten sollte man eigentlich annebmen,
dass diese bei der Unschädlichmachung eines Biweisskörpers in
viel grösserer Anzahl auftreten würden. Man muss aber be¬
denken, dass A. kein einheitliches chemisches Gebilde ist, und
dass es auch kein Eiweiss in dem sonst üblichen chemischen
Sinne darstellt, sondern dass es sich um albuminoide, vielleicht
den Nucleoproteiden nahestehende, hochmolekulare Substanzen
handelt, die neben Stickstoff in sehr reichlicher Menge Phosphor
enthalten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in dieser chemischen
Beschaffenheit des A., die uns im einzelnen noch durchaus un¬
bekannt ist, der Grund zu suchen ist, warum auch hier in über¬
wiegender Zahl Lymphocyten aufgetreten sind.
F.
Fall
1
2
3
Leukocyten . . .
4 pCt.
! 9 pCt.
lOpCt.
Lymphocyten . . . j
96 *
91 „
90 „
Bei F., dem Fettsäure-Lipoidgemisch sehen wir mehr als
»/io Lymphocyten und nur zu einem geringen Teil Leukocyten.
Diese Lymphocytose bestätigt die schon verschiedentlich ge-
äusserte Ansicht 3 ), dass die Lymphocyten lipoidlösliche Stoffe
enthalten und ist nach dem heutigen Stande der Kenntnis von
der Tätigkeit der Lymphocyten verständlich.
N.
Fall
1
2
3
Leukocyten . . .
57 pCt.
1 62 pCt.
66 pCt.
Lymphocyten . . . J
43 „
38 „
34 „
Bei N., dem Neutralfett, finden wir zu etwa 2 / 8 Leukocyten
und zu Vs Lymphocyten. Beide Zellarten stehen also im um-
1) D.m.W., 1907, Nr. 40.
2) M. Kl., 1908, Nr. 2.
3) M.m.W., 1910, Nr. 32.
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UNIVERSUM OF IOWA
31. August 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1593
gekehrten Mischungsverhältnis wie bei A. Daa ist gewiss ein
ebenso interessantes wie unerwartetes Ergebnis. Denn a priori
hätte man gerade bei einem Nentralfett das Ueberwiegen der
lipolytisch wirkenden Lymphocyten vermuten können.
Wir sehen demnach, dass auf A., F. und N., jedes für sieb,
der ROrper anders reagiert als auf Alttuberkulin und L. Während
hier nur reine Lymphocytenansammlung beobachtet wird, haben
wir bei den unlöslichen Partialantigenen Deycke’s und Much’s
zum Teil recht erhebliche Leukocytenanbäufangen. Zwischen Alt-
tuberknlin und L. auf der einen Seite und A., F. und N. auf der
anderen Seite scheint also ein fundamentaler Unterschied zu be¬
stehen, aber auch zwischen den einzelnen nichtlöslichen Teil-
sobstaozen der Tuberkelbacillen sind deutlich qualitative Unter¬
schiede chemotaktischer Natur zu erkennen. Dass dies unter¬
schiedliche Verhalten nicht zufällig, sondern gesetzmässig ist,
dafür geben die Zellbilder der Stichreaktionen mit dem Gesamt¬
rückstand (M.Tb. R) sowie mit der Gesamtaufschliessuog der
Tuberkelbacillen (M. Tb.) die Probe aufs Exempel. (Abbildung 2.)
M. Tb. R.
Fall
| 1
2
3
Leukocyten . . „
42 pCt.
57 pCt.
43 pCt.
Lymphocyten . . .
58 „
43 „
57 „
Hier halten sich also die beiden Zellarten annähernd die
Wage. Dass sie bei den drei Patienten nicht in gleichen Mengen¬
verhältnissen vorhanden sind, findet wohl darin seine Erklärung,
dass ein Mensch mehr gegen diese, ein anderer stärker gegen
jene Teilsubstanz der Tuberkelbacillen reagiert. Denn aus etwa
1000 Serien von Intracutanreaktionen, die bisher mit den Partial¬
antigenen angestellt sind, bat sich ergeben, dass jeder überhaupt
reagierende Mensch einen individuell verschiedenen Reaktions¬
titer gegenüber den einzelnen Partialantigenen besitzt. Es^ ist
also verständlich und entspricht durchaas der Theorie, wenn wir
bei M.Tb. R. tatsächlich verschiedene Verhältnis werte bei den
Auszählungen der Zellen erhalten.
M. Tb.
Fall
* 1
5
Leukocyten.
21 pCt.
25 pCt.
Lymphocyten.
79 n
75 „
Bei M.Tb. sehen wir gleichfalls sowohl Lymphocyten wie
Leukocyten auftreten, was durchaas erklärlich ist, wenn man be¬
denkt, lass im M. Tb. das leukocytotisch wirkende M. Tb. R. ent¬
halten ist. Wenn die Leukocyten hier numerisch hinter den
Lymphocyten zurücktreten, so kann das nur daran liegen, dass
L., welches ja im M. Tb. enthalten ist, in sehr energischer Weise
im Sinne der Lymphocytose sich geltend macht.
Zum Schluss soll noch einem Einwand begegnet werden, der
möglicherweise erhoben werden könnte. Die Intracutanreaktion,
die wir zum Zweck der histologischen Untersuchung exstirpiert
haben, waren sämtlich durch recht hochgradige Verdünnungen
der verschiedenen Tuberkelbacillenstoffe erzeugt. Das geschah,
um ein möglichst reines, nicht durch Gewebsnekroseu kompli¬
ziertes cytologisches Bild zu erhalten. Man könnte nun sagen,
dass vielleicht die Verdünnungsflüssigkeit (Carboikochsalzlösung)
schon zelluläre Infiltrationen bedingt. Der Einwand ist hinfällig.
Denn, obwohl reine Kontrollen nicht untersucht sind, so haben
wir doch mehrere mit sehr hohen Verdünnungen der Partial¬
antigene ansgeführte und makroskopisch negativ ausgefallene
Stichreaktionen exzidiert und geschnitten und dabei keine Gewebs¬
veränderungen, vor allem keine Anhäufungen von Leukocyten
oder Lymphocyten feststellen können.
Einstweilen möge die einfache Feststellung der gefundenen
Tatsachen and ihrer unverkennbaren Gesetzmässigkeit genügen.
Das Wie und Warum lässt sich heute noch nicht aufklären. Bei
unserer mangelnden Kenntnis von der genauen chemischen Be¬
schaffenheit der verwendeten Substanzen, sowie auch bei der
problematischen Natur unserer Anschauungen von der immuno-
biologischen Funktion der Lenke- und Lymphocyten ist es besser,
auf hypothetische Schlussfolgerungen Verzicht zu leisten.
Ueber Neuralgia brachialis und ein eigentüm¬
liches Symptom bei derselben.
Voa
Dr. 0. B. Meyer, Nervenarzt in Würzburg.
Ueber ein eigentümliches Symptom bei Neuralgia brachialis,
das ich im folgenden beschreiben werde, habe ich in den diesen
Gegenstand zusammenfassenden Besprechungen keine Angaben ge¬
funden. Ausser den weiter unten angeführten Lehr- und Hand¬
büchern habe ich daraufhin noch die letzten Jahrgänge des
Neurologischen Centralblattes, sowie der Münchener medizinischen
Wochenschrift durebgesehen, welch letztere bekanntlich aach
Referate aus einer grossen Zahl medizinischer Zeitschriften ent¬
hält. Bei der Beschreibung des Symptoms gehe ich am besten
von dem Fall aus, bei dem ich es zuerst beobachtete.
Fallt. Er betraf einen 44 jährigen Gendarmen, aus dessen Kranken¬
geschichte ich nur das wesentliche herausgreife. Bei diesem Kranken,
sowie allen übrigen wurde bei der Aufnahme ein eingehender Nerven-
status gemacht und schriftlich niedergelegt.
3. VI. 1910. Seit 5 Monaten bestehen fortwährend Schmerzen im
rechten Arm, wodurch der Schlaf sehr gestört ist. Auf den andauernden
Schmerz pfropfen sich noch heftige Schmerzanfälle von einigen Minuten
Dauer. Auch leichte Bewegungen des Armes verursachten Schmerzen.
Die Angaben hinsichtlich Heredität, Infektion, Alkohol- und Nikotin¬
genuss sind ohne Interesse. Pat. machte nun folgende merkwürdige
Angabe: Er könne sich nur im Stehen rasieren lassen, da beim
Zurückbeugen des Kopfes der Schmerz im Arm heftiger wird.
Allgemeine Nervosität ist den Angaben nach nicht vorhanden.
Der Schmerz wird vorzugsweise, nach der Ausbreitung der Haut¬
nerven betrachtet, im Gebiet des N. cutaneus hum. post, und N. cut.
brach, post. inf. beschrieben, von denen erstem aus dem N. axillaris,
letzterer aus dem N. radialis stammt (Gegenbauer 1 )- Der Sohmerz
ist aber nicht streng an diese Gebiete gebunden. Jedenfalls weist Pat.
beim Hinzeigen auf den Sitz der Schmerzen fast gar niobt auf die volare
Seite. Der rechte Arm ist in tote etwas magerer als der linke. Die
Messung des Umfanges des Oberarmes über den (erschlafften) Biceps er¬
gibt rechts 26, links 27 cm. Der N. radialis, der Ulnaris und der
Medianus werden rechts als mehr empfindlich auf Druck bezeichnet wie
links, und zwar der Radialis an der Umschlagstelle um den Oberarm*
der Ulnaris an dem Epicondylus medialis, der Medianus über der Ellen¬
beuge. Auch die unteren Halswirbel waren schmerzhaft auf Druck.
Druck auf die Nervenstämme löste ein Gefühl aus, „wie Durchströmen
mit elektrischem Strom“; links war dies bei dem angewandten, kurzen
und nicht allzu starken Druck nicht der Fall. Ein besonders empfind¬
licher Druckpunkt befand sich auf der Dorsalseite über dem Ellbogen;
gelenk, da wo der N. outan. brach, inf. post, über das Gelenk hinweg-
zieht (Abbildung 1). Pat. hatte infolge der Schmerzen angeblich
10 Pfund an Gewicht abgenommen.
Die Therapie in diesem Falle gibt zu einigen Bemerkungen Anlass.
6 Tabletten Aspirin täglich nützten gar nichts, auch nicht das hiernach
verordnete Pyramidon, selbst wenn als Einzelgabe 1,0 genommen wurde.
Elektrische Behandlung, die einige Male versucht wurde, hatte ebenso¬
wenig Erfolg. Da Pat. schon sehr lange die Schmerzen hatte, viel und
vergeblich behandelt war 3 ) and ziemlich weit von hier wohnte, ging icli
zur Behandlung mit Injektionen über, die meines Wissens bei den
brachialen Neuralgien, so häufig sie auch bei anderen Neuralgien zur
Anwendung gelangt, nur wenig versucht wurden. Ich machte Iojektioneri
mit Cocain 0,2 proz. in physiologischer Kochsalzlösung (jetzt wende ich
zur Injektionstherapie nur Novocain an). Die Injektion wurde zunächst
an dem auf Druck besonders schmerzhaften Punkt in der Nähe des EIL
bogengelenkes (Abbildung 1) gemacht. Sie brachte wesentliche Linde¬
rung der Schmerzen in dem Gebiet des N. cut. brach, inf. post., in dem
sie, wie bemerkt, am stärksten auftraten. Nach etwa 8 Tagen wurde
die Einspritzung wiederholt mit dem Erfolg weiterer Besserung. Doch
kamen die Schmerzen, wenn auch nicht so stark, wieder. Da wahr¬
scheinlich bei der diffusen Ausbreitung der Schmerzen und bei der
Druckschmerzhaftigkeit der Halswirbel eine radikuläre Form der Neur r
algie anzunehmen war, so machte ich den Versuch, die Neuralgie durch
centrale Injektionen zu heilen. Nach Vorversuchen an Leichen, für die
mir in dankenswerter Weise Material im hiesigen anatomischen Institut
zur Verfügung gestellt wurde, ging ich mit einer langen Hohluadel seit¬
lich von der Halswirbelsäule auf diese ein, um möglichst nahe der Aus;
trittsstelle der Nerven mit Gocainlösung eine paravertebrale Injektion
zu machen, in der Weise, wie sie Heile®) später angegeben hat. Bei
dieser Gelegenheit erwähne ich, dass ioh solche Injektionen auch in der
1) Lehrbach der Anatomie des Menschen. 7. Auflage.
2) Er war schliesslich auch bei einer Magnetopathin gelandet. Es
spricht wohl für die Intensität seiner Schmerzen, dass er längere Zeif
regelmässig die 122 km Bahnfahrt, die ein solcher Besuch erforderte^
zurücklegte, und zwar auf seine eigenen Kosten, da seine Kranken;
kasse begreiflicherweise hierfür nicht aufkam.
3) Zur Darstellung des Epiduralraumes. M.m.W., 1913, Nr. 15.
— Derselbe, Ueber epidurale Einspritzungen bei Isobias scoliotica.
M.m.W., 1912, Nr. 18.
2
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UMIVERSITY OF IOWA
RERLlNER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 36.
i&94
Abbildung 1.
Markierung der Eiostiohstelle für die Injektion auf den N. cut. brach,
post. inf.
Folge bei anderen Neuralgien einige Male ausgeführt habe, und be¬
sonders wieder dann, nachdem sie von Heile warm empfohlen waren.
Ich halte es aber, besonders an der Lendenwirbelsäule, für recht
schwierig und geradezu manchmal für Glückssache, in der Tiefe die
Intervertebrallöcher zu erreichen, wie mir Injektionen mit Methylenblau¬
lösungen an Leichen gezeigt haben- Ich möchte sie daher nur für die
Fälle empfehlen, bei denen man mit peripheren bzw. epiduralen In¬
jektionen durch den Kreuzbeinkanal nicht zum Ziele gelangt.
Nach dieser Injektion trat nun wieder Besserung ein, die mehrere
Wochen anhielt. In der Folge wurden hauptsächlich nur Schmerzen im
Gebiet des N. cut. brachii post. inf. geklagt, die aber wieder ziemlich
heftig wurden. Ich entschloss mich daher, da es sieb um einen ziem¬
lich oberflächlichen Hautnerven handelte und der Druckpunkt einen
guten Anhaltspunkt für seine Lage bot, auf diesen Nerven Alkohol¬
injektionen zu machen. Ich wandte hierzu 2 ccm 75(volum-)proz.
Alkohol an; mit sehr gutem Erfolg. Pat. teilte mir nur diesen noch
mit und kam zunächst nicht wieder.
Im Juli 1911 erschien er wieder in der Sprechstunde und teilte
mit, dass die Schmerzen bis zum April aufgehört hätten und seitdem
sich wieder allmählich eingestellt hätten, besonders heftig wieder an der
Ellenbogenbeuge (dorsal). Die Finger seien taub. Beim Zurücklegen
des Kopfes, besondersbeimRasieren, habe er wieder Schmerzen
vom Nacken bis in den Arm. Es genügten zwei Injektionen (13. VII.
und 26. VII.), die erste mit Novocainlösung, die zweite mit Alkohol, um
die Schmerzen wieder zum Aufhören zu bringen.
Von einer Epikrise des Falles will ich absehen und nur hin¬
sichtlich der Behandlung auf die auffällige Tatsache hinweisen,
dass auch periphere Injektionen bei einer sicher weiter central
sich erstreckenden Neuralgie von Nutzen sein können. Das ist
merkwürdig und schwer erklärlich. Aehnliches habe ich aber
auch bei der Injektionsbebandlung anderer Neuralgien, z. B. der
Ischias, beobachtet. Trotzdem hier Injektionen von physiologischer
Kochsalzlösung auf den Stamm bzw. epidurale Injektionen sehr !
günstig wirkten, blieben in einzelnen Fällen schliesslich noch
Schmerzen nur in einem peripheren Gebiet, nämlich dem des
Peroneus, bestehen, die dann nach Injektionen auf diesen selbst
schwanden.
Ich gebe nun eine kurze Uebersicht über eine Anzahl anderer ;
von mir beobachteter Fälle von brachialer Neuralgie.
II. 58jährige Lehrersfrau. Aufnahme 21. I. 1909. Hier handelt es
sich um eine symptomatische, brachiale Neuralgie, die infolge Kom¬
pression des Plexus brachialis durch einen Tumor hervorgerufen wurde.
Es waren zunächst nur Symptome einer Neuralgie festzustellen; Atrophien,
Paresen, Sensibilitätsstörungen fehlten, so dass die Erkrankung bis da¬
hin von verschiedenen Aerzten als idiopathische Neuralgie aufgefasst
worden war. Druck in der Supraclaviculargrube auf den Plexus ist
schmerzhaft. Die aktiven Bewegungen des Armes schmerzen und werden
möglichst vermieden. Die konstanten Schmerzen sind anscheinend ziem-
Abbildung 2.
Rechts oben deutlicher Schatten des Tumors, der den Plexus brachialis
komprimiert.
lieh diffus, doch hauptsächlich im Verlauf des Radialis und Medianus.
Im Röntgonbild war ein Schatten an entsprechender Stelle zu sehen
(Abbildung 2). Die Operation (Geheimrat Enderlen) ergab ein Endo-
theliom, das wahrscheinlich von den Blutgelässscheiden ausgegangen war.
In meinem sehr ausführlichen Status ist weder etwas über ScbmerzeD
bei spontanen noch bei passiven KopfbeweguDgen bemerkt.
III. Frau L. S., 46 Jahre alt. Aufnahme am 30. V. 1912, ambulante
Beobachtung bis 27. VI. 1912. Es bestanden in letzter Zeit stärker ge¬
wordene Schmerzen im rechten Arm seit 4 Jahren nach einem Fall auf
den Arm. Verlauf der anfallsweise auftretenden Schmerzen radial-dorsal.
Radialis rechts exquisit schmerzhaft auf Druck. Leichte Abstumpfung
für Schmerzreize im Radialisgebiet. Herr Prof. Faulhaber, der mir
den Fall überwies, hatte eine interstitielle Nephritis festgestellt. In
diesem Fall ist über Schmerzen bei Kopfbewegungen nichts verzeichnet,
eine besondere Untersuchung hierauf habe ich allerdings nicht gemacht.
Elektrotherapie war von gutem Erfolg.
IV. Dr. S., praktischer Arzt. Aufnahme am 12. IX. 1912. In Be¬
handlung bis zum 8. Oktober 1912. Ein Bruder leidet an Gicht, die
auch sonst in der Familie vorgekommen ist, Pat, selbst an häufigen
rheumatischen Erkrankungen. Oefters Caput obstipum, wobei immer die
rechte Nackenseite betroffen ist. Symptome von Gicht hat er dagegen
nicht an sich beobachtet. Am 25. August Schiefhals und Schmerzen
in der rechten Schulter. Am 4. oder 5. September plötzlich Schmerzen
in der rechten Schulter und im Arm, die anfallsweise, besonders nachts,
am meisten in der Schulterblattgegend, sodann in der dorsalen Seite
des Armes und hier wieder vorwiegend in der Gegend des Ellenbogen¬
gelenkes und der Metacarpophalangealgelenke auftraten. Der Schmerz
wird mehr als krampfhaftes Gefühl wie als eigentlicher scharfer Schmerz
bezeichnet. Zuweilen kann auch der Kopf nicht gerade gehalten werden.
Druckpunkte: Ueber der rechten Hälfte der Halswirbelsäule, N. radialis
an der Umschlagstelle und über dem Ellenbogengelenk genau wie bei
Fall I (Fig. 1). Die Schmerzen strahlen zuweilen nach vorn in die rechte
Brustseite und werden nach Husten stärker fühlbar. Am rechten Hand¬
rücken, im Gebiet des Ulnaris und Radialis Ueberempfindlichkeit für
Nadelstiche. Am rechten Zeigefinger, besonders lateral (im Versorgungs-
gebiet des Medianus) starkes Taubheitsgefühl, das sich bei beruflichen
Untersuchungen störend bemerkbar macht. Das Zuknöpfen von kleinen
Knöpfen wird mit Hilfe des Mittelfingers ausgeführt. Röntgenbild der
Pleius-, Schulter- und Oberarmgegend normal. Die grobe Kraft des
Armes wurde im Verlauf der Beobachtung rechts geringer. Die elek¬
trische Untersuchung ergibt links und rechts im wesentlichen gleiche
Resultate. Aktive Kopfbewegungen, besonders auch die Hal¬
tung des Kopfes beim Rasieren, rufen Schmerzgefühle in der
1 Schulter und im Oberarm hervor.
Bei einer späteren Untersuchung (8. X. 1912) erweist sich die
Muskulatur des rechten Oberarmes etwas schlaffer wie links, die Kon¬
turen des M. brachioradialis treten bei entsprechender Beugung des
Ellbogengelenkes rechts weniger hervor wie links. Elektrisohe Behand¬
lung hatte keinen besonderen Erfolg. Ebenso nicht Pyramidon. Um
ruhige Nächte zu haben, nahm Pat. Pantopon 0,2 in Tabletten- Nach
10—12 wöchiger Dauer klangen die Schmerzen ab. Ich sprach mit dem
Kollegen zuletzt Ende 1913 über sein Befinden. Die Neuralgie war nicht
mehr aufgetreten, dagegen hatte er auch noch um diese Zeit, also nach
14 Monaten, Sensibiiitätsstörungen im Zeigefinger, so dass er z. B. bei
rektalen Untersuchungen sich der linken Hand bedient. Die Motilität
des Armes sei schon lange Zeit wieder ganz normal.
V. Dr. N., Spezialarzt, hier. Ueberwiesen durch den Hausarzt am
25. IX. 1913. Schmerzen im linken Arm seit einigen Wochen. Die
Motilität des Armes ist an sich nicht gestört, sondern nur ab und zu
indirekt infolge der Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen. Heredität o. B.
5 6 Glas Bier. Infektion negiert. Plexus brachialis links sehr schmerz-
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1596
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81. Angast 1914.
haft auf Druck. Das rechte Ellbogengelenk ist infolge einer Verletzung
ankylotisch. Pat. ist ambideiter.
16. X. 1913. Die Neuralgie ist weniger heftig und zieht jetzt mehr
vom Ellbogen zur Hand auf der dorsalen Seite, während sie vorher durch
den Oberarm und durch die Schulter strahlte. Es bestehen jetzt auob
Motilitätsstörungen des Unterarmes. Pat. (Ophthalmologe) hat seine
operative Tätigkeit völlig eingestellt. Röntgenaufnahme des Piexus und
der Schulter, ebenso Durchleuchtung der Halswirbelsäule vor dem Schirm
(Röntgenlaboratorium Prof. Faulhaber) negativ. Pyramidon und Pan-
topon von keinem bzw. sehr geringem Erfolge, dagegen hat Algooratin,
ein französisches Präparat, sehr günstig eingewirkt.
Ich möchte hier anfügen, dass mir dieses Präparat bei verschiedenen
Neuralgien, wo andere Antineuralgica versagten, ausgezeichnete Dienste
geleistet hat. Nach Angabe des Pharmazeutischen Laboratoriums Lan-
cosme in Paris soll das Algocratin {äkyoq Schmerz — xparito ich be¬
zwinge) ein chemisch einheitlicher Körper aus der Gruppe der Phenyl-
amidoxanthine sein. Von E. Buchard 1 ) wird das Algocratin gleichfalls
sehr gerühmt und seine Bekömmlichkeit hervorgehoben.
Ende Oktober war im ganzen Besserung eingetreten. Doch bestanden
noch Schmerzen beim Husten. Druck auf den Plexus ist weniger schmerz-
haft, dagegen noch in hohem Grade der Druok auf den N. radialis und
ulnaris. Beim Rasieren traten solche Sohmerzen auf, dass
Pat sich inzwischen einen Vollbart stehen liess. Die grobe
Kraft des Armes ist bei fast allen Bewegungen herabgesetzt, allerdings
ist der Vergleich gegen rechts bei einer Reihe von Bewegungen nicht
möglich, wegen der Ankylose des rechten Ellenbogengelenkes. Im
Dezember war die Parese besonders im Gebiet des N. radialis ausgeprägt.
Die Extension der Hand war viel schwächer wie rechts. Der M. brachio-
radialis sprang links bei der Beugung des Armes bedeutend weniger
hervor wie rechts und fühlt sich ziemlich schlaff an. Pat. klagte be¬
sonders, dass er Staroperationen noch nicht ausführen könne. Hierbei
ist es notwendig, den Arm etwa bis zur Horizontale zu erheben und
den Vorderarm in eine zwischen Supination und Pronation die Mitte
haltende Stellung zu bringen, welche Funktion der Brachioradialis ver¬
mittelt [Duohenne zitiert nach E. Remak 2 * )]. Elektrisch, besonders
faradisch war die Erregbarkeit im Radialisgebiet deutlioh herabgesetzt.
Auch der M. deltoideus (innerviert vom N. axillaris) fühlt sich schlaffer
an und zeigte eine Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit. Die
Sensibilität war stets völlig intakt.
Im Januar 1914 war eine erhebliche Besserung der Paresen ein¬
getreten, so dass Pat. wieder feinere Operationen, wie z. B. die Iridek-
tomie ansführen konnte. Weniger schwierige, wie Bulbusenucleationen,
waren ihm schon vorher möglich. Der UmfaDg des linken Oberarmes,
der am 27, Oktober mit 28 1 /* cm verzeichnet wurde, betrug am 9. Januar
29 b / 4 cm. Eine gewisse Schwäche bei der Extension der Hand ist aber
noch recht deutlich. Schmerzen seien nicht mehr nennenswert vor¬
handen.
VI. Dr. L., 44 Jahre, Kreisarzt in P. 15. XII. 1913. Ausser all¬
gemeinen, nervösen Klagen, wie Herzpalpitationen und SchweisseD,
Schmerzen und Parästhesien auf der dorsalen Seite des linken Armes.
Dem Patienten, der Vollbart trug, sagte ich nichts von meinen Beob¬
achtungen, sondern brachte den Kopf passiv in Rasierstellung,
d. b. in starke Beugung nach rückwärts und etwas nach rechts seitwärts.
Der Erfolg trat mit der Sicherheit eines Experimentes ein. Pat. gab
spontan an, Schmerzen im linken Arm und Parästhesien zu empfinden,
die nach den Hinweisen des Pat. hauptsächlich das Gebiet des
N. cut. brach, post. inf. betrafen.
Radialis an der Umschlagstelle entschieden empfindlicher auf Druck
als rechts. Nach relativ leichtem und kurzem Druck treten vorüber¬
gehende Parästhesien im Radialisgebiet auf (rechts nicht).
VII. Frau B., 33 Jahre. 2. I. 1914. Schmerzen im rechten Arm
seit 4—6 Woehen, besonders nachts, die als nagende geschildert werden.
Bei Druck auf den Ulnaris und Radialis kommt es rechts rasch zu
Knebeln und Ameisenlaufen, links nicht. Passives Rückwärts-Seitwärts-
beugen des Kopfes schmerzt nicht besonders. Sensibilität intakt.
Pyramiden versagt. Algooratin nützt, bringt aber die Schmerzen nicht
ganz zum Verschwinden.
VIH. K. K., Tapezierer, 42 Jahre. 9. I. 1914. Seit 8 Tagen
Schmerzen in der rechten Schulter und im rechten Arm. Taubheit im
Zeigefinger. Infolge der Sohmerzen fast schlaflos. Halswirbelsäule nicht
schmerzhaft bei Druck oder aktiven Bewegungen des Kopfes. Starkes
passives Beugen des Kopfes nach vor- und rückwärts schmerzt, dagegen
nicht die Kopfhaltung beim Rasieren. Objektiv für alle Qualitäten keine
Sensibilitätsstörungen, auch nioht am Zeigefinger.
Alle diese Fälle von Neuralgie brachialis sind als sichere
zu bezeichnen. Die grosse Mehrzahl war längere Zeit in Beob¬
achtung, bis auf Fall VI, der aber einen Arzt betraf und Fall VIII.
Auf centrale Störungen wurde in dem eingehenden, vom Kopf. bis
zu Fass gemachten Status genau geachtet und nichts Positives
gefunden. Auch spricht der Verlauf gegen medulläre Erkran¬
kungen. Für Halsrippen waren keine Anhaltspunkte vorhanden.
1) „Algocratin“ — ein neues Analgeticum für die ärztliche Praxis.
*od.M., 1913, H. 9 .
2) E. Remak, Abhandlung über Radialislähmung in Eulenburg’s
ßcaleucyklopädie.
Auch ergaben die in zwei Fällen gemachten Röntgenaufnahmen
bzw. Durchleuchtangen in dieser Beziehung ein negatives Resultat.
Wie wertvoll andererseits das Röntgenverfahren bei diesen Formen
der Neuralgie sein kann, zeigt Fall II, in dem die Durchleuchtung
die Ursache der vermeintlichen idiopathischen Neuralgie auf¬
deckte. Ich lasse nach dieser Erfabrnog tunlichst jeden Kranken
mit hartnäckiger und schwerer Form der Armneuralgie röntgen.
Io Fall 1 war die von mir vorgescblagene Durchleuchtung ans
äusseren Gründen unterlassen worden. Bei den Frauen, Fall U
und VII, bei denen sich keine Zeichen besonderer Neurasthenie
und keine für Hysterie fanden, habe ich keinen Anhaltspunkt für
etwaige Psychalgie gehabt. Bei anderen mit Schmerzen im Arm
einhergehenden Erkrankungen meines Materials habe ich bisher
das eigentümliche Symptom des Armschmerzes bei Rasierstellnng
des Kopfes nicht beobachtet. Zu solchen anderen Erkrankungen
gehörten hauptsächlich rheumatische, besonders Omarthritis, bei
der ja ausstrahlende, der Neuralgie nicht unähnliche Schmerzen
Vorkommen, und auch zwei Fälle von entsprechend lokalisierter,
centraler Erkrankung, nämlich ein Fall von Caries der Wirbel¬
säule und ein Rückenmarkstumor. Beide Kranke hatten über
Schmerzen in der Schalter bzw. im Arm geklagt, beide sind lange
Zeit von mir beobachtet und durch Operation bzw. Sektion
bestätigt worden. Es scheint also, dass dieses Symptom den
eigentlichen brachialen Neuralgien zukommt. Eine Erklärung
desselben ist darin zu suchen, dass bei der Rasierstellung des
Kopfes eine Zerrung am Plexus ausgeübt wird und dass gerade
diese Stellung, besonders bei gleichzeitiger Seitwärtsbeugung des
Kopfes nach der der Erkrankung entgegengesetzten Seite, eine
maximale Anspannung des Plexus bedingt. Es wäre anch daran
za denken, dass bei radikulärem Sitz der Neuralgie die Be¬
wegungen in den Halsgelenken Schmerzen verursachen. Dann
müssten aber auch die meisten anderen Kopfbewegungen schmerzen,
and hierüber ist im allgemeinen nicht geklagt worden. Die
erste Erklärung hat meines Erachtens die grössere Wahrschein¬
lichkeit für sich.
Bei der Mehrzahl meiner Fälle ist der radikuläre Sitz der
Erkrankung entschieden wahrscheinlicher als ein weiter peripher
liegender. In Fall I spricht die diffuse Sensibilitätsabstumpfung
am Arm und der Schmers bei Druck auf die Halswirbel für diese
Auffassung. Bei Fall III wäre eine andere Deutung für die
Seosibilitätsabstumpfung in den Gebieten, die von 8 Nerven ver¬
sorgt werden, nur dann noch verständlich, wenn mau den Sitz
der Erkrankung in den Plexus verlegte. Hiergegen spricht aber
wieder die Schmerzhaftigkeit der Halswirbelsäule auf Druck.
Doch sind auch wohl beim radikulären Sitz die peripheren Nerven¬
teile mit erkrankt. Sonst wären die Drucksymptome an peri¬
pheren Punkten nnd auch der therapeutische Erfolg in Fall I
schwer erklärlich. Der radikuläre Sitz der Erkrankung ist auch
nach Wertheim Salomonson 1 ) der weitaus häufigere. Zum Ver¬
gleich ist auf die Ischias hinzu weisen, bei der neuerdings gewisse
Formen direkt als „Wurzelischias“ bezeichnet werden [Sturs-
berg 2 )]. Vielleicht ist bei dieser Erkrankung der Nerv viel häufiger
bis zur Wurzel hinauf erkrankt, als bisher angenommen wurde.
Dieses Verhalten könnte die anch nach meinen Erfahrungen sehr
günstige Wirkung der epidnralen Injektionen erklären. Bemerkens¬
wert ist, dass die Neuralgie in meinen sämtlichen Fällen die
dorsale Seite des Armes bevorzugte, and hier wieder besonders
die radial-dorsale Partie des Unterarmes. Diese Bevorzugung des
Radialis ist aber nach den Angaben der Literatur eine ziemlich
häufige. Auch war bei meinen Fällen an der Umschlagstelle des
N. radialis der konstanteste and am meisten ausgesprochene
Druckpunkt zu finden. Dass Bewegungen des neuralgisch er¬
krankten Gliedes schmerzen, ist bekannt. Auch Oppenheim 8 )
weist darauf hin. Es sind aber damit nnr die Schmerzen gemeint,
die bei Bewegung des Armes selbst entstehen, nicht etwa die hier
geschilderten Schmerzen bei gewissen Bewegungen des Kopfes.
Der letztgenannte Autor erwähnt Druckpunkte über den Hals¬
wirbeln, die auch zwei meiner Fälle anfwiesen. Die starke Ge¬
wichtsabnahme, die auch idiopathische Neuralgien mit sieb bringen
können — in Fall I wurden 10 Pfund angegeben — kann an¬
fänglich diagnostische Zweifel verursachen, ob nicht eine Kom¬
pression durch einen bösartigen Tumor vorliegt. Auch die beiden
Aerzte, Fall IV und V haben eine nicht unbeträchtliche Abnahme
ihres Körpergewichtes ausdrücklich erwähnt.
1) Neuralgie und Myalgie. Handbuch d. Neurol. (herausgegeben
von Lewandowsky).
2) Ueber Wurzeliscbias. M.m.W., 1910, Nr. 84.
3) Lebrb. d. Nervenkrankh. 6. Auflage.
2 *
Digitizer! by C^ouoie
Original ffom
UNIVERSUM OF IOWA
1596
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 85.
Unter den Ursachen ist in Fall IV wohl die rheumatische
Veranlagung, in Fall V der an sich als immerhin mässig fu be¬
zeichnende Alkoholgenuss tu vermuten. Fall VIII behauptet nun
in bestimmter Weise einen Zusammenhang der Neuralgie mit der
sehr schmerzhaften Plombierung eines Backenzahnes auf der
gleichen Seite. Nach Bell und Hesse (cit. nach Oppenheim)
sollen bisweilen kranke Zähne die Ursache von Brachialneuralgie
gewesen sein, ln Fall 11 wird ein Trauma (Fall auf den Arm)
als Ursache angescbuldigt. In den übrigen Fällen, abgesehen
von der symptomatischen Erkrankung des Falles I, war hinsicht¬
lich einer Ursache nichts tu erheben. Bei Fall IV, und besonders
auch bei Fall V waren neuritische Prozesse mit im Spiel. Die
Grenzen zwischen Neuralgie und Neuritis sind ja öfters, und
speziell bei den Armneuralgien, fliessende.
Es ist wohl für die Beobachtungen von besonderem Wert,
dass sich unter den Kranken drei Aerzte befanden. Ob dies mehr
als zufällige Bedeutung bat, möchte ich bezweifeln. Kein Zufall
ist es wohl, dass der rechte Arm mehr disponiert ist, da er
mehr angestrengt wird. Die linke Seite war zweimal betroffen,
aber der eine dieser Patienten gebrauchte infolge der Ankylose
des rechten Ellbogengelenkes den linken Arm mehr als den
rechten.
Die brachiale Neuralgie wird sowohl von Oppenheim 1 ) als
von Strümpell 2 ) als eine seltene Erkrankung bezeichnet, im
Gegensatz zu anderen Autoren, wie Bernhardt und Wertheim
Salomonson 3 4 ). Letzterer hält sie fast für ebensohäufig wie die
Ischias und hat sie in 30,6 pCt. seiner Neuralgiefälle beobachtet.
Unter meinem allerdings nur kleinen Material (insgesamt 59 Fälle),
das am meisten Trigeminusneuralgien (24 Fälle) enthält, finden
sich brachiale Neuralgien zu 13,6 pCh Diese Zahl nimmt eine
Mittelstellung ein zwischen den Angaben der genannten Autoren
hinsichtlich der Häufigkeit der Armneuralgien.
Der günstige Einfluss der Ruhe, besonders das Tragen des
Armes in einer Schlinge erwies sich auch iu meinen Fällen als
günstig. Zur Therapie bemerke ich noch, dass ich auch an In¬
jektionen auf den Plexus nach Kuh lenk arapff*) gedacht habe.
Sie dürften aber nicht leicht und vor allem nicht ungefährlich
sein, wie auch Mitteilungen über danach aufgetretene Lähmungs¬
erscheinungen bestätigen 5 6 * ). Többen 8 ) berichtet übrigens über
einen Fall von Plexusneuralgie, bei dem die Behandlung mit In¬
jektionen nach Kuhlenkampff guten Erfolg hatte.
Ich sehe von einer weiteren allgemeinen Erörterung meiner
Fälle ab, da in der angegebenen Literatur sich vorzügliche, zu¬
sammen fassende Besprechungen finden nnd hebe nur noch kurz
die wesentlichen Besonderheiten hervor, die sich aus meinen Be¬
obachtungen ergeben.
1. Bei 3 unter 7 Fällen von idiopathischer, brachialer
Neuralgie fand sich ein meines Wissens bisher nicht beschriebenes
Symptom, das man kurz als Arm-(Schulter-)schmorz bei
Rasierstellung des Kopfes bezeichnen kann. Der Schmerz
tritt am stärksten auf, wenn gleichzeitig mit der Rückwärts
beugung eine Seitwärtsbeugung des Kopfes nach der der Neuralgie
entgegengesetzten Seite verbunden wird. Bei Armschmerzen
anderer Herkunft wurde das Symptom nicht beobachtet. Es
scheint, dass ihm bezüglich der brachialen Neuralgie diagnostische
bzw. differentialdiagnostische Bedeutung zukommt.
2. Bei hartnäckigen oder besonders schweren Formen der
Erkrankung sollten stets Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule
und der Plexusgegend gemacht werden, mit Rücksicht anf die
chirurgische Therapie bei eventuellen Neubildungen.
3. Als ein neues Antineuralgicum bat sich Algocratin gut
bewährt.
4. Für die hartnäckigen, schweren Armneuralgien kommt,
wie der erste Fall zeigt , die Injektionstherapie mit paraverte
bralen bzw. epiduralen Injektionen an der Halswirbelsäule oder
an den peripheren Nerven in Frage.
2) Spez. Path. u. Ther., 14. Auflage, Bd. 8.
3) 1. c. — Vgl. hierzu Eulen bürg, Brachialneuralgie in Eulenburg’s
Realencyklopädie.
4) Zbl. f. Chir,, 1911, Nr. 40. Vgl. hierzu G. Hirsch ei, Die An¬
ästhesierung des Plexus brachialis usw. M.m.W., 1912, Nr. 22.
5) F. Härtel und W. Keppler, Erfahrungen mit der Kuhlenkampff-
sehen Anästhesie des Plexus brachialis, mit besonderer Berücksicbti-
ffun<r der Neben- und Naoherscbeinungen. Arch. f. klin. Chir., 1913,
Bd 10$.
6) Die Beeinflussung der Neuralgie des Plexus brachialis durch
Kuhlenkampfl’sche Anästhesie.
Aus dem medizinisch-poliklinischen Institut der Uni¬
versität Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Gold¬
scheider).
Zur Diagnostik der Erkrankungen der Lungen¬
spitzen.
V©*
Privatdozent Dr. med. R. EhrnftlB, Assistenzarzt.
Für die Erkennung der beginnenden Lungentuberknlose spielt
die perkussorische Veränderung der Lungenspitzen gegeneinander
eine wichtige Rolle. In jüngster Zeit sind nun gerade hier
wesentliche Verfeinerungen in der Diagnostik durch die Schwellen¬
wertsperkussion, namentlich zwischen den Köpfen der Musculi
8ternocleido mastoidei (Goldscheider) angegeben worden.
Trotzdem findet man nicht selten perkussorische Unterschiede
zwischen beiden Spitzen, ohne dass man auf Grund der Aus-
cultation, der Röntgendurchleuchtung und aller anderen Methoden
auch nur den geringsten Anhalt für eine pathologische Verände¬
rung auffinden könnte.
Als solche Unterschiede zwischen beiden Spitien hat man
bisher Ungleichheiten im anatomischen Bau, vor allem Adhärenz
der Trachea an der inneren Fläche der rechten Spitze, Unterschiede
in der Lagerung der grossen Blutgefässe verantwortlich gemacht,
so dass schon normaliter der Schall über der rechten Spitze
häufig leicht abgeschwächt sein soll. In anderen Fällen mögen
Emphysem der anderen Spitze, circumscripta Oedeme, byper-
ämische Schwellungen derartige Unterschiede bedingen. Auch die
von Krönig beschriebene Spitzenatelektase kann Scballver-
kürzungen und Dämpfungen bewirken.
Wir haben nun derartige Schall Verkürzungen bei zwei Fällen,
in einem Fall bis zur zweiten Rippe, beobachtet, bei denen die
Sektion nichts ergab als Adhäsionen der beiden Pleuren.
Zur Entscheidung der Frage, ob in der Tat häufiger solche
Verwachsungen an den Spitzen Vorkommen, die bei der Perkussion
eine Dämpfung ergeben, ohne dass die darunter liegende Lunge
durch alte oder frische Prozesse verändert ist, bat Dr. Alfred
Neumann im pathologisch-anatomischen Institut von Herrn
Prof. Pick eine grössere Reihe von Leichen nach dieser Richtung
hin untersucht. Es fanden sich in der Tat in einer Reihe von
Fällen strangförmige oder fläcbenbafte Adhäsionen, die sich bei
der Perkussion der Leiche bemerkbar machten, während der
pathologisch-anatomische und der histologische Befund keine Ver¬
änderung ergab, abgesehen von geringem Oedem, das aber auch
auf der anderen, nicht veränderten Seite in gleicher Weise vor¬
handen war.
Wenn auch die Perkussion an der Leiche andere Verhältnisse
bietet wie beim Lebenden, so glauben wir doch, dass auch beim
Lebenden nicht selten Dämpfungen an den oberen Teilen
der Lungen, vorne oder hinten, perkussorisch nachweisbar
sind, die nicht auf eine Erkrankung der Lungen, sondern
auf Verwachsungen oder Stränge zwischen den Pleuren
zurückgeführt werden müssen. Fand sich doch unter 23 per¬
kussorisch und nachher pathologisch und histologisch genau unter¬
suchten Leichen in vier Fällen ein derartiger Befund. Für ihre
liebenswürdige Unterstützung bei den Untersuchungen sind wir
Herrn Prof. Dr. Pick und seinem ersten Assistenten Herrn
Dr. Christeller sowie für die Durchsicht der Präparate Herrn
Prof. Dr. Hans Kohn zu Dank verpflichtet.
Im folgenden soll noch ein weiteres Phänomen, das wir bei
Affektionen der Lungenspitzen beobachtet haben, angegeben
werden. Es ist bereits bekannt, dass man bei einseitigen Spitzen-
affektionen Unterschiede in der Weite der Pupillen findet.
Wir haben uns nun bemüht, bei Patienten mit einseitiger
Spitzeoaffektion durch Einträufelung von Cocain -f- Adrenalin in
die Conjunctiven derartige Pupillendifferenzen deutlicher zu
machen, sind aber infolge der Unmöglichkeit, exakte Ein¬
verleibungen in den Conjunctivalsack zu machen, davon &b-
gegangen und haben den Patienten dafür 5—10—16 Tropfen
einer 0,1 proz. Lösung von Atropinum sulpburicum auf einem Stück
Zucker per os einverleibt und alsdann viertelstündlich die
Pupillen weite geprüft.
Es fand sich nun bei den Patienten mit einseitiger oder
doppelseitiger Spitzenaffektion erheblich häufiger als bei den
Patienten mit normalem Lnngenbefund ein Unterschied in der
Weite der Pupillen. Durch eine nachträgliche subconjanctivale
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UNIVERSITV OF IOWA
81. Augost 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Einverleibung eines Tropfens einer 3 pro*. CocainlÖsung bzw.
eine» weiteren Tropfens einer 1 prom. Adrenalinlösung konnte der
Pupillenuntefschied häufig noch deutlicher gemacht werden.
Nach unseren Untersuchungen scheint es wahrscheinlich,
dass bei ein- oder doppelseitiger Affektion der Lungen¬
spitzen viel häufiger als bei gesunden Lungen eine ver¬
schiedene Reizbarkeit des Musculus dilatator pupillae
besteht, die durch Lähmung des Musculus oculomotorius, nach
Einverleibung von Atropin oder Belladonna per os, erst
deutlich in die Erscheinung tritt. Anstatt auf diese Weise in¬
direkt, wird man natürlich auch direkt, d. h. dureh Einverleibung
von Cocain per os oder subcutan, den gleichen Effekt erzielen
können. Es können aber wohl nur diese Einverleibungsarten,
d. h. stomachale oder subcutane, in Betracht kommen, da In¬
stillationen niemals genau in der gleichen Menge exakt gemacht
werden können.
BQcherbesprechungen.
Haidhneh der Taherknlose. In fünf Bänden, herausgegeben von
Prof. Dr. L. Brauer- Hamburg-Eppendorf, Dr. 6. Schröder-
Soböneberg und Dr. P. Blumenfeld - Wiesbaden. Erster Band mit
88 Abbildungen, 10 Kurven und 9 farbigen, 1 Stereoskop- und
8 schwarzen Tafeln. Leipzig 1914, Verlag von Johann Ambrosius
Barth. 8. 792 Seiten. Preis brochiert 85 M., geb. 37 M.
Zehn Jahre sind seit dem Erscheinen der ersten Auflage verflossen.
Aus dem einbändigen, knapp 1000 Seiten umfassenden „Handbuch der
Therapie der chronischen Lungenschwindsucht 11 ist ein fünfbändiges
„Handbuch der Tuberkulose“ geworden, dessen heute vorliegender erster
Band allein einen Umfang von 792 Seiten besitzt. Fürwahr zwar nur
ein ausserliehes, aber ein eindrucksvolles Kennzeichen der gewaltigen
Arbeitsmenge, welche auf dem Gebiete der Tuberkulose in dem letzten
Decennium geleistet worden ist. Dabei wähne man nicht, dass in diesem
so umfangreichen Werke nunmehr eine jede Arbeit zu ihrem Rechte
käme. Weit gefehlt! Nur das Wesentliche ist zusammengestellt worden,
um einen den Zweoken des Praktikers dienenden Ueberblick über die
Materie zu erzielen. Keine langen Literaturverzeichnisse belasten das
Werk, vielmehr sind in Fussnoten nur verhältnismässig spärliche
Arbeiten verzeichnet, welche dem Interessenten eine mühelose Zu¬
sammenstellung der gesamten Literatur ermöglichen. Den bewährten
Herausgebern der ersten Auflage hat sioh Prof. Brauer zugesellt. Für
die Bearbeitung eines jeden der einzelnen hier in Betracht kommenden
Gebiete wurde ein Autor gewonnen, dessen Erfahrung und wissenschaft¬
liche Tätigkeit die sachgemässe Bearbeitung des ihm überwiesenen
Stoffes gewährleistet. So ist im Verein mit den Bemühungen der im
Dienste des Kampfes gegen die Tuberkulose stets rührigen und hilfs¬
bereiten Verlagsbuchhandlung ein Werk entstanden, das ohne Ueber-
treibung als eine Zierde der medizinischen Literatur bezeichnet
werden darf.
Aber kein Werk, das, wie so viele seinesgleichen, etwa nur dem
Bedürfnis der Herausgeber seine Entstehung verdankt! Vielmehr ein
solches, das, aus dem Zwange der Notwendigkeit geboren, einen Ruhe¬
punkt schafft in dem beispiellosen Ringen um die Siegespalme, die
demjenigen winkt, der den vielgestaltigen Riesen „Tuberkulose“ end¬
gültig niederzuzwingen vermag. Längst sind die Zeiten vorüber, da es
dem einzelnen auoh nur annähernd möglich war, das Material nur eines
der zahlreichen Kapitel dieses Handbuches völlig zu beherrschen. Gar
bald erdrückt auch den Fleissigsten die Ueberfülle der Literatur, er
verliert den Ueberblick und ist nicht mehr imstande, sioh in dem
Labyrinth der einzelnen Gedankengänge zurechtzufinden. Da stellt sich
dieses Handbuch zur rechten Zeit als Wegweiser ein. Es bringt in
klarer und übersichtlicher Form Inhalt und Werdegang dessen, was auf
den einzelnen Gebieten der Tuberkuloseforschung bisher geleistet
worden ist, es bietet einem jeden die Möglichkeit, sioh in kurzer Zeit
über ein spezielles Kapitel vollkommen zu informieren und wieder An¬
schluss zu gewinnen dort, wo ihm der Faden schon längst entglitten
war. Und indem das Handbuch dem einzelnen mit der Behandlung der
Krankheit beschäftigten Arzte, sowohl dem Spezialisten wie auch dmn
allgemeinen Praktiker, das Material an die Hand gibt, das eifrige
wissenschaftliche Arbeit etwa in der Frist eines Jahrhunderts seit der
ersten strengeren anatomischen Formulierung des Begriffes der Tuber¬
kulose geschaffen hat, stellt es sich selbst in den Dienst des Kampfes
gegen die Tuberkulose. Es wird der gemeinsamen Sache neue Freunde
und.Förderer zu gewinnen wissen und dem jungen Forscher, der sich
mutig in den Kampf hineinwagt, den Anschluss an die gewaltige Geistes¬
arbeit seiner Vorgäpger erleichtern.
Auch der Zeitpunkt des Erscheinens dieser zweiten Auflage scheint
mir richtig gewählt. Stand die erste Auflage an der Schwelle einer
Aera, die, von einem den Erfolg verbürgenden Optimismus beseelt, den
entsprechenden Nutzen aus den Grosstaten eines Robert Koch, sowie
seiner Schüler und Mitarbeiter, zu ziehen versuchte und dem Problem
der Tuberkulose eine weitgehende Vertiefung angedeihen liess, so be-
npden .wir uns jetzt in einer Epoche der Neuentdeckungen, die uns
^versprechenden Ausblick gewährt. „Die Studien über die ver¬
schiedenen Formen des Erregers, seinen Chemismus und seine Dauer¬
formen, die serologischen Stadien über die Reaktion des Organismus
auf die tuberkulöse Infektion, die Fragen des Stoffwechsels und der Er¬
nährung“ haben ebenso, wie die Ausgestaltung des klinisohen Bildes
und die auf neuen internen und ohirurgisohen Wegen einhergehende
Therapie die mannigfaltigste Bereicherung gefunden und scheinen uns
den endgültigen Erfolg unserer Bemühungen in greifbare Nähe zu
rüoken.
Die Reihe der Interessenten an diesem Werke, dessen Umfang nur
den abseits Stehenden in Staunen zu setzen vermag, ist gross genug
und wächst überdies von Tag zu Tag. Nicht nur die grosse Schar der
Heilstättenärzte und die in den Grossstädten praktizierenden Spezial¬
ärzte für Lungenkrankheiten kommen als Abnehmer in Betracht, sondern
auoh jeder praktische Arzt, der bemüht ist, sein Wissen und Können
auf der Höhe der Zeit zu erhalten. Ein Handbuch, wie dieses, behält
mit der Fülle des in ihm Gebotenen auf Jahre hinaus seinen vollen
Wert. Seine Anschaffung dürfte niemand gereuen, zumal der Preis im
Verhältnis zu dem Umfang und der Ausstattung als massig und er¬
schwingbar bezeichnet werden darf.
Die Anordnung des Stoffes ist, soweit dies den vorliegenden ersten
Band betrifft, eine durchaus zweokmässige. Die erste Abteilung,
welohe gewissermaassen das wissenschaftliche Rüstzeug schildert, das
wir zum Studium und zur Bekämpfung der Tuberkulose der einzelnen
Organe bisher gewonnen haben, beginnt mit einer klar, übersichtlich
und fesselnd geschriebenen Geschichte der Tuberkulose aus der
Feder von Aug. Predöhl - Hamburg. Im Interesse der Vermeidung
von Wiederholungen wäre es vielleicht zweokmässig gewesen, dieses
Kapitel mit der Entdeckung des Tuberkelbacillus zu schliessen. Die
historische Entwicklung der Arbeiten der letzten 30 Jahre steht doch noch
so sehr im Mittelpunkt des Interesses, dass kein Autor der folgenden
Kapitel dieses Handbuches es unterlassen konnte und durfte, diese
Arbeiten in den Rahmen seiner Darstellung hineinzuziehen. Die dann
folgende „Pathologische Anatomie“ von Dr. N. Ph. Tendeloo-
Leiden kann als Musterbeispiel einer einheitlichen, wohl geordneten und
nie ermüdenden Darstellung einer an sioh spröden Materie betrachtet
werden. Stets sind nur die grossen Gesichtspunkte berücksichtigt,
während die Vertiefung unserer speziellen Kenntnisse auf den einzelnen
Gebieten den klinischen Bearbeitern der Spezialgebiete überlassen wurde.
Besondere Beachtung verdient hier die zusammenhängende Besprechung
der collateralen tuberkulösen Entzündung, sowie die Erörterung der
Kriterien für die Erkennung des tuberkulösen Ursprungs einer Ent¬
zündung.
Hans Much, dem wir unsere heutigen erweiterten Kenntnisse über
die Morphologie und den Chemismus des Tuberkelb&oillus verdanken,
schrieb das Kapitel „Der Erreger“. Keiner ungeniessbaren Re¬
gistrierung alles dessen, was über den Erreger der Tuberkulose in Er¬
fahrung zu bringen ist, begegnen wir hier, vielmehr einer lebendigen
Darstellung, die sich von dem Gedanken leiten lässt: Wo liegen die
Erkenntnisse, die uns auf diesem Gebiete in der letzten Zeit weiter ge¬
bracht haben und wo haben wir selbst künftighin den Hebel anzu¬
setzen? Auch Paul H. Römer betrachtete es in dem Kapitel über
„Die Ansteokungswege der Tuberkulose“ als seine Aufgabe, aus
der grossen Zahl von mehr oder weniger gut begründeten Anschauungen
über die Tuberkuloseansteckung eine kritische Betrachtung und Sichtung
des beigebrachten Beweissstoffes vorzunehmen und hieraus einen Stand¬
punkt zu gewinnen, der gewissermaassen in Ueberschauung des ge¬
samten gültigen Stoffes die Antwort erstrebt auf die Frage: „Auf
welchem Wege gelangt der Tuberkelbaoillus in den menschlichen
Körper?“ Das folgende Kapitel „Immunität“ ist wieder der be¬
währten Feder H. Much’s an vertraut worden. Seite für Seite erkennen
wir das Bemühen, nur eine den Bestrebungen des Praktikers dienende
Uebersicht über diese Frage zu liefern. Demgemäss wurde auoh von
der Schilderung technischer Einzelheiten abgesehen. Trotzdem, oder
vielleicht gerade deswegen, stellt dies hochwichtige Kapitel mit den in
ihm zum Ausdruck gelangenden grundlegenden modernen Anschauungen
erhebliche Anforderungen an das Auffassungsvermögen des serologisoh
nioht geschulten Lesers, die auch die klare, übersichtliche Schreibweise
des Verfassers, wohl herabzumindern, aber nicht zu beseitigen vermochte.
Mit scharfer Logik und unerbittlicher Kritik endledigt sioh F. Martins-
Rostock der Aufgabe „Disposition und individuelle Prophylaxe“
zu erläutern. Mit besonderer Liebe vertieft er sieb in die Zergliede¬
rung der die Disposition bedingenden wirksamen konstitutionellen
Faktoren, deren wechselnde Kombination und Wertigkeit das Sohicksal
des einzelnen gegenüber der tuberkulösen Infektion besiegelt. A. Gott¬
stein, Charlottenburgs auf dem Gebiete der Tuberkulosefürsorge be¬
währter Stadtmedizinalrat lässt in dem Kapitel „Epidemiologie“ in der
überaus vorsichtigen und kritischen Bewertung der statistischen Zahlen
an jeder Stelle den aus tiefer Kenntnis der Marterie schöpfenden Antor
erkennen.
Als einen glücklichen Gedanken der Herausgeber darf man es wohl
bezeichnen, dass sie auoh einem Veterinärmediziner in diesem Handbuch
das Wort erteilten und so dem Leser duroh die berufene Feder
G. Dammann’s einen Einblick in das Gebiet der Tiertuberkulose
verschafften, wie er sonst nur den wenigen Aerzten vergönnt ist, die
sich in der glücklichen Lage befinden, experimentelle Arbeiten an
grösseren Haustieren ausführen zu können. Es zeugt von der Ge¬
wohnheit, im Unterricht grosse Wissengebiete in kurzen charakteristi¬
schen Strichen klar darzustellen, dass es dem Verfasser gelungen ist,
uns auf nur 93 Seiten einen in der Anordnung des Stoffes durchaus
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UNIVERSITY OF IOWA
1598
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 85.
übersichtlichen und in der Durcharbeit meisterhaft gelungenen Abriss
über eins der Hauptkapitel der Tierpathologie zu geben. Derselben prä¬
gnanten Kürze befieissigt sich Ministerialdirektor Prof. Dr. Martin
Kirchner, dem, als dem Berufensten, das Kapitel: „Die Tuber¬
kulose in sozialer Beziehung“ übertragen war und der dasselbe
besonders interessant dadurch zu gestalten wusste, dass er vornehmlich
auf diejenigen Maassnahmen bin weist, welche bisher noch unerfüllt ge¬
blieben sind.
Die zweite Hauptabteilung des Handbuches, die sioh
speziell mit der Lungentuberkulose beschäftigt, leitet Dr. A. Brecke
(Heilstätte Ueberrub) ein mit der Besprechung der „Diagnose“. All¬
gemeine Erörterungen über den verschiedenen Verlauf der Lungen¬
tuberkulose und die Gründe hierfür eröffnen den Artikel; eine Ab¬
handlung über die Differentialdiagnose beschliesst ihn. Besonders
liebevoll behandelt und mit vielen anschaulichen Abbildungen versehen
ist die Schilderung der Perkussion und Auscultation, sowie der
Messung der Körpertemperatur. Das die spezifische Diagnose be¬
treffende Kapitel beginnt zweckmässigerweise mit dem Nachweis der
Tuberkelbaoillen im Sputum, der aber schon in Much’s Kapitel über
den Erreger ausführlicher behandelt worden ist. Ein Hinweis auf das
letztere hätte hier genügt. „Die klinisohe Bedeutung der Tuber¬
kulinreaktionen“ in ihren verschiedenen Formen schildert uns
J. Ritter (Heilstätte Edmundsthal-Siemerswalde) in klarer und objektiver
Darstellung. Wer die Literatur über die Bewertung der verschiedenen
Tuberkulinreaktionen kennt, wird gestehen müssen, dass Ritter sich
bei seinen Ausführungen eine ausserordentliche Beschränkung auferlegt
und dennoch nichts Wesentliches ausser acht gelassen hat. „Das
Röntgen verfahren bei der Lungentuberkulose“ wird uns von
Dr. Alexander Lorey - Eppendorf beschrieben. Der Autor hat sich
im wesentlichen auf die Beschreibung der sicher zu deutenden Befunde
beschränkt und der Phantasie nicht so weiten Spielraum gelassen, wie
dies in manchen diesbezüglichen Darstellungen zu geschehen pflegt.
Nur mit der Deutung des sogenannten Hilussohattens, die doch noch
immer Gegenstand der Diskussion ist, hat' er es sich doch wohl etwas
zu leicht gemacht. „Die Verwendung der Thorakoskopie und
Laparoskopie“ für die Diagnose tuberkulöser Erkrankungen wurde
von ihrem Erfinder Dr. H. C. Jacobaeus - Stockholm besprochen. Die
Ausführungen des Verfassers, sowie die Abbildungen zweier thorako-
skopischer Befunde bei Tuberkulose der Pleura erwecken derart das
Interesse für die Methoden, dass Referent in diesem Artikel nur ungern
eine Abbildung des Instrumentariums und eine genaue Beschreibung der
Technik vermisst hat. Prof. Dr. E. Meissen - Essen liefert uns das
Schlusskapitel des Bandes: „Die klinischen Formen der Tuber¬
kulose.“ Der leitende Gedanke seiner Ausführungen ist es, die bis¬
herigen Versuche und Anregungen vorzuführen, aus denen sich von
selbst die prägnantesten Gruppen ergeben und darauf hinzuweisen, dass
wissenschaftliche und praktische Gründe einen weiteren Ausban der
bisherigen Abgrenzung der einzelnen klinischen Formen dringend er¬
fordern.
Ein kurzes, aus der Feder E. Rüdiger’s stammendes Namen-
und Sachverzeichnis erleichtert die Benutzung dieses ersten Bandes.
Mögen die folgenden vier Bände ihm gleichen!
_ A. Alexander - Berlin.
Thorkild Rovsing: Die Gastro-Coloptosis, ihre pathologische Bedeutung,
ihre Krankheitsbilder, Diagnose and Behandlung. Aus dem
Dänischen übersetzt von G. Saxinger. Mit 36 Illustrationen.
273 Seiten. Leipzig 1914, Verlag von Vogel.
Dies ist ein streitbares Buch und eio Buch, welches in Anbetracht
des hervorragenden Namens seines Verfassers auch nicht ohne lebhaften
Widerspruoh bleiben wird. Denn Rovsing unterzieht in demselben
zunächst verschiedene Dogmen der modernen Röntgenologie, soweit sie
sich auf die Auslegung der Bilder beziehen, einer scharfen Kritik. Er
greift in dem ersten Kapitel über Form und Lage des Magens die Vor¬
stellung an, dass der obere Rand des Wismutschattens der kleinen, der
untere der grossen Curvatur entspricht. Die obere Grenze des Wismut¬
breies befindet sioh vielmehr bei ungenügender Menge dessselben in
grossem Abstand von dem wahren Verlauf der kleinen Curvatur, auch
stehe die kleine Curvatur keineswegs nach oben und die grosse nach
unten, vielmehr erstere nach hinten gegen die Wirbelsäule, die grosse
nach vorn gegen die vordere Bauchwand. Infolge des Umstandes, dass
die verschiedenen Abschnitte des Magens nioht in ein und derselben
Frontalebene liegen, müsse das Röntgenbild verzerrt sein, und man
könnte den projizierten Schatten nicht für ein naturgetreues Bild der
Magenform halten. (Die neueren Erfahrungen, wonach sich die Magen¬
wand dem jedesmaligen Mageninhalt entsprechend eng an denselben
anlegt, sind nicht berücksichtigt. Ref.) Nur die Stierhornform Holz-
knecht’s entspricht den normalen Verhältnissen, während der Rieder¬
sohe Typus immer auf geringgradigen Magendislokationen beruht. Wenn
man die Lage des Magens lediglich an der Hand des Röntgenbildes be¬
stimmt, so ist man zahlreichen Irrtümern unterworfen, und Verf. hat
unter den von ihm operierten Fällen eine ansehnliche Reihe zu ver¬
zeichnen, in denen das Röntgenbild sieb als falsch, das klinische Bild
dagegen als riohtig erwiesen hatte. „Im Grossen und Ganzen genommen,
glaube ich,“ sagt Verf., „dürfte es an der Zeit sein, ein warnendes Wort
auszurufen gegenüber der bedeutenden Ueberschätzung der Röntgen¬
diagnose, welche fast auf allen Gebieten herrscht. Das gilt auch auf
dem Gebiete der KnochenerkrankuDgen, so dass im blinden Zutrauen
zum Röntgenbild die alten bewährten Untersucbungsmethoden in Ver¬
gessenheit geraten. Wie gross auoh die Hülfe ist, die uns die Röntgen¬
methode darbietet, sofern wir ihre Begrenzung kennen und erkennen,
so gross ist anoh die Gefahr, die aus ihrer kritiklosen Anwendung als
souveräne und unfehlbahre Methode entsteht.“ — Es branoht diesen
Sätzen gegenüber wohl kaum betont zu werden, dass man — ich kann
das, glaube ich, als allgemein gültig, aussprechen, — bei uns über diese
Phase der Röntgenologie bereits fortgekommen ist, und niemand mehr
daran denkt, dieselbe als eine „souveräne und unfehlbare Methode“
auszuspielen. Dass die Gastro- resp. Enteroptose so selten beim männ¬
lichen Geschlecht, dagegen so häufig bei Frauen auftritt, ist einer der
Gründe, welche der Verf. gegen die Stiller’sche Hypothese, einer uni¬
versellen angeborenen Asthenie anführt, zumal die Ptose ein so häufiges
Phänomen bei ursprünglich normalen Frauen ist. Die Ptose entsteht
vielmehr durch den Missbrauch des Korsets und des Schnürbandes und
die Veränderungen des intraabdominellen Druckes, welche Gravidität
und Geburt mit sich bringen. (Und wie steht es mit den Fallen von
Ptose bei jungen Mädchen, die sich nie geschnürt und nie ein Korset
getragen haben? So einfach liegen die Dinge doch nioht! Gerade der
von Rovsing mitgeteilte und abgebildete Fall von sohwerer Ptose ist
ein typisches Beispiel des Stiller’schen Habitus astbenicus. Ref.)
R. unterscheidet demgemäss eine virginelle und maternelle Gastro-
Coloptose. Hier kann es sioh nicht nur um eine primäre Atonie
handeln, die von Stiller und Knud Fab er als die Ursache der Ptose
angesehen wird. Eine Atonie führt zur Dilatation mit Senkung der
grossen Curvatur, eine Senkung der kleinen Curvatur tritt nur ein, wenn
der Aufhängeapparat des Magens verlängert und schlaff ist. Dabei kann
auoh in einer Anzahl von Fällen eine Verzögerung in der Entleerung
des Magen9 durch Knickung des Duodeums auftreten, aber es ist un¬
berechtigt, unter solchen Umständen von einer Atonie zu sprechen.
Das Bestehen einer Atonie sei vielmehr in der überwiegenden Mehrzahl
der Fälle gänzlich ausgeschlossen. Nur in etwa 10—20% besteht eine
Verzögerung der Magenentleerung, die aber mit einer echten Atonie
nichts zu tun bat. Wenig Krankheiten werden so häufig verkannt, wie
gerade die virginelle Gastroptose, die mit den verschiedensten anderen
Magen- und Darmleiden verwechselt wird. Das charakteristische Zeichen
der maternellen Gastroptose ist in erster Linie die Erschlaffung da
Lig. gastro-colicum und des Mesocolon, überhaupt der Ersohlaffung der
Bänder. Die Beschwerden bessern sich oder verschwinden ganz im
Gegensatz zn der virginellen Form, wenn die Kranken sich niederlegen,
um sich alsbald wieder einzustellen oder zuzunehmen, sobald Patient
sich in aufrechte Stellung begibt. (Ref. bat schon vor vielen Jahren
darauf hingewiesen, dass bei echter Gastroptose die Beschwerden, soweit
sie sich als ziehende Schmerzen, Druckgefühl und andere nervöse Be¬
schwerden kundgeben, augenblicklich gelindert werden, wenn man durch
einen von unten nach oben auf das Abdomen gerichteten Druck mit den
Händen — am Besten, indem man den Patient von hinten umfasst —
den Magen in die Höbe hebt. Dies ist eine recht gute Prüfung, wonach
die Anlegung einer Bandage, Rose’schen Binde und ähnliches, zu be¬
werten ist.) Zur Behebung dieser Zustände empfiehlt R. die Gastro-
pexie und setzt das von ihm angewandte OperationBverfahren aus¬
einander. In 163 von ihm operierten Fällen ergab sioh Heilung in
50,6pCt., bedeutende Besserung in 20,5pCt., insgesamt 71,1 pCt, Besserung
in llpCt., geringe oder keine Besserung in 12,8pCt., gestorben 4,9 pCt
Indessen waren diese Todesfälle in der Mehrzahl nicht der Operation
an sioh beizumessen, und würden 9ich bei strenger Sichtung nur auf
1,2 pCt. beziffern. Die Ausführung der Gastroenterostomie bei einer
unkomplizierten Gastroptose wird verworfen, weil sich eine Stase unter¬
halb der Anastomosenstelle und damit ein Rücklauf von Galle und
Darminbalt in den Magen einstellt. Eine Nahrungsretention im Magen
findet dagegen naoh der Gastropexie nicht statt. Nur bei einem ein¬
zigen Patienten wurde bei einer Nachprüfung aller bis zum Jahre 1907
operierten Patienten eine, übrigens wechselnde Retention naebgewiesep.
Als Nachbehandlung ist das Tragen einer Binde anzuraten und in
den ersten 2—3 Monaten jede Art grober körperlicher Arbeit, das Heben
und Tragen schwerer Gegenstände und ähnliches zu vermeiden notwendig,
ln einem grossen Prozentsatz der Fälle wurde die vorher bestehende
Obstipation duroh die Gastropexie mit einem Schlage zum Verschwinden
gebracht oder bedurfte anfänglich nur geringer Nachhilfe. Die Operation
ist indiziert in allen Fällen, in denen die Kranken infolge ihrer Magen-
und Darmbeschwerden arbeitsunfähig und invalide werden, und in denen
eine systematisch durobgeführte medizinische Behandlung und das Tragen
einer Leibbinde erfolglos war.
Ein Bericht über 300 mit Gastropexie behandelte Fälle bildet den
Beschluss des Buches. Ewald.
Literatur-Auszüge.
Therapie.
G. Katz - Friedenau: Hexal in der Frauenpraxis. (D.m.W., 1914,
Nr. 82.) Hexal hat sich Verf. in einer Reihe von Blasenaffektionen
sehr gut bewährt.
G. Fritsch - Gross-Lichterfelde: Die resorbierende Wirking
Jodozitins. (D.m.W., 1914, Nr. 32.) Verf. nahm gegen seine Glas-
körpertrübungen täglich eine Pastille mit gutem Erfolge.
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1689
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81. Angnat 1914.
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H. Boruttau - Berlin: Zur innerlichen Kalktherapie. (D.m.W.,
1914, Nr. 82.) Die vielfache Verwendung des Kalkes in der Therapie
yeranlasste Verf., die schleohtschmeokenden Präparate in einem Corrigens
zu geben, das gleichzeitig den Charakter des Nährmittels hat. Er be¬
nutzt das Pflanzeneiweiss Edestin. Das Präparat heisst Caleedon und
hat dieselben pharmakologischen Eigenschaften wie Kalk.
R. Meyer-Halle a. S.: Larosan keil Erwachsenem insbesondere
bei Ulous ventriouli. (D.m.W., 1914, Nr. 82.) Verf. empfiehlt, das in
der Kinderheilkunde sioh gut bewährende Larosan mit seinem hohen
Kalk-Caseingehalt in der Therapie des Ulcus ventriouli als Beigabe zur
Milch in verschiedener Konzentration zu benutzen, um so den Calorien-
gehalt der Nahrung zu steigern. Der Kalkgehalt des Larosans bietet
auch noch den Vorteil der Steigerung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes
und der Saurebindung im Magen.
E. Kosminski - Berlin: Zur Behandlung der Amenorrlitie nit
Hypophyseoextrakten. (D.m.W., 1914, Nr. 88.) Die Behandlung der
Amenorrhoe mit Hypophysenextrakten ist in allen ätiologisch nicht
klaren Fällen als erfolgreich und bei Misserfolgen als unschädlich zu
empfehlen. Eine grosse Zahl von Amenorrhoen ist sicherlich auf eine
Hypofunktiou des Hirnanhanges zurückzuführen.
M. Cordes - Berlin: Verbesserung der Technik der Embarin-
bebandiang. (D.m.W., 1914, Nr. 38.) Da Verf. öfters im Beginn der
Kur Storungen des Allgemeinbefindens sah, verabfolgt er anfangs nur
kleine Dosen, um dann zu Voildosen überzugehen.
A. Neumann - Graz: Therapeutische Versuche mit Embarin bei
Nervenkrankheiten. (D.m.W., 1914, Nr. 33.) Embarin scheint im An¬
fangsstadium von Nervenkrankheiten, insbesondere bei initialer Tabes
und progressiver Paralyse günstig zu wirken. Dünner.
A. Grosglick - Lodz: Immnnotherapeutische Versuche bei Syphilis.
(Denn. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 31 u. 32.) Der Lues-Fötalleber¬
extrakt wirkt spezifisch auf Produkte der Syphilis ein in allen Stadien
der Krankheit, ähnlich dem Quecksilber, dem Jodkali, dem Salvarsan.
Er steht jedoch den erprobten Spezificis, was Schnelligkeit, Intensität
und Zahl der beeinflussten Fälle anbelangt, unvergleichlich nach.
Fr. Samberger - Prag: Eine neue Behandlungsmethode des akntei
Ekzems. (Denn., Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 30.) Verf. lässt dreimal
am Tage die nässende Ekzemfläche 5—10 Minuten lang mit heisser,
lproz., wässeriger Resorcinlösung betupfen und dann abtrocknen und
trocken und luftdicht verbinden. In 2—3 Tagen ist gewöhnlich das
Nässen beseitigt. Dann wird die erkrankte Partie mit Unna’scher Zink¬
paste (Zinci oxydati 10,0, Teriac silio. 2,0, Axungii poroi 28,0) bestrichen.
Mitschke - Gnesen: Ein mit Qnarzlicht behandelter Fall von
diabetischer Hautgangrän. (Derm. Zbl., Juli 1914.) Die Gangrän
heilte nicht nur, sondern auch das körperliche Befinden besserte sich
zusehends.
P. Wichmann - Hamburg: Erfahrungen mit dem F. F. Friedmann-
sehea Heil- und Schutzmittel zur Bekämpfung der Tnberkalose beim
Lupus, bei Haut- und Knochentuberkulose. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59,
Nr. 32.) Verf. hat in allen Fällen bisher nur Misserfolge mit der Sohild-
krötentuberkelbacillenemulsion gehabt. Immerwahr.
D. Ghilaiditi - Konstantinopel: Zur Technik der gynäkologischen
Röntgentherapie. Der Kompressor, ein Instrument für systematische
Ausnutzung der Verschieblichkeit der Bauohhant. (M.ro.W., 1914, Nr. 82.)
Um von verschiedenen Hautstellen aus dasselbe Organ zu bestrahlen
nnd um ganz genau den einmal bestrahlten Hautbezirk zu kennen, be¬
nutzt Verf. einen Kompressor, mit dem die genannte Forderung erfüllt
werden kann.
L. Heidenhain-Worms: Operatioa oder Bestrahlaag. (M.m.W.,
19U, Nr. 82.) Eine kritische Betrachtung zu Sanitätsrat Dr. Chr.
Müller’s gleichnamigen Aufsatz in Nr. 22 der M.m.W.
0. Küstner und F. Heimann - Breslau: Ergebnisse der Strahlen¬
behandlung der Garcinome. (D.m.W., 1914, Nr. 33.) Bericht über
98 Fälle während l l / 2 Jahre. Die Verff. operieren nach wie vor die
operablen Carcinome. Die Strahlenbehandlung kommt vorwiegend für
die inoperablen Carcinome in Betraoht, bei denen sie viel nützen, schon
dadurch, dass die fürchterlichen Jauchungen sistieren. Dünner.
B. Schweitzer - Leipzig: Die bisherigen Erfolge der Hesothoriam-
hehandlung heim Gebärmutter- nnd Scheidenkrebs. (Zbl. f. Gyn.,
1914, Nr. 32.) Gerade die Fälle, bei denen wir bisher völlig machtlos
waren, d. h. die sogenannten inoperablen, fordern dazu auf, die Meso-
thoriumtherapie zu versuchen, und so hat denn Verf. auch gerade diese
Falle dieser Therapie unterzogen. Er verbreitet sich zunächst über die
Technik und kommt auf den schwierigen und viel umstrittenen Punkt
der Dosierung und der Reizwirkung zu sprechen. Zur Abdeckung ver¬
wendet er Messing, welches allerdings da, wo es mit den gesunden
Partien in Berührung kommt, auch noch einer Fütterung bedarf. Diese
gewhieht durch Einlegen von Celluloidplatten. Die Schwierigkeit be¬
steht darip, dass man einerseits in erster Linie die Gammastrahlen an¬
wenden will, andererseits aber für die centralen Partien auch der Beta¬
strahlen bedarf, dass man ferner anfänglich das Bestrahlungsgebiet nicht
zu sehr ausdehnen darf, weil man sonst Gefahr läuft, Reizwirkuug und
schnelleres Wachstum zu erzielen, wie das dem Verf. tatsächlich passiert
p? “ ass man aber andererseits auch die gewünschte Wirkung durch
Km Wirkung auf ein zu kleines Gebiet illusorisoh machen kann. Verf.
hat daher die Messingumhüllungeo mit Ausschnitten versehen und diese
allmählich vergrö9sert, und bald auf diese, bald auf jene Partie in
systematischer Weise einwirken lassen und ebenso auoh die Art der
Fütterung in verschiedener Weise dem einzelnen Fall angepasst.
A. Hörrmann - München: Chorionepitbeliom and Strahlentherapie.
(Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 32.) Verf. beschreibt den Verlauf eines Falles
von Chorionepitbeliom, bei welchem er nach vaginaler Totalexstirpation
zuerst Röutgenstrahlen und, als dieses nicht viel Besserung brachte,
Mesothorium angewendet hat. Der Erfolg war örtlich ein sehr guter,
trotzdem recidivierte das Cborionepitheliom nicht nur örtlich wieder,
sondern es traten auch Symptome vou der Geschwulst in allen mög¬
lichen anderen Organen auf. Schliesslich starb Patientin an Apoplexie.
Siefart.
K. Grimm - Cöln: Taenia saginata heim Säugling. (M.m.W., 1914,
Nr. 32.) Taenia saginata ist beim Säugling sehr selten. Die Verab¬
reichung eines Abtreibungmittels ist zum Teil gefährlich (Extractum
filicis maris) oder es wird oft erbrochen. Einem 16 1 /* Monate alten Säug¬
ling gab Verf. 20 g Kukumarin, die etwa 2 /s kg Kürbiskernen . ent¬
sprachen, in Milch mit gutem Erfolg; der Kopf ging ab. Dünner.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
A. Schmincke - München: Entstehung der Hämorrhoiden. (M.m.W.,
1914, Nr. 32.) Nach gemeinsamen Untersuchungen mit Szumann.
Vortrag im ärztlichen Verein München am 15. Juli 1914. Dünner.
Diagnostik.
L. Saat hoff - Oberstdorf: Die Notwendigkeit einer einheitlichen
Temperatnrmessung und über die Grenze zwischen normalen und patho¬
logischen Temperaturen. (M.m.W., 1914, Nr. 32.) Eiue von allen
Aerzten geübte Methode der Temperaturmessung ist bisher noch nicht
durebgeführt. Am zuverlässigsten ist die Rectalmessung, aber auch sie
ist nur unter Einschränkung zu verwerten, naohdem man weiss, dass
die Region, die vor der Messung in Aktion war, höhere Tempe¬
ratur aufwies. So ist die Rectaltemperatur nach Spaziergängen, die
Magentemperatur nach dem Essen (Weinert) erhöht. Psychische Er¬
regung hat das gleiche Resultat. Will man eine exakte Rectal tempe-
ratur haben, so muss man bei bettlägerigen Personen 20 Minuten vor
den Mahlzeiten messen. Dann ist 37° als Grenze des Physiologischen
anzusehen. Dünner.
Parasitenkunde und Serologie.
L. Hirschfeld und R. Klinger - Zürich: Eine Gerinnungsreaktion
hoi Loos, (D.m.W., 1914, Nr. 32.) Die Gerinnungsreaktion bei Lues
beruht auf der Bestimmung der Gerinnangsaktivität von Organextrakt,
nachdem er mit Serum digeriert wurde. Luetische Sera haben die Eigen¬
schaft, den Cytoeymcharakter des Extraktes zu zerstören, so dass bei
der gewählten Versuchsanordnung die Gerinnung ausbleibt. Durch Zu¬
satz von gefärbten Suspensionen liess sioh die Gerinnung auch als
Farbenreaktion zum Ausdruck bringen, da beim Schütteln die gefärbten
Teilchen im Fibrin eingeschlossen werden und eine Entfärbung der
Flüssigkeit ein tritt.
E. Wegener-Jena: Zur Frage der Gesehlechtsspezifität der
Abderhalden’schen Abwehrfermente und über die Beeinflussung der
Abbau Vorgänge durch Narcotica. (M.m.W., 1914, Nr. 32.) 1. Verf.
konnte zeigen, dass die Geschlechtsspezifität der Abderh&lden’schen
Reaktion, soweit der Abbau von Ovarien und Testikel in Frage kommt,
absolut gewahrt ist. 2. Versuche an Hunden liessen erkennen, dass
einige Zeit verabreichte Narootioa zu einem Gehirnabbau führen. Des¬
halb muss man die Forderung aufstellen, dass alle Kranke, deren Blut
auf Abwehrfermente untersucht werden soll, ohne jede Medikation von
Narcotica sind.
J. J. Nitzescu - Bukarest: Die Sehatzfermente gegen das Mais-
eiweiss (Zeine) im Blute der Pellagrösen. (D.m.W., 1914, Nr. 82.)
Verf. versucht die Frage, ob Pellagra eine Intoxikation mit Maiseiweiss
sei, mit Hilfe der Abderhalden’schen Reaktion zu lösen. Er fand bei
allen Fällen von sicherer Pellagra Abwehrfermente gegen Maiseiweiss.
Die Fermente bleiben lange Zeit im Blute nach Verschwinden der
Symptome und Ersatz des Maises durch Brot.
A. E. Porter - Edinburgh: Die Verbreitung der fett-, leeithii- md
wachsspalteadel Fermente in den Organen. (M.m.W., 1914, Nr. 32.)
Verf. konnte die genannten Fermente in einer Reihe von Organen, die
er aufführt, nachweisen. Dünner.
Innere Medizin.
H. Strauss: Zur Verwendung der Karminprohe für die Bestim¬
mung der Verweildauer im Verdauungskanal. (Boas* Arch., Bd. 20, H. 3,
S. 299.) Strauss empfiehlt aufs neue die von ihm angegebene Karmin¬
probe. Die Verweildauer beträgt bei Gesunden selten weniger als
12 Stunden und selten mehr als 48 Stunden. Unter pathologischen Be¬
dingungen kann sie auf 3—4 Stunden sinken und sich bis zu 117 Stunden
ausdehnen; Für die Diagnose des Torpor recti oder der Proktostase
bzw. der Typhlostase gibt die Karminprobe wertvolle Anhaltspunkte. Sie
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UMIVERSITY OF IOWA
1600
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 86.
ist einfach aaszuführen and hat Anrecht aaf eine grössere Benutzung in
der praktischen Danndiagnostik.
St. Sochanski: Capillaranalyse des Magensaftes, ihre praktische
Bedeutung nebst einigen Bemerkungen, andere Methoden der Magensaft-
titration betreffend. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 3, S. 317.) Eine Nach¬
prüfung der Holmgren’schen Methode unter experimentell-kritischer
"Würdigung des Verfahrens bat dem Verf. die Brauchbarkeit und Zuver¬
lässigkeit desselben ergeben. Neben Congorot (1 pCt.) hat Verf. auch
eine 0,5proz. wässerige Aiizarinrotlösuog angewandt, die besonders zur
Bestimmung der freien Salzsäure geeignet erscheint, und schlägt vor,
beide Indikatoren gemeinsam zu benutzen. Man hat dann zwei Skalen
auf dem Fliesspapier, die gekreuzt verlaufen, und kann sowohl freie
Salzsäure als Milchsäure analysieren. Bemerkungen über Wesen und
Wirkung der verschiedenen Indikatoren (Lakmus, Phenolfarbstoffe) usw.
E. Schütz: Ueber Mageninhaltspräfiiig ohne Anwendung des
8ondeiverfahrens. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 3, S. 804.) Verf., der die
verschiedenen Methoden, besonders die von Schwarz, Friedrich und
Fuld, einer Nachprüfung unterzogen hat, kommt zu dem Schluss, dass
sie „weder für sioh allein noch zusammengenommen imstande sind, das
Sondierungsverfahren zu ersetzen“.
Disque: Organische und funktionelle Achylia gastriea. (Boas’
Arch., Bd. 20, H. 8, S. 366 ) Eine eingehende Besprechung der Ent-
stehungsarten und des Verlaufes bzw. der Behandlung beider Formen
der sogenannten Aohylie. Verf. kommt zu dem Ergebnis, dass die
funktionelle Acbylie häufiger als die organische vorkommt, die Diffe-
rentialdiagnose aber nicht immer leicht zu stellen ist. Die Prognose
der ersteren ist besser, die Behandlung beider Formen eine entgegen¬
gesetzte. Im ersteren Fall eine Ueberoroährungskur, im letzteren eine
Sohonungsdiat. Ewald.
H. Scbirokauer-Berlin: Die Phenophthaleinprobe auf okkultes
Blnt nach Boas. (D.m.W., 1914, Nr. 32.) — J. Boas-Berlin: Ent¬
gegnung.) (D.m.W., 1914, Nr. 82.) Schirokauer weist nochmals
darauf hin, dass die von Boas angegebene Probe nicht zuverlässige
Resultate ergeben kann, weil die Reagentien allein schon eine positive
Reaktion ergeben. Dem widerspricht Boas insofern, als er zwar die
theoretischen Erörterungen von Schirokauer mehr oder weniger an¬
erkennt, aber solange an der Gültigkeit der Probe festhält, bis ihm an
einem praktischen Fall die Unbrauchbarkeit der Reaktion gezeigt wird.
Dünner.
Chirurgie.
H. Andree - Bremen: Die Operationen zar Deeking grösserer
Tibiadefekte. (D.m.W., 1914, Nr. 32.) Anwendung des Brandes’soben
Verfahrens in modifizierter Form. Näheres im Originalartikel.
Riedel-Jena: Cystiseke Geschwülste im Jngalam, speziell eine
tuberkulöse, aus der Thymnsdrüse (?) hervorgegangene. (D.m.W., 1914,
Nr. 32.) In kropfreichen Gegenden werden Dermoide und Kropfoysten
gleich häufig im Jugulum zur Beobachtung kommen; iu kropffreien über¬
wiegen erstere. Kropfcysten werden gelegentlich tuberkulös entarten,
Dermoide schwerlich. Die von Rippenansätzen und den die Vena jugu-
laris interna umgebenden Lymphdrüsen ausgebenden cystisohen tuberku¬
lösen Geschwülste bzw. Abscesse liegen mehr seitlich im Jugulum. Eine
in der Mittellinie desselben lokalisierte tuberkulöse Cyste wird sich ent¬
weder von einer substernalen Struma oder, wahrscheinlicher, von der
tuberkulösen Thymusdrüse aus entwickeln; auch die Glandulae media-
stini anteriores kommen in Frage. Dünner.
Röntgenologie.
H. Greinaoher-Zürich: Das Ionometer und seine Verwendung in
der Böntgendosimetrie. (M.m.W., 1914, Nr. 32.)
R. Goipel - Würzburg: Ein kleiner Vorteil beim Durchleuchten
mit Röatgenstrahlen. (M.m.W., 1914, Nr. 32.) Zur Erhaltung der
Adaption rät G., eine Glühbirne von rotem Glas, wie sie bei der Ent¬
wicklung von photographischen Platten verwendet wird, zur Erleuchtung
des Röntgenzimmers zu benutzen; durch das rote Glas werden gerade
die Strahlen ausgeschaltet, die am Röntgenschirm aufleuchten, und die
Empfindlichkeit des Auges für diese bleibt erhalten. Dünner.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
P. G. Unna - Hamburg: Zinkmethan als Unterlage. (Derm.Wscbr.,
1914, Bd. 59, Nr. 30.) Unna empfiehlt das Zinkmethan (Zinci oxy-
dati, Bismuthi oxyohlorati, 01. Lini, Aquae oalcis u 10,0, Methan 20,0)
als Unterlage unter Zinkleimverbände, Schälpasten und Druckcollodium-
verbände.
Eschbaum-Barmen: Beitrag zur Snlfoformbehandlnng der
Seborrhoea eapitis. (Derm. Zbl., Juli 1914.) Empfehlung der Sulfo-
formölbebandlung, welche rascher und dauernde Erfolge erzielte in
Fällen, iQ denen bisher jede andere Therapie versagt batte.
F. Tamm - Hamburg: Ein Beitrag zur Aetiologie der Dermatitis
exfoliativa neonatornm Ritter und ihrer Beziehung zu der Impetigo
contagiosa stapbylogenos. (Derm. Zschr., August 1914.) Die Mutter
des an Dermatitis exfoliativa neonatorum erkrankten Säuglings litt an
Impetigo contagiosa und hatte auch ihr zweijähriges Kind infiziert Bei
allen drei Kranken wurde als Erreger der Staphylococcus aureus fest-
gestellt.
T. Aoki - Nagasaki: Ueber den Favis der unbehaarten Haut in
Japan, mit besonderer Berücksichtigung der bakteriologischen Unter¬
suchung. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 29.) Im Gegensatz zu
Europa ist der Favus auf der unbehaarten Haut in Japan sehr selten
beobachtet worden. Wahrscheinlich ist im Falle des Verf. da9 Aebenen
Scböoleinii vom Kopfe durch Kratzen auf die unbehaarte Haut über¬
tragen worden.
A. Takahashi - Tokio: Ueber die ätiologische Beziehung des
Bacillus pyoeyanens zar Gesebwftrebildang. (Derm. Zschr., August
1914.) Der Bacillus pyooy&ueus ist, wenn er unter die Haut gelangt,
wie die Eiterkokken fähig, ein Geschwür zu bilden, welches an der
Glans penis pbagedäniseben Charakter hat und den Patienten unerträg¬
liche Schmerzen bereitet. Durch Wucherung der Ränder kann ein einem
Krebs ähnliches Bild entstehen. Mikroskopisch ähnelt das Geschwür am
meisten dem barten Schanker, bakteriologisch ist aber stets der Bacillus
pyocyaDeus nachweisbar.
Ch. Plancherel - Basel: Beitrag zur Lehre vom Boeek’ieken Sar¬
koid. (Derm. Zschr., August 1914.) Das bisher vorliegende Material
genügt durchaus nicht, eine Entscheidung über die tuberkulöse Natur
des Boeck’schen Sarkoids zu fällen; aber noch viel weniger berechtigt
ist das Bestreben, auf Grund der negativen Ergebnisse das Boeck’ache
Sarkoid von jeglicher Beziehung zur Tuberkulose schon definitv loszu-
trennen und lediglich nach histologischen Kriterien zu einer nosologi¬
schen Einheit mit unbekannter Aetiologie zusammenzufassen.
R. Pol laud - Graz: Ueber die Beziehungen gewisser Formen
exfoliativer Erythrodermien zar Tuberkulose. (Derm. Ztschr., August
1914.) Bei einem an Tuberkulose der Lymphdrüsen und an Lupus
vulgaris leidenden Patienten trat eine Dermatitis exfoliativa acuta auf,
welche als ein tuberoulo-toxisches Erythem aufzufassen ist
Immerwahr.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
H. Küster-Breslau: Nutzen des Peristaltins für die Laparo-
tomierten. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 31.) Nach der Anwendung io
81 Fällen kommt Verf. zu dem Resultat, dass er die Anwendung des
Peristaltins nur warm empfehlen kann, und zwar hat es sich am meisten
bewährt, wenn er kurz vor der Operation und am Abend nach derselben
je 0,5 ccm intramuskulär injizierte, natürlich abgesehen von den Fällen,
in denen der Darm selbst in Mitleidenschaft gezogen war.
Siefart.
Technik.
Engelen - Düsseldorf: Apparat zar Lichtbehandlung der Lunge.
(D.m.W., 1914, Nr. 32.) Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Südostdeotsche Chirnrgen-Vereinignng.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 18. Juni 1914.
(Schluss.)
Hr. Borchard- Posen*. Demonstration eines hühnereigrossen Baad*
zellensarkoma des Colon ascendens, das Veranlassung zu einer Iovagi-
natio ileocolica gegeben hatte und durch Resektion des unteren Ileum,
Colon ascendens und der ersten Hälfte des Colon transversum mitsamt
den bis tauben eigrossen Drüsen des Mesocolon entfernt wurde. Heilung.
Im Anschluss daran wurden die verschiedenen Formen der Magen*
darmsarkome besprochen und auf die Aehnlichkeit mancher Fälle mit
Tuberkulose hingewiesen.
Diskussion.
Hr. Küttner: Sarkome des Magens wurden in den letzten Jahren
4 mal beobachtet; die Prognose ist ganz ungünstig, in einem Falle schien
sie besser, doch trat 10 Jahre nach der Resektion das Recidiv und die
Peritonealaussaat auf. Am häufigsten bat K. das Sarkom der Ileocoecal*
gegend gesehen, bei dem durch ulcerative Erweiterung des Darmlumens
die Stenose im Gegensatz zum Carcinom ausbleibt. Diese Patienten
zeichnen sich bisweilen durch ein eigenartiges Kolorit des Gesichts aus,
in dem die auffallend roten Lippen mit dfem gelblichblassen Farbton der
Gesichtshaut kontrastieren.
Hr. Goebel macht auf mehrere Charakteristica der Dünndarm¬
sarkome aufmerksam. Erstens das infiltrierende, multiple Wachstum,
das zu mehreren Stenosen führen kann, die scheinbar gao* unabhängig
voneinander sind. Zweitens die naheliegende Verwechslung mit Tuber¬
kulose, die sowohl durch die Multiplizität als das makroskopische Aus¬
sehen herbeigefübrt werden kann. Die Verwechslung kann zu verhangtu*
vollen Irrtümern führen, indem man sioh statt der beim Tumor strikte
indirekten Resektion mit der Entero&n&stomose begnügt.
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UNIVERSITÄT OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1601
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31. Äugest 1914.
Voa polypösen Dickdarmsarkomen hat G. ein sehr seltenes an der
Flexura lienalis operiert und in der Breslauer chirurgischen Gesellschaft
demonstriert. Die zum Skelett abgemagerte, etwa 50 jährige Frau erholte
sich nach der Operation ausserordentlich und stellte sich 5 Jahre später
in blühendem Zustand wieder vor, trotzdem bei der Operation
grosse Drüsen im Mesocolon entfernt, aber höchstwahrscheinlich nicht
radikal entfernt waren. Offenbar waren die Drüsen — wie beim Carcinom —
infolge der Ulcerierung des Tumors im Darmlumen wesentlich nur ent¬
zündlich angeschwollen.
Hr. Melchior: Die von Herrn Goebel erwähnte gelegentliche
Aehnlichkeit der Dünndarmsarkome mit der Tuberkulose war besonders
evident in einem von mir vor längeren Jahren im Krankenbause Moabit
zu Berlin mitbeobachteten Falle. Die klinischen Erscheinungen waren
hier völlig die einer tuberkulösen Polyserositis; die Sektion ergab
jedoch ein Dünndarmsarkom mit knötchenförmiger Aussaat auf Peritoneum
und Pleuren.
Hr. Phi lipo wicz empfiehlt bei lleocoecaltumor zweifelhaften Ursprungs
die subcutane Tuberkuliniojektion zu diagnostischen Zwecken. Bei nega¬
tiver Herdreaktion kommt maligner Tumor oder die pseudoneoplastische
Form der Appendioitis in Betracht, was für die Wahl des Eingriffes
wichtig ist.
Hr. Philipowicz- Breslau:
Ueber „Ligaturbehandlnng der Hämorrhoiden“.
Vortr. bespricht kurz die Methoden und Resultate der operativen
Hämorrhoidenbebandlung und berichtet über 50 mittels Ligatur behandelte
Patienten der Küttner’schen Klinik. Absolut geheilt sind 80 pCt.,
relativ geheilt, d. h. ohne subjektive Beschwerden 92 pCt. In 8 pCt.
kam es wieder zu unangenehmen Sensationen und Blutungen. Neubildung
von Knoten bei weiter bestehender Stauung und Disposition nicht aus¬
geschlossen. Ernstere lokale oder allgemeine Komplikationen sind nicht
vorgekommen. Nur einmal herabgesetzte Kontinenz, was auf zu starke
Sphincterdehnung zu beziehen ist. Deshalb Vorsicht beim Dehnen. Nach¬
blutung zweimal ganz unbedeutend, Urinretention viermal kurzdauernd,
postoperativer Schmerz zweimal nach Lokalanästhesie, einmal nach De-
fäkation. Beschreibung der Technik. Die Methode ist als gefahrlos,
schonend und einfach und bei Befolgung der richtigen Technik sehr zu
empfehlen. Ungünstige Angaben beruhen auf fehlerhafter Technik.
Diskussion.
Hr. Hufschmid hat in etwa 10 Fällen die Ligaturmethode ange¬
wandt. Sie ist technisch verhältnismässig einfach und lässt sich mit
wenig Assistenz ausführen. Da sich aber bei einer grösseren Anzahl
der Patienten sehr starke postoperative Schmerzen eingestellt haben, die
nur mit grossen Morpbiumdosen bekämpft werden konnten, ist Hufschmid
wieder zur Whitehead-Mikulioz’schen Operation zurücbgekehrt.
Hr. Küttner: Die Schmerzen nach der Ligatur treten nur auf, wenn
die äussere Haut mit eingebunden worden ist; auch bei sensiblen Patienten
der Privatklientel hat K. das Verfahren seit Jahren stets angewandt und
niemals über ungewöhnliche Beschwerden klagen hören. Ein besonderer
Vorzug der Methode ist die Schnelligkeit der Ausführung und das Aus¬
bleiben von Strikturen.
Hr. Peiser-Posen ist ebenfalls Anhänger der Ligaturbehandlung.
Er empfiehlt sie angelegentlich auch zur Behandlung des Prolapsus aui,
der ja so oft mit inneren Hämorrhoiden vergesellschaftet ist. Der Prolaps
heilt regelmässig, offenbar infolge tiefgreifender Narbenbildung an der
Ligaturstelle.
Hr. Batzdorff kann die von dem Vortragenden gegen die Whitehead-
sche Operation erhobenen Einwände nicht bestätigen. An der Abteilung
von Herrn Prof. Gottstein sind mit dieser Methode an einem Material
von mehreren Hundert Fällen ausserordentlich gute Resultate erzielt
worden, die auch von Hadda in einer ausführlichen Publikation 1 ) be¬
richtet worden sind. Strikturen, Inkontinenz oder Recidive wurden bei
diesen zu einem grossen Teil auch nachuntersuchten Fällen nicht beob¬
achtet Dieses günstige Resultat sowie die kurze Operations- und Krank¬
heitsdauer berechtigen dazu, der Whitehead’schen Operation zugleich auch
als radikaleren Methode den Vorzug zu geben.
Hr. Harttung berichtet über einen Hämorrhoidalknoten von etwa
Erbsengrösse bei einem Neugeborenen, dessen Geburt ohne Besonder¬
heiten verlief. Die Diagnose schwankte anfangs zwischen einem kongeni¬
talen Hämorrhoidalknoten odereinem polypösen Gebilde, welches ziemlich
breitbasig am Uebergang der Schleimhaut in die äussere Haut am
Anus sass.
Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass es sich um ein Angiom
handelte. Vielleicht ist dieser Fall für die Reinbach’sche Theorie zu
▼erwerten, da es sich in einem grossen Prozentsatz bei Hämorrhoiden
um selbständige Neubildungen im Sinne von Angiomen bzw. cavernösen
Angiomen handle.
Hr. Melchior: Mitunter ist es nicht der Arzt, sondern der Patient
selbst, der seinem Sphincter eine ganz erstaunliche Malträtierung zu-
wütet. Soeben im Beginne der Sitzung suchte hier ein Mann die Poli¬
klinik auf, mit der Angabe, sich gestern, um einer bestehenden Diarrhöe
Einhalt zu tun, ein „Schächtelchen“ in den After gesteckt zu haben.
Kan fühlte in der Ampulle, gerade noch mit der Fingerkuppe erreichbar,
den unteren Rand des Corpus delicti. Die Extraktion in Narkose, mit
Anwendung der Kugelzange ausgeführt, ergab eine nicht weniger als
7 cm im Durchmesser betragende, 2,4 cm hohe Blechdose eines Schuh-
1) Arch. f. klin. Cbir., Bd. 100, H. 4.
putzmittels. Wie der Sphinoter aui auf diese enorme Dilatation reagieren
wird, muss abgewartet werden.
Hr. Melchior: Ueber Olntlstülsceiie.
Vortr. bespricht an der Hand von zahlreichen Beobachtungen der
Küttner’schen Klinik die pathologische Anatomie, Symptomatologie und
Behandlung der idiopathischen, in der tiefen Glutaaltatsche sioh abspielen¬
den Phlegmonen.
(Erscheint ausführlich in den Beitr. z. klin. Chir.)
Diskussion.
Hr. Küttner betont das typische der Glutäalabscesse, die als Meta¬
stasen unbedeutender peripherer Eiterungen mindestens ebenso häufig
beobachtet werden wie die paranephritischen Abscesse. Auch viele sub-
pektorale Phlegmonen gehören in die gleiche Kategorie.
Hr. Borchard berichtet über einen Fall, wo ein Aneurysma der
Arier, glutealis unter der Diagnose Glutäalabscess ihm zur Operation
kam. Patient starb an Embolie.
Hr. Bauer demonstriert einen Kniebttgel (erhältlich bei Georg Härtel-
Breslau), der den Zweck hat, Oberschenkel- und Schenkelhalsfrakturen
rationeller als wie bisher mit Gehgipsverbänden zu behandeln.
Es sind mit diesem Bügel in der Küttner’schen Klinik eine ein¬
gekeilte Schenkelhalsfraktur und eine mit starker Dislokation einher¬
gehende Oberschenkelfraktur bei einem 260 Pfund schweren alten Manne
mit gntem Erfolg behandelt worden.
Diskussion.
Hr. Borchard-Posen glaubt nicht, dass trotz der vorzüglichen
Redressioo der Fragmente eine knöcherne Heilung des intrakapsulären
Schenkelhalsbruches erfolgt ist und erfolgen wird, und kann deshalb ohne
weiteres die Lösung der Fragmente bei eingekeilten Schenkelhalsbrüchen
nicht empfehlen.
Hr. Simon: Ich möchte Gelegenheit nehmen, das von Drehmann
empfohlene Verfahren bei Schenkelhalsfrakturen zu empfehlen. Wir haben
dasselbe in jüngster Zeit im Allerheiligenhospital mit sehr schönem Er¬
folge angewandt. Herr Prof. Drebraann war so liebenswürdig, den
ersten Fall selbst bei uns zu redressieren und einzugipsen. In der Folge
hat Herr Prof. Tietze bei einem Falle in seiner Privatklinik und ich
selbst bei 2 Fällen im Hospital das Verfahren benutzt. Wir haben dabei
die Fraktur, soweit sie eingekeilt war, gelöst und dann den Oberschenkel
in Innenrotation und Abduktion gebracht. Der Unterschenkel wurde
gleichzeitig im Knie gebeugt, ein vorzügliches Mittel, um die Innen¬
rotation zu erhalten. Der Gips umfasst das Becken und das kranke Bein
bis zur Wade. (Demonstration der Röotgenbilder des letzten Falles, die
eine ideale anatomische Stellung der Bruchstücke erkennen lassen.)
Hr. Drehmann hat vor 8 Jahren einen veralteten Fall von intrakapsu-
lärer Schenkelhalsfraktur bei einem 18 jährigen Mädchen mit Redressement
und Abduktionsbebandlung behandelt. Die Genannte ist jetzt imstande,
ohne Stock ausdauernd und ohne merkliches Hinken zu gehen und an¬
strengende Gebirgstouren zu unternehmen. Er empfiehlt jede auch ein¬
gekeilte Schenkelhalsfraktur, ausgenommen alte und dekrepide Leute, von
vornherein zu redressieren. Es kommt darauf an, die funktionell un¬
brauchbare Adduktionsstellung in eine dauernde Abduktion zu verwandeln,
wenn dabei auch nicht immer eine knöcherne Vereinigung erzielt werden
tollte. Bei veralteten Schenkelhalsbrüchen älterer Leute ist durch die
leicht ausführbare Transposition nach Lorenz noch eine wesentliche
Funktionsverbesserung zu erreichen.
Hr. Hank«: Zur Behandlung der P&tellarfraktnren.
M. H.! Allgemeine Uebereinstimmung herrscht wohl heutzutage
unter den Chirurgen bezüglich der Frage, wann man eine Patellarfraktur
konservativ behandeln und wann man operativ eingreifen soll. Der
Standpunkt des v. Bergmännischen Assistenten Bockenheimer,
wonach jede Querfraktur der Kniescheibe mit der KnocheDnaht zu be¬
handeln sei, rief nicht mit Unrecht den Widerspruch der Heidelberger
Klinik hervor. Die konservative Therapie tritt in ihre Rechte bei Er¬
baltensein des so überaus wichtigen Reservestreckapparates des Knie¬
gelenkes, es sei denn, dass eine etwa vorhandene grosse Diastase der
Fragmente zu energischerem Vorgehen nötigt. Der operativen Behandlung
werden zugeführt alle Fälle mit aufgehobener Streckfähigkeit, ferner die ver¬
alteten Brüche. Seit 1906 ist nach diesem Prinzip die Behandlung der
Patellarfrakturen an der chirurgischen Abteilung des Allerheiligenhospitals
erfolgt. Die konservative Behandlung bestand in den üblichen Maassnahmen:
möglichst frühzeitige Massage, Näherung der Fragmente durch Heftpflaster¬
verbände, vorsichtige Bewegungen und schliesslich energische Uebungen im
mediko-mechanischen Institut. Die technische Ausführung der Operation
gestaltete sich folgendermaassen: nachdem durch einen Längsschnitt,
gewöhnlich aber durch einen nach oben oder unten konvexen, die beiden
Kondylen verbindenden Hautschnitt das Operationsgebiet freigelegt war,
wurden die Fragmente — bei veralteten Frakturen nach ihrer Anfrischung
— mit durchgreifenden Nähten vereinigt, eine Methode wie sie auch
an der v. Mikulicz’schen Klinik geübt wurde. Als Nabtmaterial
wurde nicht Silberdrabt, sondern der besser haltbare Aluminium¬
bronzedraht genommen. Nur ausnahmsweise, bei Komminutivfraktureo,
bedienten wir uns der Cerclage. Dann erfolgte die sorgfältige Naht
des seitlichen Streckapparates. Die Wunde wurde stets ganz verschlossen.
Die WundheiluDg war dabei durchweg eine glatte. Wir erzielten mit
dieser Behandlung nicht glänzende, aber immerhin ganz gute Resultate,
über die ich im folgenden berichten will. Auf die Wiedergabe der
Krankenberichte muss ich leider verzichten. Von 37 behandelten Fällen
waren 19 der Nachuntersuchung zugänglich. Ich berichte Ihnen zunächst
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UNIVERSUM OF IOWA
1602
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 35.
über 15 davon. Die Mehrzahl liegt 5—7 Jahre, der Rest weniger lange,
mindestens aber IVa Jahre zurück. Bei der Untersuchung wurde nächst
genauester Prüfung des Kniegelenkes, von dem natürlich jedesmal ein
Röntgenbild angefertigt wurde, auoh die Ober- und Unterschenkel*
muskulatur einer eingehenden Betrachtung unterworfen. Die Funktions¬
prüfung erstreckte sich neben der Gradmessung, der Beugung und
Streckung im Kniegelenk auch auf die dabei entwickelte Kraft; als Prüf¬
steine galten gewöhnlicher Gang, Laufen, Treppen- und Stuhlbesteigen.
Als „gut“ werden die Fälle bezeichnet, die keinerlei Funktionsstörungen
aufweisen, wobei es gleichgültig ist, ob die Heilung der Fragmente
knöchern erfolgt ist oder nicht, als „ausreichend“ die, die bei der
Lösung der schwierigsten Aufgabe, beim Stuhlbesteigen, teilweise ver¬
sagten oder doch Schwierigkeiten dabei hatten, die übrigen Bedingungen
aber noch zur Zufriedenheit erfüllten. Die „schlechten“ Fälle zeichnen
sich durch gröbere Funktionsstörungen aus.
4 Fälle wurden konservativ behandelt; von ihnen sind 3 gut und
einer schlecht; der letztere hatte die ihm dringend angeratene Operation
abgelehnt. Von den II Operierten heilten 6 mit guter Funktion. Er¬
wähnt muss werden, dass nur einmal knöcherne Heilung erfolgt war und
bei den übrigen lediglich eine fibröse Vereinigung der Fragmente mit
einer Diastase von durchschnittlich 1V* cm bestand. 4 Fälle sind als
ausreichend zu bezeichnen; auch hier handelt es sich nur in einem Kall
um eine knöcherne Fragmentvereinigung. Interessant ist der Patient
mit der schlechten Funktion, der zwar eine ideale anatomische Heilung
der Bruchstücke aufwies, indessen das Bein im Kniegelenk nur bis zu
einem Winkel von 170°, also fast gar nicht beugen konnte. 4 von
allen 15 Patienten erhalten eine dauernde Rente. Bei der Mehrzahl
unserer Patienten haben wir eine Beobachtung gemacht, die bis jetzt
unseres Erachtens nach nicht genügend hervorgehoben worden ist: näm¬
lich die Neigung des betreffenden Kniegelenkes zu arthritischen Ver¬
änderungen. Und zwar bandelte es sich ausnahmslos um Gelenke, deren
Patella mit Draht genäht worden war, während die konservativ be¬
handelten Frakturen freie Gelenke aufwiesen. So fanden wir in unseren
11 Fällen 8 mal mehr oder minder ausgesprochene Arthritis, die geringere
oder grössere, zeitweise — bei Witterungswechsel — oder dauernd ; ub~
jektive Beschwerden verursachte. Wenn auch der eine oder andere
Patient, insbesondere die Rentenempfänger, übertriebene Angaben machte,
so bot doch der Röntgenbefund genügend objektive Anhaltspunkte. Ent¬
weder war die Callusbildung sehr gross und teilweise in feste Verbindung
mit der benachbarten Knorpelfläche der Condylen eingegangen, oder die
Fragmente waren stufenförmig adaptiert und hatten wohl so eine chro¬
nische mechanische Irritation für den Gelenkknorpel abgegeben. Teil¬
weise war es zur Osteopbytenbildung gekommen. In 4 Fällen konnten
die Störungen auf das Zerreissen des Drahtes bezogen werden (worauf
ja schon durch v. Brunn’s eingehenden Untersuchungen ira Jahre 1906
hiDgewiesen worden ist), 2 mal lag ein abgespreogtes Drahtstück im
hinteren Receasus der Gelenkkapsel und hatte hier Veränderungen am
Knorpelüberzug seiner Umgebung bervorgerufen. Wenn nun auch zu¬
gegeben werden muss, dass ein von einem Trauma betroffenes Gelenk
an und für sich zu Arthritis neigt, so können wir uns auf Grund der
geschilderten Sachlage der Erkenntnis nicht verschliessen, dass durch
ein Operationstrauraa, wie es die Knochennaht ist, ein weiteres zur
Arthritis disponierendes Moment gegeben ist. Denn dass sämtliche
konservativ behandelten Kniescheibenbrücbe freie Gelenke hatten, kann
schliesslich nicht blosser Zufall sein, gerade durch den Draht kann es
leicht zu Knorpelnekrosen kommen, und dass sich daran Veränderungen
im Sinne der Arthritis anschliessen können, haben die experimentellen
Arbeiten Axhausen’s klar dargetan. Ich möchte bei dieser Gelegenheit
noch hervorheben, dass auch der Cerclage, der circularen Umschnürung
der frakturierten Patella gegenüber eine gewisse Reserve geboten er¬
scheint. Denn im Tierexperiment hat die circuläre Umstechung der
Kniescheibe Knorpel- und Knochennekrosen und im Anschluss an diese
Arthritis gezeitigt (Axhausen, Walkhoff, Ewald, Preiser). Durch
diese Erwägungen haben wir uns veranlasst gesehen, die Knochennaht
endgültig aufzugeben. Wir üben jetzt lediglich nur noch die Naht des
Reservestreckapparates und der Gelenkkapsel und die von zahlreichen
Autoren (Thiem, Bärlocher, Rüdinger, Lauenstein u. a.)
empfohlene peri- und präpatellare Naht aus, der wir in veralteten Fällen
immer, in frischen je nach der Lage der Verhältnisse, die auch von
Ferraresi und Roter ausgeübte Fascienplastik hinzufügen, die in der
Bildung eines Lappens aus der Quadricepsfascie mit der Basis am oberen
Fragment und Befestigung desselben am unteren Fragment besteht.
Was die übrigen Verfahren anlangt, so möchte ich nur erwähnen, dass
wir die osteoplastischen Methoden von Rosenberger, Helferich und
Wolff wegen ihrer Kompliziertheit nie angewandt haben. Schultze
beseitigt die Fragmentdiastase vermittels einer Muzeuxzange und näht
dann Kapsel und Reservestreckapparat. In der Frage, ob eine knöcherne
Vereinigung der Fragmente immer zu erstreben sei oder ob eine fibröse
ausreiche, sind die Meinungen geteilt. Man wird ja schliesslich mit
v. Bergmann, Thiem, Schultze u. a. in der knöchernen Vereinigung
als der restitutio ad integrum das Ideal erblicken müssen. Immerhin
aber ist zu bedenken, dass andere Autoren (Lauenstein, Doberauer,
Silbermark u. a.) auch in Fällen mit fibröser Vereinigung recht gute
Funktion sahen, ja sogar weit bessere als bei der knöchernen Vereinigung
(v. Brunn, Lewisohn), eine Tatsache, die wir auf Grund unserer
eigenen Beobachtungen nur bestätigen können. Auch wir sind überzeugt,
dass eine bindegewebige Vereinigung genügt, vorausgesetzt, dass der
Gefahr der späteren Ueberdehnung durch exakte Naht des Reservestreck¬
apparates oder durch die Fascienplastik vorgebeugt ist. Zum Schluss
möchte ich noch kurz über 4 im letzten Jahre behandelte Fälle be¬
richten, bei denen die Fascienplastik und nicht die Knocbennaht an¬
gewandt wurde: der eine, eine veraltete Fraktur, ist mit ausreichender
Funktion, die übrigen 3 sind gut geheilt. Arthritische Veränderungen
irgendwelcher Art sind bei ihnen bis jetzt nicht vorhanden; infolge der
Kürze der seit der Operation verstrichenen Zeit ist das natürlich völlig
belanglos. (Demonstration eines Patienten.)
Diskussion.
Hr. Küttner: Die vielfach geübte sohematisch operative Be¬
handlung aller schwereren Patellarfrakturen ist unrichtig. Es wird zu
wenig scharf zwischen der direkten und der indirekten Fraktur unter¬
schieden. Die direkte Fraktur bedarf im allgemeinen der operativen
Behandlung nicht und ist auch wenig für sie geeignet. Auch bei der
indirekten Rissfraktur kommt man weit häufiger mit konservativer Be¬
handlung aus, als zurzeit ziemlich allgemein angenommen wird. Zwei
schwere Vereiterungen und eine Reihe von Spätschädigungen des Knie¬
gelenkes haben K. hinsichtlich der Naht sehr zurückhaltend mit der
Naht gemacht, und dabei hat sich dann berausgestellt, dass auoh Fälle,
welche den Symptomenkomplex einer Zerreissung des Reservestreck¬
apparates aufwiesen, bei sorgfältiger konservativer Behandlung mit guter
Funktion heilten. Dass der Diastase der Fragmente bei fester binde-,
gewebiger Pseudarthrose eine untergeordnete Bedeutung zukommt, ist
bekannt; K. erwähnt den Fall eines Briefträgers, der mit handbreiter
Diastase täglich treppauf treppab lief und seinen vollen Dienst versah.
Die schlechten Resultate bei konservativer Behandlung sind meist durch
mangelhafte Therapie bedingt; in den Fällen mit schlechter Funktion
liegt entweder eine isolierte Vernarbung der Bruchenden oder eine Ver¬
wachsung des oberen Fragmentes mit dem Femur, oder eine hochgradige
Atrophie des Quadriceps vor. Solche Fälle sind sekundär operativ an¬
zugreifen. Hält man die primäre Naht für indiziert, so empfiehlt es
sich, nicht sofort zu operieren, sondern 8—10 Tage zu warten und
eventuell vorher zu punktieren. Die Infektionsgefahr ist dann geringer,
und in manchem Falle wird die Wartezeit zugunsten der konservativen
Behandlung entscheiden.
Hr. Anton-Oels: Zwei Fälle von Patellarfraktur. 1. Gepäckträger
von einigen 30 Jahren, der auf eine granitene Bordschwelle mit dem Knie
auffiel. 2. Dienstmädchen, ca. 19 Jahre alt, das in ähnlicher Weise fiel.
Ersterer in seiner Behausuog mit Ueberstreckung des Beines und Heft¬
pflastergewichtszug, der das obere Fragment dem unteren nähern sollte,
behandelt. Ergebnis: fibröse feste Vereinigung mit guter Funktion
bei einer 1 cm breiten Diastase. Aktive Streckung des Unterschenkels
möglich. Nur massige Beschwerden beim Treppensteigen. Versieht
weiter seinen Dienst. Der zweite Fall fand Krankenhausbehandlung.
Maximale Streckung des Unterschenkels. Zur Fixierung und Adap¬
tierung der Fragmente Filzverband und ausgesparter Oeffnung für
die Patella. Unter diesem Verband mit Zuhilfenahme von Schwamm¬
press verband auffallend schnelle Aufsaugung des sehr grossen Blut¬
ergusses. Infolgedessen leicht und gute Aneinanderlagerung der Frag¬
mente, die bei der Wiederaufnahme aktiver Bewegungen auf */* cm
wieder auseinander wichen. Nach den ersten 8 Tagen schon passive
Bewegungen im Kniegelenk, Massage und elektrische Anregung der
Quadriceps. Durch den Filzverband, der die Fragmente firixierte und
den Erguss zum schnellen Schwinden brachte, wurde meines Erachtens
die Heilung in günstigster Weise beeinflusst. Ich möchte ihn deshalb
zur Anwendung warm empfehlen.
Hr. Dreyer weist auf die grossen Vorteile hiD, die der Extensions¬
verband bietet, einmal für die Erkennung der Erhaltung des Reserve¬
streckapparates, dann für die Behandlung der nicht zu operierenden,
wie für die Nachbehandlung der genähten Fälle.
Hr. Melchior: Auch bei den mit den Kniescheibenbrüchen
prinzipiell sieb sehr ähnlich verhaltenden Frakturen des Oberarms
scheint die Erzielung einer knöchernen Konsolidation für das funk¬
tioneile Resultat nicht immer ausschlaggebend zu sein. Ich sah an der
Küttner’schen Klinik zwei solche Fälle, von denen in einem die Köochen-
naht nicht gehalten hatte; im anderen, der auswärts behandelt war,
hatte man überhaupt die richtige Diagnose nicht gestellt. Trotz deut¬
licher Diastase der Brüchen den wurde doch in beiden Fällen durch
orthopädische Nachbehandlung ein zwar nicht vollkommen ideales, aber
doch praktisch durchaus zufriedenstellendes Resultat erzielt.
Hr. H. Simon:
Ueber die Histologie der Strahlenwirkung anf Tumore«.
Vortr. bespricht zunächst die Strahlenwirkung auf Gewebe im all¬
gemeinen und stellt bezüglich derselben folgende Leitsätze auf;
1. Die Röntgenstrahlen und die von den sogenannten radioaktiven
Substanzen (Radium, Mesothorium usw.) ausgesandten Strahlungen sind
hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Gewebe im grossen und ganzen
qualitativ gleich. t ,
2. Die Strahlenwirkung ist eine streng lokale, nur die von den
Strahlen in ungenügender Stärke direkt getroffenen Zellen und Gewebe
werden beeinflusst; Fern Wirkung findet in keiner Weise statt.
3. Die Strahlen beeinflussen die Zelle direkt, ohne Vermittlung von
Blut- oder Lymphbahn. In der Zelle ist es der Kern und in diesem
vermutlich das Chromatin, das in erster Linie verändert wird.
4. Alle Zellen und Gewebe werden durch die Strahlen beemnus ,
jedoch in einem sehr verschiedenen Grade. Die Strahlenwirkung
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UMIVERSITY OF IOWA
31. Augpst 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1603
abhängig von der Strahlen lampe, der Dauer der Einwirkung und dem
Grade der Empfänglichkeit der betreffenden Zelle.
Sodann werden die als Folge der Bestrahlung auftretenden histo¬
logischen Veränderungen des Tumorgewebes im einzelnen geschildert
(an den Geschwulstzellen: Hypertrophie bis 2 ur Verdoppelung
und Verdreifachung des Volumens, Veränderungen des Kernes in Form
von Knospung, Lappung, Riesenkernbildung, Beeinflussung der Chromatin¬
struktur, Vakuolenbildung, Karyo- und Cytolyse; im bindegewebigen
Stützgerüst des Tumors: Auswanderung der weissen Blutkörperchen,
Ph&gocytose des durch den Zerfall der Geschwulstzellen entstandenen
Zelldetritus, Bindegewebsneubildung, Ersatz des Tumors durch Narben¬
gewebe).
Schliesslich weist Vortr. darauf hin, dass unter dem Einfluss der
Bestrahlung die Geschwulstzellen mitunter zwar nicht zugrunde gehen,
aber ihren Charakter und ihre wesentlichsten Eigenschaften vollkommen
zu ändern scheinen. Häufig erfolgt diese Aenderung im Sinne einer
weitergehenden Differenzierung und dadurch eventuell verminderten
klinischen Bösartigkeit (nioht verhornende Krebse zeigen unter der Be¬
strahlung typische Verhornung, Adenocarcinome wandeln sich in Schleim-
kiebse um dergl.). Noch weitergehender und verheissungsvoller ist die
Beobachtung Wickham’s, nachdem die Sarkomzelle unter dem Einfluss
der Bestrahlung sich direkt in eine normale Bindegewebszelle verwandeln
kann.
Bestätigung und Erweiterung dieser und ähnlicher Untersuchungen
ist anzustreben, da hier nicht nur Gelegenheit geboten scheint, in das
Geheimnis der Strahlenwirkung einzudringen, sondern auch die Möglich¬
keit vorliegt, in die dunkeln Vorgänge des Zeitlebens Einblick zu gewinnen.
(Demonstration der geschilderten Veränderungen an mikroskopischen
Präparaten.)
Diskussion.
Hr. Peis eT- Posen: Bei der Strahlenbehandlung der Tumoren scheint
mir das Studium der Einwirkung auf die gesunde Umgebung des Tumors
von nicht geringerer Bedeutung als das der Einwirkung auf den Tumor
selbst. Herr Simon hat uns die morphologischen und tinktoriellen
Veränderungen der Tumorzelleu geschildert. Die durch Vernichtung der
Tumorzellen und Resorption ihrer Reste gesetzten Defekte werden durch
nengebildetes Bindegewebe ersetzt, das bei längerer Bestrahlung hyaliner
Degeneration verfällt und sklerosiert. Ganz ähnlich gestalten sich die
Verhältnisse in der Umgebung des Tumors. Die Strahlen wirken nicht
elektiv auf die Tumorzellen, sie beeinflussen, wenn auch langsamer und
geringer, auch das gesunde, allerdings oft durch den Tumor an sich in
einem Reizzustande befindliche Gewebe der Umgebung. Es kommt auch
hier zur Bildung von Bindegewebe, und zwar um so stärker, je ober¬
flächlicher, d. b. je näher das Gewebe der Strahlenquelle liegt. Dieses
Bindegewebe erfüllt, wie ich glauben möchte, die Aufgabe eines Schutz¬
walls gegen den Tumor, den es abgrenzt, und wird vielleicht manche,
noch nicht verniohtete Tumorzelle erdrücken können. Es wird weiteren
Studiums bedürfen, inwieweit und ob die Anregung dieser Bindegewebs-
entwicklung zweckmässig ist und ob nicht in gewissem Zeitpunkte für
seine Widerstandskraft gegen die Tumorzellen das neugebildete Binde¬
gewebe seinerseits gegen die Schädigung einer fortdauernden Bestrahlung
zu schützen ist. Ich habe mich mit diesen Fragen schon vor 7 JahreD
beschäftigt, als ioh gelegentlich der Behandlung maligner Tumoren mit
Röntgenstrahlen und Coley’schem Toxin histologische Studien machte.
Hr. Köttner fragt, wie der Vortragende sich zu den neuesten
Untersuchungen v. Hansemann’s stellt. -
Hr. Philipowioz fragt, wie sich die regressiven Veränderungen der
Nachbarorgane im Verhältnis zu denen im Tumor mikroskopisch be¬
merkbar machen und ob Simon Umwandlung an sich relativ benigner
Tumoren in malignere unter dem Einfluss der Strahlentherapie beob¬
achtet hat, ob ferner die zapfenförmigen Fortsätze des Tumors im
normalen Gewebe dieselben Veränderungen zeigen, wie in den mittleren
Partien des Tumors.
Hr. Goebel macht auf die interessanten biologischen Folgerungen
aus der Wirkung der Strahlen auf die Tumoren besonders in der Hin¬
sicht aufmerksam, dass die Differenzierung der Tumorzellen unter dem
Einfluss der Strahlen einiges Lioht auf die Aetiologie der Tumoren zu
werfen geeignet scheint. Jedenfalls spricht diese AenderuDg der bio¬
logischen Eigenschaften nicht für die parasitäre Aetiologie der Ge¬
schwülste.
Hr. Wqokowski - Breslau: M. H.! Die Behauptung von Herrn
Simon, dass es sich bei Radium, Mesothorium, Thorium X und Röntgen¬
strahlen um im grossen Ganzen gleichstrahlende Energie handle, bedarf
einiger Besprechung, und zwar stellte ich hierbei die strahlende Energie
des Radiums und der Röntgenröhre einander gegenüber, jedoch nioht
vom physikalischen, sondern vom biologischen Standpunkte aus be¬
trachtet. Ich habe an der Hand von drei Mamma- und einem Parotis-
carcinom Gelegenheit gehabt, zu beobachten, dass Röntgenbestrahlung
ohne Erfolg geblieben war, dagegen auf Radiumbestrahlung eine baldige
Beeinflussung eintrat in Form von Schrumpfung bzw. Epithelisierung
des Carcinomulous.
, Bei den Mammacarcinomen handelte es sich um Tumoren, die von
intaktem Integument bedeckt waren und mehrere Zentimeter (in einem
Falle etwa 4 cm) unter der Oberfläche sich befanden. Man könnte dem
entgegen halten, dass ein biologischer Unterschied daraus noch nicht zu
folgern wäre, weil die angewandten Röntgenstrahlen nicht derart durch¬
dringend gewesen wären, wie die y-Strahlen des Radiums, und aus
diesem Grunde musste der Erfolg eben verschieden sein.
Dieser Einwand wird entkräftet durch Beobachtungen bei Be¬
strahlung oberflächlicher Carcinomulcerationen, denn hierbei gelangt
neben der harten Strahlung in weit höherem Umfange die weiche
Strahlung zur Anwendung. Bei dem Uebergewicht der weicheren
Strahlung der Röntgenröhre müsste durch letztere ein besserer Erfolg
zu erzielen sein als bei Anwendung von Radiumstrahlen, und trotzdem
ist das Gegenteil der Fall.
(Beobachtung eines Falles von uloeriertem Parotiscarcinom, das trotz
wochenlangen Bestrablens mit Röntgenstrahlen immer grösser wurde,
dagegen nach stattgefundener Radiumbestrahlung innerhalb von 14 Tagen
auf die Hälfte des ursprünglichen Umfanges zurückgeführt wurde.)
Aehnliche Beobachtungen liegen vor von Prigl-Wien, M. Friedländer-
Berlin, Schüller-Wien, Bayet-Brüssel.
Die Annahme einer biologischen Verschiedenheit erhält noch eine
weitere Stütze durch die Erfahrung, dass infolge von Manipulation mit
Röntgenstrahlen Carcinome entstehen. Coenen - Breslau hat im
Jahre 1909 über 33 derartige Carcinome berichtet. In den letzten Jahren
sind noch einige dazu gekommen. Carcinomfälle infolge Betätigung mit
Radium sind dagegen noch nicht bekannt geworden, trotz 15 jährigen
Arbeitens hiermit.
Qr. Coenen macht auf die Gefahr des RÖotgencarcinoms aufmerk¬
sam, die man bei der Verwendung der starken Röntgendosen, die neuer¬
dings üblich sind, im Auge behalten muss. Bei einem Röntgendiener
und bei einem Arzt entwickelten sich neue Röntgencarcinome an den
Händen, obwohl schon jahrelang die Röntgenarbeit eingestellt war.
Offenbar haftet der Röntgenreiz dem Gewebe aussergewöhnlich lange an.
Die Angabe, dass nicht verhornende Hautcarcinorae unter dem Röntgen-
lioht Verhornungen zeigen, kann mit der Heilwirkung der Röntgenstrahlen
auf das Carcinom nicht gut in Einklang gebracht werden, denn die ver¬
hornenden Carcinome sind in der Regel bösartiger als die nicht verhornen¬
den Hautkrebse.
Hr. Baruch - Breslau bemerkt zu den Ausführungen von Herrn
Peiser, dass das Coley’sche Mittel kein Serum, sondern ein Toxin¬
gemisch ist. Ferner enthält dieses Gemisch keine lebenden Strepto¬
kokken, sondern besteht aus abgetöteten Kulturen von Streptokokken
und Prodigiosus. Die peritumorale Anwendung des Mittels, wie sie Herr
Peiser zur Erzeugung von Bindegewebe, das den Tumor ersticken
soll, benutzt hat, liegt nicht im Sinne des Autors. Vielmehr soll das
Toxingemisch vom Blutwege her wirken, kann also überall — am wirk¬
samsten intratumoral — eingespritzt werden. Zahlreiche Versuche
Baruch’s mit dem von Coley der Klinik freundliehst zur Verfügung
gestellten Toxingemisch haben übrigens irgendeinen kurativen Erfolg
nicht gezeitigt.
Hr. Simon (Schlusswort): Beantwortung der in der Diskussion her¬
vorgetretenen Anfragen und Einwände. Vortr. steht nicht auf dem
Boden der parasitären Geschwulsttheorie. Bezüglich der Art der
Strahlenwirkung auf Geschwulstgewebe schlägt er vor, nicht von spezi¬
fischer, sondern von elektiver Wirkung zu reden. Wesentlich für
den Erfolg ist vor allem der Grad der Empfänglichkeit der einzelnen
Zellen und Gewebe für die Bestrahlung, bezüglich dessen grosse Unter¬
schiede bestehen. Beispiele. Hinweis auf eventuelle gefährliche Neben-
und Nachwirkungen der Bestrahlung (Blutungen, Fistelbildung, exzessive
Bindegewebswucherung). Sollte sich bestätigen, dass unter dem Einfluss
der Bestrahlung mitunter eine weitergehende Differenzierung des Tumor¬
gewebes eintritt, so wäre darin — trotz einzelner widersprechender
klinischer Beispiele — doch eine Art von Heileffekt zu sehen. Schilde¬
rung der Zusammensetzung von „Coleys fluid“, über die in der Dis¬
kussion Meinungsverschiedenheit herrschte. Vortr. betont nochmals, dass
die lokal angewandte Bestrahlung stets ausschliesslich lokal wirkt. Fern¬
wirkung haben wir erst zu erwarten, wenn es uns gelingen sollte,
Substanz in den Körper einzuführen und in demselben zu verbreiten,
wie dies z. B. mit der Einführung des Thorium X versucht wurde. S. hat
vor kurzem bei einem inoperablen Lymphosarkom am Halse durch intra¬
venöse (Thorium X-) und lokale (Mesothorium- Bestrahlung) einen sehr
schönen augenblicklichen Erfolg erzielt; über den Fall soll anderwärts
ausführlich berichtet werden.
Hr. Borchard - Posen: Bantimilz. Da die Diagnose in den beiden
ersten Stadien der Erkrankung nicht mit absoluter Sicherheit zu stellen
ist, im eigentlichen Stadium die Veränderungen anderer Organe (Leber)
zu gross sind, um sich völlig zurückbilden zu können, der Eingriff nicht
immer ganz leicht ist, so ist Vorsicht in der Auswahl der Fälle geboten.
Das demonstrierte Präparat stammt von einer Patientin, bei der von in¬
terner Seite die Diagnose auf Banti gestellt war, auch pathologisch-ana¬
tomisch lautet die Diagnose des stark vergrösserten, in der Zwerchfell¬
kuppe verwachsenen Organs, das einen taubeneigrossen Infarkt aufwies,
auf Banti, und doch brachte die gut überstandene, nicht besonders
leichte Operation nur eine vorübergehende Besserung.
Aus Pariser medizinischen Gesellschaften.
Sociötö mödicale des höpitaux.
Sitzung vom 26. Juni 1914.
HHr. Achard und Flandin haben in zwei Fällen von Henfleber
Besserung erzielt durch Injektion des eigenen Serums der Patienten
unter die Haut, a /io und 1 ccm bei einem Patienten, 1 ccm beim
anderen Patienten.
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UNIVERSUM OF IOWA
1604
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 35.
Diskussion. Hr. Martin betont, dass man Autoserotherapie von
der Injektion von fremdem Serum unterscheiden müsse. Mit letzterem,
das in Amerika viel gebraucht wird, wurden 13 Todesfälle verzeichnet.
HHr. Chantemesse und Coareonx zeigen einen 17 jährigen Jüngling
mit Sclerodermie, die im Begriff ist, sieh auszudehnen; mit Sclero-
dactylie und Atrophie der Schilddrüse. Die Affektion begann vor
8 Jahren im Anschluss an Masern. Die Affektion der Hände nahm pro¬
gressiv zu; die Haut ist trocken, verdickt, mit dem unterliegenden Ge¬
webe verwachsen. Die Finger sind flektiert; die dritte Phalanx ist
durch Resorption fast verschwunden. Das Gesicht, der Hals und. die
Brust sind beteiligt. Patient hat infantilen Habitus, aber gut entwickelte
Genitalien. Es besteht eine leichte Hypoästhesie auf dem Handrücken,
sonst keine nervösen Störungen. Die Schilddrüse ist ganz atrophisch,
nicht zu fühlen. Es bestehen Hautpigmentierungen, herabgesetzter
Blutdruck.
HHr. Brodin und Pasteur Vallenry-Radot berichten über einen
Fall von Cerebrospinalmeningitis. Trotz 120 ccm AntigenmeniDgo-
kokkenserum (in drei Injektionen verabfolgt), wurden die Erscheinungen
schlimmer und behielt der Liquor sein trübes Aussehen. Diese Tatsache
erweckte den Verdacht auf Parameningokokkeninfektion, und bevor diese
von Herrn Dopter festgestellt werden konnte, wurden 40 ccm Anti¬
parameningokokkenserum dem Patienten injiziert. Schon tags darauf
war der Zustand besser, der Liquor weniger trüb. Es wurden
im ganzen 145 ccm dieses Serums intradural verabreicht, in wenig Tagen
war die Heilung definitiv, Herr Dopter konnte eine besondere Form
von Parameningokokken züchten. Diese Diagnose braucht lange Zeit,
man ist also berechtigt, im Notfall schon vorher das Serum zu ver¬
wenden.
HHr. 0. Josue und Belloir beschreiben einen Fall von Typhus mit
gleichzeitiger Syphilis. Bei der Patientin war schon in den ersten
Tagen die Blutkultur positiv. Der Typhus hielt lange an, die Tempe¬
ratur blieb hoch und der Allgemeinzustand verschlimmerte sich von Tag
zu Tag. Am 52. Tage trat ein Ausschlag von papulösen Syphiliden
ein; der Wassermaun war stark positiv. Die sofort eingeleitete Hg-
Behandlung brachte einen raschen Umschwung und Fieberabfall nach
neun Injektionen. Nach Neosalvarsan war die Rekonvaleszenz kurz und
die Heilung vollkommen. Ueber den Eintritt der syphilitischen Infektion
ist nichts bekannt. Entweder handelt es sich um eine Syphilis, die
durch den Typhus aufgeweckt wurde, oder um eine gleichzeitige In¬
fektion.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Kriegsärztliche Abende. Unter Mitwirkung einer Reibe
hervorragender Aerzte aus den Militär- und Zivilkreisen sowie von Ver¬
tretern des Ministeriums des Innern und des Kriegsministeriums ist am
24. d. M. unter obigem Namen im Kaiserin Friedrich-Hause eine lose
Vereinigung begründet worden. Die Vereinigung soll einen Sammel¬
punkt für alle im Dienste der verwundeten und erkrankten Krieger
tätigen Aerzte schaffen und zugleich zum Austausch von Erfahrungen
und zur Förderung kriegsäratlicher Kenntnisse dienen. Es sind in
wechselnder Folge alle 8 Tage Vortrags- und Demonstrationsabende vor¬
gesehen. Erstere finden im Langenbeck-Hause, letztere in den zu
Reservelazaretten umgewandelten grösseren Berliner Krankenhäusern
statt, und zwar der .erste Vortragsabend am 8. September, 8 Uhr. Zum
Vorsitzenden wurde Geheimer Rat Trendelenburg, zum stellvertretenden
Vorsitzenden Generalarzt Grossheim, zum Schriftführer Prof. Adam
und zum Kassierer Dr. Löwin gewählt. Mitglieder können alle reichs-
deutschen und österreichischen Aerzte und Aerztinnen gegen Zahlung
eines Beitrags von 2 M. werden. Karten vom 1. September ab im
Kaiserin Friedrich-Hause (Luisenplatz 2—4) erhältlich.
— Die Kurse über Kriegsohirurgie, welche das Central¬
komitee für das ärztliche Fortbildungswesen in Preussen vom 31. August
bis 5. September veranstaltet, sind nunmehr soweit organisiert, dass die
einzelnen Gruppen feststehen. Die Herren Aerzte können sich vom
Donnerstag den 27. d. M. an in der Zeit von 10-3 Uhr im Kaiserin
Friedrioh-Hause für eine der 15 Gruppen eintragen lassen. Bei der
Meldung ist gleichzeitig eine Einschreibegebühr von 2 M. zu entrichten.
— In den Berliner Krankenhäusern befindet sich bereits eine grössere
Anzahl Verwundeter; naturgemäss handelt es sich dabei bisher vor¬
wiegend um Verletzungen leichterer Art, namentlich Weichteilwunden.
Die chirurgische Versorgung der im Charitekrankenhause befindlichen
Verwundeten wird — da die Herren Geh. Rat Hildebrand und Prof.
Rumpel im Felde stehen — durch die Herren Geh. Rat Franz und
Prof. Hollaender geleitet.
— In den Reservelazaretten der Provinz Brandenburg ist noch
chirurgische Hilfe notwendig. Aerzte oder auch ältere Studierende, die
hierzu bereit sind, werden gebeten, sich beim Sanitätsamt des III. Armee¬
korps (Schöneberger Ufer 13) zu melden.
— Zur Begleitung der Lazarett- und Hilfslazarettzüge bedarf der
Kaiserliche Kommissar und Militär-rnspekteur der freiwilligen Kranken¬
pflege noch weiterer Aerzte. Meldungen sind unter Vorlegung der Zeug¬
nisse bei dem genannten Herrn Kommissar in Berlin NW. 7, Reichtags¬
gebäude, einzureichen. Den Kandidaten, die die ärztliche Notprüfung
bestanden haben und den Nachweis führen, das9 sie als ärztlicher Be¬
gleiter eines Lazarettzuges angenommen worden sind, wird bei Erfüllung
der sonstigen Zulassungsbodingungen für die ärztliche Prüfung die
Approbation als Arzt für das Gebiet des Deutschen Reiches alsbald er¬
teilt werden.
— Zum Schutz gegen event. Typhusinfektion steht den Aerzten
und Pflegern des Heeres, die sich einer Schutzimpfung unterziehen
wollen, Impfstoff aus dem Institut Robert Koch zur Verfügung.
— Die Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen,
haben in ihrem grossen Verwaltungsgebäude ein Hilfslazarett mit 250 Betten
eingerichtet, das mit einem weiteren noch einzurichtenden zweiten
Lazarett, ebenfalls 250 Betten, dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt
werden soll. Die Fabrik trägt auch sämtliche Kosten des Betriebs.
— Professor Bertheim, der verdienstvolle chemische Mitarbeiter
P. Ehrlich’s, ist hier, wo er seiner Dienstpflicht nachkam, durch einen
Unfall ums Leben gekommen.
— Die für Ende August und Anfang September in Bern angesetzte
Versammlung der freien Vereinigung für Mikrobiologie findet nicht statt.
— Der nach Budapest für den 14. September dieses Jahres einbe-
rufene VIII. Internationale kriminalanthropologische Kongress wird wegen
Kriegsausbruch verschoben.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. KL: Geh. San.-Rat Dr.
Loewenthal in Königsberg i. Pr.
Charakter als Geheimer Regierungsrat: San.-Rat Dr. Würzburg,
Mitglied des Kaiserlichen Gesundheitsamts.
Charakter als Geheimer Medizinalrat; Kreisarzt, Med.-Rat Dr.
JuDgmann in Guben.
Charakter als Medizinalrat: Kreisärzte Dr. Bachem in Euskirchen,
Dr. Wolters in Coesfeld, Dr. Dörschlag in Bromberg, Dr,
v. Gizycki in Brieg; Stadtarzt Dr. Schrooder in Altona, beauftragt
mit der Wahrnehmung der Obliegenheiten des Kreisarztes im Stadt¬
kreise Altona.
Niederlassungen: Dr. W. Casemir in Spandau, Dr. S. Ostrowski
in Berlin - Schmargendorf, M. Reissner in Buch b. Berlin, Dr.
P. Baitzer in Frankfurt a. 0., M. Güssow in Greifswald, W.Wichura
in Breslau, Dr. G. Schievelbein in Steinau a. 0., Dr. F. F. Braun
in Dommilzscb, Dr. M. Weinberg, Dr. M. Sander und Dr. H. Schoen
in Halle a. S., Dr. A. Bräcker in Bassum, L. Schlösser in Ahaus,
Dr. H. Herxheimer in Frankfurt a. M.
Verzogen: W. Albert von Berlin-Steglitz nach Beelitz (Heilstätten),
Dr. H. Wolfsohn von Halle a. S. nach Liohtenrade, San.-Rat Dr.
S. Wintritz von Dtsch.-Eylau nach Schlachtensee, San.-Rat Dr.
A. Aronstein von Wiesbaden nach Berlin - Schmargendorf, Dr.
K. Liesauer von Berlin nach Guben, San.-Rat Dr. E. Falkentbal
von Freienwalde a. 0. nach Sorau, Dr. G. Giese von Beelitz nach
Landsberg a. W., L. Drozynski von Dresden nach Stettin, Dr.
E. Senn von Frankfurt a. M. nach Greifswald, Dr. A. Weber von
von Eisenach und Dr. G. Bogatsch von Reisen nach Breslau, Dr.
B. Barczewsky von Berlin und Dr. A. Hanel von Buch b. Berlin
nach Landeck, B. Scharlach von Orteisburg nach Merseburg, Dr.
E. Boehnke von Bouthen O.-S. nach Altscherbitz, Dr. F. Friedland
von Reisen als Schiffsarzt und Dr. W. Strauch von Altona nach
Halle a. S., Dr. F. Schreiber von Halle a. S. und Dr. M. Ludwig
von Diepholz nach Hamburg, Dr. G. Moritz von Breslau nach
Hannover, Dr. H. Dessloch von Wattenscheid und Dr. B. * r i®‘ 1 _ n 8
von Wennigsen nach Münster i. W., Dr. R. Schute von Osnabrück
nach Brackwede, Dr. B. J. Wodrig von Müllrose b. Frankfurt a. u.
und Dr. U. Königer von München nach Lippspringe, Dr. H.Wächter
von Erlangen und Dr. J. Färber von Aachen nach Paderborn, Dr.
L. Loewenstein von Godesberg nach Trier.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: F. Knaufch von
Lichtenrade auf Reisen, Dr. W. Kalbfleisch von Frankfurt a. M.
auf Reisen als Schiffsarzt, Dr. E. Rabanus von Trier.
Gestorben: Kreisarzt, Med.-Rat Dr. Roller in Trier, Dr. F. Ritter
in Breslau, Dr. E. Metzner in Halle a. S., San.-Rat Dr. A. Elsässer
in Hannover, Dr. K. Schneider in Gladbeck.
Berichtigung. . >
Herr Scholtz-Königsberg teilt uns zu seinem Aufsatz in Kr. o
mit, dass bei der gelegentlich der Korrektur vorgenommenen Anmerkung
insofern ein Irrtum vorgekommen ist, als es daselbst nicht heissen
„E. Hoffmann-Bonn, welcher vor einem Jahre...“, sondern: »“.Hoi ‘
mann-Bonn, welcher vor ca. zwei Jahren . . Herr Scboltz leg
Wert darauf, dass dieser Irrtum gleich berichtigt wird, ________
F5r die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bayrenther Strasse«.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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DJ» B»rJioer Kliatacb» Wochanachrifi »racheint Jeden
MonUW in Nummern von c*. 5—6 Bogen gr. 4 . —
Preievjerteljiiirlich 6 Mark, Bestellungen nehmen
alJe Buchhandlungen und Po»Un*ulten an.
BERLINER
Alle Slnsendnagen Ihr die Red aktive nnd Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
Auguat Hiiacharald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KUNISCHE WOCHEMHEIET.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
ßeli. MeA-Rat Prof. Pr. C. Posoer und Prof. Dr. Hans Kohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
M 3li. Einundfünfzigster Jahrgang.
Montag, den 7. September 1914.
INHALT.
Ofigtsaliea: Dreyer: Die jetzige Gestaltung des Druekdifferenzverfahrens.
(Aus der Chirurg. Universitätsklinik zu Breslau.) (Ulustr.) S. 1605.
Eckstein: Ueber einige unbekannte Wirkungen der Röntgenstrahlen
und ihre therapeutische Verwertung. (Aus Dr. Fopp’* und Dr. Eck*
stein’s orthopädisch-chirurgischer Anstalt in Berlin.) S. 1606.
Rautenberg: Klinische Anwendung der Röntgenphotographie der
Leber und Milz. (Aus dem Stubenraucb-Krankeubaus in Berlin-
Lichterfelde.) S. 1608.
Heinemann: Ueber Lupus syphiliticus. S. 1609.
Kiel: Eine Vorrichtung zum Auffangen und Transportieren von
Stuhl für klinische Untersuchungen (Faecotenor). (Ulustr.) S. 1609.
Bäeherbesprechiuigea: Keith: Chirurgische Anatomie. S. 1610. Pagen-
stecher (+): Ueber das Vorkommen des endemischen Kropfes und
der Schilddrüsenvergrösserung am Mittelrhein und in Nassau. S. 1610.
(Ref. Simon.) — Kabane: Grundzüge der Psychologie für Mediziner.
S. 1610. (Ref. Sriffer.) — weil. Kassowitz: Gesammelte Abhand¬
lungen. S. 1610. (Ref. Birk.) — Ritter: Verhandlungen der Ver¬
einigung der Lungenheilanstaltsärzte auf der 8. Versammlung in
Freiburg i. B. vom 7. bis 9. September 1918. S. 1611. Brauer:
Tuberkulose-Fortbilduogskur8 des allgemeinen Krankenhauses Ham¬
burg-Eppendorf. S. 1611. (Ref. Samson.) — Schlottmaqn: Das
Einigungsabkommen zwischen Aerzten und Krankenkassen, nebst
Ausführungsbestimmungen. S. 1611. Gins: A. Kussmaul’s zwanzig
Briefe über Menschenpocken- und Kubpockenimpfung. S. 1611.
Soholz: Von Aerzten und Patienten. S. 1611. (Ref. Vollmann.) —
Arzt und Schule. S. 1611. (Ref. Lewandowski.)
Literatir-Aisxfige: Physiologie. S. 1612. — Therapie. S. 1612. —
Diagnostik. S. 1612. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1612. —
Chirurgie. S. 1612. — Augenheilkunde. S. 1612.
Verh&adluagea ärztlicher Gesellschaft«*: Laryngologische Gesell¬
schaft zu Berlin. S. 1612. — Medizinische Sektion der
schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu
Breslau. S.1616. — Breslauerpsychiatrisch-neurologische
Vereinigung. S. 1616. — Freiburger medizinische Gesell¬
schaft. S. 1619. — AerztlioherVerein zu München. S. 1619.
Klinkert: Berichtigung. S. 1619. — Lichtwitz: Bemerkung zu vor¬
stehender Berichtigung. S. 1619.
Tagesgesobiobtl. Notizen. S.1620. — Amtl. Mitteilungen. S.1620.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Breslau
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Küttner).
Die jetzige Gestaltung des Druckdifferenz¬
verfahrens. 1 )
Von
Privatdozent Dr. Lothar Dreyer.
M. H.l Bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden
Zeit werde ich mich auf die Wiedergabe voo Resultaten be¬
schränken. Die hier vorzutragenden Ansichten stützen sich auf
das Material der Küttner’schen Klinik, Literaturstudium und
eigene Experimente, sowie auf eine kurz vor dem Kongress von
mir veranstaltete Umfrage. Danken möchte ich an dieser Stelle
nochmals allen den Herren, die so liebenswürdig waren, meinen
an sie gesandten Fragebogen zu beantworten. Was nun zunächst
überhaupt die Bedeutung des S&uerbruch’schen Druck-
differenzverfahrens anlangt, so ist, nach dem Ergebnis meiner
Umfrage, auch nicht ein einziger unter denen, die das Verfahren
m praxi erprobt haben, der nicht den grossen damit geschaffenen
Fortschritt für die intrathorakale Chirurgie anerkennt. Angaben
im einzelnen verbietet die Zeit. Sie erübrigen sich aber auch,
flenn, wer wirklich intrathorakale Chirurgie in grösserem Maass-
st&be treiben will, muss einen einschlägigen Apparat besitzen und
wird ihn dann schon zur eigenen Uebung möglichst häufig an¬
wenden. Der Streit über die Gleichberechtigung des Ueber-
gegenüber dem UnteTdruckverfahren ist dahin entschieden, dass
nach dem weit überwiegenden Urteil der von mir befragten
utoren die Ueberdruckmethode den Anforderungen der Praxis
flarchaus genügt, wenngleich manche das Unterdruckverfahren für
philologischer halten und einige, so besonders Sauerbruch und
riedrich, dieser Ansicht auch praktische Bedeutung beilegen,
inrauf, sowie auf Cloetta’s und v. Rohden’s Untersuchungen
inzugehen, findet sich vielleicht nachher in der Diskussion
wegenheit Die vereinfachten Ueberdruckapparate, d. h.
GmmJ? Ro Auszuge vorgetragen auf dem 48. Kongress der Deutschen
uesellsdhaft für Chirurgie,
die sogenannten Maskenapparate, für die seinerzeit besonders
Tiegel, Schmieden und ich eingetreten sind, haben sich durch¬
aus bewährt. Am meisten benutzt werden die Apparate von
Tiegel-Henle, Shoemaker, der Kombinationsapparat der Dräger-
Werke, endlich der Apparat von Lotsch und Möllgard. Zu
beachten ist, dass bei allen intrathorakalen Eingriffen von Anfang
bis zu Ende tiefe Narkose aufrecht erhalten werden muss, ein¬
mal, weil jedes Pressen Störungen für den Operateur und Gefahr
für den Patienten mit sich bringt, dann weil die Wiederentfaltung
der Lunge am Schluss der Operation andernfalls erschwert sein
kann. Weiterhin soll, nm jederzeit eine exakte, rasche Wieder-
entfaltung der Lunge zu ermöglichen, das dem Patienten zur Ver¬
fügung stehende Luftqaantum so gross sein, dass die inspira¬
torischen Drucksenkungen möglichst eingeschränkt werden.
Diese Druckkonstanz ist recht gnt gewahrt einmal bei dem
Apparat von Möllgard, dann dem der Dräger-Werke. An dem
Tiegel’schen Apparat der Küttner’schen Klinik habe ich zu
dem gleichen Zweck den Ballon grösser nnd das Zuleitungsrohr
weiter machen lassen, ferner den ursprünglich in der Nähe des
Mundes angebrachten, sich hier aber öfters störend bemerkbar
machenden Ballon nach oben hin verlegt und die Narkosenzufuhr
vergrössert (Demonstration. Abbildung). Ferner hat sich gezeigt,
dass die Apparate, die reinen Sauerstoff Überdruck ermög¬
lichen, zu bevorzugen sind. Man braucht bei reiner Sauerstoff-
zufubr, worauf Tiegel zuerst aufmerksam gemacht hat, nur ganz
geringen Ueberdruck während des Eingriffes, 8—5 cm Wasser,
Die Gefahr der Magenblähung durch höhere Grade von Druck¬
differenz, sei es nun Ueber- oder Unterdrück, aber auch bei der
lnsufflation beobachtet, wird dadurch sehr vermindert. Nach
Roth kann man ihr ausserdem io der Weise begegnen, dass man
den Ringknorpel gegen die Speiseröhre drückt. Schliesslich
hindert ja nichts, vermittels des Magenschlauches nach der Ope¬
ration die Luft zu entfernen. Beim Wiederaufblähen der Lunge
am Schlüsse der Operation ist darauf zu achten, dass sich nicht
etwa ein der Oeffnung im Thorax zunächst liegender Lungenteil
eher aufbl&ht als der Rest der Lunge und dadurch der im Thorax
noch befindlichen Luft den Ausweg versperrt
Als zweites nun ebenfalls auf dem Prinzip eines Ueberdrackes,
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
wenn auch in wesentlich veränderter Form, beruhendes Verfahren
ist dann die Insufflation nach Vollbard-Meltzer-Auer zu
nennen. Die Amerikaner sind von der Methode geradezu be¬
geistert. Allerdings haften ihr zwei Schwierigkeiten an: Einmal
ist es nicht ganz leicht, das Lumen des Katheters, das */ 2 bis 2 / 3
des Durchmessers der Luftröhre betragen soll, immer richtig zu
treffen. Ist aber der Katheter zu dick, so hindert er das not¬
wendige Zurückströmen der Luft aus der Lunge; ist er wiederum
zu dünn, so kann es unmöglich werden, die kollabierte Lunge
wieder regelrecht zu entfalten, da zuviel Ueberdruck verloren
geht. In solchem Falle kann man sich dadurch helfen, dass man
die Luftröhre oberhalb des Kehlkopfes von beiden Seiten zu¬
sammendrückt und sie so verengt. Der ersten Gefahr wiederum
begegnet man, indem man die notwendige Unterbrechung des
Ueberdruckes und den damit verbundenen Collaps der Lunge
etwas häufiger eintreten lässt, als, wie normalerweise gefordert,
3—4 mal in der Minute. Die Insufflation kann sowohl mit be¬
sonderem, wie auch mit Hilfe eines vereinfachten Ueberdruck-
apparates nach Vorschlägen von Borchardt, Tiegel, Lotsch,
.leger und mir ausgeführt werden. Die zweite Schwierigkeit bei
der Insufflation kann die Einführung des Katheters bereiten.
Man begegnet ihr zunächst, indem man grundsätzlich nur bei
tiefer Narkose intubiert. Ferner möchte ich bitten, einmal solche
Katheter 1 ) zu versuchen (Demonstration). Sie tragen vorn die
Mercier-Krümmung. Aber die bei den gewöhnlichen Instrumenten
dieser Art seitlich angebrachte Oeffnung befindet sich bei diesem
Typ in der Verlängerung der langen Katheterachse, so dass der
Luftstrom gerade nach unten austritt. Bei der Einführung
wendet man die Spitze der Krümmung nach vorn, um so den
Hauptfehler, das Hineingleiten in den Oesophagus, eher zu ver¬
meiden. Es gelingt ferner, mittels solchen Katheters, wie mich
Tier- und Leichen versuche lehrten, je nach Wunsch in den rechten
oder linken Hauptbronchus zu kommen, was beim Menschen
noch nicht praktisch erprobt, im Tierexperiment einige Vorteile
bot. Die Amerikaner führen den Katheter meist mittels des
Jackson’schen Laryngoskops ein. Es genügt aber auch einfach
wie bei Kuhn’scher Intubation vorzugehen. Auch die Insufflation
hat sich nun bei zahlreichen intrathorakalen Eingriffen am
Menschen ausgezeichnet bewährt.
Zaaijer hat dann noch auf Grund eines Hundeexperimentes
empfohlen, den Ueberdruck vermittels zweier durch die Nasen-
1) Bezugsquelle: Georg Haertel, Breslau, Albrechtstr.
Nr. 36.
löcher bis in den Pharynx hinabreichender Gummiröhren zuzu¬
führen, ohne dass das Maul des Tieres dabei geschlossen zu sein
brauchte. Ich bin jedoch in mehreren Versuchen zu einem aus¬
reichenden Ueberdruck nur dann gelangt, wenn ich das Maul des
Tieres stark zusammenpresste.' Ueber den Apparat von Klapp,
die Unterdruckkammer von Giertz, sowie andere neuerdings auf¬
getauchte Vorschläge liegen noch nicht genügende Erfahrungen vor.
Fasse ich nun das Gesagte kurz zusammen, so ergibt sieb,
dass die Weiterentwicklung der Sauerbruch’schen Idee die Richtung
zu Brauer’s Ueberdruckverfahren bevorzugt hat, und dass wir,
die nötige Vertrautheit wie überall natürlich vorausgesetzt, in
den mit Sauerstoff betriebenen vereinfachten Ueberdruckapparaten
und in der Insufflation sichere und verlässliche Methoden zu dessen
Anwendung besitzen. Damit soll nicht behauptet werden, dass
Verbesserungen überflüssig seien, aber nach der Gesamtheit der
mir vorliegenden Ergebnisse muss ich doch sagen: Das Druck¬
differenzverfahren ist jetzt so weit ausgebildet, dass es den An¬
forderungen der Praxis durchaus zu genügen vermag. Erinnern
wir uns zudem an die erfolgreichen Resektionen im Brustteil der
Speiseröhre durch Zaaijer und Toreck, von denen die eine mit
einem vereinfachten Ueberdruckapparat, die andere unter Insof-
flation ausgeführt wurde, so sehen wir, dass selbst die kühnsten
an Sauerbruch’s Entdeckung geknüpften Hoffnungen heute tat¬
sächlich und zwar mit Hilfe des Ueberdruckverfahrens erfüllt sind.
Aus Dr. Fopp’s und Dr. Ecksteines orthopädisch¬
chirurgischer Anstalt in Berlin.
Ueber einige unbekannte Wirkungen der
Röntgenstrahlen und ihre therapeutische
Verwertung.
Von
H. Eckstein.
(Vortrag, gehalten am 8. Juli 1914 in der Berliner medizinischen
Gesellschaft.)
Schon ganz kurze Zeit nach der Entdeckung der Röntgen-
strahleD, 1896, stellte Despeignes, der zuerst das Magen-
carcinom den Wirkungen dieser neuen Erfindung unterwarf, neben
einer Einwirkung auf die Krankheit eine schmerzstillende Wirkung
fest, die bereits nach der ersten Sitzung eintrat. Dieselbe Beob¬
achtung machte 1897 Gocht, der als erster Mammacarcinome
und Neuralgien bestrahlte. In demselben Jahre hat Tarchanoff
über die Wirkung der Röntgenstrablen auf das Centralnerven¬
system mit Fröschen Experimente angestellt und eine Herab¬
setzung der Reflexerregbarkeit nach Bestrahlung der Grosshirn¬
hemisphäre beobachtet. Auch in der Folgezeit wurden ver¬
einzelte experimentelle Untersuchungen vorgenommen, doch haben
weder ihre Resultate noch die gehäuften klinischen Erfahrungen
Klarheit über die Wirkung der Röntgenstrahlen auf das Central-
und periphere Nervensystem gebracht. Inzwischen hat sieb der
Kreis der Anwendungsarten der Röntgenstrahlen, bei denen eine
schmerzstillende Wirkung beobachtet wurde, bedeutend erweitert.
Allbekannt ist diese Wirkung bei Tumoren, bei Leukämien, bei
Frauenleiden geworden, weniger gewürdigt ist ihre Wirkung bei
Tuberkulose, Furunkulose, Hämorrhoiden, Malariamilz, Neuralgie,
Rheumatismus, Gicht, Arthritis deformans, Osteomalacie, während
wiederum die Dermatologen vor allen Dingen die Beseitigung des
Juckreizes bei Pruritus, Ekzem, Lichen ruber und Mycosis
fungoides schätzten.
In welcher Weise aber diese überaus angenehme Neben¬
wirkung zustande kam, darüber hat man sich, scheint es, nicht
allzusehr in den bald 20 Jahren seit Entdeckung der Röntgen¬
strahlen den Kopf zerbrochen. Während man im Anfang die An¬
gaben der Patienten, dass ihre Schmerzen geringer geworden
seien, einfach als Autosuggestion auffasste, lag es anderen Däber,
diese Nebenwirkung als einen Teil eines Heilungsprozesses aufzu-
fassen, wie er sich ja z. B. bei Mammacarcinom durch die sinn¬
fällige Besserung der Ulcerationen sowie der Sekretion doku¬
mentierte. Ueber die Schnelligkeit des Einflusses der schmerz¬
stillenden Wirkung sind offenbar ebenfalls wenig oder gar keine
Beobachtungen angestellt worden, wenngleich sich in der Lite-
ratar öfters die Bemerkung findet, dass die Schmerzen schon nach
der ersten Bestrahlung nachgelassen hätten. Es lag ja auch keine
Veranlassung vor, diese Frage genauer zu prüfen, denn fasste
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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man' die Wirkung als Autosuggestion auf, so war auch eine sehr
schnelle Wirkung nicht wunderbar, fasste man dagegen die
Wirkung als ein Symptom der Heilung auf, so erwartete mau
ihren Einflass erst gleichzeitig mit der Besserung anderer Sym¬
ptome, und man kam überhaupt nicht auf die Idee, die Patienten
schon kurze Zeit nach der Bestrahlung au fragen, ob etwa ihre
Schmerzen gebessert seien.
Mein Augenmerk wurde auf diese Frage durch eine persön¬
liche Erfahrung gelenkt.. Im Jahre 1909 zog ich mir eine Hflft-
verstauchung zu, die noch 3 Monate nachher so stark schmerzte,
dass ich mir eine Röntgenaufnahme machen liess, weil ich der
Meinung war, dass doch vielleicht eine Beschädigung der Kuochen-
teile vorliegen könnte. Indessen ergab das Bild keinen patho¬
logischen Befund.. 2 Tage später fiel mir zufällig ein, dass ich
ja.gar nicht mehr an meine Hüfte gedacht batte, da sie mir
während dieser Zeit keinerlei Schmerzen mehr bereitet batte.
Einige Tage später traten die Schmerzen jedoch wieder, aber in
bedeutend vermindertem Maasse auf. Ich liess mir daraufhin
wtedernm eine Röntgenbestrahlung machen und stellte unmittelbar
nachher fest, dass eine völlige Schmerzfreiheit eingetreten war*
Auch diese Wirknng hielt wieder etwa eine Woche an; die danach
aoffretenden Schmerzen waren so unbedeutend geworden, dass ich
mich nicht mehr um sie zu kümmern brauchte. Ich hatte also
festgestellt, dass auch bei rein traumatischen Affektionen, wie es
eiae Hüftkontusion war, die Röntgenstrab len eine ausgezeichnete
Wirkung gehabt batten, und dass diese Wirkung momentan
eintrat. Eine Suggestion war schon aus dem Grunde aus¬
geschlossen weil ich wenigstens beim ersten Male durchaus nicht
an.eine schmerzstillende Wirkung gedacht hatte. Genau dieselbe
Erfahrung habe ich inzwischen ein zweites Mal gemacht mit einer
ziemlich schweren Kontusion des rechten Sprunggelenkes, bei der
ick wegen des Verdachtes auf eine Fraktur eine Röntgenaufnahme
machen liess, wiederum ohne an die schmerzstillende Wirkung
bei dem akuten Trauma zu denken. Aber auch hier zeigte sie
steh io eklatantester und augenblicklich eintretender Weise. Auch
hier hielt sie etwa eine Woche an und liess ' sich in ganz
identischer Weise zum zweiten Mal erzeugen. Da hiernach über¬
haupt keine weiteren Schmerzen auftraten, war es mir gelungen,
eine Verletzung, die mich in meiner Arbeitsfähigkeit zweifellos
beeinträchtigt hätte, ohne jede weitere andere Behandlung völlig
schmerzlos zur Heilung zu bringen. Ausser diesen beiden Er¬
fahrungen habe ich nun im Laufe der letzten Jabre an über
70 Patienten mit über 100 Einzelbestrahlungen eine Bestätigung
meiner Beobachtung erfahren, die ich dahin zusammenfassen
möchte, dass die Röntgenstrahlen Schmerzen jeder Qualität,
zumeist in sehr weitgehendem Maasse zu lindern vermögen, und
dass die schmerzstillende Wirkung in der Regel unmittelbar bei
oder nach der Bestrahlung eintritt.
Ausser den bei mir selbst beobachteten Kontusionen habe
ich solche an allen möglichen Gegenden des Körpers stets mit
demselben günstigen Erfolge behandelt. Wohl am auffälligsten
wäf dieser bei einer schweren Kontusion der Wirbelsäule, bei der
die Patientin auf zwei Krücken das Röntgenzimmer betrat, das
sie unmittelbar nach der Bestrahlung verliess, beide Krücken
horizontal in einer Hand tragend. Noch verblüffender war das
Resultat bei einef eingerenkten Radiusfraktur, deren erhebliche
Nacbschmerzen fast restlos nach der Bestrahlung verschwunden
waren. Als ich nach 10 Tagen bei der Verbandabnahme wieder
etwas Schmerzen auftreten sab, wurden auch diese durch eine
zweite Bestrahlung sofort beseitigt, so dass der Patient, der nur
mit dem Arm in der Binde, aber ohne Verband entlassen wurde
and nur wenige Male sich zur Massage-Nachbehandlung einstellte,
bereits 14 Tage nach dem Unfall in keiner Weise mehr Unbehagen
empfand und weitere 3 Wochen später bereits seine volle Kraft
wiedergefunden hatte. Dieser Fall gab mir Veranlassung, die
Bestrahlung zur Beseitigung der Nachschmerzen nach Operationen
,Q versuchen, und ich hatte auch hier den nunmehr schon er¬
warteten Erfolg. Dieser ermöglichte z. B. nach der Mobilisierung
eines Ellenbogengelenkes eine Benutzung von Pendelapparaten,
die vor der Bestrahlung wegen der Schmerzen ausgeschlossen
war. Ich brauche kaum zu erwähnen, dass ich die Wirkung
anch bei den schon anfangs erwähnten Affektiooen feststellte,
bei denen sie bereits früher bekannt war, und dass auch bei
diesen die Wirkung sich mit ganz seltenen Ausnahmen unmittol-
bar an die Bestrahlung anschloss. So bei rheumatischen und
PjRtigen Affektionen, bei Herpes zoster, Neuralgien und Neuritis.
Aber auch bei Schmerzen unbekannten Ursprungs, die den sonst
«ogh meist recht günstig wirkenden Heissluftkastenbädern stand
hielten, habe ich in den meisten Fällen durch Röntgenstrahleo
eine bedeutend, bessere Wirkung erzielen können, Ich ging dann
über zu. Affektionen mehr oder weniger entzündlicher Natur. Ein
beginnender Paratonsillarabscess wurde ebenfalls, wenn auch nur
kurze Zeit schmerzlos. Besonders günstig zeigte sich die Wirkung
bei Bronchitiden und beim Asthma bronchiale, Affektionen,,
die bekanntlich ebenfalls schon seit längerer Zeit mit Röntgen-
strahlen behandelt .werden. Hier hatte ich nun Gelegenheit, die
Wirkung nicht nur von dem Patienten bestätigen zu lassen, sondern
auch selber zu sehen und zu hören. Mehrere Male konnte ich
speziell bei Asthma bronchiale, in einem Falle bei Pseudocroup
eines 6 jährigen Kindes unmittelbar -nach der Bestrahlung kon¬
statieren, dass die. Atmung leichter, die Stenosen- und Rassel¬
geräusche geringer waren. . Auch hierbei sah ich Wirkungen von
der Dauer einiger. Stunden bis zu der einiger Wochen. Dies
leitet mich über zu der Einwirkung der Röntgenstrahlen auf
Reflexe. Die eine Beobachtung, die ich in dieser Beziehung
machte, dass nämlich bei einer Patientin mit einem schweren
Magencarcinom das quälende Erbrechen nach einer einzigen Be¬
strahlung sistierte. wäre vielleicht mit einer Beeinflussung des
Grundleidens zu erklären. Um so auffälliger erscheint dagegen
eine zweite Beobachtung. Es betraf dies allerdings die einzige
Patientin, bei der . die Beobachtung vielleicht durch eine Hysterie
getrübt war. Die Patientin, eine Lehrerin, litt an chronischer
Bronchitis und Laryngitis, infolge deren sie einen unerträglichen
andauernden Hustenreiz empfand, der sich besonders beim Sprechen
verstärkte. Als ich den Kehlkopfspiegel ein führen wollte, war
dies wegen eines überaas starken Racbenreflexes völlig unmöglich.
Ich bestrahlte non die Brast und den Hals der Patientin und sah
zu meiner Ueberraschnng, dass nunmehr der Rachenreflex fast
völlig verschwunden warj so dass ich in aller Ruhe laryDgo-
skopieren konnte. Noch auffallender war der Erfolg bei dem
Schreibkampf einer Seminaristin, die nach der Bestrahlung des
rechten Unterarms augenblicklich etwas besser, wenn auch nicht
gut, schreiben konnte. Allerdings liess sich dies Phänomen nar
beim ersten Male erzeugen.
Die geschilderten Beobachtungen scheinen zunächst keine
andere Erklärung zuzulassen, als dass wir es hier mit einer
direkten Beeinflussung der Nervenendigungen zu tun haben. Auf
den mir natürlich auch schon gemachten Einwand, dass derartige
Beobachtuogen sich dnreh Suggestion erklären liessen, brauche
ich wohl mit Rücksicht auf die grosse Zahl und auf die mehr«
jährige Dauer meiner Beobachtungen kaum einzugehen. Ueber-
dies ist jeder Arzt, der über einen Röntgenapparat verfügt, io
der Lage, bei schmerzhaften Affektionen jeder Art meine Er¬
fahrungen nachzuprüfen. Wer hierbei jeden Verdacht der Sug¬
gestion ausschliessen will, der möge zwischen Röhre nnd Patient
eine für den letzteren nicht sichtbare hinreichend dicke Bleiplatte
einscbalteD, so dass der Patient in Wirklichkeit von den Röntgen¬
strahlen nicht erreicht wird, ein Vorschlag, den mir Herr Kollege
Löwenthal-Braunschweig, machte. Es wird sich dann sicher
zeigen, dass derselbe Patient, der ohne Bleifilter die schmerz¬
stillende Wirknng konstatierte, sie piit diesem vermisst. Die von
mir angeführte direkte Beeinflussung der Nervenendigungen durch
die Strahlen würde indessen, darüber bin ich mir vollkommen
klar, nicht viel mehr bedeuten als eine andere Bezeichnung da¬
für, dass wir uns die Wirkung in Wirklichkeit nicht erklären
können. Aber auch diese Erklärung, die ja in Wirklichkeit keine
ist, glaube ich nicht aufrecht erhalten zu können angesichts der
folgenden Beobachtungen. Bei einer 26 jährigen Patientin mit
chronischer Kniegelenksentzünduog bestand seit längerer Zeit
neben erheblichen Schmerzen eine, Crepitation, die deutlich fühl-
und hörbar war. ßs wurden nun bei dieser Patientin nicht nur
mit grosser Regelmässigkeit nach der Bestrahlung die Schmerzen
augenblicklich erheblich besser, sondern anch die Crepitation,
die für Gefühl und Gehör stark vermindert ond von einem viel
weicheren Charakter war. Diese Beobachtung habe ich bei der
Patientin im Laufe von 1y 2 Jahren gegen 20 mal angestellt, öfters
in der Weise, dass mein Mitarbeiter, Herr Kollege Fopp, sich
von dem Zustande der Kniegelenke überzeugte und dann das
Röntgenzimmer verliess. Ich bestrahlte nun ein Kniegelenk und
Herr Fopp war dann in der Lage, mit absoluter Sicherheit da*
bestrahlte Gelenk von dem unbestrahlten zu unterscheiden. Aller¬
dings waren diese und noch ein etwa 40 jähriger Mann die
einzigen Patienten mit Crepitation der Kniegelenke, bei denen
solche eklatanten objektiven Zeichen der Besserung zu konstatieren
waren. Jedenfalls haben wir es hier mit einer Wirkung zu tun,
bei der eine Beeinflussung von sensiblen Nervenendigungen picht
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1608
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 86.
in Frage kommen kann. Vielleicht konnte es sieb bier um einen
veränderten Blutfüllungszustand der Zotten und Rauhigkeiten auf
der Synovialis bandeln, welche die mechanische Unterlage der
Crepitation darstellen, um eine Anämie, die durch einen Reiz
auf die Vasokonstriktoren zustande käme. Bei der Patientin hielt
die Wirkung in der Regel mehrere Wochen an.
Bei der Erzeugung der geschilderten Wirkungen scheint
die Technik der Bestrahlung keine besondere Rolle zu spielen.
Ich bestrahlte in der Regel mit mittelharten oder harten Röhren
bei 0,4 oder 0,2 Milliampere zuerst ohne, dann mit Aluminium-
uud Lederfilter bei einer Focus-Hautdistanz von 16 bis 30 cm
2 bis 7 Minuten lang. In der letzten Zeit hatte ich endlich die
erwünschte Gelegenheit, bei mir Belbst die Wirkung mit der Uhr
in der Hand kontrollieren zu können, wozu mir eine kleine
Fingerverletzung Gelegenheit bot. Hierbei stellte ich fest, dass
schon nach 15 Sekunden eine Scbmerzverminderung bemerkbar
wurde, die sich von Minute zu Minute steigerte, so dass ich
nach fünf Minuten nur noch bei starkem Druck eine leichte
Schmerzempfindung hatte, die sich dann aber auch bei wei¬
terer Bestrahlung von einigen Minuten Dauer nicht mehr weiter
besserte.
Ich glaube nicht, dass meine Erfahrungen das Anwendungs¬
gebiet der Röntgenstrablen als Analgeticom bereits erschöpfen.
Ich glaube vielmehr, dass noch viel weitere Indikationen sich er¬
geben werden. In der inneren Medizin scheint es mir wünschens¬
wert, den Einfluss der Röntgenstrahlen anf Magen- nnd Darm¬
affektionen mit vermehrter Peristaltik oder spastischem Charakter
zu studieren. Eine gastrische Krise habe ich einmal mit so¬
fortigem Erfolge behandelt 1 2 ). Aber auch spastische Zustände des
Herzens, z. B. die Angina pectoris, sollten einem Versuche mit
dieser Therapie unterzogen werden. In der Chirurgie erscheint
mir die Methode der systematischen Anwendung wert zur Beseiti¬
gung des Nachschmerzes von Operationen überall da, wo solche
Nachschmerzen erfabrungsgemäss oft zustande kommen oder be¬
sonders quälend wirken, speziell bei Bankoperationen, nach
denen sie vor allem bei Würgen und Erbrechen der Patienten die
Kräfte aufzehren oder durch Scheu vor schmerzhaftem Husten die
Expektoration verhindern. Eine solche prinzipielle Anwendung
wird sich ganz leicht bewerkstelligen lassen, wenn man den viel¬
leicht noch nicht einmal ans der Narkose erwachten Patienten
aus dem Operationszimmer direkt ins Röntgenzimmer und dann
erst ins Bett bringt.
Irgendwelche Nachteile habe ich von dem Verfahren niemals
konstatieren können, auch dann nicht, wenn es wiederholt zur
Anwendung kam, im Gegenteil halte ich es für durchaus möglich
und nach meinen Beobachtungen auch für wahrscheinlich, dass
die künstliche Analgesierung von Verletzungen und entzündlichen
Affektionen deren Heilang beschleunigen, analog der Tatache, die
ich bereits vor bald 20 Jahren feststellte, dass Wunden, die durch
Orthoform oder Anästbesin schmerzfrei gemacht wurden, einen
besonders schnellen Heilungsverlauf zeigten. Diese Unschädlich¬
keit, für die wir bei richtiger Dosierung garantieren können, ist
eine der schönsten Begleiterscheinungen eines Heilmittels, das wir
wegen der Energie und Schnelligkeit seiner Wirkung getrost
neben die stärksten Mittel unseres Arzneischatzes stellen dürfen.
Aus dem Stubenrauch-Krankenhaus in Berlin-Lichter¬
felde.
Klinische Anwendung der Röntgenphotographie
der Leber und Milz. 3 )
Vom
Prof. E. Rautenlerg.
M. H.! Auf dem Kongress für innere Medizin in Wiesbaden
habe ich über meine Untersuchungen berichtet, die darauf hin¬
zielten, die unter dem Zwerchfell liegenden Organe, namentlich
die Leber und Milz, sowie auch das Zwerchfell selbst, der
Röntgendiagnostik zugänglich zu machen; eine systematische
1) Herr Stabsarzt Dr. O.Strauss teilte mir mit, dass er bei einem
Kinde das wegen Epilepsie vergeblich eine Gehimoperation durch¬
dacht hatte, durch eine einzige kräftige Bestrahlung des Schädels die
Anfälle zum Verschwinden gebracht habe. . .
2) Nach einem am 1. Juli 1914 in der Berliner medizinischen Ge¬
sellschaft gehaltenen Vortrage.
Röntgenuntersuchung dieser Organe war noch nicht durcbgeföbrt
worden, seitdem ich im Herbst 1913 mit meineii Untersuchungen
begann. Dieselben gingen darauf hinaus, durch Einfuhren eines
Kontrastmittels, nämlich von Sauerstoff, in die Bauchhöhle die
Konturen dieser Organe sichtbar und vor dem Schirm und auf
der Platte darstellbar zu machen. Zur ersten Anwendung
der Methode waren am meisten geeignet Fälle, die mit Ascites
kompliziert waren, und vornehmlich darüber habe ich in Wies¬
baden berichtet. Inzwischen sind unsere Untersuchungen weiter
ausgedehnt worden, besonders auch auf Patienten mit Erkran¬
kungen der Bauchorgane ohne Anwesenheit von Flüssigkeit, und
darüber, welche Ergebnisse erzielt worden sind, und über die
Frage, ob es eventuell gelingt, die Gallenblase sichtbar zu
machen, will ich Ihnen heute kurz berichten. Wir haben im
ganzen 11 Kranke mit Ascites mit der Methode untersucht, näm¬
lich 3 Patienten mit einfachen bydropischen Ergüssen, 3 Patienten
mit Lebercirrhose, 5 Patienten mit Carcinosis peritonei. Natür¬
lich war es in der grössten Zahl der Fälle schon vor der
Punktion des Ascites möglich, eine Wahrscbeinlichkeitsdiagnose
zu stellen und nach der Punktion diese Wahrscheinlichkeits¬
diagnose zu einer verhältnismässig sicheren zu machen. Sie
wissen aber selbst, dass es nicht in allen Fällen von Ascites
anch nach der Punktion gelingt, die Diagnose sicher zu stellen,
und in diesen Fällen hat die Methode der Sauerstoffeinblasuog
uns die absolute Sicherheit verschafft. In allen Fällen aber
haben wir die Methode als eine wertvolle diagnostische Bereiche¬
rung ansehen können, da wir auf die Lage der Organe, ihre
Form und Beschaffenheit einen wertvollen Einblick gewinnen
konnten, wie es sonst nicht möglich gewesen wäre. Ich habe
bereits an anderer Stelle aasgeführt, dass wir durch die ver¬
schiedene Lagerung der Patienten die Uebersicht über die
Organe der Bauchhöhle verbessern können, nnd diese Methode
der Untersuchung in verschiedener Lage haben wir noch weiter
ausgedehnt, indem wir nicht nur in aufrechter Stellung, in
Seitenlage, sondern auch in Rückenlage, mit Beckenhochlage-
rung usw. untersuchten. Wir gehen jetzt in der Weise vor, dass
wir den Patienten zuerst, um einen Ueberblick zu gewinnen, in
verschiedenen Stellungen durchleuchten und dann die bemerkens¬
werten und charakteristischen Lagen auf der Platte fixieren.
Ueble Zufälle oder nachträgliche Belästigungen haben wir nicht
gesehen. In letzter Zeit haben wir die Hülse der Punktionskanüle
an der Punktionsstelle einfach liegen gelassen (in verschlossenem
Zustande) und nach der Untersuchung des Patienten in Rücken¬
lage das Gas durch manuellen Druck leicht und vollständig ent¬
leert. In zwei Fällen habe ich wegen der Aengstlichkeit der
Patienten Morphium-Skopolaminnarkose angewandt.
Eine weitere Frage war die, ob es gelingt, etwa zur Ver¬
meidung einer Probelaparotomie iu unklaren Fällen bei Kranken
ohne Ascites durch diese Methode die Diagnose so weit zu
fördern, dass man sich therapeutisch nach der einen oder
anderen Richtung entgeh Hessen könnte. Die Ergebnisse unserer
diesbezüglichen Untersuchungen an 6 Patienten bejahen diese
Frage. Es handelte sich in diesen Fällen teils um die Frage,
ob bei Magencarcinom eine Operation noch angängig sei, oder
ob eine Lymphosarkomatose der Mediastinaldrüse, die mit Erfolg
bestrahlt war, auf die Bauchorgane übergegangen sei nnd auch
hier bestrahlt werden Bollte u. ä.
Endlich war die Frage zu erörtern, ob es gelingt, die
Gallenblase zu erkennen. Zu diesem Zwecke musste es
darauf ankommen, besonders die Unterfläche der Leber und
ihre vordere Kante sichtbar zu machen. Diesen Versuchen
haben sich jedoch grosse Schwierigkeiten in den Weg gestellt
In Rückenlage, namentlich mit starker Hochlagerung des Beckens,
hätte diese Sichtbarmachung der Gallenblase am ehesten gelingen
müssen. Die dahingehenden Versuche sind aber alle negativ aus¬
gefallen. Ein Fall, bei dem dnreh Operationsnarben die vor “®*®
Leberkante an der Bauchwand fixiert war, bot in dieser Be¬
ziehung z. B, ausgezeichnete Verhältnisse, da bei ihm in Rücken¬
lage die Unterfläche der Leber vertikal stand; es gelang wohl,
eine rundliche, konvexe Wölbung von Wallnussgrösse auf dem
Schirm und auf der Platte zu erkennen and in ihr einige Schatten
(Concremente) wahrznnebmen, das Ergebnis war aber so unsicher
und unbefriedigend, dass wir von weiteren Versuchen io dieser
Beziehung Abstand genommen haben. (Demonstrationen.)
Zosammenfassend kann ich sagen, dass wir im Laute de
Zeit den diagnostischen Wert dieser Methode immer me
schätzen gelernt haben. Sie gestattet, Form, Lage der ge¬
nannten Organe und ihre Veränderungen «u erkennen; sie g *
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7. Se ptember 19 14.
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stattet auch, die Veränderungen der Konsistenz der Leber wabr-
zunehmen und bat, namentlich im Anschluss an die Punktion des
Ascites, den Vorteil grosser Einfachheit. Ich glaube, dass
die Methode sich in der inneren Medizin einbürgern wird.
Ueber Lupus syphiliticus.
Von
Dr. 0. Heinemann, Spezialarzt in Berlin.
Die Bezeichnung stammt von Virchow und soll eine Krank-
keit bedeuten, die grosse Aehnlichkeit mit Lupus vulgaris hat,
aber syphilitischer Natur ist. Die Aehulicbkeit kann eine sehr
weitgehende sein.
Die Haut der äusseren Nase ist in mehr oder weniger grosser
Ausdehnung gerötet, geschwollen und exulceriert. Die Ulce-
rationen sind oberflächlich. Sie können wie bei Lupus vulgaris
auf die Oberlippe übergreifen. Die Prädilektionsstelle des Lupus
vulgaris, die Nasenflügel, können gleichfalls exulceriert sein, und
nach Abheilung der Ulcerationen können Defekte derselben Zu¬
rückbleiben.
Die Krankheit scheint, wie der nachstehende Fall beweist,
und auch noch andere Fälle der Literatur, wenig bekannt zu
sein. So sind in der Münchener medizinischen Wochenschrift,
1910, Nr. 3, S. 149 zwei Fälle, Mutter und Tochter, erwähnt.
Sie wurden jahrelang als Lupus vulgaris behandelt. Als endlich
die richtige Diagnose gestellt wurde, war inzwischen gänzliche
oder teilweise Erblindung eingetreten. In meinem Fall war die
Kranke 6 Jahre lang als Lupus vulgaris behandelt worden, und
zwar erfolglos. Doch blieben schliesslich dauernde Nachteile
nicht zurück.
Solche Fälle beweisen die Wichtigkeit der richtigen Diagnose.
Was in meinem Fall eine ganze Zahl Kollegen mit allen
modernen antilupösen Behandlungsmethoden in 0 Jahren nicht
erreichen konnten, gelang mir auf Grund der richtigen Diagnose
mit wenigen Gramm Jodkali in 6 Wochen. Ein neuer Beweis
für die Wichtigkeit der alten Regel, immer an Lues zu denken,
wenn Krankheitsbilder Vorkommen, welche von den gebräuch¬
lichen abweichen oder einen abnormen Verlauf zeigen.
Auf die richtige Diagnose wird mau kommen, wenn einzelne
Symptome von den Erscheinungen des Lupus vulgaris abweichen,
oder wenn die antilupöse Therapie erfolglos ist. Die Anamnese
wird öfter Licht in die Sache bringen, noch mehr bei Verhei¬
rateten die Untersuchung des Ehegatten, endlich die spezifische
Jodkaliwirkung. Dieselbe ist eine so sinnfällige, dass sie die
Wassermann’sche Reaktion in der Regel überflüssig macht. ^ Man
findet bei Lupus syphiliticus auch Perforationen der Nasen¬
scheidewand. Sie können aber auch fehlen, und da sie auch bei
Lupus vulgaris Vorkommen und auch noch mit anderer Aetio-
logie, so sind sie für die Diagnose nicht entscheidend.
Am 3. I. 1914 erschien Frau R., 42 Jahre alt, wegen eines Nasen¬
leidens in meiner Sprechstunde. Dasselbe bestand seit 1907. Sie war
bereits damals ärztlich behandelt worden. 1909 liess sie sich homöo¬
pathisch behandeln, beides ohne Erfolg. Im Jahre 1912 behandelte sie
ein dritter Arzt mit Salben, ein vierter mittels Lichttherapie und roter
Salbe. Die Krankheit heilte nicht. Im Jahre 1913 erkrankte sie am
Unterleib, wurde deswegen zunächst in der Sprechstunde, dann in der
Klinik behandelt. Es wurde wegen Bauchschwangerschaft eine Operation
vorgenornraen. Patientin gibt an, ihre Nase habe während dieser Zeit
aoi besten ausgesehen, als sie notgedrungen in Ruhe gelassen werden
musste.
Die äussere Nase zeigte sich teilweise gerötet und geschwollen, teil¬
weise von weissen Narben bedeckt. Eine normale Hautstelle war nicht
zu finden. An einer Reihe von Stellen fanden sich Ulcerationen, so an
beiden Nasenflügeln und am Nasenrücken. Diese sahen den lupösen
sehr ähnlich; sie waren flach und hatten ein granuliertes Aussehen. An
der Nasenwurzel hingegen war eine tiefere, etwa zehnpfennigstückgrosse
Ulceration, scharf begrenzt und mit steil abfallenden Rändern. Sie sah
aus wie mit dem Locheisen ausgeschlagen, der Geschwürsgrund war
rot. Ferner fanden sich grosse strahlige Narben, welche die ganze
Oberlippe einnabmen. Das Innere der Nase war mit Borken bedeckt,
deren Entfernung die Kranke ablehnte. Erst später, um es vorweg¬
zunehmen, gelang die Entfernung derselben, und es kam eine grosse
Septumperforation mit grösstenteils vernarbten Rändern zum Vorschein.
Oie Nasenschleimhaut blutete leicht nach Entfernung der Borken, zeigte
jedoch sonst nichts Besonderes.
Bei der aussergewöhnlichen Renitenz des Falles gegen jede anti¬
lupöse Therapie erschien mir die Diagnose zweifelhaft. Namentlich das
scharf begrenzte Geschwür der Nasenwurzel unterschied sich wesentlich
▼oq den gewöhnlichen Lupusgeschwüren. Ich verordnete daher Jodkali
in Solution, 1 g pro die. Diese Dosis ist nach meinen Erfahrungen aus¬
reichend, höhere Dosen nützen auch nicht mehr. Um sicher zu gehen
für den Fall, dass es doch gewöhnlicher Lupus war, fügte ich Umschläge
von Wasserstoffsuperoxyd nach Pfannen stiel hinzu. Nach etwa acht¬
tägigem Jodkaligebrauch setzte eine geradezu rapide HeiluDg ein. Nach
weiteren 8 Tagen waren die Ulcerationen des Nasenrückens und der
Nasenflügel abgeheilt, letztere ohne Defekt. Dos Ulcus an der Nasen¬
wurzel leistete wegen seiner Tiefe längeren "Widerstand, es bedurfte im
ganzen 6 Wochen zur Heilung. Die Nase sah um diese Zeit, abgesehen
von einigen kleinen Stellen rein weiss aus. Ich schlug nunmehr eine
Nachbehandlung mit Quecksilber und Salvarsan vor. Diese wurde jedoch
zunächst abgelehnt und Pat. blieb aus der Behandlung fort. Am 14. III.
erschien sie wieder mit einem Recidiv, und zwar in Begleitung ihres
Mannes. Es ergab sieb, dass der Mann vor 3 Jahren Lues gehabt hatte.
Er litt zurzeit noch an Psoriasis luetica der Beugeseite des linken Unter¬
armes und Beines. Dieselbe verschwand ohne jede örtliche Therapie im
Verlauf einer eiogeleiteten Schmierkur.
Das Recidiv der Ehefrau beschränkte sich auf ein tiefes Ulcus an
der Nasenwurzel, an der alten Stelle und von demselben Aussehen wie das
frühere. Die Frau wurde nun kombiniert mit Jodkali 1,0 pro die und
Ungt. einer. 2,0 pro die behandelt. Die örtliche Behandlung war auf
Grund der gesicherten Diagnose eine indifferente, mit‘Borsalbe. Am
16. IV. war das Ulcus geheilt. Pat. beendete ohne Zwischenfall ihre
Schmierkur. Es ist für die Zukunft eine methodische kombinierte Queck¬
silber- und Salvarsankur in Aussicht genommen.
Eine Vorrichtung zum Auffangen und Trans¬
portieren von Stuhl für klinische Untersuchungen
(Faecotenor).
Von
W. Kiel,
Präparator um poliklinischen Institut für innere Medizin der Kßl. Universität Berlin.
Die oft so bedeutungsvollen Stuhluntersuchungen wurden bisher für
Patienten und Arzt dadurch erschwert, dass es an einer geeigneten
hygienisch und ästhetisch einwandsfreien Vorrichtung zum Auflangen
und Transportieren des Stuhles fehlte. Dem abzuhelfen habe ich auf
Anregung und mit Unterstützung des Herrn Dr. Arnoldi, damaligem
Assistent am Poliklinischen Institut der Kgl. Universität, eine Vorrichtung
konstruiert, mit der ein sauberes Auffangen und Transportieren des
Stuhles leicht möglich ist und es dem Arzt ganz wesentlich vereinfachen
wird, die Stuhluntersuchungen sorgfältig und reinlich vorzunehmen.
Abbildung 1.
Abbildung 2.
Der Apparat besteht, wie aus Abbildung 1 und 2 ersichtlich ist,
im wesentlichen aus einer dickwandigen Glasscbale von 18 cm Durch¬
messer und 5 cm Tiefe, einer MetallfassuDg des Bodens und einem, mit
einer Dichtung versehenen Blechdeckel. Seitlich an der Gestellfassung
sind Oesen angebracht, an welche Gurte befestigt sind. Diese wiederum
ermöglichen durch ein einfaches Befestigen an dem Klosettring ein be¬
quemes Aufhängen des Gefässes in dem Klosettinneren. Die Boden-
2
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Original frn-m
UNIVERSITY OF IOWA
1610
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 86.
fassung und der Blechdeokel des Aufnahmegefäases werden nach der
Benutzung mittels Metallklammern absolut sicher und fest verschlossen.
Der Apparat führt den Namen „Faecotenor“ und ist unter der
Nummer 591504 gesetzlich geschützt und wird von der Firma Gebrüder
Muenke, Berlin NW., Schumannstr. 2, zum Preise von 6 M. vertrieben,
auch ist er in den meisten Apotheken vorrätig.
Bacherbesprechungen.
Treves-Keith: Chirurgisch» Anatomie. Nach der 6. englischen Auf¬
lage übersetzt von A. Mülberger. Mit einem Vorwort von
E. Payr und mit 152Textabbildungen von 0. Kleinsohmidt
und 0. Hörhammer. Berlin 1914, Julius Springer. 478 S.
Preis geb. 12M.
Das Treves - Keith’sche Werk ist keine topographische Anatomie
im eigentlichen Sione des Wortes. Neben der anatomischen Be¬
schreibung finden sioh zahlreiche Exkursionen in das Gebiet der Patho¬
logie, Physiologie und der praktischen Chirurgie; überhaupt tritt auf
jeder Seite des Buches — eine Tatsache, auf die auch E. Payr in seiner
Vorrede hinweist — der Charakter des Buches als englisches Lehr¬
buch zutage, das in erster Linie die Bedürfnisse der Praxis berück¬
sichtigt. Aus diesem Grunde gestaltet sich aber gerade die Lektüre
des Buches zu einer ausserordentlich fesselnden. Es ist ein Buch, dessen
Lektüre den Leser nicht anstrengt, sondern bei der man — ähnlich wie
bei dem klassischen Werk Hyrtl’s — Erholung findet, und das daher
auch besonders dem älteren, vor dem Examen stehenden Medizin-
studierendeD empfohlen sei. Allerdings darf man andererseits nicht ver¬
gessen, dass eine gewisse Kritik besonders der speziell chirurgischen
Ausführungen zuweilen am Platze ist, wie überhaupt die wissenschaft¬
liche Bearbeitung nicht die Exaktheit und Gründlichkeit erreicht, wie
wir es in unseren deutschen Lehrbüchern gewohnt sind. Damit sei kein
Tadel ausgesprochen, sondern nur die Eigenart des Werkes betont.
Alles in allem glauben wir, dass die sehr gute deutsche Uebersetzuog
.des Buches, das auch äusserlich vorzüglich ausgestattet ist, sioh viele
Freunde erwerben wird.
E. Pagenstecher (f)- Wiesbaden: lieber das Vorkommen des endemi¬
schen Kropfes und der Sehilddriisenvergrössernng am Mittel¬
rhein und in Nassau. Mit 3 Tafeln und einem Vorwort von
K. Garre. 29 S. Wiesbaden 1914, J. F. Bergmann.
Die Erkenntnis, dass die möglichst genaue Erforschung des Vor¬
kommens des Kropfes in den- verschiedensten Gegenden die Vorbedingung
für die Erforschung der Aetiologie desselben darstellt, die ja gerade in
neuester Zeit wieder stark umstritten ist, hat auch in Deutschland ver¬
schiedene Arbeiten gezeitigt, die sich die Erforschung des Kropfes in
den verschiedenen Provinzen unseres Vaterlandes zur Aufgabe gemacht
haben. Diesen schliesst sich jetzt als weitere die vorliegende nach¬
gelassene Arbeit des leider jüngst verstorbenen Wiesbadener Chirurgen
an. In dem in der vorliegenden Arbeit behandelten geographischen Ge¬
biet kommt der Kropf nicht besonders stark vor. Man hat den Eindruck
nur einer schwachen bzw. im Schwinden begriffenen Endemie. Wie alle
Autoren, die ähnliche Arbeiten herausgegeben haben, musste auch P.
die wirkungsvolle Mitarbeit der landansässigen Kollegen vermissen. Trotz¬
dem findet sich auf den wenigen Seiten viel interessantes Material zu¬
sammengetragen, und es ist nur zu bedauern, dass P. nicht selbst seine
begonnene Arbeit fortsetzen konnte. Eine Klärung der ätiologischen
Frage ist natürlich bisher noch nicht erreicht. Während in einzelnen
Gegenden das Bircher’sche Gesetz bestätigt worden ist, haben sich doch
wieder an anderen Stellen des Landes Widersprüche herausgestellt. Auf
jeden Fall bietet die vorliegende Arbeit einen wertvollen Beitrag zur
Frage des Vorkommens des Kropfes in Deutschland.
W. V. Simon - Breslau.
Heinrich K&hane: Grundlage der Psychologie für Mediziner.
Wiesbaden 1914, Verlag von J. F. Bergmaon. 1390 S. Preis 9 M.
Der Verfasser dieser Grundzüge einer Psychologie für Mediziner
bringt nicht etwa, wie manche aus dem Titel schliessen würden, eine
jener üblichen Zusammenfassungen gangbarer psychologischer Systeme
für den Gebrauch des Mediziners, sondern ein ganz neues und eigenes
System. Er geht davon aus, dass den üblichen abstrakt-systematischen
Darstellungen der Psychologie die praktische Anwendbarkeit für den
Arzt mangle; sie seien ebenso praktisch unfruchtbar wie theoretisch
unbefriedigend. Seit Jahren bestrebt, „in der Psychologie jene Be¬
trachtungsweise zur Geltung zu bringen, welche in den exakten und
beschreibenden Naturwissenschaften so fruchtbar gewirkt hat“, sucht er
diese Lücke auszufüllen, indem er sich also die Aufgabe stellt, gewisse
Anschauungen der exakten Naturwissenschaften, insbesondere der
modernen Physik für die Psychologie nutzbar zu machen. So räumt er
z. B. der Fourier’schen Analyse einen grossen Einfluss auf psycho¬
logische Untersuchungen ein und der bisherigen „starr formalistischen“
Vorstellungstheorie setzt er eine Strömungstheorie, der passivistischen
eine aktivistische Auffassung des Psychisohen entgegen. Die Seele ist
die Trägerin des Lebens und Erlebens, sie ist in dauerndem Fluss und
hat das immanente Ziel der Erhaltung und Entfaltung des Lebens und
des psychischen Systems in unabsehbarer, unendlicher Höherentwicklung.
So wie die moderne Physik nicht mehr „letzte Teilchen“, sondern „Zu¬
stände“ zur Erklärung der Drprobleme heranzieht, so will auoh Verl,
nicht isolierbare 9tarre Vorstellungen als Elemente, sondere nur Zustände
der einheitlichen Psyche anerkennen, die er behufs erleichterter Auf¬
fassung als Erschütterungen und Strömungen eines „AU-Einen“ definiert.
Und so glaubt er, dass eine Aufhellung der psychischen Zusammenhänge
nach Art der exakten naturwissenschaftlichen Methoden auf dem
Wege sei.
Das Buob wird natürlich wie alles, was die gewohnten Geleise ver¬
lässt und neue Wege geht, sehr viele Gegner finden. Die Anschauungen
z. B. über den Willen, über Ermüdung, Schlaf und Traum, über die
Affekte, die Kunst, den Sport u. a. müssen manchen Widerspruch hervor-
rufen. Sieht man aber einmal von Einzelheiten ab, versucht man, sich
auf den Boden des Verf. und seiner Voraussetzungen gegenüber den
bisherigen psychologischen Darstellungen zu stellen, so ist die Gesamt-
wirkung des Buches die eines in sich geschlossenen Lehrgebäudes, das
mit Klarheit und ruhiger Sicherheit durcbgeführt ist, dessen tiefe Denk-
metbode, dessen Eiguung zu psychologischer Erziehung und Erkenntnis
nicht zu leugnen ist. Das Werk ist ein Versuch, dessen Aussichten
gerade für die Kreise der Mediziner vorläufig allerdings sehr zweifelhaft
sind, der aber die Beachtung aller psychologisch Interessierten verdient.
W. Seiffer.
Gesammelte Abhandlungen von weil. Prof. Max Kassowitz. In Ver¬
bindung mit August Büttner, Priv.-Doc. Hochsinger, Dr.
Holitscher, Prof. Mauthner zusammengestellt, mit biogra¬
phischen und erläuternden Anmerkaogen versehen und beraus-
gegeben von Dr. Julie Kassowitz-Schall. Berlin 1914, Verlag
von Julius Springer. 534 S. Preis 12 M.
Mit Kassowitz ist eine eigenartige Persönlichkeit dahingegaogen,
ein Mann von zweifellosen Verdiensten um die Kinderheilkunde wie um
die Wissenschaft überhaupt, eine Kampfnatur, der erst der Tod die streit¬
bare Feder aus der Hand nehmen musste, andererseits ein St&rrkopf, der
wohl niemals etwas zurückgenommen hat, was er publiziert hatte, und
wenn auch alle Welt vom Gegenteil überzeugt war.
Nun er dahingegangen ist, haben Schüler von ihm eine Auswahl aus
seinen zahlreichen Arbeiten herausgegeben. Gewöhnlich bringen solche
Sammlungen einzelne wertvolle Arbeiten, die an schwer zugänglicher
Stelle publiziert wurden und nun etwas mehr ins Licht gerückt werden
sollen. Dieser Gesichtspunkt war aber, und das ist bei der Beurteilung
der einzelnen Arbeiten zu berücksichtigen, hier nicht maassgebend. Viel¬
mehr trägt das Buch eine weit persönlichere Note. Es soll nämlich
„alle für den Verstorbenen charakteristischen Ideen und Ansichten, so¬
wie auch alle bedeutsamen Momente in seinem Leben deutlich hervor¬
treten lassen“. Es soll also die Persönlichkeit des Forschers Kassowitz
in seinen Arbeiten fortleben lassen. Dieser Bestimmung entsprechend
enthält die Sammlung neben wertvollen Arbeiten auch solche, denen
jedes aktuelle oder wissenschaftliche Interesse abgeht, die aber für die
Beurteilung der Persönlichkeit Kassowitz’ kennzeichnend sind. Rund
50 solcher Abhandlungen sind hier vereinigt worden.
Frau Dr. Kassowitz-Schall hat dem Buch ein Geleitwort mit¬
gegeben, an dem die Kritik nicht so ohne weiteres Vorbeigehen kann.
Es ist — wie natürlich — eine Hymne auf den Toten und eine Anklage
für die Mitwelt. Diese habe ihm die Ehren vorenthatten, die ihm ge-
reohterweise gebührt hätten. Das stimmt nicht ganz, denn so sehr haben
sich seine Zeitgenossen doch nicht an Kassowitz versündigt. Zeit
seines Lebens hat die Pädiatrie dem Mann, dem sie vieles verdankte,
der dem Unfug der Zahnkrankheiten steuerte, der die Klinik der kreti-
noiden Wachstumsstörungen sohuf, der die Lehre von der Syphilis und
der Rachitis mächtig förderte, der ihr noch auf der Höhe seines Lebens
in seiner „praktischen Kinderheilkunde“ einen glänzenden Niederschlag
seiner Lebenserfahrungen schenkte, mit gebührender Achtung begegnet.
Wenn Kassowitz trotzdem seinen Lebensweg als Aussenseiter ging,
so lag das an ihm und an seinen manchmal ganz unverständlichen An¬
schauungen. Hatten doch, um ein Beispiel anzuführen, selbst 20 Jahre
einer erfolgreichen Diphtherieserumbehandlung ihn nicht davon über¬
zeugen können, dass sein erstes verdammendes Urteil ungerechtfertigt
war. So etwas und vieles andere machte die jüngeren Pädiater stutzig
und war der Grund, weshalb schliesslich alles, was von Kassowitz
kam, seine Pädiatrie sowohl wie seine Biologie, mit Misstrauen und Vor¬
behalt aufgenommen wurde. — Nooh etwas anderes kam hinzu: fast jede
Arbeit von ihm, seine Hauptwerke sowohl wie seine gelegentlichen kleineren
Aufsätze waren Polemik. Und das stiess viele von ihm ab. Denn Polemik
ist gewiss etwas Gutes, aber Nichts-als-Polemik fällt auf die Nerven.
Sicher war das kein schönes Geschick, aber andere — Grössere —
haben dasselbe erlitten und — haben sioh nicht beklagt. Soviel über
die Vorrede.
Als erste Gruppe enthält das Buch eine Reihe von Arbeiten über
die Theorie und Therapie der Rachitis. K. hat bekanntlich den Phosphor¬
lebertran in die Therapie der Rachitis eingeführt. Die wiedergegebenen
Arbeiten bringen die heftige Polemik, die sich aus diesem Anlass ent¬
spann. Es folgen Aufsätze zur Heilserumfrage, der gegenüber sich K.,
wie schon erwähnt, absolut ablehnend verhielt. Sie habeo heute natür¬
lich nur rein historisches Interesse. Der nächste Abschnitt enthält
i kleinere Aufsätze „aus verschiedenen Gebieten der Kinderheilkunde .
Einzelne davon sind wirkliche schriftstellerische Kabinettstücke, die die
I glanzende Stilistik und zugleich die grosse Lebenserfahrung des Autors
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Original frorn
UNIVERSIT7 OF IOWA
7. September 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1611
widerspiegeln. Niebt weniger als 16 Arbeiten behandeln „die Erkenntnis
der Lebenserscheinungen im Lichte einer neuen Theorie“. Ein Er¬
innerungsbuch für Kassowitz wäre unvollständig, wenn es ihn nicht
auch als Fanatiker der Abstinenzbewegung zu Worte kommen liesse.
Und so bringt das Buch denn auch eine Reibe seiner Aufsätze über den
Alkohol und seine Schädlichkeit. Populäre Aufsätze verschiedenen Inhalts
beschlossen die Sammlung.
Für den, der sich einmal so ganz loslösen kann von modernen An¬
schauungen, ist das Buch wie eine Wanderung durch die Anfänge und
die Kinderjahre der Pädiatrie, eine hochinteressante Lektüre, die einen
besonderen Genuss nooh durch die glänzende Schreibweise des Autors
erfährt. Birk-Kiel.
Verhandlovgea der Vereinigung der Lnngenbeilanstaltsärzte anf
der 8. Versammlung in Freibarg i. B. vom 7. bis 9. September
1918. Im Aufträge der Vereinigung herausgegeben von Dr.
J. Ritter- Geesthacht, Bezirk Hamburg. Mit IO Tafeln und 3 Ab¬
bildungen im Text. Würzburg 1914, Verlag von Kurt Kabitzsoh.
IV und 129 S. Preis 6 M.
Der stattliche Band enthält eine Reihe Arbeiten, die ein höchst
aktuelles Interesse haben, und an welche sich zum Teil eine sehr leb¬
hafte Diskussion angeschlossen hat. Der Kürze halber kann hier nur
im folgenden der Titel der verschiedenen Arbeiten angegeben werden.
An der Spitze der Verhandlungen steht 1. eine Ansprache Brauers, ein
Vorschlag über die Gründung der Tuberkuloseforschungsstätte zu Mar¬
burg, 2. die Satzungen des Hamburger Forschungsinstituts für Krebs und
Tuberkulose. Dann folgt de la Camp: Die Strahlentherapie der experi¬
mentellen und menschlichen Lungentuberkulose; Kahler: Neuere Unter¬
suchungsmethoden des Larynx und ihr Wert für die Diagnose und The¬
rapie der Lungentuberkulose; Schröder: Klimatologische und klimato-
therapeutische Fragen. In der Diskussion sprechen die Herren Felix
Wolff, v. Muralt, Breoke, Rumpf, Pigger, Wehmer, Schröder.
Dann folgt v. Muralt: Erfahrungen über Exsudate bei künstlichem
Pneumothorax, in der Diskussion die Herren Ziegler, Weinstein,
Schröder, Pigger und v. Muralt. Nicol: Ueber eine neue Eintei¬
lung und Nomenklatur der Lungenphthise; Diskussion die Herren K ( hier,
Ziegler, Ritter, Brauer, Liebe, Schröder, Brecke, Wolff,
Nicol. Fernerhin Seil: Diätetische Fragen in der Lungenheilanstalt;
Diskussion die Herren Schröder, Liebe, Schröder, Schuttes,
Brauer, Seil. Jarosch: Ueber die Verwendung des Röatgenapp&rates
in der Lungenheilstätte, zur Diagnose und Therapie. Junker*. Klinische
Erfahrungen mit der Kupfer- und Goldtherapie der Lungentuberkulose.
Schuttes*. Ueber die Behandlung der wollenen Decken in der Heil¬
stätte. Schultes: Können sioh die Heilstätten vor Pfändung der An¬
staltsmöbel in den Zimmern der Angestellten schützen? Sander: Ueber
moderne Sanatoriumshygiene und Maassregeln zur Prophylaxe der Tuber¬
kulose.
Taberknlose-Fortbildangskiirs des allgemeinen Krankenkasse* Ham¬
burg-Eppendorf. Herausgegeben von Ludolf Brauer. Bd. 2.
Dem Eppendorfer Krankenhause zur Feier seines 25jährigen Be¬
stehens gewidmet von früheren und jetzigen Aerzten der Anstalt.
Mit 6 Abbildungen im Text und 13 Tafeln. Würzburg 1914,
Kurt Kabitzsch. 159 S. Preis broschiert 7 M., geb. 8,20 M.
Wie der erste Band des Tuberkulose-Fortbildungskurs enthält
auch der zweite Band eine Reihe von ausgezeichneten übersichtlichen
Arbeiten, welche zur Einführung in die verschiedenen Gebiete der Tuber¬
kulose und ihrer Bekämpfung gedacht sind, und man kann wohl sagen,
dass dieser Zweck in glänzender Weise erreicht worden ist. Allen Ar¬
beiten ist gemein, dass sie in ausserordentlich klarer und einfacher
Weise geschrieben sind, und dass sie den gegenwärtigen Stand unseres
Wissens auf dem betreffenden Gebiete nur in Anlebnuog an Bewährtes
geben, während die so zahlreichen noch strittigen Fragen als solche
dargestellt sind, ohne zu einer allzu frühen Entscheidung gebracht zu
werden. Zuerst berichtet Lorey über den Wert der Röntgenunter¬
suchung bei der Lungentuberkulose, wo er mit Recht vor der einseitigen
Ueberschätzung dieser Untersuchungsmethode warnt und sie nur im
Zusammenhang mit allen anderen klinischen Methoden überhaupt ange¬
wendet wissen will. Auch ist überall freimütig zugegeben, dass über
die Bedeutung mancher Schattenbilder auf der Röntgenplatte zurzeit
noch Unklarheit herrscht und ihre Deutung daher von keinem Einfluss
auf eine gut gesicherte klinische Diagnose sein darf. Mayer referiert
über die Tuberkulose in den Tropen und bei bislang immunen Völker¬
schaften, Deutschmann über die Tuberkulose des Auges, Ritter über
die Tubcrkulinbehandiung der Lungentuberkulose. Dieses Referat wirkt
geradezu erfrischend durch die weise Zurückhaltung, mit der die Erfolge
des Tuberkulins hier beurteilt werden. Es ist ausserordentlich wichtig,
einem Tuberkulintherapeuten, der das Tuberkulin als wirksames Heil¬
mittel schätzt, die Grenzen der Leistungsfähigkeit dieses Mittels ziehen
*u hören in einer Zeit, wo noch so viel einseitige Ueberschätzung des
Tuberkulins oder Nichtachtung seiner Erfolge von manchen Aerzten geübt
wird. Kreplin spricht über das Meeresklima als Heilfaktor bei der
Tuberkulose und räumt mit manchen wissenschaftlich unhaltbaren Vor¬
stellungen von der Wirkung des Meeresklimas auf, um ernstlich wirk¬
same Faktoren dieses so heilsamen Klimas lür die Tuberkulose heraus-
mchälen, Kümmell behandelt in einer Arbeit mit ausgezeichneten
Illustrationen die Nierentuberkulose und endlich gibt Brauer einen
zusammenfassenden und kritisch wohl begründeten Ueberblick über die
chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose. J. W. Samson.
Rudolf Schlottmam: Dm Sinigugsabkoiraefl iwfeehea Aerzten
■ad Krankenkassen, nebst Aisftihrnngsbesttmmingen. Berlin
1914, Franz Vahlen. 96 S. Preis 1,50 M.
Bei der grossen Wichtigkeit, die das sogenannte Berliner Abkommen
für die Regelung der Beziehungen zwischen Kassen und Aerzten schon
jetzt hat und in erhöhtem Maasse künftig haben wird, ist ein kurzer
Kommentar, wie der vorliegende, fast ein Bedürfnis. Sind doch manche
Einrichtungen und Bestimmungen des Abkommens etwas ganz Neues,
die richtige Anwendung derselben für die Aerztesohaft von höchstem
Wert. In dem Büchlein ist das Abkommen selbst, wie auch die
Ausführungsbestimmungen, ferner eine genaue Anleitung für die Wahlen
der verschiedenen Schieds- und Vertragsinstanzen enthalten, die Kom¬
mentierung zeugt von einer unbefangenen, sachlichen Auffassung auch
strittiger Fragen neben völliger Beherrschung des Materials.
H. A. §tss: A. Knssaanl’s zwanzig Briefe über Menscbenpocken-
nnd Kikpeekenivpfing. Mit einem Geleitwort von Ministerial¬
direktor Dr. Kirchner. Berlin 1914, Richard Schoetz. Preis
1,60 M.
Seit 40 Jahren ist das deutsche Impfgesetz in Kraft und hat
Deutschland trotz gelegentlicher Einschleppung von Pookenfällen vor
jeglicher Pookenepidemie zu bewahren vermocht. Da muss man mit
Beschämung feststellen, dass die Neuauflage der Kussmaul’schen Briefe,
die vor jetzt 44 Jahren geschrieben wurden, ein geradezu aktuelles Werk
bildet. Die Briefe könnten heute geschrieben sein, nicht nur was Klar¬
heit, Volkstümlichkeit und überzeugende Kraft der Darstellung betrifft,
sondern als ruhige Abwehr gegen die Angriffe der Impfgegner, die un¬
gestümer, fanatischer und verbohrter als je vordräogen, als wären ihre
hetzerischen Beschuldigungen noch nie durch Statistik, Forschung und
Erfahrung entkräftet worden. Sie werden Kussmaul’s klassische Mono¬
graphie nicht lesen, dafür aber sollte sich jeder Arzt an der Hand dieser
bei aller Gründlichkeit fast unterhaltend geschriebenen Aufsätze alle zur
Abwehr wichtigen Tatsachen ins Gedächtnis zurückrufen; namentlich
müsste dafür gesorgt werden, dass sie in der Hand keines Reichsboten
fehlen, der bei einschlägigen Interpellationen oder Petitionen mitzu-
stimmen hat. _
Fr. Scholl: Voi Aerzten and Patienten. Lustige und unlustige
Plaudereien. 4. Auflage. München 1914, Otto Gmelin. 177 S.
Preis 3,50 M.
Die Tatsache der 4. Auflage beweist am besten, dass sich dies
prächtige Buch einen dauernden Platz neben den verwandten Werken
eines Billroth und Ughetti errangen h&t. Immer ist es interessant,
die grosse und kleine Welt des Arztes durch das Auge und Tempera¬
ment eines warmherzigen Menschen und Berufsgenossen zu sehen; hier
gesellt sich als besondere Beigabe ein köstlicher Humor der scharfen
Beobachtungsgabe und sicheren Darstellungskunst, die uns so manche
selbsterlebten und doch von neuem Reiz umflossenen Bilder aus unserem
Berufskreis erstehen lässt. Und noch eins! Es weht aus dem Buch der
Hauch der guten alten Zeit, wo zwar Intuition und Blick manches von
unserem Wissen ersetzen musste, dafür aber Ansehen und Schätzung
des Arztes noch nicht unter den entwertenden Einflüssen der Kranken¬
kassenära zu leiden hatte. Kaum eia Gebiet unseres Berufslebens bleibt
unberührt in dem Buche, und niemand wird es aus der Hand legen, ohne
dem schönen Greisen köpf auf dem Titelbild mit den klugen, schalkhaften
Augen dankbar zuzunicken. _ Vollmann.
Arzt ond Schule. Ziele und Erfolge der Schulkommission des ärzt¬
lichen Vereins zu München auf dem Gebiete des Mittelschul¬
wesens 1904/1914. München 1914, J. F. Lehmann’s Verlag. 96 S.
Preis 2 M.
Jeder Schulhygieniker und im weiteren Sinne jeder Freund der
sozialen Hygiene wird die kleine Festschrift freudig willkommen heissen.
Der Münchener ärztliche Verein gibt darin ein Spiegelbild der nunmehr
zehnjährigen Tätigkeit seiner Schulkommission. Acht Herren haben sieb
in das Arbeitsgebiet geteilt. Es behandelt Crämer: Zehn Jahre Schul-
kommission; Grassmann: Umfrage über persönliche Hygiene der Mittel¬
schule; Bergeat und Rommel: Mittelschulreform; Dornberger:
Schulärzte an höheren Lehranstalten; Nassauer: Scbülerverbindungen
und Schülerwohnungen; Lissmann: Sexualität und Schule; Uhl: Leibes¬
übungen und Schule. Auf alle Einzelheiten des interessanten Berichts,
der in gleicherweise dem Faohmaun Bestätigung eigener Beobachtungen,
wie Anregungen zu neuer Arbeit bietet, kann hier nicht eingegangen
werden. Der besondere Wert des Büchleins liegt, abgesehen von seinem
sachlichen Inhalt, in der erfreulichen Tatsache, dass die Vertreter einer
grossstädtischen Aerzteschaft dem wichtigen und stets wachsenden Ge¬
biete der Schulgesundheitspflege ihr uneigennütziges Interesse und ihre
Arbeitskraft zuwenden. Sie beweisen damit ein Maass von sozialer Ein¬
sicht, das Referent sowohl aus sozialhygienischen als auch ärztlich-politi¬
schen Erwägungen nur zur Nacheifenrng empfehlen möchte. Vielleicht
zeitigt die Morgenröte des sogenannten „Kassenfriedens“ auch hier eine
| fruchtbare Entwicklung. Alfred Lewandowski - Berlin,
3 ".
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Original frn-m
UMIVERSITY OF IOWA
1612
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 36.
Literatur-Ausz&ge.
Physiologie.
H. Guillemard und G. Regoier: Beobachtungen über die physio¬
logische Wirkung des Klimas auf hohen Bergen. (Campt, rend. de
l’acad. des Sciences, 1914, Bd. 159, Nr. 1, S. 96.) Die Untersuchungen
wurden auf dem Laboratorium des Mont Blanc vorgenommen. Wenn
man nach längerem Aufenthalt wieder in die Ebene hinabsteigt, kann
man oft beobachten, dass die Pulsfrequenz beträchtlich langsamer als
vor dem Aufstieg ist, und zwar wird diese Verlangsamung nur dann
konstatiert, wenn bei dem Aufenthalt auf der Höhe intensivere Zeichen
der Bergkrankheit aufgetreten sind, also gleichsam als ein verspätetes
Symptom derselben. B. Valentin.
Therapie.
E. Juliusburger-Breslau: Coagnlen Kocher - Fon io. (D.m.W.,
1914, Nr. 34.) Verf. machte bei schweren Lungen- und Magenblutungen
1—2 intravenöse Injektionen von 5—lOproz. Kocher-Fonio (Verdünnung
mit physiologischer Kochsalzlösung). Die Flüssigkeit wird 5 Minuten
lang gekocht und dann ohne Rücksicht auf den entstehenden wolkigen
Niederschlag eingespritzt.
Th. v. Mutschenbacher-Budapest: Die Stillung der parenchyma¬
tösen Blatangen mit Coagnlen Kocher-Fonio. (D.m.W., 1914, Nr. 34.)
Verf. empfiehlt das Coagulen 1. zur Stillung parenchymatöser Blutungen
aus der defekten Serosa nach Zertrennung vou Verwachsungen in der
Bauchhöhle, oder aus dem Leberbette nach Exstirpation der Gallenblase,
wodurch wir die Tamponade umgeben können; 2. zur Blutstillung auf
zur Transplantation vorbereitetem Grunde; 3. zur Stillung des trans¬
plantierten Lappens bei plastischen Operationen; 4. in allen Fällen, bei
denen nach der Operation eine tote Hoble zurückbleibt, die sich ohne
sichere Blutstillung mit Blut füllen würde.
M. Schur-Tübingen: Die Behandlung des Ulcas corneae serpens
mit Optochinin (Aetbylbydrocuprein). (D.m.W., 1914, Nr. 34.) Gute
Erfolge. Dünner.
E. Maurel: Experimenteller und klinischer Beitrag zur Wirkung
des salisauren Emetins. (Arch. de med. exp., Mai 1914, Nr. 3,
S. 225.) Ausführliche, auch historisch wichtige Uebersicht über das
Emetin, mit dem sich Verf. seit dem Jahre 1809 beschäftigt. Die Indi¬
kationen sind: vor allem bei der Dysenterie, hier wirkt es fast spezifisch
gegen die Amoeba histolytica, bei Lungen- und Oesophagusblutungen
dadurch, dass sein HauptangrifTspunkt die glatte Muskelfaser ist.
Schliesslich hat der Verf. es mit Erfolg bei einer Bronchopneumonie und
bei akuter Bronchitis angewendet Interessant ist auch noch die lokal-
anästhetische Wirkung des Emetins, die sich aus der Ischämie und der
Wirkung auf den sensiblen Nerven erkennen lässt. B. Valentin.
Diagnostik.
A. Schneider und Frhr. v. Teubern - Bonn: Untersuchungen mit
der Boag’schen Phenolphthaleinprobe aaf okkultes Blat in den Fäces.
(D.m.W., 1914, Nr. 34.) Die Probe ist brauchbar; sie ist feiner als die
Weber’sche und AloiDprobe. Dünner.
Parasitenkunde und Serologie.
Calmette und L. Massol: Ueber die Aufbewahrung des Giftes
der Kobra und über sein Antitoxin. (Compt. rend. de l’acad. des
Sciences, 1914, Bd. 159, Nr. 2, S. 152.) Das Gift der Kobra verliert
langsam seine anfängliche Giftigkeit, selbst in geschlossenen Gefässen
und vor Licht geschützt, besonders wenn man es als fein zerteiltes
Pulver aufbewahrt. Der Antitoxingehaft des Serums wird nicht nur von
der toxischen Substanz des Giftes selber absorbiert, sondern auch von
anderen Substanzen, die dieses begleiten; denn das Volumen des Serums,
welches nötig ist, um eine bestimmte Menge Gift zu neutralisieren,
bleibt das gleiche, während dagegen die Giftigkeit mit der Zeit abnimmt
M. Phisalix: Vaccination gegen die experimentelle Tollwnt durch
das Sekret von Batrachiero und durch das Gift einer Vipernart.
(Compt. rend. de l’acad. des Sciences, 1914, Bd. 159, H. 1, S. 111.)
Die allmählich gegen das Hautgift des Salamanders und gegen das Gift
einer Vipernart immunisierten Kaninchen sind resistent gegen die intra¬
cerebrale Einimpfung des Virus der Rabies, während diese ImpfuDg stets
für normale Kaninchen tödlich ist. Dagegen bietet weder das eine noch
das andere dieser Gifte, allein angewendet, eine genügende Immunität,
sie sind nur in einem Drittel der Fälle imstande, den Ausbruch der
Tollwut hinauszuschieben. B. Valentin.
Chirurgie.
L. Dreyer-Breslau: Beitrag zur Gefässchirargie. (D.m.W., 1914,
Nr. 34.) Es handelte sich um einen Embolus der Arteria femoralis
dicht unterhalb des Poupart’schen Bandes. Längsschnitt und ein zweiter
Schnitt im Adduktorenschlitz. Von diesem zweiten Schnitt wurde der
Thrombus mit Kochsalzlösung ausgespritzt. Er erschien in toto 28 cm
lang am oberen Schlitz.
Riedel-Jeoa: Ueber einen vor 22 Jahren operierten Fall von
Kropftoberknlose mit deutlichen klinischen Erscheinungen. (D.m.W.,
1914, Nr. 34.) Systematische Untersuchungen haben gezeigt, dass die
Schilddrüse eine gewisse Neigung hat, au Tuberkulose zu erkraoken.
Sie hat, wie auch ein vor 22 Jahren von Verf. operierter Fall lehrt,
einen relativ gutartigen Charakter und kann, wenn auch sehr langsam,
aushcilen. Bei dem erwähnten Fall musste Verf. einen Teil stehen
lassen; es trat nach Jahren ein Recidiv massigen Grades ein. Verf.
empfiehlt genaue mikroskopische Untersuchung aller operierten Strumen.
_ Dünner.
Augenheilkunde.
Eppenstein - Marburg: Zur Kenntnis der Lldntkrosev. (Zschr. f.
Augblk., Juli 1914.) Zwei Fälle von Zerstörung der Lidränder wurden
hervorgerufen durch virulente Streptokokken. Ein dritter Fall bot im
Anfang das Bild eines Lidfurunkels. Dann traten Nekrose und starke
Defekte auf. Es bestand schmerzhafte Anschwellung der regionären
Lymphdrüsen. Bakteriologisch fand sich Stapbylococcus pyogenes aureus.
Das Auftreten einer schweren Tarsitis liess an Lues denken. Wasser¬
mann positiv. Es handelte sich hier um eiuen mit dem Staphylococcus
infizierten Primärafiekt.
Dutoit - Montreux: Beobachtung eines Falles von Keratitis neiro-
p&ralytica infolge einer Alkoholiajektioii in den Nervus maxillaris
superior bei Gesichtsneuralgie. (Zschr. f. Augblk., Juli 1914.) Die
Alkoholinjektion in den Nervus maxillaris superior fand in der Fossa
pterygopalatina von aussen her statt. 4 Tage später liess sich an der
Seite der Injektion ein ganz oberflächlicher Substanzverlust der Horn¬
haut mit zarter Trübung des Parenchyms unten aussen feststellen. Die
Anästhesie der Hornhaut lies an Keratitis neuroparalytica denken. Sub-
conjunctivale Injektionen voo lproz. Dioninlösung und Einträufelungen
von 3 proz. Dionin brachten die Epithelisierung zustande und bewirkten
die Wiederkehr der Empfindlichkeit. In einem Falle von Lintz stellte
sich gleichfalls nach Alkoholinjektioo des Nervus maxillaris inferior eine
Keratitis neuroparalytica ein, nach einer zweiten Injektion Abduoens-
lähmung.
Ohm-Bottrop: Zur graphischen Registriernng des Augenzittern
der Bergleute und der LidbeweguDgen. (Zschr. f. Augblk., Juli 1914.)
Angabe eines neuen Apparates hauptsächlich zur Registrierung der Be¬
wegungen der Oberlider, der ein getreues Abbild der Lidbewegung nach
Schnelligkeit, Amplitude usw. gibt. Es kommt z. B. wellenförmiges
Augenzittern bis zu 270mal in der Minute vor.
Barth-Aarau: Untersuchungen über Häufigkeit und Lokali¬
sation von beginnenden Linsentrübungen bei 302 über 60 Jahro alten
Personen. (Zschr. f. Aughlk., Juli u. August 1914.) Die Untersuchung
der nach Homatropin-Cocain-Mydriasis möglichst übersehbaren Linse ge¬
schah im auffallenden und durcbfallenden Licht und mit dem Lupen¬
spiegel. Es wurden bei über 96 pCt. aller über 60 Jahre alten Leuten
Linsentrübungen gefunden, die nicht direkt imter der Kapsel, sondern
auf der Kernoberilache oder in den tieferen Rindenscbichten liegen.
Stets ist zwischen Kapsel und Trübungen noch eine klare Riudenschicht
vorhanden. Subcapsuläre Trübungen bestehen auch in tiefen Rinden¬
schichten. Die Cataracta senilis mässigen Grades ist eine physiologische
Altersveräuderung. Diese Tatsache muss zur vorsichtigen Prognose¬
stellung bei Vorhandensein von Linsentrübungen führen, da es ungewiss
ist, ob solche Trübungen auch progressiv sind.
Cords-Bonn: Bemerkungen zur Untersuchung des Tiefensehätlttlgs-
vermögeas. 111. Die Verwertung der parallaktischen Verschiebung
durch Einäugige. (Zschr. f. Aughlk., Juli 1914.)
Wolff-Berlin: Zur Skiaskopie mit der Gallstrand’aehen Nernst-
Spaitlampe und unfoliierter Glasplatte. (Zschr. f. Augblk., Juli 1914)
Verf. weist darauf hin, dass die wichtige Einrichtung der Drehbarkeit
der Lichtquelle um die optische Achse, die an der Gullbrand’scben
Nernstspattlampe angebracht ist, von ihm herrührt und an seinem Skia¬
skopophthalmometer seit 14 Jahren verwirklicht ist. G. Erlanger.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Laryngologlsche Gesellschaft an Berlin.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 19. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Killian.
Schriftführer: Herr Gutzraann.
Vorsitzender: In Kiel wurde auf Antrag von Thost beschlossen,
dass die Sektionen für Laryngologie, Rhinologie und Olologie auf dem
nächsten internationalen medizinischen Kongress zu einer Sektion ver¬
schmolzen werden sollen. Auch der Zusatzantrag von Panse, diese
Sektionen auch auf der nächsten Naturforschcrversammlung zu vereinigen»
gelangte zur Annahme. In der gleichen Sitzung wurde von einer ganzen
Reihe von Herren folgendes Separatvotum eingebracht:
Die Unterzeichneten Mitglieder des Vereins deutscher Laryngo
logen richten an das Exekutivkomitee des 18. medizinischen Kon¬
gresses 1917 in München das Ersuchen, die Laryngo-Rbinologie
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UMIVERSITY OF IOWA
7. September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1813
len.
einerseits und die Otologie andererseits als selbständige Sektionen
wie bisher fortbestehen au lassen, weil jede dieser beiden Sektionen
bisher bei allen Kongressen kaum ihr Programm aufarbeiten
konnte.
Soweit mir bekannt, hat bereits die Wiener laryngologische Gesell¬
schaft einen entsprechenden Beschluss gefasst. Da von den Mitgliedern
unserer Gesellschaft nur eine geringe Anzahl in Kiel anwesend war, so
halte ich es für sehr erwünscht, die Ansicht unserer ganzen Gesellschaft
über den fraglichen Punkt kennen zu lernen. Die Sache wird auf die
Tagesordnung für die nächste Sitzung gesetzt werden.
Hr. P. Heymann: M. H.! Die Gründe, die Herr Killian soeben
ausgeführt hat, sind in Kiel von Chiari, mir und einigen anderen
Herren ausführlich dargelegt worden. Es bestand in Kiel eine gewisse
Hurrastimmung für diese Sache; man hatte den Eindruck, dass die
Zusammensetzung der Gesellschaft nicht ganz unabsichtlich für diesen
Beschluss ausgenutzt wurde. Die Herren, die schon längere Zeit in
unserer Gesellschaft sind, werden sich erinnern, dass sich sehr viele
Jahre hindurch Bernhard Frankel, Rosenberg und eine grössere
Anzahl von Mitgliedern unserer Gesellschaft, darunter auch ich, bemüht
haben, gegen die Vereinigung Front zu machen, teilweise aus wissen¬
schaftlichen, teilweise aus praktischen Gründen. Unsere Gesellschaft
war damals in überwältigender Majorität der Ansicht, dass es aus wissen¬
schaftlichen Gründen notwendig wäre, die beiden Gebiete auseinanderzu¬
halten, und dass für die Kongresse noch praktische Gründe hinzu
kämen, weil das Programm der Sektionen auf den letzten Kongressen,
wo zwei Abteilungen bestanden, immer so reichhaltig war, dass die
beiden Sektionen nicht ausreichten, um das Material genügend zu be¬
arbeiten. Wie es werden soll, wenn die beiden Sektionen verschmolzen
werden uod nun das Programm für die eine Sektion verdoppelt wird, ist
mir, offen gestanden, nicht ganz klar. Wenn sich die Herren die
Protokolle der Berliner Versammlung, der Pester Versammlung und
anderer ansehen, werden Sie zu dem Schlüsse kommen, dass eine
Vereinigung ganz unzweckmässig ist. Es wäre ein Verdienst unserer
Gesellschaft, wenn sie in diesem Sinne ihre warnende Stimme erhöbe
und sich dem Protest anschlösse, den die Wiener laryngologische Gesell¬
schaft schon eingereicht hat.
Hr. Halle: M. H.! Ich möohte nur referierend ein paar Worte
sagen. Auch Herr Finder hat in Kiel in sehr ernsterWeise gegen den
Beschluss seine warnende Stimme erhoben. Die Idee der Herren, die
dafür eintraten, und die besonders von Thost zum Ausdruck gebracht
wurde, war: wissenschaftlich soll eine Trennung der beiden Disziplinen
durchaus fortbestehen. Während aber die wissenschaftliche und forschende
Tätigkeit getrennt ist und bleiben soll, haben sich die Verhältnisse so
gestaltet, dass die Mehrzahl der Praktiker auch Otologie treibt und in¬
folgedessen den Wunsch hat, an den Ergebnissen der Forschungen teil¬
zunehmen. Den Herren soll nach dem Beschlüsse des Kieler Kongresses
Gelegenheit geboten werden, aD den Verhandlungen beider Disziplinen
voll Anteil zu nehmen. In diesem Sinne wurde von der Mehrzahl der
anwesenden praktischen Kollegen der Beschluss gefasst.
Hr. A. Meyer: Darf ich in dieser Beziehung an den Vermittelungs¬
vorschlag erinnern, den Herr Burger seinerzeit gemacht hat. Erschlug
vor, dass alle rein wissenschaftlichen Themen, die die Otologie wie die
Laryngologie betreffen, in getrennten Sitzungen, dass dagegen rein
praktische Angelegenheiten sowie alles, was die Nase betrifft, in ge¬
meinsamen Sitzungen behandelt werden mögen.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Heioemann: Geheilter Fall von Lnpas syphilitica».
(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.)
Diskussion.
Hr. Killian: Man tut gut daraD, immer nach Bestätigungen für
eine Diagnose zu suchen.
Hr. Heinemann: Ich bin der Meinung, dass das gute alte Jod¬
kalium bei tertiärer Syphilis ein so sicheres Diaguosticum ist, wenn es
so wirkt wie hier, dass man nicht nötig hat, noch nach anderen Mitteln
zu suchen.
Hr. Killian: Ich würde empfehlen, Salvarsan anzuwenden, weil das
iu solchen Fällen besonders günstig wirkt.
Hr. Heinemann: Das ist auch meine Absicht. Ich wollte nach
der Quecksilberkur noch Salvarsan geben.
Tagesordnung.
1. Hr. Richard Landsberger (a. G.):
Ueber die Aetiologie des hohen Gaumens.
M. H.! Ueber die Einwirkung der Zähne auf die Entwicklung des
Schädels hatte ich bereits vor zwei Jahren die Ehre, vor Ihnen zu
sprechen.
Ich habe unterdes weitere Tierversuche im Physiologischen Institut
der Berliner Universität gemacht und möchte mir erlauben, Ihnen die
Resultate vorzuführen.
Ich muss auf einige Versuche zurückgreifen, die ich vor zwei Jahren
schon vorge/ührt habe, um Ihnen das Verständnis der nachfolgenden
Versuche zu verschaffen. Ich entfernte damals bei Hunden direkt nach
der Geburt auf der einen Seite die Zahn keime aus dem Oberkiefer.
Nach weiteren drei Monaten entfernte ich die Zahnkeime der bleibenden .
Zähne aus dem Kiefer und Jiess die Tiere ein Jahr lang leben. Dann |
skelettierte ich den Schädel und machte die Wahrnehmung, dass sich
auf der Seite, wo ich die Operation vorgenommen hatte, eine wesentliche
Veränderung nicht nur des Kiefers, sondern auch des Schädels zeigte.
(Demonstration an Lichtbildern.)
Es zeigte sich auf der Seite, wo die Zähne geblieben waren, ein
kräftiges Breitenwachstum, wie es normalerweise zu erwarten war,
während sich auf der Seite, wo die Zähne entfernt waren, vollständige
Degeneration des Schädels eingestellt hatte. Sie sehen diesen Jochbogen
viel enger als diesen. Auch der Kiefer ist enger, und der hintere Teil
des Schädels.
Es war nun anzunehmen, dass vielleicht der Masseter oder der
Temporalis, da am Oberkiefer die Zähne fehlten, atrophisch geworden
sei und deshalb Degeneration des ganzen Kiefers eingetreten wäre. Aber
das war nicht der Fall. Ich habe hier dasselbe Experiment am Unter¬
kiefer eines Hundes gemacht. Trotzdem blieb am Oberkiefer das Breiten¬
wachstum genau so wie auf der anderen Seite vorher.
Bei diesem Hunde (Bild) habe ich sämtliche Zahnkeime am Ober¬
kiefer auf beiden Seiten herausgenommen, sowohl die Keime der Milch-
zäbne wie die der bleibenden Zähne. Sie sehen, dass der Kiefer etwa
um 1 / 2 cm im Wachstum zurückgeblieben ist. Also auch das Längen¬
wachtum von hinten nach vorn wird durch die Zähne beeinflusst.
Es war also anzunebmen, dass das Breitenwacbstum des Schädels
durch das Wachstum der Zähne bedingt ist. Um dies beweisen zu
könneü, brachte ich an einem Hunde, der bereits die Milchzäbne hatte,
oberhalb derselben ein kleines Fenster an, d. b. ich trug von dem Ober¬
kiefer die Knochenwand ab. Ich machte nach kurzer Zeit die Wahr¬
nehmung, dass die bleibenden Zähne in horizontaler Richtung zum
Durchbruch kamen, so dass der Kiefer sozusagen zwei Etagen von Zähnen
hatte, die Milchzähne unterhalb und die bleibenden Zähne oberhalb.
Daraus schloss ich, dass tatsächlioh in den Zähnen die Tendenz nach
einem centrifugalen Wachstum liegt, und dass sich diese Tendenz auch
auf das Wachstum des Kiefers überträgt, so dass die Zähne eigentlich
das Breitenwachstum des Kiefers bedingen. loh machte aber noch eine
andere Wahrnehmung. Es fehlte nämlich der Alveolarfortsatz vollständig.
Daraus war auch zu schliessen, dass durch die Zähne erst der Alveolar¬
fortsatz erzeugt wird, und dass es ohne Zähne keinen Alveolar¬
fortsatz gibt.
Das Experiment, das ich an Tieren gemacht hatte, konnte ich
klinisch an zwei Fällen bestätigen, an zwei Brüdern von 27 und
! 28 Jahren, die nur zwei und drei Milchzähne und sonst nie Zähne be¬
sessen hatten.
Auch hier sieht man, dass das Breitenwachstum des Kiefers bedingt
ist durch die Zähne. Der Oberkiefer ist bedeutend kleiner al9 der
Unterkiefer. Und wenn wir diesen Oberkiefer genauer betrachten, sehen
wir auch, dass der Alveolarfortsatz vollständig fehlt, der Gaumen voll¬
ständig flach ist. Wir linden hier bestätigt, was das Tierexperiment
schon gezeigt hat, dass sowohl das Breitenwachstum des Kiefers wie das
des Alveolarfortsatzes unbedingt von den Zähnen abbängen muss.
Der Einfluss, den die Zähne auf den Schädel hatten, indem sie
einerseits das Breitenwachstum des Schädels oder des Kiefers bedingen,
andererseits das des Alveolarfortsatzes, liess erwarten, dass sich auch
schliesslich auf den inneren Bau der Nase der Einfluss bemerkbar
machen muss. Ich machte deshalb dasselbe Experiment noch einmal,
indem ich bei einem Hunde auf der einen Seite die Zahnreihe direkt
nach der Geburt entfernte, dann die Zahnkeime der bleibenden Zähne,
nach einem Jahr den Schädel skelettierte und einen Frontalschnitt
machte (Bild). Sie sehen, wie der Nasenbodeu auf der Seite, wo die
Zähne fehlen, im Wachstum zurückgeblieben ist, d. b. er ist nicht mit
^ nach unten gerückt wie auf der anderen Seite, sondern um ungefähr
3 mm zurückgeblieben.
Wenn wir uns fragen, wie das möglich ist, so sehen wir die Antwort
schon im Embryo (Bild). Sie sehen hier den Frontalschnitt eines fünf
Monate alten Embryos. Die Lagerung der Zahnkeime findet in der Weise
statt, dass sie oberhalb des Nasenbodens liegen und unterhalb der
unteren Muschel. Das Wachstum entwickelt sich nun so, dass die Zähne
nach aussen und unten streben. Gleichzeitig wächst aber der Teil zwischen
Muschel- und Nasenboden mit, so dass durch das Wachstum der Zähne
das Nachuntenrücken des Nasenbodens bedingt ist. Deshalb ist bei dem
Hunde auch der Nasenboden auf der Seite, wo die Zähne fehlten, zurück¬
geblieben, d. h., er ist nicht mit heruntergegaDgen.
Dieses Wachstum der Zähne nach aus9en sehen wir am Frontal¬
schnitt eines Erwachsenen ebenfalls bestätigt (Bild). Sie seheü, wie der
Zahn mit der Wurzel bis an den Nasenboden ragt, wie er nach aussen
strebt und wie er mit seinem Wachstum den Bogen des Gaumens be¬
dingt und auch nach unten den Alveolarfortsatz. Im Gegensatz hierzu
sehen Sie, dass z. B. die Entfernung der Zahnwurzel vom Nasenboden
am hohen Gaumen (Bild) fast 1 cm beträgt. Wir kommen dadurch zu
der Annahme, dass der hohe Gaumen möglicherweise dadurch zustande
kommen könnte, dass die Lagerung der Zahnkeime sich nicht, wie wir
vorhin gesehen haben, oberhalb des Nasenbodens befindet, sondern unter¬
halb, dass also der Zahn, wenn er sich entwickelt, den Nasenboden
nicht mit nach unten nehmen kann. Auch das Streben der Zähne nach
aussen fällt bei dem hohen Gaumen weg.
Wenn die Annahme, dass der höbe Gaumen durch die Lagerung
der Zahnkeirae bedingt ist, richtig ist, so müssen wir schon im Embryo
dies nachweisen können, was auch der Fall ist (Bild). Sie sehen hier
die Zahnkeime unterhalb des Nasenbodehs und bereits die starke Wölbung
des Gaumens. Ferner haben Sie hier ein ungefähr 8 Monate altes Kind
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
1614
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 86.
(Bild). Auch hier sehen Sie schon den hohen G&umeD, auch hier die
beträchtliche Entfernung vom Zahn zum Nasenböden und die hohe
Wölbung des Gaumens. Also findet sich die Annahme bestätigt, dass
der hohe Gaumen durch eine zu tiefe Lagerung der Zahnkeime bedingt
und bereits im Embryo nachweisbar ist. Die Annahme, dass es einen
hohen Gaumen gibt, ist insofern richtig, als der Nasenboden nicht voll¬
ständig nach unten ruckt. Aber das eigentliche Problem liegt doch
im Alveolarfortsatz: wir haben eigentlich keinen hohen Gaumen, sondern
nur einen verlängerten Alveolarfortsatz. Es ist interessant, dass einem
verlängerten Alveolarfortsatz des Oberkiefers auch ein verlängerter
Alveolarfortsatz des Unterkiefers entspricht. Sie sehen hier den hohen
Gaumen in der vorderen Partie des Mundes. Dem entspricht ein ver¬
längerter Alveolarfortsatz des Unterkiefers an dieser Stelle. Es gibt
also keinen einheitlichen hohen Gaumen, sondern da wir von der An¬
nahme ausgegangen sind, dass er durch die Lagerung der Zahnkeime
bedingt ist, so ist es natürlich, dass in jeder Zone des Mundes ein hoher
Gaumen möglich sein muss. Hier sehen wir durchgängig den hohen
Gaumen, und dem entspricht auch ein hoher Alveolarfortsatz des ganzen
Unterkiefers (Bild). Hier sehen wir den hohen Gaumen der hinteren
Partie. Diesem entspricht auch ein hoher Alveolarfortsatz des hinteren
Teils des Unterkiefers (Bild).
Wenn wir uns nun denken, dass beim hohen Gaumen der Alveolar¬
fortsatz des Unterkiefers in seiner vertikalen Richtung verlängert ist und
ebenso der Alveolarfortsatz des Oberkiefers, ferner dass bei diesem hohen
Gaumen auch die enge Nase vorhanden ist, so kommen wir zu der Idee,
dass dadurch die Leptoprosopie möglicherweise erklärt sein könnte. Es
ist interessant, dass tatsächlich den Völkerschaften, die zur Leptoprosopie
neigen, meistens den nordischen Völkerschaften, die Resonanz der Nase
fehlt oder bei ihnen nicht so entwickelt ist wie bei den Südländern, wo
mehr das Breitenwachstum vorhanden ist. Möglicherweise hängt vom
Schädelbau das jeweilige Sprachidiom ab. Wenn wir vergleichen, so
haben beispielsweise die nordischen Völkerschaften, z. B. die Engländer,
auch weniger berühmte Sänger als die Südländer, Italiener, Franzosen.
Das mag eben dadurch bedingt sein, dass infolge der engen Verhältnisse
der Nase durch die Zahnlagerung das Mitklingen der Luft weniger mög¬
lich ist als bei der breit entwickelten Nase. Die Sprache der nordischen
Völkerschaften ist auch mehr eine Zungenspraohe.
Nun ist Ihnen bekannt, dass, wo ein hoher Gaumen und enge Nase
ist, auch meist Adenoidenwucherungen vorhanden sind. Ich kam daher
auf die Idee, ob vielleicht die Aetiologie der Adenoiden möglicherweise
dadurch erklärt werden könnte, dass die Nase nicht genügend Luft hat
und die betreffenden Personen zur Mundatmung gezwungen sind, so dass
im Nasenrachenraum dadurch ein luftverdünnter Raum entsteht; man
könnte annehmen, dass dieser luftverdünnte Raum eine Saugwirkuog
ausübt, und diese Saugwirkung würde durch die Hyperämie, die ent¬
steht, die Adenoiden zur Erscheinung kommen lassen. Ich konstruierte
mir dieses Instrument (Demonstration) und schob es einem Patienten
durch den Mund hinter die Uvula in den Nasenracben. Ich liess die
Nase zuhalten und durch den Mund atmen. Tatsächlich findet sich
dann ein kolossal starker negativer Druck. Ich bin dann weiter gegangen
und habe einem Hund die Nase zugenäht. Es war eine schwere Operation,
weil die Hunde an der Wand die Nähte immer wieder aufreissen. Es
ist mir aber gelungen, einen Hund 11 Monate mit verschlossener Nase
zu halten (Bild). Sie sehen hier den Hund mit der zugenähten Nase.
Die kleinen Oeffnungen haben sich allmählich entwickelt, weil der Kiefer
wuchs und dadurch auch zwischen den Fäden eine kleine Erweiterung
stattfand. Als der Hund plötzlich starb und ich den Schädel skelettierte,
fanden wir die Nase kolossal erweitert. Die Muscheln fehlten, der
hintere Gaumenteil war etwas nach unten gedrängt, wahrscheinlich durch
das Streben des Hundes, bei der Exspiration die Luft durch die Nase
naoh aussen zu pressen. Die ganze Nase war erweitert. Interessant
ist eben, dass die Muschel fehlt. Möglicherweise wird ihr Wachstum
mit von der Atmung beeinflusst. Der Hund hat bei Lebzeiten gut ge¬
hört und vorzüglich gerocheD, jedenfalls durch den Mund. Ich habe
wiederholt durch Experimente das festgestellt. Unerklärlich ist der Tod.
Bald nach seinem Tode fanden wir die Uvula hinter der Epiglottis. Es
ist möglich, dass in dem Bestreben zur Exspiration die Epiglottis vor
die Uvula gerückt ist, so dass bei der Inspiration keine Luft durch
Nase und Mund dringen konnte, was den Tod des Hundes zur Folge
haben konnte. Der Diener sagte, kurz vorher habe er ihn noch ge¬
füttert, und kurze Zeit darauf war er tot. Adenoide entstanden nicht.
Zur Dehnung des Gaumens habe ich eine Schraube konstruiert naob
dem Vorgänge von Eysel und Schröder in Cassel. Damit dehne ich
den Gaumen. Ich gehe von dem Gedanken aus, dass die Sutura pala-
tina gedehnt und die Nase dadurch erweitert wird (Bild). Sie sehen
auch, wie die Sutura aüseinaudergedrängt wurde (Bild). Hier sehen Sie
ferner das Bild einer Patientin mit der Schraube. Auch eine lebende
Patientin erlaube ich mir Ihnen vorzuführen. Es fragt sieb, was wird
aus der Sutura palatina, die nun plötzlich so stark gedehnt wird. Ich
habe, um dies festzustellen, einem Hunde, nachdem ich ihm die Schleim¬
haut des Gaumens gelöst hatte, zwei Elfenbeinkeile in die Sutura pala¬
tina hineingezwängt, so dass zwischen den Elfenbeinkeilen eine klaffende
Nabt. war. Nach 6 Monaten habe ich das Tier getötet (Bild). Sie sehen,
die Naht, die vorher geklafft hatte, ist vollständig von Knochen ausgefüllt,
und die Nase ist um diese Dehnung dadurch geweitet. Die Elfenbein¬
keile sind organisiert und vollständig mitverwachsen. Bei der Dehnung
des Gaumens geht ein trophische> Reiz über den ganzen Schädel. Auch
auf den Unterkiefer geht dieser Reiz über und bewirkt eine Dehnung
(Bild). Also der Oberkiefer wirkt bei der kieferorthopädischen Behand¬
lung dehnend auch auf den Unterkiefer. Sie sehen also, dass durch diese
Dehnung des Oberkiefers nicht nur die Nase gedehnt und die Nasen¬
atmung wiederhergestellt wird, sondern dass auch ein trophischer Reiz
über den ganzen Schädel geht und dadurch die verengten Stellen im
Gaumen usw. erweitert werden und eine freiere Girculation im ganzen
Schädelgefüge hervorgerufen wird.
Diskussion.
Hr. Gutzmann: M. H Ich will weniger auf die Aetiologie des
hohen Gaumens eiDgehen, für die jedenfalls nicht allein das in Frage
kommt, was der Herr Vortragende gesagt bat, sondern auf einige seiner
Nebenbemerkungen, die sich auf sprachliche und gesangliche Probleme
beziehen. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass ein schön ge¬
wölbter, normaler Gaumen Einfluss auf den Klang der Sprache hat. Wir
haben bei guten Sängern und Sängerinnen wohl kaum jemals hohen,
sohm&len Gaumen, kielförmig geknickten Gaumen usw. geseheD; gute
Ges&ngskünstler haben auch schöne, wohlgewölbte Gaumen, die den
nötigen Reson an ziaum des Mundes sohaffen. Was die Nase dabei an
Resonanz mit leistet, ist gewöhnlich nur das, was durch den barten
Gaumen fortgeleitet wird, wenn man nicht direkt durch die Nase singt.
Was die Gesangskunst nordischer Völker betrifft, so möchte ich be¬
tonen, dass es z. B. unter den Schweden ausgezeichnete Sänger und
Sängerinnen gibt, so dass die Bemerkung des Herrn Vortragenden, dass
die nordischen Völker hohe Gaumen vielfach haben und wenig gute
Sänger produzieren, nioht recht zutrifft. Ich selbst habe längere Zeit
in Schweden Vorlesungen gehalten und dabei auch Gelegenheit gehabt,
Gaumen von Sängern und Sängerinnen zu sehen. Abnormes ist mir
nicht aufgefallen. Immerhin sind gelegentliche Beobachtungen kein zu¬
verlässiges Material und systematische Untersuchungen fehlen, soviel ich
weiss, vorläufig noch.
Was die Sprechweise betrifft, so ist es sicher, dass der Engländer
eine besondere Art des Spraohklanges hat, die er duroh seine eigen¬
artige „Artikulationsbasis“ erzeugt. Der Engländer sohiebt nämlich den
Unterkiefer nach vorn. Es fragt sich, ob er das von Kindheit an macht,
weil er es naohahmt, oder ob sein Spreohorgan anatomisch so angelegt
ist, dass sich daraus die Neigung, mit vorgeschobenem Unterkiefer zu
sprechen, erklärt. Jeder von uns, der Englisch richtig aussprechen will,
muss es ebenso machen, damit der englische Klang herauskommt.
Auch der Deutsche hat eine bestimmte Art der Artikulationsbasis, in
der er spricht, ebenso die Romanen. Die Romanen z. B. haben die
Neigung, die Artikulationsbasis so zu verändern, dass sie den Mund vor¬
schieben. Wenn Sie sich die kinematographischen Bilder eines redenden
Franzosen anseben, wie er die Zähne fletscht, den Mund weit vorwölbt,
dann sieht das so aus, als wenn er mit grösster Kraft sprachlich arbeitet.
Das kann mit der Oberkieferform nichts zu tun haben, sondern das sind
durch Nachahmung entstandene Gewohnheiten.
Ebenso bat man früher behauptet, dass die Hottentotten ganz be¬
sondere Verhältnisse des Gaumens und der hinteren Raohenwand hätten,
weil sie die für Europäer schwierigen Schnalzlaute machen. Schnalz¬
laute machen wir aber auch, nur sind sie bei uns zu einfachen Aus¬
drucksbewegungen geworden: der Schnalzlaut mit der Zungenspitze beim
Bedauern, der Schnalzlaut njit dem Zungenrücken beim Hetzen und der
Schnalzlaut mit den Lippeü, der Kuss, ist ein bekannter Gefüblsaus-
druck. Schwierig ist nur die Verbindung dieser Schnalze mit unseren
exspiratorisch erzeugten Vokalen. Wenn aber europäische Kinder, die
Kinder der Missionare unter Hottentotten aufwachsen, lernen sie die
Laute sehr gut sprechen, woraus hervorgeht, dass Rasse und anatomische
Verhältnisse des Gaumens usw. keinen Einfluss haben. Was der Herr
Vortragende über die embryonale Knochenanlage beim Embryo mit¬
teilte, war mir ganz neu; ich habe das bis jetzt noch nicht gesehen.
Hr. Peyser: M. H.! Das Wesentliche des Vortrags schien mir darin
zu liegen, dass der Versuch gemacht wurde, naohzuweisen, ob der hohe
Gaumen eine erworbene oder angeborene Eigenschaft ist. Sie wissen ja,
dass dieses Thema schon seit Jahren, besonders in den Siebenmann-
schen Untersuchungen, eine grosse Rolle gespielt bat, dass exakte
Messungen vorgenommen und Schlüsse daraus gezogen worden sind.
Als ich mich vor Jahren mit der Frage beschäftigte, die Untersuchungen
hier auch vorgetragen habe, musste ich sagen, dass sie noch nicht ge¬
klärt ist. Sie ist es wohl jetzt auch noch nicht. Deshalb hat jeder
Beitrag, der geeignet ist, uns der Klarheit näherzubringen, wissenschaft¬
liche, aber auch praktische Bedeutung. Wenn man von dem Stand¬
punkt ausgeht, der früher vorherrschte, dass der Verschluss der Nase
allmählich zum hohen Gaumen führe, dann müsste man bei Kindern,
bei denen man z. B. Adenoide feststellt, diese sehr früh herausoebmeD,
um der eventuellen Entstehung eines hohen Gaumens vorzubeugen, denn
der hohe Gaumen ist keine sehr nützliche Beigabe für das Leben. Wenn
man aber die Adenoidenoperation noch so oft bei Kindern wiederholt
und doch nicht verhindern kann, dass ein hoher Gaumen entsteht, dann
hat die Adenotomie aus dieser Indikation heraus keinen grossen Zweck.
Ierstehe auf dem Standpunkt, dass die zweite Theorie richtig ist, dass
es sich in der Tat um eine angeborene Veranlagung handelt. Das kann
man noch ausser der Methode, die Herr Landsberger in seinen
Arbeiten angewendet hat, durch Familienforschung nachzuweisen ver¬
suchen. Ich habe das in der letzten Zeit getan und kann darüber nur
eine vorläufige Mitteilung machen. Ich habe bei meinen Patienten mit
ausgesprochen hochgradig engen, spitzbogenförmigen Gaumen daiauf ge*
achtet, ob festzustellen war, dass etwas Derartiges in der Familie liege.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1615
7. September 1914.
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Man kann das in der Tat häufig feststellen. Merkwürdig ist z. B. in
einer Familie, wo man den hohen Gaumen durch drei Generationen ver¬
folgen kann, dass er sich immer nur auf die männlichen Mitglieder der
Familie übertragen hat, die an einem ganz ausgesprochen engen, spitzen,
hoben Gaumen leiden. Der Vater des jetzigen Patienten ist sogar des¬
wegen und wegen der Begleiterscheinungen an den Halsorganen aus
seiner Offizierskarriere herausgekommen. Dann habe ich wieder eine
Familie, wo der hohe Gaumen von der Mutter auf die Töchter, aber
nicht auf die Söhne übergegangen ist, usw. Es liegen da noch eine
ganze Menge Probleme, und ich möchte die Aufmerksamkeit der Herren
Kollegen darauf lenken, dass man auf diesem Wege vielleicht einen
exakten Nachweis des hohen Gaumens durch Veranlangung erbringen
könnte. Auch ein anderer Grund spricht noch dafür. Wenn der hohe
Gaumen durch Verstopfung der Nase sekundär entstanden wäre, dann
dürften wir ihn wohl als erworbene Eigenschaft betrachten, und er¬
worbene Eigenschaften vererben sich bekanntlich sehr schwer und sehr
unregelmässig. Wenn es aber nacbgewiesen würde, dass der hohe
Gaumen generationsweise sich vererbt, dann ist das ein Moment, das
dafür spricht, dass wir es in der Tat mit einer vorhandenen Ver¬
anlagung zu tun haben. Ob das nun allein von den Zahnkeimen
kommt, wie Herr Landsberger meint, was nach seinen Präparaten
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, oder andere Momente mit¬
spielen, kann man nicht sofort entscheiden.
Hr. Gutzmann: Ich habe vorhin noch vergessen, auf das Experiment
des Herrn Vortr. einzugehen. Es handelt sich darum, ob durch
das Nasenzumachen, durch Vernähung der Nase (Hr. Landsberger:
Ich habe einem Versuchspatienten die Nase zugehalten!), durch das
Nasenzuhalten ein luftverdünnter Raum entsteht. Denken Sie siob, die
Nase ist offen, und es kommt bei der gewöhnlichen Atmung Luft durch
die Nase. Bringen Sie in den Luftstrom das kleine Instrument, dann
wird auch in ihm ein Ueberdruok stattfinden. Nun halten Sie die Nase
zu: der betreffende Patient muss gezwungenermaassen durch den Mund
atmen. Jetzt kommt es darauf an, wie sich das Gaumensegel einstellt.
Stellt es sich so ein, dass es hinten völlig anschliesst, dann bekommen
Sie vom Nasenraohen her überhaupt keinen Ausschlag; stellt es sich
aber so ein, dass es nicht ganz schliesst — und das ist bei dieser Ver-
suehsanordnung sehr wahrscheinlich —, dann wird durch die Mundluft¬
strömung die Luft im Nasenrachen mitgerissen, ähnlich wie bei den
Wassergebläsen. Es entsteht im Röhrchen demnach Unterdrück.
Dann wollte ich noch auf die Operation der Adenoiden und den
Zusammenhang mit dem hohen Gaumen eingehen. Der bleibende hohe
Gaumen dürfte wohl auch dadurch mitentstehen, dass die alte Gewohn¬
heit, den Unterkiefer herabhängen zu lassen, nicht ohne weiteres nach
der Adenoidenoperation verschwindet. E. Bloch hat in einer sehr
schönen Arbeit, die immer noch lesenswert ist, vor Jahren darauf hin-
gewiesen, dass durch die lange Gewohnheit des offenen Mundes und
hängenden Unterkiefers auch Veränderungen der Muskulatur eintreten.
Ich habe seiner Zeit ein Mittel angegeben, um das zu vermeiden. Ich
habe nämlich versucht, die Aktivität des Kindes dadurch zu wecken,
dass ich ihm einen kleinen Stift in den Mund gab, der mit verschiedenen
Gewichten belastet werden konnte und nun mit der Schliessmuskulatur
des Mundes allmählich immer längere Zeit gehalten werden musste.
Diese kleinen Uebungsstiftchen zur „Uebung im Mundhalten“ habe ich
seinerzeit in der „Medizinischen Klinik“ beschrieben; sie sind an mehreren
laryngologischen Kliniken mit Erfolg benutzt worden, so z. B. vom
Kollegen Roth in Wien.
Hr. E. Barth: Beachtenswert ist das Experiment, das Herr Lands¬
berger durch Vernähung der Nase beim Hunde angestellt hat. Es gibt
Tiere (Säugetiere), welche überhaupt nicht durch das Maul atmen können.
Pferde, denen man die Faciales durchschneidet, ersticken infolge Lähmung
der Nüstern. Bei den Tieren ragt der Larynx viel höher in den Pharynx
hinauf, so dass bei manohen ein Verschlucken gar nicht stattfinden kann.
Es ist z. B. möglich, dass ein Elephant gleichzeitig die Harmonika bläst
nnd Wasser trinkt.
Hr. Stolte: Zur Beleuchtung des Versuchs, dass sich nach Zu-
nähung der Nase keine wesentlichen Ernährungsstörungen eingestellt
nnd die Hunde sich allgemeinen Wohlbefindens erfreut haben, auch zur
Beleuchtung der Bemerkungen des Kollegen Barth möchte ich erwähnen,
dass von Brown in Amerika eine ganze Reihe Versuche mit jungen
Hunden angestellt worden ist, denen er die Nase wirklich zugenäht
hat, so dass sie nicht atmen konnten. Bei einem Hunde war eine Aus¬
nahme gemacht worden. Die ersten drei, vier Wochen befanden sich
sämtliche Hunde wohl und zeigten keine Ernährungsstörungen. Nach
dem dritten Monat traten deutliche Ernährungsstörungen ein, sie
schrumpften und blieben im Wachstum zurüok, und im sechsten Monat
s ® m Uiche Versuchshunde an Inanition zugrunde. Das steht auch
ln i Widerspruch zu diesem Versuch und bestätigt wiederum die Rückert-
8 ^ er9uc ^ e » dass bei jungen Hunden, wenn man ihnen die Nase ver*
jS * ^ a ^ 8 ?^ u ^ 8 i°ker der Tod durch Schrumpfung aller Gewebe eintritt.
Jedenfalls weist das darauf hin, wie ungeheuer wichtig die Nasenatmung
4 usser d en i sind von Brown Versuche durch Zusammendrüoken
es Hiefers gemacht worden, dasselbe also, was wir bei weitem Gaumen
unstlich durch Zusammenschrauben der beiden Oberkieferhälften aus-
faiiK • . eses Experiment wurde bei normalem Gaumen gemacht, eben-
w > * be !i^ aD ® en Kunden. Es stellte sich heraus, dass nach kurzer Zeit
eits die Nasenweite, wie durch Messung festgestellt wurde, um 8 bis
4 mm abnahm. Es trat in allen Fällen eine Deviation des Septums
ein, es bildete sich eine Crista septi, das Septum bog sich nach einer
Seite um.
Das zeigt auch wiederum, dass die Hemmung der Entwicklung des
Oberkieferwachstnms einen Einfluss auf die Nasenseptumverbiegungen
hat loh glaube, dass die Ursache hauptsächlich in Waobstumsstörungen
im intrauterinen Leben liegt, da ja jede Waohstumsstorung der Mutter,
ob im Stoffwechsel oder traumatisch bedingt usw., auf die Bildung des
Mundes einen Einfluss haben muss.
Hr. Killian: Der Herr Vortragende hat uns mit einer ganzen Reihe
von experimentellen Tatsachen bekannt gemacht loh möchte aber nicht,
dass unsere Diskussion den Eindruck erweckt als wenn wir mit den
Schlüssen, die in der Diskussion nicht berührt wurden, einverstanden
wären. Mir scheint doch sehr vieles recht fragwürdig zu sein, loh bin
auch nicht vollständig überzeugt von der Richtigkeit der Folgerungen
in bezug auf den Verlust der Zähne. Auch kann das eine Präparat
von einem menschlichen Embryo nicht beweisen, dass der hohe Gaumen
angeboren vorkommt Es wäre eine Tatsache, die unsere Anschauungen
vollständig auf den Kopf stellen würde. Wir haben uns bisher immer
vorgestellt, dass der hohe Gaumen erworben wird.
Dann möchte ich auf das eingehen, was Herr Peyser gesagt hat.
Wenn Veränderungen wie hoher Gaumen in bestimmten Familien häufiger
Vorkommen, so ist es durchaus nicht notwendig, dass die Deformität als
solche vererbt ist es kann die Anlage zur Hypertrophie der Rachen¬
tonsille ererbt sein. Zu dieser Frage möchte ich nur bemerken, dass ich
bei meinen früheren Untersuchungen von Neugeborenen gefunden habe,
dass manche mit stärker entwickelter Rachentonsille auf die Welt
kommen. In manchen Familien sind alle Kinder mit Adenoiden be¬
haftet. Da ist die Schlusfolgerung durchaus berechtigt, dass der hohe
Gaumen erst später erworben wird.
Hr. Peyser: M. H.! Wenn es so ist, dass die Rachenmandel das
Primäre und der hohe Gaumen das Sekundäre wäre, dann könnte man
sich vorstellen, dass in der sagenhaften Zeit, wo man noch keine Adeno¬
tomie kannte, wo die Adenoiden sich selbst überlassen waren, der fort¬
wirkende Reiz die Entstehung des hohen Gaumens zustande gebraoht
hat. Man würde sich aber doch sehr schwer erklären können, dass in
einer Zeit, wo der Vater schon sehr viel mit dem Arzt zu tun gehabt
hat und die Kinder in sehr frühem Alter adenotomiert wurden, trotz
einmaliger oder mehrmaliger Adenotomie doch ein hoher Gaumen zu¬
stande kommt. Das ist eben der Punkt, der mir und anderen zu denken
gegeben hat. Darum wäre es wichtig, dass sich auf diesen Punkt die
Forschung konzentrierte.
Dann etwas anderes. Wenn der hohe Gaumen und die Adenoiden
zusammen bestehen, und man würde jetzt versuchen, die Adenoiden zu
lassen, den hohen Gaumen aber in dem Alter, wo es noch schnellen Er¬
folg verspricht, zu dehnen, dann müsste doch einmal beobachtet werden,
ob nicht mit der Abflachung des Gaumens — genau 90 wie manche De¬
viation des Septums zurückgeht — eine Verkleinerung der Adenoiden-
vegetation im Nasenrachenraum zustande kommt. Ausserhalb des Be¬
reichs der Möglichkeit scheint das nicht zu liegen. Die Frage ist nach
meiner Meinung trotz der Anschauung, die Herr Geheimrat Killian vor¬
hin erwähnt hat, durchaus noch nicht geklärt.
Hr. Halle: E9 scheint mir nicht genügend, dass man bei Kindern
nur die Adenoiden beseitigt. Oft genug liegt die Ursache der ungenügen¬
den Respiration nicht hier, sondern in der Nase, und der mangelhafte
Erfolg der Operation liegt daran, dass man vielfach noch fälschlicher¬
weise glaubt, dass z. B. bestehende Muschelhypertrophie sich nach
Adenotomie zurückbilde. Ich habe eine ganze Reibe solcher Fälle be¬
obachtet und muss gestehen, dass ich recht günstige Erfolge gesehen
habe, auch in bezug auf Beseitigung des hohen Gaumens, wenn man auf
Herstellung der Respiration durch die Nase achtet. Die wiederholte
Adenotomie maoht es nicht.
Hr. Richard Landsberger (Schlusswort): Dass der hohe Gaumen
angeboren ist, habe ich nicht nur durch das eine Bild, das embryonale
Bild, nachgewiesen, sondern auch durch ein Bild, wo ein Kind nach acht
Monaten bereits den hohen Gaumen hatte. Das sind nicht nur zwei
Bilder, sondern eine Entwicklung; es sind zwei Fälle, die darauf hin¬
deuten, dass der hohe Gaumen tatsächlich angeboren ist. Es ist ja
furchtbar schwer, bei embryonalen Untersuchungen auf Fälle zu treffen,
wo man gleich den hohen Gaumen mit der typischen Wölbung findet.
Dann ist gesagt worden, dass die Schweden sehr gute Sänger
haben, und man hat mich dabei immer auf die Lind verwiesen. Ich
habe ganz zufällig gehört, dass die Lind nicht eine ganz reine Schwedin
sei, sondern dass eine ihrer Voreltern romanischer Abkunft sei.
Dass der hohe Gaumen vererbt ist, erklärt sich dadurch, die
Zahnanlage so vererbt ist. Die Heredität liegt nicht im hohen Gaumen,
sondern in der Zahnanlage, und der hohe Gaumen ist erst sekundär.
Die Adenoiden beginnen zu verschwinden, oft schon im 12. Jahr,
wenigstens gehen sie da zurück. Wenn die bleibenden Zähne
kommen, verflacht sich nämlich der Gaumen. Das ist eine Beobachtung,
die ich häufig gemacht habe. Kinder, die noch Milchzähne haben, haben
einen viel engeren Gaumen als Kinder, die schon über bleibende Zähne
verfügen. Es mag vielleicht von teleologisoher Bedeutung das Wechseln
der Zähne sein, dass die Zähne eben auf die Entwicklung des Schädels
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UNIVERSUM OF IOWA
1616
BERLINER KLINISCHE W OCHENSCHRIFT.
Nr. 36.
wirken, weil die bleibenden Zähne viel mehr Raum bedürfen und da¬
durch Einfluss auf das Wachstum des ganzen Schädels und des Gaumens
haben.
(Schluss folgt.)
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater-
ländische Cnltnr zn Breslau.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 3. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Ubthoff.
Schriftführer: Herr Part sch.
Hr. S. Weil:
lieber die Bedentang des Cholestearins für die Entstehung von Riesen-
zellengescbwfilsten der Sehnen und Gelenke.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Stumpf weist auf das häufige Vorkommen sogenannter Xanthora-
zellen bei recht verschiedenartigen Krankheiten hin. Sie treten unter
anderem gelegentlich dort auf, wo lokale Störungen der Saftcirculation
vorhanden sind. Vielleicht spielt dieser Umstand auch bei ihrem Auf¬
treten in den vom Herrn Vortr. besprochenen Tumoren eine Rolle. Ob
die Ablagerung der doppelbrechenden Substanzen hier als primär oder
sekundär aufzufassen ist, d. h., ob ihre lokale Anhäufung dem Auftreten
der Tumoren vorausgeht und sie verursacht, wie der Vortr. annimmt,
oder ob sie erst nachträglich in dem neugebildeten Gewebe zur Ab¬
lagerung kommen, müssen noch weitere Untersuchungen lehren.
Hr. Biberfeld:
Ueber dag Verhalten der Glnknronsänre im Organismus.
Der allgemeinen Annahme nach wird freie Glukuronsäure im Orga¬
nismus glatt verbrannt, wenn die (parenteral) eingebrachte Menge nicht
übermässig gross ist. Die Glukuronsäure gilt auch bei den meisten
Autoren als die erste Abbaustufe des Traubenzuckers. Vortr. hat in
einer grösseren Reibe von Versuchen, die alle gleichtnässig verliefen,
gezeigt, dass diese Annahme durchaus nicht zutrifft, sondern dass sub-
cutan oder intravenös injizierte Glukuronsäure quantitativ im Harn
wiedererscheint; selbst kleine Meogen (0,39g) sind für den Organismus
unangreifbar und auch Tiere, die gehungert haben, vermögen nicht die
Glukuronsäure zu verbrennen. — Die in den Versuchen benutzte
Glukuronsäure war aus dem Harn von Kaninchen gewonnen, die mit
Menthol oder Araylenhydrat gefüttert waren; beide Glukuronsäuren zeigten
das gleiche Verhalten. — Vortr. zieht aus seinen Versuchen den Schluss,
dass die Glukuronsäure kein „normales“ Stoffwechselprodukt sei.
(Der Yortrag erscheint ausführlich in der Biochemischen Zeitschrift.)
Diskussion.
Hr. Pohl: Die Unangreifbarkeit eines Körpers mit einer endständigen
Aldehydgruppe wird vielleicht Befremden erregen. Doch gibt es hierfür
ein weiteres Analogon: die Glyoxylsäure COH • COOH, die eine Zeitlang
als solche im Körper kreist, die physiologische Wirkung des Pulsus
alternans entfaltet und dann erst in Oxalsäure übergeht.
Hr. RosenfeId: Die Unangreifbarkeit der Aldehydgruppe ist äusserst
merkwürdig: ist es doch gerade deren so leichte Oxydabilität, die Emil
Fischer veranlasst hat, um das Ausbleiben ihrer Oxydation bei der
Bildung der gepaarten Glukuronsäuren und die Oxydation an der
Alkoholgruppe zu erklären, die Annahme einer primären Glykosidbildung
zu machen. Hierdurch würde zunächst die Aldebydgruppe geschützt,
es entstände darum keine Glukousäure, sondern Glukuronsäure. Diese
Oxydation an der Alkoholgruppe in dem Glykosid gelingt ja auch dem
Diabetiker — schade, dass die tatsächliche Beobachtung in Ueberein-
stimmuDg mit den Versuchen des Vortr. zeigen, dass nach der ersten
Oxydationsstufe die Verarbeitung nicht weitergeht, obwohl ja gerade
dieser Ausscheidungszwang für Glukuronsäure den Vorteil hätte, dass
der Glukuronsäurepaarling aus dem Körper ausgemerzt würde.
Hr. Röhmann: Die Bildung der gepaarten Glukuronsäuren ist nach
der jetzt zumeist als richtig angenommenen Ansicht so zu erklären,
dass die eingeführte Substanz rieh mit dem Zucker paart und das so
entstandene Glykosid oxydiert wird. Redner hält es trotz der an sich
gewiss beachtenswerten Versuche des Vortr. für möglich, dass die im
Stoffwechsel entstehenden gepaarten Glukuronsäuren zum Teil durch ein
vom Redner in den Organen, speziell der Leber, naebgewiesenes Enzym
gespalten werden und an dem Orte der Entstehung weitere Umwandlungen
erfahren. Aus dem Verhalten der per os eiDgeführten Substanzen dürfe
man keine zu weitgehenden Schlüsse auf das Verhalten der im Stoff¬
wechsel entstehenden Stoffe machen.
Hr. Biberfeld (Schlusswort): Herrn Röhmann gegenüber möchte
ich betonen, dass in der Glukuronsäurefrage nur 2 Tatsachen feststehen:
erstens gepaarte Glukuronsäuren werden im Organismus nicht zerstört,
zweitens auch freie Glukuronsäure ist für den Organismus nicht angreif¬
bar. Daraus folge mit zwingender Logik, dass die Glukuronsäure kein
intermediäres Produkt des Kohlenhydratstoffwechsels sein könne.
Hr. Richard Levy: Lymphocytäre Tumoren der Zange.
In einem Falle lag ein erbsengrosser Knoten des Zungenrückens, im
andern ein über kirsobgrosser Tumor vor. Beides waren Männer über
GO Jahre. Die Geschwülste waren rasch gewachsen, nicht scharf gegen die
Zungensubstaoz abgesetzt, Konsistenz hart. Schmerzen bestanden nicht.
Im zweiten Fall, der als Carcinom zur Operation überwiesen war, Hessen
sich harte Drüsen an beiden Kieferwinkeln nachweisen. Wassermann-
sche Reaktion negativ. Für Tuberkulose fand sich kein Anhalt. Die
Tumoren hatten auf dem Durchschnitt eine weisslich-graue ins gelbe
spielende Farbe, der grössere erschien in der Mitte weicher, als an der
Peripherie. Histologisch bauten sich beide Geschwülste aus Rundzellen
auf mit nicht sehr stark tingiertera Kern und etwas grösserem Proto¬
plasmasaum, als einfache Lymphocyten. Die Muskulatur in der Nach¬
barschaft, auch von diesen lymphocytäreo Gebilden reich durchsetzt,
erscheint stellenweise wie erdrückt durch sie. Spärliche reticuläre Stütz¬
substanz; hier und da Anhäufung eosinophiler Zellen. Keine Riesen¬
zellen. Heilung seit lf 4 bzw. l 3 /< Jahren nach einfacher Excision.
Offenbar lagen hier keine Rundzellsarkome vor, obwohl eine histologische
Differenz nicht existiert. Der klinische Verlauf spricht gegen Lympho-
cytom im Sinne Ribbert’s, da dieser dieselben zu den maligüen
Tumoren rechnet. Klinisch unterscheiden sich die hier beschriebenen
Geschwülste von den bösartigen Tumoren der Zungensubstaoz durch
das Fehlen voo Schmerzen, vor den Sarkomen der Zungentonsille durch
den Sitz.
Diskussion. Hr. Coenen demonstriert ein wall nussgrosses Hyper¬
nephrom, das aus der Zungenbasis einer 62 jährigen Frau exstirpiert
wurde. Die Frau hatte sonst keine Anzeichen eines malignen Neben-
nierentumors.
Breslauer psychiatrisch-neurologische Vereinigung.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 25. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr C. S. Freund.
Hr. C. S. Freund: 1. Polycythämie.
Seit den Arbeiten von Osler (1895) und von Geisböck (1905) ist
die Kenntnis der primären oder richtiger kryptogenetischen Fälle von
Polycythämie sehr vermehrt worden. Von der Neurologie wurden bisher
dieso Forschungen wenig beachtet. Nach R. Stern 1 ) handelt es sich
fast stets um nervöse leicht erregbare Menschen, die seit der Jugendzeit
au schwerer Migräne leiden oder durch jahrelange, verantwortungsvolle,
aufreibende Tätigkeit nervös geworden sind. Die Krankbeitsbeschwerden
(Schwindel, Kopfschmerzen, aufsteigende Hitze, starker Durst, Ohren¬
sausen, zuweilen Ohnmachtsanfälle, zeitweise Erbrechen, Migraine
ophthalmique, schlechte Merkfähigkeit, sehr gereizte, niedergedrückte
Stimmung) weisen eher auf ein funktionelles Nervenleiden hin als auf
eine interne Erkrankung. Demgemäss wird in allen diesen Fällen zu¬
nächst die Fehldiagnose „Neurasthenie“ gestellt. Das auffallendste ob¬
jektive Symptom, sofern es überhaupt vorhanden ist, ist die rötliche
oder bläulichrötliche Verfärbung der Haut und sichtbaren Schleimhäute.
Die meisten Fälle sehen vortrefflich genährt und blühend aus, aber
manche Patienten sind eher mager und nicht „vollblütig“ oder cyanotiscb,
sondern echauffiert. Manche können, so lange der Blutandrang nach¬
lässt, wie anämisch oder wie bepudert ausseben. In vielen Fällen
fehlen, abgesehen von dem Blutbefund, anderweitige objektive Symptome,
in anderen besteht Milzvergrösserung, geringfügige Albuminurie, an den
Netzhautvenen starke Verbreiterung und abnorme Schlängelungen mit
partiellen länglichen oder spindelförmigen Ausbuchtungen (Uhthof0»
und von zeitweisen Nervensymptomen: Meniere’sche Anfälle, inter¬
mittierendes Hinken, Erythromealgie, häufig kompliziert mit Gicht. Die
Fälle mit Hypertonie und Arteriosklerose prädisponieren zu Schlaganfällen
(bei 18 solchen Fällen Geisböck’s 8 mal Schlaganfälle).
Fall 1. 47 jährige Lithographenwitwe K. Seit dem 7. Lebensjahre
nervös nach einem schweren psychischen Shock: Beim Einsturz eines
Treppenhauses wurde ihr Bruder erschlagen, sie selbst und ihre Mutter
wurden nach einer Stunde mit Leitern aus der gefährdeten Wohnung
herunter geholt, der Vater bewusstlos unter den Trümmern bervor-
gezogen, war seitdem „tiefsinnig“. Heiratete mit 20 Jahren, bat
26 jährige Tochter. Seit der Mädchenzeit öfters Migräneanfälle und
schreckhafte Träume; seit einigen Jahren häufiger.
Steigerung der Nervosität seit dem plötzlichen Tode ihres
Mannes im Januar 1912. Ständig Ziehen und Hitzegefühl im Kopfe,
fast ständig Schmerzen in beiden Augenhöhlen und Andrang nach dem
Kopf. Oft schmerzhaftes Nagen in der Magengegend. Stets schlechter
Schlaf mit aufregenden Träumen; Schleier vor den Augen; mitunter
Rauschen vor dem rechten Ohr. Im letzten Jahre allwöchentlich ein-
bis zweimal schwere Anlälle von Kopfschmerzen mit Erbrechen und un¬
erträglichem Blutandrang nach dem Kopf, auch bei ruhiger Lebensweise,
stets wenn ihr irgendetwas Aussergewöhnliches passiert oder bevorsteht.
Beim Treppensteigen und ebenso nach längerem Gehen Herzklopfen und
Atemnot. Sehr niedergedrückte Stimmung. Schlechte Merkfähigkeit.
Sehr gut genährt, kräftig gebaut. 81 kg. Gesicht meist stark ge¬
rötet und warm, „vollblütig“; bei vorübergehendem Abklingen des Blut¬
andranges ausgesprochen blass. Starke Dermograpbie. Obere Augen¬
höhlenränder, besonders an der Nervendurchtrittsstelle sowie die Mitte
beider Schläfen druckempfindlich. Haut* und Sehnenreflexe regelrecht,
linker Achillesreflex nicht auslösbar. Empfindungs- und Bewegungs-
1) M. KL, 1908.
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UNIVERSITV OF IOWA
7. September 1014.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Fähigkeit ohne Besonderheiten. Am Gesichtsfeld keine Ermüdung oder
wesentliche Einengung. Hypermetiopie Ton -f 1 D, und Presbyopie
2,25 D., geringe Insuffizienz der Museuli interni und ausgesprochene
ConjunotWalbyperämie. Normales Hintergrundsbild (San.*Rat Land-
mann).
Herzgrenzen normal, Herztöne aocentuiert, 28 Pulse, zu Beginn der
ersten Untersuchung 29 Pulse in der VierteIminute. Blutdruck stets
abnorm erhöht (160—180 mm Hg nach RiYa-Roooi). Milzvergrösserung
nicht nachweisbar. Vermehrte Salzsäureproduktion des Magens.
Blutuntersuchung (Dr. Lubowski): 2. Xt. 1912. Hämoglobin 75
nach Sahli, Färbeindex 0,67, rote Blutkörperchen 7 175 000, weUse
Blutkörperchen 9200. Bei Difierentialzählung: Lymphocyten 22,5 pCt.,
neutrophile Leukooyten 69 pCt., ausserdem pathologische Formen, sowohl
Myelooyten als jugendliche Metamyelocyten. Eosinophile Leukooyten in
normalem Prozent. Urin ohne Besonderheiten.
8.1.1913. Keine Veränderung bei der Differentialzählung. Hämo¬
globin 75, Zahl der roten Blutkörperchen 8 200 000, Färbeindex 0,80,
weisse Blutkörperchen 9100.
20. IV. 1914. Hämoglobin 90, Färbeindex 0,85, rote Blutkörperchen
6 790000, weisse Blutkörperchen 7150. Differentialzählung: Lympho-
oyten 38 pCt. (8660 im Kubikzentimeter), neutrophile Leukocyten 54 pCt.,
keine pathologischen Formen. Eosinophile Leukocyten 5pCt. (350 im
Kubikzentimeter).
Im Urin Eiweiss positiv.
14. V. Eiweiss negativ. Im Centrifugat vereinzelte hyaline Cylinder.
Spezifisches Gewicht des Abendurins 1002, des Morgenurins 1015.
Fall 2. 28jährige Kaufmaonsgattin. Sohon als Mädchen, zumeist
vor und während der regelmässigen, nicht starken Periode anfallsweise
rasende, meist halbseitige Kopfschmerzen (mit Uebelkeit, Blutandrang
nach dem Kopf, kalten Füssen); vertrug weder Höhenluft noch Seeklima,
hatte Angstgefühl im Gedränge und beim Schwimmen. Mit 15 Jahren
bleiohsüohtig. Vor 6 Jahren wegen Verdauungsstörungen und Kopf¬
schmerzen vierwöchige Kur in Tarasp. Seit jener Zeit nervöse Duroh-
fälie, zugleich Herzklopfen, Appetitlosigkeit und grosse allgemeine
Schwäche. Fortschreitende Abmagerung. Früher 186 Pfd,, jetzt 95 Pfd.
in Kleidern.
Seit 3—4 Jahren am Nachmittag leidliches Befinden, vom Spätnach¬
mittag an niedergedrückt, sprachlich gehemmt, Angst vor demNichtschlafen.
Schläft schwer ein und unruhig aus Furcht vor Einbrechern. Am Abend
Wohlbefinden und guter Schlaf in geräuschvoller Umgebung (beim
Abendkonzert im benachbarten öffentlichen Garten, beim Uebernachten
in an lebhafter Strasse gelegenen Berliner Hotels). Eisenbahnfähren
strengt nicht an und hebt die Stimmung. Gebt abends gern ins
Theater, ist schweigsam, aber heiter. Beim Eintritt in heissen Konzert¬
saal sofort heisser Kopf und Erstickungsgefühl. Nach minimalen
Alkoholmengen Sohwindelgefühl und unerträglicher Andrang nach dem
Kopfe. Im Sonnenschein Unbehagen und Schwindelgefühl. In der Woche
vor und nach der Periode Schwindelanfälle 2—3 Tage lang mehrmals
täglich. Keine extremen StimmuDgsschwankungen.
Schwere Gedächtnisstörungen: muss sich den Schreibstoff für ihre
Briefe aufnotieren, korrespondiert sehr sohnell und fiiessend, hat aber
den Inhalt des Briefes am nächsten Tage vergessen. Ist seit Jahren im
Frühjahr und Herbst je 2 Monate in Meran, erinnert sich aber schon
naoh 6 Wochen nicht mehr an den Bauplan von Meran, an die Zimmer-
anordnung der von ihr dort regelmässig bewohnten Wohnung, erkennt
in Meran die Menschen nicht wieder, mit denen sie vor einem halben
Jahre verkehrt hat. Erinnert sich nicht auf die Mahlzeiten am Tage
zuvor. Kann nioht im Haushalt disponieren. Alte Ortseindrücke er¬
halten, aber keine Merkfähigkeit für die Lage neuer Geschäfte auf den
oft von ihr besuchten Hauptstrassen Breslaus.
Innerlicher Befund (Geheimrat Sandberg):
Schilddrüse fehlt. Milzvergrösserung. Lebervergrössenrng. Blut¬
druck gesteigert. Am Herzen sehr starke Palpitation ohne Geräusche
und Beschleunigung. Urin frei.
Blutbild (Geheimrat Sandberg):
25. VII. 1913. Weisse Blutkörperchen 6800, rote Blutkörperchen
8 900 000, Hämoglobin 125, kleine Lymphocyten 26pCt., grosse Lympho¬
cyten 10 pCt., Polynucleäre 64 pCt.
20. IX. Weisse Blutkörperchen 10400, rote Blutkörperchen 8920000,
Hämoglobin 125, kleine Lymphocyten 16 pCt., grosse Lymphocyten 24pCt.,
Polynucleäre 60 pCt. 1
9. XII. Weisse Blutkörperchen 11400, rote Blutkörperchen 8666000,
Hämoglobin 115, Eosinophile 1 pCt., grosse Lymphocyten 20 pCt., Poly¬
nucleäre 79 pCt.
16. VI. 1914. Weisse Blutkörperchen 8000, rote Blutkörperchen
8 640000, Hämoglobin 130, Eosinophile 1 pCt., Lymphocyten 23 pCt.,
Polynucleäre 76 pCt.
Vortr. hält die Prüfung des Blutbildes für ein wichtiges diagnosti¬
sches Hilfsmittel zur Klärung der Pathogenese neurasthenischer Krank¬
heitszustände. Voraussichtlich wird sich in vielen Fällen, welche Blut-
arucksteigerung bzw. den vasomotorischen Symptomenkomplei zeigen,
rolycythämie nachweisen lassen.
Diskussion. Er. Lubowski.
Füle von Lues cerebrospinalis (sogenannte Tabes alt
58jährige Frau, seit Febrnar 1912 im Sieohenhause. Hei-
Jahren, nie concipiert; Mann starb naoh 15jähriger Ehe
_ 2. Drei
Healplegie).
Fall 1.
ratete mit 20
an „Geisteskrankheit“. Mit 29 Jahren „weite Pupillen und einige Monate
lang Doppeltsehen“. Zweite Ehe mit 89 Jahren (mit 40 Jahren normale
Entbindung, hernach 2 Fehlgeburten). Seit 1907 Nervenleiden: Schwindel,
Kopfschmerz, Ermüdbarkeit, zeitweise Reissen in den Beinen. Seit Weih¬
nachten Sausen im linken Obr und in der linken Kopfseite. Im Januar
1911 Influenza. Am 14. IL 1911 erwacht Pat. mit rechtsseitiger Läh¬
mung und Sohwindelgefühl.
Status praesens (Mai 1914): Aneurysmaaortae. Wassermann-f-,
Icbthyosis.
Pupillen liohtstarr, links > rechts. Papillen normal. Strabismus
divergens nach links. Parese des linken Reotus superior.
Keine Artikulationsstörung» rechte Nasenlippenfalte < linke.
Patellarreflex rechts —, links schwaoh +, Achillesreflex ebenso.
Bauohdeckenreflex rechts —, links -j-. Babinskirefiex rechts -f-,
links —.
Oppenheim- und Strümpeireflex rechts 4~> links —, ebenso Mendel-
Bechterew.
Am Arm Sehnenreflexe rechts > links.
Bei Kitzeln der reohten Fasssohle: sehr starke und lange an¬
dauernde Dorsalflexion im Fussgelenk and auch im Kniegelenk.
Bei Kitzeln der linken Fusssohft: nur im Fussgelenk nioht lange
andauernde Dorsalflexion.
Hypalgesie am Brustkorb rechts von 5. Rippe bis Rippenbogen, links
von 3. bis 6. Rippe, ferner am Damm und After, an der Streckseite des
rechten 4. und 5. Fingers.
Gelenkgefühl rechts an den Zehengelenken stark beeinträchtigt, am
Fass- und Kniegelenk etwas < links.
Ataxie an beiden Beinen; reohts erheblich > links.
Ataxie der rechten Hand.
Geht ataktisch mit rechtem Genii reonrvatum. Hochgradige Hypo¬
tonie im rechten Kniegelenk, starke Hypotonie im rechten Hüftgelenk
beim Beugen.
Leichter Muskelwiderstand beim Streoken im reohten Ellbogengelenk,
beim Abduzieren im rechten Sobultergelenk. Supination kaum be¬
hindert.
Druckkraft: Linkerseits durchweg gut bis auf eine geringe
Schwäche der Dorsalflexion der Füsse. Rechterseits: im Kniegelenk
Beugung hochgradig geschwächt; im Hüftgelenk Beugung, Innen- und
Aussenrollung geschwächt, Adduktion rechts = links; im Fussgelenk
Dorsalflexion sehr geschwächt. Druckkraft der reohten Hand etwas ge¬
schwächt.
Fall II. Theodor H., 62 Jahre alt, seit Dezember 1913 im Siechen¬
hause. Mit 23 Jahren Lues. Mit 32 Jahren erste und einzige Injektions¬
kur. Mit 40 Jahren geheiratet (I Sohn lebt, keine Aborte). Vor
20 Jahren Sohieloperation. Vor 13—14 Jahren rechtsseitiger doppel¬
seitiger Fussknöohelbrach; nach 6 Wochen gut geheilt, ohne Gang-
störung. Schon vorher „Zucken und Reissen in den Beinen, bald da,
bald dort“. Vor 4 Jahren unter Schwellung und Rötung Geschwür an
der reohten Fusssohle; einzelne Knocbenstücke operativ entfernt. Im
Sommer 1913 brach das Geschwür wieder auf unter Abstossen eines
Knochensequesters; Fussgelenk and unterstes Drittel des Unterschenkels
blieben rot und geschwollen.
Im September 1913, mittags 2 Uhr, erster und bisher einziger
Schlaganfall: auf der Strasse plötzliche Schwäche in den rechts¬
seitigen Gliedmaassen ohne Bewusstseinstrübung, ohne Sprachstörung,
ohne Schluckstörung. Schleppte sich langsam nach Hause. In der
folgenden Nacht entwickelte sich vollkommen schlaffe rechtsseitige Läh¬
mung. Einige Tage lang rechterseits ganz bewegungsunfähig und auoh
— zuvor nie bemerktes — Harnträufeln. Von Geburt an linkshändig.
' Seit dem Sohlaganf&U belegte, aber nicht heisere Stimme, keine aphasi-
schen Symptome.
Aufnahmebefund am 15. XII. 1913. Pupillen entrundet, lioht¬
starr, auf Konvergenz keine sichere Reaktion. Beiderseits Cataracta
inoipiens. Papillen und Fundus normal. Strabismus convergens dexter,
kein paralytisches Schielen, keine Doppelbilder.
Tiefes, kirsohgrosses Mal perforant am Aussenrande des Grund¬
gelenks der rechten kleinen Zehe. Ichthyosis. Alte Hautnarbe in der
linken Leiste. Wassermann +.
Starke Schlaffheit des rechten Handgelenks. Hypotonie der Beine
(reohts > links). Ataxie and sohlechte Treffsicherheit der Beine
(rechts > links). Keine Sensibilitätsstörung; gutes Gelenkgefühl anoh
an den Zehen.
Rechtes Fussgelenk nahezu versteift (aktiv und passiv nur minimale
Dorsalflexion, Knoohenverdickung in der Malleolargegend). Rechtes
SchultergeleDk teilweise versteift seit einer Schulterquetschung im Mai 1913.
Beim Gehen wird der rechte Arm gebeugt gehalten, der rechte Fuss
aufgestampft, dann und wann mit der Fussspitze n&ebgeaohleift oder
Fuss im ganzen abgehoben daroh etwas stärkeres Beugen im Knie- und
Hüftgelenk.
Am reohten Arm ist nur das Supinieren erschwert. Fanstschlnss
gelingt aktiv vollkommen, ist passiv bei einiger Mühe zu öffnen. Im
Sobultergelenk Muskelspannung beim Abduzieren und Rückwärtsfahren.
Beim Hocbheben wird der Ellbogen gebeugt gehalten.
Kniesobeibenreflez rechts -{■-{■■, lihks -f*; kein Knieclonns, kein Fuss-
clonns. B&binski beiderseits <!) -f-, reohts > links. Fasskitzelreflexe
lebhaft. An den Armen Sehnen- und Periostreflexe reohts lebhaft, links
schwach.
Unter mehrmonatiger Jodkalibebandlung angeblich erhebliobe
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UMIVERSITY OF IOWA
161 &
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 86.
Besserung der Bevegungsfähigkeit, speziell sicherer und schnellerer
Gang. Hin und wieder Reissen und Zucken an verschiedenen Stellen
beider Beine, besonders in den Oberschenkelmuskeln. Gegenwärtig:
Faustschluss rechts normal, kräftig und passiv nicht auflösbar, rechtes
Handgelenk nicht mehr abnorm schlaff. Ataxie und Hypotonie nur
noch rechterseits nachweisbar und auch nur eben angedeutet. Druck*
kraft der rechten unteren Extremität gut, nur die der Unterschenkel¬
beuger etwas herabgesetzt. Supination rechts nicht so exakt und nicht
ganz so schnell wie links, Schriftzüge noch unsicher und etwas un¬
geschickt.
Fall 3. Reinhold Spr., 54 Jahre alt, seit September 1911 im
Sipchenhaus. Am 1.1. 1910 dreistündige tiefe Ohnmacht, seitdem rechts¬
seitige Lähmung mit motorischer Aphasie.
Wassermann im Blut positiv. Kein Trinker. Pupillen entrundet,
rechts etwas > links; beide lichtstarr bei erhaltener Konvergenzreaktion.
Linke Papille atrophisch (aber nooh nicht vollständig) und nicht ganz
scharf begrenzt, Arterien stellenweise verengt. Rechte Papille normal.
Patellarreflexe —, Achillesreflexe —, Babinski rechts +, links —,
Bauchdeckenreflexe links lebhaft, rechts schwach.
In der Ruhelage leichte Dorsalflexion rechterseits im Grosszehen-
und im Fussgelenk. Beim Hochhetfon an der rechten unteren Extremität
deutlich ausfahrende Bewegungen. An der rechten unteren Extremität
ist die aktive Beweglichkeit deutlich besser wie sonst bei Hemiplegie,
ebenso die Druckkraft, auch seitens der Prädilektionsmuskeln; nur ist
im Fussgelenk die Dorsalflexion und im Hüftgelenk die Abduktion etwas
geschwächt; die Flexion im Hüftgelenk fast so gut wie links. Keblkopf-
befund ohne Besonderheiten. Sensibilität gut; klagt über Schmerz vorn
an der rechten Brustkorbhälfte (Gürtelgefühl?).
Der erste dieser drei Fälle ist bald nach dem Auftreten der Hemi¬
plegie von 0. Foerster klinisch beobachtet worden und gehört zu den
Fällen aus der menschlichen Pathologie, die ihn zu der 1908 publi¬
zierten Behandlungsmethode spastischer Lähmungen mittels Resektion
hinterer Rückenmarkwurzeln angeregt haben. Vortr. erwähnt ferner,
dass Eduard Müller 1907 in einer Arbeit „über Friedreich’sche Krank¬
heit')“ an der Hand klinisch und histologisch untersuchter Fälle hervor¬
gehoben hat, dass trotz erheblicher Beteiligung der Pyramidenseitenstrang¬
bahn bei dieser kombinierten Systemerkrankung stärkere Grade von
Hypertonie fast regelmässig fehlen, und dass eine Steigerung der Sehnen¬
reflexe verhindert wird durch jede gleichzeitige oder gar voraneilende
Hinterstrang- bzw. Hinterwurzeldegeneration, und dass andererseits auch
die Hypotonie meist viel geringer ist, als es der Tabes dorsalis und der
Schwere der Hinterstrangdegeneration kaum entspricht. 0. Foerster Bat
öfters genau verfolgen können, dass, wenn zu einer primär vorhandenen
Erkrankung der Hinterstränge, also bei einer entwickelten Tabes dorsalis,
später eine Erkrankung der Pyramidenbahn (Seitenstrangerkrankung im
Brustmark oder ein Herd in der inneren Kapsel) hinzutritt, zwar eine
Parese der Beine bzw. der einen Körperhälfte auftritt, dass aber sich
keine Muskelkontrakturen entwickeln. Es ist ihm dabei „regelmässig
aufgefallen, dass die resultierende Bewegungstörung, die paretische Kom¬
ponente für sich auffallend gering war, und dass die vorher bestehende
Ataxie usw. geringer wurde“. In den vorgestellten drei Fällen waren
Parese und Muskelkontrakturen auffallend geriug, indessen war die
Ataxie auf der Seite der Hemiplegie deutlich stärker.
3. Narkolepsie.
56jährige Kaufmannswitwe. Nach ihrer Selbstschilderung fallen
ihr beim Lesen schon nach 5 Zeilen die Augenlider zu und sinkt der Kopf auf
das Buch. Sie sucht zwei- bis dreimal hintereinander dagegen anzukämpfen
und sich zum Weiterlesen zu zwingen; dann nützt ihr alle Willens¬
anspannung nichts. Sie wacht auf, wenn die Nase auf das Buch stösst,
oft nach 10 Minuten, die sie traumlos schlafend verbracht hatte. Beim
Erwachen ärgerlich über das Einschlafen, aber sofort frisch und orientiert
und fähig, mühelos und richtig zu sprechen und irgeudetwas Praktisches
richtig zu erledigen, empfindet keine Muskelsteifigkeit, kein Erlahmen
der Beine oder Arme, keine Schwere in den Augenlidern.
Der Schlaf tritt angeblich nur beim Lesen von einfacher Lektüre
und Zeitungen auf, namentlich beim VorleseD. „Wenn ich mich beim
Lesen selbständig betätige, produktiv bin, z. B. beim Briefschreiben,
beim Uebersetzen aus dem Deutschen ins Französische oder Englische,
passiert es nicht. Neuerdings kommt es mitunter beim Briefschreiben
vor, und ich erwache dann im Moment, wenn die Feder auf dem Papier
zu kritzeln beginnt 1 2 ). Wegen starker Kurzsichtigkeit mache ich keine
Handarbeiten. Die Dankeibeit im Theater schläfert mich nicht ein. Mit¬
unter schlafe ich in der Unterhaltung ein, besonders im eDgeren
Familienkreise. Nur an meiner guten Erziehung liegt es, dass ich nicht
öfters einschlafe. Ich kann vorlesen und dabei schlafen. Mein Nacht¬
schlaf ist gut, traumlos, früher 7—8, jetzt 5 Stunden hintereinander
und erfrischend.“
In der Schule soll das Einschlafen beim Lesen nicht aufgefallen
sein, wohl aber schon damals den Eltern und Geschwistern. Ihr
34jähriger Sohn berichtete dem Vortragenden, er erinnere sich genau aus
seiner Kinderzeit, dass die Mutter immer beim Vorlesen — sonst nicht —
1) Zschr. f. Nervenblk., Bd. 82.
2 ) Vortr. zeigt in einem Schreibheft der Patientin (Uebersetzung
aus dem Deutschen ins Lateinische) einige Stellen, an welchen die sonst
freie Schrift mitten im Text durch solche kurze Kritzelstriche unter¬
brochen ist.
einnickte, auf Anrufen oder beim Anfassen ihres Kinns sofort munter
wurde und lachend sagte: „Ach, ich bin wieder eingesohlafen.“ Die
Kinder haben ihr oft gesagt: „Mutter, schläfst Du schon wieder?“ Beim
Vorlesen flaute nach einer Weile der Ton ihrer Stimme ab, sie las leiser
und ausdrucksloser und war bald eingescblafen. Schon bei den letzten
Worten will sie geschlafen bzw. nicht gewusst haben, was das Vor*
gelesene bedeute. Auch beim Abhören der lateinischen Vokabeln des
damals 9 jährigen Sohnes schlief sie ein. Sie sass stets mit geschlossenen
Augen und leicht naoh vorn geneigtem Kopfe. Beim Aufwachen wusste
sie sofort, dass sie geschlafen hatte, aber nioht immer gleich, wo es im
Text weiterging.
Hat als Kind aus dem Schlaf gesprochen und richtig geantwortet.
Ist naohtgewandelt, wachte nicht auf, wenn man sie anrief, gab aber
richtige Antworten, ging auf Aufforderung ins Bett zurück, wusste am
nächsten Tage nichts davon. Ist vor 34 Jahren zum letzten Mal nacht¬
gewandelt.
Hat mitunter beim Sprechen Lachanfalle, besonders beim Yorlesen,
zumeist wenn sie dabei das Getühl hat, dass der Zuhörer sie fixiert oder
auf die Art des Vortrages achtet, oder wenu sie Geraütserregungen
unterworfen ist, z. B. hatte sie solchen Lachanfall in der Unterhaltung
mit Verwandten am Tage vor dem Tode ihres Monate hindurch von ihr
gepflegten Mannes, ferner öfters, wenn sie jemandem ihr Beileid aus-
spricht. Kürzlich bei der telephonischen Aufgabe eines Glückwunsch¬
telegrammes anlässlich der Geburt eines Grossneffen lachte sie fast naoh
jedem Worte derart, dass das Telephonfräulein ihrer Verwunderung
darüber Ausdruck gab. Wenn sie nicht zu sprechen braucht, kann sie
Weinen und Lachen beherrschen. Das Weinen erfolgt nicht bei un¬
passender Gelegenheit. Das Laohen ist nie von einer Schwäche in den
Extremitäten begleitet.
Keine Symptome von Myasthenie. Keine Ermüdbarkeit der Gesichts¬
felder (Augenarzt Sanitätsrat Dr. Land mann). Keine Ermüdbarkeit
der Hörnerven nach Boenninghaus. Keine erhöhte elektrische Muskel-
erregbarkeit.
Blutdruck bis 200 mm Hg. Massige Arteriosklerose. Leichte Ver¬
breiterung des Herzens naoh beiden Seiten, systolisches Geräusch ao der
Aorta und zeitweise an der Mitralis. Puls 76. Beim Treppensteigen
und bei kurzen Wegen Schlagen der grossen Schlagader am Halse. Seit
einigen Jahren leichte Vergrösserung der Schilddrüse. Urin ohne Be¬
sonderheiten.
Entsprechend dem Vorschläge von Friedmann und Stöcker hält
Vortr. es für zweckdienlich, dass die Bezeichnung „Narkolepsie“ für
zwei Krankheitstypen reserviert bleibt, für die von Friedmann bet
sebriebenen „gehäuften, nioht epileptischen Absencen des Kindesalters“
und für die der vorliegenden Mitteilung ähnelnden Ermüdungs- und
Schlafanfälle. Vortr. skizziert die fliessenden Uebergänge dieser beiden
Formen hinsiohtlioh Tiefe und Dauer der Bewusstseinstrübung durch
kurze Mitteilung einschlägiger Beobachtungen von Gdlineau, Berkban»
Loewenfeld und Stöoker. Lachanfälle wurden bei analogen Fällen
von Loewenfeld und von Guleke beobachtet.
Der vorgetragene Fall ist dadurch ausgezeichnet, dass er bereits im
vorgerückten Lebensalter steht und in seiner Eigenart sich bis in die
Kinderjahre zurückverfolgen lässt. — Vortr. kennt die Patientin gesell¬
schaftlich sehr gut schon seit über 25 Jahren und weiss, dass sie eine
geistige Einbusse oder Charakterveränderung im Sinne der Epileptiker
nicht erfahren hat, auch nicht an periodisch auftretendeo Verstimmungen
leidet. Eine ueuropathische Veranlagung ist zweifellos vorhanden.
4. Idiotie mit HantveräBderwngen.
38 jähriger Idiot, von Jugend an verblödet, mit öfteren epileptischen
Anfällen und Pseudoplexibilitas cerea, zeigt in den Nasenlippenfalten,
besonders an der oberen Hälfte und in der das Kinn von der Unterlippe
abgrenzenden Falte dicht aneinander gestellt zahlreiche, teils flache, teils
knospenförmig hahnenkammähnlich gruppierte rötliche Hautwärzohen.
Ferner rechterseits an der Stirn nabe der Haargrenze ein kleinpflaumen¬
grosses, gelblich-bräunliches Keloid, am Hinterkopf eine Anzahl runder
kahler Stellen (Alopecia areata), ferner an der Mitte und an den
Seitenrändern der Nacken-Rückengrenze beetartig gruppiert kleine ge¬
stielte Hautfibrome. Schliesslich in einem handtellergrossen Bezirk
der unteren Lendengegend (untere Grenze verläuft im Niveau der Darm¬
beinkämme) ein Naevus sebaoeus: die Haut ist in seinem Bereich
leicht verdickt, von seichten Furchen durchzogen und mit zahlreichen
kleinen, schwarzen, comedonenähnlichen Punkten durchsetzt.
Vortr. nimmt an, dass eine tuberöse Sklerose des Gehirns
vorliegt.
5. Tabes mit Muskelatrophie.
a) Der linke Daumenballen ist in der mittleren Partie deutlich ab'
geflacht (Entartungsreaktion).
b) Die linke Grosszehe steht in der Ruhestellung plantarflektiert
und kann aktiv nicht dorsal flektiert werden. Der Extensor hallucis
longus zeigt typisohe Entartungsreaktion.
An der Muskulatur des linken Unterschenkels und der linken Hand
bzw. Vorderarm geringe quantitative Herabsetzung der elektrischen Er¬
regbarkeit. Kein Anhalt für das Bestehen einer peripheren Lähmung.
Am Kehlkopf beiderseits leichte Beschränkung der Abduktion.
Am linken Auge Schwäche des Levator palpebrae und Rectns supenor.
Auf beiden Augen leichte Internusparese.
In den seitlichen Endstellungen beiderseits (beim Blick nach
rechts » horizontaler Nystagmus.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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7. September 1914.
Der Fall (49 jährige Frau) charakterisiert sich als Tabes durch hoch¬
gradige Ataxie der unteren und. oberen Extremitäten mit grober Störung
des Gelenkgefühls, diffuser Analgesie und typischer verlangsamter Schmerz¬
leitung; BerühruDgsanasthesie am Rumpfe, reflektorische Pupillenstarre,
Fehlen der Sehnenreflexe und der Bauchreflexe.
Derartig isolierte Muskelatrophien bei Tabes sind von Lapinsky
mitgeteilt worden und beruhen nach ihm darauf, dass die Erkrankung
der hinteren Wurzeln infolge einer umfangreichen Degeneration der langen
Coll&teralen eine Affektion der Vorderhornzellen nach sich zog.
Freiburger medizinische Gesellschaft.
Sitzung vom 21. Juli 1914.
1. Br. Dlepgei:
Heber die altei Siegel der hiesig» medizinischen Faknltät.
2. Hr. K röntg:
Das Krebsmerkblatt des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung
der Krebskrankkeiten.
Vortr. hat das Krebsmerkblatt nicht unterschrieben, weil er mit
demselben sich nioht einverstanden erklären kann. Es wird darin der
Laie allzusehr zu einer ängstlichen Selbstbeobachtung und zum Achten
auf in der grossen Mehrzahl der Fälle harmlose Kleinigkeiten ange¬
halten. Dadurch wird durch Erzeugen von Neurasthenie und Hypo¬
chondrie weit mehr geschadet als genützt. Denn die Fälle, in denen
durch eine frühzeitigere Behandlung die Heilungsaussichten verbessert
werden, werden versohwindend gering sein, zumal die Erfolge der ope¬
rativen Therapie an sich schon erschreckend gering sind. Was soll es
z. B. nützen, dass Leute darauf hingewieseu werden, dass Schluok-
behinderungen auf einem Speiseröhrenkrebs beruhen könnten, da doch
die Heilangsaussiohten dieses Krebses selbst bei Operation gleich
Null sind?
3. Hr. Hildebrandt:
UrobiJinnric bei Typhus abdominalis und ihre klinische Bedeutung.
Die Urobilinurie ist beim Typhus abdominalis ziemlich regelmässig,
und zwar in den vorgeschritteneren Stadien beginnend, etwa gleichzeitig
mit dem Auftreten von Roseolen. Sie verschwindet allerdings durch
Durchfälle, da dabei die Resorption des Farbstoffes aus dem Darm ver¬
hindert wird. Sie dauert bis über die Entfieberung hinaus, oft in die
Rekonvaleszenzzeit hinein, ist dann aber als Zeichen beachtenswerterer
Leberstörungen anzusehen.
Die Urobilinurie beim Typhus kommt nicht durch einen vermehrten
Blutzerfall zustande wie die bei der Pneumonie, weil ein entsprechender
Blutzerfall nicht statthat. Stauungsleber oder Gallenstauung infolge von
Cholangitis lassen sich als Ursachen dieser Urobilinarie ebenfalls aus-
schliessen, weil die übrigen Symptome dieser Störungen bei den Fällen
des Vortr. fehlten. Es muss deshalb eine parenchymatöse Hepatitis als
Ursache dieser Urobilinurien angenommen werden, die anatomisch sich
in Hyperämie, trüber Schwellung and Nekrosen äussern kann. Als Ur¬
sache der Urobilinurie muss dann ein pathologisches Durchlässen des
Urobilins von den Pfortaderverzweigungen in die Lebervenen statt in
die Galleneapiüaren angenommen werden, nicht etwa eine Störung im
Chemismus.
4. Hr. Gams:
Kiiematographische Vorführungen ans dem Gebiete der Geburtshilfe.
Bei der Schwierigkeit, und in kleineren Kliniken mit relativ grosser
Frequenz von Studierenden bei der Unmöglichkeit, alle zu geburtshilf¬
lichen Operationen an der Lebenden zuzulassen, kann die kinemato-
graphisohe Vorführung von geburtshilflichen Operationen sehr vieles er¬
setzen und grossen didaktischen Wert besitzen. (Demonstrationen.)
Fromherz.
Aerztlicher Verein zu München.
Sitzung vom 15. Juli 1914.
Demonstrationsabend.
1. Hr. Borst:
Experimentelle Untersuchungen znr Gelenkyerpflanxnng.
Vortr. zeigte an der Hand von Diapositiven sowie histologischen
.Projektionsbildern seine Untersuchungen bei Gelenkverpflanzungen. Vor
allem, demonstrierte Borst den Unterschied von Autoplastiken und
Homoplastiken und zwar am Metatarsophalangealgelenk des Fusses. Dabei
erwies sich, dass die Verkürzung des Knochens bei Autoplastiken nicht
so stark ist, wie bei Homoplastiken. Des weiteren zeigte Vortr. Präpa¬
rate von transplantierten Radiusköpfchen und von ganzen Gelenken, die
in Weichteile verpflanzt worden waren. Sehr interessant waren die so¬
genannten „Kapselversuche“ welche die hochbedeutsame Rolle dartaten,
welohe das Periost bei der Regeneration des Knochens spielt: Knochen,
seines Periostes entblösst und mit Glas oder Metallkapseln umgeben,
zeigte keine Apposition, während Periost allein zu wuchern vermochte.
2. Hr. Sehmincke: a) lieber die Entstehung der Hämorrhoiden.
Vortr. hat gemeinsam mit Sohuhmann die Entstehungsursache der
ttamonrhoiden genau studiert, wie er an zahlreichen Demonstrations-
Dilaern zeigte. Die Erweiterung der Venen beginnt mit dem frühen Alter
setzt sich mit dem späteren fort. Die „Hämorrhoidalzone“ des
augungs und des kleinen Kindes unterscheidet sich nicht von derRectal-
«cnieimhaut. Erst im zunehmenden Alter wird ein Unterschied bemerkbar:
Es tritt eine Injektion der Gefässe in der Hämorrhoidalregion und all¬
mähliches Entstehen einer bandförmigen Zone mit Auftreten von Yenen-
hmpullen ein. Unter „ Hämorrhoidalregion“ versteht Vortr. einen 2 cm
aohen, ringförmigen Bezirk der Pars analis recti, von der Basis der
Morgagni’schen Säulen beginnend und bis zur unteren Grenze des «Muse,
sphincter int. reichend. Die Begrenzung ist sehr scharf, was gegen die
Annahme einer allgemeinen Stauung spricht.
Beim Defäkationsakt steigt die Kotsäule nach unten, die Wand des
Rectums wird hyperämisch und auaeinandergedrüokt. Durch die Kotsäule
wird das Blut nach unten gepresst bis in die Venen der Hämorrhoidal-
zone. Beim Moment der Defäkation befindet sioh eine übermässige Menge
Blut in der Hämorrhoidalzone, die noch unter mehrfachem Druck steht
uud durch gleichzeitige Wirkung der Bauchpresse nicht abfliessen kann.
Beim Säugling ist die mechanische Wirkung des Kotes eine ganz geringe,
bei der Obstipation dagegen eine starke. Für gewöhnlich gleicht sich
die Dilatation des Hämorrhoidalplexus bei der Defäkation wieder aus;
allmählich .— besonders mit zunehmendem Alter und bei Obstipation —
wird aber eine Erweiterung der Venenwand auftreten, was gerade bei
den Venen mit kleinem R&mifikationsgebiet der Fall ist, weil hier
die Wanddehnung eine grössere ist. Die Entzündung ist immer eine
sekundäre.
b) lieber Teratome der Zirbeldrüse.
Bis jetzt sind 56 Fälle beschrieben, von denen die meisten Sarkome,
Gliome und Teratome waren. Es handelt sich meistens um jugendliche
Individuen mit einem ganz eigenartigen Symptomenkomplex: Starkes
Längenwachstum, abnorme Behaarung, Vergrösserung der Genitalien mit
Behaarung, sexuelle und manohmal auch geistige Frühreife. Diese Er¬
scheinungen beruhen wahrscheinlich auf einem Ausfall- des Sekretes der
Zirbel. Die Tumoren, die Vortr. sah, stammten von einem 21- und
17 jährigen jungen Menschen. Bei letzterem handelte es sich um ein
dreiblättriges Teratom (Teratoma triphyllioum).
3. Hr. Hneck:
Demonstrationen zur Frage der experimentellen Atherosklerose.
Bisher warden gewöhnlich Versuche mit Adrenalin gemacht. Vortr.
aber gab Kaninchen in der Nahrung Cholesterin, worauf Verdickungen
der Bauchaorta und keine Nekrosen wie bei Adrenalin sioh fandea. Auch
Verfettungen der Intima traten auf, wie Vortr. an Bildern im Polari¬
sationsmikroskop zeigte. Diese Versuche zur Klärung des Streites, ob es
sich bei der Atherosklerose um eine Abnützungskrankheit oder um
toxisch-diätetische Momente handelt, zu benutzen, ist unangebracht, da
mit diesen Cholesterinfütterungen zwar Veränderungen der Aorta, nicht
aber die ganzen — klinisch besonders hervortretenden — Begleiterschei¬
nungen: Herzhypertrophie, Gebirnerkranknngen und Blutdrucksteigenmg
erzeugt werden. Nobiling.
Berichtigung.
In den „Ergebnissen der inneren Medizin und Kinderheilkunde“,
1914, Bd. 13, zitiert Prof. L. Liohtwitz in einer Arbeit „Ueber die
Bildung der Harn- und Gallensteine, Seite 59, auch eine Publikation
von mir, welche in dieser Wochenschrift, 5. Mai 1913, unter dem Titel
„Untersuchungen und Gedanken über den Cholesterinstoffwechsel“ er¬
schienen ist.
Es tut mir leid, feststellen zu müssen, dass Herr Prof. Licbtwitz
ungenau gelesen hat und dadurch ganz falsche Schlüsse zieht Wo ich
ausdrücklich geschrieben habe: „Es sind keine parallelen Be¬
stimmungen gemacht worden“, hat Liohtwitz dies alles übersehen und
berechnet jetzt irrtümlicherweise die ungeheuren Differenzen, welche die
beiden Methoden der Cholesterinbestimmung nach Chauffard-Grigaut
und Windaus aufweisen sollep; Differenzen, welche -f-50,9 pCt. und
— 31,8 pCt. betragen sollen!
Es wandert mich wirklich, dass Herr Liohtwitz am Schluss dieser
Berechnung nioht gefühlt hat, dass er falsch gelesen and Zahlen mit¬
einander verglichen hat, welche nichts miteinander zu schaffen haben
und von verschiedenen Personen herrühren.
Jetzt wijrd er wohl verstehen, warum ich nur Mittelwerte miteinander
verglichen habe, welche übrigens genügende Uebereinstimmung auf¬
weisen.
Das schlimmste an der Sache ist aber, dass er später auf Grund
seiner falschen Berechnungen meinen Zahlen, welche die Hypercholesterin-
ämie während der SohwaDgerschaft mit der Methode von Windaus ex¬
akt bewiesen habeD, kein Vertrauen schenkt. Er schreibt nämlich
(Seite 61): „ist bei den oben begründeten Bedenken gegen Klinkert’a
Methodik ein sicheres Ergebnis nioht zu gewinnen“.
Es tut mir leid, dass Herr Lichtwitz beim Studium der Literatur
so ungenau gearbeitet hat, und ich hoffe, dass er den von ihm ge¬
machten Fehler in den „Ergebnissen“ rektifizieren wird.
D. Klinkert-Rotterdam.
Bemerkung zu vorstehender Berichtigung.
Ich bin zurzeit nicht in der Lage, die Angaben des Herrn Dr. Klin¬
kert nachzuprüfen und mich zur Sache zu äussern. Sollte ein Versehen
von mir vorliegen, so darf Herr Dr. Klinkert überzeugt sein, dass auch
ihm nach dem Feldzug volle Genugtuung zuteil werden wird.
Dirschau i. Westprenssen. L. Liohtwitz.
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□ ri-gmal frum
UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 36.
1620
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der Chef des Feldsanitätswesens gibt, wie aus einer Mit¬
teilung des Generalquartiermeisters von Stein hervorgeht, folgendes be¬
kannt: Der Gesundheitszustand aller Teile unseres im Feldeatehenden
Heeres ist gut. Seuchen sind bisher nicht aufgetreten. Freilich stehen
unsere Truppen zum Teil in einem Feindesland, das sich bis dabin keiner
so guten hygienischen Aufsicht erfreute wie unsere Heimat, und dessen
Bevölkerung manche Träger der Keime ansteckender Krankheiten in sich
birgt, doch waltet auoh gegen diese Uebelstände weitgehende Vorsicht
im deutschen Heere. Die Pockenschutzimpfung ist streng durcbgeführt
und wird im Notfälle auch bei der feindlichen Bevölkerung durcbgesetzt.
Typhus-, Cholera-, Rubruntersuchungsgeräte und Schutzimpfungsstoffe
werden mitgefübrt. Sachverständige Hygieniker befinden sich in den
Reihen unserer Militärärzte. Leider wurde auch von ihnen schon einer bei
vorsorgender Brunnenuntersuchung hinterrücks von Einwohnern erschossen.
Im Inlande sind nennenswerte Häufungen übertragbarer Krankheiten eben¬
falls nicht zu verzeichnen. In dieser Hinsicht werden besonders scharf
die Kriegsgefangenen überwacht. Die von regelrechten Heeresgeschossen
esetzten Wunden zeigen durchweg gutes Heilungsbestreben. Das
eutsohe Verbands verfahren, insbesondere die Anwendung der deutschen
Verbandspäckchen, bewährte sich. In den vordersten Linien angelegte
Verbäude sassen auoh noch zur Zeit des ferneren Rücktransports der Ver¬
wundeten gut. Ein grosser Teil der zurückbeförderten Verwundeten
ist bereits in Genesung und dräogt wieder nach der Front zurück. Wohl
aber sind bereits zahlreiche Beweise dafür gesammelt, dass die feindlichen
Einwohner und die Truppen des englischen sogenannten Kulturvolkes Dum-
Dum-Geschosse, .das heisst Geschosse ohne Vollmantel mit Einschnitten
benutzen, deren Fetzen im Körper grausame Verletzungen reissen. Es
sind Schritte getan, um dieses allen völkerrechtlichen Abmachungen
hohnsprechende Vorgehen zur Kenntnis der gesitteten Welt zu bringen.
— Kriegs ärztliche Abende. Der erste kriegsärztliche Abend
findet nicht, wie zuerst beabsichtigt, am 8. September, sondern erst am
15. September, abends 8 Uhr, im Langenbeckhause statt. Das ausführliche
Programm wird in diesem Blatte noch bekannt gegeben. Mitglied kann jeder
reichsdeutsche und österreichische Arzt werden. Der Beitrag beträgt 2 M.
Mitgliedskarten werden wochentäglich von 10—2 Uhr im Kaiserin Friedrich-
Haus (Berlin NW. 6, Luisenplatz 2—4) ausgegeben. Schriftliche Mel¬
dungen können nur berücksichtigt werden, wenn gleichzeitig der Mitglieds-
beitrag sowie ein mit Freimarke versehener Briefumschlag eingesandt wird.
— Kursus der Kriegsseuchen. Das Zentralkomitee für das
ärztliche Fortbildungswesen in Preussen veranstaltet iD der Woche vom
7. bis 12. September eine Vortragsreihe über Erkennung und Behandlung
der Kriegsseuchen, unter besonderer Berücksichtigung der ersten Dia¬
gnose. Die Vorträge stellen sich auf den Standpunkt des praktischen
Arztes, der in jetziger Zeit mehr als je mitberufen ist, an der Be¬
kämpfung der gefährlichen Infektionskrankheiten mitzuarbeiten. Als
Vortragende wirken mit die Herren: Geb. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge,
Oberstabsarzt Prof. Dr. Hoff mann, Prof. Dr. Jocbmann, Ministerial¬
direktor Prof. Dr. Kirchner, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Lenz, Prof. Dr.
Neufeld, Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. v. Wassermann. Die Vorträge
finden im Hörsaal des Langenbeckhauses statt und beginnen um 8 Uhr
abends (pünktlich). Teilnehmerkarten werden nur an Aerzte wochen-
täglioh von 10 bis 3 Uhr im Kaiserin Friedrich-Haus ausgegeben. Bei
der Meldung ist eine Einscbreibegebühr von 2 M. zu entrichten.
— Id Anlehnung an das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung
der Tuberkulose hat sich bei der Zentralstelle des Roten Kreuzes für
Kriegswohlfabrtspflege ein besonderer Tuberkuloseausschuss gebildet, der
es sich angelegen sein lässt, nach jeder Richtung hin für die Aufrecht¬
erhaltung der Tuberkulosefürsorge während der Kriegszeit zu sorgen.
Zunächst hat dieser Ausschuss, um die in den Heilstätten und Fürsorge¬
stellen durch Abgaben von Personal für die Kranken- und Verwundeten¬
pflege des Heeres entstandenen Lücken auszufüllen, einen Nachweis für
Aerate, Schwestern und sonstiges Pflegepersonal, die bereit sind, an
solchen Stellen zu arbeiten, errichtet. Anmeldungen für derartige Stellen
sind an die Zentralstelle für Kriegswohlfahrtspflege, Tuberkuloseaasschuss,
Berlin NW. 7, Reichstagsgebäude Portal V zu richten.
— Einst und Jetzt. Beim Durchblättern der B.kl.W. vom Jahre
1870 finden wir eine Annonce, in der die Königliche General-Lazarett-
Direktion „diejenigen Herren Aerzte in Berlin und Charlottenburg, welche
in patriotischer Bewegung, wie im Jahre 1866, so auch im bevorstehen¬
den Kriege ihre Tätigkeit der Krankenpflege in den Reservelazaretten
zu widmen geneigt sind, ergebenst ersucht werden, ihre desfallsigen Er¬
klärungen .gefälligst abzugeben“. — Zu solchem höflichen und
gemütvollen Aufruf hatte die Heeressanitätsverwaltung beim jetzigen
Kriege keinen Anlass; denn stürmisch drängten sich die Aerzte von
selbst zum Dienste, und so zahlreich, dass, in Gross-Berlin wenigstens,
nur ein Bruchteil Verwendung finden konnte, sehr viele aber, die sich
gern der grossen Sache widmen möohten, betrübt beiseite stehen müssen.
— Geheimrat Prof. Dr. v. Grashey, Leiter des bayerischen Medi¬
zinalwesens, ist in München im Alter von 75 Jahren gestorben.
Hoohschnlnaohrichten.
Cölna. Rh. Habilitiert: Dr. Ebel er, Sekundärarzt an der gynäko¬
logischen Klinik der Akademie für praktische Medizin. — München.
Habilitiert: DDr. Lesser für Chirurgie und Straub für innere
Medizin. — Zürich. Habilitiert: Dr. Steiger für innere Medizin.
Amtliche Mitteilungen.
PerMonallen*
Auszeichnungen: Roter'Adler-Orden 4. Kl.: Geh. San.-Rat Dr.
Reuter in Charlottenburg.
Königl. Kronen-Orden 4. EL: Chefarzt des Krankenhauses in
Pilchowitz, Kr. Rybnik, Dr. Bartsch.
Rettungsmedaille am Bande: Direktor der Landes-Heil- und
Pflegeanstalt in Altscherbitz, Kr. Merseburg, Geh. San.-Rat Dr. Paetz.
Ernennung: Stabsarzt und Bataillonsarzt des 2. Oberrheinischen In¬
fanterieregiments Nr. 99 B. v. Kamptz, kommandiert zur chirurgischen
Universitätsklinik in Marburg, zum Ehrenritter des Johanniterordens.
Niederlassungen: Dr. W. Haesner in Stettin, H. Eggers in Bonn.
Charakter alsGeheimer Sanitätsrat: San.-Räte Prof. Dr. J. Cassel
und Dr. E. Friedländer in Charlottenburg, Dr. M. Goldstein in
Berlin-Lichterfelde, Dr. A. Gottstein und Dr. J. Handtm&nn in
Charlottenburg, Dr. E. Huth in Prenzlau, Dr. E. Kothe in Ober-
glogau, Dr. 0. Lehmann in Charlottenburg, Dr. 0. Mauer und Dr.
L. Plotke in Berlin, Dr. A. Rohden in Bad Oeynhausen, Dr. M.
Rosenstein in Breslau, Dr. 0. Saleoker in Elbing, Dr. R,
Sohaefer, Dr. K.Sohorler and Dr. H. T&enzer in Ch&rlottenbaig,
Dr. W. Wille in Berlin-Schöneberg, Dr. F. Winzer und Dr. St
v. Zelberschwecht - Laszewski in Berlin, Direktor der Pro-
vinziat-Hebammen-Lehranstalt und Frauenklinik Dr. P. Baumm in
Breslau.
Charakter als Sanitätsrat: Aerzte Dr. F. Albrecbt in Sohmitten,
Dr. H. Altenburg in Bebra, Dr. M. Anker in Licbtenrade, Dr. A.
Becker in Gravenstein, Dr. F.Berndt in Stralsund, Dr. B.Beselin
in Berlin-Lichterfelde, Dr. P. Bickenbach in Elberfeld, Dr. M.
Bischofswerder in Berlin, Dr. A. Block in Wandsbek, Dr. F.
Blümel in Berlin, Dr. A. Bremer in Elberfeld, Dr. K. Bruck in
Berlin, Dr. Chr. A. Bruhn in Wentorf, Dr. R. Buch fei d in Elber¬
feld, Dr. H. Buddeberg iu Bielefeld, Dr. 0. Büttner in Erfurt, Dr.
W. Butzbach in Apenrade, Dr. L. Caro in Berlin-Wilmersdorf, Dr.
E. Colla in Gadderbaum, Dr. M. Crüger in Elbing, Dr. H. Demme
in Ummendorf, Dr. W. Ebner in Cöln, Dr. E. Engel mann in
Magdeburg, Dr. Th. Ehrhardt in Landsberg, Bez. Merseburg, Dr. W.
Fischer in Lübbenau, Dr. J. Frankenstein in Cassel, Dr. B.
Frings in Oberbleis, Dr. F. Glasow in Ahlbeck, Dr. N. Golliner
in Burgdorf, Dr. J. Grötschel in Neisse, Dr. M. Gross in Löwen
i. Schl., Dr. P. Grossmann in Kindelbrück, Dr. A. Hampel in
Lassoth, Dr. F. Hayn in Beutben O.-S., Dr. R. Hei mann in Colo,
Dr. A. Helpup in Bielefeld, Dr. P. Hildebrandt in Lüneburg, Dr.
H. Hirschfeld in Spandau, Dr. H. Hollen in Cöln, Dr. R. Kann
in Bad Oeynhausen, Dr. E. Kerns, Oberarzt der Provinzial-Heil- und
Pflegeanstalt in Johanuistal b. Süchteln, Dr. H. Koch in Bad Oeyn¬
hausen, Dr. K. Koch in Wiesbaden, Dr. H. Könneke in Paderborn,
Dr. G. König in Bergen, Bez. Lüoeburg, Dr. A. Koppen in Norden,
Dr. Th. Kosterlitz in Berlin-Schöneberg, Dr. S. Krahö in Cöln,
Dr. E. Kühne in Jodlauken, Dr. F. Lahnstein in Wiesbaden, Dr.
E. Lehfeldt und Dr. J. Lilienthal in Berlin, Dr. A. Lotzin in
Allenstein, Dr. S. Mankiewitz in Neukölln, Dr. W. Mayer in
Aachen, W. Mein borg in Salshausen, Dr. R. Meyer in Osnabrück,
Dr. H. Müller iu Cassel, Dr. W. Müller in Enger, Dr. W. Müller
in Cöln, Dr. H. Nathan in Charlottenburg, Dr. Kl. Niemann in
Rheine, Dr. H. Nieprasch in Cüstrin, Dr. J. Nippen und Dr. G.
Nolden in Cöln, Dr. R. Ohren in Crefeld, Dr. F. Otto in Wies¬
baden, Dr. G. Pasewaldt in Zehlendorf, Dr. F. W. Pieper in
Dürrenberg, Dr. L. Pollack in Berlin, Dr. S. Proskauer in Katto-
witz O.-S, Dr. K. Quint in Solingen, Dr. J. Reimers io Wandsbek,
Dr. W. Rentei in Berlin, Dr. A. Reuter in Sonderburg, Dr. B.
Rossberg in Asohersleben, Dr. P. Soharff in Stettin, Dr. J.
Schoben in Bonn, Dr. G. Schoekiel in Tostedt, Dr. 0. Schuckelt
in Bad Schmiedeberg, Dr. E. Simon in Ullersdorf, Dr. K. Stadt-
länder in Mellendorf, Dr. R. Sunkel in Bielefeld, Dr. K. Theuer-
kauf in Magdeburg, Dr. A. Trottmann in Essen, Dr. M. Troplo-
witz in Oppeln, Dr. M. Umpfenbach in Erfurt, Dr. H. Unger in
Kurnik, Dr. E. Weber in Norderney, Dr. J. Werner in Neukölln,
Dr. M. Werner in Magdeburg, Dr. W. Weatphal in Wilhelmshaven,
Dr. E. Weyhe in Sörup, Dr. J. Wich mann in Hanerau, Dr. F.
Wil lecke in Nordhausen, Dr. E. J. H. P. Wullen weher in Schles¬
wig, Dr. A. Zain in Cöln.
Verzogen: Dr. H. Teufel von Ludwigsburg und Dr. W. Heimaon
von Strassburg i. E. nach Stettin, Dr. E. Schütte von Osnabrück,
Dr. F. Stüber von Hildesheim, Dr. J. Eicke von Stade und Dr. K.
Klipstein von Lüdenscheid nach Lüoeburg, Dr. H. Sauter von
Radolfzell nach Harburg, Dr. S. Seliginann von Wittlicb, Dr. B.
Martens von Kiel, Dr. B. Hirschmann von Cöln und Dr. R. Weid¬
lich von München nach Frankfurt a. M.
Gestorben: Dr. P. Müller in Stettin, Kreisarzt a. D., Geh. Med.-Rat
Dr. ^lingelhöffer in Frankfurt a. M., San.-Rat Dr. K. Brock¬
müller in Cöln-Mülheim, San.-Rat Dr. J. Longard in Sig-
maringen.
Pör di« Redaktion yerantir örtlich Prof. Dr. Han« Ko ho, Berlin W„ Bayreuth« Strwae«.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Sohumaoher in Berlin N.4.
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UNIVERSUM OF IOWA
Die Berliner KNnlsehe Wochenschrift orscheint Jedeo
Montag In Nummern ca. 5—6 Bogen gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Mirk. Bestellungen nehmen
alle Bucbhaiidluugon und Fostansialten an-
BERLINER
Alle Einsendungen fQr die Redakti<m and Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirachwald in Berlin NW., Unter den I-indeu
Nr. 68, adressieren.
KUN ISCHE WOCI IENSC I ffilFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
fielt Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kolm. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 14. September 1914. JdL 37. Emundfüofzigster Jahrgang.
INHALT.
OriginaltaB : Wolter: Ueber die Rolle der Kontaktinfektion in der Wöchnerinnen. S. 1631. Maunu af Heurlin: Bakteriologische
Epidemiologie der Cholera. S. 1621. Untersuchungen der Genitalsekrete der nichtschwangeren und nicht-
Coenen: Hypernephrom des Zungengrundes. (Aus der Königl. puerperalen Frau vom Kindes- bis ins Greisenalter. S. 1631. (Ref.
chirurgischen Universitätsklinik in Breslau.) (Illustr.) S. 1626. Haendly.) — Polano: Geburtshilflich-gynäkologische Propädeutik.
Renner: Behandlung der Blasentumoren mit Hochfrequenzströmen. S. 1631. Fromme: Die Gonorrhöe des Weibes. S. 1631. (Ref.
(Aas der urologischen Poliklinik der chirurgischen Klinik zu Zuntz.)
Breslau.) S. 1627. Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1632. — Therapie. S. 1632. —
Kunreuther: Ueber Methodik der Schwangerschaftsunterbrechung Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1632. —
und gleichzeitiger Sterilisation bei Lungentuberkulose. (Aus der Parasitenkunde und Serologie- S. 1632. — Innere Medizin. S. 1633.
Frauenklinik von L. und Th. Landau zu Berlin.) S. 1629. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1633. — Kinderheilkunde.
Piorkowski: Trockennährböden. (Aus dem bakteriologischen In- S. 1683. — Chirurgie. S. 1633. — Röntgenologie. S. 1633. — Haut-
stitut von Dr. Piorkowski, Berlin.) S. 1630. und Geschlechtskrankheiten. S. 1633. — Augenheilkunde. S. 1633. —
Meyer: Nachtrag zu der Abhandlung: Ueber Neuralgia brachialis Technik. S. 1633.
und ein eigentümliches Symptom bei derselben. S. 1630. Verhandlungen Ärztlicher Gesellschaft«! : Laryngologisohe Gesell-
Btteherbeepreehungen : Hasebroek: Ueber den extracardialen Kreislauf schaft zu Berlin. S. 1633.
des Blutes vom Standpunkt der Physiologie, Pathologie und Therapie. Die Kriegsseuchen. (Vortragsreihe über ihre Erkennung und Behand-
S. 1631. (Ref. Buttcrsack.) — Maunu af Heurlin: Bakteriologische lung unter besonderer Berücksichtigung der ersten Diagnose.) S. 1635.
Untersuchungen des Keimgehaltes im Genitalkanale der fiebernden Tagesgesohichtl. Notizen. S.1636. — Amtl. Mitteilungen. S.I636.
Ueber die Rolle der Kontaktinfektion in der
Epidemiologie der Cholera.
Auf Grund der bisher über das Auftreten der Cholera auf
dem Kriegsschauplätze des Balkankrieges 1912/13
vorliegenden Berichte.
Von
Dr. Friedrich Wolter-Hamburg.
I.
Ueber die Rolle der Kontaktinfektion in der Epidemiologie der
Cholera nach den Erfahrungen auf dem Kriegsschauplätze des Balkan¬
krieges 1912/13 sind in dieser Wochenschrift kürzlich zwei Arbeiten er¬
schienen, welche zu ganz entgegengesetzten Resultaten kommen.
Während Eckert (in Nr. 50; 1913) auf Grund seiner Erfahrungen in
Bulgarien zu dem Schluss kommt, dass die Kontaktinfektion wohl unter
gewissen Umständen ein so explosives Entstehen einer Cboleraepidcmie,
wie es vor Tschataldscha beobachtet wurde, hervorrufen könne, dass sie
aber bei der Verbreitung der Seuche keine irgend wichtige Rolle spiele,
kommt Au mann auf Grund seiner Erfahrungen in Serbien zu dem Re¬
sultat, dass hier die Kontaktinfektion von ausschlaggebender Bedeutung
für die Verbreitung der Seuche über ein ganzes Land war. Beide
Arbeiten finden eine für unsere Betrachtung wichtige Ergänzung in einer
Arbeit von Geissler über die Cholera auf dem Kriegsschauplätze des
Jahres 1912/131).
Eckert beginnt seinen Bericht mit einer lebhaften Schilderung, wie
der Siegeslauf der Bulgaren gegen Konstantinopel in der Tsohataldscha-
lmie, als sie hier aus politischen bzw. militärischen Gründen haltmachen
mussten, vor allem dadurch gehemmt worden sei, dass plötzlich, geradezu
explosionsartig, die Cholera unter den Divisionen vor Tschataldscha auf¬
getreten sei. Die Höhe der durch die Seuche verursachten Verluste be-
na<J h bulgarischen Quellen 16000 Mann, nach Prof. Kraus-Wien
29600 Erkrankungen mit 6,2 pCt. Todesfällen.
In gleicher Weise erfolgte das Auftreten einer explosiven Cholera-
epidemie bei der türkischen Ostarmee, als dieselbe nach der verlorenen
ocblacht von Lüle Burgas zurückweichend in der Zeit vom 6. bis 10. No¬
vember 1912 io die Tschataldschalinie hineinströmte. Hinter derselben
Sudeten sich allmählich grosse Lager völlig durcheinander gekommener
Truppenteile, deren grösstes bei Hademköj und Muhaköj etwa 80000 Mann
enthalten haben soll.
Zu Beginn des Feldzuges konnte nach Geissler die Cholera in der
1) Zschr. f. Med.-Beamte, 1918, Nr. 5.
türkischen Armee wie in Konstantinopel als erloschen angesehen werden.
Die ersten Cholerafälle 1 ) traten erst kurze Zeit nach der Schlacht bei Lüle
Burgas auf, also Anfang November. Die erste von Wieting in Kon-
stantinopel festgestellte Choleraerkrankung betraf einen Zivilisten, der
mit einem Marmaradampfer von Rodosto gekommen war. Seine Heimat
war Gegerl. Am folgenden Tage wurden dem deutschen Krankenhause
in Konstantinopel zwei choleraverdäohtige Fälle gemeldet, die das Eisen¬
bahnpersonal aus Tscherkeskoi (Bahnstation zwischen Lüle Burgas
und Stambul) betrafen und die in derselben Gegend beheimatet waren.
Gleichzeitig wurde aus Hademkoi, einem wenige Kilometer östlich von
Tschataldscha gelegenen Städtchen, eine grosse Zahl sicherer Cholerafälle
gemeldet.
Diese zeitlich zusammenfallenden Beobachtungen und Meldungen
von verschiedenen Seiten beweisen am besten das plötzliche Auftreten
der Cholera im Bereiche der Stellungen der türkischen Ostarmee vor
vor Tschataldscha, während die Westarmee völlig verschont war und
blieb (Geissler).
Zur Prüfung der Gesundheitsverhältnisse an der Front war Mitte
Oktober 1912 eine Kommission unter Prof. Wieting abgesandt; die¬
selbe kam aber nur bis Tscherkeskoi, da die Bahn bereits in den HäDden
der Bulgaren war. Nirgends konnte man aber zu dieser Zeit
(etwa 15. Oktober) eine Erkrankung oder einen Verdacht von
Cholera bemerken. Das Auftreten der Cholera erfolgte, wie schon
gesagt, vielmehr bei der türkischen Ostarmee erst dann, als dieselbe nach
der verlorenen Schlacht bei Lüle Burgas in völliger Verwirrung zurück¬
weichend die Tschataldschalinie erreicht hatte und hier in ihre Ver¬
teidigungsstellung einrückte (6. bis 10. November). Hier häuften sich
innerhalb weniger Tage die Cholerafälle auf über 1000. Zu der Cholera
gesellten sich hier noch Ruhr und Typhus, die klassischen Kriegsseuchen
(Geissler).
„Wie gross tatsächlich die Verluste durch die Cholera gewesen sind,
wird schwer jemals mit Sicherheit festzustellen sein“, heisst es in dem
vom deutschen Generalstab herausgegebenen Bericht über den Balkan¬
krieg 1912/13 (H. 50 der kriegsgeschichtlichen Einzelschriften, Berlin
1914). „Nach einer Schätzung sind im November 1912, also wohl
grösstenteils in der ersten Hälfte des Monats, 15000 Mann dieser Seuche
und anderen Krankheiten der Verdauungsorgane zum Opfer gefallen. In
der Zeit vom 11. bis 25. November trafen in dem Seuchenlazarett
San Stefano etwa 15000 Kranke ein, die allerdings nicht alle an Cholera
litten. Davon starben in der angegebenen Zeit etwa 3200 Mann. Erst
vom 19. November ab wurde eine Abnahme der Zahl der Choleraerkran¬
kungen beobaohtet (s. H. 50, S. 103).“
1) Die Daten derselben sind leider nicht angegeben.
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UNIVERSITY OF IOWA
1622
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 37.
Das Auftreten der Cholera auf dem Kriegsschauplätze wird nun von
Geissler darauf zurückgefübrt, dass sie von den syrischen Regimentern
eingeschleppt sei, die zum Teil in der Gegend von Damaskus und Adana
garniaoniert waren. Hier, wo die Cholera endemisch herrscht, waren in
der Zeit Yom 18. Juli bis 5. November 1912 518 Cholerafälle zur Beob¬
achtung gekommen.
Geissler stellt aber selbst fest, dass diese auf dem Landwege über
den Taurus herangeführten syrischen Truppen, soweit sie suspekt waren,
eine Quarantäne durcbgemacht hatten, und dass sich der Verdacht in¬
sofern unbegründet gezeigt habe, als keine klinisch Kranken beobachtet
wurden. Auch zeigten sich die ersten Cholerafälle bei der Ostarmee
erst 8—10 Tage, nachdem diese syrischen Regimenter an der Front ein¬
getroffen waren. Es liegt also sehr wohl die Möglichkeit vor, dass ihr
Eintreffen nur ungefähr zeitlich mit dem Auftreten der Cholera auf dem
Kriegsschauplätze zusammengefallen ist, wobei auch zu beachten ist,
dass die Choleraursache sich gleichzeitig an verschiedenen Orten des
Kriegsschauplatzes geltend machte (Gegerl, Tscherkeskoi, Hademkoi),
und dass die ersten Fälle Zivilisten bzw. Bahnbeamte betrafen.
Zu beachten ist ferner vor allem, dass sich die Choleraursache
bereits in den Jahren 1910 und 1911 in den Balkanstaaten geltend ge¬
macht hatte, und dass die Seuche im Jahre 1912 ebenso wie 1910 und
1911 die grösste Ausbreitung in den letzten Monaten des Jahres
zeigte*).
Jedenfalls scheint sich aus den bisherigen Berichten also zu ergeben,
dass die Cboleraur9ache sich im Jahre 1912 erst im Bereiche der
Stellungen der Tschataldschalinie in solcher Iotensität geltend gemacht
bat, dass sowohl das bulgarische wie das türkische Heer hier von einem
epidemischen Auftreten der Seuche ergriffen wurden. Es erhebt sich
nun hier die Frage: Ist dieses im Bereiche der Tschataldscha-
stellung erfolgte explosive Auftreten der Seuche daraus zu
erklären, dass die beiden Heere hier der sich aus dem Boden
entwickelnden, örtlich-zeitlich bedingten miasmatischen
Choleraursache ausgesetzt waren, oder ist es aus einerKon-
taktinfektion im weiteren Sinne, wie Eckert es für die Bulgaren
annimmt, zu erklären? Eckert bemerkt zunächst, dass das Trink¬
wasser für das explosive Auftreten der Cholera vor Tschataldseha nur
in geringem Maasse verantwortlich gemacht werden könnte. Nach seiner
Auffassung ist der Infektionsmodus vielmehr folgender: „Die Bulgaren,
welche an die Benutzung der Latrinen nicht gewöhnt seien, hätten ihre
Eicremente auf den Boden deponiert, so dass der Boden ihres Biwaks
sich in einen Morast verwandelte; die Mannschaften wateten hindurch,
kämen ins Lager zurück, zögen die Stiefel au9 und setzten sich zum
Essen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich zuvor zu waschen. So sei
die beste Gelegenheit zur Infektion gegeben, und zwar, worauf Eckert
besonderes Gewicht legt, zur Infektion mit einer grossen MeDge von
Material.
Bei dieser kontagionistischen Auffassung der Entstehungsursachen
der im Bereiche der Tschataldschalinie explosiv auftretenden Epidemie
bleibt indessen eine Tatsache unerklärlich: warum verursachte der aus
dem Epidemiegebiet nach Konstantinopel zurück fl utende Menschenstrom,
den Geissler und Wieting auf mehr als J00000Menschen bezifferten,
in Konstantinopel keine Epidemie oder gar keine Pandemie, wie
Geissler sie befürchten zu müssen glaubte? „Es grenzt an das Un¬
fassbare, dass nicht die ganze Hauptstadt einer Pandemie zum Opfer
fiel“, sagt Geissler, indem er hinzufügt: „unfassbar auch deswegen,
weil erst sehr spät Schritte getan wurden, den Derkossee, die Wasser¬
quelle Konstantinopels im Norden der Stadt, dessen Zuflüsse zum Teil in
verseuchtem Gebiet lagen, durch einen wirksamen Kordon zu sperren
und durch fliegende Laboratorien täglich bakteriologisch untersuchen zu
lassen.“
So unfassbar und geradezu unerklärlich dieses Verschontbleiben
Konstantinopels von einem epidemischen Auftreten der Cholera den Ver¬
tretern der kontagionistischen Richtung erscheinen muss, so natürlich
und selbstverständlich erscheint es uns, wenn wir den lokalistischen
Hauptcbarakterzug der Cholera beachten, der sich in der der Seuche
eigentümlichen lokalen Begrenzung ihres endemischen und epidemischen
Auftretens ausprägt.
Nach den Feststellungen der epidemiologischen Forschung bildet
diese lokale Begrenzung den hervorstechendsten Charakterzug der Cholera.
Schon James Cuningham, welcher 30 Jahre lang als Leiter des
Sanitätsdienstes der indischen Regierung die CholerabewegUDg in Indien
verfolgt hat, bezeichnet die lokale Begrenzung der Cholera¬
epidemien als „eine der grossen Tatsachen* der Cholera¬
epidemiologie. In gleicher Weise sagt Pettenkofer: „Die auf¬
fallende örtliche Begrenzung der Choleraepidemien ist nicht
nur bei uns, sondern überall, auch in Ostindien, in der
Heimat der Cholera, eine sicher konstatierte Tatsache.
J. Cuningham stellt diese Eigenschaft mit Recht unter die
great facts, unter die grossen Tatsachen, welche konstatiert
sind.“
Ebenso präzisierte Griesinger, bekanntlich einer der besten Kenner
der Cholera, diesen Hauptcharakterzug in folgender, für die in Rede
stehende Epidemie im Bereiche der Tsohataldschastellung besonders
prägnanter Weise:
1) W. Freise - Bonn, Die Epidemiologie der asiatischen Cholera
seit 1899 (VI. Pandemie). Arch. f. Schiffs u. Trop. Hyg., 1913, Bd. 17,
Beiheft 5.
„Als Epidemie bleibt die Cholera innerhalb eines ge¬
wissen Rayons, über welchen nur vereinzelte Fälle hinaus-
gehen. Sie überschreitet z. B. in einem gewissen Jahr nicht Berlin
gegen Westen, wiewohl der Verkehr derselbe ist wie in anderen Jahren .. .;
sie tritt in den Umgebungen einer stark durchseuchten Stadt nicht über¬
all in einer dem Verkehr entsprechenden Stärke auf, einzelne Dörfer
in nächster Nähe bleiben zuweilen vollkommen frei, während andere
ungemein stark leiden; am Orte der Epidemie selbst herrscht sie, ob¬
wohl doch der Verkehr in einer grossen Stadt überall bin geht, häufig
lange ganz überwiegend, fast ausschliesslich in einem Teil, einer Vor¬
stadt u. dgl.; kurz, das Auftreten der Cholera zeigt eine Menge von
Umständen und Eigenheiten, welche sich durch den Verkehr nicht mehr
erklären lassen. — Dieses, die ungleichartige, die nach manchen
Richtungen und zu m&nohen Zeiten trotz des lebendigsten Ver¬
kehrs, trotz aller Umstände, welche ihr Weiterschreiten sonst zu fördern
scheinen, gar nicht erfolgende Verbreitung, ist der dunkle
Punkt und das eigentliche Geheimnis in der Aetiologie der
Cholera.“
Dieses eigentliche Geheimnis in der Aetiologie der Cholera, wie es
uns also auch wieder auf dem Kriegsschauplätze von 1912/13 in der
auffallenden Örtlichen Beschränkung der Epidemie auf den Bereich der
Tschataldschalinie entgegentritt, findet nun nach Pettenkofer seine
Erklärung darin, dass sich im Bereiche solcher grösseren oder kleineren
lokalbegreDzten Herde die primäre, miasmatische Choleraursache unter
dem Eiufluss gewisser klimatischer Faktoren aus dem Boden entwickelt.
Den eigentlichen lofektionsmodus bezeichnete Pettenkofer noch im
Jahre 1S89 bei fast allen zeitweise epidemisch auftretenden Infektions¬
krankheiten, namentlich bei Typhus und Cholera als ganz unbekannt,
indem er besonders hervorhob, dass diese Epidemien nicht auf
kontagionistischem Wege entständen. Eine Klärung dieser wichtig¬
sten Frage des Seuchenproblems erwartete Pettenkofer von den
weiteren Fortschritten der bakteriologischen Forschung, und diese haben
nun inzwischen ergeben, dass es sich bei diesen Krankheitsprozessen
nicht, wie R. Koch damals annabra, um saprophytiscbe, sondern um
obligate Bacillen bandelt, deren eigentlicher Nährboden die Gewebe des
menschlichen Körpers sind. Damit ist nun, wie ich in meinen früheren
Arbeiten ausgeführt habe, die Möglichkeit einer Verständigung zwischen
den beiden sich entgegenstehenden Auffassungen gegeben, wenn man
nämlich annimmt, dass es sich bei diesen sogenannten Bodenkrankheiten
primär um miasmatische, sich aus dem Boden entwickelnde Krankheits¬
ursachen handelt, unter deren Einfluss die Gewebe unseres Körpers, die
nach R. Koch den eigentlichen Nährboden der obligaten Mikroorganismen
darstellen, erkranken, worauf dann sekundär auf dem so veränderten
Nährboden die Entwicklung der Cholera-, Typhus- usw. Bacillen aus
anderen Mikroorganismen (Bacter. coli) in unserem Körper erfolgt.
Bei solcher Auffassung der Choleragenese wird unserem Verständnis
jedenfalls die epidemiologische Tatsache näher gebracht, dass das Auf¬
treten der Cholera als Epidemie stets örtlich begrenzt zu sein pflegt,
wie es hier im Bereiche der Tscbataldschastellung wieder der Fall ist.
Aus einer solchen Choieraörtiichkeit können nun nach Pettenkofer
Flüchtlinge in ihren Kleidern und Effekten soviel ektogenen (miasmati¬
schen) Iofektionsstoff mitnehmen, wie hinreicht, um an ihrem neuen
Aufenthaltsorte einzelne Krankheitsfälle unter den Personen ihrer näch¬
sten Umgebung zu veranlassen. So betrafen nach Geissler die in
Konstantinopol täglich gemeldeten einzelnen Fälle nur Emigranten oder
deren VerwandteoanhaDg eventuell auch die Wohnungsgeber. Ganz die¬
selbe Beobachtung, dass es bei solchen vereinzelten Fällen blieb, war
von Eckert im Sommer des Jahres 1913 in Sofia gemacht, wie wir
weiter unten sehen werden, ohne dass in Sofia eine Epidemie entstanden
wäre, obwohl sich ein Strom von 40 000 mazedonischen Flüchtlingen
über die bulgarische Hauptstadt ergoss. Das Verschontsein Konstantinopels
wie Sofias von einem epidemischen Auftreten der Seuche aber ist offen¬
bar daraus zu erklären, dass die örtliche Disposition hier und dort fehlte.
Aus dem Fehlen der örtlichen Disposition erklärt sich auch das
Freibleiben von San Stefano, in dessen unmittelbarer Nähe' ein grosses
Barackenlager alle Cholerakranken sammelte. „Dass ein Uebergreifen der
Cholera auf den Ort San Stefano verhindert wurde, Ist bei dem innigen
Konnex, in dem die Einwohner mit den Soldaten, Gesunden und
Kranken bei der anfangs herrschenden Verwirrung und Systemlosigkeit
standen, nahezu unverständlich,“ sagt Geissler. „Die Kontaktfälle
(im Anfang),“ fügt er hinzu, „hörten später nach Verwirklichung des
neuen Projektes zwar auf, dafür aber blieben die Wasser quellen,
Ziehbrunnen verseucht, namentlich die, welche an. der Cholerawieae (wo
das Barackenlager stand) lagen und von der Zivilbevölkerung mitbenutzt
wurden.“ San Stefano hat zwar eine neue, 6—8 km weit von Nord¬
osten herkommende Quellwasserleitung, neben derselben wurden aber
zum Teil alte Brunnen mitbenutzt, weil nicht überall Anschlüsse vor¬
handen waren. Diese Brunnen waren nach Geissler zum grossen Teil
infiziert, erwiesen sich jedoch als „infektionsuntüchtig“, was Geissler
aus dem hohen Kalkgehalt zu erklären geneigt ist (?). „Innerhalb des
Barackenlagers waren Kontaktinfektionen nur ganz vereinzelt im Anfang
wahrzunehmen, akute Cholerafälle kamen nur mit den Trans¬
porten von der Front,“ fügt Geissler hier hinzu.
Es erhebt sich nun die Frage, ob für die Tschataldsohastellung
denn die örtlichen Bedingungen der CholeraentstehuDg nachweislich
vorhanden sind. Wir erinnern uns hier, dass das wichtigste örtliche
Moment für die Choleraeotstehung ein gewisser Wasserreichtum des
Bodens ist, wie er resultiert aus der natürlichen Lage (tiefe Lage,
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UNIVERSUM OF IOWA
14. September 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT._ 1623
Nähe des Wassers, muldenförmiges Terrain) und dem klimatischen
Charakter der Oertliehkeit, mit der Maassgabe jedoch, dass der Boden
für die Choleraentstebung zeitweise sowohl zu wasserreich, wie auch zu
trocken sein kann.
In dieser Beziehung ist nun von besonderem Interesse, dass die
Tsohataldschastellung nach der Darstellung der örtlichen Verhältnisse,
wie sie in dem Berichte des deutschen Generalstabes gegeben und in
Karte 4 veranschaulicht ist, durch zwei Eigentümlichkeiten ausgezeichnet
ist, welche nach Pettenkofer eine erhöhte örtliche Disposition für die
Cholera bedingen: nämlich durch Terrainmulden und durch Steil*
ran der, die beide durch mangelnde natürliche Drainage ausgezeichnet
zu sein pflegen.
Die Tschataldschalinie stellt nämlich einen 23 km in der Luftlinie
langen, tiefen Terraineinsohnitt dar, welcher 50 km westlich von Kon¬
stantinopel vom Derkossee im Norden zum Tschekmedschesee im Süden
sich erstreckt und auf dessen 2000 —3000 m breiter Talsohle der
Katartschi- und Karasubach im Süden und ein Zufluss des Derkossees
im Norden die Zuflüsse aufnehmen, welche ihnen aus den Quertälern
des östlichen Bergrückens zufliessen. Der Bergrücken östlich der
Niederung erhebt sich zu fast der gleichen Höhe wie der auf der West¬
seite. In den östlichen Bergrücken schneiden vom Katartschifluss aus
zahlreiche Quertäler teilweise ziemlich tief ein. Dadurch entstehen
schmale, in die Niederung hinein sich erstreckende Höhenzüge, auf deren
vorderen Bergnasen die Befestigungswerke der Türken lagen. Die ganze
Gegend der Tsohataldschastellung, deren Länge in der Luftlinie 28 km
beträgt, steht, was die Feuchtigkeit des Bodens und der Atmosphäre
betrifft, unter den Einflüssen des Schwarzen Meeres mit dem Strandsee
von Derkos im Norden und des Marmarameeres mit den tiefen Ein¬
schnitten der Bucht und des Sees von Buj-Tschedmedsche im Süden
(siehe Karte 4 des Generalstabsberichts).
Was nun den zeitlichen Verlauf der Epidemie betrifft, so war nach
dem deutschen Generalstabsbericht das Auftreten der Cholera im Be¬
reiche der Tscbataldscbastellung in der ersten Hälfte des November
ein explosives; ebenso überraschend schnell nahm vom 19. November
an die Seuche an Ausdehnung ab; Ende Dezember konnte naoh
Geissler die Cholera an der Front, was akute Fälle anbetrifft, als er¬
loschen angesehen werden.
Dieser zeitliche Verlauf, über welchen übrigens die bisher vor¬
liegenden Berichte leider sehr widersprechende Angaben aufweisen,
dürfte seine Erklärung in der zeitlichen Verteilung der Regenmengen
finden. Nach einer freundlichen Mitteilung von Prof. Wieting ist der
Anfang der Epidemie noch in die trockene Zeit gefallen. Später traten
nach Geissler „beispiellose Regengüsse und Ueberschwemmungen ein“.
Wir erinnern uns hier, dass nach Pettenkofer der Ausbruch der
Epidemien vorwiegend in trockene Zeiten zu fallen pflegt, grössere
Regenmengen aber zu dem raschen Ablaufe solcher Epidemien wesentlich
beizutragen pflegen.
II.
Nach Beendigung des ersten Krieges gegen die Türken verschwand
die Choleraepidemie binnen kurzem fast ganz (Eckert). Im Sommer 1913,
und zwar, wie Prof. Wieting mir schreibt, „in der trockensten
Jahreszeit, die es dort gibt,“ erfolgte sodann das Wiederauftreten
der Seuche: im Juni und Juli. In dieser Zeit wurde die bulgarische
Armee von Tschataldscha und Bulair durch Macedonien nach der bulgari¬
schen Grenze zurückgezogen.
„Auf diesem Marsche infizierte sie die macedonischen Dörfer, so¬
weit es nicht schon vorher geschehen ist,“ sagt Eckert. Es
scheint sich danach die Choleraursache schon vorher in Macedonien
geltend gemacht zu haben.
Der Kriegsschauplatz lag nunmehr in grösserer Nähe von Sofia,
teilweise nur etwa 120 km davon entfernt. Die Hauptstadt erschien
einmal durch die etwa 40 000 macedonischen Flüchtlinge, sodann aber
auoh durch den regeren Verkehr der Feldarmee gefährdet. Bis An¬
fang August waren in dem Choleraspital bei Sofia 600 von aussen
eingeschleppte Cholerafälle festgestellt, im August und September kamen
noch über 200 hinzu.
»Trotz dieser dauernden Einschleppung von Cholera-
fällen, trotz mangelhafter hygienischer Schulung der Be¬
völkerung hat die Cholera in der hygienisch einwandfrei
versorgten Stadt Sofia niemals festen Fuss fassen können;“
,D diesen Worten fasst Eokert das Resultat seiner Beobachtungen zu¬
sammen. „Sofia ist^ohön gelegen, zwischen dem Gebirgsmassiv des
Witoscb (2200 m) und dem kleinen Balkan (1700 m) in einer fracht-
baren Talmulde. Ein Teil der Strassen ist gepflastert, der Rest raaka-
damisiert. Sofia ist absolut sauber, schlechte Gerüche haben wir nie
bemerkt, stagnierende Gewässer gibt es in der Umgebung
nicht, zwei Gebirgsbache mit reissendem Gefälle fliessen an Sofia vor-
, l • » • Die Stadt ist im Besitze einer vorzüglich funktio¬
nierenden Kanalisation (!), die für eine gründliche und schnelle
.®Rjffung der Abwässer sorgt, und einer Wasserleitung, deren Quellen
toschgebirge gelegen, gegen jede Verunreinigung sicher geschützt
. • »Sofia ist demnach,“ so schliesst Eckert seine Beschreibung,
»eine nach jeder Richtung hin hygienisch einwandfrei versorgte Stadt.“
... Weiter stellt nun Eckert fest, dass unter den 160 Cholerafällen,
über die er genauere Aufzeichnungen besitzt, sich nur 24 befanden, die
innerhalb Sofias erkrankt waren, und hierunter wieder 8 Soldaten der
Feldarmee und 4 Ehefrauen bzw. nähere Angehörige von Erkrankten.
Diese 24 Fälle kamen nicht gehäuft vor zu bestimmter Zeit oder in be¬
stimmten Strassen, sondern trugen durchaus den Charakter sporadischer
Erkrankungen.
So kommt Eckert zu dem Schluss: Eine hygienisch einwand¬
frei versorgte Stadt soheint demnach selbst von massenhaft
eingeschleppten Cholerafällen nichts Ernstliches zu be¬
fürchten zu haben. Man traut seinen Augen kaum, wenn man in
unserer Zeit eine so glänzende, beinahe wörtliche Bestätigung der „ver¬
alteten“, völlig erledigten“ Cboleralehre Max v. Pettenkofer’s liest!
Diese Beobachtung bestätigt Eckert sodann noch durch seine Er¬
fahrungen in dem 2 km von Sofia entfernten Cholerahospital, welche er
dahin zusammenf&sat:
„In einem mit Wasserleitung und Kanalisation hygienisch
gut versehenen Spital kamen hier trotz mangelhafter per¬
sönlicher Prophylaxe und trotz der dauernd gegebenen Ge¬
legenheit zu Kontaktinfektionen Hausepidemien nicht vor.“
Es kam nur eine Bausinfektion vor, und diese betraf einen älteren Des¬
infektor, „der von seinem geliebten Carbolspray recht ausgiebig Gebrauch
gemacht hatte“.
Diese Tatsache, dass in dem Hospital nur eine einzige Hausinfektion
vorkam, ist noch in einer anderen Beziehung epidemiologisch sehr be¬
deutsam. Mau hat ja bekanntlich den Fliegen eine bedeutsame Rolle
bei der Verbreitung der Cholera zusebreiben wollen. In dem Cholera¬
spital bei Sofia war nun die Fliegenplage nach Eckert eine „ganz
enorme“, da das Spital zwischen einem städtischen Abfuhrplatze und
dem Schlachthause lag. „In dichten Scharen bedeckten sie die Wände,
BetteD, das Geschirr, und wir müssen gestehen“ sagt Eckert, „dass
unser Kampf gegen die Fliegen wenig erfolgreich gewesen ist.“ „Fliegen¬
fenster verschlimmerten die Sache und hielten die Fliegen im Zimmer
zurück, Formalin bewährte sich nicht, die Patienten waren empfindlicher
dagegen als die Fliegen. Den besten Erfolg hatten wir noch, wenn wir
mehrmals am Tage Türen und Fenster öffnen und dann die Leichtkranken
mit Tüchern die Fliegen veijagen Hessen.“ Dabei ist nun zu bedenken,
dass in den stark belegten Zimmern die Betten eng aneinander standen,
die Schwerkranken ihre Nachtgeschirre im Zimmer benutzten, und dass
es bei dem grossen Personalmangel nicht durchführbar war, dass dann
die Eicreraente jedesmal unmittelbar nach der Entleerung mit Carbol-
wasser oder sonst einem Desinfizienz übergossen und unschädlich ge¬
macht wurden. Sie blieben öfter längere Zeit offen stehen. —
Trotz alledem, trotz der enormen Fliegenplage und obwohl oft Verletzte
tage- und vereinzelt auch wochenlang in unmittelbarster Nähe von
cbolerakranken mit positivem Bacillenbefund lagen, ist, wie Eckert
wiederholt hervorhebt, ausser jenem Desinfektor eine Hausinfektion nicht
beobachtet. — So kommt Eckert zu dem Schluss:
„Die Fliegen scheinen ebenfalls für die Verbreitung der
Cholera nicht in Betracht zu kommen, obwohl der Beweis er¬
bracht ist, dass Cholerakeime durch Fliegen verschleppt werden können.“
Eckert erörtert sodann auf Grund seiner Erfahrungen in Bulgarien
die Frage, welche Rolle die Bacillenträger in der Epidemio¬
logie der Cholera spielen. Hierbei kommt er zu dem Schluss:
„Die Bacillenpersistenz spielt, wie dies in der Literatur bereits nieder¬
gelegt ist, in der Epidemiologie der Cholera eine ganz andere, weit
weniger bedeutsame Rolle als etwa beim Typhus oder bei der Diphtherie.
Für die praktische Hygiene darf in der Tat der klinisch Ge¬
sunde im allgemeinen für vibrionenfrei gelten“, wie das ja
auch in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck komme, indem
für gesunde Reisende aus Choleragebieten keine Quarantäne, sondern
nur eine 5 tägige Beobachtung des Gesundheitszustandes vorge-
sebrieben sei.
Diese Eckert’sche Feststellung ist von prinzipieller Bedeutung für
die EvakuieTungsfrage im Kriege, indem sie die Pettenkofer’sche Auf¬
fassung bestätigt, dass man im Kriege, falls die Cholera auf dem Kriegs¬
schauplätze ausbricht, Truppenteile und Gefangene nach einem cholera-
freien Hinterlande unbedenklich evakuieren dürfe, ohne eine epidemi¬
sche Ausbreitung der Seuche befürchten zu müssen 1 ). Dabei ist nach
Pettenkofer durchaus zuzugeben, dass Personen, welche aus einer
Choleralokalität kommeD, aus derselben in ihren Kleidern und Effekten
soviel ektogenen (miasmatischen) Infektionsstoff mitbringen können, dass
sie, auch ohne selbst erkrankt zu sein, unter den Personen ihrer nächsten
Umgebung resp. derselben Raumatmosphäre einzelne Choleraerkrankungen
verursachen können. Zur Vermeidung solcher Fälle von Uebertragung
der Cboleraursache hat Pettenkofer auf diesbezügliche Erfahrungen
aus bayerischen Gefangenenanstalten hingewiesen, welche lehren, dass
es von Wichtigkeit ist, dass die aus einem Choleraort kommenden
Personen nur frisch gebadet, mit reiner Wäsche, reinen Kleidern und
mit längerer Zeit nicht gebrauchten Effekten die Choleralokalität ver¬
lassen.
„Man war bisher nur immer bestrebt, die Einschleppung
der Cholera in cholerafreie Orte durch Kranke zu ver¬
hindern“, sagt Pettenkofer, „man richtet vielleicht mehr aus,
wenn man strebt, die Ausschleppung duroh Personen zu ver¬
hindern, welche einen Choleraort verlassen.“
Auf seiten der Ko oh’sehen Schule ist man heute überzeugt,
dass die von solchen aus einem Choleraorte kommenden Personen
drohende Gefahr darin begründet sei, dass diese Personen Keimträger
1) Pettenkofer, Zur Cbolerafrage. S. 688ff.
1 *
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1624
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 37.
sind uod die in ihren Entleerungen vorhandenen Krankheitskeime direkt
durch Kontakt auf die Personen oder indirekt durch Wasser-, Milch¬
oder Nahrungsmittelinfektion auf einen grösseren Kreis übertragen.
Es ist nun von ausserordentlichem Interesse, dass auch beim Fleok-
typhus unter gewissen Umständen eine solche Uebertragung der Krank¬
heitsursache auf die Personen der nächsten Umgebung stattfindet, ohne
dass hier eine ähnliche Erklärung wie bei der Cholera in Frage kommen
könnte, denn die Erreger des Flecktyphus sind bisher noch nicht be¬
kannt, und nach R. Koch hat die Erfahrung gelehrt, dass „weder Wasser,
noch die Entleernngen der Kranken für die Weiterverbreitung des Fleck¬
typhus in Betracht kommen“.
Andererseits steht aber fest, dass wie bei Cholera, Abdominaltyphus
und Ruhr, so vor allem beim Flecktyphus einzelne, aus einer verseuchten
Lokalität in einen seuchenfreieD Ort kommende Personen die Krankheits¬
ursache den Personen ihrer nächsten Umgebung vermitteln können.
Dass es sich hier um einen miasmatischen Infektionsstoff handeln muss,
geht 1. daraus hervor, dass solche Uebertragung vorzugsweise in schlecht
ventilierten, menscbenüberfüllten Oertlicbkeiten erfolgt, so z. B. im
Frieden in überfüllten Herbergen, Gefängnissen und Hospitälern, und im
Kriege bei Truppenanhäufungen in schlechten Quartieren, überfüllten
Lazaretten und auf Schiffen; und 2. spricht die von R. Koch bestätigte
und besonders bervorgehobene günstige Einwirkung guter Ventilation,
die er als das einzige Mittel gegen die Verbreitung des Fleck¬
fiebers bezeichnet, für die miasmatische Natur der Ursache der Seuche.
Aus der Geschichte der Kriegsseuchen ist hier die von Niedner
bestätigte Tatsache bervorzubeben, dass durch die aus dem Krimkriege
heimkebrenden Truppen der Flecktyphus wohl nach England, nicht aber
nach Frankreich verschleppt wurde. Niedner führt diese Tatsache
darauf zurück, dass die französischen Truppen zunächst in Marseille in
Quarantäne gelegt wurden, und ferner darauf, dass sämtliche zurück¬
kehrenden französischen Truppen, an ihrem Bestimmungsorte angelangt,
in einiger Entfernung vor der Stadt lagern mussten, hier neue Uniformen
erhielten, gebadet und ärztlich untersucht wurden 1 ). Im Zusammenhalt
mit dieser KriegserfabruDg gewinnt eine Feststellung von Kolle und
Hetseh ein besonderes Interesse, welche in ihrem Lehrbuche vom Jahre
1908 (S. 701) auf die in Krankenhäusern und Gefängnissen gemachten
Beobachtungen hioweisen: . . . dass die Aerzte sich fast regel¬
mässig mit Flecktyphus infizieren, wenn sie die Kranken,
ohne dass diese gebadet und ihrer schmutzigen oder mit
Ungeziefer behafteten Kleider entledigt sind, untersuchen.
Die gebadeten und in frische Kleider gebrachten Kranken
sind meist viel weniger ansteckend für das Pflegepersonal
und die Aerzte“.
Wir haben also bei Cholera und Fleckfieber dieselbe Tatsache, dass
die Krankheitsursache von einzelnen Personen in ihren Kleidern und
Effekten aus einem verseuchten Orte mitgenommen und an einem anderen
Orte auf die Personen derselben Raumatmosphäre übertragen werden
kann, und wir haben ferner die andere Tatsache, dass solche Ueber¬
tragung vermieden oder eingeschränkt werden kann, wenn die be¬
treffenden Personen gebadet und mit neuen Kleidern versehen oder einer
gründlichen Durchlüftung ausgesetzt sind. Diese beiden Tatsachen
haben wir bei der Cholera ohne Ungeziefer und beim Flecktyphus ohne
Bacillenträger zu erklären und kommen daher zu dem Schluss, dass
beide Tatsachen daraus zu erklären sein dürften, dass es sieb bei beiden
Seuchen um miasmatische Krankheitsursachen handelt, die in Kleidern
uod Effekten verschleppt und auf einzelne Personen derselben Raum¬
atmosphäre übertragen werden können. —
Nach dieser in Rücksicht auf den gegenwärtigen Krieg gebotenen
Abschweifung kehren wir wieder zu unserer Betrachtung der Cholera
im jüngsten Balkankriege zurück.
In einer Nachschrift 2 ) zu seinen Ausführungen weist Eckert selbst
wiederholt auf den Gegensatz biD, welcher darin besteht, dass der
explosive Choleraausbruch vor Tschataldscha durch eine Kontaktiofektion
im weiteren Sinne erfolgt sein soll, während in Sofia und im Sofioter
Choleralazarett die Kontaktiofektion tatsächlich nur eine so geringe bzw.
gar keine Rolle gespielt hat. Eckert glaubt, diese beiden sich ent-
gegenstebenden Tatsachen daraus erklären zu können, dass bei der ge¬
ringen Widerstandskraft der Choleravibrionen zum Zustandekommen
eines Infektes im allgemeinen grössere Mengen Virus er¬
forderlich seien, wie sie bei den günstigen hygienischen Zuständen
in Sofia nicht vorhanden waren.
Diese Hypothese widerspricht aber durchaus der von Robert
Koch stets vertretenen Ansicht. Auf der Cholerakonfereoz 1884 sprach
sich Robert Koch wörtlich dahin aus: „Es lässt sich annehmen, dass,
wie es bei anderen Bakterien der Fall ist, sehr wenige Exemplare, unter
Umständen ein einziges genügt, um eine Infektion zu bewirken.“ In
demselben Sinne sprach sich Robert Koch im Jahre 1904 in den Ver¬
handlungen wegen der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 aus,
als vom Gerichtshöfe die Frage gestellt wurde, wieviele Baoillen denn
zur Erregung einer so grossen Epidemie für erforderlich gehalten würden.
Unsere Betrachtung bat uns gezeigt, dass die Eckert’schen Fest¬
stellungen eine geradezu glänzende Bestätigung der Petten kofer’schen
Lehre von der örtlich-zeitlichen Bedingtheit der Choleraentstehung dar¬
stellen. Diese Bestätigung ist um so gewichtiger, als Eckert, wie wir
1) Niedner, Die Kriegsepidemien des 19. Jahrhunderts. 1903.
S. G4.
2) B.kl.W., 1913, Nr. 6.
gesehen haben, niobt etwa vom lokalistiscben Standpunkt ausgeht
sondern vielmehr für die Entstehung der Epidemie vor Tschataldscha
sogar an einer Kontaktiofektion im weiteren Sinne festhält.
In der Pettenkofer’schen Auffassung der Choleraentstehung findet
nun auch der von Eckert selbst hervorgehobene Gegensatz eine be¬
friedigende Erklärung, indem im Bereiche der Tschataldschastellung die
beiden feindlichen Heere der sich aus dem Boden entwickelnden Cholera¬
ursache ausgesetzt waren, wodurch in einer grösseren Reihe der Falle
eine Kontaktinfektion vorgetäusobt wurde, während in Sofia und im
Sofioter Choleralazarett nur einzelne Cholerafälle vorkamen, weil hier
ähnlich wie in San Stefano und in dem dortigen Cholerahospital die
miasmatischen Einflüsse einer Choleraörtlichkeit fehlten.
Von diesem lokalistischen Standpunkte Pettenkofer’s Bind auch
die von Aumann auf Grund seiner Erfahrungen in Serbien erhobenen
Einwände gegen die Eckert’schen Feststellungen sehr leicht zu wider¬
legen.
Es sei zunächst darauf hingewiesen, dass der Au man n’sche Bericht
über die Cholera in Serbien im Jahre 1913 die beiden Hauptcharakter¬
züge der Cholera sehr deutlich heivortreten lässt, nämlich:
1. das herdweise Auftreten der Seuche in scharfer lokaler
Begrenzung. „AU Ausgangspunkte der Cholera in Serbien kommen
zwei Hauptherde in Betracht,“ sagt Aumann, „vod denen der eine
an der Bregalnitza in dem Gebiete Kocaoa, Stip, Kumanowo ge¬
legen ist, während der andere bei mehr länglicher Ausdehnung in
den Landstreifen zwischen Pirot-Zajecar einerseits und der bulgari¬
schen Grenze andererseits zu verlegen ist“, und
2. tritt die Vorliebe der Cholera für gewisse Strecken ein¬
zelner Flusstäler deutlich hervor. So trat unter den ander
Bregalnitza kämpfenden Truppen eine Epidemie auf, die Aumann
als Trinkwasserepidemie auffassen su müssen glaubte; ebenso an
dem an Kumanowo vorbeifliessenden Bacb, die Aumann aut die
sich dort ansammelnden Cbolerakranken zurückführte, sodann ein
explosionsartiger Ausbruch der Seuche unter der Stadtbevölkerung
von Kumanowo. Diese Epidemie in Kumanowo teilt Aumann in
eine Wasserinfektionsepidemie von 100 Erkrankungsfällen und in
eine darauffolgende Kontaktepidemie mit 150 Erkrankungsfällen.
Ich habe schon in meiner Bearbeitung der Hamburger Cholera*
epidemie von 1892 und auch bei der Gelsenkirchener Typhusepidemie
von 1901 darauf hingewiesen, dass in dieser Zweiteilung des Ver¬
laufes der Epidemien in eine „Hauptepidemie“ und eine
„Nachepidemie“, wie es bei der Hamburger Choleraepidemie von
1892 hiess, oder in eine „Wasserinfektions-“ und eine „Kontakt¬
epidemie“, wie es bei der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901
hiess, und wie es jetzt in dem Aumann’schen Bericht über die Cholera
in Serbien wieder heisst, der Hauptfehler der bakteriologischen
Auffassung der Cholera- und Typhusgenese liege, der den
Eindruck jeglicher Gesetzmässigkeit verschwinden lasse und allen
Theorien Tür und Tor Öffaet. So sehen wir dieselben Tatsachen
des gesetzmässigen zeitlichen Ablaufes der Epidemien, die noch vor
10 Jahren sämtlich im Sinne der Trinkwassertheorie und später
im Sinne der Milch- bzw. Nahrungsmittelinfektionstheorie gedeutet
wurden, heute im Sinne der Kontakttheorie gedeutet werden, worüber
schon P. Remlinger im Jahre 1910 seine offensichtliche Verwunderung
ausgesprochen hat 1 ).
„In den letzten Jahren hat sich immer mehr die Ueberzeuguog
Bahn gebrochen“, sagt Aumann am Eingang seines Berichtes, „dass
die Kontaktinfektioo, sei es nun direkt oder indirekt in der Epidemio¬
logie der Cholera von ausschlaggebender Bedeutung ist. Während
Kolle und Hetseh noch im Jahre 1911 der Ansicht Ausdruck ver¬
liehen, dass die Uebertragung der Cholera durch infizierte Nahrungs¬
und Genussmittel eine weit grössere epidemiologische Rolle spiele als die
Kontaktinfektion, haben in dieser Hinsicht unsere Anschauungen eine
gründliche Wandlung erfahren. Der nachhaltige Eindruck, den die Ham¬
burger Trinkwasserepidemie des Jahres 1892 hiuterlassen hat, wird all¬
mählich verwischt“ .... Dazu ist zu sagen: Gründlich gewandelt und
verwischt haben sich nur die Theorien; fest stebt dagegen die epidemio¬
logische Tatsache der jahreszeitlichen Regelmässigkeit der Cbolera-
bewegung uod der Abhängigkeit der Typhusbewegung von gewissen
klimatischen bzw. Witterungszuständen, wie sie den verschiedenen Jahres¬
zeiten an den einzelnen Oertlicbkeiten eigentümlich sind. Diese jahres¬
zeitliche Regelmässigkeit, wie sie z. B. die Cholerabewegung zeigt, und
die nach Pettenkofer ihre innere Begründung in gewissen klimatischen
Einflüssen auf die örtlich bedingte Choleraursache findet, tritt sehr deut¬
lich hervor, wenn man den zeitlichen Ablauf der Epidemien als Ganzes
betrachtet, sie verschwindet aber völlig bei der von der Koch’scben
Schule beliebten Zweiteilung der Gesamtepidemie, wie sich das sehr
deutlich zeigte bei der Hamburger Epidemie von 1892. Demgegenüber
konnte ich feststellen:
Wenn man das Auftreten eines epidemischen Erkrankens an Cholera
in Hamburg in dem Zeiträume von August 1892 bis März 1893 als ein
Ganzes betrachtet mit dem Maximum der Cholerafrequenz im Septenaber
und dem Minimum im März, so wird durch die Epidemie des Jahres
1892 schlagend die Gesetzmässigkeit des jahreszeitlichen Einflusses au
die Cholerabewegung in Norddeutschland bestätigt, welche v. Pulten-
kofer für Preussen (1848—1859) und wir für Hamburg (1831—1°™/
übereinstimmend gefunden haben und welche sich folgen dermaasseo
1) Le Bull, med., 1910, Nr. 10.
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UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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14. September 1914.
formulieren lässt: Wenn man die in Preussen bzw. Hamburg im April
vorgekommenen Erkrankungsfälle an Cholera als 1 nimmt, so steigt ihre
Zahl mit einer schrecklichen Regelmässigkeit bis zum September auf das
568 fache in Preussen, bzw. das 322 fache in Hamburg, und nimmt dann
wieder mit der gleichen Regelmässigkeit von Monat zu Monat ab, bis
sie im März wieder bei 1,9 in Preussen, bzw. bei 0 in Hamburg an¬
kommt.
Bei der von der Roch’schen Schule beliebten Teilung der.Epidemie
in eine Haupt- und eine Naohepidemie dagegen verschwand der Eindruck
dieser so offenbaren jahreszeitlichen Gesetzmässigkeit völlig und damit
war allen Theorien Tür und Tor geöffnet.
Wenn wir nun nach dieser prinzipiell wichtigen Abschweifung zu
dem Aumann’schen Bericht über die Epidemie in Kumanowo zurück¬
kehren, so ist bezüglich der örtlichen Begrenztheit derselben die Be¬
merkung von Interesse:
„Für das Uebergreifen der Cholera auf Alt-Serbien ist diese Epi¬
demie von Kumanowo, auch die unter den Truppen, wohl nicht von
allzu grosser Bedeutung gewesen 0 ; und ferner die andere Bemerkung:
„Die unter den Truppen herrschende Epidemie wurde zum Stillstand
gebracht und die Truppen verliessen Kumanowo. Aber unter der Stadt¬
bevölkerung nahm die Seuche unterdes ungehemmt eine weitere Ver¬
breitung. 8
Es scheint sich hier die alte Erfahrung wieder bestätigt
zu haben, dass in Truppenteilen, welche einen Choleraort
verlassen, die Epidemie zu erlöschen pflegt, sobald sie in
eine cholerafreie Gegend kommen.
Aumann kommt sodann zu seinen Feststellungen im Kreise Pirot,
der zu dem zweiten Hauptcholeraherd Serbiens gehört Er traf dort ein
am 14. Oktober 1913, zu einer Zeit, wo die Cholera in raschem Ab¬
nehmen begriffen war; es gelang ihm trotzdem bei seinen Naohsuchungen
von Haus zu Haus, in wenigen Tagen aus der Stadt Pirot und den um¬
gebenden Ortschaften 75 echte Choleraerkrankungen zu sammeln und in
die Cbolerabaracken zu überführen. Annähernd die gleiche Zahl ging
während der Zeit seiner Anwesenheit an Cholera so schnell zugrunde,
dass eine Verbringung in die Cholerabaracken nicht mehr möglich war.
Da im ganzen Kreise Pirot nicht eine einzige Trinkwasserepidemie
beobachtet worden ist, wie Aumann ausdrücklich feststellt, so führt er
die Entstehung der Epidemie auf Einschleppung durch die Bulgaren und
ihre Verbreitung im Anfang auf „indirekt» 8 Kontaktinfektion, ihren
weitereren Verlauf in späterer Zeit aber auf „direkte“ Kontaktinfektion
durch die zur Entlassung gelangenden Truppen zurück. „Auch hier
leigten sich zahlreiche Infektionen in den Familien und in der unmittel¬
baren Umgebung der Erkrankten. Ja, sogar fast jeder einzelne Fall,
den wir gefunden haben, war ein Beispiel dafür“, sagt Aumann.
Auf Grund dieser Erfahrungen in dem Kreise Pirot in Serbien
lanbt Aumann nun die Behauptung Eckert’s, dass Sofii trotz
auernder Einschleppung von Cholerafällen im Jahre 1913 von einem
epidemischen Auftreten der Cholera verschont geblieben ist, in Frage
stellen zu können, weil hier der Nachweis fehle, dass bei Naohsuchungen
von Haus zu Haus tatsächlich keine Cholerakranken mehr angetroffen
seien als die wenigen in das Lazarett verbrachten Fälle. Abgesehen
davon, dass es doch höchst unwahrscheinlich erscheinen muss, dass in
einer hygienisch so einwandfrei versorgten Stadt, wie Eckert uns Sofia
schildert, ein epidemisches Auftreten der Cholera den Behörden ent¬
gangen sein könnte, erscheint dieser Einwand auch vom lokalistischen
Standpunkte aus ganz hinfällig, denn wenn wir den lokalistischen Haupt¬
charakterzug der Cholera beachten, erscheint es ganz selbstverständlich,
dass sowohl die Eckert’schen Feststellungen bezüglich Sofias wie die
A um an n’schen Feststellungen bezüglich des Kreises Pirot ganz richtig sein
können, dass es aber nicht richtig ist, sie gegeneinander geltend zu
machen.
Der Grund des Missverständnisses zwischen Eckert und Aumann
liegt eben nnr darin, dass sie an dem Begriff der Kontaktinfektion fest-
halten, während es Bich bei der Cholera um eine örtlich bedingte En-
demioitat der miasmatischen Choleraursache handelt, die in Tschataldsoha
und im Kreise Pirot in Serbien in örtlicher Begrenzung vorhanden war
und hier in einer grösseren Reibe von Fällen eine Kontaktinfektion vor-
tjf u ® c hte, während in Sofia und in Konstantinopel die örtliche Disposition
für die Choleraentstehung fehlte.
Der Kreis Pirot war nach Aumann ein Teil des zweiten Haupt-
berdes der Cholera in Serbien. In dem ganzen Bereiche dieses Haupt-
berdes machte die sich aus dem Boden entwickelnde Choleraursache sich
geltend, und zwar, wie gewöhnlich, in lokaler Begrenzung und an ge¬
wissen Strecken einzelner Flussläufe, so im Kreise Pirot zu beiden Seiten
der Nisara. Hier stand riie Bevölkerung unter dem Einfluss der sich
aus dem Boden entwickelnden Choleraursache, und hier wurden daher
bei näherer Nachforschung viel mehr Cholerakranke gefunden, als in die
Krankenhäuser verbracht werden konnten. In Sofia aber, der hygienisch
wowandfrei mit vorzüglicher Kanalisation versehenen Haupt-
■todt Bulgariens dagegen fehlte die Örtliche Disposition für die Cholera-
eotstehung zu jener Zeit, die Bevölkerung stand also nioht unter dem
miasmatischen Einfluss einer Choleralokalität: es wurden daher dort nur
sporadische Cholerafälie in der nächsten Umgebung der eingeschleppten
Falle beobachtet.
Aumann stellt ferner der von Eckert hervorgehobenen Tatsache,
üass im Choleralazarett in Sofia nur eine Hauainfektion erfolgt sei, ob¬
wohl die Maassnahmen gegen eine Kontaktinfektion nur recht unvoll¬
kommen durchgeführt werden konnten, die andere von ihm beobachtete
Tatsache gegenüber, dass in dem serbischen Orte Leskovatz in dem
dortigen Lazarett unter etwa 30 Krankenwärtern 5 Kontaktinfektionen
mit 3 Todesfällen festgestellt worden sinl. Auch diese beiden Tatsachen
können nach der lokalistischen Auffassung der Choleragenese durchaus
nebeneinander bestehen, ohne dass die eine durch die andere in Frage
gestellt würde. So wurde auch im Kriege von 1870/71 bezüglich des
Abdomiualtyphus iu den mit Hunderten von Typhuskranken belegten
Kriegslazaretten in Nancy eine völlige Immunität des Pflegepersonals
von Prof. v. Niemeyer beobachtet, während in den Kriegslazaretten
von St. Marie aux Chenes und Batiüy sich das ärztliche und Lazarett-
personal in erheblichem Maasse vom Typhus ergriffen zeigte. Zur Er¬
klärung wird in dem Kriegs-Sanitatsbericht von 1870/71 (S. 122) darauf
hingewiesen, dass die Lage dieser Lazarette inmitten eines in¬
tensiven Seuchenherdes zur Erklärung dieser Ausnahmen völlig
genüge. Hier war also die örtliche Disposition für die Typhusentstehung
vorhanden, während sie in Nancy fehlte.
Unsere bisherige Betrachtung hat uns gezeigt, dass die sich ent¬
gegenstehenden Ergebnisse, zu welchen die bisherigen Bericht¬
erstatter bezüglich der Rolle der Kontaktinfektion bei der Ver¬
breitung der Cholera auf dem Kriegsschauplätze gekommen sind, ihre
Erklärung und Lösung finden, wenn man den lokalistischen
Hauptoharakterzug der Cbolera beachtet.
Es liegt auf der Hand, von welcher Bedeutung die Widersprüche in
den Auffassungen von der Rolle, welche die Kontaktinfektion bei der
Verbreitung der Cholera spielt, für die Maassnahmen zur Verhütung und
Bekämpfung der Seuche sein müssen.
So kommt Aumann zu dem Schluss, dass die direkte Kontakt-
infektion in Serbien von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sei, so
dass also der kontagionistische Gedanke für die Seuchenbekämpfung
maassgebend sein müsse.
In einer ganz kürzlich erschienenen Arbeit über die Cholerabe¬
kämpfung in der griechischen Armee während des griechisch-bulgarischen
Krieges 1 ) von J. Moutouses in Wien kommt Verf. hinwiederum zu
dem Schluss, dass vor allem die prophylaktische Choleraschutzimpfung
das griechische Heer und ganz Griechenland vor einer Durchseuchung
geschützt habe. Dabei ist für die lokalistische Auffassung sehr interessant
die Feststellung, dass „das Vordringen der griechischen Armee in ein¬
zelne von den Bulgaren geräumte Positionen zu einem plötzlichen, fast
explosionsartigen Auftreten der Cholera in einzelnen griechischen Truppen¬
teilen geführt habe“, und ferner, dass „bei einer Truppe, in der es an
einem Tage 100 Cholerafälie gab, am nächten Tage nach dem Abmarsch
in eine andere Gegend nur mehr sporadische Fälle konstatiert wurden“.
Verf. glaubt dieses verschiedene Verhalten der Seuche aus der Trink¬
wasserversorgung erklären zu können.
Demgegenüber kommt Eckert zu dem Schluss, dass die Kontakt-
iufektion, wenn sie auch in erster Linie zur Entwicklung der Epidemie
vor Tscbataldscha beigetragen habe, doch nur dann zur Erkrankung zu
führen scheine, wenn die Uebertraguog grösserer Baciilenmengen gewähr¬
leistet sei. Das praktische Ziel der Kriegsbygiene aber würde durch eine
lückenlose Fürsorge für die Unterbringung der Truppen, für die Trink¬
wasserversorgung und Beseitigung der Abwässer am einfachsten und für
die Truppe selbst am schonendsten erreicht.
Zum Schluss seiner Ausführungen weist Eckert darauf hin, dass
es für den Kriegssanitätsdienst nioht gleichgültig sei, wie
hoch man die Gefahr von Kontaktinfektionen einschätze.
Nach den epidemiologischen Erfahrungen des Balkankrieges liege z. B.
keine Veranlassung vor, einem Verwundeten, der an Cholera erkrankt
sei, eine spezialärztliobe Behandlung zu verweigern aus Furcht vor einer
leichten Uebertragung der Krankheit und Verschleppung in chirurgische
Spitäler. Und auch in anderer Beziehung, z. B. für die Heeres¬
leitung, sei die Frage der Kontaktinfektion von grosser
Wichtigkeit. So wurde der bulgarischen Heeresleitung z. B. von Prof.
Kraus-Wien empfohlen, zur Bekämpfung der Cholera eine grössere Zahl
bakteriologischer Laboratorien zu errichten, die gesamte Armee auf
Bacillenträger durchzuuntersuchen und diese unschädlich zu machen.
„Eine derartige Maassnahme legt die Armee lahm“, sagt
Eckert, „ganz abgesehen davon, dass es für die Durchführung der Ar¬
beiten an Aerzten und für die Unschädlichmachung der Bacillenträger
an Isoliervorriobtungen mangelte.“ Es wurde weiter angeraten, zur Ver¬
hinderung einer allgemeinen Epidemie in Sofia und Bulgarien Heer und
Zivilbevölkerung einer Schutzimpfung zu unterziehen. „Dieser Rat
war genau so undurchführbar wie der erste“, sagt Eckert, in¬
dem er hinzufügt: „Sofia ist verschont geblieben von einer Epidemie, im
Lande ist die Bevölkerung in irgend nennenswerter Weise nur dort an
der Cholera erkrankt, wo das rumänische Heer für eine hinreichende
Verseuchung gesorgt hatte (?). Schon gegen Ende Oktober war Bulgarien
gänzlich frei von Cholera.“
Wir sehen also hier, dass die vom kontagionistischen Standpunkte
aus, und zwar ?on autoritativer Seite (Prof. Kr aus-Wien), zur Ver¬
hütung und Bekämpfung der Cholera im jüngsten Balkankriege vorge¬
schlagenen Maassnahmen sich nicht nur als undurchführbar, sondern
auoh als ganz unnötig erwiesen haben.
Die Erfahrungen des jüngsten Balkankrieges bestätigen Dach alle¬
dem die Lehre, welche der verewigte bayerische Generalarzt Dr. Port
1) Siehe Zeitschrift „Der Militärarzt“. 1914, Nr. 4.
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UNIVERSUM OF IOWA
1626
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 37.
auf Grund des im Jahre 1886 erschienenen Kriegssanitätsberichtes aus
den Kriegserfahrungen von 1870/71 gezogen hat, die Lehre nämlich,
dass für die Verhütung und Bekämpfung der Hauptheeres¬
seuchen unserer Zeit, des Abdominaltyphus und der Ruhr, so¬
wie der Cholera nioht der kontagionistische Gedanke maass¬
gebend sein dürfe. "
Bei der Wichtigkeit dieser Frage hatte ich Veranlassung genommen,
in meiner letzten grösseren Arbeit über die Typbus- und Cholerafrage
auf die ausserordentliche Tragweite der heute vorherrschenden kontagio-
nistischea Auffassung der Seucheneutstehung hinzuweisen, wie sie bei
den Maassnabraen zur Verhütung und Bekämpfung der Seuchen im
Kriege hervortreten würde. Zur Begründung hatte ich eine Reihe von
Arbeiten aus der neuesten militärärztlichen Literatur in den Kreis der
Betrachtung gezogen und ihnen die Ausführungen Port’s über „Typhus
und Ruhr im Lichte der Kriegserfahrungen von 1870/71“ gegenüber-
gestellt. In einer Besprechung meiner Arbeit in der „Zeitschrift für
Medizinal-Beamte“ (1911, Nr. 7) wurden nun von Herrn Prof. Dr. Lentz
die Port’schen Ausführungen, auf die ich mich bezogen hatte, in wich¬
tigen Punkten in Frage gestellt, so dass eine Nachprüfung auf Grund
des Kriegssanitätsberichtes von 187Ö/71 mir durchaus geboten erschien.
Bei dieser Nachprüfung, die sich zunächst nur auf das von Herrn
Prof. Dr. Lentz in Frage gestellte Ergebnis des grossartigen Eva¬
kuierungsexperimentes von 74 000 typhösen und 39 000 Ruhrkranken
bezog, erwies es sich dann als durchaus notwendig, die Typhus- und
Ruhrbewegung bei der deutschen Feldarmee in dem Kriegsjahr 1870/71
ira ganzen in den Kreis der epidemiologischen Untersuchung zu ziehen.
Ferner erwies es sich als unumgänglich, die Seuchenbewegung in
den Kriegen des 19. Jahrhunderts im Zusammenhalte mit dem Wandel
in den Erscheinungsformen des epidemischen Erkrankens zu berück¬
sichtigen. Dabei habe ich auch besonders die Seuchengesohichte des
Krimkrieges in den Kreis der Betrachtung gezogen, von der Robert
Koch gesagt hat: „Auf das vielfach zitierte Beispiel des Krimkrieges
kann gar nicht oft genug hingewiesen werden, um zu zeigen, dass wir
mächtige Mittel zur Verfügung haben, welche richtig angewendet wohl
imstande sind, gewisse und gerade die verderblichsten Kriegsseuchen in
enge Grenzen zu bannen oder selbst gänzlich abzuwehren.“ (Gesammelte
Werke von Robert Koch, Bd. 2, H. 1, S. 276.)
Das Resultat dieser epidemiologischen Untersuchung, welche mich
mehrere Jahre beschäftigt hat, und welche gerade bei Ausbruch des
gegenwärtigen Krieges fertig gestellt war und jetzt erschienen ist Di
lässt sich dahin zusammenfassen, dass die wichtigste und für alle
Zeiten denkwürdigste Lehre, welche aus den Kriegserfahrungen von
1870/71 auf Grund des klassischen Kriegssanitätsberichtes zu ziehen
ist, die Erkenntnis darstellt, dass nicht die Kontaktinfektion, sondern
die örtlich-zeitliche Bedingtheit der Seuchenentstehung das entscheidende
Moment für das epidemische Auftreten des Abdominaltyphus und der
Ruhr, dieser beiden eigentlichen Kriegsseuchen der neueren Zeit, ist.
Es war mir daher von besonderem Interesse, dass Eckert auf Grund
seiner Erfahrungen in dem jüngsten Balkankriege bezüglich der Cholera¬
verbreitung zu einem im wesentlichen gleichen Resultate gekommen
ist, wenn er auch bezüglich der Choleraentstehung noch an einer
Kontaktinfektion im weiteren Sinne festhalten zu müssen glaubt, auf
Grund einer Hypothese, die er selbst als epidemiologisch, klinisch und
experimentell angreifbar bezeichnet.
Aus der Königl. chirurgischen Universitätsklinik in
Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Küttner).
Hypernephrom des Zungengrundes.
Von
Prof. H. Coenen, Oberarzt der Klinik.
Soweit sich auch die Grawitztumoren aus dem Bereiche
der Nebennieren entfernen mögen, immer kennt man diese inter¬
essanten, durch Versprengung von Nebennierenkeimen erzeugten
Geschwülste wieder an ihrem charakteristischen, die Nebennieren¬
rinde nachahmenden Bau mit der zarten alveolären Struktur und
den meist nicht zu verkennenden NebenniereDiellen mit dem
kleinen-Kern, der scharfen Zellgrenze und dem hellen Zellleib
und an der umschriebenen, oft umkapselten Anlage. #
Das Vorkommen eines Hypernephroms am Zungengrund ist
gewiss eine Seltenheit, daher mag die folgende klinische Beob¬
achtung die sonst so reiche Kasuistik der GrawitzgeschWülste
bereichern.
1) Die Arbeit ist soeben im Verlage von J. F. Lehmann in München
erschienen unter dem Titel: Die Entstehungsursachen der Kriegs-
seuchen, ihre Verhütung und Bekämpfung. Ein epidemiologischer
Kommentar zu dem Kriegssanitätsbericbt über „Typhöse Erkrankungen und
Ruhr bei den deutschen Heeren 1870/71“ unter Berücksichtigung der
Seuchenbewegung in den Kriegen des 19. Jahrhunderts. Von Dr. med,
F. Wolter in Hamburg. München 1914.
Ernestine B., 62 Jahre alt, aufgenomraen 30. IV. 1914, entlassen
19. VI. 1914.
Die Frau hat drei gesunde Kinder, litt früher an Masern und machte
mit 30 Jahren eine Bruchoperation durch. Seit Frühjahr 1913 hat sie
an der Zunge eine Schwellung bemerkt, die das Schlingen erschwerte,
indem die Speisen auf der rechten Zungenhälfte nicht recht herabgleiten
wollten. Vor 3 Wochen nahmen die Schlingbeschwerden zu und ver¬
gesellschafteten sich mit Störungen bei der Atmung durch den Mund.
Die gealterte, aber noch rüstige Frau mit starken Krampfader¬
bildungen an den Beinen zeigt zuuächst beim Oeffnen des Mundes nichts
abnormes; erst wenn die ZuDge ganz herausgestreckt wird, sieht man
auf der rechten Hälfte der Zungenbasis den ebenen Pol eines etwa
walnussgrossen Tumors, der als glasiges, graugelbliches Gebilde aus
dem roten Zungenfleisch berausragt und eine barte Konsistenz hat, zum
Teil im Zungenfleisch liegt und nicht erheblich ulceriert ist. Die
W T assermann’sche Reaktion ist negativ. An den Abdominalorganen, ins¬
besondere im Bereich der Nieren Hessen sich keine krankhaften Ver¬
änderungen nachweisen.
Zum Carcinora, das ja meist am Zungenrande als hartes
Ulcus auftritt, passte das Bild nicht. Eine bestimmte andere
Diagnose konnte auch nicht gestellt werden. So wurde am
9. VI. 1914 die Operation gemacht (Prof. Coenen).
Unter Anästhesierung des 2. und 3. Trigeminusastes und der rechten
Halsseite nach 0. Braun wird die Eröffnung des Rachens von der Seite
her mit der Langenbeck’schen temporären Kieferresektiou ausgeführt:
Querspaltung der rechten Wange bis jenseits des rechten Kieferwinkels
und rechtwinklige Abbiegung des Weichteilschnittes entlang dem vorderen
Kopfnickerrande bis zur Mitte des Halses; Ausräumung der Glandula
dubmaxillaris salivalis und Unterbindung der Arteria und Vena lingualis
sextra; Durchsägung des Unterkiefers nahe am rechten Unterkieferwinkel.
Darauf Infiltration des Zungengrundes mit 1 j 2 proz. Novocainadrenalin-
Lösung von der Wunde aus durch eine in die rechte Seite der Zungen¬
basis eingelassene Hohlnadel.
Abbildung 1.
pernepbrom des Zungengnindes. dw Schnittfläche
cinh tnnsnenartic über die Zungenfiacne. au
■ j J er Tumor
Beim Vorsieben der Zunge an einer 1, nicht diffus,.
Ilständig sichtbar und ist, nach dem b kei i för mige
idern umschrieben, so dass er dur vo ii s tändig ausgerottet wer
, Dreiviertel des Zungengrundes umtoat ;°“ s ‘“ <,, | ( . h i u *, s der Zungen-
an, was ohne nennenswerte Blutung möglich ist.
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UNIVERSUM OF IOWA
14; September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1G27
wunde und des Mundbodens durch die Naht. Drahtnaht des Unterkiefers
und Vernähung der Rachensohleimhaut unter dem vereinigten Unter¬
kiefer mit der flaut, also Bildung einer Rachenschleimhautfistel zur Ab¬
leitung des Schleimes und Mundsekrets. Darauf Naht der Haut und
Mundschleimhaut.
Die Pat. kommt nach der Operation nicht ins Bett, sondern bleibt
auf. Wundheilung ohne Störung und ohne Pneumonie. Am 6. VI. An¬
frischung der Schleimhautfistel und Vernähung; am 19. VI. geheilt ent¬
lassen.
Aus der urologischen Poliklinik der chirurgischen
Klinik zu Breslau.
Behandlung dep Blasentumoren mit Hoch¬
frequenzströmen. 1 )
Von
Dr. Iienner.
Im exzidierten Präparat sieht man das weissliche Geschwulst¬
gewebe scharf abgesetzt gegen die Zungenmuskulatur und zum
grössten Teil über die Oberfläche derselben emporragen. So er¬
hebt sich der Tumor in Walnussgrösse knospenartig über die
Zunge und schickt in das Zungenfleisch einen zapfenartigen Fort¬
satz. Die Oberfläche des Tumors ist nur zum geringsten Teil
ulceriert, was vielleicht von der anderswo ausgeführten Probe-
excision herrührt.
Im mikroskopischen Präparat gewahrt man den für Neben¬
nierentumoren charakteristischen Bau. Die Geschwulstzellen liegen
in säulenförmiger Anordnung in einem dünnen Bindegewebsnetz-
werk j und^,haben einen kleinen Kern, scharfe Zellgrenzen und
einen getüpfelten oder schaumig aussehenden Zellleib. Neben
der Geschwulst sieht man herdweise kleinzellige Rundzellen¬
wucherungen, in deren Innerem man die charakteristischen Ge¬
schwulstzellen in einzelnen Komplexen liegen sieht.
Abbildung 2.
Hypernephrom des Zungengrundes/* Mittlere Vergrösserung.
Angesichts dieses scharf charakterisierten histologischen Auf¬
baues konnten Zweifel, dass es sich um einen Nebennierentumor
handelte, nicht aufsteigen, und man muss hier, da Erkrankungs¬
erscheinungen im Gebiete der Nieren und Nebennieren völlig
fehlten und auch das Röntgenbild hier keinen Geschwulstschatten
nachwies, einen primären Grawitztumor annehmen, wenn nicht
spätere klinische Symptome oder die eventuelle Sektion ihn für
eine Metastase erklären, was nach dem jetzigen Befunde höchst
fragwürdig erscheint.
Ob man im Leben im wiedervorkommenden Falle eine solche
Diagnose jemals wird stellen könneD, ist sehr zweifelhaft, höch¬
stens könnte die umschriebene Form und der graugelbliche Farben¬
ton und die nicht ulcerierte Oberfläche an einen versprengten
Nebennierentumor denken lassen. Man wird aber jedenfalls bei
umschriebenen Tumorbildungen des Zungeogrnndes neben der
Scbilddrüsenstruma auch die Nebennierenstruma diagnostisch in
Betracht ziehen müssen.
Die Erfolge der chirurgischen Behandlung der Blasentumoren
waren früher recht wenig befriedigende. Maligne Geschwülste,
soweit sie durch sectio alta exzidiert werden konnten, rezidivierten
meist. Die Resektion oder gar Totalexstirpation der Blase ist ein
grosser und schwerer Eingriff, der eine ziemlich erhebliche un¬
mittelbare Mortalität hat und auch später wegen der drohenden
Infektion der Nieren von den eingepflanzten Uretereu aus die
Patienten gefährdet. Auch die neueren Methoden der Bildung
einer Blase aus dem coecum und der Benutzung der appendix
als urethra haben noch nicht viel Wandlung schaffen können,
sind auch zu komplizierte Eingriffe, um sie als Methode der Wahl
bezeichnen zu können. Ueber den Wert der Radiumbehandlung
und ebenso der Tiefenbestrahlung mit Röntgen fehlen noch grössere
Erfahrungen, ausserdem sind sie keine Methoden, welche rasch
und bald deutlich erkennbar dem Wachstum dieser Tumoren Ein¬
halt gebieten und die vorhandenen Massen zum Schwinden bringen.
Bei den sogenannten gutartigen Geschwülsten, den Pa¬
pillomen, von denen übrigens etwa 90Cpt. doch maligne sein
sollen, wenigstens im pathologisch anatomischen Sinne, wenn man
ihre Basis untersucht, liegen die Verhältnisse für einen chirur¬
gischen Eingriff ebenfalls nicht günstig. Exstirpiert man sie von
der sectio alta aus, so rezidiviereu sie nicht nur ausserordentlich
häufig, selbst wenn die Basis exakt mit exzidiert und verschorft
wird, sondern es entstehen auch Impfmetastasen an anderer Stelle,
mit Vorliebe in der Narbe der Blasennaht, so dass man es oft
in kurzer Zeit mit multiplen Geschwülsten zu tun hat. Wenn
die Patienten überhaupt eine neue sectio alta zulassen, so kann
sie nur dasselbe Ergebnis haben. Eine endovesicale Behandlung
aber, auf die ich nachher zu sprechen komme, ist nach sectio
alta meist erheblich durch Verwachsungen und Verziehungen der
Blase erschwert.
Auch die Behandlung mit Resorcinspülungen hat uns bisher
keine greifbaren Resultate gegeben.
Schon seit längerer Zeit ist daher die endovesicale Behandlung
wenigstens bei den Papillomen die Methode der Wahl gewesen
und hat in der Tat in der Hand unserer tüchtigen Urologen recht
zufriedenstellende Resultate ergeben. Bei ihr wird der Tumor in
einer oder mehreren Sitzungen mit der kalten oder heissen Schlinge
abgetragen, schliesslich die Basis verschorft, eventuell noch mit
stärkeren Resorcinlösungen betupft. Die Methode ist nicht ein¬
greifend, lässt sich in der Sprechstunde ausführen, und wenn doch
Rückfälle eintreten, beliebig oft wiederholen, solange die Ge¬
schwülste dann noch klein sind. Sie erfordert nur eins*, ausser¬
ordentliche manuelle Geschicklichkeit. Sie ist die difficilste aller
urologischen Methoden. Wenn sich also trotz ihrer günstigen
Erfolge das Bedürfnis gezeigt hat, noch eine andere zur Verfügung
zu haben, so beruht das erstens auf der Schwierigkeit ihrer An¬
wendung, dass es in einigen, wenn auch wenigen Fällen tech¬
nisch nicht möglich ist, an den Tumor so heranzukommen, dass
die Schlinge um den ganzen Tumor oder Teile gelegt werden kann.
Endlich ist es natürlich auch wünschenswert, die Zahl der Sit¬
zungen möglichst zu verringern.
In den letzten 2 Jahren haben wir nun eine neue Methode
bekommen, welche gewisse Vorteile bietet, die Behandlung
mit Hochfrequenzströmen.
Nachdem man bei der Behandlung von malignen Tumoren
zur Fulguration und dann zur funkenlosen elektrischen Schnitt¬
behandlung — die Forest’sche Nadel und Messer — gekommen
war, lag es verhältnismässig nahe, auch die Blasengeschwülste
ähnlich zu behandeln. Beer in New York gebührt das Verdienst,
diesen Gedanken in die Tat umgesetzt zu haben.
Das Wesen dieser Methode beruht darauf, dass ausserordent¬
lich frequente Wecbselstöme vom Körper nicht mehr als solche
empfunden werden, sondern nur in den als Widerstand wirkenden
Organen Wärme entstehen lassen, welche sich je nach der Grösse
der Elektroden bis zur Hitze steigert. Nimmt man die eine
Elektrode* ganz klein, so steigt sie derartig, dass eine Eiweiss-
1) Vortrag gehalten in der Sitzung der schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Kultur zu Breslau am 26. VI. 1914.
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UMIVERSITY OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr.-37.
koagulation io der Umgebung der Elektrode eiotrltt, keine Ver-
schorfuDg. Man sieht den Unterschied von der elektrischen
Kauterisation schon daran, dass das Gewebe nicht schwarz wird,
sondern weiss.
Beer hat zur Erzeugung dieser hochfrequenten Ströme einen
Oudinapparat angewendet, während wir in Deutschland nach dem
Vorgänge Kutner’s meist einen Diathermieapparat benutzen, bei
dem einfach die eine flächenhafte Elektrode mit einer knopf¬
förmigen vertauscht wird.
Sie sehen hier den Diathermieapparat von der Firma R.Seiffert,
Hamburg, welcher in ähnlicher Ausfährung aber von allen grösseren
Elektrizitätsfirmen geliefert wird. Er bat sich bei uns bisher gut
bewährt. Die eine Schnur führt zu einer grossen indifferenten
mit Stoff überzogenen Elektrode, welche vom Patienten gegen
Bauch oder Röcken gedruckt wird. An die andere Schnur wird
eine Kupfersonde angeschlossen, welche bis auf ihre Platinspitze
durch eine SeidenkatheterumhölluDg isoliert ist. Sie wird durch
einen Kanal eines gewöhnlichen Ureterencystoskops in die Blase
eingeführt und mit Hilfe des Albarran’schen Hebels gegen den
Tumor gedruckt oder in ihn bineingestossen, dann der Strom für
einige Sekunden geschlossen. Man sieht das Gewebe, sobald die
Stromstärke eine gewisse Höhe erreicht bat, etwa 0,3 Ampöre,
sofort verkochen, weiss werden. Man wiederholt das Verfahren
in einer Sitzung an möglichst vielen Stellen. In etwa 8 bis
10 Tagen stossen sich die koagulierten Teile ab oder man kann
sie auch sofort mit kalter Schlinge entfernen, was dann leichter
ist als ohne vorherige Koagulation, weil die oft stark flottieren¬
den zarten Fortsätze vorher der Schlinge leicht ausweichen, nach¬
her aber starrer und fester sind. Auch der umgekehrte Weg
kann manchmal schneller zum Ziele führen: erst Abtragung eines
Tumorteiles mit der Schlinge, dann Coagulation des Restes. Oder
es glückt manchmal, den Tumor mit einem feinen Zängelchen,
wie ich mir hier habe konstruieren lassen, oder mit der Schlinge
anzuziehen, und dann den besser sichtbaren und zugänglichen
Stiel zu koagulieren, wobei natürlich mit einem Schlage die ganze
Geschwulst zur Abstossung zu bringen ist, und in der zweiten
Sitzung nur noch eine Coagulation des Geschwulstbettes zu erfolgen
hätte. Bei allen diesen Kombinationen erweist sich die Benutzung
meines von Georg Härtel, Breslau, gebauten Cystoskops als
vorteilhaft, welches drei Einführnngskanäle besitzt, so dass man
neben der Coagulationssonde noch ein Instrument, Zange oder
einfache Schlinge, welche ebenfalls Härtel z. T. nach meinen
Angaben konstruiert hat, einfübren kann, während im Bedarfs¬
fälle durch den dritten Kanal gespült werden kann.
Diese neue Methode ist nicht sehr schmerzhaft. Meist ge¬
nügt eine rektale Anästhesie mit Codeinzäpfchen, die man selbst¬
verständlich noch durch Alypinanästhesie der Harnröhre und Blase
oder Antipyrinklystiere oder Morphiuminjektion verstärken kann.
Störender, als der eigentliche Schmerz, ist manchmal ein starker
Tenesmus der Blase, der eine genügende Füllung, welche mit
Bor-Kochsalz- oder Hydrargyrumlösung erfolgen kann, verhindert
oder bald ein Auspressen veranlasst.
Die Vorzüge der neuen Methode sind ihre technische Einfach¬
heit — sie ist nicht schwerer als ein Ureterenkatheterismus —,
die Möglichkeit, die Zahl der Sitzungen zu verringern, und die
Zugänglichkeit der meisten iür die Schlinge nicht erreichbaren
Stellen der Blase. Auch urethroskopisch ist sie anwendbar.
Eine weitere Frage ist die, ob sie auch sicherer als die
anderen Methoden vor Rezidiven schützt Ans eigener Erfahrung
kann ich das bisher nicht beantworten, da wir erst in neuester
Zeit mit dieser Behandlung begonnen haben. Es ist mir aber
wahrscheinlich, dass die Coagulation des Geschwulstbettes, welche
etwa 3 mm in die Tiefe wirken kann, geeigneter zur Verhütung
von Rezidiven ist als die einfache Kauterisation oder gar die
Resorcinbehandlung des Stumpfes. Nach Beer und anderen soll
die Methode nur für die Papillome anwendbar sein; andere wieder
ziehen auch nicht zu breitbasige bösartige Geschwülste in den
Bereich dieser Behandlung. Ich selbst habe sie bei einem papillo-
matösen, aber sicher carcinomatösen Tumor, der schon 2 Mal nach
hohen Blasenschnitten rezidivierte und multip wurde, angewendet,
und habe jetzt einen Fall in Behandlung, der wahrscheinlich auch
maligne ist. Jedenfalls würde ich vorläufig bei jedem malignen,
überhaupt angreifbaren Tumor die Coagulation versuchen, da alle
anderen Methoden noch traurigere Ergebnisse liefern.
Einen Schaden habe ich von der Coagulation bisher nicht
gesehen. Bei dem einen Fall von langzottigem Papillom trat
nach Abstossung des Tumorstieles eine erhebliche Blutung ein,
die etwa einen Tag anhielt, aber auf Gelatine per os und Styptol
stand, und dem Patienten nicht geschadet hat.
Bisher habe ich 6 Fälle mit Koagulation behandeln können,
3 aus der chirurgischen Klinik und 3 aus der Privatpraxis, bei
denen mir Herr Geheimrat Küttner die Benutzung des klinischen
Apparates in entgegenkommendster Weise gestattet hat.
1. Bei einem 21jährigen Buchdrucker gelang mir in 5 Sitzungen die
Abtragung eines grösseren Teiles der ausserordentlich langen Zotten
eines Papilloms mit der einfachen, vorhin erwähnten Schlinge durch
mein Ureterenoystoskop. An den Rest kam ich weder mit Schlinge noch
mit Kauter heran, konnte ihn aber in 2 Sitzungen soweit ooagulieren,
dass er sieb ganz abstiess. Die dann eintretende Blutung habe ioh oben
erwähnt. In der dritten Sitzung coagulierte ich die Basis. Leider
konnte er der Aufforderung, sich beute vorzustellen, nicht n&chkommen;
sein Arzt teilte mir aber heute telephonisch mit, dass es ihm gut gehe.
2. Einem zweiten Patienten wurde im August 1912 in der Klinik
ein ziemlioh infiltrierender Tumor durch Sectio alta entfernt. Ein Jahr
später fand sich in der Narbe ein kirscbgrosses, flach aufsitzendes Re-
cidiv; trotz ResoreinspüluDgen bildeten sich neue Knötchen. Da die
Klinik damals noch keinen Diathermieapparat besass, nahm Herr Pro¬
fessor Gottstein im jüdischen Krankenhause mehrfach die Coagulation
vor. Mitte Februar 1914 waren nur nooh ödemartige Veränderungen zu
sehen, die sich aber bis zum Juni wieder zu einem ausgesprochenen
Oedema bullosum mit verdächtigem wallartigen Untergründe verdiobtet
hatte. In 2 Sitzungen habe ioh diese dann coaguliert, wobei es inter¬
essant war, zu beobachten, dass die Bläschen unter fühlbarem und selbst
im Zimmer hörbarem Knall zersprangen. Heute sind nur noch geringe
Reste der Infiltration zu sehen.
3. Bei dem dritten Patienten wurde im Jani 1910 ein kleinapfel¬
grosser papillomatöser Tumor (Carcinom) durch Sectio alta entfernt, der
Stumpf kauterisiert. Schon nach einem halben Jahre fanden sieb, trotz¬
dem Pat. beschwerdefrei war, zwei gaüz kleine neue Knötchen. Mehrere
Kauterisationen und Resorcinspülungen hatten nur den Erfolg, dass
mehr Knötchen entstanden, von denen eins rasch wuchs. Im Februar
1913 neue Seotio alta mit Abtragung. Von nun an waren die cysto-
skopischen Untersuchungen durch Narbenzug sehr erschwert. Schon im
Mai 1913 fanden sich eine ganze Reihe neuer kleiner Papillome, meist
in der Nähe der Narbe. Resorcin blieb wieder erfolglos. Auch dieser
Patient wurde dann von Herrn Prof. Gottstein mehrfach coaguliert
mit dem Erfolge, dass diese Tumoren fast verschwunden waren, als sich
im März 1914 an einer neuen Stelle, in der Mitte der Vorderfläche der
Blase, wahrscheinlich dem Ende der Narbe der Sectio alta, ein grosser,
kleinzottiger Tumor fand, weloher infolge seines Sitzes nahe dem
Spbinoter schwer zugänglich war. Ausserdem klagte Pat. seit längerer
Zeit über fast unerträgliche Schmerzen im hintersten Teile der Harn¬
röhre, als deren Ursache wahrscheinlich ein kleiner polypöser Tumor an¬
zusehen war, den ioh im April ebenfalls zu coagulieren versuchte. In
letzter Zeit ist an dieser Stelle nur ein Ulcus zu sehen, das aber eben¬
falls noch grosse Beschwerden macht. Der grosse neue Blasentumor
wurde nun noch mehrfach von mir ooaguliert und hat siob, wie ich heute
feststellen konnte, bereits stark verkleinert.
Dieser Fall ist natürlich für die Behandlung in jeder Be¬
ziehung nicht sehr dankbar, wegen der primären Malignität, der
Aussaat durch zweimalige Sectio alta, und der narbigeo, ein
Herankommen erheblich erschwerenden Verziehung.
Von den drei Privatfällen habe ich zwei erst vor ganz
kurzem in Behandlung bekommen nnd erst einmal coaguliert.
Bei dem einen schon etwas kachektischen scheint es sich um
einen malignen, ziemlich breitbasigen Tumor zu handeln, bei dem
anderen um ein grosses kleinzottiges, schwer zugängliches
Papillom.
Bei dem dritten besteht eine multiple Papillomatosis, eine
Unzahl kleiner, teils zarter, durchscheinender, teils soliderer Ex-
crescenzen im Sphinctergebiet und den angrenzenden Teilen des
Trigonum.
In solchen Fällen war man bisher fast machtlos. Spüluogeo
mit Resorcin sind erfolglos; mit Schlinge kann man nur sehr
mühsam hier und da einmal ein Knötchen abtragen, wie es mir
auch hier einige Male geglückt ist. Es scheint mir, als ob ich
in diesem Falle mit der Coagulation trotz der ungünstigen Lokali¬
sation doch etwas schneller vorwärts komme, als das Wachstum
der kleiuen Geschwülste fortschreitet.
Alles in allem glaube ich lhoen die Behandlung der Blasen-
tumoren mit Hochfrequenzströmen als einen Fortschritt empfehlen
zu können.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Aus der Frauenklinik von L. und Th. Landau zu Berlin.
Ueber Methodik der Schwangerschaftsunter¬
brechung und gleichzeitiger Sterilisation bei
Lungentuberkulose.
Von
Dr. Mai J£aireither, Assistenzarzt der Klinik.
Der Eintritt einer Schwangerschaft bedeutet für die mit
manifester wie mit latenter Langen tuberkulöse behaftete Frau
eine der nnübersebbarsten Komplikationen. Während Pinard
1902 noch erklären konnte, dass die Lungentuberkulose keine
Indikation zur künstlichen Schwangerschaftsunterbrechung bedeute,
hat die Beobachtung der Gynäkologen wie der Internisten und
AUgemeinpraktiker im letzten Jahrzehnt diesen Optimismus leider
nicht bestätigen können. Das ideale therapeutische Verfahren
wäre natürlich die Heilstättenbehandlung der schwangeren Tuber¬
kulösen. Wenn jedoch nach Heimann’s Statistik 73 pCr. der
Tuberkulösen während oder im Gefolge der Schwangerschaft eine
Verschlimmerung aufweisen und 49 pCt. zum Tode führen, wenn
Fellner-Schauta 68 pCt. Rückfälle bei stationär gewordenen
Tuberkulösen beobachteten, Predella unter 1085 Fällen sogar
von 95 pCt. Verschlimmerung berichtet und endlich nach Essen-
Möller selbst bei gut situierten Sanatoriumpatientinnen in 50 pCt.
Verschlimmerung oder der Exitus letalis erfolgte, so kann eine
rinzipiell konservative Behandlung auch bei bisher latent
uberkulösen beute nicht mehr in Betracht kommen. Ja, wir
können sogar den Standpunkt der meisten Sanatorien, Schwangere
von der Aufnahme auszuschliessen, nicht missbilligen.
Zwecks Vermeidung dieser zu jedem Zeitpunkt der Schwanger¬
schaft drohenden Gefahren war bis vor wenigen Jahren die mög¬
lichst frühzeitige Unterbrechung der Schwangerschaft allgemein
in Uebung. Diese Methode — ob nach Laminaria- oder Metall¬
stiftdilatation oder Cervixspaltung, spielt keine wesentliche Rolle —
birgt jedoch zwei schwerwiegende Nachteile: Bei der nicht ab¬
zustreitenden Fertilität der Tuberkulösen sehen wir uns oft schon
nach wenigen Monaten zur erneuten Schwangerschaftsunter¬
brechung gezwungen, und ausserdem tritt nicht so selten im An¬
schluss an die Uterusausräumung eine Verschlimmerung der
Tuberkulose ein. v. Bardeleben beobachtete unter 39 künst¬
lichen Aborten 10 plötzlich im Wochenbett auftreten’de bedeutende
Verschlimmerungen, die früher oder später zum Tode führten.
Unter den übrigen 29 behielten 10 progrediente Lungenprozesse,
von denen 9 an starken Menorrhagien, meist mit Dysmenorrhöe,
litten. Von den 19 Stationären hatten 6 starke Menorrhagien.
Unter diesen Umständen ging man konsequenterweise dazu
über, der Uterusausräumung sofort eine sterilisierende Operation
&nzu8chlie88en. Selbstverständlich darf die Vereinigung dieser
beiden Operationen nicht zur Methode der Wahl erklärt werden,
sondern man wird sie in der Regel auf Frauen beschränken
müssen, die schon ein oder mehrere Kinder geboren haben, und
bei denen während der neuen Schwangerschaft eine Ver¬
schlimmerung der Lungenerkrankung bereits eingetreten ist oder
auf Grund in den früheren Schwangerschaften beobachteter Ver¬
schlimmerungen ein erneutes Aufflackern durch die neue Gravi¬
dität zu befürchten ist. Natürlich wird man, wie dies an unserer
Klioik üblich ist, die Bestätigung der Indikation zu diesem doch
folgenschweren Eingriff durch einen zuverlässigen Internisten ver¬
langen müssen.
Zahlreich sind die Methoden, die zur Schwangerschafts¬
unterbrechung mit gleichzeitiger Sterilisation angegeben worden
sind: die vaginale Totalexstirpation des graviden Uterus samt
Adnexen (Bumm-E. Martin) oder ohne Adnexe (Heil); die ab¬
dominale Totalexstirpation samt Adnexen (Henkel); die vaginale
Hysterotomia anterior mit Tubenresektion (Cbristofoletti und
Thaler, Werner); dieselbe Operation mit anschliessender Vaginae-
fization des Uterus (Dützmaon); die vaginale Corpusamputation
(Krömer); die vaginale partielle Corpusexzision (v. Barde¬
leben); die abdominale Uterusinzision durch Längsschnitt (Hof-
maon, Freund) oder Querschnitt (Sei 1 hei m) mit anschliessender
Tubenresektion; im Anschluss an den künstlichen Abort aus¬
geführte Röntgenkastration (Gauss).
Das an unserer Klinik seit 2 1 /* Jahren geübte Verfahren ist
die abdominale, supravaginale hohe Amputation des
schwangeren Uterus unter Zurücklassung der Adnexe:
PfannenstiePscher Fascienqaerschnitt, Vorziehen des Uterus bei
geringer Beckenbochlagerung, Unterbindung des Ligameutum
ovarii proprium, der Tube, des Ligamentum rotundnm und latum
beiderseits; Abschieben der Blase; keilförmige Amputation des
Uteruskörpers (dabei Eibautsack meist unverletzt) mit Erhaltung
eines möglichst grossen Corpusrestes; ein bis zwei versenkte
Muskelnäbte; Uebernähung des Stumpfes mit seromuskulären
Gatgutknopfnähten; Etagennabt.
Beim Vergleich dieser Methode mit den übrigen in rein
technischer Hinsicht sowie bezüglich der infolge der Operation
anftretenden funktionellen Aenderungen in der Genitalspbäre und
deren Rückwirkung auf den Gesamtorganismus ergibt sich
folgendes: durch den fast vollständigen Wegfall des Fruchthalters
werden ebenso wie bei dem Verfahren von Bumm, Henkel,
Heil, Krömer und v. Bardeleben die im Wochenbett drohenden
Gefahren — es sei nur an die oben wiedergegebene Statistik
v. Bardeleben's erinnert — ausgescbaltet; ferner kommen die
mit der Menstruation verbundenen starken Blutverluste samt den
nicht seltenen, das Allgemeinbefinden beeinträchtigenden dys-
menorrhoischen Beschwerden in Wegfall. Endlich ist eine er¬
neute Conception ausgeschlossen, während sie nach Tubenresektion
vereinzelt beobachtet wurde. Dass wir aber im Gegensatz zu
Bumm, Heil, Krömer und v. Bardeleben das abdominale
Verfahren wählen, dazu veranlassen uns Vorzüge rein technischer
Art: absolut sichere Asepsis, fast keine Blntang, da alle Gefässe
vor der DurchschoeiduDg unterbunden werden; glatte übersicht¬
liche Wund Verhältnisse, Möglichkeit einer genauen Revision und
Inspektion der Adnexe und der Appendix, so dass eventuell er¬
krankte Organe leicht mitentfernt werden können. Im Gegensatz
zur abdominalen Totalexstirpation (Henkel) unterbleibt bei der
abdominalen supravaginalen Amputation die Eröffnung der bakterio¬
logisch nicht einwandfreien Scheide. Ausfallserscheinungen, die
sich bei Mitnahme der Ovarien fast regelmässig einstellen, kommen
bei deren Zurücklassung nur vereinzelt zur Beobachtung. Der
starke Fettansatz endlich, den Bumm bei der Mitnahme der
Ovarien erhofft und auch erreicht, erscheint Strümpell bei der
Lungentuberkulose nicht immer als ein Vorteil wegen dadurch
möglicher Belastung der Lungen und Schwächung des Herzens.
Auch konnten Cbristofoletti und Thaler bei kastrierten
Kaninchen eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Tuberkulose¬
infektion nicht beobachten.
Die Operation wurde an unserer Klinik bisher 12mal bei
Lugentuberkulose ohne Todesfall ausgeführt. Das Alter der im
2.—5. Monat der Schwangerschaft befindlichen Patientinnen be¬
trug zwischen 26 und 40 Jahren. Der Lungenbefund entsprach
viermal dem ersten und achtmal dem zweiten Stadium. Einmal
fanden sich reichliche Tuberkelbacillen im Sputum. Die Tempe¬
ratur (axillar) betrug vor der Operation in drei Fällen 37,2 bis
37,4, iu vier Fällen 37,6—37,8. Vier Patienten hatten früher,
teilweise wiederholt, SanatoriumbehandluDg genossen; bei dreien
war je einmal vorher schon der Abortus arteficialis wegen der
Lungenerkrankung ausgefübrt worden. Die Geburtenzahl betrug
0 (einmal) bis 17, im Durchschnitt 4,5. Um die Lebensaussicht
der von diesen Frauen geborenen Kinder zu illustrieren, möchte
ich eine 38jäbrige Frau erwähnen, von deren sechs lebenden
Kindern drei an Lungentuberkulose starbeo, während von den
drei überlebenden zwei ebenfalls lungenkrank sind.
Die Operation wurde ausschliesslich in Chloroformnarkose
ausgeführt. Zweimal stellte sich eine wenige Tage dauernde
Teroperatursteigerung bis 38,8 bzw. 38,4 ein, die übrigen Fälle
verliefen afebril. Auffallend ist das gute Allgemeinbefinden schon
am zweiten Tage, so dass die meisten Patientinnen spontan auf¬
zustehen wünschen, welchem Verlangen wir ausnahmslos nach-
kommen. Als einzige Komplikation beobachteten wir bei einer
26jährigen Fran, die bereits vier Entbindnngen hinter sich hatte,
eine Thrombose der Vena saphena. Diese Patientin entzog sich
aus äusseren Gründen vorzeitig unserer Beobachtung. Die anderen
Patientinnen verliessen die Klinik durchschnittlich am 18. Tage
nach der Operation. Bei zwei Patientinnen stellen sich alle vier
Wochen schmerzlose, einen bzw. vier Tage dauernde, sehr geringe
Menses ein, die übrigen sind amenorrhoisch. Unter diesen traten
Ausfallserscheinungen nur in zwei Fällen ein. Eine 35jährige
XVIIpara bekam sechs Monatelang zurZeit der erwarteten Periode
Ausschlag und Kopfschmerzen, und eine 38jährige VIpara klagte
ein Jahr lang über periodische Kreuzschmerzen.
Bei sämtlichen Operierten konnten wir nie eine Verschlechte¬
rung, jedoch meist eine Besserung des subjektiven Befindens und
des objektiven Befundes (Verschwinden der katarrhalischen Er¬
scheinungen und des Fiebers) feststellen. Wenn wir jedoch znr
Beurteilung des Einflusses der Operation aof den Ablauf der
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UMIVERSITY OF IOWA
1630
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr.87.
Lungenerkrankung nach Martin’s Vorschlag eine mindestens ein*
jährige Beobachtnngszeit verlangen, so kommen dafür nur vier
Fälle in Betracht, die vor 13—26 Monaten operiert wurden.
Diese haben 5—25 Pfund, im Durchschnitt 15,5 Pfund zuge¬
nommen, befinden sich subjektiv wohl, die Lungenerkrankung ist
stationär geblieben; es sind bei ihnen keine katarrhalischen Er¬
scheinungen nachweisbar.
Natürlich ist dieses Verfahren auch bei anderen konstitutio¬
nellen Erkrankungen angezeigt, bei denen die Schwangerschaft
erfahrungsgemäss mit schweren Schädigungen für die Mutter ver¬
bunden ist, wie schweres Vitium cordis, schwere Nephritis usw.
Zusammenfassung.
1. Bei dem Zusammentreffen von Lungentuberkulose und
Schwangerschaft ist bei Mehrgebärenden, falls eine Verschlimme¬
rung der Lungenerkrankung eingetreten ist oder zu befürchten
ist, die Unterbrechung der Schwangerschaft mit gleichzeitiger
Sterilisation indiziert.
2. Als bestes Verfahren hierfür empfehlen wir die ab¬
dominale hohe supravaginale Amputation des Uterus unter Zurück¬
lassung der Adnexe.
Aus dein bakteriologischen Institut von Dr. Piorkovvski,
Berlin.
Trockennährböden.
Von
Dr. Piorkowski.
Die ernste, schwere Zeit, die über unser Vaterland berein-
gebrochen ist, hat an alle Gebiete besondere Anforderungen ge¬
stellt, und wohl jeder hat sein Möglichstes dazu beigetragen, in
seiner Art mitzuwirken an dem grossen Gelingen des gemein¬
samen Werkes.
Für die Seuchenbekämpfung im Felde ist es von grosser
Wichtigkeit, Mittel und Wege zu besitzeu, um die erforderlichen
Maassnahmen bei aller üblichen Sorgfalt schnell und bequem
ausführen zu können. Unter anderem ist es notwendig, die für
die hygienischen Bedürfnisse benötigten Materialien in kon¬
zentrierter Art, dabei praktisch und handlich mit sich zu führen.
Zeit und Raum sind auf die knappste Form zu beschränken.
Ein wesentliches Hilfsmittel für die bakteriologischen Unter¬
suchungen bilden z. B. die Nährböden, namentlich Bouillon,
Gelatine und Agar-Agar. Man weiss, dass diese Nährmedien zu¬
folge ihrer Art und Versendung in Glasröhrchen grosse Volumina
beanspruchen, und es war hier geradezu Bedürfnis, dieselben in eine
Form zu bringen, die allen diesbezüglichen Anforderungen entsprach.
Der erste, welcher auf diesem Gebiete tätig war, dürfte wohl
Dörr gewesen sein, welcher 1909 in der Wiener klinischen
Wochenschrift Angaben machte über ein Verfahren zur Trocknung
von Drigalski- und Endonährböden und zur Wiederauflösung der¬
selben für den Gebrauch bei der bakteriologischen Typhusunter¬
suchung. .
Weiterhin hat Hart 1 ) an Stelle von Tierfleisch bzw. Fleisch-
extrakt die Maggi’schen Präparate, gekörnte Fleischbrühe oder die
Bouillonwürfel mit gutem Erfolge verwendet, freilich ohne au die
Verwendung dieser festen Substanzen für Trockeupräparate zu
denken. Endlich hat Marx 2 ) berichtet, dass ihm die Herstellung
trockener Präparate gelungen ist (das sogenannte Ragit), ohne
aber nähere Angaben zu machen. Nach seinem Bericht stellt
die Firma Merck ein Präparat her, das ausser Maggibouillon
Agar und Pepton in solchen Mengen enthält, um hiervon einen
Liter Nährboden von der üblichen Zusammensetzung herzustellen,
wozu 42 g des Präparats notwendig sind. Auch Bouillon kann
mittels eines entsprechend zusammengesetzten Pulvers bereitet
werden (22 g pro Liter).
Gelegentlich von mir vor kurzem übernommener Ver¬
pflichtungen, für Feldlazarette Trockennährböden herzustellen,
habe ich Veranlassung genommen, Versuche nach der Richtung
hin anzustellen, geeignete Methoden für diese Zwecke zu finden.
Die bekannteste und gegebene Weise lag nahe, die fertigen Näbr-
medien bei nicht zu hohen Temperaturen einzudicken und sie in
Pulverform zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren ist ein
wenig umständlich und erfordert geschulte Arbeitskräfte. Andere
Methoden komplizierten die Sache wieder.
1) Zbl. f. Bakt., 1909, Bd. 50.
2) M.m.W., 1910, Nr. 7.
Aber eiDe einfache Ueberlegung führte ohne weiteres zum
Ziele. Bekanntlich sind die Koch’schen Nährböden derart zu¬
sammengesetzt, dass auf einen Liter Fleischwasser 10,0 g Pepton,
5 g Kochsalz und 20 g Agar bzw. 100 g Gelatine genommen
werden. Bei ßouilionnährböden fallen die letzteren beiden Gallerten
fort. Nun braucht man an Stelle von Fleisch oder Fieischextrakt
die bereits bewährten Maggi’schen Bouillonwürfel (noch besser
Fleischextraktwürfel) zu verwenden, wobei ^noch der wesentlich
billigere Preis in Betracht zu ziehen ist. Es war also nur nötig, die
festen Ingredienzien zusammenzumischen und als Grundstoffe für die
Nährbödenbereitung zu verwenden. Der Kochsalzzusatz erübrigt sich,
da die Maggiwürfel genügend von ihm enthalten, und um die not¬
wendige Neutralität einzuhalten, muss Soda in der vorsebrifts-
mässigen Stärke von vornherein zugegeben werden. Uebrigens kann
auch nach der endgültigen Fertigstellung dieselbe noch reguliert
werden. Der Versuch ist als durchaus gelungen zu bezeichnen, und
die mit diesem Nährpulver hergestellten Nährböden zeitigen, mit den
pathogenen Bakterienarten, vor allem den Typhus-, Cholera-,
Ruhrerregern, den Staphylokokken und Streptokokken, Diphtherie¬
bacillen usw. verimpft, ein Wachstum, welches in nichts dem auf
den bisherigen bekannten Nährböden beobachteten nachsteht.
Dabei ist noch von besonderem Vorteil die Ersparnis an Mübe,
Arbeit, Raum und Zeit, namentlich auch an Geld. (Fleisch
0,60—1,20 M.; ein Maggiwürfel = 6 Pf.) Abweichungen gegenüber
dem bisherigen Verhalten der Mikroben siud nicht festzustellen,
wie auch deren Eigentümlichkeiten: Pathogenität, Farbstoffbildung,
Grambeeinflussung, Agglutinationsfäbigkeit usw. erhalten bleiben.
Für Choleranährböden kann sogar noch der Maggizusatz in
Fortfall kommen. Die Vibrionen wachsen im Gegenteil ohne
denselben noch weit üppiger.
Natürlich können in gleichem Maasse auch die für die
Typhusdiagnose so wichtig gewordenen Lakrausoutrose , Fuchsin-
Datriumsulfit- und Malacbitgrünnäbrböden in den bezüglichen
Mischungen in Pulver/orm vorrätig gehalten werden. Demnach
sind also die Vorschriften für Bouillon, Agar und Gelatine
folgendermaassen zu fassen:
1. Bouillon: 10,0 g Pepton siccum
0,025 g Natr. carboD.
12.0 g = 3 Maggiwürfel
22,025 g.
2. Agar-.-20,0 g Agar-Agarpulver
10,0 g Pepton
0,05 g Natr. carbon.
12,0 g = 3 Maggiwürfel
42,0 g.
3. Gelatine: 100,0 g Gelatine
10,0 g Pepton
0,05 g Natr. carbon.
12,0 g = 3 Maggi Würfel
122,05 g.
Es ist aus praktischen Gründen vorzuziehen, die Maggiwürfel
vorher mit ein wenig Milchzucker zu verreiben. Der Zusatz des
Milchzuckers bewirkt eine innigere Mischung und ist ausserdem
für die Nährböden selbst von Vorteil. Nach diesen Rezepten
kann sich jedes bakteriologische Laboratorium die Mischung
vorrätig halten. Für den Bedarf wenig Geübter habe ich
die Deutsche Schutz- und Heilserum-Gesellschaft, Berlin NW, 6,
Luisenstrasse 45, veranlasst, die Nährpulver vorrätig zu halten.
Es dürfte sich hiernach der Preis für ein Liter Agar z. B. auf etwa
1,50 M., für ein Liter Bouillon auf 1 M. stellen. Von dem Pulver
brauchten für die ßouillonbereitung nur 22 g, für die Agar¬
herstellung nur 42 g in einem Liter Wasser eine Stunde lang
auf dem heissen Wasserbade gehalten zu werden, dann in der
üblichen Weise filtriert und in Röhrchen gefüllt und sterilisiert
zu werden, um die Kulturen anlegen zu können.
Nachtrag zu der Abhandlung: Ueber Neuralgia
brachialis und ein eigentümliches Symptom bei
derselben.
Von
Dr. 0. B. Meyer, Nervenarzt in Würzburg.
In Nr. 35 dieser Wochenschrift habe ich in der im Titel genannten
Abhandlung als neues Antineuralgicum das Algocratin empfohlen. Ich
bin auf dieses Präparat, das ich zuvor nur dem Namen nach kannte,
besonders von einem an brachialer Neuralgie erkrankten Kollegen (Fall V)
aufmerksam gemacht worden, bei dem Pyramidon und Pantopon versagten,
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1631
j»
bi
14. September 1914.
da 9 Algocratin aber vorzüglich wirkte. Ich habe auch erwähnt, dass
das Mittel nach Angabe des Laboratoriums Lancosme in Paris „ein
chemisch einheitlicher Körper sein soll“.
Ich linde nun, leider bereits nach der Drucklegung der Arbeit, in
einer „Pharmazeutischen Rundschau“ von M. Winkel (Münch, med.
Wochenschr., 1914, Nr. 34) folgenden Passus: „Aus dem pharmazeu¬
tischen Laboratorium der Universität Göttingen publizieren C. Mannich,
G. Leemhuis und S. Kroll die Ergebnisse ihrer Untersuchungen über
neue Arzneimittel.
Algocratine, von E. Lanoosrae-Paris, soll eine künstliche Base
sein, die in eine besondere Klasse der Pyrazolonbasen gehört; in Wirk¬
lichkeit ist es nichts anderes als ein Gemisch aus 50 Phenazetin,
10 Koffein und 40 Pyramidon (Apoth.-Ztg., Nr. 49).“
Darnach ist also nicht mehr das, zudem sehr teuere,
französische Präparat, sondern die angegebene Mischung zu
verordnen. Die Erfahrungen im erwähnten Falle und in einer Reihe
anderer wären dann so aufzufassen, dass die Mischung den einzelnen
Bestandteilen, speziell dem Pyramidon, in der Wirkung überlegen ist.
Es entspricht ja einer pharmakologisch und klinisch häufig gemachten
Beobachtung, wonach Gemische nicht eine einfach summierte, sondern
wesentlich stärkere Wirkung hervorrufen *).
Bücherbesprechungen.
Karl Hasebroek- Hamburg: Ueber den extraeardialen Kreislanf de§
Blntes vom Standpunkt der Physiologie, Pathologie and The¬
rapie. Jena 1914, G. Fischer. 330 Seiten.
Jedermann kennt und schätzt die Geburtszange, weiss, dass mit
ihrer Erfindung die moderne Geburtshilfe eingeleitet worden ist, und
kann sich kaum in jene Zeit hineindenken, als ein smarter Geschäfts¬
mann nur den einen Löffel davon um teures Geld der Allgemeinheit
verkaufte. Aehnlich, will es mich bcdünken, liegen heute die Dinge be¬
züglich des Kreislaufs. Die überwiegende Mehrzahl der Zeitgenossen
kennt ausschliesslich das Herz als Pumpwerk. Aber damit lassen sich
viele und gerade die interessantesten Beobachtungen nicht erklären, und
so resultieren nnr zu häufig die unbefriedigenden Eingeständnisse des
Ignoramus, oder ebenso unbefriedigende Spitzfindigkeiten.
Da kommt K. Hasebroek unserem Verständnis in erwünschter
Weise zu Hilfe. Er stellt dem centralen Herzen die Organe als peri¬
pheres Pumpwerk gegenüber, und indem er diese beiden Pumpwerke
physiologisch verkuppelt, fällt neues Licht auf manche Rätselhaftigkeiten.
Die Organe sind ihm keine unveränderlichen Grössen. Sie regulieren
ihren Blutbedarf bzw. ihre Durchströmung selbst; aber nicht dadurch,
dass sie sich ausscbliesslioh erweitern oder ausschliesslich verengern,
sondern durch einen verstärkten diastolisch-systolischen Betrieb. Mit
dem Begriff des rhythmischen Wechsels dieser beiden Funktionen führt
H. einen wahrhaft physiologischen Gedanken in das Fundament der
Lebenserscheinungen. Reicht die Diastole-Systole des Protoplasmas, des
Parenchyms, des Capillargebiets nicht aus, so werden die pressorischen
Eigenschaften der nächsten Arterien, und dann die der grösseren Arterien,
schliesslich der Aorta oder gar des Herzens mobil gemacht, während
andererseits die Venen dank ihren muskulären Schichten das Blut rascher
rückwärts treiben.
Spielt sieh der normale Betrieb automatisch mit Hilfe des Sym-
pathicus ab, welcher mehr gefässdilatatorische, aüsaugende Tendenzen
in der Peripherie und damit ein stärkeres Gefälle befördert, so veran¬
lassen die spinalen (cranial-autonomen) Nervenbahnen eine Erhöhung
des Drucks im Arteriengebiet. Mit unverkennbarem Geschick zieht Q.
die Hormone in den Kreis seiner Betrachtungen und tut dar, wie das
Adrenalin, die Sekrete der Schild-, Zirbeldrüse usw., je nach dem Be¬
dürfnis, bald mehr auf die ge fässerweiternde oder auf die verengernde
Komponente im diastolisch-systolischen Betrieb wirken und somit ge¬
legentlich zu scheinbar widersprechenden Resultaten führen können.
Es gab eine Zeit in der Naturwissenschaft, in welcher das peinliche
Beschreiben des Zuständlichen für den Höhepunkt der exakten Forschung
galt. Das war die Zeit der Vorherrschaft der Anatomie. Aber wie die
Kinematographie auch über die sorgfältigsten Momentbilder triumphiert,
so muss auch in der Biologie das alte Prinzip des jravra fei wieder ob¬
siegen. Was Hasebroek an physikalischen, experimentellen, physio¬
logischen, pathologischen Beweisstücken beibringt und mit erstaunlicher
Kunst zusammenfügt, kann nicht genug bewundert werden. Aber was
ich noch höher an seiner Arbeit schätze, ist dieses, dass für den Leser
der Mensch nioht mehr bloss ein sich bewegender Leichnam ist, sondern
dass er alle die grossen und kleinen Pulswellen spüren lernt, die da
dauernd in dem kunstvollen Gefüge durcheinander laufen.
.. Sollte indessen jemand glauben, dass Hasebroek einen revolutio¬
nären Angriff auf Harvey’s Autorität machte, so würde er sich gröb¬
lich täuschen. Der grosse Brite dürfte vielmehr den kühnen Neuerer
freundlich grüssen und ihm zurufen: Ich hab’ es ja längst gesagt: „Con-
tractione et relatione totius corporis intro sumunt et expellunt, movent
1) Bei dieser Gelegenheit ergänze ich eine unvollständige Literatur-
Arbeit von Többen ist in der M.m.W., 1913, Nr. 34 ver¬
öffentlicht. .
et removent alimentum.pro corde enim toto corpore utuntur.“
(Ezerc. anat. de motu cordis et sanguinis, Cap. XVIL)
Buttersack - Trier.
Mannn af Henriin: B&kteriologisehe Untersuchungen des Keim-
gehaltes im Genitalkanale der fiebernden Wöchnerinnen, mit
Berücksichtigung der Gesamtmorbidität im Laufe eines Jahres.
(Aus der geburtshilflich-gynäkologiscbca Universitätsklinik zu Hel-
singfors, Vorstand: Prof. G. Hcinricius.) Holsingfors 1910. Seit
1914 Berlin, S. Karger. 618 S. Preis 12 M.
Manna af Henriin: Bakteriologische Untersuchungen der Genital¬
sekrete der nicbtschwangeren nnd nichtpnerperalen Frau vom
Kindes- bis ins Greisenalter, unter physiologischen nnd gynä¬
kologisch-pathologischen Verhältnissen. (Aus der dermatolo¬
gischen Universitätsklinik zu Hclsingfors, Vorstand: Professor
I. I. Karvonen.) 226 S. Berlin 1914, S. Karger. Preis 12 M.
In der ersten der genannten Arbeiten berichtet Verfasser über seine
bakteriologischen Befimde an fiebernden Wöchnerinnen. Das Gesamt¬
material betrifft 2152 Gebärende mit einer Totalmorbidität von 11,33 pCt.
und einer Mortalität aus genitaler Infektion von 0,098 pCt. Bis auf
5 Fälle wurden alle Patientinnen untersucht, die, zweimal täglich ge¬
messen, eine einmalige Temperatursteigerung von 88° und darüber in
der Achselhöhle aufwiesen. Das Untersuchungsmaterial wurde aus der
Vagina und dem Uterus entnommen. Die Untersuchung erfolgte im
Ausstrich nach verschiedenen Färbemethoden, in ebenfalls verschiedenen
Kulturmedien und endlich durch Verimpfung auf Mäuse. Die Unter-
suchungsmetboden und Nährböden werden ausführlich angegeben. Die
von dem Verfasser aus seinen Untersuchungen gezogenen Schlussfolge¬
rungen sind folgende: Die Totalmorbidität ist viel grösser bei I-parae
und zwar 15,52 pCt. zu 8,6 pCt. bei Mebrgebärenden. Das Verhältnis
der genitalen Erkrankungen zu den extragenitalen fand Verf. mit 57,8 pCt.
zu 40,1 pCt. Von den extragenitalen Fieberfällen stand aber ein grosser
Teil mit dem Puerperium in direktem Zusammenhang (Mastitis, Pyurie usw.).
Störungen von seiten des Darmkanales fand Verf. sehr selten. Für prä¬
disponierend für Fieber in den ersten Tagen post partum kommen nach
Verf. rein lokale Veränderungen oder auf konstitutioneller Ursache be¬
ruhende genital-lokale Veränderungen in Betracht, die das Fortkommen
von Bakterien in der Vagina ermöglichen. Hier sind vor allem die post¬
gonorrhoischen Cervicitiden von Bedeutung und von konstitutionellen
Momenten die Albuminurie, bei der „das Zustandekommen von Perine&l-
rupturen und das Zurückbleiben der Eihäute erklärlich sind“. Stauungen
als Ursache von Fieber bei putriden Zersetzungsprozessen im Uterus
hält Verf. für ziemlich selten. Dem Touchieren intra partum misst Verf.
für die Erhöhung der Morbidität im Wochenbett keinen nennenswerten
Einfluss zu und sucht dies unter Berufung auf einzelne Arbeiten der
Literatur und auf sein eigenes Material zu beweisen. Endlich lehnt
Verf. die Spülung und Desinfektion vor der Geburt als überflüssig und
zwecklos ab.
In dem zweiten Werke hat Verf. seine Untersuchungen auf die
Genitalsekrete auch der nichtgraviden Frauen, der Kinder und Grei¬
sinnen ausgedehnt. Aus den Schlusssätzen der Untersuchungen, die im
grossen und ganzen nach denselben Methoden wie bei der ersten Arbeit
gemacht sind, sei kurz folgendes hervorgehoben: Die Reaktion der Geni¬
talsekrete ist im geschlechtsreifen Alter eine lackmussaure, vor und
nachher eine lackmusalkaliscbe. Dies ändert sich auch in der Schwanger¬
schaft wahrscheinlich, sicher während der Menstruation nioht. Während
bei ganz jungen Mädchen die Vagina gegenüber der Vulva sehr viel
keimärmer ist, gleicht sieb dieses Verhältnis um die Pubertät aus, bis
io der Menopause wieder der kindliche Zustand eintritt. Eine Schwanger¬
schaft ändert physiologischerweise die Genitalflora nicht. Im Genital¬
kanal gesunder Frauen können ausser dem Gooococcus keine pathogenen
Keime sich halten, sie werden vielmehr durch die baktericide Kraft der
Sekrete abgetötet.
Dies wären in Kürze die wesentlichsten Ergebnisse der beiden
Arbeiten. Für jeden, den die einschlägigen Verhältnisse besonders
interessieren, und für jeden, der dieses noch lange nicht abgeschlossene
Gebiet zu seinem Spezialstudium gewählt hat, dürfte die Lektüre der
Arbeiten nicht nur anregend, sondern als vorbildlich kaum zu umgehen sein.
_ Haendly.
Oscar Pol an o- Würzburg-. Geburtshilflich-gynäkologische Propädeutik.
Eine theoretische und praktische Einführung in die Klinik und in
die Untersucbungskurse. Würzburg 1914, Verlag von Curt
Kabitzsoh. Preis 5 M.
Das in bezug auf Abbildungen und Druck vorzüglich ausgestattete
Büchlein zerfällt in einen theoretischen und einen praktischen Teil. In
ersterem erscheint bedeutungsvoll, weil in solcher Vollständigkeit in
ähnlichen Büchern von gleichem Umfang nicht behandelt, der biologische
Abschnitt. Es sind hier die Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der
inneren Sekretion, die Resultate der anatomischen Untersuchungen über
die periodische Veränderung der Uterusschleimhaut und auch sonst die
wesentlichsten Fortschritte bis auf die allerletzte Zeit klar und prägnant
dargestellt. So gibt das kleine Buch dem Studenten nicht nur tote
Lerndaten, sondern auch ihre wesentlichsten Grundlagen.
F. Fromme-Berlin: Die Genorrköe des Weibes. Berlin 1914, Verlag
von S. Karger.
Die kurze Schrift, die aus den Vorträgen des Verf. in Monats- und
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UNIVERSUM OF IOWA
1632
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 37.
Ferienkursen für praktische Aerzte entstanden ist, bringt io knapper,
klarer Darstellung alles für den Praktiker Wichtige in bezug auf Ver¬
lauf und Behandlung der Gonorrhöe des Weibes. Bei der Therapie be¬
tont Verf. die Wichtigkeit der Vermeidung aller Polypragmasie bei
akuten Erkrankungen und Nachschüben; die Vaccinetherapie wird für
Pyosalpingen im chronischen Stadium empfohlen, die operative Therapie
in die ihr gebührenden Grenzen verwiesen. L. Zuntz.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
E. Grafe: Zur Genese des Eiweisszerfalls im Fieber. (D. Arcb.
f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 8 u. 4) Die Versuche zeigen eindeutig,
dass eine toxische Steigerung des Eiweissumsatzes durch Toxinwirkung
und Fieber bei den untersuchten Kaninchen nicht stattgefunden hat. Es
besteht deshalb die Möglichkeit, dass die Eiweisseinschmelzung im Fieber
nicht durch besondere toxische Momente in der Zelle selbst, soudern
lediglich durch centrale, irgendwie mit der Stoffwechsel- und Wärme¬
regulation verknüpfte Vorgänge, bzw. deren Störung bedingt ist.
H. Straub: Dynamik des SSngetierherscns. II. Mitteilung.
Dynamik des rechten Herzens. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116,
H. 3 u. 4.) Auch für das rechte Herz besteht die funktionelle Identität
der Kontraktion von Herzmuskel und Sklettmuskel. Verf. prüfte experi¬
mentell den Einfluss des venösen Zuflusses und des Widerstandes auf
die Dynamik des rechten Herzens. Zureichende Druckregistrierung in
den Herzhöhlen ermöglichte wiederum das nach Frank’schen Prinzipien
konstruierte Troikartmanometer. Die Verwendung von Sterling’« Herz-
Lungenkreislauf ergab eindeutige Versuchsbedingungen. Für die Dynamik
des rechten Ventrikels ist bei Konstanz der Beschaffenheit des Muskels
die Grösse des venösen Zuflusses der maassgebende Faktor. Zunahme
des Widerstandes durch Verengerung der Strombahn des Lungenkreislaufs
hat innerhalb physiologischer Grenzen bei normalen Lungengefässen nur
geringen Einfluss auf die Dynamik des rechten Ventrikels. Die Systole
des rechten Vorhofs wird von denselben Gesetzen beherrscht, wie die
Systole der Kammern. Der Druckablauf im rechten Vorhof übt maass¬
gebenden Einfluss auf die Strömungsgeschwindigkeit in den grossen
Venen aus. Der Druckablauf im Stamm der Arteria pulmon&lis zeigt
alle Einzelheiten, die 0. Frank am Aortenpuls beschrieben hat. Das
Verhalten des kleinen Kreislaufs hat für die Dynamik des Herzens er¬
heblieh geringere Bedeutung als das des grossen Kreislaufs. Zinn.
Therapie.
A. Falk-Berlin: Zur Behandlung des Tetanus mit subcutanea
Mignesiuminjektionen. Kurzer Beitrag im Hinblick auf die kriegs¬
chirurgische Verwendung der Methode. (D.m.W., 1914, Nr. 35.) Verf.
behandelt einige Fälle von Tetanus neonatorum mit subcutanen In¬
jektionen von Magnesiumsulfat, die etwa 14 Tage gemacht wurden. Bei
den schweren Fällen wurde täglich 0,35—4,0 g bzw. 0,45—5,0 g Magn.
sulf. appliziert. Bei diesen beiden Fällen trat Atemstillstand ein, der
aber durch Injektion von 5 ccm einer 5proz. Calciumchloratlösung
prompt behoben wurde. Sehr gut bewährte sich bei einem dritten
Kranken die kombinierte Behandlung von Magnesiumsulfat mit Chloral.
Verf. glaubt, dass sich die Magnesiumbehandlung des Wundtetanus auch
im Kriege durchführen lässt.
E. Meyer - Frankfurt a. M.: Klinische and experimentelle Unter¬
suchungen über die Wirkung des Salrarsans auf die kongenitale
Syphilis des Fötus bei Behandlung der Matter. (M.m.W., 1914, Nr. 33.)
Der Arsengehalt der Placenta entspricht dem Arsengehalt des in der
Placenta kreisenden mütterlichen Blutes. Eine nicht erkrankte Placenta
ist für Arsen nicht durchgängig. Bei syphilitischer Erkrankung der
Placenta kann Arsen durch die Placenta hindurchgehen. Die Erfolge
bei der Behandlung der kongenitalen Lues des Kindes durch Salvarsan
müssen wohl in der Hauptsache der primären Beeinflussung der mütter¬
lichen Lues zugescbrieben werden. Die Wirkung ist wahrscheinlich eine
prophylaktische bzw. hemmende in bezog auf die Erkrankung der
Placenta. Von 37 in der Schwangerschaft kombiniert mit Quecksilber
und Salvarsan Behandelten, das gut von Mutter und Fötus vertragen
wird, wurden in 97,4 pCt. lebende Kinder geboren. Von sämtlichen 43
mit Salvarsan und Quecksilber in der Schwangerschaft behandelten
Müttern sind nach den ersten zehn Lebenstagen noch 86 pCt. der Kinder
am Leben, 15,8 pCt. weisen bei der Geburt einen positiven Wassermann
auf. Je intensiver die Behandlung, am so besser die Aussicht auf ein
lebendes, gesundes Kind. Kinder syphilitischer Mütter müssen auch
ohne klinisohe oder serologische Zeichen der Syphilis antiluetisch be¬
handelt werden.
Pasini - Mailand: Toxische Nebenwirknng des Embarins. (M.m.W.,
1914, Nr. 33.) Auch Verf. sah nach Embarin urticariaähnliche Er¬
scheinungen.
W. Fornet - Berlin: Fortschritte in der Schntzimpfsng gegen
Typhns md Cholera. (D.m.W., 1914, Nr. 35.) Verf. empfiehlt die
Impfung.
Cb. Müller-Immenstadt: Operation oder Bestrahlung? (M.m.W.,
2914, Nr. 33.) Eine Erwiderung zur kritischen Betrachtung des gleich¬
namigen Aufsatzes in Nr. 30 der M.m.W. durch L. Heidenbain.
F. D es saue r - Frankfurt a. M.: Die technisch erzeugte y-Strahlnng.
(M.m.W., 1914, Nr. 33.) II. Mitteilung, die als Ergänzung der I. Mit¬
teilung anzusehen ist. Dünner.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
C. Hueter-Altona: Ueber angeborene Broiekiektasien nid an¬
geborene Wabenluge. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 3.) Die Bronchi-
ektasien entwickeln sich nach der Geburt infolge kongenitaler Aplasie
einzelner LungenteiLe. Daduroh erhält die Lunge das cystische Aus¬
sehen , das für die Wabenlunge charakteristisch ist.
G. B. Gruber - Strassburg: Nebenlangenbildug bei kongenitalem
Zwerchfelldefekt. (Ziegler’a Beitr., Bd. 59, H. 3.) Beschreibung eines
Falles. Die Nebenlungenbildung kommt in sehr frühen Stadien der
Embryonalentwicklung durch Abschnürung zustande.
K. Motzfeldt-Christiania: Angeborene Missbildingen der Nieren
und Uarnwege. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 3) Statistische Uebersicht
der wichtigsten Missbildungen des uropoetischen Apparates nach ihrem
Vorkommen unter dem Material des pathologischen Instituts zu Christiania.
M. Kusunoki-Basel: Lipoidsnbstaazen in der Mili und im
Leichenblut. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 8.) Die Untersuchungen
wurden an zahlreichen Milzen von Menschen angestellt, die an den ver¬
schiedensten Krankheiten gestorben waren; Verf. bediente sich stets
anatomischer Methoden. Die zahlreichen Ergebnisse müssen im Original
nachgesehen werden.
S. Schönberg-Basel: Lebercirrhose nnd Tnberkalose. (Ziegler’s
Beitr., Bd. 59, H. 3.) Verf. hat bei seinen Untersuchungen an zahlreichen
Fällen folgende Ergebnisse gefunden: 1. Bei chronischer Tuberkulose des
Körpers kommen alle Grade von Lebercirrhose vor. 2. Manche Leber-
cirrhosen kann man als primär tuberkulös betrachten. 3. Selbst bei
negativem Befunde der mikroskopischen und bakteriologischen Unter¬
suchung kann man einen Teil der Cirrhosen als tuberkulös ansehen.
4. Beim tuberkulösen Rinde findet man den menschlichen entsprechende
Verhältnisse, ebenso bei der experimentellen Tuberkulose des Meer¬
schweinohens.
E. Leupold-Würzburg: Das Verhalten des Blites bei steriler
Antolyse mit besonderer Berücksichtigung der Entstehung von fl&BO-
siderinpigment. (Ziegler’s Beitr., Bd. 59, H. 3.) Steril aufgefangenes
Blut wurde im Wasser bade bei 37° der Autolyse überlassen und bis zur
Eintrocknung täglich untersucht. Die roten Blutkörperchen halten sich
dabei verhältnismässig lange und zerfallen zuletzt infolge von Schädigung
der Lipoidhülle, die aber keine Anzeichen von Verseifung aufweist. Da
die roten Blutkörperchen seheinbar keine autolytischen Fermente ent¬
halten, findet sich bei der Autolyse von Blut allein niemals Fehaltiges
Pigment; dagegen tritt ein solches auf, wenn das Blut bei der Autolyse
mit Organsubstanz versetzt wird, und Verf. erklärt das durch Einwirkung
von Fermenten der Organe, die den Erythrocyten fehlen. Das Pigment
gibt die Reaktionen des Hämosiderins, Hämatoidin war nicht nachweisbar.
F. v. Werdt-Innsbruck: Ueber die Oranilosaxelltnmorea des
Ovarinms. (Ziegler’« Beitr., Bd. 59, H. 3.) Die genannten Tumoren
bestehen aus Zellen, die den Granulosazellen der Eifollikel sehr ähnlich
sind, und weisen follikelähnliche Bildungen auf. Sie sind zu unter¬
scheiden von den Cystomen des Eierstocks, die ihren Ursprung in dem
Oberflächenepithel und den Pflüger’schen Schläuchen nehmen oder aus
Resten des WolfFschen Körpers entstehen. A. W. Pinner.
Parasitenkunde und Serologie.
S. Weiner-Davos: Praktische Erfahrungen über die granaiire Form
des Tnberknloseriras. (M.m.W., 1914, Nr. 34.) Bei einem grossen
Prozentsatz der tuberkulösen Erkrankungen ist das granuläre Virus der
einzige darstellbare Erreger, den man mit Hilfe der Doppelfärbungs-
metboden einfach darstellen kann. Stellt sich im Laufe der Erkrankung
eine Heilungstendenz ein, so sieht man die Umwandlung der anfangs
säurefesten Bacillen in die granuläre Form. Das granuläre Virus scheint
auf den Organismus weniger toxisoh einzuwirken und ist im ganzen
klinisch und prognostisch als eine günstige Form zu betrachten. Io
progredienten Fällen und bei Recidiven kann das granuläre Virus unter
allgemeiner Verschlimmerung des klinischen Bildes seine Säurefestigkeit
wieder aufnehmen. Es scheint imstande zu sein, Tuberkel zu bilden,
und ist ansteckungsfähig. Dünner.
R. de Nunno: Ueber die Wirkung des Micrococcns von Brucei
(Veliteisfa) und seiner Toxine auf das periphere und eentrale Nerven¬
system (experimentelle Untersuchungen). (D. A. f. kl. M., 1914, Bd. 116,
H. 34.) Ia den Tierversuchen an Kaninchen entwickelten sich im Central-
nervensystem Veränderungen sowohl am Gefassapparat wie an den Nerven¬
zellen, in den peripheren Nerven Schädigungen der Markscheiden und
Achsencylinder (ToxinWirkung).
R. H. Major: Ueber den Einfluss der Anaphylaxie auf den Stick¬
stoff Stoffwechsel bei Kaninchen. (D. A. f. kl. M., 1914, Bd. 116, H. 84.)
Bedeutender Einfluss der Anaphylaxie auf den Stickstoff-Stoffwechsel.
Herabsetzung der N-Ausscheidung, Gewichtsverlust. Tod oft erst mehrere
Tage nach dem anaphylaktischen Shock, während dieser Zeit Vermehrung
I der N-Aussebeidnng. Zinn.
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UNIVERSUM OF IOWA
14« September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1633
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M. Roh de-Jena: Beitrag zur Bewertung der Wassermann'sehen
Reaktion. (D.m.W., 1914, Nr. 35.) Man soll mit 2 Extrakten (einem
nichisyphilitischen Organextrakt und einem alkoholisch syphilitischen Ex¬
trakt) arbeiten. Der Laboratoriumsarbeiter muss über den klinischen
Verlauf orientiert sein, um einen positiven Wassermann mit dem syphi¬
litischen Extrakt, der eine Lipoidreaktion darstellt, richtig beurteilen zu
können; eine solche Lipoidreaktion kommt sehr leicht zustande, wenn es
sich um nichtluetische Erkrankungen des Centralnervensystems mit
frischen Nachschüben handelt, bei denen Lipoide frei werden. Beispiele
für diese Auffassung. _ Dünner.
Innere Medizin.
E. Romberg - München: Die Diagnose der form der Lungentuber¬
kulose. (Im Vortragscyklus über die Erkennung und Behandlung der
Lungentuberkulose am 2. VIL 1914.) (M.m.W., 1914, Nr. 35.) R. plä¬
diert, um eine möglichst exakte Prognose zu stellen, eine Einteilung der
Lungentuberkulose nach der Form und Intensität des anatomischen Ver¬
laufs. Er unterscheidet die schrumpfende-cirrhotische, die proliferierende
und die käsige bronchopneumonische Form, die jede, wenn sie rein auftritt,
ein bestimmtes klinisches Bild gibt, das er schildert. Misch/ormen sind
natürlich möglioh. Er erwähnt die bei Kindern vorkommende, vom
Lungenhilus sich ausdehnende Lungentuberkulose. Dünner.
Land6: Ueber die Palpabilität der Arterien. (D. Arch. f. klin.
M., 1914, Bd. 116, H. 3 u. 4.) Die fühlbare Rigidität nicht weniger
Arterien findet durch den anatomischen Befund keine Erklärung. Es ist
dem fastenden Finger unmöglich, zu scheiden zwischen einer durch
Arteriosklerose bedingten Verdickung der Gefässwand, abgesehen von
den Gänsegurgelarterien, deren Kalkplatten deutlich fühlbar sind. Die
Sphygmographie ergiebt deutliche Unterschiede. Die so einfache klinische
Tatsache der Arterienrigidität entspricht demnach keineswegs gleich ein¬
fachen anatomischen und funktionellen Verhältnissen.
A. W. Hewlett: Reflexionen der primären Pnlswelle im mensch-
lieben Arme. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 3 u. 4.) Beim
Registrieren der Masse dos Blutstroms in dem Arme des Menschen findet
sich in vielen normalen Kurven eine negative Rückbewegung des Blutes
in der Art. brachialis sofort nach der primären Pulswelle. Diese Rück¬
bewegung tritt in gewissen pathologischen Zuständen besonders deutlich
hervor, und zwar im Nitroglycerinpuls, in dem Pulsus celer der Aorten¬
insuffizienz und dem dikrotischen Puls von akuten Infektionen. Die
Rückbewegung ist von einer Reflexion der primären Pulswelle im Arme
verursacht. Zinn.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
O. Goebel - Hirschberg: Amnsie nnd Aphasie. (D.m.W., 1914,
Nr. 35.) Die Anlage verschiedener Erinnerungs- und Vorstellungscentren
einmal für Musik, dann für die Sprache ist letzten Endes veranlasst
durch die Existenz verschiedener Aufnahmeapparate einerseits für Töne,
d. h. für regelmässige Schallwellen, andererseits für Geräusche, d. h. für
regellose, komplizierte Schallbewegung.
C. Happich-St. Blasien: Schlafstörungen. (M.m W., 1914, Nr. 34.)
Die Störungen des Schlafes sind letzten Endes im Gehirn zu suchen,
sie können dort cellularer oder vasomotorischer Natur sein oder auf
einer Alteration der Beziehungen zwischen HirnrindeDzelle und Gefässen
beruhen. Zum Eintritt und Fortführung des Schlafes ist ein ganz be¬
sonderes Verhalten der Gehirngefässe nötig, dessen Bildung durch Impulse
von den Hirnrindenzellen aus oder durch Erregung oder Alteration des
Gefässsystems selbst verhindert werden kann. Unsere Behandlung muss
darauf hinzielen, einen Zustand von Reizlosigkeit psychisch und somatisch
zu schaffen und so vor allem das Gefässsystem in die zum Schlafeintritt
günstige Verfassung zu bringen, oder wir müssen die verloren gegangene
Automatie wieder berstellen. Dünner.
Kinderheilkunde.
P. Tobias: Recidivierende Nabelkoliken der Kinder. (M.m.W.,
1914, Nr. 33.) T. glaubt, dass die Symptome auf Ulcus ventriculi zu
beziehen sind. Daher soll auch die Ulcus ventriculi-Therapie inkl. Atropin
Erfolg bei solchen Zuständen haben.
E. Köck-Freiburg i. B.: Schwere nicht diphtherische Kehlkopf-
Stenose bei Kindern. (M.m.W., 1914, Nr. 33.) Kasuistik. Atypische
Form des Pseudokrupps. Pyogene Infektion der Kehlkopfschleimhaut
vermag scheinbar so ganz verschiedene Krankheitsbilder wie atypische
Form des Pseudokrupps und Laryngitis phlegmonosa auszulösen. Eiter¬
erreger schädigen die Kehlkopfschleimhaut stärker als Diptberiebacillen.
Es empfiehlt sich daher, beim Nachweis der Eitererreger und Fehlen der
Diphtheriebacillen von Intubation abzuseben und zu tracheotomieren.
Dünner.
Chirurgie.
L. Schliep-Berlin: Blasenspalten. (D.m.W., 1914, Nr. 35.) Vor¬
trag in der Berliner Gesellschaft für Chirurgie. Cf. Gesellschaftsbericht
der B.kl.W., Nr. 27.
Hosemann-Rostock: Schädeltrauma nnd Lombalpnnktion. (D.m.W.,
1914, Nr. 35.) H. zeigt, dass die Lumbalpunktion, wenn sie nicht zu
früh (nicht vor 3 Tagen) vorsichtig gemacht wird, nicht nur diagnostischen,
sondern auch therapeutischen Wert besitzt, z. B. zur Entlastung bei
sekundärer Meningitis serosa. Dünner.
Röntgenologie.
Rigler-Darmstadt: Der Qnadratograph. Ein Röntgenhilfsapparat.
(M.m.W., 1914, Nr. 33.) Dünner.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
W. Wechsel mann-Berlin: Kritische Bemerkungen zur Pathogenese
eines „Salvarsantodesfalles*. (M.m.W., 1914, Nr. 34.) Die Bemerkungen
beziehen sich auf einen von anderer Seite mitgeteilten Todesfall, der
eine Gravide betraf, bei der keine FunktioDsprüfung der Nieren vor der
Infusion gemacht war. Die Funktionsprüfung hält Weeh9elmann für
dringend erforderlich. Dünner.
Augenheilkunde.
F. Schanz-Dresden: Die Entstehung der Weitsichtigkeit und des
Stars. (M.m.W., 1914, Nr. 34.) Zahlreiche Untersuchungen haben ge¬
zeigt, dass die kolloidalen Eiweissstoffe, aus denen die Linse besteht,
durch Lichtwirkung coaguliert werden. Die intensivste Liebteinwirkung
ist die durch Blitz; es entsteht der Blitzstar. Der Altersstar wäre dann
als durch eine Summation vod Lichteinwirkung entstanden aufzufassen.
Sch. führt ferner aus, wie der Durchgang der Lichtstrahlen, insbesondere
der unsichtbaren, die Absplitterung des Lichtes usw. den Star ent¬
stehen lassen. Dünner.
Technik.
W. Stern b erg-Berlin: Heizbare Oesophagessonde (Oesophago torus)
zur Behandlung von Stenosen. (M.m.W., 1914, Nr. 33.)
Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Laryngologische Gesellschaft za Berlin.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 19. Juni 1914.
(Schluss.)
2. Hr. West;
Resultate der iotranasalen Eröffnung des Tränensackes (Rhino
Dakryocystostomie).
Im Laufe der letzten 2 l / 2 Jahre, durch das wissenschaftliche Inter¬
esse von Geheimrat Silex und mit wesentlicher Unterstützung von
Dr. Mühsam, dem Leiter der Hirschberg’schen Klinik, habeich Gelegen¬
heit gehabt, über 500 Fälle von allen den verschiedenen Erkrankungen
des Tränenapparates genau zu untersuchen, und habe bei Dakryostenose
über 220 intranasale Eröffnungen des Tränensackes ausgefübrt. Unter
meinen Fällen waren 13 Phlegmonen, 14 Fisteln, 2 Phlegmonen mit
Fistelbildung, 17 Ektasien. In einer Reibe von Fällen habe ich beide
Tränensäcke in einer Sitzung eröffnet. Der jüngste Patient war 6 Jahre
alt, der älteste 73 Jahre. Bei einer Frau von 69 Jahren habe ich beide
Tränensäcke in einer Sitzung geöffnet. Alle Fistelfälle, mit einer Aus¬
nahme, wurden gleich geheilt. Dieser einzige Misserfolg war auf einen
technischen Fehler zurückzuführen, der hervorgerufen wurde durch den
Mangel des nötigen Instrumentariums. In einem Phlegmonenfalle, in dem
die Patientin schon beim Gocainisieren dreimal ohnmächtig geworden ist,
und wo ich die Operation nicht saebgemäss ausführen konnte, habe ich
ein Recidiv erlebt. Einige meiner geheilten Fistelfälle sind vorher ohne
Erfolg von aussen ausgekratzt worden. Eine Patientin, die an einer
Tränenfistel litt und vorher von sehr bekannten Ophthalmologen
von aussen schon 7 mal ohne Erfolg operiert worden war, ehe sie zu
Geheimrat Silex in Behandlung kam, habe ich durch die intranasale
Operation gleich geheilt. Auch in einer Reihe von Fällen, wo nach der
Exstirpation des Tränensackes voq aussen die Eiterung weiter bestand,
habe ich ein gutes Resultat durch die intranasale Operation erzielt.
Bei Fällen mit einfacher Dakryocystitis oder Epiphora ist selbst¬
verständlich auf photographischen Platten nichts zu sehen. Aber ich
möchte Ihnen meine Resultate bei Phlegmonen, Tränenfisteln, bei Ektasie
des Sackes hier an einer Reihe von Photographien, welche vor und
einige Tage nach der Operation aufgenommen worden sind, demonstrieren
(Demonstration). Die meisten von diesen Photographien nach der Operation
sind nur 5 Tage nach dem Eingriff aufgenommen worden. Wie diese
Bilder zeigen, ist von Phlegmonen, Fisteln oder Ektasien nichts mehr zu
sehen. Wenn man bedenkt, dass die bisherige Behandlung der Tränen-
sackphlegmone in einer Inzision von aussen besteht, mit nachherigem
Tamponieren auf 2—3 Wochen mit dem Endresultat, dass manchmal
eine Tränenfistel bleibt, und wenn man ferner bedenkt, dass die Behand¬
lung der Tränenfistel durch lange Durchspülungen, eventuell durch Aus¬
kratzen von aussen unzuverlässig ist, dagegen aber mit meiner Methode
die Fisteln in 1—3 Tagen zu heilen, so glaube ich den Beweis erbracht
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UMIVERSITY OF IOWA
1634
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 87.
zu haben, dass wir eine bessere Behandlung der Dakryostenose gefunden
haben.
leb möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen anatomischen Irrtum,
der in der Literatur erschienen ist, lenken, da es hier von Wichtigkeit
ist. Im internationalen Kongress in London im vergangenen Jahr hat
Polyak behauptet, dass ich im Irrtum bin, betreffend der anatomischen
Lage des gemeinsamen AusführungsgaDges der Ganaliculi in den Tränensack.
Polyak sagt folgendes wörtlich 1 ): »Seine (West’s) Argumentierung,
dass eine durch den Canaliculus horizontal eingeführte Sonde der beste
Beweis lür die totale Resektion der nasalen Sackwand ist, beruht auf
einem Irrtum, denn bekanntlich mündet der vereinte Canaliculus im
unteren Drittel oder höchstens in der Mitte des Sackes.“ M. H. Die
anatomische Lage der Ausmündung der Canaliculi ist gerade das Gegen¬
teil von dem, was Polyak behauptet, denn die Ausmündung liegt beinahe
am Fornix des Tränensackes, wie man in jedem Lehrbuch der Anatomie
lesen kann. Ich möchte aber hier nurOnodi citieren. Onodi schreibt
(Beziehungen der Tränenorgane zur Nasenhöhle usw. S. 4): »Der Tränen¬
sack hat eine Länge von 12 mm.“ Weiter schreibt er: »Die Einmündung
der Tränenröhrchen befindet sich an der lateralen Seite des Tränen¬
sackes etwas mehr nach hinten in der Gegend der transversalen
Halbierungslinie des Ligamentum palpebrale mediale, 2 mm vom Fornix
des Tränensackes entfernt“, d. h. ungefähr nur 2 mm vom Tränensack
liegen oberhalb des gemeinsamen Auslührungsganges der Tränenröhrchen,
dagegen aber ungelähr 10mm vom Tränensack unterhalb der Ausmündung.
Wenn der grösste Teil des Sackes oberhalb der Ausmündung der
Canaliculi läge, wie Polyak glaubt, dann würden alle diese Fisteln,
Phlegmonen und Ektasien, die ich hier abgebildet gezeigt habe, oberhalb
der horizontalen Axe des Auges sein. Aber wie Sie, m. H., an diesen
Bildern gesehen haben, macht eine Träoensackerkrankung, die bis an
die Haut kommt, ihre Haupterscheinung unterhalb der horizontalen
Axe. Gerade hierdurch macht man eine Differentialdiagnose zwischen
einer Tränensack- und einer Siebbeinerkrankung (z. B. Mucocele des
Siebbeins). Tränensackerkrankungen machen Hauterscheinungen
unterhalb des Ligamentum mediale, dagegen aber zeigt sich eine
Siebbeinerkrankung, die bis an die Haut kommt, oberhalb des
Ligamentum mediale.
Mit der Bakteriologie der Dakryocystitis habe ich mich auch be¬
schäftigt. Ich habe zuerst in einem privaten bakteriologischen Labora¬
torium in Berlin bakteriologische Kulturen einen Tag vor der Operation
und einen Tag nach derselben machen lassen. Bei diesen Probeversucben
waren die Kulturen nach der Operation gewöhnlich steril und für
Pneumokokken immer negativ. Dann durch das wissenschaftliche Interesse
von Prof. Morgenroth veranlasst, habe ich in seinem Laboratorium mit
Burake eine bakteriologische Arbeit über den Bakterieninhalt des Binde-
hautsaokes nach der intranasalen Eröffnung des Tränensackes gemacht.
Wir finden, dass die pathogenen Bakterien gewöhnlich 1 oder 2 Tage
nach der Operation vollkommen verschwunden sind. Dagegen hat
Mattice in Axenfeld’s Klinik Pneumokokken in 43 pCt. der Fälle nach
der Exstirpation des Tränensackes gefunden. Die Ergebnisse unserer
bakteriologischen Untersuchungen sprechen meiner Ansicht nach sehr
für die allgemeine Einführung der intranasalen Eröffnung des Tränen¬
sackes bei Dakryostenose, d. h. selbstverständlich nur, wenn die Operation
indiziert ist.
Besonders bei Tränensackeiterungen, wo später eine intrabulbäre
Operation (z. B. bei Star) gemacht werden muss, ist, wegen der Gefahr
einer Iofektion, die intranasale Eröffnung des Tränensackes der Exstir¬
pation von aussen vorzuziehen. Auch bei Ulcus serpens, wo die Pneumo¬
kokken schleunigst beseitigt werden müssen, ist die intranasale Operation
vorzuziehen, und in Verbindung mit der Anwendung von Morgenroth’s
spezifischem Mittel gegen Pneumokokken. Bumke und ich werden später
unsere Resultate ausführlich veröffentlichen.
Zum Schluss möchte ich zusammenfassen, dass die Vorteile meiner
Operation, die intranasale Eröffnung des Tränensackes, unter Schonung
des Ductus und auch der unteren Muschel (Rhino-Dakryocystostomie)
folgende sind: 1. die physiologische Funktion des Tränenweges wird
wiederhergestellt, so dass nicht nur eine Dakryocystitis, eine Dakryo-
blennorrhoea, eine Phlegmone oder eine Fistel ausgeheilt wird, sondern
nachher die Tränen wie normalerweise durch die Nase abfliessen und
das Auge trocken bleibt; 2. durch den physiologischen Abfluss ver¬
schwinden die pathogenen Bakterien (sehr wichtig für intrabulbäre Ope¬
rationen); 3. eine sogenannte Sondenkur wird vermieden; 4. die Tränen¬
drüse wird geschont; 5. ein Hautscbnitt wird vermieden.
Durch meine verschiedenen Veröffentlichungen (u. a. Mai 1910, Amer.
ophth. society, 7 Fälle; Juli 1912, Berlin, ophth. Ges., 30 Fälle;
Februar 1913, Berlin, laryng. Ges., über 90 Fälle; April 1913, Berlin,
med. Ges., 119 Fälle) glaube ich zuerst den Beweis erbracht zu haben,
dass die intranasale Chirurgie des Tränenweges überhaupt einen
Zweck bat.
Diskussion.
Hr. Halle: M. H.! Ich glaube, das Material des Herrn West ist
ein so ungewöhnlich grosses und interessantes, dass es kaum ein anderer
von uns erleben kann. Denn so viele ganz grosse Kliniken hat nicht
jeder zur Verfügung wie z. B. Herr West. Seine Erfolge sind auch aus¬
gezeichnet. Wir können ihm nur gratulieren.
Ich habe infolge der Freundlichkeit einer Reihe von Ophthalmologen
1) Verhandlungen des XVII. internationalen Kongresses, London
1913, Sektion XV, S. 238.
die intranasale Tränensaokoperation an 82 Fällen ausführen können mit
durchweg glänzendem Resultat. Ich habe keine solchen Ektasien ge¬
sehen, wie die von West demonstrierten Bilder zeigen. Dooh sind meine
Erfolge im ganzen ausgezeichnete.
Ganz trifft das nicht zu, was Herr West Herrn Polyak zum Vor¬
wurf macht. Da ich mit ihm persönlich eingehend gesprochen habe, so
muss ich ihn in diesem Punkte verteidigen. Polyak sagt, er habe den
Tränensack zuerst operiert und will das auch literarisch beweisen. Auf
diesen Streit will ich nicht eingehen. Dann sagt er über das Hindurch¬
führen der Sonde: Wenn Herr West seine Sonde durch den Tränensack¬
kanal durchführt und sie horizontal liegt, so ist es nicht nötig, dass er
den Sack schon eröffnet hat. Denn wenn die Sonde zuerst ein wenig
schräg nach unten eingefübrt wird, so kann sie, wenn sie nachher innen
gehoben wird, auch horizontal liegen, ohne dass der Sack teilweise oder
gar vollkommen eröffnet zu sein braucht. Doch das sind Fragen, die
Herr Polyak mit Herrn West abmachen mag. Sicher ist aber, dass
ich in dem ersten Fall, den ich nach dem Vortrag des Herrn West
über Ductusoperation im Jahre 1910 in dieser Gesellschaft im Jahre 1911
operierte, sogleioh auf den Sack eingegangen bin. leb habe hier in der
Laryngologischen Gesellschaft im Jahre 1911 einen doppelseitig ope¬
rierten Fall vorgestellt, wo nicht allein der Sack operiert war, sondern
wo ich gleichzeitig betont habe, dass man nicht die Nasenscbleimhaut
opfern, sondern zweckmässig einen Lappen bilden soll, um den breiten
Knochendefekt, den mau notgedrungen schaffen muss, zu decken. Wenn
ioh also will, dano kann ich einwandfrei beweisen, dass ich der erste
war, der überhaupt den Tränensaok von innen operiert hat. Ich habe,
dann lange Zeit keinen Fall gehabt und hielt es nicht für angebracht,
eine grössere Publikation über diesen einen Fall zu machen. Als ich
später mehr Patienten hatte, arbeitete West, der nach Berlin zurück-
gekehrt war, in der Klinik von Silex an einem grossen Material und
hat mehrfach darüber berichtet, damals aber noch an dieser Stelle meine
Lappenbilduog für unnötig erklärt.
Ueber die Technik der Operation ist aber hier noch wenig gesagt
worden. Wenn es noch angenehm ist, so will ich gern an einigen Licht¬
bildern erläutern, in welcher Weise die Operation am besten ausgefübrt
wird. (Demonstration an Lichtbildern.)
Hr. West (Schlusswort): Herr Halle hat die Frage der Technik
eröffnet, auf welche ich gar nicht eingegangen bin. Die perforierte
Lappenbildung, die Herr Halle beschreibt, halte ich für unzweckmässig
und zwar aus folgenden Gründen: Ein durcblochter LappeD, wie er ihn
macht, kann sehr leicht rutschen, und in diesem Falle würde der
Scbleimhautrand des Loches die Ausmündung des Canaliculus verlegen
(Demonstration). Ausserdem ist es nicht leicht, ein rundes Stück Schleim¬
haut in der Tiefe der Nase zu entfernen, wie Herr Halle vorschlägt.
Ich entferne ein viereckiges Stück und passe genau auf, dass sich die
vier Schleimhautinzisionen kreuzen (Demonstration). Ein auf diese Weise
mit überkreuzten Inzisionen herausgeschnittenes Stück Schleimhaut lässt
sich leicht mit irgendeinem Rasparatorium heraushebeln. Wenn ich
aber einen perforierten Lappen machen wollte, wie Herr Halle be¬
schreibt, würde ich zuerst die unperforierte Lappen nach unten klappen,
und dann zum Schluss der Operation würde ich die lospräparierten
Lappen mit einer Zange mit einem Schlag durchlochen, gerade wie der
Beamte au der Eisenbahn eine Fahrkarte durchlocht. Ich finde, Herr
Halle’s perforierte Lappen erschweren die Technik und gefährden das
Resultat.
Die Idee, die Nasenschleimhaut zu benutzen, um den Rand des
ausgemeisselten Knochenfensters zu bedecken, habe ich schon im ver¬
gangenen Jahr publiziert. Und wie ich es tue, mit kleinen LappeD,
einer nach oben, einer nach hinten und einer nach unteö, habe ich mit
einer Abbildung in Finder’s Archiv beschrieben. Meine Lappenbildung,
um den Rand des Knochenfensters zu decken, können die AusmünduDg
des Canaliculus nie verlegen.
Die grossen Schleimhautlappen, die ich bei der Operation nach unten
klappe, mache ich zu Beleuchtungszweoken, um Platz zu bekommen.
Der erste, der von Lappenbildung zum Beleuchtungszweck gesprochen
hat, ist Bryan. loh bin zu spät auf diese Arbeit aufmerksam geworden,
um sie zu erwähnen. Bryan hat beide Tränensäcke bei derselben
Patientin operiert in zwei Sitzungen. Bei der ersten Operation hat er
einen Lappen nach unten geklappt; bei der zweiten Operation aber hat
er keine Lappen gemacht. Deshalb nehme ich an, dass er nicht viel
Wert darauf gelegt bat. Die Hauptsache einer Lappenbildung zum Zweck
der Beleuchtung und zur Erweiterung des Operationsfeldes hat Bryan
aber nicht erwähnt, nämlich der vordere Rand des Lappens sollte der
Apertura pyriformis entsprechen. Das heisst, die Apertur sollte frei¬
gelegt werden, weil hinter ihrem Rand das Naseninnere breiter ist als
an der Apertur selbst. Die enge Passage zwischen Apertur und Septum
sollte durch Herunterklappen der Schleimhaut erweitert werden. Ausser
mir ist Bourguet der einzige, der von Apertura pyriformis spricht,
und er hat meine Abbildung in dem Archiv nachzeichnen lassen und in
den „ Annales des maladies de l’oreille usw.“ publiziert, ohne die Quelle
anzugeben (Demonstration der Abbildung des Vortr. und auch der von
Bourguet).
Herrn Halle’s Behauptung, dass alle seine Fälle »einwandsfrei“
sind, ist ein Irrtum, weil ich selbst vor 6 Wochen einen seiner operierten
Fälle zugeschickt bekommen habe, wo die Oeffnuog vollkommen zuge¬
wachsen war, und das Auge eiterte weiter. So etwas kann uns allen
passieren, ich möchte nur hier aufmerksam machen, dass Herrn Halle’s
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1635
14. September 1914.
Fälle, wo er seine perforierte Lappenbildung gemacht hat, nicht alle
„einwandsfrei“ sind, wie er glaubt.
Herr Halle sagt, er ist der erste, der den Tränensack intranasal
eröffnet hat. Das stimmt nicht, weil Strazza schon im Jahre 1904 l )
deu Ductus eröffnet, nach oben verfolgt und endlich den Sack aufgemacht
hat. Das war 7 Jahre, bevor Herr Halle überhaupt eine intranasale
Operation an dem Tränenwege gemacht hat.
Die Kriegsseuchen.
Vortragsreihe über ihre Erkennung und Behandlung unter
besonderer Berücksichtigung der ersten Diagnose, veranstaltet
vom Zentralkomitee für das ärztliche FortbilduDgswesen in Preussen.
I.
Ministerialdirektor Prof. Kirohner: Ueber Verhütung und Be¬
kämpfung der Seuchen im allgemeinen.
Welohe Rolle die Seuchen in allen Zeiten während des Krieges ge¬
spielt haben, erhellt aus den Zahlen, die die Geschichte überliefert hat.
Die Opfer, die die Seuchen schon in Friedenszeiten forderten, verviel¬
fältigen sich, sobald in einem Staat Krieg ausbricht. Und mancher
Krieg und damit das Schicksal eines Volkes wurde weniger durch die
Waffen, als durch den Ausbruch einer Seuche entschieden. So war der
Ausbruch der Pest in Athen während des peleponesischen Krieges vom
Jahre 430—425, der Syphilis im Heere Karl v. Anjou’s vor Neapel von
entscheidendem Einfluss. Und im Feldzug Napoleon’s gegen Russland
fielen trotz aller seiner sonstigen Schrecken mehr Soldaten dem Kriegs¬
und Lagertyphus zum Opfer als den übrigen verheerenden Einflüssen.
Freilich muss man die Daten, die uns über Kriegsseuchen aus
früheren Zeiten übermittelt sind, mit einiger Vorsicht aufnehmen, so ist
z. B. alles, was früher Kriegstyphus genannt wurde, sicherlich nicht
immer dieser Typhus gewesen. Die feinere Differenzierung der ein¬
zelnen Krankheiten war erst späterer Zeit Vorbehalten, und es ist noch
gar nicht so sehr lange her, dass wir gelernt haben, Recurrens, Fleck¬
typhus und Typhus abdominalis genau zu diagnostizieren. Der Vor¬
tragende selbst konnte vor nicht allzu langer Zeit mit Sicherheit ermitteln,
dass alle die Todesfälle an Typhus, die die französische Armee im Jahre
1870 erlitten haben soll, und die von Lehrbuch zü Lehrbuch der
Nachwelt überliefert werden, absolut nicht der Wahrheit entsprechen.
Nur das eine weiss man, dass der Typhus zahlreiche Opfer während des
Feldzuges sowohl auf deutscher wie auf französischer Seite gefordert hat.
Während des Krieges dehnte sich eine Pockenepidemie über
Deutschland, Frankreich und England aus. Deutschland allein hat durch
sie 127 000 Menschen verloren.
Auch die Ruhr forderte während des Krieges 1870/71 insbesondere
in der Umgebung von Metz viele Opfer. Es sollen im ganzen etwa
88000 Menschen an ihr gestorben sein. Auch der Feldzug in Südwest¬
afrika brachte zahlreiche Ruhrerkrankungen.
Merkwürdig ist das Verhalten der Pest, von der man glaubte, dass
sie seit zwei Jahrhunderten so gut wie erledigt sei, bis sie plötzlich im
Jahre 1897 sieh in Bombay wieder bemerkbar machte, um von da ab
in Indien nicht mehr zu verschwinden. Für uns in Deutschland ist von
grosser Bedeutung, dass gerade jetzt und schon vor Ausbruch des
Krieges au der Wolgamündung in Russland Lungenpestfälle festgestellt
worden sind.
Die Gründe, dass gerade während des Krieges Seuchen um sich
greifen, sind darin zu suchen, dass die vortrefflichen Maassnahmen, die
während des Friedens zur Unterdrückung einer ansteckenden Krankheit
gleich im Beginn getroffen werden können, hier fortfallen müssen. So be¬
stehen dann nicht mehr die Kontrollstationen an den Grenzen, die eine so¬
fortige Isolierung von verdächtigen Kranken ermöglichen, und es besteht
auoh nicht mehr die Quarantäne an den Seehäfen, die jedes Schiff unbe¬
dingt passieren mnss. Dadurch ist dem Einbruch von Seuchen aus fremden
Ländern Tür und Tor geöffnet. Auch dass in den Truppenteilen selbst
Infektionen leiohter zum Ausbruch kommen können, ist nicht weiter ver¬
wunderlich, wenn man bedenkt, dass die Disposition zur Aufnahme von
Infektionskeimen bei den Soldaten durch das nicht immer hygienische
Zusammenleben im Felde, die manchmal unvermeidlichen Mängel der
Verpflegung und die seelischen Einflüsse erhöht ist.
Immerhin sind wir durch die enormen Errungenschaften der Bakterio¬
logie und der Hygiene imstande, Seuchen sowohl der Zivilbevölkerung
wie auch der Truppenteile mit Erfolg zu bekämpfen, und man kann mit
Zuversicht annehmen, dass die Vorsichtsmaassregeln, die hier wie dort
getroffen sind, Erfolg haben werden.
Vortr. geht auf die vortreffliche Einrichtung von Untersuchungs¬
stationen in allen Teilen des Reiches eiD, erwähnt, dass jetzt der
Führer jedes Armeekorps einen konsultierenden Hygieniker zur Seite
“ Ä \ zu dessen Aufgaben es gehört, die Bacillen träger, die im Kriege
natürlich eine viel grössere Gefahr für die Umgebung bedeuten, ausfindig
zu machen und zu isolieren, dann Vornahme der Desinfektion, die Unter¬
suchung des Trinkwassers und endlich die Beseitigung der Abwässer
und der Leichen.
Am Schluss seines Vortrages geht Redner auf die vorbeugenden
Maassnahmen ein, insbesondere die Schutzimpfungen. Er zeigt am Bei-
1) Zbl. f. Laryngol., 1905, S. 461.
spiel von 1870, wo die Zivilbevölkerung Deutschlands von Pocken heim¬
gesucht wurde, während die geimpfte Armee nahezu freigeblieben war,
die segensreiche Wirkung der Pockenimpfung. Auch die Erfolge mit
Typhusimpfungen sind nach ausländischen und unseren Erfahrungen
im Feldzug in Südwestafrika sehr gute. Die statistischen Erhebungen
zeigen einwandfrei, dass 1. bei den Geimpften ein bedeutend geringerer
Prozentsatz überhaupt erkrankt ist, und dass 2. bei den Typbuskranken,
die geimpft worden waren, der Krankheitsverlauf ein viel leichterer war.
Darum hält es K. für durchaus wünschenswert, dass im Bedarfsfälle
Impfungen mit Typhusvaccin vorgenommen werden, und es bestehen auch
für Aerzte und Pflegepersonal nach den letzten Verfügungen entsprechende
Vorschriften. Die Impfung selbst wird mit 0,5 ccm des Vaocins subcutan
unter derClavicula vorgenommen; nach acht Tagen spritzt man abermals,
und zwar l,0ccm, und nach weiteren acht Tagen eventuell nochmals. Irgend¬
welche bedrohlichen Nebenerscheinungen sind mit dieser Impfung nicht
verknüpft, es kann höchstens einmal eine geringe lokale Reaktion und
leichtes Fieber auftreten. Der Impfstoff selbst kann aus dem Institut
für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ und aus dem Kaiserlichen Ge¬
sundheitsamt bezogen werden, wo gleichzeitig auch immer die Anwen¬
dungsvorschriften mitgegeben werden.
Choleraimpfungen sind ebenfalls in Griechenland während des
Balkankrieges praktisch erprobt und. leistungsfähig. Da ihr Schutz aber
nur kurze Zeit vorhält, so sei damit zu warten, bis Choleragefahr vorliegt.
Gegen Pest ist speziell von russischer Seite ein Serum angegeben
worden; seine Herstellung ist aber mit grosser Gefahr für die Umgebung
verbunden. Der Vortragende hatte vor einigen Jahren Gelegenheit, die
Laboratorien in Kronstadt zu besuchen, und sah drei Urnen in den
Laboratorien stehen, die die Asche der drei letzten Direktoren enthielt,
die sich auf die genaunte Weise infiziert hatten. Da ausserdem die
Wirksamkeit des Serums absolut nicht sicher steht, soll man lieber
davon Abstand nehmen.
Ruhrserum ist ebenfalls wirksam; darüber Näheres im Vortrag Nr. 3
in der nächsten Nummer dieser Wochenschr.
Das Tetanusserum ist wirksam, doch wird es selten in Frage
kommen, da die Tetanusinfektion durch die grossen Errungenschaften
der Asepsis und Antisepsis, die jetzt Allgemeingut im Felde geworden
sind, sehr selten ist.
II.
v. Wassermann: Ueber Typhus.
Vortr. berücksichtigte weniger die klinische als die bakteriologisch¬
biologische Seite der Typhusfrage, die aber für die Klinik, Prophylaxe
und Therapie von einschneidender Bedeutung ist. Der Typhusbacillus
gehört, so führte der Vortragende aus, zu der grossen Familie der Coli¬
bacillen, von denen er sich morphologisch absolut nicht unterscheidet.
Doch besitzt er andere Eigenschaften, die seine Diagnose ermöglichen.
Man weiss, dass der Typhusbacillus eine sogenannte obligate Eingangs«
pforte hat, d. h. er muss unbedingt auf dem Wege durch den Mund in
den Darmkanal gelangen und kann nicht etwa durch Wunden in den
Körper kommen, wenn er eine Infektion erzeugen soll. Vom Darmepithel
aus kommt er iu die Lymph- und Blutbahn, vermehrt sich aber nicht
in der Blutbahn, sondern diese ist für ihn lediglich ein Transportmittel,
auf dem er io die verschiedenen Organe gelangen kann. Man kann also
nicht eigentlich von einer Typhusseptikämie sprechen. Vom Blut weiter¬
transportiert, wird er in den verschiedenen Organen (Haut, Milz, Darm)
deponiert, um hier krankhafte Veränderungen auszulösen.
Für die Diagnose ist also daran festzubalten, dass die Bacillen
zu allererst im Blut nachweisbar sind; denn in den Fäces sind Bie zu
sehr vermengt mit anderen Goliarten. In der ersten Woche schon sind
sie in fast allen Fällen im Blut zu finden. Es empfiehlt sich dabei,
das Blut in sterile Rindergalle zu übertragen, um sie darin schon während
des Transports zur Untersuchungsstelle sich anreicbern zu lassen. Doch
geht es auoh ohne die Galle. Ist danach auch die Stuhl Untersuchung bei
Patienten, die unter unbestimmten fieberhaften Symptomen erkrankt
sind, kein sehr geeignetes Mittel zur Sicherung der Diagnose, so ist sie
doch unbedingt notwendig bei Bacil len trägem; bei ihnen wäre die
Untersuchung des Blutes zwecklos, denn sie haben ihre Bacillen
I lediglich im Darm und nicht im Blut Würden sie auoh hier sein, so
i wäre der Bacillenträger eben schon ein Typhuskranker.
Die bakteriologische Diagnose beruht unter anderem auf der Fähig¬
keit der Colibacillen, aus Milchzucker Säure zu bilden, während die
Typhusbacillen daraus keine Säure bilden können. Setzt man also z. B.
einem milobzuckerhaltigen Agarnährboden Lakmus zu (Conrad-Dri-
galski) oder Neutralrot (Endo), so tritt bei Wachstum von Colibacillen
infolge von Säurebildung ein Umschlag des blauen Tones in rot ein,
während der Nährboden um die Typhusbacillen unverändert bleibt Bei
Traubenzucker und anderen Zuckerarten liegen dieDinge anders, und gerade
dieses verschiedene Verhalten wird zur Diagnose weiter herangezogen.
Das Wachstum allein genügt jedoch nicht zur Diagnose, es werden
dazu die spezifischen Abwehrstoffe, die das Blut gegen die eindringenden
Typhusbacillen bildet, in Form der Agglutination (Widal) zu Hilfe
genommen.
Für die Entstehung einer Epidemie spielt, wie man beute weiss, im
Frieden die Aufnahme der Bacillen durch das Wasser und die Nahrungs¬
mittel im allgemeinen nicht mehr die Rolle wie früher. Gewiss treten
.durch eine Typhusbacilleu enthaltende Wasserquelle oder durch eine
Molkerei, die Milch mit Typhnsbaoillen liefert, explosionsartig an
verschiedenen Stellen Krankheitsfälle auf, aber sie gehen bald nach Auf-
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1636
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 87.
deckung und Verstopfung der Infektionsquelle zurück; dann folgen die
durch Kontaktinfektion entstandenen Fälle nach, die in geringerem Grade
aber längere Zeit hindurch die Epidemie unterhalten. Für das Feld
aber würde die Kontaktinfektion wohl eine grosse Rolle spielen.
Die Infektion mit Typhusbacillen ist im Grunde eine Infektion mit
Colibacillen, indem, wie oben ausgeführt, der Typbusbacillus ein Glied
der Colifamilie ist. Die Colibacillen im allgemeinen sind für unseren
Darm deshalb harmlos, weil sie von frühester Jugend an in unserem
Organismus Vorkommen und das Darmepitbel sich an sie adaptiert hat.
Sobald aber ein bisher fremder Stamm von Colibacillen in den Darm
gelangt, also z. B. der seltene Stamm der Typbusbacillen, so kann eine
Infektion entstehen. Aber auch sonst harmlose Colibacillen können eine
Infektion erzeugen; denn nicht in alleD Teilen der Erde sind die Coli-
starame gleich, und wenn z. B. Deutsche nach Italien kommen, so sind
sie der Infektion mit den dort üblichen Colistämmen viel leichter zugäng¬
lich als die Italiener, die an sie gewöhnt sind. Damit ist auch die grosse
Bedeutung der Colivertreter in Kriegszeiten ohne weiteres verständlich,
da die Soldaten in Gebiete kommen, in denen Coiistämme, an die ihr
D-irm nicht adaptiert ist, zu Hause sind.
Gegen den gefährlichsten Colistamm, den Typhusbacillus, steht uns
ein Schutzmittel in der Impfung mit Typhusbacillen zur Verfügung
(s. o. Vortrag I).
Die jetzt oft gestellte Frage, ob man die Impfung gegen Typhus
gleichzeitig mit anderen ImpfungeD, etwa gegen Pocken, vornehmen
kann, ist so zu beantworten, dass dies ohne Beeinträchtigung der biologi¬
schen Wirkung wohl möglich wäre, dass es sich aber doch nicht empfiehlt,
um nicht durch Summation der Ileaktionsbegleiterscheinungen stärkeres
Krankheitsgefühl auszulösen. Also deshalb erst eine Impfung nach Ab¬
schluss der andern. Therapeutisch leistet Vaccin und Serum bei Typhus
nichts. Das liegt in der Natur der Sache begründet, denn die Vaccine kann
unmöglich den Körper zur Bildung von noch mehr Abwehrstoffen ver¬
anlassen, als dies die Typbusbacillen tun, die den Körper infiziert haben.
Will man eine Therapie anwenden, so müsste sie sich iü ganz anderer
Richtung bewegen. Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen ja
weniger die Erscheinungen, die von den Bacillen direkt kommen, als die
Symptome einer Vergiftung mit ihren Toxinen, und es müsste deshalb
das Ziel der Therapie sein, Antitoxine dem Körper zuzuführen. K.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Die Verwendung von Aerzten in der Feuerlinie, mehr aber
noch die Barbarei der feindlichen Zivilbevölkerung fordert unter unseren
Kollegen manches Opfer. Unter anderen ist in den letzten Tagen der
liebenswürdige Kollege Wieck in ßerlin-Grunewald als Oberarzt auf dem
Schlachtfelde gefallen, desgleichen Unterarzt M. Neumeister, Stabs¬
arzt d. lies. Fr. Lauk, Arzt in Ellingen, Ritter v. Boxberger, Marine-
Stabsarzt d. Res., Arzt in Kissingen, auf S. M. S. „Ariadne“, Karl Wolf,
Zahnarzt, v. Blomberg, cand. med. aus Eberswalde, P. Dietl,
cand. med. aus München, L. Goppelt, cand. med.; Unterarzt L. Jacobi
wurde schwer, einige andere leicht verwundet.
— Geh.-Rat Prof. Hubert Sattler, der hervorragende Leipziger
Ophthalmologe, beging am 9. d. M. seinen 70. Geburtstag.
— Bisher waren in der deutschen Armee nur Chirurgen und
Hygieniker als konsultierende Aerzte vorgesehen, neuerdings sind dazu
auch Internisten getreten und demzufolge Herr Geh.-Rat Kraus und
Geh.-Rat Krebl für die Dauer des mobilen Verhältnisses zu General¬
ärzten, Geh.-Rat His zum Generaloberarzt ernannt worden.
— Den Völkerrechtsverletzungen, die unsere Gegner geradezu mit
Raffinement ausbecken, reiht sich auch würdig die englische Erfindung
der Dum-Dum-Geschosse an, die wegen der Schwere der durch sie ge¬
setzten Verletzungen ärztliches Interesse beansprucht. Es sind bei zahl¬
reichen französischen und englischen Verwundeten und Gefangenen
staatlich abgestempelte Pakete dieser teuflischen Geschosse und endlich
in den eroberten Festungen Longwy und Montraedy Maschinen zu ihrer
Herstellung aufgefunden worden. Demgegenüber darf es uns zu einiger
Genugtuung gereichen, dass die französischen Chirurgen Del bet, Ray¬
mond, Tuffier, Doyen auf Grund ihrer Erfahrungen in den grössten
Lazaretten erklären, dass die Schusswunden der französischen Ver¬
wundeten, falls nicht Lebensorgane getroffen, stets sehr gutartig sind
und schnell heilen. Damit ist die von unseren Gegnern aufgestellte Be¬
hauptung, dass wir uns ihre Scheusslichkeiten zu eigen gemacht hätten,
hinfällig geworden.
— Die auf 15. September d. J. angesagte Versammlung deutscher
Polizeiärzte in Stuttgart findet nicht statt.
— Wir werden am die Veröffentlichung der folgenden Zeilen
ersucht: Unter dem Protektorate des kaiserlich deutschen Generalkonsuls
Grafen Fürstenberg-Stammheim hat sich in Budapest ein Komitee
gebildet zur Unterstützung der Familien derjenigen Reichs¬
deutschen, die in Ungarn leben, und die zur Verteidigung des
Vaterlandes eingerückt sind. Die gesamte ungarische Kultur, insbesondere
aber die ungarische medizinische Wissenschaft ist der mächtigen, blühen¬
den deutschen Wissenschaft vielen Dank schuldig. Von Jahr zu Jahr
schicken wir unsere Söhne, unsere Schüler nach Deutschland, um ihren
Gesichtskreis zu erweitern und aus der unerschöpflichen Quelle deutscher
Wissenschaft zu schöpfen. Wir glauben unsere Pflicht zu tun, wenn
wir, dem Aufrufe des Komitees folgend, die Sammlung eröffnen und
unsere Landsleute, in erster Linie unsere Kollegen bitten, unserem Bei¬
spiele zu folgen, (iutt segne unser Bündnis, welches nun mit blutiger
Waffenbrüderschaft befestigt, für ewig befestigt ist.
Prof. Baron Koloman Müller. Prof. Leo v. Liebermann.
Prof. Baron Alexander v. Koranyi. Prof. Emil v. Grösz.
— Die von der Berliner Dozentenvereinigung für den Oktober an¬
gekündigten Ferienkurse fallen aus.
Hochschulnachriohten.
Halle a. S. Geh.-Rat Weber, der frühere Direktor der medi¬
zinischen Klinik, starb im Alter von 85 Jahren.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 8. Kl. mit der Schleife
und Schwertern am Ringe: Geh. San.-Rat Dr. Elias in Breslau:
Roter Adler-Orden 4. KL: Geh. San.-Rat Dr. Ulrich in Berlin.
Niederlassungen: Dr. 0. Klemp in Altona, Dr. H. Steffensen
in Kiel.
Verzogen: Dr. A. Grünewald von Frankfurt a. M. nach Dornholz¬
hausen, Dr. A. Schacht von Berlin und Dr. A. Rehm von Neuhausen
b. Königsberg i. Pr. nach Wiesbaden, Dr. H. Chop von Tilsit, Dr.
E. M. Oette von Reisen und Sao.-Rat Dr. P. Th. Schwarz von
Luschwitz nach Cöln, L. Ullrich von Cüln nach Heidelberg, Dr. M.
Jörrens von Lindlar nach Ensen, Dr. G. Keysselitz von Marburg
nach Aachen, Dr. V. Rom ahn von Molthainen nach Bartenstera,
Stabsarzt Dr. A. Ziaja von Spandau nach Köslin, Dr. H. E. Feder
von Dresden nach Kolberg, Oberstabsarzt Dr. 0. Hellmer von Pots¬
dam nach Stolp, Dr. H. Leidholdt von Weimar nach Kronprinz
Wilhelm Heilstätte bei Obornik, E. Hornoy von Frankfurt a. M. nach
Sprottau, Dr. F. Stolzenberg von Luisenhain nach Hirschberg i. Schl.,
Dr. S. Hoff von Leipzig nach Liegnitz, Dr. L. Gross von Liegnitz
nach Bad Kissingen, Dr. A. Schüppel von Altona nach Chemnitz,
Dr. E. v. Schubert von Altona nach Kiel, Dr. A. Sommer von
Breslau nach Altona, Dr. F. W. Götze von Dresden nach Jevenstedt,
Dr. M. Kastens von Tondern nach Glückstadt, Dr. H. Rath von
Königstein i. T. nach Ahrensburg.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. W. Strauch
von Altona, Dr. K. Rothemann von Vienenburg, Aerztin Dr. F. Leuss
von Bendorf.
Gestorben: Dr. E. Goepel in Wandsbek.
Zeichnet die Kriegsanleihen!
Wir stehen allein gegen eine Welt in Waffen. Vom neutralen Aus¬
land ist nennenswerte finanzielle Hilfe nicht zu erwarten, auch für die
Geldbeschaffung sind wir auf die eigene Kraft angewiesen. Diese^ Kraft
ist vorhanden und wird sich betätigen, wie draussen vor dem Feinde,
so in den Grenzen des deutschen Vaterlandes jetzt, wo es gilt, ihm die
Mittel zu schaffen, deren es für den Kampf um seine Existenz und seine
Weltgeltung bedarf.
Die Siege, die unser herrliches Heer schon jetzt in West und Ost
errungen, berechtigen zu der Hoffnung, dass auch diesmal wie einst
Dach 1870/71 die Kosten und Lasten des Krieges schliesslich auf die¬
jenigen fallen werden, die des Deutschen Reiches Frieden gestört haben.
Vorerst aber müssen wir uns selbst helfen.
Grosses steht auf dem Spiele. Noch erwartet der Feind von unserer
vermeintlichen finanziellen Schwäche sein Heil. Der Erfolg der Anleihe
muss diese Hoffnung zerstören.
Deutsche Kapitalisten! Zeigt, dass Ihr vom gleichen Geiste beseelt
seid wie unsere HeldeD, die in der Schlacht ihr Herzblut verspritzen.
Deutsche Sparer! Zeigt, dass Ihr nicht nur für Euch, sondern auch für
das Vaterland gespart habt! Deutsche Korporationen, Anstalten, Spar¬
kassen, Institute, Gesellschaften, die Ihr unter dem mächtigen Schutze
des Reichs erblüht und gewachsen seid! Erstattet dem Reiche Euern
Dank in dieser schicksalsschweren Stunde! Deutsche Banken und
Bankiers! Zeigt, was Eure glänzende Organisation, Euer Einfluss auf
die Kundschaft zu leisten vermag!
Nicht einmal ein Opfer ist es, was von Euch verlangt wird- ® an
bietet Euch zu billigem Kurse Wertpapiere von hervorragender Sicher¬
heit mit ausgezeichneter Verzinsung!
Sage Keiner, dass ihm die flüssigen Mittel fehlen! Darcb die Knegs-
darlehnskassen ist im weitesten Umfang dafür gesorgt, dass die nötigen
Gelder flüssig gemacht werden können. Eine vorübergehende kleine
Zinseinbusse bei der Flüssigmachung muss heute jeder vaterländisch ge¬
sinnte Deutsche ohne Zaudern auf sich nehmen. Die deutschen Spar¬
kassen werden den Einlegern gegenüber, die ihr Sparguthaben für diesen
Zweck verwenden wollen, nach Möglichkeit in weitherzigerWeise auf die
Einhaltung der Kündigungsfristen verzichten.
Näheres über die Anleihen ergibt die Bekanntmachung unseres Reicbs-
bank-Direktoriums, die heute an anderer Stelle dies es Blattes erscheint.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Han# Kobn, Berlin W., BayreotberStrasse4*.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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UNIVERSUM OF IOWA
Oii-
ml:
St
: ecs r.
Die Berliner Kliniselie Wochonsehrift erscheint jeden
Uontex 1« Nummorn von ca. 5—6 tlogon gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellnns;on nehmen
»He BuchhamlUmgen und Postanstalten an.
BERLINER
Alle Einsendungen für die Redaktion and fexpedit/oii
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinal Verwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. üaiis Kohn. August üirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin.
Montag, den 21. September 1914. M 38 . Einundfünfzigster Jahrgang.
int.';-
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bi-r.
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INHALT.
OrigiD&lien*. Melchior: Ueber den sogenannten arterio-mesenterialen
Duodenalverschluss (Atonia gastro-duodenalis acuta). (Aus der
Breslauer chirurgischen Klinik.) (lllustr.) S. 1637.
Neckarsulmer: Ueber Begieren. (Aus dem pathologischen In¬
stitut des städtischen Krankenhauses im Friedrichshain zu Berlin.)
(lllustr.) S. 1641.
Lublinski: Silbernitrat oder Silbereiweiss. S. 1643.
Boeder: Ein Hilfsmittel für sportliche Diätetik und Truppen¬
hygiene. S. 1643.
Jeger: Der gegenwärtige Stand der Blutgefässchirurgie. (Sammel¬
referat.) (Aus der Kgl. chirurgischen Klinik der Universität
Breslau.) S. 1645.
Bücherbesprechnngen: Marx: Die experimentelle Diagnostik, Serum¬
therapie und Prophylaxe der Infektionskrankheiten. S. 1648. (Ref.
Morgenroth.) — Schrijver: Das Ulcus duodeni. S. 1648. Weber:
On means for the Prolongation of life. S. 1649. (Ref. Ewald.) —
Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor:
Geh.-Rat Prof. Dr. H. Küttner).
Ueber den sogenannten arterio-mesenterialen
Duodenalverschluss (Atonia gastro-duodenalis
acuta). 1 )
Von
Dr. Eduard Melchior, Assistent der Klinik.
M. H.! Wenn der junge angehende Mediziner zum ersten
Male das komplizierte Bild der geöffneten Bauchhöhle vor sich
sieht, da hat sich wohl mancher schon mit bangem Staunen die
Frage vorgelegt, ob in diesem scheinbar regellosen Gewirr von
Darmschlingen nicht leicht einmal die Inhaltspassage eine Störung
erleiden kann. Die Furcht des Laien vor einer „Darmverschlingung“
entspringt ähnlichen Motiven. —- Mit der Zeit und mit zunehmender
Erfahrung pflegen derartige Vorstellungen wieder abzublassen und
jenem Vertrauen auf die präzise Funktion des Organismus Platz
zu machen, mit dem etwa der Chirurg nach einer operativ not
wendig gewordenen Eventration die Därme ohne die eigentliche
Möglichkeit einer Rücksicht auf die normalen Lagerungsverhält¬
nisse wieder in die Bauchhöhle reponiert, einen Murphyknopf
den mäandrischen Gängen der Darmpassage überlässt, die kom¬
pliziertesten Anastomosen anlegt — immer von dem Bewusstsein
getragen, dass es der Vis medicatrix naturae schon gelingen
wird, die Sache zum guten Ende zu führen. — Immerhin bleibt
aber auch für den minder unbefangenen Betrachter eine Stelle
des Intestinaltraktus übrig, welche bezüglich des Problems der
Inbaltspassage ein gewisses aktuelles Interesse bewahrt hat; es
ist dies die Stelle, wo das unterste Duodenum vor der
Flexura duodeno jejunalis unter der Gekrösewurzel wie 1
unter einer Unterführung hindurchzieht.
Die genaueren anatomischen Verhältnisse sind ohne
weiteres aus der vorstehenden Abbildung 1 ersichtlich: Der
untere Duodenalschenkel zieht quer vor der Wirbelsäule resp.
zunächst der Aorta und Vena cava her; die noch weiter nach
1) Vortrag, gehalten in der medizinischen Sektion der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Gultur zu Breslau am 17. Juli 1914.
Schwalbe: Therapeutische Technik für die ärztliche Praxis.
S. 1649. (Ref. Dünner.)
Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1649. — Pharmakologie. S. 1649. —
Therapie. S. 1650. — Innere Medizin. S. 1650. — Chirurgie.
S. 1651. — Röntgenologie. S. 1651. — Geburtshilfe und Gynäko¬
logie. S. 1651. — Soziale Medizin. S. 1651. — Gerichtliche Medizin.
S. 1651.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Medizinische Sektion
der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur
zu Breslau. S. 1G51. — Verein deutscher Aerzte zu Prag.
S. 1652.
Die Kriegsseuchen. (Vortragsreihe über ihre Erkennung und Be¬
handlung unter besonderer Berücksichtigung der ersten Diagnose.)
(Schluss.) S. 1653.
Münzer: Kriegsskizzen. S. 1655.
Tagesgeschichtliche Notizen. S. 1656.
oben an die hintere Bauchwand hinaufreichende, meist nicht sehr
breite Fett- und Bindegewebsplatte der Radix mesenterii mit den
in ihrer Duplikatur verlaufenden Vasa mesenterica superiora
bildet mit der Wirbelsäule einen spitzen Winkel, in den die Pars
horizontalis inferior duodeni gleichsam wie in die etwas ge-
Abbildung 1.
Ansicht des Duodenums mit der Haftlioie des Mesocolon transversum
und der Ueberkreuzungsstelle durch das Dünndarmmesenterium dicht
vor dem Uebergang in die Flexura duodeno-jejunalis (nach Zucker-
kandl).
öffneten Branchen einer Klemme eingelagert ist (vgl. namentlich
den Sagittalschnitt in Abbildung 2). — Dass in der Tat auf
diese Weise die Ausdehnungsfähigkeit des unteren
Duodenums im Vergleiche zu den übrigen Abschnitten des
Zwölffingerdarms eine gewisse Beeinträchtigung erleidet,
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Original frn-m
UNIVERSITY OF IOWA
1638
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 88.
lässt sich einwandsfrei dadurch demonstrieren, indem man an einer
gehärteten Leiche einen Ausguss des Duodenums mit Wachs, Gips
oder dergl. vornimmt. Man findet dann in der Regel an dieser
Stelle eine relative streifenförmige Enge, welche auf den Gegen¬
druck des Mesenteriums einschliesslich der in ihm verlaufenden
oberen Gekrösearterie bezogen wird.
Eine andere Frage ist jedoch die, ob diese relative Be¬
schränkung der Ausdehnungsfähigkeit des Zwölffingerdarms —
wie sie ja auch sonst in manchen Teilen des Intestinaltraktus in
ähnlicher Weise vorkommt, ich erinnere z. B. an die relative
Oesophagusenge beim Durchtritt durch das Zwerchfell — auch
Abbildung 2.
Die topographischen Beziehungen des unteren horizontalen Duodenal-
scbenkeis zur Mesenterialüberkreuzung. Schematischer Querschnitt (nach
Leccne).
klinisch zu selbständigen pathologischen Erscheinungen Ver¬
anlassung geben kaon. Codman 1 ), einer der AutoreD, welche
diese Fragestellung ohne weiteres bejahen, sieht hierin sogar den
Ausdruck einer habituellen Passageerschwerung, welche nach
seiner Ansicht in die Gruppe derjenigen Schädigungen
gehört, mit denen das Menschengeschlecht das Vorrecht
des aufrechten Ganges hat erkaufen müssen. In welcher
Weise sich dies Codman vorstellt, zeigt in drastischer Form
die nachstehend reproduzierte Abbildung eines Schweines, bei
dem sich das Mesenterium in der normalen Körperhaltung recht¬
winklig zum Duodenum einstellt, jegliche Kompression dieses
Darmabschnittes also ausgeschlossen ist, die Folge ist: „eine
ideale Verdauung“.
Abbildung 3.
Das „horizontale Tier“ mit idealer Verdauung; die Mesenterialwurzel kom¬
primiert das Duodenum nicht (nach Codman).
Diesem glücklichen Vierfüssler stellt Codman den Homo
erectns gegenüber, bei dem in der aufrechten Stellung das berab-
häogende Mesenterium sich spitzwinklig zur Wirbelsäule einstellt
und auf diese Weise unter Mithilfe der Bauchmuskulatur (KorsettI)
das Duodenum komprimiert. Störungen der normalen Verdauung,
ja sogar die Entstehung von Geschwüren im oberen Duodenum
sollen die Folge dieser emanzipierten Haltung bilden. (Abb. 4.)
Aehnliche Gedankengänge sind auch schon früher, z. B. von
Glönard 2 ) — dem Schöpfer der Lehre von der Enteroptose —
1) Boston med. and surg. journal, 1908, vol. 158, p. 503.
2) Lyon mddioal, 1885.
ausgesprochen worden; L. Landau, welcher den Eintritt dieser
Kompression besonders bei leerem Duodenum für möglich erklärt,
hält es sogar nicht für ausgeschlossen, dass gewisse den Hanger¬
zustand bei manchen Menschen begleitenden Unlastsensationen
auf eine derartige Zerrung des Mesenteriums zurückzuführen sind.
Wir wollen jedoch einstweilen von diesen chronischen,
z. T. überhaupt au der Grenze des Physiologischen sich bewegen¬
den Zuständen von supponierter Mesenterialkompression des Duo¬
denums absehen und uns jenen akuten Störungen zuwenden,
für die zuerst der Name des arterio-mesenterialen Duodenal¬
verschlusses geschaffen wurde.
Abbildung 4.
Kompression des Duodenums beim „vertikalen Weibe“ (nach Codman).
Das Zustandekommen dieses akuten Dnodenalilens, wie
eine andere synonym gebrauchte Bezeichnung lautet, wird im
allgemeinen so aufgefasst, dass man davon ausgebt, dass zu¬
nächst der Dünndarm in das kleine Becken herabsinkt,
und die Mesenterialwurzel hierdurch so gespannt wird,
dass aus der quasi physiologischen Duodenalkom-
pression ein eventuell stabiler kompletter Duodenal-
verschluss mit der ganzen Tragweite eines hoch¬
sitzenden Ileus sich entwickelt.
Wie es scheint, bat Wunderlich 1 ) (1856) zuerst auf der¬
artige Zustände bingewiesen. Bei einem Typhusrekonvaleszenten
fand er „infolge der ins kleine Becken herabgesunkenen Dünn¬
därme eine Abschnürung des unteren Duodenalendes durch Druck
des Mesenterialstiels und, hierdurch bedingt, eine kolossale Aus¬
dehnung am Magen mit akuter Sarcinebildung und tödlichem
Ende“. Rokitansky gedenkt in der dritten Auflage seines Lehr¬
buches der pathologischen Anatomie (1861) der gleichen Möglich¬
keit; die Serie der genauer mitgeteilten Einzelbeobachtungen wird
eingeleitet durch eine sonst in der deutschen Literatur durchweg
übersehene Mitteilung von Nicaise 2 ) aus dem Jahre 1885. Zur
allgemeineren Kenntnis dieser Zustände haben die Arbeiten von
Kundrat und Schnitzler Anlass gegeben; unter den zahlreichen
neueren Publikationen mögen hier nur die von P. A. Albrecbt,
P. Müller, Stieda, Landau (Rosentbal), Borcbardt,
Lfecene 8 ), Braun und Seidel, Laffer 4 ), A. Payer,
v. Hab er er 8 ) u. a. genannt sein.
1) Handb. d. Path. u. Ther., 1856, Bd. 3, S. 176.
2) Revue de chir., 1885, S. 310.
3) Journ. de chir., 1908, S. 781.
4) Annals of surgery, 1908 (I), S. 390 und 532.
5) Auf die Arbeit von v. Haberer (Erg. d. Chir. usw., 1918, Bd. 5)
sei namentlich bezüglich des Literaturverzeichnisses hingewiesen; nur die
hierin nicht aufgeführten Publikationen sind in der vorliegenden Mit¬
teilung besonders zitiert.
Original from
UNIVERSmf OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1630
21. September 1914.
Das klinische Bild des sogenannten skaten arterio mesen¬
terialen Duodenal Verschlusses ist zumeist ein recht einförmiges.
Nehmen wir einmal den häufigsten Modus als konkretes Beispiel
an, so handelt es sich etwa um einen bettlägerigen Patienten,
bei dem wenige Tage vorher eine Baucboperation in Narkose vor¬
genommen wurde. Die ersten ein- oder zweimal 24 Stunden nach
dem Eingriff sind ohne jede Störung verlaufen, der Leib ist
weich, eine Peritonitis, die gefährlichste Komplikation nach
abdominellen Operationen, ist nicht mehr zu befürchten. Da erzählt
uns vielleicht der Patient ganz sorglos bei der Visite, dass er vor
kurzem erbrechen musste, der Arzt sieht sich das Erbrochene an
und ist erstaunt über die grosse Menge der auf diesem Wege ent¬
leerten intensiv gallig gefärbten, wässrigen Flüssigkeit. Exami¬
niert man, hierdurch aufmerksam gemacht, nun den Kranken etwas
genauer, so erscheint vielleicht der Gesichtsausdruck etwas
weniger lebhaft, der Puls zeigt gegenüber der normal gebliebenen
Temperatur einen relativen Anstieg. Das Abdomen ist zwar im
ganzen weich, doch erscheint das Epigastrium etwas aufgetrieben
und Sitz eines Spannungsgefübls, der Durst ist vermehrt.
Schenkt nun unter solchen Umständen der behandelne Arzt
diesen Prodromalsymptomen nicht die nötige Aufmerksamkeit
und zögert er mit der Einleitung der in diesem Stadium absolut j
indizierten Therapie, nämlich der Ausheberung und Spülung des
gefüllten Magens — denn darum handelt es sich hierbei in erster
Linie —, dann pflegt sich dieser zunächst oft noch recht harmlos
erscheinende Zustand meist schnell in bedrohlicher Weise zu ver-
schlimmem: gussweise in grossen Massen wiederholt sich in
immer kürzeren Intervallen das Erbrechen von anfangs noch
rein galliger, später aber schnell eine bräunlich-bluthaltige
Färbung anuehmender Flüssigkeit; die anfangs zunächst nur auf
das Epigastrium beschränkte Auftreibung dehnt sich nach und
nach über das ganze Abdomen aus und gewinnt die Form eines
gigantisch dilatierten Magens; der Puls wird kleiner und
frequenter, das Gesicht spitz und eingefallen, die Extremitäten
kühl. Singnltus stellt sich ein; Abgang von Stuhl und Winden
zessiert entweder gänzlich oder erfolgt nur in unzureichender
Weise, der Patient ist teilnahmslos, verfallen, dabei von furcht¬
barstem Durste gepeinigt, mitunter auch exzitiert, will aus dem
Bette; das klinische Bild entspricht schliesslich immer mehr dem
der allgemeinen Peritonitis, um dann nach wenigen Tagen —
meistens etwa 4—6 —, in protrahierten Fällen eventuell aber
auch erst nach einem Verlaufe von 2 Wochen zum Tode zu
führen.
Der Befund, den der pathologische Anatom bei der
Sektion derartiger Fälle erhebt, ist zunächst in negativer
Weise dadurch charakterisiert, dass eine Peritonitis, wie sie
namentlich früher zumeist vom Kliniker diagnostiziert wurde,
fehlt. Der markanteste und zunächst in die Augen springende
Befand ist vielmehr der einer ganz enormen Dilatation des
Magens, welcher für sich allein den grössten Teil des Bauch-
raumes aasfüllt. Io der io der Berliner klinischen Wochenschrift,
1908, S. 1594, mitgeteilten Beobachtung Borchardt’s findet sich
eine charakteristische Abbildung hierfür. „Zwei gewaltige arm¬
dicke Schläuche liegen nebeneinander, von der Gardia geht der
linksseitige bis zum Ligamentum Poupartii sinister hinunter, um
dort unter spitzem Winkel in den rechtsseitigen überzugehen, der
fast in sagittaler Richtung nach oben zum Pylorus verläuft;
zwischen beiden liegt in extremer Weise ausgespannt das kleine
Netz“ (Riedel). Auch der Pylorus ist weit dilatiert und in¬
suffizient, so dass sein Antram sich fast unvermittelt in das
enorm geblähte Duodenum fortsetzt, dessen Auftreibung in
den sogenannten typischen Fällen einen deutlichen Ab¬
schluss genau an jener oben beschriebenen Stelle
findet, wo dieser Darmteil von der Radix mesenterii
uberkreuzt wird.
Der hier im Auszug wiedergegebene Sektionsbefuod einer der Fälle
von Kundrat mag dieses Verhalten im einzelnen illustrieren: „Der
Ragen enorm ausgedehnt . . schwappend, wie das auf Vorderarm¬
dicke erweiterte Duodenum mit galliger Flüssigkeit gefüllt. Fast der
ganze übrige Dünndarm kontrahiert im kleinen Becken gelagert. Nur
einige der Jejuoumschlingen, hinter dem Mesocolon transversum vor der
linken Niere herablaufend, wenig ausgedehnt. Das normal gelagerte
Coecum mit dem Golou ascendens und das entsprechend tief gelagerte
Qtieroolon massig von Gas gebläht. Colon descendens, Flezura sigmoidea
und Rectum kontrahiert, normal verlaufend. Das Duodenum bis in die
Höhe des vierten Lendenwirbels herabreichend, biegt scharf in seinen
aQ der rechten Seite der Wirbelsäule aufsteigenden Schenkel um,
der, wo er in das Jejunum nach links hin übergeht, duroh
die Wurzel des Dünndarmgekröses an einer fast zwei Quer¬
finger breiten Stelle bis zur Undurchdringlichkeit kom¬
primiert ist. Erst wenn man das Mesenterium lüftet, lässt
sich Inhalt aus dem dilatierten Duodenum in das Jejunum
pressen.“
Nur in den seltensten Fällen, und dies ist für die
Frage der Aetiologie bedeutungsvoll, tritt das im Vor-
anstebenden geschilderte Krankheitbild des akuten
mesenterialen Duodenal Verschlusses bei bis dahin
völlig gesunden Menschen in die Erscheinung. Fast regel¬
mässig werden vielmehr solche Individuen betroffen, die bereits
unter den Zeichen einer akuten oder chronischen, die körperliche
Widerstandskraft herabsetzenden Schädigung stehen. Vorausge¬
gangene in Narkose vorgenommene operative Eingriffe stehen
hierbei — wie bereits bemerkt — weitaus an erster Stelle. Die
Art der Operation als solche kann sehr mannigfach sein, doch
ist das Ueberwiegen von Bauchoperationen unverkennbar; eine
gewisse Prädisposition scheinen hierbei namentlich Eingriffe am
Gallensystem zu besitzen. Ein Unterschied je nach Art des an¬
gewandten Narkotikums — Chloroform oder Aetber — ist nicht
ersichtlich. Eine ähnliche, wenn auch praktisch erheblich znrück-
tretende Bedeutung kommt vorausgegangenen schweren Infektions¬
krankheiten zu; es gehört hierher das schon eingangs erwähnte
Auftreten dieser Komplikation in der Rekonvaleszenz des Typhus
abdominalis (Wunderlich). Dass auch durch gastritische mit
starker Gasbildnng einhergehende Gärungsprozesse ein ähnliches
Krankheitsbild entstehen kann, wird durch mehrere Beobachtungen
der Literatur (Kirch, Kundrat, Broadbent u. a.) wahrschein¬
lich gemacht. Im übrigen möchte ich hier auf Einzelheiten
verzichten und nur so viel hervorheben, dass die über¬
wiegende Mehrzahl aller Fälle von arterio-mesen¬
terialem Duodenalverschluss bei bettlägerigen, also in
horizontaler Ruhelage befindlichen Patienten eintrat.
Für die später zu besprechende Theorie dieser Erkrankung ist
diese Feststellung von Wichtigkeit.
Ex juvantibus bat jene Auffassung, dass der Verschluss
des Duodenums in diesen Fällen durch das Herabsmken des
Dünndarms in das kleine Becken und infolge einer dadurch be¬
wirkten Straffung der Mesenterialwurzel eintritt, durch die von
Schnitzler inaugurierte Lagerungstherapie dieser Erkrankung
eine besondere Stütze erhalten. — Es besteht diese Therapie in
der Anwendung der Baach- resp. der Knie-Ellenbogenlage. Der
hierbei für Schnitzler leitende Gedanke war der, dass, wenn
es der in das kleine Becken herabgesankene Dünndarm sei, der
durch 8eiuea Zug den Mesenterial Verschluss des Duodenums be¬
wirkt, es durch Anwendung der Bauchlage gelingen müsse, den
Dünndarm wieder nach oben zu befördern und damit den fatalen
Zug am Mesenterium aufzuheben. Mag nun diese Theorie zu¬
treffen oder nicht — wir kommen hierauf später zurück — richtig
ist jedenfalls, dass in einem derartig behandelten Falle Schn itzler’s
nach mehrstündiger Durchführung der Bauchlage die Erscheinungen
des arterio mesenterialen Darm Verschlusses prompt zurückgingen.
Ueber ähnliche günstige Erfahrungen haben später H. Albrecht,
Weinbrenner, Lichtenstein, Landau (Rosenthal) u. a.
berichtet.
Schien hiermit die oben skizzierte Lehre des sog. arterio-
mesenterialen Duodenal Verschlusses gleichsam ihren Schlussstein
zu erhalten, so blieb doch — von den theoretischen Grundlagen
dieses Krankheitsbildes einstweilen ganz abgesehen — in der
Interpretation dieser eigentümlichen Ileusform eine wesentliche
Lücke bestehen, welche den kritischen Beobachtern auch niemals
entgangen ist. Es besteht dieses Dilemma in folgendem:
Nach der vorgetragenen Auffassung gilt der akute arterio-
mesenteriale Duodenal Verschluss als ein Strangulationsileus, wobei
die schmale Radix mesenterii ganz ähnlich wirken soll wie etwa
der schnürende Bruchring bei der Hernienincarceration. Zu den
kardinalen anatomischen Folgeerscheinungen eines derartigen
Strangulationsileus gehört nun, wie allgemein bekannt, der Ein¬
tritt einer progredienten Ernährungsstörung des Darmes an der
Schnürstelle, d. h. der Befund einer Schnürfurche, die, von ge¬
ringer Intensität in frühen Stadien, bei anhaltender Incarceration
und zumal iu den tätlich endenden Fällen bis zur lokalen Gangrän
und Perforation des Darmes zu führen pflegt. Durchmustern wir
indessen von diesem Gesichtspunkte aus die autoptiscb mitgeteilten
Fälle von arterio-mesenterialem Duodenalverschluss, so finden wir
in der grossen Majorität der Fälle auch nicht die geringsten
lokalen Läsionen vermerkt, nicht einmal eine umschriebene In¬
jektion, eine Fibrinanflagerong oder dergleichen an der angeblich
strangulierten Partie des Duodenums. Als einzige Ausnahme von
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Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
1640
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 88.
dieser Regel figuriert in der Literatur ein aus diesem Grunde
häufig citierter Fall voo Bäumler, bei dem, wie v. Haberer
augibr, „das Duodenum an der Strangulatioossteile eine Nekrose
aufwies“.
Sehen wir uns aber diesen vielgenannten Fall Bäumler’s
einmal etwas genauer an: Es handelte sich hier um ein
25 jähriges Mädchen, bei dem die Erscheinungen der Mesenterial-
incarceration in der Rekonvaleszenz eines Typhus auftraten und
in protrahierter Weise innerhalb von 14 Tagen zum Tode führten.
Bei der Sektion fand sich der Magen und das Duodenum bis zur
Mesenterialkreuzung stark dilatiert. Da, wo das letztere „unter
der Mesenterialfalte in das Jejunum übergebt und woselbst es
offenbar durch den Zug des gespannten Mesenteriums und den
gefüllten Magen gegen die Wirbelsäule angedrückt war, ist die
übrigens glatte Serosa in einer Ausdehnung von etwa 2 cm
durch eine mehr hellrote, gleichmässige Färbung scharf ab¬
gegrenzt. Dieser Stelle entsprechend findet sich in der Schleim¬
haut eine fast ringförmige, oberflächliche Nekrose von
1,5 cm Breite, die Umgebung ganz reaktionslos 1 }.“
Wir hätten es also in diesem Falle mit einem
14tägigen, letal endenden StrangulatioDsileus zu tun,
der anatomisch zu nichts weiter geführt hätte, als zu
einer strichförmigen Injektion der Serosa mit einer
oberflächlichen, ringförmigen Schleimhautnekrose —
das ist aber, verglichen mit den sonstigen Erfahrungen
über Darmincarceration, ein unlöslicher Widerspruch!
Epikritisch aufgefasst können diese Veränderungen vielmehr nur
als sekundäre und vor allem rezente gelten — worauf auch
das völlig reaktionslose Verhalten der Umgebung hinweist —;
hier aber eine primäre, 2 Wochen lang bestehende Strangulation
anzunehmen, erscheint unhaltbar.
Nun zur theoretischen Seite der Lehre von arterio-
mesenterialem Duodenalverschluss. Dieselbe gipfelt in der
Frage, was für Kräfte überhaupt innerhalb des Orga¬
nismus disponibel sind, um eine derartige Strangulation
des Duodenums durch die Mesenterialwurzel herbeizu-
führen. Zu ihrer Bestimmung sind von P. A. Albrecht,
P. Müller u. a. folgende Ueberlegungen angestellt worden: Damit
der Dünndarm in das kleine Becken herabsinken und dadurch
eine StraffuDg der Mesenterialwurzel herbeiführen kann, muss er
leer oder nur minimal gefüllt sein, wie es auch den Sektions-
befunden dieser Fälle entspricht. Als Maass der Zugkraft kommt
also in optimo das Eigengewicht des leeren Dünndarms in Be¬
tracht; dasselbe ist nach den übereinstimmenden Angaben von
P. Müller und Glänard auf etwa 500 g anzonehmen. Da nun
aber weiterhin, wie P. A. Albrecht und Neck hervorgehoben
haben, ein derartig leerer Dünndarm gar nicht selten bei
Sektionen mehr oder weniger vollständig im kleinen Becken an¬
getroffen wird, ohne dass gleichzeitig eine Mesenterialkompression
besteht, bat dies fernerhin die Annahme ganz bestimmter Längen-
verbältnisse des Mesenteriums als notwendig ergeben. Es müsste
dasselbe nämlich, damit ein derartiger Duodenal Verschluss über¬
haupt nur denkbar wäre, nach der Formulierung Borcbardt's
gerade so lang sein, „dass die Dünndärme unter Straffung der
Mesenterial wurzel im kleinen Becken fixiert werden können“. —
Immerhin wird aber auch bei dieser Annahme, welche das Eigen¬
gewicht des Darmes ohne weiteres im Sinne einer Zugwirkung
an der Mesenterialwurzel zur Geltung gelangen lässt, dieses nicht
total als komprimierende Komponente auf das Duodenum in
Betracht kommen können, sondern stets nur zu einem Bruchteile.
Es wird dieser Quotient — wie etwa ein Blick auf Abbildung 4
lehren dürfte — nm so grösser sein, je ausgesprochener die
Lendenlordose ist und je mehr die Lage des unteren queren
Duodenalschenkels dem Scheitelpunkt dieser Lordose entspricht,
d. h. je tiefer die dritte Doodenalpartie gelegen ist.
Zur Veranschaulichung der Möglichkeit eines auf den genannten
Faktoren beruhenden Duodenalverschlusses sind von einigen Autoren
Experimente am menschlichen Kadaver angestellt worden. So hat
Albrecht angegeben, dass, wenn er bei einer mit dem Becken auf den
Tischrand gelegten — also stark lordosierten — Leiche einen mit 2 kg
beschwerten, zum Becken hinausgeleiteten Bindfaden an das Mesenterium
nach Abtrennung des Dünndarms befestigte, ein „recht starker Druck“
der mit dem Duodenum verbundenen Wasserleitung nötig war, um die
Flüssigkeit unter Ueberwindung des durch die Mesenterialkreuzung ge¬
gebenen Widerstandes bis in das Jejunum zu treiben.
Conner’s Experimente wurden in ähnlicher Weise angestellt; die
Füllung des Magens geschah mittels eines Rohres vom Oesophagus aus;
1) Im Original nicht gesperrt.
ein mit demselben kommunizierendes Manometer ergab die zur Ueber-
winduog der Duodenalkompression notwendigen Druckhöhen.
Die auf diesem Wege gewonnenen Resultate waren indessen wenig
einheitlich. Ia sieben Fällen wurden bei Anhängen eines Gewichtes von
500 g Druckwerte benötigt, die zwischen 10 und 48 mm Hg (13,6 bis
65,3 cm H,0) schwankten; in drei Fällen schien überhaupt nur der
direkte Druck des sich füllenden Magens eine Erschwerung der Duo¬
denalpassage zu bewirken, da, wenn dieser etwas angehoben wurde,
selbst durch ein Gewicht von 1 kg eine wesentliche Kompression des
Zwölffingerdarms nicht erzielt werden konnte.
Einige eigene Versuche, die ich mit freundlicher Erlaubnis von
Herrn Prof. Henke im hiesigen pathologischen Institute anstellen konnte,
ergaben eine Bestätigung der letzteren Beobachtung, denn wenn man den
Wasserstrom unter Umgehung des Magens direkt in den oberen Duodenal¬
schenkel einleitete, wurde bei 40 cm Wasserdruck auf den Duodenal¬
querschnitt ein Zug von 1,5—2 kg am Mesenterium notwendig, um die
Darmpassage aufzuheben. Im übrigen hatte auch schon Rosenthai
angegeben, „dass keineswegs ein geringer Zug genügt, um das Duodenum
fest zu verschHessen, vielmehr muss man schon recht kräftig am Mesen¬
terium ziehen“. Aehnlich lautet das Urteil von Braun und Seidel.
Alle derartigen Experimente, die meinen nicht aus¬
genommen, haben indessen nnr einen höchst relativen
Wert, nämlich allein den, dass sie zeigen, dass die
nach der obigen Theorie beim Lebenden am Mesenterium
einwirkend gedachten Zugkräfte von 500g nicht sehr
geeignet erscheinen, um eine erhebliche Kompression
am Duodenum zu erklären. Der eigentliche Kernpunkt
der Frage wird aber von diesen Versuchen gar nicht
berührt. Dieser besteht vielmehr in dem Problem, ob
überhaupt am Lebenden derartige Zugkräfte als wirk¬
sam angenommen werden dürfen.
Wir kommen hiermit zu einer Frage, die weit über das Ge¬
biet des arterio-mesenterialen Duodenal Verschlusses binansfübrt
zu den Problemen der Enteroptose und zur Statik der Bauchhöhle,
nämlich zur Frage, wodurch überhaupt bei der vertikalen
Körperhaltung die einzelnen Bauchorgane in ihrer nor¬
malen Lage gehalten werden.
Die ältere Anschauung, mit der die eingangs vorgetragene
Theorie des arterio-mesenterialen Doodenalverschlnsses untrennbar
verbunden ist, ist die, dass beim aufrecht stehenden Men¬
schen der Darm an seinem Mesenterium schwebt, ebenso
wie die übrigen Organe an ihren sogenannten Aufhängebändern,
nicht anders etwa — um einen krassen Vergleich zu gebrauchen
— als wie man im Fleischerladen die herausgenommenen tieri¬
schen Eingeweide aufgehängt sieht.
Diese ältere Theorie, die sonst namentlich noch für die
chirurgischen Organopexien ptotischer Eingeweide bewusst oder
unbewusst das Leitmotiv abgibt, ist aber offenbar höchst unzu¬
länglich. In Wirklichkeit schweben nämlich die Organe
in der Bauchhöhle nicht, sondern ihre Statik ist io der
Weise gesichert, dass sie auf ihrer Unterlage, d. h. den
jeweiligen benachbarten Organen sowie den Bauch¬
wandungen einschliesslich des Beckenbodens anfruhen,
also gleichsam schwimmen.
Dass dies sieb in der Tat so verhält, ergibt sich zunächst
aus den von Ke Hing festgestellten manometrischen Druckverhält¬
nissen der Bauchhöhle, indem der höchste Druck stets dem je¬
weilig tiefsten Punkte der Bauchhöhle entspricht. Das Lasten
der einzelnen Organe aufeinander geht daraus unmittelbar hervor.
Der gleichzeitige Druck, den die Organe auf die Bauch¬
wandungen ausüben, lässt sich ferner ohne weiteres für die musku¬
lären Bestandteile derselben demonstrieren. Fällt hier nämlich
die statische Arbeit, welche sie zu leisten haben, um die Baucb-
organe bei vertikaler Körperstellung in situ zu erhalten, fort —
also etwa infolge einer poliomyelitischen Lähmung —, so wölbt
sich die gelähmte Partie sofort bernienartig vor, und zwar am
stärksten, je weiter nach unten dieser gelähmte Bezirk gelegen
ist. In den oberen Baucbpartien braucht dagegen der Eintritt
einer umschriebenen, elektrisch nachweisbaren Muskelparese oder
Lähmung noch nicht unbedingt zum Eintritt einer Hernie zu
führen, wie dies namentlich aus den von Wiese 1 ) an der
K üttner’ßchen Klinik angestellten Untersuchungen über den Kehr-
schen Wellenschnitt hervorgeht. Oeffnet man ferner an einer
stehenden Leiche das Abdomen, so stürzen die Eingeweide heraus;
bei einer Hiebverletzung des Bauches, bei dem klassischen „Hara¬
kiri“ der Japaner kann es Vorkommen, dass der Darm bis auf
die Erde fällt — alles dies würde jedoch nicht möglich sein,
wenn die Suspension seitens der sogenannten Hängebänder die
1) Inaug.-Diss., Breslau 1913.
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UNIVERSUM OF IOWA
21. September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1641
Organe wirklich in der Schwebe hielte. Ganz die gleichen Ver¬
hältnisse machen sich auch in der Brncbpathologie geltend: ist
s. B. beim Leistenbrach die Brachpforte weit genug, geschieht
nichts, um dieselbe künstlich zu verschliessen, so kann allmäh¬
lich fast der ganze Bauchinbalt, ja selbst der Magen in eine
solche Hernie eintreten — die postulierte Suspension der Bauch-
organe versagt hier also vollständig. Vermag der Beckeoboden
seine Aufgabe, die auf ihm lastenden Eingeweide zurückzuhalten,
wegen muskulärer Insuffizienz, stattgefundener Verletzungen usw.
nicht zu erfüllen, so sind damit, wie Tandler und Halban
unter Ablehnung der älteren Auffassung von der Fixation des
Uterus durch die Hängebänder nacbweisen konnten, die Bedin¬
gungen zum Eintritt des Genitalprolapses bei der Frau erfüllt;
auch bei der Entstehung des Prolapsus recti spielt die Insuffizienz
des Beckenbodens eine integrierende Rolle. - 1 - Das letzte Argu¬
ment wird aber der Suspensionstheorie der Bauchorgane entzogen,
wenn man mit Wiedhopf 1 ) — dessen kürzlich erschienene Studie
über die Splanchnoptose ganz wesentlich zur Klärung dieser Ver¬
hältnisse beigetragen hat — einmal die anatomische Beschaffen¬
heit der sogenannten Hängebänder kritisch mit Rücksicht auf ihre
Funktion betrachtet. Es fällt hierbei zunächst die Uuscheinbar-
keit dieser Ligamente auf — so erscheint die Annahme, dass
etwas das spiftowebendünne Lig. bepatogastricum ein im gefüllten
Zustande so mächtiges Organ, wie es der Magen darstellt, in der
Schwebe halten solle, geradezu paradox. Aber auch die histo¬
logische Struktur der sogenannten Hängebänder spricht entschieden
gegen eine solche Auffassung. „Betrachtet man das Gewebe im
tierischen Körper, das auf Zug beansprucht wird, so findet man
überall, dass es Sehnenfasern entwickelt. Gerade diese aber sind
nirgends in den Mesenterien vorhanden.“ 2 * ) *
Ziehen wir aus diesen Tatsachen das Fazit für die Lehre
vom arterio mesenterialen Duodenal Verschluss, so ergibt sich,
dass jene durch das Gewicht des leeren Dünn¬
darms dargesteliten Zugkräfte in Wirklichkeit beim
Lebenden höchstens nur als Bruchteile, wahrschein¬
lich verschwindender Art, auf die Mesenterialwurzel
einwirkend gedacht werden können. Natürlich werden
diese Kräfte relativ noch am grössten sein, wenn der Patient
steht, während bei horizontaler passiver Rückenlage die Niveau¬
differenz zwischen Beckenboden und Mesenterialansatz sich ver¬
ringert, also auch der ausgeübte Zug weniger beträchtlich sein
wird, und zwar um so mehr, als auch die Lendenlordose — deren
Bedeutung für das Zustandekommen einer Duodenalkompression
wir oben gewürdigt haben — bei dieser Körperlage wesentlich
nachlässt bzw. verschwindet. Es batte ja auch, wie einleitend
erwähnt, Co dm an eine mesenteriale Duodenalkompression nur
bei vertikaler Körperhaltung angenommen, während bei horizon¬
taler Ruhelage nach diesem Autor eine Entspannung eintritt.
Ganz anders dagegen beim akuten mesenterialen Duodenal Verschluss,
der, wie oben ausgeführt, fast ausnahmslos nur bei bereits bett¬
lägerigen Patienten vorkommt. Es findet sich also hier ein
weiterer Widerspruch zwischen den Tatsachen und den
theoretischen Voranssetzungen.
(Schluss folgt.)
Aus dem pathologischen Institut des städt. Kranken¬
hauses im Friedrichshain zu Berlin (Prosektor Prof.
Dr. L. Pick).
Ueber Beinieren.
Von
Dr. Karl Neckarsnlmer, Volontärarzt.
Als Doppelniere wird von den Autoren diejenige Nierenmiss
bildung bezeichnet, bei der — sei es auf einer Seite oder auf
beiden — in der äus*erlich scheinbar in die Länge gezogenen
Niere auf dem Durchschnitt zwei vollständig getrennte Nieren¬
becken nebst zugehörigen Ureteren vorhanden sind und die Trennung
der doppelten Nieren durch einen gemeinsamen breiten Parenchym¬
bezirk bewirkt wird. Diese Anomalie stellt keinen sehr seltenen
Sektioasbefuud dar and wird sogar zu den häufigsten Nierenmiss¬
bildungen gerechnet [Orth 8 )]. Im Gegensatz zu dieser Doppel¬
1) D. Zschr. f. Chir., 1914, Bi. 128, H. 1.
2) Wiedhopf, 1, c.
8) Orth, Lehrbuch der spez. path. Anat., II, S. 25ff.
niere steht die sogenannte überzählige Niere, die in voll¬
kommener Selbständigkeit und meist beträchtlicher räumlicher
Entfernung von den beiden normalen Nieren liegt und eine
äusserste Rarität darstellt. Wie überall in der Morphologie der
Missbildungen eines Organs, so kann auch hier durch ein mehr
oder weniger ausgesprochenes Heranrücken der überzähligen Niere
an eine der beiden normalen Nieren eine mehr oder minder starke
Annäherung an die Gruppe der Doppelnieren erfolgen. Dennoch
lässt sich die Existenz der überzähligen Nieren im striktesten
Sinne des Wortes nicht bezweifeln und verdient bei ihrer Selten¬
heit nnd der ganzen Merkwürdigkeit des anatomischen Befundes
eine Sonderstellung.
In der älteren Literatur fiaden sich nach einer Zusammenstellung
von Palma 1 ) drei einwandfreie Beobachtungen von überzähligen Nieren:
in dem ersten Falle, von Blasius, wurden links zwei Nieren mit ge¬
sonderten Gefässen und gesondertem Ureter getroffen, im zweiten Falle
(Thielmann) lag die linke, normal geformte Niere an normaler Stelle,
die rechte Niere lag ebenfalls normal, war aber nur halb so gross wie
die linke, und weiter abwärts, auf der Arteria iliaca commun. dextra lag
eine dritte Niere, deren Ureter in den der oberen Niere mündete. Der
dritte Fall stammt von Hyrtl: rechts und links neben der Lendenwirbel-
säule je eine Niere von normaler Grösse und Gestalt, und vor der linken
Articulatio sacro-iliaca eine dritte Niere von Hübnereigrösse, vom Peri¬
toneum überzogen, deren Ureter selbständig neben dem linken Ureter
in die Harnblase mündete.
Diesen drei Fällen schliesst sich ein weiterer Fall von Hanse-
mann 2 ) an: bei einem 57jährigen Mann fand sich rechts eine normale
Niere, links an entsprechender Stelle eine kleinere Niere und becken¬
wärts von ihr eine weitere. Die Ureteren — die untere Niere besass
zwei — vereinigten sich auf dem Wege zur Blase. Da die untere linke
Niere einen accessorischen Arterienast aus der rechten Iliaca commun.
empfing, so betrachtet Hansemann sie als ein Aequivalent des Ver¬
bindungsstückes bei Hufeisenniere, das ja häufig grössere Selbständigkeit
besitzt und deshalb auch manchmal als dritte Niere bezeichnet wird.
So deutet dieser Fall die Möglichkeit einer Beziehung zwischen den über¬
zähligen Nieren und der Hufeisenniere an.
Der fünfte Fall endlich wird von chirurgischer Seite beschreiben:
hei einer Frau mit Wandernierensymptomen fand Cheyne 8 ) bei der
Operation auf der Beckenschaufel, dicht neben der Wirbelsäule, eine
wohlentwickelte Niere mit eigenem Ureter und eigenen Gefässen, während
er sich im übrigen davon überzeugen konnte, dass zu beiden Seiten der
Lendenwirbelsäule die beiden normalen Nieren lagen.
In allen diesen Fällen stellt also die überzählige Niere ein
ansehnliches Organ dar, das schon makroskopisch keinen Zweifel
Hess, dass es sich nm eine Niere bandelte. Leider lassen sämt¬
liche Fälle eine mikroskopische Beschreibung vermissen, es ist
aber anzunebmen, dass es sich sowohl in histologischer als in
funktioneller Beziehung jedesmal um vollwertige Organe ge
handelt hat.
Dieser Gruppe von Fällen soll nun hier eine weitere Gruppe
angegliedert werden, bei der es sich ebenfalls um das Vorhanden¬
sein einer selbständigen dritten Niere neben den normal
geformten beiden anderen Nieren bandelt, wobei aber im
Gegensatz zu den vorbeschriebenen Fällen diese dritte
Niere nur in rudimentärer Form ausgebildet ist und funk¬
tionell keine Bedeutung hat
Wenn für die accessorischen Nebennieren, die allerdings von
den beiden Komponenten des Hauptorgans nur die Rindensubstanz
führen, die Bezeichnung alsBei-Nebenieren [Poll 4 )] eingeführt worden
ist, und wenn in gleichem Sinne abgesprengte kleine Partien der
Hauptschilddrüse im Gegensatz zu den Nebenschilddrüsen (Para-
thyreoid Körperchen) als Bei Schilddrüsen bezeichnet werden, so
lässt sich diese Gruppe überzähliger, accesso risch er rudimentärer
Nieren passend als „Beinieren“ charakterisieren.
Den Anlass zu einer Untersuchung in dieser Richtung bildet
ein Fall, der im August 1912 im pathologischen Institut des
städt. Krankenhauses im Friedrichshain zu Berlin von Herrn
Prosektor Prof. Dr. L. Pick beobachtet und mir von Herrn Pro¬
fessor Pick freundlichst zur Bearbeitung überwiesen wurde.
Ein neun Mouate altes Mädchen kam mit der klinischen Diagnose
Masern und Lungenentzündung zur Soktion. Die pathologisch-anato¬
mische Gesamtdiagnose des Falles, der im übrigen bei der Sektion nichts
Bemerkenswertes bot, lautete: Oberflächliche Abschuppungen an der
Gesichtshaut. — Parenchymatöse Degeneration des Herzmuskels. Hyper¬
trophie des linken Ventrikels. — Katarrhalische Pneumonie im rechten
Mittel- und Unterlappen. Katarrhalische Bronchitis. — Infektiöser Milz-
1) Palma, Pr.m.W., 1891, Bd. 16.
2) Hansemano, B.k.W., 1897, H. 4.
3) Cheyne, The Laneet, 1899, Vol. 1.
4) Poll, 0. Hertwig’s Handbuch der Entwicklungsgeschichte, Bd. 3,
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 38.
tiirnor. — Derbe VergrÖsserung der mesenterialen Lymphdrüsen. —
Parenchymatöse Degeneration der Leber. — Akute Nephritis. Ver¬
doppelung des linken Ureters. Kleine tumorartige Auflagerung. Auf¬
lagerung über dem oberen Pol der linken Niere.
Die genauere Präparation der Harnorgane ergab nun folgenden Befund:
Die Nebennieren liegen beiderseits an gewöhnlicher Stelle, ebenso die
rechte Niere, deren Form normal ist. Ihre Grösse beträgt: 6 : 3,5 : 2,5 cm,
ihre Oberfläche ist fötal gelappt. Das aufgeschnittene Organ zeigt Rinden¬
substanz und Markpyramiden in der üblicheu Anordnung und Abgrenzung,
und aus dem ebenfalls normal geformten Nierenbecken steigt der 10,5 cm
lange Ureter zur Blase hinab und mündet an gewöhnlicher Stelle in sie.
Die linke Niere liegt als Ganzes 2 cm tiefer als die rechte und ist
kürzer und plumper gebaut. Ihre Maasse betragen: 4,5:2,5:2,5cm.
Auch sie ist im übrigen von normaler Gestalt, mit fötaler Lappung
der Oberfläche und bietet auf dem Durchschnitt das übliche Bild. Der
Ureter ist, der tieferen Lage der Niere entsprechend, nur 8,5 cm lang
und mündet symmetrisch zum rechten Ureter in die Blase. Dem oberen
Pol dieser Niere nun sitzt wie eine Kappe, die hiluswärts etwas tiefer
herabgezogen ist, ein Gebilde auf, das etwa die Form eines in dorso-
ventraler Richtung platt gedrückten spitzen Kegels besitzt. Dieser Kegel,
der in der Höhe 1 cm und im Durchmesser seiner Grundfläche etwa
2 cm misst, schmiegt sich mit dieser Grundfläche eng der oberen Nieren¬
kuppe an, doch so, dass eine schmale Furche überall eine durchaus
scharfe Grenze gegen lie bedingt. Die Oberfläche des Körpers ist durch
feine Furchen in winzige Felder geteilt, die an die fötale Nierenlappung
erinnern. Auch auf dem Durchschnitt erkennt man eine Einteilung in
kleine Parenchymbezirke, die durch schmale Bindegewebsziige von ein¬
ander getrennt werden. Stellenweise ist eine Abgrenzung rudimentärer,
etwas hellerer und gegen die Oberfläche radiär streifiger Pyramiden
gegen eine überlagernde Rinde deutlich genug, um das Gebilde schon
für das blosse Auge sicher als Niere zu charakterisieren. Auch auf dem
Durchschnitt wird die Grenze gegen das Parenchym der linken Niere
deutlich kenntlich gemacht durch ein grauweissliches, dünnes, binde¬
gewebiges Septum. In diesem Septum endet anscheinend blind ein
zweiter Ureter, der parallel dem andern -zur Blase hinabsteigt und dicht
neben und medianwärts von ihm in der Bla«enwand blind endigt. Auf¬
fallend ist an diesem Harnleiter die ungleiche Dicke: der mittlere und
der nach oben an diesen angrenzende Teil ist gegenüber dem atretischen
obersten und dem distalen Abschnitt verdickt und spindelig aufgetrieben.
Die Länge des zweiten Ureters beträgt 10,5 cm.
Zur mikroskopischen Untersuchung wurde von dem in natürlichen
Farben nach L. Pick makroskopisch konservierten Objekt eine Scheibe
abgeschnitten, die den ganzen Körper in seiner Hauptebene, das erwähnte
Bindegewebsscptum, und ein Stück des oberen Poles der linken Niere
enthielt. Das Material wurde in Paraffin eingebettet, die Schnitte mit
Hämalaun-Eosin, nach van Gieson und nach Weigert (Elasticafärbung)
gefärbt. Das mitexzidierte Stück der Hauptniere bot ausser den akuten
Veränderungen infolge der Maserninfektion, bei denen reichliche Rund¬
zelleninfiltrate sehr im Vordergrund standen, keinen auffallenden Befund.—
Der kleine, auch mikroskopisch von der Hauptniere durch die Binde-
gewebsbarriere unbedingt gesonderte Körper lässt schon bei Lupen-
vergrösserung ein bindegewebiges Stroma erkennen, in das zahlreiche,
im allgemeinen gut abgegrenzte, meist rundliche Parenchyminseln einge¬
bettet sind. Das Bindegewebe ist zellarm und ordnet sich mit seinen
Fasern meist zirkulär um die Inseln herum an. Es führt in mittlerer
Menge Blutgefässe, elastische Fasern und vereinzelt glatte Muskelfasern.
Die Parenchyraherde sind in ihrer Zusammensetzung verschieden, je
nachdem sie näher nach der freien Obe» fläche oder nach der Grenze zur
Niere hin gelegen sind. Die oberflächlichen Herde bestehen in der
Hauptsache aus NiereDglomerulis und Harnkanälchen. Die Gloineruli
entsprechen meist dem normalen Typus, doch finden sich auch einzelne,
die durch ihre geringere Grösse und durch ihre plumpen Gefässchlingen
eine geringere Ausbildung zeigen. Die Harnkanälchen lassen teilweise
einen kurzen geschlängelten Verlauf erkennen; ihr Epithel besteht aus
blassen, meist gekörnten, niedrigen Zellen mit hellem, rundem Kern.
Ihr Lumen ist mit einer homogenen, oder auch körnigen Masse erfüllt.
Zwischen den Harnkanälchen und Glomerulis findet sich ein lockeres
Bindegewebe mit Blutkapillaren und Rundzelleninfiltraten.
Ein wesentlich anderes Aussehen bieten die mehr septumwärts
gelegenen Parenchymläppchen. Gloineruli fehlen hier, die Harnkanälchen
sind auch hier in Quer- und Längsschnitten sichtbar, doch zeigen die
läogsgetroffeneu einen gestreckten Verlauf, einzelne sind auch U-lörmig
gebogen nach Art der Henle’schen Schleifen. Das Lumen der meisten
Harnkanälchen ist eng und leer, ihre Epithelien sind schmal und dunkel
getönt. Auch hier sind die Kanälchen in Bindegewebe eingebettet.
Seine Faserrichtung entspricht ihrem Verlauf und liefert ihnen so eine
bindegewebige Scheide. In einigen Läppchen finden sich ausserdem weit
grössere, buchtige und im Vergleich zu den sonstigen Harnkanälchen
riesenhafte Hohlräume, die mit einem mehrschichtigen Uebergangsepithel
ausgekleidet sind.
Die beiden Arten von Gewebsinseln sind im allgemeinen durch
Bindegewebsstrassen getrennt und gegeneinander abgegrenzt. Doch ist
auch an einer Stelle in den angefertigten Schnitten ein Läppchen der
erstbeschriebenen Art unmittelbar zentralwärts mit einem der anderen
Art verbunden. — Das mehrfach erwähnte Septum zwischen dem Tumor
und dem oberen Nierenpol besteht aus Bindegewebe mit elastischen
Fasern, Blutgefässen und glatten Muskelfasern und enthält gleichfalls
mehrere weite, mit Uebergangsepithel ausgekleidete buchtige Hohlräume.
Für einen Zusammenhang dieser grossen Hohlräume mit dem Harn¬
leiter zeigt sich kein Anhalt. Elemente von Nierenparenchym finden
sich hier nicht.
Ueberblickt man den ganzen Befund, so sitzt also der linken Niere
ein Gebilde auf, an dem sich makroskopisch wenigstens stellenweise eine
Nierenpyramiden' und -rindenzone andeutet, und an dem sich mikro¬
skopisch eine Rindenzone mit Glomerulis und gewundenen Harnkanälchen
und eine mehr zentrale (Mark-)Zone mit vorwiegend geraden Kanäl¬
chen und Henle’schen Schleifen unterscheiden lässt. Daran schliesst
sich eine Bindegewebsschicht mit nierenbecken- bzw. kelchähnlichen
Hohlräumen, wie diese auch in dem angrenzenden Teil der Markzone
zu finden sind. Aus dem Gebiet des rudimentären Nierenbeckens ent¬
springt, blind beginnend und blind in der Harnblase endend, ein Ureter.
Das ganze Gebilde ist überall scharf gegen die linke Niere abge-
greuzt.
Das Gebilde erweist sich also als eine überzählige linke
Niere, die bei der unvollkommenen Art ihrer Ausbildung als Rudi¬
mentärorgan sich darstellt. Bemerkenswerterweise ist nur an einer
Stelle des Präparates, wie erwähnt, ein unmittelbarer Uebergang
eines Läppchens mit Glomerulis und Tubulis contortis, also corti-
calen Elementen, in ein solches mit Tubulis rectis, also aus¬
führenden Kanälen sichtbar, während im übrigen beide Arten
durch Bindegewebszüge voneinander geschieden sind; es hat also
den Anschein, als ob diese kleine dritte Niere im allergrössten
Teil auf einer frühen Stufe ihrer embryonalen Entwicklung stehen
geblieben wäre, noch ehe es allgemein zu einer Verschmelzung
des exkretorischen und ausführenden Anteils, wie sie sich nor¬
malerweise nach der dualistischen Lehre von der Nierenentwicklung
[Felix 1 )] vollzieht, gekommen ist. Auch die Bilder unreifer
Glomeruli sprechen für einen solchen Stillstand in der Entwicklung.
Funktioniert kann diese Niere jedenfalls nicht haben, da es
sonst bei der unvollkommenen Ausbildung des ableitenden Kanal¬
systems notwendig zur Cystenbildung hätte kommen müssen.
Doch beweisen die Rundzelleninfiltrate, dass das Gewebe der
rudimentären Niere imstande war, auf bestimmte Vorgänge im
Gesamtorganismus, wie die Maserninfektion, in der gleichen Weise
wie das Hauptorgan zu reagieren.
Dass sich auf dieser Bobachtung, wie oben ausgeführt wurde,
eine gesonderte Gruppe der Beinieren begründen lässt, lehren
zwei im wesentlichen gleichartige Fälle, die ich in der Literatur
finden konnte.
Vor kurzem hat Schönberg 2 ) eine Beiniere in unserem Sinne be¬
schrieben als „rechtsseitige Nieren- und Ureterverdoppelung mit Hyper¬
plasie und Adenom der überzähligen Niere“. Bei einer 40jährigen Frau
fand sich oberhalb der rechten Niere, die selbst stark verkleinert und
beckenwärts verlagert war, ein 7:7:3,5 cm grosser, lappig gebauter
Tumor (mikroskopisch: Adenom), und zwischen diesem Tumor und dem
oberen Nierenpol bestand in scharfer Abgrenzung gegen den letzteren
1) Felix, Handbuch der Entwicklungslehre. 1906.
2) Schönberg, Frankf. Zeitscbr. f. Path., Bd. 14, H. 2.
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21. September 1914.
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eine 3 cm lange, 2 om weite Gewebsbrücke, aus deren Mitte ein zweiter
Ureter entsprang und zur Blase hinabstieg. Diese Gewebsbrücke zeigte
mikroskopisch eine entschiedene Aehnlichkeit mit der hier beschriebenen
Rudimentärniere. Es ergab sich ein bindegewebiges Stroma mit zweierlei
Parenchymherden, nämlich solchen, die aus dünnwandigen Hohlräumen
mit einschichtigem, kubischem Epithelbelag bestanden, und anderen, die
ausser diesen Hohlräumen auch dickwandige mit Cylinderepithelauskleidung
enthielten, ausserdem zeigten sich gegen den Ureter bin noch weite, un¬
regelmässige Hoblräume, die stellenweise mit mehrschichtigem Uebergangs-
epithel ausgekleidet waren. Giomeruli fanden sich nirgends. Schönberg
erblickt daher in seinem Präparat „eine bypoplastiscb angelegte über¬
zählige Niere, bei der nur die abführenden Kanälchen und das Nieren¬
becken teilweise ausgebildet sind“.
Dieser Fall ist, wie leicht ersichtlich, in der Ausbildung der
Beiniere als eine Vorstufe zu dem hier beschriebenen aufzufassen,
insofern bei Schönberg lediglich die ausföhrenden Kanälchen,
in unserm Fall ausserdem auch die sekretorischen (corticalen)
Elemente zur Ausbildung gelangt sind. Daneben würde dann als
noch etwas höher entwickelte Form einer Beiniere der zweite von
mir in der Literatur gefundene Fall anzureihen sein, der von
Palma beschrieben wurde. Er fand bei einem 6jährigen Knaben
am oberen Pol der linken Niere, die selbst wohl gebildet and
etwas grösser als die rechte war, eine 1 cm hohe, gegen die
Niere fast überall gut abgegreuzte Protuberanz. Sie bot auf dem
Durchschnitt das Bild einer Miniaturniere mit Rinde und Mark¬
substanz, in der sich drei unvollkommene Malpighi’sche Pyramiden
abhoben. Mikroskopisch bot diese rudimentäre Niere mit zahl¬
reichen obliterierten und verdickten Glomerulis, diktierten und
cystiscb entarteten Harnkanälchen und reichlich entwickeltem
Bindegewebe das Bild einer hochgradigen Atrophie, die Palma
auf die „Unmöglichkeit der Sekretentleerung“ zurück führt. Aus
der Niere ging, wiederum ohne Bildung eines Nierenbeckens, ein
stark erweiterter überzähliger Ureter hervor, der in die linke
Samenblase einmündete.
Es liegt also auch iu diesem Falle eine rudimentäre über¬
zählige Niere vor, die mit der auch makroskopisch schon erkenn¬
baren Aehnlichkeit ihrer Gesamtstruktur mit einer ausgebildeten
Niere darauf bindeutet, dass, wie von den überzähligen Nieren
zu den Doppelnieren, so auch nach der andern Seite von den
überzähligen Nieren zu den Beinieren hiu Zwischenformen zu
finden sind.
Es besteht aber jedenfalls nach den bisherigen tatsächlichen
Beobachtungen ein markanter Unterschied zwischen den Beinieren
und den voll entwickelten funktionstüchtigen überzähligen Nieren,
von denen einleitend die Rede war. Während die letzteren ihre
Selbständigkeit auch durch ihre von den andern beiden Nieren
meist weit entfernte Lage dokumentieren, bleiben die rudimen¬
tären Nieren in topographischem Zusammenhang mit der gleich¬
seitigen Niere. Hierin, sowie in der Tatsache, dass sie jedesmal
dem oberen Pol aufsitzen, während die vollkommenen überzähligen
Nieren stets beckenwärts gelegen sind, könnte eine besondere
Gesetzmässigkeit liegen.
ln Uebereinstimmung mit der bekannten Fähigkeit missge¬
bildeter überzähliger Rudimentärorgane, Tumoren zu erzeugen, ist
in der Beiniere von Schönberg ein nicht unerhebliches Adenom
entstanden, ein Beweis, dass die Beiniere trotz ihrer rudimen¬
tären Ausbildung unter Umständen auch klinische Bedeutung er¬
langen kann.
Silbernitrat oder Silbereiweiss.
Eine therapeutische Frage.
Voo •
San.-Rat Dr. W. Lublinski.
Wenn man die Emsigkeit sieht, mit der die chemischen
Fabriken Ersatzpräparate für das Silbernitrat herstellen, ich nenne
nur Albargin, Argentamin, Argonin, Itrol, Protargol, und nach
dem Grunde dieses Eifers fragt, so wird man allgemein hören,
dass dem Silbernitrat in Folge seiner Eiweiss coagulierenden
Eigenschaft die notwendige Tiefenwirkung abgeht. Diese hätten
aber die erwähnten Ersatzpräparate, weil ihre wässrige Lösung,
wenn sie auch weniger Ag enthalte, nicht durch Eiweiss gefällt
*ürde. Dazu trete ihre Reizlosigkeit.
Dieser Gedankengang macht einen logischen Bindrnck, und
nun müsste sich demselben fügen, wenn die Prämisse richtig wäre.
Wie steht es aber damit? Um zunächst mit der Erfahrung in der
"razis zu beginnen, so bebe ich hervor, dass bei meiner lang¬
jährigen Tätigkeit in der Behandlung der Schleimhaut der oberen
Wege mich die Wirksamkeit des Höllensteins befriedigte. Aber
der Schmerz und besonders der sehr bittere unangenehme metallische
Geschmack veranlassten die von wichtigen Autoritäten empfohlenen
Silbereiweisspräparate auch für meinen Zweck anzuwenden. Das
geschah durch längere Zeit vornehmlich mit dem Protargol. Und der
Erfolg? Reumütig kehrte ich zum Silbernitrat zurück.
Es erhebt sich die Frage: Was wirkt in demselben? Ist es das
Silber allein, wie bei den verschiedenen Verbindungen des Queck¬
silbers. Das scheint nicht der Fall zu sein. Ein Analogon, soweit
man überhaupt von einem solchen sprechen kann, haben wir im
Salvarsan. Nicht das Arsen allein ist die wirksame Substanz;
es Ist die Kombination mit den aromatischen Körpern; selbst
seine kleinste Gabe überragt bei weitem die sonst als toxische
Dosis geltende Arsenmenge und wird vertragen. Man kann wohl
auch vom Silber annebmen, dass in seiner NitratverbinduDg diese
Komponente eine Rolle spielt ond nicht als unwesentlich auszu¬
schalten ist. Es ist richtig, dass unter seiner Einwirkung auf die
Schleimhaut die Albnminate ausgefällt werden. Dabei wäre aber
zu bemerken, dass sich der vom Silbersalpeter in Eiweiss erzeugte
Niederschlag durch Zusatz von Kochsalzlösung wieder löst (De-
lioux), was therapeutisch durch Gurgeln mit Kochsalzlösung nach
der Aetzung ausgenutzt wird. Der dann noch zurückbleibende Nieder¬
schlag, dessen weisse Farbe in Violett spiegelt, besteht aus Chlor¬
silber. Dieses, durch Einwirkung auf die in allen Schleimhäuten
vorhandenen Chloride entstehend, ist nicht löslich, wie man sich
überzeugen kann, wenn man es einer Flüssigkeit, welche Eiweiss
und Chloralkalien enthält, zusetzt. Es ist nicht von der Hand
zu weisen, dass diese Entziehung von Chlor auf die erkrankte
Schleimhaut einen Einfluss ausüben kann.
Dass dieser Niederschlag eine Tiefenwirkung verhindert,
hat niemand bisher nachgewiesen, Im Gegenteil, wenn man die
vielfache Anwendung des Silbersalpeters in der experimentellen
Pathologie sieht, um am lebenden Tier gerade die in der Tiefe
sich abspielenden Vorgänge zur Anschauung zu bringen; wenn
man in der Histologie durch die Versilberung viele Dinge, wie
die Saftkanäle des Bindegewebes, die Grenzen des Schleimhaut¬
epithels und manches anderes erst genauer erkennen kann, dann
fällt es schwer, eine Tiefenwirkung auszuschHessen. Wie ist
fernerhin in der Therapie der Nachscbmerz zu erklären, der
kaum auftreten könnte, wenn der Niederschlag eine tiefere Ein¬
wirkung des Silbersalpeters verhindert. Gerade dieser, der sich meist
erst einigeZeit nach der Anwendung — etwa nach 10—20&linnuten —
einstellt, zeigt, dass es sich nicht um eine oberflächliche Wirkung
„primärer Schmerz“, sondern um einen in der Tiefe entstehenden
„sekundären Schmerz“ handelt. Ich sehe dabei von den sehr
konzentrierten Lösungen oder dem Lapisstift ab, mit denen man
die Schleimhaut eventuell vernichten kann. Solche Excesse der
Therapie, die mit den heftigsten Schmerzen einhergehen und meist
anerlaubte„Tiefenwirkungen“zeitigen, sind natürlich im allgemeinen
verpönt, zeigen aber die nicht oberflächliche Macht des Lapis
infernalis.
Alle diese Erwägungen haben mich bestimmt, dem alten
Medikament treu zu bleiben. Die Ersatzpräparate haben nicht
seine Kraft, verderben ausserdem bei längerem Stehen in Lösung
und sind im allgemeinen als minderwertige Surrogate anzuseben.
Ein Hilfsmittel für sportliche Diätetik und
Truppenhygiene.
Von *
Dr. H. Boeder -Berlin,
Stabsarzt dc*r Reserve.
Der Eintritt gewaltiger kriegerischer Ereignisse veranlasst mich,
heute schon ein Hilfsmittel sportlicher Diätetik, dessen Wert ich
durch längere Beobachtungen studieren konnte, auch von dem Gesichts¬
punkt seiner Verwendbarkeit für die Truppen im Felde hier zum
Gegenstand einer Betrachtung zu machen. Die deutsche Heeresleitung
hat von jeher allen Fragen der Fürsorge für die Armee im Frieden und
im Kriegszustand und dem Ausbau des gesamten Feldsanitätswesens die
sorgfältigste Beachtung geschenkt. Insbesondere hat die Medizinal-
abteilung des Kriegministeriums unter anderem für die Hygiene
und Ernähruog der Truppen eine glänzende Organisation geschaffen
und durch Zusammenstellung einer zweckmässigen Tageskost, ferner
einer eisernen Ration und einer angemessenen Versorgung aus nach¬
geführten Feldküchen die der Ernährung der Massenheere entgegen¬
stehenden Schwierigkeiten in vortrefflicher Weise beseitigt.
ln dem Rahmen dieser ausgezeichneten sanitären Fürsorge hat aber
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die Medizinal Verwaltung des Kriegsministeriums bis vor einigen Jahren
überdies eine Reihe interessanter 'wissenschaftlicher und praktischer
Untersuchungen über die Verwendbarkeit einfacher Kohlehydrat¬
nahrung, wie des Zuckers auf dem Marsch anstellen lassen. An
die Ergebnisse dieser Untersuchungen möchte ich mit meinen heutigen
Ausführungen anknüpfen und voranschicken, dass es sich bei dem von
mir geprüften Hilfsmittel sportlicher Diätetik um ein Kohlehydrat
handelt, welches noch dazu mit einem Körper anregender Wirkung
(Tee-Alka)oid) kombiniert ist. Es scheint mir nicht ebne Bedeutung,
im Interesse der Ernährung und Leistung der Truppen auf die Vorzüge
des von mir erprobten Hilfsmittels sportlicher Diätetik hinzuweisen. In
einfacher Weise würde das neue Präparat die dem einzelnen Mann aus-
gegebene eiserne Ration ergänzen und bei langen Eisenbahnfahrten,
Truppentransporten, auf dem Marsche sowie bei der Labung
von Verwundeten unseren Soldaten gute Dienste leisten können.
Die Beobachtungen, die ich während längerer Zeit bei der An¬
wendung eines mit einem Teealkaloid kombinierten Kohlehydrates
Maltyl) gesammelt habe, habe ich namentlich angestellt an Kindern in
der Privatpraxis, ferner bei Kindern des Entwickluogsalters, die
unter dem Einfluss einer leichteren sportlichen Leistung sich befanden,
nämlich einer methodisch durchgeführten Muskelarbeit bei
kurzfristigen Wanderungen, endlich bei einer Terrainkur herzkranker
Kinder in ebenem Gelände und im Mittelgebirge.
Bei der Terrain kur herzkranker Kinder, bei der klinische und ex¬
perimentelle Untersuchungen des Herzens vor und nach der Bewegung
vorgenommen wurden, hatte ich, um alle speziellen Einwirkungen anderer
Art auszuscbalteD, von dem mit einem Teealkaloid kombinierten Malz¬
extrakt (Maltyl-Mate) keinen systematischen Gebrauch machen könneD,
wohl aber habe ich eine eiserne Ration auf die Exkursion mitgenommen,
um sie eventuell bei Scbwäcbeerscheinungen eines Kindes zur Anregung
des Nervensystems, insbesondere des Herzens, verwenden zu kennen.
Die Yerba Mate (Yerba spanisch Kraut) steht nach den Angaben
mehrerer Autoren nach Zusammensetzung und Alter dem chinesischen
Tee sehr nabe. Wichtig ist schon nach den Feststellungen der Phar¬
makologen der nicht zu hohe Alkaloidgehalt, vor allem aber, dass äthe¬
rische Oele nur in Spuren Vorkommen. Dadurch bat der Mafö-Tee
gegenüber dem chinesischen den Vorteil, nicht narkotisch zu wirken.
Was das Alter anlangt, wurde Yerba Mate, aus der das mit dem Matz
kombinieite Teealkaloid gewonnen wird, in Gräbern gefunden, die wahr¬
scheinlich aus der Blütezeit der Inkaberrscbaft stammeD, also aus dem
Anfang dieses Jahrtausends. Die ersten Nachrichten von Matö-Tee, die nach
Europa gelangten, stammen von den „frommen Vätern e societate Jesu“.
Erst gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts taucht die Yerba Mate
in Europa wieder auf. Vermöge seines Dicht allzuhohen Alkaloidgehalts
gilt es bisher bereits als ein mildes Excitans für das Nervensystem.
Bei meinen Beobachtungen war es mir nun von hohem Interesse,
diese leicht anregende Wirkung auf das Nervensystem und auf das
Stimmungsleben schon bei blutarmen, nervösen und in der Entwicklung
zurückgebliebenen Kindern meiner Praxis erproben zu können und sie
bestätigt zu sehen. Um über die Einwirkung auf das Verhalten,
auf das subjektive Befinden der Kinder hier eine Vorstellung zu geben
und namentlich die Steigerung der Verdauuogsleistung der verdauenden
Organe verständlich zu machen, möchte ich hier vorausschicken, was
andere Autoren über die physiologischen Eigenschaften des
Matc-Tee gesagt haben. Schon aus diesen Angaben ist bereits zu
entnehmen, dass das neue mit dem Tee-Extrakt kombinierte Malzpräparat
für die günstige Beeinflussung der Schwächezustände des Jugend¬
alters, aber auch bei vorübergehender Abnahme der Kräfte
nach anstrengenderen Leibesübungen und sportlichen Lei¬
stungen wohl verwendbar ist und vielleicht als ein wichtiges Hilfs¬
mittel für sportliche Diätetik betrachtet werden kann. Bei den
weiteren Darlegungen müssen wir in erster Reihe den Matc-Tee als
solchen betrachten, um alsdann die Bedeutung seiner Kombination mit
einem Malz für die Anregung und Belebung ermüdeter Nerven und
Muskeln für die Sporthygiene und sportliche Diätetik sowie für die
Erhöhung der körperlichen Leistung aller Art, also eventuell für die
Steigerung der Leistung des marschierenden Soldaten würdigen zu können.
„Ich habe stets gefunden“, sagt Bibra, „dass durch den Genuss
des Mate -Tees die Lebensgeister angeregt werden und, dass sich eine
gewisse Heiterkeit einstellte. Man hat behauptet, dass dieser Körper
auf die Nieren einwirke und die Bewegung des Darmkanals beschleunige.“
Er sowohl wie Meyen erblicken aber in dem io Form eines warmen
Getränkes genossenen Mate-Tee ein Mittel zur Erfrischung und An¬
regung; nur einige Züge brauche man davon zu nehmen, und man ist
nach der schlaflosesten Nacht wie neugeboren. Prof. Dr. Kohlstock
hebt in erster Linie die durststillende und beruhigende Wirkung
hervor, eine Eigenschaft, die bei der Fortdauer ansteigender körperlicher
Leistungen, also in turnerischen und sportlichen Kreisen ganz besondere
Beachtung finden dürfte. Auch Mansfeld, Mai, Kemmerich,
Kaerger u. a haben neben der anregenden besonders die durst¬
stillende Wirkung hervorgehobeo. Siedler und Lösner empfehlen
den Peruaner Tee als diätetisches Mittel. Fast sämtliche Aerzte und
Naturforscher, die sich mit diesem alterprobten Matc-Tee beschäftigten,
unter anderem auch Katz, Makendrick beben die nervenanregende
Wirkung hervor und betonen besonders, dass derselbe infolge seines
geringen Gehaltes an ätherischen Oelen nicht so stark nervenanregend
sei wie der chinesische Tee.
Die von den genannten Autoren erwähnten Eigenschaften dieser
Teeblätter aus Peru und Paraguay habe ich also auch bei den Kindern,
bei denen ich den Tee in der Kombination mit dem Maltylpräpar&t
verordnete, in deutlicher Weise bestätigen können. Es bandelte sich
um Kinder meiner Praxis, Knaben und Mädchen verschiedener Alters¬
stufen von 6—9, 10 —12 Jahren. Es waren Kinder, bei denen duroh
Ueberlastung im Schulbetrieb, ferner infolge unzulänglicher Fürsorge im
Haus sowie infolge mangelnder körperlicher Bewegung eine nervöse Ab¬
spannung bestand und die schlechte Durchblutung des Herzens und der
übrigen Organe den gesamten Stoffwechsel beeinträchtigte, bei denen
vor allem die bekannte Störung der nervösen Regulation des
Nahrungsbedarfes zustande gekommen war. Bei diesen Kindern
wurde das Maltyl-Mat^ 1 ) aus therapeutischen Gründen angewandt, näm¬
lich zur Hebung ihres Kräfte- und Ernährungszustandes. Die Kinder
waren Wochen und Monate vorher bei geringem Appetit, verweigerten
die Nabrung vorübergehend vollständig und reagierten bei Angebot der¬
selben mit Uebelsein und Erbrechen. Bereits bei voller Nüchternheit
bei Tagesbeginn vor der ersten Mahlzeit trat bei diesen grossenteüs
neuropathiseben Kindern Würgreiz und Erbrechen ein. Bei diesen Kindern,
bei denen die nervöse und psychische Abspannung sich insbesondere
in einer funktionellen Schwäche der Verdauungsorgane äusserte, bat sich
das Maltyl-Mate bei gleichzeitiger Anordnung gieicbmassigerer körper¬
licher Bewegung vortrefflich bewährt. Die Kinder erhielten 3 mal
täglich 1 Tablette oder 2 mal täglich 2, nabmen dieselben gern
und zeigten mehrfach nach nur wenigen Tagen bereits eine leichte
Besserung. Vor allem fiel auf die schnelle Besserung der Stimmung
und des subjektiven Befindens, das Schwinden der vorange*
gangenenen Depression, die Kinder fingen an gleichmässig und
mit normalem Appetit die verordnete Kost zu nehmen und zu ver¬
tragen. Nachdem bei diesen Kindern die Störungen der nervösen Regu¬
lation des Nahrungsbedarfes gehoben wareD, nahmen dieselben an Ge¬
wicht zu und erreichten in 6—8 Wochen einen Gewichtsansatz von
2—3—5—6 Pfund. Es kann gar kein Zweifel sein, dass der als mildes
Excitans wirkende Einfluss des Tee-Extraktes zuerst im Vordergründe
stand und sodann für den kalorischen Nutzeffekt des mit demselben
kombinierten Malzextraktes „Maltyl“ sowie für die Anregung der Peri¬
staltik von entscheidender Bedeutung war.
Die therapeutische Wirkung des Mate-Tee bzw. des Maltyl-Mate
vollzog sich also in erster Linie auf dem Wege, dass die Kinder vor
allem in ihrem Stimmungsleben günstig beeinflusst wurden. So war das
Teealkaloid Mate vor allem imstande, bei den anämischen, bleichsüchtigen,
überreizten und in der Ernährung zurückgebliebenen Kindern die de-
pressoriseben Zustände zu mildern und durch Anregung des psychischen
Anreizes die sekretorischen, motorischen und resorptiven Funktionen
der Verdauungsorgane zu steigern und den normalen Ablauf der nervösen
Regulation der Nahrungsaufnahme wiederherzustellen.
Nach diesen günstigen Resultaten entschloss ich mich im Sommer
1913, das Maltyl-Mate auch bei Kindern, die sich ja am Anfang eines
einfachen Trainings befanden, bei etwaigen Ermüdungser¬
scheinungen, zur Anregung der ermüdeten Nerven und Muskeln zu
verwenden, um eventuell auf diesem Wege die Brauchbarkeit des mit
einem Malz kombinierten Teealkaloids für die Sportbygiene und sport¬
liche Diätetik überhaupt zu erweisen. Seit mehr als 5 Jahren habe ich
mich beschäftigt mit der ärztlichen Untersuchung von blutarmen und
unterernährten Kindern des Entwicklungsalters, die zu mehrtägigen in
leichtem Training veranstalteten Wanderungen (Bewegungskur) nach
Brandenburg, Mecklenburg, Thüringen, Sächsische Schweiz, Riesengebirge
oder an die See binausgeschickt wurden. Die Kinder wurden vorher
und auch in der Zeit nach der Rückkehr mehrere Monate gemessen und
gewogen und die Einwirkung der geleisteten Muskelarbeit auf diese Weise
auch in der Nacbperiode mittels exaktester Feststellung geprüft. Bei
diesen Kindern waren mehrfach begreiflicherweise ErmüdUDgssymptome
und leichte Schwächeerscheinungen bemerkt worden, die, ohne eine ernste
Bedeutung zu habeD, immerhin sorgfältig beobachtet werden mussten.
Es schien mir daher von grosser Wichtigkeit, für derartige unvorher¬
gesehene Ermüdungszustände nach stärkeren körperlichen Leistungen
ein angenehmes, leicht bekömmliches Anregungsmittel in der Hand zu
haben. Gerade die Frage der Verwendung eines geeigneten Anregungs¬
mittels bei den verschiedenen Arten der körperlichen Betätigung bei
Leibesübungen bzw. überhaupt für sportliche Zwecke ist neuerdings
aktuell, seitdem die diätetischen Vorschriften für methodische körper¬
liche Leistungen, für Turner und Sporttreibende eine eingehendere wissen¬
schaftliche Begründung erfahren und eine Reihe von maassgebenden
Autoren, wie Caspary, Albu, Rosemann, Willner, Mallwitz,
Nicolai und Frey speziell die Stellung der Sporttreibendeo zum
Alkohol einer Prüfung unterzogen haben. Wenn nach längerer an¬
strengender Arbeitsleistung Ermüdung eintritt, aber, um an das Ziel zu
gelangen, noch eine kurze KraftanstreDgung notwendig ist, kann eine
massige Dosis Alkohol, wie Caspary in seinem im „Reichsausschuss
für wissenschaftliche Erforschung des Sportes und der Leibesübungen
gehaltenen Vortrag, Januar 1913, hervorhob, durch den Einfluss auf das
Nervensystem einer ermüdeten Muskulatur Erholung bringen. Das Er¬
müdungsgefühl wird überwunden und die Arbeit geht wieder leicht und
besser vor sich. Gerade in letzterem Sinne ist nach Zuntz und Caspary
oft auf Bergtouren und ähnlichen Dauerleistungen mit Erfolg vom Alkohol Ge-
1) Das Maltyl Mate wird hergestellt von der Firma Gehe 4 Co. in
Dresden. Dort ist auch die Literatur über Herstellung und über die
Eigenschaften des Peruanischen Tee „Mate“ zu erfahren.
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21. September 1914.
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brauch gemacht worden. Dennoch aber ist dies, wie Oaspary betont,
immerhin gefährlioh. Auf die vorübergehende Erholung folgt nämlich bald
eine um so intensivere Erschlaffung. Tritt diese vor Erreichung des Zieles
ein, so kommt es zuweilen zu einem vollständigen Zusammenbruch. Daher
tut man wohl am besteo, den Alkohol bei Leibesübungen jeder Art über¬
haupt zu meiden. Auch die Militärverwaltung und die Medizinal -
abteilung des Kriegsministeriums hat diese Frage längst in dem gleichen
ffinne gelöst. Viel besser ist es, sagt Caspary, sich in derartigen
fällen der milden anregenden Wirkung eines Tees zu bedienen.
Einen gewissen Nährwert könne man diesem Getränk leicht verleiben,
indem man ihn stark mit Zucker versetze. Halt genossen wirkt soloh
stark gesüsster Tee ungemein belebend und etfriaohend. Dabei soll im
Interesse des Wasserhaushaltes des Organismus die Flüssigkeitszufuhr
auch nicht zu gross werden. Wird ein Ueberschuss an Wasser zage*
führt, so wird derselbe bald wieder ausgeschieden. Das bedeutet eine
Mehrarbeit für Herz und Nieren. Aber die Ausfuhr ist nicht vollständig.
Es ist kein Zweifel, dass bei laDgdauernder übermässiger Flüssigkeits-
Zufuhr der Organismus Über das normale Maass mit Wasser gesättigt
Wird. Für sportliche Tätigkeit ist ein solcher Körper im allgemeinen
Wenig geeignet« weil sein Gewicht durch unnötigen Ballast beschwert
wird. Ein solcher Mensch schwitzt auch übermässig stark. Nach Cas¬
par^ ist es daher wichtig, wenn bei der Vorbereitung zu grösseren
sportlichen Leistungen und während ihrer Ausübung die Flüssigkeits¬
zufuhr nach Möglichkeit beschränkt wird. Schon die Griechen wählten
eine Trockendiät zur Vorbereitung für ihre Wettkämpfe. Hieraus sehen
wit deutlich, dass für jede Art von Training, sowohl bei unseren zu
kurzfristigen Wanderungen hinausgeschickten schwächlichen Hindern des
Entwioklungsalters, ferner bei allen Leibesübungen der Jugendlichen
ünd endlich bei den sportlichen Leistungen der Erwachsenen und den
Marschleistungen der Soldaten die Einführung eines anregenden Tee¬
alkaloids, welches ohne gleichzeitige Flüssigkeitzufubr das Durstgefühl
zu löschen imstande ist, ein grosser Fortschritt wäre. Was aber gerade
bei dem mit einem trockenen Malzpräparat kombinierten Matö-Tee be¬
sonders günstig wirkte und die Empfehlung für sportliche Zwecke als
berechtigt erscheinen lässt, ist niöbf nur die von den obengenannten
Autoren gerühmte und von mir an blutarmen und nervösen Kindern
meiner Privatpraxis bestätigte Ermunterung und Anregung des Nerven¬
systems, namentlich seiner vegetativen Sphäre, sondern auch die von
Kohlstook u. a. besonders hervorgebobene durststillende Wirkung.
Diese durststillende Wirkung des Teealkaloids Mat<$ ist aber um so grösser,
als es mit einem trockenen Malzpräparat kombiniert ist und zwar, weil
bei der Verdauüng trockener, wenig wasserhaltiger Nährstoffe
/ eine ausserordentlich starke Speichelsekretion einsetzt. DieSpeicbel-
' drüsen entleeren bei der Aufnahme trockner Nährstoffe wie Schokolade,
Malz u. &. aussergewohn liehe Speichelmengen. Es handelt sich nach den
experimeotell-biologischen Untersuchungen von A. Bickel, P. Sommer¬
feld und H. Boeder um Sekretmengen von 60—80—120 ccm Speichel.
Hier wird also durch die erhöhte Tätigkeit bestimmter Drüsen dem Ver-
daüungskanal in Form des Speichelsekretes Flüssigkeit zugefübrt, deren
Zufluss in den Magen bezw. deren Aufnahme in die Gewebssäfte zweifel¬
los in gewissem Sinne das Gefühl der Durststillung erweckt. Deshalb
also erhöht sich bei der Verbindung des Teealkaloids mit
einem trockenen Malzpräparat aus biologisohen Gründen die
durststillende Wirkung des Mat6.
So erfüllt daher der mit dem trockenen Malz verbundene Matö-Tee
alle die Bedingungen der Sporthygiene und sportlichen Diätetik, nament¬
lich auch die von Caspary aufgestellten Forderungen. Das Maltyl
Matö schafft also eine angenehme Anregung der ermüdeten
Nerven und Muskeln, es macht den Alkohol entbehrlich und
stillt endlich den Durst, ohne eine Steigerung der Flüssig-
keitszufubr.
Bei jenen schwächlichen blutarmen und in der Ernährung zurück¬
gebliebenen Kindern des 12.—14. Lebensjahres leistete die methodische
in leichtem Training durchgeführte Muskelarbeit auf mehrtägigen
Wandeningen unter dem gleichzeitigen Einfluss des neuen Milieus und
der klimatologischen Reizwirkungen geradezu Wunder. Waren selbst¬
verständlich die Förderung der Gesamtentwicklung und die Beseitigung
der vorhandenen Entwicklungshemmungen namentlich in der Nachperiode
neben dem Einfluss des Milieus und der klimatologischen Reize in aller¬
erster Reihe durch die mit der Bewegung geleistete Muskelarbeit und
ihre sachgemässe Dosierung erreicht worden, so war ich im Sommer 1918
erfreulicherweise in den Stand gesetzt, die bei dieser segensreichen Art
körperlicher Betätigung hier und da unvermeidlicherweise eintretenden
Ermüdungserscheinungen mittels des vereinzelt angewandten Maltyl Mat6
in einfacher Weise zu beseitigen und gleichzeitig durch Zufuhr eines
Nährstoffes in konzentrierter Form die ermüdeten Nerven und Muskeln
wieder zu kräftigen.
Zusammenfassung.
Fassen wir das Gesagte hier zusammen, so besitzt das mit dem
trockenen Mals verbundene Teealkaloid des altbewährten Peruaner Tees
Eigenschaften, die aus den genannten Gründen seine Verwendung für
die Organisationen der heutigen Jugendpflege, ferner bei
Turnern und in sportlichen Kreisen vielleicht unentbehrlich
machen könnten. Ja auch bei der Medizinalabteilung des Kriegs-
ministeriums sowie überhaupt in militärischen Kreisen durfte
das neue dem praktischen Bedürfnis erhöhter Muskelarbeit augepasste
Maltyl Mate Beachtung finden, Ppr ßojdat suoht nach grossen An¬
strengungen auf dem Marsch bei Beginn der Ermüdung durch seinen
Priemtabak in analoger Weise seine Lebensgeister anzuregen und aueb
seinen Durst zu löschen. Da der Mat6-Tee gleichzeitig mit einem
trockenen festen Nährstoff kombiniert ist, wird ein eiserner Bestand
eines derartigen Nährmaterials dem marschierenden Soldaten neben
der Zufuhr eines leieht ausnntzbaren Nährstoffes auch eine
anregende und durststillende Wirkung ermöglichen.
Wir können somit sagen, dass die Herstellung des Maltyl Mate
einem praktisch wichtigen Bedürfnis entspricht und die Kombination
eines Teealkaloids mit einem trockenen Nährstoff wie dem
Malzextrakt unsere Hilfsmittel für die Zweoke und für eine
Verbesserung der sportlichen Diätetik bereichert hat.
Aus der Kgl. chirurgischen Klinik der Universität
Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Küttner).
Der gegenwärtige Stand der Blutgefäss¬
chirurgie. *)
Sammelreferat.
▼on
Dr. Enit Jeger, Assistent der Klinik.
M. H.1 Kaum eia zweiter Abschnitt der Chirurgie dürfte in den
letzten 10 Jahren das Interesse des experimentell wie des praktisch
tätigen Chirurgen in höherem Maasse in Anspruch genommen haben als
die Blntgefässchirurgie. Handelte es sich doch um Erschliessung eines
prinzipiell neuen Gebietes, hoffte man doch allgemein auf eine bislang
ungeahnte Erweiterung unserer therapeutisoben Hilfsmittel. Freilich,
der grösste Teil der Hoffnungen — die Heilung chronischer Erkran¬
kungen der Nieren und anderer Organe durch bomoioplastische Ver¬
pflanzung gesunder Organe mit Hilfe der Gefässnaht — ist enttäuscht
worden. Die ersten diesbezüglichen Berichte, die sehr optimistisch
lauteteD, haben leider einer Nachprüfung nicht stand gehalten. Es hat
sioh gezeigt, dass selbst zwischen blutsverwandten Individuen derartige
biologische Unterschiede bestehen, dass ein homoioplastisch von einem
derselben auf das andere verpflanztes Organ wohl vorübergehend ein¬
wandfrei funktionieren kann, schliesslich aber doch der Degeneration
anheimfällt. Welcher Art diese biologischen Unterschiede sind, wissen
wir nicht; vielleicht werden Untersuchungen über Abwehrfennente nach
Abderhalden in dieser Beziehung weiterführen. Versuche, diese bio¬
logischen Unterschiede durch Parabiose u. dgl. auszugleichen, sind viel¬
fach gemacht oder wenigstens beabsichtigt worden, bisher ohne Resultat.
Es stände io dieser Beziehung der experimentellen Forschung noch ein
weites Gebiet offen.
Trotz der genannten Misserfolge hat die Blutgefässchirurgie jedoch
nicht aufgehört, die Chirurgen in weitgehendstem Maasse zu beschäftigen.
Es hat sich eben gezeigt, dass die Blutgefässchirurgie auch auf anderen
Wegen weitgehenden Nutzen zn stiften vermag. Wir werden auf die
bisherigen praktischen Resultate weiter unten des genaueren einzugehen
haben, und es wird bei dieser Gelegenheit immer wieder darauf
hinzuweisen sein, dass die Anwendungsmöglichkeiten der Blutgeiässnaht
noch bei weitem nicht erschöpft sind, dass in dieser Richtung noch eine
Fülle schwierigster, aber auch interessantester Probleme noch ihrer
Lösung harrt Gerade die ungewöhnliche Schwierigkeit dieser Aufgaben
mag es sein, die immer wieder zu ihrer Bearbeitung anregt.
Zunäohst ein Wort über die Technik der Blutgefässnaht. Ich muss
mich hier mit kurzen Andeutungen begnügen. Eine Besprechung der¬
selben, die nur einigermaasseu auf alle wiohtigen Punkte eingehen
wollte, würde den Rahmen dieses Referates bei weitem überschreiten.
Ich muss in dieser Beziehung auf mein vor Jahresfrist erschienenes
Werk: „Die Chirurgie der Blutgefässe und des Herzens 8 hin weisen, das
hoffentlich jedem, der sich mit diesem Gebiet zu beschäftigen wünscht,
genügende Aufschlüsse gibt.
Die ersten Berichte über Versuche der Blutgefassuaht stammen aus
der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts von Lambert, Hallowel und
Ass mann. 1891 gelang Dur ante die Naht einer Schlitzwunde der
Arteria axillaris. Schede berichtete 1882 über eine gelungene seitliche
Naht der Vena femoralis, 1879 erfand Eok seine unter dem Namen der
„Eck’schen Fistel 8 bekannte Technik der Herstellung einer Seit-zu-Seit-
anastomose zwischen Vena cava und Vena portae, die als der erste
Versuch einer Herstellung von Seit-zu-Seitanastomosen zu betrachten
ist. Gluck konnte 1883 mit Hilfe einer Elfenbeinklemme einen seit¬
lichen Schlitz der Arteria iiiaoa ohne sekundäre Thrombose versohliessen.
v. Horooh berichtete 1888 über die ersten erfolgreichen Versuche der
End-zu-Endanastomose der Vena jugularis und Vena femoralis des Hundes.
Grössere experimentelle Arbeiten über seitliche Arteriennaht lieferten
um 1890 Jassinowski, Burei, Tansini, Ce-ccherelli, Muscatello
und Lampiasi. Aus dem Jahre 1897 stammen die ersten erfolgreichen
End-zu-Endanastomosen an Arterien von Briau und Jaboulay einer¬
seits, Mnrpby andererseits. Letzterem gebührt auch das Verdienst,
als erster eine End-zu-Endnaht einer durchschnittenen Arterie am
1) Vorgetragen in der Sitzung der medizinischen Sektion der schlesi¬
schen Gesellschaft für vaterländische Cultor am 12. Jnoi 1914.
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1646
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 38.
Menschen ausgefübrt zu haben. Seine Methode beruht darauf, dass das
eine Ende der Arterie in das andere bineingeschoben und durch Nähte
in dieser Stellung befestigt wird. Weit besser -war in technischer Be¬
ziehung das Verfahren von Briau und Jaboulay, die die beiden
Ge/ässenden durch eine Reihe von ü-Nähten miteinander vereinigten.
Es folgten weiterhin experimentelle Arbeiten von Gluck, Dörfler,
Jakobsthal u. a. 1900 publizierte Payr seine Methode der End-zu-
Endvereinigung von Blutgefässen mit Hilfe von Magnesiumprothesen, auf
die noch einzugehen sein wird. 1903 berichtete Jensen über aus¬
gedehnte Versucbsserien, die zu den besten Arbeiten über Blutgefäss-
cbirurgie zu rechnen sind, und im gleichen Jahr begann Carrel seine
Versuche, durch die die Blutgefasschirurgie zu einem neuen selbständigen
Zweig der Chirurgie ausgebaut wurde. Seither ist die Literatur über
Gefässnaht ausserordentlich angewachsen.
Unter den Methoden der End-zu-Endanastomose haben nur diejenigen
von Payr und von Carrel ausgedehnte Verbreitung gefunden. Ersteres
Verfahren beruht bekanntlich darauf, dass das eine Ende des betreffenden
Gefässes durch einen dünnen Cylinder oder besser durch einen dünnen
Ring aus Magnesium geschoben und über letzteren nach rückwärts um¬
gestülpt wird, worauf das andere Kode darüber gezogen und beide Enden
auf dem Magnesiumcylinder festgebunden werden; das Magnesium wird
sekundär resorbiert und durch festes Bindegewebe ersetzt. Die Methode
von Payr ist von vielen Seiten, so von Jensen, Hopfner, Fleig u. a.
modifiziert worden. Ich selbst habe eine Zange angegeben, mit der man
die Ringe leicht fassen und dirigieren kann, was die Ausführung der
Operation sehr erleichtert. Die Resultate sind im ganzen nicht sehr
befriedigend, es kommt sehr häufig zur Thrombose. Weit besser sind
die Resultate der Carrel’scben Methode, die heute allgemein verwendet
wird. Sie beruht bekanntlich darauf, dass die Gefässenden an drei
Punkten ihrer Circumferenz mit Haltefäden gefasst werden, worauf je
zwei derselben angespannt und die dazwischen liegenden Partien der
Gefässränder durch eine fortlaufende, die ganze Wanddicke fassende
Naht vereinigt werden. Auf die zahlreichen, zum Teil sehr zweck¬
mässigen Modifikationen, die die Carrel’sche Methode durch Danis,
Zaaijer, DobrowoIskaja, Dorrance, Eden und Leier, Verfasseru.a.
erfahren hat, kann hier aus Raummangel nicht eingegangen werden.
Ebensowenig auf zahlreiche andere Methoden der End-zu-Endanastomose,
die fort und fort angegeben werden, jedoch keinen wesentlichen Fort¬
schritt darstellen.
Die Carrel’sche Methode und ihre Modifikationen leisten Ausser¬
ordentliches. Freilich — darauf mag hier mit aller Schärfe hingewiesen
werden — ganz befriedigend sind auch diese Methoden noch nicht. Es
ist richtig, dass sie in den Händen Carrel’g und einiger anderer tech¬
nisch ungewöhnlich geschickter und mit diesen Methoden besonders ver¬
trauter Operateure bei einfacheren Aufgaben — z. B. Wiedervereinigung
einer glatt durchschnittenen, oberflächlich liegenden grösseren Arterie —
fast mit Sicherheit gute Resultate zeitigen. Für die Bedürfnisse der
praktischen Chirurgie jedoch — also in den Händen eines nicht speziell
darauf eingeübten Operateurs — sind unsere bisherigen Methoden jedoch
entschieden noch zu schwierig und unsicher, um eine weitergehende
praktische Anwendung der Gefässnaht zu ermöglichen. Bei schwierigeren
Aufgaben, also bei besonders kleinen, tiefliegenden, unter starker
Spannung stehenden, leicht zerreisslicben Gefässen sind Misserfolge selbst
in den Händen der besten Spezialisten durchaus keine Seltenheit.
Die Hauptschwierigkeit, die wir noch nicht in genügendem Maasse
beherrschen gelernt haben, ist die Vermeidung der Thrombose an der
Nahtstelle. Diese beruht auf der bekannten Tatsache, dass das Blut
in Berührung mit jeder Art von Fremdkörper, mit Ausnahme von Fetten
und Paraffinen, wie auch unter Einwirkung des von jeder Zelle u. a.
auch in hohem Maasse von den Gefässwandschichten mit Ausnahme der
Intima selbst gelieferten Gewebsaftes leicht gerinnt und nur durch das
intakte Endothel der Blutgefässwaodung daran verhindert wird. Auf die
Details dieser Dinge, wie auch auf die theoretischen Fragen der Ge¬
rinnung und Thrombose kann hier nicht eingegangen werden. Die
Schlussfolgerungen aus dem Gesagten lauten dahin, dass jeder Fremd¬
körper im Innern des genähten Gefässes, wozu also auch die zum Nähen
verwendeten Fäden gehören, jedes Gerinnsel, jede Verengerung der
Nahtstelle, jede Schädigung des Endothels, jede Verunreinigung der
Intima mit Gewebssaft die Prädisposition zur Thrombose schafft. Ein
gewisses Minimum dieser Schädlichkeiten ist natürlich unvermeidlich und
wird dadurch kompensiert, dass das gerinnuDgshemmende Endothel kleine
Fremdkörper und Thromben rasch überzieht und so unschädlich macht.
Die Aufgabe der Nabttecbnik ist es eben, dieses Minimum an Schädlich¬
keiten zu erreichen, was durch Verwendung allerfeinsten Nahtmaterials,
sorgfältige Isolierung des zu nähenden Gefässstückes gegen das um¬
liegende Gewebe, Vermeidung jeder Verengerung beim Naben, minimale
Verwendung von PinzetteD, reichliche Anwendung von Vaseline, die,
wie oben erwähnt, die Gerinnung erschwert und gleichzeitig eine Art
Isolierschicht um die Fäden, etwaige endothelentblösste Gefässwand-
stellen usw. bildet, geschieht. Es ist leicht verständlich, dass bei dieser
Fülle der zu beachtenden Details Fehler selbst in den Händen des
Geübtesten möglich und bei schwierigen Aufgaben fast unvermeidlich sind.
Zum centralen und peripheren Abklemmen verwende ich im all¬
gemeinen eine von Hellmuth, Joseph und mir eingeführte Doppel¬
klemme, deren Hälften auf einer Schiene gegeneinander beweglich sind;
die Klemmen selbst sind Modifikationen der bekannten Höpfner’scben
Klemmen, deren eine Branche im Durchschnitt konvex, die andere konkav
ist. Bei Verwendung dieser Klemmen ist jede Läsion der Gefässe aus¬
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geschlossen, auch unter starker Spannung stehende Gefässenden können
exakt miteinander vernäht werden.
Als Nahtmaterial verwende ich meist die allerfeinste, in Lyon unter
dem Namen „Lepine Plaquette Soie Carrel“ hergestellte Sorte. Wo
starke Spannung usw. die Benutzung stärkerer Seide unumgänglich nötig
macht, empfehle ich, letztere nur zu den Haltefäden zu benutzen, die
fortlaufende Naht jedoch mit der feinsten Seide auszuführen. Die besten
Nadeln sind die von Kirby in London gelieferten geraden Sorten Nr. 14
bis 16; gekrümmte Nadeln verwende ich fast nie. Die Nadeln werden
vor der Operation eingefädelt, auf kleinen Papierstüoken befestigt und
durch halbstündiges Erhitzen in gelber amerikanischer Vaseline auf dem
Wasserbad sterilisiert.
Neben der bisher besprochenen Technik der seitlichen Naht wie der
End-zu-Endanastomose kennt die Blutgefässnaht noch eine ganze Reihe
anderer Methoden. Man könnte zunächst kurzerhand sagen, dass jede
Operation, die am Darm moglioh ist, in analoger Weise auch an Blut¬
gefässen ausgeführt werden kann, so Seit-zu Seit-, End-zu-Seitanasto-
mosen usw. Im Prinzip ist die Technik dieser Operationen dieselbe wie
bei'End-zu-Endnähten. So wird z. B. eine End-zu-Seitnaht io der Weise
ausgeführt, dass ein entsprechend grosses Stück aus der Seitenwand des
einen Gefässes exzidiert und nun der Rand der so gesetzten Wunde
durch Haltefäden mit dem Ende des zu implantierenden Gefässes ver-
bunden und hierauf wie bei einer End-zu-Endnaht fortlaufend genäht
wird. Um bei der End-zu-Seitimplantation kleiner Gefässe keine Gefahr
durch Thrombose oder Nahtverengerung zu laufen, hat Carrel seine
„patohiog method“, zu deutsch „Flickmethode“ angegeben. Sie besteht
darin, dass mit dem zu implantierenden Gefäss auch ein Lappen aus
der Seitenwand desjenigen Gefässes, dem es entstammt, mit übertragen
wird, so dass also die Naht entfernt von der Mündung des Gefässes
selbst zu liegen kommt, so dass etwaige kleine Thromben das Resultat
nicht zu beeinträchtigen vermögen. Demselben Prinzip entspricht auch
die ebenfalls von Carrel angegebene „Transplantation en masse“; diese
besteht z. B. bei Nierentransplantationen darin, dass dem Spender mit
den Nierengefässen auch dasjenige Segment der Aorta und Vena cava
entnommen wird, dem die Nierengefässe entstammen. Die Verpflanzung
geschieht nunmehr in der Weise, dass die Aorta und Vena cava des
Empfängers durchschnitten und die Segmente der entsprechenden Gefässe
des Spenders nunmehr End-zu-End implantiert werden.
Dass man auch mit entsprechend modifizierten Payr’soben Prothesen
End-zu-Seitimplantationen erfolgreich durchführen kann, habe ich in Ge¬
meinschaft mit Hans Lampl und später mit Wilhelm Israel be¬
wiesen.
Seit-zu-Seitanastomosen bat Carrel als erster in der Weise zu
machen gelehrt, dass aus der Wand beider Gefässe entsprechend grosse
Stücke excidiert, die Ränder mit Haltefäden verbunden und dann fort¬
laufend vernäht werden. Er bat dieses Prinzip zuerst zur Herstellung
von Seit-zu-Seitanastomosen zwischen Hohlvene und Pfortader — also
der bereits genannten Eck’scben Fistel — verwendet und so die älteren
unzweckmässigen Methoden durch eine neue und verhältnismässig ein¬
fache ersetzt.
Alle die bisher besprochenen Methoden sind nur für solche Gefässe ver¬
wendbar, in denen der Blutstrom ohne Gefahr längere Zeit hindurch
unterbrochen werden darf. Um die Blutgefässchirurgie auch auf diejenigen
Blutgefässe ausdehnen zu können, die wie die Aorta thoracica oder
Arteria pulmonalis eine auch nur vorübergehende Unterbrechung des
Blutstromes überhaupt nicht gestatten oder wie die Vena portae oder
Vena cava ernstliche Gefahren zeitigen, mussten Methoden erfunden
werden, um Operationen an Blutgefässen ohne Unterbrechung des Blut¬
stromes während der Operation zu ermöglichen. Ich habe dieser Aufgabe
eine mehrjährige experimentelle Arbeit gewidmet, auf Grund deren das
genannte Problem als gelöst zu betrachten ist. Es sei gestattet, auf
diese Methoden etwas genauer einzugehen:
Die erste Aufgabe, die ich mir stellte, bestand darin, Eck’sche Fisteln
— also Seit-zu-Seitanastomosen zwischen Cava inferior und Vena portae —
ohne Unterbrechung des Blutstromes berzustellen. Es muss erwähot
werden, dass schoD die Methode von Eck selbst, wie auch verschiedene
Modifikationen derselben — so z. B. die neuerdings von Fischler an¬
gegebene — dieser Forderung entsprechen. Doch sind diese Methoden
alle so schwierig und mit so zahlreichen anderweitigen Fehlerquellen be¬
haftet, dass sie nicht als einwandfreie Lösung des genannten Problems
zu betrachten sind. Die oben genannte Carrel’sche Methode leidet an
dem Uebelstand, dass sie eine (ängerwäbreode Unterbrechung des Blut¬
stromes erfordert, dessen Schädlichkeit für das Urspruogsgebiet Vena portae
von mehreren Forschern erkannt und neuerdiDgs von Burdenko besonders
hervorgehoben wurde. Ich vermochte nun dieser Aufgabe in der Weise ge¬
recht zu werden, dass ich eine feinste dreiteilige Klemme ähnlich den be¬
kannten dreiteiligen Gastroenterostomieklemmen konstruierte, die in der
Weise angewendet wird, dass je ein Zipfel aus der Seitenwand beider Ge¬
fässe zwischen die mittlere und je eine der seitlichen Branchen so ein¬
geklemmt wird, dass die letzteren ohne Blutung eröffnet und durch eine
circulare Naht miteinander vereinigt werden können, während der grösste
Teil des Lumens beider Gefässe während der Operation für den Blutstrom
durchgängig bleibt. Dieses Verfahren hat sich mir und zahlreichen
Nachprüfern ausgezeichnet bewährt und dürfte, was Einfachheit und
Sicherheit betrifft, allen anderen überlegen sein.
Dasselbe Prinzip benützte ich in Gemeinschaft mit Wilhelm Israel
zur Ausführung von End-^u-Seitimplantationen der Vena renalis an andere
Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
21. September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1647
Stellen der Vena eava ohne Unterbrechung des Blutstromes in der letzteren.
Auch diese Versuche führten zu einwandfreien Resultaten.
Schliesslioh ist es mir neuerdings in Gemeinschaft mit Leland auch
gelungen, eine brauchbare Methode zum Operieren am Aortabogen zu
schaffen. Carrel ging zu diesem Zweck in der Weise vor, dass er eine
Vene in die Herzspitze einerseits, in die Aorta descendens andererseits
implantierte, so dass Blut aus dem Herzen durch diese Vene in die
Aorta gelangen konnte, worauf er die Aorta ascendens central und
peripher abklemmte und zwischen beiden Klemmen eröffnen konnte,
Dieses zwar genial erdachte, aber ausserst schwierige und unphysiologische
Verfahren führte*begreiflicherweise nur ganz selten au Erfolgen. Gulecke
versuchte die Nabt der Aorta ascendens in der Weise, dass er eine den
bekannten Ovarialzangen ähnliche Klemme an die Aorta so anlegte, dass
ein Teil der Seiten wand abgeklemmt wurde, den er nunmehr eröffnete
und wieder vernähte. Die Methode war insofern unbefriedigend, als
die Klemme bei schwachem Druck leicht abglitt, was natürlich zu fast
oder ganz unstillbaren Blutungen führte, bei stärkerem Druck jedoch
die äusserst brüchige Aortenwand zerfetzte. Leland und mir gelang es
sohliesslich, diese Operation in der Weise zu vereinfachen, dass wir drei
feinste Nadeln durch das Lumen des Ge/ässes führten und dahinter eine
feinste Klemme legten, die nur soweit zugedrückt wurde, dass sie das
Gefasslumen eben verschloss und somit die Gefässwand nicht schädigen
konnte, während die Nadeln ein Abgleiten deT Klemme verhinderten. Durch
dieses Verfahren ist die Nabt des Aortenbogens zu einer relativ einfachen
Operation geworden.
Ueber die histologischen Vorgänge bei der Heilung von Gefasswunden
ist ganz kurz folgendes zu sagen. Es entsteht immer zunächst an Ort
und Stelle ein minimaler Thrombus, der die Vene und den Wundspalt
überzieht und sehr rasch von der Umgebung her von normalem Endothel
überzogen wird. Sekundär wird der Thrombus durch Granulationsgewebe
ersetzt, das siob allmählich in derbes Bindegewebe um wandelt. Eine
Regeneration von Muskel' und elastischen Fasern findet nicht oder nur
in minimalem Maass statt.
Von grösster Bedeutung für die weitere Entwicklung der Blutgefäss-
cbirurgie war der schon frühzeitig von Hopfner erkannte Umstand,
dass Blutgefässe sich wie wenige andere Gewebe des Organismus zur
freien Transplantation eignen. Es ist also möglich, ein Blutgefässstück
irgend einer Stelle des Organismas zu entnehmen und, sei es an Ort und
Stelle, sei es in ein anderes Blutgefäss, zu implantieren. Man hat dabei
verschiedene Arten der Transplantation zu unterscheiden, nämlich zu¬
nächst einmal Autotransplantation, Homoiotransplantation und Hetero¬
transplantation. Weiterhin hat man wieder zu unterscheiden, ob man
ein Blutgefässstück der gleichen Art transplantiert, also z. B. ein Arterien-
stück durch eine andere Arterie ersetzt, oder ob man zum Ersatz ein
verschiedenartiges Gefässstück verwendet, also z. B. zum Ersatz eines
Arterienstückes ein Stück einer Vene. Alle diese Operationen sind
technisch möglioh.
Die einfache Autotransplantation eines gleichartigen Gefässstückes
liefert die besten Resultate, und man kann auf das Gelingen einer solchen
Operation annähernd mit der gleichen Sicherheit rechnen, wie auf das¬
jenige einer Gefässnaht im allgemeinen. Etwas weniger günstig steht
es beim Ersatz eines Arterienstückes durch ein Stück einer Vene. Auch
in dieser Beziehung haben zahlreiche Autoren, so z. B. Carrel, Watts,
Yamanouchi, Borst und Enderlen, Fischer undSohmieden sehr
gute Resultate erzielt. Von hohem praktischen, wie auch wissenschaft¬
lichem Interesse ist der Umstand, dass sich dabei die dünne Venenwand
den veränderten Bedingungen (erhöhter Blutdruok) adaptiert und durch
eine starke Hypertrophie ihrer sämtlichen Wandscbichten sich in ihrer
Struktur einer Arterie nähert.
Homoio- und Heterotransplantationen gelingen bei Blutgefässen im
anatomischen Sinne ebensowenig wie solche anderer Organe, d. h., die
Gefässwand wird allmählich durch körpereigenes, vom Wirt geliefertes
Gewebe ersetzt. In funktioneller Beziehung jedoch können derartige
Operationen zu einwandfreien Resultaten führen, indem die Substitution
des fremden Gewebes ganz allmählich und ohne jede Funktionsstörung
unter Erhaltenbleiben der Durchgängigkeit des betreffenden Gefässes vor
rieh geht. E 9 kann behauptet werden, dass das Studium der homoio-
und heteroplastisch transplantierten Gefässe die allgemeine Lehre
von der Transplantation wesentlich gefördert hat. Selbstverständlich
geben Homoio- und Heterotransplantationen unverhältnismässig ge¬
ringere Chancen als Autotransplantationen, doch sind solche in einer
ganzen Reihe von Fällen mit Erfolg ausgeführt worden, so von Stioh,
Borst und Enderlen, Carrel, Yamanouchi, Ward u. a. Dass
es auch gelingt, ziemlioh lange ausserhalb des Organismus aufbewahrte
Blutgefässe erfolgreich zu implantieren, hat zuerst Carrel bewiesen,
dem es gelang, Blutgefässe, die bis zu 85 Tagen in physiologischer
Kochsalzlösung, Blutserum oder Vaseline bei niedriger Temperatur auf-
oevabrt waren, erfolgreich zu transplantieren. Nach ihm haben noch
andere Autoren derartige Versuche gemacht und seine Resultate bestätigt,
öass selbst abgetötete Gefässe in funktioneller Beziehung erfolgreich
transplantiert werden können, hat zuerst Guthrie, dann Levin uad
Larkin, Bode und Fabian, Yamanouchi gezeigt, die in Formalin
nrierte, ferner in Sublimat gekochte Arterien mit gelegentlichem guten
Resultat transplantierten. Weiterhin hat Carrel, später Jianu gezeigt,
dass es möglich ist, Stücke der Gefässwand auch durch andersartige
Gewebe, z. B. durch Peritoneum zu ersetzen. Schliesslich konnte Carrel
nachweisen, dass selbst kleine Stücke eines nicht organisierten Gewebes,
*• B. von Kautschuk, mit Erfolg zum Ersatz von Wanddefekten von
Arterien verwendet werden können. Aehnliohe Versuche konnten auch
Watts, Yamanouchi und Verfasser mit Erfolg ausführen.
Ein mehr theoretisches Interesse haben neuerliche Versuche von
Carrel, Stücke der Aorta thoracica durch Röhren aus Metall oder Glas
zu ersetzen. Es zeigte sich, dass solche längere Zeit für den Blutstrom
durchgängig bleiben können,, doch trat schliesslich immer, in einem Fall
allerdings erst am 97. Tag nach der Operation Thrombose ein.
Soviel über die Technik und die allgemeinen Resultate der Blut?
gefasschirurgie.
Es soll nunmehr zum zweiten Teil dieses Vortrages übergegangen
werden, nämlich zur Verwertung der Blutgefässnaht für die Lösung
wissenschaftlicher, wie praktisch chirurgischer Probleme. Auch hier muss
natürlich eine kurze Uebersicht genügen.
Wir haben schon oben angedeutet, in wie hohem Maasse die Blut¬
gefässnaht die Kenntnis der Physiologie und Pathologie der Blutgefässe
selbst gefördert hat. Weiterhin ist sie zunächst einmal ein ausgezeichnetes
Mittel, um die unter dem Einfluss der veränderten Blutversorgung auf¬
tretenden Erscheinungen zu studieren. Carrel und Guthrie, weiterhin
v. Oppel, Cottard und Villandre, Danis, Halsted haben sich mit
dieser Frage beschäftigt. Es sei hier nur ganz kurz auf folgende Punkte
hingewiesen: Wenn man eine Anastomose zwischen dem zentralen Teil
einer durchschnittenen Arterie und dem peripheren Teil einer durch¬
schnittenen Vene herstellt, so wird auf diese Weise eine mächtige Stauung
innerhalb des Kapillargebietes der Vene resultieren, indem nicht bloss
der Abfluss des Blutes aus dem Capillargebiet verhindert, sondern ausser¬
dem noch Blut in die Capillaren retrograd hineingepresst wird. Es ist
klar, dass auf diese Weise eine weit stärkere passive Hyperämie in dem
Capillargebiet hervorgerufen wird, als durch einfache Ligatur der be¬
treffenden Vene. Umgekehrt wird z. B. die Anastomose zwischen dem
zentralen Teil einer durchschnittenen Vene und dem peripheren Teil
einer durchschnittenen Arterie zu einem höheren Grad von Anämie in
dem von der Arterie versorgten Kapillargebiet führen, als die einfache
Ligatur der betreffenden Arterie, indem das dem Capillargebiet durch
etwaige Kollateralen zufliessende Blut durch den peripheren Teil der
Arterie und der Vene zum Herzen zurückgeleitet wird, ohne die Capillaren
durchströmt zu haben. Sehr interessant und kompliziert sind die Ver¬
änderungen, die bei Herstellung einer seitlichen Anastomose zwischen
grossen Arterien and Venen auftreten, und die auch für die Frage der
Wieting’schen Operation (über die noch weiter unten zu sprechen sein
wird) von grosser Bedeutung sind. Fernerhin kann man durch End-zu-
Seitimplantation einer Arterie in eine zweite eine aktive Hyperämie in
dem Capillargebiet der letzteren hervorrufen usw. Es braucht kaum
darauf hingewiesen zu werden, welche Fülle interessanter biologischer
Probleme sich mit Hilfe dieser und ähnlicher Methoden eingehen lassen;
Es sei nur auf die hier in Europa wenig bekannten Versuche von Carrel
und Guthrie über Beeinflussung von Strumen durch veränderte Blut-
ciroalation hingewiesen. Es wurde in der Weise vorgegangeu, dass bei
Hunden, die mit Kröpfen behaftet waren, teils die Schilddrüsenarterie
und -vene unterbunden, teils jedoch durch Anastomosierung des peri¬
pheren Endes der durchschnittenen Vena jugularis interna mit dem
centralen Ende der durchschnittenen Arteria carotis der anderen Seite
eine stärkste passive Hyperämie in der Struma erzeugt wurde. Es zeigt
sich nun, dass im Anschluss an derartige Operationen zunächst eine
kolossale ödematöse Schwellung der Struma auftrat, die sekundär unter
Schrumpfung zum Rückgang der Struma führte. Es mag bei dieser Ge¬
legenheit kurz darauf hingewiesen werden, dass man in Amerika puch
schon Versuche gemacht hat, diese Operation an Stelle der einfachen
Ligatur der Scbilddrüsenarterie bei Basedow zu verwenden. Hierher ge¬
hören auch die berühmten Versuche Halsted’s, ferner von Matas und
Allan, grosse Blutgefässe durch Aluminiumringe zu verengern. Es
zeigte sich, dass eine Kompressionsdauer von 72 Stunden keine patho-»
logischen Veränderungen in der Gefässwand hervorruft. Dieses Prinzips
bediente sich Tiegel, um durch Verengerung der Lungenvenen eine
passive Hyperämie in dem betreffenden Lungenlappen zu erzeugen. Er
konnte nachweisen, dass auf diese Weise behandelte Lungenlappen gegen
eine tuberkulöse Infektion weniger empfänglich waren als andere. Des
weiteren gibt uns die Blutgeiässnaht ein Mittel an die Hand, durch Her¬
stellung von Anastomosen zwischen Blutgefässen neue Beziehungen
zwischen zwei Organen herzustellen, indem man entweder beide Organe
dadurch, dass man dem einen Blut, das mit Sekretions- und Stoffwechsel¬
produkten des anderen beladen ist, zuführt, in eine enge, normalerweise
nicht vorhandene Beziehung zueinander setzt, oder umgekehrt durch
Ausschaltung einer derartigen normalerweise bestehenden Verbindung
zwischen zwei Organen dem einen derselben die Möglichkeit nimmt, auf
das andere in gewohnter Weise einzuwirken. Das klassische Beispiel
einer derartigen Operation ist die Eok’sche Fistel. Man versteht darunter
bekanntlich die Herstellung einer Seit-zu-Seitanastomose zwischen Vena
portae und Vena oava inferior mit sekundärer Unterbindung der Vena
portae central von der Anastomosenstelle, derart, dass nunmehr alles
aus den Abdominalorganen stammende Blut unter Umgehung der Leber
durch die Veöa cava inferior zum Herzen gelangt, so dass also die Leber
bis zu einer gewissen Grenze aus dem Kreislauf äüsgeschaltet ist. Ueber
die Technik dieser Operation wurde schon oben einiges gesagt. Auf diä
zahlreichen Resultate, die diese Operation in biologischer Richtung er¬
geben hat, kann hier leider nicht näher eingegangen werden, es must
genügen, hier auf die zahlreichen, ausserordentlich wertvollen Arbeiten
Fischler’s über Leberfunktion und ihre Beziehungen zum Pankreas
hinzuweisen. Ich selbst habe im Verein mit Prof. Woblgemuth Ver-
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Nr. 88.
raebe gemacht, eine sosnsagen umgekehrte Eck’ache Fistel herzustellen,
die darin bestand, dass nicht die Yena portae, sondern die Vena cava
central von der Anastomosenstelle ligiert wurde, um so eine stärkere
funktionelle Inanspruchnahme der Leber seiteos des Blutes zu erzielen.
Sehr interessant sind neuerliche Versuche von London und Dobro-
wolskaja, die darin bestehen, dass ein Schlauch in die Milzvene ein¬
genäht, zur Laparotomiewunde nach aussen geleitet und letztere zur
Verheilung gebracht wird. Man hat es nunmehr durch einfache Oeffoung
des im allgemeinen durch einen Glasstopfen verschlossenen Schlauches
in der Hand, sich während irgend welcher Stoffwechsel versuche jederzeit
Blut aus der Vena portae bei dem sonst vollkommen normalen Tier zu
verschaffen. Es ist vorauszusetzen, dass diese Methode wissenschaftlich
wesentliche Bedeutung gewinnen wird. Ich selbst habe kürzlich eine
ähnliche Methode verwendet, um täglich intravenöse Injektionen in be¬
stimmten Venen ausfübren zu können, ebne die betreffende Vene jedes¬
mal freilegen zu müssen. Carrel und später London versuchten,
Pfortaderblut in der Weise direkt in die Niere abzuleiten, dass sie eine
Anastomose zwischen Milzvene und Arteria renalis herstellten.
Weber versuchte eine aktive Hyperämie der Leber dadurch zu
erzielen, dass er eine Mesenterialvene End-zu-Seit in die Aorta implan¬
tierte, so dass Blut aus der Arterie unter einem Druck, der den normaler¬
weise in der Vene herrschenden weit überschreitet, in die Vena portae
einströmte. Ich selbst habe Versuche darüber gemacht, die Circulations-
bedinguogen in einer Lunge in der Weise zu verbessern, dass ich End-
zu-Endanastomosen zwischen dem peripheren Ende einer durchschnittenen
Arteria pulmonalis und dem oentraten Ende der ebenfalls durchschnittenen
Arteria anonyma hersteilte, derartig also, dass die betreffende Lunge
nunmehr nioht mehr das veDöse, aus der rechten Herzkammer stammende
Blut zugeführt erhielt, sondern arterielles aus der linken Herzkammer
stammendes.
Fernerhin habe ich in Gemeinschaft mit Wilhelm Israel Versuche
darüber aogestellt, durch End-zu-Endanastomosen zwischen dem Ureter und
einer Vene den Harn der einen Niere dauernd ins Blut zurückzuleiten.
Von wesentlicher Bedeutung sind die Versuche von End er len,
Floercken und Hotz, Tiere in dieser Weise parabiotisch zu machen,
dass das oentrale Ende der durchschnittenen Arteria oarotis und Vena
jngularis des einen Tieres mit dem peripheren Ende der entsprechenden
Gefässe des anderen Tieres anastomosiert wurde, so dass also durch die
Carotiden dem einen Tier Blut- des zweiten zuströmte und in umgekehrter
Richtung durch die Jugularvene zu dem zweiten Tier zurück floss. Die
Hoffnungen Enderlen’s, auf diese Weise die biologischen Unterschiede
zwischen zwei Tieren so auszugleichen, dass bomoiopiastische Transplan¬
tationen zwischen beiden möglich wurden, gingen leider nicht in Er¬
füllung; doch konnte z. B. gezeigt werden, dass die Injektion von Phlo¬
ridzin bei dem einen Tier, bei beiden Tieren su Diabetes führte. In
analoger Weise zeigte anoh neuerdings Hödon, dass naoh einer Pan¬
kreasexstirpation bei dem einen von zwei parabiotiscben Tieren bei
beiden Diabetes auftrat.
Von hoher wissenschaftlicher Bedeutung sind schliesslich die Ver¬
suche, Organe in der Weise künstlich zu durchbluten, dass man ibre
Gefässe an diejenigen eines anderen lebenden Tieres anschliosst. Auf
diese Weise hat z. B. Guthrie die Frage studiert, welche Gehirnfunk¬
tionen durch Wiederherstellung der Blutcirculation im Kopf eines ge¬
töteten Tieres wieder auftreten können, wobei in der Weise vorgegangen
wurde, dass der abgescbnittene Kopf eines Tieres an die Halsgefässe
eines anderen lebenden Tieres angeschlossen wurde, wobei durch eine
sinnreiche Versuchsanordnung, auf die hier nicht näher eingegangen
werden kann, dafür gesorgt wurde, dass die Blutcirculation in dem Kopfe
keinen Augenbliok unterbrochen wurde. Es konnte auf diese Weise
tatsächlich gezeigt werden, dass eine Reihe von Gehirnfunktionen noch
einmal vorübergehend auftraten. Hierher gehören schliesslich noch die
neuerdings so berühmt gewordenen Versuche Carreis, die gesamten
Organe in toto zu exstirpieren und durch Herstellung einer künstlichen
Ciroulation und einer künstlichen Atmung ausserhalb des Körpers und
dementsprechend auch abgetrennt vom Centralnervensystem zu erhalten.
Es ist zweifellos, dass diese Versuchsanordnung noch su zahlreichen
biologisch sehr interessanten Resultaten fuhren wird.
(Schluss folgt.)
Bücherbesprechungen.
E. Marx: Die experimentelle Diagnostik, Senmtherapie und Prophy¬
laxe der Infektionskrankheiten. IIL Auflage. Berlin 1914,
Verlag von August Hirschwald. 486 S. Brooh. 12 M., in Lein¬
wand gebunden 13 M.
Die dritte Auflage des vortrefflichen Buches, welohes den 11. Band
der Bibliothek von Coler-von Scbjerning bildet, erschien gerade bei
Ausbruch des Krieges und damit für einen weiten Kreis von Interessenten
nur rechten Zeit.
In ausgezeichneter Weise kommt das Buch von Marx den Bedürf¬
nissen zahlreicher Bakteriologen und Aerzte entgegen, die zur eigenen
Belehrung und für Unterrichtszwecke eines Ueberblioks über die wich¬
tigsten Seuchen, ihre bakteriologische Diagnose und ihre hygienische und
immunisatorische Bekämpfung bedürfen. Es ist in gleicher Weise zur
zusammenhängenden Lektüre, als Grundlage für Kurse der Bakteriologie
und Seuchenbekämpfung, und als Hilfsbuch bei der bakteriologischen
Arbeit geeignet.
Es dürften jetzt besonders die Kapitel Cholera, Typhus, Dysenterie,
Pest interessieren. In klarer und knapper Weise ist die Diagnostik
zusammeDgestellt, die wichtigen Nährböden werden erschöpfend und
kritisch behandelt; die amtlichen Vorschriften sind an geeigneter Stelle
eingefügt. Von besonderem Interesse ist die ausgezeichnete Darstellung
der Schutzimpfung, die durch gut ausgewäblte statistische Tabellen
illustriert ist.
Den Verhältnissen im Kriege ist ganz besonders Rechnung
getragen, entsprechend der ursprünglichen Bestimmung des Werkes,
welches sioh vornehmlich an die Sanitäts-Offiziere wendet. Das
Buch bietet wirklich, wie Verfasser bei der L Auflage ankündigte, ge-
wisserm&assen „den eisernen Bestand“ unseres bakteriologischen Wissens
und darf der allgemeinen Anerkennung und weitester Verbreitung
sicher sein. Morgenroth.
J. Sehrijve« Dm Uleu dtadeii. Mit 16 Abbildungen auf 2 tafeln.
Berlin 1914, Karger. 184 S. gr. 8.
Eine auf Grund eigener, offenbar nicht geringer Erfahrungen tlod
eines umfassenden Studiums der einschlägigen Literatur verfasste Mono¬
graphie, die Ref. nicht ansteht neben den grundlegenden Arbeiten der
amerikanischen und englischen Chiturgen, in specie des Buches von Moyni-
han (On Duodenal Ulcer) für die beste bisher erschienene Bearbeitung
und Darstellung des obigen Themas tu erklären. Nicht als ob tfc&h
allen Anschauungen des Verf. rückhaltlos zustimmen könnte. Wenn
derselbe z. B. über die Beziehungen pathologisch-anatomischer Erfahrungen
zu klinischen Daten sagt, sie könnten nicht ohne weiteres und ohne
unbilliges Urteilen und Verurteilen in Vergleich gesogen werden, so
scheint uns dies nicht gerechtfertigt. Wie anders sollen klinische Beob¬
achtungen geprüft und bewahrheitet werden als an der Hand des patho¬
logisch-anatomischen Materials, zu dem selbstredend auch die bei der
Autopsie in vivo gewonnenen Ergebnisse zu rechnen sind? Den Vor¬
wurf einer sohiefen Beurteilung diagnostischer Angaben, den mir der
Verf. (S. 15, Anmerkung) diesbezüglich macht, kann ich deshalb nicht
gelten lassen. Auch möchte ich dem Verf. nicht in der unbedingten
und rückhaltlosen Zustimmung zu allen Paradoxen und Üebertreibungeh
Moynihan’s Gefolgschaft leisten. Meiner Üeberzeugung nach ist es
zweifellos, dass Moynihan, so gross sein Verdienst in bezug auf die
bessere Kenntnis des Ulcus duodeni und die Tatsache ist, dass er
dasselbe in den Brennpunkt des allgemeinen Interesses gerückt bat, in
vieler Hinsicht viel zu schematisch und etwas zu obeiflächlich verfährt
Boas hat in einer kritischen Besprechung des Moynihan’sehen Buches
auf folgendes bingewiesen: M. gibt an, in einer aufeinanderfolgenden
Serie von 100 Operationen, wo er die Diagnose auf Ulcus duodeni
schriftlich niedergelegt hatte, nur in 3 Fällen eine unrichtige Diagnose
gestellt zu haben. Dazu bemerkt Boas mit Recht: „Mir ist ein Internist,
der sich hätte rühmen können, in 9? pCt., d. h. fast unfehlbar, die Diagnose
Ulcus duodeni gestellt zu haben, noch nioht begegnet. Ich persönlich
würde mit der Hälfte dieses diagnostischen Triumphes schon reichlich
zufrieden sein 1 ).“ Die Berechtigung dieses Satzes wird man nicht_be¬
zweifeln können. Daraus allein folgt schon, dass Moynihan sich über
die Diagnose vielfaoh keine scharfe Rechenschaft gibt und bona Öde
eine Anzahl von Fällen als Duodenalgeschwüre anspriebt, die es de facto
nicht siod, d. h., dass der von ihm aufgestellte diagnostische und be¬
sonders anatomische Symptomenkomplex auch diagnostische Irrtümer
nicht ausschliesst. Wenn Schrijver S. 92 seines Buches erklärt, dass
er sich als Internist voll und ganz der Lehre Moynihan’s anschliesst,
so dürfen wir das wohl so verstehen, dass er, wie wir alle, sich die Er¬
fahrungen und die ausgezeichnete Conoeption des verdienstvollen Chir¬
urgen zunutze macht, dass er aber auoh die Irrtümer und Fehldiagnosen
nicht übersieht, die das juraie in verba magistri mit sich bringen
müsste. — Es würde zu weit führen, in eine auch nur oberflächliche
Besprechung der einzelnen Abschnitte, in die sioh das Buch von
Schrijver gliedert — Geschichtliches, Statistisches, Aetiologie und
Pathogenese, Symptom und Diagnose, Erklärung der Erscheinungen,
Verlauf und Behandlung, Krankengeschichten —, an dieser Stelle ein-
zutreteu. Er gibt, wie schon eingangs gesagt, eine vortreffliche und
erschöpfende Darstellung, in der alle zurzeit über das Duodenalgeschwür
bekannten Tatsachen und Ansichten besprochen und durch eigene
Krankengeschichten und Röntgenbilder bereichert sind. Nur was den
Wert der radiologischen Untersuchung betrifft, mag schliesslich der Aus¬
spruch des Verf. angeführt werden, dass er in den diesbezüglichen Publi¬
kationen der Radiologen schon längst „eine erhebliche Ueberscbätzung
der Röntgendiagnostik“ gefunden habe. Die von mir auf dem inter¬
nationalen Kongress in London 2 ) gegebene Zusammenfassung, »Aus¬
schlaggebend sind die Röntgenbilder für sich allein betrachtet nicht.
Es ist unstatthaft, die Diagnose allein aus dem Röntgenbilde, auch wenn
Serienaufnahmen gemacht werden, stellen zu wollen, weil ähnliche Bilder
auch bei entzündlichen und adhäsiven Prozessen an der Gallenblase,
ja auch bei Appendicitis chronica zustande kommen u. s. f.“, dürfte
zeit wohl der allgemeinen Auffassung entsprechen.
1) Arch. f. Verdauungskr., Bd. 19, H. 5.
2) B.kl.W., 1913, Nr. 39.
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21. September 1914.
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Alles in allem genommen darf das Buch Schrijver’s nioht nur
dem Spezialisten, sondern zufolge der grossen Bedeutung seines Themas
jedem Arzte zu eingehender Kenntnisnahme empfohlen werden.
Sir Her* ann Weber: Os means for the Prolongation of life. Fourth
enlarged edition. London 1914, Bale, Sons & Danielsson.
Das Buch Hermann Weber’s über die Kunst, alt zu werden,
welches jetzt in vierter Auflage vorliegt, hat einen Weltruf erlangt. Es
ist neben Cicero’s „De senectute“, Hufeland’s „Makrobiotik“ und
Jacob Grimm’s „Rede über das Alter“ eins der hervorragendsten
Werke auf diesem von jeher mit Vorliebe gepflegten Grenzgebiete, auf
dem sieh bedachtsamer Menschenverstand, medizinisches Wissen und
philosophische Lebenabetrachtnng die Hand reichen. Weber’s Buch
spiegelt vom Anfang bis zum Ende den liebenswürdigen Charakter und
die abgeklärte Lebensweisheit seines Verfassers wieder, der jetzt in
seinem 91. Jahre in voller geistiger Frische und bewundernswerter
körperlicher Verfassung seine Lehren und Erfahrungen aufs heue vor¬
legt. Mit berechtigtem Stolz weist er darauf hiD, dass ihm trotz seines
Alters die Lust am Leben, die Anteilnahme an dem Lauf der Welt und
der Wissenschaft, die Freude an der Natur und an dem Verkehr mit
seinen Familienmitgliedern und Freunden nicht geschmälert sei. Die
Lehren, die er in seinem Buch niedergelegt hat, die sieb, wie er selbst
sagt, innerhalb des bekannten Rahmens halten und durch die Worte:
körperliche und geistige Hygiene umgrenzt sind, hat er mit Beständig¬
keit die letzten 50 Jahre durchgeführt und bei sich und anderen die
schönsten Erfolge gesehen. Leider pflegen solche Bücher nicht von der
Jugend, der sie eigentlich als Richtschnur dienen sollten, sondern erst
von dem Alter beachtet, gewürdigt und — befolgt zu werden!. Manche
erreichen ja auch das, was gemeiniglich als ein grosses Glück betrachtet
wird, ein gesundes und frisches Alter, was über die uns vom Propheten
gesetzte Zeit nooh weit hinausragt. Meinen Vortrag über „Altern und
Sterben“ 1 ) habe ich mit den Worten geschlossen: Ist es denn aber
wirklich ein so hohes Glück, alt zu werden, dass wir alle mit allen
Kräften danach streben, oder wenn wir doch nichts dazu tun, so doch
wünschen, alt zu werden? Dem Alter sind zu allen Zeiten Lobredner
erstanden, aber damit sind die vielen Schattenseiten des Alterns, das
Nachlassen der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, das Abfallen der
welken Blätter und Blüten vom Lebensbaum, die uns früher grünten,
blühten und beglückten, nicht aus der Welt geschafft, und nicht jedem
ist es gegeben, sich mit Behagen in die neue Lage der Dinge zu
schicken.“ Mori nolo, sed me mortuum esse, nihil curo. Glücklich der,
dem die Parze den Faden bis an sein Lebensende stark und fest und
ungeschmälert abwickelt! Aber das sind doch, trotz aller Makrobiotik,
nur die Ausn&hmefälle, denen auch unser verehrter Kollege Hermann
Weber zugehört. Wünschen wir ihm, dass er auch noch eine 5. und
6. Auflage seines Lieblingsbucbes berausgeben möge und sich die schone
Frische bewahre, die wir noch letzten Sommer an ihm in London zu
bewundern Gelegenheit hatten. Ewald.
Jalins Schwalbe-Berlin: Therapeutische Technik für die ärztliche
Praxis. Ein Handbuch für Aerzte und Studierende. Vierte,
verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig 1914, Verlag von
Georg Thieme. Preis 24 M.
Innerhalb 7 Jahren war eine viermalige Auflage des Schwalbe¬
sehen Handbuches notwendig. Der Blick für das Bedürfnis des prakti¬
schen Arztes, das Schwalbe 1907 zur Herausgabe des Werkes veran¬
lagte, hat sich glanzend bewährt. Mit den Neuauflagen wurden zahl¬
reiche Verbesserungen und Ergänzungen vorgenommen, die das Buch
nur noch wertvoller machten. Auch die vierte weist als Erweiterungen
folgende Abschnitte auf: „Diathermie“ und „Behandlung naoh Ber-
goniö“ von Rieder, „Technik der Ernährung des gesunden und
kranken SäugliDgs“ von Koppe, „Allgemeine Technik der Laparotomie“
und „chirurgische Behandlung der Peritonitis“ von Werner. An Stelle
des verstorbenen Eversbusch haben v. Hess und Lohraann den Ab¬
schnitt „Technik der Augenheilkunde“ übernommen. Die anderen
Kapitel haben entsprechend den neueren Forschungen und Erfahrungen
Ergänzungen erfahren. Das Gesamtwert umfasst nunmehr 1033 Seiten
(die erste Auflage 789). Es bedarf heute keines besonderen Lobes mehr,
nachdem es sich so vorzüglich eingeführt hat. Noch zahlreiche Neuauflagen
sind ihm sicher. Dünner.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
L. Michaelis und A. Kramsztyk: Die Waaserstoffionenkonzen-
tration der Gewebssäfte. (Biochem. Zschr., Bd. 62, H. 3 u. 4, S. 180.)
Der aus den Organen extrabierbare Saft reagiert nicht wie das Blut
alkalisch, sondern fast ganz genau neutral. Der Wert für die [H j lonen-
konzentration ganz frischer Gewebssäfte dürfte 1,5 10— 7 sein. Durch
postmortale Säurebildung wird in den überlebenden Organen die Re-
1) C. A. Ewald, Ueber Altern und Sterben. Wien und Leipzig
1913, Alfred Holder.
aktion ganz leicht sauer, am stärksten im quergestreiften Muskel. Auch
in den Extrakten sofort gekochter Organe ist die Reaktion niemals
alkalisch.
P. Rona und G. G. Wilenko*. Beiträge zur Frage der Glyko¬
lyse. IV. (Biochem. Zschr., Bd. 62, H. 1 u. 2, S. 1.) Höhere H’-Ionen-
konzentration hemmt die Glykolyse. So ist z. B. bei einer H'- Ionen¬
konzentration von etwa 4 bis 6T0— 7 die Zuckerzerst&rung gänzlich auf¬
gehoben, bei einer 2 bis 310~ 7 bereits stark abgeschwächt. Wird die
H'-Ionenkonzentration nachträglich auf die des Blutes gebracht, so ent¬
faltet das Ferment seine Wirkung wieder uDgeschwäcbt. Diese Befunde
sprechen dafür, dass bei der diabetischen Acidosis ein Zusammenhang
besteht zwischen erhöhter H’-Ionenkonzentration in den Geweben und
vermindertem Zuokerverbraucb. Auch die Zuckerkonzentration ist von
Einfluss auf die Glykolyse. Bis zu etwa 0,5 pCt. nimmt die Zucker¬
zerstörung zu, bei etwa 1 pCt. ist die Glykolyse stark gehemmt.
Kj. 0. af Klerker: Untersuchungen über die Einwirkung der
Oplnmalkaloide auf gewisse Hyperglykämie». (Biochem. Zschr., Bd. 62,
H. 1 u. 2, S. 11.) Auf die Hyperglykämie und Glukosurie nach
AdrenaliuiDjektion und Piqüre konnte keine sichere Einwirkung der
Opiumalkaloide konstatiert werden. Eine alimentäre Hyperglykämie
kann dagegen durch Opiumalkaloide mehr oder weniger gehemmt werden.
Und zwar sind von der Tinctura opii so grosse Dosen erforderlich, die
an sich schon eine Steigerung des Blutzuckers bewirken. Besser noch
ist die Wirkung des Pantopons, das schon in so geringen Mengen wirkt,
dass durch sie eine Aenderung des Blutzuckers nicht zustande kommt.
Die Beeinflussung der alimentären Glukosurie durch die Opiumalkaloide
hat man sich so zu erklären, dass unter dem Einfluss des Opiums die
Entleerung des Magens eine Verzögerung erfährt und der Darm nicht
wie bei normalen Tieren innerhalb kurzer Zeit die ganze Nahrungsmenge
zur Verarbeitung bekommt, sondern nur langsam und in kleinen Portionen.
S. Sakai: Zur Pathogenese der Lipämie. (Biochem. Zschr., Bd. 62,
H. 5 u. 6, S. 387.) Während normale Kaninchen selbst nach Ver-
fütterung grosser FettmeDgen keine oder nur eine ganz schwach an¬
gedeutete Lipämie bekommen, gelingt es bei anämisch gemachten Tieren
beispielsweise durch Verabfolgung von Milch stets eine starke Lipämie
hervorzurufen. Gleichzeitig zeigt das Serum dieser Tiere eine erhebliche
Abnahme seines lipolytischen Vermögens. Die chemische Analyse eines
solchen lipämisehen Serums ergab einen Fettgehalt von mitunter über
5 pCt. und gleichzeitig auch eine Vermehrung des Cholesterins. Diese
Vermehrung des Cholesterins dürfte eine mehr sekundäre sein und sich
so erklären, ‘dass die grosse FettmeDge eine giössere Menge Cholesterin
in LösuDg zu halten vermag.
Th. E. Hess Thayseu: Beiträge zur physiologischen Chemie des
Cholesterins and der Cholesterinestergehalt normaler Organe an
Cholesterin und Cholesterinestern. (Biochem. Zschr., Bd. 62, H. 1 u. 2,
S. 115.) Entgegen den bisherigen Befunden kommt Verf. auf Gruod
sorgfältiger Analysen zu dem Resultat, dass mit Ausnahme der roten
Blutkörperchen alle von ihm untersuchten Organe (Nebennieren vom
Pferd und Rind, Leber vom Schaf, Herz vom Schaf und Hund, Serum
vom Rind) ausserordentliche Schwankungen im Cholesterin- uud Chol-
esterinestergehalt zeigen.
E. v. Czyhlarz und A. Fuchs: Ueber die Bedeutung des Chol¬
esterins für die Vorgänge bei der pathologischen Verfettung. (Biochem.
Zschr., Bd. 62, H. 1 u. 2, S. 131.) Man hat bei den echten Ver¬
fettungsvorgängen neuerdings unterschieden die Cholesterinesterverfettung
von der Glycerinesterverfettung. Für eine solche Scheidung liegt aber
kein Grund vor. Denn die Untersuchung zahlreicher Proben von patho¬
logisch verfetteten Lebern und Nieren bat keine ausserhalb der normalen
Schwankungsbreite gelegene Verschiebung der Relation zwischen Chol¬
esterin und hohen Fettsäuren ergeben.
E. Haffner und A. Nagamachi: Zur physiologischen Wirksam¬
keit von Organextrakten. (Biochem. Zschr., Bd. 62, H. 1 u. 2, S. 49.)
Die wässerigen Extrakte aus Schilddrüsen und Ovarien vom Rind übeu
auf den isolierten Uterus von Meerschweinchen und Ratten eine tonus¬
steigernde, koutraktionserregende Wirkung aus; die gleiche Wirkung
üben sie auf ausgeschnittene Arterienstreifen vom Rind und auf die
Gefässe des durebströmteu Kaninchenohres aus. Werden die wässerigen
Extrakte io eine ätherische und wässerige Fraktion geteilt, so zeigen die
ätherischen die gleiche Wirkung wie das ursprüngliche wässerige Extrakt.
Diese Wirkung des ätherischen Extraktes beruht auf dessen Gehalt an
Fettsäuren bzw. Seifen. Ein organspeziflsoher Unterschied liess sich
nicht erkennen. Die wässerigen Extrakte zeigten nach der Behandlung
mit Aether eine entgegengesetzte Wirkung, nämlich eine Tonusherab-
setzuDg und Kontraktionshemmung. Wohlgemuth.
Pharmakologie.
B. Rewald: Ueber die physiologische Wirkung ftinfwertigen Anti¬
mons (Lenkonin bzw. Natriummetaotiraoniat). (Tber. d. Gegenw.,
August 1914) Verf. fasst seine Untersuchungen dabin zusammen, dass
das Leukonin in den Mengen, wie sie physiologisch in Betracht kommen
dürften, keinen schädlichen Einfluss auf deu Organismus ausübt. Es
wurde ferner naebgewiesen, dass alle Speisen, die in Leukonintöpfen zu¬
bereitet waren, einen schädlichen Einfluss selbst bei Kindern nicht hatten.
B. Fabian.
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Nr. 38.
V. Erdt - Manchen: Vergiftangstod durch Chineontl. (M.m.W.,
1914, Nr 35.) Chineonal ist eine Verbindung von Chinin und Yeronai.
Ein 2V2jähriges Kind hatte 9 Pillen genommen = 0,648 Veronal. Es
starb. Dünner.
Therapie.
J. Vasiljevid - Wien: Zur Therapie der tuberkulösen und tuberkulo-
toxisohen Diarrhöen mit Tannismat. (Ther. d. Gegenw., August 1914.)
Günstige Erfahrungen mit dem Tannismut. Dosis 4 mal 0,5 g.
J. Pick - Charlottenburg: Chronische Kreislaofinsafßzienz. (Ther.
d. Gegenw., August 1914.) Verf. berichtet über günstige Erfolge in der
Behandlung der Kreislaufinsuffizienz durch die Anwendung der Unter-
druokatmung (Wulff’sche Flasche). Besonders die nervösen Störungen
werden schnell beseitigt. R. Fabian.
A. Schnöe - Frankfurt a. M.: Therapeutische Erfolge mit dem De-
gressator nach Dr. Schnee. (M.m.W., 1914, Nr. 35.) Kasuistik.
Dünner.
Innere Medizin.
Determann: Ueber das Wüstenklima. (Zschr. f. pbysik. diät.
Ther., Juni-August 1914.) D. bespricht das Nähere des Klima der
Wüste sowie die Gesamtwirkung desselben, die Wirkung auf Herz, Ge-
fässe und Nervensystem, sowie die Indikation des Wüstenklirnas. „Die
Analyse der Wirkungen des Wüstenklirnas erlaubt mangels positiven
Forschungsmaterials meistens keine bestimmten Schlüsse, sondern nur
Voraussetzungen und Vermutungen. Einen wissenschaftlichen Anhalt
zur Stellung exakter Indikationen haben wir nicht.“ Das Wüstenklima
ist indiziert bei rheumatischen Muskel- und GelenkerkrankungeD, bei
Nephritikern, bei Stoffwechselkrankheiten, wie Gicht und Diabetes, bei
gewissen Herz* und Gefässstörungen und Lungen- und Bronchialerkran¬
kungen. Bei Keblkopftuberbulose ist Wüstenklima wegen des Staubes
nicht zu empfehlen; auffallenderweise fehlt unter den Indikationen, wie
D. betont, die chirurgische Tuberkulose. Als KrankeDniederlassungen
kommen vor allem Heluan, Assuan und auch Luxor in Betracht.
Becker und Papendieck: Die Behandlnng der chronisch-rheu¬
matischen Gelenkerkranknngen nach den Gesetzen der Funktion nnd
der Statik. (Zschr. f. pbysik. diät. Ther., August 1914.) B. und P.
definieren das, was im täglichen Leben als Rheumatismus bezeichnet
wird, als „einen Zustand chronischer Gelenkreizung aus mannigfachen
Ursachen mit einem Befunde, der ausser in seinem Eodstadlum entweder
negativ ist oder jedenfalls in einem gewissen Missverhältnis steht zu
den Beschwerden, die er verursacht“. Aetiologisch spielen Traumen
eine Rolle, vor allem auch der Druck des Körpergewichts, gewisser-
maassen ein ununterbrochenes chronisches Trauma. Von besonderer
Bedeutung sind dann die Momente der Funktion und der Statik, welche
für die Therapie wichtige Gesichtspunkte geben. Die Therapie verlangt
die Resorption pathologischer Gelenkprodukte, die Wiederherstellung der
Funktion des Gliedes und die Beseitigung des statischen Insultes.
E. Tobias.
W. Zinn: Ueber die Pnenmothoraxbehandlung von Bronchiektasien.
(Ther. d. Gegenw., August 1914.) Nach Erörterung der bisherigen
Therapie bei Bronchiektasien (Quinke’sche Lagerung, methodische Ein¬
schränkung der Flüssigkeitszufuhr, eingreifende operative Maassnahmen)
behandelt Verf. ausführlich die Lungencollapstherapie, die eine Verödung
und Schrumpfung der Bronchiektasie bezwecken soll. Es werden zu¬
nächst die verschiedenen Fälle aus der Literatur angeführt, dann drei
eigene Fälle. In den beiden ersten Fällen zeigte sich ein sehr guter
Erfolg; bei einer Nachuntersuchung nach 5 / 4 Jahren völlige Heilung.
Bei dem dritten Falle handelte es sich um eino schwere, chronische
Erkrankung, bei der eine erhebliche Besserung der kränkeren Seite ge¬
schaffen wurde. Die Behandlung soll hier fortgesetzt und eventuell
später auch auf der anderen Seite zur Anwendung kommen. Verf.
empfiehlt die Pneumothoraxbehandlung, wenn irgend möglich, bei Bronchi¬
ektasien, besonders mit putrider Zersetzung, anzuwenden.
R. Fabian.
G. Hafermann - Beringhausen: Eiweissgehalt im Sputum Tuberku¬
löser. (D.m.W., 1914, Nr. 36.) H. bringt durch seine Untersuchungen
die Bestätigung anderer Autoren, dass aus einem einmaligen positiven
Eiweissbefuud sich keine sicheren Schlüsse ziehen lassen, dass einmaliger
negativer Befund Tuberkulose ausschliesst. Enthält das Sputum kein
Eiweiss, so sind keine Bacillen da, enthält es Bacillen, so ist auch Ei-
weiss vorhanden. Dünner.
Fischer und Katz: Zur röntgenologischen Bestimmung der Ver¬
weildauer von vegetabiler und Knhmiich im Magen nebst einer Kritik
der Kapselmethode. (Zschr. f. physik. diät. Ther., August 1914.) Die
Total Verweildauer der vegetabilen Milch im Magen ist nicht unerheblich
kürzer als die Verweildauer der Kuhmilch, eine Differenz, welche auf
den fundamental verschiedenen Gerinnungsvorgang und Abbau der Ei¬
weisskörper der Kuh- und Pflanzenmilch zu beziehen ist.
E. Tobias.
E. Weiser: Eine Mitteilung über Störungen der Herzantomatie.
(D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 3 u. 4.) Beobachtungen über
Arhythmien, die auf Schwankungen in der Reizbildung im Keith-Fiack-
schen Knoten beruhen: Pulsus irregularis respiratorius. Bei den Fällen
W.’s handelt cs sich nicht um organische Grundkrankheiten, sondern um
ausgesprochene Nervosität. Der Entstehungsort der Störungen liegt im
Sinusgewebe, sie beruhen auf Veränderungen im Zustande des reizbilden-
den Organs (neuropathische Konstitution).
Morawitz und Zahn*. Untersuchungen überden Coronarkreislaif.
(D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 3 u. 4.) Die mitgeteilte Methode
der Sondierung des Coronarsinus am lebenden Tier gestattet es, ein zu¬
treffendes Bild von der Durchblutung des Herzens in situ zu erhalten.
Es wird durch die Coronarkanüle zwar nicht alles Blut gewonnen, das
durch das Herz strömt, sondern nur 60 pCt. Da aber dieses Verhältnis
auch bei verändertem Druck und veränderter Durchblutung fcstgebalten
wird, ist die Methode zum Studiom solcher physiologischer und pharma¬
kologischer Fragen, die sich am isolierten Herzen nicht beantworten
lassen, gut brauchbar. Die Durchblutung des Herzmuskels ist vom
arteriellen Druck abhängig. Steigerung des arteriellen Druckes durch
Abdominalkompression, Infusion von Blut oder Kochsalzlösung und Ad¬
renalin vermehrt die Ausflussmenge aus den Kranzgefässen. Adrenalin
wirkt ausserdem noch direkt dilatierend auf die Coronargefässe. Es ist
das wirksamste Mittel, eine Vermehrung der Durchlutung des Herz¬
muskels zu erreichen. Trotzdem scheint es bei der menschlichen Angina
pectoris unwirksam zu sein. Stark beschleunigte Herztätigkeit schafft
ungünstige Bedingungen für die Durchblutung des Herzens. Pituitrin
und Nikotin verengen die Coronargeiässo. Die Vasokonstriktion ist bis¬
weilen trotz erhöhten Blutdrucks deutlich nachweisbar. Zinn.
0. Hess-Cöln a. Rb.: Unsere Erfahrungen (bit der Phenolsnlfo-
phthaleiimethode als Prüfungsraittel der Nierenfnnktion. (M.m.W.,
1914, Nr. 34 u. 35.) Die Methode ist brauchbar. Dünner.
J. Goldberg und R. Hertz: Ueber den Einfluss von Natriombiear-
bonat auf die Ausschelding der Chloride und des intraveiös ein-
geführten Milchzuckers. Ein Beitrag zu den Untersuchungen der
Nierenfunktionen. (D. Arch. f. klin. M., 1919, Bd. 116, H. 3 u. 4.)
Natriurabicarbonat übt eine ausgesprochene Wirkung auf die Dauer der
Zuckerausscheidung aus, und zwar durch Herabsetzung des Ausscheidungs
Vermögens der Nieren. Die früher erwiesene Herabsetzung der Kochsalz¬
konzentration im Harn unter dem Einfluss von Natriumbicarbonat ist
auch von einer Herabsetzung der Nierentätigkeit abhängig.
Borelli und Girardi: Versuche über den Kochsalz- und Wasser¬
wechsel beim gesunden Menschen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116,
H. 8 u. 4.) Der Organismus braucht bei einer bestimmten konstanten
Diät, unabhängig von ihrem NaCl- und H 2 0-Gehalt, drei bis vier Tage
Zeit, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Das erreichte Gleich¬
gewicht ist nie ein vollständiges, sondern, je nach den Tagen Schwan¬
kungen im Sinne grösserer und kleinerer Ausscheidungen unterworfen.
Es ist somit für H 2 0 und NaCl keine tägliche, sondern nur eine Gesamt¬
bilanz vorhanden, die von Individuum zu Individuum, und je nach der
Diät veränderlich ist. Es folgen eine Reihe von Einzelangaben über
die H 2 0- und NaCl-Ausscheidung unter Verschiedenen Bedingungen.
Zinn.
J. Tschertkoff-Charlottenburg: lndikanämie nid Urämie (Azot-
äraie). (M.m.W., 1914, Nr. 36.) Bei Gesunden und Kranken ohne
Niereninsuffizienz findet sich unabhängig von der Diät niemals Harnstoff
noch Indikan im Serum, lndikanämie findet sich regelmässsig bei den¬
jenigen Nierenkranken, die eine erhebliche Harnstoffretention im Serum
haben. Sie wurde bei einem Harnstoffgebalt von 1,5 pM. ab nie ver¬
misst. lndikanämie bei chronischen Nephritiden ist ein ebenso un¬
günstiges prognostisches Zeichen wie eine Harnstoffretention von 1,5 pM.
und darüber. Sie zeigt eine schwere und irreparable Veränderung der
Nieren an. Bei den akuten Nephritiden mit Niereninsuffizienz gibt die
lndikanämie ebenso wie die Harnstoffretention nur ein Bild des augen¬
blicklichen Zustandes der Niere. Sie hat hier nicht die ominöse pro¬
gnostische Bedeutung wie bei den chronischen Fällen. lndikanämie
bleibt als einziges Zeiohen der Niereninsuffizienz auch in solchen
Fällen bestehen, wo die Azotämie infolge äusserer Einflüsse bis auf das
normale Niveau herabgedrückt ist. Dünner.
M. Fritz-Bad Wildungen: Pyelitis chronica und ihre Behandlung.
(Ther. d. Gegenw., August 1914.) Verf. behandelt zunächst ausführlich
die Aetiologie und Pathologie der Pyelitis. Die Behandlung besteht in
akuten Fällen neben Regelung der Darmtätigkeit und etwaigen anti¬
febrilen MaassnahmeD, in der Bekämpfung der Infektionsquelle, Verab¬
reichung grösserer Flüssigkeitsmengen. Urotropin und ähnliche Harn-
antiseptica können versucht werden. Verf. hat günstige Erfahrungen
mit der Lokalbebandlung gemacht (Spülung des Nierenbeckens mit einer
Lösung von Hydrarg. oxycyan. 1 :2000). R. Fabian.
C. Funk, Ueber Nährschäden Erwachsener. (Boas’ Arch., Bd. 20,
H. 4, S. 482.) Funk macht hinsichtlich der Einführung von Flüssig¬
keiten in den Darm durch die Duodenalsonde Prioritätsansprüche gegen
Einhorn und Gross geltend. In der Tat findet sich in seinem Auf¬
satz „Beiträge zur Kausaltherapie bei Glykosurie und Diabetes“ (DmW.,
1911, Nr. 27) in einer dort mitgeteilten Krankengeschichte die Be¬
merkung: „Ein Gummischlauch von 1 mm Lumen wird nach Art einer
Schlundsonde bis in den Zwölffingerdarm eingefübrt und durch die
Sonde eine Lösung von .... gegeben.“ In der heutigen Arbeit wird
versucht, „ohne äussere Ursache anscheinend idiopathisch oder krypto¬
genetisch entstehende Funktionsstörungen des Stoffwechsels und der den
Stoffwechsel beherrschenden Organe, soweit nicht einzelne von ihnen
durch uns noch unbekannte äussere Ursachen (z. B. Infektionen) hervor¬
gerufen werden“, durch das Vorhandensein einer Koeffizientenuntüchtig-
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21. September 1914,
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keit (Hering) zu charakterisieren und zu erklären. Dieser Gedanke
wird, gestützt auf die Untersuchung des Blutzuckerspiegels, des Ver¬
haltens des Blutbildes (Lymphocytose) und der Zuckerausscheidung,* an
mehreren Fällen von Diabetes durcbgeführt und der Uebergang von art¬
fremden, uoabgebauten Eiweissarten in das Blut damit in Verbindung
gebracht. Die stundenlang fortgefübrte „permanente Drainage“ des
Darms mit hypotonischen oder isotonischen Lösungen mit Hilfe des
Duodenalrohrs haben eioen günstigen therapeutischen Einfluss in solchen
Fällen. Leider schreibt Verf. einen Stil, der sich in unendlichen Sätzen
und eingescbachtelten Relativsätzen ausbreitet und das Lesen seiner
Arbeiten (s. a. frühere Produktionen) erschwert und stört. Da sollte er
einmal die bessernde Hand anlegen. Trotzdem sei auf das Original,
das sich schlecht im Auszug wiedergeben lässt, hingewiesen.
J. Kossinsky: Magengeschwür in Bayern. (Boas’ Arch., Bd. 20.
H. 4, S. 511.) Eine Statistik, zusammengestellt aus den „General¬
berichten über die Sanitätsverwaltung im Königreich Bayern“ vom Jahre
1879—1910. Alle Krankheitsfälle 4 282 333. Darunter Fälle mit Magen¬
geschwür 25 513 (0,6 pCt.). Alle Todesfälle 163 451 (3,82 pCt.).
Darunter Todesfälle wegen Magengeschwür 882 (0,54 pCt.). Mortalität
der Magengesohwürkranken 3,46 pCt. Im allgemeinen wiesen 10 000
Kranke beiderlei Geschlechts 60 Falle mit Magengeschwür auf; auf
10 000 Gestorbene überhaupt kommen 54 tödliche Fälle wegen Magen¬
geschwürs; die Mortalität der Ulcuskranken ist fast so gross wie die
allgemeine Mortalität in sämtlichen Anstalten Bayerns, d. h. 3,46 pCt.
gegen 3,82 pCt.
V. Plitek: Ueber das familiäre Auftreten des Ulcus ventriculi.
(Boas’ Arch., Bd. 20, H. 4, S. 461.) Verf. beobachtete eine Familie, in
der ein Bruder wegen perforierten Magengeschwürs operiert wurde, ebenso
ein Cousin väterlicherseits und endlich ein Bruder des letzteren. Die
betreffenden Krankengeschichten werden mitgeteilt. „Der Vater des
einen Patienten litt in seinen letzten Jahren häufig au Attacken von
Herpes zoster; der Bruder bzw. Onkel des Kranken wurde noch als
junger Mann ein Krüppel; ein anderer Bruder bzw. Onkel, ein unver¬
besserlicher Säufer, starb im Irrenhause.“ Verf. meint, dass in dem
zweitgenannten B’all jedenfalls auch eine nervöse Grundlage bestand,
und verwertet diese dürftigen Angaben im Sinne der neurogenen Ent¬
stehung des Ulcus.
E. Wo losch in: Ulcus rotundnm et Carcinoma ventrieuli. (Boas’
Arch., Bd. 20, H. 4, S. 444.) Statistische usw. Angaben, die aus dem
Sektionsmaterial des Marinehospitals in Kronstadt gezogen sind. Wieviel
Fälle im ganzen verwendet sind, ist nicht angegeben. Die Lokalisation
der Geschwüre wird an 11, des Carzinoms an 51, Metastasenbildung an
59 Fällen angegeben. Das sind so genüge Zahlen, dass sie gar nicht
in Betracht kommen.
J. de Groot: Zwei Fälle von Ulcus duodeni. (Boas’Arch., Bd. 20,
H. 4, S. 478.) Auch de Groot findet in Holland, dass das Ulcus ven¬
triculi viel häufiger vorkommt als das Duodenalgeschwür, selbst wenn
man die — übrigens durchaus nicht konstante — Pylorusvene zur Ab¬
grenzung zwischen Magen und Darm in Betracht zieht. Er teilt zwei
Fälle von Ulcus duodeni mit, in denen der von Moynihan als typisch
angegebene Symptomenkomplex gänzlich fehlte. In beiden wurde durch
die Operation ein Geschwür, d. h. eine umschriebene weisse Narbe in
der Wand des Duodenums, die als Ulcusnarbe gedeutet wird, gefunden.
Sehr beweisend sind diese Fälle aber, wie Referent an anderer Stelle
(C. A. Ewald, Ueber das Ulcus duodenale. B.kl.W., 1913, Nr. 39) von
dergleichen Befunden hervorgehoben hat, nicht. Ich habe ebendaselbst
sc »°? betont, dass das Moynihan’schen Syndrom keine durchgreifende
Gültigkeit hat, und de Groot’s Fälle sprechen, wenn man sie gelten
lässt, in demselben Sinne,
F. Niklas: Ueber Diekdarmmelanose. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 4,
S. 423.) Beschreibung zweier hierzugehöriger Präparate. Interessant
ist der vom Verf. durch sterile Autolyse eines kleinen Stückcherffc des
frischen Pigmentdarms geführte Nachweis einer Pigmentvermehrung, die
.aller Wahrscheinlichkeit nach auf fermentative Prozesse zurückzuführen
ist. Versuche, welche Verf. zur Aufhellung dieser Verhältnisse anstellte,
hatten allerdings kein positives Ergebnis, immerhin gelang es bei einer
an Magenkrebs gestorbenen Frau, die ausserdem an chronischer Obsti¬
pation gelitten hatte, eine Oxydase nachzuweisen, die auf Tyrosin ein¬
wirkte. Ein typischer Fall von Addison zeigte bei der Autolyse eines
Stückchens Coecum ein dem obigen entsprechendes Verhalten.
_ Ewald.
Chirurgie.
D. Kuhlenkampf - Zwickau: Neuere Fortschritte auf dem Gebiete
der Inhalationsanästhesie. (D.m.W., 1914, Nr. 36.). Dünner.
H. Matti - Bern: Kombinierte Behandlung der Varicen der unteren
Extremität. (Schweiz. Korr. Bl., 1914, Nr. 28.) Verf. kombiniert die
hone Ligatur der Vena saphena mit der Exzision grösserer varicöser
Venenplexus, unter gleichzeitiger Anwendung von Carboiinjektionen zur
Thrombosierung der Zwischenstücken und Anastomosen. Die Erfolge
waren befriedigend. R. Fabian.
Röntgenologie.
J- Glaubermann - Moskau: Experimentelle Untersuchungen über
die Wirkung von röntgenisiertem Sernm (X-Serum) auf das Blut.
(M.m.W., 1914, Nr. 35.) Die subcutane Injektion von X-Serum ruft bei
Kaninchen nach kurzdauernder Leukocytose eine schnell vorübergehende
Leukopenie hervor, die ihren Höhepunkt nach 1— \ X J 2 Stunden erreicht und
vor Ablauf von 24 Stunden verschwindet. Gleichzeitig Lymphopcnie. Die
selben Resultate erhält man bei direkter Bestrahlung, nur langsamer.
Die Wirkung des röntgenisierten Serums besteht aus zwei Faktoren: die
Leukocytose hervorrufende des Serums, dem die im Serum ein¬
geschlossene Röntgenenergie entgegengesetzt ist. Darum erhält man
nicht mit grossen Serummengen entsprechend stärkere Röntgen Wirkung.
0. Zuckerkandl - Wien: Cystographie. (M.m.W., 1914, Nr. 35.)
Z. bringt Bilder bei infiltrierendem Blasenkreb9, bei gestielten, die Basis
nicht infiltrierenden Blasengeschwülsten und bei Prostatabypertrophie.
Dünner.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
K. A. Essen - Dornum: Ueber Extrauteringravidität, unter Belicht
eines Falles mit glücklichem Ausgang für Mutter und Kind. (Ther. d.
Gegenw., August 1914.) Kasuistische Mitteilung mit zusammenfassen¬
der Darstellung der Symptome der Extrauteringravidität.
R. Fabian.
Soziale Medizin.
F. Koelscb - München: Ueber neuartige gewerbliche Erkrankungen
in Kalk8tiekstoffbetrieben. (M.m.W., 1914, Nr. 35.) Kalkstickstoff
hat bei der Herstellung von künstlichen Düngemitteln eine grosse Be¬
deutung. K. sah bei Arbeitern, die damit zu tun hatten, Vergiftungs-
erscheinungen, aber nur dann, wenn sie Alkohol getrunken hatten:
Hitzegefühl, Schüttelfrost, Kurzatmigkeit, Herzklopfen, scharlachähnliches
Exanthem am Hals und Teil des Rumpfes. Dünner.
Gerichtliche Medizin.
A. Hellwig - Berlin: Moderne Mediumforsehung. (Aerztl. Sachverst.
Ztg., 1914, Nr. 14.) Polemische Kritik der Publikation Schrenk-
Notzing’s über „Materialisationsphänomene“. S. Kemnitz und
v. Gulat-Wellenburg haben in einer Broschüre bereits scharfe Kritik
an der Versuchsanordnung Schrenk-Notzing’s geübt.
A. L epp mann-Berlin: Zur Begutachtung mystischer Heilmethoden.
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Mitteilung eines interessanten
Gutachtens über einen Kurpfuscher, der unter dem Deckmantel religiöser
Veranstaltungen für sich und seine Heilmethode Reklame machte. Zum
kurzen Referat nicht geeignet.
Kionka: Die Begriffe „Mineralquelle nnd Heilquelle“ in den
Augen des Sachverständigen. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.)
Als Mineralquellen sind durch ihren höheren Mineraltsationsgrad aus¬
gezeichnete Quellen- und Brunnenwässer anzusehen. Der Grenzwert ist
1 g in 1 kg Wasser. Zu gelösten Stoffen gehören auch Gase. Heil¬
quellen sind solche, deren Wasser nachgewiesenermaassen zu Heilzwecken
gebraucht wird, gleichviel wie hoch ihr Gehalt an mineralischen Bestand¬
teilen ist.
Puppe - Königsberg: Ueber Priorität der Schädelbrttehe. (Aerztl.
Sachver&t. Ztg., 1914, Nr. 15.) Verf. hat früher gezeigt, dass man aus
dem Verlauf der Rnoohensprünge bei Schädelbrücben feststellen könne,
welcher von ihnen zuerst entstanden ist. Unter Beibringung von Ab¬
bildungen beschreibt er jetzt zwei neue Fälle, in denen sich die Ver¬
wertbarkeit seiner Angaben erweisen Hess. Dieses gesetzmässige Ver¬
halten neönt Verf. die Priorität multipler Schädelbrücbe. Ebenso wie
der Schädelknochen verhält sich Glas. H. Hirschfeld.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Medizinische Sektion der schlesischen Gesellschaft für vater¬
ländische Cnltnr zn Breslan.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 10. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Uhthoff.
Schriftführer: Herr Part sch.
Hr. Kfittner:
Ueber tierische Gifte, giftige Tiere nnd deren Bekämpfung.
Der Vortragende, früherer Zoologe, schildert an der Hand experi¬
menteller Studien und seiner in drei Erdteilen während seiner Kriegs¬
züge gemachten Erfahrungen die giftigen Tiere aus allen Klassen des
Tierreiches, ihre Gifte und Giftwirkungen. Ferner werden die ver¬
schiedenen Mittel zur Bekämpfung der namentlich in einigen tropischen
Ländern sehr beträchtlichen Giftschlangenplage besprochen und die
Maassnabmen zur Behandlung der Verletzungen durch giftige Tiere
kritisch betrachtet. Der Vortrag war begleitet von zahlreichen Licht¬
bildern und Demonstrationen der grossen Sammlungen des Vortragenden,
sowie zahlreicher lebender Gifttiere (Giftschlangen, giftiger Amphibien,
giftiger exotischer Insekten).
Diskussion. Hr. Pohl: Zu den ausgezeichneten lichtvollen Aus¬
führungen des Herrn Köttner nur eine kurze Bemerkung. Man ist noch
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Nr. 38.
immer vielfach geneigt, das Bienengift als mit Ameisensäure identisch
anzusehen. Mit Unrecht! Aus den wässerigen Lösungen desselben lässt
es sich mit Ammoniak auslällen, ist somit eine Base (nach Langer).
In Versuchen in meinem Laboratorium ist ferner festgestellt worden,
dass das Bienengift momentan durch Pepsin -f- Salzsäure zerstört wird.
Digeriert man die Giftlösuog mit aufgestellter saurer Pepsinlösung, so
bleibt seine hämolytische, seioe Reizwirkung erhalten.
Sitzung vom 17. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Uhthoff.
Schriftführer: Herr Part sch.
Hr. Melchior: Ueber arteriomesenterialeo Duodeoalvembloss.
(Ist unter den Originalien dieser Nummer abgedruckt.)
Diskussion.
Hr. Asch: So grundsätzlich, wie der Herr Vortragende, möchte ich
mich der Bedeutung der Bandapparate gegenüber nicht aussprechen:
wohl stehe auch ich auf dem Standpunkte, dass die Bauchorgane des
aufrechtgehenden Menschen im wesentlichen an dem Muskelapparate der
Bauebdecken ihre Stütze finden, und noch mehr an der Schlussmusku¬
latur des Beckenbodens; aber es darf nicht vergessen werden, wie häufig
gerade bei Frauen, und nicht nur bei solchen, die geboren haben, diese
Stützapparate versagen; dann treten die Peritoneatduplikaturen in
Aktion und die vorzügliche Verankerung der weiblicheu Genitalorgane
z. B. hindert diese auch bei Husserst mangelhafter Stütze durch den in
seinem Zusammenhänge zerstörten Beckenboden oft Doch jahre-, ja jahr¬
zehntelang am Heraustreten. Wesentlich werden die als Aufhäogebander
dienenden Peritonealduplikaturen durch das eingelagerte Fett in ihrer
Funktion unterstützt. Daher die' Ptose bei Abmagernden.
Die Auffassung von der wesentlichen Beteiligung des MageDS und
deren Bedeutung für das Zustandekommen des klinischen Bildes des
sogenannten Duodenalverschlusses vermag ich durch eine von mir vor
einigen Jahren gemachte Beobachtung zu stützen: Eine, während ihres
ganzen Lebens in ihrer Ernährung und Entwicklung körperlich äusserst
zurückgebliebene 50 jährige Virgo musste wegen eines Kolossaltumors
laparotomiert werden; im Anschluss an die ganz glatt verlaufene Ent¬
fernung der Ovarialcyste entwickelte sich das Bild des arterio mesen¬
terialen Duodenal Verschlusses; Magenausspülungen brachten immer nur
vorübergehend Besserung; Patientin, die an einer alten, eitrigen Bronchitis
mit Ektasen litt, ging an einer Pneumonie zugrunde, und bei der Ob¬
duktion fand sich als Grund für die immense Auftreibung des völlig
atonischen Magens eine angeborene Stenose des Pylorus, in dessen
Lumen kaum die Kuppe des kleinen FiDgers Platz fand; von Narben
nirgends eine Spur. Vielleicht lag in dieser Anomalie ein gut Teil des
Grundes für den ganzen Habitus der kleinen, dürftigen Person; aber
erst nach Entleerung des ungeheuer ausgedehnten Bauchraumes mit
seinen erschlafften Decken trat die beängstigende Magenauftreibung ein
und brachte das klinische Bild des arterio mesenterialen Duodenal¬
verschlusses in täuschender Weise zustande, ohne dass von einer der¬
artigen Aetiologie die Rede sein konnte. Es fand sich auch keine Spur
einer Peritonitis.
Die glatte Bauchlage ersetzt wohl io den meisten Fällen die etwas
bedenklichere Knie-Ellenbogenlage; zu der an sieb wesentlichen Ver¬
änderung des Wasserspiegels des Mageninhalts kommt die vorteilhafte,
rein mechanisch besser ausnützbare Unterstützung der Bauebpresse, die
ja hier für die mangelnde Kontraktion des insuffizienten Magens ein-
treten muss.
Hr. Rosenfeld erinnert an einen Fall vod akuter Gastratonia aus
dem Buche von Küttner und Lindner, der durch eine Ueberladung
des Magens hervorgerufen war und nach längerer Zeit geheilt wurde,
während andere ähnliche nach denselben Autoren tödlich endeten, und
macht auf das gastratonisebe Moment in vielen Fällen mit Pylorus-
spasmus, das mit und ohne Hyperacidität bestand, aufmerksam.
Hr. Reite: Beitrag zur Angenmigrlne.
Vortr. macht Mitteilung über 52 Fälle von Augenmigräne aus der
Uhthoff’schen Privatklinik. Es zeigten sich beide Geschlechter in
gleichem Maasse befallen. Da9 erste Auftreten des Fiimmerskotoms fiel
meist in das zweite Dezennium, Beginn der Erkrankung nach dem
40. Lebensjahr war seltener. Gelegentlich kamen lange Pausen, einmal
bis zu 40 Jahren vor. Aetiologisch fand sich nichts Besonderes, in
12pCt. der Fälle bestand auch allgemeine Migräne, beobachtet wurden
ferner schwere psychopathische Belastung, Hysterie, Epilepsie, Tabes,
nicht selten auch Störungen des Gefässsystems. In 6 pCt. wurde Erb¬
lichkeit der Migraine ophthalmique nachgewiesen. Das typische Flimraer-
skotom ist stets doppelseitig, Berichte über einseitiges Auftreten be¬
ruhen auf mangelhafter Selbstbeobachtung, oder es können auch Ver¬
wechselungen z. B. mit den Sehstörungen bei Glaukom vorliegen. Nicht
ganz selten bleibt nach Ablauf des Anfalls ein Gesichtsfelddefekt be¬
stehen. Vortr. teilt fünf derartige Fälle mit und demonstriert die
Gesichtsfelder. Bei dreien trat im Laufe der Zeit Besserung ein, zwei
waren nach Jahren noch unverändert, ohne sonst Herdsymptome zu
zeigen. Als Eotstehungsort des Flimmerskotoms wird der Occipitallappen
angenommen. Auf die Art der dasselbe bedingenden Gefässstörungen
weist ein Fall von Verengerung eines Retinalarterienastes hin, die unter
Flimmererscbeinungen zu einem lange stationär bleibenden Gesichtsfeld¬
defekt entsprechend dem von der Arterie versorgten Netzhautbezirk
führte. Vortr. glaubt, dass man ähnliche Veränderungen in den Ge-
fässen des Gehirns für das Zustandekommen des Flimmerskotoms in An¬
spruch nehmen muss.
Diskussion. Hr. Rosenfeld bemerkt, dass für die Aetiologie
und die Therapie es wichtig sei, dass nach einer Bemerkung des früheren
Klinikers R. Förster das Tabakrauchen eine grosse Bedeutung für die
Entstehung der Augenmigräne hätte. Die Krankengeschichte des Redners
selbt, der wegen Augenmigräne das Rauchen aufgegeben hätte, sie ver¬
loren, und sie dann nach zwei Rauchrecidiven jedesmal wrederbekommen
hätte, sprächen aufs deutlichste dafür. Beim Redner sei sonst nur
seltene Male duroh intensive Blendung Augemnigräne aufgetreten.
Verein deutscher Aerste zu Prag.
Sitzungen im Mai und Juni 1914.
Hr. W. Altscbal berichtet über seine RffntgemotemcliiBgei hei
Ei«r«is noctuna. Im ganzen kamen 25 Fälle zur UutersuchuDg, in
5 Fällen war nur eine Verkümmerung der Dornfortsätze und Ver¬
schmälerung der Wirbelbogen vorhanden und 10 mal konnte die Miss¬
bildung nicht klar gedeutet werden.
Hr. Loitsch zeigt die Leiche eines totgeborenen Kindes, mit einer
Reibe von Missbildungen, Krötenkopf mit einem kindskopfgrossen Sack
am Ocöiput, eine Encephalocele occipitalis. In der Kreuzbeingegend eine
Richischisis mit schön entwickelten 3 ZoneD, darüber ein mit einem
Haarkranze umgebenes Grübchen. An der Vorderseite der Brust in
deren Mitte eine ziemlich tiefe Grube, die linke untere Extremität fehlt
vollständig ebenso die linke Beckenhälfte, äusseres Genitale und Anus
normal und an normaler Stelle. Im Abdomen unregelmässig gelappte
Leber, Magen und Enddarm sind im Bauchraume, während der übrige
Darm durch eine Zwerchfellhernie in die linke Brusthöhle eingetreten
ist. Uterus unicornis dexter mit gut ausgebildetem Ovariura und eben¬
solcher Tube, von dem Uterushorne zieht sich nach dem linken ein
Ligament, an dem sich ein Ovarium und eine rudimentäre, proximal
blrnd endigende Tube findet. Dieselbe Missbildung konnte der Vortr.
vor kurzem an der Leiche einer erwachsenen Frau zeigen, hei der
ausserdem ein Defekt der linken Niere bestand, bei vollständigem Fehlen
einer Tubenanlage.
Hr. Kramer bespricht an der Hand eines Falles von genuiner Epi¬
lepsie die Wirkung der Aatoseramiijektionei. Es handelt sich um
einen 24jährigen Mann, der während seiner Militärzeit seinen ersten
Anfall bekommen, seither Häufung der Anfälle bis 30 im Laufe von
24 Stunden, am Tage meist petit mal, in der Nacht grosse Anfälle mit
Zungenbissen und Bettnässen. Erfolglosigkeit aller Therapie. Auf
Rat eiues französischen Arztes Dr. Dupuy begann Kramer mit Autoserum-
iDjektionen. Dirch Abstehenlassen und Zentrifugieren des durch Venae-
punktion gewonnenen Blutes wurde ein Serum gewonnen, das frei von
alleü Formelementen war. Begonnen wurde mit 16 g Serum (ad nates)
und gestiegen bis 80 g. Anaphylaktische Erscheinungen traten nach der
2. Injektion auf (Pulsacceleration auf 120 Schwindel, Kopfschmerz,
Schweissausbruch), die aber nach 24 Stunden ohne weitere Wiederholung
zurückgingen. Dabei wurde Brom, 4 g täglich, weiterg^geben. Nach
Auslassen des Broms trat sofort ein Anfall auf. Gegenwärtig (Juli) keine
weitere Wiederholung bei Fortsetzung der Therapie, indem Patienten in
regelmässigen Intervallen immer grössere Serumdosen injiziert werden.
An eine Wunderkur oder eine Dauerwirkung des Verfahrens glaubt
Hr. K. nicht, hält aber den Erfolg für wichtig zur Nachprüfung.
Hr. Kalmus spricht über die Kremation vom hygienischen, volks¬
wirtschaftlichen und gerichtlich-medizinischen Standpunkt. Die Feuer¬
bestattung bietet überall da hygienische Vorteile, wo für ein einwandfreies
ErdbfgräbDis nichtgesorgt werden kann, besonders bei Infektionskrankheiten,
deren Erreger im Erdboden noch lange virulent erhalten bleibt (Pest,
Cholera usw.). Es würde eine obligatorische Feuerbestattung grosse Vorteile
bringen, wenn ein Modus gefunden werden könnte, sie auch auf dem
Schlaehtfelde zu verwenden. Vom wirtschaftlichen Standpunkte könnte
nur die Feuerbestattung in Betracht kommeD, wenn sie an einem grossen
Prozentsatz von Leichen st&ttfinden würde. Die Kremation hat aber
den grossen Nachteil, dass das Material, welches die Leiche als Objekt
der gerichtlich-medizinischen und gerichtlich-chemischen Untersuchung
bildet, nahezu vollends unbrauchbar gemacht wird. Sie bedarf daher
viel strengerer Kautelen als das Erdgrab, die nach dem Erachten des
Vortr. vor allem in einer viel strengeren obligatorischen ärztlichen
Leichenbeschau durch einen beamteten Arzt, dem vorher eine ausführliche
Krankengeschichte des behandelnden Arztes vorzulegen wäre, bestehen
müsste. Iq allen Fällen von angeblichen Selbstmorden und in allen
nicht absolut einwandfrei aufgeklärten Todesfällen, müsste obligatorisch
eine sanitätspolizeiliche Obduktion vorgenommen werden, während die
Fälle, bei denen die äussere Besichtigung der Leichen oder die sanitäts-
polizeiliche Obduktion die geringsten Verdachtsmomente ergeben würde,
unbedingt der gerichtlichen Onduktiou zugeführt werden müssten. Dem¬
gemäss müssten die Leicbenteile bei Verdacht auf Vergiftung obligatorisch
vom gerichtlichen Chemiker untersucht werden. Unerlässlich sei die
Feststellung der Identität der Leiche unmittelbar vor der Einäscherung.
Internationale Abmachungen müssten die Umgehung der angeführten
Vorsichtsmaassregeln beim Transporte der Leiche ins Ausland unmöglich
machen.
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Hr. Marx: Schnssverletzimgeii durch Flanbert.
Im Anschlüsse an einen Fall — Einschuss in die rechte Brustseite
im 5. Zwischenrippenraum, Perforation der rechten Herzkammer, Durch¬
setzung des rechten Unterlappens, die Kugel war an der 11. Rippe ab¬
geprallt und durch die Ausschussöffnung in der rechten Lunge wieder
in dieselbe zurückgeprallt — bespricht Herr M. die vielfach verbreitete
Ansicht, dass Flaubertwaffen als ungefährliche Waffen zu betraohten
sind. Er beweist die Unrichtigkeit dieser Ansicht auf Grund der in der
Literatur mitgeteilten tödlichen Fälle von Flaubertschüssen und der im
gerichtlich-medizinischen Institute in Prag obduzierten 7 Fälle, von denen
2 Scbädelsohüsse waren. In demselben Institute hat seinerzeit Beckert
Schiessversuche gegen ein 6 mm starkes Schädeldach aus einer FJaubert-
pistole von 18 cm langen Lauf und 6 mm Kaliber angestellt und aus
einer Entfernung von »/z m noch vollständiges Durchschlagen erzielt.
Die kleinste Waffe, mit der ein erwachsener Mensch sich eine tödliche
Schussverletzung beibrachte, welche im Institute aufgehoben ist, ist eine
Flaubertpistole von 6 cm Lauf und 6 mm Kaliber (Herzschuss). In dem
vom Vortr. demonstrierten Falle war von der Oberfläche des Projektiles
ein Stückchen abgesprengt und in dem dadurch entstandenen Spalt ein
kleiner Knochensplitter eingekeilt. Herr M. kommt zu dem Schlüsse, dass
vom gerichtsärztlichen Standpunkte Flaubertwaffen als lebensgefährliche
Instrumente ftm Sinne des Gesetzes) angesehen werden müssen.
Hr. Schmidt demonstriert a) einen Fall von cardiovaskalarer In-
süffliisnz auf thyreotoxischer Grundlage. Hochgradige Schwellung im
Bereiche der oberen Extremitäten, Brust, Rücken, Bauch und Oberschenkel,
Ascites und beiderseitigem Hydrothorax bei geringem Oedem der Unter¬
schenkel. Abnorm weite rechte Lidspalte mit deutlichem Gräf’schen
Symptom, ohne sonstige SympathicusorscheinungeD. Keine Vergrösserung
der Schilddrüse. Vor 5 Jahren unter plötzlicher Anschwellung der
Schilddrüse ähnliche Symptome wie heute, die nach V 2 Jahre zurück*
gingen, worauf eine Periode durch 2*/^ Jahre vollkommener Genesung
folgte. HerrSoh. weist darauf hin, dass sehr häufig bei Basedowschen
Erkrankungen Symptome schwerster Art oft ohne Operation zurückgehen,
und legt andererseits den Gedanken nahe, bei ätiologisch nicht genügend
fundierten Fällen von Myocarditis die Möglichkeit thyreotoxischer Ein¬
flüsse in Erwägung zu ziehen;
b) einen Fall von Jod-Basedow. Nach Gebrauch von lOpCt. Jod-
vasogen und innerlich Jodeisen;
c) ein Fall von Tetanieäqaivalenten bei gleichzeitigem Bestehen
von Trouseau’schem, Erb’schem und Chvostek’schem Phänomen,
seit Jahren Ziehen in den Extremitäten mit Parästhesien, nach Resektion
einer Struma echte Tetanieanfälle. Es handelt sich um eine parathyreo-
prive Tetanie. Auffallend ist eine besonders hohe eingestellte Kohle¬
hydrattoleranz, auch werden durch Adrenalin keine Krämpfe ausgelöst.
Eine konstitutionelle Minderwertigkeit der Kranken ergibt sich auch aus
dem Symptom des Irisschlottern, dementsprechend wird die bestehende
Linsentrübung als nicht zur Tetanie gehörig, sondern als kongenital an¬
gesprochen.
d) einen Fall von Langenaktinomykose;
e) einen Fall von Aorteninsnfflzienz nach Herzschnss. Vor dem-
selben keinerlei Herzbeschwerden. Bald nachher Zeichen einer gestörten
Herztätigkeit im Sinne von OederaeD, Dyspnoe und Herzpalpitationen.
Die RÖntgenuntersuohung zeigt das Projektil lebhaft pulsierend hinter
dem linken Vorhof. Bei der Annahme eines gradlinigen Weges liegt es
nahe, an die Möglichkeit eines Aortenklappenrisses zu denken.
Hr. Ghon demonstriert Präparate einer 37jährigen Frau mit einem
tareitton der rechten Mamma, Metastasen in der linken Mamma und in
den axillaren Lymphknoten beider SeiteD, in den Nebennieren und para¬
aortalen Lymphknoten, im Knochensystem und im Centralnervensystem.
Schloff« stellt eine 24jährige Patientin mit einer, wenigstens
vorläufig, geheilten postoperativen Tetanie im Anschluss an Kropfoperation
wegen Basedow vor. Paratbyreoidalpräparate ohne Erfolg, erst Verabrei¬
chung getrockneter Pferdeepithelkörperchen (0,02—0,06 pro Tag) brachte
die Anfälle zum Schwinden, die jedoch nach Aussetzen der Therapie
wieder einsetzten, um seither nach Beibehaltung derselben, seit 8 Wochen
verschwunden zu sein.
2. Freie Antoplastik. a) Demonstration eines Jungen, bei dem die
oberen 2 / a des Humerus durch eine Tibiaspange ersetzt wurden (guter
erfolg), und Demonstration der Röntgenbilder eines zweiten gleichartigen
r alles, wo später eine traumatische Fraktur in der Mitte des Implan-
ta * ,ea ^ u f8 e tacten ist, die mit normalem Callus abgeheilt ist.
_ Ankylosis mandibolae bei einem 20jährigen Manne nach einem
Fall auf den Kiefer in der Kindheit. Nach Ausmeisselung der breiten
Knocheomassen, welche den Kiefer mit der Schädelbasis verbanden, wäre
ein so grosser Muskellappen zur Zwischenlagerung nötig gewesen, wie
er nicht 2 ur Verfügung stand, daher Einpflanzung grosser, vorwiegend
aus Knorpel bestehender dünner Scheiben aus den Rippenknorpeln.
Guter Erfolg.
0 ) Freie Fascientransplantatioii nach Wilna, zur Ausschaltung des
Fylorus bei Geschwüren desselben und des Duodenum.
. /U Wieting’scbe Operation bei arteriosklerotischer Gangrän, welche
insofern Erfolg brachte, als die Schmerzen nach der Operation wesentlich
geringer wurden. Der Fuss war bereits vorher gangränös, so dass die
Amputation nicht verhütet werden konnte. Bemerkenswert ist, dass
l an * nnense ft© des Kniegelenks eine subkutan verlaufende,
Kräftig pulsierende Arterie za fühlen ist. 0. Wiener.
[ Die Kriegsseuchen.
Vortragsreihe über ihre Erkennung und Behandlung unter
besonderer Berücksichtigung der ersten Diagnose, veranstaltet
vom Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildungswesen in Prenssen.
III.
Hr. Lentz: a) Dysenterie.
Die Dysenterie oder Ruhr dehnt sich überall da aus, wo viel Schmutz
herrscht. Es gelingt, ihrer Herr zu werden, sowie man den Schmutz be¬
seitigt hat.
Sie hat eine Inkubationszeit von 3 Tagen, nach deren Ablauf sich
Leibschmerzen einslellen, die typisoherweise um den Nabel herum
lokalisiert werden und nach dem Colon descendens ausstrahlen. Dann
stellt sich schleimiger Stuhl ein, dem blutige Streif en beigemengt
sind. Es ist wichtig, auf die Art der Blutbeimengung zu achten, denn
bei der Amöbendysenterie enthält der Stuhl reichliche Blutmengen,
während bei der bacillären Dysenterie nur feine Blutstreifen gefunden
werden. Dann stellen sich schmerzhafte Tenesmen ein, die die Kranken
zu fortwährendem Stuhlgang veranlassen. Man hat bis zu 150 Stühle,
selbstverständlich nur von geringem Umfang beobachtet. Die Dysenterie¬
kranken verfallen sehr schnell, sie machen einen schwer infektiösen
Eindruck. Man kann objektiv das Colon descendens als einen empfind¬
lichen kontrahierten Strang deutlich fühlen. Reotoskopiert man die
Patienten, so sieht man im Beginn der Krankheit die Sobleimbaut wie
mit Kleie bestreut. An diesen Stellen bilden sich in den nächsten
Tagen Geschwüre, die ganz oberflächlich liegen und sich durch
dieses Verhalten von den Ulcerationen der Amöbendysenterie unter¬
scheiden, die tiefer sind und unterminierte Ränder haben. Nach Ablauf von
etwa 6 Tagen bessert sich dann der Zustand, uod es beginnt die Rekon¬
valeszenz. Aus dem akuten Verlauf kann sich in seltenen Fällen ein
chronischer entwickeln, auch Recidive gelangen des öfteren zur Beob¬
achtung. Kompliziert wird das Krankheitsbild gelegentlich durch Ent¬
zündungen der serösen Häute, durch multiple Leberabscesse und in
späterer Zeit durch DarmstriktureD.
Besonders gefährlich für die Ausdehnung einer Epidemie sind die¬
jenigen Ruhrfälle, die einen so gutartigen Verlauf haben, dass man gar
nicht auf den Gedanken kommt, dass es sich um eine Dysenterie handelt,
das trifft besonders für die Darmerkrankungen der Kinder zu, wie sich
Vortr. durch eigene ausgedehnte, bakteriologische Untersuchungen in
Berlin überzeugen konnte.
Die Dysenteriebacillen sehen den Colibacillen sehr ähnlich, und
ohne auf ihre morphologischen und biologischen Eigenschaften des näheren
einzugehen, sei nur erwähnt, dass man vier Arten unterscheidet:
1. Typus Shiga-Kruse-, 2. Typus Flexner-, 3. Y-Bacillen und 4. Strong-
bacillen. Man muss den verdächtigen Stuhl möglichst schnell unter¬
suchen, weil die Dysenteriebacillen sehr wenig resistent sind und
eventuell durch lange Transporte usw. absterben können. Es empfiehlt
sich also, das Untersuchungsmaterial auf dem schnellsten Wege dem
Bakteriologen zuzusenden, der es dann sofort verarbeiten muss, und
auch eventuell am Krankenbett wenigstens ein Ausatrichtrockenpräparat
herzustellen. Die Untersuchung des Blutes auf Bacillen kommt nicht in
Frage, weil die Bacillen niemals ins Blut gelangen. Die Entscheidung
der bakteriologischen Diagnose liefert die Agglutination, die bei einer Ver¬
dünnung von 1:50 bei Shiga-Kruse und bei den anderen Stämmen bei
einer Verdünnung von 1: 100 getroffen werden kann. Man weiss, dass
der Shiga-Krusestamm eia Toxin bildet, welches sohwere klinische
Symptome verursacht. Das von ihm gebildete Antitoxin hat bisher
merkwürdigerweise wenig Verwendung in der Praxis gefunden. Vortr.
empfiehlt es auf das Wärmste und verspricht sich von ihm
die gleichen Erfolge wie vom Diphtherieserum. Die klinischen
Symptome sollen sich schon wenige Stunden nach der Injektion eklatant
bessern.
Gegen die drei anderen Stämme besitzen wir kein spezifisches Heil¬
mittel, da sie ja, wie gesagt, kein Antitoxin produzieren.
Die weitere Infektion erfolgt bei der Dysenterie durch Berührung;
insbesondere ist die Uebertragung durch die Verunreinigung, die bei den
zahlreichen Entleerungen der Kranken erfolgt, sehr erleichtert. Man
kennt auch Infektionen, die von Brunnen ausgehen. So hat sich vor
mehreren Jahren eine solche Infektion in Döberitz entwickelt. Auch
Fliegen, die auf den Fäoes gesessen haben, können die weitere Ver¬
schleppung besorgen.
Die Therapie erfordert zunächst, sobald die Diagnose sioher ge¬
stellt ist, Isolierung und Desinfektion von allen Gegenständen, die mit
dem Kranken in Berührung gekommen sind. Die Dysenterie unterliegt
der Anzeigepflicht. Handelt es sich um Shiga-Kruse, so wende man das
Serum an. Man hat besonders auf Bacillenträger und Rekon¬
valeszenten zu achten, die sonst sehr leicht die Krankheit verschleppen
können. Prophylaktisch ist dringend Reinlichkeit erforderlich Ins¬
besondere müssen Frauen, die die Nahrung für den Haushalt herstellen
zum reichlichen Waschen der Hände angehalten werden. Zur Pro¬
phylaxe empfiehlt sich auch die Impfung, und zwar entweder
mit antitoxischem Serum bei Typ Shiga-Kruse oder von Vaocin, welches
mit Serum vermischt ist. Bei diesem letzteren Modus macht man dann
später noch eine zweite Injektion mit Vaccin allein.
b) Cholera.
Die Cholera ist eine der häufigsten Kriegsseuohen. Im Jahre 1866
war die preussisohe Armee von ihr ergriffen, und die Truppen mussten
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UNIVERSUM OF IOWA
1654
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 38.
nach Beendigung des Krieges erst noch eine Quarantäne in Schlesien
durchmacben; trotzdem sind von der Zivilbevölkerung in Preussen
120 000 Menschen an ihr gestorben, ehe sie in die Heimat entlassen
werden konnten. Und im Balkankrieg ist Bulgarien nicht den Serben,
sondern der Cholera erlegen. Mit der Entdeckung der Cholera¬
vibrionen durch Koch sind uns Abwebrmaassregeln gegeben, die sich
schon verschiedentlich bei den Epidemien glänzend bewährt haben.
Nicht zum wenigsten sind die dabei erzielten Resultate darauf zurück¬
zuführen, dass man, worauf Koch besonders aufmerksam gemacht hat,
den Bacillenträgern besondere Berücksichtigung schenkt, die sich
bei jeder Epidemie in grosser Zahl finden. Beherrscht wird das kli¬
nische Bild durch die Toxine, die bei der Cbolerainfektion entstehen.
Man hat die Krankheit in drei Stadien geteilt; das erste ist wenig cha¬
rakteristisch, es treten Diarrhöen und heftige Koliken ein. Das zweite,
Stadium algidum, wird durch plötzliches Erbrechen und starke Durch¬
fälle, die wie Reiswasser aussebeD, eingeleitet. Die Entleerungen sind
manchmal so klar, dass man sie nicht von dem Erbrochenen unter¬
scheiden kann. Durch die grossen Wasserverluste, die der Körper er¬
leidet, entstehen Wadenkrämpfe, zurücksinkende Bulbi, Herzschwäche usw.
Dieses Stadium ist das gefährlichste. Trotzdem soll man sich nie ver¬
leiten lassen, selbst bei den bedrohlichsten Symptomen, die Diagnose
infaust zu stellen, selbst vollständig verfallene Kranke hat man sich
wieder erholen sehen. Das dritte Stadium hat mau wegen der typhus-
ähnlichen Symptome als Choleratypboid bezeichnet. Man beobachtet in
dem Verlauf des öfteren sekundäre Infektionen der Darmschleimhaut mit
Colibakterien und anderen. Während einer Epidemie Dehmen viele Leute
Cholerabacillen auf, ohne zu erkranken. Sie sind aber ebenso, wie die¬
jenigen Patienten, die noch längere Zeit Dach der Erkrankung Cholera-
bacillen beherbergen, für ihre Umgebung eine grosse Gefahr. Sie während
der ganzen Zeit der Bacillenausscheidung genau zu beobachten und ihnen
genaue Verhaltungsmaassregeln zu geben ist wegen der Gefahr einer
Weiterinfektion dringend erforderlich.
Was die Bakteriologie betrifft, so haben die Choleravibrionen
Geissein, mit denen sie sich fortbewegen können. Durch diese Geissein
unterscheiden sie sich von anderen Vibrionen, die im Stuhl Vorkommen.
Sie wachsen besonders gut auf alkalischen Nährböden. Da sie streng
aerob sind, so gehen sie in flüssigen Nährböden immer dabin, wo sich
der meiste Sauerstoff befindet. Sie setzen sich also im Kulturröhrchen
oben, im hängenden Tropfen am Rand an, wo der Luftzutritt erfolgt.
Sie wachsen bekanntlich sehr gut in Peptonwasser, von dem sie schon
nach einigen Stunden abgenommen werden können. Viel benutzt zu
ihrem Nachweis wird das Dieudonne’sche Verfahren. Sichergestellt wird
die Diagnose durch die Agglutination und durch das Pfeiffer’scbe Ver¬
fahren, das darauf beruht, dass das Serum von Menschen, die Cholera
durcbgemacht haben, Cholerabacillen in der Bauchhöhle von Meerschwein¬
chen auflöst.
Die Cholerabacillen halten sich nicht lange in Leichen. Man kann
also unter gewissen Einschränkungen den Transport von an Cholera Ver¬
storbenen gestatten.
Die Therapie erfordert zunächst reichliche Kochsalzinfusionen und
Analeptica. Spezifische Sera besitzen wir nicht. Während des letzten
Balkankrieges hat Stumpf gute Erfolge durch die Verabreichung von
grossen Mengen von Bolus alba per os gesehen. Die Frage, ob Cholera¬
impfungen gegen Infektion schützen, ist noch nicht definitiv entschieden.
Immerhin hat die Heeresverwaltung vorgesehen, die Truppen, die nach
dem Osten kommen, zu impfen.
IV.
Hr. Ncufeld: Die Pest.
Obwohl die Pest lange nicht als Kriegsseuche aufgetreten ist, so
muss man doch mit der Möglichkeit einer Einschleppung aus dem Aus¬
land rechnen. Es sind Fälle bekannt, die ganz unerwartet eingetreten
sind. So hat man eigentlich nur durch einen Zufall im Jahre 1910 in
einem kleinen Ort Irlands eine leichte Epidemie von Lungenpest ent¬
deckt, deren Ursprung einige Jahre zurückdatierte. Eingeschleppt war
damals die Krankheit durch ein Schiff, auf dem sich pestkranke Ratten
befunden hatten.
Man unterscheidet zwei Arten von Pest, nämlich die Lungen-
und die Drüsenpest, die so sehr voneinander abweichen, dass man
früher meinte, es handelte sich um zwei verschiedene Krankheiten.
Beiden ist eine Inkubationszeit von 2—3 Tagen gemeinsam. Die Drüsen¬
pest nimmt ihren Weg durch die Haut. Dabei sieht man manchmal
nichts von einem primären Affekt, und die Drüsenschwellungen sind oft
die ersten klinischen Zeichen. Sie sind meist ganz klein, spontan nicht
schmerzhaft, dagegen auf Druck. Ueberall können sich diese Bubonen
entwickeln, man beobachtet sie aber besonders in der Schenkelbeuge
und in den Achselhöhlen. Bald stellt sich dann kleiner Puls bei sonst
kräftigem Herz, Fieber und sonstige Allgemeinersoheinungen eiu. Die
Sprache wird manchmal so lallend, dass man den Eindruck hat, der
Kranke sei betrunken. Typisch ist das Missverhältnis zwischen den
lokalen Erscheinungen und dem sohweren Krankheitsbild. Es gibt viele
Fälle, die ganz leicht verlaufen, und die dadurch natürlich der Diagnose
ganz besondere Schwierigkeiten bereiten. Sie sind für die Weiterver¬
breitung nicht sehr gefährlich. Die viel infektiöseren sind die Lungen¬
pestkranken, die das klinische Bild einer schweren Pneumonie darbieten.
Sie imponieren zunächst als Pneumonien und oft geben erst die ge¬
häuften Todesfälle dieser Pneumonien den Anlass, auf Pest zu fahnden.
Zur bakteriologischen Untersuchung eignet sich sowohl das Sputum als
auch bei deu Drüsenkranken das Punktat aus den Bubonen. Ist einmal
die Diagnose gestellt, ao ist es dringend erforderlich, sofort auf tote
Ratten zu fahnden, die fast immer die Schuld an der Infektion tragen*
oder besser gesagt, es sind Flöhe, die auf den Ratten leben und die
die Weiterübertragung besorgen. Eine Ansteckung von Mensch zu
Mensch ist sehr selten. Allerdings kennt man auch Epidemien, bei
denen dieser Infektionsmodus besteht, z. B. ist sicherlich in der Man¬
dschureiepidemie von Lungenpest die Uebertragung von Mensch zu Mensch
erfolgt, das lag aber, wie N. ausführt, an den besonderen klimatischen
Verhältnissen. Es herrschte nämlich eine furchtbare Kälte, bei der die
Infektion durch „Sputumtröpfchen“ erfolgte, ähnlich wie die Tuberkulose-
infektion nach Flügge vor sich geht. Die Maassnahmen, die man gegen
diese Art der Infektion ergriff, nämlich das Tragen von dicht abschliessen¬
den Masken, erwies sich als erfolgreich. Mit Beginn der wärmeren
Jahreszeit ist dann die Epidemie auch erloschen. Die Tätigkeit des
praktischen Arztes kommt bei der Behandlung der Pest weniger in
Frage, weil sofort nach Feststellung des wahren Krankheitscharakters
von seiten der Behörden Isolierung usw. vorgenommen wird.
Hr. Friedberger: Pocken.
Aus zahlreichen interessanten Tabellen ergibt sich einwandsfrei der
grosse prophylaktische Wert der Schutzimpfungen. Man ersieht aus
ihnen, dass diejenigen Staaten, die ein Impfgesetz haben, fast vollkommen
von den Pocken verschont bleiben, wenn das Gesetz wirklich durch¬
geführt wird, was von England mit seiner „Gewissensklausel“ nicht gilt.
Frankreich hat seit 1902 gesetzlich die Impfung eingeführt, Es ist so¬
gar eine dreimalige Impfung in diesem Gesetz vorgesehen. Belgien und
Oesterreich haben einen indirekten Impfzwang insofern, als nur diejenigen
Kinder in die Schule aufgenommen werden, die geimpft sind und in
Oesterreich auch von den Staatsbeamten der Nachweis der Impfung ver¬
langt wird. Russland hat ein ausgezeichnetes Impfgesetz, freilich — nur
auf dem Papier. Von hier aus droht uns bzw. dem Heer besonders die
Gefahr der Pockeneinschleppung. Darum sind alle Soldaten bei Aus¬
bruch des Krieges nochmals geimpft worden, sofern sie nicht in den
letzten 3 JahreD eine Impfung durcbgemacht hatten. Das gleiche gilt
für Aerzte und Pflegepersonal.
V.
Hr. Jochmann: a) Das Fleckfieber.
Das Fleckfieber wird mit Unreoht Flecktyphus genannt, denn es
hat mit dem Unterleibstyphus nichts wie das eine Symptom der Be¬
nommenheit gemeinsam (rü^oog Rausch, Umnebelung). Aetiologisch
ist das Fleckfieber vom Unterleibstyphus vollkommen getrennt, aber man
kennt seine Ursache noch nicht. In napoleonischen Zeiten war das
Flectfieber eine Kriegsseuche, die ganz Europa überzog. In Preussen
wurde es zuletzt 1877—1882 beobachtet, seitdem ist es so gut wie ver¬
schwunden. Den eigentlichen Erreger kennt man bislang zwar noch
nicht, hingegen ist der Entstehungsmodus wohl bekannt. Die Infektion
erfolgt nämlich durch Kopf- und Kleiderläuse und man konnte
durch Uebertragung von LäuseD, die auf Fleckfieberkranken gesessen,
auf Affen bei diesen Fleckfieber erzeugen. So wird es auch verständlich,
dass die Krankheit überall da entstehen kann, wo viel Schmutz ist.
Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ohne Vermittlung der Läuse
dürfte nicht stattfioden. Das Contagium, das wir nicht kennen, hält
sich ungefähr ein halbes Jahr in Stroh und Wäsche. Das einmalige
Ueberstehen der Krankheit verleiht Immunität. Diese Tatsache hat mau
sich besonders in Russland zu nutze gemacht, indem man zum Pflege¬
personal speziell Leute wählte, die die Krankheit schon einmal über¬
standen haben.
Nach etwa neuntägiger Inkubation treten hohes Fieber, Puls-
beschleunigung, schwere Allgemeinerscheinangen, massige Benommenheit
des Sensoriums und Leberschwellung ein. Zwei Tage später bricht ein
roseolenartiger Ausschlag aus, der auch Handflächen und Fusssohlen er¬
greift und der nur das Gesicht verschont. Diese Roseolen erfahren nach
zwei Tagen eine sogenannte petechiale Umwandlung. In der Mitte der
Roseolen entsteht eine Blaufärbung. Dann steigt im Gegensatz zu
anderen Exanthemen das Fieber weiter, der Kranke wird noch mehr
benommen. In diesem Stadium kann leicht der Tod erfolgen. Am
12. Tage kommt dann gewöhnlich der Umschlag. Die Patienten ver¬
sinken in einen tiefen Schlaf und die Temperatur fällt dann in rascher
Lysis zur Norm. Nunmehr sohilfert die Haut kleienförmig ab und
um diese Abschilferung, wo sie noch nicht vorhanden, zu erzeugen, ge¬
nügt nach Brauer das Darüberstreiohen mit dem Finger über die Haut;
der sich bildende rote Streifen ist wie mit Kleie bestäubt („Radiergummi¬
phänomen“).
10—14 pCt. aller Kranken sterben. Eine gute Prophylaxe lässt
sich nur erreichen, wenn man für unbedingte Sauberkeit, insbesondere
für Beseitigung der Läuse sorgt (Sabadülaessig oder Xylol). Das dürfte
aber im grossen, besonders bei den unglaublich verlausten russischen
Gefangenen, mit grossen Schwierigkeiten verknüpft sein. Jochmann
empfiehlt zur Desinfektion der Kleider das ältere Verfahren mit Schwefel¬
dämpfen. Fleckfieberkranke behandelt man symptomatisch.
b) Rückfallfieber.
Das Rückfallfieber ist eine Krankheit, die last ausschliesslich in den
ärmsten Proletarierkreisen vorkommt. 1908 kamen in Petersburg allein
etwa 8000 Fälle vor, von denen etwa 35 pCfc. Gäste in Nachtasylen und
ähnlichen Aufenthaltsorten waren. Deutschland ist seit dem Jahre 1880
so gut wie vollkommen verschont. In England, Russland, Herzegowina
und Bosnien werden noch Fälle beobachtet. Der Erreger des Rückfall-
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21. September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1665
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fiebere ist die im Jahre 1868 von Obermeier entdeckte Spirille, deren
Uebertragung in den Tropen nach R. Koch durch Zecken erfolgt, bei
bei uns jedoch durch Läuse. Die Krankheit setzt nach einer Inkubation
von 5 bis 7 Tagen ganz akut mit Milz- und Leberschwellungen, Fieber,
Schlaflosigkeit, Kreuzschmerzen usw. ein. Einige Tage darauf erfolgt
die Entfieberung. Damit kann in etwa 18 pCt. der Fälle das Rückfall¬
fieber sein Ende erreicht haben. In vielen Fälle dagegen treten Rück¬
fälle, „Relapse“ auf. Es erfolgt wieder ein Fieberanstieg mit denselben
klinischen Symptomen, nur dauert die Attacke beim zweitenmal nicht
so lange wie beim erstenmal; und so wird bei weiteren Relapsen die
freie Pause immer länger, die Fieberperiode immer kürzer. Seitdem wir
in dem Salvarsan ein ausgezeichnetes Specificum haben, ist die Pro¬
gnose als gut zu bezeichnen. Nach intravenösen Injektionen von 0,8
bis 0,4 ccm Salvarsan ist die Krankheit mit einem Schlage beseitigt.
c) Meningitis epidemica.
Während einer Epidemie im Jahre 1895/96 erkrankten in Deutsch¬
land etwa 3000 Personen. Der Erreger ist der Meningococcus, der sich
in freier Natur nicht hält. Die Ansteckung erfolgt von Mensch zu
Mensch. Es ist aber nicht unbedingt erforderlich, dass die Uebertragung
durch einen Kranken erfolgt, sie kann auch durch einen Bacillenträger
von statten gehen. Das beweisen die Beobachtungen in Kohlenrevieren,
wo die Kinder von Vätern erkrankten, die zusammen im Schacht unter
unhygienischen Verhältnissen mit Kranken gearbeitet hatten, und diese
selbst nicht erkrankten. Zum Ausbruch der Krankheit gehört eine ge¬
wisse Disposition, und es sind anscheinend Leute mit lymphatischem
Habitus besonders gefährdet. Die Inkubation der Meningitis dauert
3 Tage, dann setzen die bekannten meningitischen Symptome ein. Die
Diagnose wird erhärtet durch die Lumbalpunktion bzw. die bakterio¬
logische Untersuchung des Punktates. Therapie. Man soll sobald
wie möglich nach Erkennung der Krankheit das spezifische Meningo¬
kokkenserum injizieren, das den Zweck hat, die Phagocytose anzu¬
regen. Man geht dabei in der Weise vor, dass man durch Lumbal¬
punktion ungefähr 25 com des Liquor cerebrospinalis ab lässt und dann
die gleiche Menge sofort mit derselben Kanüle, die zur Punktion gedient
hat, in den Lumbalsack injiziert. Damit das Serum überall hingelangen
kann, ist es zweckmässig, nachher das Fussende des Bettes hochzu¬
stellen. Man soll an drei aufeinanderfolgenden Tagen diese Injektion
wiederholen, eventuell noch öfter. Manchmal tritt der Erfolg schon nach
einer Injektion ein.
VI.
Hr. Flügge: Ueber Desinfektion.
Sowohl während des Bestehens ansteckender Krankheiten als auch
nach deren Ablauf muss eine Desinfektion stattfinden. Die Mittel, die
zur Abtötung von Keimen in den Krankenzimmern in Betracht kommen,
sind Sublimatlösung, Carbollösung, Kalkmilch, Chlorkalkmilch und
Formalinlösung. Kleinere Gegenstände, die keinen grossen Wert reprä¬
sentieren, sollen verbrannt werden. Andere Gegenstände müssen wieder
in Wasser, dem eventuell 2 pCt. Soda zugesetzt wird, gekocht werden.
Dies gilt besonders für Ess- und Trinkgeschirre. Schmutzige Wäsche
hingegen soll man nicht kochen, weil dadurch festhaftende Flecke ent¬
stehen, sondern in DesinfektionslösuDgen ein legen. Ueber die Frage der
Desinfektion nach Ablauf der Krankheit besteht seit langem eine leb¬
hafte Diskussion. Man hat die verschiedensten Mittel und Wege vor¬
geschlagen, die alle von demselben Prinzip ausgehen, nämlich entweder
mit Wasserdämpfen, trockener Hitze oder Formaldehyd zu desinfizieren.
Am wichtigsten wäre natürlich ein Verfahren, zu dem kein grosser
Apparat notwendig ist. Ganz ohne Apparat geht es mit dem Paraform¬
verfahren und dem Autan. Von den verschiedenen Verfahren ist prak¬
tisch die Einwirkung von Kaliumpermanganat auf Formaliulösung; doch
ist dies für den Betrieb im grossen zu kostspielig. Das Formaldehyd
hat die Eigenschaft, weniger in die Tiefe der Gegenstände hineinzudriDgen;
man hat deshalb Versuche mit Dämpfen bei 100° angestellt. Bedingung
aber ist, dass dieser Dampf konstant bei einer Temperatur von 100°
10 Minuten lang einwirkt. Wenn auch die Desinfektoren, die den Dampf¬
apparat zu bedienen haben, gut geschult sind, so kann doch leicht durch
nicht genügende Achtsamkeit der Fall eintreten, dass die Forderung
der 10 Minuten langen Einwirkung bei 100° nicht erfüllt ist. Es sind
einige Methoden vorgeschlagen worden, die eine Kontrolle gestatten. Sie
sind aber alle nicht unbedingt zuverlässig. Nur ein Apparat, der aus
dem Flügge’sehen Institut stammt, scheint allen Anforderungen zu
genügen.
Die Dampfdesinfektion lässt sich aber nicht bei allen Gegenständen
anwenden. Papier und Lederwaren werden durch sie unbrauchbar ge¬
macht. Infolgedessen ist man auf den Gedanken gekommen, Dampf von
geringer Hitze, also von 50° anzuwenden. Da dieser allein nicht schnell
genug wirkt, so sucht man das Formaldehydverfahren mit der Dampf¬
desinfektion zu vereinigen, indem man Dampf von 50° einwirken lässt
und gleichzeitig Formaldehyd appliziert. Solchen Dampf von 50° erhält
uian im luftverdünnten Raum, weshalb man den Desinfektionsapparat
uiit einem Vacuum zu kombinieren hat. Im Laufe der Zeit hat man die
Erfahrung machen müssen, dass es sehr schwer ist, diese Apparate richtig
zu bedienen und man bat weiterhin gesehen, dass man auf den Dampf
überhaupt verzichten kann; es genügt, die Formaldehyddämpfe auf 50°
zu erhitzen und sie so auf die Gegenstände einwirken zu lassen.
Kriegsskizzen.
Von
Dr. Arthar Münzer, zurzeit im Felde.
I. „Mobil“.
Es ist ein eigen Ding um das Wort. „So manche Worte klingen —
Ans Ohr uns ohne Plan, — Und während sie verklingen, — Ist alles
abgetan“, heisst es in einem Gedicht von Platen. Aber andere Worte
gibt es, die unser Innerstes bis in die tiefsten Tiefen aufrühren. Da
sitzest du in deinem Zimmer und bist mit irgendeiner Arbeit beschäftigt.
Plötzlich erklingt dir ein Wort. Und du wirst hinweggetragen von
deinen Gedanken, weit, weit; mit seltsamen Bildern füllen sich deine
Sinne, die Wirklichkeit ist vergessen, du lebst in einer anderen Welt.
Da war ein Wort, das wir Jüngeren nur aus der Geschichte und
von der theoretischen Ausbildung während unserer Militärdienstzeit her
kannten. Wir wussten wohl, dass diesem Worte eine gewaltige Be¬
deutung znkam. Wussten, dass es eine machtvolle Umwälzung der
Zeitläufte herbeiführte; dass es die Segnungen des Friedens beendete
und der Kriegsfurie Tür und Tor öffnete. Dies Wort hiess „Mobil¬
machung“. Aber es verklang vor unseren Ohren „ohne Plan“. Jedoch
es kamen Tage, in denen herrschte eine Unruhe in unserem Volke. In
allen Ecken raunte und flüsterte es. Eine stille Erregung erfasste die
Menschen. Das Flüstern ward zum Brausen. Auf den Strassen ballte
sicb’s zusammen. Eine gleichmässige Spannung hielt alle Gemüter ge¬
fesselt. Vergessen waren des Tages Last und Mühen, vergessen der Arbeit
Beschwerden. Nur eine Frage blieb zu lösen. Und eines Tage9 kams.
Es war am 1. August 1914. Wir alle warteten in fieberhafter
Erregung, Harrten nur noch der Bestätigung dessen, was wir längst
geahnt und im Innern gefühlt. 6 Uhr abends. Klingt das nicht von
fern wie Sturmeswehen? Immer näher und näher kommts, wälzt sich
heran wie die Meeres wogen zum nahen Strand. Und endlich, da ists
bei uns, da wissen wirs: „Mobilmachung, Krieg!“
Wie eine Befreiung klingt das Wort. Zu gross war auch die Spannung
der letzten Tage gewesen, bis endlich sie sich losen konnte. Mit Windes¬
eile verbreitete sich die Nachricht bis in die entferntesten Winkel des
Deutschen Reiches, und bald ward überall kundgetan, dass unserem Vater¬
lande der Krieg aufgezwungen war. Und wenn auch allenthalben helle
Tränen flössen, wenn auch des Abschieds bitteres Weh manch Herz durch¬
zuckte, so überwog bei weitem die flammende Begeisterung, und der
heilige Ernst der Stunde hielt alles in seinem Bann.
Wir aber, die der König gerufen, wir eilten zu unseren Fahnen.
War das ein Leben und Treiben in den Kasernen! Wo noch vor einigen
Tagen die gleiobmässige Arbeit des Dienstes geleistet wurde, dorthin
schwärmten nun von allen Seiten die Reservisten kofferbeladen herbei.
In langen Zügen eilten sie zu ihren Truppenteilen, frohen Mutes, vater¬
ländische Lieder singend, ln den Kasernen wird eiogekleidet. Da ent¬
falten sich lustige Bilder. Dem einen passt der Rock nicht, dem ist
die Hose zu lang, der findet keine Stiefel. Manch Scherzwort fliegt hin¬
über und herüber. In kurzer Zeit ist die schwierige Arbeit beendet.
Alles klappt wie am Schnürchen. Da kommen täglich in laugen Reihen
die beigetriebenen Pferde, Wagen, und nicht lange dauerts, bis auch sie
in ihre Kolonnen eingereiht sind.
Interessant sind die ärztlichen Untersuchungen der Reservisten und
Landwehrleute. Diesmal gibts kaum irgendwelche „Drückeberger“. Alles
will mit hinaus ins Feld. Und werden selbst irgendwelche Schäden
gefunden, so heisst es gleich: „Es wird schon gehen“, das schadet nicht
viel“, „ich halte schon aus“ usw. Alles ist nur von dem einen Wunsche
beseelt, die Ehre des Vaterlandes zu schützen. Es ist seltsam, zu sehen,
wie alles Kleine vom Menschen abfällt. Arbeit, Beruf, Familie, alles
tritt in den Hintergrund, hier gilt nur noch das eine Ziel, das Vaterland
zu schirmen.
Eine Freude war’s, die Truppen hinausziehen zu sehen. Frohen
Herzens marschierten sie von dannen, blamengeschmückt, begeistert,
gegrüsst von Alt und Jung. War das ein Abschied! „Wir müssen
siegen“, so lag’s klar in aller Munde. Und wie sie dann hinaus¬
marschierten, mit Sang und Klang, in festem Schritt, da wussten wir;
„die uns da verlassen, die kehren sieggekrönt zurück“, und die Rosen,
die jetzt an den Gewehren blühten, die würde der Schlaehtengott binnen
kurzem in Lorbeeren wandeln.
II. Die Fahrt.
Um 3 Uhr nachmittags marschierten wir von unserer Kaserne in
Spandau ab. Es war ein heisser Tag. Die Sonne gab uns ibre besten
Wünsche mit auf den Weg. Nach einer halben Stunde waren wir auf
dem Güterbahnhof Charlotten bürg angelangt. Da hatte sich sohon eine
grosse Menschenmenge angesammelt, um unserer Abfahrt beizuwohnen.
Ein buntes Treiben entfaltete sich. Zunächst wurden die Wagen unserer
Feldlazarette verladen. Dann ging’s an die Pferde, das schwierigste
Stück Arbeit. Viele Tiere sind zunächst nicht hineinzubringen, und vielen
Wartens, vielen Zusprechens bedarf es, bis auch sie verladen sind.
In buntem Gewimmel eilen Herren und Damen umher, Zigarren,
Schokolade und Getränke anbietend. Jeder bekommt etwas, niemand
wird vergessen. Froh und lustig tummelt sich unsere Strassenjugend
zwischen den Soldaten umher; für sie ist unsere Abfahrt ein Fest. Auch
von den Jungen möchte jeder noch gern den Soldaten etwas Liebes er¬
weisen; jeder bringt noch irgend eine kleine Gabe, ist schon beglückt,
wenn er nur für einige Minuten einmal ein Pferd halten darf. Alles ist
guter Dinge; das Siegesbewusstsein ist fest in uns gegründet.
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Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
1656
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 38.
Immer näher rückt die Zeit der Abfahrt. Pferde und Wagen sind
verladen; jetzt heisst’s auch für Mannschaften und Offiziere eiosteigen.
Die Leute draussen drängen an die Kupeetüren. Schon fliessen die
Tränen; Taschentücher irerden bereit gehalten. Um 7 Uhr 8 Minuten
ertönt das Signal zur Abfahrt. Der Zug setzt sich in Bewegung. Da
wehen die Tücher, Mützen werden geschwenkt, brausende Hoch- und
Hurrarufe erschallen, donnernd erklingt die Wacht am Rhein. Langsam
entgleiten die Hänser, zum letzten Male grüssen wir unsere alte, liebe
Vaterstadt Berlin. Es ist wohl ein eigenes Gefühl, das einen beschleicht.
Hinaus gehtfs jetzt ins Feld, das bald des Krieges Schrecken erfüllen
werden. Vor unseren Augen tauchen Gewehre, Maschinengewehre und
Kanonen auf. Durch die weiten Fluren braust das Schlachtgetümmel,
Soldaten marschieren, Rosshufe stampfen, Gewehrfeuer knattert, Ge¬
schütze donnern, und in endlosem Siegesjubel löst sich schliesslich das
Traumbild, das unsere Augen geschaut. Wir fahren; das monotone
Klingen des Eisenbahnzuges passt so recht hinein in die Abschiedsstimmung.
Mancherlei wird erzählt, die Aussichten auf den kommenden Krieg
erörtert. Bald herrscht eine fröhliche Stimmung und man beginnt all¬
mählich, sich auf die nicht allzu kurze Fahrt einzurichten. Wir haben
es uns in unserem Kupee bequem gemacht, gerade als wollten wir eine Welt¬
reise unternehmen. In den Mannschaftswagen erschallen vaterländische
Lieder, „Deutschland, Deutschland über alles“ und „die Wacht am Rhein.“
Ein reges Leben entwickelt sich auf den einzelnen Stationen. Zahl¬
reiche Damen und Herren der Gesellschaft sind anwesend, um den
Soldaten Speisen und Erfrischungen zu reichen. Was gabs da nicht
alles zu essen, zu trinken, zu rauchen! Alles bemüht sich um die
Wette, es uns so angenehm wie möglich zu machen, und wir hatten nur
Mühe abzuwehren, um nicht mit Liebesgaben überschüttet zu werden.
Jeder ist bestrebt, für das Wohl des Vaterlandes sein Bestes herzugeben.
Wir fuhren 36 Stunden, verbrachten zwei Nächte im Eisenbahn¬
wagen. Und doch wars eigentlich kaum zu merken. Die Fülle der
wechselnden Eindrücke, die innere Spannung, die frohe, siegessichere
Stimmung, der muntere Sang unserer Soldaten, das alles brachte uns
schneller über die Stunden dahin, als wir gedacht. An einem schönen
Morgen kamen wir über den Rhein. Da lag er nun da, der Vater Rhein,
in seiner ganzen majestätischen Grösse. Still und ruhig fliesst er dahin,
das Sinnbild deutscher Stärke. Alte, längst verklungene Sagen er¬
wachen in uns, die Geschichte des deutschen Volkes, die so eog mit
dem Rhein verwoben, wird uns lebendig. Du schöner, alter und ewig
junger Rhein, da, den Diohtersmund so oft besungen, du mit deinen
Rosen und Reben, mit deinen Bergen und Burgen, du konntest in diesen
schweren Zeiten wieder einmal erleben, wir sehr wir an dir hängen.
Konntest hören, dass wir treu und fest wie ehedem zu dir stehen und
dich schirmen als unser teuerstes Kleinod. Deine Wellen wandern
rastlos weiter und weiter und werden es bald in alle Meere tragen, wie
Deutschland sich erhoben gegen seine Feinde und sie niedergeworfen
nach heissem Ringen. Langsam passiert der Zug die Rheinbrücke, bald
entschwinden die Flussufer unseren Blicken und die Sinne werden
wieder der Wirklichkeit zugelenkt. Wir kommen durch Crefeld, wo wir
noch einmal die Gastfreundlichkeit und Liebenswürdigkeit der Ein¬
wohnerschaft in vollstem Maasse gemessen. Und nun nähert sich unsere
Fahrt bald ihrem Ende. Nach kurzer Zeit sind wir an den Ausgangs¬
punkt der Reise gelangt. Man reckt die etwas steif gewordenen Glieder,
und dann gehts fort in eiligem Marsch: des Feindes Land ist unser Ziel.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Wie nunmehr amtlich mitgeteilt wird, hat der König zu
ordentlichen Professoren der Universität Frankfurt a. M. ernannt in der
medizinischen Fakultät: den Direktor des neurologischen Instituts in Frank¬
furt a. M., Prof. Dr. Ludwig Edinger; den Direktor des Königlichen
Instituts für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M., Wirklichen
Geheimen Rat Prof. Dr. Paul Ehrlich; den Direktor des städtischen
chemisch physiologischen Instituts in Frankfurts. M., Prof. Dr. Gustav
Embden; den Direktor des Senckenbergisohen pathologischen Instituts
am städtischen Krankenbause in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Bernhard
Fischer; den ausserordentlichen Professor in der medizinischen Fakultät
und Abteilungsvorsteher am anatomischen Institut der Universität in
Marburg, Dr. Ernst Göppert; den Direktor der Klinik für Haut- und
Geschlechtskrankheiten am städtischen Krankenhause in Frankfurt a. M.,
Prof. Dr. Karl Herxheimer; den Direktor des städtischen hygienischen
Instituts in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Max Neisser; den Direktor der
chirurgischen Klinik am städtischen Krankenhause in Frankfurt a. M.,
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ludwig Rohn; den Direktor der Augenklinik
am städtischen Krankenhause in Frankfurta.M., Dr. Otto Sohnaudigel;
den Direktor der medizinischen Klinik am städtischen Krankenhause in
Frankfurt a. M., Prof. Dr. Alfred Schwenkenbecher; den Direktor
der städtischen Irrenanstalt in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Emil Sioli;
den Direktor der Hals- und Nasenklinik am städtischen Krankenhause
in Frankfurt a. M., Geh. San.-Rat Prof. Dr. Gustav Spiess; den
Direktor der medizinischen Poliklinik und des Instituts für physikalische
Therapie am städtischen Kranken hause in Frankfurt a. M., Prof. Dr.
Julius Strasburger; den Direktor der Ohrenklinik am städtischen
Krankenhause in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Otto Voss; den Direktor
der Frauenklinik am städtischen Krankenhause in Frankfurt a. M.,
Prof. Dr. Max Walthard.
— Die Kurse für Kriegsärzte, die das Zentralkomitee für das
ärztliche Fortbildungswesen veranstaltete, haben nunmehr ihren
vorläufigen Abschluss gefunden. Die einzelnen Kurse — allgemeine
Orientierungskurse; topographisch-anatomischer Kurs; Kurse über Kriegs¬
chirurgie; Erkennung und Behandlung der Kriegsseuchen — hatten wir
in den vorhergegangenen Nummern dieser Wochenschrift schon an¬
gekündigt; jetzt nach ihrer Beendigung darf ein Wort lebhafter An¬
erkennung für die ganze Anlage und Durchführung der Kurse nicht
unterlassen werden. Sie erfreuten sich auch einer ausserordentlichen
Teilnahme, so wurde der erste Kurs, der doppelt gehalten werden musste,
von etwa 1100 Aerzten besucht, der topographisch-anatomische von
etwa 400 und die Kurse über Kriegschirurgie von etwa je 700 Kollegen.
Als eine Art Fortsetzung sind die „kriegsärztlichen Abende“
gedacht, die gestern ihren Anfang nahmen und schon über 600 Teilnehmer
aufweisen konnten. Es wäre dabei zu wünschen, dass die sonst von
medizinischen Gesellschaften anscheinend leider unzertrennliche Bericht¬
erstattung in der Tagespresse, die hier in besonderem Maasse un¬
zuträglich erscheinen müsste, in Wegfall käme. Denn es würde durch
manche Vorträge das Publikum unnötigerweise beunruhigt, die Aerzte
aber werden aus ihren Fachblättern genügend orientiert werden, und
auch wir beginnen mit dem Bericht über die kriegsärztlichen Abende in
der nächsten Nummer.
— Der Central-Krankenpflege-Naehweis (Schillstrasse 181,
Fernsprecher: Amt Lützow 2849) ersucht uns mitzuteilen, dass er nicht
nur für die Krankenpflege in Lazaretten geprüftes Pflegepersonal zur
Verfügung hält, sondern auch eine Sonderliste ausgestellt hat, in die
zahlreiche Krankenpflegerinnen aufgenommen sind, die bereit sind,
während der Kriegszeit Krankenhausvertretungen und erforderlichenfalls
Epidemiepflege zu übernehmen. Auch für die Berliner Privatpflege sind
reichlich tüchtige Pflegekräfte vorhanden. — Auch in der Berufs¬
organisation der Krankenpflegerinnen sind noch zahlreiche er¬
fahrene Schwestern für Kriegszwecke zur Verfügung und es wäre dringend
zu wünschen, dass die berufsmässigen Krankenpfleger und -pflegerinnen
in ausgiebigstem Maasse seitens des Roten Kreuzes verwendet werden,
aber nicht unentgeltlich oder gar zu der unglaublich klingenden
Bedingung, sich neben der unentgeltlichen Leistung auch noch seihst
zu beköstigen. Ein Reich, das sich 5 Milliarden für Kriegszwecke
leisten kann, hat wahrlich auch noch das Geld, um seine Verwundeten
abwarten zu lassen ohne Ausnutzung des auch im Frieden nicht auf
Rosen gebetteten Krankenpflegepersonals. Die freiwillige Hilfe unserer
„Damen“ ist an vielen Stellen brauchbar, nur nicht im Krankensaal.
Dorthin gehört nur die Berufs-Krankenpflege. Mit der Erfüllung dieser
im Interesse des Krankendienstes gelegenen Forderung entspricht man auch
dem gegenwärtig leider so vielfach vernachlässigten, volkswirtschaftlich
überaus wichtigen Grundsatz: Arbeit, nicht Almosen! H. K.
— Weitere Opfer des Krieges: Dr. Max Stamer-Neresheim
(Württbg.), Ulanen-Reg. 19: gefallen (Kopfschuss durch Franktireurs).
Dr. Hermann Paulssen - Dresden, Stabsarzt d. R.: Tod durch Sturz
vom P/erde. San.-Rat Dr. R. Gottschalk aus Ginsheim bei Frank¬
furt a. M. fiel einem tückischen Ueberfall belgischer Einwohner zum
Opfer. Dr. Oluf Riis-Tingleff i. Schleswig-Holstein, Oberarzt d. R.:
Tod durch Hitzschlag auf dem Marsche. Dr. Rohfleisch - Kiwitten,
Kreis Heilsberg, Stabsarzt d. R.: leicht verwundet. Dr. Liebermeister-
Tübingen, Stabsarzt d. L., Landwehr-Inf.-Reg. 121, 9. Komp.: verwundet
Dr. Schulze, Stabsarzt, Füsilier-Reg. 90, 8. Komp.: vermisst. Dr. Deh-
mel, Stabsarzt im Inf. Reg. 30. Dr. Gutbier, Oberarzt d. R. im sächs.
Inf.-Reg. 105. E. Hellmuth, stud. med., 9. bayer. Inf.-Reg. Dr. W.
Kern -Windsbacb, Oberarzt d. R. Dr. Xylander, Stabsarzt, in seiner
Funktion als kons. Hygieniker heimtückisch erschossen. Dr. Siegbert
Frost, Unterarzt, an Pneumonie gestorben. Dr. Felix Rosenberger-
Mülheim (Ruhr), im freiwilligen Sanitätsdienst. Dr. Otto Suchsland,
Oberarzt d. R. im 3. Garde-Grenadier Reg. Dr. Eduard Müller, Stabs¬
arzt im 13. bayer. Inf.-Reg. Dr. Oskar Schmidt, Oberstabsarzt,
Germersheim. A. Zenetti, cand. med., Vizewachtmeister, München.
Dr. J. Kramer - Berlin, Oberarzt d. R. Dr. W. Meyer, Stabsarzt d. L.,
gestorben im Felde an Blinddarmentzündung. Dr. Seyberlich, Marine-
Oberassistenzarzt, gestorben auf Helgoland. Dr. A. Scherschmidt,
Stabsarzt. Dr. Strassner, Marioestabsarzt auf S. M. S. „Köln“.
Dr. K. Schrödl, Oberarzt d. R., 16. bayer. Inf.-Reg. Dr. Raven, in
Togo verwundet. Dr. Boas, Rischeim, Kr. Mülhausen i. E., gefangen.
— Volksseuchen. Spinale Kinderlähmung in Preussen
(30. VIII.—5. IX.) 7 und 2 f, und zwar Reg.-Bez. Aachen 1, Schleswig
6 (2 f). — Genickstarre. Preussen (30. Vm.—5. IX.) 4 und 4f, und
zwar Reg.-Bez. Arnsberg 2 (2 f), Münster — (2 f), Schleswig 1 (11)>
Lüneburg 1 (1 f).
Hochschulnachriohten.
Berlin. Geheimrat Busch, der frühere Direktor des zahnärztlichen
Instituts, feierte seinen 70. Geburtstag. — Königsberg. Privatdozent
Dr. Nippe wurde zum a. o. Professor für gerichtliche Medizin in Erlangen
ernannt. — Lemberg. Der Privatdozent Dr. Mazurkiewicz wurde
zum a. o. Professor der Pharmakologie ernannt. — Wien: Habilitiert:
DDr. v. Reuss (Kinderheilkunde) upd R. Müller (Dermatologie).
Pur die Bedaktion verantwortlich Prof. Dr. Ha na Kohn, BerUn W., Bayreuther Strasse«.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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Hooglp
Original fro-m
BERLINER
Di® Berlin«! Klinische Wochenschrift erscheint Jeden
MonUg In Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen
alle Buchhandlungen und Postanstalten an.
Alle Einsendungen für die Redaktion and Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinal Verwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen«
Redaktion: Expedition:
fiel. Med.-R&t Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. ingiist Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 28. September 1914. JI2 39. Emundfünfzigster Jahrgang.
INHALT.
Originaliei: Loewy: Zar Frage nach dem Effekt der manuellen künst¬
lichen Atmung beim Menschen. (Illustr.) S. 1657.
Melchior: Ueber den sogenannten arterio-mesenterialen Duodenal-
Verschluss (Atonia gastro-duodenalis acuta). (Aus der Breslauer
chirurgischen Klinik.) (Schluss.) S. 1660.
Fuld: Die Behandlung der Colitis gravis mittels Spülungen von
der Appendicostomie aus. S. 1664.
Brettner: Der Kriegssanitätsdienst in Berlin. S. 1665.
Jeger: Der gegenwärtige Stand der Blutgefässchirurgie. (Sammel¬
referat.) (Aus der Kgl. chirurgischen Klinik der Universität
Breslau.) (Schluss.) S. 1667.
Blcherbesprechungen : Krause und Hey mann: Lehrbuch der chir¬
urgischen Operationen. S. 1669. (Ref. Borchardt.) — Jesionek:
Praktische Ergebnisse auf dem Gebiete der Haut- und Geschlechts¬
krankheiten. S. 1670. (Ref. Bruhns.) — Blumenfeld: Jahres¬
bericht über die Fortschritte der Laryngologie, Rhinologie und ihrer
Grenzgebiete. S. 1670. Kassel: Geschichte der Nasenheilkunde
von ihren Anfängen bis zum 18. Jahrhundert S. 1670. (Ref.
Haike.) — Graefe - Sämisch - Hess: Handbuch der gesamten
Augenheilkunde. S. 1670. Rosmanit: Anleitung zur Feststellung
der Farbentüchtigkeit S. 1670. (Ref. v. Sicherer.) — Guttmann:
Lexikon der gesamten Therapie. S. 1670. (Ref. Fromherz.)
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner Gesellschaft
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1670. Natur-
historisch-medizinisoher Verein zu Heidelberg. S. 1673.
Kriegsärztliche Abende. S. 1674.
Tagesgeschiohtliche Notizen. S. 1676.
Amtliche Mitteilungen. S. 1676.
Zur Frage nach dem Effekt der manuellen
künstlichen Atmung beim Menschen.
Von
Prof. Dr. A. Loewy-Berlin.
In einer im Skandinavischen Archiv für Physiologie, Bd. 29
erschienenen Arbeit von Liljestrand, Wollin und Nilsson 1 )
„über die Ventilation bei künstlicher Atmung beim Menschen“,
sowie in einer znsammenfassenden Uebersicht von Liljestrand 2 ):
„Ueber künstliche Atmung“ ist die Frage über Art und Bedeutung
der künstlichen Atmung beim Menschen einer neuen Erörterung
unterzogen worden, wobei weniger das häufig bearbeitete Thema
nach der besten Methode im Vordergründe stand, als vielmehr
das, inwieweit die manuelle künstliche Atmung über¬
haupt als wirksam zu erachten ist.
Während die meisten früheren Autoren zwar je nach den
Methoden wechselnde, aber doch immerhin hohe Ventilationswerte
pro Minute bzw. pro Atemzug erreichten, geben Liljestrand,
Wollin und Nilsson als wirklichen Effekt der künstlichen Ven-
tilierung der Lungen ausserordentlich niedrige Zahlen an und
meinen, dass die von anderen Autoren gefundenen hohen Werte
nicht auf Rechnung der künstlichen Atmung zu setzen, viel¬
mehr dadurch zustande gekommen seien, dass die Versuchsindi¬
viduen unbewusst und unwillkürlich im Tempo der künstlichen
Atmung mitgeatmet hätten.
re ' ne Wirkung der künstlichen Atmung zu er-
lafaren, gingen Liljestrand, Wollin und Nilsson so vor, dass
sie ihre Versuchspersonen in apnoischen Zustand versetzten
und während dieses die künstliche Atmung Vornahmen. Die
werte, die sie dabei fanden, betrugen pro Atemzug nach der Sil-
yester’schen Methode 190 ccm, nach der Schäfer’schen 170 ccm
im Mittel.
Diese Werte, die Liljestrand in seiner oben an zweiter Stelle
genannten Arbeit (S. 481) bereits als gesichert ansieht und als
wahre Ventilationswerte zugrunde legt, sind in jeder Hinsicht auf¬
fallend; erstens im Hinblick auf die an Nicbtapnoischen ge¬
wonnenen Werte, die bis zum 15 fachen Volumen pro Atemzug
angegeben werden, sodann im Vergleich mit den an Leichen er¬
wachsener Menschen erzielten, endlich hinsichtlich des Erfolges,
den eine so «niedrige Ventilation überhaupt haben kann.
Was den ersten Punkt betrifft, so fand ich in gemeinsam
mit G. Meyer 1 ) ausgeführten Versuchen, dass die Ätemtiefe bei
dem nach Brosch modifizierten Silvester’schen Verfahren 1 bis
2 Liter betragen kann, wenn ein Retter die Atmung ausführt,
bis zu 3 Litern, wenn zwei tätig sind. Wir gaben damals an,
dass die Versuchspersonen, zu denen ich selbst gehörte, sich ganz
passiv verhalten hätten, dass nach 3—4 künstlichen Atmungen
ein Zustand von Apnöe einzutreten und das Bedürfnis zu natür¬
licher Atmung fortgefallen sei.
Wenn das auch zutrifft, so ist Liljestrand, Wollin und
Nilsson doch Recht zu geben, dass auch ohne Notwendigkeit
zu eigener Atmung eine dem Rhythmus der künstlichen Atmung
folgende unbewusste aktive Tätigkeit der Atemmuskeln eintreten
kann. Dass das in den an mir selbst angestellten Versuchen in
einem ins Gewicht fallenden Maasse der Fall gewesen ist, möchte
ich allerdings nach dem subjektiven Empfinden, das ich dabei
hatte, abgesehen von dem Bestreben, die Atmungsmuskeln nicht
zu innervieren, nicht glauben. Immerhin mag bei LaieD, an denen
die Atmung ausgeführt wird, selbst nach vorgängiger Einübung,
diese Mitatmung zuweilen Vorkommen, und darauf mögen die
Differenzen in den von uns seinerzeit gefundenen Atemvolumina,
deren Maxima um 50—90 pCt. die Minimal werte übertreffen
können, mit zurückzuführen sein.
Während der Ausführung der Silvester-Brosch’schen Atmung
gelingt es, wenn auch mit Austrengung, die Atemmuskeln in
einem von der künstlichen Atmung abweichenden Rhythmus zu
innervieren, bezüglich der künstlichen Atmung einen Widerstand
seitens der Atmungsmuskulatur zu setzen. In Versuchen, die ich
— wieder zusammen mit Herrn G. Meyer — ausführte, und die
anderenorts ausführlich veröffentlicht werden sollen, setzten wir
. Liljestrand, G. Wollin und J. 0. Nilsson, Skandinav.
A V' ****** 1913, Bd. 29, S. 149.
2) G. Liljestrand, Mitt. Grenzgeb., 1913, Bd. 29, S, 470.
1) A. Loewy und G. Meyer, Ueber die manuelle künstliche
Atmung Erwachsener. B.kl.W., 1908, Nr. 24, und ebenda, 1909, Nr. 5
u. 21.
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Original frorn
UMIVERSITY OF IOWA
1658
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCH RIFT.
Nr. 39.
nun absichtlich der Silvester-BroscVschen Atmung Widerstand
durch aktive Anspannung der Atmungsmuskeln entgegen, um den
unwillkürlich fördernden Faktor des Mitatmens sicher auszuschalten.
Dabei ergab sich in Versuchen an mir — trotz des Versuches
willkürlich die Wirkung der von Herrn G. Meyer nach Sil*
vester - Brosch ausgeführten künstlichen Atmung abzuschwächen
dadurch, dass ich während der künstlichen Inspiration meine
Exspirationsmuskeln und umgekehrt meine Inspirationsmuskeln
während der künstlichen Exspiration inner vierte — doch noch
ein Minutenvolumen von 10*1 Liter bei 10 Atemzügen, das ist
ein Liter pro Atemzug.
Liljestrand, Wo Hin und Nilsson vergleichen in ihrer
Arbeit mit der manuellen künstlichen Atmung die mit einem von
Fries angegebenen Atmungsapparat, der auch bei uns (unter dem
Namen Inhabad) in den Handel kommt. Bei einer Prüfung, die
wir mit diesem Apparat zu anderen Zwecken Vornahmen, stellten
wir nun auch wieder den Ventilationseffekt, einerseits bei vor¬
sätzlicher Ruhe der Atemmuskeln, andererseits bei willkürlichem
Widerstand gegen die künstliche Inhabad-Atmung (die übrigens
nur eine mittels des Apparats erzeugte Silvester’sche Atmungs¬
form darstellt) fest.
Bei mir fanden sich im ersteren Fall einmal 8 Liter, ein¬
mal 5,7 Liter pro Minute, bei einer Frequenz von 10 1 / 2 , im
zweiten Falle, d. b. bei willkürlichem Widerstand gegen die
künstliche Atmung in zwei Versuchen gleichmässig 6,3 Liter.
Daraus dürfte hervorgeben, dass ich imstande bin, meine Atmungs¬
muskeln während der künstlichen Atmung ausser willkürlicher
Innervation zu lassen.
Bei einem jüngeren, noch nicht genügend eingeübten Menschen
betrug die Ventilationsgrösse bei der Inhabad Atmung einmal
12,9 Liter, einmal 15,5 Liter pro Minute; bei willkürlichem
Widerstand gegen sie sank sie auf einen dem meinigen ana¬
logen Wert, nämlich auf 5,6 Liter.
Bei einem aussergewöhnlich kräftigen Manne war die durch
den Inhabad erzeugte Atemgrösse pro Minute 5 Liter; aber bei
kräftigem Widerstand dagegen sank sie je nach der Befestigung
auf dem Iohabadapparat, worauf an dieser Stelle nicht näher
eingegangen werden soll, auf 2,3—3,5 Liter pro Minute.
Die Atemfrequenz betrug in allen Versuchen 10—11 pro
Minute.
Aus den vorstehenden Ergebnissen geht hervor, dass selbst
in Versuchen, in denen ein unbewusstes und unwillkürliches Mit¬
atmen im Takte der künstlichen Atmung ausgeschlossen ist, weit
grössere Atemvolumina erzielt werden, als sie Liljestrand,
Wollin und Nilsson bei ihren Apnoischen zustande brachten.
Spricht das schon in dem Sinne, dass die Werte der ge¬
nannten Verfasser aus irgendeinem Grunde nicht zutreffend sein
können, so noch mehr das Resultat der Atmungsversuche an
Leichen, mit denen sich Liljestrand, Wollin und Nilsson
zu wenig auseinandergesetzt haben. Es ist klar, dass man an
Leichen ganz erhebliche Differenzen erhalten muss, je nach der
Elastizität des Thorax (was übrigens beim Lebenden gleichfalls
ins Gewicht fällt), je nach dem Grade der Leichenstarre und je
nach dem Zustand der Bronchien und der Lungen, ein Punkt, der
bei Versuchen an Leichen weit mehr Bedeutung hat als in Ver¬
suchen am Lebenden 1 ).
Es kommt deshalb bei der Beurteilung dieser Versuche im
wesentlichen darauf an, welche Maximalwerte erreicht werden
können. Liljestrand, Wollin und Nilsson haben die in Be¬
tracht kommenden Werte zusammengestellt, und da zeigt sich,
dass man auch an Leichen weit höhere Werte mit künstlicher
Atmung erreichen kann, als sie an ihren apnoischen Menschen
erzielt haben. So fand das englische Komitee*, das 1862 zur
Prüfung der Silvester’schen Methode eingesetzt war, bei der Unter¬
suchung von sechs Leichen einmal eine Ventilation pro Atemzug
von 148 ccm, einmal von 164 ccm; dagegen in vier anderen
Fällen: 410 ccm, 426 ccm, 467 ccm und 689 ccm.
Ploman fand einmal sogar 1,7 Liter pro Atemzug. G. Meyer
und ich haben ans nun gleichfalls von der Wirksamkeit der
Silvester-Brosch’schen Atmung an Leichen überzeugen wollen.
Die Versuchsanordnung war ähnlich wie beim Lebenden, d. h.
die Trachea der Leiche wurde nach Einbindung einer Kanüle
unter Zwischenschaltung vou Darmventilen mit der Gasuhr ver¬
banden und die Grösse jeden Atemzuges an ihr abgelesen. Wir
fanden ähnliche Werte wie die englische Kommission, nämlich
1) Vgl. dazu die Auseinandersetzungen von Liljestrand, Wollin
und Nilsson, a. a. 0., S. 209 ff.
bis zu 400 ccm pro Atemzug an der Leiche eines älteren, im
Zustande mässiger Starre befindlichen Mannes.
Auch die Versuche an Leichen ergeben also, dass in den
Apnöeversuchen von Liljestrand, Wollin und Nilsson ein
Moment vorhanden gewesen sein muss, das ihre Ventilationswerte
abnorm herabdrückte.
Betrachten wir sie nun vom allgemein physiologischen
Standpunkte, so müssen wir sagen, dass, falls sie zutreffend
wären, über die manuelle künstliche Atmung eigentlich der Stab
gebrochen wäre; sie müsste dann als gänzlich wirkungslos be¬
trachtet werden; sie könnte gar nichts nützeo, da während ibrer
Ausführung sehr bald Erstickung eintreten müsste. -I
Nehmen wir den höheren der von Liljestrand, Wollin ' Si
und Nilsson angegebenen W r erte, nämlich 190 ccm pro Atemzag. f £
Diese 190 ccm gelangen nun nicht in die Alveolen, vielmehr 31
bleibt der grössere Teil in dem durch Mundhöhle, Trachea und 3
Bronchien gegebenen sogenannten schädlichen Raum, der, wie
ich fand, etwa 140 ccm — ein Wert, mit dem jetzt allgemein '
gerechnet wird — ausmacht 1 ), ln die Alveolen kommen also #
nur 50 ccm mit etwa 10,5 ccm Sauerstoff, das wären bei «i
10 Atemzügen, wie sie höchstens pro Minute nach Silvester fl
bequem ausgeführt werden können, 105 ccm Sauerstoff pro f
Minute. Bei 15 Atemzügen pro Minute, die übrigens nach I'i
Silvester kaum durchführbar sind, würden es 157 ccm sein, h
während der Sauerstoff verbrauch pro Minute 200—250 ccm $
ausmacht! Nehmen wir selbst an, der Verbrauch wäre, was bei
Ertrinkenden möglich wäre, herabgesetzt und betrüge auch
nur noch 157 ccm, also soviel, wie bei einer kaum erreichbaren
Frequenz nach Silvester eingeführt wird, so würde auch dies
nichts helfen, da zur Ueberführung des Sauerstoffs ins Blut ein
erheblicher Ueberscbuss an Sauerstoff in den Luogenalveolen vor- T
banden sein muss, und da das Hämoglobin bei der bestehenden j
niedrigen alveolaren Sauerstoffspannung sich so wenig mit Sauer- »
stoff sättigen könnte, dass dauernder Sauerstoffmangel der Gewebe
bestände.
Dazu kommt, dass aach die Kohlensäurespannung schnell
einen das Leben bedrohenden Grad erreichen müsste.
Bei der Unwirksamkeit, die eine derartige künstliche Atmung
hätte, müsste man annehmen, dass in allen oder wenigstens in
einer grossen Zahl derjenigen Fälle, in denen eine Wiederbelebung
bei künstlicher Atmung noch nach Stunden erfolgte, auch ohne
letztere, also spontan, Erholung hätte eintreten können. Das *
widerspricht jedoch der Erfahrung, wenn auch einzelne in der
Literatur vorliegende Fälle übrig bleiben, für die man dies, falls
der Scheintod wirklich genügend sicher festgestellt war, gelten
lassen müsste.
Angesichts der vorstehend zusammengestellten Bedenken #
gegen die Richtigkeit der von Liljestrand, Wollin und
Nilsson angenommenen Werte für den Umfang der künstlichen
Ventilation muss man versuchen, die Ursache festzustellen, aus
der bei der Apnoe die Lungenventilation so abnorm gering
ausfällt, und sich fragen, ob die während des apnoischen Zu¬
standes gewonnenen Werte als normale Ventilationswerte be¬
trachtet werden bzw. mit den an nicht apnoischen Individuen
erhaltenen Werten direkt verglichen werden können und als
Basis zur Beurteilung der Wirksamkeit der künstlichen Respiration -
im allgemeinen angenommen werden dürfen.
Das dürfte nun nicht der Fall sein. Denn der Atmungs¬
stillstand in der Apnöe stellt etwas ganz anderes dar als der bei
Scheintoten. Was wir als Apnöe bezeichnen, ist kein passiver
Zustand, vielmehr befinden sich die inspiratorischen Atmungs-
muskeln in tonischer Kontraktion, also nicht im Zustand
der Ruhe, sondern in dem der Tätigkeit.
Schon vor längerer Zeit hat He ad 2 ) in Versuchen an
Kaninchen gefunden, dass — wenn auch nicht in allen Fällen .
das Zwerchfell in der Apnöe einen Tonus aufweist; es steht in ]
einer mässigen Inspirationsstellung. Ebenso fand später Kostin 8 ), «
dass in der Apnoe das Zwerchfell tonisch kontrahiert ist, und
auch bei Mosso 4 ) finden sich Kurven abgebildet, aus denen dieses
Verhalten auch für den Menschen hervorgeht.
1) A. Loewy, Ueber die Bestimmung der Grösse des „schädlichen
Luftraumes“ im Thorax usw. Pflüg. Arch., 1894, Bd. 58, S. 416.
2) Head, On the regulation of respiration. Journ. of physiol.,
1889, Bd. 10, S. 1.
3) S. Kostin, Zur Frage nach dem Zwerchfelltonus. Zbl. f. Physiol.,
1903, Bd. 17, S. 617.
4) A. Mosso, La Physiologie de 1’apnöe etc. Arch. ital. de biolog.,
1903, Bd. 12 , S. 1.
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T
Später bat dann Dittler 1 ) den Tätigkeitszustand des Zwerch- |
felis während der Apnöe direkter durch den Nachweis von
Aktionsströmen, die er in allen Fällen fand, nacbgewiesen.
Ich selbst habe zunächst die Dittler’schen Versuche an
Kaninchen wiederholt und weiter am Menschen Versuche ange-
stellt, die gleichfalls das Vorhandensein eines inspiratorischen
Tonus, beim Menschen auch für die thorakalen Muskeln, be-
stätigten.
Meine Versuche wurden im physiologischen Institut der tier¬
ärztlichen Hochschule ausgeführt mit der Apparatur und unter
Anleitang und Hilfe von Prof. Cremer und Dr. Wiedemann,
denen beiden ich für ihre liebenswürdige Bereitwilligkeit bestens
zu danken habe. Es wurden die Aktionsströme des Zwerchfells
an Kaninchen untersucht bei normaler Atmung und während einer
auf Lufteinblasen mit einem Blasebalg entstandenen Apnöe. Ab¬
geleitet wurden die Ströme mit Gelatinepinselelektroden, die
Cremer für diesen Zweck besonders gestaltete, und deren eine
mit der Bauchfläch© des Zwerchfells, deren zweite mit dem Pro¬
cessus xiphoideus des Brustbeins in Verbindung stand. Die
Ströme wurden verzeichnet sowohl mit dem Saitengalvanometer
von Edelmann, wie mit dem Siemens’schen Oscillographen.
Das Kaninchen, dessen Zwerchfellaktionsströme auf den folgenden
Karven wiedergegeben sind, war mit Chloralhydrat narkotisiert.
(Abbildung 1—4.)
Abbildung 1.
und 3 ); in der exspiratorischen fehlen sie auf der ersteren, sind
jedoch auf der letzteren ganz schwach angedeutet.
Während der Apnöe sieht man dagegen dauernde Aktions¬
ströme, deren Intensität geringer, aber nicht viel geringer ist
als während der normalen Inspirationsphase.
ln der Apnöe besteht danach ein Tetanus des Zwerch«
felis.
In meinen Versuchen an Menschen ging ich zunächst
ganz einfach so vor, dass ich den Brustumfang über den Mamillen
und den Bauchumfang in Nabelhöhe während passiver Exspiration
und während apnoischen Atemstillstandes maass.
Person
Körperteil
Umfang in
normaler
Exspiration
cm während
Apnöe
Dr. J. L.
Brust
98 V,
98«/ 2
Bauch
95
95
S. M.
Brust
80 l A»
8 H /4
Bauch
71V»
72
R. M.
Brust
90
91V 2
Bauch
79 V*
80
L. M.
Brust
83
82 V*
Bauch
79
74«/o
Dr. R.
Brust
94 3 /*
96
Bauch
94>/4
94 , / 2
Inspiration Exspiration
* &
Normale Atmung. Edelmann’s Saitengalvanometer.
Abbildung 2.
Apnöe. Saitengalvanometer. Zeitmarken 2 Sekunden.
Abbildung 3.
.1 O ä*|j
Exspiration Inspiration Exspiration Inspiration
Normale Atmung. Oscillograph.
Abbildung 4.
Apnöe. Oscillograph.
Ablaufgeschwindigkeit des Papiers: 35 mm pro Sekunde.
Meine Ergebnisse bestätigen vollkommen die Dittler’schen
Angaben. Während der normalen Atmung finden sich in der
inspiratorischen Phase stark ausgeprägte Aktionsströme auf der
aiten galvanometer- wie auf der Oscillographenkurve (Abbildung 1
Uel)er die Innervation des Zwerchfells usw. Pflüg.
Arch., 1909, Bd. 130, S. 400.
| Im Bauch umfang war, wie die vorstehende Tabelle zeigt,
I ein Unterschied nicht deutlich erkennbar; der Brustumfang war
jedoch bei drei von den fünf untersuchten Personen deutlich
i während der Apnöe grösser als auf der Höhe ruhiger Ex¬
spiration.
Die Differenzen sind nicht sehr gross, sprechen aber an drei
Personen dafür, dass der Brustkorb sich in der Apnöe in
mässiger inspiratorischer Erweiterung befindet.
Die Methode gibt jedoch hinsichtlich der Messung des
Thoraxumfanges für die normale exspiratorische Stellung unsichere
Ergebnisse.
Ich habe deshalb im ortbodiagraphischen Röntgen verfahren
die Stellung von Zwerchfell und Thorax bei exspiratorischer und
apnoischer Stellung an drei Personen aufgenommen und hier er¬
gab sich nun ein deutlicherer Unterschied 1 ).
Die Ergebnisse werden durch die folgenden Abbildungen 5
bis 7 illustriert.
Abbildung 5.
1 ) Die Aufnahmen geschahen im Röntgenkabinett des Herrn Prof.
Levy-Dorn. Auch diesem möchte ioh dafür an dieser Stelle danken.
Das Verfahren ist genau beschrieben in dem Aufsatz von G. Meyer
tq i -1 L i°QA^ y kt ü «^ er ^ ie manue l le künstliche Atmung Erwachsener.
B.kl.W., 1908, Nr. 24.
1 *
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 39.
die normale Exspiration mit Ziffern, für die Apnöe mit Buch¬
staben bezeichnet.
Man sieht, dass die Lage sowohl des Zwerchfelles wie des
Thorax in den einzelnen Versuchen Schwankungen zeigt. Das
ist für die normale Exspiration nicht weiter wunderbar; aber
auch während der Apnöe sind sie, wenn auch im allgemeinen
weniger ausgesprochen, vorhanden.
Abbildung 6.
S. M.
Ein Vergleich der Stellungen lässt nun erkennen, dass bei
allen drei Personen das Zwerchfell in der Apuöe tiefer
steht als bei der Exspiration, d. h. eine mehr inspira¬
torische Stellung einnimmt. Der Thorax steht io den Versnchen
an zwei Personen höher während der Apnöe, d. h. auch
wieder mehr inspiratorisch, bei der dritten ist der Unterschied
nicht in allen Bestimmungen ausgesprochen.
Aus den vorstehenden Versuchen, muss man den Schluss
ziehen, dass der Zustand der Apnöe, wie es beim Tiere der
Fall ist, so auch beim Menschen ein aktiver Zustand ist,
währenddessen das Zwerchfell und meist auch die inspiratorisch
wirkenden Thoraxmuskeln sich im Zustand der Kontraktion be¬
finden.
Wenn das aber so ist, so ist der apnoische Zustand nicht
geeignet, als Ausgangspunkt für Respirationsversuche zu dienen,
welche Aufklärung über deren Ventilationseffekt am erschlafften
Körper geben sollen.
Der Tonus der Inspirationsmoskeln muss Widerstände für
ihre Beweglichkeit und Bewegungsfähigkeit abgeben und damit
den Effekt der künstlichen Atmung abnorm vermindern. Er ist
meiner Ansicht nach die Ursache für die unmöglich niedrigen
Werte, die Liljestrand, Wollin und Nilsson gefunden haben.
Für die Feststellung des Ventilationseffektes einer künst¬
lichen Atmung scheint mir ihre Vornahme an Apnoischen am
wenigsten zweckmässig, besser noch Versuche an der Leiche, am
besten aber ihre Vornahme an genügend instmierten and in
der Stillstellaog ihrer willkürlichen Atmung geübten lebenden
Menschen.
Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor:
Geh.-Rat Prof. Dr. H. Küttner).
Ueber den sogenannten arterio-mesenterialen
Duodenalverschluss (Atonia gastro-duodenalis
acuta).
Von
Dr. Eduard Melchior, Assistent der Klinik.
(Schluss.)
Wir kommen nun zu einem Punkte, der bisher in den ganzen
Diskussionen über die Frage des arterio-mesenterialen Duodenal-
Verschlusses offenbar übersehen wurde, der aber gerade für die
theoretische Beurteilung dieser Verhältnisse von ganz fundamen¬
taler Bedeutung ist. Ich meine den folgenden:
Wenn wirklich die Mesenterialwurzel auf das Duodenum
unter diesen Umständen eine nennenswerte Kompression aasüben
soll, so muss natürlich auch umgekehrt auf das Mesenterium selbst
eine entsprechende reciproke Druckwirkung angenommen werden.
Nun verläuft aber gerade — gleichsam wie ein Manometer ein¬
geschaltet — an dieser Stelle im Mesenterium ein Gebilde,
welches wohl geeignet erscheint, anch selbst geringe änssere
Druckeinwirkungen unverkennbar anzuzeigen, nämlich die Vena
mesenterica superior. Der Veoendruck an dieser Stelle ist hier
nämlich sehr gering — bei tiefer Inspiration wahrscheinlich so¬
gar unter den Nullwert sinkend —, jedenfalls wissen wir aus
sonstigen Erfahrungen, wie leicht der Darm bei Druck auf das
Mesenterium mit dem Eintritt einer Staunng reagiert; man siebt das
ohne weiteres bei Bauchoperationen, wenn man Darmschlingen aus
einer kleinen Inzisionsöffnung vorlagert; auch bei der Incarceration
von Hernien bildet wahrscheinlich die bei enger Bruchpforte so
leicht eintretende venöse Rückflusshemmung eine der wichtigsten
Ursachen dafür, dass der ausgetretene Darm nicht wieder zurück-
schlüpfen kann.
Die bereits oben erwähnten Experimente, die ich
an Leichen angestellt habe, dienten mir daher haupt¬
sächlich zur Untersuchung der Frage, ob wirklich durch
Zug am Mesenterium eine wirksame Kompression des
Duodenums möglich ist, ohne dass gleichzeitig die
venöse Zirkulation des Mesenteriums eine Störung er¬
leidet. Ich ergänzte also die oben skizzierte Versuchsanordnuug
durch Herstellung eines unter bestimmten Druck stehenden Wasser¬
stromes durch das Gebiet der Vena mesenterica superior. Es
zeigte sich nun hierbei, dass bei einem positiven Venendruck
von 10 cm Wasser und einem Darminhaltsdruck von 40 cm
durch Zug am Mesenterium die Darmpassage nur unter gleich¬
zeitig, eventuell sogar bereits vorher eintretender
Stromunterbrechung im Gesamtgebiete oder wenigstens — bei
hoher Teilung des Stammes — in den Hauptabschnitten des Circu-
lationsbereiches der Vena mesenterica superior möglich war. Ebenso
fand ich bei der narkotisierten und künstlich lordosierten Katze,
dass ein Zug am Mesenterium stets nur unter Eintritt einer
Venenstase eine irgendwie erhebliche Kompression des Duodenums
gestattet.
Absolute Uebertragungen derartiger relativ roher Versuche
auf das Verhalten am Lebenden sind natürlich nicht möglich.
Doch wird man aus ihnen wenigstens so viel entnehmen können,
dass ganz ohne Rückwirkung auf den Venenkreislauf
der Meseraica superior eine Mesenterialkompression
des Duodenums nicht möglich ist. Nehmen wir selbst nur
eine graduelle Erschwerung des Rückflusses an, so würde dies
bei tagelangem, eventuell wocbenlangem Bestehen der Kompression
doch schliesslich zu ausgedehnter Stase, Thrombose und damit
zur Gangrän des Dünndarms und Peritonitis führen müssen, also
die gleiche Erscheinung zeitigen, wie es dem bekannten Krank¬
heitsbilde der Mesenterialvenenthrombose entspricht.
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I
k
§
28. September 1914.
Aber auch io dieser Beziehung versagt bei den autoptisch
untersuchten Fällen der anatomische Befand den theoretischen
Voraa8setzungrn gegenüber vollständig; es wird vielmehr fast
durchweg noch besonders darauf hingewiesen, dass eine venöse
Hyperämie bzw. Cyanose des im kleinen Becken befindlichen
Dünndarms nicht bestand.
Vereinzelte Angaben wie die in Albreohts Fall 2: „Dünndarm
leicht venös-hyperämisch“ oder im Falle 8: „das Jejunum zeigt im oberen
Teil und stellenweise auch im unteren etwas cyanotische Injektion)
ebenso auch das Ileum und Colon* wird dabei wohl niemand iür den
Ausdruck einer allgemeinen venösen Stauung im Gebiete der Vena
mesenterica superior ansehen, zumal das Colon überhaupt zu einem
anderen Gefässbezirk gehört. Als wirkliche Ausnahme figuriert vielmehr
allein die Beobachtung von Nicaise, bei der der Dünndarm eine
„violette, schwärzliche“ Verfärbung zeigte.
Weiterhin fehlt aber auch, wie Braun und Seidel,
Kayser u. a. hervorgehoben haben, in sämtlichen bisher beob¬
achteten Fällen der Befund einer Transsudation in die Bauchhöhle,
wie er sonst regelmässig im Gefolge von akuten Circulations-
störungen im Darmtractus beobachtet wird. Selbst in dem oben¬
genannten Falle von Nicaise wird das Fehlen jeglichen Ergusses
besonders betont. Wie demgegenüber Rosenthal von einer In-
carceration des Dünndarms sprechen kann, ist nicht verständlich 1 ).
Ein letzter Punkt, an dem die kritische Betrachtung des
arterio-mesenterialen Duodenalverscblusses nicht vorübergehen
kann, ist folgender:
Wie zuerst Lennander nacbgewiesen bat, sind die Bauch¬
organe bzw. das viscerale Peritoneum im gewöhnlichen Sinne
nicht schmerzempfindlich, während das parietale Peritonealblatt
sich im Gegenteil durch eine ganz besonders gesteigerte Sensi¬
bilität auszeichnet.
In den Mesenterien gehen die Nervenfasern des parietalen
Bauchfells bis auf 2—3 cm an den Darm heran (Wilms, Wied¬
hopf). Es ist nun eine jedem Chirurgen sozusagen in Fleisch
und Blut übergegangene Erfahrung, dass sich zwar am Darme
selbst ohne jegliche Anästhesie schmerzlos für den Patienten
operieren lässt, wird aber nur der geringste Zug am Mesenterium
ausgeübt, so bäumt sich auch der sonst resistenteste Mensch da¬
gegen auf; es sind dies offenbar Schmerzen von so intensiver,
unerträglicher Art, dass jede Willenskraft ihnen gegenüber völlig
versagt. Wie qualvoll müsste also ein Zustand sein, bei dem
stunden- und tagelang ein so starker kontinuierlicher Zug am
Mesenterium ausgeübt wird, dass das Duodenum dadurch verlegt
wird. Den Schmerzen einer akuten Perforationsperitonitis, einer
schweren Bruchincarceration würde diese Form der inneren
Strangulation jedenfalls nichts nachgeben.
Der an sogenanntem arterio-mesenterialen Duodenal Verschluss
erkrankte Patient würde wahrscheinlich diesen theoretischen
Ueberlegungen recht wenig Verständnis entgegenbringen. Es sind
zwar ganz vereinzelte Fälle beschrieben worden, z. B. die von
Schmorl-Kelling, Brown, wo der Beginn ein akuter mit
heftigen Schmerzen war, in der übergrossen Mehrzahl der Fälle
fehlt jedoch eine derartige Phase vollkommen; im Gegenteil, sehr
häufig lässt gerade das relativ ungestörte subjektive Befinden
anfangs die Schwere der Situation völlig verkennen. Man denke
z. B. an Zweifelt Patientin, die gewaltige Mengen „nicht ohne
einen gewissen Humor“ erbrach; bei einer wirklichen mesen¬
terialen Strangulation würde das Bild sich sicher ganz anders
darstelien. Die im Spätstadium gelegentlich vermerkten schmerz¬
haften Sensationen, die meist der Gegend der lokalen Auftreibung
entsprechen, lassen sich dagegen wohl ungezwungen auf den
schmerzhaften Druck der Magenblähung beziehen, ein Phänomen,
wie man es auch bei der zu diagnostischen Zwecken erfolgenden
künstlichen Aufblähung des Magens beobachten kann.
Ziehen wir nunmehr das Fazit der bisherigen Dar¬
legungen, so ergibt sich, dass einerseits die für einen
primären mesenterialen Duodenalverschluss notwen¬
digen Kräfte beim Lebenden fehlen, weiterhin hat aber
die klinische Analyse gezeigt, dass auch die Symptome
dieser Erkrankung nicht denen entsprechen, wie man
sie nach den obigen theoretischen Voraussetzungen er¬
warten sollte. Es erhebt sich also die Frage: was liegt
in Wirklichkeit bei den als mesenterialer Duodenal-
erscbluss rubrizierten Fällen vor? — Die Antwort hierauf
ist eigentlich längst gegeben, indem seit Stieda eine Reihe von
1) Aus ähnlichen Erwägungen heraus ist vielleicht auch bei der
Annahme der Entstehung von flydronephrosen durch Kompression seitens
abnorm verlaufender Blutgefässe eine gewisse Vorsicht geboten.
Autoren in dem sogenannten arterio-mesenterialen Duodenal¬
verschluss — allerdings ohne völlig ausreichende Beweisführung —
nichts anderes erblickt haben, als höchstens eine Sonder¬
form der sogenannten akuten Magendilatation; klinisch
und anatomisch überaus gleichartige Krankheitszustände sind —
man kann sagen unterschiedslos — unter diesen beiden differenten
Benennungen beschrieben worden.
Der Begriff der akuten Magendilatation selbst ist ein
nach der klinischen wie experimentellen Seite gut fundierter; das
ihr zugrunde liegende Moment bildet eine, wahrscheinlich in
erster Linie auf dem Nervenwege vermittelte, motorische
Parese bzw. Paralyse dieses Organs.
Die wichtigste Ursache für den Eintritt einer derartigen
Lähmung bildet, wie Braun und Seidel im Anschluss an frühere
Versuche von Kelling überzeugend nachweisen konnten, die
Narkose, also ganz entsprechend der klinischen Aetiologie des
arterio-mesenterialen Duodenalverschlusses. Es verliert nämlich,
wie sich aus den Experimenten jener Autoren ergibt, der Magen
des narkotisierten Hundes die im wachen Zustande vorhandene
Fähigkeit, sich bei künstlicher Aufblähung durch Ructus oder
Erbrechen zu entleeren; man kann ihn bis zum Bersten auf-
bläben, ohne dass dieser Reflex eintritt. Da nun die Durch-
schneidung der Vagi 1 ) sowie eioe hohe — oberhalb des 6. Brust¬
wirbels vorgenommene — Durchtrennung des Rückenmarks einen
ähnlichen Effekt zeitigt, darf man also annehmen, dass das Ver¬
sagen des Brechreflexes in der Narkose auf einer centralen
Lähmuog beruht. Auch beim Menschen tritt, wie die tägliche
Erfahrung des Operationssaales lehrt, in tiefer Narkose eine Auf¬
hebung des Brechreflexes ein. Gewöhnlich wird nun diese
Areflexie mit dem Aufhören der Narkose von einem vorüber¬
gehenden Stadium der gesteigerten Erregbarkeit — Narkosen¬
erbrechen! — abgelöst. „Dann tritt meist Rückkehr der normalen
Magenfanktion ein, oder aber in seltenen Fällen tritt an Stelle
der Erregung das Stadium herabgesetzter Erregbarkeit (Ermüdung)
oder Lähmung des ermüdeten Organs ein. Mit Eintreten dieses
Stadiums sind die Bedingungen für die akute Dilatation beim
Menschen geschaffen.“ (Braun und Seidel.) Tatsächlich fand
Payer in einer grösseren klinischen Untersuchungsreihe, dass
sogar fast regelmässig nach Narkosen eine Atonie des Magens
festzustellen ist, die sich jedoch gewöhnlich innerhalb von 12 bis
24 Stunden wieder zurückzubilden pflegt.
Die eigentliche Dilatation des atonischen Magens selbst kann
natürlich erst bei Gegenwart von Mageninhalt — speziell flüssiger
und gasförmiger Art — zustande kommen. Es braucht sich hier¬
bei nach Braun nnd Seidel mitunter vielleicht nur um eine
vermehrte Magensekretion zu handeln, verursacht „durch eine
gleichzeitige starke Alteration des sekretorischen Apparates“.
Ferner findet bei atonischer Insuffizienz des Pylorus leicht ein
Einströmen von Galle — resp. von Duodenalinhalt überhaupt —
statt. Es genügt unter solchen Umständen aber auch die wieder¬
holte Aufnahme von selbst geringen, unter normalen Umständen
unschädlichen Flüssigkeitsmengen, um hier — infolge der durch
die motorische Paralyse bedingten Anstauung — allmählich zur
Ueberfüllung zu führen. Schwerwiegender sind natürlich direkte
Diätfehler; speziell scheint das Trinken gashaltiger Flüssigkeiten,
wie Selterwasser, Bier u. dergl. eine besonders ominöse Bedeutung
zu besitzen. Dass ein übermässiges Luftschlucken, „Aerophagie“,
im gleichen Sinne wirken kann, ist Bicher; ob man es aber als
alleinige Ursache der hier in Frage stehenden Zustände ansehen
darf — wie es Leriche*) annimmt — mag fraglich sein.
Handelt es sich nm eine vorausgegangene Bauchoperation,
speziell um Eingriffe am Magen resp. seiner Umgebung, so wird
das Zustandekommen der Atonie bekanntlich begünstigt durch
längeres Manipulieren an diesen Organen; das gleiche gilt von
lokalisierten, eventuell auch nur ganz geringgradigen peritoniti-
schen Prozessen, wie sie namentlich nach Operationen an infizierten
Gallenwegen wohl selten ganz ausbleiben.
Gröbere mechanische Momente, wie der Druck eines
Tampons auf das Duodenum (v. Hab er er), Anwesenheit von Ad¬
häsionen, mögen vielleicht ebenfalls gelegentlich eine Bedeutung
für das Zustandekommen der paralytischen Magendilatation be¬
sitzen, leiten aber bereits über za Zuständen, die, streng ge-
1) Hüttner verlor eine wegen Lungenfistel und Pyopneumothorax
operierte Patientin an einer enormen, akuten Dilatation des Magens.
Der Vagus fand sieh bei der Sektion in entzündliche Schwielen ein¬
gebettet. (Chirurgenkongress 1908.)
2) Revue de medeoine, Oktober 1911, und Lyon ohirurgical, 1. März
1914.
2
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 39.
nommen, nicht mehr in dieses Gebiet gehören. Aach hat Ax*
hausen darauf hingewiesen, dass das klinische Bild in
Fällen von wirklicher mechanischer hoher Dünndarm*
Verlegung durchaus nicht dem als akuten mesenterialen
Duodenalverschluss bezeichneten Krankheitsbilde ent¬
spricht 1 ).
Für die Fälle, in denen erschöpfende — zumeist infektiöse — Er¬
krankungen vorausgegangen sind, ist nach dem Vorgänge von B rin ton 2 3 * )
vielleicht eine toxische Schädigung des Centralnervensystems als Ursache
der Magenparalyse anzunehmen.
Die Rolle, welche die Magenmuskulatur primär bei diesen
Zuständen spielt, wird verschieden beurteilt; dass jedenfalls
sekundär bei maximaler Dilatation des Magens leicht eine nach¬
haltige schädliche Ueberdehnung derselben eintreten kann, ist
wohl ohne weiteres anzunehmen. —
Der nächstliegende Einwand gegen eine Identifizierung der
akuten Magenblähung mit dem als arterio-mesenterialem Duodenal¬
verschluss bezeichneten Krankheitszustande wird natürlich der
sein müssen, dass im ersteren Falle die Dilatation nur den
Magen betrifft, während beim sogenannten Mesenterialverschluss
auch das Duodenum an dieser Blähung partizipiert.
Dieser Einwand ist jedoch nur ein scheinbarer. In Wirk¬
lichkeit kommen nämlich zwischen jenen Grenzfällen
alle möglichen Uebergänge vor. So begegnen wir — vgl.
z. B. die bei Kayser gegebene Zusammenstellung — neben autopti-
schen Befunden von annähernd reiner Magenbläbung anderen mit
partieller Beteiligung des Duodenums und schliesslich auch
noch solchen, in denen selbst noch das obere Jejunum 8 ) jenseits
der Mesenterialkreuzung gebläht ist, ohne dass im einzelnen Falle
ein Anhalt für ein grob-mechanisches Passagehindernis zu be¬
stehen braucht.
So fand sich z. B. in einem Falle von Kirch „das Duodenum
stark erweitert, ebenso die oberen Dünndarinabschnitte“; ähnlich
lautete der Befund in einer von Hood mitgeteilten Beobachtung.
Der üebergang von dilatierten zu kollabierten Darmscblingen ist
dabei häufig ein ganz allmählicher, wie es Wiehern in einem
Falle von akuter Magendilatation nach Typhus fand: Die Weite
der Pars descendens duodeni war fast armdick, um dann allmäh¬
lich abzunebmen; „am üebergang der Pars horizontalis inferior
in das Jejunum fehlte jede Einschnürung 11 .
Besonders interessant erscheint in dieser Hinsicht ein von
Kausch mitgeteilter Fall von akuter Magendilatation, wo der
üebergang von geblähtem Duodenum in das Jejunum zwar ein
plötzlicher war, aber gar nicht der Mesenterialkreuzung entsprach,
sondern vielmehr 2—3 cm hinter dieser Stelle gelegen war. Man
nehme nun an, dass dieser kritische Punkt zufällig einige Centi-
meter höher gelegen wäre, und die Versuchung, einen mesen¬
terialen Duodenalverschluss zu konstruieren, würde natürlich recht
nahe liegen.
Im übrigen ist aber doch das gelegentlich konstatierte Auf¬
hören der Blähung des Duodenums au der Mesenterialkreuzung
vielleicht nicht immer ein rein zufälliges. Wenn man nämlich
bedenkt, dass schon nach den Feststellungen der normalen Ana¬
tomie (s. oben) das Duodenum sich an dieser Stelle durch eine
Einschnürung markiert, so wird man sieb vorstellen können, dass
bei fortschreitender paralytischer Dilatation des Zwölffingerdarms
dieser Kreuzungspunkt leicht eine gewisse zeitweise
Etappe darstellen mag. Ich meine also: nicht der Mesen¬
terialdruck bewirkt die Blähung des Zwölffingerdarms,
sondern vielmehr umgekehrt, infolge der Blähung des
oberen Duodenums tritt jene relative Duodenalenge
deutlicher in die Erscheinung. Die im Falle Bäumler
gefundenen oberflächlichen anatomischen Läsionen des Duodenums
liessen sich also ungezwungen durch den Druck des geblähten
Zwölffingerdarms gegen diese relative Barriere erklären, wie dies
auch schon Braun und Seidel angenommen haben.
Leider scheinen Untersuchungen darüber, ob nicht auch bei länger
bestehendem, tiefem Dünndarmileus mit allgemeiner Blähung der oberen
1) Die in Bäumler’s Fall von Zeit zu Zeit beobachteten „schwachen“
peristaltischen Wellen über der Magengegend — in anderen Fällen
wurde meines Wissens ein ähnlicher Befund nicht erhoben — dürften
im übrigen wohl kaum als Ausdruck einer wirklichen Magensteifung
oberhalb eines mechanischen Hindernisses aufzufassen sein.
2) Lectures on diseases of stomach, 1853 (s. speziell S. 245).
3) Klinisch weist auf diese Beteiligung das gelegentliche Auftreten
von fäkulentem Erbrechen hin.
Darmabschnitte ähnliche Veränderungen an der Mesenterialkreuzung Vor¬
kommen, nicht vorzuliegen.
Wenn v. Hab er er gegen die Identifizierung der beiden zur
Diskussion stehenden Krankheitsformen den Einwand geltend macht,
dass „in einer ganzen Reihe von Beobachtungen“ beim mesenterialen
Duodenalverschluss der Magen nicht dilatiert gefunden wurde, so
sind mir selbst derartige Beobachtungen nicht bekannt geworden;
speziell beziehen sich auch die von v. Haberer zitierten Sektions-
befunde von P. A. Albrecht beide auf solche mit hochgradiger
Magenektasie. Im übrigen würde man aber bezüglich dieses Ein-
wandes noch berücksichtigen müssen, dass, wie oben ausgeführt,
das Primäre bei der sog. Magendilatation die Lähmung darstellt,
die Dilatation dagegen in ihren höheren Graden nur als
sekundärer Vorgang aufzufassen ist, bedingt dnreb die Gegenwart
von flüssigem oder gasförmigem Mageninhalt. Wenn es nun gelingt,
diese Inbaltsmassen mit der Sonde zu eotleeren, so kann damit
die Dilatation z. T. beseitigt werden, während die Atonie trotz¬
dem weiter zu bestehen vermag. Es dürfte daher prinzipiell
richtiger sein, jene Erkrankung nicht als akute Dila¬
tation, sondern als Atonie des Magens zu bezeichnen;
für die mit Beteiligung des Zwölffingerdarms einher¬
gehenden Fälle möchte ich dementsprechend den Namen
der Atonia gastro-duodenalis acuta vorschlagen.
Es ist nun vielfach der Versuch gemacht worden, die Theorie
des arterio- mesenterialen Duodenal Verschlusses — wenigstens
partiell — dadurch zu retten, dass man zwar als das primäre
Moment die akute Magenatonie gelten lässt, weiterhin aber an¬
nimmt, dass infolge der zunehmenden Magendilatation der Dünn¬
darm in das kleine Becken gedräDgt wird, die Mesenterialwurzel
sich strafft und somit aus dem vorübergehenden Zustande der
Atonia gastrica der definitive mesenteriale Duodeoalilens sich
entwickelt (Lecene u. a.).
Mir erscheint aber auch diese Auffassung nicht viel für sieb
zu haben; denn wenn wirklich die Mesenterialstraffaog eine
erheblichere, praktisch in Frage kommende Komponente dieses
Krankheitsbildes darstellte, so müsste man auch hier anatomisch
die Zeichen der Strangulation, Störungen der Darmcircnlation
sowie klinisch die Symptome der peritonealen Zerrung sich ent¬
wickeln sehen, wovon aber in Wirklichkeit keine Rede ist. — Dass
dagegen überhaupt mechanische Momente bei hochgradiger Dila¬
tation des Magens komplizierend die Sitnation erschweren können,
soll damit nicht ohne weiteres bestritten werden. So ist es z. B.
sehr wohl möglich, das9 schon der direkte Druck eines maximal
gefüllten Magens auf das Duodenum den Abfluss erschweren kann
(L. Meyer u. a), auch sind Abknickungen des Darmes, die in
ihrer Lokalisation allerdings ein recht variables Verhalten bieten
können, unter diesen Umständen beobachtet resp. angenommen
worden (Kelling u. a.).
Der Versuch ex juvantibus eine Unterscheidung
zwischen der einfachen Magenparalyse und dem sog.
arterio - mesenterialen Duodenalverschluss zu kon¬
struieren darf wohl ebenfalls als missglückt bezeichnet werden.
Man ist dabei von der Voraussetzung ausgegangen, dass es sich
in den Fällen, wo allein die Magenausheberung zum Ziele führt,
um die idiopathische Dilatation handelt, während da, wo erst
mit Anwendung der beschriebenen Lagerungstherapie der kurative
Erfolg eintritt, die Annahme einer mechanischen mesenterialen
Occlusion zu Recht bestehen soll.
Ein zwingender Beweis für die Richtigkeit dieses Unter¬
scheidungsprinzips fehlt indessen.
So kann bei der akuten Magendilatation, wie Borchardt
auf Grund einer autoptisch kontrollierten Beobachtung erfahren
musste, die Entleerung des Magens mittels der Sonde schon ein¬
fach deswegen versagen, weil bei hochgradigster Mageuer Weiterung
der Flüssigkeitsspiegel eventuell so tief liegt, dass ihn ein vom
Munde aus eingeführter Magenschlaucb von gewöhnlicher Länge
nicht mehr erreicht. Andererseits blieb in dem Falle Nicaise,
der auf Grund des Sektionsbefundes als Typus der mesenterialen
Duodenalocclußion gelten könnte, die von dem Patienten spontan
angewandte Knieellenbogenlage ohne jeden Einfluss auf den
weiteren Verlauf. Ueberbaupt wird man ja, worauf schon
Kelling hingewieseD hat, wohl kaum annehmen können, dass
in solchen Fällen der Dünndarm bei der Anwendung der Bauch¬
lage aus dem kleinen Becken „herausrutscht“; bei wirklich
vorhandener starker Ausdehnung des Magens würde der Raum
dazu fehlen. Der Effekt dieser Lageveränderung dürfte vielmehr
oft genug einfach dadurch bedingt sein, dass, wie auch Payer
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vermutet, die Flüssigkeit — deren Spiegel bei maximaler Magen-
bläbung sich weit unter dem Niveau des Pylorus befindet —
infolge der Bauchlage in den Bereich des Magenausgangs ge¬
bracht wird und somit leichter abfiiessen kann. Ein ähnliches
Verhalten mag vielleicht gelegentlich auch hinsichtlich der Lage¬
beziehungen zur Cardia gelten. So berichten Mayo Robson
und Moyniban 1 ) über einen Fall, bei dem sofort nach Ein¬
nahme der Bauchlage copiöses Erbrechen eintrat. Auch etwaige
Knickungen könnten möglicherweise durch einen derartigen Lage-
Wechsel zum Ausgleich gebracht werden. Ausserdem vermag
unter Umständen, wie es z. B. Walzberg beobachtete, schon die
einfache Seitenlage — die doch wohl kaum von entsprechendem
Einfluss auf die Lagerung des Dünndarms im kleinen Becken sein
kann — den gleichen therapeutischen Effekt wie die Bauchlage zu
zeitigen. — Ich möchte schliesslich noch darauf binweisen, dass auch
nach Magenresektionen Billroth II — also unter Verhältnissen, wo
eine Mesenterialkompression des Duodenums jedenfalls unwirksam
bleiben wurde, da dieses supponierte Hindernis bereits mit der
Gastrojejunostomie umgangen wäre — gelegentlich ganz ähnliche
Zustände beobachtet werden, die nur als atoniscbe aufgefasst
werden können, und die ebenfalls durch Anwendung der Bauch-
bzw. Seitenlage sich günstig beeinflussen lassen 2 ).
Die theoretische Seite der Atonia gastro duodenalis acuta
können wir hiermit verlassen, um zum Schlüsse die Frage der
Therapie kurz zu erörtern.
Ganz an erster Stelle steht hierbei die Prophylaxe und
zwar gilt dies besonders für die postoperativen Fälle. Wir wissen
heute, dass zartes Manipulieren am Magendarmtraktus, möglichste
Vermeidung von Eventrationen, Zurückhaltung mit der Einlegung
von Tampons sowie tunlichste Kürze des ganzen Eingriffes und
der Narkose die besten Mittel sind, um der Entwicklung post-
operativer Atonien vorzubeugen. Dass eine allzu ausgiebige ener¬
gische Entleerung des Intestinaltraktus, wie sie früher meist zur
Vorbereitung von Operationen geübt wurde, ebenfalls nach dieser
Richtung hin nicht ohne Gefahr ist, hat namentlich Landau
betont.
Weiterhin ist prinzipiell zu verlangen, dass bei jedem
Operierten — also auch nach nicht-abdominellen Eingriffen —
unbedingt die Magendarmtätigkeit strikte kontrolliert
wird. Eine alte wichtige Regel besteht hierbei darin, dass den
Patienten niemals vor Eintritt bzw. Aufhören des postnarkotiscben
Erbrechens zu trinken erlaubt wird; ist doch nach den genannten
Versuchen von Braun und Seidel anzunehmen, dass bis dahin
der Magen sich in einer kritischen Phase befindet, die bei hinzu¬
tretender Belastung leicht zur Dilatation mit allen ihren Folge¬
erscheinungen führen kann.
Die Notwendigkeit, anfangs immer nur kleine Nahrungs¬
und Flüssigkeitsmengen auf einmal zuzuführen, die Vermeidung
moussierender Getränke ergibt sich aus den gleichen Gesichts¬
punkten.
Ebenso scheint die frühzeitige Anregung der Darmperistaltik
durch Einlegung eines Darmrohres, Clysmata usw. auch den
Tonus des Magens günstig zu beeinflussen.
Ganz in der gleichen Weise sollte aber auch bei internen
Patienten, die durch langwierige infektiöse Erkrankungen an das
Bett gefesselt waren, das Verhalten der motorischen Magen¬
funktion Gegenstand einer besonderen ärztlichen Kontrolle bilden;
es gilt dies namentlich für Typhnsrekonvaleszenten, bei denen
leicht infolge des um diese Zeit meist eintretenden erhöhten
Hungergefühls der geschwächte Magen überlastet wird.
Kommt es trotz Beobachtung dieser Vorsichtsmaassregeln
doch einmal zu einer Stagnation im Magen, worauf in der Regel
eia prolongiertes, namentlich auch galliges Erbrechen hindeutet,
so bildet die frühzeitige Einführung der Magensonde — eventuell
mit nachfolgender Spülung — das souveräne Mittel, um einer
stärkeren Dilatation des Magens im Sinne des sogenannten
Mesenterialverschlasses vorzubeugen; wenigstens sprechen die von
Körte, v. Haberer, sowie auch die an der Küttner’schen
Klinik gewonnenen Erfahrungen durchaus in diesem Sinne.
Irgendeine Gefahr scheint diese Ausheberung mit dem
Schlauche bei regelrechter Ausführung nicht zu besitzen. Selbst
1) Diseases of the stomach, 2. ed., 1904 (p. 389 ff).
2) Ich möchte im übrigen glauben, dass auch der sogenannte Cir¬
culus nach Gastroenterostomien häufig nichts anderes darstellt, als^ eine
akute Magenatonie, wie aus dem guten Erfolge bei frühzeitiger Spülung
und Anwendung der Seiten- oder Bauohlage hervorgeht.
nach Magenresektionen mit Knopfanastomose haben wir ans
niemals gescheut, gegebenenfalls selbst schon vor Ablauf der
ersten 24 Stunden die Sonde einzuführen, ohne schädliche Folgen
hiervon zu sehen.
Die weitere Flüssigkeitszufuhr per os ist dann für einige
Zeit — also in der Regel 12—24 Stunden, eventuell aber auch
noch länger — zu sistieren und mittels subcutaner Infusionen,
Nährklystieren usw. zu ersetzen.
Dass ausser der Sondenbehandlung Lageveränderungen,
speziell die Anwendung der Bauchlage, selbst bei bereits ein¬
getretener Dilatation mitunter — wenn auch keineswegs regel¬
mässig — von eklatantem Nutzen sein können, wurde bereits
oben ausgeführt.
Immerhin darf dieses Verfahren nicht als ganz indifferent
angesehen werden. Wenn man sich vergegenwärtigt, welche
enormen Dimensionen der Magen unter diesen Umständen ge¬
winnen kann, so wird die von Borchardt gemachte Erfahrung,
dass anf diese Weise ein erhöhter Druck auf das Zwerchfell und
damit eine sekundäre Beeinträchtigung der Herztätigkeit eintreten
kann, durchaus begreiflich.
Für denjenigen, der die Vorstellung vertritt, dass bei diesen
Zuständen ein echter, mechanischer Ileus vorliegt, müsste natürlich
das nächstliegende sein, das Hindernis — da man begreiflicher¬
weise nicht das Mesenterium wie einen beliebigen Strang einfach
durchtrennen kannn — durch eine Anastomose zwischen Magen
und Jejunum zu umgehen. Die traurigen Erfolge, welche
derartige Operationen gezeitigt haben, hätten eigent¬
lich allein schon zu einer Ablehnung jener Theorie
führen müssen. In Wirklichkeit wird nämlich durch eine
solche Operation der bereits atonische Magen noch mehr geschwächt,
und ein Funktionieren der Gastroenterostomie ist unter solchen
Verhältnissen ausgeschlossen. Wir wissen ja, namentlich auf
Grund der Versuche von Stieda, dass eine „rein mechanische,
gewissermaassen drainierende Wirkung“ der Gastroenterostomie
keineswegs zukommt, sondern hierzu stets die erhaltene muskuläre
Funktion des Magens die Voraussetzung bildet. — Auch die mehr¬
fach versuchte Anlegung einer Magenfistel hat in diesen Fällen
bisher versagt. Ob vielleicht eine Jejunumfistel mehr nützen
würde, wäre zu erwägen, doch wollen wir die Mahnung
Borchardt’s nicht vergessen, dass es sich nicht darum handelt,
„den richtigen chirurgischen Eingriff zu wählen, sondern durch
frühzeitige Diagnose jeden chirurgischen Eingriff überflüssig zu
machen“.
Zum Schlüsse noch einige Worte über die chronische
Form des sog. arterio-mesenterialen Duodenal Verschlusses.
v. Haberer hat eine intermittierende Form dieses Leidens
bei der Trägerin einer grossen Nabelhernie beobachtet; Bircher
hat kmrz eine Reihe weiterer Fälle mitgeteilt, wobei allerdings
anffällt, dass gleichzeitig eine Hyperacidität bestand, während
zum Bilde der tiefen Duodenalstenose gewöhnlich eine durch
Regurgitation von Galle und Pankreassaft bedingte Anacidität
resp. alkalische Reaktion des Mageninhalts gehört. Bloodgood 1 )
berichtet über mehrere Fälle, bei denen er die Anspannung des
Mesenteriums auf ein Herabsmken des habituell gedehnten Blind¬
darms in das kleine Becken zurückfübrt. Entsprechend dieser
Theorie heilte Verf. dieselben „durch Resektion der rechten Hälfte
des Dickdarms“ (!).
Wer sich jedoch die Mechanik dieser Vorgänge auf Grund
der obigen Darstellung vergegenwärtigt, wird von vornherein
anch der chronischen Form des sog. mesenterialen Duodenal-
Verschlusses mit einer gewissen Skepsis gegenübersteben.
Es gilt dies um so mehr, als z. B. Lane 2 ) und Jordan über
klinisch sonst ganz gleichartige Fälle berichtet haben, in denen
die Erscheinungen von den genannten Autoren — zumal auf
Grund von Röntgenbeobachtungen — nicht auf eine Mesenterial¬
kompression des Duodenums, sondern vielmehr auf eine Abknicknng
an der Flexura duodeno-jejunalis zurückgeführt wurden. Zu einer
endgültigen Beurteilung dieser Verhältnisse reicht indessen das
vorliegende Material vielleicht noch nicht aus.
1) Ref. Centralbl. f. Chir., 1912, S. 1525.
2) Ref. Centralbl. f. Chir., 1911, S. 1075.
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UNIVERSUM OF IOWA
1664
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 89,
Die Behandlung der Colitis gravis mittels
Spülungen von der Appendicostomie aus.
Von
Dr. E. Faid.
(Vortrag gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am 8. Juli 1914.)
M. H. Ich möchte Ihnen an zwei Patienten eine Behand¬
lungsart demonstrieren, die zwar nicht neu ist, die jedoch
seit Jahren in dieser Gesellschaft keine Erwähnung gefunden
hat und, wie ich mich im Gespräch mit geschätzten Kollegen
überzeugt habe, wenig bekannt ist oder, wie mir scheint, nicht
nach Gebühr gewürdigt wird.
Es ist dies die Behandlung des Dickdarms mittels Spülungen
von der Appendicostomie aus.
Hinsichtlich der Technik nur die Bemerkung, dass mein
Vorschlag nach Analogie mit dem Dastre’schen Vorgehen die
Appendix neben der Laparotomiewunde zu einem Troicartstich
herauszuleiten sich als vorteilhaft erwiesen hat.
Bei der Häufigkeit der Appendicectomie ist es von Wert, dass neben
der Appendicostomie eventuell die valvuläre Coecostomie nach Gibson
zur Verfügung steht.
Ein langes, eventuell dauerndes Offenlassen der Fistel
betrachte ich nicht als Ausnahme, sondern als Erfordernis für
ein Dauerresultat.
Dabei sei ausdrücklich und gleich von vornherein vorgehoben,
dass es sich wesentlich um eine interne Behandlung handelt, und
dass der minimale chirurgische Eingriff weiter keinen Zweck
hat als den, eine erfolgreiche interne Behandlung zu gewährleisten.
Diese Methode ist dem Geiste des bekannten amerikanischen Arztes
Weir entsprungen.
Die Indikation zu dem skizzierten Vorgehen wurde in
beiden Fällen gebildet von einer Colitis. Dnd zwar handelte
es sich nicht um den gewöhnlichen Dickdarmkatarrb, die Colitis
mucosa — diese kann nach meiner Ueberzeugung mit dem gewöhn¬
lichen Rüstzeug der internistischen Behandlung in allen Fällen
erfolgreich bekämpft werden, so dass wir denen nicht zu folgen
brauchen, die die Appendicostomie auch bei dieser Erkrankung
einführen wollten.
Vielmehr gehört die Colitis, welche bei den beiden vor¬
gestellten Patienten besteht, einer andern Form an, welcbe wesent¬
lich grössere Schwierigkeiten macht, Schwierigkeiten, welche
schon bei der Definition und Namengebung beginnen. Diese
Krankheit wurde von Herrn Boas zuerst beschrieben, während
wir ihre genaue Schilderung Herrn Rosenheim verdanken, der
sie mit dem Namen Colitis gravis versehen hat, einer indifferenten
Bezeichnung, bei der man -meines Erachtens ruhig bleiben könnte
— andere Bezeichnungen sind Colitis ulcerosa, Colitis granulosa,
Colitis suppurativa u. s. f.
Das Krankheitsbild der Colitis gravis ist demjenigen der
echten Dysenterie ausserordentlich ähnlich; es bestehen Störungen
der Stuhltätigkeit meistens im Sinne einer Diarrhöe, blutige Bei¬
mengungen beim Stuhl, auch wohl isolierte Abgänge einer
blutigen Flüssigkeit, Tenesmen.
Der Krankheitsverlauf ist ausserordentlich wechselnd,
grosse Schmerzen pflegen nicht vorhanden zu sein, dafür ist der
Kräfte- und Gewichtsverfall häufig erschreckend. Die Differen¬
tialdiagnose gründet sich lediglich auf Ausscbliessung anderer
Krankheiten — positive Momente für die Diagnose Colitis
gravis besitzen wir noch nicht, da ihr Erreger und ihr Wesen
noch völlig ungeklärt sind. Einigermaassen typisch ist der all¬
mähliche Beginn des Leidens. Wahrscheinlich werden sich mit der
Zeit verschiedene Krankheitsbilder aus ihm berausscbälen, ähnlich
wie dies hinsichtlich der echten Dysenterie schon geschehen ist.
Auf all diese Punkte gehe ich nicht weiter ein, nachdem
die Colitis gravis erst vor Kurzem ein Hauptthema auf der
Tagung der Magen-, Darm- und Stoffwecbselärzte gebildet hat.
Was aber scharf hervorgehoben zu werden verdient, das
ist die Notwendigkeit einer genauen lokalen Untersuchung
jedes Falles von Colitis mit Blutabgängen, auch dann, wenn
Stuhlverstopfung besteht.
Es ist ja so naheliegend in solchen Fällen einfach zu sagen:
der Mann ist verstopft, natürlich bat er auch Hämorrhoiden.
Bei einem der Fälle, den ich vorstelle, wurden von ärztlicher
Seite auch auf Hämorrhoiden geschlossen.
Das Gegenbeispiel erlebte ich vor nicht langer Zeit bei
einer Frau, die wegen vermeintlicher Colitis gravis monatelang
innerlich behandelt war, während ein einziger Blick ins Rectoskop
zeigte, dass diese Behandlungsart gar keinen Erfolg haben konnte,
da es sich um eine diffuse Polyposis bandelte.
Ich lasse sogleich die Schilderung der Symptome bei
dem ersten Patienten folgen.
Es handelt sich um einen Bl jährigen Sohutzmann, der mich am
15. 11. 12. aufsuobte. Seit längerer Zeit litt er an Obstipation, seit
fast einem Jahr batte er bemerkt, dass Knoten aus dem After austraten
und seit fünf Monaten waren Blutungen aufgetreten; ausserdem litt er
an Tenesmen und Dysurie.
Bei der Aufforderung zu pressen, einer Untersuchungsart, die man
bei Affektionen des unteren Dickdarms stets ausführen sollte, da sie
oft mehr zeigt als Digitalexploration und Skopie zusammen, entleert
sich ziemlich reichlich sanguinolent gefärbte dünne Flüssigkeit. Digital
werden zahlreiche kleine Knötchen festgestellt.
Bei der sogleich angeschlossenen Rectoskopie gelang e9, das
Rectoskop bis zu einer Tiefe von 18 cm einzuführen — allenthalben er¬
blickte man eine stark geschwellte, hochrote eitrig belegte, also
schwer veränderte Schleimhaut — einzelne Geschwüre gelang es
nicht zu entdecken.
Ebensowenig war dies in dem nächsten Fall möglich, wie es denn
überhaupt nicht in jedem Fall verlangt werden darf, besonders, wenn
wie hier, der Eiter offenbar von höher gelegenen Stellen herunterkommt.
Da der Patient, in der Meinung, mit Hämorrhoiden behaftet zu sein,
eine operative Beseitigung seines Leidens wünschte, fiel es mir nicht
weiter schwer, ihn zur Aufnahme in eine Privatklinik zu bewegen, wo
nach weiterer Untersuchung eine Behandlung von der Appendicostomie
in Aussicht genommen war. Bei dieser Untersuchung kam weiter nichts
besonderes zutage, da ich es nicht wagte, bei der höchst vulnerabeln
Beschaffenheit der Schleimhaut die Rectoskopie irgendwie zu forcieren.
Auf ein positives Ergebnis der Wasserraann’schen Reaktion vermag
ich kein grösseres Gewicht zu legen, um so weniger, als die Untersuchung
nur einmal ausgeführt war.
Ende November 1912 wurde nun die Appendixfistel von
Herrn Katzenstein angelegt, nachdem während der Ruhe in der
Klinik eine bemerkenswerte Besserung nicht erreicht war. Maass¬
gebend für die Wahl der Behandlung waren folgenden Erwägungen.
Der Patient war darauf angewiesen, von dem Ertrag seiner
Arbeit zu leben, die Vorteile einer langen fortgesetzten eventuell
zu wiederholenden Ruhe und Schonungsdiät konnten ihm daher
nicht zugute kommen. Auf der andern Seite lehren zahlreiche
Erfahrungen, dass deren Erfolge durchaus nicht sicher sind und
später oft genug von schweren Rückfällen zu Schanden gemacht
werden. Auch ich selbst hatte den Verlust eines derartigen
Falles nach anfänglich ausgezeichnetem Resultat zu beklagen.
Aus diesem Grunde war ich entschlossen, bei all den KrankeD,
die auf meinen Rat hören würden, das appendikuläre Sicherheits¬
ventil zu schaffen um gegebenenfalls eine direkte Einwirkuog
auf den Krankheitsherd aasüben zu können.
Es ist gewiss richtig, dass die grosszügigen Operations¬
methoden der Krankheit viel direkter zu Leibe gehen — so
kann man mittels einer Coecostomie den Dickdarm vor der Be¬
rührung mit den irritierenden Kotmassen schützen; in geeigneten
Fällen mit geringerer Beteiligung des Rectums, wie etwa den
unsrigen, könnte auch eine IleoBigmostomie in Frage kommen,
und endlich wäre auch eine Totalexstirpation des Dickdarms
denkbar. Allein abgesehen von der Schwere all dieser Eingriffe,
bestehen gegen jeden von ihnen Bedenken: die Kotfistel schafft
einen höchst lästigen Zustand, der nur vorübergend ertragen
werden kann — wird sie geschlossen, so droben die Gefahren
des Recidivs; bei der lleosigmostomie wird der Dickdarm in
Wahrheit nicht ausgeschlossen, da ein retrograder Transport
dort durchaus physiologisch ist; die Totalexstirpation endlich ist
an einem entzündeten Darm noch bedenklicher als sonst.
Die Appendicostomie, das möchte ich Ihnen vor allen Dingen
zeigen, ist absolut keine Kotfistel; es ist eine Ventilfistel, aus
der nichts herauskomrot, und die den Patienten durchaus nicht
belästigt, an die er sich mit der Zeit so völlig gewöhnt, dass er
aufhört, ihren Verschluss zu verlangen, welcher übrigens sehr
leicht herzustellen ist.
Ihr Vorzug ist der, eine wirkliche Säuberung des Dickdarms
zu ermöglichen. Eine wirkliche Leerspülung vom After her halte
ich für kaum ausführbar, gegebenenfalls kann aber eine Reinigung
der unteren Dickdarmpartien vom Anus her zuhilfe genommen
werden, besonders dann, wenn es sich um narbige Stenosen handelt
Die zahlreichen Anhänger der Reinspülung des Darmes sollten
dahersich dieses wirksamen und unbedenklichen Hilfsmittels bedienen.
Im Ganzen allerdings wird sehr wenig Gebrauch davon ge¬
macht, und wenn ich mir erlaube, Ihnen zwei derartig behandelte
Fälle vorzustellen, so geschieht es, nachdem ich mich überzeugt
habe, dass dies eine relativ sehr grosse Zahl ist.
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Original from
UMIVERSITY OF IO WA
28. September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1665
Die Wirksamkeit der Durchspülung ist indessen für eine
ganz analoge Krankheit, die Dysenterie, der gegenüber die
Differentaldiagnose gelegentlich sogar recht schwierig sein kann, von
den amerikanischen Aerzten an einem erdrückenden Material
bewiesen worden, so dass einzelne Versager, wie sie in Homburg
erwähnt wurden, mit grosser Wahrscheinlichkeit auf einer Ver¬
nachlässigung der Hauptsache, der regelmässigen lange Zeit hin¬
durch fortgesetzten Spülung, beruhen dürften.
Denn hier kommt es, wie der Fall des vorgestellten Patienten
lehrt, sehr auf den Modus an. So lange er in der Klinik lag,
ging es ihm einigermaassen leidlich, mit einem Gewicht von 127 Pfund
wurde er entlassen. Aber zu Hause versagte die bisherige Be¬
handlung völlig, nachdem es ihm schon in der letzten Zeit vorher
weniger gut gegangen war. Die Stühle gingen unbemerkt ab,
Appetit und Befinden verschlechtern sich dauernd, er konnte das
Bett nicht verlassen und hatte auch Temperatur. Die Frau des
Patienten sowohl wie der Chirurg, welcher die Nachbehandlung
geleitet hatte, betrachteten den Fall für verloren und bezweifelten
die Diagnose. Nunmehr bestand ich darauf, dass die Trocken¬
behandlung des Colons (auch sie zählt ihre Anhänger), welche
bis dabin mit Hilfe von Oel mit Bismuth durchgeführt war, einer
Spülbehandlung Platz machte. Und zwar spülte ich mit der
wässerigen Auflösung eines organischen Kupfersalzes, einem Gemenge
von Natriumcitrat und Kupfersacbarat mit dem Handelsnamen
Beniform, wovon eine Lösung von I : 1000 benutzt wurde. Meine
Erfahrungen mit diesem Präparat sind gut, und ich bin über¬
zeugt, dass es bei entzündlichen Prozessen manchmal mehr leistet
als indifferente Spülungen.
Wie dem auch sei: der Umschwung war ein höchst ein¬
drucksvoller, von dem Tage an (6. II.) ging es aufwärts. Der
Stuhl warde gut, Appetit kehrte wieder; daneben stellten sich
spontane Abgänge von weissem Eiter ein. Wenn ohne Zusatz
gespült wurde (11. III.), wurde eine Zunahme der Eiterung ver¬
zeichnet. Die Stühle waren noch blutig, bis im Juni auch dieses
Symptom verschwand — es bestand nur noch etwas Stuhldrang
und feuchte Flatus. Das Gewicht war auf 142 Pfund gestiegen,
und vom 15. VI. 12 tat er ohne Unterbrechung Dienst.
Der rectoskopische Befund hielt durchaus nicht Sehritt
mit diesen Fortschritten; am 23. 6. war die Schleimhaut noch
immer hochrot, bei 15 cm erschien Eiter, weiteres Vordringen
bewirkte Schmerzen und einen Eiterstrom. Am 8. VII. stellte der
Patient sich völlig schmerzfrei vor, weniger Eiter und Blut gingen
ab, der Stuhl nach der Spülung (es wurden deren stets zwei
pro die gemacht) oder spontan war normal.
Rectoskopisch dagegen gleicher Befund.
Die Krankheit hatte ihren wetterwendischen Charakter
insofern nicht völlig verloren, als während der kalten Jahreszeit
Verschlimmerungen binzutraten, die sich aber innerhalb enger
Grenzen hielten.
Der Kranke tat seinen Dienst — ich sah ihn nicht, sondern
er Hess nur von Zeit zu Zeit sein Beniform bei mir abholen,
bis er sieb auf Aufforderung am 1. V. dieses Jahres vorstellte
mit einem Gewicht von 144 Pfund und diesmal einem gebesserten
rectoskopischen Befund: nirgends Geschwüre, nirgends Eiter oder
Blut — seine Spülungen machte er mittlerweile mit Kamillentee
alle Woche oder noch seltener. Die durch die Verschiebung
seiner Mitteilung verstrichenen Monate hat er benutzt, um weitere
3 Pfund anzusetzen. Dass es sich hier um ein einfaches post
hoc handelt, wird niemand glauben, der den Patienten wiederholt
zu sehen Gelegenheit hatte. Ausserdem widerspricht dem der
ruhige fortschreitende Gang der Besserung — von Heilung zu
reden halte ich allerdings für zu kühn —, aus diesem Grunde
bin ich auch der Ansicht, dass man nicht das Recht bat, mit
den Spülungen aufzubören oder gar die Fistel zu sch Hessen.
Ganz kurz möchte ich Ihnen noch einen zweiten Fall vor¬
zeigen, dessen Behandlung aber noch nicht abgeschlossen ist.
Es handelt sioh um eine 38 jährige Frau, die am 2. V. 1913 folgende
Angaben maohte: Seit fünf Vierteljahren bestanden Blutabgänge aus dem
Darm, seit einiger Zeit auch Schleimabgänge, der Stuhlgang erfolgte
niemals spontan; nur durch Klystier. Sie hatte an Gewicht stark ab¬
genommen und war nicht imstande, selbst ihren Haushalt zu führen.
11 Jahre vorher hatte sie die Exstirpation eines Ovariums durchgemacht.
Die digitale Untersuchung ergab kleine Knötchen im Rectum, das
Rectoskop zeigte besonders oberhalb von 10 cm Blut und Eiter.
Nachdem die Operation am 11. IX. 1913 ebenfalls von Katzenstein
ausgeführt war, wurden zweimal täglich Spülungen mit der gleichen
Lösung vorgenommen mit dem Effekt, dass die subjektiven Erscheinungen
stark gebessert wurden, die Patientin versieht dauernd ihre Wirtschaft
selber, hatte anfangs gelegentlich, jetzt sogar alltäglich spontane Stuhle.
Blut- und Eiterabgänge erfolgen seltener, wenn sie sich auch von Zeit zu
Zeit bemerkbar machen; seit dem letztenmal sind ihrer Angabe nach sechs
Wochen verstrichen. Da der Heilungsprozess bei ihr mit starker Neigung
zur Narbenbildung einhergeht, muss diese Patientin ihre Spülungen
auch durch den Darm besorgen; ausserdem wird das Rectum regelmässig
bougiert, anfangs häufiger, jetzt noch allwöchentlich.
Rectoskopisch ist der Befund im wesentlichen unverändert
— noch immer sieht man etwas oberhalb von 10 cm einen Eiterstrom in
das Gesichtsfeld einschiessen. Eine wesentliche Gewichtszunahme ist
bei dieser Patientin nicht zu verzeichnen, aber immerhin ein Gewichts-
Stillstand.
Wie gesagt, betrachte ich die Behandlung als nooh nicht
entfernt beendet und erwarte auf Grund der Erfahrungen in dem vorigen
Fall weitere, schliesslich vielleicht sogar im Rectoskop zu konstatierende
Fortschritte. Das wesentliche Resultat der Behandlung jedoch besteht
weder im rectoskopischen Befund noch sogar in der Wiederherstellung
der Arbeitsfähigkeit und der Abnahme resp. dem Verschwinden der sub¬
jektiven Symptome, sondern in der relativen Sicherheit davor, dass
keine plötzliche Wendung zum Schlimmen eintreten wird.
Zusammenfassung.
Demonstration eines geheilten Falles von blutig-eitriger Colitis
und eines sehr weitgehend gebesserten Falles, dessen Behandlung
noch fortgesetzt wird.
Im Gegensatz zu den chirurgischen Behandlungsmethoden
stellt die Appendicostoroie einen sehr geringfügigen Eingriff dar,
der anders als die Kotfisteln einen durchaus haltbaren Zustand
schafft; die Appendixfistel kann übrigens leicht geschlossen
werden.
Ihr Zweck ist der, eine erfolgreiche Spülbehandlung zu er¬
möglichen.
Als Spülflüssigkeit bewährte sich ein Kupfersacbaratpräparat,
das sogenannte Beniform. Die Spülbehandlung muss viele Monate
lang durchgefüfart werden, gegebenenfalls bei Neigung zur Stenosen¬
bildung kombiniert mit rectalen Spülungen und Bougierung.
Die gewählte Behandlungsweise gewährt im Gegensatz zu der
üblichen Form der internen Behandlung eine erhebliche Sicher¬
heit gegen das Eintreten überraschender Verschlimmerungen mit
profusen Abgängen, Uebergreifen anf die tieferen Schichten und
Intoxikation, die oft unaufhaltsam zum Tode führen würden 1 ).
Der Kriegssanitätsdienst in Berlin.
Von
Generaloberarzt Dr. Brettner.
I.
Die Berliner klinische Wochenschrift Nr. 39 vom
26. September 1870 brachte den ersten Bericht über Gliederung
des Kriegssanitätsdienstes in Berlin, dem sich weitere Veröffent¬
lichungen über Einrichtung und Tätigkeit der Lazarette, über
praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Beobachtungen an¬
schlossen. Jetzt ist es zeitgemäss, den dringenden Wünschen der
Aerztewelt in gleicher Weise zu entsprechen.
An Stelle der früheren Heere sind Armeen von Millionenzahl
getreten. Wie auf allen Gebieten des modernen Staatslebens
Einzelkräfte vor der Zersplitterung bewahrt werden, indem sie
durch den Zwang besserer Einsicht sich zum Ganzen, im Kleinen
und Grossen, fügen, so ist es auch im Bereich unserer kriegs¬
ärztlichen Organisation geschehen.
Das Bild, welches in der Berliner klinischen Wochenschrift
gegeben ist, lässt in kennzeichnender Weise die Fehler der ärzt¬
lichen Vorbereitung für die früheren Kriege erkennen. Im Jahre
1866 war für Berlin eine Immediat-Lazarettkommission
instituiert. Die revidierenden Mitglieder dieser Kommission
entfalteten je nach ihrem Spezialfacbe ihre Tätigkeit, so dass der
Geheime Regiernngsrat Esse sein Augenmerk lediglich auf
Lazaretteinricbtungen richtete, dass der Geh. Ober-Medizinalrat
Prof. Dr. Frerichs seine Aufmerksamkeit den inneren Krank¬
heiten, der Behandlung und Verhütung zur Weiterverbreitung von
Epidemien, wie Typhus, Cholera, Dysenterie zuwendete, dass Prof.
Dr. Esmarch seine Aufmerksamkeit und Tätigkeit vorzugsweise
auf die chirurgischen Krankheitsfälle resp. die Belehrung der
Aerzte über Behandlung der Wunden und Ausführung von Ope¬
rationen richtete, während der Generalarzt der Marine Dr. Stein-
1) Anmerkung bei der Korrektur (18. IX.): Die erwartete weitere
Besserung bei der Patientin ist tatsächlich eingetreten. Dem ersten
Patienten geht es fortgesetzt gut.
3
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Original fro-m
UNIVERSIT7 OF IOWA
1666
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 39.
berg den militärärztlichen und sanitätspolizeilichen Standpunkt
vertrat.“
Da diese Vielköpfigkeit zu erheblichen Reibungen und Dienst¬
störungen infolge des Ineinandergreifens der einzelnen Gebiete
geführt hatte, wurde 1870 unter dem Generalstabsarzt der Armee
eine General-Lazarett-Direktion für Berlin und Charlotten-
burg gebildet, bestehend aus dem Marinegeneralarzt Dr. Stein-
berg und dem Ober-Lazarettinspektor Fetter. Ihnen lag die
Einrichtung und Beaufsichtigung der staatlichen Reservelazarette,
der Vereinslazarette und Privatpflegestätten ob. Zunächst wurden
auf dem Tempelhofer Felde 15 Baracken zur Isolierung der
Schwerverwundeten, Pyämischen, Brandigen usw. erbaut und im
Anschluss an sie 20 Baracken seitens der Stadt errichtet, an
welche sich weitere 15 Baracken des Berliner Hilfsvereins
anschlossen, so dass im ganzen 50 Baracken auf dem Tempel¬
hofer Felde für Schwerverwundete in Angriff genommen wurden.
Ad Stelle der General-Lazarett-Direktion ist jetzt der stell¬
vertretende Korpsarzt des Gardekorps mit fünf Generaloberärzten
als Reservelazarettdirektoren getreten.
Sämtliche Herren waren bereits ausser Dienst und sind wieder
in die Armee eingetreten.
Als Chefärzte der Reservelazarette sind Oberstabs- und Stabs¬
ärzte a. D., die früher aktiv waren oder der Reserve angehört
hatten, als aktive Sanitätsoffiziere angestellt.
Als behandelnde Aerzte versehen Zivilärzte, die entweder
ganz militärfrei oder landsturmpflichtig sind, den Dienst gegen
vertragsmässiges Tagegeld von 15 M.; jedem Arzt sind durch¬
schnittlich 60—80 Betten zugeteilt. Ausserdem beteiligen sich
an der Behandlung Aerzte, die der Wunsch, für die Armee tätig
zu sein, und das wissenschaftliche Interesse in das Lazarett führt.
Eine grosse Zahl von Reservelazaretten ist eingerichtet.
Ferner haben sämtliche Krankenhäuser und andere Heil¬
anstalten eine bedeutende Anzahl Betten mit Soldaten belegt.
Die im Frieden zeitweise überfüllten Häuser haben jetzt reichlich
Platz, da der grösste Teil der männlichen Bevölkernng zum
Heeresdienst eingezogen ist. Diesen Krankenstätten reihen sich
zahlreiche nen eingerichtete Vereins- and Privatlazarette an.
II.
Reservelazarett Brauerei Königstadt.
Die Fertigstellung des Lazaretts mit 149 Betten war für den
1. September vorgesehen. In Rücksicht auf den schnellen Beginn
der kriegerischen Operationen, schon vor Beendigung des Auf¬
marsches der Armeen, sind die Bauarbeiten beschleunigt worden,
so dass am 23. August, dem 22. Mobilmachuogstage, 130 Betten
zur sofortigen Belegung bereit standen.
Die ersten Verwundeten und Kranken trafen am 24. August,
abends, ein nach Räumung des Garnisonlazaretts All enstein,
unter ihnen zahlreiche Friedenskranke, im ganzen 128 Mann.
Die Stätten der Musik und des Tanzes sind umgewandelt
zum Lazarett, in welchem trotz Leid und Schmerz, trotz Wunden
und Krankheit das Gepräge der Behaglichkeit geblieben ist. Die
vorderen Eingänge sind geschlossen. Durch die Auffahrt zum
Brauereihof gelangt man zur Eingangstür, an welcher ein Polizei-
Unteroffizier im Ordonnanzanzug, ein stattlicher früherer Garde
du Corps, von Beruf Versicherungsbeamter, seines Dienstes waltet,
Ein- und Ausgang überwacht. Zu ebener Erde liegt das Zimmer
für die beiden sich ablösenden Unteroffiziere. Zar anderen Seite
eine halbe Treppe tiefer liegen die Stuben der 14 Ersatzreserve¬
krankenwärter. Es sind Leute, die wegen massiger Körper-
entwickluDg oder wegen Fehler nicht felddienstfäbig sind, ln
14 tägiger Ausbildung sind sie äusserlich zu Soldaten umgebildet.
Sie gehören den verschiedenartigsten Berufszweigen an (1 Ver¬
sicherungsbeamter, 1 Handlungsgehilfe, 3 Maler, 1 Maurer,
1 Schmied, 1 Buchdrucker, 1 Schlosser, 1 Kutscher, 1 Weichen¬
steller, 1 Laboratoriumdiener, 1 Hausdiener, 1 Arbeiter). In täg¬
licher Unterrichtsstunde and am Krankenbett werden sie von den
Aerzten und dem aufsichtsführenden Sanitätsfeldwebel in der
Krankenpflege ausgebildet. Wir treten in den Saal. Wohltuende
Ruhe herrscht in dem luftigen, hohen Raum. In 6 Reihen stehen
90 Betten, in denen Verwundete ermüdet von dreitägiger Fahrt
ausruhen, oder freie Betten, wohl geordnet von Leichtverwundeten
und Genesenden.
Weichteilwunden durch Gewehrschüsse heilen in etwa zehn
Tagen, ebenso leicht Schrapnell- und Granat Verletzungen; leichte
Knochenbrüche durch Gewehrschüsse in etwa 4 Wochen. Bei
der Verwundung werden Schmerzen nicht empfanden, es entsteht
nur das Gefühl eines Schlages, welcher in der Erregung des Ge¬
fechts oft gar nicht beachtet wird, so dass der Verletzte erst
durch das rot sickernde Blut auf die Verwundung aufmerksam
wird. Unter etwa hundert Verbänden, die auf dem Trnppen-
oder Hauptverbandplatz angelegt sind, befindet sich einer, unter
dem Entzündung entstanden ist, die in ganz vereinzelten Fällen
Fieber veranlasst hat. Allgemeine Infektionen und Wandkrank¬
heiten sind nicht vorgekommen.
Ohne Uebertreibung, in sachlicher Ruhe erzählen die Einzelnen
anschaulich ihre Gefechtserlebnisse, sie erzählen, wie sie lange
in Schützengräben gelegen, sich dann unter der kleinsten Deckung
vorgeschoben haben oder sprungweise vorgegangen sind und im
letzten freien Anlauf mit aufgepflanztem Seitengewehr den Gegner
geworfen haben, oder wie sie, im Nacbtgefecbt verwundet, sich
im Keller versteckten und erst bei Rückkehr der siegreichen
eigenen Truppe sieb bervorgewagt haben. Alle Anstrengungen,
alle Leiden, Hanger, Durst und Hitze gehören der Vergangenheit
an, nur ein Wunsch herrscht bei allen: Geheilt zur Front!
Ein Sanitätsfeldwebel, ein Sanitätsgefreiter, 14 Militärkranken¬
wärter, 4 Zivilkrankenpfleger, 5 Schwestern vom Märkischen Haus
für Krankenpflege, vorübergehend unterstützt von Helferinnen,
unter denen jeder Unterschied von Stand und Bernf geschwunden
ist. Durch das deutsche Pflichtbewusstsein ist es in kurzer Zeit
möglich gewesen, ans dem mannigfaltigen Personal eine Arbeits¬
gemeinschaft zu bilden.
Vier behandelnde Aerzte sind angestellt.
Im Tag68raum oder im Garten versammeln sich die
Kranken, um Scbafskopf und Skat, Mühle, Dame oder Schach
zu spielen. Die Zeitungen liefern als Liebesgaben ihre Blätter.
Eine Bücherei von 930 Bänden ist von den Umwohnenden ge¬
stiftet. In Anerkennung des guten Willens sind verstaubte Zeit¬
schriften, Mord- und Totschlagromane sowie Lieder nach dem
Takte der englischen Heilsarmee mit Dank angenommen und
ad acta gelegt.
Am Ende des Saales befindet sich eine geräumige Garderobe,
deren Haken den Montierungsstücken dienen und anf deren Tische
Tausende spitzkngeliger Patronen friedlich rnhen.
Im Baderaum, früher Damentoilette, stehen fünf Warmen
mit Dusche neuester Einrichtung.
Als abends 9 Uhr das gesamte Garnisonlazarett Allenstein
eintraf, fand eine Massenwäsche statt. Fünf Mann wuschen sich
zu gleicher Zeit innerhalb fünf Minuten in einer Wanne. Neue
Füllung der Wannen. In einer halben Stunde lagen sämtliche
Kranken im Bett, erhielten Suppe und Brot und schliefen um
10 Uhr den wohlverdienten Schlaf.
Wir machen Kehrt. Die grosse Bühne ist mit Liebesgaben
der umliegenden Gärtnereien und der Stammgäste der Königstadt-
Brauerei in einen Garten verwandelt. Efeuwände bilden den
Hintergrund zur Büste des Kaisers, den englische Zeitungen als
Friedensstörer Europas nach Elba und St. Helena versetzen wollen.
An der Südseite des Saales treten wir durch einen neuein¬
gebauten Windfang in den Tageraum, wo an Schänktischen Mittag-
und Abendmahlzeiten verteilt werden. Dort lagen zeitweise Kuchen¬
stapel, Aepfel und Birnen aus Laubenkolonien, die jeder Süd¬
fruchthandlung in der Friedricbstrasse Ehre machen würden, Zigarren
guter Sorte, Batterien von Wein, die nur bei unzweckmässiger Be¬
dienung tödliche Wirkung entfalten. Selbst Kaviar fehlt nicht.
Während ich schreibe, spielen Musiker des 4. Garde-Regi¬
ments z. F. im Garten. An den Tischen sitzen die Verwundeten
im Kreise ihrer Angehörigen, die Liebeszigarre rauchend. Ein
Landwebrmann trägt seinen Jungen auf dem Arm. Frieden im Krieg.
Ob sie das zweite Mal auch wieder als Leichtverwundete
zurückkehren werden?
Von hier geht es ins Geschäftszimmer. Der Oberinspektor —-
Amtsgerichtssekretär — hat schnell gelernt, seine Stellung aus-
zufüilen — ebenso der Inspektor, Inhaber eines optischen Ge¬
schäftes; ein freiwilliges Schreibfräulein tippt Maschine, eine
Dame klebt Deckblätter in die Kriegssanitätsordnung.
Nächste Tür. — Leider hat der Baumeister des Vergnügongs-
lokals den notwendigen langen Seitenflur nicht vorgesehen —
Chefarztzimmer.
Daneben liegt der mit Linoleum belegte, allen neuzeitlichen
Anforderungen entsprechende Operati-onssaal.
Im Anschluss daran das Zimmer des wachthabenden Arztes.
In dem Ausgangsflur ist ein Abschlag für Verband Vorräte
angebracht, und ausserdem durch eine Abschlagwand ein Zimmer
für den Sanitätsfeldwebel hergestellt.
Zwei offene Gartenhallen sind durch Wände geschlossen, mit
Oefen versehen, für 16 bzw. 18 Betten eingerichtet. An der
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UNIVERSUM OF IOWA
28.-September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1667
Strasse ist eine winterfeste, beheizte typische Kriegsbaracke für
BO Betten erbaut.
Die ganze Verpflegung ist vertragsmftssig dem Oekonom des
Vergnügungslokals übertragen.
Nur eins fehlt zurzeit in Berlin: Die Verwundeten, da die
Etappenwege noch anderweitig besetzt sind. Eine sehr grosse
Anzahl Betten stehen leer. Die Sanitätseinrichtungen stehen in
Bereitschaftsstellung.
Aber besser der wartende Ueberfloss, als der Mangel ärzt~
licher Vorbereitung bei plötzlichem Andrang.
Weitere Mitteilungen folgen.
Aus der Kgl. chirurgischen Klinik der Universität
Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Küttner).
Der gegenwärtige Stand der Blutgefäss¬
chirurgie.
Sammelreferat.
Von
Dr. Ernst Jeger, Assistent der Klinik.
(Schluss.)
Die Transplantation mit Hilfe der Gefässnaht wurde zu Anfang
dieses Vortrages mit einigen Worten gestreift, und es wurde darauf
hingewiesen, dass die Hoffnungen, die praktische Chirurgie durch erfolg¬
reiche homoioplastisohe Transplantationen weiter zu bringen, sich nicht
erfüllt haben. Es mag jedoch darauf hingewiesen sein, dass kein Grund
besteht, die Hoffnungen aufzugeben, in dieser Beziehung mit der Zeit
weiter zu kommen. Lehren uns doch die ausgezeichneten Untersuchungen
zahlreicher Forscher, von denen nur Born, Loeb und Addison, Harri-
son. Braus u. a. genannt sein mögen, dass homoio- und selbst hetero¬
plastische Transplantationen bei niedriger stehenden Tieren keineswegs
unmöglich sind, dass ihr Misslingen bei höheren Tieren somit nicht in
der Natur der Lebewesen an sich begründet ist. Auch haben experi¬
mentelle Untersuchungen, wie auch klinische Beobachtungen von Schöne,
Leier u. a. gezeigt, dass auch bei höher stehenden Individuen homoio-
plastische Transplantationen um so später zu Misserfolgen führen, je
näher die betreffenden Individuen miteinander verwandt sind. Es ist
infolgedessen durchaus berechtigt, das Studium der Transplantations¬
methoden mit unvermindertem Eifer fortzusetzen, um so mehr, als diese
Methoden bislang keineswegs genügend ausgebildet sind, um ein er¬
folgreiches Experimentieren mit Hilfe derselben zu gestatten. Wenn
man die ungeheuren Schwierigkeiten bedenkt, die derartigen Operationen
entgegenstehen, so kann es nicht wundernehmen, dass selbst in den
Händen der allerbesten Experimentatoren die guten Resultate nur sehe
spärlich sind. Diese Schwierigkeiten bestehen zunächt einmal darin, dass
jedes transplantierte Organ durch Durchtrenuung seiner Nerven immer
unter abnormen Bedingungen steht; allerdings geht aus den Versuchen
verschiedener Experimentatoren, denen sich neuerdings Lobbenhofer
»geschlossen hat, hervor, dass parenchymatöse Organe nach kompletter
Durchtrennung ihrer Nervenverbindungen immer noch funktionieren
können. Fernerhin ist bei Ausführung solcher Operationen eine rasche
Wiederherstellung der ursprünglichen Emährungsbedingungen sehr schwer.
Fügt man hinzu, dass diese Operationen die denkbar schwierigsten tech¬
nischen Aufgaben darstellen, dass eine Unterbrechung der Zirkulation,
eine Abkühlung der Organe nicht zu vermeiden ist, dass viele dieser
Operationen nooh komplizierte Nebenoperationen, z. B. die Nierentrans¬
plantation die Uretereinpfianzung erfordern, so kann man sieb von der
ungeheuren Schwierigkeit einer solchen Operation ein Bild machen.
Man hat, wie schon oben besprochen, Auto-, Homoio- und Hetero¬
transplantationen von Organen versucht. Bei Autotransplantationen hat
man die Reimplantatioo des betreffenden Organes an Ort und Stelle
oder die Transplantation an einen anderen Körperteil zu unterscheiden,
lieber die Methoden kann hier nur wenig gesagt werden. Die Trans¬
plantation der Nieren wurde zuerst von Ullmann im Jahre 1902 aus*
geführt. Weiterhin haben von Decastello, Einer, Charles Beck,
Floresco und schliesslich Carrel und Guthrie, ferner Stich, Unger,
Borst und Enderlen, Villard und Tavernier, sowie Zaaijer
solche Versuche ausgeführt. Die Methoden bestanden im wesentlichen
darin, dass die Niere entweder an die Halsgefässe, also Arteria carotis
und Vena jugularis angeschlossen wurde oder dass die Reimplantation
durch einfache Wiedervernähung der durchschnittenen Arteria und Vena
renalis an Ort und Stelle stattfand, ferner durch Anschluss an die Vasa
iiiaca, an die Milzgefässe und schliesslich nach dem Prinzip der oben
besprochenen Transplantation eu masse.
Die weitaus besten Erfolge auf diesem Gebiet hat Carrel zu ver¬
zeichnen. Es gelang ihm, wie auch später Villard und Tavernier,
Unger, sowie Zaaijer, Tiere mit exstirpierten und reimplantierten
Nieren so lange Zeit am Leben zu erhalten, dass an der technischen
Ausführbarkeit der Operation kein Zweifel möglich sein kann. Homoio-
plastische Transplantationen sind hingegen nie gelungen, wohl aber trat
w einzelnen Fällen die Degeneration der homoioplastisch implantierten
Nieren so spät auf, dass ein Dauerresultat vorgetäa9cht wurde. Auf
diese Fälle ist das ungeheure Aufsehen, das die Carrel’schen Unter¬
suchungen seinerzeit in Aerzte-, wie in Laienkreisen gemacht haben, in
erster Linie zurückzuführen. Versuche der Transplantation der Nieren¬
vene an andere Stellen der Vena cava, um im Falle einer Obliteration
der Vena oava infolge von Zerreissung oder Thrombose die Funktion
der betreffenden Niere retten zu können, habe ich in Gemeinschaft mit
Wilhelm Israel ausgeführt und konnte mich überzeugen, dass die
Tiere, denen beide Nierenvenen in dieser Weise transplantiert oder
denen eine Nierenvene transplantiert und die andere Niere vollständig
exstirpiert worden war, dauernd am Leben bleiben konnten, dass ihre
Nieren absolut normal funktionierten, und die schliesslichen autoptisohen
Untersuchungen ergaben (bis zu 400 Tagen post operationem) normale
anatomische Verhältnisse an den Nieren.
Homoioplastische Transplantationen der Nebennieren nach dem
Prinzip der Transplantation en masse wurden von Garrel und Guthrie
versucht, jedoch ohne Erfolg.
Die Schwierigkeit der Schilddrüsentransplantation besteht darin,
dass eine Naht der ausserordentlich feinen Venen technisch fast unmög¬
lich ist. Trotzdem gelang es Stich, ferner Borst und Enderlen,
solche mit Erfolg auszufübren, und Stich konnte das normale Funktio¬
nieren der mit Hilfe der Gefässnaht reimplantierten Schilddrüse in der
Weise nachweisen, dass er einem Tier die eine Schilddrüsenhälfte ex-
stirpierte, die andere reimplantierte. Das Tier befand sich naoh der
Operation vollkommen wohl und zeigte keinerlei Erscheinungen von
Tetanie. Als er jedoch nach längerer Zeit die reimplantierte Schild¬
drüsenhälfte exstirpierte, ging das Tier rasch unter den Erscheinungen
einer typischen Tetanie zugrunde.
Fernerhin sind auch noch die Ovarien, ferner das Herz und der
Darm homoioplastisch mit Hilfe der Gefässnaht transplantiert worden,
sämtlich natürlich ohne dauernden Erfolg. Reimplantationen ganzer
Gliedmaassen sind von Carrel und Guthrie wiederholt versucht
worden und sind technisch unzweifelhaft möglich, doch hatten diese Ex¬
perimentatoren durch Wundkomplikationen verschiedener Art schliess¬
lich immer Misserfolge; dagegen berichtet Jianu neuerdings über die
erfolgreiche Reimplantation eines Beines bei einem Hund.
Noch wenig ist bisher über die autoplastischen und homoioplasti-
schen Transplantationen der Milz gearbeitet worden, trotzdem in dieser
Beziehung sicher wichtige Resultate io bezug auf Blutbildung usw. zu
erzielen wären. Die Versuche Guthrie’s, Kopf und Hals eines Tieres
auf ein zweites zu implantieren, wurden oben schon kurz erwähnt.
Wir kommen nun schliesslich zu dem wichtigsten Teil meines Vor¬
trages, nämlich zur Verwendung der Gefässnaht in der klinischen Chirurgie.
In rein praktischer Beziehung besteht das wichtigste Resultat der
Gefässnaht bislang darin, dass sie es möglich gemacht hat, verletzte
Gefässe durch Naht zu erhalten, statt sie wie früher durch Ligatur zer¬
stören zu müssen. Wie gross die Bedeutung dieses Fortschritts ist, geht
gerade aus einigen neuesten Untersuchungen, z. B. von v. Frisch, her¬
vor, der nachweisen konnte, dass auch die Ligatur selbst kleiner
Arterien, welche man früher ziemlich unbedenklich gemacht hat, doch
nachträglich zu schwerwiegenden Störungen Veranlassung geben kann.
Heute ist die Gefässnaht in der praktischen Chirurgie so allgemein ver¬
breitet, dass Schmieden vor kurzem in dieser Beziehung mit Recht
den Grundsatz aufstellen konnte:
„Jede Unterbindung eines für das Leben oder für die Erhaltung
eines Gliedes unentbehrlichen Blutgefässes muss als Kunstfehler be¬
zeichnet werden, sobald die technische Möglichkeit vorliegt, den durch
Verletzung oder Erkrankung entstandenen Defekt, durch die seitliche
oder circulare Naht oder ein gleichwertiges Verfahren zu schliessen und
dadurch den Blutkreislauf wieder herzustellen.**
Es ist dementsprechend im Laufe der letzten Jahre eine sehr grosse
Zahl von Blutgefässnähten nach Verletzungen ausgeführt worden. Schon
1900 konnte Dörfler über 9 erfolgreiche Arteriennähte am Menschen
berichten. Eine Gefässtransplantation am Menschen hat als erster Leier
im Jahre 1907 ausgeführt.
Man geht in der praktischen Chirurgie im allgemeinen so vor, dass
man das verloren gegangene Stück einer Arterie durch eine demselben
Individuum entnommene entbehrliche Vene (im allgemeinen die Vena
saphena) ersetzt. Doch wurden gelegentlich auch homoioplastisch trans¬
plantierte Gefässe verwendet, so z. B. von Doyen und von Del bet.
Verf. hat zuerst in Gemeinschaft mit Israel darauf hingewiesen, dass
es möglich ist, den deletären Folgen der Zerstörung eines grösseren Blut¬
gefässes dadurch zu begegnen, dass mau den Defekt durch ein viel
kleineres Blutgefäss ausfülit. So gelang es uns, resezierte Stücke der
Vena cava inferior durch Stücke der Vena jugularis externa desselben
Tieres erfolgreich zu ersetzen, wodurch natürlich der Blutstrom wenig¬
stens soweit wiederhergestellt wurde, dass es zu keiner übermässigen
Stauung in der unteren Körperhälfte kam. Es ist klar, dass dies eine
wesentliche Vereinfachung bedeutet, da natürlich bei Verletzungen
grosser Gefässe, z. B. der Aorta oder der Vena oava, ein gleichwertiges
Ersatzmaterial nicht ohne weiteres zur Verfügung steht.
Ueber erfolgreiche Näbte der Arteria pulmonalis berichten v- Eisels-
berg und Martin. Braun gelang es, bei der Exstirpation eines
Ganglioneuro ms, das die Resektion eines Stückes der Aorta abdominalis
notwendig machte, die Kontinuität durch End-zu-Endnaht nach Carrel
wiederherzustellen. Die seitliche Naht der Hohlvene, wie auch der
Vena portae, ist wiederholt mit Erfolg ausgeführt worden.
( Sehr interessant ist eine neuerdings von Burdeuko publizierte
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 39.
Operation, der die durchschnittene Vena cava in die Vena portae End-
zu-Seit zu implantieren versuchte, um auf diese Weise das Blut durch
die Vena portae und die Leber zum Herzen zurückzu leiten. Diese Ope¬
ration endete tödlich, da Burdenko zwecks Ausführung der Operation
die Vena portae längere Zeit komprimierte, ein Vorgehen, das, wie aus
den Untersuchungen zahlreicher Autoren hervorgeht, schon nach relativ
kurzer Zeit zum Tode führt. Es wäre vielleicht nicht ausgeschlossen
gewesen, dass Burdenko seine Operation mit Erfolg hätte ausführen
können, wenn er sich der vom Verf. angegebenen Methode zur Aus¬
führung von Seit-zu-Seitanastomosen ohne Unterbrechung des Blutstroms
in der Vena portae bedient haben würde.
Die Statistiken über die Blutgefässnähte am Menschen lauten bis¬
lang nicht sonderlich günstig, um so mehr, als der Verdacht aus¬
gesprochen werden muss, dass viele von den angeblich gelungenen Ge-
fässnahten in Wirklichkeit Misserfolge waren. Man hört und liest immer
wieder von angeblich gelungenen Gelässnähten, bei denen der Puls in
den peripheren Arterien sich schon „bald naoh der Operation wieder
hergestellt und binnen wenigen Tagen die alte Höhe erreicht habe“.
Es erscheint unter diesen Umständen unbedingt nötig, die selbstver¬
ständliche Tatsache noch besonders zu betonen, dass jede Gefässnaht
als missglückt zu betrachten ist, bei der der Puls nicht augenblick¬
lich wieder seine alte Höhe erreicht uüd dauernd behält, ja, dass auch
letzterer Umstand keinen strikten Beweis für die Durchgängigkeit des
genähten Gefässes abgibt, da die Collateralen bei allmählich einsetzen¬
dem Verschluss des Gefässes den Blutdruck in den peripheren Enden
derselben hochbalten können.
Trotzdem dürfte es berechtigt sein, im grossen ganzen die Ansieht
auszusprechen, dass die Gefässnaht gegenwärtig bereits beim Menschen
in viel ausgedehnterem Maasse zur Anwendung gelangen sollte, als es
gegenwärtig der Fall ist. So sei z. B. darauf bingewiesen, dass man
gegenwärtig noch gaoz allgemeine Krebsmassen, welche mit Blutgefässen
stark verwachsen sind, von letzteren abzulösen versucht, trotzdem dies
selbstverständlich fast nie eine radikale Operationsraethode darstellt. Es
wäre wünschenswert, dass Dach dem Beispiel von Enderlen in solchen
Fällen an Stelle des genannten Vorgehens die Exstirpation der betreffen¬
den Gefässstücke samt den Krebsmassen und Ersatz durch frei trans¬
plantierte Gefässstücke eingeführt würde.
Weiterhin wäre z. B. bei Verletzungen von NiereDgefässen, die bei
Nierenoperationen selbst in den Händen der geübtesten Operateure Vor¬
kommen, die Rettung des Organa durch Gefässnaht zu versuchen.
Noch weitere Fortschritte der praktischen Blutgefässchirurgie aller¬
dings werden erst dann zu erzielen sein, wenn die Technik der Gefäss-
nabt selbst weiter ausgebildet sein wird. So wäre es z. B. bei versehent¬
licher Verletzung irgendeiner grossen Darmarterie durchaus wünschens¬
wert, an die Stelle der Resektion des betreffenden Darmstückes die Naht
des verletzten Gefässes zu setzen. Solange jedoch in einem solchen
Fall mit der Möglichkeit des Misslingens der Gefässnaht gerechnet werden
muss, ist ein solches konservatives Vorgehen leider nicht möglich. Es
sei dem Verfasser gestattet, bei dieser Gelegenheit darauf hiuzuweisen,
dass die meisten Blutgefässoperationen am Menschen bisher Improvisa¬
tionen gewesen sind uod mit einem nicht geeigneten Instrumentarium
ausgeführt wurdön. Es sollte unbedingt bei jeder Operation ein kom¬
plettes Instrumentarium zur einwandfreien Durchlührung von Gefässnähten
bereit liegen.
Sehr wichtig ist die Frage, welche Bedeutung die Gefässnaht im
Kriegsfall besitzt. Die reichen Erfahrungen der Balkankriege haben ge¬
lehrt, dass die primäre Gefässnaht im Kriege keine sehr grosse Rolle
zu spielen berufen ist, da bei den jungen Leuten die Anpassungsfähigkeit
der Collateralen eine derartige ist, dass in der Mehrzahl der Fälle eine
doppelte Unterbindung genügt. Gerade in denjenigen Fällen, bei denen
die Gefässnaht etwas leisten könnte (Verletzung der ganz grossen Ge¬
lasse), dürfte es bei den primitiven Verhältnissen auf dem Schlachtfeld
gar nicht möglich sein, die betreffende Operation rechtzeitig und erfolg¬
reich auszuführen.
Sehr interessant und bedeutungsvoll sind die neuerlichen Versuche,
Gefässembolie durch Oeffuung der betreffenden Gefässe zu entfernen.
Es ist bereits über eine ganze Anzahl diesbezüglicher erfolgreicher
Operationen berichtet worden, so von Monod und Dumont, ferner von
Key. Auf die hervorragendste Leistung in dieser Richtung kann Bauer
zurückblicken, dem die erfolgreiche Entfernung eines Embolus der Aorta
abdominalis gelang.
Zur Embolieoperation gehört auch die allgemein bekannte Trendelen-
burg’sche Operation der Lungenembolie, welche bekanntlich nach Tren-
delenburg’s Vorschlag in der Weise ausgeführt werden soll, dass man
einen Schlauch um die Arteria pulmonalis legt, durch Zuziehen desselben
die Arterie verschliesst, sie durch eine seitliche Inzision eröffnet, den
Embolus rasch entfernt, die Wunde durch eine seitliche Klemme wieder
verschliesst und durch Entfernen des Schlauches den Blutstrom freigibt,
worauf der Schlitz in der Arteria pulmonalis genäht werden kann. Bis¬
her ist eine erfolgreiche Trendelenburg’sche Operation nicht bekannt
geworden; doch ist ein Fall von Krüger erst sekundär an Komplikationen
zugrunde gegangen, so dass die Hoffnung auf ein gelegentliches Gelingen
der Operation nicht von der Hand zu weisen ist. Vogt kommt auf
Grund seiner Untersuchungen zu dem Schluss, dass von 12 Fällen von
Lungenembolie, die er untersuchte, bei 8 die Operation möglich gewesen
wäre. Einige wenig zweckmässige Vorschläge zur Verbesserung der
Technik haben Giordano und Rodano gemacht. Annähernd gleich¬
zeitig haben Laeven und Sievers einerseits und Verfasser andererseits
den Vorschlag gemacht, statt der Kompression der Lungenarterie eine
Kompression der beiden Hohlvenen auszuführen, da auch letzteres Vor¬
gehen eine ziemlich blutleere Oeffnuug der Arteria pulmonalis gestattet,
dabei aber vom Herzen viel länger vertragen wird als eine Kompression
der grossen Herzarterien.
Organtransplantationen mit Hilfe der Gefässnaht sind am Menschen
bislang nicht ausgeführt worden. Enderlen meinte, dass man z. B.
eine Niere bei hoch sitzender Ureterfistel nach unten verlagern und ihre
Gefässe mit der Vasa iliaca anastomosieren könnte, um das Ende des
verkürzten Ureters in die Blase implantieren zu können.
Ueber eine erfolgreiche Reimplantation des Vorderarmes bei Menschen
berichtet Jianu. Es handelte sich um einen Arbeiter, bei dem der
Vorderarm so weit durcbtreDnt war, dass er mit dem Oberarm nur
mehr durch eine schmale Hautbrücke in Verbindung stand, in dem sich
eine subcutane Vene befand. Es wurden Knochen, Muskulatur, Nerven,
Haut und die Arteria radialis geDäht. Der Arm blieb „mit manchen
Störungen der Sensibilität, motorischen und vasomotorischen Störungen,
die im Rückgang begriffen sind“, erhalten. Nähere Details über diesen
brillanten Erfolg, die ein genaueres Urteil gestatten würden, gibt Jianu
sehr bedauerlicher Weise nicht.
Halsted sowie Matas und Allan haben ihre bereits oben be¬
sprochene Methode, Blutgefässe durch Alumioiumbänder zu verengen,
dafür verwendet, um Aneurysmen grosser Blutgefässe durch Verringerung
der Blutzufuhr zu verkleinern. Neuerdings empfiehlt Halsted anstelle
der Aluminiumbänder die Verwendung von Fascienstreifen, die um die
Gefässe so fest herumgelegt werden, dass das Lumen derselben teilweise
verengt wird. Hierher gehören auch die schon früher inaugurierten Ver¬
suche, Blutgefässe, deren Unterbindung bei irgendwelchen Operationen
erforderlich ist, deren Ausfall jedoch zu bedrohlichen Erscheinungen
führen könnte, vor der Operation provisorisch abzuklemmen, einerseits
um sich von der Gefahr dieser Erscheinungen zu überzeugen, anderer¬
seits jedoch, um die Entwicklung des collateralen Kreislaufes vorzu¬
bereiten. Von deutschen Chirurgen haben namentlich Jordan, ferner
Doberauer und neuerdings Smoler sich mit dieser Frage beschäftigt,
und letzterer hat eine sehr zweckmässige Klemme angegeben, um ein
Blutgefäss ganz allmählich im Laufe einer längeren Zeit zu verschliessen
und so die Entwicklung der Collateralen ohne Störungen vorzubereiten.
Iu Amerika haben Matas und Allan, ferner Crile grosse Verdienste
in dieser Sache.
Sehr interessant ist die Verwendung der Gefässnaht zur Wieder¬
herstellung der Kontinuität des verletzten Ductus thoracicus. Solche
Operationen sind von Keen, Cu sh in g, Porter, Lotsch mit Erfolg
ausgeführt worden. Deanesly stellte eine Anastomose zwischen Vena
jugularis externa und dem durchschnittenen Ductus thoracicus her.
Interessant und möglicherweise für die Zukunft von weitgehender
Bedeutung sind Versuche von Bleichröder und Unger, von einem
kleinen Blutgefäss aus durch eine kleine Inzision einen Katheter nach
einem bestimmten Punkt eines grösseren Gefässes hin vorzuführen, sei
es, um daselbst Blut zu entnehmen, sei es, um daselbst eiu Medikament
zu deponieren. Es ist klar, dass es auf diese Weise möglich sein muss,
mit ein und derselben Menge eines bestimmten Pharmacons eine fiel
konzentriertere Wirkung auf ein bestimmtes Organ zu erzielen, als es
z. B. durch einfache intravenöse Injektion der gleichen Dosis möglich
wäre. Auch insofern konnten diese Versuche von Wichtigkeit sein, als
es, wie Bleichröder und Unger zeigten, möglich ist, von der Arteria
femoralis aus einen mit einem Ballon versehenen Katheter in die Aorta
vorzuschieben und durch Aufblähen desselben die Blutversorgung des
anderen Beines hintanzuhalten, so dass an letzterem blutleer operiert
werden kann.
Weiterhin ein Wort über die Verwendung von Blutgefässen zum
Ersatz anderer röhrenförmiger Organe. So gelang es z. B. Tietze,
Becker, Stettiner, König, Tandon, Cantas, v. Eiseisberg,
Mühsam, Stücke der Urethra durch frei transplantierte Venen zu er¬
setzen.
Stropeni und Giordano behaupten, Stücke des Choledochus
durch Venenstücke mit Erfolg ersetzt zu haben. Jianu berichtet, er
habe Stücke des Harnleiters durch ein Stück der Arteria hypogastrica,
ferner ein Stück des Ductus stenonianus und ein solches des Vas
deferens durch Blutgefässe ersetzt, und zwar mit „wunderbarer
Leistungsfähigkeit“.
Sehr interessant und bedeutungsvoll sind die Fortschritte, die die
chirurgische Behandlung des Ascites in jüngster Zeit gemacht hat
Nachdem schon die Talma’sche Operation und ihre verschiedenen Modifi¬
kationen einen wesentlichen Prozentsatz der mit Ascites behafteten
Patienten zur Heilung brachten, ist man neuerdings daran gegangen,
weitere therapeutische Versuche mit Blutgefässoperationen auszuführen.
Am bekanntesten dürften die Versuche der Heilung des Ascites hei
Lebercirrhose durch die bereits mehrfach erwähnte Eek’sche Fistel sein.
Der Ascites bei Lebercirrhose wird bekanntlich, wenigstens zum Teil*
dadurch hervorgerufen, dass das Blut aus der Vena portae nicht mehr
durch die obliterierenden LebercapiHaren hindurch zum Herzen gelangen
kann. Die Talma’sche Operation geht bekanntlich darauf hinaus, dem
Pfortaderblut durch Herstellung von Anastomosen mit anderen Venen
neue Abflusswege zu verschaffen. Es lag nun der Gedanke nahe, diese
Anastomosen direkt durch Geiässnaht herzustellen, ,und es wurde daher
schon mehrfach versucht, Anastomosen zwischen der Vena cava und der
Vena portae zu diesem Zweck auszuführen, so von Vidal, Lenoir,
Tansini und neuerdings von Rosenstein. Dass eine solche Operstio
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UMIVERSITY OF IOWA
28. September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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theoretisch rolle Berechtigung besitzt, geht unter anderem aus einem
hochinteressanten Falle von Meursing hervor, bei dem sich in einem
Fall von Lebercirrbose eine sozusagen natürliche Eck’sche Fistel, nämlich
eine Anastomose zwischen Vena lienalis und Vena renalis gebildet hatte.
Die Eck’sche Fistel hat am Menschen bisher zu keinem guten Resultat
geführt, was jedoch wohl der Hauptsache nach auf die ungenügende
Methodik surückzuführen war. Mit Hilfe der neueren vom Verfasser
und anderen angegebenen Methoden der Eck’schen Fistel dürften die
Chancen in dieser Beziehung wesentlich bessere sein. Gegen diese Ope¬
ration spricht nur der Umstand, dass sie einen technisch sehr schwierigen
Eingriff darstellt, dem die geschwächten Patienten nicht immer ge¬
wachsen sein dürften. Dementsprechend sind auch mehrere Verein¬
fachungen empfohlen worden, so von Villard und Tavernier die
Herstellung einer Kommunikation zwischen Vena mesenterica superior
und Vena ovarica, von Bogoras eine Anastomose zwischen Vena mesen-
terioa superior und Vena cava. Letzterer konnte bei einem so operierten
Patienten eine gewisse Besserung konstatieren. Eine ausgedehnte Auf¬
nahme derartiger therapeutischer Versuche wäre dringend erwünscht.
Eine andere Art der Operation des Ascites ist die sogenannte
Ruotte’sche Operation, die schon mehrfach mit ziemlich gutem Erfolg
ausgeführt wurde und von Dobbertin ohne Berücksichtigung der bisher
darüber existierenden Literatur neuerdings empfohlen wurde. Sie be¬
steht darin, dass der zentrale Stumpf der durchschuittenen Vena saphena
End-zu-Seit ins Peritoneum transplantiert wird, so dass die Ascites¬
flüssigkeit direkt ins Venensystem abströmen kann. Auf demselben
Prinzip beruhen auch die von Payr und Mao Clure empfohlenen
Methoden zur Drainage der Ventrikelflüssigkeit der Hydracephalus in
einen Gehirnsinus oder in eine Halsvene.
Ueber die Wieting’sche Operation besteht eine so ausgedehnte
Literatur, dass hier wohl nicht näher darauf eingegangen zu werden
braucht. Bemerkt mag nur das eine werden, dass die absprechenden
Urteile über diese Operation, die sich in der letzten Zeit mehr und mehr
gehäuft haben, nach den allerneuesten Berichten doch nicht so ganz
berechtigt zu sein scheinen. Auf die Theorie dieser Operation kann hier
nioht eingegangen werden. Auch wäre die letztere ziemlich gleichgültig,
wenn nur die praktischen Resultate brauchbar wären. Nun ist es auf¬
fallend, dass in der letzten Zeit einige Autoren, deren souveräne Be¬
herrschung der Geiässnaht durch ihre sonstigen Arbeiten sichergestellt
ist, speziell Bernheim und Goodman, auoh über auffallend gute
Resultate bei der Wieting’schen Operation berichten, so dass der Ver¬
dacht naheliegt, dass zahlreiche der in der Literatur angegebenen schlechten
Resultate auf fehlerhafte Ausführung der Gefässnaht zurückzuführen sind.
Auf die direkte Bluttransfusion, die bekanntlich vielfach mit Hilfe
der direkten Gefässnaht ausgeführt wird, soll hier nicht eingegangen
werden. Einen ausführlichen Bericht hierüber bat kürzlich Dreyer in
den Ergebnissen der Chirurgie und Orthopädie geliefert, auf den hier
verwiesen werden kann.
Die unzweifelhaft grossartigste Leistung auf dem Gebiet der prak¬
tischen Blutgefässohirurgie ist die ideale Aneurysma-Operation, die von
Goyanes und von Lex er angegeben worden ist. Sie besteht darin,
dass bei Entfernung von Aneurysmen die Kontinuität des Blutstromes
durch entsprechende Operation wiederhergestellt wird, während man
bei den früheren Operationen auf die Wiederherstellung de9 Blutstromes
verzichten musste, wodurch selbstverständlich bei Aneurysmen gewisser,
ganz grosser Gefasse eine Operation überhaupt nicht möglich war, bei
kleineren jedooh, z. B. bei solchen der Arteria poplitea mit einem grossen
Risiko verbunden war. Dass die ideale Aneurysmaoperation heute ganz
allgemein bei den Aneurysmen der grossen Gefasse angewendet wird,
bei denen es sich um grosse Gefasse bandelt, ist selbstverständlich.
Eine Frage kann nur darüber bestehen, ob und in welchen Fällen die
ideale Aneursymenoperation die obliterierenden Methoden bei kleineren
Gefässen zu ersetzen hat. Es sind in dieser Beziehung neuerdings von
Korotkow, v. Oppel, Leier, Henle, Coenen, v. Frisoh
Methoden angegeben worden, welche darauf hinausgehen, in jedem
speziellen Fall herauszubekommen, ob die Kollateralen genügend ent¬
wickelt sind, um eine Obliteration der betreffenden Gelasse zu gestatten.
Da jedoch aus Untersuchungen von v. Frisch hervorgeht, dass auch in
Fällen, bei denen die Obliteration eines grösseren Gefässes zunächst
scheinbar ohne Schaden vertragen wurde, sekundär doch Störungen auf-
treten können, dürfte es richtig sein, bei allen einigermaassen grösseren
Gefässen die ideale Aneurysmaoperation, wenn irgend möglich, auszuführen.
Welcher Art nun die ideale Aneurysmaoperation zu sein hat, hängt von
dem speziellen Fall ab:
Bei sackförmigen Aneurysmen, welche nur durch eine schmale
OeffnuDg mit den Blutgefässlumen in Verbindung stehen, kann die Ent¬
fernung und seitliche Vernähung des Sackes genügen. Bei denjenigen
Fällen jedoch, bei denen es sich um spindelförmige Erweiterung der
gesamten Gefässwand handelt, kommt nur eine komplette Resektion des
betreffenden Gefässstückes und Wiederherstellung der Kontinuität, sei
es durch End-zu-Endnaht, sei es durch Implantation eines anderen Ge¬
fässstückes, in Betracht.
Matas hat eine unter dem Namen Endoaneurysmorapbie bekannte
Methode angegeben, die darin besteht, dass man spindelige Aneurysmen
über einem Katheter so durch Nähte zusammen faltet, dass ihr Lumen
die Weite des Katheters reduziert. Allerdings bat es sich gezeigt,
dass nach solchen Operationen meist ein Rezidiv oder eine komplette
Obliteration eintritfc. Dagegen hat sich das von Matas angegebene
Verfahren, Aneurysmasäcke in der Weise zu obliterieren, dass man sie
öffnet, alle Gefassmünduogen von innen her vernäht und dann durch
Nabte um sich selbst zusammen faltet, ausgezeichnet bewährt. Wie er
im Internationalen medizinischen Kongress 1913 in London berichten
konnte, wurde das Verfahren bislang in 225 Fällen verwendet, unter
denen 19 starben, bei 11 Gangrän eintrat, bei 3 Rezidiv und bei
3 sekundäre Hämorihagie. Die übrigen wurden geheilt.
Die ideale Aneurysmenoperation ist nach einer Zusammenstellung
von Tscherniachowski bislang in 31 Fällen ausgeführt worden.
Besondere Bedeutung besitzt ein neuerlicher Fall von Leier, bei dem
ein 18 cm langes Stück der Arteria femoralis erfolgreich durch eine
Vena saphena ersetzt wurde.
Ein Gebiet, das bislang fast vollkommen dem Messer des Chirurgen
entzogen war, war das Aortenaneurysma. Die Methoden, deren man sich
bislang zur Besserung — von Heilung konnte hier gar nicht die Rede
sein — bediente, sind allgemein bekannt (Gelatine-Injektionen, Injektion
koagulierender Substanzen usw.). Eine gewisse Besserung vermochten die
von Halsted ausgeführten Verengerungen des zuführenden Teiles der
Aorta durch Alurainiumringe, die er neuerdings durch Fascienstreifeu
ersetzen will, herbeizuführen. Das eigentliche ideale Ziel wäre jedoch
selbstverständlich auch beim Aneurysma der Aorta die Exstirpation des
Aneurysmasackes und Wiederherstellung der Kontinuität durch eine
entsprechende Blutgefässoperation. Tatsächlich sind in dieser Beziehung
in allerjüngster Zeit eine ganze Reibe von experimentellen Arbeiten
ausgeführt worden, welche die Möglichkeit einer derartigen Operation
unzweifelhaft ergeben haben.
Bei Aneurysmen der Aorta abdominalis könnte man natürlich nach
denselben Prinzipien vorgehen, wie bei Aneurysmen anderer Blutgefässe,
d. h. Exstirpation des Sackes und Ersatz durch eiu frei transplantiertes
Blutgefässstück anderer Art.
Die besten bisher auf diesem Gebiet erzielten -Resultate dürften
diejenigen vom Verf. io Gemeinschaft mit Helmut Joseph erzielten sein,
die darin bestehen, dass durch entsprechende plastische Operationen aus
der Carotis desselben Tieres ein genügend weites Gefässstück geformt
und letzteres als Ersatzstück für eiD exstirpiertes Stück der Aorta ab¬
dominalis verwendet wurde. Es gelang mit Hilfe dieses Verfahrens
Dauerresultate zu erzielen, und die nach vielen Monaten den Tieren
entnommenen Präparate bewiesen die tadellose Brauchbarkeit dieses
Verfahrens. In einer jüngst publizierten Arbeit spricht Matas die
Ueberzeugung aus, das9 es durch Kombination dieses Verfahrens mit
den vom Verf. in Gemeinschaft mit Lampl und Israel angegebenen
Methoden der End-zu-Seit-Implantation voraussichtlich möglich sein wird,
Aneurysmen der Aorta abdominalis zu exstirpieren und durch Reim-
plautation der Darmgefässe in das implantierte Ersatzstüok normale
Zirkulationsbediogungen wiederherzustellen.
Unverhältnismässig schlechter steht es bisher mit der Frage der
operativem Behandlung von Aneurysmen der Aorta thoracalis. Matas
hat neuerdings Versuche unternommen, seine oben beschriebene Methode
der Endoaneurysmoraphie auch beim Aortenbogen anzuwenden. Es zeigte
sich, dass eine ziemlich weitgehende Verengerung des Aortenbogens
durch Zusammenfalten der Wand möglich ist, eine komplette Oblite¬
ration des Aortenbogens jedoch — auch wenn sie in mehren Sitzungen,
die monatelang voneinander abstehen, ausgeführt wird — tödlich endigt.
Da jedoch bei Aortenaneurysmen schliesslich eine komplette Oblite¬
ration nicht nötig wäre, sondern nur eine entsprechende Verkleinerung
des Sackes und Verdickung seiner WanduDg, sind die Versuche von
Matas nach Ansicht des Verf. keineswegs aussichtslos. In allerjüngster
Zeit habe ich mich selbst der Frage zugewendet, ob es nicht möglich
wäre, auch am Aortenbogen die ideale Aneurysmenoperafcion, also Ex¬
stirpation desselben und Implantation eines fremdem Gefässstückes —
ich verwendete entweder die Vena jugularis desselben Tieres oder die
Aorta eines andern — zu ersetzen. Die Schwierigkeit bestand darin,
dass diese Operation selbstverständlich ohne Unterbrechung des Blut¬
stromes am Aortenbogen ausgeführt werden musste. Ich ging nach
demselben Prinzip vor, nach dem ich, wie zu Anfang des Vortrages er¬
wähnt, in Gemeinschaft mit Lei and den Aortenbogen ohne Unterbrechung
des Blutstromes eröffnete und wieder vernähte. Nach diesem Prinzip
wurde das Gefäss End-zu-Seit erst zentral, dann peripher von der Aneu¬
rysmenstelle implantiert, dann der Blutstrom in dem neu implantierten
Gefäss frei gegeben und der dazwischen liegende Teil des Aortenbogens
exstirpiert.
Dauerresultate habe ich mit dieser Operation noch nicht erzielt,
wohl aber gelang es mir, Tiere nach derselben mehrere Tage am Leben
zu erhalten, und die schliesslich gewonnenen Präparate erwiesen in ein¬
wandfreier Weise die technische Möglichkeit solcher Operationen, so dass
nach entsprechender Weiterausbildung der Methodik die Hoffnung auf
Dauerresultate bei solchen und ähnlichen Operationen besteht.
Bücherbesprechungen.
Lehrbach der chirurgischen Operationen von Prof. Dr. Fedor Kranse
und Dr. Emil Heymann. II. Abteilung. 1914, Verlag Urban &
Schwarzenberg. Preis 15. K.
Die zweite Abteilung des gross angelegten Lehrbuchs von Krause
und Hey mann ist erschienen. In diesem Teil werden auf ca. 400 Druck¬
seiten mit über 300 Abbildungen die chirurgischen Eingriffe am Ober¬
und Unterkiefer, die Operationen in der Mundhöhle, an der Zunge, am
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UNIVERSUM OF IOWA
1670
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 39.
Pharynx, an den Speicheldrüsen, ferner die Chirurgie des nervus facialis,
der Occipi talnerven und das grosse Kapitel der Chirurgie des Gehirns
abgehandelt. Es ist keine gewöhnliche Operationslehre, die uns hier ge¬
boten wird, es werden vielmehr dem Leser in lebendiger Darstellung
selbsterlebte klinische Bilder vor Augen geführt, epikritisch beleuchtet
und dann die für den speziellen Fall besten chirurgischen Maassnahmen
durch Wort und Bild trefflich illustriere. In allen Kapiteln siebt man
die Arbeit des vielseitigen klinisch und anatomisch gebildeten Chirurgen,
der es mit Recht verschmäht hat, ein kleines Gebiet zu seiner Spezialität
zu machen. Es sind nur wenige und unbedeutende Kapitel, in denen
sich die Verfasser auf andere Autoren stützen müssen, und wo das not¬
wendig war, geschieht es überall mit der Sachkenntnis und gründlichen
Kritik des erfahrungsreichen Klinikers. Wenn auch die eignen Operations¬
methoden überall im Vordergrund stehen, was ja ein Vorteil des Buches
ist, so sind doch in jedem Kapitel auch die anderen erprobten Methoden,
die älteren und die neuesten soweit berücksichtigt, dass sich das Buch
von jeder Einseitigkeit fernhält. So wird es dem jüngeren sowohl wie
dem älteren Chirurgen ein treuer Ratgeber sein! Besonders gelungen
sind die Kapitel über die Chirurgie der Kiefer, der Nerven und des
Gehirns, Gebiete, welchen ja durch Krause’s Arbeiten besonders ge¬
fordert und bereichert worden sind: namentlich das Kapitel der Gehirn¬
chirurgie ist eine Fundgrube nicht nur für weniger erfahrene Chirurgen,
die verhältnismässig selten auf diesem Gebiete zu tun haben, sondern
auch für den erfahrenen. Sind doch in ihnen die neuesten Anschauungen
Krause’s über Indikation und Technik aller Gehirnerkrankungen nieder¬
gelegt. Wir zweifeln nicht, dass das interessante, von einer Fülle von
Wissen und Können und von erstaunlichem Fleiss zeugende Lehrbuch
sich in der Bibliothek eines jeden Chirurgen finden wird.
Die Ausstattung des Buches durch die rühmlich bekannte Verlags¬
buchhandlung ist vorzüglich. M. Borchardt-Berlin.
Jesionek: Praktische Ergebnisse anf den Gebiete der flant- und
Geschlechtskrankheiten. Dritter Jahrgang. Wiesbaden 1914,
J. F. Bergmann. 27 M.
Der dritte Jahrgang enthält nach einer kurzen, interessanten Ueber-
sicht über unsere Kenntnisse von dem Einfluss der inneren Sekretion
auf die Haut und deren Adnexa von A. Cedercreutz, nur zwei sehr
grosse Hauptabschnitte, die Hauttuberkulose und Tuberkulide, und die
Salvarsantherapie der Syphilis. Den ersten dieser zwei Abschnitte bat
Zieler, dem wir ja auf diesem Gebiete schon sehr wertvolle, besonders
experimentelle Studien verdanken, bearbeitet. Es liegt hier eine unge¬
mein eingehende und reichhaltige monograpbieartige Abhandlung über
das ganze Gebiet vor, die Literaturzusammenstellung, die der Autor
selbst als nicht vollständig bezeichnet, umfasst allein 2423 Nummern.
Es ist hier nicht möglich, auf die einzelnen Kapitel einzugehen, Z. hat
den grossen Stoff gegliedert in einen allgemeinen und einen besonderen
Teil, letzterer zerfällt in sichere Hauttuberkulose und in Erkrankungen,
deren Zugehörigkeit zur Tuberkulose nicht erwiesen oder fraglich ist.
Es ist ja keine kleine Zahl von Dermatosen, die mit mehr oder weniger
Berechtigung schon mit der Tuberkulose in Verbindung gebracht sind.
Für die Salvarsantherapie der Syphilis wollen Meirowsky und Kretzmer
nur die Grundlagen aus der ungeheuren Literatur der letzten drei Jahre
geben. Die Verff. haben die vorliegenden Arbeiten sehr sorgfältig ge¬
sichtet und die wesentlichen Grundzüge erschöpfend dargelegt, zu den
verschiedenen Controversen, der Frage der Neurorecidive u. a. immer
selbst möglichst objektiv Stellung genommen. Der vorliegende dritte
Band der praktischen Ergebnisse reiht sioh durch sein reiches und wert¬
volles Material den vorangegangenen zwei Bänden ebenbürtig an.
C. Bruhns-Berlin.
F. Blamenfeld: Jahresbericht über die Fortschritte der Laryogo-
logie, Rhinologie and ihrer Grenzgebiete. Bd. 1. Würzburg 1914,
C. Kabitzsch. 204 S. Preis 6 M.
Der Herausgeber der Zeitschrift für LaryDgologie, Rhinologie und
ihre Grenzgebiete will diese Jahresberichte als Ergänzung jener er¬
scheinen lassen, und unter sorgfältiger Auswahl der Mitarbeiter auch aus
den hier in Betracht kommenden ausländischen Sprachgebieten eine
kritische Zusammenfassung der jüngsten Literatur des Gebietes geben,
das nicht nach engen spezialistischen Gesichtspunkten abgegrenzt werden
soll, sondern den Zusammenhang mit der allgemeinen Medizin weitgehend
berücksichtigen wird. Dieses Unternehmen wird ebenso sehr den Be¬
dürfnissen des Praktikers wie des literarisch Arbeitenden entgegenkommen.
K. Kassel: Geschichte der Nasenheilknnde von ihren Anfängen bis
zum 18. Jahrhundert. Band I. Würzburg 1914, 0. Kabitzsch.
476 S. Preis 10 M.
Als Ergebnis mühevoller tiefgründiger Arbeit bringt uns Verf. in
seiner Geschichte der Nasenheilkunde eine willkommene Ergänzung der
Geschichte der Medizin. Er verfolgt die ersten Anfänge bis etwa ins
Jahr 2000 v. Chr. zu den alten Aegyptern, Indern und Juden, über die
ihm die Werke über die Papyri und die Aufschriften auf Steinmälern
Aufschluss gegeben haben. Schon hier finden wir neben den bizarr an-
mutenden therapeutischen Vorschriften manches Krankheitsbild scharf
charakterisiert und lernen Bescheidenheit, wenn wir sehen, dass z. B.
bei der Ozaena jetzt nach Jahrtausenden unsere allermodernste Therapie
auch noch keine zuverlässigeren Erfolge und unsere Forschungen die
Erkenntnis von dem Wesen der Erkrankung noch immer nicht gebracht
hat. Wie beute, so weist auch damals die Massenhaftigkeit der vorge-
schlagenen Medikamente auf den Mangel von wirksamen hin. In der
Besprechung der Nasenheilkunde der Griechen und Römer nimmt das
Werk des auch hier bahnbrechenden Hippokrates den gebührenden
breiten Raum ein, dessen scharfe Beobachtungen über die Pathologie
hinaus schon den häufigen Zusammenhang vieler Nasenerkrankungen
mit Allgemeinerkrankungen erfasst hat. Verf. führt uns dann mit inte¬
ressanten Hinweisen über die Beziehungen der medizinischen Anschauungen
der Völker des Altertums zueinander hinüber ins Mittelalter, zunächst
zu den in allen Zweigen der Medizin grundlegenden Arbeiten der Araber,
die neben jedem Tempel ein Hospital errichteten. Hier werden die Aus¬
führungen des Verf. vertieft durch die Beleuchtung der Beziehungen
der Medizin zur Kultur ihrer Zeit. Dazu geben die Schriften der Mönchs¬
medizin und die Zeit der Reformation vielfältigen Anlass. Später sehen
wir mit den Fortschritten der anatomischen Forschung besonders die
Chirurgie der Nase sich entwickeln, in der auch die schon im frühesten
Altertum gepflegte Rhinoplastik ihren Platz hat. Mit dem 17. Jahrhundert
schliesst dieser Band, der uns nach bald spärlicheren, bald reichlicheren
Quellen die gewundenen Wege der Forschung auf einem Sondergebiete
der Medizin klar beleuchtet. H. Haike.
Graefe-Sämisch-Hess: Handbach der gesauten Angenhellkude.
2. Auflage. 231.—236. Lieferung. Die Krankheiten der Netzbaut.
Von Prof. Th. Leber. Preis 18 M.
Von dem umfangreichen Werke Leb er’s über die Erkrankungen
der Netzhaut liegen nunmehr 6 Lieferungen vor.
Im ersten Abschnitt werden die Krankheiten und Anomalien des
Blutgefässsystems der Netzhaut besprochen; der zweite, noch nicht ab¬
geschlossene Teil enthält die Cireulationsstörungen der Netzhaut und
ihre Folgen. Am Ende jeder Unterabteilung finden sich eingebende
Literaturverzeichnisse. Der Text ist mit einigen Hundert Abbildungen,
teils ophthalmologischer, teils mikroskopischer, meist nach Originalpräpa¬
raten gezeichneter Befunde, versehen.
J. Rosmanit: Anleitung znr Feststellung der Farbentüchtigkeit.
Leipzig und Wien, Verlag von Franz Deuticke. 193 Seiten. Preis
7 M.
Im ersten Teil (theoretische Einführung) werden die dichromatischen
Systeme, das normale und das anormale trichromatisehe System be¬
handelt, sodann die beiden Modelle des Nagel’schen Anomaloskops
genau beschrieben, woran sich die praktische Diagnostik der angeborenen
FarbensinnstöruDgen und die spezielle Methodik ihrer Prüfung am Ado*
maloskop anschliessen. Die praktische Beurteilung der Farbensinn-
Störungen werden in einem eigenen Kapitel nochmals zusammeDgefasst
und zum Schluss die Tafeln von Stilling und Nagel besprochen, wo¬
bei erfreulicherweise der in der letzten Zeit von verschiedenen Seiten
angefochtene Wert der Nagel’schen Tafeln gebührend gewürdigt wird.
Wenn auch in den letzten Jahren mehrere zum Teil ausgezeichnete
Leitfäden über dasselbe Schema erschienen sind, so dürfte doch gerade
denen, die sich eingehender mit dieser sehr schwierigen Materie zu be¬
schäftigen haben, das vorliegende, sehr klar geschriebene Buch will¬
kommen sein, da er die Erfahrungen eines viel beschäftigten Praktikers
widerspiegelt und nur durch das Studium neuer Beobachtungen ist es
möglich, uns auf diesem zum Teil noch dunklen Gebiete immer mehr
Klarheit zu schaffen. v. Sicherer - München.
Lexikon der gesamten Therapie. Herausgegeben von Dr. Walter
Gnttmann. Lieferung 1 (vollständig in 20 Lieferungen zum Preise
von M. 2,50 pro Lieferung). Berlin und Wien 1914, Verlag von
Urban & Schwarzenberg.
Das Buch ist für Aerzte mit allgemeiner Praxis zur raschen Orien¬
tierung über alle in der täglichen Praxis nötigen therapeutischen Ein¬
griffe bestimmt. Durch diese Bestimmung ist eine Kürze der einzelnen
Artikel unvermeidlich, aber auch erwünscht und erforderlich. Trotzdem
erscheint, soweit nach der ersten Lieferung zu beurteilen, der Zweck der
leichten und raschen Orientierung des praktischen Arztes erreicht und
wird damit sicher vielfach ein Bedürfnis ausgefüllt werden. Für die Güte
auch der weiteren Lieferungen bürgen die Namen zahlreicher hervor¬
ragender Mitarbeiter. Fromherz.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 13. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Bonhoeffer.
Schriftführer: Herr Henneberg.
1. Hr. H. Oppenheim:
Erfolgreiche Geschwnlstoperationen am oberen Halsmark. (Kranken-
deraonstration.)
Dieser 34 jährige Herr wurde mir vor etwa 4 Wochen vom Kollegen
Giese aus Petersburg unter der Diagnose Geschwulst im Bereich des
Cervicalmarks (ohne genaue Lokalisation) überwiesen. Beginn der Er-
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UNIVERSITÄT OF IOWA
28 . September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1671
krankung im August 1912 mit Schmerzen in der linken Nackenschulter¬
gegend, allmähliche Steigerung, besonders beim Hustea, Niesen. Anfang
1913 Besserung unter Diathermie und Massage. Februar dieses Jahres
Parästbesien im linken Arm, dann auch im rechten Arm und Bein.
Bald darauf zunehmende Schwäche im linken Arm und Bein, schliess¬
lich in allen 4 Extremitäten, dazu Ataxie, besonders im linken Arm,
Harnbesohwerden. Aus dem Gies e’sehen Befunde hebe ich die Hyper¬
ästhesie im linken Supraclavicu largebiet hervor. Ich habe den Patienten
zuerst im Hotel (im Verein mit Goldscheider), dann im Augusta-
hospital untersucht mit folgendem Ergebnis: Kopf ziemlich frei beweg¬
lich. Keine Lähmung des Cucullaris und Phrenicus. Auch röntge¬
nologisch Zwerchfell frei beweglich, allenfalls links eine Spur geringer.
Anästhesie in der Fossa supraclavicularis. Spastische Parese aller vier
Extremitäten, besonders aber der linksseitigen, doch kann Patient noch
ausgiebige Bewegungen in einer Reihe von Muskeln ausführen. Bewegungs¬
ataxie in beiden Armen, mehr im linken, auch etwas im linken Bein.
Leichte Atrophie der kleinen Handmuskeln, links ohne Veränderung der
elektrischen Erregbarkeit. Anästhesie an der linken Hand und besonders
Hemianalgesia und Thermanästhesia an den rechten Gliedmaassen und
der rechten Rumpfbalfte. Blasenstörung. Ich diagnostizierte einen extra¬
medullären Tumor am oberen Halsmark links im Ursprungsgebiet der
3. und eventuell 4. Cervicalwurzel. Bei der von F. Krause am 19. Juni
ausgeführten Operation fand sich der Tumor an der erwarteten Stelle
in der Höhe des 3. und 2. Halswirbels, ein kleines Fibrom (Demon¬
stration), das von einigen Wurzeln überlagert war; unterhalb desselben
Liquorstauung. Bei der sehr vorsichtig ausgeführten Enucleation stellten
sich interessante motorische Reizerscheinungen im linken Accessorius,
dann auch im linken Arm und in den Beinen ein. Obgleich seit der
Operation noch nicht 4 Wochen verflossen sind, kann ich Ihnen heute
den Patienten als praktisch geheilt — er reist morgen in seine Heimat
— demonstrieren. Bei genauer Untersuchung finden sich natürlich noch
einige Ausfallserscheinungen, besonders auf sensiblem Gebiet; so besteht
noch die Anästhesie in der linken Fossa supraolavicularis (Wurzeldurch¬
schneidung) und die rechtsseitige Thermbypästhesie. Auch besteht noch
eine Schwäche im linken Deltoideus. Aber sonst sind alle Störungen
zurückgegangen, und Patient ist jeder Leistung fähig. Ich bezweiflle
nicht, dass auch die Hemihypästhesia dextra bald zurückgehen wird,
während es wohl möglich ist, dass die Anästhesie der linken Fossa
supraclavioularis bestehen bleiben wird.
Abgesehen von dem schönen Heilerfolg veranlasst mich das Ver¬
halten des N. phrenicus Ihnen den Krankheitsfall zu demonstrieren.
Ich habe schon in meiner Abhandlung über die Hemiplegia spinalis
darauf hingewiesen, dass das Verhalten des Zwerchfells bei den Ge¬
schwülsten am oberen Cervioalmark auffallend häufig nicht dem ent¬
spricht, was wir nach der Lehre von seiner Innervation erwarten sollten.
In diesem Jahre hatte ich dreimal Gelegenheit, Fälle von Tumor am
oberen Halsmark mit operativer Behandlung zu beobachten, zwei mit
F. Krause, einen mit Borchardt. In dem ersten lag eine Kompli¬
kation mit Diabetes vor, hier folgte der Tod bald auf die gelungene
Operation, in den beiden anderen ist der Verlauf ein glücklicher ge¬
wesen und zwar in dem heute vorgestellten und dem besonders schweren
(seit Jahren Tetraplegie) mit Borchardt, der noch unter Beobachtung
steht. In allen hat es mich überrascht, wie wenig von Phrenicus-
symptomen nachweisbar, obgleich der Sitz der Geschwülste dem Ursprungs-
gebiet dieses Nerven entsprach oder der Tumor unmittelbar oberhalb
desselben sass mit Liquorstauung unterhalb. Das Verhalten bedarf
entschieden noch der weiteren Aufklärung. Mir ist die Annahme der
rein-spinocervicalen Innervation des Zwerchfells unwahr¬
scheinlich geworden. Von Interesse ist noch die Erscheinung, wie Patient
die Deltoideusschwäche zu kompensieren versucht. Er beugt den Unter¬
arm ad maxiraum, dann gelingt ihm die Abduktion des Oberarms viel
leichter. Neben der Verkürzung des Hebelarms spielt hier offenbar der
Umstand eine Rolle, dass die Beuger des Unterarms (Biceps und Coraco-
brachialis) bei Annäherung ihrer Insertionspunkte zu Schulterhebern
werden können. (Eine ausführliche Publikation hoffen wir folgen zu
lassen.) (Autoreferat.)
2. Hr. Otto Maas: Demonstration eines Falles von Aehondroplasie.
Zwergwuchs* kann aus verschiedenartigen Ursachen entstehen, so in¬
folge von angeborenem Herzfehler, schlechter Ernährung in der Kindheit,
Lues oder Alkoholismus der Eltern, Myxödem, Rachitis und Achondro-
plasie.
Bei der Patientin, die ich zunächst zeige, ist der Zwergwuchs auf
Rachitis zurückzuführen, daneben kommt vielleicht in Betracht, das9
Patientin eine Frühgeburt ist.
Sie ist 58 Jahre alt und ist 123 cm gross.
Wir sehen starke Verkrümmung der Oberschenkel, sehen und fühlen
starke Auftreibung der Tibien, fühlen rosenkranzartige Verdickungen an
der Knorpel knochengrenze der Rippen und sehen eine leichte Kyphose
der oberen Dorsalwirbelsäule. Das Beckeu ist platt rachitisch, Hände
und Finger sind normal geformt, und es reicht die Spitze des Mittel¬
fingers, wenn Patientin die Arme gestreckt herabhängen lässt, weiter
als normal herab, fast bis zur Patella.
Ein völlig anderes Bild bietet die 28 Jahre alte Patientin, die neben
ihr steht, die 119 cm gross ist.
Diese Patientin gibt an, dass von ihren 14 Geschwistern eins eben¬
falls ungewöhnlich klein, noch kleiner als sie selber sei; die übrigen
Geschwister und der Vater sollen normal gross sein, auch die bei einer
Entbindung gestorbene Mutter sei von normaler Grösse gewesen.
Sie selbst habe im Alter von 2 Jahren laufen gelernt, es infolge
von englischer Krankheit wieder verlernt, und im 4. Lebensjahre wieder
zu laufen begonnen.
Sonst sei sie stets gesund gewesen, speziell sollen nervöse Störungen,
wie Doppeltsehen, Störung des Urinlassens und unsicherer Gang niemals
vorgekommen sein.
Seit dem 16. Lebensjahr treten die Menses auf, anfangs unregel¬
mässig, später regelmässig. Sexueller Verkehr seit dem 23. Lebensjahr,
kein Partus, kein Abort.
Die Untersuchung des Nervensystems ergibt normalen Befund, auch
die Pupillen-Lichtreaktion ist normal, am Augenhintergrund finden sich
aber, was von augenärztlicher Seite, Herrn Kollegen Steindorff, be¬
stätigt wurde, ausgedehnte markhaltige Nervenfasern.
Die Patientin ist nicht ungewöhnlich fett, die Haut hat überall
völlig normale Beschaffenheit.
Die oberen Extremitäten sind auffallend kurz; lässt Patientin
sie herabbängen, so reicht die Spitze des Mittelfingers nur wenig über
den Trochanter maior herab. Der Oberarm ist 18 cm lang, also länger
als der Unterarm, dessen Länge 14 cm beträgt. Es ist das erwähnens¬
wert, weil häufig bei Aehondroplasie der Oberarm kürzer als der Unter¬
arm ist.
Ganz auffallend kurz sind die Finger und es fehlen die charakte¬
ristischen Grössenunterschiede zwischen den einzelnen Fingern. Die
Nägel sind sehr kurz und breit.
Beiderseits besteht Andeutung von main en trident.
Die Kraft des Händedrucks ist sehr gering, was im Gegensatz zu
vielen Beobachtungen anderer Autoren steht.
. Die -Epiphysen von Ellenbogen- und Handgelenk sind beiderseits
stark verdickt.
Der Rumpf ist im Verhältnis zu den Extremitäten gross.
Es besteht deutliobe Lordose der Lendenwirbelsäule.
Auch die unteren Extremitäten sind sehr kurz; der Oberschenkel
noch kürzer als der Unterschenkel, ersterer 24, der letztere 27 cm lang.
Auftreibungen der Tibien sind nicht zu fühlen, Verkrümmungen der
Beine bestehen nicht.
Der Kopf ist gross und breit.
Die Zunge ist gross und steht für gewöhnlich etwas zwischen den
Zahnreihen hervor.
In bezog auf die Psyche ist ein ganz leichter Grad von Debilität
nachweisbar, doch ist Patientin imstande, als Händlerin ihren
Lebensunterhalt zu verdienen.
Bei manchen Fällen von Aehondroplasie ist bemerkt worden, das9
die Sexualität besonders stark entwickelt war. Bei unserer Patientin
hat sich das nicht feststellen lassen.
Die röntgenologische Untersuchung, für deren Ausführung ich dem
leitenden Arzt der Röntgenabteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses,
Herrn Prof. Levy-Dorn, sowie dem Assistenten des Instituts, Herrn
Dr. Ziegler, sehr zu Dank verpflichtet bin, hat eine Reihe von Ab¬
normitäten ergeben, von denen ich die folgenden besprechen will.
Die Metacarpal- und Fingerknocben sind sehr kurz und es sind die
Epiphysen dieser Knochen stark aufgetrieben.
Das Röntgenbild der Finger dieser Patientin ist völlig verschieden
von demjenigen des Falles von Aohondroplasie, den ich auf der Ver¬
sammlung deutscher Nervenärzte im Jahre 1910 demonstrierte.
An Radius und Ulna sind am distalen Ende starke unregelmässige
Verdickungen zu sehen, am Radius auch nicht weit vom proximalen
Ende desselben.
Am Schulterblatt, das häufig auffallend klein gefunden wurde, ist
hier nichts Pathologisches zu sehen, und es ist auch keine abnorme
Grösse des Humeruskopfes nachweisbar.
An der Tibia und Fibula sind nahe ihrem oberen Ende unregel¬
mässige Verdickungen zu sehen.
An den Füssen ist die auffallende Kürze des Metatarsus und der
Zehen bemerkenswert.
Auch hier starke Verdickung der Epiphysen.
Die Zehen sind für Röntgen strahlen ungewöhnlich durchlässig.
An der Schädelbasis sind die vordere sowohl wie die hintere Wand
der Sella turcica verdickt, und es ist ein ungewöhnlich starkes Ansteigen
der vorderen Schädelgrube nachweisbar.
An einzelnen Rippen sieht man an der Knorpelknochengrenze Kalk¬
ablagerungen.
Die Diagnose Aohondroplasie kann hier mit Sicherheit gestellt
werden.
Das genannte Leiden ist zwar anatomisch bei Föten schon früher
von Virchow, Müller, Kaufmann und Parrot studiert worden,
klinische Beachtung hat es aber erst seit den von Marie im Jahre 1900
publizierten Beobachtungen gefunden, und es sind seitdem ein Reihe von
Fällen publiziert worden, die aber untereinander in manohen Punkten
verschieden sind. (Autoreferat.)
Diskussion.
Hr. Rothmann fragt, wie es mit der Zahnbildung bei der vorge¬
stellten Patientin ist. Er sah zwei Fälle; in dem einen waren die Zähne
früh entwickelt und gingen bald verloren, in dem anderen entwickelten
sich die zweiten Zähne gar nicht.
Hr. Oppenheim findet bei der Patientin die „main en trident“
sehr ausgesprochen. Wie ist es mit der Neigung der Patientin zur
Komik ?
Hr. Maas (Schlusswort): Von Andeutung von „main en trident“
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UNIVERSUM OF IOWA
1G72
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 39.
habe ich gesprochen, weil ich in der Literatur Abbildungen gesehen I
habe, bei denen dieser Zustand entschieden noch ausgeprägter war. |
Abgesehen von der schon genannten ganz leichten psychischen De¬
bilität habe ich bei der hier vorgestellten Patientin keine sicheren
psychischen Abnormitäten feststellen können, während die Patientin, die
ich vor 4 Jahren demonstrierte, allerdings insofern bemerkenswert war,
als bei der damals schon 69 Jahre alten Patientin sich noch alle Ge¬
danken um sexuelle Dinge drehten.
Was die Frage der Zahnbildung betrifft, so hat die gezeigte Patientin
ihre Zähne infolge von Caries früh verloren und trägt infolgedessen ein
Gebiss.
3. Hr. Simons: Raynaud oder Endarteriitis obliterans oder Embolie?
Vortr. stellt einen 43 jährigen Kellner vor, der in der Kindheit
Masern, vor 21 Jahren einen Lungenspitzenkatarrh und vor 5 Jahren
Gelenkreissen gehabt hat, aber sonst stets gesund war. Er bestreitet
entschieden Lues, Alkohol- und Nikotinabusus. Andere Berufssohädtich-
keiten liegen nicht vor, ein Trauma ist nicht vorausgegangen. Für die
Wahrheit dieser Angaben des Patienten sprechen: 1. das Fehlen von
Eiweiss (auch mikroskopisch) und Zucker im Urin bei wiederholter
Untersuchung. Auch das spezifische Gewicht des Barns und die Harn¬
menge ist normal; 2. der negative Wassermann im Blut und ein voll¬
kommen normales Lumbalpunktat; 3. die genauere Untersuchung des
Herzens, die noch von spezialistischer Seite (Herr Rehfisch) nach
mehreren Richtungen ergänzt wurde. Röntgenbild der Aorta und des
Herzens; Elektrogramme sind normal; die Funktionsprüfung des Herzens
durch Kompression beider Crurales (Katzenstein’sche Methode) ergab
„ein noch durchaus funktionstüchtiges Herz“. Die Höhe des Blut¬
drucks — palpatorisch gemessen — beträgt 145. Der Puls ist normal.
Ueber der Herzspitze und der Aorta ist der erste Ton etwas unrein, es
handelt sich nach dem Befund wohl um eine beginnende Arterio¬
sklerose. Dieser Mann erkrankte vor einem Jahre plötzlich mit Kribbeln
und Jucken in allen Fingern der rechten Hand, besonders im Zeige¬
finger. Zeitweise auch heitige Schmerzen. Einen Monat nach Beginn
der Krankheit wird die Spitze des Zeige- und Mittelfingers weiss und
kalt, manchmal bestand auch eine bläuliche Sohwellung des zweiten
Fingers mit Blasenbildung an der Spitze, er arbeitete unter Schmerzen
bis Anfang März d. J. Da kommt es zum Brand des zweiten Fingers
und er lässt sich in die chirurgische Klinik (Geheimrat Bier) aufnehmen.
Dort wurde Mumifikation des Eudglieds des linken Zeigefingers und blau¬
rote Flecken an den Enden der übrigen Finger festgestellt. Ferner be¬
standen leichte Sensibilitätsstörungen an den Fingern. Die Temperatur
war normal. Der Kranke wird mit Heissluft behandelt und nach einiger
Zeit zur Poliklinik entlassen. Mitte Mai fühlt der Patient, als er auf
seinen Verband wartet, plötzlich einen Schmerz; wie ein elektrischer
Schlag, der von den Fingern der rechten Hand über die Schulter bis
zur linken Hand zog. Rechte Hand ist gefühllos, auch die linke Hand
wie gelähmt; bald darauf wird ihm schwarz vor den Augen, er stolpert,
bleibt aber bei vollem Bewusstsein. Nach 1 ! / 2 Stunden Besserung,
aber es „flimmert“ noch vor den Augen; der Gang ist etwas unsicher,
trotzdem die Beine kräftig sind. Einen Tag später wird die Hand wieder
warm, die Augenbeschwerden verschwinden. Wiederaufnahme in die
Klinik. Jetzt wird festgestellt, dass die Nagelphalanx des linken Zeige¬
fingers schwarz und demarkiert ist, die übrigen Finger sind blau, be¬
sonders der dritte Finger. An der Radialis und Brachialis kein und in
der Axillaris schwacher Puls. Eine Embolie wird vermutet. Einige
Tage später erste neurologische Untersuchung. Es fanden sich *chon
die vom Chirurgen festgestellten Veränderungen an der Hand, aber die
Radialis und Brachialis war wieder deutlich, wenn auch schwächer als
rechts zu fühlen. Am übrigen Nervensystem nicht die geringsten Ab¬
weichungen. Alle vier Fusspulse deutlich, beiderseits gleich; periphere
Arterien nicht geschlängelt. Diagnose unter Berücksichtigung der
früheren Anamnese. Morbus Raynaud, trotz der Einseitigkeit und
des mehrere Tage lang fehlenden Radial- und Brachialpulses. Die er¬
wähnten vorübergehenden Augenstörungen, der unsichere Gaog wurden
auf entsprechende Gefässkrämpfe bezogen. Die weitere Beobachtung in
der Klinik ergibt fortschreitende Gangrän der Finger und dauerndes
Verschwinden des Radial-, Brachial- und Axillarpulses am rechter Arm
(Subclavia-Carotispulse beiderseits gleich und kräftig). Zweite neuro¬
logische Untersuchung bestätigt durchaus den Befund des Chirurgen und
stellt wieder sonst vollkommen normale Verhältnisse am Nervensystem
fest. Mit Rücksicht auf das dauernde Fehlen des Armpulses wird jetzt
die Diagnose: progressive obliterierende Arteriitis gestellt. Der Patient
wird Mitte Juni entlassen, nachdem ihm die Endglieder der Finger, wo
nötig, amputiert sind. Anfang Juli wird plötzlich die rechte Hand eis¬
kalt, nachdem er die Finger einige Zeit bewegt hatte, gleichzeitig furcht¬
bare Schmerzen, die auch heute noch bestehen, im Handteller, Daumen,
5 Finger und Hand-Vorderarmgrenze. Gleichzeitig bemerkt er eine
starke Schwäche der linken Hand, die schon einige Zeit vor der letzten
Entlassung aus der Klinik in leichter Form begonnen hatte, dem be¬
handelnden Chirurgen Herrn Manuel aufgefallen war und auf Gefass-
krämpfe bzw. ähnliche Prozesse in der Gefässwand des rechten Armes
bezogen wurde. Die dritte neurologische Untersuchung (Prof. H. Oppen¬
heim) ergab ausser dem von Simons früher erhobenen Befund noch
eine beiderseitige Hemiparese (leichte VH-Parese, Steigerung des Sehnen¬
phänomens am linken Arm, grobe diffuse Parese am rechten Arm ohne
Atrophie und sichere elektrische Veränderungen, Fehlen des Bauch-
reflexes, Andeutung von Fussclonus, Kniephänomen rechts > links, Spur
Schwäche im linken Bein, kein Babinski, nur geringere PJantarflexion
wie links. Oppenheim diagnostiziert ebenfalls Raynaud’sche Krankheit
oder progressive obliterierende Arteriitis mit analogem Prozess in der
Hemisphäre. Der Kranke wird weiter vom Chirurgen beobachtet. Der
Zustand bessert sich in keiner Weise, daraufhin Freilegung der Radialis
oberhalb des Handgelenks (Herr Manu ei); ohne Blutleere, auch zur
Feststellung, ob ein entfernbarer Thrombus vorliegt. Bei der Operation
blutet es fast gar nicht. Die Radialis ist in der Handgelenkgegend etwa
3—4 cm aufwärts stark geschlängelt und fühlt sich ziemlich hart an;
die Begleitvenen sind sehr stark collabiert, etwa 2 mm dick. Umfaog
der Radialis normal. An der harten Stelle wird inzidiert, es findet sich
ein weicher dunkelroter Thrombus, der sich unter das Liga¬
mentum transversum scheinbar fortsetzt, oberhalb des Thrombus wird
die zusammengefallene Radialis durchtrennt; auch nach Ausstreifen des
distalen Gefässendes entleert sich kein Tropfen Blut, man sieht
die weisse Intima. Exzision eines Teils des tbrombosierten Teils; Unter¬
bindung. Die histologische Untersuchung (Demonstration) ergibt in zahl¬
reichen Schnitten eine vollkommen normale bzw. nicht erheb¬
lich veränderte Gefässwand; keine Spur von Arterio¬
sklerose, Endarteriitis oder Veränderungen in der Media
und Adventitia. Nur an einer Stelle ist die Intima um das Doppelte
verdickt, aber nach Ansicht des Pathologen nicht anders, als dem Alter
des Patienten entspricht. Aus dem Operationsbefund ergibt sieb, dass
der Verschluss nur oben sitzt; die histologische Untersuchung macht es
unwahrscheinlich, dass oben ein endarteriitischer Prozess vorliegt (s. die
eingehende Arbeit Todyos: „Beitrag zur Pathogenese der sogenannten
spontanen Gangrän“, Arch. f. Chir., 1912); denn dann würde wohl sicher
die Radialis arteriosklerotisch bzw. endarteriitisch verändert sein. Da
nun der klinische Befund höchstens Zeichen von Präsklerose bei durch¬
aus funktionstüchtigem Herzen ergibt, Schrumpfniere, Lues und ein die
Axillaris komprimierender Tumor auszuschliessen sind, muss man, worauf
Herr Westenhöfer auf Grund seiner Sektionserfahrung hinwies,
auch mit der Möglichkeit einer paradoxen Embolie (offenes Formen
ovale ist nicht selten und kann Symptom los sein) rechnen. Der Ope¬
rationsbefund (distaler frischer Thrombus) würde sich so erklären können,
dass nach allmählich entstandenem, völligem Verschluss der Axillaris
die bis dahin noch in die Radialis geströmte geringe Blutmenge durch
Kontraktion der Brachialis und Radialis nun ganz in die Peripherie ge¬
presst wurde. Sicheres ist nicht zu sagen. Die weitere Aufklärung
kann nur die hohe Amputation (histologisches Verhalten der Gelasse)
bzw. die Obduktion ergeben. (Autorefer&t.)
Diskussion.
Hr. M. Roth mann: Will man bei diesem eigenartigen Fall ver¬
suchen, die Symptome auf eine einheitliche Affektion zurückzuführen, so
weist doch alles auf den Aortenbogen hin. Die völlige Blutleere der
rechten Art. radialis oberhalb des am Unterarm gefundenen Thrombus,
die Affektion des rechten Arms in Verbindung mit den cerebralen
Lähmungserscheinungen an den linksseitigen Extremitäten lässt doch an
einen atheromatösen Prozess am Abgang der rechten Atr. anonyma mit
teilweisem Verschluss der Arterien denken. Selbst wenn das Röntgen¬
bild jetzt noch keine Veränderung am Arcus aortae erkennen lässt
(Aneurysma usw.) und nichts auf den häufigsten ätiologischen Faktor,
die Syphilis hinweist, halte ich diese Lokaldiagnose für die wahrschein¬
lichste. (Autoreferat.)
Hr. M. Bernhardt richtet an den Vortr. die Frage, ob der Kranke
vielleicht ein Trauma erlitten. Er denkt dabei an eine von ihm im
Jahre 1881 *) mitgeteilte Beobachtung, welche einen sonst gesunden,
auch nicht herzkranken 27jährigen Mann betraf, der nach Verletzung
der rechten Schulter und Fall auf die gespreizte rechte Hand einen dem
hier gezeigten ähnlichen Zustand an der rechten Hand darbot.
Weder an der Art. radialis noch an der Art. ulnaris, auch nicht
an der Art. brachialis war ein Puls fühlbar. Gedacht wurde damals an
eine durch das Trauma bervorgerufene Zerreissung und Aufrollung der
Gefässintima an der Art. braohialis. (Autoreferat.)
Hr. Simons (Schlusswort); Es bestand kein Trauma, nichts sprach
für Lues, nichts für Schrumpfniere. Am Herzen oder Aortenbogen war
nichts Krankhaftes nachweisbar.
4. Hr. Bonhoeffer demonstriert: a) den anatomischen Befund eines
in der Julisitzung 1912 gezeigten Kranken, der damals einen ecrebelle-
bilbären Sy «pto men komplex dargeboten hatte. Ueber den klinischen
Befund vgl. das Sitzungsprotokoll vom 12. Juli 1912 2 ). Aus dem Ver¬
lauf der damaligen Demonstration wird noch hervorgehoben, dass vor¬
übergehend eine leichte Neuritis optica zu beobachten war, die später
wieder verschwand. Es kam schliesslich zu völliger SprechunZähigkeit,
die Spasmen nahmen zu, vereinzelte unklare Temperatursteigerungen
traten auf. Bei dem dauernden Fehlen ausgesprochener Hirndruck¬
erscheinungen wurde an der Diagnose einer infiltrierenden substituieren¬
den Neubildung festgehalten. Der anatomische Befund ergab einen ver¬
breiteten encephalitischen Prozess. Bei Markscheidenfärbung
fanden sich im Stirnhirn im Nucleus caudatus, Linsenkern und Mark¬
lager der Centralwindungen grosse herdförmige Ausfälle. Dementsprechend
zeigen van Gieson-Schnitte deutliche Gliawucherungen. Die Gefässe sind
überall innerhalb des Herdes von sehr starken Infiltraten eingescheidet.
1) Arch. f. Psych., Bd. 12, S. 499.
2) Zbl. f. Psych., 1912, S. 1048.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1673
28. September 1914.
Das Gehirn ist noch nicht vollständig geschnitten, es ergibt sich aber,
dass anoh in dem Pons encephalitische Herde mit starken Infiltraten in
den Gefässscheiden sich befinden. Im Rückenmark zeigt die Pyramiden¬
bahn ausgesprochen sekundäre Degeneration, doch geht an einzelnen
Stellen das Bereich der Degeneration über das Areal der Pyramiden¬
bahn hinaus.
Vortr. betont die auffallende Aehnlichkeit des Befundes mit den
Befunden, wie sie neuerdings vonFrenkel und Jakob bei sogenannter
akuter Sklerose erhoben worden sind. Ueber den Grad der Vernichtung
der Achsencylinder werden noch genauere Untersuchungen anzustellen
sein, dooh scheint es nach dem Befund der sekundären Degeneration im
Pyramidenstranggebiet, dass sie zum grossen Teil vernichtet worden sind.
Ueber die Lokalisation des Prozesses und die Beziehungen zum klini¬
schen Befund ist vor Abschluss der Untersuchung der übrigen Hirn¬
gebiete, insbesondere des Kleinhirns und des Pons, nichts Sioheres zu
sagen.
b) Der in der Märzsitzung dieses Jahres demonstrierte Knabe mit
linksseitig«! eorliealen Anfällen mit Dauerclonus im linken Facialis
mit Störungen der Lageempfindnng und der Stereognose links 1 ) ist
inzwischen auch zur Obduktion gekommen. Es war seinerzeit wegen des
Fehlens von allgemeinen Hirndruckerscheinungen an einen chronisch
enoephalitischen Prozess gedacht worden. Der Kranke ist kurz naoh
der Demonstration von den Angehörigen nach Hause genommen worden,
und am 19. Juni neuerdings wieder mit massenhaften linksseitigen corti-
calen Anfällen eingeliefert worden. Der Status hemiepilepticus liess ein
chirurgisches Eingreifen erforderlich erscheinen. Die Trepanation wurde
von Herrn Hildebrand gemacht. Es ergab sich kein Hirndruck, nor¬
male Pia- und Rindenverhältnisse, bei der Punktion kein Hydrocephalus
und keine abnormen Hirnbestandtteile. Nach der Trepanation sistierten
die Anfälle nur kurze Zeit; sie traten dann wieder gehäuft auf. 4 Tage
nach der Operation erfolgte der Exitus.
Makroskopisch fand sich bei der Obduktion des Gehirns in Frontal-
sohnitten nirgends ein Herd. Mikroskopisch sind vorläufig nur wenig
Schnitte gemacht worden, nach denen es scheint, dass in der ent¬
nommenen Partie aus der Gegend der hinteren Centralwindung alte
Ganglienzellenveränderungen mit stärkerer Gliawucherung vorliegen. Die
Gefässe erscheinen an einzelnen Stellen auffallend deutlich und wie in¬
filtriert, doch zeigt es sich, dass es sich nicht um eigentliche Infiltrate,
sondern anscheinend zumeist um Anhäufung von Gliakernen in der Nähe
der Gefässe handelt.
Es handelt sich hier um einen der unklaren Fälle von corticaler
Epilepsie mit Herdsymptomen, bei denen der erwartete makroskopische
Befund ausbleibt. Vortr. hat einen derartigen Fall vor Jahren mit
v. Mikulicz zusammen operiert, und von Henneberg sind schon
früher ähnliche Fälle aus der Charite berichtet worden. Ueber die
Natur des Prozesses wird zweckmässigerweise eine Aeusserung erst nach
der mikroskopischen Durchforschung erfolgen. (Autoreferat.)
Diskussion.
Hr. Henneberg weist auf die nahe Verwandtschaft der im ersten Falle
vorliegenden Encephalitisform mit der multiplen Sklerose hin. Die Unter¬
schiede sind nur gradueller Art. Der Achsencylinderzerfall ist bei der in
Rede stehenden Encephalitisform ein stärkerer, daher kommt es zu sekun¬
därer Degeneration. An der Narbenbildung kann sich das Bindegewebe in
beschränktem Maasse beteiligen. Kleine Erweiohungscysten kommen auch
bei multipler Sklerose vor. Zwisohen der Encephalitis und typischen
Sclerosis multiplex kommen Uebergangsformen vor. Die Sclerosis
multiplex ist eine besondere Form der Encephalomyelitis, bei der die
entzündlichen Veränderungen wenig hochgradig sind und sich rasch
zurückbilden. Die in dem zweiten Falle Vorgefundenen Veränderungen
sind vielleicht erst durch die Trepanation hervorgerufen worden.
Hr. Oppenheim betont, dass sich nach seinen früheren und den
moderneren Erfahrungen der Forscher die disseminierte Myeloencephalitis
nicht scharf von der multiplen Sklerose trennen lässt, und dass der be¬
sprochene Fall voraussichtlich in die Gruppe der sogenannten akuten
multiplen Sklerose gebracht werden kann. Er wird diese Frage auf dem
Berner internationalen Kongress für Neurologie und Psychiatrie ein¬
gehender erörtern. Auf den zweiten Fall dürfte nach dem bisherigen
Untersuohungsergebnis die Bezeichnung „Pseudotumor cerebri“ An¬
wendung verdienen. (Autoreferat.)
Hr. Kroll-Moskau erwähnt, dass der Fall völlig das Bild der Epi-
lepsia partialis continua (Koschewnikoff) bot; diese Fälle zeigten bei
der Autopsie Veränderungen der Pyramidenzellen.
Hr. 0. Maas weist auf einen von ihm beobachteten Fall hin, der
anfangs als Encephalitis pontis diagnostiziert wurde, später eine typische
multiple Sklerose darstellte.
Hr. Bonhoeffer (Schlusswort): Was zunächst den letzten Fall an-
langt, so spricht gegen die Auffassung, dass lediglich eine Erkrankung
der Beetz’schen Zellen zugrunde liege, schon die Tatsache, dass Lage-
empfindungs- und stereognostische Störungen bestanden haben. Dass die
Ganglienzellenveränderungen Trepanationsfolgen sind, ist im Hinblick
auf die Gliawucherung, die doch wohl älteren Datums ist, nicht wahr¬
scheinlich, doch wird die weitere Untersuchung abzuwarten sein. Den
Ausdruck „Pseudotumor“ für den Fall anzuwenden, habe ich absichtlich
unterlassen, weil gerade das Fehlen der Hirndruckerscheinungen mir den
Tumor unwahrscheinlich gemacht hatte.
1) Zbl. f. Payoh., 1914, S. 474.
Der anatomische Befund des ersten Falles zeigte eine Multiplizität
des P/ozesses auch in den bis jetzt untersuchten Stücken, insofern im
Marklager des Stirnhirns neben dem grossen ein kleinerer Herd lag und
insofern auch im Opticus und Pons herdförmige Ausfälle zu konstatieren
waren. Auf die Aehnlichkeit des Befundes insbesondere auch hinsicht¬
lich der starken Gefässinfiltration mit den Fällen akuter multipler
Sklerose, wie sie Fränkel und Jakob beschrieben haben, habe ich
bingewiesen. Leider bin ich nicht in der Lage, Aohsencylinderbilder
zeigen zu können, da sie augenblicklich nicht auffindbar sind.
(Sohluss folgt.)
Natarhistorisch-medlzini&cher Verein zu Heidelberg*
Sitzung vom 7. Juli 1914.
Hr. Brnos berichtet über Defekt versuche an der offenen MednJIar-
platte der im Neurulastadium befindlichen Unkenembryonen, die zu dem
Zwecke unternommen wurden, zu untersuchen, welche Ausfallser¬
scheinungen solche in bestimmter Lokalisation und Ausdehnung an¬
gelegten Defekte im später ausgewachsenen Rückenmark zurücklassen.
Im Gegensatz zum geschlossenen Medullarrohr hat die offene Meduilar-
platte für die Absteckung regionärer Grenzen verschieden determinierten
Anlagematerials den Vorzug, dass noch alles oberflächlich und neben¬
einander liegt. Ist eine Determination schon vorhanden, so müssen sich
operativ gesetzte Defekte im späteren Verlauf der Entwicklung durch
das Ausfallen von Teilen in verschiedenen Etagen des Rückenmarks
äussern. Diese Annahme hat sich als richtig erwiesen. Es ist deshalb
das Neurulastadium ein sehr günstiges Objekt, um solche Teile des
Rückenmarks zu exstirpieren, welche später in die tiefen Lagen sich
begeben und denen dann um so schwieriger beizukommen ist, je weiter
die Entwicklung fortgeschritten ist. Durch die Art und Weise, wie der
angelegte Defekt von wechselnder Grösse bald die ventrale Anlage allein,
bald die dorsale und ventrale zusammen in mannigfachen Abstufungen
und wechselnden Höhen traf, war es möglich eine celluläre Topographie
der Rückenmarksanlage anzubahnen, entsprechend der Rindentopographie
des Gehirns. Im Gegensatz zum entwickelten Rückenmark, an dem die
graue Substanz erst durch Zerstörung des Markmantels sichtbar wird, liegt
im Stadium der Medullarplatte noch alles oberflächlich nebeneinander, wie
beim Gehirn. Im grossen und ganzen ist die anfängliche Verschiedenheit
der Zellterritorien noch eine ultramikroskopische und wird erst in der
folgenden Entwicklung sichtbar. Dies zeigt sich daran, dass durch deu
Defekt bestimmte Territorien ausfallen, andere aber nicht, d. h. es bleiben in
dem durch den Defekt isolierten Stück der Rückenmarksanlage bestimmte
Gebiete allein übrig. Die Kombination dieser beiden Operationsfolgen
wird in zweckmässiger Anwendung der Methode zu einer genauen Analyse
der zellulären Topographie des Rückenmarks führen können. Obgleich
zur Zeit der Operation noch nichts von einer segmentären Einteilung
des Ektoderms der Medullarplatte oder des Mesoderms (spätere Ursegmente)
zu sehen ist, ist trotzdem das Material beider Keimblätter schon segmental
determiniert und zwar sind bis zu 20 Segmente im Neurulastadium vor¬
gebildet; diese sind um so kürzer, je weiter sie nach hinten, dem Ur-
mund zu, liegen. Ihre Form und Position ist gut rekonstruierbar.
Ebenso lässt sich die Form der Materialdepots für die motorischen
Neuroplasten in der Medullarplatte genau umgrenzen, sowohl lateral
nach den sensiblen Zellen zu, als auch medial nach der Kernsäule der
andern Körperseite zu. Die Beziehungen der Zellen zu dem Nervenverlauf
der gleichen und entgegengesetzten Körperseite liess sich unter Benutzung
dieser Feststellungen präzisieren, ebenso die Beziehungen eines Segmentes
zu anderen Segmenten der gleichen Körperseite. Die Ependymzellen für
den Zentralkanal scheinen ebenfalls in bestimmten Regiouen zu liegen,
doch sind die Grenzen zur Zeit nicht genau zu präzisieren. Die Rücken¬
marksanlage, welche nach Setzung eines Defektes übrig bleibt, regeneriert
nicht zu einem ganzen Rückenmark von entsprechend verringerter Di¬
mension, sondern es bildet sich nur ein Teil dieses Rückenmarks aus,
welches sich durch eine Membran nach aussen abschliesst. Diese Membran
enthält keine Ganglienzellen, verdickt sich jedoch später durch Wucherung
von Gliazellen und Einwanderung von zentralen Nervenbahnen. Durch
dieses Ergebnis war die Möglichkeit gegeben, zu sondern zwischen solchen
Anlagen, welche nur für die eine Körperseite Verwendung finden sollen,
und solchen, welche für beide Seiten verwendbar sind. Die motorischen
Neuroplasten gehören zur ersten, die sensiblen zur zweiten Kategorie.
Bei der Zerstörung der einen Hälfte der im Neurulastadium befindlichen
Medullarplatte (Halbseitenläsion) können deshalb nicht die motorischen
Zellen für die verletzte Seite vicariierend eintreten, wohl aber die sensiblen,
d. h. es können sich beiderseits Spinalganglien bilden, und auch die
Kette der Dorsalzellen entsteht in normaler Weise. Die Versuche wurden
in der Weise ausgefübrt, dass die Läsionen mit Hülfe ganz feiner gebogener
Glasnadeln gesetzt wurden. Das Aussehen der infolge der Defekte in
veränderter Weise entwickelten Rückenmarke wird an der Hand von
mikroskopischen Präparaten und Modellen erläutert.
Hr. Bittrolff:
Ueber die Einwirkung von Bakterienfennenten anf konserviertes
Gewebe.
Lässt man Filtrate älterer Bouillonkulturen gewisser Bakterien auf
tierisches oder menschliches, konserviertes Gewebe einwirken, so erhalt
man histologisch nachweisbare Veränderungen; diese bestehen vor allem
in einer weitgehenden Schädigung der Kerne des Organparenchyms bis
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UNIVERSITY OF IOWA
1674
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 30.
zum völligen Kernsehwund (die bei dieser Kernschädigung erhaltenen
Bilder gleichen ganz deneD, die man auch sonst bei Karyolysis und
Karyorrhexis sieht); etwas widerstandsfähiger sind die Kerne der Herz¬
muskulatur, sehr resistent die Bindegeweb-skerne. Die Herzmuskulatur
ist gequollen schlecht färbbar, in Primitivfibrillen aufgespalten, die Quer¬
streifung vielfach geschwunden. Auch das Protoplasma von Nieren- und
Leberzellen zeigt leichte Schädigungen. Man erhält so histologische Bilder,
besonders von Niere und Leber, die völlig dem Bild der Nekrose gleichen.
Die genannten Veränderungen werden mit grosser Wahrscheinlichkeit
durch die proteolytischen Fermente der betreffenden Bakterien erzeugt,
aus folgenden Gründen: 1. Die Gewebeschädigungeu erhält man nur
mit den Filtraten der Bakterien, die Gelatine verflüssigen (z. B. Proteus,
Prodigiosus, Pyocyaneus, Staphylokokken); die nicht verflüssigenden
Bakterien greifen die konservierten Gewebe nicht an (Pneumokokken,
Streptokokken, Tuberkelbazillen, DiphtheriebazilleD). 2. Von den Filtraten
wird nur das durch Kochen in Wasser fixierte Organeiweiss angegriffen,
während das in Formol fixierte Gewebe durch die Filtrate keine nach¬
weisbaren Veränderungen erfährt. (Formollixiertes Eiweiss ist nach
Literaturangaben gegen Trypsinverdauung resistent.) 3. Die wirksamen
Filtrate werden durch Erhitzen auf 100° unwirksam gemacht.
Diese Befunde lassen daran denken, dass auch im lebenden Körper
die histologischen Veränderungen, die unter Einwirkung von Bakterien
entstehen (z. B. Nekrose), z. T. durch solche fermentartige, von den
Bakterien gebildete Stoffe erzeugt werden.
Sitzung vom 21. Juli 1914.
Hr. Elze spricht über die typische Verlaufsanomalie des Nervös
Uryngens inferior dexter, mit Bemerkungen über die Schridde’schen
Aortennarben. — An der Hand des Präparates eines Falles der von
Brenner genau untersuchten und mit allen Varianten entwicklungs¬
geschichtlich erklärten Varietät, bei welcher der Nervus laryngeus inf.
dexter infolge der abnormen Entstehung der Arteria subclavia dextra
aus dem distalen Ende der Aortenwurzel nicht rückgängig ist, sondern
unmittelbar vom Stamme des N. vagus zum Kehlkopf zieht, werden die
zugrunde Hegenden Entwicklungsvorgänge der Kiemenarterienbügen be¬
sprochen. Dabei wird die Kaudalwärtsverlagerung des Herzens und der
Derivate der Kiemenarterienbögen besprochen, und besonders die Ver¬
schiebung, welche nicht nur die Art. subclavia sin., bzw. der Ductus
Botalii längs der Aortenwand erfährt, sondern vor allem die abnorm sich
entwickelnde Art. subclavia dextra, die beim Erwachsenen als letzter
Ast des Aortenbogens an dessen dorsaler Wand gegenüber der Insertion
des Ligamentum Botalii entspringt. Im Anschluss daran kommt der
Vortragende auf die von Schridde und seinem Schüler Kroemer be¬
schriebenen Aortennarben zu sprechen. Es handelt sich dabei um eine
streifenförmige Verdickung der Intima der ventralen Wand der Aorta
unterhalb des Lig. Botalii. Genaueres über die Lage des Streifens ist
aus den Beschreibungen nicht zu entnehmen, da kein Uebersichtsbiid
beigefügt ist und man sich nach den Angaben, dass er „rechts von den
Intercostalarterien“ liege, und mit „versprengten“ Intereostalarterien,
womit offenbar Art. bronchialis und oesophageae gemeint sind, in Be¬
ziehung steht, kein rechtes Bild machen kann. Schridde und Kroemer
geben der Meinüng Ausdruck, dass dieser Streifen als die „Narbe“ der
rechten Aortenwurzel zu betrachten sei. Wäre diese Meinung richtig,
so müsste man, wie die Autoren selbst sagen, diese Narbe am deutlichsten
bei Embryonen kurz nach der Obliteration der rechten Aortenwurzel
ausgeprägt finden. Sie geben jedoch selbst an, dass sie bei dem jüngsten
von ihnen untersuchten Stadium, dass freilich mit Rücksicht aut die in
Rede stehenden Entwicklungsvorgänge schon sehr alt ist, einem Fötus
aus dem sechsten Monat, von den „Narben“ keine Spur haben entdecken
können. Vor allem spricht gegen diese Meinung der Umstand, dass,
wenn die rechte Aortenwurzel, statt wie gewöhnlich zu obliterieren, als
Anfangsteil der Art. subclavia dextra erhalten bleibt, ihre Vereinigungs¬
stelle mit der linken Aortenwurzel, also der Ursprung der abnormen
rechten Subclavia aus der Aorta, nicht caudal vom Ligamentum Botalii
am ventralen Umfang der Aorta descendens, sondern gegenüber dem
Ligamentum Botalii am dorsalen Umfange des Arcus aortae gefunden
wird. Einen strikten Gegenbeweis könnte freilich nur die auf den in
Rede stehenden Streifen verdickter Intima gerichtete Untersuchung einer
Aorta liefern, welche die erwähnte Varietät der Art. subclavia dextra
aufweist.
Br. Emst Kränke] gibt einen Beitrag zur Theorie und Praxis
der Wassermann’schen Reaktion. In der serologischen Abteilung des
Heidelberger Krebsinstituts wurden in ca. 1500 Fällen alkoholische Ex¬
trakte aus Lueslebern und Alkoholextrakte aus Rinderherzen mit und
ohne Cholestearinzusatz (Sachs), sowie methylalkoholische Acetonextrakte
aus Meerschweinchenherzen parallel als Antigen verwendet. Ausser den
individuellen Differenzen, die jeder Extrakt je nach dem Komplement
insbesondere bei den schwach positiven Sera zeigen kann, wurden keine
prinzipiellen Unterschiede in der Brauchbarkeit der verschiedenen Extrakt¬
arten gefunden. Die Extrakte aus normalen Organen erwiesen sich als
gleichwertig mit denen aus Lueslebern und wurden später in einer Anzahl
von Fällen (ca. 900) mit gutem Erfolg allein verwendet. Die verschiedenen
Extraktarten zeigten nach den von Klein vorgenommenen Untersuchungen
annähernd übereinstimmende Analysenzahlen. Die Antigenwirkung beim
alkoholischen Rinderherzenextrakt war im wesentlichen an den äther¬
löslichen, acetonunlöslichen Teil gebunden, der die Phosphatide enthält.
Verstärkt wird die Antigenwirkung durch Cholestearin, sowie durch einen
aus dem Alkoholextrakt ausfallenden, jecorinähnlichen, seifenartigen
Körper (Klein und Fränkel), der eine stark hemmende Wirkung auf
die Komplementhämolyse hat und auch die Antigenwirkung des Lecithins
ab ovo verstärkt. Welche Substanzen sonst noch an der AntigenwirkuDg
beteiligt sind, ist unsicher. Eine Einwirkung des Serums direkt auf
den Extrakt ist wahrscheinlich vorhanden. Ob man mit Much die Ab¬
bauprodukte, speziell die Aminosäuren im Serum für die Reaktion ver¬
antwortlich machen kann, scheint zweifelhaft, da eine Anzahl derselben
(Tyrosin, Alanin, Leucin) mit und ohne negatives Serum die Komplement¬
hämolyse erst in Dosen hemmen, welche bei der Reaktion gar nicht in
Betracht kommen. Vielleicht ist näherliegend, an Zustandsänderungea
der Kolloide zu denken, wie sie auch bei der Umwandlung negativer
Sera in Wassermann-positive nach ChloroformvorbebandluDg anzunehmen
sind (Fränkel). Die klinischen Resultate entsprachen den auch ander¬
wärts gemachten Erfahrungen mit der Reaktion. „Paradoxe“ Sera kommen
nur ausnahmsweise einmal vor. Hier lag die Schuld am Komplement,
wie sieb bei der Verwendung eines andern Komplementes herausstellte.
Bei 374 Carcinomfällen war die Reaktion im ganzen 34mal positiv oder
schwach positiv (ca. 9pCt.), und zwar wohl immer auf Grund einer durch¬
gemachten Lues. Davon entfallen auf 23 ZuDgencarcinome allein 9 posi¬
tive und 2 schwach positive Reaktionen (45pCt.). Dies deutet darauf
hiD, dass eine luetische Erkrankung wohl ausserordentlich oft den Boden
vorbereitet, auf dem sich das Carcinom später entwickelt.
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.)
Sitzung vom 15. September 1914 im Laügenbeckhause.
Die Ziele und Aufgaben der „Kriegsärztliehen Abende“.
Der Vorsitzende, Herr Geheimrat Prof. Dr. Treidelenburg, begrüsst
die zahlreiche Versammlung, insbesondere die Vertreter der Behörden,
und erinnert an den Paten dieses Hauses, Bernhard v. Langenbeck.
Dieser begründete 1870 in Orleans eine Gesellschaft, in der die Militär¬
ärzte ihre Erfahrungen austauschten; er gedenkt v. Graefe’s, Stroh-
meyer’s, Esmarch’s und vor allem v. Bergmann’s. Dieser lehrte
zuerst in der Kriegschirurgie das Prinzip des Nil nocere. Nicht mehr
wird aus dem ledernen Handbesteck, aus dem Rocke die Sonde geholt
und nach der Kugel gesucht oder gar eine komplizierte Fraktur mit un¬
gereinigtem Finger auf lose Splitter untersucht. Die feinen und fried¬
lichen Züge Jos. Lister’s blicken auf uns herab; wir wollen uns den
Blick nicht durch politische Leidenschaften verdunkeln lassen.
Wir wollen aber alle Zwecke der kriegsärztlichen Wissenschaften im
weitesten Sinne umfassen. Die grosse Bedeutung der Hygiene, die
R. Koch schuf, und die 1870 erst in den schwachen Anfängen stand,
drückt sich in der Kriegshygiene aus. Kriegsseuchen finden sich in
jedem längerdauernden Kriege. Ausser der Kubpockenimpfung, die 1870
unsere Soldaten vor den Blattern schützte, fehlte es damals an jedem
Schutzmittel. Erschreckend war die Zahl der Opfer. Im Krimkriege
verloren die Westmächte an Krankheiten viermal soviel Mannschaften als
durch Verwundungen. Das beste Mittel war der Abmarsch aus den
Seuchengegenden nach dem Fall der Festungen. Unsere Kruppgeschütze
werden auch wirksame Seuchenbekämpfung üben, indem sie längere Be¬
lagerung verhüten.
Eine wichtige Aufgabe bleibt es, die Schutzsera zu erproben. Ge¬
legenheit dazu haben wir im Osten. Noch manche andere Krankheit ist
wichtig. Bei den starken Ansprüchen der modernen ausgedehnten Kriegs-
führuDg weiden die Ermüdungszustände und Erschöpfungskrankheiten
sich körperlich und psychisch besonders geltend machen. Dazu kommen
die mannigfachen physiologischen und ärztlichen Fragen hinsichtlich der
Ernährung der Armee und der heimischen Bevölkerung unter den Kriegs¬
verhältnissen.
Das Arbeitsfeld ist umfangreich, eine gute Ernte nur durch das Zu¬
sammenarbeiten vieler zu erzielen; gegenseitige Belehrung zum Wohle
der Kranken und Verwundeten, Förderung der kriegsärztlichen Wissen¬
schaft durch Sammlung der Erfahrung sei unser Ziel.
Hr. Adam: Das Kaiserin Friedrich-Haus wird seine Röntgen-
einrichtung denjenigen Reservelazaretten, die keine besitzen, kostenlos
zur Verfügung stellen. Für die Platte soll 1 M. zu wohltätigen Zwecken
erhoben werden.
Aerztliche Friedenstätigkeit im Kriege.
Hr. Ministerialdirektor Prof. Dr. Kirchner*. Millionen der kräftigsten
Männer sahen wir hinausziehen, von Vaterlandsliebe erfüllt, desgleichen
Tausende von Aerzten und Schwestern, die unsere kranken und ver¬
wundeten Brüder versorgen sollen, und da will Vortr. von Friedenstätig¬
keit sprechen. Es handelt sich um die Schicksalsstunde für Deutsch¬
land. Die Feinde wollen unseren Handel zerstören, unsere Güter rauben
und uns aus der Landkarte streichen. Darum müssen wir, die leider
Zurückbleiben, eine bedeutungsvolle Sorge übernehmen, nämlich die, dass
unser heimkehrendes Heer ein Land wiederfindet, das blühend und
fruchtbar, gesund und ohne Krankheiten ist. Die Familienväter sollen
Weib und Kind gesund wiederfinden. Wir müssen während des Krieges
trotz der Erregung und Sorge um unsere Heere ruhig und ernsten Auges
wachen, dass unser Volk gesund bleibt.
Dank den Leistungen Koch’s und seiner Mitarbeiter haben wir in
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UNIVERSUM OF IOWA
28. September 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1675
Deutschland einen Gesundheitszustand, der sioh mit anderen Ländern
messen kann, den besten, den es geben kann. Denn unsere Aerzte
bildeten sich mit Ernst und Eifer fort. Dank der Initiative Koch's,
durch das Impfgesetz von 1874, das Reichsseuchengesetz von 1900 und
das preusaische Seuchengesetz von 1905 haben wir Waffen gegen alle
Seuchen.
Das Deutsche Reich ist von einem Netz von Untersuchungsanstalten
überzogen, welche der Feststellung der übertragbaren Krankheiten
dienen; in sämtlichen Apotheken stehen Gefässe, welche jeder Arzt mit
Prüfungsmaterial füllen und an eine Anstalt senden kann. Ebenso gibt
es zahlreiche Desinfektorenschulen, die unentgeltlich Personal ausbilden;
in Preussen sind das bisher 4000 Personen. Für die Schutzpockenimpfung
sind Anstalten errichtet, welche die Lymphe produzieren und unentgelt¬
lich abgeben; bisher sind es 20. Die Herstellung ist verbessert; denn
man lernte die Lymphe länger zu konservieren und keimfreier als bis¬
her zu machen.
Weiterhin wird die Grenze durch am Meere gelegene Quarantäne-
Anstalten geschützt, welche die Zugänge zu unseren grösseren Strömen
bewachen. Ausserdem bestehen Kontroll3tationen für die russischen
Auswanderer, welche alle Fremden überwachen. Zum Abfangen der
Krankheitskeime machen wir die Bacillenträger unschädlich. Am Niemen,
Weichsel und Warthe bestehen Untersuchungsstellen für Schiffer, die
aus Russland kommen. Wir haben 1910 zuerst an zwei Stellen der
Grenze Laboratorien eingerichtet, wo sämtliche Schiffer auf Cholera¬
bacillen untersucht wurden; dreimal wurden solche gefunden.
Infolge der Fortschritte haben wir eine grosse Abnahme der
Seuchensterblichkeit zu verzeichnen. Von 1816 bis 1880 war
die jährliche Sterblichkeit die gleiche; nur von Zeit zu Zeit gab
es Steigerungen infolge von Epidemien; 1829/31 herrschte die Cholera,
später die Pocken (1871/72). Dann ist unter Koch’s Einfluss
die Sterblichkeit bis zu einem Tiefstand, wie nie zuvor, zurückgegangeu.
Es sind nicht alle Krankheiten, sondern hauptsächlich die Infektions¬
krankheiten beteiligt. Auch bei den nicht übertragbaren Krankheiten
ist in den letzten Jahren dank den Fortschritten der Chirurgie und
Hygiene eine Abnahme erfolgt; aber diejenige der übertragbaren Krank¬
heiten duldet keinen Vergleich. Wir haben keine Sterblichkeit mehr an
Pocken und Diphtheritis. Vor der Einführung des Diphtherieheilserums
starben 40000—50000 Kinder, jetzt nur 10000—11000 daran jährlich.
Typhus ist die schwerste Infektionskrankheit jetzt; von 7 auf 10000 im
Jahre 1876 ist die Sterblichkeit dieser Krankheit auf wenige Bruchteile
1912 gefallen.
Der gute Gesundheitszustand gilt auch von den chronischen In¬
fektionskrankheiten, auch von der Tuberkulose. Sie hat leider weniger
abgenommen, da keine Anzeigepflicht besteht. An ihr haben wir 1876
330, 1910 nur 155 von 10000 Lebenden verloren; das ist eine Abnahme
um mehr als 50 pCt. Die Abnahme der Kindertuberkulose ist minimal;
günstiger steht es mit dem versicherungspflichtigen Alter.
Im ganzen sind also die Gesundheitszustände ira Deutschen Reiche
ausgezeichnet. Deswegen wollte Vortr. über die „ärztliche Friedens¬
arbeit im Kriege“ sprechen. Die Zahl der im Felde befindlichen Aerzte
ist sehr gross. Nicht nur jeder Truppenteil braucht eine Anzahl, ein
mobiles Regiment 6, ein Armeekorps weit über 100 Aerzte. Unsere
20 Armeekorps brauchen 3000—4000 Aerzte. Dann führen wir bei
jedem Korps 12 Lazarette und 3 Sanitätskompagnien mit; dazu kommen
Kriegslazarette mit ärztlichem Personal, Sanitätszüge und -Schiffe fahren
hin und her zur Evakuierung der Verwundeten. Bei Seuchenausbruch
im Etappengebiet sind Seuchenlazarette vorgesehen. Es findet also
während des Krieges ein enormer Abfluss von Aerzten statt, der niemals
so gross wie jetzt war. Nun haben wir viel Aerzte, weit über 30 000,
wenn auch in manchen Gegenden ein Mangel besteht; im ganzen ist
kein Mangel. Die Aerzte könnten noch viel mehr in Anspruch ge¬
nommen werden, wenn die Bevölkerung von der Bedeutung des Arztes
und seiner Tätigkeit völlig durchdrungen wäre. Gegenwärtig sind aber
weniger Aerzte vorhanden als nötig ist.
In Deutschland haben wir 149 Lungenheilstätten für Erwachsene,
32 für Kinder, 108 für scrofulöse und erholungsbedürftige Kinder mit
20000 Betten, in einer grossen Reihe von Krankenhäusern besondere
Abteilungen für Tuberkulöse; im Frühjahr 1913 hatten wir 1819 Aus-
kunfts- und Fürsorgestellen, die erst 1903 begründet worden waren,
115 Walderholungsstätten mit Tag- und teilweise Nachtaufenthalt,
19 grosse Anstalten für Knochen- und Gelenktuberkulose mit 1496 Betten.
Die Sterblichkeit an Tuberkulose hat ja auch dank der sozialen Gesetz¬
gebung, die grosse Mittel frei machte, abgenomraen. Kaum weniger
wichtig ist die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit. Auch hier wurde
Hervorragendes geleistet, Krippen- und Säuglingsheime, Auskunfts- und
Fürsorgestellen für Säuglinge, Stillprämien für Frauen. Unsere Kinder
werden nicht mehr dezimiert. Die Säuglingssterblichkeit tötete früher
den 4.-5. Teil der Kinder; jetzt sterben kaum zwei Drittel dessen, viel¬
mals noch weniger.
Zur Erforschung des Lupus wurden Anstalten getroffen; mindestens
16000—20000 Kranke sind vorhanden. Ein Sonderausschuss des Zentral¬
komitees gegen die Tuberkulose schloss Verträge mit Krankenanstalten und
beschaffte Finsen-Apparate. Ueberall findet eine mühselige Behandlung
statt. Schon nimmt die Zahl der neugemeldeten Fälle ab. Vielleicht
gelingt es auch, den Lupus einzudämmen. Andere Staaten, z. B. Oester-
rach, haben schon eigene Lupusheime, die den Kranken ein lebenswertes
Dasein verschaffen.
Die Bekämpfung chronischer Krankheiten umfasst auch die Krebs¬
frage ; ein Komitee wurde zur Untersuchung und Heilung der Kranken
gegründet; überall wird mit Eifer gearbeitet. Die Ursache ist noch
nicht gefunden, aber die Zahl der Arbeiten ist enorm.
Zahnärzte haben gezeigt, dass die Zahncaries in weiten Kreisen
eine Volkskrankheit ist. Auch auf dem Lande haben die Kinder schlechte
Gebisse und die Ernährung leidet. Ein Komitee wurde gegründet und
schuf Schulzahnkliniken. Schon bessern sich die Verhältnisse in der
Bevölkerung.
Vor einigen Jahren erkannte man, dass unsere Jugend geschützt
werden muss; so entwickelte sich die Schulhygiene. Viele Städte haben
Schulärzte, welche die Schulrekruten und andere Schüler nicht nur regel¬
mässig untersuchen, sondern durch die ganze Schule geleiten und Rat¬
schläge zur Berufswahl geben. Auch die moralischen Seuchen, die
Geschlechtskrankheiten haben wir angegriffen. Ein Komitee besteht zu
ihrer Bekämpfung und zur Belehrung über ihre Schäden. Diese Krank¬
heiten sind nicht nur der Moral und ihrer Gesundheit schädlich, sondern
untergraben auch die geistigen Leistungen. Die Zahl der erblich syphi¬
litischen Kinder und der rüstigen Männer, die plötzlich in geistige Nacht
versinken, ist riesengross.
Alle diese hochwichtigen Dinge sind jetzt gefährdet? Weil das
Interesse unseres Volkes und der Aerzte auf die einzige grosse Frage
gerichtet ist, die Erhaltung unserer Bedeutung in der Welt. Wir denken
an unsere Jugend im Felde, wir stellen Aerzte und Mittel der Armee bereit.
Aber es gibt eine Kehrseite. Wir müssen auf sie binweisen. Bei jedem
Kriege muss man au den Frieden, bei jedem Frieden daran denken, wie
der Friede uns findet! Unser Export und Import liegt darnieder. Unsere
Fabriken stehen still. Unsere Industrie leistet nichts.
Aber im Inlande sind Menschen, welche ebenso wie in Friedens-
Zeiten Krankheiten unterworfen sind. Wird die Gesundheit der Heim¬
gebliebenen geschädigt, so ist der Schaden nie wieder gut zu machen.
Unsere Pflicht ist es, das zu verhüten. Das Heer muss ein gesundes
Haus wiederfinden Wie? ist schwer auszuführen, aber befriedigend zu
beantworten.
Das Personal der Aerzte und Krankenschwestern wurde gleich bei
Beginn des Krieges vermehrt. Das praktische Jahr wurde für die Kriegs¬
zeit abgeschafft, die Notprüfung am ersten Mobilmachungstage eingeführt.
Die Zahl dieser jungen Aerzte dürfte etwa 2000 betragen. Ebenso ver¬
fuhren wir mit den Pflegepersonen. Bisher wurde mindestens ein Jahr
Tätigkeit und Prüfung verlangt; während des Krieges wird die Bildung
auf 6 Monate verkürzt und eine Notprüfung eingeführt. Noch immer
sind es zu wenig! Das merken wir daran, dass bei Ausbruch des Krieges
fast sämtliche Lungenheilstätten und Fürsorgestellen für Lungenkranke
und Säuglinge geschlossen wurden, weil die Anstalten der Armee zur
Verfügung gestellt wurden und die Aerzte und Schwestern ohne Ersatz
ins Feld gingen. Nicht alle Anstalten eignen sieh zur Pflege von Ver¬
wundeten. Man sollte nicht jede Anstalt dem Heere geben, sondern auf
ihre Eignung prüfen. Lungenheilstätten sind vielleicht ungeeignet, weil
infiziert. Sie sind zwar zu desinfizieren, aber man muss wählen.
Säuglingsheime und Krippen zu benutzen, erscheint merkwürdig! Sie
sind wenig geeignet zur Behandlung von Schwerverletzten. Es ist
wichtig, hier kritisch zu sein. Vielleicht klagen manche Aerzte, dass
ihre Lazarette nicht belegt werden; das ist ein Beweis dafür, dass die
Zahl der Unterkünfte im Reiche enorm ist, ein Zeichen des hohen
Standes der Medizin und der Wohlhabenheit des Volkes. Soviel Ver¬
wundete, wie nötig wären, alle Spitäler zu füllen, sind nicht vorhanden.
Daraus folgt, dass es nicht richtig ist, alle Anstalten ohne Prüfung
dem Heere zu übergeben.
Wenn wir alle Lungenheilstätten und Krippen plötzlich räumeD, 90
ist das bedenklich. Die Tuberkulösen sind zwar vielfach nicht an¬
steckend; aber ein Teil, der offene Tuberkulose hat, verbreitet die
Keime. Werden die Anstalten geschlossen, so ist die Gefahr der Aus¬
breitung gross. Dann steigt die Sterblichkeit der Tuberkulose wieder.
Die gesunden Kinder werden angesteckt. Dem ist entgegengetreten
worden. Die Präsidenten des Reichsgesundheitsamtes, des Reichsver-
sicheruDgsamtes und der Angestelltenversicherungsanstalt, die Herren
Bumm, Kaufmann und Roch, traten zusammen. Die Wohlfahrts¬
pflege soll auch während des Krieges getrieben werden. Das Reichs¬
versicherungsamt hat das sämtlichen Landesversicherungsanstalten ans
Herz gelegt. Sie haben Mittel zur Verfügung gestellt. Der Minister
des Innern hat alle nachgeordneten Behörden aufgefordert, der Fürsorge
für Tuberkulöse und Säuglinge auch weiterhin ihre volle Aufmerksamkeit
zuzuwenden. Viele Lungenheilstätten wurden wieder geöffnet. Das
Kriegsministerium benutzt die Heilstätten nur für tuberkulöse Soldaten;
in den Heilstätten dürfen in Sonderabteilungen Zivilpersonen Unterkunft
finden. Die Fürsorgestellen haben wir mit Aerzten, Schwestern und
Geld versorgt. Genau so wurde mit der Säuglingsfrage verfahren. Die
Herren Bumm und v. Behr-Pinnow haben sich der Frage ange¬
nommen. Fürsorgestellen und Krippen sind wieder in Tätigkeit.
Und noch eins geschah, die Einrichtung der Kriegspatenschaft; für
Säuglinge, deren Väter im Felde stehen, sollen Kinder aus wohlhabenden
Familien sorgen.
Wichtig ist die Bekämpfung der übertragbaren Krankheiten. Die
Zahl der Versicherten ist in Berlin von 500 000 auf 135 000 gesunken.
Dazu hat eine Reihe von Krankenkassen die Familienversorgung auf¬
gegeben. Ein Teil der Aerzte ist nicht mehr so beschäftigt wie bisher
und wie es wünschenswert ist. Um so mehr haben die Aerzte Zeit, die
Fälle sorgfältig zu versorgen. Wir haben jetzt eine Diphtherieepidemie.
Sorgen wir, dass das Heilserum eingespritzt wird. Die Stadt liefert es
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1676
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 89.
gratis. Wir haben in Russland Cholera und Pest, in Belgien Ruhr, in
Südpolen desgleichen, in Frankreich die Pocken. Die Pariser Be¬
völkerung soll zwangsweise geimpft werden. Das mahnt uns, aufzupassen
auf den ersten Fall, z. B. von Cholera und Pocken; auf Pest muss man
bei besonders schwerer Lungenentzündung fahnden. Ein Verdacht muss
gemeldet werden.
Infolge des Krieges besteht grosse Arbeitslosigkeit, die den Kampf
gegen Krankheit schwächt. Das gilt nicht bloss von den niederen
Ständen; für sie zu sorgen, sie an die richtigen Stellen zu weisen, dazu
ist zuerst der Arzt berufen. Wird auoh die Zahl der Aerzte immer ge¬
ringer, so ist jetzt die Zeit, ein solches Verhältnis wieder anzubahnen.
Der Arzt soll den Familien auch in Fragen, die über das rein Aerztliche
hinausgehen, in der Kriegswohlfahrtspflege helfen, soll den von Elend
Verfolgten Hilfe leisten, ihre Schmerzen rechtzeitig erkennen und heilen.
So sorgen wir, dass unser Volk gesund und stark bleibt. Mode.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Generaloberst v. Hin den bürg, der Befreier Ostpreussens,
wurde wie von den übrigen, so auch von der medizinischen Fakultät
der Universität Königsberg zum Dr. honoris causa ernannt.
— Der bekannte Wiesbadener Ophthalmologe Pagen Stecher feierte
am 16. September seinen 70. Geburtstag.
— Generalarzt Korsch, Korpsarzt des V. Armeekorps, ist gefallen.
— Dr. Max Kirsohner aus München, zuletzt Assistent an der
Katzenstein’schen Privatklinik in Berlin und jetzt Assistenzarzt der
Reserve in der 3. bayerischen Feldpionierkompagnie, erhielt das eiserne
Kreuz. Wir beglückwünschen den liebenswürdigen, bescheidenen, jungen
Kollegen aufs herzlichste zu dieser grossen Ehre. I
— Gegenüber dem hier auftretenden Gerücht, in Königsberg und
benachbarten Gebieten Ostpreussens sei die Cholera ausgebrochen, wird
von zuständiger Seite festgestellt, dass bis jetzt weder in der Stadt
noch im Regierungsbezirk Königsberg Fälle von Cholera vorgekommen
sind. Auch in den an den Kreis Memel angrenzenden russischen Be¬
zirken herrscht keine Cholera.
— Die ostpreussische Aerztekammer gibt bekannt, dass ein be¬
sonderer Notstand dadurch eingetreten ist, dass es in den kleinen Provinz¬
städten Ostpreussens an Aerzten mangelt. Es wird als dringend
notwendig bezeichnet, dass sich Aerzte finden, die bereit sind, für die
Zeit der Not dort ihre Praxis auszuüben.
— Eine grössere Anzahl von Firmen der chemisch-pharmazeutischen
Industrie verwahrt sich gegen eine aus Apothekerkreisen herrührende
Behauptung, dass sie für ihre Produkte eine starke Preiserhöhung ein¬
geführt habe. Es seien für die meisten Präparate die alten Preise bei¬
behalten und nur für einige wenige geringe Erhöhungen eingeführt worden,
bedingt durch eine Erhöhung der Rohpreise.
— Nachdem die „pneumatischen Kammern“ mit der Uebersiedeluug
des Krankenhauses der israelitischen Gemeinde in das neue Heim auf¬
gelassen worden, ist es vielleicht für gewisse Fälle von Interesse, dass
der langjährige Leiter obiger therapeutischen Abteilung, Herr E. Aron,
neben seiner Tätigkeit am genannten Krankenhaus die Leitung der
„pneumatischen Kuranstalt“ in der neuen Winterfeldtstrasse 20 über¬
nommen hat.
— Volkskrankheiten. Genickstarre in Preussen (6.—12. IX.)
2 und 1 +, und zwar im Reg.-Bez. Arnsberg 1, Posen 1 (1 +)• — Spinale
Kinderlähmung (6.—12. IX.) 6, und zwar im Reg.-Bez. Aachen 1,
Arnsberg 1, Liegnitz 1, Schleswig 2, Landespolizeibezirk Berlin 1. —
Pest in Italien im Hafen von Catania am 5. IX. 3 und am 6. IX. 4
pestverdächtige Fälle, von denen 3 tödlich. Aegypten (8.-28. VIII.)
10 (3 f). Schweden und Norwegen ist das Gouvernement Podolien
als choleraverseucht erklärt worden.
Hochsohulnachrichten.
Freiburg i. B. Privatdozent W. Hildebrandt erhielt den Titel
ausserordentlicher Professor. — Königsberg. Prof. Hallervorden,
Privatdozent für Psychiatrie, ist gestorben. — Marburg. Privatdozent
Dr. 0. Veit wurde zum Abteilungsvorsteher am anatomischen Institut
ernannt. — Prag. Habilitiert: an der tschechischen Universität für
Pharmakologie Ottokar Rybak. — Wien. Habilitiert: Otto Sachs
für Dermatologie und Syphilis, Erh. Glaser für Hygiene, Rieh.
Wasicky für Pharmakognosie.
Verlustliste.
Dr. A. Eis en heim er - Mannheim-Lindenhof, Assistenzarzt d. R.,
schwer verwundet. Dr. E. Glömme-Hamm i. W., Stabsarzt d. R.,
schwer verwundet. Fritz v. Ewald - Darmstadt, cand. med., gefallen.
Dr. H. Riehardt-Hünfeld, verwundet. Dr. H. Eicke - Breslau, Unter¬
arzt, gefallen. Dr. Jacobi - Hirschberg, Unterarzt, gefallen. Dr. H.
Weltz, Unterarzt, gefallen. Dr. Molkenbuhr, eiDjährig-freiwill. Arzt
der Marine, gefallen. Dr. K. Zirkel, Oberarzt d. R., gestorben in
Landau Pf. E. Gläsl, stud. med., 19. bayer. Inf.-Reg., gefallen.
Dr. F. Seiler- Gersheim, Stabsarzt d. R., gefallen. Dr. B. Hamp-
Soimenberg, Stabsarzt d. L., verwundet. Dr. E. Wiedersheimer -
Aschhausen, Assistenzarzt, verwundet. E. Boltz, cand. med., gefallen.
Dr. E. H ei man n - Duisburg, Assistenzarzt d. R. im 2. bad. Inf.-Reg.,
gefallen. Sao.-Rat Dr. Jacke - Fürstenwalde, Stabsarzt d. R., an Pneu¬
monie gestorben. Dr. W. Kern - Windsbach, Oberarzt d. R., gefallen.
Dr. E. Overhof - Kiel, Unterarzt, gefallen. Dr. Pauly -Neidenburg,
Stabsarzt im 18. L.-Reg., gefallen. Dr. K. Schrödl - Tann, Oberarzt
d. R. im 16. Inf.-Reg., verwundet. Dr. H. Brumby - Liebenwerda, Ober¬
arzt, schwer verwundet. San.-Rat Dr. E. Romberg• Braubaeb, Stabs¬
arzt d. L, Inf.-Reg. Nr. 60, gestorben infolge eines Unfalles.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Königl. Krone zum Roten Adler-Orden
4. Kl.: Marine-Oberstabsarzt Dr. Bensen vom Stabe S. M. Linien¬
schiffs „Kaiser“.
Roter Adler-Orden 4. KI.: Geh. San.-Rat Dr. v. Kühlwetter in
Düsseldorf.
Rote Kreuz-Medaille 3. KL: Oberarzt am städt. Krankenhause in
Solingen, Stabsarzt d. R. Dr. Everts.
Ernennung: Privatdozent an der Universität Marburg Dr. 0. Veit,
2. Prosektor am anatomischen Institut der genannten Universität, zum
Abteilungsvorsteher an demselben Institut.
Weitere Ernennungen an der neuen Universität Frankfurt a. M.
siehe unter „Tagesgeschichtliche Notizen“ der vorigen Nummer dieser
Wochenschrift, Seite 1656.
Versetzung: ordentl. Prof. Dr. A. Ellinger von Königsberg i. Pr.
in gleicher Eigenschaft in die medizinische Fakultät der Universität
Frankfurt a. M.
Niederlassungen: Dr. E. Dresel und Dr. R. Kaiser in Berlin, Dr.
E. Böhme und A. van Oyen in Brandenburg a. H., A. Frenzei
und Aerztin Dr. J. Müller geb. Ebsen in Berlin-Schmargendorf, Dr.
F. K oester ia Berlin-Lankwitz, Dr. E. Weiss, San.-Rat Dr. E.
Möser, Dr. A. Harbig und Dr. W. Schulemann in Breslau,
Aerztin M. Helbig in Halle a. S., Dr. E. Euers in Crefeld, Dr. R.
v. Scheven, Dr. J. Quante und Dr. P. P. Wolff in Elberfeld,
A. Sardemann und Dr. F. Berningbaus in Essen (Ruhr), Dr. P.
Hoffmanns in Issum, Dr. 0. Lürick in Alpen, Dr. A. R. G. Sie¬
laff in Remscheid, Dr. F. Gläsel in Sigmaringen, Dr. F. Wagner in
Borbeck-Dellwig.
Verzogen: Stabsarzt Dr. R. Blaschy von Goslar naoh Offenbarg
i.Baden, Generalarzt a. D. Dr. St. v.Milecki von Goslar nach Braun¬
schweig, Dr. L. A. Harriehausen von Berlin nach Koblenz, Dr. M.
Krisowski von der Riviera nach Boppard, Dr. N. Hess von Beilstein
nach Bruttig, Prof. Dr. A. Machol von Bonn nach Erfurt, Dr. H.
Rösch von Bonn nach Mühlhausen i. Thür., Dr. J. Christoffers von
Stade nach Hamburg, Dr. K. Lubenau von Ober-Mookstadt nach
Stotel, Dr. K. Petersen von Oldenburg (Grossh.) naoh Lehe, Dr. A.
Norpoth von Essen nach Gladbeck, Dr. E. Schmidt von Magde¬
burg, Dr. H. Bayer von Freiburg i. B., Aerztin Dr. G. Schmidgall
von Stuttgart, Dr. Tb. Tosetti von Neuss und Dr. E. Aschenheim
von Dresden nach Düsseldorf, Dr. H. Roser von Bremerhaven und 0.
Kiess von Leipzig nach Elberfeld, Dr. Th. Kaiser von Ebsdorf und
Dr. 0. Berkenkamp von Cöln nach Rheydt, Dr. E. Lippert von
Holthausen nach Mülheim-Saarn, Dr. E. Lübs von Göttingen, Dr. W.
Dünkeloh von Leipzig und Dr. A. Rittershaus von Düsseldorf
nach Remscheid, Dr. H. Depenthal von Bedburg nach Crefeld, Dr.
K. Landen von Düsseldorf nach Brüggen (Kreis Kempen), Dr. F. W.
Vorbrodt von Düsaeldorf-Grafenberg nach Galkhausen, Dr.O.M.Lange
von Barmen nach Grootfontein (Südwestafrika), San.-Rat Dr. M. Bern¬
stein von M.-Gladbach nach Kanada, Dr. F. Burghoff von Conradstein
nach Könitz, Stabsarzt Dr. Judenfeind - Hülsse von Frankfurt a. 0.
nach Stuhm, Dr. A. Druoker von Dortmund, P.Dzialas von Breslau,
Dr. S. Engel von Düsseldorf, Dr. F. Hacker von Göttingen, Dr. F.
Jacobs von St. Petersburg, W. Königsberger von Berlin-Lankwitz,
Dr. J. Kohlmann von Posen, Dr. W. Kremer von Aachen,
K. Meyer von Stettin, Dr. E. Rosenberg von Südafrika und Dr. W.
Wegener von Rostock nach Berlin, Dr. J. Hartl von Cassel, Dr. H.
Wienskowitz von München und Dr. M. Zetkin von Augsburg nach
Berlin-Schöneberg, Dr. R. Scharff und Dr. P. Graiohen von Jeu»
naoh Barmen, Dr. L. Schmidt von Recklinghausen nach Düsseldorf,
J. Bartscherer von Jena nach Elberfeld.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. M. Barin-
baum von Berlin, Dr. E. Glass, Dr. G. Lenz, Dr. Levin, Dr. H.
Marxen und Dr. Chr. Rowe von Charlottenburg, M. Unglaub,
0. Schlüter und Dr. F. Wagenhäuser von Elberfeld, Dr. R.
Knöner von Stotel.
Gestorben: Geh. Med.-Rat Dr. Dahlmann in Magdeburg, Kreisarzt,
Geh. Med.-Rat Dr. Többen in Recklinghausen, San.-Rat Dr. ü.
Quehl in Mülheim (Ruhr), Dr. E. Reber in Barmen, San.-Rat Dr.
A. Löwenstein in Elberfeld, San.-Rat Dr. Th. Feld mann io
M.-Gladbach, Kreisarzt, Geh. Med.-Rat Dr. P. Finger in Münster¬
berg, Dr. E. F. v. Bernstorff in Zerpenscbleuse, Dr. H. Altenburg
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Für dl« Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Ha na Sohn, Berlin W., Bayren eher Strasse 41
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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Die Berliner Kliniaclio Wochenschrift erscheint Jeden
Monte« in Nninmorn von ca. b —6 Bogon gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen
eile Buchhandlungon und Postanstalten an.
BERLINER
Alle Einsendungen für die Redaktion nnd Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August llirscliwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WÖCHENSCffRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. August üirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
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Montag, den 5. Oktober 1914. •M40. Eimmdfünfzigster Jahrgang.
INHALT.
Originalton: Virchow: Ueber den Situs der Thoraxeingeweide bei spitz¬
winkliger Kyphose. (Illustr.) S. 1677.
Kohnstamra: Schizothymie und Zyklothymie. S. 1680.
Marcuse: Der röntgenologische Nachweis von Dünndarmstenosen.
(Aus der Privatklinik von Prof. Dr. Karewski und dem Röntgen¬
laboratorium von Dr. Marcuse.) S. 1682.
Unna jun.: Neue Erfahrungen über Pockennarbenbehandlung. S.1685.
Bücherbespreehungen: Cemach: Chirurgische Diagnostik in Tabellen¬
form für Studierende und Aerzte. S. 1686. (Ref. H. Kohn.) —
Hirt: Das Leben der anorganischen Welt. S. 1686. Hofmeister:
Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht der Mediziner.
S. 1687. v. Tappeiner: Anleitung zu chemisch-diagnostischen
Untersuchungen am Krankenbette. S. 1687. Bernthsen: Kurzes
Lehrbuch der organischen Chemie. S. 1687. (Ref. Wohlgemuth.) —
Hirschfeld: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes.
S. 1687. (Ref. Pinkus.)
Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1687. — Therapie. S. 1687. —
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1688. —
Diagnostik. S. 1688. — Parasitenkunde und Serologie- S. 1688. —
Innere Medizin. S. 1688. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1688. — Kinderheilkunde. S. 1689. — Geburtshilfe und Gynäko¬
logie. S. 1689. — Unfallheilkunde und Versicherungswesen. S. 1689. —
Gerichtliche Medizin. S. 1689. — Technik. S. 1689.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner Gesellschaft
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1689. — Medi¬
zinische Gesellschaft zu Kiel. S. 1691.
Kriegsärztliche Abende. S. 1692.
Kriegsmedizinische Abende des naturhistorisch - medizini¬
schen Vereins zu Heidelberg. .S. 1694.
Münzer: Kriegsskizzen. S. 1695.
Tagesgeschichtliche Notizen. S. 1696.
Amtliche Mitteilungen. S. 1696.
r
Ueber den Situs der Thoraxeingeweide bei
spitzwinkliger Kyphose. *)
Von
Hans Virchow.
Nachdem ich mich bei früheren Gelegenheiten mit der Unter¬
suchung des nach Form aufgestellten skoliotischen und kypho-
skoliotischen Thorax und der Rückenmuskeln desselben be¬
schäftigt hatte, war allmählich der Wunsch bei mir immer
lebhafter geworden, auch die Lage der Eingeweide bei Deformi¬
täten des Brustskelettes genauer kennen zu lernen. Ich hatte
schon in jenen und in einigen anderen Fällen die Veränderungen
der inneren Organe beachtet, aber um ein präzises Bild zu ge¬
winnen, musste die Präparation in strengerer topographischer
Weise durchgeführt und schon die Vorbehandlung dem Zwecke
angepasst, d. h. eine erstarrende Injektion mit Formalin und
Alkohol vorgenommen werden. Dies ist im vorliegenden Falle
geschehen, und ich spreche die Hoffnung aus, dass die An¬
schauungen, welche auf diesem Wege gewonnen sind, sich er¬
gänzend einreihen werden in die Vorstellungen des Klinikers und
des pathologischen Anatomen. Das nach topographisch-anatomi¬
schen Regeln hergestellte Präparat lässt eine Anzahl von Ver¬
hältnissen mit unmittelbarer Anschaulichkeit sehen, von welchen
sicher einige nicht mit dieser Klarheit und Deutlichkeit zum Be¬
wusstsein der Praktiker gekommen sind, obwohl man gewiss im
selben Augenblick, wo man sie am anatomischen Präparat sieht,
sagen wird: „Es konnte ja gar nicht anders sein!“
Die Präparation mit ihren aufeinander folgenden Akten wurde
zugleich verwertet, um den Schülerinnen der photographischen
Lehranstalt des Lette-Vereins eine Uebungsaufgabe darzubieten,
und ich befinde mich dadurch in der erfreulichen Lage, sämtliche
Phasen der Präparation sowohl in vorzüglichen 13/18-Aufnahmen
wie in ebenso scharfen Stereos zu besitzen. Nach ersteren hat
Fräulein GertrudKriegerdieDiapositiveausgeführt. (Abbildungl.)
Konstitution. Wir haben einen sehr kräftigen und trotz
der Deformität des Thorax stämmigen Körper vor uns, wovon die
Muskelfülle sowohl der Arme wie der Beine Zeugnis gibt.
■}} Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft am
20. Juli 1914.
Thoraxskelett. Die Deformität des Skeletts ist eine völlig
symmetrische, d. h. rein kypbotische und gar nicht skoliotische.
Das Brustbein hat die für solche Fälle typische vorwärts ge¬
richtete Konvexität. Die Kyphose ist nicht so spitzwinklig, nicht
so scharf geknickt wie in manchen anderen Fällen, sondern
Abbildung 1.
Thorax eines symmetrisch kyphotiseben sehr kräftigen Mannes, nach
Formalin-Alkohol-Injektion für Aufstellung nach Form und photogra¬
phische und stereographische Aufnahmen.
1. Aufnahme: Aufnahme in Haut, rein seitlich.
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UMIVERSITY OF IOWA
1678
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
immerhin noch gerundet. Der Abstand von der Vorderseite des
Sternums bis zur Rückseite des Buckels beträgt 30,5 cm. Der
obere Rand des Brustbeins liegt 9,5 cm über dem höchsten Punkt
des Zwerchfells. Der Scheitel des Gibbus liegt im Bereich dez
8. Brustdorns. Hier ist der Abstand von der Hinterwand des
Wirbelkanals bis zur Rückseite der Wirbelgräte nur 5 mm. Die
erste Rippe steht vollkommen horizontal, in Seitenlinie tiefer als
die zweite und dritte. Geheilte Brüche finden sich auf der linken
Seite an der 2., 5., 6., 7., 8., 9 und 10. Rippe; auf der rechten
Seite finden sich deren ebenfalls. (Abbildung 2.)
Abbildung 2.
2. Aufnahme: Präparation der linken Seite. Freilegung des Lungenrandes.
Die Präparation durch pleuritische Adhäsion erschwert, deswegen auch
Pleurarand nicht festzustelten. Die erste Rippe steht vollkommen hori¬
zontal, in Seitenlinie tiefer als die 2. und 3. Geheilte Brüche an der
2., 5., 6., 7., 8., 9. Rippe links. Der Lungenrand ist vom schon im
2. Intercostalraum einen Finger weit vom Sternumrande entfernt, im 3.
Intercostalraum biegt er stark nach der Seite ab und ist unten durch
einen Fettlappen verdeckt. In Höhe des 1. Intercostalraumes ist der
Abstand zwischen Pleurarand und Lungenrand 12 mm, der Abstand des
Lungenrandes von der Mittellinie 31 mm. In Höhe des Ansatzes der
5. Rippe ist der Abstand der Pleura von der Mittelebene 14 mm. Der
Abstand des Lungenrandes von der Mittelebene 92 mm. Demgemäss die
Breite des Sinus praecardiacus an dieser Stelle 78 mm. Die Pleuragrenze
lässt sich vorn von Höhe der 1. Rippe bis zur S. Rippe und dann noch
im Bereiche des Sinus praecardiacus horizontal erkennen. Das untere
Ende der Incisura interlobaris liegt 97 mm hinter dem vorderen Rande
der Lingula. Die linke Lunge hat einen sagittalen Durchmesser (in
Projektion) von 23 mm und eine Höhe von 13 mm. Sie springt nach
hinten in den Gibbus mit einer unteren Spitze vor, an welche sich eine
Verwachsung durch eine dicke Schwiele anschliesst. Nach oben erhält
die Lunge eine horizontale Fläche, welche ihre grösste Ausdehnung in
sagittaler Richtung hat. Das Zwerchfell ist ausserordentlich kräftig.
Zwerchfell. Der Ursprung des Zwerchfells an der Wirbel¬
säule steht höher als der Processus ensiformis. Die sagittale
Entfernung beider Stellen beträgt 23,8 cm. Der hinter dem
Centrum tendineum gelegene Teil (Pars vertebralis) steht fast
horizontal, nur ganz wenig nach vorn ansteigend, aber nicht in
einer gewölbten, sondern in einer ebenen Fläche. Das Centrum
tendineum ist nach vom hin abschüssig. Die sagittale Aus¬
dehnung des Herzbeutels auf dem Centrum tendineum beträgt
13,5 cm. Die Entfernung vom Mittelpunkt des Foramen venae
cavae bis zur Mitte des Hiatus aorticus beträgt 92 mm. Die Pars
costalis des Zwerchfells ist ausserordentlich kräftig.
Rückenmark. DasRückenmark ist gezwungen, die nach hinten
gerichtete Konvexität raitzumachen, sucht sich aber der Gestalt¬
veränderung so sehr als möglich zu entziehen, indem es sich im
Bereich des Gibbus der Vorderwand des Wirbelkanals anschmiegt,
so dass hier zwischen ihm und der Hinterwand des Kanals ein
Abstand von 8 mm entstanden ist. (Abbildung 3.)
Linke Lunge (die rechte wurde nicht freigelegt, um das
Präparat zu schonen). Die berausgenomroene Lunge hat auf deo
ersten flüchtigen Blick eine ähnliche Gestalt wie eine normale
Lunge. Jedoch ist in Wahrheit die Gestalt derselben gänzlich
verschieden: ihre Spitze ist nicht nach obeD, sondern nach hinten
gewendet und in den Gibbus hineingebildet; dort, wo normaler-
AbbilduDg 3.
3. Aufnahme: Sternum medial halbiert. Rippen exartikuliert, wobei
jedoch im Bereiche des Gibbus die Wirbel durchsägt und abgestemmt
werden mussten. In der Lunge einige Verletzungen, Zwerchfell zum Teil
abgetragen. Pleuraumschlag vorn und vorn unten erhalten.
weise die Spitze liegt, besitzt sie eine horizontale Fläche, auf
welcher nur eine schwache Erhebung die Spitze andeutet. Der
sagittale Durchmesser ist 23 cm, die Höhe 13 cm. Die Incisura
interlobaris trifft den unteren Rand sehr weit hinten, nämlich
97 mm hinter dem vorderen Rande der Lingula.
Pleuraumschlag. Da nicht nur die Lunge der Thorax¬
wand überall adhäriert, sondern auch unterhalb der Lunge das
Zwerchfell mit der Wand verwachsen ist, so lässt sich der untere
Pleuraumschlag nicht feststellen. Dagegen ist der vordere Um¬
schlag der Pleura von der 1. bis zur 8. Rippe frei; er ist in
Höhe des 1. Intercostalraums 19 mm und in Höhe des Ansatzes
der 5. Rippe 14 mm von der Mittelebene entfernt.
Sinus pleurae. Die Höhe des Sinus phrenico costalis lässt
sich wegen der erwähnten Verwachsung von Zwerchfell und Brust*
wand nicht genau bestimmen, jedoch ist aus der Lage der Rippen
und des Lungenrandes zu entnehmen, dass er eine bedeutende
Höhe bat, nicht geringer als an normal gestalteten Brustkörben,
was bei der Niedrigkeit des Thorax höchst auffallend wirkt. Der
Sinus mediastino-costalis ist dagegen in ganzer Ausdehnung klar.
Er hat bereits in Höhe des 1. Intercostalraumes, wo man an
normalen Brustkörben niemals einen Sinus findet, eine Breite von
12 mm, in Höhe des Ansatzes der 6. Rippe, also vor dem Herzen
— ich schlage vor, diesen Abschnitt des Sinus als „Sinus prae¬
cardiacus“ zu bezeichnen — eine solche von 78 mm. (Abbildung 4.)
Herz. Das Herz zeigt ausser der von Kyphotischen bekannten
Hypertrophie, welche sowohl den linken wie den rechten Ventrikel
betrifft, mehrere beachtenswerte Eigenschaften, welche erst bei
dieser Art der Präparation hervortreten: Am auffallendsten ist
dabei die Krümmung des Herzens in sagittaler Richtung, welche
sich daraus erklärt, dass dasselbe, dem Sternum angelagert, die
Krümmung des Knochens mitmacht. Die Hinterwand des rechten
Vorhofes ist fast horizontal gestellt, so dass die Vena cava inferior
fast unter rechtem Winkel in den Vorhof einmündet. (Abbildung 5.)
Aorta. Die Aorta ist, dem Gibbus entsprechend, scharf
nach hinten gebogen, fast geknickt. Der sagittale Abstand dieser
Stelle von der Mitte der Aortenklappe beträgt 16 cm.
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UNIVERSUM OF IOWA
5. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1679
Linker Bronchus. Der Bronchus ist dort, wo er von der
Aorta gekreuzt wird, eingedruckt. (Abbildung 6.)
Oesophagus. Der Oesophagus macht die Biegung nach
hinten mit, jedoch lange nicht in so hohem Grade wie die Aorta.
Abbildung 4.
4. Aufnahme: Linke Lunge entfernt. Herzbeutel entfernt, jedoch so,
dass über dem Zwerchfell ein Streifen stehen geblieben ist; vorn bis an
die Mittellinie entfernt. Vom Phrenicus ein Stumpf stehen geblieben.
Aorta und Vagus freigelegt.
Abbildung 5.
f ’ • U i n , a J. me: Thymus freig6legt mit Verlust einer unteren Spitze. Ao
Vaif 6 r k lsz mn Bogen. Arteriaanonyma,Carotissinistra, Subclaviasinist
„• hf a- a , I 7 D £ eus ’ ^ ena anonyma sinistra, Fenster in der Pulmonalis. M
A rtpria 0 Tasche, jedoch etwas nach vorn gewendet. Im Hilus <
feil an* urc b|chnitt, 2 Venendurchschnitte (einer davon an das Zwer
ohr nn i e ?9 und ein Durchschnitt des Bronchus (der engste). He
des oberen e p Zt, Mi LlDker , Ventrikel eröffoet ’ man sieht die Sehnenfäc
Papillarmuskels und den unteren Papillarmuskel mit seii
Fäden.
Er ist dort, wo er von der Aorta gekreuzt wird, eingedrückt,
oberhalb dieser Stelle sehr eng, unterhalb erweitert. (Abbildung 7.)
Schlussbetrachtungen. Unter den vielerlei Anregungen,
welche dieses Präparat bietet, finden sich nicht nur solche, welche
den Nutzen der topographischen Präparierweise für die klinische
und pathologisch-anatomische Auffassung dartun, sondern auch
solche, welche umgekehrt den Vorteil des Studiums abnormer
Verhältnisse für Anatomie und Physiologie zeigen. Von solchen
seien vier genannt: Krümmung des Rückenmarks, Herzgestalt,
Lungengestalt, Sinus pleurae.
Abbildung 6.
6. Aufnahme: Fenster in der Aorta, man sieht die rechte Tasche der
Pulmonalklappe, die rechte Tasche der Aortenklappe, die Basis der
rechten Hälfte der vorderen Aortenklappe. Die Scheidewand der
Ventrikel ist entfernt. Man sieht im rechten Ventrikel den vorderen
Papillarmuskel, das vordere Segel der Tricuspidalklappe und die Stärke
der vorderen Wand. Vor der Aorta sieht man die Pericardialhöhle auf¬
wärts steigen bis an die Arteria anonyma.
1. Rückenmark. Es liegt auf der Hand, dass durch eine
starke Deformität der Wirbelsäule das Rückenmark und damit
die nervöse Leitung aufs Schwerste in Mitleidenschaft gezogen
werden kann. Dies ist indessen, so wichtig es auch für die Praxis
sein mag, doch weit weniger interessant und beachtenswert, als
das Gegenteil, nämlich die Erfahrung, wie stark die Deformierungen
der Wirbelsäule sein können, ohne dass dadurch die Leitung im
Rückenmark unterbrochen wird. Im vorliegenden Falle hat ganz
sicher die Leitung nicht gelitten, wie die kräftige Konstitution
und speziell der gute Zustaud der Muskulatur in den unteren
Extremitäten beweist.
2. Herzgestalt. Das Herz als ein Pumpwerk ist, wie man
meinen sollte, aufs strengste darauf angewiesen, seine Gestalt bei¬
zubehalten. Trotzdem sehen wir, dass auch dieses Organ, ver¬
änderten räumlichen Verhältnissen entsprechend, seine Gestalt
ändert. Eine gewisse Analogie bietet die vergleichende Anatomie:
das Herz der Schildkröte ist breit und kurz, das der Schlange,
der gestreckten Körpergestalt entsprechend, lang und schmal.
8. Lungengestalt. Angesichts des Baues der Lunge als
eines mit Luft erfüllten Hohlraumsystems könnte man meinen,
dass dieses Organ ohne Veränderung seiner eigentlichen Gestalt
sich jeder Gestaltsveränderung des Brustraumes einpasse. Das
ist indessen durchaus nicht der Fall. Die Lunge nimmt ebenso
gut wie etwa die Leber bei Veränderung des für sie bestimmten
Raumes eine andere Gestalt an. In dieser Hinsicht ist der Ver¬
gleich der Lungenform bei kyphotischem und bei skoliotischem
Thorax sehr lehrreich. Ich fand bei hochgradiger Skoliose, wo
die nach rechts gewendete Brustwirbelsäule die Rippen berührte,
nicht nur den ganzen hinteren Abschnitt der rechten Lunge ge
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
schwunden, sondern auch die linke Lunge hinter dem Herzen in
den durch die Skoliose gewonnenen Raum hineingebildet.
4. Siuus pleurae. Angesichts der in senkrechter Richtung
stark verkürzten Gestalt des Thorax hätte man erwarten können,
den Sinus phrenico costalis von der Lunge ausgefüllt zu finden.
Das ist indessen nicht eingetreten; die Lunge hat vielmehr den
Sinus ebenso leer gelassen, wie wir es bei der anatomischen
Untersuchung normal gebauter Brustkörbe regelmässig finden.
Dies lenkt die Aufmerksamkeit auf die Frage nach der Bedeutung
des Sinus.
Abbildung 7.
7. Aufnahme: Das Zwerchfell ist zum grössten Teil fortgeschnitten,
so dass man die bedeutende Dicke desselben, besonders hinter dem
Centrum tendineum sieht. (Das Centrum tendineum ist nach vorn ab¬
schüssig.) Vom Herzbeutel ist der Abschnitt auf dem Centrum tendineum
stehen geblieben. Man sieht im rechten Ventrikel das hintere Segel der
Atrio-Ventricularklappe. Im rechten Vorhof sind die Musculi pectinati
ausserordentlich schön sichtbar. Die Mündung der Vena cava inferior
liegt auf einer schiefen Ebene, welche mehr horizontal wie senkrecht ist.
Die Valvula Eustachii ist sichtbar. Auf der Grenze beider Ventrikel ist
das Septum senkrecht durcbgescbnitten. Aus der Aorta ist ein Stück
herausgeschnitten, um die Trachea und den Oesophagus sehen zu lassen.
Der linke Bronchus und der Oesophagus sind durch die Aorta einge¬
drückt. Der Oesophagus ist oberhalb dieser Stelle sehr dünn, unterhalb
weit. Man sieht die Mündungen der beiden rechten Venae pulmonales.
Querschnitt der Vena anonyma sinistra am oberen Rando des Sternums.
Die physiologische und klinische Bezeichnung „Complementär-
räume“ für die von der Lunge nicht ausgefüllten Abschnitte der
Brusthöhlen, welche der Anatom „Sinus pleurae“ nennt, weist
auf die Vorstellung hin, dass diese Räume dazu bestimmt seien,
der Lunge bei der Inspiration den nötigen Spielraum für ihre
Ausdehnung zu bieten. Diese Vorstellung wird man aber doch,
wenn man eine grössere Anzahl von Leichen, insbesondere auch
solche mit ganz gesunden Lungen und gesunden Pleuren streng
topographisch, d. h. nach Formalin-Alkohol-Härtung, präpariert
hat, nur mit Einschränkung gelten lassen können. Der Anatom
bat ja allerdings in dieser Frage nur ein bedingtes Urteil, inso¬
fern als er immer nur die Leichen-Exspirationsstellung zu sehen
bekommt. Aber ein gewisses Urteil bekommt er mit der Zeit
doch, welches ihn berechtigt, der physiologischen und klinischen
Auffassung kritisch gegenüber zu treten. Nach dem Gerhard-
sehen Lehrbuch der Auskultation und Perkussion wird der phrenico
costale Complementärraum nur dann von der Lunge vollständig
ausgefüllt, wenn zwei Bedingungen Zusammentreffen: tiefste In¬
spiration und Lagerung auf der entgegengesetzten Seite; d. h.
also, für gewöhnlich wird der Complementärraum nicht vollständig
in Anspruch genommen. Es geht ferner aus den anatomischen
Befunden hervor, dass einer dieser Räume, der Sinus praecardiacus,
überhaupt nicht dazu bestimmt ist, normalerweise jemals von der
Lunge erfüllt zu werden. Er ist spaltförmig und von Fettlappen
Nr. 40.
besetzt. Solche Fettlappen finden sich auch auf der rechten Seite
an dem Uebergange des Sinus mediastino costalis in den Sinns
phrenico costalis und zuweilen im Grunde des Sinus phrenico-
costalis. Sie sind vergleichbar den Synovialzotten an denjenigen
Abschnitten der Gelenke, welche von den sich berührenden Knochen
nicht in Anspruch genommen werden.
Es ist in diesem Zusammenhänge an eine Tatsache aus der
vergleichenden Anatomie zu erinnern, an das Fehlen der Pleura¬
höhle beim Elefanten. Eine gewisse Analogie hierzu findet man
manchmal an menschlichen Leichen, deren Lungen gesund oder
fast völlig gesund, aber trotzdem durch eine ausgedehnte gleicb-
mässige zarte fibröse Neubildung mit der Pleura verwachsen, und
deren Sinus pleurae durch das gleiche Gewebe verschlossen sind.
Man erhält in diesen Fällen den Eindruck, dass bei solchen
Menschen in Folge ihrer Lebensweise nur eine unbedeutende
Verschiebung der Lunge gegen die Wand stattzufinden pflegte,
sodass es selbst einem leichten Krankbeitsprozess möglich war,
eine so ausgedehnte Verwachsung herbeizuführen: ebenso wie an
Gelenken durch lramobilisation Verwachsungen begünstigt werden.
Wir gewinnen dadurch Raum für eine andere von der Frage I
der Respiration unabhängige Betrachtung, nämlich für die Be- I
traebtung, dass es für die Gestaltveränderungen, denen der Thorax j
bei den Bewegungen eines gesunden kräftigen Körpers aasgesetzt j
ist, beim Biegen und Bücken usw. wo die Rippen bald zusammen-
gedrängt, bald aus einander gespreizt werden, wichtig ist, dass
die Brustwand nicht nur gegen die Lungen, sondern vor allem j
auch gegen das Zwerchfell gleitend bewegt werden könne. „
. li
- F
l
Schizothymie und Zyklothymie. 1 ) j<
Von
0. Kohnstamm-Königstein im Taunus.
Unter schizothymen Erscheinungen verstehe ich solche, die se
auf Dissoziation im Sinne von Pierre Janet beruhen. Man wird pi
aber aus dem Folgenden erkennen, dass mit der neuen Bezeichnung k
der Vorteil einer näheren Bestimmung des krankhaften Vorgangs oc
und die Möglichkeit gegeben ist, ihn gegen andere neurotische ai
Erscheinungen abzugrenzen. eil
Der einfachste schizothyme Tatbestand ist folgender: ich ir
suggeriere jemandem in tiefer Hypnose, dass beim Erwachen ei
sein einer Arm gelähmt sei. Die alsdann auftretende Lähmung di
ist ein Beispiel dessen, was wir schizothym nennen. Charakteri- .j
stisch für das Schizothyme ist dabei die Amnesierung, von ki
der wir insofern sprechen, als der Suggestionierte nichts über den st
Ursprung seiner Lähmung weiss. Alles, was mit der Unterbrechung Z
der seelischen Kontinuität zusammenhängt, ist in diesem Wort
einbegriffen. Es gehört übrigens auch zu unserer Begriffsbestimmung tl
der Suggestion, dass für diese irgendeine Art oder ein Grad
der Amnesierung unerlässlich ist. In verwandter Weise, wie
durch hypnotische Suggestion können schizothyme Symptome
durch körperliche und seelische Erschütterungen, sowie durch
andere Mechanismen erzeugt werden, die u. a. in der Arbeit von
Friedemann und Kobnstamm ausführlich dargelegt sind 2 ).
Die Wiederherstellung des seelischen Zusammenhangs für
das schizothyme Symptom, sei es nun, dass sie durch psycho
therapeutische Maassnahmen oder spontan bewirkt wird, nennen
wir die Palinmnese.
„Schizothym“ ist etymologisch dem Bleuler’schen „schi¬
zophren“ nachgebildet. Bleuler wollte mit seiner Wortbildung
ausdrücken, dass bei der Schizophrenie Spaltungsvorgänge, wie
wir sie eben gekennzeichnet haben, auf dem Boden eines invaliden
Gehirns den wesentlichen Faktor darstellen. Ueber die Beziehungen
der schizophrenen und der schizothymen Spaltungen soll durch
unsere Terminologie nichts präjudiziert werden.
Schizothyme Krankheitserscheinungen werden nach dem bis¬
her herrschenden Sprachgebrauch der Hysterie zugezählt. ir
halten dies für unzweckmässig and für verwerflich. Denn, wenn
wir uns „phänomenologisch“ vergegenwärtigen, was wir im Innersten
meinen, wenn wir von Hysterie sprechen, so erkennen w,r »
es das ist, was ich „defektesGesundheitsgewissen“ oder„Nosopbi ie
1) Nach einem Vortrag, gehalten auf der Badener Wanderversamm S
südwestdeutscher Neurologen und Irrenärzte 1914. ,, l
2) Zur Pathogenese und Psychotherapie beiBasodow scher
heit, zugleich ein Beitrag zur Kritik der psychanalytischen rorsc t>
richtung. Zschr. f. d. ges. Neurol., Bd. 23, H. 4 u. 5.
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5. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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genannt habe. Nosophilie kann mit Schizothymie verbunden sein,
ja gehört häufig zu den Vorbedingungen schizotbymer Bildungen.
Im Grunde aber sind es zwei Wesens verschiedene Dinge, von
denen jedes Anspruch auf einen besonderen Namen hat. Welches
von beiden Hysterie heissen soll, ist an sich Sache der Konvention.
Da aber mit dem Wort Hysterie die nosophile Nuance für immer
unzertrennlich verbunden sein wird, halte ich unsere Terminologie
für die bessere und für die, der die Zukunft gehört.
Unseren Patienten gegenüber sprechen wir antatt von scbi-
zothymen auch von „Sandbanksymptomen“. Denn die Affekt¬
komponente oder ein anderer Anteil des schizotbymen Komplexes
ragt aus unzugänglichen seelischen Tiefen wie eine Sandbank in
die Oberfläche des Normalbewusstseins hinein. An dieser mit der
Sankbank verglichenen Oberflächenkomponente greifen nun die
Erlebnisse des Tages an und führen durch Assoziation zu krank¬
haften Symptomen, deren Art durch den schizothymen Komplex
bestimmt ist. Eine Patientin von uns hatte vor vielen Jahren im
November ein seelisches Trauma erlitten, indem zwei Dienst¬
mädchen infolge eines Defektes der Gasleitung nachts erstickten.
Seit diesem Ereignis war die Nachtruhe der Patientin durch die
Sorge um die Gasleitung gestört. Die Schlafstörung verschlimmerte
sich immer bisher im November jeden Jahres und führte zu all¬
gemeinen Erregungszuständen, die wegen ihres periodischen Auf¬
tretens als Cyklothymie erscheinen mussten.
Ich glaube, dass viele periodische Seelenstörungen und
Neurosen, die jetzt mit Vorliebe der Zyklothymie zugerechnet
werden, in dieser Weise psychologisch abgeleitet und verständ¬
lich gemacht werden können. Diese differentialdiagnostiscbe
Frage muss bei allen Störungen aufgeworfen werden, die zu
gleichen Jahreszeiten oder in gleichen Lebenslagen auftreten, z. B.
jedesmal während der Schwangerschaft oder dem Wochenbett. Es
soll damit durchaus nicht gesagt sein, dass nicht auch endogen
bedingte Phasen, die zu einer wirklichen Zyklothymie führen, an
bestimmte Abschnitte des Jahres oder des Lebenslaufes gebunden
sein könnten. Es gibt vielmehr zweifellos periodische De¬
pressionen, denen die Neigung zukommt, sich gerade im Wochen¬
bett oder anderen physiologisch charakterisierten Lebenslagen
oder zu bestimmten Jahreszeiten zu wiederholen. Es ist dabei
aber immer zu untersuchen, inwieweit das assoziative Moment
eine Rolle spielt, das mit der erstmaligen Bindung der Psychose
an eine bestimmte Lebenslage gegeben ist. Doch ist das nur
ein anderer Ausdruck für die bekannte Tatsache, dass Störungen,
die ihrer Art nach periodisch oder zyklothym oder schlechthin
„psychopathisch“ sind, auf psychischem Wege ausgelöst werden
können. Für die zyklothyme Natur einer Erkrankung wird es
stets anzuführen sein, wenn neben den depressiven auch manische
Züge oder Phasen im Krankheitsbilde nachzuweisen sind.
Es gibt noch eine andere Art der Verbindung von Schizo¬
thymie und Zyklothymie. Gar nicht selten nämlich scheint es
vorzukommen, dass eine depressive Phase von zyklothymer Art
Gelegenheit zur Entbindung von schizothymen Symptomen gibt.
Diese letztereu können dann die Hauptmasse der Krankheits¬
symptome darstellen. Mit ihrer Beseitigung, die nicht ausserhalb
der ärztlichen Möglichkeiten liegt, wie wir gleich sehen werden,
wird dann der Verlauf der Depression gemildert und abgekürzt.
Gegen die Schizothymie besitzen wir in der von uns Palin-
mnese genannten Form psychanalytischen Vorgehens eine Methode
kausaler Therapie, die durch Janet, Breuer - Freud, 0. Vogt
begründet worden ist. Wir bringen die schizothymen Zusammen¬
hänge zum Bewusstsein in tiefer Hypnose, nach der Frank’schen
Methode 1 ) oder durch eingehende wache Aussprache. Zu letz¬
terem entschliesst sich der Patient häufig erst, nachdem er
während einer langen Behandluugsdauer Vertrauen zum Arzt ge¬
wonnen hat. Die eigentliche Freud’sche Methode halten wir aus
vielen Gründen für ungeeignet, beurteilen sie also hinsichtlich
jbrer therapeutischen Bedeutung fast ebenso wie ihre radikalen
Kritiker. Durch die Palinmnese erhält der Patient die Orientierung
m seinem Seelenleben wieder, so dass er nicht mehr den Krank-
heitserscheinungen verwirrt und hilflos gegenübersteht. So wird
gleichzeitig der diagnostischen Erfassung des Krankheitsbildes und
“^ therapeutischen Beeinflussung gedient. Während wir in rein
zyklothymen Fällen bis jetzt kaum etwas anderes tun können, als
ihnen günstige äussere Bedingungen des Ablaufs zu sichern — eine
glückliche Schicksalswendung kann übrigens auch, die zyklothyme
renodik unterbrechen oder ganz aufbeben —, haben wir bei der
cnizothymie und bei der schizothymen Komponente der Zyklo-
1) L. Franck, Affektstörungen. Berlin 1918, J. Springer.
tbymie die Möglichkeit eines erfolgreichen kausalen Eingreifens
in der Hand. Umgekehrt belastet die Behandlung schizotbymer
(„hysterischer“) Verwirrungszustände auf den Wachsälen der
Irrenanstalten die unglücklichen Kranken mit neuen tiefwurzeln-
den und folgenschweren Komplexen.
Es wird uns deshalb zur dringenden Aufgabe, bei den atypi¬
schen und vermeintlich larvierten Formen der Zyklothymie aufs
eingehendste danach zu forschen, ob nicht eine Schizothymie vor-
liegt. Ich meine hier besonders die Fälle von periodischer
Hysterie (sensu nostro strictiori), von Angst- und Zwangsneurosen,
Dyspepsie (Dreyfuss), Neuralgien, die alle im Rahmen der
Zyklothymie Vorkommen, aber im Sine einer hente um sich
greifenden Mode allzu schnell in das zyklothyme Schubfach ge¬
worfen werden. Alle diese Fälle müssen auf schizothyme Kom¬
ponenten untersucht werden.
Die plötzliche Heilung, die als charakteristisch für Zyklo¬
thymie angesehen wird, kann gerade so gut auch durch irgend¬
eine dem Beobachter unter Umständen undurchsichtige seelische
Umstimmung bei der Schizothymie bewirkt werden. Die Dar¬
stellung der nosologischen Beziehung von „Schizothymie“ und
Zyklothymie wird uns nur dadurch ermöglicht, dass wir die
scharfe Scheidung der Schizothymie von der Hysterie (des defekten,
nosophilen Gesundbeitsgewissens) durcbgefübrt haben.
Es wird wohl nötig werden, in Sachen der Nosophilie zu
unterscheiden zwischen aktiver und passiver Nosophilie. Die
aktive Nosophilie entspricht unserer eigentlichen Hysterie des
defekten Gesuudheitsgewissens, bei der es an dem Ernst zum
Gesundwerden fehlt und die Neurose oder deren Anschein mehr
oder weniger zielbewusst erstrebt wird. Es. ist klar, dass die
Grenze zur Simulation fliessend ist. Passive Nosophilie bedeutet
ein „sich in die Neurose hineingleiten lassen“. Es wird dann
krankhaften Einflüssen nicht der hinreichende Widerstand ent¬
gegengesetzt. Die passive Nosophilie charakterisiert die Krank¬
heitsbilder, für die mit Recht von einer Flucht in die Neurose
oder Psychose gesprochen werden darf. Sie bildet die hysterische
Komponente der Fälle, die in der Hauptsache der Schizothymie
oder anderen Neurosen angebören. Nur in unserem Sinne ist
Hysterie eine phänomenologisch reine Krankheitswesenheit. Die
uns in der Wirklichkeit entgegentretenden neurotischen Krankheits¬
bilder sind Resultanten aus Komponteo, unter denen die Hysterie
nur selten ganz fehlt. Auch Zwangsneurosen und Phobien haben
häufig ihre hysterische Komponente.
Es gibt unter den Zwangsneurosen eine Gruppe, die als
masochistisch-masturbatorisches Aequivalent zu bezeichnen wäre.
Die Zwangsvorgäoge brauchen dabei Dicht nachweisbar aus der
Masturbation direkt hervorzugehen. Sie folgen aber deren Ge¬
schehenstypus der maasslosen Steigerung bis zur Erschöpfung.
„Ein junges Mädchen zerkratzt sich — trotz erheblicher Eitel¬
keit — allnächtlich das Gesicht, wobei es sich recht tiefe,
schmerzende und blutende Kratzwunden beibrachte. Schläft da¬
durch spät ein und wacht morgens erschöpft auf. Heilung durch
Anlegen passender, verschliessbarer Handschuhe.“ 1 ) ln anderen
Fällen meiner Beobachtung lag die zwangsmässige Selbstquälerei
auf psychischem Gebiet, ln dieser Neigung zur maass- und
grenzenlosen Steigerung („Amplificatio“), die auch bei den meisten
Fällen von Reinigungszwang, von Maladies des tics usw. zu beob¬
achten ist, liegt ein hysterischer Zug im Sinne der passiven
Nosophilie. Auf dem Boden eines invaliden Gehirns treten Ueber-
gänge zur Katatonie auf.
Ich unterscheide neben diesen noch zwei Haupttypen der
Zwangsneurosen: den eigentlich (konstitutionell oder habituell)
psychastheuischen Typus, bei dem es au psychischer Kraft fehlt,
das einzelne seelische Erlebnis, das vielleicht eine primäre
Tendenz hat, zu perseverieren, am richtigen Knotenpunkte abzu-
schliessen. Die dritte Hauptform ist die affektive, überwertige, häufig
ausgesprochen schizothyme Idee. Dahin gehört ein Patient von
mir, der in der Lektüre durch den Zwangsgedanken verhindert
wurde, es könne einem Angehörigen etwas zustosseu. Als Wurzel
dieses „Sandbanksymptoms“ liess sich in Hypnose feststellen, dass
Patient vor vielen Jahren in einer spannenden Lektüre durch eine
Feuersbruust gestört wurde, die das Leben der Eltern zu be¬
drohen schien.
Diese Gruppe von Zwangsvorstellungen hat sowohl in der
Art, wie sie erlebt wird, als auch nach ihrem ursächlichen und
1) Vgl. mein „System der Neurosen vom psycho-biologischen Stand¬
punkte“. Erg. d. Inn. M., 1912, Bd. 9, S. 410.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
verständlichen Zusammenhang eine nahe Verwandtschaft zur post¬
hypnotischen Suggestion.
Meine Dreiteilung trifft nahe zusammen mit Friedmann’s
Einteilung 1 ). Uusere schizothymen Fälle fallen unter Fried¬
mann’s überwertige IdeeD; die ausgesprochen psychasthenischen
Formen übernehmen wir ohne weiteres. Unser masochistisch-
masturbatorischer Typus ist ein Repräsentant von Friedmann’s
eigentlicher Zwangsvorstellung, bei dem die psychasthenische
Anlage auch niemals ganz fehlt.
Es sei hier darauf hingewiesen, dass es neuerdings Mode ge¬
worden ist, den Psychastheniebegriff Pierre Janet’s zu ver¬
wässern, und das Wort einfach mit Neurasthenie als gleich¬
bedeutend zu gebrauchen. Im Gegensätze zu dieser Unklarheit
empfiehlt es sich, von Neurasthenie weiter zu sprechen, wenn
man ausdrücken will, dass eine reizbare Schwäche, krankhafte
Erschöpfbarkeit des physischen oder psychischen Anteils des
Nervensystems dem Krankheitsbild zugrunde liegen.
Die schizothymen Symptome treten uns hauptsächlich bei
Personen entgegen, für deren geistige Art sie so charakteristisch
sind, dass man zweckmässig von „schizothymen Persönlich¬
keiten“ spricht. Sie sind durch dieselbe Spaltbarkeit der Psyche
ausgezeichnet, durch die allein auch die tiefe Somnambul-Hypnose
ermöglicht wird. Deshalb ist diese ein geradeso ausDahmsweises
Vorkommnis wie die exquisit schizothyme Anlage, auf deren Boden
die schizothymen Amnesierungen und Dämmerzustände entstehen.
Es finden sich unter den Schizothymen im Gegensätze zur
Hysterie tief angelegte Naturen von starkem Wahrheitssion und
hoher Begabung, besonders auch nach der künstlerischen Seite.
Sie erscheinen vielfach schon dem Laien als „romantische Naturen“.
Nicht nur das Naturell der Frauen, von dem Goethe dieses be¬
hauptet, sondern auch das Naturell der „Schizothymen“ ist ganz
nahe mit Kunst verwandt, besonders mit der romantischen.
Andererseits trifft man grade unter den Künstlern nicht selten
ausgesprochen zyklothyme Konstitutionen. Von Schizothymen
erfährt man oft, dass sie seit der frühen Kinderzeit zum Wach-
träumen geneigt haben. Sicher verstärkt dieses die Anlage zur
schizothymen Spaltung oder begründet sie überhaupt erst.
Die meisten Schizothymen — weiblichen Geschlechts — er¬
mangeln mehr oder weniger der lustvollen Einschnitte in das
Dasein, die dem Gesunden durch die Ess- und Geschlechtslust
gewährt werden. „Nicht irdisch ist des Toren Drang und Speise“.
Sie essen nur aus Gewohnheit oder aus Pflichtgefühl und werden
in Hinsicht der Sexualität durch geringfügige Anstösse nach der
Seite der Homosexualität oder Frigidität getrieben. Letztere
konnte ich in einem Falle nach 17jähriger frigider Ehe durch
hypnotische Palinmnese zur Heilung bringen.
Der mit diesen Strichen skizzierte Typus der schizothymen
Persönlichkeit ist von dem hysterischen Charakter scharf unter¬
schieden, wie er z. B. kürzlich von Jaspers 2 ) in klassischer
Prägnanz gezeichnet wurde. Deshalb haben die Schizothymen, die
zu den am schwersten Leidenden und Bedauernswertesten unserer
Kranken gehören, auch ein praktisches und wissenschaftliches
Recht, von den Trägern des hysterischen Charakters termino¬
logisch abgetrennt zu werden.
Zusammenfassung.
Schizothyme oder Sandbank-Symptome sind solche, die nach
Art der posthypnotischen Suggestion entstehen. Sie sind cha¬
rakteristisch für die schizothyme Persönlichkeit und für das
Krankheitsbild der Scbizothymie, die von der Hysterie des defekten,
nosophilen Gesundheitsgewissens scharf abzutrennen ist.
Es wird zwischen einer aktiven und passiven Nosopbilie
unterschieden. Die letztere als „ein sich Hineinsinken lassen in
die Krankheit“, bildet eine Komponente im Gesamtbild vieler
andersartigen Neurosen.
Schizothyme Erkrankungen können, durch psychische Mecha¬
nismen ausgeJöst, nur periodisch auftreten und Zyklothymie Vor¬
täuschen. Auch können zyklothyme Zustände Veranlassung zum
Aufflackern gchizothymer Symptome bieten. (Kombination von
Scbizothymie und Zyklothymie.)
Die Unterscheidung der Schizothymie von der Zyklothymie
ist von hoher praktischer Bedeutung, weil die schizothymen
1) Zur Auffassung und zur Kenntnis der Zwangsideen und der
isolierten überwertigen Ideen. Zsehr. f. d. ges. Neuro!., Bd. 21.
2) Allgemeine Psychopathologie. Berlin 1913, Springer, Seite 249
bis 250.
Symptome durch Aufdeckung ihrer seelischen Verursachung
(Palinmnese) geheilt werden können. Unter den Zwangs Vorgängen
kann man solche vom schizothymen, vom masochistisch-mastur-
batorischen und vom psycbiatheoischen Typus hervorbeben.
Aas der Privatklinik von Prof. Dr. Karewski und dem
Röntgenlaboratorium von Dr. Marcuse.
Der röntgenologische Nachweis von Dünndarm¬
stenosen.
Von
Dr. Ernst Marense.
Der röntgenologische Nachweis von Stenosen des Magens ist
oft gelungen und ist überaus leicht. Ein Füllungsdefekt, Ver¬
änderungen der Form und des Tonus, anormale Peristaltik und
Verzögerung der Entleerung sichern die Diagnose. Ebenso ist auch
die Erkennung von Stenosen des Dickdarms durch die Röntgen¬
untersuchung wesentlich gefördert werden. Dagegen sind Düdd-
darmstenosen verhältnismässig selten und spät Gegenstand der
röntgenologischen Untersuchung gewesen und doch ist ihr Nach¬
weis im Röntgenbild nicht schwieriger als die Diagnose einer
Stenose an irgendeiner anderen Stelle des Digestionstractus. Am
häufigsten sind noch Stenosen des Duodenums beschrieben worden;
das ist ja auch nicht zu verwundern zu einer Zeit, wo die
Diskussion des Ulcus duodeni im Mittelpunkt des Interesses von
Internisten, Chirurgen und Röntgenologen steht.
Holzknecht 1 ) war wohl der erste, der das röntgenologische Bild
der DuodenalsteDOse beobachtete und ihre charakteristischen Verände¬
rungen beschrieb. Dilatation des Duodenums, das oral vom Hinder¬
nis dauernd gefüllt ist, lebhafte Peristaltik, die aber efiektarm oder
gar eflektlos bleibt, Retention im Duodenum auch nach Entleerung
des Magens; bei längerem Bestehen der Stenose Dilatation des
Magens selbst, das sind die Symptome, die als charakteristisch für die
Verengerung des Duodenums zu gelten haben, und seit Holzknecht’s
erster Veröffentlichung ist eine ganze B«ihe von Duodenalstenosen
durch Röntgenbild nacbgewieaen worden.
Auch ich habe in einem Falle von operativ bestätigter Narben-
striktur des Duodenums die Diagnose auf Grund der Röntgen¬
untersuchung bereits vor der Operation stellen können.
Es handelte sich um einen 50 Jahre alten Mann, der seit mehreren
Jahren an Magenschmerzen litt, die in Intervallen von mehreren Monaten
auftraten. Jetzt seit 4 Monaten heftige Schmerzanfälle rechts von der
Mittellinie, die etwa eine Stunde nach der Mahlzeit beginnen und mehrere
Stunden anhalten. Kein Hungerschmerz. Die chemische Untersuchung
des Magensaftes ergab Hyperacidität, auch bestand eine beträchtliche
motorische Störung. Röntgenologisch war eine sehr starke Erweiterung
des Bulbus duodeni sowie der Pars descendens nachzuweisen. Auch be¬
stand eine dauernde Füllung dieses Darmabschnittes, die nach unten
zu spitz auslief, wie der Ausguss einer Stenose. 8 Stunden nach der
Mahlzeit waren noch Rückstände im Magen und Duodenum vorhanden.
Bei der Operation fand man eine harte Schwiele im Duodenum, deren
genaue Natur nicht zu erkennen war. Nach Gastroenterostomie hörten
die Schmerzen wie mit einem Schlage auf, und Patient konnte klinisch
geheilt entlassen werden.
Die gleichen Erscheinungen, die wir bei der Stenose des
Magens and des Duodenums auf dem Röntgenschirm und der
Platte wahrnehmen, können wir a priori auch bei der tiefen
Dünndarmstenose vermuten und schon rein theoretisch folgendes
Symptomenbild konstruieren: 1. Füllungsdefekt entsprechend
dem Sitz der Stenose, 2. Verzögerung der Dünndarm-
passage durch das Hindernis, 3. Veränderung der Dünn*
darmperistaltik, 4. Veränderung der Form der Dünn¬
darmschlinge. Von vornherein aber müssen wir uns darüber
klar sein, dass wir Frühdiagnosen hier ebensowenig wie
in der Magenradiologie stellen können. Kleine Hinder¬
nisse wird eine normale Darmmuskulatur überwinden können,
ohne dass es zu Retention im Dünndarm kommen wird, und ohne
dass die zuführende Schlinge diiatiert wird. Ebensowenig wird
anch ein kleiner Tnmor einen Füllungsdefekt im Röntgeobild
ergeben, wie ja überhaupt bei der meist diskontinuierlichen Füllung
der Darmschlingen die Diagnose des Füllungsdefektes am
Dünndarm — und das gleiche gilt auch für den Dickdarm —
noch vorsichtiger zu stellen ist als am Magen. Eine
Schattenaussparung im Bereich einer sonst gut gefüllten Dünn-
1) Holzknecht, Die Duodenalstenose darch Füllung und Peristaltik
röntgenologisch erkennbar. D. Zschr. f. Chir., Bd. 105.
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6. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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darmschlinge mag verdächtig sein, besonders wenn wir sie bei
wiederholten Untersuchungen stets an der gleichen Stelle finden,
beweisend für einen Tnmor wird sie erst dann sein, wenn gleich¬
zeitig Symptome vorhanden sind, die für eine Erschwerung der
Darmpassage sprechen, oder auch palpatorisch ein Tumor nach¬
weisbar ist.
Das war der Fall bei einer von Kienböck 1 ) mitgeteilten Beob¬
achtung. Er fand 6 Stunden naoh der Kontrastmahlzeit den untersten
Teil des Ileum nioht gefüllt oder gerade nur angedeutet, entsprechend
einem dort palpablen Tumor; die oralwärts davon gelegenen Ileum-
schlingen waren dagegen prall mit Wismut gefüllt; Colon ascendens
und transversum wiesen normale Füllung auf. Die Operation ergab ein
Caroinom der Bauhin’schen Klappe. Hier war es die Uebereinstimmung
der klinischen und der röntgenologischen Untersuchung, die die Diagnose
bereits zu einer Zeit ermöglichte, wo Stauungserscheinungen im Darm
noch kaum naobzuweisen waren.
Dagegen ist die Diagnose WendfeTs 2 ) ungenügend begründet,
der in einem Fall sehr deutlich verschiedene Dünndarmschlingen
durch Einschnürungen voneinander getrennt fand und darauf die
Diagnose multipler Dünndarmstenosen stützte. Wenn auch die
Operation seine Diagnose bestätigte, so darf man daraus noch
lange nicht die Berechtigung ableiten, aus einer Schattenaus-
sparung am Dünndarm, ohne sonstige Symptome der erschwerten
Darmpassage, die Diagnose der Dünodarmstenose zu stellen.
Auch die Beobachtung der Retention in den Dünndarm¬
schlingen allein erlaubt uns noch nicht, die Diagnose
einer Stenose daselbst zu stellen, wie dies Bacher 8 ) tut,
der auf Grund einer Retention in der untersten Ueumscblinge bis
zu 6 Stunden nach der Mahlzeit eine Stenose in der Ileocoecal-
gegend annahm. Denn auch ohne dass eine Verengerung am
Dünndarm vorliegt, kann nach 6 Stunden sich noch Wismut im
Ileum finden. Schwarz 4 ) hat bei Fällen von Enteroptose noch
nach 9 Stunden den Kontrastbrei in den untersten Dünndarm¬
schlingen angetroffen. Auch bei der sogenannten Insuffizienz der
Valvnla ileocoecalis wird eine verlangsamte Entleerung des Dünn¬
darms gefunden, die nach Groedel’s 6 ) Ansicht auf dem retro¬
graden Transport ans dem Goecum beruht. Auch hier kommen
Retentionen bis zu 9 und 10 Stunden vor. Ausserdem kann
natürlich auch ein weiter analwärts gelegenes Hindernis, wie
z. B. eine Colonstenose, eine Verzögerung der Dünndarmentleerung
znr Folge haben. Vor einer Fehldiagnose kann ans die genaue
Untersuchung des Dickdarms mit Zuhilfenahme des Kontrast-
einlaufe8 schützen, der uns den wahren Sitz des Hindernisses
aufdeckt.
Der Nachweis einer Retention des Kontrastbreies im Dünn¬
darm bis zu 12 Stunden genügt allein also noch nicht zur Dia¬
gnose einer Dünndarmstenose, wenn nicht ausserdem noch andere
Anzeichen bestehen, die auf ein Hindernis für die Darmpassage
hinweisen, wie die Beobachtung der effektarmen oder
effektlo8en Peristaltik. Man sieht bei der Röntgendurch¬
leuchtung eine auffallend lebhafte Peristaltik einer Dünndarm¬
schlinge, die sich in den tiefen Einschnürungen der Schatten¬
konturen za erkennen gibt. Man sollte also erwarten, dass eine
derartige Schlinge sich ihres Inhaltes sehr bald entledigt haben
sollte; doch solange man auch beobachtet, die Schlinge bleibt
gleichmässig gefüllt, und ihr Inhalt wird nicht weiterbefördert.
Diese Stenosenperistaltik ist beim Dünndarm von Levy-
Dorn 4 ) beobachtet worden in einem Fall von tuberkulöser
Stenose; Stierlin 7 ) sah sie in vier Fällen von tuberkulösen
Striktnren der Ueocoecalgegend, auch Novack 8 ) berichtet von je
einem Fall von mehrfachen Ileumstenosen infolge tuberkulöser
Striktur und bei mehrfacher Strangulation des Dünndarms in¬
folge peritonitiscber Adhäsionen, in denen er diese Stenosen¬
peristaltik fand.
1) Kienböck, Verh. D. Röntgenges., 1911.
2) Wendel, Multiple Strikturen des Dünndarms. M. Ges. zu
Magdeburg, 7. Nov. 1912. Ref. M.m.W., 1913, Nr. 6.
3) Bacher, Kasuistik zur Frühdiagnose der Darmstenose mittels
RöntgenBtrahlen. W.kl.W., 1909, Nr. 29.
4) Schwarz, Die Erkennung der tieferen Düondarmstenosen mittels
des Röntgenverfahrens. W.kl.W., 1911, Nr. 40.
, 5) Groedel, Die Insuffizienz der Valvula ileocoecalis im Röntgen-
bild. Fortschr. d. Rontgenstr., Bd. 20, H. 2.
6) Levy-Dorn, Verh. D. Röntgenges., 1911.
*0 Stierlin, Die Radiographie in der Diagnostik der Ileocoecal-
Nr 23 086 und anderer Erkrankungen des Dickdarms. M.m.W., 1911,
5) Novaok, Zur radiologisohen Diagnose der Dünndarmverengung.
W.kl.W., 1911, Nr. 52.
Wenn aber so die gesteigerte Peristaltik im Verein mit
Retentionserscheinungen ein sicheres Zeichen der Darm Verengerung
ist, so spricht doch andererseits das Fehlen der Peristaltik
durchaus nicht dagegen. Auf die Periode der gesteigerten
Peristaltik folgt, wie die Magenradiologie lehrt, die Erschlaffung
der Muskulatur und die Atonie derselben. Die erschlaffte Darm¬
schlinge wird durch den Inhalt, den sie nicht austreiben kann,
gedehnt. Diese Erweiterung der Dünndarmscblinge findet nach
Schwarz 1 ) in leichteren Fällen ihren Ausdruck dadurch, dass
die Schlingen, anstatt ihre normale Knäuelform zu zeigen, ge¬
streckter verlaufen, breiter sind als normal und die
durch die Kerkring’schen Falten verursachten Einkerbungen stärker
ausgeprägt sind.
Schwarz fand in einem Falle 8 Stunden nach der Kontrastmahl-
zeit girlandenartige Schattenbänder, welche von der rechten bis zur
linken Spina iliaca anterior superior zogen und sich in der Mittellinie
bis zur Symphyse senkten. Naoh 24 Stunden war das Bild noch unver¬
ändert; die Operation ergab eine Narbenstenose nabe der Einmündung
des Ileums in das Coecum wahrscheinlich tuberkulöser Natur. Eine
ähnliche Beobachtung machte Stierlin 2 ), der 8Stunden nach der Mahl¬
zeit stark dilatierte, stellenweise tief eingesohnürte Dünndarmschlingen
fand; nach 24 Stunden waren noch immer zwei massig dilatierte Dünn-
darmschlingen durch die Röntgenuntersuchung nachzu weisen. Es
handelte sich hier, wie die Operation zeigte, um multiple tuberkulöse
Stenosen des Ileums. Ferner hat Hinz a ) einen operativ bestätigten
Fall von Carcinom des Anfangsteiles des Jejunums beschrieben. Unter¬
halb des Magenschattens und mit diesem zusammenfiiessend fand er
einen grossen breiten Schatten, der sich nach links unten als kinder¬
armbreiter, etwa 10 cm langer Schatten fortsetzte und dem Anfangsteil
des Jejunums entsprach.
Diese Dilatation der zuführenden Schlinge kann bei langem
Bestehen der Stenose sehr hochgradig werden. Durch die
Stauung des Darminbalts und sich einsteilende Zersetzungsprozesse
kommt es allmählich zu ampullenartigen Erweiterungen
der Darmschlingen. Wir finden in diesem Stadium bei der
Röntgenuntersuchung je nach der Zahl der Stenosen eine oder
mehrere stark aufgeblähte Dünndarmschlingen, in deren
unterer Hälfte sich ein intensiver Wismutschatten be¬
findet, der nach oben hin horizontal abgegrenzt ist,
und über ihm ist eine Gasblase, die die obere Hälfte der
ampnllenartig erweiterten Schlinge einpimmt. Durch Erschüttern
des Abdomens können wir uns von dem flüssigen Zustande des
Darminhalts leicht überzeugen, indem wir die Wellenbewegungen
wie beim Pyopneumothorax auftreten sehen. Durch Lagewechsel
können wir feststellen, dass sich der Flüssigkeitsspiegel stets
wieder mit horizontaler oberer Begrenzung einstellt
Schwarz 4 ) beschreibt einen Fall von stenosierendem Ileumcaroi-
nom, bei dem er im Epigastrium 8 Stunden nach der Mahlzeit eine grosse
Gasblase mit darunter befindlicher Flüssigkeit und zwei kleinere etwas
tiefer unten fand. Die Gasblasen warea nach 24 Stunden verschwunden,
dagegen noch geringe Metallniederschläge in den Dünndärmen nachzu¬
weisen. Io einem anderen Falle konnte Schwarz diese Stagnation
noch nach 72 Stunden nachweisen; hier war die Darmstenose verur¬
sacht durch Caroinommetastasen, die den Dünndarm am Netz fixierten.
Bei tuberkulösen Darmstenosen beobachteten Czyhlarz und Selka 4 )
24 Stunden nach der Mahlzeit kugelig erweiterte Düuodarmsohlingea
mit teils flüssigem, teils gashaltigem Inhalt; auch Schmidt 6 ) fand bei
einer tuberkulösen Darmstriktur am Tage nach der Kontrastmahlzeit
zwei derartige Luftblasen in erweiterten Dünndarmschlingen.
Ich selbst habe in letzter Zeit dieses Symptom in zwei
Fällen gesehen, die mir von Herrn Prof. Karewski zur Röntgen¬
untersuchung zugewiesen waren.
Fall 1. Frau A. war im Herbst 1911 von einem Gynäkologen
wegen einer geplatzten Ovarialcyste operiert worden. Seit dem Herbst
1912 waren Schmerzen in der rechten Unterbauchgegend aufgetreteo,
verbunden mit Anfällen von Stuhl- und Windverhaltung und Erbrechen.
Es handelte sich aber zweifellos um Ileusattacken, um so mehr, als
während eines in der Klinik beobachteten Anfalles Darmsteifungen be¬
merkbar waren und später — nach der Röntgenuntersuchung — auch
Kotbrechen auftrat. Es handelte sich nur noch darum, eventuell den
1) Schwarz, I. o., und ferner Zur Röntgendi&gnose der Dünn- und
Diokdarmstenosen. Verb. D. Röntgenges., 1912.
2) Stierlin, Zur Röntgendiagnostik der Dünndarmstenose und des
Dünndarmileus. M. Kl., 1913, S. 983.
3) Hinz, Ueber den primären Diinndarmkrebs. Aroh. f. klin. Cfair.,
Bd. 99.
4) Schwarz, 1. o.
5) Czyhlarz und Selka, Beitrag zur radiologischen Diagnostik
der Dünn- und Dickdarmstenosen. W.kl.W., 1912, Nr. 9.
6) Schmidt, Bemerkungen über Düondarmstenosen. M.m.W.,
1913, Nr. 17.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
Sitz und die Art des Hindernisses festzustellen. Die zu diesem Zwecke
von mir vorgenommene Röntgenuntersuchung ergab nach 7 und in ziem¬
lich unveränderter Weise auch noch nach 24 Stunden eine ganze Anzahl
ampullenartig erweiterter Dünndarmschlingen, in denen sich eine Gas¬
blase oberhalb einer horizontal begrenzten wismuthaltigen Flüssigkeit
befand. Damit war die Diagnose multipler Passagehindernisse gegeben.
Die Lokalisation der Gasblasen, die zwar überall im Abdomen vor¬
handen, jedoch in der Nähe der Ileocoecalgegend am grössten und stärk¬
sten waren, sprach dafür, dass dort die meisten Hindernisse sitzen
würden. Ueber die Art derselben gab die Röntgenuntersuchung keinen
Aufschluss. Klinisch waren adhäsive Prozesse angenommen worden. Die
Operation zeigte, dass die untersten Schlingen des Ileum tatsächlich in
grosser Ausdehnung nicht nur untereinander, sondern auch mit der
vorderen Bauchwand verwachsen waren. Durch Enteroanastomose wurden
die am stärksten verwachsenen Schlingen ausgeschaltet und Heilung
erzielt.
Fall 2. Herr T. litt an einer Tuberkulose des Oberlappens der
rechten Lunge und klagte seit etwa 2 Jahren an heftigen Unterleibs-
Schmerzen. Diese waren unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Er¬
brechen hatte nie bestanden. Im Stuhlgang, der regelmässig gewesen
sein soll, war Blut nicht nachzuweisen. Der Kranke war stark abge¬
magert; die Bauchdecken waren eingezogen und stark gespannt, sodass
die Palpation kein Resultat ergab. Eine abnorme Dämpfung war über
dem Abdomen nicht nacbzuweisen, Ascites bestand nicht. Bei der
Röntgenuntersuchung fand ich 6 und 9 Stunden nach der Koutrastmabl-
zeit eine pralle Füllung der untersten DünndarmscblingeD, die jedoch
nicht dilatiert waren und auch keine abnorme Peristaltik aufwiesen.
Daneben fanden sich im Abdomen zerstreut und regellos angeordnet
zahlreiche ampullenartig erweiterte Dünndarmschlingen mit teils flüssigem,
teils gashaltigem Inhalt. Das Colon ascendens war bei beiden Unter¬
suchungen leer, dagegen enthielt das Colon transversum nach 9 Stunden
vereinzelte Wismutschatten. Nach 24 Stunden war das ganze Colon
völlig entleert, doch fand ich in den erweiterten lufthaltigen Dünndarm-
scblingen noch geringe Wismutreste. Die Diagnose multipler Hindernisse
im Verlaufe des Dünndarmes stand somit fest; ausserdem ergab der
Kontrasteinlauf das typische Bild der Colitis ulcerosa im Bereich des
Coecum, Colon ascendens und des Anfangsteiles des Transversums, sowie
eine Insuffizienz der Valvula Bauhini, die hier wohl auf einer ulcerösen
Zerstörung der Klappe beruhen dürfte. Ueber die Natur der Hindernisse
für die Darmpassage gab die Röntgenuntersuchung auch hier keinen
Aufschluss. Nach dem ganzen klinischen Bilde konnte es sich nur um
multiple tuberkulöse Strikturen oder um Adhäsionen handeln. Die
Probelaparotomie ergab ausser einer weit vorgeschrittenen Peritoneal¬
tuberkulose, einer starren Ipfiltration der Wand des Colou ascendens
und des Anfangsteiles des Transversums zahlreiche fibröse Verwachsungen
der Darmschlingen.
Bei sehr hochgradigen Stenosen kann die Stauung and Zer¬
setzung im Dünndarm derart werden, dass selbst ohne Verab¬
folgung der Kontrastmahlzeit die Röntgendurchleuchtung
des Abdomens das Vorhandensein von Gasblasen in
abnormen Hohlräumen erkennen lässt. Es bedarf dann
nur noch eines Kontrasteinlaufes, um zu zeigen, dass die Gasblasen
nicht dem CoIod, sondern einer ampullenartig erweiterten Dünn-
darmsehiinge aogebören; damit ist dann die Diagnose einer Dünn¬
darmstenose gesichert. Stierlin 1 ) führt bereits aus, welchen
Vorteil dieses Untersuchungsverfahren für Ueuskranke bedeutet,
die die Kootrastmahlzeit nicht bei sich behalten können. Ab¬
gesehen davon, dass man ihnen viel Quälerei erspart, wird auch
viel Zeit gewonnen, ln einem Falle von Adhäsionsileus konnte
Stierlin durch ein Baryumklystier zeigen, dass die gashaltige
Schlinge dem Dünndarm angehört, und so der Sitz des Hinder¬
nisses im Ileum zu suchen war.
Wir haben also in dem Nachweis von Gasblasen in einer
Dünndarmscblinge ein sicher zu verwertendes diagnostisches Zeichen
für die Diagnose der Dünndarmstenose. Eine Verwechslung mit
der Luftblase im Fundus ventriculi, im Bulbus duodeni
oder im Colon ist bei einiger Aufmerksamkeit ausgeschlossen,
und ebenso wird es stets möglich sein, die Gasblase von der bei
Ulcus penetrans ventriculi oder duodeni und bei manchen
subphrenischen Abscessen zu unterscheiden. Das Fehlen
der anderen Symptome, die bei Darmstenose Vorkommen, sowie
der Nachweis der Symptome, die für die anderen differential-
diagnostisch in Betracht kommenden Leiden charakteristisch sind,
lassen eine Verwechselung aasgeschlossen erscheinen. Eher wäre
eine Fehldiagnose möglich bei einem von Haudek 2 ) mitgeteilten
Fall von Spindelzellensarkom des Pankreas, das in den
Dünndarm durchgebrochen war und eine mit Gas und Darminhalt
gefüllte Zerfallshöhle enthielt. Die Röntgenaufnahme ergab
1 ) 1. o.
2) Haudek, Die Röntgeodiaguose
Abdomen. W.kl.W., 1910, Nr. 1.
eines abnormen Hohlraumes im
hier ganz ähnlich wie bei der Dünndarmstenose im Abdomen
einen abnormen Hohlraum, der eine grosse Luftblase über einem
horizontalen Flüssigkeitsniveau enthielt. Die Beobachtung der
Darmmotilität ergab aber, dass der Dünndarm sich in völlig
normaler Zeit entleerte und der Hohlraum unverändert bestehen
blieb. Er konnte also dem Darm selbst nicht angeboren.
Die Röntgenuntersuchung ist somit ein sicheres Hilfsmittel
für die Diagnose einer Stenose im Bereich des Dünndarmes. Da¬
gegen gibt sie uns über die Art des Hindernisses nur in
den seltensten Fällen Aufschluss. Wenn es gelänge, anf
der Röntgenplatte die Stelle der Verengerung so darzustellen, wie
es zum Beispiel bei dem Oesophagus möglich ist, so könnten wir
auch beim Dünndarm aus der Schattenaussparung unsere Schlösse
in bezug auf die Natur der Stenose ziehen. Dies ist aber nur in
seltenen Fällen möglich, so bei Duodenalstenosen (HoWknecht),
bei Stenosen im Anfangsteil des Jejunum (Hinz) und vielleicht
auch bei manchen Verengerungen in der Nähe der lleocoecalklappe
(Kienböck). Io allen anderen Fällen aber, die wir besprochen
haben, konnte man die stenosierte Stelle selber nicht auf der
Platte nachweisen und die Diagnose der Verengerung nur auf
Grund der Folgeerscheinungen stellen. Wir sehen dann auch das
gleiche Bild sich entwickeln, einerlei, ob ein maligner Tumor
oder eine Narbenstenose das Lumen verengen oder Adhäsionen
oder Tumoren von aussen den Darm komprimieren. Die einzelnen
Bilder der Darmstenose, die wir geschildert haben, entsprechen
nicht etwa jedes einer bestimmten Art der Verengerung, sondern
nur dem Grad und der Dauer des Leidens.
Ebenso unbefriedigend ist die Röntgenuntersuchung zur
Feststellung des Sitzes der Stenose. Auch hier nimmt das
Duodenum, der Aufangsteil des Jejuoums sowie die unterste
lleumscblinge wegen der Nachbarschaft des Magens bzw. Colons
eine Ausnahmestelle ein. Die Verengerungen der mittleren Däon-
darmschlingen sind indessen wegen der wechselnden Lage der¬
selben schwer zu lokalisieren. Man sieht es der Schlinge auf
dem Röntgenbild nicht an, wie weit sie von der Plica duodeno-
jejunalia entfernt ist, nnd die stenosierte Schlinge hat bei wieder¬
holten Röntgenuntersuchungen ganz verschieden gelegen. Deshalb
hat David 1 ) empfohlen, eine weiche Sonde analog der Duodenal¬
sonde einzufübren, sie bis an das Hindernis vorzuschieben und
nun die Kontrastflüssigkeit einlaufen tu lassen. Auf diese Weise
könnte man in der Tat die Entfernung des Hindernisses von der
Zahnreibe feststellen. Doch scheint mir ein derartiges Vorgehen
überflüssig zu sein, da uns mit dieser Angabe nicht viel genützt
wird. Eine Dünndarmstenose erfordert in jedem Falle einen
operativen Eingriff; oft wird schon die klinische Untersuchung
durch den Nachweis des palpablen Tumors oder die Beobachtung
von Darmsteifungen dem Chirurgen zeigen, an weicher Stelle er
die Laparotomie vorzunehmen hat. Und wenn die klinische
Untersuchung ihm keinen Anhaltspunkt gibt, wo das Hindernis
sitzt, dann ist ihm auch mit der Angabe nichts genützt, dass es
in einer bestimminten Entfernung von der Zahnreibe sich be¬
findet. Es gilt dann, das Abdomen zu eröffnen, und die geblähten
Darmschlingen werden ihm selbst zeigen, wo er das Hindernis
zu suchen hat. Eher wohl mag das Verfahren angebracht sein,
um die Art der Stenose festzustellen, aber auch hier erscheint
es fraglich, ob wir wesentlich weiter mit der Diagnose kommen.
Man wird wohl die Narbenstenose erkennen können; ob es aber
möglich sein wird, ein circuläres Carcinom von einem ring¬
förmigen tuberkulösen Geschwür zu unterscheiden, ist zweifelhaft
un'd im übrigen auch gar nicht unbedingt erforderlich, da beide
Leiden den gleichen sofortigen Eingriff indizieren.
Zusammenfassung: Die Röntgenstrahlen sind ein wert¬
volles diagnostisches Hilfsmittel für die Erkennung der Dünn¬
darmstenose; die charakteristischen Symptome sind; 1. Füllungs-
defekt, 2. Retention in den zuführenden Schlingen, 3. veränderte
Peristaltik der zufübrenden Schlinge, 4. Dilatation derselben, die
im Anfangsstadium sich in Verbreiterung und Streckung der
Schatten äussert, später zur Bildung ampullenartiger Hohlräume,
die halb mit Flüssigkeit, halb mit Gas gefällt sind. Die Hohl¬
räume können in vorgeschrittenen Fällen schon ohne Kontrast-
mablzeit zu erkennen sein. Nicht alle Symptome müssen gleich¬
zeitig vorhanden sein. Füllungsdefekt oder Retention allein be¬
weisen nichts für Stenose. Fehlen der Peristaltik spricht nicht
dagegen. Stenosen des Duodenums, der oberen Jejunumschlingen,
der untersten Ileumschiingen sind durch die Röntgenuntersuchung
1) David, Zur Röntgendurchleuchtung des Dünndarms. Verein d.
Aerzte in Halle, 21. Mai 1913. M.m.W., 1913, Nr. 82.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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genau zu lokalisieren, auch kann es gelingen, die Art der Stenose
zu bestimmen. Bei Stenosen der mittleren Dünndarmpartien ist
eine Lokalisation der Stenose oder die Bestimmung ihrer Natur
meist nicht möglich, aber auch nicht unbedingt erforderlich.
Neue Erfahrungen über Pockennarben¬
behandlung.
Von
Dr. P. Unna jun.
In einem im Jahre 1912 in der Medizinischen Klinik er¬
schienenen Artikel berichtet Louis Merian aus unserer Klinik
über gute Erfolge bei der Behandlung von Pockennarben. In¬
zwischen haben sich unsere Erfahrungen um einige Fälle vermehrt,
weshalb es lohnend erscheint, auf diese Art der Behandlung
zurückzukommen, um auch andere zu Versuchen mit derselben
anzuregen.
Es herrscht bei den praktischen Aerzten und auch vielfach
bei Dermatologen und Chirurgen die Meinung, dass man gegen
Narben und Atrophien gar nichts tun könne, dass dieselben irre¬
parabel seien. Und doch lehrt uns die gewöhnlichste Erfahrung
an Narben von Schnittwunden, dass selbst grössere und ent¬
stellende Narben mit derZeit unansehnlicher werden, „verwachsen“
wie der Volksausdruck sagt. Wenn man z. B. öfter Akademiker¬
versammlungen mitmacbt, kann man sich leicht davon überzeugen,
wie selbst sehr unschöne Mensurnarben mit der Zeit grösstenteils
resorbiert werden. Anders dagegen scheinen sich die Pocken¬
narben zu verhalten, bei denen im spätesten Alter noch die
Diagnose selbst von jedem Laien mit Leichtigkeit gestellt werden
kann. Es ist klar, dass derart Gebrandmarkte sieb immer wieder
bemühen, diese Verunstaltung des Gesichts los zu werden, sei es
aus allgemeinen Schönheitsgründen, oder weil sie zu heiraten
wünschen oder in eine neue soziale Stellung übergehen.
Hier ist ein dankbares Gebiet für den praktischen Arzt wie
für den Spezialisten. Denn diese Patienten sind selbst für jede
geringfügige Verbesserung äusserst dankbar.
Fragt man sich, warum die Pockennarben so auffällig sind,
so findet man, dass bei den Pocken, die zwar meist dicht an¬
einander gelagert sind, aber selten konfluieren, unmittelbar Er¬
höhung an Vertiefung sich anscbliesst: ein dichtes Mosaik von
beschatteten Vertiefungen und kreideweis aufleuchtenden Erhaben¬
heiten. Hierin unterscheiden sich die Variolanarben und die im
kleinen sie naebahmenden Acnenarben von sämtlichen übrigen
Vernarbungsprozessen (Verbrennungen, Lupus, Syphilide). Bei
starker Ausdehnung der Pockennarben reiht sich ganz regelmässig
Hügel an Tal. An einzelnen Stellen kommt es zu keloidartigen
Vorwölbungen, zumal in der Gegend der grossen G*-sichtsfalten.
Besonders auffällig wird der Anblick noch dadurch, dass die
natürlichen Hautporen in vielen Fällen sehr viel deutlicher werden,
sei es, dass die Poren durch Narbenzug erweitert sind, oder dass
die Follikeltrichter durch die besonderen Verhältnisse der Licht¬
reflexion auf dem maximal gespannten Hautterrain deutlicher
sichtbar werden. Besonders tief pflegen die Pockennarben zu
sein an den Drüsenregionen des Gesichts: an der Nase, den
medialen Stirnpartien, den Wangen, dem Kinn. Veränderungen
an der Nase können unter Umständen solche Grade erreichen,
dass weitgehende Verunstaltungen und Zerstörungen der Form
eintreten, wenn nämlich die Vernarbung bis auf den Knorpel
geht.
Die Behandlung besteht darin, die Haut möglichst zu ebnen,
die Vorsprünge abzutragen und die Löcher auszufüllen. Die ein¬
fachste Methode hierfür ist die Poliermethode, die schon vor
vielen Jahren von Ellinger und meinem Vater 1 ) eingeführt
wurde und sich wegen ihrer konstant guten Resultate einen be¬
scheidenen, aber dauernden Platz in unserem kosmetischen Arznei¬
schatz erworben bat. Die Poliermethode feiert ihre Triumphe
zwar hauptsächlich bei der Behandlung von Acoeoarben und bei
der Hypertnchosis virginum 2 ), spielt aber auch bei der Pocken-
narbeotherapie, besonders zur Nachbehandlung eine grosse Rolle.
Je nach dem Zustande der Gesichtsbaut, der Grösse und
Härte der Narben, ist eine schwächere oder gröbere Polierung
erforderlich. Zum Polieren braucht man einerseits Poliersteine,
1) Ellinger, W.m.W., 1876. — Unna, Ueber Behandlung von
Narben. Mitt. V. Schlesw.-Holst., 1881, Nr. 10.
2) Vgl. K. Unna, Die Entfernung des Frauenbartes. M.ra.W., 1914.
Polierpulver oder Polierpasten, andererseits Polierseifen. Am
einfachsten liegen die Verhältnisse beim Polieren mittels Polier¬
steins. Louis Merian, der sich mit dieser Behandlung viel
beschäftigte, hat zu diesem Zwecke verschiedene Formen eines
künstlichen gepressten Bimsteins angegeben; ein gewöhnlicher
Bimstein wird im Notfall auch genügen. Verschiedene Versuche,
Steine herzustellen, welche nach Art des Radiergummis das Polier¬
material abgeben, führten zu dem Ergebnis, dass die barten
Steine bei Pockennarben den bröckligen, verreibbaren Steinen
bedeutend vorzuziehen sind. Ebenso günstige Erfolge wie mit
dem Stein erzielt man mit dem Pulver, das schon vor Jahren
von meinem Vater als Pulvis cutifricius in die Dermatologie
eingeführt wurde. Vor dem Stein hat es den Vorzug, dass die
Politur mit Pulver ebenso energisch, aber .weniger schmerzhaft
ist. Etwas weniger wirksam ist Polierseife, Sapo cutifricius, wo¬
zu man übrigens auch die gewöhnliche Sandseife verwenden kann.
Unter Umständen empfiehlt es sich, mit irgendeiner eintrocknenden
Paste, z. B. Zinkpaste, zu polieren, der man zweckmässigerweise
etwas Kreide zusetzt, um ihr eiue weichere Konsistenz zu geben.
Dies kommt z. B. in Frage, wenn zwischen vernarbten Inseln
relativ viel normale, weiche Haut vorhanden ist, welche durch
den Polierstein ohne Paste zu sehr angegriffen würde, oder bei
Patienten, deren Haut leicht blutet. Die Resultate, die mit der
Politur erzielt werden, sind dauernde und gute. Man reibt jede
Stelle einige Minuten, bis die Haut anschwillt, sich lebhaft rötet
und die ersten Serumtröpfchen erscheinen. Die so behandelte
Haut wird entweder mit einer Kühlsalbe bedeckt oder weiteren
narbenerweicbenden Maassnabmen unterzogen. Die Grenzen dieser
Methode liegen einerseits in zu starker Dicke der Narben, anderer¬
seits in einem zu unebnen Terrain, wo relativ normale Hügel
durch sehr enge vertiefte Narben abgegrenzt werden, ln diesem
Fall verursacht man dem Patienten unnötige Schmerzen, ohne viel
zu nützen, da man gar nicht bis auf den Narbeogrund gelangt,
man muss in solchen Fällen die Narbenvertiefungen heben, was
durch physikalische und chemische Mittel möglich ist (s. unten).
leb gehe über zu den chirurgischen Methoden, welche
im Anfang der Behandlung anderer Narben eine Hauptrolle spielen,
wie Totalexstirpation und primäre Naht, oder Transplantationen.
Derartige Maassnahmen wird man bei den Pockennarben wegen
ihrer Ausdehnung nur selten in der Lage sein anzuwenden. Man
wird sich hier darauf beschränken, gleich im Anfang der Behand¬
lung grössere Partien oder sogar die ganze Fläche zu scarifiziereo,
wodurch die anämische Pockenhaut besser durchblutet wird
(Quadrillage nach E. Vidal). Die Inzisionen, die am besten mit
den feinen Discisionsmessern der Augenärzte gemacht werden,
müssen die ganze Dicke der Narbe dnrehtrennen. Man braucht
sich nicht ängstlich vor einem Zuviel zu scheuen, da die Ein¬
schnitte bei der Nachbehandlung unsichtbar werden.
Auch mit dem Paquelin sowie mit dem Kaltkauter lassen
sich besonders dicke Narbenzüge zerstören. Doch würde ich
diese Behandlung für besonders hartnäckige kleine Hügelcben
reservieren, da die Schmerzhaftigkeit gross ist und gerade nach
der Kaustik in einigen Fällen hypertrophische Narben entstehen.
Auch Massage, insbesondere Vibratiousmassage leistet in
leichten Fällen Gutes; jedoch ist die Massage lediglich als er¬
weichende und die Circnlation anregende Vorbehandlung anzu-
seben nnd wird hierin von der Poliermethode bei weitem über¬
troffen.
Es folgen nun die elektrischen Methoden, besonders die
Elektrolyse. Wie allgemein bekannt, leistet die Elektrolyse
bei Zerstörungen von Fibromen in vielen Fällen Vortreffliches.
Bei der Behandlung von Pockennarben kommt sie hauptsächlich
in Frage zur Zerstörung der Erhöhungen, welche von hyper¬
trophischen Bindegewebsmassen eingenommen werden. Man
sticht mit einer ziemlich dicken Platin-Iridiumnadel ein and lässt
den negativen Pol bei 3—5 Milliampere mehrere Minuten ein¬
wirken. Auch hier bildet zu grosse Schmerzhaftigkeit die natür¬
liche Grenze der Anwendbarkeit. Besonders an der Nase werden
diese Operationen häufig sehr unangenehm empfunden. Auch die
deprimierten Hautpartien kann man, wie es für vertiefte Acne¬
narben empfohlen ist, mit dem positiven Pol anszufüllen ver¬
suchen. Ich habe jedoch bisher nicht viel gute Resultate damit
erzielt.
Ganz besonders gute Erfolge erreicht man noch mit
der Kataphorese (Jontopborese) mit Thiosinamin, über welches
Verfahren weiter unten bei der Besprechung dieses Heilmittels
berichtet wird.
Endlich wären noch zu erwähnen die Strahlenmethoden. Mit
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
Röntgenstrahlen and Radi am haben wir bei Pockennarben
keinerlei gute Resultate gesehen. Auch die Resultate anderer
Aerzte scheinen nicht besser zu sein. Rotlicht wirkt im wesent¬
lichen durch Erweichung der Narben. In ähnlicher Weise, d. h.
durch eine oberflächliche Dermatitis erweichen die ultravioletten
Quarzlampenstrahlen das Narbengewebe, sind also nur unter¬
stützende Faktoren der Behandlung, aber nicht geeignet, wie bei
der Acnebehandlung, die Haut wieder zu glätten. Ueber Finsen-
licht und Sonnenbehandlungen, die ja bekanntlich bei
Lupusnarben ausgezeichnete kosmetische Resultate liefern, stehen
mir ausreichende klinische Erfahrungen nicht zu Gebote.
Die Standardbehandlung jeder Variolanarbentherapie bildet
aber nach meiner Meinung die Koblensäureschneebehand-
lung. Der Kohlensäureschnee entspricht zwei Forderungen. In
geringer Dosierung angewandt, bringt er das behandelte Gewebe
zur Anschwellung, die geeignet ist, 1. atrophische und vertiefte
Stellen zu heben und Niveaudifferenzen auszugleichen, 2. das
Gewebe für seine Resorption geeigneter zu machen. In starker
Dosis dagegen fuhrt er selbst zur Verschorfung und Vernarbung.
Die letztere Eigenschaft ist natürlich weniger erwünscht und
ausserdem nur für vorspringende Narben verwendbar. Daher kam
ich bald darauf, immer geringere C0 2 -Schneedosen zu geben. Es
kommt hinzu, dass die einzelnen Häute in recht weiten Grenzen ver¬
schieden reagieren. Daher muss man jede Haut erst prüfen, wie¬
viel Sekunden Kohlensäureschneeapplikation sie verträgt, ohne
dass es zur Bildung grösserer Blasen kommt. Für die meisten
Variolanarbenpafienten lag das Optimum zwischen 5 und
10 Sekunden, bei einzelnen genügten jedoch schon 3 Sekunden.
Diese Daten beziehen sich auf feine Narben der Mund¬
falten. An anderen Stellen und bei dicken Narben kann
man meist höher, selbst bis etwa 20 Sekunden geben. Auch
werden die Zeiten im Verlauf der Behandlung allmählich grösser,
da sich die Haut an den Kältereiz offenbar gewöhnt. Die Ge¬
winnung des C0 2 -Schnees setze ich als bekannt voraus. Das
Instrumentarium ist ausserordentlich einfach, und die Operation
kann von jedem praktischen Arzte mit Leichtigkeit ausgeübt
werden. Die Schneestückchen müssen allerdings genau den Ver¬
tiefungen oder Vorsprüngen entsprechend gestaltet werden, was
durch Zuspitzen mit dem Taschenmesser bei einiger Uebung ohne
Schwierigkeit gelingt. Zur Behandlung von stecknadelkopf¬
grossen vertieften grubigen Narben gehören stecknadelkopfdicke
Enden von Koblensäureschneestückchen. In vielen Fällen wird
man zuerst grössere Flächen mit breiten Schneestücken en bloc
behandeln, ohne auf Details Rücksicht zu nehmen, und erst
später die vertieften Narben im einzelnen vornehmen. Die guten
Resultate bei vertieften Narben werden von keiner
anderen Methode erreicht. Sie ist relativ schmerzlos, und
der Patient wird sich ihr gern zu wiederholten Malen unterziehen,
da er nach jeder Anwendung eine sofortige Verringerung der
Vertiefungen bemerkt. Eine stärkere Dosierung passt für die
Vertiefungen nicht, da man damit höchstens eine Nekrose der
Cutis erzielt, während es sich nur darum handelt, an der Stelle
der Vertiefung die Circulation zu verbessern und das Hautniveau
zu erhöhen. Dieses Ziel erreicht man am besten durch recht
häufige, kurze Applikationen von Kohlensäureschnee. Man wird
jedoch bei der Ausdehnung der Pockennarben zunächst davon
absehen, alles auf einmal mit Kohlensäureschnee zu behandeln,
da tägliche Operationen die Nerven der Patienten, wenn auch die
Schmerzen relativ gering sind, doch angreifen.
Hier treten die chemischen Methoden ergänzend ein, die
etwas langsamer, aber auch sicher und vor allem schmerzloser
arbeiten und sowohl tags als nachts angewandt werden können.
Zunächst die sogenannten Specifica. Als solches präsentiert
sich uns das Thiosinamin und seine lösliche Doppel Verbindung
mit Natrium salicylicum, das Fibrolysin.
Thiosinamin wurde bekantlich von Hans Hebra in die derma¬
tologische Behandlung eingeführt und scheint in der Tat eine ganz
spezifische Einwirkung auf Bindegewebe, besonders Narbengewebe,
zu besitzen. Bei der Sklerodermie, der Morphaea, sowie bei
narbigen Atrophien hat es uns und anderen gute Dienste geleistet.
Das Thiosinamin wird als Pflaster, als Salbe, percutan als
Thiosinamin-Kataphorese und subcutan als Fibrolysininjektion an¬
gewandt. Wir geben die letzteren subcutan in die Glutäen und
erwarten vor der 20. Spritze noch keine genügende Wirkung.
Jedoch tritt dieselbe ziemlich regelmässig und deutlich erkennbar
gegen Ende dieser Zeit auf. Rascher sichtbar sind die Erfolge
mit dem Pflaster, das wir bei Variolanarben nur als Guttaplast
von Beiersdorf anwenden und zwar in stärkster Dosierung (60g).
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Die behandelte Haut wird auffällig mattweiss, sehr weich und
abgeflacht. Derselbe Effekt ist noch rascher mit der Kataphorese
zu erreichen. Man stellt sich mit Thiosinamin (lOpCt.) und
Natrium salicylicum (76pCt.) eine Lösung her und setzt einen
mit der Lösung aogefeucbteten Wattebausch als positiven Pol auf
die erkrankte Stelle. Die indifferente Elektrode, die man gross
wählt, halte man möglichst nahe an die Behandlungsstelle.
Thiosinamin in Salbenform eignet sich mehr für die ambulante
Behandlung.
Die Tbiosinaminbehandlungen erweichen das hypertrophische
Bindegewebe und bringen es zur Resorption. Diese Forderungen
werden aber nicht nur von Thiosinamin, sondern auch von der
Salicylsäure und dem Quecksilber erfüllt, die man am besten in
Form von Salicyl-Kreosot- oder Quecksilber-Kreosot-Guttaplast
auwendet.
Scbälkuren mit Resorcin, Salicylsäure und Seifen scheinen
auf den ersten Blick bei Pockennarben ja recht indiziert zu sein,
haben aber doch nicht den erhofften Erfolg. Im Anfänge aller¬
dings sind sie häufig nicht zu umgehen, um die ganze Oberhaut
zu verdünnen, und auch als Nachbehandlung spielen sie eine
nicht unbedeutende Rolle. Aber im Verlauf der Behandlung
sind sie eher schädlich als nützlich, da die Narben nur deutlicher
sichtbar und die Nerven des Patienten allzu stark gereizt werden.
Dagegen kann die Salicylsäure, circumscript angewandt, jederzeit
günstig wirken, da auch sie die Depressionen, wenn auch nicht
so kräftig wie der Kohlensäureschnee, hebt und unter Salicylschale
die Epidermis zur Wucherung angeregt wird. Hierfür eignet sich
indessen allein die Form des Scbälcollodiums 1 ). Mit diesen
chemischen Mitteln hat man immer sofort da einzugreifen, wo
die physikalischen Mittel zu wirken nacblassen.
Fassen wir alles zusammen, so wird man zuerst chirurgisch
mit Scarifikationen nach Vidal die gröbsteD Entstellungen ent¬
fernen, durch Elektrolyse einzelne besonders auffällige Erhebungen
beseitigen und eventuell durch eine Salicylschälung die Hornscbicbt
im ganzen verdünnen. Dann setzt die Hauptbehandlung ein: die
Hauptmasse der Vertiefungen wird durch Kohlensäureschnee ge¬
hoben, wobei die Erhöhungen gleichzeitig erweichen. Zur selben
Zeit wird durch Fibrolysin-Injektionen eine ständige Resorption
in Gang gehalten. Die Nachbehandlung mit Pflastern von Salicyl¬
säure und die akuter wirkende und sehr zu empfehlende Thiosinamin-
Kataphorese beschleunigen die eiogeleitete Resorption. Bei den
Resten des erweichten, abgeflachteu Gewebes tut die Poliermethode
das ihrige, um die letzten Ungleichheiten zu ebnen. Den Schloss
bilden daher am besten abwechselnd Salicylscbälungen, Thiosinamin-
Kataphorese und Polituren. Mit dieser Behandlung sind selbst
die schlimmsten Pockennarbenfälle einer bedeutenden Verbesserung
fähig.
Bücherbesprechungen.
J. Cenacb: Chinrgisehe Diagioatik ia Tabelleifarn für SUdieitnie
and Aerzte. München, F. Lehmann. Preis 14 M.
Der Verf. der „differentialdiagnostischen Tabellen der inneren Krank¬
heiten“ hat jetzt auch die wichtigsten chirurgischen Erkrankungen in
übersichtlichen Tabellen nach diagnostischen Gesichtspunkten zu¬
sammengestellt und durch zahlreiche, sehr instruktive Abbildungen er¬
läutert. Es ist staunenswert, was alles in das Buch hineingearbeitet
wurde, und der Verlag verdient alle Anerkennung für die ausserordent¬
liche Zahl von vortrefflichen ein- und mehrfarbigen Abbildungen.
Tabellen wollen kein Lehrbuch und können nicht einmal ein Kompendium
ersetzen; sie dienen bloss dem Bedürfnis nach rascher Orientierung. In
dieser Begrenzung wird das Buch gerade jetzt, wo mancher die ihm un¬
gewohnt gewordene Kunst der Chirurgie wieder betreiben muss, ein oft
willkommener Nothelfer sein. Hans Kohn.
W. Hirt: Das Lehen der anorganischen Welt. München 1914, Ernst
Reinhardt. 150 S. Preis 3 M.
Die vielfachen Versuche, den Begriff „Leben“ zu definieren, sind
allgemein bekannt. Von allen bisher gegebenen Definitionen dürfte die
von Verworn die treffendste sein. Nach V. besteht der Lebensvorgang,
kurz gesagt, in dem Stoffwechsel von Eiweisskörpern. Gegen alle diese
Definitionen, besonders aber gegen letztere, wendet sich Verf. und sucht
den Nachweis zu erbringen, dass es auch einen Stoffwechsel ohne Eiweiss¬
körper gibt. Als Beispiel für seine Behauptung führt er an, dass der
zerbrochene Knochen wieder zusammenwächst, indem sich die »aus
eiweisslosen Lamellen bestehende Knochensubstanz regeneriert“; ferner
1) Collodium mit je lOpCt. Salicylsäure und Anaesthesin. — P.Unna
jun., Ueber traDspellikulare Behandlung, insbesondere mit Schälcollodmm.
B.kl.W. 1911, No. 40.
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5. Oktober 1914.
„im jugendliches Alter wächst die Knochensubstanz“, „ebenso wachsen
Nägel, Hufen, Klauen, Geweihe, Haare und leben“. Wie ein Mediziner
behaupten kann, dass alle diese Vorgänge ohne Mithilfe von Eiweiss¬
körpern vor sich gehen, ist unverständlich. Eine Regeneration oder ein
Wachstum ist doch nur unter Mitwirkung von Zellen möglich, zur Zell¬
tätigkeit gehört aber doch Eiweisssubstanz. Von einer Widerlegung der
Verworn’schen Hypothese kann also gar keine Rede sein. — Will man
den Begriff „Leben“ nicht eng umgrenzen, sondern, wie Verf. dies tut,
ganz verallgemeinern, so kommt man natürlich zu ganz mystischen
Vorstellungen, wie z. B., dass die flüssigen Kristalle „leben“, ein Eisenstab
„denkt“ usw. — Immerhin ist das Büchelchen recht anregend. Es
bringt in klarer Uebersicht alles das, was bisher über den Begriff
„Leben“ geschrieben wurde, und gestattet eine schnelle Orientierung
auf diesem nicht ganz leicht zu übersehenden Gebiet.
f. Hofmeister.- Leitfaden für den praktisch-chemischen Unterricht
der Mediziner. 5. neu durchgesehene und vervollständigte Auf¬
lage. Braunschweig 1914, Fr. Vieweg & Sohn. 156 S. Preis
4 M.
Der bekannte Leitfaden liegt nunmehr in seiner 5. Auflage vor.
Wenn man von einigen unwesentlichen Veränderungen absieht, hat sich
an dem Charakter und dem Umfang desselben nichts geändert. Er
kann nach wie vor für die ersten physiologisch-chemischen Arbeiten im
Laboratorium wärmstens empfohlen werden. Die kurze und prägnannte
Darstellung macht ihm dazu ganz besonders geeignet.
H. y. Tappeiner: Anleitung zu chemisch - diagnostischen Unter¬
suchungen am Krankenbette. 10. Auflage. München 1914,
M. Rieger. 146 S. Preis 2,20 M.
Weicher Beliebtheit sich dieses Büohelchen erfreut, beweist, dass es
nunmehr in 10. Auflage erscheint. Zur schnellen Orientierung und zum
Nachschlagen am Krankenbett ist es sehr geeignet und bringt in wenigen
Worten alles im Moment Wissenswerte.
0. Bernthsen: Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie. 12. Auf¬
lage, bearbeitet in Gemeinschaft mit A. Darapsky. Braun¬
schweig 1914, Vieweg & Sohn. 672 S.
Dieses Lehrbuch ist so bekannt, dass es sich erübrigt, es noch be¬
sonders zu empfehlen. Es ist eines unserer besten Lehrbücher der
organischen Chemie. Erhebliche Neuerungen sind in der vorliegenden
Auflage nicht durchgeführt, doch hat die neueste Literatur eingehendste
Berücksichtigung gefunden. Wohlgemuth.
Magnus Hirschfeld: Die Homosexualität des Mannes und des Weihes.
Handbuch der gesamten Sexualwissenschaft in Einzeldarstellungen.
Bd. 3. Berlin 1914, Louis Marcus-Verlagsbuchhandlung. 12 M.
Wie belehrend und umfassend der erste Band dieses Handbuches
der gesamten Sexualwissenschaft, in welchem der Herausgeber der Sammlung,
Iwan Bloch, die Geschichte der Prostitution im Altertum und Mittel-
alter abhandelte, ist, habe ich in meiner Besprechung des Werkes aus¬
führlich darzulegen mich bemüht. Dieser dritte Band ist ein würdiger
Nachfolger von Bloch’s grossem Werk. Auch dem mit der Materie
der Homosexualität nicht Unvertrauten gibt dieses Buch eine staunens¬
werte Fülle der Erkenntnis. Hirschfeld, der vielgesuchte Berater und
ärztliche Anwalt dieser geschlechtlich Abnormen, bat hier in umfassender
Weise die Erfahrungen niedergelegt, die ihm seine langjährige intensive
Beobachtung an einem runden Tausend von Homosexuellen beiderlei
Geschlechts gebracht hat. Die Voraussetzung seiner Anschauung ist das
Angeborensein der homosexnellen Natur, die am kürzesten
Ulrichs mit den Worten ausgedrückt hat: Anima muliebris virili
corpore inclusa (und umgekehrt für die homosexuelle Frau). Diese
Natur ist nicht anerzogen, nicht durch einen Zufall in einem normalen
Menschen entstanden, nicht durch Verderbtheit oder Uebersättigung
bedingt, sondern sie ist angeboren. Ein Homosexueller ist von vorn¬
herein homosexuell. Nur von dieser Auffassung aus, die Hirschfeld
seit dem Beginn seines Wirkens vertritt, und für deren Richtigkeit er
ein erdrückendes uud für immer klassisches Beweismaterial beibringt,
kann das Verständnis erfolgen. In objektivster Darstellung führt Hirsch- ]
feld den Leser, bei dem er gewissermaassen die gegenteilige Ansicht vor¬
aussetzt, zu der Klarheit hin, dass hier ein ganz bestimmter, andersartiger
Trieb anzutreffen sei. Der Sexualtrieb neigt von seinem frühesten Er¬
wachen zum gleichen Geschlecht hin, und die Regungen des normalen
Liebesbedürfnisses, der Anziehung des Mannes durch die Frau, der Frau
durch den Mann ist nicht in Spuren vorhanden. Der Geschlechtstrieb
ist dem der andern Menschen völlig analog in seinem körperlichen Ver¬
langen und in seinen seelischen Begleiterscheinungen, aber er richtet
sich stets nur auf gleichgeschlechtliche Genossen. Er besitzt in aus-
geprägtestem Grade den Abscheu gegen jedwede andersartige Betätigung.
Der normale Mensch fühlt sich ganz instinktiv nur zum anderen Ge¬
schlecht© hingezogen, empfindet Widerwillen bei der blossen Vorstellung
einer geschlechtlichen Berührung mit einem Menschen gleichen Geschlechtes;
der Homosexuelle, der durch seine abnorme Natur zu intensiverer geistiger
rt ra l b ® UuDg se ' aer Gefühle gezwungen ist, dessen oft grosse Geistes-
fabigkeiten zu einem Sichselbstklarwerden über seine merkwürdige Ver¬
schiedenheit von dem Gros der Menschen zwingen, scheint nicht nur
unbewusst, sondern auf Grund einer für ihn zwingenden Beweisführung
zu einem ganz besonders tiefen Abscheu vor andersgeschlecbtlicher Be¬
rührung zu gelangen. Zudem scheint es sich bei diesen Menschen, wenn
man aus den ausführlichen Beschreibungen Hirschfeld’s und nach den
Zitaten aus den schriftlichen Ausführungen und Lebensläufen der Be¬
troffenen sich ein Urteil bilden darf, vielfach um übersensible Naturen
zu handeln.
Es ist unmöglich, auch nur annähernd eine Uebersicht über den
Inhalt dieses Lebens Werkes Hirschfeld’s zu geben, das mit überragendem
medizinischen Wissen und so leidenschaftslos geschrieben ist, wie es
bei einem Forscher und Arzte nur möglich ist, der mit fühlenden
Herzen alles Elend erkannt hat, das die Verschiebung dieser wichtigsten
somatischen und psychischen Funktion in der Geschichte der Menschheit
bervorgebraebt hat und in Zukunft immer weiter erzeugen wird, der der
Ueberzeugung ist, dass alle Verfolgung dieser unabänderlichen Abnormität
ungerecht und schuldlosen, oft geistig sehr hochstehenden Menschen
verderblich ist. Einen Begriff von der Fülle des Gebotenen gibt es
vielleicht, wenn wir nur kurz anzudeuten suchen, wie der Verfasser
seinen Stoff eingeteilt hat. Er bespricht in zwei etwa gleich grossen
Teilen die Homosexualität als biologische und als soziologische Erscheinung.
Im ersten Teile bestimmt er den Begriff, bespricht die Diagnose und
schildert an vielen Beispielen das ganze Gebaren der homosexuellen
Menschen, bringt uns ihren Geisteszustand plastisch aus ihren eigenen
Worten vor Augen und unterscheidet scharf all die pseudohoraosexuellen
Vorgänge von der wahren Homosexualität, deren Träger ebensogut sittlich
reine Charaktere wie Wüstlinge sein können wie es bei den Normalen
— Heterosexuellen — der Fall ist. Er trennt von den Pseudohomosexuellen,
aus denen die männliche Prostitution und das Erpressertum sich grössten¬
teils rekrutiert, die bisexuellen Menschen, deren Empfindung neben dem
normalen Verhalten auch das konträre nicht unangenehm ist. Ein
grosser Abschnitt bezieht sich auf das Verhältnis der homosexuellen
Psyche zu der Körperbildung, wobei sich ergibt, dass die körperlichen
Zwischenstufen (bermaphroditische Bildungen) keine weitere Beziehung
zu dieser abnormen Veranlagung aufweisen. Im Anschluss an diese
Betrachtungen gibt Hirschfeld die maoigfaltigen Erklärungsversuche
über die Bedeutung der Homosexualität wieder. Besonders ausführlich
wird die Therapie besprochen. Der soziologische Teil handelt die
Geschichte, die Statistik, vergleichende Biologie, soziale Stellung und
namentlich die juristischen Fragen ab. Das Buch wird ja nach dem
Interesse, welches die besprochene Frage in allen Kreisen der Bevölkerung
auslöst, ohne Zweifel eine sehr grosse Verbreitung finden. Der sittliche
Ernst, der es durchweht, das hilfsbereite Eingehen auf diese den ihnen
Unterworfenen in so vielen Beziehungen schädigenden Vorgänge, die
grosse MeDge dem wissbegierigen Leser sich aufdrängender ernster
Probleme sichern dem Werke die Gewissheit, dass es keine Lektüre der
Frivolen werden wird. Dem Arzte kann es nicht warm genug empfohlen
werden. Es wird manche schwankende Auffassung auf die Wahrheit
hinwei3en, und es wird auch hoffentlich in der kommenden Gesetzgebung
nicht nur vor der drohenden Verschärfung der einschlägigen Bestimmungen
bewahren, sondern auch dazu beitragen, dass die bisher mit dem wissen¬
schaftlichen Stande nicht ganz kongruierenden Strafbestimmungen anderen,
die Unglücklichen nicht verderbenden sondern sie schützenden Platz
machen. Pinkus.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
J. Bauer*. Die Beziehungen der Hypophyse zar Wärmeregulation.
(W.m.W., 1914, Nr. 25.) Extrakt aus dem Hypophysenhinterlappen
macht Temperaturherabsetzung. Fälle von hypophysärer Dystrophie mit
subnormalen Körpertemperaturen gehen fast regelmässig mit Polyurie
und Polydipsie einher. Beschreibung von 5 Krankengeschichten. Die
Ursache der Polyurie bei hypophysären Affektionen kann sein: 1. Reiz¬
zustand bzw. Ueberfunktion der Pars intermedia resp. des Hinterlappens.
2. Irritation der im Hirnstamm gelegenen nervösen Gentren. 8. Nervöse
Verbindung zwischen diesen Gentren und dem HinterlappeD. Die gleichen
Möglichkeiten haben auch für die Genese der hypophysären Hypothermie
Geltung. Die Wirkung des Extraktes aus dem Hypophysenhinterlappen
auf die Temperatur beruht entweder auf einer ReizuDg des autonomen
(parasympathischen) „Kühlcentrums“ oder auf einer LähmuDg des sym¬
pathischen „Wärmecentrums“. Eisuer.
Therapie.
H. BechhoId-Frankfurt a.M.: Halbspeiiflsche Desinfektion. (M.m.W.,
1914, Nr. 37.) B. fand, dass Halogennaphthole zum Teil eine halb¬
spezifische Desinfektion bestimmten Bakterien gegenüber entfalten. Er
stellte mit einem der Halogennaphthole, dem Tribromnaphthol, besondere
Versuche an, deren Ausfall ihn zum Ausprobieren des Mittels in der
Praxis veranlassten. Hierüber berichten die beiden folgenden Arbeiten.
Leser-Frankfurt a.M.: Chirurgische Erfahrungen mit Providoform.
(M.m.W., 1914, Nr. 37.) Unter dem Namen „Providoform“ kommt das
Tribromnaphthol durch die Providol-Gesellschaft, Berlin NW., Alt
Moabit 104, in den Handel als Pulver, Tinktur und Mull. Es wirkt
günstig bei eiternden Wunden, Gesohwüren, langsam heilenden Abscessen
und regt die Bildung von Granulationen an. Leider halten sich die
Lösungen nicht länger als 24 Stunden.
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1688
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
J. Ziegler - Kiefersfelden: Meine Erfahrungen mit Providoform.
(M.m.W., 1914, Nr. 37.) Auch die Erfahrungen von Z. sind gut. An
Stelle der Grossich’sohen Hautdesinfektion mit Jodtinktur empfiehlt er
5 proz. Providoformtinktur. Das Pulver und die Tinktur sind bei allen
eitrigen Prozessen wirkungsvoller als die bisher bekannten Streupulver.
Insbesondere OhreiteruDgen werden günstig beeinflusst. Es übt, wenn
chemisch rein, in Substanz keinerlei Aetzwirkung auf Wunden aus.
Dünner.
Markl: Untersuchungen über Eositin, ein neues Mittel zur Be¬
kämpfung des Hungergefühls bei Behandlung der Fettsucht. (W.m.W.,
1914, Nr. 22.) Das Eusitin ist unschädlich, setzt die Empfindlichkeit
der Schleimhaut für Reize herab und ist infolge dessen als Milderungs-
raittel gegen Hungergefühl bei Entfettungskuren zu verwerten.
E i s n e r.
H. Müller-Mainz: Darf bei weichen Scbankergeschwiiren pro¬
phylaktisch Salvarsan angewandt werden. (M.m.W., 1914, Nr. 36.)
Erwiderung auf den Artikel von Erich H offm an n - Bonn. Müller
bleibt bei seinem Standpunkt, dass eine überflüssige Salvarsaninjektion
eher in den Kauf genommen werden soll als eine unbehandelte Lues.
Dünner.
Allgemeine Pathologie u. pathologische Anatomie.
Pohrt-Hamburg: Todesursachen bei Aortenaneurysmen. (M.m.W.,
1914, Nr. 36.) Von 50 Aortenaneurysmen starben an Ruptur 12, Kom¬
pression der Organe der Brusthöhle 9, Krankheiten der Kreislauforgane
17, Lungenerkrankungen infolge Stauung im kleinen Kreislauf 3, Embolie
aus Aneurysraenthromben 0, intercurrenten Erkrankungen 9.
Dünner.
Diagnostik.
M. Clausz-München: Diagnostische Versuche mit Lnetin-Nognchi.
(M.m.W., 1914, Nr. 37.) Noguchi’s Intracutaureaktion ist für die
Syphilisdiagnose sehr brauchbar, indem-positiver Ausfall beweisend ist,
während negativer nicht unbedingt gegen Lues spricht. Es ist eine über
2 Wochen währende Beobachtungsdauer erforderlich. Dünner.
Parasitenkunde und Serologie.
W. Rullmann - Müuchen: Die Differenzierung der drei Genera
Cladothrix, Streptothrix und Aktinomyces. (M.m.W., 1914, Nr. 36.)
E. Abderhalden-Halle a. S.: Die experimentellen Beweise für das
Vorkommen von Abwehrfermenten unter verschiedenen Bedingungen.
(M.m.W., 1914, Nr. 36.) (Vortrag, gehalten in der 6. ordentlichen Sitzung
des Vereins der Aerzte zu Halle a. S. am 8. Juli 1914.) A. gibt einen
kurzen Bericht über die Theorie seiner Reaktion und die verschiedenen
Methoden zum Nachweis der Abwehrfermente. Das von P. Hirsch
jüngst eingeführte Verfahren des Nachweises mit dem Interferometer von
Löwe halt A. für sehr gut. Auch berichtet A. andeutungsweise über
ein Serum gegen Carcinora.
H. Rollett-Salzburg: Ueber den Nachweis der Wirkung spezifischer
Abwehrfermente im histologischen Schnitt. (M.m.W., 1914, Nr. 37.)
R. untersuchte Plazenten, die mit Serum von Nichtgraviden und Graviden
behandelt waren, mikroskopisch. Dabei fand er bei dea Placenten,
die in Gravidenserum gelegen hatten, stellenweise Schwund der Kerne
bzw. der Kerofärbbarkeit im Zottenektoderm und im Syncytium sowie
in den Proliferationsinseln, also im spezifischen Gewebe der Placenta
naebzuweisen war. Die Placenten waren, wie R. erwähnt, nicht entblutet.
W. Sagel - Dresden: Nachweis spezifischer Fermente im Harn.
(M.m.W., 1914, Nr. 37.) II. Mitteilung. Die weiteren Untersuchungen
von S. scheinen dafür zu sprechen, dass im Urin spezifische Fermente
enthalten sind. Dünner.
Innere Medizin.
F. Pin ei es: Der sogenannte chronische Gelenkrheumatismus und
die Gicht. (W.m.W., 1914, Nr. 23 u. 24.) Verf. unterscheidet folgende
Krankheitsbilder: 1. den chronischen Gelenkrheumatismus, 2. die pro¬
gressive Arthritis, 3. die deformierende Gelenkentzündung, 4. die
Heberden’schen Knoten, 5. die Gicht. Er geht auf die einzelnen Er¬
krankungen näher ein. Am Schluss einige therapeutische Bemerkungen.
M. Engländer: Hochradiger Meteorismus bei einem Falle mit
Aortitis lnetica. (W.m.W., 1914, Nr. 23.) Hochstand des Zwerchfells
infolge von hochgradigem Meteorismus; dadurch bedingt Querlagerung
des Herzens. Gleichzeitiges Bestehen einer Aortitis luetica. Anfall von
Stenocardie. _ Eisner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
L. Hirschlaff*. Ein neuer Ermüdangsmesser. (Neurol. Zbl, 1914,
Nr. 15.) Vgl. Sitzungsbericht der Berliner Gesellschaft f. Psych. u.
Nervenkrkh. der B.kl.W., 1914, Nr. 20.
Lapinskv: Ueber mechanische Bäder in der neurologischen
Praxis (hydraulische Massage). (Neurol. Zb!., 1914, Nr. 12—15.) L. be¬
zeichnet als hydraulische Massage ein Verfahren, bei dem der zu
massierende Körperteil der Wirkung von 35° bis 45° warmen Wasser¬
strahlen ausgesetzt und gleichzeitig von der Hand des Masseurs be¬
arbeitet wird. Die Behandlung erfolgt in einer eigens lür die hydrau¬
lische Massage konstruierten Badewanne. Hydraulische Massage wirkt
schmerzstillend, z. B. bei Schmerzen und Reizzustäoden in den peri¬
pheren Nerven ischämischen Ursprungs; durch sie kann die Blutverteilung
! örtlich und allgemein beeinflusst werden; sie ist besonders bei visceralen
Prozessen wirksam, ferner bei Exsudaten, Infiltraten, Adhäsionen usv.
Zum Schluss bespricht L. die Wirkung bei Affektionen des Central¬
nervensystems. (Und die Duschemassage? Der Referent.)
E. Tobias.
Bunnemann - Ballenstedt: Physikalische Anschainngsweise iu
neurologisch-psychiatrischer Literatur, ein Kapitel zur Leibscelenfrsge.
(Mschr. f. Psych., August 1914.) Atomistisch-pbysikalische Abhandlung
über Materie und Psyche, die sich hier nicht genauer wiedergeben lässt.
Beachtenswert sind seine Folgerungen, dass „die Funktion des Gehirns
den Funktionen anderer Organe sich durchaus gleichartig an die Seite
stellt, insofern bei der Funktion des Nervenplasmas wie bei allen anderen
Plasmaarten die Reaktion als eine formale Veränderung der Richtung
sich einheitlich auffassen lässt und nicht direkt als eine Aeusserung des
Bewusstseins im Gegensatz zu rein formalen Funktionen anderer Organe,
der Konstruktion der Muskelfaser uüd der Sekretion des drüsigen Organs.
Der Unterschied liegt nur in der Art der Betrachtung. Die Funktion
bedeutet an sich nie objektiv Zweck, sondern ist immer subjektiv auf
einen zu verfolgenden Zweck abgestimmt“. Loewy.
A. Hellwig: Zur Lehre vom psychopathischen Aberglaube*.
(Neurol. Zbl., 1914, Nr. 15. Vom psychopathischen Aberglauben muss
der Aberglauben von Psychopathen abgezweigt werden, bei denen es
sich nicht um eine Untergruppe des Aberglaubens, sondern um eine
solche der Psychopathen handelt. Volkskundlich hinreichend gesdratte
Psychiater sollten sich mit dem normalen und dem psychopathischen
Aberglauben intensiver beschäftigen.
Bychowki: Zur chirurgischen Behandlung der Lcptoacailgitis
pnrnlenta (?) circnmscripta. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 15) Leptomeuin-
gitis purulent« circumscripta nach Schlag auf den Kopf. Die Operation
ergab in der Mitte der psychomotorischen Zone auf einer zweimarkstück-
grossen umgrenzten Fläche die Pia getrübt, ödematös, hier und da mit
Fibrin, durch das kleine graue Pünktchen hindurchschimmerten, bedeckt,
stark gefüllte und erweiterte Gefasse. Hirnpunktionen ergaben keinen
Eiterherd. Die Entfernung der veränderten Weichhaut führte zur
Heilung. Genaue Schilderung und Epikrise. E. Tobias.
0. Sittig-Prag: Ein Fall von taberknlä’ser Meningitis bei
bitemporalhemianopischer Popillenreaktioi. (Mscbr. f. Psych., August
1914.) Im Cbiasma fand sich kein Tuberkel, der die Pupillenreaktion
erklären konnte, sondern nur eine besonders stark entzündliche Infil¬
tration der Meningen, die besonders intensiv an der Stelle der Cbiasma-
kreuzung war. Eine Degeneration der Sehbahn wurde nicht gefunden.
Die Lokalsymptome bei der graviden Frau wiesen auf die Hypopbysen-
i gegend hiü. E. Loewy.
Besgmark - Upsala: Zur Symptomatologie der cerebrales Läh¬
mungen. (D. Zscbr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 1 u. 2.) In 7 von 8 Fällen
fand sich auf der gelähmten Seite eine Einschränkung der Zwerchfell¬
bewegungen ohne Veränderung der Mittelstellung. Die Analyse eines
Falles spricht für einen Einfluss der linken Hemisphäre auch auf gewisse
sensible Funktionen. Störungen innerhalb der der Stereognosie zugrunde
liegenden Funktionen können eine Analysestöruog verursachen.
Panski-Lodz: Ueber einige oBgewöhnliche EmheiBingei bei
Hemiplegie. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. I u. 2.) Verf. rechnet
eine Reihe von Symptomen, die bei Hemiplegie beobachtet werden, nicht
zu den Komplikationen, sondern zu den gewöhnlichen Begleiterschei¬
nungen, da sie gleichzeitig und infolge derselben Ursache auftreten.
Dies sind unter anderem Bulbärsymptome, wie Speichelfluss, Sprach-,
Schluck-, Kaustörungeo, Siogultus, Blasen- und Mastdarmstörungen,
Zwangslachen und -weinen. Für die Ausbildung dieser sogenannten
Begteitsymptome ist die Monakow’sche Diaschisis von besonderer Be¬
deutung. Das mehrfach beobachtete Verschwinden von Zucker nach
Hemiplegien erklärt Verf. durch eine Reihe von Faktoren, von denen
namentlich die Nabrungseinschränkung wichtig ist.
M. Völsch - Magdeburg: Zur Diagnose und Therapie der Gescbwfthto
des Scheitellappens. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 1 u. 2.) Als
eigentliche Scheitellappensymptome waren in den beobachteten Fällen
besondere Störungen der tiefen Sensibilität (des Lagegefühls) zu be¬
trachten. Wichtig ist ferner das Vorkommen einer spastischen Hemi¬
parese mit Vorwiegen der spastischen Komponente ohne Jacksonanfälle.
Zu achten ist ferner auf das Eintreten einer dissoziierten Hemiparese.
Hoestermann - Heidelberg: Ueber reenrrierende Polyneuritj«.
(D. Zscbr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 1 u. 2.) Das typische Krankheitsbild
(schlaffe Lähmung der Extremitäten, Gefühlsstörungen, Fehlen der Sehnen-
reflexe, EaR, Verdickung und Druckeropfindlichkeit der Nervenstämme,
Freibleiben der Sphincteren) war in allen Fällen deutlich ausgeprägt-
Ausgang stets in Heilung; ein Kranker wurde sechsmal befallen. Verf.
nimmt eine alimentäre Aetiologie an (Fehlen oder mangelnde Ausnutzung
von Nabrungsschutzstoffen, der sogenannten „Vitamine“).
K. Kroner. .
H. F. Wolf; Ein Vergleich der Ataxiebehandlung nach Frenkel und
» Maloney. (Zscbr. f. phys.-diät. Ther., August 1914.) Wolf zieht die
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5 Oktober 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. _1689
Methode von Maloney den FrenkePschen Uebungen vor. Die Frenkel-
schen Ataktiker lernen im allgemeinen die Regulierung ihrer Be-
vegungen mit Hilfo der Angen; von der Maloney’schen Methode ziehen
auch blinde Ataktiker Nutzen. Maloney, der besonders Erschlaffungs¬
und Widerstandsübungen macht, bemüht sich vor allem, das Gefühl der
Furcht im Patienten zu beseitigen, wodurch er die Muskeln besser in
der Gewalt behält. E. Tobias.
A. Kutzinski -Berlin: LiminalbehandUiig bei Epilepsie. CMschr.
f. Psych., August 1914.) K. hat ohne irgendwelche schädlichen Neben¬
wirkungen bei Epilepsie Luminal mit dem Erfolge gegeben, dass die
Zahl der Anfälle schwand oder auf ein Minimum sank. Bei infantiler
Epilepsie war die Wirkung nicht so günstig. Bei Aussetzen des Mittels
traten die Anfälle sofort oder nach einem mehrtägigen Intervall in alter
Form wieder auf. Die psychischen Störungen wurden nicht beeinflusst.
_ E. Loewy.
Kinderheilkunde.
F. Hamburger: Ueber Psychotherapie im Kindesalter. (W.m.W ,
1914, Nr. 24.) Die psychogenen Erkrankungen der Kinder lassen sich
leicht in ein Schema einfügen. Zwei Faktoren spielen eine Rolle: Die
Disposition = Labilität des Nervensystems und Lebhaftigkeit des
Vorstellens und krankmachender Reiz = psychisches Trauma. Je
grösser die Disposition, desto kleiner braucht der Reiz zu sein und um¬
gekehrt. Die Therapie kann sein: 1. ätiologisch — Beseitigung des
Reizes, 2. prophylaktisch — Herabsetzung der Disposition, 3. sympto¬
matisch. Besonders wichtig ist die ätiologische Behandlung. Die sympto¬
matische Behandlung ist im Wesen nichts anderes als eine Behandlung
durch Ablenkung. Beschreibung einzelner Kraukheitsbilder von seiten
der verschiedenen Organe und ihre spezielle Behandlung. Eisner.
K. Kassowitz-Wien: Beitrag zur Methodik der Diphtherie¬
prophylaxe. (M.m.W., 1914, Nr. 37.) Man muss bei Ausbruch eines
Diphtheriefalles in einer Schule usw. alle Personen, Kinder wie Er¬
wachsene, die mit dem Kranken zu tun hatten, bakteriologisch unter¬
suchen, Bacillenträger der Intracutanprüfung mit Ditoxin unterwerfen,
und falls diese positiv ausfällt, 50 I.-E. pro Kilogramm Körpergewicht
injizieren. _ Dünner.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
Gfoerer-Würzburg: Erfahrungen mit Lumbalanästhesie. (M.m.W.,
1914, Nr. 86.) In der Würzburger Frauenklinik wird die Anästhesie
mit 5 proz. Tropacocain in 0,6 proz. NaCl-LösuDg ohne Adrenalinzusatz
mit gutem Erfolge gemacht, nachdem eine Stunde vor der Anästhesie
eine Morpbium-Scopolaminipjektion gemacht worden ist. Bei insgesamt
1223 Fällen war kein Todesfall zu beklagen, der der Methode zur Last
gelegt werden könnte. Ab und zu traten während oder nach der Ope¬
ration unangenehme Nebenerscheinungen vorübergehender Natur auf.
Dünner.
Unfallheilkunde und Versicherungswesen.
Florschütz-Gotha: Lebensversicherongsmedizin. (Aerztl. Sacb-
verst. Ztg., 1914, Nr. 15.) In den ersten Zeiten der Lebensversicherung
wurden nur Atteste des Hausarztes verlangt, später erst kam die An¬
stellung von Vertrauensärzten, noch später die der RevisioDsärzte.
Hauptaufgabe der letzteren ist es, zu entscheiden, mit welchem Risiko
nicht ganz Gesunde noch versichert werden können. Das Ziel der
Lebeu8versicherungsmedizin ist es, auf statistischem Wege festzustellen,
welchen Einfluss bestimmte Krankheiten, Krankheitsanlagen, Erblichkeit,
Beruf usw. auf die Lebensdauer ausüben.
Radtke: Dio Frage der Verpflichtung Unfallverletzter zur Duldung
vo> Operationen. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Das Reichs¬
versicherungsamt hat den Grundsatz aufgestellt, dass Verletzte Opera¬
tionen, die in den Bestand und die Unversehrtheit des Körpers ein-
greifeD, oder die, wie jede Chloroformierung oder ähnliche Betäubung
erfordernder Eingriff, nicht ohne Lebensgefahr vorgenommen werden
können, an sich vornehmen zu lassen nicht verpflichtet sind. Allmäh¬
lich beginnt man an der Berechtigung dieser Auffassung zu rütteln.
R. führt aus, dass es Sache der medizinischen Wissenschaft ist, die Ge¬
fahren der chirurgischen Eingriffe und der Narkose so herabzumindem,
dass sie nicht mehr als das Leben gefährdend angesehen werden können.
H. Engel - Berlin: Fingierter Unfall und Simulation schwerer
Unfallfolgen. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 16.) Mitteilung eines
ausführlichen Gutachtens über einen Fall von Simulation.
L. Becker-Berlin: Der Missbrauch der Diagnose „Arteriosklerose“
bei der Begutachtung der Invaliden. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914,
Nr. 14.) Auffallend häufig begegnet man nach B. der Diagnose „Arterio¬
sklerose“ in ärztlichen Gutachten über Invalidenrenten, ohne dass ob¬
jektive Belege dafür beigebraoht werden. Vielmehr sind es lediglich
subjektive Beschwerden, wie sie tatsächlich auch bei dieser Krankheit
Vorkommen, die hierzu Veranlassung geben. Der Nachweis einer Ver¬
härtung der peripherem Schlagadern genügt nicht einmal, bei Leuten
über 50 Jahre ohne weiteres auf eine Arteriosklerose der inneren Schlag¬
adern, besonders der des Gehirns zu schliessen. Naoh B. hat der Nach¬
weis einer Sklerose der äusseren Arterien nur dann einen Sinn und Be¬
deutung für die Verwertung dieses Zustandes für die Beurteilung der
Leistungsfähigkeit, wenn sie besonders stark über das normale Maass
hinaus entwickelt ist.
H. Mohr-Bielefeld: Myositis ossificans traumatica der Oberschenkel¬
streckmuskulatur als Unfallfolge. (Aerztliohe Sachverst. Ztg.,^ 1914,
Nr. 14.) Beschreibung eines Falles. Die Behandlung soll möglichst
konservativ sein, da spontane Rückbildungen Vorkommen. Nur wenn
sich der entstandene Knoohen nicht zurückbilden will und Funktions¬
störungen macht, kommt operative Entfernung in Frage.
F. Leppmann-Berlin: Die Begutachtung der Tabes dorsalis in
der Invalidenversicherung. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.)
Tabes bedeutet nicht ohne weiteres Invalidität, da es Fälle mit 9ehr
protrahiertem und mildem Verlauf gibt. Am schwersten zu beurteilen
sind die Fälle mit Schmerzen und Magenkrisen. Hier kommt es darauf
aD, dass der behandelnde Arzt Anfälle beobachtet hat. Unter dem
Material der Landesversicherungsanstalt Berlin sah L. selten die Kom¬
bination mit Aortenaneurysma, oft die mit Psychosen. Häufig wird die
Tabes von den behandelnden Aerzten verkannt. Ein Heilverfahren
empfiehlt sich nicht, da eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit zu
den Ausnahmen gehört. H. Hirschfeld.
Gerichtliche Medizin.
v. Liszt - Berlin: Ein sonderbarer Abtreihnngsfall. (Aerztl.
Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Ein 17 jähriges Mädchen behauptete im
Mai 1912 vor dem Leiter der Universitätsklinik zu X., seit Oktober 1911
schwanger zu sein; seit Januar 1912 habe die Schwangerschaft keine
Fortschritte gemacht. Nach 3 wöchiger Beobachtung wurde eine Aus¬
kratzung vorgenommen, die eine 2 Monate alte lebende Frucht ergab.
Das voq einem Mediziner geschwängerte und instruierte Mädchen hatte
also durch falsche Angaben die Herbeiführung eines künstlichen Abortes
durchgesetzt. Verf. erörtert die Frage, wer hier als der Täter in Frage
komme. Seiner Ansicht naoh sei der Mediziner der Anstifter und straf¬
rechtlich Verantwortliche, das Mädchen nur das Werkzeug,
_ H. Hirschfeld.
Technik.
A. T. Jurasz - Leipzig: Eine Cardiaahseklnsssonde. (M.m.W.,
1914, Nr. 37.) Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 13. Juli 1914.
(Schluss.)
5. Hr. Seelert demonstriert einen 7jährigen Kranken zur Differeil-
tialdiagnose der Hysterie und des progressiven Torsinsspasatas.
Jetzt liegt der Kranke fast dauernd mit angezogenen Beinen im
Bett, Ober- und Unterschenkel sind meist soweit flektiert, dass die Füsse
mit den ganzen Sohlen oder auch nur mit den Zehen und dem vorderen
Teil des Fusses aufgestellt sind, manchmal werden sie in dieser Haltung
fest auf die Unterlage aufgedrückt. Zeitweise treten eigenartige Bewe¬
gungen des Rumpfes auf, die sich zusammen setzen aus Drehungen um
die Längsachse, lordotiscbe Krümmungen und Biegungen der Wirbelsäule
nach der Seite. Die Drehungen um die Längsachse erfolgen meistens
nach rechts. Infolge der lordotischen Krümmung der Wirbelsäule wird
aus der Rückenlage die Lendengegend von der Unterlage hochgehoben.
Mitunter geht die Krümmuog soweit, dass auch das Becken und der
Brustteil der Wirbelsäule gehoben wird und der Körper dann nur
auf den aufgestemmten Füssen und den gegen das erhöhte Kopfende
des Bettes angestemmten Schultern ruht. Bald tritt mehr diese Krümmung
der Wirbelsäule, bald mehr die Drehung um die Längsachse hervor. Bei
der Drehung wird das linke Bein aus der Beugestellung straff gestreckt.
Während der Körper diese abnorme Stellung einhält, zeigen die
Muskeln, die sie bewirken, nicht eine konstante gleichmässige Anspannung,
sondern fast rhythmisches Anschwellen und Abschwellen der tonischen
Spannung, was stossweise, klonischen Zuckungen ähnliche, Lokomotion
der Körperteile zur Folge hat 1 )- Der Rhythmus ist dabei langsamer,
als er beim klonischen Krampf zu sein pflegt. Vorwiegend beteiligt an
dieser tonisch-klonischen Muskelunruhe sind die Rückenmuskeln und die
Muskeln der Oberschenkel, aber auch die Muskeln der oberen Extremitäten,
die Beweger des Kopfes und die distalen Muskeln der Beine sind nicht
unbeteiligt, nur tritt an ihnen die abnorme Innervation nicht so häufig
und nicht so stark in Erscheinung. Während man sich mit dem Kranken
beschäftigt, sich mit ihm unterhält oder ihn untersucht, pflegt sich die
Intensität der Unruhe zu steigern. Sich selbst überlassen, liegt er mit
angezogeuen Beinen im Bett oder bevorzugt auoh oft eine hockende
Stellung, dabei besteht die Tendenz, durch Fixation der Arme die unge¬
wöhnliche und unbequeme Körperhaltung zu siohern.
Spontanversuche zum Stehen und Gehen macht der Junge nicht und
1) Die Abbildungen wurden naoh Momentphotographien mit 7w>Sek.
Belichtung angefertigt.
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UNIVERSUM OF IOWA
1690
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
hat sie auch, solange er in der Klinik ist, nie gezeigt, obwohl er jetzt
ganz munter, vergnügt ist, verlässt er nie spontan sein Bett. Auf die
riisse gestellt, kann er aufrecht stehen. Bei den ersten Schritten oder
auch schon ohne diese tritt auch dann eine Verbiegung und Verdrehung
der Wirbelsäule auf. Zur Zeit tritt die Körperunruhe bei Rückenlage
stärker hervor als beim Stehen und Gehen. Im Schlaf liegt der Kranke
mit mehr oder weniger angezogenen Beinen, in letzter Zeit zeigte er
auch im Schlaf die Krümmungen der Wirbelsäule mit Abbiegung des
Kopfes nach hinten. Die Körperunruhe tritt im Schlaf nicht auf; einmal
wurden, während der Kranke schlief, ein anhaltender Tremor im linken
Oberarm und einzelne durch Pausen getrennte Kontraktionen in den
linken Gesichtsmuskeln mit Verziehen des Mundes nach links beobachtet.
Abbildung 1.
Abbildung 2.
Abbildung 3.
Die Kraftleistungen der Extremitäten sind gut. Die Patellar- und
Acbillessehnenreflexe sind lebhaft, auf beiden Seiten Andeutung von
Fussclonus. Die Zehenreflexe sind normal, es bestehen keine sicheren
Symptome von PyramidenbahnerkrankuDg. Des Muskeltonus an den
Beinen ist wechselnd, bei passiven Bewegungen in Hand- und Kniege¬
lenken fühlt man zeitweise einen erhöhten Widerstand, es kommt vor,
dass wenige Minuten später normaler Tonus vorhanden ist. Es besteht
keine Ataxie. Manchmal zeigen die vorgestreckten Hände einen leichten
Tremor. Bauchdecken- und Cremasterreflexe sind vorhanden. Störungen
der oberflächlichen Sensibilität bestehen nicht, auch die Bewegungs-
empfindung in Zehen- und Fingergelenken ist nicht gestört. Im Gebiet der
Hirnnerven nichts Pathologisches. Die elektrische Erregbarkeit an Unter¬
schenkeln geprüft, ergab normalen Befund. Wassermann im Blut negativ.
Die intellektuelle Veranlagung des Kranken ist gut. Bei der Prüfung
nach Binet entsprechen seine Leistungen den Anforderungen für sein
Alter. Sein psychischer Habitualzustand ist dadurch auffällig, dass der
Patient seiner Erkrankung gegenüber effektiv indolent ist. Er klagt nie |
über seine Unruhe, ist freundlich, vergnügt. Vor kurzem wurde, nach
einer schweren Angina, während der der Kranke körperlich sehr ber-
unterkam, ein kleiner Erguss im rechten Hüftgelenk festgestellt, der in
Residuen auch wohl jetzt noch besteht; während dieser Zeit klagte der
Kranke öfter weinend über Schmerzen in der Hüfte, dadurch, dass er
beim Gehen das rechte Bein zu schonen suchte, was auch jetzt noch zu
erkennen ist, wurde der Gang modifiziert. Auffallend ist ferner an dem
Kranken noch, dass er wenig spricht, sowohl spontan, wie auch reaktiv
das Sprechen selbst zeigt nichts Pathologisches.
So wie der Krankheitszustand jetzt ist, lässt er wohl keinen Zweifel
dass es sich um einen Fall von progressivem Torsionsspasmus handelt'
wie er von Ziehen, Oppenheim, Flatau und anderen beschrieben
worden ist.
Schwieriger war die Diagnose, als der Kranke vor 10 Wochen in die
Klinik kam. Wenn auch damals schon die Möglichkeit angenommen
wurde, dass es sich um einen Fall von Torsionsspasmus handeln könnte
so gab damals doch sowohl Zustandsbild wie Anamnese Anlass, die
Differentialdiagnose gegenüber der Hysterie in Frage zu ziehen. ’ Das
Zustandsbild insofern, als die für den Torsionsspasmus charakteristische
Körperunruhe nicht mit der Gleichförmigkeit in Erscheinung trat wie
später und wie bei den bisher beschriebenen Kranken, sondern ab¬
wechselte mit andersartigen Körperhaltungen und Bewegungen, die viel¬
mehr den Charakter des willkürlich Produzierten hatten. Auch damals
traten die drehenden, krümmenden Bewegungen des Rumpfes mit der
Ueberextension auf, die damals viel exzessiver war als in den letztes
Wochen. Dazwischen, auch tagelang, hatte der Kranke damals eine
ganz andere Körperhaltung beim Stehen und Gehen. Er stand nach
vorn gebückt mit Beugung in Hüft- und Kniegelenken da, stützte seinen
Rumpf durch Aufstemmen der Hände auf seine Oberschenkel. Bald ging
er mit kleinen, bald mit grossen Schritten, hüpfte und spraDg da¬
zwischen, lief mitunter nach vorn, bis er an die Wand anprallte. Die
ganze Art der motorischen Betätigung beim Stehen und Gehen batte,
ausser häufigem Wechsel io der Form, nichts nach irgendeiner Richtung
hin Charakteristisches. Wenn motorische Leistungen von ihm verlangt
wurden, z. B. Hineinklettern in das Bett, so pflegte er zunächst zu er¬
klären, er könne das nicht, fing auch mal dabei an zu weinen. Er
stöhnte, wenn er den Versuch machte, durch Anstemmen mit den Füssen
und Ziehen mit den Händen auf sein Bett hinaufzukommen, bis er
schliesslich mit einem geschickten Sprung auf das Bett hinaufsprang.
Dem entsprach auch sein Verhalten bei der psychischen Untersuchung;
wenn irgendwelche einfache Leistungen von ihm verlangt wurdeD, so er¬
klärte er zunächst, das könne er nicht, und gab seine AbneiguDg zu er¬
kennen, auf die Prüfung einzugehen, auch bei Versuchen, deren Er¬
füllung ihm nachher keine Schwierigkeiten machte.
Da nun noch die Anamnese, die wir von der Mutter erhielteD, so
war, dass uns bei der Entstehung der Gangstörung ein psychogenes
Moment mit fixierter Wunschvorstellung mitzuwirken schien, so waren
wir anfangs mehr geneigt, die eigenartigen Motilitätserscheinungen für
hysterische zu halten.
Der Beginn der Erkrankung war so, dass der Kranke kurz vor Weih¬
nachten 1913 über Schmerzen im rechten Arm klagte und behauptete,
den Arm nicht bewegen zu können. Auffällig war der Mutter damals,
wie er mit dem rechten Arm nach Gegenständen griff, er bewegte den
Arm etwas vor und fasste dann mit einem Ruck zu.
Im Februar fing er an zu hinken, krumm zu gehen und über
Schmerzen in der rechten Hüfte zu klagen. Es war zu jener Zeit, als
viel in seiner Gegenwart davon gesprochen wurde, dass er nächstens
zur Schule gehen werde, als er von der Mutter zum Schuleintritt ange¬
meldet worden war. Es kam dabei auch öfter vor, dass ihm drohend
gesagt wurde: „Warte mal, wenn du zur Schule kommst, dann wirst du
schon artig werden.“ Er pflegte darauf zu erklären: „Nein, zur Schule
gehe ich nicht.“ Die Gangstörung, die er ein paar Tage nach seiner
Anmeldung zur Schule im Februar zuerst gezeigt hat, blieb dann monate¬
lang bestehen. Er wurde ärztlich behandelt und dabei schwand, wie
uns vom Arzt mitgeteilt wurde, bei Anwendung des faradischen Stromes
die Gangstörung für zwei Tage gänzlich; dann trat sie wieder in der
gleichen Weise wie vorher auf.
Andere Symptome sind damals und auch noch Anfang Mai, hier in
der Klinik, nicht aufgetreten. Der Junge hat sich im allgemeinen
Körperzustand nicht geändert, hat auch nachts gut geschlafen mit
ruhiger Körperlage. Auch die körperliche Untersuchung ergab damals
normale Verhältnisse. Seine Stimmung zeigte nichts Auffälliges. In der
Klinik wurde versucht, die Gangstörung therapeutisch zu beeinflussen
durch Einwicklungen und Isolierung.
Auffällig wurde aber schliesslich, dass auch bei längerer Fortdauer
der Isolierung, die doch bei Kindern die hysterischen Symptome in den
meisten Fällen recht schnell zum Schwinden bringt, gar keine Besse¬
rung eintrat, auch gar keinen Erfolg hatte; die Packungen, die dem
Kranken recht unangenehm waren, und denen er sich mit aller seiner
Kraft zu entziehen suchte, wobei er sich einmal derartig anstrengte,
dass er einen ernsten Collaps bekam. Im Gegenteil, der Zustand wurde
immer schwerer. Der Ernährungszustand wurde schlechter, der Kranke
schlief schlecht, manche Nacht gar nicht. Dabei bestanden leichte Tem¬
peraturerhöhungen.
Durch anhaltende motorische Unruhe, die mehr den Rumpf als
Extremitäten betraf, rieb Patient sich die Haut rot und wund.
Durch kleine Dosen von Scopolamin. hydrobrom. gelang es vorüber¬
gehend, die Unruhe ein wenig abzuschwächen.
Aus der Vorgeschichte ist noch zu erwähnen, dass der Patient, ab¬
gesehen von einigen akuten Kinderkrankheiten, Scharlach, Masern, Keuch¬
husten, gesund gewesen ist. Seine körperliche Entwicklung in der ersten
Kindheit soll normal gewesen sein. Ein Jahr alt lernte er geheD, aber
erst mit 2V 2 Jahren sprechen. Als kleines Kind soll er gelegentlich
recht eigensinnig, wütend geworden sein. Eine 3 jährige Schwester is
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UMIVERSITY OF IOWA —
6. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1691
gesund. Vater und Matter sind ebenfalls gesund und stammen aus
deutscher, nicht jüdischer Familie.
Das Anhalten der abnormen Bewegungserscheinungen über eine
Zeit toq einem halben Jahre, ihre Unbeeinflussbarkeit durch suggestive
therapeutische Maassnahmen, der häufig schlechte Schlaf, die jetzt vor¬
handene Gleichförmigkeit der Unruhe nach Art des bei anderen Fällen
beschriebenen Torsionsspasmus veranlassen jetzt zu der Annahme, dass
auch bei diesem Kranken ein Fall von progressivem Torsionsspasmus
vorliegt.
Das einzige, wodurch sich dieser Fall von den bisher beschriebenen
unterscheidet und was besonders hervorgehoben werden muss, ist die
deutsche, nicht jüdische Abstammung des Kranken. (Autoreferat.)
Diskussion.
Hr. Oppenheim vermisst in diesem Falle eine Erscheinung, die
bei seinen Patienten im hohen Maasse ausgeprägt war, dass nämlich der
Drehkrampf, der in der Ruhe wenig ausgesprochen war, gerade beim
Stehen und Gehen in prononzierter Weise hervortrat, so dass 0. auch
die Bezeichnung Dysbasia lordotica progressiva vorgeschlagen hat. Das
Fehlen dieses Moments macht den vorgestellten Fall zu einem un¬
sicheren, ohne dass jedoch mit dieser Bemerkung etwas Positives über
die Diagnose ausgesagt werden soll. 0. plädiert für die von ihm ge¬
wählte Bezeichnung Dystonia deformans gegenüber der des Torsions¬
spasmus. Er hat in seiner Arbeit über das Leiden — das er übrigens,
wie au 9 seinen Ausführungen im Centralblatt, 1911, Nr. 19, hervorgeht,
ganz unabhängig von Ziehen abgegrenzt hat — auch schon auf die
diagnostischen Schwierigkeiten gegenüber der Hysterie und der Athetose
hingewiesen. Entschieden bestreiten muss 0., dass die hier angeführte
Indolenz in psychischer Beziehung etwas Charakteristisches sei. Im
Gegenteil, es sind seine Patienten sehr unglücklich über ihren Zustand
gewesen; so beobachtet er noch jetzt ein 14jähriges Mädchen, das —
besonders intelligent — wegen dieses Leidens alle erreichbaren Aerzte
konsultiert und in seiner Verzweiflung mit Selbstmord droht. Da die
von 0. beschriebenen Fälle einen grossen Teil der bisher bekannt ge¬
wordenen ausmachen, müssen die hervorgehobenen Kriterien in jedem
neuen Falle geprüft und beachtet werden. (Autoreferat.)
Hr. M. Roth mann hat den kleinen Patienten längere Zeit poli¬
klinisch beobachtet und die klinische Beobachtung veranlasst. Der
Knabe, der von der Mutter stets gefahren wurde, lief in unglaublichen
Verrenkungen mit naoh rechts und vorn gebeugtem Oberkörper, die
einen absolut gekünstelten Eindruok machten, ohne jemals binzufallen
oder sich zu beschädigen. Auf einen Stuhl gestellt, stand er gerade
und sprang sicher hinunter. Es gelang auch, auf mehrere Tage den
Zustand so gut wie ganz zu beseitigen; dann trat er, sehr unterstützt
durch die übergrosse Aengstliohkeit der Mutter, weiter auf. Auch wenn
der Zustand sehr hartnäckig ist, ja in letzter Zeit sich verschlechtert
hat, halte ich, vor allem bei dem ätiologischen Faktor der Furcht vor
der Schule, an dem funktionell-hysterischen Charakter der Affektion fest.
Gerade die Störung der Synergie von Rumpf- und Extremitätenmusku-
latur findet sich ja in der mannigfaltigsten Ausgestaltung bei der
Hysterie nicht selten. R. berichtet über einen zweiten ähnlichen Fall
bei einem Mädchen, das der Zwangsbewegungen wegen, die nach einer
Exostoseoperation am Bein auftraten, kaum stehen und absolut nicht
gehen konnte, aber sicher durch die ganze Stube hüpfte. In diesem
Fall sind verschiedene orthopädisch - chirurgische Eingriffe gemacht
worden; das Krankheitsbild hat sich zweifellos verstärkt. Ein dritter
Fall betrifft einen 12 jährigen, sehr intelligenten Jungen, bei dem ein
chirurgischer Eingriff geplant wurde wegen einer rechtwinkligen Ab¬
biegung der Wirbelsäule nach vorn mit athetoiden Bewegungen der
Arme. Es konnte mit Sicherheit die Diagnose Hysterie gestellt werden;
nach einem Aufenthalt auf Wyk trat Heilung ein. Gerade wenn man
nicht alle Symptome der Hysterie für rein psychische, irritierbare
Phänomene ansieht, wird man Störungen auch im Bereich der cerebellaren
Innervationskomponenten bei dieser proteusartigen Krankheit nicht un¬
verständlich finden.
Hr. Bonhoeffer: Ich kann Herrn Rotbmann nicht zugeben, dass es
sich bei dem Knaben doch um etwas Funktionelles handelt. Nach dem
bisherigen schweren Verlauf des Prozesses, wie er sich unter unseren
Augen abgespielt hat, kann man an der nicht hysterischen Natur der
Erkrankung nicht mehr zweifeln. So sehr im Anfang das Bild zeitweise
hysterieähnlich aussah, so sehr veränderte es sich in der Klinik. Die
Bewegungsunruhe wurde immer stärker, gewaltsamer und führte in Folge
der monotonen Wiederkehr derselben Bewegungsformen zu starken Haut¬
abschürfung. Differential-diagnostisch konnte in gewissen Zeiten der Er¬
krankung an eine choreatische Bewegungsstörung gedacht werden. Die
innere Verwandtschaft des Torsionsspasmus der Kinder mit choreatischen
Störungen ergibt sich meines Erachtens auch aus den von dem Vortr.
betonten psychischen Begleiterscheinungen. Dieser Kranke, ebenso wie
ein früher von mir in der psychiatrischen, ein anderer von Herrn Haenisoh
in der neurologischen Gesellschaft demonstrierter Fall zeigte eine eigen¬
tümliche Euphorie und einen gewissen Mangel an spontanem Sprech¬
bedürfnis, ganz ähnlich wie das von den schweren choreatischen Prozessen
bekannt ist Dass die Lordose hier mehr in der Rückenlage sich be¬
findet als im Stehen, kann differential-diagnostisch nicht dazu führen,
die Diagnose Torsionsspasmus abzulehnen. Die Symptomatologie der
Zustände ist gewiss noch nicht völlig abgeschlossen. Man trifft Varianten
nach der einen und nach der andern Richtung.
Was die von Herrn Oppenheim angeregte Nomenklaturfrage angeht,
so stehen ja 3 Namengebungen in Konkurrenz: Ziehen, der den Er¬
krankungsprozess zuerst beschrieben hat mit dem Namen tonisohe Tor¬
sionsneurose, Oppenheim mit dem Namen Dystonia deformans und
Flat au mit dem Namen progressiver Torsionsspasmus. Wir haben uns
der letzteren Bezeichnung angeschlossen, weil sie uns die im Krankheits¬
bilde augenfälligsten Erscheinungen des Torquierenden und Spastisohen
am besten zum Ausdruck zu bringen scheint und auch gegenüber der
Ziehen 1 sehen Nomenklatur den Vorzug hat dass sie nicht von einer
Neurose, um die es sich doch wohl nioht handelt, spricht sondern den
progressiven Charakter betont.
Hr. Förster: Die Ziehen’sehen Fälle boten durohaus das gleiche
Bild wie der vorgestellte Fall: beim Liegen besonders starke Torsions¬
bewegungen im vorgeschrittenen Stadium des Leidens.
Hr. Schuster: Ich halte es nicht für richtig, wenn Herr Rothmann
wegen der anscheinenden psychischen Beeinflussbarkeit des Krankheits¬
bildes eine Brücke zu den hysterischen Bildern zu schlagen sucht. Es
scheint mir im Gegenteil ein grosser Gewinn, dass wir gelernt haben,
eine Reihe motorischer Erscheinungen — unter ihnen den Torsionsspasmus —
trotz ihrer Aehnlichkeit mit hysterischen Erscheinungen von diesen zu
trennen.
Was den von Herrn Rothmann erwähnten Patienten von Prof. Körte
angeht, so habe ich den Knaben seinerzeit gleichfalls gesehen und mit
Herrn Kollegen Rothmann — sowiel ich mich erinnere — auch über
den Knaben gesprochen. Als ich den Kranken sah, bestand eine zweifel¬
lose hysterische Hüftgelenkskontraktur, und es bestanden ausserdem
ticartige Bewegungen mit den Händen (Greifen nach den Strümpfen und
dergl.). Der sicher rein hysterische Charakter der Affektion offenbarte
sich auoh später in der Art und Weise, wie der Patient bei einem
Kurpfuscher zur Heilung kam.
Ich halte es somit nicht für möglich, von jenem Kranken auf den
des Herrn Vortragenden zu exemplifizieren.
Hr. Rothmann: Herr Schuster hat R. nicht verstanden. Er ist
nicht gegen eine Abtrennung organischer Krankheitsbilder von der Hysterie,
wie dies ja bei der echten Torsionsneurose der Fall zu sein scheint.
Er möchte nur davor warnen, hierin zu weit zu gehen und damit die
Vortäuschung organischer Krankheitsbilder durch Hysterie zu erleichtern.
Medizinische Gesellschaft zu Kiel.
Sitzung vom 16. Juli 1914.
Hr. Zoeppritz demonstriert eine Patientin mit einem gestielten
nelanotisehen Tanor am Oberschenkel. Der Tumor hatte sich seit
einem Jahr aus einem Pigmentfleck entwickelt und Metastasen in der
Leistengegend und im Munde gemacht.
Hr. Brandes demonstriert ein Kind mit kongenitalen multiplen
Deformitäten. Arme und Beine sind in Kontraktionsstellung fixiert;
beiderseitige Klumpfussbildung; an der Stirn ein Hämolymph&ngiom. —
Die Deformitäten sind dadurch entstanden, dass infolge von Frucht-
wassermaDgel die Extremitäten in Zwangsstellung erstarrt sind.
Hr. Anschütz demonstriert 1.den schonam 19.Februard.J.besprochenen
Fall von Akromegalie; bei der Patientin war eine operative teilweise
Zerstörung der Hypophyse vorgenommen worden. Der Erfolg der Ope¬
ration ist deutlich; die akromegalischen Erscheinungen, Verdickung der
Nase, Lippen, Zunge und distalen Enden der Extremitäten sind zurück¬
gegangen. Die Menses, die ausgeblieben waren, kehrten wieder.
2. berichtet A. über einen weiteren Patienten, bei dem die Hypo-
physenoperation ausgeführt wurde. Der Patient bemerkte seit 1918
eine beginnende Erblindung auf dem rechten Auge. Links wurde eine
temporale Hemianopsie festgestellt. Das Röntgenbild zeigte eine starke
Verbreiterung der Sella turcica. Symptome von Akromegalie fehlten
dagegen vollkommen.
Vor vier Woohen wurde in Leitungsanästhesie vom Ganglion
Gassen aus die Operation vorgenommen. Aufklappen der Nase, Er¬
öffnung der Siebbein- und Keilbeinhöhlen, Auskratzung eines Teils der
Hypophyse, die sioh als adenomatös erkrankt erwies. Der Erfolg war
gut, die Sehkraft besserte sich auf beiden Augen.
Diskussion: Hr. Lu barsch.
Hr. Lnbarsch: Uebt? die Atherosklerose der Schlagadern.
Um das Wesen und die Lokalisation der Atherosklerose in der Be¬
nennung besser zum Ausdruck zu bringen, schlägt Vortr. statt der
Virchow’sehen Bezeichnung Endarteriitis chronica nodosa deformans
vor, die Erkrankung „Endatheropathia chronica nodosa deformans* zu
nennen. Die Fragen über die Atherosklerose sind immer verwickelter
geworden. Ob der Zerfall der Intima das Primäre ist oder ob ihm eine
bindegewebige Wucherung voraufgeht, ist auoh heute noch Gegenstand
der Erörterungen. Nach Virohow handelt es sich nur um regressive
Prozesse, Verfettung der normalen Intimazellen, aber ohne Wucherung.
Vortr. demonstriert Präparate von jungen Kindern, die an Infektions¬
krankheiten gestorben waren, und bei denen an der Mitralis kleine
Intimaverfettungen zu konstatieren sind. Auch hier handelt es sich
aber schon um eine Wucherung von Bindegewebe. Die Tatsache, dass
bei älteren Individuen mit der Abnahme der Elastizität der Gefässwand
eine Bindegewebsveränderung eintritt, ist nicht als pathologischer, sondern
physiologischer Vorgang aufzufassen. Marchand und Aschotf sahen
als Ursache der Atherosklerose Blutdruckerhöhungen und -Schwankungen.
Für diese mechanische Theorie schien die Lokalisation an den typischen
Stellen höchsten Blutdrucks, den Aortenklappen und dem Arcus, sowie
die bekannten Versuche mit Adrenalineinspritzungen bei Kaninchen zu
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UNIVERSITY OF IOWA
1692
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
sprechen. Jetzt ist jedoch die Mehrzahl der Forscher überzeugt, dass
es nicht das mechanische Moment allein ist. sondern — wie weitere
experimentelle Arbeiten ergeben haben — dass die Einwirkung be¬
stimmter Gifte auf den Organismus und Störungen im Stoffwechsel
Atherosklerose hervorrufen können.
Vortr. erinnert an seine Versuche mit fleischernährten Kaninchen,
wo es schliesslich — sogar bei gemischter Kost — in kurzer Zeit gelang,
eine der menschlichen Atherosklerose durchaus ähnliche Arterienerkrankung
zu erzeugen.
Vortr. demonstriert dies an zahlreichen Präparaten.
Diskussion Hr. Höher.
Br. Doehle.
a) Ueber Aneurysmen und Syphilis der Lnngenschlagader.
Demonstration eines Präparates von einem 36jährigen Patienten
mit Myocarditis und Mesaortitis luetica. In der Wand der Pulmonal¬
arterie fanden sich einige Verbuckelungen, nirgends war die Intima
durchbrochen; an den Klappen einige gummöse Herde, die auf die Ar-
teria übergreifen.
2. Ein Präparat einer Aortensyphilis mit gleichzeitiger Mitralstenose.
Dadurch war es zu einer starken Erweiterung der Pulmonalis und auch
zu entzündlichen Veränderungen gekommen. An einer Stelle eine typi¬
sche syphilitische Narbenbildung.
3. Ein Präparat ähnlich wie 2.
Die Syphilis der Pulmonalis ist äusserst selten und in der Literatur
sind nur wenig Fälle beschrieben. Wahrscheinlich ist die bessere Er¬
nährung der Pulmonaliswand durch die Vasa vasorum gegenüber der
Aorta die Ursache der seltenen Erkrankung.
b) Ueber ungewöhnliche Formen von Lymphknoten- nnd Milz-
tnberknlose.
Bericht über einen Fall von multiplen Lymphdrüsenschwellungen.
Die mikroskopische Untersuchung von probeexcidierten Drüsen und der
exstirpierten enorm vergrösserten Milz ergab das Vorhandensein massen¬
hafter atypischer Tuberkelknötchen.
Diskussion Hr. Lubarsch. E. Richter.
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klin. Wochensehr.)
Sitzung vom 22. September 1914.
Vor der Tagesordnung.
Die Ortsbestimmung des Fremdkörpers im Körper des Verletzten.
Hr. Immelmann: Die Röntgenuntersuchung gestattet nur einen un¬
gefähren Anhalt für den Sitz des Projektils. Fürsteüow’s Methode
vermag den Sitz genau anzugeben; ein Zirkel bat eine untere Skala mit
einer zweiten und dritten parallelen Skala. Durch den Zirkel können
wir auf der Skala die senkrechte Entfernung des Geschosses von der
Rörperoberfläche bzw. von der Platte messen; das Kontrollkreuz wird
mit dem Zirkel gemessen und gestattet, durch eine einfache Subtraktion
die Entfernung des Körpers von der der Rühre zugewandten Körperseite
anzugeben. Die seitliche Entfernung von dem Kontrollpunkt erhält man
durch Vergleichung des Mittelpunktes des Kreuzes mit dem des Fremd¬
körpers. Die Skala des Zirkels gibt in Millimetern dieser Entfernung an.
Zu jeder Tieflage gehört eine Konstante; multipliziert mit der notwendigen
Oeffnung des Zirkels, ergibt sie die seitliche Entfernung.
Perforierender Magensehnss.
BHr. Adler und Tngendreich: Der Füsilier bekam am 20. August
bei Gumbinnen aus 200 m Entfernung einen Gewehrschuss in die linke
Brustseite. Der Einschuss lag zwischen 7. und 8. Rippenknorpel. Er
ging eine halbe Stunde zum Truppen- und dann noch weiter zum Haupt¬
verbandplatz; weiterhin wurde er 5 Stunden auf einem von 8 russischen
Gefangenen gezogenen Kutschwagen gefahren und übernachtete in der
Kaserne. Es folgte ein Transport im Leiterwagen bis Insterburg und
eine zweitägige Bahnfahrt bis Berlin. Auf den zahlreichen Stationen
bekam und nahm er reichlich Brötchen und Würstchen und ist in guter
Verfassung hier eingetroffen. R. fand am 24. d. M. keine Ausschuss-
Öffnung. Es bestand kein Fieber, kein Erbrechen, nur leichter Schmerz
beitiefer Einatmung. Er bekam Bettruhe und entsprechende Diät. Am
21. Tage ist das Geschoss per vias naturales hinausgegangen.
R. demonstriert noch eine im Körper geplatzte Schrapnellkugel.
Tagesordnung.
Krieg8S&nitätsdien8t im Heimatsgebiet.
Hr. Generalarzt Dr. Grossheim: Nicht auf die Schlachtfelder schweift
heute der Blick. Wir bleiben in der Heimat. Da ist das Bedürfnis, ge¬
geben, die Dinge genau kennen zu lernen, die von der militärischen und
freiwilligen Krankenpflege zum besten der verwundeten und kranken
Krieger geleistet werden.
Auf gutem Transport, Zerstreuung und Verteilung beruht das
wesentliche Gelingen des Sanitätsdienstes. Jede Anhäufung an Unrechter
Stelle würde der Armee und den Kranken Nachteile bringen. Daher ist
dieser Zweig in die Hand unserer ersten Militärbehörden gelegt. Der
Chef des Feldsanitätswesens und die Medizinalabteilung des Kriegs¬
ministeriums regeln den Rücktransport; sie stehen mit dem Chef des
Feldeisenbahnwesens in Verbindung. In der Heimat funktioniert die
Linienkommandantur. Der Stabsarzt dieser Behörde muss immer wissen,
wo leere Lagerstellen vorhanden sind, und welchem Lazarett bestimmte
Krankheitsfälle zugewiesen werden können. Diese Meldungen sine sehr
wertvoll.
In der Heimat müssen gute Einrichtungen bestehen, um den Kranken-
ström aufnehmen zu können. Die Sanitätsämter und die Korpsintendan-
turen müssen alljährlich die Räume prüfen, welche zur Aufnahme von
Kranken und Verwundeten des Heeres geeignet sein würden. Dabei ist
es nötig, dass Kontrakte schon im Frieden geschlossen werden, dass
alles ins Auge gefasst wird, was zur Ausstattung notwendig ist. Es
werden daher Kontrakte mit Fabrikanten von Verbandstoffen und
Lazarettbedarf abgeschlossen. Im Sanitätsdepot wird Vorrat an Zeug ge¬
halten, das schwerer zu beschaffen ist.
Schon in früheren Kriegen, 1864 und 1870, wurden hier in Berlin
grosse Einrichtungen zur Aufnahme getroffen. In der Charite wurde
1866 eine grosse Station eingerichtet, in der im wesentlichen Oester-
reicher und Ungarn Aufnahme fanden. In der Garde-Ulanenkaserne
stand ein grosses Lazarett unter Virchow's Leitung. Ebenso hatten
verschiedene Krankenhäuser, auch Privathäuser die Tore geöffnet. Auf
dem Tempelhofer Felde waren ausser den 8000 Lagerstellen der eigent¬
lichen Stadt noch 50 Baracken mit 1500 Betten teils vom Militärfiskus,
teils von der Stadt und teils von den Vereinen erstellt worden. Sie
standen unter Oberleitung des militärischen Chefarztes; doch war die
Verwaltung der einzelnen Gruppen selbständig und hatte auch besondere
konsultierende, leitende und assistierende Aerzte und Chirurgen. Es
fanden 2400 Mann Aufnahme in 198000 Verpflegungstagen. Also schon
damals leistete Berlin Hervorragendes.
Auch die heutige Zeit steht nicht zurück. Der Einzelne kann aber
nur wirken, wenn er sich der allgemeinen Organisation einfügt, und das
ist der militärische Sanitätsdienst. Der mobile Teil des Heeres umfasst
das Feldheer und die Etappe, der immobile die Ersatz- und Besatzungs-
truppen; entsprechend sind die Sanitätsabteilungen vorgesehen. Alles
steht unter der Leitung des Chefs des Feldsanitätswesens.
Den ersten Beistand leisten die Truppensanitätsoffiziere mit den
Sanitätskompagnien und Krankenträgern sowie die Feldlazaretts. Zur
Etappe gehört besonderes Personal und Material.
Für den Heimatsdienst bei Ersatz- und Besatzungstruppen sind die
Friedensdiensteinrichtungen und -Vorschriften mit einigen Aenderungen
in Kraft. Die oberste Behörde ist die Medizinalabteitung des Kriegs¬
ministeriums in Verbindung mit dem Chef des Feldsanitätswesena
(Generalstabsarzt der Armee im Frieden). Hinzu kommt die mühevolle
Aufgabe, für den ganzen Naobschub zu sorgen, allen Bedarf für neue
Formationen zu schaffen, der zum normalen Sanitätsdienst gehört, sowie
in der Heimat den ganzen Sanitätsdienst zu leiten und zu überwachen.
Als Provinzialbehörden unterstehen ihr die Sanitätsämter der Korps
und die stellvertretenden Intendanturen. An der Spitze der Aemter
steht der stellvertretende General- oder Korpsarzt. Die Ausübnng des
Sanitätsdienstes bei den Truppen liegt bei den reaktivierten Herren des
Beurlaubtenstandes. Zur Unterstützung in der Krankenbehandluog
werden hervorragende Fachärzte verpflichtet; zur Deckung des Bedarfs
an Aerzten im Inlande werden die aktiven Sanitätsoffiziere, aber auch
Zivilärzte herangezogen.
Die Militärlazarette haben Chefärzte; für den Wirtscbaft9betrieb be¬
stehen Direktoren und Inspektoren; dazu kommt ein Stabsapotheker;
für den niederen Dienst sind Mannschaften, Krankenwärter, Schwestern,
Pflegerinnen bestellt, für die Zubereitung der Speisen Köchinnen, ferner
Heizer und Hausdiener. Werden in einem Orte mehrere Reservelaza¬
rette errichtet, so werden für sie Direktoren bestellt, meist ältere frühere
Sanitätsoffiziere. Zur Versorgung der Lazarette besteht ein Haupt¬
sanitätsdepot, in jedem Armeekorps ein Depot. Dazu kommt die Aus¬
rüstung, die sich beim Traindepot befindet. Bei jedem Korps befinden
sich Untersuchungsämter. Der Dienstbetrieb in den Reservelazaretten
geschieht nach der Friedenssanitätsordnung, mit einigen Ausnahmen in
bezug auf die Listenführung und Erstattung von Berichten und Rapporten.
Welche Leistungen leisteten die Reserve- und Vereinslazarette
1870/71? In der Zeit des höchsten Bedarfs standen zur Unterbringung
im Oktober in Preussen 96805, in Bayern 13345, in Sachsen 6645, in
Württemberg 3611, in Baden 5806, zusammen 125542 Betten zur Ver¬
fügung in den staatlichen Lazaretten Deutschlands. Ausserdem verfügte
die freiwillige Krankenpflege nach und nach über 32196 Betten ausser
denen in Sachsen und Hessen. Verpflegt wurden 69115 Deutche und
1164 Franzosen. Zusammen wurden damals ärztlich versorgt 250000
Deutsche und 175000 Franzosen. Davon wurden in Gross-Berlin
91090 Mann verpflegt; darunter 29442 mobile, 11618 immobile Mann¬
schaften; dazu kamen in den staatlichen Anstalten 4806 und privat
2708 Betten. .,
Wie wird es in diesem Kriege sein? Die leeren Betten werden sich
bei grösseren Zugängen bald füllen; hoffen wir aber, dass unsere Zahlen
sich möglichst niedrig halten! Durch gute Behandlung und Hana*
habung des Gesundheitsdienstes besonders auf den Eisenbahnen können
wir viel zur Verminderung der Kranken zahl beitragen. Sache der Aente,
die auf den Eisenbahn-Erfrischungsstationen tätig sind, ist es, besonders
darauf zu achten. Jede ansteckende Krankheit muss ausgeschlossen,
möglichst jeder erste Fall gemeldet werden.
Wichtig ist die Führung der Listen, des Krankenjournals für
Berichterstattung; pünktliche Eintragung wertvoll. Die scbnftlic
Aufzeichnungen haben nicht nur wissenschaftlichen Wert, sondern auc
Bedeutung für etwaige Rentenansprüche der Invaliden.
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Gch igle
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
5. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1693
Nioht selten haben die Zivilärzte die Militärdiensttauglichkeit fest-
zustellen, venn auch einzelne aktive Sanitätsoffiziere hier bleiben. Zu
beachten sind die amtlichen Bekanntmachungen und Vorschriften über
den Gegenstand. Bei der Untersuchung verfolge man im allgemeinen
dieselbe Reihenfolge, wie bei der Aufnahme des klinischen Status. Das
Urteil ist laut mit Angabe der Ziffer der Vorschriften abzugeben. Die
frühere Anlage lo heisst jetzt lz (zeitig), ld jetzt 11 (Landsturm), le
jetzt lu untauglich zu jedem militärischen Dienst.
Zivilarzte werden auch zur Musterung und Aushebung, zur Aus¬
stellung von Attesten für Unterbringung in Kur- und Badeorten in
Betracht kommen; hierfür gelten die „Kurvorschriften“ des Kriegs¬
ministeriums.
Aufopfernd ist die Bevölkerung 1866 und 1870 dem Rufe des Vater¬
landes gefolgt und durch reiche Spenden aller Art das Los der Kranken
zu lindern bestrebt gewesen. Diese dem innersten Gefühl entsprungene
Hingabe hat reichen Segen gebracht. Der Sinn dafür ist im Frieden
unermüdlich gepflegt worden. Alle Stände wetteifern. So haben wir
ein dichtes Netz von Vereinen in Deutschland; 1912 waren es 5851 Ver¬
eine, in den Sanitätskolonnen wirkten 64 808 Mann als Krankenträger
ausser 10 822 freiwilligen Krankenträgern. Der Gesamtbestand aller
Schwestern vom Roten Kreuz betrug 4066. Diesem gewaltigen Orga¬
nismus haben mehr als 1587 Aerzte das rechte Leben eingehaucht.
Alle diese Kräfte können sich nicht richtig entfalten, wenn keine
straffe Organisation besteht. Nach den Dienstvorschriften darf die frei¬
willige Krankenpflege keinen selbständigen Körper bilden neben der
staatlichen, sie wird vielmehr in die staatliche eingefügt und von der
Behörde geleitet. Sie arbeitet im Heimat- und Etappengebiet, stellt
Krankenpfleger, Verwaltungspersonal für die Krankenanstalten, Personal
für die Beförderung und Einrichtung von Verband-, Verpflegungs- und
Sammelstellen, Vorbereitung von Beförderungsmitteln, Unterstützung der
Reservelazarette, Uebernabme der Wäsche, Verwaltung und Lieferung
eigener Einrichtungen und Anstalten, Sammlung von freiwilligen Gaben
und Vermittlung von Nachrichten an die Angehörigen der Verwundeten.
Zur Anlage von Krankenpflegestätten und Genesungsheimen ist die
Genehmigung des Generalkommandos nötig; sie ist nur im lnlande ge¬
stattet. Sie werden von Vereinen, Ritterorden und Privatpersonen er¬
richtet und unterstehen der gesundheitspolizeilichen Aufsicht des Chef¬
arztes eines Reservelazaretts. Für die Manneszucht in diesen Anstalten,
die wenigstens 20 Betten haben sollen, sorgt der Chefarzt; ihre Leitung
wird einem Arzt übertragen, dessen Anordnungen maassgebend sind; er
weist die Stationen den Aerzten zu, verteilt das Personal und teilt
diesem die Geschäfte zu. Neben der Aufsicht durch den Chefarzt unter¬
stehen diese Anstalten der Ueberwachung durch den Territorial-
Delegierten.
Die Organisation der freiwilligen Krankenpflege untersteht dem
kaiserlichen Kommissar und Militär-Inspekteur, der im Kriege im Haupt¬
quartier des Kaisers weilt, und zu Hause einen stellvertretenden Kommissar
hat. Zu ihm kommen die Vorstände der vaterländischen Vereine. Er
verkehrt direkt mit dem Kriegsministerium. Zur weiteren Leitung
kommen die Territorial-Delegierten, in der Regel die Oberpräsidenten in
Betracht. Dann gibt es Korpsbezirks-, LieferuDgs-, Reservelazarett-,
Linien-Delegierte; ferner Delegierte bei der Annahmestelle der freiwilligen
Krankenpflege, Lazarett-, Begleitungs-, Depot- und Personal-Delegierte.
Die Aerzte der freiwilligen Krankenpflege bedürfen der Bestätigung
durch das Kriegsministerium. Ein Unteroffizier führt im Lazarett die
Polizeiaufsicht und die schriftlichen Arbeiten aus. Wenn die Unter¬
bringung der Kranken in einem schon bestehenden Krankenhause erfolgt,
so gilt dessen Hausordnung auch für die Soldaten. Zweckmässig ist es,
bestimmte Bedingungen zum Ausdruck zu bringen. Dem V^reinslazarett
geben die Kranken durch den Chefarzt zu. Die Aufnahme erfolgt durch
den Aufnahmeschein. Der Kranke bringt Anzug und 2 Unterjacken mit.
Die Kost der Kranken regelt sich in Zivilanstalten nach den dortigen
Vorschriften; in neu eingerichteten Anstalten ist die Vorschrift der
Friedens-Sanitätsordnung nicht ausser acht zu lassen. Die Kost umfasst
1. Frühstück mit Kaffee, Milch und Semmeln, 2. Frühstück mit Roggen¬
brot, Schinken, Wurst und kaltem Braten, Mittag mit Suppe, Braten
und Gemüse, Vesper mit Kaffee oder Milch und Abendbrot wie zweites
Frühstück. Starke Esser bekommen mehr, selbst die doppelte Ration.
In besonderen Fällen werden Krfrischungs- und Kräftigungsmittel, Geflügel,
Preissei beeren usw. gewährt.
Die Arzneiverordnungen werden in das Arzneibuch eingetragen.
Nach der Herstellung werden die Dienstfähigen durch Vermittlung des
Generalkommandos zum Feldheer oder zum Ersatztruppenteil entlassen.
Das Vereinslazarett überweist sie dem Reservelazarett. Der behandelnde
Arzt bestimmt den Zeitpunkt der Entlassung und gibt ein Verzeichnis
der Habe dem leitenden Arzte. Für jeden Todesfall wird eine Zählkarte
angelegt.
Zur Bestreitung der persönlichen Ausgaben der Staatskasse wird
das Geld von dem zuständigen Reservelazarett abgegeben. Pfleger usw.
können neuerdings bei Bedürftigkeit bis zu 30 M. Zuschuss im Monat
erhalten.
Alle unsere Gedanken wenden sich zuerst den gewaltigen Ereignissen
des Kriegsschauplatzes zu. Aber auch im In lande gilt es das Beste für
die heimkehrenden Helden zu leisten und unsere volle Kraft einzusetzen,
auf dass unter den ruhigen Verhältnissen der Heimat gute Bedingungen
gestatten, dem Vaterlande seine besten Söhne zu erhalten und
manchem Mutterherzen Trost und Freude zu bringen.
Ueber WnidinfektionskrankbeiteB.
Hr. Jochn&BB: Die Wundinfektionskrankheiten werden in diesem
Kriege nicht die Rolle wie 1870 spielen, als schlechte Wundbehandlung,
Hospitalbrand, Sepsis, Tetanus, Erysipel erschreckend viele Opfer forderten.
Der Schleier ihrer Aetiologie ist gehoben, die antiseptische Wund¬
behandlung eingeführt. Trotzdem werden noch viele Wundkrankbeiten,
weniger nach Gewehrschüssen als bei grossen Zertrümmerungen durch
Schrapnell- und Granatfeuer Vorkommen, wo Erde, Staub und Kleider¬
fetzen hineingerissen werden. Heute kann Vortr. nur über Tetanus
sprechen. Er ist eine akute Infektionskrankeit, welohe die motorischen
Ganglienzellen durch ein Toxin schädigt und gesteigerte Erregbarkeit
der motorischen Centren, sowie tonische Starre hervorruft. Der Erreger
ist ein schlankes Stäbchen. Es hat drei Eigenschaften: Sporenbildung,
Anaerobiose und ToxinbilduDg. Die Sporen sitzen endständig und geben
ihm die Form der Trommelschlägel. Tetanusbacillen finden sich, wo die
Sporen mit der Luft hingelangen, in Staub und Erde; die Sporen sind
gegen Sonne und Luft resistent, sie entstammen den Abgängen unserer
Haustiere, in deren Darm sie leben, sind also im Dung und auf der
Strasse zu finden. Trotzdem ist die Infektion selten; denn es ist der
Sauerstoffabschluss zur Entwicklung nötig. Gelangt der Keim in eine
Wunde, so wird die Infektion dadurch begünstigt, dass zugleich Eiter¬
erreger hineingelangen und den 0 an sich reissen. Die Tetanusbacillen
müssen auch vor den Schutzkräften des Körpers, der Pbagocytose, ge¬
schützt sein; wenn nämlich mit ihnen kleinste Fremdkörper, z. B. Holz¬
splitter, in die Wunde gelangen, stürzen sich die Leukocyten auf diese
und versuchen sie festzunehmen.
Der Bacillus geht nicht selbst ins Blut; nur sein Toxin dringt vor.
Der Weg ist zum Nervensystem im Axencylinder zum Centrum. Die
Ursache ist die chemische Verwandtschaft. Gehirn von Meerschweinchen
vermag das Toxin fest zu binden.
Der Tetanus beginnt in der Regel klinisch mit Krämpfen der Kau¬
muskeln. Denn der Weg ist hier der kürzeste. Die Muskeln, welche
die kürzeste Nervenbahn vom Gehirn haben, erkranken am schnellsten.
Die Inkubationszeit beträgt 6—14 Tage. Je kürzer die Inkubationszeit,
desto schlechter die Prognose. Denn virulentes Toxin gelangt schneller
zum Centralnervensystem. Zuerst besteht Spannung der Kaumuskeln,
schlechte Sprache und Ernährung. In wenigen Tagen, selbst Stunden
dehnt rieh die toxische Starre auf die gesamte Muskulatur aus. Das
Gesicht zeigt breites schmerzliches Lächeln (Risus sardonicus); dann geht
das Leiden über Nacken, Rücken, Bauch und Glieder, bald sind die
Strecker der Beine ergriffen. Frei bleiben meist nur Fuss- und Hand¬
muskeln. Ständiger Opisthotonus wird nur durch ruckweise auftretende
Exacerbationen dieses Tonus unterbrochen. Lichtreize und Geräusche
lösen sie aus; vermehrter Tonus und Cyanose sind die Folge. Zwerch¬
fellkrämpfe können den Tod herbeiführen, desgleichen Glottiskrampf.
Auch Schlingkrämpfe kommen vor. Die Kranken verweigern aus Angst
dann jede Nahrung. Dazu kommt starke Schweisssekretion. Die Dauer
der Anfälle schwankt von Sekunden zu Minuten. Die Qualen werden
durch die Freiheit des Sensoriums und Mangel an Schlaf vermehrt. Die
Sensibilität ist nur wenig gestört, die Temperatur sehr unregelmässig.
Meist ist die Temperatur zunächst nur gering gesteigert, dann wird die
Steigerung stärker, und kurz vor dem Tode gibt es Hyperpyrese, 40 bis
42°, die lange nach dem Tode anhält. Die Atmung ist oberflächlich;
es kommt zu Bronchitis und Pneumonie. Der Verlauf ist oft in wenigen
Tagen letal. Dauert es länger als eine Woche, 90 kommt es zur Besse¬
rung. Meist erfolgt der Tod an Asphyxie, Herzschwäche oder Lungen¬
entzündung. Auch Rückfälle kommen vor.
Die Diagnose ist bald leicht, bald schwer; besonders wenn nur
Trismus besteht, denkt man an Angina, Parotitis, Meningitis und Lyssa,
auch an Strychninvergiftung. Aber das Fehlen von Coma und der starke
Tonus ist typisch. Zur bakteriologischen Diagnose impft man Stückchen
der Wunde mit einem Fremdkörper Mäusen ein. Sie bekommen dann
in 2—3 Tagen Anfälle. Erhitzt man das Wundsekret selbst auf 60°,
so wachsen nur die Tetanussporeu auf der Kultur aus.
Die besten Erfolge gibt die Prophylaxe. Das antitoxische Serum
neutralisiert das Tetanustoxin. Besonders sollte man im Kriege die mit
Erde und Pferdemist infizierten Leute impfen. Gute Resultate gab es
in China, wo die deutschen Krieger vorbehandelt wurden mit 20 ccm,
sowie im russisch japanischen Kriege, wo die Japaner regelmässig impften;
sie hatten fast keine, die Russen sehr viele Falle.
Die Therapie soll möglichst viele Bakterien zerstören, verhüten,
dass viel Toxin eindringt, und die motorische Erregbarkeit herabsetzen.
Die Bacillen dringen nicht in das gesunde Gewebe ein, daher ist eine
umfangreiche Exzision der Wunde nicht nötig. Sodann injiziert man
Antitoxin subcutan, intramuskulär, lumbal oder endoneural. Letzteres
ist wenig zu empfehlen. Die intramuskuläre Injektion längt das Toxin
auf, die lumbale neutralisiert es in den Ganglienzellen. Die Kombination
beider Methoden mit Mengen von 20 ccm jeden zweiten Tag ergab
günstige Resultate Dach 8—5 Injektionen. Aber die Mortalität ist immer
noch hoch; sie ist von 90pCt. auf 45pCt. gesunken.
Die Erregbarkeit setzt Magnesiumsulfat herab. Melzer-New York
gibt es intraspinal; es erzeugt Anästhesie und Schlaf und bringt die
tonischen Muskeln zur Erschlaffung. Eine grosse Gefahr besteht. Nach
wirksamen Dosen stirbt der Kranke an Atemlähmung. Kocher empfahl
O-Inhalationeo während des Schlafes und Atropininjektiooen. Aber es
ist durchaus möglioh, es subcutan zu geben, ohne grosse Gefahr! Der
Erfolg ist gut. Der Muskeltonus legt sich; die Dauerstarre sohwindet.
Digit i ze c: by
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Original frn-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
1694
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
Am besten ist die Kombination von Serum mit Magnesium. Von 10 bis
25proz. Lösung werden täglich 6—8 g injiziert. Calcium ehloricum in
5 proz. Lösung in Mengen von 5 ccm ist ein Gegengift.
Altbewährt ist die Isolierung, nicht so sehr wegen der Gefahr der
Ansteckung als wegen der Ablenkung von störenden Reizen. Das
Zimmer ist zu verdunkeln, die Bettpfosten auf Filz zu stellen, laute
Geräusche zu vermeiden. Die Ernährung soll kräftig sein, aus Flüssig¬
keit bestehen, am besten durch einen Gummipfropfen vor sich gehen.
Bei Schlingkrampf ernährt man nur per cly9ma und gibt Kochsalz¬
infusionen. Dazu kommen Narcotica, Chloralhydrat in grossen Dosen (2,0)
oder Morphium 0,02 mehrmals täglich.
Demonstrationsabend vom 29. September 1914.
Demonstration von Knochenpräparaten mit einleitenden Bemerkungen
znr Pathologie der Wundinfektion.
Hr. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Orth: Wir stehen noch im Anfänge
des Krieges; daher kann Vortr. nicht neue Beobachtungen aus dem
jetzigen, sondern Erfahrungen aus früheren Kriegen (1813/14, 1848, 1864,
1866, 1870/71) vortragen. Eins haben wir aus dem jetzigen Kriegeschon
erfahren, nämlich, dass die Gewehrschüsse — abgesehen von Dumdum —
Wunden setzen, die ziemlich rasch und glatt heilen. Das hängt davon
ab, dass die Geschosse jetzt kleinkalibrigcr, die Wundflächen kleiner,
die Geschwindigkeit und Durchschlagskraft der Geschosse grösser, die
Quetschung der Gewebe geringer sind, vor allem dass die Kugel weniger
leicht Stücke von Kleidern und Wäsche mit sich reisst, die ja besonders
Träger der Ansteckung sind.
Immer aber sind es Wundinfektionen, welche die Heilung der Wunden
verzögern. Aueh 1870 bestand schon der Gedanke eines Contagium
vivum, welches diese Erkrankungen verursacht. Die Lehre, dass die
Keime durch chemische Substanzen wirken, die „Zyraose“, dass eine
Gärung besteht, war bereits aufgestellt. Heute können wir die einzelnen
Formen der Infektionskeime scharf unterscheiden, sie künstlich züchten,
ihre chemischen Produkte und Wirkungen nachweisen. Billroth schuf
die schroffe unitarische Anschauung über die Entstehung aller dieser
Infektionen durch einen Erreger, das Coccobacterium septicum. Aber
schon Kleba hat eine Gruppe von Mikrobien zusammengefasst, die wir
heute in einzelne Abteilungen zu zerlegen gelernt haben. Er sprach vom
Microbium septicum.
Der Begriff „Sepsis“ bat im Laufe der Zeit verschiedenartige Be¬
deutung erlangt. Sie bedeutet eigentlich Fäulnis; man hat auch an
chemische Verunreinigung des Blutes gedacht (Vogel), wie sie bei
Resorption von Brandjauche vorkommt. Viel weniger ist der Begriff der
Pyämie geändert worden. Sie neigt zur Bildung multipler lokaler Abscesse.
Schmiedeberg und von Bergmann isolierten aus Hefe eine Substanz,
das Sepsin, die bei Tieren septische Krankheitserscheinungen hervorruft.
Zwei wesentlich verschiedene Gruppen bestehen, die eine, die mit
Fäulnisvorgängen verläuft, die andere, die mit Fäulnis gar nichts zu tun
hat. Faulige Vorgänge spielen bei feuchtem Brand, Gangraena bumida, eine
Rolle. Die abgestorbenen Gewebe zerlliessen unter Einwirkung von Fäulnis¬
bakterien zu Jauche, die durch Resorption im Blute schwere Erschei¬
nungen auslöst. Das wäre eigentlich Septikämie. Aber gerade für die
faulige putride Infektion bat man Ichorrhämie (Virchow) oder Puträmie
gesagt. Der Name Septikämie blieb Vorbehalten den Wundinfektions¬
krankheiten ohne faulige Vorgänge. In dieser Gruppe der eitrigen Wund¬
erkrankungen kann man klinisch und pathologisch zwei Gruppen unter¬
scheiden: a) wiederholte Schüttelfröste und eitrige Metastasen besonders
in der Lunge — Pyämie; b) gleichmässiges Fieber ohne Metastasen.
Ersteres ist nur eine besondere Art der Sepsis, die thrombophlebitisehe
Form derselben. Daneben bestehen auch toxische Blutveränderungen,
früher Septikämie genannt. Auch bei Septikämie fanden sich körper¬
liche Verunreinigungen des Blutes durch Mikroben. Für Pyämie und
Septikämie nahm man besondere verunreinigende Mikroben an. Da-
vaine und R. Koch trennten die fauligen Vorgänge von den septischen
vollständig. Septikämie ist danach Wundinfektion ohne Metastase und
Pyämie eine solche mit Metastase. Ohne Wunde gab es keine Septik-
amie. Auch Vortr. wies hierauf schon vor 42 Jahren in seiner Disser¬
tation hin. K och’s Nachfolger verliessen diesen Standpunkt. Sie nennen
Septikämie jede Erkrankung, bei der Mikroben im Blute sind und —
sich vermehren. Auf letzterem liegt der Nachdruck. Das ist nur eine
Infektionsform. Die Art der Infektionswege ist gleichgültig (Wasser¬
mann). Die verschiedensten Krankheiten, Malaria, Pest, Recurrens sind
septikäraische. Es gibt auch Typhus-, Coli- und Diphtherieseptikämie.
Leider wurde damit die Sepsis verwechselt. Die Aerzte fassen letztere
weiter. So sind also ärztlicher und bakteriologischer Begriff der Sepsis
verschieden. Sie werden einander nicht mehr verstehen.
Es ist nicht unbillig, zu verlangen, dass die Bakteriologen sich in
bezug auf den Begriff der Sepsis dem allgemeinen Sprachgebrauch an-
schliessen, der darunter eine purulente Wundinfektion versteht, und voll¬
ständig auf das Wort Septikämie verzichten. Bakteriämie und Toxin-
ämie sollten je nach der Beschaffenheit des Blutes gewählt werden.
Beide Zustände können bald rein, bald zusammen vorhanden seiD, bald
primär, bald sekundär auftreten.
Obenan steht die septische purulente Infektion, die Wundeiterung
mit ihren Folgezuständen der Pyämie, welche durch Eindringen pyogener
Kokken (Orth) im wesentlichen entstehen. Man muss auch auf putride
Wundinfektion gefasst sein; „Fäulnisorganismen“ ist ein Sammelname;
putride Infektion ist keine bestimmte Krankheit, sondern eine Gruppe
von Krankheiten, deren jede für sich studiert werden muss; es gibt
Wundinfektion neben Fäulnis, Gasphlegmone, Nekrose, akutes Oedem.
Hierher gehört auch die früher meist gefürchtete Krankheit, Hospital-
brand, Gangraena nosocomialis, auch Wunddiphtherie genannt.
Man sah gleichzeitig nebeneinander oder bei demselben Menschen
Rachendiphtherie und Hospitalbrand. Der Diphtheriebacillus kann sich
auoh auf Wunden ansiedeln; solche Wunddipbtherie hat aber mit der
Gangraena nosocomialis nichts zu tun. Es sind andere Bakterien, die
anaerob sind, im Spiele. Es fand sich auch eine Pseudomembran, die
auch gelbweiss oder graugelb beschrieben wird; aber der erhebliche Be¬
fund ist gegenüber dem bei Diphtherie erheblich verschieden. Vor¬
wiegend handelt es sich um schwarzbraune Massen.
Zum Schluss demonstriert Vortr. im Lichtbild zahlreiche Präparate,
zunächst von Wasserkrebs (Noma), der als identisch mit Hospitalhrand
gilt; sodann von Knochen- und Gelenkverletzungen durch scharfe und
flache Säbelhiebe, ferner durch Schüsse mit Langblei, aber auoh ge¬
hacktem Blei. Die flachen Hiebe setzten oft Sprünge und Brüche. Der
Schädelbruch heilt nie mit Wiederherstellung des früheren Zustandes,
da die Callusbildung sehr gering ist im Vergleich zu der an den gut
beweglichen Röhrenknochen. Den Kolbenhieben folgen Streif- und Prell¬
schüsse, Einschüsse des Schädels. An einem Projektil finden sich die
Zahnabdrücke beider Kieferreiben; der österreichische Jäger biss die
Zähne augenscheinlich im Kampfe fest zusammen, als ihn die Kugel
traf; das Geschoss sohlug quer auf den Mund. Interessant ist eine in
die rechte Orbita eingeheilte Kugel, die in die linke Orbitalwaod ein¬
gedrungen war. Es folgen Schüsse ins Darmbein, die Knocheoneubildung
am Rande der eiterigen Prozesse aufweisen. Schon Dach 3 Monaten
konnte Amyloidosis festgestellt werden. Den Beschluss machen ein ge¬
heilter Brustschuss, der beide Lungen durchbohrt hatte, wobei ein Stück
des Geschosses in eine Rippe einheilte, das andere unter der Scapula
entfernt wurde, und ein geheilter Bauchschuss, bei dem das Geschoss in
das Netz einbeilte und wie eine Appendix epiploica imponierte.
Mode.
Kriegsmedizinische Abende
des uaturhistori8ch*medixtni8chen Vereins za Heidelberg,
Sitzung vom 15. September 1914.
Einleitender Vortrag über Kriegschirnrgie.
Hr. V. Czerny: Je 50 Verwundete sollten auf dem Transporte von
einem Heilgehilfen und einer Krankenschwester begleitet werden. In
jedem Zug sollte sich ein Arzt befinden. Es wäre anzustreben, dass
man D-Züge zum Verwundetentransport benutzt. Die Güterwagen
•könnte man vielleicht mit Uebergangsplattformen versehen, damit der
Arzt die Verwundeten in allen Wagen besuchen kann, während sich der
Zug in Bewegung befindet.
In den Heidelberger Lazaretten wurden bisher 17 Fälle von Wund¬
starrkrampf behandelt. 13 mal handelte es sich um Granatsplitter¬
verletzungen, 4 mal um Verwundungen mit Infanteriegeschosseu. 9 Fälle
leben noch, 3 sind genesen. In einigen Fällen wurde bei der Behand¬
lung Magnesiumsulfat angewandt. Nach Empfehlung von Exzellenz
v. Behring wird das pulverförmige Tetanusantitoxin in die Wunden ein-
gestreut.
Hr. Kürz: Man muss die Anregung geben, den Güterwaggons ge¬
nügende Aborteinrichtungen beizugeben, die Wagen erst nach gründ¬
lichster Desinfektion und Herrichtuog, tunlichst nach dem Modell Lini-
weiler, weiter zu benutzen, durch Beizug bester Personenwagen, zumal
bei fortschreitender Kälte und bald eintretender Heizungs- und Be¬
leuchtungsnotwendigkeit, mehr eigentliche Lazarettpersonenzüge zu ge¬
winnen. Die Tatsache, dass die meisten Verwundeten während des
Transportes auf Stroh, selten auf Bahren, Strohsäcken und Matratzen
liegen, und dass in den Güterwagen keine Aborte vorhanden sind, ist
der Grund, weshalb ein grosser Teil der Verwundeten in ungünstigem
Zustand in 'den Lazaretten an kommt.
Hr. Jagemann: An den Hauptstationen sollte man Uebernaobtungs-
räume für Leichtverwundete einrichten sowie die Aufenthaltszeit der
Züge verlängern, um schmutzige Verbände erneuern zu können.
Hr. Hoff mann: Es besteht ein grosser Personalmangel (Aerzte und
Sanitätsmannschaften) an den Plätzen, wo der Uebergang vom Fuss-
und Bahrentransport zum Bahntransport stattfindet.
Hr. Schmidt: Es wäre* vielleicht mögliob, die Dauer der Trans¬
porte abzukürzen, indem man die Geschwindigkeit der Züge erhöht^ und
die Aufenthalte an den kleineren Stationen auf das Minimum beschränkt
Hr. Dilger: Es wäre eine bessere Sortierung der Verwundeten in
Schwer- und Leichtverletzte in den Etappen zu empfehlen. Durch Ein¬
richtung und Vermehrung der fliegenden Baracken könnte man den
Leichtverwundeten grössere Transporte ersparen.
Hr. Völcker: Von den verschiedenen Applikationsweisen des
Tetanusantitoxins scheinen die subduralen Injektionen am erfolgreichsten
zu sein. Zu stark oder zu lange fortgesetzte AntitoxinbehandluDg kann
unter Umständen schwere Symptome hervorrufen. Die Behandlung mit
Magnesium sulfuricum kann zu unangenehmen Komplikationen, beson¬
ders zur Störung der Tätigkheit des Atemcentrums führen. Baceln
hat vor einigen Jahren zur Bekämpfung des Tetanus Carboiinjektionen
empfohlen, welche sedativ und reflexhemmend wirken sollen. Man macht
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Original frnm
UNIVERSUM OF IOWA
5. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1695
10 suboutane Injektionen pro die, und zwar je 1 cem von der 2 proz.
Aqua carbolisata, also 0,2 pro die, und steigt mit der Tagesdose bis
auf 1,0. Symptome einer Garboivergiftung sollen bisher nicht beob¬
achtet worden sein. Baoelli berichtet über derart günstige Resultate,
dass seine Methode eine Nachprüfung verdient. Bei zwei Patienten,
welche mit Antitoxin- und Carboiinjektionen behandelt werden, ist eine
wesentliche Besserung zu konstatieren.
Hr. Gottlieb: Einzig rationelle Methode der Anwendung des
Tetanusantitoxins ist die intraneurale oder subdurale Injektion, wenig¬
stens nach dem Resultat des Tierexperiments. Suboutane Injektionen
sind als Verschwendung des Materials zu bezeichnen, da ja das Tetanus¬
gift in den Nerven hinaufwandert.
Hr. Rost: Steckschüsse durch Granatsplitter und zwar besonders
bei trockenem Wetter (Staub!) begünstigen die Entstehung von Starr¬
krampf. Schrapnellsplitter scheinen weniger gefährlich zu sein. Bei
Granatsplitterverletzungen empfiehlt sich eine breite Freilegung der
Wunden, Entfernung der Splitter und Tamponade mit Wasserstoffsuper¬
oxyd oder übermangansaurem Kalium, um auf diese Weise die anaeroben
Tetanussporen zu vernichten.
Hr. Heddaeus: Die von mehreren Seiten empfohlene Behandlung
der Wunden mit Jodtinktur schützt nicht vor dem Tetanus. Bei sechs
Fällen wurden intralumbale Einspritzungen Yon Antitoxin gemacht und
nach einigen Tagen intraarterielle nach der Freilegung der Art. carotis
int. Auf diese Weise erreicht das Antitoxin auf kürzestem Wege das
Centralnervensystem, ohne vorher in der Blutbahn abgebaut zu werden.
Die Erfolge scheinen ausserordentlich günstige zu sein, die Beobachtungs¬
zeit ist jedoch zu kurz, um ein abschliessendes Urteil fällen zu können.
Hr. Kossel empfiehlt ebenfalls die Kombination von subduralen
und intraarteriellen Antitoxineinspritzungen. Halpern-Heidelberg.
Kriegsskizzen.
Von
Dr. Arthur Münzer, zurzeit im Felde.
III. In Feindesland.
Wir waren in zwei Tagesmärschen bis nach Aachen gelangt. Die
alte Kaiserstadt glich einem wahren Kriegslager. Ueberall durchziehende
Truppen aller Waffengattungen. Die ganze Bevölkerung war auf den
Beinen. Galt es dooh, den ins nahe Feindesland marschierenden Sol¬
daten die letzten Abschiedsgrüsse aus deutschen Landen zuzurufen! Am
Spätnachmittag kommen wir ins Quartier. Leider war keine Zeit mehr,
die alte, interessante Stadt zu besichtigen, wie wir so gern gewollt. Die
Nacht hindurch wurden unaufhörlich durch das Telephon Nachrichten
und Befehle übermittelt. Am frühen Morgen gings weiter. Heute sollte
der grosse Tag sein, an dem die Grenze üerschritten würde. Wir mar¬
schieren ab. Unser Weg führt durch waldiges, unebenes Gelände. Da
sehen wir schon an den Bäumen mit Blaustift geschriebene Wegweiser,
die die Aufschrift trugen: Nach Belgien. Plötzlich erscheint in nicht
allzu weiter Ferne am Wege ein Grenzstein, vor dem eine Wache postiert
ist. Das also ist die Grenze zwischen Deutschland und Belgien. Noch
ein kurzes Stück, und wir sind hinüber — Feindesland. Unwillkürlich
setzt man sich im Sattel zurecht, als sollte nun gleich die Schlacht be¬
ginnen. Es ist doch ein eigenartiges Gefühl, welches sich in diesem
Augenblick wohl in jedem Soldaten regt. Nun hast du also dein Vater¬
land verlassen. Hier folgt dir kein liebevoller Blick mehr, grösst dich
nicht der frohe Jubel des Volkes. Fortab bist du der Feind, den man
hasst und auf jede Weise zu verderben sucht.
Ruhig ziehen wir unsere Strasse. Alles erscheint so selbstverständ¬
lich. Dass wir plötzlich als fremde Soldaten durch fremdes Land mar¬
schieren, dass wir so unbehelligt von dannen ziehen, man wundert sich
kaum noch darüber. Vergebens sucht das Auge belgische Soldaten. Die
sind längst zurückgegangen und haben das Feld dem stärkeren Gegner
geräumt. So können denn ungehindert unsere Kolonnen ihren Weg fort¬
setzen. Wir nähern uns dem ersten belgischen Dorf, G., nicht weit von
der Grenze gelegen. Die Einwohner grüssen zum Teil noch freundlich.
Aber schon machen sich die ersten Zeichen des Krieges bemerkbar: vor
uns liegen verlassene, zum Teil leergebrannte Häuser. Hier hat die
Zivilbevölkerung auf unsere braven Soldaten geschossen. Der Lohn ist
nicht ausgeblieben, die Schuldigen wurden dem Tode überliefert, ihre
Häuser den Flammen. Und nun stehen die Trümmer als drohendes
Wahrzeichen inmitten der fruchtbaren Landschaft. Auf der Weide treibt
sich herrenloses Vieh in Mengen umher. Weiter geht der Weg durch
grüne Fluren und anmutiges Hügelland. So friedlich und ruhig siebts
da draussen auf den Feldern aus! Als hätte hier nie der Krieg sein
blutiges Banner wehen lassen. Und doch, je weiter wir vorrücken, um
jo deutlicher wird der Kriegszustand. Da liegen schon die ersten Pferde¬
kadaver; die treuen, unentbehrlichen Begleiter des Soldaten im Felde
sind das erste Sinnbild des Todes, welches uns entgegentritt. Als wir
jn das Dorf W. einrücken, sehen wir ganz zerstörte Dorfteile. Auch hier
hatte die Einwohnerschaft sich zu gewaltsamem Vorgehen gegen die Sol¬
daten hinreissen lassen und dafür büssen müssen. In W. hatten wir
unser erstes Quartier auf belgischem Boden; wir wurden freundlich und
liebenswürdig aufgenommen. In der Nacht gings weiter. Es war stock¬
finster. Da plötzlich sehen wirs in der Ferne aufleuohten, glutig rot.
Ewe mächtige Feuersäule steigt gen Himmel. Ein schauerlich-schöner
Anblick! Wie sich das Blutrot abhob gegen die finstere Nacht, wie
es sich weiter und weiter emporstreckte, immer drohender seine Flügel
ausbreitete und bald die ganze Gegend beherrschte, das senkte sich tief
in unsere Seele ein. Es gibt kaum ein grandioseres Schauspiel als
Feuer in der Nacht. Nirgends treten die Kontraste „hell“ und „dunkel“
so scharf in die Erscheinung, nirgends drückt sich packender die unbe¬
strittene Gewalt des Feuers aus. Es war das kleine Städtchen V., das,
weil hier die Einwohner besonders scharf gegen Soldaten vorgegangen
waren, in Brand gesetzt worden war.
Als wir bei Morgengrauen durch den Ort rückten, da fand sioh kein
Haus mehr erhalten. Aus vielen Häusern sohlugen die hellea Flammen
empor, in anderen qualmte und schwelte es. Schutt und Geröll be¬
deckten den Boden. Die Kirche des Städtchens, aus der ebenfalls ge¬
schossen worden, stand in lichten Flammen; hier wütete das Feuer noch
mit besonderer Heftigkeit, und prasselnd fielen die Balken nieder. Die
Pferde waren nur mit Mühe an den vielfaoh noch glühenden Trümmer¬
haufen vorbeizubringen.
So recht konnte einem hier die Kleinheit und Nichtigkeit mensch¬
lichen Schicksals zum Bewusstsein gelangen. „Seele des Menschen —
Wie gleichst du dem Wasser — Schicksal des Menschen — Wie gleichst
du dem Wind.“ Wie ein Sturmwind war hier das Schicksal über die
Wasser hinweggesaust und hatte sie aufgerührt bis in die tiefsten
Gründe. Wo ehemals der Wohlstand geblüht, dorthin kam jetzt der
Tod gezogen und schwang sein grausames Szepter. Und binnen kurzem
schwand Menschenwerk und -leben dabin . . .
Wir kamen über die Maasbrücke. Zwar batten vor wenigen Tagen
die Belgier die eigentliche Brücke gesprengt, aber dank der Arbeit
unserer braven Pioniere war bald eine Kriegsbrücke errichtet worden,
über die hinweg die Regimenter ohne Mühe den Fluss überschreiten
konnten. Wir gingen tiefer ins Innere. Ueberall die gleichen Szenen,
die sich uns schon von Anfang an dargeboten hatten: viele Häuser
waren zum Teil verlassen, leer gebrannt, zum Teil standen sie noch in
Flammen. Oft sahen wir von fern die Rauchwolken in die Luft steigen
und wussten wohl, dass hier wieder einmal ein Strafgericht vollzogen war.
Noch einmal wiederholten sich die Eindrücke, die sich uns in V.
schon eiDgeprägt, in A. Der ganze Ort war völlig zerstört und von der
Einwohnerschaft verlassen.
Die Bevölkerung dort, wo sie sich nicht zu Tätlichkeiten hinreissen
liess, verhielt sich meist ruhig. Neugier trieb sie zu sehen, und ich
glaube, dass wohl in manchem eine stille Bewunderung für die mächtige
deutsche Armee aufgekeimt sein mag. Es war aber auch wirklich im¬
posant zu sehen, wie durch manche Orte hindurch Tag und Nacht un¬
aufhörlich Regimenter marschierten. Tag und Nacht hörte man den
monotonen Klang marschierender Soldaten und Pferde und das gleich-
massige Rollen der Wagen, Geschütze und Fahrzeuge, es hörte nicht
auf. Die Riesenmassen machten auf die Belgier den stärksten Eindruck.
„Gibt es in Deutsehland überhaupt noch Männer?“ hörte ich wieder¬
holt fragen.
Im ganzen wurden wir von den gebildeten Kreisen Belgiens freund¬
lich und zuvorkommend aufgenommen. In den zahlreichen Schlössern,
die in der Umgebung Brüssels liegen, wurde auch verwöhnten An¬
sprüchen Genüge geleistet.
Natürlich war seit Beginn des Krieges im Lande, zumal in kleineren
Städten und Dörfern, fast jede Arbeit eingestellt worden, und so sah
man vielfach die Einwohner eines Ortes auf der Strasse in erregten Dis¬
kussionen beisammenstehen. Zeitungen, Post usw. gabs nicht mehr, und
daher waren sie einzig auf das, was sie durch Hörensagen wussten, an¬
gewiesen. Viele biederten sich bald mit den Soldaten an und lebten
mit ihnen im besten Einvernehmen.
Durch systematische Hetzereien waren auch in Belgien die schlimmsten
Gerüchte über die grausamen „Prussiens“ in Umlauf gesetzt worden.
Mir selbst erzählte eine Dame, in deren Haus ich dinquartiert war, dass
sie geglaubt habe, als ihr die Besetzung mehrerer Zimmer durch Offiziere
angekündigt wurde, es sei so ungefähr ihre letzte Stunde gekommen.
Die „Prussiens“, wie sie auch hierzulande meist genannt wurden, gelten
noch immer als die schlimmsten Barbaren.
In buutem Durcheinander verliefen unsere Tage. An einem frühen
Morgen donnerten mächtig die Kanonen. Gegen Abend wurde es wieder
ruhiger, da um 10 Ubr wieder Maschinengewehrfeuer. Es hat einen gaDz
besonderen Klang, dieses Maschinengewehrfeuer, das regelmässige, ab¬
gehackte, periodisch wiederkehrende Knattern. Man vergisst ihn nicht,
den Klang, wenn man ihn einmal gehört, und besonders im Dunkel der
Nacht, wenn alles andere ringsum still und ruhig, prägt er sich mit
einer wahrhaft erschreckenden Deutlichkeit aus. Alles andere, Kanonen,
Gewehrfeuer, verklingt mehr in der Ferne, nur das Maschinengewehr¬
feuer bewahrt stets seine nie versagende Präzision.
Ein anderes Bild: Durch ein Dorf zieht ein französischer Gefangenen¬
transport, etwa 700 Soldaten und Offiziere, darunter 1 General. Sie
machen durohweg einen schlechten Eindruck, die Uniformstücke sind
verbraucht, die Leute sehen zum Teil gänzlich heruntergekommen aus,
es fehlt jede Frische und Freudigkeit. Sie wurden im Dorf, wo sie Halt
machten, reichlich gelabt, und man konnte wohl merken, mit wieviel
Hingebung sich hier die Belgier ihren Freunden, die sie so schmählich
im Stich gelassen hatten, widmeten.
Kaum könnte ich diese kurze Skizze besser schliessen, als indem ich
auf das innige Band hinweise, welches die draussen im Felde Weilenden
mit der Heimat verknüpft. Davon weiss die Feldpost ein Lied zu singen.
Wie haben wir uns über die im Anfang so spärlich einlaufenden Lebens-
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Gougle
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UNIVERSUM OF IOWA
1696
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 40.
Zeichen aas der Heimat gefreut! Wie wurden die Postsäcke gestürmt,
und wie gross war der Jubel, wenn man einen Brief oder eine Karte
gefunden hatte! Und mit der Freudigkeit im Herzen wurde der Dienst
noch einmal so leioht, und im Verein mit unseren Lieben in der Ferne
wurden wir immer mehr von dem endlichen Siege unserer Waffen durch¬
drungen. Und wenn die Schatten der Nacht sich dann über die Felder
herniedersenkten, dann hörte man in der Ferne singen und klingen:
„Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein“. Und summte sich mit der alten
Weise ganz sacht in den Schlaf hinein . . .
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Ueber die von Franzosen und Belgiern gegen unsere Ver¬
wundeten und Aerzte begangenen Grausamkeiten drang ja bisher schon vieles
in die Oeffentlichkeit, was triftigeren Anlass zu Protesten in den neutralen
Staaten geboten hätte, als die angeblichen Zerstörungen von Bauwerken
durch deutsche Soldaten. Eine Scheusslichkeit jedoch, wie sie ira nach¬
folgenden Bericht aus Frankreich der Welt zur Kenntnis gebracht wurde,
hätte man doch wohl für unmöglich gehalten, wenn sie nicht auf amt¬
lichem Wege durch das WolfFsche Telegr.-Bureau am 30. September aus
dem grossen Hauptquartier verbreitet worden wäre. Danach hat der
Generalstabsarzt der Armee und Chef des Feldsanitätswesens von
Schjerning Seiner Majestät folgende Meldung erstattet:
»Vor einigen Tagen wurde in Orchies ein Lazarett von Frank¬
tireurs überfallen. Bei der am 24. September gegen Orchies unter¬
nommenen Strafexpedition durch das Landwehrbataillon 35 stiess dieses
auf überlegene feindliche Trappen aller Gattungen, musste unter Verlust
von 8 Toten und 35 Verwundeten zurück. Ein am nächsten Tage aus¬
gesandtes bayerisches Pionierbataillon stiess auf keinen Feind mehr und
fand Orchies von Einwohnern verlassen. Im Orte wurden 20 beim
Gefecht am vorhergehenden Tage verwundete Deutsche grauenhaft ver¬
stümmelt aufgefunden. Ohren und Nasen waren ihnen abgeschnitten,
und man hatte sie durch Einführen von Sagemehl in Mund und Nase
erstickt. Die Richtigkeit des darüber aufgenommenen Befundes wurde
von zwei französischen Geistlichen unterschriftlich bestätigt.
Orchies wurde dem Erdboden gleicbgemacht.“
Es werden sich hoffentlich Gegenmaassnahmen ausfinden lassen;
dass sie etwa von der Art sein könnten, wie sie von den Angehörigen
der „grande nation“ geübt wurden, dafür braucht keinem bange zu
sein. Der deutsche Soldat ist Gott sei Dank nicht so vertiert, wie
jenes zuchtlose Gesindel. Man darf sich freilich nicht wundern, von
Freischärlern Bestialitäten verübt zu sehen, wenn selbst die französische
Regierung es nicht verhindert, dass ein so viel gelesenes Blatt, wie der
„Matin“, öffentlich empfehlen darf, die gefangenen deutschen Soldaten
„wie Schweine abzuschlachten“ oder „wie Verbrecher zu erdrosseln“.
H. K.
— In der M.m.W. regt Herr Kolb an, dass die für die Gesundheit
unserer Truppen jetzt so notwendigen warmen Unterkleider nicht dem
Einzelnen, auch nicht der privaten Liebestätigkeit überlassen bleiben.
Diese Dinge seien, gleiohwie auch Seife u. ä., vom Staate zu beschaffen;
es könne dies angesichts der ungeheuren Summen, die das Reich der
Militärbehörde zur Verfügung stellte, finanziell nicht ins Gewicht fallen,
um so mehr aber für die Gesundheit und Schlagfertigkeit unserer Heeres.
Damit schlägt K. in die gleiche Kerbe wie wir mit unserer Notiz in
Nr. 38 über die Krankenpflege.
— Im Kriegsmedizinischen Abend des Naturhistoriscb-medizini-
schen Vereins zu Heidelberg wurden zwei Themata von besonderer
Wichtigkeit verhandelt: die Einrichtung der Lazarettzüge und die
Behandlung des Wundstarrkrampfs. Dass die Lazarettzüge noch in
mancher Hinsicht verbesserungsbedürftig und verbesserungsfähig sind,
wurde dargelegt, und es wurden in dankenswerter Weise dahinzielende
Vorschläge der Versammlung unterbreitet. Es wäre sehr erfreulich,
wenn diese Anregungen recht bald ein geneigtes Ohr fänden, damit noch
in diesem Krieg das Los unserer braven Verwundeten nach Möglichkeit
erleichtert werden kann. Ein etwas ausführlicherer Bericht über diese
Sitzung findet sich in dieser Nummer unserer Wochenschrift. Auch werden
wir in der nächsten Nummer über die Behandlung des Tetanus von
berufener Seite eine Abhandlung zu bringen in der erfreulichen Lage sein.
— Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge¬
schlechtskrankheiten hat in Erkenntnis der grossen Gefahren, welche
erfahrungsgemäss in Kriegszeiten sowohl der Zivilbevölkerung wie der
ganzen Nation durch das ungeheure Anwachsen der Geschlechtskrank¬
heiten drohen, mit Unterstützung des „Gesamtausschusses zur Verteilung
von Lesestoff für die Soldaten im Felde und in den Lazaretten“ viele
Tausende ihrer Flugschriften zur Verteilung bringen lassen. Ausserdem
hat sie noch ein Merkblatt für Soldaten ausgearbeitet, das durch den
oben genannten Gesamtausschuss verteilt werden soll; andererseits aber
wird es Aufgabe der im Felde, in den Garnisonen und Lazaretten tätigen
Kollegen sein, selbst zur Verteilung des Merkblattes beizutragen. Die
Geschäftsstelle Berlin W., Wilhelmstr. 48, gibt jede gewünschte Anzahl
kostenlos ab. ,
— Unter den Aerzten, die bisher mit dem Eisernen Kreuz de¬
koriert wurden, sind mehrere Herren zu nennen, die als konsultierende
Chirurgen der Armee beigegeben sind; so die Herren Körte, Garrc,
Rinne, Mü II er-Rostock, Martens-Berlin. Ferner Herr Kollege Rudolf
Lennhoff, Oberstabsarzt und Chefarzt eines Feldlazaretts und Herr Stabs¬
arzt Prof. J o 11 y -Berln; auch Herr Kollege P. Un n a jun., aus dessen Feder
wir in dieser Nummer einen zeitgemässen, aber hoffentlich in Deutschland
nicht allzu aktuell werdenden Artikel bringen, wurde als Oberarzt im
II. bayerischen Armeekorps, 17. Inf.-Reg., mit dem Eisernen Kreuz de¬
koriert. Fernersind als dekoriertzu melden: Oberstabsarzt Bock, 2. Gardereg.
z. F. Oberstabsarzt Guttmann - Berlin-Wilmersdorf, Prof. v. Drigalski-
Halle, Stabsarzt Jos. Langheld, Oberstabsarzt Joh. Langheld, Stabs¬
arzt Mendelsohn-Berlin-Friedenau, Prof. Roemer-Strassburg, Stabsarzt
San..-Rat Wachsen - Britz, Kreisarzt Fromm - Frankfurt a. M., Bezirks-
arzt in München Dr. Becker, Stabsarzt im 2. Inf.-Reg., Dr. Böck-
MüneheD, Oberstabsarzt d. R. Koenlgsberger, Stabsarzt Kurt Man-
drowsky.
— Weitere Opfer des Krieges. Es fielen: Assistenzarzt
Angermann, sächs. Res.-Ulanenreg. Assistenzarzt W. Arnold aus
Leisnig i. Sa, sächs. Karabin.-Reg. Stud. med. A. Chüden aus Gifhorn,
Maat d. R. Rud. Dorn, Stabsarzt d. R. aus Saarlouis. Cand. med.
W. Elbs aus Freiburg i. B. Chr. Gollwitzer, einjähriger Unterarzt
im 9. bayr. Inf.-Reg. Assistenzarzt Wilh. Hammer, 166. Inf.-Reg.
Stud. med. J. Hesselt, Einj.-Freiw. im 9. bayer. Inf.-Reg. Assistenz¬
arzt Heussner, bad. Iuf.-Reg. Nr. 142. Cand. med. Einj. A. Kierzeck.
Stabsarzt d. L. Werner Meyer, Arzt in Starzwedel, gefallen bei einem
Angriff auf sein Lazarett. Stabsarzt d. R., San.-Rat H. Mai weg, Res.
Feldart.-Reg. Nr. 14, aus Langendreer. Stabsarzt Myslowitzer, 49. Inf.-
Reg., aus Schneidemühl. Stud. med. Aug. Puls, Vizefeldwebel d. R,
aus Pfalzburg. Cand. med. Scheffler, Student der Kaiser Wilhelms-
Akademie. — Es starb: Oberarzt d. L. I. W. Bartsch aus Breslau im
6. Armeekorps. — Es werden vermisst: Marinestabsarzt Fritz Bau¬
mann aus Passau (S. M. S. Mainz). Stabsarzt C. Becker aus Saarlouis,
San.-Komp. Nr. 3 des XVI. Armeekorps. Oberarzt d. R. Callenbacb,
Iof.-Reg. Nr. 41. Stabsarzt Engmann, Gren.-Reg. Nr. 100. Marine¬
assistenzarzt d. R. H. Grimm aus Schwerin. Stabsarzt Guttzeit, Feldart. -
Reg. Nr. 35, aus Deutsch- Ey lau. Ch. Hoepffner, Schiffsarzt auf einem
Lloyddarapfer. Assistenzarzt d. R. Jarnik, 5. Pionierbat., aus Glogau.
Einjfrei w. Marinearzt ArnoKirscheaus Thüssdorf i. Sa. (S. M. S. Mainz). —
Verwundet wurden: Oberarzt F. Conzen, 7. Inf.-Reg. Nr. 106, aus
Köln. Stabsarzt d. R. Dransfeld, Res.-Ulanenreg. (Kgl. Sächsisches).
Oberarzt d. R. E. Dünzelmann, Pionierbat. Nr. 26, aus Bremen.
Stabsarzt Gross, Feldart.-Reg. Nr. 80, Ers.-Abt. Stabsarzt W. Klemm,
Feldart.-Reg. Nr. 16, aus Stettin. Reg.-Arzt v. Korff, Res.-Feldart.-
Reg. Nr. 24. Stabsarzt d. Res. und Reg.-Arzt R. Müllerheim aus
Berlin durch Ueberfahrenwerden beim Bemühen, durchgehende Pferde
aufzuhalten. Stabsarzt Neumann, Res.-Jägerbat. Nr. 14, aus Colmar.
H. Reichardt aus Hünfeld. Oberarzt d. R. G. Wiedemann aus
Groltkau, 3. Feldkomp. Pionierbat. Nr. 5 Glogau.
— Infolge Einberufung zur Armee hat Herr Geheimrat v. Krehl-
Heidelberg die Redaktion des Archivs für klinisohe Medizin,
Verlag von F. C. W. Vogel, Leipzig, an Herrn Professor v. Romberg*
München, Richard Wagner-Strasse 2, übergeben, wohin alle zur Aufnahme
für das Archiv bestimmten Arbeiten einzureichen sind.
~ Hofrat Dr. Turban’s Sanatorium in Davos, welches soeben sein
25jähriges Jubiläum gefeiert hat, bleibt unter Leitung des Kaiserl. Rates
Dr. v. Voornveld weiterhin offen; der Begründer und bisherige Leiter
bat sich in Maienfeld (bei Ragaz) niedergelassen und wird von dort aus
Konsultativpraxis ausüben.
— Volkskrankheiten. Die Cholera soll sich in Serbien in be¬
drohlicher Weise ausdehnen, auch in Ungarn sind nach den Veröffent¬
lichungen des Kaiserl. Gesundheitsamtes eine Anzahl von Fällen vor¬
gekommen, nämlich im Dorfe Tokod 4, in Debreczin 2, in Budapest und
Gomonna je 1, auch in den Gefangenenlagern in Esstergom, Dunasserda-
hely und Somorja (Kr. Pressburg) wurden Cholerafälle ermittelt. Feiner
melden die Tageszeitungen einen Fall in Brünn, und das k. k. öster¬
reichische Sanitätsdepartement meldet 1 Fall bei einem Offizier in Wien
und 2 in Lisko (Galizien).
Hochschulnachriohten.
Frankfurt a. M. Zum Professor am anatomischen Institut wurde
H. Buntschli - Zürich berufen. — Giessen. Habilitiert: Dr. Göring
für Psychiatrie. — Halle. Zum Nachfolger v. Hippel’s wurde Sohieck-
Königsberg ernannt. — Königsberg. Privatdozent für Psychiatrie
‘Hallervorden im 62. Jahre gestorbeD. — Lemberg. Habilitiert:
E. Loth für Anatomie. — Prag. Hofrat Pawlick gestorben.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: prakt. Arzt und
polizeilicher Bezirksarzt Dr. Schroeter in Hamburg.
Versetzungen: ordentl. Prof. Dr. F. Schieck von Königsberg nach
Halle a. S., Kreisarzt Dr. Liedke von Gerdauen nach Woblau.
Pensionierung: Kreisarzt, Med.-Rat Dr. G. Mühlenbach in Wohlau.
Gestorben: Dr. P. Kühl in Wolgast, San.-Rat Dr. H. J arm er m
Lüben, Dr. F. J. Droeder in Borgentreich. __.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Han» Hohn, Berlin W., Bajrrenther8tras»«•
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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UNIVERSITV OF IOWA
Dl« Berlin« Klinisch« Wochonschrifi erscheint jcdflä
Uoatee in Nummern tob ca. 5—6 Bogon gr. 4,
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen
«Ile Buchhandlungen und Poatanstalten an.
BERLINER
Alle Einsendungen für die Redakiivn and Expedition
volle mau portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen«
Redaktion: Expedition:
Gei. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Haus Kohn. August üirschwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin.
Montag, den 12. Oktober 1914. JM 41. Einundfünfzigster Jahrgang.
I N H
Origlnaliei: Göppert: Beitrag zur Behandlung der Ruhr. S. 1697.
Brettner, Levy und Froehlich: Der Kriegssanitätsdienst in
Berlin. (Fortsetzung.) (IUustr.) S. 1698.
Nagel: Ueber einen Fall von geheilter Uterovesicalfistel mit ab¬
dominaler Exstirpation des Uterus. S. 1703.
Kretschmer: Ueber wahren Knochen im Auawurf. (Aus dem
poliklinischen Institut für innere Medizin der Universität Berlin.)
S. 1704.
Bftcherbesprechnigeik : Körner: Lehrbuch der Ohren-, Nasen- und
Kehlkopfkrankheiten. S. 1705. (Ref. Beyer.) — Kraemer: Aetio-
logie und spezifische Therapie der Tuberkulose, nach vorwiegend
eigenen Erfahrungen. S. 1706. (Ref. Samson.) — Ribbert: Ge¬
schwulstlehre für Aorzte und Studierende. S. 1706. Heck und
Hilzheimer: Brehm’s Tierleben. S. 1706. (Ref. v. Hansemann.)
Beitrag zur Behandlung der Ruhr.
Von
Prof. F. Göppert-Göttingen.
Zu den Infektionskrankheiten, die einen Krieg zu begleiten
pflegen, gehört vor allen Dingen die Ruhr. Der Krieg von
1870/71 hat gezeigt, welche Ausdehnung diese Krankheit zu
nehmen vermag. So liegt der Gedanke nicht allzu fern, dass wir
auch diesmal nicht verschont bleiben werden. Mir scheint daher
erlaubt, in Kürze die Gesichtspunkte anzugeben, die sich in der
Behandlung der einheimischen Ruhr während der letzten 14 Jahre
dem Kinderarzt ergeben haben. Sache der Praxis muss es sein,
za prüfen, welche Bedeutung diesen Erfahrungen für die Behand¬
lung des Erwachsenen zukommt.
Seit dem Jahre 1900 habe ich wiederholt grössere Epidemien von
ansteckenden ruhrartigen Darmkatarrhen beobachten können, und zwar
sowohl in Schlesien 1 ) wie in Göttingen. Eine grössere Epidemie dieser
Art ist 1911 von E. A. Frank 2 ) aus meiner Klinik beschrieben worden.
Die bakteriellen Untersuchungen hatten zum Teil durch Verspätung der
Aussaat negative Resultate ergeben. Seit 1912 und 1913 ist jedoch in
ganz Deutschland und auch bei uns der Nachweis erbracht worden, dass
diese Epidemien durch den Flexner’achen Bacillus bzw. durch den Typus
Y und Verwandte erzeugt wurden 8 ). Neuerdings ist auch auf die Be¬
deutung der Krankheit bei Erwachsenen von Mayer 4 ) hin gewiesen
worden.
Hierzu gesellen sich die Erfahrungen einer recht grossen Epidemie,
die wir in diesem Frühling und Hochsommer in Süd-Hannover beobachten
konnten. Gerade diese letztere Epidemie bietet, vereint mit früheren
Beobachtungen an der russischen Grenze soviel Parallelen mit den
Formen der Ruhr, wie sie früher in Deutschland beobachtet wurden,
dass ieh mich berechtigt glaube, wenigstens die Vermutung auszusprechen,
üass hier gewonnene Erfahrungen auch bei der Behandlung Erwachsener
Berücksichtigung verdienen.
Es herrscht im allgemeinen eine etwas optimistische An¬
schauung über die Behandlung mit Adsorbentien. Das zweifellos
wirksamste Mittel dieser Art, die Merck’sche Tierblutkohle,
1) Göppert, Ueber Behandlung von Darmkatarrhen. M. KL, 1911.
2) E. A. Frank, Jb. f. Kindhlk., Bd. 76.
8) Blühdorn, Mschr. f. Kindhlk., Bd. 13, Nr. 1.
4) Mayer, M.m.W., 1914, Nr. 36.
ALT.
Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1707. — Therapie. S. 1708. —
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1708. —
Innere Medizin. S. 1708. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1708. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1708. — Geburts¬
hilfe und Gynäkologie. S. 1709. — Unfallheilkunde und Ver¬
sicherungswesen. S. 1709.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaftea: Laryngologische Gesell¬
schaft zu Berlin. S. 1709. — Hufelandische Gesellschaft
zu Berlin. S. 1712. — Aerztlicher Verein zu München.
S. 1713.
Jacoby: Ernst Salbowski zum 70. Geburtstage. S. 1714.
H. Kohn: Pan-germanism In Medicine — Tho WhatWill It Lead? S. 1715.
Tagesgesohiohtliohe Notizen. S. 1715.
j Amtliche Mitteilungen. S. 1716.
hat den grossen Nachteil, eben auch die Verdauungsfermeute zu
adsorbieren. Die Folge davon ist schwere Appetitlosigkeit und,
da der Hunger, wie später auszufübren, eine deletäre Bedeutung
auf die Dauer ausübt, so könnte man höchstens daran denken,
dieses Mittel iu den allerersten Tagen der Krankheit zu ver¬
wenden.
Per rectum angewandt, leistet die Kohle nicht mehr und nicht
weniger als der Ton (gehäufter Esslöffel Kohle auf je 1 1 warmer
Kochsalzlösung. 1—21 als hohes Klystier). Wie der Ton be¬
wirkt er in vielen Fällen ein Nachlassen der Tenesmen und eine
Verringerung der Stuhlzahl. Auch das subjektive Befinden wird
mitunter günstig beeinflusst (jeden 2. Tag ein Klystier).
Ausser dieser rectalen Anwendung (eine Handvoll Bolus
alba, 1 Teelöffel voll Salz auf 1 Liter Wasser) wird der Ton
vielfach als innerliches Mittel begeistert gepriesen, aber doch nur
von denen, die dies Mittel bei den so häufigen leichten Ruhr¬
fällen älterer Kinder und Erwachsener anwenden. Denn es ist
festzuhalten, dass selbst schwer toxische Fälle innerhalb 1 bis
2 Tagen unter einfacher Wasserdiät heilen können. Wenn dies
aber nicht der Fall ist, ist auch nur die Beeinflussung der Stubl-
zahl oder gar des Allgemeinbefindens beim ernst kranken Kinde
durch grössere innere Tongaben unmöglich. Alle Adstrin¬
gen tien sind wirkungslos im akuten Stadium. Als einziges
nicht appetitverderbendes Mittel käme die alte Biermer’sche
Mischung in Betracht, die imstande ist, die bereits in ihrem Ver¬
laufe abgeschwächte Ruhr schneller zur Heilung zu bringen.
Decocti Ratanhiae (50,0) 450,0
Extr. Campechiani 5,0—8,0
Sir. Cinnamoni ad 500,0
6—6 mal täglich 20—30 g.
Trotz dieser bescheidenen Wirkungsweise ist diese Arznei
oder ihre Komponenten der Anwendung wert.
Das wichtigste Arzneimittel scheint immer noch das
Ricinusöl zu sein. Ob seine fortgesetzte Anwendung aber zu
empfehlen ist, ist fraglich, ln den ersten Erkrankungstagen oder
wenn der Patient bisher unzweckmässige Kost zu sich genommen
hat, ist dieses Mittel unersetzlich und wird durch einen hohen
Toneinguss zweckmässig unterstützt.
Nach nicht reichlichen Erfahrungen möchte ich das Opium
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UNIVERSUM OF IOWA
1698
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 4L
oder auch Uzara nicht ganz aus der Behandlung der Rahr ent¬
fernen. Bei starken schmerzhaften Tenestnen, wenn dauernd Eiter aus
dem Mastdarm ausgepresst wird, ist Opium per os oder als Stuhl¬
zäpfchen und wohl ebenso Uzara und Uzarazäpfchen durchaus nützlich.
Namentlich sollte man sich nicht davon abhalten lassen, diese Mittel
gelegentlich, wenn auch nicht regelmässig und prinzipiell zu
verwenden. Erfahrungen alter Aerzte lehren uns auch, dass die
Kombination von Opium und Rieinusöl zweckmässig sein kann.
Dass ein paar Opiumtropfeo bei p>ssageren leichten Rubrformen
ganz ausgezeichnet wirken können, hat wohl jeder auf einer
Reise schon erfahren. Dass dauernde Opiumgaben meist recht
unzweckmässig sein dürften, spricht nicht gegen die Anwendung
zum Zweck der Zügelung übermässiger Reaktion.
Die alimentäre Behandlung der Ruhr ist gewiss bei
einem grossen Teil der Fälle, soweit es sich um Erwachsene
handelt, nicht von derselben Wichtigkeit wie bei Kindern. Es
ist aber fraglich, ob wir die Erfahrungen der Friedenszeit auf die
Patienten der Kriegszeit ausdehnen dürfen. Handelt es sich doch
vielfach um durch Wunden oder Anstrengung geschwächte Indi¬
viduen. Für die alimentäre Behandlung der Dysenterie ergeben
sich aber folgende Anhaltspunkte:
1. Im allerersten Anfang ist strengstes Fasten notwendig,
und auch später ist jedes Zuviel und alles Unzweckmässige in
der Nahrung imstande, den Krankheitsverlauf bösartiger zu ge
stalten.
2. Hunger, auch partieller Hunger bei einseitiger Kohlen¬
hydratkost verschlimmert im weiteren Verlaufe den Zustand, sie
ist oft mit schuld an der verlängerten Dauer desselben.
3. Nach Beseitigung der akuten Ruhr sind vielfach die Ver¬
dauungsorgane so labil, dass sekundäre Störungen, z. B. auch
motorische Insuffizienz des Magens, den Heilungsverlauf unter¬
brechen.
Die ersten I—2 Tage mögen daher der alten Schleimdiät
gewidmet sein, die man jedoch durch Analeptica, wie Fleisch¬
suppe (Fleischextrakt, guten Tee usw.), erträglicher gestalten
kann. Beim Kinde sind nur die ersten 24 Stunden der Teediät
gewidmet, und zwar auch dann nur solange, wenn das Kind nicht
vorher ausgehungert ist. Dann aber verliert die Inanitionskur
jeden Heilwert, und die Ernährung muss beginnen.
Schädlich für den Verlauf der Ruhr ist alles, was einen
langsameren Ablauf der Verdauung verschulden könnte, d. h.
ausser gröberen Nahrungsbestandteilen das Fett. Ferner ist ein
Uebermaass von gärungsfähigem Material, und zwar Zucker voll¬
ständig, von anderen Kohlenhydraten nur eben das Uebermaass,
zu vermeiden.
Als Nahrung aber braucht der Patient:
1. die Mineralstoffe, die nötig sind, um die Verluste des Körpers
zu decken.
2. dasEiweiss in einer möglichst schnell zu absolvierenden Form,
3. als Grundlage, aber nicht so ausschliesslich wie vielfach ge¬
schieht, die Kohlenhydrate.
Die Salzzufuhr 1 ), die beim Säugling oft das Allerwichtigste
der ganzen Behandlung ist, kann gedeckt werden durch die Molke
der Milch, z. B. 500—GOO g Molke mit 300—400 g dickem Hafer¬
schleim, auf 4—5 Mahlzeiten verteilt. Dazu noch einmal Schleim
oder gut gerührte Kartoffelsuppe mit Fleischextrakt oder Fleisch¬
suppe. Sehr zweckmässig ist auch die Buttermilch, namentlich
bei den Mageninsuffizienzen des späteren Verlaufs, ln letzteren
Fällen zweckmässig in 2—3 stündlichen kleinen Gaben, sonst in
4—5 Mahlzeiten zu etwa 500 - 800 g pro die. Auf den Liter sind
1 _ii/ 2 gehäufter Esslöffel Mehl oder am besten je 1 Esslöffel
MehLund Näbr-Maltose oder Nährzucker hinzuzufügen. Ob Rohr¬
zucker ebenso harmlos ist, weiss ich noch nicht. Nicht zu ver¬
achten ist ferner mit der Fleisch presse frisch ausgepresster Fleisch¬
saft (2 mal täglich 50 g) und bei längerer Dauer der Krankheit,
besonders bei Neigung zu Stomatitis etwas frisch ausgepresster
ungezuckerter Fruchtsaft, z. B. Apfel- oder die Wormser unge-
gorenen Traubensäfte 3 mal täglich 10—15 g. Unterstützt wird
die Salzzufuhr sehr zweckmässig durch alkalisch-muriatiscbe
Säuerlinge, aber namentlich auch durch den Wiesbadener Koch¬
brunnen (V* 1 pro Tag). Auch vergesse man nicht die Salzung
der Speisen. , .
Das Ei weiss ist in der Buttermilch, im Fleischsaft, ja auch
in der Molke soweit genügend vorhanden, dass Zusatz von künst-
1) Dosen für Erwachsene berechnet.
liehen Präparaten den übrigen Bedarf zweckmässig decken kann.
Es ist selbstverständlich, dass wir hierzu Dicht kostbare Präparate
wählen. Uns liegt Plasmon am nächsten (1—2 gehäufte Teelöffel
pro Mahlzeit), doch ist auch Tropon gewiss sehr brauchbar. Ich
möchte aber hervorheben, dass fein zerschnittenes oder zermahlenes,
fettfreies Fleisch auch beim jungen Kinde bei schwerer Rohr
2 mal täglich in Dosen von 30 g einer Gries- oder Kartoffelsappe
oder später dem Kartoffelbrei zugefügt, durchaus vertragen wird
zu Zeiten, wo jede Milchzulage Störungen auslöst. Am 4. bis
5. Tage kann man es fast jedem älteren Kinde gern gestatten.
Von Kohlenhydraten verdient der Haferschleim, die Kar¬
toffel (selbstverständlich in feinst verteilter Form) und schliesslich
der Weizen- oder Hafergries vor den chemisch reineren Mehlen
wohl den Vorzug. Sobald Hunger- und Essbedürfnis eiotritt, ist
der Zwieback, der möglichst trocken zu kauen ist, als Zulage zur
Nahrung in recht langsam ansteigenden Dosen zu empfehlen. Wie
erwähnt, ist der Kartoffelbrei als Zusatz zum Mittagessen (2 bis
4 Esslöffel voll) sehr am Platze.
Das Fett ist in genügenden Resten in der Buttermilch ent¬
halten. Auch die Molke ist in Wirklichkeit nicht absolut fett¬
frei. Die erste Fettzulage erfolgt zweckmässig als ein Teelöffel
voll brauner, sorgfältig in Kartoffelbrei verrührter Butter. Doch
hat man keine Veranlassung, sich in dieser Beziehung zu beeilen.
Das Gleiche gilt vom Gemüse. Bei schwerer Rekonvaleszenz
mag man sich des Friedentbal’scben Gemüsepulvers erinnern.
Sonst warte man den Eintritt des normalen Stuhles ab. Gestattet
ist jedoch das Mitkochen von 1 / 2 Pfund Mohrrüben auf 11 Fleisch¬
brühe. Die Mohrrüben werden nicht verabfolgt.
Der Kriegssanitätsdienst in Berlin.
(Fortsetzung.)
III.
Kriegsgefangenenlazarett Alexandrinenstrasse.
Von
Generaloberarzt Dr. Brettner.
Am Eingang der alten Dragonerkaserne weht die Flagge des
roten Kreuzes im weissen Feld. Hohe Akazien schauen über die
Mauer, auf Pfeilern des Tores halten altersgraue Panter Wacht.
Schutzleute mit Karabinern sperren den Bürgersteig. Die Fenster
sind zur Hälfte weiss getüncht. Ein Garde-Landwehrmann mit
aufgepflanztem Seitengewehr steht Posten. Statt der Garde-
Dragoner Eskadron, die ins Feld gezogen ist, bewegen sich auf
dem geräumigen Kasernenhof, einem Millionengrundstück Alt-
Berlins, abgeschlossen vom Getriebe der Welt, Russen in bräun¬
lichen Felduniformen mit hoher schrägsitzender Mütze ohne
Kokarde, io tadellosen hohen Schaftstiefeln; einzelne mit umge¬
hängten braunen Mänteln. Sie tragen Verbände am Kopf, den
Arm in der Binde oder gehen auf Stöcke gestützt.
Ein Kriegsgefangenenlazarett für 500 Verwundete.
Im Jahre 1780 wurde die Kaserne unter Friedrich dem
Grossen nach den neuesten Erfahrungen erbaut. Ein Mittelbau
mit zwei Flügeln, im Erdgeschoss die Ställe, im Obergeschoss
Mannschaftsräume und Unteroffizier-Familien Wohnungen, welchen
sich an der Strasse Offizier- und Verwaltungszimmer, Wachtstube,
Küche und Schmiede anschliessen.
Durch den Torweg ritt der alte Zieten als Chef der 3. Husaren
aus und ein. Die Familie von Zieten vermachte dem Staat das
Grundstück bis zn dem Tage, an welchem die militärische Be¬
nutzung nicht mehr stattfinden würde.
Am 26. August, 9 Uhr vormittags, erging der Befehl, die alte
winklige Kaserne in ein modernes Lazarett umzuwandeln.
In der Wachtstube, in welcher noch drei Dragoner a
Kasernenwache lagen, befand sich das Telephon. Zunächst wur e
die Unteroffizierfamilien veranlasst, sofort auszuziehen, dann
Ersatzeskadron ersucht, Dunghaufen und lagernde Montierung®
stücke abzufahren. Vom Arbeitsnachweis wurden 60
frauen mit Besen und Eimern angefordert. Kasernenbettste
blieben stehen. Inzwischen wurde die in der Nähe befind ic
Volks-Speisehallen-Gesellschaft veranlasst, innerhalb 24 bwn
für Verpflegung zu sorgen. Die Garnisonverwaltung l|? e
250 Betten mit Strohsäcken und Bettzeug. Zur Vervollständigen g
worden 150 Strohsackbezüge von der Firma Grünfeld angefor
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Gck igle
Original fram
UNIVERSITY OF IOV77T
12. Oktober 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1699
und mit Dragonerstroll gestopft. Die sechs zur Behandlung be¬
stimmten Zivilärzte wurden einberufen, ebenso 24 Ersatzreserve¬
krankenwärter, die noch nie im Sanitätsdienst beschäftigt waren.
Zur völligen Sicherstellung des Dienstes wurden Aerzte und
Personal aus dem Reservelazarett Königstadt abkommandiert,
Meldung an das Sanitätsamt: Am 27. August, 6 Uhr abends,
steht das Lazarett für 500 Verwundete bereit. — —
Wir schreiten über den geebneten Reitplatz, auf welchem vor
kurzem noch der Sand in Staubwolken auf wirbelte, und von
welchem Hürde und Sprunggraben verschwunden ist. Im süd¬
westlichen Flügel sind zu ebener Erde in dem Raum, in welchem
sich vier Duschen befanden, vier neue Badewannen eingesetzt, in
welchen an einzelnen Tagen 150 Bäder durch einen Bademeister
der freiwilligen Krankenpflege verabreicht worden sind. Die
übrigen Räume des Erdgeschosses, in denen sich Bozen und Ab-
8onderungsställe befanden, waren zu Lazarettzwecken unbrauchbar.
Nur ein Leichenöffnungsraum konnte dort eingerichtet werden.
Die Treppe mit ausgetretenen Holzstufen führt zum Obergeschoss.
Ein- und zweifenstrige kleine Stuben liegen an der Hofseite und
münden in einem breiten Flur, der durch die hohen Wände der
Nachbargebäude verdunkelt ist.
Mit grosser Mühe ist es gelangen, ein Zimmer ausfindig zu
machen, welches geeignet war, zum modernen Operationssaal um¬
gewandelt zu werden. Der vierfenstrige Raum hat einen weissen
Emaillefarbanstrich der Wände und Decke erhalten und ist mit
Linoleum belegt. Zwei Waschbecken, ein Ausguss, Gasglühlicht
über dem Operationstisch ist angebracht. Das Zimmer war am
fünften Tage vollständig fertig eingerichtet.
In diesem Flügel sind Schwerverwundete, die noch transport¬
fähig waren, untergebracht, unter ihnen vier Offiziere, deren
Zimmer ebenso ausgestattet sind wie die Mannschaftsräume.
Ausser den schon vorhandenen Flurklosetts sind drei Klosetts
neu eingebaut. An einem Ende des Flurs befindet sich ein
grösseres Eckzimmer mit 30 Betten, welches unter dem Zwang
der Verhältnisse während der ersten Wochen stark überlegt war.
Doch hat der für den einzelnen Mann gering bemessene Luftraum
keine Schädigung gebracht. Das andere Ende des Flurs war
durch eine Montierungskammer gesperrt, so dass die militärische
Bewachung unübersichtlich war. Erst nach Eingewöhnung der
Gefangenen konnte die Wache von 42 Mann auf 6 Mann ver¬
mindert werden.
Das Obergeschoss des gegenüberliegenden nordöstlichen
Flügels hat die gleichen Räume, von denen drei kleine Zimmer
als Verbandzimmer, ein viertes als Röntgenzimmer eingerichtet
ist. Die Ställe sind hell, da ein Garten angrenzt. Durch die
145 X 100 grossen Drehfenster an beiden Seiten ist sehr gute
Lüftung zu erzielen. Es lag daher nahe, auch diese Räume zu
Krankensälen zu benutzen.
Nachdem der Dung entfernt war, reinigten Scheuerfrauen
den Augiasstall. Durch starke Chlorkalkberieselung des Bodens,
durch Zementausfüllung der Fugen zwischen den roten Ziegel¬
steinen, durch Tünchen der Wände, Decken und Pfosten wurde
die Desinfektion so gründlich durchgeführt, dass nicht der leisteste
Ammoniakgeruch mehr vorhanden war. Durch die gute Gegenlüftung
und Belichtung während der sonnigen Tage war auch der Chlor¬
geruch sehr schnell beseitigt. Der Boden wurde im ganzen ge¬
dielt, nur in dem Stall rechts vom Eingang blieb wegen der
hohen Kosten der Mittelgang umgedielt. Kammern und Vorrats¬
räume an beiden Enden des Flures wurden durch eine Bretter¬
wand abgeschlossen. Sechs Klosetts waren vorhanden, eiserne
Oefen wurden anfgestellt.
In Ermangelung von Bettstellen wurden die Leichtverwundeten
auf Strohsäcken und Strohschüttung gelagert und mit Decken ver¬
sehen. Eine gesundheitliche Schädigung ist in keinem Falle
entstanden. Die Leute fühlten sich sehr bald so behaglich, dass
man den Eindruck hatte, dass die Mehrzahl von ihnen während
ihres ganzen Lebens nicht so gut untergebracht war. Ein Unter¬
offizier hat den Wunsch ausgesprochen als Deutscher naturalisiert
zu werden.
Die Räume des Mittelbaues weichen nicht von denen der
Seitenflügel ab.
Die links vom Haupteingang liegende Küche mit vier Senking-
schen Kesseln ist mit Hinzunahme eines Nebenraumes durch zwei
Kessel ergänzt worden. Den Küchenbetrieb hat die Gesellschaft
der Volksspeisehallen endgültig übernommen.
Vier heizbare Kriegsbaracken mit je 30 Betten sind auf dem
Hofe fertiggestellt. Die Anssenwände sind mit Teerpappe, die
Innenwände sind mit grauer Pappe belegt, Wände und Decken
weiss gestrichen. Ausser dem Krankensaal enthalten die
Baracken einen Wärterraum, einen Baderaum mit einer Wanne
und einen Anbau mit zwei Spülklosetts.
Im ganzen sind 72 Oefen täglich zu heizen.
Die Verwundeten waren von vier Feldschern, die unseren
Sanitätsunteroffizieren entsprechen, begleitet. Sie trugen sehr gut
eingerichtete Verbandtaschen und waren gut geschult.
Die Verständigung mit den Russen war ohne Schwierigkeit
herzustellen. Es fanden sich unter ihnen Leute aus den Ostsee¬
provinzen und jüdische Handlungsgehilfen, die neben russisch
und polnisch auch deutsch verstanden. Ferner sind drei deutsche
Herren als freiwillige Dolmetscher in dankenswerter Weise dauernd
tätig.
Die Mehrzahl der Gefangenen sind kräftige, ebenmässige
Gestalten, blond mit blauen Augen, mit natürlicher Intelligenz,
die wenig ausgebildet ist, und mit gutmütigem Gesichtsausdruck.
In der Minderzahl tritt der schwarze Typus auf, der polnische,
der russische Jude und der Südrusse. Vereinzelt finden sich
Armenier, Grusinier und Tscherkessen. Sie sind sämtlich Infante¬
risten, unter ihnen nur ein Feldwebel und sechs Unteroffiziere.
Das Alter schwankt zwischen 19—45 Jahren. Ihr Verhalten
war dauernd ordnungsmässig.
IV.
Die ersten Wochen kriegschirurgischer Tätigkeit.
Von
Dr. William Levy.
Am 3. September d. J. habe ich den Auftrag erhalten, den
ordinierenden Aerzten des Kriegsgefangenen-Lazaretts Alexandrinen-
strasse als Chirurg zur Seite zu stehen. In den wenigen Wochen
unserer Tätigkeit haben Eindrücke auf uns eingewiikt, die kaum
einer von uns vergessen wird.
Zunächst die Erinnerung daran, wie das Lazarett eingerichtet
und die Organisation seines umfangreichen und vielgestaltigen
Dienstes geschaffen wurde. Dem Reservelazarettdirektor und dem
Chefarzt war hier die nicht leichte Aufgabe gestellt, in Verbindung
mit Zivilärzten, die aus ihrer Friedenstätigkeit plötzlich abgernfen
waren und deren Arbeitsgebiet zum Teil der Chirurgie sehr fern
lag — von unseren Kollegen ist der eine Neurologe, einer Derma¬
tologe, einer Histologe — in einem bisher als Kaserne benutzten
alten Bau in wenigen Tagen ein Krankenhaus für 600 chirurgische
Kranke einzuricbten. Und diese Anstalt konnte nicht allmählich
| belegt werden; der grösste Teil unserer Kranken kam in zwei
grossen Schüben. Zum Teil waren sie bereits in anderen Kranken¬
häusern versorgt; aber wenigstens die Hälfte kam unmittelbar
vom Schlachtfelde mit dem ersten Verband; in der Kleidung,
welche noch die Spuren des Blutes und der überstandenen
Strapazen trug.
Es waren unter diesen russischen Gefangenen Burschen von
wildem trotzigen Aussehen, denen man wohl die Schandtaten an
der Ostgrenze Zutrauen konnte; eine Auslese von all den Stämmen,
welche den Koloss des Zarenreiches bilden: Armenier, Tartaren,
Leute mit den vorstehenden Backenknochen und den schlitzförmigen
Augen der Mongolen. Dem einen war das wollige schwarze Haar
genau auf der einen Kopfhälfte mit der Maschine ganz kurz ge¬
schoren; die Grenze bildete die Pfeilnaht. Aus der Baderstube
war er zum Militärdienst geschleppt, zum Kampf geführt und aus
der Gefangenschaft zu uns gebracht worden. Wir sahen aber
auch kräftige Menschen mit strammer soldatischer Haltung; be¬
trachtete man ihr kurz geschnittenes blondes Haar, sah man in
die treuen blauen Augen — man konnte glauben, es wären Söhne
unserer Mark.
Und diese ganze aus vielen Stämmen zusammengebrachte
Schar musste zunächst auf die Räume verteilt werden; sie musste
gereinigt, gekleidet und ärztlich versorgt werden. Die Schwer¬
kranken mussten von den Leichtverletzten gesondert, die Verbände
nacbgeseben werden. Sprechen konnten wir mit unseren Patienten
kaum; nur wenige von uns verstauden einige russische Brocken.
Es war ein Glück, dass unsere Verwaltung für die genügende
Anzahl von Dolmetschern gesorgt hatte.
Jetzt verläuft unsere Tätigkeit allmählich in ruhigeren
Bahnen. Es muss einer späteren Zeit Vorbehalten bleiben, die
Erfahrungen zu sichten, welche wir hier zu sammeln so reichlich
Gelegenheit haben; die ärztlichen Beobachtungen wissenschaftlich
zu verwerten und auch — was unserer Ansicht nach nicht ohne
1 *
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UNIVERSUM OF IOWA
1700
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 41.
Interesse sein wird — zu zeigen, in welcher Weise Aerzte und
Verwaltung zusammen wirkten.
Zunächst nur eine kleine Zahl kasuistischer Mitteilungen und
einige kurze Bemerkungen über den ersten Verband.
Abbildung 1.
Abbildung 3 a.
Ich sah Verwundete, denen die Verbände nach allen Regeln
der Kunst angelegt waren. Reichlich Tupfer auf den Wunden,
darüber die Verbandwatte und zuletzt die Binden. Ein Teil der
Verbände war gelockert und verschoben, einige Wunden waren
ungeuügend bedeckt und eiterten.
Und dann sah ich Verwundete — nun, ich batte von ihren
Verletzungen in kriegschirurgischen Schriften schon so manches
gelesen, aber doch — ich war zunächst überrascht.
Abbildung 3 b.
Vor mich hin tritt in strammer Haltung Arsen W. (Kapers g • >
aufgenommen am 31. August 1914. Auf Abbildung 1 wt^bei
durch Kohlenstriche die rechte und linke 12. Rippe bezeichn ,
der rechte Darmbeinkamm, bei d siebt man die Wunde, aie ^
zuvor durch einen Bajonettstich erhalten hat; sie ist nur
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ttNivERsrrv ui- iuwt
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UNIVERSUM OF IOWA
1702
Nr. 41.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
V.
lieber Schussverletzuiigcn von (»ehirnnerven.
Von
Dr. E. Froehliih,
Stationsarzt am Kriogsgofangenenlnzarett Alexandrinenhlrasse.
Das moderne, kleinkalibrige Geschoss setzt auch an einem
so empfindlichen Teil wie das Gehirn heute in vielen Fällen nicht
mehr so schwere Verletzungen, wie man in früheren Kriegen be¬
obachtet hat. Es ist keine Seltenheit, dass durchdringende
Schädelschüsse genau so reaktionslos verlaufen wie durchdringende
Brust- und Bauchschüsse. Eine Verbesserung hat die Prognose der
Gehirnverletzungen durch Geschosse auch noch durch die früh¬
zeitige Trepanation erfahren: Drucksteigerung und Haematome
werden dann eben nach den neueren Prinzipien behandelt, die
man bei Betriebsunfällen den Kopftraumen gegenüber zur An¬
wendung bringt. Wenn auch die danebengehende Chokwirkung
hier wie dort die gleiche ist, ist man doch im Felde zu be¬
sonders schnellem Handeln verpflichtet und kaun oft nicht
warten, bis der Kranke in das nächste grössere Lazarett gelangt
ist. Gewehrschüsse werden freilich etwas seltener Drucksteige¬
rung verursachen als Betriebsunfälle, es sei denn, dass sie eine
grössere intracranielle Blutung gesetzt haben. Im Gewerbebetriebe
pflegt die Wucht des Anpralls seitens desjenigen Gegenstandes,
welcher das Trauma setzt, ein ungleich heftigerer zu sein. Darum
gehört auch bei Schädelschüssen die Spätapoplexie entschieden
zu den Seltenheiten, Häufiger hingegen finden sich Brüche des
Schädelgrundes, welche durch ihren Sitz und die ausgelösten
Folgen einiges Interesse beanspruchen.
Herr Geheimrat Settegast hatte die Freundlichkeit, in den
drei unten beschriebenen Fällen die Röntgenaufnahmen zu machen.
Die beobachteten Fälle bieten bei erheblich voneinander ab¬
weichenden Schusskanälen einen ähnlichen Syraptomenkoraplex.
Fall 1 betrifft einen 27 Jahre alten russischen Infanteristen. Ueber
den Hergang der Verletzung vermag er nichts weiter anzugeben, als
dass ihn beim Laufen ein Gewehr- oder Scbrapnellschuss aus ihm unbe¬
kannter Entfernung von vorn in die rechte Backe traf (Abbildung 1).
Abbildung 1.
Er fiel sofort um und will etwa b Minuten bewusstlos gelegen haben.
Die Wunde soll sehr stark geblutet haben, und er bemerkte sofort, dass
er auf dem rechten Auge nicht sehen konnte. Auf dem Felde vom Feld¬
scher verbunden, kam er nach dreitägiger Bahnfahrt mit diesem Verband
in ein Berliner Lazarett, wo der Verband erneuert wurde; nach 4 Tagen
kam er mit diesem Verband zu uns. Bei seiner Aufnahme 9 Tage nach der
Verletzung erhob ich folgenden Befund, der bis auf die PupillenstöruDg un¬
verändert geblieben ist: Die rechte Pupille warmittelweit, rund, licbtstarr;
die Bindehaut stark geschwollen und gerötet, eitrig belegt. Die Bindehaut¬
entzündung schwand bald, die Pupillenreaktion ist jetzt regelrecht.
Bindehaut- und Hornhautrefiex sind aufgehoben. Die Untersuchung mit
dem Augenspiegel ergibt rechts eine völlig weisse Papille. Finger¬
zählen ist nicht möglich. Die Augenbewegungen sind frei. Zeitweise
tränt das Auge stark. Bei der Aufnahme klaffte die Oberkieferhöhle
weit, aus der Tiefe quoll reichlich Eiter, eine Fortsetzung des Schuss¬
kanals war nicht zu sehen. In der Folge schloss sich das Antrum,
unter Nachlassen der Eiterung, auffallend schnell. Die Zahnreihen
konnten anfangs etwa nur 2 cm auseinander gebracht werden; auch dies
ist mit der Zeit besser geworden. Unverändert hingegen sind Verände¬
rungen im Gebiete des 7. und 8. Gehirnnerven, betreffs deren sich
beute wie damals folgendes ergab: Der rechte Facialis ist in allen
drei Aesten völlig gelähmt, Lidschluss unmöglich, der Augapfel
geht in typischer Weise nach oben. Das Zäpfchen steht gerade, die
Zunge wird gerade herausgesteckt. GescbraackempfioduDg an sich ist
auf der Zunge vorhanden, nur wird sauer und süss verwechselt. Die
Sensibilität ist an der Zunge, wie auch sonst an der rechten Kopfseite,
intakt. Der Geruch ist links fast aufgehoben, rechts normal, links er¬
folgt bei dieser Prüfung Augentränen, rechts nicht. Flüstersprache wird
rechts nur nahe dem Ohr und undeutlich wahrgenommen, links in nor¬
maler Weise. Der Processus mastoideus ist nicht klopfempfindlich.
Stimmgabelprüfung ergibt eine Aufhebung der Knochenleitung nach links.
Der Kranke hat wenig Beschwerden, er klagt nur über etwas Ohren¬
sausen.
Das Röntgenbild zeigt einen kleinen Granatsplitter, der in der Höhe
der Orbita liegt, anscheinend nach hinten zu an der Schädelbasis.
Wir finden also eine einseitige Verletzung des gleichseitigen
Opticus, Facialis, Acusticus (Olfactorius?). Ich hatte klinisch
angenommen, dass das Geschoss durch die Orbita in den Schädel
eingedrungen ist, hierbei den Opticus durchtrennt hat und dann an
der Basis Acusticus und Facialis streifte. Das Röntgenbild stützte
diese Auffassung. Ein operativer Eingriff dürfte in funktioneller
Hinsicht somit wenig erfolgversprechend sein.
Fall 2 und 3 betreffen Bruchschüsse des Felsenbeins.
Fall 2 hat den Einschuss an der liuken Oberlippe in Hphe des
Mundwinkels, den Ausschuss dicht hinter der Ohrmuschel. (Abbildung 2.)
Es handelt sich um einen Gewehrschuss, Patient wurde in liegender
Abbildung 2.
Stellung aus 200 m getroffen. Er hatte keine Ohnmacht, nur sofort ein
Rauschen im Kopf, das so stark war, dass er den Lärm der Schlacht
nicht mehr hörte. Die Wunde blutete stark, ob auch eine BlutuDg aus
dem Ohr erfolgte, vermag er nicht anzugeben. Das heftige Ohrgeräusch
hielt 24 Stunden an, die linke Backe schwoll unförmlich. Nach Anlegung
eines Notverbandes durch den russischen Feldscher erhielt er schon
x /< Stunde darauf einen festen Verband auf dem deutschen Verbandplatz.
Mit diesem Verband kam er nach 3 tägiger Bahnfahrt nach einem Berliner
Lazarett, der Verband wurde dort gewechselt und nach weiteren 5 Tagen
kam Pat. zu mir. Bei seiner Aufnahme, 9 Tage nach der Verletzung,
konnte Pat. den Mund nur ganz wonig öffnen. Er klagte über links¬
seitigen Kopfschmerz und Schwindelgefübl beim Bücken. Die Pupillen
waren reizfähig, Conjunctival- und Corneralreflexe erhalten. Der Ui-
Schluss war links bedeutend besser wie rechts. Der erste Ast aes
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Original frum
UNIVERSITV OF IOWA
32. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Facialis war ein wenig schwächer wie rechts, die vom zweiten Ast ver¬
sorgten Muskeln blieben unbeweglich, der linke Mundwinkel hängt, die
Nasolabialfalte ist verstrichen. Die Sensibilität ist links an der Stirn
erhalten, an Backe und Nase aufgehoben, am Kinn herabgesetzt. Der
Geruch ist links deutlich herabgesetzt, rechts normal. Der Geschmack
ist ungestört, die Zunge wurde gerade herausgesteckt. Laute Sprache
wird links in 1 m Entfernung gehört, Flüstersprache gar nicht. Rechts
sind die Verhältnisse normal. Die Knochenleitung ist links aufgehoben.
Auch dieser Fall blieb während der Beobachtung unverändert, nur hört
Patient heute auch laute Sprache nicht mehr mit dem linken Obr. Am
Röntgenbild ist der Verlauf des Schusskanals nicht zu erkennen.
Klinisch nehmen wir an, dass der Schuss schräg durch das
Felsenbein gegangen ist und Facialis und Acusticus in ihrem
Verlauf direkt verletzt hat. Somit bietet auch dieser Fall keine
Aussicht auf Besserung.
Fall 3 betrifft eine Gewehrschussverletzung, der Einschuss befindet
sich direkt unter dem rechten Processus mastoideus, ein Ausschuss ist
nicht vorhanden (Abbildung 3). Der Patient bekam den Schuss im
Liegen aus ihm unbekannter Entfernung. Er wurde sofort ohnmächtig,
Abbildung 3.
die Ohnmacht soll eine Stunde angebalten haben. Es erfolgte eine
Blutung aus dem rechten Nasenloch, Mund und Ohr, Patient bekam
heftigen Schwindel, kein Erbrechen. Die Wunde wurde vom russischen
Feldscher nicht verbunden, weil Pat. noch eine andere Wunde hatte
und das Verbandmaterial nicht ausreichte. Nachdem Pat. 2 Tage auf
dem Feld verbracht hatte, erhielt er im Feldlazarett einen Verband,
mit dem er nach 3 tägiger Eisenbahnfahrt zu uns kam. Bei seiner
Aufnahme 5 Tage nach der Verletzung hatte Patient kaum Klagen,
erst nach weiteren 10 Tagen stellte sich Kopfschmerz und Ohrensausen ein.
Die Untersuchung ergibt Lähmung aller drei Aeste des Facialis,
Unvermögen, das rechte Auge zu schliessen, zu pfeifen usw. Die Sen¬
sibilität ist intakt. Das Gehör auf dem rechten Ohr ist völlig auf¬
gehoben, Geruch und Geschmack sind normal vorhanden, ebenso be¬
stehen keine Störungen seitens des Auges, des Conjunctival- und Cor-
nealreflexes.
Das Röntgenbild zeigt ein Gewehrgeschoss in Höhe des Warzen¬
fortsatzes im knöchernen Schädel.
Klinisch wurde ein Schuss quer durch das Felsenbein mit
direkter Verletzuung von Facialis und Acusticus angenommen,
das Geschoss an einer Stelle, wo lebenswichtige Organe nicht in
Frage kommen. Das Röntgenbild stützte diese Annahme. Auch
hier trat während der Beobachtung keine Aenderung im Befinden
und im Symptoraenkomplex auf. Wie die beiden andern Fälle
ist auch dieser in funktioneller Hinsicht als prognostisch un¬
günstig anzusehen. Ein chirurgischer Eingriff war nicht ange-
*e!gt. Ueber periphere Nervenverletzungen wird später berichtet.
Ueber einen Fall von geheilter Uterovesicalfistel
mit abdominaler Exstirpation des Uterus.
Von
Dr.’med. W. Nagel,
a. o. Professor an der König!. Universität zu Berlin.
(Nach einem am 10. Juli 1914 in der geburtshilfl. Gesellschaft zu Berlin
gehaltenen Vortrage.)
Am 29. November 1913 suchte die 48jährige Frau X. mich auf und
machte folgende Angaben:
Sie hat viermal geboren, zuletzt am 13. Juli 1913, während die
vorletzte 6 Jahre vorher stattfand. Zwölf Stunden nach Wehenbeginn
spraDg die Fruchtblase, 24 Stunden später erfolgte die Geburt. Während
der Geburt wurde ein Fibrom gefühlt, und da dasselbe nach Ansicht des
Arztes ein Hindernis bildete, wurde die Geburt mittels Zange beendet.
Das Kind war vorher abgestorben. Ueber den Stand des Kopfes zur
Zeit der Operation vermag ich nichts anzugeben. Das Becken ist jedoch
nicht verengt, indem die Dist. spin. 26 cm, Dist. crist. 28 cm, Dist.
troebant. 30 cm, die Conjugata externa 20 cm betragen.
Der Verlauf des Wochenbettes war fieberfrei und Patientin stand
am 14. Tage auf.
Sechs Tage post partum fing Patientin an, viel Flüssigkeit durch
die Scheide zu verlieren, während sie gleichzeitig die Fähigkeit verlor,
Urin auf natürlichem Wege zu entleeren. Der Harnfluss hielt die ganze
Zeit ununterbrochen an und bestand noch, als ich die Patientin zum
ersten Male am 29. November 1913 sah. Ich fand den oberen Teil der
Scheide voll ausgedehnter narbiger Schwielen und ringförmig verengt.
Dicht hinter dieser Stenose, welche die Fingerspitze gerade durchliess,
fühlte man den äusseren Muttermund. Der Uterus lag leicht antevertiert,
war vergrössert, derb und zeigte oben rechts am Fundus einen pflaumen¬
grossen Knollen. Es erwies sich als ganz unmöglich, die Fistel zu Ge¬
sicht zu bekommen. Da die Blase vorübergehend sich genügend anfüllen
liess, gelang indes die cystoskopische Untersuchung. Man sah deutlich
unterhalb beider Uretermüodungen, die etwa 5mm weite, trichterförmige
Oeffnung, durch welche ein Ureterkatheter geschoben wurde, bis er auf
Widerstand stiess. Von der Scheide aus war der Katheter weder sicht¬
bar noch fühlbar. Durch Einführung der Uterussonde bis zum Fundus
uteri überzeugte ich mich, dass der Katheter im Cavum uteri lag:
somit war die Diagnose Uterovesicalfistel gesichert.
Uterovesicalfisteln sind nach Neugebauer 1 ) nicht selten.
Er stützt sich dabei auf eine Serie von 165 Fällen, welche er
teils mit seinem Vater beobachtet, teils aus der Literatur gesammelt
hat. Da diese 165 Fälle aber über ca. 100 Jahre und über die
ganze Welt sich verteilen, so muss man, im Gegensatz zu Neu-
gebauer die Läsion als ziemlich selten betrachten, zumal mehrere
von seinen Fällen Blasen Cervix-Scbeidenfisteln sind. Hiermit
steht im Einklang, dass grosse Sammelwerke der Gynäkologie
die Uterinfisteln nur ganz beiläufig erwähnen, und dass die Ver¬
öffentlichung neuer Fälle nur spärlich und in grossen Zwischen¬
räumen erfolgt.
Seit der grossen Arbeit von Neugebauer sind von Knipe 2 ),
Weber 3 ) und Elischer 4 ) je einer, von v. Herff 5 ) zwei, von
Young 6 ) drei Fälle beschrieben. Uterovesicalfisteln mögen in
Wirklichkeit etwas häufiger Vorkommen, werden aber, wie
Michaelis 7 ) und Litzmann 8 ) bereits betont haben, nicht dia¬
gnostiziert und heilen spontan im Wochenbett. Unter Neu-
gebauer’s Fällen kam Selbstheilung 12mal vor.
Die Ursache ist am häufigsten in einer Quetschung der
vorderen Weichteile während einer lang dauernden Geburt bei
nicht genügend retrahierter Cervix zu suchen, viel seltener, wie
in dem einen Fall von Knipe und in den 3 Fällen von Young,
in einer Zerreissung infolge künstlicher Entbindung. Die meisten
Uterovesicalfisteln werden ursprünglich eine viel grössere Aus¬
dehnung gehabt haben; Emm et erklärt sie als unvollkommen
geheilten Rest ausgedehnter Blasenscheidencervixrisse. Zugunsten
1) Neugebauer, F. L., Kasuistik von 165 Vesicouterinfisteln usw.
Arch. f. Gynäk., Bd. 33, 34 u. 35.
2) Knipe, Vesico-Uterinfisteln. American Journal of Obstetrics, 1908.
3) Weber, Diagnose und Therapie der Harnblasen-Cervixfisteln.
Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in
St. Petersburg, 1899; siehe: Mschr. f. Geburtsh. u. Gynäk., Bd. 10.
4) Elischer, Fistula vesico-utero-vaginalis. Mschr. f. Geburtsh. u.
Gynäk., Bd. 11.
5) v. Herff, Zur Behandlung der Blasen-Gebärrautterfisteln. Zschr.
f. Geburtsh. u. Gynäk., Bd. 22, u. mediz. Gesellschaft zu Basel, 5.März 1903.
Mschr. f. Geburtsh. u. Gynäk., Bd. 18.
6) Young, Three cases of uterine vesico-vaginal fistula. Boston
medic. and surgic. Journal, 24th Oct. 1912.
7) G. A. Michaelis, Das enge Becken. Herausgegeben von Litz¬
mann, 2. Aufl., Leipzig 1865.
8) C. C. Th. Litzmann, Die Geburt bei engem Becken. Leipzig 1884.
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UMIVERSITY OF IOWA
1704
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 41.
dieser Ansicht spricht das reichlich feste Narbengewebe, welches
man, wie auch in meinem Falle, im oberen Teil der Scheide
findet.
Die dorch Quetschung mit nachträglicher Gewebsnekrose
entstandenen Fisteln machen sich erst nach einigen Tagen be¬
merkbar, die durch Zerreissung entstandenen aber sofort. Weil
der Harnfln8s erst am 6. Tage eintrat, und mit Rücksicht auf
die ausgedehnten Vernarbungen führe ich in meinem Fall die
Entstehung der Fistel auf Gewebsnekrose und nicht auf die
Zangenoperation zurück.
Da man im Wochenbett selbstredend jede eingehende Unter¬
suchung vermeidet, so ist die Diagnose der Uterinfistel zunächst
unmöglich. Nach Ablauf des Wochenbettes geschieht der Nach¬
weis der Fistel, dank der Cystoskopie, heutzutage bedeutend
leichter als früher, wo man auf die Milcheinspritzung allein an¬
gewiesen war, und dürfte keine Schwierigkeit bereiten.
Was die Therapie betrifft, so kommt, obwohl Neugebauer
über 15 Heilungen nach ein- oder mehrmaliger Aetzung berichtet,
wohl heute nur die operative Behandlung in Betracht. Bei
Zerreissungen infolge künstlicher Entbindung kann man n&Qh
dem von Michaelis gegebenen Beispiel die Oeffnung sofort ver¬
nähen. Knipe operierte mit Erfolg 24 Stunden nach der Gehört.
Bei den infolge Drucknekrose entstandenen wartet man, bis die
Vernarbung sich vollzogen hat, aber nicht länger, damit keine
Schrumpfung der Blase eintrete.
Von den operativen Eingriffen wurden früher 3. der blutige
Verschluss des Muttermundes und 2. die Anfrischung und
Naht der Fistel mit oder ohne Spaltung des Collum bevorzugt.
In Neugebauer’s Fällen ist das erstgenannte Verfahren,
die Metrokleisis, 48mal angewendet mit 37 Heilungen, die
blutige Nabt 58mal mit 48 Heilungen.
Die Metrokleisis ist heute gänzlich verlassen; in ver¬
zweifelten Fällen von Blasen-Cervix-Scheidenfisteln, wie in dem
von Elischer, mag jedoch die Kolpokleisis angebracht sein.
Die unmittelbare Anfrischung des Fistelrandes und Nabt, die
von dem älteren Neugebauer weiter auRgebildet und besonders
geübt wurde, findet noch ihre Verteidiger, sie bat aber dem von
Follet 1 ) (1886), Wölffler 2 ) (1887) und Champneys 3 ) (1888)
unabhängig voneinander angegebenen Verfahren den Platz räumen
müssen. Von den jüngeren Autoren operierten Knipe, Weber,
Yonng (in einem Fall) und v. Her ff in dieser Weise und zwar
mit Erfolg.
Die Champneys-Follet’sche Operation besteht darin, dass
die Blase in ähnlicher Weise wie bei vaginaler Exstirpation des
Uterus von der Cervix abpräpariert wird, bis die Fistel gut zu-
gängig geworden. Hiernach werden beide Oeffnungen für sich
vernäht.
Follet erweiterte mit einem Dilatator die Harnröhre, um
einen Finger in die Blase einzufübren behufs Hervordrängens der
Fistel; infolgedessen litt die Patienten 7 Wochen lang an In-
continenz. Die Scbeidenwunde liess er offen.
Wölffier operierte in ähnlicher Weise wie Follet, jedoch
betraf sein Fall eine Blasen-Cervix-Scheidenfistel; die Scheiden¬
wunde liess er ebenfalls offen.
Champneys zog mittels Hakenzange die Portio abwärts
und trennte die Blase von der Cervix bis jenseits der oberen
FistelgreDze; er näbte beide Oeffnungen mit Silber, empfahl jedoch
für die Zukunft Seide oder Catgut. Die Scheidenwunde wurde
in ihrer alten Lage vereinigt, indem die Scheide au die Portio
angenäht wurde, und deshalb bedeutet die Methode Champneys
• einen Fortschritt.
v. Herff hat Champneys Methode modifiziert, indem er,
um eine Nekrose der Blasenwand zu vermeiden, eine dünne
Schicht Cervixgewebe an der Blase sitzen liess. Die Cervixwnnde
wurde sowohl von dem Cervicalkanal wie von der Scheide aus
genäht. Die Scheidenwunde nähte v. Herff nicht an ihrer alten
Stelle, sondern vereinigte sie näch Art der Kolporrhaphia anterior.
Erwähnen möchte ich noch, dass Herrn an 4 ) rät, die Oeffnung
in der Cervixwand nicht zu schliesseD; in dieser Weise hatte
Wölf fl er schon operiert.
Im Gegensatz zu Young glaube ich, dass das Verfahren von
Champneys den Vorzug verdient, und englische und amerikanische
1) Follet, Revue de Chirurgie 1886, citiert bei Neugebauer.
2) Wölffier, Oest. Aerztl. V. Ztg. 1887, citiert bei Neugebauer.
3) Champneys, A new Operation for the eure of vesico-uterine
listula. Transact. of the Obstetrical Society, London, 3. Oct. 1888.
4) G. E. Herrn an, Diseases of women. London 1903.
Autoren, wie Herman und Howard Kelly 1 ) empfehlen es als
rationell.
In meinem Fall war es des ausgedehnten und festen Narben-
gewebea wegen absolut unmöglich, irgendeinen Heilnngsversuch
der Fistel von der Scheide aus zu machen. Ich wäre, wenn ich
von nnten operiert hätte, auf die Kolpokleisis angewiesen gewesen
und hielt 69 deshalb für rationell, den Uterus per laparatomiam
zu entfernen und die Fistel von der Bauchhöhle aus zu vernähen.
Sollte die Heilung der Fistel misslingen, so würde man sie
später doch ganz sicher von der Scheide ans erreichen können.
Das kleine Fibrom beeinflusste mein Handeln nicht, es war ledig¬
lich mit Rücksicht auf die Schliessung der Fistel, dass ich den
Uterus zu exstirpieren vorschlug. Ich war mir der Gefahr der
Laparatomie wohl bewusst, aber ich hielt es »für möglich, die
Bauchhöhle während der Operation gut abzuschHessen, so dass
eine Ueberschwemmung mit Urin vermieden werden konnte. Nach
mehrtägiger desinfizierender Spülung von Scheide und Harnblase
führte ich am 9. Dezember 1913 die abdominale Totalexstirpation
in typischer Weise aus. Die Loslösung der Blase von der Cervix
geschah zuletzt, das Narbengewebe im Scheidengewöibe wurde
nachträglich exzidiert, die Fistelöffnung mit Jodcatgut vernäht
and die Blasenwand, ebenfalls mit Jodcatgut, über die Fistelnaht
zusammengerafft. Die beiden Peritoneal lappen wurden hierauf
sorgfältig miteinander vernäht, nachdem Doch ein Gazestreifen
nach der Scheide bin als Drain eingelegt worden war, und so¬
dann die Bauchwunde in üblicher Weise geschlossen.
Der Dauerkatheter verursachte grosse Beschwerden, die Patientin
lag sehr unruhig, so dass es unmöglich war, die Blase za drainieren.
Bald nach Entfernung des Gazestreifens (am 4. Tag Dach der
Operation) fing der Harnfluss wieder an. Nach Verheilung der
Wunde, die ohne sonstige Störung von statten ging, war die jetzt
bedeutend kleiner gewordene, etwa zwei Millimeter weite Fistel
gut zugängig, oben in der Scbeidennarbe, etwas nach links von
der Mittellinie. Am 17. Februar dieses Jahres habe ich die typische
Fisteloperation gemacht, indem ich den Rand anfrischte und die
Oeffnung mittels Silkwormgut vernähte. Diesmal hielt die Naht,
die Fistel heilte per primam. Vier Wochen nach der Operation
entfernte ich die lang gelassenen Silkwormfäden; die Blase funk¬
tioniert regelrecht, der Urin ist klar and von normaler Beschaffen¬
heit, so dass die Patientin jetzt vollkommen gesund ist.
Aus dem poliklinischen Institut für innere Medizin
der Universität Berlin (Direktor: Geheimrat Prof. Dr.
Goldscheider).
Ueber wahren Knochen im Auswurf.
Von
Dr. Kretschmer,
Assistent des Institutes.
Das Vorkommen wahren Knochens im Sputum dürfte nach
der mir vorliegenden Literatur änsserst selten sein. Io Eulen-
burgs Realenzyklopädie IV. Auflage ist erwähnt: „Knorpelstuck-
chen und Knochenstückeben im Sputum bei Caries des knorpeligen
und verknöcherten Gerüstes der Trachea und des Kehlkopfes“.
Sonst dürfte Fried reich 2 ) der einzige sein, der bisher über
körpereigenen wahren Knochen im Auswurf berichtet bat. Er
sagt in seiner Mitteilung, dass Biermer in der Lehre vom Aus¬
warf 1855 nichts davon erwähnt. Ich habe die mir zugängliche
Literatur auf weitere Berichte über Knochen im Auswurf durch¬
gesehen, aber weder in medizinischen noch in chirurgischen Werken
einen weiteren Fall seit Fried reich gefunden. Zu Verwechslungen
mit echten Knochen könnten expektorierte Lungensteine führen,
die bekanntlich dnreb Verkalkung von fibrös verhärtetem Lungen-
gewebe oder von eingedicktem Cavemeninbalt entstehen. Nach
Aschoff können die Lungensteine auch Verknöcherungen zeigen.
Im allgemeinen wird es sich bei der Expektoration von ver¬
knöcherten Lungensteinen nur um ein vereinzeltes Vorkommnis
bandeln, während in dem Falle von Friedreich und dem nach¬
her zu beschreibenden Falle die Expektoration von Knochenstück¬
chen wochenlang andauerte.
In dem Falle Friedreichs handelte es sich um ainen
14jährigen Knaben, der seit 7 Jahren kyphotisch war und seit
1) Howard Kelly, Operative Gynecology. London 1898.
2) Virchow’s Arch., Bd. 30.
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UMIVERSITY OF IOWA
12. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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4 Jahren an zunehmender Abmagerang and Husten litt. In dem
schleimig-eitrigen mitunter blutigen Auswurf sollten häufig Knochen-
stfickchen gewesen sein. Die Untersuchung ergab eine grosse
Caverne im rechten überlappen, rechtsseitiges pleuritiscbes Ex¬
sudat, in der linken Lungenspitze Infiltration und Bronchitis.
Ausserdem Nachtschweisse und Durchfall. Kyphose der letzten
Halswirbel und der 4 ersten Brustwirbel, die bei Druck schmerz¬
haft war. Während des Aufenthaltes im Spital wurden häufig
bis erbsengrosse spongiös-cariöse Knochenbröckel ansgehustet, die
sich auch mikroskopisch als echter Knochen erwiesen.
Ein im poliklinischen Institut kürzlich beobachteter Fall
dürfte wegen der grossen Seltenheit allgemeines Interesse ver¬
dienen.
K. W., Handelsmann, 31 Jahre. Pat. stellte sich zum ersten Male
Mitte April d. J. in der Poliklinik vor und zeigte mehrere kleine Stücke
spongiösen Knochens, die er seit längerer Zeit ausgehustet habe.
Vorgeschichte: Keine Kinderkrankheiten, verlor durch einen Un¬
fall an einer Dreschmaschine als Kind den rechten Arm. Mit 18 Jahren
Gonorrhoe, durch Infektion am rechten Auge erblindet. Mitte Oktober
1913 erkrankte er mit Fieber, Schwäche und Schmerzen im Rücken.
Er wurde am 21. X. 13 in das Krankenhaus Moabit aufgenommen und
dort bis 26.1. 14 behandelt.
Nach der mir vorliegenden dortigen Krankengeschichte wurden bei
ihm zunächst die Symptome einer rechtsseitigen Pleuritis, Dämpfung und
abgeschwächtes Atmen rechts hinten unten festgestellt. Eine Punktion
am 23. X. ergab leicht getrübtes seröses Exsudat. Wegen des stark
remittierenden Fiebers entstand der Verdacht auf ein Empyem-, noch¬
malige Punktion an verschiedenen Stellen war ohne Erfolg, Bald darauf
trat massenhaftes rein eitriges geballtes Sputum auf, in dem elastische
Fasern nachgewiesen wurden. Pat. klagte bald darauf über Schmerzen
in der Wirbelsäule. Am 27. XI. wurde in der Gegend des 11.—12. Brust¬
wirbels eine gibbusartige Vorwölbung festgestellt, die allmählich stärker
hervortrat. Am 17.1. wurden zum ersten Male einige Knochenstückeben
ausgebustet. Mikroskopisch erwiesen sich dieselben als Spongiosa mit
geringen entzündlichen Veränderungen. Seit dem 28. XII. wurde Pat.
mit Glisson'scber Schlinge behandelt und am 26.1. auf Wunsch ent¬
lassen. Die Diagnose wurde auf Lungenabscess mit Usur von Wirbel¬
körpern gestellt.
Wegen dauernder Schmerzen und blutigen Auswurfs, mit dem häufig
kleine Knochenfragmente entleert wurden, suchte er die Poliklinik auf
und liess sich dann auf unseren Rat am 1. V. d. J. in die stationäre
Abteilung aufnehmen.
Status: Mittelgrosser kräftiger Manu in gutem Ernährungszustand.
Amputationsstumpf des rechten Armes. Rechtes Auge erblindet.
Haut blass, Schleimhäute gut durchblutet.
Spitzwinkliger Gibbus der Wirbelsäule entsprechend dem 12. Brust-
and 1. Lendenwirbel, bei Druck und Beklopfen schmerzhaft. '
Lungen: rechts hinten unten ca. handbreite Dämpfung und ab¬
geschwächtes Atmen, keine Rasselgeräusche. Die übrigen Lungen¬
teile o. B.
Geringer eitriger geballter Auswurf. Tbc. o.
Herz nicht vergrössert, Töne rein.
Bauohorgane o. B.
Nervensystem: Motilität und Sensibilität intakt. Patellarreflei leb¬
haft, kein Babinski, Bauohdeckenreflex nicht auszulösen (schlaffe Bauch¬
decken).
Urin: Alb.-Spuren. Sacch. o.
Röntgenaufnahme: Schatten in den untersten Abschnitten der rechten
Lunge. Die Wirbelsäule ist in den fraglichen Teilen vom Zwerchfell
bezw. Leberschatten verdeckt, so dass über Ausdehnung der Wirbelcaries
kein Urteil zu gewinnen ist.
5. V. Im Sputum ab und zu etwas Blut und kleine Knochenfragmente.
Mikroskopisch Spongiosa mit Kokken und leichten Entzündungserscbei-
nungen.
Therapie: Streckung in Glisson’scher Schwebe.
10. V. Ab und zu starkblutiges Sputum mit Knochenstückchen,
dabei starke Schmerzen.
30. V. In der letzten Nacht Haemoptoe. Es wurden ca. IV 2 Sputum¬
gläser flüssiges hellrotes Blut entleert, dabei ein grösseres Knochen¬
stückchen.
2. VI. Kein Blut mehr im Auswurf.
12. VI. Der Gibbus ist etwas flacher und nur noch wenig schmerz¬
haft. Pat. hat IV 2 Kilo zugenommen. Auf Wunsch entlassen, soll ein
orthopädisches Korsett tragen.
Anfang Juli stellte sich Pat. wieder vor. Das Korsett war ihm von
der Armenverwaltung noch nicht geliefert worden. Aeussere Umstände
zwangen ihn etwas zu arbeiten, er hustete seitdem wieder Blut und
häufig Knoohenstüokchen aus.
Während unserer Beobachtung hustete er im ganzen ca. 20 Knochen¬
stückchen aus von der Grösse eines Stecknadelkopfes bis zur Grösse
einer kleinen Erbse. Zum Teil waren es soharfraodige Lamellen und
Bälkchen, zum Teil mehr rundliche Stücke von Spongiosa. .
Wir stellten die Diagnose auf eine tuberkulöse Wirbelcaries mit
Durchbruch des Abscesses in die Lunge.
Ein Lungenabscess mit Usur der Wirbelsäule, wie von uns
diagnostiziert wurde, dürfte wegen der kurzen Dauer der Er¬
krankung vom Auftreten der Erscheinungen des Lungenabscesses
bis zur Entdeckung des Gibbus nicht vorliegen. Ausserdem
pflegen Abscesse in der Regel in der Richtung des schwächsten
Widerstandes durchzubrechen, und es würde daher bei Annahme
eines Lungenabscesses eher ein Empyem der Pleura zu erwarten
gewesen sein als ein Uebergreifen der Eiterung auf die Wirbel¬
säule. Ferner würde durch Schwarten und Verklebungen der
beiden Pleurablätter bei einem an der Lungen Oberfläche liegenden
Abscess dem Uebergreifen des Abscesses auf die benachbarten
Thoraxwandungen oder auf die Wirbelsäule ein wirksamer Wider¬
stand entgegengesetzt werden. Andererseits fehlt nach der
Anamnese auch jeder Anhaltspunkt für einen primären Eiterherd,
von dem aus der Lungenabscess entstanden sein könnte.
Es liegt vielmehr nahe, anzuoehmen, dass die Rückenschmerzen,
über welche der Kranke schon einige Zeit vor der Krankenhaus¬
aufnahme klagte, durch die latent bestehende Wirbelcaries ver¬
ursacht waren, und dass der Gibbus sich allmählich während der
ersten Zeit des Krankenhausaufentbaltes entwickelte, während sich
gleichzeitig ein geringer pleuritischer Erguss mit nachfolgenden
Verklebungen ansbildete. Der wachsende Wirbelabscess schlug
nun den verhältnismässig seltenen Weg durch die Lunge ein und
brach unter dem Bilde eines Lungenabscesses durch. Von den
cariösen Wirbelkörpern stiessen sich nach und nach die kleinen
Knocbenstückchen ab, welche beim Passieren durch die Lunge
stets starke Schmerzen und durch Verletzung von Gefässen und
Lungengewebe kleinere Blutungen, einmal einen starken Blutsturz
verursachten. Die Abstossung von Knochen bei Wirbelcaries,
die an und für sich eine allmähliche Einschmelzung der Knochen¬
substanz herbeiführt, dürfte in unserem Falle zum Teil durch die
Unruhe des Pat. hervorgerufen sein, welcher sich nur schwer im
Bett halten liess und auch bei uns, sobald sich sein Zustand
etwas gebessert hatte, um seine Entlassung bat. Die Folge war
erneute und vermehrte Expektoration von Knocbenstückchen
und Blut.
Die Prognose ist eine günstige unter Voraussetzung eines
saebgemässen Verhaltens des Pat.; bei genügend langer Ruhig-
stellung der Wirbelsäule in Glisson’scher Schlinge oder einem
Korsett ist eine Ausheilung der Wirbelcaries und damit auch des
Lungenabscesses zu erwarten. Das Passieren der kleinen und
scharfrandigen Knochenstückchen durch die Lunge ist natürlich
stets mit der Gefahr einer Verletzung von Gefässen verbunden,
und solange die Expektoration des Knocheos besteht, kann es
daher auch zu lebensbedrohenden Blutungen kommen.
Bficherbesprechungen.
0. Körner: Lehrbuch der Ohren-, Nasen- and Keblkopfkrankheiten.
Nach klinischen Vorträgen für Studierende und Aerzte. Vierte
und fünfte, umgearbeitete und vermehrte Auflage mit 251 Text¬
abbildungen, davon 34 in Farben und 1 Tafel. Wiesbaden 1914,
J. F. Bergmann. 444 S.
In der kurzen Zeit von 2 Jahren ist nun die vierte und
fünfte, verstärkte Auflage des Lehrbuches erschienen, ein Zeichen dafür,
wie sehr Verf. darin dem Bedürfnis der Studierenden und Aerzte ent¬
sprochen hat. Einerseits liegt das an der Vereinigung der drei Disziplinen
in einem alles zusammenfassenden Lehrbuch, andererseits in der knappen,
leicht fasslichen und alles praktisch Wesentliche besonders betonenden
Darstellung.
Nach einem auch die Nichtspezialisten fraglos interessierenden Ueber-
blick über die geschichtliche Entwicklung der drei Fächer wird der
Leser durch topographisch-anatomische Bilder und durch Abbildungen
praktiseh wichtiger Handgriffe mit der Technik vertraut gemacht. Dabei
ist neben der gewöhnlichen Oto-Rhino-Laryngoskopie nunmehr auch den
neueren Untersuchungsmethoden, der Hypopharyngoskopie, der direkten
und Schwebelaryngoskopie sowie der Tracheo-, Broncho- und Oesopha-
goskopie Rechnung getragen, letzteren Methoden allerdings, der Tendenz
des Buches entsprechend, nur soweit, als es zur praktischen Auffassung
und zum Verständnis des Lesers für spätere Uebungen notwendig er¬
scheint. Es folgt dann eine kurze aber erschöpfende Beschreibung der
Anästhesie bei chirurgischen Eingriffen sowie der Verbandlehre.
Bei der Behandlung der Nasenkrankheiten erläutern prägnante Ab¬
bildungen die selteneren Erkrankungen und vor allem wichtige topo¬
graphische Bilder der für die Nichtspezialisten schwierigen anatomischen
Verhältnisse der Nebenhöhlen in ihrer Beziehung untereinander und zu
den Nachbarorganen und praktische Hinweise für die Diagnose ihrer Er¬
krankungen.
In dem Kapitel über die Erkrankung des Schlundes ist zweckent¬
sprechend der Behandlung von Erkrankungen des lymphatischen Ringes,
besonders der Rachen- und Gaumenmandeln ein weiterer Raum gegeben.
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Original frn-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
1706
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 41.
In der Beschreibung der praktisoh besonders interessierenden Krank¬
heiten des Kehlkopfs, der Luftröhre und Bronchien, wie Tuberkulose,
Syphilis, Carcinom und Sarkom ist besonderer Wert gelegt auf die
Wiedergabe der Bilder, wie sie sich beim Spiegeln darbieten, sowie vor
allem von pathologisch-anatomischen Präparaten, wodurch das Verständ¬
nis der Entwicklung der Krankheiten wesentlich erleichtert wird.
Den grössten Umfang erreicht die Behandlung der Krankheiten des
Ohres, einmal durch die Einfügung der zahlreichen Textfiguren, Ab¬
bildungen anatomischer, pathologisch-anatomischer Präparate, Bilder
wichtiger äusserer Erkrankungen und Einführung von Instrumenten,
Kurven usw.; dann aber auch durch die eingehende Besprechung aller
dem Praktiker besonders wissenswerten Erkrankungen, ihrer Diagnose,
des Verlaufs und der Bewertung. Besonders willkommen werden ihm
dabei die einzelnen wichtigen Winke in betreff Differentialdiagnose und
Therapie sein, die Verf. aus dem reichen Schatz seiner Erfahrungen in
seine exakten Abhandlungen eiostreut.
Somit wird auch weiter die neueste Auflage des Buches, dessen Aus¬
stattung vor allem in den zahlreichen und buntfarbigen Abbildungen eine
ausgezeichnete zu nennen ist, den Studierenden und Aerzten, aber auch
den Spezialisten sowohl für Studien, wie für Orientierungszwecke in ein¬
schlägigen Fällen ein wertvoller Ratgeber sein. H. Beyer-Berlin.
C. Kraemer: Aetiologie and spezifische Therapie der Tnherknlose,
nach vorwiegend eigenen Erfahrungen. Stuttgart 1914, Ferdinand
Enke. Zweite Hälfte, Tuberkulin als Heilmittel der Tuberkulose.
XII und 350 S. Preis 10,40 M.
Kraemer erweist sich in seinem Buche als eie warmer Freund des
Tuberkulins, und sohon deshalb muss sein Werk als willkommen gelten.
Die übertriebenen Hoffnungen, die man anfangs auf das Mittel setzte,
und die naturgemäss enttäuscht werden mussten, haben dazu geführt,
dass man die guten, wenn auch bescheideneren Wirkungen des Mittels
gern zu übersehen pflegte. Zum grossen Schaden der Kranken tritt
leider noch hier und da die Ansicht auf, dass das Tuberkulin ein ziem¬
lich wertloses Mittel sei, da9 einen Einfluss auf die Tuberkulose nicht
auszuüben vermag. Geradezu als bedenklich aber muss es gelten, was
Kraemer mit Recht hervorhebt, wenn heute noch Aerzte vor der An¬
wendung des Mittels warnen. So wertvoll nun auch jeder Beitrag zur
Vertiefung der Theorie und der Methodik des Tuberkulins ist, so haben
bisher gerade alte diejenigen Arbeiten über das Tuberkulin mit zu hoch
geschraubten Erwartungen und Versprechungen dem Mittel mehr geschadet
als genützt. Von Hoffnungen und von Erwartungen kann man allerdings
bei dem Kraemer’scben Buche nicht sprechen, da der Verfasser seine
Schlüsse vorwiegend aus seinen Erfahrungen gezogen hat, die er bereits
in der Praxis gemacht zu haben glaubt. Es ist aber daran zu erinnern,
dass gerade bei dem Tuberkulin als Mittel bei einer der chronischsten
Infektionskrankheiten, die wir kennen, jede Deutung eines Erfolges oder
Misserfolges unvermeidlicherweise etwas stark Subjektives an sich hat.
Je ruhiger und objektiver man die unendlich komplizierten Wirkungen
des Tuberkulins im Verlaufe einer Tuberkulose zu beobachten versucht,
um so mehr wird man von jener einseitigen Ueberschätzung des Mittels,
wie sie von einzelnen Autoren geübt wird, abrücken müssen. Gerade
viele derjenigen von uns, die das Tuberkulin als ein wertvolles Mittel
in der Praxis in vielen Fällen anwenden und nicht mehr entbehren
möchten, werden diesen extremen Anschauungen Kraemer’s nicht folgen
können. Aus diesen Deutungen seiner Erfolge heraus ergibt sich auch
sein therapeutischer Leitsatz: „Mehr Tuberkulin hilft mehr.“ Nicht in
der Unzulänglichkeit des Mittels liegt der Grund dafür, dass so viele
Tuberkulöse trotz der Anwendung des Tuberkulins an ihrer Tuberkulose
zu Grunde gehen, nein, sie haben nur zu wenig Tuberkulin bekommen,
sie hätten statt 100 mg 1000 mg oder statt 1000 mg mehrere 1000 mg
bekommen müssen, um zu dem ersehnten Ziele zu gelangen. Tuberku¬
linimmunität ist Tuberkuloseimmunität, das Tuberkulin ist das Heil¬
mittel der Tuberkulose. Wenn das wirklich wahr wäre, wäre es dann
nicht ein Jammer, dass die bösen Tuberkulintberapeuten so viele un¬
glückliche Kranke an ihrer Tuberkulose sterben lassen, nur weil sie zu
wenig Tuberkulin geben wollen?
Aus dem Buche spricht eine ungeheure Belesenheit und eine aner¬
kennenswerte Literaturkenntnis. Aber gerade diese haben leider den
Verfasser verführt, bei der Begründung seiner theoretischen Anschauung
über das Tuberkulin und über Tuberkulinwirkungen sehr vieles anzu¬
nehmen, was doch noch sehr der Nachprüfung und der Bestätigung be¬
darf. Wenn man an eine so heiss umstrittene Frage, wie die Tuber¬
kulintheorie, herangebt, so muss man sich sehr davor hüten, Arbeiten
zu zitieren und als Stütze anzuführen, die zwischen der Drucklegung und
dem Erscheinen des Buches bereits vielfach widerlegt worden sind. Auch
gerade nach den letzten Jahren, die bezüglich der Phthisiogenese wieder
durch viele sehr mühsame und zuverlässige Untersuchungen die An¬
schauung von der Inhalationsinfektiosität der Tuberkulose zur Geltung
gebracht haben, müsste man doch sehr vorsichtig sein mit so apodyktisch
gebildeten Sätzen wie: „Erst ist die Bronchialdrüsentuberkulose, dann
die Phthise“. Das trifft doch nur einen Teil der ganzen Frage und wird
in dieser Allgemeinheit kaum Anerkennung finden. Das gleiche gilt von
den Anschauungen über die Disposition, die der Verfasser entwickelt.
Hoffen wir, dass das Buch imstande serin wird, den Wunsch des
Verfassers zu erfüllen, nämlich dem Tuberkulin neue Freunde zu erwer¬
ben, ohne allzugrosse Enttäuschungen in den Reihen der Praktiker her¬
vorzurufen. J. W. Samson-Berlin.
H. Ribbert: Gesebwulstlehre für Aerzte iad Stidiereade. 2. Auf¬
lage. Bonn 1914. Preis 24 M.
Wenn Ribbert das vorliegende Buch, das 710 Seiten stark ist,
als die zweite Auflage seiner „Geschwulstlebre“ bezeichnet, so geschieht
das, wie er selbst in der Vorrede andeutet, nicht vollständig mit Recht.
Denn das Buch ist so vollkommen umgearbeitet und mit Ausnahme
zahlreicher Abbildungen so wenig von der ersten Auflage übrig ge¬
blieben, dass das Werk als eine vollständige Neuschöpfung bezeichnet
werden muss. Das Wesentliche dabei ist auch, dass die Carcinome fast
ganz aus dem Werk herausgenommen sind, und dass das inzwischen ge¬
sondert erschienene Buch über die Carcinome gewissermaassen als be¬
sonderer Teil seiner Geschwulstlehre zu gelten hat. Der grösste Wert
des Werkes kommt dem zweiten Teil, der speziellen Geschwulstlehre
zu, der bei weitem den grössten Teil des Werkes einnimmt, denn er
beginnt schon bei Seite 114. In dem ersten Abschnitt vertritt Ribbert
so sehr seine eigenen, im wesentlichen nur von wenigen anerkannten
Anschauungen, dass die stark subjektiv gefärbte Richtung für ein Lehr¬
buch, das es doch schliesslich sein soll, als nicht sehr günstig be¬
zeichnet werden darf. Aber in dem zweiten Teil ist so ausgedehnt die
reiche Erfahrung Ribbert’s auf dem Gebiete der Geschwülste nieder¬
gelegt, dass dieser Teil von ganz besonderer Bedeutung sowohl für den
Unterricht als für das Studium sich erweist. Die Einteilung der Ge¬
schwülste ist im allgemeinen die heut übliohe. Immerhin erscheint es
gewissermaassen auffällig, dass Ribbert unter die Geschwülste der
Stützsubstanzen die Fibrome, Lipome, Chondrome, Chordome, Osteome,
Angiome, Endotheliome uud Sarkome unterbringt, während er dann
gleichwertige besondere Abschnitte macht für die Rundzellengeschwülste
und die Myome. Besonders eigentümlich ist seine Anordnung der Rund¬
zellengeschwülste, unter welcher Gruppe er die Lymphoblastome, die
Plasmocytome, die Myelome, die Chlorome und die Leukämie unter-
bringt. Die Geschwülste des Nervensystems sind wieder in einer be¬
sonderen Gruppe vereinigt, was zweifellos als vorteilhaft anzusehen ist,
da ja die Gliome immer zu den Bindesubstanzgescbwülsten gerechnet
wurden, obwohl sie entwicklungsgeschichtlich von der äusseren Keim-
Schicht abstammen und manche derselben auch tatsächlich epithelialen
Bau haben. Eine weitere Gruppe umfasst fibroepitheliale Tumoren.
Unter diesen versteht Ribbert diejenigen Geschwülste, die früher als
organoide Geschwülste bezeichnet wurden. Hier bringt Ribbert auch
das Carcinom unter, stellt es aber den fibroepithelialen Tumoren gleich¬
wertig, indem er eine Ueberordnung macht, Geschwülste aus Epithel
und Bindegewebe, und es erscheint deswegen nicht berechtigt, dass eine
Unterabteilung sich besonders als fibroepitheliale Tumoren abhebt. Dass
aber dann schliesslich das Chorionepitheliom hier eingereiht ist, ist voll¬
kommen unberechtigt. Denn diese Geschwulst ist ja gerade dadurch
charakterisiert, dass sie kein bindegewebiges Stroma enthält. Die letzte
Abteilung umfasst die zusammengesetzten Geschwülste, die Teratome.
Auch hier ist wieder etwas Auffälliges, nämlich die Unterbringung der
Cystome des Orariums, die eigentlich mit viel grösserer Berechtigung
unter die fibroepithelialen Geschwülste zu setzen wären.
Was'die Abbildungen betrifft, so haben dieselben den Vorteil, der
früher schon wiederholt hervorgehoben wurde, dass sie vom Autor selbst
gezeichnet sind, der also jedesmal am besten versteht, was er in der
Abbildung zum Ausdruck bringen will. Aber manche derselben sind
doch etwas gar zu skizzenhaft und schematisch. Man sieht freilich
immer daran, was gezeigt werden soll. Aber wenn ein Schüler viele
dieser Abbildungen mit einem Original vergleicht, so wird es ihm doch
wohl manchmal schwer fallen, das im Original wiederzufinden, was die
Zeichnung darstellt. Das betrifft aber immerhin nur einen geringen
Teil der Abbildungen, während die meisten in ausgezeichneter Weise
das darstellen, was von ihnen verlangt werden kann. Wenn sich das
Werk als ein Lehrbuch für Aerzte und Studierende bezeichnet, so
dürften sich unter den Studierenden heutzutage doch wenige finden, die
in dem sowieso schon überlasteten Studium die Zeit haben, ein so um¬
fangreiches Werk durchzustudieren. Sollte es Ribbert gelingen, das
zu erreichen, so würde er sich ein grosses Verdienst erwerben. Der
Fortgeschrittene aber, der sich in Ruhe dem Studium eines solchen
Werkes hingeben kann, wird im weitesten Maasse Belehrung und Auf¬
klärung darin finden.
Brehm’s Tierleben. 11. Band. 2. Band der Säugetiere. Neu be¬
arbeitet von Heck und fiilzheimer. Leipzig und Wien 1914.
Der erste Band der „Säugetiere“, der vor etwa 2 Jahren erschien,
wurde in dieser Wochenschrift schon ausführlich referiert und seine
ausserordentlichen Vorteile speziell auch für den Nichtzoologen hervor¬
gehoben. Der nunmehr erschienene zweite Band schliesst sich dem
ersten vollwertig an. Unter möglichster Wahrung des alten Brehm-
schen Textes sind die Neuerfahrungen und zahlreichen Erweiterungen,
die durch die fortschreitende Wissenschaft notwendig entstehen müssen,
in gleichwertiger Weise eingetragen. In weitgehendstem Maasse ver¬
bessert gegenüber dem alten Brehm sind die Abbildungen und spexiell
diejenigen, die auf direkt photographischem Wege hergestellt worden.
Der Band umfasst seiner Hauptsache nach die Nagetiere, die von Heck
bearbeitet wurden, ferner die Robben und Flossenfüsser, von Hil*‘
heim er bearbeitet. Wir möohten auch hier wieder allen Freunden der
Natur dieses Werk empfehlen. Aber auch, der Mediziner findet manches
Interessante für seine Wissenschaft in dem Brehm. Wenn schon früher
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Original fram
UNIVERSUM OF IOWA
12. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1707
über mancherlei Krankheiten der Tiere nirgendwo so gut Auskunft ge¬
geben wurde wie im Brehm, so sind auch jetzt in der neuen Auflage
solche Dinge mehrfach berücksichtigt. v. Hansemann.
Literatur-Auszfige.
Physiologie.
R. Magnus und W. Storm van Leeuwen: Die akuten und die
dauernden Folgen des Ansfalles der tonischen Hals- und Labyrinth¬
reflexe. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4—6.) Die Körperstellung wird bei
Hund, Katze, Kaninchen u. a. beherrscht von der Stellung des Kopfes
im Raume (Labyrinthreflex) und seiner Stellung zum Rumpfe (Hals¬
reflex). Um die Bedeutung letzterer zu studieren, haben die Verff. ihr
Zustandekommen ausgeschaltet durch Durchscbneidung der Hinterwurzeln
der obersten drei Cervicalnerven (an Katzen und Kaninchen). Bei
Katzen bleiben nach dieser Operation nur geringe Störungen, da der
Ausfall von den Labyrinthen aus kompensiert wird. Wird nun ein
Labyrinth exstirpiert, so sind die Störungen geringer als bei nor¬
malen Katzen mit einseitiger Labyrinthexstirpation, da alle die¬
jenigen Symptome des Labyrinthverlustes fortfallen, die sekundär durch
Vermittlung von Halsreflexen eintreten. Nach Fortnahme auch des
zweiten Labyrinthes sind alle Hals- und Labyrintbreflexe aufgehoben.
Trotzdem sind die allgemeinen Bewegungsstörungen auffallend gering.
Auch an Tieren, die nach Fortnahme der Labyrinthe und Durch¬
schneidung der obersten cervicalen Hinterwurzeln decerebriert werden,
tritt die sogenannte Entbirnungsstarre auf. Aenderung der Kopfstellung
ändert nichts an ihr.
A. de Kleijn: Zur Analyse der Folgeznstfinde einseitiger
Labyrinthexstirpation beim Froseh. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4—6.)
Nach einseitiger Labyrinthexstirpation kommt es beim Frosch zu eigen¬
tümlichen Verdrehungen des Kopfes und der Wirbelsäule mit ver¬
änderter Haltung der Extremitäten. Um die Frage zu ent¬
scheiden, ob letztere eine direkte Folge des Labyrinthausfalls oder
eine indirekte unter Vermittelung von Halsreflexen sei, die durch die
abnorme Kopfstellung ausgelöst werden, hat Verf. die Halsreflexe durch
Durchschneidung der cervicalen Hinterwurzeln ausgeschaltet. Danach
bleibt zwar die durch die einseitige Labyrinthentfernung entstandene
Kopf- und Wirbeldrehung bestehen, aber die Beine werden nun normal
gehalten. Die abnorme Extremitätenstellung war also indirekt durch
tonische Halsreflexe verursacht.
R. Magnus: Welche Teile des Centralnervensystems müssen für
das Zustandekommen der tonischen Hals- nnd Labyrinthreflexe auf
die Körpermnsknlatnr vorhanden sein? (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4
bis 6.) Durch Durchschneidungsversuche am Centralnervensystem suchte
M. die Frage zu entscheiden, von welchen Hirnteilen die tonischen Re¬
flexe auf Extremitäten- und Nackenmuskeln, welche durch Kopfdrehung
zustande kommen, ausgehen. Sie bleiben unverändert, wenn die Tiere
decerebriert werden, ferner auch, wenn Kleinhirn und Vierhügol entfernt
und der Hirnstamm bis vor den Ursprung der Nn. octavi abgetrennt
wird. Die Labyrinthreflexe hören auf, wenn die Eintrittsstelle der
Nn. octavi entfernt wird, aber die Halsreflexe, die auf Drehen und
Wenden des Kopfes an den Beinen beobachtet werden, bleiben erhalten.
Sie werden erst nach Entfernung des obersten Cervicalsegmentes ge¬
schwächt, am nach Entfernung des zweiten Halssegmentes zu erlöschen.
In einer Nachschrift wenden sich Beritoff und Magnus gegen eine
Angabe von Weed, wonach die sogenannte Enthirnungsstarre durch Klein¬
hirnentfernung schwinden soll. Das ist nach B. und M. nicht der Fall.
Ch. Socin und W. Storm van Leeuwen: Ueber den Einfluss
der Kopfstellnng anf phasische Extremitätenreflexe. (Pflüg. Arch.,
Bd. 159, H. 4—6.) Die Versuche betreffen das Verhalten der Beuge-
bzw. StTeckwirkung isolierter Muskeln der Vorder- bzw. Hinterextremi¬
täten decerebrierter Katzen unter der Wirkung von Aenderungen der
Kopfstellung. Letztere vermögen die (Beuge- und) Streckreflexe an den
Eitremi täten muskeln, die durch elektrische Reize erzeugt werden, zu ver¬
ändern, und zwar meist nach bestimmten Regeln, die danach verschieden
sind, ob durch die Veränderung der Kopfstellung sichtbare Tonusschwan¬
kungen im isolierten Streckmuskel bedingt werden oder nicht. Treten
sichtbare Tonusänderungen auf, so sind die reflektorischen Hemmungen
des isolierten Triceps bei gestreckter Extremität stärker als bei ge¬
beugter. Umgekehrt sind die reflektorischen Kontraktionen bei ge¬
beugtem Glied stärker als bei gestrecktem. Beim Fehlen von sichtbaren
Tonusveränderungen waren die Erfolge nicht ganz eindeutig. Verände¬
rung der Kopfstellung bat also einen deutlichen Einfluss auf die Reflex-
erregbarkeit der Extremitätenmuskeln.
W. Storm van Leeuwen: Quantitative pharmakologische Unter-
snchangei über die Reflexfnnktionen des Rückenmarks an Warm¬
blütern. II. Mitteilung. Chloroformgehalt des Blutes während
^ N^koselaufbewegungen der Katze. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4—6.)
Wahrend ganz leichter und ganz tiefer ChlorofoTmnarkose können bei
Katzen Laufbewegungen der Extremitäten auftreten. Der Chloroform¬
gehalt des Blutes lag, wenn sie bei leichter Narkose auftraten, bei
0,013pCt.; wenn bei tiefer: bei 0,019—0,036 pCt. Die Narkose kann
oabei so tief sein, dass keine Reflexe mehr auslösbar sind und auch die
Narkosestarre geschwunden ist.
K. Schreber: Der Wirknngsgr&d der Mnskelmaschine. (Pflüg.
Arch., Bd. 159, H. 4—6.) Verf. bespricht zunächst die Definition des
Wirkungsgrades einer Maschine vom Standpunkte des Technikers und
vergleicht damit die Definition der Physiologen. Letztere sind, wie er
durch mathematische Ableitungen zu erhärten sucht, fehlerhaft, ins¬
besondere durch unzutreffende Auffassung des Begriffes der sogenannten
Leerarbeit. Nach Sehr, würde der Wirkungsgrad der Muskelmascbine
viel kleiner sein, als allgemein von physiologischer Seite angenommen wird.
T. Kato Drnckmessnngen im Mnskelmagcn der Vögel. (Pflüg.
Arch., Bd. 159, H. 1—3.) Nach Einführung einer Ballonsonde in den
Magen von Hühnern konnte der durch die Kontraktionen der Magen¬
wand zu erzeugende Druck manometrisch bestimmt werden. Im Durch¬
schnitt einer sehr grossen Zahl von Versuchen betrug er 138 mm Hg
bei einer durchschnittlichen Dauer von 25 Sekunden. Bei Gänsen betrug er
257 mm Hg für 17 Sekunden, bei Enten 178 mm durch 19 Sekunden.
Die Druckhöhen sind dabei abhängig von der Konsistenz der Nahrung,
indem sie um so höher sind, je härter die Nahrung; ferner von dem
Stadium der Verdauung, indem sie im Hunger besonders hoch sind.
Von Bedeutung ist weiter die Magenwandspannung: je höher der er¬
zeugte intrastomachale Druck, um so energischer die Kontraktionen;
endlich sind sie von Innervationsverhältnissen abhängig. Vagusreizung
machte nur halb so starke Kontraktion wie in der Norm.
Tb. E. ter Kuile: Konsonanz und einfaches Zaklenverhältnis.
(Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1—3.) K. versucht eine Erklärung der
Empfindung der Konsonanz mehrerer Töne zu geben, ohne die Theorie
der Obertöne mit heranziehen zu müssen. Er bildet dazu eine Reihe
neuer Begriffe, wie: mittlere Tonhöhe des Akkords, mittlere Tonperiode,
Akkordfrequenz und Akkordperiode. Konsonanz ist gleich dem Ver¬
hältnis von mittlerer Tonperiode zu Akkordperiode; je grösser letztere
im Verhältnis zu ersterer ist, um so weniger kommt das Gefühl der Kon¬
sonanz zustande. Bezüglich der mathematischen Ableitungen sei auf
das Original verwiesen. Verf. kommt zu genau derselben Rangordnung
für die Konsonanzen gebenden Ton Verbindungen wie Helm hol tz mit
Hilfe seiner Theorie der Obertöne.
J. v. Kries: Zur Theorie allorhytbmiflcher Herztätigkeiten.
(Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1—3) v. Kries hatte früher gezeigt, dass,
wenn man durch Abkühlung eines Teiles des Froschherzeos Allorbyth-
mieen erzeugt derart, dass die Schlagfrequenz der Kammer nur einen
Bruchteil derjenigen der Vorhöfe zeigt, das Verhältnis der Schlag¬
frequenzen immer einer Potenz von 2 entspricht, v. Kries hatte eine
theoretische Erklärung dafür gegeben. Am Säugetierherzen finden sich
aber nun andere Verhältniszahlen (z. B. 1:3 u. a.), und hier ist eine
andere Erklärung nötig, v. Kries versucht diese mit Hilfe der ver
schiedenen Dauer der Refraktärphase zu geben, wobei er die ver¬
schiedenen Möglichkeiten, die in Betracht kommen, zwischen denen jedoch
noch nicht entschieden werden kann, berücksichtigt.
E. Goldmann: Ueber die Beeinflussung des Blutdrucks in den
Capillaren der Haut durch verschiedene Temperaturen. (Pflüg. Arch.,
Bd. 159, H. 1—3.) Verf. hat seine Versuche an sich selbst mit Basler’s
Ochrometer, zum Teil auch mit desselben Verf’s. Hautmanometer an¬
gestellt. Er findet, dass der geringste Capillardrück des linken Zeige¬
fingers 70—90 mm Wasser beträgt. Mittelwert etwa 85 mm. Durch
Wasser von 25—30° C wurde der Druck nicht geändert. Er stieg,
wenn man Wasser über 30° auf den Zeigefinger einwirken Hess, ebenso
wenn die Wässertemperatur unter 25° C lag. Je stärker der Tempe¬
raturreiz war, eine um so längere Nachperiode fand sich. Thermische
Einwirkungen auf Ellbogen und Vorderarm hatten den gleichen Effekt
auf den Capillardrück im Finger.
J. W. Golowinski: Ueber die Wirkung des Cholins anf den
Circnlationsapparat warmblütiger Tiere. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1—3.)
Verf. stellt die vielen einander widersprechenden Angaben zusammen,
die über die Wirkung des Cholins auf die Herztätigkeit bestehen. Seine
eigenen Versuche am Warmblüterherzen führen Verf. zu dem Ergebnis,
dass dieses sich wie das Froschherz gegenüber Cholin verhält. Das
Cholin ist imstande, auf verschiedene intracardiale Centren zu wirken:
aut die hemmenden Endiguugen des N. vagus, auf die beschleunigenden
(Acceleranteg) und auf die Endigungen der sogenannten Aktionsnerven.
Von äusseren Bedingungen hängt es ab, ob das Cholin sich über¬
wiegend auf das eine oder andere Centrum äussert und so eine
Wirkung bald in der einen, bald in der anderen Richtung sichtbar wird.
Fr. Mares: Ueber die Natur des Winterschlafes. Bemerkungen
zur Antwort Polimanti’s. (Pflüg. Arcb., Bd. 159, H. 4—6.) Polemi¬
sches. M. wendet sich gegen eine falsche Wiedergabe seiner Ansichten
durch Polimanti.
A. Loewy: Bemerkungen zu der Arbeit von A. Reprew: Das
Spernin als Oxydalionsfermeat. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1-3.)
Reprew hatte das Spermin ohne genügende experimentelle Unterlage
als Oxydations- und synthetisches Ferment aufgefasst. L. zeigt nun,
dass die Fähigkeit des Spermins, in vitro Oxydationen und oxydative
Synthesen zustande zu bringen, sich sehr einfach demonstrieren lässt
durch Farbenreaktionen, die durch seinen Zusatz stark beschleunigt
werden. So tritt die unter Rotfärbung vor sich gehende Oxydation einer
Lösung von Dimetbylparaphenylendiamin bei Sperrainzusatz erheblich
schneller ein als ohne dieses, ebenso die oxydative Indolphenols;nthese
aus Dimetbylparaphenylendiamin und a-Naphthol und ebenso auch die
Synthese des Toluylenblaus.
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UMIVERSITY OF IOWA
1708
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 4L
G. Woker-. Ueber den Einfluss von Salzlösungen auf Colpoden-
eyiies. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 4—6.) Nicht nur im Serum treten
Formänderungen der aus Heuinfus gewonnenen Colpoden auf, sondern
auch zahlreiche Salzlösungen wirken analog, so dass also beim Serum
die Serumsalze das wirksame Moment wären. Es handelt sich um eine
allgemeine Salzwirkung; ist die Lösung hypertonisch, so lost sich der
Inhalt der Colpoden von der Membran ab, schrumpft, und es entstehen
sporenartige Massen, deren Umfang von der Konzentration der Salzlösung
abhängig ist. Bemerkenswert ist, dass die Salzlösungen die Neigung der
Colpoden zur Conjugation (Copulation) beförderten.
G. Woker und S. Pecker: Ueber den Einfluss des Blitsemms
anf Colpoden und deren Cysten. Vorläufige Mitteilung. (Pflüg. Arch.,
Bd. 159, H. 4—6.) Die aus Heuinfus gewonnenen Colpoden vermögen
sich an Serum zu gewöhnen, so dass sie in einem Gemisch von 9 / 10 Serum
+ Vio Heuinfus erhalten bleiben. Dabei gehen eigentümliche morpho¬
logische Veränderungen mit ihnen vor, indem sporenartige Gebilde in
ihnen auftreten. Auch amöboide Veränderungen finden sich. Ebenso
ändert sich auch das Verhalten der Dauercysten von Colpoden im
Serum. Auch in ihrem Protoplasma treten Inhomogenitäten und endo-
sporenartige Gebilde auf. Letztere möchten die Verff. auf Retraktionen
des Plasmas von der Hülle, also auf plasmolytische Vorgänge zurück¬
führen.
B. Bocci: Die Harnblase als Expulsivorgau. Die glatte Muskel¬
faser. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 1—3.) B.’s Versuche sind an der
freigelegten Meerschweinchenharnblase ausgelührt. In die Urethra bzw.
in das Blaseninnere wurde ein Katheter eingeführt, der mit Manometer
und Schreibapparat verbunden wurde und den in der Blase herrschenden
Druck, sowie die Bewegungen der Btasenmuskulatur feststellen Hess.
B. untersuchte das Vorhandensein eines glatten Blasensphinkters, den
Tonus des äusseren Sphinkters, den der Harnblase und seine Schwan¬
kungen, die atypischen und typischen Blasencontraktionen und damit
zusammenhängend den Mechanismus der Harnretention und Harnent¬
leerung. A. Loewy.
Therapie.
P. Korb-Liegnitz: Erfahrungen mit Jod-Proth&emin. (D.m.W.,
1914, Nr. 38.) Ein neues Jodpräparat, mit dem K. gute Erfolge sah.
Dünner.
E. Freund-Triest: Erfahrungen mit Merlusan. (Derm. Wschr.,
1914, Bd. 59, Nr. 34.) Verf. findet, dass Merlosan ebenso günstig auf
die Syphilis wirke, wie andere Hg-Präparate.
C. Philip-Hamburg: Die Behandlung des Ekzems mit heissen
Bädern. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 35.) Besonders Hand- und
Fingerekzeme werden täglich morgens Yz Stunde lang mit heissem Seifen¬
wasser behandelt. Nach dem Abtrocknen werden die Hände mit Upgt.
Resorcin. compos. Unna verbunden. Nach 4—8 Tagen wird nur noch
abends l j 4 Stunde gebadet, und mit Zinkpaste mit 01. Ruxi-Zusatz ver¬
bunden.
M. Mondschein-Stanislau (Galizien): Cavillentherapie der Gonor¬
rhöe. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 33.) Verf. hält die Cavillen-
tberapie für eine sehr gute antigonorrhoische Methode. Die Durchschnitts¬
dauer des Trippers bei Cavillenbehandiung beträgt nur 16—22 Tage.
Rohr-Kiel: Ueber Arthigon. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, H. 36.)
Das Arthigon ist ein für Gonorrhöe spezifisches Mittel, das aber nur auf
abgeschlossene gonorrhoische Krankheitsherde wirksam ist. Epididymitis
und Arthritis werden sehr günstig beeinflusst, günstig auch die Prosta¬
titis; Prostataabscesse werden zum Teil in sehr kurzer Zeit resorbiert.
Das intravenöse Iojektionsverfahren ist dem intramuskulären in bezug
auf die Nebenerscheinungen vorzuziehen. Bei Urethritis posterior ist das
Arthigon contraindiziert.
A. Strauss-Barmen: Die Kupferchemotherapie der Schleimhaut-
tuberkulöse der oberen Luftwege mit Lekutyliuhalationen. (Derm.
Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 34.) Am besten bewährte sich folgende
Lekutylemulsion: Ungt. Lecutyl (Bayer) 20,2, Tinct. Foeniculi 3,0,
Saccharin 0,1, Paraffin liquid, ad 50,0. Immerwahr.
0. Leonhard: Ein mit „Ulsanin“ (Hydrojodoborat) geheilter Fall
von Gesichts- und Naseulupus. (W.m.W., 1914, Nr. 26.) „Ulsanin“,
ein hellgelbes, stark hygroskopisches, ungiftiges Pulver entwickelt, auf
feuchte Haut gebracht/sofort Jod mit Oiygen in statu nascendi. Es ist
also ein starkes Desinfizienz und Antisepticum und, da es nicht ätzt,
auch auf den zartesten Schleimhäuten anwendbar. Seine Wirkung auf
torpide Geschwüre, tuberkulotische Haut- und Schleimhauterkrankungen
ist eine so günstige, dass es fast als Specificum gegen solche Erkran¬
kungen gelten kann. Eisner.
Lethaus-Hamm i. W.: Die Injektiousbehandlung der Ischias.
(D.m.W., 1914, Nr. 38.) Vortrag, gehalten in der Versammlung des
Bezirksvereins der Aerzto des Regierungsbezirks Arnsberg in Dortmund
am 7. Juni 1914. Die Injektion in den Ischiadicus (100 ccm 1 prom.
Eucainlösung) hat eklatanten Erfolg nur bei genuiner Ischias. Oft sind
Wiederholungen notwendig. Führen diese nicht zum Ziel, so empfiehlt
sich die epidurale Injektion von 10—20 ccm physiologischer Kochsalz¬
lösung nach Sicard und Chatelin.
F. Glaser-Schöneberg: Salvarsaninfnsionen bei Scharlach. (D.m.W.,
1914 Nr. 38.) Das Salvarsan heilt in vielen Fällen das Scharlach-
diphtheroid ab. Auoh das Fieber und die Benommenheit werden oft
günstig beeinflusst. Auf die toxischen Fälle übt das Mittel keinen Ein¬
fluss aus. Die Scharlachkomplikationen werden nicht verhütet. In über
der Hälfte der Fälle traten bei einer Dosierung des Mittels von 0,1 g
auf 10 kg Körpergewicht Schüttelfrost, Erbrechen und Durchfall auf.'
_ Dünner.
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie.
D. v. Hansemann-Berlin: Ueber Krebsprobleme. (D.m.W., 1914,
Nr. 38.) Vortrag in der Berliner Gesellschaft für Chirurgie am 27. VII. 19u!
Siehe Gesellsohaftsbericht der B.kl.W., Nr. 31. Dünner.
Innere Medizin.
F. Turan: Ueber die neuralgische Form der Aigiua pectoris,
(W.m.W., 1914, Nr. 25.) Bei der neuralgischen Form der Angina
pectoris ist durch Palpation eine Hyperästhesie der Haut und Muskulatur,
sowie ein erhöhter Spannungszustand der letzteren oft nachweisbar.
Ausser den Schmerzen werden die Kranken durch andauernde Parästhesien
in den verschiedensten Körpergebieten geplagt. Das Allgemeinbefinden
ist stets gestört. Trotz der vielen subjektiven Beschwerden ist keine
anatomische und funktionelle Veränderung des Herzens nachzuweisen.
Man findet eine wesentlich erhöhte Druckschmerzhaftigkeit an allen
jenen Stellen, wo der Kranke über Schmerzen klagt. Auffallend ist in
den schmerzhaften Gebieten die von der Norm abweichende Beschaffen¬
heit des Haut- und Muskelgewebes (feinere oder gröbere Körner, Knöt¬
chen und spitze, scharfkantige, krepitierende Einlagerungen, Verdickungen,
Schwielen, exsudatartige Infiltrationen oder Auflagerungen). Diese
Hautveränderungen reizen die Nervenästchen und deren Endapparate
während der Atmung und bei körperlichen Bewegungen fortwährend
durch Druck oder Zerrung. Das Leiden findet seine Erklärung weder
in der Annahme einer organischen Herzerkrankung noch einer Neurose,
sondern kann als eine durch die peripheren Einlagerungen hervor¬
gerufene Thorakal-Neuralgie betrachtet werden, die ihren höchsten
Grad in einer dem echt anginösen Anfall ähnlichen, aber von ihr grund¬
verschiedenen Exacerbation erreicht. Die Entstehung der erwähnten
Hautgebilde hängt möglicherweise mit gichtiger Diathese zusammen.
Die anginoide Verschlimmerung ist aber kein typischer Gichtanfall mit
akuten Entzündungserscheinungen, sondern eine Summation vou auf
gichtiger Basis bestehenden Neuralgien und Myalgien. Die Prognose ist
gut; die Behandlung besteht in der Entfernung der Ablagerungen durch
Wärme usw. Eisner.
Ri sei-Halle a. S.: Die Diagnose der Blatterl. (D.m.W., 1914,
Nr. 38.) Nach einem den Medizinalbeamten des Regierungsbezirkes
Merseburg gehaltenen Vortrag. R. betont hauptsächlich das Auftreten
der Blattern an den Körperstellen, die einem mechanischen Druck aus¬
gesetzt und infolgedessen stärker vascularisiert sind. Besprechung der
Differentialdiagnose gegenüber Windpocken. Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
P. Liebesny: Elektrophysiologische Studien zur Therapie kr
Lähmungen. (W.m.W., 1914, Nr. 26.) Bisher konnten mit den üblichen
elektrischen Apparaten durch Oeffnen und Schliessen eines konstanten
Stromes Einzelzuckungen ausgelöst werdeD, die freilich nur zu diagnostischen
Zwecken dienten. Zur Therapie wurde Galvanisieren und Faradisieren
verwendet. Grosse Vorteile in der Behandlung von Lähmungen konnten
nun mit den „Schwellung«strömen“ erzielt werden, die mit den
„Zeitreizen“ identisch sind (im Gegensatz zu Momentreizen — Oeffnen
und Schliessen eines konstanten Stromes). Es werden konstante und
schwellende Schwellungsströme unterschieden. Konstante Schwellungs¬
ströme steigen von Null bis zu einem Maximum an und schwellen
wieder auf Null ab. Unter schwellenden Schwellungsströmen versteht
man Serienreize von Sohwellungsströmen, bei welchen jeder nach einer
Strompause einsehende Stromimpuls in seiner Intensität höher ist als
der unmittelbar vorhergegangene. Die bisherigen klinischen Erfahrungen
des Verf. mit diesen Strömen sind sehr günstig. Das Technische ist
im Original nachzulesen. Verf. sieht diese Art der Elektrotherapie als
eine wesentliche Bereicherung unserer physikalischen Heilmethoden an.
Eisner.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
W. Kopytowski-Warschau*. Ueber die durch SulfoforB hervor¬
gerufenen anatomisch-pathologischen Veränderungen in der £«*«**■
Haut. (Denn. Zbl., August 1914.) Die Sulfoformwirkung ist der Wir¬
kung des Schwefels sehr ähnlich, nur ist sie milder. Besonders
Scabies und bei Seborrhoea sicca capillitii hat sich das Sulfoform g«
bewährt.
A. Tryb-Prag: Herpes zoster generalisatas. (Derm. Wschr., 1914»
Bd. 59, Nr. 33.) Fall von Herpes zoster generalisatas bei einem
60 jährigen Mann. Besonders hervorzuheben ist, dass die Bläschen nie
gleichen Alters waren, und dass zahlreiche Stellen Erscheinungen
Nekrose zeigten. Nach interner Medikation mit Chinin und lokalindifferen
Behandlung heilten die gesamten Bläschen ab mit Hinterlassung v*
einigen Narben nach den nekrotischen Bläschen.
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1709
12. Oktober 1914.
J. Roedner*Strassburg i. E.: Beitrag zur Frage nach der prakti¬
schen Verwertung der PallidiireaktioB. (Denn. Wschr., 1914, Bd. 59,
Nr. 35.) R. kann die Pallidinreaktion als ein „für tertiäre Lues spezi¬
fisches Diagnosticum“ nicht anerkennen. Immerwahr.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
F. Schauta: Blutungen während der Gestation. (W.m.W., 1914,
Nr. 25 u. 26.) Fortbildungsvortrag. Es werden im einzelnen die Mög¬
lichkeiten, die zu Blutungen während der Schwangerschaft führen können,
besprochen. Zum kurzen Referat nicht geeignet. Eisner.
E. Opitz-Giessen: Gefahren des Intranterinstiftes. (Zbl. f. Gyn.,
1914, Nr. 37.) Als eine Art Entgegnung auf die Mitteilungen von
Rieck in Nr. 30 des Centralblattes über die Verwendung des Intra¬
uterinstiftes und im Gegensatz zu der warmen Empfehlung von Rieck
teilt der Verf. zwei Fälle mit, in denen er die denkbar übelsten Folgen
nach Anwendung des Fehling’schen Röhrchens gesehen hat. In einem
Falle war ein faustgrosser, entzündlicher Adnextumor auf der einen
Seite entstanden, welcher nur durch den Reiz, den der Stift ausgeübt
hatte, hervorgerufen sein konnte. Im zweiten Falle war sogar im An¬
schluss an das Tragen des Stiftes eine allgemeine Peritonitis entstanden,
welche zu einer Cholecystitis, Cholangitis und endlich sogar zum Exitus
führte. Siefart.
Unfallheilkunde und Versicherungswesen.
E. Franck-Berlin: Die Verheimlichung länger bestehender Ohren¬
leiden und ihre Bedeutung für die Unfallversicherung. (Aerztl. Sachverst.
Ztg., 1914, Nr. 15.) Dissimulation von Ohrenleiden ist ziemlich häufig,
da Verletzte ein Interesse daran haben, alte Ohrenleiden auf einen
später acquirierten Unfall zurückzuführen. Daher ist eine eingehende
Ohrenuntersuchung möglichst bald nach dem Unfall von ausserordent¬
licher Bedeutung.
St enger-Königsberg: Ueber die Grnndziige der ohrenärztliehen
Begitaehtung. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Bemerkenswerte
Ausführungen über die Wichtigkeit der Ohruntersuchung bei Unfall-
verletzen. „Jede begutachtliche Beurteilung einer Unfallverletzung, bei
der das Gehörorgan mit in Betracht kommt, ist ohne rechtzeitige vor-
genömmene Untersuchung und Berücksichtigung dieses Organs bei Ab¬
gabe des Endurteils als völlig unzureichend anzusehen.“
Weber-Chemnitz: Geistesstörung — Invalidität, Entmündigung?
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.)
Für b ringer -Berlin: Zur Würdigung des Hitzschlages als Unfall¬
folge. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) Sechs vor 4 Jahren in
dieser Zeitschrift publizierten Gutachten über Hitzschlag als Unfallfolge
fügt F. jetzt 4 weitere interessante casuistische Beiträge hinzu. Ira
ersten Falle handelt es sich um die Entscheidung, ob Epilepsie oder
Hitzschlag anzunehmen ist, im zweiten um die Differentialdiagnose
zwischen Apoplexie und Hitzschlag, im dritten wurde eine Aeusserung
über den Zusammenhang von Tod und Unfall verlangt und im vierten
hatte weder eine ärztliche Beobachtung noch eine Sektion stattgefunden,
so dass man allein auf Zeugenaussagen und auf die Feststellungen der
meteorologischen Station angewiesen war. H. Hirschfeld.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Laryngologlsche Gesellschaft zu Berlin.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 17. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Killian.
Schriftführer: Herr Gutzmann.
Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Antrag des Vorstandes:
Die Laryngologisehe Gesellschaft zu Berlin wolle den Vor¬
stand beauftragen, bei dem Exekutivkomitee des nächsten inter¬
nationalen medizinischen Kongresses ihren Wunsch nachdrücklich
zur Geltung zu bringet): „dass die Abteilungen für Laryngologie
und Otologie bei den internationalen medizinischen Kongressen
wie bisher als selbständige Sektionen bestehen bleiben.“
Vorsitzender: Wir haben das letzte Mal schon über dies Thema
gesprochen; es ist auch sonst oft erörtert worden. Der Haupt¬
grund, weshalb der Vorstand für die Trennung ist, liegt darin, dass es
i? ä a . r nicht möglich ist, das otologische und laryngo-rhinologische
Material in der gegebenen Zeit aufzuarbeiten. Dieser Umstand hat dazu
geführt, dass die Sektionen getrennt wurden. Wenn wir sie jetzt wieder
vereinigen, wird nur die Hälfte der angekündigten Vorträge erledigt
werden, und ein grosser Teil von Otologen sowohl wie Laryngologen
wird unglücklich sein, dass er Verzicht leisten muss. Ich glaube auch
S 1C H’ < *. ass se ^ s t der eifrigste Besucher einer solchen Versammlung das
Bedürfnis hat, jeden Vortrag zu hören. Es gibt meist in der einen
oder m der anderen Sektion etwas Interessantes, und so wird hin und
her gegangen.
Hr. Finder: M. H.! Ich möchte Ihnen die Resolution, die der Vor¬
stand vorgeschlagen hat, dringend zur Annahme empfehlen. Ueber die
Gründe, die einer Vereinigung der beiden Fächer entgegenstehen, ist ja
schon so viel gesprochen und geschrieben worden, dass es schwer sein
dürfte, noch Neues anzuführen. Ich bin der Ueberzeugung, dass, wenn
es zu der Vereinigung der beiden Fächer auf den Kongressen, im aka¬
demischen Unterricht usw. kommen sollte, dies für beide Fächer, sowohl
für die Laryngologie wie für die Otologie, nur von Schaden sein würde.
Beide haben sich durchaus selbständig nebeneinander entwickelt, die
Otologie aus der Chirurgie heraus und die Laryngologie aus der inneren
Medizin, und sie haben ein halbes Jahrhundert hindurch nebeinander
bestanden, ohne eigentlich ihre Kreise gegenseitig zu stören. Der Ruf
nach einer Vereinigung dieser beiden Fächer auf den Kongressen ist
einfach aus äusseren Gründen laut geworden, nämlich deswegen, weil
ein grosser Teil der Spezialisten aus Rücksichten einer besseren Erwerbs¬
möglichkeit es heute für zweckmässiger hält, in der Praxis beide Fächer
gleichzeitig zu betreiben. Dagegen lässt sich auch gar nichts sagen;
aber damit ist noch kein Grund gegeben, diese beiden Fächer auch als
Wissenschaften aneinanderzuketten.
M. H.! Ich möchte, abgesehen von den inneren Gründen, die der
Vereinigung entgegenstehen, nochmals ganz nachdrücklichst das unter¬
streichen, was Herr Geheimrat Killian hier schon eben vorgebracht hat.
Wer öfters internationale medizinische Kongresse mitgemacht hat, der
weiss, dass es nur einer ganz besonderen Taktik, ich möehte beinahe
sagen, einer Jonglierkunst des Vorsitzenden gelingt, innerhalb der zur
Verfügung stehenden Zeit das Material an Vorträgen und Referaten in
jeder der beiden Sektionen aufzuarbeiten, und wir erinnern uns alle,
dass in den letzten Tagen die Verhandlungen immer etwas zu einer
Hetzjagd ausarteten, damit nur alles, was auf der Tagesordnung stand,
erledigt werden konnte. Nun bitte ich Sie, sich einmal vorzustellen,
wie es werden soll, wenn dasselbe Arbeitspensum, das bisher auf zwei
Sektionen verteilt war, im Rahmen einer Sektion aufgearbeitet werden
soll; das ist nur möglicb, wenn darunter die Qualität der Verhandlungen
leidet, und das wollen wir doch alle nicht. Ich glaube, das muss ver¬
mieden werden ebenso im Interesse der Otologen wie der Laryngologen.
M. H.! Ich glaube, Sie sind es den Traditionen unserer Gesellschaft
schuldig, die Resolution des Vorstandes anzunebmen. Sie haben vor
kurzer Zeit das 25 jährige Stiftungsfest dieser Gesellschaft gefeiert, und
während der ganzen Dauer ihres Bestehens bat die Gesellschaft keine
Gelegenheit vorübergehen lassen, ohne nachdrücklichst dafür einzutreten,
dass Laryngologie und Otologie als akademische Lehrfächer und auf den
Kongressen getrennt blieben.
Hr. Reichert: Ich stehe vollkommen auf dem Standpunkt der ver¬
ehrten Herren Kollegen, die vor mir gesprochen haben. Ich habe der¬
artige internationale Kongresse auch wiederholt mitgemacbt und habe es
dabei erlebt, dass diejenigen Kollegen, die an dem Orte ansässig waren,
an dem der Kongress tagte, freiwillig auf ihre Vorträge verzichteten, weil
die Zeit dafür nicht mehr zur Verfügung stand.
Nur eine Verwahrung sozusagen oder einen Vorbehalt möchte ich
machen:'ich möchte nicht, wenn wir bei dem Exekutivkomitee des inter¬
nationalen Kongresses einen derartigen Antrag nicht durchsetzen sollten,
dass daraus die Folgerung gezogen würde, dass wir dann gewissermaassen
die Verpflichtung hätten, den internationalen Kongress nicht zu besuchen.
Eine derartig weitgehende Verpflichtung aus unserem Kreise heraus
möchte ich damit nicht zum Ausdruck bringen. Sonst aber ist mir der
Antrag in jeder Weise sympathisch, und ich glaube, wir können wohl
einmütig dafür stimmen.
Vorsitzender: Wir kommen zur Abstimmung. (Geschieht.) Der
Antrag ist einstimmig angenommen.
Hr. Finder: Noch eine geschäftliche Bemerkung dazu! Ich möchte
vorschlagen, diese Resolution nicht nur an den Arbeitsausschuss des
Organisationskomitees in München zu schicken, sondern auch an das
Komitee für die internationalen medizinischen Kongresse, die sogenannte
permanente Haager Kommission.
Vor der Tagesordnung.
1. Hr. Graeffner:
Homolaterale Rekurrenslähmung hei Gehirntumor.
M. H.! Sie sehen hier in dor linken Fronto Parietalgegend eine
ellipsenförmige Narbe, welche eine mächtige Hervorragung umgrenzt.
Dieser Hervorragung entspricht ein Defekt der Knochen, welcher anläss¬
lich der Exstirpation eines Gehirntumors gesetzt ist. Es besteht rechts¬
seitige Hemiplegie, wohl charakterisiert durch verstärkten Patellarreflex,
Babinski, Fussclonus usw.
Wenn Sie in den Kehlkopf hineinblioken, so finden sie eine erheb¬
liche Störung des linken Rekurrens. Das Stimmband steht etwas höher
und ist kürzer als das sehr bewegliche rechte. Wenn man aber genau
hinschaut, so sieht man immerhin eine gewisse Mitbewegung der gesamten
linken Kehlkopfhälfte, was besonders deutlich in die Erscheinung tritt,
wenn man nur die Aryknorpel zur Besichtigung einstellt.
Ich habe geglaubt, dass dieses Syndrom Sie interessieren dürfte,
zumal ich bereits die Ehre hatte, vor drei Jahren zwei ähnliche Fälle,
wenn auch mit anders gearteter Anamnese, hier vorzustellen.
Diskussion.
Hr. Killian: Ich habe den Patienten vorhin untersucht und
nicht allein gesehen, dass die Arygegend die Bewegung mitmacht, wio
das bei Rekurrenslähmungen ja die Regel ist, sondern dass auch die
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UMIVERSITY OF IOWA
1710
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 41.
linke Stimmlippe sieh bewegt, bald etwas mehr, bald weniger. Also
um eine komplette Rekurrenslähmung kann es sich hier nicht handeln.
Der Rand der Stimmlippe ist auch nicht deutlich excaviert. Nun müssen
wir überlegen: der Patient ist auf der linken Hirnseite operiert und
hat auf der linken Seite eine Rekurrenslähmung, die Hemiplegie ist
auf der rechten. Es ist also gar nicht zu verstehen, weshalb er auf der
rechten Seite die Hemiplegie haben soll und nicht gleichzeitig auch eine
rechtsseitige Rekurrenslähmung. Wir wissen allerdings durch die
Untersuchungen von Semon und Horsley, dass der Kehlkopf doppel¬
seitig repräsentiert ist. In jeder dritten Stirnwindung ist ein Centrum,
und es gehen Bahnen nach beiden Seiten. Semon und Horsley haben
daraus geschlossen, dass, wenn das Centrum einer Seite ausfällt, über¬
haupt keine Störungen im Kehlkopf auftreten können, und nur wenn zu¬
fällig beide zerstört sind, könnten sich Störungen im Kehlkopf bemerk¬
bar machen. Es ist also in unserem Fall keine einseitige Rekurrens¬
lähmung möglich. Wäre sie es, dann müsste sie doch wohl rechtsseitig
sein. Ich glaube deswegen, dass der Fall anders gedeutet werden muss.
Die Idee, die Herr Graeffner mir privatim ausgesprochen hat, dass
ein zweiter Herd in der Medulla bestehen könnte, scheint mir auch nicht
plausibel. Denn dann müsste ja der Herd auf der anderen Seite sitzen,
also in der Medulla im linken Nucleua arabiguus und nicht ira rechten.
Ich glaube vielmehr, dass es sich in diesem Falle um ein zufälliges Zu¬
sammentreffen handelt. Wir wissen ja auch nicht, wie der Patient vor¬
her in seinem Kehlkopf beschaffen war, ob er nicht vielleicht schon
früher Störungen der Bewegung des linken Stimmbandes gehabt hat.
Hr. Graeffner: HerrKillian hat Semon und Horsley angezogen.
Ich will in der Zitierung noch etwas weiter gehen und bemerken, dass
Semon in seinem klassischen Beitrage für Heymanns Handbuch über¬
haupt das Zustandekommen von Stimmbandlähmung durch Grosshirn¬
einfluss in Abrede stellt. Er führt dafür nicht nur die Beweislosigkeit
aller jener Arbeiten an, welche damals unter dem Rubrum als Stimm¬
bandlähmungen vom Grosshirn veröffentlicht waren, sondern bekanntlich
auch den Schrei der akephalen Monstra, bei denen man also doch auf
einen beiderseitigen Funktionsausfall rechnen muss. Ich möchte aber
hier zur Stütze meiner Vermutung — dass die Stimmbandläbmung auf
eine bulbäre Veränderung sich stützt — auf die Auseinandersetzungen
bezug nehmen, die ich hier vor drei Jahren gemacht habe, als ich meine
200 Apoplektiker laryngoskopisch untersucht hatte. Damals hat sich
ergeben, dass nur ein ganz kleines Kontingent dieser Leute überhaupt
Stimmbandstörungen zeigte. Unter den wenigen Fällen aber, die da in
Betracht kamen, haben die meisten an Pseudobulbärparalyse gelitten
infolge mehrfacher apoplektischer Blutungen. Und die Fälle von uni¬
lateraler Lähmung, die ich damals vorzeigte, waren sämtlich auf der
linken Seite. Das scheint mir im Einklang mit den Beobachtungen
Koerners, der ja das Prävalieren linksseitiger Rekurrenslähmungen
längst betont hat, aus zu zeitigem Erliegen einer Neigung des linken
Nucleus ambigus hervorzugehen. Auch damals dürften kleine apoplektische
Herde in dem Bulbus es verursacht haben, dass wir genau die gleichen
Fälle sahen: rechtsseitige Hemiplegie mit linksseitiger Rekurrenslähmung.
Ich bin es übrigens dem Andenken unseres Grabower schuldig, bei
dieser Gelegenheit zu bemerken, dass beide Fälle noch nicht zur Autopsie
gekommen sind.
2. Hr. Killian:
a) Eine eigentümliche Erscheinung bei der Rekurrenslähmung.
M. H.l Da gerade von Rekurrenslähmungen die Rede ist, so will ich
zuerst einen Fall vorstellen. Sie haben bei dieser alten Frau eine
linksseitige Rekurrenslähmung, und sie sehen die typischen Erscheinungen
sehr ausgeprägt, weil die Patientin einen sehr zierlichen Kehlkopf hat
und sehr schöne weisse Stimmbänder. Was mir bei der Patientin auffiel,
das war etwas, was man sonst nicht so leicht zu sehen bekommt. Sie
hat, wenn sie nur leicht phoniert, die Erscheinung, dass die gelähmte
Stimmlippe in Kadaverstellung steht, excaviert ist, und dass die gesunde
Stimmlippe leicht über die Mittellinie geht. Wenn sie kräftig phoniert,
so geht die gesunde noch eine Strecke weiter über die Mittellinie, und
man hat den Eindruck, als drückte sie die gelähmte ein wenig nach
aussen. Etwas derartiges habe ich noch nie gesehen. Ausserdem ist
sehr sonderbar, dass bei der leisen Phonation die Excavation nur den
gewöhnlichen Grad besitzt; wenn die Patientin aber stark phoniert, so
wird die Excavation kolossal. Offenbar ist der Druck der gesunden
Stimmlippe mit daran schuld. Ausserdem scheint mir aber auch der
Druck der Exspirationsluft die schlotternde linke Stimmlippe stark nach
aussen auszubuchten.
Wir haben nun noch einen zweiten Fall von Rekurrenslähmung
mit sehr sonderbaren Erscheinungen draussen. Bei diesen könnte mancher
glauben, es handle sich um einen kleinen Tumor an der hinteren
Larynxwand; dabei ist es weiter nichts als wie die Spitze des Aryknorpels,
die vorspringt. Der Santorinische Knorpel ist offenbar mir lose mit
dem Aryknorpel verbunden und macht die starke Vorwärtsneigung des
Aryknorpels nicht mit. Wenn man den Fall bei vorgebeugter Kopf¬
haltung untersucht, kann man sich von dem Sachverhalt noch besser
überzeugen.
b) Ein unter Schwebebronchoskopie extrahiertes, von einem 10 Monate
alten Kinde aspiriertes Knochenstück.
M. H.! Diesen Fall trage ich Ihnen nur deswegen vor, weil hier
ein Fremdkörper mit der Schwebebronchoskopie entfernt wurde.
Es gibt ja mit diesen im ganzen erst drei Fälle, die derartig behandelt
worden sind.
Unter Schwebebronchoskopie verstehen wir die Kombination der
Schwebelaryngoskopie mit der Bronchoskopie. Die Aufnahmen der
Situation, wie sie sich bei dem Kinde ergeben hat, werden Sie sofort
im Röntgenbilde sehen. (Demonstration.)
Das Kind hat am 19. Juni mit seinen zwei Scbneidezähnchen im
Unterkiefer an einem Schweinsknöchelchen herumgenagt, und da ist es
ihm geglückt, ein Stück Spongiosa von dem Knochen abzubeissen. Das
hatte aber üble Folgen, den dies Knöchelchen wurde alsbald aspiriert.
Das Kind bekam heftigen Husten und einen Erstickungsanfall. Tempera¬
turensteigerungen sind eingetreten, aber nur ganz massige, und erst am
siebenten Tage, am 25. Juni kam es durch den Kollegen Feilchenfeld
zu uns. Wir haben von dem Kinde kaum den Eindruck gewonnen,
dass es krank war; so vergnügt wie jetzt war es natürlich nicht Es
hatte etwas frequenteres Atmen, aber keine Atemnot. Es hatte keinen
Stridor, man hörte nur wenig Rbonchi. Wenn man klopfte und horchte
und den Stimmfremitus bei dem unruhigen Kinde prüfte, so glaubte
man, der Fremdkörper müsse auf der linken Seite sitzen.
Das Röntgenbild ist bei dem unruhigen Kinde etwas schräg aus¬
gefallen und befriedigte nicht. Ein zweites zeigt eine umfangreiche
Verdichtung des Lungengewebes in der rechten Hilusgegend. (Demon¬
stration.)
Wir haben das Kind chloroformiert, in die Schwebe gebracht und
dann die Bronchoskopie ausgeführt. In diesem Falle handelte ec sich
darum, das anzuwenden, was ich vor einigen Jahren über Bronchoskopie
bei kleinen Kindern gesagt habe. Wie Sie wissen, ist es immer eine
missliche Sache, durch einen so kleinen Kehlkopf, und namentlich einen
so engen und empfindlichen subglottischen Raum ein Rohr durchzu¬
führen. Ich habe deshalb besondere Kinderrohre mit Mandrins kon¬
struiert, deren Durchmesser der KÖrperlänge angepasst ist. Bei der Be¬
stimmung des Durchmessers bin ich so vorsichtig gewesen, dass ich
immer noch l [ 2 mm hinter dem, was zulässig war, zurückblieb. Die
Rohre sind daher etwas eng ausgefallen. Neuerdings betrachte ich mir
den subglottischen Raum zuerst in der Schwebe und wähle dann das
passende Rohr. Bei unserem 68 cm grossen Kinde konnte das Rohr
Nr. 5, das eigentlich für Kinder von 71—85 cm bestimmt ist und einen
Durchmesser von 6 cm hat, unbedenklich benutzt werden. Mit diesem
Rohr bin ich in den linken Bronchus eingegangen und habe den
Bronchialbaum vollständig frei gesehen. Dann ging ich in den rechten
Bronchus und sah ungefähr 1 Vs cm von der Bifurkation entfernt einen
weissen Fremdkörper. Mit einer feinan Zange, die gerade für diese
Kinderrohre konstruiert ist, wurde der Fremdkörper gefasst und heraus¬
gezogen. Ich zeige ihn hier in natura und hier im Projektionsbilde auf
Millimeterpapier, damit Sie auch aus der Entfernung seine Grösse richtig
beurteilen können.
Das Kind hat diesen Eingriff auffallend gut ertragen. loh konnte
es schon nach zwei Stunden so vergnügt, wie es jetzt ist, iu der klini-
schen Stunde vorführen.
c) Ein unter Schwebelaryngoskopie entfernter grosser subglottischer
Tumor.
M. H.! Ich gebe Ihnen nun einen kurzen Bericht über einen Fall,
bei dem ein grösserer Eingriff mittels Schwebelaryngoskopie gemacht
wurde.
Es handelte sich um einen 39jährigen Russen, der mir von Herrn
Brühl überwiesen wurde. Man sah mit dem Kehfkopfspiegel im sub¬
glottischen Raum einen Tumor, etwas rötlich, von verhältnismäsßig
glatter Oberfläche, von der vorderen Wand ausgehend und etwas von
der rechten Seite. Ich habe das Spiegelbild malen lassen. (Demon¬
stration.) Der Tumor war so gross, dass er den subglottischen Raum
mindestens zu zwei Dritteln ausfüllte. Der Fall schien mir besonders
geeignet für eine Behandlung in Schwebelaryngoskopie. Ich ersparte es
mir, ein Probestück zu entfernen und vorher zu untersuchen. Ich fasste
den Plan, den Tumor gleich radikal zu beseitigen und dann mikro¬
skopisch zu bestimmen. Ich habe auch von dem Larynxinnern Bilder
malen lassen, welche die Situation bei der Schwebelaryngskopie wieder¬
geben. (Demonstration.)
Es war nicht schwer, mit einer kalten Schlinge um das ganze Ding
berumzugehen. Es bestand nur die Gefahr, dass das abgeschnittene
Stück aspiriert werden könnte. Deswegen habe ich den Tumor gleich¬
zeitig mit einer feinen Zange gefasst, also mit beiden Händen im Kehl¬
kopf gearbeitet. Die Basis wurde ausgekratzt. Der Tumor war sehr
weich.
Unter dem Mikroskop zeigt die Geschwulst einen sarkomatösen Bau.
Man sieht Bindegewebszüge und dazwischen grosse sarkomatöse Zellen.
Die pathologischen Anatomen waren der Meinung, dass es sich hier um
Fibrosarkom handelt. Nun, muss ich sagen, passt mir das klinisch gar
nicht recht; denn ich habe vom klinischen Standpunkt aus den Ein¬
druck, dass es sich da gar nicht um eine bösartige Geschwulst
handelt. Es erinnert mich dieser Fall an ein Sarkom der Trachea, das
ich mit Galvanokaustik dauernd heilen konnte. Es ist bekannt, dass es
Geschwülste von sarkomatösem Bau in der Trachea gibt, die ganz gut¬
artig verlaufen sind. Hoffen wir hier dasselbe.
3. Hr. Weingärtner: Ein latentes Osteom der Stirnhöhle.
42jähriger Mann, der seit etwa Jahr Kopfschmerzen in
massigem Grade in beiden Stirnhöhlen hat. Wegen dieser Beschwerden
ist er in die Nervenklinik gekommen und von da zu uns gesobickfc
worden zwecks Erhebung eines genauen Nasenbefundes. Wir fanden in
der Nase nichts Besonderes, vor allem keine Zeichen von Erkrankung
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UNIVERSUM OF IOWA
12. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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der Nebenhöhlen. Nur bei der Diaphanoskopie fiel uns auf, dass ein
schwacher Schatten in der Stirnhöhle war. Infolgedessen haben wir die
Röntgenaufnahme gemacht, die uns sofort die Diagnose sicherte. Man
sieht in der Stirnhöhlengegend einen sehr dichten, scharf begrenzten
Tumorschatten, der seiner ganzen Konfiguration und Schattendichte nach
wohl nichts anderes sein kann als ein Osteom. Um sicher zu gehen,
dass es sich wirklich um einen Tumor in der Stirnhöhle handelt, haben
wir noch zwei stereoskopische Aufnahmen gemacht, und zwar in oecipito-
froutaler und in transversaler Richtung. Danach handelt es sich um
ein Osteom der Stirnhöhle, das die Grenzen derselben noch nicht über¬
schritten hat. Unter den bis jetzt veröffentlichten Fällen ist ein der¬
artiger Fall, soweit meine Kenntnisse reichen, nicht vorhanden; es sind
meistens schon Verdrängungserscheioungen, die der Tumor auf die Um¬
gebung der Stirnhöhlen ausgeübt bat, vorhanden gewesen, während bei
unserem Patienten die Diagnose nur auf Grund des Röntgenbildes zu
stellen war. Ich hoffe, Ihnen bald über das Ergebnis der Operation be¬
richten zu können.
Tagesordnung.
Hr. H. Gntzmann:
Vorstellung eines Patienten mit Störungen der Stimme und Sprache
bei infantiler Psendobulbärparalyse.
Dieser 21jährige Patient, von Beruf Schreiber, kam vor einigen
Tagen in das Universitätsambulatorium für Stimm- und Sprachstörungen
und klagte, dass ihn die Leute nicht recht verstehen könnten. Er ist
Oesterreicher, stammt aus Mähren und spricht mit Dialekt; er selbst
schiebt aber das Nichtverstandenwerden nicht allein auf seinen Öster¬
reichischen Dialekt, sondern vorwiegend darauf, dass er den Laut R nicht
richtig sprechen kann. Er setzt dafür eine Art J oder G ein. Ganz
besonders stark tritt das hervor, wenn er Doppelkonsonanten z. B. br,
dr, gr usw. sprechen muss (Demonstration). Sie hören, dass er zwischen
dem Verbindungslaut und diesem J, das er für R spricht, einen unbe¬
stimmten Vokal einsetzt. Aehnliches findet man sehr häufig bei Kindern,
die das R noch nicht sprechen können; die sagen auch z. B. „Boraten“
statt Braten. Die Chinesen können das R überhaupt nicht aussprechen;
sie setzen für R L und können auch Konsonanten Verbindungen mit L
nicht sprechen, sie setzen stets einen Vokal dazwischen und sagen z. B.
statt „Christus“: Kilissetu. So setzt auch unser Patient immer einen
Vokal dazwischen.
Nun sind aber auch noch andere Sprachfehler bei ihm zu hören.
Zum Patienten: Lesen Sie uns einmal vor, was Sie uns selbst geschrieben
haben. (Geschieht.) — Sie böreD, dass die Sprache sehr stark nasal
klingt: Rhinolalia aperta. Sieht man das Velum an, während er
intoniert, so steigt das Gaumensegel zwar im ersten Moment, wird aber
gleich darauf schlapp und fällt herunter. Es ist also zwar Innervation
vorhanden, aber sie ist ungenügend, das Velum ist paretisch. Man
findet nun, wenn man solche Patienten in der Kindheit zur Beobachtung
bekommt, neben auffallend schwerfälligem Sprechenlernen meistens auoh
Dysphagie: Verschlucken, Festsetzen der Speisen in den Backentaschen,
so dass mit den Fingern nacbgebolfen werden muss u. a. m.
So ergibt sich ein Bild, das ich als eine geringste Form der in¬
fantilen Pseudobulbärparalyse ansehe, ein Symptomenbild, das Oppen¬
heim zuerst aus den vielgestaltigen Formen der cerebralen Kinderlähmung
abgesondert hat. Oppenheims erste Fälle sind allerdings kaum ge¬
eignet, mit diesem Bilde hier verglichen zu werden, weil es sich bei
jenen um die spastische Form handelte. Wir haben nämlich zwei Formen
der infantilen Pseudobulbärparalyse zu unterscheiden: die paralytische
und die spastische Form; daneben gibt es Mischformen. Peritz bat
eine grössere Anzahl von Beobachtungen in einem ausgezeichneten Werke
zusammengestellt, auf das ich hiermit verweise.
Nun sind aber alle jene Krankheitsbilder so unverkennbar, dass man
an der Diagnose nicht zweifeln kann. Bei diesem Patienten dagegen
würde man bei der Geringfügigkeit der Symptome zunächst zweifeln
können, ob es sich wirklich um infantile Pseudobulbärparalyse handelt.
Der Patient spricht jedoch von frühester Jugend auf so, und Diphtherie
hat niemals bestanden.
Ich habe auf der Königsberger Naturforscherversammlung vor vier
Jahren in einer gemeinschaftlichen Sitzung der inneren Mediziner, der
Kinderärzte und der Neurologen und Psychiater diese schwerer erkenn¬
baren Fälle von infantiler Pseudobulbärparalyse geschildert. König,
der bekannte Neurologe, hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht,
dass man, wenn man genauer nachsiebt, viel mehr hierher gehörige
Fälle findet, als man gewöhnlich annimmt.
Die Fälle, welche die geringsten Symptome haben, findet man nun
vorwiegend bei Erwachsenen. Sie dürfen nicht vergessen, dass Symptome
der infantilen Pseudobulbärparalyse, die zu Anfang bei dem Kinde sehr
stark sind, z. B. die Dysphagie, im Laufe des Lebens verschwinden.
. 6 Patienten lernen allmählich, die Pharynxmuskulatur beim Schluckakt
vicariierend einzusetzen, so dass sie die Bissen leichter herunterbekommen.
Ls bleibt schliesslich oft nur eine Störung zu beobachten und nachzu¬
weisen, das ist die Störung der feinsten Koordination, die der Mensch
besitzt, nämlich die der Sprache. Hier bleiben die Spuren meist bis in
das spätere Alter nachweisbar. Nur denkt man oft nicht an jenen Zu¬
sammenhang, wenn man, wie in diesem Falle, einen 21jährigen Menschen
vor sich hat.
Ich habe im vorigen Jahre von Herrn Pfaundler in München, der
ate ausgezeichneter Kinderarzt bekannt ist, eine Patientin mit ähnlicher
Störnng überwiesen bekommen. Es bandelte sich um eine 28 jährige
junge Dame, die mit dem Sprechen Schwierigkeiten habe; sie sprach
nicht so flott, wie sie gern wollte; sie wollte obendrein Schauspielerin
werden. Nun schilderte mir Herr Pfaundler die sprachlichen Sym¬
ptome zunächst brieflich und bemerkte dabei, es sei auffällig, dass
neben den Sprachstörungen auch Schreibstörungen eigentümlicher Art
bestünden. Die Dame trieb allerlei Sport mit vortrefflichem Erfolge.
Später sagte sie mir, dass sie im Tanzen stets einige Schwierigkeiten
habe. Tanzen ist nun aber eine wesentlich feinere Muskelkoordination
als jede sportliche Uebung, was so viel Uebung erfordert. Auch
unserem Patienten fällt Tanzen so schwer, dass er gleich nach dem
ersten Versuch davon Abstand nahm.
Entsprechend meiner Erfahrungen glaubte ich auch in dem Pfau ndl er¬
sehen Falle infantile Pseudobulbärparalyse auf Grund der schriftlichen
Schilderung diagnostizieren zu müssen. Ich bat aber nachzufragen, ob
die Dame in der Jugend Schluckbeschwerden gehabt hätte. Darauf er¬
hielt ich die Nachricht, die Dame hätte tatsächlich in der Kindheit
Schluckbeschwerden gehabt, hatte als Kind immer mit dem Finger nach¬
helfen müssen, um den Bissen herunterzubringen. Dies und die spätere
persönliche Untersuchung bestätigte meine Diagnose.
Ueber Dysphagie in der Kindheit habe ich nun bei unserem
Patienten nichts in Erfahrung bringen können. Was die Schreibstörung
anbetrifft, so würde man sich zunächst daran stossen, dass es sieb um
einen Berufsschreiber handelt; auch ich war zunächst etwas zweifelhaft.
Aber es stellte sich heraus, dass er nicht Schreiber im gewöhnlichen
Sinne war, sondern nur die Schreibmaschine bediente.
Ich werde Ihnen zur Ergänzung des Gesagten eine Reihe von
Schriftproben bei infantiler Pseudobulbärparalyse Erwachsener vorführen.
Bei den Patienten, von denen diese Proben stammen, fand sich
auch stets Sprachstörung mehr oder minder schwerer Art, vor allem Rhino¬
lalia aperta und Bradyarthrie, unvollkommene schwerfällige Sprechweise,
verwischtes Aussprechen einzelner Laute, Ersetzen mancher schwierig
fallender Laute durch andere. Neben der Sprachstörung bestand meist
auch eine Schreibstörung. Sie hatte im wesentlichen den Charakter des
Infantilen. Die Schreibstörung zeigt sich bei unserem Patienten vor¬
wiegend darin, dass er nicht schnell genug schreiben kann. Schreibt er
langsam, dann schreibt er ziemlich gut; aber zum Schluss werden die
Buchstaben zittrig, es tritt bald Ermüdung ein. Man sieht der Schrift
an, wie mühselig sie ihm von der Hand ging. Er braucht z. B. um
23 Buchstaben zu schreiben, 45 Sekunden, also fast für jeden Buch¬
staben 2 Sekunden!
Alle Erscheinungen der gestörten Koordination hängen also eDg zu¬
sammen: die Störungen der feineren Extremitätenbewegungen, die
Störungen im Velum, die Störungen in der Artikulationsmuskulatur.
Meistens lernen derartige Patienten als Kinder spät laufen; das Tanzen
wird von ihnen fast immer gemieden, die Sprache hat den geschilderten
und demonstrierten bradyartbrischen und meist näselnden Charakter.
Betrachten wir nun die Schriftproben. Die erste stammt von einem
Patienten, der längere Zeit bei uns in klinischer Behandlung war. Der
junge Mann war damals zwischen 16 und 17 Jahre alt, sehr intelligent;
er hat inzwischen das Abiturium gemacht und studiert jetzt. Seiner
Schrift sieht man das nicht an; sie sieht aus, als ob sie von einem
kleinen Kind herrührt, sie hat ausgesprochen dysarthrographischen, in¬
fantilen Charakter.
Die zweite Probe hat derselbe junge Mann geschrieben. Die erste
Reihe mit Stütze des Armes, die zweite ohne Stütze des Armes, bei der
dritten hat er die linke Hand zur Stütze genommen. Man sieht, dass
die Schrift ohne Stütze recht schlecht gebt; manches kann man gar
nicht lesen.
Die folgende Probe hat ein 22 jähriger Landwirt geschrieben, der,
um dieses kleine Stückchen zu schreiben, an 20 Minuten gebraucht hat.
Er war ein sonst ganz intelligenter Mann, Sohn eines sehr bekannten
Kollegen. Er hatte ebenfalls die typischen Sprachstörungen.
Die nächste Schriftprobe rührt von einem 17 jährigen jungen Manne
her, damals Obersekundaner, jetzt Student. Es ist ein Stück aus seinem
Diarium, teils französisch, teils englisch, ln der nächsten Probe hat
derselbe Patient eine mathematische Reinschrift geliefert. Sie sehen, wie
er sich dabei Mühe gegeben hat, und doch würde man nicht glaubeD,
dass das ein 17jähriger Mensch geschrieben hat; es siebt genau so aus,
wie ein kleines Kind schreibt.
Gelegentlich kommt der infantile Charakter noch mehr zum Vor¬
schein. Hier sehen Sie z. B. eine Postkarte, die derselbe junge Mann
geschrieben hat.
Endlich zeige ich Ihnen hier die Schrift von diesem jungen Manne.
Man sieht dem Geschriebenen die grosse Mühe an; er setzt mitten im
Buchstaben ab, er verschreibt sich; hier fangen die Buchstaben an,
zittrig zu werden usw.
Die Symptome der allgemeinen körperlichen Ungeschicklichkeit, die
sich auf die feineren Koordinationen, besonders das Sprechen beziehen,
sind demnach als Restsymptome einer infantilen Pseudobulbärpara¬
lyse anzusehen.
Ich freue mich, dass ich noch vor meinem ausführlichen Vortrage
Gelegenheit gehabt habe, Ihnen einen solchen Fall zu zeigen.
Die übrigen Einzelheiten, die noch auszuführen wären, würden hier
bei der kurzen Demonstration nicht eingehend besprochen werden können.
Ich werde dies lieber in meinem Vortrage tun und Ihnen dann auch
die einzelnen Unterlagen in bezug auf den genaueren Befund an der
Stimme, an der Artikulationsmuskulatur usw. unterbreiten können.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 41.
1712
llufelandische Gesellschaft zu Berlin.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 9. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Bumm.
Schriftführer: Herr J. Ruhemann.
Hr. Bumm:
Erfahrungen über die Bestrahlung tief liegender Carcinome.
Zweijährige Beobachtungen erweisen es, dass Behandlung mit Meso¬
thorium und Radium 2—3 cm tief sitzende Carcinome prompt aushcilt,
ohne dass Schädigungen bedingt wurden. Bei fortgeschrittenen und
metastasierenden Krebsen heilt die Oberfläche gut aus; aber der maligne
Process schreitet unter der fibrösen Narbe in der Tiefe weiter; so siebt
man bei Collumcarcinomen keinen Fluor, keine Blutung mehr, während
der Krebs in der Tiefe weiter geht. Verlängerung der Strahleneinwirkung
und Verwendung grösserer Dosen ('500—^700mg—1,0g) erzeugt Ver¬
brennungen im gesunden Gewebe, so dass Nekrosen und Jauchungen
entstehen, an denen nach Wochen und Monaten Exitus erfolgt. Anders
gestaltet sich dagegen die Verwertung der Röntgenstrahlen. Bei grosser
Quantität derselben kann ein weiterer Abstand (22 cm) gewählt werden,
der die Gefahr stärkerer oberflächlicher und tiefer Gewebsschädigungen
vermeidet bei Erzielung genügend tiefer Einwirkung. Diese lässt sich
durch photochemische Prüfung (Einlegung von Kienböckstreifen in das
Scheidengewölbe carcinomkranker Frauen, die von der Bauchwand aus
bestrahlt werden) deutlich erweisen, im Gegensatz zu dem negativen
Effekt bei einer gleich langen Bestrahlung mit 200 mg Mesothorium.
Mit Hilfe des Elektroskops und Ionoquantimeters lässt sich zeigen, dass
bei Abstand der Röhre = 22 cm, der Mesothoriumkapsel = 2 cm von der
Oberfläche in 10 cm Gewebstiefe das Verhältnis der Wirkung der
Itöntgenstrahlen zu der Mesothoriumstrahlung wie 921 : 1 ist. Es wären
also 921 rag x 100 = 92g Mesothorium notwendig, um in der Tiefe von
10cm eine gleiche Strahlungsintensität zu erreichen wie mit der Röhre.
Man nahm an, dass die härtere /--Strahlung besser und elektiver wirke
als die Röntgenbestrahlung. Das ist indes nicht der Fall; es kommt
bei der Krebsheilung alles auf die Quantität der Strahlen aD, welche
die Gewebe treffen. Um 2 cm dicke Carcinomwucherungen zu zerstören
gehören bei direkter Bestrahlung 300—500 X. Da bei einer Tiefe von
10cm etwa ein Siebentel der Strahlen absorbiert wird, bedarf man also
einer 7 fachen Vermehrung der Röntgenstrahlen, also 3000—3500 X, die
aus harten Strahlen bestehen, die von verschiedensten Seiten aus ein¬
fallen müssen, also von den Bauchdecken, der Seite, dem Rücken von
dem Damm her. Bei so grosser Einwirkung ist es gelungen (z. B. bei
6 Collumcarcinomen bei mageren Frauen) klinische und anatomische
Ausheilung zu erzielen. E 9 entsteht hierbei oft ein blasenförmiges
Erythem der Haut, das sich indes in 6 Wochen überhäutet, falls man
alleinige harte Strahlen ein wirken lässt. Das fällt gegenüber der Er¬
zielung des therapeutischen Resultats nicht ins Gewicht, wenn man an
die dauernden' Schädigungen der weichen Röntgenstrahlen denkt. Gewisse
Grenzen sind dieser Therapie gesetzt, weil dadurch Allgemeinstörungen,
Herzalterationen, Anorexie, Erbrechen, starke Diarrhöen usw. bedingt
werden können, Dinge, die auch bei der Behandlung anderer Carcinome
des Magens, Darms, Kehlkopfes usw. berücksichtigt werden müssen.
Bezüglich der erzielten Tiefenwirkung erinnert Vortr. an den Fall eines
Ovarialcarcinoms. Nach der Operation desselben zeigten sich Metastasen
im Peritoneum und Netz. Es wurde vom Stuhl bis zur Symphyse die
Bestrahlung vorgenommen, nach 7—8 Monaten war Erguss im Bauchfell
vorhanden. Laparotomie erwies das Freisein des Peritoneum unter¬
halb des Nabels, während oberhalb desselben in der nicht bestrahlten
Region die Recidive sassen.
2 . Hr. Warnekros:
Durch Röntgenbestrahlung geheilte tiefliegende Carcinome.
Vortr. demonstriert die therapeutische Tiefenwirkung der hoben
Röntgendosen an gynäkologischen Fällen und bei extragenitalen Krebsen;
in letzterer Beziehung wurden sehr instruktive Fälle von Gesichts-,
Lippen- und Lungeocarcinomen an Bildern und Röntgenogrammen gezeigt.
Diskussion.
Hr. Franz erkennt das grosse Verdienst der Bumm’schen Klinik
an, die grossen Röntgendosen verwertet zu haben. Es handelt sich
wirklich um klinische Heilung und anatomische Beweise der restlosen
Beseitigung; indes ist die Frage, ob alle für die Verbreitung und
Recidivierung des Krebses in Betracht kommenden Vorposten vernichtet
werden. Die Wahl zwischen Operation und Bestrahlung wird jetzt
zweifelhaft. Bei dem grossen Kostenaufwand und der Mühewaltung,
welche die letztere Therapie erfordert, bedarf es der Notwendigkeit der
Behandlung in der Klinik.
Hr. Paul Lazarus: M. H.! Mit vollem Recht haben die Herren
Vortragenden die starke Dosierung als den Kernpunkt der Strahlen-
tiefeDtherapie bezeichnet. Die Betonung dieses Moments ist um so not¬
wendiger, als neuerdings von verschiedenen Seiten die Anschauung
vertreten wird, dass man mit schwächeren Dosen strahlender Materie die
gleiche Carcinombeeinflussung erreichen könne, wie mit stärkeren Dosie¬
rungen, wenn man erstere mit andersartigen „Krebsheilmitteln“ z. B.
AutolysateD, Antimeristem und dergl. kombiniert. Diese Auffassung
bedeutet eine Gefahr, denn die Wirkung der strahlenden Energie ist je
nach ihrer absorbierten Menge eine grundverschiedene. Wir können
im Ausdehnungsgebiete der Strahlen 4 Zonen unterscheiden: Zerstörung, I
Wachstumshemmung, Wachstumsreizung und Indifferenz.
Schwachbestrahlte Geschwülste wachsen rascher als unbestrahlte. Es
ist deshalb unbedingt erforderlich ein möglichst grosses Strahlenquantum
dort zur Absorption zu bringen, wo man zerstören will.
Zwischen den ^-Strahlen und den härtesten Röntgenstrahlen besteht
kein grundsätzlicher physikalisch-theoretischer Unterschied, wenn auch
nach den Erfahrungen mehrerer Strahlentherapeuten biologische Differenzen
bestehen sollen. Wir besitzen in den radioaktiven Stoffen und in der
Röntgenröhre 2 gleichzielig gerichtete Waffen, jede mit ihren besonderen
Vorzügen und Nachteilen. Io den radioaktiven Stoffen ist in kleinster
Masse das stärkste, dabei konstante und selbsttätige Energiequantum
konzentriert, das in seiner Intensität und Lokaliaation bequem dosierbar
und in seiner Anwendungsdauer zeitlich nicht so beengt ist wie die
Röntgenstrablen. Es lässt sich direkt an den Erkrankungsherd bringen
und wirkt im ersten Gewebscentimeter mindestens 100 mal so stark wie
eine gleicbaktive Strahlenquelle in 10 cm Entfernung. Mittels der ultra¬
penetrierenden Röntgenstrahlen können wir, wie die von den Herren
Vortragenden dargestellten glänzenden Resultate zeigen, ausreichende
grossfläehige Tiefenheilwirkungen erzielen bei relativ ungefährlicher Mit-
Beeinflussung der oberflächlichen Ge websschichten.
Als das richtigste Verfahren erscheint mir die kombinierte An¬
wendung von stark aktiven StrahlenrÖhrohen möglichst
direkt am Krankheitsherde und die Bestrahlung von aussen,
sei es durch eio oder zwei Röntgenröhren (Kreuzfeuer) oder eventuell durch
eine Kette von hochaktiven, radioaktiven Dauerstrahlern, was freilich
sehr kostspielig ist.
Das nähere über meine Methodik habe ich in der B.kl.W. 1914,
No. 5 u. 6 und in den diesjährigen Verhandlungen des Deutschen Kongresses
für innere Medizin, S. 208 l ) ausgeführt. Daselbst berichtete ich auch
über 10 lediglich durch Mesothorbestrahlung erfolgreich behandelte
Fälle, deren Demonstration ich mir anzuschliessen erlaube. Fall 1.
Fibrosarkom des Kleinhirns, Fall 2. Lymphosarkom der Ton¬
sille, Fall 3. Speiseröhrenkrebs, Fall 4. Magenkrebs, Fall 5.
Mediastinalsarkom, Fall 6 u. 7. Lymphogranulom des Halses,
Lymphogranulom des Halses und des Mediastinums, Fall8,
9u. 10. Beeinflussung leukämischer Milz-, Leber- und Drüsen-
sch wellungen.
Manche dieser Fälle waren bereits vorher erfolglos mit Röntgen-
strahlen behandelt worden (s. Original). Die Gefahren der Strahlen-
therapie sind nicht geringe, z. B. der konträre Effekt: Reizwachstum. Gerade
gegen diese Gefahren schützt am ehesten eine Verbindung dercentri-
fugalen, intratumor&len Radiumbehandlung mit der centri-
petalen Röntgenbehandlung von aussen, die auf ganze Körper¬
regionen ausgedehnt werden kann. Daduroh geraten die Geschwulst-
pheripberie und benachbarte Metastasen iDS Strahlen-Kreuzfeuer. So
habe ich auch bei den dargestellten Fällen von Speiseröhren- und
Magenkrebs ein an einem Faden befestigtes Mesothorröhrchen bis ins
Niveau der Erkrankung schlucken lassen und gleichzeitig von aussen den
Krankheitsherd durch ein Reihe von 8 Mesothor- und Radiumträgern
umzingelt.
Hr. Levy-Dorn: Das grosse Verdienst des Herrn Bumm, in seiner
Klinik bisher unerhört grosse Dosen angewandt und damit überraschende
Erfolge bei Krebs erzielt zu haben, überhebt uns nicht der Pflicht,
nachzudenken, ob und wo wir mit weniger gefährlichen Dosen auskommen.
Allerdings heilten ja nach den vorliegenden Mitteilungen selbst die
Itöntgendermatitiden 2. Grades, welche man durch die harte gefilterte
Strahlung hervorgerufen hatte, ohne dauernden Schaden für den Patienten.
Aber ganz abgesehen davon, dass man nicht weiss, was noch nachkommt,
wäre es ohne Zweifel besser, wenn man ohne jegliche Gefahren dasselbe
erreichen könnte, was uns heute mitgeteilt und vorgeführt wurde.
Von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich an die erhebliche Ver¬
schiedenheit in der Radiosensibilität verschiedener Tumoren erinnern.
Die Demonstration des Herrn Lazarus zwang uns einen solchen Ge-
dankengang besonders eindringlich auf. Seine mehr oder weniger ge¬
heilten Lymphsarkome und Mediastinalgeschwülste z. B. gehören za den
Affektionen, die schon unter einer lür heutige Begriffe geringen Be¬
strahlung schwinden. Schon in den Anfängen der Röntgentherapie
wurde von zahlreichen Autoren, auch von mir selbst, über Erfolge auf
diesem Gebiete berichtet. Wir müssen uns also von dem Gedanken
frei halten, alle Geschwülste mit gleich grossen Dosen behandeln zu
müssen und im Interesse der Kranken im Auge behalten, mit möglichst
kleinen Dosen auszukommen, selbstverständlich ohne das günstige Er¬
gebnis zu gefährden.
Hr. A. Fraenkel erkennt ganz besonders die Wirknng der Tiefen¬
bestrahlung in dem vom Vortr. demonstrierten Fall von Lungenoar-
cinom an, zu dessen erfolgreicher Behandlung der Arzt io gleichem
Maasse wie der Patient zu beglückwünschen ist. Er weist aber darauf
hin, dass die in dem Diapositiv sichtbare Verschathmg des ganzen linken
Lungenfeldes vor der Bestrahlung nicht auf Rechnung von Tumorbildung
gesetzt werden darf, und ebensowenig die naoh der Bestrahlung sichtbare
Aufhellung als Folge von Tumoreinschmelzung zu deuten ist. Die primären
Lungencarcinome gehen meist vom Bronchus aus und führen zur Kom¬
pression bzw. zur Verlegung grösserer Luftröhrenäste durch Hineinwuchern
in dieselben. Die Folgen sind ausgedehnte Atelektasen des Lungen-
1) Die Radium-Mesothoriumanwendung bei inneren Erkrankungen
einschliesslich der Neubildungen.
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UMIVERSITY OF IOWA
12. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1713
gewebes, sowie entzündliche Ausschwitzungen in die Alveolen, so dass
weder der physikalische Befund, insbesondere die Ausbreitung der
Dämpfung, noch die Undurchlässigkeit der Lunge bei der Durchleuchtung
Aufsohluss über die wahre Grösse des Tumors geben.
Hr. Evler** loh möchte mir die Frage erlauben, wie sich die Wuud-
heilungstendenz der mit hohen Dosen bestrahlten Gewebe bei späteren
Operationen gestaltet. Bei Operationen nach vorhergegangenen Röntgen¬
bestrahlungen mit mittleren Dosen, fand ich den Wundverlauf auffallend
verzögert und sohmerzhaft.
Hr. Hessmann lenkt die Aufmerksamkeit auf die beim Verabreichen
hoher Röntgendosen gar nioht selten eintreteoden Nebenerscheinungen
— allgemeine starke Mattigkeit, Uebelkeit und Erbrechen. Praktisch
wichtig sind sie deshalb, weil sie bei Patienten mit labilem Nerven¬
system die Durchführung einer Röntgenbehandlung gefährden können.
Da sie meist schon während oder nach der ersten Bestrahlung auftreten,
können sie nicht als eiue spezifische Röntgenwirkung angesehen werden.
Vielmehr werden elektrische Erscheinungen — Ionisation der Luft und
Aufladung des Körpers —, die besonders stark gerade bei harten Röntgen¬
strahlen hervorgerufen werden, zur Erklärung der Nebenwirkungen her¬
angezogen werden müssen. Um diese zu beseitigen, ist daher auch der
Patient zu erden und nicht nur wie bisher das Röhrenstativ. Die
praktische Probe dieses einfachen Mittels glückte gleich beim ersten Fall.
Hr. Bucky-Berlin: M. H.! Unstreitig müssen wir den Gynäkologen
dankbar dafür sein, dass durch ihre intensive Arbeit auf dem Gebiete
der Strahlungstherapie ein Aufschwung in diesem Zweige der Wissen¬
schaft zu verzeichnen ist, der das Interesse aller Aerzte erweckt hat.
Nur ist die Entwicklung dieser neuen Therapie etwas zu stürmisch ver¬
laufen. Die klinischen Erfolge mit ihren überraschenden Resultaten und
erheblichen technischen Verbesserungen Hessen die Gynäkologen die
wohlgemeinten Ratschläge von seiten erfahrener Röntgenologen etwas zu
gering achten, so dass heute manches eingetroffen ist, was den Gynäko¬
logen von röntgenologischer Seite vorausgesagt worden ist. Es ist eine
alte Erfahrung, dass Kinder in den Entwicklungsjahren die Ratschläge
der Eltern nicht beachten; genau so war das Verhältnis zwischen
Gynäkologen und Röntgenologen. Nach meiner UeberzeuguDg ist es
nunmehr an der Zeit, dass die Gynäkologen gemeinsam mit erfahrenen
Röntgenologen und vor allem mit Physikern zu arbeiten beginnen.
Diese Einsicht beginut sich bereits bei den Gynäkologen merkbar zu
machen, denn sowohl an der Bumm’schen Klinik als auch an der
Heidelberger sind Physiker zur Mitarbeit herangezogen wordeD.
Wie wichtig diese Forderung ist, kann ich Ihnen an einem Beispiel
aus dem Vortrage von Herrn Geheimrat Bumm erläutern. Herr
Geheimrat Bumm führte an, dass die harten Strahlen zwar Erytheme
und Verbrennungen zweiten Grades mit Blasenbildung verursachen
könnten, dass er aber bezweifle, dass schwere Verbrennungen dritten
Grades mit Uloerationen durch harte Strahlung hervorgerufen werden
könnten. Wir wollen dahingestellt sein lassen, ob diese Annahmen in
jedem Falle zutreffen, zweifellos geht aber aus dem Angeführten und
aus unseren sonstigen Erfahrungen hervor, dass die biologische Wirkung
der weichen und der harten Röntgenstrahlen wesentlich different ist.
Um wieviel mehr wird der Unterschied bei einfachen chemischen Pro¬
zessen hervortreten! Trotzdem wird dieser Umstand stets vernachlässigt,
wenn es sich um Messung der Strahlenmengen handelt. Hier wird von
vornherein angenommen, dass weiche und harte Strahlen gleiche Wirkung
hatten. Wie könnte sonst Bumm die Zahlen miteinander vergleichen,
die er am Kienböck’schen Dosimeter einmal durch Bestrahlung mit
Röntgenstrahlen und das andere Mal durch Bestrahlung mit den un¬
gleich härteren Radiumstrahlen erhalten hat. Ganz abgesehen davon,
dass das Kienböck’sche Verfahren wesentliche Mängel aufweist (ich
verweise diesbezüglich auf die klaren Ausführungen von Grossmann
auf dem letzten Röntgenkongress), wäre es ein schwerer Fehler, aus
diesen Zahlen Rückschlüsse auf biologische Wirkungen zu ziehen. Das¬
selbe gilt von den anderen bisher gebräuchlichen Dosimetern, z. B. auch
den im Handel befindlichen Ionometern; auch hierüber kann das Wesent¬
liche in dem Grossmann’schen Vortrag nachgelesen werden. Auf
keinen Fall ist es aber angängig, Radium- und Röntgenstrahlen in dieser
Weise zu vergleichen. Wir haben eben bis heutigen Tages noch kein
absolutes Dosimeter; das Ideal wäre natürlich ein biologisches Dosi¬
meter im Gegensatz zu den physikalischen und chemischen Instru¬
menten; ob wir aber jemals ein solches besitzen werden, darüber lässt
sich zurzeit nichts aussagen. Wenn die Bumm’sehe Klinik heute ein¬
fach bis zum Erythem der Haut in jedem Falle geht, so benutzt sie
dabei in der Tat ein biologisches Dosimeter, nämlich die Reaktion der
Haut^auf die Strahlung, dann ist es natürlich einfach, die „Erythem¬
dosis“ festzustellen; man bestrahlt eben, bis eine Verbrennung zweiten
Grades Auftritt. Ob sich aber alle Radiotberapeuten zu eiuem solchen
Vorgehen entschlossen werden, ist doch wohl zweifelhaft.
Da die Herren Gynäkologen bei Angabe der Dosen mit enorm
grossen X-Zahlen zu operieren gewohnt sind, wäre es wünschenswert,
wenn einmal Klarheit geschafft würde, inwieweit dabei von absoluten
Zahlen gesprochen werden kann. In der richtigen Erkenntnis, dass die
Dosimetrie der Röntgenstrahlen noch sehr im Argen liegt, hat Levy-
Dorn auf dem letzten Röntgenkongress die Schaffung einer Dosimeter¬
kommission angeregt.
Es ist hier nicht der Ort, des näheren auf diese speziellen Fragen
fiinzugehen. Gelegenheit zur Aussprache bietet sich für die Gynäkologen
und die Röntgenologen in der Berliner Röntgengesellsobaft, die sich jetzt
auch mit der Radiumtherapie befasst.
Nur noch einen Punkt möchte ich erwähnen. Wenn Herr Geheimrat
Bumm als Ziel der Strahlentherapie die Erhöhung der Strahlendosis
ansiebt, so kann ich ihm darin nicht ohne weiteres beistimmeo, und
zwar aus folgenden Gründen. Die Heilwirkung der Röntgenstrahlen be¬
ruht auf der verscbiedeneu Radiosensibilität des normalen und des
pathologischen Gewebes. Nur dem Umstande, dass das pathologische
Gewebe radiosensibler ist, verdanken wir ja die Möglichkeit, patho¬
logische Zellen zu zerstören, während die normalen Zellen dem Einflüsse
der Strahlung standbalten. Dass aber auch die normale Zelle ge¬
schädigt wird, sehen wir am deutlichsten aus dem Verhalten der nor¬
malen Haut. Je grösser die Dosis, um so stärker wird zwar das patho¬
logische Gewebe angegriffen, aber um so mehr werden dann auch die
normalen Zellen geschädigt werden. Deshalb muss e9 eine Grenze der
Strahlenapplikation geben, die wir nicht überschreiten können, ohne den
Orgauismus schwer zu schädigen. Auf diesem Wege kommen wir also
nicht weiter. Vielmehr muss es nach meiner UeberzeuguDg unsere Auf¬
gabe sein, Mittel und Wege zu finden, die Radiosensibilität des patho¬
logischen Gewebes zu erhöhen. Dann werden wir mit relativ geringen
Dosen auskoramen, die das normale Gewebe nicht schädigen. Da3S
dieses Ziel erreichbar ist, hoffe ich Ihnen noch im Verlaufe des kommenden
Winters zeigen zu können, da ich mich bereits seit Jahren mit dieser
Frage beschäftige.
Aerztllcher Verein zu München.
Sitzung vom 16. September 1914.
(Kriegschirurgischer Abend.)
1. Hr. v. Stubenrauch:
a) Allgemeine Gesichtspunkte bei der Behandlung der 8ehnss-
verletzugen.
Bei der Behandlung der Schusswunden gehen wir zuerst von der
allgemeinen Wundbehandlung aus. Die Wunden möglichst rasch und
schonend zu behandeln, ist der fundamentale Grundsatz. Wenn wir
vom Truppenverbandplatz ausgehen, handelt es sieb um rasche Versorgung
der Wunden mit keimfreiem Material. Wie geschieht das? Die Gefahr
tritt hauptsächlich von der Nachbarschaft aus auf. Deshalb grosser
Nutzen der Arretierungsmethoden: entweder fixieren oder mit Des¬
inficienten bestreichen oder gummieren. Am besten ist der Mastisol-
verband. Die Nachbarschaft der Wunde wird mit Mastisol bestrichen,
dann die Wunde mit Kompressen bedeckt und darüber Watte. Der
Wert des Oettingen’schen Verbandes liegt auch in der Richtung der
Fixation. Die Entzündungserscheinungen gehen oft über Erwartung
rasch zurück, uüd neuer Reiz durch mechanisches Reiben wird verhindert,
was ein grosser Vorteil ist. Die Wunden weder desinfizieren noch
mechanisch reizen. Als Konkurrent des Mastisols kommt die Jodtinktur
in Betracht, gegen die nur eingewendet werden kann, dass sie nicht
fixiert, und die Einwirkung von nicht so langer Dauer ist. Vortr. zieht
Mastisol auch dem Heftpflaster vor, da man es fast an allen Körper¬
stellen anbringen kann. Mastisol soll zwar auch Ekzeme der Haut
machen, St. hat aber nie grössere als bei Heftpflasterverbänden beobachtet.
Man hat gesagt, dass man strikte vermeiden soll, die Umgebung der
Wunde mit Seife zu waschen, zu rasieren oder vom Blut zu reinigen.
Es gibt aber Fälle in denen die Wunden so beschmutzt sind, dass man
mit Mastisol nicht mehr auskommen kann. In solchen Fällen soll man
die Umgebung in schonendster Weise reinigen. Am besten ist das
Benzin; man kann dann von Seife absehen. Auch Verletzungen, die
grob mit Erde verunreinigt sind, soll man nicht spülen. In solchen Fällen
ist es gut, die Wunde mit Jod zu behandeln und trocken zu verbinden.
Feuchte Verbände sind zu vermeiden. Eine andere Frage ist, ob wir
sehr verunreinigte Wunden nicht spezifisch gegen Tetanus behandeln
sollen. Deshalb hat die bayerische SanitätsverwaltuDg die Sanitätszüge
mit Tetanusantitoxinen ausgestattet.
Falsch ist es, Wunden zu berühren oder zu sondieren. Auch darf
man niemals für 2 Patienten das gleiche Instrument verwenden, ohne
es dazwischen auszukochen. Es in Desinficientien zu legen hat keinen
Wert.
Auch bei der Tamponade werden grobe Fehler gemacht. Scbuss-
verletzungen mit kleinen Kanälen dürfen nicht tamponiert werden,
denn es wird einerseits dadurch der Wundkanal verlegt, andererseits
werden Keime von aussen in die Wunde hereingebracht. Die Tampo¬
nade ist nur bei grossen Kanälen und bei Blutungen erlaubt. Der
Mastisolverband verhindert auch nicht die Blutstillung. Einen ent¬
standenen Schorf soll man nicht zu lösen versuchen. Nur wenn Klei¬
dungsstoffe daran kleben, soll man ihn vorsichtig entfernen. Bei granu¬
lierenden Wunden recht fleissig Salbenverbände machen, z. B. Peru¬
balsam mit Vaselin. Das Allerwichtigste ist die Fixation der grob
verletzten Glieder. Sie ist so wichtig wie die Wundbehandlung.
Verbandwechsel möglichst lange hinausschieben und dann so schonend
als möglich verfahren.
b) Daran anschliessend DemonstratioBei ?oi Lichtbilder! einzelner
VerMitmgsfonnen.
Vortr. stellt dabei noch folgende Grundsätze auf:
Hämatome soll man nur dann inzidieren, wenn sie vereitert sind
oder grosse Störungen hervorrufen (in den Waden, der Glutäalgegend,
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UMIVERSITY OF IOWA
1714
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 41.
bei Druck auf einen Nervenplexus). Geschosse dürfen nur entfernt
werden, wenn sie zu grossen Beschwerden führen, Eiterungen hervor-
rufen, sogenannte „Gefassschüsse“ darstellen oder wo sie direkt unter
der Haut liegen und ganz leicht entfernt werden können. Kiefer-
verletzungen-soll man rasch zum Zahnarzt bringen.
2. Hr. Krecke: Beobachtungen über Schnssverletznngen.
Yon den Transporten kamen manche Verwundete in einem sehr
schlechten Zustand zu uns. So haben z. B. von den Oberschenkel¬
frakturen die 5 ersten nicht, die 5 letzten stark geeitert. Die ersten
waren nicht sehr gut geschient. Der eine davon war 30, ein anderer
32 Stunden im Felde gelegen und doch waren sie gut. Sie sind am
3. Tage gekommen. Die anderen waren oft hin- und hertransportiert
worden und kamen am 8. Tag. Eine Ursache für den veschiedenen Zu¬
stand dieser Oberschenkelfrakturen konnte Yortr. nicht finden.
Bei Schädelschüssen ist Trepanation angezeigt; dasselbe gilt für
alle Tangentialschüsse.
Die Rückenmarksverletzungen stellen das traurigste Kapitel dar,
da sie fast alle tödlich enden: durch schweren Decubitus oder Cystitis.
Bei Rüekenmarksscbüssen soll nur dann eine aktive Therapie ein-
treten, wenn nur ein Einschuss vorhanden ist und das Geschoss im
Rückenmarkskanal sitzt. In den übrigen Fällen, besonders wenn ein
Ausschuss vorhanden ist, nichts unternehmen. Nervenverletzungen
wurden viele beobachtet. Alle Nervenverletzungen machen sehr starke
neuralgische Schmerzen. In den ersten 6 Wochen nichts tun. Von
Aneurysmen sah Vortr. zwei: eines der Poplitea und eines der
Brachial is.
Blasen- und Harnröhrenverletzungen: Eine schwere Verletzung der
Pars membranacea konnte durch Operation geheilt werden. Blasen¬
verletzungen waren zustande gekommen, indem bei einem Mann ein Ge¬
schoss in der Gesässgegend, bei einem anderen eines am Tuber ossis
ischii eiDgedruugen war. Sie machten die Erscheinungen von Blasen¬
steinen: In der Rückenlage keine Beschwerden, aber beim Aufrecht¬
stehen. Es wurde die Sectio alta in Lokalanästhesie gemacht.
3. Hr. Fessler.- Ueber Qnerschlägerverletznngen.
Vortr. sprach über die Wirkung des deutschen und französischen
Spitzgeschosses. Die Versuche, ein steil zugespitztes Geschoss, das ver¬
möge der Spitze am leichtesten die Luft und das Ziel durchdringt, zu
konstruieren, gehen auf viele Jahre zurück, scheiterten aber an der
ballistischen Schwierigkeit, dieses Spitzgescboss sicher mit seiner Längs¬
achse in der Flugbahn zu erhalten. Erst durch innigere Führung im
Lauf und ausserordentlich gesteigerte Anfangsgeschwindigkeit konnte dies
erreicht werden. Will man nun die Anfangsgeschwindigkeit (v = 860 m-Sek.
beim deutschen, 730 m-Sek. beim französischen Spitzgeschoss) be¬
deutend steigern, so muss das Geschoss im gleichen Verhältnis leichter
werden.
Nach dem japanisch-russischen Kriege trat Frankreich mit einem
Solchen Spitzgeschoss hervor, das so lang war, als der Lademechanismus
eines Gewehrs überhaupt gestattete, vielleicht auch in der Absicht, das
Querschlagen des Geschosses zu erleichtern; denn mit der Geschoss¬
länge wächst die Neigung zur Querlage (anfangs 39,9, jetzt 39,0 mm).
Dieser neue französische „bal D“ musste aus einem spezifisch leichteren
Metall sein (90 pCt. Kupfer, 6 pCt. Zink, 4 pCt. Nickel), um eine er¬
höhte Geschwindigkeit zu erreichen. Deutschland führte 1906 ein
kürzeres Spitzgeschoss (27,8 mm lang) ein, das aus Hartblei mit nickel¬
plattiertem Stahlmantel besteht. Weil das deutsche Spitzgeschoss leichter
als das französische ist (10,0 g gegen 13,2 [jetzt 13,0]), verliert es
rascher seine Energie und lebendige Kraft. Das deutsche Spitzgeschoss
hat aber den ballistisch-taktischen Vorteil, dass es eine grössere Rasanz
hat, wodurch in 700 m Schussweite — der gewöhnlichen Zielweite im
Infanterieentscheidungskampf — noch Ross und Reiter unter das gleiche
Visier fallen. Des verringerten Gewichts wegen kann auch dem einzelnen
Mann mehr Munition mitgegeben werden. Diese Vorteile und die grössere
Treffsicherheit (verminderte Streuung) des S-Geschosses waren die
Gründe, welche die deutsche Heeresverwaltung bei Einführung des neuen
Geschosses leiteten.
Beide Geschosse treffen als Ersttreffer in allen Entfernungen mit
der Spitze auf, wie ich durch Versuche mit dem deutschen Spitzgeschoss,
der „S“-Munition nach dem deutschen Ausdruck 1 ), festgestellt habe;
daher die auffallend glatten Durchschüsse durch schwammige Knochen,
Gelenke usw. Sobald aber diese Spitzgeschosse einseitig einen härteren
Widerstand finden, oder wenn sie nach Durchbohrung oder Berührung
härterer Knochen wieder in weichere Körperteile gelangen oder diese
Widerstände rasch wechseln, weicht ihre steile Spitze ab, das Geschoss
beginnt zu pendeln, legt sich quer, behält allerdings die Rotation um
die Längsachse bei, so dass es zu allen möglichen Formen von Quer-
Schieflagen kommt. Vortr. bat Versuche mit Durchschüssen an Pappen¬
deckeln mit Sägemehlzwischenlagen angestellt. Id menschlichen Körper¬
teilen kommt diese Schief- und Querlage sehr deutlich zum Ausdruck:
1. Man erkennt es schon an den Hauteinschüssen, ob das Geschoss nach
vorherigem Anstreifen als Schief- oder Querschläger aDkommt. Der
Hauteinschuss ist oval, schlitzförmig. Dem entspricht im Körper eine
grössere Weite des Schusskanals; in den Weichteilen ein grösserer Blut¬
erguss, starke Knochenzertrümmerung, vergrösserter Ausschuss und
manchmal auch mehrfache Ausschüsse (durch Knochensplitter). 2. Das
1) Vgl. E. Stahl, Wirkung des deutschen Spitzgescbosses. München
1909, Verlag dor Leutner’schen Buchhandlung.
Geschoss wendet sich, nachdem es als Spitztreffer die Haut klein durch¬
schlagen hat, im Körper. Es verursacht dort grössere Trümmerhöhlen,
macht die merkwürdigsten schiefen Bahnen und zeigt bei Streifschüssen —
auch Gehirn- — nicht immer ein Ausweichen innerer Organe.
Behandlung der Querschlägerverletzungen: Die vergrösserten Ein-
und Ausschüsse sezernieren stärker, neigen sehr zur Infektion und
müssen deshalb öfters und sehr reinlich verbunden werden. Grösseren
Notverband mit Dauerantisepticum anlegen. Die sehr beweglichen
Knochenbrüche müssen gut fixiert werden. Die vielen Knochensplitter
dürfen nur entfernt werden, wenn sie schon nekrotisch sind, weil sie
trotz der starken Zertrümmerung auch bei infizierten Wunden einheilen.
Keine Tamponade. Salbenverband oder trocken. Bei Infiltration Alkohol-
umscbläge. Im Anfang die Wunde möglichst in Ruhe lassen.
(Autoreferat; gekürzt.)
4. Hr. Gebele: Demonstrationen.
Vortr. sprach über Merkwürdigkeiten des Schusskanals.
a) Einschuss rechte Glutäatgegend. Kein Ausschuss. Dagegen
grosse Iufiltrationszone des linken Oberschenkels. Das ist also eine
Art Konturschuss.
b) 30 jähriger Infanterist. Einschuss in der linken Lendengegend in
Höbe des zweiten Lendenwirbels. Kein Ausschuss. Ueber der ganzen
Brust ausgedehnte Sugillationen und Hautemphysem. Auscuitatorisch
Bronchialatmen. Also Hämatothorax, Pneumonie. Linke Taiileniinie
verstrichen und Dämpfung. Im Urin Eiweiss positiv, kein Blut, viele
Leukocyten: also Niere getroffen. Es fand sich eine Scbrapnellkugel
ira M. pectoralis. Es handelte sich also um einen Steilschuss. Das
Schrapnell muss am Boden aufgeprallt sein; der Mann war in Marsch¬
kolonne.
c) 22 jähriger Infanterist. Auf der rechten Halsseite kleine Ein¬
schussöffnung und in der linken Axilla eine grössere Aussohussöffnung.
(Querschläger.) Aufnahmebefund: Patient sehr anämisch, stark be¬
nommen. Schwere Besinnlichkeit. Starke Pupillendifferenz. Facialis-
parese links. An der Einschussstelle Carotis lädiert, Kopfhaltung steif,
Kopfbewegungen schmerzhaft. Linke Clavicula frakturiert. Linker Arm
schlaff gelähmt. Radialpuls nicht vorhanden. Arm nicht geschwellt,
seine Temperatur nicht erhöht gegenüber dem rechten. Patient bekam
Nachblutung. Die V. subclavia war verletzt und thrombosiert, wie die
Operation zeigte. Also der Schuss hat getroffen: Sympatbicus, Carotis,
Halswirbel, Clavicula und Plexus brachialis. Nicht geklärt ist die
Facialisparese links. Die ist sicher central. Patient gibt nun an, dass
er zusammengefallen und lange Zeit bewusstlos liegen geblieben ist.
Vielleicht ist sie also die Folge einer Coramotio cerebri, und es hat der
Fall auch den Bruch der Clavicula herbeigeführt.
5. Hr. Sielmann: Oberschenkelfraktnren.
Vortr. hat im Reservelazarett B. auffallend viele Oberschenkelfrakturen
zu Gesicht bekommen. Er zeigt röntgenologische Aufnahmen von diesen
und deren Umgebung und zwar sehr schwere Fälle. Die grosse Zahl der
Oberschenkelfrakturen führt Vortr. darauf zurück, dass die Leute in den
Schützenlinien gekniet haben.
6. Hr. v. Hoesslin*. Lungenschitsse.
Vortr. sprach über die Folgen von 18 Lungenschüssen. Bei allen
Lungenschüsseu war die erste Geschosswirkung die gleiche. Die Ge¬
troffenen stürzten im Stehen, Knien oder im Sprung zusammen. Nur
zwei konnten sich mit eigener Kraft noch fortbewegen. Manche wurden
bewusstlos. Ein Schmerz trat so gut wie gar nicht auf, dagegen mehr
oder weniger grosse Atemnot, teilweise mit Erstickungsgefühl. Sehr be¬
deutend war stellenweise die Blutung. Viele Kranke batten Blut im
Munde; nur bei zweien fehlte Blut im Auswurf. Bei einer grossen An¬
zahl war eine sehr bedeutende Blutung aus der Wunde in den Thorax-
raum erfolgt. Auch die auskultatorischen Erscheinungen waren überall
die gleichen. Die Resorption der Blutergüsse war eine ziemlich lang¬
same. Manchmal fand sich eine Verdrängung des Herzens nach der
anderen Seite. Therapie: keine Punktion, nur exspektative Behandlung.
Der Pneumothorax hatte sich gewöhnlich schnell resorbiert.
Komplikationen fand Vortr. bei 3 Fällen: 1. Empyembildung,
2. Empyema necessitatis auf der RückeDfläche, 3. Blasenblutung, weil
gleichzeitig eine Niere durchschossen war. Ungefähr 15 Patienten sind
schon Rekonvaleszenten. Ungünstig wirken sehr grosser Ein- oder Aus¬
schuss, welcher eine langdauernde Kommunikation mit aussen ergibt.
Daran anschliessend einige Demonstrationen. Nobiling.
Ernst Salkowski zum 70. Geburtstage.
(11. Oktober 1914.)
Am 11. Oktober vollendet Geheimrat Ernst Salkowski das sieb¬
zigste Lebensjahr. Vor 10 Jahren haben die Freunde und Schüler des
hochverehrten Mannes seinen sechzigsten Geburtstag durch eine Feier
festlich begangen, die allen Teilnehmern wohl für immer unvergesslich
bleiben wird. Es kam dabei auf das Klarste zum Ausdruck, welchen
Schatz von Dankbarkeit sich Salkowski durch sein segensreiches Wirken
erworben hat. Wenn heute die ernsten Zeiten auch nicht den Gedanken
an eine Feier autkommen lassen, so darf doch der Ehrentag nicht vor¬
übergehen, ohne dass die Glückwünsche treuer Freunde und dankbarer
Schüler ausgesprochen werden.
Salkowski hat sich in gleicher Weise als Lehrer wie als Forscher
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UNIVERSUM OF IOWA
12. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1716
ausgezeichnet. Seit vielen Jahrzehnten hat er ganze Generationen von
jungen Medizinern in die Anfangsgründe der Laboratoriumsarbeit einge*
führt und Vorgeschrittene bei ihren mehr oder weniger selbständigen
Arbeiten mit seinem Bat und seiner Hilfe unterstützt. Ich bin über¬
zeugt, dass namentlich die, welche längere Zeit in Salkowski’s Labo¬
ratorium gearbeitet haben, die dort verlebten Stunden der Arbeit zu
ihren schönsten Erinnerungen zählen werden. Es besteht in dem Bann¬
kreis seiner Forschungsstätte in der Tat ein ideales Verhältnis zwischen
Lehrer und Schüler. Die Schüler blicken in grösster Ehrfurcht zu dem
schlicht vornehmen und liebenswürdigen Manne auf, der immer bereit
ist, aus seinem unerschöpflichen Reichtume von theoretischen Kenntnissen
und praktischen Erfahrungen freigebig zu spenden. Sein edler, wissen¬
schaftlicher Ernst und die völlig unbestechliche Exaktheit seiner Denkungs-
weise wirkt als stets ermahnendes Beispiel auf die jungen Forscher.
Die unbedingte Sachlichkeit, die mit gleich strenger Kritik eigener wie
fremder Arbeit gegenübertritt, hat sich bei ihm als ein hervorragendes,
erzieherisches Prinzip bewährt. Alle diese grossen und schönen Lehrer¬
eigenschaften sind aber nicht nur den zahlreichen Laboratoriumsschülern
zugute gekommen, die persönlich bei ihm gearbeitet haben. Da die
Eigenart Salkowski’s auch in seinen Lehrbüchern durchaus zur Geltung
kommt, ist der Kreis seiner dankbaren Schüler ein unbegrenzter. Nach
einer Vorschrift Salkowski’s kann man immer arbeiten; nie fühlt sich
der Leser unsicher, und niemals muss er es als misslich empfinden, dass
der Leitfaden über die Schwierigkeiten der Aufgabe mit einigen allge¬
meinen Wendungen hinweggleitet. Der Schülerkreis Salkowski’s hat
denn auch wirklich überallhin in der Welt, wo wissenschaftliche Medizin
getrieben wird, seinen Ruhm verbreitet und dankbar arbeiten in allen
Kulturstaaten Physiologen und Kliniker auf der Grundlage weiter, die
sie sich bei Salkowski erworben haben.
Ebenso hoch wie die Lehrtätigkeit ist die Forscherarbeit Sal¬
kowski’s zu bewerteo. Seine Studien begannen uuter günstigen
Auspicien, er widmete sich der physiologischen Chemie in der Periode,
da dieses Arbeitsfeld anfing, eine eigene Wissenschaft zu werden. Sal¬
kowski gehörte zu den ältesten Schülern Hoppe - Seyler’s und war
Assistent von W. Kühne und E. v. Leyden. Seine Publikationen
zeigen immer neben der exakten chemischen Methodik die biologische
Fragestellung und das Interesse für die Aufgaben der klinischee Medizin.
Es ist natürlich unmöglich, in diesem Glückwunsch einen Ueberblick
über den Inhalt der zahllosen Arbeiten zu geben, welche wohl auf allen
Gebieten der Biochemie die Erkenntnis wesentlich gefördert haben. Es
seien nur einige Entdeckungen herausgreifend genannt, die besonderes
Aufsehen erweckt und sich als sehr anregend erwiesen haben. Der
Kliniker dankt ihm z. B. die Silbermethode zur quantitativen Bestim¬
mung der Harnsäure, die Entdeckung der Pentosurie, jener Anomalie
des Kohlehydratstoffwecbsels, deren Bedeutung für die Pathologie des
intermediären Stoffwechsels vielleicht heute noch gar nicht vollständig
übersehen werden kann. An seine grundlegenden Untersuchungen über
das Wesen der SäuTevergiftung haben andere Forscher mit Erfolg ange¬
knüpft, die Autodigestion wurde von Salkowski zuerst aufgefunden
und ausgezeichnet bearbeitet. Zahlreich sind Salkowski’s Arbeiten
über die Fermente, ein Forschungsgebiet, dessen Methodik er durch Ein¬
führung des Chloroforms als Antisepticum sehr gefördert hat. Zum Teil
zusammea mit seinem Bruder hat Salkowski die biologisch und che¬
misch interessante Chemie der Fäulnis bearbeitet. Besonders freuen wir
uns, dass auch die neuere Zeit uns eine Reihe wertvoller Salkowski-
scher Arbeiten gebracht hat als ein Zeichen, dass sein Forschungseifer
unverändert rüstig und frisch ist. So hat er in den letzten Jahren an¬
scheinend recht brauchbare Eisenmittel und Nährpräparate dargestellt,
die Harnzusammensetzung bei Krebskranken studiert in der Hoffnung,
dass sioh hier vielleicht diagnostische Fortschritte erreichen lassen
könnten, die Ausscheidung wichtiger Arzneimittel wie Arsen und Queck¬
silber bearbeitet, deren Interesse im Hinblick auf die moderne Lues¬
therapie ja einleuchtet. Wir hoffen und wünschen, dass sein Forscher¬
geist noch recht lange zum Nutzen der Wissenschaft sich betätigen
möge und er an der historischen Arbeitsstätte am pathologischen In¬
stitut der Universität Berlin noch viele Jahre segensreich wirken möge.
Hier arbeitet Salkowski jetzt seit einem Jahrzehnt in dem neuen,
schönen Laboratorium, in das er aus den bescheidenen Räumen über¬
gesiedelt ist, die Virchow in der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit
weitem Blick der physiologischen Chemie eingeräumt hatte und in denen
Hoppe - Seyler, Kühne und Liebreich vor Salkowski tätig waren.
So wünschen wir denn, dass der hochverehrte Jubilar noch recht
JW® lehren und forschen möge und seinem Lebensabend ungetrübtes
Gluck beschieden sein möge. Martin Jacoby.
Pan-germanism In Medicine — To What Will
It Lead?
d* ^ er e * nes °ff enen Briefes des Dr. H. P. Greeley an
k j 0n des »Boston medical and surgical journal“ vom 10. Sep-
'!r '' ^ ’ • Un ^ ^ er Ueberschrift bei uns eine Saite berührt
Wird, dm zurzeit auf den leisesten Anstoss schon in Schwingungen gerät,
so sahen wir uns den Inhalt etwas näher an.
li^ re ® 1 6 F — uns leider sonst völlig unbekannt — sagt: Es sei
• alI 8 em eine Annahme, dass die Ausbildung der Aerzte in Europa,
8Desondere in Deutschland besser sei als in Amerika. Dies sei eine
Folge der Höhe unseres ganzen Schulwesens, der nahen Verbindung von
Vorlesung und Krankensaal und der gesetzlichen Bestimmungen über die
Sektionen. Aber der klinische Unterricht sei zugestandenermaassen
unsere (Deutschlands) schwache Seite. Daher — nicht bloss von der
Kurierfreiheit — komme in Deutschland die grosse Zahl der Kurpfuscher,
die mehr als ein Drittel aller ärztlichen Tätigkeit an sich rissen. Und
damit den Amerikanern, die ihre Methoden so „rapidly germanizing“
sind, die Kurpfuscher nicht ebenso über den Kopf wachsen möchten, er¬
hebt Verf. seine warnende Stimme.
Der medizinische Unterricht habe eine doppelte Pflicht, die eine
gegenüber der Wissenschaft, die andere gegen das Publikum; die erstere
verlange Pflege und Förderung der Wissenschaft, die letztere, dem
Publikum tüchtige Praktiker zu liefern. Diese letztere Aufgabe sei aber
höher einzuschätzen, denn 90pCt. aller Aerzte müssten Praktiker sein
und weniger als lOpCt. Männer der Wissenschaft, und auch von diesen
seien nur ein oder zwei für höhere Leistungen begabt. In Deutschland
aber seien die Verhältnisse völlig umgekehrt: 90pCt. der Aerzte
tändeln (are dawdling) mit der Wissenschaft, und von diesen 90
verschwenden volle 75 pCt. geradezu ihre Zeit, wenn man die Lebens¬
dauer ihrer Resultate berücksichtigt. Tausende von Forschern
publizieren alljährlich Tausende von Arbeiten, aber nur
ein paar von ihnen überstehen die Prüfung der Zeit. Der
scharfe Wettkampf erwecke ein so heisses Verlangen nach „Priorität“,
dass die leiseste Ahnung eines neuen Gesichtspunktes eiligst in die
Druekerei geschickt wird, um doch bald wieder schmählich abgetan zu
werden. Die grosse Bedeutung des theoretischen Unterrichts und die
geringe der klinischen Ausbildung bringe einige wenige Männer der
Wissenschaft hervor, eine grosse Zahl von Pseudowissenschaftlern und
nur ein paar gute Praktiker. Jeder Amerikaner, welcher praktische
Erfahrung mit deutschen Aerzten oder Krankenhäusern gemacht hat,
werde dies bestätigen; sie können nicht kranke Individuen be¬
handeln, sie diagnostizieren einzig und allein die Krankheit. Sie
haben kein Interesse für das Behagen des Kranken; deshalb gehe es mit
der Entwicklung der Krankenpflege nicht vorwärts. Die grosse Armut
der Bevölkerung und das altvaterische System der Kranken¬
versicherung fülle die öffentlichen Krankenhäuser. Aber diese seien lieblos
und düster und die Patienten liessen den grössten Mangel an Sorgfalt
erkennen. Intercurrente Krankheiten seien in den Krankensälen ganz
allgemein. Dies alles sei eine Folge des „German medical Standard“,
dessen Nachahmung in Amerika den Gegenstand ernster Besorgnis bilden
müsse. Verf. hält zwar Verbesserungen der Gesetzgebung und Appro¬
bationsbedingungen auch in Amerika für wünschenswert, aber die Ent¬
wicklung der Medizin als einer reinen Wissenschaft mit dem
Stempel „made in Germany“ wäre höchlichst zu beklagen.
Soll man dagegen etwas sagen? Lohnt es sich, den Verf. darüber zu
belehren, dass die Quintessenz seiner ärztlichen Erziehungspläne, Kranke
behandeln, nicht Krankheiten, schon Jahrzehnte vor ihm von deutschen
Klinikern, einem Kussmaul, einem Leyden gepredigt worden sind?
Kommen die Patienten aus der ganzen Welt nach Deutschland, um das
Letzte zu ihrer Rettung zu versuchen, oder pilgern sie nach Amerika?
Sollen wir eine Aufzählung dessen machen, was die deutsche medizinische
Wissenschaft der Menschheit geschenkt, und damit vergleichen, was
Amerika bei aller Anerkennung seiner Leistungen — die aber zu allermeist
aus der deutschen Methodik erwachsen sind —, dem gegenüberzustellen
hat? Sollen wir den in Amerika blühenden, gerade auf die mangelhafte
wissenschaftliche Bildung eines Teiles seiner Aerzte sich stützenden
Schwindel der „Patentmedizinen“ vergleichen mit den gewaltigen, welt-
beherrschenden Leistungen der deutschen Pharmakologie und chemisch-
therapeutischen Industrie? All dies und noch vieles andere, ja alles,
um desscntwillen uns jetzt die Neidhammel der ganzen Welt umtoben, ist
erwachsen auf der deutschen Methode, die eben auf allen Gebieten in
wunderbarer Weise Wissenschaft und Praxis zu vereinen weiss.
Wir sind nioht blind gegen Auswüchse; auch wir bedauern die Vielschrei¬
ber ei und die damit verknüpfte Kräftevergeudung, und auch wir wissen,
dass von den vielen, die sich zur wissenschaftlichen Arbeit berufen
fühlen, sich ein Teil nur zu den Auserwählten rechnen darf —, aber
das deutsche Volk verfügt eben über eine solch urwüohsige Kraft, dass
es sich gestatten kann, in der verschwenderischen Art, wie sich das
Walten und Werden der Natur vollzieht, seine Geisteskeime auszustreueu:
Tausende geringerer Keime müssen verwelken und den Boden düngen,
auf dem ein Virchow, Helmholtz, Koch erblühen.
Aber es lohnt wohl nicht, auf Dr. Greeley’s Ausführungen noch
weiter einzugehen; denn man kann nicht glauben, dass in einem Lande,
das Iustitute von dem Glanze des Rockefeiler Instituts in New York, der
Forschirngsstätten an John Hopkins und so mancher anderer welt¬
berühmter Hospitäler aufzuweisen hat, seine Worte grossen Eindruck
machen werden, noch weniger, dass sie der Meinung der mit deutschen
Zuständen wirklich vertrauten Aerzte seines Vaterlandes Ausdruck geben.
Hans Kohn.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Als vor 10 Jahren Ernst Salkowski die Feier seines 60.Ge¬
burtstages beging, vereinigten sich zahlreiche Freunde und Schüler, um
dem trefflichen Gelehrten ihre Sympathie und Hoohschätzung zu bezeugen;
unsere Wochenschrift, die ihn seit über 43 Jahren zu ihren treuesten
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Mitarbeitern zählen darf, widmete ihm eine besondere Festausgabe, in
deren Inhalt das vielseitige Wirken des Gefeierten zu lebhafter Erschei¬
nung kam. Die gegenwärtige Stunde ist wenig geeignet zu Jubiläums¬
feiern; sie gestattet kaum genügende Sammlung, um das Lebens¬
werk eines Mannes wie Salkowski nach Gebühr zu würdigen. So
bringen wir denn nur im Anschluss an den Begrüssungsartikel aus
Martin Jacoby’s Feder, auch unsererseits die Versicherung unwandel¬
barer Verehrung und Anerkennung für alles, was Salkowski forschend,
lehrend und durch seine Persönlichkeit geleistet hat, zu erneutem
Ausdruck! Red.
— Die Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärzt¬
liche Fortbildungswesen teilt mit, dass im nächsten Semester keine
Vorlesungen stattfinden werden, da sämtliche Studierende — bis auf die
zur Wahrnehmung des Unterarztdienstes in die Charite kommandierten —
im Felde stehen.
— Für die nichtgedienten Aerzte, die sich für den Kriegsfall der
Militärbehörde zur Verfügung stellen, ist jetzt eine Uniform neu be¬
stimmt worden: eine im Offiziersschnitt gehaltene graue Litewka, an der
Stelle des Kragens, wo bei den Sanitätsoffizieren der blaue Spiegel an¬
gebracht ist, ein Aeskulapstab ohne Dienstgradabzeichen, am Arm die
Genfer Binde. Die Kopfbedeckung bildet die Mütze der Sanitätsoffiziere.
Beinkleider lang oder kurz. Als Waffe wird die kleine Mauserselbst¬
ladepistole gestattet.
— In der Kolonie Grunewald haben mehrere hundert Villenbewohner
Räume zur Verfügung gestellt, wo Offiziere, Offiziersdienst tuende Militär¬
personen und Einjährige unentgeltlich aufgenommen und verpflegt werden,
um sich nach Verwundungen oder Krankheiten zu erholen. Es besteht
auch die Möglichkeit einer medico-mechanischen, elektrischen und baineo¬
therapeutischen Nachbehandlung. Die Einrichtung ist besonders dazu
geeignet, Krankenhäuser von Rekonvaleszenten und Leichtverwundeten
zu entlasten. Aerztliche Behandlung steht ebenfalls unentgeltlich von
den in der Kolonie ansässigen Aerzten zur Verfügung. Die Verteilung
in die einzelnen Räume erfolgt durch die Centrale des Erholungsheims
der Gemeinde Grunewald beim Geheimen Medizinalrat Prof, vod Hanse¬
mann, Grunewald, Winklerstr. 27 (Fernsprecher Amt Pfalzburg 527), bei
dem die Anmeldungen zu erfolgen haben und der auch sonst bereit ist,
über die Einrichtung jede Auskunft zu erteilen. Mannschaften können
nicht aufgenommen werden, weil bei der Verteilung in den einzelnen
Villen der Kolonie Grunewald eine disziplinäre Aufsicht nicht möglich
ist. Die Herren Aerzte, denen die Behandlung geeigneter Militärpersonen
obliegt, werden gebeten, dieselben auf diese Einrichtung hinzuweisen und
selbst zu ihrer Entlastung davon Gebrauch zu machen.
— Volkskrankheiten. Cholera. Oesterreich-Ungarn. Wien
2 bei Militärpersonen. Bekescabe, Munkucz, Puspökladany je 1 und in
Ungvar 2. Das österreichische Sanitätsdepartement macht noch bekannt,
dass am 7. X. in Wien und Graz je I, in Gross-Niemtschitz (Mähren) 2,
in Jägerndorf und Teschen je 1, in Picztkowe (Galizien) 2 Falle und in
Gorlice (Galizien) bei Militärpersonen 20 Fälle von Cholera bakteriologisch
siohergestellt. — Genickstarre. Preussen. 20.—26. IX. 3 Erkran¬
kungen und 2 Todesfälle, und zwar Berlin 1, Hadersleben 2. — Ruhr
wird jetzt in ziemlicher Anzahl gemeldet, vorwiegend allerdings bei Kriegs¬
gefangenen; in der Woche vom 20.—26. IX. kamen 924 Erkrankungen
(und 9 Todesfälle) zur Anzeige, nämlich Aachen Stadt 1, Düren 1,
Malmedy 1, Bochum Land 14 (1), Dortmund Stadt 1, Gelsenkirchen
Stadt 3, Hagen Land 1, Witten 8, Breslau Stadt 1, Breslau Land 1,
Frankenstein 71, Militzsch 53, Steinau 35, Wohlau 0 (1), Hohensalza 1,
Schubin 2, Fulda 1, Gelnhausen 42, Kreuznach l, Cöln 32, Danzig 1 (1),
Hameln 0 (1), Hoya 1, Liegnitz 1, Halle a. S. 4, Saalkreis 6 (1),
Höxter 1, Cosel 1, Kattowitz Stadt 395 (1), Kattowitz Land 1, Kreuz¬
burg 175, Lublinitz 4 (1), Pless 1, Ratibor Stadt 12 (2), Tarnowitz 6,
Oberbarnim 1, Rotenburg i. Hann. 2, Stettin 6, Saarbrücken Stadt 20,
Saarbrücken Land 10, Saarlouis 6.
Hochschulnachrichten.
Freiburg. Der Privatdozent Dr. Hildebrandt erhielt den Titel
eines a. o. Prof. — Greifswald. Habilitiert: Dr. von Möllendorff
für Anatomie. — Leipzig. Geheimrat Till man ns, Direktor der
chirurgischen Abteilung des Kinderkrankenhauses, feierte am 3. Oktober
seinen 70. Geburtstag. — Prag. Privatdozent Dr. Samberger wurde
a. o. Prof, für Dermatologie an der böhmischen, Privatdozent Luksch
a. o. Prof, für pathologische Anatomie an der deutschen Universität.
Verlustliste.
I. Gefallen: Cand. med. W. Elbs, Freiburg i. B. Unterarzt
E. Gortan, ReB.-Inf.-Reg. Nr. 3. Unterarzt d. R. Heimann, Gren.-
Reg. Nr. 110. Unterarzt Kahler. Oberarzt d. R. Walter Kern.
Stabsarzt d. Res. Prof. Kirchheim, Marburg, Jäger-Bat. 11. Oberarzt
d. R. Hanns Kögel, Inf.-Reg. Nr. 55, 3. Bat. Einj.-Freiw. Stud. med.
F. Löbnitz. Einj.-Freiw. Stud. med. Joachim Melles. Oberarzt
d. R. Privatdozent F. Meyer-Betz, 4. württbg. Füsil.-Reg. Nr. 122.
Stabsarzt Müller, 13. bayer. Inf.-Reg. Stabsarzt d. R. Mugrowski,
4. Garde-Reg. z. F. Off.-Stellvertr. W. Mulsow, Assistent am Kgl. In¬
stitut f. Iufektionskrankh. Robert Koch in Berlin. Stabsarzt d. R. Paul
Schmidt. Oberstabsarzt Oscar Schmitt. — II. Gestorben: Unter¬
arzt Paul Kühl. San.-Rat V. Volkwein io Tübingen an den Folgen
einer Blutvergiftung. — III. Verwundet: Assistenzarzt d. R. Karl
Eskuchen, bayer. Inf.-Leib-Reg. Oberarzt d. R. H. Glatzel, Feldart.-
Reg. Nr. 21. Stabsarzt Hoffmann, Gren.-Reg. Nr. 110. Oberarzt d. R.
Krautwurst, Feldart.-Reg. Nr. 11. Oberarzt d.R. Rolf Lutz, bayer.
Inf.-Reg. Nr. 16. Oberarzt J. Mittag, II. Armeekorps, San.Komp.
Nr. 2. Stabsarzt Rädisch, Feldart.-Reg. Nr. 40. Unterarzt Schloss¬
berger, Fe!dart.-Reg. Nr. 11. Oberstabsarzt Schnütgen. General¬
oberarzt Wagner, Stab d. J9. Ers.-Div. — IV. Vermisst: Stabsarzt
Lehrmann, Inf.-Reg. Nr. 41, 3. Bat. Oberassistenzarzt d.R. W. Olt¬
mann, 3. Matrosen-Div.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien»
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. £1.: Geh. San.-Rat
Dr. Bonnekamp in Düsseldorf.
Ernennungen: Oberarzt an der städtischen Irrenanstalt in Frankfurt
a. M., Prof. Dr. J. Raecke, Direktor des städtischen Siechenhauses
in Frankfurt a. M., Prof. Dr. A. Knoblauch und Direktor der Kinder-
klink am städtischen Krankenhause in Frankfurt a. M. Dr. H. Metten-
heim er zu ausserordentl. Professoren in der medizinischen Fakultät
der Universität in Frankfurt a. M.; Kreisassistenzarzt Dr. E. Moebius
in Zeven zum Kreisarzt in Putzig.
Pensionierung: Kreisarzt, Geh. Med.-Rat Dr. E. Prawitz in Branden¬
burg a. H.
Niederlassungen: Dr. W. v. Möllendorff, A. Hartmann, E. La-
disch, E. Schröder, Aerztin 0. Opitz, H. Kersten, H. Pohler
und Dr. E. Atzler in Greifswald, Oberstabsarzt a. D. Dr. 0. A. K.
Wittrock in Nimbsch (Kr. Sagan), G. A. K. Bosselmann in ßeo-
gersdorf (Kr. Rothenburg), Dr. K. Seggelke in Altona, W. Titschack
in Eddelak, F. Brunk und Dr. H. Rehder in Kiel, Dr. K. Mayr¬
hofer in Harburg, H. Feldheim in Barmen, L. Lurz in Bedburg,
0. Paus, Dr. K. Kötter und Aerztin Dr. E. Pielsticber in Essen,
Dr. V. W. M. Thal mann in Elberfeld, Dr. B. W. Mevissen in
St. Hubert, Prof. Dr. 0. Dragendorff, Aerztin Dr. G. Seligmann,
J. Hoeren, H. Neu und F.'Pollaok in Bonn, A. Bolten in Beuel,
E. Hoischen in Wesseling, Dr. 0. Weidemann, E. Merscheim,
W. Eliassow, E. Gabbe, H. Th. Sanders, M. Claesen, 0.
Grünewald, G. Frank, Aerztin Dr. J. Hartung und Dr. E. Weh-
ner in Cöln.
Verzogen: Dr. F. Jantzen von Ober-Kaufungen und H. Enscher von
Bonn nach Essen (Ruhr), Dr. H. Borgel von Neuss nach Weeze,
Stabsarzt Dr. E. Zwicke von Wiesbaden nach Geldern, F. H.Rütten
von Trier nach Galkhausen, Dr. K. Kleinschmidt von Düsseldorf
nach München, Dr. J. Schäfer von Remscheid nach Darmstadt, Dr.
M. Müller von Elberfeld nach Remscheid, Dr. F. Hackländer von
Essen nach Bredeney, Dr. A. Strangmeyer von Bad Landeck nach
Zerpenschleuse, M. Manassse von Berlin nach Fredersdorf, Dr. E.
Ense von Berlin nach Berliu-Reinickendorf, M. Markus von Berlin
nach Franz.-Buchholz, Dr. R. Hirz von Allenstein nach Lungenheil¬
stätte BurgDaber b. Wittstock, E. Schanke von Berlin nach Lungen¬
heilstätte Bel zig, Dr. W. Heine von Charlottenburg nach Berlin-
Schmargcndorf, Dr. E. Loewy von Berlin nach Berlin-Lankwitz, Dr.
F. Goldberg von Breslau nach Zittau, Dr. H. Voss von Breslau nach
Hamburg, L. Gretschel von Breslau nach Scheibe (Kr. Glatz), Dr.
E. Pelz von Breslau nach Dresden, Dr. B. Leichten tritt von Ham¬
burg, F. Knauth von Lichtenrade b. Berlin, Dr. W. Hülse von
Königsberg und Aerztin Dr. L. Cohn von Stettin nach Breslau,
Aerztin Dr. E. Kauffmann von Nieder-Wüstegiersdorf und Dr. E.
Ruediger von Konstanz nach Waldenburg, Dr. E. Hoffmann von
Schweidnitz nach Dittmannsdorf (Kr. Waldenburg), Dr. H. Schneider
von Albertsberg (Bad) nach Görbersdorf, G. Gensert von Breslau
nach Leubus, Dr. K. Schütz von Neapel und Dr. 0. Köhler von
Leipzig nach Greifswald, Dr. W. Klemm von Dresden nach Rothen¬
burg O.-L., Aerztin Dr. M. L. Höllisch von Berlin nach Altona, Dr.
K. H. E. K. Scharff von Neu-Rablstedt nach Niendorf, H. Stier
von Hamburg und Dr. W. Kaeseler von Hohenwiese b. Schmiedeberg
nach Kiel, Dr. H. Cornberg von Düsseldorf und Dr. J. Westmeyer
von GöttiDgen nach Bielefeld, Dr. W. Busch von Heidelberg nach
Bendorf, Dr. R. Dübüse von Reisen nach Anderacb, Dr. M. Stein
von Saarbrücken nach VölklingeD, Dr. M. Lösment von Karlsruhe
nach Torgelow, Dr. J. Glau von Osterwieck (Harz) nach Swinemüode,
Dr. Chr. Wölflinger von Weiden b. Cöln, C. Lembeck von Duis¬
burg, Dr. J. Weiss von München, Dr. G. Hahn von Berlin-Wilmers¬
dorf nach Düsseldorf.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Aerztin Dr. E. A.
Frank und S. Federmann von Heilstätte Beelitz, K. Jessner
und Dr. E. Dieckmann von Breslau auf Reisen, Dr. R. Oster von
Nimbsch (Kr. Sagan).
Gestorben: C. Meltzing in Duisburg, Geh. San.-Rat Dr. Chr.
Le Blanc in Opladen, San.-Rat Dr. G. Schmitz in Cöln.____
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., BayreutherStrass««•
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Sohumacher in Berlin N. 4.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF IOWA
BERLINER
ölo Berliner Klinisclio WochonsHirift erscheint Je<lea
Montag ln Nummern von ca. 5 — 6 Uogen gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen
alle Buchhandlungen und Poatanstalten an.
Alle Einsendungen für die Redaktion nnd Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Met-Rat Frof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Bans Kohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 19. Oktober 1914. Mi'l. Einundfünftigster Jahrgang.
INHALT.
Originaliei : Weintraud: Zur Behandlung des Tetanus mit besonderer [
Berücksichtigung der Magnesiumsulfat-Therapie. S. 1717. i
Unger-. Zur Behandlung des Tetanus. S. 1721. '
Hirsohfeld: Die Kost der Arbeiter und die Grundsätze der Er¬
nährung. S. 1721.
Wienskowitz: Ueber die angeborene Wassersucht. (Aus dem
pathologischen Institut des städtischen Krankenhauses in Wies¬
baden.) S. 1725.
Alexander: Die modernen Methoden der Lupusbehandlung. (Aus
der dermatologischen Abteilung des Charlottenburger städtischen
Krankenhauses.) S. 1728.
Bitaherbespreehuigeii: Leier: Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie;
zum Gebrauch für Aerzte und Studierende. S. 1732. Klemm: Die
akute und chronische infektiöse Osteomyelitis des Kindesalters;
auf Grund eigener Beobachtungen und Untersuchungen. S. 1732.
(Ref. Adler.) — Brühl: Die Funktioosprüfuüg des Gehörorgans.
S. 1732. (Ref. Sonntag.)
Literatar-Anszüge: Therapie. S. 1733. — Diagnostik. S. 1733. —
Parasitenkunde und Serologie- S. 1733. — Innere Medizin. S. 1733. —
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1733. — Röntgenologie. S. 1733.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner ophtbalmo-
logische Gesellschaft. S. 1733.
Kriegsärztliche Abende. S. 1734.
Münzer: Kriegsskizzen. S. 1755.
Tagesgeschiohtliche Notizen. S. 1736—
Amtliche Mitteilungen. S. 1736.
Zur Behandlung des Tetanus mit besonderer
Berücksichtigung der Magnesiumsulfat-
Therapie. 1 )
Von
W. Weintrand -Wiesbaden.
Die Therapie des Wundstarrkrampfes verlangt an dieser
Stelle eine etwas ausführlichere Erörteruug. Schon in den
wenigen Wochen seit dem Ausbruch des grossen Krieges haben
die Erfahrungen auch hier am Orte 2 ) uns bewiesen, dass es
berechtigt ist, den Tetanus im Zusammenhang mit den Kriegs¬
seuchen za besprechen. Auf das Kapitel seiner Behandlung ganz
speziell einzngehen, liegt aber um so mehr Grund vor, weil im
Gegensatz zu den anderen besprochenen Infektionskrankheiten
kaum einem der vielen Aerzte, die jetzt vor die ernste Aufgabe
gestellt werden, Tetanusfälle zu behandeln, eine grosse eigene
Erfahrung darüber zur Verfügung steht.
Die Erfahrungen anderer, soweit sie publiziert sind, sich
im gegebenen Falle zunutze zu machen und aus der medizinischen
Fachliteratur sich ein Urteil über die beste Behandlungsart des
Tetanus zu bilden, ist aber auffallend schwer. Wenn auch un¬
zählige kasuistische Mitteilungen vorliegen, so fehlt es doch ganz
an der Beobachtung grosser Reihen gleichartig behandelter
Fälle. Eigentliche Tetanusepidemien — der Tetanus puerperalis
nnd neonatorum in den Anstalten ist überaus selten geworden —
kommen ja nicht vor. Erfahrungen bei der Behandlung einer
genügend grossen Anzahl gleich schwerer Fälle konnten des¬
halb nirgends gesammelt we'rden; besonders nicht mehr in den
letzten beiden Jahrzehnten, unter Verwertung aller von der mo¬
dernen Experimentalforschung gegebenen Richtlinien für eine
wirkungsvolle Therapie.
. 1) Aus einem Vortragscyklus „Ueber die Kriegsseuchen“ gehalten
in Wiesbaden vom 26. August bis 4. September.
2) In Wiesbaden sind, soweit ich in Erfahrung bringen konnte, bis-
ner bereits acht Tetanuserkrankungen vorgekommen, die sich auf fünf
ieillazarette verteilen. Fünf der Kranken sind gestorben. Bei den
drei Kranken, bei denen die Genesung fortschreitet, ist Magnesiumsulfat
^gewendet worden. In Limburg a. L. sind aoht Tetanuserkrankungen
out sieben Todesfällen vorgekommen. In Weilburg sind von acht
dort an Tetanus Erkrankten sechs gestorben.
Der Krieg mit seinen unzähligen Verwundungen nnd mit
der, wie es scheint, recht häufigen Komplikation der Wund¬
infektion mit Tetanuskeimen, wird die bisher fehlende Gelegenheit
zum Sammeln solcher Erfahrungen geben, aber nur, wenn die
Aerzte das Rüstzeug, das ihnen dazu in die Hand gegeben ist,
auch richtig verwenden, wenn sie gut unterrichtet und wohl
vorbereitet, bestimmte Wege der Therapie von vornherein ziel¬
bewusst einschlageo und konsequent genug verfolgen.
Das ist nur möglich, wenn sich niemand von dem drama¬
tischen Verlauf, den die Tetanusfälle gewöhnlich nehmen, über¬
raschen lässt. Dazu kommt es aber sehr leicht. Viele Fälle
sehen zu Beginn überaus harmlos aus. Viel häufiger, als man
bisher annahm, wird die Szene eröffnet durch Beschwerden,
die sich auf die verletzte Extremität lokalisieren, Ziehen,
Steifigkeit, gelegentliches Zucken in dem verletzten Arm.
Sie heben sich von den Beschwerden, die von der Ver¬
wundung als solcher ausgehen, oft so wenig ab, dass man
diesen „lokalen Tetanus 11 oft übersehen nnd lange Zeit gar nicht
gekannt hat. Als Vorspiel des furchtbaren Krankheitsbildes,
das sieb bald hinterdrein entwickelt, verdienen sie aber gewiss
alle Beachtung; ebenso andere Frühsymptome, wie auffallend
starke Schweisse, Schwindel, Erschwerung des Wasserlassens.
^Aber selbst die Spannung in der Kaumnskulatur, die späterhin
zum Trismus führt, und die Kontraktion der Nackenmuskulatur,
der Vorläufer des Opisthotonus, ja sogar die kurz dauernden
Krämpfe in der Brustmuskulatur und im Zwerchfell, die als
pleuritische Schmerzen imponieren, werden vom Patienten und
vom Arzt vielfach nicht genügend gewürdigt, weil der Verwundete
in seiner rührenden Geduld und ohne Kenntnis der schrecklichen
Gefahr, die ihm droht, nicht viel Wesens daraus macht und nur
an die Heilung seiner Verletzung denkt.
So erfährt der Arzt in der Tat oft genug zn seiner Ueber-
raschung, dass mit einem Male ein schwerer allgemeiner Krampf¬
anfall seinen Kranken geschüttelt hat, oder zu seinem Entsetzen
findet er ihn eines Morgens in der qualvollen Situation, die durch
die Starre der gesamten Körpermuskulatur charakterisiert ist,
und in der die von Zeit zu Zeit auftretenden Krampfaüfälle das
Leiden des armen Menschen auf das Aeusserste steigern. Dass
er am Bett eines Tetanuskranken steht, wird ihm mit einem
Schlage klar.
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UNIVERSIT7 OF IOWA
1718
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRlfrT.
Nr. 42.
Und jetzt erinnert er sieb der Antitoxinbehandlung des
Tetanus, unterrichtet er sich über die Dosierung, telegraphiert er
nach Serum und verwendet es nach Vorschrift, in gutem Ver¬
trauen auf die zu erwartende Wirkung. Dabei geht es in ein¬
zelnen Fällen, aber doch nur in ganz wenigen, gut, namentlich
wenn die Seruminjektion in genügend grosser Dosis, häufig genug
wiederholt wird, und wenn neben der subcutanen Injektion auch
mehrfach grosse Mengen des Serums intralumbal eingespritzt
werden. Die Krampfanfälle werden seltener, die allgemeine
Muskelstarre lässt nach, und die Krankheit klingt langsam ab.
Welche Dosieruug dazu erforderlich ist, darüber lässt sich gar keine
bestimmte Angabe machen 1 ). Die Bezeichnung von 100 Anti¬
toxin-Einheiten als „Heildosis“ darf nicht zu dem Missverständnis
führen, als ob diese 100 Einheiten zur Heilung der Krankheit
genügten. Es muss vielmehr diese Dosis Tag für Tag subcutan
und daneben, wenigstens in den ersten Tagen, mehrfach noch
eine ebenso grosse Menge intralumbal eingespritzt werden. Aber
selbst dann versagt die Antitoxinbehandlung häufig, und nur zu oft
erlebt der Arzt die schwere Enttäuschung, dass ohne jede Unter¬
brechung, oder höchstens nur nach kurzer Pause, die Krampf¬
anfälle wiederkehreD, sich immer mehr häufen und durch Ueber-
greifen auf die Atemmuskulatur dem Leben des Unglücklichen
rasch ein Ende setzen. Mit der Entschuldigung, dass das Serum
wohl zu spät, dass es infolge des schnell eingetreteneu Todes
auch noch nicht in genügender Menge zur Anwendung gekommen
sei, versucht sich der Arzt den traurigen Ausgang zu erklären.
Es wäre besser, wenn er statt dessen von vornherein über
die Grenzen der Antitoxin-Behandlung des Tetanus genau unter¬
richtet wäre und sich keiner Täuschung über ihre Unzulänglichkeit,
die leider für die meisten ganz schweren Fälle zugegeben werden
muss, hingäbe.
Die vielfachen Analogien, die zwischen der Tetanus- und
der Diphtherie-Infektion bestehen, verführen aber dazu, die Heil¬
wirkung des Tetanusserums derjenigen des Diphtherieserums, von
der wir überzeugt sind, gleichzusetzen, obwohl die Verhältnisse
in wesentlichen Punkten anders und ungünstiger liegen.
Das Tetanusgift wird so überaus rasch und vollständig an
das dafür bo empfindliche Nervensystem verankert, dass, wenn
nach dem Ausbruch der Krankheit Antitoxin auch im Ueberschuss
injiziert wird, bereits soviel Gift an die Nervenbahnen gebunden
nnd für das einverleibte Antitoxin unzugänglich geworden ist,
dass der fatale Verlauf der Krankheit nicht mehr abgewendet
werden kann.
Der unbestrittene grosse Wert des Tetanusserums liegt deshalb
in seiner prophylaktischen Anwendung. So lange genügende
Mengen des damit einverleibten Antitoxins im Körper kreisen,
wird das aus der infizierten Wunde resorbierte Tetanusgift un¬
schädlich gemacht, und so bietet die prophylaktische Ein¬
spritzung tatsächlich einen weitgehenden Schutz.
Mit allem Nachdruck muss deshalb empfohlen werden, bei
Verletzungen, die einer Tetanusinfektion verdächtig sind, namentlich
also bei Granatsplitterverwundungen, die mit Erde verunreinigt
sind, eine Schutz-Dosis des Serums (von 20A.-E) prophylaktisch
zu injizieren, und diese Dosis, bis die Wunde geheilt ist, etwa
alle 8—10 Tage zu wiederholen, eingedeuk der Tatsache, dass
bei jeder passiven Immunisierung der Impfschutz infolge der
rasch erfolgenden Ausscheidung des einverleibten Antitoxins nur
ein vorübergehender sein kann.
Die Erfahrungen von Rosthorn auf der Prager Frauenklinik,
wo Tetanus epidemisch war und mit einem Schlage aufbör^,
als jede Frau bei der Aufnahme prophylaktisch eingespritzt wurde;
die Erfahrungen von Martens, der im Krankenhaus Bethanien
die Serumprophylaxe bei Verletzten mit dem Erfolge durchführte,
dass in 3 l / 2 Jahren nar ein einziger TetanusfaÜ bei einem Kranken
vorkam, dem versehentlich kein Serum injiziert worden war; die
umfangreichen Erfahrungen aus der tierärztlichen Praxis schliess¬
lich fordern einstimmig dazu auf, von dem Tetanusserum zu
prophylaktischen Zwecken in diesen Zeiten jetzt einen aus¬
giebigen Gebrauch zu machen.
Zur Heilung der ausgebrochenen Krankheit aber ist die
rein ätiologische Therapie nicht ausreichend, die mit der An¬
wendung des Serums das in den Organismus aufgenommene
Tetanusgift unschädlich machen soll.
Deshalb muss um so grösseres Gewicht auf die sympto-
1) Osten (Ther. d. Geg., 1912, S. 575) hat 500 A.-E.; Everling
(Ther. d. Geg., 1911, S. 109) in einem Fall 920, in einem andern sogar
1300 A.-E., Weber (M.m.W., 1913, Nr. 40) 1400 A.-E. angewendet.
matische Behandlung gelegt werden, die die bereits eingetretene
Wirkung des Giftes auf das Nervensystem und auf die Muskulatur,
(Muskelstarre und Krämpfe) auszuschalten versucht.
In diesem Sinne, als Mittel die gesteigerte Erregbarkeit von
Centralnervensystem und von Muskulatur herabzusetzen, sind von
jeher die Narkotika beim Tetanus ausgiebig verwendet worden,
und ihrer konsequenten Anwendung haben viele Kranken nicht
nur eine Linderung ihrer Qualen, sondern sicher auch ihre Heilung
verdankt. Wiederholte Injektionen von dreisten Morphiomdosen
(2cg), fortgesetzte Darreichung massiver Dosen von Cbloralhydrat
(6 mal 2—3 g in 24 Stunden) und ebenso die modernen Pharmaka,
wie Urethan, Veronal, Pantopoo, deren narkotische Eigenschaften
allen Aerzten geläufig sind, sind deshalb bei der Tetanus-Therapie
als wirksam erprobt worden. Es ist dabei immer wieder erstaun¬
lich, zu sehen, wie gut die Tetanuskrauken ungewöhnlich grosse
Dosen all dieser Narkotika vertragen, und es kann angesichts
der furchtbaren Beschwerden der Kranken gar nicht genug empfohlen
werden, nicht mit ihnen zu kargen.
Sie reichen aber, wie es scheint, in ihrer Wirksamkeit beim
Tetanus nicht heran an die eines pharmakologischen Mittels,
dessen narkotische Eigenschaft den meisten Aerzten überhaupt
noch kaum bekannt ist, und vielfach, wenn sie davon kören,
auch von ihnen bezweifelt wird, nämlich des Magnesiumsulfates.
Das gewöhnliche Bittersalz, dessen abführende Wirkung bei interner
Darreichung jeder genügend kennt, entfaltet bei subcutaner,
intramuskulärer, iotralumbaier und intravenöser Verabfolgung,
wie durch die grundlegenden Arbeiten von Meitzer und Auer
erwiesen ist, eine ungewöhnlich starke depressive Wirkung auf
das Nervensystem. Dank dieser über alles Erwarten mächtigen
Hemmungswirkung genügt schon eine ganz kleine Dosis des Salzes,
intravenös eingespritzt, um beim Kaninchen in wenigen Minuten
die Atmung zum vollständigen Stillstand zu bringen, die Reizbarkeit
der Nn. vagi für die Respiration vollständig aufzuheben und alle
willkürlichen und unwillkürlichen Körperbewegungen
komplett zu hemmen. Ohne künstliche Atmung stirbt das
Versuchstier, ohne ein Schmerzenszeichen von sich zu geben und
ohne Erstickungskrämpfe. \Das Tier liegt vollkommen relaxiert
da, ohne jedwede Lebensäusserung, mit Ausnahme von Herzschlag
und Blutdruck, die bei kleinen Dosen fast normal bleiben. Künst¬
liche Atmung stellt deshalb das Tier wieder voll¬
ständig her.
Bei subcutaner Einspritzung oder bei sehr langsamer In¬
jektion in die Vene entwickelt sich eine ziemlich lange an¬
dauernde tiefe Narkose mit Anästhesie und mit kompletter
Muskelerschlaffung, und es bedarf grosser Dosen, um bei dieser
Einverleibungsmethode den Tod der Versuchstiere durch Atmungs¬
lähmung herbeizuführen.
Direkt auf den Nervenstamm appliziert vermag eine 26proz.
Magnesiumsulfatlösung die Erregbarkeit und Leituogsfäbigkeit des
Nerven vollständig aufzuheben. Wie Cocain verursacht es einen
Leitungsblock.
In den Lumbalsack eingespritzt bewirkt das Magnesiumsulfat
infolge seiner Wirkung auf die vorderen und hinteren Nerven¬
wurzeln fast unmittelbar eine Lähmung und Anästhesie der ab¬
hängigen Körperpartien, also speziell der hinteren Extremitäten.
Alle diese hemmenden und lähmenden Wirkungen der Mag¬
nesiumnarkose können wieder vollständig verschwinden und
hinterlassen an dem Tier nicht den geringsten Schaden. Sie
können ausserdem, wie Meitzer und Auer naebgewiesen haben,
durch Einspritzung von Kalksalzen glatt aufgehoben werden.
So sind beim Tetanus, wo der aufs äusserste gesteigerte Er¬
regbarkeitszustand des Nervensystems die Szene beherrscht, die
Magnesiumsalze, dank ihrer eminent hemmenden Wirkung auf
das Nervensystem, die idealen NarkosemitteL
Aber nur die letzten Jahrgänge unseres medizinischen Nach¬
wuchses haben während ihres Universitätsstudiums von dieser
bedeutsamen pharmakologischen Eigenschaft der Magnesiumsalze
etwas gehört. Die Entdeckung von Meitzer und Auer ist kaum
8 Jahre alt.
Die meisten Aerzte, die jetzt Tetanusfälle zu behandeln be¬
kommen, werden noch keine Kenntnis davon haben, dass man
dabei „Bittersalz“ als Narkosemittel verwenden kann.
Darum sollte jetzt in jedem Aerzteverein das Grundexpen-
ment einmal demonstriert werden: Einem Kaninchen werden von
einer 25proz. Magnesiumsulfatlösung pro Kilogramm Körper¬
gewicht 7 ccm subcutan eingespritzt. Eine halbe Stunde später
fällt das Tier in den Zustand tiefster Narkose. Es besteht voll¬
ständige Unempfindlichkeit und eine vollkommene schlaffe Län-
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UNIVERSUM OF (OWA
19. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1719
muDg des ganzen Körpers. Der Lidreflex ist erloschen, die
Atmung ist ganz oberflächlich und kaum sichtbar, Herztätigkeit
und Blutcirculation sind aber nicht beeinträchtigt. Werden jetzt
von einer 5proz. Chlorcalciumlösung etwa 6—10 cmm lang¬
sam in die Ohrvene des Kaninchens eingespritzt, so ändert sich das
Bild in verblüffender Weise. Nach 20 Sekunden atmet das Tier
wieder tiefer, nach einer Minute erwacht es, erhebt sich, und
nach einer kurzen Spanne Zeit ist es von einem gesunden Kanin¬
chen überhaupt nicht mehr zu unterscheiden. *■
Wer das einmal gesehen und sich dadurch überzeugt hat,
wie man mit dem gewöhnlichen Bittersalz eine so vollkommene
und dabei so harmlose Narkose hervorrufen kann, der ist für
einen Versuch der Magnesiumnarkose beim Tetanus gewonnen;
denn man lechzt ja geradezu nach einem solchen Mitte), am Bett
eines solchen armen Menschen, der mit brettharter Muskulatur
ln Streckkontraktur hilflos daliegt und von Zeit zu Zeit bei
der plötzlichen Steigeruug seiner tonischen Krämpfe gequält auf¬
schreit.
Und wer erst an einem von schwerstem Opisthotonus be¬
fallenen Tetanuskranken die Wunderwirkung einer einzelnen Mag-
nesiumsulfatiojektioD erlebt hat, wer beobachtet hat, wie die
Steifigkeit sich löst, wie die Atmung freier und tiefer wird, wie
Cyanose und Schweissausbrüche aufhören und wie der von
Schmerzen erschöpfte Patient mit einem Male in erquickenden
Schlaf verfällt, aus dem ihn nicht immer wieder schmerzhafte
Krämpfe aufschütteln, der wird sich angelegen sein lassen, sobald
Muskelstarre und Krampfanfälle wiederkehren, die grossartige
Waffe dagegen, die ihm mit der Magnesiuminjektion in die Hand
gegeben ist, immer wieder zu verwenden und in ihrer Handhabung
Meister zu werden.
Hier aber liegt die grosse Schwierigkeit, die gewiss nicht
unterschätzt werden soll. Die Handhabung der Magnesiumnarkose
verlangt ein grosses Maass von Aufmerksamkeit und Hingabe, wie
überhaupt die ganze Tetanusbehandlung ohne besondere Konzen¬
tration des Arztes auf den einzelnen Fall nicht erfolgreich durch¬
zuführen ist.
Jede Narkose ist eine Kunst und will deshalb gelernt sein.
Bei der Verwendung des Magnesiumsulfates als Narcoticum, bei
der wir — im Vergleich zur Chloroform- und Morpbiumnarkose
z. B. — alle noch Anfänger sind, liegt die Schwierigkeit in der
Dosierung. Zu wenig nützt nicht, ruft keine genügende
Muskelerschlaffung hervor. Zn viel führt durch Uebergreifen
der Lähmung auf die Atemmuskulatur an die Gefahr des Er¬
stickungstodes nahe heran. Wechselnde individuelle Empfindlich¬
keit dem Mittel gegenüber steigert noch die Schwierigkeiten der
Dosierung. So gilt es, in jedem einzelnen Falle zielbewusst und
doch tastend zu beginnen und bis zum Optimum der Wirkung
yorzugehen. Auch hier muss die eigene praktische Erfahrung
jedem ein Lehrmeister sein.
Dazu kann im folgenden nur eine Anleitung gegeben werden.
Eine scharf formulierte Anweisung, die der Behandlung eines
jeden Falles schematisch zugrunde gelegt werden dürfte, gibt es
hier nicht.
Meitzer 1 ) batte die Magnesiumnarkose zuerst für opera¬
tive Eingriffe empfohlen. Wenn man dem Menschen für jede
9—10 kg Körpergewicht 1 ccm einer 25 proz. Lösung von Mag-
nesiumsulfat intraspinal einspritzt, so tritt schon nach etwa einer
Stunde eine Lähmung der Beine und der Beckengegend ein, be¬
gleitet von einer Analgesie, die erlaubt, jede Operation in den
genannten Regionen auszuführen. Nach 3—4 Stunden kann man
auch an den höher gelegenen Körperteilen ohne Zuhilfenahme von
Chloroform operieren.
Die Behandlung des Wundstarrkrampfes verlangt eine Nar¬
kose von viel längerer Dauer, als sie für einen operativen
Eingriff nötig und erwünscht ist. Sie verlangt deshalb die mehr¬
malige Wiederholung der intraspinalen Injektion, und tatsächlich
hat Meitzer bereits in seiner ersten Publikation vom Jahre 1906
von einem Falle berichtet, der durch zweimalige Einspritzung in
den Lumbalsack geheilt worden ist.
Inzwischen sind mehr als 50 Tetanusfälle in dieser Weise
behandelt worden. Stadler 2 ), der an meiner Abteilung bei
zwei Kranken gegen den ausgbrochenen schweren Wundstarr¬
krampf intralumbale Magoesiumsulfateinspritzungen angewendet
1) Meitzer, Die hemmenden und anästhesierenden Eigenschaften
aer Magnesiumsalze. B.kl.W., 1906, S. 73.
lSH^Nr* 3 ’ ^^ nes ’ un,su ^ at ^ e ^ an ^ un ? !? es Tetanus. B.kl.W-,
bat, bat zu Beginn d. J. in dieser Wochenschrift die ganze
Kasuistik zusammengestellt und bat dabei darauf hingewiesen,
dass die an sich schon günstige Mortalität von nur 35 pCt. bei
einem weiteren Ausbau der Methode gewiss noch weiter herab¬
gedrückt werden kann. Ihre wirkliche Leistungsfähigkeit will er
nach den Erfolgen, die Kocher damit erzielt bat, beurteilt wissen,
der das grosse Verdienst hat, die Methode als erster in Europa
konsequent und mit vollendeter Technik zur Tetanusbehandlung
verwendet zu haben, und der von seinen 6 Fällen nur einen und
diesen an einer Sinusthrombose verlor.
Nun ist in der Tat der Erfolg der intralumbalen Magnesium-
Sulfatbehandlung des Tetanus von der Beherrschung der Technik
abhängig. Diese Technik ist nicht ganz einfach. Der Arzt, der
die Spinalpunktion noch nie ausgeübt hat, wird sieb schwer dazu
enischliessen, sie zum ersten Male bei einem Kranken auszu¬
führen, bei dem sie, wie beim TetanuskrankeD, infolge des Opistho¬
tonus oft besonders schwer ausführbar ist. Es setzt Uebung und
setzt genügende Hilfe seitens des Pflegepersonals voraus. Davon
abgesehen, schreckt der praktische Arzt wohl auch vor der Tat¬
sache zurück, dass in einer zu weitgehenden Wirkung des in¬
jizierten Magnesiumsulfats eine direkte Lebensgefahr für den
Kranken besteht. Mit schweren Zufällen (Collaps, beginnende
Atemlähmung) muss man rechnen. Die genaueste Ueberwachung
des Patienten und die Möglichkeit zu sofortigen, auf pharmako¬
logischem Verständnis der Magnesiumwirkung beruhenden Gegen¬
maassregeln ist also unbedingt erforderlich. Und so* werden im
allgemeinen nur Kliniken und Krankenhäuser, in denen Aerzte
dauernd anwesend sind, die Stätte sein, wo die verbeissungsolle
intralumbale Magnesiumsulfatbehandlung des Wundstarrkrampfes
erfolgreich durchgeführt werden kann.
Wir müssen Kocher dankbar dafür sein, dass er die Durch¬
führbarkeit in einer gut geleiteten Klinik an einer ganzen Anzahl
von Fällen dargetan bat 1 ). Als auf meiner Abteilung Stadler
die beiden Tetanusfälle in der geschilderten Weise behandelte,
den einen mit achtmaliger Lumbalinjektion innerhalb 8 Tagen,
habe ich mich davon überzeugt, dass es einer ungewöhnlichen
Aufmerksamkeit, Hingabe, Konzentration und Anstrengung seitens
der Aerzte (einer allein reicht dazu gar nicht aus) bedarf, um
eine solche intralumbale Magnesiumnarkose so lange fortzusetzen,
bis die durch jede Lumbalinjektion prompt beseitigten Krämpfe
und der immer wieder auftretende Opisthotonus schliesslich
dauernd fortbleiben. Darum sei hauptsächlich an die Kranken¬
häuser und Kliniken die Aufforderung gerichtet, diese Behandlungs¬
methode des Tetanus jetzt aufzugreifen und auszubauen. Das
Beispiel Ko eher’s steht leuchtend vor uns.
Der praktische Art aber wird, wenn er unter den be¬
scheidenen Verhältnissen kleiner Teillazarette arbeitet, der sub-
cutanen Anwendung des Magnesiumsulfats sich zuwenden
sollen. Auch von dieser sind schon glänzende Heilerfolge beob¬
achtet, und an sie kann jeder ohne alles Zaudern herantreten,
sobald unter seinen Verwundeten ein Wundstarrkrampf vorkommt.
Eine technische Schwierigkeit existiert nicht.
Dass es grösster Sorgfalt und Aufmerksamkeit auch hier be¬
darf, soll aber genügend hervorgehoben «ein. Ohne solche gibt
es aber überhaupt keine Tetanustherapie. Auch bei der sub-
cutanen Anwendung des Magnesiumsulfats handelt es sich um
eine Narkose. Wie bei jeder anderen Narkose hat sich der Arzt
also auch hier dauernd darüber zu unterrichten, einmal ob sie
tief genug ist, um den gewünschten Effekt zu geben, und dann
ob nicht durch ein Uebergreifen der Lähmung auf lebenswichtige
Funktionen der Kranke in Gefahr kommt. Die Gefahr einer
Lähmung der Atmungsmuskulatur steht obenan.
Die Atmung ist also, wie bei der Chloroformnarkose, genau
zu überwachen. Sie soll infolge der wohltätigen Lösung der
Muskelstarre durch die Magnesiuminjektion freier und ruhiger
werden. Sie darf nicht oberflächlicher werden oder gar sistieren.
Man hat auf die Atembewegungen selbst zu achten. Auf
das Aussehen des Kranken, auf die cyanotische Färbung seiner
Wangen kann man nichts geben. Die Tetanuskranken sind ja
gewöhnlich im Gesicht stark kongestioniert. Infolge der dauern¬
den Kontraktur ihrer Bauch- und Thoraxmuskulatur, infolge der
1) Kocher empfiehlt anstatt der von Meitzer angegebenen 25 proz.
Lösung eine 15 proz. und hält auch die 10 proz. noch für ausreichend.
Beim erwachsenen Menschen werden von der 15 proz. Lösung 5—10 ccm
nach vorherigem Ablassen von ebensoviel Kubikzentimeter Liquor langsam
eingespritzt. Die wohltätige Wirkung trat bei dieser Dosierung in unseren
beiden Fällen schon in der ersten halben Stunde ein. Mehrfach fiel der
Patient schon nach 5 Minuten in erquickenden Schlaf.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 42.
furchtbaren Schmerzen auch, unter deDen sich die Krämpfe in
den Atemmuskeln und namentlich im Zwerchfell abspielen, atmen
sie vielfach nur ganz oberflächlich und sind deshalb oft cyano-
tisch, ohne dass die Narkotica schuld daran sind. So kommt
es, dass das Pflegepersonal wohl auch von dem * blauen Aus¬
sehen“ der Kranken berichtet, wo infolge der zu geringen
Dosierung überhaupt noch keiue Magnesiumsulfatwirkung auf die
Muskulatur eingetreten ist. Eine solche zu geringe Dosierung
muss aber unter allen Umständen vermieden werden. Ebenso¬
wenig wie der Chirurg bei der Chloroform- oder Aethernarkose
das Messer ansetzt, bevor nicht die beabsichtigte Analgesie ein-
getreten ist, sollen wir uns bei der Magnesiumbehandlung des
Tetanuskranken mit einer ungenügenden Narkose zufrieden geben,
die keine Muskelerschlaffung zustande brachte. Dazu bedarf es
einer dreisten Dosierung bei vollem Verantwortlichkeitsgefühl,
dass man möglicherweise eine Atemlähmung damit riskiert.
Für diese Gefahr hat man sich zu rüsten. Ist bei einer
intraspinalen Verabfolgung des Magnesiumsulfates die Wirkung zu
stark ausgefallen, so kann man von neuem lumbalpunktieren und
mit Erfolg den Duralsack mittels physiologischer Kochsalzlösung
auswascben. Bei der subcutanen Darreichung ist die Möglichkeit
einer nachträglichen Entfernung verschlossen. Da wird man sich
daran erinnern, dass die Caiciumsalze antagonistisch wirken, und
dass die Magnesiumnarkose des Kaninchens durch eine Cblor-
calciurainjektion prompt zu beseitigen ist. Droht also ein Atem¬
stillstand und kommt die Respiration bei künstlicher Atmung
nicht sogleich wieder in Gang, so versuche man durch eine In¬
jektion einer 5 proz. Chlorcalciumlösung (5 ccm, eventuell mehr¬
mals) am besten intramuskulär, die Magnesiumwirkung abzu¬
schwächen.
Als ein zweites wirksames Mittel gegen die unerwünschte
Magnesiumwirkung auf die Atemmuskulatur steht sodann das
Physostigmin zur Verfügung. Nach den experimentellen Unter¬
suchungen von Joseph und Meitzer hebt es die am autonomen
Nervensystem gesetzte Lähmung auf und bringt dadurch die
durch das Magnesium gelähmte Atmung wieder in Gang, ohne
dass es die centrale allgemeine Narkose beeinträchtigt. Wenn
also nach der Magnesiumsulfatinjektion wirklich Atemlähmung
droht, so kann man auch eine Injektion von 1 mg Physostigmin,
salicyl. zu ihrer Beseitigung anwenden.
Aber auch das physikalische Rüstzeug zur Bekämpfung der
Respirationsiäbroung nehme man zu Hilfe. Als erstes die künst¬
liche Atmung. Sie führt allein schon in manchen Fällen zum
Ziel. Wenn nicht, so mache man sich die grossartige Entdeckung
von Meitzer zunutze, dass auch ohne Atembewegung eine
genügende Sauerstoffaufnabme in den Lungen statthaben kann,
wenn nur Sauerstoff bis zur Bifurkation der Trachea in die Luft¬
wege eindringt. Die Technik der sogenannten Meltzer’scben In¬
su fflation ist wirklich nicht so schwer, dass dieser lebenrettende
Eingriff, wenn er nötig geworden, nicht von jedem versucht
werden könnte. Er gelingt am sichersten, wenn man zuerst rasch
die Tracheotomie ausführt. Dann lässt man mittels eines durch
die Kanüle eingeführten Nelatonkatbeters einen vorher richtig ab¬
gestuften Sauerstoffstrom aus einer Bombe in die Luftröhre ein¬
strömen. Beim Fehlen von Sauerstoff genügt es wohl auch, mit
einem gewöhnlichen Blasebalg einen Luftstrom zu erzeugen. Wer
mit der Intubation vertraut ist, kann bei genügend tiefer Narkose
, des Patienten die Tracheotomie umgeben.
r Sobald gleichmässig Luft in die Trachea bis zu ihrer Bifur¬
kation einströmt, verliert der wie im tiefen Schlaf daliegende
Patient seine cyanotische Farbe, und die Gefahr der Erstickung
ist beseitigt, wenn auch der Atemstillstand noch andauert. Dass
die Atmung und nicht etwa Herztätigkeit und Kreislauf von der
Magnesiumnarkose gefährdet werdeo (iro Gegensatz zum Herztode
bei der Chloroformnarkose), sei nochmals hervorgeboben. Da¬
durch wird natürlich nicht ausgeschlossen, dass in einzelnen
Fällen im Anschluss an die Magnesiuminjektion auch einmal ein
Collaps infolge von Herzschwäche vorkommt und die Anwendung
von Campherinjektionen notwendig macht. Da die eigentlichen
tetanischen Krämpfe in der Atemmuskulatur das Herz überaus
stark in Mitleidenschaft ziehen, so ist das Versagen der Herz¬
funktion im Verlauf schwerer Tetanusfäile ja leider oft maass¬
gebend für den unglücklichen Verlauf.
Mit den Gefahren wohl vertraut, mit denen die Magnesium-
Narkose beim Tetanuskranken verbunden ist, gehe man dann
aber auch zuversichtlich ans Werk und nicht mit ungenügenden
Dosen. Die Mengen von Magnesium sulfur., die notwendig sind,
um bei subcutaner Anwendung eine vollständige Muskelerschlaffung
beim Tetanuskranken zuwege zu bringen, sind nicht geringe. Das
muss man wissen, um nicht eine ganz unwirksame Therapie ein-
zuleiten, an der man bald die Freude verliert. 3—4g 1 ) pro dosi,
also 15—20 ccm einer 20 proz. oder 12—16ccm einer 25 proz.
Lösung sind für den erwachsenen Menschen meist erforderlich,
oft mehr. Parker hat 7 g (28 ccm einer 25 proz. LösuDg) auf
einmal injiziert. Mielke berichtet, dass bei einem 5 8 / 4 Jahr
alten kräftigen Mädchen Dosen von 3g (in 20proz. Lösung) die
Abnahme der Musßelstarre und das Nachlassen der Krämpfe am
besten bewirkten. Sie wurden oft 3 mal innerhalb 24 Stunden
wiederholt. Im ganzen wurden 24 Einspritzungen gemacht und
61g Magnesium gebraucht Die Wirkung der einzelnen Injektion
muss für den Arzt wie für den Patienten überzeugend sein. Ob¬
wohl der Einstich selbst, wie jeder — auch der kleinste — Ein¬
griff wegen der dabei auftretenden Krampfanfälle, von dem
Tetanuskranken gefürchtet wird, wird er alsbald danach verlangen,
weil ihm die wohltuende Erschlaffung der Muskulatur und das
Aufhören der Krämpfe den lange entbehrten Schlaf gebracht haben.
So lange ist also, innerhalb der oben angegebenen Grenzen, die
Einzeldose der Injektion za steigern. Die Wiederholung der In¬
jektion richtet sich ganz nach der Vollständigkeit und nach der
Dauer der erziSlten Wirkung. Parker hat am ersten Tag 2 stünd¬
lich 7g injiziert bis zum Aufhören der Krämpfe. 3—4 Injektionen
von 3 bis 5 g werden innerhalb 24 Stunden meist genügen. Immer
wird man versuchen, mit der kleinsten, aber wirksamen Dosis
auszukommen. Den Schmerz, den 20—26 proz. Lösungen bei
subcutaner und intramuskulärer Einspritzung verorsachen, schildern
die Kranken nicht als beträchtlich. Durch eine vorhergehende
Morphium- oder Pantopon-Injektion wird man ihn ebenso wie die
unangenehme Reaktion auf den Einstich selbst abschwächen
können. Auch ein nasser Umschlag um den Oberschenkel, an
dem man die Injektion aasgeführt hat, lässt den lokalen Schmerz
rascher abklingen, den die Kranken, wie schon gesagt, gern in
Kauf nehmen, wenn sie erst die Wohltat der Magnesium Wirkung
kennen gelernt haben. Dass den armen Menschen diese Wohltat
wirklich zuteil wird, ist der Zweck dieser etwas ausführlich ge¬
wordenen Darlegung.
Ob neben der Magnesinmsulfat-Behandlung des Tetanus, für I
die ich aus eigener Erfahrung eintrete, auch die Baccellische Carbol- 1
säurebehandlung noch empfohlen werden soll, vermag ich nicht 4
zu entscheiden, da ich sie nie verwendet habe. Baccelli 2 ) hat s
in dieser Wochenschrift eingehend darüber berichtet und ihre ;
grossen Erfolge gerühmt. Seiner Statistik wird man entgegen
halten können, dass darin eine grosse Zahl von Beobachtungen
von einzelnen Fällen zusammengefasst sind, dass bei der Publikation
kasuistischer Einzelbeobachtungen aber die glücklich verlaufenen
Fälle erfahrungsgemäss bevorzugt werden, und dass in Italien
anscheinend überhaupt häufiger leichte Tetanuserkrankungen vor¬
zukommen scheinen, leichter, als leider unsere Tetanusinfektionen
in diesem Kriege verlaufen. In dem experimentellen Nachweis,
dass Carbol in vitro die Toxizität des Tetanusgiftes (Tizzoni und
Cantani) vernichtet, soll dieBegründungderCarbolsäurebehandlung
des Tetanus gegeben sein. Ausserdem soll die Carbolsäure eine
hemmende oder wenigstens stark herabsetzende Wirkung auf das
Reflexvermögen des Rückenmarks besitzen, das durch die tetanische
Infektion so ungewöhnlich gesteigert ist. Die Dosierung hält sich
nicht an die Vorschriften der Maximal Verordnungen (0,1 pro dosi,
0,3 pro die). Man nimmt eine 3proz. Lösung von Acid. carbol.
liquefact in Wasser und injiziert beim Erwachsenen 3—5—lOccm
davon, also 0,1 —0,15—0,3 g Carbolsäure und diese Dosen sogar
2—3 mal innerhalb 24 Stunden. Die sorgfältige Ueberwachung
des Urins (Carbol-Nepbritis!) unterrichtet darüber, ob das Mittel
gut vertragen wird. Ist es der Fall, so können ohne allzu grosse
Vorsichtsmaassregeln Tagesdosen von 1 bis l V 2 g, ja, bei schweren
Tetanusfällen von 3g durch wiederholte subcutane Injektionen
verabfolgt werden. Anstatt der 3 proz. wässrigen Lösung ist auch
eine 5proz. in Olivenöl brauchbar. Die grösseren Dosen sind nar
bei schweren und sehr schweren Fällen und allmählich vorschreitend
zu empfehlen; weniger als lg Carbolsäure pro Tag soll aber bei
schweren Fällen nicht verwendet werden.
Der Bericht von Baccelli ist so enthusiastisch, dass er
jeden, der jetzt eine grössere Anzahl von schweren Tetanusfällen
zu behandeln berufen ist, auffordern muss, auch die Carbolsäure
1) Magnesium sulfuricum Ph. g. (Kristallwasser inbegriffen).
2) Baccelli, Statistische Resultate der Behandlung des Tetan
mit subcutanen Carbolsäureinjektionen. B.kl.W., 1911, S. 1021.
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19 Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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daza heranzuziehen. Wer sich dazu entschliesst, der tue es
energisch und konsequent. Denn dies ist ja der Zweck meiner
ganzen Ansföhrungen, dass, trotz der mangelnden Erfahrung des
einzelnen von uns, bei der Tetanusbebandlung kein Dilettantismus
Platz greife, wenn jetzt allerorten verwundete Krieger mit der
furchtbaren Wundkomplikation in unsere Behandlung kommen.
Dies scheint mir ganz festzusteben, dass gegenüber einer
Mortalität von etwa 90 pCt., wie sie die ungenügend behandelten
Fälle darbieten, Sterbeziffern von höchstens 50 pCt. in den
schwersten und von 15 bis 20 pCt. in den leichteren Fällen zu
erreichen sind. Hier sind also viele Menschenleben von der
Initiative, der Umsicht und der Tatkraft ihrer Aerzte abhängig.
Deshalb wiederhole ich das folgende:
1. Prophylaktische Schutzimpfung mit Tetanusserum bei allen
Verwundungen, die einer Verunreinigung mit Erde besonders ver¬
dächtig sind.
2. Aufmerksame Beobachtung der Verwundeten auf die Fruh-
symptome und auf „lokalen Tetanus 14 .
3. Keine Unterschätzung der Schwere der Krankheit, auch
nicht, wenn die Krankheitserscheinungen nur angedeutet sind,
und auch nicht, wenn sie erst nach längerer Inkubation
aufgetreten sind. Beides können günstige Momente darstellen.
Aber auch bei den geringsten Andeutungen von lokaler Muskel-
Spannung kann sich daraus noch das Krankheitsbild des schwersten
Wundstarrkrampfes entwickeln und selbst wenn seit der Ver¬
wundung Wochen vergangen sind, bis die Tetanussymptome auf¬
getreten sind, kann es sich um einen foudroyant verlaufenden
Tetanusinfektionsfall handeln. Es haben dann eben die Keime,
ohne sich weiter zu entwickeln, in der Wunde gelegen, bis eines
Tages durch irgendwelche neuen Bedingungen ihr Wachstum
möglich geworden ist (Abschluss der Wunde von der Luft durch
Vernähen, Mischinfektion mit Eitererregern, die zu ihrem Wachs¬
tum soviel Sauerstoff beanspruchen, dass in der Wunde die für
die Tetanusbacillen günstigen anaeroben Wachstumsbedingungen
nachträglich erst bergestelit werden usw.).
4. Sachgemässe Wundbehandlung (breites Offenlassen, keine
Verschorfung, Anwendung flüssiger Desinficientien, lokale Appli¬
kation von Tetanusantitoxin). Bei der bekannten Eigenschaft der
Tetanusbacillen, nur bei Sauerstoffabschluss zu gedeihen, wäre
ein ansgiebiger Versuch der Wundbehandlung mit Wasserstoff¬
superoxyd und namentlich mit den festen Wasserstoffsuperoxyd¬
präparaten zu empfehlen (z. B. mit Ortizoustäbchen von Beyer
& Co.).
5. Nach Auftreten der ersten Tetanussymptome umgehende
Anwendung einer Heildosis des Tetanusserums (100 A.-E.) und
Wiederholung dieser Dosis in den nächsten Tagen, eventuell
intralumbale Anwendung von 50 bis 100 A.-E. Tetanusserum.
6. Sofortiger Beginn mit konsequenter Magnesiumsulfat'
anwendung intralumbal oder subcutan, mit Dosen, die im Sinne
einer Narkose dem Patienten prompt Erleichterung durch Muskel¬
erschlaffung bringen, unter Berücksichtigung der erwähnten Vor-
sicbtsmaassregel n.
7. Verwendung von Narcoticis (Chloral, Morphium, Pantopon)
in freigebiger Weise.
Zur Behandlung des Tetanus.
Von
Emst (Jager-Berlin.
Die bisherigen Resultate der Behandlung des Tetanus 9ind noch
keineswegs befriedigend, ganz gleich, welches Medikament und welche
Art seiner Einführung man auch wählt. Zu den in jüngster Zeit vor¬
geschlagenen Methoden erlaube ich mir zwei kurze Bemerkungen:
1. Auf dem kriegschirurgischen Abend zu Heidelberg 1 ) berichtete
Heddaeus folgendes:
„Bei sechs Fällen von Tetanus wurden intralumbale E nspritzungen
von Antitoxin gemacht und nach einigen Tagen intracranielle nach der
Freilegung der Art. carotis interna. Auf diese Weise erreicht das Anti¬
toxin auf kürzestem Wege das Centralnervensysfera, ohne vorher in der
Blutbahn abgebaut zu werden.“
Bleichröder, Löb und ich haben vor einigen Jahren ein Verfahren
angegeben 2 ), das es ermöglicht, Arzneistoffe in die arterielle Blutbabn
zu bringen und dem gesamten arteriellen Kreislauf oder einzelnen
Arterienbezirken einzuverleiben.
Wir hatten damals besonders die Behandlung der puerperalen Sepsis
1) Vgl. B.kl.W., 1914, Nr. 40, S. 1695.
2) B.kl.W,, 1912, Nr. 32.
im Auge und gingen so vor: in «einen kleinen Seitenast der Arteria
femoralis, dicht unter dem Leistenband oder in diese selbst wurde eine
kleine Inzision gemacht, duroh diese ein Ureterkatheter berzwärts in die
Aorta binaufgeführt bis etwas oberhalb der Teilungsstelle, und durch
den Katheter ein Medikament, z. B. Collargol, injiziert. Die injizierte
Flüssigkeit wird durch dea Blutstrom in die ganze untere Rumpfhälfte,
oder wenn man beide Arteriae femorales komprimiert, vor allem in die
Beokenorgane hineingeschleudert.
Entsprechend der Beobachtung des Herrn Heddaeus liesse sich
unser Verfahren beim Tetanus in Anwendung bringen: Die Art. ulnaris
(wohl besser als die Art. radialis) wird freigelegt, eine kleine Inzision
gemacht und ein Ureterkatheter (in Dampf sterilisiert, mit Kochsalz
durcbspült) so weit hinaufgeführt, dass seine Mündung im Aortenbogen
etwa liegt. Der Katheter ist vorher mit einer Spritze, die das Tetanus-
antitoxin enthält, armiert; spritzt man jetzt dasselbe ein, so wird das
Antitoxin durch die Carotiden ins Gehirn, durch die Aorta desoendens
und ihre Aeste ins Rückenmark geschleudert. Die IozisionsÖffnung der
Ulnaris lässt sich durch eine einzige Gefässnaht seitlich schiiessen. Die
Einführung des Katheters in die Blutbahn, Venen wie Arterien, haben
wir oft ohne jeden Schaden für den Kranken gemacht. Vielleicht ist
das Verfahren gerade beim Tetanus einfacher als die Injektion in die
freigelegte Carotis interna, wie Heddaeus empfiehlt.
In einem Falle konnte ich das Verfahren anwenden:
Leutnant, 30 Jahre alt, verwundet am 18. IX., Streifschuss am
Kopf. Danach Parese des linken Armes und linken Beines; 23. IX.
spannendes Gefühl in beiden MassetereD, in den folgenden Tagen im
ganzen Körper. Transport 5 Tage lang nach Berlin, Aufnahme im
Krankenhaus am 7. X.: Kopfschmerzen, Krampf in den Kaumuskeln,
Nackensteifigkeit, Facialis: Chvostek -{-, Sprache verlangsamt, massiger
Patellar- und Fussclonus, Schmerzen der linken Brustseite (Präcordial-
angst?). Der innere Consiliarius Dr. Glaser erklärt den Fall für mittel¬
schweren Tetanus. Nach obiger Technik injiziere ich in den Aorten¬
bogen 20 ccm Tetanusantitoxin. Nach 24 Stunden leichte Besserung,
Mund wird besser geöffnet, Kopfschmerzen verschwunden; noch einmal
100 A.-E. intravenös. Nach 48 Stunden alle Muskelkontrakturen fast
völlig geschwunden. Der Kranke ist heute 4 Tage nach der Injektion
bereits wesentlich gebessert. Ein einziger Fall allerdings beweist nichts.
2. Von Meitzer ist das Magnesiumsulfat als Mittel gegen den
Tetanus angegeben worden, weil es die Erregbarkeit der Muskeln berab-
setzt. Bei den hohen Dosen aber, die notwendig sind, besteht die Ge¬
fahr der Atemlähmung; im Tierversuch hilft folgendes: kleinste Tracheo¬
tomiewunde, Einführung eines Seidengespinnstkathethers von Kleinfinger-
dicke bis zur Teilung der Trachea. Der Katheter wird mit einer Sauer¬
stoffbombe verbunden und unter geringem Druck (6—8 mm Quecksilber)
lässt man Sauerstöff einströmen, den Strom in der Minute durch Ab¬
drehen des Hahns au der Bombe sechsmal etwa für 1—2 Sekunden unter¬
brechend.
Beide Vorschläge erlaube ich mir, weil auch heute noch die Mor¬
talität an Tetanus recht hoch ist und wir leider für die nächste Zeit ein
häufigeres Auftreten des Tetanus zu erwarten haben.
Die Kost der Arbeiter und die Grundsätze
der Ernährung.
Von
Prof. Felix Hirschfeld-Berlin.
Die genaue Kenntnis der Arbeiterernährnng erscheint vor
allem deshalb wichtig, weil wir hierdurch ein Bild der Ernährungs¬
weise des grössten Teils des Volks gewinnen und daraus Schlüsse
über Einzelheiten, namentlich über die Notwendigkeit einer be¬
stimmten Eiweisszufuhr bei freigewählter Kost unter beschränkten
äusseren Verhältnissen ziehen können. Zur Erreichung dieses
Ziels ist jedoch vor allem notwendig, bei der Sammlung solcher
Erfahrungen genau zu prüfen, welche Klassen von Arbeitern unter¬
sucht werden, wie deren Lohn Verhältnisse beschaffen sind, damit
eine gewisse Sicherheit gegeben ist, dass wir wirklich die
Schichten der Bevölkerung vor uns haben, die genötigt sind, bei
kräftiger Muskelarbeit sich doch möglichst einfach zu ernähren.
Dieser wichtige Punkt scheint mir in einer eben erschienenen
Arbeit von A. Gigon 1 ) über die Arbeiterkost nicht genügend be¬
rücksichtigt zu sein. So wertvolle Einzelheiten diese an einer
Reihe von Baseler Arbeitern bei freigewäblter Kost gewonnenen
Beobachtungen bringen — ich erwähne noch besonders die
grosse Anzahl von Analysen tischfertiger Speisen —, so scheinen
mir doch die Schlüsse des Verfassers irrig. Die Darlegung dieser
Verhältnisse würde über den Rahmen eines Referates, zu dem ich
von der Leitung dieser Wochenschrift -aufgefordert bin, hinaus¬
geben; deshalb möchte ich an der Hand eigener, früher von mir
1) Alfred Gigon, Die Arbeiterkost nach Untersuchungen über die
Ernährung Baseler Arbeiter bei freigewäblter Kost. Berlin 1914, Verlag
von J. Springer.
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Nr. 42.
ausgefübrter Untersuchungen und der Erfahrungen aus der Lite¬
ratur darauf eingehen, zu welchen Schlössen die bis jetzt fest¬
gestellten Tatsachen berechtigen.
Gigon untersuchte die Kost von 8 Arbeitern während im ganzen
62 Tagen; bei den einzelnen Versuchspersonen betrug die Dauer der
Beobachtuogsperiode bei gleichbteibendem Körpergewicht zumeist 7 bis
9 Tage. Mit einer Ausnahme waren alle verheiratet, die Kinderzabl der
7 Ehepaare war jedoch nur 11! Das Alter der Versuchspersonen
schwankte zwischen 18 und 50 Jahren, im Mittel 33 Jahre, das Körper¬
gewichtsmittel war 68,9 kg. Die Arbeitszeit war 8—10 Stunden. Der
Lohn schwankte bei den verheirateten Arbeitern zwischen 6—7,90 Frank
täglich. Der unverheiratete junge Färber erhielt 4 Frank für den Tag.
Die Kosten der Ernährung sind von Gigon nicht mitgeteilt.
Der Verbrauch an Nahrungsmitteln pro Tag in Gramm war im Mittel:
Fleisch (in gekochtem Obst.20,5 g
und gebratenem Zu- Zucker.34,9 g
stand).187,3 g Brot. 334,8 g
Fisch. 7,2 g Suppe. 472,4 g
Kartoffel.171,6 g Milch. 509,2 g
Gemüse und Mehlspeisen 275,2 g Kaffee. 625,1 g
Eier und Eierspeisen . . 17,9 g Wein.172,5 g
Butter. 3,6 g Bier.415,3 g
Käse.22,4 g Schnaps. 5,3 g
Auffallend ist der sehr hohe Fleischgenuss von 187 g gekochtem
oder gebratenem Fleisch, wozu noch allerdings geringe Mengen von
Fischen kommen. Wenn auch ein Teil des Fleisches in Form von
Würsten, also bisweilen doch in rohem Zustand genossen wurde, so hebt
Gigon andererseits wiederum hervor, dass bei seinen Zahlen noch die
Abfallstoffe abgezogen sind, während dies bei den meisten anderen
Autoren, die nur das Rohgewicht berücksichtigten, nicht der Fall ist.
Man wird daher den Fleischverbrauch bei Gigon wohl im Mittel auf
300 g Rohgewicht täglich nicht zu niedrig veranschlagen, einen Wert,
der alle bisherigen Annahmen weit übertrifft.
Der Brot- und Kartoffel verbrauch erscheint sehr niedrig. Be¬
merkenswert ist hierbei noch, dass das Brot fast ausschliesslich als
Weissbrot oder „Halb weissbrot“ genossen wird. Schwarzbrot wird da¬
gegen von Arbeitern kaum gebraucht. Leider hat Gigon nicht an¬
gegeben, ob unter dem „Halbweissbrot“ ein aus Weizen und Roggen
gemischtes Brot verstanden wird. Es wäre ausserordentlich auffallend,
wenn so nahe an Deutschland und Baden, wo das Roggenbrot in der
Kost vorherrscht und nach den Mitteilungen Wörishoffers 1 ) s / 4 oder
»/jo des gesamten Brotverbrauchs bei den Arbeitern ausmacht, in Basel
nur Weizenbrot von der Bevölkerung verzehrt würde.
Gigon hebt als Eigenart der Kost noch den reichlichen Suppen-
genuss hervor, der neben dem aus verschiedenen Gemüsen be¬
stehenden Mittagbrot, dem hohen Mi Ich verbrauch und der grossen Ab¬
wechselung in den Gerichten die Ernährung der Baseler Arbeiter als
sehr günstig erscheinen lässt.
Die mittlere chemische Zusammensetzung der Kost betrug für den
69 kg schweren Aibeiter 106,7 g Eiweiss, 93 g Fett, 402 g Kohle¬
hydrate und 33 g Alkohol = 3181,5 g Calorien.
Die Menge des resorbierten Eiweisses war im Mittel = 85,6 g.
Gigon kommt zu folgenden Schlüssen 2 ):
„Da weiter die Versuchspersonen keine Luxusausgaben
sich gestatten konnten, kann man sagen, dass ihre Kost der
hiesigen normalen Arbeiternahrung entspricht. Dieses Er¬
gebnis ist von Wichtigkeit. Man kann daraus mit Sicher¬
heit schliessen, dass die Durchschnittszahlen für die che¬
mische und calorische Zusammensetzung dieser Kost der
Normalkost des Menschen entsprechen müssen.“ Und weiter:
„Bei genügender Zufuhr an Fett und Kohlehydraten
(siehe später) und bei gemischter Kost soll die Nahrung des
Arbeiters bei mittlerer Arbeit 110—130 g Eiweiss enthalten,
wenn dieses Eiweiss nur zu Vs aus dem Tierreich entstammt.
Besteht das Gesamteiweiss zur Hälfte oder mehr als zur
Hälfte aus animalischem Eiweiss, so genügt eine Gesamt¬
eiweisszufuhr von 90—110 g. Als Durchschnitt möchte ich
die Forderung aufstellen, dass ein erwachsener Mann bei
mittlerer Arbeit 1,5 g Eiweiss pro Kilo und Tag mit seiner
Nahrung erhalten muss.“
Gigon kehrt mit diesen Schlussfolgerungen wieder voll¬
ständig auf den Voit’schen Standpunkt zurück, den man bis vor
kurzem wohl als allgemein aufgegeben wähnte. 118 g Eiweiss
sollten hiernach in der täglichen Kost für einen erwachsenen
kräftigen Mann bei mittelscbwerer Arbeit zur Erhaltung not¬
wendig sein. Neuerdings bat nun Rubner 3 ) in einer vor kurzem
erschienenen Arbeit ähnliche Anschauungen geäussert. In dieser
Broschüre werden keine neuen Versuchsergebuisse mitgeteilt, nur
im wesentlichen gegen Chittenden und.Hindhede polemisiert.
1) F. Wöriahoffer, Die soziale Lage der B’abrikarbeiter iu Mann¬
heim. Karlsruhe 1891.
2) 1. c., S. 15 u. 34.
8) Max Rubner, Ueber moderne Ernährungsreformen. München
und Berlin 1914, Verlag von R. Oldenbourg.
Die Vorwürfe Rubner’s gegen Chittenden sind wohl als be¬
rechtigt anzuerkennen, da dieser Forscher nicht allein zu ein¬
zelnen Bedenken in seiner Versucbsanordnung Anlass gab, sondern
vor allem deshalb, weil er die Frage des Eiweissbedarfs auch
mit der der sogenannten Luxuskonsumption zusammen warf.
Naturgemäss ist aber die Lösung beider Probleme, wohl der
wichtigsten der modernen Ernährungslehre, durch eine solche
summarische Behandlung nicht zu erreichen.
Weniger berechtigt erscheinen die Angriffe Rubner’s gegen
Hindhede. Wenn sich Rubner vor allem darüber beklagt, dass
ihn Hindhede für die Voit’schen Normen gewissermaassen ver¬
antwortlich gemacht habe, so zeigt er in dieser neuesten Arbeit
am deutlichsten, dass er richtig verstanden wurde. Rhetorisch
ruft Rubner am Schluss aus 1 ):
„Hier muss Farbe bekannt und eine Zahl genannt werden.
Wenn 118 g falsch ist, so müssen wir wissen, was an deren
Stelle zu setzen ist. Das ist aber leider von den Reformatoren
nicht gesagt worden.“
Solche Auffassungen habe ich von jeher energisch bekämpft
und will dies auch wiederum tun, weil gerade unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen irrige Anschauungen über die Zusammen¬
setzung einer Kost die grösste Verwirrung schaffen. Nicht nur
wegen des Krieges ist eine zeitweilige eiweissärmere
Ernährung hinzunehmen, sondern wir müssen uns den
wissenschaftlich feststehenden Satz einprägen, dass
dies auch dauernd noch keinen Nachteil für den Orga¬
nismus bedeutet.
Die Berechtigung zu diesem Vorgeben leite ich, abgesehen
von meinen an mir selbst angestellten Laboratoriumsversucben,
vor allem von Beobachtungen her, die ich bei der Unter¬
suchung der Kost von landwirtschaftlichen Arbeitern auf einem
Gut bei Bromberg gemaebt habe, und die ich seitdem noch durch
weitere Beobachtungen auf einem ostpreussischen Gut bei Oster-
rode ergänzt habe*). Gerade diese Untersuchungen sind bisher
kaum beachtet worden, und nur meine fiüheren werden zwar er¬
wähnt, aber als Laboratoriumsversuchen wird ihnen nur ein be¬
dingter Wert zugebilligt.
Die landwirtschaftlichen Arbeiter sind wobl deshalb
am geeignetsten für die Beantwortong der Frage, wie unter den
heutigen Verhältnissen nach freier Wahl am wohlfeilsten eine Kost
zusammengesetzt werden kann, weil bei verhältnismässig niedrigem
Lohn kräftige Muskelarbeit geleistet werden muss. Während der
in die Erntezeit fallenden Beobachtungsperiode konnte ich mich
von der kräftigen Körperkonstitution der Arbeiter und ihrer Kinder
überzeugen. Meine Resultate entsprechen einigen in der Literatur
zerstreuten Angaben, so der von Meinert 8 ) über die Kost eines
sächsischen Landarbeiters und der von Hultgren und Lander-
gren*) über die eines schwedischen Landarbeiters. Gerade hier¬
bei kann man auch den Fehler Gigon’s erkennen, wenn bei Be¬
nennung der Kost der ärmeren Bevölkerungsscbichten diese als
„Arbeiter“ im allgemeinen bezeichnet werden. Hultgren und
Landergren untersuchten die Ernährung von 12 schwedischen
Arbeitern, deren täglicher Verdienst zwischen 1 und 3 Kronen
schwankte! Dementsprechend gestaltete sich auch die Ernährung
verschieden und der zumeist in der Literatur und auch von Gigon
benutzte Mittelwert kann keinesfalls als Beweis dafür gelten,
wie man sich auch unter beschränkten äussern Verhältnissen
ernähren muss. Für diesen Zweck erscheint eher ein Einzel¬
beispiel geeignet, die Versuchsperson 4, ein 28 jähriger, 73 kg
schwerer, 1,74 cm grosser Landarbeiter mit einem sehr niedrigen
Tagelohn.
Die Resultate sind am besten aus folgender Tabelle er¬
sichtlich.
Der Kartoffel- und Brotverbrauch ist bei diesen Arbeitern
annähernd gleich und am über das Doppelte höher, als Gigon
ihn bei Basler Arbeitern gefunden batte, während der Fleisch¬
verbrauch weit zurückbleibt. Trotzdem waren diese Arbeiter
ebenso wie ihre Kinder körperlich gesund und leistangsfähig.
Dabei ist noch besonders bemerkenswert, dass ich kinderarme
Familien untersucht hatte. In kinderreichen Familien tfurde von
1) 1. o., S. 74.
2) F. Hirschfeld, Pflüg. Arch., Bd. 41 u.44; Virch. Arcb„ Bd.ln;
D. Vrtljschr. f. Gesdhtspfl., 1903. q
3) C. A. Meinert, Armee und Volksernährung. Berlin 1880, Bd. J,
S. 190 u. f.
4) E. 0. Hultgren und Ernst Landergren, Untersuchungen über
die Ernährung schwedischer Arbeiter, Stockholm 1891, S. 5, S. 18
S. 29.
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UMIVERSITY OF IOWA
19. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1723
den Erwachsenen oder Halberwachsenen zumeist mehr Kartoffeln
und mehr Schmalz, dagegen noch weniger Fleisch und
weniger Milch verzehrt. Der gesamte Eiweissumsatz solcher
Personen würde dadurch wahrscheinlich noch geringer ausfallen.
Es wnrde mir auch versichert, dass die Ernährung der Arbeiter
auf andern Gütern und der kleinen Bauern durchaus nicht fleisch -
und ei weissreicher wäre.
Es stellte sich der Verbrauch der wichtigsten Nahrungs¬
mittel bei den landwirtschaftlichen Arbeitern
Prov. Posen
(nach F. Hirsch¬
feld) Mittelwert
s
Prov. Sachsen
(C. A.
Meinert)
g
Schweden
(Hultgren und
Landergren)
g
an Brot.
650
700
698
Kartoffeln ....
800
600
—
Fleisch und Fisch
70 !
20
74
Müoh.
500 ,
70
634
Eiweissverbrauch
1
im ganzen . .
92 1
88
114
davon verdaulich .
70 ij
1
69
77
Die Berechtigung, diese Befunde weiter zu verallgemeinern,
gewähren folgende Tatsachen. Erstens konnte ich noch auf die
ähnlichen Resultate von Wörishoffer, der die badische Arbeiter-
bevülkerung untersucht batte, binweisen. Die so häufig gemachte
Annahme, dass es sich hierbei um eine schlecht bezahlte und
wenig leistungsfähige Arbeiterschicht handelte, konnte hier
sicher nicht erhoben werden. Ferner erinnerte ich daran, dass
diese Einzelbeobachtungen sich vorzüglich mit den bekannten
Weiten der Nationalökonomen über den Verbrauch an Getreide
und den wichtigsten Nahrungsmitteln in Deutschland deckte 1 ).
Die Erklärung für den hohen Brot- und Kartoffel verbrauch
io einem grossen Teil unserer Arbeiterbevölkeruug wird man
leicht finden, wenn man einen Blick auf die nachstehende Tabelle
über den Nährwert und den Preis unserer gebräuchlichsten
Nahrungsmittel wirft. Um die Umrechnung zu erleichtern, habe
ich die Zahlen möglichst abgerundet.
Preis von
1 kg
M.
Um 1000 Galorien
zu liefern sind
notwendig
kg
Der Geldwert
von 1000 Calorien
beträgt
tf.
Schwarzbrot . . .
030
0,435
0,13
Weissbrot ....
0,50 i
0,395
0,20
Kartoffel ....
0,06
1,18
0,07
Schweineschmalz . .
1,80
0,107
0,19
Zucker.
0,60 I
0,25
0,15
Rindfleisch ....
1,60 j
0,91
1,45
Das billigste Nahrungsmittel ist demnach die Kartoffel.
In dieser Zahl kommt die Ergiebigkeit unseres Bodens zum Aus¬
druck, der uns gerade von diesem Nahrungsmittel weit mehr
liefert, als von der gegenwärtigen Bevölkerung Deutschlands ver¬
zehrt werden kann.
Es ist daher als ein grosser Vorzug anzusehen, dass von Kar¬
toffeln erfahrungsgemäss noch mehr genossen werden kann,
als obigen Zahlen entspricht. Hindhede 2 ) und seine Versuchs¬
personen verzehrten dauernd meist weit über ein Kilo. Die
oberschlesische Grubenbevölkerung, die nach den Mitteilungen
Kuhna'g*) sich gegenwärtig so ernährt wie etwa der mittlere
Bürgerstand dieser Provinz vor 50 Jahren, verbraucht an Kar¬
toffeln täglich 1100 g. Nach Selbstversuchen kann ich versichern,
dass diese Menge von einem kräftigen Mann bequem bewältigt
werden kann, auch wenn mau nicht von Jugend her an einen so
reichlichen Kartoffelgenuss gewöhnt ist. Die Kartoffel besitzt vor
dem gewöhnlichen Roggenbrot den Vorteil, dass sie besser im
Darm ausgenützt wird. Während von grobem Roggenbrot,
1) Wenn mir seinerzeit hei der Diskussion von Grotjahn entgegen¬
gehalten wurde, dass diese Konsumstatistiken nur bedingt zuverlässig
seien, gebe ich dies zu; als Beweise für die Zuverlässigkeit von Einzel¬
beobachtungen und deren Verallgemeinerung dürfen sie jedoch dienen.
(Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheits¬
pflege 1903. Hyg. Rdscb., 1904, Nr. 16.)
2) M. Hindhede, Skandinavisches Arch. f. Phys., 1913, Bd. 30,
▼gl. auch die früheren Arbeiten dieses Autors.
3) Kuhna, Die Ernährungsverhältnisse der industriellen Arbeiter-
bevölkerung in Oberschlesien. Leipzig 1894. S. 67 u. 44.
dem 15 pCt. Kleie entzogen wird, etwa 13 pCt. der
Trockensubstanz unbenutzt im Darm entleert wird 1 ) und
diese Zahl dann entsprechend dem geringeren Kleien¬
gebalt beruntergeht und bei dem feinsten Weizenbrot,
dem 30 pCt. Kleie entzogen sind, noch etwa 4 pCt. aus¬
macht, beträgt der Verlust im Kot bei der Kartoffel
nach den neuen zahlreichen Bestimmungen Hindhede's
nur etwa 3 pCt.l
Wie wichtig dieser Punkt bei der Ernährung einer Bevölke¬
rung ist, die infolge vorausgegangener ungenügender Ernährung
zu Darmkatarrhen neigen wird, leuchtet wohl ohne weiteres ein.
Zu den Vorzügen der Kartoffel kommt noch, dass sie mit den
verschiedensten Mengen von Fett verzehrt werden kann. Aus
diesen Gründen ist daher jeder Versuch, die Kartoffel in Form
neuer schmackhafter Gerichte auf den Tisch zu bringen und der
Plan, Kartoffelmehl etwa als Zusatz von 10 bis 20 pCt. zur Brot-
bereitung heranzuziehen, als zweckmässig auch von medizinischer
Seite anzuerkennen. Ein Kartoffelzusatz wäre daher auch dem
| Gerstezusatz zu dem Roggen vorzuziehen.
i Bei der Broternährung wird, eben wegen der schlechten Aus¬
nützung des groben Roggenbrotes, man sich lieber unter den
mitgeteilten Zahlen halten dürfen, namentlich dann, wenn nicht
neben dem kleienreicheren Roggenbrot wenigstens etwas
Weizenbrot zur Verfügung steht. Das Weizenbrot stellte sich
aber bisher schon als kein billiges Nahrangsmittel und dies wird
sich voraussichtlich in der nächsten Zukunft kaum ändern.
Beachtenswert ist der niedrige Geldwert des Zuckers als
Nahrungsmittel, der voo vielen überhaupt nur als Genussmittel
oder Luxusnahrungsmittel betrachtet wurde. Auch wenn der
Zuckerpreis etwas höher läge, würde der Zucker, der doch immer¬
hin nur in geringen Mengen verzehrt wird, noch immer ein wohl¬
feiles Nahrungsmittel sein, das jede Ernährungsform schon zu
verbessern vermag. Interessant ist hierbei, dass einzelne Be-
völkeruugsscbichten dies schon zeitig erkannt haben. So war
1891 bei der oberschlesischen Grubenbevölkerung der Zucker¬
verbrauch nach dem Zeugnis Kuhna’s schon ein hoher, etwa 60 g
auf den Erwachsenen gerechnet, während er noch im übrigen
Deutschland in der Arbeiterernäbrung sich kaum Eingang ver¬
schaffen konnte. Mit Recht wird daher jetzt wiederum zur Ver¬
besserung der Massenernährung der Zucker empfohlen, wo
er zusammen mit Obst, mit Getränken wie Kaffee, Tee,
Kakao und auch wohl mit einzelnen anderen Gerichten in be¬
trächtlichen Mengen verbraucht werden kann. Die Gefahr des
Uebertritts von Zucker in den Harn besteht nur, wenn auf ein¬
mal grosse Mengen, etwa 100 g, genossen werden. Eine solche
Ueberschwemmung des Organismus wird bei halbwegs ver¬
nünftiger Regelung der Ernährung aber kaum in Betracht kommen,
ebensowenig ist für die Allgemeinheit als Nachteil anzuseben,
dass sich einzelne erblich zum Diabetes veranlagte Personen vor
zu reichlicher Zuckernahrung hüten müssten.
Der Fleischverbrauch schwankte bei den landwirtschaft¬
lichen Arbeitern zwischen 20 und 75 g. Dieser Wert entspricht an¬
nähernd der Zahl, die ich als Mittel aus den voo P. Mombert mitge¬
teilten Zahlen über den Fleischverbrauch verschiedener Arbeiter¬
kreise Deutschlands ausrechnete, der sich zwischen 15 und 100 g
bewegte 2 ). Selbstverständlich bedeuten die niedrigenWerte nur, dass
Fleisch nicht alle Tage auf den Tisch kommt. In den wohlhabenden
Klassen hingegen beträgt der tägliche Fleischverbrauch zumeist
800—400 g bei Männern, bisweilen ist er sogar noch viel höher,
während der tägliche Kartoffel- und Brotverbrauch zumeist
bis auf je 100—200 g heruntergeht. Die kiuderarmen Arbeiter
Gigon’s weisen daher einen Typus der Ernährung auf, der sich
jedenfalls sehr der Lebensweise der wohlhabenden Klassen nähert,
obgleich sie sich nach der Mitteilung dieses Autors keine Luxus¬
ausgaben gestatten konnten.
Es liegt mir fern, einfach die Ernährung der landwirtschaft¬
lichen Arbeiter als die Normalkost zu empfehlen. Bei Regelung
der Ernährung komme ich vielmehr auf die Sätze zurück, die ich
schon vor einer Reihe von Jahren verfochten habe und die ich
etwas verkürzt wiedergebc 3 ).
Sorgt man bei der Festellung bestimmter Kostsätze nur für
1) Plagge und Leb bin, Untersuchungen über das Soldatenbrot.
Berlin 1897.
2) F. Hirschfeld, Ueber den Verbrauch au den wichtigsten Nah¬
rungsmitteln unter den verschiedenen sozialen Verhältnissen in Deutsch¬
land. Mscbr. f. soz. Med., 1903, Bd. 1 u. Hyg. Rdsch., 1904, Nr. 16.
3) F. Hirschfeld, Pflüg. Aroh., Bd. 44, S. 466, und B.kl.W.,
1891, Nr. 26.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 42.
die Deckung des Gesamtstoffverbrauchs, für ein ange¬
messenes Gewicht und Volumen and für Verdaulichkeit,
so wird hierbei der Eiweissbedarf des Körpers vollständig be¬
friedigt werden, auch wenn die in der Nahrung enthaltene Stick¬
stoffmenge beträchtlichen Schwankungen unterworfen ist. Der
Eiweissbedarf des Menschen ist ebensowenig genau bestimmt, als
etwa der Chlor- oder Kalkbedarf.
Eine ähnliche, aber schwankende Auffassung zeigt Tigerstedt, da
er in seinem Vortrag über da9 Eiweissminimum auf dem 14. Kongress
für Hygiene und Demographie 1907 sich dahin ausspricht, dass für das
Eiweiss dasselbe gelten dürfte wie für die Aschebestandteile, sie würden
schon in genügender Menge in der Kost Vorkommen, wenn die an die
Ernährung in bezug auf die Quantität und die qualitative Beschaffenheit
zu stellenden Anforderungen nur erfüllt werden. In demselben Vortrag
teilt Tigerstedt übrigens Kostmaasse mit grosser Calorieozufuhr mit,
bei denen der Eiweissumsatz nach Abzug des Kotstickstoffs nur 54—76 g
betrug und bemerkt hierzu, dass hieraus geschlossen werden könne,
dass ein kräftiger Arbeiter mit den betreffenden N.-Mengen
aushalten könne; allerdings beziehen sich diese Angaben zum grössten
Teil auf Menschen in einer ungünstigen ökonomischen Stellung. Kurz vor¬
her sagt aber Tigerstedt: „Wenn es also als notwendig erachtet wird,
eine bestimmte Menge von Eiweiss in normalem Kostmaass anzugeben, so
wollte ich immer noch die Voit’ sehen Zahlen als maassgebend betrachten 1 ).“
Mit diesem Zugeständnis gab Tigerstedt Rubner das Recht, in dem
Buch über moderne Ernäbrungsformen (S. 56) zu dem Schlüsse zu kommen,
dass Tigerstedt ebenso wie Förster der Meinung gewesen wären, in
den praktischen Fragen der Volksernährung es bei den bisherigen Normen
zu belassen 2 3 * ). ■
Die Aufstellung einer solchen Zahl halte ich aber ebensowenig für
berechtigt al9 etwa die Forderung von 13,5 g Kochsalz in der Kost oder
die Festsetzung, jede menschliche Wohnung müsste mindestens 2,5 m
hoch sein. Mögen auch alle guten Wohnungen dieser Anforderung ge¬
nügen, so wird man doch wohl Bedenken tragen müssen, eine nur
empirisch gefundene Zahl als Norm binzustellen, an die sich die Laien
allzusehr anklammern, um darüber Wichtiges zu vernachlässigen.
Im Gegensatz zu den Beobachtungen von Tigerstedt wie von
mir sagt Rubner in dem neuesten Werk (S. 29):
„Fälle mit niedrigen Eiweiss werten sind fast immer nur bei Berufs¬
klassen von anerkannt schlechter sozialer Lage mit ausgeprägten Er¬
scheinungen der Unterernährung gefunden worden.“
Je nach den individuellen, sozialen, nationalen und
sogar provinzialen Gewohnheiten der zu Ernährenden wird
man daher bei der Regelung der Ernährung verschieden ver¬
fahren müssen. Wird körperliche Arbeit im Freien von
kräftigen, hieran von Jugend an gewohnten Personen geleistet,
so vertragen diese auch meist die voluminöse vegetabilische Kost.
Bei sehr starken körperlichen Anstrengungen gelingt es
allerdings der Mehrzahl der Menschen, namentlich bei mangelnder
Gewöhnung, kaum, den Stoffbedarf anders als durch reichlich
animale Nahrungsmittel zu decken. Ebenso wichtig ist eine solche
Ernährungsform dann, wenn es sich darum handelt, körperlich
heruntergekommene Personen reichlich zu ernähren.
Das gleiche Hindernis bereitet der Aufnahme der vorwiegend
vegetabilischen Nahrung auch ungenügende Muskeltätigkeit,
namentlich bei andauerndem Zimmeraufentbalt. So musste
v. Rechenberg 8 ) eine Kost, die der der landwirtschaftlichen
Arbeiter ziemlich ähnlich war, bei den Handwebern als ungenügend
erklären, da diese bei einseitiger Tätigkeit — Bedienen des Web-
stubls — und schlechter Stubenluft, sowie allgemeinen hygieni¬
schen Missständen infolge mangelnder Esslnst von der vor¬
wiegenden Kartoffel- und Brotkost nicht genügend Nahrung
zu sich nahmen, um den Bedarf eines kräftigen Organismus zu
genügen. Unter solchen Umständen kann man allerdings von den
Nachteilen einer zu eiweissarmen Kost reden, aber keinesfalls ist
diese allein für alle Schädigungen verantwortlich zu machen und
die schwächliche Körperbeschaffenheit würde kaum mit einer Auf¬
besserung der Ernährung verschwinden. Die Beseitigung aller
übrigen durch die grosse Armut der Weber bedingten Missstände
ist von gleicher Bedeutung.
Bestimmte Zahlen über den Fl ei sch gebalt einer Kost zu
geben, möchte ich daher ablehnen. Ich halte dies ebenso für
unmöglich, wie die Menge der Genassmittel und die Art der
Abwechslung der Gerichte festzulegen. Dies muss sich nach
den wechselnden Umständen und den Gewohnheiten der zu Er¬
nährenden regeln. Dass immer etwas Fleisch, ebenso wie andere
animale Nahrungsmittel, in der Kost sein sollen, ist schon gesagt
worden. Jede Fleischbeigabe scheint mir im Gegensatz zu den
1) Verhandle Bd. 2, S. 349.
2) Vgl. auch Verb. d. Kongresses, Bd. 4, S. 206.
3) Carl v. Rechenberg, Die Ernährung der Handweber in der
Amtsbauptmannsehaft Zittau. Leipzig 1890.
Anschauungen der Vegetarier und einiger Autoren geeignet, die
Kost zu verbessern. Bei beschränkten Mitteln wird aber
in der Praxis die Verabreichung von Fleisch oft damit
erkauft, dass nicht hinreichend für die Deckung des
Gesamtstoffbedarfs, also des ersten und wichtigsten
Grundsatzes, jeder Ernährung gesorgt wird. So wird
nach einigen mir vorliegenden Mitteilungen bei der Zubereitung
der Mittagsmablzeiten nicht genügend Fett verwandt und auch
die Menge der Vegetabilien, namentlich der Kartoffeln sowie
des bisweilen nebeoher verabreichten Brotes, möchte ich als zu
niedrig ansehen.
Als Beispiel für die landläufigen Irrtümer nenne ich einen Aufsatz
von Prof. Albert Albu „Ueber Maasenernährung in Kriegs¬
zeiten“ 1 ). Nach Albu erscheint ein tägliches Quantum von 100g
Fleisch unbedingt wünschenswert, um die Gefahr der Unterernährung im
Volke hintaDzuhalten. Mit gesperrtem Druck findet sich dann folgender
Satz in dieser Arbeit: „Die vegetabile Beikost befriedigt das
Hungergefühl, die FJeischration das wirkliche Nahrungs¬
bedürfnis des Körpers“. Es ist tief zu bedauern, dass die wichtige
Frage der Volksernäbrung durch solche Soblagworte verwirrt wird, über
die sich wissenschaftlich überhaupt nicht diskutieren lässt. Die Brot-
mengeD, die Albu empfiehlt, scheinen mir viel zu niedrig; er rät „bei
starkem Hunger“ als Zulage in der Mittagskost 80—40 g trooknes Schwarz¬
brot zu geben.
Die Forderung nach einem hohen Eiweissgehalt der Kost
führt auch leicht zu einer Bevorzugung der jetzt zur Konserven¬
fabrikation besonders gebrauchten und darum teuren eiweiss-
reicheren Hülsenfrüchte vor der billigen ei weissärmeren,
leichter verdaulichen Kartoffel. Ferner konnten sieb die Hersteller
der eiweisshaltigeu Nährpräparate darauf berufen, dass dadurch
der Eiweissbedarf des Organismus billiger als durch Fleisch ge¬
deckt werden könnte. Solange man von der Notwendigkeit
einer bestimmten hohen Eiweisszufubr redet, die von einzelnen
Bevölkerungsschicbten bei gewöhnlicher Ernährung nickt erreicht
wird, kann man diesem Schluss eine Berechtigung nicht abspreeben.
Diese Tatsache zeigt aber am deutlichsten, wie die klare Fest¬
stellung der physiologischen Grundsätze unbedingtes Erfordernis
bei der Regelung der Ernährung sein muss. Nicht weil das
Fleisch ein stickstoffhaltiges Nahrungsmittel ist, sondern weil es
ein wohlschmeckendes, wenig voluminöses Nahrnngs- und Genuss-
mittel ist, wünschen wir eine Verwendung bei der Massenernährung.
Irrtümlich ist daher häufig von Aerzten ebenso wie von
Nationalökonomen und Politikern eine Unterernährung mit
allen ihren nachteiligen Folgen für die Volksgesundheit ange¬
nommen worden, wenn in der Kost von Erwachsenen weniger als
die von Voit geforderten 230 g Fleisch gefunden wurden.
Schliesslich wird von Gigon ebenso wie auch von anderen
Hygienikern wieder betont, dass die Widerstandsfähigkeit gegen
Krankheiten, namentlich gegen die Tuberkulose bei den sich
eiweissreich ernährenden Schichten grösser ist als bei den
sich eiweissarm ernährenden Bevölkerungskiassen. Dies mag
zutreffen, aber die eiweissreicher lebenden Personen sind die wohl¬
habenderen und darum vielen anderen Schädlichkeiten weniger ans¬
gesetzt. Wie leicht in dieser Beziehung alte Irrtümer immer wiederholt
werden, lehrt die in einer eben erschienenen Arbeit von Kisskalt über
die Gefangenenernährung ausgesprochene Ansicht, dass dort sich zwar
die Sterblichkeit erst mit jeder Verbesserung der Ernährung verringert
habe, trotzdem aber noch durch eine abnorm grosse Häufigkeit der
Tuberkulose charakterisiert sei 2 ).
Für die Notwendigkeit einer bestimmt hohen Eiweisszufuhr ist
dies jedoch nicht zu verwerten. In ausführlichen zusammen mit dem
Strafanstaltsarzt A. Leppmann ausgeführten Untersuchungen konnte
ich den Nachweis führen 8 ), dass in den letzten Jahrzehnten die
Ernährung in den Zuchthäusern kaum eiweissreicher geworden
ist, wenn Bie auch in anderen Beziehungen eine Reihe von Verbesse¬
rungen erfahren hat und dadurch sohmaokhafter geworden ist. Der
Gehalt an verdaulichem Eiweiss war 1874 68,4 g und 20 Jahre später
71,9 g. Obgleich also die Kost noch weit unter der Voit’schen Norm
liegt und man früher nur irrtümlicherweise annahm, dass den Anforde¬
rungen Voit’s entsprochen sei, ist infolge der zahlreichen allgemeinen,
hygienischen Verbesserungen sowohl die gesamte Sterblichkeit wie
die an Tuberkulose erheblich geringer geworden. Während noch um
1870 in den Strafanstalten annähernd doppelt soviel Menschen starben
als unter der gleichalterigen freien Bevölkerung, besteht gegenwärtig
keinerlei Unterschied mehr. Die Tuberkulose ist innerhalb der Zucht-
1) Vossische Zeitung 1914, Sonntagsbeilage Nr. 88.
2) Kisskalt, Eiweissbedarf und Fleiscbnabrung. M.m.W., 1914,
Nr. 20, S. 1120.
3) F. Hirschfeld, Zsohr. f. physik. diät. Ther., 1900, Bd. 4, und
Abschnitt über „Ernährung in ihrem Einfluss auf Krankheit und Sterb¬
lichkeit“ in dem Handbuch von M. Mosse und G. Tugend reich,
Ueber Krankheit und soziale Lage, S. 189.
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häuser ebenso wie ausserhalb derselben in den letzten Jahrzehnten er¬
heblieh gesunken 1 ), und einzelne andere Krankheiten, die früher als die
Geissei der Gefängnisse galten, wie der Scorbut, sind jetzt vollständig
geschwunden. Man wird hieraus den Schluss ziehen dürfen, dass
unter günstigen hygienischen Verhältnissen allein der in
niobt zu weiten Grenzen schwankende Eiweissgehalt der
Kost keinen Einfluss auf die Entwicklung der Tuberkulose
ausübt; ob aber ungünstige’hygienische Verhältnisse durch eine eiweiss¬
reichere Kost ausgeglichen werden können, lässt sich im allgemeinen
überhaupt nicht beantworten.
Die Ergebnisse dieser Arbeit möchte ich in folgenden Sätzen
zusammenfassen:
Die Notwendigkeit einer bestimmt hohen Eiweissmenge io
der täglichen Nahrung ist auch durch die neueste Arbeit von
Gigon nicht erwiesen.
Sorgt man bei der Feststellung bestimmter Kostsätze nur für
Deckung des Gesamtstoffverbrauches, für ein angemessenes Ge¬
wicht und Volumen und für Verdaulichkeit, so wird hierbei der
Eiweissbedarf des Körpers vollständig befriedigt werden.
Diesen Anforderungen kann man bei kräftigen Gesunden
unter günstigen äusseren Bedingungen genügen, wenn auch nur
geringe Mengen von Fleisch zur Verfügung stehen. Ein gänz¬
licher Verzicht auf Fleisch ist entsprechend der Erfahrung, dass
es auch unter den ärmlichsten Verhältnissen sehr vermisst wird,
zu vermeiden. Sind die zu Ernährenden körperlich herunter¬
gekommen und ist sehr kräftige Muskelarbeit za leisten, so wird
reichlichere Verwendung von Fleisch und geringere der volumi¬
nösen Vegetabilien namentlich bei Personen, die nicht von jeher
an die gröbere Kost gewöhnt sind, zur Notwendigkeit.
Unter den pflanzlichen Nahrungsmitteln ist die reichliche
Verwendung von Kartoffeln besonders zu empfehlen, da diese ein
billiges, leicht verdauliches und im Darme gut resorbierbares
Nahrungsmittel ist und mit ihr beliebig grosse Mengen Fett ge¬
nossen werden können. Auch die Verwendung von Kartoffeln zur
Brotbereitung ist darum als zweckmässig anzuerkennen, mag hier¬
durch auch der Eiweissgehalt der Kost verringert werden.
Wie die Erfahrungen bei der Gefangenenernährung zeigen,
sind die früher der ei weissarmen Kost zugeschriebenen nachteiligen
Folgen beseitigt worden, ohne dass der Gesamteiweissgehalt der
Kost nennenswert geändert wurde, nur durch eine zweckraässigere
Ernährungsweise, konzentriertere Form der Gerichte, grössere Ab¬
wechselung, Verwendung von Genussraitteln und die auf anderen
Gebieten liegenden hygienischen Verbesserungen.
Aus dein pathologischen Institut des städtischen
Krankenhauses in Wiesbaden (Prof. Dr. Herxheimer).
Ueber die angeborene Wassersucht
Von
Dr. Hans Wienskowitz.
Der angeborene Hydrops ist keine so seltene Erscheinung,
wie man früher annahm. Ballantyne 2 ) konnte bis zum Jahr 1895
71 Arbeiten zusammenstellen, die derartige Fälle behandelten und
io der Literatur der letzten Jahre finden sich eine Reihe von
diesbezüglichen Veröffentlichungen. Nicht so häufig dagegen sind
Fälle von habituellem Hydrops, d. h. solche, iu denen eine Mutter
mehrere hydropische Kinder gebar. Zu dieser Kategorie gehört
unser Beftfud, den ich nachher ausführlich wiedergeben will.
Während die älteren Aatoren lediglich Beschreibungen der
von ihnen beobachteten Fälle geben, ohne oder mit nur unge¬
nügenden Mitteilungen über Aetiologie und pathologisch-anato¬
mische Befunde, beziehen sich die Arbeiten neuerer Forscher
gerade darauf. Man bat die verschiedensten Krankheiten der
Mutter oder des Kindes als ätiologische Faktoren für da 9 Zu¬
standekommen des kongenitalen Hydrops heranziehen wollen.
Ballantyne 8 ) versucht eine Einteilung dieser Momente zu geben
und kommt dabei zu folgenden vier Gruppen:
1. Fälle, in denen die Uebertraguog des Krankheitskeimes
darch das väterliche Spermatozoon auf das Ei stattfindet.
. F^he, iq denen eine pathologische Veränderung im Fötus
allein vorliegt.
1) Vgl. hierüber noch die Arbeit von Schwandner, Blätter für
Gefengniskunde, Bd. 45, S. 170 u. 172. Heidelberg 1911.
2) Ballantyne, The diseases and deformities of the foetu 9 . 1895.
3) Ballantyne, Manual of antenatal pathology. Edinburgh 1902.
3. Fälle, in denen eine Erkrankung der Mutter allein zu¬
grunde liegt.
4. Fälle, in denen eine krankhafte Veränderung bei Mutter
und Fötus zu suchen ist.
Ballantyne weist selbst darauf hin, dass Fälle, in denen
der Krankheitskeim darch das Spermatozoon übertragen worden
sein könnte, zu den grössten Seltenheiten gehören müssen.
Häufiger sind schon jene Fälle, in denen Anomalien des
Fötus zur Erklärung des allgemeinen Hydrops herangezogen
werden. Es sind hier z. B. die Fälle za nennen, in denen Ent¬
wicklungshemmungen oder Missbildungen im fötalen Kreislauf
gefunden werden. So sahen verschiedene Autoren Herzmissbil¬
dungen mit fast völligem Verschluss des Foramen ovale und
Offenbleiben des Ductus arteriosus Botalli. Jatho 1 ) erklärt dann
den Hydrops der Frucht und der Placenta folgendermaassen:
„Infolge des Verschlusses oder der Verengerung des Foramen
ovale muss das Blut versuchen, durch die Valvula tricuspidalis
in den rechten Ventrikel sich einen Weg zu bahnen. Diesem
Bestreben wird aber ein Ziel gesetzt durch die Valvula Eustacbii,
weshalb der Blutdruck im rechten Vorhof wächst, der Druck
wird noch vermehrt durch den Zufluss von Blut durch die Vena
cava superior. Dieser Umstand hat weiter zur Folge ein Wachstum
des Blutdruckes in den Gefässbezirken, die ihr Blut in die Venae
cavae abführen, d. s. der ganze Körper und die Placenta. ln
letzterer wird zunächst eine seröse Transsudation Platz greifen,
welche sich dem fötalen Kreisläufe mitteilt, um dann auch auf
den ganzen Körper des Kindes überzugehen. Diese Theorie erklärt
auch das Offenbleiben des Ductus arteriosus Botalli, da der grösste
Teil des Blutes durch ihn in die Aorta getrieben werden muss.' 4
Als Grund für diese Herzanomalie nimmt Ballantyne eine
lokale Endocarditis unbekannten Ursprungs an. Des weiteren
gehören hierher jene Fälle, in denen die Wassersucht des Kindes
auf eine Behinderung des Kreislaufes ausserhalb des Herzens zu-
rückzuführen war. Von mehreren Autoren stammen Berichte über
Fälle von kongenitaler Wassersucht, in denen sich eine interstitielle
Hepatitis fand. Beim Embryo muss fast das ganze Blut durch die
Leber hindurch passieren; durch die Wucherung des interstitiellen
Bindegewebes in ihr kommt es zur Kompression und teilweisen
Verödung der Gefässe und zur Stauung der Blutmenge, die, unter
erhöhtem Druck stehend, ins rechte Herz und in den gesamten
Körper gelangt. Der seröse Austritt in alle Gewebe ist unter
diesen Bedingungen leicht erklärlich. In all diesen Fällen wäre
ein Hydrops als auf mechanischer Grundlage entstanden zu denken.
Relativ oft sind Erkrankungen der Mutter für den Hydrops
des Kindes verantwortlich gemacht worden. Eine grosse Rolle
spielte die Nephritis (s. auch unten). Sitzenfrey 2 ), Strauch 8 ),
Cohn, Weber, Lieven 4 ), Betschier usw. berichteten solche
Fälle. Mau ist aber heute ziemlich allgemein der Ansicht, dass
eine Nephritis oder Schwangerschaftsniere der Mutter nicht ohne
weiteres für die Erkrankung des Fötus heranzuziehen ist. Lange
Zeit hat man auch Syphilis der Mutter als ätiologisches Moment
für den Hydrops des Kindes angeführt (Osiander, Cruveilhier
u. a.). Im Gegensatz dazu betonen fast alle neueren Aatoren
ausdrücklich, dass in den von ihnen berichteten Fällen keine
Syphilis der Mutter vorlag, und dass eine solche ätiologisch auf
jeden Fall nicht direkt herangezogen werden darf.
In der vierten Gruppe fasst Ballantyne die Fälle zusammen,
in denen pathologische Veränderungen bei Mutter und Kind vor¬
handen sind. Es ist immerhin nicht ausgeschlossen, dass, wie
Kreisch 5 ) meint, dasselbe Virus, das bei der Mutter eine Erkrankung
hervorrief, dies auch beim Kinde tut, oder dass toxische Stoffe,
die während der Erkrankung der Mutter gebildet worden, auf den
Fötus übergehen. So wurden die Fälle gedeutet, in denen die
Mutter an einer chronischen Nephritis oder einer Schwangerschafts¬
niere litt und man beim Neugeborenen eine fötale Nephritis
gefunden haben will. Ferner suchte man hier die Fälle nnter-
znbringen, in denen eine Bluterkrankung der Mutter vorlag.
Ballantyne neigt der Ansicht zu, dass solche auf biochemischem
1) Jatho, Ueber universelles Oedem der Neugeborenen. Diss.,
Marburg 1902.
2) Sitzenfrey, Oedem der Placenta und kongenitale akute Nephritis
mit hochgradigem universellen Oedem bei Zwillingen, die von einer an
akuter Nephritis leidenden Mutter stammen. Zbl. f. Gyn., 1910, Nr. 43.
3) Strauch, Ueber fötalen Hydrops universalis. Diss., Berlin 1880.
4) Lieven, Zur Pathologie des Hydrops foetu 9 universalis. Zbl.
f. Gyn., 1911, Nr. 22.
5) Kreisch, Geburtskomplikation infolge Hydropsie des Fötus.
M.m.W., 1901, Nr. 35.
3
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 42.
Wege auf die Fracht einwirkeo und Krankheitsprozesse in ihr
erzeugen, die den Hydrops bedingen. Viele Autoren haben die
causa peccans in einer Bluterkrankung der Mntter, wie Leukämie,
Anämie, Hydrämie gesucht, um so mehr, als man in neuerer Zeit
daran ging, das Blut und die blutbildenden Organe des hydropischen
Fötus zu untersuchen, wobei sich Befunde ergaben, die man im
Sinne der Bluterkrankung von Mutter und Kind gedeutet bat.
So nahmen Jakesch 1 ), Labs 5 *), Sänger 8 ), Siefart 4 ), Klebs
eine fötale Leukämie an.
ln eine neue Aera trat die ganze Frage der angeborenen
Wassersucht mit der von Scbridde 5 ) im Jahre 1910 veröffentlichten
Arbeit. Er fand in drei Fällen — und bald darauf in einem
vierten — von hochgradigem kongenitalen Hydrops ein Krankheits¬
bild, das er als Wassersucht bei hochgadiger Anämie des Kindes
auffasst und scharf gegen die früher beschriebenen Bilder von
Leukämie abgrenzt. Schridde konnte schon das von ihm auf
Grund seiner Fälle gekennzeichnete Bild dieser Erkrankung als
durchaus typisch binstellen, und das konnte weiterhin in den
letzten Jahren mehrfach bestätigt werden. Fischer 8 ) 7 ), Loth 8 ),
Kaufmann 9 ), Himmelheber 10 ), Pfreimbter 11 ), Labs 2 ), ver¬
öffentlichten Berichte über eigene Fälle, welche ganz in das von
Schridde aufgestellte Krankbeitsbild hinein gehören und dies
nicht mehr wesentlich modifizierten. Eine Hauptfrage bleibt
noch, wie gross der Prozentsatz der angeborenen Wassersuchts¬
fälle überhaupt ist, welcher hierher gehört. Fischer glaubt bei
Kontrolle der älteren Literatur noch zwanzig Fälle hierher rechnen
zu können. Bei der noch sehr spärlichen Kasuistik und da noch
einige sehr wichtige Punkte der Erkrankung zur Diskussion
stehen, will ich den wenigen bekannten Fällen dieser Rubrik
zwei neue anreihen. Diese sind insofern besonders beachtenswert,
als es sich um eine Frau bandelt, die in zwei aufeinander folgen¬
den Jahren hydropische Kinder gebar und beim zweiten Kinde
an den Folgen der Geburt starb. Da beide Kinder und die
Mutter zur Autopsie kamen und so makroskopische Inspektion
und eingebende mikroskopische Untersuchungen in seltener Voll¬
kommenheit ermöglicht wurden und infolgedessen Befunde erhoben
werden konnten, die bestimmte Schlüsse über Aetiologie und
Deutung der pathologischen Veränderungen zulassen, ist unser
Fall wohl der Veröffentlichung wert. Ueber unseren ersten Fall
ist bereits auch von klinischer Seite berichtet worden (Fleisch
mann und Wolff 12 ).
Ich möchte zunächst einige klinische Daten vorausschicken
Die 28jährige Frau L. E. war in den letzten zwei Jahren mehrfach
im hiesigen Krankenhaus. Zum ersten Mal wurde sie im Mai 1911
aufgenommmen mit der Angabe, dass sie zu Hause eine Hämoptoe ge
habe. Sie hatte damals einen leichten Lungenbefund. Im Oktober des¬
selben Jahres sollte sie ebenfalls Bluthusten gehabt haben. Sie kam
wieder zur Aufnahme. Die klinische Diagnose lautete auf Chlorose.
Im Sommer 1912 war sie etwa 4 Woeben auf der inneren Abteilung,
weil sie wieder hellrotes Blut gehustet hatte. Am 3. XI. 1912 kam die
Frau auf der geburtshilflichen Abteilung nieder. Es war ihre vierte
Geburt. Die bei dieser Gelegenheit vorgenommene Wassermann’sche
Reaktion fiel positiv aus. Das erste Kind war eine Frühgeburt gewesen,
das zweite vier Tage post partum gestorben und das dritte Kind eine
Fehlgeburt.
Das vierte Kind wurde mit starkem Hydrops geboren und
lebte nach Punktieren des Ascites (200 ccm) 12 Stunden. Die Leiche
1) Jakesch, Ein Fall von Hydrops universalis der Frucht und
Hydrops placentae. Zbl. f. Gyn., 1878, Nr. 26.
2) Lahs, Ueber leukämische Erkrankung des Fötus unter dem Bilde
des allgemeinen Hydrops. Diss., Kiel 1898.
3) Sänger, Geber Leukämie bei Schwangeren und angeborene
Leukämie. Arcb. f. Gynäk., 1888, Bd. 33.
4) Siefart, Oedem der Placenta und fötale Leukämie. Mschr. f.
Geburtsh., 1898, Bd. 8.
5) Schridde, Die angeborene allgemeine Wassersucht. M.m.W.,
1910, Nr. 8.
6) Fischer, Die angeborene allgemeine Wassersucht. D.m.W.,
1912, Nr. 9.
7) Fischer, B.kl.W., 1912, Nr. 51.
8) Loth, Zur Lehre von der Schridde’scben allgemeinen
borenen Wassersucht D.m.W., 1912, Nr. 35.
9) Kaufmann, Ueber Blutbildung bei fötaler allgemeiner Wasser¬
sucht. Zieglers ßeitr, 1912, Bd. 54.
10) Himmelheber, Oedem der Placenta und kongenitaler Hydrops.
Mschr. /. Geburtsh., 1910, Bd. 32.
11) Pfreimbter, Ueber sogenannte angeborene Wassersucht.
M.m.W., 1913, Nr. 17. (Naturwissenschaftliche med. Gesellschaft Jena,
27. Februar 1913.)
12) Fieiscbmann und Wolff, Angeborene Wassersucht. Arch.
/. Kindhlk., 1913, Bd. 62, H. 1/2.
ange-
wurde am 4. XI. 1912 von Herrn Prof. Herxbeimer seziert. Das
Sektionsprotokoll lautet folgendermaassen: Männliche Kindesleicbe,
43 cm lang, 2350 g schwer. Die Haut des Kindes zeigt in ausser¬
ordentlich grosser Ausdehnung kleinste bis stecknadeikopfgrosse Blutungen,
so dass ein sehr buntes Bild zu Tage tritt; besonders dicht, etwas
dunkler und grösser erscheinen die Blutungen im Bereich des ganzen
Kopfes und besonders des Gesiobtes, während sie, ebenfalls sehr zahl¬
reich, aber kleiner und heller rot gefärbt über Brust und Bauch zu
sehen sind. Am Rücken sind sie der Totenflecken wegen weniger sicht¬
bar, während sie auch an der unteren Extremität, besonders am Ober¬
schenkel sowohl an der Beuge — wie an der Streckseite — deutlieh
hervortreten.
Die Haut, besonders an den beschriebenen Steilen bekommt hier¬
durch ein ausserordentlich buntes, gesprenkeltes Aussehen.
Der Bauch ist stark aufgebläht, zeigt beim Betasten Fluktuations¬
erscheinungen, ebenso erscheint die Haut des gesamten Körpers teigig
geschwollen. Fingereindrücke bleiben stehen. Ein stärkeres Oedem tritt
besonders am Kopf, im Gesiebt, hier besonders links, am Hals, sehr
stark aber auch an den Armen und den BeiDen beiderseits hervor.
Beim Einschneiden entleeren sich grosse Mengen klarer Flüssigkeit.
Beim Schnitt vom Kinn zur Symphyse entleeren sich aus der Bauch¬
höhle noch ziemlich reichliche Massen einer hellen, gelben, klaren
Flüssigkeit. Die beiderseitigen Brusthöhlen weisen nur mässige Mengen
klarer Flüssigkeit, die Pericardböhle fast gar keine solche auf. Die
Lungen sind bluthaltig und schwimmen. Die Unterlappen erscheinen
beiderseits dichter und etwas dunkler. Ueber beiden Lungen zeigt die
Pleura zahlreiche feine, kleine Blutungen. Solche treten auch auf dein
Pericard (viscerales und parietales Blatt) zutage. Das Herz selbst ent¬
spricht den Grössenverhältnissen des Kindes. Die Klappen sind voll¬
ständig iütakt. Die Ventrikelwände uüd -höhlen entsprechen der Norm.
Keinerlei Defekte od. dgl. Nur finden sich kleine und grössere an der
Atrioventrikulargrenze links gelegene subendocardiale Blutungen. Die Hals¬
organe weisen keinerlei Abweichungen auf. Die Milz ist dunkelblaurot,
massig derb und besonders im Böhendurchmesser sehr gross. Ebenso er¬
scheint die Leber ziemlich gross, von gleichmässig braunroter Farbe ohne
ausgesprochene Zeichnung, von massig derber Konsistenz; keinerlei Herd¬
erkrankung. Die beiden Nebennieren gut erhalten, sind intakt, ebenso
die Ureteren und Harnblase. Die Nieren zeigen sehr deutliche Renculi-
zeichnung, aber weder an ihrer Oberfläche, noch sonst irgendwelche Be¬
sonderheiten. Die Geschlechtsorgane weisen ausser gerioger Hypospadie
ebenfalls nichts Abweichendes auf. Der Darm ist sehr stark collabiert,
mit Meconium gefüllt, überall leicht durchgängig. Magen ohne Besonder¬
heiten.
Das Schädeldach zeigt nach Abziehen der Kopfhaut an seinem
äusseren Periost sehr zahlreiche hellrote, kleine Blutungen. Die Nähte
und Fontanellen ziemlich weit. Die Pia mater ist sehr stark ödematös
geschwollen, ebenso ist das Gehirn sehr stark durchtraokt, vorquellend
und weich. Es zeigt auf seinem Durchschnitt und ebenso an der freien
Oberfläche der Ventrikelwandungen eine ausserordentlich grosse Zahl
kleiner, dicht gedrängt stehender, hellroter Blufpunkte. Die Seiten¬
ventrikel sind massig weit, mit leicht vermehrter Flüssigkeit. Das
Gehirn zeigt sonst keinerlei Besonderheiten. Die Knorpel kn ocheD grenze
beider Oberschenkel ist vollständig scharf, nicht verbreitert oder ver¬
waschen.
Die Placenta war überaus gross und zeigte hochgradiges Oedem.
Die mikroskopische Untersuchung der einzelnen Organe
ergab folgende Befunde:
Io der Leber beherrscht die grosse Zahl und Ausdehnung der Blut-
bildungsherde das Bild so vollkommen, dass die Leberzellen völlig
zurücktreten und jede Leberstruktur verloren ist. Kontrotlpräparate
von anderen Neugeborenen und Föten auch früherer Zeiten zeigen
nirgends eine auch nur entferntest ähnliche Ausdehnung der Blutbildungs¬
herde. Ist auch die ganze Leber von solchen grösseren und kleineren
Herden durchsetzt, so treten sie doch in der Umgebung der Centren der
Acini am stärksten hervor und werden gegen die Peripherie zu etwas
spärlicher. Bei schwacher Vergrösseruog sind Leberzellbalken, mit Aus¬
nahme der an der Peripherie gelegenen Partien, kaum zu erkennen. Die
Leberzellen enthalten viel braunes Pigment, welches deutliche Hämo¬
siderinreaktion gibt. Zumeist sieht man in den Blutbildungsherden
Zellen mit einem dunkelge/ärbten kleineren Kern, deren Protoplasma¬
saum sich zum Teil mit Eosin leuohtend rosa färbt; es sind dies hämo¬
globinhaltige, zum anderen Teil auch basophile (Pappen heim-
Unn&’sche Methode) Erytbroblasten. Die Oxydasereaktioo fällt bei
ihnen negativ aus. In den Blutbildungsherden herrschen ferner grosse
Zellen vor, die einen grossen runden, helleren, gewissermaassen blasigen,
in der Mitte gelegenen Kern haben, dessen Gerüst sich im van Gieson-
Apparat schwarzbraun, im Methylenblau-Eosinpräparat blau gefärbt bat.
Die Zellen haben reichliches Protoplasma, welches bei der Schridde-
schen und entsprechenden spezifischen Färbungen keine Granulierung
aufweist. Bei der Oxydasereaktion zeigen diese Zellen in ihrem Proto¬
plasma sehr zahlreiche feine, blaue Granula. Wir haben sie nach ihrem
ganzen Verhalten und der letztgenannten positiven Reaktion als Myelo¬
blasten anzusprechen. Des weiteren finden sich auch kernlose rote
Blutkörperchen, einzelne neutrophile und eosinophile Leukocyten und
entsprechend granulierte Zellen mit rundem Kern, also Myelocyten. Die
Capiliaren sind, besonders die unter der Kapsel, prall mit roten Blut¬
körperchen gefüllt, unter denen man auch kernhaltige wahrnimmt. Die
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UNIVERS1TY OF IOWA
19. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1727
Färbung mit Fettponoeau bot nichts Besonderes. Anhaltspunkte für
Lues finden sich nicht. Die Gefasst sind normal, die Untersuchung auf
Spiroobäten nach Levaditi batte ein negatives Resultat
Das mikroskopische Bild der Milz ist ähnlich wie das der Leber
ebenso von der Blutbildung beherrscht. Die Follikel sind nur sehr
wenig ausgebildet, auch das eigentliche Pulpagewebe nur wenig. In
den Herden der Milz überwiegen die weissen Zellen, unter diesen wieder
die Myeloblasten. Kernhaltige Tote Blutkörperchen (Erythroblasten) sind
hier in etwas geringerer Anzahl vorhanden. Ganz spärlich liegen da¬
zwischen Pulpazellen. Eisenhaltiges Pigment war nicht naohzuweisen.
In der Lunge liegen entfaltete Alveolen neben atelektatischem Ge¬
webe; keine Besonderheiten.
Die Nieren zeigen embryonalen Typus, haben deutliche Renculi-
zeichnung; an der Peripherie sieht man Bildung von Glomeruli. Die
Epithelien sind überall tadellos erhalten, frei von Fett oder Pigment,
die Kerne soharf gefärbt. An der Grenze zwischen Mark und Rinde
finden sich Blutbildüngsherde, die denen in Leber und Milz gleichen
und besonders um die Gefässe herum liegen. Auffallend ist die grosse
Zahl der Erytbrocyten.
Die Nebennieren sind ohne pathologische Veränderungen.
Im Herzen findet sich kein Fett oder lipochromes Pigment. Blut¬
bildungsherde sind nirgends wahrzunehmen.
Das Knochenmark zeigt in Schnittpräparaten sehr zahlreiche kern¬
haltige, rote Blutkörperchen. Leukocyten und Myelocyten sind nur
spärlich vorhanden, dagegen finden sich auch hier wieder Myeloblasten
in sehr grosser Zahl vor, die ebenso wie in Leber, Milz und Nieren
deutlich mit ihrem grossen, hellen Kern hervortreten und sich bei den
verschiedenen Färbungen ebenso wie dort verhalten.
Am Gehirn war mikroskopisch kein besonderer Befund zu erheben.
Nur fällt in den auf dem Durchschnitt getroffenen Getässen die grosse
Zahl der kernhaltigen roten Blutkörperchen auf.
An der Placenta ist ausser Oedera nichts zu bemerken.
Die Knorpelknochengrenze am Femur zeigt keine Verbreitung der
Verkalkungszone, die auch gradlinig abschliesst. Es spricht nichts für
Osteochondritis syphilitica.
Nun zu unserem zweiten Fall. Es ist das 5. Kind der Frau L. E.
Sie wurde am 1. Oktober 1913 auf die geburtshilfliche Abteilung des
städtischen Krankenhauses gebärend eingeliefert. Tags zuvor will sie
noch Kindsbewegungen gespürt haben. Nach der BlasenspreDgung — es
handelte sich um eine erste unvollkommene Fusslage — wird die Ex¬
traktion langsam vorgenommen. Am Rücken des herausragenden Füss-
ohens war die wasserkissenähnliche Schwellung deutlich erkennbar. Die
Entwicklung des Bauches gelang nur nach stärkerem Zug, da er stark
aufgetrieben war. Die Placenta, die 1310 g wog und deren Maasse über
die materne Fläche 26 x 22 cm betrugen, wurde nach einer halben
Stunde auf Crede hin geboren. Sie ist stark ödematös. Die Sektion
des Kindes, die sofort vorgenommen wurde, erfolgte wie die der Mutter,
die noch in der folgenden Nacht ad exitum kam, durch Herrn Prof.
Reinke.
Ich lasse zunächst das Sektionsprotokoll des Kindes folgen:
Weibliche Kindesleiche von 2130 g und 42 cm Länge. Brustumfang
30 cm, der des Bauches 32 cm. Der gesamte Körper enorm stark hydro-
pisch. Die Baut ist überall mit Oedemflüssigkeit prall gefüllt, die beim
Einschneiden unter starkem Druck hervorquillt. Dort, wo im Subcutan-
gewebe bindegewebige Barrieren liegen, ist die Haut eingeschnürt, z. B.
an den Gelenken der langer, der Hand, des Ellbogens und ebenso an
der unteren Extremität. (Arme und Hände erinnern daher, wie Fischer
treffend verglichen hat, an das Bild eines Fechthandscbuhes.) Im Ge¬
sicht liegt eine quere Einschnürung, die beide Lidspalten und die Nasen¬
wurzel verbindet. Nase und Mund erscheinen dadurch stark vorspringend.
Am Dorsum der Hand und des Fusses, wo die Haut besonders prall ge¬
spannt ist, finden sich multiple hellrote Blutungen, sonst aber nur
punktförmige und kleine, wenn auch deutlich über den ganzen Körper
verbreitet. Kein Exanthem, Handteller und Fusssohlen ohne Befund.
Nabelschnurrest iu 10 cm Entfernung abgebunden, bietet makroskopisch
nichts Pathologisches.
Am Kopf, namentlich am hinteren und oberen Teil ungefähr dem
Sektionsschnitt entsprechend, besteht zwischen Schädeldach und Galea,
diese abhebend, ein starkes Transsudat (80 ccm) bernsteinfarben, ganz
leicht blutig gefärbt. Die Knochen des Schädeldaches zeigen an ihrem
bindegewebigen Belag sehr ausgebreitete, teils diffuse, teils punktförmige
dunkelrote Blutungen. Nach Eröffnung des Schädels fliessen 20 ccm
klare, gelbliche Flüssigkeit ab. Die Dura ist glatt und spiegelnd, sitzt
am Schädeldach. Die Pia ist stark ödematös und sieht sulzig aus. Die
Windungen und Furchen sind auffallend flach und namentlich an den
Frontallappen wenig entwickelt. Die graue und weisse Substanz sehr
▼eich, fast zerfliesslich und stark ödematös. Geringer Hydrocephalus
internus.
Beim Ausführen des Medianschnittes fliessen aus der Bauchhöhle
180 ccm bernsteingelbe, klare Flüssigkeit aus. Im subcutanea Gewebe,
das prall gefüllt ist, zahlreiche kleine Blutungen. Durch das Oedem
treten die traubenförmigen Läppchen des subcutanen Fettgewebes auf¬
fallend deutlich hervor. Nach Eröffnung der Brusthöhle findet sich rechts
in der Pleurahöhle 10 ccm leicht blutig gefärbte Flüssigkeit, in der
linken Pleurahöhle etwa 5 ccm. Im Herzbeutel ist die Flüssigkeit nicht
vermehrt. An den Pleuren zahlreiche punktförmige Blutungen. Die
Lungen sind vollkommen atelektatisch und sinken im Wasser unter.
Sonst ohne Besonderheiten. Das Herz entspricht in seiner Grösse der
Faust der Leiche. An den Herzhöhlen alles durchaus normal gebildet,
am Herzmuskel makroskopisch nichts Besonderes.
Der Thymus ist gross, stark ödematös und von sulziger Konsistenz.
Auf dem Durchschnitte sieht man eine eigentümliche gefleckte Zeichnung,
wohl von Blutbildungsherden und Blutungen herrührend.
Zunge, aryepiglottische Falten, Rachen und Keblkopfeingang stark
ödematös. Im Kehlkopf selbst multiple kleine Blutuogen. Das raediasti-
nale Bindegewebe stark ödematös mit grösseren Blutungen.
Leber vergrössert, prall elastisch. Auf dem Durchschnitt dunkel*
braunrot, ohne deutliche Differenzierung, höchstens stellenweise hellere
Punktierung. Milz ziemlich stark vergrössert, prall, dunkelrot. In den
Nebennieren, die mehr als halb so gross wie die zugehörigen Nieren
sind, zahlreiche grössere und kleinere rotgefärbte Herde, namentlich in
der Rinde und unter der Kapsel.
Nieren von normaler Grösse zeigen Renculi-Zeichnung. Rotgraue
Herde (Blutungen?) zwischen Mark und Rinde.
Muskulatur des ganzen Körpers extrem blass und sehr stark öde¬
matös.
An den Geschlechtsteilen nichts Besonderes.
Der Beschreibung der mikroskopischen Präparate möchte ich
voransschieken, dass die Untersuchung von Lunge, Leber, Mils,
Niere und Nebenniere auf Spirochäten nach Levaditi ohne posi¬
tives Resultat verlief.
Bei der Sektion des Kindes (wie der der Mutter) wurden Ausstrich-
Präparate von Blut und Knochenmark gemacht. Bei Färbung
nach May-Grünwald sieht man im Blut des Kindes äusserst zahlreiche
Erythroblasten, oft 12 im Gesichtsfeld, darunter viel Megaloblasten, zum
Teil mit verfärbtem Protoplasma, auch manchmal mehrere Kerne in
einer Zelle. Die Kerne der Erythroblasten zeigen oft Zerfallserschei¬
nungen. Leukocyten sind nur in relativ kleiner Zahl vorhanden, spär¬
liche neutrophile, fast gar keine eosinophile. Mitunter findet man Myelo¬
cyten und Uebergänge in Leukocyten. Ueberaus zahlreich erscheinen
Zellen mit einem grossen, rundeD, hellen Kern und ziemlich reichlichem,
verschieden massig entfaltetem granulafreien Protoplasma, Myeloblasten.
Diese geben positive Oxydasereaktion, die Erythroblasten nicht. Lyrapho-
cyten sind nur spärlich vorhanden.
Dieselben Zellen finden sich in Ausstrichen vom Knochenmark. Auf¬
fallend ist die kolossale Zahl kernhaltiger roter Blutkörperchen, unter
diesen zahlreiche Megaloblasten. Relativ spärlich sind Leukocyten vor¬
handen, ebenso MyelocyteD, unter denen man nur sehr vereinzelte Eosino¬
phile sieht, ln grösserer Anzahl imponieren wieder Myeloblasten.
Das histologische Bild der Leber des zweiten Kindes weicht
etwas von dem des ersten ab. Während im ersten Fall die Blutbildung
mehr in Form einzelner Herde heTvortrat, ist das hier nicht zu bemerken.
Vielmehr ist das ganze Lebergewebe diffus von Blutzöllen übersät. Nur
hier und da sieht man um die Centralvenen eine stärkere Anhäufung.
Die Leberzellen liegen in dünnen, sich verästelnden Bälkchen dazwischen.
Sie sind zumeist ganz atrophisch; nur mancherorts sieht man Nester
mit grösseren Leberzellen. Schon bei schwacher Vergrösserung fällt
ausserdem eine leichte Vermehrung des intraacinösen Bindegewebes auf.
Fetteinlagerung war in den Leberzellen nicht nachweisbar. Unter den
Blutzellen sind Erythroblasten in grosser Zahl vertreten, des öfteren
Megal.oblasten und Zellen mit zwei und drei Kernen. Polymorphkernige
Leukocyten sind in grösserer Zahl, jedoch weniger zahlreich als rote
Blutzellen vorhanden. In fast ebensolchen Mengen sieht man dagegen
grosse Zellen mit granulafreiem Protoplasma, die sich durch einen
grossen hellen Kern auszeiebnen. Bei Vornahme der Oxydasereaktion
zeigen diese Zellen feine hellblau gefärbte Granula, während die Körne-
lung der Leukocyten viel kräftiger hervortritt. Die Zellen sind Myelo¬
blasten. Die Leberzellen enthalten gelbbraunes Pigment, das die Ber¬
linerblaureaktion gibt.
Die pathologischen Veränderungen der Milz sind ebenfalls sehr aus¬
gesprochen. Man sieht zwar deutlich die Struktur der Trabekel, indessen
sind Malpighi’sche Körperchen kaum zu entdecken. Vielmehr ist das
ganze Organ, ähnlich wie die Leber, von myeloischen Herden durchsetzt,
in denen wir dieselben Zellen wiederfinden. Pulpazellen liegen nur
spärlich dazwischen.
Die Lungen zeigen das Bild der fötalen Atelektase, sind sonst ohne
pathologischen Befund. Auch der Herzmuskel zeigt durchaus normale
Verhältnisse.
Wie in Leber und Milz, so finden wir auch in der Niere zahl¬
reiche BlutbilduDgsherde. Sie sitzen in der Rinde, teils um die Gefässe
herum, teils umgeben sie die Glomeruli. Besonders mit der Oxydase¬
reaktion Hessen sich auch hier Myeloblasten in grösserer Anzahl nach-
weisen. Sonst findet man hauptsächlich Erythroblasten. Im Mark sind
die Capiliaren prall gefüllt. Eine grosse Anzahl roter Blutkörperchen
liegt auch ausserhalb der Gefässe. Unter diesen fällt wieder die grosse
Zahl kernhaltiger Zellen auf. Die Epithelien sind überall gut erhalten,
die Kerne deutlich gefärbt. Zeichen der Entzündung sind nirgends zu
bemerken. Fett war nicht nachzuweisen. In diesem Falle konnte, frei¬
lich erst nach längerem Suchen, in den gewundenen Harnkanälchen das
von Schridde beschriebene Pigment in Form kleiner braungelber Körn¬
ohen nachgewiesen werden. Ebenso waren in den Tubuli contorti rote
Blutkörperchen zu sehen, zum Teil Poikilocyten, die die Zeichen der
Schädigung deutlich an sich trugen.
Einige myeloische Herde fanden sich auch im Mark der Nebennieren.
Wieder waren auch hier Erythroblasten und Myeloblasten am stärksten
3*
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UNIVERSITY OF IOWA
1728
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 42.
vertreten, dagegen nur wenig polymorphkernige Leukooyten. Freilich
muss hervorgehoben werden, dass die Herde bei weitem nicht so zahl¬
reich sind wie in der Milz oder gar in der Leber.
In Schnittpräparaten vom Knochenmark finden wir wieder das Bild
der gesteigerten Hämatopoese. Bei weitem vorwiegend sind kernhaltige
rote Blutkörperchen, auch öfters Megaloblasten. Myelocyten und Myelo¬
blasten liegen stellenweise in Anhäufungen dicht beieinander. Eosino¬
phile Zellen sind nur spärlich.
Die Knorpelknochengrenze am Femur war scharflinig und bot keine
Anhaltspunkte für die Diagnose einer Osteochondritis syphilitica.
Wie schon oben erwähnt, starb die Mutter in der der Ge¬
burt folgenden Nacht. Ich gebe im folgenden das Sektions¬
protokoll wieder:
Die Leiche zeigt ein massig gut erhaltenes Fettpolster. Verletzungen
sind nicht vorhanden, in der Haut beider Unterschenkel kleine Blut-
sugillationen. Oedeme fehlen. Schon beim 4 bpräparieren der Haut
nach dem Medianschnitt fällt die Blässe der Körpermuskulatur auf. Das
Herz ist ziemlich klein und erreicht an Grösse nicht die Faust der
Leiche. Die Aorta ist im absteigenden Teil eng, die Klappen zart. Der
Herzmuskel ausgesprochen blass. Unterhalb der Pulmonalis finden sich
eine Menge punktförmiger subendocardialer Blutungen. Der Anfaogsteil
der Aorta ist etwas oberhalb der Klappen massig erweitert und zeigt
eine feine cbagrinierte Zeichnung mit einer oder zwei kleinen gelblichen
Schwieleu. Im unteren Teil der Aorta sind keinerlei Veränderungen zu
konstatieren. Zungengrund ohne auffallende Veränderung.
Beide Lungen sind fast blutleer, beiderseits ohne Verwachsungen,
die Pleura unverändert. An beiden Spitzen alte Narben mit frischer
Aussaat miliarer Tuberkel, die jedoch nur auf einen Raum von wenigen
Kubikzentimetern beschränkt sind.
Die Milz misst 14 X 9 X 2 1 / 2 cm. Sie ist blass rötlich, von sehr
weicher Konsistenz, fast zerfliesslich. Milzsubstanz mit dem Messer
leicht abzustreifen. An der Schleimhaut des Magens und des Darms
fällt wieder die starke Anämie auf.
Auch die Leber sehr blass, nicht vergrö3sert, lässt die Zeichnung
deutlich erkennen.
Auch die Nieren haben fast ihre Eigenfarbe. Sie besitzen deutliche
Renkuli-Zeichnung. Die Kapsel ist bis auf einige Stellen, wo oberflächliche
Narbenbildung besteht, leicht abziehbar. Die Rinde ist von normaler
Breite und tritt mit ihrer gelbgrauen Farbe sehr auffallend gegen die
blasse Marksubstanz hervor.
Blase ohne Besonderheiten.
Der Uterus ist kindskopfgross und ziemlich fest, ragt eine Handbreit
über die Symphyse hervor. Die Achse des Fundus ist schief gestellt,
die Kuppe des Fundus liegt mehr nach links. Der rechte Tubenwinkel
ist auffallend verdickt und dunkelrot gefärbt, entspricht einer horn-
förmigen Ausbuchtung des Uterus (U. arcuatus). In der Vagina liegt
ein grösseres Blutgerinnsel. An der Hinterwand des Uterus sitzen ausser
Coagula noch ziemlich bedeutende Piacentareste, die sich ohne Anstrengung
nur unvollkommen lösen lassen. Der Placentaransatz reicht ziemlich
tief nach unten hinab. Die bornförmige Ausbuchtung zeigt keine Placenta.
Tuben sehr lang und eng. Ovarien normal gross, links ein älteres
corpus luteum. Unterhalb der Serosa des Uterus hinten nach dem
Douglas zu drei kleine grauweisse Knötchen (Fibro-Myorae).
Das Knochenmark des Oberschenkels ist dunkelrot.
Während der Sektion wurden Ausstriche vom Blut und
Knochenmark gemacht, die folgende histologischen Bilder boten:
Im Blut (tfay-Grünwald Färbung) sind die farblosen Zellen in toto
nicht auffallend vermehrt. Leukocyten mit neutrophilen Granula sind
relativ spärlich, eosinophile nur ganz vereinzelt. Myelocyten und Lympho-
cyten sind nur in geringer Zahl vorhanden. Hingegen sieht man wieder
relativ viel granulafreie Zellen mit grossem runden Kern und ziemlich
viel Protoplasma mit positiver Oxydasereaktion, offenbar Myeloblasten.
Die roten Blutkörperchen lassen ziemlich zahlreiche kernhaltige solche
feststellen. Ueber Formveränderungen der Erythrocyten lässt sich — am
Leichenblut — nichts sicheres mehr aussagen. Im Ausstrichpräparat
vom Knochenmark herrschen Myelocyten und Myeloblasten vor, die sich
bei der — positiv ausfallenden — Oxydasereaktion von den weniger
zahlreichen Leukocyten dadurch unterschieden, dass bei ihnen die Granula
zarter sind. Ferner finden sich Erythroblasten und rote Blutkörperchen
in grosser Zahl.
Die histologische Untersuchung von Herz und Lungen ergab
nichts besonderes. Auch die Leber zeigte im van Gieson-Präparat normale
Verhältnisse. Bei der Färbung mit Fett-Ponceau zeigte sich diffuse
Verfettung der Leberzellen in Form kleinster Tröpfchen sowie solche
der Kupfferschen Sternzellen.
Unbedeutend sind auch die Veränderungen an der Niere. Leuko¬
cyten- bzw. Rundzellenansammlungen oder Zylinder fehlen vollkommen,
auch zeigen die Epithelien nicht eine Spur von Verfettung. Von einer
Nephritis der Mutter kann also gar keine Rede sein.
Schnittpräparate des Knochenmarks zeigen vor allem eine Vermehrung
der Leukocytenvorstufen. Besonders deutlich zeigt sich dies bei der
Oxydasereaktion, welche überaus zahlreiche Zellen geben. Dabei ist
zu bemerken, dass viel mehr Myeloblasten im Präparat zu sehen waren
als fertige Leukocyten. Auch an van Gieson- und Eosinpräparaten liess
sich die Vermehrung der Myelocyten und Myeloblasten konstatieren.
Aber auch die Vorstufen der roten Blutkörperchen sind zahlreich und
in verschiedenen Formen vertreten. So sieht man viele kernhaltige
rote Zellen mit mehreren Kernen, ein Zeichen für die intensive Blut¬
zellenneubildung. Oefters trifft man auf Megaloblasten. Ausgebildete
rote Blutkörperchen sind dagegen spärlicher. Auch Riesenzelleo, Mega-
caryocyten, sind reichlich vorhanden. Das Fettgewebe des Knochenmarks
ist vermindert, gewissermaassen von dem hyperplastischen blutbildenden
Gewebe überdeckt.
Die Milz ist recht zellreich. Mitunter sind in der Pulpa Erythro-
blasten zu sebeu, auch vereinzelt Zellen mit grossem runden hellen
Kern, die mit der Oxydasereaktion feine Körnelung zeigen: MyeloblasteD.
Nach dem Sektionsbefund und der mikroskopischen — aller¬
dings nur noch au der Leiche möglich gewesenen — Blut- und
Organuntersucbung wurde die Diagnose auf schwere Anämie
gestellt, womit auch die klinische Geschichte des Falles gut
harmoniert.
Wenn wir unsere Ergebnisse überblicken, so ist ohne weiteres
klar, dass die beschriebenen beiden Fälle von angeborener Wasser¬
sucht zu jenen gehören, die Scbridde zuerst beschrieben hat,
dessen Angaben dann in den letzten Jahren von Fischer, Loth,
Himmelheber, Rautmann, Pfreimbter und Lahs bestätigt
wurden. Wir haben vor allen Dingen in unseren zwei Fällen
neben den Erscheinungen des hochgradigen allgemeinen Hydrops
und zahlreichen Blutungen auch die stark gesteigerte fötale
Hämatopoese, die extramedullären ausgedehnten Blutbildungsherde
in Leber, Milz und Nieren. Wir baben in beiden Fällen Häroo-
siderose in der Leber, im zweiten Fall auch das von Schridde
beschriebene eigentümliche Pigment in den Tubuli contorti der
Nieren. Fischer legt auch Gewicht darauf, dass die Kinder
stets nicht völlig ausgetragen sind. Auch das Oedem der Placenta
fand sich, wie in allen anderen Fällen.
(Schluss folgt.)
Ans der dermatologischen Abteilung des Charlotten¬
burger städtischen Krankenhauses.
Die modernen Methoden der Lupusbehandlung.
Von
Dr. Arthur Alexander-Charlottenburg.
Wenn wir die modernen Methoden der Lupusbehandlung in
den folgenden Zeilen kurz Revue passieren lassen, so dürfen wir
nicht nur den rein ärztlichen MaassDahmen unsere Aufmerksamkeit
zuwenden. Ebenso wichtig, ja für ein zusammenfassendes Referat
eigentlich noch wichtiger, weil sie weniger bekannt sind, sind die
sozialen Bestrebungen, die darauf abzielen, neben der Heilung
des lokalen Prozesses, vor allem auch dem Patienten selbst, der
gewöhnlich mehr als andere chronisch Kranke dessen bedarf,
Rat und Unterstützung angedeihen zu lassen. Dazu gehört vor
allem die Sorge für geeignete Unterkunft der von allen gemiedenen
und zurückgestosseneo Kranken, der Nachweis von Arbeits¬
gelegenheit, da der allgemeine Arbeitsmarkt ihnen fast völlig
verschlossen ist, schliesslich die Aufbringung der für die Be¬
handlung notwendigen Geldmittel. Der letztgenannte Punkt ist
um so wichtiger, als ja, wie allgemein bekannt, gerade die Lupus-
kranken zu allermeist den ärmsten Volksschichten entstammen.
Der erste, der sich in der angedeuteten Weise der Lupösen
annahm, war Finsen in Kopenhagen, ihm folgte in Oesterreich
Lang, der bereits 1902 für die Unterbringung und Verpflegung
der Lupösen in besonderen, ausschliesslich der Lupusbebandlung
dienenden Heilstätten eintrat. Es gelang ihm, durch unablässige
planmässige Agitation weitere behördliche und private Kreise
derart für seine Idee zu interessieren, dass im Frühjahr 1913
eine mit allen modernen Hilfsmitteln und Apparaten reich aus¬
gestattete, für 70 Betten, insbesondere auch für Kinder bestimmte
Heilstätte in Wien eröffnet werden konnte.
Auch in Deutschland batte inzwischen, wohl indirekt beein¬
flusst durch Finsen’s und Lang’s erfolgreiches Wirken, der
Gedanke intensiverer Fürsorge für die Lupuskranken greifbarere
Formen angenommen. Nachdem Nietner dem „Deutschen Zentral¬
komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose“ die Anregung gegeben
hatte, auch die Lupusbekämpfuug mit in sein Programm aufzu-
nehmen, wurde zunächst, um eine brauchbare Unterlage für etwa
zu ergreifende Maassregeln zu gewinnen, eine Zählung sämtlicher
im Deutschen Reich vorhandenen Lupuskranken in die Wege ge¬
leitet. Dieselbe ergab am 1. November 1908 das Vorhandensein
von 11354 Kranken. Diese Zahl entspricht jedoch, wie
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UMIVERSITY OF IOWA
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10. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1729
Nietner 1 ) hervorhebt, keineswegs der Zahl der wirklich an
Lupus leidenden Individuen. Letztere sind vielmehr, wenn man
berücksichtigt, dass ein grosser Teil der Initialfälle, die noch
nicht, sowie der unheilbaren Fälle, die nicht mehr, weil aus
der Behandlung ausgeschieden, von der Zählung erfasst wurden,
auf etwa 33 OOO zu beziffern.
Bedenkt man, dass der allergrösste Teil dieser Patienten den
allerärmsten Elementen angehört, und dass sie eben ihres Leidens
wegen meist oder wenigstens vielfach der Krankenkasse bzw. der
Invalidenversicherung nicht angehören, so ergibt sich, dass hier
für die Hilfsaktion des Zentralkomitees bzw. der von ihr ein¬
gesetzten Lupuskommission ein weites Feld fruchtbringender
Tätigkeit gegeben war. Von der Errichtung eines grossen Zentral¬
instituts sah man bei uns in Deutschland aus verschiedenen
Gründen ab, dagegen griff das Lupuskomitee durch Gewährung
von Beihilfen an schon bestehende, mit der Behandlung des
Lupus sieb beschäftigende Kliniken bzw. durch Beteiligung an den
Kosten der Beschaffung von Lichtheilapparaten unterstützend ein.
Das Schwergewicht der Tätigkeit des Lupuskomitees lag natur-
gemäss in der persönlichen Fürsorge für die Kranken, insbesondere
in der Zuweisung derselben an geeignete Institute und in der Er¬
mittelung derjenigen öffentlichen und privaten Faktoren, die zur
Tragung der Kosten mit herangezogen werden konnten.
Die Schaffung besonderer Unterkunftsstätten war, wie eine
Umfrage ergab, nur an einzelnen Orten, wie in Graudenz und
Giessen, notwendig, hier wurden kleinere Lupusheilstätten er¬
richtet, von denen die erstere zurzeit von Dr. Lautsch geleitet
wird, die letztere — mit 30 Betten — dem Direktor der dermato¬
logischen Universitätsklinik, Prof. Jesionek, unterstellt ist.
Neben dieser praktisch sozialen Tätigkeit hat das Zentralkomitee
auch die wissenschaftliche Förderung der auf die Lupustherapie
gerichteten Bestrebungen fördern zu sollen geglaubt, zumal die
Behandlung des Lupus trotz der zahllosen ans zur Verfügung
stehenden Methoden doch immer noch recht verbesserungsbedürftig
erscheint. Es veranstaltete daher am 12. Mai 1910 in Berlin
eine Sachverständigenkonferenz zur Beratung der Be¬
handlungsmethoden des Lupus 2 ), deren Hauptthemata die
chirurgische Behandlung des Lupus (Ref. Lang-Wien),
die Finsenbehandlung (Ref. Zinsser-Cöln), die Behandlung
des Lupus nach anderen Methoden (Ref. Gottschalk-
Stnttgart) waren, und bei der eine sehr anregende und ausgedehnte
Diskussion jedem Teilnehmer und Leser der Verhandlungen reiche
Belehrung bot.
ln gleicher Weise fruchtbringend und wichtig verdienen die
Verhandlungen der IV. Sitzung der L'ipuskommission genannt
zu werden, in denen (27. X. 1913) auf Veranlassung des Zentral¬
komitees die modernsten Behandlungsmethoden auf Grund be¬
sonderer, weiter unten zu erwähnender Referate besprochen wurden.
Hier wurde vor allem auch die so sehr wichtige Frage der Pro¬
phylaxe eingehend erörtert.
Ausser dem Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
haben dann auch noch die Landesversicberungsanstalten, soweit
die betreffenden Kranken in ihr Bereich fielen, zur tatkräftigen
Bekämpfung wesentlich mit beigetragen, insbesondere verdient
hier die Hanseatische Anstalt in Hamburg, die schon seit vielen
Jahren unter Wichmann’s Mitwirkung sich die Lupusaustilgung
zur Aufgabe gemacht hat, rühmend hervorgehoben zu werden.
Alles in allem erhellt aus dem Gesagten, dass speziell bei
uns in Deutschland die Bestrebungen erhöhter Fürsorge für die
bisher so stiefmütterlich behandelten Lupuskranken in erfreulichem
Fortschreiten begriffen sind, and dass durch energisches Weiter¬
arbeiten auf dem eingeschlageuen Wege manches Elend gelindert
und manche Arbeitskraft erhalten bleiben kann.
Wenn ich mich nach dieser kurzen Uebersicht über die
sozialen und charitativen Gesichtspunkte in der Lnpusbekämpfung
nunmehr der Besprechung der rein ärztlichen Methodik zu¬
wende, so kann es nicht meine Aufgabe sein, einen Abriss der
gesamten Lupusbehandlung za geben. Dazu ist das Gebiet viel
zu gross und desgleichen die Gefahr, Bekanntes zu wiederholen.
Ich möchte vielmehr, entsprechend meinem Thema, nur über die
neueren Methoden, soweit sie wirkliche Fortschritte ent¬
weder schon jetzt darstellen oder in Zukunft zu ver¬
sprechen scheinen, kurz berichten.
Wenn wir zunächst die chirnrgische Therapie des Lupus
besprechen, so ist hier vor allem der bereits erwähnte Lang und
1) Strahlenther., Bd. 2, H. 1.
2) Cfr. D.m.W,, 1910, Nr. 25.
sein leider vor kurzem dahingegangener Schüler Jungmann zu
nennen, die in den letzten Jahren immer wieder in Publikationen
und ärztlichen Demonstrationen für das von dem erstgenannten
Autor systematisch ausgebildete operativ-plastische Verfahren ein¬
getreten sind.
Die Methode 1 ) 2 ) stellt grosse Anforderungen an das persön¬
liche Geschick, and man möchte fast sagen künsterisches Ver¬
ständnis des Chirurgen, es scheint aber, dass tatsächlich die Er¬
folge, und speziell die Dauererfolge ausserordentlich günstig
sind. Natürlich ist das Verfahren nur für solche Fälle anwend¬
bar, wo man im Gesunden operieren kann, d. h. für Fälle mit
circumscripten Herden [Jungmann 3 )], aber man erhält hier,
wie Jungmann hervorhebt, mit einer solchen Sicherheit Erfolge
wie sonst mit keinem anderen Mitte).
In der Tat muss man zugeben, dass die Lang’schen Fälle,
die er z. B. anlässlich der obenerwähnten Sachverständigensitzung
von 12. Mai 1910*) und des letzten Kongresses der Deutschen
dermatologischen Gesellschaft im September 1913 in Wien de¬
monstrierte bzw. durch Jung mann demonstrieren Hess, wie Ref.
sich persönlich überzeugen konnte, in kosmetischer und kura¬
tiver Beziehung gleich günstig beurteilt werden müssen, und dass
dem Lang’schen Excisionsverfahren wegen seiner Schnelligkeit
und Promptheit, wie auch Nietner 5 ) betont, die weiteste Ver¬
breitung zu wünschen wäre. Dass dies, wenigstens auf dermato¬
logischer Seite, bisher nicht überall in dem vielleicht wünschens¬
werten Maasse geschehen ist, liegt eben nur an der Schwierigkeit
der Methodik, die einen chirurgisch und dermatologisch gleich
gut geschulten Meister erfordert. Man wird eben mehr als bis¬
her auf systematisches Zusammenarbeiten von Dermatologen und
Chirurgen, wie die? z. B. in Hamburg bei Wichmann und König-
Altona 5 ) der Fall ist, Wert zu legen haben. König spricht sich
übrigens gleichfalls sehr energisch für die chirurgische Therapie
des Lupus aus, die er bei einigermaassen tiefgehenden Fällen für
die einzig mögliche hält.
Auch die interne Behandlung des Lupus ist in aller-
neuster Zeit Gegenstand lebhafter Diskussion gewesen. Was
zunächst den Wert des Tuberkulins in therapeutischer Be¬
ziehung anbetrifft, so waren anf der schon erwähnten Lupus¬
konferenz 1910 die Meinungen über den Wert desselben geteilt.
Während 'Gottschalk 7 ) keine besonderen Erfolge sab, halten
Blaschko*) sowie Doutrelepont 9 ) es immerhin für ein gutes
Unterstützungsmittel anderer energischer Methoden, N ei sser l0 ) sogar
für ein unentbehrliches Hilfsmittel der Therapie. Scho Uz- Königs¬
berg 11 ) will dasTuberkulin nur neben derPyrogallussäure und grossen
Röntgendosen als hyperämieerzeugendes Mittel gelten lassen, ähn¬
lich urteilt Jungmann 12 ), der die „umstimmende“ Wirkung des
Koch’scben Mittels hervorhebt, die das erkrankte Gewebe für
spätere lokale Prozeduren empfänglicher macht.. Im ganzen muss
man, glaube icb, sich dahin präzisieren, dass das Tuberkulin
nicht berufen sein dürfte, eine irgendwie erhebliche Rolle in
der Lupustherapie zu spielen.
Dagegen scheint es, als ob die Aera der chemotherapeu¬
tischen Methoden, die soeben erst im Salvarsan einen glänzenden
Triumph erlebte, uns auch für die erfolgreiche Behandlung der
Tuberkulose, und zwar speziell gerade der Hauttuberkulose, neue
Wege in Gestalt chemischer Mittel weisen sollte. Das eine dieser
Präparate ist das Kupfer. Gräfin Linden 18 ) in Bonn hatte ge¬
zeigt, dass die genannte Substanz, intravenös injiziert, sich an
das Protoplasma der Tuberkelbacillen kettet und diese abtötet,
ohne den Organismus der betreffenden Versuchstiere za schädiget).
Strauss 14 ) fand nun durch Versuche am Menschen, dass das
Kupfer, extern angewendet, einmal eine elektive, die Lupus-
1) Lang, Der Lupus und dessen operative Behandlung. Wien 1898,
J. Safer.
2) D.m.W., 1910, Nr. 25 und an vielen anderen Orten.
3) Strahlenther., Bd. 1, S. 21.
4) D.m.W., 1910, Nr. 25.
5) Strahlenther., Bd. 2, H. 1, S. 10.
6) Vgl. D.m.W,, 1910, Nr. 25.
7) D.m.W., 1910, Nr. 25.
8) Ebenda.
9) Ebenda.
10) Ebenda.
, 11) Ebenda.
12) Strahlenther., Bd. 2, H. 1.
13) Vgl. Verhandlungen der IV. Sitzung des Lupus- Ausschusses, Berlin
1913, W. 9, Linkstr. 29 (Verlag des Deutschen Centralkomitees).
14) Ebenda und Strahlenther., 1913, Bd. 3, H. 2, ferner D.m.W.,
1918, Nr. 11, M. Kl., 1914, Nr. 2.
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1730
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 42.
knötchen zerstörende Wirkang — wie die Pyrogallussäure — bat,
dass es aber ausserdem — und das ist das Wichtige und Inter¬
essante —, seihst durch die intakte Haut hindurch oder auch
von der Blutbabn aus eine Resorption der lupösen In¬
filtrate einleitet.
Das Kupfer wirkt also, wenn wir Strauss folgen dürfen,
direkt spezifisch resorbierend und abtötend auf die
Bacillen. Gesteigert konnte diese KupfeiWirkung noch dadurch
werden, dass bei externer Applikation die Cu-Salze statt mit den
üblichen Fetten mit Lecithin verarbeitet wurden. Strauss be
zeichnet diese Cu-Lecithinverbindpng als Lecutylsalbe (Bayer
& Co., Leverkusen bei Cöln) und hat sie seit kurzem für den
allgemeinen Gebrauch freigegeben. Ihr Kupfergehalt beträgt
IV, pC*.
Gemäss Strauss 1 soeben ganz kurz skizzierten Anschauungen be¬
steht nun seine Behandlung der äusseren Tuberkulose 1. aus einer ört¬
lichen, 2. entsprechend seiner Auffassung 1 ) von der meist endogenen
Natur des Lupus, der übrigens auch Wichmann 2 * ) im Gegensatz zu
Jadassohn 8 ) zuneigt, aus einer allgemeinen.
1. Die örtliche Therapie wird so durchgeführt, dass die betreffenden
Stellen mit der Lecutylsatbe täglich einmal verbunden werden, eventuell,
da die Behandlung sehr schmerzhaft ist, mit !0proz. Cykloformzusatz
oder Aufstreuen von reinem Cykloform auf die Wunde.
Die spezifische Reaktion, die zu einer Zerstörung der kranken Herde
führt, vollzieht sich meist schon in den ersten 3 Tagen, dann Verband
mit Scharlachöl oder 5 proz. Protargolsalbe bis zur Vernarbung, worauf
dann, falls R»ste zurückgeblieben sind, die Kur von neuem begonnen
wird.
2. Die allgemeine Behandlung setzt sich aus einer Innunktions-
kur mit derselben Salbe nach Art der gewöhnlichen Schmierkur und
der inneren Verabreichung des Lecutyls in Pillen (3 mal täg¬
lich eine Pille ä 0,005 Cu) zusammen. Beide Arten des Vorgehens ge¬
statten eine langdauernde milde Zufuhr des Präparates in kleinen
Dosen ohne schädliche Neben- und Nachwirkungen. Eine Injektions¬
behandlung hat Strauss zwar mit den verschiedensten Cu-Ver-
bindungen versucht, vorläufig jedoch wegen deren grosser Schmerzhaftig¬
keit nicht systematisch durchführen können.
Strauss selbst berichtet über gute, wenn auch, wie er selbst
hinzusetzt, bei der chronischen Natur des Lupus nur vorläufige
Resultate, und Ref. konnte sich anlässlich der letzten Lupus¬
konferenz selbst an einigen vorgestellten Fällen von der Güte
von Strauss’ Resultaten überzeugen. Von anderer Seite liegen
Nachprüfungen zurzeit bis auf die von Dr. Eggers ebenfalls auf
der Lupuskonferenz gezeigten Kranken noch nicht vor, doch be¬
richtet Strauss selbst, dass eine Bestätigung seiner Erfolge ihm
privatim bisher von 30 Seiten zugegangen sei 4 ). Da die be¬
treffenden Präparate jetzt dem freien Verkehr übergeben sind, so
werden ja wohl bald Mitteilungen von anderen Autoren folgen 5 ).
Man wird ihnen insofern mit Interesse entgegenseben dürfen, als
ja in der Tat Strauss’ Vorgehen durch die experimentellen
Arbeiten der Gräfin Linden genügend fundiert erscbeiut. Aller¬
dings müsste in Zukunft — darin muss man Bruck und Glück 6 )
unbedingt beistimmen — aus prinzipiellen Gründen sowohl
wie aus praktischen Motiven heraus noch schärfer als bisher
die Frage zur Beantwortung gelangen, inwieweit die von
Stranss bei Lnpus erzielten Erfolge lediglich durch eine
allgemeine, d. b. von innen heraus angreifende Behand¬
lung, nicht aber dnrch allerlei äussere Maassnahmen,
erzielt wurden resp. erzielt werden können.
Ueber ein solches Präparat, d. h. eine Substanz, die ledig¬
lich von der Blutbahn aus spezifische Wirkungen bei äusserer
Tuberkulose — und übrigens auch bei Lues, nur in geringerem
Grade — auszuüben vermag, berichteten Bruck und Glück
gleichfalls auf der erwähnten IV. Lupuskonferenz 7 ). Es ist
dies das Aurum-Kalium cyanatum, welches die genannten
1) 2) 3) Vgl. Verh. d. IV. Lupuskonferenz.
4) M. Kl., 1914, Nr. 2.
5) Anmerkung bei der Korrektur. Das ist inzwischen ge¬
schehen. Lautsch (Arcb. f. Derm., Bd. 115, S. 855) konnte wenigstens
in einigen Fällen durch lokale Einreibungen geschlossene subcutane
tuberkulöse Abscesse mit noch nicht verdünnter Haut zur Resorption
bringen, auch Oppenheim (IV. Sitzung des Lupus-Ausschusses, S. 79)
glaubt an eine spezifische Wirkung des Kupfers überall da, wo es mit
dem tuberkulösen Gewebe in Berührung kommt. Demgegenüber schreiben
andere Autoren, wie Stern (M. Kl., 1914, Nr. 11), Mentberger (D.W.,
Bd. 58, Nr. 6), Schönfeld (D. W., Bd. 58, Nr. 21), die Erfolge der
Kupferbehandlung der Aetzwirkung des Präparates zu und konnten einen
Vorzug gegenüber der altbewährten Pyrogallusbehandlung nicht kon¬
statieren. Man wird weitere Berichte abwarten müssen.
6) M.m.W., 1914, Nr. 2.
7) Vgl. auch M.m.W., 1913, Nr. 2.
Autoren auf Grund älterer Versuche von Koch und Behring,
dass besonders die'Goldcyanverbindungen noch in millionenfacher
Verdünnung eine desinfizierende Wirkung auf Tuberkelbacillen
ausüben, für geeignet hielten, die Tuberkelbacillen wenn auch
nicht direkt abzutöten, so doch im Organismus wesentlich zq
schädigen.
Praktische Versuche am Menschen ergaben in der Tat, dass
das Goldcyan eine spezifische Wirkung auf lupöse Herde
hat, die sich iu einer lokalen Reaktion nach Art der
Tuberkulinreaktion änssert. Der therapeutische Effekt tritt
manchmal schon nach der 2. bis 3. Infusion (Bruck und Glück
injizierten 0,01—0,05 ccm, im ganzen gewöhnlich 12 Einspritzungen
jeden 2.—3. Tag), manchmal erst später ein. Von einer Heilung
lupöser Herde will Bruck — das hebt er ausdrücklich hervor —
nicht sprechen, sondern nur von der Möglichkeit, Krankheits¬
rückgänge lupöser Herde rein vom Blutwege aus her*
vorzuru fen.
Diese Bruck’schen Versuche sind nun, wie dies bei der
prinzipiellen und praktischen Wichtigkeit des Gegenstandes nicht
anders zu erwarten war, im Laufe des letzten Jahres teils bei
Lungen teils bei Hauttuberkulose nachgeprüft worden. Nur
über die Erfahrungen bei der letzteren möchte ich kurz referieren.
Poor 1 ) spritzte 12 Fälle, er fand, dass das Präparat den Lupus
entschieden günstig beeinflusst, schlägt jedoch statt 10—12 Iofusionen
die doppelte Anzahl mit einer dazwischen geschobenen Pause von 2 bis
3 Wochen vor. Zieler 8 ) sah gleichfalls eine wenn auch nur schwache
Einwirkung des Mittels.
Einige Autoren bedienten sich von vornherein einer übrigens auch
von Bruck und Glück bereits angewandten Kombination des Tuber¬
kulins mit dem uns interessierenden Präparate. Ruete-Bonn 8 ) (eff.
auch Hoffmann-Bonn auf der IV. Lupuskonferenz) sah fast nur negative
Resultate, ausgenommen einen Fall von Lupus erythematodes, der vorher
auf Tuberkulin allein eine sehr schwere Reaktion gezeigt batte. Ein
jweiter Fall von Lupus erythematodes blieb unbeeinflusst. Bett¬
mann-Heidelberg 4 ) bediente sich der gleichen Kombination. Erfand
einen Heileffekt, der den des Goldpräparates allein übertraf. Allerdings
müsse man auf schwere Tuberkulinreaktionen gefasst sein.
Leider ist nun trotz der Kürze der Zeit, die das Gold in Anwendung
steht, bereits ein Todesfall zu verzeichnen, den man ihm zur Last legen
muss. Hauck 6 ) berichtet über Goldbehandlung eines sehr ausgedehnten
LupU9falles bei einem Zuchthäusler. Der betreffende Patient giDg im
Anschluss an die 11. Infusion unter den Erscheinungen der Blut¬
schädigung (Herabsetzung der Zahl der roten Blutkörperchen) zugrunde.
Allerdings bemerkt Bruck bei Besprechung dieses Unglücks¬
falles, wohl mit Recht, dass es sich um ein schwer tuberkulöses,
durch den Aufenthalt im Gefängnis ohnehin geschwächtes Indi¬
viduum handelt, und dass durch das Freiwerden zahlreicher Endo¬
toxine eine Summation ungünstig wirkender toxischer Faktoren
stattfand, die der heruntergekommene Organismus nicht mehr
überwinden konnte, aber man wird doch, wenn man den Fall
ganz objektiv sine ira et Studio betrachtet, die Tatsache nicht
binwegdisputieren können, dass der betreffende Kranke nicht oder
nicht so schnell ad exitum gekommen wäre, wenn er nicht mit
Aurum-Kalium cyanatum behandelt worden wäre. Man wird daraus
die Folgerung ableiten müssen, in Zukunft bei der Auswahl
der zu injizierenden Patienten ganz besondere Vorsicht walten zu
lassen und auch in der Dosierung noch zurückhaltender zu sein
als bisher.
Wenn wir uns nun den physikalischen Heilmethoden
des Lupus zuwenden, so sei hier an erster Steile des Radiums
bzw. Mesothoriums gedacht.
Im Gegensatz zu dessen neuerdings so ausgedehnter An¬
wendung bei Cervixcarcinomen ist seine therapeutische Verwertung
bei Lupus nicht sehr bekannt, hauptsächlich wohl deswegen,
weil es für den Lupus andere leichter zu beschaffende und
billigere Mittel gibt, und weil man doch immer nur relativ kleine
Herde bestrahlen kann oder vielmehr konnte. Denn in dieser
Hinsicht ist in neuester Zeit insofern eine wesentliche Verbesserung
eingetreten, als man das Radium nicht mehr nur in kleine
Kapseln einschliesst, sondern auf relativ grosse, etwa 4—6 qcm
haltende Steinfiächen verteilen and so grössere Bezirke auf ein¬
mal der Einwirkung des Mittels aassetzen kann.
1) D.m.W., 1913, Nr. 47. .. ,.
2) Verh. d. IV. Lupuskonferenz, S. 78. Vgl. auch Scbönfela,
D. W., Bd. 58, Nr. 21, und Mentberger, D. W., Bd. 58, Nr. 6,
sich beide mehr als zurückhaltend äussero.
3) D.m.W., 1913, Nr. 36.
4) M.m.W., 1913, Nr. 15.
5) M.m.W., 1913, Nr. 33.
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UNIVERSUM OF IOWA
19. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1731
In Deutschland ist besonders Wich mann für die Radiumbehandlung
des Lupus eingetreten und berichtete schon 1910 in der Sachveratandigen-
konferenz über 30 auf diese Weise geheilte Fälle, wobei er insbesondere
auf die Notwendigkeit hinweist, die weiohen /LStrahlen durch geeignete
Filter auszuschalten und nur die härteren ß Strahlen bzw. die ganz
harten ^-Strahlen in Anwendung zu ziehen. Auch Jungmann 1 ) hat
günstige Erfahrungen mit der Radiumbehandlung gemacht.
In neuester Zeit präzisiert insbesondere Lautsch 2 ) in
Grandem seine in der Lupusheilstätte daselbst gesammelten Er¬
fahrungen und stellt folgende Indikationen auf: 1. bei einzeln
stehenden, insbesondere aber den in Narbengewebe eingebetteten
Knötchen, die sonst sehr leicht jeder Behandlung trotzen, 2. bei
Lupus homidas, vornehmlich der Ohrmuschel, bei dem bekanntlich
Aetzprozeduren dnrch andere Mittel (Pyrogallus, Quarzlampe) sehr
schmerzhaft sind, 3. bei den kleinen oft hartnäckig auf alten
Lupnsherden und -narben immer wieder an den verschiedensten
Stellen auftretenden Ulcerationeo, die oft recht lange von Borken
bedeckt sind, 4. bei Schleimhautlupus.
Sehr wichtig und interessant, weil ein Analogon zu den
Röntgenstrahlen bildend, ist die anästhesierende Wirkung der
radioaktiven Substanz, die sich oft bereits am nächsten Tage
nach deren Applikation bemerkbar macht, nnd die auch Ref. in
einem Falle sehr deutlich bemerken konnte.
Üeber die Unterschiede des Mesothorium und Radium hatte Sticker 8 )
die Beobachtung gemacht, dass letzteres mehr nekrotisierend, ersteres
mehr exsudativ wirke. Lautsch 4 5 ) konnte das nicht bestätigen, doch
schien ihm die Radiumreaktion manchmal längere Zeit zur Abheilung
zu brauchen als die durch Mesothorium erzeugte. Letzteres zeigte
immer ein Früherythem am selben Tage, das oft mit einem Oedem der
betreffenden Stelle einherging und meist in 24 Stunden verschwunden
ist. Beim Radium wurde dagegen nur zuweilen ein Früherythem,
niemals ein Oedem beobachtet.
Ueber die Finsen- bzw. Quarzlampenbehandlung des Lupus
sind nur ganz wenige Worte zu sagen. Die Erfolge der ersteren
in kosmetischer und kurativer Hinsicht sind ja zu bekannt, als
dass es notwendig wäre, sie noch besonders zu betonen; nicht
ganz entschieden ist aber die Streitfrage, ob die Quarzlampe in
bezug auf Tiefenwirkung der Kohlenbogenlampe (Finsen bzw.
Finsen-Rheyn) gleichwertig ist oder nicht.
Während von manchen Seiten, z. B. Klingmüller 6 ), A. Neisser 8 )
diese Frage bejaht wird, verneinen sie andere, z. B. Gottschalk 7 )
energisch; letzterer will das Quecksilberlicht nur als vorbereitende
Methode bei verrucösen und krustösen Lupusfällen, gewissermaassen als
eine in Lichtform und Lichtwirkung umgesetzte „Schälpaste“ aufgefasst
wissen. Auch Jungmann 8 ) hält es dem Finseulicht seiner geringeren
Tiefenwirkung wegen für unterlegen.
Vorläufig steht demnach in dieser für die Praxis doch Immer¬
hin recht wichtigen Frage Ansicht gegen Ansicht, doch scheint
es Ref. speziell auch auf Grund eigener Erfahrungen, dass die
Quarzlampe immerhin ein recht brauchbarer Ersatz für das Finsen-
licht darstellt. Theoretische Erwägungen und experimentelle Er¬
fahrungen werden in dieser Hinsicht wohl weniger zur Entscheidung
berangezogeo werden können als die Praxis. Wie sehr aber
auch hier die Anschauungen auseinandergehen, dafür sei als Bei¬
spiel Jacobi-Freiburg 9 ) angeführt, der auch die fast von allen
anderen Seiten, insbesondere von Finsen und seiner Schule selbst
als vollwertiger Ersatz der grossen Kohlenbogenlampe anerkannte
Finsen-Rheynlampe für minder brauchbar hält.
Von den physikalischen Heilmethoden ist dann schliesslich
noch die Diathermie zu erwähnen, die in neuester Zeit be¬
sonders durch Jacobi’s Referat auf der IV. Lupuskonfereoz
empfohlen worden ist. Bereits 3 Jahre vorher hatte Nagel-
Schmidt 10 ) die Diathermiebehandlung des Lupus, d. h. die
Elektrocoagulation der Iupösen Herde durch die von Strömen
sehr hoher Frequenz erzeugte Joule’scbe Wärme empfohlen,
Jacobi-Freiburg bat nun an einem grösseren Materiale das Ver¬
fahren, für das jetzt von den verschiedensten Firmen geeignete
1) Slrahlenther., Bd. 1, H. 1, und Protokoll der k. k. Ges. d. Aerzte
in Wien vom 28. März 1911.
2) IV. Lupuskonferenz.
3) B.kl.W., 1912.
4) 1. c.
5) D.m.W., 1910, Nr. 25.
6) Ebenda.
7) Ebenda.
8) Strahlenther., Bd. 1, S. 46.
9) D.m.W., 1910, Nr. 25.
„ 10) D.m.W., 1910, Nr. 25, und Zschr. f. pbysik. diät. Ther., 1909/10,
Bd. 13.
Apparate geliefert werden, naohgeprüft und bekennt sich gleich¬
falls als warmer Anhänger desselben.
Es wud so ausgeführt, dass man mittels einer kleinen, auf den
Krankheitsherd aufgesetzten Elektrode, auch Kaltkauter oder Forest’sche
Nadel genannt, durch die die Ströme hindurchpassieren, eine Coagulation
der betreffenden Stelle bewirkt. Hierdurch werden alle Ausläufer des
Iupösen Gewebes, mögen sie noch so tief reichen, getroffen und zerstört,
im Gegensatz zu den sonst gebräuchlichen Methoden der Zerstörung des
Lupus durch Hitze, wie Paquelin, Galvanokauter usw., bei denen die
Wirkung kaum 1 mm über die Stelle der Anwendung hinaus sich
erstreckt.
Die Vorteile des Verfahrens liegen, wenn wir Jacobi folgen,
einmal darin, dass infolge der Coagulation eine Metastasenbildung
auf dem Lymph- oder Blutwege vollkommen ausgeschlossen ist,
ausserdem wiid um die coagulierten Partien herum eine starke
arterielle Hyperämie und vermehrte Lymphabsonderung hervor¬
gerufen, die, wie Jacobi glaubt, einmal die Resorption infektiösen
Materiales verhindert, andererseits eine Anhäufung der im Blute
enthaltenen natürlichen Schutzstoffe bewirkt, so dass die zurück-
gebliebeueo Erreger zum Absterben gebracht werden. Bemerkens¬
wert ist ferner die Schnelligkeit in der Anwendung und Wirkung
des Verfahrens, bei dem relativ grosse Herde ziemlich rasch zer¬
stört werden. Ferner die Tatsache, dass auch der sonst so schwer
beeinflussbare Schleimhautlupus mit dem Kaltkauter der thera¬
peutischen Einwirkung wesentlich leichter erreichbar ist als mit
anderen Mitteln. Der hauptsächlichste Nachteil der Forest’schen
Nadel ist der, dass sie keineswegs im eigentlichen Sinne elektiv
wirkt, da ja gesundes und krankes Gewebe in gleicher Weise ge¬
troffen und zerstört wird. Dieser Mangel macht sieb natürlich
am störendsten da bemerkbar, wo es peinlich genau darauf an¬
kommt, wirklich nur das erkrankte Gewebe zu verseborfen, alles
gesunde möglichst zu schonen: Im Gesicht. Das Diathermie-
verfahren eignet sich daher auch weit mehr für den
Lupus des Stamms und der Extremitäten, d. h. für die
Teile, bei denen es auf kosmetisches Vorgehen nicht so sehr an¬
kommt.
Die Technik der Diathermie ist nicht einfach, und es bedarf orien¬
tierender Versuche am Tier, um genau die Methodik zu beherrschen und
nicht durch unvorsichtige Handhabung schwere Zerstörungen zu setzen.
Auch dieser Umstand muss, ebenso wie die Notwendigkeit lokaler An¬
ästhesie, bei grösseren Herden sogar Allgemeinnarkose, immerhin als
ein gewisser Nachteil des Verfahrens angesehen werden.
Hei vorgehoben werden muss auch noch eine Unstimmigkeit in der
Beurteilung der Wirkung der Kaltkaustik. Wie bereits oben erwähnt,
rühmt Jacobi als Vorzug des Verfahrens seine relativ weitreichende
Wirkung auf alle Ausläufer des Lupus, während umgekehrt Meyers-
Berlin, einer der ersten Autoren, die über die Anwendung der Forest-
schen Nadel berichtet haben, es ganz neuerdings gerade als deren Vorzug
gebucht wissen will, dass keine irgendwie erhebliche Leitungs- und
Ausstrahlungswärme bei der Nadel vorhanden ist und dass daher nur
die Stelle des Gewebes, die direkt getroffen wird, der Hitzewirkung
und momentaner Nekrose ausgesetzt ist.
Diese gerade für die Lupustherapie wichtige Differenz in der
Beurteilung wird wohl bei häufiger Anwendung des Verfahrens,
das ja jetzt wohl bald auch von anderen Beobachtern naebgeprüft
werden wird, in dem einen oder anderen Sinne entschieden
werden.
Zum Schluss möchte ich noch ein Wort über den Schleim¬
hautlupus sagen, dessen frühzeitige Erkennung nnd Behandlung
von der allergrössten Wichtigkeit für die Prophylaxe und damit
auch für die allmähliche Austilgung des Lupus ist.
Es ist ja bekannt, dass der allergrösste Teil aller Lupus¬
fälle überhaupt solche des Gesichtes sind, dass dieser meist seinen
Ursprung von der Nasenschleimhaut nimmt und dass erst nach
mehr oder weniger langem Bestehen der Schleimbauterkrankung
die Affektion an der äusseren Nase klinisch in Erscheinung tritt.
Die von verschiedenen Untersuchern angegebenen Zahlen über die
Häufigkeit des Nasenschleimhautlupus schwanken etwas; Finsen und
Forchhammer 2 ) fanden seinerzeit bei einer Statistik von 800 Fällen,
von denen 95 pCt. im Gesiebt sassen, 72 pCt. Beteiligung der Nasen¬
schleimbaut, Jungmann 3 ) 42pCt. (unter 1800 LupÖsen), Jadassohn 4 )
41 pCt. (unter 300 Fällen), Pbilippson 6 ) 21 pCt. (unter 125 Fällen),
Wich mann 6 ) 56,7 pCt. (unter 500 Fällen), wobei übrigens von Inter¬
esse ist, dass in weiteren 31,8 pCt. ein lupöser Herd in der Nasen-
1) Max Joseph, Handbuch der Kosmetik, S. 347.
2) Mitt. aus Finsens Lichtinstitut, 1904, H. 5 u. 6.
3) Strahlenther., Bd. 1, S. 19.
4) IV. Lupuskonferenz.
5) Der Lupus. Berlin 1911.
6) Strahlenther., Bd. 2, S. 26.
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UNIVERSUM OF IOWA
1732
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 42.
Schleimhaut als Nebenbefand bei Gesiohtslupns zu beobachten war, so
dass also hier, allerdings in einem auffällig hohen Prozentsatz, der um¬
gekehrte Weg der Verbreitung des Lupus, wie sonst üblich, stattgefunden
hatte. Gerber 1 ) teilt mit, dass bei seinem Lupusmaterial von 218 Fällen
— Gerber ist Laryngologe — bei mehr als 77 die äussere Nase
überhaupt keine Anzeichen einer Erkrankung dar bot. Seiffert-Würz¬
burg 2 3 ), der ebenfalls Laryngologe ist, fand bei einem Material von
63 Fällen in 96pCt. eine Miterkrankung von Nase, Nasenrachenraum,
Mundrachenhöhle, in 62pCt. eine solohe des Naseninneren allein.
Für die Prophylaxe des Lupus, insbesondere für die Ver¬
hinderung der die Lupuskranken so viel und schwer schädigen¬
den Zerstörung der äasseren Nase spielen die genannten Zahlen
eine ausserordentlich wichtige Rolle. Denn wenn es gelingt, alle
diese so zahlreichen Fälle von Schleimhautlupus in weiterem
Sinne rechtzeitig, d. h. bevor die Haut ergriffen wird, zu er¬
kennen und — natürlich nur mit Hilfe der Laryngologen — zu
behandeln, so wird damit natürlich ein grosser Teil der oben¬
erwähnten äusseren Verunstaltungen von vornherein verhindert.
Es kommt also darauf an, diese Fälle möglichst frühzeitig zu er¬
kennen, oder mit anderen Worten: schon im Kindesalter — denn
da beginnen die allermeisten Lupusfälle — zu fassen. Emen
solchen Versuch bat wohl in systematischer Weise zuerst Wich-
mann in Hamburg angestellt. Mit Hilfe des Vereins für Lupus-
fürsorge lässt er regelmässig alle 14 Tage in der Arbeiterpresse
kurze Artikel erscheinen, die das Publikum aufmerksam machen,
bei verdächtigen Symptomen ihre Kinder in die Sprechstunde des
Vereins zu schicken. Dnter 60—70 Kindern sind dann, wie er 8 )
berichtet, zuweilen 8—10 mit frischen Lupusberden zu finden, und
Wichmann ist daher infolge dieser jahrelang systematisch durch-
geführten Untersuchungen in der Lage, über zahlreiche von Lupus
geheilte Kinder verfügen zu können, Kinder, von denen sicherlich
ein grosser Teil ohne das planmässige Vorgehen Wichmann’s
der Gefahr schwerer Erkrankung bzw. irreparabler Nasendiphtberie
ausgesetzt gewesen wäre.
Ueber die Behandlung des Lupus cavi nasi möchte ich im
Rahmen dies Referates nicht sprechen, weil dieser Teil der Lupus
behandlung — darüber sind sich wohl heute alle Dermatologen
einig — ausschliesslich vor das Forum des Laryngologen gehört.
Ich möchte nur für jeden, der sich für das Gebiet interessiert,
auf die Arbeit von Wich mann’s Mitarbeiter Albanus 4 ) hin-
weisen, der die neueren Methoden der Schleimhautbehandlung,
unter anderem z. B. auch die PfanDenstiel’sche Methode (Jod
innerlich, Wasserstoffsuperoxyd äusserlich), über deren Wert sich
noch jüngst eine lebhafte Polemik zwischen Ove Strandberg 5 )
und James Strandberg 6 ) entsponnen bat, eingebend bespricht.
Bücherbesprechungen.
Erich Leier: Lehrbuch der allgemeinen Chirnrgie. Zum Gebrauch
für Aerzte und Studierende. Zwei Bände mit 185 bzw. 226 teils
farbigen Textabbildungen. Siebente unbearbeitete Auflage. Stutt¬
gart 1914, Ferd. Enke. 470 bzw. 487 S. Preis 24,40 M.
Im März 1904 ist Lexer’s allgemeine Chirurgie zum ersten Male
erschienen. In dem Geleitwort, welches Ernst v. Bergmann damals
dem neuen Werke mitgab, hob er hervor, dass die allgemeine Chirurgie
nicht als festgefügter Bau dastehe, welchen man nur zu beschreiben
brauche, vielmehr noch in fortwährender Umwandlung begriffen sei.
„Alles, was v. Volkmann einst über Lister’s epochemachende Erfindung
geschrieben hat, ist hinfällig geworden, seit Ko ob’s Eutdeckung die
spezifische Aetiologie der Wuodkrankheiten bewies. Ja eben erst ist
die Bestimmung des Viruienzgraies ein und derselben Bakterienart fast
von gleicher Bedeutung geworden, wie kurz vorher die Feststellung der
besonderen Art.“ So schrieb v. Bergmann vor 10 Jahren, und wenn
man den gegenwärtigen Stand der Disziplin mit dem damaligen ver¬
gleicht, so erkennt man, dass diese fortwährende Umwandlung zehn
Jahre hindurch angehalten hat und auch heute noch nicht still steht.
Sieben Auflagen hat Lexor’s Buch binnen 10 Jahren erlebt. Ein
beispielloser Erfolg! Er erklärt sich aus der überaus glücklichen An¬
lage des Buches, welches, aus der grossen Erfahrung des klinischen Lehrers
heraus geboren, den Bedürfnissen des Arztes und des Studierenden auf
Schritt und Tritt Rechnung trägt. Nicht minder aber ist der grosse
Erfolg darauf zurückzuführen, dass Verf. bei jeder Auflage sichtlich
bemüht war, den Wandlungen unserer Anschauungen auf dem immer
1) IV. Lupuskonferenz, S. 29.
2) IV. Lupuskonfereriz, S. 33.
3) IV. Lupuskonferenz, S. 33.
4) Strahienther., Bd. 2, H. 1.
5) Strahienther., Bd. 1, H. 4.
6) Strahienther., Bd. 2, H. 2.
grösser werdenden Gebiete allenthalben zu folgen, um sein Werk auf
der Höhe zu halten. Die Durchsicht der Literaturnachweise lässt
unschwer erkennen, dass hier keine wesentliche Errungenschaft unbe¬
rücksichtigt geblieben ist. Kurz und klar ist die Darstellung und stets
objektiv, wenngleich Verf. mit eigener Erfahrung und Kritik nicht zu-
rückbält. Die mustergültige Ausstattung des Werkes ist bekannt
Einige Drucke und Farbphotographien, sowie mannigfache Aenderuogen
und Ergänzungen sind hinzugekommen, ohne dass der Umfang des Ganzen
dadurch angewachsen ist.
Einer besonderen Empfehlung bedarf Lexer’s allgemeine Chirurgie
nicht mehr!
Paal Klemm: Die skate aad chronische infektiöse Osteomyeliti 8
de« Kindesalters. Auf Grund eigener Beobachtungen und Unter
suchungen. Mit 7 Abbildungen im Text und 1 Kurventafel-
Berlin 1914, S. Karger. 261 S. Preis 9 M.
Auf Grund eines äusserst umfangreichen, in lOjähriger Arbeit ge¬
sammelten Materials von 320 Fällen gibt Verf. eine monographische
Darstellung der Aetiologie und Pathogenese der Osteomyelitis. Er geht
dabei von der Anschauung aus, dass die Osteomyelitis in die Gruppe
der Erkrankungen des lymphatischen Gewebes gehört. Dieses Gewebe
ist im wachsenden Individuum in reichem Maasse im Zustande grösster
Vitalität vorhanden und zeichnet sich durch besondere Eigentümlichkeiten
vor anderen aus, vor allem durch seine grosse Beweglichkeit. Wo
bakterielle Infektion droht, häufen sich die Lymphocyten an („Abwehr-
bewegung des lymphatischen Gewebes“). Auch das Knochenmark als
Ganzes gehört trotz der spezifischen Artverschiedenheit der einzelnen
Markzellen in die Reihe der lymphatischen Gewebe. Das jugendliche
Alter ist durch das starke Vorwiegen der Infektionskrankheiten charak¬
terisiert; bei den engen Beziehungen, welche zwischen den Bakterien
und den lymphatischen Geweben bestehen, ist es klar, dass diese Ge¬
webe häufig erkranken müssen. K. weist überzeugend nach, dass das
Wesentliche bei der Osteomyelitis die Erkrankung des lymphatischen
Gewebes ist; sie verläuft genau so, wie die Erkrankung dieses Gewebes
an anderen Stellen. Das Einzigartige, für die Osteomyelitis scheinbar
Spezifis.he wird nicht durch die Spezifizität des erkrankten Markgevebes
bedingt, es findet vielmehr seine Erklärung in dem Umstande, dass das
lymphatische Gewebe hier von starren Knochenwänden eingescblossen
ist, welche von dem erkrankten Mark in ganz bestimmter Weise ver¬
ändert werden. Das Kraukheitsbild der Osteomyelitis in toto wird durch
die Reaktion des Knochengewebes auf das erkrankte Mark erzeugt. Die
meisten Darstellungen der Osteomyelitis berücksichtigen das Verhalten
des Markes zu wenig und beschäftigen sich ausschliesslich oder doch
vorwiegend mit den Knochenveränderungen.
Die originellen Anschauungen des Verf., das ungewöhnlich reich¬
haltige Material und die sehr anschauliche Darstellung nach neuen
Gesichtspunkten verdienen in' jeder Hinsicht das Iüteresse der Fach¬
genossen und Praktiker. Adler-Berlin-Pankow.
6. Brühl : Die Fanktionsprüfang des Gehörorgais. Handbuch der
speziellen Chirurgie des Ohres uDd der oberen Luftwege. (Katz-
Preysing-Blumenfeld.) 1914, Bd. 2, Lieferung 2.
Angesichts der Bedeutung der Funktionsprüfung des Gehörorganes
für die Beurteilung der chirurgisch zu behandelnden Krankheiten des
Ohres verdient das Kapitel eine so eingehende und exakte Bearbeitung,
wie sie der Verf. diesem Thema in dem Handbuche hat zu Teil werden
lassen.
In dem ersten Abschnitt, der Hörprüfung, werden nach ausführlicher
Besprechung der Prüfung mit der Spraehe die verschiedenen Stimmgabel-
untersuchungeD, illustriert durch zahlreiche Abbildungen, eingehend und
übersichtlich abgehandelt, ebenso die Diagnose der einseitigen Taubheit
Im Anhang folgt neben einer instruktiven schematischen Uebersicht der
Funktionsergebnisse der einzelnen Formen der Schwerhörigkeit eine Dar¬
stellung eines auf der Brühl’scheo Klinik üblichen Hörschemas, dem
wegen seiner Klarheit und alles Wichtige berücksichtigenden Sachlichkeit
weite Verbreitung zu wünschen wäre.
Im zweiten Teil, der statischen Prüfung, werden die Nystagmus-
erscheinuogen, die KörpergleicbgewichtsprüfuDgen und die Kleinhirn¬
funktionen besprochen.
Sehr instruktiv und das Verständnis dieser schwierigen und wichtigen
Untersuchungsmethoden recht erleichternd sind meines Erachtens die
beiden schematischen ganzseitigen Abbildungen, welche den Zusammen¬
hang des Ampullarapparates mit dem Bewegungsmechanismus beider
Augen und Arme und die Darstellung der Reaktionsbewegungen bei
Reizung der Vestibularis Endstellen zeigen. Nach Besprechung der
Barany sehen Zeigeversuche folgt zum Schluss eine schematische Tabelle
zur Erklärung der Kleinhirnfunktionen, die aus dem Lehrbuch des Verf.
übernommen ist, und welche die Reaktionen bei den in Betracht kommen¬
den Erkrankungen in übersichtlicher Weise nebeneinander stellt.
Im Interesse einer weiteren Verbreitung der Abhandlung ist es
zu bedauern, dass einzelne Lieferungen des Handbuches nicht käuflich
Sln ' A. Sonntag - Berlin.
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19. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1733
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. L>;-
Literatur-Auszüge.
Therapie.
E. Bayer - Wien: Behandlung tuberkulöser Luogenprozesse mittels
Vibroinhalation. (W.m.W., 1914, Nr. 27.) Durch die Yibroinhalation
ist sowohl eine medikamentöse Beschickung der Luftwege möglich, als
auch werden durch den rhythmisoh unterbrochenen Luitstrom die Atem¬
wege einer zarten Vibrationsmassage unterworfen. Als Medikament für
chronische Tuberkuloseprozesse gebrauchte Yerf. ein Metbylglykokoll-
säureester des Guajakols. Es ist möglich, dass Infiltrate zum Zerfall,
Cavernen zum Schrumpfen gebracht werden können. Neben der anti-
katarrhalischen Guajakolwirkung ist die mechanische Wirkung der Vibro-
inhalation Ursache des Heilerfolges. Massage des Lungenparenchyms,
Kräftigung der muskulösen Elemente, Lockerung und Lösung von Ver¬
wachsungen, Entfernung von Sekreten, Eiter, Blut usw. aus der Lunge.
Verbesserung der Blutcirculation. Während der Exspirationsphase wird
das Sekret, der Eiter und der Detritus aus dem Infiltrat wie durch einen
Schröpfkopf aus den Lungen in die Luftwege überführt; es findet also
eine mechanische Säuberung der Lungen statt. Auch an eine Auto-
tuberkulinisierung des Organismus infolge der Vibroinhalation ist zu
denken. _ Eisner.
Diagnostik.
H. Li pp - Waldstetten: Eine einfache Probe zum Nachweis von
Galleifarbstoff und Hämoglobin im Harn. (M.m.W., 1914, Nr. 38.)
Man bringt auf eine auf einem Teller ausgebreitete Schicht möglichst
weissen Sandes etwas Urin. War im Harn Farbstoff, so bleibt in dem
Sand ein Fleck zurück, der bei Hämoglobingehalt braun, bei Gallen¬
farbstoff mit einem Stich ins Grünliche ausgezeichnet ist.
Dünner.
Parasitenkunde und Serologie.
N. Blumenthal und E. Fränkel - Heidelberg: Untersuchungen
mit der Meiostagminreaktion (Ascoli und Izar). (M.m.W., 1914, Nr. 39.)
Die besten diagnostischen Resultate erhielten die Verff. mit Graviden¬
sera. Theoretische Ausführungen über das Wesen der Reaktion.
H. Beumer - Halle a. S.: Zur Bewertung des Thymus- and Lymph-
drüsenabbaues bei Abderhalden’» Dialysierverfahren. (M.m.W., 1914,
Nr. 39.) Aus der Thymus lässt sich kein den Anforderungen für die
Abderhaldenreaktion gerecht werdendes, von Blutelementen freies Sub¬
strat herstellen. Der positive Ausfall der Reaktion mit Thymusgewebe
ist demnach nicht ohne weiteres im Sinne einer Funktionsstörung der
Thymus zu verwerten. Der Abbau von Lymphdrüsen ist nicht als
spezifischer Organabbau anzusehen. Durch Parallelversuche unter gleich¬
zeitiger Anwendung von Thymus- und Lymphdrüsensubstrat lässt sich
vielleicht der Nachweis eines spezifischen Abbaues von Thymusgewebe
ermöglichen.
W. Ammenhauser - Meschede: Untersuchungen mit dem Abder-
halden’sehen Dialysierverfahren bei Lungentuberkulose. (M.m.W.,
1914, Nr. 39.) Sputumeiweiss ist zum Teil auch Tuberkelbacillen-
eiweiss. Bei der Lungentuberkulose enthält das Blut spezifische Fer¬
mente, die Lud ge und Tuberkelbacilleneiweiss ab bauen. In ganz vor¬
geschrittenen Fällen sollen nach Yerf. diese Fermente wieder ver¬
schwinden, was auf eine ungünstige Prognose schliessen lässt. Bei
nichtspezifisohem LuDgenkatarrh wird nach Verf. nur Lunge abgebaut.
Bei tuberkulösen DrüsenerkraDkungen wird auch stets tuberkulöses
DrüseDgewebe abgebaut. Im Blutserum Gesunder befinden sich gewöhn¬
lich keine spezifischen Abwehrfermente. Zur Frühdiagnose von Lungen¬
affektionen kann in Zweifelsfallen das Dialysierverfahren ein wichtiges
diagnostisches Hilfsmittel sein. Dünner.
Innere Medizin.
M. Caudius - Kopenhagen: Die kolorimetrische Eiweissbestim-
■nng als exakt analytische Methode und ihre Verwendung für Auten-
rieth’s Kolorimeter. (M.m.W., 1914, Nr. 38.) Technische Mitteilung.
E. Magn us - Als leben - Würzburg: Zur Entstehung der Oedeme
bei der Nephritis. (M.m.W., 1914, Nr. 38.) Für die Versuche des
Verf. bildete die Volhard’sche Lehre den Ausgang, dass zur Bildung von
Oedemen eine Funktionsstörung der Capillaren notwendig sei, dass eine
NierenstÖruDg nur eine Hydrämie bedinge, die bei CapillarstÖrung frei¬
lich mit Oedemen verknüpft sein kann. Wenn man also Flüssigkeit
per os zuführt, und es wird ein Teil des Wassers retiniert, dahingegen
bei intravenöser Injektion der entsprechenden Quantität die Injektions-
menge ausgesebieden, so ist damit bewiesen, dass keine Störung der
Aussoheidungs/ähigkeit der Nieren vorliegt; nur wenn es in beiden
4allen retiniert wird, darf man die Störung in die Nieren verlegen.
Solche Beobachtungen konnte Verf. in der Tat machen.
/fN Hoene- Mainz: Ein seltener Fall von Bechterew’seher Krankheit.
(D.m.W., 1914, Nr. 37.)
W. Glaser - Augsburg: Zur Pathologie des Paratyphus abdomi¬
nalis. (M.m.W., 1914, Nr. 38.) Zwei Fälle, die letal verliefen.
Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
C. F. Engelhard-Utrecht: Zur Frage der gehäuften kleinen An¬
fälle. (Mschr. f. Psych., 1914, August- und Septemberheft.) An Hand
zahlreicher, genau untersuchter Fälle kommt E. zu folgenden Schlüssen:
Die genuine Epilepsie kann zwar in Form von jahrelang täglich in grosser
Zahl sich wiederholenden ausschliesslich kleinen Anfällen auftreten,
doch sind diese Fälle seltene Ausnahmen. Gerade die gutartigen
Fälle verlaufen in symptomatologischer Hinsicht sehr verschieden, die
Bewusstseinsstörung bei epileptischem petit mal kann auch sehr leicht
sein, sogar ganz fehlen, sie kann bei den gutartigen Fällen entweder ganz
schlafähnlioh oder als Absence isoliert, aber auch verbunden mit
motorischen Ausfalls- oder Reizerscheinungen auftreten. Auch können
die Bewusstseinsstörung und die motorischen „Hemmungs“-Erscheinuogen
in getrennten Anfällen auftreten. Das Anfallsbild kann sich während
des Verlaufs ändern. Unwillkürlicher Urinabgang und Pupillenstarre
wurden auch bei gutartigen Fällen beobachtet, nicht Zungenbiss. Ein
plötzliohes Ausbrechen der kleinen Anfälle in grosser Zahl spricht im
allgemeinen Dicht für Epilepsie, ein schleichender Anfang beweist nicht
ohne weiteres Epilepsie. Das Ausbleiben psychischer Veränderungen
nach längerem Bestehen der Krankheit kann schon an sich auf die gut¬
artige Natur hinweiseu.
W. Grzywo-Dybrowski-Lodz: Die Wirkung des Lumiials bei
epileptischer Demenz. (Mschr. f. Psych., 1914, Septemberheft.) Verf.
fand in Uebereinstimmung mit anderen Autoren [ist ihm denn eine der
ersten Arbeiten über Luminal, die von Juliusburger (B.kl.W-, 1912)
entgangen ?], dass Luminal auch bei weitvorgeschrittenen Fällen die Zahl
der Anfälle mindert. Auf den psyohischen Zustand hatte es in kleinen
Dosen keinen Einfluss. Besonders gut wirkte es bei angeborener oder
erworbener Demenz mit epileptiformen Anfällen. Auch er findet keinerlei
Kontraindikationen.
W. Misch und A. Lotz-Berlin: Muskel aktionsstrb'me bei organi¬
schen nnd funktionellen Erkrankungen des Centralnervensystems.
(Mschr. f. Psych., 1914, Septemberheft.) Die bei organischen wie funk¬
tionellen Läsionen vorkommenden Veränderungen der motorischen Funk¬
tionen waren in 8 Fällen nicht von entsprechenden Veränderungen der
Aktionsströme der Muskeln begleitet.
A. Kutzinski - Berlin: Stauungspapille bei cerebralen Gefäss-
erkrankungen. (Mschr. f. Psych., 1914, Septemberheft.) In einem Falle
handelte es sich um eine Hirnblutung oder Erweichung nach einer künst¬
lichen Entbindung. Zuerst trat nur eine Neuritis optica auf, später
deutliche Stauungspapille. Vielleicht handelte es sich um einen sich
allmählich entwickelnden sekundären Hydrocephalus oder um eine
stärkere seröse Durchtränkung des Hirngewebes, eine Hirnschwellung im
Sinne Reichardt’s. Im zweiten Falle handelte sich um eine jugend¬
liche Arteriosclerotica, bei der es im Verlaufe von 10 Tagen zu einer sich
steigernden Stauungspapille kam. Hier wurden die Drucksymptome
durch die seröse Durchtränkung und Füllung alter Cysten hervorgerufen.
Lues war auszuschliessen, die Nervi optici zeigten einen Schwund der
Markfasern.
K. Singer-Berlin: Atypische Schlaf-Drucklähmugen. (Mschr. f.
Psych., 1914, Septemberheft.) S. bespricht erst die typische Form der
Schlaflähmung, die Radialislähmung und betont, dass meist akuter oder
chronischer Alkoholismus die Basis hierfür bietet. Ferner beschreibt er
einige Fälle von Medianus-, Ulnaris- und Peronaeus-Schlafdrucklähmung,
alle mit ziemlich schwerem Mechanismus zu deuten. E. Loewy.
Röntgenologie.
Holzknecht-Wien und Lippmann - Chicago: Vereinfachung der
klinischen Duodenalscblaachnntersuchang. (M.m.W., 1914, Nr. 39.)
Der Kranke schluckt nüchtern die Olive des eingeölten Schlauches in
sitzender Stellung bis zur Marke 45 und klemmt ihn dann mit den
Lippen fest. Hierauf besteigt er, sich vornüberneigend, sozusagen auf
allen Vieren den Tisch und legt sich in rechter Seitenlage mit erhöhtem
Oberkörper. Nun schiebt man den Schlauch sachte mehr dem Gewicht
der Olive und den Atemzügen folgend bis zur Marke 70, aspiriert
Sekret und bekommt sauren Mageninhalt. 5 Minuten Hegen lassen.
Dann legt sich Patient auf den Rücken, Beckenhochlagerung und nach
5 Minuten wird der Schlauch bis 80 eingeschobeu. Nach 5 Minuten
kann man nun alkalisches Sekret gewinnen. Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner ophtlialmologlsche Gesellschaft*
Sitzung vom 23. Juli 1914.
1. Hr. Kirseh: Vorstellung einer Trachompatientin mit ausserge-
wöhnlicher Neigung zur Schrumpfung der Bindehaut und zur Pannus¬
bildung. Die Therapie war fast machtlos, die Trichiasis gelang es,
einigermassen zu beherrschen. Da es nie zur Blasenbildung kam,
ist Pemphigus auszuschliessen, eine Ansicht, der sich in der Diskussion
Herr Greeff anschliesst.
2. Hr. Levinsohn: Zur Technik der intraokularen Druckmessug.
(Erscheint in extenso i. d. Klin. Mbl. f. Aughlk.)
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UNIVERSITV OF IOWA
1734
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 42.
3. Hr. W. Cornberg:
Demonstration nur ränmlichen Ausmessung von stereoskopischen
Röntgenbildern.
C. hat ein eigenes Verfahren zur räumlichen Ausmessung stereo¬
skopischer Röntgenbilder ausfindig gemacht. Da die Justierung der Platten
automatisch durch Andrücken der Ränder an drei Zapfen geschieht, die sowohl
in Kassette wie im Messapparat an gleicher Stelle liegen, und die Tiefen¬
werte aller Objektpunkte an einem im Raum verschieblichen Skalenbilde
unmittelbar abgelesen werdeü, gestaltet sich dieser erste Akt der Messung
sehr einfach. Die Ausmessung aller beliebigen Distanzen im Objekt
wird mit dem Lineal vorgenommen, nachdem über einer Messfläche die
Stellen der beiden je in Betracht kommenden Objektpunkte markiert sind.
Die räumliche Rekonstruktion eines Objektpunktes wird durch Markierung
des Tiefenwertes an dem zugehörigen Strahl einer der benutzten Projektions¬
büschel erzielt. Die Distanzen zwischen solchen Marken sind direkt
messbar. Für Fremdkörperlokalisation am Auge wird deren Lage durch
besondere Prothesen mit Marken für Limbus und Meridiane (in Anlehnung
an bekannte Verfahren) angegeben und die Lage des Fremdkörpers zu
den Marken durch das Resultat der Tiefenmessung genauer bestimmt.
Kurt Steindorff.
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.)
Sitzung vom 6. Oktober J 914.
Vor der Tagesordnung.
Lokalanästhesie in Massen.
Hr. Knien demonstriert einen Apparat, der eine kleine Luftpumpe
mit Windkessel enthält; ein Druck bis zu 4 Atmosphären, d. h. der
Druck einer Spritze kann hergestellt werden; fast alles ist auskochbar:
der Apparat erlaubt ganze Serien von Lokalanästhesien vorzunehmen.
Den kontinuierlichen Strom kann man durch Unterbrechungszuckungen
in seiner Menge messen.
Tagesordnung.
Behandlung von Kieferfraktnren und Schnssverletznngen des
Gesichtes.
Hr. Warnekros demonstriert eine Gelatinemasse, die sich wie Buch¬
druckermasse im Wasserbade schmelzen und lärben lässt, zum Ersatz
von Nase und Ohr; die Kranken können die Masse nach einem Gips¬
modell selbst formen und mit Mastix befestigen.
Bei Kieferverletzungen muss die Hilfe des Zahnarztes auch im Frieden
herangezogen werden. (Verordnung des Kriegsministeriums.) Die Knochen¬
naht wird nur noch selten angewandt. Denn sie kann bei grösserem
Verlust an Substanz nicht genügend die gebrochenen Teile feststellen.
Die HeiluDg wird verzögert; der Verband verhindert die Kautätigkeit;
der Muskelzug verschiebt die gebrochenen Teile. Drahtverbände und
Kautschukverbände stehen nun einander gegenüber. Eine wesentliche
Unterstützung hat die Methodik durch Einspritzung von Betäubungs¬
mitteln in die Nähe der Bruchstelle erhalten. Auch durch die Leitungs¬
anästhesie ist Schmerzlosigkeit zu erreichen. Nun können die vorge¬
schobenen Teile redressiert und z. B. durch Draht festgelegt werden.
Vortr. vertritt die Suerssen’sche Methode, weil die Kautschukschiene
humaner und von jedem Zahnarzt zu benutzen ist. Der Hauptvorteil
ist der, dass oft nur durch die Kautschukschiene mit Guttapercha-
einlage der Kiefer zu erhalten ist. Die volle Kautätigkeit ist möglich.
Daher muss der Arzt wissen, dass durch den Bruch Kieferklemme
entsteht, auch das Sprechen verboten ist; eine Cocaineinspritzung ge¬
nügt, um nach 20 Minuten mit dem Mundsperrer die Kieferklemme auf-
zuheben uud die Fragmente ohne Schmerzen zu redressieren. Der Zahn¬
arzt muss in der gleichen Lage die Beseitigung der Schmerzen erzielen
und ohne Schmerzen den Abdruck des Unterkiefers, oftmals in zwei
Teilen vornehmen. Auf dem Modell des Unterkiefers wird die Kautschuk-
platte angefertigt; während ein Assistent die Teile des Unterkiefers
redressiert, wird die Schiene, die über einer Flamme erweicht worden
ist, in den Mund geschoben uuu die zerbrochenen Teile in die ge¬
wünschte Stellung hineingedrückt. Die auf beiden Seiten festgehaltene
Schiene wird, so weit wie möglich, vom Assistenten mit kalten Wasser¬
bäusoben umgeben, bis die Platte erstarrt ist. Wenn nötig, muss ein
zweites Modell hergestellt werden.
Vortr. behandelte 20 Verwundete mit schweren Verletzungen des
Kiefers zum Teil im Lazarett, oft bei Fieber im Bette. Die Methode
kommt auch den Verwundeten zu statten, die keinen weiteren Transport
aushalten können. Sie ist schon in der Bergraann’schen Klinik immer
zur Anwendung gekommen. Suerssen hat 1870 diese segensreiche Be¬
handlung eingeführt. Es folgen zahlreiche Erläuterungen im Film, so
eine äusserst schwere Verletzung durch einen Franktireurschuss aus
nur 40 m Entfernung mit zahlreichen Kiefertrümmern. Der Verletzte
musste vor dieser Behandlung mit der Schlundsonde ernährt werden und
bot ein Bild des Jammers dar. Der Kranke bekam eine Schiene und
ist schon entlassen, kann ein Butterbrot usw. essen.
Ueber Erysipel and Sepsis.
Hr. Joehmann: Unter Sepsis versteht man alle durch Eiterkokken
und ähnliche Bakterien entstandenen Allgemeinerscheinungen, die zu¬
sammen mit der Blutinfektion oder -intoxikation im Vordergründe stehen.
Wir sprechen auch von metastasierender Sepsis. Die einfache Anwesen¬
heit von Bakterien im Blute ist keine Sepsis, sondern Bakteriämie.
Bakterien gelangen sehr häufig in den Kreislauf, z. B. bei Typhus, bei
Pneumonie (in 70pCt. der Fälle), bei Tuborkulosc, auch bei örtlichen
chirurgischen Infektionen, Phlegmonen. Der Befund von Bakterien ist
nur ein Zeichen der Krankheit. Erreger der Sepsis sind vor allem
Streptokokken, Staphylokokken, Pneumo- und Gonokokken, dann Proteus,
der Friedländer’sche und der Gasbacillus. Sie können lange Zeit als
Saprophyten auf Haut, Schleimhäuten und im Darm leben; die Infektion
entsteht durch besondere Umstände autoebthon; besonders schlimm ist
es, wenn schon einmal Infektion stattgefunden hat. Der Widerstand des
Körpers ist sehr verschieden, tm allgemeinen besteht keine Immunität
gegen Wiedererkrankung; das Gegenteil scheint sogar die Regel zu sein.
Die Prädisposition ist bei Furunkulose, die durch Staphylokokken be¬
dingt, bekannt. Die äusseren Momente für die Infektion sind sehr ver¬
schieden, meist mechanischer, aber auch thermischer Art. Das wichtigste
ist die Wundenbildung; je grösser die Wunde, desto grösser die Wahr»
scheinlichbeit der Infektion; gefürchtet sind die Quetschwunden bei
Granatfeuer; Schnitt- und Gewehrschusswundeö sißd harmloser. Denn
reichliches nekrotisches Gewebe bietet den Bakterien bessere Lebens¬
bedingungen. Dazu kommt die Stauung von Sekreten, z. B. in Schuss¬
kanälen. Erkältung und Abkühlung können zu Angina und Oystitis
führen. Meist findet sich an der Eintrittspforte Entzündung; manchmal
dringen auch ohne Veränderungen an der Eintrittspforte die Erreger
schneit ein und erzeugen schwere Krankbeitsbilder. An der Haut ist
der Weg der Infektion durch Lympbangivitis gekennzeichnet; es folgt
die Infektion der Lympbdrüsen. Oder die Bakterien driDgen direkt in
geöffnete kleine Lymphgefässe oder auf dem Wege der Infektion der
Thromben ein, z. B. bei der otogenen und puerperalen Sepsis. Dann
können die Keime auch aus dem primären Eiterherd durch die Gefäss-
wand hinein wuchern. Sind sie in der Blutbahn, so kommt es zum
Kampf mit den Abwehrkräften des Blutes. Vermehrung der Keime
findet ira Blute nicht statt. Das Blut tötet die Bacillen ab.
Vielmehr findet entweder dauernd oder schubweise der Eintritt der
Keime ins Blut von der Eingangspforte oder den Metastasen her statt.
Das gilt besonders von der Thrombophlebitis. Besonders gefährlich ist
in dieser Hinsicht die septische Endocarditis. Das Bild der Sepsis ist
sehr wechselvoll. Plötzlich beginnt hohes Fieber, Krankheitsgefühl, dem
oft ein Schüttelfrost vorausgeht; es gibt aber auch einen schleichenden
Verlauf. Die Dauer ist sehr verschieden. Manche Kranke gehen, tie
vergiftet, in 24 Stunden zugrunde; mit Cyanose, fliegendem Pulse, be¬
schleunigter Atmung, Erbrechen, spontanem Stuhl und Harn, unter Un¬
ruhe und Delirien oder Coma erfolgt der Tod. Manche Fälle dauern
2—3 Wochen, andere sogar mehrere Monate. Die Streptokokken be¬
dingen meist unregelmässige, remittierende Temperatur, das Fieber bei
Staphylokokkeninfektion ist mehr intermittierend, bei Colibacillen steil
intermittierend, ebenso bei Gonokokken. Die initialen Schüttelfröste
finden sich auch bei Allgemeininfektionen ohne Eiterung.
Die septischen Erkrankungen der Haut sind sehr mannigfaltig.
Toxisch sind die Blutungen, die bald Stecknadel kopfgross, bald linsen¬
gross, bald flächenhaft sind; die Schädigung der Gefässwand gestattet
den Austritt des Blutes. Der höchste Ausdruck ist die hämorrhagische
_ Diathese. Die Metastasen der Haut sind linsengrosse Infiltrate bei
Streptokokkensepsis oder hämorrhagische Exantheme bei Pyocyaneus; sie
sitzen in ArterienästeheD oder es kommt zu Embolien.
Es können zwar alle septischen Organ Veränderungen durch jeden
Erreger verursacht werden. Aber sie besitzen eiue bestimmte Vorliebe
für manche Organe. Streptokokken siedeln sich in Lunge, Endocard,
Staphylokokken in der Niere, Pneumokokken in den Meningen an;
letztere gelangen in die Lungen, der Pneumonie folgen dann meist In¬
farkte und Abscesse; aus den Infarkten entwickelt sich die sekundäre
Pleuritis, die primäre durch Embolie,. Dann kommt es zu Endocarditis,
besonders wenn alte Veränderungen vorausgiugen.
Bei V; aller Fälle findet sich Endocarditis. Dazu kommen Ver¬
änderungen der Coronargefässe und toxische Schädigungen des Myocards.
Besonders bedeutsam ist die Verminderung des Gefässtonus durch cen¬
trale Vasoraotorenlähmung. Wichtig ist die Thrombophlebitis, z. B. bei
der Furunkulose der Oberlippe mit Thrombose der Hautvenen, die zum
Gehirn laufen. Weniger häufig ist eine Erkrankung der Arterien¬
wandungen, die zu Embolien führt. Gangrän ist die Folge; zuweilen
setzt sie kleine Aneurysmen im Gehirn. Im Auge kommt es zu Oph¬
thalmie und zu Vereiterung des ganzen Auges. Toxisch sind die Netz-
hautveränderungen, Netzhautblutungen, ferner weisse miliare Flecke in
der Netzhaut nahe der Papille- Am Ohr kann es zu centraler Taub¬
heit kommen. Besonders häufig sind die Gelenke gesobädigt; die Gelenk¬
schwellungen sind teils serös, teils eitrig; aber es gibt auch Gelenk¬
schmerzen ohne nachweisbare Veränderungen. In den Moskeln finden
sich oft Eiterungen bei Staphylomykose, auch das Knochenmark wird
durch diese Kokken leicht geschädigt; das zeigt sich regelmässig durch
Schmerzen ira Rücken und in den Gliedern an. ToxinvergiftuDg erzeugt
Benommenheit, Kopfschmerzen, nervöse Erregung und Meningismus.
Eitrige Meningitis findet sich bei otogenen und Pneumomykosen, Gehirn-
abscesse nach septischer Endocarditis. Weniger bekannt sind die durch
Erkrankung der Gefässwand bedingten Aneurysmen des Gehirns. 1®
Bauche werden namentlich Milz, Leber und Niere geschädigt. Eine
Toxinwirkung ist die Zerstörung der roten Blutzellen in der Milz, die
Neubildung von weissen Zellen; dazu kommt die massenhafte Anhäufung
von Mikroben. Oefter gibt es Druckschmerzen in der Milz. D* 211
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UNIVERSUM OF IOWA
19. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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kommen Infarkte und Perisplenitis. Die Leber zeigt parenchymatöse
Schwellung und Icterus; derselbe ist hepatogen; denn im Harn sind
Gallensäuien. In der Niere finden sich Schädigungen der Glomeruli,
parenchymatöse Nephritis, Hämorrhagien. Auch im Darm kommt es zu
Metastasen in der Mucosa, ferner toxischen Durchfällen. Auch die Art
de 9 Erregers färbt das Krankheitsbild.
Die Streptokokkensepsis befällt am häufigsten die Gelenke, Endo-
eard und Lungen; zu unterscheiden sind hier der Str. baemolyticus (in
den Wochenbetten), Str. viridans (Endocarditis), putridus und mucosus.
Die zweite Form der Sepsis ist schleichend.
Der einfachste Einfallsweg ist die Blutbahn, dann die Schleimhäute
des Rachens, der Ohren, der Genitalien, ferner Wunden jeder Art.
Bei Stapbylococcus (pyogenes aureus und albus) liegen Ver¬
letzungen der Haut vor; dazu kommen die Schleimhäute der Harn¬
wege usw. Hier können eitrige Entzündungen nach Operation an der
Harnröhre, Bougieren usw. agents provooateurs sein. Aber auch von
den Mandeln und Genitalien kann die Sepsis entspringen. Charakte¬
ristisch ist die Bildung eitriger Metastasen; hier finden sich in 95 pCt.
Staphylokokken, in 2—3 pCt. Streptokokken.
Die Gasbacillensepsis nach Wunden ist nicht selten. Sie bildet die
Gasphlegmone. Man fühlt deutlich das Knistern der Gasblasen unter
der Haut. Die Erreger sind die dicken plumpen Stäbchen Fränkel’s.
Die Körperhaut wird bronzegelbbraun; dazu kommt Cyanose, in zwei
Tagen erfolgt unter Kurzluftigkeit der Tod. Auch Hämoglobinämie und
-urie findet sich. Nach dem Tode sieht man Schaumorgane, Leber,
Niere und Herz sind durch Gasblasen durchlöchert.
Für die Therapie ist wichtig die Verstopfung der Quellen der Blut¬
infektion; Eiterbeutel sind zu entleeren, Phlegmonen zu eröffnen, ganze
Glieder abzusetzen. - Auch bei eitrigen Metastasen in Gelenken und
Lungen sind durch Entfernung der Eiterung die Quellen zu verstopfen.
Nur bei septischer Endocarditis ist nichts zu machen. Gute
Pflege ist nötig; desgleichen gute Ernährung. Io der Frage des Alko¬
hols tritt Vortr. für massige Mengen ein; er liefert beträchtliche Mengen
Calorien, hebt den Appetit und die Stimmung. Reichliche Zufuhr von
Flüssigkeit verdünnt die Toxinmenge, steigert die Diurese; bei be¬
nommenen Kranken sind subcutane Infusionen von physiologischer NaCl-
Lösung zu empfehlen. Man gibt 1 Liter, auch intravenös ist die An¬
wendung indiziert, desgleichen die Tröpfchen-Einläufe von NaCl-Lösung
(Katzenstein). Keine Antipyretica. Denn das Fieber ist eine Ab¬
wehrbewegung. Nur bei Störung des Sensoriums gebe man kühle
Packungen und Bäder. Innere Desinfektion ist erfolglos. Collargol-
infusionen und Clysmen, desgleichen von Elektrargol, die Erzeugung
steriler Abscesse durch Terpentinölinjektionen in den Oberschenkel,
Agatoxyl, spezifische Serumbehandlung haben sich in der Hand des
Vortr. bisher nicht nachweisbar bewährt. Mode.
Kriegsskizzen.
Von
Dr. Arthur Münzer, zurzeit im Felde.
IV. Abend.
Ein heisser Tag war zu Ende gegangen. Wir waren tüchtig
marschiert und erst spät in die Quartiere gerückt. Verschiedene unserer
Kolonnen hatten draussen Biwak bezogen. Flugs wurde das leckere
Mahl bereitet, das nach des Tages Last und Mühen noch einmal so gut
mundete. Der Himmel war klar und erstrahlte in dunklem Blau.
Am fernen Westen ging die Sonne unter, und die Abendröte über¬
zog das Firmament. Goldigrot sohimmerte die Erde. Auf den Feldern
lagerten rings umher die Mannschaften; die Pferde standen ruhig bei¬
sammen. Alles war still und lautlos — tiefster Friede.
Da zog nun allmählich der Mond herauf, und die Sterne erschienen
einer nach dem anderen. Es wurde immer dunkler. Nach kurzer Zeit
war am Himmel das ganze weite Sternenzelt erbaut, und der Mond
strahlte drüber hinweg. Ueber die Erde aber breitete sich der samt-
weiohe Schleier des Helldunkel, dessen Zauber wir so oft in sternen¬
klaren Sommernächten geniessen. Nun werden die Lagerfeuer ent¬
zündet, hier und da leuchtet’s auf und loht bald empor zur hellen
Flamme. Ueberall sprüht’s und knistert’s. Die Mannschaften lagern sich
um die Feuer.
Wir schauen von einem höher gelegenen Standort hinaus auf die
weite Ebene, sehen den Mond blinken, die Sterne funkeln, die Feuer
flammen. Und träumen — von der fernen Heimat, von unseren Lieben,
von Schlachten, Kriegsgetüinmel. Und denken und sinnen . . . Hier
draussen bei uns herrscht heute abend tiefer Friede, und doch ist Krieg.
Da plötzlich fängt’s in der Ferne an zu singen: „Es braust ein Ruf
*ie Donnerhall.“ Ganz leise beginnt’s, noch weit weg, immer näher
und näher kommt’s, immer mehr schwillt’s an. Und sie alle, wie sie da
um die Feuer lagern, im Abenddunkel, stimmten begeistert mit ein in
den alten Sang. Wie ein Schwur klang’s zum Himmel. Viele Lieder
noch tönten hinaus in die klare Nacht, und die Stimmung wurde immer
freudiger.
Wie sie geendet, da begann ein einzelner. Es war ein Tenor mit
m? e - r J e * neu » weichen Stimme. Die alten Soldatenlieder: „Stolzenfels am
’ .»^® ure Heimat, sei gegrüsst“ usw. Wir alle hörten in Er-
pifienheit die altbekannten Weisen; so einfach sie auch sind, sie packen
doch immer wieder. Wie unser Tenor da draussen sang in der Stille
der Naoht, beim Schein der Wachtfeuer, das war ein wahrer Zauber.
Er hatte uns aus dem Grau des Alltags entführt in sonnige Höhen. Als
er geendet, lohnte rauschender Beifall dem wackeren Sänger.
Wir alle, die wir dabei waren, wir werden jene Naoht im Felde
mit dem Mond und den Sternen, mit ihrem samtweichen Schleier, mit
den Wachtfeuern und den Liedern — wir werden sie nicht vergessen.
V. Im Kloster.
Das Abendbrot war beendet. Nachdem wir noch einige Zeit mit
Plaudern und Erzählen verbracht, legen wir uns zur Ruhe nieder. Im
Schloss, in dem wir einquartiert waren, ist alles ruhig. Schon mehrere
Stunden mochte ich wohl in tiefem Schlummer gelegen haben, als plötz¬
lich ziemlich unsanft an meine Tür gepocht wird. Schlaftrunken fahre
empor, und da höre ich auch schon meinen Barschen rufen, es sei eine
Schwester aus dem Dahen Kloster da, die um Hilfe für einen schwer
Verwundeten bitte. Nach wenigen Minuten bin ich unten. Eine Ordens¬
schwester, begleitet von einem deutschen Soldaten, begrüsst mich in
unverfälschtem, rheinischem Dialekt. War das eine Freude, einmal
wieder unser geliebtes Deutsch zu hören! Für den in der Fremde
Weilenden klingt es wie die schönste Musik.
Wir maohen uns auf den Weg. Die Schwester erzählt mir, es
handle sich um einen schwer Verwundeten mit Schulterschuss. Der
belgische Arzt, der sonst im Kloster behandelt, ist am Tage nicht mehr
durch die deutsche Postenkette gekommen, und da der Mann durchaus
nach einem Arzt verlangte, ist sie schnell in das Schloss geeilt.
„Früher“, so plaudert sie weiter, „war alles hier so schön und ruhig;
unser Kloster war eine Stätte des Friedens. Wer hätte je geglaubt,
dass es so kommen könnte!“
Wir sind unterdessen durch das ganz ruhige Dorf zum Kloster ge¬
langt. Die Glocke wird gezogen, eine Schwester erscheint und geleitet
uns freundlich in das Krankenzimmer. Es ist 4 Uhr nachts. Da lagen
ungefähr 8 Verwundete; einzelne schlafen; andere liegen wach und
schauen still vor sich hin. Der Mann, dessentwegen ich geholt worden
war, hatte einen schweren Sohulterschuss mit nachfolgendem Pneumo¬
thorax, der ihm wohl starke Beschwerden verursachte. Seine erste Frage
war, ob er wohl durchkommen würde. Erst ein halbes Jahr sei er ver¬
heiratet und wolle doch so gerne seine Frau noch Wiedersehen. Und
jetzt habe er so starke Schmerzen, und ob er nicht etwas zur Linderung
bekommen könne? Es gelang schnell, den Mann zu beruhigen, eine
Morphium inj ektion nahm ihm seine Schmerzen, und bald lag er in
tiefem Schlummer.
Ich sah mich ein wenig im Zimmer um und sprach mit den ein¬
zelnen Verwundeten, die unterdessen erwacht waren. Auf ihren Ge¬
sichtern prägte sich kein Schmerz; sie alle waren vielmehr stolz, mit
dabei gewesen zu sein. Voll innerer Erregung erzählten sie von den
Gefechten, an denen sie teilgenommen und wie sie kampfbegeiatert vor-
gegangen, bis die Kugel sie getroffen. Die Schwestern lächelten milde,
beruhigten mit ein paar gütigen Worten die Helden, und bald waren
sie alle wieder eingeschlafeo. Ich machte mich still davon and dachte
unterwegs an das eben Gehörte. An unsere Helden, die so todesmutig
in den Kampf gezogen und so stolz darauf waren, sich fürs Vaterland
geopfert zu haben. An meinen Verwundeten, ob er wohl wieder gesund
werden und heimkehren würde zu seiner jungen Frau. An die Schwestern,
wie sie so ruhig und milde ihres schweren Amtes walteten. An das
kleine Zimmer, in dem sie nun alle lagen mit ihren Schmerzen and
sehnsüchtig der Genesung harrten. Und das alles verwob sich zu einem
einzigen Bilde, das, so winzig es auch im Rahmen der Gesamtheit er¬
schien, für sich allein doch als ein eigenes wirkte. Und so manches
Mal, wenn wir am frühen Morgen ins Feld binauszogen, entsinne ich
mich jener Bilder, und ich sehe wieder das Krankenzimmer, von trübem
Lampenschein erhellt, die Verwundeten mit ihren leuchtenden Gesiohtern,
die Schwestern, milde für ihre Pflegebefohlenen sorgend. Und ganz zum
Schluss höre ich meinen Schützling fragen: „Herr Doktor, ob ioh wohl
durchkomme? Ob ich wohl meine Frau Wiedersehen werde?“ . . .
VI. Brüssel.
Als eines Tages der Befehl erteilt wurde, Quartier in Schaerbeek zu
beziehen, war unsere Freude gross.
Schaerbeek ist ein Vorort Brüssels, und von hier aus war es leicht,
die schöne Hauptstadt Belgiens kennen zu lernen. Ein Quartier war
schnell gefunden, und nachdem wir uns daselbst eingerichtet, ging’s fort
nach Brüssel. Unser Weg führt zunächst durch kleinere Strassen, die
ihr normales Aussehen durchaus bewahrt hatten. Erst auf der Strasse,
die zum „Gare du Nord“ führt, wird’s lebhafter: hier sieht man sohon
die Leute in Gruppen zusammenstehen und lebhaft miteinander diskutieren.
Einzelne deutsche Soldaten begegnen uns. Der Bahnhof selbst bietet
ein seltsames Bild: dort ist unser Militär Alleinherscher. Draussen
stehen eine Reihe Posten mit aufgepflanztem Seitengewehr, auf den
Bahnsteigen wimmelt es von Soldaten, Militärautomobilen und sonstigen
Fahrzeugen. Auch die Feldpost ist hier untergebracht. Gerade war einer
der Züge aus Deutschland, die ja jetzt schon bis Brüssel durchfahren, ange¬
kommen und hatte eine Anzahl deutscher Schwestern mitgebracht. Die
standen nun in ihrer schmucken Tracht da und harrten der Erfüllung
ihrer Aufgaben. Auf dem Platz vor dem Bahnhof geht’s lebhaft zu, ein
reges Kommen und Gehen, das echte Treiben der Grossstadt. Auf ein¬
zelnen der ersten Hotels am Bahnhof weht die Flagge des roten Kreuzes;
sie sind zum Teil als Ambulanzen bzw. als Lazarette eingerichtet.
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BERLINER KLINISCHE WOCHE NSCHRI FT.
Nr. 42.
Durch den am Bahnhof beginnenden Boulevard du Nord fluten mächtige
Menschenrassen, und besonders in den Abendstunden herrscht hier ein
lustiges Getriebe. Mitten unter den Belgiern bewegen sieb unsere
Soldaten, alle Waffengattungen sind vertreten. Man ist hier im fremden
Land, gerade als müsste es so sein, als gehörten wir hierher. Wir
waren recht schnell in der Stadt vertraut geworden. Natürlich erregte
das deutsche Militär unter der Bevölkerung gewaltiges Aufsehen, und
wenn die Regimenter rum Teil mit Musik durch die Strassen zogeD, so
sammelten sich die Menschen in hellen Haufen und sahen voller Staunen
unsere Truppen vorübermarschieren. Auf den Strassendämmen rasten
unsere Autos, Motorräder und Radfahrer dahin; eine besondere Freude
war's auch zu sehen, wie keck und frohgemut unsere jungen Pfadfinder
auf ihren Rädern den Weg durch die Strassen Brüssels fanden.
An den Anschlagsäulen bzw. Mauern und Zäunen werden die kurzen
und präzisen Mitteilungen des deutschen Militärgouvernements in
deutscher, französischer und flämischer Sprache veröffentlicht. In ihrer
schmucklosen, rein sachlichen Form üben sie eine doppelt starke
Wirkung aus, und man sieht daher auch allenthalben zahlreiche
Menschen in die Lektüre der Veröffentlichungen vertieft.
Vom Boulevard du Nord führt der Weg gerade herunter in den
'Boulevard Anspach, eine der Hauptstrassen Brüssels. Hier ist Laden an
Laden, und unsere Soldaten, sowohl Offiziere wie Mannschaften, sind
recht eifrige Käufer. Es gab soviel zu ergänzen und neuanzuschaffen,
und besonders wenn man einmal auf deu Kalender schaute und den
Herbst bedenklich näher rücken sab, da biess es: Vorsorge tragen für
die kältere Jahreszeit.
Wir konnten uns im allgemeinen über das Wetter nicht beklagen.
Am Tage hatten wir meist schönen Sonnenschein uDd blauen Himmel;
und dann kamen die sternenklaren Nächte. So wundersam ruhig war’s
in solchen Nächten, dass man sich weit, weit hinwegträumen konnte.
Und dann, wenn am Morgen wieder die Geschütze donnerten, die Regi¬
menter marschierten, da waren wir wieder in der Wirklichkeit, da stand
der Krieg in seiner ehernen Grösse vor uns. Und wieder eilten durch
die Strassen Brüssels unsere Soldaten, die Automobile rasten, uud eine
verhaltene Erregung durchzitterte die Stadt.
Am Ende des Boulevard Anspach gelangt man zur Place de la
Bourse, einem Verkehrsmittelpunkt. Wir schwenken Dach links ab, um
zum Rathausmarkt zu gelangen. Ich sah das Rathaus zum ersten Male
gegen Abend. Im Schein der Dämmerung leuchtete der Turm in einem
seltsamen Bläulichweiss. Auf dem Platz selbst war alles in ein geister¬
haftes Halbdunkel gehüllt, in welchem die Schönheit des Rathauses so¬
wie der umliegeuden Gildehäuser nur noch magischer erschien.
Noch mancherlei gab’s in Brüssel für uns zu sehen. Da bewunderten
wir den machtvollen Justizpalast, der, auf einer Anhöhe gelegen, die
Stadt beherrscht. Vor ihm sind mehrere Geschütze aufgefahren, um bei
eintretenden Unruhen eine sofortige Besohiessung Brüssels zu ermög¬
lichen. Wir waren in dem vornehmen Schloss Laeken, Sommerresidenz
des Königs, die jetzt verlassen daliegt. Ein Nachmittagsspaziergang
führt uns ins Bois de la Cambre, einer der beliebtesten Treffpunkte für
die Brüsseler Welt. Und doch, unser Sinnen haftet nicht an äusseren
Eindrücken. Immer wieder wandern wir in Gedanken dorthin zurück,
wo die Geschütze donnern und unsere braven Jungen für Gut und Blut
kämpfen. Und leise spricht wohl mancher vor sich hin: „Vater, ich
rufe dich!“
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In einem unserer Standesorgane war kürzlich die Verleihung
des Eisernen Kreuzes an zwei Kollegen angezeigt mit dem Zusatz
in Fettdruck „am schwarzweissen Baude“. Diese Fassung der Notiz
lässt vermuten, dass ihr Verfasser das schwarzweisse Band bei Ver¬
leihung des Eisernen Kreuzes an Aerzte für eine Ausnahme gehalten hat.
Das war im Jahre 1870 so; da erhielten nur die Kombattanten, zu
denen die Aerzte damals nicht gerechnet wurden, das schwarzweisse
Band, die Aerzte hingegen das weisse. In diesem Kriege ist der obige
Unterschied nicht gemacht worden, sondern für Verdienste auf dem
Kriegsschauplatz wird das eiserne Kreuz am schwarzweissen Bande, für
solche ausserhalb des Kriegsschauplatzes und im Heimatgebiet am weissen
Bande verliehen. Im übrigen haben diese Auszeichnung bisher 120 aktive
Aerzte erhalten; von Mitarbeitern dieser Wochenschrift sind weiterhin
darunterzu nennen Generalarzt Prof. Kümmel 1-Hamburg undProf. Rehn-
Frankfurt, Stabsarzt Hans Posner, Oberarzt der Reserve Bruno
Glaserfeld und Oberarzt der Reserve Martin Hirschberg; ferner
Stabsarzt d. L. Braun-Solingen, Dr. G. Seefisch-Berlin und Stabs¬
arzt d. R. Möllenberg-Lützen.
— Am 22. Oktober 1914, abends 8 Uhr, hält Herr M. Rothmann
im Beethoven-Saal zum Besten der Kämpfer in unseren Kolonien und
ihrer Hinterbliebenen einen Demonstrationsvortrag über die Forschungs¬
station für Menschenaffen auf Teneriffa.
— In den Orten Ostpreussens, wo wegen des herrschenden Aerzte-
mangels Aerzte vorübergehend angestellt werden, erhalten diese von den
Behörden die Erstattung der Reisekosten, freie Wohnung u-nd
25 M. tägliche Entschädigung. Dafür müssen die Zahlungsunfähigen
umsonst behandelt werden. Die fraglichen Orte sind behördlich fest¬
gestellt. Es bleibt Vorbehalten, dass während der Dauer der Beschäfti¬
gung ein Wechsel des Aufenthalts eintritt. Auskünfte durch Medizinal¬
rat So lbrig-Königsberg.
— Volkskrankheiten. Pest. In Saloniki ist den Blättern zu¬
folge die Pest ausgebrochen; auch die Veröffentlichungen des Kaiserlichen
Gesundheitsamtes berichten vom 12. IX. 7 Pestfälle. In Smyrna warde
am 1. IX. 1 Fall angezeigt, auch Catania ist seitens Norwegen iiir
pestverseucht erklärt. In Niederländisch-Indien sind zahlreiche
Fälle zur Anzeige gelangt. — Cholera. Vom 20. bis 26. IX. wurden
in Oesterreich 26 Erkrankungen und 2 Todesfälle gemeldet, durchweg
beim Militär; in Ungarn vom 25. IX. bis 1. X. 183 Fälle. Russland.
In Kiew ist die Cholera ausgebrochen. — Genickstarre. Preussen.
Vom 27. IX. bis 3. X. 5 Erkankungen und 1 Todesfall, und zwar Landes¬
polizeibezirk Berlin 2 (1), Reg.-Bez. Königsberg 1, Magdeburg 1, Stettin 1.
ln Oberösterreich 3 Erkrankungen. — Spinale Kinderlähmung.
Vom 27. IX. bis 3. X. I Fall im Kreise Pinneberg (Schleswig). Für
20. bis 26. IX. noch 2 Fälle für Reg.-Bez. Düsseldorf nachzutragen. —
Ruhr. Preussen. Vom 27. IX. bis 3. X. 617 Erkrankungen und
24 Todesfälle.
Hochschul nach richten.
Bonn. Habilitiert: DDr. Gerhartz für innere Medizin und Yeszi
für Chirurgie. — Kiel. Privatdozent Behr wurde zum 1. Assistenten
an der Universitäts-Augenklinik mit dem Titel Oberarzt ernannt.
Verlustliste.
I. Gefallen: Einj.-Freiw. W. Bestehorn, Zahnarzt, 1. Garde-
Reg. Oberarzt Dr. 0. Brian, 8. rhein. Pion.-Bat. Stabsarzt d. R.
Dr. A. Dessauer, 1. bayer. Feldart.-Reg. FelduDterarzt Dr. R. Fuchs,
lies. Inf.-Reg. Nr. 7. Stabsarzt Dr. K. Grillmeier, 2. bayer. Inf.-Reg.
Kriegsfreiwill. K. Knopf, caad. med., Inf.-Reg. Nr. 110. Stabsarzt
Dr. K. Koch, Res.-Inf.-Reg. Nr. 102. Oberarzt d. R. Dr. C. Lembach,
Inf.-Reg. Nr. 67. Oberarzt d. R. Dr. M. Lichtenberger. Einj.-Freiw.
W. Niefanger, cand. med., bayer. laf.-Reg. Nr. 1. Freiw. Bataillons¬
arzt Dr. E. Schwarz, Res.-Inf.-Reg. Nr. 17. A. Wernich, stud. med.,
bayer. Inf.-Reg. Nr. 19. Dr. R. Zorn.
II. Gestorben: Stabsarzt d. L. Dr. Hey er. Stabsarzt d. R.
Dr. W. Bausch. Oberarzt d. R. E. H. Wolf aus Nieder-Saulheim.
III. Verwundet: Stabsarzt d. R. Anschütz, Füs.-Reg. Nr. 90.
Feldunterarzt Dr. Brandt, Feldlaz. Nr. 44 des 9. Res-Korps. Stabs¬
arzt d. R. Dr. Friese, Feldart.-Reg. Nr. 23. Stabsarzt Dr. Hensel,
5. sächs. Inf.-Reg. Nr. 104. Oberarzt d. R. Dr. Kross, Feldlaz. des
9. Armeekorps. Unterarzt Dr. K. Lange, Inf.-Reg. Nr. 63. Stabsarzt
d. R. Dr. Paderstein, Elisabeth-Garde-Gren.-Reg. Stabsarzt d. R.
Dr. L. Rocke.
IV. Gefangen: Unterarzt Dr. Holstein. Oberarzt d. R. Dr. David-
sohn.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Niederlassungen: Aerztin E. Greizen und Aerztin E. Thiel in
Berlin, Dr. R. Rief in Erfurt, H. Lange in Hannover, Dr. F. Port
in Göttingen, Dr. K. Matthiae in Hildesheim, Dr. A. Loeb,
J. Schweitzer, A. Vögele, H. Becher und W. Ebertsheim in
Frankfurt a. M.
Verzogen: Dr. J. Reeploeg von Mülheim (Ruhr), A. Scotti und Dr.
0. K uff ler von Cbarlottenburg sowie L. P. Dithmer von Reisholz
nach Düsseldorf, H. Schülke und W. Schmidt von München nach
Barmen, Dr. F. Hoevel von Posen nach Duisburg, Dr. F. Thom
von Frankfurt a. 0. und Dr. A. Kesseler von Bonn nach Hamorp,
Dr. J. Topp von St. Hubert nach Büderich b. Neuss, Dr. K. Phi¬
lipp von Düsseldorf nach Cöln, Geh. San.-Rat Prof. Dr. K. Hopmann
von Cöln nach Godesberg, Dr. F. Karl von Charlottenburg, Aerztin
Dr. J. Freiin v. Kittlitz von Bad Elster, Dr. H. Vehsemeyer von
Berlin-Schmargendorf und Dr. P. Zander von Frohnau nach Berlin,
Dr. S. Gottschalk, Aerztin Dr. J. Lewy, Dr. M. Rothenberg
und Dr. M. Weyl von Berlin, Dr. L. Hirsch von Breslau sowie Dr.
L. Schloss von Brunshaupten nach Charlottenburg, Dr. E. Kegel
von Charlottenburg nach Metz, Dr. J. Lach mann von Charlottenburg
sowie Dr. L. Löwenstein und San.-Rat Dr. Pb. Nast von Berlin
nach Berlin-Schöneberg, Dr. J. Levi von Berlin-Schöneberg nach
Offenburg, Dr. H. Wolfram von Berlin nach Saargemüod, Dr. F-
Kunigk von Schweslin nach Kolberg, _R. Erdmenger von Sollsteat
nach Bleicherode, Dr. F. Rahlff von Überreifen berg i. T. nach Soll¬
stedt, Dr. J. Hopfner von Wrisbergholzen nach Göttingen, A. Dorr
von Würzburg und Dr. H. Schröder von Lüneburg nach Hildesheini.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. F. Raether
von Berlin.
Gestorben: Dr. D. Riesen feid in BerliD, San.-Rat Dr. R. Got -
schalk in Frankfurt a. M.-Ginnheim, San.-Rat Dr. V.VoIkwein m
Sigmaringen. _ _
Fßr die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kehn, Berlin W., BayreutherStrass« U-
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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0 rigi nal ffom
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BERLINER
Dio Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden
Montaj? In Nummern von ca. 5—6 Rogen gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen
alle Buchhandlungen und Postanstaiten an. .
Alle Einsendungen flir die Redaktion and Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
Angust Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 20. Oktober 1914.
JV2 43.
Einundfünfzigstor Jahrgang.
INHALT.
Originaliea: Lichtwitz: Zur Behandlung der Cholera. S. 1737.
du Bois-Reymond: Ueber die Anwendbarkeit des Gesetzes der
korrespondierenden Geschwindigkeiten auf die Gangbewegung von
Menschen und Tieren. S. 1738.
Newmark: Ueber im Anschluss an die Lumbalpunktion eintretende
Zunahme der Kompressionserscheinungen bei extramedullären
Rückenmarkstumoren. S. 1739.
Mandler: Uteramin in der Praxis. (Aus dem Kaiser Franz Josef-
Ambulatorium Wien VI.) S. 1740.
Kern: Ueber die Anwendung der epifascialen (bzw. intramuskulären)
Neosalvarsaninjektiooen nach Wechselmann im Kiudesalter. (Aus
dem Grossen Friedrichs-Waisenhaus der Stadt Berlin.) S. 1742.
Wienskowitz: Ueber die angeborene Wassersucht. (Aus dem
pathologischen Institut des städtischen Krankenhauses in Wies¬
baden.) (Schluss.) S. 1743.
Coenen: Der Pfeil als Fliegerwaffe. (Illustr.) S. 1745.
BBcherbesprechnngei: Strümpell: Lehrbuch der speziellen Pathologie
und Therapie. S. 1745. (Ref. Hirsch.) — Gregor: Lehrbuch der
psychiatrischen Diagnostik. S. 1745. Margulies: Diagnostik der
Nervenkrankheiten. S. 1745. (Ref. König.) — Heller: Päda¬
gogische Therapie für praktische Aerzte. S. 1745. — Neumann
und Mayer: Atlas und Lehrbuch wichtiger tierischer Parasiten und
ihrer Ueberträger. S. 1746. (Ref. Tilp.)
Literatur-Auszüge : Physiologie. S. 1746. — Therapie. S. 1746. —
Innere Medizin. S. 1747. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1747. — Kinderheilkunde. S. 1747. — Chirurgie. S. 1747. —
Röntgenologie. S. 1747. — Urologie. S. 1747. — Haut- und Geschlechts¬
krankheiten. S. 1748. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1749. —
Augenheilkunde. S. 1749. — Hals- Nasen- und Ohrenkrankheiten.
S. 1750. — Kriegsmedizin. S. 1750. — Unfallheilkunde und Ver¬
sicherungswesen. S. 1750.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Forensisch-medizinische
Vereinigung zu Berlin. S. 1750. — Medizinische Gesell¬
schaft zu Leipzig. S. 1751. — Naturwissenschaftlich¬
medizinische Gesellschaft zu Jena. S. 1752. — Aerztlicher
Verein zu Essen-Ruhr. S. 1752. — Gesellschaft für Morpho¬
logie und Physiologie zu München. S. 1753.
I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zu
Bad Homburg y. d. H. S. 1753.
Tagesgeschichtl. Notizen. S.1756. — Amtl. Mitteilungen. S.1756.
Zur Behandlung der Cholera.
Von
Prof. Dr. L. Lichtwitz-GöttiDgen.
Die Cholera asiatica ist der Mehrzahl der deutschen Aerzte
unbekannt. Auch der Verfasser dieser Zeilen kennt sie nicht.
Gerade darum beschäftigt man sich, wenn der Ausbruch dieser
Seuche viel näher gerückt ist als sonst, mit der Frage der Be¬
handlung.
Der Choleraanfall, das Stadium algidum, führt nach Grie¬
singer in etwa 80 pCt. der Fälle zum Tode. Dieser gefährlichste
Zustand im Verlaufe einer Cholerainfektion bedeutet eine mit
man an der Kanüle die einzelnen Tropfen eben noch erkennen, aber
nicht mehr zählen kann. Ein Tropfenzähler kann wegen der Gefahr der
Luftembolie nicht verwandt werden. Der Schlauch wird mit den Fingern
abgeklemmt, die Kanüle von dem Conus abgenommen und in die Vene
eingestossen. Sobald aus der Kanüle Blut tropft, wird der Conus mit
der Kanüle verbunden. Der Irrigator wird aufgehäogt, Schlauch und
Kanüle mit Heftpflasterstreifen am Vorderarm befestigt. Die Dauer der
Infusion eines halben Liters soll 2—3 Stunden betragen. Wenn die
Wirkung einer solchen Dauerinfusion abklingt, wird die zweite angesetzt.
Das Adrenalin, das auf diese Weise dem Organismus zugeführt wird, hat
keine schädigende Wirkung, so dass der Eingriff so oft wie notwendig
wiederholt werden kann.
Wer den Einfluss einer intravenösen Adrenalinkochsalzinfusion
heftigem Erbrechen, gehäuften Durchfällen, Wasser Verarmung,
Harnversiegung einhergehende schwerste Kreislaufschwäche; die j
Dauer dieses Zustandes ist relativ kurz. Das Mittel, das bei einer j
Kreislaufschwäche dieser Art am schnellsten und am sichersten
wirkt, ist das Adrenalin (Suprarenin) in Form der intravenösen j
Adrenalinkochsalzinfusion. Die intravenöse Injektion von 1 ccm j
der Adrenalinstammlösung 1:1000 führt zu einer heftigen und gaüz I
flüchtigen Gefässkrise und ist als gefährlich und unausgiebig zu
verwerfen. Auch die intravenöse Adrenalinkochsalzinfusion ist
von recht kurzer Wirkung. Man kann aber für viele Stunden
und wahrscheinlich auch für zwei Tage eine Hebung des Kreis¬
laufes erzielen, wenn man sieb streng an die Ergebnisse des Ex¬
periments hält (W. Straub und seine Schüler). Wenn man
das Adrenalin in demselben Tempo zuführt, als es aus dem Blute
verschwindet, so ist mit kleinen Mengen eine langdauernde Wirkung
zu erzielen. Es erscheint daher in dem Stadium algidum der
Cholera eine intravenöse Adrenalinkochsalzdauerinfusion,
wie sie besonders von Chirurgen bei peritonitischem Shock ange¬
wandt wird, als besonders empfehlenswert.
und auch einer solchen Dauerinfusion bei schwerster Kreislauf¬
schwäche gesehen hat, wird nicht im Zweifel sein, dass sicher
im Choleraanfall und vielleicht auch beim Choleratyphoid gute
Erfolge mit dieser Methode zu erzielen sind.
Das Prinzip, die Adrenalinzuführung über eine möglichst
lange Zeit auszudehnen, wird in der Praxis nicht immer durch¬
führbar sein. Der Eingriff selbst ist zwar einfach; aber bei un¬
ruhigen Kranken gehört zu jeder Dauerinfusion ein Wärter. Bei
vielen Kranken und wenigen Helfern wird man sich begnügen
müssen, mit einer möglichst grossen Spritze 100 ccm der oben¬
genannten Lösung so langsam zu injizieren, als es eben möglich
ist, und die Injektion öfter zu wiederholen.
Durch die Bemühungen von Stumpf ist bei den enterogenen
Infektionen die uralte Bolustherapie wieder zu Ehren gekommen.
Die Wirkung der Bolus ist eine physikalische: das feinkörnige
Pulver hat eine sehr grosse Oberfläche, an der Gifte und andere
Stoffe adsorbiert werden. Wie Bolus wirken auch andere unlös¬
liche Pulver, und dem gleichen Zweck wie Bolus dienten und
dienen Tier- und Pflanzenkohlen. Mit Kohle haben Wiechowski
Die Ausführung ist sehr einfach. Die notwendigen Instrumente sind:
Irrigator aus Glas, Gummischlaucb, Klemmschraube, kleiner Metallconus,
der in die Kanüle einer Pravazspritze passt. Als Injektionsflüssigkeit
verwendet man eine 0,7—0,9 proz. Kochsalzlösung oder eine Riogerlösung
von 40 bis 42°, für deren Warmhaltung man Sorge trägen muss. 500 cem
der Lösung werden mit 1 ccm der Adrenalinstammlösung 1:1000 ver¬
setzt. Ausführung: Das System wird zusammengesetzt, die Luft aus dem
Schlauch verdrängt und die Ausflussgeschwindigkeit so eingestellt, dass
und Adler eine grosse Zahl von per os vergifteten Menschen
gerettet. Zur Bolustherapie kommt also die Kobletherapie. Es
erscheint praktischer, die Anwendung dieser Mittel unter dem
Begriff der Adsorptionstherapie zu vereinigen. Wenn man
sich nun die Frage vorlegt, welcher der io Betracht kommenden
Stoffe der beste sei, so kann es Dach allen experimentellen Er¬
fahrungen nicht zweifelhaft sein, dass die Blutkohle alle Ad-
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1738
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 43.
sorbentien weit übertrifft. Am meisten möchte ich die mit Säure
gereinigte Blutkohie von Merck empfehlen. Es ist möglich, dass
andere Fabriken ein ebenso gutes Präparat hersteilen; das
Merck’sche ist mir aber allein vom Laboratorium und von der
therapeutischen Anwendung her bekannt. Io früherer Zeit kamen
wiederholt Pflanzenkob len zur Anwendung. Einer mündlichen
Mitteilung von Herrn Geheimrat Penzoldt entnehme ich, dass
diese Mittel immer wieder verlassen wurden, weil sie sehr scharfe,
die Darmwand reizende Teilchen enthielten.
Die Anwendung der Adsoibentien bedarf einiger Bemerkungen.
Vor allem ist wichtig, dass durch diese Mittel der Appetit in
sehr unangenehmer Weise geschädigt wird. Die Salzsäure des
Magens wird zu einem nicht unbeträchtlichen Teile und zu einem
noch grösseren werden die Fermente des Magendarmkanals von
dem Adsorbens aufgenommen. Inwieweit die Ausnutzung der
Nahrung dadurch behindert wird, bedarf noch der Untersuchung.
Für die therapeutische Anwendung aber folgt, dass man niemals
vor der Nahrung, am besten eine Stunde nach derselben das
Mittel reichen soll. Weiter folgt daraus, dass eine prophylaktische
Anwendung der Adsorbeutien nicht ratsam erscheint. Wenn man
in Zeiten der Seuchengefahr seinen Magendarmkanal in Ordnung
halten will, so muss man als wichtiges Schutzmittel auch den
Appetit bewahren, der durch die adsorbierenden Mittel Not leidet.
Die wichtigen Untersuchungen und Beobachtungen von
Wiechowski und Adler haben in Uebereinstimmung mit früheren
Befunden ergeben, dass Gifte, auch Alkaloide, selbst in toxischer
Dosis von Koble völlig unschädlich gemacht werden. Daraus ist
mit Sicherheit zu schliessen, dass Arzneistoffe in therapeutischer
Dosis, ganz gewiss Opium, Morphin u. a. ihre Wirksamkeit ver¬
lieren. Das muss bei gleichzeitiger Anwendung dieser Mittel und
der Adsorbentien berücksichtigt werden.
Ueber die Anwendbarkeit des Gesetzes der
korrespondierenden Geschwindigkeiten auf die
Gangbewegung von Menschen und Tieren.
Von
R. da Bois-Reymond.
(Nach eioem Vortrag in der physiologischen Gesellschaft zu Berlin
am 10. Juni 1914.)
Für viele Fälle, in denen die Bewegungen verschieden grosser,
aber sonst einander ähnlicher Massen verglichen werden, gilt das
sogenannte Gesetz der korrespondierenden Geschwindigkeiten, das
z. B. in der Anwendung auf Schiffsgeschwindigkeiten in folgender
Form ausgesprochen werden kann: Ist der Widerstand, den ein
mit der Geschwindigkeit v durch das Wasser getriebenes Schiffs-
modell von der Grösse 1 erfährt, gleich r, so ist der Widerstand,
den ein Schiff von der Grösse nl erfährt, gleich n 3 r 3 , also dem
Rauminhalt proportional, wenn das Schiff mit der Geschwindig¬
keit vVn durch das Wasser getrieben wird. Elen diese Be¬
ziehung der Geschwindigkeit zur Grösse, dass nämlich die Ge¬
schwindigkeit proportional der Wurzel aus dem Längemnaasse sein
muss, wenn die wirksamen Kräfte im gegebenen Verhältnis stehen
solleD, kehrt bei vielen Gelegenheiten wieder, unter anderem
beim einfachen freien Fall, und ebenso bei der Pendelbewegung.
Man könnte demnach geneigt sein, zu vermuten, dass auch
bei der Ortsbewegung des Menschen und der Tiere dieselbe Be¬
ziehung bestehen würde, und dass daher, bei gleicher Muskel-
anstrengung, die Gaoggescbwindigkeiten grosser und kleiner
Menschen oder Tiere zueinander in dem Verhältnis der Wurzeln
aus den Längenmaassen des Körpers stehen würden.
Prof. Otto Fischer in Leipzig hat in seiner Arbeit über
den Gang des Menschen 1 ) Messungen veröffentlicht, die es ge¬
statten, obige Vermutung auf ihre Richtigkeit zu prüfen.
Die Messungen wurden an 103 Soldaten und 8 Studenten
vorgenommen, die eine bestimmte Versuchsstrecke von einem
Kilometer Länge hin und zurück in ungezwungenem „Wander¬
schritt“ zu durchgehen hatten. Es wurden die Körperlänge, die
Beinlänge, die Schrittlänge, die Schrittdauer, die Zahl der Schritte
in der Minute und die Ganggeschwindigkeit festgestellt.
Ich habe die von Fischer angeführten Zahlen nach der
Körperlänge in 9 Gruppen geteilt, wobei ich einige, die von den
übrigen stark abwichen, fortgelassen habe. Für jede Gruppe
1) Abh. d. math.-nat. Kl. d. Kgl. sächs. Ges. d. Wissensch-, 1903,
Bd. *28.
habe ich die Mittelzahlen berechnet und so folgende Zusammen¬
stellung erhalten. (Siehe Tabelle 1.)
Tabelle 1.
Mittlere Maasse der Gruppen für:
ja
öu
o
d
Maass
er Gruppen
Körper-
läoge
in cm
Beinlänge
in cm
Schritt¬
länge
in cm
Schritt¬
dauer
100U
[ Geschwin¬
digkeit
| in cm: sec.
10
178,5—172,0
173,7
93,2
87,2
515
169,8
12
171,5—170,0
170,5
91,6
85,3
502
170,8
12
169,5-168,0
168,3
90,1
84,8
505
168,0
12
167,5-167,0
167,125 j
88,4
| 84,6
489
172,7
9
166,5-166,0
166,2 !
87,9
85,7
487
175,2
10
165,5-164.5
165,0
86,9
84,3
496
175,3
13
164,0-163,0
163,5
87,3
84,6 1
501
169,6
u.
1 162,5—161,0
161,7
85,8
83,8 1
485
173.0
11'
160,0-155,5
158,7
82,1
82,3
483
170,1
Um die Uebersicht beim Vergleichen der Zahlen zu er¬
leichtern, habe ich weiter die Mittelzahlen auf die Zahlen der
ersten (grössten) Gruppe berechnet in Promille ausgedrückt, wo¬
durch folgende Zusammenstellung entsteht. (Siehe Tabelle 2.)
Tabelle 2.
A
B 1
c
D
es’.
Körperlänge
L . 1
j Beiolange |
1 1
Schrittlänge j
Schrittdauer
Geschwindig¬
keit
1
1000
1000
1000
i
1000
1000
2
983
984
978
976
1 1006
3
967
966
972
981
989
4
96*2
948
970
950
1017
5
057
943
984
946
1032
it
949
932
966
963
1 1034
7
945
944
970
97t
, 999
8
934
921
961
942
; 1002
9
888
SSO
944
938
1
j 1002
Es zeigt sich, dass, während die Körpergrösse von Gruppe 1
bis 9 im Verhältnis von 1000:888 abnimmt, die Geschwindig¬
keiten eine ganz unregelmässige Folge bilden und für die Gruppen
mit kleiner Körperlänge im Vergleich zu denen mit grosser
Körperlänge eher höher als niedriger sind.
Es darf vorausgesetzt werden, dass wenigstens die meisten
der Personen ihren natürlichen Schritt gegangen sind, ohne weder
zu eilen noch zu trödeln. Dies dürfte daraus folgen, dass nach
den von Fischer gegebenen Originalzablen bei sehr vielen
Schrittlänge, Schrittdauer und Geschwindigkeit beim Hinwege und
Rückwege genau gleich sind. Folglich darf man auch annehmen,
dass die Versuchspersonen im allgemeinen mit demselben Grade
von Anstrengung gegangen sind, d. h., dass zwischen der Arbeits¬
leistung der Kleinen und der Grossen das ihrer Körpergrösse ent¬
sprechende Veibältnis bestanden hat. Hätte also das Prinzip der
korrespondierenden Geschwindigkeiten für die Gehbewegung des
Menschen Gültigkeit, so müsste die Geschwindigkeit der Grossen
sich zu der der Kleinen verhalten haben wie die Wurzeln aus
den LäDgenmaassen. Die mittlere Körperlänge der ersten beiden
Gruppen zusammen beträgt 172,1, die der letzten beiden
Gruppen zusammen 160. Das Verhältnis der Wurzeln dieser
Zahlen ist 1000:962. Die tatsächlich gemessenen Geschwindig¬
keiten der betreffenden Personen stehen aber im Verhältnis
1003: 1002.
Soweit die vorstehenden Zahlen als beweiskräftig gelten
können, zeigen sie also, dass das Gesetz der korrespondierenden
Geschwindigkeiten auf die Ortsbewegung des Menschen nicht
passt, sondern dass grosse und kleine Menschen bei gleicher An¬
strengung gleich schnell gehen.
Dies steht im Einklang mit der täglichen Erfahrung, dass
auch für verschieden grosse Tiere die Laufgescbwindigkeit im
ganzen nahezu gleich ist. Zwar holt der Jagdhund den Fuchs
oder Hasen eio, und das Jagdpferd den Jagdhund, aber dazu be¬
darf es nur eines im Verhältnis zu den Grössenunterschieden ganz
geringfügigen Unterschiedes an Schnelligkeit.
v. Hoesslin 1 ) hat es sogar als ein Postulat der Zweck-
1) Ueber die Ursache der scheinbaren Abhängigkeit des Umsatzes
von der Grösse der Körperoberfläche. Arch. f. Anat. Pbys., Pbys. Abt.,
1888, S. 323.
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Original from
UMIVERSITY OF IOWA
20. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1739
mässigkeit hiogestellt, dass kleinere Tiere verhältnismässig
schneller laufen können als grosse. Diese Betrachtung ist aber
überflüssig und führt ihn sogar zu einem Widerspruch gegen sich
selbst. Er will den grösseren Stoffumsatz der kleineren Tiere
durch die verhältnismässig grössere Bewegungsgescbwindigkeit
erklären. Aus dem Verhältnis der Muskelkraft zur Körpergrösse,
die ich in einer früheren Abhandlung 1 ) erörtert habe, lässt sich
aber ableiten, dass kleine und grosse Tiere schon bei gleicher
Arbeitsleistung gleich schnell laufen. Dies gibt Hoesslin selbst
an einer anderen Stelle zu 2 ).
Betrachtet man zunächst den einfachen Fall, dass ein Muskel
ein gegebenes Gewicht um eine gegebene Höhe bebt, und denkt
sich dann denselben Vorgang io n fachem Maassstab vergrössert,
so wird der n mal grössere Muskel das n 3 -fache Gewicht um eine
n mal grössere Strecke zu beben haben, also die n 4 fache Arbeit
leisten müssen. Bei der Zusammenziehung des n mal grösseren
Muskels wirkt die Kraft eines n 2 mal grösseren Querschnittes auf
einer n mal grösseren Verkürzungsstrecke. Bei gleicher absoluter
Kraft leistet also der n mal grössere Muskel n 3 mal soviel Arbeit,
wie der kleinere Muskel. Da das Gewicht, das er beben soll,
n 3 mal so gross ist, wie das. das der kleine Muskel hebt, reicht
seine Arbeit nur aus, das Gewicht ebenso hoch zu beben, wie
der kleine das kleine Gewicht gehoben bat.
Diese Betrachtung lässt sieb auf die Ortsbewegung der Tiere
ausdebnen, indem man die Ortsbewegung nur als eine Summe
vieler Einzelkontraktioneo gegen Gewicbtswiderstände auffasst.
Sie zeigt, dass es vom Standpunkt der Muskelmechanik nicht
nur möglich, sondern sogar selbstverständlich ist, dass einander
ähnliche Tiere von verschiedener Grösse gleiche GaDggeschwindig-
keit haben.
Man könnte hiergegen ein wenden wollen, dass, wenn dieser
Satz aus allgemeinen mechanischen Grundsätzen abgeleitet wird,
ihm auch eine ganz allgemeine Geltung zukommen müsse, während
er io Wirklichkeit offenbar nur innerhalb gewisser Grenzen gültig
sei. Es sei z. B. keine Frage, dass ein Hund schneller laufe als
eine Maus. Hierauf ist zu antworten, dass die allgemeine Geltung
des aufgestellten Satzes durch diese Einschränkungen nicht auf¬
gehoben wird. Es wird dadurch nur bewiesen, dass ausser dem
Verhältnis von Muskelkraft und Gewicht auch noch andere Ein¬
flüsse der Körpergrösse auf die Geschwindigkeit der Gangbewegung
einwirkeo. Bei einem sehr bedeutenden Grössen unterschied muss
zum Beispiel die Scbrittzahl des kleineren Tieren übermässig
gross werden, wenn es die gleiche Geschwindigkeit erreichen soll,
wie das grössere. Offenbar kann aber die Zahl der Schritte in
der Zeiteinheit nicht über denjenigen Wert gesteigert werden,
bei dem die Muskelkontraktionen zum Tetanus verschmelzen.
Ausserdem hat auch die blosse Bewegungsgeschwindigkeit ihre
Grenze in der Zuckungsgescbwindigkeit des Muskels. Innerhalb
dieser Grenzen muss ein Optimum gelegen sein, bei dem die
höchste Geschwindigkeit relativ zur Körpergrösse bei gegebener
Arbeitsleistung der Muskeleinheit erreicht wird. Es wäre sehr
zu wünschen, dass ähnliche Beobachtungsreihen, wie die hier
besprochene von Otto Fischer, in noch grösserem Umfang
wiederholt würden.
Ueber im Anschluss an die Lumbalpunktion
eintretende Zunahme der Kompressionserschei¬
nungen bei extramedullären Rückenmarks¬
tumoren.
Von
Dr. L. Newmark, Sau Francisco.
Vor vier Jahren drückte Professor H. Oppenheim in dieser
Wochenschrift 3 ) sein Bedauern darüber aus, dass die ungünstigen
Erfahrungen mit der Lumbalpunktion nicht immer zur allgemeinen
Kenntnis gebracht werden. Bei aller Anerkennung der Fortschritte,
welche wir dem Verfahren verdanken, sträubte er sich nämlich
gegen die Ansicht, dass die Lumbalpunktion einen für die Gesund¬
heit irrelevanten Eingriff darstelle, und führte zur Rechtfertigung
seines Verhaltens mehrere Fälle an, in welchen nach der Punktion
eine Verschlimmerung eintrat. Unter diesen war auch ein Fall
1) Körpergrösse und Muskelkraft. Abh. d. Kais. Leop. Carol. Deutschen
Akad. d. Naturforscher, Halle 1912, Bd. 97, Nr. 14.
2) a. a. 0., S. 357.
3) Zum „Nil nocere“ in der Neurologie. B.kl.W., 1910, Nr. 5.
von extramedullärem Tumor des Rückenmarks; hier hätte die von
einem anderen ausgeführte Lumbalpunktion eine derartige Zunahme
der Ausfallserscheinungen bewirkt, dass der vorher nur paretisebe
Patient völlig paraplegisch wurde und die Herrschaft über Blase
und Mastdarm ganz verlor.
Zur Bekräftigung der Lehre, dass bei Verdacht auf kompri¬
mierende Rückenmarksgeschwulst die Lumbalpunktion nicht ohne
zwingenden Grund vorgenommen werden sollte, kann ich zwei
eigene Fälle heranziehen, in welchen im Anschluss an den Lenden¬
stich die Lähmungen eine erhebliche Zunahme erfahren. Ich bin
allerdings mit dem Schrecken davongekommen und habe die
Patientinnen, ebenso wie Oppenheim in dem erwähnten Falle,
schliesslich einer vollkommenen Genesung zuführen können. Im
Verein aber mit einem Fall von Nonne 1 ), in welchem die Lum¬
balpunktion den Tod des Patienten verschuldete, gewinnen die
meinen eine erhöhte Bedeutung. Mein zweiter Fall ist vielleicht
deswegen besonders interessant, weil nach der Punktion die Symp¬
tome vermehrter Kompression eintraten, obgleich kein Tropfen
Flüssigkeit nach aussen abgeflossen war!
Fall 1, weil bereits an anderer 2 ) Stelle veröffentlicht, soll hier nur
eine kurze Darstellung erfahren. Bei der Patientin hatten sich seit zehn
Monaten motorische und sensible Störungen entwickelt. Wegen positiver
Wassermann’scher Reaktion im Blutserum hatten meiue Vorgänger in
der Behandlung die Frau einer gründlichen, aber unwirksamen spezifischen
Kur unterworfen. Wenige Tage nachdem sie in meine Behandlung ge¬
treten war, führte ich am 18. Juli 1911 die Spinalpunktion aus. Ohne
Schwierigkeit gelangte ich in den Duralsack und liess ca. 6 ccm Cere¬
brospinalflüssigkeit langsam, unter ziemlich niedrigem Druck, ab/liessen.
Vor der Punktion hatte die Patientin in der rechten unteren Extremität
noch genügend Kraft, um stehen und auch mit Unterstützung, obwohl
mühsam, gehen zu können; die Kraft der linken war nicht merklich
herabgesetzt. Nach der Punktion, und zwar noch am selben Tage,
schwand der Rest des Bewegungsvermögens aus dem geschwächten Gliede,
womit Stehen und Gehen unmöglich wurden. Auch in der Cerebrospi-
nalllüssigkeit wurde positive Wassermann’sohe Reaktion beobachtet. Es
wurde trotzdem operiert. Unter dem zweiten Dorsal wirbelbogen fand
sich ein Psammom, nach dessen Entfernung die Patientin allmählich
volle Herrschaft über ihre Glieder wiedererlaDgte.
Es war also in diesem Falle durch die Lumbalpunktion kein
irreparabler Schaden verursacht worden. Wie unheilvoll aber die
Folge hätte sein können, wurde mir später durch die Veröffent¬
lichung des Non ne’sehen Falles zuerst durch Raven 3 ), erst
nachher von Nonne selbst, recht nahe gelegt.
Bei seinem Patienten, welcher Zeichen der Kompression des unteren
Halsmarks darbot, trat plötzlich am Abend desselben Tages, an dem
die Lumbalpunktion vorgenommen worden war, schlaffe LäbmuDg aller
vier Extremitäten ein, mit Verlust der Sehnenreflexe und Ausbreitung der
Anästhesie. Trotz baldiger Entfernung der komprimierenden Geschwulst,
eines gefässreichen Myxoms, erlag der Kranke. Bei der Erörterung dieses
Unglücks erwähnt Nonne mein Erlebnis bei der Spinalpunktion und
billigt meine Aeusserung, dass man durch ein solches vereinzeltes Vor¬
kommnis sich von der Anwendung eines so wertvollen Verfahrens nioht
abschrecken lassen sollte. Nichtsdestoweniger zog er aus seinem Falle
die Lehre, bei der Diagnose „Tumor am Halsmark“ die Lumbalpunktion
nur dann vorzunehmeD, wenn nur von ihrem Ausfall die Frage, ob operiert
werden soll oder nicht, abhängt. Ich selbst hatte übrigens auf Grund
meiner unliebsamen Erfahrung mir vorgenommen, bei begründetem Verdacht
auf Rückenmarksgeschwulst die Lumbalpunktion zu unterlassen, gleich¬
gültig ob der Tumor am Halsmark oder sonstwo vermutet würde; ich bin
aber dennoch wieder in die peinliche Lage geraten, mich wegen rasch
einsetzender Lähmung und Anästhesie im Anschluss an eine von mir
veranlasst« Punktion verantworten zu müssen.
Fall 2. Diesmal handelte es sich um ein zwanzigjähriges Mädchen,
welches über eine seit etwa acht Monaten bestehende Schwäche des linken
Fusses klagte. Die Kranke gab an, dass sie Abnahme der Kraft im
Fussgelenk gegenüber dem vier Monate vorher bestehenden Zustande
wahrnebmen konnte; innerhalb der letzt vergangenen zwei Monate aber
hätte sich nichts geändert. Sie ging ohne Mühe umher und machte
gewisse moderne Tänze mit. Vage, unbedeutende Schmerzen wurden in
der linken Leistengegend empfunden; sonst hätte sie nicht zu klagen.
Bei der mehrfach wiederholten Untersuchung in der ersten Hälfte
des Dezembers 1913 zeigte sich mehr oder weniger Parese in allen
Segmenten der linken unteren Extremität; am meisten herabgesetzt war
die Dorsalflexion im Fussgelenk und die Bewegung der Zehen. In der
rechten unteren Extremität wurden alle Bewegungen mit normaler Kraft
ausgeführt. An dem Gange des Mädchens konnte man für gewöhnlich
kaum eine Störung wahrnehmen. Sichere Sensibilitäts9töruDgen irgend¬
welcher Art waren nirgends festzustellen; doch behauptete die Kranke,
1) D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 46-48.
2) Dem deutschen Leser freilich nioht leicht zugänglich. California
State Journal of Medicine, März 1913.
3) Raven, D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 44, S. 386.
1 *
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
1740
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 43.
sie empfände die verschiedenen angewandten Reize stets etwas deutlicher
an dem gesunden als an dem geschwächten Beine. Die Babinski’sobe
Zehenextension war links deutlich ausgesprochen, rechts war normaler
Plantarreflex. Die Acbillesreflexe waren beiderseits gleich stark, lebhaft,
aber kein Fussclonus. Die Kniereflexe waren entschieden pathologisch
gesteigert, rechts und links fast von gleicher Stärke, nur konnte man
links einen ganz geringen Patellarclonus hervorrufen. Kein Ataxie.
Abdominalreflexe sicher verschwunden. Die iibrigeneurologische Exploration
ergab ganz normale Verhältnisse, ebenso Röntgenbilder der Wirbelsäule
und des Beckens.
Der Symptomenkomplex setzte sich also aus linksseitiger Parese
der unteren Extremität mit Babinski, beiderseitig gesteigerten Sehnen¬
reflexen und Schwund der Abdorainalreflexe zusammen. Eine von links
her wirkende Kompression des Rückenmarks konnte dieses Bild hervor¬
rufen; es fehlten aber Schmerzen, Wurzelsymptome, Andeutung von
Brown-Sequard, und ich muss gestehen, dass ich mir noch gar keine
diagnostische Vorstellung gebildet batte, als ein erfahrener Serologe mir
berichtete, dass die Wassermann'sehe Reaktion in der entnommenen
Blutprobe positiv wäre. Wir beruhigten uns aber nicht hierbei und
Hessen die Reaktion von einem zweiten, nicht minder erfahrenen Serologen
anstellen. Dieser meldete ein negatives Resultat. Der erste wurde
darauf veranlasst, an einer neuen Portion Blutes die Untersuchung zu
wiederholen; auch dieses Mal war die Reaktion positiv. Da der zweite
darauf bestand, dass der Wassermann negativ wäre, wurde beschlossen,
die Entscheidung durch Untersuchung der Cerebrospinalflüssigkeit zu
treffen. Zum Zwecke der Lumbalpunktion begab ich mich daher mit
einem der Serologen am 15. Dezember in die Wohnung der Patientin.
Der Kollege punktierte mehrere Male an verschiedenen Stellen, ohne
einen Tropfen Flüssigkeit zu erhalten. Weder die Seitenlage noch
sitzende Stellung der Kranken änderte hieran etwas, so dass wir schliess¬
lich unverrichteter Sache abzieben mussten.
Am nächsten Tage wurde uns telephonisch gemeldet, dass die
Patientin an Kopfschmerzen leide. Da wir keine Flüssigkeit abgelassen
hatten, befremdete uns diese Nachricht. Am übernächsten Tage wurde
weiter mitgeteilt, dass das Mädchen nicht mehr allein stehen könne,
und als wir sie am IS. wiedersaben, fanden wir fast vollständige Lähmung
der linken unteren Extremität, ausgesprochene Parese der rechten,
Schwache der Baucbmuskulatur, und beiderseits Babinski und Patellar-
elonus. Die Blasenentleerung war verlangsamt. Diese Verschlimmerung
sollte allmählich eingetreten sein.
Man konnte es den Angehörigen nicht verdenken, wenn sie
den Verdacht hegten, wir hätten bei der Lumbalpunktion einen
„wichtigen Nerven aDgestochen“. Wir aber kamen auf Grund
der Beobachtung des ersten Falles und der Veröffentlichung
Nonne’s sofort zu der Ueberzeugung, dass ein Tumor vorlag,
und dass dieser Tumor sich infolge der durch die Lumbalpunktion
bewirkten AenderuDg der Druckverbältnisse verschoben und so
die vorher geringe Kompression des Rückenmarks verstärkt hatte.
Das Eigentümliche an dem Ereignis war freilich, dass gar keine
Cerebrosinalflüssigkeit zutage befördert worden war. Während
wir diesen Misserfolg zuerst darauf zurückfübrten, dass der
Trokart gar nicht in den Duralsack eingedrungen wäre, nahmen
wir nach Wahrnehmung des angerichteten Schadens an, dass die
Geschwulst eine derartige Stauung oberhalb bewirkt batte, dass
der unterhalb bestebeode Druck nicht mehr genügte, um die
Flüssigkeit aus der Kanüle berauszubefördern.
Wie auch der Mechanismus gewesen sein mag, die Kompressions¬
erscheinungen fuhren noch fort, sich zu verstärken. Die Blase allerdings
erholte sich bald. SensibilitätsstöruDgen stellten sich früh ein; zunächst
fing die Herabsetzung der BerübruDgsempfindung, von oben nach unten
hin geprüft, vorn links 2 1 /*—3 cm unterhalb des Processus xiphoideus,
rechts ein wenig unterhalb der Höhe des Nabels an; die Schmerz¬
empfindung fand sich am 21. Dezember hinten erst unterhalb der Crista
ilei, vorn links ein paar Centimeter unterhalb des Processus xiphoideus,
rechts dagegen erst vom Rippenbogen ab gestört. Am 22. Dezember
glioh sieb die Unregelmässigkeit der oberen Begrenzungslinie der Hyp-
ästhesie aus, indem diese Linie nun für alle angewandten Reize in der
Höhe von etwa 2 cm unterhalb des Processes xiphoideus horizontal um
den Rumpf verlief; nach weiteren 8 Tagen war die Grenze der Hyp-
ästhesie weiter nach oben bis dicht an den Processus xiphoideus heran¬
gerückt und blieb nun stationär.
Die Wahrnehmung passiver Bewegung der Zehen fand sich gleich
bei der ersten Untersuchung nach der Lumbalpunktion beiderseits ab¬
gestumpft, während das Lagegfühl dort zunächst erbalten blieb; beide
versohwanden innerhalb der nächsten 14 Tage, zuerst links, erst später
rechts.
Die geringe nach der Lumbalpunktion übriggebliebene moto¬
rische Kraft der linken unteren Extremität schwand ebenfalls
gänzlich innerhalb dieses Zeitraums; rechterseits nahm die Läh¬
mung zusehends von Tag zu Tag zu, so dass am 8. Januar 1914
die Dorsalflexion des Fusses und am 13. die Beugung im Hüft¬
gelenk unmöglich geworden war. Der Verlauf war ganz
schmerzfrei.
Die Erlaubnis zur Operation wurde erst gewährt, als die
Eltern die Unwirksamkeit der energisch durchgefübrten spezi¬
fisches Behandlung erkannten. Die Kompressionsursacbe wurde
auf Grund der Hypästhesie am 7. Dorsalsegment vermutet und
der Operateur, Dr. Harry M. Sherman, angewiesen, den Wirbel¬
kanal im Bereich der 4., 5. und 6. Wirbeibögen za eröffnen.
Nachdem dies geschehen, erkannte man, dass der Duralsack ober¬
halb einer gewissen Stelle prall gefüllt, unterhalb derselben schlaff
war. Auf Inzision der Dura erfolgte ein starker Erguss von
Flüssigkeit von kopfwärts her, während aus dem kaudalen Ende
des Einschnittes nur sehr wenig floss. Fest eingekeilt zwischen
Dura und Rückenmark kam nun links eine Geschwulst von etwa
27 z cm Länge zum Vorschein; diese konnte erst gelockert und
entfernt werden, nachdem ein Stückchen aus der Mitte exzidiert
worden war. Es wurde darauf klar, dass der Tumor nicht nur
seitlich, sondern auch von vorn auf das Rückenmark gedruckt
hatte. Nach Herausnahme der Geschwulst blieb ein starker Ein¬
druck im Rückenmark zurück.
Schon am Tage nach der Operation, welche am 15. Januar
stattfand, war ein Zeichen beginnender Rückkehr der Motilität
sichtbar. Nach wenigen Wochen konnte die Kranke wieder gehen
und ist schliesslich vollständig geheilt worden.
Laut Bericht des Prof. Op hüls, Pathologen an der Stanford
Universität, war der Tumor ein Psammom, welches ziemlich arm
an Blutgefässen, frei von Hämorrhagien und Nekrosen war. Hier
lag also „die Tücke des Objekts“, die Nonne in seinem Falle
in der „hämorrhagischen Diathese“ des Tumors findet, nicht in
der Beschaffenheit der Geschwulst.
Will man keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen
Punktion, und Verschlimmerung sugeben, so könnte man auf
Fälle hinweisen, in welchen, wie in dem von Ewald und
Winckler 1 ) beschriebenen, schwere Lähmung plötzlich ohne er¬
kennbaren äusseren Grund einsetzte; es wäre dann das zeitliche
Verhältnis zwischen beiden nur Sache des Zufalls. Oder man
könnte die zur Erleichterung des Eingangs in den Wirbelkanal
bei der Punktion notwendige Flexion der Wirbelsäule beschuldigen
und sich hierbei auf einen Fall von Friedrich Scbultze 2 ) be¬
rufen, welcher allerdings einen extraduralen Tumor betraf, wo
nach Einnebmen der Bauchlage schon eine rasche Verschlimmerung
der Lähmungserscheioungen eintrat. Ich glanbe aber, dass beim
Betrachten meines letzten Falles im Verein mit meinem früheren
und mit denen von Oppenheim und Nonne man nicht leicht
die Lumbalpunktion wird freisprechen können. Die nach der
Punktion eintretenden Kopfschmerzen erinnern auch an eine
häufige Folge der Aenderung der Druckverbältnisse durch diesen
Eingriff.
Wäre nicht der Nonne’sehe Fall mit seinem fatalen Aus¬
gang da, so könnte man ans den übrigen Fällen dieser kleinen
Gruppe folgern, dass die Punktion höchstens eine durch die
Therapie leicht wieder gutzumachende Verschlimmerung zu be¬
wirken imstande ist. Ja, man kann sogar in ihrer Wirkung bei
meiner zweiten Kranken einen Nutzen erblicken, denn ohne die
auf solche Weise hervorgerufenen Ausfallserscheinungen bälte es
jedenfalls noch ziemlich langer Zeit bedurft, ehe die Lokalisation
genügend Sicherheit erlangt hätte, um die Operation zu recht-
fertigen; die Patientin hätte vielleicht heute noch nur eine
geringe Parese, aber auch ihren Tumor. Wenn man es aber nicht
in der Hand bat, zn bestimmen, ob man durch ein Verfahren dem
Patienten helfen oder ihn töten wird, ist es nicht überflüssig, bei
dessen Anwendung Vorsicht anzuraten.
Aus dem Kaiser Franz Josef-Ambulatorium Wien \ 1
(Abteilung Prof. Dr. Ludwig Mandl).
Uteramin in der Praxis.
Von
Dr. Viktor Maidler.
Hei mann 3 ) erwähnt nach der Besprechung von 208 geburts¬
hilflichen Fällen, die er mit Uteramin Zyma behandelt bat, dass
er dieses Präparat bei gynäkologischen Patienten wenig erproben
konnte, und setzt hinzu: „Ich hoffe, dass in nächster Zeit eine
Klinik, die über ein grösserses gynäkologisches Material verfügt,
1) B.kl.W., 1909, S. 529.
2) M.m.W., 1907, Nr. 28.
3) M.m.W., 1912, Nr. 25.
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Original from
UMIVERSITY OF IOWA
26. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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sich dieser dankbaren Arbeit unterziehen wird.“ Er begnügte
sich mit der Feststellung der günstigen Resultate, ohne auf die
Wirkungsweise des Uteramin Zyma näher einzugehen.
Das Uteramin Zyma stellt das salzsaure Salz des Paraoxyphenyl-
äthylamio dar, eines Hauptvertreters der wirksamen Substanzen des
Mutterkorns. Die Anwendung einer chemisch reinen Substanz mit kon¬
stanter Wirkung verspricht gegenüber der alten üblichen Secaleanwen-
dung mancherlei Vorteile. Abgesehen davon, dass diese Base in den
Seoalepräparaten gemäss dem alljährlich schwankenden Gehalt an wirk¬
samen Bestandteilen in sehr verschiedenen Quantitäten vorhanden ist,
muss ferner in Betraoht gezogen werden, dass alle Zubereitungen aus
dem Mutterkorn in sehr hohem Maasse unnützliche und toxische Ballast¬
stoffe besitzen. Diese Toxizität beschränkt die Anwendung des Secale
cornutum; bei Uteramin Zyma dagegen, dessen äusserst geringe Giftig¬
keit (nach der bisherigen Literatur) für den Therapeuten gleich Null
gesetzt werden kann, ist man in der Lage, das Präparat in genügend
grosser Dosis gefahrlos anzuwenden, sowohl per os als auch in Form
von Injektionen.
Das Uteramin Zyma ist ein chemisch reiner Körper, dessen kristalli¬
sierte Verbindung in physiologischer Kochsalzlösung haltbar und unver¬
änderlich ist, eindeutig bestimmt, als synthetisches Produkt genau
dosiert und nach einem speziellen Verfahren von der Chem. Fabrik
Zyma A. G. (St. Ludwig i. Eis. und Aigle, Schweiz) in den Handel ge¬
bracht wird.
Anschliessend an die oben citierte Bemerkung Heimann’s
erproben wir seit einigen Monaten die Wirkung des Uteramins
Zyma, und zwar fast ausschliesslich bei gynäkologischen Fällen.
Wir wenden dasselbe bei Menorrhagien and Metrorrhagien in¬
folge verschiedener Ursachen an, für die sonst die verschiedenen
Secalepräparate in Betracht kämen. Wir gaben Uteramin Zyma
sowohl in Tropfen als auch in Tablettenform, ohne einen auf¬
fallenden Unterschied in der Wirkung beider Darreichungsformen
finden zu können.
Die gewonnenen Resultate — es bandelte sich dabei grössten¬
teils am ambulatorische Kranke — lassen den Schluss zu, dass
das Uteramin Zyma eine dem Secale ähnliche Wirkung ent¬
faltet.
Das Präparat wurde angewendet bei Endometritis post ab-
ortum, bei Metropathieo, Retroversioflezio uteri, Adnextumoren,
Sabinvolutio uteri, nach Curettement wegen Abortus usw. Dabei
trat schon nach den ersten Gaben die gewünschte Wirkung ein,
manchmal aber erst am ersten, längstens am zweiten bis dritten
Tage.
Allerdings gab es auch Fälle, die auf Uteramin Zyma nicht
reagierten, die aber auch durch hinterher verabreichtes Secale
unbeeinflusst blieben.
Einige Fälle aus unserer Behandlung sollen das oben Ge¬
sagte erläutern:
1. M. R., 22 Jahre alt, Schneiderin. Vor 5 Wochen Curettement
wegen Abortus (Gravidität von 3 Monaten). Nach 10 Tagen Beginn einer
Blutung, die bis jetzt anhält. Erystypticum Roche erfolglos. Periode
unregelmässig, schmerzhaft, 8—10 Tage. Schmerzen im Bauche beider¬
seits. Befund: Uterus spitzwinklig anteflektiert, beweglich, nicht schmerz¬
haft, nicht vergrössert Adnexe und Parametrien zeigen normalen
Befund.
Dreimal täglich 25 Tropfen Uteramin Zyma.
Der blutige Ausfluss weicht nach fünfmal 25 Tropfen innerhalb
36 Stunden einem gelben, in weiteren zwei Tagen einem weissen Aus¬
fluss.
2. A. B., 30 Jahre alt, Köchin. Vor 2 Monaten Entbindung. Nor¬
males Wochenbett. 3 Wochen post partum Blutung von fünftägiger
Dauer. Vor 14 Tagen trat wieder eine Blutung auf mit viertägiger
Dauer. Jetzt wieder seit 4 Tagen Blutung. Keine Schmerzen. Schwäcbe-
gefühl. Vor der Entbindung angeblich gesund. Periode war früher
regelmässig, 4—5 Tage dauernd, vierwöchentlioh. 1 Partus. Kein Ab¬
ortus.
Status: Uterus vergrössert, derb, etwas unregelmässig geformt.
Muttermund geschlossen. Adnexe und Parametrien frei. Diagnose: Sub-
involutio uteri. Dreimal täglich 20 Tropfen Uteramin Zyma. Bettruhe.
Heisse Spülung. Befund zwei Tage später: Uterus erscheint nicht mehr
so gross. Die Blutung hat nach 36 Stunden aufgehört.
3. L. A., 36Va Jahre alt, Handarbeiterin. Erste Menses mit
I* Früher regelmässig, stark. Während früher die Periode in
dreiwöchigen Intervallen sich zeigte, dabei sehr stark war, treten die
Blutungen seit einigen Monaten in kürzeren Intervallen auf, und zwar
sehr intensiv. Die jetzige Blutung dauert bereits 15 Tage. Dabei be¬
stehen keine Schmerzen. Kein Partus. Kein Abortus. Status: Uterus
anteflektiert, normal gross, derb j Adnexe und Parametrien zeigen
normalen Befund. Dreimal täglich 30 Tropfen Uteramin Zyma. Am
ersten Tage bedeutendes Nachlassen der Blutung. Nur nach den
Spülungen geringer Blutabgang.
4. Frau J. H., 32 Jahre alt. Da Patientin mit Klage über habi¬
tuellen Abortus (8) unsere Ambulanz aufsucht, wird die Blutunter-
l suchung naoh Wassermann gemacht, die positiv ausfällt. Darauf
unterzieht sich Patientin einer Quecksilberkur. Nach 5 Injektionen Ver¬
spätung der sonst regelmässigen Periode um 14 Tage. Menses sehr
stark, mit Abgang von Stücken. Die Blutung dauerte 14 Tage, pausierte
3 Tage und trat darauf wieder ein, verbunden mit Schmerzen im Bauche.
Menses früher regelmässig vierwöchentlich. 3—4 Tage. Partus 0. Uterus
klein, anteflektiert. Linkes Ovarium vergrössert. 3 Tabletten Uteramin
Zyma täglich bewirken, dass die Blutung am 2. Tage sistiert.
5. Frau G. N., 33 Jahre alt. Vor 7 Wochen Abortus, Curette¬
ment. Ungestörte Rekonvalesoenz. Keine Schmerzen. Kein Fieber.
Seit 3 Wochen wieder Blutung, bis jetzt anhaltend. Periode seit
15 Jahren regelmässig, vierwöchentlich, 3 Tage dauernd. 6 Partus.
3 Abortus. Der zweite Abortus vor einigen Jahren war fieberhaft, führte
zu Peritonitis puerperalis, wegen deren die Patientin laparotomiert
wurde. Mediane Bauchnarbe nach Laparotomie. Uterus weiob, höckerig,
vergrössert, gestreckt. Muttermund geschlossen. Subinvolutio uteri.
Dreimal täglich 25 Tropfen Uteramin Zyma. Am 2. Tage lässt die
Blutung bedeutend nach. Abgang blutigen Schleimes durob einige Tage.
Uterus derb, etwas kleiner.
6. Frau A. L., 32 Jahre alt, verwitwet. Patientin gibt an, immer
unregelmässige, lang andauernde Blutungen gehabt zu haben, so dass sie
nie einen bestimmten Termin ihrer Periode angeben kann. Seit 4 Wochen
blutet Patientin ziemlich stark, ohne dass sie mit verschiedenen Medika¬
menten die Blutungen stillen könnte. Auf Secacornin und Calcium
lacticum steht die Blutung. Nach kurzer Pause trat 4 Wochen hindurch
geringe Blutung auf; dann wieder starke Blutung, die nach zweitägiger
Dauer plötzlich 4 Tage sistiert, um wieder verstärkt einzusetzen. Seca¬
cornin und Calcium lacticum helfen diesmal nichts. Darauf Uteramin
Zyma (4 Tabletten täglich) und Calcium, ohne dass die Blutung ganz
aufhört. Schon seit vielen Jahren ist die Patientin sehr korpulent.
Voriges Jahr wegen dieser lange andauernde Blutungen Curettement
ohne Erfolg in einem Krankenhause. Patientin bekommt nun täglich
0,1 Thyreoidin zur Beeinflussung dieser ovariellen Blutung, denn um
eine solche handelt es sich. Status: Nullipara deflorata. Uterus ante¬
flektiert, normal gross, beweglich, Adnexe und Parametrien nicht ver¬
ändert. Kein Fluor. Nach ungefähr 8 Tagen hört die Blutung auf und
zessiert 14 Tage, ein in der letzten Zeit noch nie beobachtetes Intervall.
Da danach wieder eine Blutung auftritt, die bereits etwa 3 Wochen
anhält, wird Uteramin Zyma wieder in Tropfen verabreicht. Die Blutung
wird schwächer, hält aber an. Es werden nun 2 Thyreoidintabletten täg¬
lich verabreicht. Bis jetzt keine Gewichtsabnahme, weil die Patientin
die vorgesehriebene Diät nicht einhält. S
7. T. F., 26 Jahre alt, Dienstmädohen. Die Periode früher
immer regelmässig, 4 wöchentlich 5—6 Tage dauernd. Die im August
erwartete Periode trat zur richtigen Zeit ein, dauerte aber 8 Wochen.
Nach einmonatlioher Pause Beginn einer Blutung, die bis jetzt bereits
5 Wochen anhält. Keine Schmerzen. Seit längerer Zeit Ausfluss. 1 Par¬
tus. 1 Abortus. Uterus anteflektiert, normal gross. Adnexe und Para¬
metrien normal. Nachdem die Patientin 3 mal täglich 30 Tropfen Ute¬
ramin Zyma genommen bat, hört die Blutung am 3. Tage ganz auf.
8. A. W., 16 Jahre alt, Hilfsarbeiterin. Kindheitsanamnese belang¬
los. Erste Menses mit 15 Jahren. Die Periode dauert 14 Tage und setzt
naoh 8tägigem Intervalle wieder ein. 3—4 Tage vor Eintritt der Blu¬
tung Schmerzen krampfartiger Natur, die mit Einsetzen der Blutung auf¬
hören. Genitalbefund: Virgo. Bei rectaler Untersuchung Uterus normal
gross, antevertiert, flectiert beweglich. 3 mal täglich 1 Uteramintablette
Zyma. Die Blutungen werden in günstigem Sinne beeinflusst (bezüglich
Dauer und Stärke).
9. Frau A. P., 26 Jahre alt. Erste Menses mit 17 Jahren, immer
regelmässig, 4 wöchentlich, dauert 8 Tage, sehr stark. Keine Schmerzen.
Vor 4 Jahren ein Abortus (6 Wochen). Curettement. Seitdem zeitweise
Schmerzen im Bauche. Letzte Periode 3. IX. um drei Tage verfrüht,
8 Tage dauernd. Am 24. IX. wieder Eintritt einer Blutung, die bis
jetzt (9. X.) anhält. Befund: Genitale einer Nullipara deflorata. Mutter¬
mund geschlossen. Retroversioflezio uteri fixata. Dreimal täglich 1 Tablette
Uteramin Zyma. Nach 4 Tabletten hört die Blutuog auf.
10. Frau E. K., 33 Jahre alt. Vor 3 Monaten consultierfe
Patientin uns wegen „grossen Bauches“. Periode damals regelmässig,
4 wöchentlich, anteponierend um einige Tage, 8 Tage dauernd, stark,
schmerzlos. Befund: Adipositas. Genitalbefund normal. Jetzt kommt
Patientin wegen einer starken, seit 14 Tagen dauernden Blutung. Abgang
von Stücken. Der Bauch ist kleiner geworden. Erste Menses mit 14 Jahren,
regelmässig um 5 Tage früher. 4 Entbindungen, zuletzt vor 5 Jahren.
Abortus 0. Genitale einer Multipara. Uterus teigig, nicht vergrössert,
anteflektiert, beweglich, nicht schmerzhaft. Sonst aormaler Genitalbefund.
Diagnose: Metropathia uteri. Thyreoidintabletten a 01 und 3 mal
täglich 30 Tropfen Uteramin Zyma. Die Blutung hört am 2. Tage auf.
11. Frau L. P., 39 Jahre alt. Periode war früher immer regel¬
mässig 4 wöchentlich, von 8 tägiger Dauer. Letzte Periode vor 3 Wochen.
8 Tage danach Einsetzen einer starken Blutung mit Abgang von Stücken,
die bis jetzt anhält. Schmerzen in der linken Unterbauofagegend und im
Kreuze. Vor 5 Jahren Adnextumoroperation in Leipzig. Kein Partus.
Kein Abortus. Befund: Anteversioflexio uteri. Uterus normal gross. Ad¬
nexe beiderseits nicht tastbar. Schmerzhafte Adhäsion links. 3 mal täglich
30 Tropfen Uteramin Zyma bringt die Blutung am 2. Tage zum Stillstand.
2
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1?42
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 43.
12. Frau F. S., 36 Jahre alt. Patientin leidet seit langer Zeit
an Ausfluss. Bis zum August immer regelmässige Periode in vier¬
wöchigem Intervalle, 4—6 Tage dauernd, seit dem 19. Lebensjahre.
Statt am 15. IX. 1913 tritt die Periode am 1. IX. ein und dauert
14 Tage sehr stark. Ara 29. IX. erscheint wieder die Periode und bleibt
sehr stark bis 7. X. Die "Wasche ist ganz durchblutet. Schmerzen im
Bauche bestanden nur bei der Blutung am 1. IX. Partus 0. Abortus 0.
Befund: Uterus anteflectiert, normal gross. Links und rechts (hinten)
von ihm beiderseits weiche, schmerzhafte Adnextumoren. Patientin be¬
kommt 3mal täglich 30 Tropfen Uteramin Zyma. Die Blutung lässt
bereits am 1. Tage nach und sistiert am 3. Tage vollständig.
Auf Grund dieser Resultate kommen wir zu dem Schlüsse,
dass das Uteramin Zyma auch in den gynäkologischen Fällen
ein brauchbares Stypticum darstellt.
Unter den Vorzügen des Uteramin Zyma gegenüber den Secale-
präparaten mochten wir hervorheben die wasserbelle Durchsichtig¬
keit der Lösung, den leicht salzigen Geschmack, die Ungiftigkeit.
Bei Injektionen des dünnflüssig beschaffenen Ampulleninhaltes
fallen die Schmerzlosigkeit, das Fehlen aller Reiz- oder Nach¬
wirkungen an der Injektionsstelle auf.
Aus dem Grossen Friedrichs-Waisenhaus der Stadt
Berlin in Rummelsburg (Chefarzt: Prof. Erich Müller).
Ueber die Anwendung der epifascialen (bzw.
intramuskulären) Neosalvarsaninjektionen nach
Wechselmann im Kindesalter.
Von
Dr. Hans Kern.
Auf der Luesabteilung unserer Anstalt, die seit Sommer 1009
besteht, und die 22 Betten umfasst, haben wir seit einiger Zeit
das Prinzip der gemischten Behandlung eingeführt, d. h. in eine
der üblichen Quecksilberkuren werden eine Anzahl, meist 4 bis 6,
Neosalvarsaninjektionen eingeschoben. Von reinen Neosalvarsan-
kuren sind wir abgekommen, da nach unserer Erfahrung die
Wirkung reiner Salvarsankuren bei der Lues congenita nicht nach¬
haltig genug war. Zu einem Urteil über den Erfolg bei Lues
acquisita reichen unsere Beobachtungen bisher nicht aus. Das
Prinzip der gemischten Kur haben wir festgehalten, wenn auch
die Art und Weise der Anordnung der Spritzen innerhalb der
einzelnen Kur gewechselt hat. Ueber die jetzt bei uns übliche
Methode der Therapie wird an anderer Stelle berichtet werden.
Bei der grossen Anzahl der Neosalvarsaninjektionen, die sich
bei der genannten Art der Kuren ergibt, kommen wöchentlich
eine stattliche Anzahl von Injektionen zusammen. In erster Linie
versuchen wir das Neosalvarsan intravenös zu verabreichen. Das
geht in vielen Fällen anstandslos, vor allem bei Säuglingen in
die Schädelvenen, dann wieder bei älteren Kindern in die Cubital-
venen. Aber gerade bei den Kindern im 2.—7. Lebensjahre ist
es vielfach nicht möglich, eine passende Vene zu bekommen.
Wir haben deshalb die intramuskuläre oder richtiger epifasciale
Methode nach Wechsel mann 1 ) mit Freuden aufgenommen.
Nachdem ich durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Professor
Wecbselmann die Methode in seiner Klinik persönlich kennen
gelernt habe — wofür ich ihm an dieser Stelle bestens danken
möchte —, haben wir ans ihrer seit August 1913 in ausgedehntem
Maasse bedient, und wenn wir auch nicht über sehr viele Fälle
verfügen, so sei der Bericht über unsere Erfahrungen im Kindes¬
alter doch gestattet, zumal wir, um es gleich vorauszunehmen,
mit der Methode sehr zufrieden sind.
Die epifasciale Methode, wie sie Wechselmann verlangt,
erfordert eine gewisse Technik, die aber bei einiger Uebuog und
Geduld unschwer gelernt werden kann. Es kommt darauf an,
das Depot durch die Spritze genau auf die Fascie, aber auch nur
auf die Fascie zu bringen. Wir haben uns zunächst streng an
die Anweisungen des Autors gehalten; unsere eigenen Erfahrungen
zeigen folgendes, speziell für das Kindesalter Bemerkenswerte:
Das rauhe Gefühl der über die Fascie hinweggleitenden Nadel¬
spitze ist typisch, ist aber bei weitem nicht überall zu bekommen.
Das hängt wohl mit der noch geringen Entwicklung der Fascie
bei kleinen Rindern zusammen. Regelmässig dagegen fanden wir
freie Beweglichkeit der Nadelspitze, sehr leichte Entleerbarkeit
1) Wechselmann, Ueber 1000 subcutane Neosalvarsaninjektionen.
ii.m.W., 1913, Nr. 24.
der Spritze, Regurgitieren der probeweise injizierten Kochsalz-
lösung ans der dicken Kanüle sowie freie Beweglichkeit der Nadel
nm ihre eigene Längsachse 1 ).
Die Injektionsflüssigkeit bestand aus frisch sterilisierter Koch¬
salzlösung oder neuerdings nur frisch sterilisiertem Leitungswasser
als Vehikel. Wir haben von einfachem Leitungswasser nie Nach¬
teiliges sehen können. Die Konzentration haben wir im Laufe
der Zeit immer mehr gesteigert. Die bei uns üblichen Dosen von
0,015 g Neosalvarsan pro Kilogramm Körpergewicht lösten wir
anfangs in 2, sehr bald dann in 1 ccm Flüssigkeit auf, mehr und
mehr aber benutzten wir unter dem Einfluss von Wechselmann
selbst 2 ) noch konzentriertere Lösungen, und schon Mitte März 1914
sind wir zu 100 proz. Lösungen bei älteren Kindern übergegasgen.
Bei den Säuglingen, die im allgemeinen dem Gewicht entsprechend
nur Dosen von 0,03 bis 0,1 g Neosalvarsan erhalten, werden diese
Mengen in 0,2 bis 0,3 ccm gelöst. Wir benutzen dabei gern
Rekordspritzen von 0,5 ccm Inhalt, die in 10 Teile eingeteilt sind.
Wir haben von August 1913 bis Juni 1914 148 epifasciale !
Injektionen bei 50 Kindern gemacht. Die intravenösen Injektionen ‘
gingen daneben her. Der jüngste Patient war 2 Monate, der j
älteste 17V 2 Jahre alt. *
In den ersten Wochen bekamen wir anfangs doch einige In- j
filtrate, die später mit einer gewissen Sicherheit sich vermeiden ,!
Hessen. Unsere letzten, speziell mit hochkonzentrierten Lösungen
gespritzten Kinder blieben mit vereinzelten Ausnahmen frei von [
Infiltraten. Wenige unserer ersten Infiltrate sind etwas stärker
geworden, aber alle haben sich nach einiger Zeit spontan zarück-
gebildet. Seit Mitte März, dem Uebergang zn hochkonzentrierten P
Lösungen, haben wir unter 88 Gespritzten nur noch 3 Infiltrate
und dazu noch ganz unbedeutender Art gehabt, so dass wir den f
Nachdruck auf ©ine hohe Einengung der Neosalvarsan- ;
lösung (100 proz. Lösung) bei guter Technik legen. Dass dieser j“
letzteren eine ziemliche Bedeutung zukommen muss, gebt daran« J
hervor, dass die verschiedenen Kollegen unserer Anstalt bei sonst 1
gleicher Methode durchaus nicht den gleichen Prozentsatz an In-
filtrationen hatten.
Beim Kind hat die Methode gegenüber dem Erwachsenen H
eine Schwierigkeit, die nicht ansser acht zu lassen ist und die Lr j
an unseren ersten Infiltraten mit Schuld gewesen sein mag: Die
Injektion ist etwas schmerzhaft; während nun die Erwachsenen
und vielleicht auch das ältere Kind ruhig liegen bleiben und den {>;
massigen Schmerz verbeissen, verhalten sich gerade die kleinen .•
Kinder natürlich stark abgeneigt gegen die Injektion. Sie ent- ■
wickeln mit ihrer gesamten Beckengegend eine grosse Kraft, so “
dass die Nadel, selbst wenn sie richtig sitzt, wovon man sich
durch die erwähnten Kautelen überzeugt hat, durch einen kleinen
Ruck wieder aus ihrer richtigen Lage gebracht werden kann, j f
was hie und da den Injizierenden auf eine harte Geduldsprobe -
stellt. Oft hatten wir dabei, und besonders bei Säuglingen, den
Eindruck, dass aus der geplanten epifascialen eine intramuskuläre
Injektion geworden war. Trotzdem blieb aber eine Infiltrat¬
bildung fast immer aus, so dass bei den kleinen Kindern an
die Stelle der epifascialen gut die intramuskuläre Iojektion
treten kann, was die Einführung in die Praxis natürlich wesent¬
lich erleichtert.
Einen Unterschied der Wirkungsweise gegenüber den intra¬
venösen Injektionen konnten wir klinisch nicht feststellen, da es ja
meist Kinder in chronischer Behandlung waren. Durch die In¬
jektion wird im Körper ein Depot geschaffen, von dem aus in
langsamer, kontinuierlicher Dosis Salvarsan an die Spirochäten
in den Geweben des Körpers herangeführt wird. Es kommt, wie
schon von anderer Seite im Urin nachgewieseo, za einer lang¬
samen Salvarsan Verbreitung im Organismus, während eioe stürmische
Ueberflutung desselben vermieden wird, ein Vorteil, der gegen¬
über der intravenösen Verabreichung nicht zu unterschätzen ist.
Alles zusammengefasst sind wir also mit dieser epifascialen
oder intramuskulären Methode änsserst zufrieden. Sie ermöglicht
uns oft überhaupt erst die Anwendung des Neosalvarsans. Dar 10
sehen wir ihren grossen Wert für das kindliche Alter. Wir be¬
nutzen sie, wenn intravenöse Injektionen nicht am Platze sied
oder aus technischen Gründen nicht gemacht werden können. D>®
Bildung von Infiltraten lässt sich bei einiger Uebung fast im® er
i vermeiden. Die Technik ist nicht ganz einfach, lässt sich aber
1) Wechselmann und Eicke, Zur Technik und Wirkung Wb-
cutaner Neosalvarsaninjektionen. M.m.W., 1914, Nr. 10.
2) 1. c.
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UNIVERSITY OF IOWA
26. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1743
erlernen. Wir glauben die Methode allgemein und speziell auch
den Kinderärzten aufs wärmste empfehlen zu können.
Zum Schluss möchte ich Herrn Dr. Ewer, der mir bei der
Sammlung des Materials behilflich war, meinen besten Dank aus¬
sprech en.
Aus dem pathologischen Institut des städtischen
Krankenhauses in Wiesbaden (Prof. Dr. Herxheimer).
Ueber die angeborene Wassersucht.
Von
Dr. Hans Wienskowitz.
(Schluss.)
Bleiben wir zunächst noch etwas bei der Morphologie,
vor allem der mikroskopischen Befunde der angeborenen
Wassersucht, so bestätigen unsere zwei Fälle, wie alle bisher
veröffentlichten, dass Schridde auf Grund seiner ersten drei
Fälle durchaus berechtigt war, diese typisch zu nennen. Der
starke allgemeine Hydrops zusammen mit den ganz excessiven
Blntbildungsherden, deren Zusammensetzung aus Erythroblasten
und Myeloblasten, die Verteilung der Herde auf Organe usw.,
die starke Hämosiderose, das Fehlen oder Zurücktreten des folli¬
kulären Apparates der Milz sind allen diesen Fällen mit nur
geringen quantitativen Schwankungen eigen. Die geringen
Unterschiede in deu morphologischen Befunden sollen
noch kurz gestreift werden.
So treten die multiplen kleinen Blutungen in unseren beiden
Fällen ebenso wie in den Fischers und Rautmanns weit
schärfer hervor als in Schnödes Schilderung oder im Falle
Loths; aber auch dieser Puqkt spricht dafür, dass es sich hier
um eine Bluterkranknng handelt. Die Hämosiderose wurde in der
Leber von allen Antoren beobachtet; der Hämosideringehalt der
Milz schwankt und war bei Schridde ausgesprochen, fehlt hin¬
gegen in unserem Falle, wie in dem Rautmanns und auch wohl
Loths. Während Schridde auf Grund seiner drei Fälle ein
gewisses Gewicht auf die von ihm stets gefundene Herzbyper-
tropbie legt, wurde diese dann aber von Fischer, Rautmann,
Loth vermisst und fand sich auch in unseren beiden Fällen
nicht; sie ist wohl nur eine Folge der Blutveränderung und des
Hydrops und offenbar keine unbedingte Teilerscheinung der in
Rede stehenden Fälle, sondern nur eine Erscheinung von sekun¬
därem Charakter, die auftreten oder fehlen kann, eventuell ab-
hängig von Dauer und Ausbildung der Erkrankung. Ebenso eine
sekundäre Bedeutung hat offenbar die von Fischer wie von uns
gesehene Bindegewebsvermehrung der Leber, welche Schridde
für seine Fälle nicht erwähnt. Sie ist wohl auf eine Schädigung
der Leberzellen durch Anämie und Blutbildungsherde zurückzu¬
führen. Das eigentümliche schmutzig grüngelbe Pigment, welches
Schridde in den Nierenepithelien fand, scheint zu schwanken.
Loth fand dasselbe auch, Rautmann vermisste es. Fischer
konnte es in mehreren Fällen nicht finden, hingegen in seinem
4. Fall. Wir vermissten es und fanden es je einmal. Nach
Fischers Untersuchungen und Reaktionen gehört das Pigment
einerseits zu den lipofuscinen fetthaltigen Abnutzungspigmenten,
andererseits möchte er es in irgendeinen Zusammenhang mit der
Blutveränderung bringen. Die genaue Natur dieses Pigmentes
ist noch völlig unbekannt, aber Fischer mag Recht haben, wenn
er an ein ähnliches Pigment in den Nierenzellen bei gewissen
Vergiftungen erinnert, denn wie mir Prof. Herxheimer mitteilt,
war ein im hiesigen Institut in einem Vergiftungsfalle in der
Niere beobachtetes Pigment dem in dem einen Falle des ange¬
borenen Hydrops gesehenen sehr ähnlich.
Ein sehr wichtiger Punkt ist die Natur der io dem Blut-
bildongsherd gefundenen Zellen. Schridde fand ganz über¬
wiegend Erythroblasten nnd Myeloblasten, ebenso alle Nach¬
untersucher, uud damit stimmen unsere Beobachtungen völlig
überein. Nur Rautmann spricht von dem, was alle anderen
Autoren als Myeloblasten auffassen, als grossen lympboiden
Zellen und hält sie für „basophile lymphoide Mutterzellen von
Erythroblasten“. Ich glaube nun, dass diese Ansicht keineswegs
genügend begründet ist. Diese Gruppe von Zellen weicht gar
*u sehr von den Erythroblasten, auch den basophilen, in Kern-
Struktur wie sonst ab, als dass man da eine Linie ziehen könnte;
8ie entsprechen ganz den Zellen, welche man je nachdem trotz
feinster Unterschiede als Myeloblasten oder Lymphoblasten auf¬
fassen könnte. Da ist nun der Ausfall der .Oxydasereaktion
äusserst wichtig, und diese fiel in unseren beiden Fällen stets
durchaus positiv aus, in Ausstrichen wie in Schnittpräparaten.
Auch Rautmann fand bei seinen grossen lymphoiden Zellen,
allerdings aber nur bei einer ganz geringen Zahl dieser, positive
Oxydasereaktion. Mir scheint diese vor allem bei ans so aus¬
gesprochen positiv ausgefallene Oxydasereaktion entschieden da¬
gegen zu sprechen, dass es sich hier um Erythroblasten oder
problematische Vorstufen solcher handelt und unbedingt für
den Myeloblastencharakter der Zellen zu sprechen; auch der Be¬
fund von Myelocyten im Blut steht damit im Einklang. Zum
Ueberfiuss kontrollierten wir noch Erythroblasten io einem
anderen Falle, wo sie sich zahlreich fanden, auf die Oxydase¬
reaktion and fanden diese stets negativ. Wir glauben daher
nach alledem, dass die Auffassung Rautmanns unrichtig ist,
und dass jene grossen Zellen Myeloblasten sind, wo¬
für sie auch Schridde und die anderen Autoren hielten, und
dass sie in den Blutbildungsherden an Zahl dicht hinter den
Erythroblasten kommen. Quantitativ finden sich natürlich aller¬
hand Schwankungen in den Zahlenverhältnissen der Blutzellen.
So fehlten in einem Falle Schriddes die Leukocyten überhaupt
Besonders stark zn schwanken scheint der Anteil der eosinophil
gekörnten Zellen. Schridde fand sie in einem Falle zahl¬
reich, in den anderen nicht. Auch Fischer fand sie häufig;
Rautmann spricht von zahlreichen eosinophilen Myelocyten.
ln unseren Fällen fanden sich die eosinophilen Zellen nirgends
in grosser Zahl.
Damit dürfte das Wichtigste der Morphologie der Erkrankung
erschöpft sein. Aber es fragt sich nun, unter welchem Bilde
lassen sich diese Erscheinungen zusammenfassen, um eine Er¬
krankung welcher Art handelt es sich? Offenbar ähnliche
Befunde waren früher öfters (so von Lahs, Siefart usw.) als
Leukämie gedeutet werden. Das wies nun Fischer mit gutem
Recht zurück und fasste die Blutveränderungen als Anämie auf.
Myelocyten, hochgradige extramedulläre Blutbildnngsherde, die
Hämosiderose sprächen dafür. Fischer spricht sich weniger
bestimmt aus, nimmt aber auch eine vermehrte Zerstörung von
Blut an und darauf einsetzende reparatorische vermehrte extra¬
medulläre Blntbildnng. Als Ursache liege eine toxische Schädigung
vor, die wahrscheinlich aus dem mütterlichen Organismus stamme
und auch die Schwangerschaftsnephritis der Matter (s. unten)
bedinge. Rautmann andererseits bezweifelt die Anämie und
fasst die Erythroblasten Wucherung „also nicht als reparatorisch,
sondern als rein pathologisch“ auf und spricht daher von einer
„Erythroblastose“; aber wir h£ben oben schon die Auffassung
Rautmanns, dass es sich hier nur um Erythroblasten handle,
zurückgewiesen. Ich glaube, dass wir auf jeden Fall die Blut-
bildungsherde als einen übertriebenen reparatorischen
Prozess auf fassen müssen als Folge einer Bluterkrankung
bezw. Blutbildungserkrankung des Embryo, die wir sehr
gut als Anämie bezeichnen dürfen, wenn auch bisher
lebendiges Blut der Kinder noch nicht untersucht ist. Auch
mögen die Verhältnisse hier bei der fötalen Erkrankung nicht
ganz dem entsprechen, was wir vom extrauterinen Leben her
gewöhnt sind. Der Hydrops erklärt sich wohl mit der Anämie.
Ob die Anämie durch toxische Substanzen bewirkt wird, oder ob
es sich um einen Bildungsfehler im Sinne der Unterentwickelung
bezw. Differenzierung des hämatopoetischen Systems handelt, auf
welche dann erst die besonders hochgradige Entwickelung der
extramedullären ßlutbildungsherde folgt — die zu den bei Anämie
zu findenden in Analogie steht, beim Fötus aber naturgemäss
weit hochgradiger einsetzt — ist schwer zu entscheiden. Gerade
unsere Fälle (s. unten) könnten auf das erstere hin weisen. Dass
die Ursache im mütterlichen Organismus zu suchen ist, dafür
führt Fischer wohl mit Recht an, dass die M&tteT manchmal
habituell abortieren, manchmal habituell Kinder mit angeborener
Wassersucht gebären. Gerade unsere Fälle sprechen gar sehr in
diesem Sinne.
Welche ätiologischen Momente können nun für die fötale
Bluterkrankung ins Feld geführt werden? Syphilis sicher nicht,
darin stimmen alle neueren Autoren mit Recht überein. Die
Organe des Neugeborenen wiesen nie luetische Veränderungen
auf, auch insbesondere nie Osteochondritis. Auf Spirochäten
wurde vielfach, aber stets vergeblich gesucht. So war es auch
in unseren Fällen. Auch die Wassermann-Reaktion war bei
den Kindern, wenn ausgeführt, stets negativ; auch in keinem
Falle fand sich sichere Syphilis der Mutter; allerdings waren
zuweilen in der Anamnese Fehl- oder Frühgeburten zu verzeichnen,
aber diese sind offenbar anders zn erklären (s. unten). Die be-
2 *
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UNIVERSUM OF IOWA
1744
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 43.
lastendste Anamnese in diesem Sinne hat besonders unser Fall,
und er gab wie ein Fall Fischer’s auch positive Wasser¬
mann-Reaktion der Mutter, aber Fischer lehnt mit Recht für
seinen Fall trotzdem ab, dass es sieb um Syphilis handelte, und
so ist es auch in unserem Falle, da nicht nur die Kinder nichts
von Lues aufwiesen, sondern auch die Mutter zur Sektion kam
und keinerlei Anzeichen einer syphilitischen Erkrankung bot.
Aber selbst wenn die Mutter syphilitisch gewesen, würden wir
die Syphilis als direkte Ursache der kindlichen Erkrankung nicht
anerkennen können. Syphilis an sich ist aus der Aetiologie
dieser auszuscheiden. Ganz neuerdings stellte allerdings
Labs (Gynäkologische Gesellschaft in Dresden 19. Februar 1914)
einen Fall von angeborenem Hydrops der Schridde’schen Form
vor, in welchem das Kind luetisch war. Mit Recht hält aber
auch Lahs die Erkrankung für eine Anämie und sieht in der
Lues wie sonst in anderen toxischen Momenten nnr die Grund¬
lage dieser.
Viel umstritten ist die Frage nach der Nephritis des
Kindes einerseits, der Mutter andererseits. Was zunächst
erstere angeht, so konnten Schridde, Fischer, Loth, Raut-
raann eine solche mit Sicherheit negieren, und das können wir
auch für unsere Fälle mit Bestimmheit tun. Nnr Sitzenfrey
(für Zwillinge mit angeborener Wassersucht) und Lieven be¬
haupten, bei den Kindern eine Nephritis festgestellt zu haben.
Es ist schwer zu sagen, ob diese Fälle zu der Schridde’schen
Form der Wassersucht mit Anämie gehören — der Sektionsbericht
dieser Fälle spricht dafür, aber die histologische Beschreibung
ist zur Entscheidung nicht genau genug —, allein es ist auch
sehr unwahrscheinlich, dass in diesen Fällen überhaupt Nephritis
vorlag. Sitzen frey und Lieven berufen sich nur auf Trübung
und Geschwollensein der Nierenepithelien, Nichtfärbbarkeit der
Epithelien und Zellinfiltration mit Blutungen; dass diese Angaben
nicht stichhaltig sind, darauf wiesen schon mit Recht Fischer
und Ludwig 1 ) (dessen eigener Fall mangels Blutbildungsherde
usw. nicht hierher zu zählen ist) hin. Die erstgenannten Er¬
scheinungen können postmortal oder durch das Oedem der Niere,
welches Lieven ausdrücklich vermerkt, bedingt sein, die Zell¬
infiltration und Blutungen aber Blutbildungsherde darstellen. Sei
dem wie es wolle, das absolute Fehlen irgend einer fötalen
Nephritis in den typischen Fällen, so auch den unseren,
lässt eine Bedeutung derselben für Anämie und Hydrops
der Kinder mit Sicherheit ausschliessen.
Schwieriger zu beurteilen ißt eine Nephritis, oder vielmehr
die sogenannte Schwangerschaftsnephritis der Mutter.
Sie findet sich in einem relativ grossen Prozentsatz der Fälle.
Schridde sah sie in zwei Fällen, Fischer in wenigstens drei,
ferner RautmanD, Sitzenfrey, Lieven und auch ältere Autoren.
Aber auf der anderen Seite stehen zwei Fälle von Schridde,
der Loth’sche, Fall wie der unsrige. Hier war von Nephritis
der Mutter nicht die Rede. Wir waren in der für die Entscheidung
dieser Frage glücklichen Lage, die Sektion auch der Mutter vor¬
nehmen zu können und konnten so eine Nephritis mit Sicherheit
ausschliessen. Fischer, welcher dieser Nephritis mehr Bedeutung
wie Schridde beilegen möchte, hält die Schwangerschaftsnephritis
wie den Hydrops der Kinder eventuell für coordiniert als Folgen
einer toxischen Infektion der Mutter während der Gravidität.
Aus alledem ist zu schliessen, dass die fötale Erkrankung
auf jeden Fall nicht an die mütterliche Nephritis ge¬
bunden ist, sondern dass es sich um einen toxischen Zustand
handelt, der die Anämie bewirkt und der höchstens in Beziehungen
zur mütterlichen Scbwangerschaftsnepbritis stehen könnte.
In unserem Falle nun — und gerade das macht ihn so
interessant — steht ein anderes ätiologisches Moment im Vorder¬
grund, und das ist die hochgradige Anämie der Mutter.
Sie ist wohl sekundär und auf Tuberkulose, und wenn solche
wirklich vorhanden war, eventuell auch auf die Syphilis zu be¬
ziehen. Diese mütterliche Anämie steht nun wohl sicher
in Beziehung zur Anämie der Kinder — es ist auch an
eine ähnliche Coincidenz, die in älteren Fällen öfters beobachtet
wurde, zu erinnern — und auch hier ist offenbar eine toxische
Einwirkung die Vermittlerin. Die hochgradige Anämie der
Mutter ist klinisch und anatomisch festgestellt, auch sie geht
mit Myelocyten- und vor allem MyeloblastenausschwemmuDg ein¬
her und besteht schon seit längerer Zeit. Ob die Ursache, welche
die mütterliche Anämie bewirkte, auch für die fötale anzu-
1) Ludwig, Zur Lehre der allgemeinen angeborenen Wassersucht.
Schweiz. Korr. Bl., 1912, Nr. 25.
schuldigen ist oder, was wohl wahrscheinlicher ist, infolge der
mütterlichen Anämie ein toxisches, schädigendes, bzw. die fötale
Blutbildung hinderndes Moment die kindliche Anämie bewirkte,
ist nicht sicher zu entscheiden. Auf jeden Fall weist diese auf¬
fallende Coincidenz darauf hin, dass die toxische Substanz,
welche die fötale Blutbildung schädigt, in letzter In¬
stanz im Stoffwechsel der Matter bedingt ist, von welcher
ja der fötale Stoffwechsel überhaupt abhängig ist. Hierfür spricht
auch ein zweiter Punkt, der nnsern Fall auszeichnet, das ist die
Tatsache, dass die von ans beschriebene Frau im Verlaufe
eines Jahres zwei Kinder bekam, die beide dieselbe
Form des angeborenen Hydrops aufwiesen und daran starben.
Dies ist selten und in den typischen Schridde’schen Fällen
noch nicht, wohl aber früher bei angeborener Wassersucht sebon
von Gierse, Krieger, Barton, E. Gohn, Rüge, Ribemont-
Desaignei, Ballantyne, Nachtigäller 1 ), Lahs beobachtet
worden. Bei Sitzenfrey waren es Zwillinge. Die schwere
Anämie der Matter bestand in unserem Falle während der ganzen
Zeit, und dieser Zustand war es somit, welcher offenbar die reci-
divierende Wassersucht bewirkte, also ein weiterer Hinweis anf
die Abhängigkeit dieser vom mütterlichen Zustand. Auch aaf
die toxische Substanz im Stoffwechsel der Matter ist wohl die
Tatsache zu beziehen, dass in unserem Falle, wie in relativ zahl
reichen der Literatur (z. B. Fischer, Rautmann, Loth) Tot¬
geburten und Frühgeburten den Geburten hydropischer
Kinder vorangegangen waren; ein solcher Zusammenhang
ergibt sich aus den einzelnen Fälleo als wahrscheinlicher, als
etwa eine syphilitische Aetiologie anzunehmen.
Ziehen wir aus alledem eineu Schluss, so handelt es sich
bei der zuerst von Schridde beschriebenen Form von ange¬
borenem Hydrops mit fötaler Anämie, von der wir ein sehr
typisches Beispiel recidivierender Art beschreiben konnten,
offenbar um die Folgen einer toxischen Einwirkung
auf die* fötale Blutbildung, höchstwahrscheinlich von
Seiten der Mutter. Die Art dieser toxischen Substanz ist
völlig unbekannt und vielleicht auch komplexer Natur. Ob hier
Nephritis oder Schwangerschaftsnephritis eine Rolle spielt, ist
nicht sicher auszuschliessen, aber nicht sehr wahrscheinlich.
Unser Fall weist darauf bin, dass die toxische Substanz mit
einer schweren Anämie der Matter in Zusammenhang
stehen kann; ob dies öfters der Fall, kann erst eine grössere
Statistik ergeben. Spezifisch für die fötale Anämie ist die Anämie
der Mutter naturgemäss nicht.
Dass diese Auffassung, dass allerhand schädigende Einflüsse
Anämie und Hydrops der Neugeborenen bewirken, richtig ist,
dafür sprechen, wie zum Schlüsse bemerkt sei, auch sehr inter¬
essante ältere Versuche. Dareste 2 ) ist es nämlich gelangen, am
Hühnerembryo einen allgemeinen Hydrops mit Anämie hervor-
zurufen; indem er die verschiedensten schädigenden Einflüsse,
wie zu hohe oder zu niedere Temperatnr, Ueberziehen des Eies
mit Firniss, Umdrehen der Eipole usw. einwirken liess, erzengte
er verschiedene Missbildungen, und ausser Anencephalie, Spina
bifida usw. sab er öfters universellen Hydrops auftreten, zugleich
mit Anämie. Dareste meint, dass die Anämie einfach darauf
zurückzuführen sei, dass zur Zeit der Blutinseln in der Area vas-
culosa infolge der von aussen gesetzten Schädigungen keine Ver¬
bindung der Gefässzone mit dem fötalen Organismus zustande
komme. Infolgedessen sei das embryonale Blut farblos und könne
auch infolge des Eiweissmangels alle Organe und Gewebe darch-
dringen. Mangels näherer Angaben von Dareste war @8 mir
leider nicht möglich, die Versuche neu zu wiederholen, sie sind
aber auch in Hinblick auf die ätiologische Seite der allgemeinen
Wassersucht von Interesse.
1) Nachtigäller, Ein Fall von habituellem Hydrops foetus. Diss.,
Berlin 1896.
2) Dareste, Recherches sur 1& production artificielle des mon-
struositös. Deuxieme editiou, Paris 1891. — Ausserdem siehe noco:
Kleba, Ueber Hydrops der Neugeborenen. Prag. m. Wschr., 1®78. “■
Mattersdorf, Allgemeines Oedem der Frucht und der Placenta. Dim*»
Breslau 1891. — Gärtner, Beitrag zur Kasuistik des Hydrops foetalis.
Diss., Leipzig 1905. — Gruss, Zwei Fälle von fötalem Ascites, üiä.
Strassburg 1908. — Brookhuizen, Hydrops foetus universalis. F)iss.,
Groningen 1908. — Schridde, Die angeborene allgemeine Wassersucn.
D.m.W., 1911, Nr. 9. (Freiburger med. Gesellschaft, 6. Februar
v. Pieverling, Ueber fötale Wassersucht. Diss., München 191L
Teuf fei, Zur Pathologie des Hydrops universalis foetus et pl* centa '
Zbl. f. Gyn., 1911, Nr. 10. — Nyhoff, Zur Pathologie des Hydrops
universalis foetus et placentae. Zbl. f. Gyn., 1911, Nr. 22.
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UNIVERSUM OF IOWA
26 Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Der Pfeil als Fliegerwaffe.
Von
Prof. Coenen,
Oberarzt der Kooigl. chirurgischen Klinik in Breslau, kommandiert zur 2. Sanitfus-
kompagnij des VI. Armeekorps.
Im jetzigen Kriege haben die französischen Flieger sich mit
einer neuen Waffe ausgerüstet, die dem Vernehmen nach schon
einige Verletzungen zur Folge gehabt hat. Es sind kurze Pfeile
aus Eisen, die die feindlichen Flieger auf unsere Soldaten herab-
werfen. Ein solcher Pfeil hat ungefähr die Form und Grösse
eines angespitzten Bleistiftes. Das untere Drittel ist zugespitzt
und massiv, während die oberen zwei Drittel der Länge nach in
Quadranten ausgestanzt sind, so dass der Durchschnitt von oben
gesehen kreuzförmig ausfällt. Durch diese Bauart erreicht der
Französische Fliegerpfeile. (% natürl. Grösse.)
eiserne Pfeil die Schwere der Spitze, die Leichtigkeit des hinteren
(= oberen) Endes und die Führung in der Luft in ähnlicher
Weise, wie der gefiederte Pfeil des Indianers. Da diese Waffe
aus dem Flugzeug nur herausgeworfen zu werden braucht, um sofort
unter dem Gesetze der grössten Kraftquelle der Erde, der Schwer¬
kraft, sich einzustellen und in beschleunigtem Tempo durch die
Luft zu zischen und mit der Spitze aufzuschlagen und zu ver¬
letzen, so ist die Anwendung ausserordentlich einfach. Es ist
ohne Zweifel die geistreiche Anwendung einer uralten Waffe in
einer neuen technischen und kriegerischen Aera. Ob aber die
Erwartungen, die die Franzosen au diese neue Waffe knüpfen,
sich erfüllen werden, ist' zweifelhaft, denn nur der Zufall
kann mal das Ziel treffen, zumal die Streuung fehlt, wie
sie bei der Handgranate, die unsere Flieger führen, möglich ist.
Auf eng zusammenliegende Truppen im Biwak, auf gesammelte
Kavallerie, Protzensammelstellen u. dgl. könnten die eisernen
Fliegerpfeile aber vielleicht Verletzungen erzeugen, wenn sie in
grosser Menge herabgeschleudert werden. Dies setzt aber wieder
einen grossen Ballast voraus.
In der letzten Nacht wurden eine Anzahl derartiger Pfeile
auf eine Pionierkompagnie herabgeworfen. Verletzt wurde nie¬
mand. Die Soldaten gaben an, dass man beim Einschlagen in
die Erde ein dumpfes Geräusch höre, einige wollen auch das
Zischen der durchschnittenen Luft bemerkt haben. Es wurden
etwa 50 solcher Pfeile am anderen Morgen gefunden, die etwa zu
zwei Dritteln in der Erde staken und teilweise gekrümmt waren.
Das Gewicht eines Pfeiles beträgt 20 g, die Länge ist 12 cm, der
Durchmesser 0,8. Sollten wir Gelegenheit haben, so werden wir
über die von den Fliegerpfeilen gesetzten Verletzungen berichten.
Beine b. Reims, den 30. September 1914.
Bücherbesprechungen.
Adolf Strümpell, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie.
2 Bände, 19. vielfach verbesserte Auflage. Leipzig 1914,
F. C. W. Vogel.
Wenn von irgend einem Buch das Wort gilt: dass es das Lehrbuch
seiner Zeit geworden sei, so gilt dies von dem alten, nunmehr zum
18. Male verjüngten Strümpell. Auch die neue Auflage trägt allen
wesentlichen Fortschritten der inneren Medizin Rechnung. Es ist auf
solider klinischer und pathologischer Erfahrung aufgebaut. Es ist mir
stets ein Genuss, der anschaulichen Darstellung der Nervenkrankheiten
in dem Strümpeil’schen Buch zu folgen. In einer früheren Besprechung
des Buches habe ich schon einmal hervorgehoben, dass ein Buch aus
der Feder eines Mannes gewisse unbestrittene Vorzüge besitzt gegen¬
über den Eindutzendmänner-Büchern unserer Zeit. Das persönliche,
subjektive, das sich durch das Buch eines Autors zieht, verleiht der
Darstellung eine eigenartige Frische. Ein Buch beim Erscheinen der
19. Auflage besonders zu empfehlen, hiesse Eulen nach Athen tragen.
Ein solches Buch bedarf keiner weiteren Empfehlung.
C. Hirsch Göttingen.
Lehrbuch der psychiatrischen Diagnostik von Privatdozent Dr.
Adalbert Gregor, Oberarzt an der Kgl. Heilanstalt Dösen-Leipzig.
Mit 7 Abbildungen. Berlin 1914, S. Karger. 240 S. Preis brosch.
4,80 M., geh. 5,80 M.
In Anbetracht der zahlreichen, z. T. ganz ausgezeichneten heute
vorhandenen durchaus modernen Leitfäden und Diagnostiken in der
Psychiatrie erscheint es einigermaassen zweifelhaft, ob ein Bedürfnis nach
einem neuen derartigen Werk vorlag. Das vorliegende, das unter Berück¬
sichtigung vielleicht allzu vieler Detäilfragen zusammengestellt ist, er¬
scheint mir für seinen Zweck zu umfangreich und enthält im einzelnen
eine Reihe von sehr anfechtbaren Behauptungen.
A. Margulies-Prag: Diagnostik der Nervenkrankheiten. Erster Band.
Allgemeiner pathologischer Teil. Mit 13 Abbildungen. Berlin
1914, S. Karger. 124 S. Preis brosch. 3 M., geb. 4 M.
Das Buch bringt in seinem ersten vorliegenden Teil, der nach dem
Plan des Autors, dem er im Vorwort Ausdruck gibt, mehr für den Ge¬
brauch von Studenten bestimmt sein soll, in gedrängter Form alles zur
Stellung einer neurologischen Diagnose Wünschenswerte und Notwendige.
Es ist in übersichtlicher Weise in zehn Kapitel gegliedert, die die Stö¬
rungen der Motilität, Sensibilität, der Reflexe, die Erkrankungen des
Grosshirns, des Kleinhirns, der Hirnnerven und des Rückenmarks, des
Sympatbicus, die Untersuchungen des Liquor cerebrospinalis und schliess¬
lich auch die neuesten Forschungen berücksichtigen, die Störungen der
inneren Sekretion und ihren Einfluss auf das Nervensystem behandeln.
Man kann dem Buch im Interesse der besseren neurologischen Ausbildung
von Studierenden nur eine ausgedehnte Verbreitung wünschen.
König - Kiel.
Th. Heller: Pädagogische Therapie für praktische Aerzte. Berlin
1914, Jul. Springer. 223 S.
Der bekannte Direktor der Grinzinger Heilanstalt für schwachsinnige
Kinder, der schon vor 20 Jahren in Wien bei der Naturforscherversammlung
die pädiatrische Sektion durch die Demonstration seelentauber Kinder
interessierte, bat, obwohl selbst nicht Arzt, mit dem vorliegenden Buche
dem ärztlichen Praktiker ein sehr nützliches Geschenk gemacht.
Es ist als ein Band der von Langstein, v. Noorden, v. Pirquet
und Schittenhelm herausgegebenen Enzyklopädie der klinischen
Medizin erschienen.
Die Beobachtung und Beurteilung psychisch abnormer Kinder gehört
im allgemeinen noch unter die schwachen Seiten des ärztlichen Unter¬
richtes und ganz besonders der beruflichen Wirksamkeit des Mediziners.
Sie stehen in oft noch recht unerquicklichem Gegensatz zu der unge¬
meinen Häufigkeit ihrer Inanspruchnahme seitens des Publikums. So
begegnet man denn nur allzuoft recht starken diagnostischen und nament¬
lich prognostischen Jrrtümern auf diesem Gebiete. Diesem Uebelstande
abzuhelfen, erscheint Helleres Buch recht geeignet. Es gliedert sich
in die Schilderung der geistigen Schwächezustände (Idiotie, Imbecillitat,
Debilität, Dementia infantilis und praecox und epileptischer Schwachsinn)
und in die Besprechung der nervösen und psychopathischen Konsti¬
tutionen.
Dass der Verf. nicht klinisch geschult ist, lässt sich vielleicht an
den nicht gerade sehr scharfen uod plastischen Definitionen und Ab¬
grenzungen der einzelnen genannten Formen entnehmen: ein freilich um
so entschuldbarerer Mangel, als hier auch die Kunst des erfahrenen
Klinikers es noch keineswegs zur Vollkommenheit gebracht hat, wie
schon aus den Citaten, die Verf. hier beibringt, ersehen werden kann.
Aber dass er ein trefflicher Beobachter ist, geht aus einer Menge
feiner Züge hervor, mit denen er die einzelnen Krankheitsbilder aus¬
stattet, z. B. bei der Darstellung des Verhaltens der Sinnesfunktionen
beim Idioten, des Trieblebens des Debilen.
Das Hauptgewicht des Buches liegt aber, wie ja schon sein Titel
besagt, auf dem Gebiete der Therapie. Und hier entfaltet nun der
Verf. eine solche Fülle, man möchte sagen Ueberfülle, von Gesichts¬
punkten in wohlgeordneter methodischer Betrachtung, wie sie einem
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taleotierten Pädagogen nur in jahrzehntelanger Erfahrung haben Besitz
werden können, ein Besitz, der auch durch die Beschäftigung mit den
Ergebnissen der experimentellen Psychologie bereichert erscheint.
Es wird bei jedem Abschnitt ein besonderes Kapitel der Erziehung
und ein zweites dem Unterricht gewidmet und hier jedesmal alles Er¬
denkbare zusammeDgetrageD, was zur Hebung und womöglich Heilung
des betreffenden krankhaften Zustandes geleistet werden kann.
Eindringlich finden sich die zahllosen Irrtümer und Fehler aufge¬
deckt, die noch alltäglich in der Pädagogik psychisch anomaler Kinder
von seiten der Eltern, Lehrer und man kann wohl hinzufügen auch Aerzte
begangen werden. Jedem ärztlichen Berater von Familien, die das Un¬
glück haben, solche psychisch minderwertige Kinder erziehen zu müssen,
möchte ein Studium dieses Buches geraten werden. Es ist freilich
richtig, dass schliesslich alle die Maassnahmen und Methoden, deren
Entwicklung und Vervollkommnung der heilpadagogiscben Anstalten zu
verdanken ist, zu ihrer erfolgreichen Ausübung eben auf diese Austalten
angewiesen sind. Aber die Einführung in die Prinzipien, von denen
diese Methoden beherrscht werden, wird den Arzt doch auch in solchen
Fällen, wo eine Ueberlührung eines psychisch anomalen Kindes in eiue
Anstalt nicht, oder nicht sogleich zu ermöglichen ist, zu manchem guten
Rat an die Eltern befähigen und jedenfalls vor Missgriffen schützen.
Ja, es dürfte sogar statthaft sein, nachdem die Diagnose eines krank¬
haften Zustandes richtig gestellt ist, den Eltern oder Erziehern das
Heller’sehe Buch zum Studium in die Hand zu geben und auf das
betreffende Kapitel hinzuweisen. Ein Register gestattet die rasche
Orientierung in dem gut ausgestatteten Werke.
Ich habe es mit Vergnügen gelesen. Hbr.
R. 0. Nenmann und Martin Mayer: Atlas and Lehrbuch wichtiger
tierischer Parasiten und ihrer Ueberträger. Mit besonderer
Berücksichtigung der Tropenpathologie. (Lehmann’s medizini¬
sche Atlanten). Bd. 11. Mit 1300 farbigen Abbildungen auf 45
lithographischen Tafeln und 237 schwarzen Textfiguren. München
1014, J. F. Lebmann’s Verlag. 580 Seiten Text des Lehrbuchs
und 93 Seiten erläuternder Text des Atlas. Preis geh. 40 M.
Das Werk ist in 2 Abschnitte gegliedert, in den textlichen Teil
und in deu illustrativen, zwischen welche das Sehlagwörterverzeichnis
eingeschaltet ist. Ein kurzes Inhaltsverzeichnis und eine Uebersicht über
den luhalt der Tafeln ist an die Spitze des Buches gesetzt. Dem Zwecke
desselben entsprechend, der medizinischen Praxis zu dienen und
zwar als Lehrbuch für Studierende und als Nachschlagewerk für den
Praktiker ist die Anordnung des Stoffes durchaus übersichtlich und klar
gehalten, und es werden lediglich den Spezialforscher interessierende
Fragen nur gestreift. Die praktisch wichtigen Kapitel dagegen sind aus¬
führlich behandelt, z. B. nimmt die wichtige Materie der Spirochäten den
breiten Raum von 38 Druckseiten ein. Jedem Kapitel ist die wichtigste
Literatur vorausgeschickt, dann folgt meist eine kurze historische Notiz,
an welche sich die Morphologie und Biologie, die geographische Ver¬
breitung des betreffenden Parasiten, die Klinik, pathologische Anatomie,
Sektionsbefunde, histologische und mikroskopische Details anreihen. Jedes¬
mal wird auf die Biologie und Anatomie, auf FaDg und Zucht, Präpara¬
tion, Versand und Konservierung der für die Parasitenforschung so
wichtigen Ueberträger eingeheud eingegaogen. Auch die allerneuesten
Ergebnisse sind, wie man sich durch Stichproben leicht überzeugen kann,
bereits berücksichtigt. Einen breiten Raum nimmt die Technik eiD,
die gerade für den selbsttätigen Praktiker von besonderer Bedeutung ist.
Die Auslührung der farbigen Tafeln des Atlas entspricht durchaus
dem hohen Stand unserer modernen Illustrationstechnik. Wer die grossen
Herstellungskosten farbiger Lithographien kennt, wird über den billigen
Preis des Werkes bei dieser Fülle von vorzüglichen Abbildungen erstaunt
sein. An Naturtreue und Reichhaltigkeit übertriilt der Neu mann-
Mayer’sche Atlas meines Erachtens den ausgezeichneten Atlas de para-
sitologie von Deschiens. Weniger begeistert darf man von einzelnen
schwarzen Abbildungen des Textes sein. Beispielsweise könnte die Text¬
figur 190, S. 483, ebensogut ein Stück Schweizerkäse, wie einen Echino¬
coccus multilocularis darstellen. Zu einem drastischen Vergleich fordert
auch die Figur 226 heraus, die so wenig instruktiv ist, dass sie ruhig
weggelassen werden könnte, ohne den Wert dieses vorzüglichen Buches
zu schmälern. Ich betrachte es als Recht und Pflicht der Besprechung,
auf derartige Mängel hinzuweisen, die übrigens in keiner Weise geeignet
sein könneo, den Gesamtwert dieser wissenschaftlichen Leitung irgendwie
herabzusetzen. Als Lapsus calami möchte ich die unrichtige Schreib¬
weise einzelner Autorennamen, z. B. Uhlenhut, auffassen. Ob die
Schreibweise Spirochaete schaudinni, Plasmodium kochi usf. sprachwissen¬
schaftlich begründet ist, will ich nicht entscheiden. Bei der Wandel¬
barkeit philologischer Anschauungen wäre es immerhin möglich.
Tilp-Strassburg i. E.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
E. Brezina und H. Reichel: Der Energieumsatz bei der Geh¬
arbeit. I. Ueber den Marsch auf horizontaler Bahn. (Biochem. Zschr.,
Bd. 63, H.2 u. 3, S. 170.) Beim Horizontal marsch hängt der Umsatz pro
Kilogramm Gesamtgewicht und Meter Weg bei massigen Geschwindig¬
keiten von der Geschwindigkeit nicht ab, und er variiert mit der Last
in der Weise, dass er für mittlere Lasten am geringsten ist und dass
der Zuschlag für andere Lasten als die optimale etwa dem Quadrat der
Lastdifferenz proportional ist. Jenseits der ökonomischen Maximal-
geschwindigkeit, die für alle Belastungen, mindestens für die praktisch
in Betracht kommenden, als gleich zu gelten hat, wächst der Umsatz
pro Kilogramm und Meter Weg mit arithmetisch wachsender Geschwindig¬
keit geometrisch, und zwar um so stärker, je grösser die Belastung ist.
Bei nicht forciertem (ökonomischem) Marsch also geht der Mann mit
mittleren Lasten (um 20 kg) am sparsamsten. Der Unbelastete darf
aber den Marsch mit dem geringsten Verlust forcieren, während jeder
Belastete für höhere Geschwindigkeit mehr büsst.
John C. Hemraeter-. VagnBhemmung und die anorganischen
Salze des Herzens. I. Mitteilung. Untersuchungen am Herzen von
Elasraobranehier. (ßioebern. Zschr., Bd. 63, H. 2 u. 3, S. 118.) Io einem
gereizten oder vagusgehemmten Herzen des Hundehaies bleibt der CaO-
Gehalt so gut wie unverändert, die MgO-Menge ist etwas erhöht und die
NaCI-Menge deutlich verringert. Der Gehalt des gereizten und ge¬
hemmten Herzens an KCl ist minimal gesteigert, die Steigerung betrug
in dem einen Falle 0,08 pCt., im andern 0,12 pCt.
John C. Herameter: Zur Biochemie des Vagnsproblems. II. Mit¬
teilung. Wechselseitige oder gekreuzte Circulation zwischen zwei Selachier-
herzen zur Entscheidung der Frage, ob Vagushemmung des einen Herzens
Verlangsamung oder Aufhebung der Funktion des andern durch Leitung
des Biutes von „A“ nach „B“ verursachen kann. (Biochem. Zschr.,
Bd. 63, H. 2 u. 3, S. 140.) Zwei Selacbierherzen wurden mittels Canülen
so miteinander verbunden, dass das Blut aus dem Herzen „A“ in das
Herz „B“ strömte und zunächst die Coronararterien von „B“ speiste.
WeriD man nun den Vagus von A reizte, so dass die Schlagfolge wesent¬
lich verlangsamt war oder gar Herzstillstand eintrat, schlug das Herz
„B“ im gleichen normalen Rhythmus weiter. Es wird also aus einem
gehemmten Herzen in das durebfliessende Blut nichts ausgeschieden,
was die Tätigkeit eines zweiten Herzens derselben Spezies verlangsamt
oder zum Stillstand bringt. Hiernach dürfte die Theorie, welche die
Vagushemmung durch Abspaltung von KCl aus dem Myocardium der
Tiere zu erklären versucht, nicht zutreffend sein, sondern die An¬
schauung von Luciani zu Recht bestehen, dass der Vagus die Herz¬
muskelfasern zum Stillstand bringt und sie in einen Zustand völliger
Erschlaffung versetzt.
A. Kr ei dl und E. Lenk: Der Einfluss des Fettgehaltes der Milch
auf ihre Labungsgeschwindigkeit. (Biochem. Zschr., Bd. 63, H. 2 u. 3,
S. 151.) Trotz gleicher Versuchsbedingungen schwankt die Labungszeit
verschiedener Milchsorten gaoz erheblich. Sie ist im wesentlichen ab¬
hängig vom Fettgehalt, und zwar labt eine Milch desto später, je fett¬
reicher sie ist. Wohlgemuth.
Therapie.
L. Halberstaedter-Berlin: Radinmtherapio äusserer Erkran¬
kungen. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 3) Günstige Er¬
folge ergab die Radiumbehandlung bei Ekzemen der verschiedensten Art,
bei Psoriasis und Lieben ruber planus, und zwar mit sehr schwachen
Bestrahlungen. Viel stärkere Dosen muss man bei Angiomen bzw.
Carcinomen und bei Keloiden anwendeD. Nicht sehr befriedigend waren
die Erfolge bei Lupus vulgaris, dagegen sehr gut bei Cancroiden und
Carcinomen der Haut und bei Verruca senilis, während die gewöhnlichen
Warzen nicht gleichmässig auf die Radiumstrahlen reagieren. Leucoplakie
wird mitunter günstig beeinflusst, während Carcinome der Wangen¬
schleimhaut und der Zunge sich nicht besserten. Geschwülste der Ton¬
sillen werden zum Teil günstig beeinflusst; Drüsenaffektionen aller Art
aber sehr gut. Immerwahr.
0 eh l er - Freiburg i. B.-. Zur Röntgentietentherapie bei chirurgischen
Krankheiten, mit besonderer Berücksichtigung der chirurgischen Tuber¬
kulose. (M.m.W., 1914, Nr. 40.) Die Wirkung der Röntgenstrahlen bei
chirurgischer Tuberkulose isb eklatant. Ein Fall von Kieferaktinomykosö
wurde ebenfalls günstig beeinflusst. Von operablen Tumoren wurden
nur die Cancroide des Gesichts mit gutem Erfolge bestrahlt. Bei vier
Mammacarcinomrecidiveu verschwanden die Knoten. Ein Sarkom, das
von der Fascie ausging, wurde vollständig zum Schwinden gebracht. I®
übrigen vertritt die chirurgische Klinik in Freiburg, aus der die Arbeit
hervorgegangen ist, im Gegensatz zu der doatigen gynäkologischen den
Standpunkt, dass operable Tumoren unbedingt operiert werden müssen.
Die Erfolge der Bestrahlung bei Strumen sind nicht befriedigend; das
Parenchym reagiert auf die Strahlen, nicht aber die Knoten.
Dünner.
Eder-Berlin: Zur Kenntnis der Eigenschaften der radinaktifen
Substanzen und ihrer Anwendung. (Msohr. f. Geb. u. Gyn., August
1914.) Es wurden Röhrchen mit 50 mg Radiumbromidaktivität ange¬
wandt und dabei nie Schädigungen beobachtet, wie vorher bei An¬
wendung grösserer Dosen. Grössere Tumoren werden 8 Tage lang täg¬
lich 8—12 Stunden bestrahlt, dann mehrere Wochen pausiert. Die
a-Strahlen kommen für therapeutische Zwecke nicht in Betracht, werden
auch schon durch die Glas- oder Silberhülle des Präparates absorbiert.
Die ^-Strahlen dringen nur 6—8 mm ins Gewebe ein, kommen also
hauptsächlich für die Behandlung von oberflächlichen Hautkrankheiten
I in Betracht und dürfen wegen ihrer stark zerstörenden Wirkung nur
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UNIVERSITY OF IOWA
26. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1747
kurze Zeit, 1—2 Stunden, einwirken. Will man nur die ^-Strahlen
wirken lassen, so wendet man Messingfilter von 1—1,5 mm, Aluminium¬
filter von 3—4 mm an. Die therapeutische Wirkung der ^-Strahlen
dürfte kaum weiter als 3—4 cm tief auf das Gewebe zerstörend ein¬
wirken. _ L. Zuntz.
Innere Medizin.
Koetzle-Str&ssburg: Herzblock und Herzschnss. (M.m.W.,. 1914,
Nr. 41.) Mitteilung eines sehr interessanten Falles von Herzschuss, bei
dem man annehmen muss, dass eine Verletzung des His’schen Bündels
erfolgte. Die verschiedenen Untersuchungen sprachen entschieden in
diesem Sinne. Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
R. Mohr-Königstein: Zur Kenntnis der Beeinflussung vegetativer
Centren durch die Hypnose. (M.m.W., 1914, Nr. 40.) Mitteilung eines
sehr interessanten Falles, bei dem durch hypnotische Suggestion einige
vegetative Centren beeinflusst werden konnten. Es gelang, durch Hypnose
beträchtliche Temperaturen hervorzurufen wie auch zum Verschwinden
zu bringen. Ebenso erzielte man bei der vorher anaciden Patientin
recht hohe Säurewerte des Magensaftes, und schliesslich bildeten sich
starke katarrhalische Symptome der Nasenschleimhaut zurück. Die
Patientin gehört zu der nach Kohnstamm bezeichnten Schizotbymie.
Dünner.
Kinderheilkunde.
R. Bieling: Der Einfluss von Extrakten endocriner Drüsen auf
den Mineralstoffwechsel und das Blutbild rachitischer Säuglinge.
(Biochem. Zscbr., Bd. 63, H. 2 u. 3, S. 95.) Die Injektion von Hamrael-
parathyreoideaextrakt bedingte beim Säugling deutliche Verbesserung der
Retention von P, Ca und Mg, die nach dem Aussetzen der Injektion
sich wieder rasch verlor. Gleichzeitig machte sich eine massige Lympho-
cytose mit Verminderung der neutrophilen Leukocyteu und der Mouo-
cyten bemerkbar. Kälbertbymus war ohne Einfluss auf die P-, Ca- und
Mg -Bilanz; im Blute aber wurde eine starke Vermehrung der Monocyten
auf Kosten der neutrophilen Leukocyten beobachtet. Durch die Injektion
von Hypophysenvorderlappenextrakt wurde die P-Biianz zwar günstig,
die Ca- und Mg -Bilanz dagegen ungünstig beeinflusst; im Blute zeigte
sich Monocytose und relative Leukopenie. Wohlgemuth.
R. Isenschmid und W. Schemensky - Frankfurt a. M.: Die Be¬
deutung der von Doehle beschriebenen Lenkocyteneinschlüsse für die
Scharlachdiagnose. (M.m.W., 1914, Nr. 39.) Das Fehlen der Doehle-
schen Körperchen bei einem fiebernden Kranken schliesst frischen
Scharlach aus. Der positive Befund von Körperchen schliefst Röteln
aus und macht Masern unwahrscheinlich. Diphtherie und lakunäre
Angina macht der positive Befund nur dann unwahrscheinlich, wenn sich
typisch geformte Einschlüsse in sehr grosser Zahl vorfinden.
A. Uffenheimer-Müncben: Gibt es einen „schädlichen Nahrangs¬
rest“ beim Säugling? (M.m.W., 1914, Nr. 40 u. 41.) Nach einem Vor¬
tag» gehalten in Stuttgart auf der gemeinsamen Taguög der Vereinigung
südwestdeutscher Kinderärzte und der Münchener Gesellschaft für Kinder¬
heilkunde. Das Kasein findet sich in den Stühlen mit Kuhmilch er¬
nährter Säuglinge, sowohl gesunder wie kranker, in den „Kaseinbröckeln“.
Es ist sogar noch einige Tage, nachdem zur Frauenmilchverabreichung
übergegangen ist, nachweisbar. Andererseits kann man in den Stühlen
grösserer Kinder und sogar Erwachsener in einem grossen Prozentsatz
Kasein finden. Der „Nahrungsrest“ ist also vorhanden. Ob er aber
„schädlich“ ist, bedarf noch weiterer Prüfung. Man kann vielleictat an¬
nehmen, dass das Kasein aus der unverdauten Nahruog stammt und
dass durch deren Fäulnisprozesse im Darm sich akute Ernährungs¬
störungen entwickeln. Es mag vielleicht noch andere Möglichkeiten
geben, wie der Nahrungsrest schädlich wirkt. Dünner.
Chirurgie.
A. Brentano -Berlin: Die Behandlung der Knochen- and Ge-
lenksehüsse. (D.m.W., 1914, Nr. 37.) Kurze Uebersicht.
v. Gaza-Leipzig: Ueber die sekundären Veränderungen (trauma¬
tische Malacie) nach Fr&ktnren des Os lunatum and Os navicalare
Wpi. (M.m.W., 1914, Nr. 41.) Vortrag, gehalten in der Medizinischen
Gesellschaft zu Leipzig am 21. Juli 1914. Die als traumatische Malacie
(ohne primäre Fraktur) am Os lunatum und am 03 uaviculare be¬
schriebene Erkrankung ist eine Infraktion oder Fraktur dieser Knochen,
hei der entweder primär durch Zermalmung der Knochenbälbchen um
die Bruchlinie herum oder sekundär durch Resorptions- und Appositions-
vorgänge der Kalksubstanz auf dem Röntgenbild eine fleckig lakunäre
Aufhellung zu sehen ist. Die Frakturlinie geht beim Os lunatum in der
Regel durch die Mitte des sichelförmigen Knochens. Die schweren
Knochenveränderungen in späteren Stadien der Mondbeinfrakturen sind
sekundärer Natur.
H. Schöppler-München: Myositis ossiflcans traumatica. (M.m.W.,
1914, Nr. 40.) Mitteilung eines Falles, bei dem sich nach einer Ellen¬
bogenluxation im Brachialis internus eine Myositis ossificans entwickelte.
Verf. glaubt, dass es sich in allen derartigen Fallen um Schädigungen
in den Weichteilen, in denen sieb der Prozess abspielt, handelt, welche
dazu führen, dass ein Teil dieses Gewebes zugrunde geht. Es entwickelt
sich nun auf Grund dieser Läsionen junges zellreiches Bindegewebe,
durch das der Verkalkungsprozess seine Bedingungen findet. Das Kalk¬
material stammt aus dem Kalkbestand des Skeletts. Dünner.
0. Hirsch: Operative Behandlung der Hypophysentnmoren.
(W.m.W., 1914, Nr. 37.) Es gibt drei Gruppen von Hypophysentumoreu:
1. Intrasellare solide Tumoren. 2. Intracranielle solide Tumoren, die
aus der Sella hinauswachsen. 3. Cystiscbe Tumoren (iDtrasellare oder
intracranielle). Macht ein Hypophysentumor Sehstörungen, muss er
über den Sellaeingaug hinausgewachsen sein und auf das Cbiasma
drücken. Auch das Röntgenbild gibt Aufschluss über den Sitz des
Tumors. Es wird sodann eine Reihe von Operationsmethoden angegeben.
Die endonasalen Methoden liefern betreffs Mortalität die günstigsten Re¬
sultate. Die nasalen Methoden sowie die intracraniellen geben nicht
die Möglichkeit der radikalen Entfernung der intracranielleu Tumoren.
Eine radikale Behandlung gestatten nur die intrasellaren und cystischen
Tumoren. Da also die intracraniellen Hypophysentumoren für keine
Methode radikal entfernbar, die intrasellaren und cystischen Tumoren
lür alle Methoden gleich leicht entfernbar sind, wird die in Lokal¬
anästhesie ausführbare endonasale Methode als die ungefährlichste am
meisten zu empfehlen sein. Ei an er.
Röntgenologie.
L. Moses-Frankfurt a. M.: Zum Schatze des Arztes bei Rüotgen-
darchlenchtang. (M.m.W., 1914, Nr. 40.) Angabe einer Durchleuchtungs¬
schutzwand. Dünner.
Urologie.
Orlowski-Berlin: Verursachen sterile Tripperfäden weissen Floss?
(D.m.W., 1914, Nr. 37.) Es ist wahrscheinlich, dass gonokokkeufrtie
Tripperfäden einen bakterienfreien Cervixkatarrh verursachen.
A. Arnold und H. Holzel-Leipzig: Ueber den Wert intravenöser
Arthigoninjektionen bei gonorrhoischen Prozessen. (M.m.W., 1914,
Xr. 38.) Bericht über 84 Fälle sicherer, zweifelhafter und bestimmt
nicht gonorrhoischer Natur. Im grossen und ganzen ist die Methode
diagnostisch verwertbar. Vorsicht bei Herzfehlern.
Renisch: Collargol und Arthigon. (M.m.W., 1914, Xr. 38.)
Collargol und Arthigon haben ihre bestimmten Indikationen. Collargol
bewährt sich bei akuten Komplikationen der Gonorrhöe sehr gut (8 bis
14 Tage hintereinander 5—10 ccm der 1 proz. Lösung intravenös). Na<'h
Abklingen der akuten Erscheinungen ist Arthigon intramuskulö-i (.in
4 tägigen Intervallen 0,25 steigend bis 2,0) oder intravenÖ3 (0,025 auf
0,2, im ganzen höchstens 5 Injektionen) indiziert.
0. Boeters - Zittau: Die Vaccinebehaodlnng der Gonorrhöe und
gonorrhoische Komplikationen. (D.m.W., 1914, Nr. 39.) Die Gor.o-
kokkenvaccinebebandlung ist sicherlich eine Bereicherung der Therapie,
nicht nur bei den direkten lokalen gonorrhoischen Komplikationen,
sondern auch bei der Behandlung der gonorrhoischen Metastasen. Ob
sie auch Einfluss auf die gonorrhoische Nephritis und Endocarditis hat,
ist noch nicht klinisch erwiesen. Auch diagnostisch sind Vaccine¬
injektionen zu verwerten. Dünner.
Pousson - Bordeaux: Ueber die chirurgische Behandlung der Hypo¬
spadie. (Zschr. f. Urol., 1914, Bd, 8, H. 6.) Bei den Bemühungen um
Rekonstruktion der Urethra bei perineoscrotaler Hypospadie gibt von
den in Betracht kommenden Methoden der Urethroplastik durch Tun¬
nelierung und der Urethroplastik durch Hautlappen Verf. der letzteren
den Vorzug. Was hauptsächlich die chirurgische Behandlung der Hypo¬
spadie in die Länge zieht, ist das Redressement des Penis durch Ab¬
trennung des Bandes, welches den Penis nach dem Scrotum hin ge¬
krümmt hält. Erst nach Gradstellung des Penis und vollständiger Ver¬
heilung der Narbe, die geschmeidig geworden sein muss, kann man an
die Wiederherstellung des Kanals gehen. Hierzu fügt Verf. noch ein
Redressement der Glans, die nach unten geneigt ist, durch Resektion
eines keilförmigen Segments aus dem vorderen Teil des Corpus caver-
nosum und tiefe Naht der die Lücke bildenden Wundränder. Erst dann
wird durch Ausschneidung von doppelten Hautlappen auf jeder Seite
neben der Ufethralrinne die neue Urethra gebildet. Die Methode bildet
eine Modifikation nach Duplay und Marion.
A. Al ex eie ff-Petersburg: Zur Diagnose der Ennresis nocturna.
(Zschr. f. Urol., 1914, Bd. 8, H. 6.) Bei den cystoskopischen Unter¬
suchungen der an Enuresis nocturna leidenden erwachsenen Patienten
fiel Verf. ein ganz bestimmtes, immer wiederkehrendes Symptom auf, das
auf eine bestehende Schwächung des Sphincters hinweist. Beim An¬
nähern des Cystoskopschnabels an den Sphincter, ohne einen Druck aus¬
zuüben, können folgende Erscheinungen beobachtet werden: es erscheinen
die Gefässe parallel zueinander verlaufend, und an Stelle des scharf um¬
schriebenen Sphincters mit Längsstreifung erblicken wir eine schräge
Abflachung, auf der rote Faserbündel verlaufen, die sich nach vorne zu
verjüngen und durch ganz dünne weisse Zwischenschichten voneinander
getrennt sind, häufig sieht man drei scharf hervortretende Bündel, über
denen sich der Samenhügel erbebt, der wie ein herabhängender Kegel
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 43.
aussiebt mit einer leichten Einsenkung (Atriculus masculinus) auf dem
spitzen Winkel. Bei Druck des Cystoskops an dieser Stelle ziehen sich
die Muskelbündel zusammen, der Colliculus nimmt an UmfaDg zu und
die cavernösen Körper des Gliedes schwellen an, das cystoskopiscbe
Gesichtsfeld verdunkelt sich, es bleibt nur noch der Colliculus. Das
Vorhandensein dieses Symptoms, den Colliculus zu sehen, fasst Verf. als
eine Bestätigung für eine bestehende Enuresis nocturna auf.
Legneu - Paris: Die Grenzen der Nepbrektonie. (Zschr. f. Urol.,
1914, Bd. 8, H. 6.) Bei der Feststellung, ob bei Entfernung einer Niere
die zurüokbleibende imstande ist, das Leben zu erhalten, waren mehrere
Methoden, die drei verschiedenen Epochen entsprachen, von denen jede
einen Fortschritt gegenüber deD anderen darstellt, von Bedeutung. Zu¬
erst stützte man sich allein auf die Konzentration des Harns, später
legte man Gewicht auf Anregung von Alberran auf den Harnstoff¬
umsatz, d. h. auf die Harnatoffmenge, die die Niere in zwei Stunden ab¬
scheidet. Später berechnete man die Abscbeidungen, die aus der Wasser¬
menge und der Konzentration sieb ergeben, und zwar mit Hilfe der ex¬
perimentellen Polyurie, indem man nicht die Summe des Wasserumsatzes
während zweier Stunden berücksichtigt, sondern die höchste Ziffer, die
man in einer halben Stunde erhält. Schliesslich ist die Frage der
Nephrektomie von dem Zahlenwert der Konstante und der Maximal¬
konzentration abhängig.
F. Kidd- London: Zwei neue Gesichtspunkte in der Frage der
Nephrektomie wegen Nierentnberknlose. (Zschr. f. Urol., 1914, Bd. 8,
H. 6.) Wenn in Fällen von Nierentuberkulose Cystoskopie und Katheteri-
sation der CJreteren unmöglich sind, so ist es nichtsdestoweniger mög¬
lich, durch Freilegung eines oder beider Ureteren im Becbenteil festzu¬
stellen, welche Niere infiziert ist. Das Geheimnis, wie man eiterlose
Heilung nach Nephrektomie wegen Tuberkulose erzielt, besteht darin,
die Niere intakt mit dem perirenalen Fettgewebe und der Fascie zu ent¬
fernen. L. Lipman-Wulf.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
Lalajanz - Berlin-. Ueber Pari um, «in nenes Steinkohlenteer-
präparat. (Derm. Zbl., Sept. 1914 ) Das Purium ist ein vorzügliches
und schnellwirkendes Mittel bei akuten, subakuten und chronischen
Ekzemen aller Art und Lichen chronicus simplex. Es mildert den
quälenden Juckreiz, beseitigt die fast immer vorhandene, mehr oder
weniger ausgesprochene Rötung und Schwellung, wirkt keratoplastisch
bei Erosionen und Rhagaden, löst die Verhornungen bei tylotiformen
Ekzemen und bringt die Lichenifikationen zur Resorption. Es erreicht
demuach im allgemeinen die Wirkungen des unverdünnten Steinkohlen¬
teers, ohne die unangenehmen Nebenwirkungen desselben (Geruch und
Farbe') zu entfalten. Die Anwendung geschieht in 2—lOproz. Salben,
PasteD, Lacken oder Linimenten.
P. Unna jun. - Hamburg: Pasta kalichlorici eam creta. (Derm.
Wscbr., 1914, Bd. 59, Nr. 39.) Verf. empfiehlt die „Pebecozahnpaste“
gegen Folliculitis staphylogenes des Rachens, die Acne pustulosa, papulo¬
pustulosa und folliculäre Ekzeme des Rumpfes auf fettreicher Haut, so¬
dann gegen alle Arten von Folliculitiden. Bei Acne und hartnäckigen
Folliculitiden setzt man der Paste zweckmässig noch 5—10 pCt.
Schwefel zu.
F. S. Adler-Frankfurt a. M.: Pigmentierte Urticaria. (Derm.
Zschr., Sept. 1914.) Der Fall des Verf. hatte klinisch sehr viele Aehn-
lichkeiten mit der Urticaria pigmentosa. Diese Diagnose musste aber
ausscheideD, da die histologische Untersuchung das Fehlen der für die
Urticaria pigmentosa charakteristischen Mastzellen ergab. Das klinische
wie auch das histologische Bild des vorliegenden Falles passt aber in
die Gruppe der Urticaria chronica cum pigmentatione.
A. Takahasbi-Tokio: Ekthyma gangraenosum im Verlauf von
Masern. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 3.) Klinisch kann
man vier verschiedene Formen des Ekthyma gangraenosum unterscheiden:
a) die gewöhnliche Form, bei der sich besonders an der Hinterfläche
der Beine, dem Fuss- und Handrücken, aus Bläschen Pusteln und Ge¬
schwüre entwickeln; b) die hämorrhagisch-nekrotische und c) die
phlegomonöse Form mit ihrem Namen entsprechenden primären Affektionen
der Haut, vorzugsweise des Unterleibes und der Genitalgegend, und
d) die furunkulöse Form mit der Lieblingslokalisation an Rumpf und
Kopf. Die Krankheit befällt fast nur Kinder in den ersten beiden
Lebensjahren, etwa 75pCt.; kann aber sehr selten auch noch in hohem
Alter Vorkommen. Die pathologisch-anatomischen Befunde gleichen
denen nach akuten Infektionskrankheiten; man findet ausser den typi-
sohen Hautgeschwüren eine septische Milz, degenerative Veränderungen
an den parenchymatösen Organen, bronchopneumonische Herde, Schwel¬
lungen des lymphatischen Apparates, gelegentlich subcutane Blutungen
und Darmgeschwüre. Die Veränderungen der Haut scheinen nach den
histologischen Bildern an den Schweissdrüsen zu beginnen. Die bakterio¬
logische Untersuchung ergab Streptokokken, Staphylokokken und ver¬
schiedene Diphtheroidbacillen, diese auch im Blut. Alle vom Verf. be¬
obachteten Fälle traten im Verlauf von Masern auf, durch welche eine
Ueberempfindlichkeit des kranken Organismus gegenüber bakteriellen
Infektionen hervorgerufen wird. Die Geschwüre selbst entstehen duroh
anaphylaktische Vorgänge in der Haut.
N. Anitschkow - Freiburg i. B.: Experimentelle Untersuchungen
über die Ablagerung von Cholesterinfetten im sibentanen Bindegewebe.
(Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 8.) Bei der künstlichen
Erhöhung .des Cholesteringehaltes im Organismus findet eine reichliche
Ablagerung von anisotropen Fetttropfen in den Makrophagen des Binde¬
gewebes statt, die sich dabei in typische Xanthomzellen verwandeln.
Wenn dabei infolge eines lokalen entzündlichen Reizes eine Anhäufung
von Makrophagen stattfindet, so wandeln sich auch diese Makrophagen
auf gleiche Weise, d. h. infolge einer Infiltration mit Cbolesterinfetten
in Xanthomzellen um, und es kommt zu bedeutenden Ansammlungen
dieser sehr charakteristischen Zellformen; ein Prozess, den man morpho¬
logisch und pathogenetisch in Parallele zu den Xanthelasmen des Menschen
stellen kann.
Prytek-Bern: PI asm ai eilen bei Epitheliomen der flati (Arch.
f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 3.) Bei Hautcarcinomen der ver¬
schiedensten Art, wenn sie ulceriert, aber auch wenn sie das nicht sind,
kommen Plasmazellen ausserordentlich häufig und oft in sehr grossen,
selbst tumorartigen Ansammlungen vor, ohne dass man bisher bestimmte
Regeln aufstellen könnte über ihre Beziehungen zu bestimmten Formen
der Epitheliome oder zu ihrer Wachstums- bzw. RückbilduDgstendenz.
Inga Saeves - Christiania: Ueber einen Fall von Ulcus perfsraai
mit Nenrinom am Nervus tibialis. (Arob. f. Derm. u. Syph., 1914,
Bd. 120, H. 3.) Bei einem Fall von Ulcus perforans fand sich am
Nervus tibialis ein Tumor, der pathologisch-anatomisch als Neurinom zu
diagnostizieren war.
C. Lennhoff - Bern: Beitrag zur Genese der weichen Filrtif,
nebst Bemerkungen über das Vorkommen von elastischen Fasern im
Epithel. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 8.) Die isolierten
Fibrome können aus einer Hyperkeratose des Follikels mit Vorstülpung
des parafollikulären Gewebes hervorgehen, wobei sich häufig elastisches
Gewebe im Epithel des Follikels findet.
H. Boas und J. Stürup-Kopenhagen: Untersuchungen über CltM-
reaktionen mit Organextrakten bei Syphilitikern. (Arch. f. Derm. u.
Syph., 1914, Bd. 120, H. 3.) Eine positive Cutanreaktion mit syphiliti¬
schem Organextrakt ist nach den Untersuchungen der Verff. bei tertiärer
Syphilis konstant. Die Versuche zeigen zugleich, dass man mit Extrakten
gewöhnlicher Bubonen nach Ulcera venerea dieselben Resultate erreichen
kann, wie mit syphilitischen Extrakten. Die Cutanreaktion wird vermut¬
lich von einer veränderten Empfänglichkeit („Umstimmung“) der flaut
der Syphilitiker und nicht von einer spezifischen Immunitätsreaktion
herrühren.
M. Michael-Berlin: Der Ieterift syphilitieis praecox unter be¬
sonderer Berücksichtigung der dabei auftretenden akuten gelbe* Leber-
atrophie. (Arch. f. Derm. u. Syph., 1914, Bd. 120, H. 3.) Im primären
und sekundären Stadium der Lues, in seltenen Fällen bereits vor Aus¬
bruch des Primäraffektes tritt mitunter Icterus auf. Dieser Icterus ist
als durch die Lues bedingt anzusehen, wenn andere ätiologische Momente
fehlen, wenn in seinem Gefolge Exantheme und Drüsenscbwellungen auf-
treten und der Icterus schlecht, oder gar nicht auf die gewöhnliche
diätetische, dagegen gut auf antisyphilitische Therapie reagiert In etwa
10 pCt. der Fälle tritt im Verlauf des syphilitischen Icterus eine akute
gelbe Leberatrophie auf, die mit vier Ausnahmen bisher zum Tode ge¬
führt hat. Die bisherigen hauptsächlichen Theorien über die Entstehung
des Icterus syphiliticus genügen nicht prinzipiell zu seiner Erklärung.
Es bandelt sich vielmehr, entsprechend der Auffassung Buschke’s,
wohl meist um eine durch eine syphilitische Affektion bedingte toxische
parenchymatöse Hepatitis, die alle Uebergänge von rein funktionellen
Leberzellzerstörungen bis zu vollständiger Zerstörung des Leberparen¬
chyms, der akuten gelben Leberatrophie aufweisen kann. Therapeutisch
kommt das Quecksilber in Form von Schmierkur und neben anderen
Hg-Präp&raten das Ealomel in Betracht.
U. J. Wile und J. H. Stokes-Michigan: Untersuchungen über den
Liquor cerebrospinalis in bezug auf die Beteiligung des Nervensystems
bei der seknndären Syphilis. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 87, 38
u. 39.) Ein grosser Teil, nämlich 68 pCt. aller im sekundären Stadium
der Syphilis befindlichen Patienten der Verff., bot an dem Liquor An¬
zeichen einer Affektion des Centralnervensystems dar. Wenn man diesen
hohen Prozentsatz der frühzeitigen Erkrankungen vergleicht mit dem
relativ geringen Prozentsatz der späteren Affektionen unter der Gesamt¬
zahl der Syphilitiker, muss man notwendigerweise zu dem Schlüsse^ge¬
langen, dass diese frühzeitigen Prozesse in der Regel von nu *‘* 0 J 1 !*
dauernder Art sind. Vorwiegend bei Fällen mit papulösen und folü-
kulären Hautläsionen neigt das Centralnervensystem besonders zur früh¬
zeitigen Beteiligung. Ausgesprochene subjektive Symptome, wie Köpft»,
Schlaflosigkeit und nervöse Reizbarkeit lassen in erster Linie einen posi¬
tiven Befund im Liquor erwarten. Im grossen und ganzen zeigten die*
jenigen Fälle, welche ungenügend oder gar nicht behandelt worden
waren, einen höheren Prozentsatz der Beteiligung, als diejenigen, welche
eine energische Behandlung durcbgemacht hatten. Affektionen des
Centralnervensystems fanden sich in relativ grosser Anzahl bei den¬
jenigen Fällen, die auch eine erheblichere Störung des Allgemeinbefindens
aufwiesen. Das häufigste Merkmal einer meningealen Reaktion war d
Steigerung des Gehalts an Albumin und Globulin, während die Wasser*
mann’scbe Reaktion an zweiter Stelle stand und die Lymphocytose den
letzten Platz einnahm. Als ein diagnostisches Hilfsmittel und gelegen
lieh als ein Anhaltspunkt in prognostischer Hinsicht kann der Wert ‘J«
Lumbalpunktion bei Fällen von sekundärer Syphilis kaum übersenat»
werden. Immerwabr.
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UMIVERSITY OF IOWA
26. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1749
A. Blumenfeld: Zur AbortiYbehandlnng der Syphilis. (W.m.W.,
1914, Nr. 27.) 1. Verschorfung des spirochätenhaltigen Primäraffektes
mit galvanokaustisoher Schlinge. 2. Salvarsankur. 3. Queoksilbertherapie.
Die Dauer der gesamten Behandlung erstreckte sich auf 2 V 2 —3 V 2 Monate.
Die Hauptrolle bei der Abortivbehandlung der Syphilis scheint das
Salvarsan zu spielen. In 12 Fällen von primärer Syphilis konnte durch
die kombinierte Behandlung völlige Symptomlosigkeit in klinischer und
serologischer Beziehung für 3 Jahre erreicht werden. Eisner.
E. Hoffmann-Bonn Zweimalige Abortivheiling der Syphilis bei
Reinfektion nach zwei Jahren. (M.m.W., 1914, Nr. 41.) Kasuistik.
Dünner.
C. Rasch - Kopenhagen: Fall von hämorrhagischer Encephalitis,
hervorgerufen durch Neosalrarsan. (Denn. Zschr., Sept. 1914.) Ein
20jähriges Mädchen,.welches drei Schmierkuren durchgemacht hatte, er¬
hielt erst 0,06 und nach 8 Tagen 0,075 Neosalvarsan. 9 Tage nach
der zweiten Infusion trat der Tod infolge Encephalitis haemorrhagica
ein. Allerdings litt das Mädchen an Imhecillität, von welcher Anomalie
Verf. erst 2 Tage vor dessen Tode unterrichtet wurde, was sonst für den
Verf. eine Kontraindikation gegen den Gebrauch von Salvarsan io voller
Dosis darstellt, da er ein imbeoilles Gehirn als locus minoris resistentiae
betrachtet.
A. Oettinger - Berlin: Herpes noster und Herpes zoster gangrae-
nosus nach Salvarsan. (Denn. Zsohr., Sept. 1914.) Der Herpes zoster
entsteht direkt im Anschluss an eine Salvarsaninfusion oder -injektion,
er kann sowohl nach der ersten, als auch nach jeder erneuten Sal-
varsandarreichung entstehen; ist er einmal enstanden, so kann nach
einer erneuten Salvarsandarreichung ein neuer Zoster sich an einer
anderen Körperstelle entwickeln.
Th. Fahr - Hamburg: Ueber einen Fall von tödlich verlaufener
Meningitis lnica neun Wochen nach dem Primäraffekt. (Derm. Wschr.,
1914, Bd. 59, Nr. 38.) Kasuistische Mitteilung. Immerwahr.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
Santi - Aroszo: Vergleichendes Studium über die Wirkung des
Hypophysenextraktes von trächtigen und nichtträchtigen Tieren auf die
glatte Muskelfaser. (Arch. f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) Die Versuche
wurden an der Oesophagusmuskulatur des Frosches angestellt, die
Kurven mittels Kymographion aufgeschrieben. Es liess sich einwandfrei
eine grössere Wirksamkeit des Hypophysenextraktes von einem trächtigen
Weibchen gegenüber jenen eines nicht trächtigen feststellen; dies zeigte
sich z. B. darin, dass der Oesophagus, der sich im Hypophysenextrakt
des nichtträchtigen Tieres infolge Ermüdung nicht mehr zusammenzog,
nach Zusatz des Extraktes eines trächtigen Tieres sich erneut kon¬
trahierte. L. Zuntz.
A. Hamm - Strassburg i. E.: Resorptionsfieber oder Reteitions-
Heber. (Nach einem in der Mittelrheinischen Gesellschaft für Gynäko¬
logie zu Frankfurt a. M. am 3. Mai 1914 gehaltenen Vortrag.) (M.m.W.,
1914, Nr. 38.) Sowohl die klinisch-bakteriologische Beobachtung als
auch die Tierexperimente fordern, dass der Begriff „Resorptionsfieber“
fallen gelassen werden muss; experimentell kann man zeigen, dass eine
Resorption auch unter normalen Verhältnissen in der Scheide erfolgt.
Darum erscheint es zweckmässig, für die Entstehung von Fieber nicht,
wie bisher üblich, die Resorption, sondern die Retention verantwortlich
zu machen. Nachdem der klassische Begriff des Resorptionsfiebers mit
der Vorstellung verknüpft war, dass es sich um Resorption von Stoff¬
wechselprodukten nichtpatbogener Keime handle, während wir heute
wissen, dass jene sogenannten Saprophyten zu den pathogenen Mikro¬
organismen gehören, andererseits selbst aus echten Saprophyten giftige
Abbauprodukte des körperfremden Bakterieneiweisses gebildet und resor¬
biert werden können, ist der Terminus Resorptionsfieber falsch.
Dünner.
S. Recasens- Madrid: Die totale tiebärmntterabtragang als Er¬
satz für den Kaiserschnitt in Fällen von Infektion. (Zbl. f. Gyn., 1914,
Nr. 39.) Die vollständige Abtragung des Uterus muss sehr schnell er¬
folgen, und es muss dafür gesorgt werden, dass von dem infizierten In¬
halt nichts in die Bauchhöhle gelangt. Dies gilt auch für den carci-
nomatosen schwangeren Uterus. Verf. beschreibt zwei solcher Fälle, in
denen er mit Hilfe der Wertheim’schen Klemmen, die eine wesentliche
Verbesserung der Technik mit sich bringen, einen infizierten und einen
carcinomatösen Uterus so schnell abgetragen hat, dass es möglich war,
aus dem abgetragenen Organ noch ein lebendes Kind zu entfernen.
Beide Fälle verliefen günstig für die Mutter. Siefert.
Beckmann-St. Petersburg: Ueber vorgeschrittene und ausgetragene
Extrauteringravidität. (Mschr. f. Geb. u. Gyn, August 1914) Be¬
schreibung eines Falles von 7monatiger und eines von ansgetragener
Gravidität; in letzterem Falle wurde ein lebendes Kind mit ziemlich
starken Deformitäten erzielt, das aber 4 Wochen post partum starb; die
Mütter gingen beide an Peritonitis zugrunde. Der zweite Fall war
durch Ruptur einer interstitiellen Schwangerschaft entstanden und zeigte
eine weite Kommunikation zwischen Uterushöhle und Eihöhle. Für die
Diagnose der vorgeschrittenen Extrauteringravidität ist ein wichtiges
Zeichen starke Leibschmerzen. Therapeutisch empfiehlt es sich, sofort
nach gestellter Diagnose zu operieren, ohne Rücksicht auf die Lebens¬
fähigkeit des Kindes, das meist doch stark missbildet ist, *und prinzipiell
das ganze Schwangerschaftsprodukt zu entfernen. Nur in seltenen
Fällen, besonders bei Sitz der Placenta auf der Darmwand und Gefahr
von umfangreichen Darm Verletzungen soll die Placenta zurückgelassen
und der Fruchtsack in die Wunde eingenäht werden.
Olow-Lund: Ueber die Behandlung der in den früheren Monaten
anterbrochenen Extrauteringravidität. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., Juli
u. August 1914.) Es gibt zwar Fälle, bei denen man mit konservativer
Therapie zum Ziele kommt; aber es ist ausserordentlich schwierig, die
Fälle richtig auszuwählen, und die Behandlungsdauer ist eine lange.
Daher ist die konsequent operative Behandlung vorzuziehen.
Betke - Berlin: Die Couveusenbehandliing der Frühgeborenen und
Lebensschwaohen. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., August 1914.) Von 98 in
den Couveusenzimmern der Charite behandelten Fällen wurden nur 43
lebend entlassen; von den 55 gestorbenen starben aber 39 in der ersten
Woche. Vergleicht man diese Zahlen mit der relativ grossen Sterblich¬
keit, die bei dem Charitematerial auf Grund seiner kümmerlichen Zu¬
sammensetzung überhaupt herrscht, so zeigt sich, dass die Mortalität
sich etwa auf derselben Höhe hält, wie bei den sonst eingelieferten
Kranken. Von grosser prognostischer Bedeutung ist die Einlieferungs¬
temperatur. Die Verhütung der initialen Abkühlnng gehört zur Aufgabe
des die Üeberweisung ins Krankenhaus veranlassenden Arztes. Der Auf¬
enthalt in der Couveuse dauert bis zu dem Zeitpunkt, wo die Körper¬
temperatur sich ziemlich gleichmässig um 37° hält, hei einer durch¬
schnittlichen Tageszunahme von 20 bis 30 g und einem Gesamtgewicht
von 2500 bis 3000 g. Dieser Zustand ist meist naoh ungefähr 2 Monaten
erreicht. Die Nahrung besteht, wenigstens in der ersten Zeit, aus ab¬
gezogener Ammenmilch; meist wurde mit 7—8 Mahlzeiten pro Tag be¬
gonnen. Bei den überlebenden Kranken ergaben spätere Nachunter¬
suchungen keinen Anhalt für irgendwelohe Unterwertigkeit.
Schmauch - Chicago: Ziele und Zwecke einer sachgemässen
Schilddrüsenbehandlung. (Mschr. f. Geb. u. Gyn., August 1914.) Die
Schilddrüse produziert ein Sekret, das durch Erhöhung des Stoffwechsels,
durch Aktivierung der normalen Lebensprozesse sämtliche Organe und
das Nervensystem anzuregen imstande ist. Durch Krankengeschichten
wird der Erfolg der Schilddrüsentherapie bei Insuffizienz der Drüse er¬
läutert. Durch gleichzeitige Verabreichung von Schilddrüse gelingt es
leicht, den Körper mit den zum Leben notwendigen Erdsalzen anzu¬
reichern. Verwandt wurde hauptsächlich das Thyraden Knoll, daneben
auch das stärkere Merck’sohe Thyreoidin. Während die seltenen Fälle
von reinem Hypothyreoidismus grössere Dosen verlangen, kommt man
bei der Anreicherung des Körpers mit Erdsalzen mit 1—3 Tabletten
pro die aus. Schädigungen wurden bei diesen Dosen nie beobachtet.
Zweifel-Jena: Dauererfolge nach Recidivoperationen bei Utenu-
careinomen. (Arch. f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) An 20 Frauen wurden
insgesamt 31 Recidivoperationen ausgeführt, bis zu 5 an einer Patientin.
3 Frauen starben im Anschluss an die Operationen; von den Testierenden
17 sind noch 5 am Leben und recidivfrei, und zwar 10—4 1 /* Jahre nach
der letzten Operation, 90 dass man von einer Dauerheilung spreohen
kann. Diese relativ günstigen Erfolge mahnen, Recidivoperationen mehr
als bisher auszuführen. Um dies zu ermöglichen, müssen die an
Carcinom operierten Patientinnen regelmässig und häufiger als bisher
nachuntersucht werden, am besten während der ersten 2 Jahre alle
3 Monate. L. Zuntz.
Augenheilkunde.
L. K. Wolff - Amsterdam: Ein neues Mittel zur Behandlung der
Diplobaeillenconjunctivitis. (M.m.W., 1914, Nr. 39.) Nach einem Vor¬
trag in der Niederländischen ophthalmologischen Gesellschaft in Arnheim
am 14. Juni 1914. Verf. hat eine Fluorescinzinkverbindung hergestellt,
die sich bei Diplobaoillenconjunctivitis sehr gut bewährt hat.
Dünner.
Dutoit-Montreux: Augenstörungen bei einem Fall von Myxödem.
(Zschr. f. Aughlk., August 1914.) Ein 25 jähriger Patient mit ausge¬
sprochenem Myxödem litt ausserdem nooh an Oedem der Conjunotiva,
Cataracta polaris posterior, Chorioretinitis und Sehnervenatrophie. Alle
drei Erkrankungen sollen koordinierte und auf den gestörten Stoffwechsel
zurückzuführen sein. Da bei Myxödem häufig eine Vergrösserung der
Hypophyse auftritt, könnte man an eine Druckwirkung von seiten dieser
Drüse auf den Nervus opticus denken. Aber eine Röntgenaufnahme
ergibt keinen Anhaltspunkt hierfür. Eine fünfmonatige Kur mit
Thyreoidintabletten besserte den Allgemeinzustand, nicht dagegen die
Augensymptome.
Schieck - Königsberg: Kann die Keratitis parenehymatosa anf
anaphylaktischen Zuständen beruhen? (Z9chr. f. Aughlk., August 1914.)
Verf. kommt in seinem auch allgemein interessanten Vortrag zu dem
Schluss, dass die Keratitis parencbymatosa eine degenerative Erkran¬
kung, recht gut als eine ins Gebiet der Anaphylaxie fallende Erschei¬
nungsform betrachtet werden kann. Die Stoffwechselprodukte bzw. die
Körpersubstanzen der Mikroorganismen bilden die Antigene, also erst die
eigentliche Ursaohe der Keratitis parenobymatosa. Die Entzündung wird
mit dem Augenblick ausgelöst, wo die im Körper gebildeten Antikörper
mit dem Antigendepot in innige Berührung gelangen. Auslösende
Momente sind Traumen, andere Augenentzündungen, der gesteigerte
Säfteaustauscb während der Pubertät. G. Erlanger.
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UMIVERSITY OF IOWA
1750
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 43.
H. Chalupeohy: Die Wirkung verschiedener Strahlungen auf die
Augenlinse. (W.m.W., 1914, Nr. 27.) Verf. liefert einen Beitrag zur
Entscheidung der Frage über das Wesen der Entstehung der Linsen¬
trübung nach Einwirkung mächtiger Elektrizitätsquellen und über den
Einfluss verschiedener Arten von Strahlungen auf die Augenlinse. Die
ultravioletten Strahlen üben einen schädlichen Einfluss auf die Linse
aus, indem sie Kataraktbildung hervorrufen. Für Röntgenstrahlen be¬
steht ausgesprochene Undurchgäugigkeit. Selbst nach intensiver Be¬
strahlung ist keine chemische Veränderung in der Struktur der Augen¬
linse nachzuweisen. Auch nach Bestrahlung mit Radium konnten keine
chemischen Veränderungen der Linse festgestellt werden. Ebenso wirkte
Mesothorium nicht schädigend. Eisner.
Barth: Untersuchungen über die Häufigkeit und Lokalisation von
beginnenden Linsentrübungen bei 302 über 60 Jahre alten Personen.
(Zschr. f. Aughlk., August 1914.) Die sorgfältige, in Mydriasis vor¬
genommene Untersuchung ergab folgendes: 96 pCt. aller über 60 Jahre
alter Leute zeigen Linsentrübungen, die im Beginn nicht direkt unter
der Kapsel, sondern auf der Kernoberfläche oder in den tieferen Rinden¬
schichten liegen. Wenn subkapsuläre Trübungen vorhanden sind, be¬
stehen solche auch in den tieferen Rindenschichten. Cataracta senilis
mässigen Grades ist eine physiologische Alterserscheinung. Man soll
also mit der Diagnose Star vorsichtig sein.
Trappe - Berlin: Sogenannte Embolie einer cilioretinalen Arterie.
(Zschr. f. Aughlk., August 1914.) Eine 16 jährige mit chronischer
Nephritis behaftete Patientin bemerkt plötzlich, dass ihr ein grosser,
dunkler Fleck auf dem rechten Auge die Gegenstände verdecke.
Ophthalmoskopisch fand sich ein Bild, das der Autor als Embolie einer
cilioretinalen Arterie deutet. Das Gesichtsfeld ergab central ein ab¬
solutes Skotom, temporal bis 20°, sonst bis 15° sich erstreckend. Eine
Besserung des Zustandes stellte sich allmählich heraus und liess sich
auch mit dem Augenspiegel verfolgen. Aetiologisch kommt wohl eine
Thrombose infolge von Veränderung der Blutbeschaffenheit (es bestand
auch leichte Chlorose) in Betracht.
Perlmann -Iserlohn: Ueber die Gewöhnung an die Einängigkeit
und ihren Naohweis. (Zschr. f. Aughlk., August 1914.)
G. Erlanger.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
R. Hoffmann-München: Zur Lehre und Behandlung der soge¬
nannten Medianstellung der Stimmlippe bei Recurrensnenritis. (M.m.W.,
1914, Nr. 40.) Bei einer Patientin hatte ein entzündlicher Prozess, der
von der Speiseröhre ausgegangen war, auf den Recurrens übergegriffen
und zu einer Kontraktur der Glottisschliesser geführt. Es bestand
Medianstellung der Stimmlippen. In Anlehnung an die von Zuntz und
v. Mehring vertretene Ansicht, dass nach Durchschneidung des Nervus
laryngeus superior oder nach Cocainisierung der Larynxmucosa diese
doppelseitige Medianstellung zu beseitigen sei, liess Verf. die Patientin
Menthol und Carapher zur Larynxanästhesierung inhalieren. Der Erfolg
trat prompt ein. Die benutzte Lösung bestand aus Menthol 1,0,
Campber 3,0, Aether 4,0. Dünner.
Kriegsmedizin.
M. Rubn er-Berlin : Die Volksernührong im Kriege. (D.m.W.,
1914, Nr. 40.) Ohne auf die Einzelheiten der nationalökonomisch wie
medizinisch bedeutungsvollen Arbeit einzugehen, sei nur hervorgehoben,
dass eine verschiedentlich ausgesprochene Gefahr des Aushungerns
für Deutschland bei ökonomischer Wirtschaft ausgeschlossen ist.
Fr. Croner: Trinkwassersterilisation im Felde. (D.m.W., 1914,
Nr. 87.) Als stationäre Apparate haben sich grosse * Arraeefilter* be¬
währt, die pro Stunde 75—125 l Wasser liefern. Die Wassersterilisierung
durch Zusatz von Chemikalien lässt sich nicht durchführen. Die sicherste
Methode ist das Abkochen. Die grossen Trinkwasserbereiter, in
denen das Wasser abgekocht wird, werden von allen grösseren Truppen¬
verbänden mitgeführt.
A. Blaschko-Berlin: Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
im Kriege. (D.m.W., 1914, Nr. 40.) B. vertritt den Standpunkt, dass
ein strenger Erlass für die Soldaten, während des Krieges sich des Ge¬
schlechtsverkehrs zu enthalten, durchführbar sei. Die Deutsche Gesell¬
schaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hat ein Merkblatt
für Soldaten verfasst, das die nötigen Verhaltungsmaassregeln enthält.
Die Gefahr der Infektion für die Soldaten ist im Felde sowohl wie in
den Garnisonen eine grosse, da neben den Prostituierten auch noch
zahllose Frauen sich finden, die, ihres gewöhnlichen Berufes beraubt,
sich einen anderen „Erwerb“ verschaffen. B. selbst hatte schon Gelegen¬
heit, viele frische Geschlechtskranke unter den jungen, eingezogenen
Soldaten zu behandeln.
Grober-Jena: Zur Klinik der Bacillenrnhr. (D.m.W., 1914, Nr. 40.)
Auf Grund eigener Erfahrungen entwirft G. das Krankheitsbild der Ruhr,
von dem besonders die Therapie interessiert. Er empfiehlt Serum¬
injektionen, bis zu 20 ccm, eventuell an drei aufeinanderfolgenden
Tagen. Von Tanninpräparaten sab er nichts Wesentliches; leichter Rot¬
wein wird ganz gern von den Kranken genommen. Opium, eventuell
kombiniert mit Belladonna. Versuche mit Bolus alba ergaben keine
eindeutigen Resultate. Herzmittel! Neuerdings ist G. mit der Verab¬
reichung von Nahrungsmitteln nicht mehr so ängstlich, wie es bislang
üblich war.
V. Czerny-Heidelberg: Einleitung in die Kriegsehirurgie. (D.m.W.,
1914, Nr. 40.) Vortrag, gehalten am 15. September im medizinisch-
naturwissenschaftlichen Verein in Heidelberg. Vgl. Bericht der B.kl.W.,
Nr. 40.
E. Lexer-Jena: Die Grundlagen der heutigen Kriegschinrgie.
(D.m.W., 1914, Nr. 40.)
Hoffmann - Berlin: Einiges über das Marine - Saiititswesen.
(D.m.W., 1914, Nr. 40.)
Th. Axenfeld -Freiburg i. B.: Kriegsophthalmelogizehe und
organisatorische Erfahrungen. (D.m.W., 1914, Nr. 39.) (Vortrag, ge¬
halten am 30. August 1914 in der Freiburger .kriegsärztlichen Ver¬
einigung.) Verf. weist darauf hin, dass Augenverletzte unbedingt
schnellstens in eine Augenklinik verbracht werden müssen. Schwere
Verletzungen und teilweise Zerstörung des Bulbus birgt die Gefahr der
Ophthalmie. Kasuistik aus seinem Material. Zum Schluss fordert er
die Bildung einer vollkommenen augenärztlichen Lazarettabteilung, die
mit bzw. hinter dem vorrüokenden Heere ziehen soll.
K. Bonhoeffer-Berlin: Psychiatrie and Krieg. (D.m.W., 1914,
Nr. 39.) Bei der Gefahr, die ein geisteskranker Soldat für seine Um¬
gebung bedeutet, und der Schwierigkeit der Behandlung im Felde, ist die
sorgfältigste Untersuchung bei der Einstellung erforderlich. Belastete In¬
dividuen werden durch die verschiedenen auf sie einstürmenden Ereignisse
geisteskrank. Dabei handelt es sich, wie B. sich schon bisher seit Aus¬
bruch des Krieges überzeugen konnte, nicht etwa um neue Krankbeits-
bilder, sondern um die bekannten, die er einzeln bespricht; nur manisch-
depressive Fälle sind ihm nicht begegnet. Therapeutisch empfiehlt er
zur Beruhigung Morphium, Scopolamin und Rücktransport.
Dünner.
Unfallheilkunde und Versicherungswesen.
Ledderhose-Strassburg: Zur Beurteilung der Fingerverletznngei.
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 15.) L. gibt eine Uebersicht über die
modernen Anschauungen bezüglich der Beurteilung von Fingerverletzangen
und der durch sie bedingten Erwerbsbeeinträchtigung. Die Frage der
Gewöhnung spielt eine grosse Rolle, ebenso die persönlichen Eigenschaften
der Verletzten. Bei alten Leuten tritt schwer Gewöhnung ein. Bei Frauen,
die mehr auf Geschicklichkeit als Kraftanwendung angewiesen sind, be¬
einflussen Fingerverletzungen die Erwerbsfähigkeit in besonders hohem
Grade. Gerade bei der Begutachtung der Folgen von Fingerverletzungen
ist streng individualisierendes Vorgehen unbedingt erforderlich. Es müssen
hier ebenso die ärztlichen Beobachtungen wie die Erfahrungen des prak¬
tischen Lebens und die Entscheidungen der obersten Spruchinstanzen
gewissenhaft berücksichtigt werden.
J. Ko eh ler-Berlin: Ein Beitrag zur Beurteilung des Zusammen¬
hanges zwischen Trauma und Tabes dorsalis. Bewilligung der Unfall-
rente — Ablehnung der Hinterbliebenenrente. (Aerztl.Sachverst.Ztg ,1914,
Nr. 15.) Der traumatischen Tabes steht die Mehrzahl der modernen
Autoren äusserst skeptisch oder direkt ablehnend gegenüber. K. teilt
einen Fall mit, in dem von autoritativer Seite die traumatische Aetiologie
der Tabes anerkannt wurde. Es handelte sich um einen Unfall, der
dadurch zustande kam, dass der Verletzte beim Tragen eines zwei Centner
schweren Sackes hinfiel und mit der rechten Körperseite aufschlug.
Hierbei zog er sich einen eingekeilten Schenkelhalsbruch zu. Für die
traumatische Aetiologie sprach besonders das Fehlen von Zeichen einer
früheren Syphilis. Nun ergab aber gerade in diesem Falle die Sektion
ganz besonders schwere syphilitische Veränderungen, eine syphilitische
Narbe im rechten Stirnbein, Narbenbildung am Zungengrund, syphilitische
Erkrankung der grossen Brustscblagader, syphilitische Erkrankung der
Gefässe der Gehirnbasis. Mithin war in diesem Falle die Tabes nicht
traumatischer, sondern syphilitischer Aetiologie. H. Hirschfeld.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Forensisch-medizinische Vereinigung zn Berlin»
Sitzung vom 17. Juli 1914.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Frank stellt einen Unfallverletzten vor, der ganz kurze Zeit
nach dem Unfall, der von einem heftigen Erschrecken begleitet war, alle
Haare, Augenbrauen, Wimpern eingescblossen, verlor. Der Verletzte
klagt nun auf Gewährung der Mittel für eine Perücke.
In der Diskussion berichten HHr. Krohn und Friedemann von
ähnlichen Erfahrungen.
Hr. Friedrich Leppmann zeigt einen schwer verstümmelten älteren
Mann mit folgender Krankengeschichte: Nach einer bei einem Unfall er¬
folgten Hodenquetschung traten eine Reihe von Eiterungen am Körper,
eine Gesichtsrose und schwere Ernährungsstörungen an Händen und
Füssen auf. Besonders die Hände, aber auch die Zehen der Füsse wurden
brandig; von den Händen blieben nur unförmige Stümpfe übrig, an den
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UNIVERSUM OF IOWA
26. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1761
Füssen gingen die Zehen zum grossen Teil verloren. Der Fall ist
schliesslich von den Untersuchern als eine schwere Form der Raynaud-
sehen Krankheit erkannt worden. Da beim Raynaud Lues und Arterio¬
sklerose eine Rolle spielen, wurde danach gefahndet und tatsächlich für
beides der Beweis erbracht. Daraufhin lehnte ein Teil der Gutachter
den Zusammenhang ab, während Yortr. und andere Neurologen schon
auf Grund des zeitlichen Zusammenhanges für den Zusammenhang der
Trophoneurose mit dem Unfälle ein traten. Der Verletzte hat schliess¬
lich seine Rente erhalten.
Tagesordnung.
Hr. P. Fraenckel: Ueber Arsenikesser and Arsenvergiftnng.
Der Vortr. geht von einem Kriminalfall aus, in dem jetzt ein
Wiederaufnahmeverfahren schwebt. Eine Ehefrau war wegen Giftmordes
an ihrem Ehemann verurteilt worden. Sie sollte ihm Arsen beigebracht
haben. Leider ist der Fall klinisoh sehr lückenhaft beobachtet worden
und erst nach dem Tode des Mannes wurden Verdächtigungen laut. Die
nach längerer Zeit erfolgte Untersuchung der Leichenteiie ergab 25 mg
Arsen. Es kam zum Verfahren gegen die Ehefrau, das mit ihrer Ver¬
urteilung endete, obwohl die Verteidiger den Einwand erhoben, es
handle sich um einen Arsenesser, der offenbar sich in der Dosis ver¬
griffen und seine tödliche Erkrankung selbst verschuldet habe. Die
Wiederaufnahme kam in Gang auf Grund eines Lewin’schen Gutachtens,
das die Verhältnisse beleuchtete und auf Grund eines schlüssigen Zeugen¬
beweises für den Arsengebrauch des Ehemannes.
Der Fall hat wieder einmal die Frage aufgerollt, ob klinisch und
anatomisch Unterschiede bei dem Verlauf von Erkrankungen der Arsen¬
esser und bei kriminellen Vergiftungen zu finden sind. F. schildert die be¬
kannten 4 Hauptformen der Vergiftung: die akute, kurzdauernde, cholera¬
ähnliche Form, der die mit schweren nervösen Erscheinungen einher¬
gehende Variante gleichwertig ist, die subakute Form, die subchronische
und endlich die chronische Form. Wichtig ist besonders die sub¬
chronische Form, unter die die geschickten kriminellen Vergiftungen mit
zufällig arsenhaltigen Nahrungsmitteln (Bier!) und die medikamentösen
fallen. Charakteristisch für sie ist, dass es immer wieder zu Magendarm¬
störungen plötzlich einsetzender Art kommt; daneben stellen sich Haut-
Veränderungen und Lähmungen ein,
Ueber die Gesundheitsstörungen der Arsenesser ist trotz der grossen
Verbreitung der Arsenesser wenig bekannt. Der Arsengenuss geschieht, um
die Potenz zu heben, ein gesteigertes Kraftgefühl zu erleben und um
Schutz vor ansteckenden Krankheiten zu finden. Die erreichten Dosen
sind enorm, 1,18 g pro Tag und mehr. Plötzliches Aussetzen soll schweren
Schaden stiften, zuweilen hingegen soll unerwartet ein Tod erfolgen, als
wenn doch eine richtige Gewöhnung nicht eingetreten wäre, unter stür¬
mischen Vergiftungserscheinungen bei kaum merklicher Steigerung der
Dosis. Obduktionsbefunde liegen kaum vor. Krattfer glaubt wenig¬
stens die akute einmalige Vergiftung auf Grund seiner Erfahrungen über
die Verteilung des Giftes in der Leiche diagnostizieren zu können. Nach
ihm finden sich bei der akuten Vergiftung grosse Giftmengen in den
ersten, geringe in den zweiten Wegen. Bei einem längeren Giftgebrauch
soll es zur Ablagerung des Giftes in der Sohwammsubstanz der kleinen,
platten Knochen kommen, was also schliesslich für die Annahme eines
Arsenikessens verwertet werden kann, während man einen kürzeren
Arsengebrauch annehmen darf, wenn man das Gift bei der Untersuchung
der Knochen nur in der Compacta der Röhrenknochen findet^ ein Um¬
stand, der also gegen gewohnheitsmässiges Arsenessen spricht. Da aber
das Arsen in der Leiche sich schliesslich immer mehr verlagert, so ist
auf den Leichenbefund kein sicherer Schluss zu bauen. Am wichtigsten
ist es immer noch, den Verlauf der Krankheit genau festzulegen. Werden
immer wieder plötzlich einsetzende Magendarmstörungen, Erbrechen und
Durchfälle bezeugt, so spricht das von Zuführung von Dosen, an die das
Individuum nicht gewöhnt ist, für ein von ihm nicht gewolltes, eventuell
kriminelles Zuführen und gegen gewohntes massiges Arsenessen. Dabei
ist aber zu beachten, dass solche Störungen auch im Anfang beim
Arsenesser erwiesenermaassen Vorkommen, und dass sie auch nach
langem Gebrauoh einmal Vorkommen, da nach dem Tiereiperiment eine
eigentliche Gewöhnung an das Gift nicht einzutreten scheint, sondern
nur eine Resorptionsunempfindlichkeit der Darmwand. Hatte doch ein
Herr Cloettass, der schliesslich grosse Dosen Arsen per os vertrug,
steigende Mengen Arsen im Kot, und starb schliesslich, als er eine viel
kleinere Dosis als die gewohnte subcutan erhielt.
Diskussion.
Hr. v. Liszt stellt einige Fragen, die mit dem eingangs erwähnten
Fallo im Zusammenhang stehen.
.Hr. Fraenckel (Schlusswort) betont nochmals die Wichtigkeit des
klinischen Bildes, besonders das mehrfache Auftreten von Magendarm¬
storungen bei geschickter krimineller Darreichung, das beim Arsenesser
kaum vorkommt.
Wegen der vorgerückten Zeit konnte Herr Schilling seinen Vor¬
trag über Telephonunfälle nicht mehr halten.
Felix Dyrenfurth.
Medizinische Gesellschaft zn Leipzig.
Sitzung vom 9. Juni 1914.
1. Disksision über Mesothorinmbehandlnng.
_ Hr. Littauer bespricht, ohne nähere Angaben über seine eigene
Behandlungsmethode zu machen, die Indikation, die für die Strahlen¬
behandlung der Caroinome für ihn maassgebend sind. Vor allem wünscht
er messerscheue Patienten mit operablen Carcinomen, alle stark jauchen¬
den und blutenden Caroinome zur Einleitung der Operation und alle in¬
operablen Carcinome zu bestrahlen. In diesen Fällen hat er wiederholt
recht befriedigende Resultate gehabt. Zur Nachbehandlung operierter
Krebse und bei Recidiven hält er Radiumbestrahlung oder Röntgen¬
bestrahlung für durchaus erforderlich. Trotzdem er warm für Krönig
und Do derlei n ein tritt, möchte er vorläufig noch nicht davon abgehen,
operable Krebse zu operieren.
Hr. H ei necke hält vom Standpunkte des Chirurgen daran fest,
operable Carcinome so frühzeitig als möglich zu operieren. Zur Nach¬
behandlung empfiehlt er die Behandlung mit grossen Dosen. Von den
sogenannten Reizwirkungen ist nach seinen Erfahrungen nicht viel zu
fürchten.
Hr. Thiess berichtet über zwei Fälle, bei denen sich im Anschluss
au Mesothoriumbestrahlung ausgedehnte Absoesse im kleinen Becken ge¬
bildet hatten. Er hält die Röntgenbestrahlung für aussichtsvoller als
die Wirkung des Mesothoriums, da die Strahlen nicht weit genug in die
Tiefe gehen.
Hr. Payr berichtet von einem 64 Jahre alten Manne, der ein Sar¬
kom am Fuss hatte und sich mit einem eigenen Röntgenapparat in¬
tensiv bestrahlen liess. Anfangs war der Erfolg gut, der Tumor ging
zurück und das äussere Geschwür überhäutete sich. Doch war die
Besserung nicht von langer Dauer. Innerhalb 5 1 /* Wochen entwickelte
sich trotz wieder aufgenommener Bestrahlung das Sarkom zu einer
mächtigen Grösse und metastasierte in die Inguinaldrüsen. P. musste
Fuss und Unterschenkel amputieren. Es handelte sich um ein Rund¬
zellensarkom. Im weiteren Verlaufe seiner Bemerkungen macht P. be¬
sonders auf eine Statistik von Steintal aufmerksam, nach derMamma-
carcinome von der Grösse einer Pflaume, nirgendwo verwachsen und mit
gut verschieblicher Haut zu 73—78 pCt. aller Fälle durch Operation
dauernd geheilt wurden, in fortgeschrittenen Fällen sinkt der Prozent¬
satz auf 20—22 pCt. Es kommt eben darauf an, dass die Kranken so
früh als möglich zur Operation kommen.
Hr. v. Gaza: Allgemeine Bemerkungen.
Hr. Zweifel ist der Ansicht, so frühzeitig als möglich zu operieren,
und warnt davor, bei operativen Krebsen Zeit mit der Bestrahlung zu
verlieren.
Hr. Schweitzer berichtet zu dem von Herrn Virse in der Sitzung
vom 26. Mai demonstrierten Falle, dass die Frau mit dem inoperablen
Portiocarcinom nur unvollständig behandelt worden ist. Sie hat 8960 mg-
Stunden in zwei Serien erhalten und musste dann wegen Lungenentzün¬
dung ins Krankenhaus gelegt werden. 6 Wochen nach der letzten Be¬
strahlung erfolgte der Exitus. Das Portiocarcinom war äusserlich gut
verheilt, es fanden sich Carcinomknoten im Cervix. In diesem Falle
waren übrigens anfangs 2 mm dicke Bleifilter und erst später 1 mm
dicke Aluminiumfilter verwendet worden.
2. Hr. Mülner:
Zwei Beiträge zar kombiaierten Behandlung „inoperabler“ Careinom-
kranker.
Vortr. begründet seinen Standpunkt, heute noch operable maligne
Tumoren im allgemeinen zu operieren, dann zu bestrahlen. Er begründet
die Sorge vor Spätschädigungen, auch Carcinomen des Darmkanals in¬
folge der Riesen-Tiefendosen der Freiburger und Berliner Frauenklinik.
Im ersten Fall hat Vortr. ein inoperables hochsitzendes Oesophagus-
carcinom mit Einbruch in die Wirbelsäule, beide Thyreoideae und
Trachea unter Lokalanästhesie soweit wie möglich exstirpiert unter Mit¬
nahme des Larynx und 4 Traohealringen. Er hebt die relative Leichtig¬
keit der Operation hervor, die viel zu selten gewagt worden ist. In
seinem Fall jetzt 5 Monate nach der "Operation Recidive in beiden Thy-
reoideis, die bei den Bestrahlungen nach der Operation aus übergrosser
Vorsicht zum Schutz besonders der Parathyreoideae mit Blei abgedeckt
waren.
Im zweiten Fall wegen unerträglicher Intercostalneuralgien bei un¬
sichtbarem Brustwandrecidiv eines Mammacarcinoms nach Versagen jeder
anderen Behandlung Resektion des 4. bis 12. Intercostalnerven neben
der Wirbelsäule. Andauerndes sehr befriedigendes Resultat gegen die
Neuralgien noch nach 5 Monaten. Jetzt Versuch mit Massenbestrahlung
zur Heilung des versteckten Carcinoms berechtigt. Bei ungenügendem
Operationsresultat und Verdacht auf Beteiligung der Zwerchfellgegend
käme auch Phrenicusresektion in Betracht. Kritik der Operation.
3. Hr. Payr:
Ela neues Verfahren znr Verkürzung der Ulia bei der Operation
schlecht geheilter Radiasbrüche, „Radiaspsendarthrosen“.
P. hat in einem ungünstigen Fall von Pseudarthrose des Radius
anfangs die blutige Naht vorgenommen. Es kam zwar nicht zur
knöchernen Heilung, aber der Silberdraht hielt die Bruchbänder etwa
zwei Jahre gut zusammen, so dass die Hand gut gebrauchsfähig war.
Dann riss der Draht, es trat eine schwere Deformität der Hand ein.
Einen Knoohenersatz aus der Tibia lehnte der Patient ab. Der Ver¬
such, die Knochenenden durch einen Elfenbeinstift zusammenzuhalten,
misslang, obwohl eine Konsolidierung nachweisbar war. Schliesslich
opferte der Mann ein 12 cm langes Knochenstück von seinem Darmbein¬
kamm, mit dem die Fraktur ineinander gebolzt wurde. Die etwa 2 cm zu
lange Ulna wurde dadurch verkürzt, dass das oentrale verachmächtigte
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1762
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 43.
Ende in die Hohle des peripheren Stückes eingepflanzt wurde. Keine
Knochennaht, kein Schienenverband. Wie Röntgenbilder erkennen
liessen, war der Erfolg recht befriedigend. Rösler.
Naturwissenschaftlich-medizinische Gesellschaft zu Jena.
(Sektion für Heilkunde.)
Sitzung vom 16. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Leier.
Schriftführer: Herr Berger.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Berger: Ueber Gehirnfieber.
Bei einer 26jährigen, bis dahin gesunden Frau trat nach einer
wegQn Verdachts auf Tumor cerebri ausgeführten Hirnpunktion ein kon¬
tinuierliches Fieber in Höhe von durchschnittlich 38,8° ohne jegliche
meningitische oder sonstige körperliche Symptome auf. Vortr. nimmt
als Ursache an, dass auf der rechten Seite der Nucleus caudatus ge¬
troffen worden ist, und erinnert daran, dass ein Tiereiperiment, der so¬
genannte Wärmestioh — eine Punktion des Nucleus caudatus — Gehirn¬
hyperthermie hervorruft.
Bei der Patientin sank die Temperatur am 6. Tage rasch zur
Norm zurück. Folgeerscheinungen wurden nicht beobachtet. j
Tagesordnung.
1. Hr. Werner: Ueber den facialen Typus der Leukämie.
Vortr. berichtet über einen Fall von einseitigem Exophthalmus, der
sich im Laufe von 4 Wochen entwickelte und bedingt war durch einen
von der linken Tränendrüse ausgehenden Tumor. Das Blutbild zeigte
das typische Bild einer akuten lymphatischen Leukämie: 40 pCt. Hämo¬
globin; 1648000 Erythrocyten; 33400 weisse Blutkörperchen, davon
92 pCt. Lymphocyten, 6 pCt. polynucleäre Leukocyten, 2 pCt. Ueber-
gangsformen. Die Lymphocyten waren meist sehr grosse atypische Zell¬
formen. Sonst keine Drüsenschwellung nachweisbar; Milz und Leber
nioht vergrössert. Der histologische Befund des exstirpierten Tumors
ergab: in einem Teil normales Drüsengewebe mit starker Hyperplasie
des lymphatischen Gewebes, während der eigentliche Tumor das Bild
des Epitheloidzellensarkoms bot.
Diskussion. Hr. Stock: Wenn man das Krankheitsbild der
Leukosarkomatose (Sternberg) anerkennt, so gehört dieser Fall ganz
sicher in die Kategorie. Es liegt sehr nahe, anzunehmen, dass das Sar¬
kom in die Blutbahn eingebrochen ist und zu einer Sarkomatose des
Blutes geführt hat.
2. Hr. Hiltmanu: Ueber Vergiftungen durch Nitrosedämpfe.
(Der Vortrag erscheint als ausführliche Arbeit an anderer Stelle.)
3. Hr. Eden: % ^
Neuere Versuche nur biologischen Wirkung der Rontgenstrahlen.
a) Vortr. bespricht die neueren Versuche zur Klärung der biologi¬
schen Wirkung der Strahlentherapie und geht besonders auf die Arbeit
Wermel’s ein, der aus seinen Versuchen schloss, dass Blutserum und
Blutkörperchen Röntgenenergie aufnehmen können und diese durch Photo¬
aktivität verraten. Vortr. hatWermel’s Versuche zusammen mit Herrn
Dr. Pauli, Privatdozenten der Physik, in erweiterter und physikalisch
einwandfreier Weise nachgeprüft. Es ergab sich, dass den Röntgen¬
strahlen ausgesetztes Blut gegenüber dem nicht bestrahlten ein nur sehr
geringes, graduell verschiedenes Vermögen zeigt, photographische Platten
zu schwärzen. Diese Eigenschaft ist auf eine chemische, durch die Be¬
strahlung beschleunigte Reaktion zurückzuführen, welche ein Gas ber-
vorbringt, das unter der Einwirkung des Blutes mit dem Sauerstoff der
Luft sich bildet.
b) Vortr. berichtet sodann 'über Untersuchungen an bestrahlten
Menschen und Tieren mit dem Abderhalden’schen Verfahren, um
Aufsohluss zu gewinnen einmal über den Vorgang des Zerfalls direkt
bestrahlten Gewebes, bzw. über sich dabei abspielende fermentative Pro¬
zesse, sodann über Allgemeinwirkung der Bestrahlung, d. h. wie sich
dem Orte der Bestrahlung ferner liegende Organe bezgl. des Abbaues ver¬
halten, speziell Keimdrüsen, Leber, Gehirn. Vortr. hat die Versuche
zusammen mit Nie den gemacht, der anschliessend darüber referiert.
Charakteristische Aenderungen der Abderhalden’schen Reaktion ergaben
die Versuche nicht.
c) Vorstellung eines durch Röntgenbestrahlung geheilten Falles von
Aktinomykose des Gesichts. 11 Bestrahlungen mit zusammen etwa
200 X. Behandlungsdauer 4 1 /* Monate.
Diskussion.
Hr. Nieden geht noch weiter auf die mit Eden ausgeführten Ver¬
suche mit dem Abderhalden’schen Verfahren ein- Untersucht wurden
10 Fälle (3 recidivierte Mammacarcinome, 1 Struma und 6 chirurgische
Tuberkulosen). Die Methodik hielt sioh an die von A. gegebenen Vor¬
schriften. Es ergab sich: Die Carcinomsera blieben durch die Be¬
strahlung in ihren abbauenden Eigenschaften unverändert. Die Tuber¬
kulosen zeigten teilweise schon vor der Bestrahlung Abbau gegenüber
einzelnen Organen. Eine konstante Veränderung des Fermentgehalts
unter Röntgenbestrahlung war nicht nachweisbar. Bei 3 Versuchs¬
hunden, bei denen die Keimdrüsen mit hohen Dosen bestrahlt waren,
trat Abbau von Gehirn auf, was jedoch wohl auf die angewandte Nar¬
kose zu beziehen war. Ein Serum, das Fermente gegen Placentarpepton
enthält, zeigte bei optischer Untersuchung vor und nach der Bestrahlung
dieselbe Kurve.
4. Hr. Stromeyer: Zur Behandlung chirurgischer Tuberkulose.
Vortr. hat bis jetzt an der chirurgischen Klinik in Jena 120 Fälle
von chirurgischer Tuberkulose mit Röntgenstrahlen behandelt.
. Die Resultate sind äusserst befriedigend und erlauben, die Indi¬
kation zur konservativen Behandlung so zu erweitern, dass Reaktionen
nur in den seltensten Fällen nötig werden (Demonstrationen). Die Re¬
sultate sind sowohl funktiouell (Gelenke usw.) wie kosmetisch (Fisteln)
gut. Röntgenschädigungen hat Vortr. bei seiner vorsichtigen Dosierung
und starker Filtrierung nicht beobaohtet. Sorgfältige chirurgische Be¬
handlung und fortwährende Kontrolle durch das Röntgenbild muss mit
der Bestrahlung Hand in Hand gehen.
Diskussion. Hr. Leier warnt vor kritikloser Anwendung der
Bestrablungsbehandlung der chirurgischen Tuberkulose. Chirurgische
Ueberwachung der Fälle ist stets notwendig.
Aerztlicher Verein za Essen-Ruhr.
Sitzung vom 5. Mai 1914.
Vorsitzender: Herr Schüler.
1 . Hr. S. Loewenstein: Zur Diagnostik der Hirntumoren.
Eingehendes Referat unter Mitteilung eigener Fälle. (Für kurze
Wiedergabe nicht geeignet)
2. Hr. Rubia bespricht einen Fall, der klinisch unter dem typischen
Bilde einer Jaekson’schen Epilepsie auftrat und bei der Operation, die
wegen zunehmender Anfälle und einer nicht ganz unwidersprochenen
Neuritis optica vorgenommen wurde, nur ganz unbedeutende Verklebungen
auf der Dura, sonst aber ein völlig negatives Resultat ergab. Die An¬
fälle sind auch nach der Operation, wenn auch milder, wieder aufgetreten.
(Selbstbericbt)
3. Hr. Hücker weist auf die Bedeitaig der Schädelperkussioa,
auf die der Tumorseite eigene stärkere Stauungspapille, auf die lokalisti-
scbe Unzuverlässigkeit einseitiger Gangstörungen und charakteristischer
Röntgenbefunde hin. Er empfieht die „Selbstentwicklung“ der Hirn¬
tumoren nach Inzision und bei Kleinbirngesohwülsten die Freilegung
beider Hemisphären. Als Palliativoperation zieht er die Entlastungs-
trepanation dem Balkensticb vor.
4. Hr. Hessberg gibt eine Differentlaldiagiose zwischen Neuritis
optica und Stauungspapille, hebt die topische Bedeutung einseitiger
Augenverändenrngen und genauer Gesichtsfeldprüfungen hervor.
Rubin.
Sitzung vom 9. Juni 1914.
Vorsitzender: Herr Morian.
Schriftführer: Herr Schüler.
Tagesordnung.
Krankheitsbilder aus der heissen Jahreszeit
1. Hr. Bröfz: Aus der Säuglings- and Kinderheilkunde.
Nach eingehender Würdigung der einzelnen Symptome des Brech¬
durchfalles im Säuglingsalter, bespricht Vortr. die ursächlichen Momente
und weist hauptsächlich auf die Einwirkung der Hitze bin sowie auf das
häufigere Vorkommen der Erkrankung in der ärmeren Bevölkerung i®
Zusammenhang mit der nicht einwandfreien Milch. Sodann bespricht er
die Behandlung der Erkrankung mit besonderer Berücksichtigung der
Prophylaxe (Nahrungshygiene, Aufklärung des Publikums).
2. Hr. Rubin: Ans der inneren Medizin.
Erörterung an der Hand von Kurven und Bildern der vom Wechsel
der Jahreszeiten abhängigen Schwankungen einzelner Krankheitsgruppen
lür Essen und Berlin. Schilderung von Verlauf und Behandlung des
Hitzschlages, der Vergiftungen durch pflanzliche und tierische Nahrungs¬
mittel, sowie der wichtigsten hierher gehörenden Infektionskrankheiten.
3. Hr. Bering: Aus der Dermatologie.
Besprechung der häufigsten Hautkrankheiten der heissen Jahreszeit
(Säuglingsekzem, intertriginöse Ekzeme, Scrofulus, Erythema solare, Xero¬
derma pigmentorum), der Therapie und Prophylaxe.
4. Hr. Hessberg: Ans der Augenheilkunde.
Besprechung der Augenkomplikationen bei Ernährungsstörungen der
Säuglinge, ferner der durch Ekzeme entstehenden Schwellungskatwrhe
und Keratitiden, der Heufiebererscheinungen, der durch Sonnenblendüng
entstehenden Affektionen und der durch Hitze entstehenden Conjuncti¬
vitiden.
Sitzung vom 15. August 1914.
(Kriegsmedizin, 1. Abend.)
Vorsitzender: Herr Morian.
Schriftführer: Herr Schüler.
1. Hr. Morian gibt an der Hand der in den Bruns’schen Beiträgen
zur Chirurgie aus den Balkankriegen erschienenen Arbeiten einen Ueber-
blick über die Tätigkeit des Chirurgen in der vordersten Reihe, so¬
wie in den Heimatlazaretten. Er berührt kurz die Therapie der
Scbädelschüsse, der Kieferschüsse, der Halsschüsse, der Brust- ob«
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20. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1753
Bauchschüsse, der Rückenmarks- und Nervenschüsse, der Extremitäten¬
schüsse mit besonderer Berücksichtigung der Weichteilschüsse (Hämatome
und Aneurysmen). Er erwähnt dann die allgemeinen Kontusionen und
die Nässegangrän der Füsse.
2. Hr. Ribii gibt eine Uebersicht der allgemeinen Senebealehre
in Anlehnung an die Abhandlung von Gottschlich im Handbuch der
Hygiene. __
Sitzung vom 26. August 1914.
(Kriegsmedizin, 2. Abend.)
1 . Hr. Hampe sprioht über die Organisation der Armeen mit
besonderer Berücksichtigung der Organisation des Sanitätskorps. Er
geht besonders ein auf den Heeressanitätsdienst im Operationsgebiet, bei
der Etappe und im Heimatsgebiet.
2 . Hr. Hessberg: Ueber Angenyerletznngen im Kriege.
8 . Hr. Leers bespricht die nervösen nnd psychischen Störungen
im Kriege. Er schildert die pathologisch gesteigerte Erregbarkeit der
konstitutionellen Psychopathen, ferner Formen und Falle krankhaft ge¬
steigerter Willensschwäche, neurasthenischer Bewusstseinsstörungen,
stuporartige Zustände, sowie Selbstbeschädigungen der Psychopathen und
Degenerierten. _
Sitzung vom 14. September 1914.
(Kriegsmedizin, 3. Abend.)
Hr. Rubin:
Ausführliche Besprechung der Pocken and der Cholera.
Schüler.
Gesellschaft für Morphologie und Physiologie zu München.
Sitzung vom 14. Juli 1914.
Hr. W. Hneck: (Jeher die Bedeutung des Cholesterins, besonders
für den Fettstoffwechsel, die endokrinen Drüsen udü die experimentelle
Atherosklerose.
Die „Trübung“ des Serums nach Nahrungsaufnahme wird vielfach
als Maassstab für die Güte der Fettverdauung angesehen. Nach Fütte¬
rung mit reinem Neutralfett zeigt das Serum nur schwache Trübung
und kaum eine Erhöhung des Gehaltes an ätherextrahierbaren Substanzen;
dagegen ist das Serum stark trüb, wenn mit Neutral fett gleichzeitig
Cholesterin verabreicht wird. Cholesterin scheint nicht den Zufluss des
Fettes zu erhöhen (etwa durch Verbesserung der Resorption), sondern
den Abfluss von Fett an die KÖrperzellen zu hindern. Nach gleich¬
zeitiger Zufuhr von Fett und Cholesterin sind mikroskopische Verände¬
rungen zu beobachten: Die Capillarendothelien sind übermässig beladen
mit Fett; in der Leber sieht man Bilder wie bei Lebercirrbose; die Aorta
zeigt bei Kaninchen, weniger bei Katzen und Hunden, Veränderungen
wie bei menschlicher Atherosklerose. Die Nebenniere greift erheblich in
den Cholesterinstoffwechsel ein.
Hr. P. Büchner: Die Bestimmung der Keimbahn bei Wirbellosen.
Bericht über Fortsetzung und Erweiterung früherer Versuche des
Vortr. über die Entwicklung von Sagitta. Auch bei Insekten und
Crustaceen ist der Nährzellapparat an der Entstehung der Keimbahn
beteiligt. K. Süpfle - München.
I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechsel¬
krankheiten zu Bad Homburg v. d. H.
vom 23. bis 25. April 1914.
(Berichterstatter: Dr. K. Reicher, Bad Mergentheim.)
I. Sitzung am 24. April 1914. 1 )
Zur Einführung in die Tagung ergreift der Altmeister der Magen-
uud Darmspezialisten, Geh.-Rat Ewald-Berlin das Wort. Die ersten
Grosstaten auf unserem Gebiete stammen von Männern, denen niemand
nachsagen wird, dass sie Spezialisten gewesen sind. Aber in dem Masse,
als die Medizin mehr und mehr ihren Schwerpunkt auf die Pathologie
der Funktiou verlegte, und im Laufe der letzten Jahre eine Fülle neuer
Kenntnisse erworben wurde, hat sich immer deutlicher gezeigt, dass das
alte Haus zu eng werde. Wenn auch in der ärztlichen Praxis eine zu
weit gehende Spezialisierung nicht immer wünschenswert ist, die wissen¬
schaftliche Arbeit gewinnt sicherlich durch die Beschränkung auf ein
kleines Gebiet.
Und wenn Ewald selbst vor 15 Jahren die Mitarbeit an Boas’
Archiv mit der Begründung ablehnte, dass ihm eine weitere Zersplitterung
der Publikationsorgane bedenklich erschien, so ist er heute einer der
eifrigsten Förderer der Homburger Tagung geworden, die nur eine Fort-
setzung des Gedankens bildet, der seinerzeit zur Gründung des Archivs
ubrte. Es soll sich aber hier nicht um eine Versammlung von
en Spezialisten handeln, sondern alle, deren praktische
Tätigkeit über das gesamte weite Feld der inneren Medizin führt, und
1) Vom Berichterstatter verspätet eingeliefert.
die Interesse an den zur Diskussion stehenden Fragen nehmen, auch
Anatomen, Physiologen' und Chemiker mögen sich uns anschliessen.
Unsere Verhandlungen, die wir absichtlich auf die Besprechung von
3 Thematen besohränkt haben, sollen beweisen, dass ein sachlicher
Anlass sie ins Leben gerufen, nämlich der Umstand, dass der Rahmen,
indem sich die Erörterung ans speziell interessierender DiDge auf anderen
Vereinen und Kongressen bewegt, für die Fülle des Stoffes nicht mehr
ausreicht.
1 . Referat.
Hr. Ad. Schmidt-Halle a. S.: Die schweren entzündlichen
Erkrankungen des Dickdarmes.
Die entzündlichen Erkrankungen des Colon zeichnen sich durch ver¬
schiedene klinische Momente aus. Während sich Dünndarmkatarrhe
meist in absteigender Richtung ausbreiten, kommt umgekehrt ein auf¬
steigender Prozess vom Dickdarm über die Baubin’sche Klappe sehr
selten vor. Die Colitis ist ferner im Gegensätze zur isolierten Dünn¬
darmentzündung oft auf gewisse Abschnitte des Lumens beschränkt,
welche durch eine schärfere Knickung charakterisiert sind. An dritter
Stelle ist die Neigung der Colitiden auf tiefere Abschnitte und auf die
Umgebung der Darmwand (Pericolitis) überzugreifen, die Tendenz zu
Rückfällen und zum Chronischwerden hervorzuheben, wobei offenbar die
langsamere Passage des Kotes im Dickdarme, besonders aber an den
Krümmungen eine gewisse Rolle spielt. Die Schwierigkeiten der Diagnose
werden erhöht durch die mangelhafte Kenntnis der schweren Formen
von Colitis und die verschiedenen Namen, unter denen die Autoren die
Krankheiten publizierten. Bei der Nomenklatur dürfen nebensächliche
Momente wie lokalistische Gesichtspunkte nicht zu sehr in den Vorder¬
grund gerückt werden, so kommen die der Sigmoiditis (Rosenheim)
zugrundeliegenden Veränderungen auch an anderen Stellen des Colon
vor, höchstens ist man berechtigt von einer Typhlitis und Appendicitis
einerseits und einer Proctitis andererseits zu sprechen. Eine ätiologische
Einteilung der Colitiden ist leider heute noch nicht strikte durch¬
führbar, jedenfalls sind die spezifischen infolge von Dysenterie und
Merkurialismus von der heutigen Betrachtung ausgeschlossen. Von den
unspezifischen scheidet für heute die Colitis mucosa, die ober¬
flächliche, leichte Entzündung der Darmschleimhaut mit vorwiegender
Schleimproduktion, aus, so dass nur die Colitis suppurativa oder
exulcerans und die C. infiltrativa übrig bleiben.
1 . Colitis suppurativa oder exulcerans, ulcerosa (Boas)
gravis (Rosenheim). Die Darstellung stützt sich auf 86 gut beschriebene
Fälle, darunter 12 eigene. Ihr Wesen besteht in einer schweren, häufig
mit schwürigem Zerfall einhergebenden, nicht spezifischen Erkrankung
der Darmschleimh&ut. In 1 ( 4 der Fälle tritt sie akut mit hohem Fieber,
meist subakut oder chronisch auf. Sie erstreokt sich entweder auf das
ganze Organ oder auf die distalen Abschnitte. Es kommt zu fortschreitender
Abmagerung und Anämie; gefährlich wird die Krankheit weniger durch
Uebergreifen auf die tieferen Schichten als durch Blutinfektion. Die
Mehrzahl der Fälle betrifft jugendliche Personen im 2.-3. Decennium,
doch bleiben ältere nicht verschont. Das weibliche Geschlecht erscheint
etwas bevorzugt (20:16). Sehr häufig wechseln Perioden der Besserung
und Verschlimmerung ab, sehr oft fühlen sich die Patienten in den
Zwischenzeiten ganz frei von objektiven und subjektiven Beschwerden.
Von akuten Formen ist nur dort die Rede, wo das Leiden plötzlich
einsetzt und in gemessener Zeit in Heilung oder Tod übergeht. Albu
und Oh ly haben je 1 Fall publiziert, der in kurzer Zeit in Heilung
überging. Einer der akuten Fälle starb nach 8 Monaten, Müller verlor
einen Fall trotz operativen Eingriffs, den 2. Fall von Albu mit inter¬
kurrenter Pneumonie muss man ausschalten. Die überwiegende Zahl
der Fälle verläuft chronisch, es werden 1—2 oder 6—10 dünne Stühle
täglich abgesetzt, Tenesmus und Koliken fehlen, abgesehen von den
akuten Exacerbationen und von Komplikationen.
In mehr als der Hälfte der Fälle besteht mehr oder weniger hohes
Fieber von remittierendem Charakter. Die Kranken magern allmählich
bis zu den extremsten Graden von Macies ab. 40—50pCt. Hämoglobin
sind keine Seltenheit.
Das wichtigste Lokalsymptom ist die Entleerung von Eiter allein
oder in Verbindung mit Stuhlmassen. Bei Ergriffensein der höheren
Colonpartien wird mehrmals am Tage ein dünnbreiiger Stuhl abgesetzt
und die Entzündungsprodukte sind dem Stuhl beigemischt; bei Er¬
krankung der unteren Partien pflegt die Konsistenz des eigentlichen
Stuhles normal zu sein, der Eiter ist dann aufgelagert. Bei Probediät
zeigen sich keine mikro- oder makroskopischen Reste von Nahrungsmitteln.
Sind die unteren Dünndarmabschnitte mitbetroffen, dann kann allerdings
durch längere Zeit sauere Reaktion der hellgefärbten, flüssigen Stuhl¬
massen mit reichlichen Stärkeresten und granulosehaltigen Bakterien,
auch mit makroskopischen Kartoffelresten beobachtet werden (Schmidt,
Baumstark). Iq diesen Fällen kann man auch gelegentlich auf patho¬
logische Fieischreste (mikroskopisch: Muskelfasern) sowie auf einen
abnormen Fettreichtum des Stuhles stossen. Eiter kann auch ohne ge-
schwürigen Zerfall reichlich in die Fäces gelangen, bei inniger Ver¬
mengung mit dem Stuhle könnte er übersehen werden. Je mehr Schleim
beigemengt ist, desto geringer ist der Entzündunpsprozess. Die oft
reichlich vorhandenen eosinophilen Leukocyten und die Charcot-Leyden-
schen Kristalle bilden keinen charakterischen Befund.
Der Blutgehalt der Fäces herrscht oft vor, vielfach sieht man einen
direkten Blutstuhl. Je höher die Entzündung sitzt, desto mehr Zer¬
setzung erfährt der Eiter, desto fauliger daher der Geruoh. Der Prozess
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1
1764
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
reicht mit wenigen Ausnahmen bis an den Sphincter ani, die Einführung
des Rektoskops ist daher meist besonders schmerzhaft. Man sieht eine
stark gerötete, gewulstete, von eitrigem Sekret bedeckte Schleimhaut,
die übrigens nicht immer leicht zu entdeckende Geschwürsbildung ist
kein konstantes Symptom, ebensowenig Spasmus des Enddarms und des
Sphincter. Die Untersuchung des Magens ergibt nichts Bemerkenswertes,
meist besteht guter Appetit und Neigung zu Diätfchlern; der Leib ist
häufig etwas gespannt, Druckempfindlichkeit ist in stärkerem Grade bloss
beim Uebergreifen der Entzündung auf die Darmwand oder Serosa vor¬
handen, doch kommt es nicht zu tumorartiger, umschriebener Verdickung
einzelner Darmabschnitte.
Hier und da findet man einen schlaffen Leib mit eingesunkenen
Bauchdecken. Stierlin hat die affizierten Stellen im Röntgenbilde in¬
folge ihrer Neigung zu Spasmus bis auf fein marmorierte Schatten in-
haltsfrei gesehen (ebenso Schmidt). Als Komplikationen sind 4mal
Thrombosen der Vena femor., 2 mal Polyarthritis, je lmal Lungenembolie
und Tetanie, eine Durcbwanderungsperitonitis, eine Peritonitis nach
scheinbar völliger Ausheilung und eine allgemeine Sepsis beschrieben.
Niemals sind circumscripte Peritonealabscesse angegeben. 15 mal unter
36 Fällen bestand lediglich distale Affektion, die sich aber periodisch
auf höhere Abschnitte ausdehnen kann. 7 unter 36 Fällen, also 19,4 pCt.
sind gestorben, in Wirklichkeit ist aber das Verhältnis ein ungünstigeres.
14 Fälle wurden geheilt, die geheilten und gebesserten verhalten sich
zu den gestorbenen wie 22: 14.
Therapie: Die Hälfte der Fälle wurde lediglich mit inneren Mitteln
behandelt, davon wurden 8 geheilt und 2 gebessert. Deutlichen Ein¬
fluss der diätetischen Therapie kann man nur in den Fällen wahrnehmen,
wo ein Abgang unverdauter Speisenreste auf Beteiligung des Dünndarms
hin weist; so erzielt man mit Kohlebydratentziehung manchmal eine be¬
merkenswerte Besserung. Salzsäure, PankreoD, Magenspülungen, grosse
Dosen von Calomel, Sauerstoff als Gas oder besser als Wasserstoffsuper¬
oxyd, Stomacbica, Bolus alba u. a. können zur Unterstützung herange-
zogeu werden. Subcutane Injektionen von Emitin haben auch bei
spezifischer Colitis entschieden günstige Einwirkung. Vorübergehend
deutlichen Nutzen stiften Jodoform, Dermaiol, Protargol, H 2 0 2 -Lösungen,
Chininlösungen, Paraffin usw. Zweckmässigerweise fügt man bei den
Rectalapplikationen etwas Opium hinzu. Von den operativ Behandelten
wurden 6 geheilt, 6 gebessert und 3 starben. 4 mal wurde mit günstigem,
4mal mit ungünstigem Erfolg ein künstlicher After am Coecum angelegt.
Die Anlegung eines Anus praetern. am Quercolon oder descendens ist
nur dort angebracht, wo die Beschränkung des Prozesses auf den unteren
Colonteil angenommen werden kann. Coecalfistel und Appendicostomie
ist, da nur eiue medikamentöse Durchspülung von oben möglich ist,
die Kotmassen aber weiter mit der Darmwand in Berührung bleiben,
kaum nachzuahmen. Ileo-Colostomie wurde lmal mit, lmal ohne Erfolg
ausgeführt. Nach Anlegung des künstlichen Afters müssen so lange
Spülungen mit antiseptiscben oder adstringierenden Lösungen vorge¬
nommen werden, bis der durch die Fistel abfliessende Kot wieder nor¬
male Beschaffenheit zeigt und der Wiederverschluss erfolgen kann.
Dennoch muss man auf Rückfälle gefasst sein. Abgesehen von Fällen
dringender Lebensgefahr soll der chirurgische Weg erst dann beschritten
werden, wenn die innere Behandlung erfolglos geblieben ist.
Abgesehen von rektoskopischen und bei Operationen erhobenen
Befunden liegen sehr wenige anatomische Ergebnisse vor (Stierlin,
Müller, Oh ly u. a.). An zwei eigenen, durch Sektion gewonnenen Prä¬
paraten erläutert Schmidt die charakteristischen Befunde, nämlich die
ausserordentlich hochgradige Zerstörung der Schleimhaut, von der nur
stellenweise einzelne Inseln in vorgeschrittenen Fällen übrigbleiben, und
die mässige Verdickung der Muscularis auf dem Geschwürsgrunde. Der
Prozess beginnt ursprünglich als ein entzündlicher und erst allmählich
kommt es durch Nekrosen zu Geschwürsbildung mit ausgesprochener
Tendenz zur Ausbreitung in der Fläche. Die Frage, ob so starke
Schleimhautzerstörungen gänzlich ausheilen können oder Narben zurück¬
lassen, ist noch nicht gelöst. In letzterem Falle wäre eine Heilung in
klinischem Sinne ausgeschlossen.
Die Aetiologie ist vollständig ungeklärt, die Differentialdiagnose
meist gegen spezifische Entzündungen ausgeführt worden, wie Pseudo-
und Paratyphus, Amöbendysenterie usw. In der Anamnese reichen die
ersten unbeachteten Erscheinungen schon viele Jahre zurück, gelegent¬
lich bis in die hübe Jugend, vorangegangene Blinddarmentzündung,
Diätfehler, Verstopfung, Typhusinfektion usw. werden als ursächliches
Moment angeführt. Eine Reihe von Fällen beginnt als akuter infektiöser
Katarrh nach Magenoperationen (Anschütz) oder sonstigen Laparotomien
(Riedel). Schmidt hat auch ähnliche Beobachtungen gemacht; hier
hat die künftige Forschung einzusetzen.
2. Colitis infiltrativa oder Pericolitis, Sigmoiditis.
An dem Ausbau des Krankheitsbildes beteiligten sich Graser,
Rosenheim und Bittorf. Der Darstellung liegen 35, darunter
5 eigene, nicht publizierte Fälle zugrunde, weitere 55, vorwiegend chir¬
urgisches Interesse bietende Fälle wurdeu von Eisenberg zusammen¬
gestellt. Eine kurze Charakteristik ist fast unmöglich, manchmal findet
man eiDe tumorartige umschriebene Anschwellung des Darmes mit den
klinischen Symptomen fortschreitender Stenosierung, bald umschriebene
Verdickungen, welche von Verstopfung, Durchfällen oder Tenesmus be¬
gleitet werden, bald umschriebene, mehr oder weniger peritomtische
Symptome unter Zurücktreten der eigentlichen Affektion. Die Mehrzahl
der Fälle betrifft Männer jenseits der dreissiger Jahre. Von den akuten
Fällen, die zwei Drittel ausmachen, entwickelt sich ein grosser Teil aus
Nr. 43 ^
völliger Gesundheit heraus ohne Vorboten, andere nach längerer Zeit
bestehender Verstopfung oder Durchfällen oder beiden abwechselnd
Eine nicht geringe Zahl wurde irrtümlich als Carcinom behandelt. Bei
langsamer Entwicklung des Leidens stehen die Stuhlgangsbeschwerden
im Vordergrund, bei plötzlicher Erkrankung dagegen Leibschraerzen,
welche in der Gegend der erkrankten Darmteile lokalisiert sind und kolik¬
artig anschwellen können.
Das Allgemeinbefinden ist erheblich beeinträchtigt, wiederholt ist
Milzschwellung, Icterus, IndicanVermehrung, auch geringe Albuminurie
vermerkt. Das Abdomen ist wenig oder erheblich aufgetrieben, letzteres
besonders, wenn eine allgemeine Peritonitis im Anzuge ist; man sieht
gesteifte und dabei geblähte Darmstücke ohne Druckempfiodlichkeit, erst
beim tiefen Palpieren gelingt es oft, als entscheidendes Merkmal eine
mehr oder weniger lange, wurstförmige, exquisit druckschmerzhafte Be-
sistenz zu tasten, welche dem Sitze der Schmerzen entspricht und als
entzündlich verdicktes Colon aogesprochen werden kann. Die Oberfläche
des Tumors ist rundlich und glatt, an den Enden gebt er in normalen
Dickdarm über, die Grösse schwankt zwischen Daumen- und Kleinfaust¬
dicke, die Beweglichkeit der betreffenden Darmabscbnitte ist in der
Regel vermindert. Rosenheim legt auch Wert auf die geringe Nach¬
giebigkeit der Wände bei Aufblähung vom Anus her. Wichtig ist das
An- und Abschwellen des Tumors entsprechend dem Fieber und dem
Verlauf. Nach dem Uebergreifen des Prozesses auf die Serosa werden
die Grenzen der Geschwulst unscharf, und es kann zu einer lokalen
Vorwölbung der Baucbwand kommen. In der überwiegenden Mehrzahl
der Fälle (26 mal unter 35) war die Sigmascblinge betroffen, 7 mal das
Colon descendens allein oder mit dem Sigma.
Der eigentlichen Krankheit geht eine längere Periode der Ver¬
stopfung voraus, welche viele Autoren als Unsache der ganzen Affektion
ansehen. Der Stuhl zeigt lediglich Bleistift- oder Schafkotform. Manch¬
mal findet sich Schleim-, Blut- oder — sehr selten — EiterbeimischuDg.
Die Spiegeleinführung gestaltet sich sehr schwierig, die Schleimhaut ist
hyperämisch und geschwollen, blutet leicht, Geschwüre werden mit
wenigen Ausnahmen vermisst. Die Funktion des Magens zeigt keine
auffallende Störung. Andauerndes Erbrechen erweckt Verdacht auf
Peritonitis- oder Iteuskomplitation. Durch das häufige Uebergreifen der
Entzündung auf das Peritoneum entstehen lokale, abgekapseite Exsudat¬
bildungen, welche zu mehr oder weniger ausgedehnten Verwachsungen
führen. Sie kommen häufiger beim Colon ascendeos und transversum
als an tieferen Abschnitten vor. Die Flexura sigmoidea soll dagegen
geschützt sein, Schmidt kann dies jedoch nicht bestätigen. Es kann
gerade dort zu Fistelbildungen "zwischen Darm und Blase oder äusserer
Haut kommen. Allgemeine Peritonitis kann durch Perforation von Diver¬
tikeln entstehen. Die Diagnose wird meist per exclusionem geste’l
werden müssen; es kommen mehrfach Verwechslungen mit einfacher Ob¬
stipation, Carcinom, Appendicitis, Lues oder Tuberkulose vor. Pro¬
gnose. Fast alle akut entstehenden Fälle kommen zur Heilung, die
Behandlung besteht in Bettruhe, Eisbeutel oder heissen Kompressen,
je nach dem Stadium der Krankheit, strenger Diät, Abführmitteln,
evakuierenden und medikamentösen Einläufen. Ein chirurgischer Ein¬
griff kann nur ausnahmsweise wegen Verdachts auf einen lokalen ad-
scess empfohlen werden. T .
Die chirurgischen Resultate sind ira ganzen unerfreulich, vie
pathologische Anatomie ergibt in typischen Fällen starke, durcü
entzündliche Schwellung verursachte Wandverdickung, wesentlich im
Bereich der Muscularis, während die Schleimhaut wenig beteiligt er
scheint. , ... , ,
Interessant ist die Beziehung zwischen multiplen Divertikeln
Darmschleimbaut (sogenannte Diverculitis), welche auffallend häutig
der Flexura sigmoidea Vorkommen (allerdings auch im Colon trams\er-
sum, Processus vermiformis und im Dünndarm) und der infiltrieren
Colitis. Graser und Hansemann haben sich mit dieser £jago «i
gehend befasst. Es bandelt sich um falsche oder erworbene Divertiwi,
die durch Ausstülpung der Schleimhaut durch die Musculans hinau
entstehen. Graser fand unter 28 im Leben mit Stauung henaf
älteren Leuten 10 mal, Succi unter 50 Leichen 14mal üivern ■
Jedenfalls muss betont werden, dass die gewöhnliche diffuse Schleim
entzündung für die Aetiologie der infiltrierenden Colitis nicht oder u
ausnahmsweise in Betracht kommt.
Uebergangsfälle und Fälle anderen Ursprungs.
Es gibt in der Literatur eine Anzahl von schweren Golitiaen, ve c
sich in obige Einteilung nicht glatt einfügen lassen, so z. o. at
schwere Schleimhauterkrankungen mit Infiltrationen der Wand und ®
legentlicher Mitbeteiligung der Serosa, Fälle, bei denen es zw®»®
ist, ob die Wandinfiltration oder die Schleimhauterkrankung das wesi
liehe Moment bildet. Zweitens sind Fälle bekannt, bei denen poiyp'- 1 *
Wucherungen der Schleimhaut mit schweren Katarrhen verbunden si <
ob letztere primär oder sekundär auftreten, ist schwer zu entscnei •
Endlich gibt es akute Entzündungen des Sigma im P<J e T er * '
Trotz der vielfach betonten Selbständigkeit des Prozesses besteht
starker Verdacht, dass es sich da um exogene, von den Genitalien u
greifende Entzündungen handelt. Eine DurchwanderuDgsperitoDitis n
schwere Erkrankung der Schleimhaut oder der Dannwand ist durch
Auftreten von tödlioben Peritonitiden lange Zeit nach suppurativen
tiden erwiesen.
Diskussion. . ... , n
Hr. Rosenheim - Berlin gibt zu, dass entgegen seiner
Meinung infiltrierende Prozesse ausser im Sigma auch an anderen ot®
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UMIVERSITY OF IOWA
26. Oktober 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1755
dos Colon Vorkommen: jedoch besteht ira Sigma eine gewisse Prädis
Position für derartige Erkrankungen. Bei der Colitis suppurativa oder
gravis sollte die Eiterung nicht zu sehr in den Vordergrund gerückt
werden, das beherrschende Moment sind vielfach Blutungen schwerster
Art ohne nennenswerte Eiterung. Es können, was für die Indikations¬
stellung der Chirurgen wichtig ist, selbst schwere Fälle mit den Hilfs¬
mitteln der inneren Medizin zu vollkommener Heilung gebracht werden,
wie zwei Fälle des Vortr. beweisen, von denen einer, der achtjährige
Sohn eines Kollegen, nach zweijähriger völliger Gesundheit einer Menin¬
gitis tuberculosa erlag. Die schwere Colonaffektion war vollständig aus¬
geheilt, an der Colonschleimbaut fanden sich nur ganz minimale leder¬
artige Infiltrate mit gut erhaltenem Epithel, ohne nennenswerte Narben¬
bildung. Von 20 Fällen, die R. gesehen, sind 7 operiert worden, einer
der letzteren ist an Ileus gestorben, 3 tragen (8—9 Jahre nach der Ope¬
ration) noch heute einen Anus praeternaturalis, bei 3 wurde eine ein¬
fache Fistel rechts angelegt, nach Schliessung derselben können
schwerste Recidive auftreten, die Resultate der Chirurgie sind also nicht
gerade glänzend. Bei der inneren Behandlung sind wir aufs Versuchen
angewiesen. Bei gesundem Magen und Dünndarm eignet sich leichte,
gemischte, lacto-vegetabilische Kost zur Behandlung am besten. Das
Wichtigste ist die regelmässige Reinigung des Dickdarms mittels Kamillen-
klystiere, zur Lokalbehandlung eignet sich ein Stärkeklystier für sich
allein oder in Verbindung mit Tannin oder Desinlicientien.
Hr. Stark - Karlsruhe demonstriert folgende interessante Präparate:
eine Sublimatvergiftung mit totaler Zerstörung der Dickdarmschleimhaut,
eine schwere septische Colitis, einen Fall von allerschwerster Proctitis
mit primärer Polyposis des untersten Darmabschnittes, der Vagina und
der Umgebung des Afters bei gleichzeitiger Lues und Gonorrhöe, wobei
letztere ätiologisch angesichts des Fehlschlagens einer spezifischen Be¬
handlung in Betracnt kommt, endlich ein Präparat von Colitis exulcerans.
St. befürwortet die chirurgische Therapie.
Hr. Günzburg - Frankfurt a. M. bat einen Fall von Colitis suppu¬
rativa unter Einblasungen von pulverförmigem Wismut ausheilen sehen. Die
Anlegung eines künstlichen Afters ist bloss bei vermutlicher Intaktheit
des Dünndarms angezeigt, in diesen Fällen soll man aber schon im An¬
fänge der Erkrankung sich zur Operation entschliessen.
Hr. Strauss - Berlin musste zwei Fälle von Colitis suppurativa, die
ursprünglich als unspezifisch angesehen wurden, als merkurielle infolge
von alter Lues und einer Schmierkur, einen weiteren als Paratyphus B
agnoszieren. Rectum und S romanum möchte St. doch eine gewisse
Sonderstellung einräumen-, viele Fälle nehmen ihren Ausgang vom
Rectum, die Rectoskopie klärt uns erst auf, ob der Prozess das Rectum
allein oder noch höhere Darmpartien ergriffen hat. Ein gut Teil der
Erkrankungen ist infektiösen Ursprungs, daher auch die Komplikation
mit Venenthrombosen, Rheumatoiden, eiteriger Iritis usw. Die endo¬
skopische Lokalbehandlung ist nur für die Fälle geeignet, bei denen der
Entzündungsprozess auf das Rectum beschränkt erscheint. Die Frage
der chirurgischen Intervention ist eine sehr heikle. Man kann keinem
Fall ansehen, was aus ihm nach der Operation wird. Unter 5 operierten
Fällen haben 3 einen Anus praetern.; derselbe muss am Coecum oder
am Ileum aogelegt werden. Alle 3 Fälle sind noch nicht geschlossen.
St. ist kein warmer Anhänger der Frühoperation. Divertikel scheinen
als Ursache für Perforationsprozesse in Frage zu kommen.
Hr. Schorlemmer - Godesberg: Ein Fall von Sigmoiditis ohne
Reotumbefund war als Coliseptikämie anzusehen, in anderen bestanden
Staphylo- und Streptokokkensepsis, Eiterungen der Highmorshöhle, Gingi¬
vitis mit Angina und anderen Erscheinungen, welche auf eine von aussen
stattgefundene Infektion hindeuten. Bei luetischen Infektionen wird
beim Einsetzen der Darmattacke die Wassermann’sche Reaktion in der
Regel positiv, Salvarsan erweist sich in diesen Fällen als sehr vorteilhaft.
Hr. Albu-Berlin hat 23 Fälle von Colitis suppurativa beobachtet, den
Fall mit interkurrenter Pneumonie will A. nicht ausgeschaltet wissen.
Bei der Colitis suppurativa handelt es sich um eine schwere Darm-, wahr¬
scheinlich Nahrungsmittel- oder Trinkwasserinfektion. Der Name Colitis
ulcerosa sagt A. am meisten zu, da die Blutung als Folge des ulcera-
tiven Prozesses nie fehlt, wohl aber mitunter der Eiter. Die Ulcera-
tionen, welche in inselförmigen Haufen auftreten und oft stecknadelkopf¬
gross oder noch kleiner sind, kann man bei der ersten oder zweiten
Untersuchung leicht übersehen. Geradezu charakteristisch ist das Fehlen
der Düondarmbeteiligung. Die innere Therapie ist machtlos, alle Fälle
recidivieren trotz chirurgischer Eingriffe. Am besten eignet sich noch
Trockenbehandlung, wenn die Rectoskopie durchführbar ist.
Hr. Disque - Potsdam unterstützt die innere Behandlung mit
hydrotherapeutischen Prozeduren, wie Priessnitz’sehen Umschlägen,
Elektrophoren, Diathermie, Heissluftdusche, kühlen Klystieren (18°),
wechselwarmen Spülungen (30° auf 15°) usw. Die Speisen müssen aufs
feinste zerrieben werden, Friedenthal’sches Gomüsepulver leistet gute
Dienste.
Hr. Schütz-Wiesbaden macht darauf aufmerksam, dass häufig
schwere Colitiden von Magendyspepsien ihren Ausgang nehmen.
Hr. Boas-Berlin tritt für den von ihm aufgestellten Namen Colitis
ulcerosa ein, weil es sich keineswegs immer um suppurative Fälle
handelt, vielmehr häufig reine Blutstühle auftreten. B. legt grossen
Wert auf die Lokalisation auf rectoskopischem Wege. Unter 40 Fällen
von Colitis fand sich vielfach eine ausgesprochene Beschränkung des
Prozesses auf die untersten Partien des Sigma, bzw. das Rectum. In
diesen Fällen empfiehlt sich die Anlegung des Anus praetern. auf der
linken Seite. Im Gegensätze zu Rosenheira hält B. die Fälle mit
reinen, fast eiterfreien Blutstühlen für prognostisch günstiger. Ver¬
wechselungen mit Carcinom sind auch Boas häufig vorgekommen,
speziell Carcinom in der Flexura sigmoidea kann ganz unter dem Bilde
einer Colitis ulcerosa verlaufen. Auf dem Boden der Colitis ulcerosa
können sich schwere Nervenleiden, z. B. multiple Neuritiden mit aus¬
gedehnten Kontrakturen oder tabische Symptome entwickeln. Von ope¬
rativen Eingriffen sind wenig Erfolge zu erwarten. In der Diät sind
alle Reizmittel zu vermeiden, von Dauereinläufen mit Levurinose hat B.
Besserungen gesehen.
Hr. Plönies - Hannover hebt den Wert der perkutorischen Druck¬
empfindlichkeit für die Diagnose hervor.
Hr. Singer-Wien berichtet über einen Fall von ausgedehnter
Colitis ulcerosa, welcher bis vor karzem ganz symptomenlos verlief und
vor der rectoskopisohen Untersuchung für ein Magencarcinom gehalten
wurde. Bei einem Falle von Colitis infiltrativa, für die S. den Namen
Sigmoiditis beizubehalten wünscht, bestand eine Stenose, welche durch
konsequente Bougierung und FibrolysiniDjektionen bedeutend gebessert
wurde.
Hr. Pariser - Homburg ist bei seinen 7 Fällen von Colitis ulcerosa
im Gegensätze zu Albu die Häufigkeit der Mitbeteiligung des Dünn¬
darms aufgefallen und die Umwandlung einer Colitis mucosa in eine
suppurative. Auf letzteren Umstand ist auch der vielfach schleichende
Beginn der Erkrankung zurückzu/ühren. Wenn man auch mit richtiger
Diät keine entscheidenden Erfolge erzielt, so können andererseits durch
nicht sachgemässe Ernährung bedeutende Verschlimmerungen entstehen.
Die Rectoskopie muss zur Sicherung der Diagnose und der Lokali¬
sation der Behandlung vorausgehen. Reicht der Prozess höher herauf,
so rectoskopiere man möglichst selten. P. befürwortet gleich Albu die
Trockenbehandlung, wendet aber auch I—2 proz. Anästbesinöl in Mengen
von 100 bis 125 g morgens und abends nach vorangehender Reiniguogs-
klystiere an. Sehr empfehlenswert ist ausgedehnte Bettruhe, namentlich
prämenstruell, und Anwendung des elektrischen Glühlichtapparates
im Bette.
Hr. Kampmann - Strassburg will unter die infiltrativen Entzün¬
dungen des Colons eine phlegmonöse Entzündung der Flexura sigmoidea
und des Colon descendens eingereiht wissen, welche sekundär bei ulee-
rösen Prozessen, aber auch bei Appendicitis und als postoperative Kom¬
plikation derselben in der Submucosa und Muscularis unter Fieber und
Schmerzen ohne peritonitische Reizerscheinungen auftritt. Die Konsistenz
des tumorartig geschwollenen Colon ist die eines dicken Guramischlauches.
Der Prozess kann in wenigen Tagen abklingen oder aber zu Resektion
der betroffenen Colonabschnitte nötigen.
Hr. Fuld-Berlin empfiehlt, die Appendicostomie zum Zwecke einer
ständigen gründlichen Reinigung des Colon vorzunehmen. Wismutöl¬
spülungen eignen sich weniger als wässerige mit einem nicht ätzenden
Kupferpräparat.
Hr. L. Kuttner - Berlin: Die Colitis gravis — K. hält an dieser
Noraenclatur fest — scheint durchaus keine seltene Erkrankung zu sein.
Die Colonschleimhaut kann bei der Obduktion ganz normale Verhält¬
nisse aufweisen. Hervorzuheben ist der intermittierende Charakter der
Erkrankung, zu bestimmten Zeiten können Blutungen, zu anderen Eiter-
stüble wie bei Durchbruch eines Abscesses das Krankheitsbild be¬
herrschen. Eine Anzahl von Patienten fühlt sich im Sommer beschwerde¬
frei, im Winter tritt ein Recidiv mit Eiterabgang auf. Bei Colitis gravis
hat K. wohl Besserungen, niemals aber Heiluogen gesehen. Die in¬
filtrierenden Formen von Colitis zeigen alle Divertikel. Nach K.’s Er¬
fahrungen neigen die Divertikel um so mehr dazu, der Ausgangspunkt
einer Colitis zu werden, in je tieferen Darmabschnitten sie liegen. Im
Vordergründe steht immer die interne Therapie.
Hr. Michael-Wiesbaden hat bei einem seit 4 Jahren erkrankten
Fall von Colitis und Proctitis eine Gewichtszunahme von 20 Pfund
erzielt.
Hr. Alexander - Berlin hat 5 Fälle von Colitis suppurativa beob¬
achtet, zweimal war Gelenkrheumatismus, einmal Angina und einmal
schwere Fleischvergiftung vorangegangen. Grosse Salicylgaben, Urotropin
und lokale Behandlung mit Borsäurelösungen und Oel brachten die
Krankheit in den beiden ersten Fällen zur völligen Heilung. Zweimal
bestand Gastritis anacida, einmal Achylie. Ein Fall wurde innerlich
und operativ ohne jeden Erfolg behandelt. Die rectoskopische Unter¬
suchung des geheilten Falles ergab ganz normale Schleimhaut bis auf
einige sich durch ihre helle Farbe von der Umgebung abhebende Narben.
Hr. Wandel-Kiel wendet sich dagegen, dass die infektiösen
(bakteriellen und infusorieilen) Colitiden, die lange Zeit kryptogenetisch
verlaufen können, sowie die toxischen (merkuriellen) aus der Gruppe
der Colitis gravis a priori ausgeschlossen werden sollen. Vor fest¬
gestellter Aetiologie könne man sie ohnehin oft gar nicht voneinander
unterscheiden, andererseits entstehen ähnlich wie die merkuriellen sicher¬
lich auch andere Ausscheidungscolitiden, indem nioht nur Queck¬
silber, sondern auch Eisen, Biutzerfallsubstanzen, Lipoidverbindungen der
Kresole, soweit sie nicht bei Vergiftungen durch Schwefelsäure- und
Glucuronsäurepaarung unschädlich gemacht und durch die Nieren
eliminiert werden, im untersten Teil des Dickdarms zur Ausscheidung
gelangen und dort eine Reizung der Schleimhaut hervorrufen. Vielleicht
spielen ähnlich diese akuten exogenen Vergiftungen die endogenen Gifte
des Stoffwechsels io chronischer Form eine gewisse Rolle bei der Genese
der Colitis ulcerosa und infiltrativa.
Hr. Reitter-Wien: Die Versuche, die Aetiologie der Colitis suppu¬
rativa bakteriologisch festzustellen, sind bisher fehlgeschlagen. Bacterium
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UNIVERSUM OF IOWA
1756
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 43.
coli kommt jedenfalls nicht in Frage, denn das Blut der Kranken agglu-
liniert weder die eigenen uoch fremde Colistämme. Bei don grossen
Eitermengen wäre das Misslingen jeder Züchtung, wenn es sich um be¬
kannte aerobe Bakterien handelte, unverständlich. Anaerobe Züchtung
wurde allerdings noch nicht systematisch durchgeführt.
Hr. Knud Faber- Kopenhagen ist ein Gegner von medikamentösen
Spülungen bei Colitis, da sie bloss den Darm irritieren. Von Bakterien
wurden Shiga - Kruse’sche Bacillen, Pseudodiphtherie- und Pseudo¬
dysenteriebacillen gefunden.
Hr. Dehio - Dorpat: Ulceröse Colitiden können auch durch Amöben
und Infusorien hervorgerufen werden, z. B. in Livland durch Balantidium
coli, ebenso in den anderen um das Ostseebecken gelegenen Ländern.
Die Infusorien sind nur im frisch entleerten, warmen Stuhl nachweisbar,
die Prognose ist schlecht.
Hr. Winternitz - Halle a. S. rühmt den guten Effekt von relativ
grossen, intermittierend verabreichten Chiningaben.
Hr. Schmidt (Schlusswort) ist von der Unzweckmässigkeit seiner
Bezeichnung nicht überzeugt worden. Blutungen kommen auch bei
schleimigen Colitiden vor, maassgebend ist die Eiterausseheidung. In
den Fällen von angeblich vorangegangenem Gelenkrheumatismus möchte
Sch. annehmen, dass die Colitis latent schon vorher bestanden hat.
(Fortsetzung folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der LWV. hatte mit Rücksicht auf den an vielen Orten her-
vorgetretenen Aerztemangel eine Eingabe an das preussische Kriegs-
mioisterium gerichtet, worin ersucht wird, die dem Landsturm angehörigen
Aerzte und nicht approbierten Mediziner von der Landsturmpflicht
zu befreien. Diesem Antrag konnte jedoch nicht stattgegeben werden,
da das Gesotz zu einer allgemeinen Regelung dieser Art keine Hand¬
habe biete. Für den Einzelfall sei in den §§ 103,6 und 9, sowie
122,1 c der WebrordnuDg die Möglichkeit einer Befreiung gegeben.
— Der Tuberkuloseausschuss der Zentralstelle für Kriegswohlfabrts-
pflege des Roten Kreuzes vermittelt Arztstellen in Lungenheilstätten.
Zurzeit sind 6 bis 8 offene Assistenzarztstellen zu besetzen. Meldungen
an den Tuberkuloseausschuss im Reichstagsgebäude.
— Geheimrat Körte, konsultierender Chirurg beim 3. Reserve-
Armeekorps, ist mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet worden.
— Verlustliste. I. Gefallen: Unterarzt Dr. Heinrich Barth-
BerliD. Assistenzarzt d. R. Dr. J. Diebitsoh, 5. Jäger-Bat. Feldunterarzt
Dr. G. Herrenschneider. Stabsarzt Dr. Hermann. Eioj.-Freiw. W.
Kösel, stud. med. Stabsarzt d. R. Prof. Dr. Oswald Löb, Privatdozent
f. Pharmakologie in Göttingen. Einj. Freiw. W. Magnus, 3. Garde-Feld-
art.-Reg. Assistenzarzt d. R. Dr. Paradies. Oberstabsarzt d. L. Dr.
Sauberzweig. Unterarzt Dr. Haos Schultz - Berlin. Stabsarzt d. L.
Dr. Timmermann. Feldunterarzt Dr. Werth ei m. — 11. Verwundet:
Feldunterarzt Dr. A. Auer. Stabsarzt d. R. Dr. G. Bräutigam. Gen.-
'•berarztDr. Bussenius. Assistenzarzt d. R. Dr. R. Cahn. Assistenz¬
arzt d. R. Dr. W. Drewke. Stabsarzt d. R. Dr. Elörsheim. Stabs¬
arzt d. R. Dr. Jochims. Assistenzarzt d. R. Dr. Kwoczek, Feldart.-
Reg. Nr. 12. Stabsarzt d. R. Dr. S. Laserstein, lof.-Reg. Nr. 48.
Stabsarzt Dr. Starke, Feldart.-Reg. Nr. 5.
— Der älteste im Felde tätige Arzt dürfte wohl der Stabsarzt
Dr. Franz Hertwig aus Wilmersdorf sein, der dieser Tage seinen
80. Geburtstag feierte. !
— Die Gesellschaft für chemische Industrie in Basel, Bureau ]
BerlinSW.il, Kleinbeerenstrasse 4, erklärt sich bereit, den Herren i
Aerzten im Felde und Lazaretten gefüllte Vioformzerstäuber, Coagulen
Kocher-Fonio, Digifolintabletten und -Ampullen, Dial-Ciba (Beruhigungs¬
und Schlafmittel), Phytin, Chinin-Phytin, Lipojodin und Peristaltin, Sälen
und Salenal (Antirheumatica) kostenfrei zur Verfügung zu stellen und
bittet hiervon Gebrauch zu machen.
— Volkskrankheiten. Pest. Portugal. In Lissabon nach
Bericht vom 9. X. 8 Fälle von Lungenpest. Brasilien einige Fälle, in
Peru eine grössere Zahl dieser Krankheit. — Cholera. Oesterreich.
Vom 27. IX. bis 3. X. 92 Erkrankungen (und 32 Todesfälle), bis auf einen
Fall alles bei Militärpersonen auf dem Kriegsschauplatz. Ungarn.
Vom 27. IX. bis 3. X. 231 Erkrankungen. — Genickstarre, ln
Preussen vom 4. bis 10. X. 3 Erkankungen und 1 Todesfall, und zwar
im Landespolizeibezirk Berlin 1, Reg.-Bez. Breslau 1, Münster 1. —
Spinale Kinderlähmung. Vom 4. bis 10. X. 5 Erkrankungen, und
zwar Reg.-Bez. Danzig und Düsseldorf je I, Schleswig 3. — Ruhr. In
Preussen vom 4. bis 10. X. 142 Fälle, 12 Todeställe (darunter 81 bzw.
5 bei Militärpersonen). Oesterreich. Vom 13. bis 26. IX. 33 Fälle.
Hoch sch ulnachrichten.
Berlin. An Stelle von Geheimrat Bier wird Geheimrat Sonnen-
bürg die chirurgischen Vorlesungen in der Königlichen Klinik halten. —
Bonn. Habilitiert: Dr. Eis für Chirurgie. — Halle. Prof. Igers-
heimer wurde die interimistische Leitung der Augenklinik übertragen. —
Zürioh. Habilitiert: D. v. Gonzenbach für Hygiene.
Zur Hygiene im Felde.
Herr Prof. A. Loewy schreibt uns: „Lra Gegensatz zu unserer
alkoholfreien Mobilmachung 4 tritt jetzt mit dem Eintritt der kälteren
Jahreszeit das Bestreben hervor, unsere Truppen reichlich mit Alke-
holicis zu versehet). In der Tagespresse finden sich von Aerzten ge¬
schriebene Artikel, in denen dieses Bestreben unterstützt und der
Alkohol seiner anregenden und nährenden Eigenschaften wegen als un¬
entbehrlich für einen Winterfeldzug empfohlen wird.
Von seinen theoretisch vorhandenen nährenden Eigenschaften
kann man wohl ganz absehen; denn bei dem in jedem Falle gebotenen
Maasshalten (das in praxi allerdings schwerlich stets wird kontrolliert
und durchgeführt werden können) lassen sich nicht so grosse Mengen
zuführen, um eine nährende Wirkung zu erzielen. Es bleiben also
höchstens seine anregenden Eigenschaften. Aber auch in dieser Be¬
ziehung stellt er sich gerade im Winter als ein zweifelhafter Freund
dar. Er soll in erster Linie Wärmespender sein. Nun fördert er
zwar unzweifelhaft das Wärmegefühl. Aber da dieser Effekt durch
eine Erweiterung der Hautgefässe und davon abhängige Erwärmung der
Haut zustande kommt, so geht damit eine starke Wärmeabströmung an
der Körperoberfläche einher. Der Körper kühlt sich darum schnell ab,
und daher kommt es ja, dass Menschen, die im Rausche in der Winter¬
kälte einschlafen, weit leichter dem Erfrieren ausgesetzt sind als
Nüchterne.
Wenn daher unsere Krieger, die in den Schützengräben liegeu oder
sonst in ungeheizten Räumen die Nacht verbringen müssen, ihr Wärme¬
gefühl durch Alkohol erkaufen sollen, so werden sie zwar leichter Schlaf
Anden, aber die Erquickung, die er geben soll, wird mit folgender Kraft¬
losigkeit, wie sie durch Senkung der Körpertemperatur zustande kommt,
und mit der nähergerückten Gefahr des Erfrierens bezahlt werden. Mao
sollte deshalb mit der Darreichung von Alkohol gerade in einem Winter¬
feldzug besonders vorsichtig sein und streng individualisieren, damit er
nicht durch die Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Energie
und Schlagfertigkeit mehr schadet, als er vorübergehend zu nützen
vermag.
Abgesehen von der Kälte wird von unseren Kriegern, besonders
denen im Osten, über ein zweites Uebel geklagt, das nicht, wie diese,
als etwas Naturnotwendiges hingenommen werden muss, das ist die in
einem grossen Teil der Quartiere bestehende Verseuchung mit Unge¬
ziefer.
Bis jetzt gibt es kein Mittel, das sich als ausreichend wirksam da¬
gegen erwiesen hätte. Sollte das seidene Unterzeug die ihm nachgerühmte
Ungezieferprophylaxe erfüllen, so würde das doch nur einem sehr kleinen
Teil der Heere zugute kommen.
Ich hörte nun von einem alten Krieger, den ich übrigens in Jahr¬
zehnte langer Bekanntschaft als guten Beobachter kennen gelernt habe,
dass er 1864 in Schleswig-Holstein gleichfalls unter der Ungeziefernot
zu leiden hatte. Er wandte dann ein Mittel an, das seiner Angabe nach
ihm mit ziemlicher Sicherheit die ungebetenen Gäste vom Leibe hielt,
nämlich die Asa foetida. Mit dem zerkleinerten Harz streute er sein
Unterzeug ein und war, solange es wirkte, d. h. roch, frei von Ungeziefer.
So wenig empfehlenswert das Mittel seines üblen Geruches wegen
in Friedenszeiten sein mag, im Kriege würde dieser jedenfalls nur
eines der kleinsten Uebel darstellen und, wenn die Asa foetida sonst
ihren Zweck erfüllte, wohl gern in Kauf genommen werden. Ein Ver
such damit würde Bich bei ihrer sonstigen Unschädlichkeit wohl lohnen/
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Ernennungen: Wissenschaftl. Mitglieder des Königl. Instituts für ex¬
perimentelle Therapie in Frankfurt a. M., Professoren Dr. Apolant
und Dr. Sachs zu ausserordentl. Professoren in der medizinischen
Fakultät der Universität in Frankfurt a. M.
Niederlassungen: Dr. H. Stiehler in Marienburg, Aerztin Cbarl.
Schönlein und Dr. P. Neumann in Danzig, J. Parlac in Pots¬
dam, M. Sass in Frankfurt a. 0., Dr. 0. Brändlein und G. Schäfer
in Breslau, J. Kupferberg in Dittmannsdorf (Kr. Waldenburg).
Verzogen: Aerztin Dr. J. Hertz und Aerztin Dr. J. Ullmann von
Heidelberg, Aerztin H. Oelrichs von Bonn sowie Dr. L. Draudt
von Darmstadt nach Frankfurt a. M., W. Berres von Freiburg nacn
Winkel, Dr. E. Auer von Ahrweiler und Generaloberarzt a. 9.
A. Schulz von Hanau nach Wiesbaden.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: A. Lüdkert von
Zoppot, Dr. A. Rudolphi vod Breslau auf Reisen, Dr. B. Martens
von Frankfurt a. M. .
Gestorben: Dr. P. Wieczorek in Danzig, Dr. M. Lilienthal 111
Neuteich, Dr. 0. Du Mesnil in Frankfurt a. 0., San.-Rat Dr. j -
Jacke aus Fürstenwalde a. Spree im Feldzuge, Dr. 0. Scbroct 1
Landsberg a. W., Dr. W. Bartsch in Breslau, Geh. San.-Rat Dr.
Körner in Trebnitz. . -a.
Im Felde gefallen: Dr. 0. Wieck aus Berlin-Dahlem, Dr. P. Scnm
aus Berlin-Treptow, Dr. R. Dorn aus Saarlouis. _ _
| Für di« Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Sohn, Berlin W., Bayreurtier Strwe
Vorlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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Original fr am
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BERLINER
Dl* B*rlia*r Klinische Wochenschrift erscheint Jeden
Montag ln Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4, —
Preis vierteljährlich 6 Merk. Bestellungen nehmen
•Jle Buchhandlungen und PosUnstalten an.
All* Kinsendungen för die Bedaktioa nnd Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 66, adressieren.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung nnd Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geb. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posoer und Prof. Dr. Haas Koho. August Oirscbwald, Verlagsbuchhandlung io Berlin.
Montag, den 2. November 1914. M 44. Einundfünfzigster Jahrgang.
INHALT.
Origtlftliei: Lehnert: Ueber Ekzem und Neurodermitis im Kindesalter.
(Aus der Hautklinik des städtischen Krankenhauses zu Frank¬
furt a. M.) S. 1757.
Dünner: Zur Frage der diagnostischen Bedeutung hämoglobin¬
reicher Megalocyten. (Aus der I. medizinischen Abteilung des
städtischen Krankenhauses Moabit in Berlin.) S. 1759.
Froehlich: Der Kriegssanitätsdienst in Berlin. (Illustr.) S. 1761.
Hen8zelmann: Eine einfache Aufnahmetechnik zur Röntgenunter¬
suchung der Baucheingeweide. (Aus der I. medizinischen Klinik
in Budapest.) (Illustr.) S. 1764.
Makrocki: Ein Beitrag zur Atoxylamaurose. S. 1765.
Lieske: Aerztliche Rechtsfragen zur Kriegszeit. S. 1766.
BfteherbespreellMge! : Spalteholz: Anatomie des Menschen. S. 1769.
Sobotta: Descriptive Anatomie des Menschen. S. 1769. (Ref.
Klaatseh.) — Nissl: Beziehung zwischen klinischem Verlauf und
anatomischem Befund bei Nerven- und Geisteskrankheiten. S. 1769.
(Ref. Rothmann.) — Lewandowsky: Die Hysterie. S. 1769.
Sommer: Psychische und nervöse Krankheiten. S. 1769. (Ref.
Seiffer.) — Bettmann: Einführung in die Dermatologie. S. 1769.
Ikonographia dermatologica. S. 1769. (Ref. Joseph.) — Volkelt:
Vorstellungen der Tiere. S. 1770. (Ref. Butlersack.) — Mangold:
Fortschritte der Tuberkulosebekämpfung in Preuasen während der
Jahre 1909—1911. S. 1770. Peltzer: Militarärztliche Kriegs¬
erinnerungen an 1866 und 1870/71. S. 1770. Velde: Die Kranken¬
trage 1913. S. 1770. (Ref. Schnütgen.)
Literatur-Aaslüge: Anatomie. S. 1770. — Therapie. S. 1770. —
Parasiten künde und Serologie. S. 1770. — Innere Medizin. S.1771. —
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1771. — Geburtshilfe und
Gynäkologie. S. 1772. — Augenheilkunde. S. 1773. — Hygiene und
»Sanitätswesen. S. 1773. — Gerichtliche Medizin. S. 1773. — Unfall¬
heilkunde und Versicherungswesen. S. 1773. — Militär-Sanitäts¬
wesen. S. 1773.
Verhandliige* ärztlicher Gesellschaft«! : K. k. Gesellschaft der
Aerzte zu Wien. S. 1774.
Kriegsärztliohe Abende. S. 1774.
Kriegsmedizinische Abende des naturhistorisch - medizini¬
schen Vereins zu Heidelberg. S. 1775.
I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zu
Bad Homburg v. d. H. (Fortsetzung.) S. 1776.
Ein „heisser“ Tag. S. 1778.
Die neue Frankfurter Universität. S. 1779.
Tagesgesohichtl. Notizen. S.1780. — Amtl. Mitteilungen. S.1780.
Aus der Hautklinik des städtischen Krankenhauses zu
Frankfurt a. M. (Direktor: Prof. Dr. Karl Herxbeimer).
Ueber Ekzem und Neurodermitis im Kindes¬
alter.
Yon
Dr. Alton Lehiert, zurzeit Volontärassistent.
(Im Sommer dirigierender Bede- und Brunneuerzt in Bad Dürkheim.)
Es ist das Verdieost Vidal’s 1 2 ), die Krankheit, die wir
heute als Neurodermitis bezeichnen, von den Ekzemen ge¬
trennt za haben. Wie jedoch ans den Arbeiten Brocq’s 3 ) und
Jaquet*s 3 ) her vor geht, war diese Krankheit auch schon älteren
französischen Dermatologen, u. a. Hardy, Cazenave, Chausit,
Ba*in, nicht unbekannt gewesen. So beschrieb Hardy einen
Lichen circomscrit, der den von Vidal geschilderten Plaques ent¬
spricht, nnd auch schon Cazenave und Chausit verwandten
gerade für diese Affektionen das Wort Lichen. Entgegen den
Ansichten Hebra’s und Wilson’s, die als Lichen nur den
Lichen ruber und den Lieben planus ansehen wollten, versuchte
Vidal die neugeschaffene Krankheitsform in die alten Einteilungen
anfznnehmen, stellte eine neue Klassifizierung der Lichenformen
anf und bezeichnete die von den Ekzemen getrennte Krankheit
als Lichen chronique circomscrit. Es handelt sich hierbei um
Krankheitsherde, die mit Papeln beginnen, welche später zu
Plaques konfluieren. Die betroffenen Hautstellen jucken stark,
sind trocken, zeigen bestimmte Lokalisation, mehr oder minder
regelmässige Hantfelderung und schuppen oft leicht. Der Name
Lichen chronicus circumscriptus wurde jedoch von auswärtigen
Autoren nicht anerkannt, und auch bereits Brocq, der Schüler
1) Vidal, Du liehen. Ann. de denn, etsyph., 1886. — Derselbe,
Da liehen simple. Ann. de denn., 1891, p. 326.
2 ) Brocq, Növrodermite aigue diffuse chez nne malade atteinte etc.
Ann. de denn., 1891, p. 397.
. 8) Brooq et Jaquet, Note pour servir ä l’histoire des n^vroder-
mites. Ann. de denn., 1891, p. 97 et 198.
Vidal’s, und Jaquet wählten die Bezeichnung „Nevrodermite
circomscrite chronique u . Sie stützten sich dabei auf eingehende
Untersuchungen über das Wesen der Krankheit und entwarfen in
ihren Arbeiten ein klares Bild von ihr. Zu den bereits erwähnten
Symptomen machen sie darauf aufmerksam, dass der Typus der
Krankheit, der nicht immer in allen Punkten gleich ausgebildet
ist, aus drei konzentrischen Zonen besteht. Diese gehen in¬
einander Ober, entwickeln sich anch öfter aus anderen und unter¬
scheiden sich durch den Grad ihrer Veränderungen. Die äussere
Zone ist hellbraun pigmentiert, zeigt enge Felderung und besitzt
dnreh die schwach angedeutete Papillarbypertrophie ein samt¬
artiges Aussehen. Die mittlere Zone besteht aus grossstecknadel¬
kopfgrossen Papeln, die granrosa bis braunrot oder rot, zngespitzt,
abgerundet oder abgeplattet, meist glänzend und zuweilen mit
Schoppen bedeckt sind. Sie scheinen einem höheren Grad der
Papillarbypertrophie zu entsprechen. Die dritte centrale Zone
besteht aus den Lichenplaques, die eine blaurosa bis bräunliche
Farbe, deutliche Verdickung und Infiltration, vergröberte Haut-
felderung, absolute Trockenheit und Öfter dünne Schüppchen
zeigen. Das subjektive Hauptsymptom ist das Jucken, das der
Hautaffektion vorausgeht und dann anfallsweise und heftig auf-
tritt. Schon Brocq, dem wir ja die genaueste Beschreibung des
Krankheitsbildes verdanken, unterschied, was wir auch heute
noch tan, die leichter za erkennende Neurodermitis circumscripta
von der schwerer vom Ekzem zu unterscheidenden Neurodermitis
diffusa. Histologisch fanden Brocq und Jaquet Hyperplasie der
Papillen, Anhäufung lymphoider Zellen in dem Bereich der
Papillen nnd der Umgebung der Haarfollikel sowie der Gefässe,
starke Verbreiterung des Rete Malpighii, verschieden hochgradige
„Alteration cavitaire“ einzelner Retezellen (Vaknolenbildung nach
Leloir) and Verdickung eines Nervenbündels auf dem Querschnitt.
Da die beiden Autoren die Krankheit meist bei neuropathischen
Personen feststellteu und sie keine anderen ätiologischen Anhalts¬
punkte fanden, so bezeichneten sie das Krankheitsbild mit dem
Namen Neurodermitis.
Die Frage nach der Abgrenzung dieser Krankheitsgruppe hat
dann oft auf der Tagesordnung der speziellen Fachkongresse ge-
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UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 44.
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standen und ist in einer Reihe von Arbeiten erörtert worden.
Allgemein wird auch in Deutschland heute anerkannt, dass das
Krankheitsbild der Neurodermitis nicht unter den Ekzemen und
den Lichenformen eine Sonderstellung einnimmt, sondern von
diesen überhaupt zu trennen ist.
Die Bezeichnung Neurodermitis wird jedoch nicht von allen
Seiten anerkannt. Von den deutschen Dermatologen hat sich
namentlich Touton 1 ) mit dieser Krankheit beschäftigt und ist der
Ansicht, dass diese Affektion weder ein Ekzema chronicum noch
ein Lichen ist, sondern „ein Pruritus localis mit konsekutiver
Verdickung der Haut (Lichenifikation) und zur Prurigo (Hebra)
zu rechnen ist w .
Gegen die von Brocq und Jaquet gewählte Bezeichnung
ist vor allem auch Neisser 2 3 * ) aufgetreten, der unter allen Um¬
ständen die Krankheitsgruppe nach dem cutanen Bild beurteilt
und rubriziert wissen will. Er stellte auf dem Dermatologen¬
kongress in Rom 1894 in seinem Referat über Lichen als erste These
auf, dass der Name Lichen einzig und allein für die als Lichen ruber
benannte Hautkrankheit beizubehalten sei. Wie Hebra und
Kaposi definiert er Lichen als eine Krankheitsform, „bei der
Knötchen gebildet werden, die in typischer Weise bestehen und
im ganzen chronischen Verlauf keine weitere Umwandlung zu
Effloreszenzen höheren Grades erfahren, sondern als solche sich
wieder involvieren“. Neisser vermisst den Beweis, dass der
Pruritus oder sonstige nervöse Alterationen als Ursache des
ganzen Symptomen Vorganges aufzufassen seien, und kann sich
nicht damit befreunden, „das Jucken, wenn es auch das störendste
und wesentlichste Symptom im klinischen Bilde darstellt, heraus
zugreifen und es als oberstes Prinzip für die Bildung einer grossen
Krankheitsgruppe anzuerkenoen“. Er kommt in seiner zehnten
These zu dem Schluss, dass der Lichen chronicns circumscriptus
am besten als eigene Gruppe in die Ekzemklasse einzuordnen sei,
und befürwortet, die Krankheit so lange wenigstens bei den ekzema¬
tösen Dermatitiden unterzubringen, bis der roycotische Charakter
dieser Dermatose erwiesen sei. Die Erkrankung jedoch zu den
Mycosen zu rechnen, dagegen sprechen wohl alle klinischen
Symptome, besonders aber der Verlauf der Krankheit.
Da die Aetiologie der Affektion noch keineswegs geklärt ist,
so mag es dahingestellt sein, welche Bezeichnung die richtigere
ist. Alle Autoren sind sich jedoch über das charakteristische
klinische Bild der Neurodermitis klar. Subjektiv ist sie be¬
sonders durch das intensive Jucken gekennzeichnet, das meist
primär ist und später in heftigen Anfällen auftritt. Prädilektions¬
stellen sind der Hals, der Nacken und die obere Schultergegend,
die Ellen- und Kniebeugen, die Innenfläche der Oberschenkel, die
Haut des Genitale, der Achselhöhlen und der Analgegend.
Weniger häufig ist das Vorkommen auf dem behaarten Kopf, den
Händen, Fingern und Füssen. Ueber drei Fälle von Neurodermitis
chronica des Gesichts bat Hoffmann 8 ) berichtet. In einem dieser
Fälle fand Hoffmann auch eine Beteiligung des Lippenrotes und
der Conjunctiven. Eine Beteiligung der Schleimhaut der Geni¬
talien bei Frauen batte Hoffmann auch früher schon erwähnt.
Wir sehen hier die Neurodermitis faciei öfter.
Im Anfangsstadium der Neurodermitis finden wir kleine
Knötchen, die im weiteren Verlauf der Krankheit zu Plaques
konfluieren. Diese, variierend von der Ausdehnung eines Pfennig¬
stücks bis zur Flachhandgrösse, haben eine mattrote bis bräun-
1 ich rote Grundfarbe, sind infiltriert und zeigen Erhebungen von
den konfluierten Stecknadelkopf-bis banfkomgrossen, flachen, grauen
bis graurötlichen Knötchen. Dieselben haben meist lichenoiden
Glanz, zeigen stellenweise feine kleienartige Schüppchen und
sind von tiefen und schmalen Furchen nach Art von Chagrinleder
in polygonale Felder geteilt. Nässen ist recht selten und findet
sich mehr noch bei den diffusen Formen, gewöhnlich nach irri¬
tierender Behandlung. rT _ _
Zuweilen beobachtet man an den Handflächen und Fuss-
sohleü, auch an den Fingern und Unterschenkeln eine verrucöse
Form der Neurodermitis. Diese ähnelt sehr dem Licbeö ruber
verrucosus, ist aber von ihm durch die mehr graue Farbe, das
Fehlen der echten Lichen ruber Knötchen, besonders aber durch
das in Anfällen auf tretende Jucken unterschieden.
1) Touton, Ueber Neurodermitis chronica circumscripta (Brocq)
= Lichen simplex chronicus circumscriptus (Cazenare-Vidal). Arch.
f. Derm. u. Syph., 1895, Bd. 33, S. 109. ,
2) Neisser, Ueber den gegenwärtigen Stand der Lichenfrage. Arch.
f. Derm. u. Syph., 1894, Bd. 28, S. 75. ........
3) Hoffmann, Ueber Neurodermitis chronica faciei (Lichen Sim¬
plex chronicus faciei). Derm. Zschr., 1913, S. 117.
Auch eine ganze Anzahl Fälle, in denen die Krankheit lineär
auftrat, fioden wir in der Literatur mitgeteilt (vgl. Vignolo
Lutati 1 ), Jadassohn*), Ehrmann, Mibelli, Markuse 8 ),
Touton U8w.). Die Streifenform dieser Affektionen und ihre
Topographie entspricht meist den Grenzlinien von Voigt, welche
durch Bolk eine embryonale Deutung erfahren haben.
Auf die Unterscheidung der Neurodermitis circumscripta und
der Neurodermitis diffusa haben wir oben hingewiesen.
Die Erkrankung kommt öfters bei Psychopathen vor, auch
hat man beobachtet, dass sie leicht durch psychische Erregungen,
fortgesetzte geistige Tätigkeit, Verstimmung und Aerger ungünstig
beeinflusst wird.
Was das Lebensalter anbelangt, in welchem die Neuro¬
dermitis vorkommt, so betreffen die in der Literatur verzeiebneten
Fälle fast ausschliesslich Erwachsene. Nach Brocq’s Erfahrung
tritt die Erkrankung besonders im mittleren Alter auf, und auch
Touton behauptet, dass die Krankheit nur zwischen dem 20. und
50. Lebensjahre vorkomme. Neuerdings bat jedoch genauere
Beobachtung gezeigt, dass die Neurodermitis im Kindesalter
keineswegs etwas seltenes ist. Hoffmann hat kürzlich auf die
oft scrofulöse Kinder befallende Neurodermitis universalis hin¬
gewiesen. In vielen Fällen ist die Neurodermitis bei Kindern
wohl nicht diagnostiziert worden, da sie häufig mit Ekzem kom¬
pliziert ist, mit welcher Krankheit sie ja auch heute noch viel¬
fach verwechselt wird. Durch das Kratzen der juckenden Neuro-
dermitisstellen oder durch unzweckmässige irritierende Behandlung
kommt es leicht zur Ekzematisation Andererseits beobachtet
man auch das Uebergehen eines Ekzems in eine Neurodermitis.
Für die Stellung der Prognose ist die Differentialdiagnose der
Neurodermitis gegenüber dem Ekzem von Wichtigkeit. Ist doch
die Neurodermitis im Vergleich zum Ekzem viel hartnäckiger
und leichter zu Recidiven neigend. Nur eine genau zu eruierende
Anamnese kann eventuell differentialdiagnostisch zum Ziel führen.
Es ist daher in den letzten Jahren bei den Ekzemen und
Neurodermitiden bei Kindern in der hiesigen Hautkinik besonders
auf die hier differentialdiagnostisch bei Feststellung der ersten
Krankheitserscheinungen in Betracht kommenden Gesichtspunkte
Gewicht gelegt. Das Ekzem setzt akut ein unter den Zeichen
der Entzündung. Hauteruption und Jucken geben Hand in Hand.
Es kommt zum Nässen, zur Schwellung, zum „Katarrh“. Die
Neurodermitis beginnt dagegen mit Jucken, das zuweilen lange
Zeit vor Erscheinung der Hauteffloreszenzen besteht. Es bilden
sich trockene, derbe, flache, schmntzigrote bis grauweissliche
Papelchen, die im weiteren Verlauf der Krankheit zu den typi¬
schen, erhabenen, infiltrierten Plaques konfluieren. Man sieht
keine entzündlichen Vorgänge, es besteht absolute Trockenheit,
äusserste Hartnäckigkeit.
An der hiesigen Hautklinik sind in den letzten zwei Jahren
293 Kinder, die an Ekzem oder Neurodermitis oder an beiden
Krankheiten zu gleicher Zeit litten, behandelt. Soweit nnter
anderem auch die anamnestischen Anhaltspunkte die Diagnose
gestatteten, konnte man bei 222 Kindern ein Ekzem feststellen
und bei 71 Fällen eine Neurodermitis, während bei 12 Kindern
die Diagnose, ob Ekzem oder ob Neurodermitis, offen gelassen
werden musste, da Symptome beider Krankheiten vertreten waren.
Von den 222 Ekzemen waren 8 akute Erkrankungen, während
214 Fälle chronische waren. Diese Zahlen sind jedoch für das
Verhältnis des akuten zum chronischen Ekzem betreffs der Fre¬
quenz nicht maassgebend, da die meisten akuten Ekzeme ausser¬
halb der Klinik behandelt werden und Ekzemkraoke meist erst
dann in die Klinik kommen, wenn die Krankheit in das chro¬
nische Stadium übergegangen ist. Vergleichen wir die Zahl der
Fälle des chronischen Ekzems mit der Zahl der Fälle der Neuro¬
dermitiden, so haben wir 214 chronische Ekzeme and 71 Neuro¬
dermitiden, d. h. das Verhältnis 3:1. Man sieht also, dass die
Neurodermitis auch bei Kindern sehr oft vorkommt.
Ueber die Aetiologie der Neurodermitis bei Kindern können
wir ebensowenig Bestimmtes sagen wie über die Entstehung der
Erkrankung bei Erwachsenen. Ein nervöser Ursprung ist nie
bestimmt naebzuweisen. Inwiefern Intoxikationen von seiten es
Darms vorliegen, kann man erst nach eingehenden Untersucbunge
1) Vignolo Lutati, Neurodermitis linearis psoriasiforme. Arch. f.
Derm. u. Syph., 1912, Bd. 111, S. 747. , . . .
2) Jadassohn, Ueber Neurodermitiden. Zschr. f. prakt. Ae »
1905, Nr. 3, 4 u. 5. v n
3) Marouse, Ueber Lichen simplex chronicus. Arcb, f.
Syph., 1901, Bd. 56, S. 381.
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UNIVERS1TY OF IOWA
2. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1759
beurteilen. In zwei Fällen von Neurodermitis lag zugleich eine
Seborrhoe vor, in einem Fall Pediculosis. Wir sehen, dass diese
beiden Momente bei unserem Material ätiologisch keine wesent¬
liche Rolle spielen.
Bei den zwölf Fällen, bei denen nicht bestimmt festgestellt
werden konnte, welche Krankheit vorlag, handelte es sich in
7 Fällen um Komplikationen von Neurodermitis mit Seborrhoe
und Ekzem, in 2 Fällen von Neurodermitis mit Acne und Ekzem,
in 3 Fällen von Neurodermitis nnr mit Ekzem. Wenn man in
solchen Fällen auch zunächst nicht gleich die Diagnose sichern
kann, so kann man doch durch richtige Behandlung die Kompli¬
kationen, besonders das Ekzem, bald zur Heilung bringen, wenn
diese sich auf der Neurodermitis entwickelt haben, da die Er¬
fahrung gelehrt hat, dass gerade die Haut Neurodermitiskranker
schwer zur Ekzematisation neigt und Ekzeme, die auf neuroder-
mitischer Haut entstanden sind, verhältnismässig leicht zur Heilung
zu bringen sind. ,
Die Lokalisation der Neurodermitis bei Kindern ist im all¬
gemeinen wie bei Erwachsenen. Etwas häufiger als bei diesen ist
das Gesicht befallen. Auch wurde in 8 Fällen eine Neuroder¬
mitis universalis beobachtet. Bei 6 von diesen und 4 anderen
Fällen waren die Kinder mit Scrofulose behaftet. Wir können
daher wohl Hoffmann beistimmen und der Scrofulose besonders
bei der diffusen generalisierten Neurodermitis der Kinder eine
gewisse Bedeutung beilegen.
Die Diagnose der Neurodermitis bei Kindern stützt sich wie
bei Erwachsenen auf die oben angegebenen Momente. Die Haupt-
cbarakteristika der Neurodermitis sind also der meist primäre,
äusserst heftige Juckreiz, sowie sein krisenartiges Auftreten, der
objektive Hautbefund, nämlich die Neurodermitisplaques, das
eventuelle Vorhandensein der Lichenknötchen, die Chronicifät.
Histologisch finden sich nach Scholtz als Unterschiede: bei
Ekzem ein intercelluläres Oedem in der Stachelschicht mit folgen¬
der spongoider oder vesiculärer Umwandlung des Rete, bei der
Neurodermitis eine Verlängerung der Papillen, herdförmige In¬
filtrate im Corium und Verbreitung des Rete.
Ein Moment, das von einigem differentialdiagnostischen Wert
sein sollte, hat Touton noch erwähnt, nämlich das Verhalten
beider Affektionen gegenüber der Teerbehandlung, mit der Touton
nur bei Ekzemen gute Erfolge erzielte, während sie ihn bei
Neurodermitis im Stich liess. Hierüber sind die Erfahrungen an
der Frankfurter Hautklinik andere. K. Herxheimer hat darauf
hingewiesen 1 ), dass jedes Teerpräparat seine besonderen Indi¬
kationen hat und man, wenn man tiefer in die Geheimnisse der
Teerbehandlung der Hautkrankheiten eindringt, kaum eins missen
möchte. Das Carboneol hat sich bei einer ganzen Reihe von
Hautaffektionen konsequent gut bewährt. Es ist dies eine
glänzende, schwarze, dünne Flüssigkeit von nicht unangenehmem
Geruch, die durch Verdampfen einer Lösung von Steinkohlenteer
in Tetrachlorkohlenstoff (CCI 4 ) gewonnen wird; der Rückstand
hat den Namen Carboneol erhalten und wird konzentriert, in
Spiritus gelöst oder mit Pasten, Salben usw. vermischt angewandt.
Das Carboneol bat den grossen Vorteil, dass es selten Irritationen
auf der Haut hervorruft. Es hat sich deshalb bei Ekzemen und
Neurodermitiden gleich gut bewährt und wird besonders auch bei
Kindern gut vertragen. Sobald man etwa vorhandene intensive
Entzündungserscheinungen mit einem Liniment oder einer Paste
beseitigt bat, ist die Carboneolbehandlung angezeigt. Man pinselt
gewöhnlich das Carboneol täglich zweimal in dünner Schicht auf.
Am Schluss der Behandlung kann man es dann mit einer in¬
differenten Salbe leicht wieder entfernen. Nebenbei hat man auch
bei der Therapie des Ekzems und der Neurodermitis auf eine all¬
gemeine und diätetische Behandlung in besonderen Fällen Ge¬
wicht zn legen, eventuell auch eine roborierende Arsenkur ein-
xuleiten. Bei Kinderekzem hat sich besonders die Dürkheimer
Maxquelle bewährt. Insbesondere bat man einen etwa vorhan¬
denen Darmkatarrh zu beseitigen. Empfohlen sind auch lokal
Tumenol-Ammonium-Paste, Sol. lithrantbracis acetonica und
Röntgenbehandlung. Wir sind an unserer Klinik mit dem Car¬
boneol völlig zufrieden gewesen, es wird selbst bei nässenden
Ekzemen von der Haut gut vertragen und kürzt die Behandlungs-
däuer erheblich ab.
1) B.kl.W., 20. Januar 1908.
Aus der I. medizinischen Abteilung des städtischen
Krankenhauses Moabit in Berlin (Geheimer Medizinalrat
Prof. Dr. G. Klemperer).
Zur Frage der diagnostischen Bedeutung
hämoglobinreicher Megalocyten.
Von
L. Dünner.
Die Schwierigkeit, eine sekundäre Anämie von einer per-
niciösen abzugrenzen, ist im Laufe der letzten Jahre dank den
Fortschritten unserer hämatologiscben Kenntnisse mehr und mehr
beseitigt worden. Es haben sich allmählich differential-dia¬
gnostische Symptome ergeben, die in fast allen Fällen eine exakte
Diagnose gestatten. Ohne auf die immer noch nicht zur all¬
seitigen Befriedigung gelöste Frage über die Einteilung der An¬
ämien einzugehen, sei diese Ausführung der Diagnostik der akuten
posthämorrhagischen Anämie und ihrer Unterscheidung von der
perniciösen gewidmet. Dabei braucht man nur — von nur prak¬
tischen Gesichtspunkten geleitet — die üblichen Untersuchungs-
metboden der Klinik, wie Bestimmungen des Hämoglobins, der
Erythrocyten- und Leukocytenzahlen und Morphologie zu erörtern
und kann auf Methoden, die der Kliniker selten verwendet, wie
z. B. Viscositätsbestimmungen des Blutes usw. verzichten. Mit
dieser Einschränkung erleidet die hämatologiscbe Diagnostik direkt
keine Einbnsse, denn man darf die erwähnten Untersuchungs-
metboden als vollkommen ausreichend ansehen, um die Ent¬
scheidung za treffen, ob sekundäre oder Biermer’sche Anämie vor¬
liegt. Darüber herrscht wohl bei der sonst vielleicht zu sehr
ausgeprägten Meinungsverschiedenheit im Kreise der Hämatologen
Einigkeit.
Einfache und perniciöse Anämie haben die starke Verminde¬
rung der Erythrocyten gemeinsam, die sehr oft bis unter eine
Million sinken kann. Mit dieser Verminderung der roten Blut¬
körperchen Hand in Hand geht eine Herabsetzung des Hämo¬
globingehaltes, die aber in ihrer Intensität bei jeder der Er¬
krankungen durchaus verschieden ist; darin ist ein wichtiges
Unterscheidungsmerkmal gegeben: Während nämlich der Hämo¬
globinverlust entsprechend dem grossen Defizit an Erythrocyten
bei der Anämie nach schweren Blutungen ein sehr starker ist,
weist der Hämoglobingehalt bei der Perniciosa nicht, wie man
a priori erwarten sollte, geringe, sondern im Verhältnis zu der
Anzahl der roten Blutkörperchen relativ hohe Werte auf. Aus
dieser Tatsache hat sich das wichtige Characteristicum des niedrigen
Färbeindex für die sekundäre und des erhöhten Index für die
Biermer'sche Anämie ergeben. Der niedrige Färbeindex bei der
sekundären Anämie erscheint uns verständlich, wenn wir bedenken,
dass nach Blutverlusten der Organismus das Bestreben hat, den
entstandenen Verlust an Erythrocyten möglichst rasch zu decken.
Das Knochenmark produziert möglichst schnell und viele Erythro¬
cyten. Zorn nicht geringen Teil gelangen nun rote Blutkörperchen
in den Kreislauf, die an Hämoglobingehalt noch nicht vollwertig
sind. So findet man in der Tat sehr viele hämoglobinarme
Körperchen. Im auffallenden Kontrast hierzu zeichnen sich die
roten Blutkörperchen bei der perniciösen Anämie durch ihren
abnorm hohen Hämoglobingebalt aus. Es ist das eine Erfahrung,
die sich immer und immer wieder bei der Biermer’schen Anämie
bestätigt findet, und die im Verein mit der abnormen Grösse der
Erythrocyten zu einem der wichtigsten diagnostischen Mittel dieser
Krankbeit geworden ist.
Der starke Knochenmarksreiz nach akuter Blutung doku¬
mentiert sich noch in anderer Weise: Mit der sozusagen über¬
hasteten Ausschwemmung der Erythrocyten erfolgt gleichzeitig
eine vermehrte Ausfuhr von Lenkocyten, die zum Teil ebenfalls
wie die Erythrocyten als Jugendformen auftreten. Man findet oft
als Symptom einer posthämorrhagischen Anämie eine Leukocytose,
die verschieden stark auftreten kann, je nach dem Grade des
Blutverlustes. Im Gegensatz zur einfachen besteht bei der per¬
niciösen eine Leukopenie.
Vielfach findet man bei sekundärer Anämie eine Vermehrung
der Blutplättchen, die bei der Perniciosa auf ein Minimum re¬
duziert, manchmal sogar überhaupt nicht nachzuweisen sind. Man
bat dies Verhalten der Blutplättchen auch zu diagnostischen
Zwecken verwendet.
So gewährt schon die einfache Blntkörperchenzählung und
Hämoglobinbestimmung wichtige differential-diagnostische Momente,
indem hoher Hämoglobingehalt bzw. ein Index über 1, Leuko-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 44.
penie and Verminderung der Blutplättchen für Biermer'sche,
andererseits niedriger Index, Leukocytose und zahlreiches Auf¬
treten der Blutplättchen für sekundäre Anämie sprechen.
Was die Blutmorphologie an belangt, so bietet sie für beide
Anämieformen sowohl gemeinsame wie auch verschiedene Symptome.
Sie ergibt jedenfalls fast immer den Ausschlag bei der Diagnose.
Bei jeder schweren Anämie, mag sie nun perniciös oder sekundär
sein, kann man Blutkörperchen von den verschiedensten Formen
beobachten. Auch die Grösse der einzelnen Blutkörperchen ist
bei beiden Erkrankungen Schwankungen unterworfen, ueben auf
fallend kleinen roten Blutkörperchen, normal grossen, finden sich
über das gewöhnliche Maass hinausgehende und sehr grosse. Als
Ausdruck einer Knocbenmarksreiznng muss man das Vorkommen
von kernhaltigen Erythrocyten auffassen, die sich in der Folge
einer jeden Anämie erstellen können, und die keineswegs, wie
man erine Zeitlang annabm, den Schluss auf perniciösen Charakter
zulassen. Erwähnen wir noch die Polycbromatophilie, die Punk¬
tierung der Erythrocyten, so sind damit wohl die beiden An¬
ämien gemeinsamen morphologischen Symptome genannt. Die
Unterscheidungsmerkmale für sekundäre und perniciöse Anämie
betreffen den Hämoglobingehalt der roten Blutkörperchen: Durch
grosse Blutverluste erfolgt eine starke Verdünnung des Blutes,
die sich neben der Verminderung der roten Blutkörperchen durch
eine dieser parallel gehenden Herabsetzung deB Hämoglobingehaltes
kundtut. Der Anforderung, den entstandenen Verlust vollkommen
zu decken, kann das Knochenmark nicht ganz nachkommen. Die
produzierten Erythrocyten gelangen in den Kreislauf mit einem
Hämogiobingehalt, der unter der Norm liegt. Man findet infolge¬
dessen bei sekundärer Anämie äusserst blass aussehende Erythro¬
cyten. Dabei mag vielleicht der Hämoglobingebalt nicht bei allen
Blutscheiben vollkommen gleich sein. Aber man kann doch im
allgemeinen die Regel aufstellen, dass eine wesentliche Differenz
in der Färbbarkeit der an und für sich schon blassen Blut¬
körperchen nicht besteht, und dass, je grösser (gequollener) die
Zelle ist, um so ärmer ihr Gehalt an Hämoglobin. Man hat, seit
dem man darauf aufmerksam geworden ist, diesem Symptom des
Hämoglobingehaltes die grösste Bedeutung zugemessen, weil es
oft den entscheidenden Ausschlag bei der Differentialdiagnose ge¬
stattet gegenüber der Biermer’schen Anämie. Denn hier findet
man neben kleinen und normalen Erythrocyten grosse Zellen, die
alle gerade durch ihre satte rote Farbe sich auszeichnen, und die
dem Untersucber durch ihren Hämoglobinreichtum sofort in die
Augen springen. Es sind nicht nur die normal grossen Blut-
scheiben, die diese Eigenschaft besitzen, sondern, was noch viel
mehr verwunderlich ist, die über die Norm grossen Zellen, die
Makrocyten bzw. Gigantocyten. Diese Erythrocyten machen den
erhöhten Färbeindex, von dem oben die Rede war, bei ver¬
minderter Blutkörperchenzabl verständlich. Hämoglobinreiche
Makrocyten im Verein mit erhöhtem Färbeindex sind die haupt¬
sächlichsten diagnostischen Hilfsmittel in der Klinik der per¬
niciösen ADämie znr Unterscheidung gegen andere Anämieformen
geworden. Dadurch ist ein anderes Symptom mehr in den Hinter¬
grund gedrängt worden, das man früher als äusserst wichtig an¬
gesehen hatte und das zum Teil auch heute noch eine gewisse
Bedeutung hat: nämlich das Auftreten von Megaloblasten. Gewiss
lassen sie sich auch heute noch für die Diagnose verwerten, aber
sie haben doch insofern ihren Wert verloren, als ihr Fehlen keine
Schlussfolgerungen zulässt. Tatsächlich finden sich beim Circa-
lieren hämoglobinreicher Megalocyten im Blute Megaloblasten
regelmässig im Knochenmark, so dass das Vorkommen dieser
bämoglobinreichen Megalocyten auf jeden Fall beweist, dass der
Regenerationstypus des Knochenmarks ein megaloblastischer ist.
Dazu kommt, dass Beobachtungen von sekundärer Anämie mit¬
geteilt worden sind, bei denen Megaloblasten gefunden sind,
und dass es sich in diesen Fällen nicht um Perniciosa handelte,
beweist die Genesung der betreffenden Patienten.
Jedenfalls sind wir in der Diagnostik der Anämien so weit,
dass wir bis auf ganz verschwindende Ausnahmen auf Grund der
Blutuntersuchung die Rubrizierung des Falles vornehmen können.
Die Summe der einzelnen Symptome macht die Differential¬
diagnose leicht. Die Unterscheidungsmerkmale sind so charakte¬
ristisch, dass ein Fehlschluss nur selten vorkommt. Immerhin
weist die Literatur Fälle auf, die sich nicht ganz io das Schema
der betreffenden Krankheiten einfügen lassen. Diese Fälle sind
besonders selten bei der sekundären Anämie, bei der die Blut¬
veränderungen geradezu stereotyp zu nennen sind, aber es gibt
nun einmal Ausnahmen, und sie beanspruchen um so mehr unser
Interesse.
Ich selbst hatte Gelegenheit, bei einer Patientin mit sekon-
därer Anämie Untersuchungen anzostellen, die einen aussergewöhn-
lichen Befund, wie er Bich sonst in der Literatur nicht findet,
ergaben.
B. B., 23 Jahre alt, wurde am 1.1.1913 in stark ausgeblutetem Zu¬
stand eingeliefert Die Patientin hatte sioh bis zwei Tage vor der Kranken¬
bausaufnahme vollständig gesund gefühlt. Dann stellten sich uner¬
wartet ohne jede Vorboten heftige Durchfälle ein, die am 31. XII. 1912
teerschwarz wurden. In den letzten 24 Stunden hatte sich nach ihrer
Schilderung andauernd schwarzer Stuhl entleert. Nach dem klinischen
Befund, dessen Ausführung sich wohl erübrigt, im Verein mit der
späteren Röntgenuntersuchung musste die Diagnose auf Ulcus duodeni
gestellt werden. Die zwei Tage nach der Einlieferung vorgenommene
Blutuntersuchung ergab nun: 25 pCt. Hämoglobingehalt, 1 600000 Ery¬
throcyten, 34000 Leukocyten.
Im Blutaustrich fiel, wie dies nach der Blutzählung zu erwarten war,
die grosse Zahl der Leukocyten auf. Höchst bemerkenswert gestaltete sich
der Befund der roten Blutkörperchen. Neben hochgradiger Poikilocytose,
starker Polychromatophilie, punktierten Erythrocyten fiel die abnorme
Grösse und der abnorme Hämoglobingehalt einzelner Erythrocyten auf.
In einem Gesichtsfeld fanden sioh Mikrocyten, Normo- und Makrocyten,
deren Färbbarkeit ganz verschieden war, d. h. nicht alle Zellen batten
das gleiche blasse Aussehen, sondern man traf ausser den blassen
Scheiben auch solche mit recht intensiver Färbung. Insbesondere im¬
ponierten viele Megalocyten mit ihrem Hämoglobinreiohtum. Dieser
merkwürdige Biutbefund gab selbstverständlich Anlass zu weiteren regel¬
mässigen Blutuntersuchungen, aus deren Protokoll nur das wesentliche
herausgegriffen sei:
Im Laufe der nächsten Wochen sank die Zahl der Leukocyten zur
Norm, die der Erythrocyten stieg nur langsam auf 4 Millionen and der
Hämoglobingehalt auf 35 pCt. Sahli (17. III. 1913). Die Morphologie der
Erythrocyten batte sich innerhalb dieser Zeit nur relativ wenig geändert
Allerdings war die Poikilocytose nicht mehr so stark und die Poly-
cbromatopbilie Hass sich überhaupt nicht mehr nachweisen. Die himo-
globinreicben Makrocyten neben bämoglobinarmen waren aber, wenn
auch nicht mehr so zahlreich wie sofort nach der abundanten Blutung,
immer nooh vorhanden. Sie verschwanden nur ganz langsam. Ich selbst
fand noch am 28. V. bei der letzten Untersuchung ganz vereinzelte, bei
55 pCt. Hämoglobingeb alt und 4000000 Erythrocyten. Dann hatte ich
selbst keine Gelegenheit mehr, die Patientin weiter zu beobachten, da
sie in ihre Heimat nach Christiania zurückkehrte. Herr Prof. S. Laache
hatte die grosse Liebenswürdigkeit, am 27. IX. eine Blutuntersuchuug
vorzunehmeD, deren Resultat er mir mitteilte. Ich bin Herrn Professor
Laache für sein freundliches Entgegenkommen zu grossem Dank ver¬
pflichtet, weil durch seine Untersuchung die Beurteilung des Falles erst
endgültig ermöglicht wurde. Am 27. IX. fand Herr Prof. Laache:
5000000 Erythrocyten, 6400 Leukocyten, 95 pCt. Hämogiobingehalt.
Im Blutausstrich (Herr Prof. Laache sandte mir einige gefärbte
Präparate) fanden sich nur normale Zellen. Insbesondere konnte ioh
selbst nach laDgem Durchmustern der Präparate keine hämoglobinreichen
Makrocyten konstatieren. Der Hämogiobingehalt der Erythrocyten war
durchweg ein gleichmässiger. Das Befinden der Patientin war, wie sie
mir zur gleichen Zeit schrieb, sehr gut x )
Damit dürfte wohl die (sekundäre) Anämie in diesem Falle
als definitiv geheilt angesehen werden. Irgendwelche Zweifel
an der Natur der Anämie sind wohl kaum möglich. Die Diagnose
war eigentlich nach den beiden ersten Untersuchungen, die einige
Tage nach der profusen Blutung vorgenommen wurden, gesichert,
obwohl sich im Blatausstrich hämoglobinreiche Makrocyten fanden.
Nach den einleitenden Ausführungen sind wir diese Art von
Zellen nur bei der perniciösen Anämie zu finden gewohnt. Ueber
ihr Vorkommen bei sekundärer Anämie konnte ich in der Literatur
keinerlei Angaben finden. Trotzdem musste die Diagnose in
meinem Fall aof sekundäre Anämie gestellt werden. Man darf
das Auftreten der hämoglobinreichen Zellen nur als eine grosse
Rarität bei dieser Form von Anämie auffassen und ist nicht be¬
rechtigt, sich auf Grund dieses einen für Perniciosa charakteristi¬
schen Symptomes sich für sie entscheiden. Denn dieses eine
Symptom konnte nicht in Uebereinstimmung gebracht werden
mit einem anderen Characteristicum, das bei der Differentiai-
diagnose zwischen sekundärer und Biermer’scher Anämie den Ab¬
schlag gibt, nämlich mit dem Färbeindex, der bei allen vorge¬
nommenen Bestimmungen nicht erhöht war. Die hämoglobin-
reichen Erythrocyten bei der perniciösen Anämie sind, wenn man
so sagen darf, die Probe auf das Exempel des hohen Färbeindex,
der besagt, dass in dem Blut des Kranken mehr Hämoglobin sich
befindet, als wir nach der Zahl der Erythrocyten erwarten sollten.
Darum muss ein Teil der Erythrocyten bei der perniciösen Anämie,
1 ) Während der Krankenhausbehandlung hatten die versohiedent-
liohen Untersuobungen der Fäces auf Würmer, insbesondere Botriocepbalus,
niemals ein positives Resultat ergeben. Auch die Wassermann’sche Re¬
aktion war negativ.
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2. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1761
bei der der erhöhte Index zum Standardsymptom der Diagnostik
geworden ist, mehr Hämoglobin aufweisen als das Gros der
Zellen. Wenn nun in unserem Falle mit seinem nicht erhöhten
Index sich trotzdem eine gewisse Zahl von hämoglobin reichen
Makrocyten nachweisen liess, so war zwischen den beiden
Symptomen ein Gegensatz konstruiert, bei dem dem Färbeindex,
als dem umfassenderen, die grössere Bedeutung zugesprochen
werden muss.
Dazu kam, dass die hyperchromen Erythrocyten bei weitem
in der Minderzahl waren. Abgesehen von den einzelnen Exem¬
plaren boten die übrigen roten Blutkörperchen, sowohl die grossen
wie die kleinen mit ihrem geringen Hämoglobingehalt ein Bild, wie
es der sekundären Anämie eigen ist. So blieb denn für den
Verdacht der perniciösen Anämie, den bei Beginn der Unter¬
suchungen die gut gefärbten Makrocyten erweckt hatten, kein
Argument übrig. Hyperchrome Makrocyten, losgelöst von den
sonstigen Ergebnissen der Blutuntersnchungen, durften also nicht
den Ausschlag geben; denn erst bei der Zusammenfassung der
einzelnen Symptome ergab sich der so wichtige Widerspruch
zwischem nicht erhöhtem Färbeindex und den bämoglobinreichen
Makrocyten, zu dem sich dann, wenn auch nicht als unwiderleg¬
licher Beweis, so doch als für sekundäre Anämie sprechend, die
Leukocytose und Häufung der Blutplättchen gesellten.
Abgesehen davon liess die klinische Beobachtung keinen
Zweifel an der sekundären Anämie. Allerdings müsste man,
wenn man sehr kritisch sein wollte, eine Einschränkung insofern
machen, als die Blutung auch als Folge einer bereits bestehenden
perniciösen Anämie aufgefasst werden konnte. Denn Nasen¬
blutungen, Uterusblutungen usw. treten nicht so sehr selten bei
Blutkrankheiten auf und sind sogar manchmal das erste Zeichen
derselben. Wir verfügen unter dem grossen Material von Blut krank-
beiten in unserem Krankenhause über einige recht eklatante Fälle.
Z. B. batte ich vor einigen Jahren Gelegenheit, eine Patientin zu
beobachten, die von anderer Seite wegen Unterleibsblutungen zwei
Tage ohne Erfolg tamponiert worden war. Der Verdacht, dass bei
dieser Frau vielleicht eine Blutkrankheit Ursache der unstillbaren
Blutung sei, wurde durch die Untersuchung, die eine grosse Milz
ergab, und die Blutuntersuchung zur Gewissheit. Zwei Tage
später starb die Frau an ihrer Leukämie. Solche Ereignisse
sind gewiss keine Alltäglichkeit und können von dem behandeln¬
den Arzt um so eher falsch gedeutet werden, wenn er den
Patienten früher nicht kannte und nun plötzlich wegen einer
Blutung konsultiert wird, für die er im allgemeinen eine andere
Aetiologie anzunehmen gewohnt ist. Man muss an solche Even¬
tualitäten denken, sobald, wie in unserem Fall, das morphologi¬
sche Blutbild dem der perniciösen ähnlich ist. Von diesem
Gesichtspunkt ausgehend wäre die Ueberlegung berechtigt ge¬
wesen, ob nicht vielleicht bei unserer Kranken ß. schon längere
Zeit eine Perniciosa bestanden bat, der jetzt eine sekundäre
Anämie durch die Magenblutung aufgepfropft wurde. Wenn man
die Entstehungsmöglichkeit einer solchen Blutung auf dem Boden
einer primären Blutkrankheit erwägt, so müsste bei unserer
Patientin die Konstatierung der hämoglobinreichen Makrocyten
den Verdacht erwecken, dass die Kranke schon längere Zeit, ohne
es zu wissen, an einer Biermer’schen Anämie litt, die sich erst
durch eine abundante Blutung klinisch bemerkbar machte. (Dass
Patientin keine dementsprechenden anamnestischen Angaben
machte, spricht nicht ohne weiteres dagegen.) Dann wäre aller¬
dings die Kombination der Symptome von primärer und sekun¬
därer Anämie eventuell zu verstehen, und dann bestünde auch
kein Gegensatz zwischen dem nicht erhöhten Färbeindex, der sich
dann erst infolge der Blutung aus dem bislang (supponierten)
erhöhten herausgebildet hätte, und den hämoglobinreichen Makro¬
cyten, die sich als Symptom der primären Perniciosa in dem
jetzt als sekundär imponierenden Blutbilde erhalten hatten. Der
übrige Blutbefund erklärt sich — immer natürlich jene Vermutung
vorausgesetzt — leicht. Die Entscheidung hierüber konnte nur
der weitere Krankheitsverlauf erbringen, der eindeutig besagt,
dass es sich nur um sekundäre Anämie handelt.
Die Bedeutung der hämoglobinreichen Makrocyten für die
Erkenntnis der Perniciosa ist durch unseren Fall keineswegs er¬
schüttert. Wie epikritisch ausgeführt wurde, kommt ihr in
unserem Falle kein diagnostischer Wert zu. Bei der Diagnostik
der peraiciösen Anämie muss man die Forderung aufstellen, dass,
wenn auch nicht alle Symptome vorhanden sind (es sei an die
Megaloblasten erinnert), zum wenigsten kein Befund erhoben
werden darf, der gegen Perniciosa und für eine andere Anämie¬
form spricht. Nur die positiven Momente beim Fehlen von nega¬
tiven besitzen Wert. Allerdings bät man bisher das Auftreten
von hyperchromen Makrocyten für ausreichend erachtet, um die
Erkrankung für perniciös zu erklären. Das geschah bislang aber
nur deshalb, weil man von ihrem Vorkommen im sekundären
Blutbild nichts wusste. Mit der Erfahrung unseres Falles er¬
scheint es nunmehr notwendig, die untrügliche Unfehlbarkeit der
hämoglobinreichen Makrocyten etwas in Zweifel zu ziehen, so¬
lange das Gesamtbild nicht für Perniciosa spricht. Diesem Um¬
stand hat Naegeli Rechnung getragen, der „ganz gewöhnlich
nach dem ersten Blick ins Mikroskop richtig entscheidet“; er
fügt vorsichtigerweise hinzu „bei vollständig durcbgeführter
Untersuchung“. Diese Einschränkung ist in der Tat nötig.
Die nach unseren bisherigen Kenntnissen über die Morpho¬
logie der sekundären und perniciösen Anämie überraschende Be¬
obachtung, die der Fall bietet, ist noch für eine Frage von Inter¬
esse: ob nämlich die Perniciosa sich aus einer sekundären
Anämie direkt ohne weiteres entwickeln kann. Zurzeit lehnen
namhafte Hämatologen, wie H. Hirschfeld, A. Lazarus,
Naegeli usw., Blutverluste als Ursache der ßiermer’schen Anämie
strikte ab. Als Beweis für diese seine Anschauungen führt
Naegeli u. a. die Krankengeschichte einer Hämophilen an,
die schwere Blutungen durchmachte und deren Blutbild
niemals dem der perniciösen Anämie entsprechend gewesen
wäre, sondern stets dem der sekundären. Es wäre unberechtigt,
aus unserem Falle die Berechtigung herzuleiten, den Zusammen¬
hang zwischen beiden Anämieformen nunmehr proklamieren zu
dürfen, nachdem es gelungen sei, ein typisches Symptom der
Perniciosa bei einer posthämorrhagischen Anämie zu finden.
Wenn man diese Schlussfolgerung ziehen wollte, so müsste man
in dem Auftreten der hyperchromen Makrocyten, im Beginn
einer Blutung ein besonders ominöses Zeichen erblicken, und man
sollte dann zum mindesten die sofortige Entwicklung der unheil¬
baren Biermer’schen Anämie erwarten, dann müssten die Zellen
das direkte Bindeglied zwischen sekundärer und peruiciöser
Anämie darstellen. Dass dem nicht so ist, beweist der Ausgang
des Falles in Heilnng.
Die Beobachtung an meiner Kranken B. gab mir Veran¬
lassung, bei anderen Patienten, die schwere Blutungen über¬
standen hatten, auf bämoglobinreiche Makrocyten bei sonst sekun¬
därem Blutbefunde zu fahnden. Es gelang mir in der Tat bei
einer zweiten Patientin, bei der es sich höchstwahrscheinlich auch
um eio Ulcus duodeni handelte, einen gleichen Befund, wenn
auch nicht so ausgesprochen wie bei B., zu erheben. Daher
erscheint es wünschenswert, in Fällen von sekandärer Anämie
Blutuntersnchungen anzustellen und zu eruieren, ob bypercbrome
Makrocyten bei sekundärer Anämie nur als Kuriosum angesehen
werden müssen, oder ob sie in die Symptomatologie der sekun¬
dären Anämie, wenn anch als Seltenheiten aufgenommen werden
dürfen.
Der Kriegssanitätsdienst in Berlin.
VI.
Ueber Scliussvcrletzungen der Armnerven.
Von
Dr. E. Froehlieh,
Stationsarzt aiu Krio^sgofangenenlazarott Aioxamliiiieiistrasse.
Wir haben im hiesigen Lazarett eine grosse Anzahl von
Durchschüssen der oberen Gliedmaassen beobachtet, hierbei aber
nur wenige Nervenverletzungen gesehen. Wie die Gefässe, so
weichen anscheinend auch die Nervenstränge oftmals dem Ge¬
schoss aus. Sehen wir doch Ein- und Ausschuss sehr häufig an
Stellen, an denen da9 Geschoss einen Nerven seiner Lage nach
hätte treffen oder wenigstens streifen müssen. Schädigungen
eines Nerven nach Knochenbrüchen, direkt oder durch Einbettung
in den Callus, haben wir nicht beobachtet; es ist wohl aber mit
Sicherheit anzunehmen, dass spätere Lähmungen auf letzterer
Grundlage noch zur Beobachtung kommen werden. Ebenso selten
sind regelrechte Nervenentzündungen an Nerven, in deren Nähe
Verletzungen.stattgehabt haben. Ich habe einen derartigen Fall
in einem hiesigen Reservelazarett deutscher Verwundeter gesehen.
Es handelt sieb um einen Infanteristen, der angibt, am 8. IX. 1914
bei Barten durch Gewehrschuss aus unbekannter Entfernung in den
linken Oberarm verwundet zu sein. Der Einschuss befand sich innen
im oberen Drittel, ein Ausschuss ist nicht vorhanden. Die Wunde soll
stark geblutet haben; Pat. will beim Verbinden gesehen haben, dass das
Geschoss ein so tiefes Loch gerissen hätte, dass er seinen Danmen hätte
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»(«TitSk \t d achte * ut aeien de3 8 mnL Unb l^ utend - D « Pat be-
»adeln stechen Unt“ 36 Scbmer2en io der Hohlbnnd“ Et , wachen beginnen
der Beugeseite’des Dnt Mi ° bera ™ »ind frei yo„ s** ° b ibn Steck ’
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BeobacbT U ng nd baf e difrh bme " Gefühl aat8 rii ngen']~u7f7dlr
? le elektrische Prüfung mftteU °rf merk,ich nachgelassen
J iedig ' iCh 8eitens Addnctor S pofncis' S träge
Abbildung 1 a.
atösst us, ’DtC“" 4 en> P fi “dlicb „V W ,"„ V n° ü er ihm bezeich-
Winkel gebeugt, eine passt™ Str^t Am , im ElleQ hogen im rechtet
find\ U ‘°v! möglich. Die Hand ma^MelcM* 8 E J| eDb °g en gelenks ist bis
findet sich m leichter Beugestelhina M Zltterb ewegungen, sie be¬
händ ist deutlich abgellacht ebenso’der* dle Finger - Die Hohl-
kulatur des Unterarms. Eine auseesDrü^n UC A°K polhcis und die Mus-
lnterossei ist nicht festzustellen Di^Han^h! Abmage ; un S der Muscnli
hchkeit sehr beschränkt, das HandLw d \ g6r S ! D ? 10 ibrer Heweg-
Der Gefiihlssinn ist ungestört, elektrische VriU^ w V - bcwfgt wer den.
Herabsetzung der Erregbarkeit bei den ITan^h g bat 61ne quantitative
Entartungsreaktionen. An der uLren SeUel?p D aber keln *
dem Capitulum humeri befindet sieh ein* r e r^ eUg f^ <lcbe ’ 3 cm unter
Verdickung des Nervenstränge' ^Druck'* fh!“ ^ g ' ei " e
solche Anschwellung 5 cm unterhaih w ^ r schmerzt, eioe eben-
Schon die leiseste g Bertthrnng dies r be den 1t ,!“ Su '? us “*»«»«•.
Untersuchung löst solche Schmerzen aus! dass P^ das'oeSt W ^
da, Fehlen eine!"Gmb« b’ZwZui^T T*
wies nirgends eine Scbadigigung auf. Man muss danach rin™ Nerve™
eutzundung im Gebiete des Medianus und Ulnaris (?) annehmen
Einen ähnlichen Fall beobachtete ich auch im hiesigen Lazarett am
Bern. Der Einschuss befand sich hinten im Oberschenkel, ein Ausschuss
’imVntol 2 h t ne V et , Ktank « batte unerträgliche, reissende Schmerzen
im Unterschenkel, die einen längeren festen Verband erforderten, ehe
sie sich losten. Auch hier war im Röntgenbild nichts zu seheD.
Rin Aneurysma war in beiden Fällen nicht festzustellen.
Was nun einzelne Armnerven anlangt, so kamen Lähmungen
des Nervus musculocutaneus bisher nicht zur Beobachtung.
Eine Medianuslähmung sah ich einmal. Dieser Nerv ist be¬
kanntlich vor allem an der Beugeseite des unteren Drittels des
Unterarms gefährdet, ln meinem Falle befand sich der Einschuss
an dieser Stelle, der Ausschuss an der Gegenseite, in gleicher
Höhe. Der Patient ist leider schon entlassen, so dass eine Ab¬
bildung der Verletzung sich nicht mehr ermöglichen Hess. Die
Störungen im Gebiet des Medianusnerven waren die üblichen,
bei der Entlassung waren sie aber zum grössten Teil wieder ge¬
schwunden.
Ulnarislähmungen, besonders als Bescbäftigungserkrankungen
bekannt, können auch durch Geschosswirkung leicht zustande
kommen, da der Ulnaris durch seine Lage Verletzungen wie Druck
leicht ausgesetzt ist und neuritische Vorgänge im Gefolge haben
kann. Die Gegend des Humerushalses, des Ellenbogen- und des
Handgelenks kommen bei Verwundungen als häufigste Stelle in
Frage. Einen Fall ersterer Art behandelte ich (Abbildung 1 a
und b). Es handelt sich um einen aus grosser (?) Entfernung
abgegebenen Gewehrschuss in den linken Oberarm, der Patienten
im Vorwärtslaufen traf. Den ersten Verband erhielt er von einem
deutschen Sanitätssoldaten auf die stark blutende Wunde. Nach
dreitägiger Reise vom Kriegsschauplatz nach Berlin kam Patient
in ein hiesiges Lazarett, wo der Verband gewechselt wurde,
sieben Tage;(nacb der Verletzung kam er zu uns. Patient be¬
merkte bei der Verletzung sofort, dass er die Hand schlecht be¬
wegen könne. Bei der Aufnahme fand ich reizlose Wunden, einen
Weichteilschuss im oberen Drittel des Oberarmes, schräg über
die mediale Vorderseite verlaufend, einen Schusskanal von 7 cm
Länge, den Einschuss an der inneren Präzipitalfurche, zehn
Pfennigstück gross, den Ausschuss an der Insertionsstelle des
Pectoralis major am Oberarm. Ich fand leichte Krallenstellung,
Abmagerung am Kleinfingerballen, dem Adductor pollicis, den
Abbildung lb.
Abbildung 2.
pm
L - ■
Einen gleichen Befund (Abbildung 2) erhob ich bei einem Manne,
der einen Schuss aus 300 tn Entfernung in den liuken Unterarm er¬
halten hatte. Hier ging der Schusskanal im oberen Drittel etwas schräg
in der Seitenebene von Mitte zu Mitte. Nach Anlegung des ersten Ver¬
bandes der stark blutenden Wunde durch ihn selbst (er benutzte dazu
sein Hemd) wurde Patient dann vom russischen Feldscher regelrecht
verbunden, nach dreitägiger Bahnfahrt kam er in ein hiesiges Lazarett,
wo der Verband gewechselt wurde und nach weiteren drei Tagen zu uns.
Bei seiner Aufnahme konnte Patient die Finger nicht bewegen, er hatte
kein Gefühl in der Hand, die vom Ulnaris versorgten Muskeln waren
abgemagert und ergaben bei elektrischer Reizung träge ZuckuDgeD. Die
Strecker und Beuger der Hand gaben elektrisch einen normalen Befund.
Faustschluss war erschwert, Opposition nicht möglich. In der Folge hat
sich das Bild insofern verändert, als die Opposition wiedergekommen ist
und die Abflachung der Muskulalur etwas nachgelassen bat, es sind aber
weiterhin träge Zuckungen festzustellen. ,
Ein dritter Fall (Abbildung 3) betraf einen Infanteristen, der den
Gewehreinschuss aus unbekannter Entfernung an der Beugeseite des
rechten Unterarms erhielt, 10 cm über dem Handgelenk, 1 cm neben
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der Aussenseite, deu Ausschuss 12 cm über dem Handgelenk. Trotz
starker Blutung musste Patient eine Stunde ohne Wundversorgung bleiben,
dann wurde er im deutschen Feldlazarett verbunden und kam nach zwei
Tagen direkt zu uns. Die Wunden heilten glatt in acht Tagen. Patient
bemerkte im Anschluss an die Verletzung sofort eine Schwäche in der
linken Hand. Heute kann Patient die Finger unvollkommen beugen, aber
keine Faust bilden. Er hat kribbelnde Schmerzen auf dem Handrücken,
Abmagerung des Adductor pollicis, die Hohlhand ist leicht abgeflacht,
die Finger sind in leichter Beugestellung. Die Gefühlsstörungen sind
die bei Ulnarislähmungen üblichen. Die Prüfung mittels des galvanischen
Stromes ergibt träge Zuckungen des Adductor pollicis.
Abbildung 3.
Die Radialislähmung, im beruflichen Leben die häufigste der
Armnervenlähmung (durch Druck, durch Bleivergiftung usw.), ist
als Verletzungslähmung etwas seltener zu beobachten. Die hier
gesetzten Lähmungen weisen grosse Aehnlichkeit mit den Druck-
läkraungen auf.
Ich sah z. B. in einem hiesigen Reservelazarett einen deutschen
Verletzten, der aus 600 m Entfernung einen glatten Durchschuss am
Oberarm erlitten hatte, den Einschuss 2 cm über dem Ellenbogen, den
Ausschuss parallel an der Aussenlläche. Die Hand hing schlaff herunter,
konnte nicht gestreckt werden. Der Gefühlssinn war ungestört. Die
Prüfung mittels des galvanischen Stromes ergab jedoch blitzartige
Zuckungen und sicherte mithin eine günstige Prognose, der Nerv konnte
nicht ernstlich verletzt sein.
Im Gefangenenlazarett beobachtete ich den Fall eines Infanteristen,
der einen Gewehrschuss aus unbekannter Entfernung iu den linken
Unterarm erhalten hatte (Abbildung 4). Der Einschuss befand sich
S cm unterhalb des Ellenbogengelenks auf dem Wulst des Flexor carpi-
Abbildung 4.
radialta, ein Ausschuss war nicht vorhanden. Die stark blutende Wunde
war von einem russischen Sanitätssoldaten versorgt worden, nach drei¬
tägiger Bahnfahrt wurde der Verband in einem hiesigen Lazarett ge¬
wechselt, nach weiteren 4 Tagen kam Pat. zu uns. Er hatte nach
der Verwundung sofort die Hand nicht heben können. Dies ist auch
jetzt der Fall, sonst bestehen keine Funktionsstörungen, auch keine
Schmerzen, nur etwas Kribbeln. Die Hand hängt schlaff herab, Pat.
kann sie nicht strecken, die Finger kann er ein wenig bewegen. Faust¬
schluss ist möglich, nur ohne Kraft. Muskelabmagerungen sind nicht
vorhanden. Bei der Röntgendurchleuchtung wurde ein Geschoss ge¬
funden. Die galvanische Prüfung ergibt blitzartige Zuckungen, so dass
auch hier mit einer Heilung gerechnet werden kann 1 ).
Gelenkschüsse in das Schultergelenk hatte ich verschiedent¬
lich in Behandlung, die meisten mit starken Schwellungen, so
dass längere Ruhigstellung sich als nötig erwies. Eine Lähmung
des Nervus axillaris habe ich bisher nicht beobachtet, ich fand
nur häufig die uns geläufige Abmagerung des Deltamuskels.
Hingegen sah ich einmal eine vollkommene Plexuslähmung, nach
Art der Erb’schen Lähmung. Diese kommt bekanntlich gewöhn-
1) Anmerkung bei der Korrektur: Dieser Fall ist inzwischen
von Herrn William Levy operiert worden, unsere Annahme, dass eine
direkte Verletzung des Nerven nicht vorliege, fand sich bestätigt: das
Geschoss lag quer vor dem unteren Ende des Humerus, dicht oberhalb
der Eminentia capitata unter dem Nervus radialis, der bis zu seinem
Eintritt in den Supinator freigelegt wurde und sich als unverletzt er¬
wies. Die Schnittführung erfolgte längs des vorderen Randes des Mus-
culus brachio-radialis.
lieb so zustande, dass der Plexus durch Druck zwischen Schlüssel¬
bein und erste Rippe geschädigt wird, z. B. bei nach oben ge¬
schlagenem Arm in der Geburt, in der Narkose usw.
Ich fand in meinem Falle (Abbildung 5a und b) den Einschuss in
Höhe der 6. Rippe, handbreit vom Dornfortsatz auf der Untergräten¬
grube des linken Schulterblattes, 1,5 cm vom Innenrande entfernt, 3 cm
oberhalb der Spitze. Der Ausschuss lag an der Vorderseite der Schulter,
vier Finger breit unter dem Schlüsselbein am äusseren Rande der
Mobrenheim'scben Grube. Pat. hatte den Schuss im Laufen aus 50 m
Entfernung auf der Flucht erhalten, die Wunde blutete sehr stark.
Abbildung 5 a.
Abbildung 5 b.
Pat. war längere Zeit ohnmächtig und konnte sofort den Arm nicht er¬
heben. Die Wunde wurde von deutschen Sanitätssoldaten verbunden,
nach dreitägiger Eisenbahnfahrt kam Pat. direkt zu uns. Ich fand
trotz dieser kurzen Zeit bereits eine deutliche Abmagerung des Musculus
deltoideus, des Supraspinatus, eine schlaffe Lähmung des Biceps. Seit¬
lich konnte Pat. den Arm bis zur halben Höbe heben, Bewegungen
nach vorn waren gar nicht möglich, nach hinten ins Kreuz erschwert.
Die Hand hing schlaff herab. Die Finger sind -leicht gebeugt, den
dritten bis fünften Finger konnte Pat. bewegen, die übrigen nicht.
Faustschluss war unmöglich, der Gefühlssinn am Daumen, Zeigefinger
und Teilen des dritten Fingers aufgehoben, am Unterarm herabgesetzt.
Die Muskeln des Daumen- und Kleinfingerballens, ebenso die Interossei
waren nicht abgemagert. Supination ist unmöglich. Im Ellenbogen
kann der Arm etwa um 30° gebeugt werden. Das Handgelenk kann
Pat. nicht strecken, den Daumen weder abduziereD, noch opponieren.
Der Coraco brachialis wird leicht angespannt, der Biceps ist völlig
schlaff, der Triceps zeigt ganz geringe Anspannung. Die galvanische
Prüfung ergibt blitzartige Zuckungen im Pectoralis, träge Zuckung des
vorderen Teils des Deltamuskels, blitzartige in seinem mittleren und
hinteren Abschnitt, der Triceps zieht sich blitzartig zusammen, der
Biceps reagiert überhaupt nicht, ebenso nicht die oberflächlichen Beuger,
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vedeutn'N 116 PrÖf ™S wilständigrZir <!hSC l ! lneidun 6 en ' w «,n Abbildung 1.
dieEX and £ ^N e r.T b *K hat ’ ger " d *"
einen Fall “t 'V ^ , T ' v ™ h,nen >
“> F> Sä.,''V*S
»erdei> W ' e ^ er ■ ^»‘“"gefähig 6 '“rifriirl.; und der
vöTlt h W 'ü jedoch lieber abwarten S ? h “ ssv erlet*ungen
'«ll'g beendeten Wundbehandlung n min,| esten bis zur
durchtrennt, sondern nur dürÄn " Nm oft nicht gl«tt
Fasern übrig geblieben hi» « • 0 l ssen >. es sind leitungsfähige
Nerven wohl durchbohrt d^ übrC 1" Geschoss ' 8 ^ &
seitlich zurück; bei Gefässen i., 6 F- asern I0 S en eich aber
läufiges, Wir sehen « u j 1,1 ““ d,eses Bild ein ganz ge-
Wir sehen bei verletzten »? n ^ ers bei s P äter er Aneurysmabildung
wiederholt genaue eleUtrL^ eae . rkehl 1 Es ist eben wichtig,
Frfnll? : 8 !» • l8gern > wed wir ebe " wissen, dass die
sofort im TlcbT Zelträu “ en gcn: , lu die gleich guten werden, wie
' m Anschluss an die Verletzung; nur ganz besonders
starke Muskelabmagerung würde einen frühzeitigen Eingriff recht-
fertigen Sonst genügt es, vorläufig die Gliedmaassen baden zu
lassen, Nerven und Muskeln durch elektrische Maassnahmen an-
zuregen, gegebenenfalls auch leichte Massage anzuwenden.
Aus der 1. medizinischen Klinik in Budapest (Direktor¬
stellvertreter: Prof. Baron Dr. Ladislaus v. Ketly).
Eine einfache Aufnahmetechnik zur Röntgen¬
untersuchung der Baucheingeweide.
Dr. Aladiar Henszelmann,
Assistenzarzt der Klinik.
Zweierlei Mittel haben wir zur Erzeugung kontrastreicher
Bilder bei der Röntgenuntersuchung der BaucbeiDgeweide. Das
eine ist Bucky’s Wabenblende, die vorläufig nur als Versuch
gelten kann, über den ich keine persönliche Erfahrungen habe,
das andere ist Holzknecht’s „Bucky-Effekt“ 1 ), den ich selbst
oft mit grossem Nutzen angewendet habe.
Er ist ein conischer Kompressor, dessen Aufgabe es ist, die
bei der Durchleuchtung im Körper erzeugten Sekundärstrahlen
aufzunehmen. Er komprimiert unter dem Leuchtschirm und dient
als Diaphragma. Sein grösster Vorteil besteht darin, dass wir
mit barten Strahlen arbeiten könuen, dass wir die grosse Quantität
von intensiven, weichen Strahlen nicht anzuwenden brauchen. Die
Haut wird nicht alteriert, und die Röntgenröhre nicht überhizt.
Je härter die Röntgenröhre ist, ein desto schärferes Bild erhalten
wir, das nebenbei auffallend kontrastreich ist.
Fei der Anwendung des Bucky-Effekts musste ich aber
immer die Mangelhaftigkeit desselben fühlen, wenn ich die
— und das muss ich hervorheben — mit grosser Muhe und
nötigem Verständnis ausgesuchte, fixierte oder gefüllte
Partie festhalten und photographieren wollte.
Den ausgesuchten und beobachteten Teil darf ich nicht einen Moment
aus dem Druckgebiet loslassen, sonst setze ich mich der Möglichkeit aus,
dass die einmal gefundene Gegend verschwindet, deren Wiederhnden dann
oft viel Zeit und Mühe kostet; den Kranken darf ich nicht liegen lassen
und kann keine nachträgliche Kompressionsaufuabmc machen. Ein jeder
Röntgenologe weiss, was die Bewegung, Körper- und Platzwechsel, in be¬
zug auf die radiologisch wichtigen Verhältnisse der mit Kontrastmaterial
gefüllten Organe bedeuten. Ich muss die Aufnahme mit der
Durchleuchtung gleichen Zeit verfertigen Um dieses Ziel
ZU erreichen, habe ieh den oonischen Kompressor mit folgenden hinzu-
11 Holzknecht, Kleine Vorrichtung zur Erzeugung überaus deut¬
licher Durchleucbtungsbilder. M.m.W., 1913, Nr. 49. - Durchleucbtungs.
kompressorium mit Bucky -Effekt; Bemerkungen zum Artikel von Holz-
knecht, von Dr. Bucky usw. M.m.W-, 1914, Nr. 1.
Abbildung 2.
Kasten selbst, der sehr massiv ist, ist links eine
mit Verstärkungsschirm versehene Plattenkasette
Conus des Bucky-Effekts habe ich kleiner entworfen
1) Zu beziehen bei „Asklepios“, Egressi Zoltäo,
üt 31, Elektrotechnische Instrumentenfabrik.
leicht einschiebbare,
(13X18 cm). Ben
, seine beiden Durch-
Budapest IX., üellöi
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2. November 1914. _ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1765
Abbildung 3.
_ ) _ ■
messer verkleinert, doch die von Bucky und Holzknecht für die beste
angenommene Proportion, 1 : 2,5, durchaus berücksichtigt. Er ist ohne
hölzernes Gestell, rein aus Eisenblech verfertigt, leicht und geschweift.
Mein Ziel mit dieser Aenderung war hauptsächlich, dass er leicht sei,
klein und geschweift, dass beim Halten meine Hand nicht müde werde,
dass ich nötigenfalls tiefer eindringen, die nötige Kompression entwickeln
und eventuell Massage üben könne. Ich habe diese Form des hölzernen
Griffes (Abbildung 1 und 2) am praktischsten gefunden. Anstatt des
im kleinen Maasse schattengebenden harten Gummi (Bucky-Effekt) habe
ich am Ende des Kompressors einen Lufahschwamm, der das RÖutgen-
licht nicht zurückhält, angewendet. Mit Ausnahme der Kasette bilden
die sämtlichen Bestandteile ein unbewegbares Ganze, wodurch es den
Bucky-Effekt ebenfalls übertrifft, denn bei diesem kann der Conus, in
seinem Verhältnis zu dem Leuchtschirra, eine Verschiebung erleiden.
Der eigentliohte Vorteil meines Apparates aber besteht darin, dass
er den bis jetzt mit Erfolg angewendeten conischen Kompressor
zu Aufnahmezwecken dienlich macht. In einer Sitzung, zur
gleichen Zeit mit der Durchleuchtung, mit derselben Röntgenröhre, also ,
mit harten Strahlen, eben mit einer zur tiefen Therapie angewendeten j
Röntgenröhre fertige ich die Aufnahmen an. Sie sind natürlich Moment-
bzw. Blitzaufnahmen (Weife, Blitz-Reform). Bei der Anwendung des
„Kompressionsexponators“ nehme ich auch die Hinterblende in
Anspruch. Diese erhöht die Schärfe des Bildes (Holzknecht).
Ich will mich nicht in Details einlassen, in welchen Fällen ich
meinen Apparat anwende*, ich müsste alles das wiederholen, was
Holzknecht in bezug auf den Bucky-Effekt gesagt bat. Hinzuzufügen
habe ich nur, dass die Anwendbarkeit und der grosse praktische Wert
meines Apparates in zwei Punkten besteht: ich mache mit ihm jetzt
auch Aufnahmen, wo ich ihn früher nur zum Durchleuchtungszwecke an¬
gewendet habe, also vom diagnostischen Standpunkte. Ich habe aber
auch viele Aufnahmen von Veränderungen an den Baucheingeweiden ge¬
macht, die sehr interessant zu sein schienen, z. B. die verschiedenen
Arten des Magenkrebses, die Beobachtung der Füllungsdefekte, die Fest¬
stellung der Grösse des schrumpfenden Magenraums, die Bilder der
Magengeschwüre, die Beobachtung der Pyloruskonfigurationen und die
des Duodenums, das Suchen der Dünndarmstenosen, die Beobachtung
des Coecms, des Wurmfortsatzes, des S roraanura. Interessant schienen
bei der Durchleuchtung, und der Erwartung haben jene Aufnahmen ent¬
sprochen, welche sich auf die peristaltischen Gestaltungen des Magen-
konturs beziehen.
Abbildung 3. Interessanter Fall eines geschrumpften Magens.
Eine 40 jährige Patientin, die aus Irrtum aus einer zur Irrigation ange¬
wendeten 50 proz. ZnCl-Solution getrunken hat und 3 Wochen nach dem
Falle einer Röntgenuntersuchung unterzogen wird. Das Schlucken ist
ungestört, der Oesophagus ist frei. Die Pars cardiaca des Magens scheint
gefunden zu sein, die anderen Teile haben sich rohrartig gestaltet.
Dieses Bild gleicht sehr dem Scirrhus ventriculi. Wenn man den
inneren Raum der geschrumpften Magenpartie, ihre maximale Dehnungs¬
fähigkeit wissen will, so drückt man den Kompressionsexponator an der j
Grenze der Pars cardica und der Pars media durch die Bauchwand, i
Abbildung 4.
L
Abbildung 5.
während man mit dem distalen Ende des Eiponators einen stärkeren
Druck ausübt. In kurzer Zeit füllt sich diese Mageupartie in der Grösse
eines Querfingers und dieser Zustand bleibt dann länger (Abbildung 4).
Die Patientin starb nach der Operation (Gastroenteroanastomosis). Bei
der Sektion gleioht der Raum der fraglichen Magenpartie der Röntgen¬
aufnahme. Abbildung 5 zeigt die kleinen, interessanten, peristaltischen
Wogen der Pars pylorica; sie sind fein zackig.
Ein Beitrag zur Atoxylamaurose.
Von
Sanitätsrat Dr. Makrocki, Augenarzt in Potsdam.
Die Anwendung des Atoxyls bei Krankheiten, deren Behandlung den
Gebrauch eines Arsenpräparates erfordern, bat glücklicherweise in den
beiden letzten Jahren erheblich nachgelassen, ist sogar, soweit sieb meine
Kenntnisse der Literatur erstrecken, hier bei uns gaDz fallen gelassen
worden, nachdem die deletäre Wirkung dieses Mittels auf den Sehnerven
bekannt geworden war. Ob die Behandlung der Schlafkrankheit dieses
Mittel noch erfordert, konnte ich nicht feststellen. Jedenfalls hat auch
Koch bei 1633 mit Atoxyl behandelten, an Schlafkrankheit leidenden
Negern 1,5 pCt. Erblindung beobachtet.
Es gibt jedoch auch Aerzte, die bei umfangreicher Anwendung dieses
Mittels keine trüben Erfahrungen gemacht haben; so teilte mir Herr
Kollege Kasack-Potsdam mit, dass er unter 500 mit Atoxyl Gespritzten
nie eine schädliche Wirkung gesehen habe.
Die Veröffentlichung eines Falles von hochgradiger Amblyopie uach
Atoxyl durch Steinebach in dieser Wochenschrift, 1914, Nr. 24 brachte
mir wieder einen Fall in Erinnerung, den ich im August 1902 beobachtet
hatte. Die Veröffentlichung desselben würde ich auch jetzt wie damals
unterlassen, wenn die Erwähnung Steinebach’s, „hochgradige Amblyopie,
die nach einer so geringen Atoxyldosis eiügetreten ist, wie bisher noch
nicht bekannt ist , mich dazu veranlassen würde, da die in iheinem
Fall angewandte Dosis noch um ein Erhebliches geringer war und völlige
Amaurose zur unmittelbaren Folge batte.
3
□ iqitize d by ^oosie
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1766
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 44.
Am 9. August 1902 konsultierte mich die 63 jährige Frau K. Die
Frau wird in mein Sprechzimmer geführt und macht den Eindruck einer
völlig erblindeten Person. Die Untersuchung ergab Fehlen jeden Licht¬
scheins, die Pupillen waren weit und reaktionslos, die Sehnervenpapillen
blass, die Gefässe dünn; Diagnose: Atrophia papillae nerv. opt. o. u.
Ut aliquid fiat wurde Jodkali verordnet. Anamnestisch lässt sich fest¬
stellen, dass sie Atoxyl-Einspritzungen bekommen hatte. Die ersten
6 Spritzen wurden gut vertragen, dann hatte sie noch einige Spritzen
einer stärkeren Lösung erhalten. Nach der dritten — also im ganzen
9 Spritzen — wären heftige Leibsohmerzen aufgetreten, vor den Augen
wäre es wie Wolken gewesen, jedoch besserte^äicb das Sehen wieder;
nach der vierten, am Donnerstag, den 31. Juli 1902, wieder sehr heftige
Schmerzen im Leib, so dass die Angehörigen dachten, es gehe zu Ende.
Eine Morphiumeinspritzung beseitigte die Schmerzen nicht. Das Sehen
wurde allmählich schlechter. Montag, den 4. August, war der letzte
Lichtschein weg. Nach den letzten Einspritzungen Trockenheit im Halse,
Frost, Kälte der unteren Extremitäten, Hitze und Schweiss der oberen
vom Geschoss aufwärts, das Gesicht stark schwitzend, keine Durchfälle,
Schwindel. Der behandelnde Arzt, Herr Sanitätsrat Dr. Neumann,
hatte die Güte, mir die Krankengeschichte dieses Falles zu uberlassen,
wofür ich ihm hier meinen besten Dank ausspreobe.
Aus der Anamnese interessiert uds, dass die 63 jährige Patientin
14 mal geboren, vom 6.—21. Lebensjahr alljährlich an Malaria tertiana
gelitten, im 50. Lebensjahr Sehbeschwerden (Presbyopie) gehabt hat.
Sonst ist sie immer gesund gewesen. Vor allem wird Syphilis und
Abusus spirituos. strikt in Abrede gestellt, sind auch unwahrscheinlich.
Ihr Allgemeinbefinden, Schlaf und Appetit sind gut. Am Halse hatte sie
ein kolossales Lymphom. Die Länge vom Scheitel am Ohr vorbei zum
Hals betrug 68 cm, normal höchstens 40 cm. Bis jetzt nur am Anfang
des Leidens Solutio Fowleri angewandt. Als Ultimum refugium wurde
zur Atoxyleinspritzung gegriffen. Es wurde gemacht am 22., 23., 24. Juli
je eine Pravatzspritze einer l { 2 proz. Atoxyllösung in die Glutaeen und
zwar am Trochanter innen oben, also 3X0,005 = 0,015. Diese 3 Ein¬
spritzungen wurden gut vertragen.
Am 27. Juli früh zeigt sich eine Markstück grosse, stark blutig ge¬
färbte Fläche auf der Kniescheibe. Trotzdem 2 Spritzen der 0,5 proz.
Atoxyllösung = 0,01.
.26. Juli. Die Einspritzungen waren gut vertragen worden; keine
Nebenerscheinungen. Nun i j 2 Spritze einer 20 proz. Lösung = 0,1 Atoxyl.
Pat. schläft gut, ist bei gutem Appetit, hat keine Kopfschmerzen.
30. Juli bis zum 30. August einschliesslich täglich V 2 Spritze der
20 proz. Lösung = 0,4 Atoxyl. Nur nach der letzten der 5 starken
Einspritzungen hat Pat. über starke Leibschmerzen zu klagen gehabt.
Von dem Vertreter — Herr Kollege Neumann verreiste — wurden
dann noch 1—2 weitere Injektionen gemacht. Nach der letzten heftig¬
ster Brechdurchfall, Prostration, welche die Anwendung von Campher-
injektionen nötig machte. Darauf völlige Erblindung.
Es wurden also im ganzen 0,725 Atoxyl verbraucht. Dieses ist die
bis jetzt bekannte geringste Menge Atoxyl, nach der Erblindung erfolgte.
Steinebach hat 0,12 verbraucht, und als Folge eine hochgradige
Amblyopie — Fingerzählen bis auf 1 m — gesehen.
Die absolut geringste Menge hat bis jetzt v. Krüdener 1 ) ange¬
wandt, 0,03 in 10 Tagen, der auch nur eine Erkrankung der Sehnerven,
kenntlich durch eine temporale Gesiohtsfeldeinengung, beobachtete, die
in HeiluDg überging. Auch die grösste Menge hat dieser Autor (1. c.)
verabfolgt, und zwar etwa 50,0, allerdings in 7 Monaten, wonach auf dem
einen Auge eine Sehschärfe von */ 8 bei konzentrischer Gesichtsfeldein¬
engung erhalten blieb. Steinebach (l. c.) ist wie andere Autoren der
Ansioht, dass toxische Wirkungen des Atoiyls besonders dann zu er¬
warten sind, wenn mit einer latenten oder objektiv nachweisbaren
Schädigung des Nervensystems gerechnet werden kann, und als solche
Schädigungen führt er an: Autointoxikationen, chronische Infektionen
des Nervensystems (Lues cerebri, Tabes) und chronische Intoxikationen,
vor allem die chronische Alkoholintoxikation. Keines dieser ätiologischen
Momente ist für unseren Fall zutreffend. Handelt es sich doch um eine
rüstige Frau von 63 Jahren mit gutem Allgemeinbefinden, Appetit, Schlaf,
ohne Kachexie, Intoxikationen und Infektionen. Man muss also nach
anderen Gründen für diese schädliche Wirkung des Atoxyls suchen. In
Betracht kommen 1. die Ueberschreitung der Maximaldosis für arsenige
Säure; 0,1 Atoxyl enthält das doppelte derselben, 2. die kumulative
Wirkung bei täglicher Injektion 2 ), 3. eine gewisse Idiosynkrasie gegen
Arsen 8 ). Nur so lässt es sich erklären, dass eine kleine Dosis,
jedoch täglich, in einem kurzen Zeitraum angewandt — 0,725 Atoxyl in
9 Tagen — einen bei weitem schädlicheren Einfluss ausübt, als die etwa
30 fache Dosis auf einen längeren Zeitraum verteilt*).
Im Falle jedoch, dass trotz vorsichtiger Anwendung des Mittels in
grösseren Intervallen, wie bei Steinebach, eine mehr oder weniger be¬
deutende Schädigung des Sehvermögens eintritt, wird man nach weiteren
Schädlichkeiten suchen müssen, und dann kommen die bereits vorher er¬
wähnten, von Steinebach angegebenen, ätiologischen Momente in Frage.
Jedenfalls kann man sich der Nr. 1 seiner Zusammenfassung an-
schliessen, dass toxische Wirkungen des Atoxyls, insbesondere schwere
1> Zschr. f. Aughlk., 1906. Festschrift für Kuhnt.
2) Vgl. Koch, D.m.W., 1907, Nr. 46.
3 Paderstein, B.kl.W., 1906, Nr. 22.
4) Fehr, D.m.W., 1907, Nr. 49.
dauernde Sehstörungen, selbst bei vorsichtiger therapeutischer Anwendung
nicht ausgeschlossen sind.
Zur Erzielung der Arsenwirkung haben wir andere unschädliche
Mittel (Kakodylpräparate) und mit Recht hat man von der Anwendung
eines Medikamentes abgesehen, dessen Wirkung eine so unberechenbareist.
Aerztliche Rechtsfragen zur Kriegszeit.
Von
Dr. Haas Lieske-Leipzig.
Die Wirkungen des Krieges auf das Rechtsleben werden in
sämtlichen darüber handelnden Artikeln als prinzipiell von
minderer Bedeutung geschildert. Diese Illustration pflegt man
dabei gemeiniglich auf der au sich zweifelsfrei richtigen These
aufzubauen, wonach Kriegswirren grundsätzlich nicht am Vertrags-
mässigen oder gesetzlichen Zwang zum Einhalten von Verbind¬
lichkeiten rütteln. So müssen wir unsere Schulden am Fällig¬
keitstermine zahlen, so müssen wir unsere Dienste zur zugesagten
Zeit leisten, so müssen wir ferner beispielsweise ein von uns zu
Zwecken eines Sanatoriumbetriebes ermietetes Haus nach Ablauf
der Vertragsfrist räumen. Kurzum, wir haben zu tun, was wir
schuldig sind, jetzt genau so wie zu Friedenszeiten. Andererseits
aber bedingt der wuchtige Umschwung, den die Not der Zeit
über uns gebracht hat, vom Standpunkt weitschauender, das
Volkswobl nach Kräften fördernder Gerechtigkeit bestmögliche
Berücksichtigung. Diese Rücksicht, die einerseits eben durch
Aufrechterhaltung des Grundprinzips, welches Wahrung der Rechts¬
ordnung und Vertragstreue auch im Kriege fordert, bewiesen
werden muss, verlangt aber naturgemäss auf der anderen Seite
einen durch Gesetzesworte bezeugten Respekt vor den unver¬
schuldet geschaffenen Ausnahmezuständen. Auf diesem Wege
sind wir zu einer Zahl von Notgesetzen und Verordnungen ge¬
kommen, die — je länger der Krieg andauert — allmählich um
so mehr die Ausnahmen zur Regel stempeln müssen. Denn je
tiefer die Schäden langaodauernder Kriegsführung in das Wirt¬
schaftsleben des Einzelnen ihre Sparen graben, um so grösser die
Zahl derer, die endlich hinter den Wohltaten jener Notgesetz-
gebnngen Hilfe suchen müssen. Es dürfte darum auch für den
Arzt von einigem Interesse sein, zu hören, wie sich das Gesetz
der Kriegszeit anzupassen strebt.
Zuvörderst sei aber noch mit einem kurzen Worte der
mancherorts sich regende Aberglaube zerstört, es möchte der
Krieg wenigstens da und dort zu einem absoluten Gerichtsstill¬
stande führen. An sich wäre das, theoretisch betrachtet, natür¬
lich denkbar. Aeussere Einflüsse, die der Krieg im Gefolge bat,
and die der Möglichkeit, zu Gericht zn sitzen, abgetan sind,
könnten vorübergehend io manchen Gegenden allerdings fühlbar
werden. Der Gerichtsstillstand würde dann eine Unterbrechung
jeglichen Verfahrens zur Folge haben. Indessen ist’s regulär
nicht die Furcht vor einer derartigen Einwirkung des Feindes —
etwa durch Einbruch in deutsches Gebiet — auf die Ausübung
der Rechtspflege; man glaubt vielmehr, es möchte die hohe Zahl
der einberufeuen richterlichen Beamten einen Gerichtsstillstand
bewirken. Gerade die letztgenannte Furcht aber erscheint im
Hinblick auf die vornehmlich in Preussen in so grosser Zahl vor¬
handenen Hilfsrichter und Unterbeamte vorläufig absolut unbe*
gründet. Verlangsamungen im Verfahren und ein Verschieben der
Verhandlungen gewisser Dinge — z. B. der Ehesachen — werden
aber natürlich unvermeidbar bleiben.
Doch nun zu den Bestimmungen des vom Kriege geänderten
Rechts, soweit sie für den Arzt sonderlich bedeutsam sind.
Die Praxis sieht in dem Vertrage, den ein Arzt etwa durch
Eingehung eines Assistenzverhältnisses oder dadurch, dass er
seine Dienste entgeltlich einer Heilanstalt widmet, abscbliesst,
einen Dienstvertrag. Ein Dienstvertrag wird seitens der Gerichte,
vielseitiger Anfeindung znm Trotze, allerdings auch in dem Ver¬
hältnisse des Arztes zum Patienten erblickt. Gedacht sein möchte
hier, als gegenwärtig wohl allein in Frage kommend, des Hans-
arztvertrages. Der Arzt wird da zum Angestellten. Wie steht
es nun mit der Lösung des Vertragsverhältnisses bei Einberufung
des angestellten Arztes? Die Einberufung, gleichsam vis major,
unterbindet zweifellos jegliche weitere Dienstleistung und befreit
sonach von der zu Friedenszeit vertraglich übernommenen Pflicht¬
erfüllung, sei es nun gegenüber dem Sanatorium, sei es gegen¬
über dem einzelnen Patienten. Mit dieser Ohnmacht, weiter 1®
Sinne des Vertrages zu arbeiten, entfällt* aber sofort auch jeg¬
licher Anspruch auf ärztliches Honorar Über den Zeitpunkt hinaus,
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UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1767
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2. November 1914.
mit dem die tatsächlichen Leistangen des Arztes ihr Ende ge¬
funden haben. Nicht ohne Zweifel ist indes die Frage, wie es
am die Erlaubnis beschaffen ist, den übernommenen Dienst im
Augenblicke zu quittieren, weil sich der Arzt, der ihn zu leisten
vertraglich übernahm, dem Vaterlande freiwillig zur Verfügung
stellte. Kann da etwa der engagierende Sanatoriumsleiter wegen
sofortiger Diensteinstellung mit dem Begründen Schadenersatz¬
ansprüche erheben, sein Angestellter sei ja gar nicht einberufen,
die Dienste desselben seien also gar nicht zwangsweise unmöglich
gemacht worden, vielmehr beruhe der Engagementsbruch auf
freiwilligem Entscheid des Arztes und erwecke damit alle an den
Vertragsbruch geknüpften Schadenersatzfolgen zum Leben. Die
Antwort hierauf wird, wie gesagt, je nach der Auffassung der
Richter bald so, bald gegenteilig lauten. Man könnte vielleicht
auch den sich freiwillig meldenden Aerzten zubilligen, dass ihnen
die Fortsetzung der Dienste de facto unmöglich geworden sei,
weil sie sich bei der hehren Aufgabe, nach bestem Vermögen
ihrem Vaterlande zu dienen, moralisch dem unbeugsamen Zwange
gegenüber befunden hätten, dem Rufe nach freiwilliger Hilfe¬
leistung unbedingt zu folgen. Die grosse Zeit, die kleinlichem
Geiste und bureankratischer Auffassung Feind ist, scheint solchem
IdeeDgang gewisslich zugeneigt. Und ob der kategorische Im*
perativ, dem Heere zu folgen, nun basiert auf einem strikten
Diktat der Militärbehörde oder auf moralischem Zwange, das
kann man gegenwärtig gewiss mit gutem Rechte identifizieren.
Hieraus ergebe sich das Resultat, wonach selbst freiwillige Kriegs-
teilnahme des Arztes ihn vor Schadenersatzansprüchen wegen
nicht zu Ende geführter Dienste ebenso behüten würde als die
Einberufung. Mindestens wird man doch hinter dem Ausbruch
des Krieges und dem daraus geborenen Wunsche, sich in Heeres-
gefolgscbaft zu begeben, einen wichtigen Grund zur Lösung des
Vertrages suchen dürfen. Jegliches Dienstverhältnis aber kann
laut Gesetz von jedem Teile fristlos gekündigt werden, sofern ein
solcher wichtiger Grund vorhanden. Statt des angestellten, gegen
Brot und Lohn arbeitenden Arztes mag nun einmal der Leiter
der Krankenanstalt zu den Fahnen berufen worden sein. Darf
dieser jetzt vielleicht seinerseits die vertraglichen Beziehungen,
die ihn mit dem engagierten Arzt verbinden, im Hinweis anf die
geschehene Einberufung einfach brechen? Rechtfertigt die Ein¬
berufung zu des Arztes sofortiger Kündigung? Die Antwort lautet
hier weder auf Ja noch auf ein striktes Nein. Denn an sieb löst
nicht einmal der Tod des Arbeitgebers alias Anstaltsinbabers ein
Dienstverhältnis ohne weiteres anf. Bleiben also im Sana¬
torium, auch nachdem sein Leiter ein berufen, noch genügend
andere Kräfte übrig, die einen ordnungsmässigen Fortbestand der
Anstalt gewährleisten, nun so liegt eben in der dem Leiter zu-
gemnteten Pflicht zur Heeresstellung kein wichtiger Grund zur
fristlosen Entlassung, also kommt es bei der Beantwortung der
aufgerollten Frage darauf an, sich das Gepräge des Einzelfalles
vor Augen zu halten und aus dem Gesamtbilde abzulesen, ob unter
gerechter Berücksichtigung aller Begleitumstände und Interessen
dem Leiter eine Fortführung seines Betriebes auch zu Kriegszeiten
angesonnen werden darf, oder ob der Krieg im speziellen Falle
einen wichtigen Grund und darin eine erlaubte Handhabe bot,
den engagierten Arzt ohne Kündigung zu entlassen.
Ein anderes Bild. Nehmen wir einmal an, ein Arzt sei in
einen kostspieligen Haftpflichtprozess oder in einen Prozess wegen
grösserer von einem Patienten geschuldeter Honorarbeträge ver¬
wickelt. Er möchte der Prozessführung aus diesen oder jenen
Gründen persönlich beiwohnen, sei aber durch Ableistung von
Sanitätsdiensten im Heere daran verhindert. Hier verbeisst ein
unter dem 4. August 1914 geborenes Notgesetz diesem Wunsche
unbedingtes Gehör. Jegliches Prozessverfahren wird nämlich,
jenem Gesetz zu Dank, dann unterbrochen, wenn eine Partei ver¬
möge ihres Dienstverhältnisses (als Soldat, als Militärbeamter)
oder ihres Amtes (als Beamter der Militärbehörde oder der Marine¬
verwaltung ohne Militärrang) oder ihres Berufes (als Heizer,
Marketender, freiwilliger Krankenpfleger) zu den mobilen oder
gegen den Feind verwendeten Teilen der Land- oder Seemacht
oder zur Besatzung einer armierten oder in der Armierung befind-
liehen Festung gehört. Der freiwillige Arzt oder der Sanitäts¬
offizier, der infolge des Krieges an der Wahrnehmung seiner
Rechte verhindert ist, hat ob solcher Behandlung also nicht das
Mindeste zu fürchten. Sein Verfahren ist bis nach Friedensschluss
unterbrochen, keine Rechtshandlungen haben bis dahin für ihn
irgendwelche nachteiligen Folgen. Verschont von allen bösen Kon¬
sequenzen aus einem Prozess ist er im übrigen auch dann, wenn er
sich etwa als Kriegsgefangener oder Geissei in Feindesgewalt be¬
findet. Möglicherweise ist manchem Arzte aber ein Hinscbleppen
des Prozessverfahrens bis zu seiner immerhin auf unabsehbare
Zeit verschobenen Rückkehr höchst unerwünscht, möglicherweise
möchte er gerade im Gegenteil, wenn er heimkommt, den lang¬
wierigen Prozess, zu dessen Weiterführung ihm persönliche Mit¬
wirkung gäozlich unnütz erscheint, beendet finden. In solchem
Falle wird das citierte Notgesetz nicht etwa zum Danaergeschenk.
Die Prozessunterbrechnng tritt vielmehr dann nicht ein, wenn der
in Feindesland weilende Arzt dorch Bestellung eines Prozess-
bevollmächtigten für sattsam gute Vertretung seiner Sache Sorge
getragen hat. Es liegt also der Entscheid darüber, ob sein Prozess
bis zum Frieden Jänft oder stillsteht, ganz im freien Belieben des
Arztes. Doch auch der Arzt, welcher derweilen zuhause weiter
seiues Amtes waltet, soll, braucht er sie, die Gaben einer an den
Feuern der Kriegsflamme geschmiedeten Gnadengesetzgebung ver¬
spüren. Wir kommen damit zu einem Thema, das wir „Kriegs¬
notstand und Zahlungsfristen“ nennen möchten. Aus mannig¬
faltigen Gründen und infolge trüber Erfahrung werden ja Dienste
höherer Art jederzeit schon im Frieden mit Unpünktlichkeit ver¬
golten. Und die sich so oft wiederholenden Uebersendungen von
Quartalsabrechnungen wegen dieser oder jener ärztlichen Hilfe¬
leistungen bilden für die meisten Aerzte ein trauriges Dokument
bezüglich der Saumseligkeit behandelter Patienten. Was Wunder,
wenn die vom Kriege erschaffene Geldkrise im Momente die be¬
klagte Kalamität zu einer wahren Not gesteigert hat. Was Wunder,
dass die Aerzte, die in ungezählten Fällen ä conto der Kriegs¬
wirren vergeblich auf den Eingang ihrer Honorare warteD, während
sie andererseits zur Erfüllung selbsteigener Verbindlichkeiten
härter denn früher angehalten werden, hier nnd da die Not der
Zeit am eigenen Säckel fühlen und mit der Zahlung ihrer eigenen
Rückstände gern auch eine gewisse Rücksicht beanspruchen
würden. Hierin kommt ihnen ein weiteres Notgesetz vom
7. August d. J. zu Hilfe. Generelle, der Allgemeinheit geltende
Moratorien kennen wir im Gegensätze zu unseren Feinden aller¬
dings nicht. Wer indessen als Einzelner der Stundung bedarf,
der soll sie auch erhalten. Wem blüht also ein Moratorium?
Lediglich dem, der darum bittet. Aus eigener Machtvollkommen¬
heit darf also ein Richter selbst den Bedürftigsten nicht damit
beschenken: nnr der Antrag darauf erweckt die Zahlungsfrist
zum Leben. Die Bitte darum, der Antrag allein tut’s aber noch
ganz und gar nicht; zwei gewichtige Faktoren müssen das Gesuch
stützen helfen; misslingt es, ihre Existenz glaubhaft zu macbeo,
so ist damit der Stundungsbitte von vornherein abschlägiger Be¬
scheid gewiss. Und welches sind jene unerlässlichen Fundamente
jedes Gesuches? Es muss, antwortet die Verordnung vom
7. Angust d. J., die Zahlungsfrist einmal der Lage des Schuldners
entsprechen, und sie darf zum zweiten dem Gläubiger keinen un-
verhältnismässigen Nachteil bringen. Man sieht, wie sehr sich
diese Satzungen von einem allgemein gehaltenen, jedermann ge¬
schenkten Moratorium fernfaalten, fernhalten durch die Erforder¬
nisse der Bitte darum für jeden Einzelfall, durch die Erörterung
der Bedürftigkeit auf seiten des Bittstellers und der Tragfähigkeit
auf seiten des Gläubigers. Dem Richter bleibt nach alledem in
seinem billigen Ermessen ein weitef Spielraum. Kommt er aber
bei der Prüfung der Bedingungen zu einem dem Bittsteller ge¬
wogenen Entscheid, so darf er eine mit der Verkündung des
Urteils beginnende Zahlungsfrist von längstens drei Monaten
in dem Urteil bestimmen. Auch bleibt es dem Befinden des Ge¬
richts unbenommen, nur einen Teil zu stunden oder, ganz nach
freiem Ermessen, die Stundung von einer Sicherheit abhängig zu
machen. Daraus ergibt sich etwa folgender Beispielsfall: Dr. B.
muss dem X. am 1. Juli ein Darleho von 6000 M. zurückgeben.
Im Prozesse darum glückt es ihm jetzt, dem Richter seine un¬
verschuldete Notlage, die ihn an pünktlicher Zahlung hindert,
glaubhaft zu machen. Infolgedessen bittet er um ein zweimonatiges
Zahlungsziel. X. widerspricht jedoch mit dem Hinweis, dass ihm,
hat er nicht wenigstens die Hälfte am Fälligkeitstage, ein
glänzendes Geschäft entgeht. Hier könnte der Richter, wenn er
es für gut befindet, dem Dr. B. 3000 M. stunden and diese
Stundung eventuell obendrein an eine Sicherheitsleistung knüpfen.
Dem freien Ermessen des Gerichts setzt eben die Verordnung
keinerlei Schranken. Aehnliche Befugnisse hat übrigens auch der
Vollstreckangsrichter. Unter den geschilderten Voraussetzungen
kann nämlich auch die Zwangsvollstreckung in das Vermögen
des Schuldners auf Antrag für die Dauer von längstens drei
Monaten eingestellt werden.
Freilich besieht sich jene wohlwollende Verordnung bloss auf
Rechtsbändel, die vor dem 81. Juli d. J., vor Kriegsausbruch also,
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UNIVERSUM OF IOWA
1768
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 44.
geschlossen worden sind. Wer nach dem Krieg noch derlei
Verträge, also etwa Mietverträge, Kaufverträge, Dahrlehnsverträge,
Pachtverträge, eingegangen ist, verdient besondere Schonung um
deswillen nicht, weil er sich bei einiger Ueberlegung die bösen
Folgen des Krieges rechtzeitig hätte vor Augen halten können.
Wurden aber beispielsweise Verträge unter dem 1. April er. ge¬
schlossen, in denen ein Arzt Räumlichkeiten zur Ausübung seiner
Praxis oder zu privaten Wohnzwecken gemietet hat, und die ihn
am I. Oktober die Zahlung des Mietzinses zur Pflicht machen,
so erblüht ihm, falls er unverschuldete Bedürftigkeit nachweist,
jene geschilderte Rechtswohltat. Der Richter darf also eine
Stundung seiner fälligen Mietzinsverbindlichkeiten bis auf drei
Monate hinaus beschliessen und also erklären, dass der Arzt erst
am 1. Januar 1916 zu zahlen brauche. Die böse Lage eines Teils
in unverschuldete finanzielle Misere geratener Aerzte aber darf
noch obendrein insofern auf eine weitere Ausnahme spekulieren,
als wir selbst dann, wenn wir verurteilt sind zu zahlen — und
etwa eine von uns ermietete Wohnung zu räumen —, das Schlimmste
alsbald immer noch nicht zu fürchten brauchen. Denn das Voll¬
streckungsgericht bat es jetzt laut Gesetz in seiner Hand, die
Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners auf Antrag
wiederum für die Dauer von längstens drei Monaten — gerechnet
von der Bekanntmachung des Beschlusses an den Schuldner —
einzustellen. Voraussetzung dafür ist natürlich ebenfalls Be¬
dürftigkeit und Schuldlosigkeit an der finanziellen Klemme, Vor¬
aussetzung ist ferner, dass der Kläger dadurch nicht selber allzu
hart mitgenommen werde. Im übrigen aber ist der Arzt nicht
einmal darauf angewiesen zu warten, bis ihn sein Gläubiger ver¬
klagt. Er kann vielmehr seinerseits den Gläubiger, mit dem er
sich in Güte auseinanderzusetzen nicht vermochte, jederzeit einfach
vor das zuständige Gericht zur Verhandlung über die Stundung
vorladen. Hier erkennt er, der Arzt, dem Richter gegenüber das
Bestehen seiner Schuld an und macht dabei gleichzeitig in dem¬
selben Verfahren seine Bedürftigkeit, eine Stundung anlangend,
glaubhaft. Der Richter verurteilt dann, dem Anerkenntnisse ent¬
sprechend, zu der schuldigen Zahlung, spricht aber, wenn die
Umstände das gutbeissen, in jenem Urteil zugleich mit ans, dass
diese Zahlung, soundsolange (längstens drei Monate) ganz oder
teilweise, gegen oder ohne Sicherheit, gestundet wird. Schliess¬
lich verhilft der 18. August d. J. in bedeutsamer Verordnung be¬
drängten Schuldnern noch zu besonderer dringend nötiger Ver¬
günstigung. Zwei Beispiele hierfür, in denen der Arzt einmal
den Mieter, dem momentane Zahlung der Mietzinsrate wenig ge¬
nehm ist, ein andermal den Hausbesitzer, der die fälligen Hypo¬
theken nicht beisammen hat, vorstellen soll. Das Gesetz erlaubt
bekanntlich den Vermietern, dem, der mit zwei aufeinander
folgenden Zinsraten rückständig bleibt, fristlos zu kündigen, ihn
mit andern Worten also einfach auszuquartieren. Die meisten
Mietverträge aber lauten sogar dahin, dass dieses Recht dem
Vermieter schon aus einmaliger Unpünktlichkeit in der Zinszahlung
erwächst. Das zweite Beispiel führt uns den Arzt als Hauswirt
und Hypothekenschuldner vor. Bekanntlich ist es auch bei
Hypothekendarlehen herkömmlich, dass das Schuldigbleiben einer
Zinsrate für den Gläubiger das Recht nach sich zieht, sofort das
ganze Kapital zu fordern. Diese beiden, dem Mieter wie dem
Vermieter aus der Unpünktlichkeit erwachsenden schweren Folgen
können laut der genannten ßundesratsverordnung beseitigt werden.
Das Gericht kann also erklären: die Folgen gelten als nicht ein¬
getreten. Eine Erklärung, die — auf unsere Beispiele gemünzt
_ nichts anderes sagt, als: Du darfst wohnen bleiben, oder zu
dem Vermieter: Die Fälligkeit der ganzen Hypothekendarlehns
schuld ist nicht gegeben. Weiter darf das Gericht die hier
skizzierten üblen Konsequenzen, sobald das geboten erscheint,
aber auch vom Ablauf einer auf längstens drei Monate berechneten
Frist abhängig machen. Natürlich ist dieses begreiflicherweise
erzwungene Entgegenkommen der Gläubiger erschaffen unter der
Diktatur des Krieges mitsamt seiner Gefolgschaft von Not, Armut
und Elend. Wer nicht ohne Schuld in die Bedrängnis geriet,
wer ferner keine Gewähr dafür bietet, später einmal seinen Ver¬
pflichtungen zu genügen, wer bei bestem Willen schliesslich auch
gegenwärtig seine Verbindlichkeiten erfüllen könnte, an den wendet
sich das Wohlwollen des Richters natürlich nicht. Vielmehr
muss das Gericht hier immer stets prüfen, ob der Schuldner der
Geschenke auch würdig ist, und ob er ihrer auch bedarf.
Wir kehren danach mit einem Worte zurück zu den Aerzten
auf dem Felde, denen die jähe Schnelle des Aufbruchs verbot,
auch nur das Nötigste daheim für ein längeres Fernsein einiger-
maassen zu ordnen. Solch hartes Los ruht naturgemäss am
schwersten auf den am Kriege teilnehmenden Aerzten, denen es
nicht vergönnt ist, gleich den anderen Kriegsteilnehmern nach
Friedensschluss wieder dem heimatlichen Herde zuzusteuern, die
vielmehr ein widriges Geschick in Feindesland als Kriegsgefangene
festhält. Was wird da unterdessen wohl aus Weib und Kind,
aus Hab und Gut? Nun, einen kleinen Trost vermag ihnen das
Recht bei der Antwort darauf immerhin zu spenden, ein wenig
will es ihnen die Sorge um die irdischen Besitztümer verscheuchen
helfen. Es verspricht nämlich dem Arzte, die Dauer seiner Ge¬
fangenschaft lang bis zur Rückkehr sein Vermögen zu „pflegen“.
Erscheinen die Vermögensangelegenheiten der Fürsorge bedürftig,
so bekommt der in Feindesland schmachtende gefangene Arzt
unterdes von Rechts wegen einen Abwesenheitspfleger. Zur Bestellung
solcher Pflegschaft genügt als Voraussetzung Abwesenheit vom
Wohnort und Unbekanntsein des Aufenthalts. Freilich wird man
bei Kriegsgefangenen nicht seiten wissen, wo sie sich befinden.
Indes hindert das nicht, ihnen den Genuss der Pflegschaft trotz¬
dem zu bescheren. Wen Dämlich ein herbes Los an der Heim¬
kehr bindert, so dass er zu Hause seine Vermögensangelegen¬
heiten nicht regeln kann, den erklärt das Gesetz ebenfalls für
bedürftig der Pflegschaft, obgleich man seinen gegenwärtigen
«Aufenthaltsort genau kennt; ist es doch auch ihm ein Ding der
Unmöglichkeit, sich um den Stand seiner Finanzwirtschaft ge¬
hörig zu kümmern. Könnte aber da unter Umständen nicht
Wohltat Plage werden? Nein, solche Furcht braucht dem ge¬
fangenen Arzt nicht noch obendrein den Schlaf zu rauben. Da¬
für bürgt ihm das Gesetz durch zweierlei Garantien. Es fordert
nämlich einmal ein Schutzbedürfnis, ehe es eine Abwesenheits¬
pflegschaft erlaubt. Nur der Abwesende, dessen Vermögens-
Verhältnisse der Fürsorge tatsächlich bedürftig sind, erhält einen
Abweseoheitspfleger. Bedürftig solcher Sorge um sein Hab nnd
Gut ist aber ein gefangener Arzt sonder Zweifel anch dann, wenn
er gänzlich vermögenslos ist; ist’s ja leicht denkbar, dass gerade
dem in der Fremde Weilenden irdische Güter winken, um den
Armen in die Reihen der Besitzenden zu erheben. Solch ein
Anfall von Geld aber macht unter Umständen eine vermögens¬
rechtliche Vertretung notwendig. Sie beschert nun unser Gesetz
dem in fremder Gefangenschaft Schmachtenden in Gestalt des
Abwesenheitspflegers. Nicht dem Fürsorgebedürfnis entspräche
dagegen eine Abwesenheitspflegschaft, die allein den Schutz der
Gläubiger im Auge hätte. Deshalb fremdes Vermögen zq
„pflegen“ widerstritte darum dem Gesetz und darf also nicht an¬
geordnet werden; Gläubigerschutz und Fürsorge für den Fernen
sind zwei einander fremde Begriffe, die sich kaum je vertragen.
Mag der Schuldner bei seiner Heimkehr den Strauss mit den
Gläubigern ausfechten; sein Vermögen aber wird dadurch gewiss
nicht „gepflegt“.
Damit mag das Kapitel über die Abwesenheitspflegscbaft
ferner Aerzte beschlössen sein zugunsten einer verwandten Materie
über die Kriegsverschollenheit und ihrer rechtlichen Folgen.
Im Interesse der Angehörigen eines Arztes liegt es selbstverständ¬
lich, dass bei längerem Ausbleiben jeglicher Nachricht noch lange
über den Friedensschluss hinaus die Ungewissheit über Sein oder
Nichtsein des seit der Kriegsteilnabme spurlos verschwundenen
Arztes nicht jede Entschlussfreiheit der Angehörigen lahmgelegt
wird. Denn unter den das Leben bedrohenden Fährnissen wartet
unser an erster Stelle die Feldschlacht. Deswegen die den
Kriegsteilnehmern geschriebenen Sondergebote. Nach ihnen können
Kriegsverschollene bereits drei Jahre nach Friedensschluss für tot
erklärt werden. Hat aber ein Friedensschluss nicht stattgefunden,
dann beginnt der dreijährige Zeitraum mit Abschluss des
Jahres, mit dem der Krieg beendet wurde. Kriegsteilnehmer im
Sinne dieser Satzungen aber sind alle, die als Angehörige ew® r
bewaffneten Macht an einem Kriege teilgenommen haben. Dar¬
unter zählt auch, wer sich in einem Amts- oder Dienstverhältnis
oder zwecks freiwilliger Hilfeleistung bei der bewaffneten Macht
befindet, vornehmlich also der Sanitätsoffizier, der freiwillige Arzt,
der Krankenpfleger. Kehrt also ein während des Krieges ver¬
misster und seither verschollener Kriegsteilnehmer, kehrt ein frei¬
williger Arzt oder ein Sanitätsoffizier nach einem Kampfe nicht
zu seinem Truppenteil zurück, gibt weder Lazarett noch Schlacht¬
feld Aufschluss über seinen Verbleib und erhält auch später nie¬
mand irgendwelche Kunde von dem Vermissten, nun dann gilt der
Vermisste als verschollen, und es genügt der Ablauf dreier Jahre,
ihn von Rechts wegen totsagen zu lassen. Ihm gegenüber treten
also die gewaltigen rechtlichen Folgen ein, die sich für die Hinter-
bliebenen an jeden Todesfall knüpfen. Eine Todeserklärung ab* r
setzt nun einen darauf zielenden Antrag der Interessenten voraus,
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UNIVERSITf OF IOWA
2. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1769
und zwar beträgt bei der Kriegsverschollenheit die Aufgebotsfrist
mindestens zwei Wochen, während sie sonst mindestens sechs
Monate lang läuft.
Hiermit mag zugunsten einer zweiten kleinen Skizze gegen¬
wärtig die Schilderung vom Einfluss des Krieges auf das Rechts-
leben geschlossen sein.
Bücherbesprechungen.
W. Spalteholz: Handatlas der Anatomie des Menschen. 3. Baud.
Eingeweide, Gehirn, Nerven, Sinnesorgane. 7. Aufl. Preis ge¬
heftet 21 M., gebunden 22 M.
Das prächtige Werk hat in der vorliegenden neuen Auflage wiederum
manche Verbesserung erfahren. Die wichtigste beruht darin, dass
Flechsig der Bitte des Verfassers entsprochen und die Darstellungen
der Bindenfelder der Grosshirnhemisphären nach dem gegenwärtigen
Stand seiner Untersuchungen neu zeichnen Hess. Die Figuren 755 und
756 sind so entstanden. Die motorische Zone ist mit einer so grossen
Anzahl von Punkten versehen, die die Stellen der elektrischen Erregung
nach F. Krause wiedergeben, dass es fast wünschenswert erscheint,
eine vergrösserte Darstellung dieser Partien künftigen Auflagen beizu¬
fügen, Besonders interessant ist die Spezialisierung in der Erregung
der Mundteile: Mundwinkel nach oben, stark nach unten, Unterlippe
direkt seitlich, Kinn stark seitlich usw.
Sehr willkommen wird auch die Darstellung der Markreifung der
Bindenfelder der Grosshirnhemisphäre nach Flechsig sein, Figur 756a
und 756 b.
Prof. Eisler-Halle hat an der schematischen Zeichnung des Plexus
lumbosacralis eine Ergänzung angebracht.
Die Nebenschilddrüsen oder Epithelkörperchen haben eine besondere
Darstellung gefunden auf Figur 632 a in Verbindung mit den Arterien.
Damit ist einem dringenden Bedürfnis abgeholfen in Anbetracht der
hohen praktische Bedeutung dieser merkwürdigen Derivate des Kiemen¬
systems, die eine so auffallend wichtige Rolle im Organismus spielen.
Auch sonst sind manche Vervollkommnungen vorhanden, namentlich in
der farbigen Ausführung einiger Figuren.
Die hohe künstlerische Vollendung des Werkes kann nicht genug
betont werden. Namentlich auf dem Gebiete der Sinnesorgane zeigt
sich die Verbindung von Anschaulichkeit und Wohl gef älligkeit der bild¬
lichen Darstellung, in der Spalteholz’ Atlas von keinem anderen
Werke dieser Art erreicht wird.
Mit Freude können wir die neue Auflage den Studenten warm
empfehlen. Der Preis ist im Verhältnis zu der wunderbaren Aus¬
stattung gering. _
J. Sobotta: Atlas der descriptiven Anatomie des Menschen. 2 . Ab¬
teilung. Die Eingeweide des Menschen, einschliesslich des Herzens.
Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. München 1914, Leh-
mann’s medizinische Atlanten. Preis geb. 16 M.
Die Aenderungen, die diese neue Auflage bringt, betreffen besonders
den Ersatz der lithographierten Tafeln teils durch solche in Dreifarben¬
druck, teils durch Reproduktion mittels mehrfarbigen Autotypiedrucks.
Auf manchen Gebieten wurden ganz neue Bilder angefertigt, so bezüg¬
lich des Situs der Baueheingeweide und der weiblichen Genitalien. Diese
neuen Bilder sind zum Teil wirklich prachtvoll, so die Tafeln 6, 7, 8,
9, 15.
Manche anderen Abbildungen stechen dagegen ab durch eine ge¬
wisse Steifigkeit und unnatürliche Derbheit, so Figur 363, 364, 365,
366, 367, 368. Sie haben dieselben Mängel wie die Muskelbilder des
ersten Teiles. Darunter leidet jedoch das Instruktive der Bilder nicht.
Sehr geeignet sind auch für den Selbstunterricht die schematischen
Darstellungen, die in manchen anderen anatomischen Bildwerken etwas
zu ängstlich gemieden werden.
Auch mit dieser neuen Auflage wird sich das Sobotta’sche Lehr¬
buch als eines der auf dem Präpariersaal am meisten beliebten Werke
bewähren. H. Klaatsch.
Franz Nissl: Beiträge znr Frage nach der Beziehung zwischen
klinischem Verlauf and anatomischem Befand bei Nerven- nnd
Geisteskrankheiten. Bd. 1. Heft 2. Zwei Fälle von Katatonie
mit Hirnschwellung. Mit 48 Figuren. Berlin 1914, J. Springer.
Von den beiden mitgeteilten Fällen von Katatonie betrifft der erste
einen 35jährigen Mann mit typischer Dementia praecox mit hebephrenem
Beginn und anschliessender akuter Psychose mit den Symptomen eines
katatonischen Erregungszustandes und Stupors. Tod am 10. Tage der
akuten Psychose. Die Sektion ergibt ausgesprochene Reichardt’sche
Hirnschwellung, die möglicherweise die Todesursache war. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass Beziehungen zwischen den naebgewiesenen Rinden-
veränderuDgen und der akuten katatonischen Psychose bestehen. Jeden¬
falls hat die Rindenerkrankung schon längere Zeit angedauert. Be¬
ziehungen zwischen der Hirnschwellung und den histologischen Verände¬
rungen lassen Bich nicht feststellen. Der zweite Fall betrifft gleichfalls
eine Dementia praecox bei einem 24jährigen Mann mit Tod im katatoni¬
schen Erregungszustand. Es bestand auch hier ein beträchtliches Miss¬
verhältnis zwischen Gehirnmasse und Schädelkapazität, das für die Er¬
klärung des Todes heranzuziehen ist. Dass Beziehungen zwischen
dem histopathologischen Befund der Hirnrinde und dem katatonischen
Erregungszustand bestehen, ist sehr wahrscheinlich. Bemerkenswert sind
schwere Veränderungen im Aromonsborngebiet. Besonders hervorzuheben
sind auch diesmal wieder die wundervollen histopathologischen Bilder,
die durch normale Vergleiohspräparate leichter verständlich gemacht
werden. Als Referenten zeichnen für den ersten Fall Stefan Rosen¬
thal, für den zweiten Schultheis und Ronkel.
M. Rotbmann.
M. Lewandowsky: Die Hysterie. Berlin 1914, Verlag von Julius
Springer. 192 Seiten. Preis 6 M.
Die Aerztegeneration, deren Ausbildung vor etwa 10—20 Jahren
bereits abgeschlossen war, batte eine von der heutigen wesentlich ver¬
schiedene Anschauung über Hysterie; sie musste sich abfinden mit dem
damals in Hörsälen und Lehrbüchern vorgetragenen Lehren, welche im
grossen ganzen auf die schematische und heute zu einem grossen Teil
als falsch erkannte Darstellung Charcot’s und seiner Schule zuriiek-
gingen. Die Bearbeitung der Hysterie von Lewandowsky, welche aus
dem vom selben Verf. herausgegebenen „Handbuch der Neurologie“ (mit
nur geringen technischen und Druckfehleränderungen) entnommen ist,
zeigt aufs neue, wie die fortschreitende Erkenntnis mit der Charcot-
schen Lehre aufgeräumt hat.
L.’s Darstellung baut sich induktiv auf einer kritischen Prüfung
der Tatsachen auf, indem er zunächst (I. Teil A) die hysterische Einzel¬
reaktion beschreibt, woran sich gemeinsam mit der Psychopathologie die
Definition der Hysterie schliesst (I. Teil B). Trotz des induktiven Vor¬
gehens kann er sich als moderner Neurologe von vornherein nicht frei
machen von der psychogenetischen Auffassung, und er verzichtet deshalb
mit Recht darauf, auf die unendliche Fülle aller symptomatischen Einzel¬
erscheinungen detailliert einzugehen, was der abgerundeten 75esamt-
darstelluog entschieden zum Vorteil gereicht. Als „hysterophile Er¬
krankungen“ werden einige psychogene Neurosen abgetrennt, deren Er¬
scheinungen zuweilen (nicht immer) durch psychische Einflüsse hervor¬
gerufen werden können, z. B. Tics, Beschäftigungskrämpfe, Stottern,
flüchtiges Oedem usw. Der II. Teil behandelt dann „die hysterische
Konstitution und die anderen Bedingungen der hysterischen Reaktion“,
Teil III die Differentialdiagnose, Teil IV die Prognose, Therapie und
Prophylaxe, sowie anhangsweise kurz die forensische Bedeutung der
Hysterie.
Vom wissenschaftlich-theoretischen Standpunkt aus ist zu bemerken,
dass dem Verf. in dieser Hinsicht, z. B. bezüglich seiner Anschauungen
über die Bedeutung der Suggestion und Affekte, Phantasie und Halluci-
nation, Unterbewusstsein und Bewusstseinsspaltung usw. die meisten
Faohgenossen zustimmen werden.
Der Leser, dem nur diese Monographie, nicht das ganze Handbuch
zur Verfügung steht, möchte vielleicht in dieser Fassung manches
genauer ausgefübrt sehen, was L. mit oder ohne Hinweis auf andere
Kapitel des „Handbuchs“ nur andeutet. Indessen kann und will die
Arbeit keine propädeutische sein, sie findet ihre volle Würdigung nur
im Rahmen der heutigen Neurologie und ihrer letzten Gesamtdarstellung
in dem erwähnten Handbuch.
Robert Sommer: Klinik für psychische und nervöse Krankheiten.
Bd. VIII. Heft 4. Halle a. S. 1913, Carl Marhold, Verlags¬
buchhandlung.
Das angezeigte Heft dieser Zeitschrift enthält eine Preisarbeit von
W. Stoeckenius über „die motorische, speziell sprachliche Reaktion
auf akustische Reize bei Normalen, Nervösen und Geisteskranken“, sowie
den Vortrag Sommer’s auf der letzten Naturforscherversammlung über
„elektrochemische Therapie“. W. Seiffer.
S. Bettmann: Einführung in die Dermatologie. Wiesbaden 1914,
Bergmann. 182 S. Preis 6 M.
Der bekannte Heidelberger Dermatologe bat dieses Buch aus seinen
praktischen Erfahrungen beim dermatologischen Unterricht als Ergänzung
für jedes systematische Lehrbuch geschrieben, in welchem naturgemäss
weniger Raum für die allgemeineren zusammenfassenden Besprechungen
übrig bleibt. Das vortreffliche Buch mit seinen 5 Kapiteln (normale
und pathologische Anatomie der Haut, Physiologie der Haut, Diagnostik,
Aetiologie, praktische Bedeutung der Hautkrankheiten) ist in jeder Hin¬
sicht dazu geeignet, den klinischen Hörer nicht nur auf den Besuch der
Klinik vorzubereiten, sondern es wird ihm auch behilflich sein, die Fülle
der im Unterricht erwarteten Einzelkenntnisse besser zu einem Gesamt¬
bilde abzurunden.
Ikonographia dermatologica. H. 7. Tab. 52—59. Berlin 1914,
Urban & Schwarzenberg. Preis 8 M.
Das neueste Heft zeichnet sich wieder durch eine grosse Reihe
prachtvoller Abbildungen aus. Neben einer Xanthoerythrodermia
(F. Bering) ist das Bild eines Cylindroma .(multiple Endotheliome),
wie es de Beurmann beschreibt, bemerkenswert. Ein Naevus anaemicus
(Bruner) und der Lichen ruber framboesiformis (Lipsohütz) gehören
zu den Seltenheiten. Der von Jacobi veröffentlichte Fall eines Vaseliooma
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UNIVERSITÄT OF IOWA
1770
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 44.
soleroticum bei einer SO jährigen Dame, welche in einem Institut de
beautö eine Anzahl Paraffininjektionen erhalten hatte, bietet einen
geradezu erschreckenden Anblick dar. Zwei Sklerodermiefälle von
Meirowsky und Ruete, ein Fall von Striae distensae et heloideae
(0. Rosenthal) vervollständigen den wertvollen Inhalt.
Max Joseph-Berlin.
Hans Volkelt: Ueber die Vorstellungen der Tiere. Arbeiten zur
Entwicklungspsychologie. Herausgegeben von Professor Felix
Krueger in Halle. 1. Band, Heft 2. Leipzig-Berlin 1914, Verlag
von W. Engelmann. Preis 4 M.
Der biologische Gedanke der Entwicklung bat allmählich so ziemlich
alle Disziplinen durchdrungen. Nur die Psychologie stand ihm kühl
gegenüber. Die Seelenvermögen erschienen ihr etwa wie Platon’s
ewige Ideen als unveränderliche Grössen, und in ihrem experimentellen
Zweig feiert sie ein Analogon zu der anatomischen Periode in der
Medizin.
Da ist es denn eine historische Notwendigkeit, dass auch die
Psychologie einmal entwicklungsgeschichtlich angefasst wird, und Pro¬
fessor F. Krueger will diesbezüglichen Studien in besonderen Heften
eine Stätte bereiten. Wir begrüssen das neue Unternehmen, weil es
einen gesunden Kern hat und weil es berufen erscheint, neues Lioht in
das psychische Getriebe zu werfen.
Gleich die erste Arbeit der neuen Zeitschrift ist geeignet, unser
volles Interesse zu erwecken. Sie erörtert die Frage: Wie erscheinen
dem Tier die Dinge seiner Umgebung? Der Verf. setzt mit Geschick
auseinander, dass die Tiere die Gegenstände keineswegs so klar, deut¬
lich, abgegrenzt erkennen wie wir, dass ihr analytisches Vermögen nicht,
wie bei uns, zum Auftreten gewissermaassen atomistischer Sinnesquali¬
täten entwickelt ist. Vielmehr fassen die Tiere ihre Umgebung als
komplexes Ganzes auf, ohne innere Struktur, als einen ungegliederten,
diffusen Eindruck, und richten demgemäss ihr Handeln nicht nach den
einzelnen Komponenten, sondern nach dem Ganzen, der Komplex¬
qualität. Analog verhalten wir Menschen uns etwa vor einem ver¬
schlungenem Teppichmuster oder einem Akkord, Dinge, welche nur ver¬
einzelte sofort in ihre Strukturelemente aufzulösen imstande sind, während
die meisten sie nur als Gesamteindrüoke auffassen. Vielleicht lässt sich
das Verhalten der Verliebten heranziehen, die ja ebenfalls gegen noch
so ausgesprochene Spezialmomente blind und taub sind und nur die
Gesamtkomplexqualität im Auge haben.
Man sieht: es besteht ein fundamentaler Gegensatz zwischen dieser
Anschauungsweise und der üblichen. Bemüht sich die letztere an sich
und oft ohne Erfolg, die zahlreichen, von scharfsinniger Analyse ge¬
lieferten Bruchstücke oder Elemente in einer Assoziationspsychologie
wieder zusammenzuschweissen, so rückt Volkelt die Erkenntnis nahe,
wie zunächst auf die Tierwelt und den primitiven Menschen die Gesamt¬
eindrücke eingewirkt und von ihnen als solche aufgenommen wurden,
wie erst bei fortschreitender Entwicklung die einzelnen Momente mehr
oder weniger scharf heraustraten, und warum noch heute Leute mit
klarem Blick sich so schlecht mit Leuten mit verschwommenen Vor¬
stellungen zureohtfinden können. Buttersack-Trier.
militärärztlich gesprochen — der eine Feldzug nicht von dem andern
getrennt werden kann, vielmehr die Erfahrungen von 1870/71 erst durch
die von 1866 in das rechte Licht gerückt werden. Die drei Typen sind:
Horsitz io Oesterreich (Böhmen), Mannheim in Deutschland (Baden) und
Nancy in Frankreich (Lothringen).
In Horsitz (1866) befand sich Verf. bei dem 1. schweren Feld¬
lazarett des 3. Armeekorps. Es bestätigte sich damals wieder die alte
Erfahrung, dass der sohlimmste Feind des Feldsoldaten nicht das Ge¬
schoss oder die blanke Waffe des Gegners, sondern Krankheiten oder
Kriegsseuchen (Zahlenangaben) sind. 1870/71 war dies jedoch umge¬
kehrt, woran nicht den kleinsten Anteil der Dienst als Etappenarzt hatte.
Durch die Gegenüberstellung von Horsitz, Mannheim und Nancy werden
die Fortschritte, die 1870/71 im Vergleich zu 1866 besonders auf dem
Gebiete des Krankentransportwesens zu verzeichnen waren, klar.
1870/71 war Verf. zunächst bei der Kommandantur des Etappen-
bauptortes der 3. Armee in Mannheim, später in Nanoy tätig. Genaue
Schilderung der Tätigkeit im Gebiet der Etappe, namentlich des Ab¬
transportes in Sanitätszügen — die 1866 noch fehlten — in die rück¬
wärts gelegenen Lazarette usw. Lobend wird auch hervorgehoben, was
die freiwillige Krankenpflege leistete.
Am Schluss gibt Verf. einige heitere Episoden und andere Inter¬
mezzos zum besten.
Velde-Berlin: Die Kraikeitrage 1918. Veröffentlichungen aus dem
Gebiete des Militärsanitätswesens. Herausgegeben von der Medi-
zinalabteiluog des Kgl. preuss. Kriegsministeriums. Heft 60. Mit
6 Abbildungen. Berlin 1914, Verlag von. August Hirsobvald.
50 S. Preis 1,60 M.
Seit längerer Zeit war die Notwendigkeit erkannt, an Stelle der bis¬
her im Heere vorhandenen 5 Arten von Krankentragen ein einheitliches
Muster einzuführen. Deshalb wurde 1908 von seiten des Kgl. preuss.
Kriegsministeriums, Medizinalabteilung, eine Umfrage nach einem ver¬
besserten Muster einer Krankentrage eingeleitet. Die hiernach eioge-
gangenen Entwürfe und Proben wurden von einer Kommission von
Sanitätsoffizieren einer Sichtung unterzogen, und so wurden die Unter¬
lagen gewonnen, die zu der „Krankentrage 1913“ überleiteten. Von
der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums wurde ihre Einführung
1913 angeordnet. Verf. unterzieht die einzelnen Teile, aus denen sich
die Krankentrage zusammen setzt, einer eingehenden Erörterung und führt
dabei alles au, was im Laufe der Verhandlungen bezüglich der Trage¬
stangen, Holzgriffe, Querverbindungen, Kopflehne, Fussbügel, Verbin¬
dungen der Eisenteile, des Bezuges und des Gewichts der Trage ge¬
ändert und beobachtet wurde. Dann gibt Verf. Gesichtspunkte für die
Abnahme von Krankentragen 1913. ln einer Anlage folgt die Be¬
schreibung von 52 eingegangenen Mustern, von denen die Mehrzahl an-
gekauft und der Sammlung der Kaiser Wilhelms-Akademie io Berlin
überwiesen wurde. Scbnütgen.
Literatur-Auszüge.
Anatomie.
Mangold: Die Fortschritte der Tuberkulosebekämpfung in Prenssen
während der Jahre 1909—1911. Veröffentlichungen aus dem
Gebiete der Medizinal Verwaltung, herausgegeben von der Medizinal¬
verwaltung des Ministeriums. III. Band, 5. Heft, der ganzen
Sammlung 30. Heft. Berlin 1913, Verlag Riohard Sohoetz. Preis
0,80 M.
Die gesteckten Ziele: Aufklärung der Bevölkerung über das Wesen
der Tuberkulose, Verhütung der Krankheit durch Schutz der Gesunden
gegen Ansteckung und Heilung und Pflege der Kranken haben wesent¬
liche Aenderungen nicht erfahren. Die Aufklärung geschieht durch
Massen- und Einzelunterricht, durch Selbstunterricht: Studium eines
Tuberkulose-Merkblattes, durch Tuberkulose-Wandermuseen, Tuberkulose-
Ausstellungen. Verhütung wird erzielt durch Erhöhung der Widerstands¬
kraft des Organismus, Vermeidung von Schädlichkeiten, welche diese
Widerstandskraft berabsetzen und Beseitigung der Gelegenheiten zur Auf¬
nahme der Krankheitskeime, durch das System der Ferienkolonien,
Kinderheime, Waldschulen, Schlafpavillons, Walderholungsstälten, Bereit¬
stellung gesünderer Wohnungen, Staubbekämpfung, Scbulgesundheits-
pflege, Sport, bessere Ernäbrungsverhältnisse, Bekämpfung des Alkohol¬
missbrauchs, Isolierung Kranker in Anstalten, Auffindung Lungenkranker
beim Heeresersatzgeschäft, auf dem Lande durch die Gemeindeschwestern,
im übrigen durch Vertrauenspersonen, Ortsausschüsse, Anzeige der
Tuberkulosetodesfälle, Desinfektionen. Für leichte Krankheitsformen war
die Tuberkulinbehandlung gut, für vorgeschrittenere Heilstättenbehand¬
lung, für die schwersten Stadien Behandlung in Sonderabteilung der
Krankenhäuser. In einem Anhang wird die segensreiche Tätigkeit der
Auskunfts- und Fürsorgestellen für Lungenkranke beleuchtet.
Peltner-Berlin -Steglitz: Militärärztliche Kriegserinnerungen an 1866
nnd 1870/71. Mit einer Karte. Berlin 1914, Verlag von Aug.
Hirschwald. 41 S. Preis 1 M.
Verfasser, einer der ältesten noch lebenden militärärztlichen Kriegs¬
teilnehmer an beiden Feldzügen, hat humoristisch und lichtvoll seine
Erinnerungen in drei typischen Bildern derartig bearbeitet, dass _
W. von Müllendor ff-Greifswald: Vitalfärbing mit sauren Farb¬
stoffen und ihre Abhängigkeit vom Lösnngsznstand der Farbstoffe.
(D.m.W., 1914, Nr, 41.) Ausscheidungsgescbwindigkeit und Speicberongs-
intensftät sind einander umgekehrt proportional; beide bangen auf das
Innigste mit dem Dispersitätsgrade der Farbstoffe zusammen.
Dünner.
Therapie.
Kowarschik und Keitler-Wien: Die Diathermie bei gynäkolo¬
gischen Erkrankungen. (W.kl.W., 1914, Nr. 4L) Günstige Erfahrungen
mit der Diathermie bei gynäkologischen Affektionen, besonders bei ent¬
zündlichen Erkrankungen der Naohbarschaft der Gebärmutter und der
Adnexe. Das Verfahren ist aber nur in ehronischen Fällen am Platze,
bei akuten kontraindiziert. Entweder wird eine Elektrode am Kreuzbein,
die andere oberhalb der Symphyse appliziert, oder man führt in die
Vagina eine cylindrisohe Metallelektrode ein. Die Diathermie wirkt
schmerzstillend und resorptionsbefördernd. Sie greift den gesamten
Organismus nicht so an, wie die Heissluftbehandlung.
H. Hirsoh/eld.
M. Kauffmann - Halle a. S.: Die Behandlung der Fottsneht mit
kolloiden Platinmetallhydroxyden (Leptynol). (M.m.W., 1914, Nr. 42.)
III. Mitteilung. K. bringt eine Reihe von Krankengeschichten, die die
gute Wirkung des Leptynols bei der Behandlung der Fettsucht darlegen
sollen. Ausserdem hat er das Präparat noch bei Gicht und bei einem
Fall mit Basedowsymptomen mit Erfolg angewandt. K. erwidert auf
einige von anderer Seite gegen das Leptynol erhobene Einwände. Er
empfiehlt zum Schluss einen Versuch bei Diabetes inkl. Coma.
Dünner.
t-arasueiuainae und Serologie.
.i.-« J *+ Sch ? r . esoliewsk 3 r ' Marl)Ur B : Primäraffekt und Keratitis pirei-
bei “ Kaninchen, bewirkt durch Reilkni tnren von 8ypWlfo-
spirochäten. (D.m.W., 1914, Nr. 41.) Die Scheresohewsky’schen
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UNIVERSUM OF IOWA
2. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1771
Spirochätenkulturea bewirken am Hoden und Auge von Kaninchen
syphilitische Veränderungen in einer dem Gewebsvirus gleichen Weise.
Die Kulturen lassen sich viele Wochen bei 37° und nachträglich bei
Zimmertemperatur virulent und rein erhalten. Eine Exzision von
Kaninchensklerose hat das Auftreten einer neuen Sklerose zur Folge
gehabt. Das Sperma dieses Tieres enthielt dauernd Spirochäten vom
Pallidatypus.
E. Frankel und F. Thiele - Heidelberg: Ueber die Gerinnnngs-
hemmangen durch Lnessera (Hirschfeld und Klinger) und die chemische
Natur des Cytocyms. (M.m.W., 1914, Nr. 42.) In Uebereinstimmung
mit Hirsoh/eld und Klinger fanden die Verff. mit der von H. und K.
angegebenen Methode in 70 Fällen bei positivem Wassermann auch
eine Verzögerung oder Ausbleiben der Gerinnung. Als Zytozym ver¬
wandten die Verff. an Stelle des Merk’scheu Meerschweinohenextraktes
alkoholischen Rinderherzextrakt (1 g und 10 ccm Alkohol). Als Wesen
der Zytozymwirkung stellte sich die ätherlösliche Fraktion bzw. die
darin enthaltene, jekorinähnliche Substanz heraus.
Fetzer und Nippe - Königsberg: Zum Nachweis der Blutfreiheit
der zur Abderhalden’schen Reaktion verwendeten Substrate und Seren.
(M.m.W., 1914, Nr. 42.) Die Verff. fanden, dass sich zum Nachweis
der Blutfreiheit der Organe und Seren die Leukobase des Malachitgrüns
ausgezeichnet eignet, das die Fähigkeit hat, bei Anwesenheit von Blut
das eine Sauerstoffatom einer Wasserstoffsuperoxydlösung, welche durch
das Hämoglobin katalytisch abgeschieden wird, aufzunehmen und dann
als stark färbender Stoff, in diesem Falle eben als Malachitgrün zu
wirken. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Fehlerquelle, die
in Verunreinigung der Seren und Substrate durch Hämoglobin zu suchen
ist, in einer grösseren Anzahl von Fällen vorhanden ist, als es wohl
viele Untersucher anzunehmen geneigt waren.
R. Otto und G. Blumenthal-Berlin: Erfahrungen mit dem Abder-
halden’sehen Dialyaierver fahren. (D.m.W., 1914, Nr. 41.) Graviden -
sera bauen fast regelmässig Placenta ab. Dem positiven Ausfall der
Reaktion kann aber nur eine beschränkte diagnostische Bedeutung zu-
gesproohen werden, da auch andere Sera, speziell die von Carcinom-
kranken, mit Placenta eine positive Ninhydrinreaktion ergeben. Der
negative Ausfall der Reaktion spricht mit grosser Wahrscheinlichkeit
gegen bestehende Gravidität. Das Serum von Dementia praecox-kranken
gibt ziemlich regelmässig mit Testes, oft mit Gehirn, aber stets
auch mit Placenta eine positive Reaktion. Testes werden auch von
anderen Krankensera und von dem Serum Gravider abgebaut. Der
positive Ausfall der Reaktion mit Hodensubstrat ist deshalb nur von
beschränkter diagnostischer Bedeutung, wenngleich er unter Umständen
vielleicht differentialdiagnostisch verwandt werden kann. Eine Spezifität
der Abwehrfermente im Sinne Abderhalden’s Hess sich nicht nach-
weisen.
A. Eder-Berlin: Die Abderhalden'sche Sehwangerschaftsreaktion.
(D.m.W., 1914, Nr. 41.) E. fand ebenso, wie die Verff. in dem vor¬
stehenden Referate, dass man bei negativem Ausfall der Abderhalden-
sohen Reaktion mit allergrösster Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft
ausschliessen kann. Eine positive Reaktion kann dagegen auch durch
pathologische Zustände, nach den vorliegenden Fällen durch Carcinom,
Lues und eitrige Prozesse, hervorgerufen werden. Dünner.
Innere Medizin.
Rose: Eine Grundursache derHarnsänreübersättlgnng beimMenschen.
(Zschr. f. phys. diät. Ther., September 1914.) Röse hat Untersuchungen
über die Notwendigkeit genügender Erdsalzzufuhr angestellt und ge¬
funden, dass sowohl die Menge der ausgeschiedenen Harnsäure wie das
Harnsäurelösungsvermögen in einem ganz innigen Wechsel Verhältnis zum
Basengehalt der Nahrung steht, wobei es ganz gleichgültig ist, ob es
sich dabei um tierische oder pflanzliche Nahrungsmittel handelt.
E. Tobias.
H. E. Hering-Köln: Rhythmische Vorhoftacbysystolie undPnlsns
irregnlaris perpetnus. (M.m.W., 1914, Nr. 41 u. 42.) Zum Referat
nicht geeignet Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
B. Pfeifer: Experimentelle Untersuchungen über die Funktion des
Thalamns opticus. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Verf. be¬
spricht die Ergebnisse experimenteller Untersuchungen über die Funktion
des Thalamus opticus. Man kann annehmen, dass für die Erweiterung
der Pupillen und Lidspalten der mediane Thalamuskern, für die Pupillen¬
verengerung der caudale Anteil dieses Kernes, für die Haltungsanomalien
des Körpers und die Laufbewegungen der caudal-ventrale Sehhügelanteil
von besonderer Bedeutung ist.
M. Rothmann: Demonstration zur Rindenexstirpation des Kiein-
kins. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 16 u. 17.) Vgl. Sitzungsbericht der
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten in der B.kl.W.,
1914, Nr. 81.
K- Reichardt: Iitravifale and postmortale Hirnsehwellnng.
St. Rosenthal: Eine Erwiderung auf die Ausführungen Reiohardt’s.
(Neurol. Zbl., 1914, Nr. 18.) Polemik über die Behauptung von
Rosenthal, dass die Hirnschwellung vorläufig nur ein physikalischer
Sektionsbefund ist.
M. S. Margulis: Zur Frage der pathologisch-anatomischen Ver¬
änderungen im Gehirn hei bösartiger Malaria. (Neurol. Zbl., 1914,
Nr. 16 u. 17.) In einem Falle von bösartiger Malaria erhob Verf. einen
Befund, der das Bild der bereits in der Literatur beschriebenen Ver¬
änderungen bei bösartiger Malaria durch folgende Einzelheiten vervoll¬
ständigt: stark ausgeprägte Erscheinungen einer Stasis, perivaskuläre
nekrotische Herde der Himsubstanz und sie ersetzende Gliaherde um die
stasierten Gefässe, diffuse, der Sklerose in anderen parenchymatösen
Organen analoge Gliaproliferationen in der Rinde und in der subcorti-
calen weissen Substanz.
Eskuchen: Bemerkungen zu der Arbeit von A. Glaser: Zur klini¬
schen Brauchbarkeit der Laage’schea Goldsolreaktion in der Psychiatrie.
(Neurol. Zbl., 1914, Nr. 16 u. 17.) Eskuchen nimmt gegen die
Skepsis Glaser’s in der Frage der Goldsolreaktion Stellung. Der Wert
der Goldsolreaktion ist ganz unzweifelhaft ein sehr hoher.
M. Nonne: Ueber die Bedeutung der Liquoruntersuchung für die
Prognose von isolierten syphilogenen PapiUenstörungen. (D. Zschr.
f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3 — 6.) Eine jahrelang fortlaufende Beobachtung
zeigt, dass bei isolierten Pupillenstörungen der weitere Verlauf des
Falles sich sehr verschieden gestalten kann, dass sie einerseits isoliert
bleiben, dass andererseits sich weitergehende syphilogene Nervenleiden
anschliessen können. Die Kontrolle des Liquor spinalis ist für die Be¬
urteilung der Dignität der Pupillenanomalien von Wichtigkeit. Sie
zeigt, dass diese Störungen bei normalem Liquor Reste eines ausgeheilten
oder stets rudimentär gewesenen Prozesses am Centralnervensystem dar¬
stellen, aber andererseits, dass sie auch bei pathologischen Reaktionen
im Liquor dauernd unverändert bleiben können. Daraus ergibt sich,
dass die Prognose bei isolierten Pupillenanomalien auf luetisoher Basis
nicht lediglich nach dem Ausfall der „vier Reaktionen“ gestellt werden
darf, und dass man sich deshalb hüten muss, den prognostischen Wert
positiver Liquorreaktionen im ungünstigen Sinne zu überschätzen.
Hauptmann: Die Diagnose der „frÜlilQetischen Meningitis“ aus
dem Liquorbefund. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Die
Wassermannreaktion im Liquor kommt mit wenigen Ausnahmen nicht
zustande durch Filtration der syphilitischen Antikörper aus dem Blute;
ihre Bildungsstätte ist das Centralnervensystem selbst. Die Liquor¬
veränderungen im sekundären Stadium der Lues sind hervorgernfen
durch eine frühluetische Meningitis. Als Ausdruck des leichtesten
Grades dieser Meningealaffektion ist die Lymphocytenvermehrung (viel¬
leicht noch früher das Vorhandensein von Spirochäten) anzusehen, zu
welchen sich bei schwereren Formen Eiweissvermehrung und schliesslich
positive Wassermannreaktion hinzugesellen. Klinische Symptome seitens
des Centralnervensystems können in solchen Fällen vollständig fehlen,
vielfach sind nur geriugfügige subjektive Beschwerden vorhanden. Der
Liquor jedes Syphilitikers muss untersucht werden, und die Behandlung
ist durchzuführen, bis der Liquor wieder völlig normal ist.
M. Nonne: Klinische und anatomische Mitteilung über einen aus¬
schliesslich auf Grund der Liqaorreaktionen diagnostizierten Frühfall
von Paralyse. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 18.) In einem Falle, in dem
die klinische Diagnose auf Neurasthenie mit depressiver Stimmungslage
(in der Anamnese war Lues +) gestellt werden musste, ergab die sero¬
logische Untersuchung: Wassermannreaktion im Blut +++, Wasser¬
mannreaktion im Liquor 0,2 bis 1,0 ccm +++. Lymphocytuse S3 / 3 ,
Phase I -f~{-. Danach änderte Verf. die Diagnose anf beginnende Para¬
lyse. Der Patient machte aus anderen Gründen seinem Leben ein Ende.
Die Sektion ergab beginnende Paralyse.
Raven: Serologische and klinische« Untersaehaogea hei Syphi-
lUikerfamilien. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Unter 117
untersuchten Syphilitikerfamilien war in 77 pCt. die Familie in Mitleiden¬
schaft gezogen. Der primär infizierte Gatte erkrankte häufiger an einem
syphilogenen Nervenleiden als der sekundär infizierte. Gleichartige Er¬
krankungen beider Gatten wurden sehr selten beobachtet. Die sekundäre
Infektion erfolgte meist latent, wenn der primär infizierte Gatte syphi-
logen nervenkrank war. Mit manifesten Symptomen verlief die sekundäre
Infektion relativ häufig dann, wenn der primär infizierte Gatte kein
syphilogenes Nervenleiden hatte, was für eine Virulenzabnahme der Lues
bei Passage durch das Nervensystem spricht. Von den Ehehälften der
primär infizierten Gatten wurden 46,15 pCt. syphilogen nervenkrank,
24.6 pCt. hatten Wassermann -f- im Blut, und nur 29,25 pCt. blieben
gesund. Von den Kindern der untersuchten Syphilitikerehen starben
47.7 pCt. klein oder waren Aborte und Frühgeburten; die übrigen waren
zu fast Va gesund, über 2 / a krank. Erkrankung der Mutter gefährdet
die Nachkommenschaft viel mehr als Erkrankung des Vaters. Je schwerer
die Eltern unter der Lues zu leiden hatten, desto weniger waren die
Kinder gefährdet und geschädigt. Die zuerst geborenen Kinder sind am
meisten gefährdet. Bis zu 16 Jahren nach der primären elterlichen In¬
fektion wurden geschädigte Kinder gezeugt. Einige Male konnte ein
syphilogenes Nervenleiden bei der Zeugung geschädigter Kinder als bereits
vorhanden angenommen werden.
Meggendorfer: Ueber Syphilis io der Aseendenc tob Deoieatia
praecox-Kraaken. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Lues ist
bei den Eltern von Dementia praecox-Kranken ein viel häufigeres Vor¬
kommnis, als bisher angenommen wurde.
Hasche-Klünder: Ein Fall von degencrativer Hysterie im engeren
Zusammenhänge mit dem Geschlechtsleben und vor allem der Men-
strnation. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. B—6.) Verf. schildert die
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Krankengeschichte eines defekt veranlagten Individuums. Die Genital¬
sphäre, vor allem die Menstruation, ruft bei demselben pathologische
Einwirkungen auf die Psyche und schwere geistige Störungen hervor, die
in allen Einzelheiten näher beschrieben werden. Die Seelenstörung ist
als degenerative Form der Hysterie zu deuten.
A. Saenger: Ueber EusnchoidiBinns. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51,
H. 3—6.) Verf. teilt eine Reihe von Fällen von Eunuchoidismus mit,
die er ia einem Jahre beobachtet hat. Ausser Veränderungen an den
Genitalieo war an ihnen keine Alteration der Drüsen mit innerer
SekretioD, mit Ausnahme eines Akromegaliefalles, festzustellen; ebenso¬
wenig bestand ein familiäres Auftreten. Der Eunuchoidismus beruht
nicht lediglich auf einer Veränderung der Keimdrüse, wahrscheinlich
spielen dabei Veränderungen der Hypophyse eine Rolle. Die Abder-
halden’sche Untersuchung lieferte widersprechende Resultate.
Eichelb erg-Hedemünden: Zur Diagnostik und Therapie der Ge¬
hirntumoren. (D. Zscbr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Bericht über
43 Fälle von Gehirntumoren. In 70—80 pCt. der Fälle ist eine richtige
Lokaldiagnose zu stellen. Die Zahl der Gehirntumoren, die gut lokalisiert
werden können, dem operativen Eingriff zugänglich sind und operativ
radikal entfernt werden können, ist nur sehr gering und höchstens auf
5 pCt. einzuschätzen. Die meisten Gehirntumoren sind Sarkome und
Gliome. Sobald eine Lokaldiagnose gestellt werden kann und der Tumor
zugänglich ist, muss die radikale Entfernung versucht werden. In allen
übrigen Fällen ist erst interne Therapie (Quecksilber, Jod) zu versuchen.
Tritt dabei eine Verschlimmerung ein und nimmt die Stauuugspapilie
zu bzw. die Sehschärfe ab, so muss zur Palliativtrepanation geschritten
werden. Spezifisch syphilitische Neubildungen sind zunächst mit Queck¬
silber und Jod zu behandeln. In den weoigeu Fällen, in denen man
damit nicht zum Ziele kommt, muss auch hier operativ eingegriffen
werden.
Stertz: Die klinische Stellung der amnestischen und transcorti-
calen motorischen Aphasie und die Bedeutung dieser Formen für die
Lokaldiagnose, besonders von Hirntumoren. (D. Zscbr. f. Nervhlk , Bd. 51,
H. 3—6.) Zwischen der Wortamnesie als Symptom und der amnestischen
Aphasie besteht kein prinzipieller Unterschied. Allgemeine Störungen
der Hirnfunktion (Benommenheit, Merkiäbigkeits- und assoziative Stö¬
rungen) vermögen die amnestische Aphasie nicht hervorzubringen. Die
letztere ist vielmehr als unabhängig von dergleichen Störungen anzu¬
sehen. Sie hat als Lokalsymptom einer Läsion des Sprachgebietes zu
gelten, und zwar des sensorischen Anteils desselben, und ist lokali-
satorisch für das Bestehen eines Herdes in der Nachbarschaft der Wer-
nioke’schen Stelle zu verwerten. Die transcorticale motorische Aphasie
ist von der amnestischen Aphasie zu trennen und gibt in lokalisatorischer
Beziehung einen Anhalt für einen Herd in der Umgebung der Broka¬
schen Stelle. Beide sind in der Mehrzahl der Fälle nicht als selbständige
Aphasieformen anzusehen, sondern als Verlaufsstadien von motorisch-
bzw. sensorisch-aphasischen Störungen.
Harms: Ueber HypophysengesehwüUte. Ein kasuistischer Beitrag.
(D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Verf. schildert einen nicht
operierten Fall von Hypophysengangtumor. Es handelt sich um eine
anatomisch benigne, cystisch - papilläre Plattenepithelgeschwulst, die
offenbar von Epithelresten in dem „Fortsatz“ des Hypophysengewebes,
der am Infundibulum hinaufzieht, ausgegangen ist. Die Hypophyse
selbst zeigte sich bei der Sektion als intakt. Symptomatisch bestanden
die Erscheinungen, wie sie bei Tumoren der Kleinhirnbrückenwinkel¬
gegend bestehen.
R. Fleischmann: Zur Lehre von der Myelitis fnnienlaris. Ueber
heilbare und abortive Formen von Myelitis funicularis. (D. Zschr. f.
Nervhlk., Bd. 51, H. 3—6.) Die Myelitis funicularis ist eine Erkrankung
sui generis, hervorgerufen durch verschiedene Toxine, seien es idio¬
pathische, seien es von einem Erreger produzierte. Es kann sich dabei
um exogene Gifte handeln, wie den Alkohol, oder um endogene Gifte,
wie lipoide Stoffe, nach Magen- und Darmstörungen, oder Toxine im
Verlauf von schweren Anämien nach chronischen Kohlenoxydver-
giftungen usw. Cerebrale Symptome sind dabei als toxische Reizerschei¬
nungen ohne organische Veränderungen oder als Erschöpfungserschei-
' nungen aufzufassen. Differentialdiagnostisch kommt besonders die
multiple Sklerose in Betracht. Die Prognose der abortiven Formen, die
besonders nach Alkoholabusus Vorkommen, ist gut. Es kommen weit¬
gehende Remissionen vor.
Luce: Beitrag zur Klinik der Hodenneuralgie. (D. Zschr. f. Nervhlk.,
Bd. 51, H. 3—6.) Verf. bespricht zunächst allgemein die Klinik der
Hodenneuralgie und schildert dann eine eigene Beobachtung. Wegen
schwerer Hodenneuralgien war zunächst mit Erfolg die Kastration vor¬
genommen worden. 7 Jahre später setzten erneut rasende Schmerzen
ein mit dem Sitz im Scrotum, Penis und im Bereich der Hinter- und
Innenfläche der Oberschenkel bis zum Knie. Die Schmerzen führten zu
Abmagerung und zu Morphinismus. Eine Resektion der rechtsseitigen
Nn. ileo-hypogastricus und spermaticus externus blieb ganz erfolglos, so
dass der Verdacht eines Rückenmarktumors entstand. Der Patient ging
zugrunde, und die Autopsie ergab vor allem eine schwielige Pachy-
meningitis durch Caries superficialis des 2. bis 4. Lendenwirbelkörpers.
Tuberkulöse Veränderungen fehlten vollkommen, es müssen die chronisch-
toxische Reizung der Nervenfasern und die Lvmpbstauung innerhalb der
Nervenscheiden die Ursache der neuralgischen Zustände gewesen sein.
Auf den sehr instruktiven Fall sei wegen des nachgewiesenen anatomi¬
schen Hintergrundes besonders hingewiesen.
Nr. 44.
Handmann: Ptosis und Cataracta neiilin« Bemerkungen über die
Pathogenese der Cataracta senilis. (D. Zsohr. f. Nervhlk., Bd. 51 H. 3
bis 6.) Beim subkapsulären Rindenstar nehmen die ersten Linsen¬
trübungen in der unteren Linsenbälfte, und zwar in der hinteren Rinde
unten nasal ihren Anfang, wofür Verf. zwei Erklärungsmöglichkeiten an¬
gibt. Ptosis hindert nicht die Entwicklung einer Cataracta senilis in-
cipiens. Der Lichtwirkung aufs Auge kommt danach kaum ein ausschlag¬
gebender Anteil bei der Entstehung des Altersstares zu. Vielleicht spielt
aber bei diesem eine präformierte oder eine im Alter erworbene anato¬
mische oder funktioneile Differenz zwischen oberer und unterer Irishälfte
eine Rolle.
Duge: Ein Beitrag zur Kenntnis der Psychosen hei der mlfiplen
Sklerose des Gehirns und Rückenmarks. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 51,
H. 3—6.) Bei der multiplen Sklerose werden ganz besonders das Er¬
innerungsvermögen und die Ideenassoziatiouen in Mitleidenschaft gezogen.
Die SlÖruDgen gehören durchaus zum Symptomenkomplex der Krankheit
Die multiple Sklerose verursacht eine eigenartige Demenz, die man als
polysklerotische Demenz bezeichnen kann.
Trömner: Kleiner Anschluss-Handapparat und Schutzschild für
Elektroden. (Neurol, Zbl., 1914, Nr. 16 u. 17.) Kleiner Anscblus 9 -
apparat für Gleichstrom, der die Untersuchung und Behandlung im Hanse
des Patienten gestattet. Die zweite vom Verf. empfohlene Verbesserung
kommt der stabilen Galvanisation hautempfindlicher Personen, speziell
bei überhäDgenden Teilen (Mamma, Scrotum) zugute; ein entsprechend
geknicktes und gebogenes Zelluloidschildcben ist auf die üblichen Elek¬
troden aufgeschraubt. E. Tobias.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
A. Calmann - Hamburg: Zur Anwendung und Erleichterung der
Laminariadilatation. (Zbl. f. Gyn., 1914, No. 4L) Nach kurzer Ein¬
leitung kommt Verf. zu dem Resultat, dass sowohl die brüske, als auch
die langsame Dilatation ihre Nachteile hat, dass aber die letztere zu be¬
vorzugen sei, vorausgesetzt, dass nicht irgendwelche Infektionsgefahren
vorliegen, welche zu sekundären Infektionen führen können. Endlich isF
eine rein technische Schwierigkeit zu erwäbneD, nämlich die Frage, wie
der Stift, wenn er sich einmal in das Innere verkrochen hat, zu ent¬
fernen ist. Dies geschieht am besten, indem man den Stilt mit einer
Klemme und die vordere Muttermundslippe mit einem Muzeux ergreift,
und letzteren dazu benutzt, um das Uterusgewebe über den Stift zurück¬
zuschieben, indem man zugleich an der Klemme zieht.
K. F. L. Kais er-Amsterdam: Kurzer Rückblick auf die Geschichte
des Krankheitsbildes der Asthenie- Enteroptose. (Zbl. f. Gyn., 1914,
No. 41.) Verf. gibt eine Uebersicht über die Literatur, welche darin
gipfelt, dass die kürzlich von Rovsing vertretene sogenannte chirur¬
gische Ansicht die richtige in der weitaus grösseren Anzahl der Fälle sei
gegenüber der internistischen von Fab er und der alten rein mechanischen
von Auvard vertretenen. Danach müsse sich auch die Therapie richten,
auf welche er entsprechend dem Wortlaut seines Themas aber nicht
näher eingehen will.
Deppe*. Franenärztliches ans Dentsch-Ostafrika. (Zbl. f. Gyn n
1914, No. 40.) Im allgemeinen gilt es als feststehend, dass die Frauen¬
krankheiten im Tropenklima bei den europäischen Frauen häufiger, bös¬
artiger und hartnäckiger sind, als im europäischen Klima. Auch die
Geburten verlaufen schwerer und sollen mehr durch Blutungen kompli¬
ziert sein, wie denn überhaupt alle Arten von Blutungen schwerer und
häufiger, namentlich mehr durch Anämie und Malaria kompliziert sein
sollen. Für diese Behauptung werden Daten aus der Literatur angeführt.
Verf. lebt als Regimentsarzt seit einem Jahr in Tanga, welches sich
durch ein besonders ungünstiges Klima und durch besonders grosse Ver¬
breitung der Malaria auszeiebnet, er kann aber die vorbezeichnete trübe
Beobachtung nicht bestätigen; er steht vielmehr auf dem Standpunkt,
den bisher nur wenige Autoren vertreten, dass die Toleranz und An¬
passung gegenüber dem Tropenklima eine ziemlich bedeutende, jeden¬
falls bei den Frauen keine geringere ist als bei den Männern, auch
namentlich gegenüber der Malaria nicht, und dass kein Grund besteht,
dass die Frauen weniger als die Männer in die Tropengegenden ein¬
wandern. Diese Tatsache sucht er auf dreierlei Art zu erhärten: Erstens
bringt er eine Zusammenstellung aller in den letzten 8 Jahren über¬
haupt dort bei Frauen vorgekommenen Todesfälle, zweitens gibt er die
in den Hospitälern von Tanga und Daressalaam beobachteten Frauen¬
krankheiten bekannt, und drittens stellt er die iD den letzten 3 Jahren
stattgebabten Geburten zusammen. Das Resultat der ersten Tabelle ist
folgendes: Bei einer Durchschnittssterblichkeit von 2,4 pCt. der weissen
Gesamtbevölkerung besteht nur eine Sterblichkeit der Frauen von 1,6 pCt.,
während sich bei den Männern 2,8 und bei den Kindern 2,6 pCt. ergibt
In einer zweiten Tabelle werden die 496 Todesfälle nach Häufigkeit und
Art der Todesursachen, die wieder in Tropen-, kosmopolitische Krank¬
heiten, gewaltsame und unbekannte Ursachen eingeteilt werden, zu-
sammengestellt, mit demselben Resultat, dass nämlich bei den Frauen
diese nur 10,5 pCt., bei den Männern 76,3 und bei den Kindern J3,2t>Ct.
ausmachen. Sehr bemerkenswert ist dabei, dass 43,5 pCt. ohne ärztliche
Behandlung waren. Mit dem Gesamtdurchschnitt der Todesfälle an
Tropenkrankbeiten bleiben die Frauen um ein Geringes zurück, über¬
schreiten dagegen gerade den Prozentsatz ad kosmopolitischen Krank¬
heiten. Was speziell die Frauenkrankheiten anlangt, so verhalten sich
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2. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1773
die mit Geburten in Zusammenhang stehenden zu den eigentlichen, wie
5:1. Es starb je eine Frau an Eklampsie, Uterusruptur, Wochenbett-
Heber, und zwei an Verblutung. Von den letzteren waren 4 ohne Be¬
handlung, was deutlich beweist, dass die ärztliche Versorgung in den
Tropen unzureichend ist. Was die Frauenkrankheiten betrifft, so wuchs
ihre Zahl in den 8 Jahren zwar um das Sechsfache, es ist dies aber
durchaus der Zahl der Zuwanderung entsprechend. Es lässt sich weder
von diesen, noch von den geburtshilflichen Fällen beweisen, dass sie be¬
sonders schwer waren. Wenn die Zahl der Aborte erschreckend hoch
war, so ist das nur darauf zurückzuführen, dass alle in das Krankenhaus
kamen, die Geburten aber nicht alle. Durch genauere Ausführungen
wird nun bewiesen, dass im allgemeinen die Zahl und Art der Frauen¬
krankheiten nicht anders ist als in europäischen Ländern, nur eine Er-
scheinuug scheint öfter als in anderen Gegenden vorzukommen, das ist
der vorzeitige Blasensprung. Es ist dies darauf zurückzufübren, dass die
Tropenkinder im allgemeinen übertragen sind, wie Verf. näher ausführt.
Das beruht wiederum auf der grösseren körperlichen Ruhe, welche, wie
auch Pinard angibt, ganz entschieden die Uebertragung begünstigt, und
auf einer, in der Mitte der Schwangerschaft auftretenden, gar nicht zu
stillenden Esslust. Trotzdem werden die Tropenkinder leicht geboren,
es ist, als ob die überreifen Früchte sich leichter vom Baum pflücken
lassen. Siefart.
Augenheilkunde.
L. Heine-Kiel: Die Höhe des Hirndrnekes bei einigen Angen-
krnnkheiten. (M.m.W., 1914, Nr. 42.) 1IL Mitteilung. Uvea und
Meningen (Lumbaldrucksteigerung bei Iritis und Chorioiditis). Fasst man
die Netzhaut als vorgelagerten Hirnteil auf, so entspricht den Meningen
die Uvoa. Eine Reizung der Uvea müsste danach auch eine Meningoal¬
reizung zur Folge haben, die sich dann in erhöhtem Lumbaldruck äussern
würde. H. hat nun eine Reihe Patienten mit Uveitis lumbalpunktiert
(30 Iridooyclitis-, 33 Chorioditisfälle). Von diesen hatten 43 einen
Lumbaldruck über 150. Dabei zeigten die akuten Prozesse einen
höheren Druck. Die auffallende Parallelität in den Druckhöhen bei
Iritis und Chorioiditis sprechen nach H. dafür, dass es sioh um regel¬
mässige Wechselbeziehungen zwischen Uvea und Meningen handelt.
Dünner.
Hygiene und Sanitätswesen.
Pickenback-Berlin: Beitrag zur Milzbranderkranknng in der
Lederbranehe. (Aerztl. Sachverst.-Ztg., 1914, No. 18.) Verf. benutzte
das Material der Sektion I der Lederindustrieberufsgenossenscbaft. Von
1907—1913 wurden daselbst 34 Fälle von Anthrax gemeldet. Vorwiegend
geben südamerikani9che Schaffelle Veranlassung zur Infektion. Die In¬
kubationsdauer betrug in den meisten Fällen etwa 24 Stunden. Am
häufigsten sitzen die Milzbrandkarbunkel an der linken Hals- bezw.
Nackenseite. Zum Teil kamen schwere Allgemeininfektionen vor.
19 Fälle wurden ganz gesund, 15 starben. Ueber die Behandlung herr¬
schen verschiedene Ansichten. Einige Autoren sind mehr für exspektative
Behandlung, andere für energisches chirurgisches Vorgehen. Am wichtig¬
sten ist die Prophylaxe. Leider werden von den Arbeitern gewöhnlich
die geforderten Vorsichtsraaassregeln ausser acht gelassen.
H. Hirschfeld.
Gerichtliche Medizin.
Gabbi-Parma: Ueber die Untersuchung der Spermatozoon in
den Samenflecken auf dunklen Geweben und im allgemeinen auf dichten,
kompakten Substraten. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 19.) Die
Methode beruht darauf, dass nach einer besonderen Präparierung des
Fleckens ein kleines Stückchen weisser Kattun auf diesen gedrückt wird,
der etwa vorhandene Spermatozoen ansaugt, die dann nach Färbung
durch direkte mikroskopische Untersuchung des Kattunstückchens nach¬
gewiesen werden können.
P. Fraenkel-Berlin: Arsenikesser and Arsenvergiftang. (Aerztl.
o&chverst. Ztg., 1904, Nr. 17.) An der Hand der Literatur erörtert
Verf. die Frage, inwieweit es möglich ist, eine objektive Unterscheidung
zu treffen zwischen der Vergiftung oder dem Tode eines gewohnheits¬
massigen Arsenessers und denen eines Gesunden infolge Arsens. Ein
absolut verlässliches Merkmal zur Prüfung des Einwandes chronischen
Arsengenusses gibt es nicht.
V. Sury- Basel: Abtreibmgsversneh mit Safrantinktnr. (Aerztl.
aachverst. Ztg., 1914, Nr. 20.) Dass das Trinken von Safrantinktur ge¬
legentlich zu Aborten führen kann, wird behauptet. Die Frage, ob diese
Droge sich zur Abtreibung eignet, kann nur von Fall zu Fall, unter
eingehender Berücksichtigung der Krankheitssymptome und des benutzten
Präparates annähernd entschieden werden. In dem beschriebenen Fall
wurde der Zusammenhang des Aborts mit der vorher getrunkenen
oafrantinktur in Abrede gestellt, da alle Vergiftungssymptome fehlten.
H. nirschfeld.
Unfallheilkunde und Versicherungswesen.
#JU . Le PP®ann: Der Krieg ®ud die ärztlichen Sachrerständigen-
latigkeit. (Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, No. 19.) Die Sachverstän¬
digentätigkeit ruht infolge des Kriegsausbruches fast ganz. Renten¬
herabsetzungen oder Aufhebungen sollen auf die Dauer von 3 Monaten
nicht stattfinden. Aus den Krankenkassen sind zahlreiche Mitglieder
ausgeschiedeD, die Zahl der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist eine
geringe. Dagegen hat die Sachverständigentätigkeit des Kriegsarztes
einen Aufschwung genommen. Für die Unfallheilkunde wie für die
praktische Hygiene wird der Krieg eine grosse Ausbeute an neuen Er¬
fahrungen bringen.
Meitzer - Freiberg: Die Schätzung der Erwerbsunfähigkeit bei
Hysterie und den sogenannten traimatischen Nearosen. (Aerztl.
I Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 19.) Die Beurteilung der Erwerbsbeschränkung
Hysterischer ist stets nur nach längerer Beobachtung, am besten in
einer Klinik, vorzunehmen. Es erscheint nicht gerechtfertigt, funktionelle
Störungen bei Hysterischen eo ipso ebenso hoch zu bewerten wie die
gleichen organisch bedingten. Als Voraussetzung für eine nach Unfällen
entstandene Hysterie oder Neurasthenie muss stets ein Unfallereigois
feststehen, welches als solches eine nachhaltige körperliche oder seelische
Einwirkung bedingte. Fehlt ein solches Ereignis, so ist die Beschränkung
der Erwerbsfähigkeit nicht als durch den Uofall, sondern als durch die
Begehrungsvorstellungen des Kranken herbeigeführt anzusehen und von
einer Rentenbewilligung abzuraten.
Haenisch - Stettin: Ist der Schlaf eine Bewusstseinsstörung ?
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 20) Die meisten Versicherungs¬
gesellschaften lehnen die Entschädigung für Unfälle, die während des
Schlafes passieren, ab. H. hält dieses Verfahren für unzulässig, da der
Schlaf niemals eine krankhafte Bewusstseinsstörung ist und vertrat diesen
Standpunkt in einem Gutachten.
K. Ruhemann - Berlin: Ueber angebliche Beziehungen der
Rückenmarksschwindsueht mit einer Handverletznng. (Aerztl. Sachverst.
Ztg., 1914, Nr. 18.) Ein ursächlicher Zusammenhang wurde abgelehnt.
Die syphilitische Aetiologie in diesem B’alle war offensichtlich.
H. Hirschfeld.
MUitär-Sanitätswesen.
v. Hase-Berlin: Federnde Tragbahre für Bauernwagen und Sanitäts¬
automobile. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 15.) Schilderung der Trage,
der Federfüsse der Trage, des Beladens der Trage, der Beförderung
mittels derselben auf Bauernwagen, Krankentransportwagen und Sanitäts¬
automobilen. 12 Abbildungen.
Brunzlow-Bonn: Der deutsche Pfadfinderband and die Sanitäts¬
offiziere. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 15.) Mitteilungen darüber, wie
nach zweijähriger Tätigkeit des Verf. für den Pfadfinderbund Weg und
Ziel sich darstellen zur Mitarbeit der Sanitätsoffiziere im Pfadfinderbund.
Strauss-Berlin: Ueber Röntgenuntersuchungen in Garnisonlaza¬
retten. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 15) Soll der Röntgenuntersuoher
in den Garnisonlazaretten allen notwendigen Ansprüchen genügen, müssen
ihm genügend Röhren zur Verfügung stehen. Schilderung der Anforde¬
rungen an eine Röntgenröhre. Auslassungen über den Brennfieck auf
der Antikathode (je grösser der Brennfleck, um so schlechter die Zeich¬
nung der Röhre). Zum Röntgenbetrieb sollen stets 7 Röhren zur Hand
sein; Angaben über die Verwendung der einzelnen. Um ein Durch-
schmelzen, was bei Röhren mit kleinem Brennfleck leicht vorkommt, zu
verhüten, wird die Wolfram-Antikathode empfohlen. Mitteilungen über
das Fernhalten des Schliessungslichtes von der Röhre; am besten ist die
Glimmlichtröhre zu diesem Zwecke. — Neben den 7 Röhren muss also
in den Lazaretten mit grösserem Betrieb eine Glimmlichtröhre, ferner
auch noch eine Drosselröhre, eine Walther- oder Wehnelt-Skala und ein
Milliamperemeter vorhanden sein. Verf. geht dann auf die Durchleuch¬
tungen ein und sagt, dass die Radioskopie und die Radiographie
zwei absolut gleichwertige UntersuchuDgsmethoden sind, die sich gegen¬
seitig ergänzen müssen Betrachten mit offener Blende und mit stärkster
Abblendung! Anwendung eines Metallfilters oder eines Ziegenlederfilters
bei Durchleuchtungen! Es folgen Mitteilungen über Röntgenapparate,
Gleichrichter oder Induktor (zwei völlig gleichwertige Apparate), Ex¬
positionszeit, Schnell- und Momentaufnahmen, Anwendung des Ver¬
stärkungsschirms, des Orthodiagraphen und über Lehrbücher.
Schuütgen.
A. Fraenkel-Wien: Einige allgemeine Bemerkungen zur modernen
Kriegschirnrgie. (W.kl.W., 1914, No. 39 u. 40.)
H. Hirschfeld.
E. v. Behring-Marburg: Indikationen für die serumtherapeutiscbe
Tetanisbekämpfnng. (D.ra.W., 1914, No. 4L) Die Indikationen für
die Therapie und Prophylaxe ergeben sich aus der Erkenntnis über die
Entwickelung des Tetanus. Das Tetanusgift muss auf dem Wege der
motorischen Nerven zum Rückenmark gelangen. Das Toxin kann dabei
allerdings den Umweg über die Blut- und Lymphbahn nehmen; d. h.
an der Stelle der Infektion und deren Umgebung bildet es sich und
geht nun unter der Benutzung der nächsten Blutwege zum Nerven.
Wird in dieser Zeit oder sogar noch vorher das Antitoxin subcutan in¬
jiziert, so kann es das Toxin, ehe es zum Nerven gelangt, entgiften.
Daraus ergibt sich, dass subcutane Einspritzungen nur prophylaktisch
in Frage kommen. Wandert das Gift schon im Nerven, so käme nur
eine Injektion in den Nerven in Betracht. Einen solchen Fall hat v. B.
beobachten können, bei dem die neurale Injektion tatsächlich half. —
Verf. empfiehlt für die Behandlung der Wunden mit übelriechendem Sekret
Jodoform in grobkristallinischer Gestalt, und für gutartig aussehende
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1774
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 44.
Wunden die Irrigation mit Jodtrichloridlösung (0,1—-0,5 pCt.). — Analog
dem Diphtheriserum wird jetzt ein antitoxisches Tetanusserum hergestellt.
Groenouw-Breslau: An gen er Kränkungen im Kriege. (D.m.W.,
1914, No. 41.) Therapeutische Anleitung zu den alltäglich vorkommenden
Augenerkrankungen. Grössere Verletzungen sollen womöglich unan¬
getastet, mit einem Notverband versehen, einem Ophthalmologen über¬
wiesen werden.
Dieck-Berlin: Die Aufgabe der Zahnärzte im Felde. (D.m.W.,
1914, No. 41.) Dünner.
Heu sch-Strassburg i. E.: Der Einiluss des Alkohols im Balkan¬
kriege. Sammelbericht. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 16u.l7.) Aus dem,
was an einwandfreien Berichten vorliegt, kann der unbefangene Forscher
auf dem Gebiete des Alkohols die dringende Notwendigkeit der Enthalt¬
samkeit von alkoholischen Getränken für den Soldaten von heute als
eine Vorbedingung für den Erfolg in einem künftigen Kriege zur Genüge
dartun. Zum mindesten ist es im Kriege selbst ratsam, ganz auf den
Alkohol zu verzichten. Besser noch ist es freilich, mit abstinent er¬
zogenen Truppen ins Feld ziehen zu können. Es konnte festgestellt
werden, dass abgesehen von den streng nach dem Koran lebenden Türken
auch unter den anderen Balkanvölkern eine Abstinenzbewegung im
Werden begriffen ist, besonders bei den Serben.
Tichy-Lissa a. d. Elbe: Militärärztliche Literatur in den Jahren
1750—1850. Beitrag zur Geschichte der Medizin. (D. militärztl. Zschr.,
1914, H. 16 u. 17.) Verf. übergibt ein Verzeichnis zahlreicher Werke aus
dem Gebiete der Militärmedizin aus dem genannten Zeitraum der Oeffent-
lichkeit, für dessen Vollständigkeit er nicht garantieren kann. Es sind
grösstenteils Werke, die in Deutschland und Oesterreich erschienen sind.
Schnütgen.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien.
Sitzung vom 16. Oktober 1214.
(Eigener Bericht.)
Hr. Gatscher stellt einen russischen Kriegsgefangenen vor, welcher
Lähmungen infolge einer im Schädel sitzenden Kugel zeigt, die vom
Rücken in den Schädel eingedrungen ist.
Patient erlitt am 8. September im Gefecht zunächst einen leichten
Streifschuss am linken Oberarm, hierauf einen Schuss in den Rücken.
Er bekam sofort heftigen Schwindel und blieb V 2 Stunde bewusstlos.
Als er ins Garnisonspital gebracht wurde, klagte er über Schwindel¬
gefühl und dumpfen Kopfschmerz, er hatte Erbrechen und Bradycardie
von 50 Pulsen, Abduceosparese und eine leichte Lähmung des Mund-
facialis auf der rechten Seite, motorische und sensible Störungen am
linken Arm, ziemlich hochgradige Stauungspapille mit retinalen Blutungen
auf der linken Seite. Das Projektil wurde durch die Röntgenaufnahme
in der linken hinteren Schädelgrube, dem Basalteil anliegend und mit
der Spitze gegen die Flugrichtung gerichtet, festgestellt. Am Schädel
war nirgends eine Einschussöffnung zu konstatieren, man muss daran
denken, dass das Projektil vom Rücken, unter der Haut verlaufend, in
die Schädelhöhle eingedrungen ist. Die Erscheinungen von seiten des
Facialis und Abducens sind etwas zurückgegangen, die Störungen am
Arm bestehen noch, ebenso die Stauunpspapille, die links bestehende
Hemianopsie hat an UmfaDg zugenommen. Es besteht die Gefahr einer
Senkung der Kugel gegen die Medulla oblongata. Bei dem Patienten
wird in einigen Tagen die Kugel extrahiert werden.
Hr. v. Eiseisberg stimmt zu, dass eine Indikation zur Operation
vorliegt, da die Gehirnsymptome eine Progredienz zeigen. Um solche
Projektile bildet sich io der Mehrzahl der Fälle ein Erweichungsherd
und später ein chronischer Abscess.
Hr. Schwarzwald demonstriert Röntgenaufnahmen eines Falles, bei
welchem eine Schrnpnellkngel in der Blase liegen blieb.
Pat. wurde in der rechten Lendengegend durch einen Schuss ver¬
letzt, er hatte nur eine einmalige Hämaturie, und die Blasen Verletzung
wurde übersehen. Erst später traten Blasenbeschwerden auf. Die
Röntgenuntersuchung ergab, dass die Kugel sich in der Blase befindet.
Sie wird operativ entfernt werden. Vortr. erinnert an einen analogen
Fall, den er im Vorjahre demonstriert hat. Es handelte sich um eine
Schrapnellkugel, welche in die Blase eingedrungen war, und Hämaturie,
sowie Harn beschwerden verursacht hatte. Die wahre Natur der Ver¬
letzung wurde erst nach längerer Zeit erkannt und die Kugel extrahiert.
Patient ist seither gesund.
Hr. v. Eiselberg bemerkt, dass die Blase offenbar stark muskulös
und kontrahiert war, so dass die Kugel im Ianern liegen blieb. Er
hat einen ähnlichen Fall beobachtet, bei welchem ein Projektil durch
die Bauchdecken in den Mastdarm eindrang und mit den Fäees entleert
wurde. _
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.)
Sitzung vom 20. Oktober 1914.
Vor der Tagesordnung.
Zur Behandlung des Aneurysmas.
Hr. Unger berichtet über 4 Fälle von Aneurysma der Femoralis
bzw. Brachialis, in denen es ihm glückte, durch Resektion des Sackes,
Ersatz des Defektes durch die Vena saphena oder durch Gefässnäbte die
Extremität zu erhalten und die Brauchbarkeit derselben wiederherzu¬
stellen. Der letzte Fall (Aneurysma der A. brachialis) ist noch in der
Heilung begriffen.
Tagesordnung.
Psychosen and Krieg.
Hr. Bonhoeffer: Nach Ansicht der Laien bringt der Krieg eine Zu¬
nahme der geistigen Störungen mit sich; das soll sich sowohl auf das
Heer wie auf die mit Sorgen erfüllte heimische Bevölkerung beziehen.
Diese Laienansicht ist bedingt richtig. Die starken Affektstösse waren
nicht ohne Wirkung auf die Psyche des Volkes; letztere geriet zeitweise
in eine fast pathologische Tätigkeit. Man denke an die Spionenfurcht
und die Sage vom Goldschatz. Zweifellos muss die Volkserregung neben
dem Grossen, das sie hervorbringt, bei grosser Steigerung über die Grenze
des Normalen hinwegfluten.
Die Stimmung auf der Strasse zeigte, was man „überwertige Ideen“
nennt. Die Folge ist gesteigerte Hervorhebung der Eigenbeziehungen
und Erinnerungsfälschung. Es resultiert eine Fülle von Missdeutungen
der harmlosesten Erscheinungen. Der Zustand erinnert an Beziehuogs-
wahn. Von drei „Spionen“ war der erste entsprecherd behandelt worden,
weil er auf eine Mauer geklettert war, um in einen Kasernenhof zu
schauen; er war imbecill; der zweite war ein harmloser polnischer
Jude, der im Auto festgehalten wurde, weil er die grösste Angst zur
Schau trug. Ein dritter war viel auf Reisen und trug viel Geld bei
sich. In dasselbe Gebiet gehört die Leichtigkeit, mit der sich im Publikum
Gehörtes bald umgestaltet und einen der herrschenden Idee entsprechen¬
den, mit dem ersten kaum verwandten Inhalt annimmt. Zum Beispiel
die Niederlage der Franzosen bei Mülhausen führte zu dem Falle
Beiforts.
Der Affekt verdrängt leicht altes und fügt neues zu; er fälscht
negativ und positiv. Die Verdrängung erklärt auch die fremdländische
Berichterstattung, ohne dass man an bewusste Lügen zu denken braucht.
Diese Einwirkung des Krieges auf das Affektgleichgewicht der Masse
zeigt sich auch beim Heere. Auch die Einzelreaktionen der Menschen
sind auf Desequilibrierung zurückzuführen. Vortr. sah bisher 75 Soldaten
mit psychischen Symptomen. Davon handelte es sich bei 53,3 pCt. um
psychopathische Konstitution, weniger um chronischen Alkoholismus, weit
weniger um Schizophrenie, progessive Paralyse, Epilepsie, symptomatische
Psychosen und organische Hirntraumen. Dass Epilepsie und Delirien
durch die Kriegsunruhen ausgelöst werden können, erscheint begreiflich.
Bemerkenswert sind aber die Alkoboldelirien der Reservisten und Land¬
wehrleute; aus dem Zivilberuf herausgerisseD, duroh die laDge Eisen¬
bahnfahrt erregt und plötzlich des Alkoholkonsums beraubt, geraten sie
leicht in Delirien. Das war in den ersten Tagen der Mobilmachung.
Seither kam nur ein einziger hinzu. Kein aktiver Soldat wurde ein¬
geliefert. Der chronische Alkoholismus tritt eben erst im Iandwebr- und
laodsturmpffichtigen Alter auf. Bei Epilepsie waren zum Teil gar keine
Anfälle vorausgegangen. Die „Feldzugsepilepsie“ ist auch im russisch-
japanischen Kriege von Attokratow beschrieben worden. Die Fälle
haben gute Prognose. Es ist Affektepilepsie« Stieda glaubt, dass der
Krieg einen beschleunigenden Einfluss auf die progressive Paralyse habe.
Hier bestanden die Fälle schon durchweg.
Wichtig ist vor allem das Ueberwiegen der psychopathischen Kon¬
stitution. Es sind nicht eigentliche Geisteskranke, sondern Menschen,
die auf Grund endogener Anlage die normale Anpassungsfähigkeit ver¬
missen lassen. Affekte, Wünsche, Befürchtungen, Traumen, Erkrankungen
und die Nötigung in einen neuen sozialen Rahmen erzeugen dann leicht
pathologische Reaktionen. Immerhin waren es Leute, die bisher gröbere
Erscheinungen nicht gezeigt hatten, deren Vorleben aber von vornherein
die Kriterien der psychopathischen Konstitution ergab. Manchmal ge¬
nügte schon die LoslösuDg aus den gewohnten Verhältnissen oder die
Einreihung in das Heer, manchmal der Anblick eines Verwundeten¬
transportes, Märsche, Verwundungen, die Erregung der Schlacht, Alkohol¬
exzesse, Verweise der Vorgesetzten, Uebernahme einer neuen verantwort¬
lichen Stellung; die Reaktion besteht in hysterischen Anfällen, Läh¬
mungen, Schmerzen ohne Befund oder hysterischen Delirien mit phan¬
tastischen Erlebnissen von Verletzungen, Ueberfällen, Betäubungen; dann
kommen epileptoide Wut-, Angstzustände, Dämmerzustände, pathologische
Verstimmung vor. Sie sind meist nur von kurzer Dauer.
Der Krieg bringt die psychopathische Konstitution schnell zur Aus¬
scheidung. Das ist nichts Neues. Schon im Frieden scheidet die
Heeresverwaltung solche Instablen, deren Anamnese belastet ist, gern
aus. Die Feststellung der psychisoh Labilen liegt einem hervorragenden
Spezialisten unter den Militärärzten ob. Diese schärfere Auslese kenn¬
zeichnet sich auch durch den Anstieg der Kurve der Geisteskranken im
Heere; im Oktober und November verdoppelt sich ihre Anzahl, weil die
Rekruten eingestellt werden.
Die Entwicklung der Reaktion steigt mit der Stärke der Strapazen.
Der Krieg bringt die im Frieden noch anpassungsfähigen Individuen aus
dem Gleichgewicht. Schlafentziehung, dauernde Affektspannung u. a.
wirken auch ohne Disposition der psychopathischen Konstitution ähnlich.
Zu denken ist auch an die Wesensveränderung im Anschluss an
Kopfverletzungen. Die stärkere Anhäufung solcher Fälle gleich im An¬
fänge des Krieges findet auch darin eine Erklärung, dass die Mobil¬
machung eine grosse Zahl der Strapazen entwöhnter Menschen ins Feld
bringt, die dann bei Anstrengungen leichter versagen. Daher hatte
Vortr. bisher nur 5 aktive Soldaten unter seinen Fällen.
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
2. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1776
Hit dem Fortgänge des Krieges werden sich die Zahlen verschieben.
Die symptomatischen Psychosen sind toxischen Ursprungs nach Infek¬
tionskrankheiten. Begleitdelirien sah Yortr. bis jetzt in geringem Ma&sse
bei septischen Delirien. Noch sah er keine Psychosen nach Kopfver¬
letzungen, keine Amentiabilder. Sie kommen erst in späteren Stadien
in die Reservelazarette. Vielleicht bleiben die Seuchenpsycbosen uns
überhaupt erspart. Auch schwere Erschöpfungszastände sah Yortr. bis¬
her nicht.
Immerhin wird bestätigt, dass den Chirurgen mehr als bisher Fälle
mit Ueberempfindlichkeit gegen Licht und Geräusche, mit emotioneller
Weichmütigkeit gegen kleine Maassnahmen, starker Unlust und Gereizt¬
heit, die mit schlechtem Schlafe verbunden sind, zugehen. Dazu kommen
lebhafte Träume, die in den wachen Zustand mitgenommen werden.
Gibt es Kriegspsychosen? Eine spezifische Einheit bilden sie nicht.
Aber der Inhalt ist im Kriege mit Kriegsvorstellungen erfüllt. In einer
Richtung ist charakteristisch das Auftauchen der psychopathischen Kon¬
stitution. Das Leben im emotiven Moment, die Erschöpfungen werden
die Krankheitsbilder als Kriegspsychosen zum Vorschein bringen. Atto-
kratow beschrieb neurasthenische Psychosen, die mit unruhigem Schlaf
beginnen und zu Depression mit starkem Ausfall an Initiative, Angst¬
gefühlen führen. Kriegserlebnisse, Stöhnen der Verwundeten, Anblick
der Granaten und andere nächtliche Sinnestäuschungen werden als
Träume erkannt; manchmal geht die Kritik verloren. Nach 8 Tagen
erfolgt Besserung, nach 4 Wochen Heilung. Vortr. sah nur einen Kranken
der Art bisher; er war belastet, erkrankte auf dem Marsche mit Krämpfen.
Er zeigte Angst, Drängen ohne Desorientierung, keine Benommenheit,
aber Denkhemmung und Schlaflosigkeit, Zittern und Zucken bei der
Prüfung der Reflexe. Nach 4 Tagen Bettruhe nahm die Angst ab, das
Gewicht zu. Die Rückerinnerung war gut. Nach 19 Tagen war er ge¬
heilt. Aber solche Bilder werden auch im Frieden beobachtet.
Die hysterischen Syndrome haben alle eine gute Prognose im Ver¬
gleich zur Rentenhysterie. Es fehlen eben die Momente, die für eine
lange Dauer des Leidens wirksam sind.
Während des Krieges ist ein grosser Teil der Männer im Heere;
1,5 pM. der Soldaten sind in der bayrischen, preussischen und öster¬
reichischen Armee geistig gestört; das ist weniger als bei der Gesamt-
bevölkerung mit 2,3 pM. Die französische Armee steht nur scheinbar
günstiger. Denn wesentlich ist bei uns die scharfe Auslese, weil wir
einen grossen Ueberschuss haben. Die Franzosen schieben alle Straf¬
soldaten usw. nach Afrika ab.
Eigentümlich ist dio englische Kurve; sie zeigt während des Buren¬
krieges einen starken Anstieg. Seitdem besteht dauernder Rückgang.
Aehnlich ist das Verhalten der Statistik der Geistesstörungen im deutsch-
französischen Kriege bei uns. Die höchste Ziffer fand sich 1872 nach
dem Kriege; zum gleichen Ergebnis kommt Stier für den Feldzug der
Amerikaner gegen Spanien. Der russisch-japanische Krieg brachte nach
Attokratow eine Zunahme von 0,7 pM. auf 1,9 pM. Der Anstieg scheint
erst gegen Ende des Krieges zu beginnen. Die Ursachen sind wohl ver¬
schieden. Das Ausbleiben der Steigerung im Kriegsbeginn liegt wohl
daran, dass viele Reaktionen nicht unter ihrer Rubrik geführt werden.
Sie gehen als Kontusion, Prellschuss, während der somatische Befund
nur gering ist.
Im Aufmarsch werden die Störungen von den Aerzten nicht genau
gebucht; denn die Verwundungen stehen gebieterisch im Vordergrund.
Am Kriegsende wirken aber steigende Erschöpfung und UeberanstreDgung
mit. Dann wird nicht mehr mit der peinlichen Auswahl vorgegangen,
so dass mehr Labile eingestellt werden. Der Anstieg nach dem Krieg
beruht wohl auf den Faktoren der Erschöpfung und findet sich auch
bei der heimischen Bevölkerung. Der Verminderung während des Krieges
folgt hier der Anstieg nach dem Kriege. Hier sind wohl äussere Gründe für
ersteres maassgebend, wie Einschränkung der Aufnahme Geisteskranker
in die Anstalten wegen der Inanspruchnahme des Personals durch den Krieg,
dann finanzielle Momente, zuweilen Entdeckung erst nach der Rückkehr.
Die feinere Diagnostik tritt gegenüber den Notwendigkeiten des Krieges
zurück. Sicher hat eine Zunahme statt, wahrscheinlich ist sie nicht
gross. Die Mobilmachung bringt zunächst einen Anstieg über den
Durchschnitt; es folgt eine kurze Senkung und mit der Einziehung der
älteren Jahrgänge eine Steigerung, die sich nach dem Kriege noch
fortsetzt.
Die Behandlung ist im Kriege praktisch wichtig bei dem grossen
Material. Fast ausnahmslos sind es kurzdauernde Fälle : daher sollen sie
nicht zu weit von der Front entfernt werden. Es ginge zu weit, jede
Krise, jeden Weinkrampf allzuernst und als pathologische Reaktion zum
Anlass der Dienstunbrauchbarkeit zu nehmen. Ausschlafenlassen bringt
die Leute wohl meist in Ordnung.
Wo aber Kranke schon auf die ersten Vorgänge stark reagieren
und eine psychopathische Konstitution mit Willensschwäche zeigen, ist
aie Sache anders. Hier wird die Rückkehr zur Front neue Zufälle zur
Folge haben. Sie müssen schnell heimgesandt werden, auch wenn man
einmal einen Simulanten unterstützt. Sie sind fast ausnahmslos zu¬
gleich Psychopathen; schwer ist die Unterscheidung, was sie Vortäuschen
uod was Autosuggestion ist. Der Menge nach spielen sie nur eine ge¬
ringe Rolle; 1910 kam auf 100 000 Mann ein Fall, der kriegsrechtlich
wegen Simulation bestraft wurde.
Bedeitnng md Verhütung der Geschlechtskrankheiten im Felde.
• . ^ r .‘ k® 88 «: Die Zahl der geschlecbtskranken dienstunfähigen Soldaten
lst gering. Ihre Bedeutung ist aber nicht gering. Jeder Mann gilt im
Kriege. Diese Gefahr besteht in jedem Kriege; ihre Beseitigung ist
wichtig. Vor allem die akut entzündlichen Erscheinungen an den
Genitalien heben die Marschfähigkeit auf, Gonorrhöe und Ulcus molle;
die Syphilis nur so weit, als Erkrankungen an den Genitalien vorhanden
sind, Primäraffekt, nässende Papeln an Genitale und After. Tripper
und Ulcus molle kommen häufiger vor und machen den Mann regel¬
mässig marsch unfähig; bei Gonorrhöe besteht die Gefahr der Steigerung
der Harnröhrenentzündung und der Komplikationen an der Pars posterior,
Blase, Prostata und Nebenhoden. Letzteres lähmt bei hohem Fieber
selbst die grösste Energie. Seltener sind gonorrhoisohe Allgemein-
infektion, Tripperrheumatismus und Conjunctivalblennorrhöe. Auch bei
Ulcus molle kann entzündliche Phimose, Paraphimose und gar Bubo
marschunfähig machen. Auch bei Syphilis können der Primäraffekt
sowie nässende Papeln wegen der Unmöglichkeit der Säuberung zu Ent¬
zündung und Schwellung führen. Auch die nässenden Papeln zwischen
den Zehen können den Soldaten dienstunfähig maohen. Dazu kommt
besonders hier die Gefahr der Uebertragung auf die Kameraden durch
Trinken aus demselben Gefäss; Lippenaffekte folgen.
Sind die Geschlechtskrankheiten bei den Kriegern häufig? Das
deutsche Heer hatte 1870/71 einen Zugang von 33 538 Geschlechts¬
kranken; das ist ein Armeekorps, das während einiger Wochen, zum
Teil länger marsch- und kampfunfähig ist. Der Zugang betrug 3,7 pM.
im Monat oder 44,3 pM. im Jahre. Im ganzen Feldzuge betrug er
45,9pM.; im Frieden, 1872, 43,3pM. Von da an hat die Erkrankungs-
sahl durch Belehrung und Warnung abgnommen; 1907 betrug der Zu¬
gang nur 18 pM.
Besondere Umstände beeinflussen die Frequenz. Die Ostasien-
Expedition von 1900/1901 brachte den Deutschen einen erheblichen Zu¬
gang von 140 pM.; beobaohtet wurden 58,7 pCt. Tripper, 27,4 pCt.
Ulcus molle, 4,2 pCt. Bubo und 7,9 pM. Syphilis. Bubo und Ulcus
machten zusammen ein Drittel der Gesamtheit aus. Die Frequenz des
Ulcus molle wechselt sehr. Die Steigerung beruht oft auf dem Zuzug
vieler Menschen zu den Städten.
Die einzelnen Phasen der Infektion 9ind jm Kriege zu sondern.
Im Beginne fördern Aufregung und Alkohol die sexuelle Erregbarkeit;
die Eingezogenen kommen vom Lande in die Städte zu den Prostituierten.
Die Verordnung des Berliner Polizeipräsidenten betreffs Entfernung der
Kellnerinnen aus den Kneipen innerhalb 24 Stunden ist mit Freuden zu
begrüssen; sie kam aber zu spät; sie hätte zugleich mit der Mobil¬
machung erlassen werden müssen. Im Feldzuge ist die Versuchung für
den Soldaten da, wo er im Quartier liegt, vor allem in den grösseren
Städten des In- und Feindeslandes, gegeben; sie ist zuweilen sehr gross.
In Ostasien lagen in der Nähe der Tientsiner Kaserne der Deutschen
20 Bordelle, die fast alle mit Europäerinnen besetzt waren. Daher be¬
trug der Zugang an Geschlechtsleben 140 pM.!
Vortr. beobachtete in der Charite im August und September d. J.
44 Soldaten; 11 waren aktiv, 83 eingezogen. Von den Aktiven waren
7 vor dem 30. Juli erkrankt, von den Eingezogenen 16 vor, 16 nach
diesem Tage. Also die Hälfte der letzteren zog sich infolge der oben
bezeichneten Gefahren die Infektion innerhalb 5—6 Wochen zu. Von
ihnen hatten sich 10 bei Dirnen infiziert; 6 hatten sich in Berlin, 8 in
anderen grossen, 6 in kleineren Orten infiziert; also die meisten Infek¬
tionen finden in grossen Städten statt.
Ist es möglich, bei Kriegern eine Behandlung durohzufübren?
Neisser bat das bejaht und die Behandlung der Lues mit Mercinol
und Neoaalvarsan empfohlen; bei Tripper sei sie bedenklich. Immerhin
sei eine Abortivkur zu erstreben. Vortr. stimmt dem nicht zu. Bei
Leuten, die lange in einer Stadt liegen, ist die Kur durchführbar, aber
nur im Lazarett. Aber auf dem Marsch und im Gefecht ist das alles
unmöglich. Richtig allein bleibt, die Kranken ins Lazarett zurückzu¬
schicken. Das ist bei der grossen Zahl der Kranken nicht bedeutungs¬
los. Die Behandlung kann sie nur schnell verkleinern.
Die Prophylaxe ist das einzige Mittel, diesen Schaden zu ver¬
mindern, sowohl die persönliche wie die allgemeine. Belehrung und %
Warnung nützt nicht viel; wichtiger sind lokale Maassnahmen. Das
Kondom, das beste, aber nicht absolute Schutzmittel, sollte trotz ethischer
Bedenken den Leuten von den Lazarettgehilfen verabreicht werden.
Denn im Kriege kommt es auf jeden Mann an. Scbjerning sagte noch
im Frieden: „Die Einzelprophylaxe hat nooh keine Erfolge zu verzeichnen,
ist aber im Auge zu behalten.“ Wieviel mehr gilt das Wort im Kriege?
Allgemeine Prophylaxe muss sofort bei der Mobilmachung einsetzen.
Ueberall, in den grossen Städten ist bei Anhäufung von Soldaten die
Provokation durch Dirnen zu verbieten; die Animierkneipen sind auf¬
zuheben. Wie weit das Ausgehen aus der Kaserne zu untersagen ist,
ist noch strittig; jedenfalls sollte es in den Abendstunden und in den
letzten Tagen vor dem Ausmarsoh verboten werden; strenge Ueber-
wachuDg der Dirnen in den grossen Städten und bei grösseren Truppen¬
massen ist im In- und Feindeslande vonnöten. Die bestehende zivil¬
ärztliche Ueberwaohung soll weiter geführt werden. Mode.
Kriegsmedizinische Abende
des naturhistorlsch-medlzlnischen Vereins so Heidelberg*
Sitzung vom 14. Oktober 1914.
Hr. Dilger: Gefttssverletzungen im Kriege ud ihre Beh&ndliig.
Durch kleiokalibrige Gesohosse hervorgerufene Verletzungen der
Gefässe erfordern in der Mehrzahl der Fälle kein Eingreifen am Haupt-
Di gitized by
Gougle
Original frn-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
1776
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 44.
Verbandplatz, denn die anfängliche Blutung steht im allgemeinen von
selbst. Durch sekundäre Folgen — Aneurysmen und SpätblutuDgen —
wird man häufig zum Eingriff gezwungen. Was die Diagnose des Aneu¬
rysmas anbetrifft, so können das Schwirren und das Fehlen des Pulses
in den peripheren Partien im Stich lassen; oft legt erst die Auscultation
den Verdacht eines Aneurysmas nahe. Unter Umständen bietet das
Aneurysma das klinische Bild eines Abscesses und wird erst während
der Operation erkannt. Einige französische Chirurgen empfehlen die
konservative Behandlung der Aneurysmen mittels Kompression; die
Mehrzahl der Chirurgen verlangt ein operatives Eingreifen, und zwar
Ligatur oder Gefässnaht. Ein russischer Autor hat eine Probe zur
Prüfung des Collateralkreislaufs angegeben: wenn der Blutdruck, ge¬
messen nach Riva-Rocci, nach einer provisorischen Kompression des
zuführenden Gefässes nicht unter 30 heruntergeht, so ist das ein
Zeichen, dass der Collateralkreislauf genügend ausgebildet ist und in¬
folgedessen nach der Ligatur des Gefässes, an welchem sich das Aneu¬
rysma gebildet hat, keine Gefahr einer Gangrän der betreffenden Ex¬
tremität droht. Dieses Zeichen ist nicht absolut zuverlässig, denn es
wurde Gangrän auch in solchen Fällen beobachtet, wo der Blutdruck
höher als 30 war. Ueber den Zeitpunkt der Operation gehen die An¬
sichten der Autoren auseinander. In den ersten Tagen nach der Ver¬
letzung ist die Ausbildung des Collateralkreislaufs noch ungenügend.
Wenn die Venen verletzt sind, dann kann bei zu langem Zuwarten die
enorme Stauung zu Gangrän führen. Die besten Resultate werden er¬
zielt, wenn man 3—4 Wochen nach der Verletzung eine doppelte Unter¬
bindung des verletzten Gefässes ausführt und die Exstirpation des
aoeurysmatischen Sackes anscbliesst. Die Gefässnaht ist im allgemeinen
entbehrlich; am meisten Berechtigung hat sie bei Verletzungen der
Arteria poplitea und der Arteria tibialis posterior, da in diesen Fällen
nach der Unterbindung der genannten Gefässe häufig Gangrän beob¬
achtet wird.
Hr. Yoelcker: Praktische Erfahrungen über Ge fassVerletzungen.
Spätblutungen bei Aneurysmen entstehen dadurch, dass der primäre
Thrombus oder das primäre, das verletzte Gefäss umgebende Hämatom
allmählich resorbiert wird. Bei eiternden Wunden kommt die Arterien¬
naht nicht in Betracht. Für die Unterbindung in loco besteht dasselbe
Bedenken wie für die Gefässnaht: infolge der Eiterung kann sich die
Naht loslösen und auf diese Weise eine erneute Blutung hervorrufen.
Bei Spätblutungen, also in Fällen, in welchen es sich meistens um
eiternde Wunden handelt, ist daher die Unterbindung am Orte der
Wahl den anderen Methoden vorzuziehen.
Diskussion.
Hr. Schmidt berichtet über einen Fall von Aneurysma der Arteria
brachialis, in welchem die Gefässnaht mit Erfolg ausgeführt worden ist.
Hr. Schneider demonstriert ein Aneurysma der Halsgefässe. Dieses
stammt von einem Soldaten, welcher durch ein Schrapnell an mehreren
Stellen verletzt worden ist. Einige Wochen nach der Verletzung stellten
sich Blutungen aus dem Munde ein, bald darauf machte sich eine Vor¬
wölbung ober- und unterhalb der gebrochenen rechten Clavicula be¬
merkbar. Zugleich wurden Temperatursteigerungen und Heiserkeit fest-
gestellt. Der Tod erfolgte plötzlich. Die Obduktion ergab, dass die
rechte Art. vertebralis vollständig abgerissen war und an der Wand der
Art. tbyreoidea inf. sich ein Aneurysma spurium gebildet hat.
Hr. Czerny berichtet über einen Fall von Varix aneurysmaticus
zwischen der Art. carotis und dem Bulbus venae jugularis, entstanden
durch einen Schrapnellschuss. Bei der Operation gelang es, den Sack
zu isolieren, er platzte aber und die profuse Blutung konnte nur müh¬
sam gestillt werden. Es wurden Ligaturen ober- und unterhalb der
Kommunikationsstelle angelegt und die blutende Stelle mit Seidennaht
umstochen. Nach 8 Tagen stellten sich wieder Blutungen ein, weil die
Ligatur abgerutscht ist; sie musste nochmals angelegt werden. In An¬
betracht der extremen Anämie wurde eine Bluttransfusion angeschlossen.
Die anfangs deutlich ausgesprochenen Symptome einer Encephalomalacie
gehen allmählich zurück.
Sekundäre Nachblutungen sind im Jahre 1870 viel häufiger beob¬
achtet worden als in dem jetzigen Kriege, was wohl hauptsächlich auf
die mangelhafte Asepsis während des damaligen Feldzuges zurückzu¬
führen ist.
Hr. Kümmel berichtet über einen Fall von Aneurysma der Art.
femoralis, in welchem die Blutung nach der Ligatur ober- und unter¬
halb des Sackes nioht aufbörte; wie es sich nachträglich herausstellte,
stammte sie von der Art. circumftexa ilei. Heftige neuralgische Schmerzen
können das einzige Symptom eines Aneurysmas sein und sollen daher
den Verdacht einer Gefäss Verletzung nahelegen.
Hr. Ernst: Naeh den Gefässverletzuogen bildet sich ein primäres
perisaculares Hämatom, welches sekundär duroh den Blutstrom aogebohrt
wird; auf diese Weise entsteht ein Fibrinbelag an der Innenseite des
Sackes, es handelt sich also um einen sogenannten Absoheidungsthrombus.
Durch dauerndes Nachbohren wird die schlecht ernährte Intima nekro-
tisoh, und so entstehen die sekundären Nachblutungen.
Halpern.
I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechsel¬
krankheiten zu Bad Homburg v. d.H.
vom 23. bis 25. April 1914.
(Berichterstatter: Dr. K. Reicher, Bad Mergentheim.)
(Fortsetzung.)
2. Sitzung am 24. April 1914.
II. Referat.
Hr. G. Rosenfeld - Breslau: Wandlungen in der Behandlung
des Diabetes.
Vortr. bespricht zunächst die Frage der Alkoholaufuhr bei Keton-
urie. Nach seinen Versuchen wirkt der Alkohol nicht spezifisch, sondern
bloss indirekt antiketonuriscb, indem er den Menschen ein gewisses
Quantum Kohlehydrat erspart. Durig zeigte schon, dass der Respi¬
rationsquotient nach Zuckergaben auf 1 steigt, aber auf die Hohe der
Fettei Weissverbrennung sinkt, sobald neben Zucker auch Alkohol verab¬
reicht wird, d. h. der sehr leicht oxydable Alkohol verdrängt den Zucker
aus der OxydatioD. Der Blutzucker sinkt auch nach Alkobolgaben bei
zuckergelütterten Kaninchen (von 0,27 pCt. auf 0,18 pCt.), steigt anderer¬
seits nach weiterem AlkobolgeDuss z. B. von 0,18 auf 0,306. Das Phä¬
nomen der Nierendichtung erklärt diese Erscheinung nicht restlos.
Bei der Beschränkung der dem Diabetiker zugeführteu Kohlehydrat¬
mengen kann man ausser den nativen auch die indirekt ans Eiweiss
entstehenden Kohlehydrate vermindern. Scheidet ein Diabetiker bei
110 g Eiweiss 56 g Zucker aus und verabreicht man ihm nun bloss
60 g Eiweiss, so hat man ihm indirekt 24 g Zucker weniger gegeben.
Tatsächlich kann so der Urinzucker z. B. um 19 g zurückgehen, also
fast um die Differenz der Einfuhr, oft wird aber sogar bedeutend mehr
Zucker gespaart (Phänomen der Eiweissempfindlichkeit), ln einem
solchen Falle wurden bei 150 g Hafer + Fleisch 248 g Zucker in zwei
Tagen ausgeschieden, bei 150 g Hafer und Ersatz des Fleisches durch
Eier mit der gleichen N-Meüge wurden 145 g Zucker gespart.
Auf der anderen Seite muss man versuchen, dem Diabetiker Hilfs¬
stoffe zuzuführen, welche er im Gegensatz zum Traubenzucker zu oxy-
dieren vermag. Das Wort „Oxydation“ ist dabei nicht im genauen che¬
mischen Sinne aufzufassen, denn wir wissen von dem Abbau des Zuokers
erstaunlich wenig, nicht einmal, ob der Abbau über eine erste Stufe der
Synthese vor sich geht, ferner nicht, ob Glykogen die notwendige Vor¬
stufe für die Oxydation des Zuckers bildet. Kein Forscher hat mehr
als 40 pCt. des verfütterten Zuckers als Glykogen wiedergefunden, und
dies erst viele Stunden nach der Zuckerverabreicbung. Auch lauten
unsere Erfahrungen mit Glykogenverwendung beim Diabetiker durchaus
ungünstig. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Galaktose und auch die
Lävulose in Glykogen vor der Verbrennung übergehen müssen, und diese
können als Testobjekte für die Glykogenfunktion der Leber berangezogen
werden. Als erste Synthese vor der Oxydation käme nach Gärungs-
versueben ein Phospborsäureglukoaeester in Betracht, das Calciumsali
desselben wird glatt vom Diabetiker unter Verminderung der Glykosurie
verbrannt. Andere Möglichkeiten wie den Weg über Methylglukosid und
Brenztraubensäure haben die Versuche von Neuberg sowie den
über Glycerinaldehyd und Dioxyaeetylen Embden eröffnet. Wieder
andere sahen Glycerin als Zwischenstufe der Zuckerverbrennung an und
verabreichten es dementsprechend Diabetikern, andere endlich Kohle¬
hydratsäuren wie Mono-, Dicarbonsäuren, Zuckersäure, Schleimsäure,
Glykuronsäure usw. Sie sind zwar alle für den Diabetiker oxydabe),
wegen ihres hohen Preises und ihrer stark abführenden Wirkung jedoch
nicht brauchbar. Die eigentlichen Hilfsstoffe liegen in den Körpern der
C 6 *Gruppe. Mannit und Lävulose wurden vielfaoh als völlig unschädlich
für Diabetiker bezeichnet, doch erhoben sich viele Stimmen dagegen,
namentlich wurde eine nachträgliche bedeutende Zuckerausscheidung
nach mehrtägiger Lävulosedarreichung beobachtet. Dagegen hat Strauss
mit Lävulose und Inulin ganz vorzügliche Kohlehydratkuren durch¬
geführt. Auch über die Anwendung von Milohzucker ist man nicht
einig. Manchmal wird eine grössere Zuckeraussscheidung beobachtet, als
der Milchsäurezufuhr entspricht, andere verbrennen ihn teilweise, wieder
andere ganz. Jedenfalls bedarf es einer sorgfältigen Kontrolle, um durch
Milchzucker nicht nach leidlicher Besserung eine langdauernde Ver¬
schlechterung der Gesamtkonstitution zu erleben. Die Wirkungsweise
der Haferkuren ist noch nicht einwandfrei geklärt, zumal andere Mehle
wie Weizen-, Gersten-, Roggenmehl und selbst Traubenzucker (Ktem¬
pere r) entzückernd wirken. Vielleicht gestatten die Mehle die Umlage¬
rung zu Lävulose und können dann verbrannt werden. Eine Haferkur
kann trotz Fleischgenusses ausgezeichnet wirken, nur soll die Eiweiss¬
menge an diesen Tagen gering sein. Auch muss der Hafer nicht als
einziges Kohlehydrat verabreicht werden, vielmehr hat Rosenfeld
L.-B.-H.-Tage mit Lävulose, Bananen und Hafermehl eingeführt, wo¬
bei er die Toleranz dieser drei Stoffe vorher festgestellt und dann jß
ein Drittel davon verabreicht. Die Patienten nehmen diese Tage viel
lieber als reine Hafertage.
Vortr. hat nun einen Stoff aus der C 7 -Reihe als Hüfsstoff eilige-
führt, die «-Glykoheptonsäure, Hediosit genannt. Mehrere Versuchsreihen
zeigen seine Wirkungsweise. ...
Hediosit wird meist von Diabetikern gut oxydiert, vermehrt nicn
die Glykosurie, im Gegenteil, es vermindert den aus anderen Quellen
stammenden Zucker. Auch entfaltet es eine vorzügliche antiketonunscM
Wirkung (von 5,3 Aceton auf 2,2 Aceton, von 2,1 / 9 -Oxybuttersäure auf ü;-
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UNIVERSUM OF IOWA
2. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1777
Unsere Aufgaben bei der Behandlung des Diabetikers sind demnach
Entzuckerung und damit Verbesserung der Toleranz, Verhütung einer
Verschlechterung und Verabfolgung einer kalorisch ausreichenden Nah¬
rung Letzteres fällt bei Diabetikern schwerster Art sehr schwer. Wenn
sie die Kohlehydrate des Eiweissmoleküls zum grössten Teile nicht ver¬
arbeiten, dann ist auch die Fettverbrennung verschlechtert, und es
kommt über kurz oder lang zum Coma, das man am besten mit den
Koblebydrathilfsstoffen in möglichst grosser Menge bekämpft. Von der
Alkalitherapie in jeder Form wird man zweckmässigerweise dabei nicht
absehen, wenn sie auch vielleicht bloss als Excitans wirkt. Gute
Wirkung erzielt man auch mit Traubenzuckerklystieren, namentlich in
Form der Tropfklystiere. Man kann auf diese Art bis 150 g pro Tag
zuführen, wobei es sicher zu teilweiser Oxydation des Zuckers kommt,
wenn auch die antiketonurische Wirkung eine geringe ist. Endlich ist
die intravenöse Injektion einer 10—20proz. Traubenzuckerlösung empfohlen
worden.
Starke körperliche Arbeit, speziell Bergsteigen, ist vielfach Dia*
betikern angeraten worden, die Zuckerausscheidung wird danach zwar
geringer, indem ein Teil der aufgewendeten Calorien von Zucker be¬
stritten wird, was auch aus dem Ansteigen des respiratorischen Quotienten
(Salomon) hervorgeht, gleichzeitig wird aber auch der für den Dia¬
betiker sehr wertvolle Fettbestand eingescbmolzen. Eher ist leiohte,
behagliche Arbeit mit dem Myoroborator anzuempfehlen. Antiketon-
urische Wirkungen kann man durch dieses Eintreten der Kohlehydrate
in den Stoffwechsel nicht hervorrufen. Eine Reihe von Fällen wurde
von Salomon als Diabetes innocens bezeichnet. Es sind durchaus
jugendliche Individuen, welche auf 200 g Kohlehydrate 5—6 g Zucker
ausscheiden, normalen Blutzucker aufweisen und als renaler Typ gelten.
Sie können in Versicherungen aufgenommen werden und den Heirats-
konsens erhalten. Von der Heilwirkung der Karlsbader und ähnlicher
Brunnen bei Diabetes ist Ref. nicht überzeugt.
Hr. v. Noorden - Frankfurt: Ueber die Behandlung bei
gleichzeitiger Erkrankung an Gicht und Diabetes.
Gicht und Diabetes finden sioh häufig bei dem gleichen Individuum
vereint und wechseln manohmal die Intensität, so dass einmal die
Glykosurie, das andere Mal die Gicht im Vordergründe der Erscheinungen
steht. Nur selten sind jedoch wirklich schwere Gicht und schwerer
Diabetes bei einer und derselben Person vereint, naoh der Statistik des
Vortr. bloss 12 mal unter 6000 Diabetikern. In der überwiegenden
Mehrzahl handelte es sioh um leichte Gicht mit leichtem Diabetes.
Höchst unangenehm ist bloss die Neigung der Kombinationsfälle zu
Komplikationen, wie Erkrankungen des Herzens, der Gelasse, der Nieren,
der Augen, Neuralgien und Neuritis. Namentlich die beiden letzteren
überwiegen an Häufigkeit und Intensität der Schmerzen und führen
fast immer zu dem Schluss, dass die Hyperurikämie die entscheidende
Rolle spiele.
Tatsächlich kann aber viel häufiger Hyperglykämie die gleichen
Beschwerden ohne alle Gicht hervorrufen. Nun ist erstere bei den
Kombinationsfällen stets besonders hoch. Vortr. fand Werte von 0,13
bis 0,38 pCt. Blutzucker bei 0,1 pCt. Urinzucker und 2 Wochen nach
Verschwinden der Glykosurie noch 0,09—0,15 pCt. Blutzucker, also eine
hartnäckig anhaltende Hyperglykämie, welche oft erst 4—5 Wochen
nach völligem Verschwinden des Hainzuckers beseitigt ist. Vortr. schiebt
daher im Gegensatz zu den alten Traditionen die Behandlung des Dia¬
betes im Vordergrund und beschränkt mit Rücksicht auf die Gicht bloss
die Fleischzufubr und schaltet die purinreichen inneren Organe aus.
Dadurch gelang es oft, monate- und jahrelang bestehende hartnäckige
Neuralgien, besonders Ischias in wenigen Wochen zu heilen. Die
spezifisch gichtischen Erscheinungen verschlimmern sich bei dieser Kost¬
ordnung ebensowenig wie etwa bestehende Nierensymptome. In zweiter
Linie sind auch physikalische Heilkräfte heranzuziehen. Sind einmal,
was die erste Aufgabe bildet, Glykosurie und Hyperglykämie beseitigt
und damit die Kohlebydrattoleranz gehoben, dann muss man durch Be¬
schränkung der Kohlehydrate auch fernerhin die Glykosurie dauernd
fernbalten, was ja bei diesen leichteren Diabetesfällen anstandslos ge¬
lingt, und allwöchentlich einen purin- und gleichzeitig kohlehydratfreien
Tag (Gemüse-Eiertag) einschalten. Jeden zweiten Monat wird eine je
zweiwöchige purinfreie Periode verordnet mit leichter Vermehrung der
Kohlehydrate. In Fällen mit starker Gicht und schwererem Diabetes
wechselt man am besten alle 2 Wochen mit der Kostordnung, indem
man 2 Woohen antidiabetische Diät mit wenig Fleisoh und 2—4 Gemüse-
Eiertagen ablösen lässt von 2 Wochen fleischloser Kost mit 60—100 g
Kohlehydrate und 2—4 Gemüsetagen. Gichtiker, die gleichzeitig dia¬
betisch sind, vertragen erfahrungsgemäss alle Colchicumpräparate schlecht.
Diskussion.
Hr. Hirschfeld - Berlin hebt den hohen Blutzuokergehalt (0,3 pCt.)
bei Greisendiabetes und das Herabdrücken desselben durch Eiweiss¬
nahrung hervor. Im grossen und ganzen ist sonst jede Behandlung des
Greisendiabetes abzulehnen. Hediosit bewährte sich H. bei mittleren
und leiohten Formen, versagte dagegen ganz bei schweren Fällen.
Hr. Umber - Berlin-Charlottenburg: Die Eiweissempfindlichkeit wird
besouders bei schweren Diabetikern angetroffeD, gilt aber durchaus
nicht mehr oder weniger für alle Diabetiker. Die niedrige N-Zufuhr ist
hei eiweissempfindlichen Fällen sicher ein Faktor, der bei den Kohle¬
hydratkuren in Betracht kommt. So enthält Hafer 2,2 pCt. N, Reis
M pCt. N, die Sojabohne über 6 pCt. N. Man kann bei Versuchsreihen
sehr oft in der Reisperiode den tiefsten und in der Sojazeit den höchsten
Stand der Zuckerkurve finden. Die Sojabohne ist daher für Kohlehydrat¬
kuren ganz unbrauchbar. Die Lavulose, in grösseren Mengen per os
verabreicht, schädigt die Toleranz, bei comatösen Diabetikern eignet sie
sich aber als Kombination mit den Alkaliinfusionen.
Das Hediosit bringt unstreitig bezüglich Beschränkung der Glykos¬
urie und Ketonurie grössten Nutzen, wird aber nur in beschränktem
Maasse resorbiert. SOpCt. und mehr werden im Urin als a-Glykohepton-
säurelaoton wieder ausgeschieden. Dieser Prozentsatz wird noch ver-
grössert durch Urin- und Stuhlaussoheidung bei Durchfällen, welche
manche schon naoh 15—20 g bekommen, während andere bis zu 100 g an¬
standslos vertragen. In einem Falle mit Diarrhöen wurden von 300 g
Hediosit, die in 8 Tagen verabreicht wurden, 82 g im Urin und 116,9 g
im Stuhl, also 66 pCt. wiedergefundeo, in einem anderen von 180 g noch
120 g. In der Regel werden jedooh bloss 40pCt. ausgeschieden, der
Rest wird nützlich verwertet. Mehrfach hat U. Hediositdarreichung mit
Bouillon-Fettagen verbunden. In 50 proz. Lösung, intravenös verabreicht,
wird Hediosit zunächst fast ganz wieder ausgeschieden (von 0,8 g z. B.
0,6 g). Wird die Injektion nach 6 Tagen wiederholt, so wird nichts
mehr infolge einer Art Gewöhnung des Organismus eliminiert.
Unter 270 Gichtfällen hat U. 15 Diabetiker gesehen, darunter be¬
fand sich kein schwerer Fall.
Hr. Kuttner - Berlin: In den Fällen von leichtem Diabetes gelingt
es verhältnismässig schnell, den Blutzucker zur Norm herabzudrücken,
schwerer bei mittleren und schweren Formen. Diese stellen sich ge¬
wöhnlich auf ein oberhalb der Norm stehendes Niveau ein trotz rigo¬
rosester Einschränkung der Diät. Es bleibt mithin zweifelhaft, ob man
dann berechtigt ist, die Diät noch weiter einzuschränken. An Fett-
Gemüsetagen ging in diesen Fällen wohl der Urinzucker, nicht aber oder
kaum der Blutzucker herunter. Hafermehltage steigerten in der Regel
den Blutzucker. Im Coma steigt der Blutzucker. Bei Kombination von
Diabetes und Nephritis empfiehlt sioh Verabreiohung von eiweiss- und
kocbsalzarmer Kost bei reichlicher Kohlehydratzufuhr, sonst treten leicht
urämische Erscheinungen auf.
Hr. Ewald-Berlin: Die Haferkuren erzielen viel bessere Resultate
bei vorhergehender KH-Karenz. Klotz führt ihre Wirksamkeit darauf
zurück, dass der Hafer nicht resorbiert, sondern durch Gärungsprozesse
abgebaut wird. Plötzlich verordnete absolute Kolehydratkarenz kann
schweres Coma auslösen. Von Hediosit hat E. keine guten Erfolge
gesehen.
Hr. Weintraud-Wiesbaden: Bei der Gicht ist in erster Linie die
Alkobolvermeidung, in zweiter Linie erst Mässigkeit im Fleischgenuss
anzuraten. Die Hilfssubstanzen haben W. bei schwerem Diabetes sämt¬
lich im Stiche gelassen. Ein schwerer Diabetiker muss entschieden mit
weniger als 130 g Eiweiss Auskommen, knappe Eiweisszufuhr ist für alle
Fälle wichtig.
Hr. Re ich er-Mergentheim hat auch bedeutende Hyperglykämie im
Coma gefunden. Auf Grund seiner gasanalytischen Untersuchungen ist
R. von der Verbesserung der Zuckerverbrennung beim Diabetes im Ver¬
laufe von Trinkkuren überzeugt. Seine Versuche beziehen sich auf
Karlsbader Mühlbrunnen und Mergentheimer Karlsquelle.
Hr. Knud Faber hat im Gegensatz zu Kuttner in den Fällen, in
welchen Fett-Gemüsetage auf die Glykosurie günstig wirkten, auch einen
guten Einfluss auf den Blutzucker gesehen. In 5 Fällen von Coma fand
sich sehr hoher Blutzucker (bis 8 pro Mille). Dabei kann die Glykosurie
ganz unverändert sein. F. hält die Hyperglykämie für prognostisch be¬
deutungsvoller für das Herannahen des Coma als die Acetonurie.
Hr. Albu-Berlin: Bei allen schweren Diabetikern, bei denen man
diätetisch nichts mehr erreichen kann, kommt man weiter, wenn man
die Eiweissmenge auf 65—70 g beschränkt, also vegetabilische Diät ver¬
abreicht. Derartige Kuren lässt man 3—4 mal im Jahre wiederholen.
Hr. v. Noorden (Schlusswort): Grosse Eiweissempfindlichkeit kommt
sicher im wesentlichen den schweren Diabetikern zu. Die Eiweissarmut
der Haferdiät und anderer Kohlehydratkuren steht mit dem Erfolge der¬
selben gewiss in einer Beziehung, aber das Wesen des Effektes macht
sie nicht aus. Speziell bei üaferkuren hat N. keinen wesentlichen Unter¬
schied gesehen, ob nun Hafer mit oder ohne Butter oder mit oder ohne
80—100 g Pflanzeneiweiss verabreicht wurde. Dabei kommt es merk¬
würdigerweise trotz ansehnlicher Eiweisszufuhr (bis 20 g N) zu einer
langdauernden N-Retention (Ausscheidung von 3—4 g N pro Tag) und
dann plötzlich zu einer riesenhaften Ausschwemmung von 80 g N und
nooh mehr. Hediosit hat N. bei- der Bekämpfung der Ketonurie in einem
schweren Falle im Stiche gelassen, doch will er nach den günstigen Er¬
gebnissen von Rosenfeld die Versuohe damit wieder aufnehmen. Länger
fortgesetzte Kohlehydratkuren hält N. für vollständig verfehlt, bloss
einzelne (2—3) Hafer- bzw. Kohlehydrat tage bat er selbst empfohlen.
Hunger drückt den Blutzucker jmanchmal auf die Hälfte*'des^ Wertes
herunter. Bei Coma ist absoluter Hunger indiziert, dagegen darf man
den Patienten nicht dürsten lassen, vielmehr verabreiche man ihm
Alkohol bis zur Betrunkenheit (bis 250 g pro Tag). Eine Besserung bei
vergleichender Untersuchung vor und während einer Trinkkur ist nicht
beweisend, denn sie kann auf die Dauerwirkung der diätetischen Therapie
zurückzu führen sein, da jedes vernünftige Regime einer gleichmässigen
Fortsetzung durch mehrere Woeben bedarf, um das Maximum des Effektes
zu erreichen. Man müsste umgekehrt zuerst im Kurorte und dann in
der Stadt die Untersuchung anstellen.
Die Bedeutung der Eliminationskraft der Niere in bezug auf die
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UNIVERSITY OF IOWA
1778
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 44.
Harnsäure für die Gicht wird übertrieben. Ein Gichtiker ist doch kein
Uramiker. Bei chronischer Urämie findet man die maximalsten Harn-
säurewerte im Blute, trotzdem sind das keine Gichtiker. Charakteristisch
für Gicht ist vielmehr eine vergrösserte Adsorption der Harnsäure im
Körper duroh Kräfte, die wir noch nicht kennen.
Hm. Rosenfeld (Schlusswort) haben gerade protrahierte gemischte
Kohlehydratkuren gute Dienste erwiesen. Unterernährung ist beim
Diabetiker zu vermeiden, unter 100 g Eiweiss braucht man gewöhnlich
nicht herunterzugehen.
(Schluss folgt.)
Ein „heisser“ Tag.
Einer freundlichen Anregung, von meinen Erlebnissen im Kriege
etwas mitzuteilen, komme ich gerne nach. Im muss dabei aber einige
persönliche Bemerkungen vorausschioken.
Als Truppenarzt bin ich einer selbständigen Kompagnie der tech¬
nischen Truppen zugeteilt. Ich kann dabei in voller Selbständigkeit
handeln mit eigener Verantwortung und bin direkt dem Divisionsarzt
unterstellt.
Verleiht dieser Umstand meiner Tätigkeit schon einen grossen Reiz,
so erhöht sich derselbe noch dadurch, dass ich, einem kleinen Verbände
angehörend, immer in engster Fühlung mit ihm bleiben muss. Dadurch
hatte ich öfter Gelegenheit und den eigenartigen Genuss, mitten ins
Schlachtgewühl zu kommen und Stunden höchster Nervenspannung mit¬
zuerleben.
Heute will ich nun einen einzigen Tag herausgreifen, der mir, wie
wohl allen Teilnehmern, unvergesslich bleiben wird, einen kleinen Aus¬
schnitt aus dem vieltägigen gewaltigen Ringen — genannt die Schlacht
in Lothringen.
Am 24. August abends marschierten wir aus M ... um 8 Ubr abends
ab, nachdem bereits seit 4 Uhr morgens bei ziemlich grosser Hitze ge¬
arbeitet worden war. Müde und matt schlich unsere Abteilung dahin,
bis endlich um 1 Uhr nachts in der Nähe einer Ortschaft die Mitteilung
kam: Hier wird biwakiert. Weithin leuchten die Lagerfeuer der bereits
eingetroffenen Truppen, gespenstisch heben sich die Schatten der sich
hin- und herbewegenden Personen ab, ein kaum entwirrbares Durchein¬
ander in der magischen Beleuchtung der Nacht.
In Eile werden nun die Zelte aufgeschlagen, zum Strohholen nimmt
man sich nicht mehr die Zeit, denn nur kurz ist die Dauer der Ruhe
bemessen. Drum schell ins Zelt gekrochen, in den Mantel gewickelt
und geschlafen.
Um 4 Uhr schon heisst es wieder aufstehen; die Zelte werden ab¬
gerissen; wir trinken Kaffee aus der Feldküche — eine ganz herrliche
Einrichtung —, krank hat sich keiner gemeldet. Da kommt auch schon
der Befehl zum Abmarsch.
Vorwärts geht’s dem Feinde entgegen. Bei zunehmender Helligkeit
sehen wir auf den Nachbarstrassen auch Kolonnen im Vormarsch, Melde¬
reiter sprengen an uns vorbei, Artillerie fährt vor, und als wir um eine
Anhöhe biegeD, da hören wir auch schon Infanteriefeuer.
Wie ein Ruck geht’s durch die Mannschaft: Heute scheint es auch
bei uns ernst zu werden, deren eigentliche Aufgabe ja das Kämpfen
nicht ist.
In gedeckter Stellung wird Halt gemacht. Alles legt sich platt auf
den Bauoh; in der Nähe sind Feldgeschütze aufgefabreD, die mächtig zu
feuern beginnen. Drei Stunden liegen wir so und warten. Das In-
fanteriefeuer hat an Ausdehnung und Stärke bedeutend zugenommen.
Eine gewaltige Symphonie von Geräuschen hebt an. Das taktmässig,
rasend schnelle Knattern der deutschen Maschinengewehre, das langsame
Schlagen der französischen, das Schützenfeuer der deutschen Truppen,
das salvenartige Feuer der Franzosen, das bildet einen gewaltigen Grund¬
ton, über dem sich das Singen des Artilleriefeuers auf baut, da9 hohe
Pfeifen der Schrapnells mit ihrem kurzen scharfen Knall beim Platzen,
das dumpfere Sausen der Granaten mit ihrem gewaltigen Krachen beim
Aufschlag — das ist Musik, die die Nerven aufpeitscht.
Rechts hinter uns, gedeckt durch einen steilen Abhang und Busch¬
werk, sind die Sanitätswagen des vor uns kämpfenden Regiments auf¬
gefahren. Die Tragen werden zurechtgelegt, die Krankenträger sind ge¬
sammelt, Stroh wird herbeigeschafft als Lager für die zu erwartenden
Verwundeten, Instrumente und Verbandstoffe werden bereit gelegt. So
ist man gerüstet auf das, was kommen mag.
Meine Kompagnie aber, die als Reserve gedacht ist, erhält den Be¬
fehl vorzugehen. Vorsichtig ziehen wir die Höhen hinan, jede Deckung
ausnützend. Ich bin vom Pferde gestiegen, mein Sanitätsunteroffizier ist
bei mir, wie auch die wenigen Krankenträger mit der einen Trage, die
mir zur Verfügung steht. Mit 50 Schritt Abstand folgen wir der Truppe.
Die Höhe ist erreicht; wir überblicken vor uns das Karapffeld, das
begrenzt wird von einem der fast undurchdringlichen lothringischen
Wälder, in dem sich anscheinend bereits ein heftiger Kampf abspielt, da
nur noch wenige Schützenlinien auf freiem Felde sichtbar sind.
Vorwärts geht’s, sprungweise, in Gruppen geteilt — und da sind
wir auch schon mitten im feindlichen Artilleriefeuer, das mit erneuter
Wucht und Wut einsetzt. Hatten wir vorher alles mehr von ferne mit¬
erlebt, so sind wir jetzt mitten drin. Ein förmlicher Regen von Schrapnells
ergiesst sich über das Feld; die Luft ist erfüllt von den eigenartig
dichten, weissen, geballten Wölkchen, die sich beim Platzen der Schrap¬
nells bilden, erfüllt aber auch von ihrem Pfeifen und Knallen; ein
Krachen und Knattern rings umber.
Gar bald hat man da etwas Neues gelernt: die Distanz von Tönen
ungefähr zu schätzen, und bald auch weiss man, dies Geschoss geht
vielleicht fünfzig Meter links, das mehr nach rechts; und hat man dies
erkannt, dann ist man schon beruhigt. Klingt’s aber doch ein bisschen
näher, dann wirft man sich schleunigst platt auf den Boden, jede Acker¬
furche als Deckung ausnutzend, in der Hoffnung, dass es diesesmal noch
vorübergehe.
Wir kommen an eine Heoke, etwa zwei Meter hoch, aus dünnem
Strauchwerk; auch die soll uns Deckung sein — eine Verblendung zwar,
ein Wahnsinn, denn der gesunde Menschenverstand sagt uns natürlich)
dass so ein dünnes Blätterwerk absolut nicht schützen kann. Und doch,
man glaubt daran, will daran glauben und fühlt sieb sicherer.
Vom tiefblauen Himmel sendet die Augustsonne die ganze Fülle
ihrer Wärmestrahlen; schon lastet die drückende Hitze auf Mensch und
Tier. Auf schattenlosen Feldern liegen die Soldaten, der festbepackte
Tornister drückt auf den Rücken, beim Marschieren geht’s über holprige
Getreidefelder, Wasser gibt’s gar keines, alles ist dazu angetan, die Be¬
schwerden des Tages zu erhöhen.
Kaum liegen wir an unserer Hecke, da kommen schon die ersten
Verwundeten, wankend und schwankend, einander stützend und helfend,
so gut es geht; die einen blass, matt, erschöpft und gebrochen, die
anderen frisch und frohen Mutes, so billigen Kaufs davongekommen
zu sein.
Da kein Arzt in der Nähe ist, errichte ich hinter der Hecke — dem
gewaltigen Schutz! — einen kleinen Verbandsplatz: Der Sanitätstornister
mit seinem Verbandmaterial ist alles, was mir zur Verfügung steht.
Weit hinter uns, mehr als einen Kilometer, sehe ich die Rote Kreuz-
Fahne eines Infanterie-Sanitätswagens wehen. Ihn denke ich als Stütz¬
punkt zu nehmen, zu ihm hin will ich alle Verwundeten schicken. Die
ersten sind bei mir angelangt. Ein Teil ist in der Front schon ver¬
bunden, von Kameraden oder Krankenträgern. Wenn der Verband nur
einigermaassen seinen Zweck erfüllt, fürs erste die Wunde zu verschliessen,
vor Verunreinigung zu schützen, schicke ich die Leute sogleich weiter,
denn schon kommen schwerer Verletzte, von zwei Kameraden gestützt,
fast getragen und das erste Wort, das man aus ihrem Munde hört, lautet:
Durst.
Ja der Durst, der erhöht an diesem Tage gewaltig die Leiden der
Verwundeten und Gesunden, zum Wasserfassen war am Biwakplatz keine
Gelegenheit, in der Nähe gab’s auch keines; die Anstrengungen sind
gross an diesem glühend heissen Tage.
Der Vorrat in meiner Feldflasche ist bald verbraucht. Wer irgend
etwas Trinkbares hat, wird aufgeforderi^ zugunsten der Verwundeten
darauf zu verziohten; aber nur Wenigen wird die Wohltat zu teil, ihre
Lippen etwas anzufeuchten, denn bald ist nichts mehr aufzutreiben.
Hier liegt ein Reservist, Ende 20, durch die Bru9t geschossen. Bei
jedem Atemzug hört man das Pfeifen der Luft in der Wunde; blass ist
der Mann und matt, leise wimmernd und sein nahes Ende beklagend,
gedenkt er seiner Frau und seiner zwei kleinen Kinder, die zu Haase
auf ihn warten. Und wider besseres Wissen muss man ihm Trost zu¬
sprechen ; dabei wird schnell der Rock aufgemacht, das Hemd zerschnitten
und der Notverband angelegt, 2 cg Morphium injiziert und dann muss
der Mann liegen bleiben, bis er von einer Sanitätsformation abgeholt wird.
Leute mit Bauchschüssen sind da, die Glück gehabt haben; denn
tangential ging das Geschoss nur durch die Muskulatur, die Bauchhöhle
blieb verschont. Zerfleischte Arme, durchschossene Beine, teils mit
Ausscbusskanal, teils steckt das Geschoss noch im Fßiscb, und deutlich
kann man oft die runden Schrapnell kugeln, die einen Durchmesser von
10—12 mm haben, unter der Haut fühlen. Möglichst schnell bekommt
jeder seinen Verband. Von Asepsis keine Spur. Wo nicht einmal
Wasser zum Laben der Kranken vorhanden ist, da gibt’s erst recht keines
zum Waschen der Hände — und mit denen ist man schon den ganzen Vor¬
mittag am Boden herumgekrochen. Und doch: Trotz Mangel an Asepsis,
ja oft nur der „gesellschaftlichen“ Sauberkeit, heilen die Wanden gut,
soweit ich bis jetzt schon wieder Geheilte zu Gesicht bekam.
Allmählich haben sich ungefähr dreissig Verwundete angesammelt.
Einem abgefertigten Trupp will ich eben den Weg zum Sanitätswagen
zeigen — aber von der Flagge ist nichts mehr zu sehen. Das Artillerie¬
feuer, das während der ganzen Zeit auch bei uns mit unverminderter
Heftigkeit angehalten hatte, so dass rings um uns Granaten und Schrapnells
zerplatzten, da9 war der Sanitätsformation wohl zu nahe gekommen, sie
muss zurückgegangen sein. Aber wohin? Ich hatte also nichts mehr
als die ungefähre Richtung des alten Verbandplatzes — „gebt darauf
diesen Baum im Hintergrund zu, da werdet ihr schon etwas finden —
mit diesem Trost musste ich sie entlassen.
Vorbeikommende Radfahrer und Reiter hatte ich aufgefordert, Kranken¬
träger mir zu senden — ob sie es bestellt haben, ich weiss e 9 nicht ,
nichts kam. Und als ich nun von meiner Kompagnie die Mitteilung er¬
hielt, dass es wieder weiter geht, da musste, ich die Verwundeten allem
zurücklaasen.
Wir gingen nicht weit, denn vor uns lag ein dichter Wald von
grosser Tiefenausdehnung, in den die feindlichen Geschütze mit einer
wahren Wut hineinschossen. Das bewirkte einen kleinen Rückschlag <
die Infanterie ging zurück — aber nicht lange; dann kam schon der
Befehl zum Sammeln und mit ihm die Meldung, dass die feindliche
Infanterie geschlagen, der Wald frei sei. Also wieder vorwärts!
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UNIVERSUM OF IOWA
2. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1779
Ich sehe auf die Uhr — es ist zwölf, seit 6 Stunden stehen wir
nun im Gefecht; die Sonne bat den Höhepunkt ihrer Kraft erreicht;
nichts zu trinken, kein Brot mehr da — seit 2 Tagen fand uns der
Verpflegungswagen nicht —; müde treten wir den Vormarsch an.
Kaum hatten wir eine Waldlichtung nach einem ^viertelstündigen
Harsch erreicht, als mir unser Hauptmann mitteilt, im Walde lägen un¬
zählige Verwundete, kein Arzt sei vorhanden. Da nehme ich denn
wieder meine paar Leute zusammen, der Revolver wird hervorgeholt,
entsichert, denn noch ist der Wald nicht rein von versprengten Fran¬
zosen. Wir gehen die grosse Waldstrasse entlang, Trupps Verwundeter
kommen uns entgegen.
Seitlich vom Wege eine Gruppe. Ein Offizier liegt schwerverwundet
da, bewusstlos, ein Kopfschuss. Sein Hauptmann ist bei ihm, bemüht
zu helfen, wo nicht mehr zu helfen ist. Ich mache einen Verband,
gebe eine Spritze, verspreche, sobald als möglich Krankenträger zu
senden — da ertönt vor uns ein gewaltiges Krachen und Prasseln,
schnell werfen wir uns alle zu Boden — Kugeln, Aeste, Blätter, Holz¬
splitter fallen über uns her —, ganz nahe vor uds war ein Schrapnell
geplatzt, aber getroffen wurde niemand.
Weiter, immer weiter auf einem grundlosen Wege, bis wir zu einer
Strassenkreuzung kommen; eine Waldkapelle steht hier; diese hatten
sich einige Verwundete als Schutzdach ausgesucht. Hier will auch ich
bleiben und lasse alle vorbeikommenden Verwundeten hierher weisen.
Wieder beginnt die blutige Arbeit. Schwer- und Leichtverletzte
liegen durcheinander: Schwere Kopfverletzungen; durch Granatsplitter
sind Knochenstücke abgerissen, das Hirn prolabiert; Bauchverletzungen,
bei denen Darmschlingen hervorquellen, zerschmetterte Unterkiefer, tiefe
Fleischwunden an Hüfte und Gesäss, hervorgerufen durch Granaten, das
sind die schwereren. Arm- und Beinverletzungen durch Schrapnells,
Gewehrgeschosse und kleine Granatsplitter: diese bilden das Gros.
Hosen, Aermel, Röcke, Hemden, Stiefel, alles wird zerschnitten,
zum Ausziehen fehlt die Zeit und die Unterstützung. So gut es geht,
wird jeder verbunden, wenn der schon angelegte Verband selbst ge¬
ringsten Ansprüchen nicht genügt; denn sparsam muss ich mit meinen
Mitteln umgehen, die nur sehr beschränkt sind — eben nur da9 ist
vorhanden, was in einem Tornister unterzubringen ist.
Bei der grossen Zahl, bei der Aufregung, in der sich alle Ver¬
wundeten befinden, da die Beschiessung des Waldes in ihrer Schwere
noch in keiner Weise nachgelassen hat, bleibt keine Zeit zur ein¬
gehenden Untersuchung des einzelnen. Schnell muss jeder abgefertigt
werden, um möglichst vielen beistehen zu können. Die Leichtver¬
wundeten werden oft vor den schwereren verbunden, denn sie können
schneller ihre Dienste wieder dem Vaterlande weihen, sauber und schnell
soll ihre Heilung von statten gehen. Soldaten, mit deren baldigem Ende
gerechnet wird, bekommen zur Linderung ihrer Leiden nur eine Spritze,
sonst lässt man sie ruhig liegen. Das Utilitätsprinzip beherrscht
eben alles.
Es ist 4 Uhr vorbei. Etwa 50 Verwundete liegen auf dem Platze,
fast ebensoviele habe ich bereits zurückgeschiokt. Sie gehören zwei Er¬
satzbrigaden und zwei aktiven Regimentern an, deren Aerzte noch nicht
hierher gekommen sind. Durch Krankenträger und Sanitätspersonal ist
Hilfe noch immer nicht zu erlangen gewesen — trotz aller Meldungen,
die vielleicht ihren Bestimmungsort nicht erreichen konnten. Wimmern,
Stöhnen und Klagen erfüllt den Platz: Wann werden wir abtransportiert?
wann bekommen wir Wasser? dieser Ruf kehrt immer wieder. Nur etwas
Regenwasser aus einer Pfütze wurde gebracht und gierig getrunken;
Grabungen nach Grundwasser waren vergeblich. Endlich gegen 5 Uhr
kommen zwei Aerzte vom . . . Regiment.
Körperlich ermattet, abgespannt durch das unaufhörliche Krachen
der Geschosse, das Knacken der Aeste und Schlagen der Steine, ergriffen
von den grauenvollen Bildern des Jammers und Elends, die hier auf
einem winzigen Fleckchen Erde gehäuft lagen, übergebe ich den Aerzten
die weitere Fürsorge für den Platz und gehe auf die Suche nach meiner
Kompagnie, die ich endlich nach halbstündigem Umherirren in der ent¬
gegengesetzten Waldecke fand.
Froh war ich, wieder bei meinen Leuten zu 9ein; ein wenig Zwiebak
aus dem eisernen Bestand gab’s noch zu essen, dann schlief ich ein,
trotz Kanonendonner und Granatenkraohen, nach 12 ständiger intensivster
Anspannung. M. K., Assistenzarzt d. R.
Die neue Frankfurter Universität.
In den ersten Tagen des Krieges hat Seine Majestät den Entschluss
gefasst, einem grossen Friedensakt die Schlussweihe zu erteilen. Der
Kaiser hat am 2. August die Stiftungsurkunde der Universität Frankfurt
unterschrieben und an dem Tage, der seiner Abreise nach dem Kriegs¬
schauplatz vorausging, liess er sich die Ernennungen der ordentlichen
Professoren zur Unterschrift vorlegen. Das war ein schöner und grosser
Abschluss desWerkes, das der Frankfurter Oberbürgermeister Dr. Adickes
in schwerer Arbeit geschaffen hat. Er war dabei unterstützt und freudig
gefördert worden von den zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen,
deren sich Frankfurt wie keine andere Stadt Deutschlands seit bald
einem Jahrhundert erfreut. Wissenschaftlicher Sinn und Bürgertugend
haben in dieser Stadt Vereine erstehen lassen, die an reich gepflegten
Lehrstätten und in herrlichen Sammlungen und Bibliotheken das Wissen
von den beschreibenden Naturwissenschaften und von den Geistes-
wissensohaften zu verbreiten suchen. Allzeit gefördert von der
Dr. Senckenberg’schen Stiftung haben in Frankfurt die Sencken-
berg’sche Naturforschende Gesellschaft, später der Physikalische Verein,
dann der Aerztliche Verein und viele andere vorbildlioh gewirkt. Dem
Aerztlichen Vereine und der erwähnten Stiftung speziell war die Be¬
rufung Karl Weigert’s zu verdanken, mit deren Datum gerade die
medizinischen Studien einen erneuten Aufschwung nahmen. Als die
Stadt ihr Krankenhaus ausbaute und vortreffliche Aerzte von überallher
an dasselbe berief, waren für eine naturwissenschaftliche und eine medi¬
zinische Fakultät die Grundlagen im wesentlichen gegeben. Und als sich
daneben die Akademie für Sozial- und Handelswissenschafteo, gefördert
durch sehr reiche Stiftungen aus der Bürgerschaft immer mehr ent¬
wickelte, da lag der Gedanke, alles zu einer Universität zusammenzu¬
fassen, natürlich bald in der Luft. Aber es bedurfte, wie sich zeigte,
sehr viel grösserer Mittel, ein solches Werk zu gründen, als irgend jemand
geahnt hatte. Reichen Stiftungen, besonders derjenigen des Ehepaares
Georg und Franziska Speyer, dann aber der nie ruhenden, alle
Schwierigkeiten beseitigenden, überaus weisen und vorsorgenden Tätig¬
keit ihres Oberbürgermeisters verdankt es die Stadt, dass die Universität
zustande kam. Die Frankfurter Universität ist so ihrer Zusammensetzung
gemäss eine Stiftungsuniversität. Die einzelnen Vereine und Stiftungen,
welche hier zusammentraten, wussten, trotzdem sie dem Ganzen alles
hingaben, dessen dieses bedurfte, doch mit Stiftungsverträgen sich viel¬
fach ihre Individualität so weit zu sichern, dass sie die populäre Lehr¬
tätigkeit, die Museumsptlege usw., die so vielen Bürgern wichtig ist, zu
wahren wussten. Der Stiftungsvertrag ist unterzeichnet von dem Magistrat
der Stadt, welche ihre Krankenanstalten, ihr hygienisches Institut und
ihr physiologisch-chemisches Institut einbringt; von der Jügel-Stiftung,
die den Universitätsbau errichtet hat, der Akademie für Sozial- und
Handelswissenschaften und dem Institut für Gemeinwohl, welche in
diesem Gebäude ihre Lehrtätigkeit ausüben werden. Dazu treten die
Vorstände der Georg und Franziska Speyer-Studienstiftung und des
Theodor Stem’scben medizinischen Instituts, deren erster zahlreiche Lehr¬
stühle zu verdanken sind, während letztere Bau und Betrieb des physio¬
logischen Instituts und die Stiftung einer physiologischen Lehrkanzel
übernommen hat. Der physikalische Verein, die Dr. Senckenberg’sche
naturforschende Gesellschaft, ebenso wie die Administration der
Dr. Senckenberg-Stiftung bringen die reichen Schätze ihrer Museen und
Laboratorien und die von ihnen gegründeten Lehrstühle ein. Dazu
kommt noch die Stiftung Karolinum, welche für den Unterricht in der
Zahlheilkunde sorgen wird, und das neurologisohe Institut.
Aerztliche Kreise wird speziell die Struktur der medizinischen
Fakultät interessieren. Die Fakultät hat von vornherein neben der
Ausbildung der Studierenden als besondere Aufgabe die Fortbildung
der Aerzte und die Ausbildung der Spezialisten in ihr Programm
aufgenommen. Dementsprechend zerfällt ihr erstes Vorlesungsver¬
zeichnis schon in: a) Vorlesungen und Uebungen für Studierende,
b) Fortbildungskurse und Vorträge und c) Vorlesungen und Uebungen
in den Osterferien. Die Zahl der durch Ordinarien vertretenen Fächer
ist, weil eben dem Unterricht in den Spezialitäten eine besondere
Rolle eingeräumt ist, grösser als an den bisherigen Fakultäten.
Frankfurt besitzt Ordinariate für Ohrenheilkunde, Laryngologie,
Haut- und Geschlechtskrankheiten, Orthopädie. Von den beiden, der
Neurologie gewidmeten Extraordinariaten, ist der Inhaber des einen
Ordinarius geworden. Dem Ordinariat für pathologische Anatomie ist
ein Extraordinariat für experimentelle Pathologie beigegeben. Die
Pharmakologie ist von der experimentellen Therapie getrennt. Jede hat
ein Ordinariat, die letztere dazu noch ein Extraordinariat; ebenso steht
neben dem Ordinarius für Psychiatrie noch ein Extraordinarius. Bei
dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass auch die Physiologie in zwei Ordi¬
nariate geteilt ist, etwas, was ja schon laDge gewünscht wird. Für die
gleiche Teilung der Anatomie, die ebenso notwendig wäre, sind bisher
noch keine Mittel vorhanden. Es ist aber nicht zu zweifeln, dass sie
gefunden werden.
Zahlreiche Neubauten wurden natürlich für diese medizinische
Fakultät notwendig, von denen namentlich die Prachtbauten der Dr.
Senckenberg’schen Anatomie und des Theodor Stern-Hause9 für
Physiologie und Pharmakologie hervorzuheben sind. Schon vor Abschluss
der Universitätspläne waren die Bauten der pathologischen Anatomie,
die für die Hygiene und die physiologische Chemie errichtet und im
Krankenhaus selbst alle Kliniken wohl ausgebaut, war eine therapeuti¬
sche Station mit allen Hilfsmitteln errichtet, waren die teils staatlichen,
teils privaten, von Ehrlich geleiteten Institute für Serumforschung,
experimentelle Therapie usw. erbaut und im Betrieb. Die sehr umfang¬
reiche und oft ausserordentlich schwierige VeTwaltungsarbeit, welche
hier und überhaupt bei der Einrichtung der medizinischen Fakultät ge¬
leistet werden musste, hat in treuer Fürsorge und mit weitschauendem
Blick der Frankfurter Stadtrat Dr. Wöll geleistet.
Der Lehrkörper, der nun im wesentlichen ernannt ist, 9etzt sich wie
folgt zusammen: Anatomie usw. wird Prof. ord. Göppert, unterstützt
von Bluntschli als Prosektor, lesen; die Physiologie vertreten die
Proff. ord. E mb den und Bethe; die pathologische Anatomie Prof. ord.
B. Fischer mit dem Prosektor Edgar Goldschmid; einzelne Teile
der allgemeinen Pathologie liest Prof, extraord. H. Apolant, Hygieniker
ist Prof. ord. M. Neisser, für Immunitätslehre, Serumlehre usw. ist
Prof, extraord. H. Sachs da; in die experimentelle Therapie und
Pharmakologie teilen sich die Proff. ord. Ehrlich undEllinger. Ver¬
treter der inneren Medizin sind die Proff. ord. Schwenkenbecher als
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Gck igle
Original fro-rri
UNIVERSUM OF IOWA
1780
BERLINER KLINISCHE WO CHENSCHRIFT.
Nr. 44.
Kliniker, Strassburger als Polikiiniker und Prof, extraord. ?. Metten-
heimer als Kinderarzt. Der Geburtshelfer ist Prof. ord. Walthard.
Pur die chirurgische Klinik treten mit einem grossen Stab von Assistenten,
Dozenten usw. Proff. ord. Rehn und Lu dl off ein. Ordinarius der
Psychiatrie ist Sioli, neben ihm wirkt als Extraordinarius Raecke.
Der Neurologie steht das grosse Siechenhaus zur Verfügung, das von
Prof, extraord. Knoblauch geleitet wird, und das neurologische Institut,
dem Prof. ord. Edinger vorstebt; der letztere wird zu seinen Samm¬
lungen und Laboratorien nooh eine klinische Abteilung erhalten, welche
Dr. Dreyfuss übernehmen wird. Augenheilkunde liest Prof. ord.
Schnaudigel, Ohrenheilkunde Prof. ord. Voss, Nasen-, Rachen- und
Kehlkopfkrankheiten Prof. ord. Spiess, Krankheiten der Haut und Ge¬
schlechtsorgane behandelt Prof. ord. K. Herxheim er. Die Organisation
der Abteilung für Zabnheilkunde ist noch nicht vollständig abgeschlossen,
der Krieg hat hier störend eingegriffen. Auch die gerichtliche Medizin
hat noch keinen definitiven Vertreter gefunden.
Im Moment, wo die medizinische Fakultät in das Leben tritt, hat
ihr die Pflicht gegen das Vaterland sehr wichtige Lehrer genommen, an
deren Stelle nicht, wie bei den alten Schwesternanstalten, andere Kräfte
eintreten konnten. Aber allen Schwierigkeiten zum Trotz wird es ge¬
lingen, fast den gesamten Unterricht aufzunebmen. Hier, wie überhaupt
während der ganzen Entwicklung der Universität und speziell der medi¬
zinischen Fakultät, bat die Regierung mit grosser Sorgfalt und Liberalität
vorangeholfen. Unter den Kräften, die für die Universität Frankfurt
wirkten, gebührt ihr besonderer Dank für weitsichtige Sorgfalt und
grösste Fürsorge. _ X.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Aus einem Feldpostbrief vom 3. Oktober von Geheimrat
Körte, Berlin, der zurzeit als beratender Chirurg bei einem General¬
kommando im Felde steht, an seine Angehörigen:
„Die Klagen über Aerzte sind sehr mit Vorsicht aufzunebmen!
Ein zerschossenes Bein kann brandig werden im Verband, ohne dass
es zu hindern ist. Der Schluss, dass der Verband den Brand verschuldet
bat, ist sehr gewagt! — Hier aus meinem Bereich — und ich sehe
ziemlich viel — kann ich nur sagen: ich bin überrascht und erfreut
zu sehen, was die Kollegen leisten! Nooh in jedem Lazarett oder
Sanitäts-Kompagnie habe ich mindestens einen, oft auch mehrere
chirurgisch gut ausgebildete Aerzte gefunden, und freue mich zu
sehen, was sie unter schwierigsten Umständen leisten. — Die Auf¬
gabe, ein paar Hundert Verwundete in Verband und Bettung (Lagerung
auf Stroh) zu bringen, mit geringster Beihilfe — die will geleistet sein.
Steigen die Verwundungen in die Tausende, dann übersteigt es mensch¬
liche Kräfte. Da können nicht alle Forderungen erfüllt werden, aber es
war nicht anders möglioh. — Was menschenmöglich ist, das wird in
schwerer Arbeit geleistet. Kritisieren zu Hause ist leicht! Besser macheu
schwer!! Ich lasse nichts auf unsere Aerzte im Felde kommen — das
mag jedem gesagt sein!! Wir haben hier keine leichte Aufgabe — es
gehören eiserne Nerven dazu. — In bezug auf die Frage der belgischen
Aerzte kann ich nur Lobenswertes berichten und habe viel gesehen und
kontrolliert. Die Chefs, z. B. Depage, tadellos. Jedoch kommt kein
deutscher Verwundeter mehr in belgische Hände, nur in deutsche Kriegs¬
lazarette, davon haben wir jetzt fünf in Brüssel und Umgegend.“
— Das kgl. bayrische Kriegsministerium gibt bekannt, dass der
König einen neuen Orden, den „Militär-Sanitätsorden“ gestiftet hat,
der an die Stelle des im Jahre 1812 gestifteten Militärsaoitäts-Ehren¬
zeichens treten soll. Der Orden wird für hervorragende Dienste im
Kriege verlieben, und zwar für bayrische und ausserbayrische Aerzte, die
sich um Angehörige der bayrischen Armee verdient gemacht haben.
Erstere müssen die Verleihung selbst bei einer Kommission beantragen,
für letztere muss er auf Vorschlag der Korps- usw.-Aerzte durch den
kommandierenden General beantragt werden. Der Orden wird in zwei
Klassen verliehen. In der Regel soll die Verleihung der 1. Klasse durch
den Besitz der 2. Klasse bedingt sein. Bei Verleihung der 1. Klasse
wird der Orden der 2. Klasse zurückgegeben. Mit dem Orden ist eine
lebenslängliche Zulage von 600 bzw. 300 M. jährlich verbunden. Die
bisherigen Inhaber des Militärsanitäts-Ehrenzeichens tragen dieses un¬
verändert fort.
— Auf eine Eingabe des Verbandes der Aerzte Deutschlands an
das Auswärtige Amt und das preussische Kriegsministerium, einen Aus¬
tausch der gefangenen oder in England zurückgehaltenen
deutschen Aerzte in die Wege zu leiten, ist seitens des Auswärtigen
Amtes folgende Antwort vom 9. Oktober eingelaufen: Durch Vermittlung
der hiesigen Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika ist der
grossbritannischen Regierung vorgeschlagen worden, den beiderseitigen
Aerzten, auch wenn sie sich im wehrpflichtigen Alter befinden, die
Abreise nach der Heimat zu gestatten.
— Die Gesellschaft deutscher Nervenärzte hat dem Roten
Kreuz den Betrag von dreitausend Mark für die Hilfslazarettzüge über¬
wiesen- Der deutsche Kongress für innere Medizin stiftete 5000 M. für
Kriegswohlfahrtspflege.
— Am 27. Oktober beging Wilhelm Erb sein 50jahnges Doktor-
jubiläum.
— Geheimer Medizinalrat Dr. Wilhelm Sander, der wie schon
gemeldet, die Leitung der städtischen Irrenanstalt in Dalldorf seines
hohen Alters wegen niedergelegt hat, ist durch Verleihung des Kronen-
ordens II. Kl. ausgezeichnet worden.
— Verlustliste. I. Gefallen: Stabsarzt d. R. Dr. Brockmann-
Tilsit. Einj.-Freiw. F. Janzon, stud. med. Unterarzt Dr. Karl
H. Müller-Cöln. Unterarzt Dr. Rettich. Oberarzt d. R. Dr. Schmidt-
gall - Potsdam, Garde du Corps. Oberarzt d. R. Dr. Wachsner.
Assistenzarzt d. R. Dr. Wiech mann-Hannover. Unteroffizier d. E.
H. Zech, cand. med., Feidart-Reg. Nr. 89. — II. Verwundet: Ober¬
arzt d. R. Dr. Birk, Privatdozent für Pädiatrie in Kiel. Stabsarzt Dr.
Brettschneider. Stabsarzt Dr. Engelmann. Oberarzt d. L. Dr.
Hahmann. Oberarzt Dr. Meyer. Oberarzt d. R. Dr. Peitzsch.
Assistenzarzt d. R. Dr. Schapals. Oberarzt d. R. Dr. Skrodzki.
Stabsarzt Dr. Spackeier. Stabsarzt Dr. Wasserfall. Stabsarzt Dr.
Wex. — III. Gestorben: Regimentsarzt Dr. Starke, Res. Inf.-Beg.
Nr, 78.
— Volkskrankheiten. Pest. Griechenland (22. VII.—4.IX.)
9. Niederländisch - Indien (23. IX’.—-6. X.) 878 und 897 f- —
Cholera. Oesterreich (4.—10.X.) 160 und 22 f. Ungarn (4.—10X.)
238. Slavonien (4.—10. X.) 11- Bosnien (4. —10.X.) 1. — Genick¬
starre. Preussen (11.—17.X) 1 und 1 f. Oesterreich (27. JX.
bis 3.X.) 2. — Spinale Kinderlähmung. Preussen (11.—17.X.)
3. Oesterreich (27. IX.— 8. X.) mehrere Fälle, darunter Militärpersonen.
Schweiz (4.—11. X.) 3. — Ruhr. Preussen (II.—17. X.) 300 and
19 f. Oesterreich (27. IX.-8. X.) 2067 und 74+. — Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Königsberg, Königs¬
hütte, Zabrze, Diphtherie und Krupp in Bottrop, Gotha, Lübeck,
Typhus in Frankfurt a. 0.
Hochschulnaohrichten.
Bonn. Der Privatdozent für innere Medizin, Prof. Joseph Esser,
dirigierender Arzt des St. Josephsbospitals, ist im Alter von 41 Jahren
gestorben. Habilitiert: Dr. G. A. Rost für Laryogologie. — Breslau.
Prof. Dr. L. Brieger, Primararzt der Abteilung für Hals-, Nasen- und
OhrenkrankheiteD, ist gestorben. — Heidelberg. Prof. Job. Hoff¬
man n hat die etatmässige ausserordentliche Professur für Neuropathologie
erhalten. — Zürich. Habilitiert: Dr. Otto Steiger, I. Assistent der
medizinischen Klinik, für innere Medizin.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Pensionierung: Kreisarzt, Geh. Med.-Rat Dr. A. Erdner in Görlitz.
Niederlassungen: Aerztin R. Hoffmann, Aerztin Dr. G, Bry,
F. Gareis und Dr. R. Sandheim in Stettin, K. Tietze in Alt¬
scherbitz, E. KlÖpzig, U. Löbner, Dr. W. Budde, H. Pfeifer,
A. Reingardt, M. Wolff, Dr. 0. Stein und B. Kamenz in Halle
a. S., J. Deupmann in Recklinghausen, Dr. A. Dyckerhoff in
Gelsenkirchen, H. E. Kreckwitz in Marburg, G. H. Schmitt in
Hanau.
Verzogen: Dr. 0. Knorer von Conradstein nach Neustadt (Wpr.), Dr.
G. Hantel von Neustadt (Wpr.) nach Conradstein, Dr. M. Gumz von
Joachimsthal i. M. nach Zoppot, Dr. H. Mellin von Altona, Dr. J.
Hensen von Berlin und H. Reuter von Berlin-Wilmersdorf nach Dan¬
zig, Dr. H. Löpp von Wiesloch b. Heidelberg nach Tiegenhof, Dr. P.
Zepf von Schwerin nach Jungfer, W. Regen von Berlin nachBerlin-
Oberscböneweide, Aerztin Dr. E. Loewy von München nach Berlin-
Steglitz, Dr. 0. Samuely von Franzensbad nach Niemegk, Aerztin
T. Cohn von Cöpenick, Aerztin M. Willieh geb. Kressmann von
Jena und Dr. P. Schuster von Charlottenburg nach Frankfurt a. 0.,
Dr. P. Baltzer vou Frankfurt a. 0. nach Zöblitz i. Erzgebirge, P.
Neukirch von Breslau nach Reichenbach i. Schl., Dr. 0. Jaenicke
von Cöln nach Wilhelmsburg a. E., A. Vögele von Frankfurt a. M.
nach Schönthal b. Künzelsau, K. 0. Sohücke von Berlin nach Frank¬
furt a. M.-Heddernheim, Geh. San.-Rat Dr. F. Haeber von Bad Hom¬
burg v. d. H. nach München, A. Dientz von Boppard nach Pfalzfeld,
Dr. 0. Kaendler von Dresden, Dr. W. Hammer von BerUn-Schone-
berg und Dr. R. Michaelis von Bremerhaven nach Stettin, Dr. J.
Kalkhof von Hohenmölsen nach Mainz, E. Jungmann von
Lichterfelde und Dr. H. Brandt von Cuxhaven nach Halle a. S., n*
Bleckmann von Wilhelmshaven nach Mannheim. Dr. K. Ganter von
Kiel nach Bocholt, J. Nolte von Herne, Dr. H. Bertlioh von Magdß-
bürg und Dr. W. Wessels von Potsdam nach Recklinghausen, v •
H. Guericke von Salzuflen nach Dahle, C. Obremski von ro >
Dr. P. Stöber von Dresden und Dr. J. Hermanns von Bonn na
Dortmund, Dr. R. Bouvier von Bonn nach Ihmert, Dr. w. *
von Reisen als Sohiffsarzt nach Bischofsheim (Landkr. Hanau;,
Berres von Winkel a. Rh. nach Ahrweiler.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: K. Hiey
Dortmund.
Gestorben: San.-Rat Dr. K. Grahlmann in Esens. «
Im Felde gefallen: Dr. 0. Suchsland aus Eisleben, rr
L. Kirchheim ans Marburg. - -
Für die Redaktion verantwortlich Prot Dr. Hans Kohn, Berlin W., B«yr eot ^ er ^_
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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UNIVERSITY OF IOWA
BERLINER
Oie Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden
Montag in Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4. —
Preia vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen
alle Bachhandlungon und Postanstalten an.
Alle Büniendungen für die ftedaktlm und !sp#4Wei
vrolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschvald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prot Dr. Hans Kohn. Augiist Hirschwald, Verlagsbachhandluog io Berlin
Montag, den 9. November 1914. JK 45. Einnndfünfzigster Jahrgang.
INHALT.
Originaliea : Adler: Beitrag zu den perforierenden Schussverletzungen
des Magens. (Illustr.) S. 1781.
Mühsam: Beitrag zur Behandlung des Tetanus. (Aus dem Reserve-
Lazarett II Berlin-Tempelhof, bakteriologisches Laboratorium und
Seuohenabteilung.) S. 1784.
Froehlich: Der Kriegssanitätsdienst io Berlin. (Illustr.) S. 1786.
Steindorff: Die Kriegsohirurgie des Sehorgans. S. 1787.
Bernhardt: Beitrag zum Symptomenkomplex der Brown-Sequard-
schen Lähmung. S. 1790.
de Langen: Beitrag zur Kasuistik des renalen Diabetes. (Aus der
medizinischen Universitätsklinik in Groningen.) S. 1792.
Fidler: Ein Beitrag zur Entstehung der Hernia diaphragmatica und
Dilatation des Zwerchfells. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu
Göttingen.) S. 1795.
Bleherbesprechangen : Eulenburg: Real-Encyclopädie der gesamten
Heilkunde. S. 1796. (Ref. Witte.) — Stern: Theorie und Praxis
der Blutentziehung. S. 1796. (Ref. Klieneberger.) — Cohn: Die
organischen Geschmacksstoffe. S. 1796. (Ref. Rona.) — Abend-
roth: Das bibliographische System der Naturgeschiohte und der
Medizin. S. 1797. (Ref. Roth.) — Klein*. Die Myelogonie als Stamm-
zelle der Knochenmarkzellen im Blute und in den blutbildenden
Organen und ihre Bedeutung unter normalen und pathologischen
Verhältnissen. S. 1797. (Ref. Hirschfeld.) — Uhlenhuth und
Dold: Hygienisches Praktikum. S. 1797. (Ref. Möllers.)
Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1797. — Therapie. S. 1798. —
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. S. 1798. —
Parasiten künde und Serologie. S. 1798. — Innere Medizin. S.1798. —
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1798. — Kinderheilkunde.
S. 1799. — Chirurgie. S. 1799. — Urologie. S. 1799. — Haut- und
Geschlechtskrankheiten. S. 1799. — Geburtshilfe und Gynäkologie.
S. 1799. — Augenheilkunde. S. 1799. — Hals-, Nasen- und Ohren¬
krankheiten. S. 1800.
Verhaudlugea ärztlicher fleselisehaftea: Aerztlicher Verein zu
München. S. 1800.
Kriegsärztliche Abende. S. 1800.
[.Tagung über Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zu
Bad Homburg v. d. H. (Schluss.) S. 1801.
Tagesgeschichtl. Notizen. S.1804. — Amtl. Mitteilungen. S.1804.
Beitrag zu den perforierenden Schuss¬
verletzungen des Magens. 1 )
Von
Dr. Adler-Berlin-Pankow.
Die Angaben über die Häufigkeit der perforierenden Bauch-
schus8verletzungen im Kriege haben insofern nur einen bedingten
Wert, als die sichere Feststellung, ob ein oder mehrere Bauch¬
organe wirklich perforiert sind, und welche, selbst bei Zuhilfe¬
nahme der Röntgenuntersuchung mannigfachen Schwierigkeiten
begegnet, wofern nicht operativ eingegriffen wird und hauptsäch¬
lich insofern, als bei den zahlreichen auf dem Schlachtfelde letal
verlaufenen Fällen eine genaue Ermittelung der Todesursache durch
Autopsie in der Regel überhaupt nicht möglich ist.
Die vorhandenen kriegsstatistischen Angaben beziehen sich deshalb
im wesentlichen auf die in Lazarettbehandlung gelangten Falle. Die
Kriegsstatistik der Bauchschuss Verletzungen von H. Fischer berechnet:
Schussverletzungen des Darmes.60,9 pCt.
„ der Leber.16,1 „
„ des Magens.7,3 „
„ der Niere.7,3 „
„ des Mesenteriums und der Blutgefässe 5,0 „
„ der Milz.2,7 „
des Pankreas.0,4 „
Im deutschen Kriegsanitätsbericht sind unter 194 genau diagnosti¬
zierten perforierenden Bauchschüssen 16 = 8,2pCt und bei Stevenson
unter 161 Fällen 13 = 8,1 pCt. Magenverletzungen angegeben.
Bewegt sich somit die Häufigkeit der Magenschüsse im Kriege ziem¬
lich übereinstimmend zwischen 7,3 und 8,2 pCt., so ergibt die Statistik
der Friedensverletzungen weit höhere Ziffern. Nach einer Zusammen¬
stellung der Mikulicz’sehen Klinik, welche 146 Bauchschusswunden
umfasst, war in 24 pCt. der Fälle der Magen verletzt und Siegel be¬
rechnet gar unter 225 penetrierenden Schuss- und Stichwunden des
Bauches 33 pCt. (71 Schüsse) des Magens. Kausch nimmt an, dass
diese auffallende Differenz der Häufigkeit der Magenverletzungen im Kriege
und im Frieden darauf zurückzuführen sei, dass der Magen im Frieden
häufiger i n gefülltem Zustand getroffen wird, als im Kriege. Ohne die
1) Abgekürzt vorgetragen in der Sitzung der „Kriegsärztlichen
Abende“ vom 22. September 1914.
grosse Bedeutung des Füllungszustandes des Magens für das Zustande¬
kommen und den Verlauf der Magenperforatiou unterschätzen zu wollen,
möchte ich doch eher annehmen, dass in erster Linie die unsichere Er¬
mittelung der unmittelbar auf dem Schlachtfelde letal verlaufenen Bauch¬
schüsse diese auffallend niedrige Ziffer der perforierenden Magenschüsse
im Kriege erklärt.
Die Schusswunden des Magens sind in der Regel perforierend.
Streifschüsse, welche nur die Serosa und Muscularis treffen, werden
selten beobachtet and können unerkannt zur Heilung kommen.
Trifft das Projektil annähernd senkrecht mit seiner Spitze den
Magen, so kann der kleine Einschuss glatt, rund oder schlitz¬
förmig seio, ebenso die meist grössere Ausschussöffnung. Dies
trifft jedoch nur zu für Fernschüsse kleinkalibriger Vollmantel¬
geschosse, welche mit hoher lebendiger Kraft durchschlagen, nicht
für Teilmantelgeschosse, Bleikugeln grösseren Kalibers und so¬
genannte Querschläger. Letztere erzeugen grosse unregelmässige
Wunden mit gequetschten und zerrissenen Rändern. Bei den aus¬
gedehnten schweren Zerreissungen durch Artilleriegeschosse, ins¬
besondere durch Granatsplitter, lassen sich bestimmte Typen über¬
haupt nicht aufstellen. Fast nie beobachtet man hierbei isolierte
Magenverletzungen, sondern meist gleichzeitig Zerreissungen an
Darm, Leber, Milz, Netz, Mesenterien und den grossen Gefässen.
Nur beim kleinkalibrigen Vollmantelgeschoss und bei einiger-
maassen leerem Magen kann man hoffen, dass die prolabierende
Magenschleimhaut ähnlich wie bei Dünndarmschusswunden die
kleine Oeffnung verschliesst und hierdurch den Anstritt von Magen¬
inhalt in die freie Bauchhöhle verhindert. Während von den drei
Schichten des Magendarmkanals am Darme Muscularis und Mucosa
meist einen geringeren Defekt zeigen, als die Serosa, verhält sich
nach den Untersuchungen von Goler und Scbjerning die resi¬
stentere Magenschleimhaut in der Regel umgekehrt: sie wird meist,
zumal am Ausschuss, in grösserer Ausdehnung verletzt gefunden
als die Serosa des Magens. Hämorrhagien in der Umgehung der
Schusswunde, zumal in der Submucosa, fehlen fast nie und er¬
leichtern beim Absuchen der Bauchhöhle das Auffinden der kleinen
Wunden. Diese Tatsache ist von Bedeutung, weil hei der häufigen
Multiplizität der Wunden leicht eine solche übersehen werden
kann. Besonders gefürchtet sind in dieser Hinsicht die Schüsse,
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Original frn-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 45.
It82
welche in querer oder schräger Richtung das Abdomen durch¬
setzen. Dent fand in einem solchen Palle 36 durch einen Schuss
erzeugte Darmperforationen.
Die perforierenden Verletzungen des Magens durch Artillerie¬
geschosse und grosskalibrige Gewehrprojektile, nicht minder die
durch Nahschösse kleinkalihriger Waffen erzeugten Magendarm-
ver letz sagen verlaufen in der Regel ungünstig und die grosse
Mehrzahl dieser Verwundeten bleibt auf dem Schlachtfelde infolge
von Verblutung aus den Mesenterialgefässen, oder sie erliegt bald
der septischen Perforationsperitonitis, den Folgen des Darmprolapses
uod der komplizierenden Verletzungen der Nachbarorgane. Aber
auch bei diesen schweren Verletzungen können vollkommene Hei¬
lungen Vorkommen. Wird dagegen der Magen durch kleinkalibrige
Geschosse aus grösserer Entfernung perforiert, so zeigt sieb, wenn
auch leider nicht immer, bei geeigneter Behandlung eine unver¬
kennbare Tendenz zu mehr oder weniger reaktionsloser Spontan¬
heilung und zwar noch in höherem Grade als wir dies von den
perforierenden Darmschusswunden wissen. Der Moment der Ver
letzung wird von dem Soldaten oft kaum empfunden, sie führt oft
nicht einmal zur sofortigen Kampfunfäbigkeit, nur durch Blutung
oder leichten Wundscbmerz macht sich später die Verwundung
bemerkbar. Binnen weniger Tage ist die kleine Wunde vernarbt
und der Mann ist wieder vollkommen dienstfähig. Aber keineswegs
immer beobachtet man einen derartig glatten Verlauf. Zwischen
den geschilderten Extremen leichtesten und schwersten Verlaufes
finden sich alle Gradunterschiede: shockartige Symptome im Mo¬
mente der Verletzung, später reflektorische Spannung der Bauch¬
decken, Fieber, Pulsbeschleunigung, erschwerte schmerzhafte Re¬
spiration mit costalem Typ, Schmerzen im Epigastrium bei leichtem
Druck und tiefer Inspiration, Erbrechen von Blut und Galle,
blutige Stühle. Das Schicksal des Verletzten ist mehrere Tage
Tage hindurch ungewiss. Ein Teil dieser Fälle verläuft unter
dem Bilde der progredienten Peritonitis letal, der andere Teil
gelangt bei geeigneter Behandlung dank der Bildung zunächst
fibrinöser Verklebungen und später von Verwachsungen der Per¬
forationsstelle mit Netz, Peritoneum oder benachbarten Darm¬
schlingen zur Heilung. Aber selbst nach ursprünglich gutartigem
Verlauf durch mehrere Wochen können subphrenische und intra¬
peritoneale Abscesse, sowie sekundäre Perforationen den Verlauf
komplizieren oder den günstigen Ausgang vereiteln.
Die Prognose der perforierenden Magenschusswunden ist
nach alledem stets eine zweifelhafte. Scheinbar desolate Fälle
sieht man zuweilen noch in Genesung übergehen, während ur¬
sprünglich reaktionslos verlaufende Fälle — zumal bei unzweck¬
mässiger Behandlung — letal enden. Die Mortalität der Bauch¬
schüsse beträgt, wenn man die auf dem Schlacbtfelde verbliebenen
miteinrechnet, nach Hildebrandt schätzungsweise mindestens
70 pCt., die der in Behandlung gelangten Fälle bei konservativer
Therapie 40 pCt. Stevenson berechnet die Mortalität der Dünn-
darmschüsse auf 62,8 pCt, der Dickdarmscbüsse auf 32,2 pCt.
und der Magenschüsse auf 15,3 pCt. Diese günstige Ziffer bei Magen¬
schüssen stützt sich indessen nur auf ein Beobacbtungsmaterial
von 13 Fällen! Im amerikanischen Sezessionskriege waren von
den Darmschüssen 80,3 pCt, von den Magenschüssen 75,9 pCt. letal.
Die Diagnose der perforierenden Magen Verletzung kann
leider häufig nicht mit Sicherheit gestellt werden. Die Praxis
ist deshalb längst dazu übergegaogen, jeden Bauch¬
schuss in dubio als perforierenden anzusehen und dem¬
entsprechend zu behandeln. Denn durch vielfache Er¬
fahrungen ist erwiesen, dass Schusswunden des Magens und
Darmes ohne klinische Symptome verlaufen können, and dass die
klassischen Symptome der Perforation gar nicht oder erst so spät
auftreten können, dass sie für eine wirksame Behandlung nicht
mehr von ausschlaggebender Bedeutung sind. Unter den Unter-
suebungsmethoden steht bei Steckschüssen an Bedeutung obenan
das Röntgenverfahren, welches sich mit grösster Vorsicht auch
bei Bettruhe durchführen lässt. Allerdings verbietet sich bei Ver¬
dacht auf perforierende Magenverletzung die Darreichung einer
Kontrastspeise in den ersten Tagen nach der Verletzung von selbst.
Die Röntgenuntersuchung wird häufig entscheiden, ob eine Ver¬
letzung der Brust- oder Baucheingeweide, oder ob beides gleich¬
zeitig vorliegt — eine sehr wichtige und häufig zur Entscheidung
stehende Frage. Die röntgenologisch ermittelte Lage des Pro¬
jektils, die Anwendung der verschiedenen Verfahren zur Tiefen-
bestimmung, die Lage der Einschussöffnung und bei Darcbschüssen
die Verbindungslinie zwischen Ein- und Ausschuss werden in
manchen Fällen eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose ermöglichen,
aber auch nicht mehr. Denn die topographischen Magen¬
grenzen unterliegen je nach dem Füllungszustande desselben
recht erheblichen Schwankungen.
Wenn wir uns die Grenzen des in mittlerem Füllangszustande
befindlichen Magens auf die vordere Bauch wand projizieren, so
liegt der Magen nach der Darstellung von Rauber-Kopscb
zu 3 /a im linken Hypocbondrium and zu 1 / 4 im Epigastrium. Die
Cardia befindet sich in der Höhe des XL Brustwirbels und in der
Höhe des VI.—VH. Rippenknorpels am linken Sternalrande. Der
Pylorns Hegt meist rechts vom XII. Brustwirbel. Der linke Rand
und das UDtere Ende des Processus xipboideus entsprechen der
Lage der kleinen Kurvatur. Der rechte Rippenbogen zieht mit
dem VIII. Rippenknorpel an dem von der Leber bedeckten rechten
Ende des Magens herab, während der linke Rippenbogen den
Magen in schräger Richtung in eine grössere linke und eine
kleinere rechte Hälfte halbiert. Der Magenfundus reicht bis zur
Höhe des V. linken Rippenknorpels aufwärts. Vergegenwärtigen
wir uns ferner, dass die untere Pleuragrenze, d. h. die Umschlag-
stelle der Pleura diaphragmatica auf die Pleura costalis leicht
abwärts gebogen vom Sternalrande des Vl. Rippenknorpels über
die Knorpelknochengrenze der VII. Rippe hinweg bis zum Halse
der XII. Rippe zieht, wobei die linke Pleuralinie stets etwas tiefer
steht als die rechte, so leuchtet es ein, wie leicht ein Einschnss,
welcher unterhalb des V. Rippenknorpels die vordere Brustwand
trifft, gleichzeitig Pleura und Magen verletzen kann. Diese ana¬
tomischen Daten versagen nun aber leider bei den durch die Ge¬
fechtsart bedingten besonders zahlreichen Fällen, in welchen das
Geschoss den Körper in liegender Stellung in mehr weniger
schräger Richtung von oben nach unten durchsetzt, und somit
sind auch die anatomischen Grundlagen für die Diagnose nicht
immer entscheidend.
Was nun die klinischen Symptome anbetrifft, so ist der
primäre Wundschmerz für die Diagnose der Magenperforation nnr
wenig zu verwerten, da er zuweilen vollkommen fehlt, zuweilen
in allen möglichen Variationen vorkommt. Mauche Soldaten be¬
merken die Verletzung gar nicht und kämpfen weiter, manche
stürzen shockartig schwer getroffen um und sind nicht imstande,
sieb wieder zu erheben. Auch in dem unten zu besprechenden
Falle wurde der in knieender Stellung getroffene Mann nach der
rechten Seite umgeworfen, aber augenscheinlich nur deshalb, weil
das Projektil zunächst in eine Mauer einschlug und gleichzeitig
mit dem Geschoss ein Stück Mauerstein den linken Rippenbogen
traf. Erholen sich die Verwundeten nicht rasch vom primären
Shock, so ist anzunehmen, dass eine komplizierte Verletzung eines
oder mehrerer Bauchorgane bzw. eine innere Blutung vorliegt
Frühzeitiges Erbrechen von Blut und Galle, bluthaltige Stühle
sprechen sehr für Magen- oder Darmverletzung; tritt das Erbrechen
erst im weiteren Verlauf und im Verein mit reflektorischer Bauch-
deckenspannung auf, so ist es ein wichtiges Zeichen der Peri¬
tonitis. Im Frühstadium aber, insbesondere unmittelbar nach der
Verletzung muss man mit der Verwertung der reflektorischen
Bauchdeckenspannung vorsichtig sein, da sie auch bei pene¬
trierenden Thoraxschüssen ohne Magendarm Verletzung vorkommt.
Wiederholt haben Laparotomien, welche auf dieses Symptom bin
ausgeführt worden, ergeben, dass die Bauchhöhle gar nicht ver¬
letzt war. Umgekehrt beobachtet man auch erschwerte schmerz¬
hafte Respiration bei penetriereuden Bauchschüssen ohne jede
Verletzung der Brustorgane. Das Verschwinden der Leberdämpfong
ist zwar bei positivem Befund ein wertvolles Symptom der Per¬
foration, sein Fehlen spricht jedoch in keiner Weise gegen eine
solche. Diese Erfahrung konnten wir auch bei perforierten Magen¬
geschwüren wiederholt bestätigen.
Somit sehen wir, dass auch alle diese klinischen Symptome
unsicher sind, und dass vor allem die sichere klinische Fest¬
stellung, welcher Abschnitt des Magendarmtractus perforiert ist,
nur selten möglich ist. Ich sehe dabei ab *von den mit grösseren
Bauchwanddefekten und Eingeweideprolaps einhergehenden Ver¬
letzungen, bei welchen die Entleerung von Magen- oder Darm¬
inhalt durch die Bauch wunde einen ziemlich sicheren Hinweis bildet.
Die guten Resultate der operativen Behandlung der pene¬
trierenden Magendarmverletzungen, welche unter den günstigen
Bedingungen der Friedenspraxis erzielt werden, sind bekannt.
Leider lassen sich die Erfahrungen der Friedenspraxis nicht auf
die äusserst ungünstigen Verhältnisse im Kriege übertragen. Die
Erfahrungen der letzten Kriege haben vielmehr gelehrt, dass nur
ganz ausnahmsweise die Möglichkeit besteht, aseptische Laparo¬
tomien systematisch, wie im Frieden, durchzuführen. Im
afrikanischen Kriege und im amerikanischen Kriege auf Km*
und den Philippinen ergaben die Laparotomien eine Mortalität*
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Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Ziffer von 69—88 pCt.! Hält man diesen Zahlen die bereits oben
erwähnte Tatsache gegenüber, dass von den Bauchverletzungen
im Kriege im ganzen vielleicht 70 pCt., von den in Lazarettpflege
gelangten, bei konservativer Behandlung nur etwa 40 pCt. starben,
so wird es verständlich, dass die Laparotomie bei Bauschschüssen
im Kriege grundsätzlich verlassen worden ist, wofern nicht in
besonderen Fällen die Bedingungen ebenso günstig liegen sollten
wie im Frieden, oder eine innere Blutung bei noch leidlich gutem
Allgemeinzustand rasches Handeln erheischt. Im Frieden ergibt
die Laparotomie, wenn sie in den ersten Stunden nach der Ver¬
letzung ausgeführt wird eine Mortalität von 15,2 pCt., nach
5—8 Stunden beträgt sie 44,4 pCt., nach 9—12 Stunden 63,6 pCt.
und noch später 70 pCt. (Siegel). Hier zeigt sich evident die
Bedeutung der Frühoperation! Die Verhältnisse des Krieges
werden nur selten eine Frühoperation unter günstigen Bedingungen
zulassen. Die exspektative Behandlung der penetrierenden Magen¬
wunden baut sich auf der Erfahrung auf, dass den serösen
Flächen die Tendenz zu rascher und fester Verklebung in hohem
Grade eigen ist. Beruhen doch, streng genommen, auf dieser
Eigenschaft alle die glänzenden Erfolge unserer Magendarm-
chirurgie. Die Therapie hat also die Aufgabe, die Bildung dieser
Verklebungen auf jede Weise zu unterstützen und alles zu ver¬
meiden, was diesen Vorgang beeinträchtigen könnte. Jede Schuss¬
verletzung des Abdomens ist demgemäss in dubio als perforierende
anzusehen und zu behandeln. Vielfache Erfahrungen beweisen,
dass mehrstündiges ruhiges Liegenbleiben auf dem Schlachtfelde
unter absoluter Nahrungsenthaltung für den günstigen Ausgang
von grösster Bedeutung ist. Selbst der Genuss von Wasser ist für
die ersten 2 —3 Tage strengstens zu verbieten. Soldaten und
Sanitätspersonal sind hierüber schon in Friedenszeiten zu instru¬
ieren. Je später der Transport vom Schlachtfelde erfolgt, desto
besser. Der Verletzte ist mit grösster Vorsicht in das nächst¬
gelegene Lazarett zu transportieren, ein weiterer Transport mit
der Bahn ist in der ersten Woche tunlichst zu vermeiden. Opiate
sorgen für Ruhigstellung des Magens und Darmes. Der Durst
wird durch Rectaleinläufe oder subcutane Kochsalinfusionen be¬
kämpft. Kompakte Nahrung wird vor Ablauf von 14 Tagen
nicht gereicht. Innere Abführmittel sind zu vermeiden. Bilden
sich im weiteren Verlaufe abgekapselte Abscesse zwischen den
Adhäsionen, so sind sie nach den bekannten Regeln operativ zu
behandeln.
Wir sehen somit, dass die kriegschirurgische Behandlung der
penetrierenden Bauchschüsse nach den ungünstigen Erfahrungen,
welche die primäre Laparotomie in den letzten Kriegen gezeitigt
hat, sich heute noch auf den altbewährten Grundsätzen aufbaut,
welche Stromeyer in seinen „Maximen der Kriegsheilkunst“
schon vor mehr als einem halben Jahrhundert treffend ge¬
zeichnet hat.
Ein von uns beobachteter Fall von perforierendem Magen¬
schuss möge das oben Gesagte illustrieren:
Der 25 jährige Füsilier des 1. ostpreussischen Grenadier-Regiments
„Kronprinz“, F. B., erhielt am 20. August 1914 in der Schlacht bei
Gumbinnen aus etwa 200 m Entfernung einen Gewehrschuss in der
Gegend oberhalb des linken Rippenbogens. Nach Angabe des Verletzten
ist das Geschoss erst auf eine in der Nähe stehende Scheune auf¬
geschlagen, hat einen Mauerstein an deren Wand zertrümmert; ein
Stück dieses Steins traf ihn mit dem Geschoss, während er in knieender
Stellung feuerte. Er wurde nach der rechten Seite hin umgeworfen,
konnte sich aber alsbald wieder erheben. Die Verwundung erfolgte um
10 Uhr vormittags. B. hatte 4 Stunden zuvor 2 Cakes, sonst aber
keinerlei Nahrung oder Getränk zu sich genommen. Er glaubte an¬
fänglich, nur von dem Stein getroffen zu sein. Erst durch den leichten
Wundschmerz und den Blutfleck am Waffenrock wurde er auf die Ver¬
wundung aufmerksam. Er konnte anfangs nur leicht gebückt gehen,
legte aber den Weg zu dem l / 2 Stunde entfernten Truppenverbandplatz
allein zu Fuss zurück und marschierte dann nach Anlegung eines Ver¬
bandes noch 1 Stunde weiter bis zur Sanitätskompagnie, von wo er auf
einem von russischen Gefangenen gezogenen Kutschwagen sitzend nach
5 stündiger Fahrt nachts Gumbinnen erreichte. Von hier wurde B. am
folgenden Tage auf einem Leiterwagen sitzend in 10 stündiger Fahrt
nach Insterburg befördert. Von Insterburg nach Berlin war B. dann
2 Tage und 2 Nächte unterwegs und verbrachte die Zeit auf der Holz¬
bank eines Güterwagens teils sitzend, teils liegend. Auf der langen
Reise bat er von den auf vielen Stationen in Form von belegten
Brötchen, Würstchen, Obst, Limonade und Zigarren reichlich dargebotenen
Liebesgaben ausgiebigen Gebrauch gemacht.
Ich erwähne diese Vorgänge, weil sie zeigen, dass alle wohl¬
durchdachten Bestimmungen der Kriegssanitätsordnung und die
bewährten Grundsätze der Kriegschirurgie über den Haufen ge¬
worfen werden können, wenn der Feind in grober Missachtung
der Bestimmungen der Genfer Konvention die Lazarette nicht
schont. So wird berichtet, dass in diesen kritischen Tagen der
Chef des grossen Insterburger Reservelazaretts mit sämtlichen
Verwundeten, dem Personal und Inventar sich zurückziehen musste
und 3 Tage unterwegs war (Kanzow). Da ist es begreiflich,
dass infolge derartiger elementarer Ereignisse mancher Schwer¬
verletzte, welcher grundsätzlich vor einem weiten Transport hätte
bewahrt werden sollen, möglichst schnell und möglichst weit
wegtransportiert werden musste und die grosse Zahl der zu
transportierenden Verwundeten brachte es mit sich, dass nicht
alle, bei welchen es angezeigt erschien, in wohleingerichteten
Sanitätszügen liegend transportiert werden konnten.
Am 24. August traf der Verwundete in Berlin ein, und wir
erhoben folgenden Befund:
Gutes Allgemeinbefinden. B. hat den weiten Transport gut über¬
standen. Erbrechen oder Aufstossen waren unterwegs nicht aufgetreten
und bestanden auch bei der Aufnahme nicht. Der Verwundete klagte
nur über leichte Schmerzen im Epigastrium bei Druck und tiefer Inspi¬
ration. Temperatur 37,1°. Puls 68, kräftig, regelmässig. 2 cm langer
schrägovaler Einschuss mit handtellergrosser sugillierter Umgebung,
zwischen 7. und 8. linken Rippenknorpel 2 cm einwärts von der linken
Mamillarlinie und 3 cm oberhalb des Rippenbogens. Ausschussöffnung
nicht vorhanden. Herz, Lungen, Pleura intakt. Atmung regelmässig,
costo-abdominal. Abdomen weich, keine Dämpfung der abhängigen
Teile. Stuhl regelmässig, frei von Blut.
Trotz des guten Allgemeinbefindens und des Fehlens ausgesprochener
abdomineller Reizerscheinungen haben wir auf Grund der anatomischen
Lage der Einschussöffnung die Verletzung als penetrierende Bauchwundo
angesehen und zunächst mit strenger Diät und Bettruhe behandelt. Die
Heilung der Einschussöffnung nahm einen normalen Verlauf. Bei an¬
dauernd gutem Allgemeinbefinden hat dann unser Röntgenologe
Dr. Tugendreich am 28. August die erste Röntgenuntersuchung vor¬
genommen. Hierbei wurde festgestellt, dass das an der Spitze gestauchte
Vollmantelgeschoss etwa 7 cm unterhalb der linken Zwerchfellkuppe
lag. Die deformierte Spitze war etwa 1,5 cm vom linken Rande des
ersten Lendenwirbelkörpers entfernt. (Abbildung 1.)
Abbildung 1.
a = Projektil, b = Körper des ersten Lendenwirbels, c = linke
Zwerohfellkuppe.
Die Durchleuchtung ergab ferner, dass das Zwerchfell gut beweg¬
lich und die Pleurahöhle frei von Exsudat war. Diese Feststellung war
wichtig, weil nach der anatomischen Lage der Einschussöffnung eine Ver¬
letzung der Pleura sehr wohl möglich war.
Die zweite, am 4. September nach Einnahme einer Wismutmahlzeit
vorgenommene Röntgenaufnahme hatte das unzweifelhafte Ergeb¬
nis, dass das Projektil frei im Magen lag. (Abbildung 2.) Es
befand sich am untersten Pol der grossen Kurvatur rechts von der
Wirbelsäule in der Pars praepylorica, deren konvex geschwungene Linie
im Schattenbild durch das am tiefsten Punkt liegende Projektil hervor¬
getrieben und bei a und b winklig unterbrochen wird, während die
Strecke a—b annähernd geradlinig verläuft. Pylorus und Pars prae¬
pylorica sind rechts gelagert. Am Fundus zeigt die grosse Kurvatur bei
c eine unregelmässige Auftreibung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass
diese Stelle der Einschussöffnung im Magen entspricht und dass hier
bereits perigastritische Verdichtungen und Adhäsionen (Netz?) sich ge¬
bildet haben. Das Geschoss liegt in der Höhe des 3.—4. Lendenwirbels
und hebt sich mit dem Magen bei aktiver Einziehung des Leibes.
Bei der am 7. September vorgenommenen Röntgenuntersuchung
fand sich das mit der Spitze nach rechts und oben gerichtete Projektil
scheinbar dicht über dem Acetabulum des rechten Hüftgelenkes. Es
bewegte sich bei der Atmung, hob sich bei aktiver Einziehung des Ab¬
domens und lag augenscheinlich im Coecum. (Abbildung 3.)
Jeder Zweifel wurde dadurch beseitigt, dass wir bei der am folgenden
Tage (8. September) vorgenommenen Untersuchung das mit der Spitze
nach links unten gerichtete Geschoss in der Mittellinie vor dem Körper
des 5. Lendenwirbels, offenbar im Colon transversura liegend vorfanden.
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1784
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 46.
Auch jetzt war es verschieblich bei der Respiration und Einziehung der
Bauchwand. (Abbildung 4.)
Bei sorgsamer Durchsuchung der Abgänge wurde das
1 rojektil 3 Tage später, am 11. September im Stuhlgang
gefunden. (Abbildung 5.)
Abbildung 2.
a—b
a—b — Lage des Projektils an der grossen Kurvatur, c = Auftreibung
am Fundus (Perigastritis?).
Abbildung 3.
a = Lage des Projektils über dem Acetabulum des rechten Hüftgelenks.
Abbildung 4.
a = Lage des Projektils vor dem Körper des 5. Lendenwirbels.
Abbildung 5.
Ein derartiger spontaner Abgang des Projektils scheint, so¬
weit aus der Literatur ersichtlich, ziemlich selten vorzukommen,
relativ am häufigsten noch bei Steckschüssen des Dickdarms und
Mastdarms. Möglich ist immerhin, dass der Vorgang öfters über¬
sehen wird, wenn die Abgänge nicht täglich durchsucht werden.
Unser Fall zeigt die grosse diagnostische Bedeutung einer
vorsichtigen, systematisch durchgeführten Röntgenuntersuchung.
Mag auch bei Erbrechen blutiger Massen, bei manifesten oder
okkulten bluthaltigen Stühlen die Diagnose der perforierenden
Magenverletzung ohne Röntgenverfahren möglich sein, so erlaubt
uns doch kein anderes Verfahren in gleich schonender und exakter
Weise, den Sitz und eventuell die Wanderung des Projektils fest¬
zustellen. Alle die übrigen, oben besprochenen diagnostischen
Hilfsmittel, insbesondere die klinischen Symptome, haben in
unserem Falle versagt. Ausser der etwas erschwerten und schmerz¬
haften Inspiration und Druckempfindlicbkeit im Epigastrium waren
klinische Symptome, welche auf eine Perforation der Bauch-
eingeweide hindeuteten, überhaupt nicht vorhanden! Der günstige
Ausgang ist in unserem Falle wahrscheinlich darauf zurückzu¬
führen, dass der Magen in leerem Zustand verletzt wurde und die
Perforation nach der anatomischen Lage des Einschusses und dem
Röntgenbefunde am oberen Abschnitt des Fundus oder im cardialen
Teil erfolgte, an welchem ein Austritt von Mageninhalt nicht so
leicht zustande kommen kann. Wahrscheinlich haben sich sehr
rasch die schützenden Verklebungen und Adhäsionen gebildet, so
dass die nachher ziemlich reichlich genossene kompakte und
flüssige Nahrung dem Verletzten nicht zum Verhängnis geworden
ist. Es wäre aber gewiss nicht gerechtfertigt, auf Grund der¬
artiger — zumal vereinzelter — Erfahrungen an den oben er¬
örterten bewährten Grundsätzen der Behandlung: RubigstelluDg
des Magendarmkanals, absolute Nabrungsentziehong für die ersten
Tage, Vermeidung frühzeitigen Transportes rütteln zu wollen. Im
Gegenteil scheinen mir solche Fälle, welche die grosse Tendenz
zur Spontanheilung bei perforierenden Wunden des Magendarm¬
kanals illustrieren, ein weiterer Ansporn zu sein, diese Tendenz
mit allen uns zu Gebote stehenden therapeutischen Maassnahmen
zu unterstützen.
Aus dem Reserve-Lazarett II Berlin-Tempelhof (Dir.:
Generaloherarzt Dr. Kaether). Bakteriologisches Labo¬
ratorium und Seuchenabteilung.
Beitrag zur Behandlung des Tetanus.
Vou
Dr. Hans Mühsam-Berlin.
Systematisch gehört der Tetanus zu den Toxämien. Wie
hier durch die Resorption giftiger Produkte von eng umschriebenen
Distrikten (z. B. des Dysenterietoxins, aus dem Darm, oder auch
toxisch wirkender Produkte bei lang dauernder Obstipation
putrider Massen bei stagnierendem Lochialfluss usw.) schwere
Allgemeinerscheinungen hervorgerufen werden können, die nach
Beseitigung des lokalen Krankheitsherdes von selbst verschwinden,
so würde auch, nach Vernichtung der Bacillen, der Starrkrampf
beseitigt sein, wenn nicht das Tetanusgift eine so innige Ver¬
wandtschaft zum Centralnervensystem besässe. Dieser Umstand
allein zwingt uns, über die Ausrottung des Feindes hinaus auch
noch die Spuren seiner früheren Anwesenheit hinwegzuräumen.
Unter den Vorschlägen zur Behandlung des Tetanus be¬
schäftigen sich die meisten mit der Art der Applikation des
Tetanusserums. So wichtig diese Frage auch ist, stellt ihre Be¬
antwortung doch nur die Lösung eines Teilproblems dar.
Durch die Einspritzung des Antitoxins wird zwar das Tetanus¬
gift mehr oder weniger neutralisiert und seine Wirkung auf den
Organismus ausgesehaltet. So lange aber die Tetanusbacillen im
Körper bleiben, produzieren sie immer neue Mengen von Toxin,
und schliesslich ist es nicht mehr möglich, alles Gift unwirksam
zu machen. Es ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben einer
rationellen Tetanusbehandlung, die Neubildung von Toxin zu ver¬
hüten.
Dazu gibt uns nun die Kenntnis der Biologie der Starrkrampf¬
bacillen eine sehr gute Handhabe. Der Bacillus tetani ist ein
strenger Anaerobier. Nur bei völligem Fehlen von Sauerstoff
vermag er sich zu entwickeln. In der künstlichen Kultur können
wir das dadurch erreichen, dass wir die Zufuhr von Loft ab¬
sperren und eventuell an ihre Stelle ein anderes Gas bringen,
oder aber dadurch, dass wir den Sauerstoff der Luft durch redu¬
zierendes Material von den Tetanusbacillen ablenken.
Welche Bedingungen gestatten nun dem nur bei Sauerstoff-
abschluss gedeihenden Bacillus sich im menschlichen Körper zu
entwickeln, der doch beständig vom sauerstoffhaltigen Blute durch-
strömt wird? Die erstgenannte Möglichkeit der künstlichen Kulti*
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Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
0. November 1014.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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vierung, die Unterbindung der Saaerstoffzafuhr, würde voraus¬
setzen, dass der Bacillenherd an einer Stelle liegt, wo er vom
Blute und Gewebssaft nicht umspült wird. Im unverletzten Körper
wird diese Bedingung nirgends hinlänglich verwirklicht; im ver¬
letzten aber dort, wo Gewebe aus ihrem natürlichen Zusammen¬
hänge gerissen, aus der Circulation ausgeschaltet sind. Hier
finden die Tetanusbacillen einen günstigen Nährboden. Das von
diesem Herde produzierte Gift gelangt entlang einer unzerrissenen
Nervenfaser auf Nervenbahnen fortschreitend in das Centralnerven¬
system. Es wäre auch denkbar, dass das Gift durch Diffusion
aus dem abgestorbenen Gewebe in das gesunde hineingelangt und
von hier aus entlang einer peripheren Nervenbahn das Central¬
nervensystem erreicht.
Aber auch das zweite der von uns zu Züchtungszwecken be¬
nutzten Verfahren hat sein Analogon im menschlichen Körper.
Gleichzeitig mit dem Tetanuserreger geraten andere Bakterien in
die Wunde, die sich im Körper entwickeln und im Gegensatz zum
Starrkrampfbacillus sehr viel Sauerstoff gebrauchen. Diese spielen
die Rolle der Reduktionsmittel und geben den Tetanusbacillen die
Lebensmöglichkeit, indem sie sie vor dem Zutritt des Sauerstoffs
schützen.
Aus diesen Kenntnissen ergibt sich nun leicht das Verfahren,
um die Tetanusbacillen zu beseitigen oder unschädlich zu machen:
1. Es werden alle mit der Circulation nicht mehr
io ausreichendem Maasse zusammenhängenden Gewebe
entfernt. Dabei ist zu beachten, dass die keimhaltigen Gewebs-
fetzen nur sehr klein zu sein brauchen, um einer Bacillenkolonie
zur Brutstätte zu dienen, die bei der ungeheuren Giftigkeit des
Tetanusgiftes hinlängliche Toxindosen zu produzieren vermag, um
den Verwundeten zu töten. Aus diesem Grunde soll bei be¬
ginnendem Kinnbackenkrampf nicht nur die vielleicht schon makro¬
skopisch beschmutzte Einschussöffnung Umschnitten und mit Schere,
Scalpell und eventuell scharfem Löffel gesäubert werden, sondern
auch der Schusskanal. Wenn irgend möglich, soll beim Auftreten
von Trismus Ein- und Ausschussöffoung durch den Kanal hindurch
nach aussen gespalten und so eine weit offene Wunde hergestellt
werden. Da der Tetanusbacillus nicht tief in das Gewebe ein¬
dringt, so kann man durch Entfernung der oberflächlichen
Schichten mit ziemlicher Sicherheit auf Beseitigung des Io-
fektionsstoffes rechnen. Die weit offene Wundbehandlung und die
nicht zu schüchterne Entfernung der zertrümmerten und der ober¬
flächlichen gesunden Gewebsschichten sind der Angelpunkt der
rationellen Tetanustherapie. Damit ist meist auch die
2. Forderung erfüllt: die Beseitigung reduzierenden
Materials, das dnrch Sauerstoffabsorption den Tetanusbacillen
die Entwicklungsmöglichkeit verschafft, die Beseitigung von Eiter¬
erregern und anderem — auch sapropbytischem — Material.
3. Um aber trotzdem im Körper verbliebene Tetanusbacillen
unschädlich zu machen, durchtränken wir die ganze Wunde,
so stark wir können, mit Sauerstoff. Von allen dazu io Be¬
tracht kommenden Mitteln lässt sich — so weit ich es übersehen
kann — nur das Wasserstoffsuperoxyd dazu verwenden. In die
möglichst weit offene Wunde wird der flüssige H 2 0 2 eingegossen,
der sich entwickelnde Schanm einige Male weggewischt und dann
die Wunde mit mit H 2 0 2 getränkten Kompressen ausgefüllt. Alle
1— 2 Stunden wird das Wasserstoffsuperoxyd nachgegossen und
2— 3 mal am Tage werden die Kompressen gewechselt. Der sich
unter dem Biofluss der Gewehskatalase entwickelnde gasförmige
Sauerstoff diffundiert durch die Schaumwände hindurch in das
Gewebe, von dem er begierig aufgenoramen wird. Das häufige
Nachgiessen ist notwendig, am Austrocknen zu vermeiden. Durch
die trockene Kruste hindurch findet keine Sauerstoffaufnahme in
die Gewebe statt; wohl aber entwickeln sich in ihr die Bacillen.
Für Schusskaoäle, die nicht nach aussen gespalten werden
können, eignet sich das Wasserstoffsuperoxyd in fester Form, das
als Perhydrit von Merk in den Handel gebracht wird und als
Stifte oder Pulver zur Verwendung gelangt. In dieser Form ist
es auch für Knochen wunden sehr brauchbar.
Von der Verwendung anderer Superoxyde wird man wohl ab-
sehen müssen, weil die nach Abspaltung des Sauerstoffs mit dem
Gewebssaft sich bildenden Hydrate teils ätzende, teils giftige
Wirkung haben (NaOH, Mg(0H) 2 usw.).
Ebenso dürfte die direkte Durchleitung von — natürlich
feuchtem — Sauerstoff, die besondere Vorrichtungen notwendig
machen würde, kaum praktisch durchführbar sein.
Es muss aber ausdrücklich davor gewarnt werden, durch
ein weissfällende Mittel, wie man sie sonst in der Wundchirurgie
anweudet (Höllenstein, essigsaure Tonerde usw., ferner Kauteri-
1785
sierung), eine Kruste zu schaffen, die den Zutritt von Sauerstoff
nur zurückhält uod das Wachstum der Tetanusbacillen begünstigt.
Ist die Wunde in allen ihren Teilen hinlänglich frei gelegt, so
dass das Wasserstoffsuperoxyd überall binkommen kann, so werden
die grössten Mengen von eitererregenden Bakterien nicht imstande
sein, den gesamten frei werdenden Sauerstoff mit Beschlag zu be¬
legen, und in kurzer Zeit gehen die Tetanusbacillen in dem
sauerstoffdarchtränkten Gewebe zugrunde. Diese Sättigung mit
Sauerstoff ist sofort bei der Betrachtung der Wunde an ihrem
intensiv hellroten Aussehen erkenntlich. Sind die tetanischen
Erscheinungen geschwunden, so kann die sonst übliche Behand¬
lung eiternder Wunden — mit Chlorkalk, Seifenbädern, Jod¬
tinktur usw. — einsetzen.
Es ist selbstverständlich, dass ausserdem von Tetanusserum,
intralumbal und intramuskulär abwechselnd angewandt, und von
Narcoticis (Chloroform, Chloral, Magoesiumsulfat) ausgiebiger
Gebrauch gemacht wird.
Die frühzeitige Inangriffnahme einer solchen Behandlung er¬
scheint um so wichtiger, als der Trismus genügt, um den
Kranken zu töten. Wenigstens habe ich einen Verwundeten, bei
welchem die Krämpfe niemals allgemein geworden waren, an einer
Schluckpneumonie zugrunde gehen sehen, die — wie ge¬
wöhnlich — dadurch entstanden war, dass er das nach Ver¬
schlucken in den Mund entleerte Sekret nicht auswerfen konnte
und aspirierte. Ich habe deshalb die Absicht — glücklicher¬
weise habe ich sie noch nicht auszuführen brauchen —, sobald
ein Verwundeter mit Trismus Anzeichen einer Bronchitis mit Tem¬
peraturanstieg zeigt, ihm eine genügend grosse Zahnlücke
zu schaffen, damit er durch sie hindurch expektorieren kann.
Wer einmal gesehen hat, wie solch ein armer Kranker mit ge¬
waltigen Anstrengungen, blaurot, spärliches zähes Sekret durch
die festgeschlossenen Zahnreihen hervorspritzt und die grössere
Menge immer wieder zurückzieht, wird das Opfer einiger gesunder
Zähne nicht für zu gross halten.
Der Kinubackenkrampf pflegt noch lange, wenn sonst nichts
mehr an die furchtbare Zeit der allgemeinen Krämpfe erinnert,
anzubalteo. Ohne weitere Zufuhr von Tetanusserum verschwindet
er allmählich, beschleunigt durch lokale Wärme, die auch sub¬
jektiv angenehm empfunden wird.
Bei den Krankengeschichten tritt der Nutzen der ätiologischen
antibakteriellen Therapie aus dem Grunde nicht hinlänglich klar
hervor, weil sie notwendig mit der symptomatischen antitoxischen
verbunden sein muss. Nur die Schnelligkeit, mit der die schweren
Vergiftungserscheinungen verschwinden, und das Ausbleiben von
Rückfällen lässt den Schluss zu, dass nach der Neutralisierung
des einmal von der infizierten Wunde in den Körper gelangten
Toxins neues Gift nicht mehr produziert wurde.
Als Beispiel der Wirkung kombinierter ätiologischer und
symptomatischer Behandlung mag folgender Auszug aus einer
Krankengeschichte dienen:
Engländer J. Cr. wird am 9. Oktober mit heftigsten Krampfanfällen,
Opistotonus, Atemstillstand auf der Höhe der Krämpfe, eingeliefert. Kurze
anfallsfreie Pausen. Heftige Schmerzen in allen Muskeln. Soll vor
25 Tagen verwundet worden sein, seit 14 Tagen Schmerzen in den Beinen,
seit mindesten 4 Tagen ausgesprochenen Tetanus haben. Patient lässt
dauernd dünnen Stuhl und Urin unter sich, ist bleich cyanotiscb, stöhnt
beständig. Genauere Untersuchung nicht möglich, weil jede Berührung
heftigste Krämpfe auslöst. In der Gegend des rechten Tuberculum tibiae
von schmutzigen Granulationen bedeckte zweimarkstückgrosse Wunde,
rechts davon ebensolche. Um beide bläulichroter entzündlicher Hof.
Die Gegend des Metatarso-Pbalangealgelenkes vom linken grossen Zeh
ist ein mit schmierigen Granulationen gefüllter fünfmarkstückgrosser
Defekt. Umgegend bläulichrot geschwollen. Temperatur 38,4°. Puls
klein, frequent. In Chloroformnarkose werden die Granulationen
entfernt, die Schienbeinwunde bis tief ins Knochenmark ausgelöffelt,
wobei übelriechende Massen entleert werden. Wunden bis ins Ge¬
sunde erweitert. Links liegt nach EntfernuDg der Granulationen das
Gelenk vollständig frei. Verband und mehrmaliges Uebergiessen des
Verbandes mit H 2 0 2 . Tetanusserum intralumbal und intramuskulär.
Morphium, Chloralhydrat. 10. X.: Krämpfe etwas weniger heftig und
seltener, in das Knochenmark Stäbchen von Perhydrit, links Bestäuben
des Gelenkes mit Perhydritpulver; darüber Mullkompresseo mit H 2 0 2 ,
die beständig wieder damit übergossen werden. Eine intramuskuläre In¬
jektion von Tetanusserum. Morphium 0,06, Chloral 4,0 pro die. 11. X.:
Krämpfe gar nicht mehr, nur bisweilen schmerzhafte Zuckungen. Für
die Schmerzen der Kaumuskulatur heisse Kompressen. 12. X.: Weder
Krämpfe noch Zuckungen. Gestern und heute noch Tetanusserum intra¬
muskulär. Weiter dauernde Durchträokung der gut sich reinigenden
Wunden mit H 2 0 2 , flüssig und fest. 14. X : Mund kann schon halb ge¬
öffnet werden. Tetanussymptome traten im weiteren Verlauf nicht mehr
auf. Patient geht es jetzt (2. XI.) ausgezeichnet. Die Beseitigung des
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1786
ganz schweren Krankheitsbildes nahm in diesem Falle nicht mehr als
drei Tage in Anspruch.
Länger hat die Beseitigung der Tetanussymptome bei gleicher
Behandlung in keinem Falle gedauert. Nur einer starb an einer
Schluckpneumonie.
Nr. 45.
sind am Oberschenkel blitzartige Zuckungen festzustellen, an der Wade
ausgesprochene E.A.R., die Fussstrecker ziehen sich blitzartig zusammen,
die Musculi interossei sprechen wenig an und träge.
Cremaster- und Baucbsebnenreflexe sind in normaler Weise aus¬
lösbar, die Haut am Bauch ist ohne Getüblsstörungen.
Abbildung 1.
BERLINER KLINISCHE WOC HENSCH RIFT
Der Kriegssanitätsdienst in Berlin.
VII.
l>ber einen Fall von Riickenmarksverlelzung.
Von
Dr. E. Froehlich,
Stationsarzt am Kriegsgefangenen-Lazarett Alexandrinenstr.
In einem der ersten kriegschirurgischen Vorstellungsabende
hat Herr Prof. M. Rothmann einen Fall von Rückenmarks¬
verletzung vorgestellt und hervorgehoben, wie die anatomisch¬
physiologischen Verhältnisse bei Verletzungen mit bestimmter
Lokalisation eine verhältnismässig günstige Prognose sowohl hin¬
sichtlich des allgemeinen Verlaufs wie des funktionellen End
ergebnisses ergäben. Die Verletzungen dieser Art sind nicht so
besonders häufig, so dass sich die Beschreibung eines ähnlichen
Falles wohl rechtfertigt, der wie der Rothmann’sche Fall gute
Aussichten auf Besserung hat.
Ein russischer Infanterist wurde am 10. September aus unbekannter
Entfernung durch einen Schrapnellschuss in den Rücken verwundet. Er
lag seitlich auf der Ackererde, nicht im Schützengraben. Die Wunde
blutete wenig, der Kranke konnte aber sofort nicht aufsteheD, er rutschte
auf den Knien zum Feldscher, der ihn verband. Ein Kamerad trug ihn
dann auf dem Rücken zum deutschen Feldlazarett, wo er 4 Tage ver¬
blieb. Nach 3 tägiger, gut überstandener Fahrt, in Berlin angelangt,
wurde er eine Nacht in einem anderen Berliner Lazarett aufgenommen
und dann hierher übergeführt. Er berichtet, dass er im Feldlazarett die
Beine noch gar nicht hatte bewegen können, aber schon auf dem Trans¬
port hätte sich eine geringe Bewegungsraöglichkeit eingestellt; diese ist
in der Folge immer ausgiebiger geworden, so dass Patient sich jetzt
mittels Stockes ganz gut fortbewegen kann. Die Wunde war schnell
und ohne Störungen verheilt. Blasen- und Mastdarrastörungen waren
anfangs sehr erheblich vorhanden, jetzt kann Patient Urin und Kot halten
und willkürlich entleereu. Im allgemeinen fühlt er sich auch wohl.
Der Einschuss befindet sich in Höhe des 3. Lendenwirbels, an
jener Stelle, wo wir die Lumbalpunktion zu machen pflegen, 1 cm Irnks
von der Wirbelsäule, 6 cm oberhalb der Darmbeinscbaufel. Ein Aus¬
schuss ist nicht vorhanden. Das Röntgenbild ergibt sehr deutlich das
Vorhandensein einer Schrapnellkugel, der Schatten liegt mitten auf dem
Wirbelkörper. Die Aufnahme erfolgte von vorn Dach hinten, eine seit¬
liche ergab mit dem uns zur Verfügung stehenden transportablen Appa™*
kein Resultat, so dass es nicht sicher ist, ob das Geschoss im W irbel-
kanal steckt oder bereits im Wirbelkörper.
Der heutige Befund ist folgender: Der GaDg ist spastisch paretisch,
der linke Fuss fällt beim Gehen schlaff herunter, schleift mit der Spitze
auf der Erde, bis das Fussgewölbe ganz aufliegt, dabei fällt auf, dass
der Fuss nach aussen gerollt wird. In der Hauptsache stützt sich Pa¬
tient auf das rechte Bein, das mit leichtem Schleudern aufgesetzt wird,
mit einer nicht erheblichen, aber deutlich wahrnehmbaren Steifigkeit im
Kniegelenk. Im Liegen ist es dem Patienten möglich, beide Berne von
der Unterlage ohne Schleudern emporzuheben. Der Schenkelscbluss zeigt
wenig Kraft. Die Beine übereioanderzulegen, ist Patient gleichfalls, frei¬
lich in ungeschickter Weise, imstande.
Den linken Fuss bann Patient gar nicht bewegen, das Bein hangt
schlaff herab. Bei Bewegungen im Kniegelenk fällt leichte Spannung auf.
Die Oberschenkelmuskeln sind flach, ebenso der Glutaeus, der nicht an¬
gespannt werden kann und sehr abgemagert ist. Ebenso ist die Wade
stark abgemagert und fühlt sich weich an. Der Gefühlssinn für Nade -
stiche und Berührungen ist normal vorhanden, ebenso das Lagegefubl.
Der Kniescheibenreflex ist lebhaft gesteigert, der Achillessehnenreflex
schwach auslösbar. Die Haut fühlt sich warm an, bis auf den huss,
dessen Haut bläulich verfärbt ist. Die elektrische Erregbarkeit am Ober¬
schenkel ist leicht herabgesetzt und nicht blitzartig. Die Wade zeigt
ausgesprochen träge ZuckuDgen. Der Extensor pohois und Tibialis ant.
hat keine deutliche E.A.R., die Erregbarkeit ist auffallend verlangsamt.
Die Interossei ziehen sich träge zusammen.
Das rechte Bein zeigt einen gut gespannten Glutaeus, aber auch
er ist leicht abgemagert. Die Oberschenkelmuskulatur ist nicht be¬
sonders kräftig, jedoch nicht auffallend abgemagert Die Unterschenkel¬
muskulatur ist entschieden abgeflacht, freilich nicht so erheblich wie
links. Der Fussrücken ist stark abgemagert die Raume zwischen den
Mittelfussknochen sind stark eingezogen, es besteht deutliche Krallen-
“g d« Zehen. Die Soble ist stark abgeflacht Der Gefühlssion
f.f , m ß ffa n zeu BeiD wie links, normal. Das Kniegelenk zeigt bei Be-
wegiingen leichte Spannung, das Fussgelenk normale Beweglichkeit;
die Zehen können nur wenig bewegt werden. Der Kn.escheibenreflei ist
gesteigert der Achillessehnenreflex schwach, Babinski positiv. Elektrisch
Abbildung 2.
Fassen wir das Ergebnis der Untersuchung und Beobachtung
zusammen, so hat eine ausgedehnte Zertrümmerung im Rücken
mark Vorgelegen, die aber doch nicht alle leitungsfäbigen Ba inen
zerstört bat. Das Bild ähnelt im grossen und ganzen dem fl e
Myelitis transversa. Der Sitz der Verletzung befindet sich mjene
Gegend, welche das Centrum für Blase und Mastdarra, sowie i
zu den unteren Gliedmaassen ziehenden Stränge betrifft. U^ s
fangs schwere Krankheitsbild mit völliger Lähmung von hem >
Blase und Mastdarm ist allmählich geschwunden, die vo g
Wiederherstellung des Blasen- und Mastdarmschlusses, sowie
wiedergekehrte Bewegungsfähigkeit beweisen, dass sich z ® rs
Rückenmarksteile teils erholt haben, teils, dass andere *
ersetzend für die zerstörten eingetreten sind. Die E.A.K. un
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UNIVERSUM OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1787
einseitige positive Babinski deuten aber andererseits darauf bin,
dass wesentliche Leitungsbaboen im Centrum wie nach der Peri¬
pherie noch erheblich gestört sind. Es ist nach unseren Erfah¬
rungen jedoch zu erwarten, dass auch hier in einem grossen Teil
der zerstörten Bahnen ein Ausgleich eintreten wird. Am wenigsten
werden wir dies nur an denjenigen Nervenbahnen erwarten
können, deren zugehörige Muskeln stark abgemagert sind. Jeden-
falls beweist auch dieser Pall, wie selbst schwere centrale Nerven¬
verletzungen Aussicht auf Besserung bieten und die Prognose
durchaus nicht ungünstig stellen lassen, wie es im Anfang leicht
scheinen möehte. Eine besondere Behandlung ist in Fällen, wie
dem beschriebenen, kaum anzuwenden, da ja die sensiblen Fasern
Reizerscheinungen von Anbeginn an nicht boten. Es ist überhaupt
wenig wahrscheinlich, dass das Geschoss im Wirbelkanal steckt,
da sonst die Erscheinungen kaum zurückgegangen wären, eher
hätten sie dann noch Fortschritte machen müssen. Auch aus
diesem Grunde ist von einer Operation vorläufig abzusehen.
Wieting hat in seinen kriegschirurgischen Erfahrungen diesen
Standpunkt gleichfalls präzisiert und hervorgeboben, wie ungleich
gefährlicher Schüsse für das Mark sind, die von hinten die Wirbel¬
säule treffen, wie die von vorn.
Die Kriegschirurgie des Sehorgans.
Von
Dr. Kurt Steindorff- Berlin.
Die Kriegschirurgie des Auges beschäftigt sich mit der Häufig¬
keit, dem Mechanismus, der Symptomatologie und Behandlung der
im Felde durch KriegswafFen auf direktem oder indirektem Wege
verursachten Verletzungen des Auges. „Es bedarf zurzeit keiner
Erörterung mehr, dass innerhalb der Kriegscbirurgie überhaupt
den Verwundungen des Auges ein eigenartiger Platz gebührt;
nötiger ist es zu betonen, dass gegenüber den Augenverletzungen
durch Unglücksfälle im Frieden den Verwundungen des Sehorgans
durch Kriegswaffen eine abweichende nnd selbständige Bedeutung
zukommt.“ Diese im „Sanitätsbericht über die Deutschen Heere
im Kriege gegen Frankreich 1870/71“ *) ausgesprochenen Worte
erkennen die selbständige Stellung an, die die Kriegschirurgie des
Sehorgans beanspruchen darf. Die Unterschiede der Kriegs- von
den Friedensverletzungen des Auges beruhen auf der „Eigenartig¬
keit der verwundenden Gewalten und ihrer Wirkungen, der andern
Verwundungsentfernung, dem mannigfaltigen Wechsel der Stellung
der Augen gegenüber der Angriffsrichtnng“.
Die Kriegschirurgie des Auges, in der sich zwei Sondergebiete
ärztlicher Wissenschaft zu einer wissenschaftlich und praktisch
gleich wertvollen Einheit wieder Zusammenschlüssen, nimmt in
den Sanitätsberichten über die verschiedenen Kriege einen nicht
unbeträchtlichen Ranm ein. Von besonderem Werte sind die im
„Sanitätsbericht“ niedergelegten Erfahrungen, weil sie die ersten
sind, die sich auf eine allgemeine Anwendung des Augenspiegels
stützen, und weil sie, 18 Jahre nach Friedensschluss erscheinend,
den Endausgang zahlreicher Verletzungen berücksichtigen konnten.
Der „Sanitätsbericht* 1 stützt sich auf 860 Fälle von ärztlich
behandelten Augenverletzungen, die auf deutscher Seite durch
Kriegswaffen hervorgerufen wurden; das sind 0,86 pCt. sämtlicher
99 566 ärztlich behandelten Verwundungen und 8,5 pCt. der Kopf¬
traumen. In 74 Fällen waren die Sehstörungen nach Gehirn-
bzw. Schädelverletzungen eingetreten, 786 Verwundungen betrafen
das Auge allein. Beim Vergleich der Oberfläche des Auges mit
der des gesamten Körpers ergibt sich, dass die Verwundungsziffer
nur 0,2 betragen dürfte, da sich die Trefffläche des Auges zur
Gesamtkörperoberfläche wie 0,15 : 100 verhält. Die exponierte
Lage des Kopfes und die leichte Verwundbarkeit des Auges im Kriege
erklären die hohe Verwundungsziffer. Dass das linke Auge öfter
als das rechte getroffen wurde (374:317), ist sowohl durch die
Stellung des Infanteristen bei der Schussabgabe, wie auch durch die
Deckung des rechten Auges zu erklären, die ihm das Gewehr gegen
indirekte Geschosse (Sand, Stein usw.) gewährt. Im amerikanischen
Rebellionskrieg waren die Verletzungen des rechten Auges ebenso
häufig wie die des linken (523:624). Die Verletzungen beider Augen
gibt der „Sanitätsbericht“ mit 9,7 pCt. aller Augenverletzungen an.
Die überwiegende Mehrzahl der im „Sanitätsbericht“ besprochenen
Verletzungen wurde durch Schüsse(Gewehr und Granaten) verursacht
(709 = 96,2 pCt,), während Hieb- und Stichverletzungen verschwin¬
dende Ausnahmen bilden (3,8 pCt.). Es waren 313 Gewehrschüsse,
1) HI. Bd., 2. Kap., S. 157.
197 Granatschüsse, und bei 199 fehlen nähere Angaben. Von den
510 Schuss Verletzungen, bei denen man die Art des Projektils ge¬
nauer kannte, waren 61,4 pCt. durch Gewehr-, 197 = 38,6 pCt.
durch Artilleriegeschosse erzeugt, also gefährden Sprenggeschosse
das Auge mehr als andere Körperteile, sie sind aber ungefährlich,
denn es verliefen:
durch Gewehrschuss 37,6 pCt. \ mit Erhaltung
„ Granatschuss 64,1 „ I des Augapfels,
„ Gewehrschuss 62,4 „ \ mit Zerstörung
„ Granatschuss 35,9 „ / des Augapfels.
Diese auffallende Tatsache ist so zu erklären, dass die
grösseren Sprengstücke von der knöchernen Umgebung des Aug¬
apfels zurückgebalten werden, während die Gewehrprojektile den
Bulbus von vorn oder durch die Augenhöhle hindurch leicht zer¬
stören. So waren nach den Angaben des „Sanitätsberichts“ unter
110 einwandfrei bekannten Fällen von Vernichtung des Bulbus
die Kugeln 38 mal von vorn und 72 mal nach Zerschmetterung
der Orbitalwand eingedrungen. Die spezifische Vulnerabilität des
Auges ist, wie schon kurz erwähnt, eine so grosse, weil im Felde
der Kopf und zumal das Gesicht des Soldaten dem feindlichen
Geschoss besonders ausgesetzt sind; dabei gefährden die Orbital-
knocben das Auge mehr, als sie es schützen. Dazu kommt, dass der
Augapfel eine Kugel darstellt, deren wenig elastische Hüllen einen
inkompressiblen Inhalt umschliessen. Die Häufigkeit der Schuss¬
verletzungen des Auges in den verschiedenen Feldzügen wird durch
folgende Zusammenstellung erläutert, die dem „Sanitätsbericht“
entnommen ist:
Zahl der
Augenver-
wundungen
Auf 100
aller Ver¬
wundungen
Auf 100
der Kopfver¬
wundungen
Krimkrieg, englische Armee
49
0,65
3,28
„ , französische „
Amerik. Rebellionskrieg. .
595
1,75
11,30
1190 1
0,50
5,50
Krieg gegen Dänemark,
| 7,70
preussisohe Armee . . .
21
1,07
Deutsch-französischer Krieg,
deutsche Armee ....
860
0,86
1 8,50
französische Armee . . .
672
0,81
1 8,70
Das Sehorgan wird nicht nur direkt getroffen, sondern auch
indirekt durch Massen, die das Geschoss in Bewegung setzt, wie
Sand, Glas-, Stein-, Metall- oder Holzsplitter, Stücke von Brillen¬
gläsern und-gestellen usw. (7,7 pCt. im „Sanitätsbericht“). Auch
eine Fernwirkung kommt bei Erschütterungen des Bulbus vor,
die von Schädel-, Gesichts- oder sogen. Luftstreifschüssen oder
von Streifschüssen der Lider ausgelöst werden.
Eine Besprechung der Augenverletzungen durch Unglücksfälle
im Kriege, z. B. durch Zerplatzen von Geschützrohren oder Ge¬
wehren, Hufschlag, Ueberfahrenwerden usw., erübrigt sich an
dieser Stelle, da sie nicht in das Gebiet der eigentlichen Kriegs¬
chirurgie des Sehorgans gehören.
Ein Vergleich der im „Sanitätsbericht“ gesammelten Erfahrungen
mit den in den seither geführten Kriegen gewonnenen ergibt, dass
die Häufigkeit der Augen Verletzungen sowohl absolut wie auch
relativ im Verhältnis zu den übrigen Verwundungen und zu den
Schädelverletzungen bedeutend zugenommen hat. Aus dem russisch-
türkischen Kriege (1877/78) liegen Mitteilungen von v. Oettingen 1 )
und Reich 2 ) vor. Der erstere berichtete über 42 Fälle von ein¬
seitiger und über 2 Fälle von doppelseitiger Vernichtung des Seh¬
organs. Reich veröffentlichte 97 Fälle von Schussverletzungen
des Auges = 0,74 pCt. aller von ihm untersuchten Verwundeten
der kaukasischen Armee. Er schätzt die Gesamtzahl der Augen¬
läsionen auf 2 j / 2 pCt. aller Verwundeten und auf etwa 18 pCt.
aller Kopfverletzungen.
v. Merz 8 ) berechnet die Zahl der im russisch-japanischen Kriege
(1904/05) vorgekommenen AogenVerletzungen auf 2pCt. aller Kriegs¬
verwundungen; denn von den 2196 Verwundeten, die in den Hospi¬
tälern des Roten Kreuzes in Irkutsk lagen, hatten 45 Mann Augen¬
schüsse. Von den Gefallenen einer Division der 2. japanischen Armee
wiesen 54,2 pCt. Kopf-Halsschüsse auf. In diesem Kriege bedienten
sich beide Parteien der modernen kleinkalibrigeD Gewehre; die
Russen hatten Mantelgeschosse von 7,6 mm, die Japaner solche
1) v. Oettingen, Die indirekten Läsionen des Auges bei Schuss¬
verletzungen der Orbitalgegend. Stuttgart 1879.
2) Reich, Kl. Mbl. 1879, Bd. 17, S. 96.
3) v. Merz, Kl. Mbl. 1907, Bd. 45, Beilageh., S. 238.
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1788
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 45.
von 6,5 mm Kaliber. Oguchi 1 ) gibt die Zahl der Augenver-
letzungen auf japanischer Seite mit 3093 an, von denen 1605 Ge¬
wehr' und 771 Geschosswunden waren.. Es machen demnach
die Augenverletzungen 2,22 pCt. sämtlicher Verwundungen und
21,01 pCt. der Kopftraumen aus. Die erhebliche Zunahme der
Schusswunden des Auges beruht darauf, dass die Soldaten im
modernen Krieg, wie es auch der gegenwärtige Feldzug zeigt, viel
mehr in liegender Stellung kämpfen, so dass natürlich der Kopf
durch feindliche Geschosse besonders bedroht wird.
In unseren Kolonialkriegen betrugen nach Nicolai 2 ) die Ge¬
samtresultate: tot 676, vermisst 76, verwundet 907. Ausser 2
durch Unglücksfälle bedingten Augenverletzungen kamen 15 Schuss¬
wunden des Auges zur Beobachtung = 1,8 pCt. Diese Zahl
stimmt also mit den in anderen Kriegen notierten gut überein.
In Südwest-Afrika liess sich auch die Sprengwirkung unserer
Projektile bei Nahschüssen gut beobachten, wo der mit unseren
Gewehren ausgerüstete Feind aus 50—200 m Entfernung feuerte
und unseren Soldaten sehr schwere Verwundungen beibrachte. In
einzelnen Fällen, in denen die Augenhöhle zertrümmert war,
mussten später in der Heimat noch grössere plastische Operationen
vorgenommen werden.
Das moderne Kleiokaliber-Mantellanggescboss besitzt eine
grosse lebendige Kraft mit erheblicher Feruwirkung und Ver¬
drängung der dem Schusskanal benachbarten Teile. Hilde¬
brandt 3 ) weist darauf hin, dass die Mantelgeschosse dadurch eine
viel grössere Gefahr für das Auge bilden als die alten Blei¬
geschosse. Vorausschauend sagt er: es werden zweifellos
in künftigen Kriegen mit ihrer voraussichtlichen Zunahme der
Kopfverletzungen überhaupt die Scbussverletzungen des Auges
noch ein grosses Beobacbtungsmaterial abgeben.“
Die Wirkung der Kugel bängt ab von ihrer lebendigen Kraft,
die ein Produkt aus Masse und Geschwindigkeit darstellt, von der
Art und den physikalischen Eigenschaften des Geschosses, von
dem Ort des Eindringens und der Flugrichtung.
In einer Statistik der Kriegsverletzungen des Sehorgans
scheiden natürlich die tödlich verlaufenden Kopfschüsse aus, bei
denen das Auge mitbeteiligt war Bei den nicht tödlichen Kopf¬
verwundungen, die das Auge mitgetroffen haben, tritt selbstver¬
ständlich die Läsion des Sehorgans mehr in den Hintergrund.
Die Erhaltung des Lebens ist weit wichtiger als die Sorge für
eine Rettung des Sehvermögens. Die erste Aufgabe ist der Ver¬
band und Transport des Verwundeten, zu einer eingehenden
fachärztlichen Untersuchung des Auges ist weder Zeit noch Ge¬
legenheit. Es kann bei leichteren Verletzungen des Sehorgans
auch Vorkommen, dass manche Symptome, wie Blutungen in die
vordere Kammer oder die milchige Trübung der Netzhaut durch
Erschütterung, schon wieder verschwunden sind, wenn im Etappen¬
oder Heimatsgebiet die erste genaue Untersuchung vorgenommen
wird.
Wenn das Geschoss den Bulbus unmittelbar oder durch die
Lider hindurch trifft, so wird er zertrümmert, durch das in die
Bulbuskapsel geschlagene Loch tritt der halbflüssige Inhalt aus.
Der Augapfel kann bei Verletzungen der Umgebung durch Fern¬
wirkung gefährdet werden. Orbitale Quetschschüsse zertrümmern
den Bulbus und den Orbitalinhalt direkt oder indirekt. Tangen¬
tiale Streifschüsse, die den Bulbus in der Frontalebene treffen,
führen zu oberflächlichen, relativ leichten oder zu tiefen, schweren
Verletzungen der Lider und des Augapfels. Bei Orbitaleingangs¬
schüssen, die von vorn her kommen, kann das Projektil ausnahms¬
weise, wenn es sich um matte Kugeln handelt, zwischen Bulbus
und Orbitalwand eindringen, ohne dabei den Bulbus zu zer¬
trümmern. Das Bild der Orbitalwandschüsse, die im Frieden oft
Vorkommen, ist ein so vielgestaltiges, dass eine Schilderung im
Rahmen dieser Arbeit zu weit führen würde. Wenn die Kriegs¬
waffen und ihre Geschosse den Bulbus nicht zerstört haben, so
wirken sie, wie der „Sanitätsbericht“ mit Recht hervorhebt, fast
immer nur durch Quetschung; „die etwa gleichzeitigen Ver¬
letzungen der Oberfläche sind gegenüber den Folgen der Quet¬
schung im allgemeinen belanglos“. Der quetschende Gegenstand
führt zu Gewebszerreissungen, die am Orte der Gewalteinwirkung
durch Dehnung, an entfernteren Stellen, durch das Bindeglied der
intraocularen Drucksteigerung entstehen.
Es können so die verschiedenartigsten Krankbeitsbilder durch
Schussverletzungen verursacht werden. Eine Symptomatologie
1 ) Oguchi, Graefe’s Areh., 1912, Bd. 89, S. 353.
2) Nicolai, D. militärztl. Zschr, 1910, Bd. 39, S. 529.
3) Hildebrandt, Die Verwundungen durch die modernen Kriegs¬
waffen usw., 1907, Spez. T. S. 186.
der Kriegsverletzungen des Auges geben wollen, hiesse einen
Abriss der Verletzungen des Anges überhaupt geben. Wir be¬
gegnen all den mannigfaltigen im Frieden und durch andere
Schädlichkeiten hervorgernfenen Bildern. Es ist leicht einzuseben,
dass der vordere Buibnsabschnitt am häufigsten getroffen wird. Es
kommt, falls die Hüllen des Augapfels nicht sofort durchbohrt
wurden, zu Blutungen in die verschiedensten Teile des Anges
(Bindehaut, vordere Kammer, Glaskörper, Netzhaut). Die Horn¬
haut zeigt oberflächliche Substanzverluste. Bindehaut, Lederbaut
und Aderbant werden infolge der Quetschung zerrissen. Die
Raptaren der Sclera sitzen mit Vorliebe an ihrer dünnsten Stelle
in der Gegend des Corpus ciliare, parallel dem Hornhautrande
und höchstens 5 mm von ihm entfernt. Der Endausgang der
Berstungen der Sclera, bei denen stets ein Teil des Augapfelinhalts
verloren geht, ist fast immer Schrumpfung des Organs. In der
Hornhaut stellen sich darch Platzen ihrer inneren Schichten mehr
oder weniger dichte Trübungen ein; wir haben gewissermaassen
ein Analogon zu den Sprüngen der Tabnla vitrea des Schädel-
knochens nach Streifschüssen. Die Regenbogenhaut prolabiert bei
ErÖffuung der Wandungen oder sie löst sich von ihrem Ansatz am
Corpus ciliare teilweise oder ganz ab, bei vollkommener Abreissuug
liegt sie als unförmige Masse am Boden der blntgefüliten vorderen
Kammer. Die Linse wird durch Reissen ihres Aufhängebaudes
subluxiert oder in die vordere Kammer oder den Glaskörper ver¬
lagert und wird so Ursache schwerer, die Sehkraft ernstlich ge¬
fährdender Komplikationen, wie Glaukom und Netzhautablösung.
Die häufigste Ursache der Netzhautablösung sind subretinale Blut¬
ergüsse oder Einreissen der Membran. Durch EinreisseD der
Linsenkapsel kann das Kammerwasser in das Innere der Linse
eindringen; die Linsenfasern verfallen dann der Quellung and
teilweiser, meist aber vollkommener Trübung. Hier wären auch
der durch das Trauma hervorgerufene Krampf bzw. Lähmung der
Akkommmodation zu erwähnen.
Kompression des Sehnerven durch Blutung in seine Scheideo
oder Zerreissung durch das Geschoss oder durch Knochensplitter
werden der Sehkraft schwere Gefahren bringen. Neben der Eio-
bnsse an Sehvermögen kommen auch Störungen des Gesichtsfeldes
in Betracht. Die Schussverletzungen des intrakraniellen Sehnerven-
abschnittes und der centralen Sehbahnen gehören mehr iu das
Gebiet der Hirnchirurgie. Von grosser Bedeutung für die Pro¬
gnose und Behandlung der Verletzung des Augapfels ist die Frage,
ob nach Perforation der Hüllen im Augeninnern Fremdkörper stecken
geblieben sind. Es kann sich am Geschosspartikel oder um
die schon erwähnten indirekten Geschosse handeln. Dass sie
eine grosse Gefahr für das verletzte Auge bedeuten und das un¬
verletzte mit sympathischer Entzündung bedrohen, ist einleuchtend.
Ihre Diagnose ist heute gegen früher durch die Anwendung der
Röntgenphotographie erheblich erleichtert EiseDsplitter lassen
sich mittels des Sideroskops bald feststellen, ihre Entfernung wird
durch Maguetoperation meist gelingen. Auf diesem Gebiete der
Kriegschirurgie des Sehorgans ist sowohl die Diagnostik wie auch
die Therapie erheblich leichter als zur Zeit des Krieges von 1870/71.
Ein Wort über die PulverVerletzungen des Auges. Ihre
Ursache ist die Explosion von Sprengladungen, z. B. bei MineD-
arbeit, von Granaten in nächster Nähe des Verletzten, von
Patronentaschen durch Schuss u. a. Die mechanische Wirkuog
der Pulverkörner äussert sich in einem mehr oder weniger tiefen
Eindringen dieser Fremdkörper in die Hüllen oder in das Innere
des Augapfels. Die bei der Explosion entwickelten glühenden
Pulvergase üben einen thermischen Reiz aus. Der plötzlich er¬
höhte Luftdruck wirkt auf den Bulbus im Sinne einer Quetschung.
Nicht selten fehlen bei Explosionsverletzungen äussere Spuren
einer Fremdkörpereinwirkung, und die schweren Verwundungen
des Bulbus sind lediglich eine Folge der durch die Explosion er¬
zeugten enormen Steigerung des Luftdrucks. Dieser Verdichtung
folgt eine stark ansangende Lnftverdünnung, die zur Zerreissung
der Lider und Herauszerrung des Bulbus aus der Augenhöhle
führen kann.
Die Schädigung des Auges durch den gesteigerten Luftdruck
kommt ausser durch Explosion von Sprenggeschossen auch hei
Schüssen aus grosser Nähe vor infolge des Zurückprallens der
Pul vergase. So erwähnt der „Sanitätabericht“ einen Fall von
Glaskörperblutungen mit sekundärer Netzbautablösung infolge
eines vom Hintermann dicht neben der Schläfe abgefeuerten
Schusses. Artilleriegeschosse können den Luftdruck so vermehren,
dass die Leute zu Boden stürzen, wobei sie sich Kopfverletzungen,
eventuell mit sekundärer Verletzung des Sehnerven zuzieheD.
Dass es „Luftstreifschüsse“ gibt, bei denen ein vorbei-
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UMIVERSITY OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1789
fliegendes Geschoss durch Verdichtung des Luftdrucks das Auge im
Sioue einer Kontusion schädigt, wird von manchen Autoren bestritten.
Der „Sanitätsbericht“ gibt an, dass von den 11 als „Luftstreif¬
schüsse“ angesehenen Augenverletzungen nur eine einer ernsthaften
Kritik standhält. Es wäre interessant, festzustellen, ob die Ge¬
schosse unserer, so berechtigtes Aufsehen erregenden 42 cm-Mörser
derartige Kontusionen her vorrufen.
Welche therapeutischen Aufgaben hat nun der im Felde
stehende Chirurg zu lösen? Die nach grösseren Gefechten auf
ihn einstürmende, oft übermenschliche Arbeitsfülle macht natür¬
liche feine und eingehende diagnostische Untersuchungen unmög¬
lich. Die eigenartigen Verhältnisse auf dem Truppenverbandplatz
und dem Hauptverbandplatz lassen operative Eingriffe an einem
so zarten Organ, wie es das Auge ist, untunlich erscheinen. Die
Feldbehandlung sdl zunächst die Erhaltung des Auges sichern,
die nicht zerstörten Teile nach Möglichkeit erhalten, und die
Nachbehandlung vorbereiten. Die Ausbildung, die die deutschen
Hochschulen dem jungen Arzte in der Augenheilkunde zuteil
werden lassen, die grosse Zahl der zu weiterem Studium an die
Universitäts-Augenkliniken kommandierten Sanitätsoffiziere bietet
uns eine sichere Gewähr für die sachgemässe Behandlung der
Augenverletzungen.
Der auf dem Hauptverbandplätze arbeitende Arzt soll die
Augenwunden reinigen, vorgefallene oder völlig zertrümmerte
Gewebsteile abtragen, oberflächlich sitzende Fremdkörper ent¬
fernen, in den Fällen, die es erfordern, durch Atropineinträufelungen
die Pupille erweitern, damit so die weitere Nachbehandlung vor¬
bereitet wird, und soll durch einen gut sitzenden aseptischen
Verband das verletzte Auge verschliessen.
Den Feldlazaretten und stehenden Kriegslazaratten bleibt
die Vornahme der unbedingt notwendigen Operationen Vor¬
behalten, vor allem die Enukleation und Exenteration, die Punk¬
tion der vorderen Kammer zur Beseitigung vorquellender Linsen¬
massen, Eiteransammlungen, eingedrungenen Fremdkörpern, der
Verschluss offener Wunden der Cornea und Sclera durch eine
Bindebautplastik nach Kuh nt, die Exstirpation des eiternden
Tränensacks, — kurz alle die Eingriffe, deren Aufschub eine Ge¬
fahr für das verletzte oder auch für das gesunde Auge bietet.
Die wichtigste Operation, die der Feldchirurg ohne Auf¬
schub am Auge vorzunehmen hat, ist die Enukleation; sie
kommt in Betracht für alle die Fälle, in denen Funktion und
Form des Auges nicht zu retten sind. Es kann nicht laut
genug betont werden, dass die rechtzeitige Enukleation das beste,
wenn nicht das einzige Mittel ist, der sympathischen Erkrankung
des anderen Auges vorzubeugen. Abgesehen davon, dass die Er¬
satzoperationen, die für die Enukleation vorgeschlagen worden
sind, eine geschulte Technik erfordern, so ist auch der von ihnen
gewährte Schatz des anderen Auges bei weitem nicht so sicher
wie der, den die frühzeitige Enukleation leistet. Die gleich¬
zeitigen schweren Verwundungen des Schädels, Gesichts and
Halses dürfen unter keinen Umständen dazu verleiten, die Augen-
wunden als nebensächlich anzusehen und dementsprechend zu
behandeln. Auch die zertrümmerten Augäpfel, von deren Hüllen
nur noch formlose Fetzen stehen geblieben sind, ja gerade diese
bedürfen schleuniger Entfernung. Denn es können sich in ihnen
schleichende Entzündungen festsetzen, die die Gefahr sympathi¬
scher Entzündung io sich tragen. Ist eine regelmässige Enuklea¬
tion infolge der Schwere der Zerstörung nicht möglich, so ist
der Inhalt der Bulbuskapsel zu exenteriereu und zwar so voll¬
kommen, dass keine Gewebsreste Zurückbleiben.
Im nordamerikanischen Rebellionskriege waren unter
254 Augenverletzungen 41 von sympathischer Ophthalmie gefolgt.
Der „Sanitätsbericht“ hat 99 Fälle von sympathischer
Ophthalmie zusammengestellt, von denen freilich nicht alle dia¬
gnostisch einwandfrei sind. Es wurden, um die sympathische
Entzündung zu verhüten oder zu heilen, 23 Bulbi enukleiert.
Von diesen blieben 6 gesund, und zwar 5 in den ersten 10 Tagen
und ein 7 Monate nach der Verletzung Operierter; bei 5 Patienten
besserte sich der Zustand; in 12 Fällen blieb der Erfolg aus.
Von den Schussverletzungen, die Verlust oder Schrumpfung des
Auges oder Cyclitis hinterlassen hatten, sollen 56,6 pCt. zur
sympathischen Affektion des gesunden Auges geführt haben. Der
„Sanitätsbericht“ gibt an, dass etwa ebenso oft, wie die anderen
Verletzungen, die Panophthalmie sympathische Erkrankung aus¬
gelöst habe. Schleichende Entzündungen, die den Baibus langsam
zum Schwinden brachten, sollen nur in 33 pCt., den Bulbus völlig
und unmittelbar zerstörende Verletzungen dagegen in 62,7 pCt.
sympathische Ophthalmie nach sich gezogen haben. Diese Tat¬
sache ist die stärkste Stütze für die Forderung, einen ohnedies un¬
brauchbaren Stumpf zu opfern, nm das andere Auge nicht in
Gefahr za bringen.
Es ist selbstverständlich, dass die für die übrige Chirurgie
geltenden Regeln auch für die des Auges peinlicbst zu beobachten
sind. Sondierung von Augapfel- und Orbitalwunden, Entfernung
von eingedrungenen Fremdkörpern dürfen nur dann vorgenommen
werden, wenn die Instrumente und soweit möglich auch das
Operationsfeld keimfrei sind. Der erste Verband soll tunlichst
aseptisch sein. Es muss dafür gesorgt werden, dass die nach
rückwärts transportierten Soldaten mit Augen Verletzungen nicht
tagelang denselben Verband tragen. Ein regelmässiger Verband¬
wechsel ist unbedingt anzustreben, sonst kann man durch In¬
fektion, entzündliche oder andere Komplikationen einen pro¬
gnostisch an sich nicht ungünstigen Fall sicherer Vernichtung
überantworten.
Die Schwierigkeiten, die sich für den Feldchirongen bei der
Behandlung von Augenverletznngen einerseits, die Notwendigkeit
schneller und sachkundiger Hilfe andererseits ergeben, lassen
den Vorschlag von Oettingen’s (I. c.), Augenärzten als Kon¬
siliarien eine grössere Anzahl von Lazaretten des Kriegsschau¬
platzes zuzuweisen, als der Durchführung wert erscheinen.
Kern 1 ) hält diese Maassnahme für unausführbar und für
nutzlos: für unausführbar, weil bei der relativ geringen Zahl
von Augenscbusswunden — auf 116 Verwundete 1 — ein
Gonsiliarius zu viele Verbandplätze bzw. Lazarette bereisen müsse.
Daraus folge auch die Nutzlosigkeit des v. Oettingen’schen
Vorschlags: Der beratende Augenarzt würde, da die Verletzungen
des Sehorgans durch Kriegswaffen ein schnelles therapeutisches
Eingreifen erfordern, die Verwundeten nur selten recht¬
zeitig zu Gesiebt bekommen. Diese Einwendungen Kern’s sind
aber nicht stichhaltig. Wir haben gesehen, dass die Zahl
der in den letzten Kriegen beobachteten Augen Verletzungen er¬
heblich zugenommen bat. In dem augenblicklich wütenden
Weltkriege wird das in um so erhöhterem Maasse der Fall sein,
als er weit grössere Truppenmassen einander gegenüberstellt, als
je ein Krieg zuvor. Wir verfügen über eine so grosse Zahl treff¬
lich ausgebildeter Augenärzte, dass für eine kleinere Anzahl
räumlich voneinander nicht zu entfernter Verbandplätze bzw.
Lazarette je ein beratender Augenarzt leicht verfügbar sein wird.
Die Beweglichkeit dieser Sanitätsformationen dürfte kaum durch
die Schaffung einer solchen Stellung leiden, die trotz der bereit¬
willigst anerkannten Leistungsfähigkeit unserer Militärärzte im
Interesse unserer Truppen dringend geboten erscheint.
Die von Axenfeld 2 ) jüngst empfohlene Schaffung besonderer
augenärztlicher Lazarettabteilungen dicht hinter dem vorrücken¬
den Heere dürfte, wenigstens im jetzigen Kriege, kaum Aussicht
auf Verwirklichung haben. Dass sie das Ideal augenärztlicher
Versorgung darstellt, muss allerdings zugegeben werden.
Die transportfähigen Augenkranken evaeuiere man auf dem
kürzesten Wege, eventuell auf Kraftwagen, und zwar soll der
Transport so geleitet werden, dass die Verwundeten in Lazarette
oder Kliniken kommen, in denen ausreichende fachärztliche Hilfe
zur Verfügung steht. Die unseren Grenzen benachbarten Univer¬
sitätskliniken und die in allen grösseren Städten an der Grenze
vorhandenen Augenkliniken erleichtern die Durchführung dieser
Forderung. Hier verbleiben die Verwundeten bis zur völligen
Heiluog und Beseitigung jeder Gefahr. Hier wird sich Zeit und
Ruhe für exakte Funktionsprüfungen und Augenspiegelunter¬
suchungen finden. Alle operativen Maassnahmen, die die opti¬
sche Leistungsfähigkeit des Sehorgans wiederberstellen sollen
(Staroperation, Pupillenbildung), alle plastischen Operationen, die
eine längere Heilung beanspruchen, die Extraktion intraoeularer
Fremdkörper, soweit sie nicht bereits im Feldlazarett vorgenommen
wurde, die Behandlung entzündlicher und anderer Komplikationen
fallen den Reservelazaretten im Etappen- und Heimatgebiet zu.
Wir dürfen hoffen, dass die Fortschritte der Wissenschaft,
die gute Ausbildung unserer Aerzte und die umsichtige Fürsorge
unserer Sanitätsorganisation mehr Soldaten vor dem traurigen
Schicksal der Erblindung bewahren werden, als es in früheren
Kriegen möglich war 8 ).
1) Kern, Kriegschirurgie des Sehorgans. Beilage zur D. militär-
ärztl. Z., 1890, Bd. 19, H. 8.
2) Axenfeld, D.m.W., 1914, Nr. 89.
3) Ausser der angegebenen Literatur wurde benutzt: 1. Prann,
Die Verletzungen des Auges. Wiesbaden 1899. — 2. Wagenmana,
Die Verletzungen des Auges usw. Graefe-Saemisch, 2. Aufl., Bd. 9, Abt. 5.
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UNIVERSITÄT OF IOWA
17Ö0
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 45.
Beitrag zum Symptomenkomplex der Brown-
Sdquard’schen Lähmung.
Von
Prof. N. Bernhard t-Berlin.
Im Nachfolgenden übergebe ich eine Mitteilung der Öffent¬
lichkeit, die durch die lange Dauer der Beobachtung des be¬
treffenden Kranken, sowie durch die Schwierigkeit der Diagnosen¬
stellung das Interesse der Herren Kollegen, wie ich hoffe, mit
Recht in Anspmch nehmen darf.
Vor nunmehr 6 Jahren, im Juli 1908, hatte ich den damals 39 Jahre
alten Pat. Gr. zum ersten Male untersucht.
Der seit 9 Jahren verheiratete Mann hatte angeblich niemals eine
syphilitische Infektion erlitten; ein Tripper wurde zugegeben. Die Frau
hat in der Ehe nie fehlgeboreu; es leben zwei aus der Ehe hervor-
gegangene gesunde Kinder. Pat. will erst im Juni des Jahres 1908 er¬
krankt sein. Als erstes Zeichen wurde ein starkes Hitzegefühl im rechten
Knie angegeben, welcher Erscheinung nach etwa 8 Tagen ein Verlust
des Gefühls im ganzen rechten Bein folgte. Während sonst das All¬
gemeinbefinden gut war, klagte der Kranke über einen früh beim Auf¬
stehen auftretenden Schmerz in der linken oberen Brusthälfte, der nur
vorn empfunden wurde. Seit dieser Zeit besteht auch eine Behinderung
in der Blasenentleerung, namentlich zu Beginn. Uebrigens kann der
Urin gehalten werden; die Stuhlentleerung ist sehr erschwert; während
die Libido coeundi noch vorhanden, ist die Potenz erloschen.
Weiter ist eine Schwäche der Beine vorhanden, besonders bemerkt
mau eine Schwäche und Steifigkeit des linken Beines, dessen Fuss den
Boden streift. Die Patellarrellexe sind beiderseits vorhanden; Dorsal-
clonus links angedeutet. Der Babiuski’sche Reflex ist rechts nur un¬
deutlich, links deutlich nachzuweisen. Die Sensibilität ist an dem
motorisch schwächeren linken Bein, sowie am Rumpf links vorhanden;
auch rechts fühlt der Kranke selbst leichte Pinselberührungen am Bein
und der rechten Bauchseite, immerhin deutlich schwächer, als dies links
der Fall ist. Im deutlichsten Gegensatz zu den entsprechenden Regionen
liDks werden aber rechts am Bein und am Rumpf (Bauchhaut und Haut
in der unteren rechten Thoraxgegend), bis etwa zur 6. Rippe hin, Nadel¬
stiche und starke Kälte nicht als solche oder als schmerzhaft empfunden.
Auf der Hinterseite geht diese Störung der Sensibilität nicht ganz so
hoch hinauf, wie vorn am Thorax. Während noch am 6. Juli rechts
ein deutlicher Cremasterreflex wahrgenommen wurde, fehlte derselbe am
8. Juli beiderseits; desgleichen konnten beiderseits keine Bauchreflexe
naebgewiesen werden.
Pat. hatte sich beim Duschen mit beissem Wasser rechts oberhalb
des Trochanter eine Hautverbrühung zugezogen, die er wegen fehlender
SchmerzempfioduDg überhaupt nicht wahrgenommen hat. Die schmerz¬
haften Empfindungen, über die Pat. des Morgens beim Aufstehen klagt,
sitzen links vorn etwa 4 Querfinger breit unterhalb der Mammilla.
Werden bei geschlossenen Augen des Kranken Zehenbewegungen vor¬
genommen, so werden diese und ihre Richtung sowohl rechts wie links
erkannt. Auf der Haut der linken Kniescheibe befindet sich ein alter
psoriatischer Fleck. Die Arme sind beiderseits frei beweglich und ohne
Sensibilitätsstörungen. Die linke Pupille ist eine Spur weiter als die
rechte; Licht- und Akkommodationsreaktion ist an beiden Pupillen vor¬
handen.
Dieser Status vom 9. Juli 1908 wurde am 13. und 22. Juli ergänzt
und vervollständigt. Am 13. Juli hatte sich der rechtsseitige Cremaster¬
reflex wieder eingestellt, links nicht. Die Muskeln der Beine reagieren
auf den faradischen Strom beiderseits gut; Pat. fühlt das Einbrechen
des elektrischen Stromes prompt, immerhin links etwas besser als rechts.
Auch die Bauchmuskeln reagieren beiderseits in normaler Weise. Der
faradische Pinsel (stärkerer Strom) 'löst an der Bauchhaut rechts und
an der ganzen rechten unteren Extremität keine schmerzhafte Empfindung
aus. Der Babinski'sche Reflex ist links nur undeutlich zu erzielen; die
Bauchreflexe fehlen beiderseits. Links besteht oberhalb der Brustwarze,
etwa zwischen der 4. und 6. Rippe, deutliche Hypästhesie, dasselbe ist
auf der Rückseite der Fall. Die Anästhesie beginnt rechts 3 Querfinger
breit unterhalb der Brustwarze. Am linken Fuss besteht deutlicher
Dorsalclonus, rechts nicht.
Es würde wohl zu weit führen, wollte ich alle Untersuchungs¬
protokolle, die ich über den Zustand des Kranken innerhalb der folgen¬
den 5 Jahre geführt habe, hier reproduzieren. Ich werde mich be¬
gnügen, etwaige Veränderungen oder sonst auffällige Symptome, die sich
im Laufe der Jahre eingestellt haben, mitzuteilen. Im September
1908 erschienen die Bewegungen des linken Beines im Hüft- und Knie¬
gelenk ziemlich frei; weniger gut kommen sie im linken Fussgelenk zu¬
stande. Die grobe Kraft des linken Beines ist gegen die des rechten
erheblich herabgesetzt. Das rechte Bein ist in bezug auf seine Be¬
wegungsfähigkeit normal. Sehr erhöht sind links die Patellar- und
Fersenreilexe (Dorsalclonus) im deutlichsten Gegensatz zu rechts. Die
Untersuchung des Babinski’schen, Oppenheim’schen, Mendel’schen Re¬
flexes ergeben links nur undeutliche Resultate. Das motorisch intakte
rechte Bein fühlt auch Berührungen und Druck, immerhin nicht so deut¬
lich wie links. (Die Bauchreflexe sind beiderseits unsicher.) Besonders
deutlich ist der Unterschied der Sensibilität zwischen reohts und links
in bezug auf Schmerz (Nadel, elektrischer Pinsel, Kälte- und Wärme¬
unterscheidungsvermögen). Dies betrifft die ganze rechte untere Ex¬
tremität, die Bauchbaut vorn und hinten. Diese hintere im obenge¬
nannten Sinne anästhetische Zone liegt wie vorn in einer Gegend, die
3 Querfinger unterhalb der rechten Mamilla beginnt. Links findet man
1 Querfinger oberhalb und 1 Querfinger unterhalb der Brustwarze eine
hypästhetische Zone; die früher an dieser Stelle des Morgens beim Auf¬
stehen vorhanden gewesenen Beschwerden sind zurzeit (September 1908)
nicht mehr vorhanden. Rechts findet sich an der entsprechenden Stelle
keine Zone der Hyp- oder Hyperästhesie. Besonders bemerkenswert er¬
scheint heute (19. September 1908) die Angabe und der Befund, dass
die rechte Penishälfte, ebenso die rechte Scrotalhälfte und
die Perinealgegend rechts gegen Nadelstiche, Kälte und Hitze ebenso
unempfindlich sind, wie das ganze rechte Bein und die rechtsseitige
Rumpfhaut; es steht dieser Befund im deutlichsten Gegensatz zu der
durchaus normalen Sensibilität der linken Penis-, Scrotal- und Damm-
bälfte.
Von besonderer Wichtigkeit erscheint nun der vom serologischen
Laboratorium der Lassar’schen Klinik am 8. Dezember 1908 erhobene
Befund: er ergab, dass bei der Blutnntersuchung des Patienten die
Wasserrnann’sche Reaktion schwach positiv ausfiel. Ich
hatte den Kranken trotz seiner Versicherung, nie syphilitisch infiziert
gewesen zu sein, dennoch zur eben erwähnten Untersuchung geschickt.
Eine nach der Feststellung dieses Befundes eingeleitete anti¬
syphilitische Behandlung (Schmierkur, Schwefelbäder) hatte zwar in bezug
auf die Motilität, nicht aber in bezug auf die Störungen der Sensi¬
bilität einen günstigen Erfolg. Pat. konnte etwas besser gehen; aber
die eigentümlichen oben beschriebenen Störungen der Empfindung blieben
unverändert.
Im März 1909 wurde eine massige Abmagerung der Muskeln des
linken Beines in ihrer Gesamtheit bemerkt. Bei sich einstellendem
Stuhldrang muss derselbe schnell befriedigt werden, wenn nicht un¬
willkürliche Kotabgänge eintreten sollen.
Im Juni stellte ich beiderseits, besonders aber links, einen leichten
Tremor manuum fest; der Händedruck ist links schwächer als rechts.
Weiter sah ich jetzt zum ersten Male deutlich eine Abflachung
des ersten linken Zwischenknochenraumes an der Hand bei
sonst durchaus freier Beweglichkeit der linken Finger.
Im Dezember 1909 zeigte sich an den oberen Partien des Kreuz¬
beines eine auf Druck schmerzhafte Schwellung. Auch die untersten
Lendenwirbel schmerzen auf Druck, wohingegen an den Dorsalwirbeln
weder bei Druck noch beim Beklopfen Schmerzempfindungen ausgelöst
werden können. Pat. teilt ausgangs des Jahres 1909 mit, dass er dann
und wann über Schwindel zu klagen habe. Weiter wäre noch zu be¬
merken, dass die elektrische Erregbarkeit der linksseitigen Mm. interossei
an der Hand gut erhalten ist Lageveränderungen der Zehen (geprüft
natürlich bei Augenschluss des Kranken) werden links wie rechts gleich
gut wahrgenommen.
Ausgangs des Jahres 1910 konnte man eine deutliobeSchwäche
der linken oberen Extremität feststellen, ebenso geringes Zittern der
Hände, besonders links, und eine gewisse Ataxie, z. B. beim Versuch
die Nasenspitze mit dem linken Zeigefinger zu berühren. Der dynamo-
metrische Druck ist rechts 105, links 60. Ausser dem ersten Spatium
interosseum ist links keine Atrophie der kleinen Hand- und Fingermuskeln
(auch nicht des Daumenballens) zu beobachten; die elektrische Erreg¬
barkeit der Muskeln im ersten Zwischenknochenraum ist für beide
Stromes&rten herabgesetzt; es besteht aber keine Entartungsreaktion.
Aus den Aufzeichnungen Ende des Jahres 1910 sei noch hervor¬
gehoben, dass Pat. oft von eigentümlichen Rucken spricht, welche die
linke untere Extremität durchfliegen; ferner dass auch eine genaue Unter¬
suchung die Sensibilität der oberen Extremitäten als normal feststellen
konnte, und dass von den Bauchreflexen nur der links im oberen Ab¬
schnitt auftretendo deutlich war, während die unteren sowohl rechts wie
links nicht nachweisbar waren.
Die Sensibilitätsverhältnisse am Penis, Scrotum, Perineum sind
dieselben wie oben beschrieben; Pat. gibt an, er habe sich neuerdings
die rechte Wade durch einen heissen Stein verbrannt, ohne es gemerkt
zu haben. Die schmerzhaften Empfindungen in der Brust und die
geklagten Schwindelerscheinungen sind zurzeit vollkommen verschwunden.
Das Allgemeinbefinden ist gut; nur klagt er noch über ein Gefühl von
Jucken in den Fusssohlen.
Bei einer erneuten Untersuchung im Jahre 1911, also im dritten
Jahre der Krankheit, konnten eben nur wieder dieselben Verhältnisse
festgestellt werden; die Dorsalflexion des linken Fusses war sehr gering,
so dass Pat., wenn er nicht sehr aufpasste, bei selbst nur geringen
Hindernissen leicht zu Fall kam.
Im September 1911 fühlte sieb Pat. seiner Aussage nach subjektiv
durchaus wohl (er hatte inzwischen wieder etwas Jod ge¬
nommen); der Babinski’sche resp. der Oppenheim’sche Reflex fehlt
auch heute links wie früher.
Auch im Mai 1912 war der objektiv im ganzen unveränderte Zu¬
stand des Kranken ein subjektiv für ihn wohl befriedigender. I®
November 1912 wurde wieder mehr über Schwindelersebeinungen ge¬
klagt. Als bemerkenswert notierte ioh ausgangs des Jahres 1912 die
vollkommen normale Sensibilität der rechten oberen Extremität
Im Laufe des Jahres 1913 habe ich den Kranken nicht wieder
zu Gesicht bekommen; der letzte Status wurde von mir am 6. Job 1
1914 aufgenommen. Ich teile ihn, da er den Abschluss einer sioh
über 6 Jahre erstreckenden Beobachtung bildet, m 5 *
führlioh mit:
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UMIVERSITY OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1791
Das Allgemeinbefinden des Patienten ist gut: Schlaf und Appetit
lassen nichts zu wünschen übrig. Er tut seinen nicht gerade leichten
Dienst auf der Eisenbahn nach wie vor, hat auch, wie ich hier beb
fügen will» diesen Dienst im Verlaufe seiner nunmehr schon
6 Jahre währenden Krankheit niemals unterbrochen. Die
Potenz ist geschwunden; dem Drange, Blase oder Mastdarm zu entleeren,
muss er schnell Folge leisten, da sonst die Gefahr besteht, sich zu ver¬
unreinigen. Der Gang ist eher besser als vordem, nicht mehr so spastisch;
das Hinaufgehen von Treppen geht leidlich, beim Absteigen hält er sich
gern am Geländer fest. Das rechte Bein ist kräftig; alle Bewegungen
dort frei; kein Dorsalclonus; Berührungen und selbst leichter Druck
werden dort gut gefühlt. Kälte, Hitze, Stiche werden aber rechts bis
etwa zwei Querfinger unterhalb des Nabels nicht, resp. nicht als schmerz¬
haft wahrgenommen. Während das linke schwächere und stärkeren
Widerstand nicht überwindende Bein beim Ausstrecken in Zittern gerät,
ist das bei dem motorisch kräftigen rechten Bein nicht der Fall. Die
Sensibilität des linken Beins ist normal.
Weder links noch rechts ist ein Babinski’soher oder Oppenheim’scher
Reflex auszulösen. Links besteht Dorsalclonus, rechts nicht.
Die Bauchreflexe sind heute (10. Juni 1914) beiderseits auszulösen:
der Gremasterreflex aber nur rechts deutlich, links kaum nachzuweisen.
Die linkere obere Extremität ist schwächer als die rechte. Dynamo¬
metrischer Druok rechts 95, links 45. Neben dem atrophischen liöken
ersten M. interosseus erscheint heute auch die linke Daumenballen¬
muskulatur weniger deutlich ausgeprägt als die rechte. Uebrigens sind
links alle Bewegungen, auch die der Finger, durchaus leicht ausführbar,
nur leichter zu unterdrücken als rechts. Wie zu Beginn der Unter¬
suchungen ist auch heute die linke Pupille grösser als die rechte: beide
aber reagieren sowohl auf Lichtreiz wie bei Konvergenz. Schliesslich
wäre noch zu bemerken, dass rechts unten die vorderen Backzähne, ohne
dass Schmerzen bestanden hätten, locker geworden und ausgefallen sind.
Die Unempfindlichkeit der Haut der rechten Penishälfte, des rechten
Scrotums und der rechten Dammhälfte für schmerzhafte Reize, Kälte,
Hitze, besteht fort.
Die Untersuchungsresnltate bei dem im Vorhergehenden be¬
schriebenen Kranken Hessen es von Beginn an nicht zweifelhaft
erscheinen, dass man es hier mit dem Symptomenkomplex der
Brown-Söqnard’schen Lähmung zu tun habe. Eine halbseitige Er¬
krankung des Rückenmarkes lag sicher vor, aber welcher Natur
die offenbar in der linken Hälfte des dorsalen Markes sitzende
Schädigung war, blieb anfangs unsicher. Da der Kranke jede
syphilitische Infektion leugnete, dachte ich zunächst an die An¬
wesenheit einer von den Meningen oder den Wurzeln ausgehenden,
die linke Hälfte des Markes zusammenpressenden extramedullären
Geschwulst, deren Sitz zwischen dem 4. und 6. Dorsalsegment zu
lokalisieren war. Ich will, was den eben erwähnten Sitz des etwa
vorhandenen Tumors betrifft, nur auf die Daten verweisen, die
ich wiederholt and des längeren in den ausführlich mitgeteilten
Untersnchungsergebnissen gegeben habe. Diese meine Ansicht
musste ich aber ändern, als durch die serologische Untersuchung
mindestens die Möglichkeit einer einst stattgehabten syphilitischen
Infektion nacbgewiesen schien and eine antisyphilitische Behand¬
lung eine gewisse Besserung in dem Befinden des Patienten her¬
beiführte.
Für die Annahme einer syphilitischen Affektion der Rücken-
markshänte bei unserem Patienten sprach auch die Tatsache, dass
sich das Bestehen verschiedener Symptome kaum aus der An¬
wesenheit nur eines Herdes erklären liess. Wollte man nicht
das Vorhandensein multipler Geschwülste im Wirbelkanai an-
nebmen, wofür gar kein Symptom sprach, so konnte man die
linksseitige PapillenerweiteruDg und die später auftretende Atrophie
des ersten linken Spatium interosseum und vielleicht auch des
linken Daumenballens eher durch die Anwesenheit eines syphili¬
tischen Produktes erklären, das die unterste Cervikal- und die
erste Dorsalwurzel komprimierte und so eine gewisse Aehnlich-
keit mit dem Dejerine-Klumpke’schen Symptomenkomplex herbei¬
führte. Ein weiteres Argument für die Annahme einer syphili¬
tischen spinalen Meningitis schien mir der im Laufe der Jahre
eingetretene Wechsel einzelner Reflexe (Bauch , Cremasterreflex,
Babinski’sches Zeichen) zu bilden, wie dies ja nach der ein¬
geleiteten antisyphilitischen Behandlung und den zu verschiedenen
Zeiten gegebenen Jodgaben unschwer zu erklären war.
Auch das Vorkommen von vorübergehenden Schwindel¬
gefühlen bei dem Kranken, das Zittern der Hände, besonders der
linken und die wenn auch nur eben angedeutete Ataxie beim
Zeigefinger-Nasen versuch sprachen eher für als gegen die An¬
nahme, dass das Hirn nicht ganz unbeteiligt und seine Häute bei
der anzunehmenden syphilitischen Affektion mit betroffen waren.
Da ferner die Psyche des Kranken während der gesamten langen
Zeit der Beobachtung nie beeinträchtigt erschien, da nystagmus-
artige Bewegungen der Augen sowie eine Sprachstörung (skan¬
dierende Sprache) fehlten und die Symptome des Zitterns nnd
der Ataxie nur sehr anbedeutend hervortraten, konnte auch an
das Vorhandensein einer fleckweisen Degeneration des Markes und
des Hirns kaum als Ursache der pathologischen Erscheinungen
gedacht werden.
Schliesslich war auch die Frage, ob es sich in diesem Falle
vielleicht um eine Syringomyelie handle, geprüft worden. Ich
batte im Jahre 1892 im 24. Bande des Archivs für Psychiatrie usw.
einige Fälle von Syringomyelie mit atypischem Sitz veröffentlicht,
von denen namentlich der zweite eine gewisse Aehnlichkeit mit
dem Krankheitsfall bei unserem Patienten zeigte. Ra bestand da
bei einer 44 jährigen Frau eine Parese der linken Extremitäten
und eine partielle Empfindungslähmung (für Schmerz, Tempe¬
raturunterschiede) auch an der linken Schultergegend und am
oberen Teil der vorderen linken Rumpfbälfte. Die rechtsseitigen
Extremitäten waren beide motorisch vollkommen frei; die Sensi¬
bilitätsverhältnisse waren hier so, dass die vordere und hintere
rechte Rumpfhälfte vom Schlüsselbein ab bis zur 5. Rippe hin
und die ganze rechte obere Extremität in normaler Weise emp¬
fanden, während von der 5. Rippe etwa ab die rechte Rumpf¬
hälfte nach abwärts hin mitsamt der rechten motorisch kräftigen
unteren Extremität für Temperaturunterschiede und Schmerz-
empfindnngen durch Nadelstiche z. B. unempfindlich war gleich
der linken oberen Extremität, mit dem Unterschied immerhin,
dass diese Verhältnisse am rechten Unterschenkel bedeutend
weniger klar nachznweisen waren, wie am rechten Oberschenkel.
Ich erlaube mir, hier die Bemerkungen, die ich im Anschluss
an diese Beobachtung von atypischer Syringomyelie gemacht habe,
zu reproduzieren.
Ist, wie das Fehlen von atrophischen Zuständen an den Muskeln
der linken oberen Extremität und das Vorhandensein von trophischen
Störungen an der Haut der linken Schultergegend beweist (lange
strahlige Narben), der pathologische Prozess im Mark vorwiegend auf
die Region der grauen Hintersäule beschränkt, so scheint er nach ab¬
wärts hin, vom 5. Dorsalwirbel ab, die hinteren Partien der grauen
Substanz verlassen und mehr auf die sensible Fasern führenden links¬
seitigen Partien der Seitenstränge hinübergegrifien zu haben. Dann
würden sich die beobachteten Symptome, soweit sie die sensiblen und
motorisohen Verhältnisse der unteren Rumpfhälfte betreffen, wohl er¬
klären. Abstrahiert man für einen Augenblick von den tatsächlich an
an der linken oberen Rumpfhälfte und der linksseitigen oberen Ex¬
tremität beobachteten Zuständen, so hätten wir es, was die gesamte
untere Rumpfhälfte und beide unteren Extremitäten betrifft, mit einem
9ehr an die sogenannte Brown-Sequard’sche Lähmung er¬
innernden Symptomenkomplex zu tun: an der Seite des in der Höhe des
Ursprungs des 5. oder 6. Dorsalnervea gelegenen Krankheitsherdes
(links) ist die Sensibilität jedenfalls nicht beeinträchtigt, die Motilität
aber entschieden vermindert: rechts besteht, wie bei der Brown-
Sequard’schen Lährnuogsform, Sensibilitätsstörung und intakte Motilität.
Die oben beschriebenen Sehnenphänomene (Knie- und Fussphänomen
links erhöht, reehts kaum nachzuweisen) entsprächen durchaus der An¬
nahme.
Dabei verkenne ich nicht, fuhr ich damals fort, dass dieselben Er¬
scheinungen, welche den Brown-Sequard’schen Symptomenkomplex dar¬
zustellen scheinen, auch dann zustande gekommen sein können, wenn
man neben dem linksseitigen noch einen rechtsseitigen Krankheitsherd
anniramt. Derselbe würde rechts vom 4. oder 5. Dorsalsegment ab in
den hinteren Abschnitten der rechten grauen Substanz zu suchen sein.
Der Krankheitsprozess würde in dieser Höhe von der linken auf die
rechte Seite übergegriffen haben mit der Verschonung der oberen Dorsal-
und unteren Cervicalpartien rechterseits. Da eine ausgesprochene Hyper¬
ästhesie an der linken unteren Rumpfhälfte und an der linken unteren
Extremität fehlte, so wäre die Erklärung der beobachteten Erschei¬
nungen nach der zweiten Annahme fast noch plausibler als nach der
ersten.
Ich habe nun auch in dem hier mitgeteilten Fall an die
Möglichkeit des Vorhandenseins einer atypischen Syringomyelie
gedacht. Da aber Sensibilitätsstörungen an der linken oberen
Rumpfhälfte und der linken oberen Extremität fehlten ebenso wie
trophische Störungen an der Haut, und da der so verschieden
lokalisierte Sitz einer syringomyelitischen Affektion (einmal im
oberen Dorsalteil der einen Seite und, mit Uebergehung der
tieferen Markpartien derselben Seite, das Ueberspringen auf die
tiefer gelegene Partie der anderen Rückenmarksseite) offenbar der
Annahme eine viel grössere Schwierigkeit bietet, als die einer
syphilitischen Affektion des Rückenmarks und seiner Häute an
der LäDgsausdehnung nur einer Seite des Marks, so glaube ich
mit der Annahme einer, wie nunmehr mehrfach aaseinander¬
gesetzt ist, hauptsächlich einseitig sich erstreckenden syphili¬
tischen Rückenmarksaffektion, natürlich mit Beteiligung der sie
umkleidenden Meningen, diagnostisch das Richtige getroffen zu
haben.
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UMIVERSITY OF IOWA
1792
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 45.
Schliesslich mache ich noch auf eine Besonderheit in meinem
hier mitgeteilten Fall aufmerksam, nämlich auf die Sensibilitäts¬
störung in der rechten Penis , Scrotal- und Dammhälfte, die sich
genau so verhielt wie die Sensibilitätsstörung im rechten motorisch
intakten Bein. Es fehlte die Schmerzempfindung für Stiche,
elektrischen Pinsel, für Kälte und Hitze wie oben beschrieben.
Derartige Beobachtungen sind, soviel ich weiss, zuerst von
Wernicke und Mann 1 ) gemacht worden. Nach Wernicke’s
Erklärung kann man erwarten, dass für diese, unterhalb der
Lendcnanschwellung gelegenen Gebiete (es würde sich um die
zweite bis vierte Sacralwurzel bandeln) die centralen Bahnen der
Sensibilität noch in der entgegengesetzten Rückenmarkshälfte
enthalten sein würden.
Wenden wir diese Ueberlegungen Wernicke’s auf unseren
Fall an, so würden wir neben den vorausgesetzten zwei Herden
im unteren linken Cervical- und obersten Dorsalroark und dem
Herde in der Höhe des vierten bis fünften Dorsalsegments links
noch einen dritten Herd in der Gegend des linken Sacralmarks
anzanehmen haben, welch letzterer Herd dann für die ungewöhn¬
liche partielle Empfindurgslähmung im Bereich der zum Plexus
pudendalis gehörigen Nerven verantwortlich zu machen wäre.
Schliesslich noch eine Bemerkung. Wenn ich oben sagte,
dass die Symptome an der linken Pupille meines Patienten und
an einzelnen kleinen linksseitigen Handmuskeln an die Klumpke-
sche Lähmung erinnerten, so weiss ich wohl, dass dabei nicht
von einer Vergrösserung der Pupille der entsprechenden Seite
die Rede ist, sondern neben einer Verengerung der Lidspalte von
einer Verkleinerung der Pupille. Immerhin weiss man, dass bei
einer Affektion sympathischer Fasern neben Lähmungs- auch mit
etwaigen Reizznständen gerechnet werden kann, die in meinem
Falle von der pathologischen Veränderung im Bereich des unteren
linken Cervicalmarks auf die benachbarten sympathischen oculo-
pupillären Fasern ausgeübt würden.
Aus der medizinischen Universitätsklinik in Groningen
(Direktor: Prof. A. A. Hijmans v. d. Bergh).
Beitrag zur Kasuistik des renalen Diabetes.
Von
C. D. de Langen, Assistenten der Klinik.
In der letzten Zeit ist das Wesen des renalen Diabetes wieder
mehr und mehr in den Vordergrund getreten, und auf dem neulich
abgehaltenen Kongress für innere Medizin (15.—18. April 1913)
wurde diese Frage von Frank wieder angeregt und ausführlich
besprochen. Seit Klemperer am 18. Mai 1896 in dem Berliner
Verein für innere Medizin und um dieselbe Zeit etwa auch
Lepine die Frage aufwarfen, ob in der Glykosurie bei Diabetes
vielleicht ein renales Element eine Rolle spielen könne, sind,
wie sich auf dem Kongress in Wiesbaden erwies, in den folgenden
Jahren nur vereinzelte kasuistische Mitteilungen erschienen,während
hingegen theoretisch und experimentell viel gearbeitet ist, um die
Wahrscheinlichkeit dieser besonderen Art der Zuckerausscheidung
darzutun.
Und obschon man heute wohl anerkennt, dass es wahrschein¬
lich einen klinischen renalen Diabetes gibt, welcher sich hin¬
sichtlich der Ursache, des Verlaufs und der Prognose scharf
unterscheidet von dem Diabetes mellitus, so ist die Anzahl genau
beobachteter Fälle, die den klinischen Bedingungen für einen
renalen Diabetes genügen, sehr gering, und es wird noch eine
ganze Reihe zuverlässiger Beobachtungen nötig sein, um über diese
Frage Klarheit zu gewinnen.
Klemperer, der zuerst die Bedingungen formulierte, forderte
für die klinische Diagnose des renalen Diabetes:
1. dass die Glykosurie in sehr hohem Grade unabhängig von
der Kohlehydratzufohr sei;
2. dass der Blutzuckergehalt in keinem Falle gesteigert, sondern
sogar (wie auch bei dem typisch renalen Phloridzin-Dia¬
betes) infolge des Zuckerabfiusses aus den Nieren geringer
sei als normal;
3. dass das Entstehen einer Nephritis der Zuckerausscheidung
entgegen wirke.
Lüthje, der 1901 die für die Diagnose eines Nierendiabetes
notwendigen Bedingungen formulierte, war mit den unter 1 und 2
geforderten einverstanden, sagte aber statt Nr. 3, die Glykosurie
1) D. Zschr. f. Nervhlk., 1897, Bd. 10, S. 35.
solle vor der Nierenerkrankung fehlen und erst nach der Krankheit
auftreten.
Die erste Forderung wird jedermann als selbstverständlich
richtig ansehen. Nur brauchen Glykosurie und Kohlehydratzufohr
nicht in jedem Falle ganz unabhängig zu sein, da auch die Grösse
der Pbloridzin-Glykosnrie bis zu einem gewissen Grade von der
Kohlehydratzufuhr abhängig ist.
Fast allgemein nimmt man an, dass der Phloridzin-Diabetes,
und analog damit auch die klinische Form, ein rein renaler Prozess
ist. Lepine ist einer etwas anderen Meinung. In den Capillaren
der Niere spiele sich unter Einfluss des Phloridzins ein Prozess
ab, durch welchen der Zucker aus seinen Verbindungen frei ge¬
macht wird, indem er vom „sucre virtual“ zum „sucre libre“
werde. Zugleich fand Löpine, dass nicht nur die Nieren diese
Eigenschaft, in ihren Capillaren den Zucker frei zu machen,
besitzen, sondern dass die Blutgefässe der Lungen dies auch ton
können. Er fand nämlich nach einer Phloridzininjektion, dass
das Blut der Carotis mehr „sucre libre“ enthielt als das Blut
des rechten Herzens. Lange Zeit war die grösste Schwierigkeit,
zuverlässige Beobachtungen zu bekommen, die, dass man keine
präzise Methoden, den Blutzucker zu bestimmen, znr Verfügung
batte. Dass jedoch in den letzten Jahren viel und vorzüglich
hierüber gearbeitet worden ist, beweist Bang’s ausführliches und
schönes Werk: „Der Blutzucker.“ Zahllose mehr oder, weniger
komplizierte Methoden stehen uns jetzt zur Verfügung. Der fol¬
gende Fall von renalem Diabetes wurde in der Klinik in Gro¬
ningen beobachtet und darf meiner Meinung nach mit Recht
registriert werden als einer, der völlig den gestellten Bedingungen
für einen renalen Diabetes entspricht.
Patient X., 22 Jahre alt, Lehrer. Die beiden Eltern leben; der
Vater befindet sich in einer Irrenanstalt, die Mutter ist gesund.
Vier Schwestern und ein Bruder sind gesund. Zwei der Schwestern
sind bisweilen etwas überspannt. Weiter gibt es keine hereditären Mo¬
mente. Stoffwechselkrankheiten sind in der Familie nicht bekannt.
Patient ist Totalabstinenzler, hat niemals geraucht. Als Kind hat er
Masern, Keuchhusten und später vermutlich auch Typhus gehabt. Ferner
hat er in seinen Kinderjahren öfters an Nasenbluten gelitten, später nicht
mehr. Er machte mit 19 Jahren ein sehr gutes Lehrerexamen. Kur*
zuvor erschien er etwas überange9treDgt; fiel auch zweimal in Ohnmacht.
In dieser Zeit hatte er oft Kopfschmerzen. Nach zwei Jahren machte
er das Hauptlehrerexamen, während ihm inzwischen wegen Ueberan-
streDgung für sieben Monate das Studium von einem Spezialisten ver¬
boten wurde. Während dieser Zeit gab er wohl Stunden in der Schule,
wobei er öfters von Kopfschmerzen und Schwindel gequält wurde.
Sowohl vom Spezialisten wie einige Monate später bei einer ärztlichen
Untersuchung ist der Urin untersucht und normal befunden worden.
Bei der Aushebung hat er sich freigelost. Er fühlte sich gegen das
Examen hin wieder gesund. Nach diesem Examen fing er sofort an, für
das französische Examen zu arbeiten; er studierte immer sehr angestrengt
Ausser etwas Kopfschmerzen fühlte er sich aber sonst wohl. Er hatte guten
Appetit und ist nicht abgeraagert, litt nie an Durst usw. Als er im März
1912 bei einer Bewerbung um eine sehr gute Stelle als erster beraten
wurde, wurde er jedoch abgewiesen, da der Arzt, der ihn untersuchte,
Glykose im Urin fand. Dieser verwies ihn zur näheren Untersuchung
und Behandlung an die interne Klinik in Groningen. Das erste Mal
wurde er hier aufgenommen vom 24. April bis 14. Mai (vgl. Tabelle 1).
Status praesens: Der Patient ist ein junger Mann von kräftiger
Gestalt mit gut entwickeltem Knochen- und Muskelsystem und Fettpolster.
Die Farbe der Haut ist normal. Keine Oedeme, Drüsenschwellungen
oder Furunkel. Die Hirnnerven sind ungestört. Gesicht, Gehör,
Geruch und Geschmack sind gut. Das Herz ist nicht vergrosserfc,
die Töne rein, der Puls ist gut gefüllt, nicht frequent (70—80), äqual,
regelmässig. Der Blutdruck, bestimmt nach Riva-Rocci, beträgt 128.
Ueber den Lungen rechts hinten in der Spitze etwas rauhes Atmen mit
einigen knackenden Rhonchi, welche dort wiederholt gefunden werdet.
Auf der Röntgenplatte war in der rechten Spitze kein Schattenbild zu
sehen. (Pirquet schwach positiv.) Im Bauche ist nichts Besonderes.
Sensibilität, Muskelkraft usw. sind gut; Reflexe etwas gesteigert. Patient
macht einen sehr intelligenten, etwas überspannten Eindruck.
Das Körpergewicht, das beim Eintritt 68 kg betrug, stieg während
seines Aufenthaltes im Krankenhause auf 73 kg. Bei einer erneuten
Untersuchung nach mehr als einem Jahre befindet er sich gut, und das
Gewicht ist auf 75 kg gestiegen. Der Urin war immer klar, reagierte
meist sauer, enthielt ein einziges Mal einige Phosphate. Niemals wurde
Eiweiss gefunden. Mikroskopisch keine Cylinder, weiase oder rote Blut¬
körperchen. Der Urin enthält immer Zucker. Die Phenylbydrazinprobe
bewies uns, dass es sich um Glykose handelte. Durch das Eigen¬
tümliche der Zuckerausscheidung hinsichtlich der gebrauchten Kohle¬
hydrate wurde unsere Aufmerksamkeit darauf gelenkt, ob wir es Mer
nicht mit einer Form von renalem Diabetes zu tun hätten. Eine Be¬
stimmung des Blutzuckergehaltes wies auch darauf hin. Auf unsere
Bitte liess er sich drei Wochen später zur nochmaligen Untersuchung
wieder aufnehmen (vgl. Tabelle 2).
Digitized by
Google
Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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3 Eier, 1200 g Milch, 450 g
Buttermilch.
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1020
0,84
16,4
—
1) Im Urin wurde niemals Eiweiss nacbgewiesen. — 2) Tag von
8 Uhr morgens bis 8 Ubr abends. — 3) Nacht von 8 Uhr abends bis
8 Uhr morgens. — 4) Blutzuckerbestimmung 0,054.
Aus diesen Tabellen ersieht man, dass der Urin niemals zuckerfrei
war. Die Quantität des ausgeschiedenen Zuckers schwankte zwischen nur
4 und 19 g in 24 Stunden. Die kleinste Quantität bekam man bei einer
Kohlehydratzufuhr von 184 g, die grösste bei 503 g (inkl. 150 g reine
Glykose). Demgegenüber steht jedoch, dass bei kohlebydratfreier, wenig¬
stens ungefähr kohlehydratfreier Diät der kleinste Wert 5,8 und der
höchste 16,4 g ist. Alle anderen Werte schwankten dazwischen ohne
jeden Zusammenhang mit der Kohlehydratzufubr. Wir sehen also,
dass die geringste Zuckerausscheidung nicht bei einer kohle¬
hydratfreien Diät, sondern bei einer ziemlich grossen Zu¬
fuhr wahrgenommen wurde. Der höchste Wert bei Enthaltung von
Kohlehydraten ist wenig verschieden von derjenigen Diät, wo 503 g
Kohlehydrate zugeführt wurden, bei welcher sogar 150 g reine Glykose
miteinbegriffen sind. Die Zuckerbestimmungen wurden polarimetrisch
sowie titrimetrisch gemacht [nach Katz’ Methode] Q, wobei wir zugleich
die Gelegenheit hatten, festzustellen, dass diese Methode wirklich einfach
und sehr zuverlässig genannt werden darf.
Bei der Untersuchung, ob Tages- oder Nachturin sich verschieden ver¬
hielten, hatte der Tagesurin den höchsten Wert. Tage, an denen der Patient
viel spazieren ging und arbeitete, verhielten sich nicht anders als solche
von absoluter Ruhe; der Einfluss auf die Zuckerausscheidung war
negativ. Eine absolute Ruhekur mit strenger Milchdiät, um die Nieren
so wenig wie möglich zu reizen, ergab ebensowenig positives Resultat.
Einnehmen von Diuretin, das nach einigen Autoren Einfluss auf die
Zuckerausscheidung ausübt, hatte nicht das mindeste Resultat. Meiner
Meinung nach ist es denn auch ohne Zweifel, dass in diesem Falle ein
tf 6 ki hoher Grad von Unabhängigkeit der ZuckerausscheiduDg von der
Kohlehydrataufnahme besteht. Der ersten Forderung wird also völlig
genügt.
Was nun den Blutzuckergehalt betrifft, so sind wir bei unserem
Patienten in der Lage gewesen, vier derartige Bestimmungen zu machen.
Alle vier Male wurde das Blut nachmittags um 4 Uhr (Hauptmahlzeit 1 Uhr)
aus der Armvene des Patienten entnommen. Wie wir aus den Tabellen
sehen, fanden wir immer einen Wert unter dem normalen. Bei diesen
Bestimmungen ist natürlich die äusserste Genauigkeit erforderlich. Immer
wurde der Wert des Blutes im ganzen genommen und nicht besonders
aer des Serums und der roten Blutkörperchen bestimmt. Hauptsächlich
üaben wir bei unseren Bestimmungen nach der Methode gearbeitet, wie
. an 8 8 \ e angegeben hat. Da ich die chemischen Bestimmungen
immer mit meinem Kollegen Chem. Dr. A. W. Visser gemacht habe und
unsere Bestimmungen bei gesunden Personen und anderen Patienten,
lab etikern und Nichtdiabetikern, immer Werte ergaben, die grösser waren
1) Nederl. Tijdschr. v. Geneesk., 1912, I, No. 20.
als diese, so glaube ich, dass ich die Zuverlässigkeit dieser Ziffer nicht
zu bezweifeln brauche. Es ist in unserem Falle klar, dass die Nahrung
auch auf den Zuckergehalt des Blutes keinen Einfluss ausübt. (Die erste
Tabelle 2.
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3
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Diät
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Urin
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300 g Weissbrot, 50 g Zwieback,
1 1 Milch, 100 g Kartoffeln,
2 Eier, 50g Butter, 50 g Reis,
150 g Zucker, 200 g Fleisch,
100 g Gemüse.
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1027
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—
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1025
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—
—
16.6.
1 1 Milch, 260 g Brot, 50 g
Zwieback, 120 g Kartoffeln,
50 g Butter, 100 g Fleisch,
100 g Gemüse, 150 g Glykose,
50g Gries, 75g Zucker, 300g
Wein.
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1025
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—
—
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Maizena, 50 g Zwieback.
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—
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252,5
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—
—
3. 7.
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252,5
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5. 7.
* 3. 7.
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12,50
—
6. 7.
100 g Butter, 30 g Zwieback,
150g Fleisch, 220gKartoffeln,
435g Salat, 60g Brot, 1200g
Milch.
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0 45
11,62
7. 7.
Speisen erbrochen.
Hier\
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keine Bestimmung gemacht.
8.7.
5 Eier, 125 g Butter, 150 g
Fleisch, 200 g Rahm, 100 g
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toffeln, 30 g Zwieback, 200g i
Wein.
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1200
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—
—
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270g Fleisch, 400g Gemüse,
175 g Rahm, 100 g Butter.
0
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1,03
12,36
—
—
20. 7. |
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Entlassen.
0
1450
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—
—
1) Viel spazieren und arbeiten gelassen. — 2) Blutzuckerbestimmung
0,056. — 3) 150 g Glykose extra. — 4) Blutzuckerbestimmung 0,073.
Mit Glykosezufuhr aufgehört. — 5) Angefangen mit Milchkur und
absoluter Liegekur. — 6) 3 g Diuretin pro Tag. — 7) 3 g Diuretin pro
Tag. — 8) 3 g Diuretin pro Tag. — 9) Allmählich Kohlehydrate ent¬
zogen. — 10) Bewegung im Freien. — 11) Viel spazieren und arbeiten
gelassen. — 12) Blutzuckerbestimmung 0,06.
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Original from
UMIVERSITY OF IOWA
1794
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 46.
der drei letzten Bestimmungen wurde während einer sehr reichlichen
Kohlehydratzufuhr gemacht, die zweite, nachdem der Patient überdies
noch während einer Woche täglich 160 g Glykose eingenommen batte,
und die dritte nach mehreren Tagen kohlebydratfreier Diät.) Der Blut¬
zuckergehalt des normalen Menschen wird von verschiedenen Unter¬
suchern sehr verschieden angegeben. Die verschiedenen Untersuchungs¬
methoden spielen dabei eine ziemlich grosse Rolle. Auch hat man
genau untersucht, ob grosse Unterschiede bestehen zwischen dem Zucker¬
gehalt des Gesamtblutes und dem des Plasmas allein. Bei gleich-
massiger Nahrung ist der Gehalt der Blutkörperchen und des Plasmas
ungefähr derselbe, so dass die Bestimmungen des ganzen Blutes im
allgemeinen ein richtiges Bild geben. Bei starker Zuckerzufuhr und
starkem Zuckerverbrauch scheinen die Schwankungen sich eher und
intensiver in dem Zuckergehalt des Plasmas als in dem des Gesamtblutes
zu zeigen. Claude-Bernard nahm 2—4 pM. als den normalen Wert des
Blutzuckers an. Er hat dabei den wirklichen Gehalt weit überschätzt.
Später fand man Werte zwischen 0,09 und 0,12 pCt. Auch diese müssen
wir als zu hoch betrachten. Stein und Liefmann fanden den normalen
Wert schwankend zwischen 0,065 und 0,1 pCt. Auch die systema¬
tischen Untersuchungen von A. Hollinger, E. Frank und W. Weiland
ergaben als Durchschnittswert 0,085 pCt. Tachau, der eine sehr schöne
Methode angab, nennt als Durchscbnittsziffer 0,083 pCt. Der Durch¬
schnittswert der von uns gemachten Bestimmungen ist noch etwas
kleiner und betragt ungefähr 0,08 pCt. Die Ziffern von 8 Diabetikern
waren viel höher als jene, einen Fall ausgenommen, auf den ich nachher
zurückkommen werde. Wenn wir jetzt die bei unserem Patienten er¬
haltenen Werte mit jenen vergleichen, so sehen wir, dass alle vier
Bestimmungen unter der Norm bleiben, und wir können mit Gewiss¬
heit von einer Hypoglykämie sprechen. Auch die zweite Forderung
ist also erfüllt.
Was die dritte Forderung anbetrifft, so können wir, da bei dem
Patienten keine Nephritis aufgetreten ist, schwer entscheiden, wie der
Patient eventuell darauf reagieren würde. Dass der Zustand der Nieren
auf die Zuckerausscheidung Einfluss ausüben kann, ist schon lange
bekannt.
Klinisch weiss man, dass, wenn bei Diabetes chronische
Nephritis als Komplikation auftritt, die Nieren bisweilen weniger
Zucker durchlassen und die Ausscheidung bedeutend ab¬
nimmt. Auch experimentell fand P. P. Richter, dass Nieren
komplikationen (Chromsäurevergiftung usw.) die Glykosurie der
ihres Pankreas beraubten Hunde verminderten, unter gleichzeitigem
Steigen des Blutzuckergehaltes. Ebenso wie der Diabetes bei
Hyperglykämie sollte sich auch der Phloridzin Diabetes ver¬
halten, da nach den Untersuchungen von Klemperer kleine
Quantitäten Phloridzin bei normalen Menschen noch zur Zucker¬
ausscheidung führen, bei Nepbritikern aber nicht. Man muss dem
gegenüberstellen, dasB die Ursachen, welche das Verschwinden
der Glykosurie bei einer sich entwickelnden Nephritis zur Folge
haben, nicht dieselben zu sein brauchen als die, welche das Zu¬
standekommen des Phloridzin-Diabetes bei einem an Nephritis
Erkrankten verhindern. Naunyn und Lüthje forderten sogar,
dass ein Nephritisprozess dem Auftreten der Glykosurie voran-
gehen müsse.
Mit Naunyn müsste man annehmen, dass eine Nephritis auf
das Nierenepithel gerade solch einen Einfluss ausüben könute,
dass die Zellen den Zucker anstatt schwerer, leichter durchlassen.
Hierbei muss natürlich die Anwesenheit von Eiweiss vor der des
Zuckers in dem Urin festgestellt worden sein, da, wie bekannt
ist, bei Diabetes Albuminurien aus verschiedenen Gründen öfters
auftreten. Solche Beobachtungen sind gemacht worden von Bence-
Jones,Dickinson, Küchenmeister, und auch Naunyu bat drei
ähnliche Fälle beschrieben. Bei keiner der sechs Beobachtungen
ist aber eine Blutzuckerbestimmung gemacht worden, so dass wir
über die Möglichkeit des Bestehens einer Hyper- oder Hypo¬
glykämie im Ungewissen sind. Zwar besteht in diesen Fällen
eine gewisse Unabhängigkeit der Zuckerausscheidung von der
Kohlehydratzufuhr; es ist aber bekannt, dass eine grosse Toleranz
für Kohlehydrate oft auch bei einem wirklichen Diabetes auftritt,
wenn dieser kompliziert ist mit einer schweren Organ krank heit.
Id der Tat sind von den sechs angeführten Fällen vier nach kurzer
Zeit zur Sektion gekommen, wobei andere schwere Organverände-
rangen festgestellt wurden.
Die Bright’sche Krankheit muss wohl als nicht notwendig
für die Diagnose des renalen Diabetes angenommen werden, denn
bei der Pbloridzinglykosurie sehen wir ja doch auch kein einziges
Symptom dieser Krankheit auftreten, während die Anwesen¬
heit eines renalen Prozesses feststeht.
Eine sehr wichtige Tatsache, welche hier angeführt werden
darf, ist die bisweilige Glykosurie nach einer NierenblutuDg.
Naunyn nennt drei solche Fälle, wo geringe Zuckerausscheidung
nach der Blutung auftrat, welche wenig mit der Diät schwankte,
einige Zeit anhielt und zuletzt ohne Diätbeschränkung ver¬
schwand. Auch die Glykoseausscheidungen, welche während
Schwangerschaft und Wochenbett bisweilen wahrgenommen werden
sind von mehreren Untersuchern einem wahrscheinlich renalen
Prozesse zugeschrieben worden. Löpine nennt noch einige
andere Fälle, wo bei an Hysterie erkrankten Patienten Glykosurie
ohne Hyperglykämie auftrat. Hier wechselten Perioden mit
Eiweissausscheidnng mit solchen von Glykosurie ab. Dies würde
von Veränderungen in der Nierenzirkulation abhängig sein können,
und deshalb würde ein Grand zur Annahme eines renalen
Elementes bestehen.
Sehr richtig verlangt v. Noorden von dem klinischen Ver¬
lauf, dass die als renaler Diabetes diagnostizierten Fälle nicht nur für
einige Wochen oder Monate, sondern auch auf die Dauer sich anders
verhalten als die gewöhnlichen Fälle von Diabetes. Er macht
uns darauf aufmerksam, dass öfters leichte Fälle von Diabetes
im Anfang noch eine grosse Toleranz für die Koblehydratmfahr
zeigen, sich aber dann später als gewöhnliche Fälle von Diabetes
mellitus erkennen lassen. Jedoch gehen diese Fälle schon sehr
früh mit Hyperglykämie einher.
Io unserem Falle konnten wir nach der Entlassung des Patienten
noch viermal in einem Jahre den in 24 Stunden entlassenen Urin auf
seinen Zuckergehalt untersuchen, wobei die Diät auch genau fest¬
gestellt wurde. Die Zuckerausscheidung verhielt sich folgenderm&assen:
20. IX, 1912. Ganz wenig Kohlehydrate (25 g) in der Diät;
1850 ccm Urin. Spezifisches Gewicht 1024; Zuckergehalt 0,49 pCt;
totale Quantität ausgeschiedenen Zuckers 9,25 g.
18. XII. 1912. Diät mit ungefähr 200 g Kohlehydrate;
1350 ccm Urin. Spezifisches Gewicht 1026. Gehalt 0,34 pCt. Ausge¬
schiedene Quantität 4,36 g.
10. II. 1913. Diät mit viel Kohlehydraten; 1450 ccm Drin,
Spezifisches Gewicht 1025; Gehalt 0,60pCt. Ausgeschiedene Quantität 8,8g.
1. V. 1918. Gemischte Diät mit iy 2 Liter Milch; 1600 ccm Urin.
Spezifisches Gewicht 1022; Gehalt 0,43 pCt. Ansgeschiedene Quantität 7 g,
Also mehr als ein Jahr später besteht noch dieselbe Toleranz für
die Quantität Kohlehydrate; spätere Blutzuckerbestimmungen sind nicht
gemacht worden. Das subjektive Gefühl des Mannes hat sich eher ge¬
bessert; er arbeitet tüchtig, das Körpergewicht hat sich gesteigert.
Unsere Beobachtung erfüllt also die Forderung von v. Noorden.
Beim Nachsuchen der wenigen in der Literatur als renale
Formen beschriebenen Fälle fand ich die meisten von deutschen
Klinikern mitgeteilt.
Der von Klemperer vor 18 Jahren angeführte Fall zeigte uns
wohl eine ziemlich grosse Unabhängigkeit der Zuckerausscheidung m
der Kohlehydratzufubr, aber der Blutzuckergehalt betrug 0,18, was
I unseren gegenwärtigen Ansichten nach entschieden als Hyperglykämie
[ aufzufassen ist. Dass K icmperer den Fall dennoch als renal betrachtete,
ist darin begründet, dass er die obere Grenze des Zuckerwertes bei
normalen Menschen bis 0,2 fand; aus diesem Grunde sprach er analog
mit dem Gefundenen bei dem Phloridzin-Diabetes über einen nicht ge¬
steigerten Blutzuckergehalt. Auf dem letzten Kongress für innere
Medizin (15.—18. IV. 1913) in Wiesbaden, wo das Problem des renalen
Diabetes wieder besprochen wurde, wurde der früher als sicherer renaler
Diabetes angeführte Fall auch nicht mehr als stichhaltig anerkannt
Klemperer besprach noch einmal den renalen Diabetes als eine Stoff*
wecbselanomalie, welche durch normalen Zuckergehalt und die Unab¬
hängigkeit der Zuckerausscheidung von der Kohlehydratzufuhr charak¬
terisiert ist. Dieses Krankheitsbiid sollte seiner Meinung nach einen
grossen praktischen Wert haben, da es mit dem wirklichen Diabetes
nichts zu tun habe und keiner Behandlung bedürfe. Er hatte es ab
und zu auch bei alten Arteriosklerotikern wahrgenommen. Eine ähnliche
Beobachtung wurde auch in der Klinik in Groningen gemacht
Ein alter Mann mit Arteriosklerose und Myooarditis war schon einmal
vor einem Jahre in der Klinik gewesen. Er hatte damals weder Kiews
noch Zucker im Urin. Bei seiner zweiten Aufnahme schied er täglich
ein paar Gramm Glykose aus. Von Eiweiss oder Formelementen v*r
im Urin keine Spur. Die Quantität zugeführter Kohlehydrate hatte
keinen nennenswerten Einfluss auf die Zuokerausscheiduug, absolute
Kohlehydrate-Enthaltung ebensowenig.
Nach etwa 14 Tagen verschwand die Glykose von selbst ohne ■
Diätbeschränkung. Eine Blutzuckerbestimmung, einen Tag nachdem der j
Urin zuckerfrei geworden war, gab 0,066 pCt., also eine wirkliche Hypo;
glykämie. Nach dieser Zeit blieb Patient immer zuckerfrei und ist * fel
Monate später seiner Myocarditis erlegen. Bei der Autopsie wurißB
Nieren und Pankreas normal gefunden. Auch in diesen Fällen ist
Voraussetzung eines renalen Elementes nicht sofort abzulehneu.
Die Zahl wirklich zuverlässiger und den gestellten Anfor¬
derungen entsprechender Fälle, welche ich aus der Literatur habe
zusammenbringen können, darf wohl sehr gering genannt werden-
Dass unser Fall zu einem der besten gerechnet werden darf,
geht meines Erachtens genügend aus der Beschreibung herror.
Zu welchem Schluss hinsichtlich der Rolle der Nieren hei®
Diabetes und besonders über die Frage, ob wir eine renale Form
scharf vom gewöhnlichen Diabetes trennen dürfen, werden wir
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Go gte-
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UN1VERS1TY OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1795
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nun auf Gruod der gegenwärtigen Beobachtungen und An¬
schauungen gelangen? Dass diese Frage für viele Patienten von
grösster Wichtigkeit ist, erwähnte ich schon in meiner Einleitung.
Die Behandlung solcher Patienten würde eine ganz andere werden;
die oft so schwer durchzuführende strenge Diät, welche ausser¬
dem bei weniger Bemittelten schon der grossen Kosten wegen
schwer zu erreichen ist, würde fortfallen. Diese Menschen brauchten
sich nicht Jahre lang bestimmte, besonders gern genossene Speisen,
welche ihren Zustand gar-nicht schaden, zu versagen und die
Anwesenheit als Zuschauer bei der gemeinschaftlichen Mahlzeit
brauchte für sie nicht länger eine Tantalusqual zu sein. Darf man
diesen Menschen verweigern, eine Lebensversicherung zu scbliessen
und sie vielleicht unnötig von der immer wachsenden Anzahl
sozialer Stellen ausschliessen, für welche eine ärztliche Untersuchung
erfordert wird und wobei die Urinuntersuchung oft eine bedeutende
Rolle spielt? Gibt es vielleicht nicht zahlreiche Menschen, bei
welchen eine lange dauernde oder zeitliche Zuckerausscheidung
niemals entdeckt wird? Und gehören vielleicht nicht mehrere
der in der allgemeinen Praxis für leichten Diabetes behandelten
Patienten zur renalen Form? Gerade wegen der wenigen Sym¬
ptome, des gutartigen Verlaufes und vielleicht des spontanen
Verschwindens des Zuckers werden solche leichte Fälle niemals
in die Klinik aufgenommen, so dass eine genaue Kontrolle hin¬
sichtlich der Kohlehydrattoleranz und des Blutzuckergehaltes nie
erfolgt.
Alles dies sind Fragen, auf welche ich nicht einigermaassen
entscheidend zu antworten wage. Weitere genaue Beobachtungen
werden diese Sache klären und uns lehren müssen, wie wir künftig
zu handeln haben.
Zusammenfassend meine ich, die Frage, ob in der diabetischen
Glykosurie auch ein renales Element eine Rolle spielt, folgender-
maas8en beantworten zu müssen:
1. Es gibt Nierenkrankheiten, welche die Durchlässigkeit
der Nieren für Zucker erschweren.
2. Es gibt einen experimentellen, auf abnorme Durch¬
lässigkeit der Nieren begründeten Diabetes. Hierzu gehört gewiss
der Phloridzin-Diabetes, vielleicht auch gehören einige andere
toxogene Glykosurien hierzu.
3. Es gibt meines Erachtens einen klinischen renalen Dia¬
betes, der sich, was Ursache, Verlauf und Prognose betrifft,
scharf von dem Diabetes mellitus unterscheidet. Aber die Zahl
genau beobachteter Fälle, welche Klemperer’s Forderungen ge¬
nügen, ist noch sehr gering, und es werden zuverlässige Beob¬
achtungen nötig sein, um hierüber Klarheit zu bringen.
Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Güttingen
(Direktor: Prof. F. Göppert).
Ein Beitrag zur Entstehung der Hernia dia-
phragmatica und Dilatation des Zwerchfells.
Von
Franz Fidler.
In der Berliner klinischen Wochenschrift 1 ) wurde von Scholz
„Ein Beitrag zur Kenntnis der Hernia diaphragmatica u aus der
Göttinger Kinderklinik veröffentlicht. Der Beitrag behandelte
zwei Fälle: der erste derselben wurde damals auf Grund des
physikalischen und radiologischen Befundes als Hernia dia-
phragmatica gedeutet. Später starb das Kind; der Sektionsbefund
ergibt einige nene Gesichtspunkte für die Entstehung der Hernia
diaphragmatica, die ein Zurückkommen auf den Fall rechtfertigen.
Wir lassen zunächst die damalige Krankengeschichte im Auszug
folgen.
Margaret© W., 8 Monate alt, 8090 g Gewicht, linke Thoraxhälfte
etwas vorgewölbt; tympanitischer Perkussionsschall auf der linken Seite
vom zweiten Intercostalraum abwärts, auf der ganzen linken Seitenwand
und links hinten unten, etwa bis zum Angulus scapulae. Atemgeräusch
nur vorn oben unterhalb der Clavicula; und links hinten bis zur
10. Rippe ein, wenn auch leiser werdendes, doch deutliches Vesiculär-
atinen. Atmung ist etwas foroiert, grau eyanotische Verfärbung des
Gesichts. Das Röntgenbild zeigt, dass der grösste Teil der linken
Brusthöhle durch eine Blase eingenommen ist, die nach oben scharf
bogenförmig begrenzt ist. Das Kind hat in den nächsten Monaten ver¬
schiedene Lungenerkr&nkungen durchzumachen und stirbt an einer akut
1) Jahrgang 1911, Nr. 8.
einsetzenden Pneumonie im Alter von einem Jahre und 11 Monaten
am 11. XII. 1911.
Am 12. XII. wurde auf Wunsch der Eltern die Sektion vorgenommen;
sie fand in einem kleinen Zimmer bei ungenügender Beleuchtung statt.
Da ausserdem die Eltern eine Sektion nur teilweise gestatten wollten,
bediente man sich einer besonderen Technik. Von einem kleinen Bauch-
schoitt aus werden nach Abbinden der Halsgefässe die sämtlichen Ein¬
geweide der Brust- und Bauchhöhle hepausgeschält; um den Zwerchfell¬
ansatz zu erhalten, entfernt man die linken unteren Rippen. Bei Er¬
öffnung der rechten Brusthöhle entleeren sich 3—4 Esslöffel eiterig
trüben Exsudates. Der Oberlappen und ein Teil des Unterlappens sind
stark pneumonisch infiltriert.
Die linke Brusthöhle wird fast ganz eingenommen von einer unten
näher zu beschreibenden Ausstülpung des Zwerchfells, die das Herz nach
rechts verdrängt hat. Infolgedessen ist die linke Lunge anf einen kleinen
Raum beschränkt und nur etwa */a des rechten Oberlappens gross.
Dabei geht die Grösse der rechten Lunge durchaus nicht über die Norm
hinaus und überschreitet auch an keiner Stelle die Mittellinie. Der
linke Unterlappen ist an seiner vorderen Spitze teilweise mit dem
Zwerchfell verwachsen, in seinen hinteren Partien schwach lufthaltig.
Der linke Oberlappen erscheint ebenfalls sehr luftarm; vom oberen und
hinteren Teile, der die Grösse einer Walnusshälfte hat, geht ein herz¬
förmiges, vom ganzen Lappen durch eine Einziehung soharf getrenntes
Läppchen nach vorn, bis über die grossen Gefässe hinaus. Endlich er¬
streckt sich nach unten und vorn ein länglicher, etwa 3 cm langer
Lappen, der sich keilförmig nach hinten zwischen Herz und Bruchsack
schiebt. Bei mikroskopischer'Untersuchung zeigt sich der linke Ober¬
lappen und seine zwei Appendioes stark hyperämisob, mit vielen
mehr oder weniger katarrhalisch pneumonischen Herden durch¬
setzt. Der Uebergang zum vorderen Lappen weist keine erhebliche
Vermehrung der interstitiellen Septen und keine Verdickung der Pleura
auf, welch letztere überhaupt an keiner Stelle schwielig verdickt ist.
Am vorderen oberen Lappen ist das interstitielle Bindegewebe stärker
entwickelt. Aus dem mikroskopischen Befunde geht daher hervor,
dass die eigentümlich lappige Form der linken Lunge nicht durch
Narbenzüge bedingt ist, also eine kongenitale Missbildung vorliegt. Die
zuführenden Trachealäste erweisen sich frei. Beide Hauptbronchien, so¬
wohl links wie rechts, sind gleich weit. Der linke ist etwa 2 cm lang,
der rechte 1 cm. Aber schon an der ersten Teilungsstelle werden links
die Lumina sehr eng.
Der Magen liegt in der oben bezeichneten Ausstülpung, lässt sich
aber leicht herausziehen. Die Pars costalis der linken Zwerchfellhälfte
ist normal gebildet und von gleicher Dicke wie rechts. Etwa 2—3 cm
vom freien Rippenrande setzt sie sioh scharfrandig gegen die Aus¬
stülpung ab. Auf diese Weise werden 2 / 3 der Umrandung der Aus¬
stülpung gebildet. Der hintere, dorsale Teil des Zwerchfells jedoch
steigt direkt in die Oeffnung hinein. So füllt die Ausstülpung, die wir
im folgenden mit Bruchsack bezeichnen wollen, 2 / a — s / 4 der linken
Brusthöhle aus. An seiner hinteren Partie zeigt dieser Bruchsack eine
vollständige Muskelplatte, die an Dicke etwa */s Drittel des normalen
Zwerchfells erreicht. Von hier aus strahlen Muskelfasern in fortlaufender
Verdünnung bis über die Kuppe des Sackes hinüber, um sich an der
Vorderfläche zu verlieren. Der innere und vordere Teil des Sackes ist
rein membranös gebildet.
Es handelt sich somit um eine kongenitale Miss¬
bildung (Aplasie) der linken Lunge und eine Ent-
wicklnngsstörung des Zwerchfells, die nnr den dorsalen
Teil und das Centrum, das in seiner Entwicklung wohl
zum grossen Teil von ihm abhängig ist, betroffen hat.
Daher erscheint an den vorderen zwei Dritteln der
Uebergang in den Brachsack scharfrandig als echte
Bruchpforte, hinten als Dilatation eines schwach ent¬
wickelten Zwerchfells. Dementsprechend ist auch der
Bau des Sackes vorn ganz der eines echten Brachsackes,
hinten der eines dilatierten Zwerchfells.
Aus der Entwicklung des Zwerchfells 1 ) sei mitgeteilt, dass
es in seiner ursprünglichen Anlage, als Querfalte oder Septum
transversum, eine unvollständige Scheidewand zwischen der primi¬
tiven Pericardial- und Pleuroperitonealhöhle bildet. Dieses Septam
transversum ist der spätere ventrale Abschnitt des Zwerchfells;
zuerst trennt sich der Herzbeutel ab. „Nach Abschluss — wir
citieren hier wörtlich Hertwig (I. c.) — des Herzbeutels hängen
die engen, röhrenförmigen Brusthöhlen noch eine Zeitlang nach
hinten mit der Bauchhöhle zusammen. Die Lnngenanlagen wachsen
während dessen weiter in sie hinein and treffen schliesslich mit
ihren Spitzen auf die obere Fläche der grösser gewordenen Leber.
An dieser Stelle erfolgt dann auch der Verschluss. Er wird
herbeigeführt dnreh Falten, welche von der seitlichen nnd dorsalen
Rumpf wand ausgehen nnd sich ventral wärts mit dem Septum
transversum sowie medianwärts mit der mesenterialen Scheide¬
wand verbinden. Die Falten sind zuerst von Uskow als Pfeiler,
1) 0. Hertwig, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte. Jena 1910.
Verlag von G. Fischer. 9. Aufl.
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UMIVERSITY OF IOWA
1796
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 45.
von Brächet und Sw&en als Hembr&nes pleuroperitoneales be¬
schrieben worden. Durch Verwachsung der Pleuroperitonealfalten
entsteht das Septum pleuroperitoneale. Man kann daher zu
dieser Zeit* am Zwerchfell zwei Abschnitte unter¬
scheiden, einen ventralen, welcher sich früher bildet
(Septum transversum), und einen dorsalen, welcher viel
später entsteht (das Septum pleuroperitoneale).“
Sehen wir ab von den Fällen, wo kleinere Hernien an den
physiologischen Löcken entstehen oder, wie im Falle Broman 1 ),
durch einen Locus minoris resistentiae hervorgerufen werden, so
ergeben sieb, auch aus den entwicklungsgeschichtlichen Tatsachen,
die bekannten drei Formen von Zwerchfellhernien:
1. Hernia spuria, entstanden zu denken zu einer Zeit, wo
noch keine Trennung zwischen Bauch und Brustraum vor¬
handen war.
2. Hernia vera, die entstanden ist zu einer Zeit, wo die
membranöse Trennung vollständig, die Muskelanlage aber noch
nicht ausgebildet war.
3. Hochstand des Zwerchfells durch Dilatation, die das
Zwerchfell betrifft zu einer Zeit, wo die Muskelanlage schon voll
ständig entwickelt ist.
Unser Fall zeigt nun, ebenso wie der zweite Fall
von Scholz, besonders deutlich, dass die Pars ventralis
(costalis) sich anders verhält Vie die Pars dorsalis.
Dies stimmt mit der Ontogenese überein, da, wie oben erwähnt,
der costale Teil des Zwerchfells früher gebildet wird als der
ventrale, also‘vielleicht zu einer Zeit, wo die Entwicklungs¬
störung noch nicht eingesetzt hat.
Wir können demnach für diesen und den zweiten Scholz-
schen Fall die gute Entwicklung des ventralen Teiles des Zwerch¬
fells gegenüber dem Zustand des dorsalen Teiles dadurch er¬
klären, dass die Entwicklungshemmung zu einer Zeit einsetzte,
wo bereits der zuerst entstehende ventrale Teil des Zwerchfells
gebildet war.
Würden wir nun als Grund der Missbildung eine primäre
Hemmung der Zwerchfellbildung annehmen, so scheint ein Ein¬
wand gegen diese ontogenetische Entstehungsweise undenkbar.
Wie auch Scholz erwähnt, ist aber wahrscheinlicher, dass die
Hemmung primär oder wenigstens gleichzeitig die Lunge betrifft.
Speziell in unserem Falle weist die Missbildung der Lunge, die
nur kongenital gedacht werden kann, auf diesen Entstehungsmodus
hin. Dann wäre noch zu prüfen, wie weit mechanische Momente
die bessere Ausbildung der Pars costalis erklären könnten. Man
könnte nämlich einwenden, dass der Teil des Zwerchfells, auf
dem das Herz ruht, nicht in die Hemmung einbezogen sein muss;
dass das Herz im späteren Leben nicht mehr die linke Zwerch¬
fellhälfte berührte, kann als Gegengrund nicht augeführt werden;
denn dieser Zustand kann auch sekundär während des extra-
uterinen Lebens durch Dilatation des Bruchsackes eingetreten sein.
Da aber im vorliegenden Falle nicht nur der Teil der Pars costalis,
welcher von der Herzspitze hätte berührt werden können, sondern
die gesamte Pars ventralis des linken Zwerchfells, bis weit über
die Herzgrenze hinaus, gut entwickelt ist, so fällt diese mecha¬
nische Erklärung fort. Es bleibt also nur die Erklärung aus der
Ontogenese übrig, die uns lehrt, dass die Störung im wesentlichen
erst eingesetzt bat, als das Schicksal der Pars costalis entwick¬
lungsgeschichtlich schon entschieden war.
Die Form unseres Falles ist entwickluDgsgeschichtlich wohl
begründet. Daher dürfen wir annebmen, dass, in grossen Zügen,
diese Form sich immer wiederholen wird, oder mit andereu
Worten: die vordere Circumferenz wird sich immer mehr oder
weniger von der gut erhaltenen Zwercbfellplatte in Form eines
Bruchringes absetzen, während in der hinteren Partie mehr da9
Bild der Dilatation herrscht. Beim überwiegend grossen Teil der
kongenitalen Hernien ist es daher, abgesehen vielleicht von der
Hernia spuria, selbst bei der Sektion nicht möglich, allzu scharf
zwischen den beiden Formen der Missbildung, Hernia und Dila¬
tation zu unterscheiden. Beide sind, wie augenscheinlich auch in
unserem Fall, Entwicklungshemmungen, die gleichzeitig oder
wohl sekundär mit Störungen der normalen Lungenentwicklung er¬
folgen. Dabei wird die zeitlich später sich entwickelnde Lumbal¬
partie besonders von der Hemmung betroffen. Von der Zeit, in
welcher die Entwicklungshemmung einsetzt, ob früh oder spät,
wird es im einzelnen abhängen, ob eine Hernia diapbragmatica,
eine Dilatatio diapbragmatica oder eine Mischform beider entsteht.
1) J. Broman: Muskulöses Diaphragmadivertikel als wahrscheinliche
Folge eines Lipoms. Beitr. z. path. Anat, 1900, Bd. 27.
BQcherbesprechungen.
A. Enleiburg: Beal-Encyclopädie der gesagten Hellkaide. Unt«r
Mitredaktion von Th. Brugsch. 4. Auflage. Bd. XIV: 910 S
und Bd. XV (Schlussband): 946 S.
Der Band XIV umfasst die Stichwörter: Sterilität des Weibes bis
Urticaria.“ Abgesehen von dem ausführlichen Eingangsartikel, von
Kisch bearbeitet, finden wir in diesem Bande noch folgende besonders
bemerkenswerte Artikel: Stottern (Gutzmann), Strabismus (Heine),
Syphilis (Finger), Tabes dorsalis (H. Vogt), Tetanus (Blumenthal),
Tripper (Wossidlo), Tubenkrankheiten (A. Martin), Unfallnervenkrank-
beiten (Edinger und S. Auerbach) und Unterschenkel (Köhler).
Die farbigen Tafeln sind vorzüglich reproduziert, eine Fülle von Text¬
bildern erleichtern die. Verarbeitung des reichen wissenschaftlichen
Materials.
In Band XV imponiert eine 114 Seiten umfassende Bearbeitung des
Stichwortes Uterus von A. Martin. Vagina und Vulva ist von Koblanck
besprochen, Variola von Hetsch. Corte hat die Verbände und Ver¬
bandmittel eingehend und mit vielen instruktiven Bildern versehen be¬
schrieben. Ueber die Wanderniere hat C. A. Ewald einen Artikel
verfasst, über Wasser und Wasserversorgung Carl Günther.
Die Zahnkapitel sind von Dieck beschrieben. Eaohle liefert über
Zurechnungsfähigkeit und Zwangsirresein sehr schöne Beiträge. Im
Nachtrag finden wir nooh eine zeitgemässe Abhandlung über die
Abderhalden’seheAbwehrfermentreaktion von Lampö, sowie über Strahlen¬
therapie von Otto Strauss. Plaut liefert hier noch einen Artikel
über Mikrosporie und Trichophytie.
Ein 160 Seiten umfassendes Generalregister schliesst den Band.
Wir stehen somit vor der vollendeten 4. Auflage, und der Referent
möchte es nicht unterlassen, allen Beteiligten, dieses Standardwerkes
Dank und höchste Anerkennung zu zollen. Ist die Ausstattung und
technische Bearbeitung der Neuauflage über jedes Lob erhaben, so gibt
der wissenschaftliche Inhalt des Werkes einen klaren, zuverlässigen
Ueberblick über den jetzigeu Stand unseres Könnens, im raschen Weiter¬
streben der „Heilkunde“ einen kurzen Ruhepunkt für den Forscher und
an allen Ecken und Winkeln hoffnungsvolle Ausblicke für eine noch
höher- und tieferstrebende Zukunft. Witte.
Beilrieh Stern-New York: Theorie iad Praxis der Blateitnekiig.
Würzburg 1914, Verlag von Curt Kabitzscb. 144 S. Preis
broschiert 3,50 M.
Verf. versucht die Beziehungen des Aderlassens zur theoretischen
und praktischen Medizin umfassend darzustellen. Verf. bezeichnet sich
als bedingten Anhänger des Aderlassens und stellt diesem Allheilmittel
der alten Zeit eine neue Blüteperiode in Aussicht. Die Broschüre zer¬
fällt in zwei Teile. Im ersten Teil ist der geschichtlichen Einleitung
ein ganzes Kapitel gewidmet, die entsprechend dem Ansehen, das der
Aderlass in der alten Zeit hatte, einen kleinen Abriss der ganzen Ge¬
schichte der Medizin bedeutet. In der Abhandlung über die Funktions-
ändorung im Gefolge der Biutentziehung ist manches doktrinär schema¬
tisch, und man vermisst experimentelle Beweisführung. Die Angabe,
dass die Vermehrung der Erythrocyten und die Konzentrationszunahme
des Blutes in der verdünnten Höhenluft eine scheinbare sei, ist be¬
stritten. In dem zweiten Teil der speziellen Pathologie der örtlichen
und allgemeinen Blutentziehung sind summarisch die Erkrankungen, bei
denen der Aderlass in Frage kommt, eingehender abgehandelt. Verf.
bezeichnet den Aderlass bei der Pneumonie in allen Fällen, wo der
Patient sich in gutem Zustand befindet und bedrohliche Symptome
(Dyspnoe und Cyanose) vorhanden sind, als indiziert. Es käme dieses
also bei einem grossen Teil aller Lungenentzündungen in Frage. (Mit
den meisten Klinikern möchte ich den Aderlass bei Pneumonie nur in
Ausnahmefällen empfehlen. Ref.) So bricht Verf. auch weiter eine
Lanze für den Aderlass bei der Rippenfellentzündung, bei Emphysem,
bei der trockenen Bronchitis, bei hämorrhagisoher Lungenphthise, bei
Kreislaufstörungen, insbesondere Aneurysma, bei Vergiftungen (besonders
Urämie, Gasvergiftung). Er hebt die Bedeutung des Aderlasses bei der
Chlorose, bei der Apoplexie, bei gewissen Haut- und Frauenkrankheiten,
ja sogar bei der Neurasthenie hervor. Wenn Verf. allerdings bei der
prophylaktischen Anwendung des Aderlasses diesen bei Gewohnheits-
säufern, Sittlichkeitsverbrechern usw. empfiehlt, weil die Blutentziehung
beruhigt und schlaff maoht, so ist das ein sehr persönlicher Standpunkt.
Erwähnen möchte ich noch, dass in einem Nachtrag der günstige Ein¬
fluss der Biutentziehung auf den Verlauf des Unterleibstyphus (Blu¬
tungen) betont wird. Die moderne Therapie wird gewiss in einzelnen
Fällen von dem öfters souverän wirkenden Aderlass Gebrauch machen,
ohne Verf.’s Begeisterung und weitgehender Empfehlung beizupflichten.
Das kleine Schriftchen mit seinem ausführlichen Literaturverzeichnis
orientiert recht gut über die Frage der Anwendung der Biutentziehung.
Carl Rlieneberger-Zittau.
Georg Cohn: Die organischen Geschmaeksstoffe. Berlin 19H,
Fr. Siemenroth. XII und 936 S. . . ,
Die Beziehungen der Geschmacksempfindungen zur Konstitution fl
die Empfindung auslösenden Körper ist zusammenfassend noch nie
dargestellt worden. Verf. unternahm die mühselige Aufgabe derSamm ung
und der Sichtung des in dieser Richtung vorliegenden Materials. *wei
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Gck igle
Original frn-m
UNiVERSITY OF IOWA
Ü. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1797
fr fett¬
los wird man die in dem Werke niedergelegten zahlreichen Daten bei
allen in dieser Richtung gelegenen Problemen berücksichtigen müssen;
sie werden bei dem Ausbau dieses noch wenig geklärten Gebietes ihre
guten Dienste tun. P. Rona.
Robert Abendroth: Das bibliographische System der Naturgeschichte
and der Medizin. (Mit Einschluss der allgemeinen Naturwissen¬
schaft.) Nach den Fachkatalogen der Universitätsbibliothek zu
Leipzig dargestellt, historisch-kritisch eiDgeleitet und erörtert.
Borna und Leipzig 1914, Rob. Noske. 8°. 280 Seiten. Preis
4,50 Mr
Seit dem altbekannten Schema des Realkataloges der Königlichen
Universitätsbibliothek zu Halle a. S., das 0. Hartwig 1888 als 3. Bei¬
heft zum Centralblatt für Bibliothekswesen veröffentlichte und das un¬
zähligen Katalogen zum Muster gedient hat, haben wir ähnliche Auf¬
stellungen nur recht selten gehabt, aber noch nie mit einer historisch-
kritisohen Einleitung, die viel mehr ist als ihr bescheidener Titel. Dass
Verf. sich an die Leipziger als Beamter der dortigen Universitätsbiblio¬
thek anlehnt, ist begreiflich, zumal deren Realkataloge erst um die Mitte
des 19. Jahrhunderts angelegt waren, in der Zeit des grossen Auf¬
schwunges der Naturwissenschaften und der mit ihnen eng verbundenen
Medizin.
Vor allem ist Abendroth glücklicherweise ein abgesagter Feind
des Dewey’schen Systems, das mit seinen Ziffern einmal die ganze Welt
zu überschwemmen drohte. Hervorzuheben ist, dass sich das Leipziger
System auf die in der Bibliothek vorhandene Literatur gründet; die Dar¬
stellung beschränkt sich nicht auf die systematische Gruppierung,
sondern auch noch darüber hinaus auf die alphabetische Ordnung nach
Materien. Wissenschaftliche Namen werden stets in lateinischer Sprache
benutzt (nicht die deutschen Vulgärbezeichnungen). Auch in der Ortho¬
graphie herrscht der konservative Ton, und die Schreibung Kruziferen usw.
wird man also vergeblich suohen.
Für die Medizin kommt je nach derHeilwissenschaft oder Heilkunst
mehr der theoretische oder praktische Standpunkt zur Geltung, dabei
wird die Zusammenfassung der Literatur nach ihrer Verwandtschaft zur
Hauptrichtschnur erhoben. Leider ist hier nicht der Platz, auf die Vor¬
züge der Abendroth’schen Veröffentlichung im einzelnen einzugehen,
aber bei der Umordnung grösserer medizinischer Büchersammlungen
wird man mit Recht und Erfolg sich dieses trefflich ausgearbeiteten
Führers bedienen, der mutatis mutandis überall anwendbar ist, nament¬
lich aber das ausgezeichnete Inhaltsverzeichnis die richtige Eintragung
so gut wie verbürgt. Die allgemeinen Ausführungen sollten aber von
recht vielen gelesen werden! E. Roth-Halle a. S.
Stanislaus Klein-Warschau: Die Myelogonie als Stammzelle der
Knochenmarkzellen im Blute und in den blutbildenden Organen
nnd ihre Bedeutung unter normalen und pathologischen Ver¬
hältnissen. Mit 10 farbigen Tafeln. Berlin 1914, Julius Springer.
140 Seiten.
Diese Monographie, die ein schwieriges und vielumstrittenes Kapitel
in der Histogenese der Knochenmarkelemente behandelt, wendet sich
ausschliesslich an den Fachmann auf diesem Gebiete,. Auf Grund von
Studien bei Leukämien, aber auch am gesunden Blut und an gesunden
Blutbildungsorganen kommt Verf. zu dem Schluss, dass die eigentliche
Stammzelle der Koochenmarkselemente bisher unbekannt war. Er be¬
schreibt eingehend die feinere Struktur dieser von ihm entdeckten und
„Myelogonie“ benannten Zelle, die aus sich sowohl die farblosen Ele¬
mente des Knochenmarks, einschliesslich der Megacaryocyten, wie die
hämoglobinführenden Zellen hervorgehen lässt. Unter pathologischen
Verhältnissen, besonders bei akuten Leukämien, findet man viel Myelo-
gonien im Kreislauf. Es gibt auch eine Myelogonienleukämie, die wahre
Stammzellenleukämie. Im normalen Blut erscheinen nur degenerierte
und pyknotische Kerne der Myelogonien und der Megacaryocyten.! Zahl¬
reiche Abbildungen illustrieren die interessanten Darlegungen des Ver¬
fassers, die eingehendste Nachprüfung verdienen. Zur Färbung bedient
sich Klein eines von ihm angegebenen, bei Grübler erhältlichen Farb¬
stoffes, des Polychrom. H. Hirschfeld.
P. Uhlenhnth und H. Dold- Strassburg: Hygienisches Praktiknm. Ein
Taschenbuch für Studierende, Aerzte und Kreisarztkandidaten.
Berlin-Wien 1914, Verlag von Urban & Schwarzenberg. 272 S.
Preis 5 M.
Das vorliegende Büchlein gibt eine erweiterte Darstellung des in
den hygienischen Kursen gebotenen Lehrstoffes; es bietet den Studierenden
der Medizin sowie Aerzten und Kreisarztkandidaten eine anschauliche,
dabei aber doch knappe Anleitung zur praktischen Ausführung der
wichtigsten Untersuchungsmethoden. Durch zahlreiche Abbildungen,
welche die Beschreibungen der Methoden anschaulich machen, wird das
Verständnis der Technik wesentlich unterstützt. Besonders wertvoll ist
auch die Anordnung, dass bei jedem Kapitel kurz die als Normen geltenden
Werte und die wesentlichen Gesichtspunkte, auf die es bei den Unter¬
suchungen ankommt, hervorgehoben sind. Möllers-Strassburg.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
0. Weiss: Ueber die Belegzellen im Magen der Schildkröte.
(Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 7 u. 8.) Entgegen der Angabe von Kahle
zeigt W. an einer farbigen Abbildung, dass auch bei der Schildkröte
(Emys europaea) durch Osmium die Belegzellen der Magendrüsen ge¬
schwärzt und dadurch kenntlich gemacht werden.
M. Takahashi: Quantitative experimentell-therapeutische Versuche
zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opinm. (Pflüg. Arch.,
Bd. 159, H. 7 u. 8,) Hesse und Neukirch hatten gefunden, dass die
stopfende Wirkung des morphinfreien Pantopons im wesentlichen auf
seinem Codeingehalt beruht. T. zeigt nun in dieser umfangreichen
Untersuchung, dass die stopfende Wirkung des Codeins durch Morphin¬
zusatz erheblich gesteigert werden kann. Es handelt sich um Rontgeu-
beobachtungen an Katzen, bei denen durch Coloquintenextrakt Durchfall
erzeugt war. Die Stopfwirkung von Codein -}- Morphin trat noch auf,
wenn 1 U der kleinsten wirksamen Morphindosis mit V 40 — 1 Uoo der klein¬
sten wirksamen Codeindosis kombiniert wurde. Eine Potenzierung der
Morphinwirkung auf das Centralnervensystem trat dabei durch Codein¬
zusatz nicht ein. Die Verstärkung der Darmwirkung durch Morphin
+ Codein war auch bei normalen Katzen zu erkennen, jedoch ist bei
diesen der Darm erst durch viel höhere Dosen zu beeinflussen als der
durch Coloquinten gereizte. Die grösseren Dosen, die auf den nor¬
malen Darm wirken, verzögern auch die MagenentleeruDg, nicht aber
die kleineren, die den Coloquintendurchfall stopfen. Im Opium und
Pantopon sind Morphin und Codein nicht in dem für die Stopfwirkung
günstigsten Verhältnis gemischt. Die Stopfwirkung des Pantopons ist
stärker als die des Morphins, aber schwächer als die der Opiumtinktur;
im Opium sind Substanzen enthalten, welche die stopfende Wirkung von
Morphin -f- Codein vermindern. Ausser letzteren beiden scheinen im
Opium keine weiteren Alkaloide vorhanden zu sein, welche stopfend
wirken. Die von T. benutzten Dosen waren so gering und so wenig
toxisch, dass man seine Ergebnisse wohl auch zur Erklärung der stopfen¬
den Wirkung des Opiums beim Menschen verwerten darf.
M. Takahashi: Die Abhängigkeit der Magenentleernng vom All¬
gemeinzustand des Nervensystems. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 7 u. 8.)
Gelegentlich der im vorstehenden Referat wiedergegebenen Unter¬
suchungen — die sich auf mehr als 300 Einzelversuche beziehen —, bat
T. Beobachtungen über den Einfluss des psychischen Verhaltens der
Katzen auf die Magenentleerung anstellen können. Er fand, dass bei
zahmen Katzen, die sich durch die Gegenwart von Menschen nicht im
Fressen stören Hessen, der Magen sich schneller entleerte als bei wilden
oder ängstlichen. Bei ersteren war er in 2— 2 1 f 2 Stunden leer, bei letz¬
teren noch zum grössten Teil gefüllt. Im Röntgenbild war dabei ein
Stillstand der peristaltischen Bewegungen im Pylorusteil wahrzunehmen.
F. Blum und A. V. Marx: Zur Physiologie der Schilddrüse und
der Epithelkörperchen. I. Mitteilung. Schilddrüse, Epithelkörperchen
nnd Adrenalinglykosarie. (Pflüg. Arch, Bd. 159, H.7 u. 8.) Nach
Angabe von Eppinger, Falta, Rudinger sollte bei Tieren, denen
die Schilddrüse entfernt, aber die Epithelkörperchen erhalten waren, die
Injektion von Adrenalin keine Glykosurie zuwege bringen. Danach
sollte die Schilddrüse fördernd, die Epithelkörperchen sollteu hemmend
auf die Nebennieren bzw. deren Produkt wirken. Bl. und M. zeigen
nun, dass es sich nicht so verhät, dass vielmehr auch bei thyreopriven
Tieren mit erhaltenen Epithelkörperchen Adrenalin Hyperglykämie und
Glykosurie bewirkt. Die Ergebnisse von E., F. und R. 9ind zustande
gekommen durch Benutzung toxischer Adrenalindosen auf intraperi¬
tonealem Wege und durch Nichtbeachtung der Tatsache, dass die meisten
Versuchstiere sich individuell und temporär verschieden gegenüber dem
Adrenalin verhalten.
Yas Kuno uüd E. Th. v. Brücke: Nachtrag zu unserer Arbeit
über den funktionellen Nachweis des N. depressor beim Frosch in Pflüger’s
Archiv, 1914, Bd. 157, S. 114. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 7 u. S.) Die
Verff. geben -an, dass vor ihnen schon Nikiforowski die Existenz de-
pressorisch wirkender Fasern im Vagus des Frosches beobachtet habe.
A. Katz und R. Lichtenstern: Experimentelle Untersuchungen
über Autoimplantation von Nierengewebe. (Pflüg. Arch., Bd, 159,
H. 7 u. 8.) K. und L. implantierten die aseptisch entnommenen und
zerkleinerten Nieren einer Katze ins Peritoneum einer zweiten und Hessen
sie dort zur Resorption kommen. Die Tiere zeigen dann mehr oder
weniger schwere, aber reparable Stoffwechselstörungen, wenn man die
Substanz von 1—2 Nieren implantiert. Bei Einbringung von 4 Nieren
tritt schnell der Tod ein. Die Stoffwechselstörung aussert sich in regel¬
losen Schwankungen in der Ausscheidung des Stickstoffs, des Ammoniaks,
der Chloride. Vorübergehend tritt Albuminurie auf. Die Niereu zeigen
das Bild der Nephritis. Wird zuvor durch Uraneinspritzung Nephritis
erzeugt und dann Nierengewebe implantiert, so erweist es sich bei weitem
toxischer als gegenüber normalen Nieren. Das resorbierte NiereDmaterial
scheint elektiv auf die Nieren zu wirken.
W. Lange: Ein praktisches Volomenometer für physiologische und
klinische Zwecke (Körperdichte-, Lungenvolumenbestimmung). (Pflüg.
Arch., Bd. 159, H. 7 u. 8.) Der Lange’sehe Apparat besteht aus
einem luftdicht zu schHessenden Kasten, in den der Körper, dessen
spezifisches Gewicht man bestimmen will, hineingebracht wird. Vorher
wird bestimmt, wieviel man in den Kasten Flüssigkeit einlaufen lassen
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UNIVERSUM OF IOWA
1798
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 45.
muss, damit der an einem Manometer ablesbare Ueberdruck in ihm eine
gewisse Hohe erreicht. Dann stellt man nach Einbringen des zu unter¬
suchenden Körpers (Mensch, Tier) fest, wieviel Flüssigkeit nun erforder¬
lich ist, um denselben Druck zu erzeugen. Mit Hilfe einer einfachen
Formel lässt sich das Volumen aus der Differenz der Flüssigkeitsmengen
ermitteln. _ A. Loewy.
Therapie.
P. G. Unna-Hamburg: Die Sauerstoff mittel in der Dermatologie.
(Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 40 u. 41.) Unna empfiehlt bei
Psoriasis folgende Paste: Kalium hypermangan. 1,0, Zinci oxydati, Aqua
destill. ää 10,0; ferner die Pernatrol-Stückseife bei Psoriasis und psoriasi¬
formen EkzemeD, bei allen Lichenformen, bei Pruritus, Ichthyosis und
endlich auch bei Follikulitiden und Furunkulose. Schliesslich ist die
Pernatrolseife auch als Cosmeticum zu empfehlen.
Chajes-BerliD-Schöneberg: Ueber Parium, einem neuen Steinkohlen¬
teerester. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 42) Das Puriura erreicht
unter allen bekannten Teerpräparaten die Wirkung des unverdünnten
Steinkohlenteers am ehesten, ist geruch- und farblos und nicht teuer.
W. Li er-Wien: Embariu. (Derm. Zbl., Oktober 1914.) Das Embarin
ist ein gutes Antisyphiliticum, dessen Hauptvorzüge in einer bequemen
und schmerzlosen Applikation und seiner geringen Reizwirkung auf
Zahnfleisch und Nieren gelegen sind.
A. Waller-Budapest: Behandlung der Lues mit Embarin. (Derm.
Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 40 ) Das Embarin ist wegen seiner Schmerz¬
losigkeit und des Fehlens der unangenehmen Nebenwirkungen empfehlens¬
wert. Immerwahr.
0. Juliusburger - Lankwitz: Zur Thiocoltherapie. (D.m.W.,
1914, Nr. 42.) J. empfiehlt das Thiocol als Antidiarrhoicum.
R. Sielmann - München: Kasuistischer Beitrag zur Behandlung der
Basedowschen Krankheit mittels Röntgenbestrahlung. (M.m.W., 1914,
Nr. 43.) Nach den Erfahrungen von 21 Fällen soll man Basedowkranke,
falls die medikamentöse und sonstige Behandlung versagt, der Röntgen¬
therapie zufübreD, die bei einer grossen Reihe von Kranken zum Ziele
führt. Einige bleiben allerdings unbeeinflusst; sie sollen operiert werden.
Tritt nach der Operation keine Besserung ein, so empfiehlt sich ein noch¬
maliger Bestrahlungsversuch, der dann vielleicht zum Ziele führt. S. sah
bei seinem Material keine unangenehmen Nebenerscheinungen der Rönt¬
genbestrahlung.
K. John - Tübingen: Zur Frage der Bromtherapie. (M.m.W., 1914,
Nr. 43.) J. empfiehlt die von Dr. Haas & Cie. in Stuttgart-Cannstatt
hergestelltes Brornpräparat Sasedanwürze, das nach dem gleichen Prinzip
wie Sedobrol besonders bei Epilepsie die therapeutische Bromwirkung
entfaltet und als Ersatz für Kochsalz als Würze zu Speisen gereicht
wird, ohne dabei Iatoxikationserscbeinungen hervorzurufen. Es kann
ausser bei Epilepsie bei psychisch Kranken angewandt werden. Die
von Bürgi empfohlene Arzneikombination von Brom und Opium zur
Erreichung einer potenzierten therapeutischen Gesamtwirkung, hat bei
den Versuchen des Verf. keinen über die summierte Wirkung hinaus¬
gehenden Erfolg gezeitigt.
W. Nonnenbruch-Würzburg: Durstkur hei Oedemen nicht
renal -cardialer Katar. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) Kurze Mitteilung.
N. weist an Hand von Krankengeschichten auf die bekannte Tatsache
hin, dass es manchmal mit Einschränkung der Flüssigkeitszufubr gelingt,
Oedeme nicht renal-cardialer Natur, z. B. pleuritische Exsudate, zum
Verschwinden zu bringen. Dünner.
Arneth-Münster: Ueber die Behandlung des Erysipels. (Ther. d.
Gegenw., September 1914.) Zusammenfassende Uebersicht an der Hand
von eigenen Erfahrungen und im Anschluss an die therapeutischen Be¬
strebungen der letzten 10 Jahre. Verf. empfiehlt 3—4 mal 5 proz.
Carboiöl mit einem Haarpinsel auf die erkrankten Partien und Um¬
gebung zu pinseln. K* Fabian.
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie.
Mathias und Blohmke - Königsberg: Beitrag zur Pathologie und
Klinik des menschlichen Milzbrandes. (D.m.W., 1914, Nr. 42.)
Dünner.
Ed. Koeehlin: Eine seltene Erkrankung des Oesophagus. (Schweiz.
Korr. Bl. Nr. 12.) Es handelte sich um eine oberflächliche Abstossung
der Öesophagusschleimhaut (Oesophagitis dissecans superfic.) bei einer
30jährigen Patientin. R. Fabian.
Parasitenkunde und Serologie.
E. G. Dresel - Heidelberg: Zur Aetiologie und klinischen Diagnose
der Aktinomykose. (D.m.W., 1914, Nr. 42.) Die Aktinomykose beruht
auf Infektion mit einem anaeroben Trichomyceten. In manchen Fällen
besteht eine Mischinfektion mit einer aeroben Streptothrixart. Ausser der
echten Aktinomykose gibt es beim Menschen ein klinisch der Aktino¬
mykose ähnliches Krankbeitsbild, bei dem im sezernierten Eiter aus¬
schliesslich aerobe Streptothricheen als Erreger gefunden werden. In
diesen Fällen können im Eiter drüsenähnliohe, makroskopisch siohtbare
Körnchen vorhanden sein, die aber nur aus Knäueln verfilzter Strepto-
thrixfäden ohne Kolben bestehen. Andererseits könnten in frischen
Fällen von echter Aktinomykose, besonders bei frühzeitiger Einschmelzung
der Gewebe, Drusen im sezernierten Eiter zunächst völlig fehlen. Die
Frage, ob es sich um echte Aktinomykose oder um eine Streptothrichose
handelt, kann nur durch die bakteriologische Untersuchung unter An¬
wendung des aeroben und anaeroben Kulturverfahrens entschieden
werden.
H. Jaffe und E. Pribram - Wien: Experimentelle Untersuchungen
über die Spezifität der Abwehrfermente mit Hilfe der optisches
Methode. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) Den Verff. lag besonders daran,
im Tierversuche durch die optische Methode die eventuelle Spezifität
der Abwehrfermente zu prüfen. Sie stellten Versuche an Kaninchen an,
aus deren Ablauf sie den Schluss ziehen, dass die von Abderhalden
festgestellte Organspezifität eindeutig nachweisbar ist.
M. Kastan - Königsberg: Die Bedeutung der caseimspalteidei
Fermente. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) Es scheint, dass sich im Serum
puerperaler und laktierender Frauen caseinspaltende Fermente nach-
weisen lassen. Sie sind bei Männern und normalen Frauen nicht zu
finden. Auch ein Zusammenhang mit Psychosen liess sich nicht fest-
steilen.
E. v. Behring - Marburg: Experimentelle Analyse und Theorie der
anaphylaktischen und apotoxisehen Vergiftung. (D.m.W., 1914,Nr.42.)
Aus der Arbeit soll nur das Endergebnis aller Untersuchungen mit¬
geteilt werden. Der Mechanismus der perakuten anaphylaktischen Er¬
scheinung ist in physikalischen Vorgängen zu suchen, bei denen die
Blutplättchen die Hauptrolle spieleD. Dünner,
Innere Medizin.
0. Steiger-Zürich*. Pathologie der Leherfnnktioien und moderne
funktionelle Prüfungsraethoden. (Schweiz. Korr. Bl., Nr. 33 u. 34.)
Verf. behandelt in einem Vortrage, gehalten in der Gesellschaft der
Aerzte der Stadt Zürich am 21. Februar 1914, ausführlich die Bedeutung
der alimentären Galaktosurie, Lävulosurie, Urobilinurie und den Ausfall
der positiven Campber-Glykuronsäureprüfung für die Diagnose: Leber¬
insuffizienz. R. Fabian.
V. Baar: Asthma bronchiale und Luftdruck. (W.m.W., 1914,
Nr. 29 u. 30.) Verf. zeigt an der Hand mehrerer Krankengeschichten,
dass ein Zusammenhang zwischen Luftdruck und Asthmaanfall besteht,
und zwar scheint sich der deutlichste Einfluss bei plötzlichem Herunter-
gehen des Luftdrucks zu finden. Eisner-Beriin.
E. Rüdiger - Konstanz: Ueber isolierte Pericbondritis des Prs-
eessus ensiformis. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) Kasuistik, die nach Meinung
des Ref. zum Teil keine Perichondritis ist. Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
A. S. Scholomo witsch - Kasan: Heredität und physische Ent¬
artung bei Geisteskranken und geistig Gesunden. (Mschr. f. Psych.,
Oktoberheft 1914.) Nach Massenuntersuchungen des Verf. ist die all¬
gemeine hereditäre Belastung bei Geisteskranken um 10 pCt. höher als
bei Gesunden (69,1 pCt. gegen 59,8 pCt.), auch die Heredität in der
direkten Linie war im selben Sinne. Das Studium der sogenannten
physischen Entartungsmerkmale an 1000 Kranken und Gesunden ergab,
dass deren Anzahl und Ausgeprägtheit bei Geisteskranken und Gesunden
nahezu gleich ist, sowohl in bezug auf Belastete wie auch auf Nicht-
belastete.
I. H. Schultz-Jena: Psychoanalyse in geriehtsärstlicher Be¬
ziehung. (Mschr. f. Psych., Oktoberheft 1914.) Verf. gibt einen recht
ausführlichen Abriss der Geschichte der Psyohoanalyse und ihrer ver¬
schiedenen Richtungen und Zweige, zeigt die verschiedenen Beziehungen
zur gerichtsärztlichen Tätigkeit und versucht der Psychoanalyse als
diagnostischem Hilfsmittel gerecht zu werden. Die Tatbestands¬
diagnostik als regelrechtes kriminalistisches Werkzeug lehnt er ab, er¬
kennt den Wert mancher Katharsie an, eifert aber nicht mit Unrecht
gegen „wilde“ Psychoanalysen und kindliche Seiualanalyse, die er
auch für zwecklos hält. Besondere Strafbestimmungen dagegen lehnt
er ab.
H. Seelert - Berlin: Paranoische Erkrankung auf naiiseb-
depressiver Grundlage. (Mschr. f. Psych., Oktoberheft 1914.) Im vor¬
liegenden Falle war die Grundlage der paranoischen Erkrankung nacn
Ansicht des Verf. das manisch-depressive GrundleideD. Elementare
Gebörstäuschungen bestanden nicht, nur Umdeutungen von Gehörtem.
A. Kutzinski und Marx - Berlin: Hirnabscess als Folge peripherer
Körpereiterung nach einem Unfall. (Mschr. f. Psych., Oktoberheft 19I4J
Verff. beschreiben einen sehr merkwürdigen Fall, wo 2 Monate nacn
einer reaktionslos geheilten Fingereiterung unter psychischer Veränderung
sich epileptoide Anfälle einstellten, die nach einem Vierteljahr zum loae
führten. Die Obduktion ergab einen Abscess des linken Stirnlappens,
das Fehlen sonstiger Veränderungen, insbesondere arteriosklerotischer.
Daher musste man einen Zusammenhang des Abscesses mit der trau¬
matischen Fingereiterung annehmen. E. Loewy
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UNIVERSUM OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1799
Kinderheilkunde.
G. Rohm er - Marburg: Zur Kenntnis des Asthma eardiale beim
Kinde. (M.m.W., 1914, Nr. 43.) (Nebst einem pathologisch-anatomi¬
schen Beitrag von Prof. L. Jores.) Kasuistik eines typischen Asthma
eardiale bei einem 6jährigen Kinde. Dünner.
Chirurgie.
A. Neumann: Eioe seltene Form von Epistrophensfraktnr mit
tödlichem Ausgang. (W.m.W., 1914, Nr. 30.) Ein herabfallender Heu¬
ballen von etwa 50—60 kg Gewicht führte mit seinem Angriffspunkt
am linken Scheitelbein eine Contusio cerebri und einen tiefgreifenden
Sprung des zweiten Halswirbelkörpers mit Abbruch des Zahnfortsatzes
herbei. Der Tod erfolgte höchstwahrscheinlich durch ein extramedulläres
Hämatom mit Kompression des Halsmarkes.
A. Lorenz: Ueber die Lnxationsfraktnren der Pfanne und ihre
Behandlung. (W.m.W., 1914, Nr. 80.) Bericht über fünf einschlägige
Fälle und deren Behandlung. Die Therapie hat nach jenen Prinzipien
zu erfolgen, die für die kongenitalen Hüftgelenksverrenkungen allgemeine
Geltung haben. Die Schwierigkeit besteht weniger in der Reposition als
in der Retention. Es ist, um die Reposition stabil zu machen, nötig,
den Schenkel so einzustellen, dass der Schenkelkopf gegen die intakte
Nisohe der Pfanne angepresst wird, die dem traumatischen Defekt des
Pfannenrandes diagonal gegenüber gelegen ist. Für den häufigsten Fall
(Ausbruch des hinteren oberen Randes) ist dies die forcierte, über¬
streckte Abduktion. Die Korrektur zur annähernden Normalstellung er¬
folgt etappenweise und wird schliesslich den spontanen Bestrebungen
des Kranken überlassen. Jede Uebereilung kann schädlich sein.
Eisner.
Urologie.
E. Freund: Fortschritte in der Harndiagnostik. (W.m.W., 1914,
Nr. 29.) Besprechung einzelner neuer Harnreaktionen. Die Ausein¬
andersetzungen zeigen, dass die systematische Urinuntersuchung für die
Diagnosenstellung wertvolle Fortschritte gemacht hat, wenn sie auch
keinen vollkommenen Aufschluss über die normale bzw. pathologische
Funktion der Organe zulässt. Eisner.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
C. Cronquist-Malmö: Ueber die Prinzipien der Syphilistherapie.
(Derm. Zschr., Oktober 1914.) Die Behandlung muss aus freistehenden
kräftigen Kuren bestehen. Das Mittel darf womöglich nicht im Körper
remanieren, sondern muss so schnell wie möglich von demselben wieder
ausgeschieden werden. Keine Lokalbehandlung ausser einer einfachen
Sauberhaltung der affizierten Teile hat stattzufinden. Die normale
Hydrarg. salicyl.-Injektionskur besteht aus 10 Einspritzungen von 0,06
bis 0,1 Hg. salicyl. und wird in 4 Wochen ausgeführt. Der Zwischen¬
raum zwischen der ersten und zweiten Kur darf 3 Wochen nicht über¬
schreiten. Danach wird jedes Intervall um eine Woche verlängert, bis
man ein solches von 2 Monaten erreicht hat. Die ganze Bebandlungs-
zeit beträgt 3 Jahre. Salvarsan verwendet Verf. nur intravenös, und
zwar Neosalvarsan 0,6 bei Männern und 0,45 bei Frauen. Für die
kombinierte Behandlung mit Quecksilber und Neosalvarsan stellt er ein
Schema auf, nach welchem nach der 4 wöchigen Hg-Kur und der drei¬
wöchigen Pause eine Neosalvarsaninjektion folgt, dann wieder 2 Wochen
Pause mit 4 Wochen Hg. usw. mit entsprechender Verlängerung der
Pausen.
E. Cohen-Frankfurt a. M.: Ueber einen Fall von Parapsoriasis.
(Derm. Zschr., Oktober 1914.) Klinisch erschien der Fall als Para¬
psoriasis en plaques, während er histologisch sich als Parapsoriasis
lichenoide erwies. Es handelt sich also um einen sogenannten Ueber-
gangsfall, wie sie auch schon von Brocq beschrieben sind. Die Be¬
handlung mit Pilocarpinum bydrochloricura-Injektionen erwies sich als
erfolgreich. Immerwahr.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
R. Schröder-Rostock: Ueber Anatomie und Pathologie des Men-
struationscyklus. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 42.) Verf. kommt zu dem
Schluss, dass der Cyklus nicht in der Basalis, sondern nur in einer von
ihr immer wieder neu gebildeten Schicht sich abspielt. Er geht dann
auch des weiteren auf pathologische Verhältnisse ein und beschreibt
genauer das Aussehen der Drüsen in den verschiedensten Formen. Inter¬
essant daran ist z. B., dass er glaubt, dass viele pathologische Blutungen
darauf zurückzuführen sind, dass der nicht platzende, sondern per¬
sistierende Follikel weiterhin seine proliferierende Wirkung ausübt, und
so zu der pathologischen Proliferation in Gestalt der Hyperpla9ia mucosae
führt, wobei es allerdings immer noch unbekannt bleibt, weshalb in
diesem oder jenem Falle der Follikel nicht platzt. Diese Bemerkung
ist deshalb wichtig, weil sie uns erklärt, warum die Anwendung der
Röntgenstrahlen in manchen Fällen bei Blutungen eine so ausgezeichnete
Wirkung aufweist. Man ist also danach berechtigt, bei Blutungen, für
welche man keinen anderen Grund findet, nicht die Schleimhaut, sondern
die Ovarien dem Einflüsse der Strahlen auszusetzen. Einen Beweis bleibt
Verf. in dieser allerdings sehr kurzen Arbeit schuldig, denn, dass die
auf Anwendung der Strahlen sich zeigende Atrophie schliesslich auch
eine Verminderung der Blutungen zur Folge haben muss, ist wohl von
vornherein zuzugeben. Genauere Informationen können allerdings nur
die ausführlicheren Arbeiten geben.
A. Goenner-Basel: Zur Frage der lntrautorinstifte. (Zbl. f. Gyn.,
1914, Nr. 42.) Im Gegensatz zu der von Opitz in Nr. 37 des Central¬
blattes vertretenen Ansicht hält Verf. die Anwendung der Intrauterin¬
stifte für erlaubt und segensreich bei gewissen Formen von Sterilität,
Dysmenorrhöe und Amenorrhoe infolge schlechter Eotwicklung der Geni¬
talien, und wendet dieselben in Form der Metallstifte mit Seitenöffnungen
an. Er hat noob keine Nachteile davon gesehen und glaubt, dass die
schlechten Resultate nur eintreten, wenn man die Stifte zu bald nach
grösseren Operationen einlegt. Man soll in solchen Fällen immer 10
bis 14 Tage damit warten.
A. May er-Tübingen: Gekurtsmeehauismns bei durch traumatischen
Pfannenbruch des Oberschenkelkopfes verengtem Becken. (Zbl. f. Gyn.,
1914, Nr. 43.) Verf. bat 2 Fälle beobachtet, bei denen es trotz starker,
durch einen früheren Pfannenbruch hervorgerufener Verengerung des
Beckenraumes zur Spontangeburt kam, indem der Schädel sich so drehte
und konfigurierte, dass die sich wie ein Tumor stark vorwölbende Pfanne
der einen Beckenhälfte kein Hindernis ergab. Er hält es für günstig,
wenn der Rücken auf der dem Pfannenbruch entgegengesetzten Seite
steht, wieder für besser, wenn das Hinterhaupt in der weiten Becken-
bälfte sich befindet, für ungünstiger, wenn der Rücken auf der Seite der
Luxation liegt. Io diesem Falle ist es gerade umgekehrt, als im erst¬
genannten, denn hierbei ist es besser, wenn das Hinterhaupt in der
durch den Tumor verengten Hälfte sich befindet. Ganz ungünstig ist
die Geburt mit nachfolgendem Kopf. Siefart.
Asch: Ein neues Ventilsehutzpessar. (W.m.W., 1914, Nr. 29.)
Beschreibung eines neuen, elastischen Ventilschutzpessars. Vorzüge:
1. Es hält sich, einmal angelegt, an der Cervix, an welche es sich mit
leichtem Federdruck anlegt und festsaugt, unverschieblich fest. 2. Es
kann ohne Gefahr für die Trägerin den ganzen Monat liegen bleiben,
weil das am vorderen Ende befindliche Rückschlagventil allen Sekreten
des Uterus Abfluss gestattet. Eisner-Berlin.
Augenheilkunde.
Kocbmann und Römer: Experimentelle Beiträge zum pathologischen
Flässigkeitsweehsel des Auges. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 3). Die intra¬
venöse Einspritzung des Serums von Individuen, die an Coma diabeticum
erkrankt sind, erniedrigt den intraocularen Druck des Kaninchenauges
und verhindert den Druckanstieg nach subconjunctivaler Injektion hyper¬
tonischer Salzlösungen, ohne dass dabei der Aorteodruck wesentlich ge¬
ändert wird. Der intraoculare Druck geht nicht parallel dem Aorten¬
druck; der Augendruck kann z. B. nach Bariumchlorid bei steigendem
Blutdruck sinken und bei sinkendem Aortendruck (Amylnitrit) steigen.
Der Binnendruck des Auges hängt ab vom Füllungszustand der Augen-
gefässe und dieser von der Blutverteilung im Gefässsystem, bei der die
Augengefässe aktiv oder passiv mitwirken. Der Kochsalzreiz ist kein
Reflexvorgang (Wessely), sondern er beruht auf einem osmotischen oder
klinischen Reiz, den die in den Bulbus übertretende hypertonische
NaCl-Lösung auf die Kammerwasserproduktion im Sinne einer Vermehrung
ausübt. Der Uebertritt von NaCl, der mit Bang’s Mikrometer deutlich
nachweisbar ist, wird auch durch die Gefässalteration gekennzeichnet,
die sich in einer Eiweissvermehrung anzeigt, deren Maximum nicht mit
dem Höhepunkt der intraocularen Drucksteigerung zusammenfällt. Durch
experimentell-therapeutische Massnahmen gelingt eine Beeinflussung des
Kochsalzreizes vom Kreislauf aus und zwar ohne wesentliche Aenderung
des allgemeinen Blutdrucks. Die Versuche lassen eine medikamentöse
Behandlung der glaukomatösen Drucksteigeruog vom Kreislauf aus als
nicht aussichtslos erscheinen.
Schanz: Ueber die Entstehung der Altersweitsichtigkeit and des
Altersstars. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H: 3.) Altersweitsichtigkeit und
Altersstar werden auf chemische Wirkung der ultravioletten Strahlen
zurückgeführt.
Levinsohn: Ueber den histologischen Befund kurzsichtig gemachter
Affenaugen und die Entstehung der Kurzsichtigkeit. (Graefe’s Arch.,
Bd. 88, H. 3.) Vgl. den Sitzungsbericht der Berliner ophthalmologischen
Gesellschaft vom 19. März 1914 in der B.kl.W., 1914, Nr. 19.
Kugel: Ueber die Beseitigung der ungenügenden Adaptation nach
der Operation der Knorpelansschälnng. (Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 3.)
Nach der zur Beseitigung des Ektropium senile angegebenen Knorpel¬
ausschälung ist das Lid mitunter dauernd vom Bulbus abstehend, und
zwar infolge einer ungleichmässigen Verdickung der Bindehaut und des
Stehenlassens eines breiteren Knorpelstreifens am freien Lidrande. Zur
Beseitigung der mangelhaften Adaptation des Lides lasse man einen
möglichst kurzen Knorpelstreifen stehen und exzidiere einen Bindehaut-
Streifen; in Fällen von hochgradigem Ektropium wird von vornherein die
ganze hintere Lidplatte ausgeschnitten.
R. Salus: Ueber Infektion und Immunität des Glaskörpers.
(Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 3.) Bei der Untersuchung der natürlichen
Schutzkräfte des Organismus uod ihres Verhaltens zum Auge ergab sich,
dass im Zustande hochgradiger eiteriger Entzündung die Hämolysine
bzw. allgemein die Antikörper des Serums in reichlicher Menge in den
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UNIVERSUM OF IOWA
5 MO BERLINER KLINISCHE
Glaskörper übertreten. Die Menge der Antikörper übertrifft bei stärkster
Entzündung noch die des neugebildeten Kammerwassers und ist der des
Blutserums fast gleich. Um die Antikörper in grösserer Menge zum
Uebertritt zu bringen, genügen nicht die gewöhnlichen Reize, die eine
passive Hyperämie hervorrufen, es ist vielmehr der gleiche aktive Reiz
nötig, der die Leukocyten zur Infektionsstelle lockt. Weitere Ueber-
legungen zeigen, dass die Immunität des Glaskörpers von der des
übrigen Organismus nicht prinzipiell verschieden ist, auch in ihm be¬
kämpfen Serum und Leukocyten die eingedrungenen Keime. Versuche
von Glaskörperimpfung mit saprophytischen und pathogenen Keimen er¬
gab einen ziemlich gleich und anscheinend gesetzmässigen Infektions-
verlauf. Nach Einbringung einer nicht zu grossen Keimmenge erfolgt
ausser beim Bac. subtilis, eine noch nach 6 Stunden deutliche Keim¬
abnahme, die keinen Immunitätsvorgang darstellt und auch beim
Reagenzglasversuch nachweisbar ist; an ihr sind nichtspezifische, rein
physikalische (osmotische) Kräfte beteiligt, die zu der Widerstandsfähig¬
keit der Keime in Beziehung stebeD. Das Maass der Keimabnahme ist
ein Ausdruck für die Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft der
Keimart. Auf das Stadium der Keiraabnahme folgt stets eine Ver¬
mehrung. Art und Menge der Keime bestimmen den Zeitpunkt des
Eindringens der Schutzstoffe in den Glaskörper. Die VermehruDgs-
intensität der Keime beeinflusst den Verlauf der Infektion. Der Kampf
zwischen Keimen und Schutzkräften bängt ab vod der Wirksamkeit der
letzteren gegenüber den Keimen und von der Fähigkeit der Keime, sich
der tötenden Kraft der Antikörper zu erwehren. Im Tierkörper ist die
Leukocytenbaktericidie etwa 1200 mal so stark wie im Reageuzglase.
Virulente Keime werden von den Leukocyten gar nicht, avirulente da¬
gegen stark beeinflusst. Die Resistenz der Keime wird noch durch die
Aggressine erhobt, die im Glaskörper aber nicht das Zustandekommen,
sondern nur den Verlauf der Infektion beeinflussen. Eine schnell ein¬
setzende, stürmisch verlaufende Entzündung spricht nicht für die
Virulenz, sondern für die Vermehrungsfähigkeit der Keime.
Lindner: Zur Frage der Verhütung postoperativer Infektionen.
(Graefe’s Arch., Bd. 88, H. 3.) In der Klinik von Fuchs werden unreife
Stare dann operiert, wenn der Pat. nicht mehr arbeitsfähig ist. Reife Cata-
racte werden auch dann operiert, wenn das andere Auge noch normale
Sehschärfe hat. Wenn die Bindehaut blass und normal ist, wird ohne
vorherige bakteriologische Untersuchung und ohne Probeverband operiert.
Bindehauterbrankungen werden vorher behandelt, bei Tränensackleiden
wird die Exstirpation des Tränensackes und Verschorfung der Tränen¬
röhrchen vorhergeschickt. Vor der Extraktion werden die zu langen
Brauen gestutzt, 15—20 Minuten lang 3 proz. Cocain gegeben, die äusseren
Häute mit Benzin, lprom. Sublimat und neutraler Augenseife gewaschen,
die Bindehaut mit physiologischer NaCl-Lüsung abgerieben und zum
Schluss mit derselben Flüssigkeit Bindehautsack und Conjunctiva bulbi
irrigiert (bei unreinen Fällen mit Sublimat 1 : 2500). Nach der Operation
werden beide Augen 24 Stunden verbunden. Leute mit starkem Bart
oder solche mit Neigung zu Ekzemen bekommen Fuchs’sche Gitter oder
Silber- oder Aluminiuraschalen. Eiuen Tag Bettruhe; am nächsten Tage
werden die Patienten aufgesetzt. 8 Tage täglicher Verbandwechsel, dann
dunkle Schutzbrille. Bei normalem Wund verlauf Entlassung nach 14 Tagen.
Das Einträufeln von Atropin wird von der Injektion, den Schmerzen, der
Menge der zurückgebliebenen Starreste usw. abhängig gemacht. Meist
wird mit Iridektomie, event. nach Hess-Pflüger, besonders bei Kom¬
plikationen operiert. Vom I. 1. 07 bis 31. 12. 10 wurden 1943 Lappeu-
extraktionen gemacht. Je geübter der Operateur, um so geringer die
Infektionsgefahr. Die bakteriologische Untersuchung des Keimgehalts der
Bindehaut ist praktisch nicht von Wert. Der Nachweis von Staphylo¬
kokken ist ohne Bedeutung, weil sie nur selten Infektionen nach Star¬
operationen verursachen, und weil sie nicht wegzubringen sind. Auch
Diplobacillen rufen keine intraokularen Infektionen hervor. Die Diffe¬
renzierung der gefundenen Streptokokken gelang nicht. Von 228 er¬
wiesenen StreptokokkeDträgern wurden 210 operiert, ausserdem 260, die
keine Streptokokken enthielten. Von 470 bakteriologisch untersuchten
Staren bekamen 6 Iridocyclitis, die gut ausging, 3 Hypopyouiritis bei
negativem Streptokokkenbefund, 3 Panophthalmie (Pneumokokkeninfektion
bei allen, 2 mal positiver Streptokokkenbefund). Nachweisliche Strepto¬
kokkenträger unterliegen einer etwas höheren Infektionsgefahr, als Leute
ohne diese Keime (1,0:0,4 pCt,), Der positive Befund bei einem und
demselben Patienten schwankt sehr. Eine sichere Methode, die Binde¬
hautstreptokokken für unsere Kulturboden sicher zum Verschwinden bringt,
gibt es nicht. Die Vorbehandlung von Streptokokkenträgern mit klinisch
reiuer Bindehaut steigert leicht die durch Herabdrücken der Keimzahl
verminderte Infektionsgefahr. Kurt Steindorff.
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten.
J. Ros n er: Die Eröffnnng des Kehlkopfes in der ersten Hilfe.
(W.m.W., 1914, Nr. 28.) Beschreibung der Intercricothyreotomie mit
einem Instrumentarium, welches den Vorteil hat, dass das Messer ver¬
schieden gross eingestellt werden kann, und dass vier verschieden grosse
Kanülen an einem gemeinsamen Griff angebracht werden können. Das
Instrument ist daher für Rettungsanstalten usw. sehr geeignet.
Eisner.
WOCI^NSCHRIFT. _______ _ Nr. 45.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Aerztlicher Verein zn München.
Sitzung vom 7. Oktober 1914.
(Kriegschirurgischer Abend.)
1 . Hr. G. Klein:
Röntgenuntersuchungen bei Schusswunden. (Mit Demonstrationen.)
Vortr. teilt mit, wie gross der Nutzen der Röntgenphotographie ist,
da mit den übrigen Methoden oft absolut nicht festzustellen ist, ob in
einer Wunde noch ein Geschoss steckt oder nicht. Des weiteren zeigt
Vortr. die Schwierigkeiten, die den Anfängern in der Röntgenphotographie
sich entgegenstellen, die Fehler, die gemacht werden, und wie sich diese
beseitigen lassen. An Hand von Demonstrationen gibt Vortr. wertvolle
Ratschläge.
2 . Hr. A. Sehmitt: Ueber Gehirn- nad Nervenverletungen.
Die letzten Wochen haben viel Verletzungen des Rückenmarks und
des peripheren Nervensystems gebracht. Unter den Gehirnschüssen be¬
fand sich keiner, bei denen die Kugel im Gehirn stecken geblieben war.
Die Tangentialscbüsse boten teils sehr schwere Erscheinungen: Gleich¬
gewichtsstörungen, Zertrümmerung des Warzenfortsatzes und Trommelfell¬
schädigungen ; sie heilten aber alle gut. Die TangentialschussverletzuDgen
sind deshalb besonders interessant, weil sich aus den Ausfallserscheinungen
die lädierte Stelle genau lokalisieren lässt. Vortr. operierte einen Fall,
indem er ihm ein Stück Hirnrinde entfernte und erzielte einen glatten
Heilungsverlauf. Ein anderer Mann wurde operiert, es ging ihm so gut,
dass er spielte und scherzte. Plötzlich bekam er heftige Krämpfe.
6 Stunden vorher war zum ersten Mal ein trockener Verband gemacht
worden. Es wurde sofort wieder ein feuchter Verband angelegt, die
Krämpfe besserten sich und hörten allmählich wieder vollständig auf.
Vortr. fehlen weitere Erfahrungen, doch glaubt er, dass ein trockener
Verband bei Hirnverletzungen als Reiz wirbt UDd deshalb besser durch
einen Kochsalzverband zu ersetzen wäre.
Was die peripheren Nervenverletzungen betrifft, so ist Vortr. die
grosse Häufigkeit dieser Verletzungen im Kriege, gegenüber der relativ
geringen im Frieden, aufgefallen. Am meisten betroffen wird der
N. radialis, durch ungeschickt angelegten Verband oder Callusbildung
mit sekundärem Druck auf den Nerven; in zweiter Linie beobachtet man
die Peroneuslähmung und an dritter Stelle die Plexuslähmung. Mit der
Prognose muss man selbst bei partieller oder kompletter Entartungs¬
reaktion sehr vorsichtig sein. Sehr viele bilden sich rasch, langsam
oder doch teilweise zurück. Vortr. stellt einige Fälle vor, bei denen
Radialis und Medianus verletzt waren, und bei denen fast völlige Heilung
auftrat. Ein weiterer Fall: komplette Lähmung des N. ischiadicus. Es
tritt vollständige Heilung des N, tibialis auf, während die Peroneus¬
lähmung noch fortbesteht. Vorläufig noch keine Naht, da die Tibialis¬
lähmung so gut geworden ist. Zur Vornahme einer Nervenresektion mit
folgender Naht soll man 3—7 Monate warten.
3. Hr. Krecke: Ueber Anenrysmen.
Nach Ansicht des Vortr. sind die Aneurysmen viel häufiger geworden.
Im Jahre 1870 waren es 44 bei der preussischen Armee; im russisch-
japanischen Krieg 88. Vortr. hat bis jetzt 6 gesehen. Ein Geschoss,
das eine starke Rassanz hat, ist zur Verursachung von Aneurysmen sehr
geeignet, besonders nachdem die Hautverletzung gewöhnlich eine sehr
geringe ist. Es gibt Fälle, in denen Pulsation und SchwirreD, die zwei
Hauptsymptome, fehlen. Wenn ein Hämatom bei Ruhebebandlung in
14 Tagen nicht zurückgeht oder grösser wird, handelt es sich um ein
Aneurysma. Es gibt 3 Arten: verum, spurium, arterioso-renosum.
Unter Krecke’s Fällen befand sich ein A. arterioso-venosum der Art.
brachialis. Hier war das Schwirren gut zu hören.
Die Therapie besteht darin, das Arterienrohr oberhalb des Aneu¬
rysmas abzukleramen und zu unterbinden. Es ist wichtig zu wissen,
ob die Unterbindung der Arterie keinen Schaden für das betroffene Glied
bringt, und ob dann nicht die Arterienplastik am Platz wäre- Deshalb
gibt es Proben, die feststellen sollen, ob ein Collateralkreislauf vor¬
handen ist. Die eine Probe besteht darin, den centralen Teil der
Arterie zu schliessen und dann zu sehen, ob es aus dem peripheren
Ende blutet. Ein weiteres Zeichen ist folgendes: Man unterbindet die
Arterie ober- und unterhalb des Aneurysmas und beobachtet, ob die
Vene beim Abklemmen anschwillt. Diese Probe wird von J nan ®“ e , n
Autoren angefochten. Wann soll man operieren? Nicht schon im Feld¬
lazarett, sondern 3 —5 Wochen nach der Verletzung. Bis dahin ist auch
ein Collateralkreislauf hergestellt. ,
Mit gutem Erfolg setzte Vortr. in einem Fall ein 5 cm langes btuc
der V. saphena in die Arteria radialis ein. .
4. Hr. Oberndorfer: Pathologisch anatomische Demonstration«**
Vortr. demonstrierte Schädel- und Oberschenkelverletzungen.
Nobiling-
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klio. Wochenschr.)
Sitzung vom 27. Oktober 1914.
Vorstellung von Verwundeten.
Hr. Unger: 1. Die Schussverletzung der Halswirbelsäule führte zu
Splitterung eines Wirbels; ein Splitter lag auf der Dura; das begleiten
Hämatom führte zu einer Armlähmung. Sie wurde durch die Operati
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Drigiral f rom _
UNIVERSITV OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1801
beseitigt. 2. Einschuss in den Schädel und zwar in der Scheitelgegend
von 2 Markstückgrösse hatte Lähmung des rechten Armes und Beines
bewirkt. Die Wunde eiterte; es war ein Tangentialschuss; wenig Kopf¬
schmerz. Der Verdacht auf Knochensplitter im Gehirn wurde durch die
Operation bestätigt; 15 Splitter von Erbsen- bis Markstückgrösse lagen
bis zur Tiefe von 5 cm im Armcentrum; die Entfernung war mühelos.
Schon 4 Tage später konnte er die bisher gelähmte Hand bewegen. Der
stereognostische Sinn fehlt aber noch vollständig; ein leichtes Lagegefühl
besteht schon. Die Sensibilität ist intakt. Die Neuritis optica ist fast
geschwunden. 3. Das Geschoss lag nach dem Röntgen bilde in der Mitte
der hinteren Schädelgrube; es bestand starke Benommenheit, Erbrechen,
Fieber. Anscheinend saas der Fremdkörper im Sinus longitudinalis
posterior oder transversus. Er legte das Kleinhirn frei. Man soll nach
dem Geschoss nur suchen, wenn Entzündungserscheinungen z. B. des
Sehnerven, Eiterung und Hirndruoksymptome bestehen. Auch dann fragt
es sich: Soll man das Geschoss oder die Eiterung angehen? Der
Sitz beider ist oft nicht identisch. Sonst ist das Suchen nach Ge¬
schossen überall am Körper unnötig. Wegen des zunehmenden Hirndrucks
entfernte Vortr. das Geschoss; es lag in der Wand des Sinus longitudi¬
nalis; es gab keine Blutung; es bestand also Thrombose. Die Dura war
eitrig belegt. Einige Tage später Exitus. Die Sektion ergab Thrombose
beider Sinus, eitrige Meningitis und Encephalitis: das hält der stärkste
nicht aus. Wahrscheinlich war der ganze Schusskanal infiziert. 4. Schuss
durch den rechten Oberarm mit Splitterung. Der Gipsverband umfasst
die gesamte Extremität von der Hand bis zur Schulter. Die Binden
gehen circulär über den ganzen Arm; an der Wände findet sich ein
Fenster. Der Verband setzte auch die Temperatur erheblich herab.
5. Ein Fall von Schädelschuss trägt die Kugel mitten im Gehirn, ist völlig
beschwerdefrei und wird bald naob Hause entlassen werden. 6. Ein
Schuss durch den Oberschenkel führte zu Splitterung und zeigte Eiterung
und Jauchung. Er war schlecht verbunden. Vortr. legt ober- und unter¬
halb Gipsbinden und legt nach den ersten Touren Aluminiumschienen
unter Polsterung zur Verbindung beider Teile. Rings herum wurden
dann Gipsbinden gewickelt. Der Knochen lag zuerst in 12 cm LäDge
frei: unter dem extendierenden Verband hat er sich vollkommen zurück¬
gezogen; er batte zwei Tage im Gelände liegen müssen (die Franzosen
gestatteten kein Auflesen von Verwundeten und Toten), der Hauptmann
hatte ihm einen Verband angelegt 20 m vor dem Feinde. Auf einer
Tragbahre war er endlich weggebracht worden. Der Gips-Aluminium¬
verband soll 4—5 Wochen liegen. Versteifung des Gelenks ist nicht zu
befürchten. Dann legt man einen Druckverband oder einen grossen
Gipsverband mit Fenster an. 7. Der Beinschuss führte ebenfalls zu
Eiterung mit Senkung; er bekam ebenfalls Gipsverband mit Beckengürtel
und Aluminiumschienen. Auch hier ist die Behandlung konservativ.
Keine Tamponade. Ein dünner Streifen Vioformgaze wird eingelegt.
Nur bei grossen Eiterungen wird Jodoform benutzt. Tamponade bewirkt
Verhaltung, und die Gaze saugt nicht vollständig auf. Watte saugt eben¬
falls nicht auf. Weit besser sind Zellstoff, Mooskissen oder Spreukissen.
Sehr gut sind die Zellstofflagen und -rollen. Selbst die schwersten Dis¬
lokationen soll man nicht zu früh einrichten, sonst ist Mobilisierung von
Keimen und Eiterung die Folge. 8. Nur einmal nahm Vortr. bisher eine
Amputation vor. Es bestand hohes Fieber, Zertrümmerung des Knochens
dicht oberhalb des Kniegelenks; von anderer Seite war die Wunde frei¬
gelegt, um dem Eiter Abfluss zu schaffen, Sequester entfernt, die
Reste mit dem scharfen Löffel abgekratzt worden. Es folgte Zunahme
des Fiebers, der Eiterung und Sepsis. Die Eiterung reichte bis zum
Poupart’scben Bande und bis zum Trochanter major. Nichts ist schlechter,
als die Wunde anzurühren oder den Knochen anzugreifen. Vortr. ist kon¬
servativ bis zum Aeussersten. Auf die Dauer des Krankenlagers kommt
es nicht an. Die schweren Zertrümmerungen werden doch ein Bein
zurück lassen, mit dem die Verletzten gehen können. Ein Kranker kann
schon nach 8 Wochen bei einer Verkürzung von 1 cm wieder gehen; es
ist ein Offizier, der wieder felddienstfäbig wird. 9. Der Einschuss sass
an der rechten Mamille; es bestanden Schmerzen unter dem rechten
Rippenbogen; dortselbst war ein Pleuraerguss nachweisbar. Es wurde
nichts gemacht. Pat. musste liegen bleiben. Er ist jetzt fieberfrei. Die
Kugel liegt in der Lebergegend. Der Erguss schwindet. Die konserva¬
tive Behandlung ist ihm gut bekommen. Es können Eiterungen ent¬
stehen, Galle in die Pleurahöhle treten; dann ist immer noch Zeit ein¬
zugreifen. Nicht eingreifen soll man, auch wenn der Leib aufgetrieben
ist. Nur bei grosser Lebensgefahr ist ein Eingriff indiziert. Diese kräftigen
Leute vertragen viel mehr, auch wenn mehrere innere Organe beschädigt
sind, als unsere Civilbevölkerung. JO. Einsohuss oberhalb der
rechten Spina soapulae, Ausschass in der linken vorderen Axillar¬
linie. Das Geschoss, dicht unter der Haut fühlbar, wurde herausge¬
nommen, da es dauernde Beschwerden machte. Eine Indikation bieten
alsdann auch subfebrile Temperaturen und kleine Abscesse, in denen
das Geschoss sitzt. Diese Abscesse sind in der Hälfte der Fälle steril.
Weiter wurde hier nichts gemacht. Pat. ist jetzt völlig fieberfrei.
11. Schass durch die rechte Lunge. Der Einschuss sass rechts
neben dem Dornfortsatz des 3. Brustwirbels; der Ausschuss auf der
rechten Mamille; der Schuss hat sicher die Lunge durchsetzt. Es wurde
nichts gemacht. Kein Fieber, keine Beschwerden; auch wenn die Aus¬
schüsse eitern und Gewebsfetzen heraushängen, selbst Rippenfragmente,
soll man nicht daran rühren. 12. Lähmung des Fusses. Der Kranke
jlio Fussspitze nicht heben; es ist der Peroneus und ein Teil des
Tibialis gelähmt. Also ist der Stamm des Ischiadious getroffen. Der
Einschuss (Sohr&pnellkugel) sitzt am oberen Anfaog der Rima ani auf
der gelähmten Seite. Die Kugel sitzt in der Höhe des linken Hüft¬
gelenks; hier ist kein Nervenstamm verletzt; es besteht vermutlich eine
Schädigung der Wurzeln des Ischiadicus, da wo er den Wirbelkanal ver¬
lässt. Dort bestanden auch zuerst lebhafte Schmerzen. 13. Auch der
andere Kranke lässt die Fussspitze fallen; er kann nur die Zehen massig
beugen. Der Schuss sitzt im rechten Oberschenkel an der Innenseite.
Getroffen wurde neben den grossen Gefässen vorbei der Stamm des Ischia¬
dicus. Diese Verletzungen sind jetzt sehr häufig. Zu unterscheiden sind die
Verletzungen im Wirbelkanal, an der Peripherie und in den feineren
Verzweigungen; im letzten Falle wird nichts gemacht. Auch sonst
meinten die Neurologen bisher abwarten zu müssen, weil noch nach
Monaten spontan Besserung eintritt. Jetzt sind sie anderer Meinung.
Wartet man so lange, so gibt es totale Degeneration der Achsenoy linder
distalwärts; man soll daher früher eingreifen. Bei einer Aralähmung
nach Schussverletzung legte Vortr. den Radialis frei; er war völlig
intakt, aber an der Beugeseite, nahe dem Ausschuss, in Sohwarten ein¬
gebettet. Diese drückten ihn, zumal beim Strecken, platt. Witing,
türkischer Generalstabsarzt, sagt in seinem Lehrbuch: „Es sind Seiten¬
neurome, die Schmerzen machen und die Funktionsuntüchtigkeit be¬
dingen. Es können die Aohsencylinder vom Centrumstumpf her schnell
durch den Wundkanal nach aussen wachsen. Bei Bewegung entstehen
heftige Schmerzen. Spontan ist keine Heilung möglich.“ Man soll die
NerveDstümpfe freilegen und adaptieren. Bei Radialiserkrankungen soll
man noch abwarten. Sind durch Schrägschüsse oder Verlagerung der
Nerven grosse Distanzen geschaffen, so hilft man dem durch Naht in
Beugestellung oder Ersatz von Hantnerven oder durch Einheilung eines
Stückes z. B. der V. saphena ab; die Achsenoylinder wachsen an der
Wand der Vene entlang und finden so ihren Weg. Vortr. würde heute
wagen, mit feinster Seide die Enden aneinander zu nähen. Die Seiden¬
fäden allein genügen nicht. Sind die Gefässe mit getroffen, so ist es
schwer, die Nerven aus der Gefässscheide herauszuschälen. Trotzdem
kommt es dann schneller als beim abwartenden Verhalten zur Wieder¬
herstellung der Funktion.
14. Schwerer liegen die Verhältnisse bei völliger Plexuslähmung.
Die Folgen sind schwere Schmerzen und Funktionsstörungen. Bei einem
Fall von Einschuss an der rechten Scapula und Ausschuss auf der
rechten Glavicula war die Operation unnötig; lediglich Elektrisieren,
Heissluftbebandlung und Massage genügten. 15. In des nächsten Kranken
Nähe ist eine’Granate geplatzt; ausser einer geringen Excori&tion auf
der Streckseite des Vorderarms war nichts zu sehen. Er kann die
Hand nicht schnell bewegen. Durch die Erschütterung bzw. den Luft¬
druck ist es zur Parese der Hand gekommen. Diese Wirkung ist in
Friedenszeiten unbekannt. Ohne äussere Verwundung zeigen die Kranken
am ganzen Körper Zittern. Es ist keine Neurasthenie, sondern eine
Erschütterung des Nervensystems. Lumbalpunktion brachte einmal
Besserung des Zustandes. Sie ist auch bei Gehirnerschütterung nach
Schädelfrakturen nützlich.
Bei Epilepsie empfiehlt Vortr., in Lokalanästhesie das kranke
Gentrum zu unterschneiden.
Ein Röntgenbild zeigt einen gut verlaufenen Fall, wo das Geschoss
unterhalb der Schädelbasis sitzt, ein anderes einen Längsschuss durch
den Trochanter major.
Tetanus ist an der Front häufig. Daher will man alle Verletzten
sofort mit Serum impfen, wenn sie auf der Erde oder im Heu gelegen
haben. Doch sollen sich keine Erfolge gezeigt haben. Trotzdem ist
Vortr. für die prophylaktische Impfung auf Grund amerikanischer Be¬
obachtungen. Je später der Tetanus eintritt, desto leichter verläuft er.
Wundbehandlung ist zwecklos. Hedaeus empfiehlt die Injektion des
Serums in die Carotis iDterna; das Serum dringt so sofort ins Gehirn.
Vortr. führte einen Ureterkatheter in die Brachialis ein und schob ihn
bis an den Hals vor. Der Kranke, dem so das Serum infundiert wurde,
wurde geheilt. Eine neue Methode ist das Verfahren Meltzer’s aus
New York mit Magnesium sulfurioum-Injektionen (10—20 pCt.). Zur Be¬
kämpfung der Nebenwirkung (Lähmung der Atmung bis zum Exitus)
empfiehlt er die Tracheotomie und Einführung eines Katheters, der 0
führt, bis 1 l /z—2 cm oberhalb der Bifurkation in die Trachea.
Bei Erysipel nimmt man Pinselungen von Ichthyol und Tot. jodi
m 25,0 und 01. camphor. 50,0 vor. Nach 2—3 Tagen erfolgt Ab¬
schuppung; ferner wird Diphtberieserum empfohlen.
Von Gefässverletzungen erwähnt Vortr. einen Fall, Sohuss in die
Mitte der Brachialis; kein Puls; aber die Hand war beweglich, blau.
Es fand sich eine kirschgrosse Anschwellung. Verautlioh batte sioh
die Intima aufgerollt und den Blutstrom aufgebalten.
Bei den traumatischen Aneurysmen, besonders den arteriovenösen,
der Beine soll man möglichst durch Gefässnaht den normalen Kreislauf
wiederherstellen. Denn die Exstirpation des Sackes allein schafft auf
die Dauer keine idealen Verhältnisse. Mode.
I. Tagung über Verdauungs- und Stoffwechsel¬
krankheiten zu Bad Homburg v. d. H.
vom 28. bis 25. April 1914.
(Berichterstatter: Dr. K. Reicher, Bad-Mergentheim.)
(Schluss.)
8. Sitzung. (III. Referat.)
Hr. G. v. Bergmann - Altona: Die Bedeutung der Radiologie
für die Diagnostik der Erkrankungen des Verdauungskanals.
Vor 15 Jahren äusserte sich der Chirurg E. v. Bergmann auf der
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UNIVERSITÄT OF IOWA
1802
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 45.
Naturforscherversammlung zu München in seinem Vortrage über die Be¬
deutung der Köntgenstrahlen folgendermaassen: „Die Domäne der
Rontgenstrahlen ist sGhon aus physikalischen Gründen im wesentlichen
auf die Darstellung von Knochen und Fremdkörpern beschränkt, die
innere Medizin enthält nichts wie schemenhafte Nebel- und Trugbilder,
welche der Phantasie den weitesten Tummelplatz bieten. Die Hoffnung,
den Stein in der Niere zu finden, ist schon eine aufgegebene. Noch
immer gelingt es der Perkussion besser, die Grenze des Herzens zu um¬
schreiben, als dem Röntgenverfabren.“ Welche Fülle von Kenntnissen
wurde seit dieser Zeit gesammelt! Imponierend ist vor allem die
Schnelligkeit und Sinnfälligkeit der Ergebnisse der Röntgenuntersuchung.
Der Nachweis einer Nische ermöglicht z. B. im Augenblick die Diagnose
Ulcus ventriculi. Ueber das diagnostische Schlagwort hinaus gestattet
aber das Schirmbild auch einen vertieften Einblick in pathologisch¬
anatomische und funktionelle Einzelheiten, die mit anderen Methoden
nicht zu gewinnen sind. Röntgenirrtümer sind ebenso erklärlich wie
Irrtümer in der Auscultation eines Spezialisten für Herzkrankheiten,
doch darf der Irrtum des Einzelnen nicht der Methode zur Last gelegt
werden.
Es soll nun zunächst die Form und Grösse des Magens an sich als
auch die Lage zu seiner Umgebung, und endlich seine Eigenbewegung
als Status ohne Rücksicht auf die spezielle Pathologie zur Darstellung
kommen, dann erat die spezielle Röntgendiagnostik des Magens. Die¬
selbe Anordnung wird der Besprechung des Darmes zugrunde gelegt
werden.
Auffallend war zunächst, dass der Magen im Röntgenbilde eine
vertikale Stellung einnimmt, während, ihn die meisten Anatomen ganz
anders gelagert beschrieben hatten. Und doch hatte Luschke schon
1868 angegeben, „dass der Magen normalraässig nicht in dem Grade
sohief von links nach rechts gestellt ist, wie es gemeinhin angenommen
wird, sondern das Organ erscheint vielmehr so aDgeordnet, dass der
grösste Teil seiner kleinen Curvatur links neben der Wirbelsäule und
ihr parallel herabzieht“. Stiller wollte die Divergenz der Befunde
durch eine spezifische Wirkung der Metallmahlzeit erklären, seine Ein¬
wände wurden aber durch die Versuche von Hesse mit geschabten
Knochen und die von Groedel mit Silberkugeln widerlegt. Die Brei¬
mahlzeit ist sicher eine physiologischere Art der Prüfung als die Luft-
aufbläbuDg, welche mit der Gefahr der Dehnung von Innen her ein¬
hergeht.
Um in das Verständnis der verschiedenen Magenformen, wie sie das
Röntgenbild uns zeigt, näher eindringen zu können, müssen wir uns mit
den Arbeiten von Forssel eingehender befassen.
F. sagt, man soll nicht die zufällige Form des Magens studieren,
sondern suchen, inwieweit sie von der Beschaffenheit der Magenmusku¬
latur, von dem Konstruktionsplan des Magens abhängt. Forssel bat
gezeigt, dass ein Teil der Muskulatur zu Stütz- und Verstärkungappa-
rafcen der Wand differenziert ist, um welche die Muskelbündel zu einer
typischen Architektur verbunden sind. Während wir bisher gewohnt
waren, den Magen als Ganzes zusammengezogen oder ausgedehnt anzu¬
sehen, wissen wir nun, dass die einzelnen Partien sich verschieden ver¬
halten können und dass die glatte Muskulatur durch eigene Aktivität
(nicht durch Belastung) ähnlich wie beim Scrotum gelängt oder verkürzt
sich einzuztellen vermag. So erscheint der Magen in der Ruhe durch
Kontraktion seiner circularen Fasern darmäbnlicb, röhrenförmig zu¬
sammengezogen. Die herabfliessenden Speisen müssen sich erst allmäh¬
lich ihren Weg bahnen, denn der Magen zieht sich vermöge seiner peri-
stolischen Funktion aktiv um den Speisebrei zusammen. Die Stier-
hornform des Magens (Holzknecht) ist in diesem Sinne als die am
stärksten kontrahierte Magenform anzusehen, bei der aber die unteren
Schlingen (die Siouspartien) stärker kontrahiert sind als die anderen
Teile. Die vertikalen Stützapparate sind verkürzt, der kaudale Magen¬
pol steht über dem Nabel.
In diesen Fällen veranlasst ein Heraufdräogen des Magens, wie es
bei vermehrtem Baucbinbalt, Fettleibigkeit, Ascites, Meteorismus, Gra¬
vidität, bei weiten Thoraxaperturen daher vorwiegend bei Männern der
Fall ist, die Muskelschichten mit einer aktiven Dauerkontraktion zu ant¬
worten.
Der Rieder’sche Normalmagen oder Angelhaken (Siphon)-
Form entspricht wieder einem in allen Muskelpartien massig kontra¬
hierten Magen. Er findet sich bei enger oberer Brustapertur, bei
schlaffen Bauohdeoken, beim Habitus astbenicus (Stiller) und zeigt alle
Uebergänge bis zum Magen mit tiefstehendem kaudalen Pol.
Derselbe braucht aber gar nicht als pathologisch angesehen zu werden,
sofern er sich nur rechtzeitig entleert. Die Ansicht von Emmo Schle¬
singer, welche Holzknecht begeistert aufgegriffen hat, es gäbe einen
byper-, ortho-, bypo- und atonischen Magen mit dementsprechend abge¬
stufter Intensität der Peristaltik, lässt sich nicht halten. Sämtiche
Stützapparate des Magens haben ausserhalb desselben ihren Halt, die
vertikalen an der Gardia und durch diese am Oesophagus und an dem
Ligam. phrenioo-gastricum, am kaudalen am Pylorus durch das Ligam.
hepato-duodenale und den Muscul. suspens. duodeni, so dass eine Ver¬
bindung mit Leber und hinterer Bauchwand gesichert ist.
Der Magen kann sich nun in einzelnen Abschnitten je nach den
Aenderungen in der Stütze der Unterlage aktiv hoch oder tief einstellen.
Das Herabsinken des Pylorus ist nicht ohne weiteres ein Zerrungs¬
phänomen, sondern es vermag in vertikaler und seitlicher Richtung ver¬
möge seiner Stütz- und Aufhängeapparate aktiv seine Stellung zu regu¬
lieren. Ein gesunder Magen, der nicht mehr bei gewöhnlicher Länge
auf seiner Unterlage zu ruhen imstande ist, übt eine aktive Regulation
dahin aus, dass er die Muskulatur des Pylorus und des Muscul. suspens.
duodenale entspannt und damit längst und so von neuem auf die Unter¬
lage stützt. Der „ptotische Magen“, der Langmagen oder Magen mit
tiefstehendem caudalen Pol verliert dadurch den Begriff des Passiven,
der Gedehntheit, und wird in das Kapitel der noch normalen Magenform
eingereibt. Soviel über das Ptosenproblem! Beim atoniscben Magen
ist die peristolische oder Umfassungsfunktion des Magens, die
Fähigkeit des Magens, sich um grosse wie kleine Inhaltsmengen zu-
sammenzuzieben, herabgesetzt. Während sonst der Magen bestrebt
ist, dauernd das gleiche Niveau zu halten, sinkt hier der Brei schneller
als in der Norm hinab, die Bissen fallen geradezu hinunter, das Niveau
sinkt tiefer, am caudalen Pol sammelt sich ein Kreissegment meist von
grösserem Radius als in der Norm, darüber können sich die Magenwände
taillenartig wieder berühren, so dass eine Verwechslung mit Pseudo-
sanduhrmagen nahe liegt. Von „atoniacher Ektasie“ zu sprechen, hält
v. B. für Unfug, weder die einfache Atonie und noch weniger der Lang-
magen darf als Ektasie bezeichnet werden; gerade das Röntgenverfabren
sollte das Bestreben aller guten Magenspezialisten unterstützen, dass
die Magendiagnosen der Magenerweiterung endgültig beseitigt werden.
Alle echten Magenektasien sind auf Stauungsdilatation zu¬
rückzuführen und sind durch Pylorospasmus oder eineorga-
nisohe Pylorusstenose bedingt.
In bezug auf Lageveränderungen durch Verdrängung oder Ver¬
zerrung zeigt je ein instruktives Bild die Verlagerung des Magens nach
rechts und nach links durch das geblähte Colon, die Verdrängung des
Magens nach links und oben durch einen riesigen bydronephrotischen
Sack, vermehrte Rechtsdistanz mit Rechtsfixation infolge perichoiecysti-
tischer Adhäsionen, Verdrängung des Magens durch einen grossen Galleo-
blasentumor, einen eigenartigen Füllungsdefekt des Magens an der
grossen Curvatur, bedingt durch Kyphoskoliose und Kompression des
Magens von rückwärts usw.
Wir gelangen nunmehr zur Besprechung der Magenbewegungen.
In bezug auf die Tatsache, dass der caudale Magenteil mit seinen
mächtigen peristaltischen Bewegungen die Speisen im wesentlichen zum
Darm hin zu entfernen hat, die übrigen Magenpartien der Retention und
damit der Digestion dienen, herrscht Uebereinstimmung. Unentschieden
ist die Frage, ob diese beiden funktionell verschiedenen Teile wirklich
durch einen anatomisch präformierten Sphincter antri getrennt sind oder
ob es sich um eine offen fortschreitende, einfache Ringwelle (Forssel)
handelt? Die Röntgenkineraatograpbie (Rieder-Kästle-Rosentbal)
hat die erstere Auffassung bedenklich erschüttert, wie sie überhaupt
wertvolle physiologisch-funktionelle Aufschlüsse gebracht hat. Für die
Diagnostik dagegen hat, wie v. B. aus reicher eigener Erfahrung weiss,
die Kinematographie keine wesentlichen Bereicherungen gezeitigt. Bei
dem Magenearcinom wurden vielleicht durch sie auffällige Bewegung»-
typen aufgedeckt, doch sind Trugschlüsse auf diesem neaen Gebiete
noch sehr naheliegend.
Bei Pylorusstenose und bei Pylorospasmus sieht man häufig ganz
besonders tiefe peristal tische Wellen gegen den Pylorus andräugen
(Stenosenperistaltik) oder sogar schon von den oberen Partien des
Magens eine gesteigerte Peristaltik beginnen. Es gibt aber alle Ueber¬
gänge von normaler lebhafter Peristaltik bis zur pathologischen Hyper-
kinese. Bei rein motorischen Magenneurosen und bei beginnender Tabo-
paralyse kann man auch ohne jeden Pylorospasmus lebhafteste Magen¬
bewegung sehen. Solange kein 6-Stundenrest vorhanden ist, kann aus
vertiefter Peristaltik nicht auf Pylorusstenose geschlossen werden. Es
kann sich höchstens um eine kompensierte P.-Stenose handeln, ähnlich
wie ein Vitium cordis durch Muskelhypertrophie und verstärkte Muskel¬
kontraktion kompensiert werden kann. Beweisend für Stenosierung des
Pylorus ist erst Magensteifung oder echte Antiperistaltik (Jonas),
bei welcher eme echte Welle nach links abläuft. Zur Prüfung der
motorischen Funktion kann man sich des einzeitigen Doppelm&hlzeit-
verfahrens von Haudek oder einer zweizeitigen Untersuchung bedienen.
Die sogenannte Prüfung auf „rohe Motilität“ ist so gut wie erledigt,
im übrigen ergänzen sich die klinischen und röntgenologischen Motilitäts-
prüfungen in sehr glücklicher Weise.
Zur Pylorusprüfung kann man mit Vorteil 0,04 Papaverin sub-
outan injizieren, um einen etwaigen Spasmus aufzuheben (Lal-Holz-
knecht). Die Hypersekretion als Begleiterscheinung des Ulcus pepticum
kann mitunter zu Täuschungen bezüglich der motorischen Funktion des
Magens führen, indem sich immer neue Sekretmengen mit dem W ismut-
brei mengen. Wir kommen damit zur speziellen Röntgendiagnostik.
Im Gegensatz zu Haudek, nach dem bei Ulcus ventriculi stets Pyloro¬
spasmus auftritt, und zu Faulhaber, dem Pylorospasmus ein Ulcus
ad pylorum beweist, hält ihn v. B. als eine wichtige, wenn auch keines*
wegs regelmässige Begleiterscheinung des Ulous pept., als einen Point
mehr, der bei der Diagnose hilft. Es kann jedenfalls auch ein fern-
sitzendes Ulcus ventriculi oder duodeni mit oder ohne Hyperacidität
Pylorospasmus auslösen, und endlich ein Ulcus pept. überhaupt fehlen*
Analoges gilt vom Cardiospasmus, der beim Ulcus der Pars cardiaca
häufig nacbgewiesen ist, aber auch bei pylorischem Ulcus und ohne Ulcus
vorkommt. Ausserdem sind unter den gleichenVerhältnissenSandubr-
spasmen bekannt, welche durch Kontraktion einer circularen Fadeo-
, schlinge entstehen und innerhalb weniger Minuten auf benachbarte über¬
greifen und gelegentlich bis auf eine Strasse an der kleinen Kurvatur
oder vollständig den Magen in 2 Säcke abschnüren können. Auch diese
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UNIVERSUM OF IOWA
9. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1803
Spasmen sind einwandfrei ohne Ulcus bei Tabes, Hysterie and anderen
Neurosen nachgewiesen worden, ebenso bei Ulcus duodeni. In mehreren
Pallen von Ulcus praepyloricum sieht man einen totalen Antrum¬
spasmus, der zu völligem Füllungsdefekt der ganzen Partie führt, er
findet sich aber wieder auch gelegentlich ohne Ulcus ventrieuli. Unge¬
mein häufig ist die Kombination von Sanduhrspasmus mit Pylorospasmus.
Es kommen daher beim Sanduhrmagen Retentionen von 24 Stunden ohne
anatomische Veränderungen des Pylorus vor. Das Nischensymptom
(Haudek, Faulhaber) ist in Kombination mit Spasmus der gegen¬
überliegenden Wand auf Ulcus sehr verdächtig. Der Brei entleert sich
aus der Nische entweder mit der übrigen Nahrung oder bleibt längere
Zeit in ihr liegen, was auoh eher für Ulcus spricht. Von den Nischen
gibt es fliessende Uebergänge bis zu den penetrierenden Uleera, bei
denen sich ein richtiger Recessus mit Breiniveau mit stets darüber¬
liegender Luftblase nachweisen lässt. Diese oft ganz kleinen Höhlen
geben die absolute Indikation zum operativen Eingriff. Bei der Diagnose
des penetrierenden Duodenalulcus muss neben duodenaler Magen-
motilität darauf geachtet werden, ob die Nische abseits vom sichtbaren
Duodenum liegt und ein horizontales Niveau besitzt. Wichtig sind auch
für die Lokalisation die Chole’sohen Füllungsdefekte. Perigastritische
Verwachsungen mit oder ohne Zaoken kommen bei Ulcus, peritonealen
Prozessen, Pankreassklerose, Perioholecystitis, Periduodenitis usw. vor.
Bei den parapylorischen Ulcera (pylori und duodeni) kann man
den hyperperistaltisohen Typ und den mazimalsekretorischen
beim gleichen Fall abwechseln sehen. Bei letzterem findet man ent¬
sprechend dem nächtlichen Hangerschmerz mittels schwimmender und
sinkender Kapsel kolossale Sekretmengen (vermehrte Intermediärschioht
nach Schlesinger) mit Lokalisation des Schmerzes am Pylorus infolge
des Pylorospasmus. Dauerbulbus und Zapfen sprechen nicht eindeutig
für Ulcus duodeni, bloss im Zusammenhang mit Anamnese und gesamtem
klinisohem Syndrom kann die Diagnose des Ulcus ventrieuli und duodeni
mit Sicherheit gestellt werden, sie ist aber durch das Röntgenverfahren
bedeutend erleichtert, verschärft und kann sich bei diesem auf sonst
nicht eruierbare lokale Details stützen.
Beim Carcinom lassen sich grosse medulläre Tumoren ohne Röntgen¬
bild meist leicht diagnostizieren, wichtig ist dagegen der Typ des
skirrhösen Schrumpfmagens, der in extremen Fällen vollkommen
unter dem linken Rippenbogen verborgen liegt. Der Pylorus ist dann
nach links und oben verzerrt, offenstehend, der Magen hat Röhrenform,
jegliche Peristaltik fehlt; die vorher häufig unklare oder falsche Diagnose
kann auf den ersten Blick im Röntgenbild gestellt werden. Für die
Diagnose von Cardiacarcinomen hat das Röntgenverfahren wegen der
Unmöglichkeit ihrer direkten Palpation auch grosse Wichtigkeit, Insuffi¬
zienz der Cardia verrät sich durch fehlende Luftblase. Die Differential¬
diagnose zwischen callösem und carcinomatösem Sanduhrmagen gestaltet
sich oft schwierig. Wichtig sind die Form (die gezackten Ränder) und
die Lage der Füllungsdefekte. Auch zu einem carcinomatösen Infiltrat
kann sich ähnlich wie beim Ulcus ein Antrumspasmus hinzuaddieren und
ebensogut wie ein präpylorisches Ulcus können kleinste Scirrhen am
Pylorus schwerste Stenosenerscheinungen hervorrufen.
Während man bei negativem Röntgenbefund ein Ulcus ventrieuli
oder duodeni nicht ausschliessen kann, ist ein vollkommen- normaler
Röntgenbefund bei vorhandenem Magencarcinom eine grosse Seltenheit.
Eine Frühdiagnose des Magencarcinoms gestattet allerdings das Röntgen
nicht. Mit dem Röntgen verfahren können endlich die funktionellen
Operationserfolge kontrolliert werden.
Bei der Erkennung des Rektumcarcinoms leistet uns das Röntgen¬
verfahren in den Fällen gute Dienste, die durch Palpation und Rekto-
skop nicht zugänglich sind. Man findet dann merkwürdig geformte
Füllungsdefekte oder beim Einlaufen des Wismutklysmas ein absolutes
Hindernis an einer Stelle, während von oben her keine hochgradige
Stenose vorhanden zu sein scheint (ventilartige Verengerung).
An instruktiven Bildern erläutert dann v. B., wie man bei Füllungs¬
defekten des Darmes infolge von Spasmen zu diagnostischen Trugschlüssen
gelangen kann. Ein gefüllter Appendix ist ein Zufallsbefund, die Be¬
nutzung des Distinktors bringt uns gegenüber den bisherigen Methoden
nicht viel weiter. Bei Colitis ulcerosa findet man Füllungsdefekte oder
kleine Schattenreste (Stier 1 in). Verwachsungen sind erst bei wieder¬
holter Feststellung im Röntgenbilde anzunehmen (Fall von Verwachsung
des Colon transversus mit Ligamentschlinge), ein rechtsseitiger hydro-
nephrotischer Sack kann das Colon nach links und unten drängen.
Die Radiologen haben versucht, das Obstipationsproblem restlos
aufzuklären; nicht das eupeptische, sondern das motorische Moment sollte
▼on ausschlaggebender Bedeutung sein. Doch kommen sie immer mehr
von ihrem Standpunkt wieder zurück. Wir haben verschiedene neue Tat¬
sachen durch die Röntgenologie des Darmes kennen gelernt, die grossen
und die kleinen Darmbewegungen, dass die Haustren nicht präformiert,
sondern vom Reizungszustande des Darmes abhängig sind, durch einzelne
Pharmaka hervorgerufen, durch andere zum Verschwinden gebracht werden
können. Spastische und atonische Partien wechseln unter Umständen
am Darm ab, alle diese neuen Tatsachen werden einmal bei der Lösung
des Obstipationsproblems Verwendung finden, es ist aber verfrüht, schon
jetzt eine Einteilung in hyper-, hypo- und dyskinetische Formen vorzu-
nehmen oder nach rein lokalistisohen Gesichtspunkten eine proktogene
Obstipation oder Dyschezie, einen Ascendens- und einen Descendenstypus
*u unterscheiden. Je reicher unsere Erfahrung hier wird, desto zurück¬
haltender müssen wir in unseren Schlüssen sein.
Diskussion.
Hr. Boas-Berlin hebt hervor, dass v. Bergmann mit wohltuender
Zurückhaltung vom Standpunkte des abwägenden Klinikers die Probleme
behandelt hat.
Hr. Ewald-Berlin möchte noch einmal ganz besonders unter¬
streichen, mit welch kühler, überlegener Kritik v. Bergmann die Resul¬
tate der Röntgenforsohung unseren bisherigen klinischen Erfahrungen
gegenübergestellt hat. Auf dem internst. Kongress in London und im
Verein für innere Medizin in Berlin hat E. eine Reihe von Beobachtungen
mitgeteilt, welche eine deutliche Disorepanz zwischen dem alten Ver¬
fahren und dem Röntgenbefund zeigen, und hat Nutzen und Irrtum, die
dem letzteren anhaften, hervorgehoben.
Hr. Bauermeister-Braunschweig will den Ausdruck Sanduhrmagen
nur für die Fälle mit echter anatomischer Stenosenbildung (sog. Bagger-
sackphänomene) reserviert wissen.
Hr'. Schütz-Wiesbaden bringt Kasuistisches vom Oesophaguskrampf
und zur luetischen Duodenalstenose.
Hr. Singer-Wien findet durch seine und Holzkneoht’s Unter¬
suchungen einen grossen Teil seiner schon früher als charakteristisch für
spastische Obstipation bezeichneteo Befunde bestätigt, nämlich die dabei
vorhandene Hypermotilität im proximalen und die Hypertonie im distalen
Darmabschnitt. Die Tete der Kotmassen steht 6 Stunden nach der Mahl¬
zeit bereits an der Flex. lienalis. Ferner konnte S. zeigen,* dass das
Maximum des Schmerzes der Lage nach genau dem Appendix entspricht,
wenn man die schmerzhafteste Stelle mit einer Bleimarke versieht und
unter Zuhilfenahme des Distinktors im Trochoskop nachkontrolliert.
(Demonstration mehrerer lehrreicher, durch Operation verifizierter Fälle.)
Hr. Lenz-St. Moritz lässt den Patienten mittels eines eigens kon¬
struierten Distinktors mit Bleiknopf selbst palpieren. Die Vorwärts¬
bewegung der Kotmassen wird durch eine Art Spritzschlauchmechanis¬
mus im Darm besorgt. Der retrograde Transport im Colon erfolgt passiv.
Hr. Kraus - Semmering hält den Spasmus beim Sanduhrmagen für
den Ausdruck einer Defense musculaire.
Hr. Ad. Schmidt - Halle a. S. demonstriert einen durch Divertikel¬
bildung hervorgerufenen Sack des Duodenums, der die klinischen Sym¬
ptome einer recidivierenden Pancreatitis bot, das Röntgenbild wurde
mittels direkter Füllung nach einer von David angegebenen und von
Holzknecht aufgegriffenen Methode dargestellt, die vielleicht berufen
ist, uns noch wichtige Aufschlüsse durch Darstellung von Teilen zu
geben, welche bisher von dem Colon verdeckt wurden. Sehr dankenswert ist,
dass v. B. sich in bezug auf das Obstipationsproblem mit so grosser
Reserve ausgesprochen hat. Durch die Röntgenologen ist dabei das
Hauptgewicht auf die motorischen Störungen verlegt worden, sioher ist
aber, dass neben den Einflüssen des vegetativen Nervensystems auch
der Inhalt des Darmes als veranlassendes Agens bei den verschiedenen
Bewegungserscheinungen in Betracht kommt. Eine scharfe Trennung
der atonischen von der spastischen Obstipation und der verschiedenen
anderen Typen dürfen wir noch nicht vornehmen.
Hr. L. Kuttner- Berlin: Durch die Einführung neuer Bezeichnungen
haben die Röntgenologen die schon bestehende Verwirrung in der
Nomenklatur noch gesteigert. Für die Diagnose der Magencarcinome
leistet die Röntgenologie nicht viel mehr wie die klinische Unter¬
suchung. Bei der wichtigen Differentialdiagnose Gastritis anacida
benigna oder Carcinom hat K. viele Fehldiagnosen erlebt, indem die
Röntgenologen entweder einen Tumor sahen, der bei der Operation nicht
vorhanden war, oder sicher palpable Tumoren übersahen. Bezüglich der
Unterscheidung zwischen benigner und maligner Pylorusstenose reicht
das Verfahren auch nicht aus. Ebensowenig ermöglichen die für die
Differenzierung von Ulcus und Carcinom angegebenen Röntgenmerkmale,
die beginnende maligne Umwandlung eines benignen Ulcus zu konsta¬
tieren. Die Frage der Operabilität ist durch das Röntgenverfahren auoh
nioht zu entscheiden. Die Diagnose des Ulcus ventrieuli und duodeni
wird in vielen Fällen durch das Röntgenverfahren gar nicht gefördert,
ein normaler Befund schliesst sie aus, ihr Vorhandensein kann sich in
den verschiedenartigsten Bildern äussern. Fälle von mir, die die
Röntgenologen sioher als Ulcus duodeni diagnostizierten, stellten sich
bei der Operation unter anderem als eiterige Appendicitis, Cholelithiasis
oder als normales Duodenum heraus. In einem anderen Falle täusohte
ein Ulcus duodeni im Röntgenbild ein Magencarcinom vor. Fälle von
Carcinom der Sigmoidea wurden lange als Colitis ulcerosa angesehen,
weil sie das angeblich charakteristische Bild nach dem Röntgenverfahren
gaben.
Fälle, die Röntgenologen als Darmcarcinome, Darmstenosen und
Divertikeln feststellten, ergaben bei der Operation und Sektion nichts
dergleichen. Aus diesen Erfahrungen sollen wir die Lehre ziehen, dass
man bei der Deutung der Röntgenbilder viel vorsichtiger und kritischer
Vorgehen soll, als es heute geschieht, und die Röntgenuntersuchung nioht
in den Vordergrund stellen darf. Namentlich soll den Röntgenologen
nicht die Diagnose allein überlassen und noch weniger nach oberfläch¬
licher klinischer Untersuchung bloss auf Grund eines zweifelhaften
Röntgenbildes den Patienten der ernste Rat zu einer Operation gegeben
werden. Deckt Bich die klinische Untersuchung nicht mit dem Röntgen¬
bild, so ist man nicht berechtigt, den klinischen Befund zugunsten des
letzteren aufzugeben. Grosse Bedeutung beansprucht hingegen das
Röntgenverfahren bei dem Studium der Magen- und Darmbewegungen
unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen. Eine tatsäch¬
liche Bereicherung unserer Kenntnisse haben wir nur dann zu erwarten,
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UNIVERSUM OF IOWA
1804
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 45.
wenn kritisch denkende und erfahrene Kliniker und routinierte Röntgen¬
spezialisten sich zu gemeinsamer Arbeit miteinander verbinden.
Hr. Hausmann - Rostock glaubt auf Grund umfangreicher Pal¬
pationsuntersuchungen, dass die spastische Obstipation nicht existiert.
Hr. Rosenfeld - Breslau: Bei der Schaffung des Namens Gastro-
ptose hat man die Vorstellung gehabt, dass der horizontale Magen als
Ganzes heruntergefallen sei; das gibt es aber gar nicht, denn der Fundus
bleibt ruhig in seiner Lage, und es verlängert sich nur vorübergehend
der untere Teil des Magens.
Hr. Jakob ist geneigt, schon einen 4 Stundenrest als pathologisch
anzusehen. Nach Papaverin gaben verringerte sich die Austreibungszeit
bei Pylorospasmus von 6 auf 3 Stunden.
Hr. v. Bergmann (Schlusswort) ist über das ihm gespendete Lob
etwas erschrocken, denn sein kritisches Bemühen ist offenbar von allen
konservativen Seiten so aufgefasst worden, als ob man mit dem Röntgen¬
verfahren nichts erreiohen könne. Dagegen muss sich Ref. energisch
wenden. Für den Begriff der Ektasie wird von Boas immer die Kom¬
bination von Ptose mit motorischer Insuffizienz postuliert.
Hr. Ewald: Unser Programm ist erschöpft. Ich brauche nicht zu
sagen, welchen erfreulichen Verlauf unsere Tagung genommen hat.
Glänzend ihn zu nennen, wäre etwas Aeusserliches. Sie hat uns aber
innerlich weiter gebracht und unsere Kenntnisse bedeutend gefördert;
sie hat uns praktisch und theoretisch genützt, und so glaube ich, dass
jeder das Gefühl vollster Befriedigung mit sich fortnehmen wird. Auf
Wiedersehen im nächsten Jahre!
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Die Akademie für praktische Medizin in Köln be¬
steht mit dem Oktober 1914 zehn Jahre. Es war eine besondere Feier
geplant, die aber in Hinsicht auf den Krieg selbstverständlich unterblieb.
Eine Festschrift, die im Oktober erscheinen sollte, wird, wenn auch mit
Verzögerung, noch herausgegeben werden. An den Kursen der Akademie
haben im ganzen 3221 Aerzte teilgenommen. Mit ihr ist eine Kranken¬
pflegeschule verknüpft, an der in einjährigen Kursen bisher 167 Schülerinnen
ausgebildet wurden. Kurse für Missionare und Missionarinnen wurden
von 114 Personen besucht.
— Die Vereinigung mitteldeutscher Neurologen und Psychiater hat
ihre Tagung auf das nächste Jahr verschoben.
— Prof. Sigmund Gottsohalk, der Leiter der gynäkologischen
Abteilung am jüdischen Krankenhause zu Berlin, ist nach längerem Leiden
verstorben. Gottsohalk war am 21. Oktober 1860 zu Königsfeld in der
Rheinprovinz geboren; seine spezielle Ausbildung als Frauenarzt ver¬
dankte er besonders Carl Schröder und Leopold Landau; er habi¬
litierte sich in Berlin 1889. Unter seinen zahlreichen Arbeiten sind be¬
sonders die histologischen Untersuchungen über die von den Piacentar-
zotten ausgehenden bösartigen Neubildungen (Chorion-Epitheliome)
allgemein bekannt und beachtet worden.
— Eine Trauerfeier für den Generalarzt des V. Armeekorps, General¬
arzt Dr. Korsch, dessen Tod wir vor kurzem meldeten, fand am 5. d. M.
auf dem Dahlemer Friedhofe statt.
— Verlustliste. I. Gefallen: Einj.-Freiw. Bollerboff, stud.
med. Stabsarzt Dr. Eberling, Inf.-Reg. Nr. 18. Oberarzt d. L.
Dr. Hildenstab. Einj.-Freiw. W. Hösel, stud. med. Kriegsfreiw.
F. Jahn, stud. med., Inf.-Reg. Nr. 106. Unterzarzt G. Link, Inf.-Reg.
Nr. 112. Oberarzt Dr. R. Schlüter, 5. Bayr. Res.-Korps. Einj.-Freiw.
W. Servatius, stud. med., Inf.-Reg. Nr. 113. Leutnant d. R. Dr.
W. Steudell, Leutnant d. R. Prof. Dr. R. Stumpf, Privatdozent für
Pathologie in Breslau. Assistenzarzt d. R. Dr. Weichsel, Inf.-Reg.
Nr. 102. Offizierstellvertr. Wenzel, cand. med. Einj.-Freiw. B. Ziegler,
stud.med. — II. Verwundet: OberstabsarztDr.Fülleborn. Assistenzarzt
d. R. Dr. P. Hönsch. Oberarzt d. R. Dr. v. d. Kamp. Assistenzarzt
Dr. Koopmann. Oberarzt d. R. Dr. Maicher. Unterarzt Dr. H. Müller.
Oberarzt Dr. Noeske. Stabsarzt d. R. Dr. Rinteln. Assistenzarzt d. R.
Dr. Rosenbäum. Stabsarzt Dr. Sehlem minger. Oberarzt d. R. Dr.
Siebenhaar. Unterarzt Dr. Tietz. Assistenzarzt d. R. Dr. Beiss.
Generaloberarzt Dr. Ziem an n. — III. Gestorben: Stabsarzt d. R.
Dr. E. Ehrle-Freiburg i. B.
— Volkskrankheiten. Pest. Türkei (30. IX.) 1. Brasilien
(1.—15. VIII.) 2f. — Cholera. Oesterreich (11.—17. X.) 175 und
104 f- Ungarn (11.—17.X.) 281. Kroatien-Slavonien (11.—17. X.)
4. — Genickstarre. Preussen (18.—24. X.) 5 und 1 +. — Spinale
Kinderlähmung. Preussen (18.—24. X.) 4. Schweiz (11.—17. X.) 1.
— Ruhr. Preussen (18.—24. X.) 774 und 10 f. Oesterreich
(4.—10. X.) 2581 und 92f- — Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen
starb an Scharlach in Bottrop, Buer, Gleiwitz, Thorn, Zabrze, Masern
und Röteln in Beuthen, Diphtherie und Krupp in Bottrop, Gera,
Hamborn, Lehe, Wilhelmshaven, Typhus in Kattowitz.
Hooh sch ulnachrichten.
Bonn. Prof. Thomsen, Privatdozent für Psychiatrie, ist gestorben.
— Halle a. S. Privatdozent Dr. W. Schürmann aus Bern, der zu
diesem Winterhalbjahr nach Halle an das Hygienische Institut über¬
siedeln wollte, ist durch den Ausbruch des Krieges an der Verwirk¬
lichung dieser Absicht verhindert worden und kann daher erat smh
Beendigung des letzteren seine neue Stellung antreten. — Zürich.
Habilitiert: Dr. von Gonzenbach für Hygiene.
Aufruf zur Errichtung einer Hilfek&sse.
Kollegen in Stadt und Land!
Das Vaterland hat gerufen. Millionen wehrfähiger Deutscher stehen
jenseits unserer Grenzen in Ost und West, den heimischen Herd za
schirmen und dem Feinde das Betreten des deutschen Bodens zu wehren.
In seltener Einmütigkeit wetteifern Regierungen und Volksvertretung
Öffentliche und private Körperschaften in den Werken der Nächstenliebe
und der Fürsorge für unsere tapferen Brüder im Felde, und zur Ab¬
wehr der wirtschaftlichen Nöte, die der furchtbare Krieg über alle
Schichten der Bevölkerung gebracht hat. In glänzendem Lichte erstrahlt
der Opfersinn und die Gebefreudigkeit aller, ob vornehm oder gering, ob
reich oder arm, aller, die daheim geblieben sind, daheim bleiben müssen.
Wir deutschen Aerzte stehen wahrlich nicht abseits. Viele Tausende
von uns sind mit binausgezogen in Feindesland, um draussen auf der
Walstatt den sterbenden Helden Linderung ihrer QualeD, den Blutenden
Hilfe, und den Kranken Beistand zu bringen, Tausende wirken in der
Beimat in den LazaretteD und den Krankenhäusern im Dienste des
Roten Kreuzes. Nicht wenige starben den Heldentod fürs Vaterland,
gar viele mussten Weib und Kind verlassen, ohne weiter für sie sorgen
zu köaoen. Zwar hat schon mancherorts kollegialer Zusammenhalt und
ärztlicher Gemeingeist Vorsorge getroffen, vorübergehende Not zu lindern.
Es handelt sich aber um mehr, es handelt sich darum, einzutreten für
die, welche ihr Leben für ihr Vaterland dahingegeben und ihre Familien
nun in Kummer, Sorgen und Entbehrungen zurückgelassen haben. Dazu
brauchen wir grosse Mittel. Die vorhandenen, wenn auch mit gutem
Erfolge arbeitenden örtlichen Einrichtungen genügen nicht; wir brauchen
eine gut ausgestattete Hauptkasse, um allenthalben mit vollem Nach¬
druck eingreifen zu köonen. Darum haben wir beschlossen, eine Hilfs-
kasse zur Linderung der Kriegsnot in Aerztekreisen zu er¬
richten und wenden uns nun an alle Kollegen in Stadt und Land mit
der Aufforderung: Gebt alle und gebt reichlich! Wir wenden uns aber
auch au alle Aerztekammern und die ärztlichen Vereine. Viele Kammern,
aber auch die vielen wissenschaftliche und gesellige Zwecke verfolgenden
Vereine werden in diesem Kriegsjahre ihre Einnahmen nicht verbrauchen
und werden ansehnliche Beträge aus ihrem Vermögen spenden können.
Denkt aber auch an die Witwengabe des Leipziger Ver¬
bandes! Auch hier hat der Krieg Not und Sorgen vermehrt, auch
hier müssen wir in diesem Jahre mit voller Hand geben können. Gar
manche Witwe, die sich bisher aus eigener Kraft eine bescheidene Existenz
hat schaffen können, hat der Krieg um die Erwerbsmöglichkeit gebracht,
sie wenden sich jetzt um Hilfe an die Witweogabe. Und die Hilfs¬
bedürftigen, welche wir bisher regelmässig haben bedenken können, sind
bei der jetzigen Teuerung mehr denn je auf unsere Hilfe angewiesen.
Darum gebt, gebt alle — zu allem anderen — auch noch zur Er¬
füllung dieser heiligen Pflicht, zur Linderung der Not in unseren eigenen
Kreisen. Tretet einer für den anderen ein! Treue um Treue!
Leipzig, im Oktober 1914.
Der Vorstand des Leipziger Verbandes
Hartmann.
Der Vorsitzende des deutschen Aerztevereinsbundes
Dippe.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: San.-Rat Dr.
Knipping in Neuwied.
Königl. Kronen-Orden 2. Kl: dem bisherigen Direktor der Irrenanstalt
Dalldorf, Geh. Med.-Rat Dr. Sander in Cbarlottenburg.
Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: ordentl. Professor in der medizinischen
Fakultät der Universität in Marburg, Geh. Med.-Rat Dr. Tuczek.
Niederlassungen: Dr. W. Thiede und Dr. J. Kaotak in Bromberg,
Dr. S. Wolf in Gnesen, Dr. H. H. Berg in Altona, Dr. E. Naef in
Wandsbek, H. Dorner und W. Freise in Gadderbaum, B. Tem¬
ming und W. Krone in Bonn, Dr. E. Heuser, A. Binbol<L
H. Burkard und K. L. Pesch in Cöln, Dr. H. von Holtum und
H. A. Rieping in Cöln-Deutz. _
Verzogen: Dr. Th. Weynerowski von Königsberg i. Pr. nach hrom-
berg, Dr. J. Ipland von Freiburg i. B. nach Apenrade, m.
A. Schreiber und Dr. 0. Beyse von Berlin nach Altona, u*
H. Wodrig von Stuttgart nach Kiel, Dr. K. Finkh von Dortm
nach Esslingen, Dr. H. Kaufmann von Bonn nach CöId.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: San.-Kat
P. Schwarz von Cöln.
Gestorben: San.-Rat Dr. L. Wolf in Gnesen. _.
Fßr die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Kohn, Berlin W., Bsyrenth«Straasa
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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- » f >r Kllnisclio Woclionaolirifi «rsclieint jeden
l>f < «1 la^Bue hh »nd Iu tigon und Po«an»Llten an.
berliner
Alle Einsendungen für die Redakti^ and Expedition
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hlrachwaid in Berlin NW., Unter den Undou
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgehung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
finli Med.-R»t Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hass Rohn. August üirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 16. November 1914.
M 46 .
Einundfünfzigster Jahrgang.
INHALT.
Originalien: Melchior: Zur Kasuistik der Verwundungen durch in¬
direkte Projektile. (Aus der Breslauer chirurgischen Klinik.)
(Illustr.) S. 1805.
Döllken: Heilung der Neuralgie und Neuritis durch Bakterien¬
toxine. S. 1807.
Finder und Rabinowitsch: Experimentelle Versuche über den
Einfluss behinderter Nasenatmung auf das Zustandekommen der
Inhalationstuberkulose. (Aus dem pathologischen Institut der
Universität Berlin.) S. 1809.
Münzer: Die Grenzen der Organtherapie. S. 1812.
Hesse: Beeinflussung der Wassermann’schen Reaktion durch Em-
barin und Merlusan. (Aus der Grazer dermatologischen Klinik.)
S. 1814.
Scharff: Zur Prophylaxe und Therapie der Geschlechtskrankheiten
im Felde. S. 1816.
Fulri: Ueber die Behandlung der Durohfälle im Felde. S. 1818.
Bttehertesprechnngen: Bacmeister: Die Entstehung der menschlichen
Lungenphthise. S. 1819. (Ref. Rabinowitsch.) — Bleuler, Freud
Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor:
Geheimrat Prof. Dr. H. Küttner, Generalarzt a Ia suite
der Marine, zurzeit im Felde.)
Zur Kasuistik der Verwundungen durch
indirekte Projektile.
Von
Dr. Edi&rd Melchior, Assistent der Klinik.
Von indirekten Projektilen wird gesprochen, wenn irgendein
beliebiger, fester, in der Nähe des Zieles befindlicher Gegenstand
von einem anftreffenden Geschoss oder der Sprengwirkung explo¬
dierender Körper mit lebendiger Kraft begabt seinerseits zu einer
selbständigen Geschosswirkung gelangt. Objekte der äusseren
Umgebung der Kämpfenden, wie Steine, Mauer werk, Holz, Glas
kommen in dieser Hinsicht in Betracht; häufig sind es aber auch
Teile der eigenen Ausrüstung — wie Knöpfe, Helmbeschlag, feste,
in den Taschen getragene Gegenstände —, die in dieser Hinsicht
für den Träger verhängnisvoll werden können.
Dem Bestreben, sich nach Möglichkeit gegen indirekte Pro¬
jektilwirkung aus der äusseren Umgebung zu schützen, sehen
wir am augenfälligsten im Seekampfe Rechnung getragen, zu
dessen Vorbereitung es gehört, dass das Oberdeck von allen ent¬
behrlichen, leicht zerschellenden Gegenständen freigemacht wird
unter ausgiebiger Verwendung von Scbutzbekleidungen durch
Torpedonetze, Segeltücher usw. Hinsichtlich der indirekten Pro¬
jektilwirkung seitens der unmittelbaren, eigenen Ausrüstung ist
uatnrgemäss eine entsprechende Prophylaxe nicht durchführbar,
doch sollte es wenigstens vermieden werden, ausge¬
sprochen 8plitterungsfähige und nicht unumgänglich an
Ort und Stelle erforderliche Gegenstände an besonders
exponierten Teilen des Körpers zu tragen.
Ich meine hiermit speziell das nicht nur bei den Truppen-
führern, sondern auch bei den Mannschaften sehr beliebte Tragen
der Uhr am linken Handgelenk.
Bekanntlich ist nämlich beim Infanteriegefecht im Schützen¬
und Jung: Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische
Forschungen. S. 1819. v. Scbrenck-Notzing: Der Kampf um
die Materialisationspbänomene. S. 1819. Harter: Das Rätsel der
denkenden Tiere. S. 1819. (Ref. Seiffer.)
Literatir-Anszüge: Therapie. S. 1819. — Innere Medizin. S. 1820. —
Kinderheilkunde. S. 1820. — Chirurgie. S. 1820. — Röntgenologie.
S. 1821. — Militär-Sanitätswesen. S. 1822.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner medizinische
Gesellschaft. Frank: Ein Fall von totaler Alopecie nach Unfall.
S. 1822. Virchow: Situs der Thoraxeingeweide bei spitzwinkliger
Kyphose. S. 1823. Krusius und Borchardt: Ein neuer Apparat
zur Refraktionsbestimmung bei Schulkindern. S. 1823. Skalier:
Die Untersuchung des Magens mittels Sekretionskurven. S. 1823. —
K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien. S. 1824.
Kriegsärztliche Abende. S. 1825.
Münzer: Kriegsskizzen. S. 1827.
Tagesgeschiohtliche Notizen. S. 182S.
Amtliche Mitteilungen. S. 1828.
graben oder in liegender Stellung, neben dem Kopfe ganz be¬
sonders die linke obere Extremität, und zwar namentlich in den
distalen Partien, der Feuerwirkung des Gegners ausgesetzt.
So fanden Coenen und seine Mitarbeiter, die neuerdings
hieraaf besonders bingewiesen haben, unter dem Material des von
ihnen in Saloniki während des zweiten Balkankrieges versorgten
Lazaretts gegenüber 12 Frakturschüssen der rechten Mittelhand
38 links lokalisiert; 7 Schussfrakturen des rechten Unterarms
standen 24 der linken Seite gegenüber. 1 )
Es muss demnach a priori als unzweckmässig erscheinen im
Gefechte gerade an so hervorragend für Geschosstreffer dispo¬
nierter Stelle einen Gegenstand zu tragen, der, leicht zerschellend
wie die Uhr, ein überaus gefährliches indirektes Projektil dar¬
stellt, das zu Verletzungen Anlass geben kann — ganz ähnlich
wie ein Schrotschuss aus nächster Nähe — von ausgesprochen
explosivem Charakter.
Es lehrt dies folgende persönliche Beobachtung:
K. D., Unteroffizier, 39 Jahre alt, verwundet am 15. X. 1914 in
Russisch-Polen durch Schrapnell. Eine Kugel traf den linken Oberarm,
eine andere gleichzeitig die Streckseite des linken Handgelenks und zwar
gerade die hier getragene Uhr, die völlig zerschmettert wurde. Erster
Verband mit Wundpäckchen 3 Stunden später. Trifft, Dach Breslau
evakuiert, hier am 18. X. ein. Befund (vgl. Abbild. I): Stark jauchig
durchtränkter Verband. Vorderarm bis über den Ellenbogen erheblich
geschwollen. Ueber dem Handgelenk auf der Rückseite grosse unregel¬
mässige Wunde — in die man bequem 2 Finger legen könnte —, das
stark zertrümmerte vordere Radiusende liegt darin frei, ebenso die
proximale Gelenkfläche der Handwurzel. Weichteile völlig zerfetzt, an
den Rändern gangränös, Wunde dabei völlig trocken. An der linken
Beugeseite des Oberarms im oberen Drittel ein kleiner Einschuss. Um¬
gebung unverändert (Scbrapnellsteckschuss).
Das Röntgenbild (Abbild.2) zeigt die hochgradige Zertrümmerung
des vorderen Radiusendes sowie mehrerer Handwuraelknochen; die Weich¬
teile der Umgebung sind wie gespickt mit Metallsplittern verschiedenster
Grösse und Form.
Der Verlauf war bisher fieberhaft; eine Demarkierung der Gangrän
1 ) Bruns’ Beitr., 1914, Bd. 91, H. 1 und 2.
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1806
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 46.
Abbildung 1. Abbildung 2.
Abbildung 3.
A. W., Schussverletzung des Handgelenks mit Fraktur des Naviculare, wahrscheinlich durch Infan¬
terieprojektil. Verwundet am 9. LX. 1914 in Russisch-Polen. Vollkommene Wiederherstellung inner¬
halb von 6 Wochen bis auf geringe Beeinträchtigung der aktiven Streckfähigkeit. — Zum Vergleiche!
Aus den oben angeführten Gründen halte ich nun
aus schwere Verletzung für eine nicht rein zufällige, son ß
war nach den gegebenen Voraussetzungen unter einem gro
Verwundetenmaterial zu erwarten. Von einer zwel . e or ; T ate
letzung durch diesen Mechanismus erfuhr ich durcd p
werden.
hat noch nicht stattgefunden, einige Knochensplitter — Metallsplitter
eines Uhrgehäuses sowie ein kleines Fragment einer Schrapnell-
kueel — haben sich ausgestossen. Auch wenn es gelingen wird die
' Rand zu erhalten, kann ein befriedigendes funktionelles Resultat —
bei der hochgradigen Zerstörung des Streckapparates — nicht erwartet
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UNIVERSITY OF IOWA
16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1807
Mitteilung. Ich iweifle nicht, dass sich auch an anderen Laza¬
retten ähnliche Beobachtungen wiederholen werden. Ich möchte
daher, so bequem auch för den sonstigen Heeresdienst das Tragen
der Uhr am linken Handgelenk sein mag, för das Gefecht
selbst davor warnen 1 ).
Wenn man vergleicht, wie günstig die gewöhnlichen, durch
Infanterieprojektil oder Schrapnell verursachten Schussverletzungen
der Handgelenksgegend zu verlaufen pflegen (s. Abbildung 3),
so durfte diese Mahnung sicherlich nicht unberechtigt sein; jeden¬
falls erschien es geboten, eine derartige Beobachtung der allge¬
meinen Kenntnisnahme nicht vorzuenthalten.
Heilung der Neuralgie und Neuritis durch
Bakterientoxine.
Von
Prof. Dr. Dö'llken- Leipzig.
Interkurrente Eiterungen an irgend einer Körperstelle haben
im allgemeinen auf den Verlauf einer Neuritis und Neuralgie keinen
erkennbaren Einfluss. Doch habe ich in den letzten Jahren einige
wenige Fälle gesehen, die lange Zeit jeder Therapie getrotzt
hatten und dann unter der Einwirkung eines Eiterungsprozesses
in wenig Tagen zar Heilung kamen.
1. F., Kaufmann, 52 Jahre alt. Neuritis nervi cutanei femoris late¬
ralis sinistri. Schmerzen und Anästhesie im Gebiet des befallenen Nerven
seit 4 Monaten. Massige Besserung durch Chinin und Galvanisation.
Naoh 4 monatlicher Behandlung grosser Furunkel im Nacken. Heilung
der Schmerzen und fast völliges Verschwinden der Anästhesie in 6 Tagen.
2. Frau B., 32 Jahre alt. Neuralgia nervi supraorbitalis sinistri.
Seit 5 Wochen jeden Abend 8—10 Uhr sehr heftige Sohmerzanfälle.
Chinin und Galvanisation bringen geringe Besserung. Nach 3 wöchentlicher
Behandlung infizierte Wunde am rechten kleinen Finger. Gleich nach
Beginn der Eiterung bessern sich die neuralgischen Schmerzen und sind
nach drei Tagen dauernd geheilt.
Es lag nahe, der Hyperleukocytose und den Leukocyten-
produkten die heilende Wirkung zuzuschreiben, zumal die häufig
günstig wirkenden heissen Bäder und heissen Umschläge Leuko-
cytose verursachen.
Versuche mit chemischen Mitteln, die neben kräftiger Stoff¬
wechselanregung Leukocytose bedingen, brachten in keinem Fall
einen deutlichen Erfolg. Ich verwandte innerlich oder snbcutan
Jod präparate, Pilocarpin, nukleinsaures Natrium. Zweimal beob¬
achtete ich, dass durch Jodnatrium eine beträchtliche Verschlim¬
merung der Neuralgie hervorgerufen wnrde.
3. Frau LÖ., 75 Jahre alt. Arteriosklerose. Schwere Intercostal-
neuralgie. Bedeutende Besserung durch Chinin und Oxychinothein, die
nach Aussetzen der Medikation anhielt. Zweimaliger Versuch zu ver¬
schiedenen Zeiten Jodnatrium 2,0 täglich zu verabreichen, brachte jedes¬
mal eine sehr heftige Exacerbation der Neuralgie, die dem Chinin bald
wieder wicb.
4. Frau La., 68 Jahre alt Arteriosklerose. Schwere Trigeminus¬
neuralgie seit vielen Jahren. Entfernung des II. Trigeminusastes durch
Herausdrehen ohne Erfolg. Auf Jodnatrium, Jodtropon und Sajodin jedes¬
mal heftige neuralgische Anfälle, besonders schwer und andauernd, als
die Jodnatriumtherapie 8 Tage lang fortgesetzt wurde.
Den Kolloidmetallen Elektrargol, Elektroplatinol kommt neben
der Lenkocytose verursachenden auch noch baktericide Wirkung
zu. Sie leisteten mir recht gute therapeutische Dienste bei den
häufigen Gelenkneuralgien des Schalter- und Kniegelenks, die mit
geringer oder fehlender Schmerzhaftigkeit des Gelenks einbergehen.
Wirkung auf die primäre Affektion günstig.
Nach meinen Versuchen musste es als ausgeschlossen gelten,
dass durch Leukocytose allein mit oder ohne Fieber Neuralgie
und Neuritis geheilt werden kann. Die Leukocytose vermag nicht
einmal die in gewissen Fällen reizende Wirkung des Jod zu
mindern.
Bei meinen therapeutischen Studien bei Tabes hatte ich
1912/13 festgestellt, dass gewisse Bakterienprodukte eine energische
Wirkung auf erkrankte periphere Nerven haben.
Vaccine ans abgetöteten Bakterien.
Zuerst versuchte ich in Anlehnung an meine Beobachtungen
von der Heilwirkung interkurrent aufgetretener Furnnkel auf
1) Bei einem in ambulanter Behandlung der Klinik befindlichen
Kommilitonen F. L., dem am 22. August vor Longwy ein Granat¬
splitter an der gleichen Stelle von der Streckseite aus das Handgelenk
durchschlagen hatte, war glücklicherweise die dort getragene Uhr nach
oben geratscht, so dass nur das Lederband zerrissen wurde. — Günstiger
Wund verlauf.
Nenritis polyvalente Streptokokkenvaccine und auch polyvalente
Stapbylokokkenvaccine zu injizieren. Wiederholte Subcutan-
injektionen von kleinen Dosen, etwa 20—50 Millionen Keimen,
hatten keine therapeutische Wirkung. Grössere Dosen von 100
bis 500 Millionen Keime führten nnr zu wenig besseren Resultaten.
Ebenso unbrauchbar erwiesen sich die Vaccine von Psendo-
diphtheriebadllen.
Etwas stärker wirksam waren die Vaccine des Bacillus pro-
digiosus und die des Bacillus pyocyaneus, noch besser die des
Dysenteriebacillns (Shiga-Kruse). -Die beiden letzten Vaccine
hatten den recht unbequemen Uebelstand, dass sie bei jüngeren
Individuen stets eine allzu heftige Lokalreaktion verursachten.
Die Darstellung der Vaccine war die übliche aus frischen
Kulturen. Die Abtötung der Bakterien geschah durch Hitze oder
durch Pbenolzusatz.
Jedenfalls konnte ich mich bei diesen Versuchen überzeugen,
dass die Vaccine der Bakterien, welche überhaupt eine stärkere
nenrotoxische Wirkung haben, auch den grösseren therapeutischen
Einfluss auf neuritiscbe und neuralgische Prozesse ausüben.
Autolysierte Vaccine.
Frische (24 Stunden) abgetötete Kulturen verschiedener Bak¬
terien wurden mit Kochsalzlösung 0,8 pCt. abgeschwemmt und in
der Wärme einer verschieden lange dauernden Autolyse unter¬
worfen.
Alle verwandten Präparate hatten einen günstigen Einfluss
auf die neuralgischen und neuritiseben Erscheinungen.
Am schwächsten wirkte das wiederholt injizierte Antolysat
der PseudodiphtberiebaciUen, etwas besser das des Ba¬
cillus prodigiosus, noch besser in gradueller Stufenfolge die
Autolysate des Staphylococcns, des Bacillus pyocyaneus,
Bacillus Shiga-Kruse. Mit den letzten gelang es in wenigen
Fällen rasch Erfolge bei Neuralgie zu erzielen.
Das Staphylokokkenautolysat bat den grossen Nachteil
der relativ raschen Vergänglichkeit. Von der Verwendung des
Antolysats des Dysenteriebacillns, welches auch noch
sonstige schätzenswerte therapeutische Eigenschaften besitzt,
musste ich bald Abstand nehmen, weil die Patienten infolge der
heftigen, lange dauernden Lokalreaktionen auch bei deutlichstem
Erfolg Aenderung der Therapie verlangten.
Bakterienextrakte.
Sehr verdünnte Pyocyanase, 1 : 300—1:100 ccm, hatte noch
einen gewissen Erfolg, der aber in den wenigen Versuchsfällen
nicht nachhaltig genug war.
Alttuberkulin (Koch) wirkte in Dosen von 0,00005 bis
0,002 bei einigen Neuralgien des Trigeminus nicht tuberkulöser
Individuen günstig. Die Attacken wurden milder and seltener.
Das Tuberkulin bat jedoch die Schattenseite, dass allzu schnell
Immunität gegen das Mittel eintritt, wenn die Dosen nicht stärker
gesteigert werden. Mit der Immunität gegen die betreffende Dosis
lässt bald die Wirkung auf die erkrankten Nerven erheblich nach.
Grössere Dosen, bei denen auch die Hyperleukocytose als wichtiges
Hilfsmittel für die Heilung hinzugekommen wäre, habe ich der
anangenehmen Allgemeinreaktionen wegen nicht verwandt, da mir
bequemere Mittel zur Verfügung standen. Bei geeigneten Tuber¬
kulöse» mit Neuralgien oder Neuritiden habe ich das Mittel bis¬
her nicht verwenden können.
Toxine (Sekretionsprodukte der Bakterien).
a) Dysenterietoxin. Ansgezeichnet in seiner energischen
Wirkung auf den neuralgischen Krankheitsprozess war in 2 Fällen
ein DysenteriebaciLlustoxin (Shiga-Kruse) nach Horimi. Leider
eignet es sich nor für heroische Naturen, denen länger dauernde,
sehr schmerzhafte Schwellungen gleichgültig sind.
h) Staphylokokkentoxin. Dagegen erwies sich ein Sta-
pbylokokkentoxin als sehr wertvoll. Es gelang, aus älteren
Kulturen im flüssigen Nährboden ein ziemlich gleichmässiges Prä¬
parat herzustellen, welches etwa 4 Monate haltbar ist. Die Ge¬
winnung erfolgt durch einfache Filtration. Zusatz eines Kon¬
servierungsmittels ist unnötig.
Injiziert habe ich es bei schweren Trigeminnsneuralgien,
Neuritis ischiadica, Neuritis plexus brachialis, Facialislähmung.
Die erste Versuchsinjektion von 1 / 1QQ — 1 ( 60 ccm der Stamm¬
lösung verläuft fast immer reaktionslos. Dosen von 1 / 30 — V 20 ccm
verursachen nach der 2.—4. Injektion eine stärkere oder geringere
Infiltration und Rötung an der Injektionsstelle, die bis zu 5 Tagen
andauern kann und anfangs etwas schmerzhaft ist. Dann hören
die Reaktionen anf, wenn die Dosis nnr bis V 10 oder l / 8 ccm ge-
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UNIVERSUM OF IOWA
1808
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 46.
steigert wird. Herdreaktionen im erkrankten Nerven sind bei den
therapeutischen Dosen meist deutlich und charakteristisch.
Grosse Dosen, weiche für die Therapie nicht mehr in Frage
kommen, bedingen sehr starke Lokal-, Herd- und Allgemein¬
reaktionen.
Während ich bei allen andern versuchten Bakterienpräparaten
eine wirklich deutliche negative Phase Wright’s nur ‘ausnahms¬
weise feststellen konnte, nur Dysenterie lässt sie selten vermissen,
fehlt bei Stapbylokokkentoxin die negative Phase schon nach
untermittleren Dosen kaum jemals. Ihre Dauer beträgt bei mitt¬
leren Dosen von l /io ccm an 2 Tage. Sie äussert sich klinisch
in Abgescblagenheit, Schmerzen im Krankheitsherd, protrahierter
Temperaturerhöhung. Injiziert man während der Phase, so kann
mau ein glattes Recidiv der Neuralgie erleben (Fall Nr. 6). Da¬
gegen wirkt die Injektion einer nicht zu grossen Dosis gleich nach
Ablauf der negativen Phase günstig, obwohl sofort wieder eine
negative Phase erscheint. Weniger guten Erfolg erzielte ich, wenn
ich nach dem Abklingen noch 2—4 Tage wartete, um eine posi¬
tive Phase mit höherem opsonischen Index zu haben. Es er¬
scheint daher fraglich, ob den Opsoninen eine wesentliche Rolle
in diesem Heilungsprozess der Neuritis und Neuralgie zukommt.
Nebenwirkungen. Schon mittlere Dosen von Vio ccm er_
höben oft die Körpertemperatur für die ganze Dauer der Kur und
noch für 1 — 3 Wochen nachher um 0,3—0,5° C. dauernd. Diese
Temperaturerhöhung hat nichts mit der negativen Phase Wright’s
zu tun. Erwähnung verdient noch der Einfluss des injizierten
Staphylokokkentoxins auf die Darmtätigkeit im Sinne einer leichten
Hemmung. Die resultierende Obstipation ist unschwer zu heben.
Geeignet für die Therapie mit Stapbylokokkentoxin sind die
schweren Fälle von Neuralgie und Neuritis, zumal die auf in¬
fektiöser Basis entstandenen.
Zur Kur injiziere ich in die Strerkmuskulatur der Oberarme
oder in die Glutäen zweitägig in steigender Dosis von 1 /ioo'— Vio>
seltener bis Vs ccm der Stammlösung. Im ganzen 12, seiten 15
bis 20 Injektionen. Nach 2—8 Injektionen beginnt der thera¬
peutische Erfolg fast immer deutlich zu werden.
Unbequem ist die oft starke Lokalreaktion, Schwellung und
Rötung für 4—5 Tage, nach der 3. bis 6. Injektion. Die Be¬
schwerden lassen sich mit kalten Umschlägen wirksam bekämpfen.
Die kleinen Dosen bis zu */io ccm genügen für fast alle Fälle.
Es gibt aber Individuen, deren Organismus von vornherein
in besonders geringem Maasse geeignet ist, der neuritischen und
neuralgischen Noxen ohne Therapie Herr zu werden. Diese Orga¬
nismen zeigen meist conform eine besonders hohe Toleranz gegen
Staphylokokkentoxin (wie gegen andere Bakterienpräparate). Rasch
auf V 5 ccm gesteigerte Gaben verursachen dann weder Lokal-,
noch Herd-, noch Allgemeinreaktion. Aber während Dosen von
Vio ccm nur vorübergehende Besserung der Schmerzen bringen,
eine Reihe Injektionen von Vs ccm beseitigen sie rasch und min¬
destens für längere Zeit. Es bandelte sich um allerschwerste
Trigeminu8neuralgien, die trotz operativer Entfernung der be¬
fallenen Aeste bald wieder in heftigen Anfällen auftraten.
5. Frau U., 37 Jahre alt. Neuralgia ischiadica dextra seit
6—7 Jahren. Zahlreiche vergebliche Kuren. Beständig Schmerzen. Kann
höchstens 10 Minuten zu Fü9s gehen. 10 Injektionen je Vio ccm. Vom
3 . III. 1914 an Injektionen zweitägig von Vioo bis Vio °cm steigend in die
Muskulatur der Oberarme bzw. in die Glutäen. Nach der 3. Iojektion
erhebliches Nachlassen der Schmerzen. Kann 1 Stunde ohne Beschwerden
gehen. Von der 8. Injektion an schmerzfrei. Druckpunkte im rechten
Nervus iscbiadicus geschwunden. Jetzt nach 5 Monaten wird das rechte
Bein nach etwa zweistündigem Gehen müde, bleibt aber schmerzfrei.
6 . Frau La., 55 Jahre alt. Schwere Trigeminusneuralgie. Voi
2 Jahren operative Entfernung erst des 1., dann auch des 2. Trigeminus¬
astes. 1 U Jahr später wieder sehr schwere neuralgische Attacken fast
ohne Aufbören. 15. V. 1914 Staphylokokkentoxin Vioo, Vbo> Vao, Vib,
i/ ccm und so fort in die Streckmuskulatur des Oberarms 2 tägig.
Die neuralgischen Anfälle werden geringer, schwinden aber nicht. Keine
Sour einer nachweisbaren Lokal-, Herd- und Allgemeinreaktion. Die 7.,
8 9. Injektion je Vio ccm erfolgen am 28., 29., 30. V., also an drei
aufeinander folgenden Tagen. Die einsetzende negative Phase zeigt sich
in einer dreitägigen Temperaturerhöhung von 37,2 bis 37,6° (sonst
36 5° C) vom 30. V. an und gleichzeitig in einer recht schweren neural¬
gischen Attacke für 5 Tage. Sofort nach Ablauf der Phase ab 6. VI.
Injektion je % ccm dreimal in der Woche. Sofort Aufhören der Schmerzen.
Im ganzen 11 Injektionen je VßCcm.
14 Tage nach Beendigung der Kur 2 tägige mittelsohwere Attacke.
Seitdem anfallsfrei.
7 We Kaufmann, 35 Jahre alt. Facialisparese auf infektiöser
Basis Anfang Mai 1914 kleine Geschwulst am rechten Ohr, die in
14 Tagen zurückging. Seit Mitte Mai „Reissen“ in der rechten Gesichts¬
hälfte und hinter dem rechten Ohr. Am 2. VI. kann er die rechte Ge¬
sichtshälfte schlechter bewegen. Am 6. VI. erste Untersuchung. Ohr
knorpel rechts oben am Anthelix minimale reizlose Verdickung. Sensi¬
bilität ohne Störung. Keine Druckpunkte. Linker Mundwinkel, überhaupt
linke Facialismuskulatur in Wange und Stirn wird mit Mühe bewegt,
reohtes Auge nur beim Zukneifen geschlossen. 8. VI. Lähmung der ge¬
samten rechten Facialismuskulatur vollständig, Auge kann auch beim
Zukneifen nicht geschlossen werden. Quantitative erhebliche Herab¬
setzung der galvanischen und faradischen Reizbarkeit der Muskulatur
vom Nerven aus. Keine Entartungsreaktion. Leise Schmerzgefühle iu
der Ohrgegend. Nach Galvanisation am 9. VI. keine Aenderung. Vom
10. VI. ab 14 Injektionen von Staphylokokkentoxin Vbo, V 20 » 12 mal
Vio ccm 2 tägig in die Streckmu9kulatur des Oberarms. Ziemlich starke
Lokalreaktion und geringe Herdreaktion (Ziehen, Schmerzen in der Ohr¬
gegend) nach der 2.—5. Injektion.
Schon nach der ersten Injektion beginnt eine minimale willkürliche
Bewegung der Muskulatur um das Auge und 5 Tage später, 15. VI.,
kann das rechte Auge etwas besser geschlossen, die Muskulatur um das
Auge willkürlich etwas bewegt und der Mundwinkel minimal in die
Höhe gezogen werden.
22. VI. Willkürliche Bewegungen viel besser. Rechter Mundwinkel
wird etwas gehoben.
25. VI. Rascher Fortschritt.
28. VI. Bewegung mit einiger Anstrengung fast normal.
3. VII. Alle Bewegungen der vom obern und untern Ast versorgten
Muskeln ohne Anstrengung fast normal. Dagegen bleibt beim Lachen
der rechte Mundwinkel deutlich zurück. Die Muskeln rechts sind
schlaffer.
8 . VII. Stillstand seit 5 Tagen, nirgends ein Fortschritt. Daher
noch 6 Iojektionen Vaccineurin Vio com 2 tägig.
11. VII. Weitere Besserung deutlich. Mundwinkel besser nach
rechts gezogen. Lachen gebessert.
18. VII. Sehr geringer Unterschied in der faradischen Erregbarkeit
der rechten und linken Faoialismuskulatur vom Nerven aus. Doch sind
die Zuckungen rechts etwas langsamer.
Sensibilisierung von Bakterienpräparaten.
Es ist bekannt, dass die Entwicklung und die Wirkung
lebender Bakterien in einem Organismus eine Aenderung erfahren
kann, wenn gleichzeitig bestimmte andere Bakterien eingeführt
werden und zwar im Sinne einer Förderung oder Hemmung
ihrer Lebensbedingungen. Vorbedingung dafür muss sein, dass
durch die eine Bakterienart der Nährboden für die andere in
Blot oder Organen günstig oder ungünstig beeinflusst wird, leb
hielt es daher für wahrscheinlich, dass auch die nicht spezi¬
fisch wirkenden Stoffe der Bakterienprodukte sich nicht anders
verhalten würden. Es mnssten unter bestimmten Umständen
Produkte der einen Bakterienart Blut und Nervengewebe so be¬
einflussen, dass Produkte anderer Arten nun günstigere Angriffs¬
punkte in dem erkrankten Nerven fanden.
Ein solcher Sensibilisiernngsprozess gelingt sehr leicht
für eine ganze Anzahl verschiedener Vaccine und andere Produkte.
Ich werde in anderem Zusammenhang über die Studien berichten.
Für die vorliegende therapeutische Frage handelte es sich
besonders darum, ein schwach wirkendes Präparat durch ein
anderes von ebenfalls schwacher Wirkung zu sensibilisieren.
Es kam mir daranf an. Lokal- und Allgemeinerscbeinnngen auf
ein möglichst geringes Maass zu beschränken und aoeb die Herd¬
reaktion sollte nicht erheblich sein.
Vaccinenrin.
Nach vielfachen minder gelungenen Versuchen fand ich in
einer Mischung von an sich schwach wirkenden Autolysaten des
Bacillus prodigiosus und des Staphylococcus 1 ) ein Produkt,
welches meinen Anforderungen entsprach. Dem Präparat, welches
den Namen Vaccineurin führen soll, kommt bei recht geringer
Lokal- und Allgemeinreaktion eine kräftige therapeutische Wirkung
zu. Das Sächsische Serum werk 2 ) hat mir Vaccineurin, wie meine
übrigen Präparate, in sehr dankenswerter Weise dargestellt ond
erhebliche Versuchsmengen davon überlassen.
Die Herstellung eines gleichmässig wirkenden Vaccinenrin
hat zahlreiche mühselige Versuche gekostet. Schon anschemen
sehr geringe Aenderungen in den Mischungsverhältnissen der
beiden Autolysate, ferner jede kleine Abweichung in der Art der
Bebrütung der Kulturen, in der Dauer ihres Wachstums, im Nähr¬
boden bedingen eine völlige Aenderung der pharmakologischen
Wirkung und zwar anscheinend stets in einem ungünstigen oinne-
1) Es lassen sich auch stark wirkende Stapbylokokkenautolrs
leicht darstellen. . . {
2) Sächsisches Serumwerk und Institut für Bakteriotherapi
Dresden.
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16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1809
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Brauchbar zur Herstellung der Vaccineurine sind Labo¬
ratoriumstämme des Bacillus prodigiosus und frische Stämme des
Staphylococcus. Die Bebrütnug der Agarkultureu erfolgt in der
Wärme. Die Kulturen werden abgetötet und dann in physio¬
logischer Kochsalzlösung autolysiert.
Das fertige Präparat ist 8—10 Monate haltbar.
Wirkungsweise des Vaccineurin.
Injiziere ich einem Gesunden intramuskulär entweder 1 Uo bis
Vao ccm des Staphylokokkenautolysats oder des Prodigiosus-
autolysats allein, oder der Mischung beider, so kommt es nicht zu
nachweisbaren Erscheinungen.
Positive Herdreaktion. Erhält aber ein Individuum,
welches zu Neuralgien disponiert ist und früher schon an Neuralgie
gelitten hat, entweder Vao ccm Stapbylokokkenautolysat oder
Vsd ccm Prodigiosusautolysat, erfolgt ebenfalls nichts. Gibt man
ihm aber Vao ccm Staphylokokkenautolysat und am gleichen
Tage oder 1 Tag später V 30 ccm Prodigiosusautolysat (auch in
umgekehrter Reihenfolge) subcutan oder intramuskulär, so können
sich als einziges Symptom Herderscheinungen, leicht ziehende
Schmerzen in den früher erkrankt gewesenen Nerven oder auch
in umschriebenen Nervenabschnitten einstellen. Im Effekt ist es
kein Unterschied, ob die beiden Substanzen gesondert oder ge¬
mischt und gleichzeitig injiziert werden.
8 . G., 52 Jahre alt. Vor 4 Jahren 5 monatliche rechtsseitige Ischias,
vor 1 Jahr 8 Wochen lang Trigeminusneuralgie links. Staphylokokken-
Autolysat Vso ccm intramuskulär ohne Erscheinung. Am nächsten Tag
Prodigiosusautolysat Vso ccm intramuskulär. Vier Stunden nach dieser
Injektion unangenehm ziehende Schmerzen im rechten Nervus ischiadicus
und in der linken Stirngegend bis zur Nacht. (Pat. hatte keine Ahnung
vom Zweck der Injektion.)
9. Frau Ge., 60 Jahre alt. Ischias. Heftige Schmerzen im Verlauf
des ganzen rechten Nervus ischiadicus bis zum äusseren Fussrand.
Marz 1913 Kochsalzinfiltration nach Lange. Acht Tage lang völlige
Schmerzfreiheit. Dann wieder andauernd Schmerzen nur in der rechten
Hüftgegend. Bis zum Juni Abmagsrnng um 8 kg. 2. VI. Vaccineurin
V 30 ccm intramuskulär. 3y 2 Stunden später Schmerzen auch im Nervus
peroneus rechts und im äusseren Fussrand für eine Reihe von Stunden.
10. Da., 31 Jahre alt, hat sehr oft „Reissen“ in Stirn, Hinterkopf,
Nacken, rechtem Arm, rechtem Schulterblatt gehabt, ist jetzt seit
Monaten schmerzfrei gewesen.
Vaccineurin V 20 ccm intramuskulär. Nach etwa 5 Stunden kommt
er zurück in die Sprechstunde, weil er den Ausbruch eines „Rheuma¬
tismus“ befürchtet. Hat ziehende Schmerzen in der rechten Schulter
und im rechten Arm, ferner im ganzen Kopf. Auf der rechten Seite
sind im Gegensatz zum Vormittag empfindlich N. supraorbitalis,
N. ocoipitalis major, N. occipitalis minor, N. cervicalis, N. subcutaneus
colli, Plexus brachiaiis, N. medianus, N. ulnaris. Schlaf in der Naobt
nicht gestört, Schmerzen am nächsten Tage nicht mehr gefühlt.
Noch stärker ausgesprochen ist die Herdreaktion in den
meisten Fällen manifester Neuralgie und Neuritis, sowohl in
akuten wie in chronischen Fällen. 3—4 Stunden nach der In¬
jektion des Vaccinenrin V 50 bis V 20 ccm zeigt sich eine deutliche,
jedoch nie besonders starke Vermehrung der Schmerzen in den
befallenen Nerven. Gewöhnlich behaupten die Patienten, dass
die Reaktionschmerzen einen anderen Charakter haben als die
neuralgischen Schmerzen. Die Druckempfindlichkeit ist meist ein
wenig vermehrt. In akuten Fällen von Supraorbitalneuralgie
nabe ich dabei öfter Rötung der Stirnhaut über dem befallenen
Nerven gesehen. Nach weiteren 4—6 Stunden ist die Herd¬
reaktion abgeklongen, die neuralgischen Schmerzen sind geringer
als vorher oder auch sie schwinden für kurze Zeit.
Negative Herdreaktion. Es gibt noch eine andere Art
der Reaktion des erkrankten Nerven, ln etwa 1 / 5 aller Fälle
* ei js te sich auf Injektion von Vaccineurin l J 50 ccm keine deut¬
liche Erscheinung. Gab ich aber V 20 oder gar V 10 ccm als erste
oder zweite Dosis, so trat schon nach 1—2 Stunden ein starker
Nachlass oder ein völliges Aufhören der neuralgischen oder
neuritischen Schmerzen für 10—20 Stunden ein. Lokalreaktionen
fehlten stets.
Ir Ich w habe zwe * te Art der Reaktion schwerer und leichter
a ater. Neuralgie, bei chronischer Neuralgie uad bei chronischer
Neuritis beobachtet.
h 0 Kr S u hr 0 a “ 8 ^ e8 P roclieue P 08 itive Herdreaktion mit er¬
nennten Schmerzen in den kranken Nerven für 8 bis 12 Stunden
aten 1 auf nach der Erstinjektion von V 10 ccm bei 4 Monate alter
“ ,s 18 chiadica diabetica, von V 20 ccm bei schwerer Inter-
nJ* Akk a i S,e n * ch Her P es Z08ter (2 Fälle), 3 und 6 Monate
B a „. .^ e ‘ lu “8 des Herpes, Neuritis brachiaiis auf infektiöser
asis seit 6 Monaten (1 Fall), Alkoholneuritis (1 Fall).
Die zweite Reaktion, die sich direkt als negative Herd¬
reaktion bezeichnen lässt, war immer in den Fällen schwerster
Trigeminusneuralgie und Ischias vorhanden, in denen der Körper
nie erheblich wirksame Antikörper produziert hatte, die bisher
auch jeder Therapie getrotzt und auf Medikamente kaum einen
augenblicklichen Nachlass der Schmerzen erfahren hatten.
Dosierung.
Als kleine Dosen Vaccineurin können die von Vbq — 1 / 15 ccm,
als mittlere V 10 —Vs ccm, als grössere die über 1 / 2 ccm gelten.
Lokalreaktion erfolgt auf subcutaue oder intramuskuläre
Injektion von Vso—V 20 ccm fast nie. Mittlere Dosen, V 10 —Vs ccm,
als Erstinjektion erzeugen bei Gesunden und Kranken meist eine
leichte Rötung und Schwellung in der Umgebung der Injektions-
stelle von 24 bis 48 Stunden Dauer und eine geringe Hyperleuko-
cytose. Das succulente Gewebe junger Individuen antwortet
wesentlich leichter mit einer Lokalreaktion als das Gewebe älterer
Leute.
Vs ccm als erste Dosis verursacht ausserdem meist Allge-
meinerscheinungen, Eingenommensein des Kopfes, mässige
Temperaturerhöhung bis etwa 37,8° C, Unbehagen.
(Schluss folgt.)
Aus dem pathologischen Institut der Universität Berlin.
Experimentelle Versuche über den Einfluss
behinderter Nasenatmung auf das Zustande¬
kommen der Inhalationstuberkulose.
Von
Georg Finder und Lydia Rabinowitsch.
Es ist ein in allen Lehrbüchern der Rhinologie wieder¬
kehrendes Axiom, dass eine der hauptsächlichsten und wichtigsten
funktionellen Aufgaben der Nase als Respirationsorgan darin be¬
steht, die mit der eingeatmeten Luft eindringenden Keime zurück-
znhalten, so dass ein Eindringen von solchen in die tieferen Luft¬
wege verhindert oder wenigstens auf ein Minimum beschränkt
wird. G. Hildebrandt 1 ) hat durch interessante experimentelle
Untersuchungen bewiesen, dass Nase und Nasenrachen einen sehr
ausgiebigen Schutz gegen schrankenloses Eindringen von Mikroben
in die tieferen Luftwege gewähren, dass jedoch dieser Schutz im
umgekehrten Verhältnis zu der Dichtigkeit, in welcher die Mikro¬
organismen in der Atmungsluft enthalten sind, stetig abnimmt,
bis schliesslich eine Grenze erreicht wird, wo dieser Schutz gleich
Null wird. Wir müssen uns vorstellen, dass die mit der Atmungsluft
eindringenden Keime ebenso wie der in ihr enthaltene Staub und
andere corpusculäre Elemente teils schon durch die Vibrissae
zurückgehalten werden, teils sich an den Wänden des einen engen
und vielfach gewundenen Kanals darstellenden Naseninnern nieder-
scblagen. Dazu kommt noch die von einigen Forschern nach¬
gewiesene baktericide Eigenschaft des Naseoschleims, so dass wir
in der Nase einen der mächtigsten Schutzmechanismen des Orga¬
nismus gegen eine Infektion auf dem Inhalationswege erblicken
können.
Man müsste nun schon a priori annehmen, dass wenn die
Nase infolge irgendwelcher pathologischer Veränderungen ihre
Fähigkeit, als Bakterienfilter zu wirken, eingebüsst hat und so
ein wesentlicher Schutz gegen das Eindringen von Keimen in
Wegfall kommt, dass dann eine vermehrte Aufnahme von Mikro¬
organismen in die tieferen Luftwege stattfände und auf diese
Weise eine gesteigerte Gefahr der Infektion auf dem Inhalations¬
wege gegeben ist. Wir müssen also erwarten, bakterielle Er¬
krankungen der Lungen ganz besonders häufig da zu finden, wo
die Nase infolge pathologischer Veränderungen nicht mehr im¬
stande ist, ihrer Funktion in normaler Weise gerecht zu werden.
Gewisse klinische Erfahrungen scheinen zugunsten einer solchen
Annahme zu sprechen. So fand A. Alexander») gelegentlich
seiner Untersuchungen über den Zusammenhang von Lungentuber¬
kulose uud Ozaena bei 80 Phthisikern, deren Nasen er systematisch
untersuchte, 58 mal pathologische Prozesse in der Nase und in
22 Fällen Atrophie bzw. Ozaena und in 36 Fällen hyperplastische
Veränderunge n. Solly») fand bei 200 Patienten mit Lungen-
1) Beitr. z. path. Aoat. u. Physiol. von Ziegler u. Nauwerck. 1888.
Bd. 2.
2) Arch. f. Laryng., Bd. 14.
3) Journ. amer. med. assoc., 1894, S. 427.
2
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UNIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1810
tuberkulöse 56 mal Nasenkrankhoiten. In einer kürzlich er¬
schienenen Arbeit aus der Prager oto-rhinologischen Universitäts¬
klinik sacht Wotzilka 1 ) ebenfalls den Nachweis zu führen, dass
Nasenkrankheiteu bei Lungentuberkulose viel häufiger seien als
bei Gesunden und andersartig Erkrankten. Er fand unter
100 Phthisikern 45 mit Nasenkrankheiten, und zwar waren es
32 mal solche Veränderungen, die zu einer Behinderung der Nasen¬
atmung führten, während unter 100 Nichtphthisikern nur 13 waren,
bei denen sich pathologische Prozesse in der Nase fanden.
Zu Resultaten, die mit der Annahme eines ätiologischen Zu¬
sammenhanges zwischen Nasenkrankheiten und Lungentuberkulose
nicht übereinstimmten, gelangte Fleischer-Ingals. Auf Grund
einer sehr sorgfältigen Analyse einer grossen Zahl von Fällen
und durch Vergleiche mit den Nasenbefunden bei Gesunden und
bei andersartig Erkrankten kam er zu dem Ergebnis, dass Nasen¬
erkrankungen bei Phthisikern nicht nur nicht häufiger sind als
bei Gesunden, sondern sich bei ihnen sogar seltener finden als
bei diesen. Dieser auf den ersten Blick sehr auffallende Gegen¬
satz erklärt sich sehr leicht, wenn man bedenkt, dass der Begriff
der „Nasenkrankheit“ in vielen Fällen verschiedene Deutungen
zulässt. Es gibt Veränderungen im Naseninnern, die der eine Unter¬
sucher vielleicht schou als pathologisch bezeichnet, während ein
anderer sie als solche noch nicht bezeichnen würde. Insbesondere
gilt dies von den Leisten und Verbiegungen der Nasenscbeide-
wand, die sich bald mehr, bald weniger ausgesprochen bei einer
sehr grossen Anzahl von Menschen finden, die niemals von seiten
ihrer Nase irgendwelche Beschwerden gehabt haben, insbesondere
in ihrer Nasenatmung völlig unbehindert sind. Es sei daran er¬
innert, dass Zuckerkandl unter 263 Europäerschädeln 140 mit
asymmetrischer Nasenscheidewand, d. h. etwa 60 pCt., fand.
Wenn auch die Autoren, die einen ätiologischen Zusammen¬
hang zwischen Nasenstenose und Lungenerkrankung annehmen,
eine Hauptursache dieses Zusammenhanges in der durch die Ver¬
legung der Nase bedingten Mundatmung und ihren Folgen, wie
mangelhafter Lüftung der Alveolen, Neigung zu Bronchitiden,
Deformationen des Thorax usw. erblicken —- auch die Krönig’sche
nichttuberkulöse Coliapsinduration der rechten Lungenspitze ge¬
hört hierher —, so vergessen sie doch nicht, darauf hinzuweisen,
dass jener ätiologische Zusammenhang auch dadurch mit bedingt
wird, dass die Nase nicht mehr hinreichend imstande ist, den
Organismus gegen die bakterielle Invasion zu schützen. Auf den
begünstigenden Einfluss, den beim Lupus die Aufhebung der Nasen¬
atmung auf die Entwicklung einer descendierenden Tuberkulose
hat, ist von E. Holländer 2 ) in verschiedenen Publikationen auf¬
merksam gemacht worden.
Experimentelle Untersuchungen darüber, welchen Einfluss
eine Behinderung bzw. Aufhebung der Nasenatmung auf das Ein¬
dringen von Keimen in die tieferen Luftwege hat, ob eine bak¬
terielle Invasion der Lunge leichter bei verlegter als bei offener
Nase stattfinden kann, liegen bisher nur in sehr geringem Um¬
fange vor. Im Verlaufe seiner experimentellen Untersuchungen
über die Eintrittswege der Tuberkelbacillen, bei denen er Meer¬
schweinchen zerstäubte Tuberkelbacillen inhalieren liess, hat
H. Reichenbach 3 ) auch ein paar Versuche an Tieren gemacht,
denen er die Nase zugestopft hatte. Er tat dies, um den Inhalations¬
strom vom Nasenrachen auszuschalten und so den von den Gegnern
der Inhalationstheorie gemachten Einwand zu entkräften, dass die
Tuberkelbacillen „durch die Schleimhaut des Nasenrachenrings
hindurch in die Lympbgefässe des Halses und von da aus in den
Thoraxraum und in die Lungen gelangen“ können. Die Frage¬
stellung war also bei Reichenbach eine ganz andere als die
von uns formulierte; auch war die von ihm angewandte In¬
halationsdosis eine sehr geringe und die Zahl der von ihm ange-
stellten Versuche zu klein, als dass sie für die Beantwortung der
uns interessierenden Frage in Betracht käme.
Die Frage, deren experimentelle Prüfung wir uns zur Auf¬
gabe gestellt hatten, ob nämlich eine Infektion der Lungen durch
Inhalation von Mikroorganismen leichter zustande kommt bei auf¬
gehobener Nasenatmung als bei normaler Durchgängigkeit der
Nase, interessierte uns besonders im Hinblick auf die Tuberkulose.
Als Versuchstiere benutzten wir Meerschweinchen. Die An¬
ordnung unserer Versuche entsprach in der Hauptsache der von
Reichenbach befolgten. Wir bedienten uns dazu des von ihm
1) M. Kl., 1914.
2 ) U. a. B.kl.W., 1902, Nr. 14.
3) Zschr. f. Hyg., Bd. GO.
Nr. 40.
konstruierten Apparates, des sogenannten Inhalationsturmes 5 )
mittels dessen es ermöglicht wird, dass die Versuchstiere ihre
Atmungsluft einem langsam mit konstanter Geschwindigkeit auf¬
steigenden Luftstrom entnehmen, dessen Bakteriengehalt während
der Dauer des Versuches stets auf derselben Höbe erhalten wird 2 ).
Der Apparat besteht in der Hauptsache aus einem 30 cm hohen
Turm aus Eisenblech; dicht über dem Boden des Turmes mündet
ein Buchnerspray, in dem mittels einer kräftigen Fabrradluft-
pumpe der bakterienhaltige Nebel erzeugt wird. Diese bakterien-
haltige Luft steigt langsam im Turm in die Höhe und wird oben
durch eine an die Wasserleitung angeschlossene Wasserstrahlluft¬
pumpe abgeführt. Im oberen Drittel des Turmes befinden sich
einander gegenüber zwei Behälter, in die je ein Meerschweinchen
so eingesetzt werden kann, dass sein Kopf einige Zentimeter in
das Lumen des Turmes hineinragt.
Die Wasserstrahlluftpumpe wurde so eingestellt, dass in dem
Turm ständig ein Unterdrück herrschte, der an einem Manometer
kontrolliert wurde, andererseits wurden die Rolbenstösse der
Fahrradluftpumpe im Takt nach den Schlägen eines Metronoms
ausgeführt, so dass die durch den Spray zugeführte Luftmenge
in der Zeiteinheit stets die gleiche blieb und damit auch der
Bakteriengehalt konstant gehalten wurde.
Bei allen unseren Versuchen sind wir so vorgegangen, dass
in die beiden im oberen Drittel des Turms befindlichen, zur Auf¬
nahme der Versuchstiere bestimmten Behälter je ein Meer¬
schweinchen mit offener und eins mit verstopfter Nase gesetzt
wurde. Der Verschluss der Nase geschah durch Wattebäusche,
über die noch eine dicke Schicht Collodium aufgetragen wurde.
Durch den im Collodium enthaltenen Aether wurden die Versuchs¬
tiere einige Augenblicke betäubt, erholten sich aber ausnahmslos
sehr bald wieder. Der Wattecollodiumverband war völlig un¬
durchlässig und sass oft tage- und wochenlang fest, ohne dass es
den Tieren gelang, ihn abzureissen.
Nachdem die Tiere in die Behälter gesetzt waren, wurde der
Spray in Gang gesetzt, und sie atmeten nun die von unten im
Turm ansteigende bakterienhaltige Luft ein.
Bevor wir zu den Versuchen mit Tuberkelbacillen schritten,
haben wir eine Reihe von Vorversuchen mit versprayten Auf¬
schwemmungen von Prodigiosus und Pyocyanenskulturen gemacht.
Es kam uns zunächst darauf an, uns auf diese Weise auf die
Handhabung des Apparates einzuüben, was um so wichtiger
schien, als bei Versuchen mit Tuberkelbacitien die nicht sach-
gemässe Bedienung des Apparates für den Experimentator doch
wohl gewisse Gefahren hätte bringen können. Diese Versuche
mit Prodigiosus und Pyocyaneus haben wir an je 12 Paar Meer¬
schweinchen gemacht. Wir begannen mit einer Aufschwemmuog
von 8 mg Kultur in 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung und
schritten allmählich zu grösseren Verdünnungen (6 mg, 4 mg,
2 mg zu 20 ccm; 8 mg, 4 mg, 2 mg zu 40 ccm Kochsalzlösung).
Die Dauer der Versuche betrug 5, 6, 8 Minuten. Nach Beendi¬
gung des Versuches wurden die Tiere sofort getötet und nun von
beiden Lungen unter allen Kautelen je ein Stückchen aus dem
Ober- und Unterlappen entnommen und auf Gelatine- resp. Agar¬
platten übertragen. Wir glauben auf eine detaillierte Wiedergabe
der bei diesen Versuchen erzielten Resultate verzichten zu dürfen
und beschränken uns darauf, zu konstatieren, dass irgendwelche
Gesetzmässigkeit, auf die sich Schlüsse hätten aufbauen lassen,
in ihnen nicht zu erkennen war. Die Kulturen fielen bald positiv,
bald negativ aus, ohne dass der Ausfall irgendwie dadurch be¬
einflusst schien, ob das Tier mit verstopfter oder offener Nase
geatmet hatte und ohne Rücksicht auf die zur Inhalation be¬
nutzte Bakterienmenge und auf die Zeitdauer des Versuches.
Unsere Versuche mit Inhalation von zerstäubter Aufschwem¬
mung von Tuberkelbacillen bestehen aus 5 Reihen, wobei wir die
zur Aufschwemmung benutzten Gewichtsmengen der Kultur vari¬
ierten; die Zeitdauer war bei allen Versuchen die gleiche, sie
betrug 5 Minuten. Im übrigen befolgten wir dieselbe Versucbs-
anorduung, wie wir sie oben für die Inhaltionen mit Prodigiosus
und Pyocyaneus geschildert haben. Um eine ungefähre Vorstel¬
lung von den bei unseren Versuchen zur Inhalation gelangten
Mengen von Tuberkelbacillen zu gewinnen, haben wir die an¬
nähernde Menge der mit einem Liter Atemvolumen in die Lungen
der Versuchstiere gelangenden Bacillen nach den Zahlen berechne,
1) Herr Geheimrat Flügge war so liebenswürdig, uns den i®
Hygienischen Institut befindlichen Apparat für unsere Versuche zur\e-
fügung zu stellen, bei dessen Handhabung uns Herr Prof. Bruno Her¬
mann freundliebst unterstützte. r7
2) Beschrieben in der Arbeit von H. Findel, Zschr. f. Hyg-, '
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UMIVERSITY OF IOWA
16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
die H. Findel bei seinen mit dem Inhalationstarm vorgenommenen
experimentellen Untersuchungen gefunden hat.
Da man immer wieder der Behauptung begegnet, dass ge¬
sunde Meerschweinchen, die mit tuberkulös gemachten Meer¬
schweinchen denselben Stall oder Käfig teilen, ungemein leicht
ebenfalls tuberkulös werden, eine Behauptung, die übrigens nach
den Erfahrungen der einen von uns weit übertrieben wird, so
haben wir ein paar Mal zu den Tieren, die dem Inbalations-
( versuch unterworfen waren, Kontrolltiere gesetzt. Die Kontroll-
j tiere lebten zum Teil über ein Vierteljahr lang; sie erwiesen sich
sämtlich als frei von jedweden tuberkulösen Veränderungen,
i Die Versuchstiere wurden, soweit sie nicht spontan eingingen,
nach verschieden langer Zeit getötet und obduziert. War Tuberkulose
vorhanden, so zeigte sich dieselbe in erster Linie an den Submaxillar-
und Bronchialdrüsen und den Lungen lokalisiert, in den weiter vor¬
geschritteneren Fällen waren sämtliche innere Organe befallen.
0,02 g Tuberkelbacillen in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten
in die Lunge ca. 2500 Tuberkelbacillen.
Laufende
Nummer
des Tieres
Dauer der
Inhalation
in
Minuten
Nase frei
Nase
verstopft
Getötet (get.)
od. gestorben
(f) nach wie¬
viel Tagen
„ , Weiter geimpfte
Befund | _
' Tiere
Befund
Meerschw. 41
5 Min.
frei
_
t 72 T.
Hochgradige allgemeine Tuberkulose, | —
_
* 42
5 *
—
verstopft
t 3 T.
Darm stark aufgebläht. Sonst ohne Besonderheiten. Lunge v.Meerschw.42
Beide starben n.
„ 43
5 „
frei
—
t 77 T.
Hochgradige allgemeine Tuberkulose mit vereinzelten jsubcutan veiimpftauf
kleinen Höhlen in der Lunge. I Meerschw. 42 a
79 T. ohne eine
Spur tuberkulöser
* 44
5 „
verstopft
f 77 T.
Abgemagertes Tier. Broncbialdrüsen vergrossert, sonst [ „42b.
völlig frei von Tuberkulose.
Veränderungen
zu zeigen.
0,01 g Tuberkelbacillen in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten
in die Lunge ca. 1250 Tuberkelbacillen.
Meerschw. 45 5 Min. frei — get. 88 T. Hochgradige, von den oberen Luftwegen ausgehende ' — ' —
Tuberkulose. Besonders stark sind die Bronchialdrüsen
(bis walnussgross), Lunge und Milz befallen. j
w 46 5 „ — verstopft + 6 T. Magen und Darm leer: stark aufgebläht. Sonst keine — | —
j Veränderungen sichtbar.
„ 47 5 „ frei — I get. 88 T. Derselbe Befund wie bei Meerschweinchen 45. — j —
„ 18 5 , — verstopft j f 38 T. Maxillardrüsen vergrossert. Broncbialdrüsen stark ver- — —
--grössert, zum Teil verkäst. Im oberen Lungen lappen I
zwei hirsekorngrosse, glasige Knötchen. Milz von zahlreichen Knötchen durchsetzt. (Tu- I
berkelbacillen in den Aus9tricbpräparaten). |
Kontrollversuch. Meerschw. 49—52 sassen im gemeinschaftlichen Käfig mit Meerschw. 45—48, haben aber keine Tuberkelbacillen inhaliert.
get. 88 T.
f 38 T.
Meerschw. 49 |
nicht
inhaliert
do.
do.
do.
frei j — | f 45 T. Enteritis. Keine Spur tuberkulöser Veränderungen.
— verstopft j f 2 T. Darm leer, aufgebläht. Sonst ohne Besonderheiten,
frei — + 93 T. Enteritis. Sonst ohne Besonderheiten.
— verstopft get. 98 T. Normal.
„ 52 1 do. [ — | verstopft [ get. 98 T. | Normal. — I —
0,01 g Tuberkelbacillen in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten
in die Lunge ca. 1250 Tuberkelbacillen.
Meerschw. 53 5 Min. | frei f — | f 52 T. , Hochgradige Tuberkulose der Lungen. Dieselben sind — 1 —
- 1 -- von derber Konsistenz; völlig durchsetzt von kleineren )
und grösseren, zum Teil miteinander konfluierten Herden. Bronchialdrüsen stark vergrossert
und verkäst. Milz bedeutend vergrossert, von einzelnen Herden durchsetzt. Vereinzelte
-t - Herde in der Leber. Drüsen sämtlich vergrossert.
leerschw. 54 5 Min. — verstopft j f 12 T. Maxillardrüsen scheinbar vergTÖssert. (Keine T.-B. im — —
Ausstricbpräparat.) Darm aufgebläht. Sonst o. B. I
„ 55 5 , frei , — get. 63 T. Hochgradige allgemeine Tuberkulose. In der LuDge — j —
zwei stecknadelkopfgrosse Cavernen. Bronchialdrüsen I )
haselnussgross. I :
* 56 5 „ — , verstopft f I T. Todesursache ? V — | —
Kontrollversuch. Meerschw. 57—58 sassen im gemeinschaftlichen Käfig mit Meerschw. 53—56, haben aber keine Tuberkelbacillen inhaliert,
leerscbw. 571 nicht I frei I — | get. 107 T. j Ohne Besonderheiten. — I —
Meerschw. 54 I
Meerschw. 57 nicht
inhaliert
* 58 do.
I verstopft
0,005 g Tuberkelbacillen in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten
in die Lunge ca. 626 Tuberkelbacillen.
Meerschw. 59
* 60
Meerschw. 61
Meerschw. 62
* 63
sass in dem¬
selben Käfig
wie Meerschw.
59—62
5 Min. j frei: — + 10 T. Lunge pneumonisch. Sonst ohne Besonderheiten.
5 „ | — verstopft get. 31 T. Bronchialdrüsen um das Doppelte vergrossert, deutlich
-i beginnende Verkäsung zeigend. Linker Oberlappen der
Lunge derb, grau, ganz durchsetzt von hirsekorngrossen,, glasigen Knötchen. In den anderen
Teilen der Lunge vereinzelt zerstreute, stecknadelkopfgrosse, graue Knötchen. In der Leber
mehrere, miliare, graue Knötchen. Milz um das Doppelte vergrossert, von stecknadelkopf-
-j-— j- grossen Knötchen durchsetzt.
5 Min. frei — + 31 T. Maxillardrüsen vergrossert. Keine Verkäsung zeigend.
-- Bronchialdrüsen um das Doppelte vergrossert, völlig
verkäst. Lunge durchsetzt, sowohl im Ober- wie Unterlappen von zahlreichen stecknadcl-
kopf- bis hirsekorngrossen Knoten, die grau und glasig erscheinen. In der Leber zahlreiche
Stecknadel kopfgrosse, gelbe Knötchen. Milz vergrossert, von kleineren und grösseren
- —:-,-,-: Knötchen durchsetzt.
5 Min. — j verstopft | get. 75 T. Hochgradige, von den oberen Luftwegen ausgehende
; j I Tuberkulose. Besonders stark sind Bronchialdrüsen,
j 1 ; | Lunge und Milz befallen,
nicht frei — eet. 98 T.! Normal.
Lunge verimpft sub- [ Beide Meerschw.
cutan auf j verendeten nach
Meerschw. 59 a 40 bzw. 50 Tagen
,, 59 b. an allgemeiner
1 Tuberkulose.
5 Min. | — j verstopft !
1 !
get. 75 T.
i . | i
nicht frei J — 1
get. 98 T.
inhaliert J
1
!
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UNIVERSITY OF IOWA
1812
0,01 g Tuberkelbacillen in
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Mit einem Liter Atemvolumen gelangten
m die Lunge ca. J 250 Tuberkelbacillen. « uiacu gelangten
Wenn uns das Sektionsergebnis nach dem makroskopischen Be¬
fund zweifelhaft schien, haben wir von den Lungen, ein paar Mal
auch von den Submaxillar- resp. Bronchialdrüsen und dem Herz¬
blut auf Meerschweinchen weiterverimpft.
Wenn wir an unsere Arbeit in der Erwartung herangegangen
waren, auf experimentellem Wege eine Bestätigung für die An¬
nahme zu erlangen, dass durch Ausschaltung der Nasenatmung
das Zustandekommen einer Inhalationstuberkulose erleichtert
wird, so sahen wir uns in dieser Erwartung durch den Ausfall
unserer Versuche enttäuscht. Wie aus der vorstehenden Tabelle
ersichtlich ist, war einige Male der Sektionsbefund bei dem Tiere
mit verstopfter Nase derselbe wie bei dem Paralleltier mit frei
gelassener Nase, entweder gleich negativ (Mrs. 66 und 67, 68
und 69, 70 und 71) oder gleich positiv (47 und 48, 61 und 62).
Denjenigen Fällen, in denen das Tier mit verstopfter Nase eine
ausgesprochenere Inhalationstuberkulose zeigte als das Tier mit
offener Nase (Mrs. 59 und 60), steht eine grössere Zahl von Fällen
gegenüber, in denen gerade das gegenteilige Verhältnis zu kon¬
statieren ist (Mrs. 41 und 43, 42 und 44, 45 und 47, 53 und 55, 54
und 56). Wenn es also überhaupt erlaubt wäre, aus diesen Ver¬
suchen einen Schluss zu ziehen, so musste er dahin lauten, dass
eine Inbalationstuberkulose leichter zustande zn kommen scheint,
wenn die Nasenatmung frei ist, als wenn sie aufgehoben ist.
Zum Schluss möchten wir ausdrücklich hervorbeben, dass es
uns fern liegt, aus unseren Versuchen Rückschlüsse auf den
Menschen machen zn wollen; denn weder entspricht unsere Ver-
suchsanordnung den natürlichen Verhältnissen, unter denen der
Mensch der Möglichkeit einer Infektion auf dem Inhalationswege
ausgesetzt ist, noch ist die totale Aufhebung der Nasenatmung,
wie wir sie bei unseren Versuchstieren herbeigeführt haben, ohne
weiteres in Parallele zu setzen mit dem Grade der behinderten
Nasenatmung, mit dem wir gewöhnlich unter pathologischen Ver¬
hältnissen beim Menschen zu rechnen haben. Wir möchten viel-
mehr unsere Versuche nur als einen experimentellen Beitrag zu
dem Kapitel der Inhalationstuberkulose aufgefasst wissen, der j
vielleicht anderen bei Untersuchungen, die sich in derselben
Richtung bewegen, von einigem Nutzen sein könnte.
Die Mittel zu unseren Untersuchungen wurden uns aus der
Gräfin Bose-Stiftung zur Verfügung gestellt.
Die Grenzen der Organtherapie.
Von
Dr. Arthur Münzer- Berlin-Charlottenburg.
Der Gedanke einer Organtherapie reicht, wie kürzlich noch
Höfler 1 ) im Lehrbuch der Organotherapie auseinandergesetzt,
bis in frühe Jahrhunderte zurück, doch waren die Vorstellungen,
unter denen eine solche Behandlung inauguriert wurde, noch recht
verworren. Erst neuzeitlichen Forschungen verdanken wir eine
rationellere Begründung der Organbebandlung. Der Ideengang,
der zu einer Organtherapie — ich spreche hier nur von der
essentiellen, nicht von der symptomatischen — führte, ist eigent¬
lich ein recht einfacher; man versucht, das erkrankte Organ
Xiurch ein gleiches gesundes, welches dem Körper auf verschiedene
Weise zugeführt werden kann, zu ersetzen und macht dabei die
stillschweigende Voraussetzung, dass die zugeführte Substanzmasse
die Funktion des lebenden Organs vollauf oder teilweise zu über¬
nehmen imstande ist.
Mögen auch auf den ersten Blick unsere Deduktionen zu¬
treffend erscheinen, es kann dem unparteiisch Urteilenden doch
nicht entgehen, dass wir uns auch heute noch in Kombinationen
von recht grober Natur bewegen. Es soll die Arbeitsleistung
eines lebenden, durch den Blutstrom gespeisten und von feinsten
Nervenmechanismen regulierten Organs ersetzt werden durch ein
totes, artfremdes und mangelhaft dosiertes Präparat. Wird das
letztere oral verabreicht, so unterliegt es weiterhin dem uro*
1) Lehrbuch der Organotherapie. Herausgegeben von Wagner,
v. Jauregg und Bayer. Leipzig 1914.
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UNIVERSUM OF IOWA
16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1813
formenden Einfluss der Verdauungssekrete. Auch kann die Quan-
titätszufuhr nicht in der feinen Abstufung bewirkt werden, wie
sie der Organismus vermittelst der nervösen Regulation zustande
bringt. Wir köonen nur zu bestimmten Zeiten unser Substitutions¬
präparat dem Körper einverleiben und wissen dabei noch nicht
einmal, ob gerade der optimale Zeitpunkt der Darreichung er-
reicht ist, oder ob nicht sogar die momentane Einstellung der
übrigen Organfunktion einer durchgreifenden Wirkung des Ersatz-
präparates hindernd in den Weg tritt.
Diese theoretischen Ueberlegungen zeigen schon von vorn¬
herein, welche Schwierigkeiten überwunden werden müssen, bis
mit der Organbehandlung ein Erfolg erzielt wird. Scheint es bei
alledem nicht geradezu wunderbar, dass die Schilddrüsentherapie
bei Myxödem und Cretinismus so überraschend gute Resultate er¬
gibt? Die krassesten Symptome werden hier durch eine sorgsam
durcbgeführte Kur beseitigt. Aber leider sind für kein anderes
Organ die Wege der Therapie so geebnet wie für die Thyreoidea;
keine andere ßlutdrüsenerkrankung wird durch organotherapeu-
tische Maassnahmen so günstig beeinflusst wie Schildrüsen¬
erkrankungen. In der Lösung dieser Disharmonie liegt meines
Erachtens, wie ich noch kürzlich in eioem Referat 1 ) über das
citierte Lehrbuch von Wagner und Bayer betonen konnte, ein
K&rdiaalproblem der Organtherapie.
Wenn wir versuchen, etwaige physiologische Eigenschaften
der Thyreoidea zu eruieren, die ihr hohes organ therapeutisch es
Vermögen erklären, so könnte man auf den Gedanken kommen,
die Drüse produziere viel Sekret, sei also ganz besonders reich
an aktiven Substanzen. Es könnten demnach grosse Mengen bei
interner Verabreichung verloren gehen bzw. zerstört werden, und
dennoch würden die Testierenden Substanzmengen zur Heilung
ausreichen.
Für diese Anschauungen fehlen uns indessen bindende Argu¬
mente. Eine breitere Basis für die Aufstellung diesbezüglicher
Hypothesen hat die neue Lehre Abderhaldens geschaffen, die,
so kurze Zeit sie auch erst besteht, doch schon weite Kreise ge¬
zogen hat. Bekanntlich waren wir in der Blutdrüsenpathologie
bis vor kurzem noch ganz in den Ideen einer Hyper- bzw. Hypo¬
funktion befangen; die Dysfunktion spielte neben diesen beiden
Begriffen eine mehr untergeordnete Rolle. Hier haben die Ab-
derhalden’schen Forschungen reformierend gewirkt. Sie haben
gezeigt, dass es sich keineswegs immer um eine vermehrte oder
verminderte Abscheidung von Drüsensekreten handelt, sondern
dass io der Mehrzahl der Fälle die Drüse in fehlerhafter Weise
funktioniert. Sie vermag nicht mehr ihre spezifischen Produkte
in korrekter Weise zu verarbeiten, sondern übermittelt sie bereits
dem Blut8trom, ehe sie vollkommen abgebaut sind, und liefert
hiermit dem Circulationssystem ein blutfremdes Material. Dieses
Verhalten der Blutdrüse kann durch den Nachweis der sogenannten
Abwehrfermente demonstriert werden. Der Begriff der Dys¬
funktion, des fehlerhaften Funktionieren« der Drüse, wird hier¬
mit an eine hervorragende Stelle gerückt. Es ist heutzutage nicht
mehr möglich, die Erkrankungen der endokrinen Organe aus
Hyper- und Hypofunktionszuständen herzuleiten; immer muss auch
die von der Norm abweichende Funktion berücksichtigt werden.
Jetzt soll folgender Fall erwogen werden: Es sei ein Krank¬
heitszustand gegeben, der durch Dysfunktion einer bestimmten
ßiutdrüse bedingt werde. Wenn wir nunmehr das betreffende
Organersatzpräparat geben, was wird dann eintreten? Hier muss
zwischen zwei Möglichkeiten unterschieden werden. Wenn man
der Ansicht ist, dass der betreffende Krankheitszustand auf einer
primären Erkrankung der Blutdrüse beruht, dass also die krank¬
machende Noxe die Drüse direkt trifft, so kann man sich gut
vorstellen, dass die Therapie Nutzen bringen wird. Denn der
Körper besitzt ja nun wieder normales Drüsengewebe, welches er
für seinen Bedarf verwerten kann. Wenn mau aber annimmt,
dass die Erkrankung der Blutdrüsen nur der erste sichtbare
Ausdruck einer Organismusschädigung ist, deren Grund¬
ursache wir an ganz anderen Orten, z. B. am Nervensystem, zu
suchen haben, so liegen die Verhältnisse bedeutend komplizierter.
Dann kann man dem Körper noch so viel normales Drüsen¬
gewebe zuführen, er wird es immer wieder in falscher Weise
verarbeiten. Der Krankheitszustand kann sich unter diesen Be¬
dingungen gar nicht bessern. Ja er wird sich eher wieder ver¬
schlimmern; denn durch die vermehrte Drüsenzufuhr wird das
Kreislaufsystem mit blutfremdem Material überschwemmt und der
Körper andauernd den schwersten Schädigungen ausgesetzt.
I) Diese Wochenschrift, 1914.
In der Tat wird nun beute in einer Reihe von Fällen die
Erkrankung der Blutdrüsen keineswegs als primäre Ursache des
Leidens betrachtet; vielmehr werden als ätiologische Momente
gerade in erster Linie — wie ich schon andeutete — Alterationen
des Nervensystems in Betracht gesogen. Es mögen auch andere
Faktoren, deren Wesen wir noch nicht kennen, eine Rolle spielen.
Dass in diesen Fällen organtherapeutische Maassnahmen ver¬
schlimmernd ein wirken, hat z. B. Leschke 1 ) hervorgehoben; er
berichtet, dass frischer Pankreasextrakt bei diabetischen Tieren
die Zuckerausscheidung steigere.
Resümieren wir die oben angesteilten Ueberlegungen, so
müssen wir sagen, dass die Organtberapie nur bei Quantität¬
veränderungen .der Blutdrüsensekretion von Bedeutung sein
kann. Hier liegt eine Grenze. Unsere Behandlungsmethoden werden
also vorzugsweise bei Hyper- bzw. Hypofunktion der Blutdrüsen
anwendbar sein. Bei verringerter Absonderung ist die Sachlage
ziemlich klar. Wenn dem Körper bestimmte Organstoffe fehlen,
dann wird die Zufuhr solcher Substanzen dem Mangel abhelfen.
So haben wir uns den Gang der Dinge beim Myxödem vorzustellen.
Bei den Hyperfunktionszuständen sind, soweit ich sehe, noch
weniger Versuche mit der Organtherapie angestellt worden, und
doch scheint die Möglichkeit von Erfolgen nicht ausgeschlossen.
Die Blutdrüsen wirken, wie wir das aus zahlreichen Untersuchungen
wissen, zum Teil als Antagonisten aufeinander, hemmen sich
also gegenseitig in ihrer Tätigkeit. So wäre es nur natürlich,
bei Hyperfunktion einer Blutdrüse ihre Antagonisten dem er¬
krankten Organismus zuzufübren. lu diesem Sinne könnte man
bei Akromegalie die Sekretsteigerung der Hypophyse durch eine
konträr wirkende Opotherapie (z. B. Schilddrüse -f- Keimdrüse)
bekämpfen. Diese Form der Organtberapie ist eventuell auch dort
brauchbar, wo es sich um Dysfunktionszustäode bandelt,
denn auch hier ist es von Bedeutung, die Absonderung der er¬
krankten Drüse auf ein Minimalmaass berunterzudrücken. Gewiss
lohnte es den Versuch, beim Basedow eine Hypophyse^-Keim-
drüsentherapie zu instruieren. Natürlich kann diese Therapie,
die die von uns gezogene Grenze bereits überschreitet, nur eine
symptomatische sein; denn es kann vermittels derselben — wenn
überhaupt — nur gelingen, die Sekretion der Thyreoidea auf ein
gewisses Maass zurückzudämmen. Die Erkrankung bleibt dabei
bestehen.
Die moderne Organtherapie ist aus den Fortschritten unserer
Kenntnisse über das Wesen der inneren Sekretion heraus ent¬
standen, sie ist eine notwendige Folge der aus Klinik und Ex¬
periment sich ergebenden Lehren. Nun, da wir schon eine ganze
Reihe von Erfahrungen über die Organtherapie gesammelt haben,
ist es doch vielleicht einmal an der Zeit, umgekehrt zu fragen:
Berechtigen nicht die bisherigen Ergebnisse der Organtberapie zu
gewissen Rückschlüssen auf das Wesen der inneren Sekretion?
Zweifellos werden wir durch den heutigen Stand der Dinge zu
gewissen Hypothesen gedrängt; die erste und wichtigste ist diese:
Die Schilddrüse nimmt, wie es scheint, im polyglandulären System
eine Ausnahmestellung ein; sie erscheint mit Eigenschaften aus-
gestattet, die den anderen Drüsen mangeln. Diese können ent¬
weder, wie ich schon anfangs betonte, physiologischer Natur sein,
d. h. auf gewissen noch unergründeten Eigenheiten der Quantität
und Qualität der Sekretion beruhen. Oder aber die Schilddrüse
ist, was ihre Pathologie anbelangt, vor den anderen Blutdrüsen
dadurch ausgezeichnet, dass bei ihr reine StÖrangen der Mengen-
sekretion (Myxödem) Vorkommen, während bei fast allen andern
Blutdrüsen im Erkrankungsfall auch die Qualität verändert wird.
Myxödem wäre demnach die einzige echte Hypofunktions¬
störung, die im polyglandulären System vorkäme. — Gewiss
sind das alles Hypothesen. Aber es ist nicht eiazusehen, warum
nicht auch die Erfolge bzw. Misserfolge der Organtherapie ganz
bestimmte Richtlinien für die Erkenntnis der Blutdrüsenfunktion
liefern können.
In dem bereits zitierten Lehrbuch der Organotherapie von
Wagner und Bayer finden wir auch die Heilversuche mit
nicht innersekretorischen Organen zum ersten Male zusammen¬
hängend besprochen (Bayer). Wo hier eine Grenze liegt, lässt
sich nicht feststellen; nach dieser Richtung führt der Weg ins
Uferlose. Dass eine Berechtigung zu diesem Vorgehen gegeben
ist, kann nicht bezweifelt werdeo. Liegt es denn nicht nahe
genug, die Funktionen eines erkrankten Organs durch die Leistung
eines gleichen gesunden zu ersetzen? Warum sollte das bei einem
nicht innersekretorischen Organ nicht ebenso gut möglich sein
1) Leschke, Die P&nkre&9ther&pie des Diabetes. M.m.W., 1911.
3
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Original fro-m
UNIVERSITY OF IOWA
1814
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 46.
wie bei einer Blutdrüse? Man kann nur — und an diesem Mangel
krankt unseres Erachtens der Gedanke der Organtherapie über-
haupt — folgendes schwerwiegendes Bedenken geltend machen:
Ein bestimmtes Organ arbeitet in unserem Körper nicht nur für
sich allein, sondern auch als Glied eines grossen Arbeitsver¬
bandes. Als solches übt es eine mehr oder minder ausgeprägte
Wirkung auf die Tätigkeit aller anderen Organe des Körpers aus
und unterliegt seinerseits dem Einfluss aller seiner Konkurrenten
bis zu einem gewissen Grade. Nie kann eiu totes Präparat diese
Stellung eines Organs ausfüllen. Die einzig wahre Organtherapie
ist die Transplantation eines gesunden Organs an Stelle des er¬
krankten. Alles andere ist ein Notbehelf und kann unter keinen
Umständen dem Körper vollkommen einen Ersatz bieten für das,
was ihm durch Krankheit genommen.
Aus der Grazer dermatologischen Klinik (Vorstand:
Prof. Matzenauer).
Beeinflussung der Wassermann’schen Reaktion
durch Embarin und Merlusan.
Von
Dr. Max Hesse,
Assistent der Klinik und Leiter der 8erodiagiu>*tisclien Untersm-luin^-station.
Der Wert uod die Brauchbarkeit eines antiluetischen Mittels
geht wohl am besten daraus hervor, in welchem Maasse die be¬
stehenden Syphiliserscheinungen zum Verschwinden gebracht
werden und wie lange der Patient recidivfrei bleibt (Dauerwirkung).
Als zweiten Maassstab für die Wirksamkeit können wir heute
auch die Wassermann’sche Reaktion gelten lassen, die doch von
den meisten Mitteln im günstigen Sinne beeinflusst wird. Ueber-
einstimmend geben die verschiedenen, zahlreichen Antoren an,
dass die Wassermann’scbe Reaktion durch eine antiluetiscbe Kur
eine Abschwäcbung erfährt oder ganz zum Verschwinden gebracht
werden kann. Doch sind die Zahlen, die hier angeführt werden,
sehr verschieden. Die folgende Tabelle 1, die ich aus dem Buch
von Boas: „Die Wassermann’scbe Reaktion 11 entnommen
habe, gibt uns ein beiläufiges Bild, in welchem Maasse die Re¬
aktion beeinflusst wird, sie zeigt uns aber auch, zu welch ver¬
schiedenen Resultaten die einzelnen Autoren gekommen sind.
Tabelle 1.
Anzahl der
Fälle
Geschwunden oder abgenommen
während der Behandlung
Blaschko....
90
1
76
84.4 pCf.
Hoehne ....
200
m
55,5 *
Lesser .
22
20
90,9 „
Müller.
48
18
37.5 „
Pürckhauer . .
1G5
86 (
52,1 „
Boas.
435
434
99,8 *
Inwieweit an diesen Differenzen die Wahl des Mittels, die
Stadien der Syphilis und die längere oder kürzere Beobachtungs¬
dauer schuld sind, soll hier nicht untersucht werden, soviel steht
fest, dass io einer grossen Anzahl von Fällen die Wassermann’sche
Reaktion durch eine Kur geändert werden kann. Wichtig ist,
dass von den meisten Autoren ein Parallelismus zwischen dem
Zurückgehen der Syphiliserscheinungen und dem Schwächer werden
und Verschwinden der Wassermann’schen Reaktion konstatiert
wird. Boas, der wohl die günstigsten Resultate zu verzeichnen
hat, fasst seine Erfahrungen in folgenden Schlussworten zusammen:
Eine positive Wassermann’scbe Reaktion wird in fast
allen Fällen von einer antiluetischen Kur beeinflusst . . .
Wenn auch nicht alle Ergebnisse so günstig sind wie diejenigen
Boas’ — er führt dies auf die quantitative Untersuch ungsmethode
zurück, die er übt —, so kann doch immerhin von einem anti-
luetischen Mittel eine entsprechende Beeinflussung der Wasser-
mann’schen Reaktion verlangt werden, und geradeso wie sich
herausgestellt hat, dass alle Mittel, welche die Symptome der
Syphilis zum Schwinden bringen, auch die Wassermann’sche Re¬
aktion, die ja auch nur ein Symptom der Syphilis ist, abschwächen
oder negativ machen, so kann man wohl umgekehrt erwarten,
dass ein Mittel, welches auf die Wassermann’sche Reaktion günstig
wirkt, auch die klinischen Erscheinungen im günstigen Sinne be¬
einflussen wird. Es scheint nur, dass iu Bezug auf die Dauer¬
wirkung weder die rasche Aenderung der Wassermann’schen Re¬
aktion, noch aber anch das momentane Schwinden der Syphilis¬
symptome maassgebend ist.
Ausser dieser günstigen Wirkung einer Kur auf die Wasser-
maon’sche Reaktion gibt es aber auch eine ungünstige — eine
vorübergehende oder auch länger andauernde Verschlechterung.
Diese Verhältnisse sind wohl noch nicht vollständig geklärt und
in ihrer Beurteilung eindeutig. Gennerich 1 ), R. Müller*),
Boas u. a., die sich mit dieser Frage befasst haben, führen die
vorübergehende Verstärkung auf ein Freiwerden von Endotoxinen
zurück und bezeichnen es als eine Art Herxbeimer’sche Re¬
aktion. Wenn diese Ansicht za Recht besteht, so wäre eine
solche Verschlechterung der Wassermann’schen Reaktion durch
ein Mittel nicht im abfälligen Sinne für dieses Mittel aaszulegen;
im Gegenteil zeigt auch diese amgekehrte Beeinflussung der
Wassermann’schen Reaktion, dass das betreffende Mittel tatsäch¬
lich die Fähigkeit besitzt, die Spirochäten zu vernichten. Boas
nimmt aber für einen Teil solcher Fälle (mit längerdauernder
Verschlechterung) nicht die sogenannte Herxheimer’sche Reaktion
als Grund an, sondern meint, dass besonders im Frühstadium die
Tendenz zum Ansteigen besteht, die anch durch eine antiluetiscbe
Kur nicht aufgehalten werden kann. Die sogenannte Herxheimer-
sche Reaktion (Provokation) lässt er nur für Salvarsan gelten,
für Quecksilber schliesst er sie theoretisch nicht aus, hält sie
aber noch nicht für erwiesen. Er sagt im Anschluss an die oben
citierte Stelle: „ . . . Die Reaktion kann sich in Fällen, wo sie
früher nicht vorhanden war, einfinden und wo sie früher schwächer
war, stärker werden, trotz einer eingeleiteten merkuriellen
Therapie, nicht wegen derselben . . . “ Somit wäre auch in
diesem Sinne diese Beeinflussung kein Nachteil eines speziellen
Mittels, sondern eine Eigenschaft, die allen Hg-Mittelo anhaftet
und die sich nicht vermeiden lässt.
Wenn man alle diese Verhältnisse berücksichtigt, so muss
man sich wundern, wenn man in einer Publikation Förth’s 3 )
liest, dass das Embarin, eiu Mittel, welches von den verschiedensten
Autoren [Polland 4 ), Salomensky 6 ), Gappisch 6 ) u. a.] und
auch von dem Genannten selbst als ein sehr günstig und prompt
wirkendes beschrieben wird, die Wassermann’sche Reaktion in
keinem der Fälle beeinflussen konnte. Da der Verfasser ausser¬
dem in dieser Arbeit auch das Merlusao im Gegensatz zu anderen
Autoren als ein unbrauchbares, unwirksames Antilueticum verwirft,
müssen unwillkürlich Zweifel gegenüber seinen Darlegungen auf¬
steigen.
Ich habe es daher unternommen, die beiden genannten Mittel
auf ihre Wirkung gegenüber der Wassermann’scben Reaktion ein¬
gehend zu prüfen. Bevor ich auf meine Resultate näher eingebe,
muss ich vorausschicken, dass erst vor kurzem mit dem Merlusan
von Stabsarzt Majevski 7 ) ähnliche Versuche angestellt wurden.
Er spricht sich, was die Beeinflussung sowohl der Krankheits-
erscheinnngen als auch der Wassermann’scben Reaktion anlangt,
im günstigen Sinne aus. Von 40 Patienten trat bei 25, also in
62 pCt. ein Umschlag der positiven Reaktion in eine negative
ein — ein Resultat, was also ungefähr in der Mitte zwischen den
im Anfang mitgeteilten Ergebnissen steht.
Unsere Untersuchungen erstreckten sich auf Embarin und
Merlusan und zum Vergleich auf Salvarsan allein und Sal¬
varsan ~\- Embarin.
Von Embarin gaben wir 10—12 Injektionen jeden zweiten
Tag, vom Merlusan womöglich etwa 100 Pillen langsam ansteigend
von 3 Stück auf 6 Stück täglich, vom Salvarsan 3—4 Injektionen
intravenös in Intervallen von 6—6 Tagen (die erste Injektion
meist 0,3, die folgenden 0,4) und endlich bei der kombinierten
Behandlung 8 Salvarsan- und 10 Embarininjektionen. Der Turnus
war ungefähr der folgende:
1. Embarin Injektion
1) Gennerich, Vöff. MarineSanitätsw., 1911, H. 3.
2) R. Müller, Die Serodiagnose der Syphilis. Verlag von Urban
und Schwarzenberg.
3) Fürth, Ueber Embarin und Merlusan. Derm, Wscbr., 191*>
Nr. 12. .
4) Poll and, Syphilisbehandlung mit Embarin. Ther. d. Gegen*.,
1914, H ‘ 4 ‘
5) Salomensky, Erfahrungen mit Embarin. D.m.W., 1913, Nr-oo.
6) Gappisch, Ueber Behandlung der Syphilis mit Embarin. M. Kl.,
1913, Nr. 48.
7) Majevski, Militärarzt, 1914, Nr. 9.
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Original from
UNIVERSUM OF IOWA
16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1816
I. Salvarsaninjektion 0,3
4. Embarininjektion
5 .
II. Salvarsaninjektion 0,4
6. EmbariniDjektion
7 .
III. Salvarsaninjektion 0,4
8. Embarininjektion
Die Blutantersuchnng wurde za Beginn der Kur, ungefähr in
der Mitte, am Ende und wenn möglich ein Monat nach Beendigung
der Kur gemacht. Letztere Untersuchung stiess oft auf Schwierig¬
keiten, da viele Patienten teils aus Unverstand, teils aus unver¬
schuldeten Hindernissen nicht zur Blutentnahme kamen.
Die Resultate zeigen die nachfolgenden Tabellen.
Tabelle 2.
Zahl der
untersuchten
Fälle
Während oder nach der Kur
negativ geworden
Zahl | pCt.
Embarin.
69
17
24,6
Merlusan ....
57
13
22,8
Salvarsan ....
37
10
27
Salvarsan -{- Embarin
20
4
20
Tabelle 3.
Zahl der
Während oder nach der Kur
untersuchten
schwächer geworden
Fälle
Zahl
pct.
Embarin.
69
20
28,9
Merlusan ....
57
18
31,6
Salvarsan ....
37
12
32,4
Salvarsan -f- Embarin
20
5
25
Tabelle 4.
Zahl der
untersuchten
Fälle
Während oder nach der Kur
gleich stark positiv geblieben
Zahl | pCt.
Embarin.
69
18
26
Merlusan ....
57
17
l 29,8
Salvarsan ....
37
10
27
Salvarsan -f- Embarin
20
7
35
Der besseren Uebersicht halber habe ich in der folgenden
Tabelle 5 die beiden ersten zusammengezogen.
Tabelle 5.
Zahl der
untersuchten
Fälle
Während oder nach der Kur
schwächer positiv oder
negativ geworden
Zahl | pCt.
Embarin.
69
37
53,5
Merlusan ....
57
31
54,4
Salvarsan ....
37
22
59,4
Salvarsan -{-Embarin
20
9 i
i
45
Die hier angeführten Zahlen bedürfen keiner weiteren Er¬
klärung, sie sprechen für sich selbst. Ich will nur kurz er¬
wähnen, dass in der Tabelle 4 die Fälle als unbeeinflusst nicht
aufgenommen wurden, die vor, während und nach der Kur negativ
waren, was bei Patienten mit latenter Lues, die trotzdem eine
Kur machen wollten, beim Embarin 3 mal, beim Merlusan 6 mal,
beim Salvarsan 3 mal und bei Salvarsan + Embarin I mal
vorkam.
Wir sehen, dass die Ergebnisse im Mittel denen in der ein¬
gangs gebrachten Tabelle nicht viel nachstehen. Dass die Zahlen
bei manchen Autoren höhere sind, mag wohl darin liegen, dass
die Beobachtungszeit bei uns eine sehr kurze ist — hauptsäch¬
lich erstreckte sie sich nur während der Kur und nur bei einem
geringen Teil konnte auch nach einem Monate nach der Kur die
Untersuchung angestellt werden — nnd ausserdem mag es auch
eine Rolle spielen, dass wir bei der Behandlung der einzelnen
Fälle keine sorgfältige Wahl trafen, sondern ziemlich wahllos die
einzelnen Mittel zur Behandlung verteilten, um gerade dadurch
der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen. Es ist doch all¬
gemein bekannt, dass es Fälle gibt, bei denen durch die eine
Behandlungsmethode mehr zu erreichen ist, als dnrch die andere.
Oft schwinden durch eine Scbmierkur die Erscheinungen rascher,
als durch eine Injektionskur nnd umgekehrt. Oft ist in dem
einen Fall Salvarsan dem Quecksilber vorzuziehen usw. Die
Wahrscheinlichkeit der besseren Wirkung lässt sich oft voraus¬
sehen, so dass wir bei Beobachtung dieser Verhältnisse gewiss
unsere Zahlen um einiges hätten verbessern können.
Soviel sehen wir, dass die Resultate mit Embarin
nnd Merlusan im Vergleich zu Salvarsan und Salvarsan
-{-Embarin gewiss keine schlechten sind, sie hätten sicher
noch besser werden können, wenn man nicht mit dem Unverstand der
Leute rechnen müsste. Leider nur zu oft geschieht es, dass die
Patienten nicht mehr im Spitale zu halten sind, wenn ihre Krank¬
heitserscheinungen beseitigt sind. Da nun sowohl bei Embarin
als auch bei Merlusan — was wohl für die Güte der beiden
Mittel spricht — meist schon nach 10—14 Tagen die Symptome
der Syphilis verschwunden oder wenigstens bedeutend in Rück¬
bildung begriffen waren, konnten wir selten mehr als zehn
Embarininjektionen machen bzw. die vorgeschriebene Zahl von
mindestens 100 Merlusanpillen erreichen.
Ausser diesen in den Tabellen festgelegten Ergebnissen muss
ich noch einige Dinge gesondert erwähnen.
Die Tatsache, da?s durch eine Salvarsaninjektion eine Ver¬
stärkung der Wassermann’schen Reaktion eintreten kann, konnten
auch wir konstatieren. In 5 Fällen bei Salvarsan und in 2 Fällen
bei Salvarsan -f- Embarin zeigte die Untersuchung nach der
ersten Salvarsaninjektion eine Verstärkung der Reaktion, die bei
der Untersuchung nach der zweiten Injektion wieder verschwunden
war. Wir konnten die Erscheinung aber auch bei
Quecksilber beobachten. Einen besonders typischen Fall
möchte ich hier erwähnen. (Tabelle 6.)
Tabelle 6.
Embarin
Vor der
Kur
Nach der
5. Injekt.
Nach der
1 Kur
B. J.
Leukoderm, Lues latens
10 Injek¬
tionen
0
+
0
Aehnliche Fälle, nur nicht so ausgesprochen, beobachteten
wir sowohl bei Embarin (7 mal) als auch bei Merlusan (1 mal)
mehrmals.
Ob es sich hier um eine Erscheinung bandelt, die dieselbe
Erklärung verdient, wie die sogenannte Herxheimer’sche Reaktion
bei Salvarsan, oder ob diese Fälle in diejenige Gruppe gehören,
von denen Boas sagt, dass sie eben trotz der Behandlung stärker
positiv geworden sind, lasse ich dahingestellt. Tatsache ist, dass
es sich bei den erwähnten Fällen, insbesondere bei dem an¬
geführten Beispiel um eine vorübergehende Verstärkung der
Wassermann’schen Reaktion handelt, die bei Salvarsan als
Herxheimer’scbe Reaktion (durch „Endotoxinsturm w hervorgerufen)
bezeichnet wird. Diese Fälle sind doch gewiss ein Beweis dafür,
dass ein vorübergehendes Positivwerden anch durch Quecksilber
erzeugt werden kann, was Boas, wie schon früher erwähnt, als
nicht erwiesen erachtet, und nach dem Grundsatz, was dem einen
recht, ist dem anderen billig, muss doch für dieselbe Er¬
scheinung auch dieselbe Erklärung gelten, ist sie nun
durch Salvarsan oder Quecksilber bedingt. Es fragt sich
nur, ob diese Erklärung auch die richtige ist.
Ich führe hier noch weitere vier Beispiele an, bei denen die
Wassermann’sche Reaktion anch schlechter wurde und während
der Kur auch schlechter geblieben ist. (Tabelle 7.)
Diese Fälle sind gewiss trotz der Kur schlechter geworden,
doch kann ich der Ansicht Boas 1 nicht beistimmen, dass hier
die Tendenz zum Ansteigen der Reaktion schon vorher bestanden
hat, was dann durch die einsetzende Kur auch nicht verhindert
werden konnte. Vielmehr macht es mir den Eindruck, besonders
bei dem ersten nnd zweiten Fall, dass das Einsetzen der Behand¬
lung das auslösende Moment gewesen sei.
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Gck igle
Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
1810
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 46.
Tabelle 7.
Salvarsan
Vor der
Kur
Nach der
2. Iojekt.
Nach der
Kur
E.
Gumma pal. dur.
0,2, 0,3, 0,4
0
+++
+4”f
Merlusan
i
Vor der
Kur
Nach
44 Stück
Nach der
Kur
F. R.
Lues latens
(Spätlatens)
111 Pillen
0
+
+++
Salvarsan -f-
Embarin
Vor der
Kur j
|Nach d.2.
[ Salv.-Inj.
1 Nach der
Kur
G. A.
Pap. ad genit.
in ore, ad anum,
Alopecia specif.
2 Emb. 0,3 Salv.
2 m 0,4 „
5 Embarin
0
+ i
:
++
l
1
| Embarin
| Vor der
Kur
Nach der 1
6. Injekt.
Nach der
Kur
M. M.
Sclerosis
12 Injektionen |
0
++
++
Es scheinen also durch die Kur Reagine mobilisiert
worden zu sein, die eben dann durch die Wassermann-
sche Reaktion nachgewiesen werden können. Ich sehe
zwischen der sogenannten Herxheimer’schen Reaktion, i. e. dem
vorübergehenden Stärkerwerden der Reaktion und der läöger an¬
dauernden Verschlechterung keinen prinzipiellen Unterschied,
sondern nur einen graduellen, zumal bei längerer Beobachtungs¬
zeit wahrscheinlich auch in den angeführten Fällen ein Zurück¬
geben zu erwarten ist. Es ist überhaupt verwunderlich, dass
man für die Verstärkung der Wassermann’schen Reaktion, welche
Reaktion für Syphilis ja gar nicht spezifisch, sondern nur cha¬
rakteristisch ist, da sie mit syphilitischen Reaktionskörpern gar
nichts zu tun hat, die Endotoxine aus den Spirochäten als Grund
annimmt, wie dies viele Autoren bei der Jarisch-Herxheimer-
schen Reaktion tun. Die beiden Erscheinungen —^ Ver¬
stärkung der Wassermann’schen Reaktion und Herxheimer’schen
Reaktion — haben doch nur ein äusseres Zeichen ge¬
meinsam, nämlich das vorübergehende Aufflammen der Sym¬
ptome; bei der Wassermann’schen Reaktion kann dies daher un¬
möglich auf' gleiche Weise erklärt werden wie bei der Herx¬
heimer’schen Reaktion, es sei denn, dass man auch für diese
letztere eine andere Ursache annimmt als den Endotoxinsturm.
Aehnliche Verschlechterungen wie in der angeführten Tabelle
konnten wir beim Embarin dreimal, beim Merlusan viermal, beim
Salvarsan zweimal und bei der kombinierten Behandlung zweimal
beobachten.
Von anderen Zufälligkeiten, die während dieser Kuren vor¬
kamen, und die eigentlich nichts Neues bieten, will ich nur kurz
berichten.
Die von den meisten Autoren beobachteten Allgemein-
erscheinungen nach Embarin konnten auch wir konstatieren.
In 12 Fällen traten nach der 4.-6. Injektion Temperatursteige¬
rungen bis 40® auf, einmal mit Erbrechen, dreimal mit Erythem,
zweimal mit Durchfall (davon einmal sogar mit blutiger Diarrhöe),
immer aber mit einer bedeutenden, wenn auch nur kurzdauernden
Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens begleitet. Durch unsere
eigene und auch durch die Erfahrungen v. Plano er’s 1 ),
Fried’s 2 ) und anderer vorsichtig gemacht, haben wir io den
meisten Fällen gar nicht versucht, die Kur mit Embarin
fortzusetzen, sondern haben sofort (allerdings ohne die
Kur zu unterbrechen) zu einem anderen Quecksilbermittel
gegriffen, nur in 4 von den 12 Fällen haben wir die Kur mit
Embarin zu Ende geführt; bei einem war allerdings nur eine ge¬
ringe Temperatursteigerung bis über 87°, bei einem anderen trat
das Fieber erst am Schluss der Kur auf, einmal setzten wir
einige Zeit mit den Injektionen aus, worauf sie dann anstandslos
vertragen wurden, und beim vierten wurden die Injektionen irr¬
tümlich weitergemacht, ohne dass sich das Fieber wiederholte.
Im allgemeinen lässt sich wohl sagen, dass es klüger ist, das
Embarin wegzulassen, wenn es einmal schlecht vertragen wird,
1) v. Planner, D.ra.W., 1913, Nr. 40.
2) Fried, D.m.W., 1918, Nr. 4.
da sich die unangenehmen Erscheinungen fast immer von neuem
wiederholen.
Bei dem Merlusan konnte ausser Beschwerden von seiten
des Magendarmkanals nichts Nachteiliges konstatiert werden.
Diese Beschwerden (Bauchschmerzen, Durchfall) traten allerdings
ziemlich oft ein (von 57 Fällen 29mal), also in der Hälfte der
Fälle), und zwar meistens am 3.—4. Tag, sie dauerten gewöhn¬
lich aber nur kurz (einige Tage), ohne dass dagegen etwas an¬
gewendet werden musste. Auch die'Kur brauchte deshalb nicht
unterbrochen zu werden. 7 mal Dessen die Beschwerden auch
während der ganzen Kur nicht nach. Der Durchfall wiederholte
sieb, wurde mit Tannalbin bekämpft, erreichte aber nie eine
solche Stärke, als dass sich der Patient vor der Fortsetzung der
Kur mit Merlusan weigerte. Es fragt sieb nur, ob es nicht besser
wäre, in solchen Fällen nicht auf Merlusan zu bestehen, da ja
das Aufnahmeorgan — der Darm — mehr oder weniger ge¬
schädigt ist and dadurch die Resorption des Quecksilbers gewiss
eine beeinträchtigte ist.
Bezüglich der Wirkung auf die bestehenden Syphiliserschei-
nnngen lässt sich im Vergleich zu den anderen Mitteln für das
Merlusan nur Günstiges sagen, es wirkte fast immer
prompt und rasch, was ja nach den Berichten von Matzenauer-
Buchtala 1 ), insbesondere über dieResorptionsVerhältnisse, apriori
zu erwarten war.
Ueber Salvarsan habe ich uur zu sagen, dass sich viermal
nach der ersten Injektion Temperaturen bis zu 39,6° einstellten,
in welchen Fällen es Bich immer um Primäraffekte vor Ausbruch
der Sekundärerscheinungen bandelte und dass dreimal nach der
zweiten Injektion Erbrechen ohne Fiebererscheinungen auftrat
(alle drei waren Weiber).
Aus unseren Untersuchungen gebt wohl hervor, dass die
beiden neuesten antiluetischen Mittel Embarin und Merlusan
imstande sind, die Wassermann’sche Reaktion in einer
grossen Anzahl von Fällen im günstigen Sinne zu be¬
einflussen, welche Resultate in bezug auf die vergleichenden
Befunde bei Salvarsan and Salvarsan -f- Embarin sehr
günstige zn nennen sind, die aber anch so ziemlich den bekannten
Zahlen anderer Autoren im Durchschnitt entsprechen. Sie zeigen
aber auch, dass die Zweifel, die wir in die Untersuchungen
Furth’s gesetzt haben, nur zu berechtigt waren. Er fand in
keinem Fall eine Beeinflussung der Wassermann’schen Reaktion
durch Embarin, sowie er dem Merlusan, intern genommen, jede
Wirkung auf die Syphiliserscheinungen abspricht, welchen Be¬
funden wir auf Grund der vorliegenden Untersuchungen aof das
Entschiedenste widersprechen müssen und können.
Das Embarin hat sich in der Privatpraxis sehr gut be¬
währt und wird von uns fast als ausschliessliches Injektionsmittel
verwendet, während wir das Merlusan hauptsächlich zur kombi¬
nierten Behandlung verschreiben, wenn aus äusseren Gründen eine
andere QuecksilberbebandluDg unmöglich ist.
Zur Prophylaxe und Therapie der Geschlechts¬
krankheiten im Felde.
Von
Sanitätsrat Dr. P. Scharff-Stettin.
Die Aufgaben des Arztes, durch fürsorgenden Rat die Ge¬
schlechtskrankheiten möglichst za verhüten und einmal geschehenes
Uebel möglichst schnell und sicher zu beseitigen, gewinnt unter
den ganz besonderen Verhältnissen, wie sie der Felddienst mit
sich bringt, ein ganz neues Aussehen. Der Krieg erfordert vor
allen Dingen ein schlagkräftiges Heer, deshalb spielt die Pro¬
phylaxe für dasselbe eine hervorragende Rolle. Natürlich können
im Felde keine ärztlichen Vorträge mehr gehalten werden. M& n
muss sich darauf beschränken, die Mannschaften unter Androhung
strenger Bestrafung dazu anzuhalten, sich 3 Tage nach jedem
Geschlechtsakte dem Arzt vorzustellen. Gleichzeitig muss aller¬
dings die Furcht der Mannschaft, für die Acquisition einer der¬
artigen Erkrankung Strafe erwarten zu müssen, vollständig be¬
seitigt werden. Wird solches Verfahren durchgesetzt, so kann jede
Gonorrhöe sofort in den mittels Platinöse aus der Fossa na?i-
cularis entnommenen Schleimfädchen mikroskopisch erkannt und
durch einen einzigen therapeutischen Akt so gut wie sicher im
Keime erstickt werden. Ein erprobtes Abortiv verfahren besteht
1) Matzenauer-Buchtala, W.m.W., 1913, Nr. 38 u. 39.
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16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1817
in der Irrigatorausspülung der Pars anterior urethrae vermittels
einer warmen Lösung von Arg. nitr. 1,0:600,0 und nachfolgender
mittels kleiner stumpfer Spritze applizierten Injektion von 5,0
einer 5proz. Arg.-Lösung. Diese hält man etwa 30 Sekunden
zurück, dann kann man sicher sein, auch auf die am tiefsten
getroffene Fossa navicularis und die dahinter liegenden Schleim¬
hautpartien hinreichend epithelzerstörend eingewirkt zu haben.
Die Fallhöhe der Irrigation sei etwa 1 m; gleichzeitig muss der
Patient angewiesen werden, während der Dauer der Irrigation die
Hinterbacken fest zusammenzupressen, um durch den so erzeugten
Schluss des Compressors ein Ueberlaufen der Flüssigkeit in die
Posterior zu verhüten. Lassen die Umstände eine mikroskopische
Feststellung der Diagnose nicht zu und ist mikroskopisch nur ein
kleiner Scbleimfluor zu beobachten, so ist es gut, den betreffenden
Patienten zu fragen, ob der Ausfluss wirklich erst am dritten
Tage post coitum aufgetreten sei. Gibt er an, dass der¬
selbe schon am Morgen nach dem suspecten Coitus aufgetreten
sei, und dass er schon seit längerer Zeit hier und da einen
solchen Schleimfluss, der aber nie in ein continuierliches Laufen
ausartete, beobachtet habe, so besteht der Verdacht, dass ledig¬
lich eine Urethritis simplex symptomatica vorliegt, eine für das
Vorhandensein eines in der Urethra posterior bestehenden Reizungs¬
zustandes symptomatische Entzündung, wie solche nach lange
geübter Masturbation und Coitus interruptus häufig aufzotreten
pflegt. Schon eine einfache Pollution ist dann von einem er¬
neuten Auftreten eines rein schleimigen, nur manchmal von einem
aus Epithel len und ganz vereinzelten Leukocyten bestehenden Aus¬
flosse gefolgt. Jedenfalls schadet auch im Zweifelsfalle die Vor¬
nahme des oben geschilderten Abortivverfahrens durchaus nicht.
Zweckmässig wird man vorher und nachher eine Spritze von
etwa 8 ccm einer lproz. Cocainlösung applizieren. Zur Nach¬
behandlung gibt man dem Patienten Capsulae 01. ligni Santali
und Natrium bicarbonicum. Von letzterem sind zur Alkalisierung
des Harnes 3mal täglich Va—1 Teelöffel auf ein Glas Zucker¬
oder gewöhnlichen Wassers zu nehmen. Der durch die Abortiy-
reizung gesetzte Reizzustand — ein wenig Blut, das eventuell in
den ersten Tagen sich beim Urinieren zeigen kann, hat nichts zu
bedeuten — klingt unter solcher Behandlung in weiteren 5 bis
6 Tagen wieder ab. Der Soldat bleibt während der ganzen Zeit aber
dienstfähig. Zur Vorsicht verbiete man absolut den Alkoholgenuss
bis zur Entlassung aus der ärztlichen Behandlung. War die eine
Vorbedingung für das Gelingen der Abortivkur die genaue Ein¬
haltung des dritten, höchstens Anfang des vierten Tages post coitum,
an welchem sich zuerst eine Spur des schleimigen, nicht eitrigen
gonokokkenhaltigen Ausflusses zeigte, so ist die zweite die, dass
in dieser Incubationszeit der ersten 3 Tage kein zweiter Coitus,
kein Excess in baccho stattgefunden haben darf, auch keine be¬
sonders grosse Anstrengung, keine andauernd kalten Füsse. Bei
den meisten Individuen genügt eines dieser erwähnten Momente,
um die Infektion sofort auf die Prostata übergreifen zu lassen.
Deshalb empfiehlt es sich, vor Beginn des Abortivverfahrens die
Drüse vom Rectum, wenigstens auf Schmerzhaftigkeit hin, die
Verdacht erregen und zur mikroskopischen Untersuchung des ex-
primierten Sekrets auffordern muss, zu palpieren. Kernchromo-
philie der gefundenen Leukocyten spricht sicher für Prostatitis.
Somit hätten wir nun 8 Bedingungen für die Abortivkur:
1. den richtigen Zeitpunkt, die weitaus wichtigste, 2. schleimigen
Ausfluss mit Gonokokken, 3. die Abwesenheit von Schmerzhaftig¬
keit der Prostata, wozu sich als 4. noch die Klarheit der ersten
Harnportion gesellen muss. Man lässt durch den ersten Harnstrahl
ein einfaches Wasserglas zur Hälfte füllen, dann ein zweites Glas
ebenso, in welchem höchstens einige Schleimfädchen schwimmen
dürfen. Vollständige Unklarheit der ersten Harnportion ist Contra¬
indikation.
Die Prognose für das Gelingen ist eine gleich gute für den erst¬
maligen wie für einen zum wiederholten Male acquirierten Tripper.
Auch eine misslungene Abortivbehandlung hat keine bösen
Folgen. Man fängt dann sofort an weiter zu behandeln, wie man
cs bei jedem Tripper älteren Datums auch tun würde. Ist der
richtige Termin für eine Abortivbehandlung schon verpasst, so
tritt die gewöhnliche Behandlung mit den sogenannten spezifischen
Silberpräparaten und antiseptischen Lösungen ein, von denen sich
etwa folgende Reihenfolge bewähren dürfte:
Protargoli 1,0 ad 200,0, Sol. Ichtbargani 0,1 : 300,0.
Protargol 1,0, Albargani 0,3 ad 200; daneben immer
Gapsul. OJ. ligni Santali a 0,5 innerlich. 3 mal täglich 2 Stück.
Ein sonst zweckmässiger Ersatz von Wasser, Tee und Kakao
durch einen von dem Patienten selbst herzustellendes Infus von i
Fol. Sennae sine resina 10,0
Fol. uv. Ursi 100,0
Flores Tiliae ad 200,0.
D. S. 3 mal täglich von 1 gehäuften Teelöffel V 2 Liter Tee (10 Mi¬
nuten ziehen lassen) zu kochen, ist, wenn irgendmöglicb, dringend an-
zuraten.
Sehr zu empfehlen ist etwa von der dritten Woche an die
seit 30 Jahren erprobte Formel Unna's:
Zinci sulfocarbolioi 1,0
Resorcini resublimati alhissimi 4,0
Aq. destill. ad 200,0.
Unna lässt diese Lösung von Anfang an benutzen und zwar
nicht allein 3 mal täglich, sondern auch 2—3 mal nächtlicherweise.
Diese Lösung kommt in baktericidem Werte dem Sublimat un¬
gefähr gleich, ist dabei reizlos; ich kann sie auf Grund 24 jähriger
Erfahrung dringend empfehlen.
Da die Verhältnisse eines Winterfeldzuges durch die Gefahr
der kalten Füsse nur zu leicht den Uebergaug der Entzündung
auf die Posterior und Blase, wie die Adnexe hervorrufen, wird es
sich empfehlen, dieser Komplikation von vornherein entgegen¬
zuarbeiten, indem man gleichzeitig mit dem Beginne der Injektion
prophylaktisch die von Unna und seinen Schülern in erster Linie
als wirksamst erkannten sogenannten Cystitismixtur, bestehend aus
Kalii chlorici 5,0
Natrii salieyl. 10,0
Aq. dest. ad 200,0
dreimal täglich, bei schon eingetretener Trübung der ersten
Harnportion aber 5 mal täglich, 1 Esslöffel auf 1 Glas Wasser
nehmen lässt.
Bestehen Tenesmen oder tritt gar terminale Blutung auf, so
kann man dieser Mixtur bequem Tinct. Belladonna 10,0, Tinct.
Opii simplicis 6,0, resp. Extr. Belladonna 0,15 oder Opii puri
0,3 zufügen.
Soldaten, die unter Einwirkung eines Opiates stehen, sind
aber unfähig, etwa auf Vorposten zu stehen, deshalb dürfte es
besser sein, gegen Tenesmen Snppositorien zu geben von
Atropin 0,0005
Icbthyoli Ammon. 0,1
01. Caoao ges. pro dosi 3 mal täglich 1 Suppositorium,
die gleichzeitig durch den Ichthyolgehalt günstig auf die fast
immer in diesen Fällen schon vorhandene Prostatitis einwirken.
Einfache chronische Gonorrhoe der Pars anterior wird ambulant
behandelt werden können mit den gleichen Mitteln zur Injektion
wie die akute, nur mit dem Unterschiede, dass man die Konzen¬
tration der Injektionen etwas verstärkt. Chronische Gonorrhoe
der Pars anterior kann man, da so gut wie immer chronische
Prostatitis mit ihr verbunden ist, vielfach so lange mit Ichthyol-
Atropin- Suppositorien hinhalten, bis die Zeit es erlaubt, mit
Massage und grossen Spülungen durch den ganzen Tractus uro-
genitalis dem Uebel vom Grund aus zu begegnen. Solche Total¬
irrigationen durch die ganze Harnröhre bis in die Blase hinein
werden am reizlosesten ohne Katheter gemacht. Nachdem man
mit einigen kurzen Spritzen die Anterior gereinigt hat, lässt man
den Patienten den Mnnd öffnen, nm hierdurch eine Entspannung
des Kompressors zn bewirken und drückt nun unter sanfter
Stempelbewegung, Dicht brüsk und gewaltsam, den Inhalt der
mit einem weichen konischen Gummiansatz armierten Spritze
durch die Urethra in die Blase. Am besten ist es jedoch, zehn
Minuten vorher den Kompressor durch eine Füllung der Anterior
mittels einer 1 proz. Kokainlösung zu erschlaffen. Als Spül¬
flüssigkeit dienen am besten hellweinrote Lösungen von Kalium
hypermanganicum in abgekochtem, lauwarmem Wasser. Besteht
eine Cystitis mit häufigem, unwiderstehlichem Tenesmus, Schmerzen
vor und besonders nach dem Harnen, so ist der Patient unbedingt
in das Lazarett zu überführen. Milchdiät, wenn angängig heisse
42—43gradige Sitzbäder von 1 Stunde, dann Fol. Uv. ursi,
Flores Tiliae, ana in Infusen mit eventuellem Zusatze von Fol.
SenDae sine resina bei verstopfender Wirkung werden in erster
Linie in Anwendung kommen müssen. Von dem genannten Tee
muss täglich eine Menge von 2 Esslöffeln trockener Blätter auf
l 1 /2 Liter Wasser verbraucht werden. Zu gleicher Zeit empfiehlt
es sieb, Capsulae 01. ligni Santali 3 mal täglich 2 ä 0,5 zu geben
und erst nach einigen Tagen die im allerakutesten Stadium bis¬
weilen reizende, dann aber schnellstens helfende Cystitismixtur
Unnae: Kalii chlorici 6,0, Natrii salicylici 10,0, Aq. ad 200,0,
3 stündlich einen Esslöffel auf ein Glas Citronen- oder gewöhn¬
lichen Wassers. Entstandene Tenesmen verlangen zuerst neben
den frühen prolongierten Sitzbädern, die auch bei Prostatitis,
Epididymitis vorzügliche Dienste tun, im Felde aber wohl viel-
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Original fru-m
UNIVERSUM OF IOWA
1818
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 46.
fach einen unerreichbaren Luxus bilden dürften, Suppositorien-
behandlung mit Extr. Beilad. 0,02, Opii pari 0,03 pro dosi. Nur
wenn die Not jeden Mann auf das äusserste im Schützengraben
verlangt, wird man dieses Ziel auch ohne Lazarettbehaudlung
allein durch Suppositorien erreichbar zu machen suchen. Aller¬
dings fallen nicht alle Bedenken dabei fort, da das Opium und
seine Derivate den Mann schläfrig und unaufmerksam machen
können. Doch dürfte dieser Gefahr zunächst die Aufregung des
Kampfes begegnen, ferner wird man dann lieber die Belladonna-
Wirkung überwiegen lassen, indem man
Atropini sulf. 0,001
Morphium muriat. 0,01
pro suppositorio,
verschreibt, wobei die Möglichkeit zu reichlichem Trinken vorhanden
sein muss wegen der manchmal auftretenden Trockenheit im Rachen.
Unumgänglich notwendig ist es, bei einer Cystitis, die sich nicht
unmittelbar an eine relativ frische Gonorrhöe anschliesst, eine
Untersuchung mit dem Explorateur Guyon, der leicht biegsamen
Knopfsonde, auf vorhandene Strikturen vorzunehmen. Ergeben
sieb solche, so muss nach Beseitigung der akuten Erscheinungen
neben den Spülungen eine Bougiekur vorgenommen werden.
Die Verwendung eines erkrankten Menschen für den Posten¬
dienst ist dagegen streng kontraindiziert.
Immer wird man in solchen Fällen individuell beurteilen
müssen, was zu tun ist. Der eine macht z. B. ein ganzes Manöver
mit trotz doppelseitiger Epididymitis, der andere fällt schon ab
bei einer Gonorrhoea anterior. Jedenfalls vermag die Energie
des Einzelnen viel.
Gegen Epididymitis ist sofort eine Spritze Arthigon zu machen,
die nach 3 Tagen zu wiederholen ist. Hochbinden des Scrotums
durch ein gutes Susponsorium nach vorheriger Einpinselung mit
lauwarmem Ichthyol, Watte und Gummipapierverband. Innerlich
Unna’sche Cystitismixtur zweistündlich einen Esslöffel. Je nach
dem Verlauf und der Schwere des Falles wird sich auch hier
über die Dienstfähigkeit eine Entscheidung treffen lassen.
Meldet sich ein mit den Bacillen des weichen venerischen
Geschwürs infizierter Soldat, so wird ein Ulcus molle am besten
mit Acid. carbol. liquef. geätzt, etwas Jodoform darauf gepulvert
und ein Bäuschchen Watte und 10 proz. Teervaseline (Oleum
cadinum 10,0, Vaselini flavi ad 100) darüber gelegt; durch letztere
Prozedur wird zugleich jeder Jodoformgeruch (der übrigens, neben¬
her bemerkt, ein gutes Ersatzmittel des Insektenpulvers dar¬
stellt) unterdrückt. Diese Prozedur wird noch zwei Tage lang
wiederholt, also im ganzen dreimal vorgeDommen. Dann kann
man dem Patienten eine 1 proz. Resorcinlösung gebeD, mit welcher
er Gaze befeuchtet und 2—3 mal täglich auf die von den Ducrey-
Unna’schen Bacillen gereinigte Wundfläche, welche jetzt zu einem
Ulcus simplex geworden ist, auflegt.
Da eine Mischinfektion mit Spirochaeta pallida niemals von
vornherein ausgeschlossen werden kann, so ist die Untersuchung
auf Spirochäten von vornherein, ehe noch irgendein therapeutischer
Eingriff unternommen wurde, sehr wünschenswert. Wo die Ver¬
hältnisse diese Untersuchung verbieten, muss der Patient wenigstens
ungehalten werden, sich eine Woche und zwei Wochen nach der
gewöhnlich in 8—10 Tagen erfolgenden Abheilung des Ulcus
molle wieder vorzustellen. Dann zeigt sich nämlich im Infektions-
falle, dass aü Stelle des abgeheilten Ulcus molle eine Induration
Platz gegriffen bat. Ist diese konstatiert, so werden 3 Salvarsan-
infusionen h 0,2—0,3 alle 3—6 Tage genügen, um diese syphi¬
litische lufektion abortiv zu beseitigen. Um eine reine Infektion
mit Lues rechtzeitig zu erkennen, muss sich ein Soldat, bei dem
die Möglichkeit zur Infektion gegeben war, in den auf den Coitus
folgenden ersten 20 Tagen, etwa am 12. und 20., zur Untersuchung
stellen.
Es ist ein Verdienst Unna’s, unter anderem darauf hinge¬
wiesen zu haben, dass es vollständig genügt, ein durch Kochen
gründlich desinfiziertes Wasser zur Herstellung der Salvarsan-
lösung zu benutzen.
Auf die Induration wird man zweckmässig ein Quecksilber-
Carbol-Guttaplastpflaster (Beiersdorf) kleben.
Kommt ein spezifischer Primäraffekt schon im ulcerösen
Stadium zur Vorstellung, so wird derselbe mit einer Salz¬
sublimatlösung (ein halber Teelöffel Salz auf eine Tasse der ge¬
wöhnlichen Sublimatlösung genügt) abgewaschen und Calomel
aufgepudert. Zu gleicher Zeit muss die Salvarsantherapie ein¬
geleitet werden, beginnend mit 0,2 (um den Patienten nicht
durch zu starke Reaktion kampfunfähig zu machen), der dann in
Abständen von je 5 Tagen noch 3 ä 0,3 zu folgen haben. Wenn
angängig, ist darauf noch eine 4 wöchige Hydrargyrumkar am
besten mit 40 pCt. 01. cinereum vorzunehmen, die der Inunbtionskur
unter den gegebenen Umständen wohl in jeder Beziehung vorzu-
ziehen ist. Dieses erprobte Medikament übertrifft das mit Un¬
recht so beliebte Hydr. salicylicum bei weitem an Intensität und
Nachhaltigkeit der Wirkung und ist ancb lange nicht so
schmerzhaft wie jenes. In Ermangelung einer besonderen Spritze
für die 01. cinereum-Injektionen füllt man ein für allemal eine
gewöhnliche Pravazspritze und infiziert jeden 4. Tag einen Teil¬
strich, von dem man der geringeren Schmerzhaftigkeit wegen
(sie ist übrigens ohnehin bei weitem geringer als diejenige der
Hyd. salicylicum Injektionen) die eine Hälfte in die linke, die
andere Hälfte in die rechte Glntäalmuskulatur injiziert. Nadel
und Spritze werden am besten mit Benzin desinfiziert, ebenso die
Haut vor dem Einstiche. Die Spritze kann unter der Voraus¬
setzung der jedesmal vor Benutzung neu erfolgenden Benzin-
reinigung in Gaze oder Watte eingewickelt transportiert werden.
Sonst ist Aufbewahrung in Paraffin, liquidum zu empfehlen. Vor
der Injektion muss das Oel erwärmt werden, indem man die
Spritze einige Augenblicke durch eine Spiritusflamme zieht.
Da erfahrungsgemäss das Feldzugsleben dem Soldaten den
Luxus des Zähneputzens nicht zu gestatten pflegt, so gibt man
demselben zweckmässig eine Tube Pebeco mit; unter Umständen
genügt der Finger an Stelle der Zahnbürste oder wohl noch
wirksamer unter den beschränkenden Umständen des Feldlebens
eine 5 proz. Acid. chromicum Lösung zu 8 mal täglichem Ge¬
brauche. So oft es angängig, soll der Patient auch die Ge¬
legenheit wahrnehmen, mit einer einfachen Kochsalzlösung (ein
Teelöffel auf ein Glas Wasser) gehörig die Mundhöhle zu spülen.
Schliesslich kann auch gelegentlich ein im Munde längere Zeit
mit dem Zahnfleisch in Berührung gehaltener Schluck Kognak,
Arac, Rum, Schnaps gute Desinfektioasdienste leisten.
Ueber die Behandlung der Durchfälle im Felde.
Von
Dr. E. Faid.
Es existiert ein Verfahren, Darchfälle ohne Anwendung von
Opiaten und ohne diätetische Einschränkungen (abgesehen von
einer Einschränkung der kalten Getränke) rasch und wirksam zu
behandeln. .
Diese Tatsache ist selbstverständlich von der grössten Wichtig¬
keit für die Behandlung der so ausserordentlich häufigen Durch¬
fälle unserer Soldaten im Felde. Da diese Therapie auch sonst
grosse Vorzüge vor allen anderen in Frage kommenden besitzt,
so muss sie in jedem Falle zu allererst versucht werden.
Da aus der Literatur über dieses Thema hervorgeht, dass sie
noch nicht allgemein bekannt ist, so stehe ich nicht, an, noch
einmal im folgenden mit allem Nachdruck für sie eiozutreten,
was ich in friedlicheren Zeitläuften gern anderen überlassen
haben würde.
Uebrigens stelle ich fest, dass die Autoren, welche sich über
das neue Verfahren überhaupt geäussert haben, ausnahmslos mit
den Erfolgen zufrieden waren, während ein Widerspruch nicht
laut geworden ist.
Es ist jetzt nicht der Moment, die theoretischen Grundlagen
des Verfahrens auseinanderzusetzen, wen diese interessieren, der
findet sie in meinen früheren Veröffentlichungen oder in derjenigen
von Henius, der über einige 40 einschlägige Beobachtungen be¬
richtet hat.
Wie bereits HeniuS erwähnt hat, bin ich dazu übergegangen,
die wirksame Substanz, das Kokain, in fester, dosierter Form xn
reichen. Die Dosis ist dreimal täglich */a e * ne Viertelstande
vor den Hauptmahlzeiten. Dies wird erreicht durch Kinnebmen
von je drei Stück der sogenannten Gelonida neurenterica,
welche mit Hilfe eines kleinen Schluckes Wassers heruntergespült
werden. Diese Tabletten sind bequem in der Tasche zu tragen,
haltbarer und leichter zu dosieren als die sonst verwendeten
Tropfen. Ausserdem gelingt es mit ihrer Hilfe leicht, die un¬
bequeme Anästhesierung der oberen Speisewege nebst Parästhesie
und Gescbmacksverlust zu verhüten und zu erreichen, dass bei
der leichten Zerfallbarkeit der Geloniden die Lösung in hoher
Konzentration an die zu beeinflussende Stelle, die Magenschleim¬
haut, gelangt. Endlich ist es kein Nachteil, dass das Kind non
einen Namen hat, noch dazn einen, der den Wirkungsmodus ziem¬
lich glücklich bezeichnet.
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Google
Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1819
Die Wirkung tritt überraschend schnell ein, oft schon nach
der ersten Dosis, gelegentlich aber auch erst am zweiten Tag.
Sicherheitshalber ist es indessen richtig, mit der Medikation drei
bis vier Tage fortzufahren. Das Aussetzen des Mittels bringt
keinerlei Störungen mit sich.
Persönlich habe ich keine Gelegenheit gehabt, das Verfahren
bei im Felde stehenden Mannschaften anzuwenden, bin jedoch
überzeugt, dass es dort ausserordentlich wirksam und willkommen
sein wird, genau wie es sich auch in den Tropen bewährt bat.
Diese Geberzeugung gründet sich auf eine ausgebreitete Er¬
fahrung in Friedenszeiten, sowie auch auf die Bitte eines Kollegen,
welcher an sich die Wohltaten dieser Behandlung gespürt und
sie darauf anderen bat angedeihen lassen, um Ueberlassung einer
Anzahl von Röhrchen an die Apotheke seines Regiments. Da die
Fälle von anderer Seite zur Publikation vorgesehen sind, so gebe
ich kein Detail.
Bei einem aus dem Felde zurückgekehrten Kollegen habe ich
binnen 24 Stunden Durchfälle zum Stehen bringen können, welche
seit einer Woche in der Anzahl von sieben im Tage bestanden
hatten. Der betreffende Herr hatte Temperaturen von 38°, Milz¬
schwellung und positiven Widal. Ein Typhus war es trotzdem
nicht, wurde auch von mir nicht dafür gehalten: die Temperatur
und wohl auth der Milztumor erklärte sich aus einem pararektalen
Abscess, der Widal aus einem früher durchgemachten Typhus.
Vergleiche ich mit der von mir eingeführten Therapie durch
Anästhesie der Magenschleimhaut die sonst jetzt empfohlenen, so
muss ich sagen, es gibt kaum eine Zeit, wo diätetische Berau¬
bungen weniger am Platze sind als während eines Feldzuges — man
soll froh sein, weno die Diarrhoiker etwas zu essen haben. Die
Adsorptionsbebandlung ist wegen der Bindung der Salzsäure und
der Fermente durchaus nicht indifferent, ganz abgesehen von den
Massen, die die Kranken mitschleppen und schlucken müssen
(vgl. Stumpf).
Was die Kur bei echter Dysenterie leistet, weiss ich nicht,
hoffe es aber im Verlauf meiner Tätigkeit am Reservelazarett auf
dem Tempelhofer Felde zu erfahren. Die grosse, überwiegende
Mehrzahl der Durchfälle im Felde ist aber glücklicherweise, wie
ich im Gegensatz zu den Ausführungen eines bekannten Bakterio¬
logen in den Fortbildungsvorträgen hervorheben muss, nicht in¬
fektiöser Natur, und die Gefechtsfähigkeit solcher Patienten wird
bestimmt durch kein anderes Verfahren so gut erhalten bzw.
wieder hergestellt, wie durch die Anästhesiebehandlung, auf welche
daher nachdrücklich hingewiesen sei 1 ).
BQcherbesprechungen.
A. Baemeister: Die Entstehung der menschlichen Lnngenphthise.
Berlin 1914, Julius Springer. 80 S.
Verf. bezweckte in der vorliegenden Broschüre eine zusammenfassende
Darstellung der ganzen Entstehungsgeschichte der menschlichen Phthise
nach unseren heutigen Kenntnissen und Erfahrungen zu geben. Nur um
die typische Lungenphthise handelt es sich bei seinen Ausführungen.
Der alte begrenzte Begriff der tuberkulösen Lungenschwindsucht, der in
der Lungenspitze beginnt und sich chronisch weiter entwickelt, wird
nicht nur von Laien, sondern auch in ärztlichen Fachkreisen häufig durch
das Wort Lungentuberkulose ersetzt. Dadurch ist eine gewisse Ver¬
wirrung in der Bezeichnung differenter Krankheitsbilder entstanden. Die
Manifestationen des Tuberkelbacillus in der Lunge sind sehr vielseitig.
Es ist das Verdienst v. Hansemann’s, die chronische stets in der
Spitze beginnende und sioh nach unten ausbreitende Volkskrankheit der
Erwachsenen als „Lnngenphthise“ von den Formen akut verlaufender
„Lungentuberkulose“ und den „Atypischen Phthisen“ scharf getrennt zu
haben. Verf. beschäftigt sioh aber in seiner Abhandlung nur mit der
typischen chronischen Phthise, ihrer Genese, welche er in ihren ätiolo¬
gischen Ursachen, in ihrem Charakter und ihrem Sitz verfolgt. Auf
Grund eigener Anschauungen und Erfahrungen zeichnet Baemeister,
dessen eifrige und tätige Mitarbeit in der Tuberkuloseforscbung bekannt
ist, die Grundlinien, aus denen sich die Entstehungsgeschichte der Phthise
ergibt. Dem 1. Kapitel „Die Tuberkelbacillen und ihr Eindringen in
1) Anmerkung bei der Korrektur. Soeben erfahre ich von
drei Patienten, bei welchen mit Fieber einhergehende heftige Durchfälle
nebst Blutabgängen durch eine einzige Dosis in der oben angegebenen
Höhe „wie abgeschnitten waren“, dies der Ausdruck eines der Patienten,
welcher von dem östlichen Kriegsschauplatz zurückgekebrt ist. Auch
die fünf Falle von Durchfall, welche ich mit dem ersten Verwundeten¬
transport zur Behandlung erhielt, reagierten ganz ebenso prompt auf das
Mittel, von welchem sie infolge eines Missverständnisses nur eine Dosis
erhalten hatten.
die Lungenspitzen“ folgt „Die Bedeutung der tuberkulösen Infektion im
Kindesalter für die Entstehung der Phthise“.
Der dritte Abschnitt „Die Bedeutung der Disposition für die Ent¬
stehung der Lungenphthise“ beschliesst die übersichtlich geschriebene
Broschüre, deren klare Darstellung auch dem der Tuberkuloseforschung
Fernstehenden Anregung und Nutzen gewähren dürfte.
Lydia Rabinowitsch.
Jahrbuch für psychoanalytische and psychopathologische For¬
schungen. Herausgeg. von E. Bleuler und S. Freud, redigiert von
C. 6 . Jung. V. Bd., II. Hälfte. Leipzig u. Wien 1913, Franz Deuticke.
Die den V. Band des Bleuler-Freud-Jung’schen „Jahrbuches für
psychoanalytische und psychopathologische Forschungen“ abschliessende
II. Hälfte enthält folgende Aufsätze: Mensendieck, Zur Technik des
Unterrichts und der Erziehung während der psychoanalytischen Behand¬
lung; Sadger, Die Psychoanalyse eines Autoerotikers; Marcinowski,
Die Heilung eines schweren Falles von Asthma durch Psychoanalyse;
Weiss fei d, Freud’s Psychologie als eine Transformationstheorie;
Maeder, Ueber das Traumproblem; Bjerre, Bewusstsein contra Unbe¬
wusstsein: Lang, Ueber Associationsversuche bei Schizophrenen und den
Mitgliedern ihrer Familie. Am Schluss des Bandes teilen Bleuler und
Jung ihren Rücktritt als Herausgeber bzw. Redakteur mit. Der nächste
Band wird als „Jahrbuch der Psychoanalyse* unter Freud’s Leitung
von K. Abraham und E. Hitschmann redigiert erscheinen.
v. Schrenck-Notzing: Der Kampf um die Materialisationsphänomene.
Eine Verteidigungsschrift. Mit 20 Abbildungen und S Tafeln.
München 1914, Ernst Reinhardt. 147 S. Preis 1,60 M.
Das im vorigen Jahr erschienene Buch v. Schrenck-Notzing’s
„Materialisationsphänomene“ hat sehr viele Gegner gefunden. Literarisch
sind aber nur wenige an die Oeffentlichkeit getreten und ausführlicher
nur zwei. Gegen diese hauptsächlich und ganz im allgemeinen gegen
die „Ruminationshypotbese“ wendet sich der Verf. ausführlich in der
obengenannton Verteidigungsschrift, ebenso gegen die viel besprochene
Annahme, ein Teil der bildartigen Materialisationen seines Mediums ent¬
spreche Reproduktionen aus der französischen Zeitschrift „Le Miroir“.
Verf. versucht zu zeigen, dass seine Gegner in Wirklichkeit nichts bewiesen,
nichts erklärt, vor allem keinerlei Betrug seines Mediums aufgedeckt haben,
und dass sie sieb in ihrer Gegenbeweisführung schwere Fehler zuschulden
kommen Hessen. Er deduciert weiter, dass für den an den Sitzungen
nicht Beteiligten, für den auf diesem Gebiet nicht praktisch Erfahrenen
eine wirkliche Kritik über die Materialisationspbänomene so gut wie uft-'
möglich, und dass auch dem Skeptiker nur ein „Non liquet“ erlaubt sei.
Die in dem angegriffenen Werk „Materialisationsphänomene“ publizierten
Feststellungen erhält er in vollem UmfaDge aufrecht und nimmt niohts
davon zurück.
Gustav Harter: Das Rätsel der denkenden Tiere. Wien u. Leipzig
1914, Wilhelm Braumüller. 76 S. Preis 1,40 M.
Es ist an der Zeit, dass sich denkende Menschen dem „Rätsel der
denkenden Tiere“ zuwenden. Denn die Verwirrung, welche die Elber-
felder Pferde und der Mannheimer Hund bei der Gattung Homo sapiens
anzurichten beginnen, ist sehr gross. Gegen diesen uns verwirrenden
Tierverstand hilft vielleicht nur gesunder Menschenverstand. Kritische
Ueberlegung und Selbstbesinnung sollten schon genügen, um den Menschen
gegen die „übermenschliche“ Intelligenz dieser Vierfüssler skeptisch zu
machen, selbst wenn wissenschaftliche Erklärungen jener Tatsachen noch
ausstehen oder nicht befriedigen. Die vorliegende Arbeit von G. Harter-
Wien versucht in durchaus plausibler Weise eine solche wissenschaftliche
Erklärung des „Rätsels der denkenden Tiere“ durch die Wirkung des
menschlichen Unterbewusstseins und der aussersinnlieben Gedankenüber¬
tragung (Telepathie) auf das Versuchstier, welches lediglich dem klopfenden
Tisch der Spiritisten entspreche. Danach sind alle Produktionen jener
Pferde usw. nur Spiegelungen menschlichen Wissens, nicht Ausdruck
tierischen Könnens. Die „Offenbarungen der Tierseele sind nur das Echo
der eigenen Gedanken, das uns aus den rhythmischen Tritten der
denkenden Tiere entgegenschallt“. Dies gilt auch für die fabelhaften
Rechenaufgaben und alle frappanten Leistungen der Tiere, Leistungen,
von denen das Oberbewusstsein des Experimentators keine Ahnung bat.
Der Erklärungsversuch Harter’s erscheint uns wohl plausibel, und
er befriedigt jedenfalls mehr als alle anderen bisher gehörten Theorien,
besonders mehr als diejenigen der Anhänger Krall’s. Die Formulierung
der möglichen Einwäude kann man ruhig den Krallisten überlassen und
sich vorläufig damit begnügen, dass der Verf. die allgemeine Skepsis
gegenüber der Deutung jener gewiss neuen Tatsachen (durch Krall und
seine Anhänger) sehr anerkennenswert weiter fundiert hat. Die Schrift,
ebenso anregend wie aktuell, verteidigt gleichzeitig die Wichtigkeit der
Funktion des Unterbewusstseins und der Telepathie. W. Sei ff er.
Literatur-Auszüge.
Therapie.
Grossmann-Charlottenburg: Seknndärstrablen und Sekundär¬
strahlentherapie. (Fortschr. d. Röutgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. bespricht
zunächst die physikalischen Eigenschaften der Sekundärstrahlen und die
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1820
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Nr. 46.
Gesetze der Absorption der Röntgenstrahlen. Er erwähnt die zerstreuten
Strahlen, deren physikalische Eigenschaften denjenigen der Primärstrahlen
gleichkommen, die charakteristischen der E’luorescenz-Röntgenstrahlen,
die ein für den bestrahlten Körper charakteristisches Penetrationsver¬
mögen besitzen, ferner die /9-Strahlen. Dann lässt er sich über die Ent¬
stehung der Sekundärstrahlen und die physiologische Wirkung der Röntgen¬
strahlen aus. Darauf werden vom physikalischen Standpunkt aus die
Fragen erörtert, ob in tiefliegenden Organen mittels Sekundärstrahlen
eine nennenswerte therapeutische Wirkung erzielt werden kann, und
welche Stoffe sich hierzu am besten eignen. Es erfolgt Besprechung der
massiven Sekundärstrahlensender und der in Form feinverteilter Massen.
Verf. sagt, dass in der Tiefentherapie als Stoffe für massive Sekundär¬
strahlensender nur die schweren Elemente in Betracht kommen (Angabe
der Elemente), dass ferner bezüglich der Sekundärstrahlensender in Form
feinverteilter Massen die Wirkung der colloidalen Stoffe lediglich in einer
solchen der von ihnen ausgehenden ^-Strahlung besteht und nennens*
werte therapeutische Wirkungen sich vermutlich damit nicht erzielen
lassen. Will man mit Sekundärstrahlen in den Körper injizierter Stoffe
therapeutische Wirkungen hervorbringen, so muss man sie in Form von
Suspensionen anwenden, deren Teilchen Durchmesser von einigen fi haben.
Schönfeld-Wien: Tiefentherapie mit dem Hochspannnngsgleich-
riehter. (Fortsohr. d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. trachtete den
Hoohspannungsgleichrichter so einzurichteD, dass er den Bedingungen,
die ihn für die Tiefentherapie geeignet machten, wohl entspricht, die
Nachteile der Induktorapparate nicht besitzt, dabei aber seine universelle
Anwendungsmöglichkeit nicht verliert. Dies gelang. Schilderung des Vor¬
gehens. Mit dieser Einrichtung kann man bei gleicher Oberflächendosis
bei der erforderlichen Betriebsweise mit 25 Stromimpulsen die dreifache
Tiefendosis gegenüber normalem Betrieb mit 50 Impulsen erhalten. Die
Zeitersparnis zur Erzielung derselben Oberfläcbendosis bei gleicher
Röhrenbelastung beträgt ausserdem unter 3 mm Aluminiumfilter noch
20 pCt. Der Betrieb ist ruhig und gleicbmässig, und die Röhren halten
sich gut. Dasselbe Prinzip wurde bei einem Apparat dazu verwendet,
um 2 Röhren gleichzeitig zwecks Tiefentherapie zu betreiben.
Rieder: Zur Röntgentherapie der bösartigen Nenbildnngen.
(Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 22, fl. 4.) Mitteilungen von zwei Fällen
(myelogenes Sarkom des Humeruskopfes und Carcinoma ventriculi der
Pars media), welche unter Anwendung stark gefilterter, harter Röntgen¬
strahlen günstig beeinflusst wurden. Auftretende Recidive werden ver¬
hütet durch prophylaktische Nachbestrahlungen.
Schnütgen-Arco.
K. Unna-Hamburg: Die Entfernung des Franenbarteg. (M.m.W.,
1914, Nr. 44.) Die angegebene Methode setzt sich aus zwei Faktoren
zusammen: 1. Entfärben der Haare durch Natronsuperoxydseife (Per-
natrolseife). 2. Polieren der Haare mit einem Polierstein, der für diese
Zwecke auf Anregung von Unna sen. hergestellt wird und durch die
Schwanapotheke in Hamburg bezogen werden kann. Einzelheiten müssen
im Original nachgelesen werden.
H. Epstein-Prag: Foligan „Henning“. (D.m.W., 1914. No. 43.)
Das Präparat ist hergestellt aus Orangeblättern, die eine sedative Wir¬
kung ausüben. Dünner.
Schmidt-Berlin: Zur Dosierung in der Röntgentherapie. (Fortschr.
d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Das Quantimeter von Kienböck zeigt meist
grössere Dosen an als das Radiometer von Sabouraud-Moirö. Aus zehn¬
jähriger Erfahrung kann Verf. sagen, dass das richtige Radiometer,
welches wirklich eine Oberflächendosis misst, das Sabouraud-Moirö’sche
ist. Verf. hat das auch durch Versuche festgestellt. Seit er dieses zur
Aicbung seiner Röhren verwendet, hat er eine Verbrennung nicht mehr
erlebt. Dosieren kann man sowohl bei mittelweicher unfiltrierter, als
auch bei harter filtrierter Strahlung; diese Dosis muss immer etwas
unter der Erythemdosis liegen. Das Radiometer müsste noch bei einer
konstanten Lichtquelle abgelesen werden, die das Tageslicht ersetzt
(50kerzige Osramlampe mit Blauglasfilter von bestimmter Dicke und
Färbung. _ Schnütgen-Arco.
Innere Medizin.
F. Schotten-Mainz: Tödliche Filixvergiftnng bei einem klinisch
latenten Morbus Addisonii. (M.m.W., 1914, Nr. 44.) Es handelt sich
bei dem mitgeteilten Fall um die Kombination des Filixextraktes mit
Ricinusöl, vor der in der Literatur schon verschiedentlich gewarnt
wurde. Verf. fordert daher, dass aus dem „Helfenberg’schen Mittel“
das Ricinusöl ein für allemal entfernt wird. In dem speziellen Fall
fand sich bei der Autopsie die schon in vivo vermutete Addison’sche
Krankheit. Immerhin hatte die Patientin bis zur Vergiftung noch
arbeiten können, so dass Verf. geneigt ist, die Frage, ob ein Zusammen¬
hang zwischen Tod und Vergiftung besteht, zu bejahen. Dünner.
Kinderheilkunde.
H. Opitz-Breslau: Ueber Wachstum und Entwickelung unter¬
gewichtiger ausgetrageuer Neugeborener. (Mschr. f. Kindhlk., 1914,
Bd. 18, H. 9.) Verf. berichtet über die Entwickelung von 73 unter¬
gewichtigen ausgetragenen Kindern. Weder spielten erbliche Belastungs¬
momente wie Krankheiten der Eltern, noch besondere Kleinheit derselben
eine bemerkenswerte Rolle. Die Mehrzahl der Kinder wies eine, dem
Normalgewichtigen parallele, Wachstumskurve auf, manche erzielten sogar
ein Wacbstumsplus, näherten sioh also im Laufe der Zeit der Norm.
Ein Drittel blieb in beiden Wachstumsqualitaten zurück. Die körper¬
liche und geistige Entwickelung schien sich wie beim normalen Kind so
verhalten. Ueber Rachitis liess sich Sicheres nicht sagen. Mehr als bei
normalen Kindern scheinen vorzukommen: exsudative Diathese und Er¬
nährungsstörungen, die aber milde verliefen, da die Mortalität nicht er¬
heblich grösser zu sein schien als für Normalgewichtige.
E. Lövegren-Helsingfors: Weitere Blntbefunde bei Meinem neo¬
natorum. (Jb. f. Kindhlk., Bd. 79, H. 6, S. 700.) Weitere Beispiele
für die Ansicht des Verf.’s, dass die Melaena neonatorum eine Störung
in der Funktion des Blutes sei. ln einem Fall war die Koagulation
des Blutes während der Blutung verlängert. Die Erythrocyten zeigten
keine Rollenbildung, sehr früh traten verschieden grosse Stechapfelformen
auf. Beide Erscheinungen schwanden nach Aufhörea der Blutung.
A. Book mann-New York: Der Stoffwechsel bei Osteogenesis imper¬
fecta mit besonderer Berücksichtigung des Kalkumsatces. (Mschr. f.
Kindblk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Die mangelnde Calciumretention, die
in aktiven Fällen besteht, wird anscheinend günstig durch Phosphor-
lebertran und noch stärker durch Caloiumlactat beeinflusst.
Hans Bernhardt.
H.Schridde-Dortmund: Der angeborene Status thymo lymphatieis.
(M.m.W., 1914, Nr. 44 ) Um die Frage zu entscheiden, ob es einen ange¬
borenen Status thymo-lymphaticus gibt, stellte Verf. an einer grossen Zahl
Neugeborener Untersuchungen an, um Normalbefunde zu eruieren. Aus
dem Rahmen des von ihm konstatierten Physiologischen fieleh einige heraus.
Es handelte sich um sehr grosse Kinder, die eine starke Ausbildung
des Unterhautfettgewebes und zum Teil eine auffallend zarte Haut
batten. Der Thymus war bei ihnen wesentlich schwerer als üblich (bis
zu 26 g) und bot mikroskopisch Markbyperplasie. In der Milz waren die
Lymphknötchen deutlich erkennbar. Zweimal waren im Darme auch
Lymphknötchen. Die Untersuchungen erweisen also einen angeborenen
Status thymo-lymphatious. Interessant ist, dass es sich in einem Fall
um einen hereditären Status thymo-lymphaticus handelte, den die
gleichzeitig sezierte, an Eklampsie verstorbene Mutter auch hatte.
* 6 Dünner.
M. Masslow-Petersburg: Ueber Veränderungen der Aturnngsknrvei
bei Kindern mit spasmophilen Symptomen unter dem Einfluss von
äusseren Reizen und die Bedeutung dieser Veränderungen für die Dia¬
gnose der latenten Tetanie. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 2.)
Verf. erhielt bei spasmophilen Kindern auf geringfügige Reize charakte¬
ristische Kurven mit Apnoe in der Ja- und Exspiration (bei gesunden
Kontroilkindern erhielt er Atmungsausschläge ohne Pausen bei In- und
Exspiration). Dieselben Kurven erhielt er bei Fällen, bei denen nur das
Erb’sche Phänomen bestand und bei mehreren Kindern mit normaler
elektrischer Erregbarkeit, die erst im Verlauf von Infekten nach einigen
Wochen übererregbar wurden.
J. P eis er: Zur Therapie des Pylorospasmus bei Säuglingen.
(Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Erfolge bei Pylorospasmen
durch systematische Sondenernährung (Ammenmilch -f- 1—2 pCt. Narr,
bicarb.). Erbrechen trat nur vereinzelt auf und Heilung trat ein ohne
Körpergewichtsverluste.
E. Freudenberg-Heidelberg: Beitrag zur Frage des Barlowschntl-
Stoffes. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Erfolgreiche Behand¬
lung zweier Kinder mit Barlow’scher Krankheit mit alkoholischem Ruben-
extrakt. (10 kg gelbe feingeschabte Rüben mit 10 Liter 96 proz. Alkohol
übergossen. 12 Stunden maschinell geschüttelt. 8 Tage stehen gelassen.
Kotierung des Auszugs und Abdestillieren des Alkohols.)
G. van ’tHoff-Berlin: Diphtheriebacillenträger. (Mschr. f.
Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Untersuchungen auf Diphtheriebacillen-
träger bei Kindern der Heubnerischen Klinik, die von dort klinisch ge¬
heilt entlassen waren. Verf. fand weniger als 5 Monate nach der bot-
lassung fast immer noch Bacillen. Doch fand er auch noch welche nacn
7 bis zu 10 Monaten. Fast alle Kinder sind also 5 Monate Baculen-
träger.
R. Weigert-Breslau: Kasuistische Beiträge zur VerbreitUDgfcWflM
des Scharlachs. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 3.) Zwei Bei¬
spiele, die die wichtige Tatsache betonen, wie lange das Scharlacbgift an
Gegenständen virulent bleiben kann. In einem Fall infizierten
Kinder in einem jahrelaeg von Scharlach freigebliebenen Orte dadurch,
dass sie in einem Kinderwagen lagen, in dem vor 8 Jahren ein Kmd an
schwerem Soharlach gelegen hatte.
R. Weigert-Breslau: Ein Fall von Meningocolc, eine seltene Kol-
plikation des Keuchhustens. (Mschr. f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. i-i
Im Verlauf eines Keuohhustens im 4.-5. Lebensmonat entstand eine
fast die ganze Stirnfontanelle ausfüllende fast haselnussgrosse Geschwulst:
eine Meningocele. Schwinden bei Fontanellenverkleinerung im späteren
Alter. Hans Bernhardt
Chirurgie.
v. d. Porten: Narkosennaskc für Operationen in Bauchlage. (ZW.
f. Chir., 1914, Nr. 29.) Die Sudeck’sche Ventilmaske wurde in sinn¬
reicher Weise modifiziert, indem Mundstück und Tupferhalter aus ihrer
Verbindung gelöst und durch* einen 30 cm langen Schlauch verbunden
wurden. So wird es ermöglicht, dass das Mundstück am Kopf «es
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16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1821
Patienten befestigt wird, während der Tupferhalter abseits auf einem
kleinen Tisoh bedient werden kann.
Frank- Kasehau: Die Desinfektion der Haut mit Sterolin bcw.
Jod-Sterolin. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 80.) In 270 Fällen konnten mit
einem zweimaligen Sterolinanstrich die besten aseptischen Resultate er¬
zielt werden. Das Mittel eignet sich auoh vorzüglich für die Desinfektion
der Hände des Operateurs. Die Zusammensetzung ist folgende: Balsam
peruv. 4,0, 01. rioini 2,0, Terebinth. 2,0, Glycerini 1,0, Spirit, vini
ad 100,0.’
Mombürg: Anskochbwe Messer. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 32.)
Messer aus Chrom-Wolframstahl vertragen das Auskochen 10—12 mal,
ohne stumpf zu werden.
Lüken: üeber Trikotsehlaneh-MastisoI Extensionsverbände. (Zbl.
f. Chir., 1914, Nr. 31.) Eine ausgezeichnete Methode, deren Ref. sich
wiederholt mit bestem Erfolge bedient hat. Für die Finger bzw. Hand
werden Trikothandschuhe, für die übrige Extremität Trikotschlauch be¬
nutzt, die man mit Mastisol befestigt. Einzelheiten der Technik vgl.
Abbildungen des Originals.
R. Klapp: Besondere Formen der Extension. (Zbl. f. Chir., 1914,
Nr. 29.) K. behandelte eine frische suprakondyläre Fraktur des Arms
mit Seidenfadenextension durch die Fingerspitzen des 2.—5. Fingers und
sab mit bezug auf die Fraktur derartig günstigen Erfolg, dass er die
Beschwerden an den Fingern und einen längere Zeit bestehenden leder¬
artigen Zustand der Haut gern mit in Kauf nimmt. Dann empfiehlt K.
auf Grund seiner Erfahrungen während des Balkankrieges eine Draht¬
extension am Unterschenkel, die sich ihm an Stelle der Steinmann’sohen
Nagelextension gut bewährt hat.
Nussbaum: Ein billiges Hilfsmittel zur Redression kindlieber
Klnmpfösse. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 29.) Beim Redressement wird
der Fuss über einen etwa 15 cm langen, cylindrischen, mit Watte um¬
wickelten Holzstab (Besenstiel) gehebelt.
Gelinsky: Die Drahtextension an Caleanens. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 34.) Der Ansatz der Achillessehne wird durchbohrt und der
Draht mit einem Fussbrettchen, welches am Yorderfuss durch Heftpflaster
fixiert ist, in Verbindung gebracht. Auf diese Art kann der Zug am
Calcaneus und dem Vorderfuss gleichzeitig angreifen.
Hans: Zur Operationsteebnik der doppelseitigen Hasenseharte.
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 33.) Neue Methode zur operativen Beseitigung
der doppelseitigen Hasenscharte, die von dem meist sehr beweglichen
Hautteil des Zwischenkiefers Gebrauch macht. Hierdurch soll das doggen-
massige Aussehen der Nase der anderen Verfahren vermieden werden.
Helbing: Zur Frage des Heftpflasterverbandes bei Hasenseharten¬
operationen. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 34.) Die auch nach Ansicht des
Ref. durchaus beherzigenswerte Devise lautet: „Fort mit allen Heft¬
pflasterverbänden bei der Hasenschartenoperation!“
Matti: Zweckmässiger Verband naeh Hasensehartenoperation.
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 34.) Ablehnung des Hagemaßn’schen Verbandes
unter Empfehlung eines eigenen Verfahrens. Hay ward -Berlin.
F. Cahen - Cöln: Eine neue Methode der Transplantation bei Nerven-
defekten. (D.m.W., 1914, Nr. 43.) (Nach einer Demonstration in der
Vereinigung niederrheinisch-westfälischer Chirurgen im März 1914.) C.
deckte den 10—12 cm grossen Defekt des Ulnaris, indem er den sensiblen
N. cutaneus antibrachii medialis in der Höhe des peripheren .UInaris¬
stumpfes durchschnitt. Das centrale Ende des sensiblen Nerven wird
mittels perineuraler Naht auf das periphere Ende des Ulnaris aufgepflanzt
und das centrale Ende des Ulnaris mit einigen Nähten an den Stamm
des Cutaneus angelegt. Der Ulnaris erhielt wieder seine Funktion.
• Dünner.
Wideröe- Kristiania: Mobilisation der Bauch wand bei grossen
Ventralhernien. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 31.) Bei einer wiederholt
recidivierenden Hernie der Inguinalgegend verwendete Verf. den unteren
Abschnitt des M. rectus abdominis zur plastischen Deckung. Dieser
Muskel und der M. pyramidalis werden samt dem Periost von der Sym¬
physe abgetrennt und dann seitlich nach aussen verschoben. Es resul¬
tiert natürlich eine Rectusdiastase, die aber von der Patientin ohne
Beschwerden ertragen wurde. Der operative Erfolg war im übrigen gut.
W. Meyer-New York: Zur Resektion des Oesophagnscarcinoms
im cardialen Abschnitt. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 32.) Verf. hat früher
folgenden Gang der Operation vorgeschlagen: 1. Laparotomie, 2. Schräg¬
schnitt am Rippenbogen, 3. Thorakotomie. Es hat sich als zweckmässig
erwiesen, die 2. und 3. Phase miteinander zu vertauschen, da hierdurch
eventuell eine Palliativoperation möglich wird.
Wilmans: Zur Freilegung des Brnstabsehnittes der Speiseröhre.
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 32.) Den von Dreyer ausgesprochenen Zweifel,
ob man ohne Schaden beim Menschen die Vena azygos unterbinden
kann, vermag Verf. zu beheben, da er bei dem Versuch der Operation
eines Oesophaguscarcinoms das Gefäss ohne Schaden ligiert hat.
Hay ward-Berlin.
zur Werth: Arbeiten über Appendicitis und verwandte Gebiete
aus den Jahren 1912 und 1913. Sammelreferat. (D, militärärztl. Zeitschr.,
1914, H. 18 u. 19.) Verf. stellte die Arbeiten über Anatomie und Physio¬
logie des Wurmfortsatzes, Vorkommen und Ursache der Wurmfortsatzent¬
zündung, Diagnose, Krankheitserscheinungen, Behandlung, Folgezustände,
chronische Appendicitis, Coecum mobile und Typblitis, endliqh die über
spezifische Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Aktinomykose), Ge¬
schwülste und Divertikel des Wurmfortsatzes zusammen. Genaue An¬
gabe der Literatur. Schnütgen-Aroo.
v. Lichtenberg: Zur Technik der Pyelographie. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 33.) Technische Einzelheiten. Hayward-Berliu.
Röntgenologie.
C. Breuer-Berlin-Friedenau: Die Durchschreibpackung für Rönt-
gen-Negativpapier. (D.m.W. 1914, Nr. 48.) Dünner.
Sch lenk-Dresden: Ein Beitrag zur Röhren-„Regulieruig“. (Fortschr.
d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. schuf eine Regulierung, welche
mittels einer federnden Arretierung wahlweise auf den Kathodenhals
aufgeschoben werden kann. Er nannte diesen Zusatzapparat „Röntgen¬
röhrenregler“; dieser ist ein Aluminiumhohlkörper, der mit dem hitze¬
beständigen Oxyd eines Alkalierdmetalls ausgegossen ist; in diese Guss¬
masse ist eine Spirale eingebettet, die in 2 Anschlussklemmen endet.
Durch den Betriebsstrom des Röntgenapparates wird diese Spirale an
Hand eines Regulierrheostaten feingradig erhitzt. Die Verbindung
zwischen Rheostat und Regler stellen Lichtleitungsschnüre her (Abbil¬
dung). Diese Regulierung erlaubt nur ein Weichermaohen, worauf es ja
meistens ankommt. Vorteile für Aufnahmen und Therapie: man kann
ohne Vacuumveränderung den Härtegrad vor und während des Betriebes
ändern; für Durchleuchtungen: man kann vor und während des Betriebs
durch Anpassen der Durchdringungsfähigkeit der X-Strahlen die aller¬
feinsten Dichtigkeitsunterschiede wahrnehmen.
Eden und Pauli-Jena: Ueber die vermeintliche Eigenstrahlnog
des Blotes nach vorausgegangener Röntgenbestrahlung. (Fortschr. d.
Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Bestrahltes und unbestraftes Blut können
photographische Platten schwärzen; dem mit Röntgenstrahlen behan¬
delten Blut kommt die grössere Fähigkeit zu. Die Schwärzung der
photographischen Platte, die als eine Folge einer Eigenstrahlung des
Blutes angesehen wurde, ist auf eine chemische — durch die Bestrah¬
lung beschleunigte — Reaktion zurückzuführen, welche ein Gas hervor¬
bringt, das unter der Einwirkung des Blutes mit dem Sauerstoff der
Luft sich bildet. Schnütgen-Arco.
W. Gerlach - Tübingen: Die vergleichende Messung der Wirkung
von RÖntgenstrahlen und y-Strahlen. (M.m.W., 1914, Nr. 44.)
Dünner.
Lilienfeld - Leipzig: Erwiderung auf die Veröffentlichung von
Dr. Coolidge: Röntgenröhre mit reiner Elektronenentladnng (vgl.
Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 22, H. I, S. 18) (Fortschr. d. Röntgenstr.,
Bd. 22, H. 4). Im ersten Abschnitt erfolgen Prioritätsbemerkungen. Verf.
hatte 2 Jahre vor Coolidge die vom Gasdruck unabhängig arbeitende
Röhre geschaffen, welche auch eine auf hohe Temperatur geheizte Elek¬
trode zu diesem Zweok benutzte. Verschieden war nur die Art, wie
Coolidge und Verf. die Glübelektrode anwenden. In einem zweiten
Abschnitt widerlegt Verf. die Behauptung, sein Vacuum wäre unzuläng¬
lich, und ferner, dass das Arbeiten mit seiner Röhre auf die Anwesen¬
heit von Ionen gegründet wäre.
Weingärtner-Berlin: Wismnt im Bronchialbaim bei Oesophagus-
carcinom ohne Perforation nach den Luftwegen. (Fortsohr. d. Röntgenstr.,
Bd. 22, H. 4.) Verf. teilt 3 Beobachtungen mit, welche beweisen, dass
das Hineindringen von Kontrastspeisen in den Bronchialbaum bei Oeso-
phaguscarcinomen durchaus nicht charakteristisch ist nur für eine
Oesophagus-Tracheal- bzw. Bronchialfistel. Besonders in den Fällen,
in denen neben bzw. infolge des Oesophaguscarcinoms eine Kehl¬
kopfmuskellähmung vorhanden ist, besteht die Möglichkeit des Ein-
fliessens von Wismut in den Tracheo-Bronchialbaum durch den Larynx
hindurch.
Freud-Wien: Gastrospasmus bei Urämie. (Fortschr. d. Röntgenstr.,
Bd. 22, H. 4.) Verf. berichtet über die erste einwandfreie Beobachtung
von Gastrospasmus bei Urämie. Es bestand in diesem Falle Achlor-
rhydrie im Gegensatz zu den Fällen von Holzknecht und Luger, in
denen freie Salzsäure gefunden wurde. Der auf Grundlage der radio-
logischen Beobachtungen sich ergebende Begriff des Gastrospasmus ist
enger als der klinische. Eine Wertung der Anschauung Waldvogel’s
über die weite Verbreitung des Gastrospasmus ist erst nach Sammlung
anderer Beobachtungen am Platze.
Cohn-Berlin: Die Gastrostomie im Röntgenbilde. (Fortschr. d.
Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. hat an 3 gastrostomierten Patienten
ausgedehnte Untersuchungen angestellt und darauf geachtet wie der*
Fistelkanal verläuft, wie der Schlauch im Magen selbst Hegt, wie die
Gestalt des Magens ist. Er untersuchte, ob die Motilität erhalten oder
durch die Operation beeinflusst wurde, wie der Magen auf funktionell
anregende Agentien (Salzsäure) und retardierende (Olivenöl) reagiert.
Als fundamentales Ergebnis dieser Untersuchungen wurde gefunden, dass
durch Anlegen einer Kanalfistel im Magen das radiologiscbe Bild des
Sanduhrmagens hervorgerufen wird. Der Schlauch muss genügend tief in
den Magen vorgeschoben werden, damit die Speisen nicht hinausfliessen,
andrerseits darf er nicht zu tief eingeführt werden, damit die Speisen
nicht sogleich in den Darm gelangen. Die Speisen verlassen den Magen
so rasch, wie man es nur bei den höchsten Graden der Achylie zu sehen
gewohnt ist, oft nach l U— l l 2 Stunde; motorische Funktionen am Magen
sah man dabei nicht. Man muss annehmen, dass der gastrostomierte
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1822
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 4ü.
Magen penstaltische Bewegungen nicht aufweist, dass er freie Salzsäure,
auch nach Verabfolgung von Salzsäure, nicht absoheidet. Olivenöl wirkte
retardierend auf die Kontrastspeise. Mitteilungen über die 3 Fälle.
Strub eil-Dresden: Zur Rüntgendiagose der Hirntumoren der
Hypophysengegend. (Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Verf. be¬
schreibt einen Fall eines vom Hypophysen gang ausgehenden, mehr-
kammengen, cystischen Dermoids der Hirnbasis. Er stellte dabei die
Tatsache fest, dass zu einer Zeit, wo die klinischen Erscheinungen sich
erst im Anfänge einer Entwicklung befanden, die später für den Pat.
verhängnisvoll wurden, die Anwendung des Röntgenverfahrens (Ab¬
dachung der Sella turcica) in Verbindung mit dem Habitus (Typus adi-
poso-genitalis) und einer Sehstörung (linksseitig homonyme Hemianopsie)
die Diagnose mit Sicherheit auf die Gegend der Hypophyse hinlenkte,
..^* 3S ^ ese objektive diagnostische Feststellung durch die Sektion
bestätigt wurde und dass andere Raisonneraents, die von gewiegter
neurologischer Seite aufgestellt wurden, das chirurgische Handeln abge¬
lenkt haben. Verf. geht auf die Röntgenuntersuchung der Schädelbasis
am Lebenden ein und würdigt ihre klinische Bedeutung.
Schnütgen-Arco.
Militär-Sanitätswesen.
Kühn-Schöneberg: Feld* und Lazarettnpparat für Lokalanästhesie
in Massenanwendung. (D.m.W., 1914, Nr. 43.) Dünner.
v. Ger gö-Budapest: Neue Type eines FeldrÖntgenantomobils.
(Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 22, H. 4.) Beschreibung des Feldröntgen¬
automobils, der Dunkelkammer und des eigentlichen Höntgenraums nebst
Inhalt mit Angabe der wichtigsten Neuheiten. Abbildungen. Während
man bei der Einrichtung der Feldröntgenwagen wegen der angeblichen
Transportschwierigkeiten sich auf die einfachste RÖntgeneinrichtuog be¬
schränkte, stehen in dem neuen Typ die technisch vollkommensten Mittel
zur Verfügung. Schnütgen-Arco.
Moraburg-Bielefeld: Ersatz vonVerbandmittelnim Kriege, (1) m.W.,
1914, Nr. 43.) M. empfiehlt 1. Soharpie, 2. Leinenbinden von 5 m Länge
und 7 und 15 cm Breite.
G. Ledderhose - Strassburg i. E.: Sparsame und beschleunigte
Wundbehandlung im Kriege. (D.m.W., 1914, Nr. 44.)
Schuster-Berlin: Die Marschkrankheiten, ihre Entstehung, Ver¬
hütung und Behandlung. (D.m.W., 1914, Nr. 43.) I. Zur Verhütung des
Wundlaufens dient der in jüngster Zeit eingeführte Fussschoner. Sorge
für Sauberkeit, Beseitigung der Hühneraugen mit Salicylpflaster, Be¬
kämpfung der Scbweissfüsse durch Pinselung mit 10—20proz. Formalin¬
lösung. 2. Die sog. Fussgeschwülste sind oft Mittelfussknoehenbrüche.
3. Gegen Sehnenscheiden- und Knochenhautentzündung verordnet man
Bettruhe und Jodpinselung. Nach der Genesung soll man den Kranken
langsam ans Gehen wieder gewöhnen. 4. Zur Verhütung des Hitz-
schlags kann der Sanitätsoffizier viel beitragen, indem er die ersten
Symptome richtig erkennt.
Jochmann-Berlin: Wundinfektionskrankheiten*Tetanus. (D.m.W.,
1914, Nr. 43.) Klinischer Vortrag.
V. Czerny - Heidelberg: Zur Therapie des Tetanus. (D.m.W.,
1914, Nr. 44 u. 45.) Die Behandlung des Tetanus im Kriege gibt Verf.
nochmals Anlass, auf den Transport der Verwundeten zurückzukommen,
der seiner Meinung nach schneller vor sich gehen kann und muss, um
den Kranken frühzeitig genug in Behandlung zu bringen und ihn so vor
dem Ausbruch des Tetanus zu bewahren. Die Zahl der bisherigen
Wundstarrkrämpfe ist erschreckend hoch. Verf. bespricht kurz die
Symptome und die Therapie, die in der letzten Zeit in einigen Originalien
der ß.kl.W. ausführlich erörtert worden sind. 29 Fälle.
A. Falk - Berlin: Einige Beobachtungen bei Behandlung von
Tetanus Verwundeter mit subcutanen Magnesiumiojektionen. (D.m.W.,
1914, Nr. 44.) Die Arbeit enthält nichts prinzipiell Neues.
A. Schmidt-Halle a. S.: Ueber Lungenscbässe. (D.m.W., 1914,
Nr. 44.) Man muss bei Lungenschüssen besonders auf eventuelle
Knochenverletzungen (Rippe, Schulterblatt) achten, darum Röntgen¬
aufnahme! Merkwürdigerweise tritt nur selten Pneumothorax auf, da¬
gegen fehlt Hämatothorax nur selten. Verf. empfiehlt die Probepuuktion
des Hämatothorax, die ungefährlich ist. Unter den Verdichtungen im
Lungeogewebe unterscheidet man zweckmässig solche ohne Fieber und
ohne katarrhalische Erscheinungen, die Verf. als interstitielle Ent-
zündungsvorgäage reparatorisoher Natur anspricht, und echte Ent¬
zündungen, die sehr wahrscheinlich von Rippen- oder Weichteilver-
letzungen infiziert und so eitrig werden. Bei ihnen ist sorgfältige Wund¬
versorgung nötig.
E. P. Friedrich - Kiel: Die ohrenärftlichen Aufgaben im Kriege.
(D.m.W., 1914, Nr. 44.) Verf. bespricht die Verletzungen des äusseren
Gehörorgans, des Mittelobres und des inneren Ohres. Für den Feldarzt
kommt noch die Behandlung Furunkulose des Gehörganges in Frage.
Nicht inzidieren! Tamponade mit Salicyl- und Borvaseline. Ferner
Otitis media, Tubenkatarrh usw.
W. Kümmel - Heidelberg: Obrenerkrankangen im Felde. (D.m.W.,
1914, Nr. 44.) Kasuistik. Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliuer medizinische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 22. Juli 1914.
Vorsitzender: Herr Orth.
Sohriftlübrer: Herr Israel.
Vorsitzender: Ich habe mitzuteilen, dass auch von Herrn His
eine Einladung zu dem dritten internationalen Kongress für Radioakti¬
vität und Elektronik eingelauftn ist mit einer grösseren Anzahl von
Programmen, die ich hier zur gefälligen Benutzung ausgelegt habe.
M. H., ich habe Ihnen dann mitzuteilen, dass zwei unserer ältesten
Mitglieder abberufen worden sind, der eine schon seit etwas längerer
Zeit. Es ist mir jetzt erst zur Kenntnis gekommen: Herr Geheimer
Sanitätsrat Dr. A. Jung, der seit 1874 Mitglied gewesen ist, und in den
letzten Tagen ein noch älteres Mitglied, nämlich seit 1870: Herr Ge¬
heimer Medizinalrat Professor Dr. Fasbender, der bekannte Gynäkologe.
Ich bitte Sie, zu Ehren dieser Herren sich zu erheben. (Geschieht.)
Vor der Tagesordnung.
Hr. Erwin Frank: Ein Fall von totaler Alopecie nach Unfall.
Ein 47jähriger Arbeiter steigt 1V 2 m tief herab und erleidet dabei
Brüche dreier Rippen der rechten Körperhälfte nahe dem Brustbein.
Abheilung in 4 Monaten, kompliziert durch dazwischentretende Herz¬
schwäche, die längere Krankenhausbehandlung notwendig machte. Etwa
8 Tage nach dem Unfall beginnender Haarausfall, der strich- oder
büschelweise auftritt und in 3 Monaten zu völligem Verlust des
Haares führt. Es fehlen nicht allein die Haare der Kopfhaut, sondern
auch die Wimpern, Augenbrauen, Achsel- und Schamhaare sowie die
gesamte Behaarung des Stammes und der Extremitäten. Selbst in den
Ausgängen der Nase und OhreD blieb kein Haar stehen. Schweissab-
sonderung erhalten, Nägel unverändert, nervöse Erscheinungen nicht
vorhanden, Potenz und seelisches Verhalten ohne Abweichung von der
Norm. Dieser Zustand dauert Dunmehr bereits 10 Monate an, ebne dass
erneuter Haarwuchs an einer Stelle zu bemerken wäre. Versicherungs¬
rechtlich wurde der ursächliche Zusammenhang zwischen Unfall und
Haarausfall anerkannt. Da der Verletzte infolge fehlender Behaarung
des Kopfes angeblich Erkältungen häufiger ausgesetzt ist als früher, er¬
hält er durch einige Monate die Vollrente, um dadurch die Anschaffung
einer Perrücke zu ermöglichen.
Während früher die Alopecie für eine parasitäre Erkrankung ge¬
halten wurde, steht es nunmehr fest, dass sie auf einer Störung im
Gebiet der trophischen Nerven beruht und als solche von den verschie¬
densten Reflexzentren ausgelöst werden kann. Ungemein häufig ist die
Alopecia ereata, für die sieh recht oft ein traumatischer Ursprung nacb-
weisen lässt. So hat Joseph ihren Zusammenhang mit dem 2. Hals¬
nerven experimentell erwiesen, und es mehren sich die Fälle, in denen
Erkrankungen der Kiefer oder Operationen in diesem Gebiet den um¬
schriebenen Haarausfall bewirken.
Seltener sind die Fälle totaler Alopecie, der sogenannten Alopecia
neurotica. Auch hier spielt das Trauma eine grosse Rolle; es sei be¬
sonders auf die Arbeit von Wechselmann (1908) verwiesen. Insgesamt
konnte ich 9 sichere Fälle Dabezu totaler A lopecie in der Literatur aus¬
findig machen. Als Ursachen fanden sich angegeben: Morbus Basedow,
Schreck oder Shockwirkung und Trauma. Besonders die Schreckwirkuug
muss hervorgehoben werden, da sie ohne körperlich wahrnehmbare Ver¬
letzung imstande ist, zu totaler Alopecie zu führen. Im Jahre 1913
wurde von Rock aus der Klinik Nobl-Wien ein recht instruktiver Fall
beschrieben. Hier handelt es sich um einen Motorwagenführer, der
gelegentlich eines Zusammenstosses einen schweren Nervenshock erlitt,
auf den alsbald nahezu totaler Haarausfall folgte. Es blieben allerdings
einige Wimperhaare sowie die Haare des Hinterhauptes und einige Haare
an den Gliedmaassen stehen, so dass von totaler Alopecie in jenem
Falle nicht gesprochen werden kann. Der heute vorgestellte Fall ist
somit ein Unikum und meines Wissens hier in Berlin in dieser prägnanten
Form noch nicht beobachtet worden. Unzweifelhaft handelt es sich auch
hierbei um eine Reflexwirkung, also um Alopecia neurotica, die durch
das allerdings recht schwere Brusttrauma wohl genügend erklärt wird.
Die Zukunft wird lehren, ob ein Nachwachsen der Haare eintritt, oder,
wie die9 für die meisten Fälle der Literatur zutrifft, es bei der totalen
Alopecie verbleibt.
Diskussion.
Hr. L. Landau: Ich wollte fragen, ob auch Veränderungen in der
Schweisssekretion bei dem Manne beobachtet worden sind, wie in ana¬
logen Fällen, die Herr Wechselmann hier gezeigt hat.
Hr. Krusius: Bei der engen Verbindung der Haare mit den ekto-
dermalen Horngebilden und der Augenlinse wäre es erwünscht zu wissen,
ob an den Gebilden, das heisst an den Nägeln, den Zähnen und der
verhornten Epidermis Veränderungen nachweisbar und namentlich auc ,
ob an der Augenlinse Störungen zu finden sind. Es wäre das im Hm-
blick auf die Unfallgesetzgebung ganz wichtig, denn wenn sich lrgcn
welohe Linsentrübungen entwickelten, so würde man nach unserer heutigen
Kenntnis es nicht von der Hand weisen können, dass ein eausaler au*
saromenhang zwischen auch diesen fraglichen Störungen und dem Un¬
fälle bestände.
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UNIVERSUM OF IOWA
BER LINER KLIN ISCHE WOCHENSCHRIFT.
1823
10. November 1914.
Tagesordnung.
11 r. Virchow:
Situs der Thoraxeingeweide bei spitzwinkliger Kyphose.
(Int in Nr. 40 dieser Wocbenscbrilt bereits abgedruckt.)
HHr. Krusiüs und Borehardt:
Ein neuer Apparat zur Refraktionshestinmung hei Schulkindern..
(Kurze Demonstration.)
Hr. Krusius demonstriert einen neuen Apparat, der dazu bestimmt
ist, ohne Verwendung von Leseproben bei Massenuntersuchungen in
Schulen, bei Musterungen und bei der Nachprüfung von verordneten
Augengläsern rasch und fehlerfrei qualitativ jegliche sphärische oder
astigmatische RefraktionsanomaHe festzustellen.
Der Apparat, ein Patentschutz der Firma Nitsche u. Günther in
Rathenow 1 ), ist nach dem Prinzip der Prisraenoptometer konstruiert, das
als aus dem zu untersuchenden Auge entstammend gedachte Strahlen¬
büschel wird durch zwei mit der Kante aneinander stossende Prismen
längs des Achsenstrahlers in zwei in sich nicht veränderte, einander
aber nunmehr divergierende Teilstrahlenbüschel zerlegt. Eine von diesem
Auge durch das Doppelprisma fixierte Marke erscheint also verdoppelt.
Bei bestimmtem Prismenwinkel und Abstand der Marke wird der Ab¬
stand dieser Verdoppelung einzig von der Vergenz des dem untersuchten
Auge entstammenden Strahlenbüschels abhängen, so dass bei ent¬
sprechender Einstellung ein emraetropes Auge die Marken sich gerade
berühren, ein myopes dieselben sich überdecken und ein hyperopisches
dieselben durch einen Zwischenraum getrennt sieht. Je nach der Richtung
der zusammenstossenden geraden Prismenkanten lässt sich die Refraktion
der dazu senkrechten Meridianschnitte des Auges bestimmen, wodurch
auch jeder Unterschied derselben als Astigmatismus qualitativ feststellbar
ist. Wahrend bei früheren Konstruktionen eine Myopiediagnose durch die
Ueberdeckung der beiden Markenbilder zu einem einzigen schon bei
mittleren Ametropien versagen musste, da die Patienten das gesehene
Markenbild nicht als aus 2 Einheiten bestehend erkennen konnten,
werden bei diesem neuen En-Gee-Optometer durch Koraplementfärbung
der Prismen die Markendoppelbilder ebenfalls komplementär gefärbt und
bleiben trotz Ueberdeckung und Zerstreuungskreisen als zwei verschieden¬
farbige und nur im Bereiche der Ueberdeckung weisse Bilder kenntlich,
so dass auch die befangendsten und ungeübtesten Beobachter wie jüngere
Kinder an Hand eines Modells mit 2 Farbplättchen zeigen können, wie
ihnen die Bilder erscheinen.
Durch das richtige Augenglas werden auch am Optometer die
Doppelbilder zu der der Emmetropie entsprechenden Berührung ge¬
bracht, es kann daher damit sowohl ein früher verordnetes Augenglas
nacbgeprüft, wie auch ein solches quantitativ bestimmt werden.
Hr. Borchardt berichtete anschliessend über sehr günstige Er¬
fahrungen, die er in seiner Tätigkeit als Schularzt bei Charlottenburger
jüngeren Schulkindern mit diesem Apparate und dem erwähnten Farb-
kreismodell gemacht hat.
Es konnten die präcisen optometrischen Befunde, die jeder, auch
der nicht spezialisierte Arzt, ja selbst der intelligente Laie leicht er¬
heben kann, in vielen Fällen an den schon verordneten Brillen auf das
genaueste nachgeprüft werden.
Beide Vortragende betonen, dass dieser Apparat für den beamteten
Arzt, den Schularzt und den Militärarzt eine ganz ausserordentliche Er¬
leichterung und Vereinfachung der sonst so langwierigen qualitativen
Refraktionsbestimmung bedeute, die auch bei dem primitivsten Menschen -
material nicht versage. Da zumal in der Neuzeit die Aufgabe, aus
grösseren Menschenreihen rasch zuverlässig die Emmetropen von den
Ametropen zu scheiden, immer brennender geworden ist, so stelle dieser
handliche Apparat für zum Teil ja von Staats wegen verlangten Massen¬
untersuchungen in Heer und Schule das geeignetste und fast einzige
Hilfsmittel dar. (Autoreferat.)
Hr. Max Skalier:
Die Untersuchung des Magens mittels Sekretionsknrven. (Kurzer
Vortrag.)
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
Diskussion.
Hr. Fuld: Ich freue mich, an die Schlussworte des Herrn Redners
anknüpfen zu können, laut deren er die von ihm geübte Methodik als
noch im Prüfungsstadium befindlich betrachtet und uns auffordert, mit-
zuarbeiten, um nachzusehen, was dabei herauskommt. Für meine Person
bin ich überzeugt, dass wir die Methode nicht so, wie sie uns vor¬
getragen worden ist, unverändert beibehalten können. Das wird ja
auch der Herr Vorredner gar nicht verlangen wollen. Soviel aber —
glaube ich — kann man schon Voraussagen, dass die Zeit der Allein¬
herrschaft des Probefrühstücks zwar noch nicht zu Ende ist, vielleicht
aber zu Ende geht. Gegen das Probefrübstück sind von den ver¬
schiedenen Seiten her, besonders auf Grund der Pawlow’schen Ideen,
Angriffe unternommen worden. Doch haben die Vertreter desselben
sich bisher mit Recht auf die tausendfältigen vorliegenden Erfahrungen
berufen, welche ihm eine Ueberlegenheit gegenüber allen Neuerungen
zusichern.
Ich gehe auf diese Punkte nicht im einzelnen ein und verweise
auf meine demnächst erscheinenden Ausführungen in dem Lehrbuch von
Kraus-Brugsch.
1) Preis 30 M., für den Grossisten 24 M.
Herr Skalier also hat auf das Talma’sche Bouillonfrühstück
zurückgegriffen, und dieses besitzt iu der Tat einen grossen Vorzug:
man braucht sich nicht um die sogenannte kombinierte Salzsäure zu
kümmern, d. h. die Salzsäure, die keine Salzsäure ist, denn der Eiweiss¬
gehalt des Ausgeheberten ist unter diesen Versuchsbedingungen minimal.
Immerhin enthält auch diese Probemahlzeit Eiweissverdauungsprodukte,
Peptone usw., deren Abwesenheit für mancherlei moderne Untersuchungs¬
methoden gerade hinsichtlich der Krebsdiagnose wünschenswert er¬
scheint. Ich bin daher persönlich zu einem ganz eiweissfreien Caramel-
frühstück übergegangen: ein Esslöffel Caramel aus Rohrzucker, bereitet
nach den Vorschriften des Kochbuchs, auf 200 Wasser wird von den
Patienten ohne Schwierigkeit getrunken. Der Färbungsgrad nach einer
halben Stunde lässt auf das Verdünnungsergebnis schliessen. Wahr¬
scheinlich von ähnlichen Erwägungen ausgehend hat übrigens Kollege
Ehrmann ein 5 proz. Alkoholprobefrühstück angeführt.
Was aber den wesentlichsten Punkt anbelangt, so scheint es, dass
Herr Skalier von dem ja sehr begreiflichen Wunsch beseelt ist, die
durchsichtigen Ergebnisse vom Studium des Pawlow’schen Magenblind-
saokhundes auf den Menschen zu übertragen. Aber das gerade ist ein
unerreichbares Ziel. Denn wir haben keinen kleinen Magen, sondern
einen im Zusammenhang mit dem Darm stehenden grossen Magen, und
nun ist der Darm so unfreundlich, die Sekrete in den Magen hinauf zu
schicken. Dadurch wird nicht etwa bloss — wie Herr Skalier hervor¬
hebt — die Färbung des Mageninhalts beeinflusst, darüber könnte man
sich leicht trösten. Vielmehr wird die Acidität verändert, und zwar
nach der neuesten Arbeit Boldyreff’s in durchaus gesetzmässiger
Weise. Sowie ein gewisser Schwellenwert der Acidität erreicht ist,
sendet der Darm seine alkalischen Sekretionen durch den Pylorus auf¬
wärts, so dass man von hier den Regulationsmechanismus für die Kon¬
stanz der Wasserstoffionenkonzentrationen im Mageninhalt hätte. Von
allen diesen Vorgängen zeigt uns die Methode des Herrn Vortragenden
nichts. Wenn übrigens Herr Skalier gegen das Probefrühstück dessen
Schichtung anführt, so muss man ihm doch die Frage Vorhalten, ob bei
seinem eigenen Vorgeben etwa die Schichtbildung ausgeschaltet ist!
Ganz im Gegenteil muss dieselbe von allergrösstem Einfluss sein, da ja
die Tantalkugel dauernd in dem tiefsten Punkte des Magens liegen
bleibt. Im übrigen habe ich mich persönlich beim Probefrühstück nie¬
mals von dem Bestehen different acider Schichten überzeugen können,
und ebensowenig konnte z. B. Koritschan die Untersuchungen von
Prym usw. bestätigen. Aber zugegeben, dass Schichten bestehen, so
heisst das doch nicht, dass wir sie auch respektieren müssen.
Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, mit welcher Leichtigkeit es
mit Hilfe von ein paar Luftblasen geliogt, eine gleichmässige Durch¬
mischung im Magen herbeizuführen.
Nun noch ein wesentlicher Punkt: Wir haben keinen kleinen Magen
vor uns, der aus einer Fistel den Inhalt von selbst vollständig entleert,
Ebenso wenig kann Herr Skalier den Magen alle paar Minuten voll¬
ständig auspumpen oder einen aliquoten Teil entnehmen. Wir bleiben
daher über die wesentlichste Frage der Inhaltsmenge in jedem Moment
wie dauernd vollständig im unklaren. Vielleicht lässt sich dieser Mangel
durch Kombination mit einem röntgenologischen Verfahren, z. B. der
Zweikapselmethode, teilweise abstellen, aber zur Zeit ist er sehr störend.
Ueberhaupt bin ich der Ansicht, dass wir hier erst am Anfang eines
Weges, keinesfalls aber etwa am Ziel stehen. Wenn Herr Skalier als
Indikation für die motorische Leistung die Zeit benutzt, innerhalb deren
eine gewisse Menge Phenolphthalein den Magen vollständig verlassen
hat, so erinnere ich daran, dass wir beim gewöhnlichen Probefrühstück
ganz ähnlich Vorgehen, da wir diesem ja ein Probeabeüdessen voraus¬
schicken und nachsehen, ob dieses vollständig befördert ist. Ob man
Phenolphthalein oder irgend eine andere unschädliche Substanz benutzt,
ist nach den grundlegenden Untersuchungen Jaworki’s über Magen¬
resorption usw. ziemlich gleichgültig.
In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit ziehe ich es vor, einige
weitere Bemerkungen, zu denen die Ausführungen des Redners an sich
Anlass geben, zu unterdrücken.
Hr. Bickel: Man kann über Verwendbarkeit in der Praxis, wie
über die Zweckmässigkeit der Zusammensetzung des Skaller’schen Probe¬
frühstücks verschiedener Meinung sein, ebenso wie über den Wert seiner
Art der Motilitätsprüfung, oder besser gesagt, der Prüfung der Ent-
leerungsfäbigkeit des Magens. Aber vom Standpunkte der Theorie der
Sekretionsstörungen betrachtet, bieten doch die Kurven, die Herr Skalier
gegeben hat, nach zwei Richtungen ein grösseres Interesse. Sicherlich
kann man, wenn man in Intervallen den Magen aushebert, auch wenn
man nur einen aliquoten Teil nimmt, sehen, ob man es mit einem an¬
nähernd reinen Saft zu tun hat oder ob der Saft durch zurückgeflossenen
Duodenalinhalt verunreinigt ist. Dann ist nämlich in der Regel eine
Gelbfärbung da, weil sich etwas Galle dem Magensaft beimischt. Nun
lehren die Skaller’schen Kurveo, dass dann, wenn wir nach dem Ewald-
Boas’schen Probefrühstück eine Hyperchlorbydrie annehmen, es sich nie¬
mals um eine Steigerung des prozentualen Salzsäuregehaltes des reinen
Saftes handelt, weil in keiner von den Kurven die Gesamtaoidität über
diejenige Grenze hinausging, die für den prozentualen Salzsäuregehalt
des reinen Saftes die normale ist. Also ich meine, auch diese Methode
der Untersuchung hat keinen Beweis gegen die Annahme gebracht, dass
eine echte Hyperchlorhydrie duroh Steigerung des prozentualen Sals-
säurgehaltes beim Menschen nicht vorkommt. Es könnte überflüssig er¬
scheinen, dass ich das hier besonders betone. Aber ich möchte doch
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UMIVERSITY OF IOWA
1824
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 46.
die Gelegenheit benutzen, hier erneut meine Auffassung von der Patho¬
logie der sog. Hyperchlorhydrie zu unterstreichen.
Es ist eigentlich in der letzten Zeit nur ein ernsthafter Einwand
gegen diese Auffassung vorgebracht worden, und zwar von Cohn heim,
der behauptet hatte, dass durch die Injektion von Magnesiumsulfat in
den Darm eine echte Hyperchlorhydrie durch Steigerung des prozentualen
HCl-Gehaltes des reinen Saftes erzeugt werden könne. Er glaubte das
durch Berechnungen, also indirekt gefunden zu haben; aber ich konnte
auch hier wieder durch den direkten Versuch am Blindsack nachweisen,
dass es sich nicht um eine prozentuale Steigerung des Salzsäuregehaltes
des reinen Saftes handelt, sondern dass es sich nur um Veränderungen
der zur Abscheidung gelangenden Saftmenge handelt. Diese Versuche
finden sich in einer Arbeit meines Schülers Sato (Zschr. /. physiol.
Cfaem., 1914, Bd. 91, H. 1).
Dann aber haben die Kurven von Herrn Skalier noch ein anderes
Interesse. Ich hatte früher auf Grund von Beobachtungen am Blindsack
die Behauptung aufgestellt, dass beim Menschen Sekretionsstörungen
Vorkommen, die dadurch charakterisiert sind, dass eine Supersekretion
besteht bei herabgesetztem prozentualen HCl-Gehalt des Saftes.
Die bekannten klinischen Beobachtungen, die nach der Gabe des
Ewald’scben Probefrühstücks grosse dünnflüssige Mageninhaltsmenge bei
niedrigem Säuregehalte zeigen, sind bekanntlich deshalb nicht beweisend
dafür, weil diese Erscheinungen durch verlangsamte Austreibung des
flüssigen Inhalts, mit einer einfachen Subsekretion mit normalem oder
herabgesetztem Säuregehalt des Saftes, wie auch mit einer normalen
Sekretion bei subacidem Safte, wie endlich, ganz abgesehen von alledem,
durch gesteigerte Transsudation bei beliebiger Sekretion ebensogut er¬
klärt werden können, wie durch eine Supersecretio hypohydrochloriea.
Nun, dass es die letztere wirklich gibt, dafür sprechen, glaube icb,
doch gerade einige dieser Kurven, die Herr Skalier hier demon¬
striert hat.
Hr. Ullmann: Ich möchte bei ähnlichen Gelegenheiten Gesagtes
heut wiederholen: Es kommt darauf an, welche Zwecke man mit solchen
Untersuchungsmethoden verfolgt. Will man aus rein wissenschaftlichen
Gründen auf Grund von Untersuchungen am Menschen damit den Verlauf
der Sekretionskurve im Magen feststellen, so ist nichts dagegen zu sagen,
vorausgetzt, dass die experimentellen Bedingungen, unter denen man
arbeitet, wirklich invariable und konstant sind. Das sind sie aber nicht,
und sie sind auch nicht immer kontrollierbar. Herr Fuld hat schon
etwas darauf hingewiesen. Solche Bedenken habe ich auch damals im
Verein für innere Medizin gegen die neue Boas’sche Chlorophyll-Methode
geltend gemacht. Also als über ein wissenschaftliches Experiment kann
man vielleicht darüber reden, aber für die Praxis kann ich solche Me¬
thoden nicht gelten lassen. Denn wir wollen doch nicht nur eine Dia¬
gnose stellen, sondern auch einen Heilplan aufstellen. Für die Diagnose
der Magenerkrankungen geben diese Kurven keinen Aufschluss über ein
Mehr oder Weniger von Sekretion, also über quantitative Unterschiede.
Für das Aufstellen des Heiiplanes kommt das kaum in Betracht, denn
um diätetisch-therapeutisch einzuwirken, dazu wird man auf Grund von
Untersuchungen mit einer solchen einseitig zusammengesetzten Flüssig¬
keit nicht imstande sein.
Herr Skalier sagt, diese seine Kurven wären „Arbeitskurven“, er
meint also, es wäre die echte Funktionsprüfung, die echte Funktions¬
diagnostik des Magens. Dem miiss ich entschieden widersprechen. Das
ist sie eben nicht. Denn unsere Patienten leben nicht von Wasser mit
Fleischextrakt, sondern sie leben vod gemischter Nahrung, und wir
müssen deshalb wissen: erstens: wie ist die chemische Verdauung der
verschiedenen Bestandteile der gemischten Nahrung, und zweitens: wie
verhält sich die Motilität des Magens den verschiedenen Bestandteilen
der Nahrung gegenüber. Was Herr Skalier also, wenn ich ihn recht
verstanden habe, als Nachteil des Probefrühstücks erwähnt hat, nämlich
die nicht genügende Sonderung von festen und flüssigen Bestandteilen,
das halte ich gerade für einen Vorzug. Man hat dabei eben auf einen
Blick eine Uebersicht darüber, wie verhält sich der Magen gegenüber
festen Bestandteilen, wie gegenüber flüssigen Bestandteilen, wie kann
ich deshalb meine diätetischen Vorschriften einrichten.
Ich habe die Empfindung, als wenn man in der letzten Zeit sich
wieder immer mehr sozusagen auf die Säuresekretion verbeisst. Ich bin
auch ein alter Schüler von Boas, und als ich vor mehr als 20 Jahren
bei ihm zu arbeiten anfing, da war auch die ganze Literatur immer nur
erfüllt von den Salzsäurebestimmungen. Dann kam glücklichweise eine
Zeit, wo man sich endlich davon losriss. Nun scheint man immer und
immer wieder darauf zurückzukommen. Wir wissen doch alle, die wir
eine grössere praktische Erfahrung habeD, dass es auf ein paar Säure¬
grade mehr oder weniger bei der Magensekretion nicht ankommt. Es
kommt darauf an, das gesamte Krankbeitsbild in sich zu bestimmen.
Mit der Diagnose „nervöses Magenleiden“ ist sehr wenig getan, wenn
man nicht an die Grundursache des Leidens heranzugehen und diese
Grundursache, die eben dieses nervöse Magenleiden hervorruft, zu be¬
seitigen sucht. Die Therapeutik ist ja auch zum grossen Teil abhängig
von der Subjektivität des Patienten.
Ich habe ferner nicht die Empfindung, als wenn die Schleimdiagnostik,
die Herr Skalier so hervorgehoben hat, ausserordentlich wichtig wäre.
Auch für die Unterscheidung — ich spreche immer nur vom praktischen
Standpunkt aus, nicht von dem sogenannten wissenschaftlichen — zwischen
Uebersekretion, also Abscheidung von Sekretionsflüssigkeit in den Magen
hinein, und zwischen Ueberausscheidung von Salzsäure, der sogenannten
Hyperchlorhydrie, kann die Anlegung solcher Kurven nicht so sehr iu
Betracht kommen.
Also das sind die Bedenken, die ich habe. Ich bin mir wohl be¬
wusst und habe in Privatunterbaitungen oft genug Gelegenheit, zu er¬
fahren, dass über solche Bedenken, wie ich sie vorgebracht habe, leicht
mit Achselzucken hinweggegangen wird, als wenn man nicht genügend
auf der Höhe der Wissenschaft schwebte. Aber damit helfen wir unseren
Patienten nicht, obwohl es sich vielleicht um eine wissenschaftlich ganz
interessante Sache handelt. Man kann vielleicht bis zu einem gewissen
Grade einen Rückschluss ziehen über einzelne physiologische Erschei¬
nungen des Magens, wie z. B. den Einfluss eines einseitig zusammen¬
gesetzten Ingestums auf die Sekretion, aber für die Praxis kommt die
Sache nach meiner Meinung nicht in Betracht.
Hr. Ehr mann. (Manuskript nicht eingegangen.)
Hr. Mosse: Nur wenige Worte. Ich möchte nur meiner Verwunderung
darüber Ausdruck geben, dass es heute als ein Novum hiDgestellt ist,
dass Supersekretion vorkommt ohne gleichzeitige Superaoidität. Ich muss
bekennen, dass ich derartige Fälle, bei denen es sich um gesteigerte
Magensaftsekretion auch im nüchternen Zustande ohne Steigerung der
Säurewerte handelt, gar nicht selten sehe.
In therapeutischer Hinsicht werden diese Fälle genau so behandelt,
als ob eine Supersekretion mit Superacidität vorhanden ist, das heisst
mit Atropin und neuerdings auch mit Papaverin. Ob man im übrigen
rohe Eier gibt oder ein anderes säurebindendes Mittel, halte ich für
nicht sehr wesentlich.
Hr. Skalier (Schlusswort): Nur einige Worte.
Im Liebig-Extrakt ist kein Pepton enthalten. Der Liebig-Extrakt
besteht aus Polypeptiden und erzeugt eine sehr starke Sekretion, was
ein Vorzug vor dem Caramel ist, das Herr Fuld angewandt hat.
Er hat bemängelt, dass auch bei Liebig-Bouillon eine Schichtung
eintritt. Liebig-Bouillon ist aber im Gegensatz zum Probefrübstück eine
gelöste, keine gemengte Nahrung. Ich habe in der Arbeit, die ich er¬
wähnt habe, sehr ausführlich gezeigt, wie man die Schichtung vermeidet,
und dabei spielen auch die von Herrn Fuld so lobend erwähnten Luft¬
blasen eine Rolle. Herr Fuld wird die Freude haben, das nachträglich
doch beachtet zu finden.
Wenn ich Herrn Ullmann antworten wollte, müsste icb den ganzen
Vortrag wiederholen. Ich wollte ja gerade zeigen, dass gerade für die
Praiis die empfohlene Untersuchungsmethode erheblich grössere Vorteile
bietet als das Probefrühstück.
Ich freue mich, mit Herrn Ehrmann in seinen Resultaten überein¬
zustimmen, vielleicht in einem nicht, das ist, dass er die Kurve so
zeichnet, dass die Kurve nach einer gewissen Zeit zum Nullpunkt läuft.
Das habe ich im allgemeinen nicht gesehen. Sie werden gesehen haben:
meine Kurven schneiden fast auf der Höhe der Sekretion ab. Ich be¬
halte immer nur noch so geringe Mengen im Saft, dass ich sagen kann:
die Sekretion ist hier beendet, es sind meist noch Spuren ganz reinen
Saftes. Die Neutralisation des Saftes durch Magenschleim ist noch nicht
eingetreten. Ich glaube aber, dass das eine Differenz ist, über die wir
leicht eine Einigung herbeiführen werden.
Vorsitzender: Wir haben aufgearbeitet was für den Sommer vor¬
bereitet war, und ich glaube, der heutige Besuch zeigt, wie nötig es ist,
dass wir Schluss maehen. Ich wünsche Ihnen recht vergnügte Ferien
bis Ende Oktober.
• K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien.
Sitzung vom 23. Oktober 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Ranzi bespricht die Behandlung der Hirnschfisse auf der Klinik
Eiseisberg.
Es wurden auf die Klinik 33 Hirnschüsse eingeliefert, von welchen
29 operiert wurden. Es waren 19 Tangentialsobüsse, 10 Steckschüße
und 4 Durchschüsse. Von den Tangentialschüssen wurden 2 nicht
operiert, 2 sind schon im Felde operiert worden und wurden auf der
Klinik zum zweitenmal operiert; in dem einen Falle handelte es sich
um einen Hirnprolaps, der sich vergrösserte und abgetragen wurde; es
erfolgte Exitus.
Im 2. Falle wurde der Schusskanal aufgemacht und es wurden
Knochensequester entfernt; der Pat. ist gebessert, die anfangs vorhandene
Hemiplegie und Aphasie sind zum Teil zurückgegangen.
Von den übrigen primär operierten 15 Tangentialschüssen hatten .
einen Hirnabscess, von diesen starben 2, die anderen sind gebessert.
Von den Steckschüssen wurden 9 operiert, das Projektil lag m
6 Fällen oberflächlich. In 5 Fällen war ein Hirnabscess vorhanden, von
diesen starb 1 Fall, 3 Fälle mit tiefsitzendem Projektil sind alle ge¬
storben. Die Indikation zum chirurgischen Eingriffe gaben Hirnabscess
und sich steigernder Hirndruck.
Die Durchschüsse waren alle infiziert, von ihnen worden 3 operiert,
1 Fall starb.
In einer grossen Zahl der Fälle bildete die Infektion die Indikation
zur Operation; die Schusswunde soll möglichst weit aufgemacht werden.
Am besten beugt mau dem Hirnprolaps vor, wenn man vorhandene
Abscessö möglichst gut ausräumt. Unter den Fällen der Klinik kam es
nur einmal zu einem Prolaps, welcher sich gebessert hat. Die zwoAe
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UNIVERSUM OF IOWA
16. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1826
Komplikation der Hirnsohüsse ist die Liquorfistel, es ist immer ge¬
lungen, die Infektion derselben zu verhüten, und die Fistel hat sich
geschlossen.
Hr. Narbarg bespricht die nenrologisehen Fragen bei den Sehädel-
sebfiBsen.
Fast alle Fälle haben eine Commotio cerebri erlitten, die Bewusst¬
losigkeit hat 1—2 Stunden angedauert. Die Allgemeinerscheinungen
sind merkwürdigerweise gering gewesen, wenig Kopfschmerz, kein Er¬
brechen, in wenigen Fällen Stauungspapille. Bei Abscessen waren die
Hirnerscheinungen deutlich ausgesprochen. Die Lokalsymptome der Ge¬
hirnschüsse waren von denen bei anderen Hirnaffektionen wenig ver¬
schieden. Während sonst bei Hirnabscessen Temperatursteigerung beob¬
achtet wird, kam es in einigen Fällen zu einem Absinken der Temperatur,
der Puls war verlangsamt, ausserdem waren die eigentümlichen typischen
Störungen vorhanden.
Die Indikation zum Eingriff wurde gestellt, wenn die Erscheinungen
eine Progredienz oder ein langes Stationärbleiben zeigten. Gegenindi¬
kationen bildeten ein initialer grosser Hirnprolaps, weil er mit einer
schweren Infektion oder mit einer schweren Allgemeinschädigung des
Gehirns einhergeht, und zweitens tiefsitzende Steckschüsse, letztere des¬
halb, weil die sich hinter dem Projektil befindenden Absoesse gewöhn¬
lich in den Ventrikel durchbrechen und den Tod herbeiführen.
Die Lähmungen und die Aphasien besserten sich auffallend rasch,
aus der schlaffen Lähmung wurde im weiteren Verlauf eine leioht spas¬
tische. Am langsamsten wichen die SensibilitätsstörungeD, sie geben jedoch
eine günstige Prognose. Wichtig ist es, dass der Pat. ruhig im Bette
bleiben muss. Eine unangenehme Komplikation ist die Liquorfistel,
weil mit dem Liquordurchbruch stets eine Temperatursteigerung bis 40°
verbunden war.
Hr. Robinsohn:
Zwei neue einfache Methoden der röntgenologischen Tiefenmessung,
besonders hei Fremdkö'rpern.
Bei der Lokalisation eines Fremdkörpers in einem Körperteile handelt
es sich darum, festzustellen, in welcher Richtung, Tiefe und Lage sich
der Fremdkörper befindet. Zur Lokalisation von Fremdkörpern sind
zahlreiche Methoden ausgearbeitet worden, von welchen sich nur wenige
eingebürgert haben, eine von diesen ist die Lokalisation mittels der
Orthodiagraphie. Da diese Methode umständlich ist, hat sie der Vortr.
vereinfacht. Das Prinzip der Verbesserung ist die Bestimmung der Tiefe
mit Zuhilfenahme eines Stabes mit verschiebbarem Index. Das Prinzip
einer neuen Methode, welche Vortr. ausgearbeitet hat, beruht auf der
schon früher bekannten Anwendung der bifokalen Durchleuchtung zur
Festellung des Sitzes des Fremdkörpers. Vortr. bat dazu einen einfachen
Apparat konstruiert, bei welchem das Rohr bei den beiden Aufnahmen
um eine bestimmte Grösse verschoben wird. Der Apparat kann an
jedem Röntgenapparat angebracht werden. Die Berechnung der Tiefe, in
welcher das Projektil sitzt, erfolgt in einfacher Weise.
Sitzung vom SO. Oktober 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Adler stellt einen Soldaten mit einer arteriovenö'sen Anastomose
am linken Oberschenkel nach Schnssverletzung vor.
Patient erhielt einen Weichteilschuss am Oberschenkel, die Wunde
verheilte gut. Nach 14 Tagen spürte er ein Schwirren in der Gegend
der Verletzung, daselbst ist keine Schwellung und keine circumscripta
Pulsation zu bemerken. Der linke Unterschenkel ist hellrot verfärbt
und die Venen treten stark hervor, der Oberschenkel ist etwas atrophisch.
Wahrscheinlich handelt es sich um eine Anostomose zwischen der Arterie
und der Vene.
Hr. Weiser demonstriert mehrere in Behandlung befindliche Fälle
von Kiefersehnssfraktnren.
Die Behandlung derartiger Frakturen hat den Zweck, das Kauen zu
ermöglichen und ein tunlichst gutes kosmetisches Resultat zu erzielen.
Zum Zusammenhalten der Frakturstelle werden verschiedene Apparate
verwendet. Der älteste ist der Sauer’sche Verband, welcher bei ein¬
fachen Frakturen anwendbar ist und aus einem dem Kiefer entsprechend
gebogenen Draht besteht. Bei Schussfrakturen ist dieser Apparat nicht
verwendbar. Es gibt eine Modifikation dieses Verfahrens, bei welchem
der Draht nach einem guten Modell gebogen wird.
Einen wichtigen Fortschritt bedeutet die Verwendung der Vulkanit-
schiene, welche über einem Modell geformt und dann über das Gebiss
gelegt wird. Dieser Apparat ist bei kurzen Zähnen nicht anwendbar.
Die Knochennaht des frakturierten Kiefers kann selten zur Aus-
führuog kommen, ausserdem ist es nicht sicher, ob nicht die Nahtstelle
nekrotisch wird. Die Naht ist ferner bei Splitterbruch nicht möglich.
Bei der Methode von Engel wird der intakte Oberkiefer als Fixations¬
stelle für den gebrochenen Unterkiefer benutzt. Die Methode hat den
Nachteil, dass der Kranke den Mund nicht aufmachen kann und durch
eine Zahnlücke ernährt werden muss. Bei einer Modifikation des Ver¬
fahrens wird der Unterkiefer in eine Spange eingespannt und der Ober¬
kiefer besitzt eine Gleitschiene.
Wenn der Unterkiefer doppelt fraktnriert ist, so muss ein Extensions¬
verband angewendet werden. Dieser besteht aus einem fixierenden Reif
um den Kopf, von welchem entweder eine Feder (Spencer) oder eine
starre Schiene (Nauenburg) ausgeht, mittels weloher die Extension
ausgeübt wird. Bei Oberkieferfrakturen ist die Behandlung schwieriger.
Unter der Einwirkung einer stumpfen Gewalt kommt ein Bruch ge¬
wöhnlich an drei Stellen vor: Es wird der Alveolarfortsatz vom Ober¬
kiefer abgebrochen, eine niobt komplizierte Fraktur dieser Art kann
ohne Behandlung heilen; eine andere Frakturstelle ist die Gegend der
Fissura orbitalis inferior und die Verbindung des Jochbeins mit dem
Oberkieferbein; die dritte typische Stelle ist am Nasenfortsatz, am Stirn¬
fortsatz des Jochbeins und am Jocbbogen. Für diese Frakturen wird ein
von Nauen bürg angegebener Fixationsapparat benutzt.
Hr. Werner stellt eine Frau mit exzessiver Kürze der Unter¬
sehenkel vor.
Die Frau sieht wie eine Zwergin aus, ist aber mit Ausnahme des
Unterschenkels normal gewachsen, wenn auch von kleiner Statur. Die
Tibien sind ganz kurz, die Fibulae sind verkrümmt, gedreht und hoch¬
gradig verdickt, die Kniescheiben nach oben luxiert. Pat. hat an jeder
Hand 6 Finger, an einem Fusse 7, am anderen 8 Zehen. Es handelt
sich um eine angeborene Missbildung.
Hr. Lotheissen führt eine 28jähr. Frau vor, bei welcher er eine
Oesophagoplastik aus dem Magen vorgenommen bat.
Die Patientin batte eine impermeable Striktur des Oesophagus,
welche schon in der Höhe des Jugulums begann.
Vortr. hat den Oesophagus aus der grossen Kurvatur gebildet, diesen
nach Abtragung des Processus xiphoideus unter der Haut bis über die
Clavicula hinauf geleitet und dort mit dem oberen Stumpf der Speise¬
röhre vernäht. Es kam zur Nekrose eines Stückes des Oesophagus, die
so entstandene kleine Diastase wurde durch einen Hautlappen gedeckt.
An der Vereinigungsstelle des Oesophagus mit der aus dem Magen oder
dem Darm gebildeten Röhre bilden sieb meist Fisteln aus, wie das auch
in diesem Falle vorbam. Die Fistel ist jetzt geschlossen und Patientin
kann jetzt gut schlucken. H.
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.)
Sitzung vom 3. November 1914.
Vor der Tagesordnung.
Anssergewöhnliche Waffen ans Feindesland.
Hr. Brettner demonstriert 1. ein Stockgewehr. Diese Gewehr¬
stöcke sind eine heimtückische Waffe und in Deutschland verboten; die
Waffe wurde in Nordfrankreich von einem verwundeten Landwehrmann
gefunden; er erwehrte sich mit ihr durch Stoss eines Zuaven, der ihm
den Schädel mit dem Gewehrkolben einschlagen wollte. Zum Laden
wird der Griff abgeschraubt; nach dem Einsetzen der Patrone wird der
Griff aufgeschraubt, gespannt, der „harmlose* Ring zurüekgeschoben und
nach links gedreht; ein leichter Druck auf den Ring nach der anderen
Seite entladet den Schuss.
2. ein englisches Seglermesser, das auffallend kräftig gebaut
ist und einen sehr starken Dorn trägt, der imstande ist, einen Schädel
zu durchbohren. Es wird von den englischen Offizieren im Felde benutzt.
3. einen Fliegerpfeil; er saust dureh die eigene Schwerkraft
herunter, ist zu zwei Dritteln der Länge vierkantig ausgefräst. Der
Schwerpunkt liegt im unteren Drittel; er wird in Massen von den Fahr¬
zeugen herabgeworfen. Die Endgeschwindigkeit soll einem Drittel der
Anfangsgeschwindigkeit eines Gewehrgeschosses entsprechen bei 1500 bis
2000 m Wurfhöhe. Die Flugzeuge, die ja auch Bomben tragen, werden
dadurch wenig belastet. Immerhin sind es nur Zufallstreffer; Volk-
mann sah bei seinem Bataillon 14 Verletzungen; bis auf eine tödliche
(Sobädelwunde) heilten sie glatt. Auch Pferde wurden getroffen und
durchbohrt. Ein Unteroffizier bekam einen Stich in die Schulter; der
Pfeil war über dem Schlüsselbein eingedrungen, hatte Lunge und Leber
durchbohrt, war in die Bauchhöhle gedrungen; es folgte Cyanose und
binnen 36 Stunden der Tod.
Tagesordnung.
Ueber Volksernährnng im Kriege.
Hr. Rnbner: Kriegsernährung heisst gemeinhin die Ernährung der
Soldaten im Felde. So war es auch 1870. Eine besondere Lage ent¬
stand dadurch, dass sich jetzt etwas besonderes gegen früher vollzieht;
zumal nach Englands Eintritt in den Krieg. Sofort trat die Befürchtung
auf, Deutschland solle ausgehungert werden. Schon im Juni d. Js. ist
das Thema von Chauxtemps behandelt worden. Namentlich in Italien
hielten der Elsässer Weiss und der angebliche, auch uns bekannte
Friedensfreund Eichet überall Vorträge, um gegen uns zu wettern und
zu behaupten, dass wir nach 4—5 Monaten nicht mehr imstande wären,
uns zu ernähren; wir wären nicht sehr geeignete Bundesgenossen.
Deutschland führt eine Reihe von Nahrungsmitteln ein. Aus Russ¬
land nehmen wir Brotgetreide auf. England selbst wäre nicht in der
Lage, hei Absperrung der Grenzen, auch nur einige Monate durchzuhalten;
z. B. die Milch kommt aus dem Ausland (Holland), Käse aus Kanada, Brot¬
getreide aus der ganzen Welt, das (gefrorene) Fleisch ebenfalls. Noch
andere Staaten haben grosse Einfuhren, Belgien, Frankreich, die Schweiz,
die nordischen Länder und Holland. Sie brauchen viel Getreide; nur
zwei brauchen keins, Russland und Rumänien.
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UMIVERSITY OF IOWA
182G
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 46.
Za sagen, dass wir nicht in der Lage wären, uns zu ernähren, ist
falsch. Der Henker irrt, der uns erdrosseln wollte. Deutschland ist
zwar ein erster Industriestaat; das ist auch ein Qrund des englischen
Krieges. Aber es hat die Landwirtschaft und Bodenkultur nicht ver¬
nachlässigt. Für den Bauernstand wurden viele Maassregeln getroffen,
die unter den politischen Parteien grosse Kämpfe hervorriefen. Es waren
die Zölle und die Agrarpolitik. Niemand dachte, dass das Ausland unser
Feind werden könnte. An der Landwirtschaft war es, nachzuweisen,
dass sie allein in der Lage ist, uns zu ernähren. So hat die wissen¬
schaftliche Landwirtschaft sich bemüht, die Kenntnisse der Landwirt¬
schaft, die Lehre von der Viehzüchtung zu verbreiten. Nur Belgien, das
einen guten Boden besitzt, ist pro Hektar noch ertragreicher. So war
es möglich vieles aus dem Boden zu erzielen und die Viehzucht zu heben.
Was haben wir? Wir kennen die Ernteerträgnisse, die Bestände
der Viehzucht und den Aussenbandel genau. Was muss für die Ernäh¬
rung des ganzen Volkes ausgegeben werden? Das zu beantworten ist
nur möglich, wenn unsere Mittel in diesem Jahre genau so gross wie
sonst sind. Zu bedenken ist aber, was von einem Volk verzehrt wird.
In grossen Zügen hat Vortr. den „Nationalbedarf“ aus den vielen Haus-
haltungsrecbnungen zusammengestellt.
Die Erträgnisse der Milchwirtschaft sind wichtiger als die aus dem
Fleisch und der übrigen Viehzucht. Aus der Miloh gewinnen wir über
60 pCt. Eiweiss mehr, das sind 152 pCt. Oalorien mehr. Wir müssen also
alles daran setzen, die Milchproduktion, vor allem den Kuhbestand auf
der Höhe zu halten. Wir haben 91 Millionen Kühe, die Milchproduktion
ist bedeutend. Davon wird nur ein Teil — 30 pCt. — getrunken.
Alles andere wird in Rahm, Butter, Käse verwandelt; die Molke und
Magermilch dient in der Hauptsache, d. b. ein Drittel des ganzen Nähr¬
werts, zur Viehfütterung. Die Hälfte der Gesamtmilch dient zur
Butter-, ein kleinerer Teil zur Käsebereitung. Letzterer ist noch kein
Volksnahrungsmittel geworden. Der Deutsche isst davon täglich nur 8 g,
der Butterverbrauch beträgt 18 g, der an Milch 847 ccm täglich auf
den Kopf der Bevölkerung; der „Kopf der Bevölkerung“ entspricht in
Deutschland einem Durchschnittsgewicht von nur 45 kg. Wir ver¬
schwenden also sehr viel von der Milch. Um 1 g Butter zu gewinnen,
gehen 30 Teile Milch verloren; es ist also besser, zur Milch als zur
Butter zu greifen. Käse sollten wir mehr verbrauchen.
„Die Eier werden teurer.“ Das gilt als schlechte Vorbedeutung.
Der Verlust, den wir durch die Nichteinfuhr aus Russland haben, be¬
trägt täglich 2,8 g Eiweiss; der andere Import, d. h. 6,3 g ist gedeckt;
es würde also jedem von uns alle 18 Tage ein Ei aus Russland fehlen,
im anderen Falle alle 8 Tage.
Das Fleisch gilt als Kernpunkt der Ernährung. Die Küche ist zwar
ganz auf Fleischspeisen gestimmt. Wer im Wirtshaus keine bestellt,
gilt als Sonderling. Alles ist auf den Fleischton eingestellt. Nun ist
es unwahr, dass fleisch teuer sei. Verfolgt man den Fleischverbrauch
in vielen Jahrzehnten, so steigt er gesetzmässig- Seit 1816 ist er auf
das Vierfache des Gewichts pro Kopf der Bevölkerung gestiegen. So sind
wir in der Stufenleiter der Völker von Italien vor 5 Jahren in die Nähe
Englands gekommen. Ja, wir verbrauchen noch mehr. Kein Volk nutzt
— infolge der Erfindung der Wurst — das Fleisch so aus wie der
Deutsche. Unser Viehbestand, nach und nach abgeschlachtet, würde
1 Jahr 7 V 2 Monate ausreichen. Das wäre ein Unding. Wir verbrauchen
von Jahr zu Jahr mehr Fleisch. Das ist im Kriege nicht notwendig. In
einem Jahre wurden 3 l /g Millionen Schweine mehr gezüchtet. So könnte
man an der Fleischerzeugung sparen. Haben wir genug Mittel, das Vieh
zu füttern? In vielen Teilen Deutschlands findet Import von Viehfutter
statt. Namentlich aus Russland kommen über 3 Millionen Tonnen Gerste,
daneben Oelkuchen und Kleie. Das bleibt jetzt aus. Wir können Er¬
satz schaffen. Es lässt sich von Grund und Boden mehr als bisher ge¬
winnen. Etwas von dem Viehbestand wird reduziert werden müssen;
eine Einschränkung ist nötig. Dann ist die Seefischerei nicht mehr so
ergiebig wie früher. Die englische Küste ist nicht mehr zu erreichen.
Auch beim Geflügel fehlt etwas, die russischen Gänse. Jeder von
uns isst also nur 0,1 Gans im Jahre weniger. Etwas knapper ist der
Vorrat an Fett. Der grosse Fettverbrauch in den letzten Jahren stiess
bei uns, namentlich der an Butter, auf Schwierigkeiten; 7 /io alles ge¬
nossenen Fettes ist Butter.
Eine Hauptsorge ist die um das tägliche Brot. Ein Drittel unserer
Bedürfnisse entstammt den animalischen, zwei Drittel den pflanzlichen
Nahrungsmitteln. Wir müssen letztere voll in unseren Haushalt ein-
setzeo. Ein Land mit Viehzucht und Getreidebau ist besser als das¬
jenige, das nur Getreide baut; denn das Vieh verbraucht Dinge, die wir
nicht gebrauchen können, und wandelt sie in Fleisch um. Unsere Brot¬
getreideernte war diesmal weniger gut als die berühmte vorjährige. Bis¬
her bezogen wir über 2 Millionen Tonnen Weizen aus Russland. Aber
wir führten auch sehr viel Getreide, namentlich Roggen, aus. An Weizen
und Roggen zusammen ist so viel vorhanden, dass es einer mittleren
Ernte sehr, wenn auch nicht ganz, nahe kommt. Die mittlere Ernte
umfasst, was der Mensch, das Tier und die Industrie gebraucht. Wir
brauchen also nur Tier- und Industriebedarf etwas zu mindern. Dann
reicht das Brot sicher aus. Die Industrie lässt sich einschränken; denn
das Getreide dient zur Herstellung von W'eizenstärke und in Brennereien.
Beim Roggen ist es ähnlich. Aber er geht nicht mehr ins Ausland; er
darf nicht mehr für alkoholische Produkte verwendet werden. Der Be¬
darf an Gerste ist ausreichend für den Menschen gedeckt. Er ist nicht
gross. Wir bekommen noch Zuschüsse. Doch wird die Tierproduktion
etwas zurückgehen, um etwa 15pCt.; denn es wird nicht mehr exportiert.
Schlimm steht es mit den Erbsen und Linsen, fast alle Leguminosen
kommen aus dem Ausland; ihrer hat sich die Landwirtschaft zu wenig
angenommen. Das decken wir anders; es ist nicht bedenklich.
Die Kartoffelernte war nicht so glänzend, wie man anfangs annabm.
Aber dafür war sie gehaltvoller an Stärkemehl; es besteht also ein Aus¬
gleich. Aus der Kartoffel schöpft die Industrie, das Vieh, der Mensch,
letzterer nur 25—28pCt. Ein beträchtlicher Teil wandert in die
Brennerei, die Hälfte zur Viehverfütteruog. Die Spiritusbrennerei ist
denn auch auf 6 /»o der früheren Produktion beschränkt worden; es bleiben
also mehr Kartoffeln zur Verfügung. — Die Befürchtung, dass wir bis
zur nächsten Ernte nicht durchhalten können, besteht nioht zu Recht
Aber es muss hausgebalten werden.
Es muss alles durchgeführt werden, damit wir genügend versehen
sind. Der Arzt hat mannigfache Gelegenheit einzuwirken. Er kaue den
Leuten klar machen, wo man angreifen kann, damit der Koosum an den
Stellen znrückgeht, wo es erwünscht ist zu sparen. Der Konsum an
Nahrungsmitteln ist nicht so gross wie früher. Ein Teil der Armee
steht ausser Landes, das sind die esskräftigsten Menschen. Dann stellt
der Mann den grössten Anspruch an das Geld. Die Frau kommt leichter
aus; sie läuft nicht, statt zu Hause zu essen, ins Wirtshaus. Es fallen
die Fremden weg, der Gasthausverkehr ist viel geringer. Er stieg über¬
haupt seit Jahren stark an. Das Essen ausser dem Hause ist immer l
teurer und verbraucht mehr Animalien, als nötig ist. i
Weissbrot steht nicht so zur Verfügung wie bisher. Es fehlt reich¬
lich Weizenmehl; aber wir haben reichlich Roggenmehl. Seit Jahren
isst man nur Weissbrot. Wo isst man hier noch vom Laib Brot? Ueber-
all sieht man Knüppel, Schrippen, Kleinbrot; es stammt aus dem weissen
Teile des WeizeDkorns. So ist der Verbrauch von Roggen zurÜGk-
gegaogen. Wir wurden vom Auslande abhängig. Also ist eine Re¬
duktion nötig.
Was ist der Unterschied zwischen Schwarz- und Weissbrot? In physio¬
logischer Hinsicht gar keiner! Das Roggenmehl liefert wenig Kleie and
wird weit ausgemahlen; beim Weizen wird dagegen nur der innere
Mehlkern genommen. Das Kleinbrot ist eine künstliche Brotmasse, wo
das Verhältnis der Kruste zur Krume sehr gross ist. Beim Laib Brot
ist das Verhältnis anders. Also könnte man auch aus Roggenmehl oder
einer Mischung mit Weizenmehl dasselbe herstellen. Physiologisch be¬
dingt das gut ausgenutzte Weissbrot die Verstopfung, die vielfach darauf
beruht, dass die Därme leer sind. Roggenbrot, zumal ab und zu mit
Kleie vermahlenes, würde diese Sorge vertreiben; denn es bewirkt Kot-
bildung. Dieser Missbrauch ist auch in Arbeiterkreisen eingerissen. Die
armen Leute kaufen diese Brötchen; sie sind dreimal so teuer wie der
Laib Brot.
Die Ausdehnung des Bedürfnisses an Butter und Rahm macht
Schwierigkeit. Der Rahm ist viel teurer als Milch; zu Rahm sind 7 bis
8 mal soviel Teile Milch nötig. Bei der Butter wird in hohem Maasse
Fettverschwendung getrieben, weil die Leute trockenes Brot nicht mögen.
Wer das tut, imponiert als tiefstehender Proletarier. Welche Unsummen
gehen so verloren! 5 g Butter aufs Brot ist nichts! Beide Hälften
werden gestrichen aufeinander geklappt. Das deutsche Volk verzehrt
im Jahre 25 Milliarden Nabrungsportionen. Eine ganz geringe Ersparnis
bringt einen immensen Einfluss auf die ganze Milchwirtschaft. Sehr
wichtig ist der übermässige Fleichkonsum. Immer klagt man über
Fleischnot, und doch findet man starken Verbrauch. Er ist falscherweise
dadarch gestiegen, dass die „kalte Küche“ mehr als zuvor zugenommen
hat, zumal das „belegte Brot“ und die Wurst. Kein Volk isst mehr
Schweinefleisch (50 pCt. des Konsums) als die Deutschen! Das Schweine¬
fleisch verschwindet als Wurst. Isst jeder ein belegtes Brötchen mehr,
so resultieren grosse Zahlen. So ging in den letzten Jahren alles sprung¬
weise in die Höhe.
Zu beseitigen ist das „englische Frühstück“. Dazu kommt die
Sparsamkeit im Einkauf, Kochen und bei Tisch, Viele Frauen kaufen
zu viel ein; das Ganze wird verkocht, das Gemüse schlecht geputzt und
viel zu viel dafür ausgegeben. Viel zu viel bleibt auf dem Teller liegen.
Selbst in Zuchthäusern sah Vortr. 3—15 pCt auf dem Teller Zurück¬
bleiben; in den Familien ist diese Verschwendung noch viel grösser.
Jeder kann mitwirken.
Wir müssen uns mehr den Vegetabilien zuwenden. Zu ersetzen ist
das Fleisch durch Suppen oder Mehlspeisen.
Auch der Staat soll was tun, wird verlangt. Das ist in diesem
Falle zuzugeben. Schwer ist es, die Menschen zu belehren. Die Leute
hören alles an, tuD es aber nicht. Der Pessimist klagt, isst aber weiter,
und der Optimist denkt überhaupt nicht daran, sich zu ändern. Mü I
Vorschlägen muss man bei sich selbst anfaogen, dann kann man mit |
innerer Ueberzeugung auftreten. Der Staat tat schon manches. Vieles j
steht in den Verordnungsblättern, die wir nicht lesen. Zu denken »* 1
an die Ausfuhrverbote, die Aufhebung der Einfuhrsperre, die Erleich¬
terung des Handels, die Ausnahmetarife, Anregung zur Futtermittel-,
besebaffang, Einrichtung zur Hebung der Fleischversorgung, Hebung der
Viehhaltung, Verhütung des Frühschlachtens der Kälber, Maassnahoen
zur Bearbeitung des Bodens, Beschaffung von Motorpflügen und Dünger,
Kulturarbeiten in Oedländereien, Kartoffeltrocknung. Das ist nicht nur
für den augenblicklichen Zustand wichtig, sondern soll auch für die Zu¬
kunft helfen.
Die Regulierung des Preises der Nahrungsmittel ist gefordert worden.
Sie hat lange auf sich warten lassen. Die Folge war, dass in der
Zwischenzeit viel Roggen und anderes mit zur Viehfütterung vertan
wurde. Die Schweiz ging rascher vor; schon am 27. August d. J. erliess
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UNIVERSUM OF IOWA
IG. November 1014.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1827
sie zum Schutze der menschlichen Nahrung Verbote gegen die Ver¬
wendung von Brotgetreide für das Vieh. Wir haben erst am 29. v. M.
dasselbe getan. Ohne Zwang geht es nicht ab. Der Bundesratsbeschluss
hat das Weizenmehl gestreckt. Wir verfügen über 8 pCt. Roggenmehl
mehr als nötig und über 21 pCt. zu wenig Weizenmehl. Man könnte
den Ueberschuss zum Weizenmehl mischen oder das Weizenmehl mehr
ausmahlen. Es fällt Kleie ab, die bald holzig und wertlos ist oder viel
Eiweissstoffe hat. Ist das Getreide teuer, so mahlen die Mühlen weit
aus. Das können wir auch jetzt tun. Das Defizit kann man duroh Aus¬
mahlen ersetzen oder die Ausmahlung nur bis zur Hälfte steigern und
Roggenmehl zusetzen. Letzteres tat die Regierung. Wir bekommen
(ausser für die Konditoreien) Weizenmehl mit 10 pCt. Roggenmehl; das
ist gleichgültig für die Ernährung und die Küche. Der Ausmahlungs¬
grad soll bei den grösseren Mühlen höher als bei den kleineren sein
dürfen (?). So bleibt vom Roggen etwas übrig. Das Roggenmehl soll
einen Zusatz von trockener Kartoffel bekommen. Letztere verdirbt
leicht; im Winter können 50 pCt. der Stärke durch Selbstatmung ver¬
loren gehen. Trocknet man aber die Kartoffel, so hält sie sich jahre¬
lang; man trocknet die Schnitzel. Aber die technischen Einrichtungen
fehlen uns, so wird man nur das 10 fache gegen früher trocknen köonen.
Die Bäcker dürfen dem Roggenmehl bis zu 20 pCt. Kartoffelmehl zu¬
setzen, müssen das Brot aber mit „K“ bezeichnen. Das istVortr. nicht
sympathisch. Viele werden sich daran stossen, andere werden ein Stück
unterhalb des „K“ bekommen, ohne es zu wissen usw. Zudem besitzen
wir von den Nahrungsmitteln keine Methode, die angibt, wie gross
der Zusatz ist, denn auch der N-Gehalt der einzelnen Bestandteile
schwankt sehr.
Bis jetzt wurden nur Preise für das Getreide festgesetzt. Auch die
Kartoffel bedarf des Schutzes, sie kann billig bleiben. Es ist besser,
statt des Kartoffelbrotes 4 /s Brot und Vs Kartoffeln zu nehmen; das ist
billiger; man kann Bratkartoffeln usw. machen und variieren. Nötig
wird auch die Feststellung des Preises der Milch, besonders der Magermilch.
In anderen Staaten steht es nicht besser. Die Schweiz lässt schon
seit dem 27. August d. J. nur ein Mehl tunlichst ohne einige Prozent
Kleie ausmahlen; die Pensionats haben die Menus um 2 Gänge gekürzt;
die Preise blieben dieselben.
Für das Ernährungswesen besitzen wir keine Organisation. Schon
1907 hat Vortr. für eine Centrale zur wissenschaftlichen Kontrolle und
Bearbeitung der Volksernährungslehre gesprochen; hier müssten die
Kenntnisse über die Nabrungsmittelgewinnung, die Vorräte, den Import,
den Stand der Volksernährung überhaupt Zusammenflüssen und ver¬
breitet werden. Nur in Amerika gibt es eine Teileinrichtung in Gestalt
von Veröffentlichungen, mit denen das landwirtschaftliche Staatsinstitut
in Washington das Land überschwemmt. Die Masse wird rationell er¬
zogen. Das Wesentliche bleibt aber, alles zu sammeln, was die Volks-
ernährung betrifft. Hätten wir das schon, so hätte die Volksernährungs-
saohe nicht durch den Krieg überrascht werden können, und wir hätten
unsere äussere Wehr gestützt. Jetzt sind Improvisationen nötig für
Material, das man längst hätte haben können. Das ist auch heute noch
nicht zu spät.
Die Tendenz Englands, uns durch Hunger auf die Kniee zu ringen,
ist nicht begründet. Wir können beruhigt in die Zukunft blicken. Helfen
wir hier in der Reserve raitwirken für das Vaterland, während die Masse
draussen steht. Mode.
Kriegsskizzen.
Von
Dr. Arthur Münzer, zurzeit im Felde.
VII. Ausblick.
Unsere Artillerie war den ganzen Sonntagvormittag über tüchtig an
der Arbeit gewesen. Heute gab’s keine Sonntagsruhe; Schuss fiel auf
Schuss. — Am Nachmittag hielt’s uns nicht länger mehr im Quartier;
auch wir wollten hinaus, nach vorn, um zu sehen, wie unsere Sache stand.
Die Pferde werden schnell gesattelt, und im Trab geht’s vorwärts. Wir
reiten in der Richtung, aus der das Geschützfeuer kommt und sind bald
auf dem richtigen Weg. Schon kommen uns die ersten Leichtverwundeten
entgegen. Die meisten haben Arm- oder Kopfschüsse. Sie marschieren
nach der befohlenen Sammelstelle und sind alle guter Dinge. Wir fragen
sie, wie es vorne stände, und voller Stolz wird uns berichtet, die Belgier
seien zurückgedrängt, unsere Infanterie gehe vor. Beim Weiterreiten
begegnen wir zunächst einer Marine-Sanitätskompagnie, die gerade nach
vorne gezogen wird. Rechts und links von uns stehen je eine Batterie,
die in regelmässigen Zwischenräumen feuern. Jetzt kommen wir an das
Dorf E., das völlig zerschossen und von Einwohnern verlassen ist. Im
Ort wimmelt es von Militär; Meldereiter und Radfahrer jagen durch die
Dorfstrasse. — An der Kirche halten wir. Der Kirchturm war durch
Artilleriefeuer glatt rasiert worden. Oben war jetzt ein deutscher Beob¬
achtungsposten stationiert. Wir machen uns an die Besteigung der
Turmruine. Zunächst auf schmalen Treppen, dann auf Leitern geht’s
etwas mühsam aufwärts. Endlich sind wir oben angelangt und melden
uns beim wachthabenden Offizier. Wir schauen nun nach vorn und ge¬
messen den Ausblick ins Land; der Himmel war wolkenlos und klar.
Einige Kilometer vor uns liegt die Stadt, deren Einnahme erstrebt wurde;
stolz ragt die Kathedrale in die Höhe. Rings umher war fruchtbares
Land, am Horizont hoben sich scharf einzelne Dörfer ab. Von unserem
Standort war deutlich zu übersehen, wie weit unsere Truppen schon
vorwärts gedrungen waren. Heute abend noch sollte die Stadt gestürmt
werden. Dumpf grollend klang das Geschützfeuer zu uns herüber. —
Wie klein nahm sich alles von hier oben aus, und dooh wie Grosses
spielte sioh dort unten ab! Dort unten kämpft der deutsche Soldat
um seine heiligsten Güter, dort unten ringt ein Volk um seine Freiheit! —
Wir wissen es wohl, wir fühlen es immer wieder, für unsere Truppen
kann es kein Hindernis geben. Unaufhaltsam stürmen sie voran. Die
eiserne Notwendigkeit zwingt uns zum Siege.
In immer gleich massigem Takt feuern die Batterien, weiter vorn
knattert Gewehrfeuer. „Die Stadt wird im Laufe der nächsten 24 Stunden
genommen werden“, meint der wachhabende Offizier. Er steht von oben
in ständiger telephonisoher Verbindung mit den feuernden Batterien und
dirigiert von seinem Posten aus, der ihm eine ungehinderte Fernsicht
erlaubt, die Aktion der Geschütze. '
Wir verabschieden uns und steigen herunter; das Gefecht gebt
weiter. Man muss über die Präzision, mit der unsere Armee arbeitet,
immer von neuem staunen und empfindet immer wieder die höchste Be¬
wunderung für die Leistungen, deren unsere Truppen fähig sind.
Das eben Geschaute still für uns überdenkend, ritten wir heim¬
wärts. Das Feuern währte bis spät in die Nacht hinein. — Der wach¬
habende Offizier auf dem Kirchturm hatte sich nicht getäuscht: am
nächsten Morgen war die Stadt in unseren Händen.
„Feuerzauber.“
Irgendwo im Lande steht hier eine Batterie. Aber es ist keine ge¬
wöhnliche Batterie wie die andern alle, deren Geschütze wir längst
kennen; es ist eine Märchen-Batterie. Und doch ist es wieder keine
Märohen-Batterie, denn sie existiert wirklich. Immerhin, es hat mit ihr
eine besondere Bewandtnis; in ihr ruht ein Zauber. — Die Kunde von
unserer Batterie hat sioh bald im ganzen Lande verbreitet, und so eilen
auch wir, das Wunder zu schauen. Ein kurzer Ritt führt uns nach
dem Standplatz. Da sind, auf einer nicht eben weiten Fläche fest ein¬
gebaut, zwei Geschütze aufgestellt, die an eine Art Panzerturm ange¬
schlossen sind, in welchem sich die Bedienungsmannschaft befindet.
Nicht weit davon liegen die mächtigen Geschosse, von denen gerade
eines mit spielender Leichtigkeit hocbgewunden wird. Das sind also die
berühmten Krupp’schen 42 cm-Geschütze, die „grossen Brummer“, wie
sie allgemein genannt werden. Wir sind gerade in einer Feuerpause
angekommen und harren gespannt der Entwicklung der Dinge. — Zu¬
nächst haben wir Müsse, den Aufbau der Geschütze zu bewundern.
Vielleicht hatten wir uns nach dem, was uns schon zu Obren gekommen,
alles noch viel mächtiger, noch riesiger vorgestellt. Nun, als wir das
Wunder schauten, kam es uns fast natürlich vor. Nur der starr nach
oben ragende Lauf sohien auf kommendes Unheil binzuweisen, drohte
Tod und Verderben. — Auf dem Platz eilten geschäftig eine Anzahl
höherer Offiziere hin und her. Mannschaften sind mit dem Ausladen
von Munition beschäftigt. Ein Hauptmann führt uns in liebenswürdiger
Weise umher und gibt die notwendigen Erklärungen. In vorsorglicher
Weise werden wir auch mit Watte versehen, mit der das Ohr gegen den
allzu lauten Knall geschützt werden soll.
Voller Interesse waren wir den Erläuterungen unseres Führers ge¬
folgt und warten nunmehr mit Spannung auf das grosse Ereignis. Wir
stehen in etwa 20 m Entfernung von dem zunächst feuernden Geschütz.
Plötzlioh kommt’s! Ein Unteroffizier kommandiert „Schuss“, ein Mann
auf der Plattform des Geschützes hebt die Hand — der Moment der
Spannung wächst aufs höohste — „Fertig“ — „Feuer“! Und dann ge¬
schieht das Wunder, das Unfassbare. Aus dem Geschützrohr heraus
springt eine mächtige Feuersäule, die einen kurzen Moment ins Riesen¬
hafte zu wachsen scheint, ein gewaltiger Knall, eine starke Erschütterung
für die in der Nähe Stehenden, und dann ein Zischen und Sausen in
der Luft, das fast wie eine Ewigkeit zu währen scheint, — der Lauf des
Geschützes senkt sich zur Erde, aus dem Rohr qualmt und raucht es.-
Man steht zunächst stumm, wie vor etwas Unbegreiflichem. All¬
mählich weicht die Spannung. Wir wissen, dass sich inzwischen ein
tragisches Schioksal erfüllt. Längst hat das Geschoss unter der Gewalt
der treibenden Kräfte den Lauf verlassen, hat sich davoneilend den Weg
durch die Lüfte gebahnt und ist in furchtbarem Aufprall niedergesaust
im feindlichen Lager; Tod und Zerstörung sind seine Weggenossen. Wir
aber, die wir vor dem Geschütz stehen, wir sehen nichts davon. Uns
trennt eine ganze Reihe von Kilometern von dem Zielpunkt des Ge¬
schosses. Man steht in Bewunderung versunken vor dem Menschengeist,
der das Werk erdacht. Gewiss denkt man in solchen Augenblicken
nicht daran, dass es nur zur Vernichtung menschlichen Schaffens be¬
stimmt ist, man sieht nur das Grosse, Gewaltige das in dieser Schöpfung
seinen Ausdruck gefunden.
Alles geht seinen gewohnten Gang weiter. Nach 12 Minuten fällt
der Schuss aus dem zweiten Geschütz. Immer wieder beginnt das Spiel
mit dem tödliohen Ernst, und rein automatisch geht hier ein Schicksal
seinen schweren Gang.
Den Belgiern war die Aufstellung der grossen Geschütze nicht un¬
bekannt geblieben, durch ihre Flieger waren sie über die drohende Ge¬
fahr vermutlich genau orientiert. Um ihr zu entgehen, bedienten sie
sich einer von ihnen neuerdings mehrfach gewählten Taktik: sie Hessen
zwei mit Sand beladene Züge in wilder Fahrt los, um hierdurch die
Schienenwege zu versperren bzw. zu zerstören und so den Transport
der Munition zu verhindern. Dem deutschen Vorpostenkommando war
indessen die Ankunft der Züge signalisiert worden, und durch über die
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UNIVERSUM OF IOWA
1828
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 46.
Schienen gelegte Holzschwellen wurden sie zur Entgleisung gebracht.
Ein Trümmerhaufen kennzeichnet jetzt die Stätte. Die Wagen sind zum
Teil umgestürzt, zum Teil zerschmettert. Eine Lokomotive ist völlig
auf die Seite gelegt, die andere bäumt sich schräg in die Höhe. Mehrere
Wagen sind direkt ineinander geschachtelt. Der Anprall muss fürchter¬
lich gewesen sein.
So liegt nun beides, das Zerstörende und Zerstörte, dicht neben¬
einander. Beides wirkt grandios durch die Masse, die Gewalt, die in
ihm charakterisiert ist. Im Kriege überhaupt kann nur das Machtvolle,
das grosse Ganze wirken, während individuelle Werte an Bedeutung ver¬
lieren. Der Krieg rafft alles Einzelne in sich zusammen und schweisst
daraus ein Allumfassendes. Nirgends als im Kriege kommt das Be¬
wusstsein der einigen, in sich geschlossenen Nation klarer zum Ausdruck.
Das Dorf.
So manches Bild ist an uns in diesem Kriege vorübergezogen, dessen
Konturen sich uns tief eingeprägt haben. Wir sind auf dem Marsch;
der Befehl zum Abrücken ist plötzlich gekommen. Unser Ziel ist ein
einige Kilometer weit entferntes Dorf. Bald ist der Weg zurückgelegt,
und schon nähern wir uns den ersten Häusern. Unser an düstere Dinge
schon gewöhntes Auge sieht sofort: Das Dorf ist tot. Hier haben des
Krieges Schrecken gehaust, hier hat die Artillerie ihre schwere Arbeit
getan, und nach hartem Kampf ist das Dorf — gestorben. Von der Be¬
völkerung ist niemand mehr zu sehen, nur Soldaten eilen die Strassen
herauf und herunter. Alles ist öde und leer. Jedes Haus ist zerschossen.
Von dem stehen noch die Umfassungsmauern, von dem fehlt das Dach,
ein drittes ist völlig niedergelegt. Tiefe Löcher haben die Granaten in
die Mauern geschlagen. Trümmerhaufen kennzeichnen ihren Weg. Weit
offen stehen die meisten Haustüren und stellen die kahlen ungeordneten
Wohnräume bloss. Alles ist hier erstorben, und von dem warmen Hauch,
der einst diese Stätten belebt, ist nichts mehr zu spüren. Nur noch
ein wirres Durcheinander von armseligen Dingen starrt uns entgegen.
Die Kirche des Ortes ist gesprengt; die Grundmauern stehen noch,
alles übrige ist Schutt und Geröll. Der weite Marktplatz liegt leer und
verlassen; die Häuser ringsum sind meist zerstört. Aus irgendeinem
Hause klingt die Melodie: „Am Brunnen vor dem Tore“ — ein Soldat,
der in der Fremde die uns so lieben Weisen spielt.
Auf der Strasse liegen belgische Tornister, Kochgeschirre, Uniform¬
stücke umher, Ueberreste der letzten Gefechte. — Vor dem Ausgang des
Dorfes ziehen sich auf den Feldern unsere Schützengräben hin, wahre
Meisterstücke der Verschanzung; es sind zum Teil richtige unterirdische
Höhlen, die mit bewundernswerter Kunstfertigkeit ausgebaut wurden. —
Am Wegrande sind vereinzelte Soldatengräber. Hier haben brave Helden
die letzte Ruhe gefunden. Kameraden haben Blumen auf den Gräbern
gepilanzt und einfache Kreuze errichtet. — Jetzt fegt schon der Herbst¬
wind darüber hinweg und zaust an den Blumen. Bald wird vielleicht
die Spur der Ruhestätten verweht sein; im Frühjahr wird der Pflug
darüber hinweggeheu, und aus der Stille des Todes wird Deues Leben
erwachsen.
So schaut uns mit seinem tiefernsten Auge überall der Krieg an. —
Wir haben uns allmählich an sein Antlitz gewöhnt, und das leise Grauen,
das einen jeden von uns zunächst erfüllt, ist nach und nach gewichen.
Man darf nicht nur die Zerstörung und die Vernichtung, welche der
Krieg mit sich gebracht, sehen. In dem Drama, das vor uns sich jetzt
abrollt, schlummert schon der Keim des neuen Werdens. Was jetzt
untergegangen, wird in vollkommenerer Weise wiedergeschaflen, und
schöner wird erblühen, was jetzt zu schnell dahingewelkt. Demjenigen,
der bis zu dieser Höhe gekommen, wird auch das Trostlose in milderem
Licht erscheinen. Ihn hebt die Hoffnung auf neues Werden über die
Schrecken des Todes hinweg.
„Und so lang’ du das nicht hast,
Dieses Stirb und Werde,
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.“
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In der Sitzung der Berliner medizin. Gesellschaft
vom 11. November demonstrierten vor der Tagesordnung: 1. Herr
Holländer: Falle von Ektopia visoerum; 2. Herr Rothmann: Fried-
reich’sche Ataxie mit Myxödem; 3. Herr Ewald: Verätzung des Dick¬
darmes mit Ammoniak (Diskussion: Herr J. Israel). Hierauf hielt Herr
Morgenroth den angekündigten Vortrag: Die Chemotherapie der
Pneumokokkeninfektion.
— In einer kürzlich gehabten Sitzung des Aerzteausschusses von
Gross-Berlin, welcher der derzeitige Leiter der Medizinalabteilung des
Kriegsministeriums, Generalarzt Paalzow, beiwohnte, wurden die näheren
Bedingungen, unter denen Civilärzte bei dem Heeressanitätswesen zur¬
zeit Verwendung finden, des Näheren bekannt gegeben, und dadurch
manche Unsicherheit beseitigt. Es wurde zunächst mitgeteilt, dass schon
durch eine im vorigen Jahr erlassene Kabinettsordre den Aerzten für
die Kriegszeit der Offiziersrang verliehen worden ist — bekanntlich
wurde ihnen ja jetzt auch neuerdings für ihre Uniform das Offiziers¬
seitengewehr bewilligt —, ferner wurde ein ernstes Bedenken, das manchen
Kollegen bisher von der Betätigung im Felde abhalten konnte, beseitigt
durch die Angabe, dass ihm im Falle einer Verwundung oder des Todes
Pension bzw. Hinterbliebenenversorgung zugestanden ist. Tritt die Er¬
krankung oder der Tod nicht im Felde, sondern im Heimatgebiet ein, so
ist es dem Ermessen der Sanitätsbehörde überlassen, auf Antrag die
genannte Vergünstigung zu gewähren. Die Einzelheiten dieser bedeutungs¬
vollen Bestimmungen sind aus der Berliner Aerzte-Correspondenz Nr. 45 zu
ersehen.
— Der Hamburger ärztliche Verein richtet einen offenen Brief
an die Aerzteschaft Englands, worin gegen die Behandlung der
Gefangenen im allgemeinen und der Aerzte im besonderen in den Kon¬
zentrationslagern Verwahrung eingelegt und verlangt wird, dass die
Aerzte wenigstens in Krankenhäusern beschäftigt werden. Die Behand¬
lung widerspreche den Grundsätzen der Genfer Konvention und aller
Menschlichkeit. Der ärztliche Verein fordert von den englischen Aerzten
bei ihrer Regierung auf Freilassung der deutschen Aerzte, Schaffung hygie¬
nischer, menschenwürdiger Lebensbediogungen in den Lagern hinzuvirken,
und es wird von den britischen Aerzten eine Erklärung vor der gesamten
Welt erwartet. Die Einzelheiten dieses, von den Herren Brauer,
Deneke, Marben, Marr, Nocht, Oehrens, Rumpel und Sim-
monds Unterzeichneten Protestes sind aus der Tagespresse wohl bekannt.
— Den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes vom
11. November ist eine Anweisung zur Bekämpfung des Fleckfiebers bei¬
gegeben.
— Eine Ausstellung für Verwundeten- und Kranken¬
fürsorge im Kriege zu Berlin ist für die nächste Zeit geplant.
Ehrenpräsident des Arbeitsausschusses ist Se. Durchl. Herzog zu
Trachenberg, Fürst zu Hatzfeld, stellvertretender Militärinspekteur
der freiwilligen Krankenpflege. Dem Arbeitsausschuss gehören an: Prä¬
sidium: Frau General Wild v. Hohenborn. Dr. Buram, Präsident
des Kaiserl. Gesundheitsamts, Dr. Grossheim, Generalarzt. Prof. Dr.
Kirchner, Ministerialdirektor im Ministerium des Innern. Dr, Lewald,
Direktor im Reichsamt des Innern. Dr. Paalzow, Abteilungschef im
Kriegsministerium. Dr. Pannwitz, Geh. Sanitätsrat und Professor.
Dr. Schmidt, Generalstabsarzt der Marine. Dr. Schmidt, Ministerial¬
direktor. Die Ausstellung soll im Dezember im Reichstagsgebäude eröffnet
werden. Ihr Hauptziel ist, den weitesten Kreisen einen Ueberblick
über die Vorkehrungen zu geben, die seitens des Feldsanitätswesens
sowie der freiwilligen Organisationen (Rotes Kreuz, Ritterorden) getroffen
sind, um für die im Kampf Verwundeten zu sorgen: das Schicksal der¬
selben „vom Schützengraben bis zum Genesungsheim“ wird in Modellen,
plastischen Darstellungen, Tabellen usw. anschaulich gemacht werden.
Ausserdem soll natürlich auch die Seuchenprophylaxe und Behandlung
gebührend berücksichtigt werden. Es ist geplant, die Ausstellung später
auch in anderen deutschen Städten zugänglich zu machen.
— Die Irrenanstalt Friedrichsberg in Hamburg begeht am 18. No¬
vember d. J. den Tag ihres 50 jährigen Bestehens. Sie wurde ton
Ludwig Meyer gegründet als die erste deutsche Anstalt nach dem
Prinzip zwangloser Behandlung. Zurzeit ist ein durchgreifender Umban
und Reorganisation der Anstalt im Gang.
— Geheimrat Weismann in Freiburg ist im Alter von 80 Jahren
gestorben.
— Geheimrat Alb. Eulen bürg beging am 11. November das
50jährige Dozentenjubiläum.
— Verlustliste. I. Gefallen: Einj.-Freiw. E. Boltz, cand. med.
Einj.-Freiw. Flottring, cand. med. Unterarzt Dr. Hassencamp,
Jäger-Reg. Nr. 6. Stabsarzt d. R. Dr. E. Henzen. Dr. Lippe. Stabs¬
arzt d. R. Dr. Lembach. Offizierstellvertr. Siegrist, cand. med. —
II. Verwundet: Stabsarzt d. R. Dr. Biese. Assistenzarzt d. R. Dr.
Hauke. Unterarzt Dr. Lischke. Oberarzt d. R. Dr. Marenbach.
Oberarzt d. R. Dr. Rademacher. Assistenzarzt d. R. Dr. Riess.
Stabsarzt Dr. J. Schmidt. Assistenzarzt Dr. Schneller.
— Volkskrankheiten. Pest. Niederländisch-Indien (7. bis
20. X.) 737 und 847 f- Ecuador (1.-31. VIII.) 8 und 1Cholera.
Oesterreich (18.—24. X.) 413 und 142 f- Ungarn (18.-24.X.) 844.
— Pocken. Deutsches Reich (1.—7. XI.) 3. — Genickstarre.
Preussen (25.—31. X) 2 und 2 t- — Spinale Kinderlähmung.
Preussen (25.-31.X.) 2. — Ruhr. Preussen (25.—31- X.) 27»
und 11 f. Oesterreich (11.—17. X.) 2834 und 75 f. — Mehr als ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach in Recklinghausen, Zabrze,
Masern und Röteln in Herne, Diphtherie und Krupp in Bottrop,
Gera, Pforzheim. ... *
— Hoohaohulnachrichten. Rostock. Habilitiert: Dr. pbii. e
med. Wegner für Anatomie. __
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Königl. Kronen-Orden 3. Kl: Kreisarst Ge.
Med.-Rat Dr. W. Schlütter in Pyritz.
Niederlassungen: Dr. F. Zydek in Rudahammer, Dr. F. _
in Laurahütte, St. Skiba und E. St. Botzian in Neu-Heiduk, •
0. Kosch in Ratibor, M. Kräh in Bielschowitz, 0. Berger
Aerztin Dr. M. Sohulz geb. Plaut in K iel. _
Für die Redaktion verantwortlich Prof. De. Haas Kohn, Berlin W-, BayrentherSuva»
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER
Dia Berliner Kllnfocho Wochenschrift erscheint Jeden
Montag in Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4. —
Preis vierteljährlich 6 Hark. Bestellungen nehmen
alle Buchhandlungen und Postanstalten an.
Alle Einsendungen für die Redaktion and Expedition
wolle man ponofroi an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW,, Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen«
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Rohn. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 23. November 1914. J|o 47»
Einundfünfzigster Jahrgang.
INHALT.
Origiialtai: Morgenroth: Die Chemotherapie der Pneumokokken-
infektion. (Aus der bakteriologischen Abteilung des Patho¬
logischen Instituts der Universität Berlin.) S. 1829.
Kats: Nervöse Störungen bei Kindern. S. 1835.
Isaac: Pilzerkrankuog der Haut, infolge des Gebrauches wollener
Unterwäsche. S. 1835.
Lichtenstein: Ueber die Differenzierung einzelner Hefearten mit
Hilfe spezifischer Agglutinine. (Aus dem physiologischen Institut
der Universität Berlin.) S. 1836.
van Herwerden: Ueber die Nucleinsäureverbindungen in den
Nisslkörnern der Ganglienzellen. (Aus dem physiologischen
Laboratorium der Universität Utrecht.) S. 1837.
Benz: Zur Klärung der Embarinfrage. S. 1838.
Görl: Ueber RÖntgensterilisierung. S. 1839.
Döllken: Heilung der Neuralgie und Neuritis durch Bakterien¬
toxine. (Sohluss.) S. 1841.
BücherbesprechtiigeH: Kuthy und Wolff-Eisner: Die Prognosen¬
stellung bei der Lungentuberkulose. S. 1845. (Bef. Cornet,) —
Bockenheiraer: Allgemeine Chirurgie. S. 1846. (Ref. Adler.) —
Kuiper: Die funktionellen und hirnanatomischen Befunde bei der
japanischen Tanzmaus. S. 1846. (Ref. Röthig.) — Liepmann;
Grundriss der Gynäkologie. S. 1846. (Ref. Zuntz.) — Dessauer:
Radium, Mesothorium und barte X-Strahlung und die Grundlagen
ihrer medizinischen Anwendung. S. 1846. (Ref. Gudzent.) —
Berliner: Der Einfluss von Klima, Wetter und Jahreszeit auf das
Nerven- und Seelenleben. S. 1846. (Ref. Loewy.)
Literatur-Auszüge: Physiologie. S. 1846. — Pharmakologie. S. 1847. —
Therapie. S. 1847. — Parasitenkunde und-Serologie. S. 1847. —
Innere Medizin. S. 1847. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1848. — Röntgenologie. S. 1849. — Haut- und Geschlechts¬
krankheiten. S. 1849. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1849. —
Technik. S. 1849.
Verbaudlnugei ärztlicher Gesellschaften: Aerztlicher Verein zu
Hamburg. S. 1849. — Gesellschaft für innere Medizin und
Kinderheilkunde zu Wien. S. 1850.
Erb: Ueber Rückenmarksverletzungen. (Bemerkungen zu der Mitteilung
von Dr. E. Froeblich in Nr. 45 d. W.) S. 1850. — Froehlich:
Erwiderung zu vorstehenden Bemerkungen. S. 1851.
Münzer: Kriegsskizzen. S. 1851.
Tagesgeschichtl. Notizen. S.1852. — Amtl. Mitteilungen. S.1S52.
Aus der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen
Instituts der Universität Berlin.
Die Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion.
Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft 1 )*
Von
J. Morgenroth.
M. H.! Nachdem ich bereits im Frühjahr 1912 2 ) über den
von mir in Gemeinschaft mit meinen Mitarbeitern R. Levy
und weiterhin M. Kaufmann durchgeführten Versuch einer
experimentellen Chemotherapie der Pneumokokken-
infektion in diesem Kreise berichten konnte, darf ich wohl von
neuem auf Ihr Interesse rechnen, wenn ich nnn eine gedrängte,
wegen der knappen Zeit nicht lückenlose Uebersicht über die
Vertiefung und Erweiterung, welche dieses neu begründete For¬
schungsgebiet seitdem erfahren hat, zu geben versuche.
Die. weitere Erkenntnis hat in der Zwischenzeit zwar nicht
stürmische, aber stetige Fortschritte gemacht. Eine Anzahl Forscher
haben sich dieser experimentellen Richtung angeschlossen und sie
wesentlich gefördert; ich darf mit Genugtuung sagen, dass
unsere Ergebnisse vielfach bestätigt und in wertvoller Weise
erweitert wurden. Die Kliniker und Aerzte folgten der nahe¬
liegenden, auch von unserer Seite mit angemessener Zurückhaltung
des öfteren ausgesprochenen Anregung, die neue Therapie auf die
Pneumokokkeninfektiou des Menschen zu übertragen, zunächst
zögernd und in spärlicher Zahl. Um so mehr fühle ich mich
denjenigen Aerzten zu Dank verpflichtet, welche schliesslich doch
dieser ätiologischen Therapie in der Praxis Bahn zu brechen
unternommen haben und in der Augenheilkunde wie in der
inneren Medizin das Aethylhydrocuprein, oder, wie jetzt sein
einfacherer Name lautet, das Optoch in 1 ) systematisch zur An¬
wendung brachten.
Für die An wendungsweise eines neuen Arzneimittels
kann und darf der Experimentator dem Arzt keine bindenden
Vorschriften machen; er ist nur imstande, gewisse Konstanten zu
ermittelu, welche als Grundlage für die Therapie beim Menschen
beachtet werden müssen. So erwächst dem ärztlichen Wirken aus
der chemotherapeutischen Forschung eine besondere Aufgabe,
die nur am Krankenbett bearbeitet werden kann. Diese
Aufgabe, das Optimum der Wirkung mit dem Minimum von
Nachteilen zu erreichen, hat die Klinik schon oft genug unter
den schwierigsten Verhältnissen gelöst. Die Anwendung der Digitalis
ist am Menschen und nicht am Frosch erlernt, und sie ist nicht
in wenigen Wochen gemeistert worden. Die Salvarsantherapie
bei Syphilis und Framboesie ist trotz grösster Schwierigkeiten,
wie sie im Falle des Optochin nicht im entferntesten vorhanden
sind, durchgeführt und ausgearbeitet worden. In unserem Fall
ist die experimentelle Basis nicht minder zuverlässig; weshalb
sollte die ärztliche Kunst unter den viel einfacheren Bedingungen
nicht das Gleiche leisten können?
Als dieser Vortrag im Sommer aDgemeldet wurde, hatte ich die Ab¬
sicht, mich eines Eingehens auf die klinisch-praktischen Erfahrungen und
Fragen völlig zu enthalten und, beschränkt auf mein eigenes Gebiet,
Ihnen im wesentlichen die weiteren Fortschritte der theoretischen und
experimentellen Forschung vorzutragen. Da einige, die Einführung der
neuen Therapie fördernde klinische Arbeiten über die Behandlung der
Pneumonie in Aussicht standen, so war zu erwarten, dass endlich mit
dem Eintritt der diesjährigen Pneumoniesaison dem Mittel der gebührende
Platz auch io der praktischen Therapie angewiesen würde. Nun kam
der Krieg, die Publikationen blieben stecken und auch über gute Er¬
folge, die unter besonders günstigen Verhältnissen und mit vorsichtigster
Dosierung bei der Pneumoniebehandlung in Lazaretten erzielt
wurden, konnte nioht mehr, wie beabsichtigt war, berichtet werden.
1) Sitzung vom 11. November 1914.
2) Sitzung der Berliner med. Gesellschaft vom 20. März 1912. Diese
Wochenschrift 1912, Nr. 14, S. 663.
1) Das Optochin, das von den Vereinigten Chininfabriken Zimmer
& Co., Frankfurt a. M.-Süd, hergestellt wird, befindet sich als salzsaures
Salz (Optochin bydroohloricum) und als freie Base (Optochin basic.) im
Handel.
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Original frum
UMIVERSITY OF IOWA
1830 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. Nr. 47.
Was von der Behandlung der menschlichen Pneumonie mit
Optochin bekannt ist, soll, soweit es in der Literatur niedergelegt
oder mir auszuführen ausdrücklich gestattet ist, kurz mitgeteilt und be¬
sprochen werden; vor allem soll auch die wichtige, heute erheblich ge¬
klärte Frage der Dosierung und der Nebenwirkungen erörtert
werden. Ich kann nun auch die Verwendung des Optochins in der
Augenheilkunde nicht übergehen, deren Erfolge, speziell bei Ulcus
serpens, auch für die Behandlung der Pneumonie anregend wirken dürften.
Nachdem ich der UeberzeuguDg bin, dass die spe¬
zifische chemotherapeutische Behandlung der Pneu¬
monie mit Erfolg und ohne Nachteile durchgeführt
werden kann, dass sie besonders in dem beginnenden Winter¬
feldzage zahlreichen Angehörigen des Heeres das Leben
retten, die Dauer der Krankheit verkürzen und Erleichterung
schaffen kann, halte ich es für geboten, heute mit Nachdrack
dafür einzutreten, dass dieselbe bei der fibrinösen Pneumonie
allgemein zur Anwendung kommt.
Die fibrinöse Pneumonie spielt schon im Frieden als
Heereskrankheit keine geringe Rolle. Im Durchschnitt der
Jahre 1908/9 betrugen die Pneumonien in der preussischen Armee
5,6 pM. der Kopfstärke; den etwa 3000 Erkrankungen im Jahre
entsprechen etwa 120 Todesfälle. Diese Mortalität von 4 pCt.
erscheint, z. B. verglichen mit der Typhusmortalität, nicht so
gering, wenn man bedenkt, dass es sich um jugendliche Menschen
mit kräftigem Herzen und ohne Potatorium handelt, die frühzeitig
in sorgfältige Pflege kommen.
Die Bedeutung der Pneumonie als Todesursache ist ja bei uns
offenbar nicht so gross als in anderen Ländern, aber immerhin erheblich
genug. Nach den Mitteilungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes kamen
1909 auf 10 000 Lebende 9,3 Todesfälle an Pneumonie, gegen 21,9 an
Tuberkulose und 0,5 an Typhus. Dagegen starben nach einer Angabe
vod Still in New York in den Jahren 1898—1907 auf 10 000 Lebende
jährlich 27 an Pneumonie und 22 an Tuberkulose, so dass dort die
Pneumonie die häufigere Todesursache darstellt. Nach einer Aufstellung
von Fülleborn bildet unter den Angestellten beim Bau des Panama¬
kanals seit Jahren die Pneumonie die verhängnisvollste Erkrankung,
nicht etwa, wie man annehmen sollte, die Malaria.
Von einschneidender Wichtigkeit ist die fibrinöse Pneumonie als
Erkrankung der Farbigen. Eine Zusammenstellung der Sektionsergeb¬
nisse in Kamerun von Külz zeigt die Pneumonie als die häufigste
Todesursache unter den Eingeborenen. Besonders verheerend wütet sie
unter den Raffern des südafrikanischen Minengebietes, wo alle erdenk¬
lichen Anstrengungen zu ihrer Bekämpfung gemacht wurden. Auch die
Ovambos in Südwestafrika sind Pneumonien mit hoher Mortalität be¬
sonders ausgesetzt. Ihre grosse Bedeutung für die malayiscbe Bevölke¬
rung hat als einen der ersten Baermann in Sumatra veranlasst, sich
der neuen Chemotherapie auf das kräftigste und mit gutem Erfolg an¬
zunehmen.
I. Chemische Vorbemerkungen.
Ueber Gesetzmässigkeiten im Zusammenhang zwischen
chemischer Konstitution zahlreicher Chinaalkaloide
und ihrer Wirkuug auf Pneumokokken liegen umfangreiche
Versuche vor, die ich gemeinsam mit meinen Mitarbeitern Dr. Kauf¬
mann und Dr. Bumke ausgeführt habe. Von den Ergebnissen
können hier nur ganz kurz einige fundamentale Prinzipien an¬
geführt werden.
Alle unsere Versuche, deren systematische Durchführung
durch die ungemein dankenswerte chemische Mitarbeit der Herren
Direktor Dr. Weller, Prof. Dr. P. Rabe, Dr. Thron ermöglicht
wurde, führten zu dem übereinstimmenden Resultat, dass die
Grundlage einer baktericiden Wirkung auf Pneumo¬
kokken das intakte Vorhandensein der beiden, für das
Molekül des Chinins und seiner Abkömmlinge charakte¬
ristischen Kerne, des Chinolinkerns und des soge¬
nannten Loiponkerns, sowie der diese beiden Kerne
verbindenden CarbiDolbrücke bildet; in einem — höchst
wichtigen — Gegensatz zu der Wirkung auf Trypanosomen setzt
also die Pneumokokkenwirkung nach unseren bisherigen Kennt¬
nissen den gesamten komplizierten Aufbau des Chininmoleküls
voraus, nur dass entsprechend dem Verhalten gegen Protozoen
die Hydrierung der am Loiponrest befindlichen Vinylgruppe zur
Aethylgruppe die Wirkung begünstigt.
Die spezifische Pneumokokkenwirkung ist streng ab¬
hängig, und zwar in einer so spezifischen Weise, wie es die
chemotherapeutische Forschung bis jetzt nicht erfahren hat, von
einer ganz bestimmten Beschaffenheit einer einfach
konstituierten Seitenkette. Während nämlich dem Chinin
und dem Hydrochinin eine Methoxygruppe am Chinolinkern in
p-Stellung zu dessen Stickstoffatom zukommt, wird diese im
Optochin durch die um ein Kohlenstoffatom und zwei Wasser
stoffatome reichere Aethoxygruppe ersetzt.
An diese an und für sich geringfügige chemische Veränderung
des Moleküls ist das Auftreten der Pnenmokokkenwirkang ge¬
bunden, höhere Homologe zeigen bald ein Sinken und völliges
Schwinden dieser Funktion.
Wir haben die gleiche Erfahrung auch an anderen homologen
Reihen der Chiningruppe gemacht und festgestellt, dass das
Gesetz von dem sprunghaften Auftreten der spezifischen Wirkung
auf Pneumokokken mit dem Ersatz der Methoxygruppe durch
die homologe Aethoxygruppe in weitem Umfang — bis jetzt ohne
Ausnahme — Geltung hat. Unter allen untersuchten Verbin¬
dungen dieser Art wird nach den bisherigen Untersuchungen das
Optochin (Aethylhydrocuprein) von keiner an Wirk
samkeit übertroffen.
11. Versnobe an Mäusen und Wirkungsweise des Optochin.
Ueber die grundlegenden Tierversuche, die an Mäusen an¬
gestellt sind, kann ich mich um so kürzer fassen, als schon
früher an dieser Stelle darüber berichtet wurde. Die Injektion
wässeriger Lösungen von Optochin hydrochloricum, die gleich¬
zeitig mit der peritonealen Infektion mit einem Multiplum der töd¬
lichen Dosis einer hocbvirulenten Pneumokokkenkultur ausgefübrt
wurde, rettete in den ersten Versuchen einen gewissen Prozent¬
satz der Tiere (25—50 pCt.), während sämtliche unbehandelten
Kontrollen binnen 2 Tagen der fortschreitenden Infektion er¬
lagen. Auch Heilwirkungen waren in ziemlichem Umfang fest¬
zustellen, wenn die Behandlung einige Stunden nach der Injektion
erfolgte.
Eine erhebliche Verbesserung bedeutete dann die zuerst von
mir und Halberstaedter bei Trypanosomeninfektion erprobte
Verwendung öliger Lösungen der Optochinbase. (Morgenroth
und Kaufmann.) Hier gelang es schliesslich, 90—lOOpCt. der
Tiere zu retten, wenn die Behandlung ungefähr gleichzeitig
mit der Infektion begonnen und, wie dies in den meisten Ver¬
suchen der Fall war, noch weitere 2—3 Tage in ähnlicher Weise
fortgesetzt wurde. Derartige Versuche sind als prophylaktische
zu bezeichnen.
Die Pneumokokken, deren Vermehrung und Uebergang aus
der Bauchhöhle in das Blut gehindert wird, gehen ohne Be¬
teiligung der Phagocyten unter Auftreten vod Degene¬
rationsformen zugrunde. Diese wichtige Feststellung, die in
voller Uebereinstimmung mit dem Ergebnis des später zu be¬
sprechenden Reagenzglasversuches die direkte desinfizierende
Wirkung des Mittels erweist, wurde zuerst von Nenfeld und
Eng wer gemacht, dann von Kaufmann in meinem Laboratorium
bestätigt. Bekanntlich wirkt im strengen Gegensatz hierzu das
spezifische Pneumokokkenserum nach den Untersuchungen von
Neufeld und Haendel in ganz anderer Weise. Es enthält
spezifische Antikörper, Bakteriotropine, welche von den Pneumo¬
kokken gebunden werden und dann deren Aufnahme und Ver¬
nichtung durch Phagocyten bedingen.
In den hier geschilderten prophylaktischen Versuchen an
Mäusen liegt die gewöhnlich angewandte wirksame Dosis der
öligen Lösung der Optochinbase sehr nahe der Dosis toxica, die
von gewissen, besonders durch die Jahreszeit bedingten Schwan¬
kungen in der Empfindlichkeit der Versuchstiere abhängig ist.
Bei etwas protrahiertem Verlauf der Infektion, wenn
etwa der Tod der Kontrollen nicht am zweiten Tag, sondern —
mit absoluter Sicherheit — am dritten oder vierten Tag eintritt,
genügen erheblich geringere Mengen des Mittels, und
in meinen und Kaufmannes Versuchen wurden in solchen Fällen
mit der Hälfte und sogar mit fast einem Viertel der Dosis tolerata
ausgezeichnete Resultate erzielt.
Diese Verminderung der Dosis efficax im Tier¬
versuch bildet ein recht wichtiges Moment, denn sie
spricht von vornherein dafür, dass die Aussicht be¬
steht, bei der Pneumonie des Menschen mit Dosen aus¬
zukommen, die im Bereich der Dosis tolerata liegen,
besonders wenn man die Differenz in dem zeitlichen
Verlauf der Infektion bei Maus und Mensch und die
Reserven an natürlichen Schutzkräften bei dem letz¬
teren bedenkt.
Eine wesentliche Beteiligung aktiver Immunität, d. n
der Neubildung von Antikörpern, die durch die Antigene auf¬
gelöster Pneumokokken ausgelöst würde, spielt bei dieser Ver¬
suchsanordnung keine Rolle. Wohl lassen sich nach eioiger
Zeit Antikörper bei geretteten, mit einer reichlichen Pneamo-
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
23. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1831
kokkenmenge infizierten Tieren nachweisen, aber deren Bildung
erfolgt nicht so rasch, um für den therapeutischen Effekt Be¬
deutung zu gewinnen. Auch die Tatsache, dass es sowohl uns
wie auch Boehncke gelungen ist, durch eine einmalige In¬
jektion die Versuchstiere zu retten, spricht dafür, dass
<lie chemotherapeutische Wirkung als solche allein maassgebend
ist. Anders können die Dinge unter Umständen bei der mensch¬
lichen Pneumonie liegen, die in dieser Hinsicht noch be¬
sonders betrachtet werden soll.
Endlich seien nooh die Versuche mit dem Salicylsäureester des
OptochiD, dessen Wirkung im Tierversuch von mir und Kaufmann
untersucht wurde, angeführt. Es handelt sich hier um eine dem Salo-
chinin analog constituierte Verbindung des Aethylhydrocuprein mit
Salicylsäure, die sehr gut in der Hitze in Oel, dagegen noch weniger
als die Optochinbase in Wasser löslich ist. Der Teilungscoelficient
zwischen Oel und Wasser ist im Vergleich zur Optochinbase noch er¬
heblich zuungunsten des Wassers verschoben, und damit häDgt es zu¬
sammen, dass weit höhere Concentrationen der öligen Lösung zur sub-
cutanen Injektion benutzt werden können. Der Ester kommt im pro¬
phylaktischen Versuch an der Maus der Optochinbase mindestens gleich;
er ist ihr offenbar insofern etwas überlegen, als mit der erheblichen Ver¬
minderung der Giftigkeit der öligen Lösung die Herabsetzung der Wirk¬
samkeit nicht ganz parallel geht, sondern dass eher eine gewisse günstige
Verschiebung des Wirkungstaktors eintritt. Der Optochin-Salicy 1-
säureester, der jetzt auch praktisch erprobt wird, dürfte gewisse Vor¬
züge besitzen. Auch mit diesem Präparat gelang uns die vollständige
Heilung durch eine einzige Injektion.
Bei dem ungemein raschen Verlauf der von dem
Bilde der Bakteriämie beherrschten Pneumokokken¬
infektion der Maus gehört der Heilversuch im eigent¬
lichen Sinne zu den schwierigsten Aufgaben. Es ge¬
lang uns aber, noch 20 Stunden nach der Infektion,
28 Stunden vor dem Tode der Kontrolliere, sogar mit verhältnis¬
mässig kleinen Dosen, die wegen der erhöhten Empfindlichkeit
der kranken Tiere angewandt werden mussten, die Mäuse
dauernd zu heilen. Die bakteriologische Untersuchung des
Blutes bei Beginn der Behandlung hatte gezeigt, dass in einer
Oese Blut schon unzählige Pneumokokken vorhanden waren, die
also durch das Mittel vernichtet wurden.
Hiermit ist die experimentelle Grundlage gegeben für die
wohl berechtigte Annahme, dass es auch beim Menschen gelingen
muss, die Pneumokokken durch Optochin allein in der
Blutbahn abzutöten oder wenigstens in ihrer Entwick¬
lung zu hemmen.
III. Versuche bei experimenteller Pneumonie der
Meerschweinchen.
Im prophylaktischen und in gleicher Weise im therapeutischen
Versuch werden Pneumokokken in der Bauchhöhle der Maus
durch Optocbin, das nur auf dem Wege durch die Blutbahn an
den Ort seiner Wirkung gelangen kann, geschädigt und abgetötet.
Deshalb beanspruchen diese Versuche eine prinzipielle Bedeutung;
sie beweisen nämlich ohne weiteres, dass lokale Infektions¬
herde durch Allgemeinbehandlung getroffen werden,
dass das chemotherapeutische Agens in ausreichender Concen-
tration und andauernd genug aus dem Blut durch Kapillarwand und
Endothel in den Peritonealraum gelangen kann, um dort seine
Wirkung auszuüben.
In demselben Sinne sprechen die Versuche von Neufeld und
Engwer, die zugleich eine ungemein wichtige, für die Be¬
handlung der menschlichen Pneumonie bedeutungsvolle Frage auf¬
werfen und beantworten, die Frage nämlich, ob Pneumokokken,
die innerhalb der Alveolen gelegen sind, von der Blut¬
bahn aus durch das Mittel beeinflusst werden können.
Den Untersuchern gelang es, durch Injektion von Pneumo¬
kokken, die durch Meerschweinchenpassagen einen ganz bestimmten
Grad von Virulenz erlangt hatten, direkt in die Lunge dieser Ver¬
suchstiere lobuläre Pneumonien zu erzeugen; bei unbehandelten
Tieren dehnen sie sich rasch aus und führten schliesslich zur
Allgemeininfektion und zum Tode. Durch gleichzeitige In¬
jektion öliger Lösungen von Optochinbase konnten
diese Pneumonien verhütet werden. Damit ist für den
lokalen Prozess auch bei der Pneumonie des Menschen
eine Beeinflussung höchst wahrscheinlich gemacht, die
sich allerdings — das muss hervorgehoben werden — immer nur
auf das pathogene Agens, nicht aber auf ein Rückgängigmachen
im Ablauf begriffener pathologisch-anatomischer Veränderungen be¬
ziehen kann.
IV. Verhalten verschiedener Pneumokokkenstämme 1 ).
Unsere sämtlichen Versuche wurden zunächst mit einem ein¬
zigen bochvirnlenten Pneumokokkenstamm ausgeführt, da die Ver¬
wendung verschiedener Stämme die Beurteilung der Ergebnisse nur
unnötigerweise kompliziert hätte. Es war aber eine der not¬
wendigsten Aufgaben, wenn man überhaupt eine breite Grund¬
lage für die praktische Anwendung des Mittels schaffen wollte,
in möglichst grossem Umfange festzustellen, ob das Optocbin
auf möglichst viele, bakteriologisch als solche sicher¬
gestellte Pneumokokkenstämme einwirkt, so dass man
zu der Annahme berechtigt ist, dass generell jeder
Pneumococcus von dem Mittel getroffen wird.
Dass dies keineswegs eine selbstverständliche Voraussetzung ist, ist
Ihnen aus den Forschungen über das Pneumokokkenserum bekannt.
Hier zeigten besonders die ausgezeichneten Untersuchungen von Neufeld
und Haendel, dass ein durch Vorbehandlung von Tieren mit einem
bestimmten Pneumokokkenstamm gewonnenes hochwirksames Pneumo¬
kokkenserum zwar auf diesen Stamm und eine Anzahl anderer in typi¬
scher Weise einwirkt, dass dagegen eine nicht unbeträchtliche Zahl
anderer Stämme, die sich sonst in nichts von diesen unterscheiden, von
dem Serum in keioer Weise beeinflusst werden. Immunisiert man Tiere
mit diesen „atypischen“ Pneumokokken, so wirkt das Serum auf die
atypischen Stämme ein, bleibt aber den andern gegenüber wirkungslos.
Neufeld und Haendel haben neben einer besonders zahlreich vor-
kommenden Klasse von serumresistenten Pneumokokken noch zwei
weitere atypische Stämme festgestellt, die sich in bezug auf die Wirkung
spezifischer Sera so verhalten, als ob sie einer besonderen Art aogehören.
Erwähnt sei auch, dass die für Pneumokokken spezifische, auflösende
Wirkung der Gallensalze gleichfalls nicht unter allen Umständen ein¬
tritt, sondern nur dann mit Sicherheit, wenn der betreffende Stamm
durch Tierpassage hochvirulent geworden ist.
Das Ergebnis der von ons und von anderen Untersuchern
angestellten vergleichenden Versuche kann dahin zusammengefasst
werden, dass sich unter einer grossen Zahl verschiedener Pneumo¬
kokkenstämme, die von Pneumonien, Sepsisfällen, Erkrankungen
der Hornhaut und des Tränensackes gewonuen wareD, kein ein¬
ziger die typische Reaktion dem Optochin gegenüber
vermissen liess, ja dass nicht einmal erhebliche Unter¬
schiede in der Empfindlichkeit festznstellen waren.
Versuche, die Dr. Otani in meinem Laboratorium ausgeführt hat,
ergaben vor allem, dass auch die von dem gewöhnlichen
Pneumokokkenserum unbeeinflussten atypischen Stämme
von dem Optochin in ganz normaler Weise angegriffen
werden. Hierzu kommt noch eine wichtige Ergänzung in
dem Verhalten der ungemein zahlreichen, mit dem Mittel be¬
handelten Hornbautgescbwüre; der Erfolg der Behandlung
beweist, dass auch hier eine sehr grosse Anzahl von ver¬
schiedenen Pneumokokkenstämmen volle Empfindlich¬
keit gegenüber dem Mittel besitzt.
Von praktischer Bedeutung ist es, dass auch der Pneumococcus
mucosus in derselben Weise von dem Optochin beeinflusst wird
(R. Levy, Otani). Es beweist dies, dass die von Beitzke und Rosen¬
thal, später von mir und R. Levy aufgestellte und durch eingehende
Untersuchungen gestützte Annahme berechtigt ist, dass diese Unterart,
welche besonders bei Infektionen im Kindesalter eine Rolle spielt, zu
den echten Pneumokokken gehört, und dass es durchaus unbe¬
rechtigt ist, diesen Coccus als ein Mittelding zwischen Streptococcus und
Pneumococcus zu bezeichnen. Es handelt sich, da therapeutische
Konsequenzen in Betracht kommen, nicht mehr um eine rein
akademische Frage; dem Optochin kommt hier auch für die bakteriologi¬
sche Diagnose eine unter Umständen entscheidende Bedeutung zu.
Die Pneumokokken, welche in den Tierversuchen verwendet
werden, haben selbstverständlich zur Steigerung und Erhaltung
der Virulenz eine oft sehr grosse Zahl von Tierpassagen durch¬
gemacht. Die Ausgestaltung des ReagenRglasversucbes, die noch
zu besprechen ist, gestattet es, die Empfindlichkeit von solchen
Pneumokokken gegenüber dem Optochin festzustellen, die
frisch aus menschlichen Krankheitsherden gezüchtet
sind. Bekanntlich können sich auch hier gewisse Komplikationen
ergeben, ich erinnere nur an die Streptokokkensera, welche aus¬
schliesslich auf solche Stämme wirken, die eine Anzahl Mäuse¬
passagen hinter sich haben. Versuche von Dr. Otani zeigten,
dass nicht nur, wie aus den praktischen Erfolgen sich ohne
weiteres ergibt, eine Beeinflussung derartiger „humaner“ Pneumo¬
kokkenstämme durch das Optochin stattfindet, sondern dass die¬
selbe — und dies ist meines Erachtens von erheblicher prak¬
tischer Bedeutung — eine maximale ist.
1) Streptokokken — sowohl Streptococcus longus wie Streptococcus
mitior s. viridans — werden durch Optochin nicht beeinflusst
1 *
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Cfriginal fmm
UNIVERSITY OF IOWA
1832
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 47.
Es ist also nicht in befürchten — wenn natürlich
einzelne Ausnahmen nicht für alle Zukunft auszu-
schliessen sind —, dass man gelegentlich der Anwen¬
dung des Mittels bei Erkrankungen des Menschen auf
resistente Pneumokokkenstämme stossen wird, die einer
richtig geübten Therapie unüberwindliche Hindernisse
bieten.
V. Chemotherapie und Serumtherapie im Tierversuch.
Aussichten einer Kombinationstherapie bei Pneumonie.
M. H.! Es wird im Verfolg dieser Darstellung bei Ihnen
bereits die Frage aufgetaucht sein: Wie verhält sich die Chemo¬
therapie zur Serumtherapie der Poeumokokkeninfektion?
Schliesst die eine die andere aus oder besteht die Möglichkeit,
dass die Kombination beider den therapeutischen Effekt er¬
höht 1 )?
ln dieser Richtung liegen wichtige und für die Frage grund¬
sätzlich entscheidende Versucbsergebnisse von Neufeld und
Engwer, sowie von Boehncke aus Ehrliche Institut vor,
aus denen bervorgeht — und dies war, wie Engwer mit
Recht bemerkt, von vornherein nicht als selbstverständlich an-
zanebmen —, dass Optochin- und Serumwirkung sich
gegenseitig verstärken.
Engwer stellte seine Kombinationsversuche bei der schon ge¬
schilderten experimentellen Pneumonie der Meerschweinchen an. Es
zeigte sich z. B. in einer Versuchsreihe, dass eine unsicher wirkende
Serumdosis (von 6 Tieren überlebten 4) durch gleichzeitige Anwendung
oiner an sich unwirksamen, die Hälfte der wirksamen Dosis betragenden
OptochinmeDge in -ihrer Wirkung völlig gesichert wurde, so dass sämt¬
liche sechs kombiniert behandelte Tiere am Lebeü bliebeD.
Io einer zweiten Versuchsreihe wurde eme fast unwirksame Dosis
des Pneumokokkenserums (von 12 Tieren blieb 1 am Lebeü) durch
gleichzeitige Behandlung mit einer an sich unwirksamen Menge Optochin
soweit wirksam gemacht, dass von 10 kombiniert behandelten Tieren
6 überlebten.
Boehncke, der seine Versuche in Anschluss an unsere Methodik
an Mäusen ausführte, legte sich die Frage vor, ob der Schwellenwert des
Pneumokokkenserums duroh gleichzeitige Behandlung mit Optochin er¬
niedrigt würde. Neu fei d und Haendel hatten nämlich auf die Tat¬
sache hiogewiesen, dass im Tierversuoh Serumdosen, die unterhalb einer
bestimmten Menge liegen, auch gegen eine sehr schwache Infektion mit
Pneumokokken keinen oder nur unsicheren Schutz gewähren, dass da¬
gegen, wenn die Serumdosis diesen Schwellenwert übersteigt, sofort eine
kräftige und sichere Schutzwirkung eintritt, die nioht nur für die schwache
Infektion, sondern für ungemein starke Infektionen ausreicht.
Wie in den Versuchen von Engwer tritt nun auch in den
Experimenten Boehncke’s in klarer Weise die Erniedrigung
des Schwellenwertes des Serums durch gleichzeitige
Optochinbehandlung zutage.
In einem prophylaktischen Versuch wurde durch intravenöse Serum-
injektion allein 66 pCt. der Mäuse gerettet, durch eine einmalige sub-
cutane Injektion der öligen Optochinlösung allein 33 pCt., dagegen durch
die Kombination beider 100 pCt.
In einem analog ausgeführten Heilversuch wurdpn durch Serum und
Optochin allein nur llpCt. Erfolge erzielt, dagegen durch die Kom¬
bination beider zusammen 83 pCt.
Boehncke weist bereits auf die Bedeutung dieser Versuche
für die Heilung der menschlichen fibrinösen Pneumonie durch
Optochin hin; wir werden später auf diese Zusammenhänge noch
zurückkomroen.
Auf alle Fälle geben die Versuche der Anschauung eine feste
Stütze, dass *die Serumtherapie bei der menschlichen
Pneumonie sich nicht nur mit der Chemotherapie ver¬
trägt, dass vielmehr beide sich wechselweise fördern
können. Verlangt muss auch hier werden, dass die begleitende
Serumtberapie, der Forderung von Neufeld und Haendel ent¬
sprechend, in ausgiebiger Weise geübt wird. Man kann nur dann
etwas von ibr erwarten, wenn relativ grosse Serummengen
_ Neufeld berechnet auf Grund der Tierversuche 7B ccm
intravenös — injiziert werden; man bat Aussicht, bei Kombination
mit Optochin auch mit geringeren Mengen etwas zu
leisten oder die grösseren Mengen besser zu verwerten;
diese Erwartung lässt sich an das Ergebnis der Tierversuche
knüpfen. Nur ist immer im Auge zn behalten, dass durch die
Serumtberapie nicht alle Pneumokokkenstämme ge¬
troffen werden.
Wenn auch die Wirkung des Optochin auf die Pneumo-
1) Bei Behandlung der Pneumonie hat Lenn6 bereits die Kom¬
bination mit dem Neufeld-Haendel’schen Serum, Baermann mit Re-
konvaleszentenserum versucht (s. unten).
kokken — wie bereits erwähnt — unter Ausschluss der Phago-
cytose vor sich gebt, so ergibt sich doch aus der Tatsache des
Zusammenwirkens von Optochin und Pneamokokkenserom, dass
die zur Serumwirkung unerlässliche Phagocytose durch die im
Organismus kreisenden Optochinmengen jedenfalls nicht gehemmt
wird. Optochin ist als Chininderivat entsprechend den grund¬
legenden Forschungen von Binz zweifellos ein Lenkocytengift, ist
aber beim Versuchstier und noch viel weniger bei dem mit relativ
geringeren Dosen behandelten Menschen nicht in so hoher Kon¬
zentrationen in Blut und Gewebe enthalten, um die phagocytäre
Tätigkeit der Lenkocyten zu beeinträchtigen. So erleiden die
natürlichen Schutzkräfte keinen Schaden und können sich, sei es,
dass sie vom Organismus selbst geliefert, sei es, dass sie künstlich
zugeführt werden, mit dem chemotherapeutischen Effekt vereinigen.
Das Zusammenwirken von Chemotherapie und Sernmtberapie, wie
es von Bi er bäum auch bei der Milzbrandinfektion und der Be¬
handlung mit Salvarsan und spezifischem Serum gezeigt wurde,
eröffnet für die Behandlung bakterieller Infektionen Perspektiven,
die bei der Chemotherapie der Protozoeninfektionen vor¬
läufig verschlossen sind. Hier setzt die rasch eintretende Serum-
festigkeit eine Schwierigkeit für die Immunotherapie, die erst
überwunden sein wird, wenn man Mittel findet, das Eintreten der
Serum festigkeit der Protozoen zu verhindern.
VI. Das Optochin als spezifisches Desinfiziens.
Reagenzglas versuche.
Was die Wirkungsweise des Optochin betrifft, so lassen
alle Erfahrungen beim Tierversnch unserer ursprünglichen Annahme
entsprechend nur den einen Schloss zu, dass sie eine direkte ist,
und dass hier der Vorgang einer echten, spezifischen,
inneren Desinfektion in Blut und Gewebe vorliegt.
Wir hatten uns zunächst an den Tierversuch gehalten, aus dem
Grunde, weil er den direktesten Weg zu praktisch therapeutischen
Erfolgen bildet, während der naheliegende Reagenzglasversnch
nnr ein Umweg gewesen wäre; durch die mächtigsten Wirkungen
im Reagenzglas wäre ja der Tierversuch doch nicht entbehrlich
geworden, wie die zahlreichen Misserfolge bei Tierversuchen mit
den unspezifiscben Desinfektionsmitteln beweisen.
Es ist das Verdienst A. E. Wright’s, zuerst gezeigt zu
haben, dass der erfolgreichen Chemotherapie der Pneumokokken¬
infektion das einfache Prinzip einer gewaltigen, auf den
Pneumococcus gerichteten, spezifischen Desinfektions-
Wirkung des Optochin 1 ) in vitro zugrunde liegt, eine
Desinfektionswirkung — und das ist der springende
Punkt—, die ihrer Grössenordnung nach für die Erfolge
im Tierversuch verantwortlich gemacht werden kann.
Dies ist deshalb in vollem Maasse erlaubt, weil, wie gleichfalls
Wright nach wies, im Gegensatz zu den stärksten allgemeinen
Antiseptica, die Wirkung des Optochin durch Gegenwart
von Serum in keiner Weise beeinträchtigt wird 5 *) also
in Blut und Gewebe in dem gleichen Umfang statt¬
finden kann, wie im Reagensglas. Zu entsprechenden Er¬
gebnissen gelangten dann Schiemann und Ishiwara in Nen-
feid’s Laboratorium und ich Belbst gemeinsam mit Dr. Bumke.
Die Ueberein8timmung von Reagenzglasversnch und Tier¬
versuch lehrt zugleich, dass gegenüber der grossartigen „Para-
sitotropie“ des Optochin die „Organotropie“ nicht nennenswert
interferiert, dass also im Sinne der Ehrlich’schen Auffassung
hier gewissermaassen ein Optimum dieses Verhältnisses vorliegt.
Von Bedeutung ist auch, dass nach den Untersuchungen von
Schiemann und Ishiwara die Wirkung der wenig löslichen
Optochinbase im Reagenzglas mit derjenigen des Optochin-
Salzes in der Grössenordnang übereinstimmt, auch hier entsprechend
dem Ergebnis unserer Tierversuche.
Der Reagenzglasversuch bot mir und Bnmke die Grundlage
zn vergleichenden Untersuchungen zahlreicher Cbininderivate auf
breiter Basis, auf die leider nicht näher eingegangen werden
kann. Hier ist jetzt eine einfache und sichere Methodik gegeben,
am dem Zusammenhang zwischen chemischer Konstitution un
der Wirkung auf Pneumokokken nachzuspüren. .
Die Beobachtungen aller Untersucher stimmen dahin uber-
eio, dass bei etwa 24 ständiger Einwirkung bei Kö r pei*tempet‘ a J 1 ?^
die ausserordentlich starken Verdünnungen von 1:400000
1 ) Von anderen Bakterienarten wird nach den wichtigen V er8 ' lc J J ie °
von Izar nur der Erreger des Maltafiebers durch Optochin in no
Maasse beeinflusst. .. lhflr
2) Dasselbe Verhalten hat später Roos für das Salvarsan gege
dem Milzbrandbaciilus nachgewiesen.
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UNIVERSUM OF IOWA
28. November 1914._ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1833
1 ; x—1V 2 Millionen sämtliche bzw. fast alle zugesetzteu Pneumo¬
kokken abzutöten imstande sind. Das sind erstaunliche
Werte, und es darf angesichts dieser Wirkung nicht wunder¬
nehmen, dass Wright der für alle therapeutischen Konsequenzen
fundamentale Nachweis gelang, dass im Serum von Tieren
und von Menschen, denen Optochin in relativ kleinen
Dosen einverleibt war, genug von der Substanz ent¬
halten ist, um auch in vitro eine ausgesprochene des¬
infizierende Wirkung zu entfalten.
VH. Experimentelles über Arzneifestigkeit der Pneumo¬
kokken.
Bis jetzt haben wir ein Moment von einschneidender Be¬
deutung ausser acht gelassen, nämlich die Ausbildung einer
spezifischen Arzneifestigkeit der Pneumokokken unter der
Einwirkung des Optochin. Das Prinzip dieser in theoretischer
und praktischer Hinsicht gleich wichtigen Vorgänge ist Ihnen ja
aus den klassischen Forschungen Ehrlich’s an Trypanosomen
bekannt, die uns hier ein neues, ungemein reiches Gebiet der
Biologie erschlossen haben.
Die leichte Entstehung einer Festigkeit gegen Chininderivate,
speziell gegen Optochin, bei den Trypanosomen ist schon von mir und
Halberstaedter aus gewissen Erscheinungen in chemotherapeutischen
Versuchen erschlossen und dann von mir und F. Eosenthal in besonderen
Untersuchungen erwiesen und eingehend studiert worden.
Bei den ersten Versuchen an Pneumokokken, bei welchen
durch die wässerigen Lösungen des salzsauren Optochin stets nur
ein Teil der Tiere gerettet wurde, wiesen diese Unregelmässig¬
keiten darauf hin, dass auch hier das therapeutische Bestreben
durchkreuzt wird durch die Entwicklung einer spezifischen Arznei¬
festigkeit. Erst die Benutzung der öligen Lösungen mit ihren
fast konstanten Heilwirkungen ermöglichte es weiterhin, dem
Problem im Tierversuch näherzutreten, und in Versuchen mit
Kaufmann zeigte ich, dass, analog dem Verhalten der Trypano¬
somen, bei den Pneumokokken rasch und leicht die
Arzneifestigkeit sich ausbildet. Es genügt die kurze Zeit
von etwa 8 Tagen mit S—4 Mäusepassagen, in welchen die In¬
fektion vergeblich mit etwas zu geringen Dosen Optochin be¬
handelt wird, um einen Pneumokokkenstamm zu erhalten, der
von Optochin im Tierversuch überhaupt nicht mehr beeinflusst
wird, eine Eigenschaft, die mindestens viele Monate lang — so¬
wohl bei Fortzüchtung wie bei Trockenkonservierung der Pneumo¬
kokken — erhalten bleibt. Dagegen gelang es nicht, schon in
der ersten Tierpassage eine nach Ueberimpfung auf
neue Versuchstiere nachweisbare Festigkeit zu erzielen.
Die rasche Ausbildung einer dauernden Festigkeit weist ihr
einen besonderen Platz zu gegenüber den bisher bekannten Ge¬
wöhnungserscheinungen bei Bakterien, entsprechend dem engen
Zusammenhang zwischen chemotherapeutischer Wirkung einer
Klasse von Verbindungen und ihrer Fähigkeit, Arzneifestigkeit zu
erzeugen (Ehrlich).
Die Tierversuche wurden ergänzt durch Reagenzglas¬
versuche, welche meine Mitarbeiter Tugendreich und Russo
ausführten. Es gelang auch hier, ohne Tierpassagen, mit über¬
raschender Schnelligkeit eine sehr hohe Festigkeit der Pneumo¬
kokken gegenüber immer höher konzentrierten Optochinlösungen
zu erzielen; sie macht anscheinend bei einem bestimmten Grade
Halt, der dem Eingreifen einer nicht spezifischen baktericiden
Wirkung, die auch anderen Chinaalkaloiden zukommt, entspricht.
Die Annahme erscheint nach allen bisherigen Erfahrungen
durchaus statthaft und sie bildet geradezu eine fundamentale
Maxime der chemotherapeutischen Forschung, dass die
gleichen biologischen Grundgesetze für Trypanosomen,
Spirochäten und andere Protozoen einerseits, für
Pneumokokken und eine mehr oder weniger grosse An¬
zahl weiterer Bakterienarten andererseits Geltung be¬
sitzen. So gingen wir, wie schon erwähnt, bei unseren Festig¬
keitsstudien an Trypanosomen sowohl wie an Bakterien davon
aus, dass wir aus unregelmässigen Erfolgen bei gewissen Behand¬
lungsmethoden auf die rasche Ausbildung einer Arzneifestigkeit
schlossen.
Bin von Ehrlich aufgestelltes therapeutisches Prinzip
von weittragender Bedeutung, dessen konsequente Durchführung
allerdings ungemein schwierig ist, dass nämlich die erstrebens¬
werteste chemotherapeutische Methodik die Therapia sterili-
san8 magna ist, d. b. die Abtötung sämtlicher Parasiten auf
einen Schlag durch einen einzigen therapeutischen Akt, ging von
der richtigen Voraussetzung aus, dass nur auf diese
Weise Gewähr gegen die Entstehung einer dauernden
Arzneifestigkeit gegeben wird. Ehrlich hatte hier in
Zusammenhang mit der experimentellen Gewinnung arzneifester
Stämme durch wiederholte Behandlung der Recidive, die den
Protozoeninfektionen eigentümliche Recidivbildung, die jedoch für
Pneumokokken und andere Bakterien in dieser Weise nicht in
Betracht kommt, im Auge; bei der Entstehung eines jeden Recidivs
erhöht sich nämlich die Gefahr, dass der Stamm nun als ein
arzneifester auftaucht, bekanntlich auch die grösste Erschwerung
einer erfolgreichen Atoxyltherapie der menschlichen Schlaf¬
krankheit.
VIII. Arzneifestigkeit und Chemoflexion; deren Bedeu¬
tung für die praktische Therapie.
Schon seit einiger Zeit hat sich eine gewisse Wandlung unserer
Anschauungen vorbereitet insofern, als sich zeigte, dass eine
Arzneifestigkeit nicht erst im Laufe von Wochen, sondern ziem¬
lich rasch entstehen kann, und dass zu ihrer Erzielung bessere
Wege möglich sind als die ursprünglich allein geübte Behandlung
der Recidive. Schon von mir und Halberstaedter ist znr Er¬
klärung gewisser Unregelmässigkeiten bei der Prophylaxe der
Trypauosomeninfektion der Maus durch Chininderivate auf die
frühzeitige Eotstehung einer Festigkeit hingewiesen worden. In
Versuchen von mir und F. Rosenthal wurde durch eine sehr
verfeinerte Untersuchungsmethode gezeigt, dass Trypanosomen
schon durch einmalige Behandlung mit BrechWeinstein einen
nachweisbaren Grad von Festigkeit erlangen. Versuche in dieser
Richtung, die von Ehrlich ausgeführt wurden, haben anscheinend
bis jetzt ebenfalls nicht die verdiente Beachtung gefunden.
Ehrlich zeigt, dass mit trypanociden Substanzen schon in
wenigen Tagen eine erhebliche, nach Ueberimpfung
verbleibende Festigkeit („mutative Festigkeit 11 ) zu er¬
zielen ist. Er protrahierte die Behandlung durch eine un¬
genügende Dosis in der Weise, dass der Gehalt des Blutes an
Trypanosomen eine Anzahl von Tagen annähernd konstant
blieb; verimpfte er diese Trypanosomen schliesslich auf neue
Mäuse, so hatten sie bereits einen ziemlich hohen Grad von
Festigkeit erworben. Shiga zeigte dann in Ehr lieh's Labo¬
ratorium, dass die Ausbildung einer Festigkeit gegenüber gewissen
Farbstoffen bei Cboleravibrionen durch Einwirkung während einiger
Stunden möglich sei. Dass aber tiefgreifende, dauernde
biologische Umwandlangen bei Trypauosomea in noch viel
kürzerer Zeit möglich seien, das bewiesen die grundlegenden
Untersnchnngen Ehrlich’s und seiner Schule über die Entstehung
der sogenannten Serumfestigkeit (Recidivstämme“) bei Trypano¬
somen; hier wurde wohl zum erstenmal gezeigt, dass nur minuten¬
langer Kontakt mit dem auslösenden Agens nötig ist, um die
Serumfestigkeit herbeizuführen.
In umfangreichen Versuchen, die ich gemeinsam mitDr.Murata
ausgefübrt habe und deren ausführliche Veröffentlichung noch er¬
folgen wird, habe ich nun das Problem der Arzneifestig-
keit unter recht schwierigen VersuchsbedinguDgen weiter verfolgt
und vertieft mit Benutzung des immer noch geeignetsten Objektes,
der Trypanosomen und eines Acridinfarbstoffes sowie des Sal-
varsans als chemotherapeutisches Agens. Ich muss mich leider
hier über diese Versuche äusserst kurz fassen und bespreche sie
überhaupt nur deshalb, weil sie auch für die hier behandelten
Fragen der Pneumokokkentherapie zu einschneidenden Konse¬
quenzen führen.
Der einfachste Grundversuch ist folgender: Man behandelt eine
Maus, die im Blut reichlich Trypanosomen enthält, mit deijenigen Dosis
des trypanociden Agens, welche mit absoluter Sicherheit zu dauernder
Heilung, also zu einer Sterilisatio magna führt oder mit einem nicht hohen
Multiplum dieses Quantums. Nach einer Stunde bereits entblutet man die
Maus und verimpft die noch lebenden Trypanosomen auf neue Mäuse:
die Trypanosomen werden nun durch die sonst sicher wirk¬
same prophylaktische Dosis nicht mehr beeinflusst; sie haben
bereits einen ziemlich hohen Grad von Festigkeit erlangt, der
nach den bisherigen Erfahrungen eine oder auch wenige Tierpassagen
nicht überdauert. Also Trypanosomen, die unbedingt, wenn
man die Vorgänge nicht willkürlich unterbrochen hätte, dem
sicheren Untergang verfallen wären, haben trotzdem nach
nur einstündiger Einwirkung der sicher heilenden Dosis eine
erhebiiohe Arzneifestigkeit ausgebildet oder aber können
in sehr kurzer Zeit nach dieser Berührung mit dem chemo¬
therapeutischen Agens dieselbe ausbilden. Eine allzu starke
und allzu rasoh erfolgende Schädigung der Trypanosomen
duroh übermässig grosseDosen hindert das Zustandekommen
dieser Reaktion.
2
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Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
1834
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 47.
Es ist vorläufig nicht zu sagen, ob diese Form der Arznei¬
festigkeit, die von der bisher beschriebenen durch die ungemein
rasche Ausbildung und geringere Permanenz 1 ) sich unterscheidet,
mit der Arzneifestigkeit Ehrlich’s wesensgleich ist, ob sie etwa
durch längere Einwirkung des betreffenden Agens fixiert wird und
dann in diese übergeht.
Für die begriffliche Ordnung dieser Vorgänge wird es jeden-
„ falls von Vorteil sein, wenn man bis auf weiteres dieses rasche
Ausweichen der Mikroorganismen, mit der sie sich sozusagen noch
im letzten Augenblick der Vernichtung entziehen, als einen be¬
sonderen Vorgang abtrennt, den ich mit dem Ausdruck
„Chemoflexion“ bezeichnen möchte.
Die bisherigen Untersuchungen über das Zustandekommen
der „Chemoflexion“ führen nun zu einer meines Erachtens ganz
wesentlichen Modifikation unserer Auffassung chemotherapeutischer
Wirkungen überhaupt und ich bin auf diese etwas schwierigen
Dinge deshalb eingegangen, weil man sich den Konsequenzen für
das hier behandelte Gebiet auch in praktischer Hinsicht nicht
entziehen kann.
Ich will diese Hypothese möglichst kurz zusammen fassen:
Jede chemotherapeutische Wirkung, die wir beobachten, ist die
Resultante zweier entgegengesetzt wirkender und —
was ein ungemein wichtiges Moment ist — gleichzeitig
und zwar augenblicklich ins Spiel tretender Faktoren,
nämlich der primären spezifischen Parasitergie (Parasitotropie)
des Mittels einerseits, der Chemoflexion des Parasiten andererseits.
Beide Faktoren sind je nach der Parasitenart, den Einzelstämmen,
dem augenblicklichen Zustand der Parasiten, der Konstitution des
chemotherapeutischen Agens der weitgehendsten Variation fähig.
Jede chemotherapeutische Wirkung, von der minimalen bis zur
grössten, kann zerlegt werden in die beiden Funktionen, eine Auf¬
gabe, die zu den notwendigsten und dabei schwierigsten der For¬
schung gehören wird.
Die Chemoflexion erscheint dabei als eine Funktion der
ungestörten Vitalität der Mikroorganismen, wofür unsere
und ältere Beobachtungen sprechen, und wir möchten unsererseits
die grosse Bedeutung der Therapia sterilisans magna Ehrlich’s
nicht so sehr in der Richtung der Verhütung der Recidive und
Festigung erkennen, sondern vielmehr in dem Niederhalten
der primären Chemoflexion. Es tritt also an die Stelle
d^r für die Festigkeit herrschenden „statischen“ Auf¬
fassung eine „dynamische“. Eine ihrer Konsequenzen besteht
auch darin, dass die untere Wirkungsgrenze eines chemothera¬
peutischen Agens nicht als diejenige Dosis definiert wird, welche
unter der Empfindlichkeitsscbwelle der Parasiten liegt, sondern
als diejenige, welche die Chemoflexion nicht hemmt, also von ihr
überwältigt wird 2 ).
Dass es auch besondere Wege geben dürfte, die Chemoflexion zu
hindern und wirksam zu lähmen, dass vielleicht in gewissen Fällen der
Kombinationstherapie solche schon angedeutet sind, darauf sei nur kurz
hiogewiesen. Man könnte mit einem Bilde aus der Lehre vom induzierten
Magnetismus von einer „Coereitivkraft“ der Mikroorganismen sprechen,
welche sie den zur Chemoflexion führenden Einflüssen entgegensetzen;
je stärker diese Coereitivkraft, desto reiner kommt die chemotherapeu¬
tische Funktion (Parasitotropie nach Ehrlich) eines Mittels als solche
zum Ausdruck. Die Beziehungen zwischen chemischer Konstitution
und chemotherapeutischer Wirkung spalten sich nun auoh in bezug auf
Parasitergie (Parasitotropie) und Chemoflexion.
Die Konsequenzen dieser Anschauungen für das chemothera¬
peutische Handeln in unserem Falle werden Sie leicht ziehen
können. Das Ideal einer Sterilisatio magna beim Men¬
schen erreichen wir bei der Pneumonie nicht, also
müssen wir uns mit einer protrahierten Behandlung be¬
gnügen. Diese aber hat nach dem Grundsatz zu ge¬
schehen, dass die Möglichkeit einer Chemoflexion nach
Kräften unterdrückt wird, und das wird aller Voraus¬
sicht nach erreicht, wenn das Maximum der Wirkung
auf die Parasiten konstant, möglichst ohne Relaxation
ausgeübt wird, wenn eine Erholung der Pneumokokken,
1) Die von mir und Rosenthal untersuchte eigenartige Festigkeit
der Trypanosomen gegen Brechweinstein gehört offenbar hierher.
2) Eine Chemoflexion im entgegengesetzten Sinne, eine vitale Re¬
aktion, welche also unter spezifischem Einfluss die Empfindlichkeit er¬
höh t/wäre übrigens denkbar und gewisse neuere Versuche von Mol do van
und Ko eh ne wären unter diesen hypothetischen Gesichtspunkt zu bringen.
Isolierte Chemofleiion liegt vielleicht bei der Einwirkung des Tantal
vor (Morgenroth und Rosenthal).
auch nur für kurze Zeit, ausgeschlossen wird, wenn
diese gleichsam in einer eisernen Umklammerung fest¬
gehalten werden, bis sie unschädlich gemacht sind.
IX. Wirkung des Campbers auf Pneumokokken.
Auf das engste mit den hier berührten Erscheinungen der
Arzneifestigkeit und Chemoflexion hängen die Versucbsergebnisse
zusammen, die bei der Einwirkung des Camphers auf die
experimentelle Pneumokokkeninfektion erzielt wurden.
Solche Versuche wurden zuerst auf Veranlassung von Seibert
von Welch und Rueck unternommen, welche sogar eine Heil¬
wirkung des Camphers bei der experimentellen Pneumokokken¬
infektion des Kaninchens festgestellt haben wollten, in Versuchen
allerdings, die durch das Fehlen der unbedingt nötigen gleich¬
zeitigen Infektionskontrollen keine Beweiskraft besassen. Die
Versuche der amerikanischen Autoren wnrden von Boehncke
nicht bestätigt, wohl aber gelangte er zu dem bemerkenswerten
Resultat, dass im prophylaktischen Versuch bei Einhaltung
eines Zeitintervalls von etwa 4 Stunden zwischen Behandlung und
Infektion, die behandelten Mäuse im Gegensatz zu den
Kontrollieren am Leben erhalten wurden.
Bei einer weiteren Ausdehnung dieser Versuche durch
F. Rosenthal und Stein auf eine Reibe verschiedener Pneumo-
kokkenstämme zeigten sich nun Verhältnisse, die eher an die
Erfahrungen mit Pneumokokkenserum als an diejenigen mit
Optochin erinnern.
Von sechs untersuchten Pneumokokkenstämmen erwies sich
nur die Hälfte als beeinflussbar durch Campher in den grössten
anwendbaren Dosen, die übrigen 3 Stämme waren unempfindlich;
hierzu kommen nach persönlicher Mitteilung Rosenthal’s noch
mehrere weitere unempfindliche Stämme. Im Gegensatz hierzu
erweisen sich alle diese Pneumokokken in vollem
Maasse beeinflussbar durch Optochin. Wir können Rosen¬
thal und Stein Recht geben, dass damit von vornherein die
Bedeutung des Camphers für eine etwaige Therapie mensch¬
licher Pneumokokkeninfektion sehr stark vermindert wird.
Wir müssen uns nach unseren früheren Erfahrungen an Trypanosomen
und besonders auf Grund der erwähnten neueren Untersuchungen der
Ansicht von Rosenthal und Stein anschliessen, dass es sich hier nicht
um den Ausdruck einer ursprünglichen Festigkeit der Pneumokokken
gegenüber dem Campher handelt, sondern dass der Fall einer
raschen spezifischen Festigung vorliegt, wofür besonders das
Auftreten der früher schon von uns an Trypanosomen studierten „Halb¬
festigkeit“ spricht. Offenbar ist gerade dem Campher gegenüber die
„Coereitivkraft“ der Pneumokokken eine ganz ausserordentlich geringe;
in diesem Sinn spricht auch die merkwürdige, bisher nur kurz mit¬
geteilte Beobachtung Rosenthal’s, dass auch in vitro und zwar durch
eine nur zehn Minuten dauernde Einwirkung von Campher eine Festigung
zur Ausbildung kommt.
Von einer systematischen chemotherapeutischen Forschung kann auf
diesem Gebiet, obwohl Boehncke eine grössere Anzahl Campherderivate,
offenbar mit negativem Erfolg, geprüft hat, noch keine Rede sein, es
ist aber möglich, dass sie mit der Zeit aus den interessanten Beob¬
achtungen erwächst.
Die Wirkung des Optochin wird im Tierversuch durch den Campher
nach persönlicher Mitteilung von Kaufmann nicht verstärkt, sondern
eher abgeschwächt.
X. Ulcus serpens. Grundlage für die Optochintberapie.
Wenn man eine Gewebssterilisation von der Blutbabn
aus generell als die schwierigste Aufgabe der experimentellen
Chemotherapie bezeichnen darf, so liegt anderseits das einfachste
und übersichtlichste Problem vor, falls es sich Dur darum handelt,
die lokale Desinfektion eines leicht zugänglichen, um¬
grenzten Gewebsbezirks durchzuführen.
Für die Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion war glück¬
licherweise eine derartige Aufgabe gegeben und bot die Möglichkeit,
die neue Therapie bei einer eminent wichtigen Erkrankung des
Menschen, bei dem Ulcus serpens der Hornhaut zu erproben. Die
grosse soziale Bedeutung des Ulcus serpens, dä s als Un¬
fall folge für unsere staatliche Versicherung von besonderer Wichtig¬
keit ist, ist Ihnen ja bekannt; die ausgezeichneten Darstellungen
von Cramer und Wagenmann enthalten in dieser Hinsicht al es
Wesentliche. Ich will hier nur anführen, dass V*“* 2 /« *' e t,, ’
fallerkrankungen in landwirtschaftlichen Betrieben auf das Ulcu
serpens kommen. .
Eine experimentelle Bearbeitung der sich hier ergeben e
Fragen durch den Tierversuch stiess aber insofern auf bedeuten
Schwierigkeiten, als die regelmässige Erzeugung typischer Pi° eu ®
kokkengeschwüre der Hornhaut bei Versuchstieren bisher nie
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23. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1835
gelangen ist. Za ihrer Klärung konnte der Tierversuch immerhin
beitragen und damit eine wertvolle Vorarbeit leisten. Es konnten
unter exakten Versucbsbedingungen folgende Fragen beantwortet
werden:
1. Durchdringt das Optochin bei äusserlicher An¬
wendung das Hornhautgewebe?
2. Ist es möglich, Pneumokokken, welche sich im
Gewebe der Hornhaut entwickeln, abzutöten und zwar
ohne Schädigung des Corneagewebes?
Das Eindringen eines löslichen Salzes des Optochin aus
wässriger Lösung oder der Base aus öliger Lösung in das
Corneagewebe zu verfolgen, wird darch ein besonderes günstiges
Moment ermöglicht, nämlich durch die anästhesierende Wirkung,
welche diesem Alkaloid ebenso wie zahlreichen anderen Chinaalkaloiden 1 )
zukommt.
Lässt man auf das Kaninchenauge eine 1 proz. Lösung von salz¬
saurem Optochin eine Minute lang ein wirken, so entsteht eine voll¬
ständige Anästhesie der gesamten Hornhaut, die 2—8 Minuten nach
beendeter Einwirkung der Alkaloidlösung ausgebildet ist und nach
durchschnittlich einer Stunde langsam abzuklingen beginnt. Es geht
hieraus mit Sicherheit hervor, dass eine 1 proz. Lösung des Alkaloid¬
salzes innerhalb weniger Minuten das Corneaepithel und die Dicke der
Hornhaut durchdringt, und zu sämtlichen Endigungen der sensiblen
Nerven gelangt.
Das salzsaure Optochin diffundiert aus Lösungen von
massiger Konzentration rasch durch die Hornhaut; damit
ist die wesentlichste Grundbedingung für eine spezifische des¬
infizierende Wirkung innerhalb der Hornhaut erfüllt.
Ebenso verhält sich die Optochinbase, wenn sie in öliger Lösung
angewandt wird.
Lösungen bis zu einem Gehalt von 2,5 pCt. bei einer Einwirkungs¬
dauer von einer Minute erwiesen sich am Kaninchenauge frei von Neben¬
wirkungen. Subconjunctivale Injektion von 0,5 com einer 0,5 proz.
Lösung wird vom Kaninchenauge ohne Nebenwirkungen vertragen, auch
nach Wiederholung innerhalb 24 Stunden. Auch hier ist, wie nicht
anders zu erwarten, Diffusion in die Hornhaut und totale Anästhesie
die Folge.
Die zweite Frage ist durch Versuche von Ginsberg und
Kaufmann in meinem Laboratorium dahin beantwortet worden,
dass virulente Pneumokokken, die zwischen die La¬
mellen der Hornhaut eingebracht werden, bei geeigneter
Versuchsanordnung ohne Gewebsschädigung durch Op¬
tochin abgetötet werden. Besonders die subconjunctivale
Injektion 0,5 proz. Lösungen des Optochinsalzes erwies sich als
gut wirksam.
(Fortsetzung folgt.)
Nervöse Störungen bei Kindern.
Von
Dr. Otto Katz-Gharlotteuburg.
Die auffallende Häufung einer Anzahl sonst verhältnismässig seltener
nervöser Störungen bei Kindern, die ich in der letzten Zeit zu beob¬
achten Gelegenheit hatte, gibt mir Veranlassung, an dieser Stelle auf
sie hinzuweisen.
In erster Linie sind hier „Angstzustände“ zu nennen, deren Bild
fast völlig den bei Erwachsenen so häufig beobachteten gleicht. In allen
von mir in den letzten 4 Woeben beobachteten 5 Fällen handelt es sich
sonderbarerweise um das weibliche Geschlecht, und zwar um Mädchen
im Alter von 6—10 Jahren, ln zweien dieser Fälle um einzige Kinder.
Das Krankheitsbild sieht etwa folgendermaassen aus: Die bis zum Beginn
der Erkrankung nach Angabe der Eltern und auoh meinen eigenen Be¬
obachtungen völlig gesunden Kinder fangen plötzlich an schlecht auszu¬
sehen. Sie werden blass, schlaff und zeigen einen müden Gesichts¬
ausdruck, der auch unzweifelhaft eine leichte „melancholische“ Bei¬
mischung hat. Der Appetit liegt danieder. Von Zeit zu Zeit hören die
Kinder mit Spielen oder ihren sonstigen Beschäftigungen auf und träumen
vor sich hin oder laufen unruhig hin und her. Nach einiger Zeit, fünf
Minuten bis */ 4 Stunde oder noch langer, beginnen sie wieder mit ihrer
Tätigkeit. Eins dieser Kinder, ein sonst sehr viel spielendes Mädchen
von 6 Jahren, spielte jetzt überhaupt nicht mehr. Zwei der Kinder
klagten über „Schwindelgefühl“, Irgend welche organische Erkrankungen
sind nicht nachweisbar.
In zweien meiner Fälle wurde mir von den Eltern gleich bei der
ersten Untersuchung mitgeteilt, dass sie die Vermutung hätten, dass die
Kinder sich sehr über den Krieg erschrocken hätten. Und bei den drei
anderen gelang es mir nach ganz kurzer Zeit, durch Nachfragen bei den
Kindern selbst, dieselbe Ursache herauszubekommen, selbstverständlich,
1) So liegt z. B. in dem Isoamylbydrocuprein eine Verbindung vor,
welche dem Cocain in bezug auf Stärke und Dauer der Wirkung weit
überlegen ist, bei minimaler Giftigkeit (Morgenroth und Ginsberg).
ohne dass ich es in die Kinder hineingefragt habe. Nebenbei bemerkt,
gelingt es bei Kindern überhaupt leichter, die Quellen der Angstzustände
herauszubekommen, als das bei Erwachsenen der Fall sein soll. In allen
5 Fällen ist es nicht der Krieg an sich, sondern es sind Einzelheiten,
die sie zu hören bekamen, insbesondere Greueltaten, die ihnen direkt
erzählt wurden, oder die sie mit anhörten. Vier dieser Kinder stammen
von „nervösen“ Eltern, aber ohne schwerere Belastung. Das lünfte, ein
Mädchen von 6 Jahren, zeigt eine ernstere Belastung. Die Mutter litt
vor 2 Jahren, wie sie mir erzählte, an Halluzinationen. Ob es sich um
eine Paranoia handelt, konnte ich nicht herausbekommen. Lässt man
sich nun von den Kindern eine genauere Schilderung dessen geben, was
in ihnen vorgeht, so schildern sie ihre Empfindungen ungefähr folgender-
maassen: „Ich bekomme plötzlich solche Angst, und wenn das dann
eine Weile gedauert hat, habe ich dann keine Angst mehr.“ Und fragt
man, über was sie sich ängstigten, so bekam ich zweimal die Antwort,
sie müssten an die und die Greueltat denken, die ihnen erzählt worden
sei. Und als ich sie dann fragte, ob sie immer daran denken müssten,
da antworteten sie nein, jetzt nicht mehr, jetzt weiss ich oft nicht mehr,
weshalb ich Angst habe. Sie sohildern dann ein ganz unbestimmtes
Angstgefühl.
Alle 5 Kinder entstammen besseren Kreisen, bei vieren ist der Vater
nicht im Felde. Das letzte MädcheD, das schwerer belastete, dessen Vater
im Kriege ist, zeigt nun ausser dem oben geschilderten noch folgende
bedenklichen Zustände. Es bekommt plötzlich jeden Abend, sobald es
ins Bett gebracht wird, heftige Schreianfälle, wobei es immer ruft: „Ich
habe solche Angst.“ Ob es hell im Zimmer ist oder dunkel, ob das Kind
allein ist oder die Mutter dabei sitzt, ist gleichgültig. Erst nach 2—3
Stunden schläft das Kind ein, um in sehr unruhigem Schlafe die Nacht
zu verbringen. Es handelt sich nicht um Pavor nocturnus.
Die Prognose scheint in meinen Fällen gut zu sein, mit Ausnahme
des letzten Falles, der bis jetzt in 3 Wochen nur eine geringfügige
Besserung zeigt. Die Behandlung, in erster Linie natürlich eine psychi¬
sche, in die aber die Eltern absolut nicht eingreifen dürfen, soll hier
nicht weiter erörtert werden. Unzweifelhaft hängen die geschilderten
Zustände mit psychischen Traumen zusammen, die die Kinder durch Er¬
zählungen von dem Kriege erlitten haben, und ich glaube wohl sagen
zu dürfen, dass man in dieser Hinsicht, besonders bei Kindern aus
„nervösen“ Familien, sehr vorsichtig sein soll, insbesondere bei Schilde¬
rungen von Einzelheiten.
Fernerhin habe ich in der letzten Zeit eine starke Häufung von
Enuresis nocturna und auch der Pollakisurie, dem Zustande also, wo die
Kinder so sehr häufig Urin lassen müssen und die uns als Kinder mit
„schwacher Blase“ zugeführt werden, beobachtet. Es handelt sich hier
in den gehäuften Fällen um Knaben und Mädchen.
Inwiefern auch hierbei psychische Momente der oben geschilderten
Art, vielleicht solche ganz abgeschwächter Natur, mitwirken, wage ich
bis jetzt nicht zu entscheiden.
Es war mir für heute nur darum zu tun, die Aufmerksamkeit der
Kollegen auf diese Zustande zu lenken.
Pilzerkrankung der Haut, infolge des Ge¬
brauches wollener Unterwäsche.
Von
Sanitätsrat Dr. Isaac,
dirigierender Arzt der vorm. Prof. Lsssar sehen Klinik.
Hierdurch möchte ich die Aufmerksamkeit der Aerzte von neuem
auf eine Pilzaffektion richten, die gerade in der jetzigen Jahreszeit be¬
sonders häufig vorzukommen pflegt und sehr oft zu falschen Diagnosen
Veranlassung gibt. Es handelt sich um eine dem Herpes tonsurans
ähnliche Hauterkrankung, die regelmässig auf der Körperhaut auftritt,
das Gesicht und den behaarten Kopf freizulassen pflegt und auf den
Gebrauch wollener, oder auch lange gelagerter leinener Unterwäsche
zurückzuführen ist. Die Hauterkrankung ist bekannt und beschrieben
unter dem Namen Pityriasis rosea sive Herpes squamosus sive Herpes
tonsurans maculosus. Aus dieseu Bezeichnungen erübrigt sich eine Be¬
schreibung des den meisten Aerzten bekannten Hautleidens, das sicher
parasitären Ursprungs ist, dessen pathogenetischer Pilzerreger aber
mikroskopisch bis jetzt noch nicht naebgewiesen werden konnte. Es
dauert manchmal 2—3 Wochen, bevor sich die ersten Anzeichen des
Pilzleidens in Form von eiförmigen, oblongen Effloreszenzen auf der
Haut zeigen, die sich schnell zu vermehren pflegen und auf leichtes
Ankratzen mit dem scharfen Löffel im Centrum eine deutliche Schuppung
zeigen (differentialdiagnostisch wichtig, zur Unterscheidung von anderen
ähnlichen Hautkrankheiten). Oft genug wird die Hautaffektion mit
Lues vorwechselt, indem die runden, bei grosser Ausdehnung diffus ver¬
teilten oblongen Scheiben für ein grossmaculoses Syphilid gehalten
werden, auch kommt es zu häufigen Verwechselungen mit Psoriasis
vulgaris. In vielen Fällen pflegt die Pityriasis rosea von selbst auszu-
beilen, ohne irgendwelche Spuren auf der Haut zurückzulassen. Meistens
genügen Einsalbungen von Unguentum sulfuratum rubrum, um in kurzer
Zeit Heilung zu erzielen, besonders hartnäckige Fälle werden mit
10 proz. Pyrogallussalbe günstig beeinflusst. Der Grund, weshalb ich
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 47.
die Aufmerksamkeit der Aerzte auf diese verhältnismässig harmlose
Krankheit richte, ist der, dass ich neuerdings in mehreren Fällen diese
Pilzaffektion auf das Tragen von sogenannten „Sweatern“ zurückführen
konnte. Es handelte sich hierbei regelmässig um wollene „Sweater“,
die den Sommer über gelegen hatten und jetzt bei Beginn der kälteren
Jahreszeit von neuem zur Warmhaltung der Haut dienen sollten.
Aufgefallen ist mir jedoch, dass die Pilzübertragung in diesen
Fällen einen etwas anderen Charakter aufweist, wie bei der gewöhnlichen
Pityriasis rosea. Die Affektion ist isolierter, beschränkt sich auf kleinere
Bezirke und sind die Pilze randständiger, da die Schuppung mehr
peripher fortschreitet, während das Centrum freier bleibt, so dass die
Hauterkrankung dem Ekzem marginatum ähnlich wird. Auch ist der
Juckreiz ein sehr starker. Im allgemeinen pflegt diese Art der Pityriasis
rosea schon nach ein paar Einreibungen mit roter Salbe zu weichen.
Das beste Mittel zur Verhütung dieser verhältnismässig harmlosen,
aber häufig genug stark juckenden, resp. die ganze Haut einnehmenden
Pilzaffektion dürfte gründliche Seifenwaschung aller Wollsachen und
tüchtige Austrocknung vor dem Gebrauche sein. Wollzeug jeder Art,
das den Sommer über gelagert hat, sollte erst nach sorgfältigster
Waschung wieder in Gebrauch genommen werden. Vielleicht dürfte die
von mir gegebene Anregung um so mehr auf fruchtbaren Boden fallen,
da ja gerade jetzt bei Eintritt der kalten Jahreszeit das Wollthema für
unsere Krieger eine grosse, aktuelle Rolle spielt. Die Hände der be¬
sorgten Frauen und die Aufbewahrungsorte der Wolle mögen so
sauber sein, wie sie wollen, es ist doch nicht ausgeschlossen, dass
Bakterien in die Wolle hineingetragen werden, die unter Umstanden zur
Entstehung von Haut- und anderen Krankheiten führen könnten.
Aus dem physiologischen Institut der Universität
Berlin (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Kühner).
Ueber die Differenzierung einzelner Hefearten
mit Hilfe spezifischer Agglutinine. 1 )
Von
Dr. Stephanie Lichtenstein.
Die früheren Versuche, einzelne Hefearteu mittels Agglutinine
zu differenzieren, haben, wie eine Durchsicht der einschlägigen
Literatur ergibt, sämtlich zu negativen Resultaten geführt.
So erzielte Defalle 2 ) durch Immunisieren von Meerschweinchen mit
einer Weinhefe nur ein sehr schwach agglutinierendes Serum vom
Titer 1:40. Bisserie 3 ) versuchte durch die Agglutination Bierhefe
und Weinhefe zu differenzieren. Die ImmuDsera agglutinierten aber
beide Hefearten in derselben Verdünnung 1: 200.
Dieselben negativen Resultate für eine Wein- und Bierhefe sowie
für einige pathogene Hefen erhielt auch Malvoz 4 ). Die Sera wiesen
einen ganz geringen Titer von 1 :40, 1:50 und höchstens von 1 :90
auf. Auch Schütze 5 ) kam bei seinen Versuchen, obergärige und unter¬
gärige Kartoffel- und Getreidehefe zu differenzieren, zu keinem anderen
Ergebnis. Die Sera, die er durch längere Behandlung von Kaninchen
mit subkutanen Injektionen von ELefeemulsionen erhielt, agglutinierten
zwar die entsprechende Hefeart, reagierten aber auf die heterologe Hefe¬
art in gleichem SinDe. Ein deutlicher quantitativer Unterschied liess
sich in keinem der Reagenzröhrchen konstatieren. Nachträglich ist es
Schütze 6 ) allerdings gelungen, durch das Komplementbindungsverfahren
ober- und untergärige Bierhefe biologisch zu trennen und diese beiden
Hefearten wiederum von der Getreide- und Kartoffelhefe, nicht aber
Getreide- und Kartoffelhefe voneinander zu unterscheiden. Bei diesen
Versuchen hat Schütze für die Tierbohandlung nicht mehr den sub¬
kutanen, sondern den intravenösen Injektionsmodus gewählt.
In meinen Versuchen sind Kaninchen mit Hefereinkulturen
genau so, wie es für die Immunisierung mit Bakterienmateria]
üblich ist, vorbehandelt worden.
Für die Injektionen, die intravenös und in Zwischenräumen von
5 bis 6 Tagen vorgenommen wurden, kamen 20 Stunden alte, auf Bier¬
würzeagar bei 28° C gezüchtete Kulturen zur Verwendung. Es wurde
mit einer Oese begonnen und die Impfdosis allmählich gesteigert, bis
schliesslich eioe Abschwemmung einer ganzen Kultur in physiologischer
Kochsalzlösung den Tieren eingespritzt wurde. Die Tiere vertrugen die
Injektionen sehr gut. Am neunten Tage nach der letzten Injektion er¬
folgte die Blutentnahme.
Der eigentliche Agglutinationsversuch wurde in der üblichen Weise
ausgeführt. In eine Reihe Röhrchen kam je 1 ccm des betreffenden
1) Nach einem in der Berliner mikrobiologischen Gesellschaft ge¬
haltenen Vortrage. Die ausführliche Veröffentlichung erscheint dem¬
nächst im Archiv für Physiologie.
2) Defalle. Ann. de l’institut Pasteur, 1900.
3) Bisserie, Compt. rend. de la soc. de biol., 1901.
4) Malvoz, Zbl. f. Bakt., Abt. 1, Bd. 20.
5) A. Schütze, Zschr. f. Hyg., 1903, Bd. 44.
6) A. Schütze, Zschr. f. Immun.Forsch., 1911, Bd. 8.
Kaninchenimmunserums in fallenden Mengen. In jedem Röhrchen wurde
eine Normalöse einer frischen, gut gewachsenen Hefekultur verrieben.
Das Gestell mit den Röhrchen kam für 2 Stunden in den Brutschrank
und für 24 Stunden auf Eis. Die nötigen Kontrollen mit normalem
Kaninchenserum, sowie mit physiologischer Kochsalzlösung wurden bei
jedem Versuch angesetzt.
Durch einen Vorversuch, in dem Kaninchen mit Hefekulturen, die
sich voneinander morphologisch wie biologisch gut unterscheiden lassen,
behandelt wurden, konnte ich die Ueberzeugung gewinnen, dass es mög¬
lich ist, gegen Hefezellen gut wirksame agglutinierende Sera zu er¬
halten, und dass die Sera nur auf die homologen, nicht aber auf die
heterologe» Kulturen agglutinierend wirken.
Nach diesen Vorversuchen ging ich dazu über, die Agglutinations¬
methode zur Differenzierung der sogenannten untergärigen und ober¬
gärigen Hefekulturen zu prüfen. Zu diesem Zwecke wurden Kaninchen
mit folgenden Reinkulturen behandelt: mit 1. Hefe Saaz (untergärig);
2. Sacch. Pastorianus (I) (untergärig); 3. Sacch. Pastorianus III
oderValidus (nach der neueren Benennung von Hansen) obergärig;
4. Sacch. Turbidans (obergärig).
Ausser diesen Hefekulturen, bei denen es hauptsächlich auf die
Unterscheidung zwischen obergärig und untergärig ankam, wurde
für die AgglutiDalionsversucbe noch eine Torulaart, eine mit dem
Namen Speckhefe bezeichnet« Kultur herangezogeD, um die Be¬
ziehungen zu den Saccharomyceten festzustellen. Die Kaninchenimmun-
sera wurden auf ihr agglutinierendes Vermögen noch anderen obergärigen
und untergärigen He/ekulturen gegenüber geprüft. Als solche kamen in
Betracht: Sacch. Pastorianus II oder intermedius (schwach ober-
gärig); Sacch. Ellipsoideus II (untergärig) und Sacch. Turbidans
untergärig.
Sämtliche Kulturen sind mir von Herrn Prof. P. Lindner-Berlin,
dem ich auch an dieser Stelle meinen Dank ausspreche, liebenswürdiger¬
weise zur Verfügung gestellt worden.
Die Resultate der Agglutinationsversuche lassen sich kurz, wie
folgt, zusammenfassen. Die Sera sind mit den Namen der Saccharo-
mycesarten, mit denen die entsprechenden Kaninchen behandelt wurden,
bezeichnet.
Das Serum Saaz wirkt fast bis zur Titergrenze (1:3500) auf die
untergärigen Saccharomycesarten: Turbidans, Ellipsoideus II und
Pastorianus (I), lässt aber den schwach obergärigen Iotermedius
sowie die beiden anderen obergärigen Saccharomyceten: Validus und
Turbidans kaum beeinflusst. Dieses Ergebnis ist um so interessanter,
als die Kulturen Ellipsoideus H, Turbidans untergärig und
Turbidans obergärig nahe zusammengeb Ören. Auf diesen Punkt
kommen wir noch weiter unten zu sprechen.
Von den drei Pastorianushefen sind zwei Kulturen, nämlich Pasto-
rianua (I) untergärig und Validus (obergärig) für die Behandlung der
Tiere gewählt worden.
Auch hier finden wir dasselbe Verhalten wie beim Serum Saaz.
Das Serum Pastorianus (untergärig) agglutiniert fast bis zur Titer¬
grenze (1 : 3000) die untergärigen Hefen: Turbidans, Ellipsoideus II
und Saaz. Das Serum Validus dagegen besitzt entsprechend dem
obergärigen Charakter des Sacch. Validus ein ausgesprochenes
Agglutinationsvermögen für die obergärigen Hefekulturen Turbidans
und intermedius, während die untergärigen gar nicht und der gleich¬
falls untergärige Pastorianus, der doch dem Validus näher als
Turbidans stehen soll, nur ganz schwach beeinflusst wird.
Ein weiterer Versuch, für den ein agglutinierendes Serum, das durch
die Behandlung eines Kaninchens mit Turbidans obergärig gewonnen
wurde, zur Verwendung kam, scheint besonders instruktiv zu sein. Zu¬
erst einige Worte über die benutzten Kulturen.
Im Jahre 1886 hat Hansen über Versuche berichtet, in denen rein
gezüchtete Unterhefeüformen mit ObergärungserscheinuDgen auftraten,
die aber nach wenigen Ueberimpfungen wieder verschwanden. Von dieser
Beobachtung ausgehend hat Hansen ausgedehnte Versuche mit Sacch.
ellipsoideus II, einer typischen Unterhefe angestellt. Die Kulturen
wurden bei 0,5° C gezüchtet und nach einem Zeitraum von drei bis
fünf Monaten untersucht. Dabei erwiesen sieb die meisten Zellen als
Obergärung8zellen. Weitere Versuche haben ergeben, dass das Auf¬
treten der Obergärungszellen nicht auf die Einwirkung der niedrigen
Temperatur zurückgeführt werden konnte. Bei einer Durchmusterung
des für die Züchtung bei 0,5° C benutzten Ausgangsraaterials hat sich
gezeigt, dass die Hälfte der Zellen obergärig, die Hälfte untergärig
war. Die rein isolierten Oberhefenzellen gaben bei weiterer Züchtung
konstant Obergärung, während die Unterhefenzellen ihren untergärigen
Charakter beibehalten haben. Die aus den untergärigen Zellen bestehende
KulturTarbidans untergärig ist somit mit demSacch.Ellipsoideusil
identisch, während die obergärige Zellen führende Kultur Sacch. Turbi¬
dans obergärig vielmehr als eine Mutation aufzufassen ist. Die Ober¬
hefenzellen sind in der Ellipsoideuskultur plötzlich aufgetreten;
eine bestimmte Ursache dafür war nicht zu eruieren. Von diesen Zellen
gezüchtete weitere Generationen erweisen sich in ihren Eigenschaften
durchaus konstant; also alles Merkmale, die für eine Mutation charakte¬
ristisch sind. Im Agglutinationsversuch kam das gegenseitige Verhalten
dieser Kultur sehr deutlich zum Vorschein. . ,
Das Serum Turbidans obergärig agglutinierte ganz io Deber-
einstimmung mit dem Ergebnis der obigen Versuche, die obergange
Sacch.-Kultur Validus, schwächer den leicht obergärigen in*
medius, ist aber auf die untergärigen Hefezellen, auf die Kulture
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Ürigmal fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
23 . November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Saaz und Pastorianus (I) ohne Wirkung. Eine Mitagglutination be¬
züglich der Kulturen Ellipsoideus II und Turbidans untergärig
ist deutlich ausgesprochen; die Reaktion fällt für beide Kulturen ganz
gleich in denselben Serumverdünnungen aus, was mit unseren früheren
Ausführungen über die Identität der beiden Kulturen ganz in Einklang
steht. Das gleiche ergibt sich auch aus der Wirkungsweise der übrigen
in Betracht kommenden agglutinierenden Seren der beiden Kulturen
Ellipsoideus II und Turbidans untergärig gegenüber. So agglu-
tiniert das Serum Saaz in genau gleicher Weise bis zu denselben Serum¬
verdünnungen die beiden Kulturen: Ellipsoideus II und Turbidans
untergärig. Gleichfalls identisch verhalten sich diese Kulturen dem
Serum Pastorianus (I) gegenüber.
Wie bereits zu Anfang erwähnt, habe ich die Agglutinationsversuche
auch auf eine Torulaart ausgedehnt, um zu sehen, ob es möglich ist
Torulaoeen auf diesem Wege von den Saccharomyceten zu differen¬
zieren. Es ist unter Umständen sehr schwer, die verschiedenen in der
Literatur teils als Torula, teils als Hefe beschriebenen Sprosspilze, die
keine Sporenbildung aufweisen, in die eine oder in die andere Gruppe
einzureihen. In der Mehrzahl der Fälle lässt sich eine Abgrenzung nur
mit einiger Wahrscheinlichkeit vornehmen.
Die mit Speckhefe bezeichnete Torulakultur wurde von dem homo¬
logen ImmuDserum bis zum Titer 1:2500 gut agglutiniert, nicht aber
von den anderen mit den verschiedenen Saccharomyceten erhaltenen
agglutinierenden Seren. Eine Ausnahme bilden die Sera der Unterhofen
Saaz und Pastorianus (I), von denen das erste die Speckhefe bis
1:500, das letztere bis 1:200 agglutiniert. Dagegen bat das Speok-
hefenserum auf keine einzige der Saccharomyceskulturen gewirkt. Ausser
der Torula Speckhefe sind mir von Herrn Prof. Lindner noch zwei
andere Kulturen Schlegel und Stolze überlassen worden. Die Kultur
Schlegel hielt Herr Prof. Lindner für eine Torula mit der Speck¬
hefe identisch, während die Kultur Stolze mit Speckhefe nur mor¬
phologisch übereinstimmen soll, biologisch aber sich different verhält.
Im Agglutinationsversuch hat .sich denn auch die Identität der Kulturen
Sohlegel und Speckhefe deutlich ergeben.
Fasst noan die Ergebnisse sämtlicher Versuchsreihen zusammen,
so findet sich folgendes:
Es ist möglich, durch intravenöse Injektionen von Hefe-
Reinkulturen beim Kaninchen gut wirksame agglutinierende Sera
zu erhalten.
Mit Hilfe der Agglutinationsmethode ist es möglich, nicht
nur verschiedene Saccharomycesarten zu differenzieren, sondern
auch den obergärigen oder untergärigen Charakter einer Hefe¬
kultur festzustellen. Es ist ferner möglich, mit Hilfe der Aggluti¬
nation die Tornlaceen von den Saccharomyceten scharf zu trennen.
Aus dem physiologischen Laboratorium der Universität
Utrecht.
Ueber die Nucleinsäureverbindungen in den
Nisslkörnern der Ganglienzellen.
Von
Dr. M. A. van Herwerden.
In seinem letzten Aufsatz über „Die Chemie der Zelle“ in dieser
Wochenschrift 1 2 ) hat Unna in Zusammen Wirkung mit Gans nochmals
die Albumosennatnr der Nisslschollen der Ganglienzellen betont und die
Meinung ausgesprochen, ich hätte die Wasserlöslichkeit dieser Körner
übersehen, was mich zu dem Fehlschluss geführt hätte, dass die Nuclease
imstande sei, dieselben zur Verdauung zu bringen.
Neulich habe ich in dieser selben Wochenschrift 5 ) auf Grund der
Nuoleaseverdauung die Auffassung verteidigt, dass die Nisslsohollen als
Nucleinsäureverbindungen zu betrachten seien, und weitere Versuche
haben diese Meinuog nicht zurückgedrängt. Dass, wie Unna angibt,
auf die Dauer die Nisslkörner aus den in Alkohol fixierten Schnitt¬
präparaten durch warmes Wasser gelöst werden können, war auch mir
schon längst bekannt. Es versteht sich aber, dass ich meine Versuche
nie ohne Kontrollversuche angestellt habe, am liebsten in gekochter,
also unwirksam gemachter nucleasehaltiger Flüssigkeit. Sehr schnell
werden die Nisslkörner in schwachem Alkali gelöst; weil aber die Nuclease
bei schwachsaurer Reaktion sehr gut wirksam ist, kann man immer eine
Alkalicität vermeiden; und in meinen späteren Versuchen habe ich 90gar
ausschliesslich mit schwachsauren statt mit neutralen Versuchsflüssig¬
keiten gearbeitet. In schwach mit Essigsäure angesäuertem Wasser
(1 Tropfen 1 proz. Essigsäure auf 5 ccm Aqua dest.) behielten die in
Alkohol fixierten Schnittpräparate des Rückenmarks einer jungen Katze
ihre Nisslkörner nach 40 stündigem Verbleiben auf Körpertemperatur
noch unverändert bei, während sich in der nucleasehaltigen Flüssigkeit
1) B. kl.W., 1914, Nr. 10.
2) B.kl.W., 1913, Nr. 39.
schon innerhalb 24 Stunden eine Verdauung erreichen liess. Ausserdem
gelang es mir neulich, mit einem sehr nucleasereichen, wässerigen Extrakte
der sogenannten Winterschlafdrüse eines neugeborenen Meerschweinchens
(einem öfters beschriebenen, zwischen den Schulterblättern gelagerten
Bindegewebs- und Fettknoten) die Nisslkörner innerhalb 3 Stunden
bei schwachsaurer Reaktion aus den Ganglienzellen des Rückenmarks zu
entfernen. Von einer Wasserlöslichkeit in derselben Zeit kann absolut
nicht die Rede sein.
Ein sehr kräftig wirksames, von Prof. Pekelharing aus dem
Schweinemagen bereitetes Pepsin, in 0,2 proz. Salzsäurelosung bei Körper¬
temperatur, lässt nach mehreren Stunden noch die Nisslschollen deutlich
erkennbar und färbbar, während das übrige Gewebe des Rückenmarks
schon grösstenteils verdaut ist.
Auch dies stimmt schwerlich mit der Unna’schen Auffassung über¬
ein, dass es sich um die in Pepsinsalzsäure so leicht verdaulichen
Albumosen handelt. Es versteht sieb, dass bei sehr langer Pepsin¬
verdauung schliesslich auch in meinen Versuchen der ganze Zellinhalt
zerfällt und zuletzt auch die Nisslschollen nicht mehr nachweisbar sind.
Eine 0,5 proz. Salzsäurelösung bringt innerhalb zwei Stunden bei
Körpertemperatur den grössten Teil der Nisslkörner in den von mir
untersuchten Alkohol-Schnittpräparaten von jungen Meerschweinchen und
Katzen zum Verschwinden, während eine Pepsinsalzsäurelösung von der¬
selben Acidität in dieser Zeitdauer hierzu nicht imstande ist. Dies findet
seine Erklärung in der bekannten Tatsache, dass Nucleoproteide bei einer
ähnlichen Salzsäurekonzentration besser gelöst werden als das sofort
vom Pepsin gebildete Nuclein, welches erst von der Nuclease zum Ver¬
schwinden gebracht wird.
Mit der Pepsinverdauung komme ich an meinem Material also zu
andern als die von Unna erwähnten Resultaten.
In dem von Unna für den Nachweis der Nucleinsäureverbindungen
empfohlenen Methylgrün-Pyroningemisch färben sich die Nisslkörner nach
der Alkoholfixation bekanntlich ausnahmslos mit der roten Pyroninfarbe
ungeachtet ihres Nucleinsäuregehaltes, welcher nach der Meinung Unna’s
überall mit der Methylgrünfärbung zusammenfallen müsste. Wie gefähr¬
lich es immer bleibt, auf die Farbstoffaufnahme der Zelle in Färbungs-
gemischen chemische Diagnosen aufzubauen, vermag ich an einem zweiten
Beispiele zu demonstrieren. Legt man nämlich die in Alkohol fixierten
Schnittpräparate der Testes einer Maus, deren Spermaköpfe, Sperm&to-
cyten- und Spermatogonienkerne sich in dem obengenannten Gemische
grün färben, während einer halben Stunde bei Zimmertemperatur in
0,2 proz. Salzsäure, so nehmen diese Teile auch nach sorgtältigem Aus¬
waschen ausnahmsweise das rote Pyronin statt des Methylgrüns auf.
Eine weitgehende Veränderung der chemischen Zusammensetzung dieser
Elemente kann in dieser kurzen Zeit bei einer Temperatur von höchstens
16° wohl schwerlich stattgefunden haben, doch tritt nach dieser Behandlung
eine Umkehr in der Farbenreaktion ein. Andere basische Farbstoffe,
z. B. das Safranin, werden ebenso kräftig aufgenommen wie zuvor. Es
scheint also, als ob auch Nucleinsäureverbindungen sich unter Umständen
in diesem Unna’sehen Farbgemisch mit Pyronin färben lassen.
Ich gehe hier nicht auf die Frage ein, ob die Nisslkörner in den
Ganglienzellen präformiert oder erst bei der Fixation gebildet werden,
wie es von einigen Autoren angenommen wird. Jedenfalls darf man
sagen, dass die Bausteine der Nisslkörner auch der Lebenden Zelle an¬
gehören; die ScholleD, wie sie nach der Fixation dem Beobachter zu¬
gänglich sind, deren Quantität bekanntlich mit der Funktion der Zelle
wechselt, stehen immerhin mit der chemischen Struktur der lebenden
Zelle in Zusammenhang und deshalb hat es einigen Wert, mit Bestimmt¬
heit die Meinung zu äussern, dass dieselben ans Nucleinsäureverbindungen
aufgebaut sind.
Ueber die Technik der Nucleasebereitung habe ich mich schon an
anderer Stelle ausgesprochen x ). Auch wässerige Riodermilzextrakte eignen
sich für diese Versuche. Und ebenfalls das aus der Darmschleimhaut
des Schweines bereitete Erepsin, welches bekanntlich auch eine Nuclease-
Wirkung hat. Leider ist von einer Reindarstellung der Nuclease noch
nicht die Rede, und es versteht sich, dass man mir entgegenhalteo
könnte, dass möglicherweise andere proteolytische Enzyme für die von
mir beschriebenen Veränderungen in der Zelle verantwortlich sind. Diese
Möglichkeit halte ich jedoch für ausgeschlossen, weil weder Fibrin noch
Hühnereiweiss (Mett’sche Röhrchen) von den von mir benutzten Ver¬
dauungsflüssigkeiten angegriffen wurden, während die Nucleinsäurespaltung
an einem nucleinsauren Natriumpräparat immer positiv ausfiel. Man
braucht übrigens nur einen Blick auf die behandelten Präparate zu
werfen, damit man sich überzeuge, dass von einer Eiweissverdauung,
wie sie mikrochemisch nach der Pepsin- oder Trypsinwirkung zutage
tritt, keine Spur zu entdecken ist. Ausser der Lösung der Nisslschollen
und dem Erblassen oder Verschwinden des Kernchromatins sehen die
Rückenmarksdurchschnitte vollkommen normal aus, und dasselbe gilt
für andere Präparate, welche mit den nucleasehaltigen Flüssigkeiten
behandelt sind.
1) Arch. f. Zellfor9ch., 1913, Bd. 10, und anat. Anzeiger 1914, Bd. 47.
3
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UNIVERSUM OF IOWA
1838
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nt. 47.
Zur Klärung der Embarinfrage.
Von
Dr. H. Kenn -Berlin.
Wenn auch die Anzahl der Quecksilbersalze, welche uns bis¬
her bei Behandlung der Lues zur Injektion zur Verfügung stehen,
eine ziemlich grosse ist, so haften doch den vorhandenen Präpa¬
raten noch eine solch grosse Anzahl von Nachteilen an, dass die
Einführung eines neuen Hg.-Salzes, welches die besteheuden Mängel
ausmerzt, wohl gerechtfertigt ist. Bekanntlich unterscheiden wir
lösliche und unlösliche Hg.-Salze. Erstere, welche als Haupt¬
vertreter das Sublimat, Hg. cyanat. und oxycyanat., auf-
weisen, zwingen infolge ihrer Giftigkeit, häufig kleine Dosen zu
geben, was für die genaue Durchführung der Kur meistens er¬
schwerend wirkt. Von den unlöslichen Präparaten werden
Hg. salicylicum und thymolicum häutig, Calomel seltener, Oleum
cinereum nur von wenigen angewandt. Der Vorteil dieser unlös¬
lichen Präparate besteht in der Möglichkeit, auf einmal grosse
Dosen infolge nicht sofortigen Uebergangs des Hg. in den Blut¬
kreislauf geben zu können, also die Anzahl der Einspritzungen
dadurch im ganzen zu verringern. Die Nachteile, welche sich
ganz besonders beim Calomel zeigen, sind das Auftreten von mehr
oder minder schmerzhaften Infiltraten an der Injektionsstelle und
in zweiter Linie die Intoxikationsgefahr, da natürlich die Abgabe
des Hg. aus dem Depot ganz verschieden ist und schwer geregelt
werden.
Nachfolgende Uebersicht über die gebräuchlichsten Hg.-Salze zeigt
die Prozentzifler der Lösungen, die Anzahl der Einspritzungen, die Einzel-
und Gesamtdosen.
Einzeldosis
1 Gesamtkur
Hg. bichlorat.
1 proz. wäss. Lös.
2—3 ccmLös.
60 ccm Lös. = 0,6 ccm
Hg. bichlorat.
Hg. oxycyanat.
fi
y>
do.
Hg. cyanat. .
»
„
do.
Hg. chlorat. .
10 proz. Emuls.
1 ccm Lös.
8—10 ccm = 0,8—1,0 ccm
Hg chlor.
Hg. salicyl. .
do.
Hg. tbymolic.
„
do.
Embarin . . .
3 proz. wäss. Lös.
2—3 ccmLös.
12—15 Iojekt. = 30 ccm
Embar. = 0,9 Hg.
Wir sind also in der Lage, mit dem Embarin dem Körper
mit einer verhältnismässig geringen Anzahl von Injektionen
(12—15) eine ebenso grosse Menge Hg. zu verabreichen, wie es
uns bisher nur bei den unlöslichen Salzen möglich war.
Nach den Mitteilungen der Fabrik ist Embarin eine 6 3 / 4 proz.
Lösung von mercuri-salicyl-sulfosaurem Natrium -f- 1 / 2 proz. Acoin.
Da das salicyl sulfosaure Natrium 40 pCt. Hg. enthält, ist der
Prozentsatz des Embarins 3 pCt., so dass in 1 ccm Embarin 0,03 Hg.
enthalten ist. Nach den Untersuchungen von Dr. v. Hayek im
Physiologischen Institut der Universität Innsbruck vertragen Ver¬
suchstiere doppelt soviel Embarin wie andere Hg.-Salze, und neigt
das Gewebe am wenigsten zur Nekrosenbildung bei Embarin-
einspritzung.
Bei der Einverleibung des Mittels sind die örtlichen Schmerzen
ganz minimal; meistens überhaupt nicht vorhanden. Infiltrate
habe ich sehr selten gesehen, doch dürften diese wenigen Fälle
nur auf die falsche Technik zurückzuführen sein. Ausser den
weiter hinten erwähnten drei Fällen von Idiosynkrasie gegenüber
Embarin zeigte sich niemals eine wesentliche Temperatursteigerung,
trat nie Gingivitis in störendem Maasse auf, selbst bei grossen
Dosen von 3 ccm. Albuminurie wurde nie beobachtet, desgleichen
keine Darmreizungen. Nur bei drei Patienten traten stärkere
Störungen nach der Einverleibung von Embarin auf.
Pat. W. erkrankte nach der ersten Injektion von 1 ccm Embarin
mit starkem Schüttelfrost, Kopfschmerz, Brechreiz und Schwindelanfällen,
wozu sich nach einiger Zeit noch heftige Durchfälle gesellten. Pat. er¬
holte sich nach zwei Tagen wieder vollständig, reagierte auf die nächste
nach 8 Tagen vorgenommene Injektion von 1 ccm Hirsch’sche Lösung in
derselben Weise, worauf von weiteren Hg.-Gaben Abstand genommen und
Pat. ausschliesslich mit Salvarsan behandelt wurde.
Pat. D. bekam nach 1,5 Embarin einen starken Uebelkeitsanfall,
Temperatursteigerung bis 39°. Er erholte sich am nächsten Tage wieder
vollständig, zeigte bei einer nun begonnenen Schmierkur nicht die ge¬
ringsten Nebenerscheinungen.
Pat. M. vertrug die drei ersten Injektionen yon insgesamt 6 ccm
Embarin sehr gut, es stellten sich aber bei der vierten und fünften In¬
jektion von je 2 ccm Embarin Temperaturerhöhung bis 38° ein, welche
sich auch bei weiteren Injektionen zeigte, dagegen bei Einspritzung mit
Hirsch’scher Lösung nicht auftrat.
In der Literatur wird über eine Anzahl Patienten mit ganz
ähnlichen Erscheinungen. Gappisch erwähnt das Auftreten eines
scarlatinaähnlichen Exanthems mit beträchtlicher Temperatur-
Steigerung. Da die Intoxikationserscheioungen möglicherweise
auch in dem Acoin ihre Ursache haben konnten, gab der erwähnte
Autor Injektionen mit Acoin allein, welche reaktionslos vertragen
wurden. Salomonski konnte derartige Hauterscheinungen nicht
beobachten, doch kann er die sonstigen oben erwähnten Stigmata
bestätigen. Einen Fall eines raasernähnlichen Exanthems mit
Schüttelfrost konnte v. Planner beobachten. Bei der grossen
Anzahl der mit Embarin behandelten Patienten dürfte den doch
verhältnismässig recht seltenen unangenehmen Nebenerscheinungen
kein grosses Gewicht beigelegt werden. Wir erleben so Tempe¬
ratursteigerungen, Uebelkeitsanfälle und Darmreizungen doch auch
hin und wieder bei der Einverleibung der übrigen Hg.-Präparate,
ohne deshalb diese Mittel nun vollständig aus unserem Arznei-
schätz zu streichen.
Zur Technik der Embarininjektionen möchte ich noch Folgen¬
des bemerken. Embarin habe ich ausschliesslich intramusknlär
in die Glutäen gegeben. Die Tagesdosis beträgt 1—3 ccm. Stets
beginne ich mit 1 ccm uud steige, wenn das Mittel gut vertragen
wird, bei Frauen und Männern bis 3 ccm; man kann so bei einer
Knr von 30 ccm mit 12—15 Spritzen gut auskommen. Die In¬
jektionen werden in Zwischenräumen von 1—4 Tagen gegeben.
Besonders ist beim Embarin auf eine äusserst sorgfältige Behand¬
lung der Iojektionsinstrumente zu achten. Ich verwende nur
Glasspritzen mit 2 und 5 ccm Inhalt (Fa. Haertel, Berlin Breslau)
und bewahre diese Iojektionskanülen trocken in Glasschaleu auf,
spritze die Kanülen nach Gebrauch zuerst mit Wasser und dann
mit 96 proz. Alkohol durch. Während das Embarin früher aus¬
schliesslich in Packungen von 10 Ampullen zu je 1,2 ccm in den
Handel kam, lässt jetzt die Fabrik grosse Ampullen zu 6 ccm
herstelien. Ich halte aber auch diese neuen Packungen nicht
für zweckmässig. Es dürfte sich empfehlen, grössere Ampullen
oder Flaschen zu 10—20 ccm Inhalt in den Handel zu bringen,
aus welchen die Flüssigkeit bequem mit der Kanüle oder Spritze
entnommen werden kann, was bei der 6 ccm Packung nicht der
Fall ist. Die ursprünglichen 1,2 ccmAmpullen können ja für
kleine Praxis beibehalten werden. Bei den grösseren Gefässen
wird dann auch leicht eine Preisherabsetzung durchzuführen sein,
was im Interesse der möglichst weiten Verbreitung des Präparats
und Anwendung in der Spital- und Kassenpraxis nur wünschens¬
wert sein dürfte.
Aus einer grossen Anzahl von Krankheitsfällen, welche mit
Embarin behandelt wurden, möchte ich nur einige herausgreifen,
bei denen die Wirkung des Mittels gut ersichtlich ist.
Herr P., TuberoserpigiDÖses Syphilid auf Arm und Rücken, Wa9ser-
mann’sche Reaktion positiv, nach 10 ccm Embarin vollständiges Ver¬
schwinden des Eianthems, nach 30 ccm Wassermann’sche Reaktion
negativ.
Herr K., Lues latens. Wassermann’sche Reaktion positiv. Neo-
salvarsan 0,9 und 24 ocm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ.
Fräulein B., Aortenaneurysma. Wassermann’sche Reaktion positiv,
29 ccm Embarin. Wassermann’sche Reaktion negativ.
Herr Ga., Lues H, Cephalea. Wassermann’sche Reaktion positiv.
29 ccm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ.
Herr K. 0., Lues II, Condylomata lata ani. Wassermann’scne
Reaktion positiv. 28 ccm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ.
Erscheinungen verschwunden.
Frau B. 0., allgemeine Körperscbwäche, Lues III. Wassermann’scne
Reaktion positiv. 30 ccm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ.
Herr W. E., Lues II, papulöses Syphilid, noch nicht abgeheiltes
Ulcus. Wassermann’sche Reaktion positiv. Neosalvarsan 0,3, Embarin
8,0, Wassermann’sche Reaktion positiv. Neosalvarsan 0,3, 26 ccm Embarin,
Wassermann’sche Reaktion positiv. 30 ccm Embarin, Wassermann scne
Reaktion negativ.
Herr T. E., Lues latens, Sohwindelanfälle. Wassermann’sche Reaktion
positiv. 20 ccm Embarin, Besserung des Befindens; Wassermann scne
Reaktion negativ. , ,
Herr K., Tabes incipiens, starke Beschwerden. Wassermann scne
Reaktion positiv. Neosalvarsan 0,3, Enesol 20 ocm, Wassermann scne
Reaktion positiv. 25 ccm Embarin, Wassermann’sobe Reaktion positiv.
30 ccm Embarin, Wassermann’sche Reaktion negativ. Vollständig® 3
Wohlbefinden.
Wir haben also gesehen, dass das Embarin sowohl was die
Bekömmlichkeit wie die Wirkung anbetrifft, mit zu den besten
unserer Hg-Präparate gehört, wenn es nicht bei dem Fehlen der
den übrigen Salzen anhaftenden Mängel überhaupt den ersten
Platz einnehmen dürfte.
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□ ri-gmal from
UNIVERSITV OF IOWA
23. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1839
Ueber Röntgensterilisierung. 1 )
Von
L. Görl-Nürnberg.
Als ich im Jahre 1906 an dieser Stelle über die ersten
erfolgreichen Sterilisierungen mit Röntgenstrahlen berichtete —
Mitteilungen von Deutsch im September 1904 waren sowohl mir
als auch anderen unbekannt geblieben —, begegneten dieselben
gerade von gynäkologischer Seite energischem Widerspruch, ob¬
wohl ich schon damals betonte, dass die Indikationen für eine
Röntgenstrahlentherapie nicht der Röntgenologe, sondern der
Gynäkologe aufstellen müsse und diese neue Behandlungsart nur
für solche Fälle reserviert wissen wollte, welche bei Operation
wenig Aussicht auf Erfolg zeigen: Menorrhagien bei Blutern,
Diabetikern, Herz- und Nierenkranken.
Nur langsam konnten sich die Gynäkologen damit befreunden,
dass der operative Eingriff bei Myomblutungen einem unblutigen
Verfahren weichen sollte, zumal die Operationstechnik so aus¬
gebildet ist, dass viele Operateure darauf hinweisen können, dass
eine Operationsmortalität bei Myomen für sie unbekannt ist.
Anfangs waren es deshalb nur wenige Patientinnen, und zwar
meist solche, welche die Operationsstatistik doch vielleicht un¬
günstig beeinflusst hätten, die dem Röntgenologen zur Behandlung
überwiesen wurden. Erst nachdem Halberstädter, Bergoniä,
Krause usw. die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf weibliche
Tiere und den Schwund der Graafscben Follikel bei sehr geringen
Röntgendosen, sowie die Verminderung und Degeneration der
Primordialfollikel nachgewiesen hatten und diese Befunde von
Faber und Reifferscheid auch am menschlichen Eierstock er¬
hoben wurden, war das Interesse der Gynäkologen für die neue
Therapie geweckt. Dazu kam, dass durch Aufstellung von Be¬
handlungsschemen auch für den mit der Wirkung der Röntgen
strahlen weniger Vertranten die Röntgentherapie zugängig ge¬
macht wurde. Es erschienen hauptsächlich von 1911 an, also
erst 6 Jahre nach meiner Veröffentlichung, eine reiche Menge
von Arbeiten, anfangs immer noch zumeist von Röntgenologen
wie Schmidt, Hänisch, Spöder, Köhler, später auch von
Gynäkologen, in besonders grosser Zahl von Gauss, die alle die
günstige Einwirkung auf vorhandene Meno- und Metrorrhagien
konstatieren konnten und dabei auch Klärung hinsichtlich der
Iodikatiooen und Kontraindikationen brachten.
Ueber die Indikation zur Röntgenbehandlung gynäkologischer
Leiden ist jetzt bei allen Autoren Einigkeit zu finden. Bei der
Entscheidung, ob Operation oder Röntgenkastration, wird die
Wahl durch das Alter der Patientinnen ungemein erleichtert. Je
jünger das Individuum ist, desto besser sind die Operations¬
chancen, desto schwerer ist die Sterilisierung mit Röntgenstrahlen
zu erzielen. Je älter die Patientin ist, desto leichter und in
relativ kurzer Zeit und mit geringen Strahlenmengen wird völliger
Stillstand der Blutungen eintreten, desto schlechter sind meist
auch die Aussichten einer Operation, so dass hier der Weg zur
Röntgenstrahlentherapie von selbst gegeben ist Wie sehr mit
dem zunehmenden Alter die Möglichkeit der Sterilisierung wächst,
ergibt sich aus einer Statistik von Runge, der bei Frauen im
Alter von 31—35 Jahren bei 43pCt. im Alter von 51—55 Jahren
bei 85 pCt. Menopause erzielen konnte. Zn bedenken ist dabei,
dass Runge mit der von der Hauttherapie her übernommenen
Art der Röntgentherapie, also mit mittelweichen Röhren arheitete,
nicht mit harten oder gar gefilterten Strahlen. Vor dem
40. Lebensjahr eignet sich also eine Patientin, wenn man ein
rasches Resultat erzielen will, besser für einen chirurgischen
Eingriff, nach dem 40. Jahre besser für Röntgenbehandlung.
Bezüglich der Krankheitsformen kann die Indikation der
Röntgentherapie weiter oder enger gestellt werden, wobei noch
Rücksicht auf die soziale Stellung der Patientinnen za nehmen
ist. Eine Frau der arbeitenden Klasse, welche im Haushalt fast
unentbehrlich ist, wird nach Operation rascher ihrem Wirkungs¬
kreis wiedergegeben, als wenn sie einer länger dauernden
Röntgenbehandlung sich unterzieht. Das Intensivverfahren nach
Gauss — siehe später — scheidet in solchen Fällen wegen der
Kosten von selbst aus. Stehen dagegen reichlichere Mittel zur
Verfügung, und ist die Patientin nicht gezwungen, möglichst
rasch wieder völlig arbeitsfähig zu sein, dann ist das Röntgen-
verfahren vorzuziehen.
Die promptesten Erfolge werden bei einfachen klimakte-
1) Vortrag, gehalten in der Nürnberger medizinischen Gesellschaft
und Poliklinik am 11. Juni 1914.
rischen Blutungen erzielt. Verhältnismässig wenige Bestrahlungen
beseitigen dieselben vollständig, so dass hier die Röntgentherapie
die Behandlung der Wahl ist. Bei mit Myom komplizierten
Blutungen, wenn die Myome erst nach dem 40. Lebensjahre zu
wachsen begonnen haben, sowie bei dem durch Metritis verlang¬
samten Eintritt der Menopause werden die Blutungen durch
Röntgenkastration prompt gestillt, resp. die Menopause rasch
erreicht. Sind Myome Veranlassung starker Blutung in früheren
Jahren, so kommt die Frage einer Operation um so eher in Be¬
tracht, je jüoger die betreffende Frau ist, wenngleich Krönig
und Gauss als ausschliessend für die Röntgentherapie nur folgende
Fälle erachten: Gestielte Myome oder gangrän verdächtige,
sarkomatöse und carcinomatöse Degeneration, ferner Verände¬
rungen, welche sofortiges Eingreifen erforden, wie Stieltorsion
oder Incarcerationserscheinungen der Blase.
Da das Myomgewebe als solches auch ohne Röntgenkastration
bei Einwirkung der Röntgenstrahlen schrumpft, so ist eine Be¬
handlung auch dann angezeigt, wenn die Myome nur Anlass zu
Schmerzen, nicht auch zu stärkeren Blutungen geben. Drei bis
vier Bestrahlungen genügen nach meiner Erfahrung um das un¬
angenehme Druckgefühl im Unterleib zu beseitigen. Ferner
können auch mit verhältnismässig wenig Bestrahlungen Men¬
struationsstörungen in jedem Alter durch Röntgenbestrahlung
günstig beeinflusst werden und zwar mit oder ohne Sterilisierung,
so dass auch diese Fälle einer Röntgenbehandlung zugefübrt
werden sollten. Stark herabgekommene ausgeblutete Frauen
sollten nach Schmidt, Döderlein usw. von der Röntgen¬
behandlung ausgeschlossen werden. Sie eignen sich aber nach
meiner Erfahrung gauz besonders für diese Behandlung, da die
roborierende, appetitanregende, schlafmachende und hämoglobin¬
bildende Wirkung der Röntgenstrahlen in auffällig kurzer Zeit
wieder die Patientinnen aufleben nnd verhältnismässig rasch ge¬
nesen lässt.
Das Vorgehen bei der gynäkologischen Röntgenbestrahlung ist bei
den einzelnen Autoren ein sehr verschiedenes. Um möglichst viele
Strahlen ohne Schaden in die Tiefe zu bringen, ist es notwendig, wenn
man von der ungeheuren Radiosensibilität der Ovarien absieht, möglichst
harte Strahlen zu verwenden. Um diese nun in grosser Menge in kurzer
Zeit erzeugen zu können, wurden immer stärkere Röhren und Apparate
gebaut. So wichtig dieser Fortschritt für die Carcinombehandlung ist,
so fragt es sich doch, ob für die in Frage stehenden Erkrankungsfälle
die Anschaffung grösserer Spezialinstramentarien notwendig ist, denn in
diesem Falle müsste wegen der entstehenden Kosten ein grosser Teil
der Patientinnen die Wohltat der Röntgenbehandlung entbehren,
während im Falle der Möglichkeit einer Behandlung mit den gewöhn¬
lichen Instrumentarien, wie sie jetzt zu Tausenden schon in den Bänden
von Praktikern sind, jedem, auch dem Aermsten infolge der relativ ge¬
ringen Kosten die Röntgentherapie zugängig wäre.
Bei dem tiefen Sitz der Ovarien ist es rationeller, von der Be¬
nutzung der Röhren, welche im Strahlengemisch die meisten physiologisch
aktiven Strahlen enthalten, abzusehen — 6—7 Wehnelt — und nur
harte Röhren zu benutzen. Diese enthalten zwar weniger primär physio¬
logisch stark aktive Strahlen, aber solche von höherer Penetranz, die
auf ihrem Wege im Gewebe nicht so leicht absorbiert werden, so dass
eine grössere Menge in die Tiefe gelangt und dort Dach Umwandlung in
sogenannte sekundäre Strahlen ihre Wirkung entfalten. Zugleich ist bei
härteren Röhren von 10 Wehnelt an die Gefahr einer Verbrennung der
Haut viel geringer, so dass sowohl ich als auch die anderen Röntgeno¬
logen von Anfang an nur harte Röhren benutzten, die besonders zu
jener Zeit, da man in der Röntgentherapie sonst keine Verwendung für
sie hatte, eigentlich wertlos waren.
Während ich bei harten Röhren und geringer Belastung bis zu
1 Milliampere auch heute noch ohne Filter arbeite, weil ich so Erfolge
mit geringsten Strahlendosen — d. b. auf die billigste Weise — erziele,
benutze ich bei Strömen über 1 Milliampere Filter. Anfangs wurden
Leder- oder Aluminiumfilter von 1 mm Stärke, wie Perthes sie bereits
1902 empfahl, verwendet. Bei Intensivströmen verwende ich jetzt 3 mm
Aluminiumfilter, wie sie Krönig und Gauss für ihre methodisch
immer stärker werdenden Röntgensitzungen zur Einführung brachten.
Diese Filterung ist jetzt allgemein angenommen, und zwar wohl deshalb,
weil eigentlich nur bei ganz starker Üeberdosierung bei dieser Filter¬
methode Röntgenverbrennungen auftreten können. Zudem gestattet das
Arbeiten mit stark filtrierten Strahlen in Verbindung mit kleinen Be-
strahlungsfeldern ein mehr mechanisches Vorgehen, so dass diese Therapie
auch weniger geschulten Hilfskräften überlassen werden kann.
Wie schon erwähnt, wird die grösste Menge von biologisch wirk¬
samen Strahlen von Röhren, die einen Härtegrad von 6 bis 7 Wehnelt
haben, emittiert. Haben wir also eine recht magere Patientin, dann er¬
zielen wir mit solchen Röhren und 2—3 Lagen Waschleder als Filter
die raschesten Resultate. Freilich gehört zur Behandlung mit solchen
Röhren eine ziemliche Erfahrung, um Hautscbädigungen zu vermeiden.
Das9 wir auch mit harten Röhren Resultate erzielen können, haben
wir vor allem der ungemein grossen Radiosensibilität der Ovarien zu
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UNIVERSUM OF IOWA
1840
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 47.
verdanken. Diese Radioempfindlichkeit ist bedeutend grösser als die¬
jenige der Testikel. Wenn man nun bedenkt, dass bei fast jedem der
mit Röntgenstrahlen Arbeitenden trotz aller möglichen Schutzmittel
eine Azoospermie eintritt, dann kann man ermessen, wie wenig Röntgen¬
strahlen eigentlich nötig sind, um die Funktionen der Ovarien zu zer¬
stören.
Dazu kommt als besonders wirksames Moment die Umwandlung der
Primärstrahlen in sogenannte Sekundärstrahlen, deren Anwesenheit man
auf der photographischen Platte und dem Schirm nachweisen kann. Sie
geben, wenn nicht möglichst durch Blenden abgehalten, Anlass zu un¬
scharfen Bildern, da sie nach allen Seiten diffus zerstreut werden, oder
man sieht noch ein Aufleuchten des Schirmes an Stellen, welche von
primären Röntgenstrahlen, die ja Dicht brechbar sind, nicht getroffen
werden können.
Diese Sekundärstrahlen treten überall dort auf, wo die Röntgen¬
strahlen auf ihrem Wege auf einen Widerstand stosseD, und zwar einer¬
seits mit dem Charakter der primären Strahlen — hart oder weich,
aber diffus zerstreut, wie Licht in einem trüben Medium —, anderer¬
seits weicher als die ursprünglichen Röntgenstrahlen und damit bio¬
logisch aktiver.
Diese Sekundärstrahlen sind für die Hautschädigungen verantwort¬
lich zu machen, besonders für die Spätschädigungen, wie sie von
Speder und Iselin mitgeteilt wurden.
Mit harten Strahlen könnte man ja eigenlich so lange bestrahlen,
bis die Grundschicht des Epithels, die den Strahlen am nächsten
liegende, zugleich, weil im Wachstum begriffen, am radiosensibelsten
alteriert würde. Nun treten aber bei harten Strahlen ohne primäre
Schädigung des Epithels Geschwüre auf, in welchen maD, wie mit dem
Locheisen ausgeschlagen, Substanzen Verluste von Erbseogrösse findet.
Auch ohne mikroskopische Untersuchung kann man bei diesem Aussehen
sagen, dass sie Folgen von Schädigungen grösserer Gefässe sind. Es
wird also das Ge/ässendothel stärker beeinflusst in einer tieferen Schicht
als die darüber liegende Gewebsschicht. Diese Tatsache kann man sich
nur damit erklären, dass in der eisenhaltigen Blutsäule Sekundärstrahlen
auftreten, welche vor allem das Endothel beeinflussen.
Die volle Dosis der S.- und N.-Paatillen, d. h. deren Verfärbung
bis zum Teint B, oder mit der jetzt meist üblichen Bezeiobung 10 x
nach Kienböck oder nach der ursprünglichen Bezeichnung 5 H Holz¬
knecht ist überall dort, wo nahe unter der Haut Knochen ist, z. B.
am Kopf, zugleich Erythemdosis, d. h. eine S. N.-Volldosis ruft am Kopf
nicht nur Haarausfall, sondern zugleich ein Erythem hervor. Die gleiche
Dosis, in der Achselhöhle gegeben, erzeugt zwar auch Haarausfall, aber
kein Erythem, und zwar weil am Kopf die im Knocheu auftretenden
Sekundärstrahlen zu den Primärstrablen sieb hinzu addieren.
Ferner möchte ich als Beweis für die Wichtigkeit der Sekundär¬
strahlen folgendes anführen: appliziere ich 3 Volldosen, alle 8 Tage eine,
auf ein I—IV 2 cm Durchmesser grosses Hautfeld, so tritt nur stärkere
Rötung ein. Das gleiche Strahlenquantum, ohne Abdeckung gegeben,
gibt bei l 1 /* Volldosen schon die gleiche Rötung, "bei 3 Volldosen ein
Geschwür. Es kann dies nur daher kommen, dass im ersten Fall so¬
wohl die vielen zerstreuten primären als auch die zerstreuten und eben¬
falls diffusen Sekundärstrahlen wegfallen.
Bei vielen Patientinnen liegen nun die Ovarien so tief oder sind
die Bauchdecken so dick, dass auch von den harten, biologisch so wenig
wirksamen Strahlen nur eine ganz geringe Menge dort antreffen. Trotz¬
dem sehen wir auch hier prompte Erfolge, da in den blutreichen Ovarien
sowie den Beckenknochen, ähnlich wie bei den Schädelknochen, die bio¬
logisch wirksamen Sekundärstrahlen auftreten. Da die Härte der
Sekundärstrahlen einerseits von der Härte der Primärstrahlen abhängt
(die Sekundärstrahlen sind immer weicher als die Primärstrablen),
andererseits von dem Atomgewicht fje niedriger das Atomgewicht, desto
weicher die Sekundärstrahlung) sind die von dem Ovariengewebe und
dem Beckenknochen ausgehenden Sekundärstrahlen als ziemlich weich
und leicht absorbierbar zu erachten.
Wie bringen wir nun am besten die aktiven Strahlen dort
zur Wirkung, wo wir es wünschen, am Ovarium, so, dass sie den
gewollten Effekt der Zerstörung der Primordialfollikel bewirken,
ohne doch dabei zu schaden? Arbeitet man mit mittelweichen
Röhren wie der Dermatologe, dann erfordert die Behandlung
äusserste Vorsicht. Die Gefahr einer Verbrennung wird schon
um ein bedeutendes geringer, wenn möglichst harte Röhren ver¬
wendet werden. Eine weitere Gefahrverminderung bedeutet es,
wenn zwar das Ovarium bei jeder Bestrahlung getroffen wird,
aber so, das jedesmal eine andere Eintrittspforte, d. h. ein
anderes Stück der Haut dabei getroffen wird. Ich selbst be¬
strahlte von Anfang an und auch jetzt noch, von speziellen Fällen
abgesehen, mit drei Röhrenstellungen von der Bauchseite aus und
zwei vom Rücken aus. Ebenso Albers-Scbönberg, nur dass
er seine Blende verwendet. Krönig und Gauss haben nun, wie
Ihnen bekannt, zur Schonung der Haut immer mehr Einfalls¬
pforten für die Röntgenstrahlen gewählt. Sie teilen den Unter¬
leib in ungefähr 20 Felder ein, die infolgedessen nur klein aus-
fallen, und lassen durch jedes Feld von ungefähr 3 qcm Grösse,
während die übrigen Felder durch dicken Bleigummi gedeckt sind,
10 x, unter 3 mm Aluminium gemessen, einfallen. Die Stellung
der Röhre soll dabei so sein, dass womöglich von jedem Feld
der linken Seite das linke Ovarium und rechts entsprechend das
rechte Ovarium getroffen wird. Dabei gehen sie mit der Röhre
bis auf 16 cm Focushaut heran. Wenn nun auch der Licht¬
kegel relativ sehr breit ist, so werden trotzdem die Ovarien,
deren Lage man ja nie genau kennt, sicher von eher grösseren
Anzahl Einfallspforten aus nicht getroffen. Dieses Qaantom ist
also nicht nnr vergeblich erzeugt worden, sondern kann zudem
auch anderen Organen schaden. Diese Annahme bat Müller
durch Versuche am Gipsmodell bestätigt. Bei dieser Bestrahlongs-
art, Kleinfelderbestrahlung, kommt zwar eine grosse Zahl von
applizierten x heraus, dagegen ist nicht auch die Wirkung der
applizierten Dosis eine im gleichen Verhältnis erhöhte. Zu be¬
merken ist dabei noch, dass bei der Abdeckung selbst die
Grenzen des bestrahlten Feldes kleiner als 3 cm genommen
werden müssen, damit nicht bei den Bestrahlungen der Nachbar¬
felder die Grenzlinie doppelt getroffen wird.
Bestrahlt man z. B. eine Fläche 9 X 9 cm mit 10 x, teilt jetzt die
gleiche Fläche in 9 Felder von je 3 qcm und bestrahlt jedes dieser
Felder mit je 10 x, so ergeben sich zwar 90 x im zweiten Fall, aber
trotzdem ist die Wirkung, auoh ohne dass man die Grenzschichten ab¬
zieht, nicht 9 mal so gross. Eine 9 om Durchmesser enthaltende Haut¬
partie empfängt, wie aus der Hauttherapie als Tatsache sich ergibt, bei
20 cm Focushautabstand so viel Strahlen, dass ein Erythem am Bande
nicht viel geringer ausfällt als in der Mitte.
Eine Hauptursache ist die 15 pCt. betragende Giasstrahlnng
der Röntgenröhren, die nicht von einem Centrum, sondern diffus
ausgeht. Wir haben also biologisch fast die gleiche Wirkung, ob
wir nun einmal die 9 qcm im Ganzen oder in 9 Teilpartien be¬
strahlen. Wenn es nun gelänge, bei den 9 Feldern 9mal den
Centralstrahl auf die Ovarien zu dirigieren, dann wäre die Wirkung
eine 9 mal so grosse oder in 9mal so kurzer Zeit zu erreichen.
Da aber der Sitz des Ovariums selten bekannt ist, so ist die
Centrierung des Centralstrahles anf das Ovarium unmöglich. Des¬
halb ist der biologische Effekt bei der Kleinfelderbestrablung
nicht 9 mal so gross, sondern nach meinen Erfahrungen nur 1%
bis im günstigsten Falle 2 mal so gross. Die Ausnützung der
Röhren ist also im Verhältnis eine sehr geringe. Die Dosierung
nach dem Krönig-Gauss’schen Verfahren selbst ist, von diesem
Standpunkt aus betrachtet, keine solche horrende, wie sie er¬
scheint, wenn Sie in der Literatur Zahlen von 1400— 2000 x lesen.
Abgesehen von der unökonomischen Ausnützung der von der
Röntgenröhre emittierten Strahlen verstösst die Kleinfelderbestrah¬
lung gegen ein Hauptprinzip der Medizin, von differenten Mitteln
nie mehr anzuwenden, als zur Erzielung der gewünschten Wirkung
notwendig ist. Zu der Kleinfelderbestrahlung gingen Krönig
und Gauss aus zwei Gründen über. Einerseits sollte die Be¬
strahlung so intensiv werden, dass die früher öfter beobachteten
verstärkt au tretenden Blutungen nach Beginn der Bestrahlungen
vermieden würden, andererseits war es wünschenswert für die
Bedürfnisse der Kliniker, die Zeit bis zum Eintritt der Menopanse
möglichst abzukürzen. Ersteres gelang, letzteres bei genauem
Vergleich mit den Resultaten, die mit grösseren Feldern, also
weniger x gewonnen wurden, nicht.
Dem Wunsche der Kliniker, möglichst rasch zu arbeiten,
kamen die Fabrikanten von Röntgenapparaten und -röhren durch
Anfertigung von Spezialtypen für intensivste Inansprnchpahme
entgegen. So gut diese ja auch für Carcinomtherapie in der
Gynäkologie sein mögen, so wenig nötig sind sie zur Sterili¬
sierung. Hier genügt für den Praktiker jeder Apparat, der eine
harte Röhre zu betreiben gestattet. Ein guter Induktor mit
Wehnelt- oder Simon-Unterbrecher, für grössere Stromstärken mit
rotierendem Unterbrecher, genügt hierzu für den Praktiker voll¬
ständig. Die Strahlenqualität, besonders der mit 3 mm Atom,
gefilterten Strahlen kann mit jedem Apparat erzeugt werden, und
die entsprechende Quantität wird durch Verlängerung der Ex-
positionszeit erreicht. Es kann also für den Praktiker von der
Anschaffung von Spezialapparaten, wie sie jetzt angepriesen
werden, wenigstens für die Gynäkologietherapie abgesehen werden.
Diese gestatten nur grössere Quantitäten Strahlen in kürzerer Zeit
zu applizieren, und das auch nur mit besonderen Röhren, die
selbst wieder zur Konstanterbaltung Mascbinenaggregate verlangen.
Die Bedürfnisse des Klinikers, der tagtäglich stundenlang
röntgenisiert, und des Praktikers, der im Jahre nur einige Fäll®
zu behandeln bekommt, sind eben ganz verschieden. Während
der Kliniker seine Patientin, besonders wenn sie von auswärts
zugereist ist, in möglichst kurzer Zeit wieder entlassen möchte,
genügt es für den Praktiker, die Patientin täglich zu bestrahlen.
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23. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1841
Die Zeit der Behandlung bis zum Eintreten der Menopause ist in
beiden Fällen gleich.
Wie die Grosafelderbestrablung den Bedürfnissen des Prak¬
tikers viel mehr entspricht, besonders wegen der Ersparnis an
Röhrenmaterial — bei intensivem Gebrauch werden die Röhren
schneller abgenützt und sind der Durchschlagsgefahr mehr aus¬
gesetzt — dürfte Ihnen folgende Zusammenstellungen, von der
ich besonders betonen möchte, dass den nacherwähnten Autoren
die Arbeiten von Krönig und Gauss bekannt waren und sie
ebenso wie ich Vergleichsversuche machten.
Albers Sohönberg, der mit seiner bekannten Blende bestrahlte,
benötigte zum Erfolg 17 x im Minimum bei 4—6 Feldern, je nach
Leibesumfang.
Reiferscheid gibt von 8 Feldern aus 80 x alle 3 Wochen mit je
3 mm Aluminiumfiitrierung, spätestens in 4 Monaten tritt Erfolg ein bei
höchstens 430 x. Zu betonen ist, dass Reiferscheid bei den Fällen,
die er anfangs ohne Filtrierung mit Grossfelderbestrahlung behandelt,
140 x im Maximum benötigte, ein direkter Beweis für meine Behauptung,
dass die Grossfelderbestrabluog die billigere ist.
Kreuz fuchs braucht bei 6 Feldern jeden Tag eine Bestrahlung,
dann 6 Tage bis 3 Wochen Pause bei 3 mm Aluminiumfiltrierung
höchstens 360 x.
Bordier erreicht bei 3 Bestrahlungsfeldern, je eines für die Ovarien
und für die Mitte Amenorrhoe mit 80—90 x.
Laquerriere arbeitet mit 2 vorderen und 2 seitlichen Feldern,
Dietlen mit 4—6 Einfallpforten, Hänisch mit 2—3. Sie alle brauchen
höchstens 120 x, um Amenorrhoe zu bewirken. Kästle-München be¬
strahlt, wie ich es von Anfang an machte, mit 3 vorderen Feldern und
2 vom Rüoken, mit 14 cm Durchmesser haltenden Rohrblenden und
bleibt dabei 26 cm mit dem Focus von der Haut entfernt. Erfolg bei
120—300 x. Fast mit gleicher Zahl kann Beclaire Amenorrhoe er¬
zielen, obwohl er bei gleicher Bestrahlungsart nur 18 cm Focushaut¬
abstand einhält. Aber auch aus weiteren Arbeiten von Harr et-Paris,
Dietrich-Mannheim, Hirsch - München, Dohan-Paris, Berdez-
Lausanne geht hervor, dass bei Grossfelderbestrabluog, 5—8 Felder
höshstens, stets ein Erfolg mit relativ geringen Mengen zu erreichen ist.
Bei meinen hiesigen Patientinnen bleibe ich bei meiner bis¬
herigen Methode, 5 Einfallspforten Mitte über der Symphyse,
rechte, linke Ovarialgegend, 2 Rückenbestrahlungen mit harter
Röhre ohne Filterung. So erzielte ich z. B. bei einer 42jährigen
mit wochenlanger Menorrhagie Stillstand der Blutung mit 2 Be¬
strahlungen von ungefähr einer Erythemdosis. Nach der gleichen
Methode erhielt eine andere Patientin 21 Bestrahlungen von un¬
gefähr 5 x, also ungefähr 105 x. Die Blutung, die trotz Abrasio
und kaustischer Behandlung weiter bestanden hatte, sind ver¬
schwunden. Mein hartnäckigster Fall von Metrorrhagie bei
Nephritis brauchte ungefähr 220 x.
Zur Erzielung des gleichen Effekts wären bei dem Kleinfelder¬
verfahren im ersteren Falle 200 x, im letzteren 1600 x ange¬
wandt worden, also 4—20 malige Ueberdosierung. Wenngleich
daraas für die Patientin selbst kein Schaden entspringt, wird um
dieses Quantum mehr die Röhre rascher abgenutzt, was ja für
ein staatliches Institut, nicht aber für den Praktiker gleichgültig
sein kann. Bei Auswärtigen benutze ich, aber ebenfalls nur mit
fünf Einfallpforten, filtrierte Strahlen; um hiermit die gleiche
Wirkung zu erzielen, ist »eine viermal so grosse Energiemenge
nötig. Obwohl es nun möglich wäre, in einer Minute mit meinem
Apexapparat 10 x unter 3 mm Aluminium zu applizieren, gebe
ich diese lieber zur Röhrenschonung (Müller nach Radiologie¬
röhren) in 10 Minuten. Anders wird dies werden, wenn, wie zu
hoffen, in kürzester Zeit der von Coolidge augezeigte neue
Röhrentyp völlig durchkonstruiert herauskommt. Mit diesem, der
die bisherige beste Röhre, die Amrheinröhre in Einfachheit der
Bedienung übertrifft, kann man dann höchste Zeitersparnis er¬
zielen, was besonders, wie ich betonen möchte, weniger für die
Gynäkologie als wie für die Carcinomtherapie wichtig ist.
Auf die Entfernung der Röhre vom Ovarium kommt es bei
der offenen und Grossfelderbestrahiung weniger an, wie die prak¬
tische Erfahrung und theoretische Berechnung ergibt. Die ver¬
schiedenen obenerwähnten Autoren, welche die verschiedensten
Focushautabstände einhalten von 18 bis 30 cm, brauchten trotz¬
dem die gleiche x-Zahl zur Erzielung des Erfolges.
Ist der Focushautabstand 15 cm im eineD, 18 cm im anderen
Fall, so verhält sich die Intensität der in der Hautoberfläche auf-
treffenden Strahlen zwar wie 2:3 (umgekehrt dem Quadrat der Ent¬
fernung), doch bei 18 bzw. 21 cm ist die Verhältniszahl 3:4, bei 35
bzw. 38 cm nur noch 6 :7. Um also die gleiche Intensität zu erzielen,
sind einmal 6, das zweite Mal 7 Minuten Bestrahlungszeiten notwendig.
Nun ist in den meisten Fällen das Ovarium weiter als 15 cm von der
Hant entfernt, so dass der Focushautabstand bei der Berechnung der
Intensität kaum in Betracht gezogen zu werden braucht, zumal dabei
die Absorption der Strahlen gar nicht berücksichtigt ist.
Nehmen wir bei harten Strahlen nur 25 pCt. Absorption pro Zenti¬
meter Gewebe an, dann erhält der zweite Zentimeter 75pCt. der ur¬
sprünglichen Strahlen, der dritte wieder 25 pCt. weniger gleich 75,
19 gleich 56pCt., der vierte Zentimeter 42 pCt., der fünfzehnte nur
1,8 pCt. der ursprünglichen Intensität. Die Differenzen sind also bei
über 15 cm so gering, dass die verschieden starke Radiosensibilität der
Ovarien der verschiedenen Individuen, die wir aber nicht kennen, der
bei weitem ausschlaggebende Moment für den Erfolg ist.
Etwas anders liegen die Verhältnisse bei der Kleinfelder¬
bestrahlung. Hier muss der Focushautabstand möglichst klein
gewählt werden, damit der Strahlenkegel in der Tiefe breit wird,
und damit einigermaassen die Möglichkeit geschaffen wird, das
Ovarium wenigstens von einigen Feldern aus sicher zu treffen.
Dieses Resultat suchte Hans Meier dadurch zu erreichen, dass
er mit einem Mechanismus die Röntgenröhre so um den Leib
der Patientin wandern lässt, dass sie centriert zu den Ovarien
läuft. Der Apparat ist aber sogar für den beschäftigteren
Gynäkologen im Verhältnis zu den erzielbaren Resultaten zu teuer.
Noch etwas möchte ich über die Menge der applizierten
Röntgenstrablen sagen bzw. über die Anzahl x. Wie ich oben
schon ausgeführt habe, hat die Bezeichnung nach x verschiedene
Bedeutungen, je nachdem ich mit kleinen oder grossen Feldern
bestrahle. 9—10 x, auf 9 qcm Fläche verteilt, ist nicht gleich
einer Wirkung von 90 x. Dazu kommt noch etwas anderes:
10 x sind wir Röntgenologen gewohnt, die Dosis zu nennen,
welche bei einer mittelweichen Röhre einen solchen biologischen
Effekt hat, dass ein leichtes Erythem entsteht und die Haut so
verändert, dass, um Schädigungen zu vermeiden, erst wieder nach
3 Wochen bestrahlt werden darf. Werden nun härtere Röhren
benutzt oder gar mit Aluminium filtrierte Strahlen genommen,
dann zeigt sich, dass die Haut bedeutend mehr Strahlen verträgt.
Bei einer Röntgenröhre von 10 Wehnelt Härte liegt nach meiner
Erfahrung die Erythemdosis bei 12 x. Wird diese Strahlung
durch 1 mm Aluminium filtriert, dann können ohne Schaden für
die Haut 16 x appliziert weiden, bei 2 mm Aluminium 20 x, bei
3 mm Aluminium 30 x.
Daraus geht hervor, dass der chemische Effekt der harten
oder gaT mit Aluminium gehärteten Strahlen nicht mehr dem
biologischen Effekt entspricht. Man muss also andere Bezeich¬
nungen wählen. Für mich mache ich die Notizen so: E = Erytbem-
dosis, EA 1 bzw. EA 2, EA 3 mit 1 bzw. 2, 3 mm Aluminium
filtriert. Ich eiche meine Röhren mit der S.-N.-Pastille, da die
von der Gynäkologie zumeist verwendete Eichung mit Kienböck¬
streifen Resultate ergibt, die in der gleichen Hand bis zu 50 pCt.
differieren. In dem einen Falle würden sich also bei 9 Feldern
z. B. 90 x, im anderen Falle 130 ergeben, bei praktisch tat¬
sächlich gleichem Strahlenquantum.
Aus den vorliegenden Ausführungen kann man demnach
folgende Schlüsse ziehen:
Die Röntgentherapie ist auch in der Gynäkologie in ihrer
Verwendung nicht abweichend von der gewöhnlichen Röntgen¬
therapie. Sie erfordert aber, da die Strahlenwirkung in der Tiefe
eintreten soll, besondere Vorsicht zur Schonong der Haut.
Diese kann auf zwei Wegen erzielt werden, entweder dadurch,
dass der Röntgentherapeut die Technik völlig beherrscht und so
auch ohne Filterung der Strahlen jegliche Schädigung vermeidet,
oder dass immer mit 3 mm Aluminium filtrierte Strahlen ver¬
wendet werden. Letzteres hat den Vorteil, dass die Behandlung
dann mehr mechanisch vorgenommen werden kann. Am besten
empfiehlt sich für den Praktiker die Grossfelderbestrahiung,
5—6 Felder je nach Bauchumfang. Die Erythemdosis kann daun
je nach Zeit und Geschmack des einzelnen, sowie je nach Stärke
der Apparatur und Filterung appliziert werden. Spezialtypen
sind zu dieser Behandlung nicht nötig, so dass der infolgedessen
erheblich billigeren Behandlung auch die Minderbemittelten teil¬
haftig werden können.
Heilung der Neuralgie und Neuritis durch
Bakterientoxine.
Von
Prof. Dr. Döllken- Leipzig.
(Schluss.)
Immnni sie rungs Vorgänge.
Bei allmählicher Steigerung der Dosen in Injektionsserien
entsteht eine gewisse Immunisierung des Organismus gegen
Vaccineurin, viel weniger rasch als auf Alttuberkulio, aber
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1842
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Nr. 47.
rascher als auf Staphylokokkentoxin. Der Immunisationsvorgang
lässt sich für die Therapie gut benutzen, um Herd-, Lokal- und |
Allgemeinreaktion ganz oder fast ganz auszuschalten.
Die relative Immunität des Körpers gegen Vaccineurin J
schwindet nach 6—8—10 Monaten wieder, so dass dann der
Organismus auf kleine Dosen wie bei der ersten Injektion reagiert.
Dass die relative Immunität gegen Vaccineurin schwer er¬
worben wird, ist sehr selten. Immerhin verfüge ich über einen
Fall von Polyneuritis unbekannter Aetiologie, Mann 31 Jahre alt,
der auf 8 Vaccineurininjektionen von V 10 ccm mit 3, 3, 3, 4, 5,
7, 8, 6 Tagen Pause jedesmal mit einer Temperaturerhöhung auf
38,2—38,6 °C reagierte. Andererseits weisen die Individuen mit
der negativen Herdreaktion eine hohe Immunität gegen Vacci¬
neurin auf. Man kann bei ihnen sehr rasch auf Dosen von 1 / 6
und V 3 ccm steigen, ohne eine deutlich nachweisbare Reaktion
des Körpers (abgesehen von geringer Leukocytose) zu erhalten.
5 von ihnen (4 Neuralgien, 1 Neuritis) zeigten dieselbe hohe
Immunität gegen Staphylokokkentoxin, gegen Pyocyaneusautolysat
und 2 daraufhin untersuchte Neuralgiefälle auch noch gegen
Dysenterieautolysat.
Damit ist noch nicht die negative Herdreaktion erklärt.
Bei meinen Versuchen wird die Wirkung nicht spezifischer
Substanzen aus Bakterienprodukten auf das Virus der Neuritis
und Neuralgie und auf das Nervengewebe selbst ausgenutzt. Die
Heilvorgänge fallen daher unter den Begriff der Resistenz-
erhöhnng der Organe oder des Organismus.
Zu einer positiven Herdreaktion kommt es, wenn das neuro-
trope Virus der Neuralgie und Neuritis mit unspezifischen neuro-
tropen Substanzen der Bakterienprodukte in Reaktion tritt. Die.
meisten Neuritis- und Neuralgiegifte mögen mindestens in der Art
ihrer Neurotropie (Verankerungsart, Ort der Antikörperbildung)
eine Gruppe bilden. Die ganze Gruppe vermag in Reaktion mit
einer grossen Gruppe neurotroper Stoffe aus den verschiedensten
nicht verwandten Bakterienspezies zu treten. Die benutzten
Bakterien erzeugen sicher quantitativ, wahrscheinlich auch quali¬
tativ, verschiedenartige neurotrope Stoffe.
Die Bildung der wirksamen Antikörper wird nach der In¬
jektion zum Teil im Blut, zum Teil im Nervengewebe vor sich
gehen. Findet im erkrankten Nervengewebe selbst eine lebhafte
Antikörperbildung und Antikörperbindung statt, so mögen zuerst
durch Quellung8- und Resorptionsvorgänge Schmerzen und nach
Beendigung der Bindung Nachlassen der Schmerzen eintreten:
Positive Herdreaktion.
Eine positive Herdreaktion kann daher auch auf
Einführung nicht spezifisch wirkender Vaccine und
anderer Bakterienprodukte erfolgen.
Nach der 3. bis 6. Injektion kommt es zu keiner Herdreaktion
mehr, wenn immer die gleiche Dosis gegeben wird, wohl aber
kann ich eine weitere Herdreaktion erzwingen, wenn die Dosis
gesteigert wird. Etwa von der 12. bis 16. Injektion an verursacht
auch die Steigerung meist keine Herdreaktion mehr. Damit habe
ich ein Kriterium, dass die Kur beendet ist. Nun ist die
Immunisierung des erkrankten Nervengewebes gegen das
Vaccineurin vollendet.
Diese Immunisierung schafft gleichzeitig eine so starke,
Resistenzerhöhung des bestimmten Nerven gegen das Virus der
Neuralgie und der Neuritis, dass sie einer Immunität gleich¬
kommt.
Nun aber ist eine Immunität gegen das Vaccineurin nach
einigen Monaten (die Immunität gegen Staphylokokkentoxin noch
schneller) wieder geschwunden, dje Reaktionsfähigkeit des Körpers
kehrt wieder. Es kann unter Umständen in dem erkrankt ge¬
wesenen Nerven dann wieder auf erneute Injektion einer nicht
allzu kleinen Dosis eine leichte Herdreaktion auftreten, obwohl
die Neuralgie oder Neuritis geheilt bleibt.
Theorie der Resistenzerhöhung.
Vielleicht kommt die folgende Erklärung für die Wirkung
des Vaccineurin usw. den wirklichen Vorgängen einigermaassen
näher: Eine Reihe von Noxen, die den menschlichen Organismus
befallen, entwickeln in ihm bestimmte Neurotropine, welche
Neuralgie oder Neuritis erzeugen. Anderseits gibt es eine
Reihe von Bakterien, die in ihrer Kapsel oder in ihren Stoff¬
wechselprodukten Substanzen erzeugen, die im Körper des Men¬
schen eine energische neurotrope Wirkung entfalten. Der An¬
griffspunkt aller dieser neurotropen Stoffe muss in denselben
Teilchen der Nervenfasern und des Nervengewebes liegen.
Besteht eine Neuritis (Neuralgie), so sind ihre ätiologisch
wirksamen neurotropen Substanzen im Nervengewebe sehr
fest verankert und schädigen den Nerven dauernd (Reiz, De¬
generation). Die vom Gewebe selbst und im Serum gebildeten
Antikörper vermögen die sehr feste krankmachende Bindung
nicht zu sprengen, so dass sie unter Umständen Jahre lang be¬
stehen und Krankheitssymptome unterhalten kann, ohne dass
etwa neugebildetes Gift in den Nerven zu gelangen braucht.
Werden nun gewisse Neurotropine von Bakterien, die
eine grössere Affinität zum Nervengewebe haben als das Virus
der Neuritis, in den Säftestrom gebracht, so mag zunächst durch
neue energische Antikörperbildung die ätiologisch wirksame Ver¬
bindung eventuell unter kräftiger Herdreaktion gesprengt werden.
Nun vermag die neurotrope Substanz des Bakterienprodukts eine
Bindung mit den gerade frei gewordenen Teilchen des Nerven¬
gewebes eiözugehen. Vermöge ihrer grösseren Affinität bleibt sie
so fest gebunden, dass sie weder von vorhandenem, noch von
neugebildetem Virus der Neuritis und Neuralgie wieder verdrängt
werden kann. Die nun bestehende Verbindung schädigt den
Nerven in keiner Weise, sie macht überhaupt keine klinische
Erscheinung.
Es gibt demnach eine Art der Resistenzerböhnng, die
mindestens in der Hauptsache in einer Veränderung des Gewebes
ihre Grundlage hat. Vielleicht lässt sich die Ehrlich’sche Lehre
hier insoweit verwenden:
Diejenigen Rezeptoren im Gewebe, welche der Aufnahme des
Neuralgie- und Neuritistoxins allein dienen können, sind im vor¬
liegenden Fall ganz oder grösstenteils von den künstlich ein-
verleibten Bakterienprodukten besetzt worden und mit ihnen so
fest verankert, dass nun dem Neuritistoxin der Weg verlegt ist.
Die Verbindung ist wenigstens Monate lang fest.
Diese Form der Resistenzerhöhung würde durch eine
lange dauernde Unfähigkeit des Nervengewebes bestimmte
Gruppen schädigender neurotroper Stoffe aufzunehmen bedingt
sein. Die Aufnahme Unfähigkeit ist verursacht durch die Be¬
setzung der ihnen allein offenen Rezeptoren (Angriffspunkte) im
Nervengewebe durch unschädliche neurotrope Substanzen
aus anderen Gruppen mit stärkerer Affinität.
Das ist ein Weg, auf dem man sich die Resistenzerhöhnog
des Nerven geschaffen denken kann.
Nach mehr oder minder langer Zeit — Monate bis Jahre —
scheint die Verbindung des Bakterienneurotropins von selbst
gelockert und die körperfremde Substanz eliminiert zu werden.
Der erkrankt gewesene Nerv wird wieder ein Locus minoris re-
sistentiae, der mit Vaccineurin (s. o. Immunitätsvorgftnge) nsw.,
aber auch mit dem Virus der Neuralgie und Neuritis wieder
Herdreaktionen gibt. Der letztere Fall würde ein Rezidiv be¬
deuten.
Analog der beschriebenen Resistenzerböhung im Nerven ist wohl in
den Versuchen von Pfeifer und Friedberger 1912 die Resistenz¬
erhöhung der Versuchstiere gegen Cholera zu setzen, wenn sie mit Typhös
vorbehandelt waren und umgekehrt.
Einen andern Mechanismus muss ich für die Fälle annebmen,
in denen es zu einer negativen Herdreaktion kommt. Es
handelt sich durchweg um schwere Fälle von Neuralgie und
Neuritis, in denen der Organismus — das Nervengewebe — eine
Immunität gegen das Virus der Neuralgie und Neuritis sehr schwer
oder gar nicht erwirbt. Kurz dauernde Besserungen, dann wieder
Verschlimmerungen oft durch Jahre hindurch.
Da in den Fällen negativer Herdreaktion bereits eine Stunde
nach der parenteralen Einverleibung des Mittels Nachlass oder
Aufhören der Schmerzen eintritt, kann die Antikörperbildnng
nicht bedeutungsvoll sein. Direkte Bindungen müssen überwiegen.
Es kann sein, dass in manchen Fällen die Verankerung des
Krankheitsvirus zwar eine relativ lose ist, dass aber die Anti¬
körperbildung allzu gering ist, als dass sie selbst eine minder
feste Verankerung lösen könnte. Gelegentlich mag auch ein leb¬
hafter Nachschub des Neuralgietoxins stattfinden.
Alle die Fälle (mehr als 40) zeichneten sich dadurch ans,
dass eine relativ hohe Immunität gegen Vaccineurin wie Stapby-
lokokkentoxin bestand, dass auch höhere Dosen ohne jede Reak¬
tion lokaler und allgemeiner Art ertragen wurden.
Möglicherweise wird nur ein kleiner Teil des injizierten
Stoffes zur Bildung von Antikörpern im Blut verwandt, die
dann nach Stunden wirksam werden. Der grössere Teil könnte
mit seiner neurotropen Gruppe direkt an die Nervensubstant
gelangen und infolge seiner stärkern Neurotropie das Neurotropin
des Neuralgievirus verdrängen und ersetzen. Nach einer Reine
von Stunden würden auch die im Blut gebildeten Antikörper znr
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23. November 1914. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 1843
Bindung verwandt werden, während im erkrankten Nervengewebe
selbst eine nennenswerte Antikörperbildung überhaupt nicht
stattfindet.
Auch die Art der Absättigung des Neuralgietoxins kann für
den Mechanismus einer mehr direkten Bindung sprechen. Kleine
Dosen bringen nur Besserung, grössere ein Aufhören der Schmerzen.
Im Gegensatz dazu ist bei positiver Herdreaktion eine
stärkere Steigerung der Menge des injizierten Bakterienprodukts
eher schädlich als nützlich.
Schliesslich erfolgt in den Fällen negativer Herdreaktion
wahrscheinlich durch Mitwirkung der im Blut gebildeten spär¬
lichem Antikörper noch eine weitere künstliche Immunisierung
des Nerven gegen das Bakterientoxin und gleichzeitig damit eine
ResUtenzerhöhung gegen das Toxin der Neuralgie und Neuritis.
In manchen Fällen hält die ResistenzerhöhuDg lange Zeit an
(Fall Au), in einigen wenigen lässt sie wieder nach.
Aufnahmekapazität.
Die Absättigung eines erkrankten Nerven mit der wirksamen
Bakteriensubstanz und damit der völlige Schutz gegen das Krank¬
heitsvirus der Neuritis und Neuralgie durch eine einzige oder
zwei Injektionen ist mir niemals gelungen. Eine grosse Menge
des Bakterienpräparates als Erstinjektion leistet therapeutisch
nicht mehr als eine kleine. Der Nerv vermag in der Zeit¬
einheit nur eine bestimmte Menge des wirksamen Stoffes
aufzunehmen. Der Ueberschuss wird im Körper unschädlich ge¬
macht.
Die Zeiteinheit beträgt 36—48 Stunden für Vaccineurin und
48—96 Stunden für Staphylokokkentoxin und hat wohl Beziehungen
zur Opsoninbildung.
Nach Ablauf der Zeiteinheit ist die Wirkung des Mittels er¬
ledigt, die Schmerzen kommen wieder uDd zwar so oft, bis die
Resistenzerhöhung einen ziemlich hohen Grad erreicht hat. Es
ist völlig zwecklos, mehr als die zureichende Dosis zu geben.
Am leichtesten lässt sich das für die Fälle mit negativer Herd¬
reaktion erweisen. Wenn ich in einem derartigen Fall mit Vio ccm
Aufhören der Schmerzen für 36 Stunden erzielt habe und
gebe als nächste Dosis i ( 5 ccm, so sistieren die Schmerzen auch
nur 36 Stunden und auf die dritte Injektion von Vio ccm
wieder 36 Stunden. Es findet demnach keine nachträgliche
irgendwie geartete Neutralisation neugebildeten oder wieder wir¬
kenden Neuralgiegiftes statt, auch wenn Bakterienstoffe in
grossem Ueberfluss injiziert worden sind. — Vielleicht ferment¬
ähnliche Wirkungen?
Ich habe mehrfach versucht, auch noch die Hyperleukocytose
als verstärkendes Heilmittel heranzuziehen und heisse Bäder
machen lassen oder noch Pyocyaneus-Autolysat injiziert. Ohne
jeglichen nachweisbaren Erfolg.
Behandlung der Neuralgie mit Vaccineurin.
Von mehr als 200 behandelten Neuralgiefällen hat sich bis¬
her keiner als refraktär erwiesen.
Neuralgien der Hysterischen und hysterische Schmerzen sind
nicht in den Kreis meiner Untersuchungen gezogen worden.
Unnötig ist es, bei der Vaccineurintherapie der Neuralgie
den Körper zu einer energischen Reaktion auf das Mittel zu
zwingen. Der Heilerfolg wird ebenso gut ohne das erreicht. Ich
injiziere zuerst Vioo - Vso ccm in die Streckmuskulatur des Ober¬
arms. Entweder tritt nun nach 3—4 Stunden eine sehr geringe
aber deutliche Vermehrung der Schmerzen für kurze Zeit in
dem erkrankten Nerven auf: positive Herdreaktion. Oder weniger
häufig lässt nach 1 Stunde der Schmerz in dem kranken Nerven
nach, um nach 24—36 Stunden wieder zu kehren: negative Herd¬
reaktion. Lokal- und Allgemeinreaktion zeigt sich nicht. Nach
2 Tagen wird die nächste Dosis von V 20 ccm in die Streckmusku-
latur des andern Arms injiziert. Die Reaktion ist dieselbe
wie bei der ersten Injektion. Die Temperatur geht am Abend
des Injektionstages um 0,2—0,3° C. in die Höhe, ist aber am
folgenden Morgen oder spätestens am folgenden Abend wieder
völlig normal. Wieder nach 2 Tagen eine weitere Injektion von
V20 ccm und so fort, bis sich keine Reaktion auf V20 ccm mehr
einstellt. Dann wird die Dosis auf Vio ccm gesteigert. Es kommt
wieder zu leichter Herdreaktion. Die Dosis l /io ccm wird so lange
in 2 tägigen Abständen gegeben, bis keine Herdreaktion mehr er¬
folgt. Das pflegt nach 10—12 Injektionen der Fall zu sein. In¬
jiziere ich nun 1 / 6 ccm, so erhalte ich fast niemals mehr eine Herd¬
reaktion. Zeigt sie sich doch, so sind noch 3—4 Gaben von
Vi ccm nötig.
Ich bevorzuge zur Injektion die Streckmuskulatur des
Oberarms, bringe aber die Kanüle möglichst nicht in den Muskel
selbst, sondern in Gewebslücken.
In praxi ist es möglich, fast schematisch zu verfahren.
Drei Injektionen in der Woche. Erste Injektion V 100 oder
Vso ccm, zweite Vso» dritte bis sechste je V 20 ccm, siebente bis
zwölfte je Vio ccm. Sollte eine Dosis nicht gut vertragen werden,
so gibt man das nächste Mal die Hälfte davon. Handelt es sieb
um Neuralgie grosser Nervenstämme, wie Armplexus oder Ischia-
dicus, macht man besser 15 Injektionen, die letzten 5 je Vs ccm.
Von Nebenerscheinungen sind zu erwähnen etwas grössere
Schlafmüdigkeit abends, oft eine gewisse Besserung des Appetits,
meist geringe Erleichterunng der Darratätigkeit.
Frische Erkältungsneuralgien heilen unter Vaccineurin meist
schon nach 8—14 Tagen ab, auch wenn es sich um schwere
Formen handelt. 11 Fälle behandelt, alle geheilt. Kein Recidiv.
11. Frau Sch., 28 Jahre alt. Nach einem Schnupfen Anfang JaDuar
Sohmerzen in der rechten Kopfhälfte anfallsweise jeden Morgen 9 bis
12 Uhr. Die zuckenden, stechenden Schmerzen sind so heftig, dass die
letzten 4 Attacken jedesmal einen Ohnmachtsanfall herbeigelührt haben.
Ausserdem dumpfer Schmerz im ganzen Kopf. Unfähig zu jeder Arbeit.
Antipyretica ohne Erfolg, Morphium hat die Anfälle nicht unterdrücken
können. Schlaf unruhig. Appetit gering.
22. I. Stirnhöhlen frei, rechte Conjunctiva leicht gerötet. Nervus
frontalis und Nervus supraorbitalis rechts sind sehr stark druckempfind¬
lich. Abends Vaccineurin V20 ccm intramuskulär. Morphium ausgesetzt.
Nach 3 /i Stunden Aufhören der Schmerzen.
23. I. Neuralgieattacke viel weniger heftig und weniger lange.
24. I. Attacke etwas stärker als am Tage vorher. Vaccineurin
Vio ccm. Schmerzen hören auf nach 1 Stunde.
25. 1. Attacke unbedeutend, höchstens 10 Minuten lang. Ist
wieder in ihrer Wirtschaft tätig. Der dumpfe Kopfschmerz besteht un¬
vermindert fort.
26. I. Sehr geringer neuralgischer Anfall von 20—25 Min. Dauer.
Vaccineurin Vio ccm.
27. I. Keine Attacke.
Die neuralgischen Anfälle sistieren und kehren nicht wieder. Es
wurden noch drei weitere Injektionen je Vio ccm gemacht. Der dumpfe
Kopfschmerz verschwand völlig am 30. I.
12. Au., Tischler, 42 Jahre alt. Seit 10 Jahren sehr schwere
rechtsseitige Trigeminusneuralgie im zweiten Ast. Arbeitsfähigkeit sehr
gering, beständig unerträgliche Schmerzen. Vor zwei Jahren N. infra-
orbitalis rechts operativ herausgedreht. Nach einigen Wochen wieder
schwere neuralgische Anfälle. Medikamente, Elektrizität ohne Erfolg.
1912 N. infraorbitalis bis zum Ganglion Gasseri operativ entfernt. Nach
3 Monaten wieder heftige neuralgische Attacken, die ihn arbeitsunfähig
machen.
Vom 5. VII. 1913 an 12 Vaccineurininjektionen je Vio ccm. Nega¬
tive Herdreaktion. Die Schmerzen lassen erheblich nach, verschwinden
aber nicht völlig.
Im September 1913 14 Tage lang massig schwere neuralgische Anfälle.
Vom l. 10. ab Vaccineurin 3mal l / 10 ccm, dann 17 Injektionen je
V 5 ccm, Schmerzen geschwunden. Bis jetzt kein Recidiv.
13. T., 27 Jahre alt, Kaufmann. Seit 4 Monaten Occipitalneuralgie,
intermittierende Schmerzen. Schwere Attacken von 9—2 Uhr nachts.
Antineuralgica haben geringen Augenblickserfolg.
16. II. 1913. Nervi occipitalis minor, major, subcutaneus colli,
auricularis magnus links sehr stark druckempfindlich. Vaccineurin
2 tägig Vso» V 20 ccm, 10 mal je Vio ccm. Jedesmal 3 Stunden nach der
Injektion starke Schmerzen im Bereich der befallenen Nerven, die
nicht neuralgischen Charakter haben, etwa 4 Stunden dauern und
langsam abklingen. Nach der ersten Injektion abendliche Attacke ge¬
ringer, nach der zweiten V 20 ccm wieder stärker, nach der dritten
Vio ccm sehr gering, dann anfallfrei; Die positive Herdreaktion bleibt
bis zur sechsten Injektion, dumpfes anhaltendes Ziehen im befallenen
Gebiet bis zur zehnten Injektion. Kein Recidiv.
Eine rasche günstige Einwirkung hat das Vaccineurin auf die sehr
hartnäckigen subcutanen und chronischen Intercostalneuralgien, die zu¬
weilen Monate oder Jahre lang jedem Eingriff getrotzt haben. 5 Fälle
behandelt, 4 mal Heilung, 1 mal Besserung. Die echte Intercostalneuralgie
ist selten, relativ häufig durch Herpes zoster erzeugt.
14. P., 29 Jahre alt. Im Seebade 1912 Schmerzen in der rechten
Seite, die sehr quälend sind, die Arbeit und den Schlaf stören. An¬
strengungen und stärkere Bewegungen verschlimmern die Schmerzen.
Ist viel mit Medikamenten, Elektrizität, Bestrahlung usw. ohne Erfolg
behandelt worden.
21. I. 1913. Schmerzen werden in der Gegend der 7. rechten Rippe
angegeben, strahlen in die ganze Brust und in die rechte Schulterblatt¬
gegend aus. Der 7. rechte Intercostalnerv ist sehr empfindlich. Starker
Druck auf den Nerven löste einen neuralgischen Anfall aus.
Vaccineurin V 20 ccm intramuskulär. Ziemlich lebhafte positive Herd¬
reaktion, Schmerzen in der Seite nach 4 Stunden bis zum Schlafen¬
gehen.
22. I. Sohmerzen haben nachgelassen.
23. I. Injektion Vaocineurin Vioccm. Nach 3—4 Stunden ver-
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UNIVERSUM OF IOWA
1844_ BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. - _ Nr. 47.
stärkte Schmerzen in der Seite, am nächsten Tag werden Schmerzen
kaum noch empfunden. Von der dritten Injektion Vaccineurin Vio ccm
geringe Herdreaktion. Dann bleiben die Seitenschmerzen geschwunden
und treten nicht wieder auf.
Es werden im ganzen 10 Injektionen gemacht. Die Druckempfind-
lichkeit des 7. N. intercostalis ist zum Schluss der Kur fast geschwunden,
völlig aber erst drei Wochen später. — Kein Reoidiv.
15. Frau L., 55 Jahre alt. Hat früher schon 3 mal an linksseitiger
Ischias gelitten.
25. III. 1913. Seit 8 Tagen wieder heftige Schmerzen ira linken
Bein längs des ganzen Hüftnerven. Schlaf gestört durch die Unmöglich¬
keit, das Bein zweckmässig zu lagern. Gehen sehr erschwert.
N. ischiadicus, popliteus, peroneus, oruralis links sehr empfindlich.
Lascgue’sches Zeichen positiv. Mit 12 Injektionen Vaccineurin Vbo bis
Vs ccm Heilung in 4 Wochen.
16. Schi., Former, 32 Jahre alt. Manifeste Lungentuberkulose.
Seit einem Jahr neuralgische Schmerzen im linken Nervus ischiadicus,
die ihn mehrfach zum Aussetzen der Arbeit für Tage und Wochen ge¬
zwungen haben. Bäder, Medikamente haben geringe Wirkung.
November 1913 Tuberkulin in kleinen Dosen. Rasche Besserung
der Ischias.
Januar 1914 wieder heftige Schmerzen im Ischiadicus. Husten und
Auswurf vermehrt. Bronchialdrüsen und tiefe Lungendrüsen stark ge¬
schwollen. Schatten über beiden Spitzen bis zur dritten Rippe. Vacci¬
neurin Vbo. 3 mal V 20 . 12 mal Vio ccm. Positive Herdreaktion im
Ischiadicus. Keine besonderen Erscheinungen von seiten der Lungen.
Die abendliche Temperatur anfangs bis 38,3° C. wie vorher, in der
letzten Kurwoche und später meist unter 37,2° C.
Ischias nach 5 Injektionen geschwunden. Nach Beendigung der
Kur Bronchialdrüsen deutlich verkleinert.
Sekundäre Neuralgie.
17. Frau P., 66 Jahre alt. Arthritis deformaos. Arm-, Hand-,
Finger-, Knie-, Fuss-, Zehengelenke schwer befallen. Seit \ l j 2 Jahren
nicht mehr ausgegangen, weil das Gehen die Schmerzen unerträglich
steigerte. Spontane intermittierende Schmerzattacken täglich gegen
Abend besonders im Gebiet des N. cruralis und popliteus beiderseits.
Oktober 1912 Vaccineurin Vbo. V 20 » 10 mal V 10 ccm drei Injektionen in
der Woche. Negative Herdreaktion. Nach der dritten Injektion konnte
Pat. bis zur Strassenbahn gehen, nach der sechsten Injektion machte
sie einen zweistündigen Spaziergang, der ihr für einen Tag Knieschmerzen,
sonst keine Schädigung eintrug. Recidivfrei.
18. D., 29 Jahre alt, Landwirt Chronischer Rheumatismus, Schwellung
beider Kniegelenke. Heftige neuralgische Attacken in den Beinen täglich
um die Mittagszeit. Nervi poplitei und peronei sehr empfindlich. Sep-
ember 1912 Vaccineurin Vbo. V 20 . lOmal J /io ccm. Positive Herdreaktion.
Die neuralgischen Schmerzen nach 5 Injektionen geschwunden. Recidiv
Juni 1914.
19. Schn., 43 Jahre alt. Bursitis chronica des rechten Schultergelenks.
Dauernde Schmerzen im rechten Arm bis zum Ellbogen, die jede Be¬
wegung hemmen. Plexus brachialis. Nervi radialis, medianus und ulnaris
sehr empfindlich. Keine Sensibilitätsstörung der Haut, keine Atrophie.
8. 111. 1914: Injektionen Vaccineurin 3 mal Vjo. 12 mal Vio ccm.
Starke positive Herdreaktion bis zur 8. Injektion. Von der 6. Injektion
an neuralgische Schmerzen und Druckpunkte geschwunden. Kein Recidiv.
Neuritis.
Sinnfälliger und charakteristischer als die Heilung einer
Neuralgie muss die rasche, durch wirksame Mittel geförderte
Heilung einer Neuritis verlaufen. Sind motorische oder ge¬
mischte Nerven erkrankt, so lässt sich die Wiederherstellung
der Funktionen in geeigneten Fällen Schritt für Schritt
verfolgen.
Die auffallendste Feststellung, die ich durch meine Studien
machen konnte, ist, dass zahlreiche Lähmungen, die als Aus¬
fallserscheinungen durch Jahre imponiert hatten, doch nur auf
Reizerscheinungen und nicht auf Degeneration des Nerven
zurückzufübren waren, da sie auf das geeignete Mittel nach
wenigen Tagen geschwunden sind. Fast immer wohl jedoch ist
ein Teil der Nervenfasern degeneriert, eine vollständige Resti¬
tutio ad integrum ist in älteren Fällen selten. Der Satz gilt auch
für Lähmungen motorischer Nerven, bei denen die zugehörigen
Muskeln seit Jahren Entartungsreaktion zeigen. Der Grund dafür
ist in einem überaus langsamen Nervenstoffwechsel zu suchen.
Mindestens ist der Stoffwechsel insofern enorm langsam, als das
einmal aufgenommene Virus unter Umständen jahrelang fest¬
gehalten wird und ununterbrochen dieselbe Störung macht:
Hypofunktion Schmerzen. Dabei hat es sehr stark den An¬
schein, dass die so hartnäckig gleichartigen Krankbeitssymptome,
die nicht oder nur zum kleinsten'Teil Ausfallserscheinungen sind,
um so länger andauern und sich ohne therapeutische Nachhilfe
um so schwerer ausgleicben, je weiter distal der Angriffspunkt
des Virus im Nerven gelegen ist. Auf der anderen Seite ver¬
sprechen gerade distal gelegene Krankheitsherde für die Therapie
durchweg grösseren Erfolg.
Die Neurotropine der Bakterienprodukte müssen an
derselben Stelle des Nerven angreifen, dieselbe Verankerung
erfahren wie die ätiologisch wirkenden Substanzen. Denn
fast stets ist am 1.—2. Tage ein therapeutischer Erfolg nach¬
weisbar, auch wenn minimale Mengen des Bakteriengiftes einver¬
leibt werden.
Sind die zugehörigen Muskeln atropbiert, so erfolgt auch
nach Jahren mehr oder minder völlige Regeneration, wenn nicht
komplette Entartungsreaktion vorlag. Allerdings nimmt die Wieder¬
herstellung des Muskels geraume Zeit in Anspruch, oft Monate,
und ist in älteren Fällen meist nicht vollständig, da wohl immer
ein Teil der Nervenfasern degeneriert ist.
Für die Vaccineurintberapie wie überhaupt für die ganze
Gruppe der zugehörigen therapeutischen Neurotropine ist die
Aetiologie der Neuritis anscheinend von ganz untergeord¬
neter Bedeutung. Ob die Neuritis durch Intoxikation, Infektion,
Trauma, Aufbrauch (Berufsneuritis) hervorgebracht worden ist,
die Wirkung des Vaccineurin ist dieselbe. Nur für die Schnellig¬
keit des Erfolges, demnach für Nachschub von Krankheitsvirns
und für die Festigkeit der Bindung im Nerven, lassen sich Unter¬
schiede finden.
Am raschesten zugängig sind manche infektiöse Neuritiden,
dann die traumatische Neuritis, welche aber oft die böse Schatten¬
seite zahlreicher irreparabler Nervendegenerationen bat. Mehr
Widerstand leistet schon die Berufsneuritis und am meisten die
Neuritis alcoholica.
Einen Unterschied in den Heilungsvorgängen eines rein
motorischen oder eines gemischten Nerven anf die Behandlung
habe ich bisher nicht gesehen.
Das Schwinden der Schmerzen und der nachweisbare
Beginn der Wiederkehr der Funktion zeigen sich gleichzeitig
und sehr bald nach Beginn der Kur. Der völlige Wiederersatz
der Leistungsfähigkeit, soweit sie überhaupt möglich ist, bean¬
sprucht längere Zeit. Die Regeneration der Muskeln wird man
nach der Injektionskur noch mit Faradisation, Galvanisation,
passiven Bewegungen, Koordinationsübungen und sehr vor¬
sichtiger Massage unterstützen.
Die Neuritis eines sensiblen Nerven zeigt auf Injektion von
Vaccineurin positive oder negative Herdreaktion.
Behandelt habe ich nach meiner Methode 51 Fälle 1 ), aus¬
nahmslos mit gutem Erfolg, wenn auch sehr viele mit Defekt
geheilt sind.
Davon waren verursacht durch Trauma 7, Infektion 9, Stoff¬
wechselerkrankung B, Intoxikation 8, Beruf 8, unbekannte Aetio¬
logie, „Erkältung“ usw. 14 Fälle.
Neuritiden rein motorischer oder fast rein motorischer
Nerven waren darunter 4 Fälle (dazu noch Fall We., Kranken¬
geschichte Nr. 7).
Die Behandlungstechnik ist genau dieselbe, wie ich sie oben
für die Neuralgie angegeben habe.
20. F., 40 Jahre alt. Neuritis nervi supraorbitalis sinistri nach
Durchschneiduog des Nerven vor 7 Monaten. Hypästhesie der linken
Stirnbälfte. Heftige Schmerzen im erkrankten Gebiet. Vaccineurin
Vbo» V20. 3 mal Vio ccm zweitägig. Positive Herdreaktion. Nach der
zweiten Injektion Nachlass, nach der dritten Schwinden der Schmerzen,
nach der vierten Sensibilität in beiden Stirnhälften gleich.
21. Frau Sch., 35 Jahre alt. Schwere Erb’sche Plexuslähmung(Narkose)
vor 7 Wochen. Ist bisher täglich elektrisiert und massiert worden.
Ohne jeden Erfolg. Sensibilität intakt. Kann die Finger unvollkommen,
den Daumen nur sehr wenig beugen. Jede Streckung der Hand, der
Finger, des Daumens unmöglich. Am Tage nach der ersten Vacci-
neurininjektion Vbo ccm kann das Endglied des Mittelfingers
werden, nach der dritten Injektion V 20 ccm * ir< I ^ er D aumen ^
gebeugt und gestreckt, das Endglied des Zeigefingers gestreckt. Ist
noch in Behandlung.
22. H., 27 Jahre alt. Abducenslähmung rechts seit 3 Wochen,
nach Influenza (?). Galvanisation seit der Zeit ohne nachweisbaren Er¬
folg. Nach 5 Injektionen Vaccineurin V 10 ccm Doppelbilder dauern
geschwunden. Erhält noch weiter 5 Injektionen je V, 0 ccm.
23. Frl. Th., 26 Jahre alt. Neuritis nervi axillaris dextri nach
Angina und daran sich anschliessender längerer fieberhafter Krankte!
vor IV 2 Jahr. Hebung des rechten Armes erschwert. Atrophie
rechten Deltamuskels, partielle Entartungsreaktion. Keine Sensibuita
Störung. 6 Injektionen je V 20 » 3 je Vto ccm Vaccineurin. Gegen
1) Gänzlich ausser Ansatz geblieben sind hier die Neuritiden sj|hi
litischen Ursprungs, die ich in einem anderen Zusammenhang behan e
werde.
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UNIVERSUM OF [OWA
23. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1846
der Kur kam der Arm gut gehoben werden. Nach einigen Monaten
(Massage, Galvanisation) kein Unterschied im Volumen des rechten und
linken Deltamuskels.
24. Frau R., 36 Jahre alt. Seit 4 Jahren Schmerzen, Taubheit,
Kribbeln in Arm und Hand rechts. Extremität schwach. Muss seit
2 Jahren, links schreiben. Zahlreiche vergebliche* Kuren. Sensibilität
der rechten oberen Extremität für alle Qualitäten herabgesetzt, stärker
im Gebiet des N. medianus und N. ulnaris. Am rechten Unterarm der
grösste Umfang rechts l 1 /» cm weniger als links. Keine Entartungsreaktion.
Die Nervenstämme am Arm sehr druckempfindlich.
Nach 3 Injektionen Vaccineurin je Vio ccm mit positiver Herd¬
reaktion sind die Parästhesien, nach 5 Injektionen die Schmerzen ge¬
schwunden. Nach 10 Injektionen wird die rechte Extremität wieder
ohne Beschwerden zum Schreiben gebraucht. Die Heilung hält jetzt
IVa Jahre an.
25. L., 32 Jahre alt, Schmied. Neuritis nervi radialis dextri
(Beschäftigungsneuritis). Seit 2 x /a Jahren Schmerzen und Schwäche im
rechten Arm. Hat oft längere Zeit die Arbeit aussetzen müssen.
Oktober 1912 Unfähigkeit zu arbeiten, Schmerzen, Schwäche. Sensi¬
bilität im rechten Arm wenig herabgesetzt. Atrophie des rechten
Musculus deltoides mit partieller Entartungsreaktion. Streckbewegungen,
Heben des Armes ersehwert. Galvanisation, Dampfbäder, Chinin, Massage
3 Monate lang ohne Erfolg. Vom 16.1. 1913 ab Vaccineurin V20» 4 mal
Vio» 3 mal Vs ccm. Negative Herdreaktion. Nach 3 Injektionen schmerz¬
frei, nach 8 Injektionen Bewegungen nicht mehr erschwert, Sensibilität
normal. Beginnt zu arbeiten, arbeitet bis jetzt ohne Beschwerden als
Schmied. Muskelatrophie ohne weitere Behandlung nach 2 Monaten ge¬
hoben.
26. Se., 50 Jahre alt, Tischler. Polyneuritis alcoholica. Krank
seit 1 Jahr. Lange Krankenhausbehandlung. Fall ist seit 4 Monaten
stationär. Heftige Schmerzen in den Beinen, besonders beim Gehen und
Bücken. Geringe Muskelatrophie im Peroneusgebiet beiderseits. Enorme
Ueberempfindlichkeit der Nerven der unteren Extremität.
Schmerzfrei nach 12 Injektionen Vaccineurin V 20 ccm, 6 mal Vio ccm,
5 mal Vs ccm ab 15. I. 1913. Bleibt schmerzfrei. Beginnt zu arbeiten.
Die Schwäche in den Beinen ist nicht ganz gehoben. Die aufgehobenen
Patellarreflexe sind wiedergekehrt. Die geringe Muskelatrophie ist unter
Massage nach 4—5 Monaten gehoben.
27. M., 48 Jahre alt, Kaufmann. Polyneuritis alcoholica seit zwei
Jahren. Heftige Schmerzen in den Beinen, enorme Empfindlichkeit der
Nervenstämme. Stärkere Atrophie der Muskulatur beider Unterschenkel.
Nach 8 Injektionen Vaccineurin 4 mal Vio» 4 mal Vs ccm bei 5 maliger
sehr starker positiver Herdreaktion schmerzfrei. Trinkt aus Freude
darüber S Tage lang grosse Quantitäten Schnaps. Recidiv und andere
Erscheinungen, welche Krankeobausbehandlung nötig machen.
In einer Reibe von Fällen von Neuritis ischiadica ver¬
schiedener Aetiologie mit mehr oder minder starker Muskelatrophie
gelang es stets, durch Vaccineurin die Schmerzen zu beseitigen
und die Atrophie zu bessern, nicht aber immer die Muskulatur
völlig zur Norm zurückzuführen, auch nicht, wenn nach der In¬
jektionskur noch Badekuren, Massage, Elektrizität mit Ausdauer
angewandt wurden.
28. Sch., 67 Jahre alt, Fabrikbesitzer. Neuritis diabetica nerv 1
ischiadici sinistri. Heftige Schmerzen im linken Bein. Gehfähigkeit sehr
erschwert. Gehen ohne Stock unmöglich. Besteht seit 8 Monaten. Dia¬
betes 1—2 pCt. Zucker. Patellarreflex, Achillesreflex links erlosohen,
rechts normal. Sensibilität der Haut und tieferen Teile stark herab¬
gesetzt. Alle Bewegungen der linken unteren Extremität erschwert.
Muskulatur des linken Beins im ganzen beträchtlich dünner als die des
rechten. Partielle Entartungsreaktion. N. ischiadicus, popliteus, peroneus
links ziemlich empfindlich auf Druck. Ist mit grösseren Dosen Vacci-
neurin behandelt worden.
20. X. 1912. Vaccineurin */io com. Ziemlich lebhafte Allgemein¬
reaktion, stärkere Schmerzen im Bein bis zum nächsten Tag.
23. X. Vaccineurin Vs ccm. Abends matt, schlaflos, viel stärkere
Schmerzen im Bein. Temperatur 38,8° C. Am nächsten Vormittag Ver¬
schlimmerung, nachmittags erhebliche Besserung der Schmerzen.
25.X. Vaccineurin l j 6 wm. Abends 87,9° C. Mattigkeit, nachts
ohne Schlaf. Schmerzen im Bein erst schlimmer, lassen dann bedeutend
nach.
28. X. Vaccineurin Vs 00 m. Abends Temperatur 37,8° C. Positive
Herdreaktion weniger stark. Am nächsten Tag ist die Gehfähigkeit deut¬
lich besser; die Schmerzen sind gering.
30. X. Vaccineurin Vs ccm. Temperatur 37,5° C.
2. XI. Vaccineurin */s ccm. Temperatur 38° C. Immer noch
deutliche positive Herdreaktion. Die Tastempfindung des Beines bessert
sich. Gehen im Zimmer ist ohne Stock möglich. Schmerzen geschwunden.
Unter weiteren 6 Injektionen Vaccineurin, Vs ° cm * wird die Sensibilität
des Beines normal, die Schmerzen sind nicht wiedergekehrt. Patient
kann auf der Strasse gut gehen, auch ohne Stock Treppen steigen. Mus¬
kulatur des Beines noch schwächer als rechts. Behandlung mit Massage.
29. K., 53 Jahre alt, Schlosser. Neuritis ulnaris. Im 14. Jahre
Scharlach und schwere Eiterung an den EUbogeD. Inzisionen. Ell¬
bogengelenke sind deformiert, konnten nie völlig gestreckt werden.
34 Jahre später, 1908, Schmerzen im Ulnarisgebiet beiderseits. 1911
„Schrumpfen“ der Hände. 1912 Operation, um die Ulnarnerven aus ihren
Verwachsungen zu befreien und besser zu lagern. Dadurch ist wohl
eine weitere Schädigung der Nerven erzeugt worden, obwohl sie duroh
die Operation selbst nicht gelitten haben können. Ist nur noch sehr be¬
schränkt imstande zu arbeiten. Weihnachten 1912 Hände und Arm
schlechter beweglich; lässt alles fallen; arbeitsunfähig.
17. III. 1913. Sehr heftige Schmerzen in den Armen, völlig schlaf¬
los. Sehr blass, abgemagert. Die Interossei beider Hände, der Adductor
beider Daumen, beide Kleinfingerballen atrophisch. Entartungsreaktion.
Krallenstellung der Finger. Ulnarisgebiet beiderseits bypästhetiscb, an
den Händen anästhetisch. Nervi ulnares beiderseits sehr stark druck¬
empfindlich. Beweglichkeit der Finger hochgradig beschränkt.
15 Injektionen Vaccineurin von je Vio ccm, drei in der Woohe.
Negative Herdreaktion.
25. 111. Fast schmerzfrei.
8. IV. Schmerzfrei. Beide Mittelfinger im ulnaren Teil und Unter¬
arm normale Tast- und Sohmerzempfindung. Die 4. Finger empfinden
stärkere Berührung. Beweglichkeit der Finger wird besser. N. ulnares
nicht mebr druckempfindlich.
17. IV. An beiden 5. Fingern werden stärkere Berührungen emp¬
funden. Sonst im ganzen Gebiet des N. ulnaris beiderseits Empfindung
für Berührung, Schmerz, Temperatur nur wenig herabgesetzt, an den
Armen normal. Beweglichkeit der Hände und FiDger gut. Krallen¬
stellung fast geschwunden. Ist nicht mehr zu halten, geht seit zwei
Jahren zum erstenmal wieder in das Ausland auf Montage.
Nach 2 Monaten sind die M. interossei nur nooh wenig atrophisch,
regenerieren sich dann aber nicht weiter. Hand- und Fingerstellung fast
normal. Die Adductoren der Daumen bleiben stark atrophiert,
Juli 1914. Pat. hat bisher normal gearbeitet und verdient. Hei¬
lung hält an.
Auch die hier vorliegenden Untersuchungen haben mir ge¬
zeigt, dass die Grenzen der Vaccinetherapie gut erweiterungsfähig
sind. Nicht nur die spezifischen Kräfte der Bakterienprodnkte,
sondern ebenso die Ausnutzung nicht spezifisch wirkender Sub¬
stanzen, die in ihnen enthalten sind, können wertvolle wissen¬
schaftliche und tberapentiscbe Resultate geben. Vorläufig stehen
wir erst in den Anfängen der Forschung auf dem Gebiet.
Jedenfalls aber haben wir im Vaccineurin und in einigen verwandten
Produkten gute und recht zuverlässige Mittel zur wirksamen Be¬
kämpfung der Neuralgie uod der Neuritis.
Bücherbesprechungen.
D. 0. Knthy-Budapest und A. Wolff-Eisner-Berlin: Die Prognoseo-
gtellnng bei der Lungentuberkulose. Mit eingehender Berück¬
sichtigung der physikalischen und serologischen Befunde und der
therapeutischen Prognostik. Mit 21 Textabbildungen. Berlin-
Wien 1914, Verlag von Urban & Schwarzenberg. 572 S. Preis
geh. 18 M.
Die beiden Verf. haben sich zur Aufgabe gemacht, eine zusammen¬
fassende Darstellung von einem der schwierigsten Probleme der inneren
Medizin, der Prognostik der Lungentuberkulose, zu geben. Bis
in jüngster Zeit batte dieses Kapitel eine stiefmütterliche Behandlung
erfahren, wohl in der Erkenntnis der grossen Schwierigkeiten, die dieses
Problem in der Lungentuberkulose bietet; selbst in grösseren Werken
der Tuberkulose wurde es trotz seiner grossen Wiohtigkeit weniger aus¬
reichend behandelt. Um so verdienstvoller erscheint das vorliegende
vortreffliche Werk, das diese sehr delikate Frage eingehend behandelt
und so eine bisher oft empfundene Lücke in günstigster Weise ausfüllt.
Vor allem zeichnet dieses Buch eine eingehende, ins Detail ausgeführte
und erläuternde Darstellung aus, die in meisterhafter Weise die aus den
zahlreichen diagnostischen Untersuchungsmethoden und deren verfeinerten
Technik sich ergebenden Stützpunkte für die Prognostik der Tuberkulose
in mehreren Kapiteln, trotz der Reichhaltigkeit des Stoffes in knapper
Fassung, behandelt und die sich auf eine vorzügliche Belesenheit und
eine grosse Summe eigener Erfahrungen beider Autoren stützt. Mit
grossem Fleisse sind aus der reichhaltigen Tuberkuloseliteratur die ein¬
schlägigen Arbeiten und Sätze ausgewählt worden, um bei der Auf¬
stellung der prognostischen Stützpunkte beweisbringend eingereiht zu
werden. Nach einleitenden Kapiteln über die Bedeutung einer möglichst
genauen Prognosenstellung, über Wesen und Gesichtspunkte der Prognose
und die allgemeinen Schwierigkeiten der Prognosenstellung, werden die
besonderen Schwierigkeiten der Prognostik bei Lungentuberkulose er¬
läutert. Sodann folgen sehr interessante Kapitel, in denen der Aufbau
der Stützpunkte zur Prognosenstellung beginnt mit Einteilungsversuchen
der Lungentuberkulose in Typen — ätiologische, pathologisch-anatomische,
klinische — und der allgemeinen und besonderen Krankheitsprognose be¬
züglich dieser einzelnen Formen. Nach einer Besprechung der allge¬
meinen Krankheitsprognose der Lungenschwindsucht werden in erschöpfen¬
der Weise die Stützpunkte der Prognostik des einzelnen Krankheitsfalles
bei Lungentuberkulose behandelt. In wichtigen Kapiteln ist dann dar¬
gelegt, welche Bedeutung in prognostischer Hinsioht den anamnestisohen
Dates, dem Status praesens, dem pbysikalisohen Befund, der Röntgen-
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UNIVERSUM OF IOWA
1840
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 47.
Untersuchung, der Lokalisation des Krankheitsprozesses und seiner Aus¬
breitung, den Erscheinungen der Girculationsorgane usw., sowie den
serologischen Befunden und der Wirkung therapeutischer Eingriffe (Tuber¬
kulintherapie, Serumtherapie, physikalisch-diätetischer Therapie, künst¬
licher Pneumothorax, Chemotherapie und sonstiger Behandlung) zukommt.
Durch die Wertschätzung dieser gewinnbaren Daten erfährt die Vorher¬
sage in dieser unheilvollen wechselreichen Krankheit eine präzisere
Fassung. Han findet reichhaltigen Aufschluss aller diesbezüglichen Fragen
und kann lernen, wie bei genügender Beachtung und Bewertung der uns
auf dem gewiesenem Weg gewinnbaren Stützpunkte die Prognostik
festeren Fuss fasst, und dass der Arzt auf Grund des heute schon vor¬
liegenden klinischen und wissenschaftlichen Materials in der Lage ist,
bei der Lungentuberkulose eine Prognosenstellung zu ermöglichen, und
der Beantwortung dieser Frage nicht mehr so machtlos gegenübersteht,
als es bisher zu sein schien. Durch seine klare Anordnung und aus¬
führlich zusammenfassende Darstellung aller für die Prognostik wichtigen
wissenschaftlichen Momente sowie die geschickte Verwertung der feinsten
diagnostischen Stützpunkte und der genauen Beobachtungsergebnisse
hat dieses Werk den Nachweis erbracht, dass wohl die Möglichkeit ge¬
geben ist, bei der Lungentuberkulose, der Krankheit, die einer Vorher¬
sage grosse Schwierigkeiten entgegensetzt, richtige prognostische Rück¬
schlüsse zu ziehen.
Jedem praktischen Arzte, an den Tag für Tag die Beantwortung
der schwierigen Frage der Prognose herantreten kann, dürfte dieses
inhaltsreiche vortreffliche Buch willkommen und von grossem Nutzen
sein. . Hans Comet-Bad Reichenball.
Genitalapparates, sondern nach Gruppen von Krankheiten sind die Kapitel
zusammengefasst (Lagereränderungen, entzündliche Erkrankungen, Tumo¬
ren usw.). Sein praktischer Wert ist dadurch gesteigert, dass es mit weissen
Blättern durchschossen ist, die eigene Notizen im Kolleg oder auch in
der Praxis ermöglichen. Immer wieder wird betont, dass bei dem kurzen
Umfang nur ein „Grübdriss“ gegeben werden könne, auf dem sich die
Einzelheiten aufbauen müssen. Ein gewisses Bedenken kann allerdings
Referent nicht dagegen unterdrücken, dass für ausführlichere Belehrung
immer nur auf die eigenen, wenn auch noch so vortrefflichen Werke
desselben Verfassers verwiesen wird. L. Zuntz.
Friedrich Dessauer: Radium, Mesothorium and harte X-Strahlug
and die Grundlagen ihrer medizinischen Aiwendnng. Leipzig,
Verlag Otto Nemnich. 156 S. Preis 3 M.
Der Autor behandelt in elf Kapiteln in allgemeinverständlicher
Weise die Probleme der Strahlentherapie vom Standpunkte des Physikers.
In einem Anhang gibt er eine Zusammenstellung praktisch wichtiger
Daten, die bei Ankauf radiaktiver Substanzen zu beachten sind, uud
eine Literaturzusammenstellung über Homogenbestrahlung. In einem
Soblusskapitel entwickelt der Verf. seine Ansicht über die nächste Ent¬
wicklung dieses Gebietes. Wird man in manchen Einzelheiten auch dem
Verf. nicht immer unbedingt zustimmen können, so dürfte es ihm doch
zweifellos gelungen seiD, dem Arzt eine verständliche Darstellung über
die Natur und physikalische Wirkungsweise der radioaktiven Substanzen
und der Röntgenstrahlen und wie etwa die Strahlen in das lebende Ge¬
webe eindringen und sich dort verbreiten, gegeben zu haben.
Gudzent.
Ph. Bockenheimer: Allgemeine Chirurgie. Drei Bände. (Leitfäden
der praktischen Medizin, herausgegeben von Ph. Bockenheimer-
Berlio. Bd. 9, 10 u. 11.) Leipzig 1914, W. Klinkhardt. 855 S.
, Preis 30 M.
Das soeben erschienene dreibändige Werk will im Sinne der vom
Verf. herau 9 gegebenen „Leitfäden der praktischen Medizin“, von
welchen jetzt 11 Lieferungen vollendet vorliegen, in erster Linie dem
Studierenden zur Einführung in die allgemeine Chirurgie dienen und es
ihm ermöglichen, sich auf diesem umfangreichen Gebiete rasch zu orien¬
tieren. Es will ferner dem praktischen Arzt Gelegenheit bieten, sich
über die bewährten Neuerungen in der allgemeinen Chirurgie rasch zu
informieren, um sie für seine praktische Tätigkeit verwerten zu können;
es will endlich dem Spezialisten eine übersichtliche Zusammenstellung
der derzeitigen allgemeinen Chirurgie geben. Zu diesem Zweck hat
Verf. die verschiedenen bekannten Werke der allgemeinen Chirurgie, der
Zweig- und Grenzgebiete, sowie die gesamte einschlägige Literatur neben
seinen eigenen Erfahrungen und dem überaus reichhaltigen Material der
v. Bergmann’schen Klinik verwertet.
Zahlreiche Abbildungen entstammen bekannten Werken ünd Verf.
hat im Interesse des dooh in erster Linie didaktischen Zweckes mit viel
Gesobiek das Gute aus allen diesen Werken herausgesucht. Der dritte,
die Geschwülste und Cysten behandelnde Band enthält nur Original¬
abbildungen, welche zum Teil den früheren Werken des Verf. entnommen
sind. Der erste Band enthält die chirurgische Operationslehre, der zweite
die allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie mit Ausnahme der
Geschwülste und Cysten.
Der kurzgefasste klare Text und die zahlreichen Illustrationen lassen
das Buch in erster Linie für den Studierenden geeignet erscheinen,
welcher heutzutage erfahrungsgemäss den Hauptwert auf gut nnd reich
illustrierte Werke legt. Aber auch der Praktiker wird sich desselben
zur raschen Orientierung gewiss mit bestem Erfolg bedienen.
A d 1 e r - Berlin-Pankow.
Taeo Kai per . Die fanktionelleo and hirnanatomischen Befände bei
der japanischen Tansmans. Mit 44 Tafeln. Rotterdam, W. J.
van Hengel. 154 S.
In gross angelegter und eingehender Weise schildert der Verf. in
dieser schönen Monographie seine funktionellen und hirnanatomischen
Befunde bei einer Reihe von japanischen Tanzmäusen. Es kann hier
nicht der Ort sein, im einzelnen auf seine wertvollen Untersuchungen
einzugehen. Hervorgehoben sei nur, dass sich ein degenerativer Prozess,
im ganzen Octavussystem, seinen sekundären und tertiären Bahnen, und
noch vereinzelt in einer Reihe anderer Systeme, auch in der Cortex
cerebri fand. Nach dem Verf. ist dieser degenerative Prozess im Octavus¬
system das Primäre und die von vielen Autoren im inneren Ohr der
Tanzmäuse nacbgewiesene Degeneration der Stria vascularis als eine
Aeusserung desselben anzusehen. Durch den genau durchgefübrten Ver¬
gleich des Baues vom Tanzmausgebirn mit dem einer normalen Maus,
gibt seine Arbeit einen sehr zu begrüssenden Beitrag für das Verständ¬
nis vieler Verhältnisse auch im normalen Säugergehirn, und gewinnt da¬
durch über seine spezielle Fragestellung hinaus allgemeinen Wert.
Paul Röthig-Charlottenburg.
W. Liepmann: Grandios der Gynäkologie. Berlin 1914, Siegfried
Seemann. Preis 3,80 M.
Als einen Bädeker der Gynäkologie bezeichnet der Verfasser sein Buch.
Der hübsche Vergleich charakterisiert in ausgezeichneter Weise, was das
Buch geben will, und zugleich seine Originalität. Schon die Einteilung
weicht von der sonst üblichen ab. Nicht nach den einzelnen Teilen des
B. Berliner: Der Einfloss von Klima, Wetter and Jahreszeit anf das
Nerven- nnd Seelenleben. Auf physiologischer Grundlage dar¬
gestellt. Wiesbaden 1914, Verlag von J. F. Bergmann. 56 S.
Preis 1,80 M.
B. bespricht auf Grundlage der vorliegenden physiologischen Er¬
fahrungen in einem einleitenden Kapitel die einzelnen für unser Nerren-
leben in Betracht kommenden klimatischen Reize und die Wege, auf
denen sie zur Wirkung kommen können. Er unterscheidet primäre
klimatische Erregungen von Hautsinnesnerven, primäre vasomotorische
und chemische Einwirkungen; sekundäre, durch die primären Erregungen
ausgelöste vasomotorische, chemische, motorische, sensible Erregungen
und endlich associative Rückwirkungen der letztgenannten auf seelische
Vorgänge. ....
Von diesem Gesichtspunkte aus bespricht B. nun zunächst die ein¬
zelnen Klimaelemente (thermische Elemente, Luftdruck, Liebt, Luft¬
elektrizität usw.); dann den Einfluss des Wetters (Gewitter, Wind,
Depressionen), weiter die verschiedenen Klimate (gemässigtes, tropisches,
Höhen-, Wüstenklima usw.), endlich die Jahreszeiten in ihrem Einfluss auf
das NervenlebeD, und sucht unser psychisches Befinden, die Stimmungen,
Lust- und Unlustgefüble, die durch sie bedingt werden, zu erklären.
Ein letztes Kapitel behandelt das Klima als Heilmittel bei Nerren-
krankheiten.
Manche von B. statuierten Zusammenhänge sind noch hypothetisch,
manches ist mehr empirisch ermittelt als wissenschaftlich festgestellt
und deutbar; immerhin gibt die B.’sobe Darstellung einen guten lieber-
blick, um eine Vorstellung von dem Zusammenhang zwischen Klima und
Nerven leben zu gewinnen. A. Loewy.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
E. Heber - Berlin: Besitzen die Langen Vasomotoren? (Arch. f-
exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H, 5 u. 6, S. 476.) Der Gegensatz- m
den Resultaten Weber’s und denen von Cloetta und anderen erklärt
sich aus der Versuchsanordnung.
0. Moog-Frankfurt a. M.: Ueber den gegenseitigen Synergismus vod
■ormalem Herum und Adrenalin am FrosehgefÄss. (Arch. f. «per.
Patb. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 346-360.) Mengen von Mensch«-
serum, die an und für sich nicht auf das Gefässsystem des rros
wirken, vermögen die gefässverengende Wirkung des Adrenalins
deutend zu verstärken. Ebenso vermögen an sich unwirksame Adrena ■
concentrationen den durch Serum zu erzielenden Effekt ganz wesen
zu erhöhen. Die vasoconstriktoriscben Substanzen des Blutserums u
das Adrenalin sensibilisieren sich gegenseitig.
L. Wacker und W. Hueck-Müochen: Chemische und morpho¬
logische Untersuchung über die Bedeutung des Cholesterins im yrga
mus. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 43z ■
Die Arbeit stellt die siebente Mitteilung der Untersuchungsreibe •
0. Kosch berichtet darin über die Beziehung der Nebenniere zum
bydrat- nnd Cholesterinstoffwechsel. Kaninchen überleben bei zweize g^
Operation den Eingriff etwa 2 Tage, bei einzeitiger etwa 9 Stunden. •
länger das Tier die Operation überlebt, desto mehr schwind
Glykogengehalt der Leber. Der Blutzucker steigt zunächst M
Zeit, um dann auf abnorm tiefe Werte zu sinken. Adrenalinzufuhr s
die Tiere bis zu einem gewissen Grade, aber nicht Traubenzucker.
Cholesteringehalt des Blutes epinephrektomierter Tiere ist bedeute
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UNiVERSITY OF IOWA
23. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1847
höbt, wobei eine Ausreicherung des Cholesterins in einzelnen Organen,
z. B. in der Leber und Galle, zu beobachten ist. Um freies Cholesterin
zu esterifilieren, ist die Nebenniere nicht notwendig.
H. Be um er- Halle: Die Herkunft des Cholesterins bei der Ver-
daanngslipämie. (Areh. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6,
S. 375—386.) Auch bei der Zufuhr von Fett, das kein Cholesterin bei¬
gemengt enthält, steigt der Cholesteringehalt des Serums. Eine Be¬
ziehung zwischen dem Cholesteringehalt des Serums und der Blut¬
körperchen besteht nicht. Die Zunahme des Serumcholesterins scheint
aus der Resorption von Gal len Cholesterin zu stammen. Bei der Fett¬
verdauung wird bekanntlich viel Galle in den Darm ergossen. Nur ein
kleiner Teil des darin enthaltenen Cholesterins wird ausgeschieden, der
Hauptanteil wird resorbiert und bewirkt so Cholesterinämie. Leitet man
die Galle duroh eine Fistel ab, so steigt bei der Fettzufuhr der Cholesterin¬
gehalt des Blutserums nicht, obwohl eine ausreichende Fettresorption
durch lipämische Serumtrübung erkennbar ist.
0. Gross und Fr. Vorpahl-Greifswald: Beitrag zur Lehre von der
Verfettung parenchymatöser Organe. II. Mitt. (Arch. f. exper. Path. u.
Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 317—325.) ln künstlich körperwarm durch¬
spülten Nieren lässt sich eine sichere, absolute Fettvermehrung chemisch
nachweisen. Das gebildete Neutralfett lässt sich in manchen Fällen
mikroskopisch nachweisen. Stets ist es der Fall, wenn man der Durch¬
spülungsflüssigkeit Glycerin zusetzt. Die Yerff. schliessen aus ihren Ver¬
suchen, dass die Zellen aus Eiweiss Fett bilden können.
0. Loeb und H. Stadler-Göttingen: Aeussere und innere Pan-
kreasfnnktion. I. Sekretion und Zuckerassimilation. (Arch. f. exper.
Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 326—-334.) Die innere Funktion
des Pankreas, gemessen an der Assimilation von intravenös zugeführter
Dextrose, wird durch Sekretin nicht beeinflusst. Aeussere Sekretion und
innere Funktion des Pankreas scheinen voneinander unabhängig zu sein.
M. Jacoby.
Pharmakologie.
R. Dietrich: Welche Harzlösungen sind für Verband zwecke
geeignet? (M.m.W., 1914, Nr. 45.) Die übliche Mastix-Chloroform¬
lösung und die nach ihr bereiteten Handelsprodukte entsprechen nicht
den Anforderungen, die man nach dem Stand der Wissenschaft an eine
solche Harzlösuog für Verbandzwecke zu stellen berechtigt ist; sie sind
viel zu teuer und enthalten vor allem zu viel freie Harzsäuren, so dass
die Gefahr der Reizung auf der Haut besteht. Von den uns bekannten
Harzen dürften sieh vor allem Dammar, Kolophonium und die Terpentine,
letztere nur in abgestumpfter Form, für Verband-Harzlösungen eignen
und zwar unter Verwendung des Benzols als Lösungsmittel.
Dünner.
Grumme-Fohrde: Ueber die Gefährlichkeit der innerlichen Jod¬
darreichung bei Qnecksilberanwendung am Ange. Besteht ein Unter¬
schied für verschiedene Jodpräparate? (Arch. f. exper. Path. u. Pharm.,
Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 448—457.) Die innerliche Anwendung von Jod in
Form von Jodtropon ist ungefährlicher als die Zufuhr von Jod als Jod¬
kalium, wenn man bei örtlicher Applikation von Quecksilber am Auge
Schädigungen vermeiden will.
E. Frank und G. Pietru 11a-Breslau*. Blntharnsänre und Atophan,
nebst Bemerkungen über die Wirkungsweise der Salicylsänre auf die
Harnsänreansseheidang. (Arch. /. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H.5 u. 6,
S. 361—374.) Es wird ein neues Verfahren der Harnsäurebestimmung im
Blut beschrieben, bei dem die Enteiweissung durch Uranacetat geschieht
und die Harnsäure durch Silber in der Modifikatien von Bass gefällt
wird. Nach Atophan verschwindet die Harnsäure aus dem Blute, um
nach Aussetzen des Atophan wieder aufzutreten. Das Atophan er¬
leichtert die Ausscheidungsbedingungen der im Blute kreisenden Harn¬
säure. Die Atophan Wirkung ist sehr ähnlich der Salicylsäurewirkung. —
Weiterhin wurde der Einfluss des Atophans auf die Ausscheidung der
Harnsäure bei Nierenkranken studiert. Auch bei Gichtkranken ver¬
mindert das Atophan die Blutharnsäure. M. Jacoby.
Therapie.
Lönard: Klinische Erfahrungen mit dem Jod-Eiweisspräparat
Testijodyl. (W.m.W., 1914, Nr. 33.) Testijodyl, von Wohlgemuth und
Bewald eingeführt, enthält etwa 81,5 pCt. Eiweissstoffe, 15,3 pCt. Jod,
0,25 pCt. Eisen. Ausser der Jodwirkung kommt also noch gleichzeitig
die Eisenwirkung in Betracht. Das Präparat ist frei von unaDgenehmen
Nebenwirkungen, Jodisraus usw. Es ist besonders bei luetisch-anämischen
Zuständen und bei anämisch-scrofulösen Kindern zu empfehlen.
A. Fuchs: Elektrodiagiiostik and Elektrotherapie für praktische
Amte. (W.m.W., 1914, Nr. 31 und 37.)
R. Bassenge: Radinmbehandlung des Rheomatismns. (W.m.W.,
1914, Nr. 82.) Zusammenfassung unserer Kenntnisse über die Radiura-
verwendung und über die Indikationen bei Rheumatismus. Am besten
scheinen die mittelschweren Falle des chronischen Rheumatismus beein¬
flusst zu werden. Ein Allheilmittel ist die Radiumemanation nicht, wohl
aber eioe wertvolle Bereicherung unseres therapeutischen Rüstzeuges.
J. Ohrenstein: Beitrag zur Behandlung der Amenorrhoe. (W.m.W.,
1914, Nr. 36.) Empfehlung des Ovaradentriferrin. Gute Erfolge in fünf
Fällen. Die Menses traten meist bald naoh Gebrauch der Tabletten
wieder auf uüd kehrten dann regelmässig wieder.
R. Hofs tat ter: Die Anwendung der Hypophysensabstanzen in
der inneren Medizin nnd Gynäkologie. (W.m.W., 1914, Nr. 33—35.)
Sammelreferat über die bestehende Literatur und Bericht über eigene
Erfahrungen mit Hypophysensubstanzen auf den verschiedenen Gebieten
der inneren Medizin und Gynäkologie. Zum kurzen Referat nicht ge¬
eignet. _ Eisner.
Parasitenkunde und Serologie.
B. Schick: Fortschritte in der Therapie der Diphtherie. (W.m.W.,
1914, Nr. 35.) Verf. berichtet zunächst über Tierversuche. Injiziert
man geringe Antitoxinmengen, 50 A.-E., so ist die Wirkung des Heil¬
serums auf das gleichzeitig injizierte Toxin eine noch relativ geringe.
Bei Steigerung der A.-E.-Menge auf 100 I.-E. pro 1 kg wurde konsta¬
tiert, dass die Wirkung auf das gleichzeitig injizierte Toxin etwa9 besser
ist (in 32 pCt. vollständige Unterdrückung der Toxinwirkung). Nach
24 Stunden besitzt der Körper so viel Antitoxin, dass in den meisten
Fällen keine Toxinwirkung mehr zustande kommt. Toxininjektion nach
24 und 28 Stunden löst in 80 pCt. der Fälle keine Reaktion mehr aus.
Erst bei einer Steigerung auf 500 l.-E. pro 1 kg ist eine gewisse Besse¬
rung der Erfolge erkennbar. Eine weitere Steigerung auf 100 I.-E. bringt
keine bessere Wirkung hervor. Für das Vorgehen am Krankenbette
folgt, dass möglichst frühzeitige SerumiDjektionen zu machen sind. In
leichteren Fällen sollen mindest 100 I.-E. pro 1 kg injiziert werden,
sonst 500 I.-E. pro 1 kg. Die Injektionen sollen intramuskulär, nicht
subcutan erfolgen. Wiederholte Injektionen sind überflüssig, wenn gleich
genügend I.-E. gegeben sind. Zur Immunisierung genügen 50 I.-E. pro
1 kg. Verf. empfiehlt die Diphtherietoxin-Hautreaktion als Vorprobe.
Ist die Hautreaktion negativ, so hat das betr. Individuum genügend
Schutzkörper gegen Diphtherie. Eine weitere Immunisierung ist über¬
flüssig. Die ominöse Schädigung des Circulationsapparates durch das
kreisende Diphtherietoxin muss möglichst frühzeitig bekämpft werden
(Digitalis, Adrenalin, Pituitrin usw.) Eisner.
L. Kirchheim und K. Tuozek-Marburg: Experimentelle Unter¬
suchungen über die Wirkung von Denteroalbominose auf gesunde nnd
tuberkulöse Meerschweinchen. (Arch. f.exper. Path. u. Pharm., Bd. 77,
H. 5 u. 6, S. 387—411.) Die Denteroalbumosenvergiftung ist qualitativ
der Wittepeptonvergiftung sehr ähnlich. Tuberkulöse Tiere zeigen nicht
nur gegen Tuberkulin, sondern auch gegen Dentalalbumose eine Aende-
rung der Empfindlichkeit. Jedoch ist die Steigerung nur unbedeutend
und inkonstant. Tuberkulöse Tiere zeigen nach Denteroalbumose eine
protrahierte Erkrankung, normale nur geringe Symptome. Dagegen ist
die Herdreaktion auf Denteroalbumose schwach und unregelmässig.
L. Kirchheim und H. Re in icke-Marburg: Experimentelle Unter¬
suchungen über das Wesen des normalen und immunisatorischen Serin*
antitrypsiis. (Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6,
S. 412—431.) Ein Tier ist nicht in dem Maasse gegen die Giftwirkung
des Trypsins geschützt, wie man es nach dem antitryptischen Verhalten
des Serums erwarten könnte. Eine massige Steigerung des antitrypti¬
schen Serumtiters lässt sich immunisatorisch leicht erreichen, allerdings
ist sie wechselnd in der Grösse und inkonstant. Sie ist nicht antispezi¬
fisch. Auch die Schutzwirkung gegen die Trypsinvergiftung ist nur ge¬
ring bei der Immunisierung. Die Erscheinungen sind nicht spezifisch
und nur als Peptonimmunisierung zu deuten. M. Jacoby.
H. Nieden - Jena: Zur Methodik des Abderhalden’sehen Dialysier-
verfahren8, (M.m.W., 1914, Nr. 45.) N. fand eine neue Fehlerquelle
im Aether, mit dem er seine Reagenzgläser reinigte. Er allein vermag
zwar keine positive Ninhydrinreaktion hervorzurufen, dahingegen wandelt
er in äusserst geringen Mengen beim Vorhandensein ninhydrinreagierender
Stoffe die Reaktion, die sonst negativ ausfallen würde, in eine stark
positive um. Dünner.
Innere Medizin.
E. Freund: Ueber sekundär-chronische Gelenkerkrankungen.
(W.m.W., 1914, Nr. 32.) Die postinfektiösen Arthritiden unterscheiden
sich von den übrigen Formen in prognostischer und therapeutischer Be¬
ziehung. Deshalb ist die richtige Diagnose wichtig. Besprechung der
einzelnen hierher gehörigen Formen: 1. die mit dem typischen akuten
Gelenkrheumatismus zusammenhängenden Erkrankungen (subakuter mit
sekundär-chronischem Gelenkrheumatismus); 2. chronische Arthritiden, die
durch einen bestimmten Infektionserreger verursacht werden (Gonorrhöe,
Lues, Tuberkulose); 3. Fälle, die von einem bestimmten Herd ausgehen
(Tonsillen, cariöse Zähne usw.). Es werden sodann die objektiven, dia¬
gnostischen Merkmale zusammengestellt (Fieber, Herzfehler, Milztumor,
Lymphdrüsen,Muskelschwielen,Sehnenscheiden, trophischeStörungen usw.).
Näheres s. Original. Eisner.
R. Lenel-Charlottenburg-Westend): Die Ausnutzung des a-Glyko-
heptonsänrelaktons (Hediosit) beim Diabetischen nnd Nichtdiabetischen.
(Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 335—345). Durch
den Darm wird das Hediosit nur in sehr geringem Maasse ausgeschieden.
Durch den Harn wird bei träger Darmtätigkeit wenig, bei Durchfällen
viel aasgeschieden. Das nicht ausgesohiedene Hediosit wird verbrannt.
Bisher ist der Nachweis, dass infolge der Zufuhr Fermente im Blute auf-
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UNIVERSUM OF IOWA
1848
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 47.
treteD, welche Hediosit zerstören, nicht gelungen. Die kranke Niere
scheint das Hediosit schlecht durchzulassen.
E. Greinert-Breslau: Die Diasorcaktion im Atophanhara. (Arcb.
f. ezper. Path u. Pharm., Bd. 77, H. 5 u. 6, S. 458-475.) Im Ato-
phanbarn findet sich nicht Urochromogen, das Urochroro-Weiss ist im
Diazoharn nicht vermehrt. Die Vermehrung des neutralen Schwefels
weist auf die vermehrte Ausscheidung eines Körpers aus der Protein¬
saurefraktion hin. if. Jacoby.
E. Czyhlarz und R. Neustadl, Untersuchungen mit der neuen
Boas scheu Blutprobe für Stuhlprüfung. (W.m.W., 1514, Nr. 36.) Die
Boas’sche Reaktion mit alkalischer Phenolphthaleinlösung und H 2 O 2 ist
wegen ihrer ausserordentlichen Empfindlichkeit für die Praxis nicht zu
verwenden. Arzneimittel (z. B. SaliGylpräparate) geben positive Re¬
aktion. Aber auch ohne besondere Anhaltspunkte wurden positive Blut¬
proben bei streng eingebaltenen Versucbsbedingungen erzielt.
Eisner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
W. Erb: Was wir erstreben. Gedanken über die Weiterentwick¬
lung der deutschen Nervenpathologie. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 21.)
Der Altmeister der Neurologie führt mit der ihm eigenen jugendlichen
Beredsamkeit in einer sehr lesenswerten Abhandlung aus, dass für das
Spezialgebiet der Neurologie dringend „der Platz an der Sonne“ er¬
strebt werden muss; er setzt auseinander, wie mangelhaft alles noch
zurzeit ist, und dass für die Forschung und die wissenschaftliche Weiter¬
entwicklung eigene Arbeitsstätten und Forschungsinstitute geschaffen
werden müssen. Besonders bedeutsam ist auch die Frage des neuro¬
logischen Unterrichts. Die Ausführungen seien den medizinischen
Fakultäten und Unterrichtsverwaltungen dringend empfohlen.
W. Salomonson: Verknrcnngsreflexe. (Neurol. Zbl., 1914,Nr. 21.)
Verkürzungsreflex ist eine reflektorische Erscheinung, die in der Form
einer Muskelzuckung auftritt, wenn die Enden des Muskels passiv
einander genähert werden. Er besitzt besonders für die Hemiplegie und
für diffuse, cerebrale Erkrankungen diagnostische Bedeutung.
Langelaan: Ueber Moskeltonns and Sehnenreflexe im Zusammen¬
hang mit der doppelten Innervation quergestreifter Muskeln. (Neurol.
Zbl., 1914, Nr. 20.) Experimentelle Studien über den Muskeltonus und
die Sehnenreflexe.
R. Geigel: Meine „Konpressionsreaktion“. (D. Zschr. f. Nervhlk.,
Bd. 52, H. 1—2.) Kompressionsreaktion ist eine Aenderung des nor¬
malen Zuckungsgesetzes, die auftritt, wenn Nerv und Gelasse kom¬
primiert werden. Nur Bewegungsänderungen der Ionen reizen den
Nerven, Beschleunigung am negativen Pol, Verzögerung am positiven.
F. Quensel: Posthemiplegische Pscndomyotonie. (D. Zschr. f.
Nervhlk., Bd. 52, H. 1—2.) Fall von pedunkulärer Hemiplegie mit
myotonischen Erscheinungen mit Diskussion über die Eigenart des bisher
kaum beschriebenen Krankheitsbildes.
Szpanbock: Ueber die Beteiligung
der Nervenapparate am Verlaufe der
hemiplegischen Lähmungen. (D. Zschr
In der komplizierten Reihe der Mechanisuiou, wmeue cue Entstehung des
Prädilektionstypus der Lähmungen und die Entwicklung des Pü-
dilektionstypus der Restitutionen beeinflussen, muss den dynamischen
Eigenschaften der Nervenapparate mehr Aufmerksamkeit gewidmet
werden.
Gold stein: Einige Bemerkungen zu der Arbeit von Stertz: Die
klinische Stellung der amnestischen ind transcortiealea Aphasie usw.
(D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) Nach der Ansicht von g!
ist die amnestische Aphasie eine klinisch scharf umschriebene Aphasie-
form, die anatomisch ihre Ursache in einer funktionellen Beeinträchtigung
des Sprach- und Begriffsfeldes hat, ohne dass in den beiden Feldern
sonstige schwere Schädigungen vorzuliegen brauchen. Die gleichmässige
Herabsetzung der Leistungsfähigkeit im Begriffs- und Spracbfeld bedingt
für die verschiedenen Funktionen des Wiedererkennens und der Wort¬
findung eine sehr verschiedene Störung, woraus die Symptomatologie
der amnestischen Aphasie resultiert. Diese kommt entweder durch
Affektionen feinster oder diffuser Art oder durch einen Herd — ge¬
wöhnlich im Mark des Schläfenlappens — zustande, wenn dieser geeignet
ist, gleichzeitig eine diffuse Schädigung weiterer Gebiete zu bewirken.
Rausch und Schilder: Ueber Paeadosklerose. (D. Zschr. f.
Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) Zwei Geschwister mit Pseudosklerose,
deren Beobachtung zu folgenden Resultaten führte: Es gibt eineheredo-
degenerative Erkrankung, die sich in gleichzeitiger Erkrankung der
Leber und des Gehirns äussert. In einer Reihe von Fällen fiadet sich
ein eigenartiger grünlichgelber Ring in der Peripherie der Cornea. Ver¬
mutlich besteht dabei eine Gesamtschädigung des Gehirns mit besonderer
Affektion des subcorticalen motorischen Apparats. In einer Sonder¬
gruppe, den Wilson’schen Fällen, dominiert die Erkrankung des Linsen¬
kerns. Wahrscheinlich ist die Hirnveränderung in bezug auf die Leber¬
veränderung sekundär. Die nervösen Symptome bestehen in Hyper¬
tonien, einem Schütteltremor, iu Ataxie und Adiadochokinese. Häufig
sind psychische Störungen.
Margulies: Ueber pathologische Anatomie und Pathogenese der
amyotrophischen Lateralsklerose. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5
u. 6.) Drei untersuchte Fälle von amyotrophiseber Lateralsklerose. Sie
ergaben pathologisch-anatomisch eine chronische hyperplastiscbe Ent¬
zündung der weichen Rückenmarkshäute, zuweilen mit Herden akuter
Entzündung, exsudative entzündliche Veränderungen in den perivasku¬
lären Räumen, diffuse degenerative Atrophien der Fasern im Vorder¬
seitensegment des Rückenmarkes mit hauptsächlicher Beteiligung der
Pyramidenbahnen, Atrophie der Vorderhornzellen, sekundäre Atrophie
der Vorderwurzeln und der Fasern der peripheren Nerven, also einen
chronisch entzündlichen, pathologischen Prozess. Die Pathogenese der
amyotrophischen Lateralskerose ist eine infektiös-toxische, die Verbreitung
eine lymphogene, die Erkrankung ergreift diffus das ganze Vorderseiten¬
segment des Rückenmarks.
der dynamischen Eigenschaften
motorischen Erscheinungen nach
. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.)
Hedde: Beitrag zur Kenntnis der Abdominal-, Crema9ter- und
Plantarreflexe. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1 u. 2.) Nachprüfung
der Reflexverhältnisse und zwar des Abdominal-, Cremaster- und Plantar¬
reflexes bei einigen Nervenkrankheiten.
A. Bornstein und A. Saenger: Untersuchungen über den Tremor
und andere pathologische Bewegungsformen mittels des Saitengalvano-
meters. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1. u. 2.) B. und S. be¬
richten über Versuche, die sie mit dem Einthoven’schen Saiten gal vano-
meter beim Tremor und verwandten Bewegungsarten angestellt haben.
Jur mann: Zur Differentialdiagnostik der Hysterie. (Neurol.
Zbl., 1914, Nr. 20.) In der Mehrzahl der Fälle von Hysterie sind die
Kniesehnenreflexe von einem unangenehmen allgemeinen Gefühl be¬
gleitet, welches weder bei Neurasthenie, noch bei Dementia praecox,
noch bei progressiver Paralyse beobachtet wird.
Costex und Bolo*. Angioma venosnm racemosnm der linken
motorischen Region. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) Mit
Erfolg operierter Fall von Angioma venosum racemosum der linken moto¬
rischen Region.
V. Reichmann: Ueber zwei unter dem Bilde einer Hirngeschwnlst
verlaufende tuberkulöse Hirnhautentzündungen nebst Bemerkungen zur
Frage über die Entstehung und Ausbreitung der Meningitis tuberculosa.
(D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1 u. 2.) Zwei Fälle, die sich insofern
ähnelten, als klinisch alle charakteristische Zeichen einer tuberkulösen
Meningitis fehlten und frühzeitig eine Stauungspapille auftrat, al9
anatomisch der Prozess streng an die Hirnbasis lokalisiert war. In
beiden Fällen verlief eine tuberkulöse Meningitis unter dem Bilde einer
Hirngeschwulst. Der erste Fall gibt zudem Anlass zu bemerkenswerten
Ausführungen über die Entstehung und Ausbreitung der Meningitis
tuberculosa.
Rossi: Beitrag zur Kenntnis der Symptomatologie der Balken-
erweiekung. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 5 u. 6.) Fall von Balken¬
erweichung mit genauem histopathologischen Befund. Unzweideutige
ausgesprochene amnestische Aphasie.
Rossi: Angeborene Muskelhyperplasie. (D. Zschr. f. Nervhlk.,
Bd. 52, H. 5 u. 6.) Kind mit angeborener Muskelhyperplasie eines
Armes. Genaue klinische und histologische Untersuchung.
Hassin: Beiträge zur Histopathologie der Tabes dorsal». (Vor
läufige Mitteilung.) (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 20.) Mitteilung über die
histopathologischen Veränderungen von 14 Fällen von Tabes dorealis,
und zwar sowohl in bezug auf das Rückenmark wie die zugehörigen
Nervenpartien.
Sepp: Ueber die Pathogenese der Tabes. (D. Zschr. f. Nervhlk.,
Bd. 1 u. 2.) Bei der Tabes besteht Grund zur Voraussetzung, dass
derselben die elektive Wirkung der in der Cerebrospinalflüssigkeit
existierenden syphilitischen diffusiblen Toxine zugrunde liegt.
Kaplan: Die „wassermannfeste Tabes“. (Ein serologischer Vor¬
läufer der Taboparalyse.) (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1 u. 2.)
Wassermannfest ist eine Tabes, wo das Serum beständig wassermann¬
positiv bleibt, gleichgültig wie spezifisoh das angewandte Mittel wr
oder wie oft und in welcher Dosis man es verabfolgte. Progressive
Paralyse ist der Typus der Wassermann festen Nervenerkrankung syphi¬
litischen Ursprungs.
Lapinsky: Ueber Nacken- nnd Schnlterscbmerzen und ihre Be¬
ziehungen zu Affektionen der im kleinen Becken liegenden Organe.
(D. Zschr. f. Nervhlk , Bd. 52, H. 5 u. 6.) L. bespricht an einer grossen
Reihe von Beispielen den Zusammenhang zwischen den Empfindungen
im hinteren Halsteil und in der Schultergegend mit dem Zustand der
Organe des kleinen Beckens. Wenn diese Empfindungen durch die Ge-
fasse vermittelt werden, ist diese Mitwirkung der Gefässe durch eine
gewisse „Mitempfindung“ der Blutbahnen des in Rede stehenden Bezirkes
zu den Apparaten des kleinen Beckeos zu erklären. Der Begriff der
Mitempfindung wird näher ausgefübrt.
Morawski: Ein Fall von Kohlenoxydvergiftnng. (D. Zschr. f-
Nervhlk. Bd. 52, H. 1 u. 2.) Fall von Kohlenoxydvergiftung, hei dem
dreierlei Krankheiten kombiniert auftreten: Reste einer cerebralen
Kinderlähmung, Symptome nach einer Kohlenoxydvergiftung und Alcöho-
lismus chronicus. .
0. Roth: Zur Kenntnis des Oedema angioneurotica® paroxy*** 1 *
(Quincke). (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 1 u. 2.) R. hat in einem
Fall von paroxysmalem angioneurotischen Oedem das vegetative Nerven
System untersucht und konnte dabei eine ausgesprochene isolier e
Labilität der Nervenversorgung des Herzens wie auch zum Teil der
Hautgefässe nachweisen.
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UMIVERSITY OF IOWA
23. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1849
M. Friedmann: Beitrag zur Kenntnis der nichtgewerblichen
chronischen Quecksilbervergiftung. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52,
H. 1 u. 2.) Friedmann beschreibt mehrere Typen von nichtgewerblicber
chronischer Quecksilbervergiftung. Dem Quecksilber kommt eine aus¬
gesprochene kumulative Wirkung zu. Die prognostische Bedeutsamkeit
der Intoxikation steigert sich ganz langsam und allmählich, wenn das
schädliche Moment duroh Jahre fort und fort einwirkt. Ist erst einmal
das ausgebildete Stadium des Erethismus da, dann hält es auch weiter
an, auoh wenn jeder toxische Einfluss fortfällt. E. Tobias.
Röntgenologie.
Holzknecht-Wien: Fremdkörperlokaiisation. (M.m.W., 1914,
Nr. 45.) Die vielfach vertretene Ansicht, dass aus zwei in verschiedener
Riohtung aufgenommenen Röntgenbildern die Lage des Fremdkörpers er¬
schlossen werden kann, ist falsch. Um zum Ziele zu gelangen, empfiehlt
H. zwei Methoden: 1. Die Durchleuchtung bei stetiger Rotation des
Körperteils zur Ermittlung a) des fremdkörpernächsten Hautpunktes
oder b) des fremdkörpernächsten Knochenpunktes. 2. Die Durchleuchtung
in zwei einander schräg kreuzenden Richtungen mit Markierung der vier
Hautpunkte an der Durchtrittsstelle der fremdkörperabbildenden Strahlen.
___ Dünner.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
A. Pöhlmann - München: Superinfektion bei Tabes dorsalis.
(M.m.W., 1914, Nr. 45.) Reinfektion — Neuinfektion nach vollständiger
Heilung der ersten Erkrankung, Superinfektion = Neuinfektion bei noch
bestehenden Zeichen der ersten Infektion. Nachdem wir beute wissen,
dass sich bei Tabes Spirochäten finden, muss man einen Primäraffekt
bei einem Tabiker als Superinfektion ansehen. P, beobachtete einen
solchen Fall. Dünner.
F. Luithlen, Ueber Allgemeinbehandlnng der Hautkrankheiten.
(W.m.W., 1914, H. 32 u. 33.) Verf. zeigt, dass die meisten auf der Haut
sich abspielenden krankhaften Vorgänge durch eine Allgemeinbehandlung
günstig zu beeinflussen sind. Auszunehmen sind ausser einigen ange¬
borenen oder erst im späteren Leben auftretenden Anomalien des Pig¬
mentes mit den epithelialen Anhangsgebilden eigentlich nur die ober¬
flächlichen parasitären Hautkrankheiten. Es ist zu versuchen, der wohl
ausgebildeten und auf anatomischen Befunden begründeten äusserlichen
Behandlung der Hautkrankheiten eine Allgemeinbehandlung auf wissen¬
schaftlicher Grundlage hinzuzufügen. Eisner.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
P. Zweifel-Leipzig: Ueber das untere Uterinsegment. (Zbl. f.
Gyn., 1914, Nr. 44.) Verf. schliesst sich im grossen und ganzen der
Auffassung von Veit an. Da Sternberg selbst zugibt, dass der von
ihm als Isthmus bezeichnete Teil identisch ist mit dem von anderen als
unteres Uterinsegment oder besser als unteres Corpussegment benannten
Teil, so dreht sich die Streitfrage wesentlich um die Benennung und
lautet: Ist es besser, von Isthmus oder unterem Corpussegment zu
sprechen? Erschwert wird die ganze Frage nun dadurch, dass man ana¬
tomisch unter Isthmus eine gegen die Umgegend engere, ringförmige
Stelle versteht, in diesem Falle aber die einzelnen Teile eine ganz andere
Formation haben, je nachdem der Uterus gravid ist oder nicht. Die
Anatomen bekommen nur den nichtgraviden Uterus für gewöhnlich zu
sehen, an dem das Segment eine geringe Rolle spielt, wichtig wird es
aber bei der Gravidität und Geburt. Wenn man sieht, dass dieser Teil
sich dabei zur Halbkugel erweitert, und wenn man bedenkt, dass er
zwar eine andere Muskelfaserrichtung, wie C. Rüge gezeigt hat, besitzt
als der Uteruskörper, aber trotzdem richtige Uterusdrüsen, die auch an
der Bildung der Decidua teilnehmen, so muss man eben sagen, dass
dieser Abschnitt eine besondere Zwischenstellung einnimmt, welche uns
berechtigt, ihm auch einen besonderen Namen zu geben. Verf. beweist
endlich die Richtigkeit dieser Auffassung durch Aufzählung der bis jetzt
veröffentlichten Fälle, in denen während des Beginnens oder in den
ersten Stadien der Geburt der Tod eingetreten war, und welche zur
Sektion gekommen sind, und seine Anschauungen über das Aussehen
des unteren Corpussegments in den verschiedenen Stadien in einzelnen
Punkten, welche alle zu beweisen sich bestreben, dass seine Auffassung
die richtige ist.
J. Veit: Das untere Uterinsegment und seine praktische Bedeutung.
(Zbl. f. Gyn., 1914, No. 44.) Io Hegar’s Beitr. z. Geb. u. Gyn., Bd. 19,
S. 342 hat Sternberg, ein Schüler von Aschoff, die Behauptung auf¬
gestellt, dass der sogen. Isthmus des Uterus sich nur mikroskopisch
unterscheiden liesse. Verf. hält diese Auffassung für einen bedenklichen
Rückschritt. Aus anatomischen und klinischen Gründen hält er an der
früheren Auffassung, der Dreiteilung in Uteruskörper, unteres Uterin¬
segment und Cervix fest und erläutert des näheren, weshalb diese
makroskopische Einteilung in den verschiedenen Stadien der Schwanger¬
schaft sowohl, wie namentlich in den Fällen von Ueberdehnung des
unteren Uterinsegments geboten ist. Auch diese letztere Bezeichnung
möchte er bewahrt wissen, und hält sie für bezeichnender und besser,
als die von Waldeyer eingelührte Bezeichnung „Engpass“. Das Ende
dieses Teiles wird äuserlich zugleich durch den Ansatz des Peritoneums
charakterisiert. Bringt man nun den Praktikern die Auffassung bei,
dass es einen solchen Unterschied der einzelnen Uterusabschnitte nicht
gibt, so birgt das die grosse Gefahr in sieb, dass man verlernt, in den
Fällen, wo bei der Geburt ein Hindernis auftritt, auf diese bisher als
unteres Segment bezeichnete und in solchem Falle besonders gefährdete
Partie zu aohten. Mag man daher weitere Untersuchungen über den
mikroskopischen Bau ^nstellen, welche man will, diese Auflassung sollte
man nicht antasten, weil sie für die Praxis von ausschlaggebender Be¬
deutung ist. Siefart.
Technik.
Kuhn -Schöneberg: Pneumatische Lokalanästhesie. (M.m.W.,
1914, Nr. 45.) Nach Ansicht des Ref. deckt sich der Artikel mit einer
jüngst in der D.m.W. gemachten Veröffentlichung des Verf. Doppelt
genäht hält besser. Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Aerztllcher Verein zu Hamburg.
Sitzung vom 20. Oktober 1914.
1. Hr. Braner berichtet über einen Fall von Mediastinalahseess.
Ein Patient klagte nach Ablauf mehrerer Anfälle von Angina über
Schmerzen im linken Arm und unter dem Sternum. Anfangs bestehendes
Fieber ging wieder zurück. Die Diagnose schwankte zwischen Neuralgien,
Aneurysma und Endocarditis. Das Röntgenbild (Haenisch) zeigte
eigenartigen, dem Herzen aufgelagerten Schatten, der an ein abgesacktes
Empyem denken Hess. Patient entleerte weiterhin periodisoh Eiter mit
dem Sputum. Der objektive Lungenbefund war jedoch negativ. Es
wurden verschiedene operative Eingriffe gemacht. Beim letzten Mal wurde
durch Prof. Sick die Pleuraumschlagstelle zur Seite gedrängt, worauf
sich reichlich rahmiger Eiter aus dem Mediastinum entleerte.
Zurzeit befindet sich Patient in voller Heilung.
2. Hr. Jacobathai zeigt einen in einer hiesigen Apotheke feil¬
gebotenen Wawerfiltrierapparat, der den Truppen mit ins Feld gegeben
werden soll. Die Untersuchung desselben ergab, dass nicht nur Bac.
pyocyaneus, sondern auch kleine Algen das Filter passierten.
Diskussion. Hr. Herold: Im allgemeinen gilt im Felde nur ge¬
kochtes Wasser als einwandfrei. Es soll vor dem Filter gewarnt werden.
3. Hr. Fahr demonstriert das Gehirn eines Kindes mit einer schweren
Schossverletznng des Stirnhirns. Die Verwundung wurde an sich nicht
tödlich, erst eine sekundär hinzutretende Meningitis führte nach 15 Tagen
den Exitus herbei.
4. Hr. v. Bergmann: Herzbentelschuss.
Der Verwundete hatte in den ersten 3—4 Tagen eine starke Blu¬
tung, war späterhin leidlich besebwerdefrei bis auf ein geringes Oppressions-
gefühl über der Brust. Die Röntgenuntersuchung ergab ein in einem
pericarditischen Exsudat freibewegliches Geschoss, die Probe¬
punktion des Herzbeutels blutigseröse Flüssigkeit.
Diskussion. Hr. Haenisch berichtet über einen Fall von Bauch¬
schuss, bei dem ebenfalls die Kugel absolut frei beweglich war.
Da mau hätte aunehmen müssen, dass eine in der freien Bauchhöhle
gelegene Kugel bald zur Ausbildung von Adhäsionen geführt hätte, so
war am wahrscheinlichsten, dass das Geschoss sich im Darm befinde,
eine Annahme, die jedoch durch Röntgenaufnahme unter Bariumfüllung
als falsch erwiesen wurde.
5. Hr. Oehlecker demonstriert mehrere Fälle von Nerven¬
verletzungen und zwar
1. einen Fall, bei dem neben isolierter Läsion des unteren Facialis-
astes eine Parotisfistel entstanden war;
2. einen Fall von Facialisschuss mit Trommelfellverletzung und
Otitis media;
3. einen solchen von etwas weiter central verursachter Facialis-
lähmung mit Geschmacksstörungen.
Das Resultat chirurgischer Maassnahmen sieht man erst nach Mo¬
naten und Jahren. Der Vortragende zeigt zu diesem Zwecke eine
15 jährige Patientin, bei der er vor einem Jahr ein den N. radialis um¬
wachsendes Sarkom entfernt und die wiedervereinigten Nervenenden mit
einem Stück der V. saphena umhüllt hat. Zurzeit komplette Heilung.
6. Hr. Sndeck:
Ueber Wundinfektion durch den Bae. empb. Fraenkel.
Als ein scharf umschriebenes Bild hebt sich aus der Reihe der
Wundinfektionen die durch den Gasbacillus hervorgerufene ab. Ihre Pro¬
gnose bat als besonders ungünstig zu gelten. Klinisch charakteristisch
ist das rapide Eintreten des 0edem3, eine Gewebseinschmelzung ohne
Eiterung, sowie die schokoladenbraune Färbung des Blutes und eine
kupferrote Färbung der Haut, endlich das Emphysemknistern. Sehr
schnell eintretende Gangrän einer ganzen Extremität macht sofortige
Amputation notwendig. Daneben, in anderen Fällen allein, ist die Be¬
handlung mit Sauerstoff — Insufflation in das erkrankte Gewebe aus einer
Bombe — sehr empfehlenswert.
Vortr. berichtete über drei Fälle. Beim ersten folgte die Sauer-
stoffbehandlnng der notwendig gewordenen Amputation; bei den anderen
genügte breite Spaltung und Sauerstofibehandlung, um eine ziemlich
rasche Beseitigung der Infektion herbeizuführen.
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Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
1850
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 47.
Diskussion.
Er. Alsberg berichtet über einen nach Inzision in Heilung über- |
gegangenen Fall von Gasgangrän.
Hr. Sick behandelt seit 2 Jahren ebenfalls mit Sauerstoff. Wichtig
sei die breite Inzision; der Verband erfolge am zweckmässigsten mit
Wasserstoffsuperoxyd. Unter den Kriegsverwundeten hatte S. 2 Fälle,
von denen der eine eine Amputation notig machte, während der andere an
Tetanus zugrunde ging. Ein weiterer Fall, der klinisch einem Milz¬
brandödem sehr ähnlich sah, erwies sich als eine Infektion mit malignem
Oedem.
Hr. Fraenkel: Von einer eigentlichen Phlegmone sei bei der Gas¬
gangrän nicht die Rede, gerade das Fehlen von Eiterung sei charakte¬
ristisch. In allen typischen Fällen habe er den von ihm endeckten Er¬
reger gefunden. F. zeigt Präparate aus der Kriegs- und Friedenspraxis.
Bei einem derselben handelte es sich um eine Affektion einer isolierten
Muskelgruppe. F. empfiehlt für die Diagnose das Tierexperiment.
Beim Meerschweinchen entsteht nach Verbringung eines alfizierten Ge¬
websstückchens unter die Haut ein der menschlichen Erkrankung ent¬
sprechendes Bild. Das Kaninchen dagegen ist gegen den Erreger völlig
immun. Demgegenüber verursacht die Infektion mit malignem Oedem
bei beiden Versuchstieren eine gallertartige Infiltration des Unterhaut¬
zellgewebes, während die Gasentwickelung sehr gering ist. Therapeu¬
tisch hat F. bei seinen Tierversuchen ebenfalls die gute Wirkung breiter
Inzisionen, ausserdem die Behandlung mit übermangansaurem Kalium als
Sauerstoffüberträger erprobt. Eine Immunität wird durch das Ueber-
stehen der Infektion nicht erlangt.
Hr. Ringel berichtet über einen Fall von Lungenschuss mit Blut¬
erguss in die Pleura, der anfangs völlig rein war und erst bei späterer
Punktion als mit dem Bacillus der Gasgangrän infiziert sich erwies. Der
Hergang der Infektion sei in diesem Falle schwer zu verstehen.
Hr. Schottmüller macht darauf aufmerksam, dass bei puer¬
peralen Infektionen mit dem Erreger der Gasgangrän, obwohl ver¬
einzelte Keime ins Blut ausgeschwemrat werden, die Mortalität nur 5 pCt.
betrage. Die so viel schlechtere Prognose bei äusseren Verletzungen sei
wohl durch die Zertrümmerung des Gewebes bedingt.
Hr. Simmonds zeigt die Leber eines hierbergehörigen Falles von
Gasbrand nach Abort.
Hr. Alsberg.
Hr. Fraenkel macht noch darauf aufmerksam, dass man durchaus
zwischen der eigentlichen Gasgangrän und einer Gasbildung vorher be¬
reits infizierter Wunden unterscheiden müsse. In letzterem Falle kämen
auch andere Bakterienarten in Frage.
Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Wien.
Sitzung vom 22. Oktober 1914.
, (Eigener Bericht.')
Hr. Linker demonstriert mehrere Lnngensteine.
Sie entstehen durch Kalkablagerung in verkästen Bronchialdrüsen,
Lungenteüen, in Schleimflocken, Blutgerinnseln: Tumoren und gestielten
Hydatiden. Ihr Vorkommen beschränkt sich nicht nur auf die Bronchien,
man findet sie auch in Hohlräumen der Lunge und im Lungengewebe
selbst. Sie sind manchmal verästelt, ihre Grösse ist verschieden. Am
Durchschnitt zeigen sie eine geringe Schichtung. Sie bestehen aus
phosphorsaurem und koblensaurem Kalk, in einem Falle wurde als Be¬
standteil kohiensaure Magnesia gefunden. Man hat auch Knochenbildung
in der Lunge konstatiert.
Hr. ß&ss führt einen 25jäbrigen Soldaten mit einer Läsion des
Plexus bracbialis durch Schuss vor.
Das Projektil drang vor 6 Wochen einen Querfinger unterhalb des
rechten Auges ein, erzeugte eine Fraktur des rechten aufsteigenden
Mandibularastes, verletzte die Wange, die Arteria braohialis sowie den
Plexus bracbialis und erzeugte einen Hämatothorax auf der rechten
Seite. Das Röntgenbild zeigt die Kugel im rechten Hilusschatten. Von
seiten der LuDge bestehen jetzt keine Erscheinungen. Früher war an
der ganzen rechten oberen Extremität kein Puls zu fühlen, und sie war
schlaff, gelähmt, die Sensibilität zeigte nur geringe Störungen, während
unmittelbar nach der Verletzung der ganze Arm gefühllos war. Jetzt
sind Atrophien im Bereich des Schultergürtels, der Vorderarmmuskulatur,
des Triceps und in geringem Maasse auch am Daumenballen vorhanden.
Die Motilität ist zum Teil zurückgekehrt, so dass geringe Bewegungen
möglich sind. Pat. klagt über reissende Schmerzen in der Hand. Es
liegt eine Läsion des Plexus bracbialis oder seiner Wurzeln vor.
Ferner führt Hr. Bass einen 24jäbrigen Soldaten mit einer Uln&ris-
lähmnng Dach Sehnssverletzang vor.
Pat. erlitt einen Durchschuss durch den linken Oberarm oberhalb
des Ellbogengelenkes mit einem Splitterbruch des unteren Humerusendes
und ausserdem einen Durchschuss durch die linke Tboraxhälfte; letzterer
erzeugte einen massigen Hämatothorax. Pat. zeigte eine typische Lähmung
des linken Ulnaris mit Sensibilitätsstörung an der ulnaren Seite der
Hand und des Unterarmes. Die Lähmung ist unter elektrischer Be¬
handlung zurückgegaogen, Atrophien sind im Thenar und Antithenar
bemerkbar, die Phalangen des 4. und 5. Fingers sind ebenfalls atrophisch.
Hr. Fachs demonstriert einen 30jährigen Soldaten mit einer Spon¬
dylitis tranmatica, welche einige Wochen nach einem Zugzusammen-
stoss entstanden ist. , . . _ , , .
Pat. verlor das Bewusstsein, und als einziges Symptom blieben ihm
nach dem Unfall heftige Schmerzen im Rücken, welche zuerst diffus
waren und sich dann im unteren Dorsalteile der Wirbelsäule lokali¬
sierten. Hierzu gesellte sich eine Veränderung des Ganges. Der
12. Dorsalwirbel ist druckempfindlich, die Haut ist daselbst hyper¬
ästhetisch, der Gang ist ähnlich demjenigen bei spondylitischer Lähmung.
Pat. vermeidet jede Beugung der Wirbelsäule. Durch die Röntgenunter¬
suchung wurde eine leichte Veränderung des 12. Brustwirbels bezüglich
der Struktur und der Form konstatiert, auch ist eine Gibbusbildung zu
bemerken. Pat. bekam ein Gipskorsett, jetzt ist er etwas gebessert.
Hr. Gerstmann stellt einen Mann mit Astereognose Bich Seh&del-
sehiss bei intakter Sensibilität vor.
Pat. wurde von einem Schrapnellgeschoss auf dem linken Stirn- und
Scheitelbein getroffen. Er bekam eine Lähmung der rechten oberen Ex¬
tremität, einer Gesichts- und Zungenhälfte, war aber nicht bewusstlos
und ging selbst auf den Verbandplatz. Er zeigte bei der Untersuchung
eine reine motorische Aphasie, spastische Parese der rechten oberen
Extremität, des rechten Facialis und Hypoglossus, sowie Atrophie der
gelähmten Gesichtsmuskeln. Die Lähmungen besserten sich, es trat aber
Astereognose ein, d. h. Pat. erkannte trotz normalen Tastsinnes durch
Betasten mit der rechten Hand Dicht die Gegenstände; es sind also ent¬
weder die taktilen Erinnerungsbilder verloren gegangen, oder es sind die
Beziehungen zwischen dem Tastsinn und den anderen Sinnen aufgehobeD.
Es ist eine Mischform von Astereognose und Wernicke’scher Tast¬
lähmung vorhanden. Das Röntgenbild zeigte eine Fissur im Stirnbein
und einige kleinere Sprünge im vorderen Anteile des linken Schläfen¬
beins. Die Lähmungen haben sich weitgehend gebessert.
Ferner zeigt Hr. Gerstmann einen Soldaten mit Radialislakniij»
infolge eines Schulterschusses, ferner mit linksseitiger Facialis- and
Hypoglossnsparese nebst Aphonie nach einer zweiten Scbussverletzuug.
Die Aphonie ist durch eine Verletzung des Kehlkopfes hervorgerufen.
Schliesslieh führt Gerstmann einen Soldaten mit einer linksseitigen
Facialislähmiing nach Schnssverletznng durch die Wange vor.
Es besteht keine elektrische Entartungsreaktion.
Hr, Schlesinger stellt einen Soldaten vor, welcher infolge Schuss-
Verletzungen eine Magenfistel and eine doppelte Darmfistel bekommen
hat, wozu sich noch Tetanus uud Dysenterie gesellten.
Der Tetanus wurde erfolgreich mit Magnesiumsulfat be¬
handelt.
Durch 2 Schrapnellkugeln wurden der Magen und der Darm ver¬
letzt; die Magenfistel wurde operativ geschlossen, die Darmfisteln wurden
nicht operiert, da Pat. unterdessen Tetanus bekommen hat. Pat. wurde
mit einer wässrigen 25proz. Lösung von Magnesiumsulfat behandelt.
Die sonst angewandte intralumbale oder intravenöse Injektion war bei
dem Kranken nicht anwendbar, es wurde daher die Lösung subkutan
bzw. intramuskulär gegeben, die Injektionen wurden anfangs zu 20 ccm
täglich zweimal, später einmal vorgenoramen. Der Tetanus wurde durch
die Injektionen sehr günstig beeinflusst.
Ferner demonstriert Hr. Sehlesinger einen Soldaten, welcher im
Anschluss an eine Schädelverletzung hysterischen Mltismns gezeigt hat.
Er bekam allgemeine Körperkrämpfe, welche den Eindruck von
hysterischen Attacken machten; trotz der kompletten Aphasie benahm
sich Pat. doch abweichend von dem gewöhnlichen Verhalten der Apbatiker,
er machte gar nicht einmal den Versuch zu phoniereD. Als dem Pat,
mitgeteilt wurde, dass ihm „starke Injektionen“ gegeben werden und zu
diesen Aqua destill. benützt wurde, besserte sich die Sprache und zwar
merkwürdigerweise zuerst für Deutsch, erst später für Polnisch.
Schliesslich besprach Hr. Schlesinger den Verlaof des Banal«-
thorax bei Lnngenscbüssen.
Vortr. hat ausser den 26 Fällen seiner Abteilung eine grosse An¬
zahl von Hämatothoraxfällen auch auf anderen Abteilungen gesehen.
Von den Fällen mit Hämatothorax hat nur ungefähr die Hälfte ge¬
fiebert und auch diese in der Regel nur kurze Zeit nach dem Trans¬
port; nach 1— 2 tägiger Bettruhe ist das Fieber verschwunden. _ Die
Pulsfrequenz war auffallend wenig geztört, bei 18 von den 2G Fällen
war sie normal; Tachykardie war in 6 Fällen, Bradykardie in 2 Fällen
vorhanden. Der Hämatothorax war zumeist nur massig gross; auffallend
war, dass auch bei schweren Verletzungen selten ein Zurückbleiben der
Thoraxatmung zu konstatieren war, nur in */* ^ er Fälle ^ e .. e f
krankte Seite bei der Atmung zurück. Dyspnoe war Dur in der Hälfte
der Fälle vorhanden, schwere Dyspnoe kam nur vereinzelt vor. Eine
Punktion des Hämatothorax wurde nur zweimal vorgenommen. Eine In¬
fektion ist unter den 26 Fällen zweimal eingetreten, und zwar eine
Lungengangrän bei einem Manne mit 4 Brustschüssen und ein Empyem
bei einem zweiten Falle. Das Unterlassen der Punktion bat den
Nachteil, dass der Hämatothorax lang stehen bleibt und sich wenig
ändert, bei den meisten Fällen ist jetzt, 4—7 Wochen nach der Ver¬
letzung, der Hämatothorax nicht sehr viel kleiner als am Anfang. ».
Ueber Rückenmarksverletzungen.
Bemerkungen zu der Mitteilung von Dr. E. FroebIicb
in Nr. 45 der Berliner klin. Wochenschrift.
Von
Wilhelm Erb - Heidelberg.
Der lebhafte Wunsch, die Casuistik der „Rüokenraarksverletiungw >
die wohl in unserem grossen Kriege sehr erheblich anschwellen ** ’
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UNiVERSITY OF IOWA
23. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1851
von sicht dazu gehörigen und zu irrtümlichen Schlussfolgerungen
führenden Beobachtungen frei zu halten, veranlasst mich — sehr gegen
meine Neigung — zu einigen Bemerkungen über die von Dr. E. Froehlich
in der vorletzten Nummer (45) dieser Wochenschrift mitgeteilten Be¬
obachtung.
Seine Ansicht, dass es sich bei dieser um eine „ausgedehnte
Zertrümmerung im Rückenmark“ handle, und dass „das Krankheits¬
bild dem der Myelitis transversa ähnele“, ist offenbar nicht zutreffend.
Die Kugel ist in der Höhe des 3. Lendenwirbels (links) ein¬
gedrungen und auch im Röntgenbild daselbst nachweisbar.
Nun endigt bekanntlich das Rückenmark bereits viel höher oben;
die Spitze des Conus terminalis liegt gewöhnlich an der Grenze zwischen
1. und 2. Lendenwirbel. Die Stelle, wo wir die Lumbalpunktion machen,
liegt meist zwischen 2. und 3. Lendenwirbel oder tiefer, jedenfalls
unterhalb des Conusendes.
Das Rückenmark selbst kann also in diesem Falle gar nioht
getroffen sein; und selbst wenn eine Conusläsion, eine „Zertrümme¬
rung“ desselben, vorläge, würde das Symptomenbild ein anderes und viel
schwereres sein und nicht in ganz kurzer Zeit eine erhebliche Besserung
erfahren haben.
Es bandelt sich offenbar um eine Läsion der Caudaequina,
vorwiegend der linken Seite; es ist überflüssig, dies aus dem Symptomen¬
bild noch genauer zu begründen; dasselbe ist klar genug.
Jedenfalls aber darf dieser Fall nicht den eigentlichen Rücken¬
mark sverletzungen zugerechnet werden.
Heidelberg, 14. November 1914.
Erwiderung zu vorstehenden Bemerkungen.
Von
E. Froehlich.
Für das Interesse, das Exzellenz Erb meinen bescheidenen Aus¬
führungen entgegenbringt, bin ich ihm zu grossem Dank verpflichtet.
Ich möohte aber doch nicht verfehlen, folgendes zu bemerken; Der
Patient hatte sofort nach der Schussverletzuog Anfang September eine
vollständige Lähmung beider Beine sowie von Blase und Mastdarm, die
sich allerdings in kurzer Zeit weitgehend zurückbildete. Das rechte
Bein zeigte Wochen hindurch einen sicheren Babinski; ferner bestand
längere Zeit deutlicher, wenn auch geringer Spasmus in beiden Knie¬
gelenken. Jetzt noch, 2 Monate nach der Verletzung, besteht neben
einer Lähmung und Atrophie der gesamten linken Unterschenkelmusku¬
latur eine starke Herabsetzung des Lagegefühls am linken Fuss bei
sonst intakter Sensibilität.
Diese Störungen lassen sich wohl nicht allein auf eine Verletzung
der Cauda beziehen: man muss vielmehr annehmen, dass die Schuss¬
verletzung in der Höhe des 8. Lendenwirbels, welche die Caudafasem
für die linksseitige Unterschenkelmuskulatur schwer verletzt hat, auch
eine Schädigung des Lumbo Sacralmarks herbeigeführt bat. Ich gebe
aber unbedingt zu, dass der Ausdruck „ausgedehnte Zertrümmerung“
nicht zutrifft. Wahrscheinlich haben wir es, mit einer ausgedehnten
Blutung in die Rückenmarksbäute zu tun, die auch zu einer Kom¬
pression des Rückenmarks geführt hat.
Herr Prof. Rothmann, der die Freundlichkeit hatte, den Fall jetzt
mit mir zu untersuchen, hat gerade auf Grund seiner vielfachen Er¬
fahrung über spinale Schussverletzuogen in diesem Kriege diese Auf¬
fassung vertreten. Vielleicht würde in solchen Fällen eine frühzeitige
Lumbalpunktion durch den Nachweis blutiger Cerebrospinalflüssigkeit
die Diagnose sichern und auch einen günstigen therapeutischen Effekt
haben.
Wenn ich endlich das Krankheitsbild als ähnlich der Myelitis
transversa bezeichnet©, so wollte ich damit lediglich den im Anfang sich
darbietenden Symptomenkomplex kennzeichnen. Jedenfalls bin ich
Exzellenz Erb zu Dank verpflichtet, dass er durch eine berechtigte
Kritik zur weiteren Klärung des interessanten Falles beigetragen hat.
Berlin, den 18. November 1914.
Kriegsskizzen.
Von
Dr. Arthur Münzer, zurzeit im Felde.
.Nur der Irrtum ist das Leb.'iJ,
Und das Wissen ist der Tod.*
In kurzer Zeit war der grösste Teil Belgiens von unseren Truppen
erobert worden. Harter Kämpfe hatte es zuweilen bedurft, und viel
Blut war geflossen; aber endlich wurde das Ziel erreicht, und die
deutsche Flagge wehte fast über dem ganzen Lande. — Nur eins, das
nichtigste, war noch nicht in unseren Besitz gelangt; Antwerpen. Als
wir vor 2 V 2 Monaten hierher kamen, wurde naturgemäsk viel über den
Krieg debattiert. Sobald aber die Rede auf Antwerpen kam, zuckte man
voller Zweifel die Achseln. Antwerpen, eine der stärksten Festungen
der Welt, der Stolz seines Erbauers Brialmont! Kaum möglich! Viel¬
leicht denkt man auch gar nicht an eine Belagerung! Vielleicht haben
¥l ? s gar nicht nötig! Sparen unsere Kräfte zu wichtigeren Unter¬
nehmungen! So wurde oftmals in unserem Kreise hin-und hergestritten,
und ein jeder versuchte mit allem Nachdruck seine Meinung zu ver¬
teidigen. Schliesslich sprach man nicht mehr darüber; aber im Stillen
dachten wir alle an die uneinnehmbare Festung, an der auch der stärkste
Anprall erlahmen sollte. Und die Tage vergingen. — Schnell drangen
unsere Truppen vor; bald ist Brüssel in unseren Händen. — Aber
Antwerpen? — Keiner wusste etwas Genaues.
Sonntag, den 27. September — der Vormarsch wird befohlen. Vor
Mecheln entwickelt sich ein heftiges Gefecht, die Stadt wird lebhaft be¬
schossen, am nächsten Morgen von unseren Truppen besetzt; die Ein¬
wohner fliehen. Unsere Infanterie, vereinigt mit der Marinedivision, rückt
vor. Am 29. September, mittags um 1 Uhr fällt der erste Schuss aus
den grossen Geschützen. Und nun geht’s Schlag auf Schlag. Unauf¬
hörlich donnern unsere Geschütze. Es gibt keine Ruhe mehr. Tag und
und Nacht hallt’s über die Felder; die Häuser erzittern, die Fenster¬
scheiben klirren. Eine besonders machtvolle Erschütterung wird durch
die „grossen Brummer“ hervorgerufen. In der Nacht wirkt der Geschütz¬
donner noch unheimlicher: die tiefe Stille und der plötzlich weithin sich
fortpflanzende Knall bilden grelle Kontraste; und oft schreckt man, wenn
jah die friedliche Ruhe durchbrochen wird, aus dem Schlummer empor
und hört noch den Nachhall des eben abgefeuerten Schusses.
Schnell erfüllt sich das Schicksal. Nach wenigen Tagen fallen die
ersten Forts, die Bresche ist geschlagen. — Jetzt gilt’s den schwierigen
Netheabschnitt zu nehmen. Die Nethe, ein kleines Flüsschen, kann
durch das zugehörige Ueberschwemmungsgebiet, d. h. durch künstlich
unter Wasser zu setzendes Gebiet, zu einem der schwersten Hindernisse
für vorrückende Truppen werden. Auch dieses wird bezwungen. —
Recht anschaulich hat mir ein Kamerad, der als Offizierstellvertreter mit
der fechtenden Truppe am Netheübergang teilgenommen hat, diesen ge¬
schildert; Es ist tiefe Nacht, sternklarer Himmel. Das Bataillon erhält
Befehl, über die Nethe zu gehen. In aller Stille wird angetreten. Nur
ein schmaler, von Pionieren gebauter Steg führt über den Fluss. Im
Einzelmarsch, mit je 5 Schritt Abstand, zieht das Bataillon hinüber.
Eine Totenstille herrscht dabei. In den feindlichen Forts rübrt sich
nichts. Nur der Mond scheint hinab auf unsere Soldaten, wie sie da,
Mann für Mann, leise, ganz leise, die Augen starr nach vorn gerichtet,
über die Brücke ziehen. Stundenlang dauert’s, bis sie hinüber sind,
dann rüsten sie sich zu weiterem Kampf.
Das Kriegsglück hat uns nicht verlassen. Nach kurzem Kampf
wird auch der innere Fortgürtel durchbrochen. Der Beschiessung der
Stadt steht nichts mehr im Wege. Als der Kommandant erklärt, die
Verantwortung für dieselbe übernehmen zu wollen, beginnt das Bom¬
bardement am 7. Oktober. Zwei Tage später wird die Stadt kampflos
übergeben.
In dem Verlaufe dieser denkwürdigen Belagerung liegt eine er¬
schütternde Tragik. Wieder einmal wird uns offenbar, wie eitel bisweilen
jede menschliche Voraussicht, wie trügerisch auch die stärkste Hoffnung
sein kann. — An Antwerpen, der unbezwinglichen Festung, sollte der
Angriff des Feindes zerschellen, und nur 12 Tage konnte es ihm stand¬
halten. Mächtige Forts schirmen den Zugang zur Stadt, und zum Schluss
wird diese kampflos übergeben. Als die deutschen Truppen in Ant¬
werpen einziehen, finden sie keine Militärbehörde, mit der wegen der
Uebergabe verhandelt werden kann, so dass der Bürgermeister zu den
Verhandlungen herangezogen werden muss. Gibt es wohl tragischere
Kontraste?
Für den, der die Dinge losgelöst aus ihrem Zusammenhang be¬
trachtet, scheint es fast, als habe die „ewige Gerechtigkeit“ (Schopen¬
hauer) mit dem Fall Antwerpens einen Ausgleich geschaffen, einen Aus¬
gleich zwischen unserer gerechten Sache und dem freventlichen Spiel
unserer Gegner; denn etwas scheinbar Unmögliches ist hier zur Tat¬
sache geworden. Darum wird auch der moralische Effekt dieses histo¬
rischen Ereignisses ein eminent grosser sein. Wie es auf der Seite
unserer Gegner zu tiefer Depression führen mus9, so wird es unsere
Truppen zu weiteren Taten fortreissen. Es wird in uns den eisernen
Willen zum Siegen stählen und unter seiner Wucht die Kräfte des
Feindes zertrümmern.
Die Einnahme Antwerpens bleibt eine Ruhmestat für unsere tapferen
Truppen und ihren Führer, General v. Beseler. Wenn im Laufe der
Jahrhunderte viele Schriftzeichen, die der Chronist ins Buch der Zeiten
eingetragen, sieh verwischt haben werden, dann muss in um so schärferer
Prägung — wie aus Stein gemeisselt — die Geschichte von der zwölf¬
tägigen Belagerung Antwerpens im Jahre 1914 hervortreten. Und späteren
Geschlechtern noch wird verkündet werden: An Antwerpen, der un¬
bezwinglichen Festung, sollte der Angriff des Feindes zerschellen, und
nur 12 Tage konnte es ihm standhalten.
XI. Die Geisterstadt.
Nach der Einnahme Antwerpens wurde auch unser Feldlazarett, das
bis dahin in H. im Quartier gelegen, wieder in Marsch gesetzt. Gleich
am ersten Tage galt’s, ein schönes Stück Wegs zu bewältigen. Wir
waren nicht allzu früh am Morgen aufgebrochen und marschierten einige
Stunden. Hernach gab’s eine kurze Mittagsrast, und dann ging’s weiter.
Der Nachmittag war recht schön. Als aber die Sonne untergegangen
war, wurde es empfindlich kühl. Bald erscheinen Mond und Sterne und
erhellen unsern Weg. Wir marschieren durch verschiedene Ortschaften
hindurch, machen aber nicht mehr Halt. Es mochte zwischen 10 und
11 Uhr sein, als wir uns dem Orte T., einer Stadt von etwa 10 000 bis
11 000 Einwohnern, nähern. Hier hatten, wie uns lange bekannt war,
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UNIVERSUM OF IOWA
1852
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 47.
mehrfach erbitterte Kämpfe stattgefunden und mussten sicherlich deut¬
liche Spuren hinterlassen haben. — Wir rücken in den Ort ein und
finden alle, aber auch alle Häuser zerschossen. Von vielen ist nur ein
Trümmerhaufen geblieben; die übrigen sind auch zum grössten Teil zer¬
stört, so dass nur noch eine Hasse von Ruinen in die Luft binausragt,
der Boden ist von Schutt und Geröll bedeckt. — In der Dunkelheit
kann man die einzelnen Konturen nicht deutlich erkennen; man sieht
nur ganz unvermittelt allerhand phantastische, groteske Formen vor
sich auftauchen. Hie und da bahnen sich durch die zerschossenen
Fenster die Mondstrahlen ihren Weg und beleuchten die Trümmerstätten.
Der Ort ist öde und leer. Wir ziehen durch laDge Strassen — kein
Mensch, kein Tier. Ab und zu huschen Militärautoraobile vorbei, eine
Sekunde wird’s taghell, und dann fällt alles wieder in tiefe Dunkelheit
zurück. Wir kommen an grossen, weiten Plätzen vorbei, alles leer, alles
verlassen. Ueberall starrt uns der Tod entgegen, der Ruin, das Ende.
In der Dunkelheit wirkt alles noch viel unheimlicher. Wir sind wie in
einer Geisterstadt, weitab von allem Leben. Ist das vielleicht eine von
den Städten, die auf den Meeresgrund versunken sind, deren Atem er¬
loschen, und die nun dort unten in der Finsternis ihr Totendasein weiter¬
führen? Wie ein Geisterzug zieht unser Feldlazarett durch die erstarrte
Stadt — das einzige Leben in den Trümmern der Vernichtung. Eigen¬
artig laut hallt in den verlorenen Strassen das monotone Stampfen der
Pferde und das Rasseln der Wagen. Alles ist auf den gleichen trüben
Ton gestimmt. Vorsichtig bahnen wir uns den Weg durch Schutthaufen
und über die zum Teil aufgebrochenen Strassen. Endlich sind die Tore
der Stadt erreicht, und es geht wieder hinaus auf die Landstrasse. Wie
befreit von einem schweren Alp atmen wir auf, als wir die Geisterstadt
verlassen, und bald liegt sie, in völlige Dunkelheit gehüllt, hinter uns.
Weiter vorwärts führt unser Weg.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Die seltene Auszeichnung des Eisernen Kreuzes I. Klasse
erhielt Dr. A. Bauer in Rothenfelde für hervorragende Tapferkeit bei
Behandlung und Versorgung seiner Verwundeten.
— Prof. Emmerich inMünchen, der bekannte Hygieniker, ist, 62Jabre
alt, gestorben.
— In Namur haben die deutsch-belgischen Aerzte einen kriegsärzt¬
lichen Abend eingerichtet, der schon wiederholt stattgefunden hat.
— Warme Unterkleidung für unsere im Felde stehenden Truppen
zu beschaffen, hat sich ein Kriegsausschuss zur Aufgabe gemacht, in
dessen Aufträge im Oktober Prof. Martin Fassbender einen „Woll-
zug“ nach Frankreich begleitete, ln seinen in der Kölnischen Volks-
zeitung veröffentlichten Schilderungen sucht F. darzulegen, dass die
Heeresverwaltung die Sorge für solche Unterkleidung nicht in vollem
Umfange übernehmen kann, da sie sich auf die etatsmässigen Liefe¬
rungen beschränken müsse, eine Auffassung, der kürzlich Klotz-Heidel¬
berg und auch wir nicht beitreten konnten, und ferner, dass die jetzt
üblichen Transporte in Autos nicht entfernt ausreichen, um der Not zu
steuern. Es seien grosse Güterzüge nötig, die in gewissen Zeitabständen
die Wollsachen auf den Kriegsschauplatz zu bringen haben, und es sei
hier ein Gebiet gegeben, das in den Aktionsbereich des Roten Kreuzes
in Zukunft einzubeziehen sei. Ob das Rote Kreuz das hierfür geeig¬
netste Organ ist, mag späterer Untersuchung Vorbehalten bleiben; für
die Gegenwart ist jedenfalls die Bitte des Verf. um reichliche Lieferung
von Wollsachen und seine Anregung, die unbrauchbar gewordenen zur
Reparatur zurückzubefördern, in weitestgehendem Maasse zu unterstützen.
— Der Vorstand der Deutschen Heilstätte in Davos berichtet, dass
das Deutsohe Haus in Agra im Kanton Tessin, oberhalb des Luganer
Sees, die neue Anstalt der Deutschen Heilstätte, am 15. November d. J.
eröffnet wurde. Die 100 Betten des Deutschen Hauses werden für
die Dauer des gegenwärtigen Krieges zu ermässigten Preisen deutschen
verwundeten und erkrankten Kriegsteilnehmern und ihren Angehörigen
zur Verfügung gestellt.
— Das Kaiserliche statistische Amt teilt eine Reihe von pharma¬
zeutischen Produkten mit, die in letzter Zeit von Deutschland nach
Eogland exportiert wurden. So bezog England im ersten Halbjahr 1914
51400 kg Brom, 126 200 kg Salicylsäure, Benzoesäure und deren Salze,
sowie Santonin, 13 200 kg Natron, 537 500 kg Holzessig, Aceton und
Formaldehyd. Nachdem mit Ausbruch des Krieges alle Handels¬
beziehungen zwischen Deutschland und England abgebrochen sind, macht
sich in England der Mangel an Heilmitteln allmählich bemerkbar, so
da 9 s die englischen Aerzte, wie eine amerikanische Zeitschrift mitteilt,
aufgefordert wurden, bei der Verschreibung von Heilmitteln möglichst
sparsam zu sein und die Umgehung deutscher Patente (Salvarsan z. B.)
in skrupellosester Weise behördlicherseits empfohlen wird. — Frankreich
und Russland sind auch zur Einschränkung gezwungen, wenn auch nicht
in so erheblichem Maasse.
— Die Gesellschaft für chemische Industrie in Basel erklärt sich
bereit, den Herren Aerzten im Felde und an Lazaretten „Vioform-Firnis,
gefüllte Vioform-Zerstäuber, Coagulen Kocher-Fonio, Digifolin-Tabletten
und Ampullen, Dial-Ciba (Beruhigungs- und Schlafmittel), Phytin, Cbi-
ninpbytin, Lipojodin, Peristaltin, Sälen und Salenal“ (Antirheumatica)
kostenlos zur Verfügung zu stellen und bittet hiervon Gebrauch machen
zu wollen. Man wende sich an das Bureau der Gesellschaft, Berlin S.W. 11,
Kleinbeerenstr. 4.
— Verlustliste. I. Gefallen: Stabsarzt Dr. Ebeling. Unter¬
arzt Willy Fischer. Stabsarzt d. R. Dr. Lippe. Unterarzt Dr. Steine-
brunner. — II. Verwundet: Stabsarzt Dr. Fleischmann. Stabsarzt
d. R. Dr. Hofmann. Oberarzt d. R. Dr. Kettner. Oberarzt Dr.
Mat - La ei. Stabsarzt Dr. Münob. Stabsarzt Dr. Ritzhaupt. Unter¬
arzt Dr. K. Schröder. Stabsarzt Dr. F. Schnlze. Oberarzt d. R.
Dr. Sonkspiel.
Hochschulnachrichten.
Bonn. Prof. Witzei ist gestorben. — Giessen. Die Privat-
dozenten DDr. Berliner (Psychiatrie und Neurologie) und A. Weber
(innere Medizin) wurden zu ausserordentlichen Professoren ernannt. -
Rostock. Habilitiert: Dr. Schröder für Gynäkologie.
Amtliche Mitteilungen.
Personal ien.
Auszeichnungen: Eisernes Kreuz 2. Kl.: Kreisarzt, Med.-Rat Dr.
E. Matzdorff in Schmalkalden.
Niederlassungen: F. Bargmann, Dr. W. Koch und Aerztin Dr.
A. Lotz in Charlotten bürg, Aerztinnen Ch. Krause und L. Nelki
in Berlin-Scböneberg, Dr. M. Schellen in Bochum.
Verzogen: Dr. H. Wolter von Königsberg nach Zinten, Dr. W. F,
Jakobs von Königsberg nach Brandenburg (Ostpr.), Dr. K. E. Ver¬
mehren von Berlin nach Liska-Scbaaken, Dr. K. Heuser von Wuster¬
hausen a. D. nach Weh lau, Dr. A. Tassius von Frankfurt a. M. nach
Greifswald, K. Emnet und 0. Hirsch von Elberfeld nach Beuthen Ü.-S.,
Dr. W. Rinke von Kamerun nach Myslowitz, K. Wiesner von
Woischnik und Dr. H. Küschner von Posen nach Rybnik, J. Kr&n-
cioch von Kattowitz nach Woischnik, K. Th. Kandziora von Char¬
lottenburg, Dr. J. Kwoczek von Breslan und H. Fischer von Zembo-
witz nach Oppeln, J. Kalla von Oppeln nach Suoholohna, Dr.
F. Klinge von Rybnik nach Malapane, Th. Stanowsky von Mala-
pane und Dr. G. Kalus von Königshütte Dach Petersbofen, Dr.
B. Koelling von Petershofen nach Pless, E. Burkart von Tarpo-
witz nach Knurow, Dr. H. Jung von Potsdam nach Gr. Strehlitz,
A. Stuppe von Beuthen nach Rudahammer, Dr. W. Bantgen von
Rybnik und Dr. E. Janik von Orzesche nach Zabrze, Dr. R. Geinitz
von Rostock nach Erfurt, H. Claass von Oedelsheim nach Tingleff,
Dr. W. Andree von Berlin nach Schleswig, Dr. A. Heinicke von
Berlin und Dr. R. Wagner von Halle a. S. nach Göttingen, F. Boy-
mann von Hamburg, W. Friedländer, Geh. Sao.-Rat Dr. W.
Graeffner und Prof. Dr. A. Plehn von Charlottenburg, Dr. J.
Grimm von Bährenfeld, Dr. B. Gutkind und Dr. J. Koch von
Berlin-Scböneberg nach Berlin, Dr. H. v. Bardeleben, Dr. H. Daus,
Dr. J. Ehrenfried, Dr. E. Eylenburg, Dr. 0. Ihl und San.-Rat
Dr. M. Rothenberg von Berlin sowie Dr. Chr. Stieda von Magde¬
burg nach Charlottenburg, Aerztin M. Thiede von Berlin-Friedenau
nach Berliu-Schöneberg, Dr. M. Hirschberg von Berlin-Tegel, Dr.
J. Kohl und Dr. A. Vater von Berlin sowie Dr. 0. Levinstein
von Charlottenburg nach Berlin-Wilmersdorf, Aerztin Dr. Ch.Wehmer
von Berlin-Wilmersdorf nach Neukölln, Aerztin Dr. Ch. Bebrend
von Berlin nach Rostock, L. Cohn von Berlin nach Dresden, Dr.
0. Griese von Berlin nach Chiemsee, Dr. A. Malinowski und Dr.
C. Nürnberg von Berlin nach Brüssel, Dr. A. Erl er von Wernige¬
rode nach Kolberg, Dr. A. van Ahlen von Derna nach Hordel.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. A. Rudolphi
von Greifenberg i. d. U.-M., Dr. F. Quetsch von Wilhelmshagen.
Praxis aufgegeben: Dr. A. Thienel bisher in Gr. Strehlitz, jetzt
in Schimischow.
Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. J. Herrnstadt und Dr. F. Domanski
in Lissa i. Pos., Dr. A. Laurentowski in Kosten, Dr. F. Schle¬
singer in Langendorf (Kr. Gleiwitz), Geh. San.-Rat Dr. F. Wottge ui
Ottmachau, San.-Rat Dr. F. Paul in Berlin, Dr. H. Holtz ^ ^nger-
münde, San.-Rat Dr. F. Hellweger in Rügenwalde, Sao.-Rat ür.
G. König in Bergen (Bez. Lüneburg), San.-Rat Dr. K. Haarmann
in Hordel, Geh. San.-Rat Dr. A. Brunswick er in Bassenheim.
Im Felde gefallen bzw. gestorben: Dr. Tb. Brockmann aus
Tilsit, Priv.-Doz. Dr. F. Meyer-Betz aus Königsberg i. Pr, Br. »•
Weichsel aus Biederitz, Dr. H. Mai weg aus Langendreer, Dr. w.
Meyer aus Gr. Burgwedel.
Berichtigung.
In dem Artikel Fuld: „Ueber die Behandlung der Durchfalle
Felde“, Nr. 46, S. 1818 dieser Wochenschrift, muss es nicht Vz» sondern
Wz cg Cocain pro dosi heissen.
Für die Redaktion TerantworÜich Prof. Dr. Hane Kohn, Berlin W., BayreutherS ums««•
Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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Original frum
UNIVERSITY OF IOWA
Dl. ß.rllö.r Kllotoeh. Woch.nKhrln o^h.ln, j,dM
r ^Ä. rt oSL‘ 8 Ä “•
BERLINER
Alle Einsendungen ftr die fted^ktl^ and Kxp^ tfon
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
Auguat Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion s Expedition:
Sek. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner and Prof. Dr. Haas Koka. August Hirschwald, Yerlagskackbandlaag ia Berlin.
Montag, den 30. November 1914
48 .
Einimdfüafzigster Jahrgang.
INHALT.
Origia&liei: Oppenheim: Zur Kriegsneurologie. S. 1853.
Kossel: Ueber Typhusschutzimpfung. S. 1857.
Melchior: Ueber Erfrierungen im Kriege und ihre Behandlung.
(Aus der Breslauer chirurgischen Klinik.) S. 1858.
Plehu: Ueber grosse Bluttransfusionen. (Aus dem städtischen
Krankenhause am Urban.) S. 1862.
v. Feilitsch: Calmonal, ein neues Sedativum. (Aus den Privat-
kuranst<en der Sanitätsräte Dr. James Frankel und Dr. A. Oliven
in Berlin-Lankwitz.) S. 1864.
Morgenroth: Die Chemotherapie der Pnenmokokkeninfektion. (Aus
der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen Instituts der
Universität Berlin.) (Schluss.) S. 1865.
Coenen: Ueber einige chirurgische Erfahrungen aus dem II. Balkan¬
kriege. (Bemerkung zu der Arbeit von R. Klapp in der Münchener
medizinischen Wochenschrift, feldärztliche Beilage, 1914, Nr. 7,
S. 68.) S. 1873.
BKckerbesprecliMigei: Joch mann: Lehrbuch der Infektionskrankheiten.
S. 1873. Umber: Ernährung und Stoffwechselkrankheiten. S. 1873.
Neu fei d: Seuohenentstehung und Seuchenbekämpfung. S. 1874.
Zur Kriegsneurologie.
Von
H. Oppenheim.
Die Zahl der Soldaten, bei denen es infolge von Verwundungen
oder anderer Schädlichkeiten zu Erkrankungen des Nervensystems
gekommen ist, ist eine unverhältnismässig grosse, so dass es ganz
den Anschein hat, als ob die Neurologie einen der wichtigsten
Zweige der Kriegsmedizin in diesem Feldzug bilden würde.
Meine Erfahrungen habe ich nur zum geringeren Teil in der
Sprechstunde und Poliklinik, zum grössten durch meine Tätigkeit
als konsultierender Arzt an den verschiedensten Lazaretten und
besonders als leitender Arzt des Nervenlazarettes im Kunst-
gewerbemusenm erworben.
Gleich nach Ausbruch des Krieges stellte ich mich in diesem
Sinne der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums zur Verfügung
mit dem Vorschlag, dass eine Krankenabteilung ausschliesslich
für Kriegs-Nervenkrankheiten gegründet würde. Die Behörde
ging verständnisvoll auf mein Anerbieten ein, und so ist seit
Mitte Oktober eine aus etwa 100 Betten bestehende und er¬
weiterungsfähige neurologische Abteilung im Kunstgewerbemuseum
geschaffen, die unter meiner Leitung steht. Damit hat der Krieg
mir, wenn auch als flüchtigen Besitz, das gegeben, nach dem ich
26 Jahre lang vergebens gestrebt, und für das ich in den Jahren
des Friedens vergebens gekämpft habe.
Wie Sie aus meinen Ausführungen erkennen werden, ist es
nicht nur die grosse Summe der Erfahrungen, aus welchen die
Neurologie Gewinn ziehen wird, sondern wir dürfen schon heute
sagen, dass unser Wissen durch neue Tatsachen bereichert werden
wird, und dass alte Anschauungen und Lehren eine wesentliche
Umgestaltung erfahren werden.
Freilich sind noch wenige unserer Untersuchungen abge¬
schlossen, und so dürfen Sie auch im gegenwärtigen Zeitpunkt
noch auf keinem Gebiete etwas Fertiges und Abgerundetes von
4er Besprechung erwarten.
Ich beginne mit den Erfahrungen, die sich auf die Kriegs-
(Ref. Dünner.) — Friedländer: Nerven- und Geisteskrankheiten
im Felde und im Lazarett. S. 1874. (Ref. König.)
Literatur-Auszüge: Therapie. S. 1874. — Allgemeine Pathologie und
pathologische Anatomie. S. 1874. — Innere Medizin. S. 1874. —
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1874. — Kinderheilkunde.
S. 1874. — Chirurgie. S. 1875. — Geburtshilfe und Gynäkologie.
S. 1875. — Augenheilkunde. S. 1876. — Militär-Sanitätswesen.
S. 1876. — Technik. S. 1876.
Verhandlnogei ärztlicher Gesellschaften: Vereinigte ärztliche
-Gesellschaften. (Berliner medizinische Gesellschaft.) Rolländer:
3 Fälle von Ectopia viscerum. S. 1877. Roth mann: Ueber
familiäres Vorkommen von Friedreich’scher Ataxie, Myxödem und
Zwergwuchs. S. 1878. Ewald: Ein Fall von Verätzung des Dick¬
darms durch Ammoniak. S. 1878. Morgenroth: Die Chemo¬
therapie der Pneumokokkeninfektion. S. 1878. — Gesellschaft
für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik zu
Berlin. S. 1878.
Kriegsärztliche Abende. S. 1879.
Tagesgesohichtl. Notizen. S.1880. — Amtl. Mitteilungen. 5.1880.
Neurosen (und -Psychosen) beziehen; muss aber gleich betonen,
dass im Gegensatz zu den im Publikum verbreiteten und in
der Presse hervorgetretenen Anschauungen diese Krankheits¬
zustände keineswegs den ersten Platz beanspruchen. Gewiss hat
der Krieg auf dem Wege des physischen und psychischen Traumas
auch alle die Neurosen und Psychosen hervorgebracht, wie wir
sie als Folge entsprechender Schädigungen in Friedenszeiten
kennen gelernt haben. Aber ich finde nicht, dass sie besonders
häufig sind. Wenn man bedenkt, wie gross die Strapazen und
Entbehrungen dieses Feldzuges und wie gewaltig vor allem die
seelischen Erregungen, die Schrecken und Grauen dieses Krieges
sind, so kann es eher überraschen, dass die Psychoneurosen einen
nicht weit höheren Prozentsatz unserer Soldaten ergriffen haben l ).
Wie ungemein widerstandsfähig muss das Nervensystem dieser
Menschen sein, dass es im allgemeinen dem Anprall der mächtigen
Sinnesreize (Geräusche) und Erregungen standhält.
Und so ist es recht bezeichnend, dass die Neurosen und
Psychosen auch nach meiner Erfahrung zwar nicht aosschliesslich,
aber fast durchweg bei Disponierten anftreten. Die Mehrzahl der
Patienten, die wegen Neurasthenie, Hysteroneurasthenie, Psych-
asthenie usw. in meine Behandlung traten, waren nach ihrer
Schilderung schon lange vor dem Kriege bzw. von Haus aus
Neuropathen oder Psychopathen; einige waren durch chronischen
Alkoholmissbrauch geschädigt, bei einer anderen kleineren Gruppe
(Offiziere) waren ein- oder mehreremale in früheren Jahren Kopf¬
verletzungen mit Commotio cerebri vorausgegangen. Aber es gibt
auch Ausnahmen: ich habe bis da anscheinend gesunde, nicht
belastete Soldaten zu behandeln gehabt, bei denen sich schwere
Neurasthenie entwickelte, nachdem in ihrer unmittelbaren Nähe
eine Granate geplatzt war. ln einem Falle dieser Art war es
1) Ich habe allerdings noch darauf hinzuweiseD, dass auch unter
den mit traumatischer Nervenlähmung in unsere Behandlung Tretenden
sich viele befinden, bei denen neben diesem Leiden die Symptome der
allgemeinen Nervosität, besonders die Schlaflosigkeit, mehr oder weniger
ausgeprägt sind.
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1854
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
eine schwere Crampusneurose, die einen wesentlichen Teil der
Symptomatologie ausmachte.
Haben nun die Kriegs-Neurosen und -Psychosen einen speziellen
Charakter, sind es Krankheitsformen sui generis? Das muss
durchaus verneint werden. Darin decken sich meine Erfahrungen
ganz mit denen der Herren Bonhoeffer, Wollenberg u. a. Im
grossen und ganzen sind es dieselben Bilder, wie sie uns auch
sonst als Folgen von Verletzungen und Erschütterungen bekannt
sind. Auf einige Besonderheiten ist aber doch hinzuweisen.
Einmal ist es ein fast durchgehender Zug, dass der Schlaf
durch wilde Träume gestört ist, in denen die Kriegserinnerungs¬
bilder den wesentlichen Inhalt bilden. Bei einem meiner Patienten
kam es auch am Tage im Mittagsschlaf zu einem derartigen
Traume, in dem er einem vermeintlichen Kommandoruf folgend
aufsprang und in blinder Hast vorwärts stürmte, bis er mit dem
Kopfe an einen harten Gegenstand ansiiess und sich verletzte.
Weiter treten bei diesen Emotionsneurosen die cardio-
vaskulären Störungen stark in den Vordergrund. Gewiss
spielen sie — wie ich in meinen Abhandlungen über die trauma¬
tischen Neurosen von vornherein und immer wieder hervorgehoben
habe — auch bei den Nemosen nach Eisenbahnunfällen usw. eine
hervorragende Rolle. Aber es scheint mir, als ob bei den durch
den Krieg hervorgerufenen Formen dieser Erkrankung die vaso¬
motorische Sphäre ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen
würde. Freilich gilt das in erster Linie für einen speziellen
Typus, der uns noch besonders beschäftigen wird, für die Zu¬
stände allgemeiner Nervosität, welche im Geleit der schmerz¬
haften Neuritis peripherica traumatica auftreten.
Auch die spezielle Form des vasomotorischen Symptomen-
komplexes, wie sie besonders von Friedmann als Folge von
Kopfverletzungen beschrieben worden ist, ist mir bei den von
Streifschuss und Schrapnellgeschoss am Kopfe verletzten Soldaten
auffallend oft entgegengetreten. Aber das sind ja Zustände, die
aus dem Rahmen der reinen Neurose heraustreten, da ihnen
sicherlich feinere organische Veränderungen zugrunde liegen.
Bei dem mechanischen Insult, der durch das Vorbeisausen
der schweren Geschosse oder durch ihre Explosion verursacht
wird, ohne dass es zu einer direkten Verletzung kommt, scheinen
sich ähnlich wie bei den Blitzschlagfolgen gleichzeitig schwere
Neurosen und organische Veränderungen am Nervenapparat ent¬
wickeln zu können. (Vgl. dazu die interessante Mitteilung von
Harzbecker in der D.m.W., 1914, Nr. 17.)
Als Kuriosum sei noch der Fall eines Luftscbiffers erwähnt,
bei dem sich auf dem Boden kongenitaler Anlage eine Psych-
astbenie mit dem speziellen Symptom der Luftschiffphobie ent¬
wickelt batte: er war nicht mehr imstande, seinen Aeroplan zu
betreten, weil er — früher einer der Kühnsten — sofort von
einer undefinierbaren Angst befallen wurde. Ich habe anderer¬
seits Flieger behandelt, die, nachdem ein Arm oder Bein zer¬
schossen war, ihren Motor noch 50—60 km weit dirigierten, um
im deutschen Truppenbereich zu landen.
Bei den mit „genuiner Epilepsie“ behafteten Patienten, die
ich bislang zu behandeln hatte, war das Leiden fast durchweg
schon viele Jahre vor dem Kriege entstanden. Aber die Kriegs-
scbädlicbkeiten hatten doch eine Häufung der Anfälle zu Wege
gebracht. In einem Falle waren Schwindel- und Krampfanfälle
die Folgen eines „Hitzschlaga“, aber die epileptische Natur der
Krämpfe schien zum mindesten zweifelhaft. Bei einem durch
Schrapnellgeschoss in der linken Rumpfgegend Getroffenen stellte
sich sofort ein Krampfanfall ein, der nach der Schilderung das
Gepräge des epileptischen hatte, aber das Ergebnis der persön¬
lichen Untersuchung war das der schweren Hysteroneurasthenie oder
Emotionsneurose.
Bei einem Offizier batten die ungeheuerlichsten Strapazen, Ent¬
behrungen und Erregungen durch fortgesetzte Kämpfe die Symptome
des Morbus Basedowii hervorgebracht — es genügte eine Er¬
holung und Allgemeinbehandiung von 6 Wochen in einem Sana¬
torium, um die Erscheinungen im wesentlichen zarückzubringen.
Ich komme nun zur Betrachtung der organischen Ge-
birnkrankheiten infolge von Schädel- und Gehirnschüssen.
In diese Gruppe gehört nur ein verhältnismässig kleiner Teil
meiner Beobachtungen. Natürlich spielt bei diesem Zahlen Ver¬
hältnis der Zufall eine Rolle. Ich kann hier die schon von
anderen gemachte Erfahrung bestätigen, dass Schüsse den Schädel
in sagittaler und frontaler Richtung durchsetzen können, ohne
irgendwelche Herdsymptome zu hinterlassen. Immerhin ist das
die Ausnahme. Es sind mir auch derartige Individuen als „hirn¬
gesund“ vorgestellt worden, bei denen die genanere Untersuchung
partielle Aphasie, Alexie, Hemianopsie, Apraxie oder andere
Krankbeitserscheinungen ergab, die erst durch eine genauere
Untersuchung ans Tageslicht gefördert wurden.
Die Mannigfaltigkeit der Symptomenbilder, wie sie die Ge¬
schossverletzungen des Gehirns hervorbringen, ist uns ja aas der
Friedenszeit einigermaassen bekannt. Aber ich bin doch über¬
rascht worden durch die Vielgestaltigkeit der entsprechenden
Syndrome. Aus der Fülle derselben sei der Kleinhirnbrücken-
winkelsymptomenkomplex, die corticale Mediannsanästhesie mit
Stereoagnosis der ersten drei Finger, ferner die corticale Para¬
plegie (Streifschuss in der Medianlinie des Schädels, wahrschein¬
lich mit meningealem Hämatom über bzw. zwischen den Lobalj
paracentrales) erwähnt.
Ich habe die Ueberzeugung gewonnen, dass das im Gehirn
ruhende Geschoss in der Regel nicht die Herderscheinungen ver¬
ursacht. Es ist vielmehr meistens die Zertrümmerung und
Blutung, die es auf seinem Wege durch das Gehirn erzeugt,
weiche für die Erscheinungen verantwortlich za machen ist. Ich
stehe somit auf der Seite der Chirurgen, welche sich nur unter
besonderen Verhältnissen zur Geschossextraktion entschlossen.
Von Hiroabscessen habe ich bisher nur eine kleine Anzahl
gesehen. Bei einem auf meinen Rat im Augastahospital
(Dr. Hübotter) operierten Patienten fanden sich zwei benach¬
barte Eiterherde. Die Operation hatte unmittelbaren Erfolg, doch
ist das Leiden noch nicht abgelaufen.
Mit den Angaben des Verletzten, er sei von einem Streif¬
oder Prellschuss getroffen, gebe man sich nicht zufrieden. Ich
habe zwei Fälle dieser Art gesehen, in denen die Röntgenunter¬
suchung den Sitz des Geschosses innerhalb der Schädelhöhle
nachwies.
Oft genug hinterlässt die Kontusion des Schädels nach Streif¬
schuss oder Granatsplitterverletzung nichts als einen heftigen,
hartnäckigen Kopfschmerz, für den auch die Röntgendurch¬
leuchtung keine Erklärung gibt. Da kann es schwer sein, die
Realität der Beschwerden festzustellen.
Die dritte Gruppe umfasst die Rückenmarksverletzungen.
Leider sind uns diese schweren und schwersten Gesundheits¬
störungen in recht grosser Zahl begegnet. Zunächst interessiert
die Frage, wie sie zustande kommen. Ich habe nur ganz ver¬
einzelte Fälle gesehen, in deuen das Geschoss selbst im Wirbel-
kanal sass; eine weit grössere Zahl, in denen der Fremdkörper
in näherer oder weiterer Umgebung der Wirbelsäule seinen Sitz
batte oder auch nach aussen gedrungen war. Dabei erweist sich die
Wirbelsäule röntgenoskopisch intakt oder bietet die Zeichen der
Fraktur. Man kann sieb das erstere nur so erklären, dass das
Geschoss von dem Wirbelkörper zurückprallt, ohne ihn in seinem
Gefüge zu lockern, dass aber dieser Stoss genügt, um Verände¬
rungen im Marke her vorzurufen. Es mögen dabei aber auch momen¬
tane Verschiebungen der Wirbel eine Rolle spielen. Es sind nach
unseren Erfahrungen 3 oder 4 Formen der Markläsion, die dabei
Vorkommen: 1. die meningeale Blutung und dieArachnitisserofibrosa
spioalis, 2. die Hämatomyelie, 3. die Myelomalacie oder die akute
traumatische Nekrose des Markes.
Der letztere Befund, der ein besonderes Interesse beansprucht,
ist in einem Falle von Gassi rer erhoben worden, und zwar bei
intakter Wirbelsäule.
Die Häufigkeit des Operationsbefundes einer Meningitis serosa
oder serofibrosa spinalis bei Schussverletzungen der Wirbelsäule
entnehme ich einer brieflichen Mitteilung Marburgs, die sich
auf das von ihm beobachtete v. Eiselsberg’sche Material bezieht
Ich selbst habe mich bis jetzt nur in wenigen Fällen za opera¬
tiven Maassnahmen entschliessen können und komme aaf diese
Frage zurück.
Nach ihrer Nervensymptomatologie lassen sich zwei Typen
•dieser spinalen Affektionen unterscheiden: der Typus der totalen
Markläsion und der der Brown-Sequard’schen Halbseitenläsion. Io
meinem bisherigen Material haben erfreulicherweise die letzteren
das Uebergewicht. Die erste Form bietet das auch prognostisch
sehr traurige Bild der totalen Lähmung der unteren Körperhafte
mit Incontinentia urinae et alvi und rasch sich entwickelndem
Decubitus. Auch bei hohem Sitz der Verletzung ist die Lähmung
anfangs oder selbst dauernd eine schlaffe mit ganz oder teilweise
erloschenen Reflexen etc.
Ich empfehle aber recht zurückhaltend zu sein mit der Dis*
gnose einer totalen Zerreissung des Markes. Keines der Kriterien,
die für die Begründung dieser Annahme angeführt worden sin ,
hat volle Beweiskraft. Vor allem darf man nicht vergessen, dass
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Original from
UNIVERSSTY OF IOWA
80. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1855
es für die Symptomatologie gleichgültig ist, ob die Rückenmarks¬
elemente in einer bestimmten Höhe völlig vernichtet und zerfallen
sind bei erhaltener Kontinuität, oder ob eine wirkliche Mark-
zerreissung stattgefunden hat.
Natürlich kommen ausser den genannten Typen auch Fälle
vor, in denen die Symptomatologie auf eine leichte aber diffuse
bilaterale Schädigung des Rückenmarksquerschnitts hinweist, so
dass eine leichte spastische Paraparese das Krankheitsbild darstellt.
Die Mehrzahl meiner Patienten mit Schussverletzung des
Rückenmarks hatte unter Schmerzen zu leiden, die bei einigen
von rasender Heftigkeit waren. Es sind Schmerzen radikulären,
spinalen und meningealen Ursprungs. Einige Male wurde über
„ Blasenkrämpfe w von enormer Heftigkeit geklagt. Die Blasen-
Spülung kann dabei schmerzauslösend wirken.
Einer meinor Patienten wurde durch Luftdruck einer vorbei¬
sausenden Granate zu Boden geworfen nnd erwarb dabei eine
Haematomyelia cervicalis.
Von Caudaverletzungen durch Geschosse sah ich eine kleine
Anzahl. Sie boten in ihrer Symptomatologie nichts von dem Be¬
kannten Abweichendes.
Die Behandlung der Schussverletzungen des Rückenmarkes
bildet eine der schwierigsten Aufgaben. Insbesondere fehlt es
noch durchaus au allgemeingültigen Grundsätzen für die chirur¬
gische Therapie. Ich habe mich bisher nur in 5 Fällen zur
Empfehlung derselben entschlossen können und bin auf Grund
der dabei gemachten Erfahrungen noch nicht in der Lage, etwas
Definitives aussagen zu können. Der röntgenologische Nachweis
des Geschosses im Wirbelkanal oder eines Knochenfragmentes
innerhalb desselben wird noch am ehesten die operative Behand¬
lung rechtfertigen.
Unter diesen Verhältnissen dürfte auch die Tatsache, dass
die Erscheinungen der Totalläsion vorliegen, keine Kontraindikation
bedingen, falls sie nicht schon Monate bestehen.
Die Bogenfraktur wird bekanntlich als ein verhältnismässig
günstiges Objekt der chirurgischen Therapie betrachtet. Auch bei
Caudaverletzungen sind die Aussichten der operativen Behandlung
im allgemeinen günstigere, wenngleich die völlige Zerreissung der
Wurzeln des Pferdeschweifes die Hoffnung auf völlige Wieder¬
herstellung illusorisch macht.
Ich habe einen Fall von Schussverletzung im Bereich der
oberen Halswirbelsäule gesehen, in dem es zu einer Subluxation
gekommen war mit der ungewöhnlichen Symptomatologie einer
WurzeLläsion der oberen Halsnerven links und einer Brown-
Söqaard’schen Lähmung der rechten Körperseite (Anästhesie im
Bereich der linken oberen Cervicalnerven, spastische Lähmung
des rechten Armes und Beines, dissoziierte Empfindungslähmung
der linken Rumpfhälfte und der linken Extremitäten).
Dem steht ein anderer Fall gegenüber von Durchschuss im Be¬
reich der mittleren unteren Halswirbelsäule, in welchem die einzige
Folge dieser Läsion Parästhesien in beiden Ulnargebieten und in
den Plantae pedis mit geringer Hypästhesie von entsprechender
Verbreitung waren — also eine ganz geringfügige Schädigung der
hinteren Wurzeln und Hinterstränge im Bereich des unteren Hals¬
markes.
In einem Falle voö Bajonettstichverletzung des rechten
oberen Halsmarks bestand eine spastische Hemiplegia cervicalis
dextra, aber statt der Brown Söquard’schen Lähmung hatte die
Anästhesie ihren Sitz auf der gleichen Seite. Meine Vermutung,
dass der Stich in die linke Markhälfte vorgedrungen sei, wurde
durch die Röntgenaufnahme bestätigt, welche gerade an den linken
unteren Halswirbeln Veränderungen im Sinne der Fraktur ergab.
Das Hauptfeld der Kriegsneurologie bilden fraglos die trau¬
matischen Neuritiden, die peripherische Nerven - und Plexus¬
lähmung. Nach dem, was ich selbst zu sehen bekommen habe,
|ind auch nach den Erfahrungen anderer Neurologen, mit denen
ich mich aussprechen konnte, gehören sie zu den häufigsten Folgen
der Extremitätenverletzungen.
Im ganzen ist der Arm häufiger betroffen wie das Bein,
wenngleich diese Differenz wohl keine bedeutende ist. Ent¬
sprechend den Erfahrungen der Friedenszeit ist der Radialis
auch hier der am häufigsten betroffene Nerv. Ich habe schon
32 Fälle von Schussverletzung des N. radialis zu untersuchen Ge¬
legenheit gehabt. Dabei war er in ungefähr gleicher Häufigkeit
am Oberarm wie im Plexusgebiet bzw. der Axilla betroffen. Es
kamen aber auch Fälle vor, in denen sich die Läsion auf den
N. radialis superficialis oder profuDdus oder gar auf einen Haut¬
ast wie den N, cutan. poster. inf. des Radialis beschränkte.
Seltener, aber immer noch oft genug war der N. medianus
oder ulnaris isoliert befallen. Weit grösser ist die Zahl der Fälle
von kombinierter Armnervenlähmung durch Schussverletzung des
Plexus — und es kommen da alle uns auch sonst bekannten
Gruppierungen vor, wenn auch auf diesem Wegs der Radialis
(mit Axillaris oder mit N. musculo-cutaneus oder in anderer Ver¬
knüpfung) besonders oft ergriffen zu werden scheint.
Auf die verschiedenen Komplikationen — mit Knochenfraktur,
Aneurysma- und Tbrombosenbildnng — sei nur flüchtig hin¬
gewiesen. Das Aneurysma wird leicht übersehen und sei deshalb
den Neurologen besonders zur Beachtung empfohlen.
Gleichzeitig mit der traumatischen Neuritis kann sich eine
Myositis im weiten Umkreis entwickeln, die die Deutung der Er¬
scheinungen erschwert.
Nicht gar zu oft, aber doch auch in zahlreichen Fällen
fand ich die untere Extremität befallen, und zwar am
häufigsten den N. ischiadicus bei Schussverletzungen, die den
Oberschenkel in sagittaler oder frontaler Richtung durchsetzten.
Entsprechend den schon bekannten Tatsachen wird dabei be¬
sonders oft der N. peroneus ergriffen. Aber ungewöhnlich häufig
fand ich unter diesen Verhältnissen auch den Tibialis posticus
— und zwar einige Male selbst isoliert — betroffen. Der Krieg*
hat uns reichlich Gelegenheit gegeben, die Symptomatologie der
Neuritis bzw. Lähmung dieses Nerven in den verschiedenen Ab¬
schnitten seines Verlaufes zu studieren und dabei, wie das schon
Cramer demonstriert hat, unsere Erfahrungen zu erweitern und
zu modifizieren.
Weniger oft sind mir Schussverletzungen der extracraniellen
Hirnnerven unter die Augen gekommen, aber es ist doch alles,
was man sich kombinieren kann, vorgekommen, am häufigsten die
Läsion des Facialis, dann die des Hypoglossus und Vago-
Accessorius.
Auch eine sich auf die unteren Dorsaloerven in ihrem ab¬
dominalen Verlauf beschränkende traumatische Neuritis fand ich
in einem Falle mit der bekannten Symptomatologie der Bauch-
muskelläbmuog, der Areflexie des Abdomens und der Sensibilitäts-
herabsetzung in der Unterbauchgegend. Die Erscheinungen waren
hier so leicht ausgeprägt, dass sie gesucht werden mussten. Und
so ist es begreiflich, dass der Zustand übersehen bzw. als Peri¬
typhlitis (wegen der Schmerzen) missdeutet war.
Auch eine auf den N. saphenus major sowie eine auf den
N. ileo-inguinalis und genito-cruralis beschränkte traumatische
Neuritis konnte ich beobachten.
Mehrmals sah ich eine im Schützengraben erworbene
Anästhesie im Bereich des N. plantaris medialis, ein- oder
doppelseitig. Bald wurde die Einzwängung der Füsse, bald die
Nässe beschuldigt.
Gerade auf dem Gebiete der Nervenverletzung bat uns der
Krieg mit neuen Tatsachen bekannt gemacht, die im wesentlichen
in der starken Beteiligung des sensiblen Nervensystems
bestehen. Diese dokumentiert sich: 1. durch die enorme Heftig¬
keit der Schmerzen in einem Teil dieser Fälle, 2. durch
die starke Betonung der Sensibilitätsstörungen, 3. durch die
Häufigkeit des isolierten Befallenseins der sensiblen Bahnen im
Stamme des gemischten Nerven, 4. durch den gewaltigen Ein¬
fluss dieser traumatischen Neuritis sensibler Bahnen (bzw. der
Schmerzen) auf die psychische, vasomotorische und sekretorische
Sphäre.
Diese vier Tatsachen bedürfen einer weiteren Ausführung,
bei der ich mich aber kurz fassen muss.
1. In einer nicht kleinen Zahl meiner Fälle, besonders von
Plexusverletzung, bildeten die Schmerzen das Symptom, das durch
die Heftigkeit, Hartnäckigkeit und die Begleiterscheinungen durch¬
aus' im Vordergrund stand. Die Vehemenz der Schmerzen kann
den Kranken bis zur Raserei bringen. Morphium war in jedem
dieser Fälle erforderlich und brachte erst in grossen Dosen vor¬
übergehend Linderung. Es ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen,
wie es kommt, dass nur ein Teil der Verletzten von diesen Qualen
befallen wird. Welches mögen die Bedingungen dafür sein? Nach
meiner Erfahrung — und das habe ich auch schon früher fest¬
gestellt und an entsprechender Stelle meines Lehrbuchs ange¬
führt — sind es vorwiegend die partiellen Schädigungen der
Nerven, die mit Schmerzen und anderen Reizerscheinungen ein¬
hergehen, während sie bei der kompletten Leitungsunterbrechung
zu fehlen pflegen. Aber das ist nichts Gesetzmässiges. Welche
Rolle die mechanische Gewalt, die individuelle Disposition und
andere Faktoren spielen, muss die weitere Erfahrung lehren;
1 *
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UNIVERSUM OF IOWA
1856
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 48.
ebenso wird noch die Frage zu beantworten sein, ob die primäre
Verletzung an sich die Schmerzen verursacht, oder ob eine trau¬
matische bzw, infektiöse Neuritis hinzutreten muss, um die Reiz¬
erscheinungen hervorzubringen.
2. Ueberraschender noch ist die Häufigkeit, Verbreitung und
Intensität der Sensibilitätsstörungen. Wir haben auf Grund unserer
früheren Kenntnisse immer hervorheben müssen, dass bei den
traumatischen Schädigungen der peripherischen Nerven die moto¬
rische Störung ganz im Vordergrund steht, die sensible nicht nur
zurücktritt, sondern häufig ganz fehlt. In der Beziehung haben
uns die neuen Beobachtungen Ueberrascbungen gebracht. Be¬
sonders auffallend macht sich das am Radialis bemerklich. Unsere
Friedenserfahrungen bezogen sich freilich fast durchweg auf die
Druckläbmung dieses Nerven und auf die bei Humerusfraktur.
Bei der ersteren vermissen wir die Gefühlsstörung fast immer,
bei der letzteren häufig, oder sie ist sehr wenig ausgesprochen.
Bei den Schass Verletzungen des Nerven habe ich sie dagegen
bislang fast nie ganz vermisst und sie sogar meistens sehr ausgeprägt
gefunden, wenn auch in der Regel nicht in dem ganzen Ionerva-
tionsbezirk, sondern auf der Dorsalfläche des ersten und zweiten
Fingers und dem dazugehörigen Bereich des Handrückens.
Auch bei den Plexusschüssen zeichnete sich die Anästhesie
durch ihre Intensität und Hartnäckigkeit aus.
3. Bemerkenswerter und neuartiger ist noch die Erscheinung,
dass es bei Verletzungen des Nervenstammes zu einer ausschliess¬
lichen Schädigung der sensiblen Fasern kommen kann 1 ), — eine
Tatsache, die durchaus geeignet ist, den Stoffel’schen Lehren
eine Stütze zu gebeu. Ich habe das besonders einige Male am
Ischiadicus beobachtet, d. b. es kam bei einer Schussverletzung
des Nervenstammes am Oberschenkel zu einer Anästhesie in der
Planta pedis bei normalem Verhalten der Motilität und elektrischer
Erregbarkeit.
4. Von grossem Interesse ist eine kleine Gruppe meiner Be¬
obachtungen durch die Kombination der neuritischen Schmerzen
mit psychischen, vasomotorischen und sekretorischen
Störungen.
In erster Linie sind es Erregungs- und Verwirrungszustände
mit Wutausbrüchen, die die Schmerzanfälle begleiten. Diese Er¬
scheinungen treten periodisch auf, während der Patient in der
Zwischenzeit meist klar und geordnet ist. Dazu kommt die enorme
Empfiudlichkeit gegen Sinnesreize und Gemütsbewegungen und der
mächtige Einfluss, der diesen von dem Patienten auf die Intensität
der Schmerzen zugesebrieben wird. Das kann so weit gehen,
dass er das Bestreben hat, sich völlig zu isolieren, dass schon
das Oeffoen der Tür, das Läuten der Klingel usw. einen Schmerz-
anfall auslöst, mehr noch die Berührung der leidenden Extremität
und die Befürchtung, dass diese Berührung stattfinden könne.
Sind das von Hause aus nervöse, hysterische Individuen?
Hat der Krieg sie durch seine Wirkungen auf Seele und Körper
nervös gemacht? Oder hat erst die Gewalt der Schmerzen die
Psyche so geschädigt, dass diese kolossale Ueberempfindlichkeit
die Folge ist? Alles das mag eine Rolle spielen. Mehr aber
noch schreibe ich einem anderen Umstand Bedeutung zu: es ist
der mächtige sensible Reiz, der bei der Verletzung als Erschütte¬
rungswelle in das centrale Nervensystem dringt und hier die
feineren (molekularen?) Veränderungen hervorruft, die ihren Aus¬
druck in den geschilderten Allgemeinerscheinungen finden. Es
ist das die Theorie, die ich schon vor vielen Jahren zur Er¬
klärung bestimmter Symptome der traumatischen Neurosen auf¬
gestellt habe und die von Goldscbeider u. a. angenommen
worden ist. Diese Deutung wirft auch ein Licht auf die Tatsache,
dass sich neben den psychischen Störungen andere Symptome
centraler Schädigung: vor allem vasomotorische und sekretorische 2 )
Anomalien von allgemeiner — nicht auf die verletzte Extremität
begrenzter — Verbreitung geltend machen. So stellte sich bei einem
Patienten nach einer Scbussverletzung des Ischiadicus neben den
gewaltigen Schmerzen im Fuss eine kongestive Rötung des Ge¬
sichtes, ein Gefühl lebhaften Brennens und eine Rötung beider
Hände ein, die beständig zur Faust geballt wurden, weil jede
Bewegung der Finger mit heftigen Schmerzen im verletzten
Ischiadicus verbunden war. Dazu gesellte sich in diesen wie in
1) Es ist ähnliches ausnahmsweise schon früher von Bernhardt
und mir bei Verletzungen des Medianus über dem Handgelenk beob¬
achtet worden.
2) Diese Tatsache ist auch von Rothmann in einer Diskussion der
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten beiläufig
erwähnt worden.
anderen Fällen eine starke Hyperidrosis universal». Diese
Zustandsbilder erinnern sehr an die der schweren Formen trau¬
matischer Neurose nach Eisenbahn Unfällen.
Eine andere Tatsache, die mich völlig überrascht hat, be¬
zieht sich auf das Verhalten der elektrischen Erregbarkeit io deu
gelähmten motorischen Nerven. Gewiss haben wir auch hier die
typischen Befunde der partiellen and totalen Entartungsreaktion.
Aber was mir in zahlreichen Fällen aufgefallen ist und mein
Urteil anfangs missleitet hat, ist die Erscheinung, dass
bei sonst typischer Entartungsreaktion die Entwicklung des
Stadiums der Zuckungsträgheit bei direkter galvanischer
Reizung viel länger auf sich warten lässt als man bisher
angenommen hat. Die Lehre lautet, dass sie sich am Ende der
ersten oder erst im Beginn der zweiten Woche entwickelt, aber
ich habe jetzt eine Reibe von Patienten zu untersuchen gehabt,
bei denen 4—6 Wochen oder ein noch längerer Zeitraum ver¬
strich, ehe die Zuckungsträgheit deutlich zum Vorschein kam.
Anfangs glaubte icb daraus auf die Nichtzerreissung des Nerven
schlossen zu können — bis ich bemerkte, dass es sich um eine
verzögerte Ausbildung der Zuckungsträgheit bandelt, die einen
Rückschluss auf die Beschaffenheit des Nerven nicht zulässt.
Ich habe noch andere auffallende Erscheinungen beobachtet,
wie ausgesprochene Zuckungsträgbeit im Danmenbalien bei
direkter faradiseber Reizung, ferner atrophische Lähmung mit
normaler elektrischer Erregbarkeit.
Die Schwierigkeiten, welche der Entscheidung, ob ein Nerv
zerrissen oder nur erheblich gedrückt, gequetscht ist, entgegen¬
stehen, machen sich uns jetzt so recht fühlbar, da wir uns immer
wieder vor die Frage gestellt sehen, ob eine Nervennaht indiziert
ist. Wir können immer nur sagen, dass im gegebenen Fall der
Nerv schwer geschädigt ist, weiter reicht angesichts kompletter
Lähmung mit totaler Entartungsreaktion unsere diagnostische
Fähigkeit nicht. Bei einem Patienten mit Ischiadicusverletzung,
bei dem die Verhältnisse so lagen, glaubte ich in dem Vorbaoden-
sein des Ischiasphänomens eine Gewähr für die erhaltene Kon¬
tinuität des Nerven erblicken zu dürfen. Es zeigte sich ans in
der Tat bei der Operation (Geh. Rat Bier), dass wenigstens der
Anteil des N. peroneus keinerlei Unterbrechung seiner Fasern
erfahren hatte.
Es bedarf noch vieler Erfahrung und langer Beobachtung,
ehe wir von Fortschritten in therapeutischer Beziehung sprechen
können. Besonders dringend macht sich die Forderung nach der
Bekämpfung der neuritischen Schmerzen geltend. Es ist geradem
niederdrückend, wenn man den fast unerträglichen Qualen dieser
tapferen Menschen ohnmächtig gegenübersteht oder immer wieder
zur Morphiumspritze greifen muss. Oft wirkt Hitze in Form des
heissen Handbades oder Heissluftbades wenigstens vorübergehend
wohltuend. In einigen anderen Fällen führte die völlige Ruhig*
stellung der Extremität durch Gipsverband zum Ziele. Ueberden
Nutzen der Lange’schen Injektionen in die Nervenbahn haben wir
noch kein abschliessendes Urteil.
Gewiss ist es die Regel, dass die Schmerzen allmählich von
selbst an Iotensität verlieren, aber es können viele Monate ver¬
gehen, ehe dieses Stadium erreicht wird.
Die Wucht und Grausamkeit des modernen Krieges bringt es
mit sich, dass wir auch vereinzelte Fälle sehen, in denen gleich¬
zeitig Gehirn und Rückenmark oder eines dieser Organe zugleich
mit dem peripherischen Nervensystem von Verletzungen betroffen
ist, so dass ein vielgestaltiges Bild von Lähmungen bzw. von
Reiz- und Ausfallserscheinungen entsteht. Es kann dann schwierig
sein, in der Deutung und Lokalisation jedem Symptom gerecht
zu werden.
Die Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrank¬
heiten hat den Beschluss gefasst, das Thema der Kriegsverletzungen
des Nervensystems in einer Reihe von Sitzungen za diskutieren.
Dort wird sich Gelegenheit finden, auf einzelne Fragen näher ein¬
zugehen. Vor allem ist es erwünscht, dass alle therapeutischen
Erfahrungen zur allgemeinen Kenntnis gelangen, damit jeder von
uns in die Lage kommt, die Qualen der Verwundeten zu lindern
und einer möglichst grossen Zahl von Gelähmten ihre Bewegungs-
tüchtigkeit wiederzugeben.
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UNIVERSUM OF IOWA
80. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1857
Ueber Typhusschutzimpfung. 1 )
Von
Prof. fl. Rossel,
Direktor des hygienischen Instituts der Universität Heidelberg.
Unter den Kriegsseuchen kommt dem Abdominaltyphus eine
hervorragende Bedeutung zu. In fast allen grösseren Kriegen der
letzten 100 Jahre sind die Verluste der kämpfenden Heere an
Typhus schwere gewesen. Es genügt, das Beispiel des deutsch¬
französischen Krieges 1870/71 anzuführen, um die Wichtigkeit
einer energischen Bekämpfung dieser Krankheit in Kriegszeiten
zu würdigen.
Bei einer Durchschnittsstärke von 816 000 Offizieren und
Mannschaften kamen 1870/71 unter den deutschen Truppen
74 205 Erkrankungen an Typhus mit 8904 Todesfällen vor, d. i.
eine Erkrankungsziffer von 91 pM. der Iststärke und eine Sterbe¬
ziffer von 11 pM. Den 8904 Typhussterbefällen standen gegenüber
6000 Sterbefälle an anderen Krankheiten; der Typhus also ver¬
ursachte 60 pCt. aller Verluste an Krankheiten.
Die Ursache dieser schweren Verluste ist darin zu suchen,
dass damals der Typbus io Deutschland sowohl unter der Zivil¬
bevölkerung wie im Heere weit verbreiteter war als heute. Es
kam hinzu, dass bei einzelnen Truppenteilen zur Zeit der Mobil¬
machung Typbusepidemien herrschten, und dass die Heere alsbald
in feindliche Gebiete vorrückten, die Typhusherde darstellten.
In den letzten Jahrzehnten ist der Typhus in Deutschland in
stetiger Abnahme begriffen gewesen. Während z. B. im preussiscben
Heere in den drei dem siebziger Kriege vorausgehenden Jahren
die Todesfälle au Typhus 1,7 pM. der Iststärke ausmachten, war
diese Ziffer im Jahre 1896/97 auf 0,1 pM. und im Jahre 1909/10
auf 0,08 pM. gesunken, ln der Zivilbevölkerung der deutschen
Städte über 15 000 Einwohner nahm die Ziffer in der gleichen
Zeit von 0,46 pM. im Jahre 1877 auf 0,04 pM. im Jahre 1910 ab 2 ).
Diese Abnahme ist zurückzufübren auf die Verbesserungen
der hygienischen Einrichtungen, besonders der Versorgung der
Bevölkerung mit einwandsfreiem Trinkwasser und der Beseitigung
der Abfallstoffe. Die seit den Arbeiten Gaffky’s durchgedrungene
Erkenntnis von der Entstehung des Typhus durch Infektion mit
dem Typhusbacillus hat die Bestrebungen zur Bekämpfung der
Krankheit in neue Bahnen geleitet und sie mächtig gefördert. In
dem letzten Jahrzehnt ist für die Bekämpfung des Typhus besonders
viel geschehen durch die von R. Koch veranlassten Maassnahmen,
die unmittelbar auf die Verhütung der Uebertragung des Krank¬
heitskeimes von Kranken und Trägern auf gesunde Personen ab-
zielten. Gerade die deutschen Militärbehörden haben die Fort¬
schritte der hygienischen Wissenschaft nutzbar zu machen ver¬
standen und den endemischen Typhus aus dem deutschen Heere
ausgerottet.
So sind denn die deutschen Heere ganz anders gegen In¬
fektion gerüstet in den Kampf gezogen als vor 44 Jahren. Aber
da die Kämpfe sich zum Teil in feindlichen Gebieten ahspielen,
in denen der Typhus noch heute stärker verbreitet ist, so ist das
Auftreten des Typhus bei unseren Truppen nicht zu verhüten.
Es ist fraglich, ob die unter den Verhältnissen des Krieges nur
schwer durchzuführenden, gegen die unmittelbare Ansteckung von
Mensch zu Mensch und gegen die Uebertragung durch Wasser
und andere Nahrungsmittel gerichteten Maassnahmen allein aus¬
reichen, um die Krankheit einzudämmen. Daher sind die ge¬
nannten Maassregeln zu ergänzen durch ausgiebige Anwendung
der Schutzimpfung.
Die heutigen Methoden der Typhusschutzimpfung gründen
sich auf die experimentellen Feststellungen von Pfeiffer und
Kolle, dass es gelingt, durch Einverleibung abgetöteter Bakterien
Schutzkörper zu erzeugen. Zur praktischen Verwertung gelangte
diese Tatsache für Typhus zuerst durch A. Wright, der bei
den im Burenkriege kämpfenden englischen Truppen nach dem
Vorbilde von Haffkine’s Choleraimpfungen Schutzimpfungen
durchführte, indem er die Einspritzung abgetöteter Bouillon¬
kulturen des Typbusbacillus vornahm. Nach Wright ist es da¬
mals gelungen, die Zahl der Typhuserkrankungen bei den Ge¬
impften im Vergleich zu den Ungeimpften auf die Hälfte herab¬
zudrücken und auch die Sterblichkeit der trotz vorausgegangener
Impfung Erkrankten sank auf die Hälfte herab.
1) Nach einem Vortrag, gehalten vor Lazarettärzten in Heidelberg
am II. November 1914.
2) Die Ziffer ist niedriger als in der Armee, weil die Statistik bei
den Städten die Typhusmortalität aller Altersklassen, auch der wenig
für Typhus empfänglichen, umfasst.
Weitere Erfahrungen wurden gesammelt bei den deutschen
Truppen, die 1904 in Deutsch-Südwestafrika gegen Hereros und
Hottentotten kämpften. Hier zeigte sich vor allem der günstige
Einfluss wiederholter Einspritzungen auf die Widerstandskraft
der geimpften Personen gegen die Typhusinfektion.
Die Zahl der tödlichen Erkrankungen betrug bei den Un-
geimpften 12,8 pCt. der Erkrankten, bei den Geimpften 6,47 pCt.
Bei Ausschaltung der nur einmal Geimpften sank die Sterbeziffer
anf 4,03 pCt. derjenigen Erkrankten, die 2 oder 3 Injektionen
erhalten hatten. Diejenigen Personen, bei denen der erzielte
Schutz nicht ausreichte, um eine Erkrankung völlig zu verhüten,
hatten demnach immer noch weit grössere Aussicht auf Genesung
als die Nichtgeimpften.
War gegen die frühere Art der Bereitung und Anwendung
des Impfstoffes das Bedenken zu erheben, dass die Reizwirkung
häufig eine zu heftige sei, so fällt dieser Nachteil bei dem
heutigen Verfahren fort. Leisbman zeigte, dass man durch die
Herabsetzung der zur Abtötung der Typhusbacillen gewählten
Temperatur von 60° anf 53° die Reizerscheinungen wesentlich
vermindern kann. Während er nach dem Vorgänge von Wright
mit Bouillonkulturen arbeitete, zeigte Russell, dass der nach
Pfeiffer und Kolle von Agarknlturen gewonnene Impfstoff
ebenfalls bei Anwendung der Temperatur von 63° seine Reiz¬
wirkung wesentlich verliert, ohne an Schutzkraft einzubüsseu.
Sowohl Leishman wie Russell sahen nach Anwendung
ihrer Impfstoffe die Typhusmorbidität und Mortalität bei Ge¬
impften stark zurückgehen. Ersterer stellte bei englischen Truppen
die Morbidität der Ungeimpften auf 3 pCt., die der Geimpften
auf 0.5 pCt., die Mortalität der Ungeimpften an Typhus auf
0,5 pCt., der Geimpftea auf 0,05 pCt. fest; letzterer schreibt die
Abnahme der Typhusmorbidität in der amerikanischen Armee
von 3—7 pCt auf 0,82 pCt. und der Typhusmortalität von 0,25
bis 0,9 pCt. auf 0,097 pCt. ebenfalls der Durchführung der
Schutzimpfung zu.
ln Deutschland wird die Gewinnung des Impfstoffes aus
Typhusbacillen, die auf Agar gewachsen sind, der Anwendung
abgetöteter Bouillonkulturen vorgezogen.
Die Herstellung des Impfstoffes im hygienischen Institut zu
Heidelberg schliesst sich an das Verfahren an, das nach freund¬
licher Auskunft des Herrn Professor Neufeld im Institut für
Infektionskrankheiten Robert Koch iu Berlin befolgt wird.
Die Typhusbacillen werden auf Agar in Kolle’schen Schalen
gezüchtet und nach 24stündigem Wachstum wird die Bakterien¬
masse mit 16 ccm steriler physiologischer Kochsalzlösung ab¬
geschwemmt. Die Aufschwemmung wird nunmehr in zugeschmol¬
zenen Röhrchen P /2 Stunden lang im Wasserbade des Ostwald-
scben Thermostaten bei 54° erhitzt. Darauf werden die Röhrchen
geöffnet und durch Uebertragung geringer Mengen in Bouillon auf
Sterilität geprüft; dabei zeigt es sich zuweilen, dass die Typhus¬
bacillen noch nicht sämtlich abgetötet sind, besonders wenn der
Nährboden stark bewachsen und die Aufschwemmung dadurch
ziemlich dickflüssig geworden war. Der Inhalt der Röhrchen
wird sofort mit je 500—600 ccm physiologischer Kochsalzlösung
uuter Zusatz von 0,5 pCt. Carbol vermischt. Nach 24ständigen
Stehen bei Zimmerwärme erweisen sich dann die Typhusbacillen
ausnahmslos als abgetötet und nach abermaliger Probe auf Keim¬
freiheit kann der Impfstoff, der eine leicht getrübte Flüssigkeit
darstellt, benutzt werden.
DieVaccine wird von uns jedesmal ans 3 verschiedenen Stämmen
bereitet, die zu gleichen Teilen in der fertigen Flüssigkeit ent¬
halten sind. Wir benutzen je einen Stamm aus Blut und aus
Fäces eines Typhuskrankeu sowie aus den Fäces eines Typhus¬
trägers.
Der fertige Impfstoff wird erstmals in der Menge von 0,5 ccm,
d. h. etwa Vs Oese Typhusbacillen eingespritzt, am besten unter
die Haut der Brust unterhalb des linken Schlüsselbeins in der
Mitte zwischen diesem und der Brustwarze. Die früher ange¬
wandte Einspritzung unter die Haut des Vorderarms empfiehlt
sich nicht wegen der dabei beobachteten starken Örtlichen Reiz¬
erscheinungen. Nach 6—10 Tagen wird die Einspritzung mit
1,0 ccm des Impfstoffs auf der gegenüberliegenden Brustseite vor¬
genommen und nach weiteren 6 — 10 Tagen an einer anderen Haut¬
stelle der Brust wiederholt, so dass jeder Impfling 3 mal Ein¬
spritzungen erhält. Die günstigste Tageszeit ist der frühe Nach¬
mittag, damit die Reaktion in die Nachtstunden fällt.
Vor der Oeffnung ist der Inhalt der Flasche gut durchzu-
schütteln, da die Bakterienleiber, auf deren Einverleibung es an¬
kommt, sich beim Stehen zu Boden gesenkt haben.
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1858
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
Die Einspritzung muss unter den Vorsichtsmaassregeln der
Reimfreiheit erfolgen; für jeden Impfling muss eine frisch aus¬
gekochte Kanüle benutzt werden, was leicht durchzufübren ist,
wenn man mehrere Kanülen zur Verfügung hat und ein Gefäss
mit siedendem Wasser neben sich stehen hat.
Die Reaktion auf die Impfung ist örtlich und allgemein.
Die Örtliche Reaktion besteht in einer Rötung und Druckempfind¬
lichkeit an der Impfstelle, die sich nach einigen Stunden ein¬
stellt and nach 24—48 Stunden abgelaufen ist, die allgemeine
kann völlig fehlen oder in Temperatursteigerungen leichten Grades
bestehen, die meist nach etwa 24 Stunden abgeklungen sind.
Nach Fornet befördert Alkoholgenuss am Tage der Impfung die
Reizwirkung und ist daher zu vermeiden. Der Grad der Reaktion
schwankt bei verschiedenen Personen, die mit dem gleichen Stoff
geimpft sind.
Der Impfstoff wird in Fläschchen von 5, 10, 15, 30, 50, 70
und 100 ccm Inhalt abgegeben, die mit Gummistopfen und Paraffin¬
überzug des Stopfens verschlossen sind. Am besten wird der
Inhalt eines Fläschchens auf einmal aufgebraucht. Soll der
Impfstoff nach Oeffnung der Flasche aufgehoben werden, so muss
der Stopfen sorgfältig vor Berührung mit nicht keimfreien Gegen¬
ständen (Tischplatte) geschützt werden. Bis zur Verwendung
müssen die Flaschen kühl und dunkel, vor Staub geschützt auf¬
bewahrt werden. (Gläser und Gummistopfen sollten möglichst
dem Institut zurückgesandt werden.)
Wie lange der Impfschutz gegen Typhusinfektion anbält, ist
nicht leicht zu ermitteln. Man rechnet mit einer Dauer von etwa
einem Jahre. Manche nehmen eine Schutzwirkung von zwei
Jahren und mehr an.
Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor: Geh.-
Rat Prof. Dr. H. Köttner, Generalarzt ä la suite der
Marine, zurzeit im Felde).
Ueber Erfrierungen im Kriege und ihre
Behandlung.
Klinischer Vortrag.
Von
im Sinne der geweblichen Vereisung 1 ). Es genügt hierzu viel¬
mehr das Zustandekommen einer stärkeren Abküblang für ge¬
wisse Zeit. Da nun bei wirklichem Frost die Wärmeabgabe der
lebenden Teile vorwiegend nur durch Strahlung erfolgt, bei Nässe
dagegen durch die viel wirksamere Leitung, wird es begreiflich
dass gerade im Kriege Massenerfrierungen häufiger Vorkommen bei
kaltfeuchter Witterung mit positiven Temperaturen nahe der
Nullgrenze, wenn die Soldaten eventuell tagelang mit ihren Füssen
der unmittelbaren Nässe von Schützengräben, aufgeweichten Wegen
oder gar Wasserläufen ausgesetzt sind, als bei leichteren und
mittleren Frosttemperatoren, wo die Feuchtigkeit zu einer den
Boden deckenden festen Eiskruste erstarrt. Zu dieser Erkenntnis
haben schon die zahlreichen Erfahrungen des Krimkrieges geführt,
indem man unterschied zwischen den Frostschäden des Winters
1854/56, der zahlreiche Fasserfrierungen der in den Laufgräben
stationierten Soldaten durch die kalte Feuchtigkeit („humidite
frei de“) mit sich brachte im Gegensatz zum folgenden strengeren
Winter, der erheblich weniger Frostschäden zeitigte; dabei be¬
schränkten sich diese nicht auf die Füsse, sondern betrafen auch
die sonstigen peripheren Gliedabschnitte: Ohren, Nase, Hände,
selbst den Penis 2 ). In neuester Zeit haben die bereits zitierten
Publikationen ans den Balkankriegen auf diese Erfrierungen bei
Temperaturen oberhalb des Nullpunktes („Nässegangrän“ nach
Dreyer) wieder besonders die Aufmerksamkeit gelenkt; im bosni :
sehen Feldzuge wurden solche Erfrierungen der Füsse sogar
während der heissen Sommermonate bei Soldaten beobachtet, die
längere Zeit in kalten Gewässern stehen mussten, obwohl deren
Temperatur nicht weniger als -f- 8° betrug 8 ).
Im Gegensätze zu den lokalen Verbrennungen, wo zwischen
Ursache und Wirkung sehr einheitliche, leicht zu überblickende
Beziehungen bestehen, trifft dies bei den Erfrierungen nicht ohne
weiteres zu. Die individuelle Disposition spielt hierbei eine
ganz wesentliche Rolle, indem körperlich Reduzierte schon erheb¬
liche Erfrierungen erleiden können unter Verhältnissen, wo der
sonst Gesunde schadlos ausgehen würde. Es ist daher gewiss
nicht immer durch eine besonders intensive Exponierung der
Kälte gegenüber za erklären, dass die Erfrierungen in den Friedens¬
spitälern mit grosser Regelmässigkeit blutarme oder
unterernährte, häufig dnreh Alkoholismus oder Er¬
krankungen heruntergekommene Menschen betreffen.
Dr. Eduard Melchior, Assistent der Klinik.
Der bevorstehende Winterfeldzug rückt die Frage der Erfrie¬
rungen — namentlich mit Rücksicht auf die an der östlichen Front
kämpfenden Heere — besonders nahe. Wohl noch kein kriege¬
risches Unternehmen ist in unseren Breiten im Winter oder Spät¬
herbst ausgeführt worden, ohne nach dieser Richtung hin gänzlich
von Opfern bewahrt zu bleiben, ganz abgesehen von den zahl¬
reichen als „Erkältungskrankheiten 44 in Erscheinung tretenden
indirekten Folgen einer rauhen Witterung.
Unvergesslich sind die Verheerungen, welche die direkte
Kältewirknng unter der Armee Napoleons auf ihrem Rückzüge aus
Russland anrichtete. Im Krimkriege wurden in der französischen
Armee bei einer Effektivstärke von 309 000 Mann 5 290 Er¬
frierungen (also fast 2 pCt.!) mit einer Mortalität von 1178
beobachtet 1 ); allein innerhalb zweier Nächte erfroren vor Sebastopol
2800 Mann, darunter 900 mit tödlichem Ausgange 2 ). „Ungpheure
Mengen“ von Erfrierungen zeitigte der russisch türkische Krieg
1877/78 3 ). Der amtliche „Sanitätsbericht über die deutschen
Heere im Kriege gegeu Frankreich 1870/71“ verzeichnet 1014 Fälle
von Erfrierungen schwereren Grades. Die durch Erfrierungen
bedingten Gliedabsetzungen in der Zahl von 30 entsprechen einem
Prozent der Gesamtziffer dieser Operationen des Feldzuges. —
Wie zahlreich in den jüngsten Baikankriegen die lokalen Er¬
frierungen auftraten, lehren die zahlreichen Mitteilungen über
diesen Gegenstand von Dreyer 4 ), Wieting 5 ), Welcker, Geru-
lanos u. a. Wieting allein spricht von 300 selbst beobachteten
Fällen.
Aetiologie.
Zur Hervorrufung einer Kälteschädignng im Sinne einer
lokalen Erfrierung — nur von solchen soll im folgenden die
Rede sein — bedarf es keineswegs einer wirklichen „Gefrierung“
1) Vgl. Delorme, Traitö de Chirurgie de guerre 1888, und
H Fischer, Handbuch der Kriegschirurgie, 1882.
2) Holmes uüd Hulke, A System of surgery, 3. ed., 1883.
3) Zbl. f. Chir., 1882, S. 402.
4) Zbl. f. Chir., 1913, Nr. 42, und D.m.W., 1914, Nr. 14—16.
5) Zbl. f. Chir., 1918, Nr. 16.
So sahen wir au der Küttner’sohen Klinik eine Patientin von
blassem Aussehen und schwächlichem Körperbau, der im Alter tob
26 Jahren die Zehen beider Füsse beim Marsche auf der Land-
strasse (im März 1901) abgefroren waren. „Sie war damals sehr elend
— angeblich brustkrank — und brauchte einen Vormittag zu dem eine
Meile langen Wege.“
Auch bei den Erfriernngen im Kriege tritt dieses Moment
der individuellen Prädisposition ganz unverkennbar in die Er¬
scheinung. Neben der allgemeinen Ernährungsfrage spielen hier
namentlich gleichzeitige erschöpfende Krankheiten wie
Typhus, Scorbut, Ruhr, Cholera eine wichtige Rolle. Schon im
Krimkriege, wo in der französischen Armee die durch Krankheiten
bedingte Verlustziffer von 76 000 die Zahl der vor dem Feinde
Gefallenen mit 20 000 weit hinter sich liess, ist dieser Zusammen¬
hang klar erkannt worden. 4 ) Auch der jüngste Balkankrieg hat
weitere Grundlagen für die prädisponierende Bedeutung der ge¬
nannten Krankheiten erbracht, wobei allerdings Welcker ent¬
schieden zu weit geht, wenn er die beobachteten Fälle von Frost¬
brand ohne weiteres unter den Begriff der Cholera- und Typhus-
gangrän subsummiert. 5 )
1) Nach manchen Aeusserungeu der Literatur soheint dies gelegent¬
lich angenommen zu werden, wie sioh aus der besonderen Betonung des
Verhaltens der äusseren Temperatur zum Nullpunkte ergibt. Natürlich
ist aber selbst bei einer beliebig lange einwirkenden Temperatur roo
0° ein Gefrieren von Körperteilen ausgeschlossen, da das Gewebe infolge
seiner Salzspannung erst bei tieferen Temperaturen — einheitücne
Angaben darüber fehlen (vgl. March and, Handbuch der allgemeine
Pathologie, 1908, Bd. 1) — gefriert. Aber auch bei stärkerem nos •
wetter ist ein Gefrieren von Gliedmaassen ausgeschlossen, ehe nicht der
durch die Blutcirculation gegebene Wärraestrom zuvor völlig erloschen u
2) Cf. Delorme, 1. o. Bd. 1, S. 299. Die Origin&linitteilungeo uoer
diese Erfrierungsfälle in Koustantiuopel während des Krimkrieges (bus *
remau, Leguest, Valette, Maupin), erschienen in dem Becueii
mömoires de möd,, de chir. etc., 2. Ser. XVI—XIX, waren mir jetzt n
zugänglich.
3) Vgl. v. Eiseisberg, W.kl.W., 1914, Nr. 43.
4) „Les causes günörales debilitaotes qui ötendaient sur
tous leur action desorganisatrice favoriserent leur (sc. der Erfrierung
döveloppement et leur terminaison par la gangiene* (Delorme;.
5) Centralbl. f. Chir., 1918, Nr. 42 und 46,
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30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1869
Aas ähnlichen Gründen erklärt es sich, dass auch Ver¬
wundete bei geschwächtem Allgemeinzustand und infolge ihrer
Unbeweglichkeit in schlecht geheizten Feldlazaretten oder auf
Transporten Frostschäden erleiden können, während das sonst
unter gleichen Verhältnissen befindliche Begleitpersonal verschont
bleibt. Delorme hat hierauf mit Rücksicht auf die Erfahrungen
des Krimkrieges hingewiesen, ebenso Fischer. Auch der Deutsche
Sanitätsbericbt 1870/71 berichtet über derartige Erfahrungen. 1 )
Dass bei sonst gesunden Menschen auch die Gewöhnung
eine nicht zu unterschätzende Bedeutung besitzt, lehren nament¬
lich die Erfahrungen der Polarexpeditionen, während die plötz¬
lich einsetzende Kälte stets eine erhöhte Gefährdung mit sich
bringt.
Als lokal prädisponierendes Moment, welches den Ein¬
tritt der Erfrierungen begünstigt, nennt schon Billroth „eng
anliegende Kleidungsstücke, welche den Kreislauf ge¬
nieren“. 8 ) Von Interesse in dieser Hinsicht erscheint die in der
Monographie von Sonnenburg (Stuttgart 1879) angeführte Selbst¬
beobachtung eines französischen Arztes (Bertrand, Rückzug der
Bourbaki’schen Armee 1870/71), „dass sein linker Fuss, dessen
Bekleidung enger wie die des rechten gewesen, erfroren sei“.
Bekanntlich hat Dreyer neuerdings diesen letzteren Faktor
besonders in den Vordergrund gerückt, indem er das gehäufte
Auftreten der Fussgangrän in der türkischen Armee (Balkankrieg
1912/13) im wesentlichen zurückführt auf die dort getragenen
Schnürschuhe und Wickelgamaschen, die bei Durchnässung
leicht eine circulationshemmende, schnürende Wirkung ausüben. 3 )
Pathogenese.
Bei den biologischen Vorgängen, welche zu dem Begriff der
lokalen Erfrierung fahren, handelt es sich einmal um eine di¬
rekte Gewebsschädigung durch die Kältewirkung, sodann aber
besonders um indirekte Noxen, bedingt durch die Beeinflussung
der Blutcirculation.
Eine Vereisung des Gewebes als solche braucht dabei noch
nicht ohne weiteres zu ernsteren klinischen Symptomen, geschweige denn
zum völligen Gewebstod zu führen, wie die alltägliche Erfahrung der
örtlichen Anästhesie mit dem Chlorätbylspray lehrt. Die Endwirkuog
ist vielmehr wesentlich abhängig sowohl von der Dauer der Gefrieruug
als auch dem Grade der Kälte. So ist bekanntlich die ebenfalls thera¬
peutisch viel verwandte Gefrierung von Kohlensäureschnee eine erheb¬
lich intensivere als die mit Aether oder Chloräthyl hervorgerufene, so
dass es hier auch bei kurzer Applikation leicht zur Blasenbildung kommt.
Wir müssen uns dabei die Einwirkung der Vereisung auf das lebende
Gewebe als einen komplexen Vorgang denken, indem neben der reinen
Kälteschädigung des Protoplasmas auch noch der mechanische Effekt
der Kristallbildung binzukommt; auch ist anzunehmen, dass die Kon¬
zentration der Gewebsflüssigkeit bei dem Vorgänge der Gefrierung wesent¬
liche Aenderungen erfährt, indem wahrscheinlich bei der Kristallisierung
der Umgebung Wasser entzogen wird unter Erhöhung der dort herr¬
schenden molekularen Konzentration, während beim Wiederauftauen ent¬
gegengesetzt gerichtete Vorgänge Platz greifen und zwar, wie die Klinik
lehrt, mit um so folgenschwererer Wirkung, je schneller dieses Auftauen
vor sich geht. Experimentell stimmt dies gut zu der Erfahrung, dass
die Hämocbromolyse der roten Blutkörperchen — das sogenannte Lack¬
farbenwerden des Blutes — besonders intensiv bei schnellem Gefrieren
und Wiederaaftauen erfolgt.
Wenn auch bei den lokalen „Erfrierungen'* oberhalb des
Nullpunktes direkte Protoplasmaschädigungen wohl ebenfalls anzu¬
nehmen sind, so steht doch unter diesen Umständen die Wirkung der
Isohämie weitaus im Vordergründe. Die Blutleere der im Stadium
direkter Kältewirkung befindlichen Körperteile beruht auf spastischer
Kontraktion der kleineren und grösseren Gefässe wie es klinisch an dem
leichenblassen Aussehen erfrierender Gliedmaassen zum Ausdruok kommt.
Hält diese Blutleere lange genug sd, so führt sie zu schweren, eventuell
nicht mehr reparablen Zellveränderungen, während andererseits gerade
erst durch die fehlende, bzw. wesentlich eingeschränkte Circulation eine
erheblichere, durchgreifende Abkühlung des Gewebes ermöglicht wird.
Die direkte Kältewirkung und Ischämie ergänzen sich also auf diese
Weise im Sinne eines Circulus vitiosus 4 * * * ).
Der ursprünglichen Vasokonstriktion folgt in weiteren Stadien eine
Lähmung der Vasokonstriktoren unter den Erscheinungen der Stase
mit Transsudation von Oedemflüssigkeit — die eventuell auch alle Ueber-
gänge zum entzündlichen Exsudat zeigt — in das umgebende Gewebe.
Nach Untersuchungen von Laveran wird der Eintritt dieser Stase da¬
1) Bd. I, S. 208 und 210 und Bd. lila, S. 91.
2) Billroth, Allgemeine Chirurg. Pathologie, 3. Aufl. 1868, S. 285.
3) Chirurgenkongress 1913.
4) Diese Ausschaltung der lokalen Blutcirculation schützt anderer¬
seits den Gesamtwärmehaushalt des Organismus. Die Natur opfert hier
also gleichsam periphere, für das Leben nicht unbedingt erforderliche
Teile im Interesse des Ganzen,
durch begünstigt, dass die kleinen Venen am längsten kontrakt bleiben.
Halt die Stase lange genug an — zumal wenn sich echte thrombo¬
tische Vorgänge hinzugesellen —, so bedeutet dies ein definitives
Zugrundegehen der ursprünglich geschädigten Zellen. Freilich braucht
ein solcher histologisch nachweisbarer Zelltod bzw. das Absterben ein¬
zelner Gewebsbezirke klinisch durchaus noch nicht ohne weiteres als
Nekrose oder Gangrän sinnfällig zu werden. Stellt sich nämlich die
Circulation schliesslich wieder her und sind die ursprünglichen Schädi¬
gungen nicht sehr ausgedehnte, so sehen wir — zumal an der Haut —
das abgestorbene Zellmaterial unter entzündlichen Erscheinungen all¬
mählich der Resorption anheimfallen, und zwar entweder mit voll¬
ständiger Restitution zur Norm oder aber es bilden sich — zumal bei
wiederholt einwirkenden Schädigungen — leicht jene chronisch exsuda¬
tiven, als Perniones bezeichneten Veränderungen des Integumentes.
Noch weitergehendere Reparationen sehen wir im Tierexperiment fast
unmerklich — gleichsam unter der Oberfläche — vor sich gehen, indem
z. B. „nach dem vollständigen Hartfrieren des Ohres ohne äussere Sub-
stanzverluste (abgesehen von Abstossung der Epidermis) eine Schrumpfung
mit Erhaltung der wesentlichen Teile stattfioden kann“. (Marchand,
l. c.) Bei der therapeutischen Anwendung stärkerer Kältewirkung —
speziell wenn es sich darum handelt, oberflächliche Naevi oder Häm¬
angiome zu beseitigen — rechnen wir ja gerade mit dieser Form der
successiven, ohne die äusserlichen Zeichen der Nekrose verlaufenden
Destruktion bestimmter Gewebselemente.
Symptomatologie.
Vom klinischen Standpunkte aus werden je nach dem Effekt
der lokalen Erfrierung — ebenso wie bei den Verbrennungen —
mehrere Grade unterschieden, nämlich 1. die einfache nur von
einer Hautrötung oder Perniones gefolgte Erfrierung, 2. Blasen¬
bildung, 3. der eigentliche mehr oder weniger ausgebreitete
Frostbrand, wobei noch Unterabteilungen gemacht werden, je
nachdem die Gangrän nur die Haut oder auch die tiefer ge¬
legenen Teile betrifft.
Eine derartige Gradeinteilung wird sich praktisch oft genug
erst nachträglich treffen lassen. Man muss sich nämlich ver¬
gegenwärtigen, dass in vielen Fällen durch eine gegebene Kälte¬
einwirkung der klinische Endeffekt noch nicht ohne weiteres
determiniert ist, dieser vielmehr auch noch von späteren Um¬
ständen, namentlich auch von der abgeschlagenen Behandlung
abhängt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass z. B. Blasenbildung
sowohl als selbständige Frostschädigung — z. B. nach Einwirkung
von Kohlensäureschnee zu therapeutischen Zwecken — vorkommt,
wie auch symptomatisch im Gefolge schwerster Erfrierungen.
Auch ist es praktisch ziemlich belanglos, ob die % primäre Kälte¬
nekrose allein die Haut oder auch die tieferen Teile betrifft.
Ein unter dem Einfluss stärkerer Kältewirkung befindlicher
Körperteil ist — wie schon oben begründet — gewöhnlich blass
und gefühllos, nachdem eine erste Periode der Nervenreizung,
die sich durch heftiges Brennen und Stechen manifestiert, über¬
wunden ist. Diese Gefühllosigkeit kann die Schuld daran tragen,
dass Lente mit erfrorenen Füssen oft noch stundenlang weiter
in der Kälte umherlaufen und auf diese Weise die Schädigung
steigern. In den leichtesten Formen der Erfrierung folgt auf
dieses Stadium der Vasokonstriktion eine stärkere Rötung der
peripheren Abschnitte, begleitet von heftigem Jucken und Prickeln.
Der Gliedabscbnitt ist meist geschwollen; namentlich in lockeren
Gewebsbezirken wie am Handrücken ist der Befund eines prallen
Oedems nicht selten. Diese Erscheinungen können restlos ab-
klingen oder aber es schliesst sich hieran die Bildung jener be¬
reits genannten Frostbeulen (Perniones), an den Ohren nicht
selten von einer Abschuppung der Epidermis begleitet. Auch
sonst wird die Haut leicht rissig — aufgesprungene Hände! —,
und es können sich dann bei mangelnder Fusspflege an derartige
Rhagaden hartnäckige erysipelative Entzündungen, eventuell von
phlegmonösem Charakter anschliessen.
Bei wiederholt einwirkenden Frostschäden u kommt es
gelegentlich im Bereiche der ursprünglichen Frostbeulen zur
Geschwürsbildung von ausgesprochen torpidem Charakter, die
duchaus an trophoneurotische Ulcerationen erinnern. (Duplay
und Morat). Man bat hierbei an direkte Schädigungen der
Nerven gedacht, um so mehr als sowohl experimentell wie
klinisch direkte Läsionen der peripheren Nerven, ja selbst voll¬
kommene Lähmungen unter der Einwirkung von Kälte beobachtet
worden sind 1 ). Vielleicht stehen hierbei aber endarteriitische
Veränderungen im Vordergründe, wie sie zuerst v. Wini warter 2 )
als Ursache der Spätgangrän nach wiederholten leichteren Er-
1) Vgl. Römy und Thörese, Travaux de neurologie chirurgicale,
1899, S. 162.
2) LaDgenb. Arcb., 1879, Bd. 23, S. 102.
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1860
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
frierungen beschrieben hat. Auch für die Entstehung der
Claudicatio iatermittens (Dysbasia angiosclerotica), unter
deren kausalen Faktoren Erb 1 ) vorausgegangene wiederholte
Kältetraumen mit an erster Stelle rechnet, spielen derartige end-
arteriitische Vorgänge eine wesentliche Rolle; mitunter ist ja
dieser Symptomenkomplex überhaupt nur als Vorläufer der
Gangrän durch Gefässverschluss anzusehen.
ln den schwereren Formen der Erfrierung sieht man
die betroffenen Teile blau, ödematös, gedunsen, gefühllos. Häufig
finden sich Blasen, gefüllt mit dankler, blutig seröser Flüssigkeit;
hebt man sie ab, so erscheint darunter die blutig imbibierte
Cutis. Bleiben die cyanotischen Gliedabschnitte auch nach Ein¬
leitung einer entsprechenden Therapie (s. w. u.) und bei um¬
gebender Zimmertemperatur kalt, so bedeutet dies — wie es
Wieting besonders betont hat — den Uebergang in Gangrän,
während sonst noch eine Restitution möglich ist.
So sah z. B. Wieting einen derartigen Fall, in dem beide Füsse
bis zum Mittelfuss tiefblau, aber in der Temperatur nur massig herab¬
gesetzt waren, mehrere Falle, wo die Zehen dieses Verhalten zeigten.
Sie erholten sich völlig.
Ein anderes prognostisches Kriterium in dieser Hinsicht liefert
nach Billroth das Verhalten der Sensibilität: „Ist die Cutis
bei tiefen Einstichen 24 Stunden nach stattgebabter Erfrierung
noch völlig gefühllos, so erholt sie sich wahrscheinlich nicht mehr“.
Eine einsetzende entzündliche Rötung proximal von den am
schwersten geschädigten Partien pflegt dann in der Folge die
Grenze des Absterbens anznzeigen. Es kommt dann entweder
zur Mumifikation mit allmählicher Spontanelimination der
nekrotischen Teile; prognostisch ungünstiger ist die feuchte
Gangrän, die ja in manchen Fällen nichts anderes darstellt als
eine gangränöse Phlegmone und als solche namentlich in der
vorantiseptischen Zeit oft genug den tödlichen Ausgang durch
Pyämie herbeiführte. Auch Tetanus ist unter diesen Umständen
mehrfach beobachtet worden. Die früher vereinzelt beschriebenen
Duodenalgeschwüre nach Erfrierungen (Adams, Foerster)
gehören wohl in die Kategorie der sogen, septischen Ulcera
dnodeni 2 ).
Ueber die Lokalisation der Erfrierungen sei nur noch
rekapituliert, dass speziell die in den Feldzügen so bedeutungs¬
vollen Erfrierungen durch feuchte Kälte geradezu ausschliess¬
lich die Füsse betreffen — in der Friedenspraxis stellen hier be¬
kanntlich die leichteren Erfrierungsformen an den Händen der in
kaltem Wasser arbeitenden Wäscherinnen, Fleischer, Schiffer usw.
das Hauptkontingent —, während bei schwerem Frostwetter auch
Hände, Nase und Ohren stärker in Mitleidenschaft gezogen werden.
Am Fuss selbst ist die grosse und kleine Zehe am meisten
gefährdet — Le Den tu —, wie dies auf Grund der anatomischen
Situation ohne weiteres verständlich ist.
Prophylaxe.
Bei der Bekämpfung der Kälteschädigungen lokaler Art spielt
im Kriege die Prophylaxe eine ganz wesentliche Rolle. Warme,
nicht beengende Kleidung — vgl. auch den von Dreyer an¬
gegebenen, jede Schnürwirkung ausschliessenden festen Stiefel, ,
abgebildet in der Deutschen med. Wochenschr., 1914, Nr. 16 —, ,
ausreichende Ernährung, Möglichkeit des Wechselns durchnässter
Kleidungsstücke stehen hier an erster Stelle. Angesichts der
Prädisposition durch erschöpfende Krankheiten sind es somit
Fragen der Truppenhygiene im weitesten Sinne, welche hier in
Betracht kommen, und auf die hier nicht im einzelnen einge¬
gangen werden kann.
Therapie.
Bei bereits eingetretener Erfrierung gilt von alters her als
Grundregel — von allen durch den Allgemeinzustand eventuell
erforderlichen Maassnahmen hier abgesehen —, dass die Wieder¬
erwärmung zunächst langsam und allmählich zu erfolgen hat.
Das Abreiben mit Schnee steht in klassischem Rufe, es genügt
wohl auch ein Frottieren mit kalten Tüchern. Man kann dann
die erfrorene Extremität in Watte ein wickeln, so dass erst nach
und nach unter dem Einflüsse der Bettwärme — keine Wärm¬
flaschen! — die lokale Temperatur wieder einen Anstieg erfährt.
Erscheint dieses Prinzip für die Fälle von wirklicher Ver¬
eisung theoretisch schon ohne weiteres begreiflich (s. oben), so
ist aber auch selbst dann, wenn die tiefste Abkühlung noch einige
Grade oberhalb des geweblichen Gefrierpunktes Halt gemacht
1) M.m.W., 1904, Nr. 21, 1910, Nr. 21.
2) Melobior, Ergebnisse der Chirurgie usw., 1911, Bd. II, S. 223.
hat, die Differenz zur normalen Körpertemperatur eine so erheb¬
liche, dass ein plötzlicher Ausgleich derselben ohne eingreifende
Störungen im Ablauf der cellulären Lebensvorgänge kaum denkbar
ist. Jedenfalls ist klinisch an der Schädlichkeit einer
brüsken Erwärmung nicht zu zweifeln. So gibt z. B. ein
so erfahrener Beobachter wie Larrey an, dass nach der in strenger
Kälte ausgefochteuen Schlacht bei Preussisch-ßylau alle diejenigen,
die sich nach stattgefundener Erfrierung in die Stadt oder an das
Feuer der Biwaks schleppten, „sehr schlimm davon kamen“ im
Gegensatz zu denen, die sofort in rationelle ärztliche Behandlung
gelangten: „Wir Hessen sie sogleich mit Schnee und dann all¬
mählich mit Campherspiritus waschen, was dem Brand, wo er
noch nicht da war, zuvorkam, während er sich fast augenblick¬
lich bei denen zeigte, die sich der Wirkung des Feuers aus¬
setzten“. In Sonnenburg’s Monographie findet sich die Beob¬
achtung eines neunjährigen Knaben, der sich den ganzen Tag bei
Regen- und Schneewetter im Freien herumgetrieben hatte; als er
mit vor Kälte starrenden Gliedern nach Hause kam, werden ihm
die Beine in ein warmes Bad gesteckt; schon am folgenden
Morgen sind bei dem sonst gesunden, blühend aussebenden Knaben
beide Füsse bis zu den Knöcheln hinauf kalt und gefühllos; Tod
an Tetanus. Wir selbst sahen an der Küttner’schen Klinik einen
sehr kräftigen, robusten, 19jährigen jungen Mann, der bei strenger
Kälte Schneeschuh gelaufen war, abends noch getanzt hatte, alles
ohne Schmerzen; auf der Heimfahrt in der Eisenbahn legt er die
kalten Füsse auf die Heizkästen, es folgte eine rapide Gangrän
und Spontanabstossung sämtlicher Zehen. — Im übrigen ist wohl
auch jedem aus eigener Erfahrung — z. B. nach Schlittschuh¬
laufen — bekannt, dass, wenn die Erwärmung stärker abgekühlter
Füsse sehr rasch erfolgt, der auftretende brennende, prickelnde,
spannende Schmerz sehr viel intensiver ist als bei allmählicher
Erwärmung (Billroth).
Es kann hier schliesslich eine fast durch die gesamte
Literatur sich ziehende, meines Wissens bisher unwider¬
sprochene Angabe nicht übergangen werden, dahin
lautend, dass fest gefrorene Gliedmaassen, bzw. peri¬
phere Gliedabschnitte brüchig wie Glas werden können.
Eine besondere Vorsicht beim Transport von derartig Verletzten
wird daher namentlich auch in den Vorschriften für erste Hilfe
in UnglucksfäUen anempfohlen, um ein Zerbrechen der steifen
Glieder zu verhindern. 1 )
Konkrete Beobachtungen dieser Art habe ich indessen in der
Literatur nicht auffinden können. Wenn es nun auch bekannt
ist, dass bei extrem niedrigen Temperaturen, wie sie durch Ein¬
wirkung flüssiger Luft erzielt werden (also bei etwa —200®)
Leder, Holz, Pflanzen usw. eine glasartige, homogene Sprödigkeit
annehmen, so erschien es doch a priori höchst fraglich, ob bei
weniger intensiven Kältegraden, wie sie praktisch in unseren
Breiten allein in Frage kommen, ähnliche physikalische Zustands¬
änderungen Vorkommen. Zur Klärung dieses Problems dienten
folgende einfachen Versuche:
1. Ein an und für sich gesunder Finger, der von einer frisch wegen
Tuberkulose amputierten Hand eines älteren Mannes stammt, wird für
eine halbe Stunde in eine Eiskochsalzmischung, deren Temperatur bei
dauernder thermometrischer Kontrolle minus 16—17° aufweist, gelegt
Der Fiüger ist vollkommen hart und steif, der Versuch, ihn mit eben¬
falls entsprechend abgekühlten kräftigen Metallinstrumenten *u zer¬
brechen, misslingt: auch bei kräftigsten Schlägen mit einer schweren
Eisenstange tritt kein Zerspringen ein.
2. Ein anderer Banger der gleichen Hand wird ebenso mit wh-
strömendem Kohlensäureschnee 10 Minuten lang vereist, die erzielte
Temperatur dürfte hierbei mindestens —30° betragen. Auch hierbei
gelingt es nicht, den Finger in Stücke zu zerbrechen oder ihn durch
Verhämmerung zum Zerspringen zu bringen.
Ich möchte daher annehmen, dass sich jene Angaben von
der Ablösung erfrorener Gliedabschnitte bei unvorsichtigem Han-
I tieren usw. nicht auf fest gefrorene Körperteile beziehen, sondern
darauf zurückzuführen sind, dass bei bereits in Demarkierung be¬
griffenen, gangränösen Zehen, Fingern oder dergleichen ein
entsprechender Vorgang gelegentlich beobachtet werden mag.
Eine weitere therapeutische Aufgabe erwächst angesichts der
cyanotischen Stase. Bedeutet sie doch einen wesentlichen
Faktor für das endgültige Zustandekommen der Nekrose, indem,
1) Vgl. z. B. den Leitfaden von v. Esmarch, 29. Aufl., Leipzig
1914, S. 78; Unterrichtsbuch für Sanitätsmannschaften vom 27. Sep¬
tember 1902 (Auszug für freiwillige Krankenpfleger, 1903, S. HS).
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30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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so lange sie besteht, eine wirksame arterielle Ernährung des an¬
geschoppten Gewebes ausgeschlossen ist, dieses vielmehr in dem
reduzierten Blute schliesslich erstickt. Die wirksamste Maass¬
regel zur Beseitigung der Stase stellt die von v. Berg¬
mann angegebene Suspension dar. Das blaugedunsene Glied
wird locker auf eine Schiene aufbandagiert und möglichst steil
aufgebängt. Die hiermit erzielten Erfolge sind nach zahlreichen
Erfahrungen oft überraschende; die cyanotisch öderaatösen Ex¬
tremitäten schwellen ab, RötuDg tritt ein als Zeichen der wieder¬
bergestellten Circulation, und es ist sicher, dass manche sonst
verlorene Extremität auf diese Weise als Ganzes oder wenigstens
teilweise gerettet worden ist. Hat man im übrigen einmal
eine solche tiefblaue, kühle Extremität gesehen, aus der bei
jedem Nadelstich sofort dunkle Blutstropfen vorquellen, so
liegt der Gedanke nahe, hier die Entleerung des stagnierenden
Blutes zu begünstigen durch direkte Einschnitte in das Ge¬
webe — also jenes Verfahren, das Noesske 1 ) generell für die
Behandlung der droheuden Gangrän durch Stase angegeben hat.
In der Tat bat auch Wieting dieser Maassnahme das Wort
geredet, und wir möchten in schwereren Fällen, wenn sich der¬
artige entspannende Inzisionen unter aseptischen Kautelen durch¬
führen lassen, wohl dazu raten. Technisch kämen hierzu In¬
zisionen auf die Zehenkuppen bis zum Knochen, eventuell auch
noch an den seitlichen Fussrändern in Betracht.
Nicht jede erfrorene Extremität lässt sich freilich erhalten.
In vielen Fällen, namentlich denen, die erst später in die Be¬
handlung treten, bildet der Eintritt des Brandes die un¬
abweisbare Folge. Unter diesen Umständen bat die thera¬
peutische Aufgabe das wichtige Ziel zu verfolgen, den Brand
möglichst zu einem trockenen zu gestalten.
Die Wege hierzu sind klar vorgezeichnet, wenn man be¬
denkt, dass die Vorbedingung zur Eintrocknung des abgestorbenen
Gewebes darin besteht, dass eioe ausreichende Flüssigkeitsabgabe
nach aussen hin erfolgen kann. Bei erhaltener Kontinuität der
Epidermis, die hier die Rolle einer impermeablen Membran spielt,
ist dies jedoch ausgeschlossen, zumal die Schweisssekretion in
den abgestorbenen Bezirken sistiert. Wohl aber kann eine
ausgiebige Verdunstung stattfinden, wenn es zur Ab¬
hebung von Blasen, Berstung derselben und Freilegung
des Coriums kommt. Es ist ja auch sonst bekannt, wie
enorm nach Entfernung der Epidermis — also z. B. nach Ver¬
brennungen, nach Entnahme Thiersch’scher Läppchen — die
Flüssigkeitsabgabe der freiliegenden Cutis sein kann. Dass es
sich hierbei nicht rein um einen biologischen Vorgang handelt,
lehrt die Erfahrung, dass auch an der hydropischen Leiche nach
Skarifikation der Epidermis Oedemflüssigkeit abflie9st, und dass
freiliegende Cutisstellen pergamentartig eintrocknen. Es liegt
daher nahe, diese Möglichkeit der Gewebseintrocknung
nicht dem Zufall zu überlassen, sondern dieselbe durch
frühzeitiges ausgiebiges Abziehen der Epidermis —
was bei beginnender Gangrän gewöhnlich ohne weiteres
geht — aktiv herbeizufübren.
Schon Stromeyer berichtet in seinen „Maximen der Kriegs¬
heilkunde“ über den eklatanten Erfolg, den diese Maassnahme
unter solchen Umständen haben kann: „Mit Hilfe dieser kleinen
Entdeckung habe ich einem berühmten Chirurgen eine Wette ab¬
gewonnen. Es handelte sich um einen Fuss, der infolge einer
Bombenverletzung abgestorben war. Ich fragte meinen Freund,
ob dies nach seiner Erfahrung ein feuchter oder trockener Brand
werden würde. Er bestand darauf, es müsste ein feuchter bleiben.
Ich liess die Epidermis abstreifen und am folgenden Tage war
der Brand ein trockener. Das Experiment konnte ich in dem
gelinden Winter 1852/53 meinen Schülern in der Klinik zeigen
an einem durch Frost bis ins Tibio-Tarsalgelenk abgestorbenen
Fusse. Der abscheuliche Gestank hörte ganz auf.“
Auch Bill rot h hat in seinem Bericht über die chirurgische
Klinik zu Wien, 1871—1876, das Abziehen der Epidermis als
Mittel zur Herbeiführung der Mumifikation angegeben.
Wenn auch vereinzelt in den Lehrbüchern ähnliche Angaben
figurieren, so scheint doch, wie ich oft erfahren habe, dieses ein¬
fache Prinzip wenig bekannt zu sein. Davon, dass es recht
wirksam ist, habe ich mich mehrfach überzeugen können; es
ässt sich dies besonders augenfällig gelegentlich dann demon¬
strieren, wenn man an einzelnen Zehen die Epidermis erhält, an
en übrigen aber abzieht; der Unterschied im lokalen Verlauf der
Gangrän pflegt dann meist sehr ausgesprochen zu sein.
1) Chirurgenkongress 1910.
Wirksam unterstützt wird dieses Verfahren durch verschiedene
Maassnahmen, die eine weitere Flüssigkeitsverarmung des frei¬
gelegten, tieferen Gewebes begünstigen. Es gehört hierher die
Anwendung gut aufsaugender, trockener Verbände, während
feuchte Verbände — die man leider immer noch hierbei gelegent¬
lich in Anwendung sieht — direkt als fehlerhaft zu bezeichnen
sind. Die Anwendung austrocknender Wundpul ver, wie z. B. von
Dermatol, kann hierbei mit Vorteil in Frage kommen, ebenso die
Applikation von wasserentziebendem absoluten Alkohol (Bill-
roth). Bei anfänglich starkem Gestank ist die reichliche An¬
wendung der feingepulverten Tierkohle sehr zu empfehlen.
Eine besonders wirksame Austrocknung wird durch pro¬
longierte Anwendung der Heissluft erzielt; wir sind bei ein¬
getretener Gangrän gelegentlich so verfahren, dass der Fuss
völlig frei vermittels eines an die abgestorbene grosse Zehe ge¬
schlungenen Fadens an eine Reifenbahre suspendiert, das Gestell
selbst mit dicken Tüchern abgedeckt und hierunter der Ver¬
gasungsstrom einer kräftigen Spirituslampe mittels eines Schorn¬
steins geleitet wurde.
Diese auch sonst empfohlene Anwendung der Heissluft 1 ) hat
neben der austrocknenden Wirkung noch die besondere Be¬
deutung, dass sie die aktiven, zur Demarkation führenden Ent¬
zündungsvorgänge und Granulationsbildung seitens der er¬
haltenen Teile fördert; auch bei der Behandlung chronischer
Erfrierungsrückstände in Gestalt ödematöser und cyanotischer
Schwellungen (Lexer) ist ihr Nutzen betont worden.
Operative Maassnahmen in Gestalt von Frühamputationen
bleiben im wesentlichen für diejenigen — bei rationeller Behand¬
lung jedenfalls nur ganz ausnahrasweisen — Fälle reserviert, in
denen die Gangrän trotz aller Gegenmaassnahmen feucht bleibt
und in Gestalt einer fortschreitenden Phlegmone entweder direkt
oder auf dem Wege der Allgemeininfektiou das Leben bedroht.
In allen anderen Fällen soll man dagegen die Demar¬
kierung und Abstossung wenigstens der Weichteile
möglichst ab warten. Vorstehende Knochenenden — nament¬
lich die Köpfe der Metatarsalia — sind mit der Luer’schen
Zange abzukneifen oder einzelne Phalangen zu exartikulieren.
Der grosse Vorteil eines derartigen abwartenden Verfahrens be¬
steht darin, dass die Verstümmelungen hierbei gewöhnlich erheb¬
lich geringer ausfallen, als es bei frühzeitiger Absetzung durch¬
führbar wäre. Es gilt dies namentlich dann, wenn — wie so
leicht — bei der im infektiösen Stadium vorgenommenen Ampu¬
tation die prima reunio ausbleibt und Lappennekrosen oder ähn¬
liche Wundstörungen eintreten. Geschieht dies z. B. nach einer
Lisfranc’schen Absetzung, so lässt sich ein solcher Schaden wohl
überhaupt nicht mehr gutmachen, und es ist noch ein relatives
Glück, wenn später wenigstens eine Stumpfbildung nach
Pirogoff möglich ist. v. Massari und Kronenfels haben im
letzten Balkankriege Gelegenheit gehabt, sich von den traurigen
Resultaten derartiger — von anderer Seite vorgenommener —
vorzeitiger Eingriffe zu überzeugen 2 ).
In nicht wenigen Fällen gelingt es, auf diese Weise nach
Entfernung der vorstehenden Knochenenden und nach Reinigung
des Wundbettes überhaupt ohne eigentlichen operativen
Eingriff auszukommen, wenn man, wie Gerulanos es
schildert, die granulierenden Wunden sich ganz selbst überlässt:
„Gewöhnlich war die Rückenhaut stärker ergriffen, die Plantar-
hant besser erhalten, infolgedessen zog die Plantarhaut über die
prominierenden Knochen herauf, und es erfolgte spontane Heilung.
Wir hatten dadurch die Freude, viele Füsse zu erhalten, bei
denen durch Operation kaum Pirogoff hätte gemacht werden
können 3 ).
Immerhin sind die auf diese Weise entstehenden Narben oft
sehr gespannt dünn, mitunter schmerzhaft und können noch nach
Jahr und Tag zu hartnäckigen Ulcerationen führen, so dass eine
reguläre Stumpfbedeckung doch möglichst von vorn¬
herein augestrebt werden sollte.
Ganz ausgezeichnete Resultate ergibt hierbei die unter diesen
Umständen oft genug ausführbare Absetzung im Tarso-Metatarsal¬
gelenk nach Lisfranc. Derartig operierte Menschen gehen trotz
Verlust des Mittelfusses häufig kaum anders als normale. Sehr
schön tragfähige Stümpfe liefert auch die Pirogoff’sche Opera¬
tion, zumal in der Modifikation nach Günther, wobei die Fersen¬
sohle als Tragfläche weiter funktioniert. Die Brauchbarkeit der
1) Ritter, M.m.W., 1907, Nr. 19.
2) W.kl.W., 1913, Nr. 44.
3) Beitr. z. kliu. Chir., Bd. 93, H. 3.
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UMIVERSITY OF IOWA
1862
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
Exartikulation im Chopart’scben Gelenk wird durch die Neigung
zur späteren Spitzfussstellung beeinträchtigt; doch ist sie neuer¬
dings wieder von einzelnen Autoren — z. B. Borcbardt 1 ) —
warm empfohlen worden.
Erwähnt sei noch, dass in Frankreich nach dem Vorgänge
von Marion neuerdings die Tendenz besteht, von den typischen
Exartikulationen am Fuss abzusehen, indem man das Fussskelett
gleichsam als einen einzigen Knochen ansieht, den man da ab¬
sägt, wo man es braucht 2 ;. Eigene Erfahrungen über derartige
atypische Amputationen stehen mir nicht zu Gebote.
Auf die Behandlung der nicht zur Nekrose führenden Er¬
frierungen braucht hier nicht näher eingegangen zu werden;
praktisch werden sie hier wesentlich unter den weiten Begriff
der Fuss- und Marschkrankheiten fallen, wobei Ruhe, Salben¬
verbände, Fusspflege ihr Wesentlichstes tun.
Aus dem städtischen Krankenhause am Urban.
Ueber grosse Bluttransfusionen.
Von
Prof. A. Plehn,
(Vortrag gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft.)
Wenn man von der sagenhaften Blutübertragung durch Medea
auf den alten Anchises und dem nicht viel besser fundierten
Bericht absieht, nach welchem dem Papst Innocenz VIU. im
15. Jahrhundert das Blut einiger Knaben — mit allseits tödlichem
Ausgang — einverleibt worden sein soll, so sind die ersten Blut¬
transfusionen in den 60er Jahren des 17. Säculum gemacht worden.
Grösstenteils handelte es sich um Tobsüchtige und Wutkranke,
denen man Lammblut in der Idee zuführte, sie durch den
Lebenssaft dieses sanften Tieres zu beruhigen. Denis soll da
mals bereits direkte Transfusionen mittels Silberkanüle gemacht
haben. Im folgte kurz darauf Claud Tardy. Infolge der ab¬
lehnenden Stellungnahme der Pariser Fakultät wurde das Ver¬
fahren aufgegeben und auch bald in Italien verboten. Allerdings
wurde es noch im 18. Jahrhundert vielfach theoretisch er¬
örtert. Erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts nahmen englische
Aerzte, sowie in Deutschland Dieffenbach (1828), Burdach,
Job. Müller, Bischoff die Transfusion wieder auf, nachdem
Dumas und Prevost 1821 in Paris gezeigt hatten, dass auch
defibriniertes Blut verwendbar sei. Selbst bei schwer Anämi¬
schen wurde vor der Transfusion stets die entsprechende Blut¬
menge durch Aderlass entfernt. Die deutschen Autoren erklärten
das defibrinierte Blut dem „ganzen“ für durchaus gleichwertig,
nicht ohne dass dem später von anderen Autoren, z. B. Neu-
dörfer, Gesellius, leidenschaftlich widersprochen wurde.
Die Angaben von Dumas und Prövost, dass das Blut einer
Tierart „wie Gift“ auf andere Tierarten wirke, bestritten sie mit
Brown Sequard und suchten die Ursachen der Schädigungen
im CO a -Gebalt, in Stoffwecbselscblacken, Fehlen des Faserstoffs usw.
Als 1868 dann Pannm und etwas später Landois (1867)
naebgewiesen hatten, dass das Blut einer Tierart im Gefäss-
system gewisser anderer Arten zugrunde gebt, mussten die Ver¬
suche, dem Menschen Tierblut zu infundieren, endgültig auf¬
gegeben werden. Landois wies zuerst auf die Gefahren der Gc-
rinnselbildung und Embolie beim Gebrauch des „ganzen“ (nicht
defibrinierten) Blutes hin, während Pan um die Entwickelung
hämorrhagischer Diathese und die (schon früher als „Blutpissen“
beobachtete) Hämoglobinurie beschreibt. Ponfick hatte eben¬
falls Agglutination und Embolie als Todesursache (bei Injektion
artfremden Blutes) gefunden.
Armin Köhler und Alex. Schmidt sahen aber 10 Jahre
später Kaninchen schon nach Injektion geringer Mengen frischen
arteigenen, ja selbst individnum-eigenen Blutes rasch sterben.
Sie fanden, wie Ponfick und neuerdings Moldovan, ausgedehnte
Gerinnuogen, besonders in den Lungencapillaren, und führen
den Tod anf Intoxikation mit Fibrinferment zurück.
Unter dem Eindruck dieser Arbeiten wurden die therapeu¬
tischen Transfusionsversuche beim Menschen wieder aufgegeben,
zumal Traube, Wagner, Möller, Sommerbrodt, Mosler,
die bei CO-Vergiftnng nach vorausgeschicktem Aderlass trans¬
1) Handbuch der praktischen Chirurgie, 1914, Bd. 5.
2) Vgl. Quenu, Bull, de la Soc. de Chirurgie de Paris, 1. April
1914.
fundierten, keinen Erfolg batten. Andere Operateure sahen bereits
nach wenigen Knbikcenfimetern z. T. sehr schwere Erscheinungen:
Schüttelfrost mit hohen Temperaturen, kollapsartige Blutdruck¬
senkung, Dyspnoe, unwillkürliche Harn- nnd Stublentleerungen,
Angstzustände, Oedeme, Hämoglobinurie, auftreten, ohne dass
immer eine günstige Wirkung unmittelbar erzielt wurde. Aller¬
dings fiel es schon Quincke anf, dass gerade nach den schweren
Reaktionen der Zustand sich manchmal wesentlich besserte. Er
will das damit erklären, dass wenigstens ein Teil des eingeführteo
Blutes einige Tage erhalten bleibe. In den neueren Publi¬
kationen, z. B. von Morawitz, zeigt sich zuweilen ebenfalls
eine günstige Wendung, nachdem vorher wenigen Kubikcenti-
metern schwere Erscheinungen gefolgt waren.
Jedenfalls ist es verständlich, dass man die Transfusion unter
solchen Umständen fast nur in verzweifelten Fällen, speziell bei
perniziöser Anämie, wagte, und dass man nur ganz ausnahms¬
weise über Mengen von 200 ccm hinausging, meist wesentlich
dahinter zurückblieb. Eine etwaige Verbesserung der Blut-
zusammensetzung durch Zuführen so geringer Mengen normalen
Blutes ist objektiv natürlich nicht nachweisbar. Ausserdem wurden
seit Hayem immer wieder Stimmen laut, welche erklärten, dass das
transfundierte Blut alsbald zerstört werde. Meinten doch Förster
und Müller, die dem eingeführten Serum entsprechenden N-Mengen
quantitativ im Harn wiedergefunden zu haben, v. Ott verhielt
sich auf Grund von Tierexperimenten ebenfalls schroff ablehnend.
Dem stehen seit Panum und Worm-Müller aber auch noch
neuerlich Autoren mit der entgegengesetzten Meinung gegenüber;
so neben Morawitz namentlich! Werner Schultz, während
Hürter die Frage offen lässt. Grawitz selbst freilich, bei dem
Schultz anfangs arbeitete, und der 180 ccm bereits als „grosse“
Blutmenge bezeichnet, sowie Nägeli, der angibt, dass einige
Perniciös anämische infolge von Hämolyse nach der Transfusion
rasch gestorben sind, lehnen in ihren bekannten Lehrbüchern die
Transfusion wiederum ab. Der letzte zasammenfassende Bericht
Morawitz’ von 1910 klingt ebenfalls nicht sehr enthusiastisch.
Dagegen ist Hansen ein Freund des Verfahrens. Bei 61 Trans¬
fusionen, über die er 1912 auf dem Kongress für innere Medizin
in Wiesbaden berichtete, hat er sich allerdings 60 mal mit weniger
als 300 ccm begnügt, und nnr 4 mal ist er über 400, einmal
über 500 (565) ccm binausgegangen.
Wenn trotz aller dieser Widersprüche und trotz der meist
ziemlich problematischen Erfolge bei dem bisherigen Vorgehen,
die äiztliche Kunst doch immer wieder auf die Transfusion zu¬
rückkam, so beweist das wohl am besten, wie gross das Bedürfnis
ist, dem Menschen sein auf die eine oder andere Weise verlorenes
Blut möglichst schnell nnd vollwertig zu ersetzen und damit
die Grundlage für seine gesamten Organfunktionen zu
verbessern. Ist man doch nenerdings in Amerika bekanntlich
wieder dazu übergegangen, das Blut durch Vereinigung der Arteria
radialis des Spenders mit einer Armvene des Empfängers diesem
direkt zuzuführen, wie es Bayle, Lower und King um 1660
schon bei Hunden in England, Cassini 1667 bei Lämmern in
Bologna gemacht hatten, und Denis kurz darauf in Paris beim
Menschen versuchte — sofern dessen Mitteilungen Glauben ver¬
dienen.
Auf dem Kontinent ist das amerikanische Verfahren in der
letzten Zeit nur ganz vereinzelt ausgeführt worden. So von Neu¬
dörfer, Hotz, Payr, Enderlen. Die Gefahr der Gerinnung,
Tbrombenbildung und Embolie scheint nicht unbedeutend za sein,
und Hämolyse and Hämoglobinurie sind noch häufiger — übrigens
auch in Amerika — gewesen. Erstere hat wiederholt die In¬
fusion mechanisch verhindert. Ich kann darauf hier nicht näher
eingehen.
Als ich vor 6 Jahren anfing, mich mit Transfusionen defibri-
nierten Blotes zu beschäftigen, habe ich mich zuerst mit 250 bis
400 ccm begnügt wie frühere Operateure. Schon deshalb, weil
ich Gesunden nicht znmuten mochte, mehr herzugeben. Die Er¬
folge waren oft recht günstig, konnten in der augenblick¬
lichen Wirkung aber doch nicht ganz befriedigen. So gelangte
ich dann zu Mengen von 600— 800 ccm und mehr. Erst diese
stellen einen unmittelbaren, unzweifelhaften Nutzen für den Orga¬
nismus in Aussicht. Die schlechten Chancen der an pernieiöser
Anämie Leidenden — um solche handelte es sich anfangs aus¬
schliesslich — rechtfertigten eine gewisse Kühnheit. Uod dann
hatten wir uns überzeugt, dass man einem gesunden, kräftigen,
vollblütigem Manne 600 — 800 ccm Blut, und selbst mehr, ohne
Bedenken entziehen kann. Etwa 10 pCt. davon gehen beim
Defibrinieren und Filtrieren verloren. Wenigstens 90 pCt. Hämo*
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30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1863
globin muss der Blutspender haben, nicht nnr, weil er den Ver¬
lust dann leicht verschmerzen kann, sondern vor allem, weil der
Wert des Blutes für den Empfänger natürlich seinem Hämo¬
globingehalt entspricht. Selbstverständlich wurde sorgsam auf
Tuberkulose und Syphilis gefahndet und auch auf die Wasser-
mano’sche Reaktion geprüft. Auf Hämolysine untersuchten wir
anfangs noch nicht.
Der grösste Wert ist auf die Vorbehandlung des Blutes
zu legen. Wir gewannen es durch Stich in die gestaute Vene des
sorgfältig desinfizierten Armes. Der Abfiass so grosser Blut¬
mengen, wie wir ihrer bedurften, durch die Venenkanule erfährt
oft Störungen. Aus der angeschnittenen Vene erhält man 700 bis
800 ccm in 10—20 Minuten. Das ausströmende Blut wird sofort
durch sanftes, langsames Schlagen oder vielmehr Rühren
mit sterilem Federbündel oder Draht^pirale defibriniert und das
Schlagen noch 20 Minuten lang fortgesetzt, nachdem die Venae-
sectio beendet ist. In letzter Zeit fangen wir das Blut in zwei
Partien auf, damit die erste Hälfte nicht länger geschlagen zu
werden braucht, als nötig ist. Danach wird das Blut durch eine
mehrfache Lage steriler Leinwand filtriert, was weitere 15 bis
20 Minuten in Anspruch nimmt. Diese Zeit von insgesamt 40 bis
45 Minuten scheint auszureichen, um die toxischen Fermente
verschwinden zu lassen, welche schwere Vergiftungserscheinungen
bervorrufen können (Morawitz-Fuld). Länger zu warten als
dringend nötig ist wegen möglicher Schädigung der roten Blut¬
zellen aber auch nicht zu empfehlen.
Grosser Wert ist darauf zu legen, dass die Temperatur
des Blutes möglichst konstant bleibt und sich namentlich
nicht über 39° erhebt. Wir kontrollieren das, indem wir das
Blut in einem Wa9serbade von entsprechender Wärme mit einem
empfindlichen Thermometer umrühren lassen.
Sind die Vorbereitungen genügend vorgeschritten, so wird
eine möglichst starke Armvene des Empfängers gestaut 1 ),
unter Lokalanästhesie auf l 1 ^ —2 cm freigelegt und eine Glas¬
oder Silberkanüle eingebunden, aus der während des Einführens
in die Vene NaCl- oder Ringerlösung strömt, um Luftembolie
sicher zu vermeiden. Die kleine Operation ist bei einiger Ge¬
schicklichkeit des Operierenden absolut schmerzlos.
Der Kanülenschlauch steht durch T-Rohr einmal mit einer
Glasflasche in Verbindung, welche sich etwa IV 2 m über dem
Patienten befindet und 45 grädige isotoniscbe NaCl- oder Ringer¬
lösung enthält; andererseits durch den zweiten, bzw. dritten
Schenkel mit einem Glascylinder, wie wir ihn zur Salvarsan-
injektion gebrauchen. Er ist zur Aufnahme des Blutes bestimmt
und wird entweder in der Hand gehalten, damit die Einlaufhöhe
rasch geändert werden kann, oder ebenfalls von einem Eisen¬
ständer getragen, dessen Höhe sich ändern lässt. Wir umgeben
ihn neuerdings mit einem Glasmantel, der warmes Wasser ent¬
hält, um rasche Abkühlung des Blutes zu verhindern. Der Ver¬
schluss der Schläuche geschieht durch Klemmen.
Nachdem sichergestellt ist, dass nirgendwo in der ziemlich
langen Schlauchleitung sich Luft befindet, wird Blut in den
Cylinder gegossen und die Verbindung zur Venenkanüle her-
gestellt. Man lässt stets nur 100—160 ccm Blut auf einmal
nacbfüllen, um Abkühlung tunlichst zu vermeiden.
Der freie Arm des Patienten trägt die Recklinghausen’sche
Manschette, und der Blutdruck wird während der Operation alle
5 Minuten mit dem Riva-Rocci’schen Apparat gemessen und
notiert.
Sehr bald, nachdem das Blut anfängt einzuströmen, äussern
manche Kranke mehr oder weniger lebhaftes Unbehagen: Kopf¬
schmerzen, Husten, Oppressionsgefühl auf der Brust, Schmerzen
in der Herzgegend oder im Kreuz, Kältegefühl, treten zuweilen
auf. Sehr selten ist leichter Harn oder Stuhldrang. Zuweilen
rötet sich das vorher leichenblasse Gesiebt infolge plötzlicher
Hautcapi 11arer Weiterung; oder es tritt aus demselben Grunde auch
sonst am Körper eio grossfleckiges oder scarlatinöses Erythem auf.
Darch solche, manchmal alarmierenden Erscheinungen darf
man sich nicht verblüffen lassen und muss namentlich eingedenk
sein, dass es kein stärkeres Reizmittel für das Herz gibt, als eine
Vermehrung seines Inhalts. Natürlich hat das seine Grenzen,
and wenn der Puls oder der Herzschlag ganz aussetzt, muss man
den Zustrom für Bruchteile vou Minuten unterbrechen, damit die
schlaffen, verfetteten Herzen sich erholen können.
1) Genügen die Dimensionen der Hautvenen nicht, wie oft, so möge
man die V. brachialis aufsuchen. Den unmittelbar neben ibr ver¬
laufenden Nervus medianus muss man natürlich sorgsam verschonen.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen in einigen 30 Fällen
nehmen diese primären Störungen im weiteren Verlauf der
Transfusion nicht zu, sondern pflegen geringer zu werden. Ich
bin nur einmal genötigt gewesen, die Transfusion bei einer fast
moribunden Patientin abzubrecheu. Ich komme noch darauf
zurück.
Sobald etwa 200—300 ccm Blut eingeflossen sind, findet der
weitere Blutzustrom zuweilen Schwierigkeiten; besonders, wenn
man peripherwärts infundiert, die eingebundene Vene etwas eng
ist, oder das hoehviscöse Blut von Polycythämikern benutzt wird.
Mau macht den Weg dadurch frei, dass man nach Absperren des
Blutzustromes die Verbindung mit der Wasserflasche herstellt,
deren Iuhalt sich aus 1 1 J i m Höhe entleert. Die inzwischen ab¬
gekühlte Ringerlösung im Zuleitungsschlauch wird vorher ab¬
gelassen (s. weiterhin). Obgleich ich die Verdünnung des Trans¬
fusionsblutes für ein Uebel halte und mich bemühe, mit mög¬
lichst wenig Zusatzflüssigkeit auszukommen, so wird doch meist
annähernd die gleiche Menge verbraucht, wie man Blut einführt;
zuweilen mehr.
Ausser zur Befreiung der Strombahn ist nämlich die Zu¬
mischung höher erwärmter NaCl- oder Ringerlösung nötig, um
das abkühlende Blut auf annähernd Körpertemperatur zu erhalten.
Dies ist wegen der langen Schlauchleitungen sehr viel schwieriger,
als man glauben sollte, weil man den ßlutvorrat nicht zu hoch
vorwärmen darf.
Ich benutze zur Regulierung der Temperatur seit einiger Zeit
eine kleine, von Windler nach meinen Angaben angefertigte Vor¬
richtung. Der Strom der Transfusionsflüssigkeit umspült ein rasch
und fein reagierendes Präzisionsthermometer, das ihre Temperatur
vor dem Uebertritt in den Körper anzeigt. Ausserdem ermöglicht
eine zweite Durcbbobiung des Stopfen, der das Thermometer
durchtreten lässt, etwa während der Operation in die Leitung
geratene Luftblasen entweichen, resp. in den Schläuchen zu stark
ahgekühlte Flüssigkeit abfliessen zu lassen (s. oben).
Die Temperaturkontrolle zeigte uns, dass wir früher Flüssig¬
keit von kaum 30° C und weniger infundieit hatten. Nachweis¬
baren Schaden hatte das allerdings nicht verursacht; wünschens¬
wert ist es jedoch sicher nicht, schwer Anämische innerlich so
ahzukühlen. Aber seihst mit der Thermometerkontrolle erreichten
wir bei den letzten Transfusionen nur selten annähernde Tempe¬
raturenkonstanz von 37°, sonst höchstens Temperaturen von 35
bis 36 C, und auch dies nur bei raschem, glattem Verlauf.
Hier ist die Technik noch verbesserungsbedürftig.
Die Zumischungsflüssigkeit, resp. das Wasser, scheiden die
meisten Patienten in den nächsten 24—36 Stunden wieder aus.
Nur die Perniciös-anämischen scheinen es länger zu retinieren.
Obgleich im ganzen l 1 ^—2 1 Flüssigkeit — ohne vorauf¬
gehenden Aderlass — infundiert werden, steigt der vorher
bei diesen Kranken gewöhnlich unternormale Blutdruck selten
bis annähernd zur Norm. Wenn er vorher nicht wesentlich er¬
niedrigt war, bleibt er zuweilen ganz unverändert. Unerwünschte
Erhöhung und damit eine Verstärkung vorhandener
oder Erneuerung eben beendeter Blutung ist also nicht
zu besorgen: Das Vasomotorenspiel reguliert hier die Verhält¬
nisse bestens, wie beim Aderlass. Wenn es noch eines Beweises
bedurfte, dass das Blutgefässsystem nicht nur ein elastisches
Schlauchnetz ist, welches unter der mechanischen Wirkung der
Herzpumpe steht, sondern ein hochkompliziertes Rörperorgan, so
würden diese Versuche ihn liefern.
Unmittelbar nachdem die Transfusion beendet ist — manch¬
mal schon gegen Ende derselben, öfter einige Stunden später —,
beginnen zuweilen Reaktionen, welche ich gegenüber den er¬
wähnten primären als sekundäre Störungen bezeichnen
möchte, obgleich beide ineinander übergehn können.
Bei grossen Transfusionen gibt es meist einen Fieheranstieg
von wechselnder Höhe und Dauer, gewöhnlich eingeleitet durch
Frieren oder selbst Schüttelfrost. Völlig ohne Reaktion verliefen
die wenigen kleinen Transfusionen von 200—260 ccm au 9 der
allerersten Zeit. Nach 600 ccm und mehr blieb sie nur selten
ganz aus.
Abgesehen von dem Infusionsfieber, welches zuweilen'mit
Kopfschmerzen und Prostrationsgefühl einherging, aber fast stets
nach wenigen Stunden vorüber war, habe ich bei den ersten
18 Transfusionen keinerlei Zufälle beobachtet, welche direkt auf
die Operation zurückzuführen waren. Speziell fehlten Zeichen
von Blutauflösnng, wie Hämoglobinurie. Vermehrte' Urobilin¬
ausscheidung im Harn, oder Auftreten von Urobilinurie, wo sie
vorher nicht vorhanden war, wurde ebenfalls vermisst.
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1864
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
Allerdings beweist Letzteres nicht ohne weiteres, dass keine Blut¬
auflösung stattfand, denn Urobilinurie wurde verschiedentlich selbst dann
nicht gefunden, wenn Hämoglobinurie die Erythrolyse sicher bewies.
Die günstige Wirkung war in den meisten Fällen sehr deut¬
lich, obgleich es sich zunächst fast ausschliesslich um schwerste
Formen perniciÖ9er Anämie handelte. Sie äusserte sich in einer
sofortigen Zunahme des Hämoglobingehaltes, rosp. der Blut-
körperzabl, die eine Periode der objektiven Besserung des All¬
gemeinbefindens einleitete und das Leben mindestens verlängerte.
In welchem Zustande sich die von uns mit Transfusion behan¬
delten Perniciös- anämischen grösstenteils befanden, möge man
daraus schliessen, dass nicht weniger als fünf in der Nacht vor
dem für die Transfusion bestimmten Tage starben.
Die günstige Wirkung ist ja verständlich: Für den Gesunden
ist es ziemlich gleichgültig, ob sein Blut 95 oder 80 pCt. Hb
enthält. Für den Anämischen macht es aber einen grossen
Unterschied, ob er 15 oder 31, 20 oder 35 pCt. Hb hat. Das
bedeutet für ihn ja eine Zunahme um etwa 100 pCt. seines
früheren Bestandes!
Das Beste aber erreichten wir erst, als wir uns entschlossen
hatten, Polycythämikerblut zu verwenden. Solange man
noch mit einem Schein von Berechtigung annehmen konnte, dass
das Hb der Polycythämiker weniger 0 zu binden vermöge als
das des Normalmenschen, so dass ihr Organismus nun durch
vermehrte Quantität die ungenügende Qualität ersetzen müsse,
— solange konnte von dem therapeutischen Gebrauch solchen
angeblich minderwertigen Blutes natürlich nicht die Rede sein.
Nachdem systematische Untersuchungen uns aber bewiesen
hatten, dass das O-Bindungsvermögen des Polycythämikerblutes
seinem Hb-Gehalt ganz ebenso entspricht, wie — nebenbei¬
bemerkt — das O-Bindungsvermögen des Blutes aller Gesunden
und aller aus welchen Ursachen auch immer Anämischen, — da
konnten wir es ohne Bedenken für die Transfusion benutzen.
Dadurch wurde es möglich, dem Empfänger die
doppelte bis annähernd dreifache Menge roter Zellen
im gleichen Blutvolnmen zuzuführen; also eine Menge, wie
sie in 2—2 1 / 2 1 Normalblut enthalten ist.
(Schluss folgt.)
Aus den Privatkuranstalten der Sanitätsräte Dr. James
Frankel und Dr. A. Oliven in Berlin-Lankwitz.
Calmonal, ein neues Sedativum.
Von
Dr. v. Feilitscb.
Im Hinblick auf die grosse Anzahl guter Schlaf- und Beruhiguogs-
mittel, welche in den letzten Jahren unserem Arzneischatz neu binzu-
gefügt werden konnten, bedarf es gewiss zur Empfehlung eines weiteren
derartigen Medikamentes besonderer Umstände. Wenn wir beute der Ein¬
führung des C'almonals das Wort reden wollen, so leiten wir unsere Be¬
rechtigung hierzu einmal aus der von uns erprobten Brauchbarkeit dieses
Mittels her und zweitens aus gewissen Einflüssen, welche die derzeitige
allgemeine Kriegslage auf den Arzneimittelmarkt ausübt.
Es ist allgemein bekannt, dass infolge der Stockung des Weltver¬
kehrs die Zufuhr gewisser ausländischer Drogen sehr erschwert bzw.
aufgehoben ist und dadurch schon eine Preissteigerung verschiedener
Arzneimittel hervorgerufen wurde. Dieser Uebelstand hat dem preussischen
Herrn Medizinalminister bereits Veranlassung gegeben, die Aerzte in
einer Verfügung zu ersuchen, in geeigneten Fällen statt der im Preise
erheblich gestiegenen Arzueien — es handelt sich hauptsächlich um
Morphium und Opium — entsprechende Ersatzmittel zu verschreiben.
Als solche Ersatzmittel kommen für uns Aerzte natürlich eine Menge
Mittet in Frage, deren Herstellung von einer Zufuhr von ausserhalb un¬
abhängig ist. Unter diese würden die Brompräparate sowie das Urethan
zu rechnen sein, die uns um deswillen hier besonders interessieren, weil
sie zur Darstellung unseres neuen Mittels, des Calmonal, vor allem
notwendig sind. Kann man ein derart zusammengesetztes Mittel auch
auf Grund seiner arzneilichen Wirkungen auf den menschlichen Organis¬
mus zur Anwendung empfehlen, so wird man in ihm mit Recht ein
willkommenes Ersatzmittel der unter den jetzigen Verbältnisesn schwer
zu beschaffenden bzw. teueren Opiurapräparate erblicken.
Infolge des dankenswerten Entgegenkommens der Firma Gehe u. Co.
in Dresden, welche das Calmonal jetzt in den Handel bringt, war es
uns möglich, mit mehr als 3000 Tabletten dieses Mittels an Kranken
der verschiedensten Art längere Zeit hindurch therapeutische Versuohe
anzustellen.
Nach den uns von der Firma Gehe freundlichst zur Verfügung ge¬
stellten Notizen ist das Calmoual ein Bromcalciumurethan, dessen
chemische Formel CaBr 2 .4 CO(NH 2 )OC 2 H ö -j- 2 H a O lautet. Es stellt ein
weisses Kristallmehl oder prismatische Kristalle mit einem Bromgehalt
von etwa 27 pCt. dar und ist in Wasser und Alkohol leicht löslich. Sein
Schmelzpunkt liegt bei 107—107,5° C.
Auf Grund der bekannten Arbeiten von Bürgi 1 ) und Frey 2 )
konnten wir bei dieser Zusammensetzung des Calmonals an die Prüfung
des Mittels von vornherein mit der bestimmten Erwartung eines günstigen
Ergebnisses berantreten. Es war anzunehmen, dass die an sich nur
schwach sedativ wirkenden Bestandteile Brom und Urethan nach dem
Gesetze der sogenannten Wirkungspotenzierung in ihrer Vereinigung eine
erheblich stärkere Wirkung entfalten, und dass andererseits infolge des
Antagonismus des Kalks gegen Brom durch den Eintritt des Calciums
in diese Verbindung die unangenehmen Wirkungen des Broms auf den
menschlichen Organismus kompensiert werden würden. Diese theo¬
retischen Voraussetzungen sahen wir bei unseren praktischen Versuchen
vollauf bestätigt, ln keinem einzigen Falle haben wir irgendwelche
Nebenerscheinungen beobachtet, welche die Verwendung des Mittels be¬
denklich erscheinen lassen könnten. Es fehlte insbesondere jede un¬
günstige Beeinflussung von Herz und Atmung, und es kamen Affektionen
der Haut, wie sie bei längerem Bromgebraucb sonst so oft auftreten,
nitmals vor. Wir sahen auch keine merkliche Beeinflussung der Magen¬
tätigkeit, keine Schwindelerscheinungen, kein Gefühl des Eingenommen-
seins des Kopfes am anderen Tage, keine Störungen der Motilität, wie
sie durch andere Sedativa — besonders die der Veronalgruppe — leider
mehrfach hervorgerufen werden. Eine Gewöhnung an das Mittel scheint
auch bei länger fortgesetztem Gebrauch nicht aufzutreteD, — anderer¬
seits haben wir auch in seinem Falle eine unangenehme, kumulierende
Wirkung beobachtet. Das Mittel wurde im allgemeinen ohne Wider¬
streben genommen, — nur einzelne empfindlichere Personen bean¬
standeten einen etwas unangenehmen Geschmack oder Geruch.
Was nun die Verwendung des Mittels selbst anlangt, so versuchten
wir es bei Zuständen von motorischer Erregung, von Schlaflosigkeit,
StimmuQgsaQomalien, ängstlicher Erregung und einige Male auch bei
epileptischen Anfällen 8 ).
Iq Fällen ven motorischer Erregung versagte das Mittel, sobald die
Erregung eine erheblichere war. Es zeigte sich, dass die Kombination
der beiden Mittel Brom und Urethan doch keinen so hohen potenzierten
Gesamteffekt hat, dass sie auf derartige Erregungszustände intensiv genug
wirken kann. Es wird das freilich nicht Wunder nehmen, wenn wir
daran denken, wie oft in solchen Fällen auch ao sich stärker wirkende
Medikamente oder Arzneimischuogen versagen. Bei leichteren Fällen
von motorischer Unruhe war dagegen öfter ein beruhigender Einfluss des
Calmonal9 nicht zu verkennen.
Als Schlafmittel wirkte das Calmonal in leichten und mittel¬
schweren Fällen sehr häufig günstig. Die Kranken schliefen verhältnis¬
mässig bald nach dem Einnehmen des Mittels ein, und der erzielte
Schlaf war ruhig und ausgiebig genug. Als besonderer Vorzug vor so
manchen anderen Mitteln wurde es von den Patienten empfunden, dass
nach dem Erwachen der Kopf frei von Beschwerden war. Dieselben
Kranken, welche sonst mehrfach über eingenommenen Kopf, über Kopf¬
druck oder gar Schwindel geklagt hatten, fühlten sich nach diesem
Schlafmittel in der Frühe frisch und beschwerdefrei. Iq schweren Fällen
von Schlaflosigkeit erwies sich das Calmonal natürlich oft nicht wirksam
genug, und es musste da zu anderen, stärker wirkenden Mitteln gegriffen
werden. Bei älteren Leuten dürfte sich indessen auch in solchen Fällen
ein Versuch mit unserem Mittel empfehlen, da bei ihm alle unange¬
nehmen Nebenwirkungen fehlen, welche bei älteren Kranken nach dem
Gebrauche von Veronal und ähnlichen Schlafmitteln leider so oft sich
unliebsam bemerkbar machen.
Die besten Erfolge erzielten wir mit dem Calmonal in der Be¬
handlung von Depressionszuständon und Angstneurosen. Wenn man
auch in den schweren Fällen von Melancholie, besonders bei ihren
agitierten Formen, immer wieder wird zum Opium, Luminal oder Dial 4 )
greifen müssen, so werden diese bei Fehlen solcher motorischer Erregung
durch das Calmonal zweckmässig ersetzt werden können. Wir verfügen
wenigstens über eine nicht geringe Anzahl derartiger Falle, in denen es
uns gelang, nur durch Anwendung des Calmonal — abgesehen natürlich
von den sonst üblichen hydrotherapeutischen Maassnahmen — eine
baldige Besserung und Heilung zu erzielen. Die Gemütsverstimmung
wurde entschieden ebenso bald günstig beeinflusst und zum Schwinden
gebracht, als mau es vom Opium erwartet hätte. Vermieden aber
wurden dabei — und dieser Umstand lässt das Calmonal besonders
wertvoll erscheinen — die für viele Kranke doch recht unangenehmen
Folgeerscheinungen des Opiumgebrauches, wie die Verstärkung der an
sich meist schon vorhandenen Darmträgheit, sowie die narkotische
Wirkung auf das Gehirn. Patienten, welche früher mit Opium behandelt
worden waren, hoben diese vorteilhaftere Wirkuhg des Calmonals selbs
hervor, als sie bei uns einer Behandlung mit diesem Mittel unterworfen
1) Bürgi, Ueber die pharroakologischo Bedeutung von Arzneikom
binatiouen. Zschr. f. Balneol., 1910, Nr. 14. ,
2) Frey, Die Vermeidung der Nebenwirkungen bei Brom- und Jo
kuren durch gleichzeitige Kalkgaben. M. Kl., 1914, Nr. 9.
3) Es ist mir eine angenehme Pflicht, auch an dieser Stelle den
Herren Sanitätsrat Dr. Frankel und Sanitätsrat Dr. Oliven für 18
Erlaubnis zur Veröffentlichung unserer Versuche, sowie Herrn
Dr. Juliusburger für liebenswürdige Beratung bei Abfassung der Ar ei
meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. j
4) Vgl. 0. Juliusburger, Dial-Ciba, ein neues Sedativum uno
Hypnotieum. B.kl.W., 1914, Nr. 14.
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30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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wurde«. Auch verschiedene Angatneurotiker empfanden eine CalmoDal-
kur angenehm. Oie innere Unruhe, das quälende Herzklopfen, die auf*
steigende Hitze und Angstgefühl pflegten ziemlich rasch in ihrer Stärke
naohzulassen und verloren sich sohliesslich ganz ohne Inanspruchnahme
weiterer Medikamente. In einigen schwereren Fällen versuchten wir
erst die gleichzeitige Darreichung von Galmonal und Opium und er¬
zielten günstige Resultate. Dabei kamen wir mit merklich geringeren
Dosen von Opium als sonst aus.
Hinsichtlich der Behandlung der Epilepsie mit Galmonal verfügen
wir leider nicht über eine genügend grosse Anzahl von Fällen, um ein
bestimmtes Urteil aussprechen au können. Immerhin glauben wir darauf
hinweisen zu sollen, dass uns eine Beeinflussung der Krampfanfälle
durch das Calmonal zu erreichen zu sein scheint. Wir haben die üb¬
liche Brombehandlung wiederholt durch die Darreichung von Calmonal
ersetzt und konnten dabei einige Male ein Seltenerwerden der Anfälle
beobachten. Da das Calmonal sicher stärker beruhigend auf die reiz-
bare Psyche des Epileptikers wirkt als das Brom allein, dabei aber auch
bei längerer Anwendung der Bromismus vermieden wird, dürften weitere
Versuche nur zu empfehlen sein.
Fassen wir unsere bisherigen Ergebnisse nooh einmal kurz zu¬
sammen, so zeigt sich uns im Calmonal ein Mittel, welches frei von
unangenehmen Nebenwirkungen ist und im allgemeinen gern ge¬
nommen wird.
In leichten und mittelschweren Fällen von Schlaflosigkeit kann es
in Gaben von 1,0 bis 2,0, einige Zeit vor dem Schlafengehen genommen,
andere Schlafmittel wohl ersetzen. Besonders angezeigt erscheint seine
Anwendung bei bejahrteren Personen.
In der Behandlung von Depressionszuständen und Angstneurosen,
die ohne stärkere Erregungen einhergehen, ist es mit Vorteil an Stelle
des sonst üblichen Opium zu verwenden. Man gibt es solchen Kranken
in Mengen von dreimal täglioh 0,5—1,0 und darüber.
Bei Epileptikern scheint es in Gaben von dreimal 1,0 pro die so¬
wohl die Zahl der Anfälle, wie die psychische Reizbarkeit günstig zu
beeinflussen. Besonders im Hinblick auf das Ausbleiben des Bromismus
empfehlen sich weitere Versuche mit dem Calmonal bei derartigen
Kranken. Wir setzen sie auch fort und glauben auf Grund der wenigen
bisherigen Beobachtungen, dass mit allmählich gesteigerten grossen
Gaben, gute Erfolge erzielt werden können.
Aus der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen
Instituts der Universität Berlin.
Die Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion.
Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft 1 ).
Von
J. Morgenroth.
(Schluss.)
XI. Ulcus serpens. Praktische Erfolge der Optochin-
therapie.
Von unserem Vorschlag, das Optocbin zur Behandlung
des Pnenmokokken-Ulcas der Hornhaut zu verwenden, bis
zu den ersten Veröffentlichungen über die erfolgreiche Anwendung
des Mittels durch Goldscbmidt, Schar and Leber vergingen
etwa zwei Jahre. Nachdem jedoch einmal das Interesse der Oph¬
thalmologen geweckt war, gelangte das Optocbin bald in weitem
Umfang zur Anwendung, und es ist, wenn nicht alles trügt, im
Begriff, die Therapie dieser Affektion, die bis jetzt nach der
Ansicht der Fachleute eine recht kümmerliche war, zu beherrschen.
Römer’s Serumtherapie hat nach dem Urteil wohl fast aller
Ophthalmologen die Behandlung des Ulcus serpens nicht wesentlich
gefördert; für die Prophylaxe des Ulcus serpens und der
Pneumokokkeninfektion des Auges überhaupt, bei der
die ganz einfache lokale Anwendung des Optochin ge¬
boten ist, kommt sie vollends nicht in Betracht, weil hier neben
der anerwiesenen und schwer erweisbaren Wirksamkeit anch der
hohe Preis des Serums die Anwendung verbietet. Als Ultima
ratio bei dem Pneumokokkenulcus blieb also bis jetzt vor allem
der Galvanokauter, auf dessen mit Gewebszerstörung nnd Narben¬
bildung erkaufte Wirkung nicht einmal sicher zu rechnen war.
In der Tübinger Universitätsaugenklinik (Prof. v. Schleich) hat
die systematische Anwendung des Optochin zu einer Umgestaltung
der Therapie geführt, die am besten durch folgende Aeusseruug
Scbur’s charakterisiert wird: „Seit der Anwendung des Aethyl-
bydrocuprein kam der Galvanokauter in unserer Klinik bei Ulcus
serpens corneae (Pneumokokken) nicht mehr zur Verwendung und
wird wohl auch weiterhin entbehrlich bleiben.“
Leber 2 * ) berichtete auf der Heidelberger Ophtbalmologen-
1) Sitzung vom 11. und 25. November 1914.
2) A. Leber, Bericht über die 39. Versammlung der Ophthalmolog.
Ges., Heidelberg 1913, Wiesbaden 1918, S. 148.
Versammlung 1918 über seine Resultate. Er verwendete Iproz.
Lösungen von Optochin hydrocbloricum in Wasser oder Iproz.
Lösungen der Optochinbase in Oel; die Lösungen wurden ent¬
weder in den Conjunctivalsack eingetropft oder mittels eines
kleinen, auf das Ulcus gelegten Wattebausches zur Einwirkung
gebracht. In etwa % der Fälle trat nach baldiger Reinigung
des Geschwürs schnelle und dauernde Heilung ein, in anderen
Fällen verlief die Heilung langsamer. In wenigen Fällen trat
nach anfänglichem Stillstand sehr spät manchmal eine Exacerba¬
tion mit neuer Infiltration auf, die der Behandlung weniger zu¬
gänglich war; Leber denkt au die Entstehung einer Festigkeit.
Die erste ausführliche Veröffentlichong erfolgte von Gold-
schmidt 1 ), der schon in der Diskussion za Lebert Vortrag
kurz über seine Erfolge berichtet hatte, aus der Leipziger Uni¬
versität®- Augenklinik.
Goldschmidt berichtet unter Beigabe sehr instruktiver Ab¬
bildungen über 31 Fälle von Ulcus serpens, bei denen stündlich
eine Iproz. wässerige Lösung von Optocbin bydrochloricnm in
den Conjuncti valsack instilliert wurde; die Hornbant wurde voll¬
ständig von der Flüssigkeit bespült, die etwa eine halbe Minute
im Conjunctivalsack verblieb. Die Behandlung wurde bis zur
vollständignh Reinigung des Ulcus und bis zur Rückbildung der
Infiltrate durchgeführt. Stärkere als Iproz. Lösungen erwiesen
sich bei dieser Art der Anwendung als nicht indifferent;
schwächere Lösungen waren ohne Wirkung. Subconjunctivale
Injektion von 1 proz. Lösung (0,5 ccm) verursachte starke Chemosis.
Die erste Iastillation des Mittels ist ziemlich schmerzhaft;
bald jedoch tritt eine sehr erwünschte Anästhesie eio, die
durch die Behandlung dauernd unterhalten wird und
auch bestehen bleibt, wenn dieselbe während der Nacht unter¬
brochen wird.
Goldschmidt scbliesst aus seinen Beobachtnngen, dass dem
Optochin sicher eine weitgehende curative Wirkung auf
die Pneumokokkeninfektion des Auges zukommt.
Gleichzeitig mit der Arbeit von Goldschmidt erschien eine
ausführliche Mitteilung von Schur 2 ), der in der Tübinger Augen¬
klinik auf Veranlassung von Prof, v» Schleich therapeutische
Versuche anstellte.
Schur behandelte im gauzen 14, meist schwere Fälle von
Ulcus serpens; er bediente sich nicht der Instillationen, sondern
drückte einen Wattebausch, der mit einer 2proz. Lösung von
Optochin hydrochloricum getränkt war, möglichst nur in der Aus¬
dehnung des Geschwürs auf die Cornea auf; das Betupfen ge¬
schah so lange, bis eine leichte Trübung in der Umgebung des
Geschwürs auftrat. Sein Urteil über die günstigen „vielfach
erstaunlichen“ Erfolge fasst Schur dahin zusammen, dass das
Mittel „eine geradezu spezifische heilende Wirkung auf
das durch Pnenmokokken hervorgerufene Ulcus corneae
serpens ausübt ohne schädigende Nebenwirkungen“.
Die Narben erscheinen viel zarter als bei der bisherigen Be¬
handlung.
Ihren ersten Mitteilungen Hessen Gol dscbmi dt 8 ) und Schur 4 )
nach etwa Jahresfrist zwei weitere Publikationen folgen.
Schur hat seine von Anfang an geübte Methode mit bestem
Erfolg ausgebaut. Er betont mit Recht die Notwendigkeit, durch
ein Grampräparat vom Progressions wall festzustellen, dass es sich
tatsächlich om ein Pneumokokkenulcus handelt. Je nach der
Schwere des Falles lässt er den Wattebausch mit der 2proz.
Optocbinlösung unter leichtem Druck 1—2 Minuten, auch etwas
länger, mit dem Geschwür in Berührung. „Ausserdem werden,
wiederum je nach der Schwere des Falles, stündlich bis zwei¬
stündlich Instillationen 2proz. Lösungen in den Bindehautsack
vorgenommeu und bis zur völligen Reinigung des Geschwürs mit
abnehmender Häufigkeit fortgesetzt.“ Im Gegensatz zu Be¬
obachtungen Goldschmidt’s werden offenbar nach Schur’s Er¬
fahrungen auch die 2proz. Lösungen bei öfterer Anwendung ohne
Schaden vertragen 5 ).
1) M. Goldschmidt, Klin.Mbl.f.Augblk., 1913, 51.Jahrg., Okt.-
Nov., S. 449.
2) M. Schur, ebenda, S.469.
3) M. Goldschmidt, M.m.W., 1914, Nr. 27, S. 1505.
4) M. Schur, D.m.W., 1914, Nr. 34.
5) Schur, neuerdings auch Schwartzkopff, maohten darauf auf¬
merksam, dass die wässerigen Lösungen des Optochin hydrochloricum
bald ihre Wirksamkeit verlieren und nach 2—3 Wochen kaum mehr
wirksam sind. Es empfiehlt sich also die Benutzung frisch'er
Lösungen. Bei sterilen, in Ampullen aus Jenaer Glas eingeschmolzenen
Lösungen habe ich nach Monaten keioe Abschwächung der spezifischen
Wirkung im Reagensglas feststellen können.
4
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Gck igle
Original frn-m
UMIVERSITY OF IOWA
1866
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
Schar ist der Ansicht, dass man in leichteren Fällen mit
der Instillationsmethode allein auskommen kann, legt aber den
grössten Nachdruck anf eine erste möglichst energische Be¬
handlung, um das Auftreten einer Festigkeit zu vermeiden,
eine Forderung, der ich mich aus theoretischen Erwägungen nur
anschliessen kann.
Er bezeichnet auf Grund seiner wesentlich erweiterten Be¬
obachtungen die Wirkung als geradezu erstaunlich. Am
nächsten Tag nach Beginn der Behandlung ist meist ein Still¬
stand der Progression, vielfach sogar ein Rückschritt festzustellen,
am fünften bis sechsten Tag ist gewöhnlich die Reinigung des
Ulcus vollzogen. Verzögert sich die Regression oder zeigt sich
etwa eine Neigung zum Fortschreiten, so wird das Betupfen des
Geschwürs wiederholt. Er betont auch, dass die Cornea nach
kurzer Zeit durch das Mittel anästhetisch wird.
Schur trug seine Ergebnisse in der Vereinigung der Würt-
tembergischen Augenärzte vor; in der Diskussion wurden seine
Erfahrungen von allen Rednern bestätigt 1 ;.
Schur weist mit Recht auf die Notwendigkeit einer
frühzeitigen Behandlung hin. „Hier kann vor allem der
praktische Arzt viel Nutzen stiften, der ja von den Patienten
meist zuerst aufgesucht wird und dann in der Lage ist, die erste
energische Behandlung mit dem Optochin einzuleiten. u Die
weitere Behandlung erfolgt dann durch den Spezialisten.
Ich sehe hierin einen der wichtigsten Fortschritte, der durch
die neue Behandlungsmethode erzielt wird; verschleppte Fälle
von Ulcus serpens werden immer seltener werden, wenn der erste
Arzt, der dasselbe sieht, in der Lage ist, durch die sofortige
Optochinbehandlung für eine Art „Notverband“ zu sorgen. Das
Schur’sche Verfahren dürfte hierzu geeignet sein, nicht minder
die neuerdings von Goldschmidt empfohlene Salbenbehand¬
lung.
Goldschmidt stellt gleichfalls den Leitsatz auf, um die
Entstehung einer Arzneifestigkeit zu verhindern, „die Behand¬
lung von Anfang an möglichst intensiv und zeitlich zu¬
sammengedrängt zu gestalten“. Am geeignetsten erwies sich
folgende Salbe:
Rp. Optochin. hydrocbloric, 0,1
Atropin, sulfuric. 0,2
Amyi. trit. 2,0
Vaselin, flav. am. Cheseborough. ad 10,0.
S. Augensalbe. Nur 4 Tage lang benutzbar 2 ).
Die Salbe wird 5—6mal pro die in regelmässigen zeitlichen
Abständen in den Conjunctivalsack eingestrichen und unter leichter
Hornbautmassage verteilt; dann Heftpflasterverband. Da die erste
Applikation der Salbe meist ziemlich schmerzhaft ist, rät Gold-
schmidt, vorher mit Cocain zu anästhesieren; weiterhin tritt
dann die Optochinanästhesie auf. Eine manchmal beobachtete
geringe Chemosis ist ohne Bedeutung. Die Behandlung wird bis
zur totalen Reinigung des Ulcus fortgesetzt, wozu gewöhnlich 3
bis 4 Tage erforderlich sind. Auch ambulante Behandlung ist
möglich. Fälle mit tiefen Hornhautinfiltraten erfordern längere
Behandlung.
Von besonderer Wichtigkeit erscheint nach Goldschmidt der Um¬
stand, dass Tränensackerkrankungen, die bei der früher geübten
Behandlung so ungünstig auf den Verlauf des Ulcus serpens einwirkten,
bei der Optochintherapie ohne verschlimmernden Einfluss sind,
da die frisch in den Conjunctivalsack gelangenden Pneumokokken offen¬
bar abgetötet werden.
Günstig wird, wie nicht anders zu erwarten, die katarrhalische
Pneumokokken Conjunctivitis beeinflusst, sowie die akute Dacryo-
cystoblenorrhöe. Bei chronischer Dacryocystitis machen die anatomi¬
schen Verhältnisse sehr oft Schwierigkeiten, die noch nicht überwunden
sind, obwohl auch hier neuerdings z. B. Gradle-Chicago über einige
günstige Erfolge berichtet.
Mit Recht betont Goldschmidt, wie auch Schur, Kraupa
u. a., die Bedeutung des Optochin für die Prophylaxe
vor Operationen, da hier den Pneumokokken der weit¬
aus überwiegende Anteil an Infektionen zukommt. In
der Leipziger Klinik wird jeder Pneumokokkenträger vor einer
Operation mit der 1 proz. Optocbinsalbe bis zur vollständigen
Sterilisierung des Conjunctivalsackes behandelt, wozu in der Regel
12 Stunden mit 3 —4maliger Applikation erforderlich sind.
Golds cbraidt fasst sein Urteil dahin zusammen: „Das Op¬
tochin hydrochloricum stellt somit ein chemotherapeutisches
1) s Klin.MbU.Aughlk., 1914, Bd. 53, Sept., S. 430.
2) Nach Goldschmidt ist die Haltbarkeit der Salbe sehr begrenzt,
was nicht allgemein bestätigt wird.
Mittel dar, das in streng spezifischer Weise den Pneumococcus,
den Erreger des Ulcus serpens. und anderer wichtiger Augen¬
affektionen, abzutöten imstande ist. Die Spezifität geht so weit,
dass man bei Versagen der Therapie an einen anderen Erreger
des Ulcus oder an eine Mischinfektion denken muss. Nur in
ganz vereinzelten Fällen scheint eine angeborene Giftfestigkeit
des betreffenden Pneumokokkenstammes vorzuliegen. Ich selbst
habe unter ca. 100 Fällen nur 2 derartige erlebt.“
In ihrer Eigenschaft als Chemotherapie besitzt die Optochin¬
therapie noch einige weitere Vorzüge: «Nur die Pneumo¬
kokken werden zerstört, das Gewebe selbst erleidet bei
Anwendung der angegebenen Konzentration keine blei¬
bende Schädigung. Es wird daher kein weiterer Defekt
gesetzt als der zu Beginn der Behandlung bereits vor¬
handene, die Narbe wird daher so klein als überhaupt
möglich. Da überdies die Narbenbildung eine zarte ist,
bleibt meist ein relativ guter Visus erhalten. Endlich
ist die Anwendung einfach und die Kosten der Behand¬
lung gering.“
Vereinzelte refraktäre Fälle, auf die Gold Schmidt hin¬
weist, sind ja auch von anderen Autoren veröffentlicht. Auch
Uhthoff 1 ) berichtet gelegentlich einer Diskussion kurz über das
Vorkommen resistenter Fälle, /lie mit 1 proz. Lösung behandelt
wurden. Sein Material war kein grosses und die Fälle tarn Teil
älteren Datums. Sein Urteil über das Mittel ist „günstig, aber
weniger enthusiastisch als das anderer Autoren.“
Die ausgezeichneten Erfahrungen von Goldschmidt und
Schur wurden von Cords bei Gelegenheit eines kurzen Referats
auch für die Bonner Universitäts-Augenklinik bestätigt. Kubnt 2 )
bezeicbnete weiterhin in einem Vortrage die Wirkung der 1 proz.
Lösung als geradezu verblüffend. Nach seiner Ansicht ge¬
nügt die einfache Einträufelung nicht, sondern man muss dafür
Sorge tragen, dass die zu beeinflussende Stelle V 2 —I Minute mit
der Flüssigkeit betupft wird. „Es bandelt sich um einen
enormen Fortschritt, da nun auch der praktische Arzt
bei Abwesenheit von Tränensackleiden das Ulcus ser¬
pens erfolgreich bekämpfen kann.“
Ho Ith 3 ) in Christiania schloss sich dem günstigen Urteil an,
von Wiener-NewYork 4 ) liegt eine kleine Mitteilung gleichfalls
im günstigen Sinne vor, ebenso von Darier-Paris 6 ).
Kraupa 6 ) wendet in der Prager Universitäts-Augenklinik
das Optochin zur Desinfektion des Bindehautsackes vor
Operationen an. Es wurden ^stündliche Spülungen mit0,5proz.
Lösung vorgenommen; nach 24 Stunden war der Bindehaut¬
sack frei von Pneumokokken, die auch an den folgenden
Tagen nicht mehr nachzuweisen waren.
Eine sorgfältige Mitteilung von Maggi 7 ) ans der Universitäts-
Augenklinik in Pisa deckt sich in ihren günstigen Resultaten
durchaus mit den Erfolgen von Goldschmidt und Schur. Ebenso
günstig lauten die Berichte von Kandiba und Natanson 8 ) ans
dem bakteriologischen Institut der medizinischen Gesellschaft in
Charkow. Gradle 9 ) berichtet in der deutschen medizinischen
Gesellschaft in Chicago über befriedigende Resultate.
Aus der Universitäts-Augenklinik in Bukarest (Prof. Stan*
culeanu), wo das Mittel in ausgedehntem Masse zur Anwendung
gelangt, liegt bis jetzt eine kurze, gleichfalls günstige Mitteilung
von Dimitriu 10 ) vor.
In einem ausführlichen Bericht aus der Universitäts-Augen¬
klinik in Erlangen würdigt Kümmell 11 ) die Optochinbehandlung.
Seine Resultate mit einem Verfahren, das sich an das von Schur
geübte anscbliesst, sind ausgezeichnet. Kümmel 1 betupft zunächst
mit einem Wattebausch, der mit 2 proz. Lösung von Optochin.
hydrochloricum getränkt ist, das Geschwür, so dass das Mittel
etwa 1 / 2 Minute einwirkt. Von da an wird stündlich eine 1 pro*.
1) Uhthoff, B.kl.W., 1914, Nr. 15, S. 715.
2) Kuhnt, ref. in Centralbl. f. d. ges. Opbtbalm., 1914, Bd. 1,
H. 2, S. 77.
3) Holth, Norsk Mag. f. Laegev., 1914, No. 2, p. 213.
4) A. Wiener, Med. rec., 17. Jan. 1914.
5) A. Darier, La clinique opbthalm., Jan. 1914.
6) E. Kraupa, Klin. Mbl. f. Aughlk., Januar— Juni 1914, Bd. 0 .,
S. 177. . .
7) F. Maggi, La ohemotherapia nelle infezioni pneumococcic
oculani. Pisa 1914. 0 »
8) Kandiba und Natanson, Charkower med. Jour., 1914. (Kus ■)
9) H. S. Gradle, ref. M.m.W., 1914, Nr. 41, S. 276.
10) E. Dimitriu, Revista stintelor medicale, Bukarest 1914, vo. .
p. 152.
11) Kümmel!, M.m.W., 1914, Nr. 24, S. 1326.
BO. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1867
Lösung in den Bindebautsack gegeben, wobei darauf geachtet
wird, dass das Optocbin wirklich längere Zeit mit dem Geschwür
in Berührang bleibt. Die Anwendung wird fortgesetzt bis zur
vollständigen Reinigung des Geschwürs. Tritt der Erfolg nicht
schnell genug ein, so kann nochmals die 2proz. Lösung auf das
Geschwür aufgetupft werden. Auch Kumme 11 beobachtete unter
25 Fällen ein Geschwür, welches zunächst zurückgiog, dann aber
durch Wochen hindurch unbeeinflusst blieb; auch Betupfen mit
5proz. Optochinlösung brachte keine Veränderung hervor.
Kummeil weist besonders darauf hin, dass die Belastung
der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bei
Angenunfällen, die ja hauptsächlich durch das Ulcus
serpens bedingt ist, bei den geringen Trübungen, die
nachOptochinbehandlung Zurückbleiben, eine geringere
werden wird. Nach seinen bisherigen Resultaten wird die Er¬
werbsfähigkeit io den meisten Fällen im Gegensatz zu früher
nur wenig herabgesetzt, ein wirtschaftlich bedeutsamer
Faktor. Kümmell schliesst seinen Bericht: „Alles in allem
dürfen wir, ohne uns unberechtigtem Optimismus hin¬
zugeben, das Aethy lhydrocuprein als wertvollste Waffe
gegen das Ulcus serpens bezeichnen. u
Endlich trug Schwartzkopff 1 ) in der hiesigen ophthalmo-
logischen Gesellschaft über die in der Berliner Universitäts-Augen¬
klinik bei 27 Fällen beobachteten günstigen Erfolge vor. Hier
wird neuerdings die von Goldschmidt angegebene Salbe ver¬
wendet und zwar nicht länger als 3 Tage hindurch, da dann
keine Pneumokokken mehr nachweisbar seien und bei längerer
Anwendung eine Aetzwirkung auf das freiliegende Hornhautparen-
chym erfolgen könnte. „Man kann behaupten, dass wir in
der Lage sind, mit diesem Mittel jedes nicht zu weit
vorgeschrittene Ulcus zum Stillstand und zu befriedi¬
gender Heilung zu bringen.“ In der Diskussion sprachen
sich noch Mühsam, Paderstein, Fehr, Wertheim günstig
über das Mittel aus, und Krückmann hob io einem Schlusswort
die Ueberein8timmung der günstigen Resultate hervor.
Es ist wohl keine tadelnswerte Kühnheit, wenn ich mich zu
der Ueberzeugung bekenne, dass auch die wenigen refrak¬
tären Fälle noch von der therapeutischen Kunst der
Ophthalmologen bewältigt werden. Der Gesichtspunkt der
Chemoflexion muss auch hier die theoretische Grundlage bilden;
meine frühere Annahme, dass die Züchtung und Prüfung der an¬
scheinend resistenten Pneumokokkenstämme hier Aufklärung
schaffen kann, dürfte nicht ganz zutreffen angesichts des unter
Umständen sehr flüchtigen Charakters dieser Erscheinung 2 ).
Auf alle Fälle gilt der Grundsatz, wie ihn auch die Ophthalmo¬
logen auf Grund ihrer Erfahrungen vertreten: Rasch und fest
zugreifen und dann kontinuierlich behandeln.
Nach den Erfahrungen von Peterka 3 ), der mit sehr gutem
Erfolg die anästhesierende Wirkung des Optochin zur Behand¬
lung des Blepharospasmus nach Conjunctivitis eczema-
tosa der Kinder verwendete, kann man in grösseren Intervallen
sogar 5proz. Lösungen ohne Gewebsschädigung einträufelo. Also
auch in dieser Richtung dürfte die Grenze der Einwirkungsmög-
keit noch nicht erreicht sein. Weiterhin dürfte auch grosser Wert
darauf zu legen sein, dass die Kontinuität der Behand¬
lung während der Nacht nicht unterbrochen wird.
Wenn die spezifische Therapie und Prophylaxe der
Pneumokokkeninfektion in der Augenheilkunde völlig
ausgebildet sein wird — und dieser Zeitpunkt scheint mir sehr
nahe zu sein —, wird eine der gefürcbtetsten und schwersten In¬
fektionen des Auges ihre Schrecken verloren haben.
XII. Pneumokokkenmeningitis.
Angesichts der ungemein hohen Desinfektionswirkuug des Optochin-
chlorhydrat ist die lokale Anweudung des Mittels bei der Pneumo-
kokkenmeningitis nicht von der Hand zu weisen. Hinreichend ver¬
dünnte Lösungen, die ohne Schaden subdural injiziert werden könneD,
dürften die Pneumokokken im meningitischen Eiter abtöten oder in
ihrer Entwicklung hemmen. Es liegen hier prinzipiell ähnliche lokale
Verhältnisse vor wie für die Anwendung des Meningokokkonserums.
Die Undurchlässigkeit des Plexus chorioideus verhindert das Ein¬
dringen nicht nur der Antikörper, sondern ebenso des leicht diffusiblen
Bd 5*3 ^ ^*1. * Aughlk., Juli/August 1914,
Q P An die Möglichkeit einer Sekundärin/ektion, besonders mit
Staphylokokken (s. Schur), ist bei refraktären Fällen zu denken.
3) H. Peterka, M.m.W., 1914, Nr. 22, g. 1228.
Digitized by Gougle
löslichen Alkaloidsalzes; iu beiden Fällen kann nur die lokale Appli¬
kation die Heilstoffe mit den Bakterien in Berührung bringen.
Die iutralumbale Injektion grosser Mengen (10—40 ccm); Meningo¬
kokkenserums wird trotz seines Gehaltes von 0,5 pCt. Phenol gut ver¬
tragen, sogar die Injektion in den Seitenventrikcl 1 ). Ebenso wie für das
Phenol kann natürlich auch für das Optochin die zulässige Kon¬
zentration, zunächst im Tierversuch, ausgewertet werden. Versuche an
Hunden, die Dr. Bieling begonnen hat, mussten jetzt unterbrochen
werden.
Ein erster Versuch bei Menschen wurde im städtischen Krankenhaus
in Wiesbaden duroh Wolff und Lehmann 2 ) gemacht. Ein 8 Monate
alter Säugling erhielt in 14 Injektionen zusammen 1,25 g Optochin.
hydrochloricum, davon 0,07 g intraventrikulär, 0,06 g intralumbal und
1,12 g subcutan. Der Erfolg war zunächst ein günstiger, das Kind er¬
krankte später an Grippe. Eine Punktion des Ventrikels ergab ein
normales, pneumokokkenfreies Punktat. Die ausführliche Veröffent¬
lichung soll noch erfolgen 8 ).
XIII. Dosierung und Nebenwirkungen des Optochin,
speziell bei fibrinöser Pneumonie 4 ).
M.H.! Nach recht schwierigen, mit mancherlei Unsicherheiten
belasteten Anfängen darf man jetzt erwarten, dass die für die An¬
wendung des Optocbin bei inneren Erkrankungen maassgebende
Frage der Dosierung und der Nebenwirkungen ihrer Lösung ent-
gegengeht. Unter dem Gesichtspunkt der Dosierungsfrage
sollen im folgenden zunächst die Erfahrungen, die bisher mit der
Anwendung des Optochin beim Menschen gemacht wurden, be¬
sprochen werden.
Die Schwierigkeit, für die Dosierung des Mittels bei innerer
Darreichung die ersten Anhaltspunkte zu gewinnen, wnrde da¬
durch erhöht, dass sich bald das Vorkommen einer Neben¬
wirkung, und zwar einer Sehstörung zeigte. Hier war man
aber gerade durch die traurigen Erfahrungen mit dem Atoxyl
und dem Arsacetin, die Ihnen ja bekannt genug sind, besonders
ängstlich geworden. Ich möchte es von vornherein mit allem
Nachdruck hervorheben, dass die Sebstörungen, wie sie bis jetzt
in geringer Zahl durch das Optochin hervorgerufen wurden, ent¬
sprechend der Stellung des Mittels im chemischen System stets
den Charakter der Chininamblyopie 5 ) zeigten, dass jedes¬
mal — auch bei den grössten und für unser therapeuti¬
sches Handeln vorläufig nicht in Betracht kommenden
Dosen — nach Aussetzen der Behandlung eine ganz
rasche Restitutio ad integrum eintrat; ein Vergleich mit
der folgenschweren, auch nach Unterbrechung der Be¬
handlung rettungslos zur Erblindung führenden Seh¬
nervenatrophie nach AtoxyIgebrauch entbehrt demnach
jeder Berechtigung.
Es ist deshalb schwer zu verstehen, wie Flexner vor einiger Zeit
in einem für weitere Aerztekreise bestimmten Vortrag erklären konnte,
dass das Mittel „wegen seiner hohen Giftigkeit für den Menschen für die
Behandlung von Pneumokokkeninfektion beim Menschen nicht anwend¬
bar sei 8 )“.
Diese Behauptung erinnert etwas an das beliebte pharmakologische
Paradoxon, dass alles Gift sei. Es kann sich ja doch scnliesslich nur
um die Frage handeln, ob das Mittel in wirksamen Dosen giftig
ist oder nicht. Entscheidend ist hier allein der von Ehrlich mit
Recht in den Vordergrund gestellte Quotient Dosis toxica: Dosis curativa.
Die Bemerkung Flexner’s könnte ebensogut für Morphium oder Chinin
gelten und würde in ihrer Konsequenz zum vollständigen Nihilismus in
bezug auf jede, vor allem jede ätiologische Therapie führen. Aber
schliesslich hat eine übertriebene Furcht vor Nebenwirkungen noch keiner
wirksamen Therapie auf die Dauer den Weg versperren können, und auch
die Seruratherapie hat sich durch ähnliche Schwierigkeiten, wie sie sich
aus den anaphylaktischen Erscheinungen ergaben, erst Bahn brechen
müssen.
1) Flexner, Journ. of the Americ. medical assoc., 21. Juni 1913»
Bd. 60.
2) S. Wolff und W. Lehmann, D.m.W., 1913, Nr. 51.
3) Anmerkung bei der Korrektur. Siehe Jb. f. Kindhlk., 1914,
August.
4) Für die Bronchopneumonie der Säuglinge liegen kaum die
ersten dosologischen Vorarbeiten vor; doch wenden jetzt einige Pädiater
der brennenden therapeutischen Frage ihr Interesse zu.
5) Dass auch dem Chinin selbst gegenüber verhängnisvolle, zu
dauernder schwerer Sehstörung führende Idiosynkrasien in sehr seltenen
Fällen Vorkommen können, zeigt eine soeben von v. Spe'yr (Klin. Mbl.
f. Aughlk., Sept. 1914, S. 393) mitgeteilte Beobachtung.
6) Hierbei ist natürlich die lokale Anwendung, deren Zulässigkeit
selbstverständlich ist, übersehen worden. Prof. Flexner hat mir übrigens
auf meine brieflich gemachten Einwendungen eine entsprechende Richtig¬
stellung freundlichst zugesagt.
4*
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
>868
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Die wertvollste Belehrung gerade in dosologischer Hinsicht
verdanken wir einer Mitteilung, die in diesem Frühjahr Izar and
Nicosia 1 ) aus der Klinik von M. Ascoli in Catania veröffent¬
licht haben. Diese ungemein interessanten therapeutischen Ver¬
suche sind an Malariakranken angestellt und haben die Erwar¬
tung in glänzender Weise bestätigt, dass dem Optochin auch
gegenüber den Malariaparasiten eine im Vergleich zum Chinin
ganz erheblich überlegene Wirkung zukorome.
Unter den 49 Patienten von Izar und Nicosia finden sich 29 Er¬
wachsene zwischen 18 und 53 Jahren, welche die Tagesdosis von 1,5 g
Optoohin hydrochloricum per os drei Tage hindurch und länger bis zu
6 Tagen, erhalten haben. In Rücksicht auf den Entwicklungsgang der
Parasiten erfolgte die Medikation zu einer bestimmten Tageszeit und
wurde das Intervall zwischen den Einzeldosen sehr kurz gewählt, meist
4 Stunden; die Gaben erfolgten z. B. um 12 Uhr, 4 Uhr, 8 Uhr, in einem
Fall (4 Tage lang behandelt mit im ganzen 6 g) betrug das Intervall
2 Stunden und in 4 Fällen nur eine Stunde.
Bei den 24 Fällen, bei welchen die Tagesdosis von 1,5 g in längeren
Intervallen gegeben wurde, traten, abgesehen von den bekannten leichten
Erscheinungen von Taubheit, Ohrensausen und Ohrenklingen, wie sie
auch beim Chinin beobachtet werden, keine Nebenwirkungen auf, eben¬
sowenig bei 3 Fällen mit nur einer Stunde Intervall zwischen den Einzel¬
dosen von 0,5 g.
Es traten also von den 28 Fällen, welche mit der vor¬
läufig als maximal anzusehenden Tagesdosis von 1,5g be¬
handelt wurden, bei 27 Malariakranken keine erheblichen
Nebenwirkungen, vor allem keine Sehstörungen auf.
Nur ein einziger Fall (Nr. 35) zeigte eine Sehstörung, die in hohem
Maasse lehrreich ist. Es handelt sich um eine 19 jährige Patientin mit
Tertiana. Am ersten Behänd luDgstag erhielt sie 1,5 g in Pulvern zu
0,5 g mit nur einer Stunde Intervall, am zweiten Tage dasselbe. Nach
dem Einnehmen des letzten Pulvers (also 3 g im ganzen) äusserst starkes
Ohrensausen und Amaurose. Objektiv nichts Bemerkenswertes ausser
einer ausgeprägten Mydriasis. Die Störungen, die am ersten Tage inten¬
siv waren, gehen zurück und sind nach 3 Tagen verschwunden.
Nach zwei Monaten stellte sich die Patientin, die trotz der so kurzen
Behandlungsdauer geheilt war, mit einer frischen Malariainfektion (dies¬
mal Malaria tropica) vor. Sie erhielt nun sechs Tage lang die gleiche
Tagesdosis von 1,5 g in Einzeldosen von 0,5 g (zusammen 9 g), jedoch
diesmal mit einem Intervall von 4 Stunden, ohne irgendwelche
Störungen.
DieGefahr der vorübergehenden Sebstörung isthier
offenbar durch das Aufeinanderdrängen der Einzel¬
dosen, durch die Resorption grösserer Mengen und da¬
mit durch die Möglichkeit einer allzu hohen, schäd¬
lichen Konzentration des Alkaloids im Blut entstanden.
Zu diesen 28, mit Tagesdosen von 1,5 behandelten Fällen gesellen
sich weitere 14, bei denen die Tagesdosis 1,0 betrug. Es befinden sich
hierunter 8 im Alter von 9—16 Jahren, die 3—14 Tage lang ohne
Schädigung behandelt wurden, so dass die Dosis bei Kindern dieses Alters
als durchaus zulässig erscheint.
Bei den übrigen 7 Fällen dauerte die Behandlung teils kürzere Zeit,
teils wurden kleinere Dosen gegeben.
Izar und Nicosia haben zur Vermeidung von Nebenwirkungen
das Intervall von 4 Ständen zwischen den 3 täglichen Einzeldosen
von 0,6 g Optochin. hydrochloricum beibehalten nnd damit speziell
für die Erfordernisse der Malariatherapie die dosologische
Frage bis auf weiteres befriedigend gelöst. Ihre Feststellungen
lehren, dass die Tagesdosis von 1,6 g im Prinzip als eine erlaubte
anznsehen ist.
Diesen Erfahrungen scbliessen sich einige Angaben über
Sehstörungen bei Pneumoniepatienten an, die nach Mög¬
lichkeit hier zusammengestellt werden.
Es soll vor allem betont werden, dass die Angabe von
Wright 2 ) über Sehstörungen bei den mit Optochin behandelten
Raffern in Südafrika, die merkwürdigerweise einen besonders
starken Anklang und Nacbklang gefunden hat und sogar in
die englische Tagespresse übergegangen ist, wohl keine volle
Geltung hat.
Nach der Mitteilung von Wright sind unter acht Fällen von
Pneumonie, die mit Optochin behandelt wurden, zwei Fälle von
Amblyopie vorgekommeD, von denen der eine „za Amaurose ge-
langt 4 * sei.
Was diesen Mitteilungen die Beweiskraft nimmt, ist folgende
Anmerkung WrigbtV.
„In Anbetracht der Tatsache, dass in diesem speciellen Be*
zirk (juncture) zwei andere Fälle von Amblyopie in dem Hospital
der Witwatersrand Native Labour Association vorkamen, in welchem
wir ohne Anwendung dieses Arzneimittels arbeiteten, besteht ge¬
1) G. Izar und R. Nicosia, B.kl.W., 1914, Nr. 9. u. 10.
2) A. E. Wright, Lancet vom 14. und 20. Dez. 1912.
Nr. 48.
rade die Möglichkeit, dass die Fälle nicht in Beziehung za dieser
standen. 44
An und für sich ist nicht zu bezweifeln, wie Sie ans dem
folgenden entnehmen können, dass die Tagesdosis von 2,0 g vor-
übergehende Sehstörungen machen kann; was aber Wright
hier mitteilt, ist nicht verwertbar, da der Zusammenhang mit dem
Mittel zweifelhaft ist 1 ).
Um so wichtiger ist eine Reihe von Beobachtungen, welche
Staehelin*) angestellt hat. Staehelin behandelte 4 an Pneu¬
monie leidende Patienten mit besonders hohen Dosen voo
Optochin hydrochloricum per os. Drei von diesen Patienten zeigten
Störungen von seiten des Auges.
Ein Patient, 66 Jahre alt, erhielt am fünften Kraokheitstage
achtmal 0,5 Optochin. hydrochloricum. Ein zweiter Patient, 46 Jahre
alt, erhielt am sechsten Krankheitstage viermal 0,5 Optochin und
am folgenden Tage sechsmal 0,5 Optochin; ein dritter Patient
endlich, 25 Jahre alt, bekam am Abend des vierten Krankheits¬
tages 0,6 Optochin, am nächsten Tage sechsmal 0,5. Die Gesamt¬
dosen innerhalb etwa 24 Stunden betrugen also bei zwei Fällen
3,6 — 4,0 g, der dritte Patient batte in zweimal 24 Stunden ins¬
gesamt 5 g erhalten, davon 3,0 g am letzten Tage.
Es trat eine prompte Entfieberung im Laufe der nächsten
24 Stunden ein, die durchaus den Eindruck einer Krise, beziehungs¬
weise Pseudokrise machte. Die Darreichung des Mittels konnte
nicht länger fortgesetzt werden, weil eine hochgradige Verenge¬
rung der Netzbautarterien zu konstatieren war, die das gleiche
ophthalmoskopische Bild wie die Chininamblyopie aufwies. Das
Mittel wurde natürlich ausgesetzt, bei zwei Patienten ging die
Temperatur dann wieder in die Höhe. Ein Patient, bei dem die Ent¬
fieberung dauernd blieb, war einige Stunden vollständig erblindet,
die anderen, bei denen der Fieberzustand keine genaue Prüfung
der Sehschärfe zuliess, batten gar nicht oder kaum bemerkt, das«
sie schlechter sahen. Dauernde Störungen blieben nicht zurück.
Diese Beobachtungen sind ungemein lehrreich. Sie zeigen,
dass eine Tagesdosis von 3—4 g — zum mindesten bei der
bisher üblichen Darreichung in Einzeldosen von 0,5g-
bei Pneumoniekranken nicht gegeben werden soll, da die Wahr
scheinlichkeit von Nebenwirkungen dann sehr gross ist. Von
grösster Wichtigkeit erscheint mir aber der Umstand,
dass selbst bei diesen, für die Praxis nicht in Frage
kommenden Dosen, eine dauernde Schädigung nicht
zurückblieb.
Parkinson 8 ) spricht von „toxischem Effekt“, weil bei dreien seiner
neun mit Optochin behandelten Fällen kurze Zeit nach der letzten Dosis
eine starke Erweiterung der Pupillen eintrat. In einem Fall ist nur
einmal 0,4 g Optochin. hydrochloricum subcutan gegeben worden, in
einem zweiten, der am Tage vorher 0,25 g erhalten hatte, 0,5 g; ein
dritter Patient endlich hatte zuerst 0,125 g subcutan, an den beiden
folgenden Tagen je zweimal 0,5 g, also l,0,g im ganzen, erhalten. Dieser
Patient zeigte auch etwas Cyanose der Ohren, ausserdem während der
Krankheit bis zum Tode zunehmendes Delirium. Ueber die Dauer : der
Pupillenerweiterung, über die Reaktion der Pupillen, über den Befund
des Augenhintergrundes macht Parkinson keine Angaben, bemerk:
aber, dass in keinem Fall Amblyopie bestand oder sonstige
toxische Symptome. Die Dosen sind in den drei Fällen klein, erheblich
kleiner als diejenigen, bei denen sonst Nebenwirkungen za beobachten
waren.
A. Fraenkel 4 ) hat unter 21 Fällen, die er bis zum Früh¬
jahr 1912 behandelt hatte, 8mal das Auftreten einer Amblyopie
beobachtet, bei innerlicher Darreichung der Einzeldosis von
0,6 g bis zur Tagesdosis von 2,5 g. Die Amblyopien gingen nach
dem sofort erfolgten Aussetzen des Mittels schnell vorüber. Nach
2 Tagen waren die Patienten wieder nahezu im Besitz ihres nor¬
malen Sehvermögens. Fraenkel weist auf den Zusammenhang
mit der Chininamblyopie — bzw. Amaurose — bin. Er be¬
schränkte sich dann meist auf die maximale Tagesdosis von L I
und hat neuerdings keine Nebenwirkungen mehr gesehen.
Lennö 5 ) teilt einen Fall mit. 27jähriger Patient. Ein
Lnngenlappen befallen. Beginn der Behandlung am 3. Kraokheits-
1) Ich habe Wright gegenüber, der sich ja selbst um die theore¬
tische Begründung dieser Therapie grosse Verdienste erworben bat, ® e,Iie
Bedenken brieflich geltend gemaoht, und er hat mir in loyaler weise
zugesagt, sie in seinem nächsten Bericht mitzuteilen. ,
2) Zusammen gefasst in Mobr-Staehelin, Handb. d. iun- ** •’
Berlin 1914, Bd. 2, S. 424. Einige Einzelheiten nach freundlicher Mit¬
teilung Prof. Staehelins.
3) Parkinson, Zschr. f. Chemother,, Orig., Bd. 2.
4) A. Fraenkel, B.kl.W., 1914, Nr. 14.
5) Lenne, B.kl.W., 1918, Nr. 43.
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UMIVERSITY OF IOWA
30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1869
tag. Dreimal täglich 0,5 g Optochin bydrochloricum innerlich.
Nach der Gesamtdosis von 3,0 g Amaurose. Am 5. Krankheitstag
Entfieberung, geheilt. Die Sehstöiung „heilte vollkommen ab“.
E. Neisser-Stettin hat nach brieflicher Mitteilung im Lauf
der letzten Jahre nach Tagesdosen von 1,5—2,5 g gleichfalls
einige vorübergehende Sehstörungen beobachtet.
Weintraud und Kaufmann beobachteten eine vorüber¬
gehende Amaurose bei 2,0 g pro die.
Sanitätsrat Bieling sah unter 12 Fällen, die mit einer
Tagesdosis von 1,5 g behandelt wurden, eine „leichte Sehstörung“.
Schottmüller erwähnt eine Amblyopie ohne Angabe
der Dosis.
Eodlich gehören hierher sehr merkwürdige Beobachtungen
von Baermann 1 ). Derselbe hat, trotzdem die von ihm behandelten
Mälayen nur ein durchschnittliches Körpergewicht von 40 kg
hatten, bei der Darreichung von 2,0 g per os, niemals eine
Amblyopie gesehen. Seit seiner Veröffentlichung, die am 1. Sep¬
tember 1913 abgeschlossen war, hat er, wie ich seiner freund¬
lichen brieflichen Mitteilung verdanke, noch zahlreiche Fälle be¬
handelt, und zwar so, dass die Tagesdosis von 2,0 bis 2,5 g
in 10 Einzeldosen möglichst gleichmässig über die
24 Stunden des Tages verteilt wurde. Er bat auch io
dieser Zeit keine oder nur vorübergehende Augen-
erscheinungen beobachtet.
In einem sehr auffallenden Gegensatz hierzu steht folgende
Erfahrung: Baermann machte Spülungen bei Dysenteriekranken
von Appendicostomien aus. Hier sah er nach einer einmaligen
Spülung mit 1,0 g Chinin io 500 ccm Wasser bzw. 0,75 g
Optochin in 500 ccm Wasser 3 Tage währende hochgradige
Amblyopien. Eine Erklärung hierfür fehlt vorläufig.
Dte Zahl der beobachteten Nebenwirkungen ist im Vergleich
zu der recht grossen Anzahl behandelter Fälle eine geringe.
Dauernde Nachteile sind niemals entstanden.
Erfreulicherweise haben diejenigen Aerzte, die bisher das
Optochin anwandten, in den beschriebenen Nebenwirkungen
kein Hindernis für die weitere Anwendung des Mittels
gesehen; sie gebrauchen auch weiterhin das Mittel, in
dem Bewusstsein, dass eben hier die fernere klinische
Arbeit einzusetzen hat. Auf gewisse Gesichtspunkte, die in
Frage kommen, soll (s. XV.) noch eingegangen werden.
XIV. Resultate der Optochinbehandlung bei fibrinöser
Pneumonie.
Die ersten Versuche einer Behandlung der Pneumonie wurden
von Wright in Johannesburg an Kaffern angestellt. Die Anzahl
der Versuche, über die Wright nur summarisch berichtet, ist
eine geringe, und er gelangt zu dem Resultat, dass das Mittel
entweder unwirksam oder von zweifelhafter Wirksamkeit ist.
Die von Parkinson (l. c.) aus dem London Hospital beschriebenen
9 Falle sind für eine Beurteilung des Mittels nicht zu verwerten. Von
vornherein kommt einer (Nr. 9) als Empyem ohne Pneumonie in Weg¬
fall, ferner 3 Fälle (Nr. 3, 5 und 8), bei denen die Behandlung erst
ara 6. Krankbeitstag begann; von diesen letzteren starb einer lange nach
dem Aussetzen der völlig ungenügenden Behandlung mit doppelseitiger
Pneumonie im Delirium, einer kritisierte am 11. Tag, beim dritten wurde
nach 2 Tagen die Behandlung wegen Verdachts auf Empyem unter¬
brochen, auch die übrigbleibenden 5 Fälle, die überhaupt in Betracht
kommen, erfüllen nicht die Bedingung frühzeitiger Behandlung. Es
wurde keiner vor dem 3. bzw. 4. Kraukheitstag und dabei jeder voll¬
kommen anders behandelt. Wie soll hier irgendein Vergleich oder
Urteil möglich sein? Sieht man von einem Fall mit doppelseitiger
Pneumonie und schon vor der Behandlung im Delirium (Nr. 2) ab, der
nur am 4. und 5. Krankheitstag genügende Mengen per os erhielt und
am 6. Tag im alkoholischen Delirium starb, ferner von einem zweiten
Fall, der vom 4. Tag ab mit immer kleiner werdenden Dosen (1,5—1,0
bis 0,5 g) subcutan behandelt wurde (Nr. 7) und ara 7. Tag kritisierte,
so bleiben drei Fälle (Nr. 1, 4 und 6) übrig, bei denen die Krisis
nach ein- bis zweitägiger Behandlung mit kleinen Dosen am 4. bzw.
5. Tag eintrat, also auffallend früh. Der günstige Verlauf der einzigen
in Frage kommenden 4 Fälle von Parkinson (Nr. 1, 4, 6 und 7)
kann zugunsten des Mittels gedeutet werden. Alles in allem ist
mit solchen Versuchen, die ungleichmässige Bedingungen
und stets wechselndes therapeutisches Handeln bieten, nie¬
mandem gedient. Ich diskutiere die Mitteilung von Parkinson so
ausführlich, weil sie, io englischer Sprache in einer wenig gelesenen Zeit¬
schrift erschienen, vielen Aerzten nur in kurzen Referaten bekannt wurde,
die ein schiefes Urteil begründen mussten.
Mit regem therapeutischem Interesse ergriff dann Schreiber
die neue und schwierige Aufgabe. Lennö (1. c) teilte über die
1) Baermann, Zschr. f. exp. Path. u. Ther., 1914, Bd. 15.
ersten Ergebnisse der im Sudenburger Krankenhaus in Magdeburg
angestellten therapeutischen Versuche bis jetzt folgendes mit (eine
ausführliche Publikation soll später folgen):
Die damals in Magdeburg herrschende Pneumonie war, wie
allgemein beobachtet wurde, durch besonders schweren Verlauf
ausgezeichnet.
Es wurden 17 Fälle mit Optochin allein behandelt, welche
eine Mortalität von 11,8 pCt. aufwiesen. Unter diesen befanden
sich 14 Patienten, welche über 15 Jahre alt waren. 6 Patienten
erhielten weniger als 1,0 g täglich, eine Dosis, die nach späteren
Erfahrungen nicht als ausreichend anzusehen ist. Nur 8 Patienten
erhielten mehr als 1,0 g im Tag. Die beiden letalen Fälle sind
ein Kind von 11 Jahren (L—2 mal täglich 0,2 g) und ein 60jähriger
Patient, bei dem 3 Lappen befallen waren. Er wurde vom zweiten
Tag ab behandelt und erhielt 8—4 mal täglich 0,4 g, zusammen
9,2 g innerlich. Er war am sechsten Tage entfiebert und starb
später.
Mit Optochin und Pneumokokkenserum kombiniert wurden
18 Patienten behandelt mit einer Mortalität von 16,5 pCt. Bis
auf 4 Fälle erbielteu alle weniger als 1,0 g, keiner regelmässig
mehr als 1,0 g. Von den 3 Todesfällen kam einer auf Meningitis,
die beiden anderen Patienten hatten 2—3 mal täglich 0,4 g er¬
halten.
Die nicht behandelten Fälle wiesen eine Mortalität von 30 pCt.
auf, unter ihnen befanden sich 30 im Alter von über 15 Jahren
mit 11 Todesfällen.
Lennö betont die Notwendigkeit, die Therapie möglichst
frühzeitig einzuleiten. Auch er schreibt dem Optochin eine
eigentliche antipyretische Wirkung nicht zu. Bei vielen Fällen
beobachtete er Pupillendilatation.
Lenne fasst seine Anschauungen folgendermaassen zusammen:
„Dieser Unterschied in der Mortalitätsziffer dürfte doch wohl für
eine spezifische Behandlung der Pneumonie sprechen. Wir sind
uns aber wohl bewusst, dass die Gesamtzahlen noch zu gering
sind, als dass wir daraus einen definitiven Schluss ziehen könnten;
es war auch nur der Zweck dieser Mitteilung, noch weitere Kreise
für diese Frage zu interessieren.“ Schreiber’s Gesamtarteil
auf Grund weiterer Anwendung des Mittels ist dauernd ein
günstige.s; er ist, wie ich mit seiner Erlaubnis mitteile, von
der Wirksamkeit des Mittels überzeugt, das er jetzt meist in der
Dosis von 1,0 g verwendet.
Eine weitere, sehr wertvolle Mitteilung verdanken wir
Vetlesen, der im städtischen Krankenhaus zu Christiania dauernd
Heilversnche anstellt.
Vetlesen 1 ) hielt sich in Uebereiostimmung mit mir streng an
den Grundsatz, die Anwendung des Optochin ausschliess¬
lich auf frische Fälle zu begrenzen; dadurch erfuhr die Zahl
der bebandelteu Fälle eine erhebliche Einschränkung, die aber
durch die höhere Beweiskraft der Versuche mehr als ausgeglichen
wird. 9 Fälle von croupöser Pneumonie wurden behandelt, sämt¬
liche vor dem Ablauf des zweiten Krankbeitstages. Es wurden
3 mal täglich 0,5 g Optochin hydrochloricum gegeben. Die Gesamt¬
dosis betrug bis zu 9,5 g.
Eine Durchsicht der neun Krankengeschichten und vor allem
ein Blick auf die Temperaturkurven zeigt „eine gemeinsame
Eigentümlichkeit, nämlich die Schnelligkeit, womit die
Krankheit ihren Cyklus bis zu einem kritischen oder
lytischen Abschluss durchläuft“.
In 3 Fällen trat Defervescens in kürzerer Zeit als 48 Stunden
nach Beginn der Krankheit auf, in 2 Fällen nach 2 1 /* Tagen, in
2 Fällen nach S 1 ^ Tagen, in einem Fall nach 4 Tagen und
schliesslich in einem Fall nach vollen 8 Tagen (Fall 8). Bei
diesem letzten Fall ist jedoch zu bemerken, dass es sich hier um
eine besonders virulente und wahrscheinlich kontagiöse Form von
Pneumonie handelte, von der gleichzeitig eine 5jährige Tochter
und ein 4 jähriger Sohn in dem Heim des Patienten ergriffen
waren.
Die Fälle waren auch in keiner Weise als besonders gut¬
artige aosgewählt. Im Gegenteil — jeder Fall von Pneumonie
wurde behandelt, wenn er sich nur einigermaassen in initialem
Stadium, zugänglich für frühe Behandlung befand. Vetlesen
glaubt, dass hierin ein Hauptpunkt für die ganze Be¬
handlung liegt. Wünscht man die Methode zu kontrollieren,
so darf dieser Punkt nicht ausser acht gelassen werden.
1) B.kl.W., 1913, Nr. 32.
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UNIVERSUM OF IOWA
1870
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
Vetlesen kommt za dem Schloss, dass das Optochin
einen hemmenden Einflass auf den Verlauf der croupÖsen
Pneujnonie ausöbt; während dagegen auf Lungeninfektionen
anderer Art (Tuberkulose oder septische Prozesse) die Wirkung
fehlt. Eine Bedingung scheint es zu sein, dass die Chemo¬
therapie in einem möglichst frühen Stadium der Pneumo-
kokkeninfektion zur Anwendung gebracht wird.
Baermann (1. c.), der zu den wärmsten Anhängern dieser
Therapie gehört, hat eine grosse Anzahl malayischer Arbeiter,
die, wie schon angeführt, besonders unter Pneumonie zu leiden
haben, mit Optochin behandelt; seine Dosierung bei innerlicher
Darreichung ist schon oben erwähnt. Bemerkenswert ist, dass
Baermann einen Teil seiner Fälle auch mit intramuskulären In¬
jektionen von öligen Lösungen der Optochinbase behandelt hat;
er gab mehrmals täglich 0,5 einer 5 proz. Lösung der Base in
Sesamöl. Die Injektionen sind im allgemeinen schmerzhaft und
führen zu Infiltraten, die rasch zurückgehen. In einer Anzahl von
Fällen kombinierte er mit Injektionen von Rekonvaleszentenserum.
Das Endurteil Baermann's lautet dahin, dass d as Optochin
bei der Pneumonie eine unverkennbare heilende Wirkuug
zeigt. Die mittelschweren und leichten Fälle zeigten
zum grossen Teil eine vorzeitig einsetzende definitive
Krisis.
Alle diejenigen Fälle, die zum Exitus gekommen sind, wiesen
Besonderheiten und Komplikationen auf, die die Situation
erheblich erschwerten und auch sonst gewöhnlich rettungslos zum
Tode führen; gegen sie ist das Optochin absolut machtlos. Hierzu
kommt eine zweite Gruppe von schweren (zum ganz kleinen
Teil mit anderweitigen Veränderungen komplizierten) Fällen, die
sonst, wenigstens teilweise, eine ungünstige Prognose erwarten
liessen; sie kamen alle zur Heilung, zum Teil mit überraschend
schnell einsetzender Krisis. Besonders hervorzuheben ist die fast
stets erfolgte rasche totale Lösung des Infiltrates und die rasche
Erholung des Patienten. *
Das Schwergewicht legt Baermann auf die Beeinflussung
der schweren Fälle*, denn hierunter waren Fälle, deren Rettung
sowohl von ihm als auch von seinen Mitbeobachtern dem Optochin
zugeschrieben werden musste.
A. Fraenkel brachte von Anfang an dem Mittel grosses
Interesse entgegen und berichtete schon früher über 21 Fälle.
Nur in 6 Fällen schien ihm eine günstige Einwirkung auf die
Pneumonie zu bestehen. Die Temperatur fiel innerhalb 12 Stunden
ab, um nicht wieder in die Höhe zu gehen; bei 2 anderen Fällen
trat eine Art Lysis ein, und zwar ebenfalls wieder von steilerem
Verlauf, als man das sonst zu beobachten gewohnt ist. In
9 Fällen sah A. Fraenkel keine deutliche Wirkung, in 6 Fällen
war die Wirkung zweifelhaft; bei den letzteren handelt es sich
zum Teil uro Patienten, die sehr spät zur Behandlung kamen.
Neuerdings bat A. Fraenkel seine Versuche wieder auf¬
genommen und ist dazu übergegaugen, nur frische Fälle zu be¬
handeln. Sein Urteil ist jetzt ein wesentlich günstigeres,
und ich darf mit seiner Erlaubnis eine Zusammenfassung desselben
veröffentlichen. Seit dem Anfang dieses Jahres wurde das Optochin
auf seiner Abteilung in einer Anzahl von Pneumonieerkrankungen
mit bestem Erfolg angewandt. Im Gegensatz zu früheren Ver¬
suchen mit demselben Mittel wurde es diesmal ausschliesslich
im Frühstadium der Erkrankung, d. h. nur in solchen Fällen
verabfolgt, welche vor beendigtem dritten Krankheitstage
zur Aufnahme gelangt waren. Die Zahl derartiger Krankheitsfälle
war zwar bis jetzt nur eine geringe — im ganzen 8 —, aber der Er¬
folg eio sehr ausgezeichneter, indem bei 7 die Entfieberung lytisch,
und zwar vor Ablanf des fünften Krankheitstages, er¬
folgte. Der eiozige Fall, in welchem eine Abweichung von diesem
Resultat beobachtet wurde, stellte eine Wanderpneumonie dar, bei
welcher am sechsten Tage ebenfalls ein fast kritischer Abfall statt¬
fand, dem dann unter Befallen werden des anderen Unterlappens noch¬
mals ein viertägiger fieberhafter Zustand, wenngleich mit niedrigeren
Temperaturen als in der ersten Krankheitsperiode, folgte. In
einem Drittel der Fälle vollzog sich die lytische Entfieberung in
einer fast geradlinig zur Norm verlaufenden Fieberkurve.
Die Tagesgabe des Mittels betrug 3 mal 0,5 g; sie
wurde in keinem Fall überschritten. Nach Verabfolgung von
4,5-5,0 g wnrde das Mittel regelmässig ausgesetzt. Von anderen
Medikamenten kamen ausschliesslich leichte Herzstimulantien
(Coffein) zur Anwendung. Bemerkenswert war bei allen
Patienten in subjektiver Beziehung die relati ve Euphorie,
in objektiver die auffallend geringe Beeinträchtigung
der Respiration. Eine ungünstige Nebenwirkung werde
in keinem Falle beobachtet.
ln ausgedehntem Maass wird von dem Mittel zur Behandlung
der Pneumonie von Rautenberg (innere Abteilung des Kreis¬
krankenbaases des Kreises Teltow) Gebrauch gemacht. Herr
Prof. Rautenberg ist leider verhindert, ao der Diskussion teil¬
zunehmen, ich darf aber Bagen, dass er Anhänger der Optochin-
therapie ist und teilweise Überraschende Erfolge zn ver¬
zeichnen hat.
Prof. Weintraud (städtisches Krankenhaus Wiesbaden), der
in Gemeinschaft mit seinem Assistenten, meinem früheren Mit¬
arbeiter Dr. Kaufmann, das Mittel auwendet, gestattet mir,
folgendes über seine Erfahrungen mitzuteilen:
Es waren bis jetzt im ganzen 13 cronpöse Pneumonien in Be¬
handlung, bei denen das Optochin noch vor Ablauf des dritten
Krankheitstages gegeben werden konnte. Als Dosis wurde ge¬
wählt pro die 3 mal 0,5 g in sechsstündigen oder 6 mal 0,25 g
in dreistündigen Abständen, also zusammen 1,5 g. Im ganzes
wurde bis 4 g gegeben. Io 2 Fällen (von den 13) wnrde erfolg¬
los die intravenöse Darreichung versucht; bei 3 Fällen blieb auch
die Darreichung per os ohne Dauerwirkung.
Von den übrigen 8 Fällen entfieberten — zum Teil kritisch:
am 2. Tage . . 2 Fälle
n 3. „ • • 3 „
r n_ . . 3 „ ,
die dauernd fieberfrei blieben.
Bei Erkrankungen vom 4. Tage an versagte das Mittel.
Von Nebenerscheinungen wurde Ohrensausen und Schwer¬
hörigkeit — wie sonst bei Chiningebranch — in wechselnder
Stärke und vereinzelt beobachtet, ebenso Uebelkeit und Erbrechen 1 ).
Eine vorübergehende Amaurose ist bereits erwähnt.
„Es kommt also nur eine Frühbehandlung mit Op¬
tochin in Betracht, zu der das Material des Krankenhauses
sich nur selten eignet; meist werden die Pneumoniekranken erst
eingeliefert, wenn ihr Zustand bedrohlich erscheint. Die Behand¬
lungsmethode wird hier am Krankenhaus weiter fortgesetzt und
es kann inzwischen nach den bisherigen Erfahrungen
im hiesigen Krankenhaus dem Arzt in der Praiis, der
frühzeitig zu den Pneumoniekranken kommt, die An¬
wendung des Optochin empfohlen werden. Dass neben
der specifischen Behandlung die Allgemeinbehandlung des
Patienten, vor allem die Stärkung des Herzens mit Digitalis,
nicht vernachlässigt werden darf, ist ohne Weiteres einzusehen.
Auch Stachel in (1. c.) spricht sich neuerdings für die Früh¬
behandlung mit Optochin aus; er hat bei initialen Fällen
mehrmals prompten dauernden Temperatorabfall erzielt,
dagegen sah er mit der Tagesdosis von 1,5 g bei Pneumonien,
die schon mehrere Tage bestanden, keine deutlichen Resultate.
Endlich erscheint es mir bemerkenswert, dass auch unter
den schwierigen Verhältnissen einer ausgedehnten
Landpraxis die Anwendung des Mittels sich mit Erfolg
durchführen lässt. Herr Sanitätsrat Bieling-Gaualgesheim
bat nach freundlicher brieflicher Mitteilung bis jetzt etwa 12 Fäll«
behandelt und gute Erfolge erzielt, die ihn veranlassen, das Mittel
dauernd aozuwenden, und zwar in der schon von Vetlesen ge
wählten Dosierung.
Die ErkrankuDgsfälle betrafen das Alter von 9—-04 Jahre.
Gegeben wurde Optochin hydrochl. in allen Fällen gleich im ersten
Stadium der Erkrankung, bei einigen Fällen bereits am ersten Tage
derselben. Der Verlauf der Krankheit war meist derart, dass das
Fieber sich am 6. bis 7., in einem Falle am 11. Tage lytie«
löste; in zwei Fällen trat kritische Lösung ein. Die Rekon-
valescenz war kurz und rasch, und es trat bald wieder die
Möglichkeit ein, die gewohnte Beschäftigung aufzonebmen, auc
bei den Erkrankten im höheren Alter. Das AUge® e,D *
befinden der Patienten war stets gut; es wurden nur
geringe Beschwerden über Schmerzen, Seitenstechen
und Atembeklemmung geäussert. . .
Schottmüller (l. c.) hat, wie er kurz mitteilt,
Verlauf der Pneumonie irgend einen nennenswerten Einfluss noc
nicht erkennen können“; bei einem seiner Fälle „führte ^ )e ^ ea
monie zur allgemeinen Sepsis mit tödlichem Ausgang, nach em
der Patient so viel Hydrocnprein erhalten batte, dass Erscheinungen
1) Da9 Optochin hydrochloric. hat einen bitteren Geschma <
der ungemein lange naobbält und unangenehmer ist, als derjenige
Chinin. Hierauf muss bei der Medikation Rücksicht genommen ver e0.
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UNiVERSITY OF IOWA
30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1871
von Amblyopie auftrateo.“ Staebelin äusserte in der Diskussion
hierzu, dass er bedauern würde, wenn sich jemand durch
Schottmüll er’s Orteil abhalten Hesse, das Mittel bei der be¬
ginnenden Pneumonie anznwenden.
XV. Betrachtungen über den Heilungsmechanismus bei
Pneumonie.
Naheliegende, von uns schon öfter angeregte und für die
Beurteilung und weitere Ausgestaltung der Optochintberapie der
Pneumonie notwendige klinische Untersuchungen über den Pneu¬
mokokkengehalt des Blutes der behandelten Kranken fehlen
bis jetzt. Dass eine Abtötung der im circulierenden Blut bei
der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle in grösserer oder geringerer
Menge vorhandenen Pneumokokken durch die kontinuierliche
Darreichung des Optochin möglich ist, unterliegt nach den an¬
geführten Versuchen keinem Zweifel. Dieser Faktor, zusammen
mit einer Schädigung und Entwicklungshemmung der Pneumo¬
kokken im Lungenherd, die auf Grund der Tierversuche von
Neufeld und Engwer angenommen werden darf, bildet die
rationelle Basis einer specifiscben Therapie der Pneumonie. Dass
dem ersteren Moment, der Befreiung des Blutes von Pneumo¬
kokken, eine besondere Bedeutung für das Zustandekommen
der Krisis zukommt, dafür sprechen Beobachtungen von Roseno w
und die bisher nur in Kürze auf dem 30. Kongress für innere
Medizin in Wiesbaden 1913 von Lüdke mitgeteilten Untersuchungen.
Es ergab sich, dass während der Krise ein Verschwinden der
Pneumokokken im Blute stattfindet. Hierfür sind bei der
spontan entstehenden Krisis wohl specifische Antikörper verant¬
wortlich zu machen, die wir mit Neufeld und Haendel als
zur Klasse der Bakteriotropine gehörig ansprechen. Neufeld
und Haendel haben in Uebereinstimmung mit G. und
F. Klemperer und P. Römer in exakten Versuchen gezeigt,
dass das Serum der Kranken nach der Krisis regel¬
mässig reichlich Pneumokokkenantikörper enthält.
Nachdem sie ganz allgemein festgestellt hatten, dass die Pneumo¬
kokkenantikörper im Tierversuch unterhalb eines bestimmten
Schwellenwertes der Konzentration unwirksam sind, sahen sie als
auslösendes Moment für die Krisis das Ueberschreiten dieses
Schwellenwertes im Blute der Patienten an; ist dieser wirksame
Antikörpergehalt erreicht, so werden „die im Blut kreisenden
und in den Organen wuchernden Kokken im Verlauf kurzer Zeit
und zwar sicherlich zum allergrössten Teil durch die Pbagocyten
des Körpers unschädlich gemacht.“ ln Uebereinstimmung mit
dieser experimentell gut begründeten Anschauung führt auch
Lüdke Krise und Verschwinden der Pneumokokken aus dem Blut
auf das rapide, sprunghafte Anwachsen der Antikörper zurück.
Im Gegensatz hierzu tritt bei letal endigenden Fällen eine immer
mehr fortschreitende Vermehrung der Pneamokokken im Blut
ein, was wohl auch Jochmann veranlasst, die Allgemeininfektion
als hauptsächliche Todesursache anzuseben. Bei der Pneumonie
des Menschen wird im Einklang mit allen experimentellen Fest¬
stellungen die Wirkung des Optochin auf die im Blute kreisenden
Pneumokokken eine direkte sein. Antikörper sind bei frühzeitiger
Behandlung zunächst noch gar nicht in genügender Stärke vor¬
handen. An die Stelle der Schutzstoffe, welche bei
spontanem Verlauf die Krisis herbeiführen können,
kann das Optochin treten. Der Endeffekt ist der gleiche,
der Mechanismus ein völlig verschiedener. Es ist aber
in hohem Maasse wahrscheinlich, dass die Entfieberung durch
Optochinhehandlung oft mit dem Wirken spezifischer
Schutzstoffe in Zusammenhang tritt. Dem Freiwerden und
der Wirksamkeit der spezifischen Antigene, welche die Antikörper¬
bildung auslösen, wird durch die Behandlung kein Hindernis
gesetzt; in diesem Sinne sprechen anch Beobachtungen von mir
and R. Levy über die Entstehung einer Immunität bei Mäusen,
die prophylaktisch mit Optochin behandelt waren.
Diesen Schutzstoffen dürfte demnach bei der Behandlung der
Pneumonie mit Optochin eine nicht zu unterschätzende Bedeutung
zukommen, und zwar im Sinne der Erniedrigung des wirksamen
Schwellenwertes, wie sie Engwer nnd Boehncke experimentell
nachgewiesen haben. Vor allem die zeitlichen Variationen
in dem Eintreten der entscheidenden Optochinwirknng
(Krisis, Lysis) können mit den bekannten Differenzen
in der Bildung der Schatzstoffe zusammen wirken. Die
Anwendung des Pnenmokokkenserums neben dem Optochin fällt
unter den gleichen Gesichtspunkt.
Die Schutzstoffe bleiben dann auch nach der Entfieberung
wirksam und tragen dazu bei, ein Aufflackern der Infektion zu
verhüten, sowie Pnenmokokkeo, soweit sie in Blut nod Gewebe
noch lebens- und entwicklungsfähig sind, zu beseitigen. Unter
diesem Gesichtspunkt ergibt sich die Forderung, bis zum voraus¬
sichtlichen Eingreifen der Antikörper, also etwa bis zum 6. bis
7. Krankheitstag, den Organismus unter kontinuierlicher Optochin-
wirkung zu halten 1 ).
XVI. Gesichtspunkte für die Dosierung des Optochin
bei fibrinöser Pneumonie.
Durch die experimentellen Untersuchungen von Druanlt,
Birch-Hirschfeld u. a. wissen wir, dass man beim Hund eine
typische Chininamaurose erzeugen kann mit charakteristischer
Funktionsstörung und ophthalmologischem Befund und mit be¬
stimmten histologischen Veränderungen, die durch die Nissl’sche
Methode dargestellt werden. Hier müssen vergleichende toxi¬
kologische Versuche einsetzen. Einzig und allein diese
Störung, bei der die Ganglienzellen der Retina den An¬
griffspunkt bilden, ist für die Frage der Nebenwirkungen
des Optochin von Interesse.
Von mir und Dr. Ginsberg sind derartige Versuche unter¬
nommen worden; sie sind noch nicht abgeschlossen, die bisherigen
Befunde sprechen aber in dem Sinne, dass bei normalen
Hunden dem Optochin gegenüber dem Chinin eine
höhere Giftwirkung auf die nervösen Elemente der
Retina nicht zukommt.
Es ist somit die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass
das Verhalten der Pneumoniekranken nicht die normale
Empfindlichkeit gegen Cbinaalkaloide repräsentiert,
sondern dass hier besondere Bedingungen ob walten, die
in einer beschränkten Zahl von Fällen die Empfind¬
lichkeit erhöhen. Derartige Erscheinungen stünden nicht
einzig da; man erinnere sich nur au die durch Malaria bedingte
besondere Disposition der roten Blutkörperchen, die in dem Auf¬
treten von Schwarz Wasserfieber nach Chioingebrauch ihren Aus¬
druck findet. Besonders bemerkenswert ist, dass Izar nnd
Nicosia (1. c.) auf die engeren Tolerauzgrenzen gegenüber dem
Optochin bei Patienten, die an Maltafieber leiden, hin weisen.
Man muss zunächst daran denken, dass die Anwesenheit
von Pneumokokken im Organismus, besonders im Blut,
hier mitwirkt, lu dieser Hinsicht muss auf eine interessante
Beobachtung von Boehncke verwiesen werden. Boehncke ex¬
perimentierte mit einem bestimmten, im übrigen typischen Paeumo-
kokkenstamm an Mäusen und fand, dass nur die Infektion mit
diesem Stamm die Giftempfindlicbkeit der Mäuse gegen -
über dem Optochin weit über die Norm erhöhte; Mäuse,
die mit dem Stamm inficiert waren, wurden durch eine weit
geringere Menge von Optochin getötet, als Tiere, deren Infektion
durch anderePaeumokokkenstämme hervorgerufen war. Boehncke
nimmt an and stützt diese Annahme durch besondere Versuche,
dass ein Toxin dieser Pneumokokken die Erhöhung der Giftigkeit
bedingt. Es könnte demnach also wechselnde und je nach der
Individualität der Pneumokokken qualitativ verschiedene Toxin¬
produktion in den einzelnen Fällen in Frage kommen. Wesen
und Bedingungen der eigentümlichen Idiosynkrasie harren aber
noch der Aufklärung.
Es erscheint mir jedoch durchaus statthaft, zunächst einen
Zusammenhang zwischen individueller Idiosynkrasie nnd
Momenten, die durch die Infektion als solche gegeben
sind, ins Auge zu fassen.
ln Zusammenhang mit diesen Erörterungen möchte ich nicht
verfehlen, hier, wenn auch mit aller Reserve, darauf hinzuweisen,
dass ich den bestimmten Eindruck gewonnen habe, dass Neben¬
wirkungen um so seltener sind, je früher die Be¬
handlung eingeleitet wird. So hat weder Vetlesen noch
A. Fränkel, als er prinzipiell nur mehr frische Fälle behandelte,
solche beobachtet.
Ob meine Annahme zutrifft, wird sich zeigen, wenn das
fundamentale Prinzip der Frühbehandlung allgemeine
Geltung erlangt haben wird.
Die für die Anwendung des Optochin bei der Behandlung
der Pneumonie entscheidende Frage, ob bei dem Gebrauch
zulässiger Dosen das Optochin in wirksamer Concentra-
tion in Blut und Gewebe gelangt, wie es bei den viel
höheren Dosen des Tierversuchs zweifellos der Fall ist,
1) Bekanntlich unterliegt der Pneumococcus in Kulturen in hohem
Maass der Autolyse; dass dieses Moment bei der chemotherapeutischen
Beeinflussung mitwirkt, ist nicht ausgeschlossen.
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
1872
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
mnss in bejahendem Sinne beantwortet werden. Hierfür
sprechen vor allem die bereits angeführten Reagenzglasversuclie
von Wright mit dem Serum behandelter Menschen.
Den Verbleib des Optochin in der Blutbabn zu unter¬
suchen, bildet ein dringendes Erfordernis und es ist zu begrüssen,
dass Böcker in Neufeld’s Laboratorium unlängst die Bearbei¬
tung dieser Frage in Angriff genommen hat; durch die Freund¬
lichkeit von Prof. Neu fei d sind mir die Resultate der Versuche
zugänglich. Zur Prüfung des Optocbingehaltes des Blutes erwies
sich nur die biologische Methode, die sich der Einwirkung auf
Pneumokokken bedient, als brauchbar. Kaninchen und Meer
schweinchen wurde wässerige Lösung von Optocbincblorhydrat
intravenös injiziert und in bestimmten Intervallen der Optochin
gehalt des Serums untersucht. Es ergab sich eine ungemein rasch
erfolgende Verminderung der Konzentration, bei beiden Tierarten
in ausgesprochen verschiedenem Maasse. Bei Kaninchen war schon
nach 10 und 45 Minuten weniger als 1 / 40 der injizierten Menge
vorhanden, während bei Meerschweinchen dieser Erfolg erst nach
zwei Stunden eintrat.
Mit dieser Feststellung eines ungemein raschen Ver¬
schwindens des injizierten Optochin aus dem Kreislauf
stehen auch unsere noch unveröffentlichten Beobachtungen in Ein¬
klang. Bei vergleichenden Untersuchungen der Salze des Chinin,
Hydrochinin und Optochin — bei welchen übrigens ein greilbarer
Unterschied in der akut toxischen Wirkung nicht zutage trat —
erwies sich eine Konzentration im Blut, die nach einer ganz
approximativen und gewisse Komplikationen ausser Betracht
lassenden Berechnung 1 : 3000 —4000 betrug, in wenigen Sekunden
als tödlich, 1:8000—12000 machte oft noch schwere Ver-
giftungserscheinungen. Wurden jedoch die sofort beginnenden
Krämpfe nur ganz kurze Zeit hindurch überstanden, so trat, ähn¬
lich dem Verhalten bei Strychninvergiftung, sehr bald völlige
Erholung ein, ein Beweis, dass auch hier ein ungemein rasches
Absinken der Konzentration stattfand.
Dass auch beim Menschen ähnliche Verhältnisse vorliegen,
ergibt sich aus der Möglichkeit, Mengen von 1,0 g Chininsalz und
von 0,75 g Optocbincblorhydrat — letzteres sogar bei Malayen
mit einem Durchschnittsgewicht von nur 40 kg — ohne erheb¬
liche Nebenwirkungen zu injizieren. Eine ungefähre Berechnung
der Konzentration im Blut, wie sie sich bei rascher Injektion er¬
gäbe, führt zu Werten, die im Tierversuch zu toxischen
Wirkungen genügten. Hier muss man also annehmen, dass bei
der üblichen und auch absolut gebotenen langsamen In¬
fusion schon während dieses Aktes eine Entlastung der Blutbahn
eintritt, welche die berechnete schädliche Konzentration nicht zu
Stande kommen lässt.
Es ist sehr bemerkenswert, dass kurzdauernde hohe Kon¬
zentrationen, wie sie bei intravenöser Injektion erreicht werden,
keine Sebstörungen beim Menschen auslösen. Hierzu ist offenbar
längere Permanenz einer in bezug auf akute toxische
Störungen unterschwelligen Konzentration nötig, die man
vorläufig nicht berechnen kann. Nur soviel kann man sagen,
dass sie höher ist als diejenige Konzentration, die zur baktericiden
Wirkung ausreicbt, dass sie also praktisch ohne Beeinträchtigung
des therapeutischen Erfolges vermieden werden kann und muss.
Die zu einer baktericiden Wirkung im Blut des lebenden
Tieres erforderlichen Konzentrationen liegen — eine genügend
laDge Wirkungszeit vorausgesetzt — weit unterhalb der akut
schädlichen Konzentration, wie alle Reagenzglasversuche und der
Tierversuch übereinstimmend lehren. Die Neigung eines
rapiden Absinkens der Konzentration im Blut ist in
hohem Maasse bestimmend für die Art der Dosierung
und unterstützt unsere seit langem anfgestellte Forde¬
rung, dass für konstante, ununterbrochene Zufuhr des
Optocbins nach der ßlutbahn gesorgt werden muss.
Vor allem ergibt sich aus dieser Betrachtung über
die Grenzen der günstigen Konzentration desOptochins
im Blut, die durch die Schädigungsschwelle nach der
einen Seite, durch die wirksame Minimalkonzentration
nach der anderen Seite gesteckt sind, dass der Verwen¬
dung wenig löslicher Verbindongen wie der Optochin-
base und des Salicylesters des Optochin nichts im Wege
stebt 1 ).
Die Löslichkeit beider in der Blutflüssigkeit ist nicht so
I) Diese haben noch den Vorzug des besseren Geschmacks; der
Salicylester ist fast geschmacklos.
gering, dass schädliche Konzentrationen ein für allemal aus¬
geschlossen sind; wäre dies der Fall, so müsste es unmöglich
sein, durch subcutane Injektion Öliger Lösungen, die allmählich
die gelöste Substanz an das Blut abgeben, Versuchstiere zu ver¬
giften oder zu töten, wie es tatsächlich der Kall ist. Es sind
also auch bei diesen Verbindungen der Dosierung ge¬
wisse Grenzen gesetzt.
Andererseits ergibt sich schon hieraus, dass wirksame Kon¬
zentrationen, in Uebereinstimmung mit den Ergebnissen des Tier
Versuchs, leicht erreicht und auf die Dauer aufrechterhalten werden
können. Hiermit stehen auch in Einklang die Beobachtungen
von Giemsa und Schauman, dass die freie, wenig lösliche
Base des Chinins bei Malaria nicht weniger wirksam ist als die
leicht löslichen Salze, ebenso die Wirksamkeit unlöslicher Chinin-
Verbindungen wie das Euchinin, Salochinin und Cbinintannat.
In bezug auf den Mechanismus der Resorption der Alka¬
loide vom Verdauungskanal aus ist noch manches dunkel;
es ist wahrscheinlich, dass im sauren Magensaft unbestimmbare
und wechselnde Mengen der Basen als Salz gelöst und dann rasch
resorbiert werden, wie umgekehrt aus leicht löslichen Salzen,
wenn sie in den alkalischen Dünndarminhalt gelangen, die Base
ausgefällt und dann als solche resorbiert wird.
Auf alle Fälle ist die Konzentration im Blut stets von der
Konzentration im Magen und Darminhalt abhängig und von diesem
Gesichtspunkt aus besteht grössere Wahrscheinlichkeit, dass bei
Einführung der schwer löslichen Verbindungen schäd¬
liche Konzentrationen viel leichter vermieden werden,
ln Betracht zu ziehen ist unter diesem Gesichtspunkte die Mit¬
gabe von säurebindenden Agentien und, nach Analogie des Tier¬
versuchs, die Verabreichung öliger Lösungen von Base
oder Ester per os oder per rectum, wie dies Kaufmann
neuerdings ausführte. Hier liegt noch ein weites Feld für klinische
Rezeptierkunst. Es wird die lohnendste Aufgabe für den Arzt sein,
hier einzugreifen und vor allem für eine möglichst gleicbmässige
Verteilung der Einzelgaben über die 24 Stunden des Tages und,
nicht zu vergessen, der Nacht zu sorgen. Vielleicht kommt
hier die beinahe schon obsolete Anweisung „alle Stande ein
Esslöffel voll“ wieder zu ihrem Recht.
Nach den bisherigen Erfahrungen soll man auf alle
Fälle bei der Darreichung des Optochin hydrochloricum
per os, falls man die Einzeldosis von 0,5g beibehalten
will, über die Tagesdosis von 1,5 g nicht hinausgebe«;
schon dadurch dürfte sich die Wahrscheinlichkeit einer vorüber¬
gehenden Sebstörung ungemein vermindern, deren Eintritt Unter¬
brechung der Behandlung veranlassen wird.
Das für die Dosierung hier aufgestellte Prinzip ist ein
einfaches und klares. Der Blutbahn ist kontinuierlich so
viel von dem Mittel zuzufübren, dass eine Schädigung
nervöser Organe vermieden wird, die Pneumokokken in
Blut und Gewebe durch die stäodig vorhaudeue Kon¬
zentration abgetötet, zum mindesten aber in ihrer Ent¬
wicklung gehemmt und in ihrer Vitalität soweit ge¬
stört werden, dass sie auch keine temporäre Festigung
durch Chemoflexion erreichen können. Die erfolgreiche
Durchführung dieses Prinzips ist nur eine Frage der Zeit und der
darauf gerichteten zielbewussten Bemühung.
Ich habe bei diesen Betrachtungen die Möglichkeit ausser
Rechuung gelassen, dass der Transport des Alkaloids von der
Resorptionsstätte durch das Blut zu den verschiedenen Zielen zum
grösseren oder geringeren Teil durch corpusculäre Elemente
geschieht. Für die roten Blutkörperchen haben Versuche von
mir und Ginsberg dies wahrscheinlich gemacht und den Vor¬
gang der „Transgression“ kennen gelehrt, der hier aus Mangel
an Zeit nicht näher besprochen werden kann; auch Böcker neigt
zu Annahmen, die in diesem Sinne sprechen. Aber auch für
diesen Fall träfen die aus der vereinfachten Betrachtung ge*
zogenen Schlüsse in vollem Umfang zu.
Mag auch bei Pneumoniekranken io gewissen Phasen der
Erkrankung und unter gewissen Umständen eine erhöhte Empfind¬
lichkeit der Retinaelemente bestehen, wie oben ausgeführt wurde,
so behält auch hier das eben entwickelte Prinzip seine volle
Geltung.
Experiment, theoretische Ueberlegung und klinische Erfahrung
lehren uns Ziele und Möglichkeiten bei der spezifischen Behand¬
lung der Pneumonie mit Klarheit erfassen: Befreiung des
Blutes von Pneumokokken und Hinderung des üeber-
tritts aus dem Langengewebe ins Blat, Entwicklongs*
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UNiVERSITY OF IOWA
30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1873
hemmung oder Abtötung der Pneumokokken im Gewebe
nnd endlich Zusammenwirken mit den Scbutzstoffen,
mögen sie nun einer -aktiven oder passiven Immuni¬
sierung entstammen.
Ueber einige chirurgische Erfahrungen aus
dem II. Balkankriege.
Bemerkung zu der Arbeit von R. Klapp in der Münchener med.
Wochenschrift, feldärztliche Beilage, 1914, No. 7, S. 68.
Von
Prof. Coenen,
Oberarzt der Kgl. chirurgischen Klinik in Breslau, zurzeit kommandiert als Stabsarzt
zur 2. 8anität«kompagnic des VI. Armeekorps.
Die Ausführungen Klapp’s über das von mir in den beiden Balkan¬
kriegen erprobte und von mir „Collateralzeichen“ genannte Phä¬
nomen 1 ) sind nioht zutreffend. Klapp stützt sich darauf, dass es nach
der Ligatur der A. femoralis bei einem Hunde aus dem durchschnittenen
peripheren Stumpf dieser Arterie unter Pulsation hellrot blutet, und ver¬
langt daher bei der Prüfung des Collateralzeichens beim Menschen eine
Blutung aus dem peripheren Arterienteil, die sich ebenso unter Puls¬
schlag entleert. Aber der Vergleich mit der intakten Huüdefemoralis
ist hier nicht stichhaltig. So stark sind die Coilateralen beim Menschen
nicht. Bei dem Aneurysma ist die Circulation in der Extremität ausser¬
dem noch reduziert. Will man also das Tierexperiment heranziehen, so
muss man eine reduzierte arterielle Blutzufuhr schaffen und die Coi¬
lateralen schwächen. In meinen experimentellen Untersuchungen über
Wieting’sche Operation 2 * * ) habe ich diese Reduktion der Blutzufuhr zur
hinteren Extremität eines Hundes dadurch erreicht, dass ich von der
Kniekehle bis über das Becken hinaus alle Coilateralen der A. femoralis
abband. Wenn ich nun bei dieser Besohneidung des Collateralkreislaufs
die A. femoralis unterhalb (distal) einer Ligatur durcbschnitt und wenn
das periphere Ende kein Blut austreten liess, so folgte nach der Ligatur
die Nekrose und Gangrän der Extremität 8 ). Wofern aber bei dieser
Versuchsanordnung aus dem peripheren Stamme hellrotes Blut kontinuier¬
lich ausfloss bei längerer Beobachtung, und wenn auch nur tropfenweise,
so blieb nach der Ligatur der A. femoralis die Extremität vom Brande
verschont. Diese Verhältnisse sind für die Beurteilung beim Aneurysma
des Menschen maassgebend. Man darf also nicht zuviel verlangen, son¬
dern das Collateralzeichen ist u. E. positiv, wenn der distale Arterien¬
stumpf kontinuierlich hellrot blutet; wenn er hellrot spritzt, so ist das
Zeichen um so sicherer.
Weiter meint Klapp, dass bei Aneurysmabildung ein Teil des
Blutes durch das Aneurysma in die peripheren Gefässe gelangt (S. 69).
Abgesehen von der arteriellen Stromschleife, die im Sack von der Arteria
gleich in die centrale Vene umbiegt — eine Erscheinung, die ich „Kurz¬
schluss“ genannt habe — geht nach Klapp „ein zweiter Blutstrom in
den peripheren Venenteil“. Dies wäre also eine Analogie mit der
therapeutisch versuchten Ueberieitung des arteriellen Blutes auf den
Venenweg (Wieting’sche Operation). Wir können also hier auf unsere
oben citierte Arbeit verweisen, wenn wir die Ernährung der Eitremität
auf diesem Wege für bedeutungslos halten. Es ist aber fraglich, ob
Klapp diesen Venenweg der arteriellen Blutzufuhr meint, denn er fährt
fort (S. 69): „Man hat also bei vielen Aneurysmen damit zu rechnen,
dass der periphere Arterienteil durch das Aneurysma hindurch ge¬
speist wird. Unterbindet man, legt die Klemmen an und prüft das
Collateralzeichen, so kommt beim Lüften der Klemme das Blut hellrot
heraus. Daraus schliesst man, dass das Collateralzeichen positiv ist,
unterbindet und schneidet damit eine, eventuell noch eine für die Er¬
nährung wichtige Blutquelle, nämlich die Passage durch das Aneurysma,
ab.“ Den Sinn dieser Erwägung kann ich nur so verstehen, dass von
der Wand des Aneurysmasacks direkt oder indirekt kleine arterielle
Aeate zu dem peripheren Teil der Arterie, also Coilateralen, führen, die
die Blutzufuhr zur Extremitätenspitze mit aufrecht halten sollen. Dies
aber hatte ich in Athen und Saloniki (1912/13) auch bedacht und
daher verlangt, dass vor der Prüfung des Collateralzeichens der Blut¬
sack vollständig frei präpariert wird, denn dann können die Sack-
collateralen den Versuch nicht mehr stören. Es muss also, um es noch
mal zu betonen, bei älteren umschriebenen Aneurysmen der Sack nur
noch an den Hauptgefässen hängen, im übrigen aber ganz aus den Weich¬
teilen ausgescbält sein, bei frischen diffusen Aneurysmen muss die Höhle
völlig ausgeräumt zutage liegen, bevor man das Collateralzeioben an¬
wendet.
Mit Klapp bin ich einverstanden, wenn er entgegen v. Frisch die
Blutstauung distal der abgeklemmten Hauptvene nicht für beweisend
hält für eine ausreichende Circulation. Die Venencollateralen sind viel
zahlreicher, als die Arteriencollateralen; so findet das Venenblut viel
leichter den Weg zum Herzen und kann die Hauptvene dabei ganz um-
gehen, zu mal diese meist durch den wachsenden Blutsack komprimiert
1) Zbl. f. Cbir., 1913, Nr. 50.
2) Bruns’ Beitr., Nr. 75.
8) Siehe auch meine „Beiträge der Frage zur Umkehrbarkeit des
Blutstroms“. M.m.W., 1912, Nr. 29.
wird. In zweien meiner auf dem griechischen Kriegsschauplatz beob¬
achteten Fälle führte daher die Hauptvene am Aneurysma distal fast
gar kein Blut, dennoch trat keine Nekrose ein, offenbar, weil andere
Abzugswege für das Venenblut da waren. Das v. Frisch’sche Venen-
zeicben ist also m. E. unsicher. Dagegen haben wir mit dem von uns
erprobten Collateralzeichen nicht nur im Kriege, sondern auch später in
der Friedenspraxis in der Küttner’schen Klinik gute Erfahrungen ge¬
macht und können v. Frisch auch nicht recht geben, wenn er be¬
hauptet, dass bei unserm positiven Collateralzeichen der Beweis mangele,
dass „der ganze Gefässbaum wirklich kräftig durchblutet wird“ 1 ). Nach
den hämodynamischen Gesetzen muss das Blut bei unserem positiven
Collateralzeichen bis in die Extremitätenspitze strömen, wenn keine
Thrombose und keine Bildungsanomalie oder Arteriosklerose besteht.
Bei den gesunden Soldaten im Kriege werden wir damit kaum zu rechnen
haben, und wir möchten hoffen, dass in den Reservelazaretten, Kriegs¬
lazaretten und Heimatlazaretten unser Collateralzeichen eine Richtschnur
abgeben möge für die Gefässligatur und Gefassnaht.
Ganz wesentlich ist die Frage nach der Priorität des Zeichens. Ich
lernte es aus meinen Hunde-Experimenten über die Wieting’sche Operation
und erinnerte mich daran in den Balkankriegen und gewann so die
praktische Bedeutung dieses Zeichens beim Aneurysma und bei der Ge-
fässverletzung. Erst lange später erfuhr ich, dass Henle in einer Dis¬
kussion sbemerkuDg auf dem Chirurgen ko ngress (Berlin 1912) auf Grund
seiner Kriegserfahrungen dasselbe empfohlen und es E. Lexer vor¬
geschlagen hatte. Hierdurch wird der Wert unseres „Collateralzeichens“
aber erhöht.
Beine vor Reims, den 18. Oktober 1914.
Bßcherbesprechungen.
G. Joch mann- Berlin: Lehrbuch der Infektionskrankheiten. Für
Aerzte und Studierende. Mit 448, zum grossen Teil farbigen
Abbildungen. Verlag von Julius Springer in Berlin. Preis ungeb.
30 M.
Jochmann gehört sicherlich zu den Klinikern, die die grösste Er¬
fahrung auf dem Gebiete der Infektionskrankheiten haben. Langjährige
Beobachtungen, nicht zum mindesten an seiner jetzigen Wirkungsstätte,
dem Rudolf Virchow-Krankenhause in Berlin, bilden die Grundlage zu
dem fast 1000 Seiten starken Werke, das mit ausgezeichneten Ab¬
bildungen ausgestattet ist. Deshalb ist der Preis des Werkes nur
relativ hoch. Wenn auch Spezialisten das Buch ihrer Bibliothek einver¬
leiben werden, so wird der Student, für den es auch bestimmt ist, es
wohl schwerlich kaufen. Für ihn ist es, da es doch nur einen Teil der
inneren Medizin behandelt, zu teuer. Der Kliniker wird das Werk,
das in seiner Art das erste in deutscher Sprache darstellt, an-
schaffen, wenn er über alles, was Infektionskrankheiten betrifft, lesen
will. Die Anlage des Buches ist grosszügig, wie die angeführten
Kasuistiken seltener Fälle beweisen. Aus allem spricht die grosse Er¬
fahrung JochmanD’s; Verf. hat ja auch fast seine ganze ärztliche und
wissenschaftliche Tätigkeit diesem Spezialfach gewidmet. Infolgedessen
sind seine Schilderungen der Krankheitsfälle bis in die kleinsten Details
erschöpfend. Die Darstellung ist, wie man das auch sonst von Joch-
mann’s Publikationen gewöhnt ist, klar und verständlich. Die theo¬
retischen Fragen werden überall kritisch erörtert. So ist das Buch eine
Fundgrube für den Arzt, der sich diagnostisch-therapeutisch und lite¬
rarisch orientieren will. Hoffentlich wird eine baldige zweite Auflage
dem Verf. Gelegenheit geben, einige Kleinigkeiten, die in der grossen Zahl
der Vorzüge fast verschwinden, zu korrigieren. So würde sich viel¬
leicht eine genauere Schilderung der Tracheotomie mit Abbildungen
empfehlen. Die beim Tetanus angegebenen Magnesiumsulfatdosen
sind, soweit die bisher vorliegende Literatur lehrt, zu klein. Zur Be¬
kämpfung der Atemlähmung nach Magnesiumsulfatlösung, die allerdings
nach den Jochmann’schen Dosen von 2—4mal täglich der 2 ccm der
10 proz. Lösung wohl schwerlich eintreten wird, kommt ausser dem
zitierten Pilocarpin noch die Verabreichung von Kalksalzen in Betracht.
Die Einteilung ist vorgenommen in 1. Infektionskrankheiten, bei
denen die Infektion des Blutes im Vordergründe des Krankheitsbildes
steht; 2. bei denen eine bestimmte Organerkrankung den Charakter des
Leidens bedingt; 3. exanthematische Erkrankungen; 4. Zoonosen; und
schliesslich wird noch das Desinfektions wesen behandelt. — Man muss
sich, wenn man die einzelnen Kapitel durchsieht, fragen, ob das Thema
nicht zu weit oder zu eng gefasst ist. Wenn man den acuten Gelenk¬
rheumatismus zu den Infektionskrankheiten rechnet, dann gehört eigent¬
lich die lobäre Pneumonie auch dazu. Und was der acuten Miliartuber¬
kulose recht ist, ist der Lues billig. Das würde dann freilich zu weit
und aus dem Gebiete Jochmann’s hinaus führen.
F. Umher: Ernährung nnd Stoffwechselkrankheiten. Zweite, neu¬
bearbeitete Auflage mit 10 Abbildungen, 10 schwarzen und
11 farbigen Tafeln. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin-
Wien 1914. Preis 18 M.
Das ausgezeichnete Buch Umber’s, das in seiner ersten weitver¬
breiteten Aullage noch Lehrbuch hiess, liegt nunmehr wesentlich er-
1) Klapp, S. 68, 1. c.
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UNIVERSITY OF IOWA
BERLINER EX INI SC HE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 48.
1874
weitert und umgearbeitet vor, so dass es sich, wie Verf. einleitend aus-
fübrt, zu einer Art Archiv auswächst. Es enthält die Erfahrungen des
Verf., der auf dem Gebiete des Stoffwechsels sich von jeher besonders
erfolgreich betätigt. So kommt es, dass viele Kapitel, die ihm besonders
liegen, den Charakter des Persönlichen des Verf. tragen. Daneben sind die
Errungenschaften der letzten Jahre eingehend gewürdigt, und auch hier
handelt es sich nicht um einfache literarische Registrierung der klinischen
und experimentellen Forschungen anderer Autoren, sondern Verf. kann
dem Leser mit eigenen Nachprüfungen dienen. Das Werk gibt somit ein
Bild von der Umber’schen Behandlungsmethode und seinen Labora¬
toriumsarbeiten. Wer sich über Stoffwechselkrankheiten orientieren will,
kann das Umber’sche Buch nicht entbehren, das alles enthält, was
alte und neue Zeiten dem Kliniker und Experimentator auf dem Gebiete
der Stoffwechselkrankheiten gebracht haben.
F. Neufeld: Sencheuentstehung und Seuchenbekämpfung. Kurzer
Leitfaden für praktische Aerzte und Studierende. Mit 24 Ab¬
bildungen. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin-Wien.
Preis 4,50 M.
Der 204 Seiten fassende Leitfaden erscheint gerade in einer Zeit,
in der das Interesse der Aerzte für Seuchen besonders rege ist. Schon
darum wird das Neufeld’sche Buch mit seinen klaren Ausführungen,
die sich von allem Allzuspezialistisehen fernhalten, Verbreitung finden.
Es enthält ausser den Kapiteln über die Seuchen, die besonders in
Kriegszeiten eine Rolle spielen, Abhandlungen über diejenigen Krank¬
heiten, die im Frieden im Vordergrund des Interesses stehen. So wird
das Buch allen Anforderungen gerecht, und alle, die sich über die
Seuchenentstehung und Seuchenbekämpfung speziell in der Gegenwart
unterrichten wollen, werden den Leitfaden später zur Belehrung über
Diphtherie, Tuberkulose usw. mit Nutzen lesen. Alles in allem ist das
Neufeld’sche Buch für den Nichtbygieniker, für den es bestimmt ist,
als willkommen zu begrüsseu. Dünner.
Friedländer: Nerven- nnd Geisteskrankheiten im Felde und im
Lazarett. Wiesbaden 1914, Verlag von J. F. Bergmann. 39 S.
Preis 1 M.
Mit dankenswerter Schnelligkeit hat der Autor in präziser Kürze
alles zusammengefasst, was dem im Felde oder im Lazarett tätigen,
spezialistisch nicht vorgebildeten Arzte in diagnostischer und thera¬
peutischer Hinsicht auf dem grossen Gebiet der nervösen und psychischen
Erkrankungen notwendig zu wissen und zu kennen ist. Im richtigen
Moment zu Rate gezogen, wird die kleine Schrift über manche Schwierig¬
keit hinweghelfen können. König-Kiel.
Literatur-Auszüge.
Therapie.
J. Ruhemann-Berlin: Ortizon-Wundstifte. (D.m.W., 1914, Nr. 45.)
Ortizon, eine feste Verbindung von Wasserstoffsuperoxyd und Harnstoff,
ist zum Reinigen und Desinfizieren von Wunden sehr gut.
D. Chi lat diti-Konstantinopel: Weitere Beiträge zur Behandlung
der Hypertrichose mit Röntgenstrahlen. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) Durch
Vorepilation der Haare lässt sich die Röntgenempfiudlichkeit der Papille
steigern. Je zarter das Haar, je geringer sein Wachstum, um so geringer
ist die Röntgenempfiodlichkeitssteigerung. Infolgedessen ist die Röntgen¬
behandlung des Flaumes undankbar. Bei gut entwickelten Haaren so¬
wohl an der Oberlippe wie auch ganz besonders am Kinn beträgt die
Empfindlichkeitssteigerung unter günstigen Umständen ein Drittel der
Epilationsdosis. Diese Herabsetzung der Dosis erlaubt die Applikation
der Röntgenstrahlen in einer Sitzung. Dünner.
Pass in i -Wien: Ueber Lumbalpunktion bei Chorea infectiosa.
(W.kl.W., 1914, Nr. 42.) Verf. hat festgestellt, dass bei der Chorea in¬
fectiosa ein stark erhöhter Druck der Cerebrospinalflüssigkeit besteht.
Die mikroskopische Untersuchung der Lurabalflüssigkeit ergab keine
ätiologischen Anhaltspunkte. In drei Fällen war der therapeutische Er¬
folg der durch die Punktion herbeigeführten Druckerniedrigung des
Liquors ein sehr guter. Daher wird dieser Eingriff für solche Fälle
warm empfohlen. H. Hirschfeld.
A. Schn6e-Frankfurt a.M.: Weitere Beiträge zur Fermenttherapie
des Diabetes mellitus. (D.m.W., 1914, Nr. 46.) S. empfiehlt bei jedem
Diabetesfall einen Versuch mit Fermocyltabletten (Vial und Uhlmann-
Frankfurt a.M.), die neben spezifischen, die Kohlehydrate in ihre Ab¬
bauprodukte zerlegenden Fermenten die pankreatischen Fermente ent¬
halten. Er sah sogar vollständiges Verschwinden des Zuckers aus dem
Urin. _ Dünner.
Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie.
0. Wied hoff-Heidelberg: Ein Fall von Megacolon sigmoides bei
einem 70jährigen Manne. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) (Vorgetragen anläss¬
lich der Demonstration des Präparates in der Sitzung vom 19. Mai 1914
im naturhistorisch-medizinischen Verein zu Heidelberg. Vgl. Gesellschafts¬
bericht der B.kl.W., 1914, Nr. 25.) Dünner.
Innere Medizin.
A. Bittor ff-Breslau: Gastrogene Diarrhöen und das Vorkommen
von Aehylia panereatica bei Achylia gastrica. (D.m.W., 1914, Nr. 45.;
Das Auftreten von schwerer Kreatorrböe und geringer Steatorrhöe bei
den Durchfällen infolge Achylia gastrica ist ein häufiges Vorkommen.
Die Trypsinmengen im Stuhl und im Magen sind trotzdem vielfach
normal. Das Bestehen einer (funktionellen) Achylia panereatica wird
durch diesen abnormen Befund der Fäces nicht bewiesen, die als seltenes
Ereignis zu gelten hat, während etwas häufiger wohl eine Verminderung
der Trypsinmenge bei Achylie beobachtet wird. Die ungleichartige Aus¬
nutzung der Nahrung, die Analogien unter normalen und pathologischen
Verhältnissen hat, ist bei Achylie Folge einerseits der beschleunigten
Peristaltik, andererseits der schlechten (ungenügenden) Magenverdauung.
Röntgenuntersuchungen ergaben bei diesen Durchfällen bisher durch¬
schnittlich nur eine massige Beschleunigung der Magen- und Dünndarm-
entleerung, dagegen eine stärkere (partielle) Beschleunigung der Dick-
darmeDtleerung. Die Ursache dieser vermehrten Dickdarmperistaltik ist
häufig ein Katarrh derselben durch abnorme chemische and bakterielle
Einflüsse. _ Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
0. B. Meyer-Würzburg: Neue Apparate zur Schreibkranpfbe-
handlung. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) Nach einem Vortrage in der
7. Jahresversammlung der Gesellschaft deutscher Nervenärzte in Breslau
am 30. Sept. 1913. Die Besonderheit der von M. angegebenen Methode
beruht auf dem Prinzip, Abdrücke mit plastischer Masse von der er¬
krankten Hand in Schreibstellung unter entsprechender Formung von
Widerlagern bzw. hülsenförmigen Vorrichtungen zu nehmen und hier¬
nach die Prothesen aus Hautschnitt oder auoh aus einem anderen Stoffe
wie Celluloid anzufertigen. Dünner.
Kinderheilkunde.
Sawidowitsch-Berlin: Einfluss von Eri&hrung nid Erkru-
kafigen auf das Waehstam des Gehirns im ersten Lebensjahre. (Mschr.
f. Kindblk., 1914, Bd. 13, H. 5.) Natürliche uad künstliche Ernährung
beim gesunden Kinde ergab keinen Unterschied. Einseitige Kohlehydrat¬
ernährung führte zur Hemmung im Gehirnwachstum. Bei Ernährung
mit Vollmilch oder kondensierter Milch hatten die Kinder auffallend
grosse Köpfe. Ernährungsstörungen führten zu Wachstumshemmung.
Racbitiker haben lange und breite Köpfe bei geringer Höhe. Daher
scheinen die Köpfe nur gross.
Conradi - Cöln: Vorzeitiges Auftreten von Knöchel- und eigen¬
artigen Verkalkungskernen bei Chondrodystropbia foetalis hypoplastica.
Histologische und Röntgenuntersuchungen. (Jb. f. Kindblk., Juli 1914,
Bd. 80, H. 1.) Abnorm frühzeitiges — um Monate, bei einzelnen
Knochen um Jahre zu frühes — Auftreten von Knochen- and Ver¬
kalkungskernen bei einem in der sechsten Woche gestorbenen Kinde
mit Chondrodystrophie.
Brüning - Rostock: Experimentelle Studien über die Bntwiekliig
nengeborener Tiere bei läagerdauernder Treniung voi der säigeidn
Mutter und naobheriger Verschiedenartiger künstlicher Ernährung. (Jb.
f. Kindhlk., Juli 1914, Bd. 80, H. 1.) Nach der Trennung von dar
Mutter gelingt es, neugeborene weisse Ratten am Leben zu erhalten.
Sie sind leichter und kleiner als die bei der Mutter bleibenden. Später
einseitig, künstlich ernährt nehmen die Tiere zu, die Eiweiss -f Fett
bekommen. Die mit Kohlehydrate einseitig ernährten nehmen ab. Die
Eiweiss- und Fettiere bekamen später fleckigen oder diffusen Haarausfall.
Müller und Sch 1 oss - Rummelsburg: Die Versuche zur Anpassung
der Kuhmilch au die Frauenmilch zu Zwecken der Sätgliig*-
ernährnng. (Jb. f. Kindhlk., Juli 1914, Bd. 80, H. 1) Hauptsächlich
Polemik gegen Babrdt betreffend Analysen der Friedenthal’schen
Milch. Bestreiten von Erfolgen mit dieser Nahrung.
Benestadt - Christiania: Wo liegt die Ursache zur „physiologi¬
schen“ Gewichtsabnahme neugeborener Kinder. (Jb. f. Kindhlk.,
Juli 1914, Bd. 80, H. 1.) Die Abnahme, deren Dauer und Höhe vom
Entwicklungsgrad des - Kindes, seinem Geburtsgewicht und der Milch¬
menge der Mutter mit abhängig ist, beruht auf einer Stoifiechsel-
insuffizienz, besonders des Wasserstoffwechsels. Die Ausscheidung
grosser Stickstoffmengen im Harn, besonders von Polypeptiden, spnebt
für mangelhafte Ausnutzung und Spaltung von Eineissstoffen in den
ersten Lebenstagen.
Ahrens - Göttingen: Ein Fall von Htagerechädigaug hei h*W
tueller Unterkieferluxation im Säuglingsalter. (Mschr. f. Kindbu.,
1914, Bd. 13, H. 5.) Fall einer habituellen Kieferluxation -
Kindes-, besonders Säuglingsalter sehr selten — im Zustande schtere
Abmagerung. Absichtlich knapp bemessene Nahrung — etwa 45 Lalon
pro Kilogramm Körpergewicht führten zum Bilde einer leichten low
kation. Schreien und Fassen der Brust riefen die Verrenkung herv
Beseitigung der Luxation durch Urethan und Flaschenfütterung.
Hilliger-Berlin: Ueber periodisches Erbrechen mit Acetoiiai*'
(Jb. f. Kindhlk., Juli 1914, Bd. 80, H. 1.) Verf. studierte bei einem
6 jährigen Kinde aus erblich belasteter Familie, welches typisc •
krankte (plötzliches starkes Erbrechen, schwer gestörtes Auge
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UNIVERSUM OF IOWA
80. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1875
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befinden mit Aoetonarie) die Frage der Entstehung der Aoetonkörper
und der Wechselbeziehung zwischen Eiweiss und Fett einerseits und
Kohlehydrate andererseits. Das Kind wurde auf eine Normalkost ein¬
gestellt. Bei Fettzulage zur Normalkost kein Ansteigen der Aceton¬
kurve. Bei Fettverminderuug und, unbedeutender, Einschränkung der
Kohlehydrate stieg die Acetonausscheidung, was Verf. mit Iuanition er¬
klärt. Bei Kohlehydratbeschränkung und unveränderten Gaben von
Eiweiss und Fett stieg die Acetonmenge, und in der Folge bot das Kind
das typische Bild des periodischen Erbrechens mit schwer gestörtem
Allgemeinbefinden. Als Zeichen für bestehende Aoidose bestand am
Tage des Erbrechens gesteigerte Ammoniakausscheidung. Nach dem
Studium der Wirkung von Kohlehydraten, die mit der Nahrung zuge¬
führt waren, bestand die Frage, wie die körpereigenen Kohlehydrate
wirkten und ob sie vielleicht vikariierend für die ausgefallenen Kohle¬
hydrate der Nahrung eintreten. Es ergab sich an den Tagen des
periodischen Erbrechens mit Acetonausscheidung ein Sinken des Blut¬
zuckerwertes. Verf. widerlegt seine eigene Annahme, dass die in der
Leber als Glykogen aufgespeicherten Kohlehydrate vikariierend eintreten
und schliesslich aufgebraucht werden, so dass man von Leberiosuffizienz
sprechen könnte. Denn bei Zufuhr von geringen Mengen Kohlehydrat
erreichte der Blutzuckerwert seine normale Höhe, und zwar bei ge¬
ringeren Kohlehydratmengen als man braucht, um das Krankbeitsbild
hervorzurufen. Verf. hat eine andere Vermutung für das Sinken des
Blutzuckerwertes. Die Leber wird durch einen bestimmten, von der
Nebenniere ausgehenden Reiz veranlasst, Glykogen zu mobilisieren.
Wie nun z. B. bei Addison’soher Krankheit niedrige Werte für den Blut¬
zucker gefunden werden, so stellt Verf. sich vor, dass hier ebenfalls
die Nebennieren nicht in der Lage sind, für die Leber den Reiz abzu¬
geben, Glykogen in Form von Zucker ans Blut abzugeben. Thera¬
peutisch empfiehlt Verf. Zufuhr von Kohlehydraten, eventuell Trauben-
zuckerclysmen oder Infusion einer isotonischen Traubenzuckerlösung.
H. Bernhardt.
Engel-Berlin: Die Harnabseheidnng des Säuglings. (D.m.W.,
1914. Nr. 46.) Nach einem Vortrage, gehalten am 8. Juni 1914 im Ver¬
ein für innere Medizin und Kinderheilkunde in Berlin, s. Gesellschafts¬
bericht der B.kl.W., 1914, Nr. 25. Dünner.
E. Wieland - Basel: Deber Bronchotetanie. (Mschr. f. Kindhlk.,
1914, Bd. 13, H. 5.) Bronchotetanie = tonischer Bronchialmuskelkrampf
ist ein scharf umschriebener, klinisch und pathologisch-anatomischer
Symptoraenkomplex im Verlauf besonders schwer verlaufender Spasrao-
philiefalle. Mitteilung zweier zum Tode führender, an echter unkompli¬
zierter Bronchotetanie leidender Fälle. Typischer Atelektasenbefund der
Lunge. Dieser Befund ist im Leben von einer Pneumonie nur durch
das Röntgenbild zu unterscheiden (Verschleierung des Lungenfeldes bei
Atelektasen zum Unterschied schärferer Infiltrate bei Pneumonie). Bei
kleinsten initialen Lungenveränderungen versagt auch das Röntgenbild.
Verf. bezweifelt Rietschel’s Meinung, der das Bronchialasthma der
Säuglinge in ätiologische Beziehung zur Spasmophilie bringen will, und
hält eher eine Koinzidenz von Asthma und Spasmophilie für möglioh.
Beschreibung eines solchen Falles.
Rohm er- Marburg: Ueber die Erzielung von Dauererfolgen bei der
Calcinmbehandlnng der Spasmophilie. (Mschr. f. Kindhlk., 1914,
Bd. 13, H. 5.) Erfolge bei Spasmophilie durch Kombination von
Phosphorlebertran und Calcium chlor. AdfhÖren der Krämpfe und
Sinken der elektrischen Erregbarkeit.
Handrick - Magdeburg: Schutzimpfung bei Varicellen. (Mschr.
f. Kindhlk., 1914, Bd. 13, H. 5.) 35 pCt. der Kinder, die mit Blasen¬
inhalt von Varicellenkranken vor Ansteckung geschützt werden sollten,
erkrankten trotzdem an Varicellen. Verf. bestreitet einen durch die
Impfung erzielten Schutz. H. Bernhardt.
Chirurgie.
Danieisen: Zur Behandlung der Luxatio claviculae praesternalis.
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 41.) Verf. konnte einen Fall dadurch reponiert
erhalten, dass er die Sohulter nicht nach hinten, sondern nach vorn
fixierte. Er erhebt den Arm an den Kopf und bandagiert ihn in dieser
Lage an, so dass Oberarm an die Wange, Unterarm über den Kopf zu
liegen kommt.
Levy: Die Ausführung der osteoplastischen Ampntatio supra-
malleolaris im Kriege. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 41.) Zum Zwecke der
spateren plastischen Deckung des Stumpfes wird im Sprunggelenk ex¬
artikuliert, wobei der Zirkelschnitt 2 cm unterhalb desjenigen Knöchels
beginnt, der später zur plastischen Deckung Verwendung finden soll.
Bei der zweiten Operation wird der betreffende Malleolus quer abgetrennt
und als Haut-Periost-Knochenlappen auf den Stumpf geschlagen.
Haeberlin-Stuttgart: Zur Symptomatik and Behandlung der
Patellarfraktar. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 42.) Es wurde das Dreyer-
sche Verfahren (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 22) mit der Kausch’schen Schlinge
nach Ausführung der Naht kombiniert. Ein Monat nach der Operation
¥ar volle Beweglichkeit erzielt.
Sohoemaker: Zur Technik der Uranoplastik. (Zbl. f. Chir., 1914,
Nr. 39.) Modifikation der Langenbeck’sohen Methode. Der eine Lappen
wird nicht zu einem Brückenlappen gestaltet, sondern dessen eine Seite
wird vollkommen abgetrennt, so dass ein einfacher gestielter Lappen
entsteht. Es wird hierdurch grössere Beweglichkeit erzielt, ohne dass
die ErnährungsbedinguDgen des Lappens schlechtere werden.
Jurasz: Die Paravertebralanästhesie im Dienste der tiallenstein-
ehirurgie. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 35.) Es wurden an der Payr’schen
Klinik derart gute Resultate mit der einseitigen Para vertebralan ästhesie
bei Gallensteinoperationen erzielt, dass Verf. sie vor allem für solche
Fälle empfiehlt, bei denen die Allgemeinnarkose kontraindiziert ist. Im
ganzen werden 40 ccm einer 1 proz. Lösung verwandt. Die Einzelheiten
der Technik sind im Original nachzulesen.
Gutzeit: Technisches zur Erleichterung der Varicenexstirpation.
(Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 35.) Nach Abreiben des Beines mit Alkohol
werden die sichtbaren Venen an stehenden Patienten mit einem blauen
Tintenstift angezeiohnet. Pinselt man dann mit Jodtinktur, dann bleiben
sie als schwarze Striche gut sichtbar.
Oberst-Freiburg*. Zur Dauerdrainage bei Aseites. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 37.) Es wird ein gedoppelter oder röhrenförmig eingesohlagener
Hautlappen in die Laparotomieöfiaung eingenäht, der die Ableitung des
Ascites in das Unterhautzellgewebe garantiert.
Ziembicki-Lemberg: Beitrag zur Chirurgie des grosse* Netz-
bentels. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 33.) Verf. lenkt die Aufmerksamkeit
der Chirurgen auf den grossen Netzbeutel, der öfter der Sitz pathologi¬
scher Veränderungen ist. Bekannt sind die Hernien des For. Winslowii,
perforierte Leberabscesse, Blutergüsse und Phlegmoneu sowie Cysten der
Bursa oraentalis. Z. beobachtete eine in den Beutel verlagerte Gallen¬
blase sowie einen Tumor, der von der Bursa seinen Ausgaog genommen
hatte. Diagnose und Therapie werden genau besprochen.
Neugebauer: Zur Technik der Magenresektion. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 40.) Empfehlung der Reichel’schen Methode: Einpflanzung
des gesamten Querschnitts in das Jejunum eventuell unter Verkleinerung
der Magenwunde.
ten Horn: Zur Diagnose der Appendicitis. (Zbl. f. Chir., 1914,
Nr. 40.) Schmerz bei Zug am rechten Samenstrang konnte in 15 Fällen
von akuter Appendicitis 12 mal als charakteristisch nachgewiesen werden.
Kondoleon: Die Lymphableitnng des Scrotnm. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 39.) Nach Amputation des Penis wegen Caroinom und nach
Ausräumung der regionären Drüsen konnte Verf. ein entstehendes Oedem
wirksam dadurch bekämpfen, dass er die tiefe Fascie des Scrotums
spaltete und die Tunica vaginalis nach Art der Hydrocelenoperation
nach aussen amstülpte.
Giertz-Stockholm: Ueber Exstirpation von Lungen und Lungen¬
lappen mit Versorgung des Broochialstumpfes durch frei transplantierte
Fascia lata. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 36.) Verf. hat bei seinen Experi¬
menten, seitdem er die genannte Versorgung vornimmt, einen Spannungs¬
pneumothorax nicht mehr erlebt. Hayward.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
Klaatsch - Breslau: Das Problem des menschlichen Hymen.
(Mschr. f. Geburtsh., Sept. 1914.) Im Gegensatz zu Bolk, der den
Hymen als eine im Bereich des Sinus urogenitalis entstehende sekundäre
Faltenbildung ansieht, verteidigt K. die alte Ansicht, dass der Müller’sche
Hügel zum Hymen wird. Die wesentliche Ausbildung einer noch relativ
kleinen Falte ist bei Embryonen von ca. 15 cm Länge schon beendet;
die weiterhin eintretenden Veränderungen beruhen auf Waohstums-
vorgäogen am Hymen und seiner Umgebung. Die grossen individuellen
Verschiedenheiten des Hymen erklären sich aas einer ursprünglichen
Form eines Hymen duplex; von dieser Form finden sieh alle Uebergänge
bis zur gleicbmässigen Ringklappe. Offenbar besteht eine Abhängigkeit
der Ausbildung der Hymenteile von der Beschaffenheit der Columnae.
Vom atavistischen Standpunkt betrachtet, ist der Hymen wahrscheinlich
kein sinnwidriges Organ. Die tierischen Vorfahren des Menschen haben
wahrscheinlich den Coitus von hinten vollzogen, und dabei kann
der Hymen von Bedeutung gewesen sein.
Anderes - Zürich: Unterbrechung der Schwangerschaft nnd
Sterilisation anf abdominellen Wege in einer Sitzung. (Mschr. f.
Geburtsh., Okt. 1914.) Besteht eine Indikation zur Unterbrechung der
Schwangerschaft, so ist damit meist auch die Indikation zur Sterilisation
gegeben. In solchen Fällen wird in der Züricher Frauenklinik folgender-
maassen verfahren: Laparotomie mittels Pfannenstiel’sobem Querschnitt,
Eröffnung des Uterus durch Querschnitt ira Fundus, manuelle Aus¬
schälung des Eies, Curettement durch die Schnittwunde mit grosser
Curette, Naht des Uterus; dann werden die Tuben beiderseits auf 3 cm
reseziert. Gibt man vor der Operation Secacornin, so ist die Blutung
sehr geriDg. 15 so operierte Fälle verliefen ganz glatt.
L. Zuntz.
F. Masay-Konstantinopel: Die Infektion des Fötns. (M.m.W., 1914,
Nr. 46.) Mit einem Stamm Streptobaoterium foetidum, der bei Meer¬
schweinchen Sepsis hervorruft, infizierte M. eine Reihe von graviden
Tieren, um zu eruieren, ob die Mikroben durch die Placenta auf den
Fötus übergehen können oder nicht. Die Versuche fielen im bejahenden
Sinne aus. Dünner.
Graefe - Hamburg: Ueber Tnberknlose des weiblichen Genital’
Apparates im Kindesalter. (Mschr. f. Geburtsh., Okt. u. Nov. 1914.)
Die Genital tuberkulöse wird bei weiblichen Kindern im Verhältnis zu
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UNIVERSITÄT OF IOWA
1876
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT»
Nr. 48.
der Häufigkeit der Tuberkulose im Kindesalter überhaupt relativ selten
und auch seltener als bei erwachsenen Frauen gefunden, am häufigsten
im 1. bis 5. und im 10. bis 15. Lebensjahr. Sie wird .fast immer neben
Eiteren tuberkulösen Prozessen in anderen Körperteilen angetroffen und
siedelt sich meist auf dem Blutwege, am liebsten wie bei den Frauen
im Abdominalteil der Tube und im Uterus, meist in beiden gleich¬
zeitig an, während Ovarien, Vagina und Vulva nur selten ergriffen
werden. Der Prozess beginnt meist von der Scbleimhautoberfläche und
dringt erst allmählich io die Tiefe ein, wobei er stark zur Verkäsung,
fast nie zu bindegewebiger Ausheilung neigt. Meist breitet sich die
Erkrankung zuerst von den Tuben auf die übrigen Teile des Genital-
tractus aus, doch können diese auch unabhängig voneinander gleich¬
zeitig hämatogen infiziert werden. Ein Uebergreifen des Prozesses von
den Tuben auf das Peritoneum ist weit häufiger als der umgekehrte
Weg; extrem selten ist ein primärer Beginn in Vagina oder Vulva oder
eine Fortleitung vom uropoetischen auf das Genitalsystem.
Ulesko - Stroganowa: Zur Histogenese der Uternsmyome. (Mschr.
f. Geburtsh., Sept. 1914.) Ein grosses, aus vielen Lappen zusammen¬
gesetztes Myom von auffallend blauroter Farbe und feinkörniger Struktur
wurde mikroskopisch untersucht. Die Farbe erklärte sich durch eine
übergrosse Gefässentwicklung, weshalb der Tumor zu der seltenen Form
des Fibromyoma angioektodes zu rechnen ist. Das feinkörnige Aussehen
ist der Ausdruck des inneren Strukturplanes der Geschwulst. Die Ent¬
wicklung der Körner resp. Läppchen kann Schritt auf Schritt verfolgt
werden aus den kleinsten Läppchen oder Keimen. Diese entstehen aus
den kleinsten Zellgruppen, welche ihrerseits aus grossen kugelförmigen
Zellen des Bindegewebes hervorgehen, welches die Räume zwischen den
Muskelläppchen einnimmt. Die beschriebene Entstehung von Myomen gilt
nur für einige lappige Formen und kann nicht auf alle Uterusmyome
ausgedehnt werden.
G. Schubert - Beuthen: Die Behandlung von Tumoren mit Tnmor-
extrakten. (Mschr. f. Geburtsh., Okt. 1914.) Nach dem Vorgang von
Lunckenbein hatVerff. aus exstirpierten Stücken inoperabler Tumoren
oder Drüsenmetastasen sterile Extrakte hergestellt und diese anfangs
subcutan, später auch intravenös injiziert. Bei letzterem Verfahren kam
es in einem Falle zu schweren Collapserscheinungen, so dass vorsichtiges
Vorgehen unbedingt notwendig ist. Die behandelten Fälle waren derart
hoffnungslos, dass wirkliche Erfolge nicht zu erwarten waren. Die be¬
obachteten günstigen Einwirkungen auf ein Tonsillensarkom, sowie auf
Drüsenmetastasen bei Mammacarcinomen berechtigen aber zu weiteren
Vorsuchen.
Bischoff-Düsseldorf: Zur Differentialdiagnose der Appendieitis
chronica. (Mschr. f. Geburtsh., Sept. 1914.) Verf. prüfte das von
Basted’s angegebene Verfahren nach: Bläst man den Dickdarm mit
Luft auf, so empfindet die PatieotiD, wenn eine Erkrankung der Appendix
vorliegt, in der Gegend derselben einen lebhaften Schmerz, der manchmal
zum Nabel ausstrahlt. In 37 Fallen, die nachher durch Laparotomie
kontrolliert wurden, war das Ergebnis der UntersuchuDgsmethode ein
durchaus günstiges; in 23 Fällen war das Symptom positiv, die Appendix
erkrankt, in 14 Fällen negativ, die Appendix gesund. Speziell zur
Unterscheidung von Erkrankungen der Appendix und der rechten Adnexe
wird das Symptom wichtig sein. L, Zuntz.
Augenheilkunde.
Lohmann: Ueber die Bedingungen des Angenleuchtens bei den
Tieren. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 4.) Grundbedingung für die Ent¬
stehung des Augenleuchtens bei Tieren ist das Tapetum, ferner der
hypermetropiscbe Bau des Tierauges und eine bestimmte Richtung der
Lichtstrahlen.
Ha ab: Ueber den richtigen Gebrauch des Riesenmagneten bei Augen¬
operationen. (Arch. f. Aughlkd., Bd. 77, H. 4.) Während der kleine Magnet
mehr ein die Pinzette ersetzendes Fassinstrument ist, vermag der Riesen¬
magnet auf eine seiner Grösse entsprechenden Distanz einen Eisensplitter
aus dem Augeninneren auszuziehen. Meist gleitet der Splitter um die
Iri9 herum und tritt durch die Pupille zutage. Die Operation wird sehr
erschwert, wenn sich der Splitter in die Iris einbobrt; man vermeidet
dies dadurch, dass man vorher die Pupille erweitert und in dem Augen¬
blick, in dem der Splitter hinter die Iris gelangt, sofort den Zug aus¬
setzt. Also soll der Patient bei der Operation mit nicht fixiertem Kopf
sitzen und am Magneten soll eine Vorrichtung angebracht sein, durch
die der Strom mit dem Fusse geöffoet werden kann. Hat sich der
Splitter festgehakt, so geht man entweder mit dem kleinen Magneten
ein oder man extrahiert ihn durch eine künstlich angelegte Iridodialyse.
Ist er in die vordere Kammer gelangt, so wird er mit dem Riesen- oder
mit dem Handmagneten entweder durch die Einschlagsstelle oder durch
eine intracoroeale Oeffnung ausgezogen. Sideroskop und Röntgenstrahlen
sollen erst dann angewendet werden, wenn der Splitter nicht folgt.
Kleine Splitter ziehe man möglichst kräftig aus, grosse weniger stark
und vorsichtiger. Die diasklerale Extraktion, zumal in der Gegend des
Corpus ciliare, ist tunlichst zu vermeiden. Man extrahiere möglichst früh
denn je länger der Splitter im Auge verweilt, um so grösser ist die
Möglichkeit einer von ihm ausgehenden Infektion.
Falchi: Peripupilläre kombinierte Cystotomie. (Arch. f. Aughlk.
Bd. 77, H. 4.) Die peripupilläre Cystotomie mit Extraktion des Nach¬
stars ergibt sehr gute Erfolge, sie ist dann angezeigt, wenn bei der Star¬
operation kein Glaskörper verloren gegangen ist; ist dies der Fall ge¬
wesen, so soll die peripupilläre Cystotomie ohne Extraktion des Nach¬
stars vorgenommen werden. K. Steindorff.
Jampolsky-Wien: Sympathische Ophthalmie nach der Enudcttioi.
(Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 1914.) Bericht über 8 Fälle, wo die
sympathische Ophthalmie lange Zeit nach der Enucleation des verletzten
Auges auftrat. Im ganzen sind somit 65 Fälle bekannt. Das Vor¬
handensein des sympathisierenden Prozesses ist zweifellos dann fest¬
gestellt, wenn die histologische Untersuchung des enuoleierten Auges
diese ergeben hat. G. Erlanger.
Wieselink: Ein Fall von Contnsio bnlbi. (Arch. f. Aughlk.,Bd.77,
H. 4.) Durch Schlag mit einem Spiegelrabmen kam es zu fiypbäma,
hinterer Synechie, Einriss des Pupillarrandes und Subluxation der Linse;
die Netzhaut zeigte abnorme Pigmentierung und Oedem, die Aderhaut
war an zwei Stellen eingerissen; der Sehnerv partiell atrophisch. Offen¬
bar war die Sclera partiell eingerissen, und zwar mit dem Schlemm’schen
Kanal, und ausserdem war eine intraoculare Zerrung mit dem Sehnerven
eingetreten. K* Steindorff.
J. Strebei-Zürich: Anosmie und Enophthalmu trauMtieii.
(D.m.W., 1914, Nr. 46.) Kasuistik. Dünner.
Militär-Sanitätswesen.
H. Schridke- Dortmund: Der Betrieb eines Reserrelazsrettes.
(M.m.W., 1914, Nr. 45.)
Jochmann-Berlin: Sepsis. (D.m.W., 1914, Nr. 45.) Klinischer
Vortrag.
Fried: Technik der Furnnkelbehandlaug, zugleich meine eigene
Krankengeschichte. (M.m.W., 1914, Nr. 46.) Empfehlung von Salicyl-
seifenpfiaster und die Vaccinbehandlung. F. hat im Feldzag einen
grossen Abscess mit einem glühenden Hufnagel kauterisiert.
E. Frankel - Hamburg: Gasgangrän. (M.m.W., 1914, Nr. 45.)
Klinisch besteht bekanntlich das Knistern der Haut, ohne Eiterbildung,
wenn es sich um reine Infektion handelt. Der anaerobe Erreger ist für
das Meerschweinchen pathogen, während für das maligne Oedem, was
diffentialdiagnostisch wichtig ist, das Kaninchen Versuchstier ist.
Therapie: Breite Spaltung, um die Zufuhr von Sauerstoff zu ermöglichen,
und Sauerstoff infiltration von der 0 2 -Bombe und Ausstopfen der Wunden
mit H 2 0 2 -Tampons.
Franke: Einige Fälle von Gasphlegmonen. (M.m.W., 1514,
Nr. 45.)
L. Simon • Mannheim: Die Anaphylaxiegefahr bei der Seriu-
behandlaag des Tetanus. (M.m.W., 1914, Nr. 45.) S. beobachtete
zwei Fälle von Anaphylaxie nach Tetanusserum. Zur Vermeidung
empfiehlt sich: 1. subcutane Injektion von wenigen Kubikcentimetern
Serum wenige Stunden vor der 2. intravenösen Einspritzung. Oder
Herstellung von Antitoxin vom Rinde. 3. keine Reinjektion, sondern
andere Tetanustherapie.
Pitzner: Zwei Blasenyerletznngen durch Schrapnellkigeli.
(M.m.W., 1914, Nr. 45.)
H. Nobiling: Spontaner Abgang eines in die Harnbltte ge¬
drungenen Granatsplitters. (M.m.W., 1914, Nr. 45.)
W. Pöppelmann-Coesfeld: Bis zum 20. Oktober behandelte
Dam-Dnm-Verletznngen aus dem gegenwärtigen Kriege. (D.m.W,
1914, Nr. 45.) Mitteilung über drei Verwundete, die in derselben
Gegend in Frankreich Engländern gegenüber lagen. Alle drei sagen,
dass Dum-Dum Geschosse von ihnen sowohl auf dem Schlachtfelde als
auch in den Taschen der verwundeten und gefallenen Feinde gefunden
seien. Bei einem der Verwundeten fand P. ein solches Geschoss.
Dünner.
Meitzer: Die Brotnot unserer Zeit. (Zschr. f. phys.-diät. Ther,
Nov. 1914,) Verf. gibt im Hinblick auf die Brotnot unserer Zeit einen
Ueberblick über die bekanntesten Reformbrote. E. Tobias.
M. Rubner-Berlin: Der Staat und die Volksernährung. (D.m.W,
1914, Nr. 45.) Dünner.
Kraus-Wien: Der Zahnarzt im Kriege. (W.kl.W., 1914, Nr. 43.)
In das Gebiet der zahnärztlichen Fürsorge gehören die Verletzungen des
Gesichts und der Kiefer. Es sollte ein zahnärztlicher Kriegskasten mit
orthodontischen Apparaten zusammengestellt und jedem Feldlazarett
überwiesen werden. Zunächst wird die Behandlung der Verletzung des
Gesichts besprochen, dann die Luxationen uod Brüche der Kiefer. Die
bis ins Kleinste ausgearbeitete Technik der Behandlung wird an der
Hand von Abbildungen ausführlich erläutert. Je früher Kieferfrakturen
in fachmännische Behandlung kommen, desto rascher und sicherer der
Erf o l K- H. Hirschfeld.
Technik.
"W* Roerdansz -Charlottenburg; Vereinfachte und zuverlässige
Methode der Blutkörperehenzählung. (D.m.W., 1914, Nr. 46.)
Dünner.
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UNIVERSUM OF IOWA
30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1877
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Vereinigte ärztliche Gesellschaften.
Berliner medizinische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 11. November 1914.
Vorsitzender: Herr Orth.
Schriftführer: Herr v. Hanse mann.
Vorsitzender: M. H.! Es sind schwere und ernste Zeiten, in
denen wir unsere Vereinstätigkeit wieder beginnen. Donnernd dröhnen
ringsum die Kanonen, und Millionen unserer Volksgenossen stehen vor
dem Feinde, bereit, Gesundheit, Blut und Leben für das Vaterland hin-
zogeben, und Millionen bangen zu Haus um das Ergehen der Ihrigen
und um das teure Vaterland. Zwar hoffnungsfreudig und siegesgewiss,
warten wir doch mit Spannung und mit erregtem Herzen auf die Nach¬
richten, die von den Kriegsschauplätzen kommen, wahrlich ein Zustand,
der für wissenschaftliche Sammlung und wissenschaftliche Tätigkeit wenig
geeignet ist.
Aber, wie es ein Erfordernis für das Wohl des Ganzen ist, dass
alle Mittel aufgewendet werden, um das materielle Leben der Nation,
um Handel und Wandel, um Ackerbau, Handwerk und Industrie im
Gange zu erhalten, so darf auch das geistige Leben der Nation nicht
stille stehen. Ebenso wie die Hochschulen und Universitäten ihre Pforten
wieder zur Arbeit geöffnet haben, so wollen auch wir wieder an unsere
wissenschaftliche Arbeit heran treten.
Freilich sind gerade die ärztlichen Vereine durch die Anforderungen,
die der im Krieg befindliche Staat an seine Angehörigen stellt, ganz
besonders getroffen. Zahlreiche unserer Mitglieder stehen im Felde, im
Auslande, bereit, den kranken und verwundeten Kriegern ihre Hilfe zu¬
teil werden zu lassen. Nicht weniger zahlreiche sind im Inlande in
gleicher Weise im Interesse des Vaterlandes tätig, und auch von den
anderen, die nicht direkt kriegsärztliche Tätigkeit ausüben, sind sicher¬
lich nicht wenige, welche gehäufte Arbeit zu erfüllen haben, in Stell¬
vertretungen usw., die auch dem Vaterlande zugute kommt.
Es wird also die Zahl derjenigen, die noch geneigt wären und im¬
stande sind, Vorträge in wissenschaftlichen Vereinen zu halten, nicht
gross sein, und so hat der Verein für innere Medizin und Kinderheil¬
kunde den Anstoss gegeben, dass die wissenschaftlichen Bestrebungen
obliegenden Berliner ärztlichen Vereine sich mit der Berliner medizini¬
schen Gesellschaft als der grössten Vereinigung zusammentun sollten,
um gemeinsame Sitzungen abzuhalten.
Der Vorstand der Berliner medizinischen Gesellschaft ist mit Freuden
auf diesen Vorschlag eingegangen, und es hat sich auch sofort eine An¬
zahl Vereine uns angeschlossen; zunächst der Verein für Chirurgie, dann
die Hufelandisohe Gesellschaft, die Ophthalmologische Gesellschaft, die
Urologische Gesellschaft, die Laryngologische Gesellschaft, die Dermato¬
logische Gesellschaft, die Gesellschaft der Charite-Aerzte, die Gesellschaft
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, und die Vorstände haben be¬
schlossen, dass vorläufig alle 14 Tage eine Sitzung stattfinden soll, und
zwar immer in derjenigen Woche, in der die Kriegsärztliche Vereinigung,
die sich als Mittelpunkt für alle direkt auf die kriegsärztlicbe Tätigkeit
sich beziehenden Fragen gebildet hat, und deren Kreis wir nicht stören
wollen, nicht tagt. Diese Sitzungen sollen im Anschluss an die Medi¬
zinische Gesellschaft, also am Mittwoch, um l / 2 & Uhr abends stattfinden.
Es ist soeben in einer Sitzung der Vorsitzenden ferner beschlossen
worden, dass der Einfachheit halber der Vorsitz von der Medizinischen
Gesellschaft geführt und ebenso die SchriftführuDg von ihr besorgt werden
soll. Aber es werden die Mitglieder der einzelnen Vereine, die sich uns
bis jetzt angeschlossen haben, gebeten, die Vorträge, die aus ihrem
Kreise zur Anmeldung gelangen sollen, an den Schriftführer der be¬
treffenden Gesellschaft zu richten. Die Namen der Schriftführer werdeD
im Roten Blatt bekanntgemacht werden. Manche der Gesellschaften
hallen Verträge mit Zeitschriften, in die die Vorträge hineingelaogen
müssen. Das muss gewahrt werden, und das ist möglich, wenn für jeden
Verein der betreffende Schriftführer deijenige ist, der die Anmeldung ln
Empfang nimmt. Er wird sie dann an die Medizinische Gesellschaft
weitergeben, und wir werden sie in den Tagesordnungen der Reihe nach
berücksichtigen. Das ist das Allgemeine, was ich zunächst mitzuteilen
hätte.
Ich habe weiter für die Mitglieder der Medizinischen Gesellschaft
mitzuteilen, dass den Herren Sanitätsrat Dr. Stern und dem Professor
Dr. Salkowski zum 70. Geburtstag in üblicher Weise durch ein Tele¬
gramm ein Glückwunsch ausgesprochen worden ist. Bei Herrn Geheim¬
rat Prof. Schoeler konnte das nicht geschehen, weil uns erst bekannt
geworden ist, dass er seinen Geburtstag gefeiert hat, nachdem der Tag
schon vorüber war. Ich darf hier nachträglich ihm die Glückwünsche
aussprechen.
Heute feiert unser langjähriges Mitglied, Herr Geheimrat Eulen-
burg, sein 50jähriges Dozentenjubiläum. Es ist ein Telegramm im
Namen der Gesellschaft an ihn als Glückwunsch abgesandt worden.
Ausgescbieden ist aus der Gesellschaft Herr San.-Rat Dr. Weiohardt.
Durch den Tod ist ausgeschieden Herr Prof. Dr. Gottschalk, Mitglied
seit 1887, Herr Dr. Leo Heim an n, Mitglied seit 1890.
Ich darf bitten, zu Ehren der Verstorbenen sich zu erheben. (Ge¬
schieht.)
ln der Sitzung der Aufnabmekommission am 22. Juli 1914 sind
nachstehende Mitglieder in die Berliner medizinische Gesellschaft auf¬
genommen worden: Frl. Dr. Anna Herrmann, die Herren Walter
Arnoldi, Fritz Hoppe, J. Latte, Hermann Michaelis, Alfred
Caro.
Vor der Tagesordnung.
1. Hr. Holländer: 8 Fälle von Ectopia viscerim.
Der Nabelschnurbruch, Ectopia viscerum, ist eine der selteneren Miss¬
bildungen. Soweit sich das statistisch feststellen lässt, kommt auf
oa. 6000 Geburten ein solcher Fall. Es sind aber in dieser Zahl auch
die kleineren Fälle von Kirschengrösse einbegriffen. Mehrfach wird leider
auch noch der gewöhnliche Nabelbruch damit verwechselt, so dass sich
das Zahlenverhältnis weiter im ungünstigen Sinne noch steigert.
Es ist deshalb wohl ein sehr seltener Zufall, wenn in einer Woche
auf einer Abteilung der Charitö drei solche Fälle zur Beobachtung
kamen, und ich glaubte, doch Gelegenheit nehmen zu sollen, kurz über
diese Fälle zu berichten.
Auf die Entwicklungsgeschichte kann ich hier nicht eingehen. Im
wesentlichen stimmen wohl alle Autoren jetzt darin überein, dass
eine Entwicklungshemmung vorliegt. Die Bauchplatten schliessen sich
nicht und die Eingeweide haben dadurch Gelegenheit, sich vor der
Bauchhöhle zu entwickeln; es ist demnach auch der Name eines Nabel-
schnurbruohes falsch.
Die drei Kinder boten dasselbe Bild. Eine grosse, überfaustgrosse
Geschwulst nahm die Stelle des Nabels ein. Sie war in den beiden
Fällen, die frisch nach der Geburt eingeliefert wurden, vollkommen
durchsichtig. Nur in dem dritten Falle, der überhaupt etwas anders
liegt, war bereits eine Mortifikatien eingetreten, da das Kind erst
14 Tage nach der Geburt zur Behandlung kam.
In dem ersten Falle sah man durch die durchscheinende Bedeckung
die Leber vorliegen. Meine Versuche, diese zu reponieren, waren voll¬
kommen negativ. Es war nicht möglich, die Geschwulst auch nur um
ein weniges zu verkleinern, und ich machte daher bei dem Kinde am
ersten Lebenstage die Laparotomie in Chloroformnarkose. Das Kind
nahm gierig das Chloroform und hat auch die Narkose sehr gut über¬
standen.
Nachdem ich die äussere Bedeckung der Geschwulst abpräpariert
hatte, zeigte sich nun, dass ausschliesslich die Leber pilzförmig vor der
Bauchhöhle sich entwickelt und eine vollkommene Drehung um 45° ge¬
macht hatte. Es bestanden ausgiebige Verwachsungen der Leberober¬
fläche mit der inneren Membran des Bruchsacks. Diese Verwachsungen
der Organe mit dem inneren Blatt sind häufig beschrieben und auf eine
fötale Peritonitis bezogen worden; das Ligamentum Suspensorium zog
als freies Band über die ganze Leberkonvexität, ohne mit dem Zwerch¬
fell überhaupt in eine Berührung gelangt zu sein.
Es war nun sehr schwierig, die Leber in die Bauchhöhle zu placieren.
Es musste, um das zu erreichen, eine erneute Drehung der Leber er¬
folgen, wieder im ungünstigen Sinne; denn der Platz, wo die Leber zu
liegen hatte, war vollkommen verstrichen, das Zwerchfell war platt,
ohne die natürliche Konvexität, die Leber hatte ihr Heimatsrecht in der
Bauchhöhle vollkommen verloren, loh werde nachher die Situation der
Leber im Röntgenbilde zeigen.
Der zweite Fall ist noch früher, schon zwei Stunden nach der Ge¬
burt, vom Kollegen Haertel in der Charite operiert worden. Auch hier
waren ähnliche Verhältnisse vorhanden, nur waren hier ausser der Leber
noch Magen, Milz und Dickdarm in dem Nabelscbnurbruch vorhanden.
Die Operation dieser Missbildung ist seit ungefähr 20 Jahren häufiger
gemacht worden, im ganzen, glaube ich, in 50 Fällen. Unsere beiden
Fälle zeigen, dass die Prognose derartiger Laparotomien, auch wenn sie
noch so ausgedehnt sind, am ersten Lebenstage der Kinder günstig ist.
Anders aber verhält es sich mit der Prognose dieser Fälle überhaupt.
Es ist im ganzen eine Statistik von ea. 73 Fällen vorhanden; von 50
radikal Operierten starben 17. Wenn man aber die Fälle länger ver¬
folgt, so haben wohl die wenigsten das erste Lebensjahr überschritten,
und der Grund dafür ist an unseren Fällen, die wir hier beobachtet
haben, deutlich sichtbar. Wenn man nämlich die Kinder genau ansieht,
so fällt einem sofort eine vollkommen atypische Atmung auf. Die
Kinder atmen überhaupt gar nicht mit der Brust; der Brustkorb bewegt
sich kaum (offenbar durch die Anomalie des Zwerchfells) und nur ein
schnelles Hin- und Herwogen im Epigastrium ist bemerkbar. Die
Venen des Bauches sind gestaut, und bei dem letzten Kinde, das sich
bis heute ganz wohl fühlte, sind jetzt auch Oedeme an den unteren
Extremitäten aufgetreten 1 ). Es scheint mir also wichtig, bei künftigen
Fällen doch darauf zu achten, ob in ätiologischer Hinsicht nicht viel¬
leicht eine primäre Veränderung des Zwerchfells vorhanden ist; Zwerch-
fellbernien und -defekte sind schon mehrfach notiert worden.
Die drei Kinder sind weiblichen Geschlechts, und die beiden ope¬
rierten, laparotomierten Kinder zeigen äusserlich keine sonstigen Ver¬
änderungen.
Es ist noch die Frage der Olshausen’soben Operation zu besprechen.
Er hat eine extraperitoneale Operation vorgeschlagen. Der Sack besteht
nämlich aus dem Amnion, der Gelatina Warthoniana und einer inneren
Membran. Ueber die Natur der inneren Membran gehen die Meinungen
auseinander. Aber in praktischer Beziehung ist diese Membran sicher
dem Peritoneum gleiohwertig.
1) Anmerkung bei der Korrektur: Das Kind ist mittlerweile ge¬
storben (kleiner Zwerchfelldefekt, Verwachsung der Därme mit dem Bruch).
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Original frn-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
1878
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 48.
Es lassen sich extraperitoneale Operationen offenbar nur in seltenen
Fällen ausführen und dann nur in den ersten 24 Stunden, solange noch
die Membranen trennbar sind. Später, wenn die Haut pergamentartig
geworden ist, ist eine Trennung überhaupt nicht mehr möglich. Die
extraperitoneale Operation scheitert aber auch deshalb meistens, weil
die innere Membran mit der Leber und anderen Eingeweiden organisch
verwachsen ist und die Teile gar nicht reponibel sind.
Es kommen nun gleichzeitig mit dieser Anomalie vielfaoh andere
Veränderungen durch amniotische Verwachsungen vor, und das dritte
Kind, welches ich hier auch im Bilde zeigen möchte, zeigt das ganz
besonders.
Dasselbe kam auf meine Abteilung mit bereits abgestossenem Nabel;
nur an einer Stelle der handtellergrossen Granulationsnarbe hing noch
eingetrocknete Sülze. Den Verschluss hat offenbar teils die granu¬
lierende Leberoberfläche, teils die Testierende Primitivmembran gebildet.
In ganz auffällig kurzer Zeit hat sich von Tag zu Tag die grosse Fläche
verkleinert; dabei wurde in der umgebenden Haut deutlich das Hervor¬
treten des Nabelrioges gefühlt. Das Kind zeigte ausser den Ohrmuscbel-
anomalien Verstümmelung von Finger und Zehen durch amniotische
Abschnürung, beiderseits Pes calcaneus und am rechten Bein ein Simonart-
sches Band, welches beinahe zur Selbstamputation geführt hat. (Demon¬
stration des Kindes der Diapositive von Röntgenbildern mit dem Brust-
und Eingeweidesitus.)
2. Hr. M. Rothmann:
Heber familiäres Vorkommen von Friedreich’scher Ataxie, Myxödem
nnd Zwergwuchs.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
3. Hr. Ewald:
Ein Fall von Verätzung des Dickdarms durch Ammoniak.
Es erscheint vielleicht gewagt, wenn ich in diesen Zeiten, wo unser
ärztliches Denken und Trachten doch wesentlich kriegsmedizinisch ge¬
stimmt ist, mit einem „zivilen“ Vorkommnis hierher komme. Aber der
Fall, über den ich zu sprechen habe, dürfte ein Unikum sein, wenigstens
ist Aebnliches, wie ich nach flüchtiger Durchsicht der Literatur gefunden
habe, bisher nicht beschrieben worden.
Sie wissen, dass wir verschiedene Arten von Ammoniakvergiftungen
haben. Das Ammoniak kann als Gas auf die Lungen eiowirken. Es
kommt das vor, wenn grosse Behälter mit Ammoniak, wie sie zum Bei¬
spiel bei der Eisbereitung gebraucht werden, platzen. Oder es kommt
zu Vergiftungen und Verätzungen vom Magen bzw. Schlund und Speise¬
röhre aus, wenn das Ammoniak durch Versehen oder absichtlich ver¬
schluckt ist.
Der Fall, von dem ich Ihnen jetzt hier das Präparat herurareichen
werde, ist aber eine Verätzung des Dickdarms durch Ammoniak,
und zwar ist das folgendermaasseö gekommen. Ein junges Mädchen
wollte einer älteren Person von 45 Jahren ein sogenanntes Dicht-
mann’sches Glycerinfelystier geben, um Stuhlgang hervorzurufen, ver¬
griff sich in der Flasche, nahm statt des Glycerins eine Flasche, in
welcher Liquor ammon. caust. war und spritzte der Frau 10 ccm davon
in den Mastdarm ein. Die Folge war, dass die Person unmittelbar da¬
nach sehr heftige Schmerzen hatte und in der Nacht starke Tenesmen
mit blutigem Stuhl. In den Tagen darauf war zunächst eine Besserung,
doch war die Temperatur, die vorher 35,5° war, allmählich auf 37,9°
heraufgegangen, was bei der ausserordentlich schwächlichen und elenden
Frau — ich werde gleich noch darauf kommen, weshalb — immerhin
schon eine febrile Temperatur anzeigen würde.
Acht Tage später, nachdem dies geschehen war, traten erneute
Darmblutungen auf, die 3- bis 5 mal täglich erfolgten und mit starken
Sohmerzen verknüpft waren. Die Blutungen hörten dann auf, nachdem
— ob deswegen oder nur zufällig — am 9. und 10. Tage Coagulenein-
spritzungen intramuskulär gemacht worden waren. Ich will in Paren¬
these bemerken, dass ich in der letzten Zeit wiederholt recht gute Er¬
folge gegen Blutungen — Lungen-, Magen- und Darmblutungen — von
Coaguleneinspritzungen gesehen habe.
Dann ging die Patientin aber unter zunehmender Schwäche 3 Tage
darauf, d. h. gestern, zugrunde. Es war das eine Frau, die eine ziem¬
lich lange Leidensgeschichte hinter sich bat. Sie war vor zwei Jahren
infolge einer psychischen Erregung mit dyspeptischen Beschwerden er¬
krankt, die ich hier jetzt nicht weiter schildern will und nur hervor¬
heben, dass sie wegen Beängstigungsgefühlen fast keine Nahrung zu sich
nahm. Sie war daun wegen starker Abmagerung in den Verdacht eines
Magenoarcinoms gekommen. Man hatte, da ein hiesiger Kliniker die
Diagnose auf Magencaroinom stellte, im März d. J. eine Laparotomie
und Gastroenteroanastoraose ausgeführt, hatte danu nachher, weil die
Beschwerden gar nicht nachliessen und man Verdacht auf Narbenbildung
batte, nochmals operiert, und so war die Frau mehr und mehr herunter¬
gekommen und hatte auch, vielleicht infolge vielen Morphiums, an hart¬
näckiger Obstipation gelitten. Deshalb war das besagte Klystier gegeben
worden. Ich will bemerken, dass ich die Diagnose auf schwere Hysterie
gestellt batte.
Die Obduktion zeigte, dass alle Organe, insbesondere Magen und
Darm, ganz gesund waren, nur der Mastdarm war, wie Sie das hier
sehen (Demonstration des Präparates) vollkommen verätzt und in eine
schwarzbraunen Masse verwandelt, Schleimhaut und Muscularis zerstört
und nur die Serosa übrig geblieben. Ein grosser Teil der Mucosa war
vollständig von der Muscularis abgelöst und lag in dem Darmlumen.
Ich lasse dieses fast röhrenförmiges Gewebe in diesem mit Wasser ge¬
füllten Glaskolben flottieren. Der Prozess ging ca. 25 cm vom After
aus in die Höhe.
Der Fall hat, abgesehen von seiner Eigenart — es wird ja hoffentlich
sobald nicht wieder Vorkommen, dass jemand einen derartigen Missgriff
tut — noch einige interessante Besonderheiten. Zunächst ist zu be¬
merken, dass im Anfang sehr heftige Schmerzen da waren, die nachher
nachliessen, und zwar nach wenigen Tagen schon. Die Frau hatte dann
Stuhlgang, den sie schmerzlos absetzte. Ich schiebe das darauf zurück,
dass das Ammoniak eine sogenannte Anaesthesia dolorosa verursacht.
Es ist bekannt, dass Ammoniak zunächst sehr starke Schmerzempfin¬
dungen hervorruft, wenn es auf Schleimhäute gebracht wird, dass aber
nachher ein Nachlassen der Schmerzen bzw. ein vollkommen schmerz¬
loser Zustand eintritt. Das mag auch in diesem Falle hier gewesen
sein, so dass also trotz der hochgradigen Verätzung des Darms eigent¬
liche Schmerzen nioht vorhanden waren.
Der zweite Punkt, den ich erwähnen möchte, ist der, dass keine
Verfettung der Organe weder der Leber, noch der Niere vorhanden war,
obgleich nach dem Ereignis im Harn Eiweiss und auch etwas Blot ge¬
funden wurde.
In anderen Fällen, in denen Amraoniakvergiftungen vom Magen ans
stattgefunden haben, bat man sehr starke Verfettung der Leber, ganz
ähnlich wie bei Phosphorleber, gefunden, and man hat deshalb eine ge¬
wisse Parallele zwischen der Phosphorvergiftung und der Ammomakver-
giftung nach dieser Richtung hin angestellt. Das ist aber in diesem
Falle nicht so. Die Leber war makroskopisch so gut wie gar nicht
verändert; in den Nieren bestand eine leiohte Trübung, wie sie ja in
solchen Fällen immer vorhanden zu sein pflegt.
Ich glaube, dass dieses Präparat ein Unikum ist. Ich habe wenig¬
stens, wie gesagt, bei einem allerdings nur flüchtigen Durchsehen der
Literatur, obgleich eine ganze Reihe von Fällen von Ammoniakvergiftung
bekannt sind, ein derartiges Ereignis nicht auffinden können. Höchst
verwunderlich ist es, dass die sog. Pflegerin nicht durch den Geruch
des Ammoniaks auf ihren Irrtum aufmerksam wurde. Ich habe deshalb
daran gedacht, ob sie nicht an Anosmie litte und eine diesbezügliche
Feststellung veranlasst. Ein Fehlen des Geruchssinnes liegt aber nicht vor.
Diskussion.
Hr. Israel: Der Fall des Herrn Ewald ist zweifellos ausserordent¬
lich interessant, und es wird wohl sehr wenige unter uns geben, die
etwas Aehnliches gesehen haben. Aber ich möchte doch nach den Dar¬
legungen des Herrn Ewald und nach dem Ausweise des Präparats den
Fall nicht als Ammoniakvergiftung bezeichnen. (Herr Ewald: Nein;
natürlich Verätzung!) Dann sind wir einig, dann ist jedes weitere Wort
überflüssig. Ich glaube nur, man kann ihn nicht in Parallele stellen
mit den Ammoniakvergiftungen, die bisher in der Literatur bekannt sind.
Tagesordnung.
Hr. Morgenroth: Die Chemotherapie der Paenmokokkeiiifektifti.
(Ist in Nr. 47 und 48 der Berliner klin. Woohensohrift abgedrackl)
Gesellschaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik
zu Berlin.
Sitzung vom 29. Oktober 1914.
Vorsitzender: Herr Gottstein.
Schriftführer: Herr Crzellitzer.
Tagesordnung.
Hr. Mayet; Kriegskrankeokassen.
Die reichsgesetzlichen Krankenkassen bedürfen in der gegenwärtigen
Zeit dringend einer Ergänzung durch Kriegskrankenkassen: 1. für die
Familien der Einberufenen, 2. für die Arbeitslosen und ihre Familien,
um der Verschärfung der Kriegsnot durch Krankheit vorzubeugen, denn
die Unterstützungen des Reiches und der Gemeinden an die Familien
der Kriegsteilnehmer halten nur die elementarste Lebensnot fern. Die
Kriegskrankenkasse müsste sowohl für die Frauen wie die Kinder Arzt,
Arznei und kleinere Hilfsmittel und falls es als nötig erachtet wird,
Hauspflegerin oder Unterbringung in einem Krankenhaus nebst einem
geringen Kranken- und Sterbegeld gewähren. Für die Frauen, die jetzt
ihrer Entbindung entgegensehen, sollte als Sonderhilfe eine zweckmässig
geregelte Wochenhilfe eingerichtet werden, da die Gefahr des Geburten¬
rückganges naturgemäss durch den Krieg vermehrt wird. Die Wochen-
hilfe müsste bestehen in 8 Wochen Wochengeld, etwa 80 Pf. täglich, m
kostenloser Erweisung der Hebammendienste und der ärztlichen Be¬
handlung und einem Stillgeld von 80 Pf. täglich, solange die Wöchnerin
stillt, bis längstens zur 39. Woche nach der Niederkunft. Die Mit« 1
hat der Staat aufzubringen, da er als Arbeitgeber die Männer im Kriege
beschäftigt und es nicht angängig ist, in Analogie der Krankenkassen
die 2 / a der Beiträge von der Löhnung der Krieger oder den Unter¬
stützungen der Familien abzuziehen. , . ,.
Noch schlimmer als die Familien der Kriegsteilnehmer sind nie
durch den Krieg Arbeitslosen und ihre Familien daran, besonders wenn
Krankheit hinzutritt. Eine Ausdehnung der Kriegskrankenlürsorge au
diese ist daher angezeigt und auch zu erwägen, ob nicht die unte T
stützungsbedürftigen „Erwerbslosen“ (kleine Handwerker, stellenlose
Angestellte, Kaufleute, Techniker, Schriftsteller) dieser Fürsorge teil¬
haftig werden. Für die Familien und Personen des Mittelstandes muss
ein höherer Satz des Aerztehonorars angesetzt werden als für die a
Arbeiterstande angehörigen Arbeitslosen.
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Original from
UMIVERSITY OF IOWA
30. November 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1879
Das Gesamterfordernis der Kriegskrankenkasse für 2 Millionen
Familien wird auf monatlich 8,15 Millionen M. geschätzt, die als Kriegs¬
kosten bei einer späteren Kriegsentschädigung mit einbezogen werden
konnten. Vorerst könnten vielleicht die erforderlichen Summen aus den
jetzt über 2 Milliarden M. betragenden Rücklagen der Versicherungs¬
anstalten der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung vorgestreckt
werden. Mit den Geschäften der Kriegskrankenkasse könnten die reichs-
gesetzliohen Krankenkassen betraut werden.
Diskussion.
Hr. v. Liszt bekundet seine vollste Sympathie mit dem Gedanken.
Hr. Flesch hält es für zweifelhaft, ob der Vorschlag während des
Krieges durchgeführt werden kann, hält ihn aber für wichtig genug,
um unabhängig vom Krieg durohgeführt zu werden als ein Stück des
Gebietes, das die Sozialpolitik der nächsten Jahre unter allen Umständen
bearbeiten muss.
Br. Hoch begrüsst die angeregten Maasnabmen als wichtigen Fort¬
schritt und hält dafür, dass die Mitglieder der Krankenkassen wenigstens
dieselben Leistungen erhalten, dass die Unterstützungen jedem gewährt
werden, der sie verlangt, und erst später festgestellt wird, ob der Uuter-
stützte zur Deckung der Kosten beitragen kann.
Hr. Molkenbuhr berechnet, dass monatlich 41 000 Geburten in
Betracht kommen, für die eine Wochenhilfe in Betracht käme.
Hr. Wurm erörtert die Frage der Aufbringung der Mittel.
Hr. Albert Kohn hebt das Interesse der Krankenkasse an dem
Vorschläge von May et hervor.
Frau Zietz wünscht eine Ernährungsbeihilfe für Schwangere, wenn
auch nur für wenige Wochen vor der Entbindung.
Hr. Gottstein vermisst in der Diskussion Tatsachen, die als Unter¬
lagen für den Gesetzgeber dienen können, und hält es nicht für zweck¬
mässig, ohne solche an den Gesetzgeber heranzutreten und gleichzeitig
die Fürsorge für die Kranken mit der für die Arbeitslosen zu verbinden.
Hr. Munter ist gleichfalls gegen die Annahme einer Resolution
und hebt die Schwierigkeiten hervor, die den Krankenkassen durch die
die Arbeitslosigkeit entstehen.
Hr. May et (Schlusswort).
Folgende Entschliessung wird angenommen:
„Die verbündeten Regierungen zu bitten, während der Dauer des
Krieges den Familien der Kriegsteilnehmer sowie den Arbeitslosen, den
Erwerbslosen und ihren Familien im Falle der Bedürftigkeit (die Be¬
dingung der Unterstützungsbedürftigkeit gilt für alle drei Gruppen), unter
Aufbringung der Mittel durch das Reich oder durch die Gesamtheit
der Versicherungsanstalten der Invaliden- und der Hinterbliebenen¬
versicherung, durch reichsgesetzliche Krankenkassen vermittelt, Kranken¬
hilfe, Woobenhilfe und Sterbegeld zu gewähren.“ J. Lilienthal.
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.)
Sitzung vom 17. November 1914.
Die Orgaiisatioa des Marine-Sanitätsweseiis and die Verwnndeten-
versorgung aa Bord.
Hr. Marinegeneraloberarzt Dr. Weber: Die auf dem Lande bestehenden
sanitären Einrichtungen der Marine weichen nicht wesentlich von denen
des Landheeres ab; aber die Lazarettschiffe und die Einrichtungen au
Bord der Kampfschiffe sind der Marine eigentümlich. Ihre Grundlagen
reichen nicht in jeder Hinsicht aus in bezug auf Sicherheit. Unsere Er¬
fahrungen stützen sich auf den russisch-japanischen Seekrieg. Dieser
wie der spanisch-amerikanische wurde zwischen ungleichen Gegnern
geführt; diese Erfahrungen haben daher problematischen Wert.
Für unsere eigene Seekriegsführung werden wir neue Gesichtspunkte
auf dem Gebiete des Sanitatswesens schaffen müssen. Unter der medi¬
zinischen Centralbehörde im Marineamt (Generalstabsarzt der Marine)
stehen zwei Sanitätsämter für die Nord- und Ostsee; sie unterstehen
den Stationsärzten, die im Range der Korps-Generalärzte stehen, in
Kiel und Wilhelmshaven. Den Aemtern beigegeben sind hygienisch-
chemiscb-bakteriologische Untersuchungsstellen und Gesundheitsaus¬
schüsse. Letztere treten in jedem Standort der Marine unter Leitung
des Garnisonarztes zusammen und überwachen die gesamte Gesundheits¬
pflege. Von den Stationsärzten ressortieren die beratenden Chirurgen,
je einer in Kiel, Cuxhaven, Wilhelmshaven und Hamburg sowie die
Sanitatsdepots in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Kiel und Danzig. Die Vor¬
stände der letzteren sind die Garnisonärzte; ihnen obliegt die feste Aus¬
rüstung aller Lazarette ihres Bereiches. Ständige Marinelazarette be¬
stehen in Wilhelmshaven, Cuxhaven, Helgoland, Sonderburg, Friedriohs-
ort und Kiel. Dazu treten in in Friedenszeiten bereits bestimmten Ge¬
bäuden besondere Lazarette, z. B. in den Auswandererhallen in Hamburg
ist eins für 3000 Betten vorgesehen. Hierzu kommen die Vereinslazarette,
flie von Privatpersonen und gemeinnützigen Vereinen eingerichtet und
der Marine zur Verfügung gestellt werden. Auch besteht die Möglich¬
st» gewisse Armeelazarette und Genesungshäuser in Anspruch zu
nehmen; Marinegenesungshäuser bestehen in Augustenburg und bei
Bremen. Günstige Bahn- und WasserverbinduDgen gestatten den
Krankentransport zwischen den Anstalten. Dazu dienen Krankentrans¬
portabteilungen mit ausgebildeten Krankenträgern der Marine und
Personal des Roten Kreuzes unter Leitung der Garnisonärzte. Sie
schaffen Kranke und Verwundete ans den Festungswerken und Sohiffen
in die Lazarette und ins Binnenland. Die freiwillige Krankenpflege stellt
daneben noch männliches und weibliches Personal und Wirtschafts¬
personal für einen grossen Teil der Lazarette. Sie sammelt auch frei¬
willige Liebesgaben.
Die Lazarettschiffe sollen die Kampfschiffe schnell von Verwundeten
und Kranken befreien und diese in zweckmässige Bedingungen bringen.
Erst 1856 erstand für Ostasien das erste, englische Hospitalschiff, Belle-
Isle; erst die Amerikaner verwendeten diese Schiffe 1860—1865 in
grösserem Umfange. Früher, schon unter Friedrich II., waren Fluss¬
lazarettschiffe benutzt worden. Diese dienen ebenso wie die Hilfs¬
lazarettschiffe wesentlioh dem Abtransport; sie fassen 50—100 Betten
für kurzdauernde Unterbringung Verwundeter, sie sollen längsseit der
Kriegsschiffe kommen. Die Lazarettschiffe sind meist Personenverkehrs¬
dampfer, die sämtliche Erfordernisse der Krankenpflege bergen, schwim¬
mende Krankenhäuser; bisher bes&ss nur die englische Marine besondere
Fahrzeuge. Seit kurzem bauen auch wir solche. Ein guter Entwurf
stammt von den Gebrüdern zur Verth. Die Betten sind zum Teil fest
eingefügt, in Längsreihen angeordnet, dann gibt es Schwingekojen, welohe
bei bewegtem Schiffe die horizontale Lage einhalten. Vorhanden sind
Röntgeneinrichtungen, Apotheke, Laboratorium, Vorratsräume für Ver¬
bandszeug usw., Krankenküche. Schwestern gibt es nur auf einem
Krankenschiffe. Die Marine verfügt über 6 Lazarett- und 7 Hilfs¬
lazarettschiffe.
Wichtig sind bequeme Vorrichtungen zur schnellen Krankenüber¬
nahme und Rettung der Schiffbrüchigen; so haben die Hilfslazarett-
schiffe Doppeltragen, Aufzüge, Rettuogseiuriohtungen, die aus zwei und
mehr Rettungsringen bestehen, die durch Leitern und Enden verbunden
sind; sie sollen Leute retten, die sich noch festhalten können;
ferner haben sie Flösse.
Die Hilfsschiffe sind weiss gestrichen mit einem grünen Horizontal-
stricb, bei den militärischen, und einem roten bei den freiwilligen
Krankenfabrzeugen und führen die Genfer Flagge neben der Landes¬
flagge. Während der Nacht werden die Abzeichen beleuchtet. Diese
Bestimmungen sind in der Haager Konvention über den Seekrieg von
1907 festgelegt, wenigstens auf dem Papier. Das Personal der Lazarett¬
schiffe umfasst einen Oberstabsarzt, drei Stabsärzte und drei Assistenz¬
ärzte, Apotheker, Zahnarzt, Sanitäts-Unteroffiziere und -Mannschaften,
sowie freiwillige Krankenpfleger. Die Hilfslazarettschiffe haben nur zwei
Aerzte und weniger Unterpersonal. Der gesamte Dienst der Lazarett¬
schiffe wird durch einen älteren Sanitätsoffizier beaufsichtigt. Der ge¬
samte Sanitätsdienst des Geschwaders untersteht dem Flottenarzt. Jedes
grössere Kampfschiff bat einen Schiffsarzt und mehrere Assistenzärzte.
Mehrere Torpedoboote usw. sind auf einen Arzt angewiesen. Auch
Spezialärzte für Augen- und Ohren leiden sind vertraglich verpflichtet.
Die gesamte Mannschaft ist im Sanitätsdienst unterrichtet. Die
Kriegsschiffe haben Lazarette bis zu 100 und mehr Köpfen; sie sind
meist auf eine Krankenzahl von IV 2 pCt. berechnet; für eine Schwinge¬
koje sind 5 qm vorgesehen; sie besitzt eine Drahtmatratze. Auf grossen
Schiffen befindet sich ein Operationsplatz mit Sterilisierungs- usw. Ein¬
richtungen.
Die Lazarette liegen bald im Bauche des Schiffes, bald mittschiffs,
bald unter der Brücke. Baderaum, Spülklosett, Transportmittel, Reini¬
gungseinrichtungen und Apotheke sind vorhanden. Liegt das Lazarett
oben und sonnig, so ist es dem feindlichen Feuer leicht ausgesetzt.
Daher verzichtet man auf Tageslicht und -luft und 9ucht Schutz hinter
dem Panzer und unter der Wasserlinie. Auf grossen Schiffen sind ge¬
trennt voneinander ein Haupt- und ein Nebenverbandplatz vorgesehen,
um im Ernstfälle nicht den ganzen Sanitätsdienst lahmzulegen. Die
Räume in der Nähe der Verbandplätze dienen zur Lagerung für die
Verwundeten. Die Ausrüstung der Schiffe mit Arzneien usw. ist nach
langjähriger Erfahrung festgelegt. Jeder Schiffsarzt kann sie ergänzen
und im Kriege vermehren lassen.
Um zweckmässige Versorgung und Transport 9ind alle Marinen be¬
müht. Der alte Transportstuhl wurde, als zu umfangreich durch die
„Bretter“ und vor allem die weichere deutsche Hängematte mit Kopf¬
kissen, Kopfkappe, Reitgurten und Fusssack verdrängt. Sie gestattet,
wenn der Kranke ordentlich verzurrt ist, den Transport in der Horizontale
und Vertikale ohne Zerrung; zweckmässig ist auch eine biegsame Draht-
matte. Wertvoll ist die Gleitbahn, die an die Treppe gestellt wird und
dem Kranken das Gleiten gestattet.
Die Verwundetenfürsorge an Bord der Kampfschiffe i9t nach Zahl
und Art der zu bewältigenden Fälle verschieden. Die Durchschnittszahl
beträgt 20 pCt. Verluste, davon sind 4 pCt. tödlich, 8 pCt. schwer Ver¬
wundete. Besonders mitgenommen werden die Plattschiffe. Erreicht
die Verlustgrenze die Hälfte der Mannschaft, dann ist der Dienst meist
unmöglich und das Schiff schwimmunfäbig.
Die Art der Wunden wird durch die Kampfmittel Mine, Torpedo,
Granate bedingt. Erstere ist ein birnenförmiges Metallgefäss mit starker
Schiessbaumwolle-Ladung, der Torpedo ist 5—6 m lang, 30—50 cm
breit, zigarrenförmig, aus Stahl oder Bronze und enthält im Kopf den
Zünder, dahinter die Sprengladung (Schiessbaumwolle), dahinter kompri¬
mierte Luft für die Antriebsmasohine und Steuerapparat. Er explodiert
durch Auftreffen und wird duroh Pulver oder Pressluft abgeschossen.
Die Sprengladung beträgt 150 kg. Die Granaten sind Spreng- oder
Panzergranaten. Die eine wirkt durch Gasentwickelung, die andere
durch Aufschlag; letztere hat hohe Brisanz und ist wenig stossempfiod-
lich. Im russisch-japanischen Seekriege kamen Schrapnell- und Gewehr¬
schüsse, sowie Verletzungen duroh blanke Waffen wenig vor.
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Original frn-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
1880
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Die Minenwirkung ist so gründlich, dass die obere Verlustgrenze,
welche ärztliche Tätigkeit unmöglich macht, meist erreicht wird. Sie
bedingte 1904/5 75,4 pCt. aller Todesfälle gegenüber 19,1 pCt. Ver¬
wundungen. Nicht weniger als 9 Schiffe wurden durch Minen vernichtet.
Die Erfolge der deutschen Unterseebote stehen nicht zurück. Die Ver¬
wundungen werden durch den ungeheuren Gasdruck bew. durch ab¬
gerissene Schifitsteile bedingt, seltener ereignen sie sich den Granat¬
schüssen ähnlich; daneben setzen sie Verbrennungen und Vergiftungen
durch Kohlenoxyd.
Bei der Granatwirkung ist das Verhältnis der Todesfälle geringer,
23,6 pCt. gegen 76,4 pCt. Verwundungen. Gerade letztere umfasst also
hauptsächlich die ärztliche Tätigkeit an Bord eines kämpfenden Schiffes.
Durch die Wucht der Granate abgerissene Schiffsteile sind indirekte Ge¬
schosse; sie sind sehr rissig, zackig. Die Wirkungen auf den Menschen
sind Zermalmungen des Bauches, Abreissung ganzer Körperteile, Ver¬
brennungen, Quetschwunden, besonders ist aber die Multiplizität — bis
120 und 200 kleine Wunden an einem Körper — hervorstechend. Die
Splitter können auch stecken bleiben. Die Verbrennungen treffen
zumal Gesicht und Hände. Dazu kommen Gasvergiftungen und Nerven¬
erschütterungen. Bei den Japanern maohten Quetschwunden 35 pCt.,
Steckschüsse 15 pCt., Zermalmungen 10 pCt., Verbrennungen 10 pCt.,
Augen-, Ohren- und Trommelfellverletzungen 5 pCt, Eingeweiderisse
6 pCt., Knochenbrüche 19 pCt. der Fälle aus. Die Russen haben keine
Aufzeichnungen veröffentlicht.
Die Seekriegsverletzung ist meist ernster als die im Landkrieg durch
Gewehrschüsse gesetzte; die Wunden werden leichter infiziert und die
Heilung ist schwieriger.
Prophylaktisch schützt man sich gegen das feindliche Feuer durch
mechanischen Schutz und Verhütung der Wundinfektion. Alle entbehr¬
lichen Gegenstände werden von Bord entfernt, damit sie nicht indirekte
Geschosse werden. Gegen matter gewordene Granaten nützen einfache
Schutzwehr, Hängematten, Segeltuchbahnen, Decken, und gegen das feind¬
liche Feuer schützt Befeuchtung des Holzwerks. Da der Tascheninhalt
leicht in die Wunde gerissen wird, so ist die Mannschaft fortlaufend zu
belehren. Einen Schutz gegen die Verbrennung bietet die Kleidung; sie
muss aus schwer entzündlichen Stoffen bestehen. Augen und Gesicht sind
mit Masken zu bedecken. Die Gehörgäoge werden mit Watte verstopft.
Sauberhaltung des Schiffes, Anstrich der Decken, dazu die Seeluft und
Windbewegung wirken dem Bakterienwachstum entgegen. Dazu kommt
das enge Zusammenleben des Arztes mit der Besatzung; er vermag die
Ansteckungsgefahr frühzeitig zu erkennen; hinzukommen regelmässige
warme Bäder, Mund- und Zahnpflege, sowie saubere Kleidung vor dem
Gefecht. Die Möglichkeit, die Verwundeten schnell zum Verbandsplatz
zu schaffen, verringert die Infektionsgefahr. Schon im Gefecht vollzieht
sich teilweise die Wund Versorgung. Der schnellen Versorgung dienen
die fertigen Verbandpäckchen. Vorteilhaft ist der Mastisolverband für
die multiplen kleinen Wunden. Dazu kommen grosse Salbenverbände,
Sauerstoff-Apparate gegen Gasvergiftungen usw. Sonst bietet hier die
ärztliche Tätigkeit nichts Besonderes. Auf dem Kampfschiff ist wegen
der Schwere der Verletzungen nur die Notoperation angängig; endgültig
erfolgt die Versorgung auf den Lazarattschiffen und am Lande.
Es gelingt auch im schweren Seekrieg die Wunden zu heilen. Bei
den Japanern wurden 88,7 pCt. alter Verwundeten wieder dienstfähig,
60 pCt. waren an Bord ihrer Schiffe verwundet worden, 2 pCt. starben,
8,9 pCt. wurden invalide. Von Bedeutung war freilich, dass die Japaner
siegreich waren. Hoffen wir darum auch für uns ein Gleiches!
Mode.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Deutsche Militärärzte sind in Frankreich wegen
angeblicher Gewalttaten gegen Einwohner und Nachlässig¬
keit bei der Behandlung von Verwundeten zu Gefängnis¬
strafen verurteilt! Es genügt, diese Tatsache festzustellen, um sich
des unerhörten Reohtsbruches bewusst zu werden, der hier begangen
worden ist — kein französisches Gericht durfte über die Anschuldi¬
gungen entscheiden, da Sanitätspersonal nach der Genfer Konvention
nicht seiner Jurisdiktion unterliegt —, kein Deutscher kann auch nur
im entferntesten annehmen, dass die Vorwürfe irgendwie begründet
waren. Wir protestieren, ebenso wie der Leipziger Verband bereits
getan hat, gegen die Unterstellung, als seien unsere Kollegen der ihnen
zur Last gelegten Handlungen fähig gewesen. Lebt in dem Stande der
französischen Aerzte, mit denen wir so laDge Jahre hindurch freundliche,
wissenschaftliche und kollegiale Beziehungen unterhalten haben und die
deutsche Art und deutsche Sitte kennen sollten, noch ein Funken von
Gerechtigkeitsgefühl, so werden sie in ihrer Gesamtheit Schritte tun
müssen, um einen Makel von ihrer Nation abzuwaschen, der, ungeachtet
der anerkennenswerten Bemühungen Einzelner, auf ihr für alle Zeiten
haften bleiben würde!
Nr. 48.
— In der Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft
vom 25. November demonstrierten vor der Tagesordnung: 1. Herr
Bucky: Lokalisationsmethoden bei Röntgenaufnahmen, Röntgennlcera
bei gynäkologischer Tiefenbestrahlung; 2. Herr Rothmann: Stirnhirn-
scbüsse; 3. Herr William Levy: Präparat von Verletzung der Lunge
durch Gewehrschuss. Hierauf hielt Herr Morgenroth den Schloss des
angekündigten Vortrags: Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion.
— Das Eiserne Kreuz I. Klasse erhielt der pr. Arzt Dr. Alfred
Hardt aus Neustadt a. H., Unterarzt d. L. im 18. bayerischen Infan¬
terieregiment, wegen hervorragender Tapferkeit und Pflichterfüllung im
feindlichen Feuer.
— Am 25. November jährte sich zum 100. Male der Geburtsteg
Robert Mayer’s, des Entdeckers des Gesetzes von der Erhaltung der
Energie und des Begründers der mechanischen Wärmetheorie.
— Der bekannte Hygieniker Prof. Angelo Celli in Rom ist im
Alter von 57 Jahren gestorben.
— Die Königliche Landesanstalt für Wasserhygieoe (Berlin-Dahlem,
Post: Berlin-Lichterfelde 3, Ehrenbergstrasse 88, 40, 42) hat mit der
Abgabe von Nährgelatine, die für die Zwecke der bakteriologischen
Wasseruntersuchung bestimmt ist, begonnen. Der Preis für je ein
Reagensgläschen mit 10 ccm Nährgelatine (ausschliesslich Verpackung)
ist, den Selbstkosten der Anstalt entsprechend, auf 18 Pf. festgesetzt.
Eine Abgabe unter 10 Stuck kann nur in Ausnahmefällen stattfinden;
für grössere Aufträge muss sich die Landesaustalt eine Lieferzeit von
etwa 8 Tagen Vorbehalten.
— Der soeben erschienene Medizinalkalender für das Jahr 1915
(herausgegeben von Geb. Rat Schlegtendal, Verlag von August
Hirschwald) entspricht im wesentlichen der Gestaltung, die ihn seit
langen Jahren den deutschen Aerzten vertraut gemacht hat. Freilich
macht sich die Kriegszeit in der wiederum von Herrn Geh. Rat Daege
bearbeiteten Abteilung „Personalien“ recht deutlich bemerkbar. Die ins
Heer einberufenen Zivilärzte sind allerdings sämtlich an ihrem bisherigen
Wohnort aufgeführt, io der gewiss berechtigten Annahme, dass diese
nach Beendigung des Feldzuges zum grössten Teil wieder dorthin zurück¬
kehren werden — dagegen ist die Aufnahme der Rang- und Dienst¬
alterslisten des deutschen Sanitätaoffizierkorps unterblieben, da die
Sanitätsoffiziere fast ausnahmslos ihren bisherigen Standort verlassen
haben und im Felde stehen. Der Abschnitt „Verordnungslehre* ist
durch ein neues Kapitel „Organotberapeutische Präparate“ (von Apotheker
Dr. Beckstroem) bereichert worden — ihre Aufzählung ist sehr genau
und vollständig, mit Angabe der Fabrik; die vom Verf. gemachte Ein¬
schränkung, dass diese Aufzählung nebst den vom Hersteller angegebenen
Heilanzeigen keinerlei Empfehlung bedeuten soll, verdient aber alle
Beachtung!
— Verlustliste. I. Gefallen: Unteroffizier Ahnhudt, Zahnarzt
Leutnant d. R. Dr. K. Abel, Inf.-Reg. Nr. 172. Oberarzt d. R. Dr.
Abert, 5. Bayer. Feld-Art.-Reg. Unterarzt Dr. Barmbichler. Stabs¬
arzt d. L. Dr. Bansch-Breslau. Kriegsfreiw. Blankenhorn, stud.
med. Kriegsfreiw. W. Caro, stud. med. Kriegsfreiw. Courath, cand.
med. dent. Kriegsfreiw. Duttlinger, stud. med. Eioj.-Freiw. Ficht-
bauer, oand. med. Assistenzarzt Dr. Fischbach. Kriegsfreiw. Flott*
ring. Unterarzt Dr. Freusberg. Unterarzt Dr. Grassmann. Gand,
med. Helmecke. Unterarzt d. L. Dr. Herkner. Kriegsfreiw. Hocbe,
stud. med. Marinestabsarzt d. R. Dr. Hobenemser. Unterarzt
Kimster. Unterarzt Kireher. Stabsarzt d. R. Dr. Langfelder. Cand.
med. Lohe. Stabsarzt d. R. Dr. Rieh. Möller. Stabsarzt d. L. Dr.
Plath. Unterarzt Dr. Preussen. Hauptmann Dr. Reich, Privat¬
dozent für Zahnheilkunde in Marburg, Inf.-Reg. Nr. 5. Unterarzt Dr.
Rudhardt. Stud. med. Schmidt. Stud. med. Stange. Stud. med.
Tiemann. Zahnarzt Vogel. Offizierstellvertr. cand. med. E. Wachs.
Stabsarzt d. R. Dr. H. Wagner. Stud. med. H. Wagner. Stud. med.
Wissing. Stabsarzt d. R. Dr. D. Wolff-Hamburg. — II. Verwundet:
Stabsarzt d. L. Dr. Carney. Assistenzarzt d. R. Dr. K. Neckars-
ulmer, Inf.-Reg. Nr. 151 (Bauchdeckensohuss). — III. Gestorben:
Stabsarzt d. L. Dr. Eichholz. Dr. Hildenstab. Dr. Schlesiger.
Dr. Simon. Oberarzt d. R. Dr. Schlüter.
Hoohschulnaohrichten.
Berlin. Geheimrat Bier, Direktor der chirurgischen Klinik in ^
Ziegelstrasse, konnte am 23. November auf eine 25 jährige Tätigkeit as
akademischer Lehrer zorückblicken. — Prag. Den Titel eines ausser¬
ordentlichen Professors erhielten die Privatdozenten DDr. W. Anton (Uto-
Rhinologie) und J. Jansky (Psychiatrie). — Wien. Prof. Hocbenegg
wurde der Adelstitel verlieffen.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Eisernes Kreuz 2. Kl.: Kreisarzt und Hils
arbeiter bei der KÖnigl. Regierung in Arnsberg Dr. König.
Versetzung: ordentl. Honorarprofessor Dr. K. Ludloff aus Breslau
gleicher Eigenschaft in die medizinische Fakultät der Umversua
Frankfurt a. M. _ _
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hans Rohn, Berlin W., Bsyrsn^w
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
Gck igle
Original from-
UNIVERSITY OF IOWA
DJ« Berlins Kllnfeel.e Wocho..«cl.rift.erscheint Jedefl
UnntAir in Nummern roa ca. 5—6 Bogon gr. ♦.
Preta vlerteijihrlicl. 6 Mark. Beate)),m^n nehmeD
alle Buchhandlungon und Poatanaialten an.
BERLINER
Alle lilnsendungen för die Hedaktivo and Expedition
wolle man portofroi an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kohn. August nirsehwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin
Montag, den 7. Dezember 1914. M 49 . Einundfünfzigster Jahrgang.
I N H
Originalien: stutzin: Einige praktische Winke zur Behandlung von
SchussverletzuDgen. (Aus dem Garnisonlazarett I, Berlin.) (Illustr.)
S. 1881.
Zondek: Entfernung einer russischen Maschinengewehrkugel aus
der Blase durch die Urethra. (Illustr.) S. 1882.
Wolfsohn: Zur Tetanusfrage. S. 1883.
Richter: Der Milzbrand als Kriegsseuche. S. 1884.
Marks: Chemotherapeutische Versuche bei Vogelmalaria. (Aus dem
Institut für medizinische Forsohung von Dr. L. H. Marks in Frank¬
furt a. M.) S. 1886.
Einhorn: Die direkte Untersuchung des Duodenalinhalts (und der
Galle) als diagnostisches Hilfsmittel bei Gallenblasen- und
Paokreasaffektionen. S. 1888.
Petry: Zur Kenntnis und Bedeutung des Nasenblutens im späteren
Kindesalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in GöttingeD.)
S. 1890.
Plehn: Ueber grosse Bluttransfusionen. (Aus dem städtischen
Krankenhause am Urban.) (Schluss.) (Illustr.) S. 1892. I
Aus dem Garnisonlazarett I, Berlin (leitender Chirurg:
Generalarzt Prof. Dr. Küster, Geheimer Med.-Rat,
Stellvertreter: Dr. Stutzin).
Einige praktische Winke zur Behandlung von
Schussverletzungen.
Von
Dr. Stutzin.
I. Weichteilschüsse.
Es fehlt zweifellos nicht mehr an guter, praktischer Kriegs-
literatur. Die Balkankriege und auch die drei KriegsmoDate haben
schon viel Nützliches gezeitigt. Wenn ich trotzdem hier einige
rein praktische Gesichtspunkte darlege, so geschieht es nicht des¬
wegen, weil sie sensu strictiori neu wären, sondern weil sie, wie
mich manche Beobachtungen der letzten Zeit gelehrt haben, noch
nicht allen bekannt sein dürften, die sich mit der Behandlung
Verwundeter befassen. Und für unsere Verwundeten kann es
doch nur einen Leitsatz geben: Die beste Behandlung ist gerade
gut genug!
Ich müchte mich zunächst gegen den zu häufigen Verband¬
wechsel wenden. Es ist hoch vielfach Sitte, dass nahezu jeder
Verwundete bei jeder Durcbgaogsstatiou verbunden wird. Dies aber
ist nicht nur unzweckmässig, weil schmerzhaft und materialver¬
schwenderisch, sondern oft direkt schädlich. Halten wir uns doch
vor Augen, was ein Verbandwechsel bedeutet: ein Abreissen des
schützenden Schorfes, ein Freilegen der Wunde, Berührung mit
der Aussenwelt, und somit die Möglichkeit zu einer neuen In¬
fektion und zu einer neuen Blutung. Ich habe häufig die Ver¬
wundeten darauf ausgefragt, wie oft sie unterwegs verbunden
worden sind, und gefunden, dass von den infiziert Ankommenden
viele drei- bis viermal in kurzen Zeitabständen verbunden worden
ßind, vielfach wohl auf eigenes, dem Laienverstand natürliches
Drängen, während ich oft bemerkt habe, dass Wunden, die nur
mit dem Verbandpäckchen bedeckt und 8—10 Tage lang ohne
Verbandwechsel geblieben, reaktionslos heilten.
ALT.
Bächerbesprechnngeii: Ponfick: Untersuchungen über die exsudative
Nierenentzündung. S. 1897. (Ref. Ewald.) — Starck: Lehrbuch
der Oesophagoskopie. S. 1897. (Ref. Strauss.) — Busch: Phantom
der normalen Nase des Menschen. S. 1898. (Ref. Brühl.)
Literatnr-Aaszäge: Physiologie. S. 1898. — Therapie. S. 1898. —
Parasitenkunde und Serologie. S. 1898. — Innere Medizin. S. 1899. —
Psychiatrie und Nervenkrankheiten. S. 1900. — Kinderheilkunde.
S. 1900. — Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1900. — Hygiene
und Sanitätswesen. S. 1901. — Unfallheilkunde und Versicherungs¬
wesen. S. 1901. — Militär-Sanitätswesen. S. 1901.
Verhaadlaogen ärztlicher Gesellschaften: Aerztlicher Verein zu
Hamburg. S. 1901. — Aerztlicher Verein zu München.
S. 1902. — Naturhistorisch-medizinischerVerein zu Heidel¬
berg. S. 1902. — K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien.
S. 1903. — Gesellschaft für innere Medizin und Kinder¬
heilkunde zu Wien. S. 1903.
König: Robert Thomsen +• S. 1903.
Tagesgeschichti. Notizen. S.1904. — Amtl. Mitteilungen. S.1904.
Ich habe ausgedehnte Kopfweicbteilwunden gesehen, wo das
Verbandpäckchen direkt über die aus Blut und Haaren gebildete
geronnene Masse gelegt worden: nach 12—14 Tagen hatte sich
unter dem Schorf eine Prima Reunio vollzogen. Ich möchte be¬
zweifeln, ob der Verlauf gleich günstig gewesen wäre, wenn nach
früherer Schablone alles schön geseift, rasiert und genäht
worden wäre.
Erfahrungen, wie die beschriebenen, lehren uns, die Wunden
möglichst in Ruhe zu lassen. Wenn nicht eine grössere Blutung
oder Lappenverschiebung dazu zwingt, tun Sie nichts an der
Wunde, verbinden Sie sie trocken und steril, weiter nichts. Vor
allem tupfen Sie nicht, wischen Sie nicht und drücken Sie nicht
an der Wunde herum. Was sich abstossen will, wird sich später
von selbst in aller Ruhe abstossen.
Wie oft soll man nun den Verband wechseln?
Binden Sie sich nicht an einen Zeitraum, nur Fieber,
Schmerzen und starke Sekretion geben zu einem Verband¬
wechsel Veranlassung, aber lassen Sie sich bitte auch nicht durch
Fieber und Schmerzen leicht ins Bockshorn jagen. In den ersten
48 Stunden, namentlich während des Transports, kommt es häufig
durch vorübergehende Resorption zu einer steileren Fieberzacke
und zu Schmerzäusserungen. Wenn Mann und Glied zur Ruhe
gekommen, klingt beides häufig von selbst ab, nur wenn Fieber
und Schmerzen weiter bestehen, dann sehen Sie nach.
Häufige Sekretion veranlasst allerdings zu häufigem Verband¬
wechsel. Man kann den Kranken nicht nass liegen lassen, das
auslaufende Sekret reizt die Haut, schafft durch Erweichung neue
Wundfiächen und somit neue Infektionsmöglichkeiten. Bleibt der
Verband aber trocken, und bat der Patient weder Fieber noch
Schmerzen, so lassen Sie den Verband liegen, er kann riechen
wie er will. Haben Sie nur keine zu feine Nase. Die in die
Verbandstoffe ausgeschiedenen Eiweisskörper zersetzen sich und
riechen manchmal bestialisch, tun aber dem Kranken nicht das
Allergeringste. Bedecken Sie sie soviel Sie wollen, schütten Sie
auch eventuell Wasserstoffsuperoxyd über die Wunde, um den
durchdringenden Geruch zu mildern, aber lassen Sie die unterste
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Original frn-m
UMIVERSITY OF IOWA
1882
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
Schicht liegen. Sie werden erstaunt sein, wenn Sie nach 10 bis
12 Tagen den Verband abnehmen und unter dem von selbst ab¬
fallenden Schorfe eine epidermisierte Fläche finden.
Soweit vorläufig in bezug auf die Weichteilwunden.
II. Schussfrakturen.
Ich möchte da scharf trennen zwischen der Behandlung im
Felde und in der Heimat. Dort wird man sich notwendigerweise
mit dem behelfen, was man gerade hat: alles was zum Fixieren
dient, ist gut, jedes Stück Pappe, Holz usw. Man kann in be¬
wegliche Formationen doch nur beschränkte Mengen mitnehmen!
In der Heimat aber steht an erster Stelle der Gips! Jede
Schussfraktur muss, wenige mit gar zu ausgedehnten Weichteil¬
verletzungen verbundene ausgenommen, sofort unter Gips. Mit
Gips kann man alles machen: Verbände, Schienen, Extension.
Mit Gips kann man modellieren, während des Erhärtens korri¬
gieren und nachkorrigieren. Den Gips kann man auch hinter¬
her schneiden, nähen, wie wohl kaum ein anderes Material.
Gips ist eben die Seele der Kriegschirurgie! Vorbedingung aber
sind gute Gipsbinden, und dazu ist es nötig, dass man sie sich
selbst herstellt oder unter eigener Aufsicht hersteilen lässt. Die
fertig gekauften sind nicht immer zuverlässig. Es ist besonders
darauf zu achten, dass man nicht zu viel Gips einstreicht, und
ferner, dass man nicht zu lange Binden nimmt. Längere als
5 m würde ich nicht empfehlen. Jede sezernierende Stelle, be¬
sonders die Ausschussöffnung, wird man natürlich offen behandeln
durch Ausschneiden eines Fensters, oder Halbmonds, wenn die
Wunde an einer Ecke sitzt. Man macht das so, dass man mit
einem Farbstift über den Gips die Wundöffnung ungefähr an¬
zeichnet und dann den erhärteten Gips in etwa 2 cm Entfernung
umscbneidet, erst mit dem Gipsmesser ein kleines Loch ritzt und
dann mit der Gipshebelschere die gesuchte Umkreisung ausführt.
Jede Verbandschere tut es natürlich auch, aber mühsetiger. Bei
stark sezernierenden Wunden soll man die Umschneidung breit
machen, an den Verbandrändern gründlich abstopfen und die
umgebende Haut durch schützende Salben besonders pflegen.
Wer speziell bei Schussfrakturen der oberen Extremitäten es
gesehen hat, wie die Leute bei wackeligen Draht- oder Holzver¬
bänden andauernd unter Schmerzen litten, häufig infolge Furcht
vor der schmerzhaften Bewegung ans Bett gefesselt waren und
dazu noch fieberten, und wie sie dann nach Anlage eines geeig
neten Gipsextensionsverbandes unter Fixation am Thorax wie mit
einem Schlage von alledem befreit wurden, der wird wohl kaum
den Gips bei der Behandlung von Schussfrakturen missen wollen.
Trotzdem tut es noch manch Einer.
Kurve 2.
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Kurve 3.
(V. W r .) reagierte er mit Schüttelfrost und Fieber und zwar meist
erst am nächsten Tage, zuletzt, am 24. Oktober, stieg die Tempe
ratur auf 40,6°. Es wurde darauf beschlossen, den Verband
liegen zu lassen. Das Fieber klang bald ab. Als nach 7 Tagen
der Verband entfernt wurde, zeigte sich eine fleischrote, gut
granulierende Wunde 1 ).
III. Welche Verbandmittel soll man anwenden?
Als Verbandmittel kommen eigentlich nur zwei Klassen in
Betracht: desinfektions- und granulationsbefördernde Mittel. Von
der ersten Klasse brauche ich keine. Jede „Desinfektion“ der
Wundfläche schafft neue Gewebsnekrosen zu den bereits vorhan¬
denen und somit neue Nährböden für die doch nie ganz zu
tilgenden Infektionskeime. Zur Beförderung der Granulation kann
man wohl die Perubalsamsalbe oder dergl. anwenden. Ich halte
sie nicht für unumgänglich notwendig. Sterile Verbände tun es
auch. Schützen muss man nur die umgebende Haut, damit sie
nicht von Sekret und Schweiss „augefressen“ wird. Häufige
Reinigung, Bestreichung mit Bor- oder Zinkpaste verhindert das
zur Genüge.
Anders denke ich über die Einwirkung des Sonnenlichtes.
In der Friedenspraxis habe ich das Sonnenlicht systematisch und
sehr erfolgreich zu Wundbehandlungszwecken angewandt, beson¬
ders im nördlichen Chile, wo mir fast das ganze Jahr eine in¬
tensive Sonnenlichtquelle zur Verfügung stand. Im letzten Sep¬
tember habe ich auch hier verschiedene Schusswunden der Licht¬
behandlung ausgesetzt und, wie ich glaube, mit Erfolg. Die
Wunden granulieren und reinigen sich schneller. Besonders der
lästige Pyocyaneus verschwindet häufig bei intensiver Sonnenlicht¬
behandlung. Wo aber jetzt im Herbst und Winter schönes
Sonnenlicht hernebraen? Ueber den Ersatz durch künstliches
Sonnenlicht habe ich wenig Eifahrung. Ein Versuch damit wäre
unter geeigneten Verhältnissen nicht zu verwerfen.
Als Typus eines Falles, bei dem nahezu jeder Verbandwechsel
mit hohen Fiebertemperaturen reagierte, möchte ich folgende Ge¬
schichte anfügeu: K. V., 21 Jahre, verletzte sich am 3. Oktober
durch Explosion dreier Platzpatronen. Er wurde unterhalb des
rechten Knies getroffen. Befund: Mehr als fünfmarkstückgrosse, ■
tiefe, schmierig belegte Wunde. Der weitere Verlauf ergibt
sich aus der beigefügten Fiebertafel. Nach jedem Verbandwechsel |
Entfernung einer russischen Maschinengewehr¬
kugel aus der Blase durch die Urethra.
Von
Prof. Dr. Zondek.
So selten wir in Friedenszeiten vor die Aufgabe gestellt
werden dürften, ein Geschoss aus der Blase zu entfernen — eine
genauere Durchsicht der einschlägigen Literatur war mir jetzt nicht
möglich — dürfte dies in der Jetztzeit vielleicht häufiger Vor¬
kommen. Ich will daher kurz über einen solchen Fall berichten.
Anamnese: Der 25jährige Reservist W. E. bekam am 10. IX. 19H
eine russische Mascbimngewehrkugel in die rechte Seite am Ansatz des
Penis. An der Einschussöffnung heftige SchmerzeD, Erst nach etwa
18 Stunden Urinentleerung, stossweise, unter starken Schmerzen; der
Urin blutig gefärbt. Etwa 3 cm seitlich und nach oben von der Ein¬
schussstelle entfernt war in dem stark geschwollenen, blutig gefärbten
Gewebe in der Tiefe eine Resistenz fühlbar, die nach Ansicht des unter¬
suchenden Arztes die Kugel war. Nach 5 Tagen war die Resistenz nicht
mehr fühlbar. Miktion zunächst alle 5 Stunden, Harn trübe, zuweilen
blutig; allmählich Urinentleeruog in immer kürzeren Zwischenzeiten,
schliesslich ein- bzw. halbstündlich, und zwar nur bei linker Seitenlage
und gebeugten Knien. Mehrfach Harnverhaltung und Entleerung des
Harns durch den Katheter erforderlich. Am 2. X. 1914 wird Patient
dem von mir geleiteten Vereinslazarett Nollendorf-Sanatorium zugeführt.
Die objektive Untersuchung ergibt: Rechts neben dem Penis-
ansatz die Einschussöffnung vernarbt; Ausschussöffnung nicht sichtbar.
Harn sehr trübe, schwach sauer, mikroskopisch Leukocyten, Erythro-
cyten, dementsprechender Albumengehalt. Druck auf die BlaseDgegend
sehr schmerzhaft. Bei RektaluntersuchuDg nach vorn ein quer ver¬
laufender Wulst fühlbar, auf Druck sehr schmerzhaft. ,
Die einfache Röntgenaufnahme zeigt ein Geschoss, das quer un
anscheinend vor der Symphyse liegt; auf Grund einer stereoskopischen
1) loh möchte noch nachtragen, dass Pat. längst fieberfrei und ausser
Bett, mit künstlichem Höhenlicht weiterbebandelt wird. Die Wunde ist z- •
nooh etwa Fünfzigpfennigstück gross, oberflächlich und frisch granulieren.
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Original frum
UNIVERS1TV OF IOWA
7. Dezember 1914.
RRM.INER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Abbildung 3.
Die extrahierte Kugel,
zum Teil inkrustiert.
Abb. 2. Cystoskopisch-photographische
Aufnahme der Kugel.
__
Abb. 4. Kugelfänger.
Röütgeoaufoabme stellt Herr Kollege Arthur Frankel fest dass das
Geschoss 4 cm hinter der Symphyse liegt (s. Abbildung l)s cystoskopisch
finde ich das Geschoss in der Blase (s. Abbildung l).
An der entzündlich veränderten Blasenwand vorn und seitlich mehrere
Ulcera von Linsen- bis Erbsengrösse. Ich liess mir nun ein Instrument mit
der Schlagintweit’schen Griffvorrichtung und der Lohnstein sehen Scbaft-
lampe von der Firma Louis und H. Löwenstein so hernebten, dass die
beiden Löffel des Schnabels genau der Form und Grosse eines russischen
Mascbinengewehrgeschosses angepasst waren (s. Abbildung 4). Der Um¬
fang des Schnabels beträgt 28 Charr. Fasst man das Geschoss etwa in
der Mitte, und zwar so, dass die Basis der Kugel nach dem Orificium
uretbrae hin gerichtet ist, dreht dann die Zange um einen Winkel von
ungefähr 135° und bringt nun die Löffel ein wenig auseinander, dann
gleitet die Kugel, bei geübter Anwendung des Instruments, in den
Schnabel hinein. Im vorliegenden Falle lag aber die Kugel in einer
divertikelartigen Ausbuchtung der Blase, und nachdem durch Druck mit
dem ins Rectum eingeführten Finger die Kugel mobil gemacht worden war,
gelang es nur, sie so zu drehen, dass ihre Spitze nach der Harnröhren-
öffuung zu gerichtet war. Ich fasste die Kugel von der Spitze her weit
nach der Basis hin und, nachdem ich auf Rat des mir freundlich
assistierenden Herrn Kollegen Lohnstein die Blasenflüssigkeit auf
300 g vermehrt batte, brachte ich durch leichtes Stossen des Instruments
auf die Blasenwand die Kugel in ihrer ganzen Ausdehuung in den Schnabel
des Kugelfängers und entfernte sie bequem durch die Harnröhre (s. Ab¬
bildung 3). Nach zwei Tagen stand der Patient auf, und nach vier Tageu,
nachdem Inkrustationen, die der Kugel angebaftet batten, mit dem Harn
spontan herausgetrieben waren, war die Entleerung des noch etwas
trüben Harns bis auf ein mässiges Brennen in der Harnröbro schmerzlos.
Die 14 Tage nach der Kugelentfernung vorgenomraene Cystoskopie
zeigte 2 Ulcera von etwa Erbsengrösse an der vorderen Blasenwand,
ferner ein etwa Fünfpfennigstück grosses Concrement, das ich intra-
vesical zertrümmerte und entfernte.
Zur Tetanusfrage.
Von
Dr. Georg Wolfsohn,
\ zurzeit Oberarzt im Kriegslazarett ....
Die in allen Lehrbüchern erwähnte Tatsache, dass sich
Tetanusfälle im Kriege häufen, scheint sich in diesem Feldzug
leider zu bewahrheiten. Wenigstens hört und liest man von den
verschiedensten Seiten Berichte über diese furchtbare Wund¬
infektionskrankheit. Bei der Schwere der Krankheitsbilder und
der Trostlosigkeit unserer Therapie steht das wissenschaftliche und
praktische Studium des Tetanus zurzeit recht im Vordergründe
des Interesses.
In dem grossen Kriegslazarett . . . ., dem ich als chir¬
urgischer Stationsarzt zuerteilt bin, habe ich im Verein mit
anderen Stationsärzten in der Zeit vom 16. September bis
21. Oktober nicht weniger als 29 Tetanusfälle beobachtet. Es
handelte sich stets um Kranke mit mehr oder minder grossen,
tiefbuchtig unterminierten und schmierig belegten Wunden. Die
Inkubation, vom Zeitpunkt der Verwundung an gerechnet,
betrug durchschnittlich etwa 5—8 Tage, doch waren auch 16- und
18 tägige Inkubationen zu verzeichnen.
Der Symptomenkomplex wich kaum von dem allgemein
bekannten ab: Subfebrile Temperaturen, Trismus, Opisthotonus,
Krämpfe der Pharynxmuskulatur, des Gesichts, des Rumpfs, der
Extremitäten, schliesslich solche des Zwerchfells und der Herz¬
muskulatur bei völlig erhaltenem Bewusstsein kennzeichneten im
allgemeinen das ganz furchtbare Krankheitsbild.
Von unseren 29 Fällen sind 27 gestorben, nur 2 Fälle
mit längerer Inkubation haben die Infektion überstanden. Gewiss
ein recht deprimierendes Resultat, das uns Aerzte mit schreiender
Notwendigkeit zwingt, so intensiv als möglich an einer Ver¬
besserung der Therapie zu arbeiten.
Die therapeutische Wirkungslosigkeit des Tetanus¬
antitoxins muss nach unseren Erfahrungen leider unumwunden
zugegeben werden. Wir haben das Serum von Meister Lucius
& Brüning (Höchst) in 26 Fällen unmittelbar nach Ausbruch
der ersten Erscheinungen in der Dosis von 100 A. E. injiziert,
und zwar in einigen Fällen subcutan, in anderen int ^muskulär,
intravenös, perineural, intralumbal, stets mit gleichem Misserfolg!
In einem Fall (Phlegmone um den Plexus cervicüis herum)
brach sogar am Tage nach der intramuskulären Injektion von
60 A.-E. eiu Tetanus aus, welcher in 36 Stunden zum Tode führte.
Ob etwa nach Ausbruch der Krankheit das Antitoxin schäd¬
lich wirken kann, ist eine Frage, die sich schwer entscheiden
lassen dürfte. Sehr auffallend ist allerdings, dass die beiden
überlebenden Fälle kein Antitoxin erhalten haben! Die Zahlen
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
1884
RERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT^
Nr. 49.
sind aber natürlich viel zu klein, um irgendwelche Schlüsse aus
ihnen ziehen zu können.
Neuerdings ist das Magnesium sulfuricum zur lb * r *P ,e
des Tetanus warm empfohlen worden. Wir haben es in 9 Fällen
angewandt, und zwar haben wir 5 mal täglich 2 g (in 20 pro*.
Lösung) subcutan einverleibt. Ein deutlicher Vorteil war nie¬
mals kenntlich. Die beiden geheilten Fälle haben zwar Magnesium
sulfuricum erhalten, wir hatten aber, wie gesagt, nicht den deut¬
lichen Eindruck einer intensiven Heilwirkung.
Als Symptomaticum, und vielleicht auch als Therapeuticura,
kann am ehesten noch das Chloralhydrat in einer Dosis von
10 g pro die empfohlen werden. Es tritt zwar kein ausge¬
sprochener Schlaf bei dieser Behandlung ein, wohl aber werden
die Patienten ruhiger, die schmerzhaften Krämpfe lassen nach,
der Allgemeinzustand bessert sich.
Die prophylaktische Wirkung des Tetannsantitoxins
(Dosis 20 A.-E.) erscheint nach unseren bisherigen Erfahrungen
sichergestellt. Immerhin wären aber weitere Untersuchungen
(Masseaimpfungen) auch auf diesem Gebiete noch erwünscht.
Der Milzbrand als Kriegsseuche. 1 )
Von
Paul Richter-Berlin.
Unter den SeucheD, welche unsere herrlichen Truppen bei
dem jetzigen Weltkrieg bedrohen, scheint der Milzbrand nicht die
nötige Beachtung zu finden. Kirchner hat ihn in seinem Vor¬
trag am 7. September überhaupt nicht erwähnt, nur v. Wasser¬
mann hat am 24. August auf die Möglichkeit des Auftretens von
Milzbrandkarbunkeln bei den in Russland kämpfenden Truppen
hingewiesen. Es scheint in Deutschland nur wenig bekannt zu
sein, dass der Milzbrand nicht nur eine örtliche, manchmal zu
Sepsis führende Erkrankung ist, sondern von vornherein als eine
pestartig auftretende allgemeine Infektionskrankheit auftreten
kann, und dass er in früheren Zeiten mehrfach als Kriegsseuche
aufgetreten ist und die kriegerischen Operationen mehrfach er¬
heblich beeinflusst hat.
Von solchen Milzbrandepidemien ist die bekannteste das im
II. Buch Mosis, Kap. 9, 10, geschilderte „Auffahren von bösen
schwarzen Blattern, beides am Menschen und am Vieh u bei den
Aegyptern, wodurch diese in der Verfolgung der Israeliten auf-
gehalten wurden. Der hier von Luther gebrauchte Ausdruck
„schwarze Blatter“ ist der früher statt des modernen Ausdruckes
„Milzbrandkarbunkel“ gebräuchliche, und die Diagnose Milzbrand
wird daher für diese Epidemie anerkannt, obgleich weitere Sym¬
ptome nicht angegeben sind. Es werden nun in historischen
Schriften eme ganze Reihe von Kriegsseuchen angeführt, bei
denen gar keine Krankheitserscheinungen angeführt werden,
welche sich aber von der orientalischen Pest, wie man heute
richtiger statt Beuleüpest sagt, dadurch unterscheiden, dass zuerst
Tiere und erst später Menschen ergriffen werden, und welche ich
deshalb als Milzbrandepidemien ansehen möchte. Mancher er¬
innert sich vielleicht noch der Verse aus Homer’s Ilias I, 50 — 52:
ouprjag pkv nptbrov irar/sTO xai xuväg aypoüg,
abzäp £7TS£T’ aÖTOiai fielbg i^s-euxsg ipietg
ßdXk'. ahi ök -upal >s/.6(ov xaiovxo ÜapsiaL
was Voss übersetzt:
Nur Maultiere erlegt er zuerst und hurtige Hunde
Doch nun gegen sie selbst das herbe Geschoss hin wendend
Traf er, und rastlos brannten die Totenfeuer in Menge.
Es handelt sich hier um eine Epidemie während der Be¬
lagerung Trojas, also um eine echte Kriegsseuche, und ebenso
beschreibt der römische Dichter L. Annaeus Seneca in seiner
Tragödie Oedipus eine unter der Regierung des Königs Laomedon
von Troas herrschende Kriegsseucbe, welche gleichfalls Menschen
und Tiere ergriff, und welche so beschrieben ist, dass die Zuge
des Milzbrandes nicht verkannt werden können. Er sagt unter
anderem: . , . , *•
180 0 dira novi facies leti,
gravior leto:
piger ignavos alligat artus
'languor et aegro rubor in vultu,
maeulaeque cutem sparsero leves
gehalten io d« Berliner
Medizin
am 6. November 1914.
185 tum vapor ipsam
corporis arcem flammeus unt
multoque genas sanguine tendit,
oculique rigeDt, resonant aures
stillatque niger naris aduncae
190 cruor et venas rumpit biantes;
intima creber viscera quassat
gemitus stridens, et sacer igois
pascitur artus jamque amplexu
frigida presso saxa fatigant; . . .
Aber er sowohl, als auch Ovid in seinen Metamorphosen,
Buch VII, Vers 523—660, scheinen als prosaische Unterlage ihrer
Dichtungen einen Schriftsteller benutzt zu haben, dessen Be¬
schreibung schon ein Meer von Tinte zu Erklärungsversuchen bat
verbrauchen lassen, ich meine Tbukydides mit seiner Be*
Schreibung der Pest in dem durch die Peloponnesier belagerten
Athen im Jahre 430 1 ). Kirchner hat diese Pest des Tbukydides
Pocken aufgefasst, eine Ansicht, welche nach der grund¬
legenden Schrift von Wilhelm Ebstein (Stuttgart 1899) als
endgültig aufgegeben angesehen werden muss. Nur der griechische
Augenarzt Sp. Ferentinos aus Patras hält die Diagnose Pocken
noch aufrecht, er gibt aber zu, dass es kein gewöhnliches Pocken-
bild ist, das uns in der Beschreibung des Tbukydides ent
gegentritt, sondern er kommt zu der gezwungenen Diagnose der
„Variola discreta (Varioles anomales)“. Dass die Pocken erst
im Mittelalter über Arabien nach Europa gekommen sind, das ist
heute fast allgemein anerkannt, und sie sind dabei als typische
Kriegsseuche aufgetreten, nach der arabischen Tradition im Jahre
der Geburt Mubammeds (570 nach Christus) zur Zeit des „Ele¬
fantenkrieges“, den der christlich-äthiopische Statthalter Abraha
gegen die eingeborenen Araber führte, um die Stadt Mekka seiner
Herrschaft und dem Christentum zu unterwerfen. Dabei worden
die Araber von einem zu Hilfe eilenden persischen Heere unter¬
stützt, und während diese wohl schon zum grössten Teile immunen
Heere durch die Pocken wenig zu leiden hatten, wurde Abrahas
Heer durch die Pocken so geschädigt, dass er mit seinen Truppen
nach Aethiopien zurückgehen musste. Die Pocken kommen also für
die Diagnose der Pest des Tbukydides nicht mehr in Betracht.
Gestützt auf die Tatsache, dass der Milzbrand eine sehr gefährliche
Tierseuche ist, und dass sie auch beim Menschen zu ausgedehnten
Epidemien geführt bat, wie das grosse Milzbrandwerk von Karl
Friedrich Heusinger 2 ) ergibt, habe ich diese Kriegsseuche für
Milzbrand erklärt. Ich habe diese Diagnose aber nicht zuerst
ausgesprochen, sondern dies bat schon Friedrich Jahn aus
Meiningen im „Janus“ von 1846, S. 375 getan. Die Diagnose
Milzbrand ist neuerdings ausser von Ferentinos noch von Her¬
mann Schröder in Düsseldorf, welcher sie für die orientalische
Pest erklärt batte, und von Friedrich Kanngiesser bestritten
worden. Dieser batte zuerst die Diagnose „mit Dysenterie kom¬
plizierter Petechialtyphus“ gestellt, aber schon in einem Nach¬
trag bei der Korrektur seiner ersten kurzen Mitteilung den Zweifel
ausgedrückt, ob die Krankheit nicht doch Milzbrand wäre, und
ist dann in mehreren ausführlichen Mitteilungen ^wieder zu seiner
„ersten Liebe“, dem Fleckfieber, zurückgekehrt. In einer aus¬
führlichen Monographie werde ich den Beweis zu führen ver¬
suchen, dass alle gegen die Diagnose Milzbrand gemachten Ein¬
wände hinfällig sind, nnd dass das Bild der von Tbukydides
geschilderten Seuche mit den in der Literatur der letzten Jahr¬
zehnte gegebenen Beschreibungen der Milzbrandseucbe fast restlos
übereinstimmt.
Die Seuche soll ihren Anfang in Aethiopien genommen, sich
dann in Aegypten und Persien ausgebreitet, auch in der Um¬
gebung von Lemoos und an anderen Orten gezeigt haben, bis me
im Beginn des Sommers 430, als die Peloponnesier und ihre
Bundesgenossen in Attika eingefallen waren, im Piräus, der Hafen¬
stadt von Athen, ausbrach. Die Krankheit trat ohne jede or-
boten auf mit Hitze des Kopfes, Rötung und Entzündung w
Augen, blutartiger Verfärbung des Rachens und der Zunge.
Atem war übelriechend, dann trat Niesen und Heiser e * ’
ferner starker Husten und quälendes Erbrechen galliger
mit krampfartigem Schlucken. Die Haut war weder 86 .
noch blass, sondern mässig gerötet, blauschwarz und mit
Ausschlag von kleinen Wasser- und Eiterblasen ^
aber brannte der Körper so, dass die Kranken bitten,
decken Hessen und sich am liebsten ins Wasser E e ta ts5cb-
was viele, welche nicht die nötige Wartung batten,
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Original fram
UNIVERSITY OF IOWA
7. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1886
lieb vollführten, da sie von unerträglichem Durste gequält wurden.
Aber trotz Unruhe und Schlaflosigkeit magerten die Kranken nicht
ab, sondern widerstanden den Qualen, bis die meisten am 9. oder
7. Tage durch die innerliche Hitze, ohne entkräftet zu sein, zu¬
grunde gingen. Wenn sie aber durchkamen, dann stieg die Krank¬
heit in den Unterleib hinab und verursachte dort heftige Koliken
und unstillbare Diarrhöe, so dass viele Kranke durch Entkräftung
starben. Schliesslich wurden auch die Endglieder ergriffen: die
Krankheit befiel die Scbamteile, die Finger- und Zehenspitzen,
welche abfielen, manche erlitten den Verlust der Augen. Andere
aber zeigten, nachdem sie wieder genesen waren, einen vollstän¬
digen Verlust des Gedächtnisses, so dass sie weder sieb selbst,
noch ihre Angehörigen kannten. Auch Vögel und vierfüssige
Tiere wie Hunde wurden von der Krankheit ergriffen. Ein
Heilmittel, das allen geholfen hätte, gab es nicht, was dem einen
half, das schadete dem anderen. Starke wurden ebenso wie
Schwache von der Krankheit fortgerafft, auch solche, welche eine
richtige Lebensweise führten. Die allgemeine Mutlosigkeit und Aus¬
sichtslosigkeit des Kampfes gegen die Krankheit führte dann zur voll¬
ständigen Vernachlässigung aller sittlichen Pflichten. Man liess die
Erkrankten ohnePflege liegen;denn wenn man sich um sie kümmerte,
dann wurde man von der Krankheit ergriffen. Nur die von der Krank¬
heit Genesenen pflegten die Erkrankten ohne Gefahr, da man die
Beobachtung gemacht hatte, dass die Krankheit denselben
Menschen nicht zum zweiten Male befiel, so dass sie ihn auch
nicht töten konnte. Das Zusammenströmen der von den ein¬
gedrungenen Feinden vertriebenen Landleute in die Stadt, wo sie
keine Wohnung fanden, sondern in stickigen Hütten wohnten,
vermehrte die Zahl der Toten, die ohne Ordnung auf den Wegen
und an den Brunnen, wo sie ihren Durst zu löschen versucht
hatten, sowie in den Tempeln, wo sie Obdach gefunden hatten,
herumlagen. Leider gibt Thukydides keine vollständigen Zahlen
über die Einwohner Athens und die Todesfälle an der Seuche.
Nach der Beschreibung muss die Mortalität in der belagerten
Stadt eine riesige gewesen sein. Nur zweimal finden sich Zahl¬
angaben. Wohl um die Belagerer abzulenken, machten die
Athener mit ihrer Flotte einen Einfall auf die Halbinsel Chalki-
dike und belagerten dort die Stadt Potidäa. Da aber unter der
Geharnischten der Flotte die Seuche ebenfalls ausbrach und von
4000 innerhalb 14 Tagen 1050 Mann tötete, so mussten die
Athener ihre Truppen von Chalkidike zurückziehen. Unter den
Belagerern als über 25 pOt. Todesfälle, wieviel schlimmer muss
dies unter den Belagerten gewesen sein (1. c., II, 67 u. 58). Die
«weite Zahlenangabe bezieht sich auf einen späteren Wiederaus¬
bruch der Pest. Während die erste Epidemie 2 Jahre angehalten
and auch dann nie völlig aufgehört hatte, brach sie im Spät¬
herbst 427 zum zweiten Male in Athen ans und dauerte jetzt
1 Jahr, und es starben diesmal 4400 Schwerbewaffnete und
300 Heiter, von dem übrigen Volk aber eine nicht mit Bestimmt¬
heit festznstellende Zahl, welche von Böckh in seiner Staats-
haushaltung der Athener auf 18 bzw. 25 pCt. bei einer Einwohner¬
zahl von 360 000 Menschen geschätzt wurde (1. c., III, 87).
Ich übergehe die Schilderung, welche Diodor in seiner
Bibliotheca historica (lib. XII, cap. 58) und T. Lucretius Carus
in seinem Lehrgedicht „Ueber die Natur der Dinge“ (lib. VI,
vers. 1146—1229) nach Thukydides von der Pest im belagerten
Athen geben. Wenn man diese Beschreibung mit dem vergleicht,
was in den schon nicht mehr ganz modernen Werken über den
Milzbrand von Wilhelm Koch aus dem Jahre 1886 1 ) und
F. v. Koränyi aus dem Jahre 1897 2 ) enthalten ist, und beachtet,
wie viel schlimmer die hygienischen Verhältnisse in dem be¬
lagerten Athen waren, als heute selbst in unkultivierten Ländern,
in denen jeder Milzbrandkarbnnkel sofort behandelt und milz-
braodk ranke Tiere unschädlich gemacht werden, dann wird man
begreifen, dass das heute nicht mehr beobachtete Absterben der
Schamteile and der Finger- and Zehenspitzen, das durch Brand¬
formen des sogenannten Milzbranderysipels pathologisch ohne
Schwierigkeiten erklärt werden können, und der Verlust des
Gedächtnisses, welcher durch mehrfach beobachtete Erweichungs-
nerde im Kleinhirn erklärt wird, Thukydides besonders anf-
flel. Der Verlust der Augen ist durch Karbunkelbildung an den
Augenlidern ohne weiteres erklärt. Wie dürfen also wohl
die von Thukydides beschriebene, im belagerten Athen aus-
brochene Kriegsseuche, welche aber unter den Belagerern nicht
herrschte, als Milzbrand ansehen.
1) Deutsche Chirurgie von Billroth und Lücke, Lieferung 9.
*) Nothnagel’s Handbuch, Bd. 5, Teil 5, Abt. 1.
Auch bei der von Diodor geschilderten Seuche im Lager
der Karthager vor Syrakus im Jahre 896 v. Cbr. 1 ) nehme ich an,
dass es sich um Milzbrand gebandelt hat. Wie bei der Pest des
Thukydides trat in einem sehr heissen Sommer nach der Ein¬
nahme einer Vorstadt von Syrakus durch die Kartbager unter
diesen in einem engen Raume dicht Zusammengedrängten eine
Krankheit auf, die mit brennender Hitze und einem Katarrh be¬
gann, zu Schwellungen am Halse, Rückenschmerzen und heftigen
Durchfällen führte und bei der ein Ausschlag von kleinen Bläs¬
chen über den ganzen Körper ausgebreitet vorhanden war. Da¬
zu kamen Aufregungsznstände und Verlust des Gedächtnisses.
Der Tod erfolgte am fünften, höchstens sechsten Tage unter grossen
Qaalen. 160 000 Karthager fielen der Seuche zum Opfer. Wenn
auch in dieser Beschreibung eine gewisse Aehnlicbkeit mit den
Pocken za finden ist, so glaube ich doch, dass auch bei dieser
Kriegsepidemie nicht Pocken, sondern wie bei der Pest der
Athener Milzbrand vorliegt. Nun wird hier allerdings nichts von
Erkrankungen der Tiere mitgeteilt, aber die Möglichkeit, dass
man bei dem riesigen Menschen vertust das Fallen der Tiere als
etwas selbstverständliches und deshalb gar nicht erst erwähnens¬
wertes betrachtete, liegt jedenfalls vor. Ganz eigentümlich sind
nun die zahlreichen, bei verschiedenen griechischen und römischen
Historikern erwähnten Epidemien, bei denen es sich um typische
Epizootien, d. h. um von Tieren auf die Menschen übertragene
Epidemien handelt, welche öfter die kriegerische Tätigkeit erheb¬
lich gestört haben, bei denen aber keinerlei Erscheinungen ansser
den grossen Verlusten mitgeteilt werden, und die ich deshalb als
Milzbrandepidemien ansehen möchte, weil bei keiner anderen
Seuche die Tiere so erheblich mitgenommen werden wie beim
Milzbrand. Ich nenne hier, ohne auf Vollständigkeit Anspruch
zu erheben, eine im Jahre 753 in Rom herrschende Seuche bei
Tieren und Menschen 2 ), welche die Kamenier, einen in der Um¬
gebung der nen gegründeten Stadt wohnenden altitalischen Stamm •
veranlasste, die Römer anzugreifen, da sie glaubten, dass diese
durch die Seuche in ihrer Verteidigungskraft sehr geschwächt
wären, aber Romulus schlug den Angriff zurück und tötete 6000
von ihnen 8 ). Es folgt dann eine im Jahre 488 in Rom herr¬
schende Tierseuche, bei welcher allerdings wenige Menschen er¬
lagen, die aber durch den Verlust der Zugtiere die kriegerischen
Operationen hemmte 4 ); dann im Jahre 463 eine grosse Tier- und
Menschenseuche, deren Schrecken durch die unhygienischen Ver¬
hältnisse der in der belagerten Stadt zusammengedrängten Stadt-
und Landbevölkerung und durch die grosse Hitze vermehrt wurde 8 ),
eine weitere im Jahre 454, bei welcher die Sterblichkeit unter
Menschen und Tieren eine ausserordentlich grosse war 8 ), ferner
im Jahre 434 7 ) und 428 8 ), im Jahre 899, wo ausser dem durch
die Seuche erzeugten Tier- und Menscbenverlost ein angewöhnlich
strenger Winter herrschte, in welchem die Wege durch den
Schnee unwegsam wurden und der Tiber zufror, so dass man die
Feindseligkeiten einstellen musste und Freund und Feind, Be¬
kannte und Fremde in den offen stehenden Häusern Zuflucht
suchten und fanden, um nur das liebe Leben zu erhalten 9 ). Es
folgt dann die Seuche im Lager der Karthager vor dem von
ihnen belagerten Syrakus, das von den Römern unter Marcellus
verteidigt wurde im Jahre 212, bei welcher von Livins (XXV,
26, 7) nur von Menschenverlusten die Rede ist, während Sil ins
Italicus 10 ) auch Tierverluste erwähnt und gleichzeitig Krank¬
heitserscheinungen beschreibt, die aber deutlich zeigen, dass
Lukretias ihnen als Vorlage gedient hat. Besonders wichtig
ist dann eine 174 in Rom herrschende Seuche, welche im Vorjahre
als Tierseuche aufgetreten war, bei welcher die meisten Erkrankten
den 7. Tag nicht überlebten und die Zahl der Gestorbenen so
gross war, dass sehr viele unbeerdigt bernmlagen und von Vögeln
und Hunden angefressen wurden [Livins, XLI, 21, 5] 11 ).
.1) Historische Bibliothek, Buch XIV, Kap. 70—76.
2) Dionysius von Harlikarnassus, Antiquitates Romanorum,
Buch II, Kap. 54, 1.
3) Plutarch, Vita Romuli, Kap. 24.
4) Dionysius, 1. c. VII, 68, 2.
5) Dionysius, IX, 67, und Livius, Ab urbe condita lib., III, 6.
6) Dionysius, X, 53, Livius, III, 32, 2.
7) Livius, IV, 25, 4.
8) Livius, IV, 30, 8.
9) Livius, V, 13, 4.
10) Punica, XIV, 580-626.
11) Ich kann diese kleine Mitteilung nicht zum Druck gehen lassen,
ohne die „Recherches de pathologie compar^e“ von '„Charles Fr6d6ric
Heusinger 0 (Cassel 1847) zu erwähnen, welche mir die Sammlung der
Literatur wesentlich erleichtert haben.
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Gck igle
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
Wir kommen dann aber in eine Zeit, wo das gleichzeitige
Auftreten von Heuschreckenschwärmen und die fehlende Erwähnung
der Tierseuchen die Diagnose echte orientalische Beulenpest für
die Kriegsseuchen immer mehr wahrscheinlich macht. Vielleicht
hatte doch die fortschreitende Erkenntnis der Gefahr der Tier¬
seuchen manche Kriegsgelüste unterdrückt, auch wenn man sich
über die wirkliche Ursache dieser Erkrankungen erst am Ende
des 19. Jahrhunderts klar geworden ist.
Aus dein Institut für medizinische Forschung von
Dr. L. H. Marks in Frankfurt a. M.
Chemotherapeutische Versuche bei Vogel¬
malaria.
Von
Dr. L. fi. Marks.
Die folgenden Versuche sind unter der Anregung von Exz.
Ehrlich in dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie vor
etwa 6 Jahren aufgefangen worden und sowohl in dem oben er¬
wähnten Institut als auch in meinem Laboratorium fortgeführt
worden. Die Arbeiten mussten aus technischen Gründen öfters
unterbrochen werden, da es nicht immer möglich war, die er¬
forderliche Menge von Vögeln in allen Jahreszeiten aufzutreiben.
Besonders hervorheben möchte ich, dass die Versuche in mancher
Hinsicht nur unvollständig sind und daher lediglich als Vor¬
arbeiten auf dem Gebiete der Chemotherapie der Malaria aufzu¬
fassen sind.
Es ist ja bekannt, dass der Mechanismus der Cbininwirkung
noch nicht hinreichend geklärt ist, eine Frage, über die sich
v. Wasielewski 1 ) in seiner Monographie folgendermaassen
äussert: „Man ist bei der Chininbehandlung der tertianen Fieber
im Unklaren darüber, ob die Chinin-Präparate selbst oder, was
wahrscheinlicher ist, ob und welche Umwandlungsprodukte der¬
selben im Körper dieses bewirken oder, ob das Chinin nur als
Reizmittel die natürlichen Schutzmittel des Körpers steigert.“
Es ist ausserdem aus klinischen Beobachtnngen hinreichend
bekannt, dass das Chinin nur eine geringe Wirkung auf die
schweren Formen der Malaria besitzt und sich sogar häufig ter-
tiane Infektionen finden, die sich dem Chinin gegenüber als
resistent erwiesen. Aus der Tatsache jedoch, dass in den letzten
Jahren eine Reihe von Untersuchungen der Therapie der Malaria
gewidmet waren, erhellt zur Genüge, wie wichtig und notwendig
die Bestrebungen znr Auffindung eines spezifisch auf das Plas¬
modium selbst wirkenden Mittels sind.
Erst kürzlich hat Bass 2 ) auf Grund seiner umfangreichen
Erfahrungen mit Malaria und der Cultivierung des menschlichen
Plasmodiums die Vermutung geäussert, dass das Chinin überhaupt
keine direkte Wirkung auf das Plasmodium hat, sondern dass es
die Permeabilität der roten Blutkörperchen steigert, wodurch die
in den Blutkörperchen enthaltenen Parasiten der Wirkung der
natürlichen Scbutzkräfte des Serams und der der Leukocyten
leichter zugänglich würden. Dass die plasmodiumbaltigen Blut¬
körperchen durch das Chinin tatsächlich beeinflusst werden, geht
aus den Arbeiten von Monaco und Panichi 3 ) sowie von An¬
schütz 4 5 ) hervor. So haben die erstgenannten Autoren bei ihren
Untersuchungen als Maassstab für die Wirkung des Chinins das
veränderte Aussehen und den Austritt bzw. die Loslösung der
Parasiten vom Erythrocyten ansehen zu können geglaubt
Für die direkte Wirkung deB Chinins auf die roten Blut¬
körperchen sprechen ferner die Angaben von Anschütz, nach
denen in einem hängenden Tropfen Chininlösung die parasiten¬
haltigen Blutkörperchen ihr Hämoglobin schneller abgeben wie
die normalen Blutkörperchen und daher zu Boden sinken würden.
Wenn das menschliche Plasmodium nicht weniger empfäng¬
lich für den direkten Einfluss von Chinin ist als das Vogel¬
plasmodium, dann steht die Vermutnng von Bass mit den mit
Vogelplasmodium angesteliten Untersuchungen von Wasielewsky,
Anschütz, Kopanaris*) und auch mit unseren eigenen Unter¬
suchungen im Einklang. Die drei erstgenannten Autoren kamen
1) v. Wasielewski, Pathogene Protozoen. Leipzig 1908, A. Barth.
2) C. Bass, Am. journ. trop. diseas. and prevent. medic. Feb. 1914.
3) Monaco und Panichi, cit. bei v. Wasilewski, S. 132
4) 0. Anschütz, Cbl. f. Bakt., Orig., 1910, Bd. 54, S. 277
5) Kopanaris, Arch. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg., 1911, Bd. 15 S 586
alle zu dem Ergebnis, dass eine relativ stark konzentrierte Lösung
von Chinin bei direktem Kontakt mit dem Plasmodium in vitro
erforderlich ist, um die Parasiten zu zerstören oder wenigstens
ihre Infektiosität aufzuheben. Wir haben gefunden, dass eine
Lösung von 1 zu 2400 bei einstündigem Aufenthalt im Brut¬
schrank nicht imstande war, das Plasmodium zu zerstören, sondern
nur eine geringe Verzögerung der Infektion nm ca. 24 Stunden
verursachte. Dagegen war eine Lösung von 1 zu 1200 unter den
gleichen Bedingungen imstande, sämtliche Parasiten innerhalb
einer Stunde abzutöten oder ihnen wenigstens ihre Infektiosität
zu nehmen. Wenn daher das Chinin ausschliesslich und direkt
auf das Plasmodium selbst wirkt, so müsste man notwendigerweise
eine relativ starke Konzentration des Chinins im Körper als Vor¬
bedingung der Wirksamkeit annehmen. Diese Vorstellung ist aber
nicht angängig, da ja die dem Körper zuführbaren Mengen Chinin
begrenzt sind und insbesondere die im Blut za erzielende Kon¬
zentration nicht im entferntesten an die im Reagenzglasversuch
als notwendig ermittelte Dosis heranreicht.
Bei der Divergenz, die zwischen der Wirksamkeit des Chinins
in vitro und in vivo besteht, ist besonders die Annahme zu dis¬
kutieren, dass das Chinin im Körper zu chemischen Verbin¬
dungen umgewandelt wird, die auf das Plasmodium stärker ein¬
wirken als das Chinin selbst. Analoga für diese Auffassung
kennen wir namentlich aus einer Reihe chemotherapeutischer
Entdeckungen, die wir dem Scharfblick Paul Ehrlich’s ver¬
danken. Es sei hier nur daran erinnert, dass z. B. Trypanrot nnd
Atoxyl sich zwar im Reagenzglasversuch als unwirksam erwiesen,
im Tierversuch jedoch ausgezeichnet trypanosomenabtötend wirken.
Folgt man jedoch der von Bass entwickelten Anschauung,
so muss man als Ursache bei den Chinin gegenüber resistenten
Tertianaformen annehmen, dass entweder die natürlichen Schatz¬
kräfte des Körpers fehlen oder nicht in genügender Menge pro¬
duziert werden, oder dass zeitweise die roten Blutkörperchen des
betr. Organismus dem Chinin gegenüber eine gewisse Resistenz
besitzen, so dass das Chinin nicht wie bei normalen Blutkörper¬
chen im Sinne einer Steigerung der Permealität wirken kann.
Folgt man der ersteren Anschauung, so liegt der Gedanke nahe,
bei den Chinin gegenüber resistenten Malariaformen entweder die
Chinintherapie mit einer Behandlung mit Malariarekonvaleszent-
seram za kombiniereu oder statt dessen den Körper zur Produktion
natürlicher Abwehrstoffe durch aktive Immunisierung mit einer
Plasmodiumvaccine anzuregen. Versuche über diese Frage sind
im Gang.
Gegen die Anschauung von Bass von der direkten Abtötnng
der Parasiten durch Serumstoffe scheint jedoch die Tatsache in
sprechen, dass unseren Erfahrungen nach das Plasmodium meist
auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen sich befindet, Beob¬
achtungen, die den Befunden von Rowiey-Lawson 1 ) entsprechen.
Die Plasmodinen würden also demnach der Beeinflussung durch im
Serum enthaltene Schutzstoffe jederzeit leicht und sicher zugäng¬
lich sein. Man kann also im Sinne der von Bass entwickelten
Anschauung den Serumstoffen keinen besonderen Einfluss auf die
Parasiten zuschreiben, sondern muss vielmehr annebmen, dass
phagocytären Vorgängen bei der Vernichtung des Plasmodiums
eine grössere Bedeutung zukommt.
Bei den Untersuchungen, über die ich mir im Folgenden zu
berichten erlaube, handelt es sich zunächst um die Beeinflussung
der Plasmodien durch Chemikalien.
Bei den Untersuchungen waren die Prinzipien maassgebend,
die von Ehrlich für chemotherapeutische Arbeiten entwickelt
worden sind. Vor dem Beginn der eigentlichen Heil- und Schutz-
versuche wurde bei jedem Präparat die Dosis tolerata festgestellt.
Natürlicherweise bot die Durchführung experimenteller Versuche
mit Kanarienvögeln in so grossem Umfang, wie es hier geschah,
grosse Schwierigkeiten. Denn die Kanarienvögel erwiesen sieb
gegenüber einer Reibe äusserer Schädlichkeiten, wie z. B. Ein¬
spritzungen, Blutentnahme, Temperaturwechsel, Zugluft als änsserst
empfindlich. Ausserdem kommen, wie schon Wasielewski er¬
wähnt hat, bei Kanarienvögeln ziemlich häufig Seuchen ver¬
schiedener Art vor, die sich unter den Tieren schnell verbreiten
und viele Opfer fordern. Um derartigen Vorkommnissen möglichst
vorzubeugen, haben wir jeden Vogel in einem besonderen Käfig
gehalten und zwischen den einzelnen Käfigen einen gewissen
Zwischenraum gelassen.
Ausserdem haben sich die von uns benutzten Käfige als be-
Vol. XtX, 0 * le) "" LairSOn ’ Journ ' ei P- m «d., 1913, Vol. XVII; 1914,
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UNIVERSUM OF IOWA
7. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1887
sonders gut geeignet erwiesen, da sie vollkommen aus Metall
bestehen und sich daher bequem sterilisieren lassen.
Zu unseren Versuchen diente ein Plasmodium-Stamm, der
uns von Herrn Prof, von Wasielewski in Heidelberg in liebens¬
würdiger Weise überlassen worden war, wofür ihm auch an dieser
Stelle unser verbindlichster Dank ausgesprochen sei.
Bei der Infektion der Vögel nach dem von v. Wasielewski
empfohlenen Modus zeigten sich die ersten Parasiten nach 8 Tagen
im Blut. Da uns dieses Intervall zu lang erschien, versuchten
wir zunächst durch eine Aenderung des Infektionsmodus die Zeit
bis zum Erscheinen der Parasiten im Blut abzukürzen. Wir ver¬
fuhren deshalb derart, dass wir zur Infektion der Vögel grössere
Mengen stark parasitenhaltigen Blutes verwendeten. Zur Gerinnung
des Blutes bevorzugten wir folgende Technik, die sich uns als
gehr geeignet erwies:
Ein auf der Höhe der Infektion befindlicher Vogel, dessen Blut¬
körperchen in etwa 30 pCt. Parasiten beherbergten, wird mit der linken
Hand derart gefasst, dass sein Rücken in der hohlen Hand liegt und
sein Kopf zwischen Daumen und Zeigefinger festgehalten und leicht nach
rückwärts gebeugt wird. Dann werden die Federn des oberen Brustkorbs
und der vorderen Halspartie so schnell und vorsichtig wie möglich aus¬
gerupft, die jetzt freiliegende Haut mit Alkohol abgerieben und hierauf
mit steriler Watte abgetrocknet. Durch die dünne Haut sieht man
nunmehr eine Arterie und eine Vene durchsoheinen, die maD, ohne die
Traohea und den Oesophagus zu verletzen, mit einem Scherenschlag
dnrchsohneidet. Das austretende Blut wird in einer 2 ccm sterile
physiologische Kochsalzlösung enthaltenden sterilen Petrischale aufge-
fangen, und um Gerinnung zu vermeiden, durch öfteres Aufziehen mit
einer Spritze gut durchgemischt. Von jedem Vogel erhält man auf diese
Weise etwa Va com Blut, das durch das Mischen mit der Kochsalzlösung
etwa 5 fach verdünnt wird. Von dieser Mischung wurden jedem Vogel
0,5 oom intramuskulär injiziert.
Nach mehrmaligen Passagen gelaDg es auf diese Weise, die
Infektiosität der Parasiten derart zn steigern, dass schon am
zweiten oder dritten Tag sich in einem Ausstrichpräparat mehrere
Parasiten fanden, während am vierten Tage schon vier oder noch
mehr Parasiten sich in jedem Gesichtsfeld nach weisen Hessen.
Die meisten Vögel erlagen der Infektion mit dem derart in seiner
Wirkung gesteigerten Stamm in 8—10 Tagen. Dieser Infektions-
modns mit dem stark infizierten Blut diente jedoch nur dazu, den
Stamm fortzuzüchten und auf der Höhe seiner Infektiosität zu
halten.
Bei den eigentlichen Versuchen wurde das Blut nur in etwa
16 facber Verdünnung injiziert. Bei der dadurch bedingten
schwächeren Infektion Hess sich erst am 8. Tage bei der Unter¬
suchung im Ausstrichpräparat in etwa jedem 6. Gesichtsfeld ein
Parasit nachweisen, am 4. Tag fanden sich schon etwa 1—2 Para¬
siten in jedem Gesichtsfeld. Selbst an dieser relativ schwachen
Infektion sind jedoch viele unserer Vögel unter dem Blutbild
einer schweren Infektion ad exitum gekommen. Besonders hervor¬
heben möchte ich an dieser Stelle, dass trotz des von uns be¬
nutzten grossen Versuchsmaterials von Kanarienweibchen in keinem
Fall eine natürliche Immunität eines Vogels zu beobachten war.
Wir haben zur Untersuchung der Parasiten und zur Kontrolle des
Blutbildes im Anfang sowohl native Deckglaspräparate wie auch nach
Giemsa gefärbte Ausstriche angewandt, sind aber später ausschliesslich
zur Benutzung von nach Giemsa gefärbten Ausstrichpräparaten über¬
gegangen, da mit dieser Methode nach unseren Erfahrungen vereinzelte
Parasiten leichter auffindbar sind, als in nativen, ungefärbten Deckglas¬
präparaten.
Man erhält sehr schön gefärbte Ausstrichpräparate, wenn
man der verdünnten Giemsalösung einige Tropfen einer Lösung
von Kaliumcarbonat in destilliertem Wasser (1: 1000) zufügt.
Die Injektion der zu untersuchenden Substanzen erfolgte
analog derjenigen des zur Infektion dienenden Bluts immer in
die Brustmnskulatur und zwar derart, dass das infizierende Blut
in die linke Seite, die Heilsubstanzen in die rechte Seite injiziert
wurden.
Dabei wurden die Federn der zu injizierenden .Seite mit Alkohol
getränkt und beiseite geschoben. Auf diese Weise erhielt man ein leicht
zu übersehendes iDjektionsfeld. Mit einer gewissen Uebung liess sich die
Injektion nun derart vornehmen, dass beim Herausziehen der Spritze
kein Tropfen der injizierten Flüssigkeit herausquillt. Zu diesem Zweck
ist es ratsam, die Haut über der Injektionsstelle nach der anderen Seite
hinüberzuziehen und sie nach erfolgter Injektion beim Herausziehen der
Kanüle wieder loszulasseu, wodurch ein Verschluss des Injektionskanals
resultiert. Die Injektion wird am besten in der Mitte der Brustmuskulatur
der gewählten Seite vorgenommen und muss ziemlich tief in die Mus¬
kulatur hiueiu erfolgen. Mehr wie V* com au ^ einmal in eine Brustseite
zu injizieren ist nicht ratsam, da grössere Quantitäten erfahrungsgemäss
von den Vögeln sohlecht ertragen werden.
Anfangs gingen wir bei unseren Versuchen so vor, dass wir
erst nach Erscheinen der Parasiten im Blut die zu prüfenden
Substanzen intramuskulär injizierten. Da bei diesem Modus der
Applikation keine unserer Substanzen sich deutlich wirksam er¬
wies, änderten wir die Versuchsanordnung dahin, dass wir ent¬
weder gleichzeitig mit der Infektion oder einen Tag später mit
der Therapie begannen und bei einer Reihe von Versuchen die
Injektionen täglich wiederholten, bis uns die im Blute auftretenden
Parasiten zeigten, dass die geprüften Substanzen keine Schutz¬
oder Heilwirkung besassen.
Natürlich begannen wir unsere Versuche mit dem Chinin.
Doch zeigte sich dabei im Gegensatz zu den Angaben von
Kopanares schon bald, dass das Chinin auf die Parasiten der
Vogelmalaria -ohne besonderen Einfluss ist, wie dies ja auch schon
aus den Versuchen und Angaben von Anschütz eigentlich hervor
geht. Selbst bei täglicher Injektion der maximalen Dosis Chinin
(0,5 g in Lösung von 1:200 pro 20 g Vogel) traten sowohl im
Schutz- wie im Heilversuch gleichzeitig mit der Kontrolle die
Parasiten im Blut auf, und die Infektion nahm ihren gewöhnlichen
Verlauf. Dasselbe gilt für Methylenblau.
Trotzdem wir eine ganze Reihe verschiedenartiger Mittel auf
ihren Schutz- und Heileffekt untersacht haben, konnten wir doch
keine in irgendwie nennenswerter Weise wirksame Substanzen
auffinden. Unter anderen wurden folgende Sabotagen besonders
eingehend geprüft: Thymol, Arsenophenylglycin, Salvarsan,
Trypanblau, Trypanrot, Tryparosan, Chinolingelb, Crysoidin, Neu¬
tralrot, Benzamin, Acridin, Isaninblau, Phenosafranin, Cyanosin,
Eosin G. G. B., Phenocoll. hydrochlor., Oxazin III, Brechwein¬
stein, Thiopyronin, Platin, kalium rodatom, Hydrochinin, hydro-
chloricum, Atoxyl, arsenigsaures Natrium.
Erst in der letzten Zeit gelang es uns, mit gewissen Tri-
phenyImethanfarbstoffen, wie z. B. Brillantgrün und Malachitgrün
eine, wenn auch nicht sehr ausgesprochene Wirkung zu erzielen.
So vermochte das Brillantgrün, wenn es gleichzeitig mit der in¬
fizierenden Dosis injiziert wurde, die Infektion im Verhältnis zu
der Kontrolle um 4—6 Tage zu verzögern. Dabei wurde selbst¬
verständlich, wie schon in der Einleitung auseinandergesetzt, das
infizierende Blut in die rechte Seite der Brustmoskulatur, das
Brillantgrün in die linke Seite injiziert. Wiederholt man die
Injektion des Brillantgrans am Tage nach der Infektion, so ist
die Schutzwirkung noch deutlicher ausgesprochen, und es scheint
sogar, als ob auf diese Weise bei einer Reihe von Fällen das
Angehen der Infektion überhaupt sich verhüten lässt. Ueber
diese Versuche, die noch nicht abgeschlossen sind, werden wir
uns demnächst zu berichten erlauben.
Die geringgradige Wirknng von Mitteln, wie Chinin und
Methylenblau, die beim Menschen bekanntlich so gut wirken und
sogar auch bei Vögeln bei oraler Applikation, wie später gezeigt
wird, von einem gewissen Effekt sind, könnte unseres Erachtens
Dach darauf beruhen, dass die betreffenden Mittel bei intra-
muskulöser Applikation zu rasch resorbiert und infolgedessen zu
rasch ausgeschieden werden. Man kann nämlich beobachten,
dass fast sofort nach der Methylenblauinjektion der Schnabel der
Vögel und die Exkrete bläulich gefärbt, sind und es erscheint uns
von besonderem Interesse, dass, wenn die Vögel nach der In¬
jektion einer etwas die Maximaldosis überschreitenden Methylen¬
blauinjektion sofort erbrechen, der erbrochene Mageninhalt schon
blau gefärbt ist. Doch hält die Blaufärbung nicht sehr lange
an; schon nach einigen Stunden zeigte sowohl der Schnabel wie
auch die Exkremente wieder ihre natürliche Farbe.
Ausgehend von der Annahme, dass gerade diese allzuschnelle
Resorption einer nachhaltigen Wirkung im Wege stehen könnte,
sind wir bei den weiteren Versuchen dazu übergegaugen, die zu
untersuchenden Substanzen teils in öliger Suspension, teils als
fettsaure Salze zu injizieren, ohne dass jedoch ein besonderer
Erfolg zu erzielen war.
Da, wie sich aus diesen Versuchen ergab, die benutzten
Substanzen bei intramuskulärer Applikation zunächst ohne nennens¬
werten Einfluss auf den Verlauf der Infektion waren, gingen wir
zu einer anderen Applikationsart über und versuchten zunächst,
die von uns 1 ) für Mäuse angegebene Methode der intrastomachalen
Einfuhr von Arzneimitteln durch die Magensonderfütterung auch
bei den Vögeln anzuwenden. Doch erwies sich dieser Weg als
nicht gangbar, da es einmal nicht immer gelang, mit der Sonde
1) L. H. Marks,
H. 4, S. 29.
Arbeit, aus dem Inst. f. exper. Therapie, 1908,
2 *
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSITY OF IOWA
1888
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
ia den Magen selbst za gelangen und andererseits die Vögel selbst
auf den Eingriff oft mit Erbrechen reagierten.
Wir zogen daher bei anseren weiteren Versuchen die von
Ehrlich mit so grossem Erfolg benutzte Methode der Verfutte
rang des Heilsmittels heran und applizierten die gewünschten
Substanzen prozeDtweise in einer Mischung, die wir folgender-
maassen bereiteten: 30 g Vogelbisquit, 80 g zerquetschte Rüb-
samen, 30 g Hafergrütze and 10 g Staubzucker wurden gemischt
und mit der gewählten und in Alkohol gelösten oder suspendierten
Substanz getränkt. Hierauf wurde die Mischung in der Sonne
getrocknet und dann verfüttert. Von den eigentlichen Schutz-
versüchen wurde natürlich immer die Toleranzdose der betreffenden
Sabotagen durch Verfüttern der mit der Substanz imprägnierten
Nährmischung bestimmt. Während die Vögel die Mischung allein
im allgemeinen gerne frassen, Hessen sie die mit dem Farbstoff
versetzte Mischung entweder ganz unberührt, so dass eine Reihe
von Tieren verhungerte, oder sie frassen davon erst nach längerem
Hungern. Wir waren daher gezwungen, mit der Verbitterung der
Farbstoff-Näbrgemische schon 2 Tage vor der Infektion zu be¬
ginnen, um auf diese Weise die Tiere, die nicht fressen wollten,
von den Versuchen ausschalten zu können. Die Fütterung führten
wir 6—8 Tage nach der Infektion weiter.
Bei dieser Fütterungsmethode zeigte es sich nun, dass von
den überhaupt wirksamen Substanzen die Triphenylmethanfarb-
stoffe, wie das Brillantgrün und das Kristallviolett den geringsten
Einfluss auf die Infektion aufwiesen. Sie waren nämlich nur im¬
stande, das Angeben der Infektion gegenüber den Konfrontieren
um etwa 11 Tage binauszuschieben. Dagegen haben wir mit
Methylenblau bei der beschriebenen Art der Anwendung im Schutz¬
versuch in etwa 50 pCt. das Angehen der Infektion überhaupt
verhüten können. Da andererseits das Chinin bei gleicher Art
der Applikation nur imstande war, die Infektion um 17—32 Tage
zu verzögern, so hat sich also das Methylenblau dem Chinin
gegenüber als überlegen erwiesen.
Ungefähr von gleicher Wirksamkeit wie das Chinin erwies
sich das Hydrochininum hydrochloricum und das Cupreinnm sul-
furicum. Das letztere schien eher etwas stärker auf die Parasiten
zu wirken wie das Hydrochinin.
Das Neumethylenblau war von ungefähr gleich starker Wir¬
kung wie das Chinin, aber von schwächerer Wirkung als das
gewöhnliche Methylenblau.
Ausser den Schutz- und Heilversuchen haben wir auch Unter-
SQchangen über die Beeinflussung der Parasiten in vitro durch
chemische Substanzen, und zwar hauptsächlich durch Farbstoffe
verschiedener Klassen angestellt. Die Versuche wurden derart
vorgenommen, dass Aufschwemmungen des parasitenhaltigen Blutes
mit den za untersuchenden Mitteln eine Stunde im Brutschrank
(bei 37°) digeriert and sodann mit den Gemischen Vögeln in¬
jiziert wurden. Anfangs fielen die Versuche sehr unregelmässig
aus, bis wir als Ursache dafür fanden, das durch das Lösen der
zu prüfenden Substanzen in destilliertem Wasser beim Mischen
mit dem parasitenhaltigen Blut hypotonische Lösungen resultierten,
was die Plasmodien ebenso wie ein geringer Säuregehalt der Lö¬
sung stark schädigte. So genügte z. B. im Brutschrank ein halb¬
stündiger Aufenthalt der Plasmodien in 0,42 proz. Kochsalzlösung,
um sie vollkommen abzutöten.
Ueber den Einfluss des Chinins anf die Plasmodien in vitro
haben wir schon oben berichtet.
Von allen untersuchten Substanzen haben sich in bezug auf
ihre desinfizierende Wirkung in vitro die Triphenylmethanfarb-
stoffe, wie Türkischblau B, Viktoriablau 4 R und Sethocyanin am
wirksamsten erwiesen, da sie befähigt waren, noch in einer Ver¬
dünnung von über 1:100000 die Plasmodien nach einstündiger
Einwirkung ihrer Infektiosität zu berauben. Viel weniger wirk¬
sam aus dieser Gruppe erwies sich das Trypanosan, trotzdem es,
wie die Untersuchung von Roehl 1 ) und Marks 2 ) an dem Ehr-
lich’schen Institut gezeigt haben, die Trypanosominfektion so spe¬
zifisch beeinflusst.
Das Methylenblau als Repräsentant der Tbiazinfarbstoffreibe
hob die Infektiosität der Parasiten noch in einer Verdünnung von
1:10 000 auf; dagegen war eine Verdünnung 1: 20 000 nur noch
von sehr geringer Wirkung. Es ergibt sich daraus, dass das
Methylenblau ungefähr % 1 j 2 mal so stark in vitro auf die Plas¬
modien wirkt als das Chinin.
Die Azine, als deren Repräsentanten wir das Neutralrot und
1) Roehl, Zschr. 1. Immun.-Forsch., 1909, Bd. 1, S. 638.
2) L. H. Marks, Zschr. f. Immun.Forsch., 1909, Bd. 2, S. 350.
das Flavindulin prüften, waren nur von ganz geringgradiger Wir¬
kung, während die Benzidinfarbstoffe wie das Trypanblau und das
Trypanrot selbst in den stärksten s überhaupt anwendbaren Kon¬
zentrationen sich als unwirksam erwiesen.
Von besonderem Interesse scheint uns endlich die Tatsache
zu sein, dass, wenn wir die zu prüfenden chemischen Substanzen
sowie das parasitenbaltige Blut statt mit Kochsalz- mit physiolo¬
gischer Rohrzuckerlösung verdünnten, die desinfizierende Wirkung
auf die Parasiten erheblich abgeschwächt war. Doch möchten
wir die Frage offen lassen, ob es sich dabei um eine direkte
Herabsetzung der desinfizierenden Wirkung oder um eine stärkere
Vermehrung der Parasiten in dem robrzuckerhaltigen Medium
bandelt. Für diese letztere Annahme scheinen uns die Angaben 1
von Baro zu sprechen, dass zuckerhaltiges Milieu das Wachstum
der Plasmodien begünstigt.
Zusammenfassung:
1. Weder Chinin und Methylenblau, noch eine Reibe anderer
chemischer Substanzen zeigten im chemotherapeutischen Versuch
bei intramuskulärer Applikation einen Einfluss anf die Vogel¬
malaria.
2. Im Gegensatz dazu vermochte die Verfütterung des Me¬
thylenblau mittels eines zu diesem Zweck hergestellten Nähr¬
gemisches das Angehen der Infektion in etwa 60 pCt. zu ver¬
hüten.
3. In vitro wirkt das Methylenblau wesentlich stärker auf die
Plasmodien ein als das Chinin.
Die direkte Untersuchung des Duodenalinhalts
(und der Galle) als diagnostisches Hilfsmittel
bei Gallenblasen- und Pankreasaffektionen. 1 )
Von
Dr. Max Einhorn,
Professor der inneren Medizin an der N. Y. Poetgraduate Medical 8chooi, New York.
Die Diagnose von Gallenblasenleiden gründet sich auf den
physikalischen Befund im oberen rechten Bauchquadranten in Ver¬
bindung mit den subjektiven Symptomen und dem objektiven Be¬
fund. In typischen Fällen von Gailensteinerkrankung ist keine
Schwierigkeit vorhanden, die Krankheit zu erkennen.
Die cbarakterisiiscben Symptome sind folgende: heftige
Schmerzanfälle in relativ langen Intervallen (Monaten oder Jahren),
die sich plötzlich im oberen Abdomen einstellen; sie strahlen nach
dem Rücken und zuweilen auch nach dem rechten Schulterblatt
aus, sind sehr intensiv, halten einige Stunden an, oder manchmal
sogar 2—3 Tage, und verschwinden dann ebenso plötzlich, wie
sie gekommen sind. Häufig muss man Morphin snbcutan geben.
Während des Anfalls ist die Leber gewöhnlich vergrössert; manch¬
mal stellt sich leicht ikterische Verfärbung der Conjunctiva oder
der Haut ein; manchmal auch ausgesprochene Gelbsucht. In
manchen Fällen findet man leichte Temperaturerhöhung. Io den
schmerzfreien Perioden fühlen sich die Patienten vollkommen
wohl. Häutig jedoch fehlt dieses typische Bild, und in diesen
Fällen ist es schwierig, das Leiden festzustellen.
Auf noch grössere Schwierigkeiten stösst man bei der Dia¬
gnose der Pankreaserkrankungen. Funktionelle Prüfungen dieses
wichtigen Organes sind häufig genug auf indirektem Wege, ent¬
weder durch Feststellung des Trypsingehaltes des Stuhls oder des
Magensaftes mit dem regurgitierten Duodenalsaft, nach Einführung
von Olivenöl in den Magen (Boldyreff’s Methode) aogesteilt
worden. In keiner dieser Methoden kann der Saft in reinem Zu¬
stande gewonnen werden und kann daher nicht in genügender
Weise studiert werden. Während der letzten 4—6 Jahre habe
ich mich bemüht, den Duodenalinhalt anf direktem Wege in ge¬
eigneten Fällen zu erlangen. Einige dieser Resultate wurden im
Jahre 1910 publiziert*). Im folgenden möchte ich meine neuen
Erfahrungen, Gallenblasen- und Pankreasaffektionen betreffend, be¬
schreiben. Absichtlich sind nur die Fälle ausgewählt worden,
wo die Diagnose durch Operation bestätigt wurde, oder wo der
weitere Verlauf die klinische Diagnose festigte. Der Bequemlich¬
keit halber stelle ich die Fälle summarisch in Tabellenform w-
sammen.
1) Nach einem vor der American Gastroenterological Association
am 22. Juni 1914 zu Atlantic City, N. Y., gehaltenen Vortrage.
2) Max Einhorn, Erfahrungen über den Duodenalinhalt. D.m-Wi
1910, No. 38.
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Original frorn
UNIVERSUM OF IOWA
7. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1889
Fülle von Gallenblasen- und Pankreasaffektionen, in denen der Duodenalinhalt direkt untersucht wurde (1911 bis Mai 1914).
Nummer 1
Name
Diagnose
Magen-
Untersuchung des Duodenalinbalts |
Beschaffenheit
Mikroskopische
Bemerkungen
inhalt
Datum 1
kmylopsin
mm
Steapsin
mm
Trypsin
mm
des
Duodenalinhalts
Untersuchung des
Duodenalinhalts
1.
M.
Icterus catarrhalis
IV. 3. 12.
+
0
2
gelb, mit Schleim
30.
4*
10
0
vermischt
28.
2
4
3
2.
K.
Icterus catarrhalis
HCl -f
11. 14. 14.
2
8
8
gelb, trüb, Galle
Erythrocyten,
Ac. 46
erscheint erst nach
Schleim, Blut-
gewisser Zeit, Blut-
pigment, Krist.,
flecken, Schleim
Bac. pyocyaneus,
Bac. coli comm.
3.
Fr. P.
Cbolelithiasis, Ulc.
HCl +
II. 25. 13. i
4
0
0
grünlichgelb, trüb,
duodeni
Ao. 70
IV. 4. 13.
3
1
3
alkalisch
4.
L.
Cholelithiasis, Ulc.
HCl -f
IV. 20.13.;
3
5
1,5
goldgelb, klar
ventr., Appendicit.
Ac. 80
5.
F.
Choleoyst., Atonia
HCl +
I. 22. 12.
0
0
2
gelb, trüb, alkalisch
ventriculi
Ac. 76
23.
10 |
0
2
II. 7. 12. !
Spur
+
30
17. (
3
0
0
21.
12
4"
4~
6.1
111. 12.12.
4~
0
3
E.
Cholecyst., Icterus
II. 10. 12.
+
4-
4-
7.
Fr. F.
Cholecystitis, Chole-
HCl +
XII. 6. 12.
2
; i
0
gelblichgrün, trüb,
lithiasis
Ac. 30
8.
4
5
2
grün
17.
3
2
2
8.
D.
Cholecystitis, Chole-
HCl +
IV. 19.13.
4 1
4
2
etwas trüb
Mycelien
operiert
lithiasis, Atonia
ventriculi
Ac. 60
9.
Fr. E.
Cholecystitis
HCl +
XI. 6. 12.
12
0
2
trüb, schleimig, Al-
Leucin u. Chole-
Ac. 76
kalinität = 20,spez.
Gewicht = 1008
sterinkristalle
10.
Fr. P.
Eoteroptosis, Chole-
HCl 0
IV. 4. 14.
1 5
3
4
dick,*rüb,(iunkclgolbgrün
—
cystitis
Ac. 26
7.
6
1
1
gelb, trüb
Bacillen
11.
Fr. R.
Cholecystitis
HCl -f
I. 17. 14.
+
2
0,5
gelbgrün, trüb, al¬
Ac. 60
kalisch
12.
Frl. G.
Dilatatio ventriculi,
HCl +
111.30.14.
20
1,5
3
grauweiss, trüb
Cholecystitis
Ac. 70
3L I
12
15
10
goldgelb, trüb
13.
Frl. S.
Cholelithiasis, Ulc.
HCl +
IV. 3. 14.
11
1
15
trüb, grünlich
Boas-Oppler-Ba-
operiert
duodeni
Ac. 80
4.
15
10
20
trüb, gelbgrün,
cillen
Blut vorhanden
14.
Fr. M.
ülo. ventr., Inanitio,
Cholelithiasis
IV. 12.13.
10
2
3
goldgelb, klar, al¬
kalisch
15.
Fr. P.
Echinococcus hepat.
III. 11.13.
8
Spur
5
dunkelgrün, trüb, neu¬
tral, Blut vorhanden
Erythrocyten,
Bakterien
operiert
16.
Fr. W.
Cholecystitis, Leber-
HCl 0
XI. 29.11.
vorhanden
0
vorhanden
dunkelgrün, Alka-
vergrosserung
Ac. = 35
linität = 25
17.
J. B. D.
Cholelithiasis
HCl +
Ac. = 65
III. 15.11.
vorhanden
i vorhanden
vorhanden
trüb, gelb, alkalisch
operiert
18;
Fr. B.
Cholelithiasis, Ic¬
HCl +
II. 17. 14.
—
| —
—
trüb, blutig, keine
operiert
terus
Galle, alkalisch
19.
Fr. J.
Cholecystitis, Pan-
HCl 0
X. 10. 12.
vorhanden
1 Spur
abwesend
alkalisch
operiert
creatitis chronica
Ac. 20
20.
Dr. S.
Acbylia gastrica, Cho¬
HCl 0
III. 30.13.
6
0,5
, o
leicht gelb, alka¬
Streptokokken
operiert
lelithiasis, Icterus,
Reaktion
lisch, trüb
P&ncreatitis
schwach
|
sauer
21.
M. Z.
Tumor bepatis, Pan-
HCl +
II. 13. 14.
4
2.
1
trüb, weiss, keine
Galle, alkalisch
Lange, nicht hä-
operiert, Urin
creatitis chronica,
Ac. 40
molyt. Ketten¬
enthält Galle u.
8eu Neoplasma
1
'
streptokokken,
Bao. coli comm.
2pCt. Zucker
22.
M. P. D.
Ulcus ventriculi,
HCl +
I. 13. 13.
0
12
1 2
gelb, etwas trüb
Urin enthält
Cirrhosis bepatis,
Pancreatitis
Ac. 48
j
1 pCt. Zucker
23.
Fr. S.
Achylia gastrica,
HCl 0
XI. 9. 13.
2
! 2
0
goldgelb, blutig
Pancreatitis chron.
Ac. = 4
24.
W. Z.
Pankreastumor
HCl +
Ac. = 80
III. 12.13.
vorhandec
i vorhanden
i vorhandec
gelb, leicht trüb
operiert
Gehen wir die Tabelle durch, so ist folgendes beachtenswert:
Zwei Fälle von katarrhalischer Gelbsucht zeigten die An¬
wesenheit von Schleim ira Duodenalinhalt; die Galle war spärlich
und klar und wies zu Zeiten eine Beimischung von Schleim auf.
Unter 15 Fällen von Cholecystitis und Gallensteinen war die
Galle in 13 trübe und in 2 Fällen jedoch klar. In 5 Fällen mit
trüber Galle fanden sich bei der Operation Gallensteine. In den
2 Fällen mit klarer Galle gingen in einem Falle zwei kleine
Gallensteine ab, die sich im Stuhle fanden. In einem Falle von
Leberechinococcus war die Galle dunkelgrün und trübe mit Blut-
beimiscbung.
In 6 Fällen von Pankreaserkrankung zeigte sich in 4 die
Pankreassekretion gestört, indem Abwesenheit eines oder zweier
Fermente konstatiert wurde, während bei 2 Fällen von Pankreas¬
tumor, die durch die Operationen bestätigt wurden, das Pankreas-
sekret einige Tage vor der Operation die Anwesenheit aller drei
Enzyme ergab. In zwei Fällen fand sich Zucker im Urin.
Aus den, in der Tabelle gewonnenen, Erfahrungen ist man
8
Digitized b'
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Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
1890
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
berechtigt, folgende Schlösse zu ziehen. Das makroskopische
Aussehen der Galle ist von grosser Wichtigkeit. Ist sie goldgelb
und klar, so weist dies gewöhnlich auf eine normale Gallenblase
hin. Sieht die frische Galle grünlich gelb aus und gleichzeitig
trübe, so bedeutet dies eine Erkrankung der Gallenblase, ge¬
wöhnlich mit Anwesenheit von Steioen.
Goldgelbe Galle mit Schleim wird häufig bei katarrhalischem
Icterus gefunden. Eine klare goldgelbe Galle kann sich jedoch
manchmal auch bei Anwesenheit von Gallensteinen finden (Fall M.).
Duodenalinhalte, die Galle und Pankreassekret enthalten,
erlauben uns, die Pankreasfunktion zu prüfen. Die Anwesenheit
aller dreier Fermente in genügender Menge spricht für eine
normale Tätigkeit. Ist eins der Fermente konstant abwesend, so
deutet dies auf eine chronische Pankreatitis hin. Eine Geschwulst
des Pankreas kann jedoch bestehen trotz der Anwesenheit aller
drei Fermente (Fälle M. S und W. Z). Diese anscheinend über¬
raschende Tatsache kann man durch den Umstand erklären, dass
die Geschwulst noch genügend gesundes Gewebe im Pankreas
zurückgelassen bat, um die Funktion des Organes weiter zu
fuhren. Aehnliche Verhältnisse findet man bisweilen in anderen,
von Geschwülsten befallenen, Organen (Magen, Nieren usw.).
Ein Duodenalinhalt, der konstant weder Galle noch Pankreas-
sekret aufweist, spricht für ein mechanisches Hindernis gerade
oberhalb der Vater’schen Papille (gewöhnlich durch Steine be¬
dingt) (Fall B.).
Der klinische Wert der direkten Untersuchung des Duoderial-
inhaltes bei Gallenblasen- und PankreasafTektionen liegt daher auf
der Hand.
Ich möchte noch kurz die Untersuchungsmethode beschreiben.
Vorbereitung des Patienten. Der beste Weg, den Duo¬
denalsaft zwecks Untersuchung auf Galle zu erhalten, ist entweder
im fastenden Zustande des PatienteD, nachdem derselbe die Sonde
abends vor dem Schlafengehen genommen hat, oder 1—2 Stunden
nach der Einnahme von einer Tasse Tee mit Zucker oder klarer
Bouillon; in letzterem Falle muss der Patient die Sonde früh¬
morgens einige Stunden vor der Untersuchung schlucken.
Für die Untersuchung des Paokreassaftes kann man dieselbe
Vorbereitung des Patienten treffen, oder irgend einige flüssige
Diät (Milch, Bouillon, rohe Eier), ungefähr 200 ccm 1—2 Stunden
vorher nehmen lassen.
Methode, den Duodenalsaft zu gewinnen. Dies ge¬
schieht gewöhnlich durch Aspiration. Diese muss vorsichtig aus-
gefübrt werden, indem man langsam mit häufigen Unterbrechungen
aspiriert. Falls man 5—10 Minuten aspiriert hat und nichts
erschienen ist, kann man auf zwei Weisen verfahren. Die
eine ist, dass man Secretiu subcutan gibt und nach 3—5 Minuten
wieder aspiriert; die andere besteht in der Anwendung von Duo¬
denalspülung. Letztere wird in folgender Weise vorgenommen.
Der Stempel der Spritze wird langsam herausgezogen; die leere
Spritze wird dann mit Wasser gefüllt (Bluttemperatur) und in die
Höhe gehoben. Sodann fliesst das Wasser gewöhnlich in das
Duodenum. Fliesst das Wasser nicht ab, so soll man mittels des
Stempels einen leichten Druck auf die Wassersäule ausüben, um
den Abfluss zu beschleunigen. Ehe die Spritze ganz ausgelaufen
ist, senkt man sie schnell, damit die Flüssigkeit wieder zurück¬
läuft. Gelingt dies nicht, so wiederholt man die Prozedur. Mit
dem ausfliessenden Wasser ist gewöhnlich etwas Galle vorhanden,
die man zur Untersuchung verwenden kann.
Abwesenheit von Galle. In einem früheren Artikel 1 )
findet sich folgender Passus: „Gelegentlich erhält man beim
Aspirieren von Duodenalinhalt zuerst eine klare, entweder
wasser- oder leicht bernsteinfarbige Flüssigkeit. Sie gibt
alkalische Reaktion und enthält die pankreatischen Fermente.
Für gewöhnlich kommt nach einigem Zuwarten und erneutem
Aspirieren eine goldgelbe (Galle enthaltende) Flüssigkeit zum
Vorschein. Das hat keine diagnostische Bedeutung. Wenn jedoch
bei langem Zuwarten und geduldigem Aspirieren nur pankrea-
tischer Saft, aber keine Spur von Galle sich gewinnen lässt, so
kann dies eine gewisse Wichtigkeit erlangen. Und das ganz be¬
sonders in Fällen von chronischem Icterus. Ist Galle jedoch im
Duodenalinhalt vorhanden, so kann kein kompletter Verschluss
des Ductus choledochus communis existieren. Fehlt die Galle
vollständig, ist jedoch pankreatischer Saft vorhanden, so weist
dies auf den Sitz des Hindernisses oberhalb des Ductus com¬
munis hin. 11
Ich möchte noch hinzufügen, dass die Abwesenheit sowohl
1) 1. c.
von Galle wie von Pankreassafc, wie schon oben bemerkt, für
eine mechanische Obstruktion des Ductus communis oberhalb der
Vater’schen Papille spricht, die den Eintritt von Galle oder
PaDkreassaft in das Duodenum verhindert (Fall B.).
In diesen Fällen ist es ratsam, die« Lage der Eodkapsel im
Duodenum mittels der Milchprobe oder mittels X-Strahlen zu be¬
stimmen, da man sonst keinen Anhaltspunkt hat. Io einem, in
der Tabelle nicht aufgeführten, Falle von wahrscheinlichem
Pankreastumor mit sekundären Lebermetastasen wurde keine Galle
im Duodenum gefunden, selbst nach systematischer Aspiration,
während das Duodenaleimerchen, das über Nacht im Verdaunngs
tractus verblieb, mit Galle gefüllt war und der Faden auch
Gallenfärbung für einige Centimeter diesseits des Eimerchens auf¬
wies. Gelbsucht war nicht vorhanden, und es ist schwer, hierfür
eine Erklärung zu finden. Vielleicht verhinderte die Geschwulst
den Abfluss der Galle im Stehen oder Sitzen, während dies
Hindernis im Liegen nicht vorhanden war.
Aus der Universitäts-Kinderklinik in Göttingen
(Direktor: Prof. F. Göppert).
Zur Kenntnis und Bedeutung des Nasenblutens
im späteren Kindesalter.
Von
Heinrich Petry.
Das Nasenbluten hat schon in den ältesten Zeiten die Auf¬
merksamkeit der Aerzte auf sich gelenkt. Die hippokratischen
Schriftsteller 1 ) kannten sein Vorkommen bei Leber- und Milt¬
krankheiten und deuteten den Ausfluss von Blut und Schleim
aus der Nase bei cerebralen Erscheinungen als günstiges Zeichen.
Späterhin begnügte mau sich meist damit, das Nasenbluten
im wesentlichen als ein konstitutionelles Zeichen anzuseheD und
versäumte es, einen Lokalbefund aufzunehmen und eine energische
lokale Behandlung einzuleiten.
Zwar war es schon Valsalva 2 ) bekannt, dass die häufigste
Quelle des Nasenblutens eine Stelle im vorderen Teil des
knorpeligen Septums sei. Er wusste sogar aus seinen anato¬
mischen Beobachtungen, dass „sanguifera vasa intra nares valde
turgida circa eam sedera, ubi alae nasi digito plus minus trans-
verso ab imis naribus cum osse committuntur“.
Diese Prädilektionsstelle für Nasenbluten beschrieben später
Michel 3 ), Little 4 ) und Hartmann 5 ).
Aber mit besonderem Nachdrucke lenkte erst Kiesselbacb®) 7 )
die Aufmerksamkeit der praktischen Aerzte auf diesen Gegenstand.
Er untersuchte die Schleimhaut der fraglichen Stelle, den „Locus
Kiessdbachii“ zuerst histologisch und fand hier stark erweiterte Capil-
laren und eine Art SchwelIgewebe. Die Lakunen desselben lagen in
der tiefsten Lage der Schleimhaut, reichten aber in abnehmender Grösse
bis an die Oberfläche heraD.
Mihalkovics 8 ) fand bloss sehr weite Venen und dichte, weite
Capillaren; vorn zu, wo schon geschichtetes Piattenepithel liegt, fand er
sehr hohe und schmale Pupillen mit sehr weiten centralen Venen,
ähnlich wie im Zahnfleische. Iq letzteren sieht er den Grund der leicht
eintretenden Blutungen.
Donogany®) fand entweder GefasserweiteruDg oder eine Art von
Corpus cavernosum.
1) Nach Körner, Lehrbuch der Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrank¬
heiten. 3. Aufl. Wiesbaden 1912, S. 9.
2) Morgagni, Epistola XIV nach Rosenberg, Das Nasenbluten.
Hey mann, Handbuch der Laryngologie und Rhinologie. Wien 1900,
Bd. 3, S. 709.
3) Michel, Die Krankheiten der Nasenhöhle und des Nasenrachen¬
raums. Berlin 1876. Nach Rosenberg, 1. o.
4) Little, Eioe bis dahin noch nicht beschriebene Läsion als Ur¬
sache für Epistaxis. Hosp. Gazette N.-Y. 8. März 1879. Nach Rosen¬
berg, 1. c.
5) Hartmann, Ueber Nasenblutung, Nasentamponade und deren
Beziehungen zu Erkrankungen des Gehörorgans. Zschr. f. Ohrhlk.,
1881, Nr. 10.
6) Kiesselbaoh, Ueber spontane Nasenblutuog. B.kl.W., 1884,
Nr. 24.
7) Kiesselbach, Ueber Nasenbluten. Tagebl. d. 58 . Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte in Strassburg, 1885.
8) Mihalkovics, Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Nase
und ihrer Nebenhöhlen. Hey mann, Handbuch der Laryngologie und
Rhinologie. 1900, Bd. 3, S. 24.
9) Donogany, Beiträge zum histologischen Bau der knorpeligen
Nasenscbeidewand mit besonderer Berücksichtigung der habituellen Nasen¬
blutungen. Arcb. f. Laryng., 1899, Bd. 9, S. 30.
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UNIVERSUM OF IOWA
7. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1891
Zuckerkandl 1 ) behauptet, dass nicht anatomische Be¬
sonderheiten für das Zustandekommen der Blutung ausschlaggebend
seien, sondern lediglich der Umstand, dass die Pars cartilaginea
vor allen anderen Stellen der Nasenhöhle traumatischen In-
sultierungen, insbesondere durch den kratzenden Fingernagel,
preisgegeben sei.
Dass das häufige Kratzen des Fingernagels am vorderen Teil des
Septums die Schuld an einer Nasenblutung tragen kann, erwähnt schon
Coschwitz 2 ) (laesionem ex unguibus digitorum in nares . . . immis-
sorum).
Während Zuckerkandl konsequent wiederholte traumatische In-
sultierungen für das Primäre hält, macht Hajek 3 ) für den Juckreiz, der
zum Kratzen führe, eine häufig anzutreffende katarrhalische Entzündung
der Pars anterior septi verantwortlich.
Durch diese partielle Rhinitis atrophicans kommt es leicht zur
Krustenbildung am Naseneingang. Das Gefühl störender Trockenheit
bewirkt, dass die Kinder viel mit dem Finger in die Nase fahren. In¬
folge des Kratzens mit dem Nagel entsteht eine Erosion am Septum
und es bildet sich ein Geschwür, das Ulcus septi perforans.
Die Therapie der Blutung aus einem Septumgeschwür ist
eine sehr dankbare. Die einfache Blutung zunächst ist mit einem
einfachen Wattepfropf, der fest gegen das Septum gedtückt wird,
meist einstweilen za beherrschen. Die Trockenheit der Schleim¬
haut lässt sich weiterhin durch täglich mehrfaches Aufschnupfen
von Vaseline oder einer essigsauren Tonerdesalbe 4 ) beseitigen.
Bei recidivierenden oder primär schwereren Blutungen schafft
man sich durch einen kleinen Adrenalintampon, wenn die Blutung
gerade sehr profus ist, die Möglichkeit, die blutende Stelle über¬
haupt zu sehen, und ätzt dann mit Trichloressigsäure den cocaini-
sierten Geschwürsgrund.
Dies geschieht entweder mit einem kleinen Kriställchen, das man in
Ermangelung eines besonderen Instrumentes in die geschlitzte Spitze
eines Holzstäbchens eindrücken kann oder mit einem dünnsten Watte¬
tampon, den man in an der Luft zergangene Trichloressigsäure ein¬
taucht. Andere Aetzmittel kann man gleichfalls anwenden, aber das
genannte ist das unschädlichste. Das Geschwür kann man sich durch
sorgfältiges Abziehen der Nasenflügel mit einer abgebogenen Haarnadel
zugänglich machen 5 ).
Infolge dieser Therapie gehört es wohl heute zu den Selten¬
heiten, dass ein sonst gesunder Mensch durch Naseubluteu
anämisch wird. Ein solcher Fall sei hier kurz mitgeteilt.
Ein 9 jähriges Mädchen litt seit ungefähr einem Jahre an Nasen¬
bluten und war stark anämisch. Es fanden sich an beiden Nasensepten
bei Berührung stark blutende Geschwüre, die mit Trichloressigsäure ver-
ätzt wurden. Nach 4 Wochen wurde da9 Kind mit blühender Gesichts¬
farbe wiedergezeigt. Es war vorher von anderer Seite wegen dieses
Nasenblutens und der sekundären Anämie mit Eisen behandelt worden,
weil man den Zusammenhang umgekehrt gedeutet und angenommen
hatte, es handle sich um eine primäre Anämie mit „anämischen*
Blutungen.
Die alte Beobachtung, dass es nur gewisse Menschen sind,
die Nasenbluten haben, steht nicht im Widerspruch mit einer
lokalistischen Lehre. Denn die Tatsache, dass die Blutung aus
den verhältnismässig kleinen Geschwüren oft recht stark ist, weist
darauf hin, dass ein besonderer Blutandrang zur Nase stattfinden
muss. Die Ursache dieses Blutandranges können häufig exacer-
bierende Schnupfenkatarrhe sein, oder es handelt sich um akute
Hyperämien der Nasenschleimhaut aus anderen Gründen. So wäre
es auch möglich, dass eine vikariierende Blutung zur Menstruations¬
zeit gerade bei jemandem aufträte, der mit einem solchen Ge¬
schwür am Septum behaftet wäre.
Natürlich ist nicht in allen Fällen der Locus Kiesselbach die
Quelle der Blutung, sondern es gibt auch andere Gründe, wie die
chronische fieberlose Nasendiphtherie älterer Kinder. Einen
solchen Fall beschreibt Bl och mann 6 ). Beim Säugling ist die
chronische Nasendiphtherie und die Lues die Hauptursache des
Nasenblutens, nur in extrem seltenen Fällen die chronische,
trockene Rhinitis.
1) Zuckerkandl, Normale und pathologische Anatomie der Nasen¬
höhle. 1892, Bd. 2, S. 59.
2) Coschwitz, De haemorrh. nar. Bas. 1616. Nach Rosenberg,
1. c. S. 705.
3) Hajek, Ulcus perforans septi nasi und habituelle Nasenblutung.
Laryngo-rhinol. Mitteil. Internat, klin. Rundschau, 1892, S. 31—52.
4) Rp. Liquor, al. acetici 2,0, Adipis lanae 10,0, Paraff. liquidi
ad 20,0.
5) Göppert, Die Nasen-, Rachen- und Ohrerkrankungen des Kindes
in der täglichen Praxis. Encyklopädie der klin. Med. Berlin 1914.
6) Bloohmann, Ueber lavierte Diphtherie. B.kl.W., 1911, Nr. 38.
Während man bei Nasenbluten in fieberlosen Zeiten beute
bei aller Berücksichtigung des allgemeinen Zustandes kaum ver¬
gessen wird,.auf eia lokales Leiden zu fahnden, denkt man bei
Infektionskrankheiten doch wohl bereitwilliger an eine allgemeine
Störung und vergisst darüber, das lokale Leiden zu erforschen.
In den meisten Fällen bedeutet ja die Blutung nicht viel, er¬
reicht z. B. bei Masern und Lungenentzündung sehr selten das
Kind schwächende Grade. Aber der Blutverlust kann auch ohne¬
dies zu sehr bemerkenswerten Symptomen führen. Ein derartiger
Fall sei hier berichtet.
Dtr 7jahrige Franz B. hatte schon früher 3 mal Lungenentzündung
gehabt. Am 2. VII. 1914 erkrankte er wieder mit Fieber, Kopfschmerzen
und Erbrechen. Am 5. VII. fand sich beim poliklinischen Stadtbesuch
über der Lunge links hinten eine leichte Schallverkürzung und un¬
bestimmtes Atmen. Die Temperatur betrug 39,5. Am 6. VII. wurde er
in die Göttinger Universitäts-Kinderklinik aufgenommeu. Die Atmung
war an diesem Tage stöhnend, Nasenflügelatmen. In der linken Achsel¬
höhle fand sich eine Dämpfung, über der Spina scapulae Bronchial&tmen.
Der Hals war leicht gerötet, die anderen Organe ohne pathologischen
Befund. Die Temperatur betrug an diesem Tage 39,3. Am 9. VII. be¬
stand kein Fieber mehr. Es war keine Dämpfung, kein Bronchialatmen
mehr nachzuweisen. Am 11. VII. abends brach das Kind grosse Mengeu
schwarzen, klumpigen Blutes und war sehr aufgeregt. Scheinbar handelte
es sich um kein Nasenbluten. Liess man das Kind aber die linke Nase
ausblasen, so erschien in dem Nasenloch Blut, wovon vorher nichts zu
sehen war. Die Untersuchung führte ein oberflächliches, leicht blutendes
Geschwür am Nasenseptum der linken Seite zutage. Auf Einführung von
Suprareninsalbe stand die Blutung dauernd. Das Kind brach noch ein¬
mal die gleichen Mengen Blut. Weiterhin wurde es mit Aufschnupfen
von Vaseline behandelt. Am 14. VII. wurde es als geheilt entlassen.
Das Wesentliche bei diesem Fall ist, dass selbst die pflegende
Krankenschwester keine Ahnung davon hatte, dass es sich um
eine Nasenblutung bandelte, und eigentlich erst eine genaue Unter¬
suchung die Quelle des Blutens ans Licht förderte.
Sehr viel wichtiger aber ist die Frage, wodurch die Blutung
bei septischen oder septisch scheinenden Krankheitszuständen be¬
dingt ist. Wir denken bei septischen Nasenblutungen zunächst
an eine nicht lokalisierte, mehr oder weniger in der ganzen
Nasenschleimbaut erfolgte Berstung kleinsterGefässe bei mangelnder
Gerinnung des Blutes an den Stellen des Durchtritts.
Einen solchen Fall beschreibt Miodowski 1 ) pathologisch¬
anatomisch.
Es handelte sich um ein lOjähriges Mädchen, das, ohne Anamnese
dem Krankenhause übergeben, an unstillbarem Nasenbluten litt, und
nach 20 ständigem Aufenthalt auf der Abteilung starb. Der Sektions¬
befund ergab: Anaemia gravis, Angina necroticans, Lymphadenitis
haemorrhagica glandularum colli et bronchial. Bronebopneumonia baemor-
rhagica lob. inf. pulm. utrqu. Haemorrhagiae subpleurales, subepicardiales,
reoura. Gastritis haemorrhagica. Haemorrhagia faciei et cruris utrqu.
Anaemia lienis. Die Nasenschleimbaut war allenthalben mit blutigem
Extravasat bedeckt; nach Abspülung der Blutmassen erwies sie sich in
allen Teilen mit Blutungen durchsetzt. Die histologische Untersuchung
ergab als Ursache der Blutungen multiple Embolien von Diplostaphylo-
kokken in die Capillaren der Schleimhaut. Im Bereich der infarcierten
Stellen war die Membrana propria hier und da defekt, es hatten sich
auch einige ganz oberflächlich gelegene GefässschliDgen nach aussen
geöffoet. Dies war die Quelle der schweren, für den Tod verantwortlichen
Nasenblutung.
Klinisch können wir folgenden Fall dem Miodowski’s an
die Seite stellen, wenn auch in der letzten Zeit die Nasenblutuugen
nicht mehr so im Vordergrund der Erscheinungen standen wie
I im Anfang.
Der 3*/ 2 jährige Willy M. erkrankte am 17. VI. 1914 an Lungen¬
entzündung. Am 7. VII. traten plötzlich Blutungen auf, zuerst aus der
Nase, darin ins Unterhautzellgewebe. Am II. VII. wurde das Kind mit
schwerstem Allgemeinzustand in die Göttinger Universitäts-Kinderklinik
gebracht. Es war stark cyanotiscb, die Hautfarbe wachsgelb, das Sen-
sorium auffallend frei. Es fanden sich Blutungen am ganzen Körper,
besonders am Anus und am rechten Oberschenkel, hier handtellergross.
Der rechte Oberschenkel war hochgradig geschwollen, die Haut gespannt,
livid verfärbt und bei der Palpation äusserst schmerzhaft; Die Herztöne
waren sehr leise. Ueber der Lunge war vorn rechts Bronchialatmen zu
hören. Der Urin war blutig. Die Temperatur betrug 40,0, die Puls¬
frequenz 152. Bei der Untersuchung der Nase fanden sich ausserhalb
der Nase blutige Krusten. Die Nasenschleimbaut selbst war blass, der
Locus Kiesselbach vollständig frei. An den vorderen Teilen des Septums
war die Haut glatt, keine Blutung zu provozieren. An der Schleimhaut
der mittleren und unteren Musohel fanden sieh eine Anzahl roter Fleoke.
Es bandelte sich hier also um einen Fall, in dem die Sepsis
sich zuerst durch Nasenbluten manifestierte, und der dadurch in-
1) Miodowski, Ueber die Beteiligung der Nasensehleimhaut an
septischen Zuständen. ,|Arch. f. Laryngol., 1905, Bd. 17, S. 249.
8 *
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UNIVERSUM OF IOWA
1692
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
teressant ist, dass der Befried der Nasenschleimbaut im Leben
einem geringeren Grade dessen entspricht, was Miodowski post
mortem gesehen hatte.
Diesem Fall möchten wir einen anderen entgegenstellen, der
beim ersten Anblick und bei der Untersuchung völlig identisch
mit diesem zu sein schien.
Der zweijährige Erich F. war am 21. VI. 1914 an ruhrartigem Darm¬
katarrh erkrankt, hatte am Tage 12—15 blutig-schleimige, eiterige
Stühle. Die Durchfalle hörten dann auf, das Kind war ein paar Tage
bei Gesundheit. Am 12. VII. trat plötzlich Fieber auf, der Arzt stellte
Lungenentzündung fest. Am 16. VII. abends traten starke Blutungen
aus der Nase auf, wobei das Kind soviel Blut verlor, dass es blass
wurde. Am 17. VII. wurde das dicke, totenblass aussehende Kind in
die Göttinger Universitäts-Kinderklinik eingeliefert. Die Ohren waren
grünlich verfärbt. An den Protuberanzen der Stirnbeine fanden sich
dunkelblaue bis grünliche Flecken, die koDÜuierten. In der Gegend
beider Trochanteren, an der Aussenseite des linken Beines und am
linken Knie waren strichförmige Flecken von gleioher FärbuDg. Bei der
Untersuchung der Halsorgane ergab sich ein grosser Blutpfropf, der aus
dem Nasenrachenraum herunterhing und auch beim Schlucken von
Wasser nicht fortging. Das Trommelfell war beiderseits mattgrau, der
Hammerkopf deutlich sichtbar. Im rechten Trommelfell fand sich hinten
eine Blutung. Im Blutbild waren viele polynucleare Leukocyten. Die
ganze Nase war von einem Blutpfropf ausgegossen. Beiderseits fand
sich am Locus Kiesselbach ein 3 / 4 cm langes, dauernd gleich blutendes
Geschwür. Links war es ohne Adrenalin zu sehen, rechts blutete es
auch nach Adrenalin leicht. Es wurde mit flüssiger Trichloressigsäure
verätzt. Erst nach festem Aufdrücken rechts hörte die Blutung auf.
Die übrige Nasenschleimhaut war im Gegensatz zu dem vorher ge¬
schilderten Falle blass und vollständig ohne Blutung.
Eine Blutuntersuchung am 18.VII. ergab: Hämoglobingehalt 30pCt.
(bestimmt nach Sahli), Zahl der Erytbrocvten 1200 000, Zahl der
Leukocyten 19 000. Es fanden sich keine pathologischen Leukocyten-
formen, keine kernhaltigen Erythrocyten. Die Untersuchung der Blut¬
gerinnung nach Loewenstein ergab, dass ein Tropfen bereits nach
3 Minuten GerinnuDgserscheinungen zeigte, indem bei der Prüfung
mittels Capillare reines Serum aufstieg. Es schien sich also eher um
erhöhte als verminderte Gerinnbarkeit zu handeln. Am 18. VII. war die
Kurzatmigkeit sehr deutlich. Links unterhalb der Spina scapulae fand
sich von der Wirbelsäule bis zur Axillarlinie Bronchialatmen und
Rasseln. Am 19. VH. war die Blutung an der Stirn dunkelschwarz,
am 20. VII. weniger dunkel. Am 23. VII. war der Blutstatus folgender:
Hämoglobingeh alt 30 pCt., Zahl der Erythro cyten 1 800 000, Zahl der
Leukocyten 16 900. Am 24. VII. hatten die alten Blutungen an der
Stirn an Umfang abgenommen. Am 25. VII. war der Lungenbefund
folgender: Links von oben tympanitische Dämpfung, normales Atmen;
links hinten oben bis zur Mitte der Scapula Schenkelschall, Bronchial¬
atmen, zeitweise mit Rasseln; links hinten unten Bronchialatmen. Kein
Rauchfuss’sches Dreieck. Am 26. und 27. VII. war dieser Lungenbefund
unverändert. Am 28. VII. morgens trat plötzlich Verfall ein. Der Puls
war nicht mehr zu fühlen, das Kind war ziemlich bald bewusstlos.
Sterbend wurde es auf Wunsch der Eltern entlassen. Seit der Ver¬
ätzung der Septumgeschwüre war keine neue Blutung aufgetreten.
Hier wie im ersten Falle war das Kind längere Zeit von
einer Lungenentzündung befallen. Hier wie dort hatte die Ver¬
schlimmerung eingesetzt mit heftigem Nasenbluten, dem Haut-
blutuogen folgten. Beide Kinder befanden sich bei der Unter¬
suchung im schwersten Stadium der Blutarmut. Erst spätere
Kritik Hess vermuten, dass bei dem zweiten Kinde die Blutungen,
die Stirn und Schläfe bedeckten und an einzelnen Stellen am
Körper vorhanden waren, traumatischer Natur sein konnten. Das
Kind batte sich in seiner Unruhe während der Krankheitszeit so
oft gestossen, dass es die blauen Flecken davontrug. Bei einem
gesunden Kinde hätten freilich die Traumen nicht ansgereicht,
diese Blutungen hervorzurufen. Erst die Untersuchung der Nase
zeigte den schwerwiegenden Unterschied. Das Blut quoll aus
den typischen Geschwüren am Septum und wurde durch lokale
Behandlung dauernd gestillt.
Der Grund des Blutens war iu einer mangelnden Gerinnungs¬
fähigkeit des Blutes ausserhalb der Gefässe nicht zu suchen.
Dass die Möglichkeit der Berstung der Gefässe eine grössere als
normal war, ist durch die traumatischen Blutungen und die
Blutung ins Trommelfell erwiesen. Hustenstösse mögen die erste
und wiederkehrende Ursache gewesen sein, dass gerade am Ge¬
schwür in der Nase es zur Blutung kam. Nie aber wäre es zur
lebensgefährlichen Blutung gekommen, wäre nicht eben das Ge¬
schwür gewesen.
Leider war das Kind, ehe es in unsere Behandlung kam,
extrem ausgeblutet. Ob der Tod durch lokale Lungenentzündung
oder durch Pneumokokkensepsis erfolgte, ob die Sepsis vielleicht
schon vorher bestanden oder erst nach der Blutung eingetreten
ist, ist unmöglich mit Sicherheit auszusagen. Da das Kind sich
nach Stillung der Blutung anfänglich sichtlich erholte, so er¬
scheint es nicht zu gewagt, anzunehmen, dass die Aussichten des
Kindes, am Leben zu bleiben, wesentlich bessere gewesen wären,
wenn man rechtzeitig die Blutung gestillt hätte.
So ergibt sich aus diesen Fällen die Folgerung: Bei jedem
Nasenbluten, auch des nichtfiebernden Kindes, ist die Lokal-
inspektion der Nase geboten. Wenn man auch meist nur das be¬
kannte Septumgeschwür zu sehen bekommen wird, so wird doch
auch gelegentlich einmal eine chronische Nasendiphtherie entdeckt
werden. Noch mehr gilt dies beim Säugling. Bei Sepsis nnd
sepsisähnlichen Erkrankungen sowie bei allen In¬
fektionskrankheiten ist die Diagnose „septische Nasen-
blutung“ ohne genaue Inspektion der Nase nicht ge¬
stattet. Blutung aus einem einfachen Septumgescbwür
kann den Krankbeitsverlauf zum Schlimmeren wenden
und völlig das Bild septischer schwerster Infektion
hervorrafen.
Aus dem städtischen Krankenhause am Urban.
Ueber grosse Bluttransfusionen.
Von
Prof. A. Plehn.
(Vortrag gehalteu in der Berliner medizinischen Gesellschaft.)
(Schluss.)
Bei dem verzweifelten Zustand, in welchem sich die weitaus
meisten der mit Transfusion behandelten Kranken befanden, wie
im vorigen angedeutet, wird es begreiflich sein, dass auch diese
als letztes Mittel versuchte Operation nicht immer zu retten
vermochte.
1 . Bei einem Schwarzwasserkranken (1909) hatten sich die
Blutkörperchen bis an die Grenze dessen aufgelöst, was mit der Lebens-
fortdauer noch vereinbar ist (ca. lOpCt. Hb nach Fleischl) und die
Auflösung dauerte noch fort. Eine Transfusion von 450 ccm Poly-
cytbämikerblut mit 500 ccm 0,9 proz. NaCl-Lösung vermochte das
fliehende Lebende nicht aufzuhalten.
2. ln demselben Jahr wurden einem 60 jährigen Arteriosklerotiker
mit schwerster pernieiöser Anämie (Hb 10—12pCt., soweit bei der grün-
bräunlichen Farbe des Blutes schätzbar, früher starker Potator; Lues +)
G00 ccm deöbriniertes Polycythämikerblut mit 140 proz. Hb -j- l‘/j 1
0,9 proz. NaCl-Lösung infundiert. Kaum Reaktion. Pat. erholte sich
derart, dass wir die Transfusion einige Wochen später wiederholten, um
ihm noch weiter vorwärts zu helfen; doch erlitt er schon im Beginn der
Operation eine typische Hemiplegie (Apoplexia sanguinea), der er in
24 Stunden erlag.
Die Operation abzubreeben, waren wir einmal genötigt:
3. Bei einer 63 jährigen Frau mit schwerster pernieiöser Anämie
— Rote 575 000 —, Oedem des rechten Armes und beider Beine;
beiderseitige Lungenhypostase, mussten wir die Operation im Beginn
abbrechen, weil die Frau unmittelbar zu sterben drohte. Sie schwebte
dann noch einige Wochen zwischen Tod und Leben, erholte sich später
im Laufe von Monaten aber soweit, dass sie entlassen werden konnte,
und hat sich danach noch 1 */e Jahr „gesund“ gefühlt, worauf wir sie
aus den Augen verloren.
Welche Schwierigkeiten unter Umständen zu überwinden
sind, möge folgende Krankengeschichte zeigen:
4. Fr. H., mit einem Krankenhausangestellten verheiratet. Schon
seit Jahren anämisch. Seit über 2 Jahren alle 14 Tage schwere Uterus¬
blutungen infolge von Myom. Wurde als „pernieiöse Anämie“ auf die
innere Abteilung verlegt. Sekundärer Charakter der Anämie offensichtlich
und leicht zu erweisen; Operation vom Chirurgen aber wegen des Grades
der Anämie abgelehnt. Hb. 20pCt.
Daher Bluttransfusion, um die Operation vorzubereiten. Es
wird das Blut zweier Patientinnen vereinigt, von denen die eme
94, die andere 86pCt. Hb hatte. Bald nach Beginn des Ein-
strömeos Schmerzen in der Herzgegend; auch fällt es auf, dass
unter Stocken des Blutzuflusses die zuführende Armvene in einer
Weise anschwillt, die nur durch ein Abflusshindernis erklärt werden
kann; zugleich setzt der Herzschlag aus. Nach Unterbrechen des Blut-
zustroms sinkt die prall gefüllte Vene sofort zusammen und der Puls
erscheint wieder; das wiederholt sich mehrmals. Ueber die Art des
Hindernisses war zunächst keine Klarheit zu gewinnen. Da aber die
Operation und damit eventuell das Leben der Pat. vom Gelingen der
Transfusion abhing, wurde die Operation abgebrochen und die Kanüle
am anderen Arm eingebunden. Hier wiederholte sich alsbald dieselbe
Erscheinung, und damit wurde es klar, dass das Hindernis im rechten
Herzen selbst lag, dessen (wie sich später zeigte) schwer degenerierter,
verfetteter Muskel das durch die weite Vene schnell zuströmende Um
nicht zu bewältigen und weiter zu befördern vermochte. Ich band nun
das distale Eode der Vene ein, um den Blutzustrom zu verzögern,
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7. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1893
«eo %
Sri j:v
& L 1:
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ü:i: :
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und ihn doch — auch bezüglich der Temperatur des Blutes — gleich-
massig zu erhalten. Jetzt ging die Transfusion ohne Störung, wenn
auch recht langsam (50 Minuten Operationsdauer), von statten. Es
wurden 550 ccm Blut -f- 500 ccm isotonischer NaCl-Lösung zugeführt.
Bereits gegen Ende der Transfusion Uebelbefinden, Frost und Tempe¬
ratur bis 40° C; doch verschwanden die Beschwerden rasch, die Tempe-
peratur kehrte noch am selben Tage zur Norm zurück, und die Frau
erholte sich schon in den folgenden 3 Tagen derart, dass sie nun operiert
werden konnte.
Leider gestaltete sich die Operation derart schwierig, dass die
Kranke bald darauf erlag.
Während diese drei Todesfälle anf die Transfusion nicht
curückzuführen sind, liegt die Sache im folgenden Falle anders.
Wir hatten nach den Mitteilungen von Werner Schultz-
Cbarlottenburg angefangen, vor der Transfusion regelmässig auf
Isolysine und Hämagglotinine zu prüfen, obgleich wir in den
ersten Jahren bei etwa 20 Transfusionen niemals Anzeichen von
Hämolyse beobachteten.
Bei H. wurde mit Rücksicht hierauf von dieser Vorprüfung
ausnahmsweise abgesehen, weil die Transfusion (aus äusseren
Gründen) sonst ganz hätte unterbleiben müssen.
5. Es bandelte sich um einen 49 jährigen kräftigen Mann, der seit
ca. V 2 Jahr an Magenstörungen litt, die mit Schmerzen und
Uebelkeit begannen und mit Erbrechen endeteD. Der letzte Anfall
wurde durch Kältegefühl eingeleitet, das „an den Beinen beginnend zum
Unterleib heraufstieg“. Die körperliche Untersuchung ergab keine An¬
haltspunkte für die Annahme eines organischen Leidens; auch Blutarmut
trat nicht hervor. Wir glaubten deshalb zunächst, einen Neurasthe¬
niker vor uns zu haben. Unter unseren Augen entwickelte sich dann
in wenigen Wochen eine echte perniciöse Anämie mit allen charak¬
teristischen Eigentümlichkeiten des Blutbildes, während Pat. dabei von
56,7 bis 63,7 kg an Gewicht zunahm (!!). Oedeme waren nicht zu
bemerken.
Am 12. IH. 1913 hatte H. noch 45pCt. Hb und 2 552 000 Rote;
am 4. IV. 25 pCt. Hb und 1 531 000 Rote; am 10. IV. — unmittelbar
vor der Transfusion — 23 pCt. Hb und 1 445 000 Rote. Dabei war er
kräftig genug geblieben, um umherzugehen.
Am 10. IV. 1913 vormittags wurden H. 400 ccm wie gewöhnlich
vorbehandeltes Blut einer 17jährigen Virgo intacta mit 105 pCt. Hb
und negativem Wassermann -f 500 ccm isotonischer NaCl-Lösung inner¬
halb V 2 Stunde infundiert.
Nach 100 ccm Blut Unwohlsein; beschleunigte Atmungs- und Puls¬
frequenz; Schweiss; der maximale Blutdruck sinkt von 130 auf
90 mm Hg; der minimale unter 40 mm, hebt sich unter Campher-
injektionen aber wieder auf den anfänglichen Stand von 130 mm Maximum
und 60 mm Minimum. Gegen Ende der Operation Brechreiz; 1 Stunde
danach Erbrechen und Kältegefühl, besonders in den Beinen. Gesicht
leicht gedunsen. Drei Stunden später trübt sich das Sensorium und
Pat. reagiert nicht mehr auf Anruf. Die Temperatur, welche sich schon
in den Wochen vorher gelegentlich auf 38° und etwas mehr erhoben
hatte, erreichte ohne Frost 40,2; Puls 128. Gesichtsschwellung ver¬
schwindet; Blutdruck unverändert 130/60. Harn ins Bett.
Ohne dass sich im Zustand etwas änderte, oder Pat. das Bewusst¬
sein wiedererlangte, erfolgte — 19 Stunden nach Beendigung der Trans¬
fusion — Exitus letalis. •
Die Sektion (Prosektor Dr. Koch) ergab: Allgemeine Anämie,
rotes Knochenmark in dem oberen Zweidrittel des rechten Oberschenkels;
geringe Hypertrophie und Verfettung der Herzmuskulatur; Perisplenitis
nodularis; geringe Milzschwellung. Hämoglobininfarkt an zwei Papillen¬
spitzen der einen Niere; Anämie des Gehirns.
In der Harnblase fanden sich 150 ccm schmutzigbraunen, trüben
Harns, der Eiweiss und Hämoglobin enthielt; im Sediment hämoglobin¬
gefärbte Cylinder.
Embolien oder Thrombosen, auf die sorgsamst gefahndet wurde,
fehlten durchaus.
Was war hier die Todesursache? Die intramuskulären Ge¬
rinnungen und Embolien, wie sie Landois, Schenk, A. Köhler,
Ponfick, Coca, Moldovan, W. Schultz u. a. bei der Injektion
artfremden oder frisch defibrinierten arteigenen Blutes beobachteten,
sicher nicht. Die geringe Hämolyse an sich nach meiner Ueber-
zeugung ebensowenig. Da sieht man bei malarischer Hämolyse
(SchwarzWasserfieber) Blutzerstörungen ganz anderen Umfangs noch
günstig verlaufen!
Es bleibt also die Annahme einer Intoxikation, für welche
auch das Krankheitsbild spricht. Welcher Art sie war, blieb un¬
aufgeklärt. Vielleicht ist bei der Vorbehandlung des Blutes ein
Fehler gemacht worden, so dass von jenen Toxinen mit über¬
geführt wurde, die im frischen defibrinierten Blute regel¬
mässig vorhanden sind (Fuld, Morawitz) und die nach
Morawitz auch später bei mechanischer Zerstörung der roten
Blutzöllen und Pressen des Gerinnsels frei werden können. Dem
sonst von solchen Intoxikationen gezeichneten Bilde entspricht der
Verlauf hier aber auch nicht.
Ich dachte vorübergehend sogar an ein Versehen und an
Morphiumvergiftung; dies liess sich aber mit Sicherheit aus-
schliessen. Die nachträgliche Prüfung des Blutes der Spenderin
mit dem verschiedener Krankeohausinsassen liess mehrfach Ag¬
glutination und selbst Hämolyse beobachten. Mit dem Blute des
Verstorbenen konnte darauf nicht mehr exakt untersucht werden;
doch war hier ja der — wenn auch geringe — Hämoglobin¬
gehalt des Harns beweisend.
Selbstverständlich haben wir später diese Vorprüfungen niemals
bewusst unterlassen, aber einmal kam es doch vor, dass infolge
irrtümlicher Meldung die Transfusion gemacht wurde, obgleich die
Erytbrocyten des Spenders vom Serum der Empfängerin aggluti-
niert und spuren weise aufgelöst wurden, wie die nachträgliche
Prüfung ergab.
6. Bei einem 18 jährigen Mädchen U., das seit 5 Monaten an Magen-
schmerzen litt und dabei sehr heruntergekommen war, hatte sich der
Hb.-Gehalt nach einer schweren Magenblutung kurz vor der Aufnahme
am 9. IV. 13, in 6 Wochen, trotz aller Mittel nicht über 50 pCt. er¬
hoben und demgemäss lagen die Kräfte darnieder.
28. V. 13. Innerhalb 50 Minuten werden 800 ccm in üblicherweise
vorbehandeltes Normalblut + 400 isotonische NaCl-LösuDg in das peri¬
pherische Ende einer Cubitavene transfundiert.
Schon im ersten Beginn Sch wache an fall; Erblassen der Haut;
weite starre PupilleD; leichte oloniscbe Zuckungen des ganzen Körpers;
dauert 2 Minuten. Kurz darauf schar lachartige Rötung des ganzen
Körpers bis zum Ende der Operation. Darauf vorübergehend starke
Cyaoose. Blutdruck aus äusseren Gründen nicht bestimmt. Der Puls
blieb zwischen 90 und 100; die Temperatur stieg nachmittags ohne Frost
vorübergehend bis 38,5. Der 5 p entleerte Harn war stark eiweisshaltig
und blutig gefärbt; spektroskopisch: MetbämoglobiD. Das 5 1 /* P her¬
gestellte Blutpräparat lässt die äusserst blassen Erythrocyten der Emp¬
fängerin von den stark hämoglobinhaltigen des Spenders deutlich unter¬
scheiden und zeigt die letzteren zu 3—15 Stück agglutiniert.
Leukocytose. Auffallende Nachblutung aus der wie gewöhnlich nicht
genähten kleinen Hautwunde, die nachträgliche Naht erfordert.
29. V. Geht gut. Leichter Icterus der Haut und OoDjunctiven.
Temperatur morgens 37,6. Harn frei von Blutbestandteilen, Bilirubin,
Urobilin, Urobilinogen; enthält noch etwas Eiweiss.
30. V. Wohlbefinden; Temperatur normal. Harn: Albuminspur;
keine Gallenbestandteile. Im Blut: keine Agglutination mehr erkenn¬
bar; sehr starke Leukopenie; vollkommenes Fehlen der Plättchen; Hämo¬
globin: 50 pCt.
31. V. Harn ganz frei von abnormen Bestandteilen. Im Blut:
Rote: 4 580 000, Weisse 2900. Poikilocytose, Anisocytose, Makrocyten.
Die Plättchen erscheinen wieder.
1. VI. Die wiederholte Untersuchung auf Isolysine und Agglutinine
ergab, dass die Roten des Spenders vom Serum der Empfängerin schon
bei Zusatz von 0,1 deutlich agglutiniert, bei 0,8 auch spuren weise auf¬
gelöst wurden. Umgekehrt blieb jede Beeinflussung aus.
Ueber den weiteren Verlauf will ich nur bemerken, dass die Leuko¬
penie rasch schwand, die Plättchen sich zur Norm vermehrten und Pat.
5 Wochen nach der Transfusion mit 68 pCt. Hämoglobin geheilt ent¬
lassen werden konnte. Auch ein lautes (anämisches) Herzgeräusch war
verschwunden.
Besonders hervorgehoben zu werden verdient aber, dass (nach späteren
Nachrichten) alle früheren Störungen von seiten des Magens dauernd
fortblieben.
Noch bei einem weiteren Patienten (No. 7), der im Verdacht
eines Magencarcinoms stand, beobachteten wir Hämoglobinurie,
leichten Icterus, Uebelbefinden und abnehmende Temperaturanstiege
in den ersten Tagen nach der Transfusion.
Das Serum des Empfängers hatte hier die Roten des Spenders,
eines Polycythämikers, ganz vereinzelt agglutiniert. Hämolysis
war nicht nachzuweisen. Fünf Stunden nach der Transfusion war
eine spärliche Agglutinierung im Blute des Empfängers noch er¬
kennbar.
Die glänzende Dauerwirkung erwies die Carcinomdiagnose
als irrig. (Siehe Journalauszug Nr. 7, S. 1894.)
Ich deutete bereits an, dass man zwei Reaktionsphasen bei
der Transfusion unterscheiden kann, deren Ursachen wahrschein¬
lich gar nichts miteinander zu tun haben. Die primären
Störungen, welche unmittelbar nach Beginn des Binströmens auf-
treten, sind teilweise vielleicht als Intoxikation aufzufassen,
insofern das Transfusionsblut nicht ganz frei von giftigen Fer¬
menten geworden sein mag. Teilweise handelt es sich aber
sicher um mechanische Einwirkungen anf das Herz, welches in¬
folgen der plötzlichen starken Füllung ungewohnte Arbeit zu
leisten hat. Der besonders regelmässig anftretende Hustenreiz
wird durch Ueberfüllung der Lungengefässe bzw. Lungen¬
kapillaren bedingt sein, welche den Zustrom zuerst aufnehmen.
Die Intoxikation hat man durch sorgsame Vorbehandlung,
namentlich durch Prüfung auf Hämolysine, zu vermeideu.
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UNIVERSUM OF IOWA
1894
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
Die Herzstörungen sind durch umsichtige Ueberwachung
des Zustroms in erträglichen Grenzen zu halten. Sie pflegen sich
zu vermindern, wenn sich die Herzarbeit im weiteren Verlauf
der Transfusion dem vermehrten Zustrom angepasst hat. Der
Hustenreiz verliert sich ebenfalls, sobald die Circulation regu¬
liert ist.
Die sekundären Störungen haben wohl ebenfalls ver¬
schiedene Grunde. Wenn Hämolyse nicht ausgeschlossen ist, so
erklärt diese alles genügend. Wo sie fehlt, muss man sich daran
erinnern, dass die verschiedensten Fremdkörper — ich nenne
nur Collargol und Salvarsan — fieberhafte Reaktionen bervor-
rufen, wenn man sie direkt ins Gefässsystem einbringt, und dass
diese Reaktionen sich weder mit Sicherheit vermeiden, noch er¬
klären lassen. Dasselbe gilt unter Umständen ja selbst vom *
NaCl. Auch die gewaschenen Erythrocyten, die Frl. Levy in¬
fundierte, haben mindestens dieselben Reaktionen ausgelöst, wie
in Verbindung mit ihrem Serum. Obgleich nur einmal über 200 ccm
transfundiert wurde, waren die Fieberreaktionen kaum geringer
wie bei unseren grossen Transfusionen. Auch bei diesen haben
wir sie zuweilen ganz vermisst. Namentlich der Schüttelfrost
blieb Öfter aus, und die Temperatur überstieg 39° nur in einem
Teil der Fälle. Meist kehrte sie noch am gleichen Abend, fast
stets bis zum folgenden Morgen, zur Norm zurück. Etwas länger
dauert in seltenen Fällen ein gewisses Unbehagen und Elendig-
keitsgefühL Man hat den Eindruck, dass es damit Zusammen¬
hänge dass das Herz und das Gefässsystem hier etwas längere
Zeit brauchen, um sich an die gesteigerten Arbeitsansprücbe zu
gewöhnen. Sie haben eine grössere Inhaltsmasse in Circulation
zu erbalteo, und zwar oft unter einem gegen früher gesteigerten,
wenngleich höchstens normalen Druck 1 ).
Endlich ist es leicht verständlich, dass die immer noch zu¬
weilen unerwünscht niedrigen Temperaturen der grossen Mengen
von Infusionsflüssigkeit an der Frostreaktion mitbeteiligt waren.
Auch ein kühles Bad löst bekanntlich Frostgefühl aus.
Eine vorübergehende collapsartige Blutdrucksenkung haben
wir nach Beendigung der Transfusion nur einmal — zusammen
mit geringer Hämolyse — beobachtet (Fall Nr. 6). Die günstige
Wirkung wurde dadurch nicht aufgebalten.
Intravasculäre Gerinnungen, welche verschiedene Ex¬
perimentatoren (z. B. 1909 noch Coca) als Todesursache bei In¬
jektion artfremden oder frisch injizierten, defibrinierten, art¬
eigenen Blutes unter Ablehnung toxischer Momente für den töd¬
lichen Ausgang verantwortlich machten, haben in unseren Fällen
sicher weder bei den primären, noch bei den sekundären Störungen
eine Rolle gespielt. Ebensowenig konnte etwas davon bei der
Sektion in Fall Nr. 5 nachgewiesen werdeD.
Alles in allem genommen, darf ich auf Grund der hier mit-
geteilteD, sowie der an weiteren 20 Fällen gemachten Erfahrungen,
über die gesondert zu berichten keine Veranlassung vorliegt, wohl
sagen, dass selbst von den ganz grossen Transfusionen defibri¬
nierten BluteB keine Gefahren durch die sekundären Störungen
drohen, wenn durch sorgsame Vorprüfung jede Isolyse ausge¬
schlossen werden kann.
Leider kommen die Hämolysine aber gar nicht selten vor,
und nur zu oft waren wir dadurch verhindert, sonst sehr geeig¬
netes Blut zu verwenden.
Das Vorhandensein von Isoagglutininen, die noch häufiger
sind, macht das Blut nicht ohne weiteres unbrauchbar, wie
Fall 7 und 9 zeigen. Ich glaube übrigens, dass die Agglutination
in vitro nichts mit jenen Agglutinationserscheinungen zu tun
hat, welche man bei Hämolyse im Blute des Empfängers einige
Stunden nach der Transfusion siebt. Die letzteren dürften hier
vielmehr der Hämolyse voraufgehen und dieser verfallene Blut¬
zellen betreffen. Jedenfalls wurden sie in den Fällen vollkommen
vermisst, wo keine Hämolyse eintrat, obgleich vorher in vitro
starke Agglutination zu beobachten war (s. Nr. 9).
Wenn die Operation nicht sehr drängt, wird man trotzdem
Blut nicht verwenden, das aktiv oder passiv agglutiniert.
Die Journalauszüge Nr. 4 und Nr. 6 zeigen, dass wir das An¬
wendungsgebiet der Transfusion nicht auf die perniciöse Anämie
beschränkten. Sobald wir ausreichende Erfahrungen gesammelt
hatten, dehnten wir es auf die sekundären Anämien aus; ganz
besonders auf die Anämien nach Blutungen im Bereich
des Magen-Darmkanals. Ich zweifle nicht, dass die Transfusion
dabei den meisten Segen stiften wird. Jeder, dem viele solcher
1 ) Ich vertrete den Standpunkt, dass das Gefässsystem bei der
Förderung der Blutmasse aktiv mitwirkt.
Magenleidende durch die Hände gehn, beobachtet oft, dass nach
endlichem Sistieren langedauernder Ulcusblntungen der Patient
sich relativ schnell bis zu einem gewissen Grade erholt, dass die
Biutregeneration, und damit die weitere Besserung, dann aber aof
einem bestimmten Punkte stehen bleibt und sich mit keinem
der üblichen Mittel weiter fördern lässt. Bei den Blutungen aus
dem weiblichen Genitaltrakt würde es wohl ähnlich sein, wenn hier
nicht eine Operation meist rechtzeitig Hilfe schaffte. Hier fehlen
mir eigene Erfahrungen.
Man hat in solchen Fällen die Freude, nicht nur einen Palliativ¬
erfolg zu erreichen, wie bei der zuletzt ja doch unheilbaren perni-
ciösen Anämie, sondern rasch eine definitive Heilung anzu-
bahnen. Es folgt hier der Transfusion ein vollkommener Um¬
schwung im Ergeben des Kranken: Hebung des Appetits, rasch
wachsendes Kräftegefübl, beträchtliche Gewichtszunahme usw. —
Bei lebenbedrohenden subakuten Blutungen können
grosse Bluttransfusionen direkt rettend wirken. Noch¬
mals möchte ich betonen, dass erneute Blutung oder Verstärkung
vorhandener — etwa durch vermehrte Gefässfüllung und gestei¬
gerten Druck — nicht zu fürchten ist. Im Gegenteil! In den beiden
eben erwähnten Fällen stand die seit Wochen resp. Monaten an¬
haltende Blutung mit der Transfusion sofort und dauernd, ln einem
dritten mit tuberkulösen Darmgeschwüren wenigstens für 8 Tage.
Der Blutdruck aber nähert sich bei diesen Kranken höchstens in
einem für die ganzen Lebensvorgäoge offensichtlich nützlichen
Grade der Norm. Hierzu jetzt einige Krankenjournalauszüge als
Beispiele.
7. Fr., 63 Jahre alt, aufgenommen 3. XI. 1913. Seit l‘/ 2 Jahren
Scbluokbeschwerden und Magenschmerzen; 30 Pfund Gewichtsabnahme.
Am Tage der Aufnahme: Atemnot, Ohnmacht, Schweissausbruch,
Brennen im Leib. Viel Blut durch den Darm entleert; kein Erbrechen.
Bei der Aufnahme: Schwer collabiert; äusserst blass; wiederholte
Ohnmächten.
Bauchdecken schlaff; kein Tumor oder bestimmter Schmerzpunkt
fühlbar. Hb: 30 pCt. Stuhl: teerfarben; enthält reichlich Blut. Harn
ohne Besonderheiten.
13. XI. Nachdem Pat. sich inzwischen etwas erholt hat, Probe¬
frühstück: Freie HCl: —; Gesamtacidität: 10; Milchsäuern —; Sang. -f.
Erst am 28. XL war der Stuhl blutfrei; der Hämoglobingebalt des
Blutes aber hatte sich bis zum 19. XII. erst auf 35pCt. gehoben, ohne
weiter zu steigen, und dementsprechend lagen die Kräfte darnieder. Daher
am 19. XII. 1913 Transfusion von 820 ccm defibrinierten Blutes von
D. mit 7 375 000 Roten, -f- 1000 ccm RingerlösuDg. Dauer: 20 Minuten.
Die Blutkörperchen von Fr. waren durch das Serum von D. stark agglu¬
tiniert worden.
Bei Beginn des Einströmens; Schmerzen im Kopf und im Kreuz.
Bald nach Beendigung der Operation: Temperatur bis 38,5"; kein
Schüttelfrost; 5 Stunden später: Harn dunkel; enthält Hb; Durchfall;
Elendigkeitsgefühl.
Die Zahl der Roten war von 3,4 auf 4,7 Millionen, das Hb von 35
auf 42 pCt. gestiegen.
Der Blutdruck betrug, während der Transfusion von 5 Minuten zu
5 Minuten gemessen: Maiimum: 120, 120, 110, 120; Minimum: 60, 60,
55, 70.
20. XII. Temperatur normal; Harn: noch reichlich Hämoglobin;
kein Urobilin; Icterus; starke Blutdrucksenkung ( 75 /so)*
21. XII. Fühlt sich besser; Harn hämoglobinfrei; enthält Bilirubin.
In der Folge hob sich Allgemeinbefinden und Blutdruck rasch, der
Icterus verschwand und die Blutzusammensetzung besserte sich derart,
dass Pat. am 30.1. 1914 mit 53pCt. Hb, 4 662 000 Roten und 6Pfuud
Gewichtszunahme beschwerdefrei entlassen werden konnte.
Am 12. II. stellte er sich bei gutem Wohlsein wieder vor. Hb:
60pCt.; Rote: 5 560 000.
Bemerkenswert ist, dass Pr. seit der Transfusion von Magen¬
beschwerden nichts mehr gespürt hat.
8. ß., 41 Jahre alt. Seit Jahren Bleikolik, chronische Verstopfung,
Leibschmerzen. 31. I. 1913: Schwere Magenblutung (»einen Nachttopt
voll“); 5. II. Wiederholung der Blutung; Ohnmacht; Aufnahme ms
Krankenhaus. .
Status: Mittelgross, kräftig; »völlig ausgeblutet“; Bleisaum an den
Zähnen. Hb: 36 pCt.
Brust- und Bauchorgane ohne wesentliche Besonderheiten; Abdomen
weich, nirgends druckempfindlich; Boas’scher Druckpunkt links vorhanden.
Im Stuhl Blut -f; Harn: Eiweissspur.
14. II. Im Stuhl noch Blut; Hb auf 32 zurückgegangen; Allgemein¬
befinden gehoben. ,
Transfusion von 580 com Blut des Polycythamiker Sch. m
12 */ 2 Milliouen Roten, -f- 500 ccm isotonischer NaCl-LÖsung. Dau
26 Minuten. ^ .
Keinerlei Reaktion. Temperatur bleibt unverändert DOr ®J 1, f
Hb unmittelbar nach der Transfusion 54pCt.; steigt bis 14.‘li-
65 pCt., während das Körpergewicht in diesen 4 Wochen um 1« r
zunahm. -
Stuhl dauernd blutfrei. KeineMagenbeschwerden mehr. (Kurv
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UNIVERSUM OF IOWA
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7. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1895
Kurve 1.
9. N., 48 Jahre alt, Friseur. Seit April 1913 Herzklopfen bei
geringen Anstrengungen; seit Juni zunehmende Blässe; seit September
schwarze Stühle bemerkt.
23. IX. 1913. Bei Aufnahme: Schwerste sekundäre Anämie. Hb:
21; Rote: D /2 Millionen; im Stuhl reichlich Blut.
Probefrühstück: Freie HCl: 24; Gesamtacidität: 40; Sang. —;
Milchsäure —.
Anamnestisch und an den Organen sonst nichts Bemerkenswertes.
Diagnose: Ulcus duodeni?
Da eine Aenderung nicht eintrat und auf eine Transfusion verzichtet
werden musste, weil die roten Blutzellen von N. durch das Serum aller
in Betracht kommenden Blutspender gelöst wurden, oder N.’s Serum die
Roten der präsumptiven Spender löste, machten wir Versuche mit Blut¬
injektionen nach v. Ziemssen.
Am 14. X. erhielt N. 40 g, am 22. X. 60 g, am 3. XI. 40 g ganzes
Normalblut intramuskulär; am 7. XL und 13. XL 40 g resp. 60 g sub-
cutan.
Das Ansteigen des Hb von 21 auf 29 pCt. innerhalb der 2 Monate
kann als wesentlicher Erfolg kaum bezeichnet werden; jedenfalls stand
dieser Erfolg in keinem Verhältnis zu der grossen Schmerzhaftigkeit des
Verfahrens; auch Blut im Stuhl trat mit kurzen Unterbrechungen immer
wieder auf. N. verliess nach der letzten Injektion (14. XI. 1913) ungeheilt
die Anstalt. Zu Hause musste N. fast dauernd das Bett hüten; alle paar
Wochen bekam er heftige krampfartige „Magen“scbmerzen. Anfang
Februar 1914 schwere Darmblutung. Seitdem geht es immer schlechter.
Seit 20. III. allmorgentlich, beim Versuch sich im Bett aufzurichten,
Erbrechen; im Erbrochenen niemals Blut.
28. III. 1914 Wiederaufnahme. Patient äusserst elend, macht fast
den Eindruck eines Sterbenden. Schmerzen in der linken Oberbauch¬
gegend. Hb: 14 pCt. Rote: IV 2 Millionen. In den ersten Tagen Tem¬
peratur über 38° C. Im Stuhl mit Benzidinprobe Blut nachzuweisen.
Wiederum gelingt es zunächst nicht, brauchbares Blut zur Transfusion
zu finden. Da keine Aenderung im Befinden des N. eintrat, entschloss
ich mich am 11. VI. das Blut des Polycytbämikers Sch. mit 10 Millionen
Roten zu verwenden, obgleich die Erythrocyten von N. durch das Serum
von Sch. stark agglutiniert wurden. Aktive und passive Hämolyse fehlte.
Zur Vorsicht begnügte ich mich zunächst mit 600 ccm, die ab¬
wechselnd mit 750 ccm Ringerlösung in 15 Minuten einströmten.
Während der Operation Kopfschmerzen, Hustenreiz; erythematöse
Rötung der Gesichtshaut. Kurz danach Frösteln; die Temperatur erhebt
sich bis 39,4°, kehrt aber noch am gleichen Abend zur Norm zurück.
Keine Hämolyse.
Hb vor der Transfusion 14 pCt.; unmittelbar nachher 39 pCt. Es
war diesmal gelungen, die Temperatur von Blut und Ringerlösung ziem¬
lich konstant auf 37° C zu halten.
Der Blutdruck war während der Transfusion: Maximum: 120, 135,
120, 120, 115; Minimum: 45, 45, 40, 50, 45.
Nach der Operation Wohlbefinden; Blut aus dem Stuhl dauernd
verschwunden; ebenso alle Symptome seitens des „Magens“.
Dennoch erhebt sich der Hb Gehalt des Blutes während der nächsten
18 Tage nicht über 37 pCt.
Daher am 29. IV. zweite Transfusion.
Innerhalb von 23 Minuten strömen 900 ccm Blut desselben Poly-
cythämiker Sch. mit jetzt 9,3 Millionen Roten -f- 400 g Ringer-
lösuog ein.
Kurve 2.
Temperatur des Blutes anfangs unter 35°; später 36°; zuletzt 38°.
Ausser Hustenreiz und etwas Kreuzschmerzen während der Operation
diesmal keine Beschwerden. 3 Stunden später Schüttelfrost, Erbrechen,
Durchfall, Temperatur bis 39,6°, aber noch am Abend Entfieberung.
Keine Hämolyse. Blutdruck: Maximum: 125, 120, 115, 115,
120, 130, 140; Minimum: 60, 50, 50, 55, 60, 60, 65.
Der Hb-Gehalt des Blutes hatte sich von 37 pCt. auf 50 pCt. un¬
mittelbar nach der Transfusion gehoben, stieg am 2. Tage auf 55 pCt. und
blieb auf dieser Höhe bis zum 13. V. unverändert stehen, wo N. geheilt
und arbeitsfähig entlassen werden konnte.
Mitte Juni stellte er sich dann wieder vor; er macht den Eindruck
eines völlig gesunden Menschen und weiss nichts mehr von „Magen“-
beschwerden. Hb: 60 pCt. (Kurve 2.)
10. R., 24 Jahre alt, Postbote. Seit etwa 3 Jahren magenleidend.
Im letzten Jahr alle paar Wochen während einiger Tage krampfartige
Magenschmerzen, teils vor, teils 1—2 Stunden nach dem Essen. Zu¬
weilen auch nachts; werden dann durch Trinken von Wasser gemildert.
Vor etwa 1 Jahr durch 14 tägige ärztliche Behandlung zunächst be¬
deutend gebessert, doch kehrten die Beschwerden bald wieder. Die An¬
fälle gehen oft mit Frösteln einher.
1. I. 14. Morgens viel Aufstossen; in der Nacht zum 2. I. dünner
Stuhl; Erbrechen (kein Blut). Ara Morgen des 2. wird ihm auf seiner
Haustreppe schwarz vor den Augen; er bricht zusammen und entleert,
in seine WohnuDg gebracht, viel reines Blut durch den Darm, -sowie mit
dem gleichzeitig Erbrochenen. Transport ins Krankenhaus. Un¬
mittelbar nach der Aufnahme 3 / 4 Liter reines, hellrotes, nicht geronnenes
Blut aus dem Munde entleert.
Status: Grosser, schlecht genähiter, äusserst blasser junger Mann;
Zunge belegt; anämische Herzgeräusche; Abdomen weioh, nirgends
druckempfindlich; Puls sehr klein, weich frequent. Hb. 55pCt. Sonst
an den Organen nichts Besonderes.
Magen mit Eiswasser gespült; NaCl-Suprarenin innerlich. Trotzdem
abends erneute Magenblutung. Puls sehr schlecht. Aus Indicatio
vitalis 200 ccm defibriniertes Blut eines Nephritikers ohne weitere Vor¬
prüfung intravenös. Keinerlei Reaktion; kein Erbrechen wieder. Io der
Nacht dünner, teerfarbener Stuhl.
3. I. 11b. 35 pCt. Blutdruck 95/50; kein Blutbrechen mehr; starkes
Durstgefühl.
4. I. Zweimalige Entleerung stark bluthaltigen Stuhls. Blut¬
druck 100/40.
5. I. Hb. 25 pCt.; Blutdruck 100/40; Puls klein, sehr frequent.
6. I. Hb. 19 pCt.; starkes Durstgefühl trotz reichlicher Wasser¬
zufuhr.
8. I. Hb. 16 pCt.; 400 ccm geeiste Milch löffelweise werden be¬
halten.
10. I. Linksseitige Hungerparotitis; Temperatur 39° C.
12. I. Hb. 16 pCt.; Rote 1 225 000. Die schmerzhafte Schwellung
der Parotis hat zugenoramen.
14. I. Hb. 18 pCt.; Temperatur 39,8. Stuhl immer noch teerfarben.
15. I. Inzision und Drainage der Parotis; Temperatur fällt zur Norm.
19. 1. Hb. 18 pCt., Stuhl immer stark bluthaltig.
22. I. Im Stuhl andauernd viel Blut.
24. I. Hb. 18 pCt., Rote 2 000 000. Blutdruck 90/45.
Transfusion von 950 ccm defibrinierten Blutes des Polycythämikers
Sch. mit IOV 2 Mill. Roten -f- 900 ccm Ringerlösung in 22 Minuten.
Blutdruck 70/<40 — 105/<40 — 110/40 — 110/50.
Während der Transfusion Kopfschmerzen; gegen Ende Frösteln;
3 Stunden später Temperatur 40,2; 5 Stunden später 38,7; im Laufe
der Nacht kehrt die Temperatur zur Norm zurück. Harn bleibt frei
von Hb und Gallenderivaten. Auch sonst keinerlei Störungen. Das Blut
von Spender und Empfänger hatte weder Hämolyse noch Agglutination
gezeigt. Die Temperatur der Infusionsflüssigkeiten hatte sich auf 35 bis
36° C halten lassen.
Hb. vor der Transfusion 18 pCt.; unmittelbar nachher 30 pCt.
25. I. Wohlbefinden; Hb. 37 pCt. (Ausscheidung des infundierten
Wassers).
Der Hämoglobingehalt des Blutes stieg bis zum 31. I. auf 45 pCt.;
die Zahl der Roten auf 3,8 Mill. Stuhl frei von Blut; keinerlei Magen
beschwerden mehr.
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UNIVERSUM OF IOWA
1896
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
26. II. hat die Zahl der Roten 4,66 Mill. erreicht, wahrend der
Hämoglobingehalt sich nicht weiter gehoben hatte (44 pCt.) Stuhl
dauernd blutfrei; keine Magenbescbwerden. Gewichtszunahme seit
dem 2. Februar (vorher war Wägung nicht möglich gewesen)
12 P/und.
12. III. Beschwerdefrei, auf seinen Wunsch entlassen.
15. V. stellte er sich völlig genesen wieder vor, nachdem er bereits
seit 6 Wochen seinen Dienst als Postbote aufgenommen batte. Irgend¬
welche Störungen seitens des Magens sind nicht wieder aufgetreten.
Hb. 50—55 pCt. (Kurve 3.)
Wenn man die prompte bämostyptische Wirkung der
grossen Transfusionen von artgieicbem Blut in den letzten Fällen
auch vielleicht mit der gleichen von artfremdem Serum bei
lokaler Applikation in Parallele setzen darf, so muss ich doch
gestehen, dass mir die „Besserung der Gewebsernäbrung und der
Circulationsverhältnisse“ durch die grossen Mengen frischen Blutes
nicht recht genügt, um die sofortige dauernde Beseitigung aller
Magenbeschwerdeo und den unmittelbaren Umschwung im Be¬
finden der Kranken gleich nach Abklingen der Transfusions-
reaktiouen iu erklären. Der vorläufige Mangel einer voll be¬
friedigenden Erklärung vermag an der Tatsache freilich nichts zu
ändern. Ueber das Sistieren von Blutungen nach der Transfusion
Soden sich schon in der älteren Literatur ein paar vereinzelte
Bemerkungen.
Es ist klar, dass eine ähnlich günstige Daoerwirknng noch
in vielen anderen Fällen zu erwarten ist, und zwar überall dort,
wo krankhafte Hämolyse nicht zum Wesen des Leidens gehört
(wie bei den hämorrhagischen Diatbesen, Leukämie, den meisten
Formen der perniciösen Anämie usw.). Es kommt ferner die
prophylaktische Transfusion vor blutigen Operationen an stark
ausgeblnteten Personen in Betracht (vgl. unseren Fall 4). Also
z. B. bei Placenta prävia, bei Extrauterinschwangerschaft, vor
Myomoperationen nach langen Blutungen, bei ausgebluteten
Wöchnerinnen usw.
Ueberblickeu wir besonders die zuletzt mitgeteilten Journal¬
auszüge, so scheint es einigermaassen bemerkenswert, dass die
mit grossen Transfusionen sofort erreichte beträchtliche Hämo¬
globinvermehrung in den Fällen, wo eine Zerstörung der Blut¬
zellen nicht zum Wesen der Krankheit gehört, wie z. B. bei der
perniciösen Anämie, für Wochen, bzw. während der ganzen Be¬
obachtungszeit, entweder annähernd konstant bleibt, oder gleich
mässig zunimmt. Das circulierende Blut ist nach unseren bis¬
herigen Anschauungen doch kein selbständiges Gewebe, welches
die Fähigkeit der Selbstergänzung in sich trägt, wie andere
Körperbestandteiie. Wir nehmen vielmehr an, dass wenigstens
seine Zellelemente aus den sogenannten Blutbildungsstätten —
vor allem Knochenmark und Lymphgewebe — stammen und von
hier ins Gefässsystem abgegeben werden, ohne sich innerhalb der
Gefässe zu vermehren.
Wie können sich also die zugeführten Blntzellen im fremden
Organismus dauernd erhalten?
Sollen wir glauben, dass sie beim Passieren der Blutbildungs-
stätten in diesen haften bleiben und sich hier nun in einer uns
bisher nicht bekannten Weise regenerieren?
Oder üben ihre Zerfallsprodukte einen spezifischen Neu¬
bildungsreiz aus, indem sie zugleich Material für diese Neu¬
bildung liefern?
Der letztere Vorgang spielt ja sicher eine Rolle, wie die
klinische Beobachtung lehrt 1 ) und Cantacuzene, sowie neuer¬
dings Hess und Saxl experimentell nachgewiesen hat. Anch sei
an die „Hämapoetine“ Carnot’s erinnert.
Insofern hätte diese Hypothese am meisten für sich.
Ein Regenerationsreiz durch Blutzellbestandteile müsste ja
sicher für die Fälle angenommen werden, in welchen kleine Blut¬
mengen, manchmal von wenigen Kubikzentimetern, und selbst
wenn sie extravaskulär beigebracht wurden, eine lebhafte Blut-
neubildung hervorrufen sollen. Wir haben das freilich nicht
1 ) Es ist im Tierexperiment von jeher aufgefallen, dass die Blut-
erneuerung sehr viel rascher erfolgt, wenn die roten Blutzellen inner¬
halb der Blutbahn durch Gifte zerstört werden, als wenn man sie durch
Entbluten dem Organismus ganz entzieht. Auch bei der akuten
malarischen Hämolyse (dem Schwarz Wasserfieber), wo nicht selten
B /* der gesamten roten Blutkörperchen, und mehr, innerhalb von 2—3 mal
24 Stunden zugrunde geben, darf man sich die intensive Neubildung,
welche den Verlust in wenigen Wochen vollkommen wieder einbringen
kann, wohl kaum allein damit erklären, dass hier die Bausteine für die
Erneuerung dem Organismus teilweise verblieben sind. Wahrscheinlich
wirkt ein spezifischer, von den Zerfallskörpern der untergegangenen
Zellen ausgeübter Neubildungsreiz ebenfalls mit.
gesehen (s. z. B. Fall 9). Es ist bemerkenswert, dass ver¬
schiedene zuverlässige Beobachter, wie Quincke, Ewans,
Morawitz, Schultz, gerade dann eine günstige Wirkung
hatten, wenn eine besonders heftige Reaktion vorausgegangen war.
Diese wird wahrscheinlich nicht allein durch den Zerfall der
relativ geringen Menge ein geführter Blutzellen allein erzeugt,
sondern durch die hämolytischen Prozesse, welche fremdes, wenn¬
gleich arteigenes Blut manchmal hervorruft, und mag deshalb in
einem gewissen Verhältnis zur Stärke der Hämolyse und damit
der Reaktion stehen. Die Hämolyse braucht ja nicht so hochgradig
zu sein, dass blutfarbener Harn entleert wird.
Ein klassisches Beispiel für solche Vorgänge, bietet eine Kranken¬
geschichte von Bier (1901), welcher einen schwer Tuberkulösen mit oft
wiederholten Injektionen kleinster Mengen artfremden Serum? be¬
handelte, um eine Reaktion, eine „Umstimmung“ des Organismus zu be¬
wirken. Nach der ersten Injektion von 20 bis 25 ccm frisch defibri-
nierten Hammelblutes wurde das Serum des Empfängers hämolytisch.
Schliesslich trat trotz der zum Teil sehr stürmischen akuten Erschei¬
nungen wesentliche Besserung ein.
Für unsere Fälle kommt wohl eine doppelte Wirkung in
Betracht. Zunächst wird man angesichts der Jourualauszüge
kaum bezweifeln, dass selbst die grossen Mengen zum Teil über¬
wertigen Blutes mehr oder weniger vollkommen erhalten bleiben.
Die zuweilen schon in den ersten Tagen über den unmittelbar
nach der Transfusion gefundenen Hämoglobinstand hinaus beob¬
achtete Zunahme dürfte nur scheinbar und durch die Aus¬
scheidung des mit dem Blut eingeführten Wassers bedingt sein.
Namentlich bei Perniciös-Anämischen, die das Wasser länger
retinieren, tritt das hervor. Aber die eingefübrten Zellen haben
ein verschiedenes Alter, und wie sie im Organismus des Spenders
allmählich zugrunde gegangen wären, so muss es ihrem zu¬
nehmenden Alter entsprechend von anfang an auch im Empfänger
geschehen. Ihre Zerfallsprodukte regen dann wieder die Neu¬
bildung an, so dass der ganze „ Blutzell Wechsel“, wenn ich
so sagen darf, auf ein höheres, aber einigermaassen konstantes
Niveau eingestellt wird (s. Kurve 2 u. 3).
Wenn man so grosse Erythrocytenmengen zuführt, dass von
ihrer Funktion ein direkter, unmittelbarer Nutzen für den Emp¬
fänger zu erwarten ist, so gestaltet sich die Vorbereitnng dieses
Blutes einigermaassen schwierig. Selbst wo keine spezifische
Hämolyse stattfindet, wird doch durch das Defibrinieren, Filtrieren,
Umgiessen, die Temperaturschwankungen, ein, wenn auch kleiner
Teil der roten Blutzellen zerstört werden. Je grösser die vor¬
behandelte Blutmenge ist, um so grösser muss die Zerstörung
sein. Die Zerfallsprodukte aber geben wieder einen kräftigen
Reiz zur Blutneubildung ab, für welche sie zugleich Material
liefern. Der Zerfall wirkt also in diesem Sinne nützlich.
Befördern darf man ihn trotzdem nicht. Es ist im Gegen¬
teil unser Bestreben darauf zu richten, dass die fremden Blut-
zellen möglichst vollständig erhalten bleiben. Es ist ja nicht
zu bezweifeln, dass die erhaltenen auch volle Funktion ausüben
und so den Verlust unmittelbar ersetzen.
Die Anregung der späteren Neubildung möge man ihrem
natürlichen Untergang überlassen.
Da Anaphylaxie nicht eintritt, wie wir uns mehrfach
überzeugen konnten, so lässt sich die Transfusion beliebig oft
wiederholen.
Für die Hauspraxis eignet sich das Verfahren bis jetzt schon
deshalb nicht, weil es geübte Assistenz erfordert.
Dass es aber für die Kliniken und Krankenhäuser lohnt,
sich damit zu beschäftigen, das hoffe ich gezeigt zu haben.
Literatur.
1. Philoaophical Transaction, Vol. 7-37, 57, p. 1665-1669, bringt
die Berichte aus England und Frankreich. — 2. Panum, Experimen¬
telle Untersuchungen über die Transfusion, Transplantation oder Sub¬
stitution des Blutes in therapeutischer und praktischer Beziehung. Viren-
Arch., 1863, Bd. 27, S. 240. — 3. Martiü, Ueber die Transfusion bei
Blutungen Neuentbundener. Berlin 1859. — 4. Eulenburg und Lan-
dois, Die Transfusion des Blutes. B.kl.W., 1866, S. 87. - 5. Laodois,
W.m.W., 1867, Nr. 30-59. — 6. G. Gesellius, Die Transfusion des
Blutes, eine historische, kritische und physiologische Studie. Leipzig 1“' i
T. Wagner. Bringt die älteste Literatur. — 7. Neudörfer, Beiträge zur
Transfusion. Zschr. f. Chir., 1879, Bd. 5, Nr. 35-37. — 8. Quincke,
D. Arch. f. klin. M, Bd. 20, S. 1 u. Bd. 25, S. 567. — 9. v. Ott, Ueber
den Einfluss der Kochsalzinfusion auf den verblutenden Organismus ®
Vergleich mit anderen zur Transfusion verwendeten Flüssigkeiten. Urc ■
Arch., 1883, Bd. 93. — 10. Länderer, Ueber Transfusion und Infusion.
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Original frum
UNIVERSUM OF IOWA
7. Dezember 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1897
D. Aroh. f. klin. Chir., 1886, Bd. 34, S. 809. — 11. Dettmar, Einfluss
der Transfusion des Blutes derselben Spezies auf die Zahl der 'roten
Blutkörperchen. Greifswald 1896, Inaug.-Diss. — 12 Gantacuzene,
Sur les variations qualitatives et quantitatives des globules rouges pro-
voquöes chez le lapin par les injections de serum hömolytique." Ann. de
l’inst. Pasteur, 1900, T. 14. — 13. A. Bier, Die Transfusion von Blut,
insbesondere von fremdartigem Blut und ihre Verwertbarkeit zu Heil¬
zwecken von neuen Gesichtspunkten betrachtet. M.m.W., 1901, Nr. 15. —
14. Lefmann, Die Giftsubstanzen des artfremden Blutes. M. Kl., 1907,
8 . Jahrg. — 15. W. Schultz, Ueber Isolysine und Hämagglutinine beim
Kaninchen. D. Arch. f. klin. M., 1905, Bd. 84, S. 552. — 16. Derselbe,
Bleibt artgleicbes Blut bei der Transfusion erhalten? D. Arch. f. klin.
M., 1905, Bd. 84, S. 541. — 17. Derselbe, üeber Bluttransfusion beim
Menschen unter besonderer Berücksichtigung der biologischen Vor¬
prüfungen. B.kl.W., 1910, Nr. 30, S. 934. — 18. Derselbe, Ein weiterer
Beitrag zur Transfusionsfrage. B.kl.W., 1911, Nr 21.— 19. R. T. Frank,
A new method for the transmission of the blood. New York med. journ.,
Nov. 1908. — 20. Morawitz, Die Behandlung schwerer Anämien mit
Bluttransfusion. M.m.W., 1907, Nr. 16. — 21. Derselbe, Beitrag zur
Kenntnis der Blutgerinnung. D. Arch. f. klin. M., Bd. 79, H. 1—6. —
22. Derselbe, Transfusion und Aderlass. D.m.W., 1910, Nr. 6 u. 7. —
23. Weber, Ueber die Behandlung schwerer Anämien mit Menschenblut¬
transfusionen. D. Arch. f. klin. M., 1909. — 24. Coca, Virch. Arch.,
1909, Bd. 196, H. 1. — 25. Voit-Giessen, 56. Versammlung der mittel¬
rheinischen Aerzte. M.m.W., 1909, Nr. 30. — 26. Guleke, Chirurgische
Reiseeindrücke aus Nordamerika. M.m.W., 1909, Nr. 47, S. 2426. —
27. Hotz, Ueber Bluttransfusion beim Menschen. D. Zschr. f. Chir., 1910,
Bd. 104, H. 2, S. 603. — 28. Enderlen, Zur Behandlung der Hämo¬
philie. M.m.W., 1910, S. 1308. — 29. Moldovan, Ueber die Wirkung
intravasculärer Injektionen frischen defibrinierten Blutes und ihre Be¬
ziehungen zur Frage der Transfusion. D.m.W., 1910, Nr. 52, S. 2422. —
30. Gray, Med. record, 1911, vol. 89, p. 198. — 31. 0. Hansen, Ver¬
handlungen des deutschen Kongresses für innere Medizin 1911. —
.32. H. Freund, Studien über das Fieber duroh Blutzerfall und Blut¬
transfusion. D. Arch. f. klin. M., 1912, H. 1, S. 44. — 33. L. Hess und
P. Saxl, Ueber den Abbau des Hämoglobins. D. Arch. f. klin. M., 1912,
H. 2, S. 180. — 34. Payr, Zur Technik der arterio-venösen Bluttrans¬
fusion. M.m.W., 1912, Nr. 15. — 35. Flörken, Weitere Beiträge zur
direkten Bluttransfusion. M.m.W., 1912, Nr. 49, S. 2663. — 36. R. Otten-
berg und D. Kaliski, Die Gefahren der Transfusionen und deren Ver¬
hütung. D.m.W., 1913, Nr. 46. — 37. L. Dreyer, Ergebnisse der Chir¬
urgie und Orthopädie, 1913, S. 76. — 38. M. Levy, Ueber Transfusionen
am Menschen mit serumhaltigem und serumfreiem Blut. Zschr. f. klin. M.,
1914, Bd. 80, H. 1 u. 2.
Bücherbesprechungen.
E. Ponfick: Untersuchungen über die exsudative Nierenentzündung.
Mit 112 Abbildungen auf 25 Tafeln. Jena 1914, G. Fischer.
290 Seiten, gr. 8°.
Die Herausgabe dieses Werks, einer Frucht jahrelanger tiefgründiger
Studien, hat der Verf. nicht mehr erleben dürfen. Mein unvergesslicher
Freund wurde uns kurz vor Vollendung derselben entrissen. Da aber
das Manuskript beim Tode Ponfick’s in seinen einzelnen Abschnitten
fertig gestellt vorlag, so konnte Herr R. Stumpf 1 ), zuletzt sein erster
Assistent, das Buch in dankenswerter Weise für den Druck fertig stellen.
So liegt es denn als ein schönes Zeichen der Erinnerung und weit dar¬
über hinaus als ein hervorragendes Werk deutschen Forschergeistes und
deutscher Gründlichkeit vor uns. Freilich fehlt die letzte Ueberarbei-
tung.und vor al)em eine abschliessende Zusammenfassung des gesamten
Stoffes, in der Ponfick wohl manches noch schärfer hervorgehoben und be¬
sonders die Beziehungen zu den klinischen Bildern der Nierenentzündungen
in grossen Zügen nochmals festgelegt hätte. Jetzt hat sich Stumpf damit
begnügen müssen, den bekannten Vortrag Ponfick’s auf der Meraner
Naturforscherversammlung von 1905: „Ueber Morbus Brightii“ an den
Schluss zu setzen, und wir wissen nicht, welchen Einfluss die neuesten
Forschungen auf dem Gebiete der Nierenpathologie, zu denen sich die
Keime übrigens vielfach schon in dem Ponfick’schen Buche finden, auf
die endgültige Ausgestaltung des letzteren gehabt hätten. Bereits da¬
mals aber hielt Ponfick eine Einteilung in parenchymatöse und inter¬
stitielle Prozesse für überlebt und eine Sonderung nach rein deskriptiven
Merkmalen, wie z. B. einer „weissen grossen“ und einer „kleinen roten“
Niere, für ganz unzweckmässig. Es handelt sich vielmehr überaus häufig
gar nicht um eine diffuse Ausbreitung des pathologischen Prozesses,
sondern um Herderkrankungen, seien es Infarkte (Nekrosen), seien es
Schrumpfungsherde, die sich auf arteriosklerotische Prozesse (reine
Arteriosklerose, Syphilis usw.) zurückführen lassen. Schliesslich kommen
hierfür auch mechanische (porogene) Schädlichkeiten, wie bei der
Hydronephrose, und hämatogene Noxen, besonders solche infektiösen Ur¬
sprungs in Betracht. Derartige umschriebene Sohrumpfungsherde und
reine Herderkrankungen können unter dem Bilde eines typischen Morbus
Brightii verlaufen. Es sind dies die Zustände, die Volhard und
1) Er ist vor wenigen Tagen den Heldentod auf dem|.Felde der Ehre
gestorben!
Fahr als nephrotische Sohrumpfniere (nekrotisierende Nephrosen), als
embolische Herdnephritis u. s. f. und als Kombinationsform der Sklerosen
bezeichnet haben. Von den „parenobymatösen“ Nephritiden sagt P.,
dass ein nicht geringer Bruchteil überhaupt nicht zu den entzündlichen
gerechnet werden darf (die Nephrosen der ebengenannten Autoren), aber
auch bei den wirklich entzündlichen Formen ist zu untersuchen, wie
weit ausschliesslich die Harnkanälchen, wie weit zugleich die Malpighi-
schen Körperchen und andere Teile des Zwischengewebes ergriffen wurden.
Während nun die Veränderungen der Drüsenzellen selber nach allen
Richtungen studiert sind, hat man dem Verhalten ihres Lumens nicht
die genügende Beachtung geschenkt. Diesem Studium ist im wesent¬
lichen das vorliegende Werk gewidmet, welches die plastischen Ab¬
sonderungen der Nephritis exsudativa in allen ihren verschiedenen Er¬
scheinungsformen, am Glomerulus, an den Harnkanälchen und (indirekt)
im interstitiellen Gewebe auf Grund eines ungemein reichhaltigen und
auf das sorgfältigste verarbeiteten Materials zur Darstellung bringt.
112 Figuren auf 25 Tafeln in Buntdruck geben ein anschauliches
Bild der betreffenden Verhältnisse. Dass die Zeichnungen ein klein
wenig schematisiert sind, halte ich für keinen Fehler. Uebersicht und
Verständnis werden dadurch erleichtert, und der Autor haftet uns
schliesslich doch dafür, dass nichts Wesentliches verloren oder falsch
interpretiert ist. Ponfick zeigt aber, dass dieses exsudative Moment
eine gewaltige und bisher entschieden unterschätzte Rolle in der Patho¬
logie der Nierenkrankheiten spielt und der Tenor seines Buches geht
darauf hinaus, die Beweisstücke hierfür beizubringen. Er teilt sein Ma¬
terial ein in die Gruppe der eigentlichen Nephritis exsudativa und deren
unmittelbare Folgezustände (Verkalkungsvorgänge verschiedener Art) und
die Cystenbildung und Schrumpfung als weitere sich anschliessende Er¬
scheinungen. Damit werden wir aber, wie die folgende Einteilung der
Bilder des Atlas zeigt, über das ganze weite Gebiet deren Nierenkrank-
heiten geführt. Wir finden nämlich: I. Nephritis exsudativa acuta
(17 Abb.); II. Nephritis exsudativa ohronica (Abb. 18—25); III. Nephritis
exsudativa mit Cystenbildung und Glomerulis (Abb. 26—34); IV. Ne¬
phritis exsudativa mit Bildung tubulogener Cysten (Abb. 35—43);
V. Nephritis exsudativa, teils hyaline, teils leukocytäre, teils gemischte
Cylinder hinabsenkend (Abb. 44—47); VI. Nephritis haemorrhagica und
chronica (Abb. 48—52); VII. Nephritis glomerula acuta und chronica
(Abb. 53—61); VIII. Nephritis exsudativa recens neben altem Schwunde
der anderen Glomeruli (Abb. 62); IX. Nephritis glomerularis exsud. acuta
im Kindesalter (Abb. 63—66); X. Nephritis exsudativa mit Verkalkung der
Rindensubstanz (Abb. 67—72); XI. Atrophia granularis (Abb. 73 u. 74);
XII. Nephritis interstit. chron. auch glomerul. (Abb. 75—77); XIII. Ne¬
phritis exsudativa mit teils hyalinen, teils leukocytären Cylindern in der
Marksubsubstanz (Abb. 80—84); XIV. Nephritis embolica (Abb. 85
bis 88); XV. Nephritis interstit. acuta (Abb. 89); XVI. Verkalkung der
Markkegel (Abb. 90—97); XVII. Regeneratorische Epithelwuoherung in
den Sammelkanälchen (Abb. 98); XVIII. Pallisadenförmige Schrumpfungs¬
herde (Abb. 99—.106); XIX. Verdichtung im Mark mit Verödung ge¬
rader Kanälchen (Abb. 107—111); XX. Sekundärer Schwund Malpigh-
scher Körperchen nach Verstopfung von gewundenen Kanälchen und
unteren Scbaltstücken (Abb. 112).
Man verzeihe diese langatmige Aufzählung! Aber nur so schien es
mir möglich, dem Leser dieser Zeilen einen Ueberblick über den reich¬
haltigen Inhalt des Ponfick’schen Werkes zu geben. Der Verf. hob
selbst am Schluss seines Meraner Vortrages die Solidarität zwischen
anatomischer und klinischer Forschung hervor und gab seiner Ueber-
zeugung Ausdruck, dass nur durch ein gemeinsames planvolles Zu¬
sammenarbeiten zwischen Kliniker und Anatomen die Möglichkeit eines
gedeihlichen Fortschrittes auf diesem Gebiete gegeben sei. Sein Hin¬
scheiden hat ihn leider die klinische Seite weniger wie er beabsichtigte, und
wie ich weiss, dass er wollte, zur Geltung bringen lassen. Wie das
Buch jetzt vorliegt, ist es doch im wesentlichen von pathologisch-anato¬
mischer Bedeutung und es fehlt an den klinischen Daten, die das Band
zwischen Anatomie und Klinik herstellen. Doch in ersterem Sinne wird
es eine Glanzleistung bleiben, die vielleicht für den Augenblick, unter
dem Dröhnen der Schlachten, nioht ihre volle Würdigung findet, später
aber unbedingt dem Namen des Autors ein dauerndes ehrenvolles Ge¬
denken sichern wird! Ewald.
H. Starck-Karlsruhe: Lehrbach der Oesophagoskopie. 2. grössten¬
teils neubearbeitete Auflage. Mit 110 Abbildungen. Würzburg,
Gurt Kabitzsch. Preis 8 M.
Das schon in seiner 1. Auflage ausgezeichnete Buch, das jedem, der
sich mit Oesophagoskopie beschäftigt, unentbehrlich geworden ist, zeigt
in seiner neuen Form eine wesentliche Aenderung vor allem darin, dass
die in den letzten 10 Jahren angegebenen neuen Instrumente einschliess¬
lich ihrer Handhabung ausführlich beschrieben sind. Aber auch der
klinisohe Teil hat von den reichen Erfahrungen des Autors Nutzen ge¬
zogen, trotzdem der Autor in der Vorrede bemerkt, dass das praktische
Ergebnis der Oesophagoskopie als diagnostischer und therapeutischer
Methode fast ganz auf dem Standpunkt der v. Mikulicz’schen Aera
stehen geblieben ist, und dass die Klinik durch die 400 neuen Arbeiten
nur wenig in prinzipieller Weise gefördert wurde. Dies gilt allerdings
nicht für die Frage der Fremdkörper, für deren Feststellung und Ent¬
fernung sich die Methode sehr segensreich erwiesen hat. Ein so offenes
Bekenntnis eines so erfahrenen Klinikers wird auch denjenigen, der das
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1898
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
nach Inhalt und Form gleich vorzügliche Buch nicht selbst gelesen hat,
über da9 Maass von Kritik unterrichten, welches der Autor gegenüber
einer Materie zeigt, die er bekanntlich als Meister beherrscht.
H. Strauss-Berlin.
Hans Busch: Pbaitout der normalen Nase des Mensehei. 3 farbige
Tafeln mit 6 Deckbildern und 84 Seiten erklärendem Text.
München, J. F. Lehmann’s Verlag. Preis geh. 3 M., geh. 4 M.
„Das vorliegende Nasenphantom verfolgt den Zweck, dem Studieren¬
den und Arzt, insbesondere dem sich spezialistisoh Ausbildenden, einen
Wegweiser an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe er sich schnell über
die wichtigsten descriptiv und topographisch-anatomischen Verhältnisse
der normalen Nase orientieren kann.“ Die Zeichnungen sind nach
Originalpräparaten hergestellt und in natürlichen Farben so ausgezeichnet
wiedergegeben, dass der Zweck des Phantoms in jeder Beziehung erfüllt
wird; dasselbe erleichtert sowohl das Verständnis des anatomischen
Aufbaues der Nase, als auch der klinischen Verhältnisse; durch die An¬
ordnung der Bilder wird die Vorstellung erweckt, man präpariere selbst
eine rechte Nasenseite. Das vortrefflich ausgestattete Büchlein verdient
die weiteste Verbreitung. G. Brühl.
Liter&tur-Ausz&ge.
Physiologie.
Th. Birnbacher: Weitere Untersuchungen über die Verkürzung
des Muskels im Muskeipresssuft. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.)
Verf. hatte gefunden, dass Froschmuskeln sich verkürzen und unerregbar
werden, wenn sie in den Presssaft von Froschmuskeln gebracht werden.
Diese Folgen treten nicht ein, wenn der Presssaft aus Muskeln ge¬
wonnen wurde, welche in Ringerlösung unter Sauerstoffdruck unerregbar
geworden waren. Jetzt findet Verf, nun, dass auch ohne Sauerstoff¬
überdruck ein Presssaft zu erhalten ist, der keine Verkürzung herbei¬
führt. Das gelingt, wenn man die Muskeln bei sehr niedriger Tem¬
peratur (40° C) in Ringerlösung absterben lässt. Hier, wie in sauer¬
stoffhaltiger Lösung sterben die Muskeln sehr langsam ab. Dabei haben
sie Zeit die Verkürzung erregenden Stoffe abzugeben. Lässt man wirk¬
samen Presssaft dialysieren, so wirkt auch das Dialysat verkürzend. Es
handelt sich um anorganische Substanzen, die aus dem Presssaft
stammen, und Verf. macht es durch weitere Versuche wahrscheinlich,
dass es sich um Kaliumsalze handelt.
R. Höher und R. A. Spaeth: Ueber den Einfluss seltener Erden
auf die Kontraktilität des Maskels. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.)
Die Salze des Lanthan, Cer, Yttrium, Neodym und Praseodym lähmen
die Muskeln des Frosches um so rascher, je konzentrierter ihre Lösung
ist. Dabei erholen sich die Muskeln in Ringer’scher Lösung gut, wenn
sie mit wenig oder hoch konzentrierten Salzlösungen behandelt waren,
achleoht, wenn die Konzentration eine mittlere war. Die Verff. venti¬
lieren die möglichen Ursachen der letzteren Erscheinung und halten es
für am wahrscheinlichsten, dass kolloidchemische Vorgänge mitspielen,
derart, dass die irreversible Lähmung bei mittleren Konzentrationen
der Salze auf Ausflockung der Muskeleiweisse im isoelektrischen Punkt,
die reversible Lösung nach Aufenthalt in niedrig konzentrierten darauf
beruht, dass die Eiweisse noch negativ geladen bleiben, in hoch kon¬
zentrierten positiv umgeladen werden.
H. Hitzker: Ueber den Eioflnss der Nervenleitungen auf das
mikroskopische Bild der OUndnln snbmaxillaris des Hundes. (Pflüg.
Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) Verf. untersuchte, ob die beiden Nerven¬
bahnen — Chorda und Sympatbicus —, die zur Glandula submaxillaris
treten, dieselben Drüsenzellen versorgen, oder ob eine regionäre bzw.
cellulare Scheidung besteht. Er reizte bei Hunden beide Nervenbahnen
faradisch 2 Stunden lang, fing den abgesonderten Speichel auf und
untersuchte dann mikroskopisch das Verhalten der Drüsen. Er fand,
dass die Reizung von Chorda und Sympatbicus das Bild der Zellen der
Submaxillardrüse gleichmässig in der ganzen Drüse änderte, wobei je¬
doch die Veränderung sowohl der mucösen wie der serösen Zellen bei
Chordareizung sich anders darstellt als bei Sympathicusreizung. Die
Submaxillaris stellt danach ein gemeinsames Erfolgsorgan für beide
Nervenbahnen dar. Den verschiedenen mikroskopischen Effekt bezieht
Verf. auf qualitative Verschiedenheit des Leitungsreizes und nähert sich
damit der alten Heidenhain’schen Anschauung von der spezifisch ver¬
schiedenen Doppelinnervation der Speicheldrüsen.
P. Köthner: Wirkung von N&triamboroformiat auf Ham bei
Brnttemperatnr. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) Verf. behandelte
Harnproben bei Bruttemperarur mit Natriumboroformiat. Das vorhandene
Sediment von harnsaurem Natrium, phospborsaurem und oxalsaurem
Kalk wurde gelöst. Formaldehyd konnte im Harn nicht nacbgewiesen
werden; d. h. Ameisensäure scheint zu Methylalkohol reduziert worden
zu sein und dabei oxydierende Wirkungen im Harn auszulösen. Iodikan
wurde zerstört.
E. Masing: Ueber die Durchgängigkeit Menschlicher Blntkörper
für Zucker. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) In Fortsetzung seiner
mit Traubenzucker ausgeführten Versuche findet Verf. jetzt, dass nicht
nur dieser, sondern auch andere Monosaccharide (Galaktose, Lävulose,
Maltose, Xylose, Rhamnose, Arabinose) in menschliche Blutzellen ein¬
dringen, so dass das Teilungsverhältnis zwischen Zellen und Sen® etwa
0,6 ist. Disaccharide (Maltose, Milch-, Rohrzucker) dringen dagegen
nicht merklich ein.
P. Köthner: Borameisensäiire als Katalysator beim physio¬
logischen Stoffwechsel. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 9 u. 10.) Verf. hat
das neuerdings dargestellte borameisensaure Natrium auf seine Wir¬
kungen auf den Stoffwechsel beim Menschen untersucht. Er gab 0,8 g
und 1,8 g täglich bei gemischter und purinfreier Kost einem gesunden
und einem zu Gicht disponierten Manne. Die Verbindung wurde als
Borpböspborsäure in Verbindung mit einer noch nicht identifizierten
organischen Säure ausgeschieden. Sie wirkte harntreibend; die Menge
der Harnsäure wurde „reguliert“, d. h. eine zu grosse Menge schien
vermindert, eine zu geringe Menge vermehrt. Auch Chloride und Kalk
zeigten in ihrer Ausscheidung Veränderungen. Bei Zuokerkranken trat
zunächst eine Erhöhung, dann eine starke Abnahme der Zuckeraus¬
scheidung ein. Indikan versobwand ganz aus dem Ham. Verf. fasst
die Wirkung der Borameisensäure als eine katalytische auf, bedingt
durch die Ameisensäure in statu nasoendi. A. Loewy.
Therapie.
R. Emmerich und 0. Loew - München: Erfolgreiche Behandlung
des Tic convulslf durch Chlorculeium. (M.m.W., 1914, Nr. 47.) Bei
zwei Fällen von Tic convulsif erreichten die Verff. mit der Verabreichung
von Chlorcalcium (100 : 500,0, dreimal täglich 3 Kaffeelöffel) sehr be¬
merkenswerte Besserung.
0. Po 14k - Böhmisch-Brod: Die Therapie des Erysipels Mit Aiti-
diphtherieserum. (M.m.W., 1914, Nr. 47.) Nach grossen Dosen
(3000 E.) von Antidiphtherieserum erfolgt selbst bei schweren Fällen
von Erysipel ein kritischer Temperatursturz und Rückgang der Er¬
scheinungen. Diese bemerkenswerte Beobachtung konnte Verf. bei einem
so grossen Prozentsatz seiner Erysipelkranken machen, dass er kein Be¬
denken trägt, dem Diphtherieserum die Heilung zazuschreiben. Gleich
Verf. haben noch eine Reihe anderer Aerzte die gleichen Erfolge erzielt.
Dünner.
Parasitenkunde und Serologie.
S. Fl einer und H. Amoss: Lokalisation des Virus und Patho¬
genese der epidemischen Poliomyelitis. (Looalisation of the vires and
pathogenesis of epidemic Poliomyelitis.) (Journ. of experimental medi-
cine, 1914, Bd. 20, Nr. 8.) Die Autoren zeigen, dass bei Injektionen
von infektionstüchtigen Poliomyelitisinfiltraten intravenös die Versuchs¬
tiere (Affen) nicht ohne weiteres erkrankeD, sondern dass das Virus in
der Milz und im Knochenmark abgelagert wird, nicht aber in den
nervösen Organen, trotz seiner grossen Affinität zum Nervengewebe. Erst
wenn durch einen künstlichen Eingriff die Gefässe der Tela cborioidea
alteriert worden sind, erfolgt die Erkrankung an Poliomyelitis. Das
Virus nimmt seinen Weg immer durch die Lymphräume des Central¬
nervensystems, denn es ist möglich, durch intraspinale Injektion m
Immunserum eine Infektion zu neutralisieren. Die Autoren glauben,
dass bei der menschlichen Poliomyelitis die Eintrittspforte für das Virus
in der Nasenschleimhaut gelegen sei.
S. Flexner und H. I. Amoss: Eindringen des PolionyelitiB-
virns vom Blute in die cerebrospinale Flüssigkeit. (Penetration of the
virus of Poliomyelitis from the blood into the cerebrospinal fluid.)
(Journ. of experimental medicine, 1914, Bd. 19, Nr. 4.) Die Autoren
zeigen in Versuchen an Affen, dass das Poliomyelitisvirus, wenn es ins
Blut gebracht wird, auf indirektem Wege über den Liquor cerebro¬
spinalis in die Gewebe der nervösen Organe gelangt. Um in den Liquor
zu gelangen, muss das Virus jedoch zuerst den Plexus chorioideus
passieren, was einige Zeit dauert. Pathologische Vorbedingungen in den
Leptomeningen und im Liquor erleichtern das Eindringen des Virus und
scheinen überhaupt in der Pathologie der Poliomyelitis eine wichtige
Rolle zu spielen. Schmitz - Greifswald.
A. Kl ein-Prag: Kompiementkindug hei Variola. (M.m.W., 1914,
Nr. 47.) Im Serum Pockenkranker sind mit der Komplementbindungs-
reaktion Antikörper nachweisbar. Die Komplementbindungsreaktion bei
Variola ist verschieden von der Serumreaktion bei Syphilis; sie ist im
Gegensatz zu letzterer spezifisch; d. h. es handelt sich um eine echte
Antigen-Antikörperreaktion, wobei mit grosser Wahrscheinlichkeit die
Erreger der Variola selbst das Antigen darstellen. Als Antigen er¬
scheint dementsprechend derzeit allein Pookenpustelmaterial ver¬
wendbar. Alle anderen Antigene sind unzuverlässig und daher zu ver¬
werfen. Zwecks Erreichung einer grosseren Konstanz dieses Antigens
empfiehlt Verf. Pockenborken als Ausgangsmaterial. Dünner,
Fetzer - Königsberg: Ueber Spezifität der Abderhalden**^®*
Fermentreaktion. (Msobr. f. Geburtsh., Nov. 1914.) Bei 29 Fällen von
Gravidität war der Ausfall stets positiv, bei 19 sicher nicht Graviden
nur einmal fraglich positiv, unter 5 Fällen von Caroinom und Pyo-
salpinx einmal positiv, bei 5 Fällen von Extrauteringravidität stets
positiv; andere Organe, als Placenta, wurden durch Schwangerenserum
in keinem Falle abgebaut. In dem beschränkten Rahmen der vor¬
liegenden Untersuchungen hat sich also die Fermentreaktion als ek®
durchaus und streng spezifische erwiesen. L. Zuntz.
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UMIVERSITY OF IOWA
7. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1899
Innere Medizin.
W. Weitz und Graner-Tübingen; Ueber die Anspannangsaeit und
Aastreibmngsceit des Herzens. (D. Areh. f. klm. M., 1914, Bd. 116,
H. 5 u. 6.) Experimente an Katzen in UrothannaTkose. Uebereinstimmung
mit den Resultaten Frank’ s.
A. Weil-Strassburg: Beiträge zur klinischen Elektroeardiographie.
(D. Arcb. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Auch beim Menschen
kommt eine Vorzacke vor P vor, unter Verhältnissen, die auf Störungen
innerhalb des Sinusknotengewebes hindeuten und wahrscheinlich machen,
dass diese Vorzacke der Sinustätigkeit entspricht und nioht durch vor¬
zeitiges Schlagen eines der beiden Vorhöfe bedingt wird. Analog der
aus dem Tierversuch bekannten Tatsache hat auch beim Menschen die
Digitalis elektiv schädigende Wirkung auf das Leitungssystem und
steigernde auf die Automatic des Reizbildungssystems der Kammern.
Die hierbei auftretende Bigaminie der Kammern kann als Ausdruck ge¬
steigerter Reizbarkeit aufgefasst werden. Die aus Tierversuchen bekannte
Wanderung der Ursprungsstelle der Herzreize kommt auch beim Menschen
vor, und zwar sowohl innerhalb jedes Knotens (Sinus- und A.-V.) für
sich als auch von einem zum anderen.
Gubergritz: Zur Frage nach der Entstehung des Herzgalopps.
(D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Untersuchungen mit
dem Elektrooardiogramm: 24 Fälle mit präsystolischem, 8 mit proto¬
diastolischem und 2 mit mesodiastolischem Galopprhythmus. In der
ersten Gruppe fand sich regelmässig eine Spaltung der R-Zacke. Die
Ursache wird in nicht gleichzeitiger Kontraktion der beiden Ventrikel
gesehen. Mit der übrigen Muskulatur des linken Ventrikels ist auch der
linke Tawaraschenkel, der die Erregung zum linken Ventrikel leitet, in
Mitleidenschaft gezogen. Die Erregung, die vom Keith’schen Knoten zur
Ventrikelmuskulatur geht, wird infolge schlechterer Leitung des patho¬
logisch veränderten linken Tawarasohenkels den linken Ventrikel später
erreichen als den rechten. Andererseits wird auch die veränderte linke
Ventrikelmuskulatur nicht so schnell auf die Erregung reagieren. Das
Resultat dieser zwei Faktoren wird sein, dass der rechte Ventrikel sich
früher zu kontrahieren anfängt als der linke; die Kontraktion des rechten
Ventrikels ruft einen Ton hervor, der dem durch die Kontraktion des
linken Ventrikels bedingten Tone vorausgehen wird. Bei der zweiten
und dritten Gruppe trat keine typische Aenderung des Elektrocardio-
gramms auf. Der Galopprhythmus wird bei den verschiedenen Formen
der Herzmuskelschwäche beobachtet, vorwiegend bei Nephritis interstitialis
chronica; er ist prognostisch immer ernst, wenn auch nicht infaust zu
beurteilen.
Doll und Siebeck: Untersuchungen an Nierenkranken. 11. Ueber
die träge Einstellung der Sektretion bei Belastung. (D. Arch. f. klin.
M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Versuche an chronisch Nierenkranken
mit dauerndem Verlust des Konzentrationsvermögens, vorwiegend &chrumpf-
nieren. Bei diesen schweren krankhaften Veränderungen der Nieren
können bei dauernder Zulage recht erhebliche Mengen von Wasser und
von Stickstoff ausgeschieden werden, obwohl bei einmaliger Zulage eine
hochgradige Retention eintritt. Die Kranken können mit verschiedener
Zufuhr, sowohl von Wasser als auch von N vollkommen im Gleichgewicht
sein, trotz der schweren Ausscbeidungsstörung. Es tritt eben allmählich
ein Gleichgewicht ein. Das Wesentliche an der Störung scheint vor
allem gerade das zu sein, dass sich die Ausscheidung nur langsam den
veränderten Anforderungen anpassen kann. Es besteht eine eigentüm¬
liche Trägheit der Funktion. Die Leistung der Nieren kann zwar in
weiten Grenzen schwanken, aber die Einstellung ist ausserordentlich
träge. Der Mechanismus dieser Funktionsweise lasst sioh noch nicht er¬
kennen. Ob es auf die Nierengefässe ankommt (im Sinne Schlayer’s),
ob auf die Zellen selbst, wie weit auf extrarenale Momente, lässt sich
nicht sagen. Vielleicht entstehen eben durch die zunehmende Retention
Verhältnisse, unter denen eine Mehrausscheidung ermöglicht wird.
C. A. Müller-Leipzig: Ueber die Blntbildungszellen in der Leber
bei 8ypbili8 congenita mit besonderer Berücksichtigung der Lympho¬
zyten nnd Plasmazellen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5
u. 6.) Eingehende pathologisch-anatomische Untersuchungen. M. folgert,
dass ein Teil der Plasmazellen auf Grund der eigentümlichen Lage¬
beziehungen zu Blutbildungs- und Leberzellen aus primitiven Blut¬
elementen abzuleiten sei. Die im reifen Organismus entstandenen Plasma¬
zellen stellen Umbildungsprodukte von Lympbocyten dar. Die Folgerung
liegt daher nahe, dass auch die jungen Blutelemente, die sich in der
Leber des fötalen syphilitisch infizierten Organismus in Plasmazellen
umwandeln, den Lymphocyten mehr oder weniger verwandt sind. So¬
fern die Umwandlungsfäbigkeit einer Zellart in Plasmazellen für deren
Lymphocytennatur spricht, dürften die vorliegenden Befunde in der
grossen Grundfrage der Hämatologie jedenfalls eher für eine mono-
phylaetische als eine extrem dualistische Auffassung sprechen.
H. Pribram-Prag: Zur Beeinflussung des anämischen Blutbildes
dnreh Infektionen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.)
In neuerer Zeit wurde wiederholt das Blutbild der akuten Leukämie als
passageres Symptom beobachtet. Verf. beschreibt einen gleichen Fall,
der durch kurze Zeit das typische Blutbild einer mit schwerer Anämie
einhergehenden Leukämie darbot.
3ruoh-Dresden: Zur Kasuistik der Polynenritis alcoholica (schwere
Erkrankung der Nervi vestibuläres). (D. Arch. f. klin. M., 1914,
iu. 116, H. 5 u. 6.) Der 82 jährige Kranke starb an Polyneuritis alco¬
holica durch Vagus-Phrenicus-Lähmung. Es fand sich eine doppelseitige
alkoholische Vestibularisneuritis, ein Befund, der sich dem einzigen be¬
kannten Strümpeil’sohen Falle von doppelseitiger alkoholischer Acusticus-
neuritis an die Seite stellt.
K. Cs6pai-Budapest: Ueber Hypophysenerkrankongen, zugleich
einige Beiträge zur funktionellen Diagnostik der polyglandulären Er¬
krankungen. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Drei
Fälle von Akromegalie und zwei von Dystrophia adiposo-genitalis. In
sämtlichen Fällen war Leukopenie und relative Mononucleose vorhanden.
Zur funktionellen Diagnostik der Erkrankungen des polyglandulären
Systems empfiehlt C, zwei neue Verfahren: 1. Die Adrenalin- und Pituitrin¬
reaktion der Conjunctiva. 8 Tropfen einer 1 prom. Adrenalinlösung ver¬
ursachen im allgemeinen eine 10—20 Minuten anhaltende schwache oder
mittelstarke Abblassung der CoDjunctiva. Wenn bei gleichem Verfahren
die Reaktion eine gesteigerte ist, so deutet dies auf Hypofunktion des
cbromalfinen Systems. 2. Die Beobaohtung der quantitativen und quali¬
tativen Blutbildverschiebungen nach Adrenalin-Injektion. Subcutan in¬
jiziertes Adrenalin ruft normalerweise eine Leukooytose mit Zunahme
der Neutrophilen und Verminderung der Eosinophilen und Mononucleären
hervor. Alle jene Fälle, die von diesem normalen Verhalten abweichen,
gehören zu den Erkrankungen des polyglandulären Systems.
Zinn.
A. Rodel la: Bericht über klinische und experimentelle Ergebnisse
über Darmfäolnis im Jahre 1913. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 5.) R. be¬
schäftigt sich seit Jahren mit dem Problem der Darmfäulnis und fasst
seine bezüglichen Versuche an dieser Stelle zusammen. Er hält dieselbe
für einen ganz harmlosen Prozess, der nichts Pathogenes an sich hat,
aber durch die starke Gasbildung und durch andere reizwirkenden Pro¬
dukte zu mehr oder weniger intensiven Beschwerden Veranlassung gibt.
Allerdings erleichtern die Fäulnisprodukte das Zustandekommen einer
Darminfektion und deshalb sind sie möglichst zu verringern. Die
Versuche bestehen darin, dass Eiereiweiss mit einer Anzahl Platinösen
des betr. Stuhles infiziert und dann durch Hitze zum Erstarren gebracht
wird, nachdem es vorher in einen Gärungsapparat. (Putrhneter) einge¬
füllt ist. Der typische normale Säuglingsstuhl gärt überhaupt nicht,
vielleicht weil die darin enthaltenen Fermente, das eiweissspaltende und
das kohlehydratvergärende, antagonistisch (?) wirken. Eine intensive
Verflüssigung des Eiweisses erfolgt bei den akuten und chronischen Darm¬
krankheiten des Säuglings in einem gewissen Grade im Verhältnis zu der
Schwere der Erkrankung. Die Produkte der Verflüssigung und deren sterile
Filtrate wirken toxisoh, ganz im Gegensatz zu den gleichen Erzeugnissen
aus den Stühlen Erwachsener, die für Kaninchen und Meerschweinchen
selbst in Dosen von 2 bis 4 ccm subkutan oder intraperitoneal injiziert mit
wenigen Ausnahmen ganz unschädlich sind. In diesen Ausnahmefällen
nimmt R. das Vorkommen besonderer pathologischer Fäulnisbakterien
an. Die verschiedenen Esswaren verhalten sich in bezug auf ihre fäulnis¬
bildende Eigenschaft verschieden, je frischer desto weniger putres-
zierend. Auch der Zusatz von Fleisch- und Organstückohen änderte an
den obigen Ergebnissen nichts. Von pathologischen Stühlen wurden ge¬
prüft: 10 Typhusstühle, 20 Tuberkulose-, 10 Stühle von Anämien und
Chlorose, 15 Fälle von malignen Tumoren des Intestinaltraktus (Magen
und Darm). Abgesehen von 2 Kaninchen und 1 Meerschweinchen, die
nach Injektion von 10 ocm dieser Stuhlkultnren starben, fielen sämtliche
Tierversuche negativ aus. Diese Versuche stehen im krassen Wider¬
spruch mit der landläufigen Ansicht, dass die Fäulnis an sich ein krank¬
machender Prozess sei, und verdienen eine Nachprüfung von kompetenter
Seite.
A. Wagner: Zum Nachweis okkulter Blutungen in den Fäees.
(Boas’ Arch., Bd. 20, H. 5.) Von dem zu prüfenden Stuhl wird mit
einem Holzstäbchen (Streichholz) ein dünner Ausstrich auf einen Objekt¬
träger hergestellt und die Benzidin-Eisessig-Wasserstoffsuperoxydlösung
(eine Messerspitze Benzidin, 2 ccm Eisessig -j- 20 Tropfen Bproz.
Wasserstoffsuperoxydlösung) darauf gegossen. Es entsteht bei Gegenwart
von Blut eine tiefblaue Färbung. Reinlich, sicher und schnell aaszu¬
führen.
S. Frank: Wismut im Broncbialbanm. (Boas’ Arch.,Bd. 20, H. 5.)
Es bestand eine Perforation eines Oesophaguscarcinoms in die Trachea.
Der Patient war früher ösophagoskopiert worden und Verf. nimmt
(übrigens ohne die Spur eines Beweises! Ref.) an, dass die Perforation
dadurch entstanden wäre. Hinweis auf einen ähnlichen Fall von G.
Sohwarz, W.kl.W., 1910, Nr. 17.
H. R. Harro wer*. Die physiologische und therapeutische Wirkung des
Sekretins. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 5.) Verf. ist von der grossen phy¬
siologischen und therapeutischen Bedeutung des Sekretins überzeugt und
gibt eine Beschreibung der Entstehung, Darstellung und Wirkung des¬
selben, die im wesentlichen im Auszug aus seinem jüngst erschienenen
Buche: „Practical Hormone Therapie, London Bailiiere, Tyndal and
Cox“ ist. Ref. hat sich in den letzten Monaten mit dem Studium der
therapeutischen Wirkungen des Sekretins beschäftigt, ohne vorläufig dem
begeisterten Lobe H.’s zustimmen zu können.
M. Einhorn: Die Diagnose und Behandlung von Magen- nnd Duo¬
denalgeschwüren. (Boas’ Arch., Bd. 20, H. 5.) Ein klinischer Vortrag.
Bei Blutungen wird Emetin, hydrochl. 0,03 ein- oder zweimal täglich
subcutan empfohlen. In Fällen, wo die Ernährung per rectum nicht
zulässig, wird Nahrung durch die Duodenalsonde zugefürt, in der Regel
aber erst, wenn die Blutung aufgehört hat. Ewald.
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UNIVERSUM OF IOWA
1900
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT,
Nr. 49.
A. Dembicki und J. Löwy-Prag: Zur Frage des parenteralen
Stoffwechsels. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116, H. 5 u. 6.) Be¬
stimmung der Leukocytenzabl an 104 Kranken bei eiweissreicher Diät
vor und 2 l J 2 Stunden nach der Mahlzeit, ferner refraktometrische Be¬
stimmung der Serumkonzentration. Die Versuche geben einen Beitrag
zur Verdauungsleukocytose, ferner über Resorptionsverhältnisse im
Capillar- und Venensystem und über die Refraktion des Serums. Die
Kenntnisse über die Wege der Resorption wurden durch den Befund
erweitert, dass eine Rüokresorption durch die Venen nicht nur patho¬
logischerweise, z. B. bei bestehenden Oedemen, vorhanden ist, sondern
dass diese Form des parenteralen Stoffwechsels auch in der Physiologie
der Verdauung eine Rolle spielt.
E. Grafe-Heidelberg: Ueber die Wirkung des Caramels im nor¬
malen und diabetischen Organismus. (D. Arch. f. klin. M., 1914, Bd. 116,
H. 5 u. 6.) Caramel wird meist gut vom Organismus resorbiert und
entfaltet im respiratorischen Gaswechsel (Steigerung des respiratorischen
Quotienten und der spezifisch-dynamischen Wirkung) Eigenschaften, die
auf eine energische Verwertung im intermediären Stoffwechsel hinweisen
und die zugleich den gewöhnlichen Kohlenhydraten in solchen Fällen
abgehen. _ Zinn.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
Hellsten: Ein Fall von Ganglion Gasseri-Tumor. (D. Zschr. f.
Nervblk., Bd. 52, H. 3 u. 4.) Genaue Beschreibung eines Falles von
Tumor des Ganglion Gasseri, eines Glioms; die Tumoren sitzen meist
links, von 20 Fällen 14 mal. Genaue Kasuistik.
H. Oppenheim: Der Formenreichtum der multiplen Sklerose.
(D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 3 u. 4.) 0. unterscheidet die akute,
die subakute und die chronische Form, sowie — die häufigste — die
Etappenform der multiplen Sklerose, deren Besonderheiten an der Hand
der Literatur sowie eigener Erfahrungen genau besprochen werden. Die
Fälle der niedergelegten Beobachtungen ergibt eine unbegrenzte Mannig¬
faltigkeit und grossen Formenreichtum der multiplen Sklerose.
H. Oppenheim: ZurPsendosklerose. (Neurol. Zbl., 1914, Nr. 22.)
Verf. schildert drei Fälle von Pseudosklerose und geht auf die einzelnen
Symptome des näheren ein. Beachtung verdient u. a. in einem Falle
das Resultat des Abderhalden’scben Verfahrens, bei dem sich Abbau der
Nebenniere zeigte, was im Hinblick auf die PigmentieruDgsvorgänge von
Interesse ist. Die Cornealaffektion ist keine conditio sine qua non.
Ed. Sobwarz: Die heutige Stellung zur Parasypbilis und die Beein¬
flussung der spezifischen Erkrankungen des Nervensystems durch Sal-
varsan. (D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 3 u. 4.) Die parasyphiliti¬
schen Erkrankungen des Centralnervensystems sind durch die Spirocbaeta
pallida erzeugte echt syphilitische Erkrankungen, „Spätsyphilis“ (Erb).
Progressive Paralyse ist nicht die Tabes des Gehirns, sie ist eine durch
Salvarsau unheilbare Erkrankung, während die Tabes heilbar ist. Jeder
Syphilitiker ist auf den Zustand seines Liquors zu untersuchen und bei
positivem Befund bis zum Negativwerden zu behandeln. S. geht näher
auf die sogenannten Salvarsantodesfälle ein. Salvarsan ist auch in hoben
Dosen unschädlich. Es ist nicht neurotrop, wogegen das syphilitische
Virus exquisit neurotrop ist. E. Tobias.
Kinderheilkunde.
Klose-Breslau: Zur Kenntnis der Körperzusammensetznng bei
Ern&hrnagsstürnngen. (Jb. f. Kindhlk., Augustheft.) Beim normalen
Neugeborenen speichert die Muskulatur den grössten Teil des Körper¬
wassers auf. Unter pathologischen Verhältnissen tritt an Stelle der
Muskulatur die Haut als Wasserdepot auf. Eindeutige Beziehungen
zwischen Wasserbindung und Chlor und Natriumanreicherung wurden
nicht gefunden. Die Wasserbedingung bei nephritischen Oedemen ist
eine andere als beim ernährungsgestörten Säuglingsorganismus. Die
Konstanz der relativen Zusammensetzung, sowohl der Organsysteme
wie des Gesamtkörpers, war in einem Fall extremer Ernährungsstörung
nicht gewahrt geblieben. Es wurden Einzelanalysen von Knochen,
Muskulatur, Haut und inneren Organen eines normalen Neugeborenen
und eines 4 Wochen alten Kindes mit ausgebreiteten Oedemen infolge
von Mehlnährschaden gemacht.
Vas - Budapest: Beiträge zur Physiologie der Sehnenrellexe im
Säuglings- and Kindesalter. (Jb. f. Kindhlk., Oktoberheft.) Unter¬
suchungen an 200 Kindern von der ersten Lebenswoche an bis zum
2. Jahre auf Knie- und Acbillessehnenreflexe. „Der Achillessehnenreflex
besteht gerade so wie bei den Erwachsenen auch im Kindesalter, ja
sogar schon von der Geburt an, ebenso wie der Kniereflex.“ End¬
resultat: Kniereflexe in 98,8 pCt., Achillessehnenreflex in 85,7 pCt. in
allen 200 Fällen auslösbar.
St ölte - Berlin: Betrachtungen und Erfahrungen über eine weniger
schematische Behandlung von Säuglingen im Krankenhause. (Jb. f.
Kindhlk., Augustheft.) Nach Stolte’s Ansicht trägt die Hauptschuld
am Nichtgedeihen mancher Säuglinge in grösseren Anstalten nicht die
Infektion, sondern dass man zu wenig auf Imponderabilien achte. Er
empfiehlt individualisierende Pflege, betont die Wichtigkeit psychischer
Einflüsse und weniger schematischer Nahrungsverordnungen.
Adler-Karlsruhe: Die Leukämie der Säuglinge. (Jb. f. Kindhlk.,
Septemberheft.) Dass Leukämie hei Säuglingen vorkommt, ist nicht all¬
gemein bekannt. Verf. gibt neben Beschreibung eines eigenen Falles
mit Sektionsbefund eine Zusammenstellung der Fälle seit dem Ent¬
deckungsjahr der Krankheit 1845 durch Virchow. Er fand nur
17 Fälle. Die Symptome sind Milz-, Leber- und Drüsenschwellungen,
hämorrhagische Diathese, die Hauptsache der typische Blutbefund.
Differentialdiagnostisoh kommen in Betracht neben Sepsis und Pseudo¬
leukämie die Lues congenita und die Jacksch-Hayem’scbe Krankheit
Bei letzterer schützt vor Verwechselung mit akuter Leukämie das Blut¬
bild: Die Leukocytenzahl bei Jacksch-Hayem’scher Anämie steigt ge¬
wöhnlich nicht über 20 000. Alle Fälle bekannt gewordener Säuglings-
leukämie verliefen tödlich. Die akute Form überwiegt, sie ist meist
lymphatisch, aber relativ häufig kommt auch die myeloide Form vor.
Alber-Bremen: Zur Behandlung der Diphtherie mittels iitra-
venäser Sernminjektion. (Jb. f. Kindhlk., Septemberheft,) Bei Kom¬
bination von intravenöser und intramuskulärer SerumiDjektion ergaben
sich bei einer sohweren Diphtherieepidemie befriedigende Resultate im
klinischen Verlauf. Die Wirkung auf Abstossung des Belags, Stenose,
Entfieberung, Puls und Lähmungserscheinungen befriedigte. Verf. glaubt,
wie Kausch, dass man mit intravenöser Injektion rasche und zu¬
verlässigere Heilwirkung erzielt.
Bokay-Budapest: Ueber die Heilungsmöglichkeit der Meningitis
tnherenlosa. (Jb. f. Kindhlk., Augustheft.) Zusammenstellung der aus
der Literatur bekannten geheilten Fälle von Meningitis tuberculosa; im
Alter unter 2 Jahren verlief kein Fall günstig. Mitteilung dreier eigener,
mit Heilung und Rückbildung verlaufender Fälle von 7, 11 und
12 Jahren. Die Heilung tuberkulöser Meningitis ist möglich, wenn die
spezifischen Veränderungen der Hirnhäute in kleinerem Maassstabe auf-
treten; hei geringen Exsudationen und Granulationsbildung und in den
Fällen mit einfacher Hyperämie ohne obliterierende Arteriitis oder Er¬
weichung. Empfehlung systematischer Quineke’scher Reaktion.
Wolff und Lehmann-Wiesbaden: Ueber Pnenmokokkemueiiii-
gitis und ihre Behandlung mit Optochin. (Jb. f. Kindhlk., Augustheft.)
Mitteilung eines Falles von Pneumokokkenmeningitis, der neben Uro¬
tropin und Pneumokokkenserum mit intralumbalen, subcutanen und
zuletzt intraventriculären Optochininjektionen behandelt und geheilt
wurde. In einen zweiten Falle von Pneumokokkensepsis — Kind von
12 8 /< Jahren — Heilung durch grosse Chinindosen: 2mal täglich 0,5
Chinin, sulfur. per os.
Ros an off - Moskau: Die diagnostische Bedeutung der Leikocyten-
einschliisse von Döhle bei Scharlaeb, Masern, Diphtherie, Anginen ui
Sernmexanthemen. (Arch. f. Kindhlk., Bd. 62, H. 5 u. 6.) Die Leuko-
cyteneinschlüsse kommen auch bei Masern, Diphtherie und einigen
Anginen vor, besonders in den ersten fünf Krankheitstagen. In den
nächsten Tagen können sie Scharlach bestätigen. Die Feststellung der
Einschlüsse erlaubt, Scharlach von soharlachiümliohen Exanthemen nach
dem 5. Tage der Grundkrankheit zu trennen; s. B. beim Serumexanthem
nach Diphtherie.
Stomme 1 - Frankfurt a. M.: Erfahrungen mit Tuberkulin kW«’
hach bei der Behandlung der internen Tuberkulose der Kinder. (Arch.
f. Kindhlk., Bd. 62, H. 5 u. 6.) Dem Verf. erscheint das Tuberknlin
zwar ungefährlich, aber therapeutisch wenig wirksam. Bei Fällen von
Lungen-, Bronchialdrüsen- und Bauchfelltuberkulose sah Verf. keine
völlige Heilung. In zwei Fällen mit tödlichem Ausgang war keine
Heilungstendenz festzustellen.
Bergmark - Breslau: Zockerresorption und Blntznckerspiegel-
(Jb. f. Kindhlk., Oktoberheft.) Verf. untersuchte an sich selbst und
Kindern in verschiedenem Alter den Einfluls von Deitrose, Lävulose,
Laktose, Maltose und Saccharose auf den Blutspiegel. Es zeigte sich,
dass Saccharose schneller und vollständiger resorbiert wird als Laktose,
zwischen beiden steht die Maltose. Die Resorptionsgeschwindigkeit aber
als Grund für den verschiedenen Anstieg des Blutzuckergehalts anxu-
geben, erscheint nicht ohne weiteres richtig, obwohl die Blutzacker-
kurven der Resorption entsprechend sich verhalten. Es besteht die
Möglichkeit, dass die Spaltungsprodukte der Disaocharide: Dextrose,
Lävulose und Galaktose den Blutzuckerspiegel in verschiedener Weise
beeinflussen können. Verf. machte daher Vergleichsversuche mit Dex¬
trose und Lävulose. Dabei zeigte sich nach Einnahme von Detrose ein er¬
heblich höherer Anstieg des Blutzuckerspiegels als nach gleicher Menge
Lävulose. Nun weiss man aus anderen Untersuchungen, dass Lävulose
sehr schnell in den Stoffwechsel eintritt. Verf. möchte diese Inkoordi-
nation zwischen Resorption und Blutzuckerspiegel vielleicht damit er¬
klärt wissen, dass Lävulose in der Leber zurückgehalten wird. Aus den
Versuchen geht hervor: Erhöhung des Blutzuckerspiegels beweist eine
stattgefundene Resorption. Ausbleiben der Erhöhung des Blutzucker¬
spiegels beweist aber nicht, dass keine Resorption stattgefunden hat
Der Verlauf des Blutzuckerspiegels ist also kein Indikator der Re¬
sorptionsgeschwindigkeit. Bernhardt.
Haut« und Geschlechtskrankheiten.
P. G. Unna-Hamburg*. Kreidepasten. (Denn. Wschr., 1914 ,Bd.59,
Nr. 44.) Verf. empfiehlt zur Behandlung von Ekzemen Beine Kreide¬
paste unter dem Namen Gelanthum Cretue outieulor. Dieselbe ist eine
Deckpaste, die nur leicht über die Haut gestrichen werden darf.
Guido de Probizer-Rovereto*. Einige praktische Bemerkungen
über einen Fall von pellAgrdsem Erythem. (Derm. Wschr., 19H.
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UNIVERSUM OF IOWA
7. Dezember 1914,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1901
Bd. 59, Nr. 43.) Kasuistische Mitteilung und Erörterung der verschie¬
denen Theorien über die Ursache der Pellagra.
H. Eicke-Berlin: Zar Sero- and Liquordiagnostik bei Syphilis.
(Derm. Zschr., 1914, Nov.) Jeder Syphilitiker soll Irei von Erscheinungen
gemacht werden, seine positive Serumreaktion soll negativ werden, seine
Spinalflüssigkeit soll mit allen zu Gebote stehenden Methoden unter¬
sucht und dafür gesorgt werden, dass auch diese negativ reagiert.
A. Pap-Budapest: Erfahrungen mit Emb&rin in der Syphilistherapie.
(Derm. Wschr., 1914, Bd. 59, Nr. 45.) Das Embarin ist ein sehr gutes,
prompt wirkendes Antisypbiliticum, welches keine unangenehmen Neben¬
erscheinungen hervorruft und eine fast vollkommen schmerzlose Behand¬
lung ermöglicht.
H. Szerdotz-Wien: Embarin. (Derm. Wschr., 1914, Bd. 59,
Nr. 43.) Verf. hält das Embarin in bezug auf Verträglichkeit und Wir¬
kung für das beste Hg-Präparat, das wir jetzt besitzen.
' Immerwahr.
W. Li er-Wien: Abortivkur, Spirochätenreste und kombinierte Be¬
handlung der Syphilis. (M.m.W., 1914, Nr. 46 u. 47.) Verf. betont
nochmals seinen schon früher fixierten Standpunkt für sofortige kom¬
binierte Neosalvarsan- und Quecksilberbehandlung und weitgehende Ent¬
fernung der Sklerose. Kasuistik. Dünner.
P. A. Pawlow*Moskau: Beitrag zur Kasuistik der seltenen Ulcus
molle-Lokalisationen. Primäre Lokalisation des Ulcus molie in der
Urethra nebst Autoinokulation am Zeigefinger der linken Hand, (Derm.
Zschr., 1914, Nov.) Kasuistische Mitteilung. Immerwabr.
Hygiene und Sanitätswesen.
Roth-Berlin: Zur Frage der Verteuerung der Krankenhausbauteu.
(Aerztl. Sachverst. Ztg., 1914, Nr. 21.) H. Hirschfeld.
Unfallheilkunde und Versicherungswesen.
Thiem-Gottbus: Eitrige Knochenmarkentaündang der Lendeu-
wirbelsäule nach Unfall. (Mscbr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 9.) Dem
Verletzten waren Bretter auf den Rücken gefallen, er klagte sofort über
Brust* und Rückenschmerzen und kam 6 Tage nach dem Unfall wegen
Kreuzschmerzen und Schüttelfrösten in Behandlung. Der Fall verlief
tödlich und die Sektion ergab eine eitrige Osteomyelitis im dritten
Lendenwirbel. Thiem erklärt den Fall für einen Schulfall von akuter
Knochenmarkentzündung der Wirbelsäule nach Unfall.
Marcus-Posen: Mitteilung eines Falles von Gewaltbroch. (Mschr.
f. Unfallhlk., 1914, Nr. 9.)
Rinderspacher-Dortmund: Ein Fall von posttraumatischer ortho-
statiseber Albuminurie. (Mschr. f. Unfallhlk., 1914, Nr. 9.) Nach den
Ausführungen R.’s können cyklische Albuminurien auf traumatischem
Wege durch zwei Möglichkeiten entstehen: durch Lockerung der Nieren
und dadurch bedingte rein mechanische Circulationsstörungen und zweitens
durch Störungen des Gefässnervensystems, wobei einer gleichzeitigen
lokalen Disposition eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Es wird
eia Fall mitgeteilt, in welchem sich nach einer Kontusion der rechten
Nierengegend zunächst eine Nierenreizung eingestellt hatte, die sich
durch blutigen Urin und das Auftreten von Cylindern dokumentierte.
Diese Symptome verloren sich allmählich, dann entwickelte sich aber
langsam eine orthotische Albuminurie, R. glaubt, dass dieselbe durch
vasomotorische Störungen zu erklären sei. H. Hirschfeld.
Militär-Sanitätswesen.
Hochhaus - Cöln: Erfahrungen über die Behandlung des Tetanus.
(M.m.W., 1914, Nr. 46.)
Kreuter-Erlangen: Bericht über 31 Tetanusfälle nach Kriegs¬
verletzungen einheitlich intraspinal und intravenös mit Serum behandelt.
(M.m.W., 1914, Nr. 46.)
E. Müller-Marburg: Einige Ratschläge für die Behandlung des
Wundstarrkrampfes. (M.m.W., 1914, Nr. 46.)
Rothfuchs - Hamburg: Zur Behandlung des Tetanns. (M.m.W.,
1914, Nr, 46.) Verf. hat mit intravenösen Salvarsaninfusionen (ä 0,3)
bei einigen sehr schweren Fällen Heilung erzielt. Ein Kranker starb in¬
folge einer Pneumonie. Jedenfalls sollte man die Rothfuchs’scben Be¬
obachtungen nachprüfen.
Kühn-Neuenahr: Behandlung des Tetanus mit Lnminal. (M.mW.,
1014, Nr. 46.)
K. Alexander: Zur Behandlung des Tetanns. (M.m.W., 1914,
Nr. 46.) Verf. empfiehlt pro die 10 g Chloralhydrat per Klysma. Trotz
der hohen Dose sah er keine schädliche Wirkung.
, A. Schnäe: Die Hackenbruch’schen Distraktionskiammera zur Be-
Empfehl* V ° D ^ noc ^ enverletzUD 8 en Felde. (M.m.W., 1914, Nr. 46.)
t. Baeyer- München: Künstliche Beine. (M.m.W., 1914, Nr. 46.)
H. Wachtel - Wien: Der Sehwebemarkenlokalisator. Ein einfacher
und exakter Fremdkörpersucher. (M.m.W., 1914, Nr. 47.) Das Prinzip
beruht darauf, dass bei der Röntgenaufnahme des Körperteils, in
welchem man den Fremdkörper vermutet, eine besondere, über dem
Körper schwebende Marke mitphotographiert wird, sodaon die Uöhre um
ein beliebiges Stück verschoben und eine zweite Aufnahme auf dieselbe
Platte gemacht wird.
Hotz - Freiburg: Kriegsverletzungen des Nervensystems. (M.m.W.,
1914, Nr. 45 u. 46.) Dünner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Aerztlicher Verein zu Hamborg.
Sitzung vom 3. November 1914.
I. Hr. Dreifuss zeigt französische Fliegerpfeile.
II. Hr. Rothfuchs berichtet über 2 Fälle von Schuss Verletzung des
Binterhauptlappens des Gehirns. Io beiden Fällen handelte es sich um
eine komplette Hemianopsie der einen sowie eine partielle der anderen
Seite. Im ersten Fall wurde ein Abscess eröffnet, jedoch ohne Besserung
des Sehvermögens.
III. Hr. Liebrecht zeigt einen Fall von Verletzung des Hals-
sympathicns durch einen Schuss, der im rechten Jochbogen hinein- und
durch den Gaumen hinter dem linken Ohr herausgedrungen war. Des
weiteren einen Fall von Schussverletzung des Hinterhauptlappens, bei
dem es zunächt zu völliger Erblindung gekommen war. Allmählich
stellte sich das Sehvermögen auf einem Quadranten des Gesichtsfeldes
wieder her. Es trat jedoch wieder Verschlimmerung ein, so dass Pat.
jetzt beiderseits nur ein stecknadelförmiges Gesichtsfeld aufweist. Es
müssen beide Sehcentren etwa in der Mittellinie zerstört sein. Der Fall
spricht sehr für die Monakow’sche Auffassung, nach der die Macula
ihre Vertretung auf einem sehr weiten Gebiet bis zum' Gyrus angularis
findet, da sonst die Aussparung der ihr aogehörigen Fasern kaum zu
erklären sei.
IV. Hr. Büttiger demonstriert: a) Eine Verletzung des Tuber
parietale durch Schuss. Es fand sich eine rechtsseitige Abducensparese,
links Fehlen der Sehnenreflexe am Bein, rechts nur des Achillessehnen¬
reflexes. Psychisch war sein Verhalten einem Tumorkranken ähnlich.
Letzteres Symptom besserte sich nach Entleerung eines grossen, Knochen¬
splitter enthaltenden Blutergusses. Die übrigen Symptome nicht. Be¬
merkenswert war, dass nach Durchströmung mit Wechselstrom die
Sehnenreflexe auslösbar waren.
b) Einen Fall von Rückemuarksverletzung mit teilweise nachweis¬
barer Brown-Sequard’scher Lähmung.
V. Hr. Jenckel berichtet zunächst über die Operation des in der
vorigen Sitzung von Herrn v. Bergmann vorgestellten Falles von
Herzbeutelschuusverletzung, bei der das Projektil erst gefunden wurde,
nachdem man den Pat. aufeerichtet hatte. Er demonstriert die Röntgen¬
bilder, die unmittelbar nach der Operation ein Pneumopericard auf¬
wiesen.
Zweitens demonstriert er einen Fall von Aneurysma arteriovenosum
der Brachialarterie infolge von Schussverletzung, bei dem er die Vene
unterbunden und die Arterie erfolgreich genäht hat.
Drittens bespricht er die Diagnose der Verletzung durch Dum-Dum-
Geschosse. Wenn diese im einzelnen Falle aueh recht schwierig sei, so
könne man doch namentlich an der Hand der bei der Jagd gemachten
Erfahrungen bisweilen sie mit Wahrscheinlichkeit stellen. Der kleine
Einschuss und die relativ grosse Aussohussöffnung mit unver¬
hältnismässig grossen Weichteilverletzungen, insbesondere mit Ein¬
rissen der wie „geplatzt** aussehenden Haut, seien ziemlich
charakteristisch. Beim Querschläger sei im Gegensatz hierzu die Ein¬
schussöffnung meist ebenfalls gross. Drehe sich das Geschoss erst
innerhalb des Körpers, so sei die Ausschussöffnung zum mindesten nicht
viel grösser als das Projektil. Jenckel zeigt normale und Dum-Dum-
Geschosse.
Diskussion.
Hr. Sud eck macht darauf aufmerksam, dass die von Herrn Jenckel
als Dum-Dum-Verletzungen angesprochenen Verwundungen besonders bei
der Hand Vorkommen, also wohl durch besondere anatomische Verhält¬
nisse bedingt seien.
Hr. Aly betont, dass auch Nahsohüsse dieselbe Wirkung ausüben
können.
Hr. Leier schliesst sich den beiden Vorrednern vollkommen an.
Hr. Dreifuss: Obwohl man viele Dum-Dum-Geschosse gefunden
habe, habe er im einzelnen eine Verwundung durch dieselben nie fest¬
stellen können.
Hr. Herold hat ebenfalls keinen einwandfreien Fall von Dum-Dum-
Verletzung erfahren. Er macht auch auf die ähnlichen Verletzungen
aufmerksam, die die Geschosse innerhalb der explosiven Zone ver¬
ursachen. Eher könne man an Dum-Dum denken, wenn der Einschuss
auffallend gross sei.
Hr. Buchholz macht noch darauf aufmerksam, dass unter Dum-
Dum-Geschosse ganz verschiedene Dinge verstanden werden, und dass
man ganz, ohne es zu wollen, in den Besitz derartiger verbotener Ge¬
schosse kommen könne.
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1902
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 49.
Hr, Rumpel rekurriert ebenfalls auf die Erfahrungen bei der Jagd
und betont, dass, da die Geschosse bei den Feinden zahlreich gefunden
wurden, man doch häufig von der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung
durch dieselben sprechen könne, wenn ein Beweis auch kaum zu er¬
bringen sei.
Hr. Nagel.
Hr. Jen ekel (Schlusswort).
VI. Hr. H&enisch zeigt Röntgenaufnahmen von vier Fällen, bei
denen die Lokalisation des Geschosses in Frage kam: a) den in der
letzten Sitzung schon erörterten Fall; b) ein Geschoss, das im Inter-
costalraum ausserhalb der Pleura lag; c) ein in der Herzwand
befindliches Geschoss; d) einen Fall, bei dem die Kugel dicht vor der
Halswirbelsäule lag und an der Spitze den Oesophagus zum min¬
desten in Mitleidenschaft gezogen batte.
VII. Hr. Sodeck uher Tetanus. Das Material besteht aus sechs
Fällen, unter ihnen zwei Todesfälle. Herr Sudeck geht zunächst auf
die Genese der Erkrankung ein und bespricht, auf der letzteren fussend,
die Therapie. An der Wunde ist, abgesehen von der Amputation, zu
der man sich zumeist nur bei kleinen Gliedern (Fingern usw.) ent-
schliessen wird, die Excision und Desinfektion, insbesondere aber auch
die lokale Behandlung mit Antitoxin sowie die Sauerstoffinsufflation an¬
gebracht. Antitoxia wendet er auf Grund der wissenschaftlichen und
tierexperimentellen Erfahrungen weiter an, wenn auch ein klinisch
eklatanter Erfolg meist nicht zutage tritt. Vor der subcutanen intra¬
venösen und iotraneuralen Injektion habe die intradurale kaum erheb¬
liche Vorzüge, da das einmal im Rückenmark verankerte Toxin doch
nicht wieder freigemacht werden könne. Es könnte sich hier also nur
um die Abfangung der noch auf dom Wege über die Nervenwurzeln
znm Rückenmark befindlichen Toxinmengen handeln. Jedenfalls sei
daher von einer mehrmaligen intraduralen Applikation abzusehen.
Von den symptomatischen Mitteln sei vor allem zu erwähnen, dass man,
da der Erstickungstod beim Tetanus ein sehr häufiger sei, häufig die
Tracheotomie und die Sauerstoffinsufflation nach Melzer zu machen
habe. Die Herabsetzung der Nervenerregbarkeit, die früher meist durch
narkotische Mittel geschehen, werde wirksamer durch Magnesium sul-
furicum erzielt. Auch hier zieht Vortr. der intraduralen die subcutane
Injektion vor, Man müsse grosse Dosen (etwa 20 g) anwenden und sich
unter Umständen auf die prompte Gegenwirkung der Calciumsalze ver¬
lassen. In einem der vier günstig verlaufenen Fälle, der besonders
schwer war, glaubt Vortr. die Heilung dieser Behandlung zuschreiben
zu sollen. _
Aerztlicher Verein zu München.
Sitzung vom 28. Oktober 1914.
1 . S. Kgl. Hoheit Prinz Ludwig Ferdinand: Lnngeuscbüsse.
Bei dem aus dem Reservelazarett B stammenden Fällen konnte
Vortr. drei Arten von Lungenscbüsse unterscheiden: 1. sagittale Thorax¬
einschüsse, 2. Schüsse mit Einschuss durch das Schultergelenk, 8. Steck¬
schüsse. Als Komplikation trat Pneumothorax auf, der immer sehr gut¬
artig verlief. Gefährlicher ist die Blutung in die Brusthöhle: der
Hämatothorax. Dabei war die Temperatur etwas erhöht, doch saugte er
sich sehr schnell wieder auf. Wenn aber der günstige Verlauf all dieser
Schüsse die Meinung hervorrufen würde, dass LuDgenschüsse harmlos
seieD, so wäre das sehr falsch, wie die beiden folgenden, schweren Fälle
zoigen: zwei Fälle von Hämatothorax, die beide verjauchten und bei
denen chirurgisch eiDgegriffen werden musste. Demonstration von
Lungenschüssen.
2. Hr. Arthur Müller:
a) Zur Behandlung ausgedehnter Weiehteilverletzuugen.
Vortr. behandelt vor allem das Material der Franzosenabteilung und
einige sehr schwere Verletzungen von Deutschen. Vortr. kam auf den
GedankeD, an den Wundrändern einen Zug auszuüben und sie einander
zu nähern, um auf diese Weise eine schnellere Heilung in die Wege zu
leiten. Zu diesem Zwecke hat er bei klaffenden Wunden an den Wund¬
rändern Leukoplaststreifen angebracht, diese mit Oesen versehen, an
denen durch Gummiscbnürchen ein Zug gegen die Mitte der Wunde zu
stattfand. Bisher hat dieser Verband erst einmal versagt.
b) Resektion der A. femoralis (wegen Aneurysma) mit Demon¬
stration des resezierten Stückes.
c) Dreifache Harnröhrenverletznug.
Der Penis war kurz unter der Mitte der Pars pendula glatt durch¬
schossen worden. Nach dem Schuss hatte der Patient Urinbeschwerden,
weshalb er katheterisiert wurde. Als Patient in die Behandlung des
Vortr. kam, suchte dieser die Wunde zu schliessen, was insofern miss¬
lang, als die Harnröhre daran anschliessend platzte. Als nun Vortr.
zu einem grösseren chirurgischen Eingriff sich entschloss, stellte sich
heraus, dass die Harnröhre auch beim Katheterisieren verletzt worden war.
3. Hr. Bohmanii:
a) Schienen oder Gipsverbände bei den Sebnssfrnktnren der Gelenke.
Vortr. batte über 60 Fälle von Schussverletzungen der Gelenke und
Diaphysen in Behandlung. Im Anfang verwendete er fast ausschliesslich
Schienen nach Volk mann udü Lange. Bei den Fällen mit starker
Knochensplitterung kam er aber vom Scbienenverfahren wieder ab und
ging zum gefensterten Gipsverband über. An Hand zahlreicher Kurven
zeigte Vortr., dass nach Anlage des gefensterten Gipsverbandes jedesmal
ein Temperaturabfall auf trat.
b) Nervenverletzungen.
Bei Nervenverletzungen stellt sich Vortr. im allgemeinen auf einen
abwartenden Standpunkt, warnt im Bedarfsfall aber vor einem zu langen
Hinausschieben des chirurgischen Eingriffes, besonders bei Auftreten
eines trophischen Oedems.
In der anschliessenden Diskussion macht Hr. v. Stubenrauch den
Vorschlag, an einem der nächsten kriegschirurgischen Abende eine Aus¬
sprache über das Thema: „Schienen und gefensterter Gipsverband“
herbeizuführen, um auch die Ansichten der Aerzte über den gefensterten
Gipsverband kennen zu lernen, nachdem bisher nur die Tagespresse zu
dessen Gunsten Stellung genommen hat. Nobiling.
Natarhistorisch-medizlnUcber Verein zu Heidelberg.
Sitzung vom 4. November 1914.
(Kriegsmediziniscber Abend.)
Vorsitzender: Herr Moro.
Schriftführer: Herr Homburger.
Hr. Hirsehel: Erfahrungen über Schussverletzungen der Nemi.
Die Nervenverletzungen werden nicht selten durch Frakturen sowie
durch Infektionen kompliziert. Diese letzten verbieten jeden operativen
Eingriff an den Nerven, da die Nervennaht vereitern würde. Chirurgisch¬
therapeutische Maassnahmen kommen meist erst einige Wochen nach der
Verletzung in Betracht. Die Diagnose stösst nicht selten auf erhebliche
Schwierigkeiten, weil motorische und sensible Lähmungen nicht immer
als Beweis einer Verletzung des Nervens dienen können. Ist die
Diagnose einigermaasseD sicher gestellt, so muss man operativ eingreifen,
wenn die konservative Behandlung nicht zum Ziele geführt hat.
In der chirurgischen Klinik wurden bisher 30 Nervennähte aus¬
geführt; sie verteilen sich auf die verschiedenen Nerven folgeuder-
maassen: Plexus brachialis 5 mal, N. radialis 12 mal, N. ulöaris 2 mal,
N. ischiadicus 5 mal, N. peroneus und N. tibialis 2 mal, N. peroneus
allein — 5 mal. In 7 Fällen waren die Nerven völlig durchtrennt, in
11 Fällen nur teilweise, in den übrigen bandelte es sich um Ver¬
wachsungen mit der zum Teil narbig veränderten Nachbarschaft. Mehr¬
mals fand man die Nervensubstanz taillenartig eingesebtürt. Als
Nahtmetbode empfiehlt 9ieh die von Wilms geübte Technik der Nerven¬
naht: am centralen und peripheren Ende des durchtrennten Nerven wird
je ein kleines Nervenbündel mit einem Faden umschnürt und der Faden
geknotet; die beiden Fäden werden nun miteinander geknüpft; ge¬
wöhnlich genügen 2—4 solche Nähte. Um sekundäre Verwachsungen
mit der Umgebung zu verhindern, bat mao früher Gelatine- oder
Knochenröhrchen benutzt. Jetzt bevorzugt man, aus einem Streifen der
Fascia lata oder aus einem Fettlappen aus dem Unterhautfettgewebe
eine Manschette, um den genähten Nerven zu bilden. Sehr gut haben sie
sich aus präparierten Kalbsarterien bewährt. Aus dem Halse der Kälber
werden im Schlachthof die Arterien unter aseptischen Kautelen heraus¬
präpariert, in 5—10 proz. Formalin gehärtet, dann in fliessendem Wasser
gründlich abgespült, gekocht und in Alkohol aufbewabrt; vor dem Ge¬
brauch werden sie in Kochsalzlösung abgeschwenkt In 18 Fällen wurde
auf diese Weise eine vollkommen reaktionslose Heilung erzielt. Die
Kürze der seit den Operationen verstrichenen Zeit gestattet noch nicht
über die Resultate der Eingriffe zu sprechen. Aus einer Statistik eines
Japaners gebt hervor, dass 76 pCt. der operierten Fälle wesentlich ge¬
bessert wurden; nach der Naht des N. ischiadicus ist in einem Falle
die vollständige Beweglichkeit des betreffenden Beines erst nach
10 Monaten erreicht worden.
Hr. Voeleker: Zar Kriegschiporgie der peripheren Nerven.
Indikation zu einem operativen Eingriff bei Nervenverletzungen wird
gegeben entweder durch Schmerzen oder durch Lähmungserscbeinungeo,
Von den 16 operierten Fällen betrafen 4 den N. ulnaris, 5 den
N. radialis, 2 den N. medianus, 1 den Plexus brachial« und 4 den
N. ischiadicus. Was den anatomischen Befund an den verletzten Nerven
betrifft, so kann man folgende Gruppen von Veränderungen unter¬
scheiden: 1. Quetschung des Nerven. Bei der Operation findet man eine
Verhärtung des Nerven mit oder ohne Verdiokung; 2. Streifschuss des
Nerven; 3. Rinneoschuss des Nerven. An der betreffenden Stelle ist ein
Teil der Nervenbündel wie herausgeschlagen; 4. vollständige Zerreissung
des Nerven.
Aetiologisch bandelte es sich in allen 16 Fällen um Verletzungen
durch Infanteriegeschosse. Offenbar ist das rasch fliegende iQfantene-
geschoss mehr geeignet, den Nerven zu zerreissen, als z. B. eine
Schrapnellkugei. Auffallend war die ausserordentlich derbe, schwielige
Umänderung des Schusskanals. Was die Wirkung der Umgebung auf
den verletzten Nerven anbelangt, so kann man unterscheiden;
1. Strangulation de 9 Nerven und 2. Dislokation. Aebolich wie bei
KnocbeDbrüchen kommen auch bei Nervenverletzungen 4 Arten von
Dislokation vor: ad loDgitudinem, ad latus, ad axim, ad peripherism.
Beim Anfrischen der Nervenstümpfe soll man sich immer überzeugen,
ob man auf dem Querschnitt die Achseocylinder sieht. Um ein Wieder¬
verwachsen des Nerven mit der Umgebung zu verhindern, empfiehlt &
sich, ihn mit einem Fettfascienlappen zu umhüllen. Bezüglich der
Schmerzen waren die Erfolge der Operation sehr prompt: 2-3 T*j[ e
nach der Naht pflegten die Schmerzen aufzuhören. Io bezug not ° 10
Motilität lässt sich infolge der Kürze der Zeit noch nichts Bestimnates
sagen.
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UNIVERSUM OF IOWA
7. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1903
Diskussion.
Qr. Erb: In allen Fällen von Nervenverletzungen ist eine genaue
neurologische Untersuchung 'wünschenswert, denn sie gestattet nicht
selten, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Art und Stärke der
Verletzung zu bestimmen. Der Nachweis einer gewissen Leistungs¬
fähigkeit, wie z. B. das Auftreten von Sensationen bei elektrischer
Reizung, erlaubt den Schluss, dass der Nerv nicht vollständig durch¬
trennt ist. In einem Fall von einer Schussverletzung des Oberschenkels,
welche den N. ischiadicus getroffen hat, war nur das Bündel für den
N. peroneus gelähmt; diese Beobachtung unterstützt die bekannten
Stoffel’schen Untersuchungen über die Verteilung der einzelnen Bündel
im Nerven. Nach schweren Nervenverletzungen treten die ersten Er¬
scheinungen von Besserung oft erst Ende des 2. oder Anfang des
3 Monats auf, man soll sich daher mit der Operation nicht sehr beeilen,
da auch spontan eine Besserung eintreten kann. Wenn es sich um
infizierte Schusswunden handelt, so soll man ihre vollständige Heilung
abwarten, bevor man die Nervennaht ausführt. Die Prognose der
peripheren Nervenverletzungen ist seit der Einführung der Nervennaht
wesentlich besser geworden. Es wäre wichtig, statistisch festzustellen,
ob die Motilität nach Operationen rascher zurückkehrt als bei nicht
operierten Fällen.
Hr. Braus bewahrt eine gewisse Skepsis gegenüber den Stoffel’schen
Untersuchungen. Es ist zweifelhaft, ob sich Nervenfasern für bestimmte
Muskeln auf grössere Strecken als 2—3 cm in den Nerven (abgesehen
vielleicht vom N. ischiadicus) nachweisen lassen. Rinnenschüsse der
Nerven könnten über diese Frage Aufschluss geben, vorausgesetzt, dass
der übrige Teil des Nerven keine Quetschung erlitten hat.
Hr. Heddaeus: Von sechs Fällen von Nervenverletzungen handelte
es sich nur einmal um eine völlige Durchtrennung des Nerven, man
braucht sich also im allgemeinen mit der Operation nicht beeilen.
Neuralgien werden nach dem Eingriff fast momentan besser.
_ Halpern.
K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien.
Sitzung vom 6. November 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Laaber stellt einen Soldaten mit Hombauttrübang naeh Kon¬
tusion vor.
Pat. erlitt von einem Schrapnellsplitter eine Verletzung des oberen
Lides und eine geringe Verletzung des unteren Lides am linken Auge,
seither sieht er schlecht. In der Mitte der Pupille ist in der Ebene der
Linsenkapsel eine Trübung, von welcher feine Streifen gegen die Peri¬
pherie ziehen; in der Linse selbst ist keine Trübung, die Hornhaut ist
normal. Die Trübung ist durch Wucherung des Kapselepithels nach
einer leichten Kontusion des Auges zu erklären.
Ferner zeigt Hr. Lanber einen Soldaten mit Stetupartikelchen im
Glaskörper, welche durch ein Geschoss hiueingeschleudert wurden.
Pat. hat im Gesicht leichte Narben mit eingebeilten kleinen Fremd¬
körpern. Am linken Oberlid finden sich kleine Narben, in der Hornhaut
kleine weisse Partikelchen. Am oberen Rande ist die Hornhaut narbig
verändert, die Iris darunter ist abgerissen und ein Teil der Linse ge¬
trübt. Im Glaskörper sieht man glänzende weisse Körperchen, welche
beim Bewegen des Auges emportauchen, ausserdem noch punktförmige
Trübungen. Die Sehschärfe ist von e / 24 in der letzten Zeit auf ti /i 2 ge¬
stiegen. Es handelt sich wahrscheinlich um Steinpartikelchen, welche
von einem Projektil in den Glaskörper eingesprengt wurden und auch
den Glaskörper zerrissen.
Schliesslich stellt Hr. Lauber einen 57jährigen Erdarbeiter mit
Amyloid der Bindehaut bei Trachom vor.
Hr. E. Snchanek demonstriert einen Soldaten, bei welchem er die
Ligatnr der Sabciavia ausgeführt hat.
Dem Pat. musste der linke Arm wegen hochgradiger Verletzungen
enucleiert werden, ausserdem hat er einen Weichteilschuss an einem
Oberschenkel und einen Säbelhieb am Kopfe. Die Amputationsstelle
war zum Teil gangränös, es trat plötzlich eine arterielle Blutung auf,
welche von der Krankenwärterin durch digitale Kompression der Subclavia
zum Stehen gebracht wurde. Pat. war bewusstlos, pulslos und atmete
oberflächlich. Es wurde die Ligatur der Subclavia ausgefübrt und es
wurden intravenöse Kochsalzinfusionen, DigaleD, Morphium und Coffein
angewendet. Pat. ist genesen.
Ferner zeigte Snchanek 2 Fälle von Verletzung des Vorderarms
nnd der Finger, bei welchen die ambulante Extension mittels Krammer-
soher Schiene angewendet wird.
Hr. Riehl bespricht die Anwendung des kontinuierlichen Bades
(Wasserbettes).
Schon Hebra hat festgestellt, dass durch das kontinuierliche Bad
der Ablauf der Körperfunktionen nicht gestört wird. Er versuchte das
kontinuierliche Bad bei Variola confluens, Pemphigus und bei Ver¬
brennungen. Auf die beiden ersteren hatte das Bad keinen Einfluss,
auch die Verbrennungen wurden in ihrem Heilungsverlaufe nicht abge¬
kürzt, dagegen wurde der Kranke in dem Bade schmerzfrei.
Später wurde das Wasserbett auch bei Decubitus verwendet; infolge
des Auftriebes des Wassers wird der Körper leichter und liegt nur leicht
auf der Unterlage auf. Nach den Erfahrungen des Vortr. ist das kon¬
tinuierliche Bad für Phlegmonen sehr geeignet: Es tritt nach einer Woche
Entfieberung ein und die Phlegmone geht zurück, und zwar nicht nur
eine inzidierte Phlegmone, sondern auch das in der Nähe derselben be¬
findliche progrediente Infiltrat. In der Jetztzeit, wo vom Kriegsschau¬
plätze sehr viele infizierte Wunden kommen, gewinnt die Phlegmonen¬
behandlung eine aktuelle Bedeutung; Vortr. möchte die Anwendung des
kontinuierlichen Bades bei schweren Phlegmonen empfehlen. H.
Gesellschaft für innere Medizin nnd Kinderheilkunde zu Wien.
Sitzung vom 5. November 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Marburg demonstriert 3 Fälle von Seh&delsehüssen mit funktio¬
nellen Schädigungen nnd Sensibilitätsstörnngen.
Bei den Schädelschüssen, soweit sie nicht mit schwerer, sofort er¬
kenntlicher Zerstörung des Gehirns einhergehen, wird man oft vor die
Frage gestellt, ob die Erscheinungen, die sich darbieten, organisch oder
funktionell sind. Es handelt sich dabei nicht um die Erscheinungen
der ersten Zeit, sondern vielmehr um das, was sich im Laufe der
späteren Behandlung als residuär erweist oder was die Tendenz zeigt,
sich zu stabilisieren. Der erste Fall betrifft einen 25 jährigen Soldaten,
welcher bewusstlos eiDgeliefert wurde. Er hatte einen Durchschuss durch
den Kopf oberhalb der Ohren. Er hatte 52 Pulse. Nach dem Erwachen
sprach er skandierend, bradyphasisch und sehr leise, zeigte ein eigen¬
tümliches Wackeln des Kopfes und grosse Aeng9tlichkeit. Als er an¬
fing herumzugeben, klagte er, dass er nicht sehe und höre, er schwankte
beim Geben und taumelte nach rechts und rückwärts. Objektiv liess
sich nichts anderes erheben als eine Abducensparese. Der Schuss muss
das Kleinhirn oder seine Nähe getroffen haben. Sprachstörungen sind
bei Kleinhirnverletzungen bekannt, die Aphonie wäre auf eine Läsion
des N. ambiguus in der Medulla oblongata zurückzuführen, er ist wahr¬
scheinlich funktioneller Natur. Sehstörungen kommen bei Verletzungen
des Occipitallappens zustande, der Kranke bat aber keine objektiven
Symptome am Auge, er hatte nie Doppeltsehen. Gegenwärtig hat
Patient nur leichten Schwindel und etwas Schwanken beim Gehen. Die
übrigen Störungen, welche jetzt zum grössten Teil geschwunden sind,
sind wahrscheinlich durch den Shock entstanden, welchen das Geschoss
auf die dem Schusskanal benachbarten Teile ausgeübt hat.
Hr. Gerslmann führt einen Soldaten mit Erb Dnehenne’scker
Plexuslähmung kombiniert mit Sympathicnslähmnng derselben Seite
nach Scbussverletzung vor.
Die Einschussöffnung befindet sich in der Nähe des rechten Unter-
kiefeis, der Ausschuss in der Nähe des 6. Halswirbels. Patient war
bewusstlos und konnte nach dem Erwachen den rechten Arm nicht be¬
wegen. Gelähmt sind der Deltoideus und fast alle Beuger, die anderen
Muskeln sind intakt. Ferner finden sich Symptome einer rechtsseitigen
Sympathiouslähmung: enge Pupille, enge Lidspalte, Enopbthalmus, con-
junctivale Injektion, Herabsetzung des intraoculären Druckes. Man muss
annehmeD, dass der 5. und 6. Cervicalnerv bzw. der Teil des Plexus
gelähmt ist, aus dessen Vereinigung der 5. und 6. Cervicalnerv ent¬
stehen. Die Lähmung des Halssympathicus und die gleichseitige
Erb’sche Lähmung könnten duroh das Projektil in der Nähe des Quer¬
fortsatzes des 6. Halswirbels erzeugt worden sein, wo die genannten
Nerven einander naheliegen. Der Zustand des Kranken bat sich gebessert.
Hr. Freud zeigt die Röntgenaufnahme eines Ileus infolge Ab-
knickung einer an die Darmwand adhärenten Darmschlinge.
Bei dem Patienten war früher die Gastroenterostomie ausgeführt
worden. Er bekam fäkulentes Erbrechen, das Abdomen war nicht be¬
sonders druckempfindlich. Die Röntgenuntersuchung ergab eine rasche
Entleerung des Magens als Folge der Gastroenterostomie, und die In-
gesta sammelten sieb in einer abgeknickten Jejunumschlinge an. Die
Verziehung des Jejunums sprach für das Angewachsensein einer Schlinge.
Es wurde angenommen, dass es sich um einen akuten Ileus infolge Ab¬
knickung dieser Jejuuumschlinge handelt. Die Operation bestätigte die
Diagnose, das Jejunum war au der Bauchschnittnarbe angewachsen.
Durch die rasche Füllung des Darmes wurde die Schlinge abgekniokt.
Robert Thomson f.
Am 26. Oktober ist in Bonn, der Stätte seiner langjährigen Wirk¬
samkeit, Prof. Dr. Robert Thomson, leitender Arzt der Dr. Hertz’schen
Privat - Heil- und Pflegeanstalt, Mitglied des Medizinalkollegiums der
Rbeinprovinz, gestorben. In ihm verliert unsere Wissenschaft einen an¬
erkannten und sehr geschätzten Vertreter, dem mancher Fortsobritt zu
verdanken ist, die Kranken einen hervorragenden Arzt, seine Freunde
und Bekannte einen Menschen von selten umfassender Bildung, aus
tiefstem Herzen kommender Güte und aufrechtem, stets ehrlichem Cha¬
rakter.
Prof. Thomson wurde am 15. Juli 1858 zu Hamburg geboren.
Seine medizinischen Studien absolvierte er in Tübingen, Leipzig und
Göttingen, woselbst er im Jahre 1881 promovierte. Nach zweijähriger
Assistentenzeit bei Ludwig Meyer in Göttingen und Reye in Hamburg
kam er im Jahre 1882 an die Psychiatrische Klinik der Universität
Berlin zu Westphal. Nachdem er sich dort im Jahre 1886 habilitiert
hatte, ging er 2 Jahre darauf als Leiter der Dr. Hertz’scben Privat-
Heil- und .Pflegeanstalt nach Bonn, welche Stellung er bis zu seinem
Tode inne hatte. Während seiner Assistentenzeit in Berlin entwickelte
er eine ausgedehnte wissenschaftliche Tätigkeit sowohl auf anatomischem
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Original frum
UNIVERSUM OF IOWA
1904
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 49.
wie auf klinischem Gebiet. In seinen späteren Jahren blieb ihm
natürlich infolge seiner ihn sehr in Anspruch nehmenden ärztlichen
Tätigkeit nicht soviel Zeit zu ausgedehnter wissenschaftlicher Betätigung,
doch stammen auch aus diesen Jahren eine Reihe von gründlichen und
wertvollen Arbeiten, besonders die über die Zwangsvorstellungen und die
akute Paranoia. Schliesslich hatte er in den letzten Jahren als Mitglied
des Medizinalkollegiums Gelegenheit, seine umfassenden Kenntnisse auf
dem Gebiete der forensischen Psychiatrie, die ihn stets sehr interessierte,
und die er auch zum Gegenstand seiner Lehrtätigkeit gemacht hatte, zu
verwerten.
Thomsen ist nur 56 Jahre alt geworden; ein sich langsam ent¬
wickelndes schweres Leiden — Neubildung der Niere —, das schon
längere Zeit auf seine Arbeits- und Lebenskraft ungünstig eingewirkt
hatte, machte seinem Leben frühzeitig ein Ende. Ein operativer Eingriff
vermochte keine Heilung mehr zu erzielen.
Allen denen, die ihn gekannt haben, wird die Erinnerung an diesen
eigenartigen Mann unvergesslich und wertvoll sein. König-Kiel.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Nach den deutschen Militärärzten sind nun auch Kranken¬
pflegerinnen und Diakonissen dem Schicksal der Verurteilung durch
französische Gerichte anheiragefallen — ihnen wird „ Aneignung von Ver¬
bandzeug“ u. dgl. als strafwürdiges Verbrechen ausgelegt! Es bedarf wohl
auch hier keines Wortes darüber, dass nur Verblendung und National¬
hass derartige, in keinem früheren Feldzuge vorgekommene Vergewalti¬
gungen des internationalen Rechts ermöglicht haben. Mit Genugtuung
haben wir gelesen, dass seitens der deutschen Regierung durch Ver¬
mittelung der amerikanischen Botschaft alle Schritte getan werden, um
eine Aufhebung dieser Urteile herbeizuführen. Ueber „Repressalien“ im
gewöhnlichen Wortsinn wird man bei uns zu vornehm denken — bei der
endgültigen Abrechnung mit unsern Gegnern aber wird gerade das
schwere, unsern Aerzten und Pflegerinnen zugefügte Unrecht nicht ver¬
gessen werden!
— Das Ministerialblatt für Medizinalangelegenheiten gibt bekannt:
Nachdem durch die auf Grund des Beschlusses des Bundesrats vom
6 . August 1914 vorzeitig erteilten Approbationen nicht allein die durch die
Kriegslage herbeigefürten Nachfragen Dach Apothekern hinreichend ge¬
deckt sind, sondern sogar ein Ueberschuss an Apothekern geschaffen
worden ist, beabsichtigen die zuständigen Landeszentralbehörden mit Zu¬
stimmung des Bundesrats, von der ihnen erteilten Ermächtigung zur
vorzeitigen Approbationserteilung weiterhin keinen Gebrauch zu machen.
— Das Ministerium des Innern gibt bekannt, dass alle öffentlichen
und privaten Heilanstalten, die in Friedenszeiten über die aufgenommenen
Patienten eine genaue Statistik zu führen verpflichtet sind, während des
Krieges von dieser Verpflichtung insoweit enthoben werden, als es sich
um verwundete oder erkrankte Militärpersonen handelt, da diese von
der Militärverwaltung besonders geführt werden.
— Die medizinische Fakultät hat eine neue Proraotioosordnung
aufgestellt, die in den Statuten der Fakultät vor kurzem veröffentlicht
worden ist. Die Promotionsordouog kann in der akademischen Aus¬
kunftsstelle eingesehen werden,
— Die Stadtverordnetenversammlung genehmigte in einer ihrer
letzten Sitzungen für die in den städtischen Krankenhäusern und im
Reservelazarett Buch beschäftigten Hilfs- und Assistenzärzte eine Zulage
von 6 M. pro Tag für die Zeit des Krieges. Ausserdem soll den Faroulis
ein Honorar von 3 M. nebst freier Beköstigung und, soweit es die Räum¬
lichkeiten gestatten, freie Wohnung gewährt werden.
— Wir werden um Aufnahme folgender Nachricht ersucht: „Für
das Lazarett der Stadt Berlin in Buch (Bezirk Potsdam) werden diri¬
gierende Aerzte für innere und äussere Krankheiten gesucht. Das Gehalt
beträgt 5000 M. neben freier Station. Meldungen sind an das Bureau
der Krankenanstalten, Ratbaus, Zimmer 116, zu richten.
Deputation für die städt. Krankenanstalten
und die öffentliche Gesundheitspflege.“
— Gegenüber den verschiedentlich gebrachten Meldungen über vor¬
gekommene Flecktyphuserkraukungen in Prag wird seitens des Sanitäts¬
departements der Stattbalterei mitgeteilt, dass bisher kein einziger Fall
einer FlecktyphuserkrankuDg zur amtlichen Anzeige gelangt ist. Die
flecktyphusverdächtigen Erkrankungen haben sich sämtlich nicht als
Flecktyphus erwiesen.
— In Frankfurt a. M. ist der bekannte Urologe, Dr. Straus, ver¬
storben.
— Das „Instituto Ortopedico Rizzoli“ in Bologna hatte einen
Wettbewerb um den Preis Umberto I. ausgeschrieben, und macht jetzt
bekannt, dass die Verwaltungskommission in Anbetracht der augenblick¬
lichen internationalen Verhältnisse beschlossen hat, den Termin, welcher
auf den 81. Dezember 1914 festgesetzt war, bis zum 31. Dezember 1915
zu verlängern.
— Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Felde sind bei dem Geiste
des deutschen und österreichischen Sanitätskorps nichts Besonderes mehr.
Die Beförderung einer solchen Arbeit aber mittels Fliegers aus einer
vom Feinde rings umschlossenen Festung dürfte im Verkehr zwischen
. Autor und Redaktion bisher kaum vorgekommen sein und eine der Neu¬
erscheinungen bilden, an denen dieser an Form und Ausdehnung un¬
erhörte Weltkrieg so manche schon hervorgebracht. Von einem
Assistenten des zurzeit als Marinegeneralarzt im Felde stehenden Herrn
Geheimrats Küttner, dem auf dem Gebiete der Gefässchirurgie schon
wohlbekannten Herrn Dr. Jeger, ging uns heute mittels Fliegerpost
aus der von den Russen belagerten Festung Przemysi eine Arbeit
über Gefässnaht zu, die wir in der nächsten Nummer dieser Wochen¬
schrift veröffentlichen werden. Ihm auf gleichem Wege den Satz zur
Korrektur zu senden, sind wir freilich nicht imstande; denn noch ver¬
fügt unser Redaktionsstab über keine FliegerabteiluDg und auch einen
der mancherorts beliebten Flügelboten müssen wir uns, selbst zum nur
ausnahmsweisen Gebrauch, versagen, da Englands auswärtiges Amt zum
eigenen Nachrichtendienst seit Kriegsbeginn alle „Enten“ mit Beschlag
belegte. H. K.
— Verlustliste. I. Gefallen: Unterarzt Dr. Caminer. Res,-
Inf.-Reg. Nr. 61. Stud. med. Chüden. Unterarzt d. L. Dr. W. v. Förster.
Stud. med. Fürst. Stud. med. Hackmann. Stabsarzt Dr. Harke.
Stud. med. Hirt. Unterarzt Dr. Kierczeck. Stud. med. Kretz. Unter¬
arzt Dr. Köhler. Stabsarzt d. R. Dr. Klingelhöfer. Stud. med.
F. Löbnitz. Unterarzt Dr. Löchel. Stud. med. Overbeck. Stud.
med. Roh, Inf.-Reg. Nr. 106. Zahnarzt Ruck. Stud. med. Schüler. Stud.
med. Texter. Stud. med. Willnow. Oberarzt d. R. Dr. H. Wolf. —
II. Verwundet: Oberarzt d. R. Dr. ßeerholdt. Unterarzt Dr. Brach-
mann. Stabsarzt d. R. Dr. Falk. Stabsarzt Dr. Finger. Feld¬
unterarzt E. Kahn. Feldunterar 2 t Langendorf. Stabsarzt d. R. Dr.
K. Richter. Stabsarzt d. L. Dr. Schenk. Assistenzarzt Dr. Stemmler.
Amtliche Mitteilungen.
Personnlien.
Niederlassungen: K. Th. Rabski in Penkun, E. Beckmann, Dr.
H. Lorenz, Dr. E. Haehndel, F. Wiener und Dr. phil.
H. Matsohke in Breslau, B. v, Kruska in Halle a. S., Dr. E. Bossel¬
mann in Cöln, K. Lentze in Cöln-Nippes, H. Dorn in Kiel, Aerztin
Dr. K. Frankenthal in Sande, Dr. H. Reinicke, Aerztinnen Dr.
P. Wack und A. Kannenberg in Marburg, W. Diese io Barmen,
B. Brauns, Aerztin E. Platzer, Aerztin M. Geber und Dr.
E. Bettray in Elberfeld, 0. Singelmann in Crefeld, Dr. 0. Becker
iD Burscheid, Aerztinnen E. Schwemer und H. Sauer geh. Her¬
mann in Galkhausen.
Verzogen: Dr. E. Schultze von Halensee b. Berlin nach Werneuchen,
Dr. F. Sch mit von Berlin-Schöneberg und A. Fleck von Berlin nach
Berlin Friedenau, Dr. H. Stern von Berlin-Steglitz nach Berlin-
Scbmargendorf, Aerztin A. E. Kris che von Eichstätten i. Baden nach
Guben, W. Schallert von Berlin-SchÖneberg nachSorau, A. Pollaczek
von Tschirnau (Kr. Guhrau nach Pforten, Dr. A. Peiper von Greifs¬
wald nach Stettin, Dr. G. Müller von Stettin nach Dresden, Dr.
H. Weber von Cassel nach Breslau, Dr. B. J-ereslaw von Blitzen¬
grund (Kr. Waldenburg) nach Görbersdorf, Dr. G. Steplewski von
Posen und Dr. W. Rauch von Jena nach Zeitz, Aerztin Hanna
Brandt (nicht, wie früher gemeldet, Heinrich Brandt) von Cux¬
haven nach Halle a. S., Dr. W. Siebert von Lengericb, Dr. F. J.
Widmann von Breslau, Dr. R. Wessing von Eickelborn und Dr.
H. Cordes von Suttrop nach Niedermarsberg, Dr. W. Pryll ron
Essen nach Dortmund, Dr. A. Norpoth von Gladbeck nach Ickern,
Dr. J. 0. Leopoldt von Breslau nach Gelsenkirchen, Dr. F. Wenden-
bürg von Breslau nach Eickelborn, W, Poppelreuter von Berlin
und Dr. F. Offergeld von Reisen nach Cöln, W. Bohle von Dülmen
nach Cöln-Mülbeim, Dr. J. Pfabl von Düsseldorf nach Bonn, Dr. W.
Laube von Zawadzki nach Hirscbberg i. Sohl., Aerztin Th. Brandt
und W. Meyer-Keyser von Freiburg i. B. sowie H. Wittkopf von
Harburg a. E. nach Kiel, Dr. W. Ruth au von Grönitz nach Lübeck,
Dr. H. Rotschild von Gudensberg nach Delmenhorst (Oldenburg),
Dr. B. Rohden und Aerztin Dr. G. Gottschalk von Essen,
P. Niederhoff und E. Nassau von Berlin, A. Kösser von Heidel¬
berg, K. Jung von Assmannsbausen, G. Gross mann von Göttingeo,
Aerztin F. Kornblum von München, Dr. H. Krusinger von Glogau
sowie W. Ernestus von Elberfeld nach Düsseldorf.
Verzogen ohne Angabe des neuen Wohnortes: Dr. H. Thon von
Düsseldorf, G. Haas von Hamborn. . n
Gestorben: San.-Rat Dr. H. Kornblum in Wohlau, Med.-Rat Prof. Dr.
R. Thomsen und Prof. Dr. J. Esser in Bonn, Geb. San.-Rat rro.
Dr. J. Steiner in Cöln, Dr. J. Hemmerting in Düsseldorf, Sau.-Kai
Dr. A. Schmittmann in Duisburg-Ruhrort.
Berichtigung. t ,
In dem Artikel von H. Kern: „Ueber Neosalvarsaninjektion
Nr. 43, S. 1742 dieser Wochenschrift muss es statt 100 pro*. »
50 proz. Lösung heissen. Die stärkste Konzentration, die wir D|mu * >
war ein bestimmtes Quantum Neosalvarsan im gleichen wuao
Wasser gelöst, was nach der üblichen Ausdrucksweise einer a P
Lösung entspricht. _ -
Für dl« Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Hanl Kobn, Berlin W„ Bayreuther S.rw
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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UNIVERSUM OF IOWA
Dl« Berliner Klinische Wochenschrift erscheint jeden
Montag in Naromeru ton ca. 5—6 Bogen gr. 4, —
Preis vierteljährlich 6 MarJc. Bestellungen nehmen
alle Buchhandlungen und Postanetalten an.
BEBUNER
Alle Einsendungen f&r die Bedakti«a and Expeditlod
volle man portofrei an die Verlagsbuchhandlang
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WÖCHENSCHKUT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinal Verwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen*
Redaktion: Expedition:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kok. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 14. Dezember 1914. 50 . Einundfünfzigster Jahrgang.
I N H
Originaliei : Pohl: Neues über alte Opiumalkaloide. (Illustr.) S. 1905.
Jeger: Kriegsohirurgische Erfahrungen über Blutgefässnaht. (Aus
der Kgl. chirurgischen Klinik zu Breslau.) (Illustr.) S. 1907.
Freund: Lendenwirbelkonturschuss. S. 1911.
Freund: Traumatischer Hirnabsoess. S. 1911.
Rauch: Seuchenerfahrungen und Seuchentherapie im Feldzuge 1914.
S. 1912.
Riess*. Ueber die Aehnlichkeit der klinischen Krankheitsbilder von
Infektionskrankheiten. (Illustr.) S. 1918.
Melchior: Zur Kenntnis der posttyphösen Strumitis. (Aus der
Breslauer chirurgischen Klinik.) (Illustr.) S. 1916.
B&cfcerbesprechiingei: v. Bruns, Garre und Küttner: Handbuch der
praktischen Chirurgie. S. 1918. Krause: Die allgemeine Chirurgie
der Gehirnkrankheiten. S. 1918. v. Saar: Die Sportverletzungen.
S. 1918. Köhler: Taschenbuch für Kriegschirürgen. S. 1919.
(Ref. Adler.)
Literatir-Aosifige : Therapie. S. 1919. — Parasitenkunde und Serologie.
S. 1919. — Geburtshilfe und Gynäkologie. S. 1919. — Augenheil-
Neues über alte Opiumalkaloide.
Von
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Julius Pohl.
(Vortrag, gehalten in der medizinischen Sektion der schlesischen Gesell¬
schaft für vaterländische Cultur zu Breslau am 20. November 1914.)
Keine Droge hat in derzeitigen Kriegswirren eine solche Be¬
deutung gewonnen wie das Opium. Die Möglichkeit ihres seltener
Werdens, ihrer Preissteigerung 1 ) ist nicht nur in der mangelnden
Zafuhr, sondern auch in der Wahrscheinlichkeit des Ausfallens der
nächsten Ernte gegeben. Mehr als je ist daher an einen Ersatz
desselben zu denken und insbesondere erhebt sich die Frage, ob
für das als unersetzlich geltende Morphin nicht die Nebenalkaloide
des Opiums mehr als früher herangezogen werden könnten.
Dieser Vorschlag führt nun direkt in eine Tagesfrage, zu dem
Worte Opiumeffekt. Der Ausdruck soll bedeuten, dass das
Opium stärker wirkt als dem in ihm vorhandenen Morphin
entspricht und zwar, dass es nach der Anschauung der
einen besonders nachhaltig central, also schmerzstillend, nach der
Anschauung der anderen weniger die Atmung schädigend wirkt
und nach einer weiteren Ansicht peripher intensiver auf den
Darm wirkt als eine entsprechende Morphindosis. Es ist ganz
selbstverständlich, dass man als Ursache dieses etwas unsicheren
Opiumeffektes die Nebenalkaloide des Morphins heraogezogen hat,
und glaubt, dass es sich hier um eine natürliche Kombinations¬
wirkung handelt, gewissermaassen am ein Sinnfälligwerden ein¬
zelner, an sich unterschwelliger Effekte nnd zwar: um eine Be¬
teiligung des Narkotins, des Papaverins, des Codeins, Thebains
nnd Laudanosins. Kaum eine Frage wurde in den letzten Jahren
so breit geschlagen, wie gerade die Idee der Kombination der
Arzneistoffe und n. a. der Satz formuliert, dass einerseits be¬
stimmte Kombinationen sich nur summieren, andere Kombina¬
tionen über den additionellen Wert binausgehen, dass sie eine
1) Der Preis für ein Kilo Opium pulv. betrug im Juli 44 M. beim
Grossisten, 'jetzt 80 M.l
tLT.
künde. S. 1921. — Militär-Sanitätswesen. S. 1922. — Unfallheil¬
kunde und Versicherungswesen. S. 1923.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Vereinigte ärztliche
Gesellschaften. (Berliner medizinische Gesellschaft.) Bucky:
Die Röntgensekundärstrahlenblende als- Hilfsmittel für die Lokali¬
sation von Geschossen. S. 1923. Rothmann: Zur Symptomato¬
logie der Stirnhirnschüsse. S. 1923. Levy: Verletzung der Lunge
durch Gewehrschuss. S. 1924. Morgenrotb: Die Chemotherapie
der Pneumokokkeninfektion. S. 1924. — Gesellschaft für Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie zu Berlin. S. 1924. — Gesell¬
schaft für innere Medizin und Kinderheilkunde zuWien.
S. 1925.
Kriegsärztliohe Abende. S. 1925.
Mohr-. „Silbernitrat oder Silbereiweiss. Eine therapeutische Frage.“
(Entgegnung auf den gleichnamigen Aufsatz in Nr. 38 d.W.) S. 1926.
Körte*. Brief aus dem Felde. S. 1927.
TagesgeBohiohtliohe Notizen. S. 1928.
Amtliche Mitteilungen. S. 1928.
multiplizierte, ja potenzielle Wirkung entfalten können. Wie
wenig einheitlich, wie zur Vorsicht mahnend der Kombinations¬
begriff ist, geht wohl aus einer gelegentlichen Beobachtung her¬
vor, die ich selbst erhoben habe. Man kann die Digitalisglykoside
in ihrer Wirkung auf das Frosch herz und wohl auch auf das
Warmblüterherz dadurch steigern, dass man kleine Zusätze von
Chloroform oder Alkohol zu den Lösungen macht. Wenn hier
sonst gleichgültige oder das Herz eher schädigende Stoffe effekt-
steigernd wirken, so kann weder von einer additiven Leistung
oder Potenzierung des letzten Effekts gesprochen werden, sondern
es wird sich wohl nur um die Aenderung der Aufnahmebedingungen
und der Bindungsfähigkeit für die Glykoside durch den Herz¬
muskel somit um eine indirekte Wirkungssteigerang handeln.
Ein weiterer Fall einer solchen negativ fördernden Kombinations¬
wirkung liegt in der Beobachtung aus jüngster Zeit, betreffend
die Förderung von Cocain und Novocain durch Zusatz von Kalium¬
sulfat vor. Auch hier werden krause Theorien aufgestellt, wo es
sich doch im Wesentlichen darum handelt, dass das Kaliumion
als solches teitungslähmend wirkt und sich seine Wirkung zur
Anästhesie durch das Alkaloid gesellt. Immerhin ist es auf¬
fällig, dass die Wirkungssteigerung hier ausserordentliche Werte
erreichen kann, die über das additive Maass hinausgehen 1 ). In
bezog auf das Opiuraproblem entwickelte Straub 2 ) im Jahre
1912 die Anschauung, dass das zu 6 pCt. im Opium vorhandene
Narkotin die schädigende Wirkung des Morphins auf das Atem¬
centrum herabsetzt, dass es also effektmindernd wirkt; anderer¬
seits soll dieses Alkaloid imstande sein, die furibunden Auf¬
regungszustände, die Morphin an Katzen hervorruft, zu hemmen
und dessen schwache Narkosewirkung so zu steigern, zu poten¬
zieren, dass bei den Tieren nur mehr reine Lähmungssymptome
auftreten. Auf Grund dieser Auffassung wmde ein künst¬
liches Arzneimittel dargestellt, das Narkophin, das etwa V 3 Mor¬
phin, V 3 Narkotin nnd l / 3 Meconsäure enthält, somit im wesent¬
lichen die für günstig gehaltene Kombination von Narkotin und
1) Hoffmann und M. Kochmann, Beitr. z. klin. Cbir,, 1914, Bd. 91.
2) Bioch. Ztschr., Bd. 41, S. 419.
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Original frnm
UNIVERSUM OF IOWA
1ÖÖ6
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 50.
Morphin darstellt. Sicher wirksam am Menschen waren aber erst
3 cg, die 1 cg Morphin enthalten. Diese Dosis wirkt nun selbst-
verständlich schon an sich narkotisch, von einer Potenzierung
durch das Narkotin kann hier nicht wohl die Rede sein. Da
aber in diesen Angaben -die Möglichkeit gegeben wäre, maximal
wirksame Alkaloidgemische darzustellen, die sich auch auf andere
Stoffe als Opiumalkaloide übertragen lassen müsste, so haben wir
diese Frage zunächst an diesen einer experimentellen Nachprüfung
unterworfen und die Möglichkeit der Beeinflussung von Atmung
nach Frequenz und Volumen, sodann die Frage der Erregbarkeit
des Atemcentrums gegen den CD 2 -Reiz, gegen das antagonistisch
erregendwirkende Cocain durcbgeprüft.
Das in vielen Versuchserien von meinem Assistenten, Herrn
Dr. Meissner 1 ), gelieferte Material ergab nur die Potenzierung
widerlegende Tatsachen. Welches Verfahren man auch immer
wählte, immer zeigte sich der biologische Effekt von Arznei¬
gemischen, die neben Morphin noch Narkotin enthielten, nur ihrem
MorpbiDgehalt entsprechend. Ich bebe speziell einen Versuch
über Aenderung der Atmungstätigkeit durch Extractum opii aquos.
mit bekanntem Morphingehalt hervor, das quoad Atmung genau
so wirkte, wie eine entsprechende Menge Pantopon und Morphin
selbst. Wesentliche quantitative Unterschiede zwischen diesen
drei Körpern war nicht zu verzeichnen. Dass für die cerebrale
Wirkung des Pantopons und des Opiums wohl nur das Morphin
entscheidend ist, lehrt auch die Beobachtung mit dem morphin-
freien Pantopon, dem Opon, von dem, um überhaupt schwache
hypnotische Wirkungen zu erzielen, enorme Mengen, wie ein
halbes oder ein Gramm nötig sind 2 3 ).
Bei dieser Gelegenheit zeigt es sich, dass das Narkotin, aller¬
dings erst nach Centigrammen, ein Erregungsmittel der Atmung ist.
Das Narkotin ist ferner ein vorzügliches Beruhigungsmittel
des isolierten Darms. Es setzt seinen Tonus herab und erreicht
schliesslich vollständige Erschlaffung, dies jedoch nur bei direkter
Applikation auf die Darmserosa des nach Magnus isolierten
Darmstücks. Eine Aenderung des so eigenartigen Bildes der
Morphinwirkung an Katzen durch Zusatz von Narkotin ist uns
ebenfalls niemals gelungen. — Auch das Thebain ist herangezogen
worden, um die schädigende Wirkung des Morphins auf das Atem¬
centrum aufzuheben. Doch möchte ich dieser Angabe auf Grund
persönlicher Erfahrungen entgegentreten, indem sich kleine The¬
baindosen (wie sie den sogenannten Laudanon entsprechen) in
dieser Richtung als unwirksam erwiesen.
Das Narkotin ist konstitutionell genau bekannt. Es ist sicher,
wie seine Synthese aus Meconin undCotarnin beweist, ein Isochinolin¬
derivat. Hierin steht es dem Papaverin nahe, das ebenfalls kon¬
stitutiv klar und synthetisch gewinnbar ist. Das Papaverin ist
in den letzten Jahren vielfach durchgearbeitet worden; ins¬
besondere war es Pal 8 ) in Wien und seine Mitarbeiter, die ihm
eine Anzahl von Arbeiten gewidmet, und besonders die klinische
Verwendung desselben in Fluss gebracht haben. Noch vor wenigen
Jahren glaubte man die Wirkung des Papaverins damit erschöpfen
zu können, dass man sagte, dass es zu den Krampfgiften gehört.
Im Jahre 1904 machte ich die gelegentliche Beobachtung, dass
das Papaverin temperaturherabsetzend wirkt, eine Eigenschaft, die
dem biologisch und chemisch verwandten Morphin noch in weit
höherem Umfang eigen ist. Die Einwirkung des Papaverins auf den
isolierten Darm zeigt, dass es schon in ausserordentlich kleinen
Mengen lähmend wirkt, dass es in dieser Richtung 30 bis 50 fach
stärker wirkt als das Morphin. Allein die Anschauung, dass das
Papaverin die Erklärung des Opiumeffekts quoad Darm bringt, teile
ich durchaus nicht. Ich habe folgenden Versuch gemacht: Bei
einer Katze wird durch Milchfütterung Diarrhöe hervorgerufen;
Papaverindarreichung zu 4 cg blieb ohne Erfolg, während doch
Opium in dieser Richtung positiv wirkt. Macht man einem Ka
ninchen eine subcutane PapaveriniDjektion und entnimmt ihm dann
seinen Darm, so zeigt derselbe, wie oben geprüft, normale Be¬
wegungsfähigkeit. Gerade in bezug auf unser Problem ist vor
wenigen Tagen eine Mitteilung von Magnus 4 ) erschienen, wonach
es gelingt, durch ganz kleine Codeinzusätze eine an sich als un¬
genügend erkannte Morphindosis in ihrer Wirkung auf den Darm
ausserordentlich zu steigern. Noch V* der eben wirksamen
Morphindosis wird durch V 40 der für sich allein wirksamen
1) R. Meissner, Beeinflussung der Morphin Wirkung durch die Neben¬
alkaloide des Morphins. Biochem. Zschr., 1913, Bd. 54, S. 395.
2) Winternitz, M.m.W., 1912.
3) Pal, Papaverin als Gefässmittel. D.m.W., 1914, S. 164. — Hier
auch weitere Literaturangaben.
4) Magnus, Pflüger’s Aroh., Bd. 159, S. 356, 353.
Codeindosis zur vollen Höhe gebracht. Ob diese am durch Colo-
quinten entzündlich gereizten Katzendarm gemachten Erfahrungen
auf den Menschen übertragbar sind, stebt noch ans; ist dies der
Fall, dann könnte man ohne Minderung des therapeutischen Er¬
folges mit Morphin sparen. Auch Magnus lehnt eine Papaverin¬
wirkung im Darmopiumeffekt ab.
Gelegentlich obiger Darmversucbe konnte ich auch feststellen,
dass das Papaverin ausserordentlich erschlaffend auf die Uterus¬
muskulatur wirkt, eine Beobachtung, die völlig unabhängig, gleich¬
zeitig von Pal gemacht worden ist und sicher therapeutisch ver¬
wendet werden kann. Während mir die Idee vorscbwebte, dass
speziell mit kolikartigen Schmerzen einhergehende Menstruations¬
anomalien hier einen Antagonisten gefunden haben, dass patholo¬
gisch gesteigerte Bewegungen gehemmt werden können, hat
Halban 1 ) in Wien dieses Alkaloid seither bei drohendem Abort
mit ausserordentlichem Erfolg verwendet. Er berichtet über
einen Fall, wo es durch tägliche 2 malige Darreichung von 5 cg
Papaverin gelang, einen drohenden Abort einen Monat lang auf¬
zuhalten nnd die Geburt zum normalen Termin zu führen. Er
empfiehlt unser Alkaloid auch bei der Hyperemesis gravidarum.
Wie Sie sehen, erinnert das Papaverin in seinem Verhalten znr
glatten Muskulatur ausserordentlich an das Atropin. Doch bat
es vor diesem den Vorzug relativer Ungiftigkeit. Vielleicht ho¬
molog dem bisher geschilderten Verhalten ist auch die Wirkung
auf die Gefässe, die zur Erweiterung, zur Erschlaffung gebracht
werden. Insbesondere bei abnorm hohem Druck wirkt es vor¬
züglich depressoriscb, während es am normalen Menschen in
dieser Richtung nicht erheblich wirkt (Pal). Seine Beeinflussung des
Circulationsapparates lehrt wohl beifolgende Kurve. Das Papa¬
verin gilt als leistungsfähiger Antagonist des Adrenalins. Pal (1. c.)
berichtet, dass es gelingt, durch Steigerung der Dosis nicht nur
vorübergehend, sondern dauernd Herabsetzung des Blutdrucks zu
erreichen. Ob nicht auch in diesem Sinne brauchbare Resultate
beim Habitus apoplecticus, bei der Urämie, bei der Arteriosklerose
zu erzielen sein werden, steht noch aus. Pal empfiehlt ferner
das Papaverin bei der Angina pectoris. Die druckmindernde
Wirkung ist wobl central ausgelöst, da ich eine Aenderung der
Ausflussgeschwindigkeit des Blutes aus der Vena abdominalis nach
Papaverininjektion (Methode Trendelenburg) nicht featstellen
konnte.
Eine dem Praktiker sicher willkommene Beobachtung betrifft
die Angabe, dass das Papaverin auch eine Erschlaffung des
Sphincters des Ductus choledochua 2 ) hervorruft, wodurch Störungen
des Gallenabflusses behoben werden können. Auf dem gleichen
Grundprinzip, Erschlaffung der glatten Muskulatur, sind die Be¬
obachtungen von Scalitzer und Knöpfelmacher zu beziehen:
Bei Pylorospasmus der Kinder mit konsekutivem Erbrechen
schwindet nach mehrfachen subcutanen Injektionen zu 0,01 Pa¬
paverin das Erbrechen und der als Tumor tastbare, vorher kon¬
trahierte Pylorus erschlafft. Diese lähmende Wirkung auf Magen¬
teile ist vielfacher diagnostischer Anwendung fähig und wird
benutzt, um röntgenologisch Pylorustumor von PylorospasmoB zu
scheiden.
Klinische Erfahrungen haben dem Opium noch eine be¬
sondere Verwendungsart, noch einen weiteren Effekt zugeschrieben:
Ich meine seine Benutzung gegen den Diabetes. Da uns die
chemische Technik die einzelnen Opiumalkaloide in genügender
Menge liefert, so lag es nahe, auch nach dieser Richtung mit
ihnen experimentell einzusetzen.
Wir 8 ) haben in dieser Richtung zwei Versuchstypen gewählt,
nämlich Beeinflussung der Suprarenin- und Phloridzinglykosurie.
Nachdem in 17 Normalversucbeo die durchschnittliche Zucker¬
ausscheidung nach Suprarenin festgestellt war, wurde zunächst
die Kombination mit Papaverin versucht, wobei teils bei Vergleich
verschiedener Tiere, teils bei mehreren Versuchen am gleichen
Tier eine Hemmung der Ausscheidung durch Papaverin deutlich
feststellbar war. Ebenso wirkte Thebain uod die im Opium vor¬
handene Meconsäure.
Auch dem Phloridzin gegenüber entfaltete das Opium eine hem¬
mende Wirkung. Ich glaube auf Grund anderweitiger Erfahrung
über Hemmung von künstlichen Glykosurien durch gewisse Sub¬
stanzen, dass es sich hier viel weniger um eine Beeinflussung von
Zuckerbildung und Zuckerspaltung als vielmehr um Störung der
1) Halban, Anwendung von Papaverin in der Geburtshilfe. Oesterr.
Aerzteztg., 1914, S. 977
2 ) Reach, W.klin.W., 1914, Nr. 4, S. 150. , L , ..
3) s. G. Lewysohn, Ueber die Hemmungswirkung der Opiumalkoloiue
auf experimentelle Glykosurien. Diss. Breslau 1914.
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Original frnm
UMIVERSITY OF IOWA
14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1907
__. .; •
v <n> rf
-
Curarisiertes Kaninchen von 1900 g Normaldruck = 80 mm Hg; nach intravenöser Injektion
von 0,005 g Papaverin hydroohl. (Laroche): 39 mmHg.
Zuckerausscheidung handelt, was durch entsprechende Blut¬
analysen in Zukunft sichergestellt werden müsste. So unvoll¬
kommen diese Versuche sind, so legen sie doch die Hoffnung
nahe, dass es möglich sein wird, vom Isochinolin ausgehend, zu
maximal wirksamen antiglykosurischen Stoffen auf synthetischem
Wege zu gelangen.
Bei der klinischen Verwendung des Papaverins ist eine ge¬
wisse Abschwächung desselben, bei wiederholter Darreichung,
beobachtet worden. Diese rasche Gewöhnung lässt die Möglichkeit
offen, dass es sich hier um ein dem Morphin homologes Schicksal,
um eine gemeinschaftliche Grundursache handelt. Es wird somit
der Wunsch rege, etwas Näheres über das Schicksal des Papa¬
verins zu erfahren. Während einige Alkaloide den Körper un¬
verändert passieren; ich erinnere an das Strychnin mit seiner
Totalausscheidung in den Harn, an das Morphin mit seiner Aus¬
scheidung in den Darm und Harn, werden andere nur teilweise
oxydiert oder zersetzt, wie z. B. Colchicin und Chinin. Mit dem
Papaverin hat es nun eine ganz andere Bewandtnis, wie Hen-
Dr. Zahn 1 ) in meinem Laboratorium festgestellt hat: es wird
wohl in toto zersetzt. Obwohl wir über eine Methode verfügen,
nach der es gelingt, mehr als 90 pCt. des Alkaloids, das zu
Organen hinzugefügt wird, wieder zu finden, gelang es uns nie¬
mals, aus den Excremeuten von Tieren, die grosse Dosen
von Papaverin subcutan erhalten und überstanden hatten, auch
nur Spuren von Papaverin wiederzufinden. Nur bei jenen
Fällen, wo die Tiere infolge letaler, per os gereichter Papaverin¬
dosen zugrunde gegangen waren, gelang es, Teile desselben im
Darm wiederzufinden.
Nehmen wir an, dass sich die Schicksale des PapaverinB
beim Menschen ebenso gestalten wie beim Tiere, dann wird man,
und dies ist forensisch wichtig, auch bei diesen vergeblich auf
unverändertes Papaverin fahnden. Erwähnt sei noch, dass Papa¬
verin auch lokal schwach anästhesierend wiikt (Pal). Vielleicht
interessiert es noch, zu erfahren, welche Allgemeinerscbeinungen
Papaverin hervorruft. Decigramme, subcutan gereicht, schaffen
bei Hund wie Katze Apathie, Salivation und Erbrechen, central
bedingte motorische LähmuDg. Nach einer Periode von Schlafsucht,
Taumeln und Müdigkeit erfolgt schliesslich Respirationslähmung.
Mein Bericht über fremde und eigene Arbeiten auf diesem
Gebiet möchte ich damit schliessen, dass ich den Herrn Prak¬
tikern die Verwendung des Papaverin nahelege. Es wird gewiss
noch eine Fülle von wichtigen Indikationen neben den angeführten
feststellbar sein, begründet auf seiner speziellen Fähigkeit, die
glatte Muskulatur zu lähmen, ehe noch wesentliche centrale
Wirkungen auftreten.
Zu einer weitgehenden klinischen Verwendung des Papaverins
fordern nicht nur die bisherigen therapeutischen Erfolge, die
relative Ungiftigkeit des Papaverins auf, sondern die Nötigung
mit Morphin zu sparen, das jetzt nur unseren Soldaten Vorbehalten
bleiben sollte.
Aus der Kgl. chirurgischen Klinik zu Breslau (Direktor:
Geheimrat Prof. Dr. Küttner, Marine - Generalarzt
ä la suite, zur Zeit im Felde).
Kriegschirurgische Erfahrungen über
Blutgefässnaht.
Von
Dr. Ernst Jeger,
Assistent der kgl. chirurgischen Klinik in Breslau, derzeit komm, zur Dicn-iloisUing am
Festungsspital Nr. 8 in Przeraysl^i
Es sei mir gestattet, im Folgenden über acht Fälle von Blut¬
gefässnaht zu berichten, die ich während meiner bisherigen kriegs¬
1) Erscheint in der Biochem. Ztsobr., 1915.
2) Dje Arbeit wurde aus der belagerten Festung Przemysl
Auren einen Flieger herausgebracht.
chirurgischen Tätigkeit in der Festung Przemysl an Verwundeten
auszuführen Gelegenheit hatte. Die hierbei gemachten Erfahrungen
scheinen mir — trotzdem es mir aus äusseren Gründen nicht
möglich war, alle meine Verwundeten bis zu Ende zu beobachten
— eine kurze Mitteilung zu rechtfertigen.
Die letzten Jahre haben uns so zahlreiche kriegschirurgische
Arbeiten über Blutgefässverletzungen gebracht, dass die Mehrzahl
der hierher gehörigen Fragen als erledigt betrachtet werden kann.
Es ist mir dementsprechend auch nicht möglich, bezüglich der
Aetiologie und Pathologie der Gefässwuuden irgend welche neue
Beobachtungen anzuführen. Hingegen habe ich mich in thera¬
peutischer Beziehung insofern vom Standpunkt anderer Chirurgen
entfernt, als ich der Gefässnaht bei der Behandlung von Blut¬
gefässverletzungen ein breiteres Feld eingeräumt babe, als bislang
in der Kriegschirurgie üblich war. Zur Rechtfertigung dieses
Vorgehens möchte ich folgendes bemerken:
Die Mehrzahl der Autoren, so Lotsch 1 ) und v. Fritsch 2 )
halten die Gefässnaht nur in den seltensten Fällen bei Kriegs¬
verletzungen für indiziert, da sie primär — d. h. auf den Ver¬
bandplätzen — infolge ihrer technischen Schwierigkeit nicht
möglich ist, später jedoch — nach Ausbildung der Aneurysmen
— der Collateralkrei8lauf so weit entwickelt ist, dass auch eine
Unterbindung grösserer Gefässe keine Gefahr für die Ernährung
mehr bedeutet. Diese Anschauung ist sicher in der Mehrzahl der
Fälle berechtigt, ganz allgemein jedoch scheint sie mir nicht
zutreffend zu sein. Denn dass die primäre Unterbindung grosser
Gefässe eine bedeutende Gefahr für die betreffenden Extremitäten
darstellt, ist eine Tatsache, deren Richtigkeit keinem Zweifel
unterliegt, und dass eine solche — auch wenn sie zu keiner
primären Gangrän führt — sekundär doch verschiedene Störungen
hinterlassen kann, geht u. a. aus früheren Untersuchungen von
v. Frisch selbst hervor. Dass man sich unter ungünstigen Um¬
ständen wohl oder übel auf die technisch einfachere Unterbindung
beschränken muss — auf die Gefahr biu, diese oder jene Ex¬
tremität zu opfern —, berechtigt nicht dazu, auf die prognostisch
sicherere Gefässnaht auch daun zu verzichten, wenn der Patient
rechtzeitig in ein Spital gebracht werden kann, in dem die Be¬
dingungen für die erfolgreiche Ausführung schwieriger Operationen
gegeben sind.
v. Frisch führt gegen die Gefässnaht den Umstand ins
Treffen, dass Schussverletzungen immer mehr oder weniger in¬
fiziert sind. Es geht jedoch aus älteren Untersuchungen von
Jakobsthal u. a., denen ich mich auf Grund sehr zahlreicher
experimenteller Erfahrungen ansehliessen kann 3 ), hervor, dass
Gefässnähte auch in infiziertem Gewebe mit Erfolg ausgeführt
werden können. Es kommt nach meinen Beobachtungen bei In¬
fektion häufiger als sonst zu Thrombose an der Nahtstelle, hin¬
gegen habe ich die von v. Frisch befürchtete Nachblutung hier¬
bei nie gesehen. Dass es bei schweren Infektionen eventuell zu
einer Nachblutung kommen kann, ist natürlich nicht zu leugnen,
and einer meiner misslungenen Fälle (3) (s. u.) lässt sich viel¬
leicht als solche deuten. Es ist jedoch zu bedenken, dass man
vor solchen Zwischenfällen bei infizierten Wunden auch nach
Ligaturen nicht sicher ist. Man wird sich selbstverständlich bei
infizierten oder infektionsverdächtigen Wanden jedes chirurgischen
Eingriffes an Blutgefässen nach Möglichkeit enthalten. Wo aber
schwere Blutungen usw. solche unvermeidlich erscheinen lassen,
stellt die Gefässnaht nach meiner Ansicht keine grössere Gefahr
dar, als die Ligatur.
Von den ausgeführten Nähten bezieht sich eine auf die
Arteria und Vena poplitea, eine auf die Arteria poplitea allein,
zwei auf die Arteria femoralis, eine auf die Vena femoralis, eine
auf die Arteria axillaris, eiue auf die Arteria brachialis und eine
1) Lotsch, Beitr. z. klin. Chir., Bd. 91, S. 175.
2 ) v. Fritsch, Beitr. z. klin. Chir., Bd. 91, S. 186.
3) Jeger, Die Chirurgie der Blutgefässe und des Herzens. BerÜD 1913.
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UNIVERSITY OF IOWA
1908
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 50.
auf die Arteria uod Vena brachialis. Sechsmal handelte es sich
um End zu End, zweimal um seitliche Nähte. Sechsmal war die
Verletzung durch Gewehrschüsse, einmal durch Schrapnell, ein¬
mal durch Stich herbeigeführt. In fünf Fällen konnte ein be¬
friedigendes Resultat erzielt werden, in drei Fällen kam es zu
Misserfolgen. Unter letzteren kam einer zu spät zur Operation,
so dass die Gangrän nicht mehr zu vermeiden war, in einem
zweiten nötigten die schweren Nebenverletzungen zur sekundären
Amputation, ein dritter ging an den Folgen einer vermeidbaren
Unvorsichtigkeit zugrunde.
Ueber die Technik ist nichts Besonderes zu berichten. Ich
habe mich ganz allgemein an die Regeln gehalten, wie sie in
meinem oben zitierten Werk 1 ) ausführlich geschildert sind. Zum
Nähen verwendete ich teils die feinsten englischen Nadeln, teils
eine etwas stärkere, von Georg Haertel in Breslau hergestellte
Sorte, ferner als Nahtmaterial bei kleineren Gefässen die „Löpina
plaquette soie Carrel“, zur Anlegung der Knopfnähte bei grösseren
die „Pearsall Chinese Silk“ Nr. 000000. Dass die allgemeinen Vor¬
schriften bezüglich Asepsis, Abdeckung gegen die Umgebung,
Verwendung steriler Vaseline usw. genau befolgt wurden, ist
selbstverständlich.
Ich möchte nunmehr die Krankengeschichten meiner Patienten
in extenso wiedergeben:
1. S. S., Oberleutnant, 22 Jahre alt, wurde mir am 9. IX. 1914
mit folgendem Befund überwiesen: Gewehrschuss quer durch die linke
Kniekehle, Einschuss querfingerbreit hinter dem äusseren Femurcondyl,
Ausschuss unmittelbar hinter dem inneren Tibiaknorren. Keine Knochen¬
verletzung. Die Verletzung war 36 Stunden vor der Einlieferung ge¬
schehen und hatte zu einem starken Blutverlust geführt. Bei der Unter¬
suchung besteht keine Blutung mehr, die Kniekehle ist mit Cruormassen
gefüllt, das Bein ist von der Grenze des mittleren und oberen Drittels
des Unterschenkels abwärts vollständig anämisch, kalt, gefühllos. Puls
in der Arteria dorsalis pedis nicht fühlbar. Ziemlich starke allgemeine
Anämie, Temperatur 37,6°. Da aus den Symptomen auf eine Verletzung
der Poplitea geschlossen werden muss und eine — wenn auch geringe —
Hoffnung auf Rettung der Extremität durch Wiederherstellung des Blut¬
stromes besteht, sofortige Operation: Morphium-Aethernarkose, Esmarch-
binde. Längsschnitt in der Kniekehle, etwa 20 cm lang, Ausräumung
der zum Teil übelriechenden Coagula. Es zeigt sieb, dass die Arteria
und Vena poplitea glatt durchschossen sind, die Stümpfe sind stark
retrahiert, diejenigen der Vene mit Gerinnseln gefüllt. Anlegung von
Gefässklemmen, Resektion der Gefässränder etwa l J 2 cm weit, Aus¬
führung der End-zu-Endnähte mit Hilfe dreier U-förmiger Haltenähte
nach Jensen aus stärkerer, und fortlaufender Nähte aus schwacher
Seide. Naoh Abnahme der Esmarchbinde und der Klemmen pulsiert die
Arterie peripher von der Nahtstelle gut, eine kleine Blutung wird durch
eine ergänzende Knopfnaht gestillt. Hingegen füllt sich die Vene nach
Abnahme der Klemmen nur wenig, der Abfluss des Blutes von der
Peripherie her ist gering, so dass auf eine Verstopfung der feineren
Gefässzweige durch Coagula geschlossen werden muss, wodurch die Pro¬
gnose als ungünstig erkannt wird. Einlegen von zwei Drains, teilweise
Naht der Wunde, Einhüllung des ganzen Beines in Watte, Hochlagerung
desselben unter mässiger Flexion des Knies. Am 10. IX. — etwa
10 Stunden post Operationen! — Revision: Der Unterschenkel ist nach
unten bis etwa 10 cm oberhalb der Knöchel warm, normal gefärbt, hin¬
gegen hat sich die Circulation im Fusse nicht wiederhergestellt. Er ist
im Gegensätze zum ersten Befunde ziemlich stark blau, es besteht ge¬
ringe Druck- und Schmerzempfindung an den Zehen. In der Hoffnung,
die venöse Stauung zu verringern, Anlegung zahlreicher kleiner Scarifi-
kationen am Fuss, die eine geringe Menge stark venösen Blutes zutage
fördern. 11. IX.: Annähernd gleicher Befund, weitere spärliche Ent¬
leerung venösen Blutes aus den Scarifikationswunden. Temperatur um
37,5°. Allgemeinbefinden gebessert. 13. IX.; Fuss weniger blau.
Sensibilität nach wie vor in geringem Maasse erhalten. 15. IX.: Tem¬
peratur bis 39°, am Unterschenkel diffuse Rötung und Schwellung.
Ziemlich starke eiterige Sekretion der Wunde an der Kniekehle. Ent¬
fernung sämtlicher Nähte, breite Eröffnung der Wunde. Es kann bei
dieser Gelegenheit eine gute Pulsation der Arteria poplitea peripher von
der Nahtstelle konstatiert werden. Lange Inzisionen an den phlegmonös
veränderten Stellen des Unterschenkels. 16. IX.: Fortschreiten der
Phlegmone. 17. IX.: Fieber über 40°, Knie teigig geschwollen, schlechter
Allgemeinzustand. Daher Amputation am Oberschenkel. Die Sektion
des Beines ergibt folgenden Befund: Der Fuss zeigt stellenweise die
typischen Erscheinungen der feuchten Gaügrän, die Venenverzweigungen
und einzelne kleinere Arterien sind mit Gerinnseln gefüllt, die grössten¬
teils den Charakter älterer Thromben aufweisen und an einzelnen Stellen
eiterig zerfallen. Ausgedehnte Phlegmone des Unterschenkels, mehrere
tiefe Abscesse in der Wadeomuskulatur. Die Nahtstelle der Arterie ist
durchgängig, es bestehen daselbst zwei ganz kleine, nicht obturierende
Thromben. Die Vene ist stark collabiert, ihre Wände sind teilweise
verklebt, eine eigentliche Thrombose besteht jedoch nicht.
Die weitere Krankengeschichte des Pat. bietet nichts Interessantes.
1) Jeger, I- <>•
Er konnte am 18. X. fieberfrei mit einem gut heilenden Amputations-
stumpf entlassen werden.
Die Analyse des berichteten Falles bietet einige Schwierig¬
keiten. Es ist zunächst die Frage aufzuwerfen, ob die Gewebe
des Fuss68 nach der 36ständigen Anämie einer Regeneration noch
fähig waren. Da sich die ersten Zeichen der Gangrän erst 6 Tage
später einstellten, glaube ich den Misserfolg weit weniger auf die
dauernde Unterbrechung der Circulation zurückfübren zu sollen.
Das Merkwürdige dieses Falles besteht nun eben darin, dass sich
die Blutzirkulation trotz unzweifelhaften Gelingens der
Gefässnaht, die sowohl durch Autopsie in vivo als auch durch
die Sektion bewiesen werden konnte, nicht wieder herstellte. Die
bei der Operation beobachtete mangelhafte Füllung der Vene
sowie die bei der Sektion gefundenen älteren Thromben in den
kleinen Gefässen zwingen zur Annahme, dass diese Thromben sich
während der 36ständigen Stase durch Coagulation des in den
Venen enthaltenen Blutes entwickelt hatten und sekundär durch
den arteriellen Blutstrom nicht mehr überwunden werden konnten.
Ob es nicht vielleicht möglich gewesen wäre, durch energisches
Durchspritzen des GefässsyBtems mit Kochsalzlösung od. dgl. diese
Thromben zu entfernen und die Zirkulation wieder herzustellen,
muss ich dahingestellt sein lassen, — jedenfalls würde ich es
bei einem analogen Fall versuchen. Von Interesse ist feroeT der
Umstand, dass die Gangrän immerhin auffallend spät eintrat. Mir
scheint diese Beobachtung ein Analogon zu der bei Ausführung
der Wieting’schen Operation wiederholt gemachten Erfahrung zu
sein, dass die Erscheinungen der Anämie vorübergehend wesent¬
lich verringert werden, trotzdem bei dieser Operation eine Wieder¬
herstellung der Zirkulation ausgeschlossen ist. Vielleicht kann
man sich diese Erscheinung so erklären, dass durch die im arte¬
riellen System stattfindenden rhythmischen Wellenbewegungen ein
langsamer Blutaustausch in der Peripherie stattfindet, durch den
eine, wenn auch minimale Sauerstoff Versorgung und Ernährung
ermöglicht ist.
2. S. A., Infanterist, 28 Jahre alt, wurde am 4. IX. 1914 einge¬
liefert. Einschuss an der Anssenseite des rechten Oberschenkels. Etwa
drei Querfinger unter dem Ligamentum inguinale an der Grenze des
mittleren und inneren Drittels desselben eine stark druckempfindliche
Schwellung, die offenbar von dem steckeDgebliebenen Geschoss berrührt
Das Bein wird flektiert gehalten, es bestehen andauernde ausstrahlende
Schmerzen, die Einschussöffnung blutet kontinuierlich. Diese Blutung
sowie die ausserordentlich heftigen Schmerzen zwingen am 5. IX. zur
Operation. Sie beginnt mit einem Längsschnitt über dem Tumor, wobei
das Skalpell sofort auf das Projektil (sehr stark deformierter Stahlmantel
einer russischen Gewehrkugel, Querschuss P) stösst. Beim Versuch das¬
selbe mit einer Pinzette zu entfernen, Auftreten einer sehr heftigen Blu¬
tung, die durch Eingehen mit dem Finger und Kompression der Arteria
femoralis gegen den Schambeinast so weit vermindert wird, dass es ge¬
lingt, die Arterie aus ihrer Umgebung freizupräparieren. Die Blutung
ist durch einen wenig klaffenden Längsschlitz von etwa */acm hänge
bedingt, der jedoch grösstenteils bloss die äusseren Gefässwandschicbten
umfasst und nur an einer etwa 2 mm langen Stelle perforierend ist. Es
werden Höpfnerklommen an die Arterie central und peripher zur Ver-
let 2 ungsstelle angelegt und die letztere hierauf lege artis durch eine fort¬
laufende Naht verschlossen. Nach Abnahme der Klemmen steht die
Blutung völlig, es wird ein Vioformgazestreifen eingeführt und dieWnnde
offen gelassen. Der Puls in den peripheren Arterien bleibt dauernd er¬
halten, die Wunde verschliesst sich allmählich per granulationem. Pat.
wird am 16. X. geheilt mit einer marschierenden Verwundetenkolonne
abtransportiert.
3. A. K., russischer Infanterist, 29 Jahre alt, wird am 14. IX. mit
folgendem Befund eingeliefert: Einschuss (Gewehr) an der Anssenseite
des rechten Oberschenkels etwa handbreit unterhalb der Spina anterior
superior. Glatter Ausschuss an der Innenseite des Oberschenkels, An
der Vorderfläche nahe dem Ligamentum inguinale eine bei der Einlieferung
etwa eigrosse pulsierende Geschwulst. Schwirren besteht über der Ge¬
schwulst nicht, auch keine Veränderung im Puls der Arteria dorsalis
pedis gegenüber derjenigen der anderen Seite. Am 15. IX. hat die Ge¬
schwulst an Grösse bedeutend zugenommen und ist sehr schmerzhaft.
Am IG. IX. weitere Vergrösserung der Geschwulst, sie hat etwa Kinds¬
kopfgrösse erreicht, pulsiert stark, bereitet dem Kranken unerträgliche
Schmerzen, die Haut über der Geschwulst ist prall gespannt und gerötet,
so dass eine spontane Perforation zu fürchten ist. Daher am 16. 1 a.
mittags Operation: Die Lage der Geschwulst nahe dem Ligamentum
inguinale verbietet die Anlegung einer Esmarchbinde. Daher T i r “- ia '
nächst hart am Ligamentum inguinale inzidiert, die Arteria und Vena
femoralis freigelegt und je eine Höpfnerklemme befestigt. Hierau
Inzision des Aneurysmasackes. Es entleert sich eine grosse Menge
Coagulum, das von einer abundanten venöseD Blutung gefolgt wir
Es gelingt nur mit grosser Mühe, die Blutung durch Einführung
reicher Gazestücke und starke Kompression zu vermindern. h
femoralis wird peripher von der blutenden Stelle freigelegt und aorca
eine Klemme verschlossen; keine Einschränkung der Blutung.
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ungirm rren
UNIVERS1T7 OF IOWA
14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1909
letztere somit nur duroh tiefer liegende Venen bedingt sein kann,
Anlegung eines Esmarchschlauches unmittelbar oberhalb des Knies. Da
die Blutung auch hierdurch nicht wesentlich verringert wird und der
Patient bereits in schwerer Lebensgefahr schwebt, Durchtrennung der
Bauchmuskulatur durch einen Schrägschnitt parallel zum Ligamentum
inguinale 4Querfinger breit oberhalb desselben, Abschieben des Peritoneums
von der Beckenschaufel, Isolierung der Vena iliaca communis und Anlegen
einer Höpfnerklemme daselbst. Erst jetzt steht die Blutung aus der
Oberschenkel wunde so weit, dass ihre Ursache eruiert werden kann.
Es zeigt sieb, dass die Vena femoralis superficialis gerade an der Ein¬
mündungsstelle der Vena femoralis profunda quer durchschossen ist,
so dass ihre Kontinuität beiderseits nur durch einen schmalen Streifen
Venenwand erhalten ist (s. Fig. 1). Es hatte somit aus der Vena femoralis
superficialis, aus der Vena fermoralis profunda und aus 6 stärkeren Muskel¬
ästen, die daselbst teils in die Vena femoralis superficialis, teils in die
profunda mündeten, geblutet, wodurch auch die Unmöglichkeit, die
Blutung durch centrale und periphere Abkleramung der Hauptvene zu
stillen, erklärt war. Es wurden nun zunächst die kleineren Zweige
(auf Abbildung 1 die Zweige 1, 2 und 3) ligiert. Die Blutung aus den
Hauptstämmen ebenfalls durch einfache Ligatur zu stillen, war natür¬
lich ausgeschlossen, um so mehr, als das Bein die Erscheinungen
schwerster venöser Stauung bot. Es musste vielmehr unbedingt ver¬
sucht werden, die Vene durch Gefässnaht wieder für den Blutstrom
durchgängig zu machen. Eine einfache seitliche Naht der Gefässwunden
wäre unmöglich gewesen, da dies zu einer starken Verengerung des
Lumens geführt haben würde, die sicher eine Thrombose veranlasst
Abbildung 1.
* /
/
hätte. Es war vielmehr nötig, die verletzte Gefässpartie (etwa 3 cm)
ganz zu resezieren und die Continuität duroh End-zu-Endnabt wieder
herzustellen. Es wäre am richtigsten gewesen, au die Stelle des rese¬
zierten Gefässstückes ein solches einer anderen Vene — etwa der Vena
jugularis externa — zu implantieren. Die lange Dauer der Operation
— etwa 2 Stunden — und das durch den grossen Blutverlust bedingte
schlechte Allgemeinbefinden des Pat. veranlasst« mich jedoch — leider —,
von einer solchen Transplantation abzusehen und die beiden Gefäss-
enden trotz der ziemlich starken Spannung direkt miteinander zu ver¬
einigen. Um die Länge des zu resezierenden Stückes möglichst zu ver¬
ringern, wurde die Vene entsprechend den punktierten Linien a und b
auf Abbildung 1 durchschnitten und so Lappen gebildet, die die Ver¬
kürzung teilweise kompensierten. Die beiden Enden wurden hierauf
duroh drei Knopfnähte, deren Lage Abbildung 2 veranschaulicht (es
wurden U-Nähte, und nicht wie die Abbildung der Einfachheit wegen
zeigt, einfache Nähte verwendet) und hierauf durch eine fortlaufende
Naht miteinander vereinigt. Die Nahtstelle ist gut durchgängig, nicht
verengt, die Vene ist ziemlich stark gespannt, die während der Operation
bestehende venöse Stauung verliert sich rasch. Einlegen von Gaze¬
streifen in beide Wunden, fast komplette Naht der oberen-, teilweise
Naht der unteren. Anlegung eines fixierenden Verbandes bei ziemlich
starker Hüft- und Kniegelenksflexion. Das Bein ist warm und normal
gefärbt, der Puls in der Arteria dorsalis pedis ist deutlich fühlbar.
17. IX.: Temperatur um 37,5°, massige Schmerzen, guter Allgemein¬
zustand, ziemlich schwacher Puls. Kochsalzinfusion. 18. IX.: Pat.
ist unruhig, versucht aufzustehen, Temperatur bis 38,3°, Lokalbefund
normal. 19. IX.: Temperatur bis 38,6°, ziemlich ausgedehnte eitrige
Sekretion der Obersohenkelwunde, Bauchwunde normal. Entfernung
aller Nähte am Oberschenkel, Wechseln der Streifen. Pat. ist weiter¬
hin sehr unruhig. 20. IX.: Sekretion der Wunde mässig, Temperatur
bis 37,6 °, Allgemeinbefinden besser. Bein warm,' nicht gestaut. In
der Nacht zwischen 20. und 21. IX. gelingt es dem Pat. infolge einer
Unachtsamkeit des Wärters aufzustehen und im Zimmer herumzugehen.
Dabei Auftreten einer kolossalen Blutung, der herbeigerufene Inspektions¬
arzt findet den Pat. collabiert auf dem Boden liegend. Momentane
Stillung der Blutung durch starke Kompression von aussen. Während
des Transportes in den Operationssaal stirbt der Patient. Die Autopsie
ergiebt schwere Anämie, keine sonstigen bemerkenswerten Befunde.
Die Gefässnaht ist an einer etwa 6 mm langen Stelle aufgerissen, im
übrigen glatt und schon teilweise vernarbt. Keine Thromben.
Für die Nahtdehiszenz, die in diesem Falle den unglücklichen
Ausgang herbeiführte, können zwei verschiedene Momente ver¬
antwortlich gemacht werden: Einerseits eine durch die Wund¬
infektion bedingte verminderte Widerstandsfähigkeit der Naht,
andrerseits die plötzliche Ueberdehnung des unter Spannung ge¬
nähten Gefässes. Beim Versuch, die Nahtstelle völlig auseinander-
zureissen, zeigte es sich, dass hierzu ein verhältnismässig be¬
deutender Kraftaufwand erforderlich war, dass somit die Wider¬
standsfähigkeit der Naht durch die Infektion nicht wesentlich
gelitten hatte. Somit ist für den Misserfolg in erster Linie die
übermässige Spannung verantwortlich zu machen. Hätte ich —
wie schon oben erwähnt — an Stelle der einfachen End-zu-End-
naht die Transplantation eines anderen Venenstückes ausgeführt
und so die starke Spannung vermieden, so wäre die tödliche
Nachblutung wahrscheinlich ausgeblieben.
4. K. T., Trainsoldat, 23 Jahre alt, emgeliefert am 7. IX., Verletzung
durch eine Schrapnellfüllkugel. Einschussstelle am oberen Rand der
Patella, grosser Ausschuss io der Kniekehle unter Absprengung des
inneren Tibiaknorrens. Der Unterschenkel ist anämisch kalt, über der
Wunde liegt ein stark comprimierender Verband. Bei Abnahme desselben
starke Blutung aus der Kniekehle, die die sofortige Anlegung einer
Esmarchbinde nötig macht. Die Wunde ist veijaucht, missfarbig, von
zahlreichen Knochensplittern gefüllt. Trotz der a priori schlechten
Prognose wird ein Versuch einer konservativen Behandlung gemacht.
Längsincision in der Kniekehle, Ausräumung der losen Knochensplitter,
Freilegung der Arterie und Vene. Letztere ist intakt, die erstere ist
seitlich so angeschossen, dass ein halbmondförmiger Defekt besteht.
Ueberdies ist die Arterie nach beiden Enden hin stark dislociert, ihre
Wand mit Blut infiltriert. Das verletzte, etwa IVaom lange Arterien¬
stück wird reseziert, die beiden Enden werden durch End-zu-Endnaht
miteinander vereinigt. Zunächst gute Zirkulation, die jedoch rasch durch
eine Thrombose an der Nahtstelle abgebrochen wird. Ausspülung der
Wunde mit Wasserstoffsuperoxyd, ausgiebige Drainage durch Contra-
incUionen, Lagerung auf einen Petit’sohen Stiefel. 8. IX.: Der Unter¬
schenkel hat sich nicht erholt, Zeichen beginnender Gangrän, starke
Jauehung, Temperatur 39,8°. Daher sofortige Amputation des Ober¬
schenkels. Im weiteren Verlauf verschiedene Komplikationen durch
Abszedierung usw., schliesslich jedooh Heilung. Patient wird nach
6 Wochen abtransportiert.
5. S. J., 32 Jahre alt, Infanterist, wurde am 2. IX. bei der Gewehr¬
visitation von einem Kameraden durch Unvorsichtigkeit aus der nächsten
Nähe angeschossen. Der Oberarm wurde an der Grenze des mittleren und
oberen Drittels quer durchschossen. Der Knochen ist frakturiert, die
Haut und die übrigen Weichteile an der Innenseite des Armes sind
völlig durchtrennt, derart, dass der Arm nur mehr an einer ziemlich
schmalen Hautmuskelbrücke, die sich an der Anssenseite befindet, hängt.
Der Arm ist kalt, anämisch ohne Pulsation. Der Patient wird zwei Stunden
nach der Verletzung mit einem stark comprimierenden Verband in der
Axilla eingeliefert. Nach Abnahme desselben tritt eine heftige Blutung
aus dem centralen Stumpf auf, während der abgetrennte Teil des Armes
völlig anämisch bleibt. Während ein Assistent die Blutung durch starke
Kompression in der Axilla möglichst verringert, Längsincision im Sulcus
bicipitalis internus central und peripher zur VerletzuDgsstelle. Der
Knochen ist wenig gesplittert, die Splitter gross und mit dem Periost im
Zusammenhang. Die Vena basilioa, die Arteria brachialis, die Arteria
profunda brachii, die dazu gehörigen Venen, der Nervus medianus und
ulnaris sind durchtrennt, ebenso der Musoulus biceps, die mediale Hälfte
des Musculus brachialis und des Triceps. Zunächst Streckung des Armes
und möglichst vollständige Reposition des Knochens. Dann werden
einige herabhängende Muskelfetzen entfernt, ebenso die am meisten lä¬
dierten Hautränder. Es folgt gründliche Ausspülung der Wunde in allen
ihren Teilen mit Sublimatlösung. Weiterhin Freipräparierung der durch¬
trennten Gefässe und Nerven. An den centralen Stumpf der Arteria
brachialis wird eine Höpfnerklemme gelegt, der centrale Stumpf der Ar-
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UNIVERSITÄT OF IOWA
1910
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
teria profunda brachii wird ligiert. Hierauf wird die Kompression der
Axillargefässe aufgehoben. Es tritt eine heftige Blutung aus verschie¬
denen kleinen centralen Arterienstümpfen auf, hingegen absolut keine
aus den offenen peripheren Enden der Arteria brachialis und profunda
brachii (Coenen’sches Symptom). Der Arm musste somit als rettungslos
verloren betrachtet werden, wenn es nicht gelang, die Cirkulation durch
Gefässnaht wieder herzustellen. Zunächst werden die Muskelstümpfe
durch feine Seidennähte miteinander vereinigt. Dann wurden die Nerven¬
enden einander genähert, mit Hilfe von Gefässnadeln und Gefässseide, die
nur die oberflächlichsten Schichten fassten, miteinander vernäht. Die
Enden der Vena brachialis, der Arteria und Vena profunda brachii,
sowie verschiedener kleiner Zweige wurden ligiert und schliesslich die
Continuität der Arteria brachialis und Vena basilica durch End-zu-End-
naht wieder hergestellt. Die Naht gestaltete sich verhältnismässig ein¬
fach. Die Nahtstellen zeigen sich nach Abnahme der Höpfnerklemmen
gut durchgängig, in der Vene lässt sich nach wenigen Minuten das
Wiederauftreten eines centripetalen Blutstromes nachweisen. Schliess¬
lich wird der Musculus biceps und triceps über den genähten Nerven
und Gefässen vereinigt, um sie so wenigstens teilweise zu decken.
Einlegen eines feinen Drains, Hautnaht. Rechtwinklige Beugung
des Armes im Ellenbogen, massige Abduktion in der Schulter, leichte
Extension des Oberarmes durch Schlingen und Anlegen einer Gipshanf¬
schiene in dieser Stellung. Nach Schluss der Operation ist der Puls in¬
folge des schweren allgemeinen Collapszustandes in beiden Arteriae
radiales unfühlbar. Kochsalzinfusion mit Adrenalin, Coffein, Campher.
Nach 3 Stunden ist der Puls an der gesunden Hand deutlich, an der
kranken ganz schwach und unbestimmt fühlbar. Am 3. September:
Temperatur bis 40°, Allgemeinbefinden wenig befriedigend, Zeichen
schwerer Anämie, Puls an der gesunden Radialis sehr schwach, an der
kranken gar nicht fühlbar. Weitere Behandlung mit Kochsalz, Stro-
phantus, Coffein. Die Hand scheint wärmer zu sein als vor der Opera¬
tion, ist aber wesentlich kühler als die gesunde. 4. September: Besse¬
rung des Allgemeinzustandes, Temperatur bis 39,2°, Puls in den ge¬
sunden Radialis deutlich, in den kranken ganz schwach und inter¬
mittierend, Hand noch immer kalt, keine Spur von Sensibilität, anderer¬
seits jedoch auch keine Zeichen einer beginnenden Nekrose. 5. Sep¬
tember: Gleicher Allgemeinbefund. Temperatur bis 39°. Die lokale
Revision der Wunde ergibt eine ziemlich ausgedehnte phlegmonöse In¬
filtration der Haut, die durch zwei lange Inzisionen bekämpft wird. Im
Laufe der folgenden 8 Tage bleibt der Zustand dauernd zweifelhaft,
jeden Abend Temperatursteigerung, doch tritt eine allmähliche Erwär¬
mung der Hand auf. Der Puls in der Radialis der verletzten Seite
bleibt dauernd schwach und intermittierend. Das Infiltrat erfordert am
13. Semptember eine nochmalige Inzision. Am 17. September ist der
Kranke zum erstenmal fieberfrei, kleine Temperaturerhöhungen kommen
auch weiterhin vor. Ab 7. September tägliche Behandlung mit
Elektrizität. Anfangs Oktober deutlicher Beginn der Konsolidierung.
Abbildung 3.
Am 6. Oktober kann gelegentlich einer genauen Untersuchung das
Wiederauftreten der Berührungsempfindlichkeit an der Hand konstatiert
werden. Sie erscheint bei dieser Untersuchung immer noch wesentlich
kühler als die der anderen Seite und ist blässer. Der Puls in der
Radialis ist deutlich, aber ebenfalls geringer als an der gesunden Hand.
Die Bewegungsfähigkeit im Ellenbogen und den Handgelenken ist noch
minimal. Von dieser Zeit an tägliche Bewegungsübungen und weitere
elektrische Behandlung. Am 25. Oktober wird die beigegebene, leider
schlecht gelungene photographische Aufnahme (Abbildung 3) gemacht.
Die Beweglichkeit ist noch immer stark verringert, hat aber so gute
Fortschritte gemacht, dass eine komplet teRestitutio ad integrum binnen
kurzer Zeit zu erwarten ist. Am 27. Oktober wird Patient auf höheren
Nr. 50.
Befehl hin abgeschoben. Da dies ganz plötzlich zu geschehen hatte,
war es mir leider nicht mehr möglich, eine bessere Photographie an¬
fertigen zu lassen und die beabsichtigte genaue Untersuchuug mit Unter¬
stützung eines Neurologen durchzuführen.
Der eben beschriebene Fall stellt den besten Erfolg dar,
den ich bisher mit Hilfe der Gefässnaht erzielen konnte. Es
kann dabei füglich von einer gelungenen Reimplantation einer
fast völlig abgetrennten Extremität gesprochen werden. Bisher
ist ein einziger Erfolg dieser Art bekannt worden, derjenige
von Janu-Bukarest, dem es, wie er in Langenbeck’s Archiv
in einer ganz kurzen Mitteilung berichtet, ebenfalls gelungen ist,
einen fast völlig abgetrennten Arm wieder zur Anheilung zu
bringen. Leider gestattet die Kürze der Publikation Janu’s kein
näheres Urteil über seinen Erfolg. Das Problem, abgetrennte
Extremitäten mit Hilfe der Gefässnaht zu reimplantieren, hat be¬
kanntlich in den letzten Jahren viele der besten chirurgischen
Experimentatoren — speziell Car eil — beschäftigt, bisher mit
wenig Erfolg. Mein Fall sowie derjenige Janu’s beweisen, dass
es unter geeigneten Umständen tatsächlich möglich ist, in dieser
Richtung ausserordentlich befriedigende Resultate zu erzielen.
6 . Z. J., Korporal, 34 Jahre alt, wurde am 14. X. mit einer
schmalen StichverletzuDg (Bajonett??) in der linken vorderen Axillar¬
falte eingeliefert. Mächtige Hämatombildung in der Achselhöhle und
ihrer weiteren Umgebung, Arm und Hand stark ödematös. Heftige
Schmerzen. Puls an der Radialis fühlbar, jedoch schwächer als rechts.
Der stark durchblutete Verband wird abgenommen, zunächst keine
Blutung. Im Laufe des folgenden Tages dauerndes Hervorsickern von
Blut. Am 16. X. tritt eine so starke Blutung auf, dass zur Ope¬
ration geschritten werden muss. Längsschnitt in der Aiilla, Ausräumung
der Coagula. Es tritt eine heftige Blutung auf, die jedoch durch Finger-
druck leicht beherrscht wird. Es gelingt nunmehr, die Arteria axillaris
frei zu präparieren. Sie trägt eine etwa l } 2 cm lange Längsschlitzwunde,
die wenig klafft und unter Digitalkompression central und peripher
mühelos durch 3 Knopfnähte mit Gefässseide verschlossen wird. Ein
Verbindungsast des Plexus brachialis ist ebenfalls durchschnitten, die
Hauptnervenstämme jedoch sowie die Vena axillaris sind intakt. Drain,
primäre Naht der Wunde. Im weiteren Verlauf keine Komplikationen.
Der Arm ist noch ziemlich stark geschwollen, als der Patient am
23. Oktober auf eigenen Wunsch mit einem Verwundetentransport ab¬
geschoben wird.
7. T. P., Landsturmmann, 38 Jahre alt, eingeliefert am 25. IX.
Schräge Durchschiessung des Oberschenkels an der Grenze des mittleren
und unteren Drittels ohne Verletzung des Knochens. Starke Hämatom¬
bildung, die infolge des begleitenden hohen Fiebers und der starken Druck¬
empfindlichkeit auswärts zu einer Verwechslung mit einem Infiltrat geführt
und zur Inzision veranlasst hatte. Im Anschluss daran starke Blutung,
die mit Hilfe einer Esmarchbinde gestillt wurde. Drei Stunden später
Einlieferung. Es wird eine etwa 15 cm lange Inzision in der Verlaufs¬
richtung der Arteria femoralis angelegt. Die Arteria und Vena femoralis
werden freigelegt und es zeigt sich, dass die Arterie durch einen Streif¬
schuss derartig verletzt ist, dass ein halbmondförmiger Defekt von etwa
1 cm Länge besteht. Ausserdem Durchtrennung eines grösseren Venen¬
astes nahe seiner Einmündung in die Vena femoralis. Ligatur des
letzteren. Hierauf Resektion der verletzten etwa 1 cm langen Partie
der Arterie und End-zu-Endnaht derselben, die ohne bedeutende Spannung
möglich ist. Einführung eines Drains und eines Streifens, primäre Wund¬
naht, Schienenverbaud. Der weitere Verlauf bietet nichts Interessantes.
Entfernung des Streifens am 5., des Drains am 10. Tag. Die Blut-
circulation bleibt dauernd in Ordnung. Am 26. X. Abtransport in einem
Schienenverband.
8 . T. L., 25 Jahre alt, Honved, wird am 17. X. mit einer schrägen
Durchschiessung des rechten Oberarmes in seiner unteren Hälfte einge¬
liefert. Keine Zeichen einer Knochenverletzung, keine Nervenläsion,
hingegen andauernde Blutung aus der Wunde. Der Puls in der Arteria
radialis fehlt, doch ist die Hand warm, und zeigt keine Sensibilitäts¬
störungen. Zunächst Behandlung mit Kompressionsverbänden. Da sich
jedoch die Blutung immer wieder einstellt, wird am 21. X. zur Operation
geschritten, Längsschnitt im Sulcus bicipitalis internus unter Esmarch-
scher Blutleere. Die Arteria brachialis ist nahe ihrer Teilungsstelle so
weit durchtrennt, dass die Kontinuität nur mehr durch einen ganz
schmalen Streifen Gefässwand erhalten ist. Eine der Venae brachiales
ist durchtrennt, die andere erhalten. Keine Nervenläsion. Die verletzte
Vene wird doppelt ligiert, die Arterie völlig durchschnitten und ihre
Enden freipräpariert. Trotzdem in diesem Fall eine Ligatur der Griene
kaum schadenbringend gewesen wäre, wird mit Rücksicht auf die tech¬
nische Einfachheit die End-zu-Endnaht ausgeführt, die sich glatt voll¬
zieht. Unmittelbar nach der Naht zunächst schwaches Wiederauftreten
des Pulses in der Arteria radialis. Drainage, teilweise Naht der wunde.
Rechtwinkliger Schienenverband. Keine weiteren Komplikationen. Uer
Puls in der Arteria radialis bleibt erhalten, der Pat. wird am 31.
im Schienenverband abgeschoben.
Unter den besprochenen Fällen findet sich einer (4), t* el
dem die Gefässnaht a priori hoffnungslos, somit zwecklos war.
Im Fall 8 wurde die Naht an einem Gefäss vorgenommeo, dessen
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Original fram “
UNIVERSUM OF IOWA
14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1911
Ligatur keine schädlichen Folgen gehabt hätte. In den übrigen
6 Fällen handelte es sich um Gefässe, deren Ligatur beim
Patienten 5 mit absoluter Sicherheit zum Verlust der Extremität
geführt haben würde, bei den übrigen das betreffende Glied zum
mindesten schwer gefährdet hätte. Der Umstand, dass es unter
diesen 6 Fällen viermal gelang, die Extremität zu erhalten — im
Fall 1 kam die Operation zu spät, Fall 3 ging an einer vermeid¬
baren Komplikation zugrunde —, bietet einen genügenden Beweis
dafür, dass die Gefässnabt in der Kriegschirurgie bedeutenden
Nutzen zu stiften vermag.
Lendenwirbelkonturschuss.
Von
C. S. Freund.
(Vortrag, gehalten im kriegsmedizinischen Abend der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau am 6. November 1914.)
22jähriger Infanterist A. S. sass am 22. August 1914 nachmittags
2 Uhr im Haferfeld in knieender Schiessstellung, erhielt Infanteriefeuer
von der linken Seite her, angeblich aus den Bäumen einer etwa 200 bis
300 m entfernten Waldspitze. Spürte einen Schlag am Rücken, fiel
nach rechts, vermochte nicht aufzustehen wegen einer Lähmung beider
Beine; sofort Eingeschlafensein beider Beine von den Hüften bis zu den
Zehen, sofort ein vorher nicht vorhanden gewesener Drang zum Urinieren
und zur Darmentleerung. Ein Kamerad nahm ihm Tornister und Koppel
ab, legte das Verbandpäckchen auf die Wunde, zog ihm die Hosen über
die Hüften, so dass er sofort Urin und Stuhl entleeren konnte. Am Nach¬
mittag alle halbe Stunde Druck auf die Blase und dünner Stuhl,
dabei kein Einnässen, keine Verunreinigung. — Am nächsten Morgen
Rüokzug auf dem Bauche liegend (Hände eingegraben, Unterkörper naoh-
gezogen) 500 m in 6 Stunden; auf einerWiese von deutscher Kavallerie
geseheD, von SaDitätsmannschaft versorgt, am Abend in einer Kirche
untergebracht. Urinieren vom zweiten Tage an in Ordnung, regelmässig,
nicht zu häufig. 4 Tage kein Stuhl. Am 26. VIII. per Eisenbahn nach
Trier. Im dortigen Krankenhaus bis 23. IX.
In den ersten 8 Tagen sehr starke Schmerzen in der Lendengegend
in einem etwa zweiquerfingerbreiten Streifen dicht oberhalb der Darm¬
beinkämme. Aus dem rechten Bein schwand das Eingeschlafensein nach
etwa 2—3 Wochen, aus dem linken etwas später. Seitdem nooh heute
andauernde Schmerzen im linken Bein (an der Aussenseite des
Obersohenkels und der Wade, an der vorderen Hälfte des Fusses und
an der Gesässbacke).
Anfänglich völlige Lähmung der Beine bis auf geringe Beuge- und
Abduktionsfähigkeit in beiden Hüftgelenken. Erst seit Mitte September
langsam fortschreitende Besserung der Bewegungsfähigkeit in Hüft- und
Kniegelenken.
Seit 26. IX. in Breslau, Krankenhaus Bethesda (Dr. Hartmann).
Status praesens vom 1. und 2. X. 1914. Schusseintritts¬
stelle: nicht druckempfindliche kleinkirschgrosse rote Hautnarbe in
Höhe der oberen Grenze des I. Lendenwirbels etwa 2querfinger-
breit nach links vom Dornfortsatz. Wirbeldornen nicht druckempfind¬
lich; kein Stauchungschmerz. Bücken des Rumpfes nach vorn und hinten,
ebenso seitliches Neigen gut und nicht schmerzhaft.
Alleinstehen noch nicht möglich. Gesässbacken schlaff. Sehr müh¬
samer Gang; Füsse werden mühsam nach vorn gebracht.
In Rückenlage sind rechts die Zehen einschliesslich Grosszehe fuss-
sohlenwärts gebeugt
Bewegungsfähigkeit der Hüftgelenke: Beim Hochheben rechter
und linker Oberschenkel etwas nach innen gedreht (dabei spannt sich
M. sartorius au und etwas der Tensor fasciae latae, aber nicht der Qua-
driceps). Herunterdrücken geht rechts und links schwach, ebenso Adduk¬
tion und Aussen- und Innenrotation (links etwas < rechts).
Bewegungsfähigkeit der Kniegelenke: Streckung gut (rechts
= links), Beugung herabgesetzt, aber noch leidlich (rechts = links).
Bewegungsfähigkeit der Füsse: Es gelingt nur Hebung des
Innenrandes (M. tibialis antieus; links < rechts). Senkung des Fusses
aufgehoben, bzw. nur spurweise erhalten.
Bewegungsfähigkeit der Zehen: Plantarflexion spurweise wahr¬
nehmbar, etwa im Sinne der Interossei.
Bauchmuskeln und Rückenrauskeln funktionieren gut.
Elektrische Erregbarkeit: Faradisch: Glutaei beiderseits
unerregbar. Oberschenkelmuskeln beiderseits erregbar, aber erst bei
starkem Strom. An beiden Unterschenkeln nur Tibialis antieus, aber
auch nur abgeschwächt, und rechts II. Interosseus spurweise.
Galvanisch: etwas langsame, aber nicht träge Zuckungen.
Reflexe: Bauchdeckenreflex -f- (links etwas <), Fusskitzelreflex
rechts schwach -f-, links —. Kremasterreflei + (links <). Kniescheiben¬
reflex beiderseits -f-; links <. Achillesreflexe —.
Schmerzen dauernd nur links: an den Zehen, Mitte der Fuss-
sohle, Ferse, Aussenseite der Kniegegend, aussen unterhalb des grossen
Rollhügels. Bei Druck und langem Sitzen Sohmerzen am reohten Kreuzbein.
Sensibilitätsstörungen nur linkerseits: Anästhesie im Ver¬
sorgungsgebiet aller Sakralwurzeln und der V. Lendenwurzel. Hyp-
ästhesie: in der Gegend des inneren Fussknöchela (IV. Lendeowurzel).
(Linker Hode nicht druckempfindlich, Afterschleimhaut linkerseits ge¬
fühllos für den Durchtritt des Kotes, dagegen in der Harnröhre regel¬
rechtes Gefühl beim Urinieren.)
Blase und Mastdarm funktionieren normal. Oberkörper ohne Be¬
sonderheiten.
Psyche ohne Besonderheiten, speziell Stimmung nicht gedrückt.
13. X. Ohne Krüoken gehtPat. mit dem Becken, neigt sieh nach
der Seite des Standbeines, wiegt den Oberkörper hin und her. Mit
Krücken gebt er schnell und sicher, hält eine halbe Stunde aus (an¬
fänglich nur wenige Minuten), Kraft der Adduktoren gut. Aussen- und
Innenrotation besser, Quadriceps beiderseits gebessert und Senker des
äusseren Fussrandes reohts.
4. XI. In den letzten 2 Wochen öfters stärkere Schmerzen immer
nur in den oben erwähnten Bezirken des linken Beines. Kniescheiben¬
reflex links. Linke Grosszehe in der Rückenlage plantarwärts gebeugt.
Röntgenbefund. 1. Aufnahme in Rüokenlage (reicht vom
11. Brustwirbel bis 4. Lendenwirbel).
Die Einschussstelle (markiert durch ein Bleikreuz) liegt an der
oberen Ecke des 1. LendenwirbelköTpers. Der auf etwas mehr als die
Hälfte verkürzte Schatten des Geschosses liegt genau vor dem 3. Lendeu-
wirbelkörper zwischen Dornfortsatz und oberem Gelenkfortsatz und steht
genau vertikal. Am Knooheu sieht man nirgends Veränderungen.
2. Aufnahme in reohter Seitenlage. Das Geschoss ist in
ganzer Länge mit nach hinten und etwas nach oben gerichteter Spitze
sichtbar. Die der Spitze zu gelegene Hälfte deokt den 3. Lendenwirbel¬
körper an der inneren Hälfte des obersten Teiles des Körpers. Die
Spitze ist ganz leicht deformiert. An der vorderen oberen Kante des
3. Lendenwirbelkörpers scheint ein kleines Knochenstückchen abge¬
splittert zu sein. Sonst findet sich am Knochen nirgends eine Spur
einer Schädigung.
3. Auf einer stereoskopischen Aufnahme in Rückenlage
sieht man, dass das Geschoss zur grösseren Hälfte vor der Wirbelsäule
liegt und mit naoh hinten gerichteter Spitze am rechten Aussenrande
des Wirbelkörpers vorbeizieht. Es weicht ein wenig von der sagittalen
Ebene ab und ist leicht von unten links nach oben rechts gerichtet.
4. Aufnahme in Rückenlage (reicht vom unteren Teile des
3. Lendenwirbels bis zum Steissbeine herab). Man sieht nirgends eine
Schädigung des Knochens.
Motmaasslicher Verlauf des Geschosses: Es kam von seit¬
lich links oben von einem 200—300 m entfernten Tannenbaum. Es
ging duroh den Tornister: die in demselben gelegenen Schnürschuhe
waren an zwei Stellen durchlöchert; das eine Loch war auffallend breit
(„Querschläger“). Im Waffenrock ein kleines Loch. Vermutlich hat sieh
das Geschoss im Tornister gedreht, ist mit dem stumpfen Ende in den
Körper eiDgedrungen und von links oben nach rechts unten (vom 1. bis
zur Höhe des 3. Lendenwirbels) weitergegangen. Vermutlich hat es
sich dabei einen Weg durch den Bandapparat gebahnt, etwa in den
Rillen zwischen Processus spinosi und mamillares, und von hinten nach
vorn herumgeweQdet. (Konturschuss.) Die Nervensymptome sind
auf die Cauda equina zu beziehen und durch eine intravertebrale
Blutung daselbst herbeigefübrt infolge der bei dem Vorbeipassieren des
Geschosses verursachten Erschütterung.
Traumatischer Hirnabscess.
Von
C. S. Fremd.
(Vortrag, gehalten im kriegsmedizinischen Abend der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau am 6 . November 1914.)
Am 5. XI. 1913, nachmittags 4 V 2 Uhr, fiel dem 45 jährigen Bau¬
meister S. aus F. bei einer Kletterpartie im Riesengebirge ein faust¬
grosser Stein aus etwa 6 m rechts hinten auf deu Kopf. Keine Com-
motio cerebri; nach kurzer Rast Beendigung der noch halbstündigen
Klettertour. Reinigung der Wunde mit Benzin und Arnioa und Watte¬
verband. Nachts schlechter Schlaf. Am nächsten Tage Gebirgswanderung
mit geringen rechtsseitigen Kopfschmerzen. Abends wurde im Wohnort
die klaffende Wunde mit einigen Nähten geschlossen. An den beiden
folgenden Tagen intensive Bureauarbeit; am Abend des zweiten starke
Kopfschmerzen mit Apathie, leicht verwaschene Sprache, 38° C, Puls 80.
Am 9. XI. Schüttelfrost, 39, 8 °, Puls 80—94. Am 11. XI. stärkere
Kopfschmerzen, undeutlichere Sprabhe, Eingeschlafensein der linken Hand
bei guter Druokkraft und guter Beweglichkeit. Am 12. XI. einige Eiter¬
tröpfchen auf der Wunde; erst jetzt Herausnahme der Nähte, 1 ccm
Eiter. In den nächsten Tagen geringere Kopfschmerzen, Sprache nicht
verwaschen, täglich 1—2 cem Eiter. Am 15. XI. allgemeines Unbehagen,
abends Erbrechen, ebenso am 16. und 17. XI., Puls 60, kein Fieber.
In diesen Tagen zunehmende Schwäche der linken Hand. Am 17. XI.
wurde Vortr. zugezogen, fand den Pat. benommen und leicht verwirrt
mit cerebral bedingten Gefühls- und Bewegungsstörungen am linken
Arm. Sofortige Ueberführung nach Breslau in die chirurgische Privat-
klinik von Herrn Prof. Tietze.
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UNIVERSITY OF IOWA
1912
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 50.
Beim Sondieren, der eiternden Wunde Knochen unversehrt. Im
Eiter Streptokokken. Lnmbalpunktat klar, nicht blutig, Eiweiss stark
vermehrt, keine Leukocyten, keine Lymphocyten, Nonne-Apelt negativ,
keine Tuberkelbacillen. Auf dem Röntgenbild kein Anhalt für einen
Schädelbruch.
Nervenbefund am 18. und 19. XI.: Sensorium frei. Grosse Er¬
müdbarkeit; bei etwas längerer Untersuchung Gähnen, hernach Schlucken.
Kopfschmerz auf der ganzen Scheitelhöhe. Linker Arm im ganzen wie
eingeschlafen, nicht so beweglich wie sonst. Linkes Bein nicht einge¬
schlafen, beweglicher wie der Arm, aber auch nicht wie sonst.
Linker Arm: gefühllos für Berührungen, sehr feinfühlig für Nadel¬
stiche, abgestumpft für Kälteeindrücke. Aufgehobenes Gelenkgefühl an
linken Hand-, Finger- und Ellenbogengelenken. Aufgehobene stereo-
gnostische Funktion der linken Hand. Aktive Beweglichkeit aufgehoben.
Passive Beweglichkeit eher erhöht. Hand wird in den oberen Zwischen-
fingergelenken gebeugt gehalten.
Fussclonus links deutlich, reohts schwach angedeutet. Babinski-
reflex links. Kniescheibenreflex links > rechts. Bauchdeckenreflexe —.
Linke Nasenlippenfalte etwas paretisch (Schädelasymmetrie). Beide
Bulbi leicht nach rechts eingestellt. Hornhautreflex links < rechts.
Resultat der Gesichtsfeldprüfung unsicher, vornehmlich wegen der sehr
schnellen Ermüdung. Lidspaltendifferenz (links > rechts), wahrschein¬
lich durch Schädelasymmetrie. Keine Stauung der Papillen (San.-Rat
Landmann).
Linkes Bein paretisch. Hypotonie beim Strecken des Kniegelenks,
sonst regelrechte passive Beweglichkeit bis auf geringe Muskelspannung
beim Beugen des linken Kniegelenks und Dorsalflexion des linken Fuss-
gelenkes. Wegen Ermüdbarkeit Prüfung auf Ataxie nicht ausführbar,
ebenso eingehende Sensibilitätsprüfung. An Beinen und Leib Kälte¬
gefühl rechts = links. Im Gesicht Nadelstiche rechts = links.
Klinische Diagnose: Abscess im rechten Hemisphären mark in Höhe
des mittleren Teiles der hinteren Centralwindung bzw. des Scheitellappens.
Operation am 20. XI. 1913 (Prof. Tietze). Hautwunde annähernd
quer, 2 querfingerbreit nach hinten von der Verbindungslinie der Ohr¬
muschelspitzen und 2 quer fingerbreit nach rechts von der sagittalen
Mittellinie des Schädels.
Kreuzförmige Erweiterung der Wunde. Sofort stösst das Messer auf
eine Depressionsfraktur: ein ungefähr markstückgrosser Knochenbezirk ist
herausgeschlagen und unter die umgebenden Knochenränder verschoben.
Nach Hebung quillt aus einem Loche in der anscheinend mit dem
Knochen verlötet gewesenen Dura reichlich dicker gelber Eiter uDd nach
Erweiterung dieses Loches blickt man in einen in das Innere des Ge¬
hirns führenden, etwa hühnereigrossen Hohlraum mit deutlich pulsierendem
Flüssigkeitsspiegel.
In den nächsten drei Tagen Besserung, auch im Befunde (Babinski-
reflex —, Fussclonus nur links und schwach angedeutet, aktive Beweg¬
lichkeit der linken Extremitäten erheblich besser).
Vom 23. XI. an fortschreitende Verschlechterung, eingeleitet durch
häufiges Erbrechen. — Am 29. XI. kirschgrosser, nicht pulsierender Hirn¬
prolaps. Tod am 1. XII. 1913.
Sektionsbefund: Umfangreiche eitrige Einschmelzung der Hirn¬
substanz im hinteren Abschnitt des rechten Scheitellappens und von da
aus senkrecht bis an die Hirnbasis und in den Schläfenlappen.
Fast vollständige ödematöse Erweichung der rechten Gehirnhälfte,
im Stirnteil beginnend, nach dem Scheitellappen sich allmählich ver¬
stärkend und schliesslich eine gelbliche Farbe einnehmend.
(Demonstration von Schädel- und Gehirnphotographien und -Keyser¬
lingpräparaten.)
Seuchenerfahrungen und Seuchentherapie im
Feldzuge 1914.
Von
Primarius Dr. Rnd. Rauch - Graz,
e ro . klin. Assistent, Oberarzt i. d. Res. i. Feldspital 1/12.
Nicht zuletzt die Arbeiten von Ros enthalt und die neuere von
Stumpf 2 ) waren es, die mich bestimmten, an Hand eines genügenden
Soldatenkrankenmateriales über die Seuchentherapie, wie die Kriegs¬
seuchen überhaupt, ein Wort zu reden.
Mangels gewohnter Behelfe und der bakteriologischen Rüstkammer
bar vermag ich den vorliegenden Ausführungen weniger den Timbre des
strengeren wissenschaftlichen Ausdrucks zu verleihen; dessen ungeachtet
aber werden sie, wie ich glaube, durch ihr „feldmässiges“ Gepräge dem
fehlenden die Wage halten. Wann der Feldarzt mir hierin beipflichtet,
so soll mich die heutige Arbeit nicht gereuen.
Wir bekamen um 5 Uhr abends Befehl, uns im Orte T. als
Choleraspital zu etablieren; daselbst seien 480 Cholerakranke zu über¬
nehmen und der bei ihnen belassene Arzt nach „x zum Rgt. „y nach¬
zubeordern.
11 Rosenthal, Seuchenprophylaxe. M.m.W., Feldärztl. Beil., Nr. 8.
2) Stumpf, Bolus alba bei Diarrhöe, Ruhr, Cholera asiatica.
M.m.W., Feldärztl. Beil., Nr. 9.
Ich erhielt Befehl, abzugehen, das Feldspital würde nachfolgen.
Als ich eintraf, war es bereits finster; der Ortsvorstand, mit dem ich
mich mühselig verständigen konnte, führte mich einen furchenreichen,
kotigen Bachweg, den seine Laterne spärlich erleuchtete. Am letzten
Strohdach vorübergehend, fand ich endlich die Schutzbefohlenen mit
ihrem Medicus. Ein Lagerplatz mit Feuern, zahlreiche Infanteriezelte,
in denen auf nassem Boden oder feuchtem Stroh die Kranken lagen
oder sassen, ein Feldwebel, der Namen ausrief, mehrere durchs Chaos
wandernde Laternen, im Hintergründe dunkle Scheunen, wind- und
regendurchlässig, doch anscheinend noch lieber als Unterstand auf¬
gesucht, als das kleine Zelt, das tagelanger Regen schon tüchtig her¬
genommen hatte.
Also in diesem Orte sollten wir uns etablieren? 480 Fälle! Cholera
und Suspekte? Und seit fünf Tagen sind sie so untergebracht? Wie¬
viel Tote? Täglich zwischen 10—15 Falle! „Herr Doktor, ausgezeichnet
haben Sie sich nicht, melden Sie sich morgen und rücken Sie dann za
ihrem Regiment ein!“
Nun giDg's an die Arbeit. Parkplatz, Krankenunterbringung, Quartiere,
StalluDg. Das Dorf bestand aus 17 Häusern bzw. Familien!
Die fünf grössten Häuser wurden von ihren Bewohnern evakuiert,
die Kirche geöffnet, mittels Ortsvorstands wurde die Bevölkerung alarmiert,
sie sollte für Strohlager aufkommen; inzwischen kam das Spital an; an
den Brunnen Posten aufgestellt, Latrinen wurden gegraben, bei jeder
ein über das Aussehen des Cholerastuhles informierter Sanitätssoldat als
Posten, und schliesslich hatten wir nach etlichen Stunden redlicher
Arbeit wenigstens alle Kranken unter Dach gebracht, eine Basis, auf
der wir aufbauend die nächste Tagesarbeit erwarten konnten. Es gab
Tränen, es gab Klagen, Frauen wiesen auf ihre kleinen Kinder, die
Judtn flehten und suchten auf jede Art zu ihrem Recht zu kommen —
doch wo hätten nicht rigorose Maassnahmen Härten gezeitigt? „Geht
zum Nachbar schlafen,“ mit diesem Tröste mussten sie wohl aus-
ziehen.
Die folgende Tagesarbeit hatte eine strenge Separierung der Scbwer-
und Leichterkrankten, die in verschlagenen Scheunen untergebracht
wurden, als Ergebnis, die letzten schweren Fälle waren bei den Latrinen
erkannt worden. In jeder Krankenbaracke wurde Trinkwasser gekocht,
die Menageschalen, Trinkbecher, Medizinlöffel ausgekooht, für Mann¬
schaften, Wärter und Aerzte Waschbecken besorgt.
Die Apotheke hatte sich in einem Privathaus ausgebreitet, die
Türe verschlossen und das Fenster für den Medikamentenverkehr ge¬
öffnet, die Latrinen wurden stets mit Chlorkalk beschüttet, auf der
Strasse standen Posten, die weder Wagen noch Personen stehen bleiben
Hessen und Truppen anwiesen, nur eine Strassenseite zu benutzen, vor
unserer Ubikation lagen Strohwische, die in Carbollösung getaucht, zum
Desinfizieren der Schuhe dienten, die Aerztemäntel wurden draussen
aufgebäDgt und erst nach vielfacher Reinigung durften wir in unser
„Schlafzimmer“ (das gleichzeitig Kanzlei, Speisesaal und Kasino war)
eintreten, um die wohlverdiente Ruhe auf Strohlager zu finden.
In der Nacht bekamen wir noch 35 Zuwächse, und als wir uns nach
deren Unterbringung niedergelegt hatten, gab es Feueralarm; es gelang
uns jedoch, die Lokalisation des Brandes durchzuführen, die gefährdete
Krankenbaracke ausser Gefahr zu bringen und das Feuer mit Hand¬
eimern zu löschen. Tags darauf 486 Zuwächse. Nachdem die Unter¬
bringung im Dorfe unmöglich war, der Häuserbestand durch den Brand
von 17 auf 15 gesunken war, keine Pioniere zum Bau einer Baracke
zur Verfügung standen, im Orte selbst kein Holz war, mit dem wir
schliesslich selbst gebaut hätten, so wurde die Unterbringung dieser
neuen Fälle im Dorfe B., 2 km nördlich, gestattet.
Wie wir erfuhren, waren diese neuen Zuwächse auch schon etliche
Tage in jenem Dorfe, das Bild war ein ähnliches, wie ich es bereits
einmal geschildert habe. . v
Diese kleine Anamnese als Vorgeschmack einer feldärztlichen 1 atig-
keit und nun selbst einmal aus der wissenschaftlichen Küche heraus-
gerissen, kann ich der bekannten Praktikerklage nähertreten und ihren
Ruf „ja auf der Klinik“ in dem Echo Ja post fornacem!“ wiedergeben.
Ich ginge zu weit, wollte ich z. B. bloss auf Stumpfs Behandlung
mit Bolus eiDgehen, obzwar ich auch seiner Therapie ein Wort reden
könnte, die ich nach meinen Erfahrungen bei der Choleraepidemie l»ii
in Alexandrien, wo ich als Arzt im Quarantänespitale weilte, sehr be¬
rechtigt finde, andererseits aber bekenne ich mich offen als Anhänger
Schmidt’s 1 ), wenn es sich um Dysenterie handelt; mein diesbezüg¬
liches Erfahrungsgebiet ist Bosnien, wo Dysenterie endemisch hensc■ ,
und wo ich über 180 Fälle nur mit Serum und mit sehr gutem Erlo g
behandelte. Die feldärztliohe Ausrüstung aber — darüber soll
andermal die Rede sein — lässt weder die eine noch die andere oe-
handlungsweise zu, man berechne nur die Bolusmenge nach ktump ' ■
Etwa 500 g pro die. Auf 1000 Kranke berechnet, die wir mehrere
Tage hindurch in Behandlung hatten, ergäbe das eine Bolusmenge
500 kg! Und wenn ich nur ein Fünftel davon in Rechnung *| _
würde, so sollte jedes Feldspital 1 Zentner Bolus mitführen i Wie
dann von anderen Medikamenten?
Einfacher wäre die Mitnahme von genügenden Serumquanten g g
Dysenterie. Doch das ist nicht vorgesohrieben! Trotz Erfahrung
1866, 1870/71 und der letzten Balkankriege, wo doch die
monarchie unmittelbar gefährdet war.
1) Adolf Schmidt-Halle, Prophylaxe und Therapie der Ruhr im
Felde. M.m.W., Feldärztl. Beil., Nr. 5.
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14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1913
Idem pro aliis! Bei meiner vorläufigen Mitteilung sei nur in
kurzem der bei uns geübten Therapie gedacht, wobei ich vor allem auf
unsere Situation hingewiesen haben wollte. Ich lege Wert darauf, diese
ausführlich zu betonen, und glaube damit auch ein ultimum refugium
jenen zu geben, die sich als Aerzte von jeder Verbindung abgeschnitten,
ohne Apotheke, ohne genügende Behelfe in jene Lage versetzt glauben,
wo sie verdammt sind, mit gebundenen Händen Zuschauer zu werden.
Was nun die Behandlung in besonderem anbelangt, so wurde als
erstes auf tüchtige Erwärmung der Patienten gesehen. Sie lagerten auf
Stroh, ein erhöhter Stroh- oder Heuwulst der Mauer entlang, der jeden
Tag erneuert wurde, diente als Polster. Die Schuhe wurden von den
Füssen entfernt, ebenso die seit Tagen durchnässten und anklebenden
Fusslappen. Schnürfurchen hatten die Blutzirkulation beeinträchtigt,
viele Füsse waren geschwollen oder zeigten mindestens die Folgen der
Stauung. Alle Patienten hatten „kalte“ Füsse.
Als zweites kam die Bauchbinde des Soldaten in Anwendung! Sie
wurde am Ofen erwärmt und aufgelegt. Tag und Nacht über wurde
geheizt, nach jeder Mahlzeit tüchtig gelüftet, das im Bache gekühlte
Trinkwasser (der Trinkwasserkessel wurde zur rascheren Abkühlung des
gekochten Wassers in den fliessenden Bach gestellt) wurde mit Zitronen¬
säure versetzt (geschmackshalber) und löffelweise verabfolgt. Die Wärter
hatten redliche Arbeit, die stürmisch Wasser fordernden Kranken vom
Trinktopf abzuhalten. Merkwürdigerweise war auch das Milchverlangen
ein bedeutendes, dem bei uns jedooh nicht entsprochen wurde. Ander¬
weitig gab man sogar saure und kondensierte Milch! An Hand der
Sterblichkeitszunahme um etwa 50pCt. ist man von dem Heilverfahren
abgekommen! An Medikamenten gab ich am ersten Tage 1—2 g Tannin,
am zweiten Tage 15—30 Tropfen Opium, vom dritten ab kam Bolus ab¬
wechselnd mit Opium oder Tannin zur Anwendung. Doch auch in der
Bolusmedikation konnte ich äusserer Gründe halber nur Messerspitzen¬
mengen verabfolgen. Die Reihenfolge der Obstipantien ist von mir
willkürlich gewählt worden; mit Tannin begann ich, weil viele Patienten
von ihrem früheren Arzte (solange sein Taschenvorrat reichte) Opium
erhalten hatten. Mit Absicht verabfolgte ich aber mehrere Obstipantien,
deren verschiedener Angriffspunkt auf eine einzige Wirkung abzielte.
Wenn überhaupt ein Erfolg zu erwarten war, so dachte ich mir ihn nur
derart möglich, dass alle verfügbaren Komponenten angeregt und in
Aktion treten sollten, die eine Stillung der Durchfälle herbeiführen
konnten, und darauf stellte ich auch die Diätetik ein.
Ich möchte mich an dieser Stelle dankend meines Kommandanten,
Regimentsarzt Dr. Kimpian, erinnern, der mir die drei Baracken mit
den Schwerkranken auf mein Ersuchen überliess und hierbei meine freie
Wahl in Medikation sowie andere Anordnungen nur weitestgehend unter¬
stützte und förderte.
Ich liess den Kranken am ersten Tage morgens leichten russischen
Tee mit etwas Kognak geben. Zu Mittag eine Gerstenscbleimsuppe,
abends wieder Tee. Am zweiten Tage blieb die Diät dieselbe, Reiss¬
schleimsuppe, Gerstenschleimsuppe, selbst Haferschleim mit etwas
Kognak wurden gern genommen und gut vertragen. Besonders die
Haferschleimsuppe, eine der Not gehorchende Erfindung unseres Sanitäts¬
fähnrichs fand grossen Anklang. In den nachfolgenden Tagen wollte ich
eine Weissbrotzubusse versuchen. Zwei Tage reichte der Vorrat, dann
aber gab es keinen Nachschub mehr. Also selbst backen! Io den
Bauernhäusern waren Backöfen, mit Mehl hatten wir uns vorgesorgt,
also: „Sanitätsmannschaft antreten, wer kann Brot backen? Austreten
und an die Arbeit!“
Die sonstige Therapie waren symptomatische Morphium-lDjektioneD,
Campherinjektionen, Digitalis, sehr viel Aspirin, Natrium salicylicum usw.
Wenn ich nun der Hauptsache nach zusammenfasse, so war mein
Hauptaugenmerk auf folgendes gerichtet: 1. Allgemeine Erwärmung,
2. Kataplasmen aufs Abdomen, 3. verschiedene Obstipantien, ein¬
schliesslich der Suppen, 4. Diät hydrique mit etwas Alkohol und Knob¬
lauch.
Bei mehreren Fällen sah ich gute Erfolge nach Verabfolgung von
Diaphoreticis. Krampfanfällen und Gastrocnemiusschmerzen konnte ich
nur mit Morphiuminjektionen entgegen treten (Veronal, Trional und Brom
usw. waren leider nicht vorrätig).
leb bin weit davon entfernt zu behaupten, dass alle Fälle, die mir
zur Verfügung standen, Cholerafälle waren, obzwar die bakteriologische
Untersuchung 1 ) positiven Befund ergab.
Dessenungeachtet war das klinische Bild, die Symptomatik und das
Aussehen der abgesetzten Stühle einer bedenklichen Anzahl als Cholera
zu deuten.
Wenn ich nun bei dem beschriebenen Verfahren, das ich selbst als
primitives im Superlativ bezeichnen will, einen Erfolg zu verzeichnen
hatte und zwar derart, dass ich nach meinem ersten Tätigkeitstage bloss
zwei Tote hatte — gegenüber 10—15 Todesfällen in meiner Vorperiode
— wenn ich mir vor Augen halte, dass die Tagesmortalität „7“ war
(und dies in der Zeit, wo wir 800—1000 Fälle hatten), so glaube ich
hierin eine befriedigende Beurteilung der Behandlung erblicken zu dürfen.
Ohne dass ich von der nun schon öfter beschriebenen Verabfolgung
von Jodtinktur (10—15 Tropfen auf ein Glas Wasser, 3—4 stündlich zu
nehmen) Gebrauch machte!
1) Die bakteriologische Untersuchung wurde in einer Universitäts¬
klinik gemacht und sämtliche eingesandte Stühle von vorher erkrankten
Regimentskameraden unserer Patienten ergaben positiven Befund „Cholera
asiatica“.
Das Hauptmoment der Behandlung liegt, glaube ich, in der Persön¬
lichkeit des Arztes. Seine Aufgabe sei’s, sich furchtlos, doch mit ent¬
sprechender Vorsicht jedes einzelnen Kranken anzunehmen und sich ein
beherztes Wartepersonal zu schaffen. Dies lässt jedoch nur ein ent¬
sprechendes Vorbild erwarten, zu dem der Arzt im Felde reichlich Ge¬
legenheit findet, wenn er human denkt, Soldat und Mann sein kann!
Hier möchte ich Stumpf’s Schlusswort wiedergeben, hier gilt Boer-
have’s Ausspruch mehr denn je: Simplex veri sigillum.
Nach 10 tägiger Inkubationszeit schoben wir die als suspekte Fälle
aufgenommenen als „geschwächt“ nach rückwärts in ein Cholera-
evakuierungspital ab, in den folgenden Tagen wurden weitere Trupps
nach ihrem jeweiligen Zustand abgegeben, schliesslich wurden unsere
schwersten Fälle mit Cholerawagen überführt; sie hatten drei Wochen
Krankenlager überdauert, wir entliessen sie mit guter Prognose!
Nun kam der Dampfdesinfektor, Auskochen der Geschirre, Des¬
infektion der Waffen in Carboisäurebädern, Tornister, Patronentaschen,
Monturen usw., das Verbrennen des Lagerstrohes, Verschütten der Latrinen,
Raum-Desinfektion mit Formalindämpfen, wobei das Abdichten der Türen
und Fenster viel zu schaffen gab, das Weissen der Wände usw. usw.
Es ging flott und lustig zu, die Bevölkerung war begreiflicherweise
auch nicht missmutig, denn nun sollten wir bald losziehen.
Als endlich der Marschbefehl eintraf und die Fahne mit dem roten
Kreuz eingezogen ward, schlug aller Herz höher; es ging heraus aus
dem trüben, kleinen Dorf, wo wir 28 unserer armen Kameraden ein
trauriges, prunkloses letztes Geleite gegeben hatten.
Ueber die Aehnlichkeit der klinischen Krank¬
heitsbilder von Infektionskrankheiten.
Von
Prof. L. Riess in Berlin.
I. Abdomineller und exanthematiseber Typhus.
In seinem Aufsatz „Kritisches zur Lehre von den exantbe-
matischen Typhen“ 1 ) bezieht sich Naunyn auf alte Beobach¬
tungen, die er und ich auf der Frerichs’sehen Klinik an Fällen
von abdominellem und exanthematischem Typhus gemacht
haben. Diese sind auch für mich wiederholt der Ausgangspunkt
von Ueberlegungen über das Wesen und den etwaigen Zusammen¬
hang der Typhen gewesen. Die von jeher, namentlich bei epi¬
demischem Auftreten der beiden Typhusformen, den Beobachtern
auffallende Tatsache, dass die bandbuchmässigen Unterschiede des
Krankheitsbildes sich häufig verwischen und hierdurch eine Diffe¬
rentialdiagnose nicht selten erschwert oder unmöglich gemacht
wird, trat auch mir verschiedentlich entgegen. Oft genug legten
diese Erfahrungen die Frage nahe, ob man nicht aus einer solchen
klinischen Aehnlichkeit auf einen ätiologischen Zusammenhang
der Krankheitsformen scbliessen dürfte. Die von Naunyn er¬
wähnte auffallende Beobachtung eines Erkrankens von Aerzten
an Abdominaltyphus während der Behandlung von exanthematischen
Typhen schien damals so sehr für eine bejahende Beantwortung
dieser Frage zu sprechen, dass ich im August 1867 einen Aufsatz
über „Typbuscontagium u niederschrieb, in dem ich die Möglich¬
keit einer Erkrankung an Abdominaltyphus durch eine von exan¬
thematischem Typhus ausgehende Infektion zwar nicht als erwiesen,
aber als denkbar hinstellte. Von der Veröffentlichung bat mich
die Vermutung zurückgehalten, dass die Fortschritte unserer Kennt¬
nisse über die Aetiologie der Typhen eine solche Annahme un¬
möglich machen würde. Aber die damaligen Beobachtungen
scheine» mir auch heute noch ungewöhnlich genug, um kurz auf
sie zurückzukommen.
Während einer im Lauf des Frühjahres 1867 in Berlin ein¬
geschleppten Epidemie von Typhus exanthematicus erkrankten auf
der Frerichs’schen Klinik der Charitö, nachdem im März ein
ausgesprochener Fall der Krankheit, im April 5 und und im Mai
9 solcher Fälle aufgenomraen waren, in dem Zeitraum von Mitte bis
Ende Mai die beiden Unterärzte der Abteilung nach 8—14tägigeo
Prodromen mit Bettlägerigkeit, zunehmender Somnolenz, heftigen
Diarrhöen und spärlicher abdomineller Roseola, so dass sie das
Bild eines schweren lleotyphus boten. Auf traurige Weise wurde
diese Diagnose durch den in der dritten Woche erfolgten Tod
des einen Kranken bestätigt, bei dem sich die unteren Partien
des Dünndarms fast ganz von konfluierenden Typhusgeschwüren
eingenommen fanden. Bei dem anderen Arzt traten Darmblutungen
ein, das Fieber fiel vom Ende der dritten Woche an in charak¬
teristischer langsamer Weise, und die Rekonvaleszenz zog sich
viele Wochen hin.
1) D.m.W., 1913, Nr. 49.
3
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UNIVERSUM OF IOWA
1914
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 50.
Noch auffallender wurde die Beobachtung durch die fast
gleichzeitige Erkrankung zweier Unterärzte der Traube’schen
Cbaritöklinik unter ganz ähnlichen Umständen. Nachdem dort
im Lauf des April zwei exanthematische Typhen behandelt waren,
wurden auch sie von den ausgesprochenen Zeichen des Ileotyphus
(langen Prodromen, Diarrhöen, spärlicher Roseola, langsamem
Fieberabfall, langer Rekonvaleszenz) befallen.
Eine solche gehäufte Erkrankung von vier Aerzten wäre,
wenn man sie als Folge der Behandlung von lleotyphusfällen
auffassen müsste, fast als unerhört zu bezeichnen. Es kommt
hinzu, dass in der ganzen genannten Zeit der Ileotyphus, wie oft
wahrend Epidemien von exanthematischem Typhus beobachtet ist,
in Stadt und Krankenhaus sich viel spärlicher als sonst zeigte,
so dass in beiden klinischen Abteilungen nur vereinzelte Fälle
desselben (auf der Frerichs’schen Klinik überdies zweifelhafter
Art) mit den exanthematiscben Typhen zusammenlagen.
Die damals eingehend ventilierte Frage, ob die Aerzte viel¬
leicht durch lokale, von ihrer Wohnung ausgehende Infektion
erkrankt seien, konnte ich nicht bejahend beantworten, haupt¬
sächlich schon deshalb, weil die Aerzte der einen Klinik in ziem¬
lich weiter Entfernung von den anderen wohnten.
Dagegen traten einige gleichzeitig beobachtete direkte Ueber-
tragungen von exanthematischem Typhus (bei einer Wärterin und
zwei Leichtkranken) nach einer der ärztlichen so gleichartigen
Beschäftigung mit bestimmten Krankheitsfällen ein, dass der Ver¬
dacht, die Infektion der Aerzte müsse aus derselben Quelle stam¬
men, sich unwillkürlich aufdrängte. — Und so bedarf es wohl
keiner Entschuldigung dafür, dass wir beobachtende Aerzte da¬
mals in diesen Fällen einen Hinweis auf eine Verwandtschaft
beider Typbusarten sehen konnten.
Bei dem heutigen Stand unserer bakteriologisch-serologischen
Kenntnisse ist eine derartige Deutung natürlich, wie auch Naunyn
betont, nicht mehr möglich. Kennen wir auch den spezifischen
Krankheitserreger desexanthematischenTyphus bisher nicht näher, so
steht doch seine ätiologische Trennung von den anderen Typhen
fest in Hinsicht auf das konstante Fehlen sowohl von Typhus-
(oder Paralyphus-)Bacillen wie auch der charakteristischen Agglu¬
tinationsfähigkeit seines Serum diesen gegenüber. Ob dabei der
von Naunyn ausgesprochenen Vermutung, dass für den exanthe¬
matiscben Typhus auch in Zukunft kein spezifischer Krankheits¬
erreger aufzufinden sein werde, unbedingt beizupflichten ist, will
ich nicht entscheiden; ebensowenig, ob man mit ihm schon jetzt
genötigt ist, den Begriff des exanthematiscben Typhus aufzugeben
und auf eine Reihe anderer Infektionszustände zu verteilen. Gegen
letzteren Punkt macht mich bedenklich, dass der exanthematische
Typhus doch vielfach in umfangreichen Epidemien grösstenteils
gleichartig verlaufender Fälle beobachtet wird und in gewissen
Ländern in derselben Form dauernd endemisch bleibt.
Kann man nun bei unseren heutigen Kenntnisseu einen an¬
deren Modus der Erklärung für jene ungewöhnlichen Erkrankungs¬
fälle finden? Ich halte es für das Nächstliegende, sie so auszu¬
legen, dass unter dem fortgesetzten Einfluss gewisser (an sich zur
Infektion nicht ausreichender) Mengen des Flecktyphusgiftes der
Organismus, ohne am exanthematischen Typhus selbst zu erkranken,
eine erhöhte Disposition zur Erkrankung durch andere Erreger,
speziell durch Typhusbacillen, erbalten kann, so dass er unter
Umständen anf die Einwirkung kleiner MeDgen derselben, wie sie
in den Krankensälen oft verbreitet sein müssen, mit den, Erschei¬
nungen des ausgesprochenen Ileotyphus reagiert. So weit ich
übersehe, steht eine solche Annahme mit manchen neueren Er¬
fahrungen über die gegenseitige Beeinflussnng pathogener Bak¬
terien und ihrer Toxine in gutem Einklang. Es überwiegen ja
allerdings auf diesem Gebiet die Beobachtungen, nach denen die
in bestimmter Weise modifizierte Einwirkung eines Bakteriengiftes
gegen die Infektion nicht nur mit den gleichen, sondern auch mit
nahestehenden Bakterie^bis zu einem gewissen Grad immun macht.
Doch ist für diese Vorgänge zu berücksichtigen, dass eine solche
Immunität immer verschiedene äussere Faktoren verlangt; auch
erinnere ich besonders daran, dass sie nur allmählich eintritt und
ihr bei gewissen bakteriellen Infektionen ein Stadium erhöhter
Empfänglichkeit des Individuum vorausgehen kann.
Auch die hier betonte Aehnlicbkeit im klinischen Bild und
Verlauf, welche abdomineller und exanthematischer Typbus oft
namentlich bei Epidemien zeigen, darf natürlich heute nicht mehr
auf eine ätiologische Verwandtschaft beider Erkrankongsformen
bezogen werden. Wenn sie auch so weitgehend sein kann, dass
sie zu anscheinenden Uebergangsformen führt, können wir sie nur
als Zeichen dafür auffassen, dass beide Krankheitsnoxen (wie
anscheinend auch eine Reihe anderer infektiöser Schädlichkeiten)
in analoger Weise auf Körpertemperatur, Nervensystem, Drüsen¬
tätigkeit usw. einwirken.
Für solche klinische Aehnlichkeit finden sich demgemäss
unter den Infektionskrankheiten noch viele andere Beispiele, and
aus derselben „präbakterielien u Zeit möchte ich noch einige Er¬
fahrungen erwähnen, welche den eben berührten Beobachtungen
nahe stehen und sie instruktiv ergänzen.
II. Exanthematischer Typhus und Febris recurrens.
Kaum ein Jahr nach dem genannten Auftreten des exan-
tbematischen Typhus in Berlin hatte ich Gelegenheit, eine eben
dorthin eingeschleppte Recurrens-Epidemie in der Frerichs-
echen Klinik zu studieren 1 ). Im Sommer 1868 verbreitete Bich die
Krankheit von Russland her über dessen deutsche Nachbarprovinzeo
(Ostpreussen, Posen, Schlesien) auch auf die Berliner Gegend und
gelangte zunächst in einzelnen, dann während des Winters 1868/69
in gehäuften Fällen in das Cbaritö-Krankenbaus, so dass ich bis
zum Juni 1869 ungefähr 300 Fälle beobachten konnte. Von
Anfang an riefen die Fälle die Erinnerung an die frühere Epi¬
demie von exanthematischem Typhus zurück, schon deshalb, weil
die Lokalitäten, aus denen das Krankenhaus sich füllte, dieselben
Strassen und Herbergen waren, die auch die Verbreitung jener
Krankheit begünstigt hatten. Aber nicht nnr diese bekannte
ätiologische Analogie fiel auf, sondern bei vielen Fällen auch
eine klinische Aehnlichkeit, namentlich mit den leichten und
abortiven Formen des exanthematischen Typhus. Ausnahmsweise
kombinierte sich in Berlin dieses Mal das epidemische Auftreten
beider Krankheiten nicht direkt; es wurden vielmehr hier in der
genannten Zeit so gut wie gar keine Fälle von Fleckfieber beob¬
achtet, was übrigens durch die kurz vorhergehende Epidemie
dieser Krankheit zum Teil erklärt wird. Aber eine Vergleichung
beider Krankheitsbilder drängte sich darum nicht weniger auf.
Die Unterschiede in den Symptomen eines exanthematiscben Typbus
und eines 1. Recurrens-Anfalles beziehen sich ja besonders auf
die Dauer des Fiebers, den bei Recurrens stürmischeren Fieber¬
abfall, sowie auf das Exanthem und die stärkere Somnolenz des
Fleckfiebers. Aber die Länge des Fieberstadium braucht bei
dem exanthematischen Typbus in leichten und abortiven Fällen
nicht 8 Tage zu überschreiten, während die Dauer des Haupt-
anfalles in meinen Fällen von Recurrens sich bis zu 11 Tagen
erstreckte; der Fieberabfall ist auch bei exanthematischem Typbus
oft schnell kritisch, die Somnolenz fehlt bei seinen leichten
FormeD, und ein Exanthem wird auch bei Recurrens nicht ganz
selten beobachtet: so fand sich bei 24 von meinen Fällen eine
besonders Rumpf und Unterextremitäten einnehmende petechiale
Hantaffektion.
Nimmt man hinzu, dass die Recurrens nicht ganz selten sich
auf einen Anfall beschränkt, so wird man verstehen, dass bei
manchen der damaligen Fälle, zu deren Zeit der Spirochäten¬
befund im Blut noch unbekannt war, die Unterscheidung zwischen
leichten Formen von exanthematischem Typhus und von Recurrens
schwierig oder zweifelhaft sein konnte. Noch unsicherer war
offenbar die Trennung beider Krankheiten in Epidemien, bei
welchen sich beide reichlich mischten, wie dies in den östlichen
Provinzen Preussens stellenweise der Fall war. Unter der grossen
Zahl von Fällen, die L. Müller 2 ) damals im Kreis Lötzen (Ost¬
preussen) behandelte, fand dieser die Diagnose so vielfach zweifel¬
haft und die Menge anscheinender Uebergangsformen so reichlich,
dass er auf die alte Anschauung einer Intensität beider Krank¬
heitsformen zorückgreifen zu müssen glanbte und die Recurrens
für nichts anderes als einen „recidivierenden abortiven eian-
thematischen Typhus“ erklärte. ¥
Dass diese Auffassung nicht allgemein akzeptiert weiden
konnte, war schon damals klar; ebensowenig fanden siebi An¬
haltspunkte für eine gemeinsame Aetiologie beider Krankheits¬
formen; im Gegenteil sprachen manche Erfahrungen gegen eine
solche, wovon ich nur das mehrfach beobachtete Folgen der
einen Krankheit auf die andere bei demselben Individuum betonen
möchte. Auch zur Erklärung des gleichzeitigen Vorkommens von
exanthematischem Typbus and Recurrens scheint hiernach am
besten auf die Möglichkeit hingewiesen werden zu können, dass
die Einwirkung des Infektionsträgers der einen Krankheit unter
Umständen die Disposition zar Erkrankung durch die Noxe de
1) B.kl.W., 1868, Nr. 22, und 1869, Nr. 31.
2) Die Typhus-Epidemie des Jahres 1868 im Kreis Lotzen.
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14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1915
anderen erhöhen kann. Inwieweit die Uebereinstimmung der
Krankheitsbilder diese Annahme unterstützen kann, bleibt auch
hier eine offene Frage.
III. Febris recurrens und intermittens.
Noch auffallender liegen die Dinge bei einigen weiteren Be¬
obachtungen, die ich bei der damaligen Recurrens-Epidemie machte,
und die auf eigentümliche Beziehungen zwischen dieser Krankheit
und der Intermittens hinweisen. Bei 4 von meinen Fällen trat
nach Absolvierung des Relapses und einer folgenden entweder
ganz fieberfreien oder von kurzen Fieberanfällen unterbrochenen
Pause ein erneutes fieberhaftes Stadium mit dem ausgesprochenen
Charakter der Febris intermittens ein. Die Pause von der Krise
des Relapses bis zum 1. Intermittens-Anfall wechselte in der Dauer
zwischen 13 und 20 Tagen; in 3 Fälleu enthielt sie keine wesent¬
lichen Temperatursteigerungen, in einem Fall unregelmässige, aber
annähernd den Tertiantypus einhaltende Fieberanfälle; die Inter¬
mittens zeigte 1 mal die Form einer reinen Quotidiana, 2 mal
einer regelmässigen Tertiana, 1 mal einer in Tertiantypus um¬
setzenden Quotidiana. Die auffallendste Temperaturkurve bietet
der Fall, bei dem die Pause mit unregelmässigem Fieber an¬
gefüllt war; hier könnte man zweifeln, ob die ersten Fieber¬
anfälle der Pause vielleicht als spätere Relapse anzusehen wären,
auch unsicher sein, welche Temperatursteigerung den ersten
ausgesprochenen Intermittens-Anfall bedeutet (siehe obenstehende
Kurve).
Dass diese Fälle einen ungewöhnlichen Eindruck machen
mussten, liegt auf der Hand. Intermittens-Fälle sind seltene Gäste
in einem Krankenhaus und ein primäres Auftreten der Krankheit
in ihm für gewöhnlich die grösste Ausnahme, besonders au Orten
mit spärlichen Malaria-Erkrankungen, wozu Berlin schon damals
(jetzt noch mehr) gehörte. Eine Beziehung ihres Erscheinens in
den vorliegenden Krankheitsbildern zur vorausgehenden Recurrens
erschien daher zweifellos. Die Annahme eines solchen Zusammen¬
hanges wurde durch die Tatsache gestützt, dass zu gleicher Zeit
mit der Recurrens-Epidemie die Intermittens sich in auffallender
Häufigkeit in der Stadt zeigte, auch wiederholt in das Kranken¬
haus aufgenommen wurde, sich übrigens auch bei einzelnen anderen
Krankheitsfällen im Krankenhaus entwickelte.
Aehnliche Beobachtungen waren schon vor den meinigen in
geringer Anzahl gemacht, und eine Reihe weiterer schloss sich
ihnen ergänzend an. Namentlich ist das häufige epidemische
Nebeneinander-Erscheinen von Recurrens und Intermittens z. B.
schon von Griesinger betont, der darauf hinwies, dass Recurrens
mit Vorliebe in Malaria-Ländern auftritt, und dass ihr unter
Umständen Intermittens-Epideraien vorausgehen oder folgen; auch
Fiedler machte für Dresden darauf aufmerksam, dass das
Wechselfieber, während es früher fehlte, nach dem Herrschen von
Recurrens epidemisch erschien; und Aehnliches. Unter den Beob¬
achtungen über eine Kombination von Recurrens und Intermittens
bei demselben Kranken sind besonders 6 Fälle von Pribram und
Robitschek 1 ) und 3 Fälle von Senator 2 ) zu erwähnen; bei
diesen lagen die intermittierenden Anfälle dem Hauptanfall der
Recurrens meist näher, als bei den meinigen; auch beobachtete
Senator gleichzeitig mit den Recurrens-Erkrankungen in auf¬
fallender Menge unregelmässige und seltene Formen von Inter¬
mittens (darunter eine duplicierte Quartana und eine anscheinende
1) Prag.Vrtljschr., 1869, IV, S. 250.
2) B.kl.W., 1871, Nr. 32.
Octana). — Als Analoga erinnere ich
nebenbei an die aus den Mittelmeer-
Gegenden, Russland, Nord-Amerika u. a.
als „Typho-Malaria-Fieber“ oder unter
anderen Bezeichnungen vielfach be¬
schriebenen, aus Typhus- und Malaria¬
symptomen gemischten Erkrankungs¬
formen.
Was lässt sich aus solchen Beob¬
achtungen schliessen? Dass eine ätio¬
logische Uebereinstimmung beider sich
kombinierenden Infektionskrankheiten
hier ebensowenig, wie bei den oben
besprochenen Typhus - Formen ange¬
nommen werden darf, ist heutzutage
bei den typischen bakteriellen Befunden,
welche Malaria- und Recurrens - Blut
liefern, klar. Eine anderweitige Nach¬
krankheit, welche die intermittierenden Fieberbewegungen hätte
erklären können, war in keinem meiner Fälle zu entdecken.
Es könnte allerdings die Vermutung aufgestellt werden, dass
diese Fieberbewegungen keine wirkliche Malaria-Intermittens
sondern eine Reihe von Recurrens-Relapsen darstellten, welche
ausnahmsweise einen regelmässigen Typus angenommen hätten.
Besonders naheliegend ist dies für die abgebildete Krank¬
heitskurve, bei welcher schon die zwischen der ausgesprochenen
Recurrens und der regulären Intermittens auftretenden Fieberanfälle
einen annähernden Tertiantypus zeigten. Aber eine derartig häufige
Wiederholung von Recurrens-Relapsen ist nach allen bisherigen
Erfahrungen unerhört; schon die 3maligen Relapse (von denen
ich in einer späteren Recurrens-Epidemie nicht ganz wenige be¬
obachtete) gehören zu den Ausnahmen. Und klinisch unter¬
schieden sich die beschriebenen Anfälle in nichts von dem ge¬
wöhnlichen Malaria-Bild; bei allen stärkeren Anfällen fehlten die
Initialfröste und die Schweisskrisen nicht und, was die Haupt¬
sache ist, in allen Fällen wurden die Anfälle durch Chinin (1
oder 2 Dosen von 0,6) schnell coupiert. Ganz stichhaltig ist
allerdings letzteres Moment in diesem Fall nicht; denn ich habe
früher nachweisen können, dass auch gegen das Recurrens Fieber
die antipyretische „Chemotherapie“ nicht ganz machtlos ist:
durch grössere Gaben von Natr. salicyl. (dem mächtigsten unter den
damals bekannten Antipyretica) gelang es mir, sowohl in der
Hauptattacke starke Fieberabfälle, wie auch unter Umständen
das Ausbleiben von Relapsen zu bewirken. — Eine weitergehende
Entscheidung war bei der damaligen Uubekanntheit mit dem
Plasmodium und den Blutveränderungen der Malaria nicht mög¬
lich; seit der Feststellung dieser Kenntnisse ist mir von ähnlichen
Beobachtungen nichts bekannt geworden; sollten jetzt derartige
stattfinden, so wäre natürlich die Blutuntersuchung von ent¬
scheidendem Interesse.
Vorläufig spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, in den ge¬
schilderten Fällen das Auftreten richtiger Malaria-Attacken an¬
zunehmen; und die Erklärung der Beobachtungen würde auch
hier, wie bei den Typhen, auf eine Aenderung hinauslaufen,
welche die Disposition zur Erkrankung an Malaria durch das
Ueberstehen einer Recurrens-Infektion erleidet. Hierbei könnte
man entweder, wie bei jenen, an eine Steigerung dieser Disposi¬
tion denken oder auch umgekehrt an eine vorübergehende Herab¬
setzung derselben, wodurch es dahin käme, dass eine vor der
Recurrens-Erkrankung erlittene Infektion mit Malaria-Erregern
durch die interkurrente Spirochäteu-Infektion in ihrer Entwicklung
gehemmt würde und während des Recurrens-Verlaufes keine
Krankheitssymptome hervorriefe, dagegen nach dem Unwirksam¬
werden der Recurrens Noxe den Ausbruch eines Malaria-Fiebers
verursachen könnte. Allerdings würde für einen gewöhnlich
malariaarmen Ort (wie Berlin) letztere Annahme weniger Wahr¬
scheinlichkeit für sich haben.
In bezug auf die groben ätiologischen Verhältnisse beider
Krankheiten möchte ich übrigens an eine Erfahrung erinnern, die
ich bei der Recurrens Epidemie, welche im Jahre 1879 in Berlin
herrschte, machen konnte 1 )- Ein starker Prozentsatz der damals
von mir beobachteten Fälle (mindestens 17 unter 77) betraf
nämlich Kanalisatiousarbeiter, die vor der Erkrankung haupt¬
sächlich mit Auspumpen des Grundwassers oder Aehnlichem, zum
Teil an einer bestimmten Strassenstelle, beschäftigt gewesen
waren, also in einer Umgebung, die vielleicht in gleicher Weise
1) D.m.W., 1879, Nr. 51 u. 52.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 50.
1Ö1G
begünstigend für die Entwicklung der Malaria-Plasmodien wie
der Recurrens Spirochäten sein könnte. Beiläufig bemerke ich,
dass ich in dem verdächtigen Grundwasser spiralige Elemente,
die den sogenannten Wasser-Spirochäten ähnlich waren, nach
weisen konnte, will aber nicht entscheiden, ob dem Befund eine
tiefere Bedeutung zukommt.
Für 3 Beispiele habe ich somit an den anscheinenden Zu¬
sammenhang erinnert, den zwei Infektionskrankheiten, die wir
nach den heutigen Erfahrungen über ihre Krankheitserreger streng
von einander zu trennen haben, stellenweise bei gleichzeitigem
Vorkommen durch Aehnlichkeit ihres Krankheitsbildes
oder Auftreten zusammenfliessender Misch formen zeigen können.
Bei allen 3 Beispielen ist zuzugeben, dass die Deutung dieses
Zusammenhanges manchen Zweifeln unterworfen ist; aber dies
sind Zweifel, welche voraussichtlich in Zukunft durch die fort
schreitenden bakteriologisch-serologischen Untersuchungen all¬
mählich gelöst werden könuen. Denn dass zur Entscheidung über
das Wesen einer Infektionskrankheit und ihre dementsprechende
Stellung zu den übrigen in erster Linie die wissenschaftlich-ätio¬
logische Forschung beizutragen hat, ist auch nach meiner Ueber-
zeugung selbstverständlich. Aber wo diese bisher keine be¬
stimmten Krankheitserreger nachgewiesen hat, oder wo zwar ein
solcher gefunden ist, aber noch andere ätiologische Fragen zweifel¬
haft bleiben, da werden vorläufig das Krankheitsbild und die mit
ihm zusammengehörigen klinischen Verhältnisse für die Frage der
Trennung und Gruppierung der Krankheit ihren Wert behalten
dürfen. So gut ich oben meine Zweifel an der Notwendigkeit,
den Begriff „Exanthematischer Typhus“ aufzugeben, im Hinblick
auf sein im Grossen gleichartiges Krankheitsbild undseinendemisches
und epidemisches Verhalten ausgesprochen habe, so gut werden
ähnliche klinische Ueberlegungen auch in Zukunft über Zu¬
sammengehörigkeit oder Selbständigkeit mancher Infektionskrank¬
heiten einen wesentlichen Ausschlag geben können. Die Hoch¬
achtung vor alten Krankheitsbildern, die dem medizinischen
Anfänger eingeimpft wird, kann auch der mit modernen Methoden
weiterstrebende Forscher festzuhalten suchen; wo seine Resultate
mit der klinisch bestehenden Abgrenzung der Krankheiten im
Einklang steht, kann ihm dies eine Bestätigung sein; wo Diffe¬
renzen zwischen beiden zutage treten, können sie ihm bei seinen
Schlüssen Zweifel erregen, deren Lösung ihm obliegt. In dem
Zusammenwirken mit klinischer Erfahrung uud Beobachtung wird
die bakteriologisch-serologische Forschung auch weiterhin ihre
besten Triumphe feiern.
Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor:
Geheimrat Prof. Dr. H. Küttner).
Zur Kenntnis der posttyphösen Strumitis. 1 )
Von
Dr. Ednard Melchior,
Assistent der Klinik.
Die durch den Bacillus Eberth hervorgerufenen Eiterungen
verlaufen trotz grundlegender gemeinsamer Züge im Einzelnen
doch gelegentlich unter so variablen Bedingungen, dass dia¬
gnostische Ueberraschungen hier nicht ganz selten sind. Der
folgende ungewöhnliche, im Juni ds. Js. in der Küttner’schen
Klinik beobachtete Fall von posttyphöser abscedierender
Strumitis gehört in diese Kategorie und erscheint geeignet, die
bisherigen Kenntnisse dieser besonderen Nacherkrankung des
Typhus abdominalis zu erweitern.
Der 52jährige PatieDt H. W. wurde am 10. 6. 1914 mit folgender
Anamnese aufgenommen: Mutter und Grossmutter waren kröpf leidend.
Bei dem Patienten selbst besteht seit dem 8. Lebensjahre ein „dicker
Hals“, der in der Folge allmählich zugenommen hat. 1905 machte W.
einen anscheinend schweren Typhus durch, der sich über 6 Monate
hinzog. Besondere Erscheinungen seitens des Halses resp.
des Kropfes, namentlich auch Schmerzen sollen — wie auch
bei nachträglichem Befragen ausdrücklich angegeben wird — während
dieser Zeit nicht aufgetreten sein. Dagegen nahm in der Folge
der Kropf — immer ohne subjektiv wahrnehmbare EntzünduDgserschei-
nungen! — stärker an Wachstum zu, um etwa seit einem 1 J 2 Jahre bei
der jetzigen Grösse stehen zu bleiben. Seit 2 Jahren bekommt der
1) Im Auszug vorgetragen in der med. Sektion der schlesischen Gesell¬
schaft für vaterländische Cultur zu Breslau am 26. Juni 1914.
Patient schlecht Luft; die Arbeitsfähigkeit wurde dadurch erheblich be¬
einträchtigt, so dass er sich zur Operation entschloss.
Befund: Kräftig gebauter Mann, leichte Cyanose, deutliche Dyspnoe,
die sich bei der geringsten körperlichen Betätigung lebhaft steigert.
Grosse, einer maximalen Halsweite von 47 cm entsprechende, diffus
entwickelte Struma von sehr harter Konsistenz mit multiplen, im
Röntgenbild gut sichtbaren Verkalkungen. Eine freie Verschieblichkeit,
auch beim Schluckakte, fehlt nahezu gänzlich; das ganze Gebilde er¬
scheint wie „eingemauert“. Keine entzündliche Erscheinung seitens der
Haut. Starke Trachealstenose mit Verdrängung der säbelscheidenartig
verengten Luftröhre nach links. Rechts reicht die Struma deutlich
substernal herab. Vorn auf der Brust und in der Mitte des Halses ver¬
laufen über der Struma stark erweiterte Venen.
Das klinische Bild erinnerte somit entschieden an das Ver¬
halten einer Struma maligna, doch sprach hiergegen die aus¬
drückliche Angabe, dass der Kropf im letzten halben Jahre nicht
mehr gewachsen sei, ferner auch — bis zu einem gewissen Grade
wenigstens — das Fehlen einer Kachexie, sowie einer Beteiligung
des Recurrens. Die Möglichkeit einer Strumitis im Sinne Riedel’s
„eisenharter Struma“ wurde erwogen.
Die Operation, deren Ausführung sich technisch als ungemein
schwierig erwies, wurde am 18. VI. von Herrn Geheimrat Küttner in
Lokalanästhesie vorgenommen. Ausgiebiger Kragenschnitt. Man gelangt
sofort in ein schwartig schwieliges, zum Teil in die Muskulatur übergehendes
Gewebe, welches die exakte Darstellung der Kropfkapsel sehr erschwert.
Zahlreich atypisch verlaufende Gefässe, die aus der Umgebung in die
Drüse eintreten. Es wird zunächst der rechte obere Pol freigemacht,
sodann Auslösung auf der rechten Seite, wobei einige vergrösserte Lymph-
drüsen zu Gesicht kommen und mit entfernt werden. Es zeigt sich
hierbei, dass der Kropf ringförmig auch noch den Oesophagus teilweise
umgreift. Am hinteren Pol sehr starke Venen, nach deren Ligatur es
rückläufig aus der Struma blutet. Unterbindung einer atypisch weit
nach hinten eintretenden A. inferior, deren Kaliber fast dem einer Carotis
entspricht. Freimachen der stark säbelscheidenförmig verengten Trachea.
Sodann wird jenseits der Mitte durch die zum Teil verkalkte Struma¬
substanz durchgegangen, wobei sich etwas Eiter — der sofort uDter
den nötigen Kautelen aufgefangen wiid — aus einem kleinen, zentral
gelegenen Abscess entleert. Es gelingt jetzt den weit retrosternal
herabreicbenden unteren Pol zu luxieren. lu der Recurrensgegend wird
— da an eine präparatorische Freilegung des Nerven in dem schwieligen
Gewebe nicht zu denken ist — eine schmale Scheibe der Drüsensubstanz
zurückgelassen. Kropfrest hämostatisch vernäht. 2 Drains. Hautnaht.
Der postoperative Verlauf war bis auf mässig starke bronchitische
Erscheinungen ungestört. Primäre Wundheilung. Am 2. VII. wurde
der Patient operativ geheilt und von seinen Beschwerden wesentlich
gebessert entlassen.
Der exstirpierte Strumalappen zeigt auf dem Darchschnitt
(siebe nachstehende Abbildung) ein fibrös schwieliges, zum
Teil verkalktes Gewebe; im Centrum befindet sich der bei der
(Vs natürlicher Grösse.)
Operation (siebe oben) bereits eröffnete, baselnussgrosse Abscess,
der dicken, graugelben Eiter enthielt. Die am hiesigen könig¬
lichen hygienischen Institut freundlichst vorgenommene Unter¬
suchung (Priv.-Doz. Dr. Oettinger) des Eiters ergab als Diagnose:
„Typliusbaci 11 en in Reinkultur“. Dagegen konnten weder
ira Urin noch im Stuhl des Patienten Typhusbacillen festgestellt
werden.
Es handelt sich also in diesem Falle um eine chro¬
nische Strumitis mit zentraler Abscedierung im übrigen
von fibrös schwieligem Charakter, die ätiologisch —
auf Grund des bakteriologischen Befundes — ohne
weiteres auf den vor 9 Jahren durch gemachten T y p b u 8
abdominalis zurückzuführen ist.
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14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1917
Verglichen mit den zahlreichen sonst bekannten Fällen von
posttyphösen Entzündungen der Schilddrüse — d. h. in der Regel
wie hier der bereits kropfig veränderten Thyreoidea — ist die
vorliegende Beobachtung als recht ungewöhnlich zu bezeichnen.
Mit grosser Regelmässigkeit spielt sich nämlich diese Kompli¬
kation sonst als ein akuter und dabei frühzeitig, im Beginn der
Rekonvaleszenz einsetzender Prozess ab, der, entweder auf dem
Wege der Abscedierung, öfters aber auch, ohne dass klinisch die
Erscheinungen über ein einfach-entzündliches Stadium hinaus¬
gelangt sind, bald wieder abklingt, um einer völligen Restitution
Platz zu machen.
Es bat indessen schon Gäli 1 ) in neuerer Zeit die Beob¬
achtung einer Strumitis posttypbosa apostematosa tarda
mitgeteilt, bei der zwischen der ursprünglichen typhösen Er¬
krankung und dem Nachweis der Bakterien im Strumaabscess
sogar 21 Jahre lagen:
39jähriger Mann. Vor 23 Jahren wegen Kropf operiert. Im
3. Jahre nach der Operation verfiel er in eine langdauernde, fieberhafte,
schwere Krankheit, die seine Aerzte als Typhus bezeichneten. Im
späteren Verlaufe der Erkrankung und der Rekonvaleszenz schwoll der
Hals wieder an, war auch ein wenig empfindlich, doch nahm die Empfind¬
lichkeit nach einigen Wochen wieder ab, während die Schwellung be¬
stehen blieb, ohne ihm jedoch Unannehmlichkeiten zu machen. Die
jetzige Erkrankung begann vor einem Monat mit starken linksseitigen
Kopfschmerzen und mit Erscheinungen von Hyperthyreoidismus. Die
Schilddrüse ist vergrössert, der linke Lappen ziemlich hart, glatt, auf
tiefen Druck ein wenig empfindlich; der rechte Lappen trägt eine alte
Operatiousnarbe, ist unempfindlich und macht den Eindruck eines ge¬
schrumpften Gebildes. In der Folge nahm die Schmerzhaftigkeit des
linken Lappens unter oscillierendem Fieberverlauf zu, es trat Fluktuation
auf. 14 Tage später wird ein typhusbacillenhaltiger Abscess
inzidiert, worauf Heilung erfolgt.
Die vom Autor für diese Beobachtung gewählte Bezeichnung
einer Strumitis posttyphosa „tarda” erscheint berechtigt. Ist
doch hier der Hergang offenbar der gewesen, dass der Pat. vor
21 Jahren einen Typhus durchmachte mit daran anschliessender Stru¬
mitis, die in Resolution ausging; doch blieben jedenfalls Bak¬
terien an Ort und Stelle zurück, die dann erst lange Zeit später
— ohne nachweisbaren äusseren Anlass — zur eitrigen Gewebs¬
einschmelzung mit allen Kriterien eines rein akuten Prozesses
führten. Unsere Beobachtung liegt dagegen wesentlich anders.
Die weit ausgebreiteten peristrumitischen Veränderungen, denen
gegenüber die unbedeutende centrale Abscedierung schon rein
äusserlich gänzlich zurücktritt, das Fehlen aller akut entzünd¬
lichen Erscheinungen weisen mit aller Bestimmtheit darauf hin,
dass hier ein ausgesprochener chronischer Prozess vor¬
lag. Man wird sich den Hergang wohl so vorstellen müssen,
dass die Eiterung hier das Primäre war, aber von so geringer
Virnlenz, dass nicht ein Durchbruch nach aussen hin erfolgte,
sondern vielmehr eine Demarkation in Gestalt von reaktiven,
diffus entzündlichen Vorgängen mii Neigung zur Narbenbildung
eintrat. Der Abscess selbst war offenbar in Rückbildung be¬
griffen, wie aus dem Vorhandensein der mächtigen Kalkhülle zu
schliessen ist, und es ist wohl denkbar, dass mit der Zeit eine
völlige Substitution des Eiterherdes eingetreten wäre. Jedenfalls
war klinisch der angetroffene Befund bei dem Fehlen aller Er¬
scheinungen, wie sie sonst zum Bilde der bakteriellen Eiterungen
gehören, also namentlich Schmerz und Temperaturerhöhung, über¬
raschend. Auch bildeten ja nicht eigentlich die entzündlichen
Vorgänge, sondern vielmehr allein der Druck der wachsenden
Struma auf die Luftwege die Indikation zum operativen Eingreifen.
Dieses auffällig indifferente Verhalten der centralen
Abscedierung in unserem Falle, welches entschieden
an das Verhalten bereits steril gewordener Abscesse
erinnert, ist nun in gewissen Grenzen für die echten
typhösen Eiterungen überhaupt charakteristisch.
Um za einem Verständnis dieses Phänomens zu gelangen,
muss man sieb, wie ich schon in früheren Mitteilungen über
typhöse Eiterungen 2 ) hervorgehoben habe, zunächst darüber klar
werden, dass die bis in die neueste Zeit noch immer gelegentlich
vertretene Auffassung einer „emboliseben” Entstehung nicht
als eine genügende Erklärung gelten kann. Wir wissen näm-
1) D.m.W., 1913, S. 1302.
2) Vgl. Melchior, Ueber den Milzabscess bei Typhus abdominalis
usw., Berlin. Klinik, 1909, Nr. 255. — Ueber Leberabscesse im Verlaufe
und Gefolge des Typhus abdominalis, Ztbl. f. d. ges. Chir., 1910, H. 5
bis 8. —- Ueber die suppurativen Nierenkomplikationen des Typhus
abdominalis, ebendaselbst, H. 18 u. 19. — Ueber Hirnabscesse usw. im
Verlauf und Gefolge des Typhus abdominalis, ebendaselbst, 1911, H. 1 u. 2.
lieh heute, dass in der ersten Periode des Typhus die Bacillen
regelmässig in der Blutbahn nachweisbar sind in Gestalt einer
eigentlich typbösen Septikämie und somit auch die Bacillen
regelmässig in den einzelnen Organen anzutreffen sein müssen.
Erfahrungsgemäss kommt es aber gerade in diesem Stadium des
Typhus niemals zu echten Eberth’schen Abscedierungen. — Das
weitere Schicksal der hämatogen verbreiteten Bakterien kann nun
variieren. In der Mehrzahl der Fälle ist damit zu rechnen, dass
bei günstigem Verlauf, d. b. bei völlig eintretender Heilung i. e.
Immunisierung des Organismus die Typhusbacillen aus den ein¬
zelnen Organen wieder verschwinden, abgesehen von den Fällen,
wo die Bakterien zwar in einzelnen Organbezirken (zeitweilig ev.
sogar im Blute!) verbleiben, der übrige Organismus aber der¬
artig refraktär geworden ist, dass sie dem Träger gegenüber in
der Regel nur noch die Rolle eines harmlosen Parasiten spielen.
Ein völliges Ausbleiben der Immunität andererseits wird im all¬
gemeinen die unkompliziert tödlich endenden Fälle charakteri¬
sieren. Zwischen diesen beiden Extremen liegen nun zahlreiche
Möglichkeiten einer relativen Immunität. Wir verstehen
hierunter einen solchen Grad von Immunität, dass die
Erkrankung zwar als Allgemeininfektion überwunden
wird, ohne aber überall ein völliges Abtöten der Ba¬
cillen im Gewebe zu bewirken, so dass dieselben unter
gewissen Bedingungen noch eine lokale Reaktion, d. h.
in erster Linie Eiterung bervorrufen können. Diese
lokalen Vorbedingungen fallen, soweit es sich bisher übersehen
lässt, unter den Begriff des sog. Locus minoris resistentiae.
Gewebliche Schädigungen dermannigfachsten Artkönnen
einen solchen Locus minoris resistentiae bedingen. Blu¬
tungen sind hier in erster Linie zu nennen. So entwickeln sich die
tiefen posttyphosen Bauehdeckenabscesse typisch auf der Basis der ge¬
legentlich durch spontane Ruptur der geraden Bauchmuskeln (infolge
wachsartiger Degeneration) eintretenden Bauchdeckenhämatome. Sennert
beobachtete die typhöse Vereiterung eines traumatischen Leberhämatoms,
Gurd und Nelles die eines traumatischen extraduralen Blutergusses.
Aehnlich liegen die Beobachtungen von der Entstehung Eberth-
scher Abscesse im Anschluss an vorausgegangene subcutane Injektionen.
Derartige lokale Komplikationen sah Schneider nach Chinin¬
injektionen, Maienchini. und Pieracini nach Einspritzungen von
Coffein.
Eine andere Gruppe bilden jene Fälle, wo die Eiterung sich
in Gewebsbezirken etabliert, welche durch die vorausgegangene All¬
gemeininfektion als solche in ihrer Vitalität beeinträchtigt wurden. So
scheinen die Milzabscesse gelegentlich ihren Ausgang zu nehmen von
den sogenannten typhösen Infarkten der Milz; manche Leberabscesse
von den Fokalnekrosen — auch Lymphome genannt — des Leber¬
gewebes.
Aber überhaupt jede pathologische Gewebsformation scheint in
dieser Beziehung einen Ort verminderter vitaler Energie darzustellen.
Es gehören hierher die zahlreichen Beobachtungen von Infektion
ovarialer Dermoide. Panas beschrieb einen Fall von Abscedierung
eines Angioms: bei Keen findet sich die Beobachtung von Vereiterung
eines Lipoms erwähnt. Hühn und Joanovic beschrieben die Ver¬
eiterung eines multilokularen Leberechinococcus; mehrfach wurde die
eiterige Infektion von Hydrouephrosen und Steinnieren durch Typhus¬
bacillen beobachtet (Fernet und Papillon, Meyer und Ahreiner
u. a.). Ganz besonders gilt dies auch für die typhösen Abscedierungen
der Schilddrüse, die, wie schon de Quervain 1 ) hervorhob, fast aus¬
schliesslich — wie auch in unserem Falle — an kropfig entarteten
Organen beobachtet werden. Möglicherweise ist schon das Kropfgewebe
an und für sich als biologisch minderwertig im angegebenen Sinne zu
betrachten; doch spielen hierbei vielleicht die — zumal in älteren
Kröpfen so häufig anzutreffenden — Blutungen und Erweichungsherde
noch eine spezielle, grössere Rolle.
Eine wichtige Stütze für diese theoretische Auffassung der
Eberth’scben Eiterungen bildet die Tatsache, dass alle diese
Abscedierungen mit grösster Regelmässigkeit erst nach Ablauf
des febrilen Stadiums der typhösen Infektion, d. h.
frühestens im Beginne der sogenannten Rekonvaleszenz
einsetzen. Es ist dies ein so typisch wiederkehrendes Ver¬
halten, dass man hierin unbedingt etwas Gesetzmässiges erblicken
muss, nämlich den Ausdruck dafür, dass — entsprechend der
obigen Formulierung — für den Eintritt einer Abscedierung die
Ueberwindung der Allgemeininfektion als solcher die wesentlichste
Voraussetzung bildet.
Eine Bestätigung dieser Anschauung ergeben Versuche von Chante-
messe und Widal, die bei unzureichend vaccinierten — also relativ
immunen — Tieren durch hochvirulente Typhusbacillen mitunter an der
Stelle der Injektion eine lokale Eiterung hervorrufen konnten.
1) Mitt. Grenzgeb., 1904, 2. Supplementband.
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1918
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 60.
Ganz besonders aber kommt klinisch die Tatsache, dass die
echten typhösen Eiterungen sich in einem relativ immunen Orga-
nismus abspielen, durch ihre Gutartigkeit zum Ausdruck, eine
Eigenschaft, die in der Tat ein ganz unverkennbares Kriterium
dieser Abscedierungen bildet.
So konnte ich in der zitierten Mitteilung über die typhösen Milz-
abscesse feststellen, dass bei den transpleural operierten Fällen trotz
nicht immer einwandfreier Technik niemals eine Infektion der sonst
so empfindlichen Pleura eingetreten war. Lengemann gelang es bei
einem Falle von typhösem Leberabscess, der in die freie Bauchhöhle
perforiert war, noch nach 5 Tagen Heilung zu erzielen. In unserem
Falle erscheint bemerkenswert, dass trotz der Eröffnung
des Abscesses in operatione jede Infektion der Wundhöhle
ausblieb und die lokale Heilung sich genau so vollzog, wie
nach einem vollkommen aseptischen Eingriffe.
Mit diesem weitgehenden, refraktären Verhalten des Gesamt¬
organismus mag es vielleicht Zusammenhängen, dass eine Leuko-
cytose bei den echten typhösen Eiterungen durchaus nicht zur
Regel gehört, diese vielmehr sogar von einer gewissen Leuko¬
penie — wie die typhöse Allgemeininfektion selbst — begleitet
sein können.
So fanden Gurd und Nelles in dem bereits zitierten Falle einer
Eberth’schen Abscedierung eines Extraduralhämatoms nur 5000 Leuko-
cyten, Bennecke bei einer durch den gleichen Erreger verursachten
suppurativen Thrombophlebitis auf der Höhe der Eiterung 5250 Leuko-
cyten, bei einer durch Typhusbacillen bedingten Furunkulose Werte
zwischen 4500 und 6000. Gäli beobachtete in dem oben erwähnten
Falle von Strumitis posttyphosa apostematosa tarda eine Leukocytose
von 8500 mit dem für Eiterungen ungewöhnlich hohen Index von 42 pCt.
Lymphocyten.
Auch das gelegentliche — allerdings nur ausnahmsweise —
Fehlen von Temperatursteigerungen mag in dem gleichen
Sinne interpretiert werden. So bat schon Krause 1 ) 1903 bei
einem aus der Minkowski’schen Klinik mitgeteilten Fall von
akuter posttyphöser Strumitis darauf hingewiesen, dass dieser
„hinsichtlich des Fiebers reaktionslose Verlauf“ sich vielleicht
dadurch erklären Hesse, „dass eine gewisse Immunisierung im
Organismus gegen den Typhusbacillus und seine Toxine einge¬
treten ist“. Auch in unserem Fülle war der Temperaturverlauf
während neuntägiger Beobachtung vor der Operation ein völlig
normaler (Höchsttemperatur 36,8°).
Der Begriff der relativen Immunität, welchen wir somit
als grundlegend für das Zustandekommen der echten typhösen
Eiterungen ansehen müssen, ist naturgemäss ein komplexer. Er
bildet gewissermaassen die Funktion verschiedener, in ihrer Wir¬
kung sich gegenseitig beeinflussender Faktoren, als deren wich¬
tigste wir die allgemeinen, immunisatorischen Schutzkräfte des In¬
dividuums einerseits, die Virulenz der Bakterien andererseits auf¬
zufassen haben, wobei aber auch die spezielle Disposition des
jeweiligen lokalen Terrains nicht zu vernachlässigen ist.
Diese zahlreichen Variationsmöglichkeiten finden — um hier
speziell auf die Frage der typhösen Strumitis zurückzukebren —
klinisch ihren Ausdruck in dem ungemein wechselvollen Verhalten
dieser Komplikation. Die Hauptunterscheidung wird gewöhnlich
in die einer eitrigen und nichteitrigen Strumitis (bzw. Thyreoi¬
ditis) getroffen, beide Formen von zeitlich relativ begrenzter Dauer.
Aber schon de Quervain hat darauf hingewiesen, dass selbst
nach eingetretener partieller Einschmelzung noch eine spontane
Resorption und Restitution eintreten kann, dass sich also die
Abgrenzung der eitrigen und nichteitrigen Thyreoiditis — wenig¬
stens klinisch — nicht immer streng durchführen lässt. Dass
aber weiterhin selbst nach klinisch eingetretener „Heilung“ der
typhöse Prozess noch nicht abgelaufen zu sein braucht, lehrt der
oben referierte Fall von Gäli, wo erst nach 21 Jahren wieder
die bis dahin ruhenden Bacillen eine unverkennbare Absce¬
dierung herbeiführten. Unsere Beobachtung zeigt demgegen¬
über gewissermassen einen umgekehrt gerichteten Verlauf: eine
schleichende Abscedierung, die allmählich eingekapselt wird und
zu einer mächtigen fibrösen Reaktion seitens der Nachbarschaft führt.
Sie bildet also gewissermassen die Brücke zu jener eigentüm¬
lichen, ätiologisch noch wenig geklärten Form der fibrösen, nicht
abscedierenden, tumorartigen Strumitis Riedel’s 2 ).
Die lange Dauer des Ueberlebens kulturell vollwertig zücht¬
barer Typhusbacillen in unserem Falle hat, wie die Beobachtung
1) B.kl.W., 1913, S. 756.
2) Vgl. hierzu die aus der Küttner’schen Klinik hervorgegangene
Mitteilung von Spann aus: Die RiedePsche Struma. Beitr. z. kl. Chir.
1910, Bd. 70, S. 604.
Gäli’s lehrt, nichts Ueberraschendes. Harbordt fand sie im
Eiter der typischen Rippenknorpelabscesse noch nach 23 Jahren.
Epidemiologisch handelt es sich hier also um „Bacillenträger“,
die zu „Bacillenausscheidern“ werden können, sobald ein der¬
artiger Abcess perforiert oder künstlich eröffnet wird. Ob von
diesen Eiterherden Uebertragungen auf andere Individuen jemals
vorgekommen sind, ist meines Wissens nicht bekannt, doch muss
man jedenfalls mit dieser Möglichkeit der Typhusanateckung
rechnen und prophylaktisch entsprechend verfahren. Auf die
Wichtigkeit der bakteriologischen Diagnostik wirft dies ein be¬
sonderes Licht.
BQcherbesprechungen.
v. Brnos, Garrä und Köttner*. Handbnch der praktischen Chirurgie.
Vierte umgearbeitete Auflage. Fünf Bände. IV. Bd.: Chirurgie
der Wirbelsäule und des Beckens. Mit 363 teils farbigen Ab¬
bildungen. Stuttgart 1914, Ferd. Enke. 1128 S. Preis 30,20 M.
Als letzter Band des in vierter Auflage erscheinenden 5 bändigen
berühmten Sammelwerkes liegt jetzt auch Band IV vor. Die Chirurgie
des Rückenmarks und der Wirbelsäule ist von Henle-Dortmund neu¬
bearbeitet. Die Chirurgie des Beckens ist von Steintbal-Stuttgart,
die Nierenchirurgie von Kü mm eil-Hamburg und Graff-Bonn darge-
gestellt. Auch die folgenden Kapitel finden wir von berufenster Seite
neu bearbeitet: Männliche Harnblase (Zucker kan dl-Wien), Harnröhre
(Rammstedt-Münster), weibliche Harnorgane (Stöckel-Kiel), Prostata
(Schlange-Hannover), Hoden nebst Hüllen und Penis (Rammstedt).
Somit liegt jetzt das grosse Werk in vierter Auflage vollendet vor:
wissenschaftlich voll auf der Höhe, aus einem Guss udö trotz der Viel¬
zahl seiner Mitarbeiter gleichmässig durchdrungen von deutschem Fleiss
und deutscher Gründlichkeit. Auch diese Auflage wird, wie die ersten
3 Auflagen, ihren Weg in alle Länder der Welt finden, allen unseren
Feinden zum Trotz. Denn deutscher Geist und deutsche Wissenschaft
lassen sich nicht blockieren!
F. Krause: Die allgemeine Chirurgie der Gehirnkraokheitei.
II. Teil. Mit 106 teils farbigen Textabbildungen. (Neue deutsche
Chirurgie, herausgegeben von P. v. Brnns. 12. Bd.) Stuttgart
1914, Ferd. Enke. 492 S. Preis 21 M.
Dem an dieser Stelle bereits eingehend besprochenen ersten Bande
der unter der Redaktion von F. Krause erscheinenden allgemeinen
Chirurgie der Gehirnkrankheiten ist der zweite, das Werk abschliessende
Band rasch gefolgt. Das einleitende Kapitel Hirn ödem ist von Haupt¬
mann - Freiburg verfasst. Er kommt zu dem Schlüsse, dass es ein
Hirnödem sui generis weder als Krankheit, noch als alleinige Todes¬
ursache gibt. Die Klinik der Hirngeschwülste ist von L. Bruns-
Hannover bearbeitet, welchem wir bekanntlich schon ein klassisches
Buch über Hirntumoren verdanken. Auch das Kapitel über den Pseudo-
tumor cerebri hat in Nonne einen sehr berufenen Vertreter gefunden.
Die folgenden Abschnitte enthalten: die diagnostische und therapeutische
Hirnpunktion (Haasler-Halle), Balkenstich (Anton-Halle), diagnosti¬
sche und therapeutische Lumbalpunktion und Immunitätsreaktionen bei
Erkrankungen des Centralnervensystems (Holzmann-Hamburg),ßöntgen-
diaguostik der Gehirnkrankheiten (Schüller-Wien), craniocerebrale
Topographie (Müller-Tübingen), Technik der Trepanation, Osteoplastik
und Duraplastik (F. Krause-Berlin).
Jedem Kapitel ist ein umfassendes Literaturverzeichnis beigefügt
Darstellung, Ausstattung, insbesondere die Illustrationen, sind muster¬
gültig. _
G. v. Saar: Die Sportverletzungen. Mit 53 Textabbildungen. (Nene
deutsche Chirurgie, herausgegeben von P. v. Bruns. 13. Bd.)
Stuttgart 1914, Ferd. Enke. 325 S. Preis 13,40 M. _
Mit dem gewaltigen Aufschwung des Sportes in allen Kulturländern
ist auch die Zahl der Verletzungen beim Sport entsprechend gestiegen.
Diese Verletzungen zeigen in bezug auf Entstehung und Verlauf m
mannigfacher Hinsicht gewisse charakteristische Typen, so dass eine ge¬
sonderte Darstellung der Sportverletzungen sehr wohl gerechtfertigt er¬
scheint. Verf. hat sich dieser gänzlich neuen Aufgabe mit grossem Ge¬
schick unterzogen. Er schildert im allgemeinen Teil die Einteilung der
Sporte nach dem Bewegungsprinzip, die Eigenart der sportlichen Be¬
wegungen und Verletzungen, die allgemeinen Bedingungen zum Zustande¬
kommen sportlicher Verletzungen und die Lokalisation an den ver*
schiedenen Geweben und Organen. Der spezielle Teil beschreibt, syste¬
matisch geordnet, die Verletzungen bei folgenden Sportarten: Kampf*
sporte (Boxen, Fechten, Ringen, Dschiu-Dschitsu usw.), Heben, Stemmen
und Werfen, Wurf- und Sohleuderspiele, Fuss- und Schlagball, Gehen,
Laufen, Springen, Tanzen, Bergsteigen, Geräteturnen, Schlimmen,
Tauchen, Reiten, Radfahren, Rollschuh- und Schlittschuhlaufen, be¬
lauf, Schlittensport, Automobilismus, Aeronautik und Aviatik. Schon
ein Blick auf das enorme Literaturverzeichnis, welches nicht einmal aui
Vollständigkeit Anspruch erhebt, zeigt uns, wie sehr eine fcntiscne
Sichtung und Sammlung des grossen, allenthalben zerstreuten Kater»«
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UNIVERSUM OF IOWA
14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1919
notwendig war. Die mit erstaunlichem Fleisse vom Yerf. geleistete Arbeit
wird für jede künftige wissenschaftliche Betätigung auf diesem Gebiete
grundlegend sein. _
A. Kühler: Taschenbuch für Kriegsehirurgen. Ratschläge und Winke
für die feldarztliche Tätigkeit auf dem Marsche, während und nach
der Schlacht. Berlin 1914, Ürban & Schwarzenberg. 95 S. Preis
2,50 M.
Die in einzelnen Abschnitten in der Med. Klinik, 1914, erschienenen
Vorträge sind jetzt vom. Verf. in Form eines kleinen Taschenbuches
herausgegeben worden. Dieses ist in erster Linie für den praktischen
Arzt bestimmt, welcher bei seiner Tätigkeit im Frieden keine Zeit und
keine Gelegenheit hatte, sich mit der Organisation des Kriegssanitäts-
Wesens und mit dem Sanitätsdienste im Felde bekannt zu machen und
welcher bei der Mobilmachung sich plötzlich vor eine ganze Reihe ihm
bis dahin ganz unbekannter Aufgaben gestellt sieht. Verf. erörtert des¬
halb in den einleitenden Kapiteln, was eigentlich jeder Arzt von diesen,
jedem aktiven Sanitätsoffizier geläufigen Dingen unbedingt wissen muss.
Die eigentliche praktische Kriegschirurgie ist im engsten Zusammen¬
hänge mit der ärztlichen Tätigkeit bei den verschiedenen Feld-Sanitäts¬
anstalten, besonders dem Hauptverbandplatz und dem Feldlazarett be¬
sprochen. Für diejenigen Aerzte, welche während des Krieges im Heimat¬
gebiete tätig sind, finden wir in einem besonderen Kapitel die Nach¬
behandlung der Wunden und accidentellen Wundkrankheiten erörtert.
Das sehr anschaulich geschriebene Buch wird in seiner knappen
handlichen Form sich jedem praktischen Arzt und Studierenden, welcher
auf dem Gebiete der Kriegscbirurgie noch nicht ganz heimisch ist, als
überaus nützlicher und wertvoller Führer erweisen.
Adler- Berlin-Pankow.
Literatur-Auszüge.
Therapie.
R. Betke - Frankfurt a. M.: Erfahrungen über die Anregung der
Peristaltik nach Laparotomien durch das neue subcutane und intra¬
muskuläre Abführmittel Sennatitt. (Ther. Mh., 1914, Nr. 11.) Verf.
gibt eine kurze Uebersicbt über die Nachteile der bisherigen Mittel.
Hormonal, Pituglandol, Pituitrin, Glandlutrin, Iofundin richten niohts
aus und führen eine Blutdrucksenkung herbei. Günstigere Wirkung
haben Peristaltin (ein Cascara-Sagradapräparat) und die von Petten-
kofer inaugurierten elektrischen Darmeinläufe. Sennatin, aus Senna-
blättern von Credö und Diedrich hergestellt, soll ein vorzügliches
peristaltikanregendes Mittel sein, das mild und ohne Nebenwirkungen
positiven Erfolg bringt. Crede hat über 201 Fälle mit 83pCt. positivem
Erfolg veröffentlicht und Ebler 38 Fälle. Der Verf. beobachtete
32 Kranke im Garnisonlazarett nach Magenresektionen, Gastroanastomosen,
Cholecystektomien usw., bei denen Sennatin mit positivem Erfolg ge¬
braucht wurde. Es werden 2 ccm intramuskulär 5—6 Stunden nach
der Operation und am nächsten Tage eine gleich grosse Dosis gegeben.
Die Wirkung erfolgt nach 6 Stunden. Die Peristaltik wird durch ein
Glycerinclysma unterstützt. G. L. Tenenbaum.
F. Lux-Hamburg: Die Behandlung juckender Dermatosen mit
Ringer’scher Lösung und Eigenblut. (Dem. Wschr., 1914, Bd. 59,
Nr. 45 u. 46.) Zur Behandlung des Juckreizes hat sich in vielen Fällen
von juckenden Dermatosen der Aderlass mit nachfolgender Infusion von
Ringer’scher Lösung und Iojektion von Eigenblut bewährt, und zwar
sind dazu geeignet: Pruritus, Urticaria, Lichen urticatus, pruriginöses
Ekzem, Pyrogalloldermatitis. Kein Erfolg wurde gesehen bei Mycosis
fungoides, Dermatitis herpetiformis, Ekcema madidans.
Immer wahr.
Parasitenkunde und Serologie.
Levis Davis, S. M.: Studie über die Tellurreaktion mit der
Coli-Typhusgruppe und anderen Organismen. (A study of the „tellurite
reaction“ witfa the colon-typhoid and other organisms.) (Zbl. f. Bakt.,
Bd. 75, H. 2.) Der Autor untersucht experimentell die Wirkung des
tellursauren Kali, das er flüssigen Nährböden zusetzt, auf die wichtigsten
Arten der Typhus-Coligruppe und einige andere Bakterien. Dabei kommt
er zu folgenden Resultaten: Die Bakterien der Typhus Coligruppe zeigen
Unterschiede in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die antiseptische
Wirkung des tellursauren Kali und im zeitlichen Auftreten der Reaktion
mit diesem Salz. Diese Variationen sind ausgesprochen genug, um sie
diagnostisch verwerten zu können. Die Intensität der Bakterienwirkung
auf das Kalium telluricum hängt von der individuellen Widerstands¬
fähigkeit des Bakteriums und der Konzentration des Salzes ab. Die
Schnelligkeit, mit der die Reduktion des Tellur erfolgt, ist augenschein¬
lich eine spezifische Funktion des betreffenden Bakteriums, unabhängig
von der Widerstandskraft gegen die keimtötende Wirkung. Mit Coli er¬
folgt die Tellurreaktion meist augenblicklich; Behandlung mit tellur¬
saurem Kali hat praktisch keinen Einfluss auf die biologischen Charakte¬
ristika der Mikroorganismen.
Bail: Veränderungen der Bakterien im Tierkörper. IX. Ueber die
Korrelation zwischen Kapselbildung, Sporenbildung und Infektiosität
des Milzbrandbaeiilus. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Durch Erhitzung
einer Milzbrandkultur auf über 48° gelang es Verf. einmal, Milzbrand¬
bacillen zum Verlust ihrer Kapselbildungsfähigkeit zu bringen. Weitere
Prüfung dieser dauernd der Kapselbildung beraubten Bacillen ergab,
dass dieselben auch ihre Virulenz, nicht aber ihre Sporenbildungsfähig¬
keit eingebüsst hatten. Die Virulenz konnte diesem Bacillus selbst
durch Massenimpfungen sowie durch Einimpfung in durch andere In¬
fektionen kachektisch gewordene Tiere (Meerschweinchen) nicht zurück¬
gewonnen werden. Die Meerschweinchen zeigten nur dann eine Im¬
munität gegen Nachimpfung mit vollvirulentem Milzbrand, wenn es gelungen
war, an der Stelle der Infektion mit dem avirulenten Stamme ein Oedem
zu erzeugen. Alsdann war die Immunität aber sehr hochgradig.
Prowazek und Miyaji: Weitere Untersuchungen über das Vaccine¬
virus. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) In einer Reihe von Untersuchungen
über das Vaccinevirus kamen die Autoren zu folgenden Resultaten: Für
eine Isolierung des Vaocinevirus aus der Cornea eignet sich am besten
eine Verdauung durch Trypsin, da dasselbe das Virus nicht schädigt.
Für experimentelles Arbeiten empfehlen die Autoren die Impfung in die
Hoden. Der Einwand anderer Autoren, dass die Guarneri’schen
Körperchen veränderte Archoplasmen seien, konnte durch die Hoden¬
impfung widerlegt werden. Die Spermatogonien und Spermatiden des
Kaninchenhodens enthalten nämlich reichlich Archoplasmen, diese
wurden durch die Impfung mit Vaocinevirus in keiner Weise verändert.
Ferner wurde festgestellt, dass die immunisierte Kanincbenoornea im¬
stande ist, ein auf einer anderen Cornea gezüchtetes Virus abzutöten,
nicht aber das Virus einer gewöhnlichen Kinderlymphe.
Tönniessen: Ueber Vererbung und Variabilität bei Bakterien.
Weitere Untersuchungen über die Flnktnation, insbesondere über ihre
Entstehungsweise, ihre Erblichkeit und ihre Bedeutung für die Art¬
bildung. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Durch die Anhäufung von Stoff¬
wechselprodukten gelang es Verf., aus einem Friedländer’schen
Pneumoniebacillenstaram drei verschiedene Fluktuanten herauszuzüchteD,
die sich durch ihre Fähigkeit der Kapsel- und Schleimbildung unter¬
einander unterschieden. Durch lange fortgesetzte Tierpassagen konnte
die dritte am weitesten veränderte Fluktuante wieder in die zweite
übergeführt werden. Zum Unterschied von der Mutation erfolgt die
Fluktuation durch die langsame Summierung von veränderten Reizen,
nicht sprungweise. Für die Entstehung der Arten glaubt Verf., dass die
Fluktuation eine höhere Bedeutung habe als die Mutation.
M. Salzmann: Ein Beitrag zur Bakterienmntation. (Zbl. f. Bakt.,
Bd. 75, H. 2.) Aus dem Urin eines Cystitiskranken konnte Verf. ein
Bacterium herauszüchten, das bei wiederholter Herauszüchtung immer
in derselben Art und Weise Gestalt und Wachstumsart änderte. Im
Urin war das Bacterium lang, wuchs oft zu längeren Fäden aus, und
in den ersten Kulturen waren die Einzelkolonien klein. Nach einigen
Agarpassagen wurden die Kolonien jedoch gross, und gleichzeitig wurden
die einzelnen Stäbchen fast kokkenhaft kurz. Gleichzeitig verlor sich
auch eine Beweglichkeit, die vorher in starkem Maasse vorhanden ge¬
wesen war. Da die beschriebene „Mutation“ bei jeder Herauszüchtung
des Bacteriums zu erzielen war, so nennt Verf. dasselbe: Bacterium
mobile mutans.
Mittel: Untersuchungen über latente Infektion der Leber und
Milz tuberkulöser Schlachtrinder; ein Beitrag zur fleischbeschaulichen
Beurteilung tuberkulöser Tiere. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Von
33 tuberkulösen Schlachttieren wurden 29 Milzen und 28 Lebern auf
Tuberkelbacillen geprüft, indem der Presssaft Meerschweinchen intra-
peritoneal injiziert wurde. Alle verimpften Organe zeigten makro¬
skopisch keine tuberkulöse Erkrankung. 7 Meerschweinchen gingen in¬
folge des Keimgehaltes des Saftes frühzeitig zugrunde. Von den Testie¬
renden 50 Impfversuchen zeigte sich die Milz in 10, die Leber in
8 Fällen tuberkulös infiziert. Das sind zusammen 36 pCt.
Hall und Nicholls: Earlier indications of gas formation by coli-
form organisms, with description of a modified fermentation tube« (Zbl.
f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Die Autoren beschreiben eine neue Kon¬
struktion eines Gärungsröhrchens, mit dem es möglich sein soll, eine
Gasentwicklung in Kulturen bedeutend früher zu erkennen.
Dönges: Ueber die aggiutinatorische Kraft des Serums nach
überstandener Typhusinfektion. (Zbl. f. Bakt., Bd. 75, H. 2.) Die
Theorie der Abnahme der Agglutinationshöhe des Serums für Typhus¬
bakterien nach Ueberstehen von Typhus durch Ueberstehen anderer In¬
fektionskrankheiten lehnt der Autor auf Grund eigener Versuche ab. Er
schliesst sich eher jener Theorie an, die besagt, dass ein infolge eines
Reizes einmal angeregter Sekretionsprozess nicht sofort nach Aufhören
des Reizes erlischt, sondern erst allmählich und individuell verschieden
abklingt. Schmitz - Greifswald.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
Wichman-Helsingfors: Beiträge zur ältesten Geschichte der Ge¬
burtshilfe in Rom. (Arch. f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) Im alten Rom
existierten 2 grundverschiedene Auffassungen von den Geburtskräften iso¬
liert nebeneinander. Die eine war die richtige, mehr oder weniger all¬
gemein bekannte, aus direkter Naturbeobachtung hervorgesprossene
Weisheit der römischen Volkskreise, die andere die auf theoretische
Spekulationen und Bücherweisheit gebaute, von den Hippokratikern ge¬
liehene Lehre der Aerztekreise, dass das Kind die treibende Kraft bei
der Geburt sei. Eine glänzende Ausnahme bildet Galenus, indem er
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1920
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 60.
viele Jahrhunderte früher als seine Kollegen die Auffassung des Volkes
als richtig aufnahra. Die Stellung der Frau während der Geburt war
in der Regel eine halbliegende oder liegende.
Zimmermann - Jena: Ueber die Ursache des überraschend
schnellen Gebnrtsablanfes bei Riickenmarkserkr&nkungen. (Arch. f.
Gyn., Bd. 102, H. 3.) Trotz einer Paraplegie der ganzen unteren Körper¬
hälfte verlief die beobachtete Geburt so schnell, wie man es unter
normalen Verhältnissen bei intakter Bauchpresse nicht hätte erwarten
können. Aehnliche Beobachtungen liegen vielfach vor. Es liegt der
Gedanke nahe, als ob die Tätigkeit des Uterus eine ungezügelte sei,
als ob gegenüber der Geburt unter normalen Verhältnissen gewisse regu¬
lierende Hemmungen ausgefallen seien. Da es fest steht, dass der
Uterus vom Centralnervensystem aus boeinflusst werden kann, so liegt
die Annahme nahe, dass normalerweise durch übermässigen Druck
einer Wehe auf den Beckenboden ein HemmuDgsreilex ausgelöst wird,
der als Schutz vor zu schnellem Durchschneiden des Kindes und dadurch
bedingte Zerreissungen von Bedeutung wäre.
Franz-Graz: Ueber die antiproteolytische Sernin Wirkung in
Schwangerschaft, Gehört nnd Wochenbett und die Bedeutung der Anti¬
trypsinmethode für die serologische Scbwangerschaftsdiagnostik. (Arch.
f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) Die antiproteolytische Serumwirkung ist am
Ende der Schwangerschaft gegenüber dem Serumtiter eines gesunden,
nicht graviden Individuums stark erhöht; diese Erhöhung kann als ein
konstantes Symptom der Schwangerschaft angesehen und daher auch
diagnostisch verwertet werden. Vor der Abderhalden’schen Reaktion
hat sie den Vorzug der viel einfacheren Methodik. Während der Ge¬
burt, und zwar während der Eröffnuugs- und Austreibungsperiode ist
der Serumtiter noch über den der Schwangerschaft erhöbt, sinkt aber
während der Nacbgeburtsperiode wieder. Eine weitere Steigerung er¬
fährt der Titer durch Erkrankungen, die mit einer erhöhten Eiweiss¬
resorption im Organismus einbergehen, wie Anämie und Tuberkulose in
der Schwangerschaft, Fieber und Aduextumoren im Wochenbett.
Hellmuth-Halle: Uebt die Menstruation einen Einfluss auf die
Hämolyse der Scheidenkeime aus? (Mschr. f. Gcburtsh,, 1914, Nov.)
Durch die Menstruation tritt im allgemeinen keine Hämolyse der Scheiden¬
keime ein, selbst nicht bei wochenlangen Metrorrhagien. Gelegentlich
während der Menstruation sich findende hämolytische Keime sind nicht
aus anhämolytischen, unter dem Einfluss der Menstruation entstanden,
sondern durch Invasion oder Inokulation von aussen her in die Vagina
gelangt.
Ahlfeld: Pnerperale Infektion im Anschluss an Retention von
Placentarresten. (Mschr. f. Geburtsh., 1914, Nov.) Im Gegensatz zu
Winter nimmt A. an, dass ohne jedes Zutun von seiten eines Arztes
oder einer Hebamme bei sonst ganz gesunden Wöchnerinnen infolge einer
Retention eines Placentarrestes eine fieberhafte Erkrankung, eine töd¬
liche Selbstintektion erfolgen kann. Er rät daher bei festgestellter, ja
sogar bei nur vermuteter Placentarretention den Uterus auszutasteu,
etwaige Reste mit dem Finger zu lösen und durch Spülung zu entfernen.
Je früher der Eingriff erfolgt, ehe Fieber eingetreten ist, um so ungefähr¬
licher ist es.
Dirks-Marmetschke- Knebel: Gasphlegmone nach kriminellem
Abort. (Mschr. /. Geburtsh., 1914, Sept.) Eine im Collaps. mit Hämo¬
globinurie eingelieferte Patientin gab, nachdem sie sich erholt hatte, zu,
dass sie sich zum Zwecke der Abtreibung einer 4 monatigen Gravidität
mittels Clysopomp ungereinigten Holzessig in den Uterus eingespritzt
hatte. Am nächsten Tage wurde die Frucht spontan ausgestossen, die
Placenta wegen Blutung nach einigen Stunden manuell gelöst. Am
folgenden Tag stieg die Temperatur auf 39°; Icterus, Benommenheit;
über der Glutäalgegend trat eine Schwellung auf, die sich schnell auf
den Oberschenkel ausdehnte und beim Einschnitt gashaltigen Eiter ent¬
leerte. Nach wenigen Stunden Exitus. Im Blut wurde der Fraenkel’sche
anaerobe Bacillus phlegmonis emphysematosae nachgewiesen.
Vörtes-Koloszvär-Berlin: Zur Pathogenese der Eklampsie. (Mschr-
f. Geburtsh., 1914, Sept. u. Okt.) Durch Tierexperimente wurde fest¬
gestellt, dass sich durch arteigenes und sogar durch körpereigenes Ei-
weiss ebenso wie durch artfremdes eine Ueberempfindlichkeit gegen dieses
Eiweiss hervorrufen lässt; sie tritt aber meistens erst nach mehrfachen
Injektionen auf und ist nicht so heftig wie bei artfremdem. Der schwangere
Organismus befindet sich in anaphylaktischem Zustande infolge Resor¬
ption der Zottenelemente, welch letztere von Schmor 1 festgestellt
wurde. Die Eklampsie ist als anaphylaktischer Shock aufzufassen. Dies
ist ersichtlich aus klinischen Symptomen, welche gewisse Aehnlichkeiten
zwischen Ueberempfindliehfeeits-Erscheinungen und Eklampsie aufweisen,
weiter aus jenem Umstande, dass die Organe der in den Tierversuchen
verendeten Tiere ähnliche Veränderungen zeigen, wie die an Eklampsie
Verstorbenen. Auch die Eiweissausscheidung im Urin spricht dafür,
dass die Eklampsie eine Ueberempfiodlicbkeitserkrankung sei.
L. Zuntz.
J. Rouvier-Älgier: Ueber dieBehandlung der puerperalen Eklampsie
durch Morphium uud seine Derivate. (Ann. de gyn. et d’obstr., 1914,
Juni.) Verf. verwendet grosse Dosen Morphium (6 cg und mehr), dessen
diuretische Wirkung er noch durch Helmithol unterstützt. Die nach
Ablauf der Krämpfe oft auftretenden geistigen Störungen (Erregungs¬
zustände, Halluzinationen) bessern sich schnell durch Morphium, eine
Ursache für das Auftreten dieser Störungen sieht R. in der durch zu grosse
(auch therapeutische) Ausblutuüg erfolgten Anämie des Gehirns. Die
Prognose seiner Fälle ist seit energischer Morphiumtherapie bedeutend
besser geworden. F. Jacobi.
Sachs-Königsberg: Weitere Erfahrungen mit Pitegl&ndol in der
Geburtshilfe. Mit besonderer Berücksichtigung der intravenösen In¬
jektion. (Mschr. f. Geburtsh., 1914, Nov.) Indiziert ist das Pituglandol
bei Wehenschwäche, ferner in allen Fällen, in denen eine Geburts¬
beschleunigung notwendig ist, z. B. nach Reposition der vorgefallenen
Nabelschnur oder kleiner Teile, bei Placenta praevia nach Blasen-
spreDgung, bei Fieber. In Betracht kommen ferner Fälle mit engem
Becken massigen Grades, tiefer Querstand, drohende Aspbyxie beim
Fehlen von Weichteilsohwierigbeiten. In der Nachgeburtsperiode findet
es seine Anwendung zur Lösung der Placenta oder Ermöglichung des
Crcde uud bei Atomien nach Ausstossung der Placenta. Kontraindiziert
ist es nur in Fällen mit sehr gesteigertem Blutdruck, bei drohender
Uterusruptur und bei Rigidität der Weich teile und schon geschädigtem
Kind bei alten Erstgebärenden. Das Mittel kann in Pausen von einer
Stunde beliebig oft gegeben werden. In den meisten Fällen genügt die
subcutane Darreichung; wo es auf sehr schnelle und intensive Wirkung
ankommt (Nacbgeburtsperiode, schon geschädigtes Kind), ist die intra¬
venöse Injektion am Platz. Wenn ganz langsam (Va — */* Min- für 1 ccm)
injiziert wird, schadet sie niemals und gibt Resultate, die durch sub¬
cutane Gaben nicht erreicht werden. L. Zuntz.
G o u 11 i o d - Lyon: 5 Fälle von Schwangerschaft nach Myonektenie.
(Ann. de gyn. et de obst., 1914, Juni.) In seinem Material hat G. bei
Verheirateten 12 pCt. Schwangerschaften nach Myomektomie; bei alleiniger
Berücksichtigung der unter 40 Jahre alten Frauen steigt der Prozent¬
satz auf 20 pCt. Die Recidive sind nicht sehr häufig und treten manch¬
mal erst auf, wenn die Frauen schon mehrere Partus nach der Operation
gut überstanden haben. Die Myomektomie, besonders bei Jugendlichen,
ist eine durchaus zu empfehlende Operation. F. Jacobi.
Müller-Strassburg: Beitrag zur Kenntnis der Vaginahnyone.
(Arch. f. Gyn., Bd. 102, H. 3.) Beschreibung von 2 Fällen beim Menschen
und 2 bei Hündinnen. Die klinischen Erscheinungen, die von den
Scbeideufibromyomen hervorgerufen werden, bestehen vor allem in den
durch die Grösse bedingten Beschwerden, in dem Prolaps, dem sero-
sanguinolenten Ausfluss mit der Verjauchung. Diagnostisch kommen
Verwechselungen mit Inversio uteri, Gebärmutterprolaps und Uterus¬
myomen in Frage; Scheidencysten sind durch ihre Resistenz, eventuell
durch Punktion zu unterscheiden. Die Prognose kann allgemein als
günstig angesehen werden.
Nagy - Budapest: Ueber ein Sarkom der Gebärnntter, ent¬
standen auf Grund einer infektiösen Grannlombildang. Zugleich ein
Beitrag zur Frage der Psoriasis nnd Lenkoplaeia uteri. (Arch. f.
Gyn., Bd. 102, H. 3.) Auf Grund der mikroskopischen Untersuchung
eines Falles kommt Verf. zu folgenden Ergebnissen: Die tertiärluetische
Erkrankung der Gebärmutter wird durch plasmazeilige Infiltration des
Muskelgewebes, endo- und perivaskuläre WucheruDgeü, Langhanos’sche
Riesenzellen und ausgedehnte Gewebsnebrosen gekennzeichnet. Die
Drüsenepithelien der Gebärmutterscbleimbaut können durch mehrfach ge¬
schichtete, nicht verhornende Plattenepithelien gutartigen Charakters er¬
setzt werden, welche durch indirekte Metaplasie entstanden erklärt werden
können. Bei diesem Vorgang kommt der luetischen Erkrankung nur
eine solche ätiologische Rolle zu, wie anderen mit Gewebszerstörung
einhergehenden pathologischen Prozessen. Die endovaskulären Intima¬
wucherungen können bösartige blastomatöse Umwandlung erfahren; aus
ihnen entstehen dann Gewebe, welche dem Gesetze der Spezifistät ent¬
sprechend Geschwulstbildungan des Adergewebes sind, das Bild eines
ADgiosarkoms darstellen. L. Zunt*.
de Jong-Paris-. Ovarialveränderungen bei Fibromatosis uteri.
(Ann. de gyn. et d’obst., 1914, Mai/Juni.) Die Verf. gibt einen Ueber-
blick über die noch nicht geklärte Frage der Eiistenz einer interstitiellen
Drüse im Ovar der Frau. Mikroskopische Untersuchungen an 13 Fällen
sowie die Zusammenstellung aus der Literatur geben ein zweifelhaftes
Resultat, immerhin scheint ein gesetzmässiger Zusammenhang zwischen
Periodenstörungen und Veränderungen im Ovar wahrscheinlich. ^
A sehn er-Halle: Ueber Morphologie and Funktion des Ovwiw
unter normalen und pathologischen Verhältnissen. (Arch. f. Gyn., Bd. 10*.,
H. 3.) Die strittige Frage der Bedeutung der interstitiellen Eierstocss-
drüse wurde durch vergleichende Untersuchungen verschiedener Tier¬
klassen zu klären gesucht. Je höher man in der Tierreihe heraufsteigt,
um so mehr dominiert nicht nur phylogenetisch, sondern auch onto-
genetisch das Corpus luteum zu Ungunsten der interstitiellen Eierstock-
drüse. Beim Menschen zeigt sie ihre höchste Entwicklung in den ersten
Lebensjahren und wird mit dem Eintreten der Menstruation d.h. de»
C. 1. auf ein Minimum reduziert; nur während der Gravidität findet wieder
eine Zunahme statt; eine Veränderung bei auf ovarieller Grundlage be¬
ruhenden Blutungen Hess sich nicht nachweisen. Es wurde ferner der
Versuch gemacht, Aenderungen der Ovarialfunktion nach der Abdei
haldenschen Methode (Abbau von Ovarium durch das Serum) zu studieren.
In der normalen Schwangerschaft ist ein Abbau von Ovarium oder > ■
nicht zu konstatieren, wohl aber in vereinzelten Fällen von Schwanger
schaftstoxikosen. Negativ war das Ergebnis bei menstruierenden Fraue,
positiv bei ovariellen Blutungen. Bei Chlorose findet sich ein AM
von Ovarium und Milz; es erscheint daher therapeutisch die Darreicnn g
von Präparaten aus diesen Organen zweckmässig. D. Zuntz.
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UNIVERSUM OF IOWA
14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1921
E. CI aus s-Hamburg: Ueber Dauererfolge der Sehauta-Werthein-
sehen Prolapsoperation. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 46.) Vorf. empfiehlt
zur Heilung grosser Prolapse aufs Wärmste die Schauta-Wertheim’sche
Operation, von der er auch eine eingehende Beschreibung gibt. Er hat
in der Klinik von Grote und Prochownik die Operation in 4 Jahren
62 mal gesehen und sich in 66 pCt. der Fälle von dem guten Resultat
selbst überzeugt. Rechnet er die Fälle noch hinzu, in denen er über
das Resultat nur briefliche Nachricht hat, so erhielt er sogar 72 pCt.
vollständige Erfolge.
A. Ri eck-Altona-Hamburg: Ueber die Gefahren des Intrauterin¬
stiftes. (Zbl. f. Gyn., 1914, Nr. 45.) Gegenüber den Bemerkungen von
Opitz in Nr. 37 des Zentralblatts, welcher mehrfaoh üble Folgen von
der Anwendung des Intrauterinpessars gesehen hat, weist Verf. darauf¬
hin, dass er auch keineswegs das Fehling’sche Glaspessar mit den seit¬
lichen Oeffoungen empfohlen hat, sondern den kurzen, glatten, geknöpften,
metallenen Stift. Von diesem hat er bisher nur Vorteile in bezug auf
die Regulierung der Menses, noch niemals aber die von Opitz beob¬
achteten Nachteile gesehen. Siefart.
Augenheilkunde.
Igersheimer*. Ueber Skotombildungen und die Bedeutung der
Lumbalpunktion bei luetischen Erkrankungen des Opticus. Syphilis
und Auge. (12. Mitt.) (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Viele
Fälle von Mitbeteiligung des Sehnerven bei Lues verlaufen klinisch
latent; entsprechend der ausserordentlich häufigen Mitbeteiligung des
Gentrainervensystems am syphilitischen Krankheitsprozess ist der Seh¬
nerv sehr oft mitergriffen, wobei sich die luetischen Granulationen vom
Chiasma auf den intracraniellen Sehnervenstamm, und zwar von den
MeniDgen sekundär auf das Nervengewebe fortsetzen. In diesen Fällen
ist das Gesichtsfeld peripher konzentrisch oder sektorenförmig eingeengt,
die Papille normal, oder es besteht Neuritis bzw. Stauungspapille. Bis¬
weilen besteht aber das Bild der sog. retrobulbären Neuritis mit cen¬
tralen Skotomen; es zeigen sich dann auch oft Symptome einer AUge-
meinerkrankung des Centralnervensystems. Die Entstehung der Opticus¬
erkrankung durch Einwandern der Spirochäten vom Chiasma her in den
Zwischenscheidenraum und Auslösung der Neuritis durch Vordringen bis
zum peripheren Sehnervenende, wobei das papillo-maculäre Bündel mit¬
betroffen wird, wird durch die Pathologie der sog. Neurorecidive gestützt.
Von Bedeutung für die Pathogenese ist die Liquoruntersuchung, die
einen luetischen Prozess in dem Centralnervensystem oft genug enthüllt.
J. weist darauf hin, dass mitunter bei luetischen Sehnervenerkrankungen
RiDgskotom Vorkommen, ohne dass die Uvea die Ursache hierfür ist.
Lenz: Die hirnlokaüsatorische Bedeutung der Maculaanssparnng
im hemianopischen Gesichtsfelde. (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1
u. 2.) L. vertritt die Ansicht, dass eine Vertretung des ganzen Macula¬
gebiets in beiden Sehcentren am besten das Erhaltenbleiben derselben
bei sonst kompletter Hemianopsie (sog. Maculaaussparung) erklärt; diese
Doppelversorgung beruht nicht auf einer Teilung der macularen Fasern
im Chiasma, sondern auf einer durch die Mitte des Parietallappens
ziehenden Kommissurenbahn, die die jederseitigen Sehbahnen miteinander
verbindet. Nur wenn der Herd central von der Mitte des Scheitel¬
lappens liegt — vollständige Durchtrennung der Sehbahn vorausgesetzt
—, entsteht die Maculaaussparung. Verf. bringt eine Reihe von Fällen,
die seine Theorie stützen und die ihr gemachten Einwände widerlegen
sollen.
K. Böhm: Ein Fall von Membrana popillaris und capsalo-papillaris
persistens nebst Cataracta polaris anterior, zugleich ein Beitrag zur
pathologischen Anatomie und Pathogenese des flydrophthalmns con-
genitns. (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) In dem mikro¬
skopisch untersuchten Augapfel fand sich starke Vergrösserung des
Bulbus, Fehlen des Schlemm’schen Kanals, stellenweise Obliteration des
Kammerwinkels, Abflachung der vorderen Kammer und ausser anderen
weniger bedeutungsvollen Veränderungen die im Titel der Arbeit auf¬
geführten Anomalien. Dieser Befund spricht gegen die Entzündungs¬
theorie des Hydrophthalmus congenitus und für die Annahme, dass er
primären kongenitalen Missbildungen seine Entstehung verdankt.
Staehli: Ueber Megalocornea. (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53,
H. 1 u. 2.) Vier Fälle von klinisch reiner Megalocornea ohne die ge¬
ringsten Zeichen von infantilem Glaukom. Verf. neigt der Ansicht der¬
jenigen zu, die die Megalocornea für einen partiellen Riesenwuchs halten.
Tamamscheff: Zur Frage der geschützten Papille beim Menschen.
(Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Mitteilung eines Falles von
Gfaucoma juvenile heredit. mit Schlitzpupille geringen Grades. Beide
Anomalien werden auf abnorme Wachstums- bzw. Resorptionsverhältnisse
des Mesoderms zurückgeführt, die im Kammerwinkel bzw. Schlemm’schen
Kanal zu lokalisieren sind.
Kußama: Beiträge zur Kenntnis der Durchblutung der Cornea.
(Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Von 2 klinisch beobachteten
Fällen konnte einer mikroskopisch untersucht werden. Die charakte¬
ristischen Einlagerungen im Hornhautparenchym färben sich am besten
nach Mallory; ihr Verhalten gegenüber Oiydasen und Depigmentatoren
lässt sie als eine Art von Melanosiderin erscheinen.
Malcolm Mc.Burney: Diffuse (epibulbäre und palpebrale) Car-
cinose der Conjnnetiva. (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. I u. 2.) Die
Geschwulst war vom unteren Limbus ausgegangen. Es handelte sich bei
der 67 Jahre alten Pat. um einen verhornten Plattenepithelkrebs, der
ein besonderes stark entwickeltes Oberflächenwaohstum aufwies, aber
auch in das Augeninnere gewuchert war. Das Gewebe in der Umgebung
der Neubildung zeigte eine beträchtliche entzündliche Reaktion. In
Lokalanästhesie wurde die Orbita exenteriert.
Berg: Präretinales Aderhantsarkom (Frühperforation der nicht
abgelösten Netzhaut). (Klin. Mbl. f. Aughkd., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Bei
einer 39 Jahre alten Frau wurde ein frei in den Glaskörper gewuchertes
Aderhautsarkom festgestellt, das nicht wie gewöhnlich die Retina abge¬
löst und sich subretinal vergrössert hatte, vielmehr hatte die Neubildung
die Retina frühzeitig durchbrochen und war frei in den Glaskörper
hineingewacbsen. Intra vitam hatte man weniger an eine maligne Neu¬
bildung, als an einen intraocularen Cysticereus gedacht.
Ishihara: Beiträge zur pathologischen Anatomie des metastatischeil
Carcinoms der Chorioidea. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.)
Beschrieben werden ein Fall von metastatischem Plattenepithelkrebs bei
primärem Speiseröhrenkrebs und ein Fall von multiplen, isolierten carei-
nomatösen Capillarembolien der Aderhaut bei Mammacarcinom, in dem
3 isolierte Tumoren und 11 zerstreute Capillarembolien mit Geschwulst¬
zellen festgestellt wurden, jene mit Vorliebe in der Lamina suprachorioi-
dea, diese in der Choriocapillaris gelegen.
Komoto: Ueber einen bisher nicht beschriebenen Timor der Con-
janetiva (Russel’scher Körperchentumor). (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53,
H. 1 u. 2.) Flach erhabener, mehrfach gelappter, grauweisser, ziemlich
derber Tumor in der Uebergangsstelle, der fast nur aus extra- und inta-
cellular gelegenen, stark lichtbrechenden Kügelchen besteht, die verschie¬
den gross und in Alkohol und Aether unlöslich sind. Sie sind maulbeer-
oder traubenartig an geordnet und von ausgesprochener Acidophilie, stellen
also Russel’sche Körperchen dar. Mit Unna leitet K. diese Gebilde von
dpn Plasmazellen ab. Die Entstehung des Tumors wird auf eine chro¬
nische, durch Tabakstaub ausgelöste Entzündung zurückgeführt. Verf.
konnte feststellen, dass die Russel’schen Körperchen binnen 153 Tagen
in tuberkulösem Gewebe entstehen. Da die Epitheloidzellen aus den
Plasmazellen hervorgehen, können sie Russel’sche Körperchen enthalten.
Köllner: Auffallende Unterschiede im Auftreten der anaphylakti¬
schen Hornhautentzündung bei verschiedenen Tieren. (Arch. f. Aughkd.,
Bd. 77, H. 4.) Die zuerst von Wessely erzeugte experimentelle Keratitis
parencbymatosa anaphylactica lässt sich nicht bei allen Tieren in gleicher
Weise hervorrufen. Mit Pferde-, Rinder-, Kaninchenserum und Eiereiweiss
kann man sie ausser bei Kaninchen nur bei Hunden hervorbringen,
während Meerschweinchen, Katzen und Affen gar nicht oder so atypisch
reagierten, dass es zweifelhaft ist, ob die beobachteten Veränderungen
eine lokale Ueberempfindlichkeitsreaktion darstellen.
Römer und Gebb: Untersuchungen über das biologische Verhalten
des Blutserums zum Linseneiweiss bei Katarakt. 4. Mitteilung. Das
Verhalten des Blutserums zum Linseneiweiss bei Altersstar naoh den
Methoden der passiven Anaphylaxie. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 4.)
Verff. suchen die Frage zu beantworten, ob die Methode der passiven
Anaphylaxieübertragung Unterschiede im biologischen Verhalten des
Serums zum Linseneiweiss bei Starkranken im Vergleich zu Nichtstar¬
kranken aufdecken kann. Die Fragestellung erforderte zunächst ein ein¬
gehendes experimentelles Studium der passiven Linseneiweiss-Anaphylaxie.
Es ergab sich, dass diese Methode eine nur unsichere und geringe
Leistungsfähigkeit beim Nachweis etwaiger spezifischer Antikörper be¬
sitzt. Die Versuche, die das Verhalten des Blutserums zum Linseneiweiss
beim Altersstar auf Grund der passiven Eiweiss-Anaphylaxie zum Vor¬
wurf hatten, ergaben, dass in diesen Beziehungen etwas „los 44 ist, dass
aber dieses Phänomen auch mit dieser biologischen Methode bisher
wenigstens noch nicht handgreiflich zu fassen ist.
Koyanagi: Ueber die Lenkocyteninfiltration der Chorioidea bei
Lenkämie. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) In einem Falle
von myeloischer und in zwei Fällen von lymphatischer Leukämie fand Verf.
beträchtliche Anhäufung von Leukocyten im hinteren Abschnitt der
Aderhaut. Während sich bei der myeloischen Leukämie die Leukocyten
in den strotzend gefüllten Gefässen fanden, lagen sie bei der lympha¬
tischen frei im Stromagewebe.
P. Heinrichsdorff: Ein Psammom im vorderen Chiasmawinkei.
(Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Mitteilung eines Falles, in
dem der kirschgrosse Tumor klinisch keine Sehstörungen gemacht hatte.
Birkhaeuser*. Optometer zur subjektiven Bestimmung der Refrak¬
tion. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) K. Steiudorff.
Bergmeister-Wien: Ruptur der M. deseemeti mit partieller
Nekrose der Hornhaut im Gliomauge. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober
1914.) Bei einem Auge mit typischem Glioma exophytum fand sich eine
Ruptur der M. deseemeti, partielle Nekrose der Hornhaut in den tiefer,
central gelegenen Schichten und Bindegewebsneubildung oder Trans¬
formation der von der M. deseemeti entblössten Hornhauthinterflache.
Die Berstung ist auf den erhöhten intraocularen Druck zurückzuführen.
Die Nekrose des Hornhautgewebes lässt sich durch das Vorhandensein
eines Cytotoxins aus den absterbenden Gliomzellen erklären. Dieses
Cytotoxin bewirkt ferner den Anreiz der Endothelzellen zur Bindegewebs¬
bildung. Als Fernwirkung des Giftes lasst sich eine Sklerosierung der
die nekrotische Hornhautpartie umgebenden Randteile, sowie eine paren¬
chymatöse Keratitis leichten Grades annehmen. Auch die im frühen
Stadium vorhandene Entzündung der Iris ist eine Toxinwirkung zer¬
fallender Gliomzellen. G. Erlanger.
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1922
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Isohreyt: üeber Aderbantgoschwfilste. (Arcb.f. Aughlk., Bd.77,
B. 4.) Als 20. zu den bisher veröffentlichten Fällen von Angiom der
Aderhaut gibt Verf. die Krankengeschichte und die mikroskopische Unter¬
suchung bekannt, die einen 17 Jahre alten Patienten betrifft. Das Auge
war blind, der Fundus nicht sichtbar. Der Tumor nahm mehr als die
ganze hintere Bulbusbälfte ein, seine Ursprungsstelle war nicht mehr
festzustellen; er bestand aus Capillaren, die sich zu Kavernen erweitern
können, und aus vereinzelten Venen und Arterien, die dem Gefässsystem
der Aderbaut aDgehören. Die Gefässverteilung spricht für eine Ent¬
stehung der Geschwulst aus den äusseren Aderhautschichten. An ihrer
Oberfläche bestanden Verknöcherungen, die in das Tumorgewebe ein¬
drangen.
K. Steindorff: Vitiligo des Lides und Poliosis nach Stampfer
Verletzung. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Eine jetzt 25 Jahre
alte Patientin war im Alter von 4—5 Jahren mit der linken Stirnseite
gegen eine Kommodenecke gestossen. Nach einiger Zeit entfärbte sich
ein Haarbüschel am Scheitel, ein 1 cm breiter Streifen der Stirnhaut,
der Brauen, der Haut des Oberlids und der Wimpern beider Lider.
Haupthaar und Stirnhaut gewannen ihre normale Farbe wieder; die Ent¬
färbung von Brauen, Wimpern und Lidhaut blieb bestehen und wird auf
trophoneurotische Ursachen zurückgeführt.
v. Speyr: Knpfersplitterverletzung des Glaskörpers. (Klin.Mbl.
f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Entfernung eines frisch eingedrungenen
Kupfersplitters in lokaler Anästhesie durch einen meridionalen Leder¬
hautschnitt. Nach Aufsaugung bzw. Ausziehung des Wundstars betrug
die Sehschärfe mit entsprechenden Gläsern 0,8.
Cramer: Beitrag zur Lehre von den Knochengeschwülsten der
Orbita. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Protrusion und
Verlagerung des Augapfels durch eine kugelige, steinharte Geschwulst.
Sehnerv atrophisch. Eins der auf operativem Wege entfernten Osteome
entleerte eine grosse Menge pechschwarzer, wässeriger, leicht schlei¬
miger Flüssigkeit und sass am Nasenfortsatz des Oberkiefers und des
Stirnbeins; ein zweiter Tumor wurde aus der SiebbeiozelleDgegend ent¬
fernt, ein dritter vom oberen Augenhöhlenrand. Verf. rät, in jedem der¬
artigen Falle zu operieren.
Kazuo Hiwatari: Ueber das Vorkommen des lokalen Amyloids
in der Tränendrüse. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 4.) Kasuistik. Der
Tumor stammte von einer 42 Jahre alten Frau. K. Steindorff.
Foroni-Genua: Ein neues Verfahren zur Beseitigung der Dacryo-
cystitis. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 1914.) Mit dem Web er’schen
Messer werden die Tränenkanälchen und die vordere Wand des Saccus
geschlitzt. Unter Verbreiterung der Oeffnung im Saccus wird das innere
Lidband durchschnitten. Dann wird mit dem Web er’schen Messerchen
in den Ductus eingegangen und die Wand desselben in allen Richtungen
eingeschnitten. Zuletzt Tamponade bis auf die Nase. Dauer der Kur
2—4 Wochen. Die Erfolge sollen gute sein. G. Erlanger.
Erdmann-Hannover: Ueber die Wirkung fortgesetzter Snbconjnnc-
tivaler Injektionen von Nebennierenpräparaten beim Kaninchen und
ihre therapeutische Verwendung beim Menschen. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-
Oktober 1914.) Der Autor empfiehlt die subconjunctivale Injektion von
Nebennierenpräparaten, vor allem des Renoforra, bei verschiedenen
Augenkrankheiten, wie Iritis, Hornhautentzündungen mit sekundärer
Iritis. Ihre Wirkung ist hauptsächlich eine die Mydriasis unterstützende.
Es gelingt nicht selten bei Kombination des Nebennierenpräparats mit
einem Mydriaticum frischere Synechien zu zersprengen, die einem Mydria-
ticum allein widerstanden. Therapeutisch wirksam ist auch die be¬
wirkte Erhöhung des Eiweissgehalls der Vorderkammer, da damit auch
eine Erhöhung des Antikörpergehalts einbergeht. Die druckherabsetzende
Wirkung der Präparate lässt sich auch bei Glaucoraa simples verwenden,
da trotz der Mydriasis eine langdauernde Druckherabsetzung die Folge
der subconjunctivalen Injektion ist. Allgemeine Symptome werden bei
Injektion eines 1 j 2 ccm einer 1 prom. Lösung nicht beobachtet.
G ebb-Greifswald: Chemotherapie in der Augenheilkunde mit Aus¬
schluss des Saivarsans. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 1914.) Die
Arbeit gibt eine Zusammenstellung über die Wirkung der verschiedensten
chemischen Substanzen auf die Bakterien des Auges. Der Reihe nach
wird berichtet überWirkungen auf Staphylokokken, Diplobacillen, Pneumo¬
kokken, Xerosebacillen, Gonokokken, Trachom, Epitheleinschlüsse und
andere Bakterien. Besonders hervorgehoben wird der Wert der Anilin¬
farbstoffe, der Derivate des Chinins auf Pneumokokken. Neuerdings
werden auch Anilinfarbstoffe wie Gentianaviolett, Methylviolett usw. zur
Abtötung des Gonococcus mit gutem Erfolg benutzt. Der Wert des
Argentum nitricum in der Abtötung der Augenbakterien wird aufs neue
bestätigt. G. Erlanger.
M. UribeyTroncoso: Saftströmung im lebenden Auge und in
anderen Organen und ihre Messung. (Klin. Mbl. f. Augbkd., Bd. 53,
H. 1 u. 2.) Leber’s Methode, die intraoculare Filtration zu messen,
fusst auf der falschen Voraussetzung, dass die Menge der in die Vorder¬
kammer eingespritzten Flüssigkeit gleich sei derjenigen, die durch die
vorderen Ciliarvenen austritt. Versuche am lebenden Kaninchen er¬
gaben, dass durch den Karamerwinkel durchschnittlich in der Minute
3,5 cmm Lymphe ausgeschieden werden. Filtrationsversuche am Hoden
widerlegen die Behauptung von Weiss, dass gleiche Ergebnisse an
irgendeiner anderen Körperstelle erzielt werden können; hier ist die
Lymphausscheidung aus den quer durchtrennten Gefässen des Unterbaut¬
zellgewebes und den tiefen, bis zur Cremasterfascie durchschnittenen
Nr. 50.
Gefässen eine sehr geringe (höchstens 0,6 cmm in der Minute), während
nach Eröffnung der serösen Hülle eine andauernde Lymphausscheidung
nachgewiesen werden kann, die beim Kaninchen 3,6 cmm, beim Hände
12 crom in der Minute beträgt. Also sind die Augenkammern physio¬
logisch den Serosac gleich. Der Schlemm’sche Kanal ist kein venö¬
ser Sinus, sondern ein Lymphkanal, dessen ausführende Gefässchen
Lyrophgefässe sind; andere Aestcben, die zu den vorderen Ciliarnerven
in Beziehung stehen, sollen den Ausfluss der Lymphe bei plötzlicher
intraocularer Drucksteigerung regeln. Da der Blutdruck in der Regel
den intraocularen Druck übertrifft, kann das Kammerwasser nicht auf
diesem Wege abfliessen; ind den Vv. eil. antt. muss sogar der Druck
während ihres intrascleralen Verlaufs niedriger sein als der Druck in
der vorderen Augenkammer, und im Schlemm’schen Kanal steigt der
Binnendruck des Auges plötzlich und übertrifft den in den Irisvenen
herrschenden Druck, so kann bis zur Normalisierung des Augendrucks
ein Ausscheidungsstrom durch das venöse System hergestellt werden.
K. Steindorff.
Perl mann-Iserlohn: Ueber die Gewöhnung an die Einängigkeit
und ihren Nachweis. (Zschr. f. Aughlk., Sept.-Oktober 1914.) Verf. lehnt
die Prüfung des Einäugigen hinsichtlich seines Tiefensehens mit den
gewöhnlichen Stereoskoptometern ab. Sie entspricht nicht den Vorgängen
beim Zustandekommen der Gewöhnung und nicht den praktischen Be¬
dürfnissen des Gutachters. Die Wichtigkeit des Tiefensehens für die
Erwerbsfähigkeit wird vielfach überschätzt. Die Wiedergewinnung be¬
ginnt sofort nach dem Verlust eines Auges. Die Gewöhnung tritt daher
bei jedem notwendigerweise ein. Die Gewöhnungsfrist beträgt 1 bis
2 Jahre. Ein Gutachten sollte sich beschränken: 1. auf die nachdrück¬
liche Betonung der allgemeinen gesetzlich und wissenschaftlich aus¬
reichend begründeten Erfahrung, 2. auf den Nachweis einer ausreichenden
Gewöhnungsfrist, 3. auf die Feststellung von der Güte und Leistungs¬
fähigkeit des verbliebenen Auges, 4. auf den Nachweis, dass auch sonst
kein Hinderungsgrund für die Gewöhnung vorliegt. Unterstützend könne
noch verwertet werden: 5. die Lohnverhältnisse, 6. die Arbeitsrerbält-
nisse, 7. geistige Fähigkeiten, 8. das Lebensalter. G. Erlanger.
Stumpf: Ueber einige Methoden zur Untersuchung der Angel mit
Bewegangsreizen. (Arch. f. Aughlk., Bd. 77, H. 4.) Die vom Verf.
ausgearbeiteten Untersuchungsmethoden operieren mit regelmässigen Be¬
wegungsreizen, besonders mit solchen, die starke Bewegungsnachbilder
geben. Ferner wurde das Erkennen der Bewegungsrichtung bei raschen
Linienverschiebungen im fovealen Sehen untersucht, wobei die Beob¬
achtung maassgebend war, dass bei allmählich gesteigerter Geschwindig¬
keit auch unter normalen Verhältnissen das Erkennen der Richtung
immer unsicherer wird, das Sehfeld aber noch einige Zeit bis zur Er¬
reichung der Verschmelzungsfrequenz flimmert. Mit dem von ihm kon¬
struierten Bewegungsperimeter stellte Verf. fest, dass das mit Bewegungs¬
reizen aufgenommene Gesichtsfeld weiter ist als das, zu dessen Aufnahme
ruhende Reize verwendet wurden, und zwar besonders in pathologischen
Fällen. Versuche über das Erkennen der Bewegungsrichtuug im cen¬
tralen Sehen ergaben, dass bei sehr raschen Linienverschiebungen das
Abschätzen der BeweguDgsrichtung aufhört. Obwohl das Beobachtungs¬
feld noch flimmert, und dass bei langsameren Linienverschiebungen das
Aufhören des Flimmerns zusammenfällt mit dem des Richtengerkennens.
Lechner-. Abnorme willkürliche Augenbewegungen. (Klin. Mbl.
f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Verf. berichtet über einen Patienten,
der hinter der bedeckenden Hand das eine Auge abweichen lassen and
wieder einstellen kann, und zwar ganz willkürlich und stets ohne An¬
spannung oder Erschlaffung der Akkommodation.
Wissmann: Zur Frage der Kombination orgaiiseher lid fuktw-
neller Erkrankungen. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd. 53, H. 1 u. 2.) Bei
einer 28 Jahre alten Frau sank plötzlich die Sehschärfe des linken Auges
unter Kopfschmerzen und Schmerzen bei Augenbewegungen; tags darauf
Amaurose links mit Pupillenstarre (bei erhaltener konsensueller Reaktion)
und im übrigen normalem Befund; am Ende der 3. Woche beginnen
Sehvermögen und Pupillenreaktion zurückzukehren, dabei Unscharfe der
temporalen Papillenhälfte, centrales Farbenskotom. Rechts Klagen über
SehverschlechteruDg, der objektive Befund ist negativ, das Gesichtsfeld
konzentrisch eingeengt. Ara Ende der 4. Woche S. = 6 /ie beiderseits,
prompte Pupillenreaktion. Unter starker psychischer Depression engt
sich das Gesichtsfeld beider Augen bis auf 10—15° unter totaler Achro-
matopsie ein. Neurologisch fand sich: links Paresis N. VIII, Babinski-f-,
Bauchdecken-, Achillessehnenreflex (links) —; Patellar- und Achillesclonus,
mannigfache Sensibilitätsstörungen. Es bandelt sich um eine Kombi¬
nation von Hysterie mit multipler Sklerose; dieser ist der Opticusbefund
und die Pupillenstarre, jener die konzentrische Gesichtsfeldeinengungen
und der Sehschärfendbefund zuzuschreiben. Das Verhalten der Sehnen-
reflexe ist wohl organisch bedingt.
S. Holtb: Das Kordenperimeter. (Klin. Mbl. f. Aughlk., Bd, 53,
H. 1 u. 2.) „Ein billiges Tascheninstrument für gute Gesichtsfeldunter¬
suchungen.“
G. H. Sattler: Ein BrillenabstandmesBer. (Klin.MbLf.Aughlk.,
Bd. 53, H. 1 u. 2.) K. Steindorff.
Militär-Sanitätswesen.
.. H * Braun-Frankfurt a. M.: Din Schutzimpfung gegen W“
abdominalis. (Ther. Mb., 1914, Nr. 11.) Artikel zur Orientierung für
einen praktischen Arzt bestimmt.
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Original frum
UNIVERSITÄT OF IOWA
14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1923
G. L. Dreyfus-Frankfurt a. M.: Die Behandlung des Tetanus.
(Ther. Mh., 1914, Nr. 14.) Verf. schildert in eingehender Weise die
Therapie. I. Lokal: Breites Spalten der Wunde, Anfrischung der Wund¬
ränder, keine Verschorfung. Bier’sche Stauung. Kocher rät Auswaschen
der Wunde mit Jodtinktur, Verf. ausserdem Austamponieren der Wunde
mit einem in Tetanustoxin getauchten Tampon. II. Antitoxintherapie.
Im Kriege sollte bei jeder verdächtigen Wunde eine subcutane Injektion
in die Umgebung von 20—60 Antitoxineinheiten am Tage der Verletzung
vorgenommen werden, 1—2 Tage nach der Verletzung muss man höhere
Dosen nehmen. Kurativ bei ausgebrochenem Tetanus genügt die sub¬
cutane Injektion nicht, da müssen 1. intravenös 100—30Ö A.-E., 2. intra¬
lumbal 100—150 A.-E., 3. endoneural 100—200 A.-E., 4. lokal 50 bis
100 A.-E. täglich, also 500—800 A.-E. und das wiederholt 6—8 Tage
lang gemacht werden. Symptomatische Behandlung durch Narkotica,
Morphium, Scopolamin, Chloral, Veronal, Luminal, das letztere empfiehlt
Verf. warm. Die Behandlung mit Magnesiumsulfat, angegeben durch
Meitzer und Auer, geprüft durch Theodor Kocher, Blake und
Logan, ist eine rein symptomatische Therapie auf eine elektive Lähmung
des Nervensystems gerichtet. Garboisäureinjektion nach Bacelli: 0,5
bis 1,5 g Phenol pro die verdient Nachprüfung.
G. L. Tenenbaum.
Unfallheilkunde und Versicherungswesen.
Quensei-Leipzig: Gehirnsyphilis nach Gehirnerschütterung, Tod
durch progressive Paralyse nach 15 Jahren als Unfallfolge. (Mschr. f.
Unfallhlk., 1914, Nr. 8.)
Marcus-Posen: Mitteiluugen eines Falles von Gefässkrampf. (Mschr.
f. Unfallhlk., 1914, Nr. 9.) M. beschreibt einen sehr merkwürdigen
traumatisch entstandenen Fall von Gefässkrampf. Beim Heben einer
schweren Kanne bekam ein Arbeiter plötzlich einen Stich in den linken
Oberarm, der sofort kraftlos herabsank, ein bläulich weisses Aussehen
zeigte und sich kühl anfühlte. Ein Arzt stellte noch am selben Tage
fest, dass der Puls weder an der Radialis, noch an der Ellenbeuge zu
fühlen war, sondern erst in der Achselhöhle. Der ganze Arm war pare-
tiscb. Da sowohl eine Zerreissung der Brachialis wie eine Embolie und
eine Thrombose auszuschliessen waren, nahm M. einen traumatisch ent¬
standenen Gefässkrampf an, zumal der Verletzte schon vorher jahrelang
zeitweise Schmerzen und Schwäche im linken Arm gefühlt hatte.
Melehior-Breslau: Ulcus dnodeni and Trauma. (Mschr. f. Unfallhlk.,
1914, Nr. 8.) M. bespricht ausführlich die Beziehungen des Ulcus duo-
deni zum Trauma. Bei akuten Geschwürsbildungen spielen septische
Prozesse die wichtigste Rolle. Auch können bis dahin latente Geschwüre
unter dem Einfluss einer septischen Schädigung progredient werden.
Die akuten Duodenalgeschwüre nach Verbrennungen sind wahrscheinlich
nur ein Sonderfall der septischen Duodenalgeschwüre. Auch ein opera¬
tiver Eingriff kann das vermittelnde Zwischenglied zwischen infektiöser
Primäraffektion und Geschwürsbildung bilden. Nach Inzision von Ab-
scessen, Laparotomien bei Peritonitis, sowie nach Amputationen, ferner
nach Eingriffen innerhalb der Bauchhöhle sind Duodenalgeschwüre beob¬
achtet worden. Die Entstehung von Duodenalgeschwüren durch direktes
Trauma der Darmwand ist sehr selten. Bereits vorhandene chronische
Ulcera des Duodenums können unter dem Einfluss eines äusseren Traumas
perforieren. Da nach v. Bergmann das Ulcus duodeni auch auf nervöser
Basis entstehen kann, wird eventuell auch dem psychischen Trauma
eine Rolle zukommen.
Thiem-Gottbus: Besserung durch Gewöhnung bei einem Brach in
der Mittellinie des B&aches (Herma lineae albae). (Mschr. f. Unfallhlk.,
1914, Nr. 8.) Auf Grund eines Gutachtens von Thiem wurde die
25 proz. Rente eines Arbeiters, der eine Hernie der Linea alba auf
traumatischem Wege bekommen hatte, auf 15 pCt. herabgesetzt, weil
das Netz an der Bruchpforte angewachsen war und eine Besserung durch
Gewöhnung anzunehmen sei. Das Oberversicherungsamt erklärte, dass
eine Gewöhnung an Bruohfolgen nioht möglich wäre, das Reiohsver-
sicherungsamt aber nahm doch eine Besserung des Zustandes an und
setzte die Rente auf 15 pCt. herab, weil der Verletzte das Bruchband
nur noch tragen brauchte, um ein weiteres Vordringen des Bruches zu
verhindern. H. Hirschfeld.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Vereinigte ärztliche Gesellschaften.
Berliner medizinische Gesellschaft.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 25. November 1914.
Vorsitzender: Herr Orth.
Schriftführer: Herr Israel.
Vorsitzender: Ich habe eine Anzahl geschäftlicher Mitteilungen
zu machen, die teils die Vereinigten Gesellschaften betreffen, teils die
Medizinische Gesellschaft allein.
Was die Vereinigten Gesellschaften betrifft, so habe ich im Namen
der Vorsitzenden der verschiedenen Gesellschaften die Bitte auszu¬
sprechen, es möchten in den Tageszeitungen keine Berichte über unsere
Sitzungen veröffentlicht werden. Es kommen hier jetzt allerhand Dinge
zur Sprache, kriegsärztliche Fragen und ähnliches, die, wie einige Mit¬
glieder meinen, vielleicht zu unangenehmen Erörterungen führen könnten.
Jedenfalls ist in der Medizinischen Gesellschaft schon lange immer dieser
Wunsch geäussert worden, und ich entledige mich also des Auftrages,
ihn auch für die Vereinigten Gesellschaften hier auszusprechen.
Ich habe weiter darauf hinzuweisen, was ja eigentlich nur eine
Konsequenz dessen ist, was ich das vorige Mal mitteilte, dass die Dis¬
kussionen zu den Vorträgen gehören, d. h., wenn der Vortrag in einer
bestimmten Zeitschrift der betreffenden Gesellschaft veröffentlicht wird,
so wird auch die Diskussion in jener Zeitschrift veröffentlicht. Ich mache
es aber bekannt, damit diejenigen, die einer anderen Gesellschaft an-
gehöreo, wissen, dass ihre Diskussionsbemerkungen eventuell in einer
anderen Zeitschrift veröffentlicht werdeD, in der sonst die Veröffent¬
lichungen der Berliner medizinischen Gesellschaft nicht stehen.
Ich habe dann, die Medizinische Gesellschaft betreffend, mitzuteilen,
dass Herr Eulenburg für den Glückwunsch zu seinem 50jährigen
Dozentenjubiläum gedankt hat Herr Geheimer Sanitätsrat Dr. Gütt¬
in an n, Mitglied seit 1888, ist krankheitshalber ausgeschieden.
Durch ein nicht klargestelltes Versehen ist in der Juli-Sitzung be-
kanntgemaebt worden, dass Herr Geheimer Sanitätsrat Dr. A. Jung
gestorben sei. Er hat in einem sehr launigen Briefe mir mitgeteilt,
dass er noch lebt und sich seines Lebens freut. Nun, es ist bekannt:
wer totgesagt ist und noch lebt, der lebt recht lange. Wir wollen
Herrn Geheimrat Jung wünschen, dass dies auch auf ihn zutrifft.
Vor der Tagesordnung.
1. Hr. Backy:
Die Röntgensekandärstrahlenblende als Hilfsmittel für die Lokali¬
sation von Geschossen.
(Erscheint unter den Originalien dieser Wochenschrift.)
2. Hr. M. Rothmann: Zar Symptomatologie der Stirnhirnschasse.
Uns Neurologen strömt augenblicklich das Material in überreicher Fülle
zu, und es ist uns eine wehmütige Genugtuung, dass wir in dieser
Weise jetzt unsere Kraft in den Dienst des Vaterlandes stellen können. War
doch in Deutschland bisher an den Universitäten und den Kranken¬
häusern die Neurologie noch nicht als ein selbständiges Fach anerkannt.
Ich möchte Ihnen heute drei Fälle von Stirnhirnschüssen vorstellen.
Sie wissen ja, dass das Stirnhirn, das in seiner gewaltigen Entwicklung
eine spezifische Eigentümlichkeit des Menschen darstellt, noch zu den
unerforschtesten Gebieten des Grosshirns gehört.
Zunächst zeige ich Ihnen zwei Patienten aus der äusseren Ab¬
teilung des Krankenhauses am Urban (Prof. Brentano), die beide im
Gebiet der Sprache Störungen durch Stirnhirnschüsse davongetragen
haben. Solche Fälle, wie ich sie Ihnen heute in noch unerledigtem,
d. h. in funktionell nicht ausgeheiltem Zustande zeige, sind ja auch
prinzipiell für die ganze flirnphysiologie ungeheuer wichtig, weil wir
hier junge, gesunde, durch die Schuss Verletzung geschädigte Gehirne vor
uns haben, und nicht kranke, duroh Arteriosklerose, Blutung oder Er¬
weichung beeinträchtigte Gehirne, die dann die irrigen Vorstellungen von
ifier Diaschisis, von der eventuell jahrelang bestehenden Stillegung der
Funktion der Hirncentren u. a. m. veranlasst haben.
Der erste Patient hat am 10. IX. einen Streifschuss an dör linken
Kopfhälfte bekommen, einen Granatsplitter wahrscheinlich, der in weitem
Umfange eine Knochenverletzung bewirkt hat. Da er der Sprache be¬
raubt war, wissen wir über die erste Behandlung so gut wie gar nichts.
Jetzt hat er hier an dieser Stelle, wo jetzt noch das Pflaster darauf
liegt, 8 cm oberhalb des oberen vorderen Ohrrandes, einen pulsierenden
Knocbendefekt, der auch auf dem Röntgenbild deutlich hervortritt.
Dieser Patient hatte sofort nach der Verletzung die Sprache absolut
verloren bei erhaltenem Wortverständnis. Er hat jetzt eine leichte Parese
des reohten Arms, daneben eine Parese des rechten unteren Facialis
und auch des rechten motorischen Trigeminusastes. Der Masseter ist
schwach und die Pterygoidei zeigen leichte Parese. Auch das rechte
Stimmband zeigt jetzt noch, nach zwei Monaten, eine leichte Schwäche
und einen etwas tieferen Stand als das linke. Das alles weist darauf
hin, dass die Verletzung bei diesem Manne wahrscheinlich den Fuss der
dritten Stirnwindung befallen hat, der trotz aller Einwendungen Pierre
Marie’s und anderer mit der motorischen Sprachfunktion zusammen¬
hängt, und zugleich den vorderen Teil des Operculum.
In der letzten Zeit hat bei intensiver Uebung eine Restitution der
Sprache eingesetzt. Einzelne Worte werden, vor allem beim Nachsprechen,
bereits herausgebracht. Auch bei der Uebung des Reihensprechens
kommen Zahlen, Wochentage usw., wenn auch mühsam und fehlerhaft,
bereits heraus. Die Sprache fängt also allmählich an, sich zu ent*
wickeln. Dass der Patient seine Sprache weitgehend wiederbekommen
wird, kann man auch daraus schliessen, dass er imstande ist, die Zahl
der Silben eines Wortes anzugeben (Liohtheim-Döjerine’sche Probe).
(Demonstration.) Er hat mit anderen Worten eine innere Sprache.
Das Schreiben mit beiden Händen ist gleichfalls, bis auf Spuren,
aufgehoben. Doch kann Patient kleinere Worte aus Patentbuchstaben
zusammensetzen und mit Verständnis lesen.
Am rechten Arm machen sioh apraktische Störungen bemerkbar.
Die Richtungslinien beider Arme sind normal. Dagegen greift der rechte
Arm beim »Greifversuch“ zu tief und zu weit. (Wird an Arm- und Hand¬
bewegungen demonstriert). Es handelt sich hier also um einen Patienten
mit fast annähernd reiner oorticaler motorischer Aphasie (Broca), mit
leichten rechtsseitigen Paresen in Kopf- und Armgebiet.
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UMIVERSITY OF IOWA
1924
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 60.
Der zweite Patient hier hat einen Schuss bekommen, der oberhalb
des linken Auges hineingegangen und oberhalb des linken Ohrs hinaus¬
gegangen ist. Auch ihn hat mir Herr Kollege Brentano vom Kranken¬
haus am Urban überwiesen, dem ich meinen Dank ausspreche.
Der Patient ist wahrscheinlich Mitte September verletzt worden.
Er bekam sofort ein absolut aufgehobenes Wortverständnis. Auch jetzt
sind erst geringe Spuren von Wortverständnis wiedergekehrt. Er spricht
spontan fliessend, aber er spricht Unsinn. Es besteht bei ihm eine
Jargonaphasie, weil er nioht durch sein Wortverständniscentrum die
Sprache regulieren kann, obwohl die Centren seiner Sprachmuskulatur
und sein motorisches Sprachcentrum erhalten sind. Manchmal bringt er
ganz richtige einzelne Worte heraus, aber er kann sie nieht richtig zu
Sätzen formen. Dieser Patient ist absolut nicht gelähmt. Natürlich
kann man bei dem fehlenden Wortverständnis nicht prüfen, ob er aprak-
tische Störungen zeigt. Doch ist der stereognostiscbe Sinn zweifellos
erhalten; ja, gelegentlich wird durch das Gefühl der Hand das richtige
Wort, z. B. „Messer“, ansgelöst. Es besteht auch völlige Jargonagraphie.
Das Lesevermögen ist aufgehoben bei intaktem Sehen. Hier handelt es
sich um einen Fall von corticaler sensorischer Aphasie (Wernicke) ohne
Lähmung. Das Geschoss, das hier offenbar ein Streifschuss gewesen ist,
muss in dem hinteren Teil der ersten Schläfenwindung eine Verletzung
gemacht haben. Weitgehende Restitution ist zu erwarten; denn bei
Fällen von sensorischer Aphasie tritt das rechtsseitige Sprachcentrum
nach unseren Erfahrungen viel schneller für das linksseitige ein als bei *
der motorischen Aphasie.
Den dritten Patienten, der vielleicht den interessantesten Fall dar¬
bietet, verdanke ich Herrn Dr. Carsten. Er erhielt am 10. September
einen Granatsplitter gegen die linke Stirn. Nach Entfernung eines
Knochensplitters blieb ein tiefes Loch etwa inder Höhe der 2. Stirnwin-
dung. Auf dem Röntgenbilde ist nur eine kleine Verletzung des Knochens
zu erkennen. |
Der Patient hatte im Anfang ganz leichte psychische Störungen, j
Er war eigentümlich träge. Noch wie ich ihn zuerst sah, dauerte es
einige Zeit, bis er, wenn man ihn befragte, trotz guten Verständnisses
antworten konnte. Jetzt antwortet er ganz prompt. (Demonstration.)
Die Sprache ist vollkommen intakt. Der Patient hat auch keine Apraxie;
er kann den rechten Arm frei bewegen.
Nun haben wir in neuerer Zeit durch die Bäräny’schen Unter¬
suchungen gelernt, auf die Richtungsstörungen zu achten. Der Patient
weicht mit dem linken Arm von unten und oben etwas nach innen ab;
mit dem rechten Arm weicht er stark nach aussen ab. Streckt er beide
Arme ruhig aus, so werden Sie bemerken, dass dieselben ganz allmählich
immer weiter nach rechts abgelenkt werden. Wenn ich ihn auffordere,
mit geschlossenen Augen zu gehen, so sehen Sie, dass er stark nach
rechts abweicht. Damit sehen Sie wieder bestätigt, was zum ersten Mal
mein grosser unvergesslicher Lehrer Hermann Munk gezeigt und trotz
aller Einwände siegreich verfochten hat, dass im Stirnhirn ein Gleich¬
gewichtsorgan und das Rindencentrum der Rumpfmuskulatur sich be¬
findet. Bei linksseitiger Stirnhirnstörung muss der Patient daher nach
rechts abweichen.
Nun habe ich in neuerer Zeit in die Neurologie eine Prüfung mit
den Armen eingeführt, die ausserordentlich einfach ist und sehr inter¬
essante Ergebnisse zeitigt, den „Greifversuch“, den ich bereits bei dem
vorigen Patienten kurz demonstriert habe. Ich konnte zum erstenmal
an einem operativen Falle im Gebiet des Gyrus supramarginalis zeigen,
dass auch bei Läsionen der Grosshirnrinde Richtungsstörungen der Ex¬
tremitäten auftreten, nicht nur bei Kleinhirnstörungen. Ferner konnte
ich beim Affen zeigen, dass, wenn man den Gyrus supramarginalis und
die hintere Centralwindung zusammen exstirpiert, trotz normalen Sehens
die Tiere mit offenen Augen mit dem gekreuzten Arm falsch in den
Raum hineingreifeD, so dass sie nicht imstande sind, vorgehaltenes Futter
zu greifen. Jetzt aber mache ich die Erfahrung beim Menschen, dass,
abgesehen von diesem Richtungscentrum hinter dem Sulcus centralis,
vor der vorderen Centralwindung in Verbindung mit diesem Rumpf- und
Gleichgewichtscentrum des Körpers auch ein Gleichgewichtscentrum für
die Arme existiert (Demonstration). Bei unserem Patienten greift der
rechte Arm bei geschlossenen Augen weit nach rechts und vorn an den
Gegenständen vorbei. Dabei ist das Schreib- und ZeiohenvermÖgen des
Patienten nicht gestört.
Diese Störung nun, die sich am rechten Arm zeigt, kann man auch
am rechten Bein nachweisen und, wie ich Ihnen zeigen kann, auch am
Kopf (Demonstration). Auch in der Kopfmuskulatur ist diese Abweichung
nach rechts ganz deutlich ausgeprägt.
Diese Störung des Greifversuchs ist nun ein ausserordentlich häufiges
Symptom. Ich habe jetzt bereits eine grosse Summe von Hemiplegien
daraufhin untersucht. Das Ergebnis ist, dass viele Patienten, die an¬
scheinend keine Lähmung mehr haben, beim Greifversuch eine schwere
Störung zeigen. Bei unserem Patienten ist diese Störung nicht mit
einer Schreibstörung verbunden. Andere Patienten dagegen zeigen
neben dem pathologischen Greifversuch, trotzdem die Sprache erhalten
ist, eine ausgeprägte Schreibstörung. Wahrscheinlich ist der Sitz der
Störung in der zweiten Stirnwindung zu suchen. Hier in dieser Gegend
(zeigend) wird wahrscheinlich auch die Lokalisation bei unserem Patienten
sitzen. Sitzt der Herd etwas weiter nach vorn, so dürfte es wahrschein¬
lich nur zur Richtungsstörung des Armes und zu Störungen beim Greif¬
versuch kommen. Greift diese Störung weiter nach hinten in die linke
zweite Stirnwindung ein, so ist die Störung mit einer isolierten Agraphie
verbunden.
Sie sehen an diesen 3 Fällen, die ich Ihnen heute gezeigt habe,
dass, so furchtbar dieser Krieg in seinen Verwüstungen ist, er uns ge¬
stattet, grundlegende Erfahrungen zu sammeln, die wir sonst nur ausser¬
ordentlich selten und nicht in derartig reinen Formen zu machen im¬
stande sind, und dass wir dadurch befähigt werden, die Hirnlokalisation
und damit auch die Hirnchirurgie in ganz ungeahnter Weist zu fördern.
3. Hr. William Levy: Verletzung der Lunge durch Gewehmhnss.
An dieser rechten Lunge eines russischen Infanteristen, die ich mir
erlaube Ihnen vorzulegen, zeige ich Ihnen die Zerstörungen, welche ein
Gewehrschuss aus 600 Schritt Entfernung gemacht bat. Ich glaube,
dass das Präparat Interesse haben wird für diejenigen Herren Kollegen,
welche jetzt zu kriegschirurgisoher Tätigkeit Gelegenheit haben. Denn
Gewehrschüsse durch die Lunge klinisoh zu beobachten, haben wir jetzt
häufig Gelegenheit; Sektionen bei diesen Verletzungen zu machen aber
recht selten.
Die Gewehrschüsse durch die Lungen, die wir in unserem Lazarett
beobachteten, verliefen ausserordentlich günstig. Meist gingen die Ver¬
letzten, wenn sie 4—5 Tage nach der Verletzung zu uns kamen, ohne
Beschwerden herum. Ein kleiner fester Schorf haftete auf Einschuss-
und Ausschussöffnung; sie hatten kaum zu klagen, selbst wenn das
Projektil dicht beim Herzen vorbeigegangen war, wenn es die Leber¬
kuppe gestreift und zu unserer Ueberraschung oft genug auch dann
nicht, wenn — wie das Röntgenbild zeigte — eine oder mehrere Rippen
zersplittert waren. In einer Anzahl von Fällen entwickelten sich nach
Lungensohüssen Pleuraergüsse; die trübe blutigseröse Flüssigkeit stieg
schnell bis zur Höhe der Schultergräte oder auch noch höher an. Wir
haben die Leute für einige Zeit in die Betten gesteckt; die Ergüsse
haben sich dann ebenso schnell zurückgebildet, wie sie gekommen waren.
So hatteo wir nach Gewehrschüssen durch die Lunge nur Gelegen¬
heit zu Sektionen, wenn die Verletzten an Komplikationen zugrunde
gingen, ln zwei Fällen führte Verletzung des Rückenmarks zum Tode;
in dem Falle, von dem dieses Präparat stammt, schwere Infektion, mit
der der Kranke eingeliefert wurde. Schon bei seiner Aufnahme machte
er den Eindruck eines Schwerkranken. Er warf geballte, blutdurch-
trankte Sputa aus, fieberte hoch, hatte schnellen und kleinen Puls.
5 Tage vorher hatten ihn in 5 Minuten drei Gewehrschüsse ge¬
troffen. Der eine ging durch den rechten Unterschenkel. Die Wunde
sah gut aus, kleiner Einschuss und Ausschuss, beide Unterschenkel¬
knochen zersplittert. An der rechten Hand war der vierte und fünfte
Finger zerfetzt; die Wunde schmierig, übelriechend. Ein dritter Schuss
war von links oben nach reohts unten gegangen. Das Projektil hatte
den linken Unterkieferwinkel gestreift, war in das rechte Sternoclavi-
culargelenk ein getreten und ausgetreten am unteren Rande des rechten
grossen Brustmuskels in Höhe der Brustwarze. Ueber diesem Muskel
war die Haut emphysematos, die zweite bis vierte Rippe waren ge¬
brochen; Einschuss- und Ausschussöffnung groschengross, übelriechend,
stark jauchend. Der Kranke lebte nur wenige Tage; er fieberte an¬
dauernd hoob, am letzten Tage entwickelte sich Trismus. Bei der
Sektion (Prof. Ben da) fanden sich metastatische Herde in der linken
Lunge. Wie Sie an dem Präparat sehen, hat das Geschoss aus der
vierten rechten Rippe in Splittern ein 2 cm langes Stück heraus¬
geschlagen. An der rechten Lunge sehen Sie an der Vorderfläche des
Oberlappens einen Streifschuss. Aber das Projektil hat nicht, wie vir
es oft seheD, eine schmale Rinne mit glatten Rändern gemacht, diese
Rinnen sind oft so schmal, dass sie kaum dem Kaliber des Projektils
entsprechen. Hier sehen Sie eine breite Furche mit zerfetzten Rändern
und besonders im oberen Abschnitt mit weit ausgebuchtetem Grunde,
und von der vierten Rippe sind Knochensplitter tief in das verletzte
Lungengewebe eingedrungen.
Tagesordnung.
Hr. Morgenroth: Die Chemotherapie der PnenmokokkeoiBfektioi.
(Ist in Nr. 47 und 48 dieser Wooheusohrift bereits abgedruckt.)
Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie zu Berlin.
Sitzung vom 13. November 1914.
Vorsitzender: Herr Franz.
1. Der Vorsitzende hält einen in warmen Worten gehaltenen Nach¬
ruf für die verstorbenen Mitglieder Fassbender, Bunge und Gott¬
schalk und erinnert auch an deren Verdienste um die Wissenschaft.
2. Betreffs der Sitzungen während der Kriegszeit wird auf Antrag
Franz und Rüge beschlossen, dass die Gesellschaft ihre Sitzungen
weiterhin für sich, aber nur alle 4 Woeben abhält. ,
3. Hr. Aschheim zeigt einen Ovarialtumor, der verkalkt ist uoa
bis auf eine einzige Testierende Cyste aus Knochengewebe besteht. Ua
hierzu niemand das Wort ergreift, sohliesst der Vortragende gleich seinen
Vortrag „Zur Histologie des Endometriums“ an.
Vortr. hat vor einem Jahre den Glykogengehalt des EDdometnuo
in der prämenstruellen Phase demonstriert. Er hatte damals oie
Osmiummethode angewendet, die sich aber für grössere Stücke me
eignet. Weiter kommt man, wenn man die Stücke gefrieren lasst un
daun einbettet. Er hat sich jetzt mit den hier vorkommenden
stoffen befasst, die er kurzweg als Lipoide bezeichnet. Diese °
finden sich im Epithel, in den Lumina der Drüsen und im Stroma, .
als Tropfen, teils als Körnchen, teils als Sand. Er hat 196 ra e
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UMIVERSITY OF IOWA
14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1926
Intervall, wahrend der Menses und kurz nachher untersucht. Es wurden
67 mal die Drüsen ohne Fett gefunden, 47 mal FettkÖrnohen oder Fett¬
stäubchen. Fetttröpfohen enthielten insgesamt nur lOpCt. der Fälle.
Ganz anders war der Befund in der prämenstruellen Phase, wo sich in
80pCt. der Fälle Fetttröpfchen fanden, und während der Menses, wo
fast stets Stäubchen oder Körnchen sich fanden. Das Merkwürdigste
ist, dass sich nicht finden lässt, woher das Fett eigentlich stammt. Da
sich fettige Degeneration nicht beweisen lässt, sind es vielleicht nur
Stoffwecbselprodukte. Dementsprechend auch der Hanptbefund in der
prämenstruellen Phase. Wenn die Lipoide Rückbildungsprodukte dar¬
stellen, weshalb sollte dann schon die Decidua degenerieren? Daher
nimmt man an, dass diese Stoffe ebenso wie das Glykogen der Ernährung
des Fötus dienen. Was aber bedeuten diese Stoffe in der prämen-
struierenden Phase? Nach neueren Untersuchungen ist erwiesen, dass
die Uterusschleimhaut mit den Menses Arsen, Phosphor und Kalk aus¬
scheidet, und dem Glykogen kommt eine giftbindende Eigenschaft zu;
es ist also anzunehmen, dass die Uterusschleimhaut ein mächtiges ex-
kretorisches Organ ist. Ferner ist es nicht so fern anzunehmen, dass
die Decidua speziell, aber auch die normale Schleimhaut innersekre¬
torische Eigenschaften hat. Ein Beweis dafür ist noch nicht geliefert.
4. Gemeinsame Erörterung über Mutterfdrsorge im Kriege.
Hierzu erteilt der Vorsitzende Hrn. Strassmann als Urheber dieses
Punktes der Tagesordnung das Wort. Derselbe bespricht des längeren,
ob und in welcher Weise die Gesellschaft oder das einzelne Mitglied
helfen könnte durch Zurverfügungstellung von Betten für Frauen, deren
Männer im Kriege sind. Demgegenüber stellen HHr. Franz, Koblank
und Keller fest, dass in allen öffentlichen Gebäranstalten noch absolut
kein Mangel an Betten ist, dass im Gegenteil die vorhandenen noch gar
nicht einmal besetzt sind, und Hr. Czempin bemerkt, dass das Rote
Kreuz sich mit dieser Flrage bereits befasst hat. Entgegen einem Vor¬
schlag von Hrn. Schaffer, dass die Gesellschaft für diesen Zweck von
ihrem Vermögen etwas geben solle, bemerkt Hr. Rüge als Kassenführer,
dass die Gesellschaft keineswegs dazu in der Lage sei.
Daraufhin wird der Vorschlag, über die Anträge in diesem Sinne
zur Tagesordnung überzugehen, angenommen. Siefart.
Gesellschaft für innere Medizin nnd Kinderheilkunde zn Wien.
Sitzung der pädiatrischen Sektion vom 12. November 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Unger demonstriert ein 14 Tage altes Kind mit Asymmetrie
des Rumpfes und mehrfachen Missbildungen.
Das Kind wiegt 2850 g und ist 56 cm lang. Die beiden unteren
Extremitäten sind verkümmert, der rechte Unterarm ist abgeschnürt, der
Processus vaginalis ist offen. Die Missbildungen sind auf einen fast
vollständigen Mangel an Fruchtwasser zurückzuführen; das Kind hat sich
in einem Horn eines Uterus bicornis entwickelt.
Frau Hirsch zeigt das anatomische Präparat einer Oesophagns-
Tr&chealflstel.
Hr. Schick demonstriert aus der Kinderklinik einen 12 jährigen
Knaben mit progressiver Paralyse.
* Der Knabe hat sich bis zum 8. Lebensjahre gut entwickelt, seither
wurde er zunehmend apathisch, zeigte Sprach- und Gehstörungen. Der
Zustand hat sich wesentlich verschlechtert, die Intelligenz ist sehr ge-
gestört, der Knabe kann nur inartikuliert sprechen, die unteren Ex¬
tremitäten sind spastisch gelähmt, die Sehnenreflexe hochgradig ge¬
steigert, die Bauchdeckenreflexe fehlen. Die Pupillen sind ungleich
weit und reaktionslos. Die Wassermann’sche Reaktion ist im Blute
positiv, ebenso auch bei der Mutter. Der Vater ist an Tabes ge¬
storben. Es liegt ein Fall von juveniler progressiver Paralyse mit sehr
frühzeitigem Beginn vor.
Hr. Schick demonstriert einen 9 Monate alten Zwilling mit Myx¬
ödem, während der andere Zwilling gesund ist.
Das Kind war anfangs lebhaft, am Ende des 3. Lebensmonates
wurde es interesselos, es schwitzt nicht, hat eine grosse Zunge, ist auch
sonst in der Entwicklung zurückgeblieben. Die Fontanelle hat 3 cm
Durchmesser, Zähne fehlen. Jetzt ist der Zustand infolge der einge¬
leiteten Thyreoideatherapie etwas gebessert. Da das Kind bei der Geburt
kein Symptom von Myxödem gezeigt hat, musste die Schilddrüse der
Mutter für die Funktion der kindlichen Schilddrüse vikariierend ein¬
getreten sein.
Hr. Januschke stellt einen Fall von Bromoderma vor.
Ein mit Bromnatrium behandeltes epileptisches Mädchen bekommt
in der letzten Zeit warzenartige Hautwucherungen. Der Versuch einer
Beseitigung derselben ohne Unterbrechung der Bromzufuhr ist eingeleitet.
Hr. Jana8chke bespricht die Wirkung der eiweiss-fettfreien Kost
hei der Behandling insuffizienter Herzen und demonstriert Kurven
von 3 Fällen.
Es wurden neben Digifolinbehandlung eiweiss-fettfreie oder eiweiss¬
fettarme Tage in die fleischfreie Kost eingeschaltet; die Kost bestand
an solchen Tagen in 100—140 g Dextrose in Tee oder Limonade allein
oder mit drei Semmeln, einigen Kakes und Gemüse, Suppe und Obst
(aber keine Leguminosen). Die Kompensation trat überraschend schnell
ein nnd, digitalisrefraktäre Herzen reagierten wieder auf Digitalis. Die
Diät kann noch dort Erfolg bringen, wo die Karrel’sche Milchkur
versagt.
Hr. v. Pirquet demonstriert ein von Lewinsohn angegebenes
Mundspatel für Säuglinge. Ferner zeigt er eine Trikothinde zum Er¬
satz der Nabelbinde.
Hr. v. Pirquet:
Zusammenhang zwischen der Länge nnd dem Gewichte bei Kindern.
Dieser Zusammenhang wurde bisher vernachlässigt. Vortr. bat mit
dem von ihm angegebenen Maassbande, für welches die Kammerer’schen
Zahlen verwendet wurdeD, Versuche angestellt. Es ergab sich im all¬
gemeinen, dass Kinder, welche dieselbe Länge haben, einander auch in
bezug auf die übrigen Dimensionen ziemlich ähnlioh sind, ausgenommen
den Fett- und Muskelansatz. Bei Benutzung des Messbandes wurde
konstatiert, dass die für Würzburg gültigen Kammerer’schen Zahlen
für Wien nicht ganz stimmen. Vortr. ist damit beschäftigt, diese
Zahlen für die Wiener Verhältnisse festzustellen. Es wurden bisher
diese Untersuchungen bei Neugeborenen durchgeführt, und zwar an
200 Knaben und 200 Mädchen an der Klinik Schauta. Von den
200 Knaben maass der kürzeste 43 cm, der längste 53 cm, bei den
Mädchen sind die betreffenden Maasse 44 und 52. Die meisten
Mädchen (60) hatten eine Körperlänge von 49 cm, 19 eine solche von
50 cm. Von den Knaben batten 42 eine Länge von 49 cm und 44 eine
solche von 50 cm. Die Knaben sind im Durchsohnitt um 1 cm länger
als die Mädchen. Bezüglich des Gewichtes ergab sich, dass einer be¬
stimmten Länge auch ein bestimmtes Gewicht entsprach, und dass es
proportional der Länge anstieg. Zur Vergleichung des Verhältnisses
zwischen Länge und Körpergewicht wurde eine Verhältniszahl gewählt,
welche sich aus dem Kubus der Länge dividiert durch das Körper¬
gewicht ergibt. Die Vergleichung dieser Verhältniszahlen ergab inter¬
essante und konstante Befunde. Die neugeborenen Kinder sind ver¬
hältnismässig voluminöser als ältere, weil sie kurze Extremitäten haben.
Zu Beginn der Pubertät sind die Kinder am magersten, später setzen
sie wieder Fett an. H.
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.)
Sitzung vom 1. Dezember 1914.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Friedenthal demonstriert eine Schutzvorrichtung gegen Ver¬
breitung von Kriegsseuchen in Baraeken nnd Krankenhäusern; der
Kranke kann auch transportiert werden und auch noch einen Respirator tragen;
das ist für Scharlach wichtig, wo die gesamte Haut als Infektions¬
quelle gilt. Zum Schutze gegen Uebertragung von Darminfektionen trägt
der Kranke innerhalb des imprägnierten, dichtschliessenden Ueberzuges
noch eine Schutzhose mit wasserdichter Einlage und Einlage nach der
Art der Menstruationsbinden. Der Anus sollte ebenso wie eine infek¬
tiöse Wunde behandelt d. h. der Verband öfter gewechselt werden.
Vor der Entleerung bediene sich der Kranke dichter Handschuhe. So
braucht das Bett nicht verseucht zu werden. Die Hände kann man noch
mit Eucalyptusöl usw. abreiben. Die Kranken 9ind sehr zufrieden und
machen noch auf Infektionsmöglichkeiten aufmerksam.
Tagesordnung.
Ueber Kriegsaneurysmen und deren Behandlung.
Hr. Bier hat, als Marin egen eralarzt zu totaler Arbeitslosigkeit ver¬
dammt, da die englische Flotte keinen Angriff wagt, in Berlin ein reiches
Arbeitsfeld gefunden und unter anderem in 2 Monaten 43 Aneurysmen
an 42 Verwundeten operiert; es waren betroffen Uiaca externa, Femo¬
ralis, Poplitea, Profunda femoris, Tibialis anterior, Subclavia (intratbora-
cica und intraclavicularis), Axillaris, Cubitalis, Radialis, Ulnaris, Carotis
interna und externa, Temporalis und Occipitalis. Ein Kranker hatte zu¬
gleich ein Aneurysma an der Teilungsstelle von Ulnaris und Radialis
(das eine Gefass wurde unterbunden, das andere genäht) und eiüs an
der Tibialis anterior.
Von den 43 Aneurysmen waren 28 arteriell, die anderen arterio¬
venös. Die traumatischen Aneurysmen sind Aneurysmata spuria; die
Arterie bekommt ein Loch; von diesem aus wühlt das Blut die Muskel¬
zwischenräume auseinander. Die Höhle geht oft bis auf die andere Seite
der Extremität. Die grösste Höhle war kindskopfgross. Oft sind es gar
nicht grosse Arterien. Selbst Ablösungen des Periots kamen vor; die
Entstehung ist Vortr. Dicht klar. Zunächst füllt sich die Höhle mit
Blut, das gerinnt und darin bildet sich eine napfförmige Höhle. Dort
ist flüssiges Blut, schon früh zeigt sich eine Andeutung von Haut in
Zwiebelschalen-AnordnuDg. Die Ränder bilden Muskeln und Fascien.
Es ist ein pulsierender Bluterguss. Ist die Arterie durebtrennt (abge¬
schlossen), so gibt es kolossale Höhlen. Mit der Zeit resorbiert und
organisiert sich der Sack, es findet sich eine richtige Haut.
Das arteriovenöse Aneurysma entsteht, wenn das Geschoss gleich¬
zeitig beide Gefässe verletzt; es kommt entweder zu direkter Verwachsung
beider Gefässe. Das Blut strömt aus der Arterie in die Vene; letztere
ist aufgebläht. Oder es entsteht der Varix aneurysmaticus, die gegen¬
überliegende Wand ist varicös ausgebnehtet.
Das arterielle Aneurysma macht die grössten Höhlen, der Varix nur
daun, wenn die Vene abgeschlossen ist. Die Vene thrombosiert oft,
während die Arterie offen bleibt. Zwischen beiden Enden der Arterie
besteht trotzdem noch Circulation.
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Gch igle
Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1926
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 50.
Die Symptome sind klar; das arterielle Aneurysma pulsiert, und
man hört systolisches Geräusch; letzteres ist aber nicht nötig. Das
arteriovenöse Aneurysma zeigt dauerndes verstärktes systolisches Sausen,
das "weit über die Venen weg zu hören ist; dazu kommt die Knochen¬
leitung; trotzdem wird es häufig verkannt. Denn es kommen oft Entzün¬
dungen vor, die einen Abscess Vortäuschen.
Der älteste Fall war knapp 3 Monate alt, als er zur Operation kam,
der jüngste 8 Tage.
Die Beschwerden sind erheblich, Schwirren und Brausen bei arterio¬
venösem Aneurysma, Muskelkontrakturen (der gesamten Extremität, z. B.
bei Aneurysma der Cubitalis), Oedeme.
Die alte Behandlung, die Unterbindung, führte Vortr. in 14 Fällen
aus; 10 mal waren es kleinere Gefässe bis zur Carotis interna. Hier
spielt die Circulationsstörung keine Rolle. Viele Fälle waren infiziert.
Ein Aneurysma der Axillaris zeigte schlimmste Blutung, Bewusstlosigkeit
und spontaner KotabgaDg bestand; die Höhle war schwer infiziert. Viel¬
fach sind die Arterien so geschrumpft, dass ein Collateralkreislauf an¬
zunehmen ist; 2 mal unternahm Vortr. die Unterbindung der Subclavia
innerhalb des Thorax. Der eine Fall verlief gut, der andere starb an
Thrombose der Carotis. Besser ist es, die Anonyma freizulegen, die
Subclavia zu resezieren, von beiden Seiten an den Sack heranzugehen
und die Naht der Subclavia auszulühren.
Sonst hat Vortr. regelmässig genäht, und zwar meist seitlich; 15mal
resezierte er die Arterie und nähte ringförmig; meist waren das grosse
Arterien; 3mal nahm er die Venentransplantion vor; aber fast immer genügt
die ringförmige Naht. Dieselbe ist zwar schwerer als die Unterbindung;
er legt zu jeder Seite eine Knopfnaht, so dass Intima auf Intima
kommt und versorgt dann die Ränder mit fortlaufender Naht. Stets
haben die Gefässe sofort pulsiert, besonders die peripherischen. Die
seitliche Naht ist noch einfacher. Schwer ist aber die Operation des
arteriovenösen Aneurysmas, vor allem die restlose anatomische Freilegung
des ganzen Sackes; sonst macht man Fehler. Einmal heilte die Arterie
glatt, aber es blieb eine arteriovenöse Fistel; das Geschoss hatte eben
beide Wandungen der Arterie durchschlagen. Hier schneidet man den
Sack auf, trennt beide Gefässe und näht seitlich beide Löcher zu. Meist
wird der Schlitz in der Längsrichtung genäht. Einmal wurde die Arterie
bis zur Hälfte der Lichtung verengt; die Blässe des Fusses verschwand
aber sehr bald. Auch die circulare Naht ist zweckmässig; das Gefäss
ist sofort durchgängig und pulsiert. Wichtig ist ein gutes Instrumentar,
Höpfner’scbe Klemme, feine Nadeln, gerade und gebogene. Bei zu
grossem Defekt ist die Transplantation einer Vene nötig. Nach der Naht
sah Vortr. dreimal Störungen, heftige Schmerzen — ein Zeichen der
Kreislaufstörung — die Wunde war infiziert; die Arterie lief frei durch
die Abscesshöhle und war thrombosiert. Er resezierte; die Naht erwies
sich als einwandfrei.
Bei Venentransplantionen muss man die Klappen in der rechten
Stellung einbringeD; sie gelang einwandsfrei. Aber die Venen sind un¬
geeignet; sie sind zu elastisch und müssen zuweilen gedehnt werden;
sie thrombosieren zudem leicht. Man muss die Nebenäste der Arterie
möglichst schonen. Mit den Klemmen bringt man dann die freigelegten
Enden einander möglichst nahe. Hat man die Hälfte genäht, so besteht
keine Gefahr des Einschneidens mehr. Man muss möglichst viel ohne
Rücksicht auf die Schwielen von der Arterie zu erhalten suchen; hart
am Loch abschneiden soll man und nur da transplantieren, wo ganze
Abschüsse der Arterien erfolgt sind. Auch die Vene soll man aus der
Schwiele entwickeln, Vortr. ist es immer restlos gelungen; ein Schmiss
schadet nichts. Die Venennaht ist unerheblich. Nur bei Thrombose
wird unterbunden.
Von Misserfolgen der Naht erlebte Vortr. einmal Thrombose der
Poplitea, dann eine Nachblutung aus einem Zweige der Subclavia bei
Aneurysma arteriovenosum mit locheisenförmiger Oeffnung, die Ligatur
hatte auf dem Aste nicht gehalten, die Wunde war nicht aseptisch. Bei
dem Aneurysma popliteae zeigte sich geringe Blaufärbung nach der
Resektion; er nahm Verbindung mit dem grösseren Gabelgefäss vor; das
kleinere wurde abgebunden.
Von Todesfällen starben zwei an Aneurysma subclaviae intra-
thoracicum mit Thrombose der Carotis und Nachblutung bzw. an Sepsis.
Die Infektionsgefahr ist nicht zu unterschätzen. Daher soll mau
operieren jederzeit, wenn aseptische Verhältnisse vorliegen. Aber die
Wunden auch des Infanteriegeschosses sind nicht aseptisch. Der Körper
wird damit fertig, wenn man ihn in Ruhe lässt. Oefter fand Vortr. in
der Tiefe kleine Abscesse, er exstirpierte sie und nähte zu; es erfolgte
Heilung per primam. Die Eröffnung der Bindegewebsscheiden ist ge¬
fährlich; gefährlich sind auch die Steckgeschosse; mehrfach sah Vortr.
Infektion. In späteren Fällen erzielte er absolute Heilung. Man soll
warten, bis die Schusskanäle geschlossen sind, und Steckgeschosse vorher
entfernen; 5 mal führte Vortr. in schwer infizierten Höhlen die Unter¬
bindung aus; der Erfolg war immer gut; 4mal operierte er in der
Blutung. Ein junger Soldat verträgt vieles. Zur Betäubung wurde meist
allgemeine Narkose mit Aether verwendet; die Operationen dauerten oft
bis zu 3 Stunden, und der Aether wirkt bei Blutverlusten schnell und
wirkt zugleich als Stimulans.
Ueber Sclinssverletzaiigeii der Leber.
Hr. L. Landaa: Die Leberwunden machen lOpCt. aller Bauch¬
wunden aus; sie sind je nach den Zeiten verschieden prognostisch be¬
handelt worden. Einst für absolut letal erklärt, galten sie später als
einfache, leicht heilende Wunden; aber das letztere trifft nicht zu; denn
diejenigen Fälle, die gar nicht zu uns gelangt sind, werden nicht ge¬
zählt. Man muss also individualisieren. •
Der 29 jährige Soldat, am 16. IX. an der Aisne verwundet, konnte
zum Verbandplatz noch eine Stunde laufen. Am 17. IX. kam er ins
Kriegslazarett, die Wunde heilte. Am 4. X. wurde er weggeschafit und
kam am 8. X. nach Schöneberg. Er ist stark abgemagert, elend, Puls
wenig beschleunigt. Meteorismus, Stöhnen und Wimmern. Die Schuss¬
wunde war verheilt. Der Einschuss sass in der Mamillarlinie rechts
unter dem Rippenbogen, der Ausschuss dicht über der Crista. Er ver¬
fiel immer mehr. Erst am 24. X. nahm der Meteorismus ab. Nun fand
sich Dämpfung der abhängigen Flanken und Fluktuation. Bluterguss,
Fremdkörper, Abscess, Gallenblasenperforation waren auszuschliessen.
Die Probepunktion ergab gelblichbraune Flüssigkeit. Wegen Kachexie
dachte man an eine interkurrente Krankheit, Tuberkulose oder Careinom
und eröffnete den Leib vom Nabel bis zur Symphyse. Sofort stürzten
2 V 2 —3 l gelbbrauner Flüssigkeit aus dem Leibe. Es war reine Galle;
der Gallenfarbstoff gehörte der Lebergalle an; keine Spar von Ent¬
zündung, keine Hyperämie, keine Adhäsion. Die Flüssigkeit war reizlos
im Bauch verblieben. Die Leber zeigte überall reichliche gelatinöse,
gelbbraune, schleimige Massen; ebensolches zeigten die Dünndarm-
schlingen, aber keine Verklebung; keine acholischen Stühle. Es handelte
sich hier wohl nur um eine Intoxikation mit den gallensauren Salzen,
die wohl das Leben vernichtet hätte.
Der unterste Punkt des Ausschusses war wohl so gelegen, dass er
mit der äusseren Haut nicht so korrespondierte, dass sich Serosa mit
Serosa deckte, dass also der Schuss wohl den rechten äussersten
untersten Zipfel der Leber so streifte, dass er nur in der Leber einen
Kanal, ausserhalb einen Halbkanal bildete, der mit der äusseren Haut
nicht mehr zusammenhiog. Der Kranke hat nie einen galligen Ausflass
aus einer SchussöffnuDg gesehen. ,
Vortr. 9chlägt für dieses Ereignis den Namen Cholaskos vor. Diese
Gallenansammlung ist auch im Frieden bekannt, z, B. bei Selbstmord¬
versuchen, Stichen, Kontusionen, vor allem da, wo die Gallenblase durch
Ulcus oder Steine zum Bersten kommt. Bisher unbekannt war der
Gallenfluss aus intrahepatischen GallengäDgen; es wurde kein grosserer
extrahepatischer Gallengang verletzt, denn Patient behielt seine Gallen¬
funktionen. Die grosse Gallenmenge kommt auch bei Operationen an
Leberechinokokken vor. Sie schadet nicht.
Man soll nicht versuchen, diese Absonderung durch Tamponade
oder Beizung mit Lapis zum Schwinden zu bringen. Denn sie spült
die nekrotischen Fetzen fort. Sonst kommt es zu Retention und Störung
der Heilung. Die Entleerung soll nicht durch Punktion vom Rectum
oder Bauch aus geschehen, denn dann besteht Infektionsmöglichkeit.
Lediglich der Schnitt von Symphyse bis Nabel ist zu empfehlen, da er
die Abtastung auch der Organe von unten her gestattet Mode.
„Silbernitrat oder Silbereiweiss. Eine thera¬
peutische Frage.“
(Entgegnung auf den gleichnamigen Aufsatz in No. 38 dieser
Wochenschrift.)
Von *
Dr. Mobr-Cöln.
Unter diesem Titel ist in Nr. 38 ein interessanter kurzer Aufsatz er¬
schienen, der sich in dankenswerter Weise damit befasst, eine in der
Therapie bisher als Tatsache hingenommene Behauptung unter die Lupe
der Kritik zu nehmen. Derartige Revisionen sind sicherlich berechtigt, da
in der Medizin gar manche Auffassung, für welche nie ein Beweis ver¬
sucht worden ist, gutgläubig hingenommen wird. In dem konkreten
Fall, den H. Lublinski den Lesern der „B.kl.W.“ vorträgt, sind wir
jedoch nicht seiner Meinung.
Lublinski stellt die Frage: Was wirkt im Argentum nitricuo-
Die Antwort wird von den massgebenden Autoren verschieden gegeben.
Paul und Krönig 1 ) glauben, dass der Effekt der verschiedenen Silber¬
präparate nicht bloss vom Metallion abhängt, sondern auch die Wirkung
des Anions dabei in Frage kommt. Die landläufige Auffassung ist, dass
es sich beim Silbernitrat um AetzwirkuDg sowohl des Silbers als der
Salpetersäure handele, denn fast alle hydrolytisch dissoziierten Schwer-
metallsalze (die sauer reagierenden Kupfer- und Eisensalzlösungen u.aO
besitzen eine ähnliche, nur schwächere Aetxwirkung wie die freie Säure.
Es würde demnach durch Eiweissfällung sowohl Säurealbuminat wie
Silberalbuminat gebildet werden.
Wahrscheinlich handelt es sich aber doch nur um Silberionen¬
wirkung:, wie folgende Ueberlegung zeigt: Die Höllensteinlösangen rea¬
gieren neutral, da das Silber — im Gegensatz zu anderen Schwer-
metallen wie Kupfer und Eisen — als starke Base wirkt, welche keine
sauren Salze liefert. Wie alle Salzlösungen zerfallen auch die Höllen¬
stein lösungen in Silber- und in Salpetersäureionen, aber die Konzen¬
tration der H- und OH-Ionen hält sioh die Wage, so dass die Lösungen
neutral bleiben.
Dass die Aetzwirkung der Silbernitratlösungen in der Hauptsache
auf den vorhandenen Silberionen beruht, lässt sich experimentell aacn
dadurch erweisen, dass der Effekt eines Silberpräparates um so schwächer
1) Ztschr. f. phys. Ch., Bd. 21, S. 414.
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Original fram
UNIVERSUM OF IOWA
14. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1927
ist, je geringer die Silberionen-Konzentration seiner Lösung gefunden
wird. Auch die interessanten pharmakologischen Studien Dresers über
Silberwirkungen 1 ) ergaben, dass bei allen Arten lokaler Anwendung der
Ionengehalt der benutzten Silberpräparate massgebend ist.
Dass dem Silber als solchem eine kräftige antibakterielle Wirkung
zukommt, beweist folgender einfache Versuch: Legt man auf Agar-Agar
oder Gelatine, worauf vorher eine Bakterieukultur ausgesät ist, eine
Silberplatte, so wird in der von der Platte bedeckten Partie und in
einer die Platte umgebenden, einige Millimeter breiten Randzone jedes
Wachstum vernichtet, während sich die Bakterien ausserhalb dieser Zone
normal entwickeln.
Wie verhalten sich nun aber die Silberpräparate in koch¬
salzhaltigen Lösungen? Hier gibt uns eine Arbeit von 0. Gros
aus dem pharmakologischen Institut Leipzig sehr gut Auskunft. Nach
den Experimenten dieses Autors unterscheiden sich die organischen
Silberpräparate vom Höllenstein und den anderen einfachen Salzen da¬
durch, dass sie kolloidales Chlorsilber bilden, während beim Höllenstein
und den einfachen Salzen des Silbers nur kompaktes Chlorsilber ent¬
steht Gros führt weiter aus: „Während des Desinfektionsvorganges
durch Silberpräparate in Na CI-haltigen Medien muss stets erneute
Auflösung des gebildeten Chlorsilbers stattfinden. Wir können deshalb
den Desinfektionsvorgang in zwei Teile zerlegen: 1. Reaktion der Silber-
ionen mit Bestandteilen der Bakterien, 2. Auflösung des Chlorsilbers.
Der erste Vorgang ist bei allen Silberpräparaten gleich, der zweite bei
den verschiedenen Präparaten verschieden, und damit ändert sich auch
die Desinfektionswirkung.
Die Geschwindigkeit der beiden Teilvorgänge ist massgebend für
die Geschwindigkeit, mit welcher die Bakterien vernichtet werden. Diese
ist bei den verschiedenen Präparaten wechselnd wegen der diffe¬
rierenden Korngrösse des sich bildenden Chlorsilbers. Es ist
also die anfangs vorhandene Silberionen-Konzentration noch nicht für
das Endresultat von ausschlaggebender Bedeutung, sondern die Silber¬
ionen-Konzentration, die sich einstellt als Differenz der Geschwindigkeit,
mit welcher Silberionen verbraucht und nachgelöst werden.
Wie steht es nun mit dem Protargol in dieser Hinsicht?
Gros hat folgendes festgestellt: Beim Protargol bleibt das Chlorsilber
ausserordentlich lange kolloid in Lösung, auch ist bei ihm die Korn¬
grösse der Chlorsilberteilchen eine ausserordentlich kleine — kleiner als
bei anderen organischen Silberpräparaten.
„Bei diesen Präparaten wird die stärkste Wirksamkeit das Protargol
aufweisen, da bei ihm das Chlorsilber die grössere Lösungsgeschwindigkeit
besitzt.“
Folgende Tabellen geben die experimentellen bakteriologischen Daten:
Zeit
Silbernitrat
Protargol
10 Min.
kein Wachstum
kein Wachstum
80 „
» y>
60 „
sehr wenig herabgesetzt
ziemlich stark herabgesetzt
90 „
y> Jt j>
stark herabgesetzt
120 „
wenig herabgesetzt
sehr stark herabgesetzt
180 *
ziemlich stark herabgesetzt
n » »
240 „
stark herabgesetzt
nur noch einzelne Kolonien
360 „
sehr stark herabgesetzt
0
600 „
0
0
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt für den Vergleich zwischen
Argentum nitricum und Protargol ist die Feststellung von Sieber-
Charlottenburg bezüglich der Unterschiede der unorganischen Silbersalze
und Silberei Weissverbindungen 2 ). Nach ihm fällt von anorganischen
Silbersalzen bei dem Fluorsilber die kräftigste überhaupt anwendbare
Konzentration von 1:2000 mit der Abtötungsgrenze der Gonokokken
zusammen, beim Höllenstein liegt sie sogar noch darunter! Bei den
SilbereiweissVerbindungen liegen aber die Verhältnisse ganz anders. Bei
ihnen sind die Abtötungsgrenzen entweder gleich mit den schwächsten
zu verwendenden Konzentrationen, oder sie liegen sogar, was noch
günstiger ist, niedriger als diese. Beispiel: Abtötungskonzentration in
5 Minuten beim Höllenstein 1:1000; therapeutisch verwendbare Kon¬
zentration 1: 4000 bis l: 2000. Die Abtötungskonzentration des Prot-
argols in 5 Minuten ist 1:700, die therapeutisch verwendbare Kon¬
zentration ist 1:400 bis 1:100.
Die Verhältnisse sind also doch wesentlich komplizierter, als Lub¬
linski angenommen hat. Die Chlorentziehung aus den Geweben dürfte
bei dem therapeutischen Effekt sicherlich keinen günstigen, sondern
höchstens einen zellschädigenden Einfluss vermuten lassen; wir glauben
aber, dass diese Frage überhaupt keiner Beantwortung bedarf, nachdem
Gros gezeigt hat, dass in NaCl-haltigen Medien das gebildete Chlorsilber
immer wieder aufgelöst wird, so dass eine CblorentZiehung eigentlich
gar nicht stattfindet.
Was nun die Tiefenwirkung des Höllensteins betrifft, so möchten
wir doch an der allgemeinen Anschauung festhalten. Schmiedeberg
betont ausdrücklich, dass die Silbernitratentziehung nur auf die ober¬
flächlichsten Gewebssohichten beschränkt bleibt, weil der Aetzschorf das
1) Arch. intern, de Pharm, et de Thör., Vol. XVIII, Fase. I—II.
2) Jkurse. f. ärztl. Fortbild., 1912, Bd. 4, S. 41.
weitere Vordringen verhindert Ausführlicher bespricht P o u 11 s o n 0 den
Vorgang. „Es bildet sich ein fester Schorf von Metallalbuminat, der
im ersten Augenblick weiss ist, sich aber bald grau und schliesslich
schwarz färbt, infolge Ausscheidung von Silber und Silberoxyd. Die
Zellschicht, die diesem Einfluss ausgesetzt ist, wird völlig zerstört, aber
der feste Schorf, der entsteht, verhindert ein weiteres Eindringen. Das
Eigentümliche an der Wirkung des Silbernitrats ist also der Umstand,
dass es stark, aber gleichzeitig oberflächlich ätzt.“ Demnach braucht
es gar nicht der Chlorsilberniederschlag zu sein, welcher die Penetration
verhindert.
Dreser, welcher die Tiefenwirkung des Silbernitrats mittels einer
ebenso originellen wie geistvollen Methodik experimentell bestimmt
hat, kommt zu dem Resultat: Es ist erstaunlich, wie geringfügig diese
Tiefenwirkung selbst bei der Höllensteinlösung in der therapeutisch
meist benutzten Konzentration von 1 / 2 pCt. ausfiel bei 2 Minuten langer
Einwirkung.“
Aus dem Nachschmerz lässt sich unserer Ansicht nach kein sicherer
Schluss ziehen: je nach der Konzentration und der Widerstandsfähigkeit
des Epithels wird es längere oder kürzere Zeit dauern, bis die schützende
Decke durchgeätzt ist und die Lösung mit den Nervenendigungen in
Berührung kommt.
Was schliesslich Verf. bezüglich der Ersatzpräparate des Silber¬
nitrats sagt, lässt sich vielleicht dahin präzisieren, dass die Indikationen
für Protargol und Höllenstein sich nicht ganz decken. Vielleicht ist
Herr Lublinski mit folgender Formulierung einverstanden: Das sehr
viel sohonendere Silberpräparat ist das Protargol. Da seine Des¬
infektionskraft im Kontakt mit den NaCl-haltigen Gewebsflüssigkeiten,
wie experimentell erwiesen ist, sicher nicht geringer zu bewerten ist,
als die des Höllensteins, so ist Protargol in gewissen Fällen indiziert.
Nach Alexander 2 ) kommen hauptsächlich chronische Laryngitis und
Pharyngitis, Empyeme (d. h. nur einfache Entzündungen der Neben¬
höhlenschleimhaut ohne sekundäre Veränderungen) und Coryza vaso-
motoria in Betracht.
Muss aber eine energische Wirkung erzielt werden und liegt be¬
reits eine Epithelschädigung vor, z. B. die Erosion bei Angina, oder sind,
wie bei Angina tonsillaris, die Recessus mit abgestossenen Epithelien
erfüllt, so dass anzunehmen ist, dass die Bakterien bereits das Epithel
durchwandert haben und dieses gar keinen Schutz mehr leisten kann,
so ist die Aetzwirkung des Höllensteins der notwendige therapeutische
Eingriff.
Brief aus dem Felde.
Von
Geheimrat W. Körte, Generalarzt.
.... Ich habe einen sehr ereignisreichen und sehr spannenden
Feldzug bisher durchgemacht. Brüssel — Antwerpen — Gent—Brügge —
Ostende—Ypern sind so die Hauptpunkte. Bis jetzt hatte ich über
Mangel an Tätigkeit noch nie zu klagen, oft war es sehr viel. Dadurch,
dass wir lange in Br. und in der Umgebung von Br. lagen, hatte ich
Gelegenheit, in den dortigen Lazaretten als beratender Chirurg viel zu
sehen und die Fälle auch einige Zeit hindurch zu beobachten. Bis zu
Ende sieht man sie nie, weil sie evaeuiert werden in die Heimat. Ab¬
schliessende Erfahrungen kann man daher nicht sammeln — über vieles
muss erst die Zeit entscheiden.
Operiert wird in diesem Kriege sehr wenig, so wenig als möglich.
Ich habe noch keine typische Resektion gemacht oder machen lassen.
Konservative Behandlung überwiegt bei weitem. Einige primäre und
einige sekundäre Amputationen kommen vor, aber nicht häufig. Die
Hauptsache in der Kriegschirurgie ist die Behandlung und Fixierung der
Knochenschüsse; das ist weitaus das Wichtigste. Bei den massenhaften
Verwundungen ist schleuniger Abtransport in die Heimat eine Not¬
wendigkeit, und die zahllosen Knochensohüsse sind nur in gut ange¬
legten, gefensterten Gipsverbänden zu transportieren. Auf die zweck¬
mässige Anlegung dieser — für den Ungeübten nicht leichten — Ver¬
bände habe ich das Hauptgewicht gelegt und bin in meinem Bereiche
damit durchgedrungen zum Wohle der Verwundeten. Man muss das
dankbare Gesicht der Leute gesehen haben, wonn sie nach Fertigstellung
des Gipsverbandes merken, dass sie jetzt ohne Schmerzen gehoben und
bewegt werden können. Auch die schlimmsten Gelenk- und Knochen¬
zerschmetterungen durch Granaten, Sprengbomben von Fliegern usw.
habe ich mit gutem Erfolge konservativ mit feststellenden Verbänden
behandelt — so gut wie ohne Resektionen.
In dem letzten Absohnitt, den Kämpfen an der Yser, den Kanälen
sowie um Ypern sind die meisten Wunden, oft auch Gewehrschuss-
wunden infiziert. Die Soldaten liegen in nassen Schützengräben und
können bei dem massenhaften Artilleriefeuer oft erst nach Tagen auf¬
gelesen werden; 5—6 Tage haben einzelne in Rübenfeldern oder in ver¬
lassenen Schützengräben gelegen, ehe es möglioh war, sie zum Haupt¬
verbandplatz zu bringen. Da sind denn schwere Infektionen nicht
selten, Gasphlegmonen, ferner Tetanus. — In den Feld- und Kriegs¬
lazaretten sind epidemisohe Wundkrankheiten so gut wie nicht vor¬
handen, jene beiden genannten ausgenommen, welche schon draussen
1) Lehrbuch der Pharmakologie, 2. Aufl., S. 505.
2) Arch. f. Laryng., Bd. 1.
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UNIVERSITV OF IOWA
1928
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
entstanden waren. Pyämie habe ich bisher nicht gesehen, Erysipel ist
ganz sporadisch, äusserst selten. Sepsis infolge von Gasphlegmone
kommt vor, aber seltener sekundär als primär.
Amputationen — einfacher Zirkelscbnitt, keine Lappen, keine
Nähte — heilen in der Mehrzahl. Es wird wohl manchen konischen
Stumpf geben; die können später in der Heimat leicht beseitigt werden.
Viel Arbeit machen die massenhaften Kopfschüsse; in der Regel
wird, besonders bei den Tangentialschüssen, das Abmeisseln der Knochen*
ränder und Entfernung der eingedrückten Splitter gemacht. Zunächst
mit sehr gutem Erfolge; was weiter daraus wird, das muss die Zeit
lehren.
Brustschüsse heilen meist, wenn Ein- und Ausschuss klein sind,
geben im allgemeinen eine gute Prognose. Bauchschüsse sollten primär
nicht operiert werden, es kommen eine ganze Anzahl durch; sekundär
sind manchmal noch Nachoperationen nötig. Sie dürfen nicht zu früh
transportiert werden. Solche, die unter jämmerlichsten äusseren Ver¬
hältnissen in Ställen, Scheunen, Strohzelten tagelang (6—8) liegen
blieben, habe ich durchkommen sehen; einen, der fünf Tage hilflos in
einem Rübenfelde gelegen und sich von Rüben genährt hatte, sah ich
genesen. Primär Operierte kommen sehr selten durch; man kann eben
auf dem Hauptverbandplatz und auch in den Feldlazaretten einen
aseptischen Bauchschnitt nicht machen.
Für die Unterbringung der Verwundeten haben uns die zahllosen
Klöster, Klosterschulen und Kirchen hier in Belgien sehr gute Dienste ge¬
leistet, ferner hatten wir bis zum Einsetzen der Herbstregen und bis zur
Ueberschwemmung meist relativ gute Wege zum Abtransport. Hier
sind jetzt allerdings die Wege grundlos, und die Ortschaften in den
wocbenlangen Kämpfen so zerschossen, dass wir schwer geeignete Laza¬
retträume linden.
Was die Aerzte bei Truppen, Hauptverbandplätzen und Feldlaza¬
retten anbelangt, so kann ich sie nur uneingeschränkt loben. Die Aus¬
bildung ist sehr gestiegen, in meinem Bereich waren überall recht tüch¬
tige Leute mit chirurgischen Kenntnissen darunter, welche Vortreffliches
leisteten. Vor allem ist es in succum et sanguinem der Aerzte, auch
der jungen übergegangen: keine Wunde mit Finger oder Sonde berühren,
nur gekochte Instrumente nehmen, mit steriler, nicht befingerter Gaze ver¬
binden. Unter den schwierigsten äusseren Verhältnissen, in unzulänglichen
Raumen im Zelt —unter Granatenbefeuerung—imraerwar der Instrumenten¬
kocher im Gange und man bemühte sich aufs äusserste, die Asepsis zu
wahren, soweit es eben anging. Schon die Truppenärzte schickten oft
tadellos geschiente, aseptisch trocken verbundene Verwundete zurück,
so dass man die Verbände tagelang liegen lassen konnte. Die Verluste
bei den Aerzten selber sind nicht gering infolge der weittragenden Ge¬
schosse ....
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Ara 16. Dezember vollendet Carl Posner das
60. Lebensjahr. — Zwei Menschenalter, und soweit auch heute seine
Erinnerung zurückreichen mag, immer sieht er sich im Bannkreis der
„Berliner klinischen Wochenschrift“; erst im Hause seines Vaters Louis
Posner, des Begründers dieses Blattes, dann über fünfundzwanzig Jahre
hindurch, gemeinsam zunächst mit C. A. Ewald, dann mit dem Verfasser
dieser Zeilen, selbst an seiner Spitze stehend. Musste so Posner unabwend¬
bar der medizinischen Journalistik verfallen sein, und ist sie auch ein
wesentlicher Zug in seinem Lebensbild geworden, so hat er doch mit
Bewusstsein und voller Absicht es vermieden, ganz im redaktionellen
Getriebe aufzugehen. Sein Wirkungsbereich musste, um ihn befriedigen
zu können, breiter und auch tiefer sein. Darum weitete sich bald das
Feld seiner Tätigkeit und griff über auf das Gebiet der Kongresse
nationalen und internationalen Charakters; und zumal auf letzteren war
es, wo seine Sprachgewandtheit, seine weltmännische Liebenswürdigkeit
und seine weltfreudige Lebenslust in vollem Maass zur Geltung kamen.
Vertiefung aber fand sein Schaffensdrang in eigener wissenschaftlicher
Forschertätigkeit und deren frühzeitiger Konzentration auf ein eDgeres
Gebiet, die Urologie. Ausgehend von einer ernsten pathologisch¬
anatomischen Vorbereitung, fasste er mit Vorliebe die theoretischen
Probleme seines Faches an und half so in wirkungsvoller Weise mit, diesen
Zweig ärztlicher Betätigung binaufzuheben zum Range einer Wissenschaft.
Gesund, frisch und in voller Schaffenskraft, an der Seite seiner
hochstrebenden Gattin, umgeben von seinen beiden Söhnen, Rittern des
Eisernen Kreuzes, und seiner Tochter, der sich ein ebenfalls im Dienste
des Vaterlandes stehender Gemahl, Kapitänleutnant Hinze und zwei
fröhliche Kinder zugesellen, tritt Carl Posner jetzt in das siebente
Jabrzent. Ein an Arbeit und Erfolg, an Glück und Glücksgenuss reiches
Leben war ihm bisher beschieden. Freilich umschattet jetzt auch seine
Stirn die Sorge, die fast jeder Deutsche um den einen oder anderen
Nr. 50.
seiner Lieben hegen muss. Darum eben fassen seine nächstes Mit¬
arbeiter, die seines Herzens Falten kennen, all* ihre Wünsche für den
heutigen Tag dahin zusammen: möge eine nahe Zukunft ihn von diesem
ionern Druck befreien und auch künftighin trübe kein ernster Missklang
mehr sein auf einen heiteren Grundton abgestimmtes Wesen!
In diesen unsern herzlichen Wünschen wissen wir uns eins — des
sind wir sicher — mit unsren Lesern und den zahlreichen Freunden
des Jubilars.
Redaktion und Verlag
der Berliner klinischen Wochenschrift.
— In der Sitzung der Vereinigten ärztlichen Gesellschaften
(Berliner medizinische Gesellschaft) vom 9. Dezember sprach vor der
Tagesordnung Herr Toby Cohn: Ueber Korrektur der Peroneuslähmung.
In der Tagesordnung fand die Diskussion zu dem Vortrage des Herrn
Morgenroth: Die Chemotherapie der Pneumokokkeninfektion statt, an
derselben beteiligten sich die Herren Leschke und Morgenroth. Herr
Saul hielt den angekündigten Vortrag: Beziehungen der Helminthen und
Protozoen zur Geschwulstätiologie. Dann hielt Herr Lewandowsky
(Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten) sein Relerat über
Kriegsverletzungen des Nervensystems. Die Diskussion wurde vertagt
— Das in der ganzen Welt Aufsehen und Entrüstung erregende
Urteil gegen einige deutsche, in französische Gefangenschaft geratene
Aerzte, gegen das die deutsche Regierung Protest eingelegt hatte, ist
„wegen eines Formfehlers“ aufgehoben und vor einen zweiten Kriegsrat
verwiesen worden.
— Bisher sind gegen 1500 Eiserne Kreuze an Aerzte verliehen
worden — eine hohe Anerkennung für den Mut und die Pflichttreue,
mit der unsere Kollegen im Felde ihres Amtes walteD und eine nach¬
trägliche Rechtfertigung, wenn es einer solchen noch bedurft hätte, für
die vor etwa Jahresfrist erfolgte völlige Gleichstellung der Militärärzte
mit den übrigen Offizieren der Armee und Marine.
— Aerztliche Notprüfungen. Diejenigen Kandidaten der Medizin,
die nur deshalb in den ersten Tagen der Mobilmachung nicht das Not¬
examen machen konnten, weil sie sofort einzurücken hatten, dürfeo nach
einem neuerlichen Erlass auch jetzt nooh das NotexameD ablegen. Für
Mediziner, die erst im zehnten Semester stehen, ist ein Notexamen nicht
zugelassen.
— Die kgl. Frauenklinik in Dresden konnte am 1. Dezember auf
ein 100jähriges Bestehen zurückblicken.
— Eine Sammlung aller gesetzlichen und sonstigen Bestimmungen,
die für Militärärzte in Betracht kommen, ist unter dem Titel „Militär¬
ärztlicher Dienstunterricht“ von Generaloberarzt a. D. Kowalk
im Verlag von Mittler & Sohn in zehnter Auflage erschienen. Sie
dürfte jetzt, wo viele mit diesen Dingen nicht vertraute Zivilarzte plötz¬
lich in militärische Verhältnisse versetzt werden, von allgemeinerem
Interesse sein. Preis 8,75 M.
— Verlustliste. I. Gefallen: Stud. med. Dehmel (Oppeln).
Cand. med. Erdtmann (Greo.-Reg. Nr. 8). M. Gastei (Unterhaching).
Stud. med. K. Gutekunst. Cand. med. Job. Klein. Stad. med. F.
Holzmann. Unterarzt Kersting. Stud. med. Otto Mäusser. Zahn¬
arzt Renk. Stud. med. Joseph Riedlinger. Feldunterarzt C. Salo-
mon. Feldunterarzt P. Schulz. Stabsarzt R, Trespe. H. Treuer
(Neu-Strelitz). Stud. med. H. Urban (9. Jäg.-Bat.). — II. Verwundet:
Dr. Burgkhardt aus Rautenkranz. Oberarzt d. R. F. Kehrer aus
Freiburg i. B. Oberarzt A. Pöhlmann (Müuchen). Oberarzt Voss. -
III. Gefangen: Stabsarzt d. R. Büttner. Stabsarzt d. R. Klengel.
Unterarzt Rosenlöcher (Magdeburg). Unterarzt Zawatzki (Potsdam).
— Cholera. In Deutschland, und zwar in Oberschlesien
wurden, während in Oesterreich vom 1.—7. XI. 844 und in Ungarn
532 Fälle beobachtet worden, ebenfalls eine Anzahl zur Meldung ge¬
bracht, nämlich 36. Doch sind diese bis auf 3 bei Angehörigen oder
Hilfstruppen der österreiohiseben Armee vorgekommen. — ß u “ r '
Preussen. 15.-21. XI. 240 (7 f) und 22.-28. XI. 170 (4 f). Oester¬
reich. 25.—31. X. 705 (36 +) und 1.-7. XL 3673 (34 f). - Typhus.
Spanien. In Barzelona eine grosse Epidemie, die seit September bis
jetzt etwa 10000 Erkrankungen herbeigeführt hat.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Eisernes Kreuz 2. KL: Direktor des Königl.
Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“, Geh. Ober-Med.-Rat
Prof. Dr. Loeffler; Abteilungsvorsteher am Königl. Institut für In¬
fektionskrankheiten „Robert Koch“, Prof. Dr. R. Otto; wissenschaft¬
liche Mitglieder des genannten Instituts, Professoren Dr. J. Koch uoa
Dr. C. Schilling; Kreisärzte Dr. J. Felgentraegor in Heiligcn-
stadt, Dr. Prigge in Wiesbaden, Dr. Pachnio in Westerbarg und
Dr. E. Fromm in Frankfurt a. M. n
Gestorben: Geh. San.-Rat Dr. L. Brandes in Hüdesheini, ür.
F. Strauss in Frankfurt a. M., Dr. K. Kahler in Katernberg.
Pfir die Redaktion Yenuatwortlich Prof. Dr. Bens Sohn, Berlin W., Bijreuther Stru » 11
Verlag und Eigentum von August Hirsohwald in Berlin. — Druck von L. Sohumacher in Berlin N. 4.
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ftl« Berlin« r Klinische Wochenschrift erscheint Jedeo
MoBMg in Nummern von c*. 5—6 Bogen gr. 4. —
Preis Tierteijahrlich 6 M»r*. Bestellungen nehmen
alle Buchhandlungen und Postanstmlten an.
BERLINER
AH« Einsendungen fÖr die ftedekti<m and Kxpedltfoi
wolle man portofrei an dl« Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Nr. 68, adressieren.
KLINISCHE WDCHENSCHEHT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen.
Redaktion: Expedition:
Geb. Mei-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kobo. August Uirsckald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 21. Dezember 1914. Jfä 51 . Einundfiinfzigster Jahrgang.
INHALT.
Origtnaliea: Le wando wsky: Die Kriegsverletzungen des Nervensystems.
S. 1929.
Nathan: Zur Bewertung der hämolytischen und hämolysebemmenden
Funktion syphilitischer Sera. (Aus der dermatologischen Uni¬
versitätsklinik zu Frankfurt a. M.) S. 1934.
Buschke und Michael: Ueber die parenchymatös-toxischen Wir¬
kungen des Syphiliscontagiums bei visceraler Frühsyphilis und
Taboparalyse. (Aus der dermatologischen Abteilung des Rudolf
Yirchow-Krankenhauses in Berlin.) S. 1935.
Friedenthal: Kriegsseuchenbekämpfuog durch klinische anti-
septische Maassnahmen. S. 1937.
Marcuse: Die Insuffizienz der Valvula ileocoecalis im Röntgenbilde.
(Aus der Privatklinik von Prof. Dr. Karewski und dem Röntgen-
laboratorium von Dr. Marcuse.) S. 1938.
Bucky: Die Röntgensekundärstrahlenblende als Hilfsmittel für die
Lokalisation von Geschossen, demonstriert an zwei Herzschüssen.
(Illustr.) S. 1940.
Bucky: Ein Fall von schwerer Röntgenverbrennung nach gynäko¬
logischer Tiefenbestrahlung. (Illustr.) S. 1942.
Münzer: Dostojewski als Psychopathologe. S. 1943.
Bttcherbespreehangen: Wolter: Die EntstehuDgsursachen der Kriegs¬
seuchen, ihre Verhütung und Bekämpfung auf Grund der Kriegs-
erfahruDgen 1870/71. S. 1945. (Ref. Sticker.) — Keller und Birk;
Kinderpflegelehrbuch. S. 1945. (Ref.Weigert.) — Veröffentlichungen
der Centralstelle für Balneologie. S. 1945. (Ref. Jacoby.)
Liter&tir-Aisifige : Physiologie. S. 1945. — Pharmakologie. S. 194G. —
Therapie. S. 1946. — Parasitenkunde und Serologie. S. 1946. —
Innere Medizin. S. 1946. — Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
S. 1946. — Kinderheilkunde. S. 1947. — Chirurgie. S. 1947. —
Haut- und Geschlechtskrankheiten. S. 1948. — Geburtshilfe und
Gynäkologie. S. 1948. — Augenheilkunde. S. 1948. — Militär-
Sanitätswesen. S. 1948.
Verhaadlaagea ärztlicher Gesellschaften : Aerztlieber Verein zu
Hamburg. S. 1949. — K. k. Gesellschaft der Aerzte zu
Wien. S. 1950.
Liljestrand: Ueber die Ventilation bei künstlicher Atmung beim
Menschen. S. 1950. — Loewy: Erwiderung auf die vorstehenden
Bemerkungen. S. 1952.
Tagesgeschichtliohe Notizen. S. 1952.
Amtliohe Mitteilungen. S. 1952.
Die Kriegsverletzungen des Nervensystems. 1 )
Von
M. Le wando wsky.
Dieses Referat über Kriegsverletzungen des Nervensystems
will ausschliesslich die praktischen Richtuogslinien zeichnen,
welche sich für die Behandlungen dieser Verletzungen ergeben.
Zu grossen wissenschaftlichen Erörterungen und zur Darstellung
sog. interessanter Fälle haben wir jetzt vielleicht noch weniger
Lost als Zeit. Bei den praktischen Erörterungen handelt es sich
zum sehr grossen Teil um die Frage einer Indikation zum chir¬
urgischen Eingriff. Durch die grosse Anzahl der gerade dem
Neurologen von den verschiedensten Seiten zugeführten Fälle ist
er aber wohl in besonderer Weise berechtigt, auch über dieses
Gebiet und damit über das ganze Thema ein Urteil zu gewinnen.
Die Zahl der uns zugehenden Verletzungen des Nervensystems
ist eine sehr grosse. Bei einem Transport von 120 meist schwer
Verwundeten, die in das Lazarett der Akkumulatoren werke Ober¬
schöneweide kamen, befanden sich 20 mit Verletzungen des Nerven¬
systems, von denen sich eine Anzahl freilich erst nach einiger
Zeit bei der Abheilung von Knochenbrüchen, Phlegmonen nsw.
herausstellte. Dieser Prozentsatz ist immerhin eine Ausnahme.
Andererseits muss man bedenken, dass ein grosser Teil besonders
der Gehirn- und auch der Rückenmarkscbüsse entweder unmittel¬
bar tödlich ist oder in den Lazaretten des Operationsgebietes nach
kurzer Zeit zum Ausgang kommt. Betrugen doch die Schädel¬
schüsse in einzelnen Schlachten des mandschurischen Krieges
50 pCt. der auf dem Felde selbst Gefallenen, und in manchen
Schlachten desselben Krieges waren 25 pCt. der in den Lazaretten
unmittelbar hinter der Schlacht zur Behandlung kommenden Ver¬
letzungen gleichfalls Schädel- und Gehirnschüsse 2 ). Von der
1) Vortrag, gehalten in der Sitzung der Berliner medizinischen Ge¬
sellschaft am 9. Dezember 1914.
2) Eine Reihe von Angaben über die Häufigkeit der Sohädelver-
letzungen gibt Friedrich wieder in Bruns’ Beitr., 1914, Bd. 21, S. 271.
Häufigkeit dieser Gehirnverletzungen bekommen wir in den Laza¬
retten des Heimatgebietes also eine nicht genügende Vorstellung,
während uns die Verletzungen der peripheren Nerven, die an
und für sich niemals tödlich sind, fast sämtlich zugehen. Aus
einer Anzahl von 150 von mir beobachteten Verletzungen des
Nervensystems ergab sich mir für die grossen in Betracht kommen¬
den Gebiete: Gehirn, Rückenmark, periphere Nerven ein Verhältnis
von etwa 25 : 10: 65, das natürlich keineswegs eine allgemeine
Gültigkeit haben wird.
Ich werde nun nacheinander das Wesentliche über die Ver¬
letzungen dieser drei Gebiete, des Gehirns, des Rückenmarks und
der peripheren Nerven sagen.
Was wir zunächst von Schussverletzungen des Gehirns
im Heimatgebiet sehen, scheint keine sehr wesentlichen Unter¬
schiede gegenüber den Verletzungen, wie wir sie auch ira Frieden,
meist durch Selbstmordversuche, zu sehen gewohut sind, zu bieten.
Die schweren zertrümmernden und explosiven Wirkungen, welche
das moderne Geschoss mit seiner enormen Durchschlagskraft bei
Nahschüssen verursacht, und bei denen das ganze Gehirn aus
dem Schädel soll herausgeschleudert werden können, werden eben¬
sowenig transportiert wie die ganz schweren Zertrümmerungen
durch Artilleriegeschosse. Was wir von Infanteriegeschossver¬
letzungen sehen, sind meist Konvexitätsschüsse mit Ein- und Aus¬
schuss, entweder in Form der Diametralschüsse oder der Seg-
mentalschüsse. Die letzteren leiten dann über zu den Tangential¬
oder Rinnenschüssen io ihren verschiedenen Graden, je nachdem
die Dura mitverletzt ist usw. Auch einige Basisschüsse habe ich
schon gesehen. Von den Friedensverletzungen unterscheiden sich
diese Verletzungen wesentlich fast nur dadurch, dass das Geschoss
wegen seiner grossen Durchschlagskraft viel seltener im Gehirn
stecken bleibt Der Franktireurkrieg hat dafür gesorgt, dass wir
auch echte „Friedensverletzungen“ durch den Krieg zu sehen be¬
kommen. Sogar Schrotschüsse sind beobachtet worden. Ferner
sehen wir mannigfache Granatsplitter- und Schrapnellverletzungeu.
Hier bleiben im Unterschied von Infanteriegeschossen die Ge¬
schosse sehr häufig im Schädel und im Gehirn stecken. Kleinere
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Gch igle
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UNIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. Bl.
Granatsplitter können in das Gehirn eindringen, ohne dass die
Verletzung überhaupt bemerkt wird. Sie werden manchmal, da
auch die äussere Wunde sehr unbedeutend sein kann, halb zu¬
fällig erst durch die Röntgenaufnahme entdeckt. Ein Verletzter
hatte sogar von dem Vorhandensein einer Schrapnellkugel im
Gehirn und der Verletzung überhaupt keine Ahnung. Er wusste
nur von Extremitätenverletzungen. Auch bei sog. Streifschüssen
durch Artilleriegeschosse zeigt die Röntgenaufnahme anscheinend
nicht ganz selten, dass Granatsplitter einzeln oder sogar in er¬
heblicher Anzahl in das Gehirn eingedrungen sind.
ln allen Fällen, in denen das Geschoss im Schädel stecken
geblieben ist, wirft sich die Frage auf, ob man es entfernen
soll oder nicht. Nach wie vor sind wir der Meinung, dass die
Anwesenheit eines Fremdkörpers im Gehirn unter aseptischen
Verhältnissen an und für sich kein Grund zum Eingriff ist. Auch
sind manchmal eine so grosse Anzahl kleinster Splitter im Ge¬
hirn verstreut, dass von ihrer Entfernung gar keine Rede sein
kann. Immerhin sind wir bei der Verwerfung der Entfernung
des Geschosses auch unter aseptischen Verhältnissen heute nicht
mehr ganz so prinzipiell wie früher. Ist die Kugel oder ein
grösserer Granatsplitter leicht erreichbar, so wird man im all¬
gemeinen doch wohl gut tun, ihn herauszunehmen, sich aber zu
schweren Eingriffen in die Tiefe des Gehirns nach wie vor nur
bei dringender Indikation, insbesondere Verdacht auf Abscess,
entschlossen.
In der grossen Mehrzahl der Fälle ist jedenfalls nicht das
Geschoss, das den Schädel meist längst wieder verlassen hat,
sondern die penetrierende Schädel Verletzung als solche
die Indikation zum Eingriff. Man kann diese Indikation nicht
als eine neurologische, sondern vielmehr als eine rein chirurgische
bezeichnen, da sie ausschliesslich eine Infektion der Wunde mög¬
lichst verhüten soll. Diese Indikation hat sich aber, wie nach
den Erfahrungen der letzten Kriege nicht anders zu erwarten war,
auch in diesem Kriege schon bewährt. Der Schädel scheint fast
das einzige Gebiet zu sein, wo die moderne Kriegschirurgie sich
mit Nutzen aktiv betätigt. Wir hören, dass bei grossen Verlusten
die Chirurgen in den Feldlazaretten manchmal geradezu tagelang
Trepanationen zu machen haben. Wenn eine ausgiebige chirur¬
gische Kontrolle der Schädelverletzung durch die Verhältnisse
verhindert wird, sind die Resultate nicht gut. Nach Holbeck’s
Statistik starben in dem einen Fall 14, in dem anderen etwa
50 pCt. Wir hatten bei einem Transport 6 Schädelverletzungen,
von denen nur 2 operativ kontrolliert, die übrigen unberührt ge¬
lassen worden waren. Von diesen sind die zwei kontrollierten
ohne Zwischenfälle geheilt, trotzdem der eine von ihnen im An¬
fang einen ziemlich grossen Hirnprolaps hatte. Alle vier anderen
bekamen eine Infektion, drei gingen schliesslich an Meningitis
zugrunde, nur einer, bei dem ein abgeschlossener Gehirnabscess
operiert werden konnte, konnte gerettet werden. Wie operiert
werden soll, ergibt der Einzelfall. Es ist bekannt und bestätigt
sich auch jetzt wieder, dass besonders die Tangentialschüsse be¬
sonders gründlich zu operieren sind, weil gerade bei ihnen Knochen¬
splitter senkrecht zur Schussrichtung bis in grosse Tiefen des
Gehirns gelangen. Sehr schwierige Verhältnisse, auch schwere
Erscheinungen, oft schwerer als die Diametralschüsse, bieten die
Segmentalschüsse. Selbst Basisschüsse können an manchen Stellen
operativ erreicht werden. Sehr dankbar sind natürlich diejenigen
Fälle, wo durch Granatsplitter, Schrapnells oder andere Gewalt
nur Impressionen und Splitterungen der Tabula interna von ge¬
ringerem Grade gemacht worden waren, das Geschoss selbst in
das Gehirn aber gar nicht eingedrungeu ist. Eine wichtige Frage
ist, ob man Verletzte, welche erst Tage und Wochen nach der
Verletzung unoperiert in die Heimatslazarette kommen, noch
chirurgisch kontrollieren soll. Das wird natürlich vom Einzelfall
abhängen. Ein Diametralschuss, dessen Wunden schon fast ver¬
heilt sind, wird man 5 Wochen nach der Verletzung natürlich
nicht mehr anrühren. Aber in Zweifelsfällen scheint es mir
richtig, auch noch längere Zeit nach der Verletzung die Wunde
anzusehen, freizulegen usw., immer nur aus der einen Indikation,
möglichst günstige Verhältnisse für eine aseptische Heilung zu
schaffen oder eine bestehende Infektion möglichst zu beschränken.
Eine vollkommene Sicherung vor Infektionen ist natürlich
die Freilegung, das Döbridement usw. auch nicht. Zweifellos
kommen infektiöse Komplikationen nach einer aktiven chir¬
urgischen Versorgung der Schädelwunden aber viel seltener vor
als ohne sie. In jedem Falle muss man die Hirnverletzten
mindesten 6—6 Wochen unter scharfer Beobachtung halten, da
man immer noch auf eine Meningitis oder einen Hirnabscess
gefasst sein muss. So sah ich zweimal eine Meningitis noch
nach 14 Tagen plötzlich bei anscheinend ungestörtem Wund¬
verlauf auftreten und zum Tode verlaufen. Hirnabscesse kommen
bekanntlich häufig noch viel später zur Erscheinung. Was die
Diagnose dieser Komplikationen betrifft, so brauchen Hirnabscesse
— eine Tatsache, die für viele immer wieder überraschend ist —
im Unterschied von der Meningitis nicht mit Fieber einherzugehen.
Der übliche Blick auf die Temperaturkurve genügt also hier nicht.
Jede auffallende Veränderung des Allgemeinzustandes, das Ein¬
treten von Benommenheit, das Auftreten heftiger Kopfschmerzen
usw. muss ein alarmierendes Symptom sein und die genaueste
Prüfung veranlassen. Das Bild der ausgesprochenen eitrigen
Meuingitis ist nicht zu verkennen. Leichtere meningitische Zu¬
stände — etwas Nackensteifigkeit und ein mässig ausgesprochenes
Kernig’sches Symptom — kommen uns aber jetzt mehrfach zur
Beobachtung, ohne dass sich schliesslich eine eitrige Meningitis
mit dem unvermeidlichen tödlichen Ausgange anschliesst. Es
handelt sich da wohl entweder um sogenannte Meningitis serosa
in ihren verschiedenen Formen oder um leichtere meoingeale
Blutungen. Die Unterscheidung dieser Formen ist besonders dann
schwierig, wenn der Kranke fiebert, das Fieber aber noch andere
Ursachen, vor allem infizierte Weichteilwunden haben könnte.
Die Entscheidung gibt hier fast immer die Lumbalpunktion,
die gerade in den gutartigen Fällen auch therapeutisch oft über¬
raschend Gutes leistet.
Auf die Symptomatologie der Gehirnverletzungen als
solche, d. h auf die einzelnen Funktionsstörungen, kann ich hier
nicht näher eingehen. Viel häufiger als sonst, besonders im Gegen¬
satz zu den spontanen Apoplexien, die sich ja in der Tiefe des
Gehirns abspielen, sehen wir mehr oder weniger auf die Rinde
beschränkte Verletzungen und von ihr abhängige Erscheinungen,
So sehen wir eine Mannigfaltigkeit der Lokalisation von Motilitäts-
und Sensibilitätsausfällen, wie sie uns io Friedenszeiten nur bei
einem unverhältnismässig grösseren Material entgegentritt. Cn-
verhältnismässig häufig sehen wir Monoplegien udö sogar Be¬
schränkungen der cerebralen Lähmungen auf einzelne Glied¬
abschnitte. So sah ich einen Fall, wo der Arm bis zum Hand¬
gelenk fast vollständig gelähmt war, die Hand selbst mit den
Fingern aber fast völlig funktionsfähig. Auch die Sensibilität
zeigt überraschende Verhältnisse; die Umgrenzung der Sensibilitäts¬
störungen stützt die von mir auch früher vertretene Auffassung,
dass die Verteilung der Sensibilität auf der Rinde eine rein
focale ist, da die SensibilitätsstÖrungeo sieb in ganz unregel¬
mässiger Form darbieten können. Weiter sehen wir seltene
Formen hemianopischer Störungen, Aphasien usw.
Wichtiger sind zwei Erfahrungen allgemeinerer Art. Die
eine sind die verhältnismässig leichten Erscheinungen,
die manchmal nach Diametralscbüssen auftreten, wenn nicht
gerade sehr wichtige Teile deB Gehirns getroffen waren. Ein
Feldwebel war mit zwei Schüssen, die dicht nebeneinander den
Schädel vom Occiput zur Stirn durchschlagen hatten, noch eine
halbe Stunde weiter gegangen — er war nicht einmal bewusst¬
los geworden —, bis ihn eine Kugel im Oberschenkel ausser Ge¬
fecht setzte. In diesem Fall müssen die Geschosse wohl am
Knochen entlang gegangen und das Gehirn ansgewicben sein.
Aber auch wenn das nicht der Fall ist, so brauchen bei Diametral¬
schüssen schwere Dauererscheinungen nicht zu hinterbleiben.
Demgegenüber stehen die oft schweren Erscheinungen bei
anscheinenden Streifschüssen, lange Bewusstlosigkeit und
dauernde Folgeerscheinungen. Sie erklären sich in einer Anzahl
von Fällen dadurch, dass doch bei dem anscheinenden Streif¬
schuss entweder Granatsplitter oder Knochensplitter in die Tiefe
des Gehirns eingedrungen sind, deswegen sollte auch jeder Streif¬
schuss geröntgt werden. Häufiger aber scheinen die schweren
Erscheinungen durch die Fissuren bediugt zu sein, welche sich
bekanntlich mit Ausnahme der auf sehr grosse Entfernung ab¬
gegebenen Schüsse fast immer auch an die Infanteriegeschoss-
Verletzungen anschliessen. Diese Fissuren erreichen sehr häufig
die Basis und führen dann zu entsprechenden Erscheinungen von
seiten der basalen Hirnnerven, und zwar, soweit ich beurteilen
kann, besonders häufig zu solchen des Cochlearis und Vestibnlaris,
mit den entsprechenden Symptomen der Hörstörung und der
Gleichgewichtsstörungen. Aach aus Friedenszeiten ist es bekannt,
und wir sehen es jetzt wieder, dass selbst leichte Vestibularis¬
störungen besondere Anforderungen an das Gleichgewicht völlig
verbieten. Zum Beispiel können so Verletzte manchmal lange
Zeit absolut nicht zu Pferde sitzen. .
Zu den Verletzungen durch Schuss kommen non noch eine
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Gougle
Original fram
UNIVERSUM OF IOWA
21. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1931
grosse Anzahl von Schädelverletzungen durch Sturz vom Pferde,
Verschüttung, Ueberfahrenwerden, Kolbenschläge usw.
Sie unterscheiden sich in gar nichts von den so häufigen Friedens-
Verletzungen ähnlicher Ursache. Wenn keine penetrierende
Wunde besteht, kann eine Indikation zum chirurgischen Eingriff
nur durch die Diagnose einer umfangreichen meningealen Blutung
gegeben werden. Das gilt in erster Linie also für die Ver¬
letzung der Arteria meniogea media. Indessen bezeichnet es
Friedrich als eine „fast amüsante“ Tatsache, dass die Indi¬
kation der Unterbindung dieser Arterie zwar in der Kriegs-
Chirurgie überall angegeben, tatsächlich aber noch niemals im
Kriege zur Anwendung gekommen zu sein scheine. Besonders
in letzter Zeit ist die Aufmerksamkeit auch auf andere menin-
geale Blutungen, speziell durale und epidurale Hämatome
grosseren Umfanges gelenkt worden, welche durch die Hirn¬
punktion in Zweifelsfällen festgestellt werden könnten. Sie
können noch längere Zeit nach der Verletzung zu schweren und
tödlichen Erscheinungen führen, welche eine Operation nötig
machen könnten. Ob viele von ihnen schon zur Beobachtung und
zur Operation gekommen sind, weiss ich nicht. Jedenfalls muss
daran festgehalten werden, dass nur umfangreiche Blutungen
mit bedrohlichen Erscheinungen die Anzeige zum Eingriff geben
dürfen in den Fällen, wo eine äussere Verletzung nicht vorliegt.
Wie sich das Dauerschicksal der Hirnverletzten, die der
unmittelbaren Verletzungs- und Wundgefahr entronnen sind, ge¬
stalten wird, darüber können wir heute noch nichts aussagen,
und es scheint auch nicht, als wenn darüber sehr genaue Fest¬
stellungen aus früheren Kriegen vorlägen. Vielfach herrschen
über die Restitutionskraft der jugendlichen Gehirne, um die es
sich ja bei den Kriegsverletzten meist handelt, sehr optimistische
Vorstellungen. Ein weiterer Grund zu einer verhältnismässig
günstigen Prognosestellung ist die bereits erwähnte Tatsache,
dass die Kriegsverletzungen verhältnismässig häufig die Rinde
betreffen, während die viel ungünstigeren Verletzungen der tiefen
Faserung seltener sind. Immerhin soll man nicht zu opti¬
mistisch sein. Reste von Funktionsstörungen, z. B. in der Sprache,
subjektive Sensationen, Lähmungen werden häufig bestehen bleiben,
und es wird auch in einer Anzahl von Fällen zu epileptischen
Zuständen in verschiedener Form kommen.
Es wird dann sehr bald in einer grösseren Anzahl von Fällen
die Frage an uns herantreten, ob zur Beseitigung solcher
Spätfolgen neue Operationen gemacht werden sollen. Wir haben
im Frieden gelernt, uns in dieser Richtung sehr zurückzuhalten.
Nervöse Ausfallserscheinungen, also Lähmungen, Aphasien usw.
können fast niemals ein Objekt operativer Behandlung sein.
Auch die subjektiven Störungen, die häufig die Schädelver-
letsuugen lauge überdauern und die, sehr häufig wenigstens, einen
psychogenen Einschlag haben, wenn sie wahrscheinlich auch
durchaus nicht immer psychogen und neurasthenisch sind, bieten
der operativen Behandlung keine Aussicht. Selbst die trauma¬
tischen Epilepsien haben nach unseren Friedenserfahrungen keine
sichere Aussicht auf Heilung durch eine Operation, uni so weniger,
je weniger lokalisiert die Epilepsie ist. Immerhin sind das
diejenigen Fälle, die man am ehesten noch spät operativ an¬
greifen wird.
Die SpäterscheinuDgen der Hirnverletzungen sind aber gerade
diejenigen, wo die interne und die neurologische Therapie einzu¬
setzen hat; physikalische Maassnahmen, bis zu einem gewissen
Grade auch psychische Therapie, und vor allem die Üebungs-
therapie der Lähmungen und Sprachstörungen werden hier grosse
Erfolge erzielen, wenn der Staat die Einrichtungen und Mittel
bereit stellt, welche für die Durchführung in grossem Maassstabe
notwendig sind.
Im Gegensatz zu der unmittelbaren aktiven Therapie, die
sich bei den Schädelverletzungen und Gehirnverletzungen bewährt
hat, erfordern die Verletzungen des Rückenmarks eine meines
Erachtens fast absolute Zurückhaltung von operativen
Eingriffen. Wer viele Friedensverletzungen des Rückenmarks
gesehen hat, der hat im Anfang fast immer ein Stadium durch¬
gemacht, wo er angesichts der Trostlosigkeit des überwiegenden
Anteils dieser Verletzungen hofft und glaubt, durch Operationen
etwas daran ändern zu können. Es scheint, als wenn einige
Chirurgen dieses Stadium auch jetzt durchmachen, denn es ist
sogar schon die Operation aller Rückenmarksschüsse empfohlen
worden. Demgegenüber wissen wir aus grösserer Friedens¬
erfahrung, dass operative Erfolge bei Rückenmarksverletzungen
*u den allergTö8sten Seltenheiten gehören. Aus den letzten
10 Jahren, in denen ich mit hervorragenden Chirurgen zusammen
das erhebliche Verletzungsmaterial grosser Krankenhäuser ge¬
sehen habe, erinnere ich mich nur eines einzigen Falles, in dem
die Operation genutzt hat, und das war zwar eine Schussver¬
letzung, wie sie aber nur in Friedenszeiten vorkommt, nämlich
eine im Rückenmark selbst stecken gebliebene Teschinkugel.
Sonst war nie ein Erfolg zu sehen, und manchmal hatte man
das Gefühl, als wenn die Laminektomie das empfindliche und
durch die Verletzung noch empfindlicher gemachte Rückenmark
eher noch weiter geschädigt hätte. Nun haben wir ja im Frieden
verhältnismässig sehr wenig SchuRsverletzungeo des Rückenmarks
gegenüber den anderen Arten. Aber was ich bisher an Rücken-
marksverletzungen im Kriege gesehen habe, scheint die Auf¬
fassung zu stützen, dass die gleiche Zurückhaltung wie bei den
FriedensverletzuDgen auch den Kriegsverletzungen des Rücken¬
marks gegenüber zu beobachten ist. Auch war in drei Fällen,
wo bereits die Laminektomie gemacht war, nicht der geringste
Erfolg erzielt worden.
Praktisch symptomatologisch unterscheiden wir solche
Verletzungen, bei denen die Erscheinungen die einer völligen
Quertrennung des Rückenmarks sind, d. h. wo entsprechend
dem Orte der Verletzung eine völlige Aufhebung der Motilität
und Sensibilität nach abwärts besteht, zugleich mit Aufhebung
der Blasen- und Mastdarmfunktionen. Auf der anderen Seite
stehen die Verletzungen, bei denen der Querschnitt des Rücken¬
marks nur teilweise zerstört ist, so dass keine vollen Lähmungen,
sondern nur Paresen oder eine Verschonung einer Seite (Brown-
S6quard’scher Symptomenkomplex) oder auch nur Blasenstörungen
oder andererseits sogar Paresen ohne wesentliche Blasenstörungen
zur Erscheinung kommen. Die erste Gruppe, die Total Ver¬
letzung des Rückenmarks, ist absolut ungünstig, wir können
machen, was wir wollen. Selbst wenn wir in solchen Fällen
etwa Knochensplitter oder ein Geschoss entfernen, so ist ein
Dauererfolg nicht zu erwarten. Die Teilverletzungen des
Rückenmarks dagegen bieten auch ohne Operation gewisse
Chancen. Nur wenn wirklich der dringende Verdacht besteht
und möglichst auch durch die Röntgenuntersuchung sichergestellt
ist, dass ein Knochensplitter oder das Geschoss im Wirbelkanal
selbst steckt und dabei die Lähmung keine totale ist, halte ich
die Indikation für gegeben. Diese Voraussetzungen werden aber
nur sehr selten zutreffen, denn erhebliche Splitterung des Wirbels
bewirkt wohl fast immer eine totale Quertrennung bzw. eine
solche Zertrümmerung und Durchblutung des Rückenmarks, dass
vielleicht keine anatomische Durchtrennung, aber doch eine wirk¬
liche unwiderrufliche Aufhebung der Rückenmarksleitung zustande
kommt. Die anscheinenden Teilverletzungen des Rückenmarks
hingegen kommen anscheinend viel häufiger durch die vorüber¬
gehende Einwirkung des durch den Wirbel oder sogar nur in der
Nähe des Wirbels durchschlagenden Geschosses zustande, ohne
dass eine dauernde Verengerung des Wirbelkanals oder ein
dauernder Druck auf das Rückenmark besteht. Die Röntgeno-
graphie zeigt in solchen Fällen entweder nur unbedeutende Ver¬
letzung des Wirbels oder einen glatten Durchschuss durch den
Wii^belkÖrper oder es ist überhaupt gar keine Verletzung des
Wirbels nachzuweisen. Die Rückenmarkserscheinungen sind in
solchen Fällen bedingt durch die Erschütterung des Rückenmarks,
welche sich pathologisch-anatomisch entweder in einer Blutung
oder anscheinend häufiger in Nekrosen äussert. Die Erschei¬
nungen durch die Erschütterung des Rückenmarks brauchen nur
ganz vorübergehend zu sein; so geben Patienten, die durch den
Hals geschossen wurden, an, dass sie nur kurze Zeit vollkommen
bewegungsunfähig gewesen wären, die Beherrschung ihrer Glieder
aber bald wiedererlangt hätten. In engerem Sinne sind es diese
kurz vorübergehenden Erscheinungen, die man mit Recht als
Commotio spinalis bezeichnet. Ist die Erschütterung aber
hochgradiger gewesen, so kommt es zu länger dauernden Er¬
scheinungen, die durchaus nicht immer prognostisch günstig
zu' sein brauchen, sondern auch die Erscheinungen der Total¬
trennung des Rückenmarks mit allen Folgen machen können.
Verhältnismässig häufig aber sind es diese Fälle, die nur Teil¬
verletzungen machen, die es abtjr dann gar keinen Sinn hat
anzugreifen, bei denen die Operation vielmehr eine gewisse Gefahr
bedeutet.
Das Wichtigste bei der Behandlung der Rückenmarksver-
letzungen ist und bleibt die Verhütung der Infektion von
der Blase aus und die Hintanhaltung des Decabitus. Bei den
Totalverletzungen lässt sich das schon in Friedenszeiten wegen
der gesteigerten Empfindlichkeit der Gewebe tatsächlich so gÄt
wie nie erreichen, und es ist das ein Grund mehr, warum die
r :
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERSITÄT OF IOWA
1932
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. Bl.
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Total Verletzungen des Rückenmarks eben alle zagrnDde
gehen. Bei den Teilverletzungen .des Rückenmarks aber ist die
Verhütung der Infektion auch bei gelähmter Blase nicht so schwer;
die BlasenlähmuDg geht manchmal in wenigen Tagen wieder zu¬
rück, dann sind die Aussichten dieser Fälle keine ganz schlechten.
Von fünf partiellen Rückenmarksverletzungen, die ich bisher sab,
ist nur einer gestorben (es war eine fast totale Verletzung: Schuss
durch das Halsmark mit Lähmung beider Beine, des ganzen einen
Arms und auch der zweiten Hand, während der Arm bis zur
Hand funktionsfähig geblieben war); ein Student der Medizin mit
anfänglich mehr als Halbseitensymptomen kann nach 5 Woeben
schon beinahe wieder gehen, einer mit Schuss durch einen Len¬
denwirbelkörper und nur anfänglicher Blasenlähmung ist mit einem
Korsett schon wieder entlassen (beide Fälle aus dem Kranken¬
haus Lichtenberg, Dr. Herz). Einem, bei dem das Infanterie-
geschoss seitlich dicht an einem Lendenwirbel sitzt, diesen etwas
eingedrückt und ein Gemisch von Canda- und Rückenmarkssym¬
ptomen gemacht hat, geht es auch schon so gut, dass er mit zwei
Stöcken gehen kann und drei Monate nach der Verletzung nach
Hause entlassen wird. Auch in diesem Falle hatte ich trotz des
beinahe verlockenden Röntgenbefundes die Indikation zur Opera¬
tion abgelehnt, wie der Verlauf gezeigt hat, mit Recht.
Die Caudaverletzungen, welche bei Schüssen der Lenden-
wirbelsäule zustande kommen, und von denen ich auch mehrere
gesehen habe, stehen schon den peripheren Nervenverletzungen
nabe, da die Wurzeln der Cauda ja die gleiche Struktur haben
wie die peripheren Nerven. Die unnmittelbare Lebensgefahr ist
niebt gaDZ so gross wie bei den Rückenmarksverletzungen, ins¬
besondere dann nicht, wenn eine gewisse Funktion der Blase sich
wieder herstelit. Aber die ausgebreiteten doppelseitigen Läh¬
mungen und Empfindungsstörongen geben recht traurige Bilder.
Man könnte daran denken, diese Caudaverletzungen wie die Ver¬
letzungen der peripheren Nerven zu behandeln, d. h. angemessene
Zeit nach der Verletzung die Cauda frei zu IegeD, Narben zu
entfernen, sogar die Wurzeln zu nähen. Die Erfolge bei Naht
des Rückenmarks selber gehören — um auch das noch zu bemer¬
ken — in das Reich der Fabel.
Haben wir bei der Beurteilung der Verletzungen des Gehirns
und des Rückenmarks doch im allgemeinen gute Anhaltspunkte
an den entsprechenden Friedensverletzungen, so stehen wir bei den
Verletzungen der peripheren Nerven vor Fragestellungen,
die wir durch entsprechende Friedenserfahrungen nicht erledigen
können. Schussverletznngen peripherer Nerven haben wir ja im
Frieden mit Ausnahme einiger Hirnnervenlähmungen bei miss
glückten Selbstmordversuchen durch Schädelscbüsse, so gut wie nie
gesehen; demgegenüber steht nun die ungeheure Anzahl, die
nach Gerulanos’ Erfahrungen im Balkankriege etwa auf \ l j 2 pCt.
aller Verletzungen zu schätzen wäre. Bei der Annahme einer halben
Million von Verwundungen hätten wir also jetzt 7—80Q0 Schoss¬
verletzungen der peripheren Nerven in Deutschland zu behandeln.
Dabei sind natürlich nur die Verletzungen grösserer Nervenstämme
berechnet.
Im einzelnen sehen wir Verletzungen wohl aller Nerven,
die es überhaupt gibt, am häufigsten wohl der Armnerven, ent¬
weder eines oder auch zweier. Sehr häufig sind auch Verletzungen
des Plexus brachialis bei Schuss durch die Ober- und Unter-
schlüsselbeingrube. Nicht ungewöhnlich sind auch Verletzungen
des N. oder Plexus ischiadicus, nicht selten doppelseitig, häufiger
noch die des Peroneus und Tibialis. Gar nicht selten sind auch
Verletzungen der Hirnnerven, speziell solche des N. facialis.
Am seltensten sind wohl Verletzungen einzelner Nervenwurzeln
bei ihrem Austritt aus dem Wirbel, von denen ich bisher zwei
gesehen habe. Die Symptomatologie dieser Nervenverletzungen
im einzelnen bietet vieles Neue durch die unglaubliche Fülle der
Kombinationen. Im Grunde entsprechen natürlich die Folge¬
erscheinungen unseren Kenntnissen von der peripheren Innervation
und bieten die diesen entsprechenden Ausfälle an Motilität
und Sensibilität. Nicht selten sind die Nervenverletzungen
mit starken Schmerzen verbunden. Geringere sind gewöhn¬
lich. Vor allen Dingen ist jede Bewegung, welche den ver¬
letzten Nerven dehnt, dem Patienten ausserordentlich schmerzhaft,
und spontane Schmerzen gesellen sich diesen hinzu, pflegen aber
doch einige Wochen nach der Verletzung zurückzugehen, wäh¬
rend der Dehnungsschraerz anscheinend ausserordentlich lange
bestehen bleiben kann. Nicht selten scheinen auch sehr starke
Haut- und Muskelbyperästhesien. Fälle, in denen die spontanen
neuralgischen Schmerzen das Bild beherrschen, habe ich nur
vereinzelt (vier) gesehen. Auch ausgesprochene trophisebe, vaso¬
motorische und sekretorische Störungen kommen vor. Zwei Fälle
mit einer teil weisen Verletzung des N. tibialis an der Wade boten
neben einer enormen Hautempfindlichkeit der Fasssohle die auf¬
fallende Erscheinung, dass sobald der Patient seinen Fass herab-
bängen liess, eine deutliche starke Rötung des Fusses eintrat nnd
der Fus8 lebhaft zu schwitzen anflng.
DifferenUal diagnostisch kommt den Nervenverletzungen
gegenüber in Betracht die Unterscheidung von reinen Mnskel-
verletzungen und von Kontrakturen durch Muskel Verletzungen,
und dann recht häufig die sekundäre Muskelatrophie bei
Gelenkverletzungen. Fast immer genügt zur Unterscheidung
schon der faradische Strom, der in den meisten Lazaretten ja der
einzig erreichbare ist. Sind die Muskeln faradisch erregbar, so
lassen sich schwere Nervenverletzungen jedenfalls ausscbliessen.
Die Verletzungen der Nerven geschehen, wie alle anderen
auch, meist durch Infanteriegeschoss, seltener durch Schrapnell
oder Granatsplitter. Dass das Geschoss im Nerven oder seiner
unmittelbaren Umgebung stecken bleibt, ist selten, kommt aber
vor. So habe ich zwei Granatsplitter am Plexus brachialis, eia
Schrapnell am N. ulnaris gesehen. Auch hier sei man, ebenso
wie bei den Gehirnverletzungen, misstrauisch gegen die anscheinen¬
den Streifschüsse. Bei dem einen Plexusfall (Dr. Harf) war nur
ein Streifschuss am Ansatz des Sternocleidomastoideas diagnosti¬
ziert worden und erst die Röntgenuntersuchung ergab, da die
neurologische Untersuchung mit dieser Lokalisation nicht stimmen
wollte, die Anwesenheit eines Splitters tief in der Plexusgegend.
In den Fällen, wo ein Geschoss dem Nerven unmittelbar anliegt,
ist die Indikation zur Operation natürlich ohne weiteres gegeben.
Was nun die Indikation bei den übrigen Fällen anlangt, so
weiss man, dass wirkliche Durchschiessungen der Nerven
verhältnismässig selten sind. Eine japanische Statistik zählt
unter 47 Nervenverletzungen nur 7 volle Durchschiessnogen. Wir
wissen sogar, dass ein Schuss, der den Nerven überhaupt nicht
berührt bat, sondern nur in seiner Nähe vorbeigegangen ist, also
nur durch die Erschütterung schwere Nervenlähmungen machen
kann. So wurde bei einer Freilegung des Ischiadicus (Dr. Herz),
bei der nach der Schussrichtung der Ischiadicus gar nicht ver¬
letzt sein konnte, nnr der Verdacht auf Knochensplitter io seiner
Nähe bestand, der Nerv in grosser Ausdehnung nur in eine blutig
gelatinöse Masse eingebettet und von ihr durchtränkt gefunden.
In FriedenszeiteD sehen wir ähnliches, wenn auch wohl nicht ganz
entsprechendes, nicht ganz selten nach Fall auf die Schulter in
Form von Schädigungen des Plexus. In einer weiteren Anzahl
von Fällen findet sich der Nerv nur verletzt, nicht ganz durch¬
schossen, aber einige Zeit nach der Verletzung dann in Narben
eingebettet oder durch Narben mehr oder weniger mit der Um¬
gebung verwachsen. Die Frage, die nun gewöhnlich an den
Neurologen gerichtet wird, ist die, ob der Nerv ganz durebtrennt
ist oder nicht. Das ist mehr, als der Neurologe immer beant¬
worten kann. Wohl können wir in einer grossen Anzahl von
Fällen aus der Prüfung der Funktion und der elektrischen Erreg¬
barkeit mit Sicherheit sagen, dass der Nerv nicht ganz durch¬
schossen sein kann. Solche teilweisen Funktionsstörungen kommen
— um das zur Einzelsymptomatologie noch nachtabolen — in
zwei Formen vor: entweder es handelt sich um eine diffuse
Funktionsherabsetzung des ganzen getroffenen Nerven oder um
eine bisher fast unbekannte Form circumscripter Defekte. So
kann nicht nur der sensible Teil eines Nervenstammes allein ge
troffen oder verschont geblieben sein, es können sogar nur einzelne
Muskeln oder Muskelgruppen gelähmt oder funktionsfähig ge¬
blieben sein, z. B. die Daumenmuskeln bei Verletzung des Mediano*
Stammes. Man sieht die merkwürdigsten Bilder; so sah ich bei
Verletzung des Iscbiadicos motorische Lähmung im Tibialisgebiet,
sensible im Peroneusgebiet. Durch das Studium der Nerven-
Verletzungen wird so in weitestem Maasse bestätigt, dass jeder
Nerv gewissermaassen aus einer Anzahl kleiner parallel ver¬
laufender Nervchen für die Muskelgruppen and Hautgebiete be¬
steht, eine Tatsache, die besonders durch die klinisch-operativen
Forschungen Stoffel’s in den letzten Jahren ins Licht gesetzt
worden ist.
Wenn wir aus solchen Befunden der nur teilweisen Ausser-
funktionssetzung — sei es in der diffusen oder der circuroscripten
Form — nun auch in einer grossen Anzahl von Fällen mit grosser
Sicherheit sagen können, dass ein Nervenstamro nicht ganz durch¬
schossen sein kann, so beweist die völlige Ausserfunktionssetzung
eines Nervengebietes, selbst wenn typische und volle Entartuugs-
reaktion besteht, noch nicht, auch nicht Monate nach der Ver¬
letzung, dass die Kontinuität des Nerven vollständig unterbrochen
Google
Original fram
UNIVERSUM OF IOWA
21. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1933
ist. So habe ich den gleichen klinischen Befund in zwei Fällen
von Plexuslähmung erhoben; in dem einen Fäll erwiesen sich
drei Plexusäste als durchschossen, in dem anderen Fall ergab die
Operation (fast 3 Monate nach der Verletzung) fast gar keinen
Befund.
Die Unmöglichkeit, in einer Anzahl von Fällen die Diagnose
einer völligen Nervendurchtrennung zu machen, wäre aber nur
dann schlimm, wenn wirklich die Indikation zur Operation an
dieser Diagnose hinge. Das ist zwar eine noch immer nicht ganz
unverbreitete Ansicht, aber nicht richtig. Die Indikation ist
offenbar auch dann gegeben, wenn die Kontinuität zwar er¬
halten, der Nerv aber so in Narben eingebettet oder mit
der Umgebung verwachsen ist, dass eine weitere Restitution
als ausgeschlossen betrachtet werden kann. Wie oft das der Fall
ist, sieht man bei den Operationen. Bei 15 Operationen, die an
klinisch von mir untersuchten Fällen ausgefuhrt wurden, batte
die Operation nur in 2 Fällen anscheinend keine Rechtfertigung
darch den Befund. In 5 Fällen war der Nerv ganz durcbtrennt
und die Enden noch durch Narbenmassen voneinander entfernt;
in den anderen 8 aber war der Nerv so verwachsen (einmal mit einem
Aneurysma), dass die Neurolyse zweifellos die einzige Möglichkeit
der Wiederherstellung war. Und dabei war die Indikation zur Ope¬
ration nur nach dem einen Gesichtspunkt gestellt gewesen, dass die
Lähmung sich während langer Zeit, und zwar während
4—8 Wochen, nicht mehr gebessert hatte. Es geht uns hier
eben wie überall in der Medizin, nicht nur in Kriegs-, sondern auch in
Friedeuszeiten — ich erinnere etwa an die Indikation zur Operation
der Appendicitis — die Beurteilung des Einzelfalles hat eine
Grenze, und viele Fälle sind individuell gar nicht zu beurteilen.
Für diese muss entscheidend sein das Verhältnis von Gefahr auf
der einen Seite und Aussichten auf der anderen. In unserem
Falle besteht die Gefahr des Abwartens, abgesehen von der von
manchen Autoren behaupteten und nicht unwahrscheinlichen Ge¬
fährdung der FunktionsWiederherstellung überhaupt bei langem
Warten, in der sehr langen Herausschiebung derselben. Sie be¬
steht darin, dass wir den Verletzten viele Monate lang, denn so
lange besteht die vage Aussicht auf eine spontane Wiederher¬
stellung, liegen lassen, um ihn dann schliesslich doch operieren
zu müssen. Er hat dann also die Wartezeit einfach verloren.
Die Gefahr der Operation für das Leben ist aber eine minimale,
und eine Gefährdung der Nervenfunktion durch die Operation
darf man wohl überhaupt ausschliessen. Nach unserer Meinung
haben wir dem Verletzten Zeit genug gegeben, wenn wir auf eine
Besserung der Funktion 4—8 Wochen, im Mittel 6 Wochen, ge¬
wartet haben. Hat sich in dieser Zeit nichts gerührt, sei es, dass
eine Besserung überhaupt nicht eingesetzt hat oder eine begonnene
Besserung wieder zum völligen Stillstand gekommen ist, voraus¬
gesetzt natürlich, dass dabei noch ein wesentlicher Funktions¬
ausfall besteht, so soll man eben nachsehen. Es ist das auch
der Standpunkt, den einige Kriegschirurgen, z. B. Gerulanos,
Kirschner 1 ) u. a. vertreten. In diesem Kriege scheint man nach
meinen Erfahrungen hierzulande mit der Indikation zur Freilegung
des Nerven vielfach noch gar zu zurückhaltend zu sein.
Bedingung der Operation ist natürlich ein aseptischer Zu¬
stand der Wunde.
Schwierig und ungeklärt ist die Indikation zur Freilegung
des Nerven wesentlich aus dem Grunde von Schmerzen im
Nervengebiet. In einzelnen Berichten früherer Kriege ist ver¬
hältnismässig viel von Nervenoperationen infolge von Neuralgien
die Rede (Hashimoto). Ihre Erfolge waren recht gute, manch¬
mal momentane. An und für sich würde ich die Indikation bei
starken neuralgischen Schmerzen auch ohne wesentliche Motilitäts¬
störungen für berechtigt halten. Wie schon oben erwähnt, habe
ich so heftige Schmerzen bisher nur selten gesehen und nur in
einem Falle wesentlich deswegen operieren lassen. Hier war der
Erfolg befriedigend. Nur wird man mit der Operation der
Schmerzen wegen noch länger wie bei den Lähmungen warten
nnd erst alle anderen Mittel der Behandlung erschöpft haben
müssen. Freilich soll man auch hier nach Hashimoto nicht zu
lange warten, weil sonst die Resultate schlechter werden. Hashi¬
moto musste schliesslich io 2 Fällen, die beide erst sehr spät,
nach 6 uod 13 Monaten, operiert waren, nur der Schmerzen wegen
ampatieren — was ich freilich für ganz unberechtigt halte, da
1) Beiträge zur Kriegsheilkunde, herausgegeben vom Ze
tral-Komitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz, Berlin, Spring
1914, S. 244.
die Durcbschneidung der entsprechenden Rückenmarkswarzein noch
offen gestanden hätte.
Wie die Operation gemacht wird, ob Nervennabt, ob Nerven¬
lösung, in welcher Weise die Wiederbildung der Narben Verwach¬
sung durch Transplantation am besten bintangehalten wird, das
hängt vom Einzelfall ab und ist Sache des operierenden Arztes.
Schwierig ist die Entscheidung, inwieweit Narben innerhalb
des Nerven, die manchmal als dicke Knoten zu fühlen sind,
die Indikation zur Resektion des Nerven und zur Nervennaht
geben sollen. Es scheint, als wenn diese Frage im allgemeinen
bejaht werden muss, da diese Fälle keine Tendenz zur Wieder¬
herstellung zeigen. Es sollte bei der Operation aber jedenfalls
genaueste Rücksicht darauf genommen werden, dass das Lage-
verhältnis der beiden Stümpfe zueinander möglichst erhalten
bleibt, damit die entsprechenden Nervenbündelchen, soweit mög¬
lich, miteinander wieder verwachsen können. Offenbar erklärt
sich durch die Unmöglichkeit, diese Bedingung einzuhalten, der
Misserfolg mancher Nervennaht.
Ausser den eigentlichen Schussverletzungen des Nerven beob¬
achten wir — die Zahl der Verletzungen durch scharfe Waffen
scheint gering zu sein — in grösserer Anzahl noch solche,
welche weniger durch das Geschoss als durch eine gleichzeitige
Knochenfraktur bedingt sind. Sie sind wegen der manchmal
ungeheuren Splitterung, wohl auch wegen der bei langen Trans¬
porten oft eintretenden Verschiebungen der Fragmente viel häufiger
als bei den entsprechenden Friedensverletzungen. So bekamen
wir bei dem schon einmal erwähnten Transport von 120 Ver¬
wundeten allein drei Oberschenkelfrakturen mit Ischiadicuslähmung.
Am häufigsten sind im allgemeinen die Radialislähmungen bei
Oberarmbrüchen. Die Indikationen zur Operation sind genau die
gleichen wie bei den reinen Weichteilschüssen.
Leider sehen wir auch Kriegsverletzungen der peripheren
Nerven in Form der ischämischen Lähmung durch die
Esmarch’scbe Binde. Ich habe solche gesehen mit sehr un¬
bedeutenden Wunden, die ihren Arm allein durch die zu lange
fortgesetzte (10 Stunden bis 3 Tage) Zuschnürung verloren haben.
Man erkennt die Fälle sofort an der totalen Lähmung der Hand,
wie sie bei Nervenverletzungen fast nie vorkommt, und erhält
bei der Frage nach der Esmarch’scben Binde dann auch immer
die entsprechende Auskunft. Die Prognose dieser Fälle ist eine
absolut trostlose.
Wie die Prognose dereigentlichenNervenverletzungen
sein wird, lässt sich noch nicht beurteilen. Die Zeit ist noch zu
kurz, upd leider wird sich auch später schwer eine Massenstatistik
machen lassen, da die Heilungsdauer so gross ist, dass die Patienten
wohl niemals die ganze Zeit in Lazarettbehandlung bleiben werden.
Schon jetzt wenden sich an uns Verletzte voll Verwunderung,
z. B. dass ein Radialis, der im August genäht worden war, noch
nicht wieder funktionsfähig sei. Demgegenüber muss man wissen,
dass nach Gerulanos die Zeit bis zur völligen Wiederherstellung
nach einer Nervennaht seihst unter einfachen Verhältnissen min¬
destens 8 Monate beträgt 1 ). Eine Ischiadicusnaht zeigte die ersten
Anzeichen des Erfolges erst nach 13 Monaten — abgesehen davon,
dass der Erfolg einer Nervennaht überhaupt keineswegs ein
sicherer ist 2 ). Die Erfolge der Neurolyse können natürlich
schneller eintreten. Völlige Funktionsfähigkeit ist hier schon
nach 2 Monaten beobachtet worden.
Es ist kein Zweifel, dass die Frage: Operation oder nicht?
vorläufig noch die Therapie der Nervenverletzungen beherrscht.
Dass bei leichteren narbigen Verwachsungen auch eine sehr sorg¬
fältige Massage, vielleicht auch Fibrolysininjektionen etwas nützen
können, ist eine Erfahrung der Friedenspraxis (hier bei den Nerven¬
verletzungen durch Knochenfraktur). Selbstverständlich werden wir
es nicht versäumen, soweit nach Lage der Dinge irgend möglich,
die Wiederherstellung der Funktion mit und ohne Operation durch
physikalische Maassnahraen, besonders Bäder, Massage und
Uebungen zu unterstützen. Von dem Nutzen der Elektrizität bin
ich gar nicht überzeugt, allein genügt sie nicht; da sie aber
nichts schadet, kann man sie ruhig mit den anderen Massnahmen
zusammen anwenden. Gerade für diese Dinge müssen die vor¬
handenen Einrichtungen noch bedeutend erweitert werden.
Nur noch einige Worte über die Hysterie. Auch sie kommt
bei Nervenverletzungen vor, hat aber meines Erachtens gar keine
1) Beitr. z. klin. Chir. 1914, Bd. 91, S. 222.
2) Ein genaues Sammelreferat über Nervennaht und Neurolyse mit
Bericht über die Einzelfälle bis 1913 gibt Coste. Zschr. f. d. aes. Neur
u. Psych. Ref. Bd. 6, S. 721.
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Gch igle
Original fro-m
UNIVERSUM OF IOWA
tm
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 61.
besondere Beziehang za ihnen, d. h. sie kommt bei anderen Ver-
letzungen genau so häufig und genau so selten vor. Die schwersten
Fälle von Hysterie, die ich sah, hatten überhaupt keine Verletzung,
mehrere davon eine etwas unkontrollierbare und nicht ganz glaub¬
würdige Anamnese. Zwei Fälle von „hysterischem Fieber“ näherten
sich — um mich euphemistisch auszudrücken — bedenklich der
Simulation. Andererseits habe ich wirklich schwere Ver¬
letzungen, gleich welcher Art, nur ausnahmsweise mit aus¬
gesprochener Hysterie einhergehen sehen. Ueber die Häufigkeit
der Hysterie und anderer funktioneller Störungen im allgemeinen
kann man wohl noch gar kein Urteil haben. Im Verhältnis zu
der ungeheuren Zahl der Verletzten ist sie sicherlich selten. An
manchen Stellen scheint sie sich etwas zu häufen, wohl durch
Infektion seitens anderer Kranken und auch seitens der Aerzte.
Ich habe mehrfach in Erfahrung gebracht, dass bei durchaus
nicht schweren Verletzungen, z. B. in einem Fall von geheiltem
Lungendurchschuss, ein ganz junger Arzt dem Verletzten seine
differential-diagnostischen Erwägungen und seine Besorgnis um
ihr ferneres Schicksal mitgeteilt hatte. Aeusserungen, wie: „Ganz
gesund werden Sie doch nicht“, „einen Kuax für Ihr Leben haben
Sie weg“ sind mir berichtet worden. So etwas kann natürlich
ausserordentlich bysterogen wirken und sollte einfach verboten
werden. Wenn wir uns erinnern, dass unter den Unfallrenten¬
empfängern höchstens 2 pCt. funktionelle Störungen aufweisen,
und wenn wir einmal ein gleiches Verhältnis für die Kriegs¬
verletzten annebmen, so hätten wir mit 20000 Neurotikern für
jede Million Verwundeter zu rechnen. Mit ihnen wird das
deutsche Volk fertig werden. Die Organisation der Behandlung
dieser Störungen wird zusammen mit der Behandlung der nach
Verletzungen zurückbleibenden Bewegungsstörungen schon während
des Krieges eingeleitet werden müssen und uns noch für lange
Zeit nach dem Kriege beschäftigen.
Aus der dermatologischen Universitätsklinik zu Frank¬
furt a. M. (Direktor: Prof. Dr. Karl Herxheimer).
Zur Bewertung der hämolytischen und hämo¬
lysehemmenden Funktion syphilitischer Sera.
Von
Dr. med. Ernst Nathan,
wissenschaftlichem Assistenten der Klinik.
Das Studium der hämolytischen Eigenschaften des mensch¬
lichen Blutserums in der Norm nnd bei pathologischen Zuständen
hat im allgemeinen zu keinen Feststellungen geführt, die in be¬
stimmter und spezifischer Weise eine diagnostische oder patho-
gnomische Verwertung erlaubt hätten. Zwar wurden von einer
Reibe von Autoren Untersuchungen über den Komplementgehalt
von Tierseren und dessen Beeinflussung durch experimentelle
Maassnahmen angestellt, wobei sich aber schon unter normalen
Verhältnissen vorwiegend mehr oder weniger grosse Unterschiede
im Komplementgehalt des Serums verschiedener Individuen der
gleichen Art, wie auch zeitliche Schwankungen bei einem und
demselben Individuum ergaben, ohne dass e8 jedoch gelang, auf
experimentellem Wege dauernde Erhöhungen oder Verringerungen
des Komplementgehalts bei Tieren zu erzeugen.
Andererseits wurden Beobachtungen über eine Abnahme des
Komplementgehalts beim Menschen unter so verschiedenen Be¬
dingungen (chronische Eiterung und Abscessbildung, Nahrungs¬
entziehung, Alkoholvergiftung, Thyreoidektomie, Lepra usw.) be¬
schrieben, dass es nicht angängig erschien, diese Befunde in dia¬
gnostischer Hinsicht zu verwerten 1 ).
Es entbehrte daher nicht des Interesses, als Popoff 2 ) be¬
richtete, bei Syphilitikern bzw. Metasyphilitikern in dem hämo¬
lytischen Vermögen des Serums relativ konstant Differenzen gegen¬
über der Norm nachgewiesen zu haben, deren diagnostische Ver¬
wertung er empfahl. Die Differenzen bestanden in einer starken
Verminderung bzw. in völligem Fehlen des Komplements bei den
1) Literatur-Zusammenstellung s. bei H. Sachs: Hämolysine des
Blutserums (cytotoxiscbe Sera) in Kolle-Wassermann’s Handb. d. patb.
M kroorgau., 1913, II. Aufl., Bd. 2, S. 798.
2) M Popoff, D.m.W-, 1912, Nr. 39, S. 1833; Zschr. f. Immun.-
Forsch., 1912, Bd. 14, H. 2, S. 218.
syphilitischen und metasyphilitischen Seren. Aebnlicbe Beobach¬
tungen waren für das Paralytikerserum auch schon von Elias¬
berg 1 ) mitgeteilt und von Weil und Kafka 2 ) gelegentlich ihrer
Untersuchungen über den Hämolysingehalt der Cerebrospinalflüssig¬
keit bestätigt worden.
Methodisch ging Popoff so vor, dass er 0,3, 0,2 and 0,1 ccm
frischen, höchstens 2 Tage alten Serums mit 0,1 ccm einer 20 pro*.
Meerschweinchenblutkörperchen-Aufschwemmung im Gesamtvolumen von
1,2 ccm 1—2 Stunden lang im Thermostaten bei 37° digerierte. Nach
dieser Zeit zeigten die normalen Sera eine komplette Hämolyse (negative
Sera), während die syphilitischen Sera entweder keine (stark positive Sera)
oder aber partielle Hämolyse (schwach positive bzw. zweifelhafte ±-Sera)
aufwiesen.
Beim Vergleich der mit dieser hämolytischen und der Wasser-
mann eben Reaktion erhaltenen Resultate bekam Popoff in
75pCt. übereinstimmende Ergebnisse, in25pCt. der Fälle war
der Ausfall der Reaktion bei beiden Methoden different. Zar
Erklärung der hämolysehemmenden Wirkung syphilitischer Sera
nimmt Popoff an, dass die syphilitischen wie die normalen
Sera zwar den hämolytischen Amboceptor unverändert enthalten,
dass aber bei den syphilitischen Seren der Komplementgehalt
mehr oder weniger stark reduziert ist Für diesen Komplement¬
mangel macht Popoff eine Abspaltung von Lipoiden oder lipoid-
ähnlicben Stoffen verantwortlich, die ins Blut übergehen und hier
mit dem Komplement Verbindungen eingehen, d. h. eine anti¬
komplementäre Wirkung entfalten sollen. „Da die Menge dieser
abgespaltenen Lipoide im akuten Stadium der Krankheit grösser
ist, so wird in floriden Luesfällen fast das ganze Komplement
von den Lipoidstoffen gebunden: Das Serum reagiert stark positiv
(komplette Hemmung). In älteren Stadien der Lues und in
Fällen, wo die Krankheit infolge Behandlung usw. an Intensität
nachgelassen hat, nimmt auch die Menge der abgespaltenen
Lipoide ab, es bleibt demnach noch ein Teil vom Komplement
frei, das die Meerschweinchenblutkörperchen teilweise hämolysiert.
Das Serum reagiert mehr oder weniger stark positiv.“
Nach Popoff hat sich meines Wissens nur noch Kafka 3 )
mit den hämolytischen Eigenschaften des Luetikerblntes be¬
schäftigt und ebenfalls festgestellt, dass sich eine Abnahme der
hämolytischen Fähigkeiten des Serums häufig bei syphilitischen
und metasyphilitischen Erkrankungen findet, wofür jedoch, wie
aus den Versuchen Kafka’s hervorgeht, nicht nur eine Kom*
plementverarmung des Serums, sondern auch in relativ zahlreichen
Fällen Fehlen des Normalambozeptors verantwortlich zu machen ist.
Wegen der Einfachheit der von Popoff angegebenen Me¬
thodik prüfte ich, zumal sich die Angaben von Kafka vor¬
wiegend auf Untersuchungen des Serums bei metasyphilitischen
Affektionen stützen, den Hämolysingehalt des aktiven Serams für
Meerschweinchenblutkörperchen bei einer Reihe von Seren nach
und gestatte mir, im Folgenden kurz über die Resnltate zu be¬
richten. Dabei kam es mir, wie besonders betont sei, nicht darauf
an, die Ambozeptor- und Komplementmenge der einzelnen Sera
gesondert zu bestimmen, sondern lediglich den Wert der
von Popoff angegebenen und diagnostisch empfohlenen
Reaktion zu erproben.
Ich hielt mich daher prinzipiell an die von Popoff ange¬
wandte Technik und wich nur in einigen unwesentlichen Punkten
von ihr ab.
Zunächst verwandte ich nur ganz frisches, höchstens 24 Sbinden
altes Serum, da besondere Versuohe gezeigt hatteD, dass längeres Stehen
die hämolytische Funktion des Serums erheblioh beeinträchtigt und so
zu unspezifischen positiven Resultaten führen kann. Ferner nahm w
die Bestimmung der hämolytischen Dosis des Serums nicht nur fi«
Popoff unter Verwendung von 0,8, 0,2 und 0,1 com Serum vor, sondern
bestimmte in allen Fällen durch Titration des Serums in absteigenden
Mengen (0,1, 0,09, 0,08, 0,07 usw. bis 0.01, 0) die geringste, eben noen
komplett lösende Dosis des Serums, den „hämolytischen Titer .
Auf diese Weise habe ich nach einer Reihe von Vorver*
suchen den Hämolysingehalt von insgesamt 200 Seren untersuc •
Von diesen stammten 87 Sera von Syphilitikern mit
Wassermanu’schen Reaktion, die zum grossen Teil (5o ? J
auch manifeste klinische Symptome des Initial-, Sekundär- o
Tertiärstadiums aufwiesen, zum geringeren Teil (28 Fälle)
Latenzstadium und nur in 4 Fällen der Paralyse bzw. Tabes
gehörten.
1) Y. Eliasberg, D.m.W., 1911, Nr. 7, S. 302
2) E. Weil und V. Kafka, M. Kl., 1911, Nr. 34, S.
3) V. Kafka, M. Kl., 1913, Nr. 10, S. 378
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1936
118 Sera von Gesunden bzw. Kranken der verschiedensten Art
wiesen negative Wassermann’scbe Reaktion auf und dienten als
Kontrollfälle, d. h. zur Bestimmung des durchschnittlichen hämo¬
lytischen Titers. Bei diesen nach Wassermann negativen und
zum grössten Teil anamnestisch und klinisch unverdächtigen
Fällen war der hämolytische Titer, d. h. die geringste, noch
komplett lösende Dosis individuell sehr verschieden und schwankte
zwischen > 0,3 und 0,03, der durchschnittliche Titer betrug bei
diesen nach Wassermann negativen Seren 0,09; im einzelnen waren
die Zahlen folgendermaassen verteilt;
1 Serum = 0,9 pCt. wirkte überhaupt nicht hämolytisch;
1 „ = 0,9 „ hatte einen Titer 0,3;
14 Sera = 12,3 „ batten „ „ 0,2;
8 ,, — 7,1 ?i n ji 0,1;
89 „ = 78,8 „ „ „ „ 0,09 oder stärker bis 0,03.
Zusammengefasst war also unter 113 nicht syphi¬
litischen Seren, selbst wenn man als normalen Titer
0,1 rechnet, in 14,1 pCt. der Hämolysingehalt geringer,
als es der Norm entsprochen hätte.
Etwas anders lagen die Verhältnisse bei den 87 syphilitischen
Sera. Bei diesen schwankte der Titer ebenfalls von Serum zu
Serum in weiten Grenzen und zwar zwischen > 0,3 und 0,04. Der
durchschnittliche Titer betrug bei den syphilitischen Seren 0,1,
war also etwas höher wie bei den normalen, nichtsyphilitiscben
Sera. Im einzelnen war die Verteilung folgendermaassen:
11 Sera = 12,7 pCt. wirkten gar nicht hämolytisch;
6 „ = 6,9 „ batten einen Titer 0,3;
19 „ = 21,8 „ „ „ „ 0,2;
6 „ = 6,9 „ ,, „ „ 0,1;
45 „ = 51,7 „ „ * „ 0,09 oder stärker bisO,04.
Zusammengefasst war also, wenn man 0,1 wie oben
als normalen Titer rechnet, bei den 87 syphilitischen
Sera der Hämolysingehalt in 41,4pCt. geringer, als es
der Norm entsprochen hätte.
Aus diesen Resultaten ergibt sich in Bestätigung der An¬
gaben von Eliasberg, Popoff, Weil und Kafka sowie Weil
also tatsächlich, dass bei den syphilitischen, nach Wasser¬
mann positiven Sera der Hämolysingehalt relativ häu¬
figer reduziert ist wie bei den normalen Sera. Da aber
einerseits auch nichtsyphilitische Sera noch in 14,1 pCt.
einen hämolytischen Titer zeigen, der niedriger ist, als
es der Norm entsprechen würde, andrerseits die syphi¬
litischen Sera nur in 41,4pCt. eine deutliche Verringe¬
rung des Hämolysingebalts erkennen lassen, so resul¬
tiert aus diesen Befunden, dass die Popoff’sche Hämo¬
lysereaktion bzw. die Hemmung der Hämolyse bei
Verwendung syphilitischer Sera keine diagnostische
Bedeutung beanspruchen kann.
Es ergibt sich dies übrigens auch aus einem direkten Ver¬
gleich der mittels beider Reaktionen erhaltenen Resultate. Dabei
rechnen wir eine Hemmung der Hämolyse von 0,1 an bzw. völliges
Ausbleiben der Hämolyse als positive Popoffsche Reaktion,
Lösung von 0,1 an als Degative Popoffsche Reaktion.
Uebereiostimmend negativ nach beiden Reaktionen reagierten
nur 48 pCt. aller Fälle, übereinstimmend positiv nur 17,5 pCt.
aller Fälle. Es zeigten also im ganzen 65,5 pCt. aller Fälle
gleichsinnigen Ausfall der Wassermann’scben und der Popoff’schen
Reaktion.
Der Rest von 34,5 pCt. der untersuchten Fälle ergab diver¬
gente Resultate, und zwar reagierten von den syphilitischen Seren
25,5 pOt. nach Popoff negativ, 9 pCt. der nichtsyphilitischen
nach Wassermann negativen Sera nach Popoff positiv.
Auch aus dieser Art der Zusammenstellung ergibt
sich, dass die Hemmung der Hämolyse bei syphiliti¬
schen Sera in der von Popoff empfohlenen Anordnung
keinerlei diagnostischen Wert beanspruchen kann,
wenn auch, wie schon erwähnt, zugegeben werden mass,
dass syphilitische Sera in einem etwas grösseren Pro¬
zentsatz als die nichtsyphilitischen, nach Wassermann
negativ reagierenden Sera das beschriebene Phänomen
der Hämolysehemmung aufweisen.
Aus der dermatologischen Abteilung des Rudolf
Virchow-Krankenhauses in Berlin (dirigierender Arzt
Prof. Dr. Buschke).
Ueber die parenchymatös-toxischen Wirkungen
des Syphiliscontagiums bei visceraler Früh¬
syphilis und Taboparalyse.
Von
Prof. Dr. A. Buschke und Dr. Max Michael, Assistenzarzt.
Während die experimentelle Syphilisforschung zusammen mit
den früher schon bekannten Tatsachen uns bereits wichtige Auf¬
schlüsse darüber gebracht hat, inwieweit die histologisch spezi¬
fischen Veränderungen der Gewebe mit der lokalen Anwesenheit
der Spirochaete pallida in Beziehungen stehen, haben uns die
modernen Forschungen über die toxischen Wirkungen des Syphilis-
contagiums, welche unabhängig sind von der Anwesenheit der
spezifischen Mikroorganismen in den degenerierten Geweben selbst,
nicht nennenswert gefördert. Im ersteren Falle handelt es sich
naturgemäss um vorwiegend interstitielle und vaskuläre Entzün¬
dungsprozesse, durch welche erst sekundär infolge der veränderten,
mechanischen und circulatorischen Bedingungen und vielleicht
auch durch die toxischen Wirkungen des in der Nachbarschaft
vorhandenen Syphiliscontagiums die Parenchymzellen der Organe
verändert werden. Im zweiten Falle dagegen liegt eine primäre
Schädigung der Parenchymzellen vor durch die toxischen Pro¬
dukte des im Blut kreisenden oder an einer entfernten Stelle des
Organismus deponierten Syphiliscontagiums. Diesen Vorgang
hätten wir dann nach Vircbow’s Vorgang als parenchymatöse
Entzündung aufzufassen, welche entweder mit Regeneration oder
Degeneration und Zerfall des Parenchyms endigt. Diese Frage
nun, inwieweit die rein toxischen Wirkungen des Syphiliserregers
im Verlauf der Krankheit eine Rolle spielen, hat durch die
Noguchi’sche Entdeckung der Spirochäten im Gehirn eine be¬
sondere Bedeutung für das Problem der Tabes und Paralyse ge¬
wonnen. Während eine Anzahl von Autoren besonders in der
Periode der rein klinischen Syphilisforschung doch sehr der rein
toxischen Entstehung dieser früher sogenannten metasyphilitischen
Erkrankungen zuneigten, so erklären nunmehr — wie auch früher
schon — einzelne Forscher teils auf Grund histologischer Studien,
teils besonders auf Grund der Noguclii’schen Entdeckung Tabes
und Paralyse für eine etwas modifizierte Form der gewöhnlichen
interstitiellen Spätsyphilis mit sekundärer Degeneration des be¬
fallenen Nervengewebes. Zur Lösung dieser Frage reichen die
bisher gewonnenen klinisch-histologischen und mikrobiologischen
Untersuchungsergebnisse nicht aus, das Experiment lässt bisher
vollkommen im Stich. Nun scheint es uns indes, dass man aus
dem Studium gewisser Visceralerkrankungen im Frühstadium der
Syphilis, mit denen wir uns in den letzten Jahren etwas ein¬
gehender beschäftigt haben, eine gewisse Basis für die Beurteilung
dieser Dinge gewinnen kann. Wir haben aus diesen Erfahrungen,
die ausführlich an anderen Orten mitgeteilt sind, eine Reihe von
Argumenten dafür gewonnen, dass wir jedenfalls berechtigt sind,
dem Syphiliscontagium eine wesentlich toxische Quote zuzusprechen:
Dach diesen Beobachtungen kann auch ohne den Faktor inter¬
stitieller und vaskulärer Schädigung eine schwere degenerative
Veränderung parenchymatöser Zellen sich bei Lues entwickeln.
Zu den häufigsten frühsyphllitischen Visceralerkrankungen
gehört nach den Erfahrungen unserer Abteilung der Icterus syphi¬
liticus praecox, der nach unseren Literaturstudien mit der auf¬
fallend grossen Häufigkeit von etwa 10 pCt. zur akuteD gelben
Leberatrophie führt. Die früheren Theorien über seine Patho¬
genese: Entstehung auf Grund einer spezifischen portalen Lymph-
drüsenschwellung(Lanceraax, Engel-Reimers),einesEnanthems
der Gallenblase oder der Leberausfuhrgänge (Gabler, Cornil,
Senator), frühzeitiger interstitieller Veränderungen (Mauriac,
Joseph) sind mit Ausnahme von gelegentlichen portalen Drüsen¬
schwellungen niemals autoptisch bestätigt worden; auf Grund
einer grossen Reibe hier nicht aufzufübrender Argumente, welche
in den erwähnten ausführlichen Arbeiten 1 ) mitgeteilt wurden, sind
1) A. Buschke und Felix Zernik, Zur Kenntnis der Leber¬
erkrankungen im Frühstadium der Syphilis. Arch. f. Denn. u. Syph.
Bd. 151, H. 1—3. — Buschke, Zur Kenntnis des Icterus syphiliticus
praecox. B.kl.W., 1910, Nr. 6. — Buschke, Syphilis in Riecke’s Lehrb.
d. Hautkrankh., 1.—3. Aufl. — Michael, Der Icterus syphiliticus praecox
usw.“ Arch. f. Derm. u. u. Syph., Bd. 120, H. 3.
2 *
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
diese Theorien völlig abzulehnen. Vielmehr macht der häufige
Ausgang des Icterus syphiliticus praecox in die akute gelbe Leber¬
atrophie es wahrscheinlich, dass hier eine parenchymatöse Hepa¬
titis rein syphilotoxischen Ursprungs vorliegt, die sich in einem
Teil der Fälle zurückbildet, in etwa lOpCt. in akute Degeneration
des Leber parenchyms übergeht. Diese Auffassung auch bezüglich
der frühsypbilitischen akuten Nephritis haben wir bereits in
früheren Arbeiten und auch bereits in der ersten Auflage des
Rieke’schen Lehrbuches vertreten und versucht, dieselbe durch
Funktionsprüfungen zu stützen. Der wichtigste Beweis indes für
die Richtigkeit dieser Auffassung ist die Tatsache, dass es bisher
keinem Untersucher geglückt ist, in dem Gewebe bei akuter gelber
Leberatrophie auf syphilitischer Basis Spirochäten oder andere
Mikroorganismen zu finden, während in Hauteffloreszenzen des¬
selben Falles zahlreiche Spirochäten vorhanden waren (Vespreroy
und Kanitz). In einem von Fischer aus unserer Abteilung
publizierten Fall gelang es ebenfalls nicht, Spirochäten im Ge¬
webe zu finden, und Impfungen von Lebermaterial auf Affen ver¬
liefen negativ. Dieser Versuch ist um so wichtiger, als Neisser
Lebergewebe syphilitischer Affen, welches mikroskopisch frei von
Spirochäten war, mit positivem Erfolg verimpfen konnte. Diese
Beobachtungen berechtigen uns zu dem Schluss, dass diese schweren
Erkrankungen des Leberparenchyms, welche in leichteren Fällen
mit Regenerationen, in schwereren mit Untergang der Leberzellen
endigen, durch eine rein toxische Wirkung des Syphiliscontagiums
ohne direkte Anwesenheit desselben in den erkrankten Geweben
zustande kommen.
Vielleicht noch schärfer als bei dem frühsyphilitischen Icterus
drängt sich bei den frühsyphilitischen Nierenerkrankungen der
Gedanke auf, dass es sich um eine toxisch-parenchymatöse
Affektion handle, ein Standpunkt, den wir bereits seit Jahren ver¬
treten, und der in einer früheren Arbeit von Winkler 1 ) aus
unserer Klinik zum Ausdruck gebracht ist. Die frühsyphilitische
Nierenerkrankung wird gemeinhin als frühsyphilitische Nephritis
bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich — wie die sorg¬
fältigen Arbeiten von Le Play und Sezany, Mossny und
Maslonier sowie die Arbeiten von Munk auf Grund zahlreicher
autoptischer Befunde beweisen — um einen diffus über das ganze
Parenchym der Niere ausgebreiteten bis zu vollständiger Epitbel-
nekrose führenden Prozess der Tubuli contorti. Das Bild ent¬
spricht also einer wohlcharakterisierten Nephrose (Müller,
Volhard und Fahr) oder diffusen hämatogenen Nephropathie
(Löhlein). Dieses Bild weist klinisch und in den anatomischen
Veränderungen am meisten Aehnlichkeit mit der Schwangerschafts¬
und Phosphorniere auf. Diese diffusen Degenerationen der Epi-
thelien der Tubuli contorti auf eine lokale Ansiedelung von
Spirochäten im Nierengewebe zu beziehen, widerspricht allen
Erfahrungen der Nierenpathologie; und tatsächlich haben sich
in keinem einzigen der zur Sektion gekommenen Fälle im Ge¬
webe Spirochäten nachweisen lassen. Le Play und Sözany
haben ihren Befund von Spirochäten in diesem Falle später
als einen Irrtum bekannt und warnen davor, sich hierbei durch spiro-
cbätenäbnliche Fasergebilde und Farbstoffniederscbläge täuschen zu
lassen. Wir selbst haben in einem diesbezüglichen zur Sektion
gekommenen Fall keine Spirochäten gefunden, histologisch die
Untersuchungsergebnisse der französischen Autoren bestätigen
können und haben auch die von Munk erwähnten Lipoide ge¬
legentlich nacbgewiesen. Erich Hoffmann glaubt freilich den
von ihm und andern Autoren erhobenen Befund von Spirochäten
im Urin solcher Fälle als Beweis dafür ansehen zu können,
dass die frühsyphilitische Nierenerkrankung durch eine lokale
Spirochätenansammlung bedingt sei. Aus den oben angeführten
Untersuchungen ist aber diese Deutung abzulehnen; man muss
vielmehr annehmen, dass es sich um eine Spirochätenausscheidung
handelt wie die Ausscheidung von Typhusbazillen beim Typhus
abdominalis. Auch der Schluss ex juvantibus spricht, eher gegen
als für die Hoffmann’scbe Annahme: sowohl bei dem früh¬
syphilitischen Icterus wie bei der frühsyphilitischen Nieren
erkrankuog lässt sich häufig auf wenige Sublimatspritzen Inn ein
ausserordentlich imponierender Umschwung des Krankheitsbildes
erzielen, z. B. ein Niedergang des Eiweissgehaltes des Urins von
20 pro Mille auf 11 pro Mille, wie wir es beobachtet haben,
während die gleichzeitig behandelten Exantheme, die reichlich
Spirochäten enthaltenden Papeln und Scbleimhauterscheinungen
sich noch unbeeinflusst zeigten. Dieses therapeutische Resultat
1) Winkler, Üeber Nephritis syphilitica im Frühstadium der Lues.
Dem. Zschr., Bd. 16, H. 5.
Nr. 51.
lässt sich daher nur im Sinne einer antitoxischen oder Zell-
wirkung, nicht im Sinne eines spirillociden Effektes auf die in
den einzelnen Organen angesiedelten Spirochäten verwerten. Aach
bezüglich des Salvarsans sind solche Wirkungen bei syphilitischer
Nephritis bei kleinen Dosen berichtet, die wohl ähnlich gedeotet
werden müssen. Im übrigen plädieren bei diesen fräbsypbili-
tiscben toxischen Affektionen die Anhänger des Mittels meistens
mehr für eine vorsichtige Quecksilberbehandlung (vgl. Winter¬
nitz bezüglich der syphilitischen Nephritis im Handbach der
Geschlechtskrankheiten). Gerade diese Beobachtungen geben ans
auch einen wichtigen Anhaltspunkt für die physiologische
Wirkungsweise der antisyphilitischen Mittel: dass es sich in
erster Linie wohl hierbei um eine antitoxiscbe Wirkung and eine
Beeinflussung der Zellen des erkrankten Organismus und viel¬
leicht erst später und bei hohen Dosen um eine direkte Ein¬
wirkung auf das Contagium bandelt.
Auch bezüglich einer anderen Krankheitsgruppe der visceralen
Fröh8yphili8, nämlich des Diabetes, führen wir in einer demnächst
erscheinenden Arbeit aus, dass wenigstens in einem Teil der Fälle
eine ähnliche toxisch-syphilitische Parencbymerkrankung des
Pankreas zugrunde liegen durfte. Vielleicht sind aber auch noch
andere Affektionen im Verlaufe der Frühsypbilis als toxische auf-
zufassen. Wir denken hier an das so ungeheuer häufige Lenko- (
derma syphiliticum, das möglicherweise als eine toxisch parencby- j
matöse Veränderung der tiefsten Schichten der Epidermiszellen
aufzufassen ist. Wenigstens hat der eine von ans (Buschke
und Eichhorn 1 ) durch experimentelle Pigmentversuche mittels
der Quarzlampe bei Leukoderma syphiliticum den Wabrschein-
lichkeitsbeweis für die Richtigkeit dieser Anschauungen erbracht.
Auch bei der Alopecia specifica, die ja zum Teil allerdings durch
histologische Veränderung bedingt ist, dürfte doch ein Teil der
Fälle rein toxischen Ursprungs sein, ähnlich wie die Typhus-
alopecie, die Thalliumalopecie usw. Der Nachweis von Spiro¬
chäten in den Haarfollikeln bei hereditär syphilitischen Säug¬
lingen ist nach dieser Richtung belanglos bei der ungeheueren
Verbreitung der Mikroorganismen im Säuglingskörper.
Es ergibt sich also aus der Betrachtung der frühsyphilitischen
Nieren- und Lebererkrankung mit höchster Wahrscheinlichkeit,
dass, unabhängig von der Anwesenheit in bestimmten Organen,
das Syphiliscontagium imstande ist, schwere toxisch-parenchyma¬
töse Wirkungen hervorzurufen. Sind in diesen Organen and in
einer Anzahl von Fällen die Wirkungen so significant, dass sie
klinisch hervortreten, so dürfen wir wohl vermuten, dass auch
regulär ohne markante klinische Erscheinungen das Syphilis¬
contagium diese toxischen Wirkungen in vielen Organen, so auch
möglicherweise in der Intima der Gefässe neben interstitiellen
und davon abhängigen sekundär degenerativen Veränderungen, I
entfaltet, und hierauf eine Anzahl leichterer klinischer Erschei¬
nungen als Intoxikationssymptome aufzufassen sind (wie das ja
auch seit altersher geschieht), dass hierauf auch zum Teil die
Minderwertigkeit der Organe hereditär Syphilitischer und das Zu¬
rückbleiben derselben in der Entwickelung beruht.
Was nun die Nutzanwendung dieser Erfahrungen auf die
Entstehung der Tabes und Paralyse betrifft, so haben frühere
Autoren, wie besonders v. Strümpell, die Anschauung ver¬
treten, dass die Syphilis ein Toxin produziere, welches eine
Degeneration der Ganglienzellen und Nervenfasern hervorrufe.
Von deu Argumenten, die zur Stütze dieser Theorie beraugezogen
werden, sei nur erinnert an die Ergotin- und ao die Bleivergiftung,
die der Tabes ähnliche Bilder erzeugten. Eine gewisse Analogie
gewährt auch die funiculäre Degeneration des Rückenmarks bei
Anämie, die meist nicht mehr auf die Anämie bezogen wir,
sondern auf eine noch unbekannte, das Blut ebenso wie das
Nervensystem schädigende Noxe. Gegenüber dieser Anschauung
von der rein toxischen Entstehung der Tabes und Paralyse
nehmen andere Autoren an, dass das Wesentliche und Prim« 6
bei der Entstehung der Tabes und Paralyse die interstitiellen
Veränderungen sind. Sie stützen sich dabei erstens auf biso-
logische Untersuchungsbefunde, die in letzter Zeit besonders von
Stargar dt in dieser Richtung gedeutet wurden, zweitens au
die Noguchi’sche Entdeckung der Spirochäten im Gehirn derPara¬
lytiker und drittens auf den Nachweis der Lymphocytose in *
Spinalflüssigkeit bereits im Frühstadium der Syphilis. Auf dies
1) Buächke und Eichhorn, Ueber den Einfluss des bichta auf
das Leukoderma syphilitioum und Cutis marmorata pigmentosa, v
Zschr. 1911.
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Qrigii il fro
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21. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1937
Basis ist die Vorstellung entstanden, dass die letztere bereits ein
sicheres Symptom von Nervenlaes darstellt, dass die bereits im
Frühstadium im Nervengewebe angesiedelten Spirochäten bei un-
genügender Behandlung dort liegen bleiben und nnn nach Jahren
und Jahrzehnten durch eine diffuse interstitielle Entzündung die
Krankheitsbilder der Tabes und Paralyse erzeugen. Dieser Auf¬
fassung, die zunächst viel Bestechendes hat, stehen doch einige
Bedenken entgegen wenigstens in ihrer Verallgemeinerung. Die
Lymphocytose der Spinalflüssigkeit ist, wie besondere Unter¬
suchungen der letzten Jahre ergeben haben, ungeheuer häufig,
besonders im Frübstadium der Lues. Man kann sie direkt zu
den Hauptsymptomen in dem Frühstadium der Krankheit rechnen.
Wenn diese Lymphocytose wirklich jedesmal ein Ausdruck für
eine Infektion des Nervensystems wäre, so müssten wir Nerven¬
laes mit ihren Folgezuständen bei der bisherigen, ja nach unseren
heutigen Anschauungen unvollkommenen Luesbehandlnng viel
häufiger haben, als es glücklicherweise der Fall ist; und vor
allem wäre es dann nicht zu verstehen, dass bei etwa 63pCM)
der Lymphocytose in der Frühperiode nur in etwa 4—5pCt.
der Sypbilisfälle überhaupt Paralyse entsteht, wenn es sich hier
wirklich um eine einfache Fortleitung des Krankheitsprozesses
aus der Frühperiode in die Spätperiode handelte. Die Lympho¬
cytose der Spinalflüssigkeit bei Lues hat sicherlich eine ge¬
wisse diagnostische und therapeutische Bedeutung. Ich glaube
aber, dass sie sowohl nach dieser Richtung, wie io bezug
auf die Frage der Nervensyphilis und Paralyse überschätzt wird.
Wohl werden wir erwarten können, dass bei organischen Er¬
krankungen des Nervensystems eine Lymphocytose sich ent¬
wickelt, aber umgekehrt erscheint es mir nicht berechtigt, in
jedem Falle hei Lymphocytose der Spinalflüssigkeit bei Früh¬
syphilis auf eine Infektion des Nervensystems zu schlieBsen. Bei
der Vorliebe der Spirochaete pallida für die Lymphbahnen ist es
auch so verständlich, dass eine Infektion des Spinalkanales als
eines grossen Lympbraumes stattfindet, ohne dass immer das
Nervengewebe bzw. die dazu gehörigen Blutgefässe befallen
werden. Jedenfalls sprechen die klinischen Erfahrungen für die
Richtigkeit dieser Anschauung, ohne dass damit geleugnet werden
soll, dass in einer Anzahl von Fällen die Untersuchung der
Spinalflüssigkeit im Verlaufe der Lues von Wichtigkeit sein kann.
Besonders nun aber die Noguchi’sche Entdeckung hat dazu ge¬
führt, Tabes und Paralyse als eine besondere Form der Nerven-
lu68 aufzufassen. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass hier die
Spirochäten ganz anders gelagert sind als bei der Nervenlues:
bei der Paralyse diffus zerstreut im Nervengewebe, dazu noch
vielfach nicht an den Stellen der grössten histologischen Ver¬
änderungen, bei der Nervensyphilis vorwiegend in den Wan¬
dungen der Blutgefässe oder in deren Nähe. Des ferneren steht
ja bekanntlich bei der Paralyse die ausgedehnte Degeneration des
Nervenparenchyms gegenüber den interstitiellen Vorgängen im
Verhältnis zur Nervenlues im Vordergründe. Auch der Umstand,
dass bei diesbezüglichen conjugalen und hereditären Ueber-
tragungen von Taboparalyse gerade wieder diese Formen über¬
tragen werden, und seltener primär eine andere Form der Nerven¬
syphilis spricht dafür, dass hier biologisch bei Tabes und Para¬
lyse etwas Besonderes vorliegt, das nicht ohne weiteres mit der
Nervensyphilis analogisiert werden darf. Auch wissen wir, dass
bei Paralyse und Tabes es sich nicht nur um eine rein lokale
Veränderung handelt, sondern wahrscheinlich um eine neue Ver¬
breitung des Contagiums über den Körper wie bei Frühsyphilis,
im Gegensatz zur gewöhnlichen tertiären Lues, wo wir darüber
bisher nichts wissen, wo vielmehr der Prozess lokalisiert ist.
Neuere experimentelle Befunde, Nachweis der Spirochäten im
Blut, beweisen das jedenfalls. Alle diese Gründe zeigen, dass es
nicht berechtigt ist, ohne weiteres Tabes und Paralyse einfach
als eine besondere Form von Spätsyphilis des Nervensystems auf¬
zufassen, wie es auch Hoche hervorhebt, sondern dem degene-
rativ-toxischen Moment neben den interstitiellen Veränderungen
eine wichtige und wesentliche Bedeutung zuzumessen. Hierfür
nun geben die in diesem Aufsatz kurz skizzierten, toxischen
Visceralerkrankungen der frühsyphilitischen Periode einen An¬
haltspunkt. Kurz sei zum Schluss noch darauf hingewiesen, dass
auch für die Auffassung der Entstehung der Wassermann’schen
Reaktion die toxisch-degenerative Veränderung der Parenchym¬
zellen in der Much’schen Theorie eine gewisse Geltung erlangt
hat. Es wird besonders Aufgabe der experimentell-sypbilido-
logischen Forschung sein, mehr als es bisher der Fall war, uns
1) Wile und Stokes, Denn. Wschr., 1914, Nr. 38 u. 39.
einen Einblick in diese toxischen Vorgänge im Verlauf der
Syphilis zu gewähren, die für Theorie und Praxis der Krankheit
eine grosse Bedeutung beanspruchen.
Kriegsseuchenbekämpfung durch klinische
antiseptische Maassnahmen.
Von
Dr. Haas Friedenthal-Nikolassee.
ln der Chirurgie haben die Maassnahmen für Innehaitang
strenger Asepsis und Antisepsis eine kaum noch zu übörtreffeude
Vollkommenheit erreicht. Kosten und Arbeit werden nicht ge¬
scheut, wenn es gilt, das Ziel zu erreichen, dass kein schädliches
Bakterium in gefahrdrohende Nähe an ein nichtinfiziertes Indivi¬
duum herangelangen kann. Die Stimmen, welche sich zuerst
erhoben hatten, die unbequemen und teuren antiseptischen Maass-
nabmen seien überflüssig und es ginge anch ohne dieselben, sind
angesichts der Erfolge der strengen Antisepsis und Asepsis ver¬
stummt. Bei der klinischen Behandlung von Seuchenkranken
wird bisher die Verseuchung des Krankenzimmers mit ihrer Ge¬
fährdung des Pflegepersonals als unabwendbar hingenommen und
dafür strenge Maassregeln getroffen, um den Verkehr des Seuchen-
krankenhanses mit der Aussenwelt auf das äusserste zu be¬
schränken und eine Verschleppung pathogener Keime aus dem
Krankenhause in die Umgebung zu verhindern. Durch Schutz¬
impfungen gelingt es beute bei einer grossen Zahl von Infektions¬
krankheiten, das Pflegepersonal zwar nicht vor der Ansteckung
im bakteriologischen Sinne, wohl aber vor schädlichen Folgen
der Bakterienübertragung zu sichern. Es gehört nicht zu den
Annehmlichkeiten, sich gegen eine grosse Zahl von Krankheiten
impfen zu lassen, zumal der Schutz nicht bei allen Krankheiten
genügend lange Zeit vorhält, auch ist die Weiterverbreitung von
pathogenen Organismen durch Schutzgeimpfte nicht ganz aus¬
geschlossen. Ein zweiter Weg, Ansteckung za vermeiden, wäre,
jede Möglichlichkeit der Uebertragung von pathogenen Organismen
vom Kranken auf seine nächste Umgebung, Hautoberfläche, Bett
und Zimmer nach den Regeln der Antisepsis zu verhindern, wie
es der Chirurg bei septisch infizierten, absondernden Wunden tut.
Besonders leicht erscheint die Durchführung der antiseptischen
Schutzmaassnahmen bei Seuchen, bei denen nur Harnrohren-
mündung und Anus als Orte der Ansteckungsgefahr in Betracht
kommen, also bei Darmkranken. Infektiöse Enteritis, Cholera
nostras und Cholera asiatica, Typhus, Paratyphus und Ruhr
kommen namentlich in Kriegszeiten besonders in Betracht.
Bisher infizierten sämtliche Kranken ihre Betten und ihre
Hände, während ihrer Krankheit meist auch ihr Pflegepersonal,
ohne dass dieses deshalb freilich zu erkranken brauchte, weil es
mit Krankheitserregern in Berührung kam. Sorgen wir dafür,
dass alle mit stark infektiösen Darmkrankheiten Behafteten mit
BettschutzhoseQ versehen werden, mit wasserdichten Einlagen
und mit Vorlagen, welche mit antiseptischen Stoffen, Pulvern
oder Lösnngen versehen sind, sorgen wir ferner dafür, dass jedes
Urinieren und jede Defäkation behandelt wird wie der Verband¬
wechsel einer infizierten Wunde, so dürfen wir hoffen, eine In¬
fektion des Bettes nnd der Umgebung des Kranken mit Sicherheit
ausschliessen zu können. Besondere Berücksichtigung verdient
der Schutz der Hände des Kranken vor Infektion während des
Urinierens und der Defäkation. Durch Waschen nach stattgehabter
Benutzung wird kaum in der Praxis Sterilität erreicht werden
können, wir müssen daher die Kranken mit wasserdichten Hand¬
schuhen versehen, es brauchen nur Fausthandschuhe zu sein, welche
spielend leicht zu sterilisieren sind, etwa in 1 proz. Sagrotan-
lösungen. Erst wenn der Verbandwechsel nach dem Urinieren
and Defäcieren vorüber ist, nnd die Schutzhose geschlossen ist,
können die Handschuhe ohne Gefahr von den Händen entfernt
und in der antiseptischen Lösung anfbewahrt werden. Ein be¬
rühmter Bakteriologe definierte einen Händedruck als Austausch
der beiderseitigen Lokalrassen des Bacterium coli; bei dem obigen
Verfahren ist eine Infektion der Hand und des Krankenbettes mit
Darmbakterien wohl ausgeschlossen. Bei somnolenten Kranken
muss ein Gummistechbecken aus antiseptischer Flüssigkeit in den
Verband mit eingeschlossen werden. Dass das Pflegepersonal
ebenfalls seine Hände durch Handschuhe vor Infektion schützt
während der*, gefährdeten Handreichungen, hält Verfasser für
notwendig und für weit sicherer als eine nachträgliche Waschnng
der infizierten Hände. Feinere Verrichtungen mit den handschnh-
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1038
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 51.
bekleideten Händen hat das Pflegepersonal nicht auszuführen, so
dass auch hier die billigen Fausthandschuhe genügen werden.
Dass von seiten des Pflegepersonals ein gewisses Einarbeiten
erforderlich ist, um grobe Verstösse gegen die Antisepsis zu ver¬
meiden, ist bei der klinischen Antisepsis ebensowenig zu ver¬
meiden wie bei der chirurgischen Antisepsis. Dass der Arzt
seine Untersuchungsinstrumente bequem in einem Gummibeutel
voll mit Sagrotanlösung getränkter Watte tragen kann und die
Instrumente vor jedem Gebrauch mit einem sterilen Gürteltuch
abtrocknet, ehe sie mit dem Leib des zu Untersuchenden in Be¬
rührung kommen, soll hier nur kurz erwähnt werden. Nach den
bisherigen Erfahrungen des Verfassers werden weder Metalle,
noch Gummi, noch Horn von Sagrotan oder Grotanlösungen an¬
gegriffen, so dass Hammer, Hörrohr, Phonendoskop und alle
sonstigen Untersucbungsinstrumente bequem dauernd steril ge¬
halten werden können. Das Pflegepersonal trägt zweckmässig an
seinem Gürtel ein Tuch, in einprozentiger Sagrotanlösung scharf
ansgedrückt, und reinigt sich die Hände mit diesem Tuch vor
jedem Anfassen der Klinken oder von Geräten, welche gereicht
werden sollen. Vor dem Berühren infizierter Gegenstände sind
die Handschuhe anzuziehen und nach Gebrauch wieder in der
antiseptischen Lösung aufzubewahren.
Schwieriger als bei Darmseuchen ist die strenge Durch¬
führung der Antisepsis bei denjenigen Infektionskrankheiten, bei
welchen die Atemluft infizierend wirkt, oder wie bei Scharlach
und Pocken, wo die ganze Haut als Infektionsquelle in Betracht
kommt. Für diese Fälle käme Abreiben des ganzen Körpers mit
antiseptischem Oel, z. B. Eucalyptusöl, in Betracht, welches bei
Scharlach von einem englischen Arzt empfohlen wurde. Vielleicht
könnte man durch Einhüllen des ganzen Körpers in ein überall
bakteriendicht geschlossenes Schutzkleid zum mindesten für die
Zwecke des Transportes, der Verlegung oder Umbettung im
Krankenbause, des Empfanges eines Besuches bei solchen Seuchen
jede Gefahr für die Umgebung ausschHessen. Das Tragen eines
Respirators wird allerdings von Kranken nicht sehr geschätzt,
und man wird an die Konstruktion möglichst wenig belästigender
Respiratormodelle gehen müssen. Durch doppelte Mosquitonetze
wird man bei Lungenkranken das Tragen eines Respirators um¬
gehen können und doch die Tröpfcheninfektion im Krankenzimmer
mit Sicherheit verhindern. Jedesmal ehe der Kranke das Bett
verlässt, muss er den Respirator anlegen und erst im Bett nach
Schliessen der Vorhänge wieder ablegen.
Bei Zungenspateln wird man durch Anbringen eines grösseren
Schutzhalbkreises von Zellit dafür sorgen müssen, dass nicht
durch Husten und Würgen des Besichtigten Arzt oder Zimmer
infiziert werden. Es erscheint nicht nötig, alle Maassnahmen,
welche gegen Verbreitung von Seuchen am Krankenbette nötig
sind, denen einzeln aufzuzählen, welche mit der chirurgischen
Antisepsis vertraut sind. Es kommt nur darauf an, dass keine
Möglichkeit der Infektion der Umgebung durch den Kranken oder
seine Aussch ei dnngen offen gelassen wird. Werden die Regeln
der Antisepsis strenge innegehalten, so besteht keine Not¬
wendigkeit mehr, Seuchenkranke oder ihr Pflegepersonal abzu¬
sperren, wie es heute noch unbedingt notwendig erscheint. Beim
Urinieren von Kranken könnte leicht Urin in die Umgebung ver¬
spritzt werden, wenn man den Penis nicht in ein Schiauchstück
versenkt, welches in antiseptiscber Lösung mit dem anderen Ende
eingetaucbt ist. Nach jedem Urinieren ist die Urethralöffnang
antiseptisch zu behandeln und zu sichern, ebenso wie die Anal-
Öffnung nach der Defäkation. Die Hände werden am zweck-
mässigsten bei allen Verrichtungen, die nicht feinstes Gefühl er¬
fordern durch wasserundurchlässige Handschuhe geschützt. Wo
Handschuhe nicht angängig, erprobte Verfasser ein Verfahren um
ohne Wasser oder Alkohol die Hände in kurzer Zeit steril zu
erhalten, selbst nach erheblicher Beschmutzung und Verunreinigung
mit Krankheilskeimen. 4
Tränkt man Kleie, am besten Mandelkleie, mit Sagrotan oder
Providoformtinkturzu gleichen Gewichtsteilen und reibt die trocken
gewordene Masse in einem Mörser fern, so erzielt man ein über¬
aus stark desinfizierendes Pulver, mit welchem die Hände abge¬
rieben werden. Durch das Reiben werden Schmutz und Krank¬
heitskeime mechanisch entfernt, ausserdem aber die Haut mit
einem desinfizierenden, lange nach wirkenden Ueberzug versehen,
welcher noch nachträglich auf die Haut gebrachte Krankheits¬
keime tötet Prof. Bechhold in Frankfurt a. M. zeigte in seiner
lesenswerten Studie über Händedesinfektion zuerst in einwandfreier
Weise dass durch häufige desinfizierende Waschungen der Hände
die Haut längere Zeit so gut wie steril gehalten werden kann.
Durch Abreiben mit den oben beschriebenen Pulvern gelingt es
rasch, saubere und sterile Hände zu erzielen. Eine besondere
Berücksichtigung erfordern die Nägel mit ihren Buchten und
Falten. Durch einfaches Reiben mit antiseptischen Pulvern wird
es sehr schwer sein, die erforderliche sichere Unschädlichmachung
der pathogenen Keime, die gerade an diesen Stellen am liebsten
haften, zu erzielen. Für die Nägel empfiehlt sich das Fixieren
der nach der Reinigung übrig gebliebenen Keime mit Schellack¬
lösungen. Verfasser versuchte die verschiedensten Klebemittel,
Mastisol und andere, fand aber konzentrierte Schellacklösungeo
am geeignetsten und am angenehmsten. Es erscheint schwer
denkbar, dass es pathogenen Keimen gelingen sollte, nach Ab¬
reiben der Hände mit Sagrotankleie und Schellackieren der Finger¬
nägel, wobei die Rinne unter dem Nagel besonders bedacht wird,
Schaden anzurichten. Versuche, wie die von Bechhold auge-
stellten, müssen entscheiden, ob tatsächlich auch bei langdaoernden
Operationen in der Bauchhöhle eine Infektion mit so gereinigten
Händen zu den Unmöglichkeiten gehört. Für die Krankenpflege
und die nichtchirurgische Tätigkeit des Arztes erscheint die Frage
nach der Reinigung der Hände ohne Gebrauch von Wasser, Seife
und Handtuch gelöst, doch lässt eine Weiterverfolgang der wert¬
vollen Anregungen von Bechhold noch weitere Verbesserungen
des Verfahrens der trockenen Händesterilisierung erwarten.
Es ist erstaunlich, wie leicht Kranke und Pflegspersooal sich
an diese bei der Beschreibung unbequem und kompliziert scheinen¬
den Maassnab men gewöhnen, deren Zweck sofort jedem einleucbtet
und deren genaue Innebaltung streng gegenseitig zu überwachen
zu einem gewissen Sport sich ausbilden kann. Im Anfang wird
der Ungeübte unaufhörlich Fehler gegen die strengste Antisepsis
begehen, aber nach kurzer Zeit sich einarbeiten.
Es sollte in den obigen Zeilen nicht mehr ausgefübrt werden,
als eine kurze Andeutung der Maassnahmen, welche die klinische
Antisepsis und Asepsis auf die Höhe der chirurgischen empor¬
heben werden.
Aus der Privatklinik von Prof. Dr. Karevvski und dem
Röntgenlaboratorium von Dr. Marcuse.
Die Insuffizienz der Vaivula iieocoecaiis
im Röntgenbilde.
Von
Dr. Brest Marcuse.
Wenn ein Mensch mit gesundem Magen die Rieder’sche Kon¬
trastmahlzeit zu sich nimmt, so ist normalerweise, wie die Röntgen¬
untersuchung zeigt, nach 6 Stunden der Magen und der Dünndarm
frei von Wismut bzw. Baryumschatten, und das Colon ascendens
erweist sich als gefüllt. Eine längere Verweildauer im Dünndarm
kommt — abgesehen von den Fällen von Darmstenose — bei
Enteroptose vor, wo, wie Schwarz 1 ) betont, noch 9 Stunden
nach der Mahlzeit sich in der untersten Dünndarmschlinge noch
Reste des Kontrastbreies finden lassen. In einer anderen Gruppe
von Fällen zeigt sich ebenfalls eine auffallend lange Retention
in der untersten Ileumschlinge, so dass man fast an eine Stenose
an der Ileocoecalklappe denken könnte, doch ergibt die Röntgen-
untersuchnng, nachdem der Patient einen KontrasteiDlauf von
Baryum-Boliisemulsion unter geringem Druck erhalten hat,
die Klappe nicht nur verengt, sondern im Gegenteil schlussuntao 6
ist, da der Einlauf durch die Klappe hindurch in die J Dters ,
Dünndarmschlingen eindringt. Groedel 2 ) nimmt an, , 8 h
Rückfluss von Coecalinhalt in das Ileum in diesen Fällen
während der Verdauung vorkommt und sieht darin die lJrs . .
dass noch 6 Stunden nach der Wismutmahlzeit die unterste
schlinge Wismutreste enthält. Er führt die Schmerzen, an ,
seine Patienten mit diesem Symptom litten, auf den Keiz »
den dieser abnorme Dünndarminhalt auf die Schleimhaut a
Als Ursache der „Insuffizienz der lleocoecalklapp
men — abgesehen von den Fällen, wo ulceröse f rozes , j oer
Klappe oder im Coecum oder Tumoren im Coecum 0 > e
nächsten Umgebung vorliegen — nach Groedel katarr ^
Affektionen des Coecums und peritypblitiscne
in Betracht.
1) Schwarz, Die Erkennung der tieferen Dünndarmstenose o'
des Röntgenverfahrens. W.kl.W., 1911, Nr. 40.
2) Groedel, Die Insuffizienz der Vaivula iieocoecaiis
Fortscbr. d. Röntgenstr., Bd. 20, H. 2.
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ungirai Trom
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21. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1939
Gegen diese Auffassung der Insuffizienz der Bauhin’scheu
Klappe als ein typisches Krankheitsbild wendet sich Dietlen 1 ).
Er hat zwar auch in einer Anzahl von Fällen mit chronischer
Appendicitis das Phänomen beobachtet, aber noch häufiger bei
anderen pathologischen Prozessen, die sich nicht an der lleocoecal-
klappe, sondern im Colon oder in dessen Nähe sich abspielen.
So befanden sich unter seinen Fällen solche mit chronischer Ob¬
stipation, teils spastischer Natur, teils solcher vom Ascendens-
typus, ferner Patienten mit pericolitischen und pericholecystischen
Verwachsungen, ja er sah die Insuffizienz der Klappe sogar bei
Patienten mit raumbeengenden Prozessen, die sich in der Näbe
des Colon abspielten, z. B. bei Hydrops der Gallenblase und
bei spondylitischem Senkungsabscess.
Lobfeldt 2 ) selbst hat zwar nur in zwei Fällen von chro¬
nischer Perityphlitis die Klappeninsuffizienz beobachtet, stimmt
aber Dietlen’s Ausführungen völlig bei.
Ich selbst habe das Symptom wiederholt beobachtet, im ganzen in
8 Fällen, die sämtlich aus der Privatpraxis des Herrn Prof. Karewski
stammten. In drei dieser Fälle war klinisch eine chronische Appendi¬
citis sicher nachzuweisen.
1. Fall B., 64jähriger Mann, plötzlich mit heftigen Schmerzen in
der rechten Darmbeingrube erkrankt, kein Fieber, leichte peritoneale
Reizung mit ausgesprochenem Meteorismus und Defense musculaire. In
Anbetracht des Alters wurde von einer Operation Abstand genommen,
die Erscheinungen gingen allmählich zurück, der lokale Meteorismus
blieb aber noch lange bestehen. Deshalb erfolgte Röntgenuntersuchung.
Diese ergab, dass 6 Stunden nach der Kontrastmahlzeit das lieum leer
war, beim Kontrasteinlauf hingegen Uebertritt in die untersten Ileum-
schlingen.
2. Fall F., Mann, der seit mehreren Monaten an Schmerzen in der
Appendixgegend litt; die klinische Untersuchung ergab dauernde Resi¬
stenz und Druckempfindlichkeit in der Ileocoecalgegend; auch hier zeigte
das Röntgenbild den Rückfluss der Kontrastflüssigkeit in das Ileum.
Eine Operation fand auch in diesem Falle nicht statt.
3. Fall P., Frau mit seit mehreren Wochen bestehenden Schmer¬
zen in der Ileocoecalgegend, daselbst auch Druckempliodlichkeit.
6 Stunden nach der Mahlzeit ist Baryumbrei noch in der untersten Ileum-
schlinge nachweisbar. Nach 24 Stunden war der Darm völlig entleert.
Beim Einlauf von 1 1 unter geringem Druck (V 2 m ) heftige Schmerzen
in der ileocoecalgegend. Die Röntgenaufnahme ergibt ausser der Colon-
füllung, die nichts Abnormes aufweist, noch die Füllung der untersten
Dünndarmschlingen. Bei der Operation fand man den Anfaogsteil der
Appendix durch Adhäsionen am Coecum fixiert, während am distalen
Teil breite flächenhafte Verwachsungen nach der seitlichen Beckenwand
herüberzogen.
Dieser operative Befund scheint mir eine völlige Erklärung
für die Insuffizienz der Klappe zu geben. Die Adhäsionen fixieren
die Appendix nach unten bin und üben somit einen dauernden
Zug auf sie selbst und dadurch auch auf den untersten Teil des
Goecum aus und bringen so die Valvula Baubini zum Klaffen.
Ich habe mich aber nicht davon überzeugen können, dass der
Rückfluss des Coecalinbaltes in das Ileum die Ursache der Schmer¬
zen war, über die die Patientin während des Einlaufes klagte,
da bereits, ehe die Dünndarmfüllnng auf dem Leuchtschirm zu
erkennen war, die Kranke Schmerzen empfand. Ausserdem haben
andere meiner Patienten, die das Symptom der Klappeninsuffizienz
aafwiesen, während des Einlaufes keine Schmerzen empfunden,
während andere, bei denen keine Insuffizienz vorlag, über Schmerzen
klagten. Ich stimme vielmehr Dietlen bei, der in der Zerrung,
die die Adhäsionen während des Einlaufes erfahren, die Ursache
der Schmerzen sieht.
In diesen drei Fällen ist nun ein Zusammenhang zwischen
Perityphlitis und Klappeninsuffizienz wahrscheinlich nud als Ur¬
sache der Insuffizienz kann man wohl Verwachsungen annebmen,
wie wir sie im Fall P. auch bei der Operation gefunden haben.
In den übrigen Fällen war eine chronische Appendicitis nicht
nachzuweisen, dagegen bestand bei einigen wohl die Möglichkeit,
dass Verwachsungen in der Umgebung des Coecums bestanden
haben. Im folgenden Falle war dieses sogar sehr wahrscheinlich:
4. Fall G. 68 jährige Patientin, die seit Jahren an zeitweise auf¬
tretenden Schmerzen in der rechten Bauchhälfte leidet mit gleichzeitiger
Stuhl- und Windverhaltung, die sich gelegentlich zu ausgesprochenen
Occlusionskrisen steigern. In der Appendiigegend ist keine Druck-
empfiodliohkeit nachweisbar; der gute Allgemeinzustand, sowie die lange
Dauer des Leidens lassen eine Darmstenose, die durch einen malignen
1) Dietlen, Die Insuffizienz der Valvula ileocoecalis im Röntgen-
bild. Fortschr. d. Röntgenstr. Bd. 21, H. 1.
2) Lohfedt, Ueber Insuffizienz der Valvula Bauhini und ihr Ver¬
halten unter dem Leucbtschirra. Aerztl. Verein Hamburg vom 4. XI. 1913.
Autoreferat. H.m.W., 1913, Nr. 49.
Tumor verursacht sein könnte, mit Sicherheit aussohliessen. Wahrschein¬
liche Diagnose pericolitische Verwachsungen. Die Röntgenuntersuchung
ergab weder bei der Füllung per os noch heim Kontrasteinlauf einen
pathologischen Befund ausser der Insuffizienz der Bauhin’schen Klappe.
Die beiden nächsten Fälle waren bereits appendektomiert.
5. Die Patientin C., 18 jährig, mit neuropathischer Konstitution,
war vor etwa 1 / 2 Jahre wegen chronischer Appendicitis operiert. Die
Appendix enthielt 2 Kotsteine und war durch Adhäsionen am Coecum
fixiert. Sorgfältige Uebernähung des Stumpfes und de$ Mesenteriolums,
so dass überall normales Peritoneum den Stumpf bedeckt. Seit einigen
Wochen treten zeitweise kolikartige Leibschmerzen auf; die Röntgen¬
untersuchung ergab 6 Stunden nach der Mahlzeit noch Rückstände im
Ileum, sowie beim Einlauf Sohlussunfähigkeit der Ileocoecalklappe. Da
jetzt ein linksseitiger Adnextumor vorhanden ist, Relaparotomie und
Entfernung eines apfelgrossen Dermoides des linken Ovariums. Leider
wurde bei der Operation versäumt, auf etwaige Adhäsionen in der Ileo¬
coecalgegend zu achten.
6. Frau R., ist vor 4 Jahren wegen diffuser eitriger Peritonitis
infolge Perityphlitis operiert worden. Ein Jahr darauf operative Be¬
seitigung einer grossen Narbenhernie, bei deren Operation ausgedehnte
Adhäsionen im Bauohsaum festgestellt wurden. Sie leidet seitdem
an zeitweise auftretenden Anfällen von Ileus, bei denen sich in
der Flexura hepatica eine stark geblähte Darmschlinge n&chweisen
lässt. Diese Anfälle gehen bei abwartender Behandlung spontan vor¬
über. Nach dem letzten derartigen Anfall Röntgenuntersuchung in der
Absicht, das vermutete Hindernis für die Darmpassage lokalisieren zu
können. Jedoch ergab die Röntgenuntersuchung nirgends ein auffallend
langes Verweilen des Qarminhaltes, dagegen zeigte sie das Vorliegen
einer Insuffizienz der Ileocoecalklappe. Ich erkläre mir in diesem Falle
das Zustandekommen der Klappeninsuffizienz duroh die Annahme, dass
in der Gegend der Flexura coli dextra sich ein peritonitiseber Strang
befindet, der unter gewissen Bedingungen eine Abknickung des Colon
verursachen kann; während eines derartigen Ileusanfalles wird dann das
Colon ascenden9 derartig überdehnt, dass allmählich die Klappe in¬
suffizient wird. Dass durch eine solche Ueberdehnung des Colon eine
Schlussunfähigkeit der Klappe eintreten kann, hat Generaich 1 ) nach¬
gewiesen, der zu therapeutischen Zwecken durch Einläufe von 6—9 1
Wasser unter hohem Druck die Spülflüssigkeit bis hoch hinauf in den
Dünndarm trieb.
Ein ähnlicher Mechanismns mag auch in folgendem Falle
Vorgelegen haben.
Fall 7. Frau H„ 32 jährig, leidet an einer leichten Obstipation
mit Schleimbeimengungen zum harten Stuhl, aber keiner ausgesprochenen
Enteritis membran&cea. Es bestanden ferner anf&Usweise auftretende
Sohmerzen in der rechten Seite des Leibes, die der Hausarzt als eine
Cholecystitis auffasste. Die Röntgenuntersuchung ergab Tiefstand des
Magens und des Colons. Die Wismutingesten waren zum Teil noch nach
10 Stunden in der untersten Ileumschlinge nachzuweisen. Nach 24 Stunden
war das ganze Colon kontinuierlich gefüllt, das Transversum hing tief
in das kleine Becken herab, so dass es an den beiden Fiexuren spitz¬
winklig abgeknickt war; jedoch Hess sich durch die Palpation bei der
Durchleuchtung sowie durch den nach völliger Entleerung des Darmes
vorgenommenen Kontrasteinlauf zeigen, dass festere Adhäsionen jeden¬
falls nicht vorhanden waren. Nach 48 Stunden waren Wismutschatten
im Darm nicht mehr naebzuweisen. Durch einen Einlauf von ein Liter
Baryumemulsion unter geringem Druck lassen sich, ohne dass Schmerzen
auftreten, zahlreiche DünndarmschHngen füllen.
Was hier die Schlussunfähigkeit der Klappe verursacht hat,
scheint nicht ganz verständlich. Nach Groedel’s 2 ) Annahme
könnte man vielleicht in der katarrhalischen Schwellang der
Dickdarmschleimhaut, die sich in den Schleimbeimengungen zum
Stuhlgang äussert, den Grund der Insuffizienz sehen. Doch ich
kann mir nur schlecht vorstelien, dass eine Schwellung des
Schleimhautüberzuges der Klappe deren Insuffizienz zur Folge
haben sollte, es liegt doch meines Erachtens näher, anzunehmen,
dass eine entzündlich geschwollene Klappe früher und leichter
sich schliesst als eine normale. Ich glaube vielmehr, dass es
sich hier im Falle H. um einen ähnlichen Vorgang handelt, wie
bei den von Dietlen beobachteten Fällen von Klappeninsuffizienz
bei Obstipationen vom Ascendenztypus. Es kann infolge der
spitzwinkligen Abknickung der Fiexuren vielleicht doch zu Er¬
schwerungen der Darmpassage gekommen sein n it Dehnung des
Darmlumens und Ueberdehnung der Klappe, und vielleicht sind
damit dann auch die rechtsseitigen Schmerzanfälle der Patientin
aufgeklärt.
Im folgenden Falle war jedenfalls ein derartiges Hindernis
für die Darmpassage vorhanden, in Gestalt eines Darmtnmors.
8. Frau St. leidet au einem klinisch unzweifelhaften und auch
operativ bestätigten Garcinom des Colon, dicht unterhalb der Flexura
1) Genersich, Le lavage du canal digestif. Progrcs medical,
XXI, 38.
2) l. c.
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UMIVERSITY OF IOWA
1940
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 51.
lienalis, das sich röntgenologisch nicht nachweisen liess, da weder beim
Einlaufen der Kontrastflüssigkeit sich ein Hindernis zeigte, noch ein
Füllungsdefekt vorhanden war. Dagegen bestand auch hier eine In¬
suffizienz der Bauhin’schen Klappe. Die Operation erklärte, warum die
Röntgenuntersuchung hier versagen musste, es handelte sich um ein
ulceriertes Caroinom, das das Darmlumen zurzeit nicht verengte, und
das vorwiegend in das Mesocolon hineingewachsen war. Da aber früher
Erscheinungen von Darmstenose bestanden hatten, die sich in hart¬
näckigen Obstipationen abwechselnd mit Diarrhöen geäussert hatten, so
können wir wohl annehmen, dass auch hier die zeitweilige Verlegung
des Darmes die Insuffizienz der Klappe verursacht hat.
Es wäre natürlich leicht zu behaupten, dass in allen diesen
Fällen chronisch entzündliche Veränderungen in der lleocoecal-
gegend bestanden haben müssen, die sich der klinischen Beob¬
achtung und Untersuchung entzogen haben. Man findet ja auch
tatsächlich häufig genug bei Patienten, die man im ersten Anfall
der Appendicitis zu operieren glaubt, bereits ausgedehnte Ver¬
wachsungen, die auf lange bestehende Prozesse hinweisen, die
latent verlaufen sind. Es müssen jedenfalls hier noch weitere
Beobachtungen angestellt werden und im besonderen muss jeder
Fall, der das Symptom der Klappeninsuffizienz zeigt, genau bei
einer etwaigen Laparotomie auf Verwachsungen in der lleocoecal-
gegend untersucht werden. Es liegt aber meines Erachtens in
den drei letzten Fällen näher, die objektiv nachweisbaren patho¬
logischen Veränderungen im Bereich des Colon als Ursache der
Klappeninsuffizienz zu betrachten. Sicher ist, dass äusserst ge¬
ringfügige Momente die Schlussunfähigkeit der Klappe herbei¬
führen können. Schwarz 1 ) beobachtete, dass eine leichte
Efflenrage des Coecums während des Einlaufes genügt, um einen
Rückfluss 4m Coecalinhaltes in das Ileum zu veranlassen.
Singer und Holzknecht 3 ) haben bei Fällen von Colonspasmus
die Klappeninsuffizienz beobachtet und führen sie zurück auf den
während des Spasmus gesteigerten Intestinaldruck, ebenso wie wir
in Fällen von Hindernissen für die Darmpassage den gesteigerten
Innendruck und die Dehnung des Darmes als Ursache angesehen
haben. Ebenso mag auch in den von Dietlen beobachteten Fällen,
bei denen pathologische Prozesse ausserhalb des Darmes sich
nachweisen Hessen, die Raumbeengnng des Abdomens eine Er¬
schwerung der Darmpassage mit Drucksteigerung im Darmlumen
zur Folge gehabt und die Insuffizienz der Klappe herbeigefübrt
haben. Aber auch bei ganz bescbwerdefreien Menschen kann,
wie Katsch in einer Diskussionsbemerkung zu Lohfeldt’s Vor¬
trag ausführt, ein retrograder Transport von Kontrastklysmen in
das Ileum eintreten, und anch Dietlen hat bei einem an¬
scheinend Gesunden eine Insuffizienz der Klappe beobachtet.
Keinesfalls ist also die Insuffizienz der Klappe als ein
Symptom der chronischen Appendicitis anzusehen; ich glaube
auch nicht einmal, dass die Schmerzen, die während des Ein-
fliessens des Klystieres auftreten, beweisend sind für appendi-
citische Verwachsungen. Damit spreche ich in Uebereinstimmung
mit Dietlen dem Symptom der Klappeninsuffizienz jegliche
patbognomonische Bedeutung ab nnd stimme Dietlen bei, dass
es einerseits bei anscheinend ganz Gesunden und andererseits
bei einer grossen Anzahl pathologischer Prozesse, die sich am
Coecnm oder Colon oder deren Umgebung abspielen, Vorkommen
kann. Die Insuffizienz der Bauhin’schen Klappe ist ein inter¬
essanter Nebenbefund, den wir verzeichnen können, der uns aber
keinerlei diagnostische Schlüsse gestattet.
Die Röntgensekundärstrahlenblende als Hilfs¬
mittel für die Lokalisation von Geschossen,
demonstriert an zwei Herzschössen.
Von
Dr. Bttcky.
fVortraff gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft
’ am 25. November 1914.)
M. H.I In der heutigen Zeit interessiert es die Chirurgen
und die behandelnden Aerzte in den Lazaretten ganz besonders,
Fremdkörperbestimmungen zum Zwecke der Operation vornehmen
zu lassen, in Fällen, wo es notwendig ist, Geschosse aus dem Körper
1 \ Schwarz Die Röntgendurchleuchtung des Dickdarmes während
des Einlaufes als Hilfsmittel zur Diagnose stenosierender Bildungen.
und Holzknecht, Die objektiven Symptome des chro-
„ischei colon/p^mus. D.m.W., 1912, Nr. 23.
zu entfernen. Nun ist eine grosse Reihe von Lokalisationsmethoden
angegeben worden. Man möchte sagen, dass jeder Antor, der
sich etwas näher mit Röntgenologie befasste, sich bemüssigt fühlte,
eine neue Lokalisationsmethode anzugeben. Aber alle diese Loka-
lisationsmethoden kranken daran, dass es nur in gewissen Fällen
möglich ist, wirklich den Sitz der Fremdkörper exakt zq be¬
stimmen.
Nun ist gerade wieder in der letzten Zeit in der Münchener
medizinischen Wochenschrift ein Artikel von Holzknecht er¬
schienen, worin er darauf hinweist, dass die beste Lokalisations¬
methode diejenige ist, die man nicht auf der Platte vornimmt,
also nicht mit Hilfe eines Röntgenbildes, sondern auf dem
Röntgenschirm mit Hilfe der Durchleuchtung. Das trifft m so
mehr zn, wenn es sich darum handelt, Geschosse oder Fremd¬
körper festzustellen, die sich in dauernder Bewegung befinden,
wie z. B. gerade beim Herzen. Ein Geschoss, welches dem Herzen
naheliegt, folgt den Pulsationsbewegungen, ein in der Lunge liegen¬
des den Atembewegungen. In solchen Fällen ist es technisch
unmöglich, auf der Platte eine exakte Lokalisation vorzunebmen.
Nun handelt es sich bei den Geschossen, die uns beste in
der Kriegszeit hauptsächlich interessieren, immer um Fremdkörper I
von geringem Umfange, und die Durchleuchtung wird manchmal i
mit Schwierigkeiten verknüpft sein, weil das Bild auf dem Darch- j
leuchtungsschirm für gewöhnlich nicht die Kontraste gibt, wie wir
sie auf der Platte zu sehen gewohnt sind. So wird es z. B.
schwer sein, einen Granatsplitter oder ein kleinkalibriges Geschoss
in der Bauchhöhle anf dem Schirm nachzuweisen. Dasselbe gilt,
wie in den Fällen, die ich gleich demonstrieren will, von Ge¬
schossen im Bereich des Horzschattens. !
Zur Verbesserung des Röntgenbildes auf dem Schirm haben j
wir eine Vorrichtung in der sogenannten SekuDdärstrahleoblende, ,
der Wabenblende, deren Wirkung ich Ihnen ganz kursorisch in
einem Lichtbilde aaseinandersetzen möchte. In Abbildung 1 be¬
findet sich bei R die Röntgenröhre, von der aus die Röntgen-
strahlen auf den Schirm SS auftreffen. Zwischen der Röntgen¬
röhre R und dem Leuchtschirm SS befindet sich der Körper.
Zwischen Schirm und Körper ist die Blende BI eingeschaltet, die
zur Verbesserung des Bildes, wie ich Ihnen nachher im Diapositiv
nachweisen werde, in ganz erheblichem Maasse beiträgt. Der
Gedanke beruht darauf, dass die sogenannten Primärstrahlen pp
der Röntgenröhre in dem Körper neue Strahlen erzeugen, die vir
mit Sekundärstrahlnng bezeichnen. Diese Strahlung verlässt diffus
nach allen Seiten hin den Körper.
Die Sekundärstrahlung überlagert nun unter gewissen Verhält¬
nissen ganz enorm das eigentliche Bild, welches von der Primärstrab-
lung der Röntgenröhre entworfen wird, nnd es kommt zu einer
Verschleierung des ganzen Bildes. Diese Sekundärstrahlung wird
durch die Blende abgefangen. Die Blendenwände selbst stehen
in Richtung der Primärstrahlen, so dass sie sich als feine Striche
abbilden und als solche nicht stören. Ich möchte Ihnen io den
Bildern die Fälle zeigen, auf die ich hier exemplifizieren wollte.
Es handelt sich in Abbildung 2 um einen Schuss im Herten
bzw. in der Nähe des Herzens. Sie sehen aus dem Bilde, welches
mit allen technischen Hilfsmitteln gemacht worden ist, die eine
moderne Apparatur zur Verfügung stellt, wie relativ undeutlich
das Geschoss herauskommt. Das liegt einerseits daran, dass sich
das Geschoss gerade im Herzschatten befindet, andererseits daran,
dass das Geschoss die Pulsation des Herzens mitmacht. Infolge¬
dessen mussten wir mit ganz kurzzeitigen Aufnahmen arbeiten,
um überhaupt eine einigermaassen scharfe Kontur dieses Ge¬
schosses — es ist ein belgisches Geschoss — auf der Platte w
bekommen. ,
Wenn wir ein derartiges Bild betrachten, so ist es natürlich
unmöglich, von vornherein zu sagen: wo liegt das Geschoss, denn
nur die Durchleuchtung im schrägen Durchmesser, wo wir also
den Raum zwischen Wirbelsäule einerseits und grossen Gefässen
und Herz andererseits frei projizieren, kann uns einen Aufschluss
darüber geben, wo eigentlich das Geschoss sich befindet. J
diesem Falle konnte ich nun bei der Durchleuchtung om« •
Hilfsblende, die ich Ihnen eben zeigte, das Geschoss überbaup
nicht wahrnehmen. Ich habe es mit allen möglichen Strao •
qualitäten versucht, es war unmöglich, und erst nachdem ic
Blende dazwischen geschaltet hatte, kam das Geschoss zum
schein. Dann war es leicht, auf den ersten Blick zu senen,
erstens überhaupt ein Geschoss sich im Körper befindet,
zweitens durch Drehung des Körpers zu sehen, wo das Ges .
liegt. Dieses Geschoss machte verhältnismässig wenig & i
nungen. Es lag auf der Hinterseite des rechten Herzens. i
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dieser Aufnahme wurde eine kleine Blende zwischen Schädel und
Platte gelegt, und so sehen Sie, dass rings um die Blende alles
ziemlich verschwommen ist und dass dagegen im Bereich der
Blende, die, wie oben erwähnt, sich als Netz abbildet, die Teile
hervorragend gut sichtbar werden.
Das ist ungefähr der Eindruck, den wir bekommen, wenn
wir die Blende am Schirm benutzen.
Sie sehen hier eine Debersichtsaufnahme (Abbildung 6) des
ganzen Leibes bei einem ziemlich umfangreichen Patienten ohne
jede Kompression, die wir sonst anwenden. Sie sehen, dass hier,
obwohl wir keine Kompression angewendet haben, die Wirbelsäule
ganz tadellos herausgekommen ist und auch die Niere sichtbar
ist- Dann hier ein Becken (Abbildung 6), auch wieder mit den
barten Strahlen gemacht, wie wir sie bei solchen Durchleuchtungen
brauchen, auch wieder mit einem Ausschnitt der Blende, wo
gleichfalls wieder in scharfem Kontrast die Konturen heraus¬
kommen.
Dasselbe sehen Sie an einer Magendurchleucbtong (Abbil¬
dung 7). Da sehen Sie wieder ein verschwommenes Bild, wie
wir es sonst auf dem Schirm zu sehen gewohnt sind, und hier
die scharfen Kontraste innerhalb der Blende.
Nun können wir natürlich die Blende so gross wählen, dass
sie das ganze Gesichtsfeld öberdeckt; dann würden wir überall
die Kontraste bekommen. Ich habe hier, um die Wirkung zu
demonstrieren, absichtlich eine kleine Blende gewählt.
Sie sehen hier diese Blende in Natur (Fabrikanten: Siemens
u. Halske).
Ein Fall von schwerer Röntgenverbrennung
nach gynäkologischer Tiefenbestrahlung.
Von
Dr. Bncky.
(Vortrag, gehalten in der Berliner medizinischen Gesellschaft
am 25. November 1914.)
Von diesen Kriegsfällen, m. H., möchte ich mit Erlaubnis
des Herrn Vorsitzenden zu einem zweiten Falle übergehen, dessen
Vorgeschichte im Frieden liegt. Wenn ich mich trotzdem ent¬
schlossen habe, diesen Fall heute hier zu demonstrieren, so ge¬
schah dies aus der Ueberlegung, dass mit der modernen gynäko¬
logischen Tiefenbestrahlung grosser Schaden angerichtet werden
kann — ich sage absichtlich gynäkologische Tiefenbestrahlung
und sage nicht Röntgenbestrahlung im allgemeinen, weil es immer
noch schwerwiegende Gegensätze gibt in den Ansichten der Rönt¬
genologen und der Gynäkologen. Es ist Ihnen ja bekannt, dass
die Tiefenbestrahlung bei Carcinomen usw. erst, ihre Blüte zur
Entfaltung brachte, als die Gynäkologen sich der Röntgenbe¬
strahlung annahmen. Das werden wir Röntgenologen auch nie
vergessen, dass wir den Gynäkologen Dank dafür schuldig sind.
Andererseits muss aber gesagt werden, und ich habe es bei jeder
Gelegenheit immer wieder betont, sowohl io der Hufelandischen
Gesellschaft als auch in der Gynäkologischen Gesellschaft, dass
die Gynäkologen in ihren Anschauungen über die Dosen der
Röntgenstrahlen, die wir bei den Carcinombestrahlungen wie auch
bei den Myombestrahlungen anwenden sollen, doch wohl weit
über das Ziel hinausschiessen. Ich habe bereits vor zwei Jahren
davor gewarnt, derartige Strahlenmengen dem Körper zuzumuten,
und ich bin leider heute in der Lage, meine damalige Warnung
an dem vorliegenden Falle als richtig erweisen zu können. Ich
werde es nach der Schilderung der Sachlage dem Urteil der Ver¬
sammlung überlassen, ob meine damalige Annahme richtig war
oder nicht.
Ich wurde von Herrn Dr. Hirschfeld gebeten, mir Röntgen-
ulcera bei einer Patientin anzusehen, die in die Charitö aufge¬
nommen war, und zwar in die Krebsbaracke, woraus gleich her¬
vorgebt, dass also das Carcinom, wegen dessen die Patientin
bestrahlt worden war, nicht geheilt war.
Es handelt sich um eine Fran von 41 Jahren. Die jetzige Krank¬
heit begann im Februar 1914 mit starken Blutungen, die zur Zeit der
Menstruation eintraten. Auch die Menstruation im März war auffällig
stark. Nach ihrem Aufhören stellte sich starker Ausfluss ein. Im April
suchte sie einen Arzt auf, der sofortige Operation empfahl, weil Carci¬
noma uteri vorlag. Sie begab sich in eine Frauenklinik, die gerade auf
dem Röntgengebiet als führend gilt und bei der man die Technik als
vollendetste in bezug auf die Röntgentherapie voraussetzen kann. Sie
wurde 3 Wochen mit Röntgenstrahlen behandelt. Jede Bestrahlung
dauerte 1 bis l l } 2 Stunden. Es wurden abwechselnd verschiedene Haut¬
partien am Gesäss und oberhalb der Geschlechtsteile am Bauch bestrahlt.
Unter dieser Behandlung erholte sie sich, nahm an Gewicht zu, wurde
nach 3 wöchiger Behandlung entlassen. Die bestrahlten Hautpartien
waren massig stark gerötet, aber nicht besonders schmerzhaft. Es wurde
also so weit bestrahlt, bis das Erythem auftrat, wie es von gewisser
gynäkologischer Seite gefordert wird, um eine durchgreifende Wirkung
auf das Carcinom zu erzielen.
Drei Tage nach der Entlassung aus der Klinik begann die Rötung
stärker zu werden und zu schmerzen. Dann stellten sich Blasen ein,
und schliesslich lag das „rohe Fleisch" bloss. Uebrigena hat mir die
Patientin, die am vorigen Sonnabend zum Exitus gekommen ist, gesagt,
dass sie auf einem Kongress vorgestellt worden ist — ich will nicht
sagen wo — als ein Fall, der auf Grund dieser enormen Dosen von
Röntgenstrahlen ganz besonders tadellos geheilt wäre. Bald danach soll
sich übelriechender, starker Ausfluss eingestellt haben.
Unter dem Einfluss der Salbenbehandlung besserte sich die Ent¬
zündung der Haut bis auf eine Stelle am linken Gesäss, wo etwa im
Mai ein Loch entstand. Trotzdem konnte die Frau im Juni 2 Wochen
verreisen. Da das Loch immer grösser wurde und heftig schmerzte,
begab sie sich im Juli wieder in die Klinik, wo sie erst mit Sauerstoff¬
salbe und dann mit Naphthalan behandelt wurde. Ausserdem wurde
ihr alle 2 Stunden eine Radiumkapsel, 25 mg, 2 Stunden laug eingelegt.
Naoh 9 wöchiger Kur wurde sie entlassen. Zwei Tage nach der Ent¬
lassung begann Urin aus der Scheide abzngehen. Sowohl aus diesem
Grunde wie zur Heilung der Verbrennungen sachte sie die Charite auf.
Der Status war folgender:
Patientin ist eine sehr blasse, stark abgemagerte Frau, die ständig
auf der rechten Seite liegt und die Knie angezogen hält. Auf der linken
Gesässhälfte, etwa dem Sitzhöcker entsprechend, befindet sich ein grosser,
länglicher, ca. 2 cm tiefer Hautdefekt, der bis ins Unterhautfettgewebe
hineinreicht. Sein Längsdurchmesser beträgt 6, sein Querdurchmesser
3 cm, seine scharfen Konturen sind etwa elliptisch. Die umgebende
Haut ist von zahlreichen kleinen hyperämischen Gelassen durchsetzt.
Auf der rechten Gesässhälfte befindet sich ein kleinerer, nicht ganz so
tiefer Hautdefekt, dessen Durchmesser etwa 2 cm beträgt.
Ich lese absichtlich diese Daten ausführlich vor, um nicht
etwa den Einwand hören za müssen, dass es sich nicht tun
RöntgenverbrennuDgen gehandelt habe, sondern am carcinomatöse
Ulcera.
Nun, das Bild, welches ich Ihnen nachher zeigen will,
widerspricht dem vollkommen. Ebenso widerspricht dem der
autoptische Befund. Ich verdanke Herrn Geheimrat Orth die
Möglichkeit, die Präparate hier heute abend zeigen zu können
und möchte auch dafür noch meinen besonderen Dank atu-
sprechen.
Ein etwa erbsengrosser Hautdefekt befindet Bich im obersten
Teil der Rima ani, etwa dem Steissbein entsprechend. Der
Grund dieser Ulcerationen ist nekrotisch.
Bei dieser Steissbeinulceration könnte man nun wieder an¬
nehmen, dass es sich um Decubitus handelte. Auch das wird
vom Pathologen verneint. Der Mons veneris ist pigmentlos, and
die Haut macht einen sklerodermieartigeu Eindruck. Rechts
oben, wo sonst die Haargrenze aufhört, ist ein etwa bohoen-
grosser und tiefer Hautdefekt mit nekrotischem Grund and
byperämiscber Umgebung. Beide Labien sind stark ödematös
geschwollen.
Bei der vaginalen Untersuchung, die Herr Professor Pinkuss
so freundlich war, vorzunehmen, fühlte man in der vorderen
Scheidewand eine kraterförmig vertiefte höckerige Erhabenheit.
Ich darf vielleicht noch ganz kurz die autoptische Diagnose
verlesen.
Klinische Diagnose: Uteruscarcinom. Schwere Röntgenver-
brennungen. Anatomische Diagnose: Uteruskrebs. Totale krebsige
Zerstörung des Cervix uteri. Uebergreifen des Krebses auf Corpus
und Vagina. Blasenscheidenfistel. Krebsige retroperitoneale Lymph-
drüsen längs der Aorta. Kompression der Uretereu durch aus¬
gedehnte Verwachsungen im kleinen Becken. Hydrcnepbrose.
Grosse (durch Röntgenbestrahlung entstandene) Ulcera an der
Nates besonders links, kleine zum Teil in Verheilung begriffene
an der Bauchhaut rechts oberhalb der Symphyse. Braunes Herz
und braune Leber. Lungenödem. Leichter Hydrothorax. Mässige
plenritische Verwachsungen beiderseits. Kleines Divertikel des
Oesophagus in der Nähe der Bifurkation. An der Rückseite
adhärente anthrakotische Lymphdrüsen. Milz auffällig hellgrau¬
rot, derb. •
M. H., man kann also nicht etwa davon sprechen, dass durch
derartige grosse Dosen die Metastasen verhindert würden, da die
retroperitonealen Drüsen längs der Aorta krebsig entartet waren.
Bei der Kürze der Zeit — die Frau ist erst am vorigen
Sonnabend zum Exitus gekommen — war es Dicht möglich, p*
histologisch-mikroskopische Untersuchung auszuführen. Aber ich
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1943
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21. Dezember 1914.
behalte mir vor, mit Erlaubnis von Herrn Geheimrat Orth, auch
später Ihnen darüber noch genaueren Bericht zu erstatten.
Die Art der Verbrennungen und Hautveränderungen sehen
sie an diesen Bildern. (Abbildung 1 u. 2.)
M. H., es mag Ihnen vielleicht etwas eigenartig Vorkommen,
dass ich als Röntgenologe hier anscheinend der Röntgentherapie
einen schweren Schlag versetze. Das ist aber durchaus nicht der
Fall. Was ich klarstellen möchte, ist allein dieses, dass wir
Röntgenologen im allgemeinen nicht einverstanden sind mit der
Therapie, wie sie von gynäkologischer Seite in manchen Kliniken
gehandhabt wird. Von Gauss, Fränkel und anderen ist die
Forderung aufgestellt worden, möglichst grosse Dosen in mög¬
lichst kurzer Zeit zu applizieren. M. H., mit dieser Forderung
kann ich mich unmöglich einverstanden erklären, da wir so
Abbildung 1.
schwere Schädigung, wie wir eben gesehen haben, riskieren. Das
kann aber vermieden werden, wenn man diese Forderung ver¬
lässt und an ihre Stelle den Satz stellt: Nicht zu grosse
Dosen nach längeren Pausen wiederholt geben. Ich
habe mich nie zu diesen übertriebenen Dosen verstehen können.
Auf diese Weise ist es mir gelungen, eine Reihe von Patienten,
die ich Ihnen vielleicht bei anderer Gelegenheit einmal vorführen
darf, wirklich 1, 2 und mehr Jahre über Wasser zu halten.
Dass diese Forderung auch ihre Begründung hat, wollen Sie
daraus entnehmen, dass ja die ganze Röntgentherapie bei den
malignen Geschwülsten auf dem Gedankengang beruht, dass das
Carcinomgewebe besonders radiosensibel ist, das heisst, dass die
Strahlen auf das Carcinomgewebe deletär wirken, während sie
bei gleichen Dosen auf das normale Gewebe keinen Einfluss aus¬
üben. Wir müssen also bei der Röntgentherapie darauf bedacht
sein, solche Dosen zu geben, die das normale Gewebe nicht
affizieren. Wir dürfen es also nicht zum Erythem kommen lassen,
und wenn wir Pausen einschieben, so hat das normale Gewebe
Zeit, sich von den etwa noch vorhandenen Schädigungen, die die
Röntgenstrahlen auf das normale Gewebe ausgeübt haben, zu er¬
holen, und nach einer gewissen Zeit können wir unbeschadet
wieder Röntgenstrahlen applizieren und werden so erreichen, dass
zwar das Carcinomgewebe zugrunde geht, dass aber das normale
Gewebe möglichst wenig affiziert wird. Andererseits vermeiden
wir es auch durch ein solches Vorgehen, dem Carcinom in den
Verbrennungen und deren Narben einen Locus minoris resistentiae
zu schaffen.
Herrn Geheimrat Orth, Herrn Prof. Pinkuss und Herrn
Dr. Hirschfeld möchte ich zum Schluss meinen besonderen
Dank abstatten.
Dostojewski als Psychopathologe.
I. Die Brüder Karamasow.
Von
Dr. Arthnr Miinzer-BerUn-Cbarlottenburg.
In dunkle Tiefen steigt, von Dichtershand geführt, der Wanderer
hinab. Kein Lichtschein folgt seinen Schritten, Finsternis waltet. Froh¬
sinn und Heiterkeit schwinden; von allen Seiten starren Jammer und
Elend. Angstvoll schnürt’s dem Wanderer das Herz zusammen, und je
weiter er vorwärts eilt den düsteren Weg, um so mühevoller wird der
Schritt, um so schwerer drückt die Last. Da ist kein Ausweg, kein
Erbarmen, keine Hoffnung. Und wenn hie und da auch ein schwacher
Sonnenstrahl schimmert, er erstirbt in dem nachtschwarzen Dunkel, in
das er hinabgeirrt.
Die Literaturgeschichte berichtet von vielen Dichtern, die in der
Schilderung des menschlichen Seelenlebens eine hohe Vollendung er¬
reichten. Ihnen glückte es, die feinsten Fäden, welche unser psychisches
Geschehen verknüpfen, zu entwirren, die geheimsten Regungen unserer
Seele aufzudecken: sie wurden grosse Psychologen. Einen besseren
Kenner der kranken Psyche aber, einen grösseren Psyohopathologen
als Dostojewski hat es wohl unter Dichtern nicht gegeben. Das ist
nicht zu verwundern, denn Dostojewski selbst war Epileptiker. Er
kannte nur zu gut die Allgewalt des Morbus sacer. Wusste, wie tief
sich die Krankheit hineingrub in die Seele des Menschen, wie sie ihn
hin- und berzerrte zwischen höchster Erregung und dumpfer Verzweif¬
lung, sein Wollen lähmte, den Charakter zugrunde richtete und den
Intellekt langsam, aber sicher zerstörte. Dostojewski war ein Kranker,
und wer seine Werke gelesen, der weiss es: er liebte seine Krankheit.
Nur einer, der seine Krankheit liebt, kann mit solcher Hingebung die
kranke Psyche schildern. Der Dichter begnügt sich niemals mit groben
Umrissen; nein, bei ihm ist jeder Zug aufs feinste herausgearbeitet, jede
Linie haarscharf gezeichnet, jedes Wort, jede Bewegung wiegt zentner¬
schwer. Das sind überhaupt keine Romanfiguren, denen wir in Dosto¬
jewski’s Werken begegnen, wirkliche Menschen sind es — aus dem
Krankenhaus, aus dem Irrenhaus, dem Asyl, Haltlose, Willensschwäche
usw., deren trauriges Los sich vor unseren Augen enthüllt. Wir leben
und fühlen mit ihnen. Voller Bangen verfolgen wir ihren Daseinskampf,
sehen sie straucheln, von Stufe zu Stufe sinken und endlich unterliegen:
die kranke Seele wird ihr Verhängnis.
Mit packender Gewalt hat der Dichter solche Menschenschicksale
in seinem Buch „die Brüder Karamasow“ vor uns aufgerollt. All das,
was tief im Innersten des Menschen schlummert, wird rückhaltlos an
die Oberfläche gebracht. Da sehen wir ihn, den Menschen in seiner
ganzen Blosse hin- und hergeworfen im Strom des Lebens von seinen
krankhaften Trieben, von Unglück und Not. Steuerlos treibt sein Schiff
daher. Wird es den Hafen finden?
Der Vater Karamasow, das Familienoberhaupt, ist ein Wüstliüg,
dem in seinem Leben nur die eigene Person etwas gegolten. Seine
erste Frau gewinnt er durch eine Entführung, erringt sich damit eiii
kleines Kapital und briogt es durch Wuchergeschäfte zu Gelde. Um
sein Haus kümmert er sich nicht, Frau und Kind sind ihm gleichgültig.
Die zweite Frau, die er nach dem Tode der ersten heiratet, scheut er
sich nicht, vollends zu demütigen, indem er im eigenen Hause mit lieder¬
lichen Weibern die tollsten Orgien feiert. Völlerei und Ausschweifungen
sind ihm gewohnte Beschäftigung. Pflichten kennt er nicht. Nur wo
der eigene Vorteil auf dem Spiele steht, setzt er seine Kraft ein. Ein
elender Schmarotzer ist er, ein gemeiner Zyniker, dem in seinem
schrankenlosen Egoismus die Begriffe von Recht und Sitte völlig ab¬
handen gekommen. In angetrunkenem Zustand vergeht er sich an einem
idiotischen Mädchen, nachdem er vorher erklärt hatte, es sei sogar
äusserst pikant, ein solches Tier wie ein Weib zu behandeln. Kirche
und Glauben verachtet er. Im späteren Alter hintergeht er den Sohn
um dessen väterliches Erbteil und versucht, ihm mit diesem Gelde die
Geliebte abspenstig zu machen. Von ebendiesem Sohn meuchelmörde¬
risch erschlagen, findet er ein klägliches Ende.
Ist wohl ein treffenderes Bild eines Degenerierten auszudenken?
Die absolute moralische Anästhesie, der MaDgel der ethischen Grund¬
begriffe, der schrankenlose Egoismus sind Grundpfeiler des Entartungs¬
irreseins. Normale Hemmungen fehlen. Alkoholismus und krankhafte
Sinnenlust entfalten ihre verderblichen Wirkungen. In dem Gedanken
Digitized by
Gougle
Original fro-m
UNIVERS1TV OF IOWA
1944
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Digitized by
an den eigenen Vorteil wird auch das Verbreohen nicht gescheut.
Kriechende Unterwürfigkeit auf der einen, rücksichtsloses Sioh-Hinweg-
setzen über Menschen und Dinge auf der anderen Seite charakterisieren
als scharfe Gegensätze viele seiner Handlungen. In diesem Menschen
finden wir nichts wieder, was die „Art“ kennzeichnet, er ist für uns im
wahrsten Sinne des Wortes ein „Abgearteter“ oder ein „Entarteter“.
Hier ist nur die äussere Form des Individuums noch erhalten, der innere
Gehalt an psychischen Qualitäten aber auf ein Minimum reduziert.
Der älteste Sohn Mitja wächst ohne Liebe „im Hinterhof“ auf. Ein
alter Diener des Hauses Karamasow betreut ihn. Traurige Eindrücke
begleiten die erste Kindheit. Zum Manne herangereift, schlägt er die
Offizierslaufbahn ein. Er lebt in Saus und Braus, verbringt seine Tage
in tollen Schwelgereien. Ein Mädchen von hoher Bildung und edlem
Charakter, dessen Vater in materielle Schwierigkeiten geraten, kommt zu
ihm, um ihn um eine bestimmte Summe Geldes anzuflehen. Er, für den
alle Frauen schwärmen und den kein Verantwortungsgefühl drückt,
hätte sie völlig in seiner Gewalt gehabt; er gibt ihr das Geld und —
schont sie. Das Mädchen wird seine Braut. Um einer Dirne willen,
die leichtfertig mit ihm und seinem eigenen Vater spielt, gibt er sie
auf. In wahnsinniger Liebe hängt er sich an das minderwertige Ge¬
schöpf. Ein erbitterter Kampf entbrennt zwischen Vater und Sohn.
Als eines Tages das Mädchen zu einem früheren Geliebten fährt, er sie
aber in den Armen des Vaters glaubt, packt ihn Verzweiflung; er wird
zum Vatermörder. Zu spät erfährt er den wahren Sachverhalt. In
atemloser Hast folgt er der Geliebten, erringt das Geständnis ihrer
Liebe, verjubelt eine tolle Nacht mit dem Geld, das er dem Vater ge¬
raubt und wird am Ziele seiner Wünsche verhaftet. Vor Gericht leugnet
er den Vatermord, wird aber auf Grund der erdrückenden Indizien¬
beweise verurteilt.
In Mitja lernen wir den Typas des Instablen, Haltlosen, Willens¬
schwächen in markanter Prägung kennen. Von Jugend an viel sioh
selbst überlassen und nicht in straffer Erziehung gefestigt, hat er nie
gelernt sich zu beherrschen. Willenlos ist er allen Trieben preis¬
gegeben, dabei ist er von Haus aus gutmütig, wie seine Handlungsweise
gegenüber seiner Braut beweist. Menschen wie Mitja sind, wenn sie in
geordneten Verhältnissen leben, brauchbare Individuen. Aber mit dem
Moment, in dem der gerade Weg verlassen wird, verlieren sie den Halt
und stürzen ins Verderben. Unheilvoll ist die Reizbarkeit und die Er¬
regbarkeit derartiger Menschen. Der geringste Anlass kann maasslose
Wutausbrüche hervorrufen, die duroh vorherigen Alkoholgenuss noch ge¬
steigert werden. In solohen Zuständen werden häufig die schwersten
Verbrechen begangen. So wird Mitja durch den Gedanken, die Geliebte
in den Armen des Vaters zu finden, aufs höchste erregt und erschlägt
ohne viel Besinnen den Nebenbuhler. Es fehlen hier völlig die dem
Normalmenschen gegebenen Hemmungen, es fehlt jede Ueberlegung,
jedes Abwägen von Für und Wider. Der Gedanke, der im Hirn auf¬
taucht, wird ohne weiteres in die Tat umgesetzt.
Ebenso maasslos wie die Erregbarkeit Mitja’s ist auoh sein Liebes-
fühlen. Die grausige Tat ist ja nur der Ausfluss seiner unseligen
Leidenschaft. Unmittelbar nach dem Morde eilt er, blutbefleckt, seiner
Geliebten nach; und als er sich ihrer Liebe versichert, da vergisst er,
der Vatermörder, in wüstem Gelage das Geschehene und gibt sich ganz
der Freude hin.
Naturen wie Mitja sind voll unvereinbarer Widersprüche. Ihnen
fehlt die geschlossene-Persönlichkeit, das Ebenmaass des Fuhlens und
des Denkens. Nie lässt sich die Handlungsweise solcher Menschen
logisoh beurteilen, sie ist immer willkürlich, vom Augenblick abhängig,
dem Zufall überlassen.
Trotz der erdrückendsten Schuldbeweise leugnet Mitja die Tat von
Anfang an. Was mag ihn wohl hierzu bewegen? Reue, Schamgefühl,
die Liebe zu Gruschenka, Angst? Der Dichter lässt uns im Zweifel.
Vielleicht ist es auch kaum möglich, bei einer dunklen Natur wie Mitja
eine Handlungsweise in ihre Elementarbestandteile aufzulösen; es ge¬
schieht alles mehr instinktmässig.
Interessant ist die Gerichtsverhandlung, besonders vom medizinischen
Standpunkt. Die drei Sachverständigen haben — wie leider so häufig —
jeder seine Meinung für sich. Während die beiden ersten den Täter
für abnorm erklären, hält ihn der dritte für normal. Der Dichter selbst
hat uns die Beurteilung des Geisteszustandes nicht schwer gemacht.
Mitja gehört, woran nicht zu zweifeln ist, zu den psychopathischen
Naturen, die also von vornherein schon eine gewisse Minderwertigkeit in
ihrer psychischen Veranlagung darbieten. Hierzu kommt der aus¬
geprägte Afiektzustand, in welobem die Tat begangen wurde. Mitja
glaubt die Geliebte in den Armen des Vaters, wird von rasender Eifer¬
sucht gepackt und verübt unter dem Zwang der seelisohen Pein
den Mord.
Haben wir es schon mit dem Psychopathen an sich nicht mit einem
vollwertigen Menschen zu tun, so steht der Psychopath im Afiektzustand
an der Grenze der Zurechnungsfähigkeit. Andererseits befand sich der
Täter nicht in einer derartig krankhaften Geistesverfassung, dass seine
freie Willensbestimmung auszuschliessen war. Musste er also für seine
Tat zur Rechenschaft gezogen werden, so konnte er doch nicht voll ver¬
antwortlich gemacht werden. Nicht straffrei durfte ihn der Richter aus¬
gehen lassen, musste ihm aber mildernde Umstände zusprechen.
Der jüngere Bruder Mitja’s, Iwan, wird vor Gericht vom Staats¬
anwalt charakterisiert als ein hervorragend gebildeter Jüngling, begabt
mit starkem Verstand. Aber er ist trotz seiner Jugend ein Zyniker,
hat schon vieles „verworfen und durchgestriohen ganz wie sein Vater“
Nr. Bl.
und glaubt an nichts mehr. An der Tat, die der Bruder begangen
fühlt er sich nicht ohne Schuld; denn er kannte wohl des Bruders Ab¬
sichten, hatte aber den Dingen freien Lauf gelassen. Schwer lastet auf
seiner Seele der Vatermord, und unter dem Druck des Schuldbewusst-
seiDS verfällt er dem Wahnsinn. Vor Gericht erscheint er müde, fast
wie ein Sterbender und gibt sioh die Schuld an dem Morde des Vaters.
Auch Iwan ist — wie alle Karamasow’schen Naturen — ein Degene¬
rierter, eine unausgeglichene Persönlichkeit. Sein Intellekt ist hoch-
entwickelt, das Gefühlsleben aber verkümmert. Dem Staatsanwalt hatte
der Diener Smerdjakow berichtet, dass von den drei Söhnen Iwan am
meisten seinem Vater ähnlich sei. Der zermürbenden Qual der Ge¬
wissensbisse kann er keinen Widerstand entgegensetzen, er erliegt dem
Wahnsinn. Die Psychose wird uns als eine Art Delirium geschildert,
in der besonders Halluzinationen hervortreten. Allerdings ist z. B. die
Führung eines geregelten Dialogs mit dem halluzinierten Gegenpart eine
durchaus laienhafte Fiktion. Auch die Episoden vollkommener Be¬
sonnenheit, die ganz plötzlich und unvermittelt die deliranten Phasen
ablösen, sind medizinisch nicht motiviert. Die Psychose Iwan’s lässt
sich am ehesten vielleicht mit dem Kraokheitsbilde des Erschöpfungs-
deliriums in Einklang bringen, wenngleich auch nicht alle Symptome
genau übereinstimmen. Die heftige Gemütserschütterung, welche der
Tod des Vaters bedingt, kann wohl als erschöpfendes Moment gelten;
auf ihm als Fundament baut sioh das Delirium, dessen Verlauf wir ror
uns sehen, auf.
Mit grosser Liebe und Sorgfalt ist die Figur des Dieners Smerd¬
jakow gezeichnet. Smerdjakow ist der uneheliche Sohn des altes Kara¬
masow und jenes idiotischen Mädchens, das der Alte im Rausch miss¬
braucht. Von einem solchen ELternpaar konnte nur ein wollig degene¬
riertes Individuum stammen, und so hören wir denn, dass Smerdjakow
Epileptiker ist. Dostojewski, der hier auf ureigenstem Gebiet sich
befindet, schildert uns die Eigentümlichkeiten der Krankheit bis in ihre
feinsten Details. Nur möchte man stellenweise glauben, dass der
Dichter selbst sioh mit seiner Romanfigur identifiziert: das ist nicht
mehr der armselige Epileptiker Smerdjakow, der da zu uns redet, das
ist Dostojewski selbst, der mit der ganzen Macht seiner Persönlich¬
keit sioh einsetzt.
Als kleiner Junge liebt es Smerdjakow, Katzen zu erwürgen und sie
dann unter kindischen Feierlichkeiten zu begraben. Schon in früher
Kindheit trifft ihn der erste Anfall von Epilepsie, die ihn während seines
ganzen Lebens nicht verlässt. — Im Essen ist er heikel, alle Speisen,
die er zu sieh nimmt, untersucht er erst genau. Sorgsam und reinlich
hält er sich stets iu seinem Aeusseren. Meist ist er schweigsam, men¬
schenscheu, nur selten wird er mitteilsam. Eigenartig ist seine Neigung
zu philosophisch-religiösen Betrachtungen. Seine Art, die Dinge and
Mensohen zu beurteilen, zeugt bisweilen von hohem Scharfsinn. — Bald
sehen wir ihn devot, kriechend, bald voller Hohn auf die anderen herab¬
sehen. Hier ist er ängstlich, furchtsam, dort scheint er jede Gefahr zu
verachten. — In der Nacht des Mordes hat er einen schweren epilep¬
tischen Anfall, den er bereits vorher hat herannahen fühlen. So schwer
ist der Anfall, dass sein Leben in Gefahr schwebt. Nach Ablauf des¬
selben sind Spuren geistiger Anomalie nachweisbar. Er ist schwach,
spricht langsam und kann nur schwer die Zunge bewegen. Kurz ror
der Gerichtsverhandlung nimmt er sich durch Erhängen das Leben. -
In seinem Plaidoy er schildert ihn der Staatsanwalt als einen schwach¬
sinnigen Mensohen, der sich ein paar Brocken untergeordneter Bildung
zusammen gelesen und zuletzt über gewissen philosophische! Ideen den
Verstand verloren habe. — Das ist sicher ein einseitiger Standpunkt,
denn der Staatsanwalt verkennt hier den Epileptiker, in dessen Charakter
sich die widerspruchsvollsten Züge zurammendrängen. Smerdjakow weht
fast alle Zeichen des typisch epileptischen Charakters auf. In der Kind¬
heit bereits sehen wir seinen HaDg zur Grausamkeit Späterbin wird er
einsam, menschenscheu. Sein Tun und Handeln ist ziemlich pedantisch.
Sein bald devotes, bald freches Gebahren, die Neigung zu Grübeleien,
die Beschäftigung mit religiösen Problemen sind typische Charaktereigen-
tümlichkeiten. — Die Ursache des Anfalls wird mit Recht aus der Er¬
regung hergeleitet, welche den Kranken befällt, als er das nicht mehr
abzuwendende Unheil hereinbrechen sieht. Das Nahen des Anfalls wird
— eine ganz gewöhnliche Erscheinung bei Epileptikern — deutlich vorher
empfunden. Schliesslich wird wahrscheinlich eine Verstimmung, die uns
bei unseren Kranken so häufig begegnet, die Ursache für seinem Selbst¬
mord.
Gruschenka, das Mädchen, um derentwillen der Streit zwischen Vater
und Sohn entbrennt, wird als Typus einer echten Hysterie geschildert.
Einer besseren Familie entstammend, wird sie in früher Jugend ton
einem Offizier verführt. Sie verlässt die Heimat und wird später die
Geliebte eines alten Kaufmanns. Ihre Schönheit lockt die Männer. Sw
tändelt mit ihnen, will alle beherrschen, verteilt nur sparsam ihre Gausv
Sie verspricht Rakitin eine bestimmte Summe Geldes, wenn er Aljoscha,
den jüngsten Sohn des Karamasow, dessen Jugend sie begehrt, zu ihr
bringt. Eitel, gefallsüchtig, herrschbegierig, launisch, stellt sie sich uns au
eine eohte, rechte Hysterica dar. Echt hysterisch ist der Auftritt, den
sie mit ihrer Rivalin Katarina Iwanowna provoziert, echt hysterisch d v
Spielen zwisohen Vater und Sohn. Als sie sich dann endgültig für den
Sohn entschieden, da hängt sie sich trotz seiner Schuld mit zäher
Festigkeit an ihn und ist bereit, ihm, der vordem nur der Spie*-
ball ihrer Launen war, naoh Sibirien zu folgen — wiederum em ®
hysterischer Zng. ,
Mit der Sohilderung dieser Typen ist die Psychopathologie der
Google
Original frum
UNIVERSUM OF IOWA
21. Desember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1946
„Brüder Karamasow“ nicht erschöpft. Ich wollte aber itn Rahmen eines
kürzeren Artikels nur einige markante Figuren herausheben, um an ihnen
die Gestaltungskraft des Dichters zu. erweisen.
Wer ein Buch von Dostojewski gelesen, dem enthüllt sich die
Not des Lebens. Nicht nur die grossen, erschütternden Ereignisse in
unserem Dasein sind es, die vor uns aufgerollt werden, auch der Jammer
des Alltags, das Leid der Stunde wird uns offenbar. — Dostojewski
kennt jeden Winkel der Seele, jede leiseste Regung unseres Gemüts.
Sein Auge durohdringt jedes Dunkel. Wie sehr wir uns auch wehren
mögen, er reisst uns mit hinab in die tiefsten Gründe. Uns zwingt die
Hand des Stärkeren. Wehmut erfasst uns über das Schicksal des Men¬
schen, und hinein mischt sich das leise Sehnen, er möge sieb empor¬
ringen aus aller Not zu glücklicherem Sein.
Bücherbespreehungen.
Friedrich Wolter: Die Entstehungsursachen der Kriegsseucben, ihre
Verhütung und Bekämpfung auf Grund der Kriegserfahrungen
1870/71. 5. Band der Jubiläumsschrift zum fünfzigjährigen Ge¬
denken der Begründung der lokalistischen Lehre Max von Petten-
kofer’s. München 1914, J. F. Lehmann.
Der im Jahre 1886 vom Kgl. preussischen Kriegsministerium heraus¬
gegebene Kriegssanitätsbericht über den Deutschen Feldzug 1870/71
enthält ein wenig beachtetes, reiohes und gründliches Material zur Ent¬
scheidung der vielbewegten Frage, wie Typhus und Ruhr in gewissen
Gegenden einheimisch bleiben und dort gelegentlich zur seuchenhaften
Vermehrung kommen, ohne indessen je sich zu eigentlichen Wander¬
epidemien zu erheben. Alle Erfahrungen, die im deutsch-französischen
Kriege über den Abdominaltyphus und die Dysenterie in Feindesland
gesammelt worden sind, vereinigen sich mit der Vorgeschichte dieser
Seuchen an den Orten der damals heimgesuchten Truppenlager zu dem
unzweideutigen Bescheid, dass Entstehung, Entwickelung und Verviel¬
fältigung der Typhus- und Ruhrseuche au bestimmte örtliche Boden-
bedingungen streng gebunden sind, und dass im Vermeiden der ver¬
seuchten Bezirke oder, wo dieses nicht möglich ist, wenigstens in der
Rücksichtnahme auf die örtliche Gefahr der einzige Schutz vor der Er¬
krankung liegt. Auf die Frage, ob und wieweit Typhus und Ruhr
ausserdem etwa noch zu den von Mensch zu Mensch übertragbaren
Krankheiten gehören, gibt jener Sanitätsbericht ebenfalls eine ent¬
scheidende Antwort: Sie liegt in einem grossen Experiment, das damals
von den Militärbehörden mit fester Ueberzeugung von seiner Berechtigung
und mit ruhiger Einsicht in seine Notwendigkeit gemacht worden ist.
Es bestand in der sofortigen Zurückverbringuüg der auf dem Kriegs¬
schauplatz von Typhus oder Ruhr Ergriffenen nach Deutschland. Nach¬
dem nichts darauf hingewieseu hatte, dass die Kranken durch Mitteilung
ihrer Krankheitskeime eine merkliche Gefahr für ihre Umgebung bildeten,
nachdem im Gegenteil sich gezeigt hatte, dass Aerzte, Geistliche,
Krankenwärter, Kameraden, sofern sie nicht an der Ortsgefahr teil-
nabmen, unangesteckt blieben, und nachdem die verantwortlichen Aerzte
die Gefahr des Transportes für den Kranken und die Gefahren, die ihm
Weohselfälle des Krieges hätten bringen können, gegeneinander abge¬
wogen hatten, willigten sie in die Rückkehr der Kranken und Rekon¬
valeszenten nach Deutschland ein. Fortan gingen von den 74000 Typhus¬
kranken und 89 000 Ruhrkranken, welche die deutsche Feldarmee von
Mitte Juli 1870 bis Ende Juni 1871 zählte, unausgesetzt massenhafte
Transporte an die Grenze, um von hier aus nach allen Teilen Deutsch¬
lands zerstreut zu werden. Das Ergebnis war, dass keine irgendwie
erhebliche Weiterverbreitung der beiden Krankheiten auf die Zivil¬
bevölkerung des Heimatlandes geschah, im schärfsten Gegensatz zu den
Erfahrungen mit anderen Kriegsseuchen wie Pocken und Fleckfieber, die
damals oder in früheren Jahren gemacht wurden.
Typbus und Ruhr können, das ging aus jenem gewaltigen Eva-
kuationsexperiment wie schon früher aus zahlreichen kleinen Erfahrungen
hervor, mit aller Gewalt nicht angepflanzt werden, wenn die damit be¬
hafteten Kranken in dauernd oder vorübergehend unempfängliche Orte
kommen; Typhuskranke und Ruhrkranke dürfen in Ländergebiete, wo
jene Seuchen einheimisch sind, und wo daher der Infektionsstoff ohnehin
durch den Verkehr fortwährend nach allen Richtungen verbreitet wird,
jederzeit ganz ohne Gefahr für das Gemeinwohl verschickt werden.
Um auch die nächste Umgebung vor der kleinen und seltenen Gefahr
einer unmittelbaren Uebertragung zu schützen, bleibt es ratsam, solche
Kranke in der Heimat zunächst nicht in Familienpflege, sondern in
Lazarettpflege zu geben, weil hier durch geeignete Reinigungsmaassregeln
einer Mitteilung des Keimes am sichersten vorgebeugt wird.
Wie weit diese unabweislichen Schlüsse, die schon Port, der
bayerische Generalarzt im Kriege 1870/71, und mit ihm Pettenkofer
aus den damals gewonnenen Erfahrungen gezogen haben, inzwischen in
Friedensverbältnissen und in Kriegsnöten beachtet wurden oder unbe¬
achtet blieben und was sich bei dem verschiedenen Verhalten ergab,
legt Wolter neben jenen Erfahrungen in seiner gerechten und geduldigen
Weise dar. Es ist wahrlich ein verdienstliches Werk, so grosse Lehren,
die eine harte Zeit für eine härtere gegeben hat, wieder in unser Ge¬
dächtnis zu bringen. Möge Wolter den Lohn für seine Arbeit dadurch
ernten, dass die Fachmänner, denen das Wohl unserer braven Söhne
und Brüder in Feld und Lager anvertraut ist, sein Buch lesen und
dessen Inhalt mit der Ehrfurcht empfangen, die der Geschichte als Lehr¬
meisterin gebührt. G. Sticker-Münster i. W.
Arths? Keller-Berlin und Walter Birk-Kiel: Kinderpflegelehrbseb.
Mit einem Beitrage von Axel Tagesson Möller. Zweite um¬
gearbeitete Auflage. Mit 40 Abbildungen im Text. Berlin 1914,
Julius Springer. Preis 2 M.
Das Buch wurde bei seinem ersten Erscheinen in dieser Wochen¬
schrift, 1914, S. 770, ausführlich besprochen. Die damals gegebene
empfehlende Charakteristik trifft natürlich in gleicher Weise auch auf
die 2. Auflage zu, die überdies eine Reihe von Verbesserungen im Text,
die damals vom Ref. angeregte Verminderung von Fremdworten, mehrere
neue Kapitel und eine wesentliche Neubearbeitung einiger anderer
Kapitel bringt. Dies trifft besonders zu auf die Kapitel: „Geistige Ent¬
wicklung des Kindes; die Amme und ihre Behandlung; die Pflege des
neugeborenen Kindes; medikamentöse Bader; die Pflege älterer Kinder;
Säuglingsfürsorge.“ R. Weigert-Breslau.
Veröffentlichungen der Centralstelle für Balneologie. Herausgegeben
im Aufträge des Kuratoriums von Dietrich und Kamin er.
1914, Bd. 2, H. 4 u. 5.
Auch die neuesten Hefte der Veröffentlichungen der Centralstelle
für Balneologie enthalten wieder exakte wissenschaftliche Untersuchungen
aus den Instituten von Zuntz in Berlin (v. d. Heide, Die Kohlensäure
in und über den Badewässern von Nauheim, Kissingen und Wildungen),
von Fresenius in Wiesbaden (Grünhut, Der Zustand der Kieselsäure
in wässrigen Lösungen, insbesondere in Mineralwässern), von Heubner
in Göttingen (Jacobs, Ueber das Kationen Verhältnis in Mineralwässern).
Man gewinnt den Eindruck, dass die Existenz dieses Spezialorgans äusserst
anregend auf die Entwicklung einer exakten Balneologie einwirkt.
M. Jacoby.
Literatur-Auszüge.
Physiologie.
J. Bernstein: Ueber den zeitlichen Verlauf der Wärmebildung
bei der Kontraktion des Maskats. Nach Untersuchungen mit Dr.
E. Lesser vom Jahre 1908. (Pflüg. Arch., Bd. 159, H. 11 u. 12.) Verf.’s
Versuche betreffen die Frage, in welchem Moment der Kontraktion beim
Muskel die Wärmeerzeugung, d. h. der chemische Prozess beginnt, zum
Maximum ansteigt, abklingt. Benutzt wurden sich langsam kontra¬
hierende Muskeln, und zwar ringförmige Stücke vom Froschmagen, die
durch Wechselstrom zur Zusammenziehung gebracht wurden. Die
Wärmebildung wurde thermoelektrisch gemessen. Es fand sieb, dass
die stärkste Wärmebildung während der Crescente der Kontraktion auf¬
trat; während der Decrescente sank sie. Der Gipfel der Wärmebildung
findet statt wahrscheinlich am Wendepunkt der Crescente, an dem die
Zusammenziehung am schnellsten erfolgt. Daraus, dass während der
Verkürzung die grösste Wärmebildung eintritt, folgert Verf., dass in
diesem Stadium die Hauptverbrennung des organischen Materials er¬
folgt, und dass es sich um Oxydations- und nicht um Spaltungsprozesse
dabei handelt. Letztere kommen wesentlich nur bei der Anoxybisoe
niederer Tiere zustande.
J. Rotbfeld: Ueber den Einfluss der Kopfstellung auf die vesti¬
bulären Reaktionsbewegungen der Tiere. (Pflüg. Arch., Bd. 159,
H. 11 u. 12.) Verf. prüfte, ob die Reaktionsbewegungen des Körpers
und der Extremitäten, die Bäräny am Menschen durch Labyrinth¬
reizung fand, auch am Tiere zustande kommen. Speziell sollte fest-
gestellt werden, ob die Reaktionsbewegungen durch die Kopfstellung be¬
einflusst werden in analoger Weise, wie sie beim Menschen durch
Aenderung der Kopfstellung verändert werden. Der Nachweis, dass das
der Fall ist, gelang Verf. an Kaninchen dadurch, dass er deren Kopf¬
stellung durch Durchschneiden, sei es der Nacken-, sei es der Hals¬
muskeln änderte. Dann waren die Reaktionsbewegungen, die nach dem
als Labyrinthreiz wirkendem Drehen der Tiere auftraten, je nach der
Kopfstellung verschieden. Die Kopfstellung führt zu sekundären
Reaktionserscheinungen, die von Tonusveränderungen der Extremitäten-
und Rumpfmuskulatur herrühren und die je nach der Art der Kopf¬
stellung verschieden sind. Darauf führt Verf. die nach Drehungen der
Tiere auftretenden Manegebewegungen, das Vor- und Zurückrennen u. a.
zurück. Es entsprechen also beim Kaninchen, wie beim Menschen,
einem bestimmten vestibulären Reize und einer bestimmten Kopfstellung
bestimmte Reaktionsbewegungen des Rumpfes und der Extremitäten.
Für die in Betracht kommenden Körperteile dürften im Kleinhirn Centra
vorhanden sein, deren Zusammenwirken die Reaktionsbewegungen, über
deren Einzelheiten das Original Auskunft gibt, zustande kommen lässt.
E. Abderhalden und F. Wildermuth: Die Verwendung von
Kaliamzellen zur objektiven Vergleichung der Tontiefe farbiger
Lösungen und zur Feststellung von Belligkeitsnntersehieden. (Pflüg.
Arch., Bd. 159, H. 11 u. 12.) Die Verff. empfehlen zur objektiven
Feststellung der Farbintensität farbiger Lösungen die lichtempfindlichen
Kaliumzellen, die von Elster und Geitel eingeführt worden sind. Sie
stellen hohle Glaskugeln dar, die innen auf einer Seite einen Nieder-
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UNIVERS1TV OF IOWA
1940
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 51.
schlag von Silber und kolloidalem Kalium besitzen, und in die zwei
Elektroden hineinführen, mittels der die Potentialdifierenz, die bei Be¬
lichtung der metallischen Schicht entsteht, abgeleitet wird. Man kann
elektrometrisch oder galvanometrisch die Farbintensität messen und sie
objektiv dadurch feststellen, dass man die elektrischen Ausschläge mit
denen vergleicht, die eine Lösung bekannter Konzentration gibt. Die
Einrichtungen werden genau beschrieben; sie scheinen sehr empfindlich
zu sein. A. Loewy.
Pharmakologie.
E. Sieburg-Rostock: Zur Kenntnis des Imidazolätbylaniins
(Histamin). (D.m.W., 1914, Nr. 49.) Der gänzlichen Ablehnung durch
Kehrer jun.’s dem /Mmidazoläthylamins in der Geburtshilfe kann sich
Yerf. vom toxikologischen Standpunkte aus nicht anschliessen. Man
kann es seines Erachtens in ganz kleinen Dosen, vielleicht in Kombi¬
nation mit anderen Mitteln, anwenden. Dünner.
Therapie.
Grober-Jena: Behandlung akut bedrohlicher Zustände bei Er¬
krankungen der Speiseröhre, (D.m.W., 1914, Nr. 48.) Klinischer
Vortrag.
Schüle - Freiburg i. B.-. Farankelbehandlung. (D.m.W., 1914,
Nr. 48.) Anästhesierung mit 2 proz. Novocain und Ausbrennen des
Centruros, eventuell mit einer glühend gemachten Stricknadel, die man
durch einen (die Wärme schlecht leitenden) Korken steckt. Prophy¬
laktisch empfiehlt sich Pinseln mit Jodtinktur. Dünner.
Frhr. v. Eiseisberg: Ueber Radium- und Röntgenbehandlung
maligner Tumoren. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. enthüllt
Resultate, die nichts weniger als erfreulich sind, aber alle, die sich mit
dieser Materie beschäftigt haben, nicht überraschen. Das Radium nützt
nicht viel, in vielen Fällen schadet es. Mehr effektive Bedeutung kommt
der Röntgenbestrahlung zu und mit der Vervollkommnung der Technik
werden die Endresultate noch günstiger sich gestalten. So lange wir
aber noch nicht so weit sind, bleibt die radikale Operation das Beste.
Karl.
J. Lang: Das Pyocyaneoprotein als Heilmittel bei Larynxentzän-
dnngen. (W.m.W., 1914, Nr. 38.) Neben der günstigen Wirkung des
Mittels auf Anginen, Entzündungen des Nasenrachenraums ist auch die
Wirkung auf die Laryngitis eine sehr gute gewesen. Eisner.
Parasitenkunde und Serologie.
F. Schieok - Halle a. S.: Die Bedeutung der von J. Sehere-
schewsky angeblich dnrch Syphilisspirochäten hervorgeraienen
Keratitis parenchymatosa. (D.m.W., 1914, Nr. 49.) Die Erscheinungen
der Keratitis parenchymatosa, die Schereschewsky mit seinen in
Pferdeserumkultur gewonnenen Spirochäten erzielt haben will, treten
auch nach der blossen Injektion von Pferdeserum auf. Die Versuche
Schereschewsky’s muss man daher sehr skeptisch auf nehmen.
0. Hartoch und W. Schürmann - Bern: Die Schntzwirknng des
Diphtherieserams hei der Reinjektion. (D.m.W., 1914, Nr. 49.) Die
subcutane Einführung von Diphtherieantitoxin (Pferdeserum) verleiht
Meerschweinchen, die gegen Pferdeserum überempfindlich sind, bei
nachfolgender intracutaner Prüfung mit Toxin eine 8—32 mal geringere
Schutzwirkung als unvorbehandelte Kontrollen. Erzeugt man bei gegen
Pferdeserura überempfindlichen Tieren durch eine subcutane Injektion
von kleinen Dosen Normalpferdeserums (bzw. antitoxinhaltigen Serums)
den Zustand der Antianaphylaxie, so bleibt das hernach eingeführte
Antitoxin fast in gleicher Weise wirksam, wie bei unvorbehandelten
Kontrollen. Eine subcutane Injektion kleiner Dosen von Serum nach
dem Vorschläge von Besredka gestattet also, nicht nur die Gefahr der
Anaphylaxie bei den zu Reinjizierenden zu vermeiden, sondern sie
schützt auch das eingeführte Antitoxin vor einer raschen Inaktivierung.
Die Versuche der Verff. sprechen für einen beschleunigten Abbau des
Antigens im überempfindlichen Tiere. Dünner.
Innere Medizin.
N. Goriaew-Kasan: Meine Netzteilnng für die Zählkammer.
(D. m. W., 1914, Nr. 49.)
F. Moritz-Köln: Bin transportabler Blntdrnckmesser. (M. m. W.,
1914, Nr. 48.) Dünner.
G. Antonelli: Cholesterinämie und Resistenz der Blutkörperehen
bei anämischen Zuständen (Colesterinemia e resistenza globulare negli
stati anemici). (Policlinico, 1914, Bd. 21— 24.) Verf. untersuchte zehn
Fälle der verschiedensten Anämien (2 Chlorosen, 5 perniciöse Anämien,
1 hämolytischen Icterus, 1 Anaemia splenica und 1 Splenomegalie mit
leichter Anämie) auf den Zusammenhang des Cholesteringehaltes des
Serums und der roten Blutkörperchen und der Resistenz der roten Blut¬
körperchen. Es wurde bestimmt: 1. Gewichtsanalytisch der Gehalt an
Cholesterin, 2. die maximale, mittlere und minimale Resistenz der Blut¬
körperchen, 3. das gesamte Blutbild (Zahl der roten, der verschiedenen
weissen Blutkörperchen, Hämoglobingehalt usw.). Verf. konnte für seine
Fälle keinen gesetzmässigen Zusammenhang zwischen Cholesteringehalt und
Resistenz der Blutkörperchen finden. Zum Beispiel fand er gerade bei
dem Falle, der das meiste Cholesterin im Serum enthielt, die geringste
Resistenz der Blutkörperchen. Auch stand der Grad der Anämie in
keinem festen Verhältnis zu dem Cholesteringehalt des Serums.
G. Antonelli: Experimentelle Untersuchungen Aber die Wirkug
der Ovarialkastration auf das Blnt (Ricerehe esperimentali intorno
agli effetti deila castrazione ovarica sul sangue). (Policlinico, 1914,
Bd. 21—24.) Verf.’s Nachprüfung der Versuche von Breuer und
Seiller, die schon 1903 durch Ovarialkastration bei Hündinnen ein
Sinken der Erytbrocytenzahl und des Hämoglobingehaltes des. Blutes
hatten beobachten können, kommt zu denselben Resultaten. In jedem
Falle, wo vor der Operation ein normales Blutbild bestanden hatte,
zeigte sich nachher Hypoglobulie und verringerter Hämoglobingehalt.
War aber vorher das Blutbild bereits anormal gewesen, so beobachtete
Verf. in einigen Fällen ein Steigen der Erytbrocytenzahl und des
Hämoglobingehaltes. Den theoretischen Schlussfolgerungen anderer
Autoren über den Zusammenhang zwischen menschlicher Chlorose und
Ovarialfunktion folgt der Verf. jedoch nicht. Schmitz.
F. Baroch: Ueber Phlebektasie. (W. m. W., 1914, H.40.) Mit¬
teilung einiger Fälle, Verf. glaubt, dass die Aetiologie der Phlebektasien
nicht einheitlich ist, sondern dass die Entstehung verschiedener Fälle
verschieden ist und dass oft mehrere Momente (z. B. mechanische Noxen
bei bestehender angeborener Schwäche, chronische Entzündung, Neuritis,
Insufficienz der Venenklappeo) zusammen wirken können.
M. Herz: Ueber akuten Gelenkrheumatismus und Herz. (W.m.W.,
1914, H. 39.) Verf. bespricht die Beziehungen der Herzerkrankungen
(Klappenfehler, Myocarditis) zum akuten Gelenkrheumatismus. Die Art
des Zusammenhanges ist noch unaufgeklärt. Am Schluss einige thera¬
peutische und prophylaktische Hinweise. Eisner.
Wiens: Arbeiten aus dem Jahre 1913 über Erkrankugen der
Kreislauforgane. (D. militärztl. Zschr., 1914, H. 20 u. 21.) Sammel¬
referat. Sohnütgen-Arco.
G. Antonelli: Ueber die angebliche antitryptisehe Wirkug dei
Blutserums (Sul preteso potere antitryptico del siero di sangue. Ricercbe
nella pneumonite cruppale). (Policlinico, 1914, Bd. 21—24.) Der Verf.
unterzog die alte Behauptung von der antitryptischen Wirkung des
Blutserums einer neuen experimentellen Nachprüfung und wählte dazu
das Blut von Pneumoniekranken, da dasselbe nach verschiedenen andern
Autoren in den verschiedenen Stadien der Krankheit dieses Vermögen
in grösserem oder geringerem Grade besitzen sollte. Die Feststellung
der tryptischen Verdauung des Eiweisses geschah in seinen Versuchen
durch Titration der gebildeten Aminosäuren mittels d / 10 NaOH, nicht
wie in älteren Versuchen durch Beurteilung der grösseren oder geringeren
Verflüssigung des Eiweisses, da hierbei leicht Täuschungen Vorkommen
können. Verf. zeigt an 25 Versuchen, dass von einer antitryptischen
Kraft des pneumonischen Blutserums nicht die Rede sei.
Schmitz.
E. Reicbenow-Kamerun; Die Grundlagen für eine Therapie der
Schlafkrankheit. (D. m. W., 1914, Nr. 49.) Man muss bei der Schlaf¬
krankheit 2 Stadien unterscheiden: In dem ersten sind die Trypanosomen
nur im Blute, im zweiten in der Cerebrospinalflüssigkeit nachweisbar.
Verf. hat nun Versuche gemacht, Neosalvarsan sowohl intravenös wie
intralumbal zu injizieren. Die Resultate sind nicht eindeutig. Weiterhin
gab er seinen Kranken ziemlich grosse Mengen Alkohol, in der HoffpuDg,
dass der Alkohol, der in die Lumbalflüssigkeit, wenn auch in geringen
Quantitäten, Übertritt, die Trypanosomen schädigt. Er konnte im Lumbal¬
punktat nach Alkoholverabreichung kein Verschwinden der Trypanosomen
konstatieren, wohl aber eine Abnahme, die freilioh nur vorübergehend war.
Dünner.
A. Foges: Bericht über 4000 rectale Endoskopien. (W. m.W.,
1914, H. 40.) Die rectale Endoskopie ist ungefährlich, einfach und
schmerzlos. Sie sollte in geeigneten Fällen immer angewendet werden,
da sie imstande ist, die noch immer spärlichen Frühdiagnosen des
Carcinoma herbeizuführen.
v. Pfungen: Ueber die Kotstannng als Quelle nervöser Schien-
empflndung und ihre Bedeutung für die Erkennung somatischer Verhält¬
nisse, für das Befinden von Neuropathen mit Wehgefühlen. (W. m. W.,
1914, H. 38.) Nicht zum Referat geeignet. Eisner.
A. Bochynek-Berlin: Ein Fall von WärmcBtaanng (Hitzekollaps).
(D. m. W., 1914, Nr. 48.)
M. Fischer-Wiesloch: Die Ansleihnng der ärztlichen Kraikea-
geschichtcn. (M. m. W., 1914, Nr. 47 u. 48.) Dünner.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
Marineseo: Nature et traitemeot de la p&r&lysie gönßrale. (Neurol.
^ r * I®* 8®ht aus von den Noguchi’schen Befunden,
nach denen der Name Metasyphilis weder bei Tabes noch bei Paralyse
mehr berechtigt ist. Er bespricht die histologischen Differenzen der
aralyse, Tabes und Lues cerebrospinalis und schliesslich die Behand¬
lung der progressiven Paralyse. E. Tobias.
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Original frnm
UMIVERSITY OF IOWA
21. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1947
Kinderheilkunde.
E. Reinicke-Berlin: Lipoidsnbstanzen im Urinsediment beim
Kinde. (D. m.W., 1914, Nr. 47.) Vortrag, gehalten im Verein für innere
Medizin in Berlin am 11. Mai 1914. Cf. Gesellschaftsbericht der B.kl.W.,
1914, Nr. 22. Dünner.
Chirurgie.
W. Lange und Gr e nach er-Hannover: Untersuchung von Catgat
auf Sterilität und ihre praktische Bedeutung. (D.m.W., 1914, Nr. 48.)
Im Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule in Hannover
wurde das von der Firma L. A. Decker-Hannover bergestellte Catgut auf
seine Sterilität geprüft. Das von dieser Firma gelieferte Material kann
man also als keimfrei ansehen. Dünner.
Franke-Braunschweig: Ueber Sparsamkeit beim Verbrauch der
Verbandstoffe. (Zbl. f. Chir., Nr. 44, S. 1633.) Verf. empfiehlt den
Wiederverbrauch der Verbandstoffe nach Reinigung durch Waschen und
Neusterilisierung, ein Verfahren, welches auch in Friedenszeiten wohl
schon ausnahmslos an allen grösseren Kliniken durchgeführt wird.
Hay ward.
L. Wrede: Zur Lehre von den gutartigen Hantepitheliomen. (Arch.
f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. beschreibt eine Tumorgruppe, die
dadurch charakterisiert ist, dass ihre Epithelien in Art, Tätigkeit und
Anordnung der Haut entsprechen. Der Drang der Epithelien zur Tiefen¬
wucherung, welche zu einem Wachstum in Form von verzweigten Zapfen
führt, unterscheidet diese Tumoren von dem Dermoid, bei welchem das
Wachstum der Fläche noch stattfindet. Dann geht Verf. auf die mikro¬
skopische Beschaffenheit der Acanthoma adenoides cystica näher ein.
Es sind dies Geschwülste, welche eine atypische Wucherung der Keim¬
schicht der Haut darstellen. Die Bezeichnung „Epithelioma dermoidies“
würde nach Ansicht des Verf.’s das Richtige treffen. Karl.
So hi eie-Naumburg: Hochprozentige Carbol-Campherspiritusinjek-
tionei gegen Phlegmonen in Gelenken und Sehnenscheiden. (Zbl. f.
Chir., 1914, Nr. 43.) Bei der Einfachheit der Methode sind die erzielten
Erfolge derart überraschend, dass es, zumal bei der schlechten Prognose
der Gelenkempyeme, angezeigt erscheint, die Arbeit eingehender zu be¬
sprechen. Zur Verwendung kommt folgende Lösung: Acid. carbol.
liquefact. 30,0, Camphor. trit. 50,0, Spirit, vini 8,0. Verf. konnte zwei
Kniegelenksempyeme nach Trauma in wenigen Tagen dadurch zur
Ausheilung bringen, dass er nach Ablassen des eitrigen Inhalts eine
Auswaschung des Gelenks mit l proz. Carbollösung vornahm. Dann
wurden 5 ocm der oben genannten Lösung injiziert und diese Injektion
jeden 2. Tag ohne Auswaschung wiederholt. In einem 3. Fall handelte
es sich um ein vereitertes Fingergelenk, bei dem die Gelenkfunktion
ebenfalls erhalten wurde, während bei der 4. Patientin, die an einer
wahrscheinlich gonorrhoischen Sehnenscheidenentzündung erkrankt war,
der Erfolg wohl auch nach Ansicht des Verf. nicht allein der Injektion
zuzuschreiben ist. Da toxische Schädigungen nie beobachtet sind, er¬
scheint die Aufforderung des Verf. zur Nachprüfung durchaus berechtigt.
Konjetzny-Kiel: Kurse Bemerkung in der Originalmitteilang
von Schiele in Nr. 43 des Zentralblattes für Chirurgie. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 46.) Die in der angeführten Arbeit angegebene Phenol-
campherlösung zur Behandlung jauchig-phlegmonöser Prozesse geht auf
Chlumsky zurück, der dafür folgendes Rezept angegeben hat: Acid.
carbol. liquefact. 30,0, Camphor. trit. 60,0, Alkohol 10,0. Vor der von
Schiele angegebenen Injektion in die Gewebe und in Gelenke bzw.
Peritoneum wird gewarnt auf Grund ungünstiger Erfahrung, die Verf.
hierbei in der Behandlung von kalten Abscessen gemacht hat. Dagegen
empfiehlt er als Medikation die Befeuchtung der Verbandstoffe mit der
angegebenen Lösung und Bedeckung der Wunden gleich wie bei dem
feuchten Verband. (Ref. hat schon seit Kriegsbeginn mit dieser Art
der Versorgung jauchiger granulierender Wunden bei Granat- usw. -Ver¬
letzungen überraschend günstige Resultate gesehen.) Hay ward.
Ernst Seger und Julius Wohlgemut: Eine neue Methode zur
Stillung parenchymatöser Blutungen. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106,
H. 1.) Verf. beweist durch eine Reihe von Tierversuchen die ausser¬
ordentlich gute und zuverlässige neue Blutstillungsmethode durch eine
Masse, die aus tierischen Membranen, aus dem Darm von Schafen und
Rindern, hergestellt wird. Diese charpieähnliche, weiche, grauweisse
Masse nimmt jegliche Form an und legt sich daher jedem Defekt voll¬
kommen an. Sie ist absolut steril, verklebt sehr rasch und fest mit der
blutenden Wundfläche und wird in kurzer Zeit wieder vollkommen re¬
sorbiert. Unter den Tierversuchen befindet sich auch bei den schwersten
Blutungen kein Versager, und so wird diese Methode auch bei Menschen
recht gute Resultate ergeben.
S. Erdheim-Wien: Ueber die Verletzungen mit Tintenstif¬
ten. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. hat mehrere Ver¬
letzungen mit Tintenstift beobachtet, er hat nun diese Verletzungen be¬
sonders auch an der Hand von Tierversuchen eingehend mikroskopisch
studiert. Er schlägt vor, baldigst den Tintenstift mit dem ihn um¬
gebenden nekrotischen und verfärbten Gewebe zu entfernen. Es handelt
sich bei diesen Verletzungen in der Hauptsache um eine chemisohe
Schädigung, die durch einen basischen Anilinfarbstoff, Methylviolett, her¬
vorgerufen wird. Karl.
Bratz-Königsberg: Zur Behandlung der Schlüsselbeinverrenknng
Mch vorn. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 46, S. 1673.) Anknüpfend an die
Beobachtung von Danielsen (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 41), dass die
stets zur Reluxation neigende Schlüsselbeinverrenkung am Brustbein da¬
durch geheilt werden kann, dass man den Verband nicht mit nach hin¬
ten, sondern mit nach vorn fixierter Schulter ausführt, berichtet Verf.
über einen hierher gehörenden, günstig verlaufenden Fall. Er modi¬
fizierte die angegebene Verbandmethode, indem er den Arm nicht über
den Kopf erhob, sondern durch geeignete Heftpflasterstreifen die Sohulter
nach vorn brachte und in dieser Stellung fixiert hielt. Hay ward.
E. P ayr: Weitere Erfahrungen über die Mobilisierung ankylosierfer
Gelenke. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet über
seine ausgezeichneten Erfolge bei der Mobilisierung ankylosierter Ge¬
lenke. Die neugebildeten Gelenke befriedigen in morphologischer wie
funktioueller Hinsicht vollkommen, was durch eine Nachfrage über das
Fernschicksal der Patienten einwandfrei naohgewiesen wird. Alle zeigen
sie eine Vermehrung der Exkursionsbreite, keine Wiederkehr der Anky¬
lose, keine Schlottergelenke, bedeutende Zunahme der MuskelumfäDge
bei vorher bestehender schwerster Muskelatrophie. Besonders betont
auch der Verf. die guten Resultate an den Gelenken der unteren Glied-
maassen und wünscht, dass letztere bei Ankylosierung häufiger operativ
behandelt werden möchten. Verf. geht dann näher auf die von ihm an¬
gewendete Operationsteohnik ein, die am besten in der ausgezeichneten
Arbeit selbst nacbgelesen wird. Karl.
Th. Kolliker-Leipzig: Zur Technik der Albee’sehen Operation.
(M.m.W., 1914, Nr. 48.) Die Albee’sche Spondylitisoperation lasst sich
mit den üblichen Oateotomieinstrumenten leicht ausführen. In Seitenlage
wird mit einem schmalen geraden Meissei nach Spaltung der Ligg. supra-
spinalia eine Längsfurche in jeden der zu spaltenden Dornfortsätze ge¬
macht. Durchtrennung der Ligg. interspinalia. Ein 7 cm breiter Meissei
wird in die Furchen der Dornfortsätze eingesetzt und diese bis zur Basis
gespalten. In die Rinne kommt ein Jodoformgazestreifen. Entnahme
eines Spans aus der Tibia (in Rückenlage). Implantation in die Knochen¬
rinne der Dornfortsätze. Dünner.
0. Nord mann-Berlin-Schöneberg: Experimentelles und Klinisches
über die Thynmsdrüse. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf.
nimmt in seiner Arbeit zunächst Steilung zu der Frage: »Was schadet
ein Zuwenig der Thymus bzw. ein vollkommener Defekt der Drüse?“
Diese Frage ist von einer ganzen Reihe von Forschern ganz verschieden
beantwortet worden. Die einen erklären die Entfernung der Drüse für
den wachsenden Organismus als absolut belanglos, andere haben an Hunde¬
versuchen nachgewiesen, dass die Entfernung der Drüse schwere patho¬
logische Veränderungen im Körper der Versuchstiere, besonders im
Skelettsystem hervorruft. Verf. hat nun an Hand von zahlreichen sorg-
fäitigst an Hunden ausgeführten Versuchen einwandfrei naohgewiesen,
dass die Thymusdrüse kein lebenswichtiges Organ des aufwachsenden
Organismus ist, und dass ihre Entfernung bei jungen Hunden bedeutungs¬
los ist. Die 2. Frage lautet: »Was schadet dem Organismus ein Zuviel
des Thymusgewebes?“ Verf. glaubt auf Grund seiner Erfahrungen die
Hypersekretion der Thymus oder deren Persistenz in Zusammenhang
bringen zu müssen mit der Basedow’schen Krankheit. Dabei spielt na¬
türlich auch die Dysfunktion der Thyreoidea eine wesentliche, oft die
alleinige Rolle. Verf. glaubt bei mehreren Fällen eine Synergie beider
Organe naohgewiesen zu haben.
Frhr. v. Eiseisberg: Zur Frage der dauernden Einkeilung ver¬
pflanzter Schilddrüsen und Nebenschilddrüsen, zugleich ein Beitrag zur
postoperativen Tetania paratbyreopriva. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106,
H. 1.) Verf. bringt durch eine kleine Arbeit die Frage der Einpflanzung
von frischem Schilddrüsengewebe zur Sprache. Er hat bei zwei Fällen
deutliche Besserung gesehen, die aber leider nur temporär war. Auch
die Einpflanzung frischer Epithelkörperchen (3 Fälle) führte zu keinem
nennenswerten und dauernden Erfolg. Zum Schluss führte Verf. die im
Laufe von 12 Jahren bei 1300 Kropfoperationen beobachteten postopera¬
tiven Tetaniefälle an. Es sind dies 21 leichte und schwere Formen;
drei führten zum Tode. Therapeutisch haben sich die Parathyreoidin-
tabletten am besten bewährt.
E. Payr-Leipzig: Zur Frage der Schilddrüsentransplantation.
(Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet über 7 Fälle von
Schilddrüsenverpflanzung, die zunächst einen deutlichen Erfolg, bald aber
einen ebenso deutlichen Rückschlag erkennen Hessen. Verf. glaubt die
Resultate dadurch zu verbessern, indem er die Indikationsstellung der
Substitutionstherapie einer strengeren Kritik unterzieht. Er findet eine
scharfe Scheidung der Hypothyreosenformen in kongenitale Thyreoaplasie
und Hypoplasie und in erworbene Hypothyreosen; sodann glaubt er, dass
auch andere Schädigungen im Centralnervensystem vorliegen können, die
zunächst mit der Schilddrüse nicht Zusammenhängen. Ausserdem betont
er die Vorzüge der Autoplastik gegenüber der Homoiotransplantation.
Von Wichtigkeit erscheint schliesslich dem Verf. der Boden, auf den
das Transplantat gesetzt wird. Die Milz erwies sich dabei als günstiger
Empfängerbodeo, unterstützt wurde die Wirkung der Transplantation
durch innerliche Verabreichung von Schildrüsentabletten.
E. Unger: Zur Chirurgie des intrathorakalen Oesophagnsear-
cinoms. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet über
16 Fälle von Resektion des Oesophagusoarcinoms. Sie sind alle teils
wärend der Operation, teils mehrere Stunden danach gestorben. Verf.
bediente sioh dabei folgenden Verfahrens: voraus schickt er die Opera¬
tion der Magenfistel; dann legt er sich auf transpleuralem Wege den
Tumor frei, isoliert denselben soweit als möglioh naoh oben; dann löst
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UMIVERSITY OF IOWA
1946
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 61.
er von einem zweiten Operationsschnitt an der linken Halsseite die
Speiseröhre von oben nach unten aus; zieht dieselbe mit dem Tumor
durch die Halswunde heraus, reseziert den Tumor und verlagert den Rest
der Speiseröhre prästernal unter die Haut und schafft hier eine Verbin¬
dung mit dem Schlauch der Magenfistel. Zur Narkose bediente er sich
in allen Fällen der Insufflationsmethode von Meitzer.
E. Payr-Leipzig: Ueber den Magen Darm-Elektromagneten und
seine Anwendung. Bemerkungen über die Prinzipien der Adhäsions¬
prophylaxe. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. erblickt in dem
von ihm angegebenen Magen-Darm-Elektromagneten ein ausgezeichnetes
Mittel zur Feststellung bestehender peritonealer Adhäsionen, abnormer Be¬
weglichkeit und Fixierung von Teilen des Magen- und Darmkanals. Er ver¬
wendet den Elektromagneten prophylaktisch mit sehr gutem Erfolge gegen
beginnende peritoneale Adhäsionen und sieht in seinem Apparat ein gutes
Mittel zur Anregung der Peristaltik, zur Magen- und Darmmassage. Da die
vorausgebende Füllung des Magen- und Darmkanals mit einer unschädlichen
Eisenmasse auch radioskopisch dargestelit werden kann, so bildet dieses
Verfahren ein wertvolles Unterstützungsmittel der Röntgendiagnostik.
Zum Schluss geht Verf. auf die mannigfachen EntstehuDgsursachen der
Adhäsionen ein, zu deren 'Verhütung und Beseitigung ausser einer Un¬
zahl anderer Mittel besonders die frühzeitige Anwendung des Elektro¬
magneten viel beiträgt.
G. Frhr. v. Saar: Zur Kenntnis der phlegmonösen Prozesse de9
Darmkanals. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet
über einen von ihm beobachteten Fall von Darmwandphlegmone des
Colon ascendens. Das Colon wurde zunächst vorgelagert und später
reseziert. Der Erfolg war ein sehr guter. Weniger günstig verlief ein
zweiter Fall von Darmwandphlegmone des obersten Jejunums. Die Aetio-
logie dieses seltenen Krankheitsbiides liegt noch ganz im Dunklen und
ist auch durch diese beiden Fälle nicht geklärt worden. Karl.
Helling-Dresden: Pinzette mit Innenschieber znr Einstülpung
des Wurmfortsatzes. (Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 45.) Beschreibung mit
Abbildungen eines neuen Instrumentes zur Einstülpung des Wurmfort¬
satzes.
Kumaris-Athen: Zur Beseitigung des Ascites. (Zbl. f. Chir.,
1914, Nr. 43.) Es wird über weitere günstige Erfolge, die mit des Verf.
Methode erzielt sind, berichtet (Exzision von parietalem Peritoneum).
(Cf. Zbl. f. Chir., 1913, Nr. 50.) Die Absicht, Verwachsungen zwischen
der Bauchwand und dem parietalen Peritoneum herbeizuführen, kann
noch besser dadurch erreicht werden, dass ein sich nach der Operation
ansammelnder Ascites zunächst wieder durch Punktion entleert wird.
Hayward.
W. v. Wrzesniowski: Die Ueberlappnng der Bauch wand bei Ope¬
rationen von Brüchen. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106. H. 1.) Verf. will
die ursprünglich von Majo bei postoperativem Bauchbruch angegebene
Methode der Ueberlappung der Bauchwand auch auf alle anderen Brüche
angewendet wissen. Er hat bei einer Reihe von Fällen sehr gute Er¬
folge damit erzielt.
E. Streissler: Ein Beitrag zur Chirurgie des Sinns caver-
nosii. (Arch. f. klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Verf. berichtet über eine
mit vollem Erfolge gekrönte Entfernung eines Projektils aus dem Sinus
cavernosus in Lokalanästhesie. "*Er bediente sich dabei der temporalen
Methode, %nd zwar iJis zu'fh* Foramen ovale und rotundum extradural.
Ueber dem Foramen ovale und rotundum wurde die Dura eröffnet und
der Sinus indural freigelegt. Er unterzieht bei dieser Gelegenheit die
verschiedenen, in der Chirurgie des Sinus cavernosus angegebenen Ope¬
rationsmethoden einer genaueren Betrachtung.
Kreuter- Erlangen: Experimentelle Untersuchungen über den
Einfluss der Milzexstirpation auf das periphere Blutbild. (Arch. f.
klin. Chir., Bd. 106, H. 1.) Die Angaben über den Einfluss, welchen
der Verlust der normalen Milz bei einem sonst gesunden Menschen auf
das circulierende Blut ausübt, gehen ziemlich weit auseinander. Diese
Verschiedenheiten finden ihre Erklärung einmal in dem mit der Milz-
zerreissung verbundenen Blutverlust und andererseits in den Störungen
im Wundverlauf, die oft objektiv gar nicht zum Ausdruck kommen.
Durch Versuche an Affen weist Verf. nach, dass der Verlust der nor¬
malen Milz bei seinen Tieren ohne bemerkenswerten Einfluss auf das
periphere Blutbild und das- hämatopoetische System bleibt. Karl.
Haut- und Geschlechtskrankheiten.
G. Stümpke -Hannover: Die Vhccinebehandlung und Diagnose
der Gonorrhöe. (D.m,W., 1914, Nr. 49.) Gekürzt nach einem Vortrag
im Aerzte-Verein in Hannover am 4. März 1914. Die Tatsache, dass
der Wert der Vaccine bei Gonorrhöe die widersprechendsten Urteile er¬
fahren hat, lässt sich wohl am besten dadurch erklären, dass die ver¬
schiedenen Gonokokkenstämme verschieden reagieren. Die Anwendung
von Autovaccine lässt sich praktisch kaum durchführen. Die besten
Resultate versprechen wohl die polyvalenten Vaccinen. Dünner.
Geburtshilfe und Gynäkologie.
W Schüler-Halle a. S.*. Zum Krankheitsbild der pnerperalen
Infektion mit dem E. Fränkel’sehen Gashacillns. (M.m.W., 1914,
Nr. 48.) 2 Fälle. Dünner.
Hoehne-Kiel: Ueber die Behandlung retinierter Plaeeatareste.
(Zbl. /. Gyn., 1914, Nr. 49.) Auf dem Gynäkologenkongress in Strass¬
burg hat Winter sich gegen die aktive Entfernung retinierter Placenta-
reste ausgesprochen, und seinen Standpunkt des Näheren später be¬
gründet. Diese Angelegenheit ist für die Praxis so wichtig, dass es ge¬
boten erscheint, hier das Resultat des Verf. vollständig wiederzugeben.
Von 29 Fällen waren 14 in der Klinik selbst geleitet worden. In sechs
Fällen war das Fehlen von Placentastücken unmittelbar nach der Ge¬
burt beobachtet und sofort die Entfernung vorgenommen worden, in
8 Fällen blieb die Retention von Resten unbemerkt. Bei diesen gingen
die Reste 3 mal spontan atf, 5 mal wurden sie erst nach einigen Tagen
oder nach mehreren Wochen digital entfernt. Nur 3 mal trat dabei
leichte Temperatursteigerung auf. Ausserhalb der Klinik entbunden
und nachträglich in dieselbe eingeliefert waren 15 Falle. Davon waren
8 fieberfrei. Bei diesen wurde das Leben nicht gefährdet, sowohl bei
denen, in welchen man das aktive Verfahren anwendete, als auch bei
denen, in welchen die Reste spontan abgingen. Von den 7 fiebernd
eingelieferten Fällen nahmen nur 3 einen etwas ernsteren Verlauf, und
2 verliefen tödlich. Bei den beiden letzteren war schon vor der Ein¬
lieferung eine schwere Allgemeininfektion vorhanden. Bei allen waren
ausnahmslos schon ausserhalb der Klinik Ausräumungsversuche gemacht
worden. Es lässt sich danach also sagen, dass die Retention von
Placentaresten zwar selten das Leben ernstlich gefährdet, dass aber die
schwere, drohende Gefahr der Blutverluste und der Infektion Indikation
genug zur Ausräumung geben. Selbstverständlich wird auch erwähnt,
dass bei hohem Fieber stets die ErwäguDg Platz greifen muss, ob man
nicht durch Schaffung neuer Wunden die Gefahr nur vermehrt, dass
man, wenn man in solchen Fällen eingreift, möglichst radikal vorgehen
und UDter Umständen sogar zur Uterusexstirpation schreiten muss. Alle
diese Erwägungen sind so allgemein angenommen und bekannt, dass sie
einer weiteren Explikation nicht bedürfen. Falls sich Streptokokken
oder Staphylokokken aus dem Sekret züchten lassen, so empfiehlt Verf.
konservatives Verfahren, mindestens möglichst schonendes. Dabei lässt
Verf. allerdings unerwähnt, dass so eingehende, bakteriologische Fest¬
stellungen eben nur in einer grossen Klinik möglich sind.
Siefart.
Augenheilkunde.
El sehnig-Prag: Ueber sympathisch« Reizübertriging. (D.m.W.,
1914, Nr. 47.) E. hat die refraktrometrischen Verhältnisse des Kammer¬
wassers des zweiten Auges nach Reizung des ersten studiert und dabei
keine Unterschiede gefunden. Er nimmt daher an, dass eine sympa¬
thische Reizübertragung von einem Auge auf das andere nicht existiert
Dünner.
Militär-Sanitätswesen.
Bresgen - Cötn: Die französische Kriegssanitfitsansrilstiig.
(D. militärztl. Zschr., 1914, H. 20 u. 21.) Die letzte, vollständige
Herausgabe der Kriegssanitätsordnung mit Anlagen erfolgte am 12. IV.
1913 mit vollkommen neuer Organisation der Feldsanitätsformationen
und teilweise neuer Organisation der Etappensanitätsformationen. Auch
in betreff der Sanitätsausrüstung sind die Neuerungen tiefgreifende, deren
wichtigste sind: Einheitliche Unterbringung des Materials in durch¬
laufend bezifferten Einheitsbehältnissen; alle Verbandmittel in vier Ein¬
heitsformen (Verbandpäckchen, kleine, mittlere und grosse Verbände);
Transportmittel und die feststehenden Verbände wurden vermehrt, die
ärztlichen Geräte und Arzneimittel auf das für erste Hilfe auf dem
Schlachtfelde Notwendigste beschränkt und neuzeitig gestaltet; alle vier¬
spännigen Wagen sind abgeschafft und durch leiohtere ersetzt. Mit
dieser Ausrüstung wurde bislang das XX. Armeekorps (Nancy) ausge¬
stattet. Für weitere Beschaffungen wurden 1913 25,7 Millionen Franken
eingestellt.
Krause - Cassel: Beitrag zur Zahnhchaidlug der Mannschaften.
(D. militärztl. Zschr., 1914, H. 20 u. 21.) Seit Entstehung der Korps¬
zahnstationen ist in der Behandlung der Mund- und Zahnkrankheiten
der Unteroffiziere und Mannschaften eine wesentliche, vorteilhafte
Aenderung eingetreten. Jede Zahn- und Kiefererkrankung kann jetzt
spezialistischer Behandlung zugänglich gemacht werden. In gleichem
Maasse wie die Aufklärungen in den Schulzahnkliniken Früchte trageD,
wächst die Inanspruchnahme der Korpszahnstationen. Nach Verf.’s An¬
sicht genügt in kleineren Garnisonen ohne Zahnarzt, auf den Truppen¬
übungsplätzen und im Manöver die Behandlung der akuten Zahnkrank¬
heiten den Anforderungen nicht. Er gibt deshalb ein klares Bild über
Entstehung, Verlauf, Erkennung und Behandlung der Pulpitis und
Periodontitis, wie es ausserhalb der Garnison mit Korpszahnstation von
jedem Militärarzt gekannt werden müsse. Auch bespricht er genau den
Gang der Untersuchung auf eine akute Zahnerkrankung. Endlich bat
Verf. ein kleines Besteck zusammengestellt, das alles zur Extraktion
und Arsenbehandlung — letztere kann in etwa 50 pCt. aller ausserhal
der Garnison mit Korpszahnstation entstehenden Zabnkrankheiten den
Schmerz sofort beseitigen und den Zahn retten — Notwendige enthalt.
Schnütgen - Arco.
E. Neu mann-. Psychologische Beobachtungen im Felde. (Neurol.
Zbl., 1914, Nr. 23.) Betrachtungen über die Psyche der Soldaten in
Kriege. Das Bewusstsein der Anwesenheit „des Doktors* erhöht den
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UNIVERSUM OF IOWA
21. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1949
Mut. Schon in Friedenszeiten ist die psychologische und psychiatrische
Schulung des Arztes unerlässlich.
M. Roth mann: Der Krieg und die Neirologie. (Neurol. Zbl.,
1914, Nr. 23.) Verf. betont nachdrücklich die grosse Rolle, die der
Nervenpathologie, nach Erb dem „Aschenbrödel* unter den grossen
medizinischen Spezialdisziplinen, in diesem Kriege gestellt ist, und weist
darauf hin, dass der konsultierende Neurologe eine ebenso segensreiche
Tätigkeit entfalten würde, wie der konsultierende Chirurg, wenn die
Schioksaisstunde für die Neurologie schon früher gekommen wäre.
E. Tobias.
Ehret - Strassburg: Ceber ColUpse nach Seegefechten. (M.m.W.,
1914, Nr. 48.) (Naoh einem Vortrag vor Marinesanitätsoffizieren.) Der
Kreislauf kann versagen infolge von Störungen 1. des Herzens, 2. der
Gefässe, 3. der Nieren. Da die Matrosen wohl alle nierengesund sind,
kommen nur 1. und 2. in Frage. Verf. erörtert sowohl die Prophylaxe
wie die Therapie: Ausser den üblichen Mitteln empfiehlt er prophy¬
laktisch 1 g Diuretin in einer Kaffee-Rahmmischung. Vorsicht mit
Morphium! Therapeutisch sollen subcutane Campher- und Coffein¬
injektionen gemacht werden. Intravenöse Strophantineinspritzungen
leisten sehr Gutes. Eventuell intravenös 10—20 Tropfen Adrenalin in
Kochsalzlösung, die freilich nur vorübergehend wirken.
A. Tietze und Korbsch: Ueber Gasphlegnone. (D.m.W., 1914,
Nr. 48.) Die Verff. beobachteten eine Reihe infizierter Wunden, die
durch ihr missfarbenes Aussehen, ihren Geruch und ihre Progredienz
imponierten. K. fand im Sekret einen charakteristischen, anaeroben
Baoillus, den er züchten konnte. Er bildet Sporen.
Syring-Neu-Ruppin: Behandlung des Wmidstarrkraflipfeg mit
MagflesiflBSiilfat. (D.m.W., 1914, Nr. 49.) Mitteilung eines Falles vou
Tetanus, der nur mit Magnesiumsulfat, ohne Serum, behandelt und ge¬
heilt wurde.
Th. Ko eher-Bern: Behandlung sohwerer Tetanufifälle. (D.m.W.,
1914, Nr. 46 u. 47.) Der Artikel enthält unter anderem nochmals eine
warme Empfehlung des Magnesiumsulfats.
Ri edel-Jena: Verletzungen durch Dim-Dim- Geschosse. (D.m.W.,
1914, Nr. 47.) Kasuistik.
0. Harzbecker-Berlin: Die Aetiologie der Graflat-Kontasiois-
yerletzflflgen. (D.m.W., 1914, Nr. 47.) Die Symptome der Kontusions¬
verletzungen sind, abgesehen von sofortigem Tode, mannigfaltig; man
trifft z. B. recht häufig Hemiplegie usw.; wichtig ist, dass keinerlei äussere
Verwundungen anzutreffen sind. H. berichtet über 4 Fälle (2 Apoplexien,
1 Hämatothorax und eine subconjunctivale Blutung). Da jede direkte
Geschosswirkung auch in seinen Fällen mit Sicherheit auszuschliessen
ist, nimmt er als ätiologischen Faktor Luft- oder Gasdruck an, der
entweder positiv ist, wenn das Geschoss vor dem Verletzten einschlägt,
oder negativ ist, wenn das Projektil an dem Verletzten vorbeifliegt.
Durch den Druck entstehen kleine Gefässzerreissungen, die dann zu den
klinischen Erscheinungen führen.
E. Leschke-Berlin: Rohrähnliche Darmerkranknngen. (D.m.W.,
1914, Nr. 49.) Aus praktischen Gründen mag es berechtigt sein, alle
Durchfälle mit Blut und Eiter als Ruhr anzuspreehen. Andererseits
gibt es Fälle — Verf. beobachtete 5 Soldaten dieser Art —, die klinisch
durchaus der Ruhr gleichen, bei denen aber die bakteriologische und
serologische Untersuchung keine Anhaltspunkte für Ruhr ergab. Verf.
nimmt für die Entstehung solcher Fälle an 1. enterogene Infektion,
2. enterogene Intoxikation, 3. mechanische Schädigung der Darmwand,
4. parenterale Infektion. Auffallend war, dass alle Kranken des Verf.
mehr oder weniger ausgesprochen Lymphatiker waren. Vielleicht sind
sie in Parallele zu setzen mit lymphatischen Kindern, bei denen ge¬
legentlich nicht durch Ruhr verursachte blutig-schleimige Durchfälle be¬
obachtet werden. Dünner.
G. Gaertner: Forschritte in der Behandlung der Cholera asi&tica.
(W.m.W., 1914, Nr. 41, Beilage „Militärarzt“.) Es werden intravenöse
stark hypertonische Kochsalzinfusionen empfohlen, um die Resorption
von Flüssigkeit aus dem Darm hervorzurufen. Die klinischen Erfolge
sind gute. Es werden l l [ 2 —2 1 einer l,6proz. Lösung gegeben. Auch
die Bolus alba-Therapie hat günstige Resultate. Eisner.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Aerztlicher Verein zu Hamburg,
Sitzung vom 17. November 1914.
I. Hr. Goldoehfliidt stellt einen Fall von traumatischem Aneurysma
am Halse vor.
II. Hr. Weygandt bespricht einige Fälle von Psychosen, die bei
der Mobilisation und im Feldzug aufgetreten sind. Er betont, dass
eine besondere Kriegspsychose nicht anerkannt werden kann, und hebt
hervor, dass die Zahl der Psychosen bisher im Feldzug unerwartet klein
gewesen ist. Die Mehrzahl der Fälle wurde schon während der Mobil¬
machung beobachtet. Er zeigt dann 2 Fälle von hysterischer Psychose,
2 von Dementia praecox, ein alkoholisches Delirium und 2 Fälle von
epileptischer Psychose und bespricht die Art des Zusammenhanges
zwischen dem psychischen Trauma bzw. der körperlichen UeberanstreDgung
und dem Aasbruch der Erkrankung.
III. Hr. Plaut berichtet über Versuohe, welche er mit Mikrocia-
Tabletten angestellt bat Naoh den Veröffentlichungen sollten dieselben,
welche aus einer Mischung von Superoxyden mehrerer Erdalkalien be¬
stehen, als Zusatz zum Trinkwasser einwandfrei alle Bakterien ver¬
nichten. Die Versuche ergaben jedoeb, dass die Wirkung nicht grösser
ist, als die der gewöhnlichen Säuren, z. B. Citronensäure, welche zwar
Cholerakeime abtöten, Typhus aber und noch mehr Ruhr teilweise nicht
sohädigen. Allen anderen Trinkwasserzusätzen ist Chlorkalk vorzu¬
ziehen.
IV. Hr. Oehleeker bespricht an der Hand mehrerer Fälle Diagnose
und Therapie der sog. falschen Aueurysmeu. Die erstere ist bisweilen,
wenn das Aneurysma in der Tiefe liegt, selbst wenn man an die Affektion
denkt, nicht zu stellen; auch Verwechselungen mit Abscess und Phleg¬
mone kommen vor. Wird die Affektion gleich zu Anfang erkannt, so
ist eine primäre Gefassnaht zu empfehlen. In späteren Stadien muss
man individualisieren. Man kann nicht immer, wie die gewöhnliche
Vorschrift lautet, 4—5 Wochen warten, bis sich ein Collateralkreislauf
gebildet bat, da die Gefahr einer plötzlichen Blutung für die Ernährung
des betr. Gliedes noch bedenklicher ist. Im allgemeinen wird man die
Ligatur der Gefässe vornehmen, und zwar ergibt die Statistik, dass die
Wiederherstellung des Kreislaufes eine bessere ist, wenn man auch die
Vene, selbst wenn diese nicht verletzt ist, mit unterbindet. In einem
Fall, in welchem die Ernährung des schwerverletzten Beines besonders
gefährdet erschien, hat Oehleeker statt der Ligatur der Arterie die
eine Schussöffoung vernäht und die andere, mit der Vene kommuni¬
zierende, durch ein Stück der betreffenden Venenwand gedeckt.
V. Hr. Nonne demonstriert eine Reihe von Fällen von Sehiissver-
letznngen peripherer Nerven. Man sieht bei denselben häufig von den
in der Friedenspraxis gewohnten stark abweichende Bilder. Er zeigt
bzw. erwähnt verschiedene Fälle von Radialislähmung, insbesondere
zwei, bei denen der Radialis in bzw. nahe der Achselhöhle, kurz nach¬
dem er sich aus dem Plexus isoliert hat, getroffen war. In einem dieser
Fälle, bei dem es sich vermutlich nur um die Kompression durch einen
Bluterguss handelte, war spontan Besserung eingetreten. Es ist die
Ausnahme, dass die Kontinuität des Nerven durch den Schuss voll¬
kommen unterbrochen wird. Meistens sieht man nur einzelne
Zweige des Nerven in ihrer Fuoktion gestört, so z. B. bei Peroneus-
schuss nur den Tibialis anticus, bei einem Ischiadicusschuss nur die
Tibialisfasern, usw. Bemerkenswert war ein Fall von Medianusscbuss,
bei dem die Beugung der Finger nur partiell, von der Daumenmus¬
kulatur nur die Opposition gelähmt war. Die Operation ergab, dass der
Nerv in einen Bindegewebsstrang verwandelt war; derselbe wurde rese¬
ziert und die Naht ausgeführt. Nach der Operation trat keine Ver¬
schlechterung ein. Aus dieser sehr auffallenden Tatsache geht mit
Notwendigkeit hervor, dass die Innervation mehrerer sonst vom Medianus
versorgter Muskeln hier anderweitig (vom UInaris) übernommen war.
Endlich zeigt er noch eineD Fall von SchussverletzuDg des M. quadriceps,
die eine Lähmnng dieses Muskels vorgetäuscht hatte.
VI. Hr. Plate zeigt 1. ein Geschoss, das bei einem Verletzten
operativ entfernt wurde und nach dem Gutachten eines Sachverständigen
zwar nicht als Dum-Dum-Geschoss bezeichnet werden könnte, aber infolge
EinfurchuDg an der Spitze zu Splitterung geneigt war.
2. Das Röntgenbild einer Handschnssverletznog, die ähnlich wie
das vorige Mal von Jenckel gezeigt, kleinen Ein- und grossen Aus¬
schuss aufwies.
3. Bespricht er eine besondere Form von Fflnktionsstörnng im Knie
nach Oberschenkelschüssen. Das Gelenk war aktiv und passiv völlig
unbeweglich, konnte aber in der Narkose frei bewegt werden. Nach
Anwendung der Narkose wurde die Funktion bald wieder hergestellt.
Es handelt sich wahrscheinlich teils um reflektorische Störungen,
teils um Folgen einer lymphatischen Stauung (Wieting).
VII. Diskussion zum Vortrag des Herrn Sfldeck: Ueber Tetanus.
Hr. Rumpel bespricht an der Hand der experimentellen Er¬
fahrungen die Schwierigkeit, angesichts der relativen Geringfügigkeit der
zur Verfügung stehenden Antitoxindosen, prophylaktisch, wie es sonst
wünschenswert wäre, das Serum anzuwenden. Selbst zur Schutzimpfung
aller Verletzten mit infizierten Wunden würde das Serum nicht
ausreichen. Es ist deswegen anzustreben, die Frühdiagnose durch Nach¬
weis der Bacillen in der Wunde mittels des Tierexperimentes
stellen zu können. Es wurde daher in der letzten Zeit im Barmbecker
Krankenhaus von jeder verdächtigen Wunde eine Probe genommen; im
ganzen bis jetzt 41 mal. Davon ergaben 6 positiven Bacillenbefund.
Von den betr. Kranken hatten drei bereits bei der Entnahme die ersten
Krankheitssymptome, von den drei übrigen erkrankte keiner, obwohl
zwei aus Mangel an Serum kein Antitoxin erhalten hatten. Es ist in
solchen Fällen das Wahrscheinlichste, dass es sich um „Bacillen -
träger“ handelt.
Hr. Jakobsthal hat Bedenken gegen den tierexperimentellen
Nachweis der Tetaousbacillen, da, — infolge des notwendigen Erhitzens,
— durch denselben nur Sporen Dachzuweisen sind. Ein Lazarettzug
ist jetzt mit einem kleinen bakteriologischen Laboratorium ausgerüstet
zwecks Ausführung des kulturellen Nachweises. — J. geht kurz auf
die Möglichkeit, durch Bestrahlung Wunden tetanusbacillenfrei zu machen,
ein und berichtet dann über therapeutische Versuche mit Salvarsan im
Tierexperiment. Ein günstiger Einfluss war unzweifelhaft nachweisbar.
Wahrscheinlich bandelt es sich um die Steigerung der Antitoxin¬
bildung. Endlich berührt J. kurz die Möglichkeit einer aktiven
Schutzimpfung analog de* neuen Bebring’schen Verfahren bei
Diphtherie.
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UNIVERSUM OF IOWA
1950
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 61.
Hr. Tamm berichtet über experimentelle Versuche der Be¬
handlung tetanusinfizierter Wunden mit Bestrahlung. Während
Röntgenstrahlen annähernd unwirksam sind, ist die Wirkung der ultra¬
violetten Strahlen eine sehr markante. Wegen der geringen Tiefen¬
wirkung der betreffenden Strahlen ist eine besondere Vorrichtung er¬
forderlich, um in die Taschen der Wunden zu gelangen. Wenn auch
bisher in den Experimenten keine völlige Keimfreiheit erreicht wurde,
so wurde dooh die Keimzahl so stark herabgesetzt, dass z. B. zur Ver¬
hütung der Amputation ein Versuch mit ultravieletten Strahlen immer¬
hin zu empfehlen ist.
Hr. Kotzenberg berichtet über 21 Fälle aus dem Eppendorfer
Krankenhaus. Die Fälle sind entweder nach der Dauer der Inkubation,
die allerdings oft nicht mit Sicherheit zu bestimmen ist, oder nach der
Ausdehnung der Symptome als leichte, mittelschwere oder schwere zu
bezeichnen. Die beiden Einteilungen decken sich nicht durchweg, doch
ist von den mittelschweren Fällen nur derjenige gestorben, der die ge¬
ringste Inkubationsdauer, nämlich nur 8 Tage, hatte. Im Eppendorfer
Krankenhause wurden fast alle angegebenen therapeutischen Maassnahmen
versucht. Das Antitoxin schien, subjektiv genommen, bisweilen von
günstigem Einfluss zu sein. Von den mit Magnesiumsulfat behandelten
Fällen starben zwei an Pneumonie, vielleicht nicht ganz zufällig. Man
sollte wenigstens die stark zerrissenen und zerfetzten Wunden prophy¬
laktisch impfen.
Hr. Rothfuchs berichtet über 7 mit Salvarsan behandelte
Tetanusfälle, von denen nur einer, und zwar an Pneumonie, ge¬
storben ist, obwohl 4 als sehr schwere Fälle anzusprechen waren und
bei zwei von diesen das Antitoxin erst ganz spät — 8 Tage nach Aus¬
bruch der Erkrankung — zur Anwendung kam. Die Kombination von
Salvarsan und Antitoxin hält R. für besonders vorteilhaft.
K. k. Gesellschaft der Aerztc zu Wien.
Sitzung vom 13. November 1914.
(Eigener Berichte
Hr. V. Eiseisberg stellt einen 34jährigen Infanteristen vor, bei
welchem eine im rechten Unterarm sitzende Kugel beim Bewegen des
Armes pendelnde Bewegungen ausführt.
Dieses Symptom ist jetzt nicht mehr so deutlich wie früher. Die
Kugel sitzt wahrscheinlich in einem grossen Hämatom.
Hr. Sternberg und Hr. Albert demonstrieren Fälle von fonktio-
nellen Lähmungen nach Schass Verletzungen , welche durch gymnastische
Behandlung überraschend schnell geheilt sind.
In 2 Fällen lag eine Peroneuslähmung infolge Isehiadicusverletzung
am Oberschenkel vor. Bei Ischiadicusverletzungen tritt merkwürdiger¬
weise die Peroneuslähmung deutlicher zutage als die Lähmung des
Tibialis, sie kann auch isoliert auftreten. Bei den Patienten sind auch
Zeichen von Tibialislähmung vorhanden.
Im dritten Falle ist nach einem Querschuss durch das linke Knie¬
gelenk die Muskulatur beider Beine atrophisch. Im vierten Falle konnte
Pat. nach einem Schuss durch den rechten Arm diesen nicht heben und
auch die Hand nicht bewegen. In allen diesen Fällen fehlte die elek¬
trische Entartungsreaktion. Die Behandlung bestand in gymnastischen
Uebungen und Massage, welche in kürzester Zeit eine Besserung er¬
zielten.
Hr. Kren stellt einen Fall von Erytbrodermie vor, welcher durch
Wasserbettbehandlung weitgehend gebessert ist.
Hr. Hass demonstriert eine Lagernngsschiene für Oberschenkel-
frakturen und beschreibt die Behandlung der Oberschenkelfrakturen in
der Abteilung von H. Lorenz.
Die in der Abteilung eingelieferten Fälle von Schussfrakturen des
Oberschenkels waren sehr oft in einem schlechten Zustand und hatten
eine Eiterung oder eine hochgradige Verkürzung des Beines, weil die
Immobilisierung des Oberschenkels unzureichend war. Der Petit’sche
Stiefel reicht für diesen Zweck nicht aus. Vortr. hat eine Schiene aus
Drahtgestell konstruiert, welche für diesen Zweck geeignet ist. Sie be¬
steht aus zwei Fixationsstäben, an welche sich drei aus Draht bestehende
Gürtel anschliessen, die leicht nach der Körperform gebogen werden
können und zur Fixation des Beckens, des Oberschenkels und des Unter¬
schenkels dienen.
Bei der Behandlung von Oberschenkelfrakturen wird im Aether-
rausch eine möglichst gute Adaptierung der Fragmente vorgenommen,
dann wird ein Gipsverband angelegt. Die Extension bei der Adaptierung
wird durch Schraubenzug ausgeübt. Es werden zuerst Fuss und Unter¬
schenkel eingegipst ; wenn der Verband erstarrt ist, werden die Extension
und Adaptierung der Fragmente vorgenommen und dann der Gipsver¬
band am Oberschenkel angelegt. Zum Zwecke der Gegenextension wird
ein weicher „Reitgurt“ zwischen Scrotum und Oberschenkel eingelegt.
Ueber den Bruchöffnungen werden grosse Fenster ausgeschnitten. Wenn
die Fraktur nicht infiziert ist, kann Pat. schon nach 14 Tagen auf¬
stehen. Vortr. demonstriert 3 in dieser Art behandelte Patienten. Der
Vorteil der forcierten Extension und des Gipsverbandes gegenüber
der Dauerextension ist der, dass der Pat. transportfähig wird und einer
Ueberwachung nur während der ersten 2 Tage bedarf.
Hr. Snchanek demonstriert das Verfahren bei der Extensioil an
den unteren Extremitäten mittelst Gewichtsznges und unter Suspension.
Es wird dabei das Verfahren von Bardenheuer oder Ritter an¬
gewendet. Die Methode von Florschütz ist für Fälle ohne seitliche
Dislokation anwendbar.
Hr. v. Frisch demonstriert Röntgenaufnahmen voi Prejektilei in
Körper. Die Kugeln und Sprengstücke sitzen im Schädel, in der Hals¬
gegend, im Thorax und in den Extremitäten. In den demonstrierten
Fällen wurden die Projektile entfernt.
Hr. Stoerk spricht über die Klinik der Cholera auf Grund seiner
Erfahrungen im Infektionsspital in Krems, wo er mehrere hundert Fälle
beobachten konnte.
Das Bild des Stadium algidum ist charakterisiert durch tiefliegende
Augen, aschgraues Kolorit, angezogene Extremitäten, eingesunkenes
Abdomen, mühsame Atmung, Schmerzgefühl in der Oesophagus- und
Magengegend, Stehenbleiben von Hautfalten beim Emporheben der Haut.
Bei den akuten Fällen tritt nach diesem Stadium innerhalb weniger
Stunden der Exitus oder Besserung ein. Chronische Fälle sind zahl¬
reicher, als man bisher angenommen hat.
Therapie: Wird ein Pat. im Stadium algidum eingeliefert, so be¬
kommt er sofort eine Adrenaliniojektion, dann wird er in ein Bad von
41° gesteckt, und es werden ihm Injektionen von 2 proz. Kochsalzlösung
verabreicht. Ferner bekommt er eine Atropininjektion von 2 mg gegen
das Erbrechen, kleinere Dosen sind effektlos. Sobald Pat. aufbört, xu
erbrechen, und sich eine Reaktion auf die Behandlung einstellt, wird er
ins Bett gelegt und durch heisse Tücher und Thermophore erwärmt.
Der Versuch, den Kranken gleich am Anfang zu ernähren, ruft immer
wieder einen Brechreiz hervor. Man beginnt daher mit der Ernährung,
wenn der Patient besser geworden ist, und zwBr gibt man ihm alle
V< Stunden einen Esslöffel einer heissen Flüssigkeit (schwarzen Kaffee
oder Tee), dann kommt heisser Tee mit Tierkohle (am besten Blutkohle)
zur Verwendung.
Bei chronischen Fällen ist die Therapie einfacher, es kommen da
hauptsächlich Kohle (20—30 g pro Tag) und Bolus alba (bis 300 g pro
Tag) zur Anwendung, und zwar die erstere am besten in Giesshübler
Wasser, die letztere in heissem Tee. Die Anwendung der Bolus ist
dann empfehlenswert, wenn schwere schleimige Diarrhoen (auch bei
Dysenterie) vorhanden sind, diejenige der Kohle dann, wenn die Ent¬
giftung in erster Reihe angestrebt wird, ferner wenn nach Bolus alba
starke Obstipation eintritt.
Die klinische Differentialdiagnose zwischen Dysenterie und Cholera
ist nicht ganz einfach, zu einer bakteriologischen Untersuchung fehlt
meist die Zeit. Für Cholera sprechen niedrige Pulszahlen bis zu 40
und 50 und tiefe Temperaturen zwischen 35 und 36tiefe Depressionen
koinzidieren immer mit einer Verschlechterung des Zustandes. Kopf¬
schmerz, Bauchschmerz und Wadenkrämpfe können auch im Rekon-
valcscenzstadium auftreten. Im Stuhle kann bei Cholera und bei
Dysenterie Blut vorkomraeD, der Dysenteriestuhl enthält Schleim, der
Cholerastuhl fast niemals, es kann aber auch die Dysenterie ohne
Schleirabeimengung im Stuhle verlaufen. Der Choleraanfall kann einem
echten Typhus gleichen, es kann sogar bei Cholera Leukopenie ein-
treten. Ein wichtiges differential diagnostisches Mittel ist im hohen
Färbeindex des Blutes (bis 140 und darüber) gelegen; dieser hohe Wert
ist nicht auf die blosse Eindickung des Blutes zurückzufübreD, sondern
das einzelne rote Blutkörperchen hat einen höheren Häraoglobingehalt
Die jetzigen Cholerafälle verlaufen nach den Erfahrungen des
Vortr. nicht schwer und die Mortalität wird durch die angewendete
Therapie auf ein Minimum herabgedrückt. Im Anfang sind ihm 14 Fälle
gestorben, da noch Personal zur genauen Durchführung der Behandlung
fehlte, später hat er unter 100 Fällen nur 2 durch den Tod
verloren. B*
Ueber die Ventilation bei künstlicher Atmung j
beim Menschen.
Von
6. Liljestrand - Stockholm.
In dieser Wochenschrift, 1914, Nr. 39, S. 1657-1660, kritisiert
Prof. A. Loewy eine von mir, Wollin und Nilsson herausgegebenen
Arbeit „Untersuchungen über die Ventilation bei künstlicher Atmung
beim Menschen“ 1 ). Nach der Darstellung von Loewy geben vir als
„wahre Ventilationswerte“ bei der künstlichen Atmung die von uns an
apnoiscben Menschen gewonnenen Zahlen, 0,19 L. pro Atemzug hei der
Silvester’schen, bzw. 0,17 L. bei der Scbäfer’schen Methode an. Bei •
früheren Versuchen wären die meist hohen Werte dadurch entstanden,
dass die Versuchspersonen unbewusst und unwillkürlich im Tempo der
künstlichen Atmung spontan mitgeatmet hatten. Gegen die erwähnten
niedrigen Werte führt nun Loewy folgende Argumente ins Feld.
Erstens gewinnt man an nichtapnoischen Menschen weit höhere Werte,
auch in Fällen, wo die spontane Atmung ausgeschlossen ist, teils nach
der subjektiven Empfindung zu beurteilen, teils dadurch, dass absicht¬
licher Widerstand gegen die künstliche Atmung geleistet wird. Zweitens
sollen die Atmungsversuche an Leichen für eine höhere Ventilation
sprechen, und drittens soll die angebliohe Erfahrungstatsache, dass die
künstliche Atmung eine Wiederbelebung noch nach Stunden mit sich
bringen kann, mit unseren Zahlen nicht vereinbar sein.
1) Skand. Arch. f. Physiol., 1913, Bd. 29, S. 149-216.
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Original frnm
UNiVERSITY OF IOWA
21. Üeramber 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1951
Es muss deshalb eine besondere Ursache zn den „anmöglich
niedrigen Werten“, die wir gefunden haben, vorhanden sein. Als solche
stellt sich nach Loewy heraas, dass der Zustand von Apnoe ein aktiver
Zustand ist, währenddessen das Zwerchfell und meist auch die inspira¬
torisch wirkenden Thoraxmuskeln sich im Zustand der Kontraktion be¬
finden. Durch den hierdurch gesetzten Widerstand muss die Ventilation
abnorm vermindert werden 1 )*
Um den Ausgangspunkt der Kritik richtig zu stellen, möchte ich
nun zuerst bestimmt hervorheben, dass wir nicht behauptet haben, dass
die in Apnoe gewonnenen Werte die „wahren Ventilationswerte“ geben.
Im 7. Kapitel unserer Arbeit, wo die Versuchsergebnisse diskutiert
werden, heisst es wörtlich (a. a. 0. S. 203): „Dass die kleine Ventilation“
(bei der Apnoe) „rein mechanisch 2 ) verursacht wurde, dürfte in hohem
Grade wahrscheinlich sein. Damit ist jedoch nicht sicher, dass sie genau
dieselbe ist, die bei einer nichtapnoisohen Person hervorgebracht
wird. Während der Apnoe befinden sich Brustkorb und Diaphragma
in exspiratorischer Lage 3 ) (Rosenthal, Neander, Mosso), und dies
muss verursachen, dass eine kleinere Ventilation erhalten wird. Un¬
möglich ist es auch Dicht, dass bei der Apnoe der Muskeltonus ein
anderer ist als ohne Apnoe, wodurch ein anderer Widerstand als der
normale entsteht. Rücksichts dieser Verhältnisse sind wir der Auf¬
fassung, dass die erwähnten Apnöeversuche Minimal werte für die
Ventilation geben, die bei der künstlichen Atmung an und für sich an
Lebenden entsteht“ Auch an anderen Stellen (S. 207, 209) werden die
betreffenden Werte als Minimalwerte, d. h. untere Grenzwerte angegeben.
Dagegen haben wir nach einer ganz anderen Methode (a. a. 0. S. 205)
die oberen Grenzwerte gefunden. Die Maximalwerte wurden so erhalten,
dass wir ohne Apnoe in gewöhnlicher Weise, während „Passivität“ der
Versuchspersonen, künstliche Atmung mit dem Apparat von Fries aus¬
führten. Dabei zeigte sich eine Abhängigkeit der Grösse der einzelnen
Atemzüge von der Frequenz der künstlichen Atmung, welche genau den
Aenderungen der Atemzüge bei Spontanatmung in verschiedenen
Frequenzen entsprach. Dies Verhalten sowie auch andere Ergebnisse,
auf die ich hier nicht eingehe, sprachen entschieden dafür, dass bei der
künstlichen Atmung die Spontanatmung mitgewirkt hatte, auch wenn die
Versuchspersonen glaubten, dass sie ganz passiv gewesen wären. Da aber
nichts für einen aktiven Widerstand bei diesen Versuchen sprach, wurden
aus den Versuchen, mit der höchsten von uns gebrauchten Frequenz,
Maximalwerte für die Wirkung der künstlichen Atmung erhalten. Dieser
Wert betrug 0,41—0,49 L. pro Atemzug. „Wahrscheinlich wäre es
möglich, das Maximum zu erniedrigen, wenn man höhere Frequenz als
30 pro Min. brauchen könnte“ (a. a. 0. S. 205). Mit Rücksicht hierauf,
sowie vor allem, weil mir die Leichenversuche (vgl. unten!) für eine Ver¬
minderung des oberen Grenzwertes zu sprechen schienen, habe ich in
meinem Aufsatz „Ueber künstliche Atmung“ 4 ) die wahrscheinlichen
Werte auf „etwa 150—300 ccm“ angegeben, und nicht nur die unteren
Grenzwerte. Da aber die Mangelhaftigkeit der bisherigen Leichenversucbe,
wie wir hervorgehoben haben, bedeutend ist, erachte ich die obere Grenze
als noch nicht sicher festgestellt. Es dürfte aus dem Angeführten hervor¬
gehen, dass wir nicht nur die „Apnöewerte“ als Minimalwerte aus¬
drücklich bezeichnet haben, sondern sogar, dass wir diesen Standpunkt u. a.
damit motivieren, dass eine Tonusänderung vielleicht eingetreten sein
kann. Und eben das soll ja nach Loewy’s Auseinandersetzungen und
Versuchen der Fall sein.
Wenn nun auch der Ausgangspunkt von Loewy nicht richtig ist,
dürfte indessen eine nähere Erörterung seiner Beweise gegen unsere
„wahren Ventilationswerte“ nicht ohne Interesse sein, da ja tatsächlich
auoh unsere Maximalwerte auffallend klein sind. Ich gehe dann auf die
Vermutung ein, dass in den an Loewy selbst angestellten Versuchen
eine unbewusste Mitwirkung „in einem ins Gewicht fallenden Maasse“
nach dem subjektiven Empfinden unwahrscheinlich ist. Der Wert einer
solchen subjektiven Auffassung dürfte indessen sehr beschränkt sein.
1) Dass ein Tonus der Thoraxinspiratoren den Effekt der künstlichen
Atmung (beim Vergleich mit Scheintoten) vermindern muss, dürfte sicher
sein, dagegen dürfte das nicht für den Tonus des Zwerchfells gelten.
Dieser Tonus muss umgekehrt hindern, dass das Zwerchfell hin- und
herflattert, wie dies nach Brosoh (Virohow’s Arch., 1893, Bd. 149) bei
künstlicher Atmung' bei Leichen der Fall ist. Es entsteht dann eine
Art von „Pendelluft“, die beim Tonus vermindert werden kann.
2) In der schwedischen Auflage der Arbeit von mir, Wollin und
Nüsson wird (Hygiea, 1913, S. 1294) die Möglichkeit erwähnt, dass
während der Apnöeversuche eine fördernde reflektorische Beeinflussung
der Atmung möglich sein kann. Da wir aber keine positiven Anhalts¬
punkte für eine solche besitzen, haben wir die betreffenden Werte bis
auf weiteres als das Ergebnis der rein mechanischen Ventilation auf¬
gefasst.
8) Inwieweit diese Angabe von exspiratorischer Lage während der
Apnoe mit der Angabe von Loewy, dass eine massige inspiratorische
Erweiterung sich findet, im Widerspruch steht, ist nicht leicht zu ent¬
scheiden. Ohne bei dieser Gelegenheit näher auf die betreffenden Ver¬
suche von Loewy einzugehen, möchte ich hervorheben, dass Loewy
mit inspiratorischer Lage alle Lagen zu meinen scheint, wo sich Zwerch¬
fell und Thorax „mehr inspiratorisch, als während der normalen Exspi¬
ration“ befinden. Von uns wird dagegen der Ausdruck exspiratorisch
von sämtlichen Lagen gebraucht, die in exspiratorischer Richtung von
der habituellen vitalen Mittelstellung sind.
4) Mitt. Grenzgeb., 1913, Bd. 26, S. 470-492.
Jetzt meint Loewy, dass eine Mitatmung, selbst nach vorgängiger Ein¬
übung, Vorkommen mag, und vielleicht auch in den von ihm und
Meyer 1 ) an anderen Versuchspersonen gewonnenen Werten vorgekommen
ist, bei ihm selbst wäre dagegen diese Mitatmung (beinahe?) aus¬
geschlossen. Im Jahre 1908 sagen dagegen die genannten Verfasser:
„Es gelingt sehr leicht, scboD nach einer kurzen Einübung, die Versuchs¬
personen dazu zu bringen, dass sie sich absolut passiv verhalten.“ Wie
wir in unserer Arbeit ausführlich beweisen, ist bei unseren Versuchs¬
personen das subjektive Gefühl von Passivität sehr wohl mit einer un¬
bewussten Mitatmung vereinbar.
Betreffs der von Loewy und Meyer ausgeführten Versuche mit
künstlicher Atmung, wenn aktiver Widerstand geleistet wurde, haben
wir solche Versuche schon in unserer Arbeit erwähnt, wo es heisst
(a. a. 0. S. 207): „Sagte man ihnen“ (den Versuchspersonen) „dagegen,
sie müssten den Atem aqhalten, so bekam man, wie wir durch eigene
Versuche fanden, einen variierenden Widerstand, welcher das Atem¬
volumen ,bis Null vermindern konnte.“ Die betreffenden Versuche waren
immer von kurzer Dauer, weil sonst das Atembedürfnis zu gross wurde.
Bei einer späteren Gelegenheit zeigte sich, dass es einer sehr geübten
Versuchsperson (G. W.) sogar gelang, der künstlichen Atmung entgegen
vollkommen ausreichend zu atmen, so dass bei den kräftigen Kom-
pressionen (Druck 40—60 mm Hg) Inspirationen stattfanden und um¬
gekehrt bei der Amstreckung exspiriert wurde. Der Effekt ist also von
der Grösse des Widerstandes abhängig. Meiner Ansioht nach ist es aber
nicht möglich, mit Bestimmtheit zu sagen, dass der gesetzte Widerstand
eben die Spontanatmung aufgehoben hat. Es ist nicht sicher, dass die
subjektive Empfindung von einem kleinen Widerstand wirklich von kon¬
tinuierlichem Widerstande begleitet wird. Ausserdem muss die Mög¬
lichkeit in Betracht gezogen werden, ob eine derartige Spontanatmung
Vorkommen kann, dass Inspirationen ausgefübrt werden, während ein
gewisser Tonus der Exspiratoren vorhanden ist und umgekehrt. Wie
jedermann sich leicht überzeugen kann, geht es ohne Schwierigkeit, den
Unterarm zu beugen oder zu streckeo, auch wenn die Antagonisten
kräftig gespannt werden. Dass eine entsprechende Spontanatmung (also
bei Tonus der Antagonisten) nicht unmöglich ist, wird dadurch bewiesen,
dass während der Apnöe, bei der ja nach Loewy Tonus der In¬
spiratoren vorkommt, eine aktive Exspiration sehr leicht ausgeführt
werden kann.
Wenn ioh also die Versuche mit Widerstand theoretisch nicht ein¬
wandfrei finde, gilt das auch von den mitgeteilten Ergebnissen. Loewy
teilt mit, dass bei ihm selbst, mit dem Apparate von Fries, in zwei
Versuchen hei „vorsätzlicher Muskelruhe“ 8 bzw. 5,7 L. pro Minute er¬
halten wurden; in zwei Versuchen mit willkürlichem Widerstand, fanden
sich gleichmässig 6,3 L. Dann schreibt Loewy: „Daraus dürfte hervor¬
gehen, dass ich imstande biD, meine Atmungsmuskeln während der
künstlichen Atmung ausser willkürlicher Innervation zu lassen.“ Die
Schlussfolgerung scheint mir etwas überraschend zu sein. Wenn nun
überhaupt die wenigen Versuche miteinander vergleichbar sind, d. h. mit
derselben Frequenz, Druck des Gürtels und Streckung der Arme aus¬
geführt worden sind — und sonst hat ja der Vergleich keinen Zweck —
so müssen meiner Ansicht nach ganz andere Schlüsse aus ihnen gezogen
werden. Die Versuche mit vorsätzlicher Ruhe zeigen sehr wesentliche
Unterschiede untereinander, was aber, da kein Widerstand vorkam, kaum
anders gedeutet werden kann, als dass eine unbewusste Spontanatmung,
wenigstens beim höheren Werte vorkam. Die subjektive Empfindung von
Passivität wäre dann auoh bei Loewy ohne Bedeutung. Sehr bemerkens¬
wert ist auch, dass bei willkürlichem Widerstand gegen die künstliche
Atmung eine Ventilation erhalten wird, die etwas höher ist als in dem
einen Versuche ohne Widerstand, während man einen niedrigeren Wert
erwartet hätte (der Tonus sollte auch nach Loewy unsere Apnöewerte
abnorm vermindern!). Wenn nun wirklich Widerstand geleistet und
die Ventilation trotzdem nicht vermindert wird, spricht dies dafür, dass
eine Mitwirkung der Spontanatmung dennoch eingetreten ist. Dass ein
unbewusstes und unwillkürliches Mitatmen im Takte der künstlichen
Atmung ausgeschlossen ist, wie dies von Loewy behauptet wird, scheint
deshalb aus den mitgeteilten Versuchen gar nicht hervorzugehen.
Was die Versuche an Leichen betrifft, haben wir uns ausführlich
damit beschäftigt 2 ). Aus sämtliohen uns bekannten Versuchen stellte
sich im allgemeinen eine niedrige Ventilation heraus, in einigen Fällen
war aber die Ventilation beträchtlich. Nach Loewy „kommt bei der
Beurteilung dieser Versuche im wesentlichen darauf an, welche Maximal¬
werte erreicht werden können“. Dieser Standpunkt ist mir nicht ganz
verständlich. Da es gilt, ohne vorgefasste Meinung die tatsächliche
Ventilation bei Leichen festzustellen, um daraus Schlussfolgerungen über
die Verhältnisse bei Ertrinkenden usw. ziehen zu können, dürfen
meiner Ansicht nach nur diejenigen Werte weggelassen werden, von denen
man sicher weiss, dass spezielle bei Ertrinkenden usw. nicht vorkommende
Verhältnisse das Ergebnis wesentlich beeinträchtigt haben. Die Tat¬
sache, dass in einem Falle eine unerwartet niedrige oder hohe Ventilation
erhalten wird, berechtigt natürlich nicht an und für sich, den betreffenden
Versuch auszuschliessen. Ich erwähne in diesem Zusammenhänge, dass
eben in den zwei Fällen mit der grössten beobachteten Ventilation, näm¬
lich dem Falle von Ploraan (Ventilation bis 1,7 L. pro Atemzug) und
dem Falle des Komitees von 1862, wo die Ventilation pro Atemzug
689 ccm betrug, besonders bemerkt wird, dass Leicbenstarre vorhanden
1) B. kl. W., 1908, Nr. 24 und ebenda 1909, Nr. 5 u. 21.
2) a. a. 0. S. 209—214.
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Gck igle
Original frn-m
UMIVERSITY OF IOWA
1952
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
war, ja in dem letzterwähnten Falle sogar sehr ausgesprochen. Nimmt
man an, dass auch eine Leichenstarre des Zwerchfells (und der Bauchmuskeln)
vorhanden war, und dass diese — weil das Zwerchfell bei der künstlichen
Atmung nicht so direkt getroffen wird — nicht oder unvollständig gelöst
wird, ist hier die Möglichkeit gegeben, dass das Zwerchfell nicht in dem¬
selben Grade wie bei Erschlaffung Bewegungen macht, die denen der normalen
Atmung gerade entgegengesetzt sind. Es ist unmöglich, aus vorhandenen
Daten bestimmt zu sagen, dass es sich in dieser Weise verhalten hat,
es dürfte aber deutlich sein, dass eben die höohsten Werte nicht ganz
ohne Bedenken sind. Loewy berichtet von einem neuen, von ihm und
G. Meyer ausgeführten Leichenversuch, wo mit der Brosoh’sohen Me¬
thode (bei massiger Leichenstarre) eine Ventilation bis 0,4 L. pro Atem¬
zug gefunden wurde. Dieser Wert stimmt ziemlich gut mit meinen
früheren Ausführungen überein, wenn man bedenkt, dass diese Methode
eine besonders kräftige Silvesterrespiration erzielt. Auch hat Loewy
ihre Ueberlegenheit gegenüber der reinen Silvestermethode besonders
hervorgehoben, und in unserer Arbeit (S. 208) sagen wir: „es ist sehr
wohl möglich, dass die rein mechanische Ventilation bei dieser Methode
relativ gross ist.“
In seiner Kritik hat nun Loewy zuletzt an einem unserer Minimal¬
werte (0,19 L. pro Atemzug) gezeigt, dass eine solche Ventilation zweifels¬
ohne ungenügend wäre. Während der Sauerstoffverbrauch etwa 200 bis
250 ccm pro Minute ist, beträgt bei 10 Atemzügen pro Minute von
0,19 L. der zugeführte Sauerstoff nur 105 ccm, bei 15 Atemzügen 157 ccm.
Dies ist richtig. Es liegt aber keine Veranlassung vor, nur mit den
ausdrücklich als Minimalwerte bezeiohneten Zahlen zu rechnen. Wenn
Loewy mit dem Werte von 0,3 L. oder gar mit den von uns angegebenen
Maximalwerten 0,41—0,49 L. gerechnet hätte, wären die erhaltenen
Werte bei der niedrigeren Frequenz 330 und 560 bis 735 ccm, bei der
höheren 500 und 850 bis 1100 ccm. Noch günstiger wäre die Lage bei
insuffizienter, aber nicht gänzlich aufgehobener Spontanatmung, wo auch
die Minimalwerte einen wichtigen Zuschuss bilden könnten. Es wäre
also auch mit unseren Werten theoretisch möglich, dass eine Wieder¬
belebung bei künstlicher Atmung noch nach Stunden eintreten konnte.
Ich muss indessen gestehen, dass ich den betreffenden, im allgemeinen
nicht genügend beobachteten Fällen gegenüber eine gewisse Skepsis
hege, so dass ich ihre Beweiskraft für die Wirksamkeit der künstlichen
Atmung überhaupt nicht gross schätzet besonders beim Vergleich mit
den bisherigen statistischen Erfahrungen.
Erwiderung auf die vorstehenden Bemerkungen.
Von
A. Loewy.
Der vorstehende Aufsatz ist mir durch die Liebenswürdigkeit der
Redaktion zugänglich gemacht worden.
Ich glaube nicht, dass hier der richtige Ort ist, im einzelnen auf
die Einwendungen, die Liljestrand mir gemacht hat, einzugehen. Das
soll später in anderem Zusammenhänge geschehen. Hier sei nur betont,
dass in der ausführlichen Arbeit von Liljestrand, Wollin und Nilssen
(im Skandinavischen Arch. f. Phys.) der Standpunkt eingenommen wird,
wenigstens muss jeder unbefangene Leser ihn herauslesen, dass die Ver¬
suche mit künstlicher Atmung in Apnoe für die Kenntnis des ventila-
torisohen Effektes dieser massgebend sind. Dass die so gewonnenen
Werte Minimalwerte sein sollen und von den an nicht apnoiscben
Menschen erhaltenen möglicherweise abweichen, wird zwar im Text er¬
wähnt, aber die Verff. haben doch nicht soviel Gewicht darauf gelegt,
dass sie in der Zusammenfassung am Schluss darauf hiugewiesen hätten.
Dort wird einfach als Effekt der manuellen Atmung bei apuoischen, sich
passiv verhaltenden Menschen 170—190 ccm pro Atemzug angegeben.
Was mich berechtigte, diese Atemgröse als die von den Verff. als richtig
angesehene zu betrachten, ist die von L. an anderer Stelle und auch
in vorstehendem Aufsatz wiederholte Angabe, dass die Ventilation pro
Atemzug 150 (!)—300 ccm betrage. L. geht also noch unter die obigen
Werte hinunter, während 'diese doch schon unmögliche Wirkungen für
die SauerstoffversorguDg haben.
Im übrigen scheint mir, dass L. durch die im Vorstehenden sich
findende schärfere Betonung der Tatsache, deren Klarlegung ja der
Zweck meiner Mitteilung war, nämlich der, dass aus den Ergebnissen
an Apnoischen nicht auf die an Normalen geschlossen werden darf, sich
meiner Auffassung anzunähern beginnt.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Die Ausstellung für Verwundeten-Fürsorge ist am
17. d. M. mit einer eindrucksvollen Feier im Kuppelraum des Reichstags¬
gebäudes in Anwesenheit der Prinzessin Eitel Friedrich eröffnet
worden; die Herren Ministerialdirektor Kirchner, Generalarzt Paalzow
und Marinegeneralarzt Schmidt sowie der stellvertretende Inspekteur
der freiwilligen Krankenpflege, Fürst und Herzog zu Trachenberg,
wiesen in ihren Begrüs9UDgsan3prachen auf die Bedeutung der Ausstellung
1) Vgl. meine früher citierte Arbeit, S. 488.
Nr. 61 .
hin, die wesentlich darin liegt, dass dem grossen Publikum an Modellen,
Plänen, Photogrammen usw. klar gemacht wird, in welcher Weise die
verschiedenen Organisationen zur Verwundetenpflege sich auf den Ernst¬
fall vorbereitet hatten und nun, Hand in Hand arbeitend, das den Um¬
ständen nach Erreichbare leisten. Wir werden auf den reichen Inhalt
der Ausstellung, um deren Organisation sich ganz besonders Herr
Regierungsassessor Schöneberg verdient gemaobt hat und deren Besuch
auch den in der Heimat tätigen Aerzten lebhaft empfohlen werden kann,
noch eingehender zurückkommen.
— Herr Dr. Magen-Breslau, der hochverdiente Redakteur des ärzt¬
lichen Vereinsblattes, ist im Alter von etwa 50 Jahren bei einer not¬
wendig gewordenen Darmoperation gestorben. Die deutsche Aerzte-
scbaft verliert mit diesem feinen Kopf und warmfühlenden Sozialpolitiker
einen ihrer besten Männer, dessen Verdienste wir in einem eigenen
Nachruf noch würdigen werden.
— Der Frankfurter ärztliche Verein hat eine ständige Kommission
für Volksernährungsfragen eingerichtet. Die Kommission hat zunächst
in gemeinsamer Beratung mit der städtischen Lebensmittelkommission
ein Merkblatt bearbeitet, das der Bevölkerung als Richtschnur dienen möge.
— Verlustliste. I. Gefallen: Marine-Stabsarzt F. Baumann
(Passow). Feldunterarzt Fr. Dierke. Feldunterarzt Gustav Dün-
bier, Inf.-Reg. Nr. 158. Stud. med. Karl Guide, Res.-Feld-Art.-Reg.
Nr. 54. Unterarzt Hammel (Strassburg), Inf.-Reg. Nr. 143. Stabsarzt
d. R. Martin Heyde (Marburg). Caud. med. Johann Hein. Kriegs-
freiw. Kurt Kuckuck. Unterarzt Arthur Löwenstein. Stabs- und
Batailloosarzt Fritz Poly (Würzburg), Inf.-Reg. Nr. 116. Leutnant
cand. med. W. Richter. Stud. med. 0. Roecke, Inf.-Reg. Nr. 116.
Unterarzt Seligmann, Res.-Inf.-Reg. Nr. 214. Stud. med. E. Semmel.
Gefreiter d. R. stud. med. Hugo Steinbaoh. — II. Verwundet:
W. Al wen s (Stuttgart). Stabsarzt Blau. Unterarzt d. R. K. Capelle.
Detachementsarzt Sig. Cohn (Nackel). Oberarzt E. Co mm er eil. Ober¬
arzt d. R. Ehrmann (Berlin), Privatdozent. Unterarzt H. Feist-
Wollheim (Berlin). Stabsarzt W. Hintze (Bonn). Stabsarzt M.
Jaerisch (Grabow). Unterarzt Kappelmeier (Nürnberg). Stabsarzt
d. R. Lehrnbacher (Hof). Stabsarzt Meitzer (Hagenow). Stabsarzt
Müller, Füs.-Reg. Nr. 40. Oberarzt d. R. E. Ott (Rottweil). Oberarzt
d. R. Plagnieux. Assistenzarzt Sauerborn. Assistenzarzt Schauss
(Wiesbaden). Oberarzt d. R. Schlenzka. Assistenzarzt d.R. H. Schmitt.
Unterarzt Seckendorf (Greiz). Stabsarzt S oh ege (Hamburg). Oberarzt
Strecker, Landw.-Iof.-Reg. Nr. 18. Vierzigmann (Wassertrüdingen).
Zahnarzt J. Wagner (Braunschweig). Stabsarzt A. Ziaja (Leobschutz).
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Auszeichnungen: Roter Adler-Orden 4. Kl.: Geh. San.-Rat Dr.
Bock in Erfurt.
Königl. Kronen-Orden 3. Kl.: Kreisarzt a. D., Geh. Med.-Rat Dr.
Prawitz in Berlin-Lichterfelde, bisher in Brandenburg a. H.
Niederlassungen: Dr. M. Richter in Freienwalde a. 0., J. Komp
in Hildesheim, W. Fürst, F. Wehner und Dr. E. Nathan in Frank¬
furt a. M., M. Brexendorff in Schollene, M. Müller in Halberstadt,
Dr. S. Adler in Frankfurt a. M.
Gestorben: Dr. F. Solmersitz in Schwarzort (Kr. Memel), Prof. Dr.
S. Gottschalk in Charlottenburg, San.-Rat Dr. K. Königsdorf, Dr.
L. Popke, Geb. San.-Rat Dr. L. Wolff und Geh. San.-Rat Dr.
H. Wessely in Berlin, Geh. San.-Rat Dr. H. Müller in Halberstadt,
Geh. San.-Rat Dr. E. Hermes in Oschersleben, Geh. San.-Rat Dr.
L. Kuntz in Wanzleben, San.-Rat Dr. H. Harger in Neuenhaus,
San.-Rat Dr. K. Leineweber in Münster, San.-Rat Dr. G. Gilde¬
meister in Oelde.
Danksagung.
Es ist ein Vorreoht des Redakteurs, dass er gelegentlich einmal die
Blätter, die sonst nur wissenschaftlichen und allgemeinen Interessen ge¬
widmet sind, einem persönlichen Zweck dienstbar machen darf. Von
diesem Vorrecht hat mein geschätzter Kollege Hans Kohn Gebrauch
gemacht, als er noch nach Redaktionsschluss der vorigen Nummer dieser
Wochenschrift die überaus freundlichen Worte einfügte, die meinem
60. Geburtstage galten; durch sie sind, wie ich annehme, weitere Kreise
veranlasst worden, sich meiner bei dieser Gelegenheit zu erinnern, als
ich das sonst in diesen ernsten Zeiten, in denen Leben und Tätigkeit
des einzelnen so wenig Geltung beanspruchen darf, hätte vermuten
können. Ich will nicht leugnen, dass mir und den Meinigen solche
Teilnahme gerade jetzt besonders wohlgetan hat; und so sei es mir ver-
stattet, ebenfalls in erster Linie diese, mir seit Beginn meiner Laufbahn
liebe und vertraute Stelle zu einem Danke zu benutzen, den ich hier
mit herzlichster Empfindung zunächst auf die Personen meines getreuen
Mitarbeiters in der Redaktion, sowie meines alten und verehrten Freundes
und Verlegers, Herrn Albert Aber, konzentriere, den aber auch hieraus
bereits alle anderen Kollegen und Freunde erkennen wollen, die mic
durch gütiges Gedenken geehrt haben.
Berlin, den 17. Dezember 1914. C. Posner-
Für dl« Redaktion reruitwörtlich Prof. Dr. Hins Kohn, Berlin W., BajrrcntherStrws««.
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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UNIVERSITY OF IOWA
01* Berliner Klinische WoCftonsclirift erwheliit Jeden
Montag ia Nummern von ca. 5—6 Bogen gr. 4, —
Preis vierteljährlich 6 Mark. Bestellungen nehmen
alle Buchhandlungen und Postanstalten an.
BERLINER
Alle Einsendungen für die fcedakUtm and Rzpeditioh
wolle man portofrei an die Verlagsbuchhandlung
August Hirschwald in Berlin NW., Unter den Linden
Kr. 68, adressieren.
KLINISCHE WOCn ENSCHRIFT.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der Medizinalverwaltung und Medizinalgesetzgebung
nach amtlichen Mitteilungen«
Redaktion: Expedition:
Geb. Med.-Rat Prof. Dr. C. Posner und Prof. Dr. Hans Kolm. August Hirschwald, Verlagsbuchhandlung in Berlin.
Montag, den 28. Dezember 1914.
JM52.
Eimmdfüofirigster Jahrgang.
INHALT.
Origtaaliei: weil. Wachsner: Zur Kenntnis der bilateralen Asymmetrie
des menschlichen Körpers. (Aus der chirurgisch-orthopädischen
Heilanstalt von Dr. Fritz Wachsner-Berlin.) (Illustr.) S. 1953.
Melchior: Zur Kasuistik der Verwundungen durch indirekte Pro¬
jektile. (Aus der Breslauer chirurgischen Klinik.) (Illustr.)
S. 1956.
Boenheim: Ein Fall von Intoxikation nach Tetanusheilserum.
(Aus dem Reserre-Lazarett Bensbeim.) S. 1956.
Plesoh: Ueber einen neuen Apparat zur Bestimmung der Blut-
menge im lebenden Organismus. (Aus der II. medizinischen
Klinik der Charite Berlin.) (Illustr.) S. 1957.
Buschke und Hirschfeld: Sepsis mit dem Blutbild der apiasti¬
schen Anämie im Anschluss an Gonorrhöe. (Aus der dermato¬
logischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses in Berlin.)
(Illustr.) S. 1958.
Aus der chirurgisch-orthopädischen Heilanstalt
von Dr. Fritz Wachsner-Berlin.
Zur Kenntnis der bilateralen Asymmetrie des
menschlichen Körpers.
Zugleich eio Beitrag zur Genese des Naegele’schen
Beckens. 1 )
Von
weil. Dr. Fritz Wachsner,
gefallen vor dem Feinde.
M. H ! Gestatten Sie, dass ich Ihnen zunächst einen Fall
demonstriere, den ich Ihnen, da er von ausserhalb ist, leider
nicht in Person vorführen kann. Ich bitte Sie daher, mit Bildern
vorlieb nehmen zn wollen.
Es handelt sich um ein 8jähriges Mädchen, das zu mir kam behufs
Anfertigung eines Mieders, weil es schief sei. Aus der Anamnese ist zu
erwähnen, dass Eltern und Geschwister absolut wohl gebaut und ge¬
sund sind, das Kind regelrecht geboren wurde, ausser Masern nie krank
gewesen ist, nicht an englischer Krankheit gelitten, zu normaler Zeit
laufen gelernt hat, aber von Geburt an eine hohe Hüfte, ein kürzeres
rechtes Bein und einen kürzeren rechten Fuss gehabt habe, weshalb die
Eltern schon in der frühesten Kindheit einen Arzt konsultierten; es
sei immer etwas lahm gegangen, ein deutliches Hinken habe jedoch
nicht bestan den. ln der Schule kam es gut fort, nur ermüde es leicht |
beim Gehen. Irgendwelche nervöse oder trophische Störungen, wie Bett¬
nässen un(d dgl. sind nicht vorhanden. Betrachten wir nun das Kind
von vorn Abbildung 1), so sehen wir, dass das Becken nach links ver¬
schoben erscheint, während der Rumpf nach der rechten Seite geneigt
ist, etwa so, wie wir es bei einer statischen Skoliose finden. Betrachten
wir jedoch das Kind von hinten (Abbildung 2), so sehen wir, dass es
sich hier ura keine einfache statische Skoliose handelt. Die rechte
Beckenhälfte ist nicht gesenkt, die rechte Glutäalfalte steht bedeutend
höher als die linke und weist eine starke Atrophie auf. Das rechte
Schulterblatt steht höher als links und erscheint auch etwas kleiner als
das andere. Die Wirbelsäule verläuft bis zum Lendenteil nahezu gerade,
daun verliert sich die Linie der Dornfortsätze, weioht brüsk nach rechts
ab, an einer Stelle, wo das Thorairelief eine deutliche Vertiefung auf weist.
Ich wusste mit dem Befunde nichts Rechtes anzufangen und machte
ein Röntgenbild, zunächst eine Uebersiobtsaufnähme vom Beoken (Ab-
1) Nach einem Vortrag, gehalten in der Berliner orthopädischen
Gesellschaft am 4. Mai 1914.
Loewy: Ein Fall von fraglicher Kombination der multiplen Sklerose
mit Poliomyelitis. (Aus der Nervenbeilstatte Lankwitz.) S. 1962.
ten Horn: Zur Diagnose der Appendicitis. S. 1962.
BScherbespreehnngen : Linok: Das Cholesteatom des Schläfenbeins.
S. 1963. (Ref. Haike.) — Kowarscbik: Die Diathermie. S. 1963.
(Ref. Tobias.) — Michaelis: Die Wasserstoffionen-Konzentration.
S. 1963. (Ref. Jacoby.)
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften: Berliner Gesellschaft
für Psychiatrie und N ervenkrankheiten. S.1963. — Natur-
bistorisch-medizin.Verein zu Heidelberg. S. 1965. — K. k.
Gesellschaft der Aerzte zu Wien. S. 1965. — Gesellschaft
für innere Medizin und Kinderheilkunde zu Wien. S. 1966.
Kriegsärztliche Abende. S. 1967.
Oppenheim: Frankl-Hochwart +. S. 1968.
Tagesgeschichtl. Notizen. S.1968. — Amtl. Mitteilungen. S.1968.
bildung 3). Und da bietet sich nun folgendes Bild: das Becken ist
hochgradig asymmetrisch, statt des schönen kartenherzförmigen Eingangs
sehen wir einen schräg-ovalen. Die rechte Beckenhälfte steht mit der
Crista ilei höher, ist bedeutend unterentwickelt, ist flacher und offenbar
kalkarmer als auf der anderen Seite. Die beiden Pfannen weisen keine
gröberen Anomalien auf, nur liegt die rechte etwas weiter nach vorn,
der rechte Schenkelhals erscheint eine Spur verlängert, der Schenkel¬
halswinkel eine Idee verkleinert. Feinere Details sind auf diesem tech¬
nisch schlechten Bilde nicht zu erkennen. Das Wesen der Anomalie
präsentiert sich jedoch sehr schön in Abbildung 4. Wir erkennen hier,
dass der rechte Kreuzbeinflügel ebenso wie der Sakralzapfen des Ueum
fehlt, bzw. hochgradig unterentwickelt ist, und dass anscheinend zwischen
Kreuzbein und Os ileum eine Synostose vorhanden ist. Mit anderen
Worten, meine Herren, wir haben es hier mit dem Typus eines Naegele-
schen Beckens zu tun. Die drei Charakteristika des Naegele-Beckens:
die Unterentwicklung eines Kreuzbeinflügels, speziell in lateraler Richtung,
die Unterentwicklung des Sakralzapfens des Darmbeins und die Synostose
beider mit all ihren Folgeerscheinungen sind hier vorhanden. Das
Kreuzbein steht offenbar schief, die linke Hälfte des Os sacrum liegt
weiter dorsalwärts, die rechte mehr ventralwärts, woraus die schräg-ovale
Verengerung des Beckens resultiert. Morphologisch erklärt sich diese
schiefe Stellung des Os sacrum dadurch, dass der Beckenring auch nach
der Geburt noch nicht fix ist, sondern noch verschiedene Umformungen
erfährt. Im Laufe des Wachstums wandert das Kreuzbein mehr dorsal¬
wärts. Infolge der rechtsseitigen Synostose ist offenbar in unserem
Falle nur die linke Hälfte diese Wanderung angetreten. Die Lenden¬
wirbelsäule bildet einen stark rechtskonvexen Bogen, im übrigen sind
jedoch, trotz dieser hochgradigen Lumbal-Skoliose, so gut wie gar keine
Gegenkrümmungen vorhanden, was von allen Autoren als charak¬
teristisch bei Naegele’schem Becken angegeben wird. M. H.! Ich erlaube
mir, Ihnen zum Vergleich ein Naegele’sches Becken aus der Original¬
arbeit von Naegele 1 ) zu projizieren, ebenso eins der wenigen existieren¬
den Skelette mit Naegele’schem Becken, das einer Abbildung von Breus
und Kolisko 2 ) entnommen ist. Wier sehen hier genau die gleichen
Verhältnisse wie auf dem vorliegenden Röntgenbild. Wenn wir zu diesem
zurüokkehren, so erblicken wir aber noch andere Anomalien des Skelett¬
systems. Wir sehen, dass die linke 12. Rippe rudimentär ist. Wir
sehen, dass beiderseits eine Halsrippe besteht, bei genauem Zusehen
bemerken wir auch, dass der 4. Brustwirbel deformiert ist und einen
medialen Spalt aufweist. M.H.! Sie sehen auch an diesem Falle be¬
stätigt, wie richtig die Annahme ist, dass Halsrippen gewissermassen
1) Naegele, Das schrägverengte Becken. Mainz 1839.
2) Breus und Kolisko, Die patholog. Beokenformen. Leipzig u.
Wien 1900.
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Gck igle
Original frn-m
UNIVERS1TV OF IOWA
1954
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 52.
nur ein Signal für das Vorhandensein von Skelettanomalien überhaupt
darstellen.
Ich glaube, dass angesichts dieser Befunde, die doch offenbar in das
Gebiet der kongenitalen Missbildungen zu rechnen sind, dass angesichts
der vorhergegebenen Anamnese an einer kongenitalen Genese des hier
vorliegenden Naegele’schen Beckens nicht zu zweifeln ist. Ich erwähne
dies besonders deshalb, weil Breus und Kolisko und mit ihnen eine
Reibe anderer Autoren wie Thomas 1 ) im Gegensatz zuNaegele selbst
und den älteren Anatomen wie Rokitansky 5 ) behaupten, dass es kon¬
genitale Naegele’sche Becken nicht gäbe, sondern alle auf eine frühere
Beim Naegele’schen Becken hat offenbar die unterentwickelte Seite diese
erste caudalwärts gerichtete Wanderung nicht angetreten. Infolge dessen
steht die Darmbeinschaufel höher, andererseits kommt es, wie wir dies
ja bei sehr vielen Unterentwicklungen zweier benachbarter Skelettteile
sehen, zur Synostosenbildung zwischen Kreuzbein und Os iiium.
Abgesehen von dieser wohl einwandsfreien kongenitalen Genese der
Deformität ist der hier vorliegende Fall vor allem noch dadurch hoch¬
interessant, dass er der jüngste der bisher zur Beobachtung gelangten
ist. Nach Breus und Kolisko stammt das jüngste anatomische Prä¬
parat von Naegele’schein Becken von einer 16järigen Ipara, der jüngste
klinisch festgestellte Fall stammt von einer 21jährigen Patientin. Ob
röntgenologisch in früherem Lebensalter ein Naegele’sches Becken dia¬
gnostiziert ist, konnte ich nicht ermitteln.
M. H.! Wenn wir die Beschreibung von Naegele, Litzmann 1 ),
Thomas, Breus-Kolisko und die Schilderungen in den modernen ge¬
burtshilflichen Lehrbüchern lesen, so finden wir überall die Angabe,
dass das Naegele’sche Becken bei der Lebenden so gut wie gar keine
Erscheinungen bezüglich unsymmetrischer Körperformen mache, ja nur
in den allerseltensten Fällen ist eine Gangstörung beobachtet worden.
Ein Beweis wie gut die Natur imstande ist, selbst so hochgradige De-
fnrmiftmrwren zu komDensieren. Ja Breus und Kolisko erzählen sogar
Abbildung 1,
Abbildung 2.
Abbildung 4.
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erengt en Beckens. Mscbr.
Bd - I, Wien 1844.
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UNIVERSUM OF IOWA
28. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1955
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und Gesichtshälfte weniger entwickelt war. Es erscheint in dem ersten
Moment paradox, doch komme ich später darauf zurück. Die anderen
Asymmetrien zu ungunsten der rechten Körperseite sind jedoch durch
genaue Messungen festgestellt.
Rechts Links
i Spina iliaca ant. sup. — Mall. ext. ... 53 cm 54 cm
Trochanter major — Mall, ext.45 „ 46 „
Oberschenkelumfang 10 cm unterhalb
des Trochanters Umfang über die Mitte
der Patella.24 , 25 „
Umfang der Wade.19 „ 22 „
Extremität } Aromion “ Radiusende . 35 » 36 *
Thoraxumfang \
in Höhe der > Bei Mittelstellung ..30 „ 32 „
Mammilla )
Vor allem aber weist das Kind noch eine grobe asymmetrische Stö¬
rung auf, nämlich einen rechtsseitigen Klauenhohlfuss. Dieser ist in
Abbildung 5 deutlich zu sehen. Auch erkennt man hier sehr schön die
Abbildung 5.
starke Atrophie des rechten Unterschenkels. Die Diagnose „Klauenhohl¬
fuss“ wurde durch das Röntgenbild bestätigt. Irgend welche Sensibilitäts¬
störungen sind am rechten Bein nicht vorhanden, nur besteht eine leichte
livide Verfärbung und Kälte desselben. Auf Entartungsreaktion habe
ich leider vergessen zu prüfen.
M. H., wenn wir uns nun der Epikrise dieses Falles zuwenden,
so müssen wir zunächst die Frage entscheiden, ob die hier vor¬
handene Asymmetrie der beiden Körperhälften als primäre, als
idiopathisch kongenitale Unterentwicklung anzusehen ist, auf der
gleichen Stufe stehend wie die Unterentwicklung der rechten
Beckenbälfte, oder aber, ob die Asymmetrie nur sekundär ist,
etwa im Sinne einer Inaktivitätsatrophie infolge geringerer stati¬
schen Inanspruchnahme als links.
M. H., ich habe versucht, mich über die bilaterale Asymmetrie
des menschlichen Körpers in der Literatur zu unterrichten, fand
aber zu meinem grossen Erstaunen, dass dieses Gebiet von ortho¬
pädischer Seite bisher nur wenig Beachtung gefunden hat.
Nur eine Publikation von Böhm 1 ) liegt vor, der diese Verhältnisse
in seinem hier in der Gesellschaft im vorigen Jahr gehaltenen Vortrag „Ueber
die angeborenen Entwicklungsfehler des Rumpfskeletts“ näher berührt
hat. Dieses geringe Interesse an dieser eigenartigen Störung des Körper¬
baues ist um so verwunderlicher, als den Anatomen diese Erscheinungen
schon längst bekannt sind. Und so liegen denn auch eine Reihe von
Arbeiten älterer und jüngerer Anatomen über dieses Thema vor. Sie
alle, wie Meckel 2 ), Hasse 3 ), Liebreich 4 ), v. Bardeleben 6 ), Gau pp 6 )
kommen auf Grund zahlreicher Messungen an Leichen und an Lebenden
1) Böhm, Die angeborenen Entwicklungsfehler des Rumpfskeletts.
B.kl.W., 1913, Nr. 42.
2) Meckel, Ueber die seitliche Asymmetrie im tierischen Körper.
Halle 1822.
3) Hasse, Arch. f. Anat. Phys., Anat. Abt., 1887, 1891.
4) Liebreich, Die Asymmetrie des Gesichts und ihre Entstehung.
Wiesbaden 1908.
5) v. Bardelehen, Ueber bilaterale Asymmetrie usw. Verb. d.
anat. Ges., Jahrg. 23, 1909.
6) Gau pp, Die normale Asymmetrie. Jena 1909.
zu dem übereinstimmenden Resultat, dass von einer bilateralen Sym¬
metrie im Körperbau des Menschen und der höheren Wirbeltiere nicht
im mindesten dio Rede sein kann. Die rechte obere Extremität ist bei
den meisten Menschen länger und voluminöser als die linke, die' rechte
Thoraxseite meist stärker entwickelt als die andere, die linke untere
Extremität dagegen, gewissermaassen eine gekreuzte Asymmetrie zur
Kompensation, länger, der linke Fuss stärker als der rechte, eine Er¬
scheinung, die ja auch jedem Schuhmacher geläufig ist. Was die Asym¬
metrie des Gesichts angebt, so überwiegt die linke Gesichts- und Schädel¬
hälfte über die rechte, was von den Anatomen mit der stärkeren Ent¬
wicklung der linken Hirnhemisphäre in Zusammenhang gebracht wird.
Das Gemeinsame dieser gewissermaassen physiologischen Asymmetrie ist
jedoch, dass sie nicht von Geburt an vorhanden ist, sondern erst im
Laufe des Wachstums allmählich entsteht. An Säuglingen und Kindern
in den ersten Lebensjahren findet man diese Asymmetrien noch nicht.
Es liegt daher der Einwand nahe, dass es sich hier um Differenzen
handelt, die durch eine verschieden starke funktionelle Inanspruchnahme
sekundär hervorgerufen sind. Dieser Einwand kann mit Recht für die
obere Extremität erhoben werden, dagegen lassen sich die Asymmetrien
von Thorax und unterer Extremität m. E. damit nicht erklären. Wir
müssen vielmehr unbedingt aünehmen, dass es sich hier um von Natur
aus den einzelnen Gliedmaassen mitgegebene verschieden starke Wachs¬
tumsintensitäten handelt, die wohl ebenso wie die WachstumsrichtuDg,
durch die Funktion beeinflusst, aber nicht völlig durch sie hervorgerufen
werden. Selbst für die obere Extremität erklärt die Funktion nicht
alles. Es ist ja allgemein bekannt, dass Kinder im ersten Lebensjahr
beide Arme gleicbmässig gebrauchen, jedenfalls den einen Arm nicht
mehr bevorzugen als den anderen. Man hat daraus geschlossen, dass
die spätere Rechtshändigkeit eine Folge der Gewöhnung oder Erziehung
sei. Mit Recht weist Bardeleben in seinem Referat über die bila¬
terale Asymmetrie des menschlichen Körpers darauf hin, dass dies
nicht richtig ist. Denn ohne alle äusseren Einflüsse beginnen die Kinder
etwa im 8. Monat den rechten Arm (nur ausnahmsweise den linken)
vorzuziehen, und bei Beginn des 2. Lebensjahres ist die Rechtshändig¬
keit ausgebildet. Es bringt also das Kind die Neigung, den rechten
Arm im Gebrauch dem linken vorzuziehen, unbedingt mit auf die Welt,
was nur den Schluss zulässt, dass dem rechten Arm von Natur aus eine
stärkere Wachstumsenergie innewohnt. Ob man nun diese angeborene
Wachstumstendenz in das Skelett oder aber wie Cunningham 1 ) in das
Gehirn verlegen will, lässt Barde leben dahingestellt und ist m. E.
auch nebensächlich.
Nun, m. H., wenn wir derartig verschieden starke, auf kon¬
genitaler Basis beruhende Wacbstumsintensitäten der einzelnen
Abschuitte des Skelettsystems als vorhanden annehmen müssen,
so liegt doch der Gedanke nicht fern, dass es sicherlich eine
Reihe von Fällen geben wird, wo diese Wachstumsenergie der
einen Seite des ja ursprünglich bilateral angelegten Rumpf- und
Extreraitätenskeletts nach der einen oder anderen Richtung hin
gestört sein wird. Ebenso wie der physiologische asymmetrische
Schädel unmerklich in den pathologischen „Schiefkopt“ übergeht,
um den Ausdruck von Böhm zu gebrauchen, beruhend auf einer
pathologisch verminderten zu prämaturen Synostosen führenden
Wachstumsintensität der einen Hälfte, so werden auch sicherlich
eine Reihe von Störungen im Aufbau des ganzen Körpers in dem
Ueberwiegen der einen, in dem Zurückbleiben der anderen Seite
ihre Erklärung finden.
M. H.! Derartige, ins Gebiet des Pathologischen zu rechnende
Fälle von ganzseitigen Asymmetrien sind schon öfter beschrieben.
Humphrey 2 ) hat schon 1870 einen derartigen Fall von Unter¬
entwicklung der ganzen linken Körperbälfte einschliesslich der
Extremitäten geschildert; auch den heute hier demonstrierten
Fall glaube ich als eine derartige angeborene Asymmetrie der
ganzen rechten Körperseite ansehen zu können. Denn wenn auch
vielleicht die Atrophie der unteren Extremität als sekundär auf¬
gefasst werden kann, so lässt sich doch die Unterentwicklung der
rechten Thoraxseite und der rechten oberen Extremität nicht so
erklären. Denn wir sehen doch derartige Asymmetrien im Ge¬
folge von statischen Skoliosen, und in diese Rubrik müsste man
doch die hier vorliegende Lumbalskoliose einreihen, auch nicht
auftreten. Vor allem spricht aber die Tatsache dagegen, dass
bei den durch irgendwelche entzündliche Prozesse erworbenen
Fällen von Naegele’schem Becken derartige Asymmetrien noch
nicht beobachtet sind. Der hier vorhandene Hohlfuss, der seit
Geburt zu bestehen scheint, ohne dass irgendwelche nervöse Aus¬
fallserscheinungen vorhanden sind, den wir also als idiopathisch
kongenital ansehen müssen, beruht sicherlich auf einer Unter¬
entwicklung der gleichseitigen Rückenmarkshälfte, die ebenso
wie die der ganzen übrigen Körperseite und des Beckens vor¬
handen ist. Entsprechend der Unterentwicklung der rechten
1) Cunningham, Right-handedness and left-brainedness. Journ.
of the Anthropol. lnstit. of Great Brit., 1902, Bd. 32, S. 273.
2) Humphrey, Journal of anatomy and physiology, 1870.
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Original frn-m
UMIVERSITY OF IOWA
1956
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 52.
Seite findet sich eine Unterentwicklüng der linken Hirnhemi¬
sphäre, woraus die Asymmetrie des Schädels mit Ueberwiegen
der rechten Hälfte resultiert.
M* H ! Wachstumsstörungen kongenitaler Natur speziell im
Sinne der Unterentwicklung sind uns ja geläufige Begriffe, alle
augeborenen Missbildungen gehören ja mehr oder minder in ihr
Bereich. Nur, glaube ich, dürfen wir in ihnen nicht nur intra¬
uterine, auf den Defekt lokalisierte WachstumshemauiDgen er¬
blicken, sondern müssen sie ebenfalls in das Gebiet der aus¬
gedehnten bilateralen Asymmetrien einreihen. Bei allen Miss¬
bildungen der Extremitäten ist das Wachstum auf Seite der Miss¬
bildung nicht nur absolut, sondern auch relativ herabgesetzt.
Beim kongenitalen Radiusdefekt bleiben im Laufe des Wachstums
auch bei normal gebildeter Ulna sowohl Vorder- wie Oberarm in
der Entwicklung zurück. Es ist also hier nicht nur eine ins
Pathologische gesteigerte Herabsetzung in der Wachstumsenergie
des Radius vorhanden, sondern es besteht auch eine solche von
Ulna und Humerus. Vielleicht findet man hierbei, wenn man
genau darauf achtet, auch noch weitere Asymmetrien zuungunsten
der kranken Seite. Beim Hemivertebra finden wir eine
Unterentwicklung der einen Wirbelhälfte. Trotz dieses relativ
geringen Defektes sehen wir im Laufe des Wachstums grobe
Asymmetrien des ganzen Rumpfskeletts entstehen, die wir
mechanisch nicht erklären können, die aber verständlicher
werden, wenn wir annehmen, dass auf der Seite des Defektes
ein Zurückbleiben des Wachstums statthat, das nicht nur auf den
einen deformierten Wirbel, sondern auch auf die benachbarten
gleichseitigen Wirbelhälften und Rippen sich erstreckt. Verfolgt
man diesen Gedankengang weiter, so nähern wir uns der alten
Hueter’scben Theorie. Wir kommen zu der Annahme, dass auch
ohne diese grobsichtbaren Defekte es eine Reihe von Skoliosen
geben muss, die auf eine angeborene Herabsetzung der Wachstums¬
energie der einen Seite zurückzuführen sind, eine Form von kon¬
genitaler Skoliose, auf die auch Schulthess 1 ) und Böhm 2 )
schon hingewiesen haben. Diese Skoliosen, die zur Zeit des
stärksten Wachstums manifest werden, herausznfinden, ist nur auf
Grund von exakten Messungen an einem grossen Material möglich,
wobei speziell zahlenmässig die Unterentwicklung der Thorax¬
hälften und der Gliedmaassen, besonders der oberen, auf der
konkaven Seite festzustellen wären.
M. H.! Wenn wir nun nach dem letzten Grunde dieser
bilateralen Asymmetrien fragen, so entzieht sich dieser selbst¬
verständlich unserer Kenntnis, und wir kommen über rein theo¬
retische Spekulationen nicht hinaus. Bemerken möchte ich je¬
doch, dass es dem Embryologen gelungen ist, durch mechanische
Störung in dem normalen Furchungsprozess befruchteter Seeigel¬
eier Embryonen heranzuzüchten, bei denen korrespondierende
Skelettabschnitte eine ausgesprochene Asymmetrie aufwiesen.
Asymmetrische bilateral homologe Species sind auch von Driesch
infolge unrichtiger Cbromosomenverteilung embryologisch fest¬
gestellt. Ob derartige Verhältnisse sich auch bei Menschen
finden, lässt sich natürlich nicht sagen, und wird wohl ewig in
geheimnisvolles Dunkel gehüllt bleiben.
Aus der Breslauer chirurgischen Klinik (Direktor:
Geheimrat Prof. Dr. H. Küttner).
Zur Kasuistik der Verwundungen durch
indirekte Projektile. 8 )
Von
Dr. Eduard Melchior,
Assistent der Klinik.
Unmittelbar nach Erscheinen der genannten Mitteilung, in
der ich auf die besondere Gefährdung hinwies, welche die am
Handgelenk mitgeführte Uhr im Feuergefecht für ihren Träger
mit sich bringen kann, gelangte ein weiteres Beispiel für den
geschilderten Verletzungsmechanismus in unsere Behandlung.
Diese neue Beobachtung ist wohl geeignet, die Richtigkeit unserer
These zu bestätigen; eine gesonderte Mitteilung desselben erscheint
daher mit Rücksicht auf die praktische Bedeutung dieser Frage
gerechtfertigt.
1) Schulthess, Handb. f. orthop. Chir., Bd. 1.
2) Böhm, 1. c.
3) Nachtrag zu dem gleichnamigen Aufsatze in Nr. 46 dieser
Wochenschrift,
Der russische Grenadier W. B. wurde am 25. X. 1914 bei Grabow
(Russisch-Polen) durch Infanteriegewehr verwundet. Das Geschoss traf
die am linken Handgelenk getragene Uhr, welche zertrümmert
und in die Handgelenksgegend eingetrieben wurde; es resultierte eine
grosse, zerfetzte, stark blutende Wunde. — B. geriet dann in deutsche
Gefangenschaft und wurde, auf dem Wege der Evakuation nach Magde¬
burg begriffen, wegen aufgetretener schwerer Allgemeinerscheinungen am
17. XI. 1914 der Kgl. chirurgischen Klinik in Breslau zugeführt.
Befund: Blasser, sehr leidend aussehender Mann; septischer All-
gemeineindruck. Linke Hand und Vorderarm geschwollen. Die Streck¬
seite des linken Handgelenks ist in ihren äusseren Partien Sitz einer
grossen, unregelmässigen, jauchenden Wunde (s. Abbildung). Das Hand¬
gelenk ist in diesem Bezirk breit eröffnet. Der gangränöse Daumen
schwebt mit seinem zugehörigen Metacarpale frei an einer volaren Haut¬
brücke. *
Die Röntgenaufnahme zeigt eine Zertrümmerung der Basen der
Metacarpalia I —III, von den Elementen der Handwurzel ist nur das
Triquetrurn und das Os hamatum einigermaassen intakt. Auch das
proximale Radiusende ist an seiner Aussenseite gesplittert. Von Metall¬
teilen lässt das Röntgenbild jetzt — etwa 4 Wochen nach stattgefundener
Verletzung! — ausser feineren „Spritzern“ nur noch ein gröberes Frag¬
ment, das sich bei der Entfernung als Teil des silbernen Halte¬
ringes der Uhr erwies, erkennen.
Der Daumen wurde abgetragen, die völlig nekrotischen Metacarpalia
II und III entfernt, der zerstörte Teil des Carpus excochleiert sowie
eine ausgedehnte, in den tiefen Muskelinterstitien des Vorderarms sich
abspielende Gasphlegmone breit inzidiert.
Das ausgesprochen septisch intermittierende Fieber ist in der Folge
allmählich heruntergegangen, der Allgemeinzustand hat sich wesentlich
gebessert; die Prognose quoad vitam kann jetzt als günstig gestellt
werden. Natürlich bleibt die Extremität irreparabel auf das schwerste
geschädigt.
Es schliesst also diese Beobachtung nach Art des Mechanis¬
mus, Schwere der Läsion und der consecutiven Erscheinungen so
vollständig au den früher mitgeteilten Fall an, dass ein besonderer
Kommentar sich erübrigt.
Ans dem Reserve-Lazarett Bensheim (Chefarzt:
Sanitätsrat Dr. Weissmann).
Ein Fall von Intoxikation nach Tetanus¬
heilserum.
Von
Dr. Felix Boenheim.
Trotzdem in der mächtig anschwellenden Literatur über die
Therapie von Tetanus das Heilserum eine grosse Rolle spielt, ist
von Intoxikationserscheinungen gar nicht die Rede. Es soll des¬
halb im folgenden eine Krankengeschichte veröffentlicht werdeD
von einem Patienten, bei dem sich starke Vergiftungserscbeinungeo
einstellten.
Dieser Patient wurde am 4. X. prophylaktisch mit 20 L*E., ent¬
halten in 3 V 3 ccm Serum, subcutan gespritzt. In den folgenden Tagen
trat geringer Juckreiz an der Impfstelle und später an der Brust auf,
der sich auf Einreiben mit Thymolspiritus und auf indifferente Salben¬
verbände nicht besserte. Vielmehr nahm er im Laufe des 10. und 11-
mächtig zu und breitete sich in der Nacht zum 12. über den Körper
aus, so dass der Patient nicht schlafen konnte. Gegen 5 Uhr nachts
stellte sich eine starke Defäkation eiü, die ein sofortiges Nachlassen
des Juckreizes mit sich brachte. Allerdings trat gleich darauf ein®
kurze Ohnmacht und ein Schwächeanfall, der einige Minuten anhie 1,
auf. Bald darauf fing der Juckreiz wieder von neuem an. Um 8 0 r
morgens konnte man am Kopfe, am Hals, am Rumpfe, an den oberen
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e
Original fram
UMIVERSITY OF IOWA
28. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1957
Extremitäten und an den Oberschenkeln unmittelbar unter der Beuge
eine starke Urticaria sehen. Der Patient wurde mit lauwarmem Wasser,
dem etwas essigsaure Tonerde zugesetzt wurde, abgewaschen. Dies
bringt auch momentane Linderung, die aber nicht lange vorhält. Da
der Juckreiz unerträglich wird, bekommt Patient im Laufe des Tages
4 cg Morphium. Der Puls ist klein; die Temperatur steigt bis 38°.
Am nächsten Morgen ist der Juckreiz ganz verschwunden. Der
Patient fühlt sich sehr matt und klagt über heftige Muskel-, Knochen-
und Gelenkschmerzen. Wenn auch kein Glied verschont ist, so sind
doch einzelne stärker betroffen, nämlich das rechte Schultergelenk (in
dem rechten Oberarm wurde das Serum injiciert), das Grundgelenk des
rechten Daumens und die oberen Brustwirbel. Die Bewegungen sind
natürlich stark behindert, so dass z. B. das Durchschreiten eines mittel¬
grossen Zimmers etwa 10 Minuten dauert. Nervenschmerzen fehlen.
Acidum acetyl. salicyl., wie auch Anlegen der Bier’schen Stauungsbinde
bringen keine Besserung. Dagegen hilft Phönixbehandlung ein wenig.
Nach 24 Stunden hat sich der Zustand soweit gebessert, dass nur noch
Armbewegungen im rechten Schultergelenk schmerzhaft sind. Dagegen
besteht noch allgemeine Schwäche. Der Puls beginnt voller zu werden.
Dieser Zustand dauerte etwa noch 4 Tage, und zwar bestand am längsten
eine Schwäche der Wadenmuskulatur.
Es sei ferner noch bemerkt, dass von 4 mit demselben Serum
gespritzten Personen nur eine noch über Juckreiz an der injicierten
Stelle klagte, und zwar auch am 10. X., der aber auf die oben
angegebene Behandlung schnell vorging. Die übrigen merkten
von der Injektion nichts.
Wir haben es also mit einer schweren Intoxikation nach
Anwendung von Tetanusbeilserum zu tun. Ob es sich dabei um
die Wirkung des spezifischen Tetanusantitoxins bandelt oder um
die des artfremden Eiweisses ist a priori nicht zu entscheiden,
da nach der Untersuchung von Meyer und Ranson das Tetanus¬
antitoxin durch die Blutbabn gebt und nicht durch die Neiven-
stämnse, so dass motorische Störungen nicht zu erwarten sind 1 ).
Da man aber dieselben Erscheinungen in einem nicht ge¬
ringen Prozentsatz nach Anwendung von Diphtherieheilserum
siebt, so liegt der Schluss nahe, die Intoxikation auch hier auf
das artfremde Eiweiss zu schieben. Und man muss ferner daraus
schliessen, dass Kinder, bei denen ja das Diphtherieheilserum
meist angewandt wird, empfindlicher gegeu artfremdes Eiweiss
sind als Erwachsene.
Die Beobachtung, dass nach der Defäkation eine Besserung
eintrat, dürfte vielleicht ein Hinweis für den Ort der Ausscheidung
sein, was späteren Untersuchungen überlassen bleiben soll.
Aus der II. medizinischen Klinik der Charite Berlin
(Direktor: Greheimrat F. Kraus.)
Ueber einen neuen Apparat zur Bestimmung
der Blutmenge im lebenden Organismus.
Von
J. Plesch.
(Vortrag, gehalten in der Berliner physiologischen Gesellschaft im Mai 1914.)
Mit Zuntz habe ich eine Methode der Blutmengenbe-
stimmnng angegeben, die im Wesen darin besteht, dass wir einen
Menschen ein abgemessenes Quantum CO einatmen lassen und
dann in einem kleinen Quantum Aderlassblut das an das Hämo¬
globin gebundene CO quantitativ bestimmen. Die Formel, nach
welcher die Blutmenge berechnet werden kann, lautet: Blutmenge =
b Xc
—-—; wobei b die analysierte Blutmenge; c die eingeatmete
Kohlenoxyd menge; o die in der analysierten Blutmenge gefundene
Kohlenoxydmenge bedeutet.
Das Verfahren besteht also hauptsächlich aus drei Phasen:
1. Einatmung des Kohlenoxyds, 2. Blutentnahme, 3. Analyse des
gebundenen Kohlenoxyds im Blut.
War auch mit dieser Methode eine recht grosse Genauigkeit
zu erzielen, so war die Atmungseinrichtung etwas kompliziert,
die Art der Blutentnahme den Patienten lästig, und die Blut¬
analyse so difficil, dass nur wenige sich damit zurecht gefunden
haben. Die Ziele der Modifikation waren also gegeben, und ich
glaube, dass die hier beschriebene Methode dazu beitragen wird,
künftig mehr Arbeiter zu veranlassen, die wichtige Frage der
Blutmenge in Angriff nehmen.
1) Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass eine ganz gewöhnliche
unspezifische „Serumkrankheit“ vorliegt, für deren Behandlung ich nach
Erfahrung an einigen Fällen einen Versuch mit Calcium chloratum glaube
empfehlen zu können. H. K.
Seit dem Erscheinen unserer Arbeit 1 ) hat v. Behring,
fassend auf einen Vorschlag Ehrlich’s 2 ), eine Methode der Blut-
meogenbestimmnng angegeben, die, abgesehen von ihrer Kom¬
pliziertheit und Umständlichkeit, zu keinen exakten Resultaten
führen kann und deshalb unsere Kritik herausfordert, v. Behring
verwendet Tetanusantitoxin, das er den Menschen einspritzt und
sucht dann in entsprechenden Tierexperimenten, in abgemessenen
Blutquantitäten des gespritzten Individuums, das Tetanusantitoxin
quantitativ zu bestimmen. Dieser Methode liegt die Voraussetzung
zugrunde, dass das Tetanusantitoxin nicht nur quantitativ unaus-
gescbieden und unzerstört im Organismus bleibt, sondern auch,
dass die verwendete Menge allein im Blute kreist. Wenn auch
unsere Kenntnisse über das Tetanusantitoxin zu beweisen scheinen,
dass es lange Zeit im Organismus bleibt und im Blute kreist, so
ist es durch nichts erwiesen, dass die gesamte einverleibte
Menge in Circulation bleibt, es ist sogar sehr wahrscheinlich,
dass es sich auch an andere Organe kettet, bzw. auch in anderen
Säften des Körpers sich befindet Wir werden also auf alle
Fälle höhere Werte erhalten, als es der Norm entspricht. Aber
selbst wenn wir diesen Umstand unbeachtet lassen und auch die
unvermeidlichen Versuchs fehl er, die bei einer biologischenTitrierung
Vorkommen und durch die vielen Etappen der Versuchsanordnung
sich zu grösseren Fehlern summieren, nicht weiter in Betracht
ziehen, so wird es sich bei der Ehrlich-Behring’schen Methode
nur um eine Bestimmung des Blutserums bandeln, und wir müssen
in jedem Fall die quantitative Bestimmung des Blutplasmas vor¬
nehmen. Eine Kritik der Hämatokritmethode hier zu geben er¬
scheint überflüssig; sie wird gerade wegen der grossen Ungenauig-
keit kaum mehr angewendet und ist für die genaue Blutmengen-
bestimmung unbrauchbar. Diese Ausführungen erklären zur Ge¬
nüge die hohen Normalzahlen, die v. Behring und andere, die
mit seiner Methode gearbeitet haben, gefunden haben. Er fand
6,6 pCt. des Körpergewichts gegenüber meinen Normalzahlen von
5,3 pCt. des Körpergewichtes.
Die hier vorgeschlagene Modifikation der eben beschriebenen
Blutmengenbestimmungsmethode bezieht sich auf alle drei Phasen
des Versuches.
ad 1. Das Individuum atmet durch ein Gummimundstück bei
entsprechender Absperrung der Nase mit einer Nasenklemme, in
einen etwa 5 Liter fassenden Gummisack, der mit etwas Kalilauge
benetzt und mit Sauerstoff gefüllt ist. Zwischen dem Gummisack
und dem Mundstück ist noch ein mit Natronkalk gefülltes,
U-förmiges Zwischenstück eingeschaltet, welches aber keinen er¬
heblichen respiratorischen Widerstand bilden darf. Durch eine
Capillare wird über einem graduierten Messgefäss das abgemessene
Quantum Kohlenoxyd so verabreicht, dass nur bei jeder Inspi¬
ration das Kohlenoxyd durch die Capillare strömt. Es wird also
die grösste Menge des Kohlenoxyds direkt in die Lunge bzw. in
das Blut aufgenommen, ohne sich vorher mit dem Sauerstoff im
Respirationssystem gemischt zu haben. Der Vorzug dieser Ein¬
richtung ist, dass wir nach beendetem Versuch die ganze Luft¬
menge, die sich in dem respiratorischen System befindet, genau
feststeilen können. Wir bedienen uns dabei einer mit Wasser
gefüllten Flasche, deren Gewicht wir vorher festgestellt haben.
In diese Flasche führen wir das Gas des respiratorischen Systems
so über, dass das Wasser verdrängt wird. Wir können dann ans
der Menge des verdrängten Wassers, d. h. aus der Gewichtsab¬
nahme der Flasche, die im respiratorischen System befindliche
Gasmenge genau bestimmen. Es wäre ohne weiteres möglich,
eine Probe des im respiratorischen System befindlichen Gases
nach dem Versuch direkt auf den procentigen Kohlenoxydgehalt
analysieren, doch ist dies nicht nötig, weil vielfache Unter¬
suchungen hez. der Dissoziationskurve des Kohlenoxyd-Hämoglobins
ergeben haben, dass 0,05 pCt. Kohlenoxyd mit einem Blute,
welches bis zu einem Drittel mit Kohlenoxyd gesättigt ist, in
Tensionsgleicbgewicht stehen. Wir können also ohne weiteres
die nicht im Blute aufgenommenen Kohlenoxydmengen dadurch
bestimmen, dass wir pro 100 ccm Gas, welches im respiratorischen
System enthalten ist, 0,05 ccm in Rechnung stellen.
ad 2. Was die Blutentnahme anbelangt, so wird diese während
der Kohlenoxydeinatmung ungefähr 5 Minuten nach Beginn des
Versuches aus der Armvene erfolgen. Wir benutzen hierzu eine
etwa 10 ccm enthaltende Rekordspritze, die mit einer feinen
Platinkanüle armiert ist und zur Verhinderung der Blutgerinnung
eine geringe Spur von Hirudinlösang enthält.
1) Plesch, Hämodynamiscbe Studien. Berlin 1909, A. Hirschwald.
2) Ehrl ich-Lazarus, Die Anämie. Nothnagel’s Handbuch.
2
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UNIVERSUM OF IOWA
1958
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nr. 52.
Um eine genaue Abmessung der nun zur Untersuchung ge¬
langenden Blutmengen zu ermöglichen, verbinden wir die Rekord¬
spritze vermittels eines Capillarscblaucbes mit einer, zu serologi¬
schen Zwecken gebräuchlichen, auf 0,01 ccm geteilten Capillar-
pipette, die wir von untenher, durch Vorschieben des Spritzen¬
stempels, langsam aufföllen. Auf diese Weise wird das Blut nur
mit einer kleinen Oberfläche mit der Luft in Berührung kommen,
wodurch ein Verlust des Blutes an Kohlenoxyd durch Gasdiffusion
fast gänzlich ausgeschlossen ist.
Zur Analyse des an das Hämoglobin gebundenen Kohlenoxyds
bedienen wir uns der Ferricyanidmethode. Die Methode beruht
darauf, dass, wenn wir zu einem lackfarben gemachten Blute
Ferricyanid binzufügen, das an das Hämoglobin gebundene Gas
quantitativ frei wird. Zur Ausführung dieses Versuches sind viel¬
fach Apparate angegeben worden, und auch ich selbst habe einen
derartigen Apparat konstruiert. Der Hauptfehler bei diesen Be¬
stimmungen ist bedingt durch die vitale Sauerstoffzehrung des
Blutes einerseits, andererseits durch die Tensionsdifferenzen der
verwendeten Flüssigkeiten, wie auch durch die Abweichungen teils
im Thermobarometer, teils im Untersuchungsgefäss. AU diese und
wohl noch andere Uebelstände werden durch die sogenannte diffe¬
rentialmanometrische Methode Barcroft’s inhibiert, und wenn
wir zur Blutmengenbestimmung resp. zur Bestimmung kleiner
Kohlenoxydmengen im Blute den Differentialmanometer gebrauchen,
so werden wir in verhältnismässig einfacher und leichter Weise
grosse Genauigkeiten erreichen können. Zu diesem Zwecke emp
fehle ich den hier abgebildeten Apparat 1 ). (Abbildung.)
dann, wenn wir die Ferricyanid Blutreaktion in beiden Gefässen
ausführen, wird sich keine Aenderung an dem Stand des Mano¬
meters nach weisen lassen. Bringen wir behufs der Kohlenoxyd-
Analyse die gleiche Menge Blut in beide Gefässe, und zwar so,
dass wir das Blut unter einer 1 / l proz. Ammoniaklösung in B und C
einfliessen lassen, bringen wir weiterhin eine gesättigte Ferricyanid-
lösung beiderseits mit einer CapiHarpipette durch die Oeffnnng
in die Gefässe E, und hängen wir den ganzen Apparat an den Haken
F in eine Wasserwanne, so dass das ganze ausserhalb des Manometers
stehende System sich unter gleichmässiger Temperatur des Wasser¬
bades befindet, so darf sieb an dem Stand des Manometers, weil
doch in beiden Hälften dieselben Bedingungen herrschen, keine
Aenderung zeigen. Drehen wir aber die eine Birne, nachdem wir
durch gelindes Schütteln das Blut durch die darüberbefindlicbe
Ammoniaklösung lackfarben gemacht haben, so dass wir auf der
einen Seite das Ferricyankalium aus E hintufliessen lassen, so wird
aus dem Hämoglobin das Kohlenoxyd wie der Sauerstoff in Freiheit
gesetzt, und es muss in dieser Hälfte des Systems ein positiver
Druck herrschen. Auf beiden Seiten ragen in diese Birnen Platin*
Elektroden D hinein, die mit einer 0,1 mm dicken Platinspirale
verbunden sind. Die Platinspiralen können bei entsprechend
eingeschaltetem Lampen-Widerstand durch den gewöhnlichen
Strassenstrom zum Glühen gebracht werden. Tun wir das, nach¬
dem sich die Reaktion auf der einen Seite vollzogen hat, so wird
das Kohlenoxyd zu Kohlensäure verbrannt und die Kohlensäure
wieder durch das im Gefäss befindliche Ammoniak absorbiert
Daraus resultiert endlich eine VolnmenabDahme resp. eine
Druckabnahme, die am Manometer ablesbar ist. Damit wir
nicht mit dem ganzen System gegen den Druck, der durch die
Erwärmung der glühenden Spiralen im System entsteht, zu kämpfen
haben, sind in den unteren Teilen des Manometers beiderseits
die kugeligen Erweiterungen R angebracht, wodurch wir er¬
reichen, dass bei Ausdehnung der erwärmten Gase das Nelken¬
öl in das Steigrohr S verdrängt wird und so der ganze Druck,
der bei dem Glühen der Spirale entsteht, in einen Nelkenöl-
druck von etwa 7 cm Höhe verwandelt wird, also in einem
Druck, gegen welchen wir die eingeschliffenen Glasteile des
Apparates nicht besonders zu schützen brauchen. Da wir das
Volumen des Gefässes resp. die einer bestimmten Volumenzunahme
entsprechende Manometerdifferenz durch spezielle Aichung fest-
gestellt haben, so können wir nun ohne weiteres aus der Höhen¬
differenz der Manometerschenkel die an das Hämoglobingebundene
Kohlenoxydmenge leicht berechnen. Die Differentialmetbode kann,
wie aus dieser Beschreibung ersichtlich ist, ohne weiteres auch
zur Sauerstoffkapazitätsbestimmung dienen, indem wir
das vollkommen mit Kohlenoxyd gesättigte Blut mittels Ferri-
cyankaliums freimachen und auf diese Weise sowohl die Gasmenge
bestimmen, wie durch Verbrennung die Kontrollanalyse aas¬
führen können.
Aus der dermatologischen Abteilung des Rudolf
Virchow - Krankenhauses in Berlin (dirigierender
Arzt: Prof. A. Buschke).
Sepsis mit dem Blutbild der apiastischen
Anämie im Anschluss an Gonorrhöe.
Von
Prof. A. Buschke und Dr. H. Hirschfeld.
M und N sind die Manometerschenkel. Das Manometer ist
mit Nelkenöl gefüllt, dessen spezifisches Gewicht gleich ist mit
ca. 10 000. Bei Kommunikation der Manometer nach aussen,
durch eut8precbende Stellung der T-Hähne F und G kann durch
die Druckschraube P auf den Gummiteil Y des abgeschlossenen
Steigerohres S das Niveau des Nelkenöls auf den Null¬
punkt der Spiegel-Millimeterskala eingestellt werden. Jeder
einzelne Manometerschenkel ist in Verbindung mit einer Glas¬
birne B und C, uüd zwar mittels eines eingeschliffenen Glasstopfens.
In den eingeschliffenen Glasstopfen mündet seitlich ein kleines
Gefäss E, welches bei entsprechender Stellung der leicht im
Schliff drehbaren Birne seinen Inhalt bei K entleeren kann.
Wenn wir in beiden Glasbirnen dieselben Reagentien hineinbringen,
so wird auf beiden Seiten die Tension die gleiche sein, und auch
1) Der Apparat wird von Bleckmann und Burger, glasmecbaoiscbe
Werkstätte, Berlin N. 24, Philipstr. 3a, hergestellt.
Das Auftreten weitgehender Regenerationserecheinungen von
seiten des Knochenmarks bei Anämien ist ein geradezu gesetz-
mässiger Vorgang. Wir finden bei der Obduktion selbst schwerster
Anämien in den sonst nur Fettmark enthaltenden Diapbysen der
langen Röhrenknochen rotes Mark, und auch die Untersncbnog
des Marks der kurzen Knochen auf Schnitten zeigt, dass die m
der Norm nachweisbaren Fettlücken zum grössten Teil oder g*w
durch Zellmark ersetzt sind. Vorwiegend finden wir eine starke
Vermehrung der erythroblastischen Anteile des Marie, doc
nehmen auch die farblosen Elemente an den reaktiven Vor¬
gängen teil. _ ,
Die Regeneration des Blutes erfolgt bei Anämien mit e
gleichen Gesetzmässigkeit, mit welcher nach einer Kontinu» s
trennung der Haut oder anderer Organe die Bildung von braw
lationsgewebe einsetzt, welcher später die Narbenbildnng Wjr
Ein ganz seltenes und ungewöhnliches Ereignis * st .® 8da ’
wenn die Regeneration des Blutes bei Anämien ansbleibt, *
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Original fram
UNiVERSITY OF IOWA
28. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1959
die bekannteo Reaktions Vorgänge des Knochenmarks nicht ein-
treten. Solche Anämien ohne Regenerationsvorgänge kennen wir
erst seit einer einschlägigen Mitteilung Ehrlich's, der für solche
atypischen Fälle den Namen „apiastische Anämie* 4 einführte.
Später erst stellte sich auf Grund eingehender Untersuchungen
heraus, dass bei der sogenannten apiastischen Anämie nicht nur
eine Regeneration von seiten des Knochenmarks ausbleibt,
sondern meist sogar eine ausgesprochene und schwere Atrophie
desselben eintritt. Man findet also nicht nur gelbes, reaktions*
loses Fettmark in den langen Röhrenknochen, sondern auch einen
weitgehenden Schwund aller zeitigen Elemente im Mark der
kurzen Knochen, von denen meist nur spärliche lympbocytiforme
Zellen und minimale Mengen kernhaltiger roter übrig bleiben.
Während man ein blosses Ausbleibea einer Knochenmarks¬
regeneration durch eine angeborene Schwäche des hämatopoeti-
schen Apparates erklären kann und erklärt hat, kann man nicht
umhin, für das Zustandekommen eines direkten Zellschwundes
im Knochenmark toxische Momente zur Erklärung herbeizuziehen.
ln den meisten bekannt gewordenen Fällen von schwerster
Anämie mit Knochenmarksatrophie lassen sich aber keinerlei
ätiologische Momente eruieren. Immerhin aber gibt es doch
bereits eine kleine Zahl von Fällen in der Literatur, in denen
offenbar toxisch infektiöse Schädigungen zur Erklärung des eigen¬
artigen Verhaltens des hämatopoetischen Apparates ohne Schwierig¬
keiten verantwortlich zu machen sind. So ist in dem Fall von
Barberis eine puerperale Infektion, in den Fall von Babonneix
und Paisseau eine Paratyphusbacillensepsis, io einem Fall von
Herz eine Aogina mit Abscess, in einem anderen Fall eine
schwere Dermatitis, in einem Fall von Stursberg eine Strepto¬
kokkensepsis, in einem Fall von H. Hirsch fei d eine Lympho¬
granulomatose wohl als Ursache der schweren degenerativen
Schädigung des Knochenmarks anzusehen.
Für die Einwirkung einer schweren toxischen Schädigung
spricht auch in vielen Fällen der akute, oft foudroyante Verlauf
mit schwerer hämorrhagischer Diathese und Fieber.
Eine infektiöse Schädigung lag in ganz offensichtlicher und
nicht zu verkennender Weise in einem sehr bemerkenswerten von
uns beobachteten Falle vor. Hier war seltsamerweise eine
Gonorrhöe das Grundleiden. Erst besondere Komplikationen
führten zu dem eigenartigen und ungewöhnlichen Verlauf und
dem schliesslichen tödlichen Ausgang, nachdem sich eine Sepsis
und eine schwere Anämie entwickelt hatte.
G. L., Zeichner aus Berlin, geboren am 20. V. 1888.
Der Pat. trat am 15. XII. 1913 wegen eines Trippers in ärztliche
Behandlung und erhielt Einspritzungen in die Harnröhre. Am 7. XII.
stellten sich Schmerzen im rechten Hacken, am 15. XII. eine Schwellung
im rechten Kniegelenk und am 24. XII. Schmerzen im linken Knie¬
gelenk ein. Er bekam während dieser Periode der Gelenkschwellungen
Saliteinreibungen, Diplosaltabletten und 32 intravenöse Collargol-
injektionen. Am 24., 26. und 28. XII. soll er je eine intramuskuläre
Artbigoneinspritzung bekommen haben. Nach der ersten Arthigonein-
spritzung sollen die Schmerzen sofort verschwunden gewesen sein, nach
der zweiten Injektion stellten sich wieder Schmerzen ein, die nach der
dritten nicht nachliessen. Wegen der Erfolglosigkeit der bisherigen Be¬
handlung suchte der Pat. das Rudolf Virchow-Krankenhaus auf. Er
klagte bei der Aufnahme über Schmerzen in beiden Kniegelenken und
im rechten Hacken.
Befund: Kleiner, schmächtig gebauter Mann mit schwacher Musku¬
latur, blasser Gesichtsfarbe, von schlechtem Ernährungszustand. Innere
Organe ohne krankhafte Abweichungen. Im Urin kein Eiweiss und
kein Zucker.
Deutliche Schwellung des rechten Kniegelenks, aber kein Erguss.
Das linke Kniegelenk ist passiv und aktiv frei und schmerzlos beweg¬
lich, das rechte Kniegelenk kann nur bis zu einem Winkel von etwa
80° gebeugt werden, wobei Schmerzen auftreten. Der rechte Hacken
schmerzt beim Auftreten, zeigt aber objektiv keine Veränderungen. Die
Untersuchung auf Gonorrhöe ergibt eine Trübung der ersten Urinportion,
zweite Portion klar. Im Sekret der Urethra anterior finden sich Gono¬
kokken, Eiterkörperchen und Epithelien.
Therapie: Stützen durch Sandkissen, Heissluft, Einreibungen mit
Ichthyolvaseline. Der Tripper wird mit Alb'argin behandelt.
8. II. 1914. Der stark reduzierte Kräfte- und Ernährungszustand fällt
recht in die Augen, auffällige Blässe der Haut und der Schleimhäute,
defekte Zähne, Zunge trocken, Rachenorgane und Zahnfleisch ohne Be¬
fund. Keine Milz- und keine Lymphknotenschwellungen.
Nachdem die Temperatur schon am 7. II. 38° erreicht hat, steigt
sie am 8. II. bis auf 38,8°.
9. H. Pat. fängt plötzlich ohne jede greifbare Ursache stark aus
der Nase zu bluten an. Tamponade. Kurz naoh Stillung der Blutung
aus der Nase, fängt eine Blutung aus der Harnröhre an. Pat. erhält
innerlich Stypticin.
12. 11. Wiederholte Blutungen aus Nase und Harnröhre. Pat.
mag wohl im ganzen an 500 ccm Blut verloren haben. Die Tempe¬
ratur war in den letzten Tagen morgens etwas über 37° und erreichte
abends 38,8 # .
14. II. Geringer Erguss ins rechte Kniegelenk. Pat. fühlt sich
sehr elend. Temperatur abends 39,2°. Näheres über den Verlauf der
Temperatur siehe die beistehenden Kurven.
14. H. Pat. fühlt sich sehr elend, fiebert weiter. Keine Zunahme
der Geienkschwellungeo.
18. II. Am Herzen anämische Geräusche. Blutbefund: Hämoglobin
25 pCt. (Sahli). Eine prozentuale Auszählung der weissen Blutkörper¬
chen in Trockenpräparate ergab folgendes Resultat: Polymorphkernige
Neutrophile 20 pCt., Eosinophile 1 pCt., Lymphooyten 75 pCt., grosse
Mononucleäre 3 pCt., Mastzellen 1 pGt. In gefärbten Präparaten wurden
einige kernhaltige rote Blutkörperchen gefunden, keine nennenswerte
Poikilocytose.
26. II. Pat. fühlt sioh immer elender. Im Harn kein Albumen
und keine Cylinder. Haut- und SchleimhautblutuDgen sind nicht nach¬
weisbar.
25. II. Im Urin kein Albumen und keine Cylinder.
26. II. Leiohte Nasenblutung.
27. II. Das Befinden des Kranken ist ein ausserordentlich elendes
geworden, es macht sich Herzschwäche bemerkbar, so dass Digalen ge¬
geben wird. Eine Blutuntersuohung hatte folgendes Resultat: Hb 15 pCt.,
Leukocyten 900, davon polymorphkernige Neutrophile 15 pCt., kleine
Lymphooyten 80 pCt., grosse Mononucleäre 4 pCt., Mastzellen 1 pCt. An
den roten Zellen massige Poikilocytose und Polychromasie nachweisbar.
Die meisten Zellen sehr blass.
28. II. Keine Milz- und Lymphdrüsenschwellungen, keine Druck¬
schmerzhaftigkeit der Knochen.
Urin frei von Eiweiss und Cylindern.
Venenpunktion, Blutkultur (Dr. Lief mann). Es wuchsen Staphylo¬
kokken. Andauernd kontinuierliches Fieber seit 14. II. Abends zwischen
39 uad 40°, morgens zwischen 37 und 38° schwankend, ln derselben
Zeitperiode noch einigemale nioht sehr hochgradiges Nasenbluten. Gono¬
kokken der Urethra verschwunden, geringe Sekretion der Urethra an¬
terior.
1. III. Enorme Schwäche, kleiner, leicht unterdrückbarer, stark be¬
schleunigter Puls. Augenhintergrundbefund: Der Sehnerv ist beiderseits
unscharf begrenzt und sehr blass. Um den Sehnerven herum reichlich
grosse und kleinere Blutungen, die zum Teil hellgraue und weissliche
Herde umschliessen. Die Peripherie erscheint frei. Fundus anämisch,
Blutsäulen sehr hell.
3. III. Puls sehr schlecht, Benommenheit, gegen Abend Exitus.
Sektionsprotokoll (v. Hansemann): Kleine Leiche von mässig
entwickelter Muskulatur und Fettpolster. Die Haut ist auffallend blass.
An den unteren Extremitäten und au den Händen bleibt die durch
Fingerdruck erzeugte Delle bestehen. Blutiges Gerinnsel am Orificium
extern, urethrae.
Brusthöhle: Naoh Eröffnung des Thorax liegt das Cor io ganzer
Ausdehnung frei vor. Im Herzbeutel befinden sich ca. 60 ccm einer
rotgelblichen Flüssigkeit. Die Aorta pulmoualis wild zwecks Blutent¬
nahme zu bakteriologischen Untersuchungen in situ eröffnet. Die nach¬
folgende Sektion des Herzens ergibt, dass dasselbe von normaler Grösse
(= Faust der Leiche) ist und nirgends Veränderungen zu finden sind.
Die Sektion der linken Pulmo macht durch ausgedehnte Ver¬
wachsungen der beiden Pleurablätter Schwierigkeiten. Auf dem Durch¬
schnitt erscheint die linke Pulmo auffallend blassrot. Konsistenz ist
normal. An der rechten Pulmo bestehen keine Pleuraadhäsionen. Da¬
gegen ist die Konsistenz des rechten Uaterlappens vermehrt. Auf dem
Durchschnitt entquillt dem Lungengewebe reichlich Flüssigkeit. In der
Peripherie des rechten Mittellappens zeigen sich auf dem Durchschnitt
einzelne weissgelbliche Herde, welche mit ihrer rötlichen Umgebung von
vermehrter Konsistenz erscheinen.
Bauchhöhle: Lage der Bauchorgane regelrecht. Das Netz über¬
deckt einen grossen Teil der DünndarmschliDgen und ist von normaler
Beschaffenheit. Die Bauchorgane präsentieren sich in ihrer peritonealen
Bekleidung eigentümlich glasig und auffallend blass. Ascites io der
Bauchhöhle.
Milz ist von normaler Grösse, Konsistenz, Farbe. Auf dem Durch¬
schnitt keine makroskopischen Veränderungen.
Nebennieren von normaler Grösse; keine Veränderungen.
Nieren: Beide Nieren sind vergrössert, und zwar scheint diese
Vergrösserung auf einer Verbreiterung der Rindenschicht zu beruhen.
Auf der Oberfläche und dem Durchschnitt erscheinen die Nieren auf¬
fallend blass. Die Rindenschicht sieht trübe aus.
Leber ist vergrössert, Konsistenz etwas vermindert, gelblich ver¬
färbt. Läppchenzeichnung erhalten.
Magen-Darm ist auffallend blass.
Pankreas von normaler Grösse, sehr blass.
Die Genitalorgane, Penis, Hoden, Prostata, Rectum und
Harnblase werden im Zusammenhang herausgenommen.
In der Blase und der Urethra normale Beschaffenheit, nament¬
lich keine Perforation.
Gehirn auffallend blass.
Anatomische Diagnose: Auaemia acuta. Oedema omn. ex-
tremit. Sanguis in orificio extern, urethrae. Pleuritis fibrosa pulmon.
sin. Anaemia pulmon. Oedem. lob. inf. dextr. pulm. Absoessus pulm.
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Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
1Ö6Ö
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 52.
deitr. Nephritis parenchymat. Adipositas
hepatis. Anaemia renum, hepatis tractus,
intestinalis, cerebri. Ascites abdomin.
Staphylokokkensepsis.
Chemische Untersuchung: Leber
enthält reichlich Silber. Niere nur einen
Hauch, (gez.) Lob.
Bakteriolog. Untersuchung: In
der Lunge und im Kniegelenk: Stapbyloe.
aureus haemolyt. Im Knochenmark ebenso.
Mit dem Blut des Lebenden ist die Züch¬
tung einzelner Staphyloc. aureus-Kolonien
auch gelungen, (gez.) Liefmann.
Resümee. Im Anschluss an
einen Tripper entwickelt sich bei einem
25 jährigen Mann ein Rheumatismus,
der mit Diplosal,^ Saliteinreibungen,
Collargol- und Arthigoninjektionen
behandelt wird. Eine Besserung tritt
nicht ein, und der Patient kommt in
recht elendem; Zustand ins Virchow-
Krankenhaus. Hier wird eine Affektion
beider Kniegelenke festgestellt, der
Harnröhrentripper bestand noch. Gono¬
kokken noch nachweisbar. Es bestand
eine Urethritis anterior et posterior,
Prostata, Hoden frei. Der Tripper
besserte sich nach Injektions- und
Spülbehandlung, so dass die Gono¬
kokken verschwanden. Gegen die
Gelenkaffektiou wurde therapeutisch
lokale Wärmeapplikation und Ein¬
reibung der erkrankten Gelenke mit
Ichthyolvaselin angewandt. Plötzlich
beginnt Patient zu fiebern, und dieses
Fieber hielt unter beträchtlicher Ver¬
schlechterung des Allgemeinbefindens
mit einer kurzen Unterbrechung bis
zum Tode des Patienten an. Es ent¬
wickelt sich eine schwere hämor¬
rhagische Diathese mit Nasen-, Harn¬
röhren- und Augenhintergrundsblu¬
tungen. Die Anämie nimmt einen sehr
hohen Grad an, die bakteriologische
Untersuchung ergibt Stapbylococcos
aureus im Blut und im Koiegelenk-
erguss. Der Exitus tritt am 81. Tage
des Krankenbausaufenthaltes ein.
Die Sektion ergibt eine akute Ne¬
phritis, schwerste allgemeine Anämie,
ein schlaffes Herz, einen Abscess in
der rechten Lunge, gelbes Mark in
den langen Röhrenknochen. Auch
aus dem bei der Sektion entnommenen
Knochenmark wurden Staphylokokken
gezüchtet.
Es hat sich also bei unserem
Patienten im Anschluss an eine Gonor¬
rhöe eine Staphylokokkensepsis ent¬
wickelt, die zu Gelenkaffektionen,
akuter Nephritis und schwerster
Anämie mit Leukopenie geführt hat.
Was nun zunächst die Frage des
Zusammenhanges der Gonorrhöe mit
der Staphylokokkensepsis betrifft, so
wissen wir, dass sowohl lokale wie
metastatische Komplikationen bei Go¬
norrhöe Vorkommen, die nicht durch
den Gonococcus, sondern entweder
durch Gonokokken und andere Bak¬
terien oder durch andere Bakterien
allein hervorgerufen werden. Was zu¬
nächst die lokalen Komplikationen be¬
trifft, so erwähnen wir die peri¬
urethralen Abscesse, die selten Gono¬
kokken und häufig Staphylo- oder
Streptokokken enthalten. Auch pro¬
statische Abscesse enthalten bau ß
letztere Mikroorganismen, bei Kpi*
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Original frnm
UNIVERSUM OF IOWA
28. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1961
didymitis und eventuell hierbei sich entwickelnden Abscessen
liegen wohl nur sehr selten Mischinfektionen vor; immerhin
weisen wir auch hier auf die nicht sehr häufigen Fälle von Hoden-
und Nebenhodengangrän bei Gonorrhöe hin, wo gelegentlich Coli-
bacillen im Gewebe sich finden. (Vgl. die Mitteilungen von
Buschke 1 ) und Multzer 2 3 * ).
Auch Thrombose des Plexus prostaticus mit nachfolgender
Streptokokkensepsis bei Gonorrhöe wird beobachtet. Wir verfugen
über eine diesbezügliche Beobachtung, wo es zu einer metastati¬
schen Ophthalmie kam, die die Enucleatio bulbi nötig machte.
Aber auch septische Gelenkmetastasen, die durch pyogene
Mikroorganismen allein oder zusammen mit den Gonokokken bei
Gonorrhöe hervorgerufen werden, sind beobachtet von Finger,
Morris, Classen, Fraenkel, Rindfleisch u. a.
Ferner ist auch schwere septische Endocarditis, Pyämie durch
Mischinfektion bei Gonorrhöe zur Beobachtung gelangt. Dabei
sei hervorgeboben, dass der als Ausgangspunkt dienende Harn¬
röhrentripper ganz leicht, ohne Komplikationen verlaufen kann.
Auch gelingt es in diesen Fällen nicht immer, in der Urethra die
septischen Mikroorganismen aufzufinden, so dass die Möglichkeit
ventiliert werden muss, dass durch Gonokokkenmetastasen die
Gewebe prädisponiert werden für die von einer anderen Körper¬
stelle eindringehden septischen Mikroorganismen 8 ). Die letztere
Auffassung dürfte wohl für den vorliegenden Fall zutreffend sein,
da in der Urethra und deren Anhängen keine pyogenen Mikro¬
organismen sich fanden.
Dass der Gonococcus bei seiner Metastasierung solche
schwere Blutveränderungen erzeugt, wie sie im berichteten Fall
sich fanden, ist bisher nicht bekannt. Wir werden diese wohl
der accidentellen septischen Infektion, für welche die Gonorrhöe
die mittelbare Ursache war, in die Schuhe schieben müssen.
Auch die Collargol- und Arthigoninjektionen dürften ätiologisch
nach den bisher vorliegenden Erfahrungen wohl kaum in Betracht
kommen.
Was nun die schwere Anämie betrifft, die im Anschluss an
die Sepsis entstand und zum Tode führte, so gehört dieselbe in
die Gruppe der apiastischen Anämie und ist durch eine hoch¬
gradige Knochenmarksatropbie charakterisiert. Es war nicht nur
das Mark der langen Röhrenknochen reaktionslos, sondern das Mark
der kurzen Knochen war ausgesprochen atrophisch. Diese degene-
rative Veränderung kennzeichnete sich schon makroskopisch da¬
durch, dass dieses Mark dünnflüssig und rosarot war, mikro¬
skopisch durch seine auffallende Zellarmut. Es enthielt ganz
vereinzelt nur Normoblasten, die übrigen auch nur spärlich vor¬
handenen farblosen Elemente waren fast ausschliesslich kleine
und mittelgrosse lymphoide Elemente, die auf Grund ihrer Kern¬
struktur als Myeloblasten angesehen werden müssen. Neben diesen
Zellen waren in auffallend grosser Zahl Plasmazellen vorhanden.
Auch in Milz und Lymphdrüsen, die sonst keine wesentliche
Abweichung ihrer Struktur aufwiesen, waren die ungeheuer zahl¬
reichen Plasmazellen ein in hohem Masse auffallender und un¬
gewöhnlicher Befund. Bemerkenswerterweise bestand kein in¬
fektiöser Milztumor. Es muss ferner noch der ungewöhnliche
Reichtum der Milz und vieler Lymphknoten an Blutpigment er¬
wähnt werden, ein Hinweis dafür, dass nicht nur eine gestörte
Regeneration, sondern auch ein vermehrter Zerfall ätiologisch für
die Pathogenese dieser Anämie anzunehmen ist.
Interessant ist der ungewöhnliche Reichtum aller Blutbildungs¬
organe an Plasmazellen. Vielleicht ist er auf die Reizwirkung
der Staphylokokken zurückzuführen. Wenigstens bestand in dem
einzigen Falle der Literatur, in welchem ein ähnlicher Reichtum
des Markes an Plasmazellen bei Schwund nicht des gesamten
Myeloidgewebes, sondern nur des Granulocytenapparates von
Hel ly beschrieben worden ist, auch eine Staphylokokkensepsis.
Grössere Mengen Plasmazellen findet man übrigens öfter in den
blutbildenden Organen bei anderen Infektionskrankheiten. Ihr
reichliches Vorkommen wenigstens in den Lymphknoten und den
spezifischen Produkten bei Tuberkulose und Lues ist ja lange
bekannt.
In selten klarer und unzweideutiger Weise zeigt unser Fall,
dass sich die schwere Anämie und die Atrophie des Knochen¬
markes auf dem Boden einer Staphylokokkensepsis entwickelt hat.
Im Verein mit den Fällen von Bar her is (Puerperalfieber),
1) D.m.W., 1905, Nr. 38.
2) Aroh. f. Denn. u. Syph., 1909, Bd. 94, H. 2 u. 3.
3) Cf. N o b 1, Rheumatische Erkrankungen. Handbuch der Geschlechts¬
krankheiten.
Herz (abscedierende Angina und Dermatitis), Stursberg und
Babonneix und Paissean (Paratyphnsinfektion) liefert er einen
wichtigen Beitrag zur Frage nach der Aetiologie und Pathogenese
der apiastischen Anämie.
Eine derartige Einwirkung auf Blut und Blutbildungsorgane
ist aber jedenfalls eine seltene und ungewöhnliche Komplikation
einer Sepsis. Die häufigste Veränderung des Blutes, welche sonst
bei septischen Erkrankungen angetroffen wird, ist bekanntlich
eine neutrophile Leukocytose. Oft findet man auch mehr oder
weniger hohe Prozentzahlen von Myelocyten in solchen Fällen,
gewöhnlich mit einer Verschiebung des neutrophilen Blutbildes
nach links. Neuere Beobachtungen haben aber gezeigt, dass
noch schwerere Schädigungen des Leukoblastenapparates Vor¬
kommen. Türk sowohl wie Schwarz haben über septische Er¬
krankungen berichtet, in derem Verlauf es zu einem völligen
Schwund aller granulierten Leukocyten des Blutes und, wie der
secierte Fall von Türk wenigstens beweist, auch des Knochen¬
markes gekommen war. Bei leukopenischen Werten bestanden
fast alle farblosen Elemente des Blutes aus Lymphocyten. Ge¬
legentlich können solche Fälle, wie Türk und F. Marchand
feststellen konnten, auch heilen und wieder einen normalen Blut¬
befund bekommen.
Es kann also infolge einer Sepsis ohne nennenswerte
Schädigung des Erythroblastenapparates ein Schwund des
Grauulocytenapparates auftreten. Die myeloblastischen Vorstufen
der granulierten Leukocyten verlieren ihre Fähigkeit zur Weiter¬
entwicklung unter dem Einfluss eines bakteriellen Toxins.
Eine noch intensivere Einwirkung ist aber die gleichzeitige
schwerste Schädigung der Bildungsstätten der roten und der
weissen Elemente. Leichtere und mittelschwere Schädigungen
derjenigen Gewebsanteile des Knochenmarks, welche die roten
Blutkörperchen produzieren, sind bei Sepsis häufig, bei der
man nur selten Anämie vermisst. Die schwersten Schädi¬
gungen des Erythroblastenapparates aber, die wir kennen, das
sind die hier besprochenen apiastischen Anämien, die stets mit
einer mehr oder weniger weitgehenden Alteration des Granulo¬
cytenapparates gepaart sind. Bei diesen totalen Erschöpfungs¬
zuständen des Knochenmarks ist den Stammzellen der gefärbten
und ungefärbten Blutzellen die Fähigkeit der Produktion von
Granulocyten and Erytbroblasten verloren gegangen. Was von
diesen Zellen noch vorhanden ist, wird verbraucht, schliesslich
bleiben nur noch die ungekörnten lymphoiden Knochenmarks¬
stammzellen, mag man sie Myelogonien, Lymphoidocyten oder
Myeloblasten nennen, übrig, um schliesslich auch bis auf spär¬
liche Reste zu verschwinden. So war es auch in einigen Fällen
der Literatur, so war es in unserem Fall von Staphylokokkeusepsis.
Gelegentlich können solche Fälle mit völligem Granulocyten-
und Erythroblastenscbwund differentialdiagnostisch von gewissen
Formen akuter Myeloblastenleukämie nur schwer unterschieden
werden. Das gilt natürlich nicht für typische akute Leukämien
mit starker Vermehrung der Leukocyten, sondern für jene Fälle
akuter aleukämischer Leukämie mit excessiver Leukopenie, wie
sie von Herz, von Stursberg sowie von Dünner and Hirsch¬
feld 1 ) beschrieben worden sind. Auf Grund des Blutbefundes ist
eine Unterscheidung nur dann möglich, wenn die wenigen vor¬
handenen, farblosen Zellen durch ihre Kernstruktur und eventuell
ihre Grösse als Myeloblasten einwandfrei zo rekognoszieren sind.
Fehlen ferner, wie es bei akuten Leukämien oft vorkommt,
Schwellungen der Milz und der Lymphknoten, so kann nur die
Sektion und die mikroskopische Untersuchung den Sachverhalt
klären. In den schwersten Formen der apiastischen Anämie
findet man zwar im Mark fast nur Myeloblasten, doch liegen sie
äusserst spärlich verteilt. Man findet jedenfalls im Mark weit
weniger farblose Zellen als normalerweise. Dagegen findet man
bei akuter Myeloblastenaleukämie eine starke Myeloblasten¬
wucherung mit Schwund der Fettlücken. Das Wesen der Leuk¬
ämie ist eben die Hyperplasie des Markes, während wir bei der
apiastischen Anämie eine Atrophie desselben finden. Gestützt
wird die Diagnose Leukämie ferner durch den Nachweis von
Myeloblastenherden iü anderen Organen, speziell in Leber und
Nieren.
Literatur.
Stursberg, Zur Differentialdiagnose zwischen akuter Leukämie
und Sepsis mit besonderer Berücksichtigung der Sepsis bei Verkümme¬
rung des Granulocytensystems. M. Kl., 1912, Nr. 13. — Türk, Sep-
1) Diese Arbeit erscheint erst in der nächstfolgenden Nummer dieser
Wochenschrift. Red
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Original fro-m
UMIVERSITY OF IOWA
1962
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 52.
tische Erkrankungen bei Verkümmerung des Granulocytensystems.
W.kl.W., 1907, Nr. 6. — Schwarz, Ges. f. inn. M. u. Kindhlk. z.Wien,
1904; ref. W.kl.W., 1904. — P. Marchand, Ueber ungewöhnlich starke
Lymphooytose im Anschluss an Infektionen. D. Arch. f. klin. M.,
Bd. 110, H. 3 u. 4. — Babonneix und Paisseau, Anämie infeetieuse
peroicieuse aveo aplasie sanguine, moelle osseuse jaune, lymphocytique,
reaction myötoide embryonnaire de la rate et des ganglions Iymphatiques.
Arch. d. malad, du coeur eto., 1910, Nr. 10. — Barberis, Ueber einen
Pall von schwerer Anämie im Puerperalfieber. Rif. med., 1908, Nr. 31. —
Herz, Zur Kenntnis der apiastischen Anämie. W.kl.W., 1908,-Nr. 39.—
H. Hirschfeld, Malignes Granulom und apiastische Anämie. Charitö
Ann., Bd. 36.
Aus der Nervenheilstätte Lankwitz (Sanitätsräte
Dr. Frankel und Oliven).
Ein Fall von fraglicher Kombination der
multiplen Sklerose mit Poliomyelitis.
Von
Dr. Erwin Loewy, Arzt an der Heilstätte.
Von August bis Oktober d. J. hatte ich Gelegenheit, einen
Patienten zu beobachten, dessen Krankheit bzw. Summe von Er¬
krankungen mir wegen der theoretischen Wichtigkeit einer kurzen
Erörterung wert scheint.
Ich will gleich mit der Krankheitsgeschichte beginnen:
34 jähriger Landrichter aus X.
Familienanamnese ohne Besonderheiten.
Pat. hatte mit 2 Jahren eine Erkrankung, die für „Kinderlähmung“
gehalten wurde und eine starke Schwächung des linken Beines zur Folge
hatte, sonst will er stets gesund gewesen sein. Seine Amme soll krank
gewesen sein und die Angehörigen befürchteten eine Ansteckung durch
sie (nach Bericht der älteren Schwester scheint es sich um Tuberkulose
gehandelt zu haben). Pat. bekam einen Hessing’schen Apparat für das
linke Bein und konnte damit sehr gut gehen, ging z. B. als junger
Student täglich zum Heidelberger Schloss hinauf. Seit Anfang der
zwanziger Jahre aber verspürte er eine zunehmende Schwäche und
Steifigkeit des rechten Beines und ein Schlapperwerden des ganzen
Körpers.
Er machte alle juristischen Examina prompt, ist jetzt seit 2 Jahren
als Landrichter in X. angestellt und kann die Arbeit bis auf etwas
leichte Ermüdbarkeit gut leisten. Zuerst konnte er noch zu seinem
zwei Stockwerk hoch gelegenen Bureau selbst hinauflaufen, seit einiger
Zeit muss er aber hinaufgetragen werden. Der Schlaf ist recht massig,
der Appetit geht einigermaassen. Sexuellen Verkehr habe er nie ge¬
habt, früher seien Pollutionen gekommen, jetzt gar nicht mehr. Von
Zeit zu Zeit habe er, besonders nachts, häufigen Urindrang.
Status praesens; Kleiner Mann in massigem Ernährungszustand.
Gang nur mit zwei Stöcken möglich, das linke Bein wird kraftlos nach¬
gezogen, das rechte Bein wird deutlich spastisch bewegt.
An den Circulationsorganen nichts Besonderes, an der rechten
Lunge hinten rauhes Atmen, sonst ohne Besonderheiten. Abdomen
etwas gespannt.
Pupillen beiderseits gleich, rund, mittelweit, Licht- und Conjunctival-
reflexe gut.
Fundus: Links ohne Besonderheiten, rechts temporale Ab¬
blassung.
Starker Nystagmus beim Blick nach oben und aussen.
Augenbewegungen sonst frei.
Vorderarmreflexe ohne Besonderheiten.
Beine: Rechtes stark spastisch, linkes ganz schlaff,
Unterschenkel völlig, Oberschenkel stark atrophisch. Patellar-
reflexe: Rechts stark gesteigert, kein Clonus, links bedeutend schwächer
als rechts, immerhin aber auffallend stark im Vergleich zu der starken
Atrophie. Das rechte Bein kann kaum gehoben, der Fuss nach allen
Richtungen ganz wenig bewegt werden.
Rechts unerschöpflicher Fussclonus, links kein Achillesreflex zu
prüfen wegen Tenotomie der Achillessehne. Rechts deutlicher Babinski,
links zuerst zweifelhaft, später 0. Oppenheim, Mendel-Bechterew, Rosso-
lirao rechts -f-» links —.
Elektrische Erregbarkeit der Beine: Rechter und linker Ober¬
schenkel ohne Besonderheiten. Linker Unterschenkel und Fuss galvanisch
und faradisch unerregbar.
Bauchdecken- und Kremasterreflex beiderseits —. Sensi¬
bilität bis auf leichte Hypästhesie am linken Unterschenkel intakt, nur
für Wärme und Kälte reicht die Hypästhesie auf der Innenseite des
Oberschenkels herauf.
Keine Lagegefühlsstörungen, keine Astereognosie.
Ataxien der oberen Extremitäten leicht angedeutet, die der unteren
nicht zu prüfen. Deutlicher Intentionstremor beider Hände.
Im Urin findet sich etwas Albumen, keine Formbestandteile.
Wassermann’sche Reaktion im Serum (Frau Dr. Gatz-Emanuel) i
negativ. i
Unter Fibrolysin und Arsen gute Gewichtszunahme, Pat. fühlt sich |
auch frischer, hat kein so grosses Schlafbedürfnis mehr wie anfangs.
Gegen die cystitischen Beschwerden wird mit Erfolg Urotropin ange¬
wandt. Die Spasmen in den Beinen werden- wohl gelegentlich etvas
weniger empfunden, bleiben aber ungefähr gleich.
Dass es sich bei dem Patienten um eine ausgebildete multiple
Sklerose handelt, unterliegt ja keinem Zweifel, der Fall bietet
fast alle Symptome, die für typisch gelten müssen. Die Frage
ist nur, ob die in früher Kindheit überstandene Krankheit, vod
der die schwere Atrophie des einen Beines herrübrt, wirklich,
wie damals angenommen, eine Poliomyelitis gewesen war. Auf
den ersten Blick erscheint dies als völlig selbstverständlich, und
ich glaubte auch sicher zu sein, einen Fall von Kombination der
multiplen Sklerose mit dieser Krankheit vor mir zu haben. Ein
Blick in die Literatur machte mich aber stutzig. Weder Oppen¬
heim in seinem Lehrbuch, noch Marburg in seinem Artikel im
Handbuch der Neurologie erwähnen diese Kombination, wogegen
Kombinationen der Sklerose mit allen möglichen anderen Krank¬
heiten, Syringomyelie usf. bekannt sind.
Dagegen ist es bekannt, dass die multiple Sklerose unter
allen möglichen Formen erscheinen kann, dass sie oft larviert
wird durch andere Erkrankungsarten nnd man auch darauf ge¬
fasst sein kann, dass sie eine typische Poliomyelitis anterior
acuta vortäuscbt. So beschreibt Oppenheim in seinem fürden
Berner internationalen Neurologenkongress bestimmten Referat
über den „Formenreichtum der multiplen Sklerose 1 )“ mehrere
solche Fälle.
Liegt hier nun eine derartige intermittierende Form der
Sklerose vor? Das frühe Kindesalter der ersten Affektion spricht
nicht unbedingt gegen einen sklerotischen Prozess, da mehrere
Fälle bekannt sind, wo eine Sklerose schon sogar im Säuglings-
alter beobachtet wurde. Das elektrische Verhalten kann man
natürlich auch nicht zur Differentialdiagnose mitheranziehen, da
die Art des Prozesses für die schwere Atrophie nod das Er¬
loschensein der elektrischen Erregbarkeit nicht io Betracht
kommt, sondern nur die Lokalisation. Es bleiben die Sensi¬
bilitätsstörungen. Auch diese bilden kein sicheres Argument für
eine der beiden strittigen Erkrankungen. Seit Oppenheim und
C. S. Freund weiss man, dass Sensibilitätsstörungen bei der
Sklerose durchaus nicht selteD sind, und dass sie gerade gern
distal auftreten. Allerdings nimmt man an, dass die Unbe¬
ständigkeit der Störungen, die hier nicht zu bemerken war,
typisch ist. Mit besonderer Vorliebe sind es Temperatur-
empfiodungsstörungen, die auch in unserem Falle vorhanden
waren. Bei der eigentlichen Poliomyelitis „anterior“ darf man
ja eigentlich keine Sensibilitätsstörungen erwarten, aber die Er¬
fahrung lehrt, dass bei der Kinderlähmung nicht selten solche
auftreten, was Marburg u. a. wohl mit Recht auf das häufige
Uebergreifen des entzündlichen Prozesses auf die Hinterbörner
zurückführen.
Das Resultat dieser Ueberlegung wird also wohl sein müssen,
dass man zu einem sicheren Schlüsse nicht gelangen kann. Rein
gefühlmässig neige ich immer noch mehr zu der Ansicht, dass
eine Kombination beider Krankheiten vorliegt, und könnte za
meiner Unterstützung die Möglichkeit anführen, dass das einmal
geschwächte Nervensystem der unbekannten Noxe, die den sklero¬
tischen Prozess herbeiführte, leichter zum Opfer fiel. Dies ist
aber zweifellos kein Gegenbeweis gegen die Möglichkeit, dass es
sich um zwei Attacken ein und derselben Krankheit handelt
Ich glaube, dass gerade die Schwierigkeit einer Entscheidung
den Fall noch interessanter macht, als es die blosse Aufzählung
einer Kombination zweier häufiger Krankheiten wäre.
Praktisch von Interesse dürfte es auch sein, dass ein so
schwerkranker Mann den Beruf eines Landrichters gut ausfüllon
kann und ausser einer leichten Ermüdbarkeit absolut keine
psychischen Erkrankungszeichen — bisher wenigstens — bietet.
Zur Diagnose der Appendicitis.
Von
C. ten Horn,
Oiirnrg am Mnriiiespltal Helder (Holland).
Wenn mao bei geöffneter Bauchhöhle das Bild einer akut
entzündeten Appendix vor sich sieht, bat man sieb wohl manch¬
mal schon die Frage vorgelegt, ob es ohne chirurgischen Eingriff
der Vis medicatrix naturae hätte gelingen können, die Entzündung
zu beseitigen und die Sache zum guten Ende zu führen. " ir
1) D. Zschr. f. Nervhlk., Bd. 52, H. 3.
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Original frnm
UNiVERSITY OF IOWA
28. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1903
wissen jetzt, dass die Fräboperation nicht allein den momentanen
Krankheitsprozess beendigt, sondern zugleich jede weitere Recidiv-
gefahr coupiert. Leider wird noch immer die Frühoperation, welche
jetzt im allgemeinen ein gefahrloser Eingriff ist, nicht genügend
geschätzt und der Grundsatz „der Frühoperation gehört die Zu¬
kunft“ nicht einheitlich anerkannt. Jeder Chirurg wird wohl
immer wieder Fälle mit schwerem Verlauf in Behandlung be¬
kommen, weil durch Abwarten die rechte Zeit der Operation vor¬
bei ist. Oft aber auch wird noch die Frühoperation nicht
rechtzeitig gemacht, weil eben die Diagnose nicht gestellt ist.
Seit einigen Jahren habe ich, zuerst auf der Klinik Lanz,
angefangen, die Patienten mit akuter Appendicitis genau zu be¬
obachten, und habe in der grossen Mehrzahl ein Symptom ge¬
funden, das meines Wissens nicht genügend bekannt ist, nämlich
Schmerz bei Zug am rechten Samenstrang.
Man muss bei der Prüfung jeden unnötigen Druck der Testes
vermeiden; am besten nimmt man den Samenstrang oberhalb des
Testis zwischen Daumen und Zeigefinger. Bei akuter Appendicitis
ist dieser Zug an der rechten Seite schmerzhaft, während der
gleiche Zug am linken Samenstrang keinen Schmerz hervorruft.
Das Symptom zeigte sich unter 20 Patienten ganz typisch in
15 Fällen. Nur zweimal fehlte es. In 3 Fällen war auch der
Zug am linken Samenstrang schmerzhaft, obwohl weniger wie der
gleiche Zug rechts; bei der Operation fand ich eine gangränöse
Appendix mit reichlichem sero fibrinösem Exsudat in der Bauch¬
höhle. Bei sämtlichen Patienten wurde durch Operation die
Richtigkeit der Diagnose bestätigt.
Dieser Zugschmerz lässt sich folgendermaassen erklären.
Wenn man am Samenstrang zieht, macht man eine Verschiebung
des parietalen Peritoneum in der Nähe des inneren Leistenringes;
diese Verschiebung ist bei Entzündung äusserst schmerzhaft.
Die Bedeutung, welche man diesem Symptom beimessen
könnte, darf keine grosse sein; denn dieser Zugschmerz gibt nur
auf indirektem Wege Aufklärung. Der direkte Weg mittels Pal¬
pation ist unbedingt wertvoller und nicht zu unterlassen; oft ist
mir der ängstliche Blick aufgefallen, mit welchem der Patient
die Untersuchung in loco verfolgt. Aber wegen der Häufigkeit
der Appendicitis hat eben jede Erscheinung seinen Wert.
In den oben citierten drei Fällen, bei denen nicht allein Zug
am rechten, sondern auch am linken Samenstrang schmerzhaft war,
handelte es sich offensichtlich um Entzündung des Peritoneum in
der Höhe beider Leistenringe. Diese Annahme würde durch den
Operationsbefund (gangränöse Appendix und viel Exsudat) be¬
stätigt. Ich habe bestimmt den Eindruck gewonnen, dass diese
Fälle mit Zugschmerz beiderseits zu den schwereren gehören;
es findet sich hier eine intensive Mitbeteiligung des parietalen
Peritoneum. Der Zogscbmerz am linken Samenstrang hat also,
wenn gleichzeitig mit Zngscbmerz am rechten Samenstrang be¬
steht, prognostische Bedeutung und weist auf progredienten
Charakter des Leidens.
Die Bedeutung in differential-diagnostischer Hinsicht kann
ich jetzt noch nicht feststellen. Zweimal habe ich bei Patienten,
welche im Kolikanfall durch rechtsseitigen Ureterstein unter der
Diagnose akuter Appendicitis aufgenommen wurden, das Symptom
nicht gefunden.
Nach Ablauf des Anfalls kann das Symptom während einiger
Zeit bestehen bleiben, verschwindet aber im allgemeinen schneller
wie die übrigen Symptome. Bei den chronischen Formen yon
Appendicitis, die niemals einen akuten Anfall überstanden haben,
fand ich diesen Zugschmerz am rechten Samenstrang niemals.
Dem Verhalten des Cremasterreflexes ist bei der akuten
Appendicitis eine erhebliche Bedeutung nicht beizumessen; man
findet zwar hier und da eine Herabsetzung des rechtsseitigen
Reflexes, aber diese Erscheinung war durchaus inkonstant.
Zusammenfassend weist meine Erfahrung auf folgendes hin:
1. Bei akuter Appendicitis ist in der grossen Mehrzahl der
Fälle Zug am rechten Samenstrang schmerzhaft.
2. Die gleichzeitige Anwesenheit von Zugschmerz am linken
Samenstrang deutet auf einen schwereren Anfall bin.
Bücherbesprechungen.
A. Linck: Das Cholesteatom des Schläfenbeins. Die Ohrenheilkunde
der Gegenwart und ihre Grenzgebiete (Otto Körner). Mit
7 Tafeln. Wiesbaden 1914, J. F. Bergmann. 131 S. Preis 7 M.
Die nooh recht zahlreichen offenen Fragen in der Pathologie des
Cholesteatoms hat L. unter Zugrundelegung eigener Erfahrungen und
der weitschichtigen Literatur zu klären unternommen. Der bisher gül¬
tigen Einteilung der Cholesteatome in kongenitale und sekundär-entzünd¬
liche tritt er bei. Die häufige Entstehung der letzteren durch Epithel¬
metaplasie gilt ihm als gesichert, während die Epidermiseinwanderung
nach seiner Meinung sehr viel seltener, als allgemein angenommen wird,
ätiologisch in Betracht kommt; insbesondere weist er die Bedeutung der
häufigen Perforation der Shrapnell’schen Membran und der chronischen
Tubenattacken für die Epidermiseinwanderung in den Atticus ab. Die
Wachstumenergie ruht nach Verf. in der Matrix, nicht in der von ihr
umhüllten toten Epidermismasse, und den Anreiz zur Weiterentwicklung
sieht er in Entzündungen oder Traumen der Umgebung. — Der Einfluss
dieser Geschwülste auf die Nachbargewebe zeigt sich in Druckatrophie
bzw. Druckusur; bei den verschieblichen Geweben der Umgebung wie
Dura, Sinus, Cerebrum kommt es zur Verdrängung und Kompression.
Tritt eine Entzündung in dem epidermoidalen Geschwulstgewebe ein, so
beherrscht diese mit ihren Folgezuständen das Bild, das sich nicht mehr
von dem des sekundären infizierten Cholesteatoms und seiner Einwirkung
auf die Nachbargewebe klinisch unterscheidet, wie Verf. in einem spä¬
teren Abschnitt nachweist.
Die spezifischen Gewebsvorgänge in dem sekundär-entzünd¬
lichen Cholesteatom, das Wachstum und die Desquamation, sieht Verf.
in der Hauptsache als Folgezustände der chronischen Entzündung der
Matrix und der weiteren Umgebung an, nicht in einer, wie vielfach an¬
genommen wird, komprimierenden Rückwirkung, wodurch die schon früher
vom Referenten aus seinen Untersuohungsergebnissen gewonnene An¬
schauung eine Bestätigung erhält. — Die Heilung eines kongenitalen
Cholesteatoms, die Verf. in einem weiteren Abschnitt behandelt, sah er
in einem Falle durch regressive Methamorphose der Matrix eintreten;
gewöhnlich kommt sie erst sekundär nach entzündlicher Zerstörung
einer Stelle des Sackes oder nach operativer Entleerung zustande,
während die Heilungsvorgänge im sekundär-entzündlichen Cholestea¬
tom nicht in Veränderungen der Matrix, sondern im Aufhören der
chronisch-entzündlichen Vorgänge ihrer knöchernen oder bindegewebigen
Unterlage, deren primäre und sekundäre Ursachen Verf. ausführlich ab¬
handelt, zu suchen sind. Das Hauptergebnis seiner Untersuchungen sieht
Verf. in der Förderung der Lösung des Differenzierungsproblems in der
Cholesteatomfrage, die er in der Verwertung bestimmter Anhaltspunkte
anatomischer und klinischer Natur für die Unterscheidung der ange¬
borenen von den sekundär-entzündlichen Cholesteatomen findet und ein¬
zeln ausführlich erörtert. Hält auch Verf. selbst am Schlüsse seines
Buches „die vielumdeutete und vielumstrittene Cholesteatom frage“ noch
keineswegs für gelöst, so hat jedenfalls seine eingehende kritische Arbeit
eine vorzügliche Grundlago für die weitere Erforschung derselben ge¬
schaffen. H. Haike-Berlin.
J. Kowarsehik: Die Diathermie. Zweite, verbesserte und ver¬
mehrte Auflage. Mit 63 Textfiguren. Berlin 1914, Julius Springer.
Preis 5,60 M.
Wenig über ein Jahr nach Erscheinen der ersten Auflage seines
Buches über Diathermie lasst K. dasselbe nun in zweiter Auflage er¬
scheinen, bei der er nicht nur die grosse Menge von seitdem erschienenen
Veröffentlichungen, sondern 9eine eigenen erweiterten Erfahrungen be¬
rücksichtigen konnte. Hat sich Ref. bei Besprechung der ersten Auf¬
lage des Werkes reserviert ausgesprochen, weil ihm eine zusammen¬
fassende Bearbeitung des Themas in Anbetracht der Kürze der Zeit, in
der Beobachtungen Vorlagen, verfrüht erscheinen musste, so ist er heute
in der erfreulichen Lage, in jeder Beziehung auf das Buch empfehlend
hinweisen zu können, das nicht nur in prägnanter Kürze und Vollstän¬
digkeit alles Notwendige bringt, sondern auch darum wohltuend wirkt,
weil es stets kritisch bleibt und sich von jedem Enthusiasmus fernhält.
Auch der klinische Teil des Buobes ist sachlich und übersichtlich. Was
dem Werke fehlt, ist ein Sachregister, das zur Erleichterung der Orien¬
tierung unbedingt notwendig ist. E. Tobias.
Leonor Michaelis: Die Wasserstoffioaen-KoDzentration. Mit 41 Text¬
figuren. Berlin 1914, Julius Springer. 210 S. Preis 8 M.
Das Werk ist der erste Band einer Sammlung von Monographien
aus dem Gesamtgebiet der Physiologie der Pflanzen und der Tiere, deren
Redaktion in den Händen von Czapek und Parnas liegt. Wir müssen
Michaelis ausserordentlich dankbar seio, dass er in seiner bekannten,
klaren Darstellungsweise einen Ueberbliok über dieses Gebiet gibt, dessen
Wichtigkeit für alle biologischen Phänomene sehr hoch einzuscbätzen ist.
Niemand könnte kompetenter als Michaelis sein, die Biologen mit
diesen theoretisch und experimentell so schwierigen Forschungen bekannt
zu machen, da er ja fast alle Teilfragen selbst grundlegend bearbeitet
hat. M. Jacoby-Berlin.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 9. November 1914.
Vorsitzender: Herr Bonhoeffer.
Schriftführer: Herr Henneberg.
Qr. Bonhoeffer erstattet Bericht über die Kriegsspende aus
der Vereinskasse in Höhe von 6000 M.
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UMIVERSITY OF IOWA
1964
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 52.
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Die Gesellschaft beschliesst den -vereinigten ärztlichen Gesellschaften
beizutreten, daneben aber -wie bisher Sitzungen abzuhalten. !
1. Hr. Rothmann: Demonstrationen von Schädelschüssen.
Zuerst demonstriert Vortr. Patienten mit Schüssen durch den Schädel
dicht unterhalb des Gehirns: a) Leutnant K., 16. IX. 1914 Schuss rechts
am Jochbein dicht unter dem Auge, Ausschuss rechts am Nacken dicht
unter dem Hinterhauptsknochen. Zuerst geringe Bewegungsbehinderung
des rechten Auges nach oben und unten, die bald zurückgiog. Anfangs
totale Taubheit des rechten Ohres; jetzt Knochenleitung annähernd in¬
takt, geringe Besserung des Gehörs. Einige Knochensplitter aus dem
Ohr entfernt. Totale Facialislähmung, bis vor kurzem mit totaler Ent¬
artungsreaktion; jetzt bereits träge galvanische Reaktion vom Nerven¬
stamm. Totale rechtsseitige Pterygoideuslähmung bei sonst intaktem
motorischem und sensiblem Trigeminus. Prognose günstig. — b) Ge¬
freiter St., 10. IX. 1914 Einschuss links dicht oberhalb des inneren Augen¬
winkels. Ausschuss rechts im Nacken ungefähr in Höhe des Accessorius-
austritts. Linkes Auge zerstört und am 13. X. entfernt (San.-Rat
H. Lehmann). Wundbehandlung Prof. Holiaender. Einige Knochen¬
splitter durch Nase entfernt. Starke Bewegungsbehinderung des Kopfes
nach allen Seiten, die sich unter elektrischer Behandlung rasch bessert.
Massige Atrophie der rechtsseitigen kurzen Nackenmuskeln. Parese und
Atrophie des rechten Sternocleidomastoideus und oberen Gucullaris mit
partieller Entartungsreaktion. Prognose zweifellos gut. Weitere Schädi¬
gungen hat dieser Schuss quer durch den ganzen Schädel nicht hervor¬
gerufen. — Es folgen zwei Demonstrationen von Hirnläsionen mit Aphasie:
c) Infantrist Br., 2. X. 1914 Streifschuss an der linken Schläfe. Sprache
sofort bis auf „ja“ und „was“ völlig geschwunden bei erhaltenem Wort¬
verständnis und leidlich erhaltenem Schreibvermögen. Es entwickeln
sich Hirndruckerscheinungen mit Pulsverlangsaraung (46 Schläge). 8. IX.
Trepanation (San.-Rat Lithauer). Ringförmige Fraktur im oberen Teil
der Schläfenbeinschuppe; es werden mehrere Knochensplitter zwischen
Dura und Schädel entfernt. Keine Blutung; die Dura wird nicht er¬
öffnet. Während der Operation Krampf im rechten Facialisgebiet, der
auf die rechte Körperhälfte übergreift. Sofort nach der Operation Zu-
rüekgehen der Hirndrucksymptome. Am 12. X. konstatiert Vortr. einen
wesentlichen Rückgang der motorischen Aphasie, die jedoch, vor allem
bei der Spontansprache, noch sehr beträchtlich ist. Starke amnestische
Aphasie. Dejerine-Lichtheim’sche Probe (Silbenzählung) intakt. Beim
Spontansohreiben massige Paragraphie. Wortverständnis völlig intakt.
Geringe rechtsseitige Facialisparese. Leichte linksseitige Ptosis. An¬
deutung von Apraxie im rechten Arm. Jetzt kann Vortr. völlige Wieder¬
kehr der Sprache, die nur noch etwas verlangsamt ist, demonstrieren.
Geringer Rest der rechtsseitigen Facialisparese, leichtes Vorbeigreifen des
rechten Arms nach links bei der Greifprobe (Rothmann). Der Fall
zeigt die Wichtigkeit der konservativ-chirurgischen Behandlung (Nicht¬
eröffnung der Dura). Das motorische Sprachcentrum war offenbar nur
durch Kontusion geschädigt. — d) Musketier Sch. (da Patient nicht
erschienen, wird der Fall nur kurz referiert). Schussverletzung Ende
August. Einschuss linke Stirnhälfte Haarand, 3 cm von der Mittel¬
linie. Ausschuss linkes Hinterhauptbein, Höhe des oberen Ohrrandes,
4 cm von der Mittellinie. Am 18. X. Parese von Facialis und Zunge
rechts, starke Parese des rechten Arms, Ataxie des rechten Beins. Rechts
Patellarclonus, kein Babinski, typisch hemiplegischer Gang. Störung des
linken Arms beim Greifversuch. Massige rechtsseitige Hemianästbesie.
Geringe Störung des Wortverständnisses, massige motorische Aphasie mit
Paraphasie. Nicht komplette Hemianopsie nach rechts. Spontanschreiben
(linke Hand fast ganz intakt. Lesevennögen vorhanden mit schwer ge¬
störtem Leseverständnis. Farbensinn intakt. Jetzt (8. XI.) Lähmung
des rechten Arms geschwunden. Massige Apraxie, starkes Vorbeigreifen
des rechten Arms beim Rothmann’schen Greifversuch trotz intaktem
Bäräny’schem Zeigeversuch. Stereognostischer Sinn rechts aufgehobeD.
Hemianopsie weiter zurückgegangen, Sprache fast völlig intakt. Der
Schuss geht vom medialen Teil der Präcentralregion nach aussen und
hinten durch oberen Teil des Opercuhim, obere Schläfenwindung und
Convexität des Hinterhauptlappens. Die erstaunlich geringen Ausfalls¬
erscheinungen zeigen deutlich die geringe Bedeutung der Diaschisis beim
jugendlichen intakten Gehirn. Den Fall verdankt Vortr. Herrn San.-
Rat Levinstein (Maison de Sante). — Zum Schluss demonstriert Vortr.
Tetanuskulturen, die bei einem an Tetanus gestorbenen Musketier
14 Tage nach einer KnöchelverletzuDg aus der Fusswunde heraus ge¬
züchtet worden sind.
Diskussion.
Hr. Moeli fragt, wie sich Fälle wie R.’s Fall c verhalten, wenn
beide Arme gleichzeitig erhoben werden.
Hr. M. Rothmann: Auf die Anfrage des Herrn Moeli möchte R.
erwidern, dass ein Zurückbleiben des Arms mit gestörtem Greifversuch
beim Heben beider Arme nicht unbedingt notwendig ist, aber häufig
vorkommt. Der Greifversuch ist, wie R. auf Grund zahlreicher Beob¬
achtungen, vor allem an Hemiplegischen, in letzter Zeit feststellen
konnte, ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel, das häufig mit den
übrigen Methoden nicht festzustellende Störungen der Grosshirnfuoktion
aufdeckt. R. möchte daraufhinweisen, dassHorsley bereits 1905 einen
Zeigeversuoh mit graduierter Platte angegeben hat, der gleichfalls gute
Dienste leistet. R. wird demnächst diese Verhältnisse ausführlich be¬
sprechen.
2. Hr. Cramer:
Lähmung der Sohlenmusknlatur hei Verletzung des N. tibialis.
Vortr. berichtet über vier Fälle von Lähmung der Sohlenmusku¬
latur bei Schussverletzung des N. tibialis, von denen drei demonstriert
werden. Die Läsionsstelle lag in allen Fällen so, dass die Aeste des
Tibialis für die Unterschenkelmuskulatur nicht geschädigt wurden, so
dass sich die Ausfallssymptome auf den Fuss beschränkten. Der ob¬
jektive Befund ist relativ geringfügig und kann bei oberflächlicher Be¬
trachtung leicht übersehen werden. Im Gegensatz hierzu stehen die
meist nicht unerheblichen subjektiven Beschwerden. Die Lähmung er¬
streckt sich auf den Flexor digitorum brevis, die Muskeln des Gross¬
und Kleinzehenballens und die Interossei. In diesen Muskeln ist je
nach der Schwere der Läsion totale oder partielle Entartungsreaktion
nachweisbar. Der motorische Ausfall äussert sich vor allem in einer
Parese der Zehenbeugung; diese Bewegung kann jedoch infolge des Er-
haltenseins des Flexor digitorum longus in normalem Umfange aasge¬
führt werden. Die Lähmung der Interossei prägt sich in einer leichten
Krallenstellung der Zehen aus, die jedoch bei der Frische der Läsion
noch nicht sehr ausgesprochen ist. Die Sensibilitätsstorung nimmt das
Gebiet des Tibialis an der Fusssohle ein. Die subjektiven Beschwerden
bestehen in Parästhesien und Taubheitsgefühl an der Fusssohle, was
direkt auf diese Nervenläsion zu beziehen ist. Ferner bestehen heftige
Schmerzen im Fuss beim Auftreten; diese sind wahrscheinlich zurück¬
zuführen auf die Veränderungen, die der Ausfall der kleinen Fussmus-
kein in der Statistik und Mechanik des Fusses bewirkt. (Die ausführ¬
liche Publikation erfolgt in der Monatsschrift für Psychiatrie und Neu¬
rologie.)
Diskussion.
Hr. M. Rothmann hat eine, den Cramer’schen Fällen völlig ana¬
loge Beobachtung gemacht. Bei einem Offizier, der am 12. V1H. einen
Schuss durch den Unterschenkel bekommen hatte, trat eine leichte
Peroneusparese und eine vollständige Gefühllosigkeit der Planta pedis
auf. Erst nach 10 Tagen entwickelten 9ich heftige Schmerzen in der
Fusssohle. Nur im ersten Anfang soll eine geringe Behinderung der
Abwärtsbewegung der Zehen bestanden haben. R. konstatierte Mitte
September die Anästhesie der Fusssohle mit stärksten Schmerzen ohne
die geringste motorische Störung im Tibialisgebiet. Beweist schon diese
Beobachtung, dass der Verstreb, die Schmerzen aus der Störung der
Statik des Fusses zu erklären, nicht zutreffend sein kann, so ergibt sich
das weiterhin aus mehreren Beobachtungen R.’s, bei denen die gleichen
Schmerzen bei Armschüssen in der Vola manus aufgetreten sind. R.
betont als ein Gharacteristieum der Schussverletzung der peripheren
Nerven die Schwere und Persistenz der Sensibilitätsstörungen, und die
heftigen Schmerzattacken. Therapeutisch haben neben den sonst übliches
Mitteln Injektionen von Novocain-Suprareninlösungen in die Umgebung
1 des Schusskanals ausserordentlich gute Dienste geleistet.
Hr. Oppenheim: Die sich auf den distalen Abschnitt des N. tibialis
posticus beschränkenden Lähmungen sind auch nach meiner Erfahrung
recht selten und können leicht übersehen werden. Ich habe einige Fälle
dieser Art gesehen und glaube sie auch im Lehrbuch geschildert bzw.
an der Hand derselben die Symptomatologie entworfen zu haben 1 ). Wer
allerdings gewohnt ist, in jedem Falle eine gründliche elektrische Unter¬
suchung vorzunehmen und dabei auch die Sohlenmuskulatur nicht un¬
berücksichtigt lässt, kann sie nicht übersehen. In einem meiner Fälle
lag eine Alkoholneuritis vor, die sich auf diesen Nerven beschränkte,
in anderen eine Verletzung in der Knöchelgegend. Auch unter den
Kriegsverletzungen der peripheren Nerven, deren ich in den letzten
Monaten eine sehr grosse Zahl gesehen habe, ist mir eine begegnet, die
genau den von Cramer vorgestellten entsprach. Die von ihm gegebene
Erklärung der Schmerzhaftigkeit beim Auftreten halte ich für eine zu¬
treffende. — Was die von Herrn Rothmann angeschnittene Frage der
Schmerzen bei den Kriegsverletzungen der Nerven überhaupt anlangt,
so verdient sie bei der demnächst stattfindenden allgemeinen Diskussion
aufs gründlichste erörtert zu werden. Die Bekämpfung dieser traumatisch-
neuritischen Schmerzen bildet eine der wichtigsten und schwierigsten
Aufgaben der Kriegsneurologie. Es ist noch nicht recht aufgeklärt, wie
es kommt, dass diese Schmerzen nur bei einem Teil der Nervenverletzten
auftreten, während andere ganz schmerzfrei ausgehen. Ganz allgemein
kann ich nach meinen Erfahrungen sagen, dass es die partiellen Läh¬
mungen sind, welche mit den heftigen Schmerzattacken verknüpft sind,
aber es gibt Ausnahmen nach beiden Richtungen, und es spielen sicher
noch andere Faktoren eine Rolle. So ist es auffallend, wie oft gerade
diese schmerzhaften Neuritiden mit allgemeinen Neurosen und Psychosen
einbergehen. Worauf beruhen diese Wechselbeziehungen? Ich werde
auf diese Frage zurüokkommen.
Hr. Schuster: Ich darf vielleicht zuerst bemerken, dass ich einen
der von Herrn Oppenheim als sehr selten charakterisierten Fälle, bei
welchen es sich um eine isolierte Schädigung eines Tibialisastes handelte,
untersuchen konnte. Ein Mann hatte sich eine grosse Wunde auf der
Fusssohle zugezogen und zeigte von objektiven Erscheinungen lediglich
eine — auch elektrisch nachweisbare — Lähmung der Interossei des
Fusses sowie eine Sensibilitätsstörung der lateralen Fusssohlenpartie.
handelte sich offenbar um eine Durchschneidung des N. plantaris eiternus
(Astes des N. tibialis), welcher die Interossei und die Sensibilität in dem
fraglichen Gebiet versorgt. Der Fall betraf übrigens keine Kriegsver¬
letzung. Von Kriegsverletzungen der Unterschenkelgegend habe 1C “
liehe Bilder, wie sie Herr Cramer zeigte, gesehen. Ausserdem s&n i
I) Leider trifft das nicht zu. Es findet sich auch in meinem Lehr
buch nur eine generelle Darstellung des N. tib. posticus ohne spezie
Berücksichtigung der im Fussabschnitt lokalisierten Form.
Gougle
Original frum
UMIVERSITY OF IOWA
28. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1965
einen Flieger, der von unten her einen Sohuss in die Wade bekommen
und eine totale Peroneuslähmung davongetragen hatte. Ein anderer
Soldat hatte einen Quersohuss durch die Wade erhalten und gar keine
motorischen, sondern nur sensible Störungen im Bereiche eines Hautastes
des N. peroneus dargeboten. Die von den Herren Vorrednern betonten
Beobachtungen hinsichtlich der Häufigkeit intensiver Schmerzen bei Ver¬
letzungen peripherischer Nerven konnte ich gleichfalls machen. Dabei
möchte ich bemerken, dass ich die (auch von Herrn Cramer hervor-
gehobeneo) Schmerzen im Fuss bei Lähmung der kleinen Fussmuskeln
in der gleichen Weise erklären möchte, wie dies Herr Cramer getan
hat, nämlich als Dehnung 9 schmerzen, periostale Druckschmerzen usw.
Der von mir soeben erwähnte Fall der Verletzung des N. plantaris ex-
ternus hatte Beschwerden, die an die Plattfussbeschwerden erinnerten,
wenn auch sein Gang ein anderer war. Die Schmerzen, welche ich bei
Nervenverletzungen an den oberen Extremitäten sah, beschränkten sich
manchmal nicht streng auf den verletzten Nerv, sondern verallgemeinerten
sich auf den ganzen Arm, ohne dass sonst Zeichen einer neurotischen
Erkrankung Vorlagen.
3. Diskussion zur Tetanosdemonstr&tion des Herrn Rothmann.
Hr. Rothmann betont im Anschluss an die Demonstration der
Tetanuskulturen die anscheinende Unwirksamkeit des Tetanusserums,
selbst bei intralumbaler Anwendung von 100 I.-E. (16,5 ccm). Hier
werden nur prophylaktische Injektionen in die Umgebung der be¬
schmutzten Wunden draussen im Felde nützen können. Gutes bat R.
von der Magnesium sulf.-Bebandlung gesehen, wenigstens symptomatisch.
Allerdings ist die intralumbale Behandlung der transitorischen Lähmungs¬
erscheinungen wegen nicht empfehlenswert. R. rät dringend zu der von
A. Falk auf Grund seiner Erfahrungen beim Tetanus neonatorum emp¬
fohlenen Subcutanbehandlung mit 30proz. Magnesium sulf.-Lösung mit
Einzelgaben von 9 g und darüber. Die Krämpfe werden wenigstens vor¬
übergehend coupiert. Ueber die Wundbehandlung beim Tetanus, die ja
bei der langen Vitalität der Bacillen in der Wunde von grösster Be¬
deutung ist, wird uns vielleicht Herr Borchardt etwas sagen können.
Hr. Borchardt: Unbeschadet der guten Resultate interner Therapie
müssen schmutzige Wunden unbedingt chirurgisch behandelt werden.
Hr. Lewandowsky: Man sollte vielleicht nach der Jonesco’schen
Methode Antitoxinserum ins Cervicalmark injizieren. Infolge der kon¬
zentrierten Wirkung am Orte der Hauptgefahr würde ein geringeres
Quantum genügen.
Hr. Unger: Es ist vorgeschlagen worden, das Serum direkt in die
Carotis interna zu injizieren. U. selbst hat in einem Falle grosse Serum¬
mengen in die vorher freigelegte Arteria ulnaris eingespritzt. Der Pat.
ist geheilt.
Hr. Lewandowsky: Bei intraarterieller Injektion dürfte die grösste
Menge des Serums durch die Kapillaren in den venösen Kreislauf gehen.
Es ist fraglich, ob dabei etwas ins Gehirn gelangt.
Hr. Rothmann (Schlusswort) hat auch, wie Lewandowsky, an
die Injektion des Tetanusserums an der Jonesco’schen Stelle im 1. Dor¬
salsegment, oder noch besser an der Cysterne am 4. Ventrikel gedacht,
allerdings in Kombination mit der Lumbalpunktion, so dass die unten
entzogene Lumbalflüssigkeit durch das oben injizierte Serum ersetzt wird.
Denn zweifellos werden die Centren des Bulbus und des oberen Rücken¬
marks am meisten affiziert.
4. Hr. Benda demonstriert den anatomischen Befund eines Rücken-
M&rksciiliig. (Erscheint demnächst im Neurol. Centralbl.)
Natnrhistorisch-medizinischer Verein zu Heidelberg.
Sitzung vom 24. November 1914.
(Kriegsmedizinischer Abend.)
Vorsitzender: Herr Moro.
Schriftführer: Herr Homburger.
Hr. Moro beobachtete einen Soldaten, welcher eine Stunde nach der
ersten Typhusschutzimpfung Fieber (39 °) und einen Schüttelfrost bekam.
Die Temperatur erreichte nach einigen Stunden 40°; Patient klagte
über Schwindel, Uebelkeit und Kopfschmerzen. Das Symptomenkomplex
erinnerte an eine anaphylaktische Reaktion. Der Patient hat auf ein
genaues Ausfragen angegeben, dass er vor einem Jahre Typhus durch¬
gemacht hat. Es wäre empfehlenswert, anamnestisch in jedem Fall fest¬
zustellen, ob der Patient früher an Typhus erkrankt war, um in diesen
Fällen die Schutzimpfung zu unterlassen.
Hr. B. 6 . Schmidt: Extremitätenschüsse.
Im chemischen Universitätslaboratorium wurde eine Anzahl französi¬
scher Infanteriegescbosse einer chemischen Analyse unterzogen. Diese
Projektile sollen 90 pCt. Kupfer, 6 pCt. Zink und 4 pCt. Nickel ent¬
halten. Der Gehalt an Kupfer betrug aber 90—93 pCt. und an Zink
10 bzw. 7 pCt.; Nickel war nicht vorhanden. Durch Zinkzusatz wird
die Oxydierbarkeit des Kupfers stark vermindert, Nickel verleiht der
Legierung eine grössere Härte. Das Gewicht der Pulverladuog betrug
2 g statt 2,7 g: sie bestand aus nitrierten, mit Graphit überzogenen
Cellulosetäfelchen. Duroh Hämmern Hessen sich die Geschosse leicht
deformieren. Engländer benutzen zwei Arten von Projektilen; die eine
Art lässt sich durch eine an den Gewehren angebrachte Vorrichtung
leicht in Dum-Dum-Gesohosse um wandeln. Vortr. hat in der letzten Zeit*
aus der Gegend von Arras eingetroffene Soldaten behandelt, bei welchen
starke explosive Verwundungen den Missbrauch derartiger Geschosse ,
nicht verkennen lassen. Unter den Extremitätenverletzungen sind Weioh-
teilschüsse viel häufiger als Frakturen. Je stärker kontrahiert die Mus¬
keln im Momente der Verletzung sind, um so grösser ist der von ihnen
geleistete Widerstand und um so grösser die durch den Schuss entstan¬
dene Zerstörung der Gewebe. Die Lokalisation der Weiohteilschüsse ist
oft typisch. So kann man sehr häufig Verletzungen der Umgebung der
Achselhöhle beobachten, ebenso die des obersten Teils des Oberarms;
typisch sind auch Durchschüsse des Oberarms zwischen seinem mittleren
und unteren Drittel mit Radialislähmung. Am Unterarm sieht man häufig
quer verlaufende Durchschüsse oder solche in der Richtung vom Hand¬
gelenk nach dem Ellbogen. An der Hand kamen oft Durchschüsse
zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger vor, auffallend ist auch die
Häufigkeit der Verletzung des dritten Metakarpalknochens durch einen
Schuss von der Volar- nach der Dorsalseite der Hand. Der Heilungs¬
verlauf unkomplizierter Weichteilwunden ist meist glatt. Da die Ge¬
schosse in Kriegszeiten meist aus wenig oder selten geputzten Gewehren
abgefeuert werden, so können sie als steril betrachtet werden, da sie
sich infolge der Reibung im unreinen Gewehrlauf erhitzen. Bei infizierten
Wunden soll man mit breiten Inzisionen nicht lange zögern; die Fascien
werden dabei quer durchschnitten, damit die Ränder des Schnittes nicht
zu früh verkleben und auf diese Weise das Abfliessen des Eiters hin¬
dern. Bei Gasphlegmonen ist die Behandlung mit Wasserstoffsuperoxyd
zu empfehlen. Die durch Granatsplitter verursachten Wunden waren
nur in denjenigen Fällen infiziert, in welchen der Verband zu häufig
gewechselt wurde. Iofanteriegeschosse rufen an den langen Röhren¬
knochen häufiger Läogsbrüche hervor, als zu erwarten war; Lochschüsse
sind dagegen selten; schwere Komminutivfrakturen werden häufig beob¬
achtet. Bei Knochensteckschüssen werden viel häufiger Schrapnellkugeln
als Infanteriegeschosse gefunden. Für den Transport sind Gipsverbände
zu empfehlen. In den Heimatlazaretten werden sie abgenommen und
durch neue Gipsverbände oder durch Sohienen ersetzt. Als billiges und
bequemes Schienenmaterial hat sich gelochtes und vernickeltes Messing
bewährt.
Hr. Baisch: Gelenkverletzungen.
Ueber die Prognose der Gelenkverletzungen entscheidet in erster
Linie das Vorhandensein oder Fehlen der Infektion. Küttner sagte mit
Recht, dass der erste Verband und der Transport für die Infektion und
den weiteren Verlauf der Wunden maassgebend sind. Gefensterte Gips¬
verbände bzw. Brückengipsverbände sind für den Transport am geeig¬
netsten. Bei den Gelenkverletzungen sollen statt der Bindenverbände
Tücher angewandt werden, weil sie sich beim Verbandwechsel leichter
abnebmen lassen. Ruhigstellung der verletzten Gelenke spielt eine
äusserst wichtige Rolle; sie soll in leichteren Fällen 10—12 Tage dauern,
bei schwereren Infektionen mindestens 3—4 Wochen. Durch zu frühe
Mobilisierung kann eine latente Infektion zum Aufflackern gebracht wer¬
den. Bier’sche Stauung beeinflusst günstig die Schmerzhaftigkeit der
Gelenke. Bei Vorhandensein von septischen Erscheinungen sollen nur
Amputationen, dagegen keine Resektionen ausgeführt werden. Pyo-
cyaneusinfektionen werden durch Sublimatspülungen und -Umschläge,
sowie durch Jodierung der Umgebung erfolgreich bekämpft und bilden
keine dringende Indikation für das Absetzen der betreffenden Extremität.
Vortr. hat bisher 48 von Gelenk Verletzungen beobachtet, abgesehen von
Finger- und Zehengelenken. Obere und untere Extremität waren unge¬
fähr gleichmässig betroffen. Das Schulter- und das Hüftgelenk sind den
Schüssen wenig exponiert, weil sie durch dicke Muskelmassen geschützt
sind; sie werden daher seltener verletzt als das Knie- und das Ellbogen¬
gelenk. Bei Verletzungen des Handgelenks entstehen leicht Sehnen¬
nekrosen ; sie bilden eine Infektionsquelle, am Handgelenk sind daher
Infektionen fast die Regel. Verletzungen des Kniegelenkes sind eben¬
falls maligne, weil die zahlreichen Buchten and Taschen die Resorption
von Giftstoffen begünstigen. Die 48 Fälle verteilen sich auf die ein¬
zelnen Gelenke folgendermaassen: Schultergelenk 6 , Ellbogengelenk 12,
Handgelenk 5, Hüftgelenk 1, Kniegelenk 18, Fussgelenk 6 . 3 Patienten
sind der Infektion erlegen (= 6 , / 3 pCt.).
Diskussion: HHr. Kasbaum, Heddaeus, Schmidt, Baisch.
Halpern.
K. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien.
Sitzung vom 20. November 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Gatscher stellt einen Soldaten mit einem Aneurysma der A.
brachialls nach Schussverletzung am Oberarm vor.
In der Mitte des linken Sulcus bicipitalis int. sitzt eine Geschwulst,
welche pulsatorisches Schwirren zeigt. Pat. hat Sensibilitätsstörungen
im Bereiche des Medianus, motorische Störungen sind nur in geringem
Grade vorhanden.
Ferner führt Hr. Gatseher einen Mann mit einer Maskelhernie vor,
welche vor 3 Jahren beim Heben einer Last plötzlich am linken Ober¬
arm entstanden ist.
Hr. Haatmaia demonstriert einen Mann mit Ergraaen toi Haaren
nach einem elektrischen Unfall.
Patient wurde von einem starken Drehstrom getroffeD, welcher von
beiden Händen duroh den Körper ging. Er blieb 8 Minuten im Strom¬
kreis eingeschlossen und wurde ohnmächtig. Nach einiger Zeit stellte
sieb Haarausfall auf der linken Kopfhälfte ein, dann fielen die Barthaare
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UNIVERSUM OF IOWA
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an der linken Seite aus. Die Haare wuobsen nach, waren aber voll¬
ständig weiss, ebenso die Augenbrauen und Wimpern an der linken Seite.
Ferner demonstriert Hr. Hantmani einen Mann mit einer im Gehirn
steckenden Kogel.
Patient hat die Scbussverletzung vor IV 2 Jahren wahrscheinlich bei
einem Selbstmordversuch erlitten, das Projektil ist in der rechten Schläfe
eingedruDgen und sit 2 t nach dem Ergebnisse der Röntgenuntersuchung
anscheinend im Gehirn. Patient hat mit diesem Projektil den Feldzug
mitgemacht, er wurde in der letzten Zeit infolge Alkoholabusus hemi-
paretisch, die Lähmung ist jetzt gebessert.
Hr. Krans-Karlsbad zeigt Verbände ans Stentmasse für Finger-
Verletzungen.
Die Masse wird von Zahnärzten zu Abdrücken benützt. Zum Zwecke
des Verbandes wird sie in heissem Wasser erweicht, sie nimmt dann
jede Form an und erstarrt binnen wenigen Minuten. Sie eignet sich
besonders für konservative Behandlung von Phlegmonen, Gelenkeröffnung
und Knochenzertrümmerung.
Hr. Krao8 stellt ferner einen Mann mit einem Kopf- ond Halsschass
ohne Verletzung von Gefäsien nnd Nerven vor.
Das Geschoss ist am äusseren rechten Orbitalrand eingetreten und
ist unter dem linken Kieferwinkel stecken geblieben. Die Einschuss¬
stelle ist reaktionslos verheilt, Patient verlor nach der Verletzung nicht
das Bewusstsein und hatte nur ein leichtes Schwindelgefühl, er spuckte
Blut aus und das Schlingen war erschwert. Er machte einen dreitägigen
Transport durch. In den Weichteilen des Halses sass die Schrapnell¬
kugel, welche entfernt wurde. Das Geschoss muss von der Einschuss¬
stelle die rechte Highmorshöhle und den Pharynx, sodann die Halsregion
unter Schonung von Nerven und Gefässen passiert haben.
Hr. Exner: J. Robert Mayer (zu seinem 100. Geburtstag).
Sitzung vom 27. November 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Tandler demonstriert anatomische Präparate, welche Klärung
ia die Frage bringen, warum bei Verletzungen des Ischiadicus-
stammes der Peroneus zuerst Ausfallserscheinungen zeigt.
Im Isohiadicus liegen die Anteile des Peroneus oberflächlich, werden
daher leichter lädiert als die für den Tibialis bestimmten Fasern. Bei
hoher Teilung dieser beiden Nerven geht manchmal zwischen ihnen der
Muse, pyriformis durch. Stoffel hat auf die praktischen Konsequenzen
dieses Verhaltens des Ischiadicus aufmerksam gemacht.
Hr. Kofler stellt 4 Soldaten mit Schnssverletznngen der oberen
Luftwege vor.
1 . Schuss durch die linke Wange, Austritt 3 cm hinter dem rechten
Ohr in der Nackengegend. Das Geschoss drang durch den Boden der
Kieferhöhle, schlug den zweiten Molarzahn aus und drang unter dem
weichen Gaumen durch den Pharynx. Patient hat eine Kieferhöhlen¬
eiterung, welche bereits unter der Behandlung gebessert ist, und eine
Parese der rechten Gaumensegelhälfte.
2. Verletzung durch eine Schrapnellkugel, welche den umgekehrten
Weg nahm wie im ersten Falle. Die Folgen waren eine leichte Störung
der Sprache, Parese der linken Gaumensegelhälfte und des Sympathicus
(die rechte Pupille ist weiter).
3. Verletzung durch 2 Sobrapnellkugeln. Die erste draDg in der
Nasenmitte ein, verletzte das Nasengerüst, perforierte den harten Gaumen
und blieb in der Nähe der rechten Tonsille stecken. Die zweite Kugel
drang oberhalb des Sternoclavikulargelenkes ein und blieb neben der
Brustwirbelsäule stecken. Durch die Halswunde drang Luft aus. Patient
konnte 14 Tage lang keine festen Speisen geniessen.
4. Eine Gewehrkugel drang in der Mitte des Nasenrückens ein,
durchschlug den harten Gaumen, gelangte in den Pharynx und den
Recessus pyriformis und kam unterhalb der Incisura thyreoidea zum
Vorschein.
Hr. Ebel stellt 2 Fälle vor, bei welchen Blutstillung an grossen
Gefässen ohne Naht vorgenommen wurde.
Der erste Patient erlitt eine Schussverletzung, das Geschoss drang
durch die Nase ein, ging durch den Unterkiefer, erzeugte am Halse
und am Brustkörbe eine offene Wunde und blieb unter der Haut über
dem Sternum stecken. Da die Wunde am Thorax einen übelriechenden
Eiter secernierte, wurde sie eröffnet, wobei sich herausstellte, dass die
linke Schlüsselbeinhälfte und Teile der ersten Rippe zertrümmert waren.
Es entstand eine starke Blutung aus mehreren grossen Venen des Halses,
wegen Morschheit des Gewebes hielt keine Ligatur. Es wurden daher
durch Peans die Ränder der eröffneten oder seitlich an geschlitzten
Venen so lange zusammengehalten, bis die Gefässwände verwachsen
waren, was nach ungefähr 6 Tagen der Fall war.
Im zweiten Falle handelte es sich um eine analoge Sohussverletzung
der Venen an der linken Halsseite, wobei auch der Facialis lädiert war.
Die Behandlung wurde wie im ersten Falle durchgeführt.
Im dritten Falle war es infolge einer Scbussverletzung zu einer
Kontraktur der Halsmuskeln gekommen. Die Narbe wurde ausgeschnitten
und die Deckung durch Autoplastik durebgeführt.
Hr. Ebel macht ferner eine Mitteilung über eine Modifikation der
Narkose.
Patient wird nicht unter einer Maske narkotisiert, sondern es wird
ihm nach Bestreichung des Gesichtes mit Vaselin eine 6—8fach zu¬
sammengelegte Mullkompresse über Mund und Nase gelegt und die
Narkoseflüssigkeit (1 Teil Chloroform und 9 Teile Aether) aufgetropft
Hr, Klein stellt einen Fall von geheiltem Tetanns vor. F
Patient erlitt durch eine Maschinengewehrkugel einen teilveiseo
Abschuss des rechten Mittel- und Zeigefingers. Er wurde von einen
seiner Kameraden mit einem sohmutzigen Schnupftuch verbunden, ein
kunstgerechter Verband wurde erst auf dem Hilfsplatz angelegt ’ Der
Verletzte bekam nach 2 Wochen Tetanus und verlor für 6 Tage das
Bewusstsein. Die verletzten Finger wurden abgetragen und es wurden
40 ccm Tetanusantitoxin intralumbal injiziert, die Injektion wurde nach
weiteren 3 Tagen wiederholt. Ausserdem bekam Patient Morphium,
Chloralhydrat und warme Bäder. Am 19. Tage wurden die Krämpfe
seltener und am 25. Tage hörte der Trismus auf.
Hr. Wiesel: Zar Behandlung des Tetanns.
Vortr. hat 15 Fälle von Tetanus beobachtet, von diesen sind 2 ge¬
heilt, 2 sind noch in Pflege, die übrigen sind gestorben. Unter den
letzteren sind 2 moribund eingeliefert worden. Bei keinem Falle war
eine prophylaktische Antitoxininjektion auf dem Schlachtfelde ror-
genommen worden.
In dem einen geheilten Falle, welcher eine phlegmonöse, mit
nekrotischen Fetzen belegte Schrapnellschussverletzung am rechten
Oberarm hatte, ist der Tetanus am 4. Tage nach der Verletzung auf¬
getreten. Nach dem Erscheinen des Trismus wurden 100 Antitoxin-
einbeiten lumbal injiziert, die Einspritzung wurde am nächsten Tage
wiederholt, es trat keine Besserung auf. Darauf wurde intraneural eine
Injektion von 400 Antitoxineinheiten in den Plexus vorgenommen, der
Tetanus zeigte auch dann keine Besserung. Diese trat erst später auf,
Patient war nach 3 Wochen geheilt.
In 3 Fällen war die intraneutrale Injektion von 400 Antitoxin-
einheiten in den Plexus brachialis bzw. Ischiadicus und Femoralis er¬
folglos, obwohl am nächsten Tage 100 Antitoxineinheiteu intralumbal
injiziert wurden. Alle 3 starben, einer an den Krämpfen, 2 an hypo-
statischer Pneumonie.
Eine Beeinflussung des Krankheitsprozesses durch das Antitoxin in
günstigem Sinne ist kaum nachzuweisen. Wichtiger war die symptoma¬
tische Behandlung. Es wurde Magnesium sulfurioum, bis 80 ccm einer
25 proz. Lösung pro Tag, subcutan injiziert, nicht intralumbal, da dies
schon Unglücksfälle herbeigeführt hat. Vor der Injektion wmde eine
kleine Novocaindosis injiziert. Das Magnesium sulfuricum hat eine
narkotische Wirkung und zeigte bei einigen Fällen einen Nutzen, bei
anderen dagegen nicht; dio durch dieses Mittel erzielten Resultate
waren nicht besonders hervorragend.
Ein besseres Mittel scheint das Chloralhydrat zu seiD, in der Dosis
bis zu 10 g pro die im Klysma oder per os setzte es in Kombination
mit der Magnesiumbehandlung die Krampfanfälle herab, doch konnte
der Tod nicht verhütet werden. Daneben soll man ein Herzmittel
reichen.
Gesellschaft für innere Medizin and Kinderheilkunde za Wien.
Sitzung vom 19. November 1914.
(Eigener Bericht.)
Hr. Falts stellt einen Mann mit idiopathischen Diabetes iisipidiiB
vor und gibt ein differentialdiagnostisches Moment gegenüber dem
symptomatischen Diabetes insipidus an.
Patient ist seit 8 Jahren erkrankt, er bat einen grossen Durst,
eine Polyurie bis 12 1 Harn pro Tag mit einem spezifischen Gewicht
von 1003 bis 1004. Die inneren Organe sind gesund, die Hypopbysw
ist nicht vergrössert. Als an einem Tage 15 g Kochsalz der Nahrung
zugelegt wurden, stieg die Harnmenge auf 13,7 1 pro Tag an, das
spezifische Gewicht des Harnes blieb aber unverändert. Die Niere hat
also beim idiopathischen Diabetes insipidus die Fähigkeit verloren, den
Harn zu konzentrieren. Der symptomatische Diabetes insipidus hat
seine Ursache in einer Organveränderung, z. B. der Hypophyse.
Beim idiopathischen Diabetes bleibt das spezifische Gewicht des
Harnes unverändert, beim symptomatischen ändert sich dasselbe je nach
der Menge des Harnes und der dem Organismus zugeführten Substanzen,
welche im Harn erscheinen. Es ist kein Grund vorhanden, den echten
idiopathischen Diabetes insipidus auf eine Erkrankung der Hypophysis
zu beziehen.
Ferner stellt Hr. Falta einen Mann mit Basedowscher Krankheit
nnd Myxödem vor.
Patient zeigt ausser den Symptomen des Morbus Basedowii auch
Schwellungen im Gesicht und an den Extremitäten, ferner eine starke
Fettentwicklung am Thorax. Die Röntgenuntersuchung ergibt eine Ver*
grösserung der Hypophyse. Es wäre nicht unmogiioh, dass eine strumöse
Entartung der Hypophyse vorhanden ist, und dass diese eine gerf 346
Wirkung auf das Krankheitsbild ausübt.
Hr. Falta führt schliesslich einen schweren Diabetiker vor, welchen
er durch ausschliessliche Kohlehydraternährung zuckerfrei gemacht hat.
Patient ist vor 8 Monaten in die Klinik mit hochgradiger Schwache
und Amblyopie gekommen, er schied bei fleischarmer Kost 80 g Zucker
und bis 6 g Aceton aus. Nach ausschliesslicher Ernährung mit Kohle¬
hydraten das Prinzip der Kur ist die Ausschaltung des animalischen
Risses und nach einem Gemüsetage ging die Zuckerausscheiduog
tt * £ herunter, von Aceton waren nur Spuren vorhanden.
Unter Wiederholung der Kur wurde der Patient zuckerfrei. Seit dieser
Gougle
Original from
UNIVERSUM OF IOWA
28. Dezember 1914.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1967
Zeit nimmt Patient 6—7 Tage ausschliesslich Kohlehydrate zu sich,
dann an einem Tage nur Gemüse, hierauf folgt strenge, aber nicht allzu
eiweissreiche Diabetikerkost durch einige Tage. Patient hat an Körper¬
gewicht zugenommen und ist zuckerfrei geblieben, nur zeitweise tritt
Aceton auf.
Hr. Weackebach demonstriert eine Frau mit reeidivierender ex-
sadativer Pericarditis, bei welcher wiederholt Herzbeutelpunktionen
vorgenommen worden sind.
Patientin batte im 20. Lebensjahre im Anschlüsse an Halsentzün¬
dung Gelenkrheumatismus, welche Kombination sich später wiederholte.
Bei dem vierten Recidive vor einem Jahre bekam Patientin neben Angina
und Gelenkrheumatismus auch Herzbeschwerden, Schmerzen in der Brust
und Husten, ferner Oedeme an den Füssen und spürte eine Erschwerung
des Atmens. Die Untersuchung ergab eine Pericarditis mit einem
mächtigen Exsudat, welches zweimal punktiert wurde, wobei 500 und
800 g Flüssigkeit entleert wurden. Patientin hat sich erholt. Es
handelte sich um eine rheumatische Pericarditis, welche eine günstigere
Prognose gibt als die tuberkulöse, weil bei letzterer sich Schwielen aus¬
bilden, welche das Herz mit dem Pericard verlöten und dadurch die
Herztätigkeit sowie die Atmung einschränken.
Io der letzten Zeit hat die Patientin wieder Angina bekommen,
aber ohne Gelenkerscheinungen, daran schloss sich exsudative Peri¬
carditis mit einem enormen Exsudat an, welches durch keine medika¬
mentöse Therapie eine Verminderung erfuhr. Da die Gefahr vorlag, dass
die Herzaktion durch das grosse Exsudat in bedrohlicher Weise be¬
hindert wird, wurde wieder eine Punktion notwendig, und zwar wurde
das Pericard freigelegt und die Punktion vorgenommen.
Zu letzterem Verfahren lüblte sich der Vortr. dadurch gedrängt,
weil er in einem Falle von Pericarditis mit Endocarditis und Myo-
carditis bei der Punktion das matsche Herz mit der Punktionsnadel
schwach ritzte, worauf eine parenchymatöse Blutung ins Pericard ent¬
stand, welche das Herz erdrosselte. Ein zweiter Grund war der, dass
man trotz des grossen Exsudates das Herz deutlich an der Vorderfläche
des Thorax pulsieren fühlte, so dass man eine Anwachsung des Herzens
an dieser Stelle vermutete; eine solche lag jedoch, wie die Freilegung
* des Herzbeutels zeigte, nicht vor. Die Wunde heilte per primam. Eine
Drainage des Pericards wurde nicht vorgenommen, weil diese reizend
wirken und zu Verwachsungen des Herzens mit dem Pericard führen
kann. Das Exsudat ist jedoch bald wieder zurückgekommen, die Oedeme
an den unteren Extremitäten sind aber zurückgegangen, ebenso hat die
Leberschwellung abgenommen, die Lebergrenze steht jetzt einige Quer-
finger oberhalb des Nabels. Bei der Patientin ist der Puls mit einer
Frequenz von 80—90 weniger behindert als die Atmung. Patientin be¬
kommt wegen der wahrscheinlich rheumatischen Aetiologie der Peri¬
carditis Salicy), Diuretin und Cardiotonica.
Es entsteht nun die Frage, was in diesem Falle zu tun sein wird,
wenn die medikamentöse Therapie versagt. Vielleicht könnte ein Ver¬
fahren hier angewendet werden, welches Vortr. in einem Falle von
reeidivierender tuberkulöser Pericarditis angewendet hat, nämlich Ab¬
lassen des Exsudates und Einblasung von Luft in den Herzbeutel. Da¬
durch wird verhütet, dass sich Adhäsionen zwischen dem Herzen und
dem Pericard bilden, ferner wird einer eventuellen BlutuDg aus der
durch das Ablassen des Exsudates rasch entlasteten Lunge vorgebeugt.
Ausserdem tritt erfahrungsgemäss ein neues Exsudat nach der Luftein¬
blasung später auf als ohne eine solche. H.
Kriegsärztliche Abende.
(Eigenbericht der Berliner klin. Wochenschr.)
Sitzung vom 15. Dezember 1914.
Vor der Tagesordnung.
Hr. Ewald: Eia Fall von latentem Typhös.
Bisher haben wir in Deutschland keine grösseren Seuchen erlebt.
Hunderte von Betten, die zur Verfügung für Infektiöse Fälle gehalten
werden, stehen leer. Vortr. sah einen Reservisten, der am 1. Oktober
einen Schulterschuss bekommen hatte; der Einschuss war in Heilung
begriffen, der Ausschuss unter dem Acromion war 12 cm lang, 1 cm
breit und zeigte eiterige Stellen mit dünnem Sekret. Es bestand Ab-
sprengung der lateralen Seite des Humerus im oberen Drittel; es be¬
stand 4 Wochen massiges Fieber (38,3°). Seit einer Operation (3. XI.)
zur Entfernung von Sequestern stellte sich hohes Fieber, 40° und dar¬
über, ein. Es bestand Dämpfung hinten unten rechts; kein Husten, kein
Auswurf, kein Befund von Typhusbaeillen. Sensorium frei. Vortr.
sollte über seine Isolierung entscheiden. Er hatte Verdacht auf Typhus.
Im Augusta-Hospital zeigte Patient klinisch sofort ein schweres Typhus¬
stadium. Die bakteriologische Diagnose hatte schon mehrfach versagt.
Hier fanden sich am dritten Tage Bacillen im Harn. Am sechsten Tage
Exitus. Die Sektion bestätigte die Diagnose. In der Schusswunde fanden
sich eiteriger Belag sowie Eiterherde, die zum Teil noch geschlossen
waren; aus einem der letzteren wurden Typhusbacillen in Reinkultur
nachgewiesen.
Augenscheinlich war es ein Bacillenträger, der einen Typhus
ambulans überstanden hatte. Die Bacillen können auch im Knochen¬
mark nisten und lebensfähig bleiben. Von dem zerschmetterten Knochen
traten sie in den Eiter und wurden dureh die Operation mobilisiert,
gingen ins Blut über. Der Fall zeigt, welchen Gefahren ein Bacillen¬
träger unter Umständen ausgesetzt ist.
Tagesordnung.
Hr. Treidelenbnrg: Ueber Nosokomialgaagrän.
Der Hospitalbrand ist eine Wundkrankbeit, die in früherer Zeit
noch mehr als Pyämie und Erysipel gefürchtet war, die aber jetzt dauk
der Antisepsis verschwunden zu sein scheint. Von ihrem epidemischen
Auftreten in den Lazaretten hatte sie ihren Namen. Zurzeit ist nur
aus Innsbruck ein Fall bekannt geworden; vielleicht gibt es auch iu
Frankreich einige Fälle. Verwechselungen mit anderen Formen, trauma¬
tischer Gangrän und Gasphlegmone sind nicht ausgeschlossen. Wird
eine bisher gut granulierende Wunde vom Hospitalbrand befallen, so
entsteht über Nacht unter Fieber und Schüttelfrost ein ueue9 Bild. Die
Wunde wird schmerzhaft, die Haut in der Umgebung purpurrot,
die Granulation wird livide und quillt hervor; ein gelblich fibrinöses
Exsudat lässt sich in Fetzen abheben. Die Granulationen bluten. Der
Grund ist buntscheckig, marmoriert. Nach einigen Tagen zerfällt die
Auflagerung in Fäulnis: zugleich zerfallen die Gewebe der Haut ringsum
nach allen Seiten. Bei Schusswunden dringt der Prozess in die Tiefe.
Die Gewebe bilden schwarze Fetzen und schmierige, breiige Massen;
eine jauchige Flüssigkeit fliesst ab; in der Tiefe dringt die Gangrän in
die Bindegewebsspalten vor, legt die grösseren Gefässe und Nerven frei
und bewirkt oft starke arterielle Blutungen. Keine Metastasen! Keine
Lymphdrüsenaffektionen! Kommt der Prozess nicht bald zum Stillstand,
so geht der Kranke an Sepsis mit Milzschwellung oder Blutungen zu¬
grunde. Häufig sind selbst mehrfache Recidive. Zuweilen kommt hinzu
Erysipel und Pyämie, selten Tetanus.
Das Leiden war schon im Altertum und Mittelalter bekannt
(Hippokrates, Galen, Avicenna). Ambroise Pare berichtet von
ihm sehr ausführlich während der Belagerung von Rouen. Die Krank¬
heit war bei Belagerten und Belagerern so verbreitet, dass man die
Kugeln der Feinde für vergiftet hielt. Pare nahm verdorbene Luft als
Ursache an. Dann nistete sich die Krankheit in den alten unhygieni¬
schen Krankenhäusern ein; berüchtigt waren Hotel Dieu und Hospital
St. Louis in Paris. Grössere Ausbreitung erfuhr die Krankheit durch
die napoleoniscben Kriege, wo sie stellenweise Epidemien bewirkte.
Delpeehe sammelte seine Erfahrungen in Toulouse und Montpellier.
Aus grossen Entfernungen kamen die schon infizierten Verwundeten
nach Südfrankreich. Der Transport war schlecht; Leiterwagen bargen
höchstens Stroh; Aerzte und Pfleger mangelten; Krankenhäuser waren
spärlich. Einen grossen Fortschritt bedeutet daher das Rote Kreuz und
die Lazarettzüge, die die Verwundeten, frisch gebettet, meist verbunden
in 48 Stunden von Flandern nach Berlin schaffen.
Während des Krimkrieges herrschte Hospitalbrand besonders in
Constantinopel, 1864 in Mailand, später im Secessionskriege in Washington
und Baltimore; 1864—1865 gab es eine Epidemie in der Charite.
Lister’s Antisepsis beseitigte den Hospitalbrand; 1S66 drang er
von Böhmen nach Sachsen und Schlesien ein: 1870 hat ihn Fr. König
gut beschrieben, der ihn in den Tempelhofer Feld-Baracken studierte.
Erst die methodische Anti- und Asepsis hat den Feind völlig be¬
siegt. Seither hat Vortr. nur noch einen Fall gesehen, am Ulcus oruris
eines Landstreichers 1880. Auch in den letzten Kriegen verlautete nur
wenig und selten vom Hospitalbrand. Am besten ist er 1888 von Rosen-
bach beschrieben worden.
Es gibt Variationen des Krankheitsbildes; neben der schon be¬
schriebenen gewöhnlichen pulpösen Form gibt es eine ulceröse und eine
ulceros-pulpöse. Bei der ulcerösen Form wird die Wunde schmerzhaft;
eine kleine Vertiefung zeigt sich; diese dehnt sich rasch aus. Nach
König gehen dem ulcerösen Zerfall kleine Apoplexien voraus; die
Eiterung versiegt; es entleert sich bräunliche, stinkende Flüssigkeit.
Der Zerfall greift auf die Wundränder über; der weitere Verlauf ist der
der pulpösen Form. Sofortiges energisches Eingreifen ist geboten; auch
frische Wunden können ergriffen werden. Die auffällige Trockenheit in
den ersten Tagen ist ein wichtiger Fingerzeig. Gelegentlich geht der
Hospitalbrand von unbedeutenden Hautverletzungen, Kratzstellen,
Mückenstichen, sogar von der unverletzten Haut (Pusteln) aus. Die
Krankheit ist übertragbar; die Aerzte infizierten sich an den Fingern;
die nekrotischen Massen sind harmlos, dagegen die infizierten Wund¬
ränder stark infektiös.
Leichtere Fälle können ohne Behandlung zur Heilung kommen;
meist wirken Antiseptica. Bei schweren Fällen ist gründliche Zerstörung
alles Gangränösen das einzige Heilmittel. Schon im Altertum ward das
Ferrum candeus empfohlen. Alles infizierte Gewebe muss wirklioh zer¬
stört werden, dazu ist die Freilegung aller Buchten mit Messer und
Schere notwendig. Der Paquelin ist weniger wirksam. Das Glüheisen
soll so laDge wirken, bis Blut hervorkommt. Aber keine kochende
Flüssigkeit darf über die Haut laufen. Arterien und Nerven müssen
geschont werden. Schmerz und Rötung gehen dann schnell zurück.
Auch der Karbunkel ist mit dem Glüheisen gut zu bekämpfen; eine
Ausnahme macht Diabetes. Aber man muss das Glüheiseu so lange
wirken lassen, bis statt der zischenden Eitermassen Blut kommt. Glüh¬
eisen ist also, zumal unter Narkose, nicht grausam, sondern eine Wohl¬
tat. Von den Aetzmitteln ist das Chlorzink, trocken, nicht kristalli¬
siert, mit wenig Wasser gelöst, zu empfehlen. Ein damit getränktes
Wattebäuschchen wird in alle Buchten gestopft; es muss in Narkose
20 Minuten liegen bleiben (König). Aber man weiss nicht, wie tief die
Aetzung wirkt.
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Gougle
Original fro-rn
UNIVERSUM OF IOWA
1968
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr. 52.
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Die Aehnlichkeit mit Paeudomembranen war schon Theophrastus-
Paracelsus bekannt. Auch fanden sich bei denselben Personen Hospi¬
tal brand und Rachendiphtherie. Da9 führte dazu, dass Pitha, Heine
u. a. beide Krankheiten für identisch erklärten. Die Kombination ist
aber nur zufällig. Die Gangrän befallt mit Vorliebe geschwächte Per¬
sonen, zumal nach Infektionskrankheiten. Noma und Ulcus phage¬
daenicum sind aber sehr ähnlich. Vielleicht besitzen alle drei Erkran¬
kungen dasselbe Virus. Noma ist sehr selten; früher sah man den
Wasserkrebs oft in Findelhäusern Frankreichs und Hollands. Ulcus
phagedaenicum ist in Kliniken für Haut- und Geschlechtskrankheiten
nicht selten. Die befallenen Teile werden zerstört. Die Zerstörung
kann bis zum Verlust des ganzen Penis führen. Die Entscheidung ist
aber von den Bakteriologen zu liefern. Alles spricht für die Identität.
Vincent, Maztzenauer, Rona u. a. fanden nadelartige, in Bündeln
liegende Fäden.
Hr. Brng8ch:
Ueber Endocarditis und Polynenritis bei Kriegsteilnehmern.
Unter den wenigen innerlich kranken Soldaten in der 2. medizini¬
schen Klnik fand sich 12 mal, aber auch ambulant bei Offizieren Poly-
neuritis, die zuerst den Verdacht auf Polyarthritis rheumatica erweckte.
Sie ist bei Kriegsteilnehmern häufig eine multiple, regelmässige Entzün¬
dung der Nerven. Erkältungen und Ueberanstrengungen je für sich er¬
zeugen nur Mononeuritiden, z. B. des Facialis, höchstens zusammen mit
Alkoholismus Polyneuritis.
Ein Fall begann mit Icterus catarrhalis nach Durchfällen leichter
Art. Daran schlossen sich bohrende, stechende, reissende, kribbelnde
Schmerzen. Icterus und Polyneuritis waren beide wohl nur durch die
gleiche Noxe bedingt. In anderen Fällen fand sich gleichzeitig Pleu¬
ritis sicca; hauptsächlich begleitete sie intercostale Neuralgie; dreimal
bestand zugleich Tuberkulose der Pleura (Verwacbsungsherde, Einziehung
des Zwerchfells, Zackenbildung am Mediastinum). Sonst waren nur Reiz¬
erscheinungen an den sensiblen Nerven der Haut da; befallen waren
der Trigeminus bzw. seine Aeste, Ulnaris, Radialis, Cutaneus femoris
anterior udü posterior, sowie Ischiadicus. Gewöhnlich zeigte sich zugleich
motorische Schwäche z. B. des Ulnaris mit Tonusverminderung und Sen¬
sibilitätsstörung im Hautnerven. Zuerst bestand Herabsetzung für Be¬
rührungsempfindung, dann Analgesie; erstere trat später zurück. Stark
war die Parästhesie ausgesprochen, besonders in der Gegend der Ge¬
lenke, Das täuschte Gelenkrheuma vor. Die sensible Störung war
war stärker und symmetrisch. Die Leute warfen sich mit Schmerzen aufs
Lager. Meist war das Herz affiziert; es bestand hauptsächlich leichte
Endocarditis, Erweiterung der linken Vorkammer, ein Geräusch, das den
ersten Ton ersetzte, Stärkerwerden des Spitzenstosses, Zunahme des
zweiten Aortentones; fast immer fand Vortr. leichte Temperatursteige¬
rungen. Es war eine Endocarditis, wie sie bei Gelenkrheuraa und Chorea
vorkoramt.
Es ist also Polyneuritis rheumatica. Kälte, Nässe und Ueberan-
strengen bedingen leicht rheumatische Schädigung der besonders in An¬
spruch genommenen Nerven. Jeder Gelenkrheumatismus ist infektiös.
Rhinitis posterior und Mandelabscesse bilden wohl den Anfang, und die
Prognose des Gelenkrheumatismus wird durch die gründliche Entfernung
der Mandeln gebesert. Vortr. sah bei seinen Fällen keine schweren Ver¬
änderungen im Nasenrachenraum. Aber auch leichte Entzündungen
mögen das schon beanspruchte Nervensystem geschädigt haben. Die
Polyneuritis rheumatica wird vielleicht oft übersehen.
Wirksam ist Salicyl, 5—6 g täglich, später 2—3 g, wochenlang ge¬
geben. Sobald sich die Temperatur bessert, gab Vortr. Arsen in Ein¬
spritzungen von Natrium cacodylicum alle 3—4 Tage. Auch Externa,
Hitze, Kataplasmen wurden verwendet.
Sehr häufig ist die Verwechslung mit Ischias. Möglich ist, dass
auch Cholangitis zu Icterus und Polyneuritis führt. Mode.
Frankl-Hoehwart t-
Am 19. d. M. ist der Professor der Neurologie von Frankl-
Hoch wart in Wien einem Gehirnleiden erlegen, das sieh schleichend
entwickelt hatte, aber erst seit einigen Monaten deutlich in die Er¬
scheinung getreten war.
Er war einer der hervorragenden Vertreter der Nervenheilkunde in
Oesterreich, ein ausgezeichneter Forscher und Arzt, ein hochgeschätzter
und beliebter Lehrer. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind die
der Tetanie, der Meniere’schen Krankheit und den nervösen Erkran¬
kungen der Blase gewidmeten am meisten bekannt geworden. In den
letzten Jahren haben ihn die Fragen der inneren Sekretion besonders
beschäftigt, und er hat mit seinen Untersuchungen über die Physiologie
und Pathologie der Hypopbysis diese Lehre in hervorragendem Maasse
gefördert.
Er gehörte zu den Begründern der Gesellschaft Deutscher Nerven¬
ärzte, deren Bestrebungen er sieh mit Begeisterung widmete, indem er
Schulter an Schulter“ mit seinen deutschen Fachgenossen für die An¬
erkennung und selbständige Vertretung der Nervenheilkunde an den
Hochschulen und Krankenhäusern kämpfte. Er hat es denn auch in
den letzten Jahren erreicht, dass ihm die Leitung der Neryenpoliklinik
am Wiener allgemeinen Krankenhause übertragen wurde, eine Aufgabe,
der er sieb mit vorbildlichem, bis tief in die Leidenszeit aush&rrendem
Eifer hingegeben hat.
Ein überaus gütiger, feinsinniger, warmempfiodender Mensch, der
kaum einen Feind gehabt hat, dem unzählige Freunde nachtrauern, ist
mit ihm aus dem Leben geschieden. H. Oppenheim.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der Minister der öffentlichen Arbeiten erachtet es für dringend
ratsam, dass das Personal der Züge in den dem russisch-polnischen
Kriegsschauplatz benachbarten Bezirken, sowie im Direktionsbezirk
Stettin sich mitsamt seinen Familienangehörigen der Choleraschutx-
impfung unterziehen lässt (Min. Bl., Nr. 50). Nach Veröffentlichungen
des Kaiserlichen Gesundheitsamtes ging der Feideisenbahnchef Ost noch
einen Schritt weiter: es muss das mit dem Transport von russischen
Gefangenen befasste Personal der genannten Schutzimpfung unter¬
zogen werden.
— Um der Ausbreitung ansteckender Krankheiten, besonders unter
den jetzigen Verhältnissen, nach Möglichkeit vorzubeugen, ist es, vie in
einem Erlass der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums bekannt ge¬
geben wird, unbedingt erforderlich, dass die Mitteilungen über an¬
steckende Krankheiten von den Militärbehörden an die Zivilbehörden
regelmässig und unverzüglich erfolgen. Darauf werden insbesondere die
Reserve- und Vereinslazarette aufmerksam gemacht.
— Das österreichische Ministerium des Innern erlässt eine Bekannt¬
machung, wonach der Verkauf radiumhaltiger Präparate künftig nur
in Apotheken stattfinden darf. E9 wird auch darauf hingewiesen,
dass die Radiumemanation enthaltenden Lösungen, die vielfach in markt¬
schreierischer Weise aDgepriesen werden, schon nach 4 Tagen die Hälfte
ihres Gehaltes an Radiumemanation verloren haben und dass deshalb
bei Visitationen die Apotheker über diese Verhältnisse zu belehren seien.
Es muss auch der Bezugstermin auf jeder Lieferung vermerkt werden.
Die Abgabe der betreffenden Flüssigkeiten ist an ärztliche Verord¬
nung gebunden.
— Geheimrat Prof. Dr. Dietrich, Vortragender Rat in der Medi¬
ziaalabteilung des Ministeriums des Innern, ist zum Wirkl. Geh. Ober¬
medizinalrat mit dem Rang der Räte erster Klasse ernannt worden.
— Die erste medizinische Promotion an der Frankfurter
Universität hat stattgefunden: Herr Eduard Grüner aus Mannheim,
der als Unterarzt bei dem 80. Infanterie-Regiment tätig ist, hat den
Reigen eröffnet.
— Die „Ernährung in der Kriegszeit“ ist eine kleine Broschüre
betitelt, die von den Herren Proff. Paul Eltzbacher, Carl Oppen¬
heimer, Max Rubner, Nathan Zuntz und Frau Hedwig Heyl
herausgegeben wurde und im Verlag von Vieweg & Sohn erschienen ist.
Sie ist für 15 Pf., bei Bezug von 50 Stück für 8 Pf. zu haben und
verdient das Interesse der Kollegen in besonderem Maa9se. Gerade sie
können dadurch, dass sie die Aufmerksamkeit ihrer Patienten darauf
lenken, viel zur Lösung der immer wichtiger werdenden Frage beitragen.
— Hochschulnachrichten: Halle a. S. Habilitiert Dr. Zander für
Chirurgie.
— Volkskrankheiten. Cholera. Deutsches Reich (6. bis
12. XII.) 5. Ausserdem zeigten sich wieder einige Cholerafälle bei russi¬
schen Gefangenen sowie bei Verwundeten oder Kranken, die vom Öst¬
lichen Kriegsschauplätze kamen. Oesterreich (15.—21. XI.) 363 und
72 f. Ungarn (15.—21. XI.) 485. — Pocken. Deutsches Reich
(6.—12. XII.) 6. — Genickstarre. Preussen (29. XI.—5. XU.) 5
und 3 f, — Spinale Kinderlähmung. Preussen (29. XL—5.XII.)
2. Schweiz (22.—28. XL) 2. — Ruhr. Preussen (29. XI.-5. XU.)
81. Oesterreich (8.—14. XL) 1321 und 37 f. — Mehr als ein Zehntel
aller Gestorbenen starb an Scharlach in Beuthen, Köoigsbütte, Reck¬
linghausen-Land, Thorn, Tilsit, Zabrze, Diphtherie in BerÜn-Licbtenberg,
Berlin-Pankow, Bottrop, Gera, M.-Gladbacb, Recklingbausen-Land.
Amtliche Mitteilungen.
Personalien.
Eisernes Kreuz 2. KL: Priv.-Doz. Prof. -Dr. K. Löniog in Halle
a. S., Kreisarzt Dr. F. Kahle in Aurich.
Niederlassungen: Dr. H. Matschke in Breslau, Dr. B. Riep w
Estebrügge, Dr. K. Heimannsfeld in Essen (Ruhr). ,
Verzogen: Dr. 0. Bruns von Marburg und Dr. W. Reddingnis ton
Gotha nach Göttingen, Dr. R. Wendorf von Frankfurt a.
Mörfelden, Dr. R. Abe von Wiesbaden nach Frankfurt a.
N. Hermann von Nauort nach Niederlahnstein. .
Gestorben: Kreisarzt Dr. M. Schweitzer in Hattowitz, Dr. K-
in Berent, San.-Rat Dr. M. Groebe in Berlin-Bucholz, Prof, w
O. Brieger in Breslau, Kreisarzt a. D. Geb. Med.-Rat Dr. J* "
kober in Trebnitz, Dr. W. Oltmann in Estebrügge. San.-«* •
E. Tiscbner in Elberfeld, Geh. San.-Rat Dr. A. ^erschein
Essen (Ruhr), Dr. R. Sarrazin in Emmerich, San.-Rat Dr.J.ap
i n Illingen. ____ __
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Han« Sohn, Berlin W., BtfrtuüitrflM* ^
Verlag und Eigentum von August Hirschwald in Berlin. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4.
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Original from
UNIVERSUM OF IOWA
Namen- und Sach-Register.
1. Namen-Register.
Die fettgedruckten Zahlen bedeuten Originalartikel.
A.
Aaser, E. (Christiania) 246.
Abderhalden, E. (Halle) 26,
28, 318, 360, 461, 5."»7,
798, 843, 895, 940, 1040,
1182, 1185, 1524, 1526,
1688, 1945.
Abel (Berlin) 127.
Abel, K. (Berlin) 893.
Abel, S. (Bergen) 120.
Abelin, J. (Bern) 556, 893.
Abels (Wien) 1151.
AbelsdorlT (Berlin) 764,1196.
Abcndroth, R. 1797.
Abi (Rostock) 1006.
Abraham, J. J. (London) 755.
Abrami, P. (Paris) 651.
Abramow, S. (Moskau) 269,
362.
Abramowski 33.
Abrand, M. If. 270.
Ach (München) 334.
Achard 1490.
Achard (Paris) 430, 1152,
1567, 1603.
Achard, C. 1042.
Achclis,W. (Strassburg) 1426.
Ackermann 1042.
Adam (Berlin) 176, 1556,
1674.
Adam (Cöln) 1473.
Adam, C. (Berlin) 950.
Adamson, II. 0.(London)756.
Addis, Th. (San Francisco)
844.
Adelheim, JL (München) 167.
Adler (Berlin) 1692.
Adler (Karlsruhe) 1900.
Adler (Pankow) 805, 1781.
Adler (Wien) 1825.
Adler, A. 942.
Adler, F. S. (Frankfurt a. M.
1748.
Adler, L. (Berlin) 556.
Adler, L. (Erlangen) 1242.
Adler, L. (Schöneberg) 363,
9S9.
Adler, 0. (Prag) 864.
Adrian (Strassburg) 1563.
Agadsehanianz 709.
d'Agata, G. (Pisa) 638.
Alilfeld 1920.
Ahlfeld, F. (Marburg) 1530.
Ali rein er (Strassburg) 91,
669, 1392.
Ahrens (Güttingen) 1874.
Ahrcns (Wiesbaden) 237.
Aime, 11. 429.
Aine (Paris) 860.
Akimoto, R. (Kyoto) 318.
Albanus (Hamburg) 1247.
Albary, .1. M. (Paris) 1327.
Albee (New York) 813.
Alber (Bremen) 1900.
Albert (Wien) 1950.
Alberti (Frankfurt) 719.
A Iberis 1556.
A1 brecht (Berlin) 905.
Albrccht, W. (Berlin) 1130.
Al hu 376.
AHin (Berlin) 1431, 1473, |
1755, 1777. i
v. Aldor, L. (Karlsbad) 989. |
Alexander(Berlin) 1004,1755 j
Alexander (Budapest) 712.
Alexander, A. (Berlin) 1003. j
Alexander, A. (Gbarlottcn- '
bürg) 1728. |
Alexander, K. 1901. I
Alexander, W. (Berlin) 622, 1
661, 662, 1233, 1408. |
Alexandresca-Dcrsca, C. !
(Bukarest) 1225. I
Alexandrow, Th. (Moskau) I
1249. |
Alexeieff, A. (Petersburg)
1747.
Alexietf, W. 123, 463. |
Algyogyi (Wien) 911.
Allard (Hamburg) 854.
Allen, R. W. (Eondon) 985.
Allenbach, E. 266.
Allenbach, E. (Strassburg)
986.
Allmann (Hamburg) 90, 223,
284, 322, 364, 1081.
Almkvist, .1. (Stockholm)408.
Alsberg (Hamburg) 1850.
Alter (Eindenhaus) 802.
Altschul (Prag) 124, 912.
Altschul,W. (Prag) 142,1652.
Alwens (Frankfurt) 1004.
Aly (Hamburg) 1901.
Alzheimer (Breslau) 375,
474, 765.
Amann,J. A.(München) 1578.
Ambard (Paris) 429, 1097. :
Amberger (Frankfurt) 1130.
Amersbach, K. 1049.
Ameuille (Paris) 1152. I
Ammenhausen, W. (Me- j
schede) 1733.
Amoss, H. 1898.
Amoss, II. I. 1898.
Amtsehisla\vsky,M. (Moskau)
692.
Anderes (Zürich) 1875.
Anderes, E. (Zürich) 614, I
1525. I
Anders, E. (Zürich) 985. i
Andersen, A. C. 25. i
Andersen, N. (Kopenhagen) J
846. “ |
Ando, H. 841.
Andogsky 1284. I
Andrce, IE (Bremen) 1600.
Andrv, C. (Toulouse) 561. j
Andvord, F. 1225. j
v. Angcrer (Erlangen) 1146. ,
Angle, E. H. 119. !
Anitschkow, N. (Petersburg) !
268. 363, 1225, 1578, |
1748. j
Anschütz (Kiel) 810, 865, I
961, 1104, 1153, 1487, |
1488, 1691. j
Anselmino, 0. (Berlin) 1374.
Anton (Oels) 1602.
Anton, G. (Halle) 896, 1551. |
Antoneili, G. 1946.
Antoni 1329. i
Antoni (Heidelberg) 1341, j
1429.
Anki, T. (Nagasaki) 1600.
Apulant, E. 1081.
Apolant, H. (Frankfurt) 608.
Arai, T. (Tokio) 79S.
Arany 708.
v. Are, W. (Bern) 1128.
Arcelin 1184.
Arima, R. (Osaka) 28, 269,
1127.
Arisawa, LE (Osaka) 848,
1048, 1280.
Arnaud, E. 1376.
Arndt (Berlin) 850.
Arndt (Cassel) 29.
Arndt, D. 996.
Arndt, Th. (Breslau) 1525.
Arneth (Münster) 153, 1798.
Arnheim, G. (Berlin) 901,
992.
Arning, E. (Hamburg) 1047.
Arnold 1227.
Arnold, A. (Eeipzig) 1747.
Arnold, J. J. (St. Helena)
413.
Arnoldi (Berlin) 230, 558,
663.
Arnstein (Wien) 769, 857,
858, 859, 1150.
Aron, E. (Berlin) 94.
Aron, H. (Breslau) 897, 972,
1337.
Aronson 1483.
Aronson (Berlin) 34, 1433,
1434.
Arzt, L. (Wien) 613, 625,
707, 1148, 1225, 1283,
1395, 1526.
Asayama, T. (Kyoto) 760.
Asch 1652, 1799.
Asch, R. (Berlin) 1387.
Asehenheim (Dresden) 857.
Aschenheim, E. (Dresden)
897, 1186.
Aschheim (Berlin) 655, 1924.
Aschner (Halle) 847, 1920.
Aschner (Wien) 89.
Aschner, ß. (Halle) 26.
Aschoff 333. 1
Aschoff (Freiburg) 671,1565.
Aschoff, L. 1504.
Asher, L. 166.
Ask, F. 165. :
v. Assen 1428.
Ass er, E. (Breslau) 607. j
Assmann (Leipzig) 559, 576.
Assmy (Chunking) 1327.
Aubcrtin (Paris) 238, 1097. ;
Aubertin, Ch. 414.
Audebert (Toulouse) 82, 367.
Auel, W. (Halle) 892.
Auer (Kiel) 1561. i
Auerbach,S. (Frankfurt)842. j
Auermann, W. (Chorostkow)
1331. ^ 1
Aumann 589. i
Aumann (Berlin) 02, 273, !
398. j
Autenrieth, W. (Freiburg)
555, 1581. i
Awrorow, P. (Tomsk) 1278. j
Axcnfeld, Th. 848. |
Axcnfeld, Th. (Freiburg i. B.)
1750.
Axhausen 170, 221, 333, 570,
1007, 1230, 1281.
Axionow, L. 1107.
Aycr 1224.
Azzi, A. (Neapel) 268.
B.
Baar (Portland) 82.
I Baar, VE 1798.
Babiik, E. 892.
Babes, M. V. (Paris) 770.
Babes, V. (Bukarest) 501.
Babinsky (Paris) 142.
Babitzki, P., (Kiew) 414,
1581.
Babkin, B. J. 1463.
Babonneix 1045.
Bache, M. (Halle) 892.
Bachem, C. (Bonn) 188.
Baehmann (Leipzig) 911,
912.
Bachmctjew, P. (Sofia) 191.
Bachraeh (Wien) 674, 1148,
1149.
Bachrach, R. (Wien) 465,
613, 799.
Bachsteg (Wien) 272.
Bacmeistcr (Freiburg) 412,
462, 1005, 1819.
Bacot, A. W. (London) 1430.
Bade 170.
Bade (Hannover) 815.
Bade, P. 1282.
Badic (Paris) 722.
Badollc, A, (Lyon) 122.
Baggerd (Posen) 1376.
Baginsky 1195.
Baginsky (Berlin) 622, 903.
Baginsky, A. 264.
Bähr (Hannover) 84.
Bähr, K. (Göttingen) 1227.
Bahrdt, H. 611, 1129.
Bail 1918.
Bail, 0. (Prag) 758.
Baiseh 1080.
Baisch (Heidelberg) 93, 1554,
1564, 1965.
Baizics, G. W. (Philadelphia)
222 .
3
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UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Bakes (Brünn) 771.
Balban, W. 1554.
Ballance, C. A. (London)
1224.
Ballenger, E. G. (Atlanta)
322
Ballner, J. (Wien) 1229.
Ballowitz, E. 985.
Bandelier, 6. 1223.
Bannwarth, J. ß. (Mühl¬
hausen) 1229.
Baer 28.
v. Barabäs, Z. (Budapest) I
463. I
Barantschik(Heidelberg)799. |
Barbara, B. (Buenos Aires)
1579. i
Barbarin 80. j
Barbey, A. (Strassburg) 322. 1
Barbier (Paris) 860.
Barczinski (Heidelberg) 705. ■
Bardeleben 1485.
v. Bardeleben (Berlin) 171,
664.
Bardor (Paris) 1001. (
Bardot, K. (Berlin) 79.
Barie (Paris) 188. ,
Barjon, F. 461.
Barker 319.
Barker, A. E. (London) 1282. !
Barker, E. M. (Hastings) 270.
Barkon 1469. I
Baermann, G. (Sumatra) 120, !
707, 1132. ;
Baroch, F. 1946. i
Baron (Paris) 1001. '
Baron, A. 1553.
Baron, A. (Budapest) 608,
612, 1084.
Barrat, J. 0. W. 412.
Barrenscheen, H. R, 266.
Barsieck, W. (Weissensce)
1469. '
Barsony, Th. (Budapest)
612, 1553, 1556.
Bartels, D. 803. i
Barth 1750.
Barth (Arau) 1612.
Barth (Berlin) 425.
Barth (Danzig) 270, 1007.
Barth (Paris) 1001.
Barth, A. 1330.
Barth, H. 610.
Barth, E. (Berlin) 1577,1615.
Barthc de Sandfort (Paris)
1246.
Barthelemy (Paris) 188.
Baerthlein, K. (Berlin) 34,
329, 411, 611.
Bartlctt 1225.
Bartsch, H. (Heidelberg) 113.
Baruch 1586, 1587.
Baruch (Breslau) 1603.
Basch, K. (Prag) 1422.
Basch, S. (New York) 759.
Baeslack, F. W. (Detroit)
410.
Basler, A. 1080.
Bass (Wien) 858, 1850.
Bass (K ar l sru h e ) 'HL
Bass, M. II. (New York) 843.
Bass, R. (Prag) 754.
Bassani (Berlin) 1559.
Bassenge, R. 1847.
Basset-Smith, P. W. (Green¬
wich) 757.
Basten, J. (Bonn) 1373.
Baetge, P. (Düsseldorf) 28,
649.
Baethge (Coblenz) 649.
Batzdorff 1601.
Batzner 472. _
Rauehwitz 897.
Bauchwitz (Stettin) 811.
Baudisch, 0. 1467.
Bauer 1601.
Bauer (Breslau) 717. 1103,
1199, 1586.
Bauer (Innsbruck) 320.
Bauer (Malmö) 81.
Bauer (Wien) 625, 1151.'
Bauer, F. (Wien) 650. I
Bauer, J. 1687. ,
Bauer, J. (Düsseldorf) 647. |
Bauer, R. (Wien) 1046. ,
Bauer, Th. (Wien) 1578. j
Baucr-Jokl (Innsbruck) 320. ,
Bauermeister (Braunschweig) j
1803.
Baum (Kiel) 612.
Baum (München) 1146.
Baum, E. W. (Kiel) 81.
Baum, H. L. (München) 710, 1
1581. I
Baum, 0. (Kladno) 1277. >
Baumann (Essen) 574, 853. I
Baumann, E.(Beuthen) 1225.
Baumbach (Saarbrücken) i
762.
Bcäumcr (Berlin) 322.
Bäumer (Jena) 802.
Bäumer, H. (Halle) 1525.
Baumgart (Kassel) 272.
Baumgarten, P. (Tübingen)
1468.
Baumgartner 1490.
Baumgartner, A. 1079. i
Baumgärtner 1332.
Baeumlcr, C. (Freiburg) 989.
Baur 1485.
Bayer (Prag) 271.
Bayer, G. (Innsbruck) 1422.
Bayer, H. 1048.
Bayer, II. (Wien) 1733.
Bayer, R. 412.
v.Baeyer, II. (München) 651,
760. 956, 1082, 1901.
Bayern, H. (Südafrika) 561.
Bayeux, R. 892, 1277.
Bayon, II. (Südafrika) 557. (
Bazy (Paris) 1566.
Beaton, Th. (Epsom) 987.
Bcaujard, E. 414.
Beaulieu, F. 1097. ,
Bechhold, II. (Frankfurta.M.)
1687.
Bechterew (Petersburg) 1127.
v. Bechterew, W. 216.
Beek (München) 220.
Beck (Wien) 1148.
! Beck, A. 459.
' Beck, C. 611.
Beek, K. (Heidelberg) 1246.
Beck, M. 713.
Beck. 0. (Wien) 28, 1247.
! Beck, R. (Stuttgart) 893.
Beck, S. C. (Budapest) 28.
: Bcckam, F. (New York) 1374.
Becker 1330, 1650.
Becker(Charlottcnburg) 1336.
Becker (Göttingen) 223.
Becker (Teheran) 849.
Becker, L. 1466.
Becker, L. (Berlin) 1689.
Becker, S. 459.
i Becker, Th. (Metz) 123, 709.
| v. Beckb, II. A. (Widman-
| stetter) 1428.
Beckmann (Petersburg) 1749.
Beckmann (Wien) 1150.
Beckmann, W. (Petersburg)
1187.
Beclere (Paris) 124.
Begle (Detroit) 562.
Behla, R. 675.
Behne, K. (Kiel) 318.
Behr 367.
Bebr (Kiel) 1339.
Behrend 897.
Bohrend (Stettin) 811.
Behrenroth, E. (Greifswald)
647.
v. Behring, E. (Marburg) 483,
917, 1099, 1773, 1798.
Beitzke, II. (Lausanne) 364,
1537.
Bclcncki E 25. I Bernheim 1514.
Beier, C. 1284. Bernheim-Karrer (Franklurt)
Beilag, K. (Basel) 322. 1229. .
Beilido, M. (Barcelona) 222. Bernheim-Karrer (Zu
Bclloir (Paris) 479, 1001, 650.
Bernstein, J. 55o, 892,
Bellois (Paris) 1152, 1604. Bernstein, J. M. (Loi
Belot (Paris) 124. 899. .
Beltz, L. (Cöln) 122, 912. Bernstein, P. (Berlin)
Bcnario, J. (Frankfurt) 1283. Bernstein, S. (Wien) 2
Benda (Berlin) 06, 282,1292, Bernthsen, 0. 1687.
1385, 1965. Bertheim, A. 166.
Benda, R. 166. Bertin-Sans (Montpclli
Benda, R. (Prag) 938. 1187.
Bender (Wiesbaden) 377. Bertrand (Paris) 1246.
Bender,E.(Wiesbaden) 1577. Besgmark (Upsala) 161
Bcnderskv. -T. (Kiew) 1459. Besredka, A. (Paris) 97
Benedikt (Wien) 187, 1343. Bcssau,G. (Breslau)285
Beneke (Halle) 272. Bcssel-Lorck (Halle) 2
Benesi (Wien) 378. Bessiere 900.
Benestad (Christiania) 466. Best, F. (Dresden) 15f
1874 . Bethc (Stettin) 427.
Benjamin. E. 611. Bethge (Frankfurt) 10!
Benjamins 1426. Betkc (Berlin) 1749.
Benjamins. C. E. 360, 1371. Betkc (Frankfurt) 271
Bensaude 1490. Bctke, R. (Frankfurt)
Bensmann, M. K. (Cöln) 121. Bettmann (Heidelberg)
Bcntbergcr, Y. (Strassburg) 1564, 1769. *
409. Beumcr, H. 1327.
Benlhin (Königsberg) 900, Beumer, H. (Halle a.S.)
1377. 1847.
Benthin,0.(Königsben:)1232. Bevan (Chicago) 1011
Benthin, W. (Königsberg) Beyer 1247.
847 Bcvcr (Berlin) 231, 421
Bentson 124. I 904, 1289. 1533.
Berard 900. ' Beyer, W. (Rostock) :
Berdel (Frankfurt) 941. Bezanron (Paris) 139i
Berdnikoff, A. (Petersburg) Biach (Wien)380,1148
943. Bibby, J. P. (Leeds) -
Bcresin, W. K. 1372. j Biberfeld (Breslau) 1(
Beresnegowski (Tomsk) 1376. , Bibergeil 170.
Beresnegowskv, N. (Tomsk) > Bibergeil (Berlin) 138
80. j Bibergeil, E. 359.
Berg 1921. Biberstein, H. (Breslai
Berg (Strassburg) 1042. | Bichler, R. (Riga) 56
Berg, R. 221. I Bickel (Berlin) 1823.
Bertheim, A. 166.
Bcrtin-Sans (Montpellier)
1187.
Bertrand (Paris) 1246.
Besgmark (Upsala) 1688.
Birnbaum, R. (Göttingen)
843, 978, 1042.
Birt, E. (Shanghai) 1528.
Bernheim- Karrer (Zürich) Bischoff (Düsseldorf) 187«.
650. Bischoff (Magdeburg) 124.
Bernstein, J. 555, 892, 1945. Bischoff, W. (Düsseldorf)
Bernstein, J. M. (London) 802.
899. Bisgaard, A. (Kopenhagen)
Bernstein, P. (Berlin) 560. 1374.
Bernstein, S. (Wien) 267. van Bisselick (Amsterdam)
1374.
van Bisselick (Amsterdam)
845. •
Bith, II. (Paris) 648.
Bittorf, A. (Breslau) 413,
1098, 1874.
Bittrolff, R. (Heidelberg) 409,
1673.
Besredka, A. (Paris) 97,757. Blacher, W. (Petersburg)
Bcssau,G. (Breslau)282,650. 650.
Bcssel-Lorck (Halle) 28. j
Bessiere 900. i
Best, F. (Dresden) 1582.
Bethc (Stettin) 427.
Bethge (Frankfurt) 1094.
Betke (Berlin) 1749.
Betkc (Frankfurt) 271.
Bctke, R. (Frankfurt) 1919.
Blackford 122.
Blacklock, B. 1279.
Blacklock, B. (Liverpool;
1044.
Blanc, G. 1554.
Blanehard, M. 29.
Bland-Sutton, SirJ.(London)
413, 464.
Bettmann (Heidelberg) 1145, j Blaschko, A. (Berlin) 538,
1564, 1769. # 1750.
Beumer, H. 1327. Blauel (Ulm) 960.
Beumer, H. (Halle a. S.) 1733, j Blechmann, G. 413,
1847. Bleichröder (Berlin) 451.
Bevan (Chicago) 1011. Blenkle, E. (Nowawes) 5«0.
Beyer 1247. Bleuler, E. 1819.
Beyer (Berlin) 231, 423, 659, Bleuler, E. (Zürich) 217.
904, 12S9. 1533. j Bloch 1490.
Bevor, W. (Rostock) 121. i Bloch, A. (Frankfurt) 307.
Bezanron (Paris) 1395. j Bloch, M. (Paris) 429, 419,
Biach (Wicn)380,1148,1395. | 1001.
Bibby, J. P. (Leeds) 608. j de Bloeme, P. L. (Amstcr-
Biberfcld (Breslau) 1616.
Bibergeil 170.
Bibergeil (Berlin) 1384.
Bibergeil, E. 359.
Biberstein, H. (Breslau) 895.
Bichler, R. (Riga) 561.
Bickel (Berlin) 1823.
R. (Weisser-IIirsch) i Bickel, A. 1464.
1227. 1 Bickel, A. (Berlin) 119, 122.
Berge (Paris) 188, 1151. ! Bickel, II. 221, 649, 709.
Bcrgcll (Berlin) 1381. Bickel, H. (Bonn) 800.
Bergell, P. 938. j Biedermann (Jena) 1535.
Berger (Jena) 1752. ! Biedl (Prag) 1247.
Berger, E. 892, 1553. ' Bieling, C. 1464.
Berger, B. (Wien) 651. Bieling, lt. 1747.
Berger, V. (Cöln) 79. Bieling, lt. (Berlin) 1057.
Borgeron (Paris) 1246. Bielsehowsky (Marburg) 272.
v. d. Bergh 1180. Bien, Z. 360.
v. d. Bergh, A. A. II. (Gro- Bier 458, 1483, 1484.
ningen) 1109. I Bier (Berlin) 128, 1925.
Bergmann (Altona) 90, Bier, A. 1370.
19,854,1801,1804,1849. Bier, A. (Berlin) 426, 471,
Bergmann (Riga) 1103. 1201.
■gmann,J. (Nesslau) 1468. Bierbaum (Frankfurt) 941.
-kmark (Breslau) 1900. Bierbaum, K. (Frankfurt)
•gmeister (Wien) 1921. < 608.
rgmeister, R. 848. Biermann (Berlin) 894.
v. Bergmann (Riga) 1103.
Bergmann, J. (Nesslau) 1468.
Berkmark (Breslau) 1900.
Bergmeister (Wien) 1921.
Bergmeister, R. 848.
Beriet 221, 1081.
Beriel, L. 80, 1375.
Bering (Essen) 854, 1752.
Beritoff 1371.
Berliner, B. 1846.
Berliner,M.(Ilütteldorf) 1375. Bijncn 361.
Bicrnacki, J. (London) 1527.
Biersaiski 568, 990.
Biersalski (Berlin) 814.
Biesenberger, II. (Graz) 612.
Bigler, W. (Bern) 758.
Bernard, L. 1126. Bikcles 896.
Bernard, L. (Paris) 1002. Bikcles, G. 1372.
Berndt, F. (Stralsund) 124, Billeter, A. (Ziiric
710. Billington, W. (Bii
Berneaud (Kiel) 1338. 992.
Berneaud, G. 798. Binder, A. (Barm*
Berneker, 0. (Berlin) 1557. Bing, H, J. (Kc
Berner, K. (Stuttgart) 843. 759.
Berner, 0. (Christiania) 316. Bingler 1083.
Bernhardt 1480. Binnie, J. F. (Ka
Bernhardt (Berlin) 806, 809, 954.
1179. Bircher, E. (Aara
Bernhardt, M. (Berlin) 1400, Bird, F.D. (Melboi
1672, 1790. Birk, W. (Kiel) 1
Bernhardt, G. (Warschau) Birkhaeuser 1921
1 Bloch 1490.
Bloch, A. (Frankfurt) 367.
Bloch, M. (Paris) 429, 479,
1001 .
de Bloeme, P. L. (Amster¬
dam) 1581.
Biohmke (Königsberg) 1798.
Bloomfield, A. L. 168.
Blübdorn.K. (Böttingen) 709.
999, 1228, 1341.
Blum, F. 1524, 1797.
Blum, Y. 943, 1087.
Blum (Cöln) 1178.
Blum (Strassburg) 1563.
Blum (Wien) 1245.
Blum, V. (WRd) 561.
Blumberg (Berlin) 910, 914.
Blumenfeld 24.
Blumcnfcld, A., 1749.
j Blumenfeld, E. 459.
Blumenfeld, F. 1670.
Blumenfeld, F. (Wiesbaden)
1597.
I Blumenthal (Berlin) 230,
j 231, 620, 621, 659, 852.
| 904, 1333, 1334, 133j,
1533, 1534, 1559.
Blumenthal, A. (Berlin) ®u
331.
Bluraenthal, F. (Berlin) 408,
1316.
Blumenthal, F. M. 1 - 1 0-
, Blumenthal, G.(Berlin)l.*l ;
Blumenthal, N. (Heidelberg
648, 1733.
. Blunek, G. (Mirow) 842.
| Boas, H. 407.
i Boas (Berlin) IÄ
! Boas, H. (Kopenhagen)
! 1748.
1 Boas, J. 1463.
Bikcles 896. ! Boas, li. (nopeuu^v
Bikcles, G. 1372. ^ ’ 1748 - „
Billeter, A. (Zürich) 108o. I Boas, J.
Billington, W. (Birmingham) ! Boas, J.'
992 I Bocci, B. 76, 1*08
Binder, A. (Barmen) 1128. j Bocbynek, A. (Berlin) b ^
Bing, H. J. (Kopenhagen) Bock, J. [ Ö P D
759. 1 Boeck (Stettin) W‘-
Bingler 1083. ' Bockenheiraer H»-
Binnie, J. F. (Kansas-Citv) | Bockenheimer, Pb.
954 Böcber 1*0. .
Bircher, E. (Aarau) 759. ■ Bocker, E. ( ßci Avi es ba<lcn
Bird, F.D. (Melbourne) 1428. Bockhart, M. ("
; W - < Ki ?> 137 °’ 1945 - Jllm. M. (Langet
1231, 1529.
Birnbacher, Th. 1898.
556.
Bockhorn, M.
990.
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Original frnm
UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1971
Boeckmann (Berlin) 362.
Bode, P. (Riga) 942.
Boden (Kiel) 238, 958.
Bodenstein, J. (Gastein) 267.
Bodin, E. (Rennes) 415.
Bodländer (Berlin) 618.
Bodländer. F. (Berlin) 542.
Bofinger (Stuttgart) 564.
Bogrow, S. L. (Moskau) 1529.
Böhi (Zürich) 847. |
Bohra, G. (Berlin) 27.
Böhm (Berlin) 813
Böhm, H. 464.
Böhm, K. 1284, 1921.
Böhm, M. (Berlin) 747,1190,
1195. |
Boehm, R. (Leipzig) 555.
Böhme, A. (Kiel) 956. j
Böhme, W. (Dresden) 1099. I
Boehmke, K. E. (Frankfurt) 1
757. |
Bohne (Hamburg) 624.
Boehnke, Iv. E. (Frankfurt) '
647. !
Boeke, J. 1326. !
du Bois-Reymond, R.(Berlin) I
1014, 1738. !
Boit (Königsberg) 1339. i
Bokay (Budapest) 1900. 1
v. Bokay 622. I
v. Bokay, Z. 1329.
Bokorny, Th. 892. i
Boljarski, N. (Petersburg) i
899. 1
Bol lag, K. (Basel) 562. !
Bolo 1848.
Bolten 365, 1427.
Bolten, G. C. (Haag) 1469.
Boltz (Cöln) 1098.
Bommes, A. 1524.
Bondi, J. (Wien) 272, 79S.
Bondi, S. 169.
Bondi, S. (Wien) 798.
Bondy (Wien) 94, 1147.
Bondy, 0. 1486.
Bondy, 0. (Breslau) 1278,
1556.
Bonheim, P.(Hamburg) 1327.
Boenheim (Bensheim) 1956.
Boenheim (Berlin) 705.
Bonhoff, F. (Hamburg) 1373.
Bonhoeffer 1479, 1480, 1481.
Bonhocffer (Berlin) 30, 228.
559, 947, 948, 1672, 1673,
1691, 1750, 1774.
Bonnamour S. (Lyon) 122.
Bonnefon 1557.
Bonniger 1474. I
Bönniger (Berlin) 659.
Bönniger, M. (Berlin) 76. j
Bönninger (Pankow) 957.
Bonome, A. (Padua) 756.
Bontemps (Altona) 1129. J
Bookmann, Ä. (New York) ;
1820. i
Borchard (Posen) 179, 864, !
913, 1282, 1586, 1587, j
1600, 1601, 1603. !
Borchardt 1481.
Borchard t (Berlin) 328,
1192, 1244, 1823, 1965.
Borchardt, L. 1281.
Borchardt, L. (Berlin) 1288.
Borchardt, L. (Königsberg)
120, 1422.
Borchers, E. (Tübingen) 1186.
Bordet, J. 121.
Bordet, J. (Brüssel) 497.
Borclius, J. (Lund) 271.
Borelli 1650.
Borgbjaerg, A. (Kopenhagen)
864.
Bornemann, W. (Stettin) 167.
Bornstein (Hamburg) 90,
767, 998.
Bornstein, A. 1848.
Bornstein, A. (Hamburg) 711,
923, 1232.
Bornstein, J. (Moskau) 171.
Borrel (Paris) 1395.
Borst (München) 1619.
Borszekv, K. (Budapest) 612,
1282.
Bortkiewitseh (Petersburg)
847.
Boruttau, H. (Berlin) 1599.
Bossart, A. (Aarau) 760.
Bossclmann (Erlangon)1471.
Boeters, 0. (Zittau) 1747.
Bottcri, J. H. (Scbcnico)
799.
Böttiger (Hamburg) 1391,
1901.
Boetzel, E. (Heidelberg) 268. '
Boulud 25, 26, 119. j
Boulud, R. (Lyon) 1373. i
Bourgeois (Paris) 1246. j
Bourgnignon, G. 31.
Bourne, A. W. 407. !
v.Bouwdijk (Bastiaanse) 1430.
Boveri. P. (Mailand) 1185. J
Braatz (Königsberg) 1340. >
Bracht (Berlin) 652.
Bradden, W. L. 1329. i
Brade (Breslau) 994. ■
Bradford, E. H. (Boston) ,
990.
Bralim, C. (Berlin) 1579. i
Brand 898, 1428.
van den Branden, F. 1472. ,
von den Branden, F. (Leo- 1
poldsville) 223.
Branderburg, 11. (Berlin) j
1328.
Brandes 1488. (
Brandes fKicl) 612,712,720, !
811, 865, 943. 1229, 1691. 1
Brasch, M. (Nürnberg) 1280. j
Brasch, P. (BraunschweigJ j
460.
Brattstrüm, E. (Lund) 1557, j
Bratz (Königsberg) 1947. j
Braude, L. (Berlin) 170. j
Brauer (Hamburg) 854, 1142. \
1849.
Brauer, A. (Danzig) 894. ;
Brauer, L. 1611. |
Brauer, L. (Hamburg) 843,
1597. ;
Braun 458. I
Braun, II. 988, 1370. |
Braun, H. (Frankfurt) 297,
328, 668, 1922.
Braun, L. (Wien) 1129.
Braun, W. (Berlin) 1229.
Braeuning (Stettin) 89, 1138.
Braus (Heidelberg) 1673,
1903.
Brcccia, E. 1226.
Brehm, 0. 31.
Breitenstein, II. 802.
Breitmann, M.J. (Petersburg)
120, 842, 1372.
Breitner, B. (Wien) 1230.
Brenner, A. (Linz) 82.
Brentano, A. 1476, 1747.
Bresgen (Cöln) 1948.
Bret, J. 648.
Bret, T. 461. !
Breton 323. i
Brettner (Berlin) 1665, 1698, i
1825. |
Breuer, C. (Friedenau) 1821. j
Breuning, F. (München) 1046.
v. Breuning, W. 1130.
Brezina, E. 1746. j
Brieger 1154. 1
Briegcr, L. (Berlin) I0l,lo7, j
230, 839. |
Brill (Frankfurt) 1143. |
Brilliant, W. 1524.
Brind, Z. (Berlin) 559.
Broca (Paris) 321.
Broca, A. 270, 411. I
Brock, W. 33. i
Brock, W. (Erlangen) 1246. |
Brockmann, H. (Wien) 28.
Brocq, L. (Paris) 561.
Brocx 368.
Brodin (Paris) 1604. -
Brodmann (Tübingen) 226.
Brodtmann (Zittau) 90.
Brockmever, J. (Greifswald)
1581. ‘
Bromberg, R. (Haag) 221.
Brongersma (Amsterdam)
1202 .
Brösamein (Tübingen) 1185.
Bröse 1485.
Bröse (Berlin) 129, 1136.
Brötz (Essen) 1752.
Brouardel (Paris) 429.
Brouardel, G. (Paris) 1566.
Broughton (Paris) 429.
Bruch (Dresden) 1899.
Bruck, C. (Breslau) 430.
Bruck, F. (Berlin) 1232. ;
v. Brücke, E. Th. 938, 1797. ,
Brückner 220.
Brückner (Berlin) 558, 906, !
1099, 1425, 1560. '
Brückner, G. (Berlin) 103, !
120 . |
Briiggemann, A. (Giessen)
1127.
Brugsch (Berlin) 568, 1379,
1533.
Brugsch, Th. (Berlin) 704,
798. ,
Briihann (Osterburg) 1055. j
Brühl (Berlin) 422, 423,
1288, 1289.
Brühl, G. 1732.
Bruhn, *0. 1425. I
Bruhns (Berlin) 566, |
Bruhns, C. (Berlin) 382. ,
Bruhns, C. (Charlottenburg)
69. I
Brun, II. (Luzern) 464.
Brüning (Berlin) 1531, 1532. j
Brüning (Rostock) 1874. j
Brüning, A. (Giessen) 1085. i
Brüning, H. 73. j
Brüning, II. (Rostock) 897. ,
Bruno (Göttingen) 1184. 1
v. Bruns 1422, 1918.
v. Bruns, P. 796.
Bruns, L. (Hannover) 30. i
Bruns, 0. (Marburg) 121, 1
957.
Brunsgaard, E. (Christiania) I
1231. |
Brunton, L. 1524. j
Brunzlow (Bonn) 1773. I
Bruijant. L. 323. j
Bry, G. (Breslau) 1326.
Buberl, L. (Wien) 1278.
Bueehelcr (Frankfurt) 1143.
Buchholtz, II. (Berlin) 215.
Buchholz (Hamburg) 1901.
Büchner, P. (München) 1753.
Buchwahl (Wien) 43, 1150.
Bucck, W. (München) 76.
Bucky 371.
Bucky (Berlin) 72, 170, 910,
1173, 1923, 1940, 1942.
Bucura, C. J. 646. j
Bucura, C. J. (Wien) 125, j
706. I
Büdingen, Th. 1044. I
Bullock, II. 563. _ I
Bullock, W. E. (London)725. j
Buelter, Th. (München) 610.
Bum, A. 723.
Bum (Wien) 769.
Bumke, E. (Berlin) 649, j
1579. |
Bumm 131, 193, 572, 949. |
Bumm, E. (Berlin) 415,
1244, 1554, 1712.
v. Bunge 1489.
Bunnemann 708, 896. I
Bunnemann (Ballenstedt) ;
1688. I
Burchard (Rostock) 1471. j
Burckhardt (Berlin) 850. j
Burckhardt (Nürnberg) 1342.
Burckhardt, H. (Berlin) 464.
Burckhardt, J. L. (Basel)
1468. I
Bürger 366. 1
Bürger, M. (Charlottonburg) i
29. I
Bürger, M. (Strassburg) 988. j
Burghold, F. 939. i
Buri, R. (Bern) 557. j
Biirker (Tübingen) 958. |
Burkhardt 1488. ‘
Burkhardt (Berlin) 959. |
Burkhardt (Nürnberg) 611,
672. |
Burnet, R. 1228.
Burns 1226, 1373.
Burtlctt, F. K. (Chicago)
1373.
Busch (Berlin) 1533, 1534.
Busch (Münster) 126.
Busch, II. 189S.
Buschke, A. (Berlin) 1529,
1959.
Buschmann (Kiel) 943.
Biising, B. (Bremen) 609.
Busson (Wien) 944.
Busson, E. (Wien) 609.
Buth (Berlin) 1224.
Butter (Birmingham) 1087.
Buttermilch, W. (Berlin)650.
Bychowski 760, 1688.
Bychowski, Z. (Warschau) 1
80. i
c.
Caan (Frankfurt) 237, 285.
Cabanes (Paris) 1246.
Cabot (Boston) 1202. I
Cabot, It. C. 704. ,
Caddy, A. (Calcutta) 1581. '
Cadman, .1. 804. |
Cahen, F. (Cöln) 1821. i
Cahn (Strassburg) 91, 1563.
Calderini, A. (Turin) 1430.
Call mann, A. (Hamburg) 1
1772. !
Calmette 1612. !
Calmette, A. 496, 797.
Camby (Paris) 239. .
Campbell, II. (London) 755,
1224.
Camus (Paris) 1188.
Cancrin,W.C. (Dresden) 317.
Candler, A. L. (Excter) 1229. ;
Canestro, C. 1048.
Cantle, .1. 609.
Cantoni, V. (Genua) 26.
v. Cappellen 1423.
Carl 1084. '
Carl (Königsberg) 575, 960. i
Carle 649. ,
Carnclli, R. (Forli) 711. ■,
Caronia, G. (Palermo) 560, i
649. i
Carrcl, A. (New York) 509, j
1101 .
Carslaw 1428. j
Carsten, P. (Berlin) 802. j
Casalis, R. (Nanterre) 651. \
Casper (Berlin) 913, 1535. j
Casper, L. (Berlin) 1052, >
1202, 1259. ,
Cassel, H. (Berlin)^150. :
Cassirer (Berlin) 472.
Cassoute (Marseille) 990, I
1046. I
Castaigne, J. (Paris) 430, i
479, 1490.
Castellani, A. (Colombo) 122,
900. I
Castelli, R. 1042. |
Castro 1470. i
de Castro 30.
Catheart 992.
Catsaras, J. 988.
Caudius, M. (Kopenhagen)
1733.
Caussade 1489.
Caussade (Paris) 1566.
Caussade, L. 1374.
Cavarzani,D.(Sandigro)1042.
Cederbaum, L. (Breslau) 271.
Cedorberg, A. (Helsingfors)
64, 585.
Ceelen, W. (Berlin) 363,418.
v. Celebrini, E. 317.
Gemach, A. J. 1278.
Cemach, J. 1686.
Cermak (Giessen) 1471.
Ccruello, C. (Palermo) 986.
Cervello, C. (Palermo) 555.
Chabrol (Paris) 188.
Chajes, B. (Berlin) 846,1798.
Chalatow, S. (Petersburg)
1043, 1579.
Chalier, A. (Lyon) 899.
Chalupechy, II. 1750.
Champtaloup, S. T. (Otago)
1278.
Chancellor, P. S. 321.
Chantcmessc (Paris) 1000,
1096, 1604.
Chanutina 1375.
Charnas (Wien) 30.
Chauffard (Paris) 860, 1441.
Chausse, M. P. 368.
Chatclin 1045.
Chatelin (Paris) 1001.
Chevalier, P. 892, 1277.
delle Chiaie, S. (Neapel) 171.
Chiari 897.
Chiari (Strassburg) 1095,
1563.
Chiari (Wien) 857, 859,1394.
Chiari, H. (Strassburg) 7.
Chilaiditi, D. (Konstanti¬
nopel) 82, 1599, 1874.
Chlumsky (Krakau) 611.
CholzolT, B. (I ) etersburg)943.
Choronshitzky, J. 1048,1049.
Chotzen (Breslau) 182.
Christeller (Berlin) 568.
Christeller, E. (Berlin) 757.
Christen, Th. (Bern) 796,
812, 1044, 1282.
Christiansen, A. (Leipzig)
1467.
Christoffersen, N. R. (Kopen¬
hagen) 411.
Churchman 122.
Chvostek, F. (Wien) 610.
Cilimbaris (Athen) 1229.
Citron (Berlin) 282, 1057,
1533.
Citron, A. (Berlin) 613.
Citron, J. (Berlin) 78, 332,
581, 708.
Ciuffini, P. 321.
Clairmont 1154.
Clairmont (Wien) 859.
Claisse, P. (Paris) 239.
Clarac (Paris) 1152.
Clark 992.
Clarke, J. M. (Bristol) 1329.
Claude (Paris) 429, 430,
1565.
Claude, H. 1375.
Claude, H. (Paris) 187.
Claus (Berlin) 172,415,1533.
Clauss, E. (Hamburg) 1921.
Clausz, L. M. (München) 557.
Clausz, M. (München) 1688.
Clementi, A. 938.
Clemm,W.N. (Dresden) 1582.
Cloetta, M. (Zürich) 317, 646,
985, 1423, 1526.
Coats, G. 273.
Cockin, lt. P. (Grenada) 83.
Coencn 39, 41, 49, 1229,
1296, 1437, 1439.
3*
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UNIVERSUM OF IOWA
nna
BERLINER KLINISCHE WOCHENSC HRIFT.
CocncD, II. (Breslau) 3L 177,
474, 665. 865, 1589, 1603, ,
1616, 1626, 1745, 1873.
Cohen 896. 1
Cohen, E. (Frankfurt) 1799. 1
Cohendy, M. 1127.
Cohn (Berlin) 1821.
Cohn, A. E. 987.
Cohn, F. (Frankfurt) 1143. 1
Cohn, G. 1796.
Cohn, M. 1580.
Cohn, M. (Berlin) 34, 865,
912. 1282.
Cohn, R. (Berlin) 1429.
Cohn, T. 1479, 1480.
Cohn, T. (Berlin) 470, 658,
Cuno, F. (Frankfurt) 1044. ;
Cupcrus, N. J. 987. ^ ’
Curschmann, H. (Mainz) 362,
759, 863.
Cut Iler, F. C.(Heidelbcrg) 121.
Cycvers (Beuven) 799.
Cyriax 462.
Czaika, A. (Moskau) 191.
Czapek, A. (Wien) 1577.
Czapski, L. (Berlin) 1526.
Czernpin (Berlin) 1925.
Czerkassow, W. 381.
Czerny, A. (Berlin) 278, 280,
622, 754, 760, 1059.
Czernv, V. (Heidelberg) 1694,
1750, 1776, 1822.
Cohnheim (Hamburg) 670, [ Czcnvenka, K. 1331.
854, 998, 1391.
Cohnheim, 0. 1526.
Cole (New York) 941.
Colo, L. C. 1130. j
Collet, A. (Christiania) 463. '
Collcy, F. (Insterburg; 82.
Colman, J. (Berlin) 28. j
Colmcrs (Coburg) 819. :
Colombe (Paris) 1001. |
Combc (Paris) 239.
Cornberg, W. (Berlin) 1734. )
Comhy 990. ,
('«inihy (Paris) 1441.
Conan 1472. I
Condat 990. j
Condat (Paris) 1441. j
Conjetzny (Kiel) 811. ;
< 'onner 942. ,
Conor, A. 27, 29.
Conradi (Cöln) 1874.
Conseil, E. 29.
Consoli, G. (Catania) 27.
Constantincscu, II. 848.
Conto (Paris) 1567. |
Contcaud (Paris) 1395.
Cook, ,1. B. (lsleworth) 804. (
Cooke, R. A. 1082.
Coolidgc 1130. |
Coombs, C. (Bristol)78,1280. )
t'oopcr, E. A. 1329.
Cooper, P. II. (London) 80. j
Cordes, M. (Berlin) 1599. i
Cords (Bonn) 1612. I
Cords, U. 1553. I
Corner, E. M. (London) 271,
1231. |
Costex 1848. j
Gutes,Th. H. (Littlc Rock)S4G.
Couehud, P. L. 896.
Coureoux (Paris) 1604.
Courtney, B.J.(Sokoto) 1372,
Gramer 415, 801, 1922.
Gramer (Berlin) 1964.
Gramer (Cöln) 812.
Gramer, H. (Bonn) 1557.
Craerner 1489.
Criimer (München) 92.
Craemer, 0. 320.
Creazzo (Arcangclo) 119.
Crede-Ilörder (Friedenau)
562.
Crcde-HOrdcr, C. A. 74.
de Crinis (Graz) 1185.
di Cristina (Palermo) 560.
Croec (Essen) 1139.
Grone, E. (Freiburg) 1046.
Croner, F. 1750.
Croner, F. (Berlin) 1378.
Cronquist, C. (Malmö) 1799.
Cronquist, J. 463.
Crooksbank, F. G. (London)
647.
Crouzon (Paris| 1J52, 1441.
Crow (Paris) 1567.
Crow, D. A. (Eylesbury) 614.
Cruiee 1129.
Crzcllitzer (Berlin) 36.
Csepai, K. (Budapest) 122.),
1899.
Cukov, N. 1283.
Cullen,G.E.(Ncw York) 122 1 .
v. Czirer, L. (Budapest) 75G.
| Czubal.ski, F. (Lemberg) 556.
1 v. C/yhlarz, E. 1649, 1848.
i v. Czyhlarz, E. (Wien) 1067.
D.
Dadyner, H. (Berlin) 613.
Dagevos 801.
Dainville (Paris) 1097.
Dalmady, Z. (Budapest) 722.
Dalmcver 363.
Damask, M. 168.
Damköliler, E. 842.
Dandy, W.E. (Baltimore) 81.
Danielsen 1875.
Dannemann, F. 984.
Darre (Paris) 860.
Darre (Paris) 1001.
Daus, S. (Giitergotz) 79.
David, IL (Leipzig) 269.
David, 0. (Halle) 892, 911,
1283.
David (Zittau) 1245. I
Davidoviez, J. (Budapest) j
121. j
Davids oG2. j
Davidsohn (Berlin) 1288,
1291, 1335.
Davies, L. (Cardiff) 223.
Davis, L. 1919.
Dax, R. (München) 710.
Day, H. B. (Cairu) 1526.
Deapehier 170.
De bat (Paris) 1001.
Debre, R. (Paris) 80, 648,
1567.
Dehn (Paris) 1097.
v. Deeastello, A. (Wien) 760,
858, 1082, 1151.
Decker 800.
Decker, R. (München) 900,
991.
Decref 28.
Declman (Amsterdam) 938.
Deetjcn, H. (Heidelberg) 557.
843.
Degrais (Paris) 124, 845,
1098.
Ddguisnc (Frankfurt) 845.
Dcliio (Dorpat) 1756.
v.Dehn, (».(Petersburg) 943.
Deigley, L. A. (London) 1130.
Deist, 1L 368.
Delange, L. (Brüssel) 497.
Dclbanco (Hamburg) 952,
953,997, 1093,1141,1391.
Delbanco, E. (Hamburg)
1044.
Dclbct, P. (Paris) 1096.
Delfino (Genua) 1131.
Deltinu, E. A. (Genua) 560.
Demanchc (Paris) 1002.
Dembicki, A. (Prag) 1900.
Demoll, IL 459.
Denekc, G. (Venedig) 987
Denig (New York) 1331.
Denk, W. (Wien) 1085, 1149,
; 1229, 1230.
Denker, A. (Halle) 220, 994.
1247. |
Dcnman, H.(Mauritius) 1278. ,
Le Dcntu (Paris) 1566. ,
Depage (Brüssel) 955, 1102.
Deprne (Breslau) 715. |
Deppe 1772. 1
Deppe, L. (Tanga) 564. 1
Dercsse 1472.
Desbanis (Paris) 239. j
Dcsbouis (Paris) 430. 1
Desbouis. G. 1042. j
Desgrais 239.
Dessauer (Frankfurt) 712, j
910, 911, 1131, 1471. |
Dcssaucr, A. (München) 720. i
Dessauer, F. 1846. j
Dcssaucr, F. (Dresden) 125.
Dessauer, F. (Frankfurt)
992, 1632. i
D et ermann 1650.
Determann (Freiburg) 1392.
Dethleffscn (Hamburg) 122. i
Detlefscn (Hamburg) 1093.
Deutsch 893.
Deutsch (Wien) 625.
Deutsch, A. (Wien) 843.
Deutsch, F. (Wien) 799.
Deutsehländer 89S.
Deutschländer (Ham bürg) 42.
576, 812, 1338.
Devie, A. 461.
Devin (Berlin) 1325.
Diamant 363.
Diamant. Z. (Lemberg) 322.
Dick, M. .1. (8tavelev) 986
Dick (Berlin) 1774.
Diepgen (Freiburg) 184,1619.
Dietlein, M. (Kempten) 221.
Dietricli (Mannheim) 1282.
Dietrich, E. (Berlin) 1347.
Dietrich, H. A. (Güttingen)
1528.
Dietrich, lv. 1847.
I Dietrich, K. (München) 557.
j Dietsch, C. (Greifswald) 76.
Dictschc (Konstanz) 123.
! Dietz (Darmstadt) 652.
Dieudonne (München) 185.
Dieudonne, A. 411.
i Dilger 761.
Dilger (Heidelberg) 1694,
i 1775.
Dillcr 942.
Dinkelacker, E. (Berlin)
1331.
Dirks-Marmetsclike (Kriebel)
1920.-
! Disquc 1600.
Disquö (Potsdam) 120, 1755.
Diltler, R. 219, 1080.
Dobbertin 612, 771.
| Dobbertin (Berlin) 1470.
Döbeli, E. (Bern) 559, 897.
j Dobenvolskaja, N. (Peters¬
burg) 899.
) Döderlein. A. (München) 361.
I Dogicl, d. 360.
| Dochle (Kiel) 1692.
i Döhrer (Berlin) 1583.
) Döhring (Königsberg) 1143.
! Dold, H. (Sfrasshurg) 268,
! 988, 1280, 1797.
‘ Doldi (München) 922.
j Dölger, R. (Frankfurt) 125,
I 171, 1581.
! Doll 1899.
Döllkcn (Leipzig) 1807, 1841.
v. Domarus, A. 1469.
Dombrowski, C. 1048.
Donath, H. (Wien) 560.
Donath, J. (Budapest) 647.
Donath, J. (Wien) 1467.
Dönges 1919.
Dünitz 1483.
Dönitz (Berlin) 471.
Dopter (Paris) 239, 1246.
Dopter (Wien) 187.
Dorendor/, H. (Berlin) 229,
269, 1475.
Döri, A. (Koloszvär) 941.
Döri, B. (Koloszvär) 29.
Dorner (Berlin) 555.
Dorner, G. (ßeriin) 649.
Doerr, R. (Wien) 988.
Douzelot (Paris) 1097.
Doevenspeck (Essen) 574.
Drachter, R. (München) 648,
845, 1424, 1555.
Dracinski, N. (Kimpolung)
LÖS!.
Drecmann (Cöln) 1105.
Dreesmann 1330.
Drehmann 1198, 1601.
Drehmann (Breslau) 179.
Dreifuss (Hamburg) 1390,
1901.
Dreisel, E. G. (Heidelberg)
320.
Dresel (Heidelberg) 1341.
i Dresel, E. G. (Heidelberg)
1798.
Dresel, K. (Berlin) 1328.
Dreuw 1331.
Dreuw (Berlin) 220, 556.
Drews, H. (Barmen) 608.
Dreyer 1104, 1602.
Dreyer, G. (Oxford) 939.
Drevcr, L. (Breslau) 176,178,
181, 234, 375, 474, 959,
995, 1198, 1282, 1470,
1585, 1605, 1612.
Drevfus, G. L. (Frankfurt)
1*85, 561, 1923.
i Dreyfuss (Hamburg) 1140.
Drcyfuss (Strassburg) 669.
Dreyfuss, A. (Lvonj 126.
v.Drigalski, W. (Halle) 1465.
1 Drinker 1469.
I Dröge, K. 1080.
j Drummond, H. (Newcastle)
i 413.
I Drüner (Quierschied) 1085.
i Dübi, M. 1423.
1 Dubois (Paris) 861.
1 Dubois, A. (Leopoldsville)
I 1472.
I Dubois, J. 1151, 1490.
Dubois, .1. (Paris) 1098.
Dubs, J. (Zürich) 1086.
Dudley 1372.
Dufour 270, 1490.
Dufour (Paris) 860.
Dufour, IL (Paris) 239, 1567.
Durfour, P. (Lyon) 649.
Dufourt (Vichy) 1083.
Duge 1772.
Dugge (Rostock) 1132.
Dumas, A. 896.
Dunbar, W. P. 1527.
Duncker (Cöln) 814.
Dünke loh 1330.
Dünkeloh, W. 169.
Dünkelsloh 1428.
Dunker, F. 801.
Dünne, A. B- 994.
Dünner, L. (Berlin) 1374,
1759.
Durand 1081.
Durand (Lyon) 955, 1376.
Durand, P. 80.
Durand, P. (Lyon) 649.
Diirc-k (München) 185.
Durig, A. 409.
Dusehek (Wien) 1150.
Dusser de Barenne (Mecrcn-
berg) 31.
Dutoit 1377.
Dutoit (Montreux) 1612,
1749.
Dwosetzky. A. (Moskau) 191,
G27, 1107.
Dwosetzky, A. (Petersburg)
1250.
Dyckerhoff, K. IL (Freiburg)
*988.
E.
Ebbcckc, U. 938.
Ebbecke (Göttingen) 141,
1563.
Ebbinghaus, H. 1276.
Ebel (Wien) 1966.
Ebelin, E. (Strassburg) 81).).
Ebeling, E. (Strassburg) 689.
Eberstadt, F. (Frankfurt Mo.
Ebert, W. (Dresden) 987.
Ebert, W. (Würzburg) 646.
Ebstein 705.
Ebstein, E. 1130.
Eckard, B. 1508.
Eckard (Berlin) 807.
Eckert (Berlin) 275, 2*6,
901, 915.
Eckstein (Berlin) 1432.
Eckstein, A. 1127.
Eckstein, H. (Berlin) 1606.
Fdelberg, IL 82.
Fdelberg, II. (Münehcn)1262.
Edelstein, F. (Berlin) 123.
Eden, IL (Jena) 81, 710,
1752, 1821.
Edens 1280.
Eder (Berlin) 804, 1746,
Eder, A. (Berlin) 1771.
Edgar, W. IL 126.
Edinger, L. (Frankfurt) 521.
Egan (Budapest) 941.
Egger (Wien) 43.
Eggers, II. 1424.
Egis, B. (Moskau) 1107.
Egis, B. (Odessa) 1249.
Egli, F. (Basel) 1224.
Ehrenreich 462.
Ehrenreich (Berlin) 663.
Ehrenreich, M. (Kissingen;
1546.
v.Ehrenwall (Ahrweilcr)907.
Ehret (Strassburg) 1949.
Ehrl, ,1. 1554.
Ehrlich, M. 1554.
Ehrlich, P. (Frankfurt) 4S2,
484.
Ehrlich (Dresden) 1142.
Ehrlich, F. (Stettin) 77.
Ehrmann 462.
Khrniann (Wien) 673.
Ehrmann, R. (Berlin) 662,
1422, 1572, 1596, 1824.
Ehrmann, W. B. (Heidelberg)
895.
Eichbaum (Magdeburg) SD-
Eichelbcrg (Hedemiindtn
1772.
Eichhorst (Zürich) 1427.
Eieko (Berlin) 56L
Ficke, H. (Berlin) 28, 1901.
Einbeek, H. (938).
Einhorn 122, 1083.
Einhorn, M. 169, 1899.
Einhorn, M. (New York; S4ö,
1888. ..
y.Eiselsbcrg(Wien) Ab
816, 817,1104,1148, Ld,
1946, 1947, 1950.^
Eisenberg (Breslau) GL
Eisenberg, C. (München) *1 ■
Eisenstad t (Berlin) 420, 13*’■
1560. •
Eisenstein (Berlin) 3--.
Eisner (Berlin) 988.
Eisner, G. (Berlin)
Ekecrantz, T. 266.
Ekler (Wien) 223.
Elben (Stuttgart) G3. ^
Eider, 0. F. (Atlanta.)
Eiders 365. .
Eiders, C. (Amsterdam) w-
Elfer, A. (Kolozsvar) 6 U-
Elias (Wien) 860.
Elias, IL (Wien; 2^-
v. Elischer. E. 15w.
Ellermann (Kopenhagen)* -
Elliot 1375.
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UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1073
Elliot, R. II. 762, 1047.
Elliot, T. R. (London) 1130.
Eloner, II. L. (Svracus)
1372.
Eis, H. (Bonn) 270.
Elsaesser, J. (Mannheim)
556.
Elschnig 614, 1332.
Elschnig (Prag) 466, 1948.
Elschnig, A. 849, 993, 1530.
Elze (Heidelberg) 1674.
Emanuel, 0., 848.
Embden, G. 25, 1525.
Embdcn (Hamburg) 854.
Embleton 461. ,
Embleton, D. (London) 268,
609, 941. ;
Emden 1281. j
Emden (Frankfurt) 958. j
Enieric (St. Etienne) 1472. !
Emmerich, R. 317, 1378, i
1898. ;
Emmerich (Kiel) 1142. i
Emomoto, N. (Osaka) 561. i
Emrys-Roberts, E. (Cardiff) !
1225. |
Emshof, E. (Dresden) 363. j
Enderlen (Wiirzburg) 818. !
Engel (Berlin) 397, 1195, I
1224, 1875.
Engel, C. S. (Berlin) 352,
369.
Engel, 11. (Berlin) 713, 1582, :
1689. I
Engel, K. (Budapest) 940.
Engel, S. (Berlin) 709.
Engel, W. (Kreuzen) 1005.
Engelajid, R. 705.
Engelbrecht (Bischweiler)
80.
v. Engelbrecht, H. (Hamburg)
1373.
Engelen (Düsseldorf) 169,
1579, 1600.
Engelhard, C. F. (Utrecht)
1733.
Engelhorn (Erlangen) 720,
757.
Engelraann 222.
Engelmann, G. 366, 1233.
Engländer (Wien) 625.
Engländer, M. 1688.
Enriquez (Paris) 722, 1566.
Ephraim (Berlin) 1386.
Eppenstein (Marburg) 1612.
Eppinger (Wien) 30, 94,
175, 335, 1151.
Eppinger, H. 1046.
Epstein (Nürnberg) 672.
Epstein, II. (Prag) 1820. i
Erb, W. (Heidelberg) 1848, ,
1850, 1903.
Erdclyi, P. (Budapest) 939. i
Erdheim (Wien) 1245, 1947. j
Erdmann (Hannover) 1922. j
Erdt, V. (München) 1650.
Erggelet, H. (Jena) 33. ■
Erkes (Berlin) 472, 1281.
Erlacher 366.
Erlacher (Graz) 813, 814,
845, 991.
Erlanger, B. 650, 1469.
Erlenmever (Freiburg) 672,
708.
Erlcr (Berlin) 275.
Ernst (Heidelberg) 1772. 1
Esau 1085. j
Esch, P. (Marburg) 755,
988, 1087.
Eschbaum (Barmen) 1600.
Eschweiler (Düsseldorf) 1326.
Eskuchen 1771.
Eskuchen, K. (München)
797.
Essen, K. A. (Dornum) 1651.
Essers, E. (Krefeld) 991.
Estes (South-Bethlehem) 956.
Etchevers (Toulouse) 82.
Ettinger, W.(Warschau)413.
Eulenburg, A. 1796. '
Eustis 1375. I
Evler (Berlin) 328, 1432,
1713.
Ewald (Berlin) 35, 569,1229, !
1241, 1384, 1473, 1533,
1753, 1777, 1803, 1804,
1878.
Ewald, G. 1526.
Ewald, W. 1222.
Ewald, W. E. 266.
Ewald (Hamburg) 84, 321.
Ewald, G. (Halle) 940.
Ewald, J. R. (Strassburg)
1251. i
Ewald, P. (Hamburg) 845, |
1132.
Ewart, W. (London) 1128. !
Ewers (Dresden) 710.
Exncr, Al. 1556. i
Exner (Wien) 674, 1104,
1150. I
Eyff (Nimptsch) 1587.
v. Evsselsteyu 797.
F.
Falter,K. (Kopenhagen) 1756,
1777.
Fabian 1084.
Fabian (Leipzig) 576.
Fabrieius, J. (Wien) 1557.
Fabritius, H, (He Ising fürs)
937.
Faekenhcim (Cassel) 956.
Faginoli (Catania) 449.
Fahr (Hamburg) 377, 670,
719, 1093, 1140, 1141,
1201, 1849.
Fahr, G. 1080.
Fahr, Th. (Hamburg) 1463,
1749.
Fahrenkamp, K. (Heidelberg)
79, 976.
Fairlic, II. P. (Glasgow) 611.
Fajans, S. (Strassburg) 268.
Falchi 1876.
Falk (Berlin) 912, 1290,
1436.
Falk, A. (Berlin) 1632, 1822.
Falk, E. (Berlin) 934.
v. Falkowski, A. (Heidelberg)
411.
Falta, W. (Wien) 93, 217,
(507, 1002, 1004, 1184,
1149, 1554, 1966.
Falz, T. (Hamburg) 460.
Farfel, M. (Petersburg) 627.
Farrand, R. (London) 648.
Farrant, B. (London) 121.
Fase hingbauer, 11. (Wien)
1226.
Fasiani, G. M. (Turin) 706.
Faulhaber 1556.
Faulhaber (Wiirzburg) 768,
1355.
Fauser, A. (Stuttgart) 221,
15.>4.
Faust, E. S. (Wiirzburg) 862.
Fausika, 0. 459.
Fautl, G. (Prag) 613.
Favarger, II. (W ien) 942.
de Favcnto, P. (Triest) 842.
Favre (Moskau) 559.
Fäykiss, F. (Budapest) 722.
Fearnsides, E. G. (London)
1427.
Fedders, W. (Petersburg)
I 1082.
I Federn (Wien) 596, 1245.
Federschmidt (Göttingen)
140.
Fehling (Strassburg) 219,
1392, 1563.
Fehr (Berlin) 764, 1560.
Feierabend, 0. 1224.
Fejer, J. 83.
Feigl (Hamburg) 997.
Fcilchenfeld (Berlin) 1286.
Feiler, M. 988.
Feiler (Breslau) 1229.
v. Feilitsch (Lankwitz) 1864.
Fein, J. 1284.
Fekete, A. (Budapest) 757.
Feldmann, M. (Charlottcn-
burg) 843.
Feldner, J. (Wien) 708,
1526.
Feldt, A. 1577.
Fehlt, A. (Frankfurt) 647.
Feldt, H. 1372.
Fellmcr, T. (Bonn) 1279.
Folter, M. 1553.
v. Fonvvessv, B. (Budapest)
1279.
Ferber, .J. (Berlin) 319.
Ferguson, A. R. (Cairo)
1526.
Fcri (Wien) 769.
Ferrari, C. ( Parma) 1225.
Ferrarini (Pisa) 1282.
Ferrata, A. (Neapel) 460.
Ferrsiva, A. 80.
Fessler (München) 1714.
Fe t ze r( Königsberg)855,1771,
1898.
Ficker, M. 606, 1324.
Fidler, F. (Göttingen) 1795.
Ficssingcr 1491.
Fiesringer, N. 460.
Fiessinger (Paris) 722.
Fieux, G. (Bordeaux) 651.
Finck (Charkow) 813, 1128.
Finder (Berlin) 173, 1334,
1709, 1809.
Finger, E. 1187.
Fingerhut, L. (Erlangen) 415,
1582.
v. Fink (Karlsbad) 271,
845.
Finkelnburg (Bonn) 607,
713, 1045.
Finkelstein(Bcrlin) 622,1164,
1241.
Finkeistein, B. (Petersburg)
1250.
Finsterer (Wien) 170, 859,
1343.
Finzi (Wien) 1395.
Finzi, A. (Wien) 844.
Finzi, 0. (Pisa) 363.
Firket, Ch. (Lüttich) 755.
Fisch, R. 1132.
Fisebel, R. (Bad Hall) 613.
Fischer 1650.
Fischer (Frankfurt)285,1143,
1 1.44.
Fischer (Galati) 562.
Fischer (Kiel) 238, 284.
Fischer (München) 577.
Fischer (Wiirzburg) 711.
Fischer, A. (Bukarest) 1084.
Fischer, A. (Prag) 1130.
Fischer, A. (St. Gallen) 759,
1226.
Fischer, B. (Frankfurt) 1S5,
668, 718, 1094.
Fischer, C. C. (Königsberg)
m.
Fischer, F. (Düsseldorf)
1326.
, Fischer, H. (Greifswald) 844.
Fischer, J. 803.
Fischer, M. (W’icsloch) 1946.
Fischer, 0. 165.
Fischer, W. (Berlin) 32.
Fischera, G. (Rom) 894.
Fisch 1, F. (Wien) 608, 1427.
Fischl, R. (Prag) 651, 1084.
Fischler (Heidelberg) 93,121, i
754. I
Fisher, A. G. T. (Bristol) j
1581.
Fisichella, V. (Catania) 449. i
Flachs, R. (Dresden) 1465. !
Flandin (Paris) 1001, 1098, 1
1491, 1603. !
Flaschen, S. (Wien) 1329. j
Flatau 1377. j
Flatau, E. 31.
Flatau, G. (Berlin) 709. j
Flatow, L. (München) 557,
959, 1129, 1425.
Fleischer 1284.
Fleischer, B. 1048.
Fleischmann 1005. 1
Fleischmann,' R. 1772.
Fleischmann (Berlin) 132,
332.
Fleischmann, 0. (Wiesbaden) 1
170. ;
Fleissig, J. (Wien) 1578. '
Flemming, (Berlin) 1237.
Flesch (Berlin) 1879.
Flesch, J. 647.
Fletsclier, \Y. (Kuale Lumpur)
1280.
Fleury 1472.
Fl exner, S. 506, 1898. I
Fliniaux 1129.
Fliess (Berlin) 231.
Florand (Paris) 1001.
Flörke (Paderborn) 1104.
Flörcken, II. (Paderborn)
651, 1231. !
Flosowsky, W r . (Odessa) 711.
Florschütz (Gotha) 1689.
Floyd 1225.
Flügge 1655.
Flury (Wiirzburg) 768.
Flusser, E. (Prag) 1227.
Foä, C. 1127.
Focke (Düsseldorf) 562.
Föderl (Wien) 1149, 1150.
Fodor, A. (Halle) 798.
Fogcs, A. 1331, 142?, 1946.
Föhren hach, F. (Tübingen)
1423.
Foix 1490.
Foix (Paris) 1441.
Fokke Meursing 365.
Folcv, C. II. (Ardrahan)
797.
Foley, II. 895, 1554.
Fonasticr, M. 1279.
Fonio, A. 1042.
Foramitti (Wien) 578.
Forcart (Basel) 1147.
Fornet, W. (Berlin) 1632.
Foroni (Genua) 1922.
Forschbach (Breslau) 284,
558.
Forsell, G. (Stockholm) 708.
Förster (Berlin) 227, 949,
169 1 .
Förster, E. (Berlin) 757.
v. Förster 1280.
, Foerster (Breslau) 375.
Förster (Wien) 380.
Förster, 0. (Breslau) 765,
766.
Forstincau, Ch. 893.
' Fortincau, L. 893.
| Fox, H. 317.
i Fraipont (Lüttich) 1232.
Franceschelli, D. (Neapel)
412.
| Francesco, J. (Modena) 319.
Franck, E. (Berlin) 572,
1709.
| Francke (Frankfurt) 940.
! Francois 1046.
I Frangon (Paris) 430.
Frangenheim, P. (Cöln) 796,
914, 990, 991.
' Frank (Berlin) 1750.
Frank (Chicago) 1089, 1473.
Frank (Kaschau) 845, 1821.
Frank (Wien) 1245.
Frank, A. (Cöln) 167.
Frank, C. (Berlin) 994.
Frank, E. 1132.
Frank, E. (Berlin) 1192,
1822.
Frank, E. (Breslau) 1847.
Frank, E. (Graz) 1185.
Frank, E. R. W. 992.
Frank, E. R. \V. (Berlin) 914,
1050.
Frank, E. W. (Berlin) 1244.
Frank, K. (Berlin) 875.
Frank, L. (Berlin) 1084.
Frank, 0. (München) 1147,
1325.
Frank, 0. (Wien) 1328.
Frank, S. 1899.
Frankau, 0. H. S. (London)
320.
Franke 1876.
Franke (Altcnburg) 124.
Franke (Braunschweig) 955,
1102, 1947.
Franke (Hamburg) 719,1140,
1201.
Franke (Rostock) 1153.
Franke, E. 1048.
Franke, E. (Frankfurt) 894.
Fraenkel, (Badenweiler) 863.
Frankel (Charlottenburg)
1470.
Fraenkel (Hamburg) 124,
284, 377, 1850.
Fränkel (Wien) 860.
Frankel-Tissot (Zürich) 712.
Fraenkel, A. 1474, 1475,
1483, 1712.
Fraenkel, A. (Badenwciler)
856, 1224.
Fränkel, A. (Berlin) 914,
947.
Fraenkel, A. (Berlin) 332.
Fraenkel, A. (Wien) 1229,
1773.
Fraenkel, C. (Heidelberg)
648.
Fraenkel, E. (Hamburg) 168,
854, 1141, 1142, 1200,
1327, 1374, 1391, 1876.
Fränkel, E. (Heidelberg) 209,
356, 412, 557, 707, 843,
1145, 1674, 1733, 1771.
Fraenkel, L. (Breslau) 139,
1326, 1440.
Fraenkel, M. (Berlin) S7.
Fraenkel, M. (Cbarlotlcn-
burg) 909.
Fraenkel, P. (Berlin) 756,
1751, 1773.
Fränkel, S. 755.
Frankenau (Nürnberg) 672.
Frankenstein (Essen) 574.
Frankonstein, K. (Cöln)
899.
Frankfurter, 0. (Grimmen¬
stein) 1226.
Frankfurter, W. (Berlin)
1574.
Franz 1484.
Franz (Berlin) 1137, 1243,
1376, 1385, 1569, 1712,
1924, 1925.
Franz, K. (Berlin) 219, 1534,
1535.
| Franz (Graz) 1920.
: Franz, M. (Breslau) 897.
I Franz, Th. 1329.
Franz, V. (Leipzig) 1080.
I Franz, V. (Nürnberg) 611.
I Fraser 1469.
1 Fraser, A. 988.
1 Fraser, E. T. (Glasgow)
412.
Fraser, J. (Edinburgh) 1281.
□ igitized by Gck >gle
Original from
UNIVERSUM OF IOWA
rf.rt. 1NEK KLINISCHE WgCHE NSCHRig.
Fraser, M.H. (London) 1326
Friedberger,E. (Berlin) 1403
Friedmann, A. (Königsberg) |
762. ...
Friedberger, E. (Berlin) 1403. j, F . 940 , 1278.
Frceman.J. (London) 986. loiedmann, * { fe erlin)
r rwumü, w. --'
Frehn, W. (Davos) 1328.
Frei (Göttingen) 855.
Frei, F. (Nürnberg) 759.
Freise, E. (Leipzig) 1227
rrieumauu, ,
Friedmann, F. b- (Berlin)
1440.
Friedmann, L. (Bukarest)
1225.
Freise, E. ; ff) Friedmann, W. 1849
Fremann, W. T. (ReadmJ * (Rio]) 238;
1578.
Frenkel (Berlin) 941.
Frenkel-Heiden (Berlin) 227,
948,949. w r _.
Freud (Wien) 217, o54,
1819, 1821, 1903.
Friedrich (Kid) 238, 284.
Friedrich (Königsberg) o<4,
914, 960,1009,1104,110o,
1230, 1281.
Friedrich, E. P. (Kiel) 182 .
Friedrich, M. 465.
Freudeiberg 1 ’(Beriin) 569, j &iier,V,Kope„bagen)
., 57 9’ w’ C 53 12”8 1 v. irisch (Wien) 270, 674, I
Freudenberg, t. , . 9 <>n iqrn I
Mil (Biberg, I !
1820. , v /Ri-pdai]) li8. 5<3. ,
Gery (Paris) 1001.
G. Gcttkant (Beriin) 9 273
Galten, J.A.(BucnesAires)
“f 1 Sl'j’« Gfoercr (Würzburg) 1
Gabriel (Berlin) lö4. G hirgcnti, F. (Palerim
(j:i lla F rd (B P udTp ) es 2 t) 8 757. Ghi M. 158
deGalatz, P.(Bukarest) 1429. Oben 1653.
Ifrs -
(ialpern, J . (Twer) 1 o rstockholm) 1
Gerv (Paris) 1001. Goldschmidt (Wien) 1104.
Gery, L. (Paris) 900. Goldschmidt, B. (Berlin)
Gettwert W^lSSiG. ' Goldschmidt, H. (Berlin) 940.
Geyelin,’H. R. (New York) Gold^chnndt, M. ^ (Leipzig)
Gfoercr (Würzburg) 1689 Goldsihmidt! W. 1104
Gbirgcnti, F. (Palermo) 555. Goldschmidt, W. (Wien) 366.
1470.
Goldschmied, K. (Wien) 898.
Goldstein 1848.
Goldstein, K. 649, 709.
Gibson, A. G. (Oxford) 121. Goldstein, K. (Königsberg)
Freudenthal, W. (New York).
1049.
Freund (Strassburg) 669.
Freund (Wien) 124,141,335,
674, 1468, 1471.
Freund, A. (Heidelberg; 26
Fritsch (Breslau) 178, 573.
867,1585.
Fritsch, G. (Gross-Liehtcr-
felde) 1598.
Fritsch, K. (Breslau) ->oi,
1572.
Freund* a) (K auf beureiG 364. j Frits ,M. (Bad-Wildungen)
Freund, C. S. (Breslau) 1296,
1616, 1911-
Freund, E. 1799, 1847.
Freund, E. (Triest) 1708.
Freund, E. (Wien) 79, 844
Freund, H. 1525.
1650.
Fröhlich, A. 1525, loo4.
Fröhlich, A. (Jena) 412.
Froehlich, E. 1K51.
Frochlich, E. (Berlin) 1/02,
1761, 1786.
Ganon, J. (Sumatra) 564. ]
Gans, O. 444.
Gans, O. (Hamburg) 804.
Ganter (Kiel) 238.
Ganter, G. (Tübingen) 7b.
Ganzer (Hamburg) 1093 -
Gardlund (Stockholm) 847.
Gargano, C. (Neapel) 7<>5.
Gariel, G. M. 1233.
Garnier (Paris) 479
Garre, C. 796, 142-,
Gärtner (Jena) lo62.
Gärtner, A. 1324.
Gaertner, G. 1186, 1949.
Gärtner, G. (W'en) 16a.
Giemsa, G- 564.
v. Gierke, E. 166, 1041.
Giertz 31.
Giertz (Stockholm) 18/5.
Gilbert (München) 92, 367,
458, 956, 1332.
Goldstein, M. (Halle) 942.
Goldstern (Wien) 335.
Goldthwait, J. D. (Boston)
991.
Golla (Breslau) 477.
GildemeisterJStrassburg)317 GolowinsUi.M .107
Gimlettef'j^D. (Kelantan) I Goenner Ä. (Basel) ™
817.
Ginell (Hamburg) 576
Gins (Berlin) 369.
Gönnet, A. 942.
Gontermann (Berlin) 332.
Gontermann (Spandau) 711.
g5£ tä. (b^ub)
1611.
Ginsberg 1377.
Ginsberg (Berlin) 1<6, 764,
1560. s
Giordano, G. (Turin) 464.
ShÄU74,1965. G Ä ».m
Freund,ILCIIo'ideiberg) 1223. Fröhlich, Fr. W. (Bonn) 1465
Freund, H. (Strassburg) 219, iroejjcb L*2- y) ^
1278, 1430. | --, ' t rr ; n
Freund J (Budapest) 1279. Froment, J. bJÜ.
Freund) R. (Berlin) 1579. Fromherz.K. (brerburg) 184,
Freund, W. A. 218.
Frey, E. (Marburg) 361,
755. v
Frey, E. K. (München) 2/1
1183.
Fromme 464, 1485.
Fromme (Berlin) 572, 6o2,
1631.
Frey, E. K. (München; zu. luo*.
de Frey, R. (Lausanne) 899. Fromme (Güttingen; 141,81-,
Fröschels (Wien) 378, 379,
Freymuth.F. (Erlangen) 940. ' 1246 >394.
Freystadtl, B. (Budapest) ; “l^A^ancy)
Freysz," II. (Zürich) 1086. Frühwald, V. (W ien) 368.
Frick (Berlin) 1336. 1 Fründ H. (Bonn) 612.
Frieke, E. 555. j Fuchs 614.
Fridericia (Kopenhagen) 13 (5 Fuchs (Danzig) >.
Fridericia,L.S.(Kopenhagen) , Fuchs (Wico)18nO
J26H i Puchs, A. 1649, 18
Frieboes, W. (Bonn) 846. Fuchs, A. (Kaufbeul
Friboes, W. (Rostock) 707. 1 364.
Fried 1876. 1 Puchs, B. Przemysl
Fried’ C. (München) 28. Fuchs, R (Munchei
Friedberg 1581. , Fuchs, W* (Emme
Friedberg, T. 803. j JJ 93, ,
Gaugele 118.
Gaugele, K. (Zwickau) <60,
893, 990, 991.
Gauioux, E. (Montpellier)
1187.
Gaultier, R. 1463.
Gaupp (Tübingen) 709, 861.
Gaupp, E. (Königsberg 42.
Gaus, 0. (Hamburg) 801.
Gauss 87, 909, 1004
Gauss (Freiburg) 126, 1619.
v. Gaza 1330.
v. Gaza (Berlin) 1747.
v. Gaza (Leipzig) l , 75L
Goeppert (Göttingen) 999,
1341, 1370, 1398, 1563.
1697.
Goerdeler 1226.
Gordin, S. 611.
Goretti (Berlin) 370.
Goretti. G. (Florenz) 7S7,
788.
Görges (Berlin) <3.
¥. Uaza (,ueipz.ig; *'«*• i ° v 'o 17
Gebb (Greifswald) ü62,1331, Glas, E. •
1921, 1922. ^
Gebete (München) 710,1/14. 1 /33.
Geber, H. (Kolozsvar) 61<b 0
Girardet, A. (Essen) 1424. Goretti, 0. ™
SS* 986 -pHs«
(iiuhani H84 ß Qlom) 869.
S «Ä i °Ä C » *
p| ,CS mer P 325 Gottfried, Gesehe 753.
G aessner, P. 1335. Gott fried, S. 1087.
Glagcilew. P. 939. | Gottlicb (Heidelberg) 841,
1695.
Gottlieb, K. 956 lo<7
Gottsehalk, G. (Heidelberg.
119. .. . ,. 10 , 4
Glaser (Augsburg) 1327,
Glaser, F. (Sehöneberg) 1708.
nl: siÄ st ns?: ! »sstf
Geigel, R. (Würzburg) 1185, Glaubormann, • ( os ' I Gottstein (Breslau) 66b
Fuchs, A. 1649, 1847.
Fuchs, A. (Kaufbeuren) 267,
364.
Fuchs, B. Przemysl) 1429.
Fuchs, R. (München) 798.
Fuchs, W. (Emmendingen)
893.
1848. ' r, 1651 p ofi
184 ’ 050 ’
1 ÖWÄSS? SSä=: SiC
Friedberger 1482,1483,1654. Fühner (Freiburg) 1 1^248.
Friedberger, E. (Berlin) 369, Fujinami, A. (Kyoto) 894.
370 649 787, 788, 806, Fukushi, M. (Tokio) 1 j< 8.
807’, 1082, 1133, 1188, Fulci, F. (Rom) 268 .
1225, 1433, 1434, 1559. Fu d (Berbn) 864 1431,
Friedeberg, J. (Berlin) 893.
Friedemann 1483.
1664, 1755, 1818, 1823.
Fumarola, G. 1083.
Geisc (Freiburg) 91.
Geisse, A. (Freiburg) 319.
Gelarie (Liverpool) 167.
Gclinsky 1821.
j Gelinsky, E. (Berlin) 711.
, Geller, K. (Bonn) 167.
I Genewein (München) 711.
Gennerich (Kiel) 428, 561,
! 624, 720, 842.
| Schweiz) 27.
Glynn, E. (Liverpool) 941 uraue a.. ; • , , s
Gobbi,ll. (Freiburg, Schmiz) \o48.
, 1 -q 7 i fiOO 1603 Grabower (Berlin) D
Gocbel lo 87 , 16 OÜ, lbüö. g (Berlin) 21
Goebei (Breslau) 177, 179, j j (London
236, 372, 665. pTuSS
Goebei (München) 1555 Gra l« • ter) i
Gottstein (Breslau) 664.
Götzky (Frankfurt a.M.j
Goetzky, F. I] 89 -
Götzl, A. 1226, 1526.
Gougerot 708.
Goulliod (Lyon) 19-0.
de Graaf, J- 36/.
Grabe 221. .
Fneüemanu i»oo. iu.u-aw», -
Friedemann (Berlin) 806,988. Funk, C. 2o, 840, ,
Friedcraann,M. (Berlin) 1441. 1650.
Friedemann, U. (Berlin) 348, Funk, C. (London) 266, 7o9.
_ T >_U T7 r'ITw-rhi KI ty-rr 1 h.Yh
R24 720 842. 1 uoeuui -r
Gensler, P.’ (Zürich) 1525. Goebei, O Olirsehberg) 87
807.
Friedenthal (Berlin) 1925.
Friedenthal, H. 1550.
Friedenthal, H. (Berlin) 469,
1383.
Funk, U. (Freiburg) 555.
v. Funke, R. (Prag) 957.
Fürbringer (Berlin) 1243,
1709.
Fürbringer, J. 412.
Georgantas, B. 988.
George 1231.
Geppert, F. (Berlin) 2o0.
Gerber 1231.
[ Gerbis, II. 900.
I v. Gergö (Budapest) 1822.
979, 1633.
Goebei, W. 1229.
Göbell 1487, 1488.
Gobiet, J. (Orlau) 710.
Gocht 812.
Gocbt, H. (Halle) 1464.
v. Gergo (Budapest.; «ubiiv, ... v*-- Ä01
Gorhardt, D. (Würzburg) 79, j Göcke (Tübingen) 321*.
lööö. rulul "‘5 u ' 10-0
Friedenthal, H. (Nikolassee) Fürst (München) 41o, lo<b
727, 1241, 1937.
v. Friedjung, J. 1329.
Fürstenau (Berlin) 907.
Fürstenberg (Berlin) 230.
v. rnuujuug, u. mw. i uiow.uv.|, (, , , .o
Friedjung, K. J. (Wien) 341. | v. Fürth (Wien) 1148.
Friedländer 1874.
Friedländer (Berlin) 909
Fürth, J. (Wien) 797.
v. Fürth, 0. 1326.
rneaianaer i,Deriin; vw. i v. ruuu, v,. -----
Friedländer (HoheMark) 863. ; Fürwahr (Nürnberg) 13J4.
Friedländer, M. (Berlin) 565. Füth, (CÖln) 465.
Fricdlaender, P. 1548.
Fricdländer, P. (Berlin) 901.
Friedländer, R. 463.
957. j
Gerhartz, H. 26, 75, 555. j
Gerich, 0. (Riga) 848.
Ger lach (Berlin) 1128. ,
. Gcrlach,W. (Tübingen) 1821. j
Gerönne (Wiesbaden) 666. I
1 Gerson 1426.
; Gerstenberg 1485.
Gerster (New York) 1011.
! Gerstmann (Wien) 1850,1903
I Gerulanos, M. (Athen) 1008,
i 1230.
Ä&’cU«..
ÄV) *«.
Goldig, J 1650 G * 81 euitzky,M.(P0ter S «
Goldmann, E. I/O/. .
Goldraich (Wien) 857, 953.
Goldscheider 1, 663, »6/, ur
957, 1233, 1285, 1301, 9 ^ M 12 76.
1359, 1378, 1382. r l\tS (New 7ork)
Goldschmidt(Hamburg) 1949. Grana ,
uraDuwok «h
Grabower (Berlin) »
Grabs, E. (Berlin) •
Grace, J. J- ( London) *
Graf 1488.
Graf (Neumunster) -
Graf, E. (Frankenbausen,
Graefe 1670. ..
Graefe (Hamburg) , 1
1632, 19»;
Graefe-Sämisch Mi.
Greeffner (Berlin) 1‘ 09 ^ ;
Graroenitzky, 1 • (” eleR
Gramenitzky,M.(PeW«
Digitized bi
Google
UNIVERS1TY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1075
Grandjean 1046.
Graner (Tübingen) 1899.
Granjux 1186.
Graser (Erlangen) 711,1145.
Grashey 911.
Grassl (Kempten) 1378.
Graessner (Göln) 911.
Graetz, F. (Hamburg) 798,
1044.
(iraetz, H. (Leysin) 1230.
Graupner, H. (Dresden) 1465.
Grave (Moskau) 845.
Graves, W. (St. Louis) SO.
Grawitz, P. 892.
Greeald 896.
Greeff (Berlin) 372, 803,
1233, 1237.
Greeley, II. P. J715.
Greene, W. H. CI. (London)
1581.
Greggio, E. 1048.
Gregor, A. (Leipzig-Dösen)
1555, 1745.
Gregory, L. (New York)
1044.
Greinachor, H. (Zürich) 1600.
Greinert, E. (Breslau) 1848.
Grekow, J. (Petersburg)
943.
Grenacher (Hannover) 1947.
Griesbach, W. 25, 1525.
Griesbach (Wiesbaden) 959.
Griesbach, W. (Frankfurt)
988.
Griessmann, B. (Heidelberg)
799.
Griffith, A. S. 1225.
Grigorescu, L. (Halle) 798,
1185.
Grimaud, A. 942.
Grimm 849.
Grimm, K. (Cöln) 1599.
Grimmer, W. (Dresden) 897.
Grintschar, F. (Moskau) 512.
Grisson 1086.
Grisson (Berlin) 911.
Grisson (Hamburg) 377,
1141.
Grob (Affoltern) 911.
Gröbels, F. 361.
Grober 1226.
Grober (Jena) 78, 123,
124, 222, 267, 413, 461,
1128, 1469, 1578, 1750,
1946.
Groedel (Frankfurt) 911,
1283.
Groedel, F. (Frankfurt) 1094.
te Groen, L. J. 360.
Gröne, D. 0. (Malmö) 125.
Groenouw (Breslau) 1774.
de Groot, J. 1651.
Gros (Mainz) 562.
Groes-Peterscn 562.
Grosglick, A. (Lodz) 1599.
Gross 564, 648.
Gross (Greifswald) 1002.
Gross (Prag) 142, 1060.
Gross, G. (Nancy) 1232.
Gross, 0. (Greifswald) 1224,
1847.
(iross, 0. (Leipzig) 1525.
Gross, S. (Wien) 1231.
Grossek, Z. (Lemberg) 1047.
Grosser (Berlin) 571.
Grosser, M. (Berlin) 710.
Grossheim (Berlin) 1692.
Grossraann (Berlin) 231, 660,
^ 906.
Grossmann (Charlottenburg)
1131, 1819.
Grossmann, M. (Prag) 1000.
Grosz, C. 1551.
Grosz, E. (Budapest) 722.
Grosz, S. 712, 1184.
Grothuscn (Kilwa) 564.
Grocthuysen, G. 803.
Digitized by
Grotjahn 75.
i Groves, E. W. II. (Bristol)
560. ;
I Gruber, G. B. (Strassburg)
333, 555, 706, 1043,
1632. j
Gruber, K. (München) 335. !
v. Gruber, M. 606, 1324. i
Gruhle, H. W. (Heidelberg) .
266, 1551.
Grumann (Altona) 221, [
1129. !
Grumme (Fohrde) 76, 737, |
1847. j
I Grünbaum (Nürnberg) 1393. I
1 Grünbaum, E. (Danzig) 410. !
i Grünbaum, R. (Wien) 1582. j
| Grünberg, J. 32.
Grund (Halle) 220, 1099.
! Grunert 1330.
| Grünfelder, B. (Berlin) 1084. |
; Grunmach (Berlin) 909, 911.
Grünwald (München) 429. !
Grünwald, L. 1049.
Grützmacher (Berlin) 1473.
Grütznor, R. 1524.
Grzywo-Dybrowski,W.(Lodz)
1733.
Gstettner, M. (Wien) 579.
I Guber, A. (Zürich) 556.
| Gubergritz 1899.
Gudzcnt, F. (Berlin) 706.
i Guggenheim, M. 26.
, Guggenheim, M. (Grenzach)
842.
Guggenheimer 221.
1 Guggenheimer, H. (Berlin)
i 79, 121, 225, 959.
1 Guillain (Paris) 861.
j Guillain, G. (Paris) 1098,
1151, 1490.
Guillemard, II. 1612.
Guillerd, A. (Paris) 1187.
Guinon 413. '
Guisez 990, 1490. i
Guisez (Paris) 1097.
Guleeke, N. 796.
Guleke(Strassburg) 92,1104, .
1154, 1392. |
Gümbel 118. j
Gümbel (Berlin) 568.
Gümbel, Th. (Bernau) 1353. j
Gumpertz, F. (Heidelberg) !
209. i
Gumpreeht, F. 23.
Gundermann, W. (Giessen)
991.
Günther 1471. j
Günther (Nürnberg) 321.
Günther, H. 219.
Giinzburg (Frankfurt a. M.) j
1755.
I Guradze (Berlin) 426, 1386,'
1 1560. j
i Gürber, A. (Marbu-rg) 361.
: Güssow (Breslau) 41. j
i Guth (Kladno) 647.
| Guth, A. (Zürich) 613. i
j Gutraann (Berlin) 1087. ■
i Gutmann (Wien) 30. j
: Gutmann (Wiesbaden) 666,
! ' 667. '
| Gutmann, A. (Berlin) 562. j
Gutmann, C. (Wiesbaden) I
1047, 1429, 1448. j
I Gutmann, S. (Berlin) 66, '
i 942. I
I Güttich (Berlin) 1534.
! Güttich (Charlottenburg) j
i 1247 ' . I
Guttmann (Paris) 722. I
! Guttmann, J. 319.
I Guttmann, V. 1049.
! Guttmann, W. 264, 1670. |
I Gutzeit 1875. j
I Gutzeit (Neidenburg) 865, i
I 1047.
Gutzmann (Berlin) 621,1333,
1614, 1615.
Gutzmann, H. (Berlin) 1711.
Guye 1428.
Gwerder, J. (Arosa) 988
Hallauer (Basel) 722.
Halle 1049.
Halle 1490.
Halle (Berlin) 620, 660,
1289, 1336, 1534, 1613,
1634.
H.
Haab 187C.
Haab, 0. 1047.
Haas (München) 711.
Haas, W. (Erlangen) 991.
v. Haberer (Innsbruck) 366,
818, 865, 1006, 1104,
1154.
Haberfeld (Wien) 625.
Haberfeld, R. A. (Bello Hori¬
zonte) 614.
Ilaberfeld, W. (Bello Hori¬
zonte) 614.
Haberland (Königsberg) 1085,
1086.
Haberlandt 555.
Haberling (Cöln) 273, 1088.
Habermann, R. (Bonn) 557,
846.
Habetin, P. (Wien) 1046.
Habs (Magdeburg) 816.
Ilachner 1556.
Hacke, II. (München) 1555.
Hackenbruch (Wiesbaden)
907, 1330.
Hacker (Göttingen) 1562. |
v. Hacker (Graz) 464, 960, j
■ 1282. I
Hacker (Würzburg) 1371,
1372.
Ilada, B. (Japan-Berlin) 459.
Hadley, E. C. 1231.
Haeberlin (Stuttgart) 990, j
1875. ~ |
Haeckel (Stettin) 1138. i
Haecker (Essen) 853. 1139,
1752.
Haecker, V. (Halle) 119.
Hafermann, G. (Bering¬
hausen) 1650.
Haffncr, E. 1649.
Haffner, F. (München) 27.
Hage 1579.
Hage (Berlin) 940.
Hagedorn 1577.
Hagemann (Marburg) 919,
1281.
Hagomeister, W. (Berlin)
1374.
Ilagebach (Basel) 1147.
Hagentorn 1086.
Hagmaier, G. V. (Heilbronn)
82 . j
Hahn (Freiburg) 91, 671, !
1565. ;
Hahn (Hamburg) 576.
Hahn (Wien) 142. J
Hahn, A. (Berlin) 426, 558, i
1282. 1
Hahn, B. (Magdeburg) 120. j
Hahn, E. (Heidelberg) 1228.
Hahn, R. (Wien) 897.
Haehnlein (Berlin) 905. ;
Haike (Berlin) 423.
Haim, E. (Budwcis) 848. :
Hajos, L. 797. 1
Hai ton, 1469.
Halban, J. (Wien) 651. !
Halben (Berlin) 764.
Halberstadt, R. (Hamburg)
651..
Halbcrstaedter, L. (Berlin)
252, 331, 706, 1746.
Hall 1919.
Hall-Edwards, J. (Birming¬
ham) 82. |
Hailas, F. A. (Kopenhagen) j
440.
Halli (Paris) 1001. j
i Hallopeau (Paris) 1097. j
1 Halpern, M. (Warschau)
j Halpern, S. 364.
Halstead (Baltimore) 961.
Hamburger (Berlin) 371,372,
425, 764, 1560.
Hamburger (Breslau) 573.
Hamburger (Wien) 378.
Hamburger, C. (Berlin) 473.
Hamburger, F. 1084, 1689.
Hamburger, F. (W r ien) 1228.
Hamburger, II. J. 1040.
Hamburger, R. (Berlin) 797.
Hamm, A. (Strassburg i. E.)
1749.
Hammarsten, 0. 1464.
Hammesfahr, C. 570.
Hammesfahr, K. (Berlin)
1535.
Ilanaoka (Breslau) 608.
Hanausek (Prag) 990, 1471.
Ilanck (Posen) 465, 997.
Handley, W. S. (London)
1556.
Hiindly (Berlin) 571, 1385.
Haendly, P. (Berlin) 85.
Haenel 1527.
Handmann 1772.
Handmann (Doebeln) 1329.
Handrick (Magdeburg) 1084,
1875.
Haenisch (Berlin) 226.
Haenisch (Hamburg) 855,911,
1902.
Haenisch (Stettin) 1773.
Hanke (Breslau) 1229.
Haenlein (Berlin) 661, 1247,
1289.
Hannes 1487.
Hannes (Hamburg) 997,
1375.
Hans 1821.
v. Hansemann, 9, 323, 805,
894, 1064, 1379, 1484,
1708.
Hansen, B. 365.
Hansen, K. (Wiirzburg) 76.
Hansing (Hamburg) 1093.
Hanusa (Kiel) 811.
Happich, C. (St. Blasien)
1633.
Hara, H. (Hamburg) 78.
Hara, K. (Hamburg) 609, ,
1280. I
Hardrat, E. (Kiel) 561. j
Harmann (Berlin) 1289.
Harms 368, 614, 1772. j
Harms, Ci. 993.
Harnack, E. (Halle) 1577.
Harnowski, J. (Lemberg) I
461.
Harriehausen 278. i
Harriehausen (Berlin) 123. j
Harris, M. L. (Chicago) j
956. !
Harris, Th. J. 1049.
Harrowcr, II. R. 1899.
Hart, C. (Berlin) 319, 363,
753, 1224, 1308, 1468.
Härtel (Halle) 961. j
Härtel (München) 1104. j
Härtel, F. 464.
Härtel, F. (Berlin) 81.
Harter, G. 1819.
Hartert,W. (Tübingen) 1186. '
Hartmann (Berlin) 328. j
Hartmann (Paris) 1009. |
Hartmann, H. (Paris) 1096. ;
Hartmann, J. (Leipzig) 32.
Google
Hartmann, K. (Stuttgart)
612.
Hartmann, 0. (Kassel) 991.
Hartoch, 0. (Bern) 319, 408,
1082, 1946.
Harttung (Breslau) 39, 180,
234, 236, 684, 730, 1282t
Hartung 1601.
Hartung, E. (Neukölln) 33.
Harzbecker 333, 1058.
Harzbecker, 0. (Berlin) 560,
1949.
Hasche-Klünder 1771.
v. Hase (Berlin) 1773.
Hasebroek, K. (Hamburg)
1438, 1631.
v. Haselberg, W. (Berlin)
1237, 1238, 1239, 1560.
lläsele (Wien) 1150.
Hashimoto, M. (W r ien) 941,
986, 1224.
Haslinger, E. 1377.
Haslund, P. (Kopenhagen)
409.
Hass 170.
Ilassin 1848.
Hässner, H. (Rostock) 168.
Hatiegan, J. (Kolozsvar) 843,
941.
Hauber (Nürnberg) 672.
Hauch (Hamburg) 377, 1528.
Hauck (Erlangen) 576, 1564.
Haudeck 846.
Haudek 238, 380.
Ilaudck (W r icn) 911, 1153.
Hauke 1601.
Hauke (Breslau) 1200.
Haupt (Soden) 1144.
Hauptmann 1771.
Hauptmann (Freiburg) 185,
1129.
Ilauschild, B. (Nürnberg)
1226.
Hauser (Erlangen) 1146,
1440.
Hausmann (Rostock) 558,
800, 1804.
Hausmann (Wien) 577.
Hausmann, M. 266.
Hausmann, T. (Berlin) 557,
1557.
Hauswirth, II. (Beatenberg)
760.
Hautmann (Wien) 1965.
Ilavers (Freiburg) 462.
Hävers, lv. 1281.
Hawes 1227.
Ilayashi (Heidelberg) 1228.
Hayem (Paris) 430.
Hay hurst 1378.
Hayward, E. (Berlin) 1327.
Heber, E. (Berlin) 1846.
Ilebold (Wuhlgarten) 844.
Hecht (W r ien) 1148, 1151.
Hecht, A. F. (W 7 ion) 560.
Hecht, II. (Prag) 613.
Heck 1760.
Heckenrotb, J. 29.
Heddaeus (Heidelberg) 1695,
1903.
Iledde 1848.
Heden, K. (Stockholm) 802.
Hedinger 799.
Hedinger, E. 517.
Heerfordt, C. F. 993.
Heffter, A. 963.
Heffter, A. (Berlin) 218.
Hefter, J. 1045.
Hegar, A. 753.
Hegener (Hamburg) 220,
719.
Ilegler (Hamburg) 767, 997,
1047.
Hegncr, C. A. (Jena) 28.
Heidenhain 817, 897, 1599.
Heidenhein (Dresden) 710.
Heigel, A. (Prag) 363.
Original frnm
UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Heilbronner, K. (Utrecht) 30,
942.
Heile (Wiesbaden) G66, 907,
961, 1152.
Heile, B. (Wiesbaden) 592. i
Heiligtag, F. 801.
Hcilncr, E. 461.
Heim (Freiburg) 29, 1565. '
Heim, G. (Bonn) 846, 987.
Heim, P. (Budapest) 1167.
Heimann 1485, 1486.
lleimann, E. A. iBerlin)
633.
Heimann (Breslau) 572, 909.
Heimann, F. 1516.
Heimann, F. (Breslau) 75,
557, 893, 13SS, 1599.
Heimpel 762.
Heine (Kiel) 1339.
Heine, B. 265.
Heine, L. (Kiel) 1773.
Heineke 1330.
Heinekc (Leipzig) 24, 767,
841, 845, 908| 1008, 1327,
1751.
Heinemann (Berlin) 330,710,
1613.
Heinemann, C. 613.
Heinemann, C. (Berlin) 755.
Heinemann, F. (Breslau)
1557.
llcinemann, 0. (Berlin) 895,
898, 1231, 1323, 1609.
Hcinlcin (\iirnberg)334,672,
1394.
Heinrichsdorff, P. 1921.
Heinrielisdorll, P. (Breslau)
1424.
Heinricy 368.
lleinroth (Berlin) 1292.
Heinz, W. (Wien) 1045.
Heise 896.
Heister, A.(Königsfeld) 1581.
Iloitz-Boyer (Paris) 1248.
Hcitzenroeder, C. (Grusen) 1
76.
Hekma 360, 796.
Helbing 1821.
Helbing, C. (Berlin) 579.
Helferieh (Eisenach) 31.
v. d. Hellen (Togo) 466.
Heller (Kiel) f 268.
Heller (Leipzig) 961, 1428.
Heller (Strassburg) 1095.
Heller E. 170.
Heller, H. 1745.
Heller, .l.(Berlin-Cbarlotten-
burg) 19, 561, 733, 1291.
Hellin, D. (Warschau) 1277.
Hellmuth (Halle) 1920. 1
Hclmbuld (Danzig) 562.
Hclmbold, R. (Danzig) 1087. i
Hellpach 1329
Hellsten 1900.
Ilcllwig 1132.
Hcllwig, A. 1688.
Hellwig, A. (Berlin) 1651. ,
Helly, K. (Wiirzburg) 705.
Hemmcter, J. C. 1746.
Hengi, G. (St Gallen) 894.
llcnius (Berlin) 1289.
Henius, M. (Berlin) 1578.
llcnius, U. (Berlin) 1100.
Henke (Breslau) 236, 318,
572, 853, 1583.
Henke (Königsberg) 1339.
Henkel, M. (Jena) 220, 318,
1283.
llcnlc (Dortmund) 270.
Henne, H. (Schaffhausen)
125.
Henneberg (Berlin) 948.
1673. !
Hennig, E. (Berlin) 1291.
Henning, G. 650.
Henri, V. 895.
Henriqucs, Y. 25.
Hcnsehcn (Zürich) 82. 1086,
1100.
llensgen (Siegen) 849.
Hcnszelmann, A. (Budapest)
1517, 1764.
Herbst, 0. (Rummelsburg)
123. !
v. Hcrff, 0. (Base 1)^80.
Hcrgcns (Saarow) 795.
Hering (Cöln) 957.
Hering, II. E. (Cöln) 1771.
Hermann, L. 985.
Hermann, M. 78.
Hermanns, L. (Freiburg)
184.
Hcrmans, J. (Dortmund)
409.
Hermcl, II. (Freiburg) 1277. {
Herold (Hamburg) 1901.
Herrenheiser, G. (lvladno) !
1277. !
Herrgott, A. (Nancy) 367. |
Herrick, W. (New York) ;
1372. ,
Herringham. W. P. (London) |
221 . |
Hertel, E. 1530. I
v. llertlein, 11. (Hamburg)
1331. ' 1
Hertwig, R. 1465. |
Hertz, R. 1554, 1650. |
Hertz, H. (Warschau) 800.
Hertz, R. (Wien) 28.
Hertzeil (Berlin) 230.
v a n II e r w c r d c n, M. A. (U t r e e b t)
IS37.
Herxheimer (Frankfurt) 1429.
Herxlieimer( Wiesbaden) 237,
377.
Herxheimcr, G. 1043.
Herz (Berlin) 570.
Herz, H. (Breslau) 1463.
Herz, M. 1946.
Herzberg (Berlin) 914, 1327.
Herzberg, E. (Berlin) 617.
Herzfeld 1534.
Herzfeld (Berlin) 230, 422,
1288.
Ilerzfeld, K. (Berlin) 29.
Herzfeld, E. (Zürich) 1425.
Herzog (München) 1393.
Herzog, F. (Leipzig) 1043.
Herzog, T. (Zürich) 1085.
Hesehcicr (Kiel) 1339. 1
Hess 937, 1670.
v. Hess (München) 92.
Hess (Wien) 1147.
Hess, C. 360.
Hess, C. (München) 408. I
v. Hess, C. (München) 1146, 1
1423. 1
Hess, L. (Wien) 706. j
Hess, 0. (Cöln) 801, 1650. j
Hess,-R. 611. l
Hess Thaysen, Th. E. (Kopen- i
hagen) 650, 1649. !
Hessberg (Essen) 854, 1752, j
1753.
Hesse (Dresden) 950. j
Hesse (Petersburg) 960,1103.
HeSse, E. (Petersburg) 899, .
943. ' j
Hesse, F. A. (Greifswald) 1
1157.
Hesse, M. (Graz) 802. 1KI4.
Hesse, M. (Petersburg) 899.
Hessel 11 (Kreuznach) 911.
Hessel, K. (Frankfurt) 989.
Hessmann 1477.
Hessmann (Berlin) 1713.
Hetzer, M. (Bonn) 1373.
Heubncr (Göttingen) 812.
Heubner, 0. 484, 1130.
Heubner, W. (Göttingen)
646.
Hcudorfcr (Tübingen) 319.
Hourich, E. (Stettin) 167.
af Heurlin, M. (Helsingfurs)
757, 1631.
Heuseh (Strassburg i. Eis.)
1774.
Heusner, R. (Basel) 756.
Hewlett, A. W. 1633.
Heymann (Berlin) 173, 1557.
Hey mann (Breslau) 816.
Heymann (Wiesbaden) 666.
Heymann, E. 1669.
Ilevmann, P. (Berlin) 1089,
1613.
Hevrowski (Wien) 378, 1343. i
Hi da (Tokio) 1471.
Hiess (Wien) 272. |
Hjelt, S. (llesingfors) 1483. j
Hift (Wien) 1096. !
Hilbert 1048.
Hildebrand (Berlin) 570, 816, I
912, 1006, 1196.
Hildebrand (Marburg) 1528. ;
Hildebrandt ("Freibürg i. B.) ’
1619.
Hilffort (Heidelberg) 1145. j
Hilgenreiner, II. (Prag) 463. I
Hill, W. 1229. ,
Hillenberg (Zeitz) 762. I
llilliger (Berlin) 278, 1874.
Hiisc, A. (Dorpat) 711. i
lliltmann (Jena) 1752. j
Hilzheimcr 1706.
Hindhede 1081.
Hinkel, A. (Frankfurt) 79. j
11 inneberg. P. 165.
Ilinrichsen (Basel) 378. |
Hinsbcrg (Breslau) 372. ;
Hinselmann, II. 937.
Hinterstoisscr, II. (Tesehcn)
78.
Hinze (Berlin) 1059.
v. Hippel (Halle) 958.
v. llippcl, A. 614.
v. Hippel, E. 125, 368,
940.
Hirsch (Jena) 1145.
Hirsch (München) 761.
Hirsch (Wien) 141. 1925.
Hirsch, C. (Stuttgart) 1247.
Hirsch, K. 1525.
Hirsch, E. II. (Wien) 412.
Hirsch, G. Chr. 1524.
Hirsch, M. (Berlin) 223.
Hirsch, 0. 1747.
Hirsch, P. (Jena) 364, 1579.
Hirsch, R. 166.
Hirsch, R. (Berlin) 607.
Hirsch, S. (Berlin) 755.
Hirsch, S. (Heidelberg) 462.
Hirschberg (Berlin) 1235,
1560.
Hirschhorn, A. (Berlin) 1376.
llirsehberg, J. 95. I
Hirschbrueh, A. (Metz) 1176. |
Hirsehel (Heidelberg) 1902.
llirschcl, G. (Heidelberg) 1
1581.
Hirschfeld (Berlin) 175, 230,
1777.
Hirsohfcld, A. 221.
Hirschfeld, F. 1375.
Hirschfeld, F. (Berlin) 663,
1332, 1380, 1721.
Hirschfeld, H. 1468. !
Hirschfeld, H. (Berlin) 332,
1026, 1224, 1374, 1950.
Hirschfeld, L. (Zürich) 318,
758, 1099, 1173, 1599.
Hirschfeld, M. (Berlin) 1G87.
Hirschlaff, L. 1688.
Hirschlaff, L. (Berlin) 657,
948.
Hirschmann (Berlin) 846
1196. I
Hirschstein (Hamburg) 1201. ;
Hirt, W. 1686. I
Hirtz (Paris) 1567. I
Hirz, 0. (Marburg) 26, 940.
His 135, 1381.
Hitzker, 11. 1898.
Hiwatari, K. 1922.
Höher (Kiel) 623, 1692.
Höher. R. 1898.
Hoch (Berlin) 1879. j
Hoehgiirtel (Bonn) 846. I
Hochhaus (Cöln) 1901. ,
Ilochsinger (Wien) 478, 650,
709.
llodara, M. (Konstantinopel)
801.
Hofbauer (Wien) 29, 94,
121, 281, 319, 769, 957,
1128, 1395.
Hofer (Berlin) 174.
van ’t Hoff, G. (Berlin)
1820.
Hoffmann (Berlin) 1750.
Hoffmann (Heidelberg) 1694.
Hoffmann, A. 1126.
Hoffmann, A. (Greifswald)
1376.
Hoffmann, C. A (Berlin) 851,
1231. I
Hoffmann, E. (Bonn) 1187,
1232.
Hoffmann, E. (Dresden) 1749.
v. Hoffmann, G. 1324.
Hoffmann, 11. (Dresden)
1528.
Hoffmann, H. (Schweidnitz)
373.
Hoffmann, J. (Kiew) 1249.
Hoffmann, K. (Dresden) 608.
Hoffmann, L. (Stettin) 1582.
Hoffmann, M. (München) 577,
652.
Hoffmann, P. (Würzburg) 705,
956, 1326.
Hoffmann, R. (München)
17 50.
llöfler, M. (Bad Tölz)
1422.
llofmann (Berlin) 426.
llofmann (Leipzig) 767.
llofmann (Wien) 860.
llofmann, E. (Aarau) 761.
llofmann, F. B. 607.
Hofmann, F. B. (Königsberg)
956.
llofmann, S. (Odessa) 124.
Hofmann, W. (Berlin) 354,
710.
llofmcier, M. (Würzburg) 32,
1343.
Hofmeister, F. 74, 1687.
v. Hofmeister, F. 1551. |
lloefnagels 803.
Ilofstätter, R. 989, 1847.
Höftmann (Königsberg) 41,
170, 1143.
Hofvendahl 1580.
Hochl 466. ,
Hohlbaurn-(Leipzig) 1428.
Hohlfeld (Leipzig) 576.
Hohlweg (Giessen) 942.
Hohmann (München) 813, 1
1902.
Hohmeier (Marburg) S19, ,
1007.
Höhne, 0. (Kiel) 802, 1948.
Hojo, M. 1331. :
Holfelder(Wernigerode) 1470. I
Holitseh (Budapest) 911. I
Holitseh, R. (Budapest) 940. ;■
Holitscher 1425. j
Holländer (Berlin) 1381, |
1877. !
Holländer, E. (Berlin) 1085. j
1436.
Hollmann (Solingen) 900. 1
Hollos (Szeged) 941. j
Holmes, B. 323.
Holobut, T. (Lemberg) 409.
v. Holst (Dresden) 1142. ;
Holste (Jena) 705, 1145.
Ilolth, S. 1922.
Holtzmann (Karlsruhe) 1087
Holzbach, K. (Tübingen)’
1554.
Holzel, II. (Leipzig) 1747,
Holzknecht 846, 910.
Holzknecht (Wien) 32, 7D
1733, 1849.
Holzwarth (Budapest) 819.
Bornen 937.
Ho men, E. A. 118.
llocnc (Mainz) 1733.
lloneij 613.
Honigmann (Breslau) 464.
1132.
v. Hoogenkuijzc, C. J. C.
(Utrecht) 1129.
Hoör, K. (Budapest) 722.
Hopmann, F. W. 169, 895.
Hoppe-Scyler 1488.
Hoppe-Sevler (Kiel) 1142,
1143. ‘
Horak, 0. 1079.
Hürder (Bonn) 1131.
Horn (Bonn) 171, 713.
ten llorn 366, 1875.
ten llorn, C. (Helder in
Holland) 1962.
Horner, A. 112G.
Hornowski, J. (Lemberg;
460.
Horowitz (Würzburg) 1441.
Hürrmann, A. (München)
1599.
Horsley, Sir, V. 1428.
Horton-Smith, I\ (Hartlevf
1278.
Horwitz, A. (Berlin) 472.
Hoseraann (Rostock) 1130.
1633.
llössli (Basel) 991, 1040.
1394.
v. Hocsslin (Halle) 79, 758
799, 957.
v. Hoesslin (München) 120,
1004, 1714.
Hoestermann (Heidelberg
1688.
Hottingcr, (Zürich) 1248.
Hotz (Freiburg) 071, 1393.
1470, 1555, 1901.
Houget, J. P. (New Jork;
1374.
Houston, Th. (Belfast) 1230.
Howard, H. C. (London
940.
Howard, R. (London i 82.
Howell, W. H. (Baltimore
610.
Hiibcner (Liegnitz} 253.
1587.
r, W. 1079.
jr, W. (München) D'-'i.
er, A. H. 752. ^
ings (Detroit) 955.
k (München) 1619 _
k, VY. (München) 1D3.
16.
, B. (Berlin) 362.
ibrnid 1601.
ihmidt, A. (Barmen
?
es, B. (Bradford) 3L.
(Strassburg) 333.
, G. 123, 463.
r t L. (Cambring 1
;cker (Hohen!#*
126.
[Her 1508.
[Her (Berlin) j*'-
□ igitized by
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Original from
UNIVERSITY OF IOWA
Huppert (Wien) 1148.
Huerekens, C. J. 1469.
Ilürthle (Breslau) 572, 1437.
Hürthle, K. 1326.
Hurwitz, J. H. 168.
Husler, J. 611.
Hussa, F. 321.
Hüssy, A. (Unter Aegeri)
1376.
Hüssy, P. (Basel) 557, 986,
1328.
Hueter, G. (Altona) 1632.
Hutler, F. 993.
Hutyra 216.
Huwald, W. (Berlin) 611.
Huzar, W. 649.
Ilymans 1180.
I. J.
Jacob 461.
Jacob (Berlin) 466.
Jacob (Kudowa) 957.
Jacobaeus (Stockholm) 282.
Jacobovics, B. (Budapest)
650.
Jacobsohn (Berlin) 658.
Jacobson 797. I
Jacobsthal (Hamburg) 42,
767, 1045, 1201, 1849. [
Jacoby (Berlin) 570. '
Jacoby, M. (Berlin) 424,
568, 1383, 1407. j
Jacoby, M. (Wildungen)
1044.
Jacquet (Paris) 47$, 1001.
Jadassohn (Bern) 519.
Jadek, J. (Neukölln) 705.
Jaedcrholm, G. A. 1524.
Jaffee, F. 1226. !
Jaffö, H. (Wien) 1798. i
Jaffe, R. (Frankfurt) 267,
894 . ;
Jaffö, R. H. (Wien) 987.
Jagemann (Heidelberg) 1694.
de Jager, L. (Leeuwarden)
795.
Jaeger, R. (Halle) 942.
v. Jagic, N. 1185, 1328.
Jahn, F. (Leipzig) 755.
Jaehne, A. ( Strassburg) S03. ,
Jakob 1804. ^ !
Jakob (Hamburg) 285, 671,
1045, 1553. j
Jakobi, C. (Tübingen) 1223. 1
Jakobson, B. (Kopenhagen) ;
759 '
Jakobsohn, J. (Berlin) 1082. !
v. Jaksch, R. (Prag) 222, I
721.
Jakunin, N. (Moskau) 626.
Jakuschewicz, S. (Charkow)
191.
Jalkowski, E. (Freiburg) 708.
James 319.
Jamin (Erlangen) 720, 1564. ,
Jarapolsky (Wien) 1876.
Jaenisch, H. (Bremen) 364. |
Jankowski, J. (Riga) 81. :
Jansen 170.
Jansen, M. 646. |
.lansen, W. 556.
Jansen (Dorpat) 761.
Jansen (Leiden) 813.
Janssen, P. (Düsseldorf) 991.
Janus (Berlin) 321.
Janusehke (Berlin) 1925.
Januschke (Wien) 379, 843.
Janzus, H. (Wien) 463.
Jappelli, A. (Neapel) 27.
Jaquin (Berlin) 332.
Jardine, R. (Glasgow) 317.
Jarisch, A. 1280, 1553.
Jaerisch (Graudenz) 992.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1077
Jaschke (Giessen) 465.
Jastram (Königsberg) 1339.
Jastrowitz, H. (Halle) 267,
607.
Jauer, K. (Berlin) 1372.
Javol 1490.
Ichikawa 993.
Idman, G. 118.
■ Jeanselme 429, 479, 1001, I
1187, 1491. ;
Jeger (Breslau) 181, 321,
995, 1439, 1470, 1587,
1645, 1667, 1907.
Jehn, W. (Zürich) 1086.
Jemma, R. (Palermo) 942.
Jenckel (Altona) 854, 1104,
1105, 1901, 1902.
Jensen (Kopenhagen) 1102.
Jercmicz, A. (Petersburg)
381.
Jerusalem (Wien) 1148.
Jesionek 1670.
Jcsionek (Giessen) 944.
Jesrop, II. (London) 1582. I
Jess, A. (Giessen) 629.
Jessen (Davos) 1005.
Jessen, F. 1225.
Igersheimer 1921.
Igersheimer, J. 1048.
Ignatowski, A. J. (Warschau)
1328.
Ilyin (Petersburg) 466. j
Imhofer (Prag) 721.
Immelmann (Berlin) 321,
912, 1193, 1196, 1692.
Immermann 165.
Inamoto, K. (Kyoto) 894.
Ingebrigtsen 1556.
Joachim, H. 1371.
Joachimsthal, G. f 579, 763.
Job, E. 323.
Jochmann 1654.
Jochmann (Berlin) 1281,
1693, 1734, 1822, 1873.
1876.
Johannessohn (Berlin) 1423.
Johannscn.T. (Moskau) 1187.
John, K. (Tübingen) 1798. i
Johnson, W. (London) 1424.
Jollv (Berlin) 664. !
Joliv, P. 554.
Jonas, W. (Greifswald) 170. ;
Jonathan, P. (Budapest) 612.
Jones, A. R. (London) 31. j
de Jong (Paris) 1920. j
de Jong, I). A. (Leiden)
1429. j
Jores (Kastellaun) 83.
Jörgensen (Kopenhagen)
1374.
Josef (Berlin) 816.
Joscfson (Stockholm) 559,
759, 1232.
Joseph (Berlin) 472, 569,
570, 946, 1470. _ j
Joseph, E. (Berlin) 275,
913, 1050, 1052, 1054, j
1253. :
Joseph. .1. (Berlin) 224, 621,
760. ' |
Joseph, K. (Höchst) 647. ,
Joseph, K. 941. '
Joseph, M. (Berlin) 120.
Josric(Paris) 479,1001,1152,
1604.
Joest, E. (Dresden) 363. i
Joulia (Bordeaux) 613.
Jowncss 942.
JJzsa, G. (Budapest) 648.
Iredell, C. E. (London) 1330.
Isaac (Berlin) 1056, 1835.
Isaac, II. (Berlin) 617. 1
Isaac, S. 360.
Isaac, S. (Frankfurt) 1003.
Isager 1580.
Ischreyt 993, 1048, 1922.
Iselin (Basel) 1394. i
Iselin, H. 796.
Isenschmid (Frankfurt) 119,
1144, 1183, 1747.
Ishiguro 1526.
Ishihara 1921.
Ishizaka, N. (Göttingen) 556.
Isobc, K. 1043.
Israel 1878.
Israel, A. (Berlin) 1437.
Israel, J. (Berlin) 468, 571,
1054, 1133.
Israel, W. (Berlin) 570, 1050,
1136.
Israel-Rosenthal (Kopen¬
hagen) 559.
Issatschenko,B. (Petersburg)
1425.
Isserlin 1276.
Issraeljantz, L. (Tiflis) 410.
Istonin (Charkow) 271.
Juckenack 713.
Judt (Warschau) 912.
Juliusburger, E. (Breslau)
1612.
Juliusburger, 0. (Lankwitz)
1798.
Juman, A. C. (London) 1129.
Jung 1184.
Jung (Göttingen) 141, 408,
761, 940, 1146, 1376.
Jung, C. G. (Zürich) 217.
Jüngerich, W. 356.
Jüngling, 0. (Tübingen)
1186.
Jungmann (Berlin) 84.
Jungmann (Strassburg) 333,
1099.
Jungmann (Wien) 1149.
Jungmann, P. (Strassburg)
462, 1423.
Junkcl 760.
Junkel (Berlin) 711.
Jurasz 1875.
Jurasz (Leipzig) 767, 845.
1100, 1102, 1428, 1689.
Jürgenson, A. 1426.
Jurmann 1848.
Justi, K. (Halle) 713.
Iwanoff. V. (Berlin) 705.
Iwanow, W. (Moskau) 1249.
Iwasaki, K. (Göttingen) 711.
Iwaschenzew, G. (Petersburg)
381.
Iwaschenzoff, G. (Peters- !
bürg) 561, 706, 943, i
1376.
J/.ar, G. (Catania) 385, 453, i
714, 941. |
Izrailsky, L. 26. 1
K.
Kachel 707.
Kade (Berlin) 1386.
Kafemann, lt. (Königsberg)
977.
Kaefcr (Odessa) 611.
Kafka (Hamburg) 90, 670,
1044, 1553.
Kahane, II. 844, 1610.
Kahle, II. (Jena) 797.
Kahler, II. (Wien) 896.
Kahler, 0. (Freiburg) 706.
Kahn, E. 707, 1424.
Kahn, J. (Magdeburg) 648.
Kaiser (Marburg) 80.
Kaiser, K. F. L. (Amsterdam)
1772.
Kaiser, W. (Prag) 1555.
Kaiscrling (Königsberg i. P.)
1339.
Kakowski 1526.
Kakowsky, A. (Kiew) 120.
Kalb (Stettin) 951.
de Kalbermatten, J. (Bern)
362.
Kalicbmann, M. (Bern) 76.
Kalischer (Berlin) 763, 1286.
Kall, K. (Freiburg) 1423.
Kalmus (Prag) 1652.
Kambe, T. 125.
Kamenetzky, A. (Kiew) 190.
Kamerling 1429.
Kammer (Wien) 674, 844.
Kammacher, 0. 408.
Kämmerer,H. (München) 557,
649, 1099.
Kampmann (Strassburg i.E.)
1755.
Kanngiesser, F. 321.
Kantak, J. (Schöneberg) 464.
Kantorowicz (Berlin) 1290.
Kapff, W. (München) 758.
Kaplan 1848.
Kaposi (Breslau) 234, 664,
665, 666.
Kappius, A. 819.
Kapsenberg 366.
Karasawa, M. (Tokio-Wien)
80.
Karcher (Basel) 625.
Karewski 124, 472,571,1034,
1050, 1055, 1069, 1133,
1189, 1475.
Karfunkel (Breslau) 572,
1426.
Kaerger (Kiel) 1561.
Kaerger, E. (Berlin) 81.
Karo, W. (Berlin) 551.
Karplus, J. P. 1084, 1466.
Karrenstein (Berlin) 659,
1534.
Kassel, K. 1670.
K assogledow,W. (Petersburg)
1249.
Kassowitz 1489.
Kassowitz, K. (Wien) 1689.
Kassowitz, M. 1610.
Kastan, M. (Königsberg) 413,
855, 1083, 1798.
Katase, A. (Osaka) 460.
Kato, T. 938, 1707.
Katz 24, 1650.
Katz, A. 1797.
Katz, G. (Friedenau) 1598.
Katz. 0. (Charlottenburg)
1835.
Katzenstein 1534.
Katzenstein (Berlin) 328,426,
471, 571, 661, 804, 805.
1008, 1057, 1431.
Katzenstein (München) 672.
Katzenstein, M. (Berlin) 123,
698, 1581.
Kauffmann (Ulm) 1132.
Kauffmann, E. 321.
Kauffmann, M. (Halle a. S.)
1770.
Kaufmann, K. (Schönoberg)
1423.
Kaufmann, L. (Berlin) 120.
Kaufmann-Wolff, M. (Wien)
169, 1047, 1231.
Kaupe, W. (Bonn) 1229.
Kausch 275, 815, 1152.
Kausch (Schöneberg) 797,
910, 914.
Kawasoye (Formosa-Kiel)
411.
Kayser (Berlin) 653, 1243,
1283.
Kayser (Cöln) 1528.
Kayser (Heidelberg) 1131.
Kayser, J. D. (Haag) 1331.
Kayser, R. (Breslau) 1465.
Kaz (Poltawa) 900.
Kedrowski, W. (Moskau)
1232.
Kectman, B. 739.
Kehl,.H. (Hamburg) 1279.
Kehrer (Dresden) 125, 184,
477, 667, 951, 998,1340.
Kehrer, F. A. (Heidelberg)
608.
Kehrer, F. K. W. (Utrecht)
1129.
Kehrer, J. K. W. 1043.
Kehrmann, R. (Hamburg)
842.
Keibel (Freiburg) 1095.
Keil, G. (München) 1046,
1081.
Keiler (Berlin) 278.
Keitlor (Wien) 1770.
Kel, P. K. (Amsterdam)
490.
Keller (Berlin) 1925.
Keller(Strassburg)415,1373.
Keller, A. 754.
Keller, Arthur (Berlin) 1945.
Keller, K. 612.
Keller, R. (Zürich) 1085.
Kelling 817.
Kelling, G. (Dresden) 560,
1374, 1471, 1948.
Kellner (Hamburg) 997,1201.
O’Kelly 1374.
Kemmerling, H. (Cöln) 760.
Kemp, S. 462.
Kempf, F. 366.
Kennedy (Eisberg) 1129.
Kennedy, A. M. (Glasgow)
268.
Keppler,W.(Bcrlin)81,1281,
1282
Kerl (Wien) 77, 625, 1148,
1225, 1343, 1395, 1526.
v. Kern 704, 1325.
Kern, H. (Berlin) 1045.
Kern, H. (Rummelsburg)
1742.
Kersten, H.E. (Rabaul) 1128.
Ketron, L. W. 78.
Keuper, E. (Frankfurt) 560.
Keyser (Jena) 867.
v. Khautz (Wien) 953.
v. Khautz, A. 1130.
Kjaergaard, S. (Kopenhagen)
557, 1280.
Kidd, F. (London) 1748.
Kiel, W. (Berlin) 1609.
Kielleuthner (München) 711.
Kienböck 124, 170, 322,
909, 1131, 1150, 1282,
1471.
Kiepe, A. (Berlin) 79.
Kiessclbach, G. (Erlangen)
1527.
Killian 129, 174, 330, 1091,
1335, 1477.
Killian (Berlin) 620, 1612,
1613, 1615, 1709, 1710.
Kimmerlc (Hamburg) 768.
Kimpton 121.
Kindberg, L. 1002.
Kindborg, E. 984.
King, J. II. (Baltimore) 119.
Kionka (Jena) 1145, 1651.
Kirchenberger, A. 842.
Kirchenstein 1580.
Kirchenstein, A. 1425.
Kirchheim, L. (Marburg) 29,
1847.
Kirchner (Berlin) 849, 1635,
1674.
Kirchner, C. (Würzburg)
563.
Kirkland, R. (Chcltenham)
610.
Kirmisson (Paris) 1565,1566.
Kirsch (Berlin) 1733.
Kirsch, H. A. (London) 900.
Kirschbaum (Wien) 609,755,
860, 944, 1280.
Kirste (Nürnberg) 1393.
Kirstein (Marburg) 1131.
Kirstein (Stettin) 427.
4
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Original frn-rri
UMIVERSITY OF IOWA
I'jTH
BERLINER KLINISCH E WOCHENSCHRIFT.
Kisch, B. (Cöln) 1082.
Kisch, E. (Berlin) 1230.
Kisskalt, K. 1015.
Kistler, E. (Basel) 557.
Kittel (Güttingen) 999, 1563.
Klaatsch (Breslau) 1875.
Kl ag es, R. (Berlin) 1329.
Klapp 472, 866 , 1058, 1821.
Klar (München) 1146.
Klare, K. (Ilohcwiese) 559.
Klarke, K. B. 80.
Klauber (Frag) 611.
Klaus, H. (Prag) 267.
Klausner (Prag) 168, 186,
414, 721, 842, 1232, 1284,
1529.
Klaussner, F. (München)
711.
Klee (München) 1041, 1131.
Kleemann, E. (Breslau) 361.
Klefisch (Essen) 853.
de Kleijn, A. 563, 1707. i
Klein (Wien) 1966.
Klein, A. (Prag) 1231, 1898.
Klein, G. (München) 1800.
Klein, II. V. 220. I
Klein, 0. (München ) 220.
Klein, St! (Warschau) 1797.
Klein, W., (Heidelberg) 707. |
Kleine, F. K. 757.
Kleinschmidt (Berlin) 333.
Kleinschmidt (Leipzig) 767,
1429.
Kleinschmidt., II. (Berlin)
1130. |
Kleinschmidt, 0. (Leipzig)
1428.
Kleinschmidt, P. (Reinicken¬
dorf) 213.
Kleipool 362. f
Kleist (Erlangen) 93, 123, |
1564.
Klemensiewics, R. 891.
Klemm (Berlin) 276.
Klemm, P. 1732.
Klemperer, F. 34, 416, 417,
430, 1190, 1374, 1467,
1580.
Klemperer, G. 120, 175,
408, 410, 568, 1243, 1469.
Klemperer, P. (Brünn) 756.
af lilcrker, Kj. 0. 1649.
Klestadt (Breslau) 37.
lvlett (Berlin) 1291.
Klienebcrger (Zittau) 285,
668 , 718, 969, 999, 1093,
1094, 1129, 1244, 1410,
1581.
Klimenko, W. (Petersburg)
1250.
Kling, C. (Stockholm) 412.
Klinger (Zürich) 318, 758,
1099, 1173, 1599.
Klingner (Berlin) 1292, 1434. |
Klock (Berlin) 1236. I
Klooman, L. 1227, 1228. |
Klopfer, E. (Petersburg) 897.
Klopstock, F. (Berlin) 269. I
Klose (Breslau) 1900.
Klose (Frankfurt) 819, 1094.
Klose (Neisse) 124. !
Klose, II. 10, 123, 267. ,
Klotz (Schwerin) 709, 942. j
Klotz (Tübingen) 847.
Klotz, H. G. (New York)
1330.
Klotz, R. (Dresden) 77.
Klunker (3cna) 1562.
Klüppcl, O. 1041.
Kmiura (Japan-Leipzig) 756.
Knaack (Hamburg) 997.
Knack (Hamburg) 1390.
Knapp (New York) 33.
Knauth (Wiirzburg) 461.
Kncppcr (Düsseldorf) 1131.
Knick (Leipzig) 1247.
Knoll, W. 1425.
Knoop (Freiburg) 1565. !
Knoop, F. 360, 1467. ,
Knopf 994.
Knöpfclmacher 142,478,651,
673, 897, 1149, 1489.
Knorr (Berlin) 569, 1385,
1535.
Koblanck (Berlin) 84, 790, ,
804, 1925. 1
Kobler, F. 1552.
Kobligk, E. (Berlin) 561.
Kobrak (Breslau) 573, 1388. ,
Kobsarenko, S. (Kiew) 1082. j
Koch (Berlin) 135.
Koch, H. 318, 1329, 1470.
Koch, J. (Berlin) 172, 289,
773, 807, 836, 886. I
Koch, K. (Berlin) 363, 422,
987.
Koch, M. 1476. ,
Koch, M. (Berlin) 1290, I
1435.
Koch, R. (Frankfurt) 757.
| Koch, W. (Berlin) 1082.
Kocher 898.
| Kocher (Berlin) 1103.
I Kocher, A. 819.
Kocher, R. (Baltimore) 1005.
I Kocher, R. A. 1281.
! Kocher, R. A. (München)
H85.
Kocher, Th. (Bern) 817,
1949.
Koechlin, E. 1798.
I Kochmann 1799.
Kochmann (Berlin) 371.
I Kochmann, M» (Greifswald)
I 1376.
i Köck, E. (Freiburg i. B.)
I 1633.
| Kofi er (Wien) 1966.
i Kofmann 170.
! Kögel 707, 1580.
Kögel, II. 361.
Kögel, II. (Lippspringc) 168.
Köhler, B. (Stettin) 895.
Kobler, R. (Berlin) 1005.
Rochier (Berlin) 219.
Kochler, J. (Berlin) 1750.
Rochier, M. 1552. ,
Köhler 1084. I
Köhler (Wien) 859.
Köliler(Wiesbaden) 667, 907,
911. I
Köhler, A. 1919.
Köhler, R. (Wien) 893, 1280.
Kohbausch (Freiberg) 766.
Kohn, A. (Berlin) 1879.
Ivolin, A. (Prag) 1422.
Kohn, H. 325, 931. !
Kolm-Abrest 1472. i
Kolmstamm, 0. (Königstein !
i. T.) 668, 863, 1680. |
Kohrs, T. (Lübeck) 414, l
1590. I
Kolaczek, II. (Tübingen) j
1186.
Kolb, K. (Heidelberg) 271.
Kolb, K. (München) 1096.
Kolde (Erlangen) 415.
Koldc, W. (Magdeburg) 1429.
Kolepke (Breslau) 179.
j Rolle, W. 73, 408.
Rolle, W. (Bern) 319, 1277.
Köl liker 1384.
! Köl liker, Th. (Leipzig) 1947.
j Köllner 1921.
I Koellner 848.
Koellner (Würzburg) 1331,
I 1332.
! Kolmar, J. A. (Philadelphia)
| 222 .
Kolossow, A, 800.
Koelsch, F. München) 1651.
Komoto 1921.
Kornoto, J. 848.
Kondolcon 1875.
König (Marburg) 771, 815,
914, 1104, 1184.
König, H. (Kiel) 800, 1061.
Küniger (Erlangen) 1564.^ |
Koenigsfeld (Breslau) 582,
852, 1231.
Königstein (Wien) 1245.
Konjctzny (Kiel) 719, 866 ,
1154, 1947.
Könnccke, W (Braunscbweig)
1185.
Konstansoff, S. W. (Peters¬
burg) 1328.
Kopaezewski, W. 1277.
Kopel, A. 26.
Koeppe, H. 123.
Koppel, M (Strassburg) 75.
Knpvtowski, W. (Warschau)
1708. ^ 1
Korb. P. (Liegnitz) 1708. I
Korbseh 1949.
Korb sch (Neisse) 1089.
Koerber (Hamburg) 669.
i Körbet, N. (Leipzig) 368.
v. Korezinski, L. R. (Saraje¬
wo) 942.
Korencan (Wien) 760, 1429.
Korcnczewski, W. (Petcrs-
| bürg) 1106.
Korentsehewsky, G. (Peters¬
burg) 1080.
Korff-Peterscn, A. (Berlin)
762.
Korn, A. 1371.
Körner, 0. 1705.
Kocrnieke (Bonn) 908.
Korsbjarg, A. (Kopenhagen)
• 1374. "
Körte 35, 232, 06 1, 1058,
1059, 1104, 1105, 1294.
1 1473, 1474, 1483, 1927.
, Körte. F.f, Nachruf 368.
Körte weg 804.
Kosminski, E. (Berlin) 1599.
Kussel (Heidelberg) 1695,
1S57.
Kossinsky, J. 1651.
Kossow, 11. (Heidelberg) 76.
Köster, II. (Frankfurt) 1429.
: Kostytsehew, S. 1524.
| Kotake, Y. 939.
Küthner, P. 1898.
Kothny (Wien) 94, 9.)4.
Koetzle (Strassburg i. H.|
1747.
Knvacs (Wien) 1149.
Kovars, J. (Budapest) 1184.
Kowarschick (Wien) 1770.
Kowarschik, J. 1963.
Kowitz, H. L. (Kiel) 460.
Kowitz, H. L. (Magdeburg)
1281.
Koyanagi 1921.
Koyano, T. 78.
Kozlowski (Lwow) 559.
Krabbe) (Bonn) 31.
Krabbcl, M. 1085.
Kraft (Nürnberg) 1342.
Kraft (Wien) 141.
lvrais, W. (München) 413.
| Kramer 1479.
; Kramer (Berlin) 470, 1287.
Kramer (Prag) 1652.
Kraemcr, C. 1706.
! Kraemer, F. (Frankfurt)
415.
Krampitz (Breslau) 139, 717.
Kramsztvk (Berlin) 569.
Kramsztyk, A. 1649.
• Kranz, P. (Hamburg) 1223.
Kranzfeld, M. (Zürich) 1128.
Kraske (Freiburg) 1100.
Krasnogorski, N. (Peters¬
burg) 943, 1249.
Kraszewski, W. 25.
Kraufa, E. 848.
! Kraupa, E. 33.
Kraupa (Prag) 563, 721.
Kraus (Karlsbad) 1965.
Kraus (Nürnberg) 334.
Kraus (Semmering) 1803.
Kraus (Wien) 1149, 1876,
1965.
Kraus, E. (Brünn) 1424. ^
Kraus, E. J. (Prag) 335, 756,
1579.
Kraus, F. (Berlin) 78, 124,
282, 569, 649, 704, 1193,
1243, 1531, 1532, 1533.
Kraus, F. (Lierheim) (b.
Kraus, II. (Wienerwald) 28.
Kraus, J. (Nürnberg) 1298.
Kraus, 0. (Karlsbad) 121,
674.
Kraus, 0. (Semmering) 1100.
Kraus, R. (Buenos - Aires)
v 915, 1374, 1579.^
Krause (Berlin) 817.
; Krause (Cassel) 1473, 1948.
Krause, F. 46o, 1669,
19iS.
! Krause, M. 1154.
Krause, M. (Berlin) 101.
Krause, P. (Bonn) 908.
Krause, Th. (Moskau) 1107.
Krauss (Reutlingen) 84.
Krauss, R. (Buenos-Aires)
I 1581.
Krawkow, N. P. 1127.
I Krcckc(München) 1714,1800.
I Krchl, L. 216, 984.
Kreibicb (Wien) 27, 238.
Krcibich, K. (Prag) 613,
1232.
Kreidl, A. 1466, 1467,
1746.
Kreiss (Dresden) 125, 323,
712, 912, 951, 998.
Kren (Wien) 238, 1950.
Kress (Frankfurt) 845.
Kretschmer 269.
Kretschmer (Berlin) 1704.
Kreutcr (Erlangen) 269, 720,
1104, 1564, 1901, 1948.
Kreuzfuchs (\\ ien) 122,1131,
1283.
Krevct (Giessen) 562.
Kricgel 75.
v. Kries, J. 1707.
Krimberg, R. 26.
Kristeller, L. (Berlin) 798.
Krister (Breslau) 761.
Kritschewsky, J. L. (Moskau)
268.
Kriwsky, S. A. (Petersburg)
1557.
Kiizcneeky, J. 985.
Krob, F. (Cöln) 409, 612.
Kroisi (Wien) 272.
Krokicwicz, A (Krakau) 759,
| 1578.
: Kroll [Moskau) 1673. ,
1 Kroll-Lifscbütz, A. (Basel) |
I 897 * . I
Kromayer (Bcilin) 128, 130.
' Krön, N. 366.
j Kronecker, H. 1250.
' Kroncnfels, G. (Wien) 272.
1 Kronfcld, A. (Dalldorf) 844.
| Krönig (Freiburg) 1095,1578,
1 1619.
Krönig, E. (Paunsdorf) 755.
Krontowski, A. (Kiew) 1042.
Kriickmann 367, 1325.
Knick mann(Berlin)371,1237,
1238.
Krüger (Weimar) 706.
Krüger, R. (Braunschweig)
756.
Krüger-Franke (Cottbps)571,
1582.
Krukenberg (Elberfeld) 814.
Krukenberg, II. 1041.
Krull 413.
Krull (Dresden) 1340.
Kruse, W. 1464.
Kruse, W. (Leipzig) 14G9.
Krusius (Berlin) 993, 1822,
1823.
Rrylow, D. (Petersburg)
1424.
v. Kubinyi, P. (Budapest)
1232.
Kubisagari 896.
Kübz, L u 223.
Kucera 707.
Küchenhoff (Berlin) 270.
Kücheuhoff, N. 1425.
Kudike, R. (Frankfurt)
412.
Kuffler, P. (Giessen) 33.
Kugel 1799.
Kuhk (Stettin) 951.
Kuhlenkampf, D. (Zwickau)
1651.
Kuebler, J. (Berlin) 849.
Küblmann (Strassburg) 669,
1578.
Kuhn (Berlin) 35, 1103.
Kulm (Schöneberg) 1849.
Kühn (Neuenahr) 1901.
Kühn (Schöneberg) 1822.
Kühnemann, G. 316.
Kuhnt (Bonn) 33, 1087.
ter Ivuile, Th. E. 1707.
Külbs (Berlin) 134, 135,957,
1524.
Kulen (Berlin) 1734.
Kulenkampff, D. (Zwickau)
561.
Kumagai, T. 266.
Kumaris, J. (Athen) 32,93a,
1948.'
Kümmel 1331.
Kümmel (Erlangen)
1440, 1564.
Kümmel (Heidelberg) 987,
1049, 1776, 1822.
Kümmell (Hamburg) 3 m,
458, 669 . 854, 1011,1231,
1370, 1391, 1527, 1528.
Künne, B. 801.
Kuno, Y. 77, 938,98o, 1326,
1525, 1553.
Kunreuther, M. (Berlin)
1629
Kunsch (Berlin) 572, 664.
Kuntzsch (Potsdam) ob«.
Kucnzer.R. (Freiburg) lo2o.
Kiipferle 1004.
Küpferle (Freiburg) 100o.
Kürz 1694.
lvusama 1921-
Kusonoki, M. 14'0.
Kuss (Paris) 1567.
Küster 1486. Rfj -
Küster (Berlin) 806, 80 ,
1557. .
Küster, E. (Berlin) 4,<h
! Küster, H. (Breslau) W-
Küstner 1486.
| Küstner (Breslau) 138, boi,
! Kulhy, D. 0. (B^l
1845. „
Kutner (Brcslaü M ■
Kutschera, A. 1 lT£li
Kuttnef, L.
236, 37
771,
1104
1153, 133b ?*. ’
!£ &
IStt, 1918.
1422,
1600
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Original frnm
UNIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1979
Kutzinski, A. (Berlin) 1689,
1733, 1798.
Kuznitzkv (Breslau) 60,1388.
Kvrlc (Wien) 78, 673, 756,
1425.
L.
Laache (Christiania) 515.
Labbe, II. (Paris). 1566.
Labbe, M. (Paris) 429, 648,
722, 1396.
Laeoste 1557.
La Franca, S. (Neapel) 1225.
Lagane (Paris) 429, 430.
Lagane, L. 414.
v. Lagermark, A. (Berlin)
364.
Lahm (Dresden) 148, 608,
667, 755, 899, 900, 1142,
1225.
Lahm, W. (Karlsruhe) 1468.
Lahraeyer (Cassel) 559.
Laby, J. M. 800, 1553.
Laignel - Lavastine (Paris)
188, 1001.
Lalajanz (Berlin) 1748.
Lambotto (Antwerpen) 955,
1010.
Lameris 801.
de Lamotte (Paris) 188.
Lampe, A. B. (München)
959.
Lampe, A. E. (München) 78,
557, 706, 798, 1225.
Lamy (Paris) 814, 815.
Lanbry, C. (Paris) 188,
1152. !
Landau (Freiburg) 1393.
Landau (Warschau) 558,649, i
1427.
Landau, L. 326, 1926.
Landau, L. (Berlin) 1431,
1445, 1822.
Landau, M. (Freiburg) 1279,
1424.
Landö 1633.
Landeker 466.
Landmann 1581. !
Landouzy*( Paris) 187, 1097. 1
Landsberg 1002. ,
Landsberg, K. (Halle) 1081.
Landsberg, M. (Greifswald)
1427.
Landsberger (Charlotten¬
burg) 1344. i
Landsberger,li. (Berlin) 1613, 1
1615. 1
Landsteiner, K. (Wien) 269. !
Lang, J. 1946.
Lange 1483. :
Lange (Barmen) 1266.
Lange (Berlin) 808, 1432. I
Lange (Breslau) 137, 717. ,
Lange, C. 527, 785, 867.
Lange, E. (Berlin) 613.
Lange, W. 1797, 1947. |
Lange, W. (Göttingen) 126. [
Lange, W. (Petersburg) 943, 1
1376. I
Langelaan 1848.
de Langen, C. D. (Groningen)
1792.
Langenbeck, K. 614.
Langer (Freiburg) 91, 364,
614. I
Langier, H. 31.
v. Langsdorfl (Essen) 854.
Langstein (Beilin) 469.
Langstein, L. (Berlin) 123,
362, 1427. ;
Langstein, R. (Berlin) 123. |
Lanz (Amsterdam) 465. i
Lapinsky 709, 1688, 1848. '
Lapinsky (Kiew) 1045.
Laqucur, A. (Berlin) 1328.
Laroche, G. 461.
Lasareff, P. 219.
Lasarew 222.
Laser (Wiesbaden) 377, 666.
Lassabliere (Paris) 860.
Lateinor-Mayorhofer, M. 611.
Latte, M. 1490.
Latzei (Wien) 1151. 1
Laubenhcimer (Heidelberg) :
409, 762. 856.
Laubcr (Wien) 1903.
Laurent, M. 0. 1045.
Mac Laurin, C. (Sydney)
271.
Lauritzen(Kopenhagen)I375.
Lautenschlägcr, E. 1049.
Lavastine, L. 1490.
Lavau (Toulouse) 561.
Laveran 323.
Lavonius, H. 118. ,
Läwen (Leipzig) 767, 1106,
1330, 1428.
Lawrence, C. H. (Boston) 609,
843.
Lawroff, W. (Petersburg)943.
Lazarus, A. (C'hariottenburg)
482.
Lazarus, P. (Berlin) 132. 1
201, 258, 948, 1004, 1237, I
1712. i
Lazavevic, V. (Wien) 898. 1
Lebcdinsky, N. (Halle) 119.
Lobcdew, A. 465.
Leber 992.
Leber, A. (Göttingen) 169.
1472.
Leber, Th. 1670.
Lebhardt, A. (Basel) 1472.
Leblanc 430, 1152, 1490.
Leeene (Paris) 1009, 1283.
Lcchler (Rostock) 170.
Lechncr 1922.
Leckie, A. J. B. (Bat).) 364. I
Lecocq, R. (Nanterre) 651.
Ledderhose (Strassburg) 713,
1750, 1822.
Lederer (Wien) 858.
Lederer, K. 610.
Ledermann (Berlin) 270,
622.
Ledingham, J. C'. G. (London)
1279.
Lee 1469. !
Leers (Essen) 1753. i
van Lecrsum, E. C. (Leiden)
1327. !
van Lceuwen, W. S. 219. j
Legagneux (Le Havre) 1430.
Legal (Breslau) 1197.
Legras 1490.
Lcgras (Paris) 1567.
Lcgueu (Paris) 1202, 1248,
1748. ’
Lehmann 366.
Lehmann (Berlin) 664.
Lehmann (Rostock) 712, 911.
Lehmann (Wiesbaden) 1900.
Lehmann (Würzburg) 378. (
Lehmann, F. (Berlin) 414.
Lehmann, G. (Berlin) 79.
Lehmann, K. B. 1324.
Lehmann, K. B. (Würzburg)
1128.
Lehmann, P. 1579.
Lehmann, R. (Berlin) 295.
Lehmann, W. (Wiesbaden)
148.
Lehndorff 1489.
Lehndorff, A. (Prag) 1184,
1554.
Lehnert (Frankfurt) 896.
Lehncrt, A. (Dürkheim) 841.
Lehnert, A. (Frankfurt a. M.)
1757.
Lehnert, F. (Jena) 1128.
Leidler, R. (Wien) 126.
Leincr, K. (Wien) 942.
Lejars (Paris) 429.
Lejbowitseh (Breslau) 761.
Lernaire (Paris) 1246
Lenard 1847.
Lcnartowicz, J. T. (Lemberg)
382, 409, 1429.
Lenel, R. (Charlottcnburg-
Westend) 1847.
Lenhartz, H. 316.
Lenk, E. 1746.
Lennhoff, C. (Bern) 1748.
Lentz 14S1, 1653.
Lentz (Berlin) 329, 369, 806,
1433.
Lenz 1921.
Lenz (Breslau) 716.
Lenz (St. Moritz) 1004, 1803.
Lenzmann (Duisburg) 1327.
Leo, H. (Bonn) 796.
de Leon, M. (Amsterdam)
223.
Leonhard, C. 1708.
Lehnte : Bukarest) 1102.
Leopold (Breslau) 564, 1232.
Lepage, G. (Paris) 125.
Lepelinc (Frerhurtrl 1095,
1375.
Lcpine 25, 26, 119, 647.
1246.
Lcppmann, A. (Berlin) 233,
1386, 1651.
Lcppmann, F. 1689, 1750,
1773.
Lereboullet, P. (Paris) 989,
1001.
Lcrcddc (Paris) 561.
Lori (Paris) 1565.
Leri, A. 1490.
Leriche (Lyon) 1085.
Lcschke (Hamburg) 1141.
Leschke. E. (Berlin) 78, 269,
607, 615, 783, 807, 986,
1423, 1949.
Leser (Frankfurt a. M.) 1687.
Lcsieur 898.
Lesieur (Paiis) 1097, 1098.
Losne, M. E. 270.
Lesscr (Berlin) 851, 1775.
Lesser, E. 491, 945.
Lesscrj E. J. (Mannheim)
856.
r.c>ser, F. (Berlin) 166, 425,
561, 618, 622, 8 )2, 1329.
Lesser, K. 361.
Lcssing, 0. (Berlin) 753.
Leszlenyi, 0. 77, 647, 1045.
Lethaus (Hamm i. W.) 1708.
Lein Ile (Paris) 1246.
Heidnischer, G. (Meiningen)
1465.
Leupold,E. (Würzburg) 1632.
Leva (Strassburg) 669.
Lcvaditi 239, 707, 1098.
1279.
Leven (Paris) 429.
Levi, S. (Berlin) 1436.
Levi-Fraenkel 1489.
Lcvi-Eracnkel, G. (Paris)
1566.
Lcvingcr 1233.
Levinsohn 1799.
Levinsohn (Berlin) 35, 372,
764, 906, 1733.
Levy 1875.
Levy (Paris) 82.
Lew, E. (Strassburg) 1280.
Lew, E. (Paris) 125.
Levy. L. (Lyon) 1373.
Lew, L. (Wiesbaden) 464.
Levy, M. (Berlin) 1374.
Levy, R. (Breslau) 179, 180,
181, 374, 664, 665, 714,
986, 996, 997, 1616.
Levy, S. (Cöln) 82.
Levy, W. 1924.
Levy, W. (Berlin) 1699.
I Levy-Dorn (Berlin) 34, 130, !
910, 911, 712. ;
Lewandowskv (Berlin) 226, I
227, 231/656, 657, 659, 1
840, 918, 949, 953, 1769,
1929, 1965. '
Lewin (Berlin) 1247. 1
Lewin, C. (Berlin) 88, 1004,
1291. I
Lewin, H. 221. |
Lcwin, S. (Tomsk) 190. j
Lcwinski, J. (Düsseldorf) 28. I
Lewinsohn, B. (Altheide) !
1467. !
Lewis, Th. (London) 29. j
Lcvvy, F. H. 1555.
! Lexer (Hamburg) 1901. J
Lexer (Jena) 1535, 1732, I
1750. :
Lexer, K. (München) 710,
711. ]
Levberg, J. (Lodz) 1046.
! Lhotak v. Lhota, C. 841.
! Libensky (Prag) 1374.
i Liberow, N. D. (Tomsk) 1081. |
' Lichtenaucr (Stettin) 89. ,
1 v. Lichtenberg 1095, 1392, !
; 1^21. I
Lichtenstein (Leipzig) 414, .
1232. ~ j
Lichtenstein, A. (Stockholm) !
I 1423. j
I Lichtenstein, S. (Berlin) 940, i
; is36. !
; Liehtensteru, R. (Wien) 992. j
l 1797. ^ |
I Lichtwitz (Güttingen) 141, !
i 812, 864, 1018, 1555,
1737.
I Liebmann, E. (Zürich) 755.
v. Liebermann, L. (Buda¬
pest) 45, 722.
v. Liebermann, L., jr. 803.
Liebesny, P. 409, 1708.
Liebrecht (Hamburg) 1901.
Liechtenstein 1483.
Liedtke (Dresden) 648.
Liefmann, E. (Dresden) 1228.
Liek, E. (Danzig) 711.
Licnau (Hamburg) 800, 1201,
1338.
Liepmann (Berlin) 228, 470,
471, 657, 658, 1136, 1846.
Liepmann, 11. (Berlin) 30,
1527.
Lief (Wien) 1096, 1148,
1245, 1427, 1798, 1901.
Liertz (Köln) 713.
Liescliing, C. E. (Tivcrton)
1042.
Licske, H. 43, 1123, 1220,
1766.
Lifsehiitz, J. 1524.
Lihotzky (Wien) 673.
Lilcs, Ö. 800.
Liliendahl- Pctersen, X. (Ko¬
penhagen) 551.
Lilienfeld (Frankfurt) 668.
Lilienfeld (Leipzig) 1821.
Lilienstein (Nauheim) 1144.
Lilicnthal (New York) 1011.
Lilienthal, L. (Berlin) 6!5.
Liljestrand, G. (Stockholm)
1 95°.
Linck (Königsberg) 1430. I
Linek, A. 1963. |
Lindald, C. 33. ;
Lindbohm (Stockholm) 320. !
Lindbom, 0. 1082. j
Lindborn,0. (Stockholm)893. |
Lindemann (Essen) 574,1139.
Lindemann, A. (Berlin) 708. !
Lindemann, W. (Halle) 26. j
v. Linden, Gräfin (Bonn) 647. ,
Lindenberg 898.
Lindenfeld, B. 1278.
Lindct, L. 26. I
Lindig, P. (Giessen) 1579.
Lindncr 1530, 1800.
Lindncr (Berlin) 808.
Lindncr, K. 1531.
Liniger (Düsseldorf) 1132.
Einiger (Frankfurt a.M.) 1582.
Link, G. (Freiburg i. B.)
1578.
Linker (Wien) 1850.
Linzenmeier (Kiel) 802.
Liokumowitsch, S. (Peters¬
burg) 899.
Lion (Paris) 430, 479.
Lionti, G. (Palermo) 465.
Lipman-Wulf (Berlin) 1136.
Lipp, II. (Waldstetten) 1733.
Lippert, II. (Rostock) 167.
Lippieh, F. 939.
Lippmaun(Berlin) 1082,1099.
Lippmann (Chicago) 1733.
Lippmann (Hamburg) 1140,
1141.
Lipschitz (Berlin) 762.
Lipschütz, B. (Wien) 1529.
Lissauer, M. (Königsberg)
114, 159, 1578.
Lissmann 755.
v. Liszt 233,1689,1751,1879.
Littauer (Leipzig) 1751.
Litthauer, M. (Berlin) 805.
Liwanow, A. (Moskau) 190.
Ljubimowa, W. J. (Peters¬
burg) 363.
Ljungdahl (Lund) 55S.
Loch (Göttingen) 1384.
Loeb, A. 25, 1467.
Loeb, J. 266.
Loeb, S. (Ahrweiler) 843.
Loeb, 0. (Göttingen) 841,
1279, 1847.
Löh, W. 622, 893.
Lobcnhoffer, W. 706.
Löblcin 562.
Lobmayer, G. (Budapest) 168.
Locher (Konstanz) 1131.
Lochte, Th. (Göttingen) 1466.
Lockemann (Berlin) 808.
Lockemann, G. (Berlin) 1378.
Löffelmann (Hamburg) 1529.
Löffler 1481, 1483.
Löffler (Basel) 30.
Löffler (Berlin) 370, 806,
1433, 1557, 1558.
Lüfflcr(Halle) 463,611,1471.
Löffler, C. (Erfurt) 801.
Löhe (Berlin) 851.
Löhe, H. 408.
Lohfeldt (Hamburg) 1140,
1283.
Lühlein 848.
Löhlein, W. 803.
Loh mann 1876.
Lohmann, W. 563, 993.
Lohnstein, II. (Berlin) 1136,
1582.
Loir (Le Havre) 1430.
Lomer, G. 320.
Lommel (Jena) 957, 959.
London, E. S. (Petersburg)
1276.
Long, E. R. 1280.
Lonhardt (Strassburg) 762.
Lonste (Paris) 1567.
v. Loon 365.
Loose (Bremen) 912.
Loeper (Paris) 479.
Lorant, 0. 985.
Lorenz 170.
Lorenz (Breslau) 1297,1337.
Lorenz (Wien) 673, 769,
859, 943, 1150, 1186.
Lorenz, A. 1799.
Lorenz, II. 845, 1330.
Lorcnz-Monod 270.
Lorey (Hamburg) 124.
Lossen 1086.
Lossen (Cöln) 1006.
4 *
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Original frnm
UMIVERSITY OF IOWA
1 OSO
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Lossen (Wiesbaden) 237.
Lotheissen (Wien) 1825.
Lotlirop 992, 1128.
Lotsch (Berlin) 133, 134,
137, 055, 1230, 1233.
Lottrup-Andersen, C. 83.
Lutz, A. (Berlin) 1733.
Lövcgren, E. (Helsingfors)
1227, 1820.
Loew, 0. 986, 1378, 1898.
Loewe (Frankfurt) 719.
Loewe (Güttingen) 812.
Loewe, 0. (Frankfurt) 1086,
1128.
Loewcnfeld, L. 1126.
Loewenfeld, W. (Wien) 987.
Locwenstein, A. 993, 1284.
Lüwcnstein, E. (Wien) 609.
Löwenstein, K. (Berlin) 228.
Locwenstein,S. (Essen) 1752.
Löwenthal (Braunschweig)
267, 799, 909.
Loewi, 0. 1326, 1371.
Locwit, M. (Innsbruck) 1526.
Loew’y, A. 26, 75, 1707,
1950.
Loewy, A. (Berlin) 1020,
1559, 1057.
Loewv, Erwin (Lankwitz)
1902.
Loewy, E. (München") 982,
1083. ' !
Löwy (Wien) 1151. ,
Löwy, J. 1280. |
Löwy, J. (Prag) 1555, 1900. |
Löwy, 0 . 940.
Löwv, R. (Wien) 799. ,
Lua, M. 800.
Lubarsch 1488. i
Lubarsch (Kiel) ”1691. !
Lubberink 797. I
Lubc, F. (Braunschweig) j
986. ' I
Lublinski, W. (Berlin) 1643.
Lubowski (Breslau) 1617.
Lucas-Championniere 31.
Luce 1772.
Lücken (Leipzig) 767, 1428.
Luckseh, F. (Frag) 1059.
Luckseh, F. (Wien) 336.
Lüdin (Basel) 1147.
Lüdkc (Würzburg) 1098. I
Ludloff (Breslau) 106, 179. I
Ludwig Ferdinand, Prinz von !
Bayern (München) 1902. i
Lugaro, E. 554.
Luger (Boston) 846.
Luithlen, F. 361, 409, 1849.
Liiken 1821.
Lüken, E. A. 1330.
Luksch (Prag) 1652. |
Lunckenbein (Ansbach) 121, i
1042. I
Luria, L. (Kasan) 380.
Lurz, R. (Deutsch-Ostafrika)
1088, 1132.
Lusku, G. (New York) 1373.
Lust (Heidelberg) 28, 185,
222 .
Lutsch, W. (Lindley) 556.
Lüttge (Hamburg) 1337.
Lutz, W. 988, 1043.
Luvan, M. (Toulouse) 1331.
Lux, F. (Hamburg) 1919.
Luzzatto, R. (Camerino) 1081.
Lyon-Caen, L. (Paris) 1152.
Lytschkowsky, M. (Peters¬
burg) 1107.
M.
Maag (Odessa) 124.
Maas, 0. (Berlin) 656, 1386,
1671, 1673.
Maase (Berlin) 135.
Maass (Berlin) 815, 1287.
Mac Adams 993.
Macaronopoulos, C. (Athen)
270.
Mac Garrison, 11. (Kasanli)
759.
Mac Donagh, J. E. (London)
1231.
Macdonald, A. 804.
Machek 562.
Machwitz, H. (Charlotten¬
burg) 1227.
Mackenrodt 1484, 1485.
Mac Kenzi (Portland) 1102.
Mac Lean, S. 1129.
Mac Nee (Freiburg) 1424.
Mac William, J. A. (Aber¬
deen) 799.
Mager, A. (Potsdam) L577.
Magnus 1582.
Magnus (Berlin) 1137, 1386.
Magnus (Marburg) 1007.
Magnus, P. 938.
Magnus, R. 219, 1707.
Magnus-Alsleben, E. (Wiirz-
burg) 957, 1733.
Magnus-Levy (Berlin) 120,
569, 663, 1328.
Magula, M. (Petersburg) 899.
Magvar (Wien) 43.
Mahar, V. (Paris) 321.
Mahr (Wiesbaden) 376, 907.
Maikow, S. (Moskau) 381.
Mainzer 1485.
Maisei 1428.
Major, U. H. 1632.
Makkas, M. (Bonn) 366.
Makrocki (Putsdam) 1765.
v. Malaise (München) 1469.
Malarte 413.
Malinowsky, M. (Kasan) 1557.
Maliwa, E. (Innsbruck) 1425.
Maliwer, E. (Greifswald) 79.
Mallcbrein 28.
Malther, H. E. (Zürich) 1086.
v. Maltzahn (Berlin) 120.
Mandelbaum (München) 123,
557, 1374.
Mandl, R, 77.
Mandler, V. (Wien) 1740.
Mandrila, K. (Wien) 80.
Mangini, L. 1081.
Mangnat (Paris) 860.
Mangold 671, 938, 1770.
Mankewitz (Berlin) 1535.
Mann (Breslau) 29, 765.
Mann, G. (New Orleans) 361.
Mann, L. (Breslau) 716, 791.
Mann, M. 895, 1576.
Manningcr (Budapest) 1011.
Manoiloff, E. (Petersburg)
706, 1328.
Manteufel (Daressalam) 323.
Mapother, E. (Epsom) 987.
Maragliano, E. (Genua) 523.
Marafion, G. (Madrid) 896. |
Marburg (Wien) 1825, 1903. >
Marchal, J. (Paris) 171. |
Marchand(Leipzig) 576,1468, I
1561. |
Marchand, F. (Heidelberg) I
320, 1223.
Marcorelles (Paris) 797.
Marcus (Posen) 1901, 1923.
Marcuse, E. (Berlin) 1682,
1938.
Marcuse, H. 320.
Marek 216.
Marek, R, (Prossnitz) 1187. !
Mares, F. 360. !
Mares, Fr. 1707.
Maresch (Wien) 859. j
Marfan (Paris) 1246. I
Margulies 1848.
Margulies, A. (Prag) 1745. !
Margulis, M. S. 1771.
Marie 1491, j
! Marie (Paris) 1001.
Marie, A. 1279.
i Marie, A. (Paris) 239.
Marie, P. (Paris) 187, 1565.
Marincsco (Paris) 1000,1946.
Marinescu, G. 705.
Marion (Paris) 1248.
Mark, J. 1554.
Markewicz, M. (Petersburg)
627.
Markl 1688.
| Markl (Triest) 223.
Marks. L.H. (Frankfurt a. M.)
, 1886.
Marktreiter (Budapest) 1087.
I Markull 1428.
I Markus (Posen) 1582.
Marnyama, Sh. 1556.
1 Marrable 610.
i Marschik (Wien) 141, 378,
379, 578, 1148, 1394.
I Martelli, C. (Neapel) 12S0.
Martens (Berlin) 232.
, Martens, II. (Eppendorf) 80.
Martial, R. (Douai) 1187.
Martin 1484.
i Martin (Paris) 1604.
Martin, E. (Berlin) 84.
. Martin, L. (Paris) 860, 1001.
j Martinesco, G. 841.
■ Martinotti, L. 1525.
I Martinotti, L. (Modena) 1451.
Martins, K. (Frankfurt) 894.
Martins, F. 458.
Marx (Berlin) 53, 1386,
1798.
Marx (Prag) 1653.
Marx, E. iG48.
Marx, H. 1220.
Marx, V. 1797.
Masarey, A. (München) 1467.
Masay, F. (Konstautinopel)
1875.
Masel (Minsk) 320.
Masing, E. 892, 1898.
v. Massari (Wien) 272.
de Massary (Paris) 1001.
Massenbacher, J. (Breslau)
271.
Masslow.M.(Petersburg) 627,
1227, 1820.
Massol, L. 1612.
Le Massen, C. (Paris) 171.
Massen, P. (Paris) 900.
Masuda, X. (Berlin) 75.
Mathias (Königsberg) 1798.
Mathicu, A. (Paris) 142,
1187.
Matko (Wien) 186, 858,
1147.
Matko, J. 169.
Matsukawa, ,1. 83.
Matsuoka, Z. 939.
Mattausehek (Wien) 625,
760, 1148.
Matthissohn (Berlin) 1529.
Matti 1821.
Matti, II. (Bern) 1310, 1365,
1651.
Matzenaucr, R. (Graz) 802.
Mau, C. (Kiel) 464.
Maue (Plauen) 762.
Maurel (Paris) 1097.
Maurel, E. 1612.
Maurer, S. 843.
Maurice 650.
Mauss, Th. (Dresden) 465.
Mauthncr (Mährisch-Ostrau)
1247.
Mautner (Wien) 379.
Mautner, H. 651, 1554.
May, 0. 652.
Mayberry, G. M. (Benenden)
267.
Mayer (Berlin) 411.
Mayer (Krakau) 124.
Mayer (Wien) 238.
i Maver, A. 171, 1226, 1518.
Mayer, A. (Berlin) 1100, I
I 1580.
I Maver, A. (Tübingen) 168, j
! i044, 1799. !
I Maver, E. (Cöln) 814. !
Maver, F. 1081. j
Maver, G. (München) 323. I
! Mayer, H. (Berlin) 900. I
i Mayer, L. 991.
| Mayer, L. (Berlin) 813.
| Mayer, M. 1746.
Mayer, M. (Hamburg) 168,
317.
| Maver, O. (Landau) 223,
i087.
Mayer, 0. (Wien) 83, 1247.
! Mayer, R. (Krakau) 988.
1 Mayer, W. (Tübingen) 78,
I 757.
Mayerhofer (Wien) 858,1151.
Mayrhofer (Innsbruck) 119.
Mayrhofer, E. 1129.
Mayet 170.
! Mayet (Berlin) 1295, 1560,
1*878, 1879.
I Mayo, W. 612.
! Mayo, W. (Rochester) 1100.
! Mayo, W r .J. (Rochester) 1009.
j Mazza, S. (Buenos-Aires) 1
I 1581. j
! Me Burney, M. 1921. j
! Mc Murray, S. 1472. '
I Meggendorfer 1771. I
' Mehlmann, J. (Kimpolung) j
| 1581. j
j Meidner (Berlin) 88, 556. j
Meier, M. (Strassburg) 1430. :
Meigs, E. B. 1326. j
Meinicke, E. (Hellersen)
1372. I
Meirowskv (Cöln) 28, 557, I
648.
Meisner (Berlin) 1560. |
Meisnor, W. 1044. j
Meissen (Essen) 408, 853.
Meitner 1283. J
Melchior 373, 376, 687,1161,
1200, 1585, 1586, 1601, |
1602, 1637, 1652, 1660,
| 1805, 1858, 1915, 1923,
1956.
Melikjany, M. (Moskau) 1083.
Mclikanz, 0. (Arosa) 988,
1374.
Mclikjanz, 0. (Sülzhagen)
1225, 1526.
Meller 614.
Meller, J. 125, 1530.
Mellinghoff 83. j
Meitzer 1876. |
Meitzer (Freiberg) 84, 1582. |
1773.
Meitzer, S. J. (New York)
677, 743, 1351.
Melvin, G. S. (Aberdeen) 799.
Mende, J. (Brünn) 798.
Mendel, K. 31, 708, 1478,
1479, 1480.
Mendel (Essen) 1139.
Mendel, K. (Beriln) 661.
Menetrier (Paris) 429, 860,
1246.
Menge (Heidelberg) 771.
Menke, J. (Strassburg) 989.
Mense, C. 317.
Mentberger(Strassburg)1563.
Menzcr (Bochum) 1099.
v. Mering, J. 216.
Merkel (Erlangen) 364, 720.
Merkel, F. 1223.
Merk len 1490.
Mertens, G. 1330.
Mertens, V. E. (Zabrze) 1587.
Mery 413.
Mery (Paris) 1097.
Merzbacb, G. (Berlin) 1184.
Messerschmidt, Th. (Strass¬
burg) 1372, 1373.
Messmann (Berlin) 1238.
Mestscherski, H. (Moskau)
512.
Mesurcur (Paris) 1441.
Metchnikoff (Paris) 529.
Metz, C. (Wetzlar) 994.
Meulengracht, E. (Kopen¬
hagen) 363.
Meyer 761.
Meyer (Berlin) 712.
Meyer (Kiel) 712.
Meyer, A. (Berlin) 620, 1335,
1613.
Meyer, A. W (Heidelberg)
560.
Meyer, E. 3 1 6, 649, 1467.
Meyer, E. (Frankfurt a.M.)
1578, 1632.
Meyer, E (Königsberg) 965.
Meyer, E. (Leipzig) 465.
Meyer, E. (Strassburg) 1563.
Meyer, F. 462, 1191.
Meyer, F. (Arau) 760.
Meyer, F. (Berlin) 34, 1292.
Meyer, F. (Licrbcim) 75.
Meyer, F. M. (Berlin) 86,561.
910, 1432.
Meyer, H. 1330, 1577.
Meyer, H. (Kiel) 32.
Meyer, J. (Berlin) 1326.
Meyer, K. (Stettin) 412, 811.
Meyer, L. (München) 560.
Meyer, L. F. (Berlin) 1195.
Meyer, N. (Wildungen) 1044.
Meyer, 0. (Berlin) 1057.
Meyer, 0. (Stettin) 167,894.
951, 1293.
Meyer, 0. B. (Würzburg)
1593, 1630, 1874.
Meyor, P. (Berlin) 664.
Meyer, R. (Berlin) 907, 949,
1074, 1293, 1385, 1434,
1435, 1521.
Meyer, R. (Halle) 1599.
Meyer, W. 1330.
Meyer, W. (Andernach) 123.
Meyer, W. (New York) 271,
956, 1100, 1821.
Meyer-Betz, F. (Königsberg)
575, 409, 846,' 855, 864,
1184, 1185.
Meyer-Bctz, F. (München) 79.
Meyer-Hürlimann (Zürich)
122 .
feyerhof, 0. 986.
leyerstein, W. 266.
lezie, A. 797.
lichael, M. (Berlin) 1748,
1935.
lichael, M. J. (Berlin) 1529.
lichael (Wiesbaden) 1755.
lichaelis (Berlin) 424.
lichaelis (Leipzig) 814.
lichaelis (Metz) 92.
lichaelis, L. 360, H81.
1963. • v 0*0
lichaelis, L. (Berlin) 3o2.
364, 569, 1183, 1649.
lichaelis, R. (Metz) 367.
[ichaud 898.
lichaud, L. (Kiel) 122.
lichelsen (München) 5M>.
lichon (Paris) 1201.
. Mieczkowski (Posen) 99 j,
997, 1587.
liedreicb, J. (Barmen) 1«»-
. Mielecki, W. 78.
[ielke, F. (Göttingen) W.
1218
lierencet, C.W.G. (Utrecht^
756 .
lignon (Paris) 109 <•
lilian (Paris) 861, lM
1002.
[iller 942.
5
V
\
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Original fram
UNIVERS1TY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1981
Miller (Heidelberg) 802.
Miller, M. 1552.
Milovanovic, M. (Wien) 1184.
Minea (Paris) 1000.
Minea, J. 705.
Mingazzini, G. (Rom) 1083.
Minkowski 473, 1585.
Minkowski, (Breslau) 1295.
Minkowski, M. (Zürich) 1083.
Mintz (Moskau) 1085.
Miron, G. 563.
Mironescu, E (Berlin) 1225.
Mironowa, S. (Peterburg)
626.
Misch, W. (Berlin) 1083,
1733.
Mischennikow, S. (Moskan)
269.
Mita, G. (Japan - Braun¬
schweig) 1424.
Mitchell, A. P., (Edinburg)
318, 1531.
Mitschke (Gnesen) 1599.
Mittel 1919.
Miyaji 1919.
Moczulski, J. (Warschau)
267, 1042.
Modrakowski, G. 1553.
Moeli 944.
Moeli (Berlin) 233.
Mogwitz, G. (Düsseldorf) 710,
1228
Mohr (Bielefeld) 713.
Mohr (Coblenz) 863.
Mohr (Cöln) 1926.
Mohr (Halle) 959.
Mohr (Posen) 1473.
Mohr, H. (Bielefeld) 1582,
1689.
Mohr, L. 939.
Mohr, M. (Budapest) 28.
Mohr, R. (Königstein) 1747.
Mohr, Tb. (Posen) 466.
Moldovan, J. 988, 1127.
Molkenbuhr (Berlin) 1879.
Mollard, J. 896.
v. Möllendorff, W.(Greifswald)
1770.
Moeller (Berlin) 1100, 1189.
Möllers, R. (Strassburg) 1327.
Molnar (Budapest) 30, 722.
Molony, B. (Calcutta) 1581.
Momburg 819, 1821.
Moraburg (Bielefeld) 801,
1822.
v. Monakow 1281.
v. Monakow, P. (München)
1185. 1555.
Mönckeberg, J. G. (Düssel¬
dorf) 1278.
Mondschein, H. 1086. .
Mondschein, M. (Stanislau,
Galizien) 1708.
Mönkemöller (Hildesheim)
83, 1083.
Monod, 0. 650.
Monod, R. 411.
Monossohn, C. (Warschau)
1328.
du Mont (Eisenach) 84.
Monti 1489.
Monti (Wien) 1150.
Montigny, W. (Freiburg i.B.)
1581.
de Montmollin (Basel) 1394.
Moog (Frankfurt) 361.
Moog, 0. (Frankfurt) 1185,
1846.
Moore 994.
Moore (Berlin) 1433.
Moos (Breslau) 139, 761.
v. Moraczewski (Zürich) 558.
Morawitz (Freiburg) 91,1002,
1650.
Morawski 1848.
Morax, V. (Paris) 893.
Moreau, L. (Toulon) 802.
Morel (Paris) 1097.
Morel, A. (Lyon) 119.
Moreschi, C. (Pavia) 988.
Morestin (Paris) 1100. •
Morgan, W. P. 269.
Morgan, W. P. (London)
1526.
Morgenroth, J. (Berlin) 421,
649, 1560, 1829, 1865.
1878, 1924.
Morgenstern, K. 1469.
Morin (Bordeaux) 613.
Morian (Essen) 853, 1139,
1752.
Moriquand (Paris) 1097.
Moritz, F. (Cöln) 1281, 1946.
Morley, J. (Manchester) 82.
Moro, E. (Heidelberg) 80,
337, 1145, 1228, 1564,
1965.
Morpurgo, F. (Triest) 712.
Mosbacher (Göttingen) 1425,
1563.
Moschcowitz, E. 987.
Mosenthal (Augsburg) 914.
Mosenthal (Berlin) 274, 906.
Mosenthal, A. (Berlin) 1052.
Mosenthin 1085.
Moser (Zittau) 91, 285, 668,
718, 1094, 1244.
Moses, L. (Frankfurt a. M.)
1747.
Mosler (Berlin) 1332.
Mosler, E. (Berlin) 663.
Mosny 1490.
Mosse (Berlin) 278, 1824.
Mosse, M. (Berlin) 941.
Moskowicz (Wien) 272.
Mottcr, M. G. 218.
Motzfeldt, K. (Christiania)
1632.
Mougeot (Paris) 479.
Moullin, C. M. (London)
755.
Mouriquand, G. (Lyon) 119.
Moutier, A. 1277.
Mowat, H. (London) 1423.
Möwes (Berlin) 417.
Moowes, C. (Berlin) 610,
1372.
Moynihan, Sir B. G. A.(Leeds)
760.
Much, H. (Hamburg) 42, 483,
648, 941.
Mucha, V. 78.
Muck, 0. (Essen) 757.
Mühlens, P. (Hamburg) 804,
1278.
Mühlmann (Stettin) 140,
1137.
Mühlmann, M. 362, 1203.
Mühlmann, M. (Baku) 411,
459.
Mühsam (Berlin) 1560.
Mühsam, H. (Berlin) 225,
1082, 1784.
Mühsam, R. (Berlin) 34, 175,
465, 1104, 1193, 1285,
1291, 1327, 1507.
Müller 706, 1488.
Müller (Berlin) 321, 1289.
Müller (Cöln) 762, 1473.
Müller (Hamburg) 285,1391.
Müller (Jülich) 564.
v. Müller (München) 957,
1471.
Müller (Posen) 1473.
Müller (Rostock) 818.
Müller (Rummelsburg) 1874.
Müller (Schässburg) 846.
Müller (Strassburg) 1920.
v. Müller (Stuttgart) 647.
Müller (Wien) 186, 625.
Müller (Wiesbaden) 1377.
Müller, A. (Basel) 625.
Müller, A. (München) 1902.
Müller, A. (Wien) 706.
Müller,C. (Immenstadt) 1004,
1184, 1632.
Müller, C. A. (Leipzig) 1899.
Müller, E. 1370.
Müller, E. (Leipzig) 267.
Müller, E. (Marburg) 1901.
Müller, E. (München) 1225.
Müller, F. (Berlin) 424, 877.
Müller, G. (Berlin) 152, 814,
1210.
Müller, II. 409.
Müller, H. (Mainz) 1577,1688.
Müller, J. (Nürnberg) 672,
1393.
Müller, J. (Wiesbaden) 907.
Müller, L. 1331, 1332.
Müller, M. (Metz) 762.
Müller, P. (Bonn) 1232.
Müller, R. (Kiel) 564.
Müller, Th. (Augsburg) 1581.
Müller, W\ (Hamburg) 1279.
Müllern-Aspegren, U. (Stock¬
holm) 32.
Mülner (Leipzig) 1751.
Mulzer 1523.
Mulzer (Berlin) 1473.
Münch (Frankfurt) 1144.
Munk (Berlin) 1099.
Munk, E. (Berlin) 1429.
Münnich 31.
Munro, J. M. II. (Batb) 986.
Munter (Berlin) 1879.
Münter (Hannover) 122.
Münzer, A. 1655, 1695, 1735,
1851.
Münzer, A. (Berlin) 448,
1825.
Münzer, A. (Charlottenburg)
1812, 1943.
Münzer, A. (Schlaclitensee)
1527.
Münzer, E. (Prag) 1328.
Münzer, H. 1326.
Murphy (Chicago) 1011,1101.
Murray, J. R. (Abetdeen)
799.
Muskat (Berlin) 814, 866,
1470.
Muster, Z. F. 25.
Musy, T. (Basel) 562.
v. Mutschenbacher, Th.
(Budapest) 1612.
Myerson 1224.
Mvgind, H. (Kopenhagen)
'804.
Mysch (Tomsk) 1470.
N.
Naeke 1485.
Nackc (Berlin) 1047.
Näcke, P. 320.
Nadel (W’ien) 43.
Nagamachi, A. 1649.
Nagel, 1484, 1485.
Nagel (Hamburg) 1902.
Nagel, W. (Berlin) 1703.
Nägele, 0. (Stuttgart) 464.
Nägeli, 0. (Tübingen) 122.
Nagelschmidt, F. 316.
Nagelschmidt, M. (Berlin) 87.
Nagoya, C. (Bonn) 1129,
1278.
Nagy (Budapest) 1920.
Nakamura, N. (Tokio) 461.
Nakano, J. Freiburg) 942.
Nakashima, K. 1466.
Nanta, A. (Toulouse) 802.
Nanu-Muscel, J. (Bukarest)
1225.
Narath (Heidelberg) 1470.
Nassau, E. (Heidelberg) 361.
Nassau, E. (Venedig) 987.
Nast (Berlin) 173.
Nast (Hamburg) 997, 1232.
Nast, E. 1130.
Nathan, E. (Frankfurt) 1169,
1934.
Natonek, D. (Czemowitz) 706.
Nauta, A. (Toulouse) 1044.
Nebesky (Wien) 272.
Nebeskv, U. (Innsbruck)
1557.
Neckarsulmer, K. (Berlin)
1641.
Neckcr (Wien) 674.
zur Neddcn 1284.
Negre, L. 319.
Negre (Algier) 1472.
de N eg r ei ros- Ri n al d i (N eape 1) ,
460.
N eiding 1084.
Neisser 328.
Neisser (Bunzlau) 475.
Neisser (Stettin) 140.
Neisser, A. 183.
Neisser, A. (Breslau) 1578.
Neisser, E. (Breslau) 1224,
1585.
Neisser, E. (Stettin) 1328.
Nemcnow (Petersburg) 912.
Nenda (W r ien) 1150, 1395.
Nesbitt 986.
zur Netten 1132.
Netter (Paris) 1246.
Netter, A. (Paris) 709, 1098.
Nettleship, E. 1370.
Neu (Heidelberg) 1564.
Neubauer, 0. (Müuchen) 895.
Neuberg, C. 264.
Neubert (Tabora) 224.
Neue (Greifswald) 1329.
Ncufeld (Berlin) 808, 940,
1434, 1654, 1874.
Neufliess (Breslau) 573.
Neugebauer 1875.
Neugebauer (Mährisch-Osl-
rau) 177.
Neugebauer, II. (Kassa) 941, ,
1281, 1469. j
Neugebaur, 0. (W 7 ien) 1467.
Neuhäuser (Berlin) 866.
Neukirch (Kiel) 958.
Neumann (Berlin) 32, 1059,
1294.
Ncumann (Wien) 1148, 1149, |
1343.
Ncumann, A. 1467, 1799.
Neumann, A. (Graz) 1599.
Neumann, E. 1948.
Ncumann, II. 753. j
Neumann, J. (Mühlheim)
1229.
Neumann, J. (Würzburg) I
1044. j
Neumann, R. 0. 1746.
Neumann, W. (Heidelberg) '
294. " !
Neumark (Berlin) 370, 808. I
Neumaycr, L. 1489. j
Ncumayer, V. L. (Kljuc)
842.
Ncumcister (Stettin) 1138.
Neurath (W’ien) 1343.
Neustadl, R. 1848.
Neuwirth, K. (Wien) 1067. j
Neve, A. (Srinagar) 801.
Newburgh 608.
Newburgh, L. H. (Boston)
609, 843.
Newiadomsky, M. (Moskau)
627.
Newkomct (Philadelphia)
1468.
Newmark, L. (San Francisco)
1739.
Nicholls 1919.
Nick, H. (Tübingen) 1223.
Nickan, M. (Hamburg) 1232.
Nicol 15S0.
Nicolai (Berlin) 622.
Nicolai, G. F. 821.
Nicolai, G. F. (Lierheim) 75.
Nicolaier (Breslau) 573.
Nicolauer (Breslau) 183.
Nicolle, Ch. 27, 29. 1554.
Nicosia, R. (Catania) 385,
453.
Niculcscu, P. (Berlin) 267.
Nieber 1282.
Nieber (Hamburg) 854.
Nieden (Jena) 1752.
Nieden, II. (Jena) 1847.
Niemann (Berlin) 277, 463,
897.
Niepraschk (Marburg) 762.
Nieszytka, L. (Tapiau) 1579.
Nicuwenhuijse 362, 363.
NikanorolT, S. M. (Warschau)
1082.
Nikitin, M. Petersburg) 1469.
Niklas, F. 1651.
Niklas, F. (Halle) 1279.
Nippe (Königsberg) 1771.
Nirmheim, E. (Schleswig)
1229.
Nissl, F. 840, 1769.
Nissl v. Mavendorf (Berlin)
470, 471.
Nitzescu, J. J. (Bukarest)
1599.
Nobe, 366.
Nobel (W’ien) 43, 478, 1150,
1151, 1343, 1489.
Nobiling, H. 1876.
Nobl (Wien) 141, 769, 801,
1149.
Noeggerath, C. F. (Freiburg)
1581.
Nogier, Th. 1468.
Noguchi, II. 509.
Nohl, E. 1426.
Noll (WTirzburg) 1473.
Nonne (Hamburg) 559, 719,
1084, 1338, 1771, 1949.
Non n en b r u ch, W. ('W ürzb u rg)
1582, 1798.
v. Noorden 1427.
v. Noorden, C. (Frankfurt)
361, 1081, 1777.
Nordheim (Hamburg) 669,
1140.
Nordmann (Berlin) 426,1059.
Nord mann,0. (Berlin-Schünc-
berg) 1947.
Xothmann, H. 1580.
v. Notthaft (München) 1393,
1488.
Noctzcl (Saarbrücken) 815.
Novak 29.
Novak, J. 363, 1424.
Novak, J. (Wien) 77, 846.
Nowicki, W’. (Lemberg) 461.
de Nunno, R. 1632.
Nürnberger (München) 802.
Nussbaum 1821.
Nützcl, II. (Erlangen) 894.
0 .
Obata, K. (München) 1468.
Obermüller, II. (Mainz) 77.
Oberndoerffer, E. 1552.
Oberndorfer (München) 1800.
Oberst (Freiburg) 1875.
Obersteiner (Marburg) 840.
Oberwarth, E. (Berlin) 753.
Obmann, K. (Zittau) 800.
Ochsner (Chicago) 1100.
Occonomakis 896.
Occonomakis (Athen) 470.
v. Oefele, F. (New York) 30.
Oehlecker (Hamburg) 1949.
Oerum, II. P. T. (Kopen¬
hagen) 559.
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UMIVERSITY OF IOWA
19H2
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
OfTcnbacher, R. (Würzburg) .
7 58 ,
Offergckl (Frankfurt) 46G. {
Ogata, T. (Charlottenburg) i
894.
Ogörek (Wien) 900. j
Oguchi, C. (Tokio) 1332. !
Oehlecker (Hamburg) 8G6, j
1007, 1141, 1849.
Ochler, F. (Aarau) 761.
Oebler, J. (Freiburg) 82,
1528, 1746.
Oebler, R. (Frankfurt) 1373. ,
Ühlv, A. (Kassel) 1227.
Ohm (Bottrop) 1612. |
Ohrenstein, J. 1847.
Oka (Freiburg) 364.
Okintsehitz (Petersburg) 900.
Oeller, II. (Leipzig) 168, 461,
648, 1579.
01 off 273.
66 off, II. (Kiel) 427, 1087,
1560.
Olow (Lund) 1749. |
Olpp (Tübingen) 1579. |
Olshausen (Hamburg) 854. |
Oelsner (Berlin) 570.
d’Ongbia, P. 1426.
Onodi (Budapest) 563, 1087.
Opitz (Giessen) 1105.
Opitz, K. (Giessen) 410, 1709.
Opitz, H. (Breslau) 1820.
Oppel, A. (Halle) 216.
Oppenheim (Berlin) 228,
1691.
Oppenheim, E. A. (Ilohen-
lyeben) 1119. j
Oppenheim, F. 1126.
Oppenheim, II. 463, 465.
1900.
Oppenheim. II. (Berlin,) 6S2,
1670, 1671, 1673, 1853,
1964.
Oppenheim, II. (Wilmersdorf)
604.
Oppenheimer (Strassburg) i
333.
Oppenheimer (Wien) 466. i
Oppenheimer, M. 361.
Oppler (Breslau) 1582.
Orenstein, A. (Daressalaam) '
223.
Orglcr, A. (Berlin) 650. ,
Orkin, G. (Berlin) 690. 1
Orlowski (Berlin) 1747.
Oertel, Ch. (Wiirzburg) 755.
Oertcl, II. (London) 1224. ,
Orth, J. (Berlin) 226, 368, 1
417, 1694.
Orthmann (Berlin) 949. j
Orthner, F. (Ried) 28. '
Ortner, N. 797.
Ors'-s, F. (Budapest) 722. j
Oescr, R. 360.
Oser (Wien) 186, 1103, 1148, ,
1394. j
Oshima, T. 464.
Osler, Sir W. (Oxford) 649.
Ossig (Brelau) 139. 1
Ossipow, W. P. (Kasan) 1527.
Ossokin, N. 705. ;
Dstankoff, P. (Petersburg)
1083.
Ostertag 753.
v. Ostertag, R. 554.
Oestroich, R. 937.
Oestreich (Berlin) 572, 1231.
Ostrowsky, S. (Petersburg) i
559.
Oswald, A. (Zürich) 122,
1468. I
Otschlcen, A. (Moskau) 380. I
Otten, L. (Malang-.Iava) 713.
Otten (München) 1131. i
Oettinger 1491.
Oettinger (Paris) 1001.
Oettinger, A. (Berlin) 1749.
v. Otto, C. (Warschau) 1278.
Otto (Berlin) 808.
Otto (Spandau) 1089.
Otto, R. 1481, 1483.
Otto, R. (Berlin) 649, 1771.
Owen, E. (London) 1846.
v. Oy (Elberfeld) 22.
Paehner (Hellersen) 647.
Paderstein (Berlin) 176. 563.
1436, 1560.
Page, II. M. (London) 1581. 1
Pagenstecher, A. 366.
Pagenstecher, A. (Braun- (
schweig) 267, 1131.
Pagenstecher. E. (Wiesbaden)
1610.
Pagenstecher, II. E. 33, 368.
Pagenstecher, II. E. (Strass
bürg) 652.
Pagnicz (Paris) 1151, 1441.
Paillard 1490.
Päl (Wien) 578.
Pal, ,1. (Wien) 220, 378.
Pal, L. (Heidelberg) 79.
Paldrock, A. (Dorpat) 221.
Pallasse 461.
Palme, II. 1467.
Palmen (Ilelsingfurs) 937.
Paltauf, R. 613.
Pannett, C. A. (London) 992.
Panski (Lodz) 1688.
Pap, A. (Budapest) 1901.
Papendieck 1650.
Papendieek, R. M. (HallC)
959.
Pappenheim, A. (Berlin) 267.
Pappenheim, M. 1551.
Pappenheim, M. (Wien) 867.
Päonin, M. (Halle) 843.
Paraf (Paris) 1002.
Parap, J. 648.
Pariser (Homburg) 1755.
Parker, G. (Bristol) 986.
Parnel 1, G.C. (London) 1423.
Parry, J. 563.
Part sch (Breslau) 36, 37, 38.
104, 176.
Paschen, E, (Hamburg) 1047.
Pasini (Mailand) 1632.
Passini (Wien) 1874.
Pässler (Dresden) 1099.
Passow 230, 568, 905, 1533,
1534.
Pasteau (Paris) 845, 1201,
1248.
Pasteur Vallcury-Radnt
(Paris) 1491, 1604.
Patacki, M. (Wien) 893.
Pataki (Wien) 1151.
Patein (Paris) 142.
Patcrson, II. (London) 1228.
Paterson, P. (Glasgow) 222.
Paetsch (Stettin) 952.
Paul, E. (Innsbruck) 1472.
Paul, L. 1047.
Pauli (Jena) 1821.
Paulmann 899.
Paulsen (Kiel) 238.
Pauly (München) 478.
Pauron (Paris) 239.
Pautrier,
L. M.
(Paris) 561,
1429.
Paviot, J
. 895.
Pawinski
(Warscltau) 319,
1426.
Pawlow,
J. P.
(Petersburg)
511.
Pawlow, '
P.A. (Moskau) 1901.
Payr (Leipzig) £
»76,767,817.
1007,
1010,
1105, 1428,
1470,
1562,
1751, 1947,
1948.
Payser, A. (Berlin) 1246.
Pcaree, R. G. 166.
Pcarson, K. 1370, 1524.
Pechstein (Berlin) 424.
Pechstein, H. 360.
Peeker, S. 1708.
Pcdenko, A. (Petersburg)
1250.
Pehu (Lyon) 80.
Peiper, A. (Berlin) 1278,
1328, 1469.
Peiper, 0. (Daressalam) 1132.
Peiper, O. (Prcnzlau) 1088.
Peiser (Posen) 178, 181, 996,
1601, 1603.
Peiser, J. 1165, 1820.
Peiser, J. (Berlin) 709, 1228.
Pelbois, E. (Paris) 613.
Peiler, S. 801.
Pelnar, ,1. (Prag) 554.
Peltesohn, 8.(Berlin) 14, 813,
1162, 1195, 1240, 13S4.
Peltzer (Steglitz) 1770.
Pendl 1587.
Pendl (Breslau) 178, 180.
Penfold, W. J. 609.
Pentimalli (Freiburg) 1096,
1467.
Pcnzoldt (Erlangen) 1145. i
Peppmüller (Zittau) 90, 667,
1094.
Perelstein, M. (Bern) 893. j
Perez, F. 174.
Pcritz (Berlin) 1436. I
Perkel, J. (Odessa) 1249. |
Perl mann (Iserlohn) 273.
1750, 1922.
Perl mann, A. 1552. '
Perm her ton 942.
Permin, C. 166. I
Pernet (Paris) 188.
Perosz, M (Budapest) 1231.
Herrin (Paris) 1565. I
Perthes 1153.
Perthes, G. (Tübingen) 770,
1187, 1428. !
Pesker, D. (Petersburg 1 381. 1
Peter (Wien) 625. ;
Peter, K. (Greifswald) 709. j
Peterka, II. (Bad Hall; 118 4. .
Peters (Dresden) 477. I
Peters (Wien) 651. |
Peters. W. (Bonn) 1373. 1
Peterscn, O. II. (Kiel) 893.
Petit, L. (Paris) 1001.
Petrasehewskaja, G. (Peters¬
burg) 627, 898.
Petri, L. (Mailand) 319.
Petrusehki 1580. j
Petrv, II. (Güttingen) LMM).
Pettavel, C. A. 1043.
Petterson, A. (Stockholm)
412.
Petzetakis 1098.
Petzetakis (Paris) 1097. !
Petzold (Berlin) 232.
Peuekcrt; (Zwickau) 1376. |
v. Peyerer 1489.
Pevser (Berlin) 660, 1335, .
1534, 1614, 1615.
Pczzi (Paris) 1097.
Pfalz 83. |
Pfänner, W. (Innsbruck) 272, I
1556.
Pfannmüller (München) 122. j
Pfarrius, G. 23. I
Pfeffel (Paris) 1098. ,
Pfeifer, B. 1771. ,
Pfeiffer (Breslau) 474.
Pfeiffer, B. (Nietleben) 896. ;
Pfeiffer. E.(Wiesbaden) 1128.
Pfeiffer, H. (tiraz) 265, 1082, I
1280. I
Pfister (Kairo) 322.
Pflaumcr (Erlangen) 867.
Pfleger, E. 1220. j
Pflugradt,R. (Salzwcdel) 321. !
Pfürringer (Regensburg) 712. !
846.
Pförtner (Güttingen) 141. i
v ‘Pfungen 1946. j
Pfungst (Berlin) 1292. I
Phelip (Paris) 166. I
Philip, C. (Hamburg) 322,
1708. ,
Philip, M. (Colombo) 900. I
Philipowicz (Breslau) 665, 1
996, 1103, 1586, 1601,
1603. |
Philipowicz, H. (Wien) 366.
Philipowicz, J. (Wien) 77,
124.
Philipp 803.
Philippowisch (Breslau) 914.
Phillips, E. (London) 1045.
Phisalix, M. 1612.
Pie, A. (Lyon) 649.
Pick (Prag) 721.
Piek (Wien) 857. i
Pick, A. (Prag) 844, 1059, !
1083. j
Pick, E. (Wien) 941, 986. |
Piek, J. (Charlottenburg) |
1650.
Piek, L. (Berlin) 1292, 1436.
Pick, R. (Wien) 988.
Pickenback (Berlin) 1773.
Pic<|ue, L. (Paris) 1097.
Picd, 11. 409.
l’ielsticker (Essen) 574, 853.
Pietrulla, (i. 169.
Pietrulla, G. (Breslau) 1847.
Pietrzikowski (Prag) 1582.
Pignot, J. (Paris) 187.
Pikin, F. (Petersburg) 898.
l’ilez (Wien) 769.
Pi Hon (Lyon) 80.
Pinard (Paris) 1002.
Pineli, A. E. II. 1128.
Pineussohn (Berlin) 959,
1242. I
Pineussohn, L. (Berlin) 224, I
226, 557. |
Pineies. F. 1688. i
Pineies. F. (Wien) 1422. 1
Pinkus, S. (Berlin' 1 424. |
Pinkus, S. N. (Berlin) S77. j
Pinkuss. A. (Berlin) 85, 207. ,
Piorkowski (Berlin) 221,254, j
1630.
v. Pir-iuet (Wien) 265, 1555,
1925.
Pissemski, S. A. 892.
Pissin (Berlin) 370.
Pitzner 1876
Plaezek, S. (Berlin) 1020.
Plagmann (Stettin) 1138.
PlanchereLCh. (Basel) 1600.
Plasehkes 858.
Plate (Hamburg) 1045, 1949.
Plaut, F. (München) 318.
Plaut, II. C. (Hamburg) 221,
1047, 1949.
Plelm 1057.
Plehn, A. (Berlin) 905, 1133,
1427, 1476, 1558, 1862,
1892.
Plesch (Berlin) 1533.
Plüsch, J. (Berlin) 1573,1957.
Pleschncr (Wien) 674.
Plesmann (Salzufeln) 733.
Plctuew. D. (Moskau) 362,
1250, 1427.
Plew, H. (Strassburg) 170.
Plitek, V. 1651.
Plönies (Hannover) 1755.
Plothow, A. 990.
v. Podmaniezky, T. (Frei-
burg) 167.
Pohl 1428.
Pohl (Berlin) 1337.
Pohl (Breslau) 1616, 1651.
Pohl, II. (Hörgas) 608.
Pohl, J. 1905.
Pohl, T. (Warmbrunn) 464
Pohl, W. 1470.
Pohl, W. (Posen) 32.
Pöhlmann, A. (München'' 55s
1849. ' ’
Pohrt. (Hamburg) 1688.
Poirault 1490.
Pol (Heidelberg) 1341.
Polaeco (Wien) 1245.
Polak, 0. (Böhmisch-BroT
1898.
Polano, 0. (Würzburg) 847
1631.
Poleff, L. 1284.
l'oleff, L. (Kiew) 1042.
Polimanti, 0. 1371.
Poll (Berlin) 571, 664.
Pollack (Berlin) 176, 764.
Pollack, L. 1525.
Pollag, S. 168.
Pollak, L. (Wien) COS.
Holland, R. (Graz) S93,16CMJ.
Pollitzer (Wien) 186, 626,
860, 1147.
Pollitzer, II. (Wien) *24.
Püllot, W. 83.
Polya (Budapest) 612.
Polyak, L. (Budapest) 722.
Pommer 265.
Pomorski (Breslau) 99G.
Ponfick, E. 1897.
Pongs (Altona) 9507.
Ponndorf (Jena) 1340.
Ponndorf (Weimar) 843.
Ponomareff, S. (Petersburg)
899.
Ponomarow, A. (Tomsk) 1579.
Poensgen, F. 461.
Poppe 1481.
Püppclmann, W. (Coesfeld;
1876.
v. Poppen, A. 1331.
Popper (Wien) 478.
Popper, E. (Wien) 842.
Porak, R. 1375.
Porcclli-Titonc, F. (Xeaptv
226, 987.
Porcher, C. (Lyon) 126.
Porgcs 29.
Porges (Wien) 94,335, Ittü.
1246.
Port (Güttingen) 546, Sw*
998, 1184, 1425, 1563.
Port, K. (Nürnberg) 31,92»
v. d. Porten 1820.
Porter 608.
Porter, A. E. (Edinbur t r
C. (Berlin) 468.468,
1136.1247,1535.1928
, R. (Graz) 303.
3, F. J- (London-122*
tv (Breslau) 810.N-
Leipzig)
Wien) 93.
3. 0. Ofcien
. (Wien) 711.1 (-
[ (Prag) 610.1-
). 415.
. (Wich) 940.
m) 768.
651.
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Original frnm
UNIVERSUM OF IOWA
Prokopenko, A. 563.
Proskalier, A. (Berlin) 121,
172, 173, 255, 1241.
Proust (Paris) 1248.
Prowazek 992, 1919.
v. Prowazok, S. (Hamburg)
1472.
Pruen, F. T. (Cheltenharo)
610.
Pruvost (Paris) 1098.
Prym, P. (Bonn) 167, 460,
1128.
Prytek (Bern) 1748.
Przedpelska, H. 843.
Przygode, P. (Wien') 707.
Pulawski, A. (Warschau) 896
1042.
Pupovac, D. (Wien) 611.
Puppe (Königsberg) 1340.
1651. ~
Puppel, E. (Mainz) 1554.
Piirckhauer, R. (Dresden)465.
Purjcsz, B. (Kolozsvär) 269.
Pusch, A. (Breslau) 40.
Pussep 1083.
Pust (Stettin) 1138.
Putzig, H. 459.
_BERLINEli KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
55G,
1749.
Q.
Quadri, G. (Palermo) 459.
Quantz (Hamburg) 1132.
Qucckenstedt (Rostock) 320.
Quenscl (Leipzig) 1923.
Quenscl, F. 1848.
de Quervain 186, 216, 464,
796, 898, 1009, 1394.
Quesner (Hamburg) 953.
Quetsch, F. 0. 1422.
Queyrat (Paris) 1002, 1490.
Quincke, H. 1372.
Quinquand, A. 26.
Quirin, A. (Basel) 563.
R.
Raaflaub (Bern) 938.
Rab, H. (Wien) 171.
Rabinowitsch, Lydia (Berlin)
416, 757, 940, 1194, 1809.
Rabinowitsch, M. (Charkow)
300, 1456, 1458.
Rach, E. 1130.
Rach, E. (Wien) 709.
Rachmanow, A. N. (Moskau)
1047, 1331.
v. Rad 1488.
v. Rad (Nürnberg) 672.
Radcliff, F. (Oldham) 992.
Radike (Berlin) 1384.
Radi. E. (Prag) 645. I
Rados, A. 273. I
Rados, A. (Budapest) 71. I
Rados, A. (Strassburg) 268.
Radtke 1689. !
Radzwill, 0. 1049. j
Raeburn, J. A. (London) 797.
Raecke, J. 165. 1
Raff, K. (Stuttgart) 79. !
Raimist, J. M. 217. j
Ramond, F. (Paris) 861,1097,
1490. ’ |
Rank, 0. (Wien) 217. j
Ranzi 94, 175, 955, 1046, 1
1824. j
Rapp, L. (Heidelberg) 82, |
1081 .
Rasch, C. (Kopenhagen) 1749. i
Rasor, H. (Heidelberg) 167 1
R ■ F - (Beiden) |
1327. ;
Raubitschek, E. 849, 1048. '
R ^itschck, H. (Czerpowitz)
268.
Rauch 1377.
Rauch, R. (Graz) 46, 1912.
Raumbusch (Buenos-Aires)
83.
Rausch 1848.
Rautenberg, E. (Lichterfelde)
348, 610,863, 1135, 1231
| 1332, 1608.
| Rautmann (Freiburg) 1100
Ravaut (Paris) 429.
Raven 1771.
Ravina 1490.
Raw, N. (Liverpool) 221.
Itawling, L. B. (London) 610.
Raymond (Paris) 1151.
Raynaud, M. 319.
Raysky (Moskau) 758.
Razzaboni, G. 1044.
| Reach 1489.
Reach, F. (Wien) 379
1 1328.
Real 1426.
Recasens, S. (Madrid)
Reckzch, P. 75.
Redard 801.
Redlich (Wien) 379.
v. Redwitz, Frhr. E. (W iirz-
burg) 706, 711, 768, 1556.
Regaud, CI. 1468.
Regen, J. 75.
Regnier, G. 1612.
Reich, A. (Tübingen) 1186.
1376.
Reich, F. (Berlin) 658.
Reichardt, M. 1771.
Reiche (Hamburg) 953.
Reiche, F. 366.
Reichel, II. 1746.
Reichenow, E. (Kamerun)
1946.
Reicher (Aarau) 272.
Reicher, K. (Mergentheim)
1002, 1003, 1298, 1777.
Reichert (Berlin) 1709.
Reichmann (Jena) 1341.
Reich mann, F. 709.
Reichmann, F. (Königsberg)
320.
Reichmann, V. 1848.
Reifferscheid, K. (Bonn) 908,
1529.
Reilly (Paris) 429.
Rein, 0. (Landsberg) 362.
Reinach, 0. 611.
Reinbach, II. 1525.
Reiner (Berlin) 1195.
Reiner, II. (Berlin) 990.
Reines, S. 798.
Reinhardt (Dresden) 477,
478, 1310.
Reinhardt, K. (Dresden) 414.
Reinhard, F. (Düsseldorf) 560.
Reinicke, E. (Berlin) 1057,
1947.
Reinicke, II. (Marburg) 1847.
Reinike, E. (Berlin) 556, 940.
Reiss (Frankfurt) 1375.
Reiss, A. (Budapest) 123.
[ Reiter, II. (Berlin) 123.
Reiter, II. (Königsberg) 359.
Reitter (Wien) 625, i755.
Reitz, A. (Stuttgart) 1277.
Reizenstein, A. (Nürnberg)
759, 1186.
Reh fisch 319.
Reh fisch (Berlin) 1057.
Rehfuss 1375.
Rehn (Frankfurt) 1094,1102.
Rehn, E. (Jena) 222, 710,
1101.
Rcmcrtz,Ü. (Cöln) 801, 1082.
Rcmmets (Essen) 1140.
Renan (Paris) 239.
Renaud, M. 28.
Rcnisch 1747.
i Renner (Breslau) 180, 1585
I 1627.
Renner, 0. (Augsburg) 1045.
Renon, L. (Paris) 1097
| 1098.
Ren ton, J. C. (Glasgow) Sl.
Rentz (Breslau) 1652.
! Renz, II. (Berlin) 1838.
Reprew, A. 893.
Rethi, A. 1049.
Rethi, L. (Wien) 944.
Rettich (Göttingen) 999.
Rcttig, H. (Heidelberg) 1224.
j Retzlaff, K. (Berlin) 78.
Reuss (Wien) 43.
v. Reuss (Wien) 953, 1151.
v. Reuss, A. 993, 1183, 1329.
, Reuss, A. (Chemnitz) 1128.
I Reuss, E. (Berlin) 1023.
Revesz (Budapest) 712.
Revesz, G. 265.
Revillct (Cannes) 896.
Rcwald, B. 1649.
Reyc.E. (Hamburg) 170, 670
1373, 1390, 1391.
Reyher (Berlin) 276.
Rhein, M. (Strassburg) 1427.
Rheindorf, A. (Berlin) 168,
1211, 1271.
Rhcnon, L. (Paris) S61.
Rhese (Königsberg) 126.
Ribadeau-Dumas(Paris) 479.
Ribadeau-Dumas, M. 414.
Ribbert (Bonn) 1424.
Ribbcrt, II. 121, 1706.
Ribicrre (Paris) 187.
Riehe, J. A. (New York) 1373.
Richet, C. 484, 799, 1129.
Riebet, Ch. 461, 1554.
Richter 24, 1488.
Richter (Wien) 272.
Richter (Dresden) 477, 998.
Richter (München) 1376.
Richter, R. (Plauen) 27, 842.
Richter, II. 1526.
Richter, M. (München) 1582.
Richter, P. 1884.
Richter, P. F. (Berlin) 1202.
Kicker, G. 891.
Iticker, G. (Magdeburg) 81.
Riebe (Stettin) 1473.
Riehes, E. (Königsberg) 607.
Rieb ul d (Dresden) 944, 951.
Ricek (Altona) 1530, 1921.
Riedel 914.
Riedel (Jena) 818, 896, 1104
1600, 1612, 1949.
Riedel, IL 464.
Rieder 1004, 1820.
Rieder (München) 720.
Rieder, II. (München) 1429.
Riedinger (Würzburg) 815.
Riegncr (Breslau) 176.
Riehl (Wien) 625, 846, 860,
1903.
Riese 34, 1483.
Ricss, L. (Berlin) 1913.
Ricsser, 0. 939.
Rietsehel (Dresden)710, 856.
Rieux (Paris) 239.
Rigaud, P. (Toulouse) 1047.
Rigler (Darmstadt) 1633.
Riglcr, 0. 23.
Kihl, J. (Prag) 76, 79.
Rille (Leipzig) 1561, 1562.
Kimann, II. 1429.
Rimpau (München) 415.
Rindfleisch (Dortmund) 864.
Rinderspacher (Dortmund)
1579, 1901.
Ringel (Hamburg) 1529,1850.
Ringer, A. J. (Philadelphia)
900
Ringleb (Berlin) 914
Ris 1081.
Rische (Leipzig) 1561
Hisel (Halle a. S.)
708.
I Rist (Paris) 429, 1002, 1152
i 1567.
1 Ritschcl, W. 841
! Ritter 181.
Ritter (Berlin) 622.
Ritter (Hamburg) 712, 952.
Ritter (Posen) 464, 612, 955,
995, 996.
Ritter, J. (Berlin) 366.
Ritter, J. (Geesthacht) 1611.
Ritterhaus 1086.
Ritterhaus, E. 217.
Ritz, H. (Frankfurt) 921.
Robarts, H. II. (Edinburg)
1281.
Robin, A. (Paris) 1152.
Robinsohn (Wien) 845, 1471
1825.
R—a, J. P. (Barcelona)
, Rocha - Liman (Hamburg)
j 1045. b
! Rochaix, A. (Lyon) 1187.
Roche (Marseille) 1046.
| Roclofs 1378.
Roedelius, E. 559, 1528
Rode 11a, A. 1899.
j Röder 170.
I Röder, II. 1464.
I Roeder, II. (Berlin) 1643. ,
Röder, M. (Elberfeld) 1100. 1
! Röderer 1046. j
| Roederer (Strassburg) 1392. 1
Rodet, A. 797.
I Rodenwaldt 1472.
I Rodenwaldt(Atakpame) 1088 .
I Rodenwald (Berlin) 1558
i 1559.
Rodenwaldt, E. (Togo) 564.
RodmaDn,W.L.(Philadelphia)
1100.
Rocdner, J. (Strassburg i. E )
| 1709.
j Rogers, L. 415, 1284.
Rohde, M. (Jena) 365, 844,
I 1633.
j Roher (Grabowsee) 1372.
■ Röhmann (Breslau) 474,1616.
Rohmer (Marburg) 1875.
j Rohmer, G. (Marburg) 1799.
! Rohmer, P. (Marburg) 1278,
1349.
Rohr (Kiel) 1708.
Röhr (Berlin) 904.
! Röhr, H. 1194.
Roic, W. (Wien) 761.
I Rolleston, H. D. (London)
320, 413.
Rollet 1377.
j Rollett, H. (Salzburg) 1688.
; Rollicr, A. (Leysin) 754.
Roll mann 898.
Rollmann (Essen) 574.
I Rol ly, F. 269, 1044, 1467.
Romani, D. 1466.
i Romberg,E. (München) 1633.
Romeis, B. (München) 1044.
I Römer 371, 562, 993, 1581,
I 1799, 1921.
Römer (Berlin) 807.
Römer (Greifswald) 503, 609,
1197.
Römer (Hamburg) 221, 669,
1093.
Römer, H. 758.
Roemheld, L. 79, 610, 863.
Rominger (Freiburg) 940,
1095, 1128.
Romme 1490.
Roiia, P. (Berlin) 164, 360,
424, 569, 1559, 1649.
Roncali, D. D. (Padua) 1279.
Rondowska, L. 460.
Rönne, II. 848.
Roos (Berlin) 1432.
Roosen, R. (Heidelberg) 609,
648.
1983
Röpke (Barmen) 866, 960,
1008.
Roepke (Melsungen) 1132
Röpke, 0. 1223.
Roerdansz, W. (Charlotten -
bürg) 1876.
Rosanoff 1046.
Rosanoff (Moskau) 1900.
Rosanow, S. (Moskau) 380.
Rosanow, W. (Moskau) 123.
C. W. (Strassburg)
Rose 1771.
Rosebrugh, A. M. (Toronto)
797.
Rosenberg, F. f (Heidelberg)
Rosenberg, M. (Charlotten¬
burg) 1227.
Rosenberg, S. (Berlin) 1559.
Rosenblatt (Cassel) 1329.
Rosenblatt (Odessa) 912.
Rosenbusch, H. (Wiesbaden)
167.
Rosenfeld 1276.
Rosenfeld (Breslau) 283,473,
474,1002,1389,1437,1616,
1652, 1776, 1778, 1804.
Rosenfeld (Strassburg) 800,
1563.
Rosenfeld, F.(Stuttgart) 1082,
1100, 1327.
Rosenfeld, R. (Berlin) 940.
Rosenheim (Berlin) 1754.
Rosenow, E. C. (Bristol) 78.
Rosenstein (Berlin) 612.
Rosenstein (Breslau) 761,
1232.
Rosenstein, P. (Berlin) 172,
327, 368, 893, 1294.
Rosental (Heidelberg) 1145.
Rosental, S. 1329, 1526.
Rosenthal (München) 910.
Rosenthal, C. 1083.
Rosenthal, F. (Berlin) 275.
Rosenthal, F. (Breslau) 413,
573, 714, 715, 895, 1099.
Rosenthal, E. (W r ien) 342.
Rosenthal,J. (München) 1042.
Roscnthal, 0. (Berlin) 615.
Rosenthal, St. 1526.
Roscnthal, W. (Göttingen)
1277.
Rosinski 575.
Roeslc (Berlin) 1560.
Rösler, A. 409.
Rosmanit, J. 1670.
Rosner, J. 1800.
Rosomoff 555.
Ross, E. (Ilalford) 798.
Rossi 1848.
Rossiwall (Wien) 379.
Rössle, R. (Jena) 797, 1279.
ltössler, E. (Wien) 78.
Rost 366, 760, 1556.
Rost (Heidelberg) 1695.
Rost (Kiel) 623.
Rost, E. 1467.
Rost, G. A. (Kiel) 761.
Rostoski (Dresden) 1004.
Roth 1552, 1848.
Roth(Berlin)570,1053,1535,
1901.
Roth (Zürich) 558, 799, 941,
1328, 1426.
Roth, F. 1129.
Roth, N. (Budapest) 609,
722, 928.
Roth, W. 317, 1043.
Rothberger, C. J. 219, 1082.
Rothe, L. (Berlin) 519.
Rothfeld 1527.
Rothfeld, J. 1945.
Rothfeld, J. (Lemberg) 256.
Rothfuchs (Hamburg) 1901.
Röthig 463.
Roth mann 1479, 1481.
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Original frn-m
UNIVERSUM OF IOWA
1084
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Rothmann, AI. (Berlin) 219.
222, 227, 228, 365, 471, |
657, 1135, 1285, 1287,
1469, 1671, 1672, 1691,
1771, 1878, 1923, 1949, |
1963, 1964. I
Rott, F. (Berlin) 123.
Rotter 1484. j
Rotter, II. (Budapest) 32. ,
Roubitschek, R. 25.
Rouillard (Paris) 1567. ■
Rouillard, J. 1375. |
Rous, P. (New York) 1265.
Rousseau (Paris) 479.
Routier (Paris) 770. ;
Rouvier, J. (Algier) 1920. j
Roux (Paris) 529. !
Rovighi, A. (Bologna) 1577. !
Rovsing, Th. (Kopenhagen'
1202, 1247, 1598. j
Rowntree 942.
Rowntrce, L. G. 81, 168. j
Rubaschow (Berlin-Moskau) i
712. i
Rubel, E. 83.
Rüben, L. 273.
Rubin (Essen) 574,853,1752, j
1753.
Rubinstein (Paris) 1567. !
Rubner, AI. (P,erlin) 606, !
1324, 1750, 1825, 1876. I
Riihsamen, W. (Dresden) 32. I
Rübsamen, W. (Posen) 995. 1
v. Ruck, K. 365. I
Rueder (Hamburg) 1201. i
v. Rucdiger, L. Ry<lvgierl551. 1
Riidieer, K. {Konstanz) 1798. I
Rudnik, A. (Moskau) 627.
Rudolph (Zittau) 667.
Rudolph, 0. (Leipzig) 756.
Rüge 126. I
Rüge (Berlin) 1921, 1925. '
Rüge (Frankfurt a.O.) 1057. '
Rüge II. (Berlin) 847. 1
Rüge, C. (Berlin) 233. J
Rüge, E. (Frankfurta.O.)223, !
1282. 1
Ruli'unann, J. (Berlin) 1874. |
Ruhemann, K. (Berlin) 1773.
Rtihl, K. (Turin) 1042, 1 187, 1
1429. |
Riihlmann (Strassburg) 669.
Rullman,\V.(München) 1688. !
Rdtupel(Hamburu)855,1902. ,
Rumpel, 0. (Berlin) 1136.
Rumpf (Hamburg) 768, 952.
Rumpf, Th. (Bonn) 1088.
Runge (Berlin) 1136.
Runge (Kiel) 1045.
Ruppe!, G. 941.
Kuppert (Wien) 271, 379,
713, 1130.
Rupprecht (Hamburi:) 321.
Ruppreelit, K. (München) 760.
Ruprecht (Bremeni 408.
Russ, Ch. (London) 558.
Rüssel, F. (Bristol) 986.
Russell, B. R. (i. (London)
725, 1424.
Russksch, W. X. (Moskau)
Rutliy, I).0. (Budapest) 168.
Rutkewitsch (Kiew) 557.
Ruitin (Wien) 141, 1247.
Kybiner, P. (Koniesl'crej
1185.
Rywosch. O. 1127.
Regier. St. (Warschau) 1529.
Rzasnicki (Warschau) 1427.
S.
Saallel.l, K. Oieiiin 130
U2‘<, 1231.
Saalmann (llrcslau) 1130.
Saar 898.
v. Saar, Frh. G. (Innsbruck)
865, 1154, 1229, 1918,
1948. 1
Saathoff (Oberstdorf) 1099,
1599.
Sabat (Lemberg) 912.
SacharofF, G. P. (Warschau)
1082.
Sachs (Königsberg) 900,1377,
1920.
Sachs, II. (Frankfurt) 412, |
648, 1169.
Sachs, H. (Wien) 217.
Sachs, 0. (Wien) 27, 1080. I
Sack, P. (Berlin) 76.
Sadekoff, .!. (Talscn) 561.
Saengcr (Hamburg) 42, 576, !
854.
Saengcr, A. 1772, 1848.
Saeves, I. ((.'Kristiania) 1748. [
Sage], W. (Arnsdorf) 1280. 1
Sage!, W. (Dresden) 1688. ,
Sagredo, N. 1046.
Sahli 1185.
Saint-Girons, F. 461.
Saito 366.
Saito, H. 321.
Sakaguchi,Y. (Braunschweig) ,
895.
Sakai, S. 1649.
Sakai, T. 1041.
Sakaki, C. (Kiusehiu) 269. I
Sa lecker 1005. ;
Salge, B. 410, 1130. 1
Salin (Paris) 1097.
Salin, H. 411. i
v. Salis, H. 412. I
Salkowski, E. (Berlin) 939,
1714.
Salomon (Berlin) 935, 1182. |
Salomon (Wien) 94. 335.
626, 720, 859, 1096.
Salomon, A. 170. I
Sahunon, E. (Berlin) 658,
844.
Salomon, H. (Wien) 320. '
Salomonsen, (’. .1. 485.
Salomonsen, K. 1048.
Salomonson, W. 1848.
Saltvkow, S. (St. Gallen) 410, 1
1331.
Saltzmann, F 1 . 118.
Saltzmann, F. (Helsingfurs) 1
894.
Salus. R. 1799.
Sähet t i 898. !
Salzer (München) 1146,1430.
Salzer (Wien) 857.
Salzmann (Graz) 272.
Salzmann (Kissingen) 77.
Salzmann, M. 1919.
Salzmann, AI (Breslau) 1231.
1232.
Samberiior, Fr. (Prag) 1599.
Samlion (Paris) 1566.
Samuels (Prag) 1087.
Samelson, S. 321.
Siimiseh 1670.
Samöjloff. A. 459.
Samson (Berlin) 944.
Samson, ,). W. 1475.
Samter (Königsberg; 1143.
Sandberg 1425.
Sanders 800.
Sandford 122. j
Sandisan. A. 'Croydon) 1373. 1
Säuger, AI. (Magdeburg) 986. !
Sa ml rock, W. 1428.
Santi (Arosz.o) 1749. I
Saphier, J. (Wien) 1042, i
1529.
Saphra, .1. (Berlin) 558. 1
v. Sarbi'i TOS.
Sarb.^ (Budapest) 722.
Sargnon 900.
Sarnizyn, P. (Kasan) 1106.
Sass, M. (Berlin) 705. |
Sasse, A. (Cottbus) 711. j
Sasse, F. (Frankfurt) 561. i
Saski (Warschau) 1375.
Sato 31. 1
Sattler, C. II. 1922.
Sattler, C. II. (Giessen) 1530.
Saudek, J. (Brünn) 77. 1
Sauer (Hamburg) 559, 1390.
Sauerbruch, F. (Zürich) 77, t
960, 1086. !
Sauerl (Freiburg) 756.
Saul (Berlin) 1291.
Sau vage (Paris) 82, 367,
1283. l
Savariand 1046. I
Sawagc, C. (Paris) 893. j
Sawidowitsch (Berlin) 1874.
Saxl. P. (Wien) 673, 824, '
1245. I
Scafidi, V. (Frankfurt) 758. |
Seagliosi, G. (Turin) 363. i
Schaack, W. (Petersburg)
943. I
Seitab ad, .T. A. 169, 1330. '
Schaechte (Berlin) 1423. !
Schack (Petersburg) 817. I
Schackwitz, A. (Kiel) 1227. !
Schade (Kiel) 1005.
Schacfer (Berlin) 423. |
Schäfer (Berlin) 663 i
Schaefer, F. 554. i
Schaeffer, E. (Berlin) 1215.
Schiitl’er (Berlin) 1925.
Sehäflcr, A. 1284.
Sehallehn (Stettin) 140.
Schamberg, .1. F. (Phila¬
del phia) 222.
Schanz 1799.
Schanz (Dresden) 611, 771,
812.
Schanz, A. 991, 1284.
Schanz, A. (Dresden) 1084.
Schanz, F. 367.
Schanz, F. (Dresden) 1G33.
Scharezky (Charkow) 32.
Seharff, P. (Stettin) 1423,
1816.
Seharnke 321.
Seharnke (Strassburg) 755.
Schauta (Wien) 220.
Schauta, F. 414, 1377, 1709.
Schatzmann 1426.
Schatzmann, AI. (Bern) 122.
Sehawlnw, A. (Riga) 1328.
Schede (München) 124, 814.
Scheele 564.
SehHier, W. (Berlin) 1357.
Scheibe (Berlin) 1533. |
Sehoible, 11. (Bremen) 1130.
Seheibner (Hohenschön¬
hausen) 553. I
Scheide, J. (Breslau) 461. I
Schcidemandel 1488.
Scheidemandcl, E. (Niirn- 1
borg) 1049. '
Sebeidenbcrger (Düsseldorf)
460. 1
Schoier (Berlin) 330, 912.
Solid Gert, W. (Zürich) 1085.
Sehelble, H. (Bremen) 1084.
Schollung 1375. 1
Scheiter (Nürnberg) 478.
Schenk (Frankfurt) 1130.
Schenk, F. (Frag) 319, 1327.
Schenk. V. 1326.
Schemenski Frankfurt) 1144,
1747.
Sch epel manu, E. (Halle)
362.
Scherber, G. (Wien) 77.
Scherer (Tsumeb) 1088.
Scherer, E. (Thumele) 1227.
Scherers 1429.
S c h c r e s c h c w s k v, ,1. (M a r b u r g)
1770.
Schcrliess (Lyck) 849.
Scherwinzky §63.
Scheuermann, H. (Kopen¬
hagen) 711.
Sebcuncrt (Dresden) 856.
Schick, B. 1847.
Schickele 761.
Schickele (Strassburg) 1563.
Schide (Naumburg) 1947.
Schieck (Halle a. S.) 1946.
Schieck(Königsberg) 33,1749.
Schicck (Wien) 1925.
Schieck, F. (Königsberg) 318,
944.
Schiemenz, P. (Berlin) 1290.
Schiff (Berlin) 1432, 1433.
Schiff (Prag) 1000.
Schiff, A. (Wien) 1185.
Schiff, E. (Pest) 798.
Schiff, F. (Berlin) 1405.
Schiffmann, J. (Wien) 1232.
Schild, K. (Göttingen) 1228.
Schilder 1848.
Schiller (Königsberg) 755.
Schiller (Wien) 721.
Schiller, M. (Berlin) 1226.
Schiller, W. 1329.
Schilling (Hamburg) 1201.
Schilling (Schöneberg) 158*2.
Schilling, F. 758.
Schilling, J. (Berlin) 1374.
Schillings (Berlin) 1292.
v. Schilling-Siengalewicz
1527.
Schindler (Berlin) 902.
Schindler (Wien) 859.
Schindler, 0. (Wien) 893.
Schippers 801.
Schippers, J. C. 611.
Schirmacher, M. 321.
Schirokauer (Berlin) 29, 663,
936, 1084, 1469, 1600.
Schischko, L. (Petersburg)
626.
Schittenhelm, A. (Königs¬
berg) 409, 1128, 1 184.
Schlaefkc, W. jr. 33.
Schlaeger-Seelmann 359.
Sehlagintweit, E. 27, 1525.
Schlagintweit, E. (Heidelberg)
1223.
Schlagintweit, F. (München)
334.
Sehlaepfer (Basel) 938.
Schl alter, C. (Zürich) 894.
Schlaycr 799.
Schl ay er (München) 1099,
1555.
Schleicher, M. (Wien) 1047.
Sehlenk (Dresden) 1821.
Schlesinger 222.
Schlesinger (Berlin) 1286.
Schlesinger (Strassburg) 80.
Schlesinger (Wien) 335, 578,
626, 673, 1848.
Schlesinger, A. (Berlin) 333,
844. 899.
Schlesinger, E. 1049, 1480.
Schlesinger, E. (Berlin) 568,
1187.
Schlesinger, II. (Wien) 708,
992.
Schlesinger, .1. (Berlin) 230.
Schlichting (Cassel) 849.
Sehliep (Berlin) 472, 1058,
1436, 1633.
Sehlimpcrt (Freiburg) 761,
848.
Schloffer (Prag) 721, 1006,
1 653.
Schloss (Rummelsburg) 1874.
Schloss, E. (Berlin) 463. 650,
1084.
Schloss, E. (Rummelsburg)
123.
Schlossmann (Düsseldorf)
623, 762.
Schlofcssmann (Tübingen
1186,1376.
Schlottmann, R. 1611.
Schmauch (Chicago) 2?'
1749.
Schmeidlcr (Breslau) 138'.
Schmelz (Wien) 186.
Schmey (Berlin) 1291.
Schmey, M. (Berlin) 1435.
Schmid, A. 77, 169.
Schmid, M. (Potsdam) 1467.
Schmidgall, G. 614.
Schmidseder 1556.
Schmidt (Berlin) 1325,1820
Schmidt (Hamburg) 1098.
Schmidt (Heidelberg) 1694.
1776.
Schmidt (Moskau) 1376.
Schmidt (Prag) 956, 1653.
Schmidt (Strassburg) 1095.
Schmidt, A. 407.
Schmidt, A. (Halle) 1226.
1227, 1753, 1756, 1803,
1822.
Schmidt, E. (Tübingen) 561.
Schmidt, E. G. (Heidelberg
1965.
Schmidt, F. A. (Bonn) 1465.
Schmidt, G. (Berlin) 1460.
Schmidt, H. (Strassburg'
556.
Schmidt, H. B. (Ann Arbor
610.
Schmidt, H. E. (Berlin) 909.
Schmidt, H. R. (Bonn) 167.
Schmidt, .J. (Heidelberg)561.
Schmidt, J. E. (Würzburg
464.
Schmidt, M. 366.
Schmidt, R. (Bonn) 460.
Schmidt, R. (Prag) 721.
Schmidt, W. (Freiburg) 4I|
Schmidt-Haekenberg 1336.
Schmidt-Hackenberg (Berlin
1239, 1534.
Schmieden 462.
Schmieden, V. (Halle) 1464.
Schmiedl, H. (Brünn) 1043.
Schmiedt (Leipzig) 1429 _
Schmilinsky (Hamburg) oa
854.
Schminckc (München) 4h'.
1599, 1619.
Schmitt 1126, 1556. _
Schmitt, A. (München) HI
1800.
Schmitt, A. (Mürzbur:
1331.
Schmitt, W. (Stuttgart; l-' 1
Schmitz, E. 25.
Schmitz, K. K. F. (Berlin 1
Schmiz, E. (Brackei) K s
Schmorl (Dresden) 1«.
Schmörl, G. 1523. _
Sch muck ler, W. (Mien Y
Schnabel, K. (Bannen»
Schnaudigel, 0. (Iraner
33.
Sehnde, A. (EranJHurt)
718, 1650, 18.4, 1901.
Schneider (Heidelberg.' - 1
1776. , ü,
Schneider (Tübingen. >■
1044. n ' U-
Schneider, A. ( Bonn
1612. n .. $
Schneider, W. (BerIm, -
Schneider, \V. (Coln
Schnitzer (Stettin)
Schnitzler (Wien) 41.
Sclmitzler, W.
1183. -
Schnyder, K. ,
Schober (Breslau; 14- •
Schoemaker 18 <a
Schofman, G.
Scholder 801.
Digitized by C^ouoie
Original frarn
UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1085
Scholomowitsch, A. S. (Kasan)
1798.
Scholtz,W. (Königsberg) 575,
891, 893, 1541.
Scholz (Frankfurt) 1144.
Scholz (Hamburg) 1527.
Scholz, B. (Frankfurt) 79.
Scholz, F. 1611.
Scholz, L. 753.
Schömann (Neustettin) 1229.
Schönberg (Basel) 30, 1394.
Schönberg, S. (Basel) 167,
1632.
Schöndorff, B. 986.
Schönfeld (Berlin) 807.
Schönfeld (Wien) 1282,
1820.
Schönfeld, A. (Berlin) 848.
Schönfeld, W. (Würzburg)
1331.
Schönhof, S. (Brünn) 756.
Schoenlank, A. (Zürich) 1129.
Schönlank, W. (Arosa) 272.
Schönwerth, A. 1577.
Schoo, H. J. (Amsterdam)
613.
Schopper (Wien) 78, 335,
756, 1425.
Schöppler (München) 672.
1043, 1747.
Schorleramer (Godesberg)
1755.
Schorsch (Berlin) 1288,1290.
Schott, E. (Cöln) 76.
Schottelius, M. 221.
Schotten, F. (Mainz) 1820.
Schottmüller, H. (Hamburg)
320, 1047, 1099, 1142,
1391, 1527, 1850.
Schoetz, P. (Berlin) 1334.
Schoetz, W. (Berlin) 1430.
Schramek (Wien) 1283.
Schramek, M. (Wien) 556.
Schrauth, W. 1325.
Schreber, K. 1707.
Schreiber, 562, 1046.
Schreiber (Heidelberg) 1564.
Schreiber, E. (Magdeburg)
561.
Schreiter, B. 892.
v. Schrenck-Notzing 1819.
Schridde, H. (Dortmund)
1820, 1876.
Schrijver, J. 1648.
Schröder (Kortau) 1319.
Schröder (Rostock) 415, 761,
1799.
Schröder (Schöneberg) 647,
1597.
Schröder, G. 365.
Schröder, H. (Düsseldorf)
409.
Schröder, P. (Greifswald)
365, 1527.
Sebroers, H. (Lüttich) 1085.
v. Schrötter, II. 118, 1081.
Schrumpf, P. (St. Moritz) 758,
863.
Schubart (Dresden) 849.
Schübel, K. (Würzberg) 556.
Schubert (Dresden) 951.
Schubert, G. (Beuthen) 1876.
Schubert, M. E. (Heidelberg)
797.
v. Schubert, E. (Altona) 77,
842.
Schulhof, F. (Wien) 1128.
Schüle (Freiburg) 120, 1946.
Schüler, W, (Halle a. S.)
1948.
Schüller 222.
Schüller (Wien) 577.
Schüller, H. 293.
Schüller, P. (Wien) 706.
Schulmann 1491.
Schultes (Grabowsee) 652,
1872.
Schultheiss (Wildungen) 914.
Schulthess (Zürich) 814.
Schultz (Jena) 1535.
Schultz (Prag) 1000.
Schultz, J. H. (Chemnitz)
559
Schultz, J. II. (Jena) 1798.
Schultz, Th. (Ringe) 272.
Schultz, W. (Berlin) 807.
Schultz, W. (Charlottenburg)
1427.
Schultze (Duisburg) 771,813,
815.
Schultze (Göttingen) 1562.
Schultze (Posen) 1586.
Schultze, E. 0. P. (Berlin)
710.
Schultze, W. H. (Braun¬
schweig) 1373.
Schulz, E. (Duisburg) 649.
Schulz, H. 892, 1325.
Schulz, H. (Greifswald) 1042.
Schulz, F. C. R. (Gumbinnen)
349, 401.
Schulz, J. (Barmen) 1528.
Schulz, W. 1226.
Schumacher (M.-Gladbach)
412.
Schumacher (Zürich) 1086.
Schumacher, J. (Berlin) 1581.
Schümann (Dresden) 950.
Schümm (Hamburg) 768,
997.
Schuppius (Breslau) 476.
Schur, M. (Tübingen) 1612.
Schürer, J. 321.
Schürmann, W. (Bern) 319,
408, 557, 1082, 1946.
Schüssler (Zwickau) 893.
Schuster 1479, 1480.
Schuster (Berlin) 227, 657,
659, 949, 1691, 1822,
1964.
Schuster, II. (Lemberg) 756.
Schuster, P. 1527.
Schütz (Wiesbaden) 1755,
1803.
Schütz, E. 1600.
Schütz, E. (Wien) 269,
1131.
Schütz, G. 647.
Schütz, H. (Budapest) 758,
987.
Schütz, R. (Wiesbaden) 1555.
Schütze (Berlin) 912, 1059.
Schwab, M. (Wilmersdorf)
710.
Schwalb, J. 891.
Schwalbach (Berlin) 612.
Schwalbe, E. (Rostock) 73.
Schwalbe, J. 623.
Schwalbe, J. (Berlin) 842,
1649.
Schwalm (Berlin) 230, 839.
Schwaer, G. (Lüdenscheid)
989.
Schwartzkopff (Berlin) 372,
1560.
Schwarz (Breslau) 318.
Schwarz (Wien) 721, 910,
911, 1245.
Schwarz, A. (Dresden) 1582.
Schwarz, A. (Gravosa) 459.
Schwarz, E. 1900.
Schwarz, E. (Berlin) 1287,
1554.
Schwarz, E. (Tübingen) 81,
270.
Schwarz, G. 1577.
Schwarz, G. (Wien) 122,
1578.
Schwarz, K. (Agram) 1282.
Schwarz, 0. 942, 1086,
1087.
Schwarz, 0. (Wien) 1328.
Schwarzenbach, E. (Zürich)
1377.
Schwarzmann, E. 1556.
Schwarzwald (Wien) 465,
1148, 1774.
Schwarzwäller (Stettin) 951.
Schwefel, A. (Czernowitz)
460.
Schweisheimer, W. (Königs¬
berg) 1185.
Sitsen 363.
Sittig, 0. (Prag) 1688.
Schweitzer (Leipzig) 1562,
1751.
Schweitzer, B. (Leipzig) 1599.
Schweitzer, E. 272.
Schweizer, R. (Moskau) 1106.
Schwenk, E. 1277.
Schwenke, J. (Breslau) 282,
650.
Schwenkenbecher, A. (Frank¬
furt) 415.
Schwenker, G. 1080.
Schwerin (Berlin) 1534.
Schweriner, F. (Charlotten¬
burg) 29.
Schwermann 941.
Scipiaves, E. 74.
Secchi, R. (Bologna) 1577.
Seccrov, S. 1553.
Secher, K. (Kopenhagen)
1423.
Sedgwick, W. 985.
Seefisch (Berlin) 1104.
Seelert (Berlin) 948, 1527,
1689, 1798.
Sceliger (München) 994.
Sceligniann (Hamburg) 284.
Seemann, 0. (Bonn) 1424.
Segawa, M. (Tokio) 756.
Seger, Ernst 1947.
Sehrt, E. (Freiburg) 362,
364, 459.
Seidel 562, 1377.
Seidel (Dresden) 950.
Seidenberger (Leipzig) 1561.
Seifert, E. (Würzburg) 1441.
Seiffert, A. (Breslau) 1586.
Seiffcrt, J. G. (München) 1279.
Seitz (Düsseldorf) 460.
Seitz (Erlangen) 1440, 1564.
Seitz, A. (Cöln) 168.
Seitz, L. (Erlangen) 1582.
Selig, R. (Heidelberg) 710.
Seligmann 1332.
Seligmann (Berlin) 329.
Seligmann (Hamburg) 377.
1087.
Selitzky, S. (Petersburg)
1249.
Selkirk, W. J. B. (Dunbar)
986.
Seil, G. (München) 895.
Seilheim, H. (Tübingen) 645.
Selter, H. (Bonn) 1465.
Selter, P. 1464.
Sembdner, F. 26.
Semon (Königsberg) 574.
Semrau, M. (Strassburg) 1426.
Senator, M. (Berlin) 232,
1288, 1534.
Seng, H. (Heidelberg) 412.
Sepp 1848.
de Serbonnes (Paris) 1395.
Sereboullet (Paris) 1097.
Sergent 1472.
Sergent (Paris) 1001, 1002.
Sergent, E. 895, 1554.
Sergeois (Berlin) 1089.
Serger, H. 359.
Serko (Wien) 578.
Serkowski, S. 25.
Serog (Breslau) 1296.
Serra 7 60.
Serve (Wiesbaden) 273.
v. Seuffert, E. (München)
361.
Severin (Breslau) 558.
Seydel (Berlin) 1290.
Seydel (Breslau) 715.
Seyderhelm, K. R. (Strass¬
burg) 1184.
Seyderhelm, R. 362, 1184.
Seyderhelm, R. (Strassburg)
98S.
Seyer, E. 989.
Seyffarth (Hannover) 1378.
Seyffarth, R. (Hamburg) 561.
Seyffert(Aruscha) 1088,1472.
Sgalitzer (Wien) 319, 577.
Shaw, B. H. (Stafford) 1131.
Shaw, H. B. (London) 80.
Shaw, T. B. 361.
Shimazono, J. (Frankfurt)
800.
Shioji (Berlin) 806.
Shioji, E. (Tokio) 649.
Shipway, F. E. (London) 123.
Shiuya, S. (München) 1468.
Short, A. R. (Bristol) 651.
Shufflebotham, F. 804.
Siber, S. (Wiirzburg) 18.
Sicard (Paris) 429.
Sick 1084.
Sick (Leipzig) 767, 845.
Siebeck 1899.
Siebeck (Heidelberg) 856,
1045, 1100, 1555, 1563.
Sieben, W. (Strassburg) 614.
Sichert, C. (Marburg) 609.
Sichert, II. (Libau) 844.
Sieburg, E. (Rostock) 1946.
Siedamgrotzky (Berlin) 710.
Siegel (Freiburg) 1081, 1095,
1427.
Siegel, E (Berlin) 80.
Siegfried, K. (Berlin) 250.
Siegrist, R. (Cöln) 31.
Siegwart (Berlin) 1385.
Sielmann (München) 1468 v
1714.
Sielraann,R. (München) 1798.
Siemerling (Kiel) 761.
Sievers (Leipzig) 1102.
Sievers, R. 1428.
Sigrist, A. 83.
Sikemeyer, E. (Basel) 167.
Silberberg (Berlin) 170,910.
Silberberg (Breslau) 716.
Silbermann, A. (Bern) 1377.
Silberschmidt, W. (Zürich)
895
Silfvast (Helsingfors) 937.
Simin, A. (Tomsk) 845.
Simon 895, 941, 1601, 1602,
1603.
Simon (Breslau) 140, 235,
1388.
Simon (Münster) 122.
Simon (Plauen) 400.
Simon, F. 266.
Simon, H. (Breslau) 56, 108,
994, 1199, 1200, 1296,
1567.
Simon, L. (Mannheim) 992,
1876.
Simon, W. V. 666, 878,1583,
1585.
Simmonds (Hamburg) 42,269,
284, 411, 576, 670, 845,
908, 988,1043,1141,1338,
1391, 1850.
Simonin (Paris) 1151, 1565,
1566, 1567.
Simons (Berlin) 1672.
Simson, H. J. F. (London)
899.
Singer (Wien) 1151, 1755,
1803.
Singer, G. (Wien) 318, 844,
864, 1081, 1555.
Singer, H. (Pest) 411.
Singer, K. (Berlin) 1733.
Sippel, E. (Berlin) 1292.
Siredev (Paris) 1246.
Siven, V. 0. 1127.
Skaüanakis (Berlin) 465.
Skalier, M. (Berlin) 120,1823,
1824.
Skevington, J. 0. (Windsor)
271.
Skramlik 91.
v. Skramlik, E. (Freiburg)
1087.
Sluka, E. (Wien) 650, 1281.
Slye, M. (Chicago) 167.
van Slyke, D. (New York)
1227.
Smith, W. G. 986.
Smolensky,W. (Odessa) 1106.
Smoler, F. (Olmütz) 32.
Snapper 1180.
Snapper, J. (Groningen) 1109.
Sobotta, J. 1183, 1769.
Sobernhcim(Berlin)370,1193.
Sobernheim, W. 1327.
Sochanski, St. 1600.
Socin, Ch. 1707.
Söderbergh 221.
Söderbergh, C. (Karlstad) 80.
Söderbergh, G. (Karlstad)
242, 457.
Sohnsen, A. (Danzig) 410.
Soldin, M. (Berlin) 794.
Solieri, S. 1085.
Solm, R. (Frankfurt) 410.
Soltrain, E. (Paris) 861.
Sommer (Nürnberg) 334.
Sommer, E. 937.
Sommer, R. 554, 1551, 1769.
Sommer, F. (Magdeburg) 120.
Songues (Paris) 187.
Sonnenburg 366, 1010, 1058,
1294.
Sonntag (Berlin) 659.
Sonntag (Leipzig) 1429.
Sons, E. 707.
Soper, W. B. (New York) 610.
Sorautin (Wien) 1283.
Sörensen, N. (Niederl.-Indien)
714.
Sorgdrager, G. B. 219.
Sormani, B. P. (Amsterdam)
168.
Sorme (Kopenhagen) 1375.
Souques (Paris) 1565.
Spaeth (Hamburg) 997.
Spaeth, lt. A. 1898.
Spalteholz 1182.
Spalteholz, W. 1769.
Spannann, R. 1526.
Sparmann (Wien) 77.
Spät (Prag) 142.
Spät, W. (Prag) 1082.
Spät, W. (Kladno) 1374.
Speirs, W.R.(Southport) 120.
Speleers 1430.
Spencer, G.W. (Bristol) 1224.
Spengler, K. 1580.
Spengler, L. (Davos) 77.
Sperk, B. (Wien) 379, 650,
673, 1130, 1150, 1281.
v. Spcyr 1922.
Spiecker, A. (Wiesbaden)
1084.
Spiegler, F. (Wien) 940.
Spieler (Wien) 953.
Spieth, H. (Bremen) 460.
Spiess, G. (Frankfurt) 647.
1094, 1577.
Spinak, W. 1464.
Spinner, J. R. 1552.
Spiro 1377.
Spitzer (Prag) 1000.
Spitzer (Wien) 860.
Spitzncr (Berlin) 1533.
Spitzy, H. ()jVien) 316, 674,
857, 1049.
Spooner 1224.
Sprawson, C. A. (Lucknow)
222 .
Sprengel (Braunschweig) 770,
1102.
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Original frorn
UNIVERSUM OF IOWA
iösß
faFRt.TNF.R KLINISCHE WOCHKNSCHRUn^
Strassner, H. 25.
Straub (Frciburg) Jl-
c • Qt 7 I Stern, F. (Kiel) 1262.
Ipulcr (Erlangen) 577, 1564. Stern, H. 318.
Ssobolew, N. '266. ! ,7 9 6 ’ ! Straub, H. (München)
Ssokolow, 3. (KtaO^ Stern K (Düsseldorf) 5G1. ""
Ssolowjew, L. (Petersburg ( b^, ^ (Filrth) 28
Stadel manu (Berlin) 324 | Stern, L. ( ( ^““^ au) - G i 3 .
Stadler (Wiesbaden) _ £tem, } wi _iq^n
SiWf—’ m SÄ®»
Stähelin (Basel) 1147. I 163iJ -
SWÄI Itg (Breslau) 374, 474,
913 ’ ^ 01 841 Sterzei (Dresden) 124.
Sta|,W. (Petersburg, 642, I » ll^rl^U.
Stäniek (Wien) 944. 1 Stevanson, W- C. (Dublm)
<“ g) 1047 ’ ; 7 ’
I Stich (Göttingen) 140, 098.
Stickel (Berlin) 89.
i Sticker (Berlin) 86.
i Sticker, G. (Münster; 60<.
I Sticda (Halle) 864, 1006.
Stieflcr (Linz) 1149.
Stiefler, G. (Linz) 709.
i Stier 1196, 1436. 1480.
1 Stierlin 1428.
271.
Stievc (München) 33;,.
Stigler, R. 75.
Stilling, H. (Lausanne) 364.
1141.
Stark (Karlsruhe) 1100,17oo,
1897. ( „ 4A
Starke (Breslau) 27, 1540.
Starkenstein, E. (Prag) 142.1.
Starkoff 761.
Stassoft, B. (Petersburg) 89s, ,
899.
Stawraky, W. 939.
Steckelmacher, S. (Heidel¬
berg) 268.
Stecker 220.
Steele 609.
Steensma 365, 800.
Steen \V. (Giessen) 938. . — \---- -
Stefansky, W. (Odessa) 627. Stincr, 0. (Bern) W8b.
Stcffan, lt. 33. j Stintemg (Jena) 1341.
Steiger, 0. (Zürich) 1798. Stock 125.
Stein (Wien) 141, 1343. Stock (Jena) Id¬
stein (Wiesbaden) 666, 907. | Stöcker (Breslau) 4<5
Stein, B. (Wien) 29.
Stein, C. (Jaunde) 1088.
Stein, R. 0. (Wien) 15o2.
Steinbach (Wien) 1151.
Steinberg 1554.
Steindorff, K. (Berlin) 473
906, 1377, 1787, 1922.
Steiner 1081.
Steiner, M. (Tanger) 1129.
Steiner, R. (Wien) 1425.
Steinhardt, J. (Nürnberg)
1342.
Steinitz, E. (Berlin) 939,
1005, 1055, 1233, 1285,
1306, 1378, 1381.
Steinmann, F. (Bern) 1103.
Steinmeier, W. (Hamburg)
1279.
Steinmeyer, 0. 166.
413,
957,’ 1426.
Straub, W. (Freiburg) 120.
Strauch 1155.
Strauch (Altona) <6, 90.
Strauch, A. (Chicago) 462,
650.
Strauss 1545.
Strauss (Berlin) 124, l<oo, (
1773. |
Strauss (W : ien) 857 |
I Strauss, A. (Barmen) 1231, (
1708. i
I Strauss, H. 120, 1328, 1474, j
1 1524, 1599. i
Strauss, IL (Berlin) 1241.
1 Strauss, M. (Nürnberg) <11. j
Strebei, H. (München) 222.
1 Strobel, J. (Zürich) 1876.
Streisslcr (Graz) 81 i>. 961.
1 Streisslcr, E. 1948.
Streit 1430.
1 Stricker, 0. 1087.
Strisover 29.
Strisower, R. 80, 1104.
Strobel, IL (Erlangen) <U.
Strocbel. J. (Zürich) 137<.
Strohbach (Dresden) 134(L
I Stromcycr (Güttingen) 8aa,
1555
Swetschnikow, W. A. 1080.
Symes, J. 0. (Bristol) 104o,
1329.
Symes, W. L. (London) 1326.
I Syring 1085.
Syring (Bonn) 1470.
i Svring (Neu-Ruppin) 1949.
, Szalxq M. (Budapest) 556.
! Szecsi, S. (Frankfurt) 78,
185, 798, 842.
1 Szel, P. (W r ien) 1526.
Szerdotz, H. (Wien) 1901.
1 v. Szily, A. 1284.
, v Szily, P. (Budapest) 608,
'722,1117,1383.
Szpanbock 1848.
Szelbinski (Colmar) 1089.
Szymanski, J. S. 1466.
T.
owciici (u'“ 1 ““/ ; ,
Stoecklin, W. (Basel) 81.
Stoffel (Mannheim) 813, 814.
Stoffel, A. 118.
Stoehr 118.
v. Stokas (München) 1096.
Stokes, J. IL (Michigan)
1748.
Stoklasa, J. 705.
Stell, A. 1049.
Stolowski (Deutsch - Ostafri¬
ka) 223.
Stolper, L. 362.
Stolte (Berlin) 278, 1615,
1900.
Stoltenberg - Lerche 854,
, 1247.
, Stoltz, C. (Dortmund) 612.
| Stolz (Strassburg) 1563.
Meinmeyer, vj. iud. I Stommel 1046.
Steinschneider, E. (Cherson) Stommel (Frankfurt a. M.)
559. 1900.
Steinschneider,,!.(Halle) 170. | Stonc 1225.
Stcinthal (Berlin) 806.
Steinthal (Stuttgart) 955, |
1102.
Stemmler (Jena) 1535.
Sternmler, W. (Halle) 987.
Stengele, U. (Radolfszell)
1578. _ |
Stcngcr (Königsberg) 575,
1132, 1709. |
.Stephan 1478. I
Stephan (Berlin) 331, 1239.
Stephan (Wien) 910.
Stephan, R. (Leipzig) 168,
461, 648, 959, 1579. _
Stephenscn,S. (London) 1582.
Sterling, W. (Warschau) 31.
Stern (W’ien) 625, 1184.
Stern, A. 1329.
Stern, A. (Berlin) 662, 1286.
Stern, E. 760.
Stern, E. (Tannenberg i. E.)
1419.
Storath (Augsburg) 941.
Storch 1085.
Stocrk (Wien) 186, 1950.
Stocrk, E. 1079.
Storm van Leuwen.W. 1707.
Storp (Berlin) 398.
Strachan, H. 1223.
Strangewavs, T. S. P. (Cam¬
bridge) 80.
Stransky, E. 1576.
Strassberg, M. (Wien) 1232,
1329.
Strassburg, B. (Bern) 1424.
j Strassburger (Frankfurt) 958,
‘ H43.
I Strasscr 895.
I Strassmann 1485.
I Strassmann (Berlin') 233,664,
I 1243, 1385, 1925.
, Strassmann, F. (Berlin) 967.
1386.
j Strassmann, P. 88, 704.
Stromingcr (Budapest) 1248
Strong (New York) 466. _
Stroomann,G. (München) 706.
Stropeni, L. (Turin) 464.
Strubel! (Dresden) 1099,
1822.
Struckow, A. (Moskau) 123.
v. Strümpell (Leipzig) 576,
1329.
Strümpell, A. 1745.
Stübel, II. 360, 892.
v Stubenrauch (München)
711, 1342, 1713.
v. Stubenrauch, L. 1424.
Stüber (Freiburg) 671, 863,
1327, 1565.
Stüber, B. (Freiburg) 1224.
Stuhmer, A. (Breslau) 797,
1082.
| Stühmer, A. (Frankfurt a.M.)
I 1525.
I Stuclp (Mühlheim) 849.
j Stumpf 1486, 1922.
! Stumpf (Breslau) 236,119i,
1 1616.
I Stumpf, J. (Würzburg) 79 <.
! Stümpkc,G.(Hannover) 1472,
I 1554, 1948.
! Sturgis 1427.
I Stursberg, II. (Bonn) 989.
I Stürup, .1. (Kopenhagen)
I 1748.
1 Stutzin (Berlin) 1881.
I Suchanek, E. (W’ien) 1230,
j 1903, 1950.
Sudcck (Hamburg) 1849,
1901, 1902, 1949.
1 Sudeck, P. (Hamburg) 1529.
Sudck, J. (Brünn) 28.
Sugamuna, S. 1331.
Summa (Windhuk) 223.
Surveyor, N. F. (Bombay)
120 .
v. Sury (Basel) 1773.
! Sussmann, M. (Berlin) 896.
i Suter (Basel) 1147, 1247.
Sutton, R. L. 322.
Tachau, H. (Berlin) 942
Taege, K. (Freiburg) 1278.
Taitz, R. (Paris) 1283. _
Takahashi, A. (Tokio) 1526,
1600, 1748.
Takahashi, M. 1797.
Takano, N. (Göttingen) 82. j
Takaschima, S. 83.
Takeda, S. 842.
Taraamschcf 1921.
Tamm, F. (Hamburg) 1600.
Tamura, S. 939, 1469.
Tanaka (Osaka) 28.
Tandler (W 7 ien) 1966.
Tangl, F. (Budapest) 424.
Taniguchi (Halle) 847.
Tanji, Z. (Leipzig) 1555.
v. Tappciner, Frb. IL (Greifs¬
wald) 1065, 1687.
Taratynow, N. (Kasan) 1128.
Tarto'is (Paris) 166.
Tascbeff 993. J
Tassberg, A. 1043. |
Tassius (Breslau) 847.
Tatlow, E. T. (Leeds) 760.
Tauffer, W r . 74.
Taylor 121.
Taylor, D. M. 1233.
Taylor, J. L. 554.
Tcchnau (Breslau) 178..
Tedesko (W r ien) 335.
Teichmann, E. 299, 328.
Teissier (Paris) 1565.
Teleky, L. 118.
Tcleky (W 7 ien) 238, 860.
Telemann 367.
Telemann (Königsberg) 428,
575, 1143.
Tereboullet (Paris) 188.
Terlinck (Brüssel) 1332.
Tcrtsch 1377.
Tetwen, J. L. (Amsterdam)
638, 1581.
Tetzner (Leipzig) 84.
v. Teubern (Bonn) 1612.
Tcuschcr (Münster) 558.
Thalmann (Dresden) 762.
Thannhauser (München)
1005.
Thannhauser, S. J. 1524.
Thedering 220, 712.
Theilhaber (Berlin) 1560.
Theilhaber, A. (München)
82, 601, 706, 847.
Thel 358.
Thiele 461. %
! Thiele, F. (Heidelberg) 1 Hl
Sutton, R. L. ATZ. !
Sutton, R. L. (Cansas City) ; Thiele, F.H. (London) 268,
1231. I 609, 941.
Swart, S. P. (Amsterdam)! Thiem (Cottbus) 1901,1923.
648, 1581.
S\vellengrebcl,N.H. (Malang-
Java) 713.
Thier, A. 462.
Thierfelder, R.
1467.
Thiroloix (Paris) 239.
Thiers (Paris) 239.
Thiess (Leipzig) 1751.
Tietze, A. 1949.
Thilo, 0. (Riga) 77.
Thoma, R. (Heidelberg) 1278.
Tbomann (Freiburg) 614.
Thomas, E. 611, 1469.
Thomas, lv. 360.
Thomas, A. H. (Taunton) 267.
Thomas, J. L. (Cardiff) 1231.
Thompson, R. 1231.
Thompson, R. (London) 1330.
Thomson, 0. (Kopenhagen)
309.
Thomsen, R. (Bonn) 1903.
Thomson, J. (Edinburg) 709.
Thomson, W r . D. (Belfast)
1230.
Thorbecke 464.
Thörner, WL 555.
Thülenius (Soden) 1284.
Thuram, G. 25.
Tichy 1429.
Tichy (Lissa a. E.) 1774.
Tidg*, II. L. (London) 1045.
Tiegel(Dortmund) 1103,1376.
van Ticnhoven (Berlin) 1059.
Tietze 373.
i Tietze (Breslau) 13S, 234,
236, 664, 665, 716,780,
j 994,1008,1197,1205,1296,
1387, 1388, 1437, 1493.
Tiffeveau (Paris) 125.
I Tigerstedt 1125, 1464.
I Tillmann (Cöln) 1006.
Tilp (Strassburg) 333.
Timofejewski, A. D. (Tomsk
1278.
Titone, F. P. 26.
Tittel (Dresden) 1340.
Tixier 1045.
Tobias, E. 31, 662, 833.
Tobias, P. 1633.
Tobiesen, F. (Kopenhagen;
Tobler (Breslau) 366, 373,
; 544, 559, 573, 608,1081,
1329.
v. Tobold 702, 1325.
Todyo (Formosa) 1230.
I Togami, K. (Kiushu, Japan
I 1555.
| TÖgel (Wien) 1151.
Toida, R.’ 464.
Tokeoka, M. (Budapest.;
Tölken, R. (Zw* 1 »)
! Tollens (Kiel) 1H2. ^
Tomasczewski (Berlin/
757.
ToSssen,E.'(ErU»S») s3
Tönniessen 1919-
v.Torday, A. (Budapest-
Torek, F. (Ne*'»« U
Törlitz (Berbn) l-W (
Tornai, J. (B»^
Touraine (Paris) »
Tournemelle (Par«)
Toyoda, H. (Hamburg
Trallero, M. (Berta)»-'•
Traugott, M. (Frankfurt) 1 ' 1 '-
Trautmann, 0. 0®*"'
TrebiJg, J. *
Trembur (Osn»b*t! f'
ssfe
Trendelenburg,
hruck) 166-101a-
Trenkler, R- lJ ? ;, 0 .
Treplin (Sahlenburg)
(Plauen)
Di-gitized by
, Google
Original frnm
UNiVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHIRFT.
1987
Treutlein (Würzburg) 1129.
Trcves, A. 270.
Treves-Keith 1610.
Triboulet 80.
Triebenstein, 0. 803.
Tricpel, H. 1549.
Triepel (Breslau) 1440.
Trillat, A. 1279.
Trillat (Paris) 1566.
Troell 1556, 1581.
Troll, A. 463.
Trömner 1772.
Tröraner (Hamburg) 1390.
y Troncoso, M. U. 1922,
Trubin, A. 993.
Truneoek, C. (Prag) 364.
Tryb, A. (Prag) 1708.
v. Tschermak (Prag) 800,
999.
Tschernischoff, A. (Peters¬
burg) 1468.
Tschernogubow, N. A. (Mos¬
kau) 1232.
Tschertkoß, J. (Charlotten¬
burg) 1227, 1650.
Tschiasny (Prag) 1000.
Tscbilin-Karian, A. (Würz¬
burg) 1231.
Tschisch 611.
Tschistowitsch, N. J. (Peters¬
burg) 1281.
Tschötschel (Zittau) 718.
Tsurumi (Berlin) 1559.
Tuczek, K. (Freiburg) 987.
Tuczek, K. (Marburg) 1847.
Tuffier (Paris) 900, 1000,
1441.
Tugendreich (Berlin) 421,
1692.
Turan 1083.
Turan, F. 1708.
Türk (Wien) 174.
Türk, W. (Wien) 462.
Turner, D. 1080.
Turner(Petersburg)815,990.
van Tussenbroek (Amster¬
dam) 414.
Tuszewski (Berlin) 77, 1278.
Tutysehkin 463.
Tutyschkin, P. (Moskau)
1106.
Twell, A. (Stockholm) 1281.
Tylecose, F. W. (Manchester)
78.
Tysebaert, J. (Brüssel) 119.
Tzanek (Paris) 613, 797.
ü.
Uffenheimer, A. (München)
80, 1747.
Uhl 940.
Uhl, R. (Wien) 27.
Uhlenhuth 1523.
Uhlenhuth, P. (Strassburg)
1797.
Uhlmann (Berlin) 941.
Uhthoff, W. (Breslau) 573,
715, 1295.
Ujihara, K. (Formosa) 1373.
Ujihara, K. (Tokio) 1112.
Ulesko (Stroganowa) 1876.
UUmann (Berlin) 1824.
Ullmann (Wien) 1101, 1150.
UUmann, K. 1184, 1277.
Ullrich, A. 939.
Ulrich, A. (Zürich) 1227.
Ulrichs (Berlin) 425, 1086.
Ulrichs (Finsterwalde) 846.
Ultzmann, R. 1087.
Umber 1003, 1378, 1475,
1777, 1873.
Umeda, N. 1383.
Umeda, N. (Berlin) 1407.
Underwood 1225.
Ungar, J. (Budapest) 1277.
Ungeheuer, II. (Heidelberg)
987.
Unger (Berlin) 662, 1196,
1233, 1294, 1408, 1721,
1774, 1800, 1947, 1965.
Unger (Wien) 1925.
Unna, K. (Hamburg) 1820.
Unna, P. G. (Hamburg) 362,
444, 598, 695, 1203, 1600,
1798, 1900.
Unna, P., jun. (Hamburg)
1047, 1685, 1748.
Unterberger,F., jun. (Königs¬
berg) 367.
Urano (Wien) 1471.
Urbantschitsch (Wien) 577,
1343.
Urechia, C. J. 459.
Ury, II. (Berlin-Charlottcn-
burg) 22.
Usener (Göttingen) 1341,
1563.
Usher, C. H. 1370.
Ustver, Y. (Christiania) 762.
V.
Vuhlen, E. 939.
Vaillard (Paris) 1097.
Valenti, A. 647, 938.
Valentin (Berlin) 35, 1059.
van der Valk, J.W. 365, 613.
v. Valkenburg 365, 1427.
la Valle, G. (Catania) 27.
Vallon (Paris) 1000.
Variot 80, 270, 1046, 1129.
Vas (Budapest) 1900.
Vasiliu, T. (Bukarest) 1421.
Vasiljeviir, J. (Wien) 1650.
Vau eher 989.
Vautrin (Nancy) 1233.
Veau, V. 414, 990.
Veiel, E. (München) 758.
Veil (Strassburg) 669.
Veil, H. (Strassburg) 1098.
Veil, W. H. (Strassburg) 30,
79, 609, 1185.
Veit, J. 1849.
Veit, J. (Halle) 563.
Veith, A. (Nürnberg) 564.
Velde (Berlin) 1770.
v. d. Velden, R. (Düsseldorf)
647, 989.
Veraguth, 0. 362.
Verhoogen, J. (Brüssel) 1248.
Verne (Paris) 479.
Vernes 1001.
Vernes (Paris) 429.
Vernet (Paris) 1097, 1098.
VerplocgML (Utrecht) 1129.
Verse (Leipzig) 1562.
Vcrtes-Koloszvar (Berlin)
1920.
zur Verth 428, 564.
Verzar, F. 1553.
Vesco (Wien) 612.
Vialatte, Ch. 895.
Viereck, H. 758.
Vigues (Paris) 900.
Viguolo-Lutati,K. 1232,1529.
Vigyäzö, J. (Budapest) 1330.
Villandrc (Paris) 900.
Villard, E. (Lyon) 1101.
Vincent (Paris) 367, 722.
1000.
Vindobonensis431,723,1115.
Violin, E. 1328.
Violle, H. 609, 1468.
Virchow (Berlin) 1823.
Virchow, H. (Berlin) 1677.
Vischer (Basel) 186.
Vitry (Paris) 1566.
Vogel (Basel) 1147.
Vogel (Berlin) 570.
Vogel (Dortmund) 845.
Vogel, A. 412.
Vogel, R (Wien) 1085, 1330.
Vogt 993, 1530.
Vogt, H. 710.
Vogt (Dresden) 667, 802,
950, 1142, 1340.
Vogt, E. (Dresden) 410,
1042, 1327.
Vogt, II. (Magdeburg) 1329.
Voigt (Göttingen) 141, 1146.
Voigt, J. (Göttingen) 607.
Voit, W. (Nürnberg) 478,
1342.
Voelcker (Heidelberg) 771,
913, 1103, 1202, 1694,
1776, 1902.
Volhard, F. 1463.
Volk (Wien) 141, 712, 843,
1231.
Völkel (Dresden) 41,1, 648.
Volkelt, H. 1770.
Volkmann (Berlin) 658,
Volland (Davos) 1188.
Vollhardt, W. (Kiel) 1187.
Vollmann 48,144, 962, 1346.
Vollmer, P. 1425.
I Völsch,M. (Magdeburg) 1688.
Voltz (Breslau) 716.
! Vorn er, H. 1184.
Voronoff (Paris) 1566.
Vorpahl (Greifswald) 1002,
! 1224, 1847.
: Vorschütz (Elberfeld) 914.
■ Vorwerk (Deutsch-Ostafrika)
| 1132.
I Vulpius, 0. 118, 241, 464,
651, 686, 760, 991, 1086,
1470.
w.
Waeber, A. 32.
Wacholder, K. 986.
Wachsner (Berlin) 1384,
1385, 1924.
Wachtel (Wien) 1245, 1901.
Wack, P. (Marburg) 1427.
Wackelin, J. 0. 167.
Wacker, L. (München) 76,
1846.
Waegeier, H. (Freiburg) 168.
Wagener (Berlin) 422.
Wagner 1429, 1556.
Wagner (Lübeck) 1470.
Wagner (Wien) 626, 674,
858, 1375.
Wagner, A. 1899.
Waegner, K. (Charkow) 1102.
Wagner v. Jaurcgg (Wien)
361, 1422.
Walb, H. 1465.
Walbaum 898.
Walbaum,H. (Tübingen) 646.
Waldmann, J. 563.
dcWaele, H. (Gent) 411, 757.
Waledinsky, J. (Tomsk) 190,
626, 627.
Walgaschko, G. A. 465.
Walker, C. J. 266.
Walker, E. W. A. (Oxford)
939.
Waller, A. (Budapest) 1798.
Wallerstein, K. (Heidelberg)
1555.
Wallgren (Mclsingfors) 937.
Wal lieh 1472.
Wal lieh (Paris) 323, 651.
Walsh, S. B. 563.
Walter (Hamburg) 910.
Walter-Sallis, J. 413.
Waltersdörfer (Berlin) 663.
Walther (Paris) 1096.
Walzel (Wien) 186, 1103.
v. Walzel, P. R. (Wien) 271,
1230.
Wandel (Kiel) 1755.
Wanner (Düsseldorf) 1331.
Warburg, 0. 459,1326,1371.
Ward, G. R. (Sevenoaks)
1225.
Warnecke (Görbcrsdorf) 125,
168.
Warnekros 198.
Warnekros(Berlin) 817,1136,
1712, 1734.
Warnekros, K. (Berlin) 1554.
Wartensleben, B. (Wilmers¬
dorf) 759.
Warthin 1128.
Waser, E. (Zürich) 646,1422.
Wasicky (Wien) 721.
Wasielewski (Heidelberg)
577.
Wasmer (Karlsruhe) 28.
v. Wassermann, A. (Berlin)
73, 527, 608, 809, 867,
1277, 1635.
Wassermann, S. (Wien) 1577.
Watanabe, B. (Japan) 803.
Watanabe. R. 1526.
Waterson, D. (London) 1127.
Watjen, J. (Freiburg) 362,
1579.
Weber 899, 990.
Weber (Berlin) 863, 1879.
Weber (CheDuiitz) 849, 1709.
Weber (Dresden) 950.
Weber, A. (Giessen) 168.
Weber, F. (München) 323.
Weber, H. 1649.
Wechselmann 561.
Wcehselmann, W. (Berlin)
304, 533, 834, 992, 1331,
1633.
Weckowski 1485.
Wcckowski (Breslau) 54,743,
1388, 1389, 1453, 1567,
1603.
Wegele (Königsberg) 758.
Wegener, E. (Jena) 121,1599.
Wegener, W. (Rostock) 413.
Wegerle, 0. (Heidelberg) 895.
Wegner (Posen) 464.
Wehner, R. N. (München)
649.
Wehner, E. (München) 560.
Wehrhahn (Hannover) 1465.
Wehrli, E. 1048.
Weibel (Wien) 465, 848.
Weibel, V. (Wien) 125.
Weichardt 74.
Weichavdt (Erlangen) 1564.
Weichert(Breslau) 236,1198.
Weichsel (Leipzig) 767,1561.
Weicksel, J. (Leipzig) 1186.
Weigel (Nürnberg) 1393.
Weigert (Berlin) 605.
Weigert, R. (Breslau) 573,
1820.
Weih (Cöln) 1578.
Weihe (Frankfurt) 322.
Weihe, F. 321, 1130.
Weil 1587.
Weil (Breslau) ISO. 994,
1229, 1583.
Weil, A. 26, 413.
Weil, A. (Strassburg) 1899,
Weil, E. 269.
Weil, E. (Paris) 1098.
Weil, J. (Breslau) 1086.
Weil, R. (New York) 269.
Weil, S. (Breslau) 270, 687,
1616.
Weiler (Berlin) 1282.
Weinberg 458,
Digitized by
Gck igle
Weinberg, B. (Zürich) 614.
Weinberg, M. (Halle a. S.)
1579.
Weinberg, W. (Stuttgart) 78.
Weinberger (Wien) 859.
Weinbrenner (Coblcnz) 220.
Weinbrenner (Magdeburg)
755, 900.
Weiner, S. (Davos) 1632.
Weinert (Bonn) 1528.
Weinfurter, F. 1127.
Weingaertner 1477.
Weingaertner (Berlin) 1336,
1710, 1821.
Weinländer (Wien) 142, 647.
Weintraud(Wiesbaden)l7l7,
1777.
Weirauch, K. 1577.
Weisbacb, W. (Freiburg) 758.
Weiser (Wien) 1825.
Weiser, E. 1650.
Weiser, E. (Prag) 1554.
Weishaupt, E. (Berlin) 411,
466, 1293.
Weispfenning (Hamburg)
1529.
Weiss (Hamburg) 42.
Weiss (Wien) 1148, 1149.
Weiss, E. (Tübingen) 121.
Weiss, H. (Barmen) 1467.
Weiss, J. (München) 120.
Weiss, M. 266, 557.
Weiss, 0. 985, 1797.
Weiss, R. (Freiburg) 84.
Weissbrem (Hamburg) 1141,
1201.
Weisswange (Dresden) 1340,
Weisz, E. (Pistyan) 763.
Weith 801.
Weitz (Tübingen) 958, 1899.
Weizsäcker (Heidelberg) 286.
Wcleminsky, F. (Prag) 825.
Wells, II. G. 1280.
Weltmann, 0. (Wien) 1424,
1469.
Welz (Breslau) 366, 716.
Welz, A. (Frankfurt) 462.
Wenckebach (Strassburg)
669.
Wenckebach (Wien) 1966.
Wende (Berlin) 1289.
Wendel (Magdeburg) 816.
Wendel bürg, F. 1225.
Wendenburg, F. (M.-Glad¬
bach) 170.
Wendt 845.
Wenglowski, R. 612.
Wengraf, F. (Brünn) 364.
Wenkebach, K. F. (Strass¬
burg) 956.
Weniges, M. (Cöln) 758.
Wentzel, K. (Pforzheim) 603.
Wenzel (Magdeburg) 1045.
Werdenberg (Basel) 33.
v.Werdt,F. (Innsbruck) 1632.
! Wennei, S. (Moskau) 381.
I Werner 847.
t Werner, H. (Hamburg) 168,
564, 1047, 1088.
Werner (Heidelberg) 816,
1003, 1144, 1564.
Werner (Jena) 1752.
Werner (Wien) 1825.
Werner, F. 803.
Wernstedt, W. (Stockholm)
710.
Werschinin, N. 26.
zur Werth 1821.
Wertheim (Berlin) 1560
Wertheim (Warschau) 771.
Wertheim (Wien) 848.
Wertheim - Salomonson,
J. K. A. 1371.
Werther (Dresden) 1131,1429
Weselko, 0. 1371.
Weski (Berlin) 712.
Wessely (Würzburg) 1440.
5 *
Original ffom
UMIVERSITY OF IOWA
1988
BERLINER KLINISCHE W0CHENSCHR1ET.
Wessler, H. (New York) 843.
West (Berlin) 371, 1336,
1559, 1633, 1634.
Wcstenhöfer 469, 1053.
Westphal, K. (Altona) 989.
Wetterer, J. 937.
v. Wettstein, R. 1465.
Wetzel, A. 1551.
Wotzel, A. (Heidelberg)
266.
Wetzel, E. Strassburg) 364.
Wetzel, M. (Marburg) 1425.
Weydlcr (Basel) 186.
Weyert (Posen) 273.
Weygandt (Hamburg) 365,
623, 1045, 1338, 1553,
1949.
de Whceler, W. J. (Dublin)
465.
WhelaD, J. H. (Cardiff)
1128.
Whipple, G. H. 169.
Whitehouse, H. B. (Birming¬
ham) 803.
Whitelegge, W. A. 368.
Whyte, D. (London) 412.
Wich mann (Hamburg) 909,
1038, 1327, 1599.
Wichmann (Helsingfors) 803,
1919.
Wiek (Habaul) 1132, 1472.
Wickham (Paris) 124.
Wideröc (Kristiania) 1821.
Widmer, C. 1129.
Wiebrecht (Braunschweig)
1528.
Wiechowski (Prag) 864.
Wiedemann, G. (Königsberg) i
1128. |
Wiedemann, H. (Petersburg) :
899.
Wiedehoff, 0. (Heidelberg)
1874.
Wiedhopf 898.
Wiedbopf (Heidelberg) 1341.
Wieland, E. (Basel) 942,
1875.
Wienecke, E. 1464.
Wiener, C. (Budapest) 557.
Wiener, H. (Prag) 76.
Wiener, 0. (Prag) 722.
Wiens 1946.
Wienskowitz,H. (Wiesbaden)
1725, 1743.
Wierzejewski (Posen) 995.
Wiesel (Wien) 1147, 1966. I
Wiesel, J. 1083.
Wieselink 1876.
v. Wieser, Frh. (Wien) 845,
911.
Wiesinger (Hamburg) 1391.
Wicting-Pascha (Konstanti¬
nopel) 123, 845, 1528.
Wilbert, M. J. 218. I
Wildbolz (Bern) 1248.
Wildborts (Paris) 1097.
Wildbrand, E. (Hamburg)
1375.
Wilbrand, H. 359.
Wilbur (San Francisco) 844.
Wildegans 1474.
Wildermuth, F. (Halle) 895,
1945.
Wile, U. J. (Michigan) 1748.
Wiienko 360, 424, 569,
1649.
Wilhelm, M. (Weisscnsec) j
1581. 1
Wilkinson, W. C. 986. j
Willer (Berlin) 1290. ;
Willigo, H. (Halle) 896.
Wilmans 1821. 1
Wilms 960, 1144, 1248, |
1428. I
Wilms (Heidelberg) 760, 815, j
898.
Wilson, A. C. 27.
Wilson, E. 985.
Wilson, W. (Manchester) 83.
v. Winckel, F. 1070.
Winckler, E. (Bremen) 1246.
Windaus, A. 939.
Winkler (Ingolstadt) 910. |
Winkler (Jena) 1283.
Winkler, H. (Berlin) 797. j
Winkler, H. (Hamburg) 43. j
Winkler, M. (Luzern) 1529. I
Winter (Freiburg) 1565.
Winter (Königsberg) 575,
1376. |
Winter, F. (Barlin) 27.
Winterberg, H. 219.
Winterberg, H. (Wien) 1082.
Winternitz (Halle a.S.) 1046,
1756.
Winternitz, J. (Wien) 647.
Wintz (Erlangen) 1440.
Wintz, E. (Erlangen) 757.
Wintz, H. (Erlangen) 415,
900, 1582.
Wirth (Berlin) 123.
Wirth (Wien) 954.
Wischer, H. (Charlottcnburg)
408.
Wisselink 367.
Wissmann 1922.
Wissmann (Strassburg) 1563.
Wiszwianski 31.
Wiszwianski (Berlin) 662.
Withington 896.
Witte (Hannover) 1283.
Wittek (Graz) 813.
Wittenberg, M. 25.
Wittig (Kiel) 1339.
Wittrock (Deutschostafrika) |
714.
Witzei (Düsseldorf) 954,
1102.
Woglom, W T . H. 937.
Wohlauer (Berlin) 1472.
Wohl au er (Charlotten bürg)
911.
Wochler, L. 1182.
Wohlgemut (Berlin) 420,
1103.
Wohlgemut, Julius 1947.
Wohlwill 1084.
Wohlwill, F. (Hamburg) 285,
362, 671, 1373.
Wokcr, G. 25, 1708.
Wolf (Berlin) 422.
Wolf, II. F. 1688.
Wolf, L. (Berlin) 66, 942. j
Wolf, W. 1429. I
Wolff 555, 1523. |
Wolff(Berlin) 660, 909, 1534,
1612.
Wolff (Frankfurt) 1094.
Wolff (Reiboldsgriin) 415. f
Wolff (Strassburg) 669,1563. 1
Wolff (Wiesbaden) 1900. j
Wolff, A. 75.
Wolff, H. (Potsdam) 464. .
Wolff, J. (Berlin) 1247. !
Wolff, L. K. (Amsterdam) !
1749. ,
Wolff, M. (Berlin) 229, 875, '
1133, 1190, 1496.
Wolff, S. (Wiesbaden) 122,
170, 666.
Wolff-Eisner 1134.
Wolff-Eisncr (Berlin) 1243,
1845.
Wolffenstein, W. (Charlottcn-
burg) 1232.
Wolfsohn, G. 166, 1883.
Wollenberg (Berlin) 229,
230, 548, 568, 763, 852,
1384.
Wollmann, E. 1127.
Woloschin, E. 1651.
Wolpe (Smolensk) 1374.
Wolter, F. (Hamburg) 1621.
Wolter, Friedrich 1945.
Wolzendorff( Wiesbaden) 237,
907.
Wood 895, 940.
Woodward II. M. M. 80.
Wormel, S. (Moskau) 366.
Wörner, H. (Frankfurt) 940.
Woronysch, M. (Wien) 1376.
Worst 941.
Wossidlo 82, 467, 569, 914,
1053, 1535.
Wrede (Jena) 771, 1535.
Wrede, L. 1947.
Wright, Sir A. E. 269.
Wright, B. L. 76.
Wrobel (Breslau) 180.
Wrzesniowski, W. (Czen-
stochau) 771, 1948.
Wulf, G. (Zittau) 1328.
Wullstein (Bochum) 771,
1104.
Wundisch (Berlin) 1290.
Wurm (Berlin) 1879.
Wurtz (Paris) 1188.
Wydler, A. 1556.
Wyeller fBasel) 124.
Y.
Yagi, S. 841.
Yas Kuno 1797.
Yearsley, M. (London) 318.
Yokoyama, Y. (Schöneberg)
168, 363.
Yorke, C. (Liverpool) 1332.
Yorke, W. 412, 1279.
z. j
Zacharias, G. 710. I
Zacharias, G. (New York)
1227.
Zade (Heidelberg) 705.
Zadek, J. (Neukölln) 1426.
Zagorowsky, P. (Kiew) 610.
Zahn 1650.
Zahn, A. 266.
Zahn, W. (Berlin) 1278.
Zahradnicky (Deutschbrod)
955.
Zalewski (Breslau) 847.
Zalowiecki (Leipzig) 1561.
Zandukeli, M. (Petersburg)
1249.
Zanelli, C. F. 1083.
Zange, J. (Jena) 798, 804,
1373, 1535.
Zangerneister, W. (Marburg)
843.
Zänker, W. (Barmen) 404.
Zappert (Wien) 674.
Zarfl (Wien) 379, 478,
858.
Zarzycki, S. (Wien) 707.
Zbyszewski, L. 1372,
Zdobnicky, V. 705.
Zeemann 1378.
Zeidler, H. (Petersburg) 943.
v. Zeissl (Wien) 433, 495.
Zengerle (Ravensberg) 1472.
Zerner (Berlin) 133.
Zesas, D. G. 612.
Zesas, G. 1282.
Ziegler (Berlin) 912.
Ziegler (Freiburg) 671,1392,
Ziegler, J. (Kiefersfelden)
1688.
Ziehen, Th. 800, 840.
Zielinsky, W. (Berlin) 622,
Ziemann (Berlin) 328, 369,
416, 1558.
Ziembicki (Lemberg) 1875.
Ziemssen (Berlin) 371, 764.
Ziesche (Breslau) 664.
Zietz (Berlin) 1879.
Zilkens, K. (Cöln) 459.
Zimkin 1527.
Zimmermann 30.
Zimmermann (Jena) 1920.
Zimmermann, R. (Erlangen
1279.
Zingerle, H. (Halle) 896.
Zink 707.
Zinn 1475.
Zinn, W. 1650.
Zinner, A. 943, 1087.
Zinsser (Cöln) 33.
Zondeck, H. (Freiburg) 185,
1581.
Zondek 468.
Zondek, B. (Berlin) 1574.
Zondek, H. 1184.
Zondek (Berlin) 35, 570,
914, 946, 1882.
Zoeppnitz (Kiel) 810, 169!.
Zoeppnitz (Güttingen) 855,
1279.
Zörning, H. 359.
v. Zubrzycki 798.
Zuckerkandl(Wien) 142,577,
1148.
Zuckerkandl, 0. (Wien)
1651.
Zuckraayer, F. 1371.
Zuelzer (Berlin) 1384.
Zuelcbauer, W. (Berlin)
986.
v. Zumbusch, L. 613.
v. Zumbusch (München) 428,
Zuntz (Berlin) 621, 622.
764, 821, 1559.
Zunz, E. (Brüssel) 122.
Zuppinger, H. 796.
Zusch (Danzig) 864.
Zweifel (Jena) 414, 755 899,
1749.
Zweifel (Leipzig) 1562,15(8,
1751, 1849.
Zweifel (München) 220.847.
Zweig 1426.
Zweig, W. 169.
Zwicke 564.
Zwi Ringer, H. 1049.
Zypkin, S. M. 345.
Digitized by C^cuoie
Original from
UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1989
A.
Aalblutserum, Wirkung des A. auf das tierische
und menschliche Auge 473, 1377.
Abbaufermente s. Fermente.
Abbaureaktion s. Abderhalden’s Dialysicrver-
fahren.
AbbiJdungskonstante, Sampson’s graphische Ab¬
leitung der A. und ihre Anwendung auf die
Fernrohrbrille 33.
Abbot oder Calot? 814.
Abdomen, 301 perforierende Stichverlctzunzen
des A. 899. *
— Schussverletzungen des Thorax und A. 1230.
Abdominalerkrankung, Differentialdiagnose von A.
auf Grund von Symptomen des vegetativen
Nervensystems 462.
Abdominalhöhle, Adhäsionsbeschränkung in der
A. durch Hirudinbehandlung 1429.
Abdominalkontusion durch Hufschlaff nach
24 Stunden 1376.
Abdominallyraphe, Einfluss verschiedener Nähr¬
stoffe auf Zahl und Art der in der A. ent¬
haltenen farblosen Blutzöllen 863.
Abdominalmassage, instrumenteile 842.
Abdominaloperationen, Indikation zur Anwen¬
dung der Lokalanästhesie bei A. 907.
Abdominalorgane, Anatomische Veränderungen
der Brust- und A. nach intraperitonealer
Campherölinjektion 411.
— parenchymatöse, freie Fettransplantation bei
Blutungen der A. 711.
Abdominaltumoren, Lokalisation von A. mit
Hilfe der topographischen Gleit- und Tiefen¬
palpation 557.
Abducenslähmung reflektorischen und otitischen
Ursprungs 31.
Aberglauben, psychopathischer 1688.
Abhandlungen, Gesammelte A. von Max Kasso-
witz 1610.
Abort, Bericht über 593 A. 32.
— fieberhafter, Behandlung des A. 1142, 1283.
Wie kann man üble Ausgänge bei A. am
besten vermeiden? 847.
künstlicher und Sterilisation 141, 669.
— und landwirtschaftliche Erntearbeiten 83.
Zunahme der A. in den Berliner städtischen
Krankenhäusern 451.
— Gasphlegmone nach kriminellem A. 1920.
Abortversuch mit Safrantinktur 1773.
Abortzange, neue 284.
Abscess, Behandlung der A. mit Spreizfedern
1103.
kalte, Behandlung der A. mit Beck’scher
Paste 237.
Multiple unabhängige A. der Leber und Lunge
nach Amöbendysenterie 1567.
paranephritischer, Cystoskopische Demonstra¬
tion eines nach der Blase durchgebrochenen
1564.
stinkende, neue Behandlung von A, 1103.
Absinthessenz, Dosierung der A. zur Hervorrufung
epüeptischer Anfällen bei Hunden 1527.
Abtreibung, kriminelle, Luftembolie bei A. 1376.
Abtreibungsfall, sonderbarer A. 1689.
Abwasserbeseitigung bei Gartenstädten, bei länd¬
lichen und bei städtischen Siedlungen 25.
Abwehrfermente s. a. Fermente.
— beim Dialysierverfahren nach Abderhalden
1129.
Experimentelle Beweise für das Vorkommen
von A. unter verschiedenen Bedingungen 1688.
— Zur Frage der A. 1469.
— Herkunft der A. 670.
Nachweis der A. mittels gefärbter Substrate
895.
— Verwendung der Vordialyse auf A. mittels
des Dialysierverfahrens 895.
— des tierischen Organismus gegen körper-, blut-
plasma- und zellfremdc Stoffe 1040.
2. Sach-Register.
>ie fettgedruckten Zahlen bedeuten Originalartikel
Abwehrfermente, Neue Methode zum Nachweis
der A. 1145, 1579.
— Nachweis von A. in antibakteriellem Immun-
serura 1327.
—- Nachweis der Wirkung spezifischer A. im
histologischen Schnitt 1688.
— Passive Uebertragung der sog. A. 1225.
— Spezifität der A. 364, 461, 959.
— Spezifität der A. mittels der optischen Methode
1798.
Acardiacus anencephalus mit partiellem Defekt
beider Müller’scher Fäden 847.
Accessoriuslähmung durch Stichverletzung 80.
Acetessigsäurebildung aus Essigsäure 25.
Aceton, Qualitativer und quantitativer Nachweis
des A. 555, 986.
Acetonämie, Periodisches Erbrechen mit A. 1874.
Acetonalzäpfchen bei der Proctitisbehandlung
356.
Acetonkörperbildung und Leber 76.
Achillessehne, Doppelseitige, knotenförmige De¬
generation der A. 711.
Achondroplasie, Demonstration eines Falles 1671.
— Wesen und Werden der A. 646.
Achorion, Beziehung zwischen A. Schönleinii und
A. Quinkeanum 169.
Achylia, Gastrogene Diarrhoen und das Vor¬
kommen von A. pancreatica bei A. gastrica
1874.
— gastrica, organische und funktionelle 1600.
Acidose mit Coma ohne Diabetes 1490.
— diabetische, Bestimmung der A. durch Unter¬
suchung der Kohlensäurespannung der Lungen¬
luft 1375.
— extremste A. im Verlaufe des Diabetes mellitus
1526.
Acoin, Wirkung des A. bei subconjunktivaler In¬
jektion 1530.
Adalin im Hochgebirge und in heissen Ländern
1467.
Adam-Stokes’sche Krankheit, ventrikuläre Pausen
und Schwindelanfälle bei der A. 461.
Adaptometer 910.
Addison’sche Krankheit durch Opotherapie ge¬
heilt 1567.
-Pigmentbildung bei der A. 413.
Adenoidentypus, Wert des Ausdrucks: A. 270.
Adenom aus Inselzellen im Pankreas 987.
— malignes, des rechten Taschenbandes 669.
— sebaceum und Epilepsie 1149.
Adenomyomo der Tubenoberfläche 1142.
— sogenannte, des weiblichen Genitaltraktus
847.
Adenosarkom, embryonales der N. 364.
Adenosin, Stoffwechselversuche mit A. und
Guanosin 1524.
Aderhaut s. a. Chorioidea.
Aderhautsarkom 764.
— melanotisches 719.
Aderverkalkung ohne Arteriosklerose 663.
Adhäsion, peritoneale, Vermeidung ders. 1105.
— — Behandlung ders. 409.
Adigan, ein neues Digitalispräparat 1278.
Adipositas universalis, Behandlung der A. mit
Leptynol 1042.
Adlernase, Operation der A. 1428.
Adnexe, Spontanabtrennung der A. 900.
Adnexerkrankungen, chirurgische Behandlung der
chirurgischen A. 1557.
Adrenalin, Gegenseitiger Synergismus von nor¬
malem Serum und A. am Froschgefäss 1846.
— Findet im Körper eine Zerstörung von A.
durch Jod statt? 755.
— Wirkungen des A. 986.
— Wirkung auf die peripherischen Gefässe 1080.
— als physiologisches Gegengift für Morphin 556.
Adrenalinatherom, experimentelles 1327.
Adrenalinglykosurie beim Menschen 558.
Adrenalin-Pituitrinbehandlung 1278.
Aequivalente, nervöse, im Säuglingsalter 1581,
Aerzte, Von Aerzten und Patienten, Plaudereien
1611.
Aerztetag, 40. deutscher in München 1298.
— Stimmungsbilder und Lehren vom 40. Ae. 1845.
Aerztliche Friedensarbeit im Kriege 1674.
— Praxis, Therapeutische Technik für dies. 1649.
— Recht 1552.
— — deutsches, Grundriss, 1371.
— Rechtsfragen zur Kriegszeit 1766.
— Sachverständigentätigkeit, Der Krieg und die
ä. S. 1773.
Aetherdampf, Intorpharyngeale Einführung von
warmem Ao. durch die Nase 1581.
Aetberinsufflation, intratracheale 123.
Aethernarkose, intravenöse 1527.
Aethylalkoholintoxikation, Chronische Augenbe¬
funde bei A. 563.
Aethylhydroeuprein bei Ulcus serpens 1560.
Aetzungen, intrauterine 843.
Affe, Neurotische und psychotische Zustände
bei A. 1292.
Afridolseife 1514.
Afterenge, angeborene 463.
Agglutination, Versuche über Benetzung,Emulsion,
A. 607.
Agglutinine, Avidität der A. 1106.
— Differenzierung einzelner Hefearten mit Hilfe
spezifischer A. 1483, 1836.
— Einwirkung von Thorium X-Injektion auf A.
209.
— Wärmeresistenz von normalen und Immun-A.
268.
— Ueber A. und über Säureagglutination 1481.
Agglutinationstiter bei Infektionskrankheiten 1581.
Agnathus mit Synotie 608.
Agrammatismus, Perseveration und andere Me¬
chanismen als Ursache des A. 1083.
Akinesie, metaparalytische psychogene 1479.
Akne und eine neue erfolgreiche Behandlung
derselben 215.
Akrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer
1331.
Akromegalie 576, 854, 1244.
— chronische, ohne Augensymptome 1245.
— Fall operierter A. 471.
— familiäre 669.
— Kombination einer nicht kompletten A. mit
sacro-lumbalcr Syringomyelie 626.
— mit Neurofibromatose 1295.
—■ Operative teilweise Zerstörung der Hypophyse
1691.
— als Folge von Tuberkulose der Hypophysis
961.
— und Organtherapie 171.
Aktinomykose, Aetiologie der A. 472.
— Aetiologie und Diagnose 1341, 1798.
— des Bauchfells und der Genitalien 895.
— Behandlung der A. mit Röntgenstrahlen 987.
— Entstehung der A. 1282.
— der Hornhaut 1284.
— der Lunge und Pleura 1291.
— primäre, der Lunge 859.
— Fall von Mediastin&l-A. 1476.
Albee’sche Operation, Technik ders. 1947.
Albinismus beim Menschen 1370.
Albinpuder 797.
Albuminurie 1463.
— Bedeutung der A. bei Tuberkulose 1426.
— Fortschritte der Behandlung von A. und Ne¬
phritis 120.
— gutartige 30.
— nach Magenausheberung 1147.
— lordotische, in den Schulen Lausannos 801.
— orthostatische, Blutdruckbestimmungen bei
Kindern mit A. 843.
-Aetiologie der A. 170.
— — Ren iuvenum. Beiträge zur Kenntnis der
A. 24.
— posttraumatische orthostatische 1901.
— physiologische 849.
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UMIVERSITY OF IOWA
1990
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Albuminurie, transitorische, Auslösung derA. beim
Menschen 1185.
— — Künstlich erzeugte A. beim Menschen 1000.
Aleudrin 120.
Alexander-Adams’sehe Operation 223.
Alloästhesie 31.
Allorhythmien, Zur Theorie der A. 1707.
Alopecia aroata 479.
— parvimaculata Dreuw 801.
— totale, nach Unfall 1822.
Alkalitherapie, Experimentelles über A. 1520.
Alkaloide in den Drüsen mit innerer Sekretion
und ihre physiologische Bedeutung 1217.
Alkaptonurie, Die Wassermann’sche Reaktion im
Blute bei A. 221.
Alkohol, Einfluss des A. im Balkankriege 1774.
— Einfluss des A. auf Leber und Hoden des
Kaninchens 78, 756.
— Wirkung der einwertigen A. auf den über¬
lebenden Kaninchendarm 1525.
— Wirkung der einwertigen A. auf das über¬
lebende Stäugetierherz 77.
Alkohol-GeistesstöruDgen 554.
Anämie, Kleine wiederholte Blutentziehungen bei
schwerer A. 1250.
— Konzentration des Blutserums bei A. und
Blutkrankheiten 319.
— Pathogenese und Therapie der A. 558.
— Pathogenese einiger A. mit besonderer Be¬
rücksichtigung der kryptogenetischen A. 585.
— Was erreichen wir mit Milzexstirpation bei
den verchiedenen Formen der A.? 1104.
— chronische, der respiratonische Gaswcchsel
bei A. 1044.
— gravissima septica 461.
— schwere, in der Schwangerschaft 333.
— sekundäre, Anwendung kleiner Salvarsaudosen
bei A. und Ernährungsstörungen 1423.
— pernieiüse, 558, 1093.
-Behandlung der A. 1231.
— — Eiscnstoffwechsel bei A. 320.
-Ein Friihsympton ders. 1579.
— — Grosshirn Veränderungen bei ders. 1527.
— — im frühen Kindesalter 1470.
— — kryptogenetische 855.
— — Einfluss der Milzextirpation auf die A. 760.
Anatomie, vergleichende mikroskopische, der
Wierbeltiere 216.
— mikroskopische, Lehrbuch der Histologie und
der A. 118.
Anencephalie, Diagnose der A. mit oder ohne
Hydrocephalus vermittels der Untersuchung
der Transparenz des Schädels 1045.
Aneurysma, Behandlung des A. 1774.
— Indikationsstellung bei Operation der A. und
bei Gefässverletzungen 31, 270, 612.
— Partieller Verschluss der grossen Arterien bei
der Behandlung des A. 961.
— Wachstum uüd Perforation von A. 649.
— durch Schussverletzung 1800.
— Kriegs-A. und deren Behandlung 1925.
— — abdominalis 1339.
— — — mit Heilungstendenz 1578.
— arrodiertes, in einer Lungencaverne 625.
— arteriae hepaticae 364, 1586.
— arteriovenosum der Brachialarterie 1901,19G5.
— der Carotis externa 1339.
— embolischcs, als Komplikationen der akuten
Endocarditiden 1082.
iUkohoiikerf ResistenzböstimmungCD der Erythro- I-Behandlung der A. durch Milzexstirpation. 1 - racemosum der Art. maiillar. ert. 1394.
cyten bei A. 1098.
Alkoholinjektion, Keratitis neuroparalytica infolge
einer A. in den Nervus maxillaris 1612.
Alkoholisrous und Tuberkulose 1425. --- ---
Alkoholkriminalität der Jugend Bayerns 760. j Zunge und des Gaumens, ein Iriihsymptom
Alkoholvergiftung, Anatomische Veränderungen der A. 318.
im Herzen bei akuter und chronischer A. 1278. I — — der Pferde 988.
Alkoholwirkung, Spezifität der A. 940. ! -während der Schwangerschaft 367.
Alter, Uebor die Kunst, alt zu werden 1649. | — — Thorium X bei A. 153.
Altersstar, s. a. Katarakt. ,-und sekundäre 285.
— Antitrypsingehalt des Blutserums bei A. 993. j Anästhesie, Lcitungs-A. in Gynäkologie und Ge-
Postoperatives reichliches Auftreten von Jolly- ! sogenannte falsche 1949.
körpern 546. I — traumatieum 711, 1949.
-Splenektomie bei A. 94. -Verletzungen und A. der Arten» glutaca
-Periodisch auftretendc Empfindlichkeit der sup. et inf. s. ischiadica 560.
" ' Anfälle, Die gehäuften kleinen A. 1733.
| Angiers Emulsion in der Frauenpraxis 465.
j Angina pectoris 1129.
I — — Neuralgische Form ders. 1708.
Vincenti, Salvarsanbehandlung der A. 109*
Angioeavernom des Arms 719.
Angioliposarkom der Niere 895.
Angioma venosum racemosum der linken motori-
I sehen Region 1848.
für Lokal-A. in j Angiome, tiefliegende, schmerzhafte A. der Ex¬
tremitäten 1566.
— peritendinöse 270.
Anilinfarbstoff, Hemmende und abtötende Wirkung
von A. auf augenpathogene Keime 562, 993.
nanuiu suiiuuvu.h -u*. , Anionen, Wirkung einiger A. auf den isolierten
regionäre, bei Frakturen der unteren Extromität I Froschventrikel 1041.
414. j Ankylosenoperation 812.
Ankylosis mandibulae, Operation ders. 1653.
burtshilfc 1095.
Dauer-A. 1393, 1555.
Feld- und Lazarettapparat
Masscnanwondung 1822.
lokale 1392.
— in Massen 1734.
— in der Augenheilkunde
Kalium sulfuricum 562.
mit Novocain i
Altersthyrcoidismus 1100.
Altersweitsichtigkeit und Altcrsstar, Entstehung
ders. 1799.
Alttuberkulin, Verhalten des Koch'schen A. bei ]
gesunden Tieren 412. j
Alveolardiphtherie 1329. 1
Alypin, Ein falsches Inserat über A. 408.
Alzheimer’sche Krankheit 183, 999. |
Amaurose nach Blepharospasmus 573. j
Ambard’sche Konstante, Herabsinken ders. unter
die Norm 1490. I — bei Operationen in der Mundhöhle 1229.
Amenorrhoe, Behandlung ders. 1530, 1847. i — parasacrale 270.
— Behandlung mit Hypophysenextrakten 1599. — pneumatische Lokal-A. 1849.
— 4 jährige A. nach Atmocausis, ausgetragene | — in der Urologie 1201.
Gravidität, Geburtsbeendigung durch Uterus- { Anacsthctica, Wirkung der A.bei subconjunctivalcn
entfernung 272. | Injektionen 1530.
— und Phthise 465. Anaphylaktische und apotoxischeVergiftung 1798.
Aminoazobenzole, Epithelisicrendc Wirkung der Anaphylaxie, alimentäre für Eier 461.
\ 1451. J — Beziehungen zwischen A., Urticaria und pa-
Aminosäure, Abbau aromatischer A. bei normalen j renteraler Eiweissverdauung 1082.
und Alkaptonurie 184. 1 — Einfluss der A. auf Stickstoff-Stoffwechsel bei
— - Abbau und Glykokollbildung 1467. I Kaninchen 1632.
— Ausscheidung nach Verabreichung von Pep-- — generalisierte 1129.
tonen als Diagnosticum bei Leberinsuffizienz j — gewebliche 412.
648. — Mechanismus der A. 1279.
— Bildung der A. 622. — bei Meerschweinchen nach Einspritzung gc-
— freie, Nachweis der A. im Blut 360. i rinnungshemmender und beschleunigender
— Identifizierung der aus Proteinen der Nerven- I Substanzen 609.
Substanz gewonnenen A. von der Zusammen- ; — passive, gegen Blutungen bei Typhus 1567.
setzung C e H 13 N0 2 26. — primäre, bei wiederholter Diphtherieserumin-
— titrierbare, im Magensaft 122. | jektion 1044.
— -Wirkung 1383. , — Temperatur bei der aktiven A. 269.
— Wirkung der A. auf die Magensaftsekretion 1 — Theorie der A. und Abderhalden sehen Rc-
122. ' aktion 807.
Ammoniak, Dickdarmverätzung durch A. 1878. j — und Antianaphylaxie bei der infantilen Tu-
— und Gesamtstickstoffausscheidung, Verhältnis berkulose 560.
ders. im Urin bei Reisfütterung 1555. i — und intracutane Injektion 1559.
Amübenbefund in Kiefcreystc 1049. I — -Gefahr bei der Serumbehandlung des Tetanus
Amöbendysenterie, Emetin bei A. 187, 1088. 1876.
— Multiple unabhängige Abscesse dor Leber und * Anaphylaxieversuche 1433.
T_ _1. * lü« I A nnr.livlnl-AvinV\il<1imr<
Ankylostomaanäraie, Behandlung ders. 1526.
Ankylostomiasis 1562.
Ankylostomum duodenale im Darminhalt 94.
Anomalien, konstitutionelle, Sozialraedizinischc
Bedeutung der A. nnd Krankheiten 75, 408.
Anosmie und Enophthalmus traumaticus J876.
Anschluss-Handapparat für Elektroden 1772.
Antennen, Haben die A. für die alternierende
Sfcridulation von Thamnotrizon apterus Fab.
eine Bedeutung? 75.
Anthrax, Fall von A. geheilt durch Salvarsan D64.
Antianaphylaxie 1782.
Antidiphtherieserum, Therapie des Erysipels mit
A. 1898.
Antiforminmethode, Technik der A. 273.
Antigene von Wassermann, Wirksame Bestand
teile der A. 707.
Das ungiftige A. ^
Antigenreaktion 648.
Antigonokokkenvaccin,
Dr. NieoILe 362. t
Antihammelblut-Kaninchenserum, Giftigkeit
genetischer und heterogenetischer A. <“•
Antikörper, Evolution der A. 268.
— und Rival ta sche Serumblutreaktion 3o4.
Antimon, Physiologische Wirkung des fünfwertigen
A. (Leukonin) 1649.
Antisensitisation 269.
Antisera, giftige 370.
Antiskierosin in der Praxis 1554.
Lunge nach A. 1567.
Amöbenenteritis 714.
Amöbenruhr, Uzara bei A. 1472.
Amputatio supramallcolaris ostcoplastica 1875.
Amputation, Technik der A. 954.
Amusie und Aphasie 1633.
Amylasegehalt des Urins 844._
Amyloid und Bindegewebe 987.
Anabiose bei Tieren 191.
Anämie 706.
— Biermer’sche A. 1139.
— Cholestcrinäniie und Resistenz der Blut¬
körperchen bei A. 1946.
Anaphylatoxinbildung, Mechanismus der A. 1169. j Antitoxin, Verhalten des A. im anaphvlakusi
Anaphylatoxinfieber, Gesamter Energie- und j Tier 758.
Stoffumsatz beim aktiven anaphylaktischen j — und Schilddrüse 121.
und beim A. 607. ; — in der vorderen Augenkammer l-«.4-
Anastomose, Arterio-venösc A. am Oberschenkel i Antitrypsinbestimmung, Wert der A. in
nach Schussverletzung 1825. kologie und Geburtshilfe 1557.
Anatomie, Atlas der descriptivcn A. des Men- Antitrypsinmethode, Bedeutung ders. für me-
J sehen 1769. ' " * ’ «w.- • u -'
[ — des Menschen 1223.
! — Handatlas der A. des Menschen 1182, 1183,
1769.
| — chirurgische 1610.
j — pathologische, Taschenbuch der A. 1041.
logische Schwangerschaftsdiagnosük * ■
Antrumoperation, Osteoplastischer ve '
; retroauriculärer Oeffnungeo nach A.
1 Anurie, Nierenfunktion bei der durch ic ^
I vorgerufenen A. 158.
! — von 20 Tagen 812.
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UNiVERSITY OF IOWA
ßERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1991
Anurie, totale, bei Eklampsie 184.
Anus, Paget’sche Erkrankung am A. und Geni¬
tale 238.
— praeternaturalis, Verhütung der Spornbildung
bei A. 674.
-Definitiver Verschluss des A. 271.
-permanens, Technik des A. 82.
Aorta, Atherosklerose der A. beim Kaninchen
1578.
— Struma und Hyperthyreoidismus im Gefolge
von Dilatation und Aneurysmen der A. 322.
— Thrombose der A. und beider Iliacalartericn
infolge einer Streptokokkeninfektion der Nabcl-
vene 987.
— abdominalis, Aneurysma der A. und der
Iliaca 43.
-Aneurysma der A. 1152.
-Embolus der A.; Operation; Heilung 81.
— thoracica, Anstoss der Blutsäule in den
Schlüsselbeinarterien bei Sklerose der A. 364.
Aortenaneurysma 330, 668.
— dissecierendes A. mit Paraplegie 1286.
— mit Durchbruch in die Vena cava sup. 1150.
— syphilitisches, Operationsversuche bei A*. 377.
— Pulsus laryngeus ascendens bei A. u. Rectum-
carcinom 625.
— Syrapathieusaffektion infolge A. 954.
— Operative Bedeutung dess. 1528.
— Todesursachen bei A. 1688.
Aortenatherosklerosc, Erhöhter Cholesteringehalt
bei Entstehung der A. 1225.
Aortenband, Diagnostische Bedeutung des ver¬
breiterten Aortenbandes 1471.
Aortenerweiterung bei der Heller-Doehle’schen
Aortitis 649.
Aorteninsuffizienz nach schwerer Anstrengung
1001.
— Endotheltaschen bei A. 987.
— nach Herzschuss 1653.
— Systolischer und diastolischer Blutdruck bei
A. 799.
Aortenlues, Plötzlicher Tod bei A. 333.
Aortenperforation, Fremdkörperverlctzung des
Oesophagus mit A. 7.
Aortenplastik aus der Carotis desselben Tieres
1470.
Aortenruptur, acute 1144.
— geheilte 1095.
Aortenstenose, Statistik der A. 135.
Aphasie 334.
— Behandlung der A. 321.
— amnestische und transcorticale motorische
1772, 1848.
— und Amusie 1633.
— und Geisteskrankheit 123.
— bei Japanern 760.
Die Leitungs-A. 844.
— motorische, und Apraxie 30.
— — mit Agrammatismus 658, 844.
— — subcorticale 1391.
— — Wiedererziehung bei A. 650.
-transitorische 844.
Aphthae tropicae s. a. Sprue 335.
Apparat zur Bestimmung der Chloride im Harn 84.
Apparate, neue elektrische, Oscillodor und Un¬
dostat 466.
Appendicitis 1085.
— acute, 560 Operationen bei A. 82.
— — im Verlauf von Varicellen 270.
-eitrige 1428.
— Aetiologie der A. 845.
Arbeiten über A. und verwandte Gebiete 1821.
— Behandlung der diffusen Peritonitis bei A. 898.
— chirurgische Behandlung der A. 366.
— chron. Insuffizienz der Valvula Bauliini bei
A. 1283.
-und Skoliose 170.
-Differentialdiagnosc ders. 1876.
— Diagnose 1875, 1962.
— Diagnostik der A. im höheren Alter 124.
— Schwierigkeiten der Diagnose der A. 414.
— Fehlerquellen der A.-Diagnose 996.
— Erblichkeit der A. 82.
— fibroplastica 1330.
— Frühoperation mit Schluss der Bauchwand
ohne Drainage bei A. 1376.
— akute und Gravidität 761, 1331.
— angebliche in der Schwangerschaft 1233.
Appendicitis oder Hysteroneurasthenie? 1211,
1271.
— in Ostasien 1528.
— allgemeine peritoneale Reizung bei A. 1097.
— secundäre bei Scharlach 168.
— seltene Art des Abseesses bei A. 770.
— und Würmer 1046, 1504.
— Wie vermeiden wir Irrtümer bei der Diagnose
der A.? 1337, 1387.
— Ursächliche Beziehungen zwischen Mandel¬
entzündung und A. 762.
— Ursache der A. 1105.
Appendicostomic bei schwerer Colitis 711.
Appendix, Carcinom der A. 124.
— primäres Carcinom der A. 1S5.
—- Carcinom beim Kinde 1200.
— Zur Chirurgie der A. 1330.
— Einklemmung der A. 1428.
— Eigentümlicher Befund in der A. 32.
— Erkrankungen der A. nach Diphtherio 366.
— gesunder und kranker 912.
— mit Kotsein und Bandwurmgliedern 1340.
— Anormale A.-Lagc 1556.
— Die durch Oxyuris vcrmicularis hervorgerufenen
Veränderungen in der A. und Genese der
Appendicitis 168.
— Physiologie der A. 1152.
— Röntgenuntersuchung der A. 1429.
— Spontanamputation der A. 374.
— -Schlingenbruch 711.
Appendixoperation Beschwerden nach A. 1428.
Appendixperforation in die Flexur 1198.
Appendixperitonitis, diffuse eitrige, Behandlung
der A. 561.
Appendixstein, abnorme Form von A. 40.
Apraxie, Klinischer und anatomischer Befund zur
Lehre von der A. und der „motorischen
Sprachbahn* 559.
— und Stirnhirnaffektion 226.
— Lokalisation der A. 1527.
Apyron bei Gelenkrheumatismus 556.
Arachnodaktylie 611.
Arbeiterkost,' Die A. und die Grundsätze der
Ernährung 1721.
Arbeiterversicherungsmedizin, Lehrbuch der A. 23.
Argatoxyl, Wirkung des A. bei septischen Er¬
krankungen 172, 893.
Argentum colloidale 1146.
Arhythmia perpetua 1044.
— — Einwirkung der Digitalis bei A. 956.
— — Elektrocardiogramm der A. 79.
Arhythmie, respiratorische, undVagusprufung 957.
Armeekrankheiten, Lehrbuch der A. aus dem
Jahre 1772 1473*.
Armnerven, Schussverletzungen der A. 1761.
Arsalyt bei Behandlung der Syphilis 576.
Arsen, Schicksal des A. nach subcutancr und
intravenöser Salvarsaninjektion 556.
Arsenerythem 576.
Arsenik, Einfluss des A. auf den Blutbefund 120.
Arsenikesser und Arsenvergiftung 1751, 1773.
Arseniklähmung 235.
Arsenobenzol s. Salvarsan.
Arsentriferrol, Verträglichkeit des A. bei Magen¬
krankheiten 22.
Arsenverbindungeu, organische, Handbuch der A.
166.
Arsenwirkung 1150.
— auf innere Organe 1277.
Arteria axillaris, Naht der A. wegen Stichver¬
letzung 1148.
— brachialis, Naht der A. und des N. medianus 38.
— — Aneurysma ders.
— — Aneurysma arteriovenosum derselben 1901.
— centralis retinae, Veränderungen der A. bei
Arteriosklerose 1332.
— — — Sklerose, Thrombose und Aneurysma
der A. 1332.
— cerebelli post, inf., Atypischer Fall von Ver¬
schluss derselben 1555.
— cilioretinaiis, Sogenannte Embolie einer A. c.
1750.
— femoralis, Aneurysma traumaticum der A. 334.
— — Resektion derselben 1902.
— hepatica, Aneurysma im Bereich der A. 364.
— subclavia, Ligatur derselben 1903.
Arterien, Palpabilität der A. 1633.
— Ungewöhnliche Verkalkung der A. 1328.
Arterienverpflanzung 1101.
Arterionekrose beim Säugling 894.
Arteriosklerose, Einfluss der Gemütsbewegungen
und geistiger Ueberanstrengung auf das Herz,
insbesondere auf die Entstehung der A. 319.
— Entstehung der A. und der weissen Flecke
des Mitralsegels 894.
— Gestalt der Gefässlichtung bei der difiusen
und knotigen A. 1278.
— Heilverfahren bei A. 842.
—■ Welchen Einfluss hat die Jodtherapie bei A.?
842.
— Mechanische Genese der A. 1043.
— Missbrauch der Diagnose A. 1689.
— Stoffwechselgenese der A. 1384.
— Vergleichende Bewertung der Medikamente
bei Hypertension der A. 557.
— und Unfall 1087.
Arteriosklerotische Herzerkrankungen, Prognose
derselben 1469.
Arteriovenöse Anastomose am Oberschenkel nach
Schussverletzung 1825.
Arthigon, Ueber A. 1708.
— intravenöse Injektionen 408.
— Behandlung des Trippers mittelst intravenöser
A.-Injektionen 1473.
— Blutbefunde nach intravenöser A.-Injektion
1280.
— bei gonorrhoischen Komplikationen 1473.
— Wert intravenöser A.-Injektionen bei gonor¬
rhoischen Prozessen 28, 1747.
— und Iritis 27.
Arthritis, Entstehung der A. 1227.
— acromialis traumatica 1102.
— chronica 80, 230.
— — Differenzierung der als A. geführten Krank¬
heiten 319.
— cricoarytaenoidea sinistra 238.
— deformans 1424.
— — Entstehung der freien Gclenkkürper und A.
1281.
— — Rolle der Knorpelnekrosen in der Patho¬
genese der A. 1230.
-im Lichte neuerer Forschung 1342.
— — Mikroskopische Befunde bei A. 265.
-Neues zur Pathogenese der A. 570.
-Wesen der A. 170.
-und Schilddrüse 626.
— — juvenilis und eingesenktes kongenital
luxiertes Hüftgelenk 170.
-coxae 93, 1146.
— — posttraumatica 574.
— gonorrhoica 381.
-Arthigonbehandlung der A. 179.
— rheumatoidea, Stoffwechsel, Verhütung und
erfolgreiche Behandlung der A. 942.
— traumatica adhaesiva 84.
Arthrodese, Technik der A. 812.
Arthropathie tabetique, Ist die A. eine syphili¬
tische Erkrankung 1045.
Arthrosen, angioneurotische 896.
Arzneidrogen 359.
Arzneimittel, Auffindung von A. 218.
— Dosierung der A. im Kindesalter 1224.
— neuere 556.
— Problem der Einführung von A. in das Gefäss-
system 237,
— Uebergang von A. von der Mutter auf den
Fötus 408.
Arzneimittelkommission des Kongresses für innere
Medizin 1060.
Arzneimittelunwesen, Bekämpfung des A. 1145.
Arzneiüberempfindlichkeit 558.
Arzt und Schule 1611.
Ascaris, Chirurgische Erkrankungen durch A. 1186.
— Darmperforation durch A. 170.
Ascariden in den Gallenwegen 321.
Ascaridenerkrankung 460.
— bei Kindern 170.
Ascites, Beseitigung des A. 32, 1948.
— Capillarpunktion des A. 1224.
— Operation zur Beseitigung des A. bei Lebcr-
cirrhose 673.
— nicht tuberkulöser Natur bei chronischer
Diarrhöe bei Kindern 1228.
— Ventilbildung an der Harnblase zur Ableitung
des A. 327, 368.
— Dauerdjainage bei A. 1875.
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UNIVERSUM OF IOWA
1992
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ascitesdrainige, plastische 362.
Asphyxie, Behandlung der A. 78.
Aspirin-Löslich, Bemerkungen zum A. 73.
Astereognose nach Schädelschuss bei intakter
Sensibilität 1850.
Asthenie-Enteroptose 1772.
Asthma, Adrenalinbehandlung bei A. 1246.
— Behandlung mit Hypophysenextrakt 120, 647.
— bronchiale, Das Herz bei A. 1532.
-Behandlung des A. und des chronischen
Bronchialkatarrhes durch Inhalationen von
Glycirenan mit dem Spiess-Verneblcr 733.
-und Luftdruck 1798.
— — Serumtherapie des A. 1128.
-Endobronchiale Behandlung des A. 1049.
— — Behandlung mit dem Endobronchialspray
1478.
— cardiale beim Kinde 1799.
— nasale 1000.
— nervosum, Atembehandlung des A. 769.
Astralleuchtschirm, Haltbarkeit des A. 321.
Asymmetrie, bilaterale, des Körpers 1384.
Ataxie, Orthopädische Behandlung der A. 956.
— Behandlung nach Frenkel und Maloney 1688.
— cerebellare 222.
— Familiäres Vorkommen von Friedreich'scher A.,
Myxödem und Zwergwuchs 1878. J
Atembewegung und ihre Regulation bei den ;
Panzerechsen 892.
-bei den Eidechsen 892. i
Atemlähmungen 80. |
— Behandlung von A. mit Sauerstoffeinblasung i
in die Luftröhre 986.
Atemluft, Einfluss der A. auf den Eiweiss- und I
Kohlehydratstoffwechscl 892. !
Atemverschiebung, Einfluss der Armschwere auf
die A. im Laufe des Wachstums 31. j
Athetosis, doppelseitige 1490.
Atherosklerose 460, 1691.
— der Aorta beim Kaninchen 1578.
— experimentelle 410, 1619.
— Mediaverkalkung und A. 1278.
— Günstige Wirkung des Trunecek’schen an¬
organischen Serums bei A. 381.
Atmocausis, 4jährige Amenorrhoe nach A. aus¬
getragene Gravidität 272.
Atmung, Wirkung des Calcium auf die A. 27.
— Effekt der manuellen künstlichen A. beim
Menschen 1657.
— Einfluss der A. auf Blutdruck und Plethysmo¬
gramm 663.
— der künstlich durchbluteten Hundeleber 1467.
— künstliche, neue Methode der A. 647, 1100.
— — Ventilation bei ders. beim Menschen 1950.1
— Terminale A. eines Warmblüters im abge- |
sperrten Luftraum 1467.
— Thorakal- und Abdominal-A. im Laufe des
Wachstums 31.
— Spirometrisehe Untersuchungen über die A.
von Kindern bei abnormen mechanischen Be¬
dingungen 710.
Atmungsgeräusch, vesikuläres, Entstehungswei.se
des A. 1144.
Atmungskurven, Veränderungen der A. bei Kin¬
dern mit spasmophilen Symptomen 1820.
Atonia gastro-duodenalis acuta, sogen, arterio-
mesenterialer Duodenalverschluss 1637.
Atophan bei akutem Gelenkrheumatismus 91.
— Blutharnsäure und A. 1847.
— -Suppositorien 120.
— Diazoreaktion im A.-Harn 1848.
Atoxyl, Sehstörungen nach A. 1116, 1765.
— Empfindlichkeit der Haut gegen Berührung
mit A.-Lösung 714.
Atresia ani vestibularis 953.
— recti analis 858.
Atrioventrikulartrichter, Physiologie des A. des
Froschherzens 555.
Atropin bei endo thorakalen Eingriffen 845.
— Einwirkung des A. auf die Fleischverdauung
des Hundes 119.
— bei Behandlung kranker Kinder 1249.
— bei Magenkrankheiten 362.
— bei Dysmenorrhöe 362.
— Einfluss des A. auf die eosinophilen Leuko-
cyten 1372.
Auge, Angst vor dem A. 377.
— Ernährung des A. 372.
Auge, Fehlerhafte Diagnosen am A. 722.
— Einfluss der Massage auf das Verhalten der
Tusche im A. 562.
— Temperaturverhältnisse am A. bei Thermo-
penetration 367.
— Natürliche und künstliche Temperaturer¬
höhung am A. 371.
— Saftströmung ira lebenden A. und in anderen
Organen und ihre Messung 1922.
— Entstehung angeborener Anomalien und Miss¬
bildungen im Säugetier-A. 652.
— Veränderungen und Schädigungen der A. durch
. die nicht direkt sichtbaren Lichtstrahlen 367.
— Wirkung der ultravioletten Strahlen auf das
A. 272.
— Untersuchung der A. mitBewegungsreizen 1922.
— Experimente zum pathologischen Flüssigkeits¬
wechsel des A. 1799.
— Vitale Färbung mit Trypanblau am A. 33.
— Weg und Mündung des intraocularen Saft¬
stromes am A. 473, 764.
— Ueber die mit der Verdunkelung und Belichtung
des A. verknüpften abnormen Bewegungen des
Augapfels 563.
— Filariosis des A. 83.
— und Kopfschmerz 629.
— Die hämatogene Metastase im A. 273.
— Milzbrand der Augenlider des linken A. 667.
— Experimentelle Sporotrichose des A. 562.
— Tuberkulose des A. 427.
— Erfolge mit Salvarsan am A. 993.
— Behandlung der Pneumokokkenerkrankungen
des A. mit Aethylhydrocuprein 1106.
— Luftembolie im A. 1226.
Augenbewegungen, abnorme willkürliche 1922.
Augendruck, Abhängigkeit des A. von der Blut¬
beschaffenheit 1530.
— und Blutdruck 1441.
— und Glaukom 273.
— Experimentelle Verminderung des A. 371.
Augeneiterung der Neugeborenen 74.
Augenentzündung, eitrige, interne Serumtherapie
bei A. 410.
— sympathische s. Ophthalmie.
Augenerkrankungen, Kombination organischer und
funktioneller A. 1922.
— Subconjunctivale Injektionen von Nebennieren¬
präparaten bei A. 1922.
Augengrund, Circumscripte grubenförmige Ektasie
am A. 563.
Augenheilkunde, Handbuch der gesamten A. 937,
1670.
— Chemotherapie in der A. 1922.
— lokale Anästhesie in der A. mit Novocain-
Kalium sulfuricum 562.
Augenhintergrundsbefunde, seltene bei Jugend¬
lichen 993.
Augenkammer, vordere, mikrochemische Be¬
stimmung von Kochsalz und Eiweiss in der A.
und das Wesen des subconjunctivalen Koch¬
salzreizes 1197.
Augenleiden, Lichttherapie bei A. 367.
— infolge Erkrankung der Nase und ihrer Neben¬
höhlen 722.
— Zusammenhang zwischen Nasen- und A. 563.
— Höhe des Hirndrucks bei einigen A. 1773.
— Mesothoriumbehandlung der A. 987.
— filariotische, der Südsee 992.
— im Kriege 1774.
Augenleuchtcn bei den Tieren 1876.
Augenlid, Vitiligo des A. und Poliosis nach
stumpfer Gewalt 1922.
Augenlinse, Wirkung verschiedener Strahlungen
auf die A. 1750.
Augenmigräno, Beitrag zur A. 1652.
Augenpräparate, Neue Methoden, makroskopische
A. in natürlichen Farben zu konservieren
372, 803.
Augenpulskurve, Form der A. 1441.
Augenquetschung 367.
Augenschädigungen durch Licht 92.
Augenstörungen bei einem Fall von Myxödem 1749.
Augentumoren, Radium- und Mesothoriumbe¬
handlung von A. 1236.
Augenunfallkunde, Fachausdrückc in der A, lj*&4Bakteriurie 1247.
Augen Verletzungen im Kriege 1753.
— Verwendung von Bindehaut bei A. 562, 1087.
--- Diagnostik der Fremdkörperverletzungen des
A. und Indikation und Technik der Mapet-
extraktion 803.
— schwere A. durch den Inhalt eines Golf¬
balles 1582.
— Erfolgreich extrahierte Kupfersplitterver-
letzungen 906.
— HysterischeSelbstverlctzung mit frisch kristalli¬
sierter Soda 1564.
— Suicidal-V. des A. 1561.
Augenzittern, Graphische Registrierung des \
1612.
Auroplastik 1581. m
Autochromaufnahraen der Mundhöhle und Vagiual-
portion 141.
Autoimplantalien von Nierengewebe 1797.
Autoseruminjektionen, Wirkung ders. bei genuiner
Epilepsie 1652.
Autoplastik 1139.
— freie 1653.
Azotämic 119.
B.
Bacillen, säurefeste, metachromatische Körper¬
chen in den B. 501.
Bacillenruhr, Klinik derselben 1750.
Bacillenträger, Ausscheidung der Tvphusbacillen
durch B. 1176.
— und Invalidenrente 1132.
Bacilluric ohne Tuberkulose der Harnwege 1002.
Bacillus bulgaricus, Variabilität des B. 757.
— emph. Fraenkel, Wundinfektion durch 1849.
— faecalis alcaligenes als Krankheitsträger 413.
— fusiformis, Rolle des B. als Eitererreger 859.
— pyocyaneus, Beziehung dess. zur Geschwürs-
bildung 1600.
Bacterium coli, Gegenwart von Zucker in der
zum schnellen Nachweis von B. im Trink¬
wasser dienenden Neutralbouillon 1187.
— enteritidis Gärtner, Sektionsbefund bei In¬
fektionen mit demselben 1468.
Bad, Anwendung des kontinuierlichen B. (Wasser¬
bettes) 1903.
Bäder, Wirkung 1083.
—- mechanische, in der neurologischen Praxis
709, 1688.
— warme, Einfluss auf den Blutdruck und Puls¬
frequenz des Kaninchens 1553.
— Einfluss von B. auf Körpertemperatur und Blut¬
druck 707.
Bakterien, Wirkung der Abkühlung auf die
kleinsten Tröpfchen von B. 1279.
— Chemie der B. 939.
— Differenzierung von B. mittels der Abder-
halden’schen Methode 1280.
— Verhalten der B. gegen einige Blutfarbstoff-
derivate 1099.
— Bestrahlung der B. und die bestrahlte Vaccine
— Wirkung der ultravioletten Strahlen 3uf B
1188.
— Wirkung von chemotherapeutischen Präpa¬
raten und anderen Antiseptica auf B. 75 1 -
— Lokalisation der B., Veränderungen des
Knochenmarks und der Knochen bei Inj«'
tionskrankheiten im ersten Wachstumsalter Zw-
— Pathogenität und Virulenz von B. 461-
— Vererbung und Variabilität bei B. 1919-
Bakterienfermentc, Einwirkung von B. auf ton
serviertes Gewebe 1673.
Bakterienmutation 1919.
Bakterienprodukte, Methode, nach der man ein
rasche und tödliche Vergiftung mit 1
Vorbringen kann 609.
Bakteriensteine im Nierenbecken 167.
Bakterientoxine, Heilung der Neuralgie um 1
ritis durch B. 1807, 1841.
Bakterienwachstum und Anilinfarben
Bakteriologie, Apparate und Arbeitsme
der B. 1277.
Augenveränderungen bei Schwangerschaft und
Geburt 1556.
Augenverletzungen 854.
Balkankrieg, Erfahrungen während des zweiten
B. 1058, 1873. . p IS4 >.
Balkenerweichung, Symptomatologie uer >•
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Balkenstich bei Epilepsie und Idiotie 1006. |
— Anton v. Bramann'scher B. 1529. 1
Ballonbehandlung mit tierischen Blasen 899.
Balneologie, amerikanische 30.
— Veröffentlichungen der Centralstelle für B. 1945. |
Balneotherapie und Hautkrankheiten 846.
Bandagen für Appendicitisnarben und Bauch- i
brüchc 1582. I
Bandwurmiipoide, Antikörperbildung gegen B. 412.
Bandwurmseuche der Fische 1290. j
Banti’sche Krankheit 1392. ’
— — Milzexstirpation bei B. 1139, 1427. J
-Streptothrixinfektion als Ursache der ß. 121J
Bantimilz 1603. I
Barany’scher Zeigeversuch 1247. I
Bariumsulfat als Kontrastmittel in der Röntgen- '
diagnostik des Magendarmtraktus 1046. j
Barlow’sche Krankheit, Alkoholextrakt aus Vcge- !
tabilien als Träger heilender Stoffe hei B.
1227. 1
Barlowschutzstoff, Zur Frage desselben 1820. j
Bartholini’sche Drüse, Primäres Careinom der- j
selben 1557. i
Basedow’sche Krankheit, Pathologische Anatomie 1
und Klinik derselben 1528.
— — Alimentäre Galaktosurie bei derselben
1526.
— — Gleichzeitiges Auftreten der B. und Tabes 1
1469.
-— Oporative Erfolge bei Behandlung derselben j
1551, 1556.
— — Behandlung derselben mit Röntgcnbe- 1
Strahlung 1798, ^ f
Basedowsyndrom 1427.
Bassini’sche Operation 366. J
Basis eranii externa s. Schädelbasis.
Bauchbruch s. Hernia vcntralis. j
Bauchdecken, Döcollement traumatique der B. !
271. ;
Bauchdeckenfett, Reduktion des B. 612. J
Bauchdeckenplastik 1086.
Baucheingeweide, Einfache Aufnahmetechnik zur ;
Röntgenuntersuchung der B. 1764.
Bauchschussverletzungen, 120 B. aus dem Balkan- 1
kriege 1528. [
— operativ geheilte 91.
Wie kann man die Mortalitätsziffer der B.
im Kriege herabsetzen? 10S9. 1473.
Bauchwand, vordere, Lipom der B. 336.
Bauchwandüberlappung bei postoperativem Bauch¬
bruch 1948.
Bauweise, offene, bei Städteanlagen 323. ■
Becherprimel, Hautreizende Wirkungen der B. 1467.
Bechterew’sche Krankheit 990. i
-Seltener Fall 1733.
Becken nach Robert, beiderseitig ankylotischcs B. i
223.
— Genese des Naegele’schen B. 1953. \
— pscudo-osteomalacisches, und Gravidität 414.
Beckenboden und Prolaps 272.
Beckenhochlagerung, Siegeszug der B. 1330.
Beckenluxation 710.
Beckenmessapparat 912.
Beckenmessung, röntgenologische 125.
Beckenniere 1147.
Beckenruptur in der Geburt 664.
Beckensarkome, primäre 1556.
Beckentumor, entzündlicher,Heilung von B. mittels
galvanischer Schwachströme 1095.
Beckenveränderung bei Hodenatrophie vor der
Pubertät 80.
Beckenverengung durch Pfannenbruch, Gcburts
meehanismus bei ders. 1799.
Behaarung, allgemeine, bei 3jährigem Kind 1393.
Beine, künstliche 1901.
Beinerkrankungen, Ambulante Behandlung
schmerzhafter B. 1084.
Beingeschwür s. Ulcus cruris.
Beinieren 1641.
Belegzellen im Magen der Schildkröte 1797.
Bence-Jones-Eiweisskörper bei luetischerKnochcn-
affektion 1563.
Benzinsucht, Suggestionsbehandlung der B. 186.
Benzinvergiftung 267.
Berge, Physiologische Wirkung des Klimas auf
hohen B. 1612.
Bergoniö-Apparat in der Unfallheilkunde 1582.
— Verfahren 1328.
Beri-Beri, experimentelle 1227. j
— — Einfluss des gesamten Verbrennungswertes i
einer Nahrung auf die zur Verhinderung von j
B. erforderliche Vitaminmenge 1329. I
— — und lipoidfreie Ernährung 938. i
— — Morbus Basedow bei B. 1088. j
— — Beziehungen der Polyneuritis der Hühner ,
und Tauben und ihre Beziehungen zur B. S
des Menschen 756.
— -Krankheit 413, 1466. I
Berliner medizinische Gesellschaft, Vorstandswahl!
i 323 .
-— Bericht über die Tätigkeit im Jahre 1913 j
323.
— — — Bericht über das Langenbeck-Virchow-
Haus 323.
— — — Kassenbericht 324.
— — — Bericht über Bibliothek und Lescsaal
325.
Bernhard, M., zum 70. Geburtstag 723.
Berufsdeformität, Mängel der sozialen Fürsorge
bei B. 1384.
Berufskrankheiten, Einziehung bestimmter ge¬
werblicher B. in die staatliche Unfallversiche¬
rung 572, 1132.
Beschäftigungslähmung des Serratus 952.
Besiedlung, weisse, im Norden des deutsch-siid*
westafrikanischen Schutzgebietes 1088.
Bestrahlung, Intensiv- oder Daucr-B. 267.
— tiefliegender Carcinome 1712.
Beta-Imidozolyläthylamin, Wirkung des B. (Irnido-
Roche) auf den menschlichen Uterus 842.
Betain, Verhalten der B. bei der Fäulnis 1042.
Bevölkerungsbewegung, Tabellen der B. Berlins
1911 408.
Bewegung, sonderbare ticartige, rhythmische 853.
Bewegungsorgane, Berufs- und Unfallkrankheiton
der B. 359.
Bezoare in der alten und modernen Medizin 1471.
! Bibliographisches System der Naturgeschichte und 1
der Medizin 1797. 1
Bilharziosis, Phenokoll bei Filarienerkrankung
und B. 1088. 1
1 Bindegewebe, cutanes und subcutanes als plas¬
tisches Material 222.
Bindehautamyloid bei Trachom 1903. j
Biologie, allgemeine, Einführung in die B. 985. j
Biologischer Unterricht an den bayerischen Gym¬
nasien 1489.
Biologisch-optische Probleme 1080.
Bismutum colloidale, Wirkung des parenteral ein-
| geführten W. auf die Niere 1096. I
'■ — subnitricum, Ursachen der Nitritvergiftung
i durch B. 705.
Bisskrankheit, Aetiologio und Klinik der B. 1047.
i Blase, Schrapncllkugel in der B. 1774.
— Entfernung einer russischen Masehinengewehr-
! kugel aus der B. durch die Urethra 1882.
Blasensehcidenfistel 854.
— Präparat einer geheilten B. I486.
Blasenspalte 1633.
— operativ geheilte 1436.
Blasenstcine, Entstehung und Behandlung der B.
334.
— chinesische 322.
Blasentuberkulosc, mit Lecutyl geheilt 1467.
Blasentumorcn, Behandlung mit Hoehfrcqucnz-
strümen 1627.
— Mesothoriurnbchandlung von B. 1535.
Blasenverletzungen durch Schrapnellkugeln 1876.
Blastomykosc Gilchrist 1343.
Blattern, Diagnose ders. 1708.
Bleikolik, Vermehrter Ilarnstoffgchalt des Blutes
bei B. 1152.
Bleikranke, Neurasthenie der B. 462.
Bleivergiftung 122.
— chronische 1490.
— Gift und Krankheit nach Beobachtungen an
experimenteller chronischer B. 120.
— Aefiologie von B. in Glashütten 860.
— Untersuchung von 100 Malern auf B. 1378.
— und Tulaarbeit 91, 1087.
— durch Wasserleitung 415.
— Wassermann'sche Reaktion bei B. 1001.
Blendungsretinitis s. Retinitis.
Blennorrhagie, Immunotherapic der akuten B.
1117.
Blcnnorrhoca adultorum 90.
Blennorrhoea neonatorum, Behandlung ders. 562,
893.
-geheilt mit Vaccine 1046.
Blick, Angst vor dem B. 1087, 1332.
Blicklähmung, associierte seitliche, nueleäron
Charakters 1338.
Blinddarmanhang s. Appendix.
Blut, Ucber das B. 458.
fr* Adrenalingebalt des 13. 989.
— Eiweissgehalt des B., besonders bei Tubciku-
lose 1130.
— Esterase des B. 360.
— Kommt Jod im B. vor? 1524.
— Unterscheidung mütterlichen und fötalen B.
H87.
— leukämisches, Kultivierungsversuche von B.
1278.
— Konzentration des arteriellen und venösen B.
in Paris, Charnonix und den. Mont Blanc
892, 1277.
— Vermeintliche Kigcnstrahlung des B. nach
vorausgegangener Röntgenbestrahlung 1821.
— Farbige Mikrophotogramme nach Furniere zur
vergleichenden Entwicklungsgeschichte des B.
352, 369.
— Eigenschaften des B. bzw. Serum nach Ein- '
Wirkung von Röntgcnstrahlcn 366.
— Morphologische Eigenschaften des B. bei Dia¬
betes mellitis 396.
— Studien über Kohlensäurcspannung des ve¬
nösen B. mittels des neuen tragbaren Gas-
interferometers 29.
—- Phenolphthaleinprobe auf okkultes B. nach
Boas 1469, 1600.
— Verhalten des B. bei steriler Autolyse und
Entstehung von Hämosiderinpigment 1632.
— Photoaktivität des B. 938.
— Form des Kalkes im B. 986.
— Einfluss der Muskelarbeit auf den Gehalt des
B. an Zucker und Milchsäure 1018.
— Wirkung des B. auf den isolierten Dünn¬
darm 1080.
— Wirkung vermehrter Flüssigkeitszufuhr auf
die Zusammensetzung des B. 1098.
— Bedeutung der Wasserstoffionenkonzentration
des B. und der Gewebe 1183.
— des Weibes in der Geburt und im Wochen¬
bett 614.
Blutalkalität, mit besonderer Berücksichtigung
der Acidosis 569.
Blutanomalie, Behandlung der B. mit Diirkheimer
Maxquelle 896.
Blutbefund im Dunkelfeld 1390.
Blutbild beim Hunde mit Eckschcr Fistel 361.
— Einfluss des vegetativen Nervensystems auf
das B. 998, 1184.
— Thymus und Ovarien 75.
— bei Tuberkulose 1082.
— Beeinflussung des anämischen B. durch In¬
fektionen 1899.
Blutbildungszellen in der Leber bei Syphilis
congenita 1899.
Blutdruck des Menschen 1126.
— normaler, im Kindesaltcr 1229.
— des Frosches 1326.
— während des Einschiessens der Milch 82.
— Einfluss der Atmung auf B. und Plethysmo¬
gramm 663.
— Wirkung des Chloroforms und Aethcrs auf
den B. 611.
— Einfluss der Hitze auf den B. 609, 843.
— Lehre vom B. und die optische Blutdruck¬
messung 596.
— Bestimmung des systolischen und diastoli¬
schen B. 799.
— bei physischer und psychischer Ermüdung
1533.
— Einwirkung des Ilvpophvsisextraktes auf den
B. 647.
— Beeinflussung des B. in den Capillaren der
Haut 1707.
— Wirkung von Uzara auf den B. 361.
Blutdruekmcssapparat bei Anämisierung von Ex¬
tremitäten 1049.
Blutdruckmesser, transportabler 1946.
Blutdruckmessungen bei Alkoholikern und funk¬
tionellen Neurosen unter Ausschluss von
Kreislaufstörungen 79.
G
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UNIVERSITY OF IOWA
1994
Blutdruck-hohe, Beziehungen der Nebennieren ,
zur normalen B. 160. [
Blutdruckuntersuchungen undEncrgomcterstudicn i
im Hochgebirge bei Herz- und Kreislauf- '
Störungen 758.
Blutdrüsen, Die Erkrankungen der B. *217.
Blut-driisenextrakt, Wirkung einzelner B., insbe¬
sondere auf den respiratorischen Stoffwechsel
bei Blutdrüsenerkrankungen 207.
Blutentnahme, Technik der B. und intravenösen
Infusion 801.
Blutentziehung, Theorie und Praxis 1790.
Bluterkrankungen, Splenektomie bei B. 1046.
Blutfermente des gesunden und kranken Orga¬
nismus und ihre Bedeutung für Physiologie
und Pathologie 2*24, 557.
Blutgefäss, Verhalten der B. in natürlichen
kühlcesäuiehaltigen Solbädern 958.
— Druck in den kleinsten B. 1080.
Blutgefässchirurgie 181.
— Der gegenwärtige Stand der B. 1489, 1045,
1667. “ i
Blutgefässnaht, Kriegschiriirgisehc Erfahrungen
über B. 1907.
Blutgerinnung, Wesen der B. 796.
.— lieber Fibrin und Wesen der B. 300.
— Studien zur B.-Lehrc 1505.
— in Körperhöhlen 1437.
— Aufhebung der B. in der Pleura 200.
— Gerinnbarkeit des B. in den ersten Lebens-
wochen 1227.
— Einfache Methode zur Bestimmung der Ge-
rinnungszcit des B. 799.
— Rolle der Lipoide bei der B. 497.
— Ultramikroskopisehc Studien über B. und
Thrombocyten 892.
— nach parenteraler Zufuhr von Eiweisskdrpcrn
989.
— insbesondere bei endemischem Kropf 320.
Blutgcrinnungsbestimmung 41;>.
Blutharnsäure, Untersuchungen über B. 939, 1005.
— und Atophan 1847.
Blutkörperchen, Verhalten sensibilisierter B.
gegenüber physikalischen Einflüssen 988.
— rote, Chlorgehalt der roten B. und seine Ab¬
hängigkeit von der Suspensionsflüssigkeit loC.%,
— — Artspe/ifische Eigenschaften der B. 0*23.
-Einfluss konzentrierter Salzlösungen auf
die B. 29.
— — s. a. Krythrocyten.
Blutkörperehcnziihlung, Vereinfachte Methode
1876,
Blutkonzentrationsbestimmung! Klinische Be¬
deutung der B. 79, 009.
Blutkrankheiten, Konzentration des Blutserums
bei Anämie und B. 319.
— und ihre chirurgische Behandlung 1<4, 40;>.
— Nucleinsäure bei B. 1185.
— Röntgcnstrahlenbehandlung bei B. 1408. I
Blutkreislauf, Reaktion des B. auf psychische
Vorgänge 221.
— Der extraeardialo B. vom Standpunkte der
Physiologie, Pathologie und Therapie 1031.
Blutlymphdtiiscn 42.
Blutmenge,' Neuer Apparat zur Bestimmung der
B. im lebenden Organismus 1957.
Blutmengebestimmung, Apparat zur B. 1533.
Blutparasiten, Lumicrebildcr von B. 1292.
Blutprobe nach Boas 795.
— Neue Boas’sche B. für Stuhluntcrsuchung 1848.
— neue im Urin 997.
Blutserum, Physikalisch-chemische Untersuchun¬
gen von B. 1577.
_ Refraktomctrisclic Bestimmungen von B. und
Transsudaten 1280.
— Unbekannte Eigenschaft des B.^ von Neu¬
geborenen und Schwangeren 1277.
— Bisher unbekannte Substanz im B. 707.
— Gehalt des B. an adialysablem Stickstoff 010.
— Verhalten des B. Gesunder und Kranker gegen¬
über Plaeentaeiweiss 798.
— Fermentative Vorgänge im B. 959.
— Auxowirkungen und gebundene Aminosäuren
des B. 1407.
— Die angeblich antitryptische Wirkung dess.
1940. ,
Blutstillumr,FermentativeB. durchCoagulcn 14<0.
- - an gro>sen Gelassen ohne Naht 1900,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Blutstillung, Coagulcn Kocher-Fonio in der Rhi-
nologic 77.
— durch Anwendung lebenden Gewebes 1428.
— fermentative 1393.
Bluttransfusionen, grosse 1133, 1862, 1892.
— aus Gaszylindern 1*21.
Blutung ex vacuo, Seltener Fall 1535.
— Behandlung bedrohlicher B. während der Ge¬
burt 1184.
— Behandlung bedrohlicher B. nach der Geburt
1376.
— postpartale, Bekämpfung der B. durch intra¬
venöse Hypophyseninjektionen 323.
— Erystypticum bei 1». S43.
— Lehre von den okkulten ß. 1403.
— Nachweis okkulter B. in den Fäccs 1470,
1899.
— Neue Methode zur Stillung parenchymatöser .
B. 1947.
— parenchymatöse, Neue Methode zur Stillung 1
von B. 1103. i
— genitale s. Genitalblutung.
— bei einigen inneren Krankheiten 800.
— Trcndelcnburgösehe Lage bei schweren B. i
nach der Entbindung 651.
— Veränderungen des Blutbefundes durch 1». bei ,
Schwangerschaft und Entbindung 651. I
BI ui Untersuchungen, Neues zur Technik der B.
063, 936. j
— im Hochgebirge 1391.
— bei tuberkulösen hindern 1130.
Blutveränderungen durch Bakterien 329. ,
Blutzirkulation, Mechanische Beeinflussung der '
B. durch die Luftdruckerniedrigung im Höhen¬
klima 1223.
Blutzucker, Verteilung des B. auf Blutkörperchen
und Blutplasma 942.
— Mikroanalyse des B. 332, 300.
— hei Morbus Addisonii 1581.
— der Säuglinge 710.
— virtueller 119.
— Verhalten des B. bei Kohlehydratkurcn und
über den Wert der B.-Bestimmung für die
Therapie des Diabetes 989.
Blutzuckerbestimmung 25, 555, 579.
— kolorimetrischc 1581.
— Neue Methode der B. 121.
Blutzuckergehalt. Einfluss der Menstruation auf
den B. 89G.
Blutzuckerprobe, qualitative, Modifikation der
Bang'sehen B. 609.
Blutzuckerspiegel, Zuckerresorption und B. 1900.
Bronchialdrusen, Kontenphotograpbie bei Er¬
krankung der B. 413.
Bronchialdrüsentuberkulose 168.
— intumescierende 1343.
Bronchialfremdkörper 1049, 1477.
Bronchialkatarrh, Gefäss- und Herzmittel bei B.
986.
Bronchialmuskel, Funktion der B. 26.
Bronchien, Kongenitalo Dilatation der B. 479.
Bronchitis, Akute fötide diphtheritische B. 121.
— Verhalten der Bronchialmuskulatur bei akuter
und chronischer B. 1578.
— Bisher nicht beobachtete Moniliaart bei chro¬
nischer B. 379, 1554.
Bronchotetanie 1875.
— der Erwachsenen und ihre Behandlung mit
Calcium 362.
Bronchus, Grashalm in der Bifurkation des
rochten B. 900.
— Perforation eines erweichten Lymphknotens
in den B. 336.
Bronzediabetes 987.
Brotnot unserer Zeit 1876.
Brown-Söquard’sche Lähmung, Symptomenkom-
piex 1790.
Brustdrüse s. Mamma.
Brustkorbsenkung, Klinische Bedeutung derB. 280.
Brustorgane, Stimmgabel und Stethoskop zur Ab¬
grenzung der Bauch- und B. 609.
Bubo, purulenter, Behandlung des B. mit Tiegel-
schen Spreizfedern 409.
Buckv-Effekt, Durchleuchtungskorapressorium mit
B. 170.
Bukarest, Gesundheits'verhältnisse in B. 563.
Bulbärecntrum, vasomotorisches und herzhemmen-
des, Periodische Automatic des B. 1127.
Bulbärparalyse, Erscheinungen von B. und
Acusticusstörungen nach Starkstromvcrletzung
713.
— akute 668.
— obere 1375.
Bulbus, Lageveränderungen des B. in der Orbita
562.
— Orbitale Verschieblichkeit des B. bei hoch¬
gradigen Rcfraktionsanomalien und intra¬
okularer Drucksteigerung 1087.
— Fall von Contusio bulbi 1876.
— venae jugularis, Behandlung der Thrombose
des B. 230.
c.
Blutzuckeruntersuehung in der Praxis 674.
Boas'sehe Blutprobe, neue, für Stuhlprüfung 1848.
Boeek'schcs Sarkoid 1600.
Boehm, Rudolph, zum 70. Geburtstag 962.
Borameisensäure als Katalysator beim physio¬
logischen StolTwechsel 1898.
Brachialis-Wel lensehreibung 1579.
Brachialneuralgie und ein eigcntiimliehcsSymptom
bei ders. 1593.
Braehyphalangic 1341.
Brasilien, Medizinische Ucisecindriiekc aus B. 185.
Brcehakt 938.
Brechdurchfall, Behandlung des akuten B. der
Säuglinge 559, 008.
Brchm's Tierleben 1706.
Brief, Offener Brief an die Redaktion des Boston
medical and surgical journal 1715.
BrighUsche Nierenkrankheit 1408.
| Brille, Der Werdegang der B. 7*22.
Brillen ab s t and m esse r 1922.
Bromnatrium als Unterstützungsmittel bei Lokal¬
anästhesie 84*2.
Bromoderma 1925.
Bromtherapic 1798.
Bromural, Studien über B. 842.
Bronchektasien, Angeborene B. und angeborene
Wabenlungc 1032.
— Behandlung der B. und chronischen Bronchitis
1.081.
— Pneumothoraxbehandlung von B. 1650.
— Radikale Behandlung ders. 1556.
Bronchialbaum, Wismut im B. bei Oesophagus-
carcinom ohne Perforation nach den Luftwegen
1821.
Bronchialcarcinom 141.
— primäres, mit Magenmetastasen 335.
Calcaneus, Drahtextension am G. 1821.
— Operative Behandlung der C.-Fraktur 951.
— Rissfraktur des C. 801.
Calcium, Wirkung des C. auf die Atmung 27.
— gegen entzündlich gynäkologische Prozesse
1081. , ,,
— und Phosphor beim Wachstum am Ende der
Kindheit 123.
Calciumbehandlung der Spasmophilie 18
Caleiumchlorid, Einfluss des G. auf die Gevrinnung
der Milch 26.
Calciumsalz, Einfluss der C. auf die Bildung
Transsudaten und Exsudaten 986.
Calciumtherapie 1243.
Calmonal, Ein neues Sedativum 1864.
Calomelinjektion, Multiple Hämorrhagien naciu.
842. , ,
Campher, Intravenöse Einführung des 1. 1- •
— Wirkungsbedingungen des C. 812.
Camphergruppe, Untersuchungen in der ® *•
Camphcröl, Kombination von Aet-hcr mit t.
Cancer s. Carcinom.
Cancroid, primäres, der Lunge 78.
ltiple 1391. A1 . vrtn
trdesinfektionsmethode zur Entkeimu i,
ch, Wasser u. dergl. 1557.
lum radii, Frakturen^des Collum um
nh<5finnm_ ossäres 152.
Organismus 1900. . , r0 zen-
Carbol-Campherspiritusinjektionen, 1U r
tige, gegen Phlegmonen 1947.
Carboivergiftung 986.
Carcinom, Entstehung des C. WM.
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Original fram
UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1095
Carcinom, Gesamtmortalität an C. in Preusscn
im Jahre 1913 675. I
— Lohre von der humoralen Entstehung der C.
nnd der Einfluss dieser Lehre auf die 1
Therapie 706.
— Bedeutung der pathogenen Blastomycctcn für
die Aetiologic des C. 1279.
— pathogene Beziehungen organischer Säuron
zum C. 674.
— Beziehungen sterischer Atomgruppen zum ,
G. 844.
— spontane Heilung von Myom und C. 82. j
— Topographie des C. in Bayern 1096.
— Histologie bestrahlter G. 1485, 1516.
— a deux, Statistik des C. 78.
— des Handrückens als Spätfolge einer Kriegs- |
wunde 1589.
— multiple, in Leber, Darm, Ovarien 575. i
— des Ohrs 423.
— sarcomatodes der Mamma 82.
— schleimhaltiges, dor Parotis 718. 1
— spontanes 167.
— uteri s. Uteruscarcinom. f
Carcinombehandlung, Chemische Grundlagen für
C. 79.
_ kombinierte mit Mesothorium, Röntgenstrahlen
und intravenösen Injektionen 220.
_ Mesothorium bei C. der Haut und andrer
Organo 60.
— mit Mesothorium 207, 361.
— Behandlung der Genital-C. mit Mesothorium 1
755. j
— mit Radium 285, 625. i
— Probleme der C. im Zeichen der Radio¬
therapie 1184.
— Operation oder BestrahlungV 1184.
— Indikationsbereich der Behandlung der C. ’
mit radioaktiven Stoffen 790, 804.
— Schädliche Folgen der Uadiumhchandlung
des C. 674.
— Bewertung der Röntgenstrahlen in der Thora- !
pie des C. 909.
Röntgenbehandlung des ('. 949, 1578.
-- Dosierung bei der Röntgenbehandlung des C.
712.
— Röntgentechnik bei C. 198.
— Wandlungen in der C. mit Röntgenstrahlen
1578. |
— Gefahren der Reizdosen bei der Röntgen-!
bchandlung von inoperablem C. 900. '
— Heilung tiefliegender C. durch Röntgcnbc- !
Strahlung 1554. j
— Strahlenbehandlung der C. 193, 330, 1599. ]
— Bestrahlung tiefliegender C. 1712.
— Ersparnis an strahlender Energie bei der Be¬
handlung des inoperablen C. 77.
— zur Klärung der Aktinothcrapieprublcme bei
C. 415.
— unblutige 1081.
Carcinomdiagnose, Sicherung der C. 224.
— nach Abderhalden 178, 8G7, 959, 1491.
— Serologische Frühdiagnose des C. nach Abder¬
halden 557, 572, 706, 1328.
— Die Verwendung der Abderhalden'schen Re¬
aktion bei C. und Tuberkulose 356.
— Zur Sicherung der C. 254. !
— Bedeutung des kolloidalen Harnstickstoffs liir
dio C. 1581. 1
— Bedeutung der antitryptischen Reaktion des
Blutserums für die C. 190.
— Mciostagminreaktion bei C. und Schwanger¬
schaft 798.
Carcinomforschung, Derzeitiger Stand der experi¬
mentellen C. 994.
Carcinomfrage, Beitriigc zur C. 121.
Carcinomheilmittel in Theorie und Praxis 894.
Carcinomkranke, Auskunfts- und Fürsorge-steile
für C. in Solingen 900.
— Blutuntersuchungen bei C. 1374.
— Epiphaninreaktion bei C. 648.
— Gesamtstoffwechsel und Eiweissumsatz bei C.
286, 1555.
— Kombinierte Behandlung inoperablere. 1751.
Carcinomkrankheit 577.
Carcinomleukocy tose 626.
Carcinomsterblichkeit unter den Leprakranken
des Rigaschen städtis<9ien Leprosoriurn 561.
Careinomstudicn 937.
Cardia, Tumor in der Nähe der C. 94.
— Absehlusssonde 1689.
— Carcinom ders. 1535.
Cardiospasmus, Extra muköse Cardioplastik bei
C. mit Dilatation des Oesophagus 170.
— mit grosser Erweiterung der Speiseröhre 990. I
Cardiolyse und Talmaoperation 711.
Cardiovasculärc Insuffizienz auf thyreo-toxischer !
Grundlage 1653. 1
Carnifikation in tuberkulösen Lungen 363.
Carotis interna, Interessante Verletzung der C. 1
1220.
Casein, Abbau von C. durch Blutserum 1425.
— C.-spaltende Fermente 1798.
Cataracta dermatogenes 1284.
— senilis, Die Abderhalden'schen Methoden bei
C. 940. |
— — Klinischer und anatomischer Beitrag 1530.'
— — und Ptosis 1772. j
-Spontanresorption der C. 562. !
Catgut, Prüfving auf Sterilität 1947.
Cauda cquina, Eigentümliche Erkrankung der C. (
1129.
-Tumor der C. 811.
Cavernen, Die Schnabel'scben (\ 993.
Cavcrncnchirurgie, Beiträge zur C. 612. |
Cavillcnthcrapie der Gonorrhöe 1708.
Cellon-Stützkorsctts 894.
Centralnervensystem, Anatomie des C. 840.
— Ausfallserscheinungen nach Affektionen des
C. und ihre Rückbildung 1469.
— Biologische Reaktionen bei syphilogenen Er- I
krankungen des C. 1329.
— Erkrankungen des C. bei Anämie 321. !
— Elektrische Erscheinungen im C. des Frosches
459.
— Kongenitale Erkrankungen des C. 999.
— Primäres und metastatisches Melanosarkum
des C. 800.
Ccnlralwindung, vordere, bei Läsion der Pyra¬
midenbahn und bei amyotrophiseher Lateral¬
sklerose 365.
Cerebrale Lähmungen,Symptomatologie ders.1688.
Cerebrospinalmeningitis, geheilt mit Antipara¬
meningokok k e n seru m 1604.
Ccritherapie 1246.
Cervixmyom, gestieltes 1137.
Chalazion und entzündlicher Lidtumor 993.
Chcilotomic, Fall von 1556.
Chemie, Geschichte der C. 266.
— anorganische, Lehrbuch 1182.
— organische. Kurzes Lehrbuch ders. 16S7.
— physiologische, Lehrbuch der C. 1182, 1464.
— und Mikroskopie am Krankenbett 316.
Chemisch-diagnostische Untersuchungen am Kran¬
kenbett 1687.
Chemischer Unterricht, Praktisch-chemischer l T .
der Mediziner 1687.
Chemotherapie 421, 1277.
— Grundprinzipien der C. 921.
— der Pneumokokkeninfektion 1829, 1865.
— Versuche in der experimentellen Krebsfor¬
schung 1467.
— in der Augenheilkunde 1922.
— Versuche bei Vogelmalaria 1886.
Chimärenforschung, Wege und Ziele der C. 43.
Chineonal, Vergiftungstod durch C. 1650.
I Chininprophylaxe, Schwierigkeiten bei der C. 126.
Chininvergiftung 317.
i Chirurgenkongress, internationaler 1294.
Chirurgie, allgemeine, Lehrbuch 1732, 1846.
’ — Handbuch der praktischen 1918.
* — im Felde, Praktische Winke für dies. 1569.
1 — Zur Geschichte der C. 1394.
! — neue deutsche 1422.
— orthopädische, Jahrbuch für C. 1325.
-3. Bericht 801.
: — plastische,FortsehrittcaufdemGchict derC.719.
i — praktische, Handbuch der C. 796», 1422.
1 — Wandlungen der C. 123.
Chirurgische Anatomie 1610.
Chirurgische Diagnostik in Tabellcnform 1686.
Chirurgische Erfahrungen aus dem zweiten Balkan-
kriege 1873.
; Chirurgische Operationen, Lehrbuch 1669.
Chirurgischer Operationskurs 1464.
I Chlor, Substituierung des C. durch Brom im
I tierischen Körper 76.
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Go igle
Chlorcalcium, Erfolgreiche Behandlung des Tic
convulsif durch C. 1898.
Chlorgehalt der roten Blutkörperchen und seine
Abhängigkeit von der Suspensiönsfliissigkcit
1563.
Chloralhvdrat, Wirkung des C. auf den isolierten
Kaninchendünndarm 26.
Chlorate, Verminderung der C. in einem unter
Druck sezernierten Urin 26.
Chloridbestimmung, Apparat zur C. im Harn 84.
Chloroform, Dysphonie nach C.-Gcbrauch 1048.
Chloroformnarkose, Einfache Methode zur Ver¬
minderung des Erbrechens nach C. 81.
Chloroformübelkeit, Eine einfache Methode, um
die Aotlicr- und C. zu vermindern 270.
Chloroform- und Aclhernarkose, Einwirkung auf
die motorische Magenfunkticn 1553.
Chloroformvergiftung, Leberveränderung nach C.
377.
— interne 756.
Chlormethyl, Narkosezuständc nach gewerblicher
Arbeit mit C. 900.
Chlorom, myeloisches 756.
— und Myeloblastenleukämie 1280.
Chlorose, Störungen der inneren Sekretion bei C.
1280.
Chlorrctention 79,
Cholera, Actiologie der C. 317.
— Behandlung ders. 1737, 1950.
— — durch Infusion hypertonischer Kochsalz¬
lösung, Jodtinktur und hypermangansaures
Kalium 940.
— — Fortschritte in ders. 1949.
— — und Prophylaxe 797.
— Bekämpfung der C. im Balkankiieg 770.
— Maassnahmen bei Bekämpfung der C. in Serbien
1913 62, 80, 589.
— Diagnose und Therapie der C. 275.
I — Rolle der Kontaktinfektion bei der Kpide-
i miologie der C. 915, 1621.
— Welche Bedeutung kommt dem Kontakt bei
derVerbrcitung der C. in Serbien 1913 zu? 286.
1 — Medizinische Eindrücke von einer Expedition
nach Bulgarien, speziell ein Beitrag zur
! Diagnose und Therapie der C. 342.
— Moderne Auffassung von der Epidemiologie
' der C. '323.
— Pathogenese der C. 1468.
i — Schutzimpfung gegen Typhus und C. 1632.
— und Pocken, Besprechung 1753.
Choleraelcktivnährbüdcn 411.
1 Cholcstcatoma carcinomatosum der Mamma 9()0.
j Cholesterin, Abbau des 0. in den tierischen Or-
1 ganen 1524.
| — Bedeutung des C. 1753.
| — — des C. im Organismus 76, 1846.
— — des C. bei der pathologischen Verfettung
I 1649.
— — des C. fiir die Entstehung von Riescn-
zcllengeschwülsten der Sehnen und Gelenke
1616.
— Herkunft dess. bei der Verdauungslipämie 1847.
— und Cholestcrincstcrgclialt normaler Organe
1649.
Cbolesterinfette, Ablagerung von C. im sub-
eutanen Bindegewebe 1748.
Cholestcrinstoffwecbscl 462, 1424.
— besonders hei Schwangerschaft 1281.
I Cholecystitis, Chirurgie der akuten C. 1586.
1 — in der Schwangerschaft 367.
| Choledochotomia.retroduodenalis und transduode-
| nalis 271.
j — — transduodenalis und transpancrcatica 845.
! Cholcdochus, Ersatz des C. durch ein frei trans¬
plantiertes Vcncnstcick 464.
— Chirurgie des C. 1586.
Cholclitliiasis, Magcnchcmismus bei C. 989.
Cholesteatom des Schläfenbeins 1963.
Cholin, Wirkung des C. auf den Circulalions-
apparat 1707.
— — auf das Froschherz 938.
Cbondriosome, Verhalten der C. bei der fettigen
i Entartung 268.
I Chondrodystrophia congenita 1340.
| — foctalis hypoplastiea, Vorzeitiges Auftreten
j von Knochen- und Verkalkungskerncn bei
i der C. 1874.
! Chorea gravidarum 1429.
G*
Original from
UNIVERSITY OF IOWA
1WM
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Chorea, Huntington'schc 574. I
-Anatomischer Befund eines Falles 1527.
— infcctiosa, Lumbalpunktion bei der C. 1874.
— Positive Wassermann'sche Reaktion bei C.
1002.
Chorioangiomo, Zur Kenntnis der C. 1557.
Chorioidea s. a. Aderhaut.
1147.
Colon ascendcns, Ausschaltung des C.
— — Rundzellensarkom des C. 1G00.
— sigmoidcum s. Flexura sigmoidea.
— Tuberkulöse Erkrankung des C. 721 %
Colonpcristaltik, gestörte, durch Gallcnblascn-
fixation 574.
Colonreaktion, sogenannte 142.
— Gelbfärbung des Augenhintergrundes durch j Colostrum, Der Nährwert des C. 123.
ein Lymphom der C. 125
— Metastatisches Carcinom bei latentem Primär- '
tumor 1048.
— Geschwülste ders. 1922.
— Metastatisches Carcinom ders. 1921. I
— Präretinales Sarkom ders. 1921. 1
— Leukocvtcninfiltration ilers. bei Leukämie 1921.
— Sogenannte Atrophia gyrata der C. und Re¬
tina 848. j
Chorioidcalgeschwiilstc 993. I
Chorioiditis disseminata, Heilung von C. durch
intravenöse Tubereuproseeinspritzungon 1424.
Chorioepitheliom, malignes, Lungcnmetastasen
bei C. 460.
— Primärer Sitz eines C. in der Tube 1144.
— und Strahlentherapie 1599.
Chromate, Bedeutung der C. für die Gesundheit
der Arbeiter 1324.
Chromclirysoidinreaktion, Fine neue Reaktion
der Fette 1525.
Chromoserodiagnostik der Gehirnblutungen 1565.
Chylusstühlc 859.
Chvmologie, physiologische u. pathologische 1276.
Ciliar ge fasse, vordere normale 993.
Ciliargumma, Sehnerven- und C. nach Salvarsan- |
injektion 83.
Circulationsapparat, Verhalten des C. bei natür¬
lichen kohlcnsäurehaltifzcn Thermalbädern
1143.
Circulationsstörungen, Behandlung der C. mit
Abschnürung der Glieder 706.
— Therapie der C. 1524.
Cladothrix, Streptothrix und Aktinomyces, Diffe¬
renz der drei Genera 1688.
Clavicula, Luxatio claviculae retrosternalis 1556.
— — -- — inveterata erfolgreich operiert 1488.
— Behandlung der C.-Fraktur 1395.
— Wiederherstellung der C. mit Hilfe der freien
Knochenplastik 611.
Claviculaluxation nach vorn, Behandlung 1947.
Coagulen Kocher-Fonio 77, 797, 1042, 1327,
1470, 1612.
— — in der Rhinoehirurgie 1577.
Cobra-Neurotoxin, Wirkung von Alkali auf Anti-
toxinverbindung 758.
Coecaltuberkulöse 334.
— hypertrophische 560.
Coecum, Verschiebung des C. bei Schwanger¬
schaft 465.
— Perforation bei tiefsitzendem Diekdarmvcr-
schluss 1282.
— mobile, operative Behandlung des C. 124.
Cocliotomie, vaginale, Leistungsfähigkeit der C. 761.
Colchicin, Dauernde Paralyse der Extremitäten
Versuche mit C. 1228.
Colpodcn, Einfluss des Blutserums auf C.
deren Cysten 1708.
Colpodeneysten, Einfluss von Salzlösungen auf C.
1708.
Coma, Acidose mit C. ohne Diabetes 1490.
— bei einer diabetischen Kranken ohne Aceton-
urie 896.
— diabeticum, Säurevergiftung bei C. 320.
Conjunctiva, Dermoid der C. 1436.
— Exkresccnzen der C. 176.
— Granulationsgeschwulst der C. 1298.
— Diffuse Carcinosc ders. 1921.
— Bisher nicht beschriebener Tumor ders.
(RusscFscher Körperchentumor) 1921.
— tarsi, Multiple Cysten der C. 562.
Conjunctivitis, atropbierendc, mit Symblepharon¬
bildung 1331.
— Einschi uss-C. 1141.
— crouposa bei zwei Geschwistern, hervorgerufen
durch den Koch-Weck'sehen Bacillus 848.
— metastatische, bei Gonorrhöe 562, 1377.
— samoensis 992.
Contraluesin, Behandlung der Syphilis mit C. 842.
Cornea, Aktinomykosc der C. 1284.
Cysticercus racemosus fossae Sylvii 362.
1 Cystinsteine und Cystinurie 1294.
j Cystinurie, Behandlung der C. 568.
j Cystische Geschwülste im Jugulum 1600.
Cystoeboledochotomie, eine neue Gallcnwecvcr-
| bindung 464.
I Cystofibroma ovarii 949.
! Cystographie 1651.
| Cystoid, perirenales, bei Mensch und Tier 1435
und | Cystoskop mit Kauterisationsapparat 1385.
1 Cystotomie, peripupilläre kombinierte 1876.
D.
Dacryocystitis, Neues Heilverfahren 1922.
Dacryocystorhinostomie von Toti 1087.
Dacryostenose, Endonasale Eröffnung des Tränen¬
sackes bei D. 1559.
Dämmerzustände, epileptische, Rückerinncrune
an D. 474.
i — mit nachfolgender Amnesie bei leichter Com-
I motio cerebri 123.
Dammriss, kompletter, Sekundärnaht bei D. 1232.
Darier’sche Krankheit 1096.
j Darm, Durchlässigkeit des Säuglings-D. für art¬
fremdes Eiweiss und Doppelzucker 1228.
' -- Resorptionsversuche am überlebenden Kälbcr-
D. 1228.
— Extraktion eines Eckzahns aus dem D. 673.
— Untersuchungen am lebenden D., besonders
mit Uzaron 26.
Abstammung der Keratoblastcn bei der lte- Darmbakterien, pathogene, VerschleppmmsmcP-
gcncration dcr^C. 1146, 1430. lichkeit von D. durch Brot 1378. & °
— Megalo-C. 1047. '-Massenuntersuchung Gesunder auf D. 323.
— Papillome der C. 1284. Darmblutungen, Emetin bei D. 1001.
— Pfropfung von Lippen-Mundschlcimhaut und , Darmcarcinom, Operation des D. 810.
Epidcrmislappcn bei Erkrankungen der C. und Darmepithcl, Einfluss der Molke auf das D. 1564.
Verätzungen des Auges 1331. : Darmerkrankungen, Wirkung von Uzara und ge-
— Pigmcntation der C. und des Limbus 371. ronnoner Mileh bei D. 224.
Erworbene Pigment-flache der hinteren \\ and Darmfäulnis, Klinische und experimentelle Kr-
der C. 367. | gebnisse über D. im Jahre 1913 1899.
— Durchblutung ders. 1921. j Darmfistel,Versuche mitOmega-D. an Hunden 938
Corneaanästhesie, isolierte experimentelle 1441. Darmflora, Biologie der D. des Säuglings 1341.
Corneaanaphylaxie 1331. I Darminvagination 427.
Corneaerosion, rceidivierendo, Behandlung der C. j — bei Kindern 1392.
mit Scharlachsalbe 562. j — und spastischer Ileus 464.
Corncatätoyagc nach Hesse 721. Darmkrankheiten, Klinik der D. 407.
Coronarkreislauf, Untersuchungen über C. 1650. i Darmocelusion, Diagnose der inkompletten D. 479.
(. orpuscarcinom, alveoläres 57i. | Darm Perforation durch Ascariden 170.
Corpus luteum, Gravidität und Menstruation 802. j Darmpolypen, Familiäres Auftreten von D. 464.
| Biologische Funktion des C. 1440, 1582. j Darmresektion, Kompensatorische Vorgänge bei 1).
| Cottbus, Das neue städtische Krankenhaus in C. j 898.
1582. i — in der Schwangerschaft 1136.
Couveusenbehandlung der Frühgeborenen und j Darmruptur infolge Bauchkontusion 1147.
Lebensschwachen 1749. j — retroperitoncale 1085.
Coxa, Luxatio eoxae congenita, blutig reponiert j — traumatische 1150.
1488. ! Darmschlinge, Seltene Form der Strangulation
— valga 898. 1 einer D. 1085.
vara 1428. j Darmstenose 238.
— —- ibhgenita 81. j Darmvorfall aus Kotfisteln und Kunstaftern 366.
Coxitis, jiusgehcilte 285. , Darmwandphlegraone 1948.
I Darmzerreissung 1094.
i Daumen, Operatives Verfahren den abnorm
nach lange fortgesetztem Gebrauch vonC. 1565.
Coli s. Bacterium coli. 1 — tuberculosa, Vorteile des Briiekcngipsverban-
Colicystitis, Neue Behandlungsmethode der C. 558.! des bei Behandlung der C. 611.
Coliinfcktionen im Puerperium und infektiöse j Creeping eruption 846.
Zustände in der Schwangerschaft 899. Cruralhcrnie, Durch Knoehenübcrpflanzuno- ge¬
heilte C. 1581.
Colitis, Appendieostomie bei scliwcrcr C. 711.
— Behandlung der schweren C. mit Spülungen |
von der Appendieostomie aus 1431, 1664.
— gravis, Chronische Magendarmdyspcpsic und
C. gi*. 1555. |
— mit retrograder Peristaltik im ausgeschalteten «
Colon descendens 1533.
— infiltrativa oder Pcricotitis, Sigmoiditis 1754. I
— pscudomcmbranacca infantum 170. 1
— suppurativa 169. j
— — oder exulccrans 1753.
Colityphusgruppc, Tellurreaktion mit ders. 1919.
Collapsc nach Seegefechten 1949.
Collargol und Arthigon 1747.
Colobom, doppelseitiges, des Oberlides 764.
Colon, Unterbliebene Drehung des C., Coecum
Curare, Wärmeregulation curarisicrtcr Tiere 1525.
Curaremethode, Organarbeiten mittels der C. 424. |
Curarin, letale Dosis 1525.
Curette, Neue Fingcr-C. 900.
C'utanreaktion, abgestufte, prognostische, mit
Tuberkulin zur Auswahl für die Ileilstätten-
kur 707.
— Graphische Analyse ders. 1555.
— mit Organextrakten bei Syphilitikern 1748.
Cyanose, kongenitale latente 649.
Cymarin, Wirkung des C. 121.
! Cyste, kongenitale, der Raphc penis 613.
|— in einer Radikaloperationshohlc 1288.
| Ovstcnbildung, retroperitoncale 1429.
, Cvstcncarcinom, branchiogencs 1186.
Cystenniere 316.-
mobilc, Ileus 1556.
— Angeborene Erweiterung des C., Fehlen der I — angeborene 478,
Schilddrüse beim Säugling von 7 , / 2 Monaten j — doppelseitige 1151.
U | — Klinische Erscheinungen der C
— Funktion des l. 413. ; Cysticercus der Zunge 994.
1185.
stehenden D. den andern Fingern gegenüber-
stellbar zu machen 612.
Daumengrundglied, Verband bei Bruch des D. 991.
Dauerinfusion, intravenöse 611.
Daucrirrigation der Harnblase und des Nieren¬
beckens 1554.
Decanulement, erschwertes, und seine Behandlung
H27.
Decidua, Experimentelle D.-Bildung 1293.
— Vorkommen von D.-Gewebe 184.
Defekte, psychische angeborene, Kriminalität un
exogene Erregbarkeit bei D. 1083.
Deformität, paralytische, Muskelverlagerung » §
Methode der Beseitigung von D. 170.
— Kind mit kongenitalen multiplen D. JC •
Degressator und seine Anwendung 462,^ 16o •
| Delirium tremens, Behandlung des D. 7oa.
— — Kleinhirnbefund bei D. 1481.
Dementia paralytica, Die Untersuchung des
ponema bei D. 221. ....
— praecox, Adrenalinempfindlichkeit der v.
-Pupillenstörungen bei D. 320.
-Körperliche Storungen bei D-
Digitized b*
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Original fram
UNIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1997
Dementia praecox, Neue körperliche Symptome j Diabetes mellitus, Beziehungen zwischen Neben¬
bei ders. 1535. System und D. 610.
— — lieber Syphilis in der Asccndcnz von-Operationsgefahr bei D. 1396.
D.-Kranken 1771. ! — — Wesen des Pankreas-D. 856.
Demenz der Dementia praceox-Kranken 378. j — — Handelt es sich beim D. um eino primäre
Demonstrationen, pathologisch-anatomische 668. i Ueberproduktion von Zucker? 269.
Dengue und andere endemischo Küstenfieber 607. |-Zuckerzerstörung bei D. 705.
Dentition und Haarentwicklung unter dem Ein- | — — Ursachen, Theorien und Behandlung des
fluss der inneren Sekretion 759. | D. 1427.
Dercura’sche Krankheit 1097. j — — und Chirurgie 124.
-und Blutdrüsen 844. , — — und Gallensteinleiden 1083.
Dermatitis exfoliativa 1130. I-Fermenttherapie dess. 1874.
— — neonatorum Ritter, ihre Aetiologic und j — — und Schwangerschaft 1340.
Beziehung zurMmpctigo contagiosa staphylo- I — innocens und Diabetestherapie 1437.
genes 1600. i— — der Jugendlichen, zugleich ein Beitrag zur
— idiopathiea atrophicans progressiva chronica I Frage des renalen D. 320.
diffusa 1561. \— insipidtis 221, 380, 855, 1142, 1966.
Dermatologie, Einführung in die D. 1769.
— Literatur des Jahres 1912 942.
— Therapeutische Verwendung des Radium in
der D. 377.
Dermatosen, Cholesteringehalt des Blutes bei D.
1427.
— bei Hysterie 1429.
— juckende 1326.
-Behandlung mit Hingor'scher Lösung und
Eigenblut 1919.
Dormographie, anämische, im Kindcsalter SO.
Dermoid der Conjunctiva 1436.
— und congenitale Epidermoide 271.
— Klinik und Lokalisation 1587.
— mit teratoidem Anteil 666.
Dermoidcyste in der Gegend des Inion 1096.
— multiple 721.
Dermoidkugeln und ihre Entstellung 167.
Desinfektion, Fortschritte in der D. 409.
— bei Kriegsseuchen 1655.
— halbspezifische 1687.
— innere 609.
— Tasche zur fortlaufenden D. am Krankenbett
852.
— Neues Taschenbesteck zur D. mit «Jodtinktur
1229.
Desinfektionsmethode, Eine Capillar-D. zur Ent¬
keimung von Milch, Wasser und dergl. 1557.
Desinfektionsmittel, Kombination von D. 855.
— Vergleichende Wirkung einiger D. 1559.
Deuteroalbumosc, Wirkung von D. auf gesunde
und tuberkulöse Meerschweinchen 1847.
Deutsch-Ostafrika, Frauenärztliches aus D. 1772.
Deycke-Much’schc Partialantigenc der Tubcrkcl-
bacilleD, Cytologisches Bild der Intracutan-
reaktionen mit dens. und dem Alttuberkulin
1589.
Diabetes mellitus, Extremste Acidosis im Verlaufe
des D. 1526.
— — und alimentäre Glykosurie 1375.
—• — Azidosebestimmungen und ihre klinische
Anwendbarkeit bei D. 1375.
— — Arainostickstoffausschcidung bei I). 30.
— — Gemischte Amylaccenkur bei D. 1184,1554.
-Behandlung des D. 1002, 1128, 1144,
1469, 1966.
— — Beziehungen zwischen Hypophysis ccrebri j
und D. 221. I
— — Behandlung mit Hypophysenextrakt 1097, i
1151. * i
— — und Tumoren der Hypophysis 269.
— — Nierenfunktion bei dems. 1097, 1555. |
— renaler 94.
Diabetesstudien 460.
j Diabetiker, Bauchmuskcllähmung bei D. 335. I
— Beeinflussung des Blutzuckcrgehalts bei D. :
durch Diätkuren 66. I
— Benötigt der D. Kohlehydrate? 708.
j — Langsamere Nicrentätigkeit und Erhöhung des
; Blutzuckers bei greisen D. 663. I
Diiit in Geburtshilfe und Gynäkologie 855.
— — — klinische und experimentelle Erfah¬
rungen 855.
Diätetik, Hilfsmittel für sportliche D. u. Truppen¬
hygiene 1643.
! — des gesunden und kranken Kindes 1427.
Diätform in Krankenhäusern 1328.
Diagnostik, Chirurgische D. in Tabcllcnform 1686. I
— der Nervenkrankheiten 1745.
— spezielle chirurgische 216.
— psychiatrische 165.
1 — Lehrbuch der psychiatrischen D. 1745.
Dialvsierverfahren nach Abderhalden 90, 364,
i 557, 79S, 958, 1225, 15,54.
— Abwehrfermente beim D. 1129.
— Adsorptionserscheinungen bei dem D. 843, |
1469. j
— in der Psychiatrie 843. !
— Anwendbarkeit dess. 1563.
— steht in Beziehung mit der antitbrombisehen
Phase 757.
— in der Augenheilkunde 1048.
— Biologische Prüfung der Ergebnisse des D. 798.
— bei Erkrankungen der Uvea 798.
— Einfluss des Blutgehaltes der Substrate auf
das Ergebnis der Prüfung auf spezifisch ein¬
gestellte Abwehrfermente mittels des D. 28.
— Erfahrungen mit dem D. 808, 1771.
— Einfluss des Blutgehalts der Substrate auf
den Ausfall des D. 706.
— bei Careinom 706.
— bei Helminthiasis 706.
-Wandlungen in derBehandlung desD. 1776. j— bei Carcinom und Tuberkulose 3.56.
— — Caramelkuren bei D. 1372. j
-Behandlung bei gleichzeitiger Erkrankung
an Gicht und D. 1777.
-Wie wirken Diätkuren auf das Verhalten [
des Blutzuckers bei D. 942. |
-Erhöhung des Blutzuckers bei D. von j
Greisen 1375.
— — Kohlehydratkuren bei D. 1149.
— — Leguminoscnbchandlung des D. 722.
— — Bekämpfung des Coma bei D. mit hohen
Dosen Natrium bicarbonieum 429.
— — Das Erysipel in der Aetiologic des I). 462.
— — experimenteller 1328.
— Wirkung der Zuführung von Fett bei der
Haferkur bei D. 335.
— — Gemischte Kohlehydratkuren bei D. 1002.
-Kasuistik des renalen D. 1792.
— Beeinflussung des D. durch die Nebennieren
1373.
— Bedeutung des D. in der Familiengeschichte
für die Lebensversicherung 652.
~ — Leberglykogen und D. 705.
— Morphologische Eigenschaften
bei D. 396.
Serologische Frühdiagnose des Carcinoms
mittels des D. 1328.
— Klinische Studien mit dem I). 168.
— in seiner klinischen Bedeutung 221.
— mit der Koch’schcn Tuberkelbac.il lenemulsion
1374.
— Kritische Bemerkungen zum D. 1374.
— Modifikation des D. 860.
— Ninhydrinreaktion des Glukosamin und Fehler¬
quellen des D. 557.
— bei intrakraniellen Komplikationen entzünd¬
licher Ohren- und Nasenkrankheiten 798.
— bei Otosklcrose, intrakraniellen otogenen Kom¬
plikationen 1247.
— an der psychiatrischen Klinik der Charite
1.287,
— bei Lungentuberkulose 875, 988, 1733.
— in der Psychiatrie 90, 381, 1145.
— Technische Neuerungen in dem D. und An¬
wendung desselben in der Psychiatrie 1319.
— bei Rachitis und Tetanie 1327.
i — Spezifität und Brauchbarkeit des D. 411, 1185.
des Blutes!— Technik des D. 78, 411, 648, 1145, 1579.
i — Theorie des D. 348, 807.
Dialvsierverfahren, Untersuchungen über das D.
, 121, 785.
— Verwertbarkeit des D. 318, 461, 940, 1107,
1225, 1425.
— Zur Diagnose des Carcinoms 1491.
— mit Tier- und Menschenlunge 1526.
— Substratfrage bei Anwendung dess. 1579.
— Zur Kritik dess. 1579.
— bei malignen Geschwülsten 1579.
— und Antitrypsinmethode 1579.
— Geschlechtsspczifität dess. 1599, 1898.
— Thymus- und Lymphdrüsenabbau bei dems.
1733.
— bei Schwangerschaft 1771.
— Nachweis der Blutfreiheit der zum D. ver¬
wendeten Substrate und Seren 1771.
— Methodik dess. 1847.
Dial-Ciba, ein neues Sedativum und Hvpnoticum
643, 986, 1081, 1224, 1262.
Diaphysenbruch, Entstehung des D. auf Grund
der Festigkeitslehre 812.
Diarrhöe, medikamentöse Behandlung 1578.
— nervöse, Suggestivbehandlung einer chroni¬
schen intermittierenden D. 378.
— thyreotoxische 759.
— Gastrogeno D. und das Vorkommen von
Aehylia pancreatica bei Achylia gastrica 1874.
Diastaseprobe des Urins 1279.
Diathermie 716, 791, 1963.
— Applikationstechnik der D.-Ströme 72.
— in der Augenheilkunde 563, 1582.
— Neue Elektroden für die gefahrlose Anwen¬
dung starker Ströme besonders bei D. in der
Gynäkologie 692.
— bei gynäkologischen Erkrankungen 1770,
— Lehrbuch der D. 316.
Diathesc, exsudative, beim Säugling 853.
— — und Eosinophilie 897.
— Exsudativ-lymphatische D. lind die Prophylaxe
in der Tuberkulosebekämpfung 990.
— hämorrhagische, bei Tuberkulose 1226.
Diazorcktion im Atophanharn 1848.
Dickdarm, Die schweren entzündlichen Erkran¬
kungen des D. 1753.
— Klinische Röntgendiagnostik des D. und ihre
physiologischen Grundlagen 911, 1577.
Dickdarmausschaltung, fast totale 1390.
Dickdarmdivertikel, Diagnose der erworbenen D.
898.
— multiple 931.
Diekdarmmclanose 1651.
Dickdarmstenosc, Röntgendiagnose der D. 377.
Dickdarmverätzung durch Ammoniak 1878.
. DilTercntialdiagnose an der Hand von 385 genau
1 besprochenen Krankheitsfällen 704.
Digifoün, Erfahrungen mit D. 210, 893, 1278.
Digalcn, Suicidversuch mittels D. 755.
Digitalis, Einfluss der D. auf die Farbenempfind-
lichkcit für Grün und Rot 892.
, — Einfluss des Magensaftes auf die per os cin-
, geführten D. 841.
' — Praktische Anwendung der D. am Kranken¬
bett 797.
— und Muskulatur 940.
Digitalisextrakt, Pharmakodynamik der Herz¬
wirkung physiologischer D. 841.
Digitalispräparat, neues, das Adigan 1278,
— Physiologische Wertbestimmung der D. 841.
Digitalistherapie, Die Orthodiagraphie als Kon¬
trolle der Wirkung der D. 1374.
Digitalistinktur, Wirksamkeit und Haltbarkeit der
D. 1326.
Digitaliswirkung, Theorie der D. 956.
Dioxyphenvlalanin, eine neue Aminosäure aus
Vicia faba 26.
Diphtherie, Besondere Ferm der Alveolar-D. 1329.
— Erkrankungen der Appendix nach D. 366.
— echte, der Conjunctiva und Cornea 90.
— Behandlung der D. mit Cyanquecksilber 1325.
— — schwerer D. mit intramuskulären Injek¬
tionen von Diphtherieheilserum 1107.
I — Erfahrungen mit dem Behring sehen Schutz-
i mittel gegen D. 120.
— Intravenöse Seruminjektion bei D. 1900.
! — Erkrankungen und Todesfälle an D. in den
| letzten zwei Jahren 1093.
— Fortschritte in der Therapie der D. 1847.
I — Gangrän des Fusses bei D. 990.
Digitized by CjQuQie
Qrigiral.fmm
UNIVERSITY OF IOWA
1998
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Diphtherie, Fall von diphtherischer organischer
Hemiplegie 1490.
— experimentelle, Veränderungen der Hypophyse
bei D. 362. |
— Jodanwendung bei D. und Scharlach 267.
— Kasuistisches über D. 1342.
— Monographische Darstellungen über D. 1276.
— Gehäufte postdrphtherisebe Lähmungen 1480,
1527.
— Ungewöhnliche Lokalisation der D. 622.
— Prophylaxe der D. nach v. Behring 647.
— Klinische Bewertung der Bakterientypen bei
Nasen-D. der Säuglinge 650.
— Immunisierung mit atoxischen Toxinen und mit
überkompensierten Toxin-Antitoxinmischungen
bei D. 609. I
— Toxinbefundc im Blut bei D. 123.
— und diphtherischer Croup 264.
— Primäre Nasen-D. bei Kindern 1534.
Diphtherieantitoxin, Gehalt des Blutes an 1). bei
gesunden Erwachsenen, Rekonvaleszenten und
Bacillenträgern 649.
Diphtheriebacillen, chemische Zusammensetzung
1469. 1
— Einfache Methode, die echten D. von den
Pscudodiphthcriebacillen zu unterscheiden
757. 1
— in Organen bei tödlich verlaufener Diphtherie
648.
— Jodbchandlung des Hachens zur Beseitigung |
der D. 120.
— Sind die D. für ihre Umgebung infektiös? 944.
— Waehstumsbcdingungen des D. auf Selen- und
Tellurnährböden 1107.
Diphtheriebacillcnträgcr 1820.
Diphtheriebekämpfung und Diphtherieprophylaxc
1228.
Diphtherieepidemie, Maassnahmen gegen dies. 1489.
Diphtherichcilscrum, Einführung des Behring-
schen D. in der Klinik und Praxis 484.
Diphtherieintoxikation, experimentelle, des Ka¬
ninchens 1292. !
Diphtherienährboden, Zusatz von Rindergalle zum i
Löfflerschen D. 609.
Diphthericprophytaxe, Methodik 1689. j
Diphtherieschutzimpfung von Säuglingen nach .
v. Behring 1341).
Diphtherieschutzmittel „TA/ 917, 919, 1099. j
Diphtheriescrum, Anaphylaxiegefahr bei Anwen¬
dung des D. und ihre Verhütung 647.
— Schutzwirkung des D. bei der lleinjektion
1946.
— Schwere Erscheinungen 13 Tage nach D. 1001.
Diphtheriestatistik des Hospital Herold 860.
Diphtheriestudien, bakteriologische 503.
Diphtherietoxin, Einwirkung des ultravioletten
Lichtes auf das D. 1082.
Diphtherieuntersuchung 1147.
Diphtherievergiftung, experimentelle, Störungen
des Kohlehydratstoffwechsels bei der 1). 413.
Diplobacillenconjunctivitis, Neues Mittel zur Bc- i
handlung der D. 1749.
Diplococcus crassus als Erreger von Urethritis |
und Epididymitis 1231.
Distraktionsklammern, Hackenbruch'sehc, bei
Knochenverletzungen im Felde 1901.
Diurese, Die aus dem Verdauungstrakt darstell¬
bare, die D. anregende Substanz 1224.
Diuretinglykosurie, Mechanismus ders. 1553.
Diverticulitis 1147.
Doppelempfindung, sogenannte 1048.
Doppelmissbildung, Lebende erwachsene D. 1468.
— (Epigrastricus), Lebende D. 1561.
Dosimetrie, Grundprinzipien der D. 1131.
Dosis, kleinste tödliche und ihre Beziehungen I
zum Zeitfaktor 939. i
Dostojewski als Psychopathologc 1943.
Drahtextension am Calcaneus 1821.
Drehstuhl, neuer 1247.
Dressurversuche, neuere, an Hunden und Affen
763.
Drillingsschwangcrschaft im selben Eileiter 322.
Druckdifferenzverfahren, Jetzige Gestaltung des
D. 959, 1605.
Druckmessung, Technik der intraokularen D.
— im Muskelmagen der \ügel 1707.
mit
D.
Drüsen, Gegenseitige Beziehungen der D.
innerer Sekretion 900.
Drüsentuberkulose, Röntgenbehandlung der
1423.
Ductus thoracicus, Varixbildungen im D. 940.
— — Versenkte Tamponade zum Verschluss der
D.-Fistel 612.
Dum-Dum-Geschosse, Diagnose der Verletzung
durch D. 1901.
— —- -Verletzungen 1876, 1949.
Dünndarm, Wirkung des Blutes auf den isolierten
D. 1080.
— Isoliertes malignes Granulom des D. 895.
— 3 Fälle von traumatischer Ruptur des T). 992.
Dünndarmerkrankungen im Röntgenbild 911.
Dünndarmphlegmonc 1279.
Dünndarmresektion, ausgedehnte 236.
Diinndarmsarkom 1085.
Dünndarmstenosen, Röntgenologischer Nachweis
der D. 1682.
Dünndarmstudien 911.
Dunkclfeldbcleuchtung, Untersuchungen über
Fettresorption aus der Bauchhöhle mittels D.
1466.
Duodenalatresie, kongenitale 472.
Duodenalcrkrankungen im Röntgenbild 846.
I Duodenalernährung 1023.
Duodenalfistel, Behandlung der D. 992.
Duodenalinhalt, Direkte Untersuchung des D. als
| diagnostisches Hilfsmittel bei Gallenblasen-
und Pankreasaffektionen 1888. 1
Duodenalschlauchuntersuchung,Vereinfachung der >
[ klinischen D. 1733. |
Duodenalsondierung, Technik der D. 122. i
Duodenalstenose, Tiefe kongenitale D. bedingt
durch Situs inversus partialis 1161, 1200.
Duodenalstumpf, Versorgung des D. bei Magen- !
resektion Billroth II 32, 271, 687.
! Duodenalulcus 1528, 1648.
j Duodenalverschluss, Sogenannter arterio-mesen-
terialcr D. (Atonia gastro-duodenalis acuta)
1637, 1658.
| — Arterio-mcsenterialer D. 1652.
Duodenum, Primäres Carcinom des ersten Teils
| des D. mit sekundärer Erkrankung des Ductus
I cholcdoehus 608.
Dilatation des D. im Röntgenbild 1283.
Angeborene Erweiterung mit Divertikelbildung
des I). 1227.
Fistel zwischen D. und Colon asccndcns 1343.
Vollständige, dauernde Füllung des D. 911.
Mobilisierung des D. 1428.
Dysostoso, familiäre 896.
Dyspepsie, Schlaflosigkeit bei D. und ihre Be¬
kämpfung 863.
Dysphagie, Behandlung der D. bei Larynxtubcr-
kulose 1224.
Dysphonie nach Chloroformgebrauch 1048.
Dyspnoe, Behandlung der D. 267.
— paroxysmale, bei Herz- und Nierenkranken 29
Dystonia musculorura deformans 1395, 1561.
Dystrophia adiposo-genitalis 767, 1186.
Echinococcus der Leber 1098, 1471.
— der Lunge und Pleura 769.
— der Milz 123.
— Solitärer Netz-E. 1429.
— der Niere 413.
— des Rückenmarks und der Cauda equiua 321.
— und Eosinophilie 191.
Ectopia viscerum, Drei Fälle 1877.
Ectropium uveae congenitum 1087.
Ehrengerichtshof, Entscheidungen des preussi-
sehen E. für Aerzte 1552.
Ehrlich, P., Das Werk von E. 529.
Ei, junges, menschliches, in situ 802.
Eierstocksüberpflanzung, speziell bei Säugetieren
1468.
Eifersuchtswahn, chronischer, bei Trinkern 182.
Eileiter s. Tube.
Einäugigkeit, Gewöhnung an die E. 17 50, 1922.
— Nachweis der Gewöhnung an E. und Herab¬
setzung der zentralen Sehschärfe 849.
Einigungsabkommen (Berliner) zwischen Aerzten
und Krankenkassen nebst Ausführungsbestim¬
mungen 1611.
Eisen-Elarsontabletten 408, 553.
| Eisensplitterverletzungen 854.
Eisentuberkulin s. Tuberkulin.
1 Eisenwirkung 1081.
j Eiweiss, Wirkt arteigenes E. in gleichem Sinne
„bluttremd“ wie artfremdes 787.
— Bewirkt „arteigenes“ blutfremdes E. bei
wiederholter Zufuhr Ueberempfindlicbkeit-
10 82.
— Vortäuschung von E. nach Hexamethylen¬
tetramin 168, 1581.
Eiweissabbau, intravitaler, in der Leber sensibili¬
sierter Tiere und dessen Beeinflussung durch
die Milz 986.
— lieber Rückfluss und röntgenologische Anti- Eiweissantigene ohne Artspezifität im normalen
peristaltik des D. als Folge von Adhäsionen
1572.
Duodenumresektion mit der Papille wegen Car-
cinoms 1581.
Dura, Das Endotheliom der D. 460.
Duradefckt, Ersatz von 1). durch Faseie 943.
Dura mater spinalis, Tumoren der D. 1130.
Durchfall, Behandlung der D. im Felde 1818.
Durchleuchtungskomprcssorium mit Bucky-Effekt
32, 170.
Durstkur bei Oedemen nicht rcnal-cardialcr
Natur 1798.
Dynastie, Pathographic der Julich-Claudischen
D. 321.
Dysbasia angiosclerotica 559.
Dysenterie, Amüben-I). 1137, 1373.
— — und Leberabscess behandelt mit Emetin
1372.
— Behandlung 556.
— chronische 720.
— Emctinbchandlung der D. 317.
— — — Lamblien-D. 1327.
— Anwendung des Heilserums bei D. 1240.
— der kleinen Kinder 321, 560.
— bacilläre, im Säuglings- und Kindcsaltcr 999,
1228.
— latente 1097.
— als Kriegsseucho 1653.
— Dvscnterischer Lungenabscess bei latenter D.
1567.
j Dysenterieepidemie durch Y-Bacillus 564.
733. j Dysenteriegift, Chemie und Toxikologie des D. 755
Dysentcricinfektion 320.
Drucksteigerung, intraokulare, Mechanismus der j Dyscntcrictoxin, Darstellung des D. 860.
D. nach subeonjunctivalcr NaCl-lnjektion 371. [ Dysmenorrhöe, Atropinbchandlung der D. 77,
Harn 988.
Eiweissbedarf und Fleischteucrung 900. ^
Eiweissbestimmung, kolorimetrischc 1733.
Eiweissendprodukte und Fettkörper 941.
Eiweisskörper, Ausscheidung eines nicht coagu-
lablen kristallisierbaren E. im Harn bei einen!
Fall von Magencarcinom 768.
— Neuere Arbeiten über die Physiologie der L.
164.
Eiweissmilch, Anwendung des E. 627, 1RU
1281, 1423.
Eiweissnährschaden des Säuglings 611.
Eiweissreagens, handliches 558.
Eiweissspeicherung in der Leber nach 1 iitteni^
mit genuinem und gänzlich abgebautem Eiweiß
i Eiweissstoffwechsel, Einfluss der Atemluft au
| den Kohlehydrat- und E. 892.
I — im Hungerzustand nach Zufuhr von - 1L
j eiweiss 361. , ... .
I Eiweisssubstanz, Kenntnis der durch ver in
| Essigsäure fällbaren E. in serösen trgu.
i nebst ihrem klinischen Wert 1112- ,,
Eiweisswasser, Missbräuchliche Verwendung u
] bei akuten Ernährungsstörungen < er
, lingc 28. i,. 0 .)
I Eiweisszerfall, Genese des E. im lieber *>-.
I - Grösse des E. bei Fieber und bei Ar«
jKiJÄ 1 ^ Aufbau der E.
I Energie 555. inA7
Eklampsie, Behandlung der E. 7od, • ^
1 — Behandlung der puerperalenL. durch i fl
I und seine Derivate 1920.
362. , - Pathogenese 1920.
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1999
Eklampsie, Hebung der Diurese bei E. durch intra¬
muskuläre Euphyllininjektion 1232, 1529.
— Sofortige Entbindung bei E. 317, 414.
— Seltener Fall von Früh-E. 322.
— nach Totalexstirpation wegen Uterusruptur
mit schwerer Anämie bei einer Viertgebären¬
den 414.
— schwere, geheilte 378.
Ekthyma gangraenosum bei Masern 174S.
Ekzem, Zur Aetiologie des E. 561.
— akutes, mit psychischer Aetiologie 896.
— Anwendung der jodhaltigen Antiseptica bei
E. kleiner Kinder 556.
— Neue Behandlungsmethode des akuten E. 1599.
— Behandlung des E. mit heissen Bädern 1708.
— Sekretorische Niereninsuffizienz bei dem vul¬
gären und parasitären E. 1529.
— und Neurodermitis im Kindesalter 1757.
— Pellidolsalbe bei Säuglings-E. 940.
Ekzemrezidiv, Eucerin-Unna zur Verhütung von
E. 556.
Elarsontherapie 77, 1224, 1467.
Elberfelder Pferde, Neue Beobachtungen an dens.
1527.
Elektrargol bei Pocken und Pest 1278.
Elektrische Heilwerte 1329.
Elektroeardiogramm 75, 1473.
— Analyse des E. 76.
— — des E. mittels derRöntgenkymographie 610.
Elektrocardiographie 573.
— klinische 1899.
— Einige während längerer Beobachtungszeit
festgestellte Veränderungen bei E. 1426.
— bei Syphilitikern 222.
Elektrocardiographische Untersuchungen über die
Beziehungen des Herzmuskels zur Spasmo-
philie 1469.
Elektroden, Anschluss-Handapparat fiir E. 1772.
— biegsame 795.
Elcktrodiagnostik und Elektrotherapie für prak¬
tische Aerzte 1847.
Elektromagnet für Diagnostik, Therapie und
Magendarmpathologie 1105.
— Magendarm-E. 194S.
Elemente, radioaktive, Physik und Chemie der
E. 124.
Elephantiasis des ganzen linken Beins 672.
— penis und ihre operative Behandlung durch
Drainage mit implantierten Venen 991.
— in Samoa 1472.
— scheinbare 230.
— der Unterextremität"802.
— der 3.-5. Zehe 1393.
Ellenbogengelenk, anky lasiertes, Mobilisierung
des E. 611.
— Behandlung der Knochonbriichc in der Nähe
des Knie- und E. 317.
— Modellierende Resektion am E. 40.
— Posttraumatische Ossifikation im Gebiete des
E. 366.
— Versteifung 998.
Ellenbogenluxation, Blutige Reposition veralteter
E. 1103, 1428.
Ellenbogenscheibe und Olecranontraktur 1131.
Elliot’sche Operation 563.
Emanation 1343.
— radioaktive, Einfluss der E. auf das Wachs¬
tum von Pflanzen 705.
Embarin in der augenärztlichen Praxis 303.
— bei luetischen Affektionen des Auges 1377.
— Erfahrungen mit E. 561.
— Zur Klärung der E.-Frage 1838.
— bei Nervenkrankheiten 1599.
— Verbesserung der Technik der E.-Behandlung
1599.
— Toxische Erscheinungen des E. 1184, 1632.
— Syphilisbehandlung mit E. 893, 1554, 1798.
— Beeinflussung der Wassermann’schcn Reaktion
durch E. und Merlusan 1814.
— in der Syphilistherapie 1901.
und Merlusan 797.
Embolie, Sogenannte E. einer ciliorctinalcn Ar¬
terie 1750.
— der Arteria tibialis 668.
— postoperative 1103.
Embolusaortaeabdominalis, Operation,Heilung 81.
Embryonen, Das Alter menschlicher E. 1440,
1549.
des I
Embryonalzellen, Kombinierte Aether-
' diumwirkung auf E. 119.
; Embryotomie, Uteruskrampf und Retention
I Kopfes nach E. 1283.
i Emetin, Antiparasitäre Wirkung des E. 1246.
— Wirkung des E. bei dysenterischem Lcber-
abscess 239.
1 — salzsaures, Wirkung des E. 1097, 1612.
1 — bei Araöbendysenteric und Leberabscess 187,
1 1088.
EmetiniDjektionen, subcutane, bei Lungentuberku-
' lose 797.
j Empyem, Behandlung der E. und der lange be¬
stehenden tuberkulösen Pleuraexsudate mit
I der Pfeilerresektion 760.
j — Technik ausgedehnter Thoraxresektion bei
veraltetem E. 1376.
I Emphysem, mediastinales und subcutanes 858.
Emulsion, Zersetzlichkeit der E. 1081.
— Versuche über Benetzung, E., Agglutination etc.
I 607.
Encephalitis, Spasmophile Erscheinungen bei sich
entwickelndem Ilydrocephalus im Verlauf einer
akuten E. 80.
— akute 1329.
— — nichteitrige 650.
— Fall mit nicht ausgebreiteter E. 1672.
— haomorrhagiea, hervorgerufen durch Neosal-
varsan 1749.
Encvtol, Behandlung chirurgischer Tuberkulosen
mit E. 1554, 1564.
und Ra- Epilepsie, Erfahrungen mit dem Balkcnstich bei
E. und Idiotie 1006.
— Neue E.-Behandlung 1144.
— Blutbefunde bei E. 956.
— Verengerung der Carotiden bei E. 801.
— Schätzung der Erwerbsfähigkeit bei E. 84.
j — Gehirn Vorgänge beim E.- Anfall 1084.
I — Entwicklungsstörungen des Gehirns bei E. 671.
, — genuine 1469.
I-Behandlung der E. mit dem Gift der
! Klapperschlange 797.
— Operative Behandlung der genuinen und trau-
i matischen E. 1529.
| — Jackson’sche, mit ungewöhnlich röntgeno-
j logischem Befund 760.
I-durch arachnoidales Oedem 1149.
— Corticale E. mit Herdsymptomen (makro-
l skopisch koin Herd nachweisbar) 1673.
1 - Rinden-K. 475.
! — Traumatische Rinden-E. durch S-Gcschoss.
I Fascientransplantation 49.
i — Operierter Fall, eine Jackson’sche E. vor¬
täuschend 1752.
— Luminalbehandlung bei E. 893,
| — Einfluss der Schutzimpfungen
, auf die Anfälle bei E. 1469.
— Sedobrol bei E. 647, 1128.
— Serodiagnose der E. 757.
i — Stoffwechsel in der E. 559.
— symptomatische, Beziehungen von organischen
Veränderungen der Hirnrinde zur E. 1085.
1577,
gegen
1689.
Lyssa
Endarteriitis obliterans oder Raynaud oder Em- ! — Technik der wirksamen Brombehandlung bei
bolie? 1672.
Endobronchialspray, Behandlung des Asthma
bronchiale mit dem E. 1478.
I Endocarditis lenta; Microeoccus flavus als Erreger
649.
— verrucosa, Aetiologie der E. 1390. !
F.ndocardVeränderungen, mechanische 167. j
Endocrine Drüsen, Einfluss von Extrakten ders.
E. 1227.
— traumatische 853.
— und ihre forensische Bedeutung 123.
— und Tuberkulose 1131.
Epilepsieforschung, Heutiger Stand der E. 982.
Epileptische Demenz, Wirkung des Luminals bei
ders. 1733.
Epiphaninreaktion bei Krebskranken 648.
auf den Mineralstoffwechsel und das Blutbild ; Epiphysenlösung, spontane, im Kindesalter 81.
rachitischer Säuglinge 1747. I — traumatische 897.
Endoinetrium, Histologie dess. 1924. Epiphyscnnebenkerne des Becken- und Schulter-
Endophlebitis hcpatica obliterans 460. 1 gürtels 1282.
Endoskopie, Bericht über 4000 rectale E. 1946. 1 Epistropheusfraktur mit tödlichem Ausgang 1799.
Entbindungslähmungen 1195.
— des Arms 991.
Entbindungsverlctzungen 1151,
Entcnvögel, Seelenleben der E. 1292.
Enteritis membranacea foctalis 43.
Enteroamylase, Adaption der E. an den chemi¬
schen Reiz 360.
Enterocystom 374.
Enteroptose, Intraabdominaler Druck und Blut-
vertcilung bei E. 649.
Entcrostomie nach v. Hofmeisters Spicknadel¬
methode 464.
Entfettung mit Hilfe elektrischer Ströme 79,
230, 409, 1186, 1342.
Entfettungskuren 283, 473.
— diätetische 165.
Entkalkungsflüssigkeit, verbesserte, fiir mikro¬
skopische Untersuchungen 459.
Entmündigungs- undPflegschaftsvcrfahrcn, Mängel
in de ms. 1582.
Entzündungen, torpide hypoplastische 429.
Entzündungszellen an aleukocytären Tieren 1099.
Enuresis nocturna, Diagnose ders. 1747.
— — Röntgenuntersuchungen bei ders. 1652.
j — und Spina bifida oeculta 321.
Enzyme, proteolytische, im Serum Gesunder und
Kranker 824.
Enzymwirkung, autolytische, Forderung auto-
i lytischer E. durch pathologisches und Sehwan-
j gcrschaftsserum 79.
i Eosinophilie, lokale und Charkot-Lcydcn'sche '
I Kristalle 1128.
I — und Echinococcus 191.
j — und exsudative Diathese 897.
j Ependymitis nach Ccrebrospinalmeningitis 430.
j Epidermis, Das mclanotische Pigment der E. 613.
I Epidermistransplantation 186.
| Epididymitis, Behandlung der E. gonorrhoica
j nach der Bier'schen Methode 27.
— und Prostatitis acuta non gonorrhoica 414.
Epilepsie, Der E.-Anfall 844.
— Die gehäuften kleinen Anfälle bei E. 1733.
— Wirkung der Augenkompression bei E. 1098.
Epithelioma, Verknöcherung in verkalktem E. 894.
— contagiosum der Tauben 319.
— planum cicatricans 850.
Epithelkörperchen 42.
— Physiologie der Schilddrüse und der E. 1797.
Epitheliosis desquamativa der Südseo 992.
Epithelperlen, Funktionelle Bedeutung der sog.
E. am harten Gaumen von Föten und Kindern
709.
Epithelveränderungen bei der Entzündung und
Beziehungen derselben zum bösartigen Epi¬
theliom 1231.
Epithelwucherungen durch Gastrophiluslarvcn im
Magen der Pferde 1290.
Eppendorfer Krankenhaus, Operationsgcbäudc
dess. 1527.
Erb’sc-he Lähmung nach Lues 380.
-Chirurgische Behandlung der E. 121.
Erb-Duchenne’sche Plexuslähmung kombiniert
mit Sympatkieuslähmung nach Schussver-
letzung 1903.
Erblindung, akute, bei Hirnabscess 33.
Erbrechen, Behandlung des E. imKindesalter 1081.
— periodisches, Pathogenese des E. 278.
-mit Acetonämie 1874.
— — beim Kind 1566.
— unstillbares, bei 9monatigem Säugling 80.
— — bei einem Säugling. Laparotomie; Heilung
270.
Erdalkalien, Herzwirkung der E. 1145.
Erden, Einfluss seltener E. auf die Kontraktilität
des Muskels 1898.
Erfrierungen im Kriege und ihre Behandlung 1858.
Ergotismus, Geistesstörungen bei E. 800.
Erklärungswahn, Psychologie des E., dargelegt
an residuären Orientierungsstörungen 844.
Erkrankungen, exan thematische, Vaccinale Allergie
der E. 709.
Ermüdung. Die objektiv nachweisbaren Zeichen
der E. bei denjenigen Berufen, die keine
Muskelanstrengung erfordern 800.
Erraiidungsmesser, neuer 948, 1688.
Ermüdungsreaktionen 956.
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UMIVERSITY OF IOWA
2000
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ernährung, Die Kost der Arbeiter und die Grund¬
sätze der E. 1721.
— der Bevölkerung eines Dorfes 91.
— Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie
der Kinder 754. j
— und E.-Therapie des gesunden und kranken ;
Kindes 897.
— Arbeiten aus der Literatur über E.-Therapie
des gesunden und kranken Kindes 559. <
— lipoidfreie, und ihre Beziehungen zu Beri-Bcri ,
und Skorbut 938.
- parenterale, durch intravenöse Injektion 25,76.
— und Stoffwechselkrankheiten 1873. j
— Die Volks-E. im Kriege 1750.
Ernährungsstörungen der Säuglinge 1130.
— Körperzusammensetzung bei E. 1900.
Erregung, psychische, und Hemmung 320. ,
Errötungsfurcht, Lehre von der E. 1400. 1
Erstlingsimpfung. Blutbild bei E. 672. j
Erwerbsfähigkeit, Einwirkung der Krankheiten auf
die E. 359.
Erysipel, anämisches 1007.
— Behandlung dess. 1798.
— abortive Behandlung 935. I
— Behandlung des E. mit Antidiphtherieserum
1898. |
— Leber E. und Sepsis 1734. !
— in der Aetiologie des Diabetes mellitus 462. j
Erystypticum „Roche“ 843.
Erythem, pcllagrüscs 1900. j
Erythema chronicum migrans 1343.
— induratum Bazin 952. |
— infeetiosum, Epidemie 573, 1581. !
— — Die Breslauer Epidemie von E. 544.
— multiforme bullosum 142. j
— — Erkrankung der Conjunotiva bei E. 1000.
— nodosurn, Aetiologie des E. 412.
— — Purinstoffwechseluntersuehungenbei E.70S. 1
— — Tuberkulöse Aetiologie des E. 187.
— — und Tuberkulose 649, 1045. j
ErvthrOeyten, embryonale 1127.
— Fragilität der E. bei iktcrisehen Zuständen
412.
— Resistenz, Anpassungsvermögen und Durch¬
gängigkeit der E. 1201.
Erythrocyturia minima im Kindesaltcr 1470.
Ervthrodermic 429.
—* Behandlung im Wasserbett 1950.
— Beziehungen gewisser Formen exfoliativer E.
zur Tuberkulose 1600.
Krythromelalgie 321.
Erziehung, körperliche, des Kindes 316.
Esterase des Blutes 3G0.
Eugenik und Gynäkologie 563.
Eunuchoide 649.
Eunuchoidismus 42, 284, 377, 1772.
— Aetiologie des Spät-E. 989.
Euphyllin zur Hebung der Diurese bei der
Eklampsie 1529.
Eusitin, Mittel zur Bekämpfung des Hungergefühls
bei Entfettungskuren 16S8.
Eventratio diaphragmatiea 572.
— — und subphrenischer Absccss 1474.
— und Ilernia diaphragmatiea 1528.
Exanthem, agonal aufgetretenes 1231.
— hyperkeratotisch-vesikulöse, bei Gonorrhoe
1529.
Exostosen, familiäre 814.
— multiple, familiäre 1392.
-Cartilaginärc Komplikation der E. 1085.
— Hereditäre multiple eartilaginösc E. und hk-
chondrosen 267.
Exspiration, Manifeste und latente Insuffizienz
der E. im Kindesalter 1398.
Exsudat, Einfluss der Calciumsalze auf die Bildung
von Transsudaten und E. 986.
— pleuritisches, Diagnostische Bedeutung der
Tierimpfung mit E. 1226.
— tuberkulöse eitrige, Behandlung der E. mit
künstlichem Pneumothorax 409.
Extonsion, Besondere Formen der E. 1821.
— durch Gewichtszug 1950.
Extensionsvcrband mit Mastisol 7G7.
— Trikotschi auch-Mastisol-E. 1821.
Extraduralabscess 1148.
Extrasystole, Entstehung der nervösen E. 1328.
— supravcntriculäre, mit Ausfall der nach folgenden
Kammerextrasystolen 79.
Extrasystole, ventriculäre, Ausgangspunkt der E.
mit Hilfe des Elektroeardiogramms 219.
Extrauteringravidität 140, 1142, 1651.
— Behandlung der in den früheren Monaten
unterbrochenen E. 1749.
— ausgetragene 572.
— vorgeschrittene und ausgetragene 1749.
Extremität, untere, Statisches Problem des
Skeletts der E. 990.
Extremitätenparalyse, dauernde, nach lange fort- ,
gesetztem Gebrauch von Colchiein 1565.
Gxtrcmitätenrcnexe, Einfluss der Kopfstellung (
auf pliasisehc E. 1707. j
Extremitätenschüsse 1965.
Extremiliitentransportsehienc, dreigcteilte 1281. i
Facialis, Dauerclonus im Gebiet des linken F. 947. !
Facialislähmung, angeborene 30, 953.
Facialis- und Hypoglossusparcse nebst Aphonie
durch Schuss 1850.
Faeialisphänomen, Xeuropathisehc Familie mit
F. 478.
Fadenpilzerkrankungen des Menschen 1552.
Fäees, Nachweis okkulter Blutungen in den F.
1470, 1899.
Faecotcnor, Apparat zum Auffangen und Trans¬
portieren von Stuhl für klinische Unter¬
suchungen 1609.
Fäulnis, Verhalten der Betaine hei der F. 1042.
Fall Wagner, Wissenschaftliche Bedeutung des
F. \\\ 709.
Farbstoffe, Selektiv bakterieide Wirkung von F.
811.
— Vitalfärbung mit sauren F. 1770.
Farhenempfindlichkeit, Einfluss der Digitalis auf
die F. für Grün und Kot 892.
— Einfluss von Santonin und Digitalis auf die
F. des menschlichen Auges 1042.
— Theorie der F. auf phylogenetischer Grund¬
lage 555.
Farbenschwäche, angeborene, Konsequente Simu¬
lation von F. 1332.
Farbensinn 1332.
Farbensinnstörungen, angeborene 273.
Farbentüchtigkeit, Feststellung der F. 1670.
Fascia lata, Histologischer Umbau der freitrans- ;
planticrten F. 1428. i
— — Freie Transplantation ders. bei Lungen-
und Lungenlappenexstirpation 1875. I
Fasoie-, Tuberkulose der F. des Bicepsnmskels
1470.
Faseientransplantation, freie 124, 767. j
— Behandlung von Muskelbrüchen durch freie I
F. 1561. !
Faseientumorcn 271. I
Favus der unbehaarten Haut in Japan 1600. |
— des Kopfes 854. j
Fehlgeburt s. Abort.
Feldarzt, Vademeeum des F. 1577. |
Feldrüntgenautoniobil, neue Type 1822. !
Feldsanitätsausrüstungen, Neuerungen in der F. I
1325. !
Femur, Entstchungsmechaiiismus der typischen J
Frakturen des atrophischen F. 612.
— Hypoplasie dess. 1586.
— Tumor am F. 1245.
Feinurcyste 1146.
Femurepiphyse, Bisher unbekannte Erkrankung
der unteren F. 568.
Femurfraktur, Nagelextension bei F. 672.
— Transportschiene für F. 1376.
i Femurhals, Frakturen des F. im kindlichen Alter
und ihre Beziehungen zur Coxa vara 815.
Ferment, amylolytisches, Wirkung des F. auf
Nähr- und Nahrungsmittel 555.
— Nachweis bakterienfeindlicher Schutz-F. mit
Hilfe der Alnlerhalden’schen Methode 757.
— Biologische Untersuchung auf Abbau-F. 767.
— Zusammenhang zwischen aktivem und in¬
aktivem Zustand eines F. und seiner Ober¬
flächenspannung 191.
— Verhalten von Tieren, die plasmafreie Sub-
strata nebst den zugehörigen F. im Blut be¬
sitzen, gegenüber parenteraler Zufuhr be¬
stimmter Peptone, Proteine und Serumarten
1185.
Ferment, caseinspaltende, Bedeutung ders. 179 *
— eiweissspaltende, im Blut bei vorgeschrittenem
Hunger im Stadium der „Stickstoffsteigcrun**
aus Fettschwund 461. ' B
— Nachweis der F. und Anti-F. auf Farbplatten
839.
— Nachweis spezifischer F. im Harn 1G88.
— Passive Uebcrtragung des F. von Geistes
kranken auf Kaninchen 1554.
— Verbreitung der fett-, leeithin- und wachs-
spaltenden F. in den Organen 1599.
— peptolytische, in Zellen und im Blute -
Totenreaktion 557.
-im Harn bei Eiweisszerfallstoxikoscn 1280.
-im Serum verbrühter Kaninchen 10M
1225.
— proteolytische 940.
— — im Blute 1374.
-Nachweis der Wirkung von F. des Serums
mittels Entciweissung und Feststellung der
Zunahme der mit Ninhydrin reagierenden
Stoffe 843.
-Spezifität der gegen Pflanzeneiweiss ge¬
richteten F. 1425.
— — Spezifität der F. 895.
— spezifische, Nachweis der F. mit Hilfe des
Dialysierverfahrcns 78, 940.
Fermentreaktion, Hemmung von F. durch in¬
differente Narkotica 986.
Fermentstudien, biologische 424.
Fermenttherapie des Diabetes mellitus 1874.
Ferrescasan, ein neues erfolgreiches Eisenprä¬
parat 120.
Fertilität, besondere, kombiniert mit konstanten
Blutungen in der schwangerschaftsfreien Zeit
651.
Fett und Altmann'sche Granula 894.
Fette, Eine neue Reaktion der F. (Chromchry-
soidiureaktion) 1525.
! Fettaustausch in der Säuglingsernährung 1165.
Fettintoxikation 1424.
Fettkörper und Eiweissendprodukte 941.
Fettresorption, Untersuchungen über F. aus der
Bauchhöhle mittels Dunkelfeldbeleuchtung
1466.
— im Dick- und Mastdarm 1466.
Fettschwund, symmetrischer progressiver, iif
Kindesalter 611.
I Fettsubstanzen, Ursprung der F. in der Neben-
I nierenrindc 1579.
Fettsucht, Behandlung der F. mit kolloiden Platin¬
metallhydroxyden 1770.
— hochgradige 1459.
i — hyperglykämiseho 722, 928.
I — hypophysäre 1244.
f — konstitutionelle 576.
1 — Pathogenese der F. 959.
| Fetttransplantation, autoplastische, zur Neuro-
I lysis und Tendolysis 710.
Fibrin, Ueber F. und Wesen der Blutgerinnung
j 360.
! Fibrolysin, Anaphylaktische Erscheinungen nach
I F - 122 *
; Fibromatosis utcri, Ovarialverändcrungen bei 13-0.
I Fibromyxolipom des Abdomens 811.
Fibrosarkom der Schädelbasis 1140.
Fibula, Traumatische Luxation der F. im oberen
j Tibio-Fibulargelcnk 124.
j Fibulabruch, Aetiologie des typischen P und
| der militärischen Fussgesehwulst 702.
j Fichtennadelbäder 1374. _ 0t)
Fieber, Genese des Eiwcisszerfalles im P
I — Ueber Gchirn-F. 1752.
— Einfluss der Ausschaltung des Zwisobennirn?
i auf das infektiöse und nichtinfektiosc P •
Fieberanstieg G46.
| Filarienerkrankung, Phcnokoll bei K. und Bin»
; ziosis 1088.
J Filariosis des Auges 83.
. < Filixvergiftung, Tödliche F. bei klinisch laten.
■ I Morbus Addisonii 1820.
• Filterwirkung 1131.
Fimbria ovarica, Tumor ders. I486.
- Finger, Chronische Tuberkulose der P * 1 •
- Fingercuvette s. Cuvettc.
- Fingerhypertrophic 1000.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
200t
i
Fingerkontraktur, kongenitale 141, 1471.
Fingervcrletzungen, Beurteilung ders. 1750.
— Bewertung der Inaktivitätsatrophie des Armes
nach F. 713.
Fische, Gesichtssinn der F. 408.
— Glykogcnstoffwech.se! der F. 980. i
— Krankheitserscheinungen bei den F. im all¬
gemeinen 1290.
— Bandwurmseuche der F. 1290.
Fischgift, Einwirkungen der Verdauungsfermente
auf das sogenannte F. 1328.
Fischkrankheiten, Rolle der Protozoen bei den
F. 1290.
Fischspermien, Proteine der F. 20.
Fissura sterni congenitalis complela 800.
Fistula ani, Entstehung und Behandlung der F.
271.
Fixierungsverfahren, neues 798.
Fläche, Bedeutung der F. für die Wirkung von
Druckreizen 70.
Flagellaten, Biologie der nur auf kulturellem
Wege nachweisbaren F. des Rinderblutes 319.
Flecktyphus als Kriegsseuche 1654.
— Urobilin und Diazoreaktion beim F. 1456.
— s. a. Typhus exanthematicus 108.
Flecktyphuserreger 1458.
Fleisch, Vorkommen von Fumarsäure im frischen
F. 938.
Fleischbeschau, Handbuch der F. für Tierärzte,
Aerzte und Richtor 753.
Fleischeiweiss, jJ-Naphthalinsulfochloridmethodc
zur Erkennung der partiellen Hydrolyse von
F. 938.
Fleischintoxikation heim Eck’.sehen Fistelhund
754.
Fleischvergiftung durch Bakterien der Paratyphus-
Entcritisgruppe 564.
Flexura lincalis, Careinom der F. 711.
— sigmoidea, Hochgradige Ausdehnung der F.
720.
— — Perforation der F. durch Fremdkörper
1198.
— — Stenose der F. 1241.
— — Volvulus der F. 34.
Fliegerpfeil 1745, 1825, 1901.
Fiegerverlctzungcn 53.
Flimmerarrhythmie 43, 1082.
Flimmerscotoin und vasomotorische Krampf-
crscheinungen an beiden Händen 83.
Flüssigkeiten, ölige, Keimfrei machen von F. 503.
Fluor, Puderbeliandlung des weiblichen F. 604.
Foetus comprcssus 1429.
— Infektion des F. 1875.
Beziehungen der mütterlichen Erkrankungen
Frakturen, Experimentelle Grundlagen der ope¬
rativen Behandlung der F. und ihre klinische
Anwendung 500.
— Kurzgefasste Lehre von den F. 790.
— Sekundäre Veränderungen nach F. des Os
lunatum und üs naviculare earpi 1747.
— seltene 911.
Frakturenbehundlung mit Hackenbruch’schen
Distraktionsklammern 718.
— improvisierte im Kriege 805.
— mit silbernen Bolzen 854.
— Zangenexteusion 1229.
Frakturenden, Klammcrung als Methode zur Koap-
tierung der F. mit Verschiebung 845.
Framboesie, Behandlung der F. mit intramusku¬
lärer SalvarsaDinjcktion 83, 504.
— tropische, Ist die F. Syphilis? 802.
— — Knochen- und Gelenkerkrankungcn bei F.
1384.
Frankfurter Universität, Die neue Fr. U. 1779.
Französisch-Aequatorialafrika, Gesundheitswesen
von 1472.
Frau, junge 1079.
Frauenärztliches aus Deutsch-Ostafrika 1772.
Frawenbart, Entfernung dess. 1820.
Frauenkrankheiten, Lehrbuch der F. 219.
Frauenleiden mit■ Röntgenstrahlcn behandelt 1408.
Frauenmilch, Wirkung der mechanischen Er¬
schütterung der F. 709.
— der ersten Laktationszeit 1371.
Fremdkörper in den Luftwegen 1472.
— Ortsbestimmung des F. im Körper des Ver¬
letzten 1092, 1849.
— Röntgenologische Tiefenmessung besonders 1
bei F. 1825.
Frcmdkörperaspiratiou, Tracheotomie wegen F.
604.
Fremdkörpergranulationsgewebe, Zur Frage des F.
1578.
Fnedmann'sehes Heilmittel.Erfahrungen mit dems.
1278, 1467, 1599, 1583.
— — Behandlung der Lungentuberkulose mit
dems. 14%.
— Behändlung des Lupus mit dems. 1540.
Friedensschluss 46, 47.
Friedenstätigkeit, Acrztliehe F. im Kriege 1674.
Friedensverlctzungcn an Bord von Kriegsschiffen
428.
Fricdrcich'schc Ataxie 858.
Fritilin, lieber F. 841.
Frosehherz, Verhalten des isolierten F. bei reiner
Salzdiät 555.
1 Froschventrikel, Arbeit und Gasweelisel am F. 280.
Frostbeulen, Biokinetische Behandlung der F.
1001.
zu den Organen des F. und Neugeborenen 208.
— Uebergang von Arzneimitteln von Mutter auf "■ Friihaufstchen nach Operationen 354.
den F. 408. Friihcrythem nach Röntgenbestrahlung 909.
Folia digitalis, Gefährliche Verunreinigung der | Friihjahrskatarrh, Einfluss der Trockenheit
F. 721. I Luft auf die Entstehung des F. 803.
Foligan Henning 1820. ■ Frühreife und allgemeine Behaarung bei 3jahrig.
ler
Folliclis unter dem Bilde des Lichen ruber
planus 1231.
Foramcn magnum, Verletzungen der Gegend des
F. 713.
Forceps intrauterinus 1067.
Forceps s. a. Zange.
Forcllenfische, Ist der sog. Schilddrüsen krebs der
F. ein echtes Carcinom? 1291.
Formaldehyddampf, Tiefenwirkung des F. in
Dampfdesinfektionsapparaten 223.
Formaldehydproben im Urin 1130.
Formalindämpfe, Anwendung der F. in der Gynä¬
kologie 171.
Formalinekzem, Behandlung des F. 77.
Forschung, naturwissenschaftliche, Fortschritte
der F. 1040.
Fortpflanzung, Homologe Akte und einzelne Arten
der F. 608.
Fortpflanzungsfähigkeit, Beeinflussung der F.
durch Jod 855, 1279.
Fractura condyli externi humeri, Behandlung der j
F. mittels Exstirpation des freien Fragments
1084 1
Kind 1393.
Galaktosuric, alimentäre bei Morbus Basedowii
1520.
Galle, Sterilität der G. unter normalen Ver¬
hältnissen und ihre baktcricide Wirkung auf
pathogene Bakterien 464.
— weisso 1425.
Gallenabfluss, Beeinflussung des G. durch Medi¬
kamente 379.
Gallenableitung, Technik der G. in verschiedene
Abschnitte des Verdauungstractus 899.
Gallenabsonderung beim Menschen unter einigen
Nahrungs- und Arzneimitteln 1328.
Gallenblase, Funktion der G. 1041.
— Präparatdemonstration cinesG.-Carcinoms 1580.
— Primäres Sarkom der G. 711, 1129.
— Schutzverletzung der G. 1330.
— Stichverletzungen der G. 899.
— Direkte Untersuchung des Duodenalinhaltes
als diagnostisches Hilfsmittel bei G.- und
Pankreasaffektionen 1888.
— Warum bleiben nach Exstirpationen der G.
so häufig Beschwerden zurück? 1528.
Gallenfarbstoff 577.
— Nachweis von G. und Hämoglobin im Harn
1733.
Gallensteine, Entstehung der G. 1298.
— Häufigkeit der G. 899.
— primäre intrahepatische Bildung 18.
— Röntgendiagnostik der G. 712, 1231, 1283.
Gallensteinchirurgie, 1528, 1587.
— Die Paravertebralanästhesie bei G. 1875.
Gallenstein leiden und Diabetes 1083.
Gallenwegc, Abnormitäten der G. 1528.
— Ascariden in den G. 321.
— Beeinflussung der G. durch Pharmaka 556.
Gallertkrebs 720.
Galopprhythmus bei Typhus 896.
Galvanisation, Neue Methode der G. grösserer
Körperteile 504.
Galyl bei Arsentherapie der Syphilis 755.
Gangbevegung, Anwendbarkeit des Gesetzes der
korrespondierenden Geschwindigkeiten auf die
G. von Menschen und Tieren 1739.
Ganglioneurom, retroperitoneales 82.
Ganglion Gasseri, Tumor dess. 1900.
Gangrän des Fasses hei Diphtherie 990.
— Spontane Extremitäten-G. im Kindesalter 1130.
— foudroyante der Genitalien 851.
— juvenile 1128.
— (icfässparaly tische Kältc-G. im Balkankrieg 123.
— Raynaud’sohe 854.
— schwere symmetrische 1527.
— trophoneurotische nach Sehussvcrletzung 1045.
1 Garnisonlazarctte, Selbstbewürtschaftung der Ver-
| pflegimg in den G. 1473.
Ganzkornbrot 1081.
, Gasbacillus, Puerperale Infektion mit demFränkel-
! sehen G. 1948.
Gasgangrän 1870.
Gasphlegmone, Behandlung der 1470, 1S76, 1949.
j — nach kriminellem Abort 1920.
Fructus Rosae multiflorac, Abführende Wirkung Gastrische Krisen und Vagotomie 1556.
der F. 841. j Gastritis chronica, Beziehungen der G. zum Magen-
Fürsorge, orthopädische. Ueber die für die Berliner | krebs 866.
Gemeindesehulkinder geplante F. 747, 1195.'— polyposa 368.
Fumarsäure im frischen Fleisch 938.
Furunkel, Technik der Behandlung 1876.
— Behandlung ders. 1940.
Furunkulose, Röntgenbehandlung der F. 909.
— Behandlung der F. iin Säuglingsalter mittels
Thermokauter 797.
— Vaeeincbchandlung der chronischen F. 1372.
— Staphylokokkensepsis nach F. 150.
Kuss, Technik, Amputation am F. 955.
— Luxation des F. im Talocruralgclenk 404.
Fussgcschwulst, militärische, Aetiologic der F.7G2.
Fusssühlengelcnkgeseliwür, traumatisches, und
Neuritis 40.
Fusswurzelknochen, Brüche der
G.
— mit pylorospasmusmotorischer Insuffizienz
zweiten Grades und Sarzinegärung 864.
Gastro-Coloptosis, ihre pathologische Bedeutung,
Krankhcitsbilder, Diagnose und Behandlung
1598.
Gastroduodenostomie bei Ulcus 464.
Gastroentcroanastomose, Misserfolge der G. bei
I Pylorusstenose infolge spastischen Verschlusses
der Magenfistel 169.
I Gastroenterostomie, Seltene postoperative Kom-
i plikation nach G. 991.
; (iastrojejunalgeschwür, s. Ulcus ventriculi.
j Gastropcxie nach lioovsing 711.
— humeri supracondylica, Behandlung der F.
mittels Gelenkautoplastik 898. , Gärtner sehes Enteritisbaeterium, Sektionsbefund
Frakturen, Regionäre Anästhesierung bei F. der bei Infektionen mit G. 1468.
unteren Extremität 414. i Gärungsröhrchen, neue Konstruktion 1919.
— Blutige Stellung schlecht stehender F. 472. j Galaktosuric, alimentäre und Lävulosuric 940.
grossen F. 84. i Gastroptosc 478.
; Gastroskopie, Methodik der G. 896.
Gastrospasmus, Diagnose und Therapie des G. 911.
— bei Urämie 1821.
Gastrostomie im Röntgenbild 866, 1821.
— temporäre 464.
Gaswechsel, respiratorischer, bei chronisch-
anämischen Zuständen 1044.
Gaumen, hoher, Aetiologie desselben 1613.
Gaumenprothese nach Schussverletzung 811.
7
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Original frn-rri
UNiVERSlIY OF IOWA
2002
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Gaumenspalte, operative Behandlung 1555,
— Behandlung nach Bropht 81.
— Prothesenbehandlung 170.
Gaimienrescktion, temporare 37, 104, 176.
Gazekompressc, ln der Bauchhöhle vergessene <i.
848.
Geburt, Das für die erste G. günstigste Alter 272.
— nach operativer Antefix.ation 761.
— doppelte, bei doppelter Gebärmutter 803.
— Erfahrungen an den letzten 10000 G. mit be¬
sonderer Berücksichtigung des AltersbildesS47.
— Gutachten zum Gesetzentwurf .betreffend den
Verkeiir mit Mitteln zur Verhinderung von G.“
771.
— des Menschen 645.
— Dosierung und Erfolge von intramuskulären
Pantopon-Skopolamini/ijoktionen bei der G.
755.
— schmerzlose, im Dämmerschlaf unter Ver¬
wendung einer vereinfachten Methode 1081.
— Ursache des überraschend schnellen G.-Ab¬
laufes hei Rückenmarkserkrankungen 1920.
Geburtshilfe, Abhandlungen aus dem Gebiete der
G. und Gynäkologie 74.
— Beiträge zur ältesten Geschichte der G. in
Rom 1919.
— Wechsel der Indikationsstellung in der heutigen
G. 1392.
— Kompendium der G. 407.
— Eaudanon in der G. 755.
— Leitfaden der Untersuchung in G. u. Gynäko¬
logie 1080.
— Leitungsanästhesie in Gynäkologie und Ge¬
burtshilfe 1095.
— Vademccum der G. 24.
— Pituidandol in ders. 1920.
Gehurlshilflieb-gynäkologische Propädeutik 1631.
Geburtshindernis durch übermässige Dilatation
der fötalen Harnblase 847.
Geburtslähmung, Die Knochenverletzungen bei
der G. 813.
— Verletzungen des oberen llumems.endes bei G.
1162.
Geburtenrückgang. Zur Frage des G. 623.
— und Säuglingssterblichkeit 1343.
Geburtszange, s. Zange.
Gefässe, peripherische, Einfluss der Temperatur
auf die G. 892.
Gefässehirurgio, Beitrag 1612.
Gefässkrampf, traumatisch entstanden 1923.
Gefassmuskel», Die Arbeit der G. 572.
Gefässnaht, circulare 651.
Gefiisssystem. peripheres. Tätigkeit des G. und
ihre Rolle im Blutkreislauf 1082.
Gefässvcrletzungen, Indikationsstellung bei Ope¬
rationen von Aneurysmen und bei G. 31.
— im Kriege und ihre Behandlung 1775, 1776.
— durch Spitzgeschoss 1230.
Gcfässwand, Nervenverzwcigung innerhalb der G.
1327.
Gehirn, Dekompression des G. bei intrakraniellen
Blutungen 610.
— Operative Beeinflussung der Entwicklungs-
Störungen des G. 896.
— Einfluss von Ernährung und Erkrankung auf das
Wachstum des G. im ersten Lebensjahre 1874.
— Technik der experimentellen Untersuchungen
am Gehirn 896.
— Geschwulstbildung im G. und in den weichen
Häuten desgesamtenCentralnervcnsystems 559.
— Neue Methode zur Beseitigung der Hyperämie
des G. und der inneren Organe 1178.
— Demonstration von G. mit Herden in der
Inselgegend 470.
— Purpura iiaemorrhagica des G. 1197.
— Kleine Hypernephrommetastasen des G. 1197.
— Schussverlctzung dess. 1965.
Gehirnabseess, orbitogener 849.
— otitisciier 1430.
— traumatischer 1911.
— als Folge peripherer Körpereiterung nach Un¬
fall 1798.
Gehirnanhang s. Hypophysis.
Gehirnbasis, Geschwülste der G. 937.
Gehimbcfunde an durch Ilirnrcizung hyperther-
iniseli gemachten Kaninchen und ihre Bezie¬
hungen zur Hyperthermie 646.
Gehirnblutungen, Uhromoscrodiagnostik 1565.
Gehirnblutungen, Diagnose der G. 798.
— spontane, Tod durch G. bei hämorrhagischer
i Diathese 942.
— und Meningealblutung, Untersuchung des Se¬
rums bei 1490.
Gehirndruck, Höhe des G. bei einigen Augcn-
krankheiten 1772.
Gehirnerschütterung. Hvdroeephalus nach G. 84.
Gehirnerweichung, Fall von 1527.
Gehirnfieber 1752.
Gehirngewicht bei Geisteskranken 800. .
— Gehirnvolurnen und Schädelkapazität 756. ,
Gehirnhäute, weiche, Faustgrosses Endothcliom j
der G. 1197. I
Gehirnhautentzündung, Zwei unter dem Bilde
einer Hirngeschwulst verlaufende tuberkulöse
g 1848. ' ;
Gehirnhauttuberkulose. Seltene Form der G. 756.
J Gehirnkomplikationen, otitische, Operative Ein-
I griffe bei G. 575. ,
Gcbirnkraukheiten, Störung der Grammatik bei
| G. 30. j
— Allgemeine Chirurgie ders. 1918. j
Gehirnnerven, Schussvcrlctzungen von G. 1702.
; Gehirnoperation, Vorbereitung bei G. 1085.
i Gehirnphysiologie, Neuere Methoden und Ergeh- (
| nisse der G. 1015.
j Gchirnpunktiou, Meine G. und die Untersuchung
des Treponema bei Dementia paralvtiea 221. j
| — Bedeutung der G. für die chirurgische Indi¬
kationsstellung 374. i
Gehirnschimmelpilzerkrankung 363.
Gehirnsciiiis.se, Behandlung ders. 1824.
— Operative Indikationsstellung bei G. im Kriege
1230.
— und Ncrvcnschussvcrletzungcn 1800. 1
| Gchirnsehwellung, Intravitale und postmortale,
; G. 1771
1 Gehirnstürungen, infolge übermässigen Cocain -
| genusscs 1000. i
I Gehirnsyphilis 1201. I
— nach Gehirnerschütterung 1923. j
| Gchirnteratom bei einem neugeborenen Hydro- '
; cephalus 1486. j
j Gehirntumoren, Behandlung der G. und die In- (
dikationen für ihre Operation 30. ,
, — Diagnose 1469, 1752. !
j — Diagnostik und Therapie der (7. 1772. |
I — Differcntialdingnose des G. 474. j
j — Krwoiehungsprozesse und Sklerose 379.
— experimentelle bei Mäusen 895.
! — mit Gesichtshallu/dnationen lind Makropsie559.
— oder HysterieV 365.
— Klinik der oberflächlich gelegenen G. und
i das Babinski'sche Zehenphänomen bei corti-
kalon Hemiplegien 80.
— operierter geheilter 716.
I — Homolatcrale Recurrenslähmung bei G. 1709.
— Im Röntgenbild sichtbare G. 846.
[ — mit positivem Röntgenbefund 942.
1 — Röntgcndiagnosc der G. der llvpophvsfMi-
gend' 1822.
— Kombination von Schädclhyperostosen und
G. 222.
Gchirnwurzelgcbiet, intramcdulläres 896.
Gehörgang, operative Beseitigung einer Arreste
] des - G. 141.
I — Osteom des knorpeligen G. 422.
— Spontanfraktur des äusseren knöchernen G.
i 1533.
— Doppelseitige Fraktur 422.
' Gehörorgan, Die Funktionsprüfung der G. 1732.
Geisteskranke, Abderhalderrsche Serodiagnostik
I bei G. 364, 381.
, — Grossstädtischc Versorgung von G. in Familien-
: pflege 809.
I — Hirngewiehte bei G. 800,
i Geistesstörungen bei Ergotismus 800.
I — nach inneren Erkrankungen und nach Üpe-
| rationell 1564.
— Invalidität, Entzündung? 1709.
I Geländebehandlung herzkranker Kinder im Mittel -
| gebirge 1464.
Gelenke, ankvlosicrte, Mobilisierung von G. 1007,
I 1428, 1947.
i — grosse, Schussvcrletzungcn der G. 1229.
, — Schienen oder Gipsverbände bei G.-Schuss¬
frakturen 1902.
Gclcnkemle, Umpflanzung von (1. 472, 8G6
Gelenkentzündung, chronische, Intensive Behand¬
lung von G. mit metallischem ,1 od 1128.
tielenkerkrankung, chronische, Phenol-Campher-
behandlung bei G. 4G4.
— Chronisch deformierende Kalkstoffwechsel-
untersuehungen bei G. 708, s . a. Arthritis
deformans.
— Behandlung der chronisch-rheumatischen 6.
nach den Gesetzen der Funktion und Statik
1650.
— neuropathisehe 866.
— sekundär-chronische 1847.
Gelenkextension, Wirkung der G. 651.
Gelenkgicht 1384.
Gelenk kapsclchondrome 1281.
Gelenk kontrakt ur, Eigenartige traumatische 6
1437, 1493.
Gelenkkörper, Entstehung der freiend, und ihre
Beziehung zur Arthritis deformans 1007,1281.
Gelenkmobilisation, operative 651.
Gelenkplastik 1338.
Gelenkrheumatismus, akuter. Aetiologie dess. 844.
— — und Herz 1946.
— — A tophau bei G. 91.
—- — Klinik und Pathologie des G. 10S3.
— — polyartikuliirer 861.
— — — Behandlung mit intramuskulären In¬
jektionen von Pyralgien 893.
— primärer chronischer 857.
— Der sogenannte chronische G. und die Gicht
1688.
— Dreijähriges Kind mit chronischem G. 1489.
— Behandlung der Sepsis und des G. mit Methylen-
blausilbcr 857.
Gelenksciuissverlctzungen 1965.
Gelenksehwcllung. periodische 896.
Gelenk transplan tation 1468, 1619.
Gelenktuberkulo.se, Röntgenbehandlung der 6.
170.
Gelenk Versteifungen durch LymphkrcislaufsUirimg
und deren Behandlung 170.
— Operative Mobilisierung von G. 235.
Gelenk Winkelmesser für die Praxis 1582.
Geludina soinnifera, ein neues Schlafmittel 1278.
Genfer Sec, Ursachen der Verunreinigung des 6.
und ihre Bedeutung 1187.
Genitalapparat, Tuberkulose des weiblichen 6.
im Kindesalt er 1875.
Gcnitalbhitung. Extrakt aus Corpora lutea vera
gegen G. 1081.
— lnhibin, ein neues lokales Hämostaticum hei
G. 1042.
Genitale und Thyreoidea 846.
— und Basedow 846.
Genitalgcgend, Seltener Tumor der G. 114b
Genitalien, Gangrene foudroyante der G. 851.
Genitalkanal, Bakteiiologische Untersuchungen
des Keimgehaltes im G. der fiebernden\\dehne-
rinnen 1631.
, Genitalprolaps, Begutachtung des G. als tnfall*
folge 84.
( Genitalsekrete, Bakteriologische Untersuchungen
der G. der nichtschwangoren und nichtpuerpe¬
ralen Frau vom Kindes- bis ins Greisenalw
1631.
Genu valgum, Supracondylärc Osteotomie wegen
doppelseitigem G. 859.
Gerichtsärztlichc und polizeiärztliche Technik
1466.
Gerinnungsreaktion bei Syphilis 1599.
Gcschlechtsbestimmung 571. ^ ^
— konstitutionelles Moment bei der G. 5(2,
Geschlechtskrankheiten, Bekämpfung ders. i- 11
Krieg 1750, 1775.
— Lehrbuch der Haut- und G. 891.
— Prophylaxe und Therapie ders. im Felde ’•
Geschlechtsuntcrschiede beim Menschen t>4«>
Geschmackstoffe, Die organischen G. 1<9K
Geschosse, Röntgenaufnahmen von G. 19t-
— Die ltöntgensekundärstrahlenblendc bei
kalisation von G. 1940.
Geschosswirkung 1230.
(ieschwindigkciten, Anwendbarkeit des (, oh o-
der korrespondierenden G. auf die 'K-
bewegung von Menschen und Tieren * •
Geschwülste s. a. Tumoren. .-w
Geschwulstlehre für Aerzte und Studieren e
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2003
<loschwiirsbildung, Beziehung- des Bacillus pvo- 1 Glaukom, sclcro corncale Trepanation bei G. 762. Gonorrhöe, Spezifische Behandlung der G. und
cyaneus zur G. 1600.
Gesicht, Behandlung der Kieferfrakturen und
Schussvcrletzungcn des G. 1734.
Gesichtsausdruck des Menschen 1041.
Gesichtsemptindung, Verschiedenheit der Lokali¬
sation zwischen den in gekreuzten und un-
gekreuzten Sehnervenfasern fortgeleitetcn G.
892.
Gesichtsfeldbestimmung, Neuerungen auf dem Ge¬
biet der G. 1240.
Gesichtsfelddefekt, hysterischer 848.
Gesichtsfeldveränderungen bei Nasen- und Nasen¬
nebenhöhlenerkrankungen 1087.
Gcsichtsfurunkel, Konservative Behandlung der
G. 1089.
Gcsichtsmissbildung durch Auftreibung der
mittleren Nascnniuschein 1477.
Gesichtsvcrletzungen 1230.
Gesellschaft, laryngologische, zu Berlin, histo¬
rische Entwicklung der G. 1089.
Gesundheitskontrolle undprophylaktischcSyphilis-
behandlung 1187.
Gesundheitspflege des Kindes 14G4.
— in Jamaica 804.
Gcsundheitsverhältnisse von Bukarest 563.
Getränke, Temperaturstudien der G. 762.
Gewebe, Implantation von G. 755.
— deciduales s. Decidua.
— tierische. Die sogenannte Härte der G. und
ihre Messung 317.
— Veränderungen der G. und Geschwülste nach
Strahlenbehandlung 1064.
Gewebseinschlüsse, embryonale, und Gewcbsano-
malien bei Mensch und Tier 1293. 1435.
Gewebskultur, künstliche, Bildung spezifischer
Präei pitine in G. 707.
— Bedeutung der G. 333.
— Auftreten lipoider Substanzen in den G. und
bei der Autolvse der entsprechenden Gewebe
1042.
Gewcbssäfte, Wassersioffionenkonzcntratiun der
G. 1649.
Gewebstransplantation 1101.
Gewichtsabnahme, Ursache der physiologischen
G. neugeborener Kinder 1874.
Gewichtszunahme, mangelnde, bei jungen Brust¬
kindern 321.
Gicht, atypische 1233. 1285, 1378.
— — Blutuntersuchungon bei G. 1233, 1306.
— — und verwandte Mollweehsclstürungen 1301.
1359.
— — Beziehungen ders. zu Erkrankungen der
Respiration sorga ne 1518.
— chronische, Behandlung der G. mit Aeiimvum
compositum 933.
— Gelenk-G. 1384.
— Verhalten des intravenös einverleibten Glyko-
kolls bei gesunden und kranken Menschen
(besonders bei G. und Lehercirrhose) 29.
— Sehmerzzustände hei G. und Rheumatismus
und ihre Behandlung 30.
— Der sogenannte chronische Gelenkrheuma¬
tismus und die G. 1688.
—- liarnsäurcgehalt des Blutes bei G. und anderen
Krankheiten 1005.
— Sekundäre Polyeythämic bei G. 663.
— Purinstoffwechseluntcrsuchungen bei G. 708.
— schwere 93.
: — Veränderungen und Rückbildungen der Pu
pillenexkavation im Verlaufe des G. 1284.
— und Augendruck 273.
Glaskörper, Eiwerssanaphylaxic 993.
— Immunität 33.
— Infektion und Immunität des G. 1799.
— Steinpartikulchcn im G. 1903.
, — Kupfcrsplitterverletzung dess. 1922.
GI cfeslg e w i e h tsstö r u nge n 142.
I Glia, amöboide 1373.
' — faserige, bei Arteriosklerose der Kleinhirn-
rindc 167.
1 Gliaknoten, subependv märe 167.
I Gliom, diffuses, des Pons und der Medulla oblon-
gata 167.
— doppelseitiges, der Retina und intraoeulare
Strahlcnthcrapie 848.
— pigmentiertes, des rechten Seiten Ventrikels
1579.
— des Auges, Ruptur der M. dcsccmeti mit
partieller Nekrose der Hornhaut 1921.
— Ricsenzellen-G. 167.
Glossina palpalis, Ausrottung der G. durch Weg¬
fangen 223.
— Ucbertragungsversuche mit G. 299.
Glossinen, Ucbertragungsversuche mit G. 328.
Glossitis interstitialis 854.
— rautenförmige, des Zungenrückens 561.
Glukosamin, Ninhydrinrcaktion des G. und Fehler¬
quellen bei der Ausführung des Abdcrhaldcn-
sehen Dialysicrvcrfahrcns 557.
Glukoscscrum, Wirkung der Injektion grosser
Mengen von G. bei toxischen und infektiösen !
Prozessen 722.
Glukuron.säure, Verhalten der G. im Organismus
1616. “ j
< lhitiialabsees.se 1601. I
Glycy Itryptophanprobc, Verwertbarkeit der G. (
für die Diagnose normaler und pathologischer
Flüssigkeiten 318.
Glykogen in der glatten Muskulatur 362. '
Glvkogcnbildung, Zucker- und G. in der isolierten I
Warmblüterlcbcr 266.
Glykogenstoffwcchsel der Fische 986.
a-GIvkuheptonsäiirelakton, Ausnutzung dess. beim
Diabetischen und Nichtdiabetischen 1817.
Glykokoll, Verhalten des intravenös einverleibten
G. bei gesunden und kranken Menschen 29.
Glykolyse, Beiträge zur 1649.
Glykosiirie bei experimenteller Nephritis 1081.
— beim Hunde durch intravenöse Injektion von
t’erebrospinainüssigkeit eines ■ Akromegalcn
1373.
— und Lehcr- 119.
Goldkantharidin zur Tuberkulosebehandlung 1577.
Goldsolreaktion, l.angcVhe G. 28,1329,1469,1771.
Gonitis serosa luetica 43.
Gonoblennorrhoe s. Blennorrhoe.
Gonokokkenpyämie, primäre 1001.
Gonokokkenvaccine, Diagnostische Verwertbarkeit
der G. 69, 382.
— Versuche mit dem Nicolle'sclien G. 1577.
Gonorrhöe, Bedeutung der intravenösen Artlvlgori-
injektionen für Diagnose und Therapie der G.
557.
— männliche. Intravenöse Arthitroninjektionen
hei G. 1086.
I — weibliche 1631.
ihrer Komplikationen 608.
— in den deutschen Schutzgebieten 846.
— und Trachom 1232.
— Sepsis mit dem Blutbild der aplastisehon
Anämie naeh G. 1959.
— Vaecinebehandlung und Diagnose 1948.
Gonorrhoische Granulationen 1472.
— Komplikationen, Arthigon bei G. 1473.
Graaf'scher Follikel im Ovar eines Neugeborenen
1486.
Granat-Kontusionsverletzungen, Aetiologic ders.
1949.
Granula Altmann und Fett 894.
: Granuloma annulare 769, 1232.
— malignum des Dünndarms 895.
Granulosazelltumoren des Ovariums 1632.
Greisenalter als wichtiger Variationsfaktor klini¬
scher Krankheitsbilder 578, 708.
Grenzflächenspannungen an der Trennungsstclle
zweier Lösungsmittel 985.
Grosshirn, Physiologie des G. 1276.
Grosshirnhälfte, Zusammenwirken der G. 365.
Grosshirnrinde, Erregbarkeit der G. und Aus¬
lösung von Rindenepilcpsie unter Einfluss
von Schlafmitteln 1372.
— Grenzen der Extremitätenregion der G. 1285.
— Sensible Punkte auf der G. 1427.
Grosshirntumor, Heilung eines bemerkenswerten
G. 1233, 1408.
Grosshirnveränderungen bei pernieiöser Anämie
1527.
Grotan, Untersuchungen über G., ein neues Des¬
infektionsmittel 398.
— Verwendung des Desinfektionsmittels G. 900.
Grubenarbeiter, Hygiene der G. 804.
Gryllus campestris, Anlockung des Weibchens
von G. durch telephonisch übertragene Stri-
dulationslaute des Männchens 75.
Guanosin, StolTwcchselvevsuche mit Adenosin und
G. 1524.
Gullstrand’sehc Nernstspaltlampe, Skiaskopie mit
ders. 1612.
Gummischutzstoffe, Wertbemessung der G. 910.
Gundu in Neu-Guinea 1472.
Gutachter, ärztliche, Vergütung der G. in ge¬
richtlichen Angelegenheiten 713.
Gynäkologie, Arznei- und diätetische Verord¬
nungen für G. und Geburtshilfe 704.
— Grundriss der G. 1846.
— Rassen hygienische Indikation in der G. 223.
— und Eugenik 563.
— und Psychiatric 761.
Gynäkologische Erkrankungen, Diathermie bei
dens. 1770.
— Röntgentherapie, Technik ders. 1599.
— Streitfragen 219.
Gynatrcsic bei Gravidität 233, 847.
H.
Haar, Pathologie der II. 1093.
— Ergrauen vonll. nach elektrischem Unfall 1965.
Haarverlust, Vollständiger IL nach Unfall Ver¬
letzung mit heftigem Erschrecken 1750.
Hackcnbruch'sche Distraktionsklammern bei
Knochenverletzungen im Felde 1901.
— und Diabetes. Behandlung hei gleichzeitiger — — Intravenöse Arthigonanwendung bei G. ! Hämangiom der Ohrmuschel 1148.
Erkrankung an 1081, 1777. >. 047, 761. ( — cavernosum multiplex 576.
— und Harnröhrenstriktur 1423. — Eiwcisssilberformaldehydbehandlung ders. 556. — — im Herzen eines Neugeborenen 756.
Gift, Die durch Vererbung fortgepflanzte Gc- — Kinsieglungs-Abortivhehandlung bei beginnen- 1 — — der Unterlippe und Zunge 1429.
wöhnung an G. bei niederen Organismen 799. der G. 322. j Hacmangioendothelioma tuberosum multiplex 1231.
— Bindung der G. durch Protoplasma 892. — Hegonon in der G.-Behandlung 27. > Hämatinämie bei Vergiftung mit Kal. chlorat. 997.
— Synergismus von G. 119. — Interne Behandlung der G. mit Kawotal 77. Ilacmatoeele retrouterina durch Ruptur einer
— Ueber tierische G., giftige Tiere und deren!— Cavillcntherapie der G. 1708. 1 Corpus lutcum-Cystc 1283.
Bekämpfung 1651. ( — chronische. Neue Behandlungsmethode der Ci. ] Hämatom, cpidurales, im Rückenmarkskanal bei
Gipsleimkorsett und Osteoklasten 815. ; 322. Neugeborenen 125.
Gipsverband, Modifikation des G. bei Verwendung ! — lokale, Behandlung der G. des Mannes 613. ! — perirenales 1563.
der Distraktionssehraube 611. i— Moderne Behandlung 1393. Hämatomyelie, spontane 937.
Glandula carotica und ihre Tumoren 464. — Vaecinebehandlung der G. 285, 425, 623, 720, t — gepaart mit traumatischer Neurose 475.
— pinealis s. Hypophyse. 761, 797, 1187, 1747. Hämatoporphyrin, Biologische Wirkung des 11.
— submaxillaris. Einfluss dev Nervenleitungen — Hyperkcratotisch-vesikulöse Exantheme bei G. i und anderer Derivate des Blut- und Gallen¬
au f das mikroskopische Bild der G. 1898. 1529. farbstoffs 79.
Glaukom, Frühdiagnose des G. 1377. — und gonorrhoische Komplikationen bei einem ' Hämatoporphyrinuric 141, 1488.
— Gesichtsfelduntersuchungen bei G. 848. , Säugling 560. j Uämatothorax bei Lungenschüssen 1850.
— Locheisenoperation zur Beseitigung des G. 1087. , — Metastatische Conjunctivitis bei G. 562. ! Hämaturie auf grosse Urotropingaben 992.
7*
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UMIVERSITY OF IOWA
2004
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Hämochromatose unter dem Bilde des Morbus
AddisoDii 942.
Hämoglobin, Bestimmungsmethode und Vorschlag
zu einer solchen 551.
— Nachweis von Gallenfarbstoff und II. im Harn
1733.
Ilämoglobinäraie, Entstehung der allgemeinen
Symptome bei II. 412.
Hämoglobinurie, paroxysmale 43, 123, 320, 10S2.
Hämokonien, kiinische Verwertbarkeit 1469.
Hämolysine 412.
— Normal-H. 758.
Hämophilie, Blutuntersuchungen bei H,, Throm¬
bose und Purpura 610.
— Experimentelle Untersuchungen bei H. 989.
— Vererbung familiärer Merkmale, speziell den
Vererbungsmodus der H. 1086.
— familiäre, Gefahr der Injektion von Witte¬
pepton bei H. 989.
Hämoptoe, Behandlung ders. 461.
— Behandlung der H. mit intravenösen hyper¬
tonischen Kochsalzlösungen 409, 1042.
— dysenterischen Ursprungs durch Emetin ge¬
heilt 860.
— Hydrastinin „Bayer“ bei H. 1372.
Hämorrhoiden, Entstehung ders. 1599, 1619.
— Boas'schc extraanale Behandlung der H. 706.
— Ligaturbehandlung ders. 1601.
— Operation der II. 801.
Ilämosiderinpigment, Verhalten des Blutes bei
steriler Autolyse und Entstehung des 11.
1632.
Hämostase und aseptische Thrombose 1103.
Haftpfiichtfälle infolge angeblich-unrichtiger ärzt¬
licher Behandlung 1582.
Halbbehelfsvorrichtung, modifizierte 126.
Halsabscesse, otogene 804.
Halscysten 1048.
Halsdriisenentzündung, Epidemische lf. mit Herz¬
komplikationen 610.
llalsdriisentuberkulöse, Unblutige Therapie der
II. 893.
Halsfistel, angeborene seitliche 366.
— kongenitale mit lymphatischer Struktur 411.
— laterale, Pathogenese der IT. 612.
Ualsgefässc, Blutstillung bei Verletzung der
grossen II. mit Hilfe der Aufklappung des
Manubriura stcimi 464.
Hallux valgus, Pathogenese des II. 990.
*— — interphalangeus 865.
Ilalsmark, Wahrscheinliche Affektion des II. 1288.
— Tumor des obersten II. 1481.
— Erfolgreiche Geschwulstoperationen im oberen
II. 1670.
Halsorgane, Ausgedehnte Geschwürsbildung in
den H. 1334.
Halsreflexo und Labyrinthreflexc, Ausfall der
Ham, Kenntnis des II. in den ersten Lebens-
i tagen 1329.
| — Nachweis von Gallenfarbstoff und Hämoglobin
; im II. 1733.
— Wirkung von Natriumboroformiat auf Harn
I bei Bruttemperatur 1898.
— Verminderung der Chlorate in einem unter
Druck sezernierten II. 26.
| Jlarnbcstandtcile, Kurven über Ausscheidung der
! verschiedenen II. 1141.
Harnblase, 50 Aquarelle von normalen und patho-
1 logischen weiblichen H. in epidiaskopischcr
Projektion 652.
— Vorrichtung zur Dauerspülung der II. 570.
— als Kxpulsivorgan 76, 1708.
— Fremdkörper der II. 860, 944.
— Gallertkrcbs der II. 1037.
— Spontaner Abgang eines in die II. gedrungenen
Granatsplitters 1876.
— Haarnadel in der II. 622.
— Inkrustierte Haarnadel in der II. 767.
— Herpes zoster der II. 141.
— lfexal bei Erkrankungen der H. 1106.
— Intraperitoneale Verletzung der H. 767.
— Malaeoplaeicfrage der H. 167, 364.
— Silberhaltiger Blasenstein bei Argvrie der H.
1087.
— Ventilbildung an der II. zur Ableitung von
Ascitesflüssigkeit 368, 612.
Ilarnblascnearcinom, Radiogramme von H. 142.
Harnblasendivertikel 672.
Harnblasenektopie, Operation der II. 711, 1086.
Harnblasencmphyscm 461.
Harnblasengeschwülste, Fulguration der II. 1087.
Harnblasenpapiliom, Behandlung grosser II. mit
dem Hoefifrequenzstrom 569.
Harnblasenrupturen, intraperitoneale 899.
llarnblasenspalte, angeborene, Heilung der IT.
1330.
Ilarnblasensteiri,^Operation eines adhacrcnten H.
mittels des KuysVhcn Cystoskops 569.
— Spontan zertrümmerte H. 141.
Harnblasefttumoren 912.
— Drei durch Diathermie behandelte bösartige
H. 1330.
— Röntgenbildcr von II. 577, 674.
Harndiagnostik, Fortschritte in der II. 1799.
Harnentleerung des Säuglings 1195.
llarnreaktion, neue 365.
Harnröhre s. a. Urethra.
— Radiographisehe Aufnahme von H. 141.
— dreifache Verletzung ders. 1902.
Harnsäure, Bestimmung der II. im Blut und Harn
555.
— Bestimmung im Blut naeh v. Zicgle 7G.
— Bestimmung, Neue Methode der 11. in kleinen
Blutmengen 568.
Ilarnwege, \ accinetherapie in Fällen chronischer
nichtgonorrhoischer Infektion der II. 943
Härtemessung 1282.
Harzlösungen 1128.
— für Verbandzwecke 1847.
Hasenscharte, Heftpflasterverband bei H-Opera
tionen 1470, 1821.
— Modifikation des Heftpflastorverbandes bei H -
Operation 1281.
— Operationstechnik der doppelseitigen H. 1821.
Haushuhn, Ontogenese des H. 335.
I Haustiere, Spezielle Pathologie und Therapie der
H, 216.
Haut, Mikroskopische Anatomie der ältesten
I Säugetier- und Menschen-H. (Mammut, ägyp¬
tische und peruanische Mumien) 733.
1 — Kultur erwachsener H. auf festem Nährboden
| 1232.
; — Leukämie der H. 1231.
: — Pilzerkrankung der II. infolge des Gebrauches
! wollener Unterwäsche 1835.
’ — Sarkoide Tumoren der H. 1231.
llautcapillaren, Beeinflussung des Blutdrucks in
den H. 1707.
Hautcarcinome, Plasmazellen bei H. 1748.
i — Bewertung der Röntgenbehandlung in der
Therapie des tiefgreifenden II. 1327.
— Heilung des H. mit Salicylsäure 220.
i Hautdesinfektion 1137.
j — neues Mittel zur H. 370.
Hautdrüse, Die Geschwülste der II. 891.
• Hautdrüsensekret des Wasserfrosches 768.
j Hautepitheliome, gutartige 1947.
Hautfläche, Beobachtungen an H. mit gesehä-
1 digter Innervation 555.
Hautgangrän, diabetische, mit Quarzlicht behan¬
delt 1599.
Hautgeschwür, tuberkulöses, Blaulichtbehandlung
| von II. 220.
Hautkrankheiten, Allgemeinbehandlung ders. 1843
— und Balneotherapie 846.
— Lehrbuch der Geschlechts- und H. 891.
— Praktikum der Geschlechts- und II. 1126.
— und Geschlechtskrankheiten, Praktische Er¬
gebnisse auf dem Gebiete ders. 1670.
— -Lehrbuch 1523.
Hautlappcn, Schicksal des homöoplastisch trans¬
plantierten H. beim Menschen 464.
Hautmanometer 1080.
Hautnerven, Reversible Lähmungen von H. durch
Säuren und Salze 1372.
Hautpilzc, Geographische Verbreitung der II. und
ihre Bedeutung für Hamburger Gebiet 104".
Hauttemperatur, Lokale Differenzen der II bei
pulmonalen Erkrankungen 1045.
Hauttransplantation 1100.
— Freiluftbehandlung der H. 31.
tonischen 1707. I —- Einfache Methodtfftf quantitativen Schätzung Hauttuberkulide 1564.
Halsrippe 898, 912. ■ der 1L im Blut aus 0,1 ccm Blutserum 798. llauttuberkulose, disseminierte akute, im Kindes-
Halssympathicus, Verletzung dess. 1901. I— Untersuchungen über die II. des Blutes 939. alter 1231.
Halsverletzungen, Gesichts- und IT. 1230. , — Gl eich massiges Ausscheiden von II. und ln- Ifayem'sche Lösung, Modifikation der H. lo<4.
Halswirbel, Fraktur des 3. und 4. 17. 661. , dikan 558. Hchellelme, zweiarmige 170.
Halswirbelsäule, Totalluxation der II. 1330. — Individuelle Konstanz derll. heim Menschen 459. Hebostcotomic und präperitonealcr Kaiserschnitt
llamartome, mesenchymale, in Leber und Milz — kolloide 1005. 74.
neben multiplen eruptiven Angiomen der Haut j — Lösungsbedingungen der IT. im Harn 1005. lledonalnarkose, intravenöse 80.
bei einem Säugling 411. Harnsäuregehalt des Blutes bei Gicht und anderen lleeressanitätsverwaltung, Neuerungen in der
Hamburg-Eppendorf, Tuberkulose-Fortbildungs- , Krankheiten 1005. prcussischen II. im Jahre 1913 1460.
kurs des Krankenhauses 1611. 1 — — als Krankheitssymptom 1281. Hefe, Differenzierung einzelner Hefearten mitte.?
Hammelbluthämolyse, Wirkungsweise der beim 1 Harnsäurestoffwechscl, Einwirkung des Acitrins spezifischer Agglutininc 1483, 1836.
Meerschweinchen erzeugten H. 269. und der Salicylsäure auf den II. 169. — Die Synthese stickstoffhaltiger Stoffe im ib"
lländedcsinfektion S07, 856, 1508. — niederer Tiere 408. eerationshefensaft 1524.
Hand, Pilzerkrankungen der H. 1047. Harnsäureübersäitigung beim Menschen 1771. Hegemon in der Gonorrhöebehandlung 2(. ^
— Wicderanheilung einer fast abgeschnittenen j Harnsäurcwcrt, Existiert ein endogener II. V 1006. Heilkunde, Antänge der H. in Alt-Heidelberg 3* *
II. 1376. Ilarnstauung und Niereninfektion 730. Ilcilpädagogik 942.
— Die dem Vorderarm und der II. zugehörigen ' Harnsticksluff, Der kolloidale IL und die klinische Heilserumkontrolle, Praktische Ergebnisse der •
Bahnen erster Ordnung und die Bahnen ! Careinomdiagnostik 1581. 647.
zweiter Ordnung eines Mannes, der ohne I Harnstoff im Blut und im Urin von thy.reopara- Heilverfahren, Ucbcrnahme dcsIL durch dieüeraft-
linken Arm geboren ist 559. thyreoidektomierten Hunden 459. genossenschaft während der Wartezeit
Handgelenk, Spontane Luxationen und Sub- | — Einfache Mcthodcdcr quantitativen Bestimmung Ileinc-Medin scbc Krankheit s. Poliomyelitis acuta
luxationen im II. 464. des H. im Urin 558. Heisse Jahreszeit, Krankheitshilder aus der>.
— versteiftes, Einfacher Apparat zur Behandlung HarnstolTsekrelion, Nutzen des Nachweises der ; Hcissluftappanit bei Nachbehandlung von ["■'•
des II. 763. Ambard'sehen Konstanten der II. 429. rierten 28. . r .
Handgewölbe und Platthand 991. Harnverhaltung, Akute II. als Wirkung des Mor- Heliotherapie der Knochen- und iidenktu
Handgriff, geburtshilflicher, vergessener 77. ^ phins 1577. 1 kulose 1282.
Handkrebs als Spätfolge einer Kriegswunde 1589. Ilarnwege, Infektion der II. durch Uolibacillen — der Tuberkulose 813.
llandphlegmone, Behandlung der H. 1376. beim Kind 709. — Erfolge der fl. bei Tuberkulose der Han« to*
Handtuberkulose, Heliotherapie im Hochgebirge — Angeborene Missbildungen der Nieren und H. ! — an der Secküste 1081.
bei II. 1376.
1632.
Helligkeit, binokulare 1378.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2005
Hcllsehen 999.
— Kritik des H., der Ahnungen und des Ge¬
dankenlesens, sowie der denkenden Tiere 1074.
Hellseher, Die II., ihre Tricks und ihre Opfer
1521.
— Ein „H.“ 221.
Hclrainthiasis, Abderhalden’schcs Dialysicrver-
fahren bei H. 706.
Hemeralopie, Fall von H. mit weissgrau verfärb¬
tem Fundus 1531.
Ilemiatrophia faciei progressiva 221.
Hemiplegia alternans nach Alkoholinjcktion in
das Ganglion Gasseri 1427.
— corticale, Verhalten des Babinski’schen Zehen-
phänomens bei II. 80.
— Fall von diphtherischer organischer II. 1490.
— Dynamische Eigenschaften der Nervenappa¬
rate und H. 1848.
— bei Pneumonie 896.
— spastische linksseitige, mit Kontrakturen usw.
722.
— bei einem Kinde mit hereditärer Syphilis 1045.
— bei Typhus 1328.
— Ungewöhnliche Erscheinungen bei H. 1688.
llepaticusdrainage, Verhütung der Gallenverluste
bei H. durch Jcjunumfistel 576.
Heredität und physische Entartung bei Geistes¬
kranken und geistig Gesunden 1798.
Hermaphrodit 571, 1059.
Hcmia cruralis 858.
— diaphragrnatica 1373.
— — Ueber Eventratio und H. d. 1528.
— — Magengeschwüre bei Eventratio und H. 124.
-Entstehung der II. d. und Dilatation des (
Zwerchfells 1795.
— encystiea 767. j
— inguinalis, Entstehung von H. nach Appendi-
citisoperation 1085. !
— inguinalis, Verwendung des Brcnner'schcn i
Prinzips bei Radikaloperation der H. 815.
— lineae albao, Besserung durch Gewöhnung bei
einer II. 1923. ,
— obturatoria 465. j
— pcctinea 711. j
— supravesicalis mit Beteiligung des Lig. umbi-
licale laterale 711. j
— retrocolica, Unvollständige Drehung der Darm- ,
schlinge als Ursache einer H. r. 1581.
— supravesicalis-cruralis mit Beteiligung des
Lig. umbilicale lat. an der Bruchsackbildung |
332.
— umbilicalis, Behandlung inoperabler inearce-
rierter H. mittels Paquelinstiehelung 674. i
— vcntralis, Bersten einer II. 801.
— — Mengc’sehes Heilverfahren bei pustopera¬
tiver II. 651.
— — Operatives plastisches Verfahren bei 11.377.
— — Ursache und Behandlung der II. 770.
Hernie, Frage der Muskcl-H. 1130.
— traumatische, Entstehung 32, 612.
— Ucberlappung der Bauchwand bei Operationen
von II. 771. .
Hcrnienanlagen bei Föten und jungen Kindern
560.
Herpes zoster im Gebiet des II. u. III. Trigemi-
nusastes 860.
— — facialis 1490.
— — gangraenosus 672.
— — gcneralisatus 613, 1708.
— — der Harnblase 141.
— — oticus 803.
— — pathologisch-anatomischer Befund bei 11.
363.
— — nach Salvarsan 1749.
Herz, Erregungsursprung und -leitung im H. dei
Vögel und niederen Wirbeltiere 671, 938.
— Füllung und Entleerung des II. bei Ruhe und
Arbeit 622, 821.
— Funktionsprüfung des II. 648, 710, 1057.
— Gewebsschädigungen des II. durch Spirochaetc
pallida 1128.
— Wirkung der Gifte auf die Kranzgefässe des
H. 1127.
— Haemangioma cavernosum im II. 756.
— Hemrnungswirkungen am H/ 938.
— Hypertrophie des rechten H. nach den durch
die Methode von Müller gelieferten Zahlen¬
angaben 648. j
— Kohlehydratumsatz des isolierten H. normaler j
und diabetischer Tiere 1371. i
— Einfluss der Lage des II. auf die Grösse des !
Elektrokardiogramms 941.
— Anordnung und Funktion der Nervenzellen
des H. 360.
— Morphologie der Reizleitungsfasern und Muskel¬
fasern im menschlichen II. 894.
— Reaktion des H. auf Adrenalin 941.
— Ort der Reizbildung und Reizleitung im H.
1082.
— Das Reizleitungsystcm im H. 1524.
— Ruptur des H. durch äussere Gewalt 268.
— Saugwirkung des H. 1554.
— Operative Heilung einer Schussverletzung des
II. 334.
— Spontanerholung des Frosch-H. bei unzurei¬
chender Rationenspeisung 1127.
— Typische Form der Stromkurve des isolierten
Säugetier- und Menschen-H. bei indirekter
„fluider“ Ableitung 958.
— Freie Ucbertragung von Muskelstücken aufs
H. und einige andere Organe zur Blutstillung
1428. |
— Untersuchung des II. durch den Oesophagus
1426.
— Untersuchung des II. von der Speiseröhre aus,
das Oesophagogramm, ösophagcale Herztöne
1371.
— Vagushemmung und anorganische Salze bei ,
II. 1746. I
— Vagus- und Muskarinwirkung auf die Strom¬
kurve des Frosch-H. 459.
— Veränderungen des H. nach direkter trans-
diaphragmalisolier Herzmassage 464.
— Veränderungen der Lage, und Bewegungen
des H. bei Pneumothorax 429. |
— Zuekerverbraueh des überlebenden Herzens
360, 426.
Herzaneurysma, partielles chronisches 600.
llerzautomatic, Störungen der H. 1650.
Herzbefund, Deutung von II. 122.
Herzbeutelschuss 1849, 1901.
Herzbloek, vorgetäusehter 610.
— und Ilerzschuss 1747.
Herzchirurgie, traumatische Verletzungen 943.
llerzerkrankung, Prognose der arteriosklero¬
tischen H. 1469.
Herzerweiterung, primäre akute beim Kind 1097.
Herzfehler, angeborene 1374.
— (Offener Ductus Botalli) 1561.
— Mechanische Sicherung der Diagnose von II.
461.
-— und Schwangerschaft 125.
1!erzfunktion, Prüfung der 11. vor Operationen
426.
Herzgalopp, Entstehung dess. 1899.
Herzgpissenbestimmung, radiologisehc Beobach¬
achtungen über Fehlerquellen des klinischen
H. 1225.
* Herzkranke, Aenderungen desElektrocardiogramm.s
von H. durch Kohlensäurebäder 1328.
, — Ausscheidung des Kochsalzes bei II. 7 99.
] — Paroxysmale Dyspnoe bei Nieren- und II. 29.
I — Unterernährung (Carelkur) bei H. 1332.
— Kinder, Geländebehandlung ders. im Mitfcol-
| gebirge 1464.
Herzkrankheiten, Behandlung von II. mit dem
Phlebostaten 1144.
; Herzpräparat (IferztampoDade) 1141.
j Herzlähmung, Todesfall an akuter H. auf dem
Marsche 1089.
Herzmittel, Wertbestimmung von H. 705, 1145.
Herzmuskel, Energetik und Dynamik des H. 957.
— Erkrankungen des H. und die nervösen Herz¬
krankheiten 984.
— Möglichkeit einer Ernährungsbehandlung des
II. durch Einbringen von Traubenzucker¬
lösungen in den grossen Kreislauf 1044.
— Regeneration des H. 268.
Herznaht 859.
Herzoperation, Neue Methode der H. 1094.
Herzschallphänomcne, Methode, die H. vermittelst
der Luftwege deutlich wahrzunehmen 988.
HerzscMlag, Willkürliche Beschleunigung des 11.
! beim Menschen 1552.
Herzschlauch, Wirkung des H. 221.
Ilerzschuss, Aorteninsuffizienz nach Ii. 1653.
— Herzbloek und H. 1747.
— Operation, Heilung 1094, 14S8, 1581.
Herzschwäche infolge vonUeberanstrcngungen 121.
Herzsilhouette, Klinische Verwertung der H- 1185.
Herzspitze, Einfache Methode, die H. für die
Messung des Längendurchmessers des Herzens
sichtbar zu machen 1429.
Herzstörungen, Blutdruckuntcrsuchungcn und.
Energometerstudien im Hochgebirge bei Kreis¬
lauf- und II. 758.
— nach Pneumonie 1426.
— nach Unfall 171.
Herztätigkeit, Theorie allorhythmischer II. 1707.
— Frequenz der H. als eindeutige Funktion der
Temperatur 266.
— Elektrocardiographischc Studien über die
Wirkung der Respiration auf die H. 459.
Hcrztcile, Funktionelle Differenzierung der II. 1127.
Herzuntersuchung 663.
ilcrzvcrletzungcn, Operative Behandlungvon H.950.
Herxheimcr’sehe Reaktion mit Lymphangitis 239.
Heterochromie 1342.
Ilcuficber, Besserung durch Injektion des eigenen
Serums des Patienten 1603.
— Blutverändcrungen bei II. 1225.
— Vaccination gegen H. 986.
Hcxal in der Frauenpraxis 1598.
Hexamethylentetramin, Reaktion auf II. 1184.
— Vortäuschung von Eiweiss nach 11. 168, 1581.
Hidradcnoma eylindromatosum der Kopfsehwartc
1437.
HinterdammgrifF, diagnostischer 1377.
Ilinterhauptlappcn, Sehussvcrletzung dess. 1901.
Hintcrhauptsneuralgic s. Oecipitalneuralgic.
Hinterhorn, Tumor des II. mit Hydrocepkaius 1149.
llippussäurcbiidung im Organismus des Schweines
1524.
Hirn s. Gehirn.
Hirschsprung'sche Krankheit, Aetiologie und
Therapie der II. 279.
— — Akuter Darmverschluss bei H. 673.
— — beim Erwachsenen 1093.
- 669, 1187, 1341.
llis'sches Bündel, Angeborener Defekt im H. 134.
Histidin, Colorimetrisehes Verfahren zur quanti-
1 tativen Bestimmung des 11. 266.
— — nach Unfall 1478.
Herz, Anatomische Veränderungen im 11. bei
akuter und chronischer Alkoholvergiftung 1278.
— Anspruchsfähigkeit der Kammer des Frosch -
II. für verschiedenartige elektrische Reize unter
dem Einfluss von Giften 76.
— Anspannungszeit und Austreibungszcit des II.
1899.
— Fall von „Dextroversio cordis“ 799.
— Dynamik des Säugetier-li. 957, 1426.
— Elektrograpliic als Untersuchungsmethode des
H. 1126.
— Entwicklung des menschlichen H. im Verhält¬
nis zu seiner Funktion 1127.
Herzhypertrophie, Herzinsuffizienz bei 11. 1152.
Herzinsuffizienz, Einfluss der Strophanthustinktur
bei 11. 267.
— Eiweiss-fettfreie Kost bei 11. 1925.
Herzkammer, Ablauf des Druckes in der H.
1147.
Hcrzklappcnancurysma 1128.
Ilerzklappcnfehler, Operatives Vorgeben bei 11.
1000 .
— Permanente Drucksteigerung bei H. ohne be¬
gleitende Nievenläsion 461.
— und Tuberkulose 1373.
Herzklappengewebe, Abbau und Entzündung des
II. 892. “
Histologie, Lehrbuch der H. 118.
Hitzschlag, Behandlung des H. 124.
— als Unfallfolgc 1709.
Iloehspannungsgleiehrichter, Aufnahmetechnik mit
dem H. 1282.
— Tiefentherapie mit dem H. 1820.
Hochfrequenzströme, Behandlung der Blasen¬
tumoren mit U. 1627.
1 — Medizinische Anwendung der H., insbesondere
der Diathermieströme 716.
— in der Urologie 1184.
Hoden, Jodschädigung der II. 556.
— Schicksal des II. nach Entfernung der Tunica
| vaginalis und albuginoa 608.
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Original fro-rri
UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
der
I 'CM
Hodcnneuralgic 1772.
Hoden.sack s. Sc rot um.
Hodcntuberkulose, Spontanheilung einer nach
Trauma entstandenen M. 713.
Modgkin'.sehes (iranulom lokalisiert an
lieococcalklappe 988.
“ Krankheit, Corynehactcrium Hodgkin
lymphatischer Leukämie und 11. 609.
Höhenschielen und Stirnkopfschmerz 633.
Höhle, seröse, Methode zur direkten Besichtigung
von II. 282.
Hohlorganfiste), äussere, Neue Vcrschlussmcthode
von ff. 612.
Holdvene s. Vena cava.
Homosexualität und gerichtliche Medizin 320.
— 4 des Mannes und des Weihes lt!87.
Hormonal, Experimentelle Versuche mit H. 27.
Hornhaut s. a. Cornea.
Hornhauttransplantation. Erfolgreicher Fall von II
I. r m7, 15 GO.
— mit ungewöhnlichem Verlauf 805.
Hornhauttrübung nach Kontusion 1002.
Hörstörungen, Moderne Behandlungsmethoden der!
II. 5G8.
Hörübungen mit dem Kinesiphon 1247. %
Ilufciscnniere, operierte 1136.
— Bönfgemintersuchung hei II. 914.
— tuberkulöse. Itesektion einer H. 722.
Hüfte. Distcnsion.Guxatinn der II. hei Mongo¬
lismus 14.
— schnappende, Behandlung der H. 815. 121(1.
Hüftgelenk. Al'duktuiii.skonrraktur des II. 673. I
— Mobilisierung eines ankylotischen H. 7G7.
IIü11ge 1 cnksdeformit;it, Blutige Behandlung der
tuberkulösen Knie- und H. 170.
11 iift'geleitkserkrankütiLf, Wert der Tuberkulin-
herdrcaktion für die Diagnose der 11 1281.
- Die als Begleiterscheinung bei Heiden der
Visceralorgane auftretenden Knie- und 11. 1045.
Hüftgelenkspfanne. Luxationsfrakturen der!!. 1799.
Hiiftgelcnkstuberkulose kombiniert mit Tuber¬
kulose der Wirbelsäule 1394.
Hiiftgclenkv crletzungen, Transportschiene für II.
1376.
Hiiftluxation. angeborene, Behandlung der II.
760, 990.
-Blutige Reposition der H. mit vorderem
Schnitt 179.
— — Erfahrungen und Erfolge bei der blutigen
Reposition der II. mit dem medialen vorderen
Schnitt 106.
— — Blutige Einrenkung der II. M5.
— -— Behandlung der II. im Säuglingsaller 1240.
— — Spät auftretende Komplikationen nach un¬
blutiger Reposition der II. sol.
— kongenitale, Neue Methode(Lexer) zur Pfanncn-
bildung hei II. 41.
— paralydsche und spastische 801.
Iliihncreigclb-Antiserum, Cntersuchun"en mit II
412.
Hiilmerleukäime, Das Virus der 11. 318.
Humerus. Eigenartiger HeiJungsvorgang hei supra-
condvlärcr Fraktur des II. im Kindesalter
1084.
Hydroeephalus acquisifus, Operation eines H. 722.
i — enormer 1151,
J — internus, Chirurgische Behandlung des 11.
961.
nach Gehirnerschütterung 84.
— Fälle mit hypophysären Symptomen 1436.
, Hydronephrusen 1142, 1339.
| — Experimentelle Fntcrsuchungen über die H.
I 268.
— intermittierende, Konservative Operation der
H. 272.
I — traumatische 1245.
I Hydrophtbalmus mit vorderer Synechie und
' Fehlen der Linse 33.
Hydrops, Zweifach bedingter (I. 379.
— eongenitus bei fötaler Thrombose 1578.
I — gonu intermittens 1390.
— univcrsalis eongenitus GG7, 899. I
Hydrotherapie in der Gynäkologie 220, 477.
Hygiene, Arbeiten aus den hygicniseh-chcmisehcn
Cn tersuob u n gsste 11 cn 218.
— Handbuch der H. 606, 1324.
— .Jahresbericht über soziale IT., Demographie
und Medizinahtatistik 75.
Hygienisches Praktikum 1797.
Ilygrom intraossalcs 990.
— an der Schulter 943.
— Tuberkulöses Zwerchsnek-H. an der Schulter
769.
Hymen, Problem des menschlichen H. 1875.
Hy.AScyamuspräparatc, Narkotische Wirkung ver¬
schiedener II. 76.
Hyperämie, Beseitigung der II. des Gehirns und
der inneren Organe 1178.
Hypcrrhlnrhvdrie und Hypcrthyrcoidismus 896. *
Hyper eholcstcrinümie 610.
Hyperglykämie und Nephritis 649.
— Einwirkung der Opiumalkaloide auf gewisse ,
H. 1649. 1
— Feber psychische II. und Narkosehypcfglyk
ämie beim Hund 1525.
Hyperkcratosis gonorrhoica 613.
Hyperleukoeytuse durch Kälteein Wirkung 1577.
Hyperncphrom. Multiple kleinste Metastasen eines
II. im Gehirn 1197. !
— Metastase eines II. im äusseren Gehörgang I
378.
— Wiihclmetastasen nach II. 236, 1282. I
— iles Zungengrundes 1626.
— Bedeutung der H. für die unfallgeriehtliehe !
Begutachiung 994. i
Hvperncurotisation. Muskuläre Neurotisation 845, J
IIypertension, intraeraniel le 187. I
Hyperthermie, Gehirn he firn de und II. 646. I
Hyperthyrcoidismus, llypo- und II. 737.
II vpertrirhosi.s, Behandlung der II. mit Röntgcn-
strahlen 77, 82, 1874.
Hypnose. Beeinflussung vegetativer Centrcn durch
die H. 1747.
Hvjmoticum, Dial-Ciha, ein neues Sedativum und I
IE 613.
— neues. Das Dial-Ciha 986.
- Wirkung des II. bei normalen und bei psy¬
chisch erregtet) Zuständen 1525.
Humerusende, oberes, Verletzungen des II. bei IIyponeurodorma (Crcepinp disease) 1331.
Gehurtslähmungen 1162.
Humerusfraktur, Ischämische Kimtraktur und Me¬
dianuslähmung nach Kxtensionsfraktur des
linken II. 148S.
— Neues Gelenk nach unbehandelter II. 1141.
Hund, Hasenscharte heim II. 1290.
Hunger. Untersuchungen und Erwägungen über
den II. 762.
Huntington'sehe Chorea, Anatomischer Befund
eines b’aife.s 1527.
linsten. Die Erreger v<m II. und Schupfen 1469.
— ausgrlöst vom persistierenden Ductus lingua-
lis 462.
— Symph : ,H)ia!"l"giv des II. 1395.
llutehinsun'sche Zähne als Ausdruck der Insuf¬
fizienz der Schilddrüse 1232.
IIydarthro.se, periodische 187.
Hydroanencephalus einer Erstgebärenden 664.
Ilvdroeele. idiopathische 860.
Ilydroeephalio, Verlangsamte; Resorption der Cere-
hruspinalfliissigkcit hei II. 651.
IIvdroccplialus. Aetiologie und Svmptumatologie
des II. ihn:).
lly pophalangie 1341
llypopharynxtumor, 0]»eration eines H. 142.
Ilyp 0 pl 1 v.se, Die 1L und ihre wirksamen Bestand¬
teile 248.
— Erkrankungen der II. und Gestalt der Seila
tureiea 1427.
— Die Fettsubslanzen der H. 1042.
— Syphilitische Erkrankungen der II. 1043.
— Veränderungen der II. bei experimenteller
Diphtherie 562. 757.
— Beziehungen der H. zur Wärmeregulation
1687.
— Operative Entfernung einer Cyste der II. 1083.
- Beziehungen der Zeilen der Vordcrlappen der
II. zueinander 756.
— Cntertemperatur bei II.-Erkrankung 767.
— Verhalten der II. nach Kastration 1279.
— und Diabetes insipidus 221.
— und Prostata 80.
H v p 0 p h y s e n c r k r a n k u n g e n 1899.
11 vpopbysenextrakte, Behandlung der Amenor¬
rhoe mit II. 1599.
— bei Atonia uteri 802.
Hypophysenextrakte als WchcnmiUcl 847 899
— Beziehungen der physiologische Wirkungen
von H Adrenalin, sowie MutterkornpriLparateo
und Imidazolyläthylamin 267. P
— Wirkung von II. kastrierter und des Corpus
luteum beraubter Tiere 360. *
— Wirkuog des H. aul die glatte Muskulatur
von trächtigen und nichtträchtigen Tieren
1749. 0
— und Blutdruck 647.
Hypophysenmedikation bei Rachitis 120 .
— bei Asthma 120.
Hypophysenoperation 810.
— bei Akromegalie 1691.
— nach Hirsch 238.
Ilypophyscnpräparatc in den Tropen 504.
Hypophyscnsehwund mit letalem Ausgang Bl
Hypophysensubstanz in der Geburtshllfe° 1331 .
— in der inneren Medizin und Gynäkologie 1847
— Pharmakologie ders. 1554.
Hypophysistuberkulose 1043, 1141.
Hypophysistumor 721, 1295, 1343, 1394 1424
1772.
— Adnexcarcinom der H. und progressive Para¬
lyse 942.
— ohne Akromegalie 1129.
— Diagnose und operative Therapie der H. 83.
— Pathologie und Therapie der H. 1048.
— und medikamentöse und Organtherapic 1048
— Operative Behandlung der H. 1244, 1747.
— Röntgendiagnose der Hirntumoren der H. Ge¬
gend 1822.
— Sekundäre Geschwülste der II. und ihre Be¬
ziehungen zum Diabetes insipidus 269.
— Tumormetastasen in der Hypophyse 4 * 2 .
Hypospadie, Chirurgische Bchandlung’der II. 1747.
— totale perineale 953.
Hypotension, Abhängigkeit der peripheren ar¬
teriellen II. von der viscoralcn arteriellen
Hypertension 1277.
Hypothyreose, Diagnose der H. 394.
— Bisher nicht beschriebenes Zeichen von II.
318.
Hysterie 217, 1769.
— Degenerative II. in) engeren Zusammenhänge
mit dem Geschlechtsleben, vor allem der
Menstruation 1771.
— Dermatosen bei H. 1429.
— Diffcrentialdiagnostik der H. 1848.
— Schätzung der Erwerbsunfähigkeit bei H. und
den sog. traumatischen Neurosen 1773.
— oder Hirngesehwulst? 365.
— Diffcrcntialdiagnose der 1 L und des progres¬
siven Torsionsspasmus 1689.
— in foro 1131.
— traumatische hochgradige 849.
Hystericproblcme 6G8.
I. J.
Icterus, angeborener chronischer acbolurischer
1489.
— chronischer congenitaler und Splenomegalie
1343.
— im allgemeinen und bei Extrautcringravidiit
im besonderen 320.
— familiärer 335.
— gravis nach Erregung 672.
— hämolytischer 42, 1150.
— — Splenektomie bei 1. 1151. ,
— — mit Degeneration der Hinterstränge
Rückenmarks 626.
— — Pathogenese des I. 1098.
— lithogener, Wodurch entsteht vorwiegend de.
reelle I. 896.
— Chronischer Retentions-1. 479.
— syphiliticus praecox und akute gelbe Leber-
atrophie 1748.
— bei Tuberkulose 1129.
— Untersuchungen über den I. 1199, IIV)
Icterisclicr Symptomcnkomplex nach Hanot
sekundärer Syphilis 1489.
Idiotie mit Ilautvcränderungcn 1(>18-
— infantile amaurotische, Anatomische r,i f
rate einer I. 949.
.lejunalgeschwür, peptisches 1282.
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Gck igle
Original frn-rri
UNiVERSUY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2007
Ikonographia dcrmatologica 1769.
lleocoecalgegcnd, Methodische Palpation der I.,
bes. der ektopischen Eileiter 1557.
llcocoecaHumorcn 767.
— Appcndicitischer I. 1488.
— Pathogenese des tuberkulösen I. 1578.
Ileus, Art- und Lokaldiagnose des I. 176.
— durch Gallensteine 1556.
— durch Kotstein 953.
— Pathogenese des I. 1330.
— Röntgenaufnahme eines I. 1903.
— spastischer 141, 1046.
— — und Darminvagination 464.
— Symptome des unvollständigen I. 430.
— wiederholter infolge Dünndarmaffektion 32.
Imidazoläthylamin (Histamin) 1946.
Imitationskrankheiten, lnduktions- und I. 650.
Immunität, Chemische Auflösung der I. 1099.
— Neue Methode zur Erzielung aktiver und
passiver I. 93.
— tierische 1277.
Immunisierungsversuche mit desanaphylatoxiertem
Baktcrienrnaterial 1280.
Immunitätsforschung, Jahresbericht über die Er¬
gebnisse der I. 74.
, Infektionszustand, Behandlung des akuten 1. im j
Kindesalter 1329.
Influenzasepsis 365.
Inhalationsanästbcsie, Neuere Fortschritte 1(551.
Inhalationstuberkulo.se, EinflussbebindertcrNasen- I
atmung auf das Zustandekommen der I. 1809.
Inhibin, ein neues lokales llaemostaticum bei
genitalen Blutungen 843, 1042.
Injektion, intravenöse, Hilfsmittel zur I. 672.
— wiederholte, „blutfremder* Organe 370.
Injektionskanüle, unzerbrechliche 1284.
Innervation, tonische 800, 999.
Ionometer, seine Verwendung in der Röntgen¬
dosimetrie 1600.
i Insektenflügel, Restitution der 1. 985.
Institut, neurologisches, Arbeiten aus dem I.
der Wiener Universität 840.
— für physikalische Therapie 1147.
Instrumente, neue 897.
Insuffieientia pluriglandularis 135.
| Insufflation, intratracheale, Gegenwärtiger Stand
der I. 077, 743.
Insuffiationsnarkose nach Meitzer, Modifikation!^ 1.
Intelligcnzuntersuchungen mit der Definitions¬
methode 1555.
Jugularisthrombose 1343.
Jugulum, Cystische Geschwülste im J. 1600.
Jugendfürsorge, orthopädische, und körperliche
Erziehung 1385.
Jugendirrescin 1201, 1338.
K.
Kältegangrän s. Gangrän.
Kaffee, entgifteter 1093.
— Die flüchtigen Bestandteile des K. 893.
Kaiserschnitt 1243.
— wegen totaler Ankylose beider Hüftgelenke
899.
I — extraperitonealer 651, 1486.
— klassischer, 30 Fälle 1331.
I — präperitonealer und Hcbostcotomie 74.
— bei Uterus duplex, Ilcmihysterektoniie 1232.
| Kala-azar, Absonderungsmaassiegeln bei Ausrot-
| tung der K. in den Teeplantagen in Assam
415.
i — Kultur des K. 168.
: Kali chlorieum, Pasta K. eh. cum Greta 1748.
Immunkörperbehandlung 1554.
Impotenz, Behandlung der I. mit Colliculus-
caustik, llydrovibration und Organtherapie
220 .
— sexuelle, Behandlung der I. 755.
Inaktivierung, Wesen der I. und Komplement¬
bindung 758.
Inaktivitätsatrophie, Bewertung der I. des Arms
nach Verletzung der Finger 713.
Incarceration, retrograde 464.
Incontinentia urinac, Operative Behandlung der I.
914.
— vesicae 572.
Index, hämorenalcr, bei Funktionsprüfung der
Nieren 221.
— luetischer 168.
Indikan, ül eich massiges Ausseheiden von Harn¬
säure und I. 558.
Indikanämie und Urämie 1650.
Indikanbestimmung, Kolorimetrischc I. der Haus¬
tiere 1326.
fndikanprobe, Technik der I. nach Jaffe 1427.
Induratio penis plastica 852.
infantilismus 648.
Infektion, Welche Aufgaben stellen die I. iin
Säuglingsaltcr der Diätetik? 123.
— Wirkung grosser Injektionsmengen von Glu-
koseserum bei 1. 722.
— Nachweis und Bedeutung leukoeytenanloeken- |
der Stoffe bei I. 988.
— Beziehungen der chronischen Unterernährung
zur I. 1469.
— abdominale, Gefahren, Verhütung und Be- '
handlung der J. und Passagestörungen 711.
— akute, Adrenalingehalt der Nebennieren bei
I. und Peritonitis 1376.
— bakterielle,SpezifischeDcsinfcktion undChemo-
therapic von I. 649.
— centrale, im Kindesalter 1084.
— endogene puerperale, Actiologie und Prophy¬
laxe der I. 170.
— operative bakterielle 848.
— postoperative, Verhütung ders. 1800.
Infektionskrankheiten, Agglutinationstiter bei I.
1581.
— Lokalisation der Bakterien, Veränderungen
des Knochenmarks und der Knochen bei J.
im ersten Wachstumsalter 289.
— Experimentelle Diagnostik, Serumtherapie und
Prophylaxe der I. 1648.
— Fortschritte auf dem Gebiete der Erforschung
der I. S95.
— Anwendung bestimmterKultivierungsmethoden
beim Studium der I. 509.
— Lehrbuch 1873.
— Wachsartige Degeneration der Muskulatur
bei I. 987.
AchnUcbkcit der klinischen Krankheitsbilder
von I. 1913.
Behandlung von I. mit tiefen Quecksilberein¬
spritzungen 76.
Serodiagnostik der I. mit Hilfe des Abder¬
halden’schen Dialysierverfahrens 411.
— nach Binet Liman bei Ililfsschulkindern 1563.
Intensimeter, Erfahrungen mit dem Fiirstcnau-
schen 1. 910.
; Intercostalneuralgic, idiopathische 662, 833.
I — durch intrapleuralen Tumor 1150.
Intermediärknorpel,Transplantation des I. in Form
i von halbseitiger Gelenktransplantation 1428.
Intcrpositio coli hepatodiaphragmatica 912.
— uteri vesicovaginalis, Operative Behandlung
I der Rezidive der I. 125.
Intoxikation, Die vom Darm ausgehenden I. 30.
I Intradcrmoreaktion mit Luetin bei Syphilis 429.
Intrauterinstift, Gefahren des I. 1709, 1799, 1921.
fntravertebralgcsehwüiste, Zwei I. mit Sektion 937.
Inulin, Antidiabetische Wirkung des 1. 998.
Invagination, 2 Fälle doppelter l. bei Kindern 1587.
— ilcocoeeaiis im Königen bi Id 712, 1283.
Invalidität, Warum muss die Frage nach dem
Zeitpunkt des Eintritts der I. ärztlicherseits
stets beantwortet werden? 1131.
Jod, Kommt J. im Blut vor? 1524.
| — Wirkung des J. auf den Kreislauf 1184.
— Gefährlichkeit innerer J.-Darreichung bei
Queeksilberanwendung am Auge 1847.
— Schicksal des J. in der Schilddrüse 1524.
Jod-Basedow 1653.
Jodeiweisspräparat, neues, das Tcstijodyl 408.
Jod-Prothämin, Erfahrungen mit dems. 1708.
Jodoformplombc bei Osteomyelitis 1139.
Jodosobenzoesäure 755.
Jodozitin, Die resorbierende Wirkung dess. 1598.
Jodretention, lokale, durch Slauungshy peramic 170.
Jodtherapie, externe 28.
— Ein Fortschritt der J. 977.
Iridoevclitis, idiopathische 33.
Iridorezidive 1532.
| Iris, Congenitale vordere und hintere Synechie
der I. und Hydroplithalmus 1284.
j Iriscyste, spontane 1377.
I Iristumoren 1048.
I Iritis und Arthigon 27.
; Irrenfiirsorge, Entwicklung der I. 907.
, Irrsinn und Presse 217.
IsehiadicusstammVerletzung, anatomische Priipa-
| rate 1966.
, Ischias, Behandlung der I. 267.
— Wesen und Behandlung der I. 813.
, — Behandlung der I. mit Bewegungsbädern
157, 230.
— — der I. in der Schwangerschaft mit Ringer-
schcr Lösung 322.
— Druckentlastende Operationen bei I. 592, 606.
— gonorrhoische 663.
— Injektionsbchandlung der I. 1708.
— sc-oliotica 718.
Isolierung, Neue Methoden der 1. ansteckender
Kranker 810.
Isopralnarkose, rektale, Klinische Erfahrungen
mit der I. 213.
Isthmusstenose 1144.
Istizin, neues Abführmittel 317, 559, 1326. I
Juckende Dermatosen, Behandlung ders. mit;
Ringerscher Lösung und Eigeublut 1919. j
Kalisalze und ihre therapeutische Anwendung
1201 .
Kalium arsenieosum, Therapeutisch-toxikologische
Wirkung des K. bei intravenöser Einfuhr 1184.
— ehloratum-Vcrgiftung, Hämatinämie bei K. 997.
Kaliumzcllen zurVergleichung derTontiefe farbiger
Lösungen 1945.
Kalk, Form des K. im Blute 986.
— Bedeutung des K.- für den wachsenden Orga¬
nismus 185.
j Kalkablagerungen in der Haut 851.
Kalkmangel in der menschlichen Nahrung 1378.
Kalkstickstoffbetriebe, Neuartige gewerbliche Er¬
krankungen in K. 1651.
| Kalkstoffwechseluntersuehungen hei chronisch
deformierenden Gclenkcrkrankungen 708.
Kalktherapie, innerliche 1599.
Kammerlmeht, Ophthalmoskopie der K. 272.
Kaninclicnsvphilis, experimentelle, Atlas der K.
408.
— — Histopathologie der K. 1044.
Kapparidaecen, Pharmakologisches Studium der
K. 26.
Kapselbaeillus, Pathogenität des K. 706.
Karlsbader Wasser, Gaüenstcinlösendc Wirkung
de> K. 796.
Karminprobe für die Bestimmung der Verweil¬
dauer im Vcrdauungskanal 1599.
Karpfen, Poekenkrankheit der K. 1290.
Kartoffel, Der therapeutische Wert der K. 940.
Katarakt, experimenteller 1440.
— Friih-K. bei atrophischer Myotonie S03.
— seniler und Tetanie 803.
— Tetanie-K. 1339.
— Verhalten des Blutserums zum Linsenciweiss
bei K. bei passiver Anaphylaxie 1921.
— s. a. Star.
Kataraktoperation, Vorlagerung der Bindehaut
bei lv. 848.
Katatonie, Erleben in einem Fall von K.-Erre-
i gong 844.
' — Reflexstörungen bei K. 477.
| Katheter für Dauerdrainage 570.
I Kathodenstrahlen, äussere, als Ersatz für Radium
I und Mesothorium 222.
I Kautschukpflastcr, sterilisierbärcs 80.
Kehlkopf, Ausschaltung der Kehlkopfnervcn auf
das Wachstum des K. 1553.
— Eröffnung des K. in der ersten Hilfe 1800.
— s. a. Larynx.
Kchlkopfstcno.se. Schwere nicht diphtherische K.
1633.
[ Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, l)ia-
| gnose und Therapie 1465.
Kehlsackbildung, echte, beim Menschen 1186.
Keilbeinhöhle, Röntgenbild der 1\. vom Epi¬
pharynx aus 1322.
Keimbahn, Bestimmung der K. bei Wirbellosen
1753.
Keimdrüse, menschliche, Veränderungen der K.
bis zur Pubertätszeit 1424.
Keimdrüsentumoren bei einem Pseudoherma¬
phroditen 415.
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UMIVERSITY OF IOWA
2008
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Keloid, multiples, des Rückens 333.
Kephalbämatom 1141.
Keratitis gonorrhoica 1377.
— hereditaria palmaris, Hadiumbehandlung der
K. G73.
— interstitialis, Genese der K. 944.
— luetiea, Chemotherapie der K. GÖS.
— neuroparalytica infolge Alkoliolinjektion in
den Nerv, maxillaris hei Gesichtsncuralgie
1612.
— parenchymatosa, Kann die K. p. auf ana¬
phylaktischen Zuständen beruhen? 1749.
— — angeblich durch Syphiiisspiroeliätcn hervor¬
gerufen 1946.
— — anaphylactica, experimentelle, bei ver¬
schiedenen Tieren 1921.
— — und familiäre Syphilis 425.
— — syphilitica congenita, Pathologisch-anato¬
mischer Befund bei K. 803.
— punctata superficialis leprosa, Histologie der
K. 1331.
Keuchhusten, Fall von Meningocele, eine seltene j
Komplikation des K. 1820.
Kiefer, Familiäre Hyperostosen der K. 991.
Kiefergelenk, Beiderseitige Ankylosis ossea des
K., neues Heilverfahren 1470.
Kiefergelenksankylose 36.
— mit Vogclgcsichtbildung 1528.
Kicferhühlenciterung, Grösse der Oeffnung der K.
bei der intranasalen Operationsmethode und
ihre Bedeutung bei Behandlung der Kiterungcn
der K. 944.
— Pathologie und Therapie der K. 1049.
Kicfcrschussfrakturen 1825.
— Behandlung der K. und Schussverlctzungcn
des Gesichtes 1734.
Kieferspalte, Frage des Verschlusses der K. bei
einseitig durchgehender Gaumenspalte 845.
— komplette, Normierung des Oberkiefers bei K.
294 .
Kieselsäurestoffwechsel bei Krebs und Tuber¬
kulose 797.
Kind, Einfache Tafel zur Bestimmung von Wachs¬
tum und Ernährungszustand des K. 265.
— Zusammenhang zwischen Länge und Gewicht
bei K. 1925.
— Zahl und häufigste Krankheiten der K. der
mittleren Postbeamten 1386.
K. mit Sauerstoffein-
Beseitigung
neuropathisehes, Abgrenzung und Begriff des Knochenheide, otosklerotische, s. Otosklerose.
Klumpfuss Erwachsener 1197. \ Kochsalzinfusion, Fieber nach K. 710 856
— Behandlung mit unterbau tigern Evidement 815. 1 Kochsalzlösung, Herstellung steriler K 1218
— Operation des K. durch Abtragung aller 1 Kochsalzwechsel und Wasserwechsel beim gesunden
Knochen am Tarsus 31. j Menschen 1650.
— schwerer, Blutige Behandlung der K. 711. .Kohle, Pharmakologische Grundlagen einer thera-
Kiumpfussvcrband 815. ! peutischen Verwertung von K. 864.
Knicbiigel für Geligipsvcrbändc 1601. J Kohlehydrate, Abbau von K. und Fetten in der
Kniegelenk, Behandlung der Knochenbrüche in ; isolierten diabetischen Leber 1003.
der Nähe des Ellenbogen- und K. 317. j — Antigenwirkung der K. 266.
— Eröffnung des K. bei Meniscusverletzungen Kohlehydratkost, Wirkung einer längeren über-
1581. I reichlichen K. ohne Eiweiss auf den Stoff-
— Exstirpation beider Menisken des K. wegen I Wechsel von Mensch und Tier 122.
Verletzung 141. ! Kohlehydratstoffwechsel bei Erkrankungen von
— Einfacher Apparat zur Streckung und Beu- * twv...*« : -°- 1 -
gong des K. 763.
— Fungus des K. 859.
— Röntgenogramme des K. mit
blasung 846.
— Seltene Fraktur im K. 31.
— Verpflanzung ganzer K. 898.
Kniegelenksankylose, Operative
schwerer K. 576.
Kniegelenkschirurgie, Experimentelles zur K.1007.
1 Knicgclenksdcformität, Blutige Behandlung der
tuberkulösen Hilft- und K. 170.
Kniegelenkskontraktur, hysterische 234.
Knicgclenkstuberkulosc, Verlängerung des unteren
Gliedes bei K. 1046.
Kniegclenksversteifung, Operative Behandlung der
K. 812.
Knochen, Ucber wahren Knochen im Auswurf 1704.
— Bedcutungder einzelnen Elemente desKnoehcn-
gcwehes bei der Regeneration und Transplan¬
tation von K. 560.
Knochenaneurysma 233.
Knochenatrophie, Zeitlicher Eintritt der durch
Inaktivität bedingten K. 712.
Knoehenauswüchse, vielfache ostcogenetische 1131.
Knochenbildung unter normalen und patholo¬
gischen Verhältnissen 577.
— in der Tube 466.
Knoehenbrüche, Röntgenstrahlenrcizdoscn bei K.
1470.
Knocäencallus, Struktur des K. 35.
Knoehencyste (Osteomyelitis fibrosa) 234.
— Seltene Art von K. 124.
Knochencrkrankung, tuberkulöse, Behandlung der
Gelenk- und K. und ihrer Klagezustände 1240.
K. 1196, 1436
— Das schwache K. 650, 673.
— rückenkranke, Berufswahl von K. 1284.
— Schwachbegabte 80.
Kindergesimdheitspflcge 1464.
Kinderhospital in Boston 1227.
Kinderkrankheiten, Behandlung der K. 753.
Kinderlähmung, Behandlung der K. 1240.
— Osteo-articuläre Vereinigung bei K. 80.
— spinale, Plexuspfropfung bei K. 1008.
Kinderpflegelehrbuch 1945.
Kindcrpsychologie und Neurosenforscbung 942.
Kindersterblichkeit in den ersten Lebens'wochen
323.
Kindesalter, Handbuch der allgemeinen Pathologie ! Knocbenniarksentzüudung
und pathologischen Anatomie des K. 73.
— Die Psychotherapie im K. 1689.
Kinematographische Vorführungen aus dem Ge¬
biete der Geburtshülfe 1619.
— — Suggestivkraft von K. 1132.
Kirchner, M., zum 60. Geburtstag 134G.
Klauenhohlfuss, Beziehungen der Spina bifida
occulta zum K. 170.
Kleinhirn, Chirurgie des K. 92.
im Röntgeubild 128*2.
Knoehenhöhie, Plombierung von K. durch ge¬
stielte Muskcllappcn 180.
Knochen- und Verkaikungskerne, vorzeitiges Auf¬
treten bei Oiondrodystrophia foetalis liypo-
plastiea 1874.
Knochenlappenbildung, osteoplastische, aus den
Dornfortsätzen der Wirbelsäule 1282.
Knochenmark, Histologische und cvtologische
Untersuchungen am K. des Süuglimis 611.
— Lokalisation der Bakterien, Veränderung des
K. und der Knochen bei Infektionskrankheiten
im ersten Wachstumsaltei' 289.
Knochenmarksearcinose 1151.
eitrige, der Lemlen-
Drüsen mit innerer Sekretion 558.
— der Leber 420.
Kohlenindustrie, Hygienische Verhältnisse in der
K. in den vereinigten Königreichen 804.
Kohlenoxydvergiftung 1472, 1848.
Kohlensäure, Refraktometrische Methode zur Be¬
stimmung der K. 91.
Kohlensäurebad, Einige Gesichtspunkte für die
Beurteilung der K. 1357.
Kohlenverband, Zucker und K. 1084.
Kolloidalstickstoff, Diagnostische Bedeutung der
Bestimmung des K. im Harn nach Salkowski
und Kojo 79.
Komplcmcntablenkungsreaktion, Agglutinierende
Wirkung hämolytischer Immunsera und die
gleichzeitige Anwendung des Hämolysins und
Hämagglutinins als Indikatoren bei der K. 1082.
Komplementbindung, Fähigkeit des Serums nor¬
maler Kaninchen, das K. mit bakteriellen
Antigenen zu binden 268.
— Wesen der K. 142.
— Wesen der Inaktivierung und K. 758.
Kompressionsreaktion 1848.
Kongofadenprobe, intrastomachale 122.
Konsonanz und einfaches Zahlenverhältnis 1707.
Konstellation, Einfluss der K. auf die sensorielle
Wahlreaktion und auf die Resultate der
Konstanzmethode 649.
Konstitution, psychopathische, Behandlung 800.
— Wesen der K. 1002.
— und Vererbung in ihren Beziehungen zur
Pathologie 458.
Kontraktur, arthrogene, Theorie der sogenannte?
K. 1008.
— ischämische, Behandlung der K. 813.
Kontraluesin bei Syphilis 27.
Kontrastlinien 562.
Konvergenzkrampf, hysterischer, mit Pscudc-
pupillenstarre 661.
Kopf, Ursachen eines bei raumbcschranlemlei
Vorganges der hinteren Sehädelgrubc beob¬
achteten eigen tiimüchenSchiefstellungdess.ik
Kopfgefässc, Wirkung der Extrakte endokriner
Drüsen auf die K. 1326.
Kopfhaut, syphilitischePrimäraffektederbchaarten
K. 1232.
Kopfschmerz und Auge 629.
— Ilühcnschiclen und Stirn-K. 633.
— neurastbenischer, Können durch myalgische
in der Hals- und Schulteriuuskulatur
Herde ... _ _
K., Schwindel und Migräne verursacht werden'
Wirbelsäule nach Unfall 1901. ] 1083.
Knochenraetastasen eines Peniscarcinoms 141. 1 Kopf- und Halsschuss ohne Verletzung von 8@
Knochennarbe, Einfluss der Röntgen strahlen auf fassen und Nerven 1965.
die Bildung der K. 898. Kopfverletzungen, Sachverständigen-Begutacbluni;
Knochennekrose und Sequesterbildung 221. I von K. 1132.
Knochenplastik bei Laminektornie 1470. — durch Ueberfahrung 186.
Knochenschüsse und Gelenkschüsse, Behandlung Kordenperimcter 1922.
derselben 1747. Körper, chromaffine 42. .
Knochensyphilis und Unfall 713. ! — Bilaterale Asymmetrie der menschlichen &
— Demonstration zur Ausschaltung der Rinde Knochensystem, Krankheiten des K. im Kindes-
des Mittellappens des K. 1480.
— Rindenexstirpation des K. 1771.
Kleinhirnabsccss, Neues Symptom bei K. 895.
Kleinhirnbrückenwinkeltumor 477, 721.
Klcinhirnerkrankungen 365, 1139.
Kleinhirnläsion 719.
Kleinhirnmangel, beiderseitiger 896.
Kleinhirntumor 1341.
— Ungewöhnlicher Verlauf eines K. 321.
Klima, Physiologische Wirkung dess. auf hohen
Bergen 1612.
Klimatotherapie im Kindesalter 220.
Klumpfuss, Billiges Hilfsmittel zur Itedression
kindlicher K. 1821.
1953. Ä
Körperchen, metachromatische in den aciw* 1
resistenten Bacillen 501.
Körperkultur der Frau 166. ^ .
Körpertemperatur, Beeinflussende Gifte auf
ohne Wärmeregulation 119.
— Ei nfluss der lokalen Erwärmung derTempc ra
regulierungscentren auf die K. 1F23.
Körperzusammensetzung bei Ernährungs&umi i -- 1
.. ' 1900. . r JA-/)
Adaptation nach K. 1799. j Korsakow’sches Syndrom, Psychologie des tu
Kobragift, Ucber Aufbewahrung des K. und sein Kosmetik und Anatomie 1122. , p r .
Antitoxin 1612. I Kost der Arbeiter und die Grundsätze' 1 ’
Kochsalzfieber, Stoßwechsel- und K. 1467. j nährung 1721 .
— und Wasserfehler 26, 646. ; — fleischfreie in der Therapie 120.
alter 796.
Knochentransplantation 334, 813.
I — freie 711.
— in Defekte von Röhrenknochen 760.
— Periost- und K. 328, 635.
Knochentuberkulose, Sonnenbehandlung der GC'
lenk- und K. 1282.
Knochenveränderung, angiosklerotische 7G0.
Knorpelausscluüung, Beseitigung ungenügender 1
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Original frn-m
UNiVERSUY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
200Ö
Kotstauung als Quelle nervöser Schmerzempfindung
1946.
Kraftbedarf des Säuglings 1180.
Kraftsinn, Nachweis des K. 378.
— Studien über den K. 166.
Krämpfe, Behandlung der allgemeinen K. 123.
— spasraophile, Magnesiumsulfatbehandlung der
K. 709.
Krampfadern, congenitale am Arm 1001.
Krampfanfälle mit Verblödung 999.
Krampfzustände, Durch peripheren Reiz hervor¬
gerufene isolierte K. im Gebiet des Ramus
descendens nervi hypoglossi 801.
Krankenanstalten Wiens, Jahrbuchderk.k.K. 1080.
Krankenbeobachtung, fortlaufende 140, 1328.
Krankenbett, Chemisch - diagnostische Unter¬
suchungen am K. 1687.
Krankengeschichten, Ausleihung der ärztlichen
K. 1946.
Krankenhaus, bischöfliches, in Philadelphia,
Arbeiten aus dem K. 754.
— in Cottbus, Neues städtisches 1582.
— Grundsätze beim Bau von K. 358.
Krankenhausbauten, Verteuerung derselben 1901.
Krankenkassen, Einigungsabkommen (Berliner)
zwischen Aerzten und K., nebst Ausführungs¬
bestimmungen 1611.
Krankenpflege-Uhr 1149.
Krankentrage 1913 1770.
Krankheitsbild, unbekanntes 277, 463.
Krankheiten innere, Blutungen bei K. 800.
— Differentialdiagnostik der K. 316.
— spezielle Pathologie und Therapie von K. 704.
— Radium-Mesothoriumbehandlung der K. 1004.
— Behandlung von K. mit Thorium X 220, 361.
— psychische und nervöse, Klinik der K. 554.
Krankheitsübertragung durch nicht blutsaugende
Fliegen 323.
Kreatin, Herkunft des K. im tierischen Organismus
360.
Kreatinbildung aus Cholin und Betain 939.
Kreatininbestimmung, Colorimetrische Indikan-
und K. der Haustiere 1326.
Kriegschirurgische Eindrücke aus den beiden
Balkankriegen 1912/13 272, 474, 720, 761.
-über Blutgefässnaht 1907.
Kriegsgefangenenlazarett Alexandrinenstr. (Berlin).
Die ersten Wochen kriegschirurgischer Tätig¬
keit 1698.
Kriegskrankenkassen 1878.
Kriegsneurologie 1853.
Kriegsophthalmologischc und organisatorische Er¬
fahrungen 1750.
Kriegssanitätsausrüstung, französische 1948.
Kriegssanitätsdienst in Berlin 1665, 1698 1761.
— im Heimatsgebiet 1692.
— Der bulgarische, serbische und griechische K.
1473.
Kriegsseuchen 1635.
— Bekämpfung durch klinische antiseptische
Maassnahmen 1937.
— Desinfektion 1655.
— Die Dysenterie 1653.
— Die Entstehungsursachen der K., ihre Ver¬
hütung und Bekämpfung nach den Kriegs¬
erfahrungen 1870/71 1945.
— Das Fleckfieber 1654.
— Meningitis epidemica 1655.
— Milzbrand als K. 1884.
— Die Pest 1654.
— Die Pocken 1654.
— Das Rückfallfieber 1654.
— Ueber Verhütung und Bekämpfung der K. im
allgemeinen 1635.
— Erfahrungen und" Therapie im Feldzüge 1914
— Schutzvorrichtung gegen Verbreitung von Iv.
in Baracken und Krankenhäusorn 1925.
Kriegsskizzen 1655, 1695, 1735, 1778, 1827, 1851.
Kriegsverletzungen, Im Hospital des roten Halb*
I mondes in Saloniki behandelten K. 1229.
— des Nervensystems 1901, 1929.
Kriminalistik, Zur chinesischen, deutschen und
amerikanischen K. 753.
Kriminalpsychologische Aufgaben der Zukunft
223, 849.
Labyrinthexstirpation, Folgezustände einseitiger
L. beim Frosch 1707.
Labyrinthreflexo, Ausfall der tonischen Hals- und
L. 1707.
Labyrinthtätigkeit, Art der A. 872, 979.
Lachgas-Sauerstoffharkose 220.
Lähmung, cerebrale spastisch-paretische 43.
— Elektrophysiologische Studien zur Therapie
der L. 1708.
— infolge einer im Schädel sitzenden Kugel 1774.
— poliomyelitisehe, Sehnenplastik bei L. 857.
— Gehäufte postdiphtherische L. 1527.
— spastische, operative Behandlung von L. 766.
I-Erfahrungen mit der Stoffel’schen Opera-
I tion bei L. 813.
-Behandlung der L. mittels der Förster¬
seben Operation 568, 1353.
— spondylitische, Laminektomie bei L. 813,1197,
1205.
— Symptomatologie der cerebralen L. 1688.
Lähmungstherapie 229, 548.
— an der oberen Extremität 1086.
Lävulose, Umwandlung der L. in Dextrose in der
künstlich durchströmten Leber 360.
Lävulosurie, alimentäre, und Galaktosurie 940.
Laktosurie, chronische 379.
Larainarialdilatafcion, Erleichterung der L. 1772.
Laminektomie, Knochenplastik bei L. 1470.
Landesversicherungsanstalt Berlin, Verwaltungs¬
bericht für 1912 408.
Landry’sche Paralyse, Erreger der L. 615, 807.
Laparotomie, bogenförmige, im Epigastrium 1085.
I — Peristaltik nach L. 1377.
! — Anregung der Peristaltik nach L. durch
[ Sennatin 1919.
i — Oertliche Schmerzverhütung bei L. 1330.
I — Sacral- und Lokalanästhesie bei L. 1131.
! — Verfahren zur Kontrolle der Tupfer bei L.
I 1232.
i Laparotomierte, Nutzen des Peristaltins für die
| L. 1600.
Larosan beim Erwachsenen, bes. bei Ulcus ven-
triculi 1599.
Krebs, Lichtsinn mariner Würmer und K. 360. Kropf, Vorkommen des endemischen K. und der
— s. a. Carcinom. Schilddriisenvergrösserung am Mittelrhein und
Krebsbehandlung, Demonstration zur K. 1484. in Nassau 1610.
Krebsforschung, Chemotherapeutische Versuche in Kropfoperationen, Erneute Atemnot nach ge-
der experimentellen K. 1467. lungenen K. 1470.
Krebsmerkblatt des Deutschen Zentral-Komitees Kropftuberkulose, Fall von K. vor 22 Jahren
zur Bekämpfung der Krebskrankheiten 1619. operiert 1612.
Krebsproblerne 1484, 1708. Krüppel, Die Aesthetik im Leben des K. 990.
Kreidepasten 1900. Krüppelfürsorge, Stand der K. in Prcussen 990.
Kreislauf, extracardialer des Blutes 1438. Kryptorchismus, Behandlung des K. 1231.
Kreislaufinsuffizienz, chronische 1650. Küche, diätetische 1083.
Kreislauforgane, Erkrankungen ders. (Sammel- Kühlung von Wohnräumen 762.
referat) 1946. Kuh, Lässt sich mit dem Dialysierverfahren bei
Kreislaufstörungen 897. K. die Trächtigkeit frühzeitig erkennen? 318.
Kreissende s. Geburt. Kuhmilch und vegetabile Milch 759.
Kremation vom hygienischen, volkswirtschaftlichen — Die Reduktasen der K. und ihr Nachweis zur
und gerichtlich-medizinischen Standpunkt 1652. Beurteilung der Milchgüte 1187.
Kretinismus 1201. Kultur der Gegenwart, ihre Entwicklung und ihre
— endemischer 1145, 1468. Ziele 165, 1465.
Krieg, Aerztliche Friedenstätigkeit im K. 1674. Kupfer, Toxizität des K. 940.
— Augenerkrankungen im K. 1774. Kupfervergiftung, chronische, durch Tragen
— Augen Verletzungen im K. 1753. schlechter Goldlegierung im Munde 1577.
— Nervöse und psychische Störungen im K. 1753. Kürbisbehandlung der Oedeme 1526.
— Psychosen und K. 1750, 1774. Kurzsichtigkeit, Entstehung derselben 906, 1799.
— und Neurologie 1949. — und Schule 35.
Kriegsaneurysmen und deren Behandlung 1925. Kussmaul’s zwanzig Briefe über Menschenpocken-
Kriegsärztliche Abende, Ziele und Aufgaben der- und Kuhpockenimpfung 1611.
selben 1674. Küstenfieber, Denque und andere endemische K.
— Erfahrungen aus dem griechisch-türkischen 607.
und griechisch-bulgarischen Krieg 1929. Kyphose, Der Situs der Thoraxeingeweide bei
Kriegschirurgen, Taschenbuch für K. 1919. I spitzwinkliger K. 1677.
Kriegschirurgie, Allgemeine .Bemerkungen 1773. j Kyphoskoliose, Bedoutung der K. für Schwanger-
— Einleitung in die K. 1750. I schaft, Geburt und Wochenbett 802.
— Grundlagen der heutigen K. 1750. Kryptorchismus 1339.
— moderne 1229.
— Praktische Winke für die Chirurgie im Felde
1577.
— des Sehorgans 1787.
— Tätigkeit der Chirurgen in der vordersten
Reihe, sowie in den Heimatlazaretten 1752. Lab, Identität von L. und Pepsin 119.
T* Vortrag über K. 1694. Labyrinth, Absolute Indikation zur operativen
Eriegschirurgische Eindrticko und Beobachtungen Eröffnung des L. 126.
vom griechisch-bulgarischen Kriege 1913 — Beziehung entzündlicher Veränderungen im L.
1089. zur Degeneration in seinen Nervenapparaten
— Erfahrungen 366. | 804.
! Larosanmilch, Ernährung kranker Säuglinge mit
| L. 413, 559, 1106.
Laryngektomie mit beigefügter Gastrostomie 124,
464.
Laryngologie, Mitwirkung der Berliner laryngo-
logischen Gesellschaft an der Entwicklung
der L. 1091.
— Röntgenbilder aus der L. 1477.
— Rhinologie und ihre Grenzgebiete, Jahres¬
bericht über die Fortschritte ders. 1670.
— und Otologie als selbständige Sektionen bei
den internationalen medizinischen Kongressen
1709.
Laryngoskopie, direkte 1378.
Larynx, Anästhesierung des L. 1332.
— Anatomisch-röntgenologische Untersuchungen
über den L. 124.
— Paraffininjektion im L. wegen Aphonie 1148.
— Quere Resektion des L. und Oesophagus 1085.
Larynxcarcinom 1330.
— Exstirpation des Larynx wegen Careinoms.
2 geheilte Fälle 1478.
Larynxexstirpation 1197.
Larynxmuskeln, Degeneration funktionell ge¬
lähmter L. und die „Inaktivitätsatrophie“
1048.
— Inaktivitätsatrophie der L. 332.
Larynxpapillom, Behandlung der multiplen L.
mit Radium 1049.
Larynxtuberkulose, Behandlung der L. 1333.
— Behandlung der L. nach Pfannenstill und
Friedmann 1327.
| — Heilung der L. 77.
Larynxtumoren 1048.
— Knorpelgeschwülste des Larynx 1048.
Lateralsklerose, amyotrophische L. 1848.
-Die vordere Centralwindung bei Läsion
der Pyramidenbahn und bei L. 365.
-Forme fruste von L. 942.
Lathyrismus 1083.
Laudanon in der Geburtshilfe 755.
Lavokat, Ein neues Nährpräparat „L.“ 797.
Lazarette, bayerische, in Orleans im November
1870 762.
Lazarettgarten und Vogelschutz 762.
8
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UNIVERSITY OF IOWA
2010
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Leben, Das L. der anorganischen Welt 1686.
— Physiologie und Pathologie des L. in ver¬
dichteter Luft 923.
— ohne Bakterien 1127.
— und Arbeit 218.
Lcbenserinncrungen aus dem Breslauer Sommer
semester 1877 485.
Lebensversicherungsmedizin 1689.
Leber und Acetonkürperbildung 76.
— Atmung der künstlichen durchbluteten llundc- .
L. 1467. I
— Gitterfasern der L. bei congenitaler Svphilis
1424. ‘ 1
— und Glykosuric 119.
— Kohlehydratstoffwechsel der L. 74, 420.
— Funktionsprüfung der L. mittels Liivulose 798.
— Milchsäure- und Zuckerbildung in der iso¬
lierten L. 1525.
— Experimentelle Nekrose und Degeneration der
L. 268.
— Wert des Phenoltetrachlorphthalein für die
Funktionsprüfung der L. 168, 169.
— Toxische Phloridzinwirkungen nach Experi¬
menten an der partiell ausgeschalteten L. 939.
— Darstellung der L. im Köntgenbild 846.
— Rüntgcnphotographie der L., der Milz und des
Zwerchfells 1231.
Leberveränderung nach Chloroformvergiftung 377. j Leukanämie 1280.
— gummöse 236. . Leukocvten, Einfluss der L. auf hämolytische
Lcberverletzungen 899. Substanzen 266.
Lebias ealaritana, Anpassung an die Farbe der — Numerische Veränderungen der L. bei Mäusen
Umgebung von L. 1326.
Lccutyl, Blasentuberkulose geheilt mit L. 1467.
Leeutylinhalatioiien, Die Kupferchemotherapie der «
Schleimhauttuberkulosc der oberen Luftwege j
mit L. 1708. I
Lcibschiissel, Neues Modell 1233. j
Lcibseelenfragc, Ein Kapitel zur L. 1688. |
Leichencrschemungcn 624. I
Leichenorgane, Temperaturmessungen an L. 1582. i
Leishmaniosis, Fieberkurven bei der kindlichen L.
649.
— kindliche, 110 Fälle von L. 942.
Lcistenbruch als Unfallfolge 1582.
— s. a. Hcrnia inguinalis.
Leitungsanästhesie, paravertebrale 1427.
— s. a. Anästhesie.
Lendenwirbel, fünfter, Kompressionsfraktur des L.
659.
Lendenwirbclkonturschuss 1911.
Lendenwirbel«|uerfortsäte, Isolierte Frakturen der
L. 1535.
LendcnwirbeUiiule, Eitrige Knochcnmarkscntziin-
dung der L. nach Unfall 1901.
Lendenwirbel tuberkulöse, Geheilter Psoasabscess
bei L. 37
— und Milz im Röntgenbild 801, 863, 1332,
1608 .
— Spontane Schwcfclwasscrstoffcntwicklung der Lepra 613.
L. und des Eierklars 266. , — Aetiologic, Prophylaxe und Therapie der L.
— Steigerung der Zuckerbildung in der Schild- j 1331.
krüten-L. als Folge der Pankreasexstirpation — in Algier 1472.
1525. i — Behandlung der L. mit intravenösen ,Jodo-
— UeberZuckermobilisierung in der überlebenden , forminjektionen 1372.
Kaltbliiter-L. 1525. I — Histologie der L. 1232.
— Blutbildungszellen in der L. bei Syphilis' — Notwendigkeit oder Ratsamkeit der Abson-
congcnita 1899. derung bei L. in Südafrika 561.
Lebcrabscess, dysenterischer, Aetiologic und . — tuberculoide 1047.
Pathogenese des L. 411. | — tuberosa 721.
— — Wirkung des Emetin bei L. 239. i Lcprabacillus, Ist der L. in Reinkultur dargcstcllt Lidsugillationen, Schnelle Beseitigung der sub-
— Gleichzeitige Entleerung eines L. durch die 1 worden? 557. j eonjunctivalen Blutergüsse und L. 466.
Bronchien und durch die Brustwand 1476. j — Erhaltcnbleiben der L. in der verwesenden Ligamentum gastro-colicum, Lymphcyste des L.
nach Impfung mit transplantablem Aden'o-
carcinom 410.
— eosinophile, Einfluss des Atropin auf die I
1372.
-in entzündlichen Infiltraten 466.
Leukocytenbild, abnormes, Raschwirkende Beein¬
flussung von L. durch neues Verfahren 361
Leukocyteneinschlüsse nach Döhle 380, 1229.
— Bedeutung der L. 380.
— Bedeutung der L. für die Scharlachdiaenose
1747.
— Diagnostische Bedeutung der L. bei Scharlach,
i Masern, Diphtherie, Anginen und Serum
exanthemen 1046, 1900.
Leukocytenimmunserura 1082.
Leukocytose bei Intraperitonealblutungcn 1016 .
I Lcukoplaeiebildung im Nierenbecken 118.
! Leukoplakia uteri 1920.
! Leukosarkomatosis 1374.
Lichen ruber obtusus 669.
— sclerosus der weiblichen Genitalien 1231.
— syphiliticus, Zwei Fälle von L. 1562.
Licht, Wirkung starken L. auf normale und
sensibilisierte Tiere 577.
— ultraviolettes, Wirkung des L. 1402, 1433.
Lichtbehandlung, Apparat zur L. der Lunge 16Ü0..
Lichtkrankheiten und Lichtschutz der Augen 561 .
Lichtreaktionen bei Tieren und Menschen 1125 .
— bei Tier und Pflanze 1146.
Lichtscheu, Behandlung der L. bei Conjunctivitis
eczematosa 1184.
Lichtsinn mariner Würmer und Krebse 360.
Lidkante, Bildungsanomalie der inneren L. 562 .
Lidnekrosen 1612.
Lid-Orbitacarcinom, Operation inoperabler L. 166.
Lidplastik 90.
— multiple, Heilung der L. und ihre Diagnose
898, 1231.
— latenter 1097.
Leberatrophie, akute gelbe 237.
— subakute, mit knotiger Hyperplasie auf tuber¬
kulöser Grundlage 895.
— gelbe 756.
! Leiche 1047.
I — Wanzen und Schaben als Verbreiter des L. 221.
Leprafälle 141.
| Leprafrage in Kurland 561.
j Leptinolinjektion, Abscess nach L. 800.
j Leptomeningitis purulonta circumscripta. Chirur¬
gische Behandlung ders. 1688.
Lcberearcinom, primäres, und Lebercirrhose 167, ' Leuchtgas, Suieid durch L. 672.
236. . '
— — hei dreijährigem Kinde 1578.
Lebercirrhose. alkoholische, bei 8 jährigem Mädchen
1151.
— — bei einem Kind 1343.
— Behandlung der L. mit Keratin 345.
— Entstehung der L. 1043.
— experimentelle 460, 1578.
— scheinbar geheilte 187.
— operative Behandlung der L. 1330.
— und Tuberkulose 1632.
Leberechinokokkus. Behandlung des L. 271.
Leberentartung bei gleichzeitiger Stauung 1424.
Leberfunktion, Pathologie und moderne Priifungs-
methoden 1798.
— Bedeutung der Zuckerproben für die Be¬
urteilung der L. 1375. j
Leberglykogen und Diabetes mellitus 705. ,
Lcberinsuffieienz, Diagnostischer Wert der Aci- :
dose für L. 1490. "
— Aminosäureausscheidung nach Verabreichung ;
von Peptonen als Diagnosticum bei L. 648.
Leberkranke, Lebergewebe spaltende Fermente
bei L. 28. j
Leberkrankheiten, Verwertbarkeit der alimentären
Gaiaktosurie bei L. 813.
Leberoperation, Blutstillung bei L. 612.
Leberpathologie 93.
tumorförmige
cireumseripte —
Lcberrogeneration,
168.
Leberresektion 859.
Leberruptur 472.
— bei reifen Neugeborenen 1487.
Leberseh ussverletzungen 1926.
Lebertuberkulose 236, 7SO.
Lebertumor, Heilung von Milz-, Nieren- und L.
465.
Leucin. Isolierung von L. und anderen Amino-
| säuren aus Körperflüssigkeiten 939.
; Leukämie, akute 122, 188, 332, 708.
I — — Das Blutbild der L. als passageres Sym¬
ptom 1129.
| — — Plcurilische Form der L. 1098.
— — unter dem Bilde der Wirbelcaries 320.
— Arbeitshypothese für die Erforschung der L. 9.
— der Säuglinge 1900.
— Behandlung der L. mit Benzol 940, 1081.
— Neuere Behandlung 267.
— Behandlung der L. mit Röntgenstrahlen und
Benzol 1042.
— Beziehungen der L. zu geschwulstbildenden
Prozessen des hämatopoetisohen Apparates
1374.
— Facialer Typus der L. 1752.
— der Haut 1231.
— Leukoeytenfiltration dcrChorioidea bei L. 1921.
— lymphatische 42.
— — Coryncbacterium Hodgkin bei L. und
Hodgkin’scher Krankheit 609.
— — Hautveränderungen bei L. 428.
— — mit generalisierter miliarer Lymphadenia
cutis 1429.
— Nervöse Erkrankungen bei L. 989.
— chronisch myeloidc 238, 239.
myeloide, Radiumbchandlung der L. 1098.
— und Syphilis 1044.
myeloische, Milzexstirpation bei einem Fall
chronischer L
673.
— latum, Epithel der Anbangsgebilde des L. 803.
I — patellae, Zerreissung des L. 39.
Ligatur an schwer zugänglichen Stellen 1428.
Limbus, Epitheliale Neubildung am L., nach
5jährigen Recidiven mit Mesothorium beseitig;
1331.
Linitis plastica 413.
Linksskoliose, Häufigkeit der L. und Liegendtrage:.
[ der Kinder 366.
1 Linse, Verhalten der L. nach Eisensplitterver-
i letzung 83.
I — Kataraktöser Zerfallsprozess der L. und sein?
Darstellung im Reagensglas 577, 652.
— Mechanismus des Abbaues der L. und ihrer
I Abbauprodukte 713, 1530.
! Linsenkern, Progressive Degeneration des L. t'T
J Linsenluxation, Pathologische Anatomie der er-
I worbenen L. 165.
Linsentrübungen, Häufigkeit und Lokalisation von
beginnender L. 1612, 1750.
— bei kongenital-syphilitischen Schwachsinnigen
997.
__ g ^ Kätätäkt
Lipamie, diabetische, Grosszeilige Hyperplasie der
Milzpulpa bei L. 988.
— Pathogenese der L. 1649.
— und Lipase bei Aderlassanämie 91.
Lipoide, Bedeutung der L. für die mcnscnln-e
Pathologie 951. .
— Nachweis der freien L. im Blutserum dui«.
Aktivierung mit Kobragift 496.
— Rolle der L. bei der Blutgerinnung 496
— doppelbrechende, im Mesenterium um
einem Mesenterialsarkom 1043.
— Experimentell erzeugte Ablagerungen 1
anisotropen L, in der Milz und im hnoi t
mark 268.
in der Milz und im Leichenblut HD-
1104. . - „ u uw „ lia _ __,
— — StoflfwechseJuntersuchungcn bei einer mit' — Chemie der L. in den Nebennieren
Benzol behandelten chronischen L. 29. ; — im Urinsediment beim Kinde 1057. ^
1 — sekundäre oder symptomatische 1225. Lipoidsubstanzen im Harnsediment beim
— Stauungspapille bei L. und Gelbfärbung des 1947.
Augenhintergrundes durch ern Symptom der Lipoidverfettung 267, 607.
I Chorioidea 125. j Lipojodin-Ciba 1467.
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Original frn-m
UNiVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2011
Lipom der vorderen Bauchwand 336.
— des Erwachsenen mit Lipoblasten in ver¬
schiedenen Stadien 167.
— symmetrische 1244.
Lipomatose, multiple symmetrische 400.
— symmetrische 1490, 1529.
Lipomatosis perimuscularis circumscripta 1129.
— universalis, Vielgestaltigkeit der L. 412.
Lippenschanker mit grosser Drüsenschwellung
unter dem Kinn 1490.
Liquor cerebrospinalis, Neue Reaktion des L. 78,
1185.
-Wert des Eiweissnachweises im L. 430.
-Diagnostische und prognostische Bedeutung
des Harnstoffgehaltes des L. 610.
— — Diagnostische Bedeutung der Weil-Kaffea-
sehen Hämolysinreaktion im L. 80.
-Goldsolreaktion im L. 28, 1185, 1469.
-bei der Leiche 1373.
-Herkunft des luetischen Reaktionskörpers
in dem L. 1374.
— — Klinische Manometrie besonders des L.
1375.
— — Verhalten des L. bei isolierten Pupillen¬
störungen 559.
-Untersuchungen über dens. bei sekundärer
Syphilis 1748.
— — Verhalten dess. bei Kohlenoxyd-, Arsen-
und Bleivergiftung 1527.
-Wassermann'sehe Reaktion in dems. 15G2.
Liquorreaktion, Frühfall von Paralyse durch L.
diagnostiziert 1771.
Liquoruntersuchung bei isolierten syphilogenen
Pupillenstörungcn 1771.
Little’sche Krankheit 230.
— — und ihre Behandlung mit besonderer Be¬
rücksich tigungderFörster’schen Operation 118.
Lokalanästhesie, Bromnatrium als Unterstützung
bei L. 842.
— der Extremitäten 819.
— Grenzen der L. in der Chirurgie 819.
— Wirkung von Kombinationen aus der Gruppe
der L. 77.
— Kombination der L. mit Kaliumsulfat 1376.
— in Massen 1734.
— Sacral- und L. bei Laparotomien 1131. |
— Nachschmerz nach L. und seine Verhütung i
333, 464, 611, 899. 1
— und Nebennierenerkrankung 173. |
— bei Operationen am Ohr 1430. j
Lokalanästhetikum, Phenylurethanderivate als L. !
1183. !
Lokalisation, physiologische falsche 1441.
Luctinreaktion nach Noguchi 449, 997, 1225,
1249, 1688.
Luftembolie im Auge 1226.
— in der Geburtshilfe 466.
— bei krimineller Abtreibung 1376.
Luftfahrer, Wirkung der Höhe auf das Seelen¬
leben des L. 1020.
Luftröhrenschnitt s. Tracheotomie.
Luftwege, obere, Bedeutung der Röntgenstrahlen
für Untersuchung der Erkrankungen der L.
und des Ohrs 997.
-Schussverletzungen ders. 1966.
Lumbalanästhesie, Dosierung bei L. 819.
— Erfahrungen mit L. 1689.
— Stoffwechselstörung der Leber, Albuminurie
und Urobilinurie nach L. mit Stovain nach
der Methode Jonnescu 171.
Lumbalpunktion, Bedeutung der L. für Diagnostik
und Therapie 185.
— Ueber im Anschluss an die L. eintretende
Zunahme der Kompressionserscheinungen bei
extramedullären Rückenmarkstumoren 1739.
— Schädeltrauma und L. 1633.
— Therapeutische Leistungen der L. 1372.
Luminal, Behandlung der Epilepsie mit L. 893,
1577, 1689, 1733.
Luminalvergiftung 1277.
Lunge, Chirurgie der L. und Pleura 711.
— Chronische Induration der L. 43.
— Einfluss der In- und Exspiration auf die
Durchblutung der L. 646.
— Baumartige Verknöcherung der L. 1081.
Apparat zur Lichtbehandlung der L. 1600.
Lunge, Beobachtungen an der überlebendenSäuge-
tier-L. 1553.
— Beeinflussung der L. durch Schilddrüsonstoffe
1574.
— Undurchgängigkeit der L. für Ammoniak 219,
— Besitzen die L. Vasomotoren? 985, 1846.
! — Wasserausscheidung durch die L. 1100.
1 — Verletzung der L. durch Gewehrschuss 1924.
Lungenabsccss, Demonstration eines geheilten L.
1474.
— Dysenterischer L. bei latenter Dysenterie 1567.
— operativ geheilter 944.
— Therapie der Pleuraempyeme und L. 711.
Lungenaffektion, eigenartige 664.
Lungenaktinomykosc 859, 1291.
Lungenarterienembolie, Behandlung der L. und
des Lungeninfarkts 413.
Lungenblähung 1341.
— bei alimentärer Intoxikation 650.
Lungenblutung s. Hämoptoe.
Lungencancroid, primäres 78.
Lungeneavernen, Vorkommen der L. im Kindes¬
alter 479.
— Lokalisation von L. und Lungenabscessen
1327.
— Klinisch röntgenologische Untersuchungen über
L. mit Fiissigkeitsspiegel 79.
Lungenchirurgie, intrathorakale 1086.
Lungeneollaps, Praktische Bedeutung der Circu-
lationsstörungen durch einseitigen L. bei
therapeutischen Eingriffen an der Lunge 1425.
— akuter lobärer 1045.
— massiver, nach Bauchoperationen 1130.
Lungenechinococcus, Pleura- und L. 769.
Lungenembolie 425, 1086.
— Trendelenburg \sche Operation bei L. 1086.
— fulminante, aus dem Saphenagebict 1130.
— als Spatunfallsfolgc 711.
Lungenemphysem, Kausale Bekämpfung des L. 29.
Lungenentzündungen und Versicherungsmedizin
1582.
Lungenerkrankungen,Lokale Differenzen der Haut¬
temperatur bei L. 1045.
Lungenerweichung, saure 987. I
Lungen- und Lungenlappenexstirpation mit Ver¬
sorgung des Bronchial stumpfes durch frei
transplantierte Faseia lata 1875. j
Lungenfibrose, behandelt mit Vacc-in vom Bacillus
Fricdlaender 1373.
Lungcngangrän, Heilung durch intrabronchiale
Injektionen 1490.
— Massive intrabronchiale Injektionen bei L.
1097. j
— nach Kontusion der Brust 1567.
Lungengefässc, Einfluss von Giften auf die L. j
1372. ,
Lungcngumma im Röntgenbild 912.
Lungenheilanstaltsärzte, Verhandlungen der Ver¬
einigung der L. auf der 8. Versammlung in
Freiburg i. B. 1611.
Lungenhernie bei Spondylitis tuberculosa 801. i
Lungenkomplikationen, postoperative, Behandlung
und Prophylaxe der L. mit Menthol-Euka-
lyptolinjektionen 178. |
Lungenkranke, Arbeitsfähigkeit der Leicht-L. 171.
— Künstlicher Pneumothorax bei L. S53.
Lungenkrankheiten, Diagnose der L. im Röntgen¬
bild 1336.
Lungenluft, Bestimmung der Kohlensäurespannung
in der L. 1268.
— Temperatur der Exspirationsluft und der L. 75.
Lungonödem, Behandlung des L. 78, 1128.
Lungenphthise, Entwicklung und Einteilung der
L. 1580.
— Entstehung der menschlichen L. 1819.
Lungenplombierung, pneumatische 272.
Lungenschüsse 1714, 1822, 1902.
— Behandlung der Schuss- und Stichverletzungcn
der L. 995.
Lungenspitzen, Diagnose der Erkrankung der L. I
722, 1596.
Lungenspitzendämpfung im Kindesalter 121S.
Lungenspitzenfelder, Untersuchung der L. 564. j
Lungensteine 1850. ;
Lungensyphilis, Röntgenologischer Beitrag zur L.
1283.
Lungenvasomotoren, Zur Kenntnis ders. 1525.
Lupus, Behandlung des L. mit dem Friedmann-
schen Tubcrkuloscheilmittel 894, 1540.
— Lichtbehandlung des L. 944.
— Die modernen Methoden der L.-Behandlung
1331, 1728.
— Notwendigkeit der Untersuchung und Behand¬
lung von Nase und Rachen bei Gesichts-L.
797.
— Röntgenbehandlung des L. mit Leichtfilter
1131.
— Ein mit Ulsanin geheilter Fall von Gosiehts-
und Nasen-L. 1708.
— erythematodes 997.
— erythematosus, Behandlung des I.. mit Kohlcn-
säuresehnee 409.
— — unguinum mutilans 561.
— syphiliticus 1609, 1613.
— verrucosus 1096.
— vulgaris, Gold- und Kupferbohandlung des L.
409.
Luxatio claviculae praesternalis, Behandlung ders.
1875.
— — retrosternalis 1556.
— — — inveterata, erfolgreich operiert 1488.
— eoxae congenita 1488.
— femoris centralis 1140.
— obturatoria, Blutige Reposition einer L. 721.
— patellae lateralis congenita 815.
Lymphadenitis, fistulöse, nach Erysipel unter dem
Bilde tuberkulöser Lymphome 376.
Lymphangiom, angeborenes, am Fussrüc-ken 1343.
— tuberosum multiplex 850.
— der Tube 1486.
Lymphangiocndothelioma tuberosum multiplex
j 1231.
' Lymphatiker, Reaktion der leukopoetischen Organe
1 von L. auf Infekte 29.
Lymphatismus, Klinik des L. und anderer Kon¬
stitutionsanomalien 1079.
— Zuckerstoffwechsel beim L. der Kinder 1084.
Lymphcyste des Ligamentum gastro-eolieuni 673.
Lymphdriisentuberkulose, Studien über Histo-
genese der L. 363.
— Röntgentherapie der L. 77, 669, 1282, 1578.
Lymphknoten, axillare, und Lungentuberkulose
845.
— und Milztuberkulosc, Ungewöhnliche Formen
von L. 1692.
Lymphkontrolle, Technik der L. 1188.
Lymphocytose im Blutbild, besonders bei funk¬
tionell nervösen Leiden 559.
— und ihre diagnostische Ueberbewertung 756.
Lymphogranulomatose 1424.
— Uebertragung der L. auf Meerschweinchen
1215.
—- Verhältnis der L. zur Tuberkulose 1468.
Lymphomatosis granulomatosa, Aetiologie der L.
460.
— leukämische, bei paroxysmaler Hämoglobinurie
1426.
Lymphosarkomatosc, generalisierte 377.
Lymphstauung und ihre Produkte 648.
Lyssa als entschädigungspflichtige Unfallfolge
713.
Lyssavirus,
Züchtung des L. nach Noguchi 1579.
M.
Einfluss des Sauerstoffs auf die Blutcirculation Lungentuberkulose s. Tuberculosis pulmonum,
in der L. 78. , Lungentumor 1093.
Macerationshcfesaft, Synthese stickstoffhaltiger
Stoffe im M. 1524.
Maculaaussparung, IlirnlokalisatorisehcBedeutung
ders. im hemianopischcn Gesichtsfeld 1921.
Mäusccarcinom, Exporimontell erzielter Schwund
des M. 167.
Analyse der Wirkung radioaktiver Substanzen
auf M. 608.
— Immunisierung gegen M. 852.
— Filtrierbarkeit transportabler M. 852.
— Uebertragung der M. durch filtriertes Aus¬
gangsmaterial 318.
— Erfolge der M.-Impfung auf Kaninchen 608.
Mäusecarcinomzclle, Lebensdauer der M. bei
Bruttemperatur (37° C) 725.
Magen, Belegzellen im M. der Schildkröte 1797.
— Wegen Carcinoma pylori resezierter M. 997.
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2012
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Magen, Daucrausheberung des M. 571, 710.
— Divertikelbildung am M. durch peptisches Ge¬
schwür 1282.
j Mageuform bei gesteigertem Vagus- und Sympa-' Malaria tertiana unmittelbar nach energischer Sal-
■ thicustonus 1041. [ varsanbehandlung 223.
' Magenfremdkörper, operativ entfernte M. 1094. | — tropica, Intravenöse Sublimatinjektionen bei
Selbsttätige Drainage des M. und Duodenum \ Magenfunktion, motorische, Einwirkung, der Chlo-1
Druckmessungen im Muskel-M. der Vögel I
1707. 1
Kongenitale Formenanomalie des M. 133.
Diagnose der Haargesehwulst des M. 800.
Vorrichtung für die Einführung mancher In¬
strumente in den 836.
- Projektion des luftgeblähten ulcuskranken M.
866 .
roform- und Aethcrnarkose auf dies. 1553.
Motorische Diagnose beginnender Schädigungen
der M. 663.
M. mit latenter Sepsis 564.
— Urobilinsekretion im Ham bei M., besonders
bei Schwarzwasserfieber 714.
— Wassermann’sche Reaktion bei M. 1045,1280.
Mageninhalt, Acidität des M. bei Kindern 1469. — Bekämpfung im österreichischen Küstenlandc
— ungewöhnlicher 365.
Mztgeninhaltsprüfung ohne Anwendung des Sonden¬
verfahrens 1600.
Mageninsuffizienz, Diagnose der beginnenden se¬
kretorischen M. 1546.
317.
-in Palästina 285.
-12 Jahre M. nach Robert Koch 323.
Malariaparasiten, Eigenartige (ev. neue?) M.-
Formen 1558.
Behandlung der Motilitätsstörungen des M. Magenkörpercarcinom, Diagnostische Eigentüm- Malariaprodrom, Selbstversuch mit einer neuen
Motilitätsbestimmung des M. mit Berücksich-
lichkeiten dess. 1581.
Magenkrankheiten, Atropinkuren bei M. 362.
tigung der Boas’schen Chlorophyllmethode j Magenkurvatur, grosse, Ausstülpung der M. 238.
759,760.
Perforierende Schussverletzungen des M. 1781.
Röntgenologische Untersuchungen über Form
Magcnläsionen, Diagnose der bösartigen und gut¬
artigen Duodenal- und M. und ihre Unter-
Prophylaxis auf Grund der M. 223.
Malariaprophylaxe, bei den Missionsangestcllten
in Kamerun 1132.
j Mallebrein, Erfahrungen mit M. 166.
— bei Tuberkulose 28.
Scheidung durch Serienröntgenaufnahmen 941. Malleus s. Rotz.
und Lage des Magens nach Aufblähung mit. Magenmotilität und Hypersekretion 911.
Kohlensäure 1471. j
— Beobachtungsfehler bei der radiologischcn ,
Untersuchung des M. 124, 846. |
— Tastsonde für die Röntgenuntersuchung des 1
M. 1471.
— Schneckenförmige Einrollung der kleinen Cur-
vatur des M. 472.
— Untersuchung dos M. mittels Sekretionskurven
1823.
— Sanduhrform des M., vorgetäuscht durch Er¬
krankungen der Leber 124.
— Schellackkonkremente im M. und Duodenum
440.
Magenausheberung, Technik der M. 662.
Beziehungen zwischen Magensekretion und
den Störungen der M. 380.
Malleolus extemus, Behandlung von Brüchen des
M. 464.
Maltafieber in Südwestafrika 223.
— Magenperforation bei Typbus abdominalis 188. Maltase, Verhalten der M. im Blutserum des
— bei Ulcus 39.
Magenoperierte, Rüntgenbilder von M. 1583.
hungernden und gefütterten Tieres 266.
Malum perforans 1094.
Magenresektion, Gefährdung des Duodenalstumpfes Mamma, Cystische Entartungen der M. 900,1230.
bei der M. nach Billroth II. 687. |
Pankreaskomplikationen nach M. nach der |
II. Billroth’schen Methode 996.
^ Erkrankungen der M. 1079.
—■ Fibromatose der M. 711.
— Bedeutung der präsenilen Involution der M.517.
circulare, Einfluss der M. auf Sekretion und I — Keloide Form der Sklerodermie der M. 997.
Motilität des Magens 768.
— Technik der M. 1428, 1875.
Magenresektionsfäile 997.
Magenruptur, geheilte 1140.
— pendula mit heftiger Mastodynie. Operation
I 1488.
' — Carcinoma sarcomatodes der M. 82.
— Cholesteatoma carcinomatosum der M. 900.
Magenausspülung, Wert und Technik der thera- j Magensaft, Wirkung der Adstringenticn auf den | Mammacarcinora, Kombination von Uterus-uncUl.
peutischen M. bei chronischen Magenerkran- M. 410.
kungen 647. — Capillaranalyse des M. 1600.
Magenblutung, Operative Behandlung bei M. 1233, — Neue Methode der M.-Untersuchung 1375.
1556. Magensäfte, Bericht über 11
Magencarcinom 1342. ‘ 7 Jahren behandelte M. 1
— Anatomische Grundlagen der okkulten Blu- Magensaftsekretion, Wirkung
1331.
' — Operative Therapie des M. 898.
| — Dauerheilungen des M. 898.
j Magensäfte, Bericht über 1100 in den letzten — mit zahlreichen Metastasen 1653.
7 Jahren behandelte M. 1582.
tungen bei M. 1154.
— Diagnostische Eigentümlichkeiten des M. am
Corpus 1146.
— Frühdiagnose des M. 1427.
— Glycyitryptophanreaklion beim M. 1226.
— primäres mit sehr starken Metastasen 335.
— sekundäres bei Ulcus veotriculi 1085.
— Studien über das M. 118.
— bei Tieren 1435.
— Unfallfolge 994.
Magenchirurgie auf Grund von 1000 Fällen 1153.
— Ungewöhnlicher Fall aus der M. 36.
| — In welcher Ausdehnung ist die Haut bei der
Aminosäuren ; Operation des M. mitzuentfernen? 272.
— Polyurie bei M. 942.
auf die M. 122. — Polyurie bei M. 942.
— Beeinflussung der M. durch Infektion und Mammuthaut, Mikroskopische Präparate von H.
deren Folgen auf die Magendarmstörungen 1291.
des Säuglings 1084. Manie, Die Phasen der M. 1083.
Magensarkom 1085, 1226. Manometrie, klinische 1375.
Magenschleimhaut, Veränderungen der M. bei Marine-Sanitätswesen, Einiges über das M. 1750.
Tieren nach Nebennierenexstirpation 363. — Organisation des M. und die Verwundeten-
| Magenschuss, Perforierender M. 1692. Versorgung an Bord 1879.
| Magensymptome, Charakteristik der röntgenolo- ■ Markscheidenfärbung, Histologisch-technisches zur
; gischen M. auf Grund zahlreicher autoptischer
I Befunde 911. I
j Magentuberkulose 612, 1297.
Magendarmaffektion, Neue Mothode der Emulsions- Magenverlinderungen und sekundäre Syphilis 1281
Lipoid- und M. 422.
Marsch auf horizontaler Bahn 1746.
Marschkrankheiten, Entstehung, Verhütung und
Behandlung 1822.
bereitung für Behandlung der M. der Kinder | Magenverdauung, Apparat zur Feststellung der Masern, Ekthyma gangraenosum bei M. 1748.
Kraft der M. 722.
Magendarmchirurgie, Demonstrationen 662.
Magendarmdiagnose, Carmin in der M. 759.
Magendarmelektromagnet 1948.
Frühdiagnose der M. 221.
Magnesiumsulfat, Behandlung des Tetanus mit — Zur Lehre von den M. 1329.
M. 1467, 1632, 1717, 1949.
Fall von Tetanus geheilt durch M. 1563.
Magendarmkanal, Bariumsulfat als Kontrastmittel Magnet, Richtiger Gebrauch des Riesen-M. bei -
in der Röntgendiagnostik des M. 1046
Augenoperationen 1876.
— Beziehungen der M. zu anderen pathologischen
Prozessen 1151, 1470.
— bei einem 9 Tage alten Säugling 559.^ ^
— Zelleinschlüsse bei Scharlach und M. 798.
— Mechanik der Lateralanastomosen am M. 560. j Maiseiweiss (Zeine), Schutzfermente gegen das Maschinengewehrkugel aus der Blase durch die
— Myome des M. 760. i M. im Blute der PellagrÖsen 1599.
— Phlegmonöse Prozesse am M. 1154. | Maistoxikologie, Studium der M. 869.
Magendarmkatarrh, Behandlung von M. und Atro- j Majocchrsche Krankheit s. Purpura 1391.
pbic bei Säuglingen mit Malzsuppe 559.
Magcndarmpatliologie, Elektromagnet für Diagno¬
stik und Therapie und M. 1105.
Magendarmtraktus, 14fache Perforation des M.
durch Nahschuss mit 9 mm-Bleigcschoss 179.
Magendiagnostik, funktionelle 1428.
— moderne an der Hand von 40 operierten Fällen
462. :
Magendivertikel 1394. |
Magenentleerung, Abhängigkeit derM. vom Nerven¬
system 1797. I
Mal perforant der Fusssohle bei einem Tabiker; Massage, feuchte 28.
Urethra entfernt 1882.
Maske, Nutzen einer M. für den Chirurgen 1---
Masochist 853.
Heilung mit intravenösen und intralumbalen
Ncosalvarsaninjektionen 797.
Malaria, akut hämolytische 1427.
— gynäkologische, Erfolge der manuellen M. nach
Thure Brandt-Ziegenspeck 466.
— hydraulische, in der neurologischen Praxis Ik> •
Chemotherapeutische Versuche bei Vogcl-M. j Massagewirkung, Bäder- und M. 1083.
1886.
Chemotherapie der M. 385, 45.3,
chininresistente 954.
Massenwirkung und Oberflächengesetzc 1241-
Mastdarmfistel, Neue Operationsmethode der
1535.
Erfahrungen mit dem Chinin nahestehenden Mastkuren im Kindesalter 397
Alkaloiden bei M. 564.
Hydrochinin bei M. 1088, 1132.
MagenerkrankungCD.HeutigeWertungdesRünfgcn- i — hämoglobinurische 905.
r*:_„t,:_l* i r vu; I _ -- nr i.,
bildes in der Diagnostik chirurgischer M. 1186.
— gutartige, Chirurgie der M. 1085.
— Syphilis und M. 1533.
Magenerweiterung, Zur Diagnose der M. 429.
— Mononucleose bei M. 627.
Magenfistel 1197. j
— und doppelte Dannfistel mit geheiltem Tetanus I
nach Schussverletzung 1850.
Magen fl üssigkeil, Cytodiagnoslik der M. und ihre j
klinische Bedeutung 1374.
JiaatAi udu iiu niuuüoaiivMi vv« % ^
Mastodynie, Mamma pendula und heftig© M. i ^
Mastoiditis, Operation bei M. 1147.
Mastoidwunde, Therapie schlecht heilender J • 1
Kindesalter 659.
— Immunität gegen M. bei Negern 1088. Kindesalter 659.
— Länderte Form einer M. in malariafreier Ge- Materialisationsphänomene 999, 1819.
gend 1129. Meekel’sches Divertikel 1342.
— Behandlung der M. tertiana mit Ncosalvarsan — — Pathologie des M. 168, 805.
28. Medianekrose, Zur Lehre der M. 756.
— Pathologisch-anatomische Veränderungen im Mediastinalabscess 1849.
Gehirn bei bösartiger M. 1771. Mediastinalcyste, Präparat von M. U&3.
— Röntgenbehandlung der Milz bei chininresi- Mediastinaltumor 1384.
stenter M. 186. — Differentialdiagnose zwischen M. und T
— mit ungewöhnlich schweren Symptomen 413. drüse 912.
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2013
Mediastinitis luetica, Milz- und Leberpulsation
bei M. 186.
— schwielige 1488.
Mediastinum, Toratom des vorderen M. 1128.
Mediumforschung, moderne 1651.
Med ullarplatte, Defektversuche an der offenen
M. 1673.
Medizin, Irrungen in der Geschichte der M. 907.
— Wert der Geschichte der M. 1340.
— gerichtliche, Ueber den Unterricht in der M.
§67.
— innere 984.
-v. Mering’s Lehrbuch der M. 216.
— — Bedeutung der Röntgentherapie für die M.
708.
— soziale 1222.
-Wiener Arbeiten aus dem Gebiete der M. 408.
Medizinalstatistische Nachrichten 754, 1223.
Medizinische Beobachtungen in Rumänien 1138.
Mediziner, Zusammenarbeit von M. und Juristen
233.
Meerzwiebel, Zusammensetzung der M. 1277.
Megacolon 721.
— congenitum 363.
— sigmoides bei 70jährigem Manne 1874.
Megaloblasten, Lymphoide Vorstufen der hämo¬
globinhaltigen Normoblasten und M. beim
Embryo und beim Erwachsenem in normalem
und pathologischem Zustand 460.
Megalocomea 1047, 1921.
Megalocy ten, Diagnostische Bedeutunghämoglobin¬
reicher M. 1759.
Meiostagminreaktion, Erfahrungen mit der M. 648
707, 1733.
Melaena neonatorum 1200.
-Blutbefunde bei M. 1227, 1820.
Melanochronie der Sclera 176.
Melanome 459, 1342.
Melanosarkom, bemerkenswertes 466.
— primäres und metastatisches des Central ncrven-
systems 800.
— des Penis 768.
Melanotischer Tumor am Oberschenkel mit Me¬
tastasen 1691.
Melkerknoten, sogenannte 846.
Membran, pericolische, von Jackson 82.
Membrana pupillaris und capsulo-pupillaris pcr-
sistens 1921.
Mendelismus und das Problem der geistigen
Schwäche 1524.
Meningealkrebs, latenter 1427.
Meningen, Durchlässigkeit der M. 27.
— Rundzellensarkommetastasen der M. 1197.
Meningitis carcinomatosa 123, 463.
— cerebrospinalis 1001.
-Heilung einer schweren M. mit einseitiger
Erkrankung des inneren Ohres 1581.
— — mit Meningokokkenarthritis des rechten
Knies 990.
— — epidemica, Epidemie von M. 1329.
-beim Säugling 860.
— — Verschluss der Foramina des IV. Ventrikels
bei M. 1341.
— eitrige, Chirurgische Behandlung der M. 1007.
frühsyphilitische, Diagnose der M. aus dem
Liquorbefund 185, 1771.
— Herdsymptome bei M. 1341.
mit Icterus, eine Form der Poliomyelitis acuta
epidemica 187.
meningococcica, Geheilter Fall von mit M.
kompliziertem Scharlach 463.
— otogene 1247.
— Die vor der Roseola auftretende M. 561.
— sekundäre 410.
— serosa, Entstehunesweise der M. bei tuberku¬
lösen Kindern 1164.
-bei allgemeiner Tuberkulose 1241.
— — Operation bei lokalisierter M. 429.
— spinalis chronica serofibrinosa circumscripta,
Erfolgreiche Operation bei M. 465.
— syphilitica 1331.
— — Tödlich verlaufener Fall neun Wochen
nach dem Primäraffekt 1749.
— nach subcutanen Verletzungen des Schädels
und der Wirbelsäule 1428.
— traumatica serosa 1343.
— tuberculosaam Hamburg-Eppendorfer Kranken¬
haus 1279.
Meningitis tuberculosa, Fall von M. bei bitemporal-
heraianopischer Pupillenreaktion 1688.
— — Veränderungen im Liquor bei M. 123.
-Heilungsmöglichkeit ders. 1900.
— Urinphlegmone, Gundu, Pbagedänismus 1132.
Meningocele als seltene Komplikation des Keuch¬
hustens 1820.
Meningoencephalitis luetica mit Hemiplegie und
Facialislähraung 1343.
Meniscusverletzungen, Eröffnung des Kniegelenkes
bei M. 1581.
Menorrhagie, tödliche, bei Thyreoplasie mit Haupt¬
zellenadenom der Hypophyse 1373.
Menschentypen, gefährliche 896.
Menschenwachstum, Allgemeine und spezielle
Physiologie des M. 1550.
Menstruation, Einfluss der M. auf den Blutzucker¬
gehalt 896.
— Einfluss ders. auf die Hämolyse der Scheiden¬
keime 1920.
— Forensisch-psychiatrische Bedeutung von M.,
Gravidität und Geburt 800.
— Gravidität und Corpus luteum 802.
— Auftreten von M. im Klimakterium 82.
— Verhalten der Uterusschleimhaut um die Zeit
der M. 761.
— Zeitliche Beziehungen der Ovulation und M. 415.
Menstruationsblutung, vicariierendc bzw. kom¬
plementäre 1376.
Menstruationscyklus, Anatomie und Pathologie
des M. 1799.
Merlusan, Erfahrungen mit M. 1708.
— und Embarin 797.
— — Beeinflussung der Wassermann’schen Re¬
aktion durch 1814.
Mesaortitis syphilitica 282.
Mesbö, Behandlungserfolge mit M. 1577.
— bei chirurgischer Tuberkulose 464.
Mesenterialearcinome, primäre 711.
Mesenterialcyste, operierte 672.
Mesenterialdrüsentuberkulose 1153.
Mesenterialvenentbrombose 1086, 148S.
— bei einer latent verlaufenden Phlebosklerose
der Pfortader 250.
Mesenterium, Doppelbrechende Lipoide im M. und
einem Mesenterialsarkom 1043.
— Isolierte Ruptur des M. 1130.
Mesothoriumbehandlung 655, 1146, 1562, 1578,
1751.
— von Blasentumoren mit M. 1535.
— des Carcinoma 207, 361.
— bei Carcinom der Haut und anderer Organe 60.
— beim Gebärmutter- und Scheidenkrebs 1562,
1599.
— der Genitalcarcinome mit M. 755.
— Technik der M. bei gynäkologischen Fällen 1081.
— maligner Tumoren 706.
Mesothoriumstrahlen, Biologische Reichweite der
Radium-, M.- und Röntgenstrahlen 1578.
— Wirkung gefilterter M. auf Kaninchenovarien
1485.
Messer, auskochbare 1821.
Metabolin bei diabetischen Hunden 939.
Metalle, kolloide, Biologische Untersuchungen an
M. 141.
Meteorismus, Hochgradiger M. bei einem Falle mit
Aortitis luetica 1688.
Mcthylalkoholgehalt der Formaldehydwasscr-
dämpfe bei den verschiedenen Raum¬
desinfektionsverfahren 1378.
| Methylalkoboloxydation, Aenderung der M. durch
andere Alkohole 607.
Methylenblau, Reduktion des M. durch Glukose
und Fruktose ■ und ihre Verwertung in der
Harnanalyse 25.
Metritis dissecans 900.
Metropathie, hämorrhagische, Scliilddrüsenbehand-
lung der M. 362.
Microbismus, latenter, und Salvarsan 666, 1448.
Micrococcus melitensis, Agglutination des M. durch
normale Kuhmilch 757.
— — Wirkung dess. und seiner Toxine auf das
Nervensystem 1632.
Mikrocid-Tabletten 1949.
Mikrognathie, operierte 711.
Mikromelie 1151.
Mikromyeloblastenleukämie, Mikroskopisches Prä¬
parat 1489.
Mikroorganismen, Handbuch der pathogenen M.
73, 1277.
Mikroskopie, Einführung in die Technik der M. 459.
— und Chemie am Krankenbett 316.
Mikrosporie, animale generalisierte beim Menschen
801.
Mikulicz’sche Krankheit 1139.
Milch, Anpassung der Kuhmilch an die Frauen¬
milch bei der Säuglingsernährung 1874.
— Biologisches Verhalten roher und gekochter
M. 412.
— Einfache Methode zur Bereitung eiweissreicber
M. 794.
— Lösliche Eiweisskörper der M. 26.
— Einfluss des Calciumchlorids auf die Gerinnung
der M. 26.
— Fettgehalt der M. 1746.
— Möglichkeit, den Fettgehalt der M. zu steigern 76.
— nach Friedenthal, Ernährungsversuche mit M.
611.
— Gewichtszunahme und Längenwachstum bei
Gebrauch von gezuckerter kondensierter M.
und überzuckerter homogenisierter M. 270.
— Ergebnisse der Untersuchung der M. mit der
Glycyltryptophanprobe 318.
— kondensierte, Nährwert und therapeutischer .
Wert der M. 860.
— Röntgenologische Bestimmung der Verweil¬
dauer von vegetabiler und Kuhmilch im Magen
1650.
— Salzsäurebindungsvermögen von Frauen- und
Kuh-M. 897.
— tuberkulöse in Edingburg 1531.
— und Typhus 126.
Milchgerinnsel, Ueber Rob-M. im Säuglingsstuhl
463.
Milchpasteurisierung und biovisierte Milch 1562.
Milchsäure, Ausscheidung im Harn und ihre Be¬
ziehungen zum Kohlehydratstoffwechsel 1148,
1326.
— Bildung von M. bei der alkoholischen Gärung
361.
Milchwissenscbaft, Arbeiten über M. im Jahre 1912
897.
Miliartuberkulose, akute 237, 1226.
— Leukocytenbefunde bei M. 1427.
— Blutungen in der Retina bei M. 125.
— und Tumoren der Atmungsorgane im Röntgen¬
bild 1241.
Militärärztliche Kriegserinnerungen an 1866 und
1870 1770.
— Literatur in den Jahren 1750—1850 1774.
Militärbadewescn, Entwicklung des M. 219.
Militärfiltcr des Advokaten Amy (1750) 1088.
Militärsanitätswesen, W. Roths Jahresbericht über
die Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiet
des M. 317.
Mineralquelle und Heilquelle, Die Begriffe M. und
H. in den Augen des Sachverständigen 1651.
Mineralstoffwechsel 221.
Milz, Bedeutung der M. bei anämischen Zuständen
462.
— Einfluss der M. auf die erythroplastische
Tätigkeit des Knochenmarkes 1026.
— Funktion der M. 412.
— Metastastische Geschwulstbildung in der M.
1579.
— Bei welchen inneren Krankheiten kommt die
operative Entfernung der M. in Frage? 410.
— Multiple herdförmige Ektasie der Venensinus
in der M. 268.
— und Leber im Röntgenbild 801, 863,1332,1608.
Milzbrand der Augenlider des linken Auges 667.
— Behandlung des M. mit Injektionen von
sterilisierten Pyocyaneuskulturen 893.
— Nachweis des M. 364.
— als Kriegsseuche 1884.
— Passage von M. 940.
— Pathologie und Klinik 1798.
' Milzbrandbacillus, Mutationsformen des M. 895.
j — Korrelation zwischen Kapselbildung, Sporen-
| bildung und Infektiosität 1919.
I Milzbranderkrankung in der Lederbrancbe 1773.
Milzbrandkarbunkel, Salvarsanbehandlung des M.
1278.
Milzbrandmeningitis 670.
Milzchirurgie 1250, 1528.
Milzcyste 34.
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UNIVERSUM OF IOWA
2014
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Milzechinokokken 123.
Milzexstirpation (s. a. Splenektomic). |
— Einfluss ders. auf das periphere Blutbild 1248.
— Peripheres Blutbild nach M. 1104. |
— 3 Fälle von M. 669. !
— Einfluss der M. auf die chemische Konstitution
des Tierkorpers 1080.
— bei Morbus Banti 186.
Milzfunktion 1104.
Milzgewebc in der Leber 1095, 1375.
Milzpulpa, grosszeilige Hyperplasie der M. bei
diabetischer Eipämic 988.
Milzpunktion 711.
Milzruptur, subcutane, Operative Heilung einer
M. 767.
— traumatische 672.
— bei Typhus 942.
Milzschuss durch freie Nctztransplantation geheilt
1285, 1507.
Milzstich Verletzungen 899.
Milztuberkulose 1394.
— sogenannte primäre 951.
— Ungewöhnliche Formen von Lymphknoten und
M. 1G92.
Milztumoren, Wirkung des Radium auf M. 293, 577.
— Heilung von Leber-, Nieren- und M. 465.
Minderwertige, Behandlung der M. 989.
Missbildungen, Angeborene M. der Nieren- und
Harnwege 1632.
— infolge amniotischer Stränge 655.
— Doppel-M. der weiblichen Genitalsphäre S47.
— im Bereich der oberen Holdvene 894.
— seltene 1095.
— Zahlreiche M. bei einem totgeborenen Kinde
1652.
— Kind mit Rumpfasvminctric und mehrfachen
M. 1925.
Mittelfell, hinteres. Traumatische Ruptur des M.
1086.
Afittelfussknoehenlmich, Einfache Pflasierbehand-
lung der M. 1089.
Mittelhirn, Tumor des M. 476.
Mittclöhrciterungen, Die pathologisch -anatomi¬
schen Grundlagen der Funktionsstörungen
des inneren Ohres bei M. 1535.
Mittclohrvcränderungen nach experimenteller Lä¬
sion der knorpligen Tube 1246.
Molke, Einfluss der M. auf das Darmepithcl
1228, 1564.
Molkenwirkung, Artspezifität der M. 1228.
Monilia, Bisher nicht beobachtete AI.-Art bei
chronischer Bronchitis 1554.
Monaminosäure, Nachweis von M. 705.
Mondbein s. Os lunatum.
Mongolenfleck, blauer, Neun Fälle von M. in
(iriechcnland 270.
— — im Staate Sao Paulo 80.
Mononatriumcarbonat, subcutane Infusionen 120.
Monoplegie, brachioerurale, Proximaler Typus ,
der AL 80. j
— hysterische 1375. j
Monstrum, Doppel-M. 363. >
Morbi lloid 1132. i
Morbus Addisonii 1328.
— — Hämochromatose unter dem Bilde des M.
942.
— Banti, Milzexstirpation bei M. 186. |
— Barlow 379. f
— Basedow, Uebt das Antithyreoidin bei M. j
eine spezifische Wirkung aus? 1375.
— — mit Myxödem 1966.
— — War die Erklärung Lundström's über die (
Entstehung der Augcnsymptome bei M. I
richtig? 463.
— — bei Beriberi 1088.
— — Blutdrucksteigernde Substanz im Serum f •
bei M. 122.
— — mit bulbären und medullären Sehädi- -
gungen 1151.
— — Wandlungen und Fortschritte in der chi- -
rurgischen Behandlung des M. 10.
— — Beeinflussung des AL durch chirurgischen -
Eingriff und Indikation zur Operation 1100. -
-Experimentelle Erzeugung des M. 710.
— — Frühoperation des M, 711.
— — Rolle der Infektion in der Aetiologie des -
M. 1106. |
— —• und Genitale 846. f -
Morbus Basedow, Beziehungen der Jodbchandlung
zum lymphoiden Gewebe und zur Blutlympho- (
eytosc bei M., Hypothyreose und Süuma
ohne Funktionsstörung 412.
— — Hautinfiltration bei M. 1096.
— — Hcrzerscheinungcn bei M. 857.
— — kachcktiseher 578.
— — Zur Kenntnis des M 1100.
— — beim Manne 31.
— — Pathogenese des M. 610.
— Pathologische Anatomie des AL 1043. (
— — als Contraindikation gegen gynäkologische |
Röntgentherapie 608.
I-Röntgenbestrahlung der Thymusgcgend j
! bei M. 186.
, — — Zur Theorie von AL, Myxoedem, Kretinis¬
mus und Gebirgskropf, Hyper- unll Hypo¬
thyreoidismus 737.
I— — nach infektiöser Strumitis 1250.
| — — Thyminbehandlung des Al. 625.
— — und Thymus 1365.
— — Bedeutung des Thymus für Entstehung
' und Verlauf des AL 1224.
— — Thymektomie bei M. und Struma 818.
— — und Thymus 819.
— — Thyreoidalcr Ursprung des Af. 187.
— Brightii 1140, 1141.
— — experimenteller 1147.
:— — NoucFunktionsprüfungsrnetlioden bei 1140.
— Recklinghausen s. Neurofibromatosis 673.
J Morgagni-Adams-Stokes'sebcs Syndrom im Kindes-
, alter und seine Behandlung 560.
Morphinismus, Prognose des AI. 1061.
— und Entmündigung 801.
; Alorphinist, Untere Extremität eines AL mit
. ca. 160 abgebrochenen Injektionsnadeln 335.
Morphinwirkung, chronische 1328.
Morphium, Akute Harnverhaltung als Wirkung
I des M. 1577.
! — Behandlung der puerperalen Eklampsie durch
1 AI. und seine Derivate 1920.
i Morphiumsalze, Lokalanästhetische Wirkung ders.
| 1562.
Alorphiumübercmpfindlichkcit beim Kinde 276.
j Morphiumvergiftung, post operative 78.
| Morphium - Dionin -Scopolaminlüsung, Vorsichts-
massregeln bei Anwendung von M. 673.
Mortalität, optimale, der ehelichen Kinder in
| Bayern 1378.
Moskauer Brief 190.
Mos-puto. Naphthalin zur Vei niehtung von Af. in
verdeckten Cistcrnen und Brunnen 1480.
Mückensprayverfahren 564.
Aliiekcnvertilgungsmittcl, Rohearbolsüurc als M.
223.
Mullkompressc, im Ileurn einen Abdominaltumor
vortiiiisebend 1488.
Mumie, Alikroskopische Schnitte von Haut von M.
1291.
Afund, Reetalernährung nach Operationen im M.
und Schlunde 638.
Mundhöhle, Desinfektion der AI. durch ultravio¬
lettes Licht 649, 806.
Mundspatel für Säuglinge 1925.
Muniliaart, noch nicht beschriebene, bei Bron¬
chitis 379.
Muskatnussvergiftung 893.
Muskel, Aktionsströme menschlicher AI. bei natür¬
licher Innervation 219.
— Anatomisch-physiologische Untersuchungen an
AL und Sehnen und ihre praktische Anwen¬
dung auf die Sehncntransplantation 813.
— Einfluss seltener Erden auf die Kontraktilität
des M. 1898.
— Extraktivstoffe der AI. 26.
— glatte, Glykogen in den AL 362.
— — Thermische Einwirkung auf die M. 230.
— Ilemmungsrhythmik bei der reflektorischen
Innervation des AL 1371. J
— Wirkung allseitiger Kompression auf den
Frosch-AI. 938.
— «juergestreifter, Dauerverkürzung am AI. 141. j
— — Dauerverkürzung der AL, hervorgerufen I
durch chemische Substanzen 1080.
— — Einwirkung des Coffein auf die AL 1423.
— — Ob die Fibrillen der AL ihr Volumen bei
der Kontraktion vermindern? 1326.
— Die Resistenz der menschlichen Af. 317. i
Muskel, Reizung des Skclett-M. durch kochsalz-
arme Lösungen 938.
— Tonische Starre der M. 478.
— Einfluss des Traubenzuckers, der Natrium-,
Kalium-, Calcium- und Magnesiumionen auf
die Reizbarkeit, Leitungsfähigkcit und Er¬
müdbarkeit der motorischen Nerven und der
Skclett-M. 166.
— Verkürzung des AL im Muskelpresssaft 1898.
— Wachsartige Degeneration der AL boi Infek¬
tionskrankheiten 987.
I — Zeitlicher Verlauf der Wärmebildung bei der
Kontraktion des M. 1945.
| — Zuckungskurve des M. 892.
Aluskelabscesse, kryptogenetische, in den Tropen
564.
Muskelaktionsströme bei organischen und funktio¬
nellen Erkrankungen des Centralnervcnsvstcms
1733.
Muskelatrophie, spinale, progressive 668, 1094.
Atuskelbriiche, Behandlung von AI. durch freie
Fascientransplantation 1561.
j Muskelhaken, stumpfer, neuer 33.
Muskclhernie 1965.
Muskclhyperplasie, angeborene 1848.
Aluskelkontraktion, Vorgang bei M. 718.
j — willkürliche 187.
Aluskelmagen der Vögel, Druckmessungen in
dems. 1707.
Muskelpathologic im Kindesaltcr 943.
Muskelmaschine, Der Wirkungsgrad dcrM. 1707.
Muskelton, Hohe des AL 26.
Aluskeltonus und Sehnenreflexe 1848.
Muskel transplantation,Experimentalversuchel4C>8.
Afuskelverknöcherung, Histologie und Pathogenese
der eircumscriptcn AL (Myositis ossificans
circumscripta) 555.
— umschriebene, Pathologische Anatomie der M.
1043.
Aluskelzellen, Glatte M. mit myogenem Rhyth-
! mus 1553.
1 Musculus biceps brachii, Traumatische Ruptur
| des M. 767.
— — — Ruptur der Sehne dos langen Kopfes
| des M. 1186.
— rcctus femoris, Traumatische subcutane Durch-
1 trennung der Sehne des AL 767.
! — serratus, Bcschäftigungslähinung des AI. 951.
i Alutismus, Hysterischer M. nach Schädelverletzung
; 1850.
Mutterfürsorge im Kriege 1925.
Alutterkorn s. Secale.
1 Muttermal, Behandlung von AL 801.
Muttermund, äusserer, Bestimmung der (»rosse
! des M. intra partum durch äussere Unter¬
suchung 367.
Myalgie, Können durch M. in Hals- und Schulter¬
muskulatur ncurasthenischer Kopfschmerz,
I Schwindel und Migräne verursacht werden.'
1083.
Myasthenie, Pathogenese der M. 760.
— gravis pseudoparalytica 661, 1391, 1440.
— paralytica von Erb 1565.
Mycosis fungoides 1148.
— — der Haut und inneren Organe 613.
j Myelitis, akute diffuse 1098.
— circumscripte, nach Benzolvcrgiftung 576.
| — diffusa 285, 1246.
1 — funicularis 1772.
— — mit bulbären und polyneuritischcn m-
j ptomen 800.
Afyeloblastenleukämie und Chlorom 1280.
— Zwei Fälle von M. 894.
Myelodysplasie, Magenbefundc bei M. 9I-.
1 MvcJogonie, Die M. als Stammzellen der Knochen¬
mark szellen im Blute und in den blutbilden¬
den Organen 1797.
Alyelolcukosarkomatose 858.
! Alvelom 720.
— multiples, mit Bence-.lones'scher Albuminurie
und Metastase in der Tonsille 758.
Myelomatose, Wirkung der Röntgenstranlen au
eine experimentell erzeugte M. 414.
Afyeloso, aleukämische, generalisierte 13»4.
— chronisch aleukämische 1150.
— leukämische s. Leukämie. ^
Alyocard, Acidosis beim Ende von Erkrankung
des Af. 1280.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
$015
Myocard, Erkrankung des M. beim Kaninchen
nach Impfung mit Streptococcus viridans 78.
Myocarditis, diphtherische, Galopprhythraus und
Extrasystole bei M. 650.
— idiopathische, hypertrophische, Pathogenese
und Aetiologie der M. 895.
— syphilitische 1082.
Myome des Magendarmkanales 760.
— nekrotisches 1060.
— und Schwangerschaft 74, 1146, 1445.
— Spontane Heilung von Carcinom und M. 82.
— verkalkte, in der Bauchhöhle 1241.
Myomektomie, Schwangerschaft nach M. 1920.
Myositis ossificans des Tricops braehii 711.
-progressiva 560.
— — traumatica 1747.
— — — der Oberschenkelstreekmuskulatur als
Unfallfolge 1689.
Myotonia atrophica 1394, 1479.
— — Friihkatarakt bei M. 803.
— congenita 576.
Mystische Heilmethoden, Begutachtung ders. 1651.
Myxoedem 853.
— Augenstörungen bei einem Fall von M. 1749.
— Bedeutung der Epiphysenschatten beim M.
1130.
— nach Masern beim Kinde 1566.
— Zur Theorie von Morbus Basedow, M., Kreti¬
nismus und Gebirgskropf. Hyper- und Hypo¬
thyreoidismus 737.
— Fall von Säuglings-M. 709.
Myxosarcoma uteri 415.
Nase, Phantom der normalen N. des Menschen 1898. I Neosalvarsan, Anwendung der epifascialen (bzw.
Nasenatmung, Einfluss behinderter N. auf das
Zustandekommen der Inhalationstuberkulose i
1809. i
Nasenbluten, Zur Kenntnis und Bedeutung des
N. im späteren Kindesalter 1890.
! Nasendefekt, Plastische Operation bei N. 578.
Nasendiphtherie s. Diphtherie.
Nasenersatz, einfacher 33.
! Nasenheilkunde, Geschichte der N. von ihren
Anfängen bis zum 18. Jahrhundert 1670.
Nasenhöhle, Grosser Tumor der N. 659.
Nasenleiden, Zusammenhang zwischen Augen- und
I N. 563.
; Nasen missbild u ng 232.
Nasenncbenhühle, Apparat zur Spülung der N.
171.
I Nasennebenhöhlenerkrankung, Neuritis rctrobul-
baris bei N. 1238.
! Nasenplastik 815.
Nasenprothese aus Hcnnig'schcr Masse 1586.
| Nasenrachentibrome, typische, juvenile 423.
[ Nasenrachenraum, Tumor des N. mit Gehirn-
1 metastasen 1395.
Nasenschleimhaut, „Chromatophore“ Zellen in der
I N. 255.
| Nasenseptum, Hereditär-luetischer Defekt des
! N. 43.
Nasenverengerung, Instrument zur Feststellung
leichter Grade von N. 900. ,
Natriumbicarbonat, Einfluss des N. auf die Aus-
i Scheidung der Chloride und des intravenös
eingeführten Milchzuckers 1650.
Natriumboruformiat, Wirkung dess. auf Harn bei
I Bruttemperatur 1898.
intramuskulären) N.-Injektionen nach Wechsel¬
mann im Kindesalter 1742.
Erfahrungen mit N. 317.
Behandlung der Hauttuberkulose und Tuber¬
kulide mit N. 613.
Injektion konzentrierter Lösungen 77, 561,
849.
Intradurale Injektion von N. bei Nerven-
syphilis 429.
Intravenöse Injektion 1128.
bei aktiver Lungentuberkulose 1278.
bei Malaria tertiana 28.
Behandlung der progressiven Paralyse mit
N. 239.
Polyneuritis mit Korsakow'schor Psychose
nach N. mit tödlichem Ausgang 465.
bei Rattenbissfieber 120.
Reflexionen über N. 32.
Subkutane Injektion, Technik und Wirkung
der N. 561.
— Todesfall nach N. 842.
— Todesfall nach zwei N.-Injektionen bei be¬
ginnender Lues 861.
— bei Tropenkrankheiten 1472.
Noosalvarsanvchikel, Patientenserum als N. 77.
Nephrektomie, Neue Gesichtspunkte bei N. wegen
Nierentuberkulose 1748.
— Die Grenzen der N. 1748.
— bei Erkrankung beider Nieren 1202.
— bei bilateraler Tuberkulose 613.
— Versorgung des Ureterstumpfes nach N. 1148.
Nephritis, Fortschritte in der Behandlung der
Albuminurie und N. 120.
— akute, nach Oxalsäurevergiftung 430.
| Natriumbromid, Wirkung des N. auf die Fer-
I mente des Purinstoffwechscls 27.
Nabeladenom, Ilistogenese des N. 168. Naturheilung 797.
Nabelkolik, rezidivierende der Kinder 145, 1G33. Naturwissenschaft, Archiv für die Geschichte der
— — kleiner Kinder 372. i N. und der Technik 754.
— — bei älteren Kindern 80, 337, 341. I — in ihrer Entwicklung und in ihrem Zusammen-
Nabelschnur, Methode der Nichtunterbindung der hang 984.
N. 1047. Nearthrosis, operative 31.
— Reposition der vorgefallencn N. 125. Nebenhoden, Experimentelle Studien am N. 1425.
— Starke Einschnürungen der N. infolge Torsion — Piimärcs Carcinom des N. 895.
1340. Nebenhühleneiterunn, Behandlung der akut bc-
Nabelschnurbrüche, Heilung der N. auf konser¬
vativem Wege 1530.
Nabelschnurrest, Abnabelung und Versorgung
des N. 899.
Nachgeburtsblutung u. Wochenbettinfektion 1486.
Nacken- und Schulterschmerzen und ihre Be¬
ziehungen zu Affektionen derOrgane im kleinen
Becken 1848.
Nährschäden Erwachsener 1650.
drohlic.hcn N. 706.
Nebenlungenbildung bei kongenitalem Zwerch-
fclldefekt 1632.
Nebenniere, Fortentwicklung jugendlicher, in die
Niere implantierter N. 866.
— Ganglioncurom der N. 167.
— Innervation der N. 1045.
— Einwirkung des Thyreoideaextraktes auf die
Sekretion der N. 26.
Naevus eongenitalis, Pigmentzellen des N. 1395. I — und Schmerzempfindling 956.
— — Experimentelle Beeinllussung des Blut¬
druckes der N. des Kaninchons durch Pank¬
reasextrakt 1184.
— experimentelle 1224.
— — Beeinflussung des Blutdrucks bei N. 185.
-Glykosurie bei N. 1081.
— haemorrhagica pcriodica 1281.
-- und Hyperglykämie 649.
i — Entstehung der Oedeme bei N. 1733.
— Pathologie der N. und ihre funktionelle Dia¬
gnostik 1227.
— Einige Probleme der N. 1227.
— postanginöse 93.
[ — streifenförmige nach Basedow 1081.
: — .syphilitica 1429.
j Nephrolithiasis, Kombination der X. mit ohro
I nischcr Colitis 626.
j Nephropathie 1185, 1281, 1555.
| Nephropexie, Erfolge der N. 992.
l Nephrotyphus und Nephropäratyphus 969.
I Nerven, antagonistische 938.
— vasculosus giganteus der rechten Gesichts- Nebennierenadenom, doppelseitiges mit Pseudo¬
hälfte 764. i driisenräumen 167.
Einwirkung einiger Kationen auf das Polari¬
sationsbild des N. 892.
Naganainfektion, Experimentelle Wirkungsart von
Salvarsan und Menschenscrum bei N. 988.
Nagel, eingewachsener, Behandlung des N. 1128.
Nagelerkrankung, seltene 561.
Nagelextcnsion 464.
— nach Steinmann, Nachteile der X. 845.
Nahrungsmittel, Gesetzliche Regelung des Ver¬
kehrs mit Genuss- und N. 713.
Nahrungsmittelchemisches Taschenbuch 359.
Nahrungsrest, Gibt es einen schädlichen N. beim
Säugling? 1747.
Nahrungsverweigerung, Behandlung der bedroh¬
lichen N. und Anorexie der Säuglinge 366.
Narbencarcinora, traumatisches, der Kllenbogcn-
haut 1582.
Narkolepsie 1618.
Narkose, Gefahren der leichten N. 99.
— in der Gynäkologie 848.
— kombinierte 841, 842, 1084.
— Neue Methode der Allgcmein-N. 1049.
— Modifikation ders. 1966.
— Prognose bei der N. 642, 1250.
— und Sauerstoffatmung 1127.
Narkosenmaske 854.
— für Operationen in Bauchlage 1820.
Narkosentod, sekundärer 1046.
Narkotisieren ängstlicher Menschen 1527.
Narkophin, Dosierung de 9 N. 755.
— Verwendung von N. in der Geburtshilfe 267.
Nase, Absprengungsmissbildung der N. 1340.
Nebennierenaus.schaltung, Einlluss der N. auf das
Genitale 363.
Nebenniercnblutungen 1059.
Nebennierenerkrankung und Lokalanästhesie 173.
Nebennierenexstirpation, Einfluss ders. auf die
Blutkonzentration bei Katzen 1467.
— Folgen der N. 1326.
— Wirkung des Zuckerstiches nach N. 1223.
Nebennieren Insuffizienz 1001.
I — Todesfälle infolge von N. 461.
| Nebennierenpigmentation und Hautfarbe 9S7.
Nebennierenpräparate, Wirkung der synthetischen
N. 844.
— Subconjunctivale Injektionen von N. bei
Augenkrankheiten 1922.
Nebennierenmclanom, primäres 30.
Nebennierenrinde, Ursprung der Fettsubstanzen
in der N. 1579.
Nebennierensekretion, Einfluss der N. auf die
vasomotorische Regulierung durch denSplanch-
nicus 26.
Nebennierentumor 1150.
Nebenschilddrüse, Chirurgie der N. (Epithel¬
körper) 796.
Neosalvarsan, Geheiltes Coma nach N. 1001.
— in der dermatologischen Klinik in Bordeaux
im Jahre 1913 613.
— Kndolumbale N.-Therapie 842.
— Fall von hämorrhagischer Encephalitis, her¬
vorgerufen durch N. 1749. i
( — inarkhaltige, Sauerstoffbedarf der N. 555.
| — Morphologische Veränderungen der gereizten
Nerven 360.
J h motorischer, Einfluss des Traubenzuckers, der
| Natrium-, Kalium-, Calcium- und Magnesium-
| ionen auf die Reizbarkeit, Leitungsfähigkeit
j und Ermüdbarkeit des N. und Skelettmuskels
166.
I — periphere, Prinzipielles zur Chirurgie der N.
| 179.
j — Schussverletzungen peripherer N. 1949.
Ncrvenbehandlung, lokale, manuelle, in Bezie¬
hung zu atonischen Zuständen des Mastdarms
462.
Nervendefekte, Neue Methode der Transplanta¬
tion bei N. 1821.
Nerveneinpflanzung, direkte in den Muskel 767,
845, 1008, 1281.
Nervenende, Schichtung der N. in der Ifaut 1371.
Nervenendigungen, motorische 991.
Nervenerregbarkeit, Säure und N. 268.
Nervenfaser, Begegnung zweier Erregungen in der
N. 1326.
— Regenerationserscheinungen bei der Verhei¬
lung von motorischen und receptorischen N.
1326.
— Veränderungen der Markscheide an degene¬
rierenden N. 760.
Nervcnklinik, psychiatrische, zu Königsberg 649.
Nervenkrankheiten, Diagnostik der N. 1745.
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i
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nervenkrankheiten, Beziehung zwischen klinischem
Verlauf und anatomischem Befund bei Geistes¬
und N. 840, 1769.
— syphilitische, Therapie der N. 682,
— und Geisteskrankheiten im Felde und im
Lazarett 1874.
Nerven- und Seelenleben, Einfluss von Klima,
Wetter und Jahreszeit auf dass. 1846.
Nervenleitung, Einfluss der N. auf das mikro¬
skopische Bild der Glandula submaxillaris
1898.
Nervenmassage, Diagnostischer und therapeuti¬
scher Wert der N. 31.
Nervenpathologic, Weiterentwicklung der deut¬
schen N. 1848.
Xervenpigment beim Papagei 362.
Nervenplastik und Transplantation 814.
Nervenpunktlehre von Cornelius und schwedische
Massage 31.
Nervenschussverletzungen 1230, 1849, 1902.
— der Arm-N. 1762.
— Lähmungen der peripheren Nerven nach N.
896.
— Erfahrungen über Schussverletzungen der pe¬
ripheren N. aus dem letzten Balkankrieg 470,
1008.
— Gehirn- und N. 1800.
Nervensubstanz, Verhalten der centralen und
peripheren N. bei verschiedenen Vergiftungen
und Ernährungsstörungen 800.
Ncrvensyphilis s. Syphilis.
Nervensystem und Diabetes 610.
— Affektionen des N., die im Kriege durch Ge¬
schosse aus der Entfernung verursacht werden
1045.
— Kriegsverletzungen dess. 1901, 1929.
— Pharmakodynamisehe Prüfung des vegetativen
N. 1488.
— Hereditäre Lues des N. 10S4.
— Syphilis des N. 719.
— Salvarsantherapie der Syphilis des N. 706.
— sympathisches, Verhalten des N. des Säug¬
lings gegenüber dem Adrenalin 1228.
— vegetatives, Einwirkung des Kalks auf das
N. 1341.
-pharmakodynamisehe Prüfung der N. 758.
Nervosität, Berufs-N. der Volksschullehrer 844.
Nervöse Aequivalente im Säuglingsalter 1581.
— Störungen bei Kindern 1835.
— und psychische Störungen im Kriege 1753.
Nervus depressor, Nachweis des N. beim Frosch
938.
— facialis, Störung der Innervation des N. bei
Geschwülsten der hinteren Schädelgrube 222.
— hypoglossus, durch peripheren Reiz hervor¬
gerufene isolierte Krampfzustände im Gebiet
des Ramus descendens des X. 801.
— Iaryngeus inferior dexter, Typische Verlaufs¬
anomalie dess. 1674.
— medianus, Naht der Arteria brachialis und
des N. 38.
— obturatorius, Resektion des N. 82.
-Intrapelvine extraperitoneale Resektion des
N. 710.
— oculomotorius sin., Lähmung des N. 285.
— opticus, Evulsion des N. 372.
— — Skotombildungen und die Bedeutung der
Lumbalpunktion bei luetischen Erkrankungen
des N. o. 1921.
— splanchnicus, Einfluss der Nebennierensekre¬
tion auf die vasomotorische Regulierung durch
den N. 26.
— tibialis, Lähmung der Sohlenmuskulatur bei
Verletzung des N. 1964.
— vagus, Neurofibrome der beiden N. 1197.
Netzbeutel, Chirugie des grossen N. 1875.
Xetzechinokokkus, solitärer 1429.
Netzhaut, Adaption der X. beim Dämmerungs¬
sehen 219.
— Der Verschluss der Centralvene der N. 273.
— Gefässtumor der N. 176.
— Doppelseitiges Gliom der N. 848.
— Atrophia gyrata der N. 848.
— Funktionelles Uebcrwiegen der nasalen Hälfte ;
der N. im gemeinschaftlichen Sehfeld 848.
Netzhautablösung, Behandlung der N. 848.
— durch Operation geheilte N. 1332. j
— nach Erschütterungen des Körpers 762.
Netzhautablösung, idiopathische, Kann N. durch Niere, Erkrankung der N. infolge Arteriosklerose
körperliche Anstrengung entstehen? 83. 1151.
— und Unfall 273. — Leber Beinieren 1641.
Netzhautblutungen nach Calomel-Salvarsanbc -1 — Eigenartige Cystenbildungen der N. 988.
handlung 712.
Netzhautgefässe, Pulsation der N. 1440.
Netzhauttuberkulose 33, 1087.
Netznekrose nach Bauchoperationen 711.
— Embryonales Adenosarkom der N. 364.
— Einfluss des Nervensystems auf die N. 1099.
— Fettarten der N. 756.
— Funktion der N. 1423.
Netztorsion mit Einschluss einer Darmschlinge — Funktion der hypertrophischen N. 467.
1572. — Funktionsprüfung kranker N. 799.
Netztransplantation, Milzschuss durch freie N. j — Der hämorenale Index bei FunktionsprüfuD^
geheilt 1507. j der N. 221.
Neugeborene, Augeneiterung der N. 74. — Histochemische Untersuchungen über Funktion
— Das Gewicht des N. und die Ernährung der der N. und Leber 1098.
Mutter 272. — Histologischer Bau und Fettgehalt der N.
— Gewichtsverhältnissc reifer norwegischer N. der Katze 1129.
466. — Konzentrationsverhältnis von Stickstoff und
— Gewicht der N. nach der sozialon Lage und | Chlor bei gesunden und kranken N. 1045.
dem Ernährungszustand der Mutter 801. — Operative Verlagerung der kongenital dysto-
— Ursache der physiologischen Gewichtsabnahme pischen N. 1429.
N. 1874. I — Primäres Rundzellensarkom beider N. bei
— hypertonische und Säuglinge 1167. j einem Kind 1429.
— Krankheiten des N. 1183. I— Prognostische Bedeutung von Erkrankungen
— Zur Physiologie der N. 1095. | der N. in der Schwangerschaft 465.
— syphilitischer, Eigenartiges Verhalten des N. — Sekretorische Innervation der N. 166.
gegenüber der Wasscrmann’schcn Reaktion — Sekretion und Resorption in den N. 1279.
— Wachstum und Entwicklung untergewichtiger
ausgetragener N. 1820.
Neugeborene Tiere, Entwicklung ders. bei länger¬
dauernder Trennung von der saunenden Mutter
1874.
Neubildungen, Röntgentherapie der bösartigen N.
1820.
Neuheiten, technische 702.
— überzählige, Familiäres Vorkommen von N.
1147.
— Vergleichsbilder der N. 712.
I — Wirkung des parenteral eingeführten colloi-
dalen Wismuts auf die N. 1096.
| — Zuckersekretorische Funktion der N. 1328.
I — und Nierenbeckeninfektion 1527.
i Nierenbecken, Sekundäre Colünlektion desN. 367.
1 — Collargolfüilung des N. 82, 571, 1050, 1052.
Neuralgie, Behandlung von N. mit Alkoholinjek- — Atonische Dilatation des N. und Harnleiters
tion 647. 465.
— brachialis und ein eigentümliches Symptom Nierenbeckenerkrankungen, latente und maskierte
bei ders. 1593, 1630. * 558.
-Brachial-N. bei Exostosen der Halswirbel- Nierenbeckenkatarrh 361.
I säulc 1143.
— Heilung der N. und Neuritis durch Bakterien-
toxine 1807, 1841.
| — periphere Ursachen des N.-Zustandes 1083.
Neurasthenie, Bewertung der N.-Diagnose nach
objektiven Merkmalen 1375.
i — der Bleikranken 462.
' — Sehätzung der Erwerbsunfähigkeit bei der N.
1852.
— Forensische Bedeutung der N. 1083.
j — mit meningitischen Erscheinungen 650.
-- sexuelle 720.
Neuritis ascendens 672.
— brachialis, postpneumonische 238.
— Heilung der Neuralgie und N. durch Bakte¬
rientoxine 1807, 1841.
Nierenbeckensyphilis 1087.
Nierenchirurgie, Ungewöhnlicher Fall aus der 36.
Nierendefekt, kongenitaler 761.
Nierendiagnostik, funktioneile, mittels Phenol-
sulfophthalein 76.
Nierenechinococcus 413.
Nierenentzündung, chronische, Einfluss des Chlor-
! calciums auf die Diurese bei N. 558.
| — Untersuchungen über die exsudative N. 1897.
I Nierenkranke, Untersuchungen an N. 1899.
Nieienerkrankungen, chirurgische 914.
I-Blutdruckmessungen bei N., insbesondere
| bei Nierentuberkulose 1087.
— Funktionelle Diagnostik der chirurgischen N.
I S99.
— — — interner N. 941.
— optica, Differentialdiagnose zwischen N. o. und j — im Lichte der neuen funktionellen Prüfungs-
Stauungspapille 1752.
1 — postdiphtherica 901, 1548.
— retrobulbaris und Allgemeinerkrankungen G14.
— — bei Nebenhöhlenerkrankungen 1238.
Neurinom, Fall von Ulcus perforans mit N. am
I Nervus tibialis 1748.
, Neuroblastome, maligne des Nervus sympathicus
I 363.
Neurodermitis, Ekzem und N. im Kindesalter
; 1757.
i Neurofibromatosis 673, 1043, 1427.
j Neurofibrome beider Nervi vagi 1197.
Neurologie, Handbuch der N. 840.
— Der Krieg und die N. 1949.
— Literatur des Jahres 1912 über N. 942.
Neuroma des Ganglion cervicale superius des
| methoden 799.
j— im Kindesalter 1581.
j — und Unfälle 1.
t Nierenfunktion bei der durch Reflex bervorge-
| rufenen Anurie 158.
| — im Diabetes insipidus 1555.
j — Klinische Erfahrungen über N. 1099.
! — Beeinflussung der N. durch periphere Behin-
I derung des Harnabflusses 942.
, — Prognostischer Wert der Prüfung der N. 942.
j — Kreatinin zur Prüfung der N. 895.
— Beeinflussung der N. durch Kalksalze ^9.
— Prüfung derN. mit Phenolsulfonephthalein und
der Schlayer’schen Untersuchungsmethode / 99.
i — Prüfung vermittels Phenolsulfonephthalein98..
1 — Moderne Prüfung ders. 1046.
I Nierengewebe, Autoimplantation von N. 179(.
■ ,.■ r i i • _i_ AAß
Sympathicus 472. | Nierengewebe, Autoimplantation von N.
Neurolyse, Autoplastische Fettransplantation zur) Nierenhypertrophie nach Digitalis 556.
N. und Tendolye 710. I Nicreninfektion und Harnstauung 730.
Ncurorecidiv, Isoliertes N. im Ramus vestibularis j — pyogene, Einfluss der Harnstauung auf die.
! , 1533. 180. ,
Neurosen, allgemeine 844. Nierenkranke, Untersuchungen an N. 8ub, löy
— und Psychosen des Pubertätsalters 1551. — Wert der Bestimmung des Reststickstoffs iw
; Neurosenlchre, Sammlung kleiner Schriften zur Blute bei N. 122. . .
N. 554. Nierenkrankheit, Arterielle Hypertension bei >
Neutralbouillon, Gegenwart von Zucker in der 722.
zum schnellen Nachweis von Coli im Trink- — und Tuberkulose 551. ,
wasser dienenden N. 1187. — Verwertbarkeit der Leitungsbestimmung
Niere, Angeborene Missbildungen der N. und Urins in der Diagnostik der N. 180.
I Harnwege 1632. Nierenlager durch chronische Blutungen ms * •
— Angioliposarkom der N. 895. j bedingte Sklerose des N. 1128.
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2017
Nierenpräparate, seltene 1392.
Nierenrupturen, Subkutane Behandlung der N.
899, 1330.
Nierenschrumpfung, chronische 858.
Nierensekretionsdruck, Experimentelle Beobach¬
tungen über den N. 1535.
Nierenstein 1393.
— Operative Therapie der N. 711.
— Räntgenbilder von Ureter- und N. 274.
Nierenstörungen durch Veronal 1099.
Nierentätigkeit, Prüfung der N. durch Probemahl¬
zeit 799, 1281.
Nierentorsion 1044.
Nierentuberkulose, Frühstadium der N. 674.
— Zwei neue Gesichtspunkte bei Nephrektomie
wegen N. 1748.
Nierentumoren 761.
— embryonale 711.
— mit ungewöhnlichem mikroskopischem Befund
988.
— mit Pneumaturie 1136.
Nierenveränderungen bei Vergiftung mit Oxal- j
säure und oxalsaurem Kalk 756. j
— in der Schwangerschaft 798.
Nierenverdoppelung, Ureteren- und N. mit Hypo¬
plasie und Adenom dor überzähligen N. 167. I
Ninhydrinreaktion, Einfluss der Konzentration ;
der Substanzen auf die N. 843.
Nischensymptom, Diagnostische Bedeutung des
N. bei der radiologischen Magenbetrachtung
1545. !
Nisslkörner, Nucleinsäureverbindungcn in den N.
der Ganglienzellen 1837.
Nissl’sche Körperchen, Konstitution der N. 1203.
Nitrat- und Nitritassimilation, Photochemische
Studien 1467. 1
Nitritvergiftung, Ursachen der N. durch Bismu- j
tum subnitricum 705.
Nitrosedämpfe, Vergiftungen durch N. 1752.
Noma, Fall von N. 172.
Normalhämolysine s. Hämolysine.
Noviform 463, 579.
— in der Augenheilkunde 45, 556.
— Brauchbares Jodoformcrsatzmittol 1278.
Nucleinsäure, Ueber N.-Verbindungen in den :
Nisslkörnern der Ganglienzellen 1837. j
Nucleinstoffwechsel, Experimentelle Studien über
N. 1005, 1524.
Nystagmus 1048.
— der Grubenarbeiter 1472.
— willkürlicher, doppelseitiger 372. I
Oberflächengesetze 1241.
Oberkieferoperation, Lokalanästhesie der 0. 904.
Oberkieferosteora 37.
— und Unterkieferosteom, operiert 1488.
Oberkieferresektion wegen malignen Tumors 379.
— wegen Sarkoms 1188.
Oborkiefertumor 91.
Oberlid, Doppelseitiges Kolobom des 0. 764.
Oberlippencarcinom 854.
Oberschenkel s. a. Femur.
Oberschenkelamputation nach v. Oettingen-Kausch
wegen Gangrän 668.
Oberschenkelfraktur, Steinmann’sche Nagelexten¬
sion bei 0. 1102.
— Kniebiigel bei Gipsgehverbänden bei 0. 1103.
— Lagerungschiene für 0. 1950.
— durch Schussverletzung 1714.
Obesitas s. Fettsucht.
Obstipation, Behandlung der 0. mittels Istizin
— chronische, Behandlung der 0. mit Peristaltin
-und ihre Behandlung 1083.
— Darmausschaltung bei schwerer 0. 1058.
— Operative Behandlung verzweifelter Fälle von
0. 1282.
Röntgensymptome der verschiedenen Formen
der 0. 1094.
— spastische 140.
Beziehungen der Schilddrüseninsuffizienz
zu den nervösen Beschwerden und der 0. der
Frauen 459.
'Obstipation, Interner Gebrauch der Vaseline, Ohrerkrankungen, Was kann der praktische Arzt
| bes. bei 0. 860.
Occipitallappen, Doppelseitige Herde im 0. 1140.
Occipitalneuralgie, Exstirpation des zweiten Spinal-
I ganglion bei 0. 1007.
Oculomotoriuslähmung, cyklisehe 125, 803.
Odontom im Antrura Highmori 124, 712.
Oedem, Das angeborene lympbangektatische 0. 1
1469.
— angioneuroticum paroxysmale 1848.
— Durstkur bei 0. nicht-cardialer Natur 1798.
— Entstehung dor 0. bei Nephritis 1733.
zur Verhütung und Behandlung der 0. tun?
415.
— im Felde 1822.
— Rachen- und 0. des Kindes in der täglichen
Praxis 1370.
— Verwertung des Abderbalden’schen Dialysicr-
verfahrens bei intrakraniellen Komplikationen
entzündlicher Nasen- und 0. 798.
— Nasen- und Kehlkopfkrankheitcn, Lohrbuch
(Körner) 1705.
Ohrmuschel, Hämangiom der 0. 1148.
hartes traumatisches, des Handrückens 1132. I — Knorpelcysten der 0. 760.
— hochgradiges, mit Pneumokokkenbefund 1201,
— nephritisehes, Pathogenese des 0. 608.
— lymphangiektatisches, angeborenes 1140.
— Pharmakotherapie der 0. 120.
— Quincke’sches 0. 1150, 1395.
Oesophagoplastik 1085, 1150, 1197.
— antethorakale 378.
— aus dem Magen 1825.
Ocsophagoskopie, Lehrbuch 1S97.
— Verletzungen des Oesophagus bei 0. 1049.
Oesophagospasinus, Operation des 0. 960.
Oesophagotomia interna 578.
i — Plastische Operationen an der 0. 1430.
j Ohrmuscheldeforraität, eigenartige 611.
I Ohrlabyrinth, Umschriebene Entzündungen am
| 0. 1373.
Ohroperation, Lokalanästhesie bei 0. 1430.
Ohrspeicheldrüse s. Parotis.
Ohrtricbter, neuer vergrössemder, saugender und
i massierender 125, 171.
Okularzählplatte 994.
j Olecranonfraktur und Ellenbogenscheibe 1131.
Operation, Ablehnung des Schadenersatzes wegen
Verweigerung von 0. 1220.
Oesophagus, Zur Chirurgie des 0. im Halsteil 31. ! — endovesicale, Technik der 0. 570.
Behandlung akut bedrohlicher Zustände bei
Erkrankungen dess. 194G.
Ersatz des 0. durch antethorakale Haut-
Dickdarmschlauehbildung 960.
Freilegung des Brustabschnittes dos 0. 1198,
1470, 1821.
Fremdkörper im 0. und den Luftwegen bei
ganz jungen Kindern 990.
— oder Bestrahlung? 1632.
— Verpflichtung Unfallverletzter zur Duldung
1 von 0. 1689.
Operationsfeld, Erziolung eines sterilen 0. mittels
des Mastisol-Abdeckungsvcrfahrens 123.
Operationslehre, chirurgische 458, 1370, 1464,
1669.
— orthopädische 118.
FremdkörpervcrletzuDg des 0. mit Aorten- j Operationspflicht des Verletzten 1340.
Perforation 7. ' Operationszwang 849.
— Leiomyom des 0. und der Cardia 1184. | Opium, Die stopfenden Bestandteile im 0. 1797.
— Quere Resektion des Larynx und 0. 1085. j Opiumalkaloide, Neues über alte 0. 1905.
— Radikaloperation des Carcinoms der Cardia ! — Einwirkung der 0. auf gewisse Hyperglykämien
und des abdominalen 0. 1085. j 1649.
— Resektion des 0. im cardialen Abschnitt 1085. Ophthalmie, anaphylaktische 614,
— Querresektion des 0. C12. — — Pathologische Anatomie der 0. 1377.
— Radiologie des 0. 322. j — sympathische, 993, 1338, 1530.
— Topographische Anatomie des 0. 1196. 1 -nach der Enucleation 1876.
— Tumor des 0. mit RecurrenslähmuDg links — — und idiopathische Iridocyclitis 33.
238. | — — Salvarsan gegen die 0. 83.
— Ulcus pcpticum des 0. 810. j Ophthalmoblennorrhoe 722.
| — — Salvarsan gegen die 0. 83.
j Ophthalmoblennorrhoe 722.
— Ein Weg, den normalen und verengten 0., Ophthalmologenkongress gegen den NIL inter-
sowie Teile des Duodenums und Dünndarms nationalen 0. in St. Petersburg 95.
röntgenographisch darzustellen 911. Ophthalmophobie 284.
— Seltene Erkrankung dess. 1798. Ophthalmoplegie 1339.
— Pulsionsdivertikel dess. 1556. Ophthalmoreaktion, Warum soll man die 0. der
— und Magensonde mit Vorrichtung zu elektrischer Tuberkulose verlassen? 319.
Beleuchtung 1582. Opticusatrophie, beiderseitige 90.
Oesophagusearcinom und Metastase in der Me- ! — Diagnostische Bedeutung der Neuritis optica
dulla 1562. I bzw. der 0. 1339.
— Operation hochsitzender 0. 372. ] — hereditär-familiäre, des Kindesalters 83.
— Radikaloperationen beim 0. 1528. ! — nach Keuchhusten 559.
— Resektion des 0. im cardialen Abschnitt 271,, Opticuserkrankungen, progressive, nach Schädel-
1821.
— als Unfallfolge 84.
— intrathorakales, Chirurgie dess. 1947.
— weiches 672.
Oesophaguschirurgie, intrathoracischo 1196.
1 träumen 563.
j Optochin,BehandlungderPneumokokkenmeningitis
| mit 0. 1900.
Optochinin, Behandlung des Ulcus corneae ser-
I pens mit 0. 1612.
Oesophagus-Trachealfistel, anatomisches Präparat j Optometer zur subjektiven Bestimmung der Rc-
1925.
Oesophaguskrankheiten, seltenere 92.
Oesophagussonde, heizbare 1633.
! fraktion 1921.
| Onychie, Bacterium coli als Ursache einer sep¬
tischen 0. 1230.
Oesophagusstenose, carcinomatöse, mit Meso- Orbita, Behandlung akuter schwerer Infektionen
thorium behandelt 672. im Bereiche der 0. 318.
Ohr, Carcinom des 0. 423. ! — Symmetrische Gummibildung der 0. 803.
— Handbuch der speziellen Chirurgie des 0. und — Knochengeschwiilste ders. 1922.
der oberen Luftwege 24. Orbitalcarcinom, Sechs Exstirpationen von 0.
— Gewerbeerkrankungen des 0. 1246. unter Erhaltung des Auges 1377.
— Operationen am 0. 265. Orbitaldach, Periostitis gummosa am 0. 659.
— Radium bei O.-Affektionen 669. Orbitaverletzungen, fötale, bei Zangenentbin-
-und Mesothoriumbestrahlung des 0. 1247. düngen 82.
— Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Unter- Orchitis, akute interstitielle rheumatische 268.
suchung der Erkrankungen des 0. und der Organextrakte, Giftige Eigenschaften der 0. 556.
oberen Luftwege 997. — Physiologische Wirksamkeit der 0. 1649.
— inneres und Syphilis acquisita 1047 ? Organismus, Wirkungsweise des Milieus auf die
Ohrenärztliche Begutachtung, Grundzüge ders. Gestaltung des 0. 1242.
1709. Organprodukte, Giftwirkung arteigener 0. 266.
Ohrenleiden, Verheimlichung länger bestehender Organtherapie, Grenzen ders. 1812.
0. 1709. - Lehrbuch 1422.
Ohrenprothese, Demonstration eines Falles von 0. Organtransplantation 1100.
1532. Orthodiagraphie als Kontrolle der Wirkung der
Ohrenschmalzpfröpfe und Mittelohreiterung 564. Digitalistherapie 1374.
9
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UNIVERSUM OF IOWA
2018
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Orthopädie, zahnärztliche 622.
Orthopnoe, Ursachen der 0. 319.
Ortizon-Wundstiftc 1874.
Os lunatum, Kompressionsbruch und traumatische
Erweichung des 0. 1428.
*-Luxation des 0. 574.
-carpi, Traumatische Ernährungsstörung des i — Nierenveränderungen bei 0. 756.
0. 712. ! Oxalurie 1242.
Ovulation, Zeitliche Beziehungen der 0. und i Pankreatinvergiftung, Das Komplement bei P.
Menstruation 415. 1425.
Oxalsäure, Verbrennung der U. an Blutkohle und ! Pankreatitis abscedens 1201.
die Hemmung dieser Reaktion durch indiffe- j — acuta 898, 1282, 1428, 1528.
rente Narcotica 459. -Chirurgische Therapie der P. 1330.
Oxalsäurevergiftung, Akute Nephritis nach 0. 430. |-Ein geheilter Fall 1473.
— — und Pankreasachylie 1226.
— chronica 858.
Oxychinolin, Einfluss des 0. auf den Purinstoff- ' Pantopon, Weitere Erfahrungen mit P. und P.-
* Wechsel 705. I Scopolaminnarkose 1187.
Oxydase im melanotischen Dickdarm 1279. j Pantopon-Scopolamininjektion, intramuskuläre,bei
Oxydasegranula im Herzen, Zur Kenntnis ders.| Kreissenden 755.
1526. I Papatacifieber 1088.
Oxydationsgeschwindigkeit und Zellstruktur 1371. |— und Phlebotomus 378.
Oxydationsvorgänge, Mechanismus der 0. im Tier- j Papaverin als Gefässmittel und Anästheticum 220.
Organismus 1028. .
1-p-Oxyphenylmilchsäure, Bildung von 0. aus
p-Oxyphenylbrenztraubensäurc im tierischen
Organismus 939.
< »xyproteinsäuren 939.
Ozaena, eine infektiöse und contagiöse Krank¬
heit 174.
— Paraffineinspritzungen bei Sattelnase und 0.
1284.
— Scharlachrot bei Behandlung der 0. 317.
— -und Os naviculare carpi, Sekundäre
Veränderungen nach Frakturen ders. 1747.
“ naviculare carpi, Traumatische Affektion des
Os lunatum und 0. 81.
— — nianus, Isolierte Fraktur dess. 1535.
— — pedis, Pathologie des 0. der Kinder 911.
Oscillometrie 1441.
Osteochondritis deformans juvenilis 179, 811, 865.
— — coxae juvenilis 140, 854.
Osteogenesis imperfecta, Stoffwechsel bei ders.
1330, 1820.
Osteoklast 815.
Osteom des linken Oberkiefers 37.
Ostcomalacie, Die Methode Bossi hei 0. 1042.
— mit multiplen tumorartigen Knochenschwel¬
lungen 1292.
— als Syndrom der Entkalkung des Knochens 122.
— 67jährige Virgo mit chronischer 0. 1490.
Osteomyelitis, Akute und chronische infektiöse
0. des Kindesalters 1732.
— chronisch granulierende 761.
— Dauorrcsultate bei 0. 1103.
— fibrosa 234.
— Regeneration nach 0. des Oberschenkels 41.
Osteoplastik 271.
Osteopsathyrosis 1341.
— idiopathica 1468.
— mit multiplen Frakturen 1477.
Ostitis deformans 140.
Ostitis fibrosa 1000, 1186, 1246.
— — bei angeborener Fraktur 1428.
--nach Typhus 366.
-cystica 1146.
— — — des Schädels 991.
Othämatom, Behandlung des 0. 706.
Otitis media acuta mit secundärer Abducens-
lähmung und Meningitis 295.
— — purulenta, Behandlung akut bedrohlicher |
Erscheinungen bei 0. 987.
Otologic, Neuere Arbeiten aus der 0. 123. |
„Oto-Ophthalmotrup u , ein Apparat zur Demon- — Eine mit Erfolg operierte isolierte offene Ver-
stration der vom Ohrlabyrinthc ausgelösten letzung des P. durch Stich 271.
kompensatorischen Augenbewegungen 256. — multilokulare cystische Erkrankung des P. 1231.
Otosklerose, Gibt cs eine kongenitale Disposition — Langcrhans'sche Inseln im P. 987.
— in der Kinderbehandlung 842.
— gegen Pertussis 1489.
Papülitis, alternierende, bei Albuminurie 849.
— nervi optici boi der Säuglingssyphilis 28.
Paracodin, Meine Erfahrungen mit P. 603.
Paradidymitis erotica acuta 19.
Paraffininjektion, Beseitigung der Emboliegefahr
bei P. 33.
I Paraffinkugel, Einschluss von P. in Scleralbcutel
und Tenon’ache Kapsel 1430.
! Paralysis agitans 1142.
— — ähnliche Erkrankung 1287.
1 -genuine, im jüngeren Alter 709.
p # — — juvenile 1480.
— — und Insuffizienz der Glandula
Pachymeningitis, eitrige 577. thyreoidea 896.
— interna chronica und intracranielle Blutungen — — Pathologie der P. 1390.
bei Neugeborenen 460. < — — Uebungsbebandlung der P. 463.
— — Aetiologie der P. 362. — Landry 1375.
-haemorrhagica, Beziehungen von Kopfver- — — Erreger der P. 783.
para-
letzungen zur Entstehung der P. 572.
Pädagogische Therapie für praktische Aerzte 1745.
Paget’sche Erkrankung am Anus und Genitale
238.
— Knochenerkrankung 710.
Palladiumröhrchen, Schutz für P. 1282.
Palliativtrepanation, doppelseitige 766.
Pallidinreaktion, Technik der P. 168, 186, 1284,
1392, 1529, 1709.
Palmolin Vergiftung 122.
Pankreas, Direkte Untersuchung des Duodenal¬
inhalts als diagnostisches Hilfsmittel bei
Gallenblasen- und Pankreasaffektionen 1888
zur Bildung von 0.-Knochenherden? 1430.
— Pathogenese und Therapie der 0. 994.
Otosklerosefragc 1247.
Ovarialabscess 667.
Ovarialcarcinom 1060.
Ovarialgravidität 767.
Ovarialkastration, Wirkung ders. auf das Blut
1946. ,
Ovarialkystom, Austritt eines 0. aus dem After,
während der Geburt 92, 367.
Ovarialsarkom, cystisches 572. 1
Ovarialtumor, grosser 1142.
— maligner 666.
— Parovarial- und 0. 223.
Uvarialveränderungcn nach Radium
thoriumbehandlung 1232.
— bei Fibromatosis uteri 1920.
Ovarialtumor, verkalkter 1924.
Ovariotomie, Neue Methode der 0. 1430.
— Leistungsfähigkeit des P. 1427.
— Pathologie des P. 363.
— Rolle des P. bei der centralen Läppchen¬
nekrose der Leber 121.
— isolierte Stichverletzung des P. 186.
— Syphilis des P. 413.
Pankreasadenom aus Inselzellcn 987.
Pankreascarcinom, Fall von operativ geheiltem
P. 1476.
Pankreascyste 7C7.
1 — Entfernung einer echten P. 1488.
— Exstirpation der P. 761.
j Pankreasdiabetes 670.
— Aenderung der Blutalkaleszenz bei P. unter
und Meso-! dem Einfluss von Muskelkrämpfen 705.
— Zuckerverbrennung bei P. 1002, 1427.
j — s. a. Diabetes.
; Pankreasdiagnostik und Therapie 75.
Pankreaserkrankungen, akute 574.
— progressiva, Differentialdiagnose der P. 765.
— — Frühfall von P. durch Liquorreaktion dia¬
gnostiziert 1771.
— — lntraduralc Behandlung der P. 1224.
— — Intraspinale Behandlung der P. 987.
— — generalis bei einem 10jährigen Kinde 463.
— — bei 12jährigem Kinde 1925.
— — Kombination von T. mit Tabes 1150.
— — konjugale 721.
— — Infektiosität des Liquor cerebrospinalis
bei P. 625.
— — Behandlung der P. mit Neosalvarsan 239.
— — Natur und Behandlung ders. 1946.
— — Salvarsanbehandlung der P. 1045.
— — Ein als P. gedeuteter, durch Salvarsan
geheilter Krankheitsfall 834.
-Todesfall bei Behandlung der P. mit Sal¬
varsan 1001.
— — Veränderungen der Evolution der P. seit
Salvarsananwendung 429.
— — Serotherapeutischer Versuch bei Tabes und
P. 1081.
— — Spirochätenbefunde bei P. 227.
— — Stellung der P. zur Syphilis und die Frage
ihrer Behandlung 965.
— — Das Treponema der P. 1279.
— — Tuberkulin-Quecksilberbehandlung der P.
361, 769.
Paralytiker, Gedächtnisausfälle bei P. 365.
j — Intelligenzbesserung bei P. nach Salvarsan-
therapie 1527.
j — Syphilisspirochäte im Blut von P. 707.^
! Paralytikergehirn, Untersuchungen über die Spin*-
j chätc des P. 757.
! Paramelitensis und Paramelitococcie 319.
j Parenchymatöse Organe, Verfettung ders. 1847.
I)__ 1282 .
Ovarium, Morphologie und Funktion dess. 1920. j — Bedeutung der P. für die Chirurgie der Harn- Paranephritis durch Nierensteinperforation 128:.
— Cystische Erweiterungen des Rote des 0. bei j wege 992. Paranoische Zustände, Diagnose von P. 709.
WAAfcnLroainALön 19Q‘4 —- T^IA I irtAWlcnliA Hofllrfirtn Ko! P 1070 ; —— ErkfäDkllll^CQ 896*
Meerschweinchen 1293.
— Einfluss des 0. auf die Uterustätigkeit 89.
— Granulosazelltumoren des 0. 1632.
— menschliches, Vorkommen von Jod und Chlor
im O. 614.
— Histogenesc der PscudomueiDkystomc des 0.
608.
— und innere Sekretion 1232.
— Vier implantierte 0. der Frau 900.
1385.
Klinische Bedeutung
des 0. 1143.
— Pathologie des 0. 907, 949,
— und Sympathicus 1143.
— Theorie der inneren Sekretion des 0. 125.
— Zwisehenzcllensarkom des U. 756.
— Die Loewi'scbe Reaktion bei P. 1279.
Pankreasextrakt, Physiologische und therapeu¬
tische Wirkung von P. 424, 877.
Pankreasexstirpation, Fermentative Tätigkeit des
Blutes und der Gewebe bei P. 939.
Pankreasfunktion, Aeussere und innere P. 1847.
— Quantitative Beurteilung der P. 169.
Pankreasnekrose, akute 81.
Pathologie ders. 1487.
— Erkrankung auf manisch-depressiver ünad-
läge 1798.
Paraphimose, Behandlung der P. 1423.
Paraplegie, spastische luetische, mit Vitiligo
Parapsoriasis, Fall von P. 1799. .
Parasiten, Atlas und Lehrbuch wichtiger tierischer
P. und ihrer Ueberträger 1746.
Parasyphilis, Heutige Stellung zur P. 1909.
Paratyphus bei Kindern in München 1046.
der normalen Tätigkeit — postoperativa 1105.
I Pankreassekretion, Einwirkung von Natrium bicar- f— befeinem Säugling 414.
1 bonieum auf die P. 1375. I — Eine durch infiziertes Paniermehl übertragene
Pankreastumor, Exstirpation eines P. 232, 561. P.-Epidemie 614.
— Drei Fälle von P. und ein geheilter Fall von — abdominalis, Pathologie dess. 173«).
| Pancrcatitis acuta 1473. | Paratyphusabscesse 366.
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Original frn-rri
UNiVERSUY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
201 0
Paratypbusbacillenbefunde an der Leiche 1373.
Paratyphus B-Baktericn, Kulturraerkmale des P.
284.
Paravertebralanästhesie iin Dienste der Gallen¬
steinchirurgie 1875.
Parenteraler Stoffwechsel 1900.
Parotis, Akute Entzündung der P. im Anschluss
an Unterleibsaffektionen 515.
— Möglichkeit, der P. durch interglanduläre
Anastornose mit der Submaxillaris einen
collateralen Exkretionsweg zu schaffen 1282.
Parotiscarcinom, schleimhaltiges 718.
Parotisßstel, Behandlung der permanenten P.
durch die Entnervung der Speicheldrüsen
1085.
Parotitis, eitrige, im Kindesalter 1084.
— Experimentelles über eitrige P. 1556.
— mit Pankreatitis kompliziert 1581.
Parlialantigene 648.
— Empfindlichkeit Tuberkulöser auf P. 1580.
— Beziehungen der im Blut kreisenden Tuberkel¬
bacillen zur Entstehung von P. 1580.
— Cytologisches Bild der Intracutanreaktionen
mit den Deyckc-Much’schen P. der Tuberkel¬
bacillen und dem Alttuberkulin 1589.
Pasta Kali chlorici cum Creta 1748.
Pathologie, Arbeiten aus dem Institut für P. an
der Universität Helsingfors 937.
— und Therapie, Lehrbuch der speziellen 1745.
Pathologisch-anatomisches Praktikum 937.
Pathologisch-histologische Untersuchungsraetho-
den 1523.
Pathologischer Vorgang, Scheidung der Ursache
von den Bedingungen der P. V. 987.
Patellarfraktur, Behandlung ders. 1601.
— Knochenplastik bei P. 991.
— Neues Symptom bei P. 1199, 1282.
— Symptomatik und Behandlung ders. 1875.
Patellariuxation, habituelle 1186.
-doppelseitige 1139.
— kongenitale 1428.
Patellarnaht, offene 1428.
Patentierung körperlicher Behandlungsmethoden
1386.
Patienten, Von Aerzten und P. Plaudereien 1611.
Pellagra, Aetiologie 649, 1566.
— Prophylaxe und Therapie der P. im Lichte
der Vitaminlehre 759.
— Schutzferraente gegen das Maiseiweis (Zeine)
im Blute der Pellagrösen 1599.
— Symptomatologie der P. 941.
Pellidol in der Augenheilkunde 1377.
Pellidolsalbenbehandlung bei Säuglingsekzem 940.
Pelzfärbemittel, Entgiftung von Haar- und P. 28.
Pemphigus, Versuche einer Behandlung des P.
mit dessen Blaseninhalt 409.
— vegetans 1341.
— vulgaris, Behandlung des P. eines Kindes
mittels Injektion des Blutes der Mutter 857.
-Heilung durch Neosalvarsan 1326.
-chron. 43.
Pemphigusblaso, Diplococcus lanceolatus in P.
944.
Penis, Akute bakterielle Gangrän des P. 374.
— Congenitale Gänge und Cysten in der Raphe
des P. 1047.
— Melanosarkom des P. 768.
Peniscarcinom 574.
— Knochenmetastasen eines P. 141.
Penisspaltung, Angeborene vollkommene P. 1554.
Penistumor 811. 1
Penisverdoppelung 465. j
Pentosurie 1003, 1466. I
Pepsin, Identität von Lab und P. 119. !
Pepsinnachweis im Blutserum 1245.
Pericard, Concretio pericardii 951. I
Pcricardialerguss, Punktion grosser P. 1185. |
Pericarditis, adhäsive 1426.
— recidivierende exsudative 1966.
— tuberculosa 377.
Pericardverwachsungen 1281.
Perichondritis, isolierte, des Proc. ensiformis 1798.
Periostitis gummosa am Orbitaldach 659.
Periostwunde, Heilung grösserer P. 180.
Perinephritis durch rupturierte Steinniere 426.
Periphlebitis 33.
Peristaltik bei chronischer Obstipation 77.
— nach Laparotomien 1377, 1600.
Peristaltik, Anregung der P. nach Laparotomien
durch Sennatin 1919.
Peritoneum, Aktinoraykose des P. 895.
— Gesteigerte Widerstandsfähigkeit des P. gegen
Infektionen bei Behandlung der akuten Appen-
dicitis 1085.
— Maligne Deckzellengeschwulst des P. 1043.
— Sensibilität des P. und der Bauchfascien 32.
Peritonitis, akute, Eingiessung von Aother in den
Peritonealsack bei P. 166.
— allgemeine, Verhütung der P. bei Operationen
im kleinen Becken 848.
— chronische adhäsive 366.
— Behandlung der circumscripten und diffusen
eitrigen P. im Gefolge der Appendicitis 990,
— eitrige diffuse, Behandlung der P. 943.
—- Behandlung mit Pferdeserum 366.
— Experimente der P.-Behandlung 898.
— Diagnose der P. im Säuglings- und Kindes¬
alter 648.
— tuberculosa, Heilung eines Falles von P. durch
Stickstoffeinblasungen in die Bauchhöhle 103.
-Kasuistik der akuten tuberkulösen G. 1580.
— pancreatica 1105.
— paratyphosa 627, 898.
— Fall von Streptokokkcn-P. 1195.
Peritonsillarabscess 1233.
Perlsuchtbacillus s. Tuberkelbacillus des Rindes.
Pernionen, Therapie des Frosterythems und der
P. 842.
Peroneuslähmung 476.
Pcroneussehne, Luxation der P. 814, 1470.
Perrückengeweihe von Reh und Rothirsch 478.
Persönlichkeitsbewusstsein, Pathologie des P.
1527.
Pertussis, Blutuntersuchungen bei B. 364.
— Wesen und Behandlung der P. 366.
— Gehirnkomplikationen der P. 362.
— Opticusatrophie nach P. 559.
— Papaverin gegen P. 1489.
— und Spasmophilie 650.
— Herabsetzung der Tuberkulinempfindlichkeit
während der P. 478.
— Vaccinothcrapie bei P. 27.
Pertussisbacillus, Veränderlichkeit des P. 121.
Pessar, Neues Ventilschutzpessar 1799.
Pest in Ceylon 900.
— Epidemie bei Charbin 1096.
— Elektrargol bei Pocken und P. 1278.
— als Kriegsseuche 1654.
Pestinfektion, mitigierte, bei Ratten und Meer¬
schweinchen 713.
Pestprophylaxe im Seehafen von Triest 713.
Pezzer-Katheter, Metallspiralen zum P. 612.
Pfadfinderbund, deutscher, und die Sanitätsoffi¬
ziere 1773.
Pfählungsverletzungen 710.
Pfeil, Der Pfeil als Fliegerwaffe 1745.
Pferde, Neue Beobachtungen an den Elberfelder
Pf. 1527.
Pflanzennahrung, Fein verteilte P. in ihrer Be¬
deutung für den Stoffhaushalt 76.
Phagocyten, Physikalisch-chemische Untersuchun¬
gen über P. 1040.
Phagocytose, Bedingungen der P. von Tuberkel¬
bacillen 1425.
Phänomen von Bell, Pathologie des P. 33.
Phantom, gynäkologisches, Erfahrungen mit dem
Blumreich’schen P. im Unterricht 761.
Pharmakologie, Die experimentelle P. als Grund¬
lage der Arzneibehandlung 1577.
— Zusammenstellung der Schriften über P. in
den Vereinigten Staaten 218.
Pharmakotherapie im Jahre 1913 317.
Pharynxstimme nach Kehlkopfexstirpation 378.
Phenolphthaleinprobe auf okkultes Blut nach
Boas 1469, 1600, 1612.
Phenolsulfophthaleinmethode zur Prüfung der
Nierenfunktion 1650.
— Wert der P. 180.
Phenoval, ein neues Sedativum und Hypnoticum
bei gynäkologischen Erkrankungen 934, 935.
— Verhalten des P. im Organismus 893.
Phenyläthylaminderivate, Respirationserregende
Wirkung von P. 1826.
2-Phenylchinolin-4-Carbonsäure, Wirkungen neuer
Derivate ders. im Vergleiche mit Atophan
und Acitoin 1525.
Phimose, Behandlung der P. 1086, 1128.
Phlebarteriektasie, ausgedehnte 40.
Phlebektasie 1946.
Phlebitis exsudativa 417.
Phlebographie im Kindesalter und therapeutische
Anwendung des Physostigmins 560.
Phlebostase, Bemerkungen über P. 706.
Phlegmone, Fortschritte in der Behandlung von
P. und Wunden 762.
— Hochprozentige Carbol-Carapherspiritusinjek-
tionen gegen P. 1947.
Phloridzinanwendung, Toxische Zustände bei P.
und ihre Beziehung zur völligen Kohlehydrat¬
verarmung der Leber 939.
Phonetik, experimentelle, Erster internationaler
Kongress für P. 1333.
Phosphor, Einfluss des Pflanzen-P. auf den Blut¬
bestand 1374.
— und Calcium beim Wachstum am Ende der
Kindheit 123.
Phosphorvergiftung, Toxogener Eiweisszorfall bei
P. 1224.
Phrenikotomie, Röntgenologische Untersuchungen
über die Wirkung der P. 1086.
Phthise s. Tuberkulose der Lunge.
Phylogenie des Wirbeltierdarms 1489.
Physik, Grundriss der P. 264.
— medizinische 165.
Physiologie, animalische, Jahresbericht über die
Fortschritte der P. 985.
— Lehrbuch der P. des Menschen 1125.
Physiologische Chemie, Lehrbuch 1464.
— Methodik, Handbuch 1464.
Phytotrichobezoar 1528.
Pigmentflecke, erworbene, der hinteren Hornhaut¬
wand 367.
Pigmentzelle, Pigmentströmungen in den P. und
die Kanälchenstruktur des Chromatophorcn-
Protoplasmas 985.
Pilzeiweiss, Differenzierung verschiedener P. mit
Hilfe von Iramunitätsreaktionen und Tier¬
versuchen 1279.
Pilzerkrankungen der Hände und Füsse 1047.
— der Haut, infolge des Gebrauches wollener
Unterwäsche 1835.
v. PirquePsche Reaktion, Ablauf der P. bei Kindern
463.
— Probe zur praktischen Vorbeugung der Tuber¬
kulose 1580.
Pituglandol, Behandlung der Adolescentenblutun-
gen mit P. 843.
— in der Geburtshilfe 1920.
Pituitrin in der Geburtshilfe 466.
— Herzwirkung des P. 26.
— Tokodynamometrische Untersuchungen über
die Wirkung des P. auf die Uteruskontrak¬
tionen 1557,
— als wehenerregendes Mittel 190.
Placenta, Vorzeitige Lösung der P. bei normalem
Sitz 847.
— praevia, Pituglandol bei P. 1429.
-Gefahren der Tamponade bei P. 414, 477.
Placenfcareste, Behandlung retinierter P. 1948.
Placentarlösung, künstliche, Neue Methode der P.
706.
Placentarreste, Puerperale Infektion im Anschluss
an Retention von PI. 1920.
Placentarstück, retiniertes, Bedeutung und Be¬
handlung von P. 1376.
Plasmazellen bei Epitheliomen der Haut 1748.
— Herkunft der P. 362.
— Vorkommen und Bedeutung der P. 362.
i Plattenschaukasten für grössere Anzahl von
| Röntgenbildern 1472.
i Plattfuss, Offene Achillotenotomie bei schwerem
P. 270.
— Vorschlag zur Behandlung des P. 328.
— Operative Behandlung des P. 815.
— Operative Behandlung schwerster Formen von
P. 710.
— spastischer, Operative Behandlung des P. 1084.
— Gerbung der Gelenkbänder zur Heilung des
P. und anderer Deformitäten 571, 1581.
— Bogenförmige Osteotomie bei P. 815.
Plattfussbeschwerden, Einheitliche Behandlung
der P. 762.
Plattknickfuss, Periost- und Knochenüberpflanzun¬
gen nebst Vorschlag zur Heilung des P. 935,698.
9*
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UNIVERSUM OF IOWA
2020
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Plethysmographie an gesunden und kranken
Kindern 611.
Pleuraerguss, aseptischer 1246.
— grüne 365.
Pleuraempyem, Therapie des P. und Lungcn-
abscesses 711.
Pleuraexsudat, Technik der Entleerung seröser P.
1143.
— tuberkulöses, Chirurgische Behandlung der P.,
77. )
Pleuratumor, grosser 269. |
Pleuritis exsudativa, Behandlung der P. mittels
Paracentese 380.
-Punktion und Insufflation bei P. 28.
— Behandlung akut bedrohlicher Zustände bei P.
1469.
— Schulterschmerz bei P. 79.
— Wichtigkeit des Zeichens der Spinalmuskeln
(signe des spinaux) zur Diagnose der latenten
P. 861.
Plexus brachialis, Kulenkampffsche Anästhesie
des P. 81.
-Schussverletzung dess. 1850.
-Solitäres Stammneurom des P. 1330.
— hypbgastrieus beim menschlichen Embryo vor i
Ende des 3. Monats 900.
Plexuslähmungen nach Oberarmluxation 1337.
Pneumatosis cystoides intestini hominis 1231.
Pneumaturie bei Nierentumor 1136.
Pneuraokokkenerkrankungen, Chemotherapie der
P. des Auges 1424.
Pneumokokkeninfektion, Die Chemotherapie der
P. 1829, 1865.
— experimentelle, Chemotherapie der P. 573, j
714, 1099.
— Prophylaktische Impfung gegen P. 269. '
Pneumokokkenmeningitis und ihre Behandlung!
mit Optochin 1900. ]
Pneumokokkenpneumonie u. deren Chemotherapie
707. !
Pneumokokkenperitonitis 1394.
Pneumokokkenthrombose der Gehirnarterien 1246.
Pneumonie, Die akuten, nicht spezifischen P. der
ersten Lebenstage 650. '
— Antimon bei P. 1042.
— „Ausserbett“-Behandlung der P. 1129.
— Anwendung von Serum bei P. 627.
— Behandlung mit grossen Campherdosen 627.
— Behandlung der P. mit dem Neufeld-Händel-
schen Pneumokokkenserum 1128.
— Einfluss der Chinin-Collargollherapie auf den
Ablauf der P. 1099.
— Emetinbehandlung der P. und Bronchopneu¬
monie 1097.
— Experimentelle Erzeugung von P. und ciuigc
mit dieser Methode erzielten Ergebnisse 1351.
— Hemiplegie bei P. 896.
— Herzstörungen nach P. 1426.
— Klinische Bedeutung der quantitativen Eiweiss¬
bestimmung im Sputum bei P. und Lungen-!
tuberkulöse 1083. i
— Vorkommen von Plasmazellen und ihre Be-'
doutung bei P. des Kindesalters nach akuten 1
Infektionskrankheiten 362.
— Prophylaxe und Therapie der Herzschwäche
bei P. 1372.
— Purinenzyme der Lunge bei P. 1280. !
— im Säuglingsalter 912. j
— Verhalten des Vasomotorenzentrums bei P. 608.;
— croupöse, Auslösung der Krise bei P. durch }
eine kombinierte Chinin-Collargolbehandlung
220.
— paravertebrale hypostatische 760. j
— — bei Kindern 622. I
— postoperative, Zusammenhang zwischen P. und ;
Abkühlung der Kranken 191. i
— totale 429. |
Pneumonokoniose 719. I
Pneumothorax, Behandlung des P. 1341.
— Behandlung akut bedrohlicher Zustände beim '
P. 1578. !
— doppelseitiger 132. !
— mit spontanem Hautemphysem bei Tuberkulose j
461. I
— Totaler spontaner rechtsseitiger P. 1490.
— traumatischer sekundärer, pleurale Eosino¬
philie 461.
— künstlicher 1226, 1526.
Pneumothorax, künstlicher, Pleuraergüsse nach Polt’scher Buckel, Behandlung des P. nach der
P. 1226. Methode von Lannelongue 270.
-110 Fälle von P. 707. -Zwei neue Fälle von P. syphilitischen
-bei Bronchektasien 1650. Ursprungs 409.
-- Ein praktischer Apparat zur Anlegung des Praecipitine, Schnelle Gewinnung der P. 758.
P. 994. Präparate, chemotherapeutische, von biologischem
-Methodik des P. 1281. Typus 1082.
-Technik der Anlegung des P. 1328, 1580. — pathologisch-anatomische 285, 574.
-Technik der Anlegung des P. 1328, 1580. — pathologisch-anatomische 285, 574.
— — Behandlung eitriger tuberkulöser Exsudate Präzisionsröhrc 845.
mittels P. 408. Praxis, gynäkologisch-geburtshilfliche
-Veränderungen der unter P. stehenden und diätetische Verordnung für die
Lunge 1245. Presse und Irrsinn 217.
— — bei Lungenkranken 853, 1475.
— — mit Pleurolyse 843.
-während der Schwangerschaft 1426.
— — im 4. Monat der Gravidität 168.
Pneumothoraxbilder bei Tuberkulose 229.
Pneumothoraxluft, Zusammensetzung der P. 1426.
Pneumatosis intestini 177.
Pocken- und Cholera, Besprechung ders. 1753.
— als Kriegsseuche 1654.
Pockenepidemie in St. Etienne 1412.
Praxis, gynäkologisch-geburtshilfliche, Arznei-
und diätetische Verordnung für die P. 704.
Presse und Irrsinn 217.
Priapismus, prolongierter, geheilt durch Incision
und Drainage der Corpora cavernosa 899.
Primäraffekt, syphilitischer, der behaarten Kopf-
| haut 1232.
' Processus ensiformis, Isolierte Perichondritis dess.
1 1798.
| — mastoideus, Röntgenologische Untersuchungen
’ des P. 992.
I — vermiformis s. Appendix.
| Proclitisbehandlung, Acetonalzäpfchen bei P. 356.
Pockenimpfung, A. KussmauLs zwanzig Briefe i Prolaps, Radikaloperation des P. 415.
über Menschenpocken- und Kuhpockenimpfung j — Technik der Interposition desUterus bei P.848.
1611. , — und Beckenboden 272.
Pockenkrankheit der Karpfen 1290. j Promontoriumresektion 32.
Pockenlymphe, Konservierung und Versendung | Prostata, Bimanuelle Untersuchung der P. 1086.
von 1\ in den Tropen 1472. i — Stenosierende Atrophie der P. 1086.
Pockennarben, Neue Erfahrungen über P.-Bc- j— Chirurgische Betrachtungen zur Tuberkulose
handlung 1685. } der P. 1157.
Poisenille’sches Gesetz, Ist das P. für Suspensionen J — Cystenbildung . in der P. mit epidermoidaler
gültig? 219. i Auskleidung 461.
Poliomyelitis 1228. — Perineale Enucleation der P. 124.
— Experimentelle Arbeiten über P. 309. — und Hypophyse 80.
— Keimträger bei P. 412. Prostataatropbie 625.
— Meoingitische Form der P. 709. — Operative Behandlung der P. 613.
— Sehnenplastik nach P. 674. Prostatacareinom 576, 1248.
— Lokalisation des Virus und Pathologie der — Methode zur Entfernung des P. 82.
epidemischen P. 1898. — Radium bei Behandlung von P. 845.
— Eindringen des P.-Virus vom Blute in die Prostataconcrernente 1147.
corebrospinale Flüssigkeit 1898.
— Fall von fraglicher Kombination der multiplen
Sklerose mit P. 1962.
— acuta, 90 Fälle 1469.
-Epidemiologie und Pathologie der P. 506.
— — Stand der P. in Bayern 80.
— — epidemica, Histologie und Pathogenese 937.
— anterior acuta 238.
-Aetiologie der P. 222.
— — — Ein Phänomen bei P. 222.
Prostataepithelzelle, Doppellichtbrechende Sub-
1 stanz als normaler Bestandteil der P. 364.
Prostatahypertrophie 672, 1394.
— und Prostatektomie nach Wilms 561.
. — Röntgenbilder von P. 1148.
Prostatasekret 1232.
. Prostatatuberkulose, hämatogene 988.
Prostatektomie 1566.
— Indikationsstellung und operatives Vorgehen
bei P. 1095.
— Pathologische Histologie der unter dem i — Neue Methode der Nachbehandlung nach P.
Bilde der Landry'sehen Paralyse verlaufenden
Fälle von P. 1083.
— — in den nördlichen Niederlanden 365.
— —- diffuse 1151.
! — Neue kombinierte Methode der P. 1231.
Protease, Kritik der Seidenpeptonmethode und
intracellulären P. 1524.
— — epidemica, Anstaltsepidemie von P. 1045. Prostitution, Nutzen der Reglementierung der
Poliomyelitisepidemie im Frühjahr 1912 inLindaas, 1
Norwegen 246.
Poliosis circumscripta 906.
Pollakiurie, sogenannte nervöse, bei Frauen 1087.
P. 762.
Proteine der Fischspermien 26.
Proteuserkrankungen, Kasuistik chirurgischer P.
1585.
Polyarthritis, Die Harnsäureausscheidung bei den ' Proteusmeningitis und Proteussepsis 1555,
chronischen, nicht gichtischen P. 558.
— rheumatica, Bakterienkulturen von P. 1391.
— — Medikamentöse Behandlung der P., ins¬
besondere mit Apyron 556.
Polyeythämie 858, 1616.
— sekundäre, bei Gicht 663.
Prothese, Demonstration eines Kranken mit P.
(Ohrenprothese) 1531.
— Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durch
P. 170.
Protozoen, Studien über P., besonders des Darms
1373.
Polyglanduläre Erkrankungen, Funktionelle Dia-, Protylin in der Kinderpraxis 940.
gnostik ders. 1899. j Providoform, Chirurgische Erfahrungen mit P.
Polyglobulie und Lebererkrankung 941. | 1687, 1688.
Polyneuritis, experimentelle, der Hühner und j Prurigo nodularis, Differentialdiagnose zwischen
Tauben und ihre Beziehung zur Beri-Beri des j P. und chronischer Urticaria 322.
Menschen 756. J Psammom im vorderen Chiasmawinkel 1921.
Tauben und ihre Beziehung zur Beri-Beri des j P. und chronischer Urticaria 322.
Menschen 756. J Psammom im vorderen Chiasmawinkel 1921.
— mit Korsakow’scher Psychose nach Neosal- ; Pseudarthrosen im Kindcsalter 1186.
varsan mit letalem Ausgang 465. Pseudobulbärparalyse, Augen-Herzreflex bei 1.
— recurrierende 1688. 1098.
Polyposis adenomatosa intestini 1468. ; Pseudobulbärparalyse, Vestibulärer Kopfnystagmus
Pons, Diffuses Gliom des P. und der Mcdulla und Facialisnystagmus bei P. 800.
oblongata 167. | — Patient mit Störungen der Stimme und Sprache
Portio uteri, Gangrän der P. durch Sublimat- | bei infantiler P. 1711. . p
injektion 367. i Pseudohermaphrodit, Keimdrüsentumoren bei r.
Portiocarcinom, Heilung eines P. durch Röntgen- ! 415.
bchandlung 951. | Pseudohermaphroditismus femininus externus
Portiosarkom, primäres 1142. j (Pseudarrhenie) 66, 756.
Postbeamte, Zahl und häufigste Krankheiten der i — masculinus externus 322.
Kinder der mittleren P. 426. ( Pseudoleukämiesymptome 614, 625.
Postoperative Infektionen, Verhütung ders. 1800. Pseudomenstru&tio postoperativa 1085.
Potenzstörung, seltene 709. : Pseudo-Milium colloidale 613.
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UNfVERSITf OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2021
Pseudomyotonie, Posthemiplegische P. 1848.
Pseudopelade Brocq s. Alopecia parvimaculata.
Pseudosklerose 1848, 1900.
— sogenannte, mit Veränderungen der Cornea
und Leber 1329.
Pseudospontanbewegungen, Gehirnmechanismus
der P. 93.
Pseudotuberkulose der Nagetiere 1373.
Psoasabscess, geheilter, bei Lendenwirbel tuber¬
kulöse 377. j
Psoriasis, Aetiologie der P. 709, 992.
— mit Arthropathie 672.
— Proteinstoffwechsel bei P. 222.
— rupioides 1232.
— und Tuberkulose 125.
Psorospermosis 1148.
Psychasthenie und Schlaflosigkeit 863.
Psychiatrie, Die A bderhal densche Fermentreak tion
und ihre Bedeutung für die P. 90, 843.
— Blutuntersuchungen als klinisches Hilfsmittel
in der P. 559.
— Moderne Probleme der P. 554.
— Lehrbuch der allgemeinen und speziellen P.
1576.
— Kurzer Leitfaden der P. 554.
— Literatur aus dem Jahre 1912 über P. 942.
— forensische, Lehrbuch der P. 752.
— Serologie in der P. 221.
— Einweisung in militär-psychiatrische Stationen
273.
— und Gynäkologie 761.
— und Krieg 1750.
Psychiatrische Diagnostik 165.
-Lehrbuch der P. 1745.
— Vorträge für Aerzte, Erzieher und Eltern
1551.
Psychische Erregung und Hemmung vom Stand¬
punkt der Jodl’schen Psychologie 320.
— und nervöse Krankheiten, Klinik für P. 1551,
1769.
Psychoanalyse in gerichtsärztlicher Beziehung
1798.
— Bedeutung der P. für die Gcisteswissen-
schaften 217.
— Jahrbuch der Forschungen über P. 217.
Psychoanalytische und psychopathologische For¬
schungen, Jahrbuch für 1819.
Psychobiologie 1441.
Psychologie, Abriss der P. 1276.
— Grundzüge der P. für Mediziner 1610.
— objektive, oder Psychoreflexologie 216.
Psychologische Einleitung 1276.
— Beobachtungen im Felde 1948.
Psychopathologe, Dostojewski als P. 1943.
Psychosen, Abbau- und Fermentspaltungsvor¬
gänge 413.
— und Krieg 1774.
—- bei der Mobilisation und im Feldzug 1949.
Therapie und Genese der P. unter dem Ein¬
druck der Abderhalden’schen Anschauungen
855.
— Unterbrechung der Schwangerschaft bei P. 800.
— Infektions- und Autointoxikations-P. 30.
— Fall von posttraumatischer P. 1582.
— Stoffwechsel bei deus. 1555.
Psychotherapie in der Kinderheilkunde 1329,1689.
— Worauf beruhen die Erfolge der P. von DuboisV
896.
Ptosis und Cataracta senilis 1772.
— congenita 1140.
Ptosisoperation mit Bildung einer Dcckfalte am
oberen Lid 562.
Pubertas praecox und psychische Entwicklung
448.
Pubertätsalter, Dio Neurosen und Psychosen des
P. 1551.
Entwicklung und Erziehung der Jugend
während dem P. 607.
Puerperale Infektion im Anschluss an Retention
von Placentarresten 1920.
Puerperalfieber, Bedeutung des bakterienfeind¬
lichen Verhaltens des Vaginalschleims in der
Verhütung des P. 1283.
Differentialdiagnose der Prognose des P. 802.
Pulpitis purulenta 118.
Pulmonalis, Endocarditis der P., Thrombose eines
Hauptastes der rechten P., Embolus der j
linken P. 987. •
Pulmonalinsuffizienz, Diagnose der P. 319.
Pulmonalstenose, angeborene 188.
Pylorusstenose, Gastralgische Form der P.
| — Seltene Form von P. 1392.
Puls, Periodische Unregelmässigkeit des P. 1579. ! — im Säuglingsalter 1147.
| Pulsionsdivertikel der Speiseröhre 810, 1556. j — tuberkulöse 1556.
i — pharyngo-oesophageale und seine Operation Pylorustuberkulose 992.
Pylorusverschluss, extramuköser 1140.
Pyocyaneoprotein als Heilmittel bei Larynx-
entzündungen 1946.
Pulsdiagnostik, Wort und Sache in der dyna- J Pyocyaneoprotein als Heilmitt«
j mischen P. 1044. ' entzündungen 1946.
| Pulsperiode, Minimale Schwankungen der P. 957. Pyometra 1340.
I Pulsunregelraässigkeit, Moderne Lehre der P. 666. Pyonephrose, doppelseitige 767.
Pulsus alternans, Diagnose und prognostische — mit fettiger Entartung 1136.
Bedeutung des P. 799.
— — und pseudoalternans 799.
— irregularis perpetuus, Anatomische Unter¬
suchungen des Herzens bei P. 79.
— -Pathologische Anatomie P. 1280.
— paradoxus 1426.
Pulswelle, Reflexionen der primären P. im
menschlichen Arme 1633.
Punktallinse, Vorführung der Zeiss’schen P. 1440.
Pupille, Physiologie und Pathologie des Licht- j
reflexes der P. 367. I
—- geschlitzte, beim Menschen 1921. |
Pupillendifferenz infolge einseitiger centraler
Hornhautnarben 1284.
Pupillenmessapparat, Demonstration 1480.
— geschlossene 992.
Pyralgininjektion 1151.
— Intramuskuläre Injektionen von P. bei Poly¬
arthritis rheumatica acuta 893.
Pyrmont, Physiologische Wirkungen der Quellen
des Bades P. 119.
Quadratograph, ein Röntgenhilfsapparat 1633.
Quarkfettmilch — ein weiterer Ersatz der Eiweiss¬
milch 1186.
Quadricepslähmung, Mechanik des Ganges bei
isolierter Q. 991.
Pupillenphänoraen, Natur des 0. Loewi’schen P. Quarzlampenbchandlung, Sarkomentwicklung nach
Pupillenreaktion, hemiopische, als Diagnostikum j Quarzlicht, Diabetische Hautgangrän mit Q. bc-
1430. I handelt 1599.
Pupillenstarre, fast völlige amaurotische, bei fast Quecksilber, Anorganische Kombination von Q.,
völlig normaler centraler Sehschärfe 993. Arsen und Jod 1383.
— reflektorische doppelseitige, nach Schädel- — Chemotherapeutische Versuche mit Q. bei
trauma 1045. , experimenteller Kaninchensyphilis 408.
isolierte, bei Fehlen von Paralyse, Tabes [ — Elektrolytische Bestimmung von Q. im Harn
und Syphilis 1084.
Pupillenstörungen bei Dementia praecox 320.
— Liquoruntersuchung bei isolierten syphilo-
genen P. 1771.
Pupillenuntersuchung, Zur Technik der P. 708.
Purinenzyme der pneumonischen Lunge 1280. !
Purinkörper des menschlichen Blutes 754.
Purinstoffwcchsel 607, 708, 1127.
— und Drüsen mit innerer Sekretion 1005.
1467.
— Neue Art, Q. zu injizieren 1184.
— Versuche, das Q. in einer nourotropen Form
zu verabreichen 1042.
— Wirkungsweise des Salvarsan und Q. bei
Syphilis 561.
— Wirkung und Resorption von Q. 1143.
— "Warnung vor Anwendung von Q. in der Uro¬
logie 1087.
— Wirkung des Natriumbromids auf die Fermente Quecksilbervergiftung, Nicht gewerbliche chro-
des P. 27. ! nischo Q. 1849.
— Einwirkung von Oxychinolin und einiger Deri- . Quellung von Organgeweben bei verschiedenen
vate auf den P. 705. | W'asserstoffinoncnkonzentrationen 75.
Purpura, Blutuntersuchungen bei Hämophilie, P. Querschlägervcrletzungen 1714.
und Thrombose 610. I
— annullaris teleangicctodes (Majocchi’sehe |
Krankheit) 1391.
— experimentelle 1279.
— haemorrhagica des Gehirns 1197. ;
— vesicae und deren Folgezustände 943. I Rachenmandel, Erkrankung der It. 620.
— Viscerale Erkrankungen bei der P. 649. 1 — Zur Lehre von der R. 331.
Purium, ein neues Steinkohlenteerpräparat 1748, Rachenoperationen 994.
1798. Rachitis, Gehalt des Blutes von Kindern mit
Pyelitis, Erfolgreiche Vaceinationsbehandlung |
eines schweren Falles durch Bacterium lactis :
aerogenes bedingter P. 362.
— chronica, Behandlung ders. 1650.
— gravidarum 1534.
Pyelocystitis im Säuglingsalter 1281.
Pyelographie 472, 570, 946, 1050, 1052, 1147,
1470, 1821.
— Gefährlichkeit der P. 465.
— und ihre chirurgische Bedeutung 1253.
— Indikationen und Grenzen der P. 1259.
Pylorus, Dehnung des P. 122.
— Stauung des P. 169.
Pylorusausschaltung 612.
— Röntgenbefunde nach P. 612.
— Dauerresultate bei P. 1376.
— Ersatzmethoden der unilateralen P. 271.
— durch Fadenumschlingung 1154.
Rachitis, Gehalt des Blutes von Kindern mit -
Athrepsie und R. an einigen Fermenten und
Antifermenten 627.
— Dialysierverfahrcn nach Abderhalden bei R.
und Tetanie 1327.
— Einwirkung endokriner Drüsenextrakte auf
den Stoffwechsel bei R. der Säuglinge 1057,
1747.
— experimentelle 773, 836, 886.
-bei Hunden 172.
— Die ersten Auflagen von Glissons „R.“ 1130.
— Hypopbyscnmedikation bei R. 120.
— Zur Therapie der R. 123, 410, 463, 650, 1084.
— Verletzbarkeit schnell wachsender Zellen und
R. 813.
— und Thymus 267, 1308.
Rachitis frage 857.
— und Spasmophiliefrage 897.
Radialislähmung durch Schulterschuss 1850.
Pyloruscarcinom, Behandlung eines inoperablen Radialpuls, Volumenmessung des R. 1185.
P. mit Röntgenstrahlen nach Vorlagerung ! Radioaktive Substanzen, Eigenschaften ders. 1746.
— Röntgenbild und Operationsbefund bei P. 222.
Pylorospasmus 478.
— Therapie des P. bei Säuglingen 1820.
— Schicksal von Säuglingen mit P. und habitu¬
ellem Erbrechen 1228.
—- Resektion der Pars pylorica bei P. 1140.
— und Salzsäurephänomen 1283.
Pyloroplicatio und Pylorotorsio 1330.
Pylorusstenose 1096.
— — Chemische und physikalisch - chemische
Wirkungen von S. und deren Beziehungen zu
j biologischen Vorgängen 264.
t -Physikalische und chemische Eigenschaften
der R. 1283.
— Verteilung und Ausscheidung ders. 1573.
; Radioepilation, Methodik der R. der Kinderköpfe
712.
j Radiologie, Bedeutung der R. für die Diagnostik
1 des Verdauungskanals 1801.
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Original frn-m
UMIVERSITY OF IOWA
2022
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Radiolymphe 124.
Radiosensibilität, Abnahme der R, maligner
Tumoren, die mit Röntgenstrahlen behandelt
sind 1468.
Radium, Eigenschaften und Anwendungsweise des
R. 804.
— Aeussere Kathodenstrahlen als Ersatz von R.
und Mesothorium 222.
— Berufliche Schädigungen durch R. 706.
— Wirkung des R. auf gewisse Hypertrophien
der Epidermis 124.
— und Röntgenbehandlung maligner Tumoren
1946.
— reine, physikalische Eigenschaften und thera¬
peutische Anwendung 1080.
— Preisverhältnis zwischen R. und Mesothorium
910.
— Lässt sich die y-Strahlung des R. künstlich
in Röntgenstrahlen herstellen? 992.
— Rotationsapparat für R.-Bestrahlung 743.
Radiumemanation bei Ulcus cruris 1042.
Radiuminstitut, Arbeiten aus dem R. 1128.
Radium therapie 84.
— äusserer Erkrankungen 1746.
— des praktischen Arztes 556.
— in der Dermatologie 377.
— durch Emanationsnadeln 1424.
— Intraperitoneale Verwendung des R. 1278.
— Intratumorale R. von malignen Tumoren 1283.
— des Carcinoms der Prostata 845.
— des Uteruscarcinom 893.
— Intrauterine R. bei Carcinoma uteri 1578.
— und Mesothorium bei Carcinoma ccrvicis uteri
220.
— Mit R. behandelte maligne Erkrankungen 1468.
— maligner Tumoren 54, 126, 237, 14o3.
— Kann das Radium in der Chirurgie bei der
Behandlung maligner Tumoren von Nutzen
sein? 124.
— Mesothorium- und R. der bösartigen Tumoren
237.
— Medikamentös kombinierte R. 556.
— Erfolge der R. bei Milztumoren 293, 577.
— bei Ohraffektionen 669.
— Physikalische Grundlagen der R. 766.
— Probleme ders. 816.
— Stand und neue Ziele der Mesothorium- und
R. 201, 258.
— bei lokaler Tuberkulose 321.
— in der Urologie 706.
Radium-, Mesothorium- und Röntgenstrahlen, Bio¬
logische Reichweite ders. 1578.
Radius, Angeborenes Fehlen des R. 1281.
— Subluxatio perannulare des R. 366.
Radiuspseudarthrose, Neues Verfahren zur Ver¬
kürzung der Ulna bei der Operation von R.
1751.
Raphael, Tod R. an Phthise, kombiniert mit
Malaria 1246.
Rasenhygiene in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika 1324.
Ratt-entrit 126.
Ratte, Lernversuche bei weissen R. 1466.
Rattenbissfieber, Mit Neosalvarsan behandelter
Fall von R. 120.
Rauchen, Einfluss unmässigen R. auf die Gefässe
und das Herz 1426.
— Ist das R. schädlich? (Brief an Paul Ehrlich)
490.
Raynaud’sche Krankheit oder Endarteriitis ob-
literans oder Embolie? *1672.
— — Schwere Form von R. Kr. nach Unfall
1750.
— Symptomenkomplex, Mädchen mit R. 1489.
Reaktionsbewegungen, vestibuläre, der Tiere, Ein¬
fluss der Kopfstellung auf dies. 1945.
Reaktionskörper bei tuberkulös infizierten Kanin¬
chen 79.
Realencyklopädie der gesamten Heilkunde (Eulen¬
burg) 1796. !
Rechtsfragen, ärztliche 1123.
— — zur Kriegszeit 1766.
Rechtshänder, Rechtshirnigkeit bei R. 708.
Rechtsbirnigkeit 662.
Rechtsschutz, gewerblicher, Gesetzentwurf über
R. und Medizin 1137.
v. Recklinghausen’sehe Krankheit, Ilirnerweichun-
gen bei R. 362.
Rectaternährung nach Operationen ira Munde und
Schlunde 638.
Rectalgonorrhöe bei der kindlichen Vulvovaginitis
1232.
Rectogenitalcs Zwischengewebe, Epitheliale Neu¬
bildungen in dems. beim Weibe 1579.
Rectoskop 230.
Rectum, Pathologie des R. und der Floxura sig-
moidea 1241.
— Innere Prolapszustände der Schleimhaut der
Flexura sigmoidea und des R. 1186.
— Die lokale manuelle Nervenbehandlung in
Beziehung zu atonischen Zuständen des R. 462.
— Adenocarcinom des R. 674.
— Tumor villosus des R. 177.
— Variköse und Cavernose des R. 1152.
Rectumcarcinome 82.
—- in sehr jugendlichem Alter 575.
— Resultate der radikalen Operationen des R.
bezüglich der Erhaltung der Kontinenz 898.
Rectumprolaps, Behandlung des R. 845.
— Operative Behandlung des R. 767.
Verwendung frei transplantierter Fascien- und
Peritonealstreifen in der Behandlung des R.
684.
Rectumstricfcur, dysenterische 1151.
Rectus internus-Lähmung, Die bei angeborener
R. während der Adduktion auftretende Rück-
wärtsbewegung des Auges 803.
Recurrens, 300 Fälle von R. mit Salvarsan be¬
handelt 1106.
— Uebertragungsweise des R. 627.
Recurrenslähmung, Eine eigentümliche Erschei¬
nung bei R. 1710.
— Homolaterale R. bei Gehirntumor 1709.
— infolge Dilatation des linken Ventrikels 858.
Recurrensneuritis, Zur Lehre und Behandlung
der sogenannten Medianstellung der Stimm¬
lippe bei R. 1750.
Recurrensspirillen, Latenzperioden ders. bei einem
Recurrenskranken 1554.
— Sind die R. in den verschiedenen Entwick¬
lungsphasen beim Floh virulent? 1554.
Recurrensspirochäten, Entwicklung der R. in der
Kleiderlaus 319.
Reduktionsprozesse, Intermediäre R. beim physio¬
logischen Abbau 260.
Reflexe, Abdominal-, Cremaster- und Plantar-R.
1848.
— koordinierte subcorticale 956.
— Die besondere Labilität der inneren Hemmung
bedingter R. 511.
—- pleurogene 612.
Refraktionsbestimmnng, Apparat zur R. bei Schul¬
kindern 1823.
Refraktometer, Anwendung des Abbe’schen R. bei
chemisch-physiologischen Untersuchungen 25.
Regio frontalis, Entfernung eines Tumors aus der
R. 942.
Reichsversicherung, Leitfaden der R. für den be¬
handelnden und begutachtenden Arzt 1552.
Reichsviehseuchengesetz, Bedeutung des 11. für die
menschliche Medizin 952.
Reinfectio syphilitica 1047.
-nach Abortivbehandlung 1245.
-Ei gonartiger Fall von R. 561.
-nach Salvarsanbehandlung 32, 1002.
Reisebilder, medizinische 188.
Reiseeindrücke, Hygienische und ärztliche 1t. aus
Nordamerika 427.
Reizinstrumente, Elektrische R. für chirurgische
Operationen 943.
Reizleitung, Neue Hypothese der R. im Nerven¬
system und Vorgang bei Muskelkontraktion 718.
Reizleitungsfasern, Morphologie der R. u. Muskel¬
fasern im menschlichen Herzen 894.
Reizleitungssystem im Herzen 1524.
Rentenlehre für Aerzte 1552.
Resistenz, Steigerung der R. und des Antikörper-
j gehalts durch Knochenmarkreizraittel: Tho-
rium X, Arsenikalien etc. 1082.
Resorptionsfieber oder Retentionsfieber 1749.
Retina s. a. Netzhaut.
— Angioglimatosis der R. 1377.
| — Arbeiten aus dem Gebiet der Pathologie des
! Centralgefässsystems der R. 614.
— Eine unter dem Bilde der Netzhautablösung
Retina, Blutungen in der R. bei Miliartuberkulose
125.
— Echtes Carcinom der R. 848.
— Degeneratio circinata der R. 368, 1048.
— Akute Ischämie der R. 83.
— Lokalisation der angioiden Pigmentstreifen
der R. 1048.
— Pigmentstrei/enbildung in der R. 1048, 1530.
— Primäre Tumoren ders. 614.
— Juvenile Periphlebitis der R. — eine echte
Gefässtuberkulose der R. 1284.
— Veränderungen der R. infolge Blendung 1201.
Retinitis, Blendungs-R. nach Sonnenfinsternis-
beobachtung 33.
— exsudativa, Anatomischer Befund bei R. 368.
Retrobulbärtumor, Exstirpation eines R. ohne
Krönlein’sebe Operation 1239.
Rheumatismus cerebralis 1152.
— chronischer, Behandlung des R. mit Radium¬
emanation 1249.
— Radiumbehandlung dess. 1847.
— tuberculosus 221, 1426.
Rheuraatismusfrage, Aetiologisches in ders. 1555.
Rhino-Dakryocystostomie 1633.
Rhinoiogie, Neuere Arbeiten aus der R. 123.
Rhinoplastik nach Lexer 668.
— totale 224, 621, 760.
Riechstoffe, Verhalten des Hundes gegen R. 76.
Riesenkind, Häufigkeit und geburtshilfliche Be¬
deutung der R. 761,
Riesenmagnet, Richtiger Gebrauch des R. bei
Augenoperationen 1876.
Riesenwuchs mit akromegalischem Typus 1295.
•—mit Atrophie der Geschlechtsorgane 559.
— Erworbener R. der rechten unteren Extremi¬
tät 760.
— halbseitiger 221.
Riesenzelle, Sternähnliche Gebilde in R. 1128.
Riesenzellengeschwülste, Bedeutung des Chole-
stearins für die Entstehung von R. der Sehnen
und Gelenke 1616.
Riesenzellengliom 167.
Rindenepilepsie s. Epilepsie.
Rindensubstanz, Inhaltsberechnung der Mark-
und R. durch planimetrische Messungen 942.
Rindertuberkulose, Diagnose der R. mittels der
Komplementbindungsreaktion nach derMethode
von Hammer 941.
— Tödlich verlaufene Infektion des Menschen
mit R. 1538.
Ringer’sche Lösung, Behandlung juckender Derma¬
tosen mit R. L. und Eigenblut 1919.
Ringskotom, hemianopisches 83.
Ringwurm, Behandlung des R. 797.
Rippendefekte, angeborene totale 822.
— kongenitaler 997.
Rippenknorpelnekrose, metastatische 333, 560.
Rippenlücke, Orthopädischer Ersatz einer grossen
R. 760.
Rippenschere, neue 33.
Rippen tuberkulöse, Behandlung der Brustbein-
und R. mit Röntgenstrahlen 409.
Rollier, Ein Besuch bei R. 991.
Rom, Beiträge zur ältesten Geschichte der Geburts¬
hilfe in R. 1919.
Röntgenaufnahmen von Geschossen 1902.
— eines Ileus 1903.
Röntgen-Ausstellungen 712.
— Praktische Vorschläge für die nächste R. 846.
Röntgenbefunde, seltene 712.
Röntgenbild, Fremdkörper im R. 1471.
— Insuffizienz der Valvula ileocoecalis im R.
Röntgenbilder 720.
— aus dem Gebiete der Laryngologie 1477.
— von Magenoperierten 1583.
Räumliche Ausmessung von stereoskopischen
R. 1734.
— von Projektilen im Körper 1950.
Röntgenbiologie, Studien und Theorien 1143.
Röntgencarcinom 1376.
— am Handrücken 1058.
Röntgendemonstrationen 574.
Röntgendiagnosen, geburtshilfliche 1131.
Röntgendosimetrie, Fehlerquellen der R.
— Das Tonomoter in der R. 1600. .
Röntgenempfindlichkeit, Schwankungen der •
einer Person 1245.
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verlaufende erbliche Erkrankung der R. 368. (Röntgenfieber und Friiherythem 1131-
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UNIVERSUM OF IOWA
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2023
Röntgon-Härtenbestimmung 712.
Röntgeninduktor, Magnetisches Verhalten von R.
845.
Röntgeninstrumentarien für Tiefentherapie 1471.
— Vergleichende Versuche mit modernen R. mit
Bezug auf die Tiefentherapie 321.
— Vergleichende Versuche mit modernen R. 1131.
Röntgenisation, kontinuierliche 1377.
Röntgenlehre, 'Handbuch 1464.
Röntgen-Negativpapier, Die DurchschreibpackuDg
für R. 1821.
Röntgenograram, Stereoskopische Abbildung ders.
1471.
Röntgenologische Fehldiagnosen 911.
— Tiefenmessung, besonders bei Fremdkörpern
1825.
— Vorrichtung zur Erzeugung von Wurmfortsatz¬
bildern 1517.
Röntgenphotographie, Klinische Anwendung der
R. der Leber und Milz 1608.
Röntgenröhre, Verwendung der Coolidge-R. 1130.
— mit reiner Elektronenentladung 1130, 1821.
— Methode zum Erreichen von konstanter Härte
der R. 1471.
— Neue Osmoregulation der R. 910.
— Die Coolidge-R. 910.
— Lumiereaufnahmen von R. 667.
Röntgenröhrenbetrieb in der Gynäkologie 1131.
Röntgenröhren-Regulierung, Beitrag zur R. 1821.
Rontgensekundärstraklenblende als Hilfsmittel für
die Lokalisation von Geschossen 1923.
— bei Lokalisation von Geschossen, demonstriert
an zwei Herzschüssen 1940.
Röntgensphäroskop, Kugelgelenkige Centrier- und
Einstellvorrichtung „R. tt 845.
Röntgensterilisierung 1839.
Röntgenstrahlen, Die Absorption der ß-, y- und
R. im Gewebe 739.
— Behandlung der Hypertrichose mit R. 1874.
— Biologische Einwirkungen der R. 908,- 1752.
— Einwirkung der R. auf tierische und mensch¬
liche Ovarien 908.
-auf die männliche Keimdrüse 908.
— Biologische Reichweite der Radium-, Meso -1
thorium- und R. 1578.
— Heilung tiefliegender Carcinomc durch R. 1554. ■
— Dosierung der R. 170.
— Zum Schutze des Arztes bei Durchleuchtung ;
1747.
— Einwirkung der Radium- und R. auf die
inneren Organe speziell die Milz 1327.
-der R. auf den pflanzlichen Organismus
908.
—- Dauerbehandlung mit R. 909.
— Ersatz radioaktiver Substanzen durch R. bei
der Tiefentherapie 77.
—* Erzeugung konvergenter und paralleler R.
911.
— Fehlerquelle bei Untersuchungen über die
motorische Bedeutung des Magensäurcinhaltes
1471.
~ Frauenleiden mit R. behandelt 1468.
— Fremdkörperlokalisation 1849.
— Messung der Wirkung von R. und y-Strahlen
1821.
— Natur der R. 1337.
— und Schwangerschaft 1262.
— Tiefenmessung der R. 1136.
— Verwendung stark gefilterter R. zur Ober¬
flächentherapie 712.
— Kleiner Vorteil beim Durchleuchten mit R.
1600.
— Einige unbekannte Wirkungen der R. und
1606 ^ era P eu ^ sc ^ e Verwertung 909, 1432,
Röntgenstrahlenenergie, Neue Art der Anwen¬
dung von R. 381.
Röntgenstrahlenmenge, Methode, eminent grössere
R. als bisher zu erreichen 124.
Rüntgenstrahlenreizdosen bei Knochenbrüchen
1470.
Röntgenstrahlenspectrum 1471.
Röntgen täuschungeji 1199.
Röntgen-Taschenbuch 937.
Röntgentherapie der Basedow’schen Krankheit
1798.
— bei Blutkrankheiten 1468.
— Bewertung ders. bei Carcinom 909.
Röntgentherapie tiefliegender Carcinome von der
Körperoberfläche aus 1578.
— Dosierung bei R. des Carcinoms 712, 1820.
— Neuere Fortschritte der R. in der Dermato¬
logie 561.
— der Furunkulose 909.
— der Gelenktuberkulose 170.
— gynäkologische 667, 1393.
-Kreuzfeuerwirkung in der R. 32.
— — Technik ders. 1249, 1599. | Sachverständige, gute Aerzte — bessere S. 849.
— — Was brachte das Jahr 1913 der R. ? 1131. j Sachverständigentätigkeit, Lehrbuch der ärzt-
— Handbuch der R. 937. liehen S. für die Versicherungsgesetzgebung
— Bedeutung der R. für die innere Medizin 708. j 1466.
Rumination im Säuglingsalter 611, 1228.
Rumpfquetschung, Blutungen am Kopf und Hals
bei R. 366.
Rundzellensarkom, Hühnereigrosses R. des Colon
ascendens 1600.
s.
i — der Knochen- und Gelenktuberkulose 124,
| — der Lungentuberkulose 909.
— der bösartigen Neubildungen 1820.
j — tuberkulöser Lymphdriisen 1578.
1 — der Uterusmyome 124.
— bei Vulvaaffektionen 1468.
Röntgentherapierühre, neue, mit Kompressions¬
luftkühlung 321.
Röntgentiefenbestrahlung mit grossen Feldern und
wandernder Röhre 321.
— Schwere Röntgenverbrennung nach R. 1942.
— Technische Neuerungen bei R. 1136.
Röntgentiefentherapie bei chirurgischen Krank¬
heiten 1746.
— in der inneren Medizin 1184.
— Wesen und Erfolge der R. 428, 575.
Röntgenulcus, behandelt nach Pfannenstill’s Me¬
thode 1529.
Röntgenuntersuchung, Einfache Aufnahmetechnik
zur B. der Baucheingeweide 1764.
— Kombination von klinischem Röntgenkabinett
mit Laboratorium für tierexperimentelle R.
1131.
— in Garnisonlazaretten 1773.
— bei Schusswunden 1800.
Röntgenverbrennung 366.
— der Finger 910.
— Schwere R. nach gynäkologischer Tiefen¬
bestrahlung 1942.
Röteln, Klinische Beiträge zur Kenntnis der R. 321.
Rötelnepidemie in Wien 953.
Rosenbach’sches Tuberkulin bei Lungentuber¬
kulose 1468.
Rotz, chronischer, beim Menschen 365, 613, 1081.
— Drei Fälle von R. 80.
Rubner, M., zum 60. Geburtstage 1015. j
Rückenmark, Akute bedrohliche Erkrankungen
des R. 222.
— Autochrombilder von Schnitten des R. 722.
— Autonome Funktionen des R. 938.
— Echinokokken des R. und der Cauda equina
321.
—- Direkte Einwirkung einiger Substanzen auf
das R. 948.
—- QuantitativepharraakoiogischeUntersuchungen
über die Reflexfunktionen des R. 1707.
— Schraerzleitung im R. 1466.
— Schussvcrletzung des R. 1786.
— Histologische Untersuchung des R. von Hunden, 1
die derRachistovainisation unterworfen wurden !
27.
— Eventuelle Teilung von hinteren Wurzeln und
deren weiteres Verhalten zum entsprechenden
Segment des R. 896.
llückenmarksehuss, anatomischer Befund 1965.
RückenmarkserkrankuDgen, Ursacho des über¬
raschend schnellen Geburtsablaufes bei R.
1920.
Rückenmarksgeschwulst, intramedulläre 1130.
— Lokaldiagnose von R. 242, 457.
Rückenmarksschussverletzung 1901.
Rückenmarkssyphilis, Intradurale Injektion von
Neosalvarsan bei R. 1000.
Rückenmarkstumor, geheilter 711.
— Der Krieg und die ärztliche S. 1773.
Sacralanästhesie, Technik der S. 755.
Sacraltumor, angeborener 141.
Safrantinktur, Abortversuch mit S. 1773.
Säge, chirurgische, Entwicklung der S. 1436.
Saitengalvanometer 137, 1080.
— Untersuchungen des Tremors mit dem S. 1848.
Salbenapplikation ohne Salbenverband 556.
Salicyisäure, cutane Resorption derS. aus Pflastern
1429.
Salkowski, Ernst, zum 70. Geburtstage 1714.
Salophen 1467.
Salpetersäure, rauchende, Vergiftung mit S. 377.
Salpingitis, Zusammenhang von Aetiologie und
Histologie der S. 411.
— Histologie der eitrigen S. 1579.
Salvarsan, Organ Veränderungen bei mit S. be¬
handelten Tieren 78.
— Bemerkungen zur Syphilispathologie und zur
Heilwirkung des S. 433.
— Vorhalten des S. und Neosalvarsans im
Organismus 556.
— Verarbeitung des S. im Organismus 607.
— und latenter Mikrobismus 666, 1448.
— Toxizität des S. 802.
— Wirkung von S. auf Hühnerspirochäten in vivo
und in vitro 940.
— Wirkungsart des Atoxyl, S. und Menschen¬
serums bei experimentellerNaganainfektion 988.
— Farbreaktion auf S. in der Lumbalflüssigkeit
1057.
— Gefährlichkeit des S. 1096.
— Wirkliche und angebliche Schädigungen durch
S. 1126.
! — Chemotherapeutische Versuche mit S. 1277.
| — Das Schicksal von intramuskulär und subcutan
injizierten unlöslichen Arzneien, speziell des
S. 1526.
— Einwirkung von S. und der Kombination von
S. und Quecksilber auf den Fötus 802.
— Fall von Anthrax geheilt durch S. 1564.
— Wirkung des S. auf die kongenitale Syphilis
des Fötus bei Behandlung der Mutter 1632.
— Darf bei weichen Schankergeschwüren prophy¬
laktisch S. angewandt werden? 1688.
— 3 Jahre S. bei Lues des Centralnervensystems
und Tabes 561.
— bei Recurrens 1106.
— Intelligenzbewegung bei Paralytikern nach
S.-Therapie 1527.
— Erfahrungen bei Injektionen von S. in das
Centralnervensystem 1553.
— gegen sympathische Augenentzündung 83.
— Erfolge mit S. beim Auge 993.
— Herpes zoster nach S. 1749.
—- bei Sklerom der oberen Luftwege, bei Lues
und Tuberkulose 1049.
— bei Tropenkrankheiten 1088.
— bei Schlafkrankheit 1132.
— Todesfall nach S. 986.
j Salvarsanbehandlung, Bisherige Erfolge des S. im
Marinelazarett Wik 561.
| — endolumbale 842, 1278.
— des Milzbrandkarbunkels 1278.
Ueber im Anschluss an die Lumbalpuntion | — Gefahren der S. 361.
eintretende Zunahme der Kompressionserschei¬
nungen bei extramedullären R. 1739.
Rückenmarksverletzungen 1850.
Rückenschmerzen, Spondylitis deforraans und Un¬
fall 84.
Rückfallfieber als Kriegsseuche 1654.
Ruhe- und Aktivitätsperiodon bei Tieren 1466.
Ruhr, Behandlung der 1697.
Ruhrähnliche Dannerkrankungen 1949.
Rumination beim Menschen 801.
reine, der Syphilis 533.
— der Syphilis des Nervensystems 706.
— in der Chirurgie 943.
Salvarsaninfusionen bei Scharlach 1708.
Salvarsaninjektion, intramuskuläre, Behandlung
der Framboesie mit S. 83.
— intravenöse, Technik und Erfolge der S. 561.
— Ciliar- und Sehnervengumma nach S. 83.
— Erfahrungen bei S. in das Centralnorvensystem.
1338.
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UNIVERSUM OF IOWA
2024
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Salvarsaninjektion, Todesfall an akuter Encepha¬
litis nach S. 414.
— Todesfall durch akute Arsenvergiftung nach
S. bei Nichtluetischer 986.
Salvarsankupfer, Behandlungsversuche mit S. 120.
— Therapeutische Versuche bei Trypanose mit S.
223.
Salvarsanlösung, Injektion konzentrierter Alt-S.
846.
Salvarsan-Quecksilberbehandlung, Heilung der
Syphilis durch die kombinierte 1541.
Salvarsanserum 797, 1082.
— bei Syphilis des Centralnervensystems 1224.
Salvarsantod, experimentelle Untersuchungen über
S. 1097.
— Kritische Bemerkungen zur Pathogenese eines
S. 1633.
— und ihre Ursachen 1331.
— Kritische Bemerkungen zuderMentbcrger'schen
Zusammenstellung der Neosalvarsan- und S.
1283.
Salvarsanwirkung, Theorie der S. 758.
Salvarsan und Neosalvarsan bei Syphilis und |
Parasyphilis 381.
— — besonders ambulatorisch angewendot 1187. j
— ■— Topographie derselben 1525.
Salzdefizit, Ist bei S. das Eiweiss besonders weit-!
gehend aufgehalten? 79.
Salzsäure, Nachweis der S. in der Medizin 408. ,
Samenblasencyste, intravesicale 1087.
Sanduhrmagen, angeborener 238.
— Röntgenologisches und Klinisches zur Frage
des S. 759.
— Operative Behandlung 1470.
— bei nicht tiefgreifendem Ulcus ventriculi 1582.
Sanitätsbericht der Kgl. preussischen Armee vom
1. Oktober 1910 bis 30. September 1911 1041.
Sanitätskorps, Organisation derselben 1753.
Sarkoid, Boeck’sches S. 1600.
— und Syphilis 1429. j
Sarkom und Unfall 84.
— nach Trauma 612.
— der Fibula 912.
— Histologische Variationen eines Hühner-S.
mittels filtrierbaren Agens erzeugt 1265. I
— meningealen Ursprungs 1001.
— primäres, der Gallenblase 711, 1129.
— — des rechten Vorhofes 1128.
— — der Portio 1142. j
Sarkomentwicklung nach Q.uarzlampenbehandlung 1
108, 235. j
Sarkomrezidiv 478. I
Sauerkleesalz, Vergiftung mit S. 1491. j
Sauerstoffatmung, Empfindlichkeit der S. gegenüber
indifferenten Narcotiea 1326.
Sauerstoffmittel in der Dermatologie 1798.
Saugen, Physiologie des S. bei normalen und
pathologischen Brustkindern 425, 610.
Säugetierherz, Dynamik des S. 1632.
Säugetierlunge, Beobachtungen an der über¬
lebenden S. 1553.
Säugling, Ernährung von S. nach physiologischen
Grundsätzen mit Friedentharscher Kindermilch
und Gemüsepulvern 469, 727.
— Kraftbedarf des S. 1130.
— Harnabscheidung des S. 1875.
— Leukämie ders. 1900.
— Weniger schematische Behandlung von S. im
Krankenhause 1900.
Säuglingsalter, Kasuistik aus der Pathologie des
S. 611. |
Säuglingschirurgie 414. j
Säuglingsdarmkatarrh, Aetiologic des S. 34, 611.
Säuglingsdiätetik, moderne, und die Praxis 651.
Säuglingsernährung, kalorische Betrachtungsweise
der S. 1129.
— Anpassung der Kuhmilch an die Frauenmilch
bei der S. 1874.
Säuglingskrankheiten, Leitfaden 1370.
Säuglingsnahrung, Fettanreicherung der S. 897.
Säuglingssterblichkeit, Bekämpfung der S. in
Mietskasernen 1560.
Säuglingssluhl, Bacillenflora des S. 1373.
Säure, Pharmakologische Wirkung calciumfällender
S. und der Magnesiumsalze 1423.
— organische, im Säuglingsharn 897.
Säureagglutination 319.
— der Typhusbacillen 1481.
Scabies, Behandlung der S. bei Kindern 709.
Scabiesebaga an Stelle von Ungt. sulf. Wilkinsonii
1467.
Scapularkrachen 271.
Scbenkelbalsbrüche, Blutige Behandlung un¬
günstiger S. 1487.
Schief hals, s. Caput obstipum.
i Schiefnase, Korrektur einer knöchernen S. 904.
Scarlatina, Schwankungen der Serumkonzentration Schielen, Untersuchungsprogramm des S. 272.
bei S. 1555.
Schädel, Ostitis fibrosa (cystica) des S. 991.
Schädelbasis, Carcinom der S. 378.
— äussere, Chirurgische Anatomie der S. 761.
— Fibrosarkom der S. 1140.
Schiene, zerlegbare, für das Bein 270.
j Schiessbrilicn 1325.
I Schilddrüse, Physiologie der S. und der Epithel-
| körperchen 1797.
— Schicksal des Jods in der S. 1524.
Schädelbasisbruch, Linksseitige Facialis-, Ab-j— Dauernde Einheilung verpflanzter S. und Neben-
ducens- und Trochlearislähmung nach S. 234.
Schädolbasisfrakturen mit Beteiligung des Warzen¬
fortsatzes und deren Behandlung 563.
— Ein- und gleichseitige Vagus- und Accessorius-
I Schilddrüsen 1947.
Schilddrüsenbehandlung, Sacbgemässe S. 1749.
i Schilddrüsenstoffe, Beeinflussung der Lungen durch
lähmung und vollkommene Taubheit nach S. Schilddrüsentransplantation 1947.
1428.
Scbädelbrüche, Priorität derselben 1651.
— komplizierte 853.
Schädeldach, Behandlung komplizierter Splitter¬
brüche des S. 560.
Schädelgrubc, Tumor der hinteren S. 34.
Schilddrüsentumor, ein Aneurysma des Aortea-
j bogens vortäuschend 1567.
Scbilddrüsenvergrösserung, Vorkommen des en¬
demischen Kropfes und der S. am Mittelrhein
und in Nassau 1610.
Schildknorpel, Perichondritis des S. 368.
hintere, Störungen der Innervation des Nervus Schimmelpilz, Ulcus ventr. verursacht durchs.363.
facialis bei Tumoren dor S. 222. Schizotbymie und Zyklothymie 1680.
Sciiädclheteroplastik mit Celluloid 271. Scbizosoma reflexum 1290.
Schädelkapazitätsbestimmung, Methodik derselben Schlaf, Ist der S. eine Bewusstseinsstörung? 1773,
in bezug auf einen Fall von Hirnschwellung Schlaf-Drucklähmung, atypische 1733.
bei Katatonie 1526.
Schläfenbein, Das Cholesteatom dess. 1963.
Schädelknochen, Osteomyelitis der S. im An- Schlafkrankheit, Therapie ders. 1946.
Schluss an Nebenhöhleneiterungen 372.
Schädeloperationen 1296.
Schädelperkussion, Bedeutung derselben 1752.
Schädelplastik durch Rippenknorpel 1148.
Schädelschuss, Lähmungen infolge einer im
Schädel sitzenden Kugel 1774.
Schlaflosigkeit, Bekämpfung der S. 705.
— Wesen und Behandlung der S. 861.
— nervöse, Brombehandlung neurastbenischer
Beschwerden, insbesondere der S. 267.
— Behandlung der S. bei Herzinsuffizienz 1224.
Schlafstörungen 1633.
— Astereognose nach S. bei intakter Sensibilität I — im Kindesalter 1228.
1850.
Schädolschüsse im Kriege 1230.
— Demonstrationen von S. 1963.
— Neurologische Fragen bei den S. 1825.
Schleimhauttuberkulose, Die Kupferchemotherapie
der S. der oberen Luftwege mit Lekutyl-
inhalationen 1708.
Schlüsselbein s. Clavicula.
mit funktionellen Schädigungen und Sensi- Schmerzen, phlebogene 521.
bilitätsstürungen 1903.
Schädeltrauma und Lumbalpunktion 1633.
Schädolverletzungen durch elektrischen Stark¬
strom 991.
— subcutane, die Meningitis nach S. 1428.
— Hysterischer Mutismus nach Sch. 1850.
Schallregistrierung 1325.
Schallschädigungen nach Erkrankungen des Mittel¬
ohrs 126.
Schmerzproblem 708.
Schmerzleitung im Rückenmark 1466,
Schnelleinbettung, Kombination der S. in Paraffin
mit Stüc.kdurchfärbung 755.
Schnellverband, aseptischer 415.
Schnupfen, Die Erreger von Husten und S. 1469.
Schönheitsinstitute, Sogenannte S., Warnung davor
1488.
Schornsteinfegerkrebs 614.
Schaltknochen in der grosson Fontanelle 1151. Schrägschnitt,physiologischer, imEpigastrium 845.
Scharlach, Zur Theorie des S. 64.
— Verbreitungsweise des S. 1820.
— Heimkehr bei S. 142, 897.
Schreibkrampf, Neue Apparate zur Behandlung
dess. 1874.
Sehreibkünstler, doppelhändiger 657.
akut entzündlicher pyämischer Prozess nach Schrumpfniere, tuberkulöse 30, 418.
S. 379. — Aetiologie der S. 169.
ein mit Meningitis meningococcica kom- — in jugendlichem Alter 1150.
plizierter geheilter Fall von S. 463.
— Jodanwendung bei Diphtherie und S. 267.
— Serumtherapie des S. 361.
— Bedeutung der Doehle’schen Leukocvten-
einschliisse bei S. 380, 1144.
— diagnostische Bedeutung der Leukoeyten-
einsehlüsse bei S. 627.
Schule, Arzt und S. 1611.
Schulhygiene, Handbuch 1465.
Schulhygienisches aus Bozen 1244.
— aus Amerika 1244.
Schulkinder, schwerhörige, Fürsorge der Stadt
Berlin für S. 1288.
Schulkommissionsbericht 92.
Bedeutung der Leukocyteneinschlüsse für den Schulter, Tuberkulöses Zwerchsackhygrom an der
S. 1747.
— Zelleinschlüsse bei Masern und S. 798.
— spindelförmige Bakterien bei S. 1250.
— sekundäre Appendicitis bei S. 168.
S. 769.
— schnellende 1186.
Schultergelenk, Monartikuläre Arthritis des
beim Kinde 1150.
— Tödliche eitrige frühzeitige Peritonitis bei S. Schulterlähmung, Operative Behandlung der S. 991.
1565. Schulterluxation, habituelle 710.
— Einfluss des S. auf die Wassermann’sche — veraltete 718.
Reaktion 650. — Plexuslähmungen nach S. 1337.
— Behandlung des S. mit Salvarsan 1327, 1708. Schultermuskulatur, Atrophie und Lähmung
— —■ mit Humanserum und Serumlipoiden 1427. Bereiche ders. 1561.
Scharlachexantbem, anormales 169. Schulterschmerz, DerS. bei den akuten chirurgiscl
Scharlachrotsalbe, Behandlung von Hautdefekten Erkrankungen der Bauchhöhle 1529.
mit S. 381. Schulterverletzung, Arthritis acromio-claviculi
Schauta-Wertheim’sche Prolapsoperation, Dauer- als wichtiges Glied in der Pathologie
erfolge ders. 1921. stumpfen S. 1428.
Scheidcncarcinom, grosses 1486. Schussfrakturen, Behandlung der S. der Exfre
Scheidenkeime, Einfluss der Menstruation auf die täten im Kriege 1229.
Hämolyse der Sch. 1920. — der Gelenke, Schienen oder Gipsverbände
Scheintod und wirklicher Tod 119. 1902.
Schoitellappen, Diagnose und Therapie der Ge- Schusskanal, Merkwürdigkeiten des S. 1714.
schwülste des S, 1688. Schussverletzungen 1949, 1965.
Sehenkelhalsbruch, Was wird aus dem S. der — durch Flaubert 1653.
| Kinder? 270. — Beobachtungen über S. 1714.
Bereiche ders. 1561.
Schulterschmerz, DerS. bei den akuten chirurgischen
Erkrankungen der Bauchhöhle 1529.
Schulterverletzung, Arthritis acromio-claviculans
als wichtiges Glied in der Pathologie der
stumpfen S. 1428. .
Schussfrakturen, Behandlung der S. der Extremi
täten im Kriege 1229. . ■
— der Gelenke, Schienen oder Gipsverbände t>c
1902.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2025
Schussverletzungen, Allgemeine Gesichtspunkte
bei der Behandlung der S. 1713.
— Praktische Winke zur Behandlung 1881.
— Demonstration von einzelnen V erletzungs-
formen 1713.
— Infektion ders. 1528.
— des Schädels mit funktionellen Schädigungen
und Sensibilitätsstörungen 1903.
— des Ilinterhauptlappens 1901.
— Symptomatologie der Stirnhirnsehiisse 1923.
— des Halssympathicus 1901.
— der Armnerven 1761.
— Radialislähmung durch Schulterschuss 1850.
— Ulnarislähmung nach S. 1850.
— Obcrsehenkelfrakturen durch S. 1714.
— Lendcnwirbelkonturschuss 1911.
— von Gehirnnerven 1702.
— des Rückenmarks 1786.
— Facialis- und Hypoglossusparese nebst Aphonie
nach S. 1850.‘
— des Plexus brachialis 1850.
— Erb-Duchenne’sehe Plexuslähmung, kombiniert j
mit Sympathicuslähmung 1903. • I
— Behandlung der Kieferfrakturen und S. des ,
Gesichtes 1734. !
— der Leber 1926. j
— der Lunge 1714, 1924. j
— der oberen Luftwege 1966. !
— Perforierende S. des Magens 1781.
— Funktionelle Lähmungen nach S. 1950.
— peripherer Nerven 1949.
— Magenfistel und doppelte Darmfistel mit ge¬
heiltem Tetanus durch S. 1850.
— des Rückenmarks, anatomischer Befund 1965.
— des Tuber parietale 1901.
— Röntgenuntersuchungen bei S. 1800.
Schutzgebiete, deutsche, Medizinalbcrichte für
1910/11 408.
Schutzpocken, Klinischer Verlauf der S. 222.
Schwachsinn, Graphologische Kennzeichen 320.
— und Hirnkrankheiten mit Zwergwuchs 365.
Schwangere, Röntgen bi ldcr von lloch-S. 572.
— Auftreten blutfremder proteolytischer Fermente
im Blute von S. 798.
Schwangerschaft, Mehrlings-S. 1143.
— Perniciösc Anämie während der S. 367.
— Cholecystitis in der S. 367.
— Einfluss der S. und des Wochenbettes auf
die Sterblichkeit der weiblichen Bevölkerung
an Tuberkulose 414.
— Meiostagminreaktion bei Careinom und S. 798.
— Verwertbarkeit der Abderhalden'sehen Reaktion
in der Diagnose der S. 798.
— Forensich-psychiatrisohe Bedeutung von Men¬
struation, S. und Geburt 800.
— Bedeutung der Kyphoskoliose für S., Geburt
und Wochenbett 802.
— und Röntgenstrahlen 1262.
— Ein häufiges Frühzeichen der S. 1472.
— ausserhalb der Gebärmutter und Untal 1 1582.
— Hautreaktion in der S. 720.
— Neue Hautreaktion in der S. 757, 1087.
— bei fixierter Retroflexio uteri, kompliziert durch
Appendicitis 849.
— Prognostische Bedeutung von Erkrankungen
der Nieren in der S. 465.
— Nierenveränderungen in der S. 798.
— Sehstörungen in S. und Geburt 950.
— und Myom 74, 1146.
— Einfluss der S. auf das W achstum maligner
Tumoren 272.
— und Herzfehler 125.
— Unterbrechung tler S. bei Psychosen 800.
— Unterbrechung ders. und Sterilisation aut
abdominellem W r egc in einer Sitzung 1875.
— nach Myomektomie 1920.
Schwangerschaftsalbuminurie, proteo- und pepto-
lytisches Vermögen des Serum bei S. 557.
Schwangerschaftsanämie 462.
Schwangerschaftsblutungen 1709.
— Behandlung bedrohlicher S. 940.
Schwangerschaftsdauer 651.
Schwangerschaf tsdermatosc,.Serumbehandlung 893.
Schwangerschaftsdiagnostik, Bedeutung der Anti-
Schwangersehaftsglvkosuric, eine Form des renalen
Diabetes 29.
Schwangerschaftspye]itis 465.
Schwangerschaftsreaktion nach Abderhalden 364,
461, 557, 626, 1280.
— biologische 1554.
— conjuuetivalc und intradermale 1429.
— Quantitative Ausführung der Abderhalden-
schen S. 988.
Schwangerschaftsthrombose, Angebliche physio¬
logische S. vonGefässen der uterinen Placentar-
stelle 937.
Schwangerschaftsunterbrechung, habituelle, und
innere Sekretion 414.
— Methodik der S. und gleichzeitiger Sterilisation
bei Lungentuberkulose 1629.
Schwebebronchoskopie, Ein unter S. extrahiertes,
von einem zehn Monate alten Kinde aspiriertes
Knochenstück 1710.
Schwebelaryngoskopie 719.
— Verbesserung am Spatel für S. 330.
— UnterS. entfernter grosser subglottischer Tumor
1710.
Schwcbemarkcnlokalisator 1901.
Schwefel, Bindungsformen des S. im Harn 939.
Schweiss und Schwitzen 895.
Schweissfriesel 165.
Schwerhörige, Anwendung von Radium bei S. 905.
Schwerhörigkeit, Neueste Behandlungsmethoden
von S. und subjektiven Geräuschen 220.
— Funktionelle Behandlungsmethode der S. nach
Zünd-Burguet 1247.
Schwurgerichte, Psychologie der S,
Schwindler, hysterischer 427.
Sclera, Melanochromic der S. 176.
Scleroderma diffusum, Stickstoff-
stoffwcchselUntersuchungen bei
Sclerodermie mit Atrophie der Schilddrüse 1604.
Scleroma respiratorium, Ein mit Vaec.in erfolglos
behandelter und durch Anwendung physika¬
lischer Behandlungsmethoden gebesserter Fall
I von S. der Nase und des Rachens 512.
Scleritis tubcrculosa 854.
1 Selerotomie, Technik und Indikation der $
Elliot 176.
1 Scopolaminlösung, Haltbarkeit der S. 220.
Serofulose der Züricher Heilstätte 1425.
Scrotalstein 38.
Serotum, Lymphablertung dess. 1875.
Seborrhoea capitis, Su lfoformbchandlung ders. 1600.
Seealepräparatc, Beziehungen der physiologischen
Wirkungen von Hypophysenextrakt, Adrenalin,
j sowie S. und Imidazolyläthylamin 267.
' Sectio caesarea cervicalis posterior 847.
| Seglermesser, englisches 1825.
1 Sehen, Theorie des S. 359.
I — in Zerstreuungskreisen 993.
Sehnenersatz, ausgedehnter, durch freie Faseien-
I transplantation 710.
Sehnennaht und Sehnentransplantation 1102.
Sehnenplastik nach Poliomyelitis 674.
— bei poliomyelitischer Lähmung 857.
Sehnenreflexe, Physiologie der S. im Säuglings¬
und Kindesalter 1900.
1386.
und Mineral-
610.
nach
i Sehnenverlängerung durch das Rutschenlassen 760.
Sehnenverpflanzung 813.
I — Physiologische Forderungen der S. 814.
. Sehnerv, Erkrankungen der Central gefässe des S. 92.
— Pseudotumor des S. bei intrakranieller Er¬
krankung 956.
| — Metastatisches Careinom des S. 1237.
Sehnervenatrophic, tabische, Frühdiagnose der S.
1339.
Sekretin, Physiologische und therapeutische Wir¬
kung dess. 1899.
Sekretion, innere, und neue Funktion der Gefässe
647.
— — in Beziehung zu Kieferbildung und Zahn¬
entwicklung 1223.
— — Wachstumsstörungen und ihre Beziehungen
zur inneren S. 1563.
Sektionstechnik, Grundriss der S. 166.
Sekundärstrahlen 909, 1131.
— und Strahlenfiltcr 910.
— und Sekundärstrahlentherapie 1819.
— charakteristische, der Metalle und ihre Be¬
deutung für die Tiefentherapie 911.
Selbsthilfe, gewalttätige, der modernen Frau 1386.
Selbstinfektion in der Gynäkologie 1376.
Senium praecox 284.
Sennatin, ein neues Abführmittel 608.
— Erfahrung mit S. 893.
— Anregung der Peristaltik nach Laparotomie
durch S.' 1919.
Sensibilisierung, sympathische, spezifische und
unspezifiscjic 268.
Sepsis, klinischer Vortrag 1876.
— Therapie der S. 409.
— Wesen und Behandlung der S. 1099.
— Lokale und allgemeine Behandlung der S. 1278.
— Wirkung des Argatoxyls bei S. 172, 893.
— Intravenöse Sublimatinjektion bei S. 611.
— Behandlung der S. und des Gelenkrheu¬
matismus mit Methylcnblausilber 857.
— mit dem Blutbild der apiastischen Anämie im
■ Anschluss an Gonorrhöe 1959.
— otogene, Chirurgische Eingriffe bei S. 1049.
* — puerperale, Prophylaktische Anwendung sen¬
sibilisierter Vaccine bei S. 1278.
Scptikämie, Hauterscheinungen bei S. 122.
Septumoperation 1335.
Sequesterbildung und Knochennekrose 221.
Serodiagnose der Tuberkulose mit dem Antigen
von Besredka 1567.
j Serodiagnostik, Technik der S. 171.
Seropneumothorax, Artefizieller P. 1476.
i Serres fincs, verbesserte 80.
1 Serum, Fähigkeit des S. normaler Kaninchen,
das Komplement mit bakteriellen Antigenen
zu binden 268.
— Eigenschaften des Blutes resp. S. nach Ein¬
wirkung von Röntgenstrahlen 366.
— Eigenartig spezifisches Verhalten luetischer
und careinomatoser S. gegen bestimmte Che¬
mikalien 557.
— röntgenisiertes, Wirkung dess. auf das Blut
1651.
— syphilitisches, Hämolytische und hämolyse¬
hemmende Funktion dess. 1934.
— Agglutinatorische Kraft des S. nach über-
standener Typhusinfektion 1919.
— Anti proteo ly tische S.-Wirkung in Schwanger¬
schaft, Geburt und Wochenbett 1920.
Serumantitrypsin, Wesen der normalen und im¬
munisatorischen S. 1847.
Serumblutreaktion nach Rivalta und Antikörper
364.
Scruineiweiss, Aufhebung der Artspezifität 269.
Serumkrankheit 349, 401.
Serumreaktion, Theorie der S. 1173.
Seuchen, Bekämpfung der Kricgs-S. durch klinische
antiseptische Maassnahmen 1937.
— Entstehung und Bekämpfung 1874.
| Seuchenbekämpfung, moderne in Palästina 849.
Seuchenerfahrungen und Seuchentherapie im
Feldzuge 1914 1912.
Sehnervenkopf, Sehr seltener Fall von Tumor des Scuehenlehrc, Uebersicht der allgemeinen S. 1753.
S 1560. | Sexualleben und Nervenleiden 1126.
Sehorgan, Kriegschirurgie des S. 1787.
Sehrinde und ihre Beziehungen zu den primären
optischen Ccntrcn 1083.
I Sehstörungen bei Marineangchörigcn 368.
! — postoperative, und Erblindungen nasalen Ur-
i sprungs 563.
— contralatcrale, nasalen Ursprungs 1087.
— in Schwangerschaft und Geburt 950.
1 — nach Atoxyl 1116.
' .. " und der intra-
trypsinmethodo für die serologische Sch. 1920. Scidcnpcptonnicthodc, Kritik der S.
- Vereinfachung der S. nacli Abderhalden 1328. ' cellularen Protease lo24.
Schwangerschaftserbrechen, Zwei Fülle schweren ^ vo Ä^^Ui»^btcnS.10M.. - im Rentenkampf 83.
Sexus aneeps 989.
Shoek, anaphylaktischer, Sensibilisierung und S.
der überlebenden Meerschweinchenlcber 941.
— chirurgischer, Blutveränderungen als Ursache
des S. 651.
Sigmoiditis diverticularis, Diagnose der S. 898.
Silber, kolloidales, Biologische Untersuchungen
über S. mittels neuer Methode zum Nachweis
feinster Metallablagerungen in d. Organen 607.
Silbereiweiss, Silbernitrat oder S. 1643, 1926.
Simons’seher Symptomenkomplex 1245.
Simulation im Kindesalter 849.
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UMIVERSITY OF IOWA
2020
BERLINER KLINISCHE WOCHENS CHRIFT .
Simulation, Fingiericr Unfall und S. schwerer Un- ,
falifoigcn 1689.
Sinus cavernosus, Chirurgie 1948.
— pcrieranii 767.
Sinusthrombose, jauchige 288.
Situs viscerum invorsus eompietus, Sektionsbericht
1578.
Skalpierungsverletzung 767.
Skiaskopie mit der Gullstraud'schen Ncrnstlampc
1612.
Skleralabscess, metastatischer 1044.
Sklerom, lokalisiertes, beim Säugling von 1V 2 Mo¬
nat 270.
Sklerodermie 43, 42S.
-— Besondere Form ders. 1563.
— keloide der Mamma 997.
S per min, Das S. ein 0.x ydation.sfcnucnt 89,j.
— als Oxydatinnsferment 1707.
Spina bifida, Seltener Fall von S. 463.
— — Erfolge der Operationen bei S. und Eu-
cephalocele 996.
— — oceulta, Beziehung der S. zum Klauen¬
hohl l’uss 170.
— — — Operationsbefunde bei S. 812.
-— Röntgenologischer Nachweis der S. 911 .
Sputum, lieber wahren Knochen im S. 1704.
Sputuimle>infektionsapparat, vereinfachter 652.
Sputumzcllen, eosinophile 1225.
Spulwurm s. Ascaris.
Städteanlage in Kohlenbezirkcn 994.
Standesfragen, ärztliche 238.
| Staphylokokken, Unterscheidung pathogener und
| saprophy tische r S. 91.
■ — Diirerenzicrung pathogener und saprophyti-
scher S. 319.
— — — saeralis 272.
— iliaca anterior superior, Abrissfraktur der Sp. Staphylokokkenerkrankung, Autovaceinebehaml-
1130, 1148. i lung der S. der Haut 27.
— ventosa, Tuberkulinbehandlung der Sp. 471. — Serodiagnostik von S. 1441.
Spinalganglien, Kulturen von S. in heterogenem Staphylokokkenreaktion, serologische, Verwcnd-
Flasma 705. barkeit der S. in der chirurgischen Diagnostik
— kckjiug ™ 1 Spinalparalvse, spastische familiär-hereditäre 625. ' 366.
Sklerom Kpidciniolottisclic Verhältnisse des S. 238. | Spiriliesc, Wirkungsweise des Quecksilbers bei ! Staphylokokkensepsis 461, 668.
— Arsenobenzol bei S. der oberen Luitwege 1049. i S. 430. 1 ~ nach Furunkulose 150.
Sklerose multiple, Klinik und Pathogenese 650. , Spirochäte, Sprossungsvorgange an S. 28.
— - Formenreichtum ders. 1900. — Protozoischer oder pflanzlicher Kntwicklungs-
.kreis der S. ? 557.
— Stellung der S. im System 648.
Nfe Untersuchungen über die S. des Paralytiker-
gehirns 757.
— pallida im Blute von Paralytikern 707.
— — Gewebsschädigungen des Herzens durch
S. 1128.
Spirochätenbefunde beim Kaninchen 1395, 1526.
— Gibt cs eine cystischc Form der S .i 463. j
— Aetiologie der S. 1329. j
— kindliche 1141. I
— Fall von fraglicher Kombination der m. S. j
mit Poliomyelitis 1962. j
— Retrobulbäre Neuritis als Frühsymptom j
der S. 90. '
— Psychosen bei der m. Sk. des Gehirns und ;
und Rückenmarkes 1772. I Spirochätenerkrankung, Widerstandsfähigkeit lo-
Sklcrotomie nach Lagrange und die Trepanation J kalcr8. gegenüber reinerSalvarsantherapic992
nach Elliot 125.
— Narben nach S. und Trepanation derSklcra272.
Skoliose, physiologische und ihre Ursache 170.
, . 1 ‘ t •. ■ ..._• 1 'TA
nach Furunkulose 150.
Staphylokokkenseptikämie mit Leukämie 188.
Star, Entstehung der Weitsichtigkeit und des S.
1633.
Starkdruckflammen in ihrer Beziehung zur funk-
. tionellen otiatrischen Diagnostik 423.
Starkstrom, elektrischer, Schädelverletzungen
durch S. 991.
Starkstromvcrletzung, Behandlung der S. 124.
— Erscheinungen von Bulbärparaiyse und Acu-
sticusstörungen nach S. 713.
Staroperation, Endogene Infektion nach S. 33.
Starrkrampf s. Tetanus.
Spiroptercif als Parasiten und Geschwulsterreger j Starstich und anderes aus Indien 1233.
1290. ! Status Ihymico-lymphaticus, Diagnose des S. 7*21.
Spital s. Lazarett. I thymo-lymphaticus, angeborener 1820.
Spitzentuberkulose, Häufigkeit der S. bei Kin- 1 Stauuugsmanchettc zur intravenösen Injektion 900.
dern 650. ! Stauungspapille, Experimentelle Beiträge zur Ent-
Splanchnoptose und ihre Behandlung 898.
Splenektomie bei pernieiüser Anämie 94.
— Blutuntersuchungen bei S. wegen traumatischer
Milzruptur 269.
interkurrentem
— und Appemlicitis chronica 170.
— Erzeugung von Tier-S. und ihre Messung 814.
— Redressement der S. 814.
— Behandlung der S. nach Abbott 42, 669, 767,
814, 1143." , 0
— habituelle, Behandlung der beginnenden .
durch die Gymnastik im Streekapparat 990. Splenomegaha hacmolytica mit
— Operative Behandlung schwerer T. 814, 815. I acholischem Icterus 459.
Skorbut infantiler 710. I Splenomegalie mit Icterus und Anämie durch
Skorbut’und lipoidfreie Ernährung 938. | Milzexstirpation gebessert 178.
— der kleinen Kinder 753; s. auch Möller- I Splcnopathie, Durch spezifische Antisera expen-
Barlow’schc Krankheit. i inenteil erzeugte Myelo- und S 756.
— Kinderskorbut bei einem 4jährigen Kind, das Spondylarthritis deformans 230, 1140.
mit homogenisierter Milch ernährt wurde 1046. j Spondylitis, Osteoplastische Fixation der Wirbel¬
in Deutsch-Südwestafrika 1227.
Skorbuterkrankung 672.
Skrofuloderma im ersten Lebensjahr 1227.
Solargol, Desinfizierende Wirkung des S. 27.
Sonnenbehandlung, Einwirkung der S. auf tuber¬
kulöse Fisteln 1230.
Sonnenfinsternis, Augenschädigunjrcn im Heere
infolge Bc ob achte ns der S. 1473.
Sonnenstich, Behandlung des S. 124.
Sophol, Mitteilungen über S. 705.
Sozialmedizinische Umschau 962.
Spalthand, familiäre 1195.
Spasmophilie, Veränderungen der Atmungskurve
bei Sp. unter dem Einfluss von äusseren Reizen
1227. .
— Veränderungen der Atmungskurven bei Kin¬
dern mit spasmophilen Symptomen 18*20.
— Behandlung der S. 650.
— und Keuchhusten 650.
— Behandlung der S. im Säuglingsalter 1*2*29.
— Calciumbehandlung bei ders. 1875.
Spasmophiliefrage 857, 1227.
Spätblutungen, traumatische in den Hirnhäuten
186.
— aus den tiefen epigastrischen Gefässen nach
Operation wegen Appendixabscess 271.
Späteunuchoidismus s. Eunuchoidismus.
Speculum, neues zerlegbares 11S2
säule wegen S. 859
— chronisch ankylosierende nach Unfall 661.
— deformans, Rückenschmerzen und Unfall 84.
— infectiosa 170.
— traumatica 1850.
— tubcrculosa, Operative Behandlung der S. 686.
— — Klinisch latente S. 813.
— — Albcc'sche Operation bei S. 845.
— — Knoclientransplantation bei S. 995.
Spontanfrakturen nach Ueberanstrengungsperi-
ostitis 179.
Spontangangrän, Heilerfolge der konservativen
Behandlung der S. 893.
Sporotrichose 669, 708, 797.
— experimentelle des Auges 562.
Sport und Unfall 113.
Sportliche Diätetik, Ein Hilfsmittel für sp. D. und
Truppenhygiene 1643.
Sportverletzungen 1918.
Sprac.hbahn, motorische 1083.
Sprachfunktion, Beziehung der S. zur Intonation,
zum Ton und Rhythmus 709. :
Sprachheilkunde, Beziehungen der S. zur übrigen |
Medizin 1246.
stehung der S. 71.
— bei Leukämie 125.
— infolge gummöser Meningitis 334.
— bei cerebralen Gcfässcrkrankungen 1733.
— Differentialdiagnose zwischen Neuritis optica
und S. 175*2.
— Chirurgische Behandlung der S. 994.
Stechmücken, Vernichtung der S. 323.
Steinniere, rupturierte 570.
Steisscxtraktion nach Doventer-Müller 899.
Stenocardie 94.
Stentmasse, Verbände ausS. fürFingcrverletzungea
1905.
Stereognosic, Isolierte Störung der S. der linken
oberen Extremität nach Kopfschuss 578.
Stercoröntgcnröhren, Fehler bei S. 1471.
Sterilisation und künstlicher Abort 141.
— tubaro und artclicicller Abort 669.
Sterilität, weibliche, Behandlung der S. 410.
Sternaldefekt, Kind mit S. 1489.
Sternsignalpistolenverletzungen 564.
Sterolin, Hautdesinfektion mit S. bzw. Jod-Stero-
lin 1821.
Stethometer, Doppel-S. 1151.
Stickstoff, Bestimmung des Retentions-S. iraßlut
nach Avon und Kjeldahl 800.
— Analyse sehr kleiner S.-Mengen in organi¬
schem Material 1555.
Stiekstoffoxvdul, Wirkung des S. bei hohem Druck
119.
Stickstoff-Stoffwechsel, Einfluss der Anaphylaxie
auf den S. bei Kaninchen 1632.
Stickstoffwechsel, Beeinflussung des S. im In¬
fektionsfieber durch abundante Kohlehydrat¬
zufuhr 122.
Stigmata, gewerblich charakteristische 23S.
Sprachlautc, Ausländische Physiologie der S. 912. 1 Stillen, Die Gründe des Nicht-S.
147*2.
Spritze, neue zur intravenösen Injektion von kon¬
zentriertem Neosalvarsan und anderen sehr
reizenden Lösungen 1421.
Speichel, Rhodangehalt des S. Syphilitischer 561. Sprue, Zur Kenntnis der S. 713.
. Wirkungsbedingungen der S. , — Fall von S. durch Erdbeeren gebessert /58.
Speicheldiastase,
360, 424.
Speicheldrüse, Verletzungen und chirurgische Er¬
krankungen der S. 24.
Spcichelstcin, Diagnose der S. 895.
— der Parotis 237.
Speiseröhre s. Oesophagus,
Spermareaktion 269.
Spcrmatozoen, Wärmelähmung und Wärmestarre
der menschlichen S. 75.
Stillunfähigkeit, Ursachen ders. 1489.
Sfillungsnot 761. _
Stimm- und Sprachstörungen bei infantiler
Pseudobulbärparalyse 1711.
Stimme, inspiratorische, habituelle 6*21.
Skorbutsymptomc durch einseitige Ernährung j Stimmgabclstcthoskopmethodc 1579.
mit llaferschleimsuppc bei S. 1088.
— Zwei Fälle von S. 1284.
Sputum, Chemie des S. 79, 1425.
— Bedeutung der Eiweissreaktion im S. 333.
— Klinische Bedeutung der quantitativen Eiweiss¬
bestimmung im S. bei Pneumonie und Lungen¬
tuberkulose 1083.
— Eiweissgehalt im S. Tuberkulöser 1650.
Untersuchung der S. in den Samenflecken \ — Bedeutung der intracellulären Lage der Tu-
auf dunklen Geweben 1773. i berkelbacilLen im S. 1580.
timmlippe, Zur Lehre und Behandlung der so¬
genannten Medianstellung der S. bei Keeur
rensneuritis 1750.
Stinknase s. Ozaena.
Stirnhirn, Schussvcrletzung dess. 1849.
Stirnhirnschüsse, Symptomatologie ders. L- •
Stirnhöhlenentzündung, Mechanik der m
craniellen und cerebralen Ivompbka k
der S. 1049.*
Stirnhöhlenostcom, Latentes St. 1710.
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UNiVERSUY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Stirnkopfschmerz s. Kopfschmerz.
Stockgewehr 1825.
Stoffe, auxoautoly tische, im Blutserum von Kranken
und Schwangeren 121.
Stoffwechsel, parenteraler 1900.
Stoffwechsel- und Koehsalzfiebcr 1467.
Stoffwechselkrankheiten, Ernährung und S. 1873.
Stoffwechsel versuche nach ausgedehnter Dünn¬
darmresektion 864.
Stottern, Wesen des S. 379.
— klonisches 1394.
Strabismus convergens mit markhaltigen Nerven¬
fasern 1140.
Strafgesetzbuch, Gestaltung des Entwurfs zu
einem künftigen S. 233.
Strafgesetzgebung 944.
Strahlen, ultraviolette, Wirkung der S. auf das
Auge 272.
-Metabiotische Wirkung der S. 895.
Strahlenbehandlung 620, 1297.
— der Tumoren innerer Organe 1003, 1004.
— Veränderungen der Gewebe und Geschwülste
nach S. 1064. j
— bösartiger Geschwülste 1144.
— der Carcinome 330, 1599.
— Operation oder S. 1599.
— derzeitiger Stand der S. 142.
— und die Grundlagen ihrer medizinischen An¬
wendung 1846.
— bei Chorionepitheliom 1599.
— in der Gynäkologie 220, 318.
Strahlentiefentherapie 1042. i
Strahlenwirkung, biologische, Experimentei lellnter-
suchungen an Trypanosomen über die S. 252.
— Theorie der S., insbesondere über Latenzzeit
841. I
— Histologie der S. auf Tumoren 1602. ■
Strahlungen, Wirkung verschiedener S. auf die 1
Augenlinse 1750. ,
Strassenstaub und Krankheiten 563. I
Streptokokkenimmunität 319.
Streptothrix, aus Lumbalpunktat gezüchtet 1179.
Streptothrixart, Aus Lumbalpunktat gezüchtete S.
806.
Streptothrixinfektionen 811.
— als Ursache der Banti'schen Krankheit 121.
Striae distensae am Rücken nach Sepsis 335.
Stridor, Semiotik des S. bei Kinderkrankheiten
1130.
Strom, elektrischer, Tod durch S. von geringer
Spannung 1233.
Strophanthin, Wirkung des S. auf den Sauerstoff¬
verbrauch des Froschherzens 119.
Strophanthinanwendung, intravenöse 625, 666.
Strophanthusfrage 1423.
Struma, endemische 318.
— Erblichkeit der S. 951.
— Erforschung der S. 1297.
— und Hyperthyreoidismus im Gefolge von Dila¬
tation und Aneurysmen der Aorta 322.
— Thymektomie bei S. und Basedow 818.
— epidemica, Herzstörungen bei S. 758.
— operata mit Kalkcinlagerungcn 1094.
— substernalis, Symptomatologie der S. 940.
Strumacysten, Störungen und Gefahren durch S. -
818.
Strumaepidemie in einem städtischen Waisenhaus _
234.
Strumakommission, Ergebnisse der Umfrage der —
Breslauer S.-Kommission 666. _
— Ergebnisse der Umfrage der S. 878.
Strumametastasen des Schädeldachs, der Magen- _
gegend 1394.
Strumaoperationen, 1400 S. der Krankenanstalt —
Aarau 760. _
Strumaproblem 759.
Strumitis chronica 767.
— posttyphöse 1916. _
Strychnin, Resorption und Ausscheidung von S. —
nach parenteraler Einverleibung der Strychnin- j —
base beim Meerschweinchen 1525. j —
Studienreise, röntgenologische,nachWicn 191 3321. ! —
Stuhl, Vorrichtung zum Auffangen und Trans- I —
portieren von S. für klinische Untersuchungen | —
(Faecotenor) 1609. I
Stuhluntersuchung, Klinische S. 1463. ; —
Subconjunctivale Injektionen, Wirkung von An- j
aestheticis bei S. 1530. —
Subpatellardclle 31.
Substanzen, vasokonstriktorische, Natur und Ver-
i breitung der S. im Körper 26.
— unbekannte, im Blutserum des Menschen und
einiger Tiere 707.
— Beobachtungen über vasokonstringicrende und
-dilatierende S. 1277.
Suggestivkraft, schädliche, von kinematographi-
schen Vorführungen 1132.
Suicidversuch mittels Digalen 755.
Sulfoform in der Dermatologie 120.
Anatomisch-pathologische Veränderungen in
der gesunden Haut bei S.-Behandlung 1708.
Sulfoformbehandlung der Seborrhoea capitis 1600.
Sulima 408.
Suspension, Ist das Poiseuille'sche Gesetz für
! ^ S. gültig? 219.
[ Supcrsccretio nicotinica 120.
Symbiose, fusospirilläre, Bedeutung der S. bei I
! anderen Erkrankungen 221.
, Sympathicus und Ovarium 1143.
Sympathicusaffcktion infolge Aortenaneurysma 954. I
Sympathische Reizübertragung 1948.
Symphysenruptur mit Vereiterung 663. !
* Symphysiotomie, subcutane 950. ;
. Symptomenkomplex, venöser, Behandlung des S.
nach Rindfleisch-Friede] und deren Erfolge
760. * [
Syndaktylicstammbäume, Das Mendel’sche Ver¬
erbungsgesetz beim Menschen an Hand zweier I
S. 894. I
Syndrom, hämorrhagisches, bei verschiedenen I
Krankheiten 1425.
Syphilis, Ist die S. amerikanischen Ursprungs?
184.
— Einige Grundfragen bei der Behandlung der
S. 538.
— Gibt es eine paterne Vererbung der S.? 1232.
— Atlas der experimentellen Kaniuehen-S. 1523.
— Fieber als einziges Symptom latenter S. 28.
— Das e%;te Erscheinen der S. in Polen 1047.
— Sero- und Liquordiagnostik bei S. 1901. |.
— frische, Moderne Behandlung der S. 542.
— Behandlung der S. mit Contraluesin 842.
— Behandlung der parenchymatösen S. durch
intracranielle Behandlung 1224.
— Behandlung der S. mit Hg -f- As -f- Ca 1331.
— Embarin bei S. 1901.
— Abortivkur, Spirochätenrcstc und kombinierte _
Behandlung der S. 1901.
— Ungewöhnlich lange Latenz der S. und Pro¬
gnose der Erkrankung 561.
— Gesichtszerstörung infolge früh erworbener S.
141. , _
— Beziehungen der allgemeinen nervösen Sym- ! _
ptome im Frühstadium der S. zu den Be- I
funden des Lumbalpunktates 1331. 1 _
— Ueber Skotom bi 1 düngen und die Bedeutung _
der Lumbalpunktion bei syphilisehen Erkran- I
kungen des Opticus 1921.
— Fixationsreaktion mit syphilitischem Antigen
bei S., Pian(-Yaws), Trypanosomiasis und _
phagedänischem Ulcus im französischem Kongo j
29. | _
— Wichtigkeit der meningealen Reaktionen bei _
Behandlung der S. 479. j _
— Entstehen der Rcaktionsproduktc bei der Sero- !
diagnostik auf S. 527, 867. I
— Gerinnungsreaktion bei S. 1099, 1599. I _
— Eine unspezifische Abbaureaktion im Serum ! _
bei S. 1232. j _
— Die Cutisreaktionen bei S., besonders die
Pallidinreaktion 1529. j
_ Immuriotherapeutischc Versuche hei S. 1599. | _
— Wirkung hochdosiertcr intravenöser Sublimat-
und Hvdrargyrum oxyeyanatum-Injektionen ' —
auf S. 613. ’
— und myeloidc Leukämie 1044.
— und Trypanosomiasis 1047. _
— und Sarkoide 1429. _
— Rhodangehalt des Speichels bei S. 561.
— und Hygiene 415. —
— bei Homosexuellen 1391.
— Untersuchungen über den Liquor cerebro- —
spinalis bei sekundärer S. 1748. —
— Chemotherapeutische Versuche mit Quecksilber
bei experimenteller Kaninehen-S. 408. —
— Uebertragung der S. auf Kaninchen 625.
Syphilis, Experimentelle Kaninehen-S. 1225.
der Kaninchen, Befunde am Nervensystem
1148.
Ist konstitutionelle S. vom Ohr aus zu dia-
| gnostizieren ? 28.
j — acquisita und inneres Ohr 1047.
— Frische Infektion neben Gummata in Lungen
etc. 576.
I — Kontraluesin bei S. 27.
I ~ ?491 V ° n terkiärer S ' mit £ rosser Milzschwellung
I lall von S. mit Banti schcm Symptomen-
I komplex 1566.
— Fall von Typhus mit gleichzeitiger S. 1604.
— cerebrospinalis (sog. Tabes mit Hemiplegie)
— congenita und Serodiagnostik 270.
Hypophysis-und Nebenniercnvcränderuntrcn
bei S. 670.
- Zweckmässige Kombination von Queck¬
silber und Salvarsan zur wirksamen Behand¬
lung der S. 1232.
— — tarda 854.
— congenitale 20 Jahre nach Infektion der
Mutter 802.
_ — Wirkung des Salvarsans auf die k. G. des
Fötus bei Behandlung der Mutter 1632.
_ congenita, Blutbildungszellen in der Leber
bei S. 1899.
— congenitalis 666.
— — Gitterfasern der Leber bei S. 1424.
— cireinaris 854.
— hereditaria, 100 Injektionen in die Jugular-
und Kopfvenen bei Säuglingen mit S. 413.
— — Verhalten des Liquor cerebrospinalis bei
S. 843.
— — und Aortenveränderungen 941.
_ hereditäre 625.
_ — scrofuloide Adenopathien bei S. 1529.
_ meningocerebrale, Grundlagen und Therapie
der S. 428, 624.
_ familiäre 622, 802.
_ — und Keratitis parenchymatosa 425.
_ sekundäre, und Magen Veränderungen 1281.
— und Magenerkrankungen 1532.
_ Psoriasisähnliche S. 1388.
_ tertiäre, Pallidinreaktion bei S. 576.
_ — Superinfektion bei S. 625.
_ — Anorectale und vulväre 8. 1232.
_ Papillitis nervi optici bei der S. des Säug¬
lings 28.
_ Kind mit hereditärer S. und Pleiocytose der
Cereb rospi n al 11 iissi gk ei t 1489.
_ Abortivbehandlung der S. 1529, 1749.
_ der Nerven, Intradurale Injektion von Neo-
salvarsan bei S. 429.
_ des Nervensystems 719.
--Behandlung der S. mit intraduralen
Injektionen 755.
_ des Centralnervensystems, Behandlung der S.
nach Swift und Kllis 797.
--Bedeutung der Goldsolreaktion der
Spinalflüssigkeit zur Erkennung der S. 1044.
— — Salvarsanisiertcs Serum hei S. 1224.
— — — experimentelle, beim Kaninchen 1081.
— des Gehirns, Jackson’scho Anfälle, Ataxie des
rechten Armes, Trepanation, Entleerung von
Cysten 766.
— Nervensymptome bei frischer S. 1232.
— chirurgische, Salvarsantherapie bei S. 1376.
— Praktische Bedeutung der quantitativen
Wassermann’schen Reaktion für die Behand¬
lung der S. 166.
— Wassermann’sche Reaktion bei einer durch
gangränösen Schanker eingeleiteten S. 846.
Arsentherapie bei S. mittels Galyl 755.
Behandlung der S. mit Salvarsan und Neo-
salvarsan 381, 495.
Reine Salvarsantherapie der S. 533.
Wirkungsweise von Salvarsan und Quecksilber
bei S. 561.
3 Jahre Salvarsan bei S. des Ccntralnerven-
systems und bei Tabes 561.
Salvarsan-Kupfcr bei S. 667.
Heilung der S. durch die kombinierte Sal-
varsan-Quecksilberbehandlung 893.
Mit Salvarsan behandelte Fälle von S. bei
Tuberkulösen 1001, 1002.
10*
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UNIVERSUM OF IOWA
2028
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Syphilis, Wert des Salvarsans bei der Abortiv¬
behandlung der S. 1187.
— Heilung der S. durch kombinierte) Salvarsan-
Quceksilbcrbehandlung 1541.
Syphilisbehandlung, Fortschritte der S. 491, 565,
581, 615.
— Prinzipien der S. 1799.
— prophylaktische, und Gcsundheitskontrollc
1187.
— Abortivheilungen und Xeurorecidivc bei der
modernen S. 11dl.
— mit Arsalyt 576.
— 40 proz. Calomelemulsion nach Zieler *zur S
1429.
— mit Chininderivaten 1372.
— mit Fmbarin 898, 1554.
— mit Salvarsan und Neosalvarsan 861.
— und Wassermann 1429.
— Verlauf der mit Quecksilber früh behandelten
S. 77.
Syphiliseontagium, Die parenchymatös-toxischen
Wirkungen des S. bei visceraler Früh,Syphilis
und Taboparaiyse 1935.
Syphilisforschung, historische 672.
Syphilisinfektion, extragenitalc 1322.
Syphiiis-Paralysefrage, Heutiger Stand der S. 559.
Syphilispathologie, Bemerkungen zur S. und zur
Heilwirkung des Salvarsans 433.
Syphilisrcaktion mit Lymphclnisenoxtrakt. 186.
— Praktische Verwendbarkeit der S. nach Her-
man-Pcrutz und der PopolFselicn Serodia¬
gnose 613.
Syphilisspirochäte s. a. Spirochaete paliida.
— Priinüraffekt. und Keratitis parenchymatosa
beim Menschen durch Reinkulturen von S.
1770.
Svphilissera. Gerinnungshemmungen durch S.
1771.
Syphilitiker, Klinisches Erkennen der sogenannten
latenten S. 80.
— Wieviele S. lassen sich genügend behandeln?
322.
— Warum werden S. nervenkrank? 1045.
— Ergebnisse der Verimpfung von Blut und
anderer Körperfliissigkcit von S. auf den
Kaninebenhoden 798.
— Elektroeardiographie bei S. 222.
— Cutanreaktionen mit Organextrakten bei S.
1748.
Syphilitikerfamilien. Serologische und klinische
Untersuchungen 1771.
Syphilitische Sera, Hämolytische und hiimolysc-
hennncnrle Funktion ders. 1934.
Svringorn, Fall von eigenartig lokalisiertem S.
1529.
Syringomyelie 1151.
— saero-lumbaie mit nicht kompletter Akro¬
megalie 626.
— Cheiromegalie und Tabes 858.
— Kombination von luetischer Affektion und S.
859.
— Verbiegung der Wirbelsäule bei S. im kind¬
lichen Alter SOI.
System, thyreo-parathyreo-thymischcs, und Dia-
Ivsierverfahren 318.
T.
Tabakvergiftung, chronische 942.
Tabes dorsalis. Angebliche Beziehungen der T.
mit einer Handverletzung 1773.
— — Fehlen des Augen-llerzreflexes bei T. 479.
— — Gleichzeitiges Auftreten von Basedow und
T. 1469.
— — Fieber bei T. 31.
— — Histogencsc des T. 1526.
— — Histopathologie ders. 1848.
— — Begutachtung ders. in der Invalidenversi¬
cherung 1689.
— — mit Muskelatrophie 1618.
— — Pathogenese 1848.
— — Serotherapeuiisehcr Versuch bei T. und
Paralyse 1081.
— — Superinfektion bei ders. 1849,
— — Neues Symptom bei T. 1082.
— — Konstitutionell-individualisierende Thera¬
pie 1184.
Tabes dorsalis, Beurteilung des Zusammenhangs
zwischen Trauma und T. 1750.
— — Die wassermannfeste T. 1848.
Taenia saginata beim Säugling 1599.
Tagesfragen 143.
Talgdrüsen, freie, der Mundhöhle 997.
Talmaoperation und C-ardiolyse 711.
Talusluxation, isolierte 472, 767,
— Operative Behandlung ders. 1556.
Tamponade in Geburtshilfe und Gynäkologie 323.
Tampospuman, Pharmakoteehnischcs zu T. 1577.
Tannismut, Behandlung der tuberkulösen Diar¬
rhöen mit T. 1650.
Tanzmaus, Funktionelle und hirnanatomische Be¬
funde bei der japanischen T. 1846.
Tastsonde für die Röntgenuntersuchung desMagens
1471.
Tätowierung, Entfernung von T. 28.
Taubheit, angeborene, Aplasie des GaDglion spi¬
rale und des Nervus cochlearis als Ursache
von T. 126.
Taubstumme, Atmungsuntersuchungen an T. 661.
— Statistik 1247.
Taupunkt, Rechenschieber zur Bestimmung des
T. 762.
Technik, Therapeutische T. für die ärztliche
Praxis 1649.
Telecardiographie, Praktische Vorzüge 912, 958.
Tcllurreaktion mit der Coli - Typhusgruppe und
anderen Organismen 1919.
Temperatur, Kenntnis der T. herabsetzenden Sub¬
stanzen 647.
Temperaturmessung, Notwendigkeit einer einheit¬
lichen T. 1599.
— und Normaltemperatur 1099.
— an Leichenorganen 1582.
Temperatursteigerungen, prämenstruelle 365.
Tenorstimmc bei einem Mädchen 625.
Teratom des vorderen Mediastinum 1128.
— bei Neugeborenen 1535.
Terminologie, Roth's klinische T. 1552.
Terpene, Ilämolytische Wirkung von T. 556.
Terpentininjektion, Heilwert ders. bei Kindern 80.
Terpentinöl,. Das T. in der Prophylaxe und Be¬
handlung puerperaler und gynäkologischer
Infektionen 1557.
Testijody], eine neue Jodei Weissverbindung 267,
1847.
Tetanie und Altcrsstar 803.
— chronische, nach Exstirpation von Glandulae
parathyrcoidcac 1043.
— postoperative, Behandlung ders. 1528.
-Geheilter Fall von 1G53.
— strumipriva 662.
Tetanieäquivalcntc 1653.
Tetaniekatarakt 1339. 1
Tetanus 1949.
— Anaphylaxiegefahr bei der Serumbchandlung '
des T. 1876. j
— Behandlung mit Antitetanusserum 479. |
— Behandlung mit Magnesiumsulfat 1949. |
— Heilung einer schweren T. mit Antitotanus¬
serum 430.
— Indikationen für die serumtherapeutische T.~
Bekämpfung 1773.
— Intoxikation nach T.-Heilserum 1956.
— Chloroformnarkose neben Serumtherapie bei
T. 860.
— Behandlung dess. 1721, 1784,1822,1901, 1966.
— Neuere Behandlungsmethoden des T. 720.
— Geheilter Fall von T. 948, 1966.
— Genese und Behandlung 1902.
I — Behandlung mit Magnesium sulfuricum 15,
i 109, 706, 843, 1467, 1632.
' — Behandlung des T. mit besonderer Beriick-
' sichtigung der Magnesiumsulfat-Therapic 1717.
i — Durch Magnesiumsulfat geheilt 1563.
| — nach Schussvcrlctzung erfolgreich mit Magnc-
' siumsulfat behandelt 1850.
i — MagnesiumsulfatbehamHung des T. im Tier-
I experiment 148.
! — infolge Fingerverlctzung 91.
| — Pathogenese und Therapie des T. 166.
I — Todesfälle durch den zur Skoliosebehandlung
1 verwendeten Filz 1565.
— neonatorum, Therapie des T. 1436.
, Tetanusdemonstration, Diskussion zur T. 1964.
j Tetanusfrage 1883.
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Thalamus opticus, Funktion dess. 1771.
-Schussverletzung des T. 1329.
-Schussverletzung des T. nebst Bemer¬
kungen über Tractusheraianopsie 1286.
Theorien, biologische, Geschichte der T. in der
Neuzeit 645.
Therapie an den Bonner Universitätskliniken 607.
— Lexikon der gesamten T. 1670.
— Pädagogische T. für praktische Aerzte 1745.
— des praktischen Arztes 1370.
Thermophor, transportabler 1049.
Thigan, äusserliches Antigonorrhoicum 1554.
Thiocoltherapie 1798.
Thomsen’sche Krankheit, Die Schliessungszuckung
bei T. 31. b
Thorakoplastik, extrapleurale, Aenderung der
serologischen Reaktion des Blutes nach T
1086.
Thorax, Apparat zur Operation am geöffneten T.
1229.
— Operation nach Freund beim starr diktierten
T. 181.
— Röntgendiagnostik eitriger Prozesse im T. 943.
— Schussverletzungen des T. und Abdomen 1230.
— Untersuchung des T. im ersten schrägen Durch¬
messer 912.
— phthisicus und Operationen an der Lungen¬
spitze 31.
Thoraxchirurgie 181.
Thoraxdruck, Circulatorische Funktion des T. 94.
Thoraxeingeweide, Situs ders. hei spitzwinkliger
Kyphose 1677.
Thoraxschema, neues, Planithorax 1425,
Thoraxwandresektion 577.
Thorium X bei pernieiöser Anämie 153.
— Einwirkung der T.-Injektion auf die Agglu-
tinine 209.
— Wirkung experimenteller Einspritzungen von
T. auf das Auge 1196.
— bei Behandlung innerer Krankheiten 220,361.
Thrombokinase, Chirurgische Bedeutung der T.
190.
Thrombophlebitis, Behandlungdcrfortschreitenden
T. im Femoralisgebiet 1294.
Thrombose, Weitere Beiträge zur T. 121.
— infektiöse 1278.
— Postoperative T. und Embolie 1103.
— traumatische 79.
— der Vena axillaris 1488.
Thrombus, Bau der in Pulmonalarterien cmboli-
sierten T. 1424.
— gestielter, der Scheide 82.
Thymektomie bei Basedow und Struma 818.
— wegen Tracheostcnosis thymica 1130.
Thymus und Adrenalsystem 363.
— Wirkung des T. im Organismus 363.
— und Morbus Basedow 819, 1310, 1365.
— Ovarien und Blutbild 75.
— und Rachitis 1308.
Thymusdrüse, Diffcrentialdiagnose zwischen Me¬
diastinaltumor und T. 912.
— Experimentelles und Klinisches über die T.
1059, 1947.
— bei Morbus Basedow 845.
— und Rachitis 267.
j — Pathologie und Klinik der T. 123.
Thymusextraktwirkung, Analyse der T. 651,1084.
Thymusliypertrophie und Röntgenbehandlung
1229.*
— Tod durch T. 1043.
Thymusreduktion und ihre Erfolge 366.
Thymusstudien 363.
Thyreoidea, Akute nicht eitrige Entzündung der
T. 430.
— und Antitoxin 121.
— und Arthritis deformans 626.
— Carcinom der T. mit cxcessiv spezifischer
j Drüsenfunktion 122.
— der Frau und ihr Einfluss auf Menstruation
! und Schwangerschaft 272.
I — und Genitale 846.
I — und Geschlechtsdrüsen 1106.
I — Die Innervation der T. 705.
— und lymphatischer Rachenring 1100.
—■ Pathologische Veränderungen der T. bei
Krankheiten 648.
— bei Phthisikern 1279.
— Tuberkulose der T. 168, 710.
Original from
UNIVERSUM OF IOWA
Thyreoidea, Menstruelle VorgrÖsscrung 1376
“ IS*“* der Extrakte der T. des Schafes und
der pathologischen T. des Menschen 146!)
Thyreoid eaimplantation 864.
Thyxeoideainsufficienz, Beziehungen der T zu
den nervösen Beschwerden und der spasti¬
schen Obstipation der Frauen 459.
Thyreoideatransplantation, Dauerresultate der T
beim Menschen 817.
Thyreoiditis chronica 1330.
Thyreose, Tuberkulöse Aetiologio der T. 941 .
Tibia, Deckung grösserer T.-Defekte 1600 ■
— Sarkom der T. 334.
—• Traumatische Epiphysenlösung der T 767
Tic convulsif, Erfolgreiche Behandlung durch
Chlorcalcium 189S. 6
Tiefenbestrahlung, Neue Methode der T 907
— Zur Technik der T. 308.
Tiefenmessung, Röntgenologische T. besonders bei
Fremdkörpern 1825.
Tiefonschätzungsvermögen bei Anisometropen 563
— Grenzwerte des T. 272.
— Prüfung des T. 1132.
— Untersuchungen dess. 1612.
Tie r e ich h ter ra 906, ^Pannungsgicich-
— Technische Fortschritte der T. 712.
— mit Röntgenapparaten 845.
Tiere, üeber die Vorstellungen der T. 1770
— denkende 335, 999, 1074, 1819.
fossile, Pathologische und verwandte Er¬
scheinungen bei T. 1291.
— keimfreies, Bedeutung der Züchtung von T.
1436.
— Praktische Erfahrungen mit dem Verstand der [
T. 1434. i
Tierleben,. Brehm’s T. 1706. | -
Tinctura Digitalis, Einfluss der Magen- und Pan- I
kreasfermente auf die Wirksamkeit der T. 1277.
Tintenstifte, Verletzungen mit 1947.
Tod, elektrischer 368.
plötzlicher, nach Lokalanästhesie mit Alypin -
bei einseitiger Nebennierentuberkulose 121
— Ursache des T. 459.
Tollwut, Vaccination gegen die experimentelle T.
durch das Sekret von Batrachiern und das 1
Gift einer Vipernart 1612.
Toluylendiamin, Einfluss kleiner Gaben von T 1
auf das Blut 1554. ‘ _
Ton, weisser, als Wundpulver 1088.
Tonpsychologie, Grundlegung der T. 265.
Tonsille, Bedeutung der T. für die Allgemein¬
infektion 335.
Einige Enttäuschungen nach Entfernung der
T. und adenoiden Vegetationen 83. q
— Physiologische Bedeutung der T. 1049.
Plastische Variation bei der extracapsulären T
Totalexstirpation der T. 1187. T
— Totalexstirpation der T. 1339. T
Tonsillarabscess, Komplikation eines T. 1241. T
Tonsillarcareinom, metastatisches 1049.
Tonsillenentfernung 284, 993. T
Torsionsspasmus, Differentialdiagnose der Hysterie T
und des progressiven T. 1689. T
— progressiver 226. q
Torticollis, kongenitaler 1097. T
— spasticus, Operativ behandelte Fälle von T. 765. -
Toxine, bakterielle, Entgiftung von T. durch Ad- I T:
renalin 269.
— Wirkung von Alkali auf die Antitoxinverbin- Ti
düngen der T. 648.
Trachea^ Altersveränderungen in den Knorpel¬
ringen der T. 1373. Ti
— Ausgüsse der T. 377. Tr
— Entfernung einer Nadel aus der T. 1378.
Partielle Resektion der T. wegen Sarkom 859. Tr
Tracheaearcinom 1394. j Ti
Trachcaldefekt, Deckung vonT. mit autoplastischer I
freier Fascientransplantation 31. Tr
geheilter 332. '
Tracheotomie, Gewöhnliche Ursache später Todes-; Tr
fälle nach T. wegen Diphtherie 1527. —
~ quere 940. Tr
Tracheo-Bronchoskopie, Lehrbuch 1576.
Trachom, Behandlung des T. 33. Tr
Amyloid der Bindehaut bei T. 1903. Tr
— Aussergewöhnliche Neigung zur Schrumpfung j Tr
der Bindehaut und zur Pannusbildung 1733. |
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Tra ,m 0ra ’ Einschlussblennorrhoe und T. 1331.
Therapie des T. mit ultraviolettem Licht 78
| — und Gonorrhöe 1232.
I — verum corneae 993.
Baucrnwagen und Sani -
Tl<i °®"^ rüse ’ Bindesubstanzgeschwülste der T.
I 1 loi <.
— Lokales Amyloid in ders. 1922.
Tranenflüssigkeit, Absorption des ultravioletten
i Lichtes durch T. 33.
Tn des k T na 2^3° derneBehaDdlUDgderVcreilgorung
Tränensack, Behandlung und Operation der Er-
eh krankungen des T. 722.
— Aussergewöhnlich grosse Ektasie des T 371
— lntranasale Eröffnung des T. (Rhino-Dakrvo-
cystostomie) 1049, 1633.
ei — Nasale Eröffnung des T. 83.
— Pathologie des T. und des Ductus lacrimalis
3. im Rontgenbild 1284.
Tränensackdurchstechung, percanatikuläre, als
Einleitung zur intranasalen Tränensackeröff¬
nung 1049.
i- Tränensackexstirpation, LokalanästhesicbeiT. 562.
— von der Nase aus 576.
Tränenwege, Intranasale Chirurgie bei Erkran¬
kungen der T. 715, 829.
Transformatoren im Röntgenbetrieb 845.
Transfusion im Gebiete der Capillaren 891.
— am Menschen mit serumhaltigem und serum- i
freiem Blut 1374. I
’■ I Transplantation von Gelenken 1468. j
|— bei Nervendefekten, Neue Methode 1821. !
F I ~ 124 1 ThierSCh ’ Scbutz der T ' niit Kork Papicr I
Traubenzucker, Beeinflussung der Reaktions-
1 gcschwindigkcit bei den Reduktionsprobcn des
T. durch die Gegenwart von Metallen im Ilarn 25.
— Verteilung des T. im Menschenblut und ihre
Abhängigkeit von der Temperatur 892.
1 T^939^ V ° n ^ u P^ CI ’bydroxyl-Ammooiak auf
Tremor, Untersuchungen dess. mit dem Saitcn-
galvanometer 1848.
; Trendelenburg’sche Lage bei schweren Blutungen
nach der Entbindung 651.
Trepanationen 1296.
— sclero-corneale, Erfahrungen mit der T. 1047.
-Spätinfektion nach T. 1047.
— dekompressive, Indikation der T. auf der ge¬
sunden Seite 187.
primäre, zum Zweck der Extraktion von Ge¬
schossen aus dem Gehirn 612.
Tricalcol, Erfahrungen mit dem colloidalen Tri-
calciumphosphateiweiss T. 22.
Tricalcolmilch beim kranken Säugling 1578.
Trichinose, Neue Studien über Pathologie der T. 706. 1
Trichobezoar 911.
Trichocephalus dispar im Darmkanal des Monschen 1
411. rj
Trichophytie lichenoide 613, 1429. r \
Trichophyton gypseum astcroidcs 32.
Tricuspidalatresie, angeborene 942.
Tricuspidalklappe, Entwicklungsstörung der T. 363. -
Trigeminus, Isolierte Lähmung des T. 1084.
— Neuralgie dos III. Astes des T. 998.
Trigeminusneuralgie, Alkoholinjektionsbehandlunf
der T. 90, 464, 961. 0 _
Trikctohydrindenhydrat, Colorimetrischc Be- |
Stimmungsmethode der mit T. reagierenden -
Verbindungen 1425.
Trikotschlauch-Mastisol-Extensions verbände 1821 .
Trinken, Einfluss des T. auf die Verdauung fester -
Substanzen 361.
Trinker, Billige Behandlung der T. 797.
Trinkwasser, Einfluss des T. auf Entstehung der
Zahncaries bei Schulkindern 804. -
Trinkwasserfiirsorgo in den Heeren der Ver¬
gangenheit 273.
Trinkwassersterilisation im Felde 1750. -
— mit Salzsäure-Brom-Bromkali 273.
Tripperfäden,Verursachen sterileT. weissenFluss? —
1747.
Trochanterdeformitäten 990.
Trockennährböden 1630. _
Trommelfell, Brüche des-knöchernen T.-Randes !
1465.
Trommelfell, Respiratorische T. -Bewegung 422
0 . j — Zitzenbildungen am T. 904.
Tropenhygiene, Kinematographische Vorführungen
I aus dem Gebiet der T. 185.
li- j — Vorlesungen über T. 1223.
Tropenkrankheiten, Behandlung bedrohlicher Zu-
! stände bei T. 804, 1278.
| — Handbuch der T. 317.
, — Salvarsan bei T. 1088.
*n Tropenpathologie 466.
] — Fragen und Ziele der modernen T. 369, 416
ig 466. ’
Trophödem 656.
1 Tiuppenhygiene, Ein Hilfsmittel für sportliche
Diätetik und T. 1643.
I. Trypanose, Therapeutische Versuche bei T. mit
>- Salvarsankupfer 223.
Trypanosoma, Ein am Rovuma (Deutschostafrika)
vorkommendes T. beim Menschen 713.
3 ~ brucei, Angebliche Identität des T. und T.
rhodesiense 757.
s -Dimorphismus des T. 1373.
- — Cruzi, Vermehrung und Infektiosität des T.
in der Bettwanze 1044.
• — rhodinense, Identität des T. mit den gleieh-
aussehenden T. des Wildes 1279.
- Trypanosomen und deren Uebcrtragung 668.
— Experimentelle Untersuchungen an* T. über
die biologische Strahlenwirkung 252.
— Züchtung pathogener T. auf künstlichen Nähr-
■| böden 1374.
frypanosomeninfektion, Chemotherapeutische Ex-
pcrimentalstudien bei T. 319, 408.
Trypanosomenkrankheiten, tierische, in Deutsch-
Ostafrika 297, 328.
Trypanosomiasis, Heilungsversuch mit Salvarsan
bei T. 1132.
— Erste Symptome bei T. 1132.
— und Syphilis 1047.
— Behandlung der T. mit Trixidin 466.
— Trypasafrol und Trixidin bei menschlicher T
1088.
Tryposafrol, Neues über T. und Novo-T. 101.
Tryposafrol Wirkung 1154.
Trypsin, Verhalten des T. zur Linse 993.
Trypsinvergiftung 29.
Tuba Eustachii, Behandlung der Affektionen der
T. 220.
mit kolossal grosser pharyngealer Oeffnung
Tubargravidität, Herkunft der Blutung bei Ruptur
der T. 847.
Tube, Knochenbildung in der T. 466.
— Heterotopie bzw. Divertikelbildung an der T.
von Hühnern 78.
— Lymphangiom der T. 1486.
Tubenembryorn 949.
Tubencarcinom 1243.
— primäres, auf dem Boden alterTuberkulose 762.
Tuberal 267.
Tuber parietale, Schussverletzung dess. 1901.
Tuberkelbacillus, Ansteckung mit T. 800.
— atypischer 707.
— boviner, Infektion der Kinder mit dem T. 318.
-Beteiligung dess. bei phlyktänulären Er¬
krankungen der Augen 1582.
Bedeutung des T. für die Tuberkulose des
Kindes 368.
— Differenzierung des Typus humanus und bo-
vinus des T. 557.
— im strömenden Blut 411, 416, 436, 707, 1374.
im Blut, speziell bei chirurgischer Tuberkulose
464, 991.
— Ist der Nachweis von T. im Blute diagnostisch
verwertbar? 649.
— Verminderung der T. im strömenden Blut bei
Tuberkulinbchandlung 28.
— Bedeutung und Auftreten virulenter T. im
Blute nach diagnostischer Tuberkulininjektion
941.
— Vorkommen virulenter T. im strömenden Blute
bei Kindern 1579.
— Vorkommen des T. im Herzblut bei chro¬
nischer lokalisierter und latenter Tuberkulose
460.
— Vorkommen virulenter T. im strömenden Blute
beim tuberkulösen und tuberkuünisierten
Kaninchen 1579.
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UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Tubcrkelbacillus, Subkutane und intracutane Tuberkulose, Bacillämic bei T. 610.
Tuberkulininjektion als Mittel zur Diagnose j — Bf
des T. im Tierversuch 1044. I M
— Infektions- und Verbreitungswege des T. im, - Ti
menschlichen Körper 768, 952. de
— und Kupfer 1372. j — Bi
— Affinität und Giftigkeit von Kupfer- und 1
Methylenblausalzen für den T. 647. — —
— der Typus des T.-im Auswurf von Phthisischcn n;
1225. — B
— Präcipiticrcnde Wirkung des Blutserums mit — P
Lipoiden des T. 319. j s'
— Bedingungen der Phagocytosc von T. 1425. ' — E
— Eigenartiges durch den Typus gallinaccus I
hervorgcrufencs Krankheitsbild der Tuberkulose I — 1
1529 . ; — C
— Cytologisehes Bild der Intraeutanrcaktionen | — -
mit den Doyckc-Much’schen Partialantigencn — c
und dem Alttuberkulin 1589. ' — l
— Entwicklung und Zahl im Sputum 1580. I — 1
— Relativer Wert lebender und toter T. und ' i
deren Endotoxine in Lösung bei aktiver | — 1
Immunisierung gegen Tuberkulose 365. I !
— Bedeutung der intracellulären Lage der T. i —
im Auswurf 1580. j
Tuberkelbacillenreinfektion, experimentelle, der j
Lunge 1395. 1 —
Tuberkelknoten in die Aorta und Bifurkation der I —
Trachea perforiert 1424. |
Tuberkulide, experimentelle 953. : —
— papulonckrotischcs 669. —
— Pathogenese der T. 1231. | —
Tuberkulin, Eisen-T. 1226. j
— Cutane Impfung mit humanem und bovinem j —
T. 1580. I
— Verhalten des T. im tuberkulösen und nicht- | —
tuberkulösen Organismus 941.
— Wirkung des auf dem Lymphwege den Drüsen | —
zugeführten T. 123. I —
— Rosenbach 361, 611. I —
— — Behandlung chirurgischer Tuberkulose mit j
dems. 1577. ; —
— — bei Lungentuberkulose 1468, 1577. j —
— — bei interner Tuberkulose der Kinder 1900.
Tubcrkulinbehandlung, percutanc 987. ' —
— als wirksames Mittel, um die Sanatorien ent- |
behrlich zu machen 986. ,
Tuberkulinfrage 365. j —
Tuberkulinhautreaktion, Bedeutung der wieder- | -
holten abgestuften T. für die Klinik der ! —
Lungentuberkulose 168. | —
Tuberkulininjektion, probatorischc, Verhalten der
Leukocyten bei T. 1185. , -
Tuberkulinprüfung, cutane, im Kindesalter 270, :
Tuberkulinreaktion, Reaktionsfähigkeit tuber- -
kulöser Ilautstellen auf T. 1329.
— lokale, Diagnostischer und prognostischer Wert i -
der T. 282. ' -
— — Wert der Wiederholung der T. beim Er- -
wachsenen 798. I -
— — Diagnostischer und prognostischer Wert -
der Wiederholung von T. 650. 1
— Verdient die cutane oder intracutane T. den | -
Vorzug beim Tuberkulosenachweis durch den .
Meerschweinchen versuch V 988.
— pcrcutane 364.
— Untersuchungen 1580.
Tubcrkulinsalbeneinreibung, Die nach T. auf¬
tretenden Hautverändcrungen und der Lichen
serophulosorum 1231.
— therapeutische 1226.
Tuberkulinüberempfindlichkcit, Ucbertragung der
T. 269.
Tuberkulomucin 1226.
— Behandlung chirurgischer Tuberkulose mitT.
1526.
— Schwere Phthisen unter T. 1526.
— Sensibilisierung für die Pirquet'schc Reaktion
durch Injektion von T. 1148. j
— Tierversuche mit T. S25.
— Wirksamkeit des T. in der Anstaltsbehand¬
lung 647.
Tuberkulose, Das Abderhalden'sehe Dialysier-
verfahren bei T. 1225.
— Abderhalden 1 sehe Reaktion bei t'arcinom und
T. 648.
- Aetiologie und spezifische Therapie dcrT. 1706.
— Bedeutung der Albuminurie bei T. 1426.
Behandlung der T. mit dem Friedmann'sehen
Mittel 800', 1128, 1599.
Tuberkulin ltosenbach bei der Behandlung
der internen T. der Kinder 1046,
Behandlung der T. mit Tuberkulin Rosenbach
1184.
Tuberkulose, Ucbcrgreifen der T. der Bronchial¬
drüsen auf die Lunge 1336.
— Ucbertragung der T. durch Schütteln in-
j fixierter Wäsche 368.
— Verhandlungen der zweiten Tagung des öster-
reiehischcn Zentralkomitees zur BekämDfumr
der T. 118. P k
— der T. mit Schildkrüten-Tuberkclbacillen I — Verteilung der offenen und geschlossenen
nach Piorkowski 1327. j Formen der T. in München 415.
Bekämpfung der T. 1344, 1473. ] — Wohnungsdesinfektion bei T. 762.
Planmässige Bekämpfung der T. in einer — und Alkoholismus 1425.
stark verseuchten Landgemeinde 652. I — des Auges 427.
• T. 1344, 1473. | — Wohnungsdesinfektion bei T. 762.
ükämpfung der T. in einer — und Alkoholismus 1425.
;n Landgemeinde 652. I — des Auges 427.
tuberkulöse als Schutz- und — — — Tubcrkulinbehandlung der T. 614.
I 1 . 1100. — Bekämpfung, Bedeutung der Reichsversickc-
1082. rungsordnung und Angcstelltenversicherunc
der T. 608. für die T. 415.
izitat des Kupfers 408. — — Fortschritte der T. in Preussen 1909 bis
iehandlung mit Enzytol 1554. 1911 1770.
bei T. 1340. ! —■ — Skrofulöse- und T. 33.
)iagnosc T. im Kindesalter ge- I — — Vereinfachung dor spezifischen Therapie
227. i für die T. 1580.
derter Nasenatmung auf das — Diagnostik, Wert der quantitativen T. 1426.
en der Inhalations-T. 1809. — und Epilepsie 1131.
ngerschaft und des Wochen- — und Erythema nodosum 649.
3 Sterblichkeit der weibliehen — Forschungsreise nach Jerusalem 42.
n T. 414. — Fortbildungskurs des allgemeinen Kranken-
is Mallebrcin bei T. 28. hauses llamburg-Eppcndorf 1611.
I Miliarerkrankung 348. — fungosa cutis 802.
ndlung 1245. — Eiirsorgeverfahren der Landesvcrsichcrungs-
1426. anstalt. Berlin 408.
nodosum 1045. — des männlichen Gcnitalsystems 1391.
des Blutes im Kindcsalter be- — und Goldcantharidin 647, 1577.
. 1130. — Die granuläre Form des T.-Virus 1632.
putunizellen, besonders bei T. — der Haut, Behandlung der T. und der Tuber-
— Blindsehleichentubcrkulosc als Schutz- und , — -
Heilmittel bei T. 1100. — B
— Blutbild bei T. 1082. n
— Chemotherapie der T. 608. fi
— — — Die Toxizität des Kupfers 408. — -
— chirurgische, Behandlung mit Enzytol 1554. 1
— Cutanimpfung bei T. 1340. ! — -
— Wann ist die Diagnose T. im Kindcsalter ge- l — -
rechtfertigt? 1227. i f
— Einfluss behinderter Nasenatmung auf das — 1
Zustandekommen der Inhalations-T. 1809. — l
— — der Schwangerschaft und des Wochen- — i
bettes auf die Sterblichkeit der weibliehen — '
Bevölkerung an T. 414. —
— Anwendung des Mallebrcin bei T. 28.
— Bac-illämie und Miliarerkrankung 348. —
| — und ihre Behandlung 1245. —
j — Serodiagnostik 1426.
— und Erythema nodosum 1045. —
| — Eiweissgehalt des Blutes im Kindcsalter be- —
j sonders bei T. 1130. —
I — Eosinophile Sputumzellen, besonders bei T. —
I 1225.
| — Experimentelle Untersuchungen über Tuber- —
kulin und T. 34. —
I — der Fasele des Bicepsmuskcls 1470.
— Fixationsrcaktion bei T. 757. —
l — des weiblichen Genitalapparates im Kindes- —
, ] alter 1875.
; — des männlichen Gcnitalsystems 1338. —
i — Gesamtir.ortalität an T. in Preussen im Jahre
. 1 1913 675. I
' — Konsultation zwischen Gynäkologen und In- —
- | ternisten bei Schwangeren mit T. und llerz- j —
; fehler 669. | -
j — Hämorrhagische Diathese bei T. 1226. j —
- | — Handbuch 1597. —
r — Zur Heilung der T. 843. —
| — Heliotherapie der T., besonders der chirur- —
r gischen Formen 754, 813. |
, — durch Tuberkelbacillen erzeugte Immunität : -
). j gegen T. 609. -
r- — Intravenöse Behandlung der T. mit Gold- I -
Cantharidin 1094. 1 -
rt j— Icterus bei T. 1129. j-
' — Kicselsäurestoffwcchsel bei Krebs und T. 797,
r- 1 — Die Klinik der T. 1223.
I — Komplemcntfixation bei T. 121, 412. i -
rt — cbirurgische, Versuche mit Kupferlezithin- -
I präparaten an Kindern mit T. 1119.
en I — Lebcrcirrhose und T. 1632.
en — Verhältnis der Lymphogranulomatose zur T. -
1468.
— Spontane Meerschweinchen-T. 1224.
— Veränderungen der Pirquet'schcn Reaktion bei
uf- T. unter Einfluss der Kumysbehandlung 409.
en — Methoden zur Bekämpfung der T. als Volks¬
krankheit 89. j
— Organreaktion mit Koeh'sehcm Alttuberkulin I
:1er bei klinisch nicht nachweisbarer T. mit be- I
sondercr Berücksichtigung der „asthenischen“ i
und „rheumatischen“ Erkrankungen 707.
T. — Pncumothoraxbilder bei T. 229. I
— Ausgcheilte T. nach künstlichem Pneumo- I
thorax 944. j
ion — Präventive immunisatorische Impfung des i
Menschen gegen T. 523. i
— Primäraffekt bei der T. 321. 1
»nd- — Röntgenbehandlung der Knochen- und Gelenk-
T. 124.
der- — Sahli'sche Methode der Behandlung dcrT. 1423
I — Serodiagnosc mit dem Antigen von Bcsrcdka
und! 1129, 1567.
] — Strychnin-Tuberkulinhehandlung bei T. in der
706. Hospitalspraxis 1128.
I — der tracheo-bronchialen Drüsen 1152.
kulide mit Neosalvarsan 613.
— Immunität, Wesen der T. 609. j
— Immunisicrungsvcrsuchc mit dem Serum von
Kühen 1374.
— Impfstoff 1327.
— infantile, Anaphylaxie und Antianaphvlaxie
bei der T. 560. *
— Infektion, Ueber den Nachweis freier Lipoide
im Serum durch Aktivation mit Kobragift,
besonders bei der T. 496.
— intraoculare 92, 367.
j — Meldung in Irland 994.
| — im Kindesalter 672, 1084.
I — eine Kinderkrankheit 1225.
— latente, im Kindcsalter 1130.
— — bei Säuglingen 942.
I — Vergleichende Betrachtung wichtiger Klimate
I für die T.-Therapie 647.
: — larviertc 1426.
— und Nierenkrankbeiten 551.
I — Präventorium 1187.
j — Probleme, gegenwärtige 1225.
I — in Persien und Behandlung mit Tuberkulin
610.
I — und Psoriasis 125.
| — lokale, Radiotherapie bei T. 321.
• — des Rindes, Bekämpfung der T. mit beson¬
derer Berücksichtigung der klinischen und
bakteriologischen Feststellung 554.
. — im schulpflichtigen Alter und ihre Bekämpfung
1425.
— in ihren selteneren Erscheinungsarten 1226
:i — Misehinfektion bei T. 1226.
). — sekundäre 707.
>- — und Unfall 1132.
| — Untersuchungen in einem thüringischen Dorfe
n I 412.
2 -! — Eiweissgehalt im Sputum T. 1650.
i“ ) — Einfluss der Jahreszeit und der Witterung
auf T. 1226.
I — Unterbringung und Behandlung der T. in
o-1 öffentlichen Krankenanstalten 1185.
I — Empfindlichkeit T. auf Partialantigene 15^
es | — chirurgische, Behandlung der T. 409, l* 3 -
| — — Behandlung der T. mit Friedmannschcm
i Heil- und Schutzmittel 1034, 1038, 10^
k-j 1055, 1069, 1133, 1149, 1189, 1327, 1424.
— — Heilung der T. 77.
>3-Heliotherapie der T. 627.
ka ! — — Behandlung der T. mit künstlicher Hohen-
! sonne 1394.
ler |-Lokale Sonnenbäder bei T. 849.
| — — Kupfcrbehandlung 1424.
, — — Mesbebehandlung bei T. 464, 611.
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UNIVERSUM OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Tuberkulose, chirurgische, Mischinfeklion bei T.
1148.
-Statistik der T. iu Basel ISO.
— — Heliotherapie der T. 186.
der Lunge, Abderhalden schcs Dialysierver-
fahren bei T. 875, 988, 1733.
-— und Amenorrhoe 465.
ur *d axillare Lymphknoten 845.
Behandlung nach Friedmann 1446,1496.
- Blutuntersuehungcn bei T. 941.
Da s Blutbild und seine Beziehungen
zur Prognose und Therapie der T. 557.
Begriffe „manifest“, „latent“,
„aktiv ^ und „inaktiv“ in der Beurteilung der I
T. 1132. I
- Chemotherapie der T. 1100.
-— Diagnose der Form der T. 1633.
Inspektion und Palpation des Thorax I
in der Diagnose der T. 1580. I
— -Subcutane Emitininjektionen bei T.797. |
Epidemiologische Untersuchungen zur
Frage der Genese der T. 762.
--Fieber bei T. 168.
Bie Freund’sche Lehre und der heutige
Stand der Frage von der lokalen Disposition I
zur T. 412. j
Frühdiagnose der T. 1419.
- Guajakol bei T. 267. !
Heilbestrebungen auf dem Gebiete der!
T. 856. i
- und Ilerzklappenfchler 1373. I
Behandlung der T. im Kindesalter 1329. -
— “ Kupferbehandlung der T. 1372. j
Neuere Mittel bei der Therapie der T. -
28. I
— Operative Behandlung der T. 914, 1086 -
1428. j
Beeinflussung der T. durch operative -
Maassnahmen am Nervus phrenicus 960.
Neosalvarsan bei aktiver T. 1278. j -
— -Pfeilerresektion oder Plombierung bei '
T. 898. " | _
— mit extrapleuraler Plombierung 1086.
künstlicher Pneumothorax bei T. 376 I -
478, 1126, 1328, 1475.
und Pleuratuberkuloso, traumatische,
10 Fälle 1566.
— -Prognosenstellung bei der T. 1845.
— Radiologisch erkennbare anatomische -
Typen der kindlichen T. 709. -
~~- Röntgenbehandlung der T. 909. -
— Röntgendiagnostik bei der mcchani- -
sehen Therapie der T. 1086.
~ — — Beeinflussung der T. durch Röntgen- -
strahlen 1005. _
~ — — die Schilddrüse bei T. 1279. -
— Methodik der Schwangerschaftsuntcr- T
brechung und gleichzeitiger Sterilisation bei
T. 1629.
Behandlung der T. mit Trypanosan T
190.
-Typus der Tuberkelbacillen bei T. und —
T. der Bronchien 1327.
— — — Tuberkulin Rosenbach bei T. 1468. T;
— — — Behandlung tuberkulöser Lungenpro¬
zesse mittels Vibroinhalation 1733. Tj
~ — Bedeutung von Wirbelsäulenanomalien Tj
für Entstehung der T. 1425. |
Tuberkulöse Schlachtrinder, Latente Infektion —
der Leber und Milz ders. 1919. j
Tuberkulosemittel nach Friedmann, baktariolo- —
gische Kenntnis des T. 757. ' —
— — — Bakterielle Verunreinigungen 894. [ —
— — — Erfahrungen mit dem T. 813, 843, I —
854, 893, 940, 1138, 1144, 1146, 1372, 1467, i —
1583. | -
— — — Lupusbehandlung mit dem T. 894. i
-— Tierversuche mit dem T. 1225. |
— -Virulenz des T. 1423. —
— — — Wissenschaftliche Vorstudien und Grund- : —
lagen zum T. 1410. I —
'Tuberkulosevirus, Granuläre Form des T. 1425. j —
Tuberositas tibiae, Rissfraktur der T. 769. j
Tubolytin, ein reines Tuberkulinpräparat 1581. i —
Tumoren, Biologie der T. 755. —
— Demonstration mittels sensibilisierter Em- j —
bryonalzellen erzeugter T. 817. j
— Diagnsoe, serologische 364, 643. ; —
Lj Tumoren, Extrakte, Behandlung von Tumoren
mit T. 1876.
j — der japanischen Haushühner 894.
! ~~ eigenartiger der Inguinalgegend 1279.
3r ' — inoperable, Behandlung von T. 56.
— — Radiotherapie von T. 846.
— intrapleuraler mit Intereostalneuralgie 1150
— Muliiplizität von T. 1224.
maligne, Anatomisches und Kritisches zu
o60 Obduktionen, bei denen sich T. fanden
en 78.
u -Autolysatbehandlung von T. 867.
,-Behandlung von T. 121, 137.
er | Behandlung der T. mit Tumorextrakt 1042.
1 — — Bekämpfung der T. auf der Grundlage
I der Wachstumsphysiologie 1383.
.-Erhöhter Eiweissopitheldruck bei T. 895.
xx |-Elektroselcn bei Behandlung von T. 381.
,-Enzytolbehandlung von T. 1081.
<•-Komplementbindungsreaktion bei T. mit
ir chemischen Substanzen 609.
Ausbau und Theoriedes onkogenen Gleich¬
gewichtsmangels und der histogenen Chemo-
r ,o | therapie zur Entstehung der T. 894.
ml-Mecostagminreaktion bei T. 941.
I-Mesothoriumbehandlung von T. 706.
| — — primäre multiple 1373.
-Radiumbestrahlung von T. 51, 77.
‘ r :-Radium-undRöntgenbeharidlungders. 1946. I
|-Radioaktive Substanzen und ihre Anwcn-
| düng in der Behandlung von T. 89.
). | - — Weitere Erfahrungen in der Radium-
i behaudlung von T. 1388.
• j Abnahme der Radiosensibilität m. T , die
mit Röntgenstrahlen behandelt sind 1468.
— — Intratumorale Radiumbestrahlung von T. j
ö — — Radium- und Mesothoriumbehandlung der [
j-durch Röntgenbestrahlung zum Ver- !
i schwinden gebracht 577. j
j — — Röntgen- und Radiumbehandlung von T. 1
84, 126, 818.
, ! — ~ Röntgentiefentherapie bei T. 428. |
-- Einfluss der Schwangerschaft auf das :
, Wachstum von T. 272. j l
-Serodiagnostik von T. 28, 78, 1280. |
— — Strahlenbehandlung von T. 1144. I
i — Mäuse 572.
— der hinteren Sehädelgrubc 34.
— Histologie der Strahlenwirkung auf T. 1602. -
— Strahlenbehandlung der T. innerer Organe
1003. *
— in den Tropen 894.
— Uebertragung von T. auf das Auge 28.
— xantbomzellenhaltige 994.
Tumorzellen, Experimentelle Uebertragung von -
T. 1155.
— Mitochondrienapparat der T. 987. j
Tumorschädel, angeborener 650. j -
— Pathologie des T. 1085. j -
— Röntgenbilder vom T. und Indikationsstellung I -
zur Operation 276. “ !
Tympanismus, Tuberkulose des Peritoneum als , -
Ursache des T. bei Kindern 1246. 1
Typhobacillose Landouzy’s 759. -
Typhus abdominalis. Bakteriologische Blutuntcr- !
j suchung bei T. 1375. j -
— — Gefahr der Bacillenausscheider bei T. und ! —
| Diarrhöekranken 762. i —
— — Essig zur Verhütung des T. 1430. I —
' — — Schutzimpfung gegen T. 1922, 1965. ,
— — Galloprhythmus im Verlauf des T. 896. —
* — — hämorrhagischer 1581. I —
— — mit Hemiplegie 668, 1328. —
— — und reine Komplikationen in der deut- —
sehen Armee während der Jahre 1878—1910 1
462. I -
— — als Kriegseuche 1636. j
— — Magenperforation bei T. 188. —
-und Milch 126. 1 -
— — Verbreitung durch Milch in Schleswig-
Holstein 238. , —
— — Milzruptur bei T. 942.
-Ostitis fibrosa nach T. 366. I —
-Traumatische Perforationsperitonitis bei | —
ambulantem T. 711. —
— — Fall von T. mit gleichzeitiger Syphilis 1604. —
i Typhus abdominalis, Urobilinurie bei dems 1619
— — Uebertragung von T. durch Milch in
München 1913 415.
~ Agglutinatorisehe Kraft des Serums nach
uberstandenem T. 1919.
Typhusbacillen, Vorkommen von T. im Blute
eines „gesunden“ Bacillenträgers 689.
— im Duodenalinhalt bei Anwendung der Ein¬
horn sehen Sonde 269.
— Intravenöse Inokulation lebender T. 29.
in* Blut von Kaninchen nach Verimpfung in
die Gallenblase 1432.
— im Liquor cerebrospinalis bei Typhus 1375.
Pyogene und antigene Wirkung der T. bei
leukämischen Kranken 988.
— Serumfestigkeit des T. 988.
— Nachweis von T. im Urin mit Hilfe des
Berkcfeldfilters 268.
~ Ausscheidung der T. durch Bacillenträger
Typhusbacillenträger, Feststellung von T. durch
Untersuchung des bei Operationen gewonnenen
Gallenblaseninhalts 1087.
Typhusschutzimpfung 239, 429, 797, 986, 1527
1581, 1857.
— gegen Cholera 1632.
— und Herzkollaps 413.
— mit erwärmtem monovalenten Impfstoff 1096.
— mit polyvalentem Impfstoff 722, 1000.
— obligatorische in der Armee 1186.
— für Anwärter des Krankenpersonals 1441.
und Paratyphusimpfung mit gemischten Vac¬
cinen 122.
Typhus exantheraatieüs, Anatomische Befunde
bei T. 1391.
-und Roseola 168.
— — auf Schiffen 223.
-Uebertragung des T. auf den Menschen
und den Affen durch die Flöhe eines Kranken
mit Febris recurrens 895.
! Ueberdrehung des Rückens infolge Armvorfalles
j 1377.
Ulcus, Ausgedehnte U.-Bildung in den Hals¬
organen 1334.
— acutum vulvae 712.
— corneae serpens, Behandlung dess. mit Opto-
chinin 1612.
-Behandlung des U. 1278, 1331.
-Behandlung dess. mit Aethylhydro-
cuprein 1560.
— cruris, Behandlung der U. 120, 894.
— — Pellidol und Azodolen bei U. 1326.
— — chronicum, Behandlung des U. mit Radium-
j emanation 1042.
i — duodeni 34, 269, 1065, 1149, 1648, 1651.
j — — Aetiologie des U. 363.
|-Chirurgio des U. 669, 1528.
I-Diagnose des U. 1044.
,-Nachbehandlung der wegen U. oder pylori
1 Operierten 612.
I — — W'iederauftreten von U. nach der Ope-
; ration 612.
j — — Operation des U. in Lokalanästhesie 854.
! — — Pathologie und Chirurgie des U. 1231.
-Pylomsversorgung bei U. 178.
— — Das röntgenologisch Erkennbare beim U.
568.
-Das röntgenologisch Erkennbare amU. 1187.
-und Trauma 1923.
— jejuni pepticum 805.
— — Diagnostik des postoperativen jejunalen
und Anastomosenulcus 1556.
— perforans mit Neurinom am Nervus tibialis
1748.
— pylori, Röntgenaufnahmen bei U. 1142.
— recti chronicum, Gefässveränderungen bei U.
461
— rodens, Mit Kupfer und Quarzlampe geheilte
Fälle 1467.
-Natur des U. 756.
— rotundum et Carcinoma ventriculi 1651.
— molle, Kupferverbindungon gegen U. 408.
-Seltene Lokalisation 1901.
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UMIVERSITY OF IOWA
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ulcus veutriculi, Aetiologie des U. 1224.
-in Bayern 1651.
— — Behandlung des U. 804.
— — Behandlung des pylorusferncn U. 155G.
— — Chirurgische Behandlung des U. der kleinen j
Curvatur 612. ,
— — Chirurgische Behandlung des U. 1139,1428.
-Experimentelles U. 1327. '
— — Experimentelle Begründung der Aetiologie
des U. 863.
— ä Experimentelle Pathologie des U. 608.
-Familiäres Auftreten des U. 1651.
— — Gastroduodenostomie oder Gastrojejunosto-
mie bei U. 612.
— — bei Hernia und Eventratio diaphragmatica
124.
— — ln die Milz perforiertes U. der grossen
Curvatur 170.
— — Neue Theorie der Genese des U. 671.
-Pathologie und Therapie des U. 462.
— — Perforation des U. ins Herz 78.
Unterkieferresektion, Prothese bei Nekrose des Uterus, Anästhesierung dos U. 1404
Unterkiefers 811. — Endothcliom des lf. 895
Unterschenkel, Exzessive Kürze der U. 1825. — Gleichzeitiges Vorkommen von a
Unterschenkelamputation, Technik der U. 955. | 11 . und der Adnexe 847 ' C n des
Unterschenkelbruch, Heilungsrcsultate bei U. 897. — Peritonealrissc am U. bei vorzeitig t;; c
Untei suchung, äussere, Leistungsfähigkeit der U. , der normal sitzenden Placonta 1239 J
während der Geburt 802. ...... I ~ Supravaginale Selbstamputation des U 713
Untersuchungsmethoden, Die pathologisch-histo- — Selbstamputation eines myomatöseu U H 79
logischen L. lo23. I — Spontanruptur des U 1340
Urachuseyste, Gallcrtcarcinom einer U. 180. - Torpidität des U. und ausgetragene Gravidität
Uracdiusfistel, kongenitale 850. trotz Retention einer intrauterinen IW
l ranne, Diagnose der U. mittels Indikanbc- | nade 367.
Physiologische Gesichtspunkte in der Be- Urcase, feste, und ihre Verwendung zur quantb
handlung des U. 843.
-am Pylorus 854. I
— — Pylorusausschaltung bei U. 1085. j
— — Resektion des Magens bei U. 1153.
-Weitere Schicksale operierter und nicht»
operierter Fälle von U. 1153.
— — Sanduhrmagen und Perigastritis 169.
— — durch Schimmelpilze 3G3.
— — Seehsstundenrest bei pvlorusfcrnem U.
1355.
— — callosum, Resektion des U. 672.
— — — Indikation zur operativen Behandlung
des U. 1470.
logischen L. lo23. j — Spontanruptur des U 1340 ° *"
chuscyste, Gallcrtcarcinom einer U. 180. - Torpidität des U. und ausgetragene Gravidität
chusfistcl, kongenitale 850. trotz Retention einer intrauterinen Tarnno-
nue, Diagnose der U. mittels Indikanbc- | nade 367.
Stimmung im Blutserum, Transsudaten und j Uterusabtragung, Die totale U. als Frsat?
Exsudaten 649. | den Kaiserschnitt in Fällen von Infektion 1749
Gastrospasmus bei LT. 18 21 | Uterusatonie, Hypophysonextrakt bei U. 802
Klinik und Einteilung der U. 13/5. 1 Uterus bieornis mit Adenomyom 1149
- Fapavcrmbehandlung der 11 . 843 Uterusblutung, Aetiologie und kausale Therapie
— Symptomatologie der U. bei Nierenkrankheiten der U. 761.
. — Digitalis bei U. 562.
I — die einen Tetanus vortäuschte 188. | — Physiologie und Pathologie der U 803
I Lranoplastik, Technik 1875. j — essentielle, Ursachen und Behandlung der U
case, teste, und ihre V erwendung zur quanti- I und des Ausflusses 847.
tativen Bestimmung von Harnstoff im Harn, j Uteruscarcinom, Die Behandlung des U. 318.
Blut und Cerebrospinalflüssigkeit 1227.
Wirkungsbedingungen der U. 1559.
inoperables, Behandlung des U. mit Aceton
410.
Ureter, Abnormer Verlauf des U. bei einem Falle - Dauererfolge nach Recidivoperationen bei U.
\on Dickdarmatrcsie und Hodenmissbildung 1749.
Ventil Verschluss des yesiealen Ureterendes bei I
einem Neugeborenen 1486. i
— Ueberpflanzung der U. in die Haut 626.
Uretercyste 570.
Ureterenstrikturen, die eine Nephrolithiasis Vor¬
täuschen 82.
Ureterfistel nach ZaDgenentbindung 672.
-jejunale, Transgastrische Operation eines Uretcrolithotomie, Heilung nach doppelseitiger U.
U. 760.
-perforatum, Prognose und Therapie des U.
997.
-pepticum, Nervöse Entstehung des U. 989
-rotundum, Ursache des U. 1043.
-et duodeni 122, 854, 1009, 1100.
— — — Diagnose und Behandlung 1899.
Ureterstein, Entfernung eines U. durch Uretero-
| tomie 711. I
; Ureterveränderungen 1245. I
j Lrcterverletzung, Diagnose und Behandlung der I
i U. in der Gynäkologie 653. j
j — bei W ertlieiin .seiier Operation 1484.
Vorkommen und Verhalten der okkulten I Urethra, Operative Heilung komplizierter Strik-
Blutungen bei U. 1186.
— — Diätetische Behandlung des U. 1226.
— — Experimentelle Erzeugung von U. 991.
■ — — Gastroenterostomie bei U. 1140.
■ — — Klinisches zur Lehre vom U. 719.
■ — — Einfache und erfolgreiche Maassregel
hei der Perforation eines U. 271.
- — — Magcninotilität bei U. 846.
-— Akute Perforation des L. 711.
— Vollständige Entfernung eines U. mit der
blossen Hand 1331.
— Eosinophilie bei U. 1246.
— Eosinophile Leukocyten in entzündlichen In¬
filtraten, besonders der U. 466.
~ CareinomatÖse Implantationsmetastasen im U.
755.
— Mesothoriumbehandlung beim Uterus- und
Vaginalkrebs 900, 1599.
i ~ Behandlung des U. mit Radium 859, 893,
1377.
— Radium und Mesothorium bei U. 220.
| Radium- und Röntgenbehandlung des U. 126,
i Spätrezidive nach der erweiterten abdomi¬
nalen Operation bei U. 848.
I — Statistik des U. 32.
1 Uterus duplex, Kaiserschnitt bei U., Heroi-
] hysterektemie 1232.
turen der U 1086 Uterus duplex, Kaiserschnitt bei U., Hemi-
— anterior, Technik der Spülung der U. 1231. ] hysterektemie 1232.
posterior, Störungen der LTrogenitalfunktion Uterusexstirpation 233.
r’ fi? 1 ..!r k . ra ?u U ? g i C (?i o CF i ~ abdominelle, Entbindung durch U. hei lebendem
Urethraldivertikel 1243, 1394. Kind ohne vorherige Eröffnung 651.
■ r L (,n lge n bild 1283. Uterusfibromatose, Ovarialveränderungen bei U.
| l rethralspritze, Kombination von U. mit Flüssig- 1920.
I n ^‘^»clialter 368. Uterus gravidus, Behandlung der lncarceration
Urethral stein 1146. des U. 761.
Operative Behandlung der Perforation | Urethritis, Diplococcus crassus als Erreger von | Uterusinversion, puerperale 170, 1187.
beim U. 81, 898. j
— — — Röntgenbefund bei U. bei demselben (
Fall 911. |
Ulerythema acneiforme 801.
Ulnarislähmung nach Schussverletzung 1850.
Ulsanin, Ein mit U. geheilter Fall von Gesichts¬
und Nasenlupus 1708.
Ultraviolette Strahlen, Anwendung ders. 1485.
-- Einfluss ders. auf die Färbung des Felles
von Kaninchen und Meerschweinchen 1553.
Umstimmung, sympathische unspezilisehc 1280.
Unfall, Müssen U. nervöse Folgen haben? 849.
— mit schwerer Komplikation 799.
— und Sarkom 84.
U. und Epididymitis 1231. Uteruskrampf und Retention des Kopfes nach
Herpes urethrae als Ursache nichtgonor- Embryotomic 1283.
rhoischer U 1330. Uterus, kreissender, Penetrierende Drucknekrose
— non gonorrhoica 846, 943. des U. 652.
pioliferiercnde, Endoskopische Behandlung Uterusmyom 574 .
T . y. on TT , I — Aetiologie der U. 900.
Lrethroskop zur Hochfrequenzbehandlung 1136, i — Behandlung des U. 1187.
}' J ^' . tt I-mit Röntgenstrahlen 124, 1249.
it- }; niX( ; rsa !' U - 1245 .- und Corpuscarcinom am Uterus 761.
Urothroskopic, Praktische Bedeutung der U. 569. 1
Urobilin und seine Bedeutung 844. |
Urobilinbestimmung, quantitative, im Stuhl 30. 1
Urobilinogcnreaktion, Unzuverlässigkeit der Ehr-
lich'schen U. 800.
Fingierter U. und Simulation schwerer Unfall- Urobilinsekretion, im Harn bei Malaria, besonders
folgen 1689. | beim Schwarzwasserfieber 714.
— und Nierenerkrankungen 1. j Urobilinurie, familiäre orthostatische 365.
Unfallchirurgie 1139. — Klinische Wertung der U. im Säuelin^salter
Unfallkasuistik 849. 709. b
Unfallneurose und Unfallversichcrungsgesetz 1132. — bei Typhus abdominalis 1619.
Unfallverletzte, ArbcitsverschalTung an U. 804. I Urogenitaltuberkulose, Heilung vorgeschrittener
— Verpflichtung U. zur Duldung von Operationen ; U. auf chirurgischem We<m 1047.
I 689 - . Urbgon, Vorkommen von U.° im Menschen- und
Unfallversieherungspraxis, Vorschläge zur U. 713. Tierharn 555.
Unfruchtbarkeit s. Sterilität. Urologie, Kongress für U. 1247.
Uniplan-Transverter für Rapid-Tiefentherapie 124. jl rotropin in der Dermatologie 27.
Unterdruckkammer nach Sauerbruch 31. , — (Qualitative Unterschiede des Formaldehvd-
Untercntwicklung infolge Unterernährung 1046. gehaltcs im U. und H • -
Unterkieferluxation, Hungerschädigung hei habi- 1080.
tueller U. eines Säuglings 1874. i Urticaria, Beziehungen zwis<
Unterkieferphlegmone 811. und parenteraler Ei weist
Unterkieferresektion, lmmcdiatprothcsen nach U. — Pathogenese der U. 519
— Störung der Eierstoekfunktion bei U. 1044.
— Histogeneso 1876.
— intraligamentäres 142.
— malignes 667.
Uterus myomatosus III mensium von llb* Pfund
1431.
Uterusperforation mit Abreissen des Wurmfort¬
satzes und multiplen perforierenden Diinn-
darmverletzungen 170.
— spontane, in der Gravidität 1393.
Utcrusprolaps, angeborener 858.
— Dauererfolge der Schauta - Wertheim’schen
| Prolapsoperation 1921.
j — Neuer einfacher Retentionsapparat bei l T . 992.
I Uterusruptur, Bluttransfusion als Ergänzung zur
; Hysterektomie bei U. in der Gebürt 893.
— bei der Geburt 1201.
| — und Uterusperforation 667, 998.
— Prothesenbildung nach U. 897.
1 Tn i la u n . • tt , 1T ,r ;-GiciusueuuiaLiuu vvo.
1080 Und 1Iexamcth ylentctramin Uterussarkom, entstanden auf Grund einer in-
1 'rtif'irio . , . , , I fektiösen Granulombildung 1920.
nl ” r ZW ! Schen . An »P>>yI*xic, U. Uterusschleimhaut, Verhalten der U. zur Zeit der
- Pa , e ‘' ® , « , “ verd « uu »* 1082. Menstruation 761.
- Pigmentierte iT 1748 ' ’ Uterus septus duplex cum vagina septa 951.
- xasr^ 364 -
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2033
Uteramin-Zyma, ein synthetischer Ersatz der
Mutterkornpräparate 893.
Uterinsegment, Das untere U. 1849.
Uterovesicalfistel, Geheilter Fall von U. 1484.
— Fall von geheilter U. mit abdominaler Exstir¬
pation des Uterus 1703.
Uvea, Abderhalden’sche Reaktion bei Erkran¬
kungen der U. 798.
Uzara bei Amöbenruhr 1472.
— und unsere Antidiarrhoica 940.
— Wirkung von U. auf den Blutdruck 361.
— — von U. und geronnener Milch bei Darm¬
erkrankungen 224.
Uzaron, Untersuchungen am lebenden Darm, be¬
sonders mit U. 26.
V.
Vaccine, Bestimmung des Baktcriengchalts von
V. mit der Zahlkammer 941.
— Hämatologie der V. 1426.
— experimentelle 369, 391.
— generalisata 1047.
— — bei Ekzema capitis 800.
— Neue Methode, V. ohne Zusatz von Desinfi-
cientien unter Erhaltung der Virulenz keim¬
frei zu machen 1225.
Vaeeinchehandlung 409.
— und Vaccinediagnostik 359.
— bei Gonorrhöe 1747.
— Grundlagen und Wert der V. 166.
— bei Erkrankungen der Harnwege 943.
— mit sensibilisierten Vira 97.
— ihre Theorie und praktische Anwendung 985.
— in der Urologie 843.
Vagina, Beeinflussung des Bakteriengehaltes der
V. Schwangerer durch medikamentöse Spü¬
lungen 899.
— Ersatz der V. durch die Flcxur mittels La¬
parotomie 223.
— künstliche, Bildung einer V. 614.
— Gestielter Thrombus der V. 82.
Vaginalaffektion, Behandlung einiger V. mit
Pittylenbolus 1327.
Vaginalflora neugeborener Mädchen 614.
Vaginalmyome 1920.
Vaginalschleim, Bakterienfeindliches Verhalten
des V. 1283.
Vaginalthcrmophor 1340.
Vaginalverletzungen sub coitu 562.
Vagotomie, Gastrische Krisen und V. 1556.
— Klinik ders. 1469.
Vagus, Einfluss des V. auf das menschliche Herz
758.
Vag.usdruckversuch 956.
Vagushemmung und die anorganischen Salze des
Herzens 1746.
Yagusproblcm, Biochemie des V. 1746.
Valamin in der gynäkologischen Praxis 978.
Valvula ileocolica, Insuffizienz der V. 997.
— ileocoecalis, Insuffizienz ders. im Röntgenbilde
1938.
Varicen, congenitale 1199.
— Bildung ders. 718.
— Erleichterung der Exstirpation 1875.
— Kombinierte Behandlung der V. der unteren
Extremität 1651.
Varicellen, Schutzimpfung bei V. 1875.
Varicocele, Neue Methode zur Operation der \ .
845.
— Operative Behandlung der V. 271.
Variola, Blutbild bei V. und Impfpocken 708.
— Diagnose der V. 1281.
— Elektrargol bei V. und Pest 1278.
— Hämatologie der V. und Vaccine 122, 1426.
— Infektion der Hand mit Cow-pox-V. vaccina
10 47.
— Komplementbindung bei V. 1898.
— Persönliche Erlebnisse mit der V. 1188.
Variolaerrcger 300.
— Reinzüchtung des V. 1279.
Variolainfektion und Vaccination in der gegen¬
seitigen Beeinflussung 989.
Variolalymphe, Entkeimung der V. 1133.
Vas deferens, Diagnose der Tumoren des V. 46o.
— — Naht der V. 465.
Vaseline, Interner Gebrauch der V. besonders bei
Konstipation 860.
Vasomotorische Reaktion, Lokale v. R. der Haut
und inneren Organe 1563.
Vena cava inf., Unterbindung der V. 572.
— — sup., Entwicklungsanomalie der V. 987.
— — — Missbildungen im Bereich der V. 894.
— portae, Thrombose der V. 672.
— saphena, Stichvcrlctzung der V. 334.
Venennaht 943.
Venenpuls 758.
— und Tricu9pidalinsuffizienz 1044.
Venensteine, Bedeutung der V. 82.
Venerische Krankheiten bei den im Felde stehen¬
den Truppen 1578.
Ventilschutzpessar 1799.
Ventralhernien, Mobilisation der Bauchwand bei
grossen V. 1821.
Ventrikelfunktion, Asynchronismus der V. 1225.
Ventrikelkontraktion, Theorie der sogenannten V.
L553.
Verbandmittel, Ersatz der V. im Kriege 1822.
Verbandstoffe, Sparsamkeit beim Verbrauch ders.
1947.
Verbandtechnik 1551.
Verbandwatte, moderne 404.
Verblödung, organische, mit Muskelspannungen
1145.
Verbrechertum im Lichte der objektiven Psycho¬
logie 1127.
Verbrechertypen 266, 1551.
Verbrennung, Alkoholanwendung bei V. 120.
— Behandlung der V. 273.
Verbriihungstod, Problem des V. 265.
Verdauungsapparat, Störungen dess. bei anderen
Erkrankungen 1463.
Verdauungsdriisen, Die äussere Sekretion der Y .
i463.
Verdauungskanal, Bedeutung der Radiologie für
die Diagnose des V. 1801.
— Experimentelle Pathologie des V. 1526.
—- Neues Verfahren, normale und pathologische
Hohlräume des Körpers wie auch Weichteile
des V. im Rüntgcnbilde darzustcllen 1141.
Verdauungskrankheiten, Röntgendiagnostik der
V. in klinischer Beleuchtung 376.
Verdauungslipämie, Herkunft des Cholesterins hei
der V' 1847.
Verdauungsstörungen im Kindesalter 1129.
Verdauungstraktus, Behandlung schwerer Blu¬
tungen des V. mit Emetin 861.
Vererbung und Konstitution in ihren Beziehungen
zur Pathologie 458.
Verfettung, anisotrope, bei weissen Ratten 1043.
— parenchymatöser Organe 1002, 1224, 1847.
Vergiftung, anaphylaktische und apotoxische 1798.
— Verhalten der centralen und peripheren
Ncrvensubstanz bei verschiedenen \ . 800.
— durch Rahmkuchen 1000.
Vergiftungserseheinungen, anaphy lax icälin liehe,
bei Meerschweinchen nach Einspritzung ge¬
rinn ungsheinrnender und gerinn imgsbeschleuni-
gender Substanzen in die Blutbahn 269.
Verkalkung, experimentelle, an gesunden 'liefen
460.
Verkürzungsreflexe 1848.
Verletzung, Bedeutung klinisch anscheinend
kleiner V. 666.
Veronalvergiftung 986, 1326.
Verruga peruviana 1047.
Verschreiben, Beziehungen des „VA zum „'Ver¬
sprechen 44 1083.
Verwundete, Vorstellung von V. 1S00.
Verwundungen durch indirekte Projektile 1805,
1956.
Vesico-Vaginalfistel, Ureterenverpflanzung wegen
V. 1148.
Vestibuläre Reaktionsbewegungen der Tiere, Ein¬
fluss der Kopfstcllung auf dies. 1945.
Vestibularis, V.-Reiz als Todesursache beim Baden
1534.
Vetternehe, Frage der „Concubitanz“ der V. 318.
Vibrationshalsreflex 1148.
Vibroinhalation, Behandlung tuberkulöser Lungen-
prozessc mittels V. 1733.
Vierhügelgegend, Tumor der V. 1247.
Vierlinge, Fall von viereiigen V. 1557.
Vinylaminnephritis, Histologie der V. 364.
Virilismus infolge Nebennierenaffektion 1441.
Virus, filtrierbares 1374.
Vitalfärbung mit sauren Farbstoffen 1770.
Vitamine, Klinische Bedeutung der V. 986.
— Ihre Bedeutung für die Physiologie und Patho¬
logie mit besonderer Berücksichtigung der
Avitaminosen (Bcribcri, Skorbut, Pellagra,
Rachitis) 840.
Vitiligo, hercdosyphilitischer 1441.
— bei einem Tukerkulösen 1490.
Vogelmalaria, Chemotherapeutische Versuche bei
V. 1886.
i Vokalklang, Hauptton der gesungenen oder laut
j gesprochenen V. 360.
j Volksernährung im Kriege 1750, 1825.
j — Der Staat und die V. 1876.
I Volksvcrmehrung, Sicherung der V. 1295, 1560.
Volumenometer, Praktisches V. 1797.
I Volvulus 1147.
i — Resektion eines 2 1 4 m langen Dünndarm-
i stiiekes bei V. bei einem jungen Mädchen
j 810.
; Vorderarmlähmung, Neue Knochenoperation bei
I V. 241.
j Vorderarintumor 1000.
! Vorderarmverlust, Arbeitsmöglichkeit mittels Pro¬
these bei V. 576.
Vorhof, Primäres Sarkom des rechten V. 1128.
Vorhofsllimmern 319.
— Eine klinisch wichtige Arhythmieform 669.
— Präsystolische Geräusche bei V. 1554.
— perpetuierlichcs, bei permanenter Kammer-
automatic 29.
Vorhofpuls, Registrierung des V. vom Oesophagus
aus 168.
Vorhoftaehysystolic 1097.
— Isolierte linksseitige V. 1426.
— und Pulsus irregularis perpetuus 1771.
Vorhofstätigkeit, verstärkte, bei geschwächtem
Herzen 758.
Vorträge aus dem Nachlass F. v. Winckcls 1079.
Vulva, Ulcus acutum der V. 712.
Vulvaaffektionen, Röntgenbestrahlung bei V. 1468.
Vulvacareinorn, Daucrrcsultate der Operation bei
V. 900.
— primäres 1086.
— und Strahlentherapie 1283.
Vulvovaginitis gonorrhoica 1441.
— — infantum, Behandlung der V. 1329.
W.
Wabenlunge. Angeborene Bronchiektasicn und
angel'orene W. 1632.
Wachstum, Beeinflussung des W. durch die Er¬
nährung 972, 1337.
— Einfluss der Diät auf das normale und bös¬
artige W. 266.
— Tabellen zum Vergleich des W. von Säug¬
lingen, die an Brust oder mit Flasche er¬
nährt wurden 1129.
— von Tieren jenseits der Säuglingspcriode bei
verschiedenartiger künstlicher Ernährung 897.
— auf vitaminhaltiger und vitaminfreier Nahrung
25.
Waehstumsstürungcn und ihre Beziehungen zur
inneren Sekretion 1563.
Wachträumen, konstitutionelles 30.
Wackeltremor infolge Blutung in die Gegend des
Einsenkerns 657.
WahnbildtiJig beim manisch-depressiven Irresein
182.
— religiöse, Psychopathologie der W. 320.
Walderholungsstätte „Eglisecholz 1147.
Walderziehungshcimc 1233.
Waldkrankheit, kalte der Chamorro 169.
Wandermilz, Ligatur der Artcria splemca bei Y\ .
Wanderniere, Operative Behandlung d. \Y. 222,
711. 914, 1429.
Wangenschleimhautcarcinom 334.
Wanzen und Schaben als Verbreiter des Lepra-
erregers 221. , „r
Wärmebilanz, Verschiedenes \ erhalten der VN.
bei dem durcli verschiedene Fiebererreger
hervorgerufenen Fieber 266.
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Original fram
UNIVERSITY OF IOWA
2034
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Wärmeregulation, Beziehungen der Hypophyse | Wirbelsäulenversteifung, Operative Versteifung der Zange, neue 83.
zur W. 1687. W. nach Albee 813. j — intrauterine, Neuwirth's 32.
— curarisierter Tiere 1525. I — Die sogenannte Versteifung der W. und die j Zangenentbindung, Fötale Orbitaverletzungen bei
— Lokalisation des der W. vorstehenden Central- | Bcchtcrew’scho und Strürapel -Marie'sche Z. 82. '
apparates im Zwischenhirn 1183. | Krankheit 990. j Zeichenkünstler, doppelhändiger 657.
— und Zuckerstichwirkung 1223. Wirbeltiere, Lehrbuch der vergleichenden mikro- i Zeigeversuch nach Bäräny 222, 227, 231.
Wärmestauung (Hitzekollaps) 194G. . skopischen Anatomie der W. 216. , Zelle, Chemie der Z. 444, 598, 69o!
Wasser, Bedeutung des W. für Konstitution und j — Phylogenic des W.-Darms 1489. 1 — eosinophile, Entstehung der Z. 410.
Ernährung 610. Wirbeltuberkulose s. Spondylitis tuberculosa. j — chromatophore, in der Nasenschleimhaut 172,
— Sterilisation von W. durch intraviolette Wismut im Bronchialbaum 1899. I 255. 1
Strahlen 1378.
— Desinfektion mit Chlorkalk 91.
— hartes, Geschmack des W. 762.
— Wasserbett, Anwendung dess. 1903.
Wasserfehler, Zur Lehre vom W. 304, 802.
— und Kochsaisfieber 26.
Wasscrfiltrierapparat 1849.
Wassermann’sche Reaktion, Bewertung ders. 1633.
Theorie und Praxis ders. 1674
durch Embarin und ; Wundinfektion
j 1849.
— — Beeinflussung ders.
Mcrlusan 1814.
— — Erhöhung der Genauigkeit und Empfind
lichkeit der W. 609, 941.
-im Liquor cerebrospinalis 1562.
— — bei Kindern der ärmeren Klasse 1375. i
— — Positive W\ beim Kind und negative bei ' getrockneter Luft 60S.
der Mutter 990. ! — Heilung granulierender W'. durch
Fortschritte der W. Zeller’sche Pastcnbehandlung, Beitrag zur Z. 1266.
' Zellbestandteilc, säurefeste 1391.
Zellfermente, Spezifische Wirkung der Z. 1526.
Zellfunktion, Untersuchungen über die Z. mit
Hilfe der vitalen Färbung 75.
Zellgewebsverhärtung 857.
Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit 137.
Zeugnisverweigerung, Frage der Z. der Aerzte
605.
Zinkmethan als Unterlage 1600.
Zirbeldrüse, Teratome ders. 1619.
Zittern 554.
durch den Bac. emph. Fraenkel | — Ucbcr das im Sitzen willkürlich auslösbare
| Z. eines Beines 985.
Demonstration von Knochenpräparaten mit j Zitterkranke, Demonstration von Z. 656.
| Bemerkungen zur Pathologie der W. 1694. i Zucker, Ursprung des Z. bei der Phloridzin-
I W T undinfektionskrankhciten 1693. I glykosurie 25.
Wiindflächc, Behandlung granulierender W r . mit 1 Zuckerabbau, Einwirkung bisher unbekannter
' Bestandteile des Pankreas auf den Z. 939.
Teilung i Zuckerart, Ausnutzung der verschiedenen Z. unter
Wissenschaft, medizinische,
722.
Wöchnerin, Bakteriologische Untersuchungen des j
Keimgehaltes im Genitalkanal der fiebernden
W r . 1631. !
W r ochenbettinfektion, Nachgeburtsblutung und W.
1486.
W ; ohnungcn, billige und gesunde 1187.
j Wolfsrachen, Sprachbehandlung bei W. 1147.
— — Eine durch W r attc bedingte Fehlerquelle 1 Wundbehandlung mit Aluminiumhydroxyd 1229.
bei der W\ 364. : — Sparsame und beschleunigte W. im Kriege
— — Holle der Aminosäuren bei der W. 854. j 1822.
— — mit besonderer Berücksichtigung ihrer spe- 1102. i pathologischen Bedingungen 1042.
zifischen Verwertbarkeit 407. ! Wundpulver, W'eisser Ton als W r . 10S8. J Zuckerbestimmung im Blut 555.
-Bedeutung der quantitativen W. für die Wurmfortsatz, Pinzette zur Einstülpung dess. i Zuckerbildung aus Fett 25.
Behandlung der Lucs 166. I 1948. — in der isolierten Leber 1525.
— — bei einer durch gangränösen Schanker ein- j Wurmfortsatzbilder, Kleine röntgenologische Vor-1— synthetische in der künstlich durchströmten
geleiteten Syphilis 846. richtung zur Erzeugung von W. 1517. j Leber 25.
— — Erfahrungen mit dem Sachs’schen Chole- I W T urminfektion im Kriege 560. ! — Steigerung de
sterinalkohol- und dem Lcsser’schen Aether-
extrakt bei der W r . 690.
— — bei Malaria 1280.
— — bei Tuberkulösen 1246.
-Regelmässigkeit und Intensität der W. 429.
-Verschärfung der W\ 316, 852.
— — Versuche über die W. 988.
W'asserprobc, Einfluss von Salz auf Bakterien¬
gehalt von W. 1430.
W r asserstoffionenkonzentration 1693.
— der Gewebssäfte 1649.
— im Ausgeheberten des Säuglingsmagens 1227.
Wasserstoffsuperoxydzcrsetzung, Hemmung der
W r . des kolloidalen Platins durch indifferente
Narcotica 986.
Wassersucht, angeborene 170, 1725, 1743.
W r assertiere, Stoffwechsel und Atmung der W r .
62L
W'asscr Versorgung der Städte 563.
Wehenmittel 847.
— Hypophysenextrakt als W. S99.
— Pituitrin als \V. 190.
— synthetische 32. ^ I
W r eib, Die Natur des W. 554.
Weichteil Verletzungen, Behandlung ausgedehnter ,
W. 1902.
Weigert- Pal-Präparate, Nachfärbung der \\\ 463.
Weitsichtigkeit. Entstehung der W\ und des Stars
1633.
W 7 urzelerkrankung im Bereich des 6. bis 8. Ccr-
vicalsegpieuts nach Angina 769,
Wüstenklima 1392, 1650.
Xanthom, Bedeutung des Cholesterin für die
X.-Bildung 561.
— generalisiertes 167.
— der Haut und Sehnen 991.
multiples, mit Icterus 1245.
der Z. in der Schildkrötenlebcr
als Folge der Pankreasexstirpation 1525.
Zuckergehalt, Klinische Probe zur Bestimmung
des Z. in Prozenten 1423.
1 Zuckerresorption und Blutzuckerspiegel 1900.
| Zuckerstich, Beziehungen des Z. zum Salzstich
i 1423.
| Zuckerstichwirkung und Wärmeregulation 1223.
1 — nach Nebennierenexstirpation 1223.
I Zuckerverband, Kohlen- und Z. 1084.
j Zuckerzerstörung, Einfluss der Reaktion des
I Mediums auf die Z. 569.
| Zuckungen, clonische, infolge Gehimtrauma 953.
1 Zunge, Cysticercus der Z. 994.
Xeroderma pigmentosum, Radiumbehandlung des ! Lymphocytäro Z.-Tumoren 1616.
X. 673.
Y.
Yaogtsefiebcr 126.
Yatren, Anwendung des Y. in der Urologie 613.
Yatrengaze, ein neuer Verbandstoff für die
Friedens- und Kriegschirurgie 710.
Y-Dysenterie bei Säuglingen 80.
Z.
Wiederkauen s. Rumination. * |
Wiener Brief 430. 723, 1491. i Zählkammer, Netzteilung für dies. 1946.
Wieting’schc Operation bei arteriosklerotischer i Zahnbehandlung der Mannschaften 1948.
Gangrän 1653.
Willensfreiheit 704.
Wimperbildung durch Einpflanzung lebender
Haare 993. _
Winterschlaf, Natur des W. 360, 1371, UOi.
Wirbellose, Bestimmung der Keimbahn bei W .
Wirbelmetastascn nach Hypernephrom 236.
Wirbelquerfortsatz, Isolierte Brüche der W.
Wirbelsäule, Ankylose der W. 576, 1045.
— Verletzungen der W. durch Unfall 1422.
Wirbelsäulenerkrankungen, Diagnostik der W\
Wirbelsäulcnverlctzung, Chirurgie der YV. 864.
Wirbelsäulenversteifung 1200.
— chronisch ankylosierende 1327.
. 321.
Zähne, Gewerbliche und berufliche Merkmale an
den Z. 1149. ,
— Okklusionsanomalien der Z. 119. j
— künstliche, Implantation von Z. 625.
— Reimplantation von Z. aus Kiefercysten 1049.
Zahnärzte im Felde 1774, 1876.
Zahnärztlich-stomatologische Chirurgie, Lehrbuch
und Atlas 1551.
Zahncaries, Einfluss des Trinkwassers auf die Z.
j bei Schulkindern 804.
Zahnentwicklung, Innere Sekretion in Beziehung
zu Kicferbildung und Z. 1223.
Zahnkrankheiten, chirurgische 119.
— Mann, der die Zunge in den Pharynx zurück-
stiilpen kann 1000.
Zungenbelag normaler und pathologischer 753.
Zungengrund, Cystische Geschwulst am Z. 330.
— Hypernephrom dess. 1626.
Zungenkrebs bei einer Frau 1002.
Zungenoperationen 994.
Zwangsvorstellungen und ihre psychische Thera-
I pie 844.
Zwerchfell, Entstehung der Ilernia diaphragma-
! tica und Dilatation des Z. 1795.
1 — Ueber Eventratio diaphragmatiea und sub-
[ phrenischcn Abscess 1474.
— Ueber Eventratio und Hernia diaphragmatiea
I 1528.
! Zwerchfellchirurgie 1394.
j Zwerchfellhernie, angeborene 1150.
I — bei Kindern 322.
i — rechtsseitige 333.
Zwerehfellhochstand, einseitiger 1100.
| Zwcrchfellkrampf, 720.
Zwerchsackhygrom s. Hygrom.
Zwergwuchs 623.
— bei Schwachsinn und Hirnkrankheiten 365.
Zwillinge, eineiige, Serologisches Verhalten eine>
Paares von Z. 1405, 1432.
— Das Längenwachstum der Z. 650.
— Nachempfängnis und Vererbungsfragen hei
Erzeugung rassedifferenter Z. 802.
■ — Ein Z. mit Myxödem, der andere gesund
1925.
1 Zwillingsschw'angcrschaften 651.
Zahnröntgenologische Diagnosen 1471. __ __ _I
Zahnschmerz, Sehr rasch und sicher wirkendes — lbrnTgendiagnose de'rz. 712. 998.
Mittel gegen Z. und Ohrenschmerzen 459. Zyklothymie, Schizothymie und Z. 16S0.
Verlag und Expedition in Berlin NW. 7, Unter den Linden GS. Druck von L. Schumacher in Berlin N. 4, Chausscestr. 42.
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